Schriften 13: Märchen; Dramatische Gedichte; Fragmente

By Ludwig Tieck

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Gedichte / Fragmente, by Ludwig Tieck

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Title: Schriften 13: Märchen / Dramatische Gedichte / Fragmente
       Die Heymonskinder / Melusine / Aus: König Rother / Der
       erste Akt des Donauweibes / Magelone. Prolog / Ein Prolog
       / Der Autor

Author: Ludwig Tieck

Release Date: January 4, 2016 [EBook #50845]

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SCHRIFTEN 13: MARCHEN ***




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                            Ludwig Tieck's
                              Schriften

                          Dreizehnter Band.




                               Märchen.
                        Dramatische Gedichte.
                              Fragmente.


                               Berlin,
                            bei G. Reimer,
                                1829.

                                 Dem
                           Herrn von Quandt
                             in Dresden.

Diese Gelegenheit ergreifend, Ihnen öffentlich zu sagen, wie sehr ich
Sie, verehrter Freund, hochachte und wie nahe ich mich Ihnen, durch
Ihren schönen und gebildeten Sinn für Kunst und Poesie, verbunden fühle,
füge ich den Wunsch hinzu, daß Ihr Leben durch hergestellte Gesundheit
ganz frisch und erneut für sich und Ihre Freunde alle Heiterkeit wieder
gewinnen möge. Zwar »litten Sie alles so, als wenn Sie gar nichts
litten« -- aber, so hoffen alle, es werden die Genien auch jene
Schmerzen und Leiden von Ihnen nehmen.

Ein ächter reiner Sinn, ein Enthusiasmus für unsern vaterländischen
Goethe, so wie für die Muster alter Skulptur, ein Verständniß des
Rafael, eine Liebe, die unbeschränkt sich alles Edle aneignen will, wird
nicht häufig gefunden: noch seltner mit so vielen Kenntnissen und dem
Eifer, der Kunst selbst fortzuhelfen, vereinigt. --

                                                             L. Tieck.




                               Inhalt.


                               Märchen.
                         _Die Heymonskinder._
                             _Melusine._

                        Dramatische Gedichte.
                            _Ein Prolog._
                  _Der Autor._ Ein Fastnachtsspiel.

                              Fragmente.
                         _Magelone_. Prolog.
           Aus dem alten Heldengedicht vom _König Rother_.
                   Der erste Akt des _Donauweibes_.




                            Die Geschichte
                               von den
                           Heymons Kindern,
                  in zwanzig altfränkischen Bildern.
                                1796.




                         Kurze Vorerinnerung.


                            Lieber Leser,

Ich weiß nicht, ob Dein Gemüth zuweilen so gestimmt ist, daß Du Dich
gern und willig in die Zeit Deiner Kindheit zurück versetzest, Dich
aller damaligen Eindrücke erinnerst, und ohne Bedauern vergissest, was
Du seitdem gelernt und erfahren hast. Es gewährt einen eignen
sonderbaren Genuß, Dein Jahrhundert und die Gegenstände um Dich her aus
dem Gedächtnisse zu verlieren. Du bist vielleicht irgend einmal krank
gewesen, geliebter Leser, oder hast Dich einige Stunden hindurch in
einer unvermutheten Einsamkeit befunden; von allen Zerstreuungen
verlassen, kann man dann zuweilen an alten wunderlichen Zeichnungen oder
Holzstichen ein Vergnügen finden und sich in ihnen verlieren; man
betrachtet dann wohl aufmerksam ein unzusammenhängendes und fast
unverständiges Bild, wo vorn eine Rathsversammlung im königlichen
Pallaste sitzt und man hinten das Meer mit Schiffen und Wolken, ohne
alle perspektivische Kunst, wahrnimmt. Möchtest Du doch, o mein Lieber,
ein solches und kein andres Vergnügen in gegenwärtigen altfränkischen
Bildern erwarten, die wir Dir jetzt vor die Augen führen wollen. -- Lebe
wohl! --




                             Erstes Bild.
                     Die Pracht des Königs Carl.


Um Pfingsten hielt König Carl, dem man den Zunamen des Großen beigelegt
hat, gewöhnlich in Paris ein großes Fest. Allda erschienen alle Herren,
Baronen und Fürsten, und goldne und silberne Geschirre standen auf den
Tafeln, und eine schöne Musik klang durch die Gemächer. Es war bei
diesem Feste alles versammelt, was man nur prächtiges sehn mochte.

Der König saß in allem seinem Schmuck, mit seiner glänzenden Krone am
Tische, um ihn her seine Freunde, die Ritterschaft und die Damen, junge
Edelleute warteten auf, damit es nirgends, weder an Speise noch an
Trank, fehlen möchte.

Bei diesem Feste war auch _Heymon_, Graf von Dordone, gegenwärtig, ein
angesehener und tapferer Rittersmann, der in allem Kriegswesen überaus
erfahren war, so daß auch jedermann Achtung vor ihm hatte. Mit ihm war
zugleich da sein Schwestersohn _Hugo_, ein Jüngling von schönem
Angesicht und langen goldgelben Haaren. Dieser näherte sich mit
freundlichem und ehrerbietigen Anstande dem Könige, und sagte ihm, daß
der Graf Heymon auch gegenwärtig sei; er erinnerte ihn, daß der Graf der
einzige wäre, der keine Wohltat von Seiner Majestät genossen hätte, er
möchte ihn wenigstens mit den Gütern wieder belehnen, die dem Grafen
gehörten, und die er ihm aus Ungnade entzogen hätte.

Ueber diese Anrede ward König Carl sehr ergrimmt; er antwortete: daß er
dem Grafen Heymon nie in etwas willfahren wolle. Hugo sagte hierauf sehr
ernsthaft, daß jedes redliche Gemüth das Betragen des Königs tadeln
müsse. Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, so sprang Carl auf, zog
sein Schwert und hieb den Jüngling nieder, daß er sogleich todt blieb.
Alles gerieth in die größte Verwirrung, Ritter und Edle sprangen auf,
die Tische fielen über den Haufen, die Musik verstummte, und die
Spielleute entflohen, kurz, aus der größten Freude entstand plötzlich
die größte Traurigkeit.




                            Zweites Bild.
               Krieg; endlich wird Friede geschlossen.


Der Graf Heymon verließ sogleich mit seinem Anhange die Stadt; er bot
alle seine Freunde auf und überfiel das Land, um den Tod seines Vetters
Hugo zu rächen. Da war groß Rauben und Morden allenthalben; da sah man
verwüstete Dörfer und geplünderte Klöster, die Leichen der Erschlagenen
lagen auf den Heerstraßen, denn Heymon war in gewaltiger Wuth entbrannt.
Carl stellte sich dem Feinde entgegen, aber sein Volk mußte immer der
Tapferkeit des Grafen weichen.

Carl versammelte seinen Rath und verbannte den Grafen im zornigem Muthe
aus seinem Lande, so daß er aller seiner Güter und Titel verlustig war
und gleich einem armen Flüchtlinge umherirrte. Dadurch wurden Heymon und
seine Freunde nur noch mehr aufgebracht, sie verbrannten und verheerten
das Land noch ärger als zuvor, sie raubten alles Gold und Silber das sie
fanden, und streuten allenthalben das Elend des Krieges aus. Malegys,
ein Vetter Heymons, that besonders großen Schaden, denn er war in der
schwarzen Kunst ein wohlerfahrner Mann. Dieser Krieg währte sieben
Jahre, und die Einwohner des Landes kamen endlich demüthig zum König
Carl und baten ihn, daß er mit dem furchtbaren Heymon einen Frieden
schließen möchte. Carl war anfangs über diese Vorstellung unwillig,
schickte aber doch Gesandten mit freundlichem Anerbieten an seinen
Feind, denn er sah selbst ein, daß ihm ein solcher Krieg sein Land
verderbe. Heymon, der jetzt im Vortheile war, wollte von keinem Frieden
hören, aber Carl schickte eine zweite Gesandtschaft, und ließ ihm sogar
seine Schwester Aya zur Gemahlin anbieten, wenn er sich versöhnen wolle.
Hierauf ging Heymon den Vertrag ein und der Friede ward geschlossen.




                            Drittes Bild.
               Carlmann soll zum Könige gekrönt werden.


Heymon führte nun seine Braut in die Kirche, wo sie eingesegnet wurden.
Roland begleitete sie dorthin. Das hochzeitliche Mahl sollte eingenommen
werden, und Heymon bat König Carl, bei ihm zu bleiben; dieser aber brach
schnell wieder auf, und zog nach Paris zurück. Heymon ward ergrimmt, und
zog nach seinem Schlosse, wo er mit seinen Freunden die Hochzeit in
vierzig Tagen und vierzig Nächten auf's prächtigste feierte. Heymon
hatte immer noch die abschlägliche Antwort des Königs im Sinne, und als
er mit seiner Gemahlin das Bette besteigen wollte, zog er sein Schwert
und schwur darauf, den Tod Hugo's an allen Nachkommen Carls zu rächen.
Seine Hausfrau Aya erschrak, denn sie sah die ernsten und zornigen
Geberden, und fürchtete sehr das Gemüth des Ritters.

Sie ward schwanger, und als sich die Zeit ihrer Entbindung nahte,
gedachte sie an Heymons Schwur. Er war grade auswärts in einen Krieg
verwickelt. Sie begab sich daher in ein Kloster und gebar einen Sohn,
den sie _Ritsart_ nannte, Bischof _Turpin_ und Graf _Roland_ waren die
Pathen: darnach ließ sie ihn heimlich erziehn.

Heymon kam zurück und seine Gemalin ward zum zweitenmale schwanger, sie
gebar einen zweiten Sohn, _Writsart_, als Graf Heymon wieder auswärts
war. Eben so geschah es noch einmal, und der Sohn ward _Adelhart_
genannt. Alle diese Kinder wurden heimlich Säugammen übergeben, und
nachher wurden sie in einem verborgenen Zimmer des Schlosses erzogen.

Graf Heymon zog von neuem in den Krieg gegen die Ungläubigen, und dieser
Krieg dauerte ganzer sieben Jahre. Nach dieser Zeit kam er wieder in
sein Vaterland zurück, und hatte sieben tiefe Wunden an seinem tapfern
Leibe und dennoch saß er geharnischt mit Helm und Schild zu Pferde, so,
als wenn ihm nichts zugestoßen wäre, aber sein Sinn war groß, denn er
hatte gesiegt, und brachte eine kostbare Reliquie, die Dornenkrone
unsers Heilandes, mit sich. Seine Hausfrau empfing ihn mit großer
Freude, beide gingen in das Schlafzimmer und sie gebar nach neun Monaten
wieder heimlich einen jungen Sohn, der _Reinold_ getauft wurde. Nun
hatte Graf Heymon vier Söhne, von denen er allen nichts wußte, denn
seine Gemahlin fürchtete immer noch, daß er sie diesem Eide gemäß
umbringen würde, wenn sie ihm die Sache entdeckte. König Carl hatte auch
einen Sohn, Namens _Carlmann_, dieser war mit Reinold von einem Alter
und von einer Größe, aber in seinem funfzehnten Jahre wuchs Reinold
dergestalt in die Höhe, daß er einen Fuß länger war, als Carlmann. Schon
damals war Reinold der größte und stärkste von seinen Brüdern.

König Carl war jetzt ein Greis geworden und gedachte seinem Sohne
Carlmann die Krone aufzusetzen. Er berief daher die Vornehmsten des
Reichs, sammt den zwölf Genossen von Frankreich und dem berühmten
Bischofe Turpin. Als alle versammelt waren und eine Stille ausgerufen
war, erhob sich König Carl und hielt eine Rede, wie er nun schon alt
sei, und das wahre Einsehn in das Reich nicht mehr besitze, er habe
daher alle gegenwärtige Herren versammelt, um seinen Sohn, der jung und
stark sei, zum König krönen zu lassen. Die Fürsten waren sich dieses
Antrags nicht vermuthet und wußten daher lange nicht, was sie antworten
sollten, bis endlich Turpin, der weise Bischof, aufstand und sagte: Mein
König, es fehlt in dieser Versammlung noch ein Mann, der zu dieser
Krönung unentbehrlich ist, denn er ist fast der tapferste Ritter im
ganzen Lande. -- Gewiß meint Ihr, antwortete Carl, den Grafen Heymon von
Dordone, der mir so großes Leidwesen zugefügt hat, mit Rauben, Brennen
und Plündern, aber ich muß es bekennen, er ist ein tapfrer Mann, so daß
er fast seines Gleichen nicht hat. Nun, ich will nach ihm schicken, wenn
Ihr meint, daß es so besser sei.

Die Krönung wurde hierauf noch vierzig Tage verschoben, und man
beschloß, den Grafen Roland mit einigen andern Herren abzusenden, mit
denen der Graf Heymon immer in Frieden und Freundschaft gelebt hatte;
denn König Carl traute seinem versöhnten Feinde immer noch nicht, auch
wußte er es wohl, wie übel es der Graf empfunden, daß er bei der Heirath
mit seiner Schwester sein Mahl verschmäht hatte. Er gab daher den
Abgesandten allerlei köstliche Geschenke mit, und einem jeden einen
Olivenzweig in seine Hand.

So näherten sie sich dem Schlosse Heymons, und Frau Aya gewahrte ihrer,
denn sie saß am Fenster; sie erkannte alle sogleich und war für das
Leben der Abgesandten besorgt, weil sie der Gemüthsart ihres Herrn wohl
wissend war. Als die Ritter daher in den Saal getreten waren, verfügte
sie sich auch dort hin, um zu sehen, wie es würde, sie hieß sie dort
willkommen, und brachte ihnen einen Becher mit Wein; dann sprach sie bei
ihrem Gemal für die Herren, die in der größten Ungewißheit da standen,
denn sie hatten schon einigemale ihr Begehren angebracht, aber Heymon
hatte auch nicht mit einem einzigen Laute geantwortet.

Da ihm nun jetzt seine eigene Gemahlin zuredete, so ging er ergrimmt im
Saale auf und ab, so, daß alle zitterten, dann schlug er sich mit der
Faust vor die Stirn, lehnte sich an einen Pfeiler des Gemachs und weinte
bitterlich. Da das die anwesenden Ritter an einem solchen Helden gewahr
wurden, so hätten sie beinahe mitgeweint, ohne zu wissen, was ihm sei,
so erschütternd war der Anblick; aber die Hausfrau, die eines solchen
Anblicks ungewohnt war, zerfloß in Thränen und warf sich zu seinen Füßen
nieder, und beschwur ihn, daß er doch Rede und Antwort geben möchte.

Steh auf, unglückselige Frau, sagte er so leutselig, wie sie ihn noch
nie hatte sprechen hören; wohl mag ich Dich, so wie mich selber
unglückselig nennen, denn ich habe graues Haar davon getragen, ohne
einen Sohn von mir zu sehn, dem ich meine Haabe hinterlassen könnte.
Keines Siegs, keines Ruhmes mag ich mich freuen, denn alles stirbt mit
mir weg, keiner aus meinem Geschlechte erwähnt dankbar meiner, und
Fremde theilen sich in meine Güter, in die Fahnen und Waffenrüstungen,
die ich so mühselig erbeutet habe, und nun soll ich hingehn und
Carlmann, den Erben Carls, krönen helfen, ich selbst ohne Erbe, ohne
Sohn. Ich weiß, er meints noch schlimmer mit mir, als der Vater; dürften
sie mit mir handeln, wie sie wollten, sie ließen mich nimmermehr am
Leben.

Heymon konnte vor Grimm und vor Thränen nicht weiter sprechen, aber
seiner Gemahlin ging das Herz vor Freude auf, sie wußte erst nicht, was
sie sprechen sollte, aber sie erinnerte ihn an den schrecklichen Eid,
den er in der Nacht nach der Hochzeit geschworen hatte; doch Heymon
sagte: o Frau, solche Eide zu halten, ist nichtswürdig, hätt' ich nur
einen Sohn, und es könnte ein Held aus ihm werden, so wollt' ich ihn so
lieben, wie Carl seinen Carlmann nimmer lieben kann. Nun entdeckte ihm
Aya ihren verborgenen Handel, darüber wurde Heymon froh und drückte den
angekommenen Rittern die Hand von Herzen; dann verließ er sie, um seine
Kinder zu besehen.

Er kam mit seiner Hausfrau vor das verschlossene Gemach, in dem sie
lebten, da stand er still, um ihr Gespräch mit anzuhören. Reinold tobte
drinnen, und schrie über den Speisemeister, daß er ihnen nicht genug zu
essen, und keinen guten Trunk bringe; Adelhart verwies seinem Bruder
diese Heftigkeit, und sagte ihm, daß er sich vor Heymon hüten müsse, der
ihn gewiß umbringen ließe, wenn er dem Speisemeister etwas zu Leide
thäte.

Was kümmert mich Heymon, der graue Hund! rief Reinold erboßt, wenn ich
ihn hier hätte, ich wollte ihn so mit Fäusten zusammenschlagen, daß er
liegen bleiben sollte!

Dieser ist gewiß und wahrhaftig mein Sohn, sagte Heymon, aber jetzt will
ich's probiren, ob es auch die andern sind. -- Ohne weiteres stieß er
also mit seinem Fuß an die verschlossene Thür, so daß sie zersprang.
Kaum aber stand er im Zimmer, so lief Reinold auf ihn zu und schrie: Was
hast Du, alter Graubart, hier zu schaffen? und mit diesen Worten warf er
ihn zu Boden. Die andern Brüder kamen auch herzugelaufen, und Heymon,
der sich nichts Gutes versahe, rief: o ihr jungen Helden, schlaget mich
nicht, denn ich bin Euer Vater, haltet Ruhe, und ich will Euch alle zu
Rittern machen. Als Reinold hörte, daß das sein Vater sei, hob er ihn
vom Boden auf und tröstete ihn über seinen harten Fall, darauf umarmte
der Vater seine Kinder nach der Reihe, mit besondrer Inbrunst aber
schloß er Reinold, den jüngsten, in seine Arme, so daß diesem die Nase
zu bluten anfing. -- Wärt Ihr nicht mein Vater: rief Reinold, seht, so
wollt' ich Euch dafür schlagen, daß Ihr solltet liegen bleiben. -- Aber
Heymon ward über dergleichen Reden noch mehr erfreut, und Frau Aya stand
draußen, und wußte nicht, ob sie lächeln oder weinen sollte.




                            Viertes Bild.
                           Das Roß Bayart.


Die Söhne mußten sich nun in dem Saal versammeln, wo sie ihr Vater zu
Rittern schlug, erst den Ritsart, dann Writsart, hierauf Adelhart, und
endlich Reinold. Als er zu diesem kam, hatte der sich die goldnen Sporen
schon angelegt, und das Schwert umgehängt, und so ging er stolz und
übermüthig einher. Der Vater schenkte ihm seine Schlösser Pirlapont und
Falkalon, weil er ihn für den würdigsten hielt.

Heymon ließ nun seinen Söhnen mehrere schöne Pferde vorführen, und das
schönste gab er dem Reinold; dieser sah es an, und da es ihm schwach
vorkam, schlug er es mit der Faust vor dem Kopf, daß es gleich todt
niederfiel: hierauf sagte er zu seinem Vater: das Roß ist viel zu
schlecht, mich zu tragen, gebt mir ein bessres. Seine Mutter sagte: auf
die Art mein Sohn, möchtest Du wohl alle Pferde zu todte schlagen, und
keins könnte Dir gerecht seyn. Aber Heymon ließ ein größeres und
stärkeres vorführen; dem that Reinold eben wie dem vorigen, man brachte
ein noch höheres, da sprang er hinauf, daß er dem Pferde den Rückgrad
zerbrach, so daß es bald nachher starb. Vater, sagte er betrübt, was
soll ich machen, wenn sich keins der Pferde für mich schicken will!
Heymon aber war über die ungemeine Stärke seines Sohnes sehr erfreut,
und sagte: mein Sohn, ich wüßte wohl noch ein anderes Pferd für Dich,
wenn Du es nur zähmen könntest, es ist in einem festen Thurm verwahrt,
mein Vetter Malegys hat es mir geschenkt, und heißt Roß Bayart; es ist
schwarz wie ein Rabe, und hat kein Haar und Mähne, und ist wohl stärker,
als zwanzig andre Pferde. -- Gebt mir das Pferd, rief Reinold, und ich
will es bezähmen.

Der Vater rieth ihm hierauf einen Harnisch anzulegen, dessen Reinold
sich erst schämte, da er es nur mit einem Pferde zu thun haben sollte;
wie er aber hörte, daß Bayart Steine wie Heu zerbeißen könne, panzerte
er sich doch und ging dann mit einem tüchtigen Prügel nach dem Thurme,
in dem Bayart stand. Viele Ritter und Frauen folgten ihm, um zu sehen,
wie er mit dem Roß handthieren würde.

Als er in den Thurm gekommen war, stellte er sich hin, um Bayart zu
betrachten, wie er es mit den übrigen Pferden gemacht hatte, aber Bayart
gab ihm einen solchen Schlag, daß er zu Boden fiel. Die Mutter weinte
und schrie: Ach, mein Sohn Reinold ist todt, Bayart hat ihn erschlagen,
nachdem er selbst drei andre Pferde erschlagen hat. -- Heymon trat auf
Reinold zu, und schüttelte ihn und sprach: Sei wohlgemuth, mein Sohn,
ich schenke Dir das Roß, wenn Du es bezwingst, denn ich gönne es keinem
lieber, als Dir. Nun, sagte Aya, wie soll er denn das Roß bezwingen, da
er todt ist? -- Schweig, Frau, antwortete Heymon, er ist mein Sohn, so
wird er gewiß wieder aufstehn. -- Indem ermunterte sich Reinold wieder,
und ging mit seinem Prügel auf Bayart loß, Bayart aber nahm ihn und warf
ihn vor sich in die Krippe. Es entstand hierauf ein gewaltiger Kampf
zwischen dem jungen Ritter und dem Rosse; endlich packte Reinold Bayart
beim Halse, und schwang sich auf ihn. Dann ließ er ihm die Sporen
fühlen, so daß Bayart mit gewaltigen Sprüngen zum Thurm hinausarbeitete,
und über das Feld hin und über breite Gräben setzte. Dann ritt Reinold
mit dem Pferde zurück, stieg ab, streichelte es und wischte ihm den
Schweiß ab, und Bayart stand und zitterte vor dem Ritter; so hatte
Reinold das Pferd bezwungen, und er legte ihm nun auch ein schönes Gebiß
an, und putzte es so auf, wie man mit andern Pferden zu thun pflegt.




                            Fünftes Bild.
                       Reinolds Händel am Hofe.


Heymon ritt nun mit seinen Söhnen und den Abgesandten nach Paris, und
König Carl kam ihm entgegen, und freute sich ihn zu sehen, denn es war
in zwanzig Jahren das erstemal, daß er ihn unbewaffnet sah. Carlmann
folgte ihm sehr ungern, denn er hatte einen Haß auf Heymon und sein
ganzes Geschlecht. Nach einem freundlichen Empfange ritten alle nach
Paris zurück. Die Ritterschaft und alle Damen bewunderten Reinolds
Schönheit und Stärke, worüber Carlmann sehr ergrimmt ward, weil er sich
für den schönsten und tapfersten Ritter im Lande hielt. Er ging zu
Reinold, und sagte zu ihm: Vetter, schenket mir Euer Pferd, so will ich
Euch eine andre Gabe dagegen verehren. Reinold antwortete: Es thut mir
leid, daß ich Ew. Majestät für jetzt diese Bitte abschlagen muß, denn
ich finde sonst kein ander Pferd, das für mich stark genug wäre.
Carlmann ging zornig beiseit und sagte: Nun wohl, soll er auch, wenn ich
gekrönt bin, kein Lehn empfangen, so wie die übrigen. Da Reinold dies
hörte, ging er wieder zu ihm und sagte: Ich danke Gott, daß mir mein
Vater so viel gegeben hat, daß ich Eurer Lehne nicht bedarf.

Als die Tafel gehalten ward, befahl Carlmann, daß man den Heymons
Kindern nichts zu essen geben sollte. Alle Ritter und Edle setzten sich,
da erscholl Musik, und einem jeden ward aufgetragen, so viel nur sein
Herz begehrte; nur die Kinder Heymons erhielten nichts, und man that,
als wären sie gar nicht zugegen. Als Reinold dieses inne wurde, ging er
hinaus, stieß mit einem Fuß die Thür der Küche auf, und nahm von den
dastehenden Schüsseln so viel als ihm beliebte. Der Koch wollte ihm die
Schüsseln nicht verabfolgen lassen, aber Reinold schlug ihn sogleich,
daß er zur Erden fiel. Nun hatte er mit seinen Brüdern genug; und König
Carl, der den Vorfall hörte, sagte: er hat Recht gethan. Der Marschall
näherte sich Reinold und sagte: Junger Herr, Ihr habt groß Unrecht
gethan, den Koch zu erschlagen, wenn ich einer seiner Verwandten wäre,
so würde ich das schwer an Euch rächen. Dazu habt Ihr keinen Muth, sagte
Reinold, und der Marschall ward über diese Antwort erzürnt, und schlug
nach Reinold; aber dieser schlug ihn mit der Faust sogleich zu Boden,
und stieß den Leichnam mit dem Fuß, daß er weit in den Saal
hineinrollte. König Carl gebot Ruhe, und daß die Kurzweil und die Musik
ungestört fortwähren solle; worauf denn alle guter Dinge waren, und so
der Tag zu Ende ging.

Carlmann gebot, daß man in der Nacht den Heymons Kindern kein Bette
anweisen sollte, so daß sie in Ruhe schlafen könnten. Als dies Reinold
inne ward, machte er in der Nacht ein solches Getöse mit seinen Waffen,
daß alles im Schlosse aus den Betten fuhr, und bekümmert war und durch
einander lief. Nun legte sich Reinold mit seinen Brüdern in die Betten,
die ihnen am besten gefielen, und diejenigen, die so vertrieben waren,
brachten die Nacht unter Klagen und Murren hin.

Am folgenden Tage ward Carlmann in der Kirche feierlich zum Könige von
Frankreich gekrönt. Ein schöne Musik ward aufgeführt, und der
ritterliche Bischof Turpin las die Messe, und dem jungen Könige ward ein
kostbares Schwert umgegürtet, und eine überaus köstliche Krone auf das
Haupt gesetzt.

Reinold war vom König Carl zum Speisemeister ernannt, Adelhart zum
Mundschenken, und sie versahen ihre Dienste sehr wohl, als der Zug zum
Pallaste zurückgekommen war; auch Ritsart und Writsart warteten überaus
geschickt bei der Tafel auf, so, daß jedermann die adeligen Sitten
bewunderte. Nach der Mahlzeit versammelte König Carlmann alle Edlen im
Garten, und theilte die Lehen aus, aber den Heymons Kindern gab er
nichts, worüber Heymon ergrimmt zu König Carl lief, und ihm diesen
Vorfall kund that. Carl schalt in Gedanken die Unart seines Sohnes, und
gab allen drei Brüdern sehr ansehnliche Grafschaften zur Lehen, worüber
Carlmann, als er es erfuhr, äußerst erboßt ward. Er sagte: ich will
jetzt probiren an einem Steinwurfe, ob die Edeln meines Landes auch
stark und gewaltig sind; ich vermesse mich, der stärkste im Werfen im
ganzen Königreich zu sein. -- Alle Ritter und Edle schwiegen still, und
Carlmann wiederholte die stolzen Worte noch einmal. Der alte Heymon
konnte diese Vermessenheit nicht anhören, und sagte: Ew. Majestät
sollten Gott im Stillen für seine große Gnade danken, wenn dem also ist,
aber ich kenne einen jungen Helden von zwanzig Jahren, der diesen Stein
wohl weiter werfen könnte, wenn er nur wollte, als Ihr es je im Stande
seid. -- Holt nur Euren Sohn Reinold! rief Carlmann ergrimmt, damit Ihr
selbst gewahr werdet, wie Ihr mit Euren prahlerischen Reden zu Schanden
werden sollt. Da ging Heymon abseits seinen Sohn Reinold aufzusuchen,
und weinte bitterlich, denn die Rede Carlmanns hatte ihn gar zu sehr
innerlich verdrossen. Reinold sah seinen Vater auf sich zu kommen, und
verwunderte sich über die Thränen, die diesem von den Wangen
herunterliefen. Heymon erzählte ihm den Vorfall, und bat seinen Sohn,
den Stein doch ja weiter zu werfen, weil er sonst als ein Lügner
bestehen müsse, welches ihm in seinem ganzen Leben noch nicht begegnet
sei. Reinold wandte ein, daß Carlmann sein König sei, und daß er ihn
nicht erzürnen wolle; worauf Heymon sagte: nun gut, mein Sohn, wenn Du
Deinen alten Vater umsonst hast weinen lassen, so muß ich sterben, denn
ich kann als Lügner nicht weiter leben. Darauf rief Reinold aus: Nein,
sterben sollt Ihr nicht, ich will den Stein weiter werfen, und wenn
gleich mein Gegner der Teufel wäre. So folgte er seinem Vater zur
Gesellschaft.

Carlmann warf den Stein weit weg, die übrigen Ritter warfen auch, aber
keiner erreichte Carlmanns Ziel. Reinold nahm ihn und warf ihn viel
weiter, als der König gethan hatte. Darauf nahm Carlmann seine ganze
Gewalt zusammen, und warf den Stein noch weiter als Reinold, Reinold
aber ergriff ihn wieder, und warf ihn mit großer Leichtigkeit so weit
über das Ziel hinaus, daß Carlmann den Muth verlor.

Da der junge König sehr erboßt war, so versuchte es der falsche Ganelon,
ihn zu trösten. Er schlug ihm vor, dem Adelhart auf den Kopf zuzusagen,
daß er sich ermessen habe, ihn im Schachspiel zu überwinden, er sollte
also mit ihm spielen und dabei ausmachen, daß derjenige, der fünf Spiele
hinter einander gewönne, dem andern das Haupt abschlagen dürfe. Dem
Könige gefiel dieser falsche Rath, und er ließ Adelhart kommen; dieser
weigerte sich lange, um einen so hohen Preis zu spielen, aber Carlmann
zwang ihn dazu, und Ganelon bezeugte, daß er sich vermessen habe, den
König im Schachspiel zu besiegen. Carlmann gewann drei Spiele
hintereinander, und Adelhart war seines Lebens wegen sehr besorgt. Aber
er nahm allen seinen Verstand zusammen und gewann das folgende Spiel und
eben so noch vier andre, womit er eigentlich das Haupt des jungen Königs
gewonnen hatte. Er neigte sich gegen Carlmann, und sagte: Ich begehre
nicht den Vertrag zu erfüllen, aber hüte sich Ew. Majestät vor
Demjenigen, der Euch diesen Rath gegeben hat, denn er meint es wahrlich
nicht gut mit Euch. Carlmann aber ergriff das silberne Spielbrett, und
schlug damit Adelhart ins Angesicht, daß er blutete. Adelhart ging
traurig fort in den Stall, lehnte seinen Kopf an Bayart und weinte; dort
traf ihn Reinold und fragte ihn, was ihm fehle; er wollte es anfangs
verschweigen, weil er den Grimm seines Bruders fürchtete, da ihn aber
Reinold selber zu ermorden drohte, wenn er ihm die Wahrheit nicht
gestünde, so erzählte er ihm aus Furcht den ganzen Verlauf des
gefährlichen Spiels. Da ward Reinold sehr zornig, und sagte: Wie? darf
man einem Bruder von mir so begegnen? Kann ich es leiden, daß ich so das
brüderliche theure Blut zu Boden fließen sehe? Du hast sein Haupt
gewonnen, und ich will es Dir bringen.

Er ließ hierauf Bayart nebst den andern Pferden heimlich aus der Stadt
schaffen, dann ging er in Carlmanns Zimmer, bei dem sich Carl und viele
Edle befanden; mit grimmigem Gesicht packte er den jungen König bei den
Haaren und schlug ihm sein Haupt mit dem Schwerte ab; worauf er es
seinem Bruder Adelhart gab und sagte: Hier hast Du Deinen Gewinnst!

Dann verließen die Brüder mit ihrem Vater die Stadt Paris.




                            Sechstes Bild.
                    Die Brüder in der Verbannung.


König Carl war von Schmerz und Erstaunen ganz bewußtlos, er versammelte
schnell seine Ritter, und eilte den Flüchtigen nach. Vor dem Thore
begann ein hitziges Gefecht. Heymon hielt sich mit seinen Söhnen sehr
tapfer, doch wurden allen die Pferde unter dem Leibe umgebracht. Da
sprangen die drei Brüder hinter Reinold auf sein Pferd Bayart, das sie
alle viere so schnell davon trug, daß keiner sie ereilen konnte. Aber
Heymon blieb zurück, und stritt noch lange zu Fuß, und gebrauchte sich
ungemein tapfer. Aber endlich konnte er der Macht nicht länger
widerstehn, und gab sich ritterlich gefangen in die Hände des Bischofs
Turpin, weil er dem Könige Carl nicht allerdings traute und eine schwere
Rache von ihm besorgte.

Als Carl daher den Gefangenen wollte hängen lassen, widersetzte sich
Turpin und die übrige Ritterschaft, so daß Heymon nur schwören mußte,
seine Söhne in die Gefangenschaft zu überliefern, so bald als es ihm
möglich wäre.

Reinold kam mit seinen Brüdern auf seinem Schlosse an, sie nahmen
zärtlichen Abschied von ihrer Mutter, und beluden sich mit vielen
Kostbarkeiten und so entflohen sie nach Spanien; ihr Vater war ein
Freund des Königs, und hatte ihm lange gedient, sie hofften daher dort
eine gute Aufnahme zu finden.

Der König sah sie in der Ferne kommen, und erkannte sie sogleich an
ihrem Familienwappen; er wunderte sich darüber, daß ihrer viere auf
einem Pferde ritten, und beschloß, sie sogleich in seine Dienste zu
nehmen, weil er sich erinnerte, wie treu und tapfer ihm ihr Vater Heymon
ehemals gedient hatte. Er nahm sie daher sehr gnädig auf, versprach
ihnen Sold und Unterhalt; sie freueten sich, und gaben ihm dafür ihren
Schatz in Verwahrung, den sie mit sich gebracht hatten.

So lange sie am Hofe etwas Neues waren, wurden sie gut gehalten, aber
bald wurde man ihrer und ihres treuen Dienstes überdrüssig, dazu warf
man ihnen auch immer vor, daß sie ihren Vetter Carlmann erschlagen
hätten, und deshalb Landes flüchtig wären.

Reinold war im Herzen ergrimmt, daß man ihrer mit jedem Tage weniger
achtete; nach drei Jahren gab man ihnen gar keinen Sold, noch Kleider,
noch Unterhalt. Reinold schickte einen Knappen Wendelin an den König,
und ließ sich wenigstens seinen Schatz ausbitten, um weiter ziehen zu
können; aber der König ließ den Abgesandten mit Schlägen zum Pallast
hinauswerfen, und Reinold bekam diese üble Botschaft. Er ließ daher sein
Roß Bayart satteln, und vor die Stadt führen, nahm seinen Bruder
Adelhart mit sich, und ging so in den Pallast des Königs.

Der König saß gerade bei der Tafel, Reinold verbeugte sich demüthig, und
begehrte in höflichen Ausdrücken seinen Schatz, um sein Glück in einer
andern Gegend versuchen zu können, aber der König schwieg
tückischerweise still, und gab keine Antwort. Reinold wiederholte sein
Gesuch in denselben Ausdrücken, aber der König schlug die Augen nieder,
und that, als vernähme er kein Wort. Hierauf zog Reinold sein Schwert
und sagte: Ich sehe wohl, daß bei Ew. Majestät keine Güte hilft, ich muß
daher mit Ew. Majestät auf eine andere Weise sprechen, ich will Euch das
Haupt abschlagen, wie ich meinem Vetter Carlmann gethan habe, und
solches als einen Schatz mit mir nehmen. Da der König das Schwert sah,
fing er an um Gnade zu bitten, aber es war zu spät, Reinold schlug ihm
das Haupt ab, und gab es seinem Bruder Adelhart, es an den Sattel zu
hängen, und es als einen Schatz mitzunehmen.

Es entstand ein großer Aufruhr in der Stadt und Reinold hatte genug zu
thun, um sich und seine Brüder zu schützen. Von ihrem Rosse Bayart
schlugen sie manchen Mann zu todt, und verwundeten manchen, aber sie
alle wurden ebenfalls verwundet. Doch hielten sie sich so tapfer, daß
sie endlich davon kamen, und nun überlegten sie, was sie zu thun hätten.
Der Entschluß fiel endlich dahin aus, daß sie nach Tarragon zum Könige
Ivo gehen wollten; der ein abgesagter Feind des Königs in Spanien war;
ihm wollten sie das abgeschlagene Haupt präsentiren, und er würde sie
denn wahrscheinlich gütig und freundschaftlich aufnehmen.

Da sie nun in Sicherheit, und schon auf seinem Gebiete waren, da stiegen
sie vom Pferde, und verbanden einer dem andern die Wunden. Dann legten
sie sich nieder und schliefen, weil alle nach so hartem Drangsal der
Ruhe sehr benöthigt waren.




                           Siebentes Bild.
                        Reinold vermält sich.


Als die Brüder ausgeschlafen hatten, gingen sie an den Hof des Königs
Ivo, und Reinold trug auf seinem Speere das Haupt des Königs mit der
Krone. Der König Ivo verwunderte sich über die Maaßen, als er diese
Herren alle auf einem Pferde ankommen sah, er rief seine Räthe an's
Fenster, und alle erstaunten gleich sehr über diesen Anblick.

Reinold und seine Brüder warfen sich vor dem Könige nieder, und gaben
sich zu erkennen, dann verehrten sie ihm das Haupt seines Feindes,
welches er mit großer Freude annahm. Es wurde ihnen ein köstliches Mahl
zubereitet, hernach gab man ihnen schöne Kleider und wies ihnen ihre
Wohnungen an. Bald hernach fiel Ivo mit seinem Heere in Spanien ein, und
Reinold und seine Brüder begleiteten ihn auf diesem Zuge. Das Heer war
siegreich, besonders durch die Hülfe der Heymons Kinder, und so zogen
sie endlich wieder nach Hause.

König Carl hatte in Erfahrung gebracht, daß sich Reinold mit seinen
Brüdern beim Könige Ivo aufhielte, er schickte also heimlich eine
Gesandtschaft dahin, um die Auslieferung dieser Ritter zu begehren. Ivo
wollte sich nicht gern gegen König Carl auflehnen, weil er dessen Macht
fürchtete, aber auch nicht gern für undankbar angesehen werden, weil er
durch die Hülfe der Heymons Kinder so siegreich gewesen war; er berief
daher seinen Rath zusammen, damit dieser entscheiden sollte, wie er sich
in einer so bedrängten Lage zu betragen habe. Die meisten der
Rathsherren waren den Heymons Kindern ihres tapfern Betragens wegen sehr
gewogen, nur einige waren ihnen entgegen, und da einer von diesen
vorschlug, daß man sie ausliefern möchte, schlug ihn ein anderer von den
Räthen zu Boden, weil es ein unedler Antrag sei.

Reinold erschien nun selber in der Rathsversammlung, er ließ sich vor
dem Könige auf ein Knie nieder, und begehrte von ihm die hohe einsame
Steinklippe im Meere, um sich dort eine Wohnung zu bauen, und sicher zu
seyn. König Ivo bedachte sich eine Weile, und sein Rath unterstützte
Reinold's Gesuch, aber einer war dagegen, und bestand darauf, daß man
die Brüder zum Besten des Landes ausliefern solle, aber ein anderer
redlicher Rath schlug ihn ebenfalls zu Boden. König Ivo sagte endlich:
Lieben Herren, lasset mir das, ich will dem tapfern Reinold die
Steinklippe geben, wenn er mir verspricht mein ehrlicher Vasall zu sein,
und mich in Kriegen und Ueberfällen zu beschirmen, dazu will ich ihm
gleichfalls meine Tochter Clarissa zum ehelichen Gemal geben, wenn er
mir solches verspricht. Reinold versprach es, und die Hochzeit ward in
Kurzem auf das prächtigste gefeiert.




                             Achtes Bild.
                   Die feste Steinklippe Montalban.


Bald nach der Hochzeit versammelte Reinold eine Menge von Maurern und
Zimmerleuten, und gründete so eine Festung, die bald aufgebaut war und
die er Montalban nannte. König Ivo kam und besah die Festung, er
verwunderte sich über den Bau und über die Unüberwindlichkeit der
Steinklippe, denn sie lag im Meer, und der steile Fels war schwer zu
erklettern. Da oben hauste nun Reinold mit seinem Gemal und seinen
Brüdern, und er hatte viele Unterthanen und auch ein ansehnliches Stück
Land vom Könige bekommen. König Carl wollte eine Reise nach St. Jago
machen, da fuhr er an dieser Klippe vorüber, und verwunderte sich über
ihre Festigkeit. Da er hörte, daß das Schloß Montalban heiße und Reinold
angehöre, ward er ergrimmt, und ließ es durch Roland auffordern, und daß
sich Reinold mit seinen Brüdern auf Gnade und Ungnade ergeben sollte.
Reinold aber verließ sich auf die Festigkeit seines Schlosses, und ließ
zurücksagen, daß er sich nichts um König Carl kümmere, und daß er ihn
belagern möchte, wenn er wollte. Das verdroß Carln inniglich; er war
daher kaum von seiner Wallfahrt zurückgekommen, als er eine Menge Volks
versammelte, und damit Reinold in seinem Castell belagerte; aber es war
zu fest, und er mußte unverrichteter Sache wieder abziehn.




                            Neuntes Bild.
              Reinolds Brüder kommen in Gefangenschaft.


Als eines Tages Reinold mit seinen Brüdern zu Tische saß, ward er
plötzlich traurig und ließ den Kopf sinken, so daß sich alle über ihn
wunderten. Adelhart fragte ihn, was ihm fehle, und Reinold antwortete:
Lieben Brüder, ich muß mich gar sehr über Euch wundern, daß keiner von
Euch an unsre vielgeliebte Mutter denkt. Ich habe sie nun in sieben
Jahren nicht gesehn, und weiß nicht, wie es ihr geht, wie sie aussieht,
ob sie in der Zeit nicht schon zum öftern krank gewesen ist. Sie denkt
vielleicht oft an uns, und ich muß Euch sagen, ich habe keine Ruhe, bis
ich gen Pirlapont gereiset bin, und sie wieder mit Augen gesehn habe.

Die Brüder erschraken, und suchten ihm diesen Vorsatz auszureden, weil
eine solche Reise thöricht und gefährlich wäre: denn Aya und Heymon
hatten schwören müssen, die Kinder gefänglich auszuliefern, wenn sie sie
je in die Hände bekämen.

Was ist das Leben, rief Reinold, wenn wir unsre liebsten Wünsche nicht
erfüllen sollen? Und ich sage Euch, daß ich doch sterbe, wenn ich meine
Mutter nicht zu sehn bekomme, ich mag nun hinziehn, oder nicht.

Da wurden die Brüder traurig, weil sie sahen, daß er seinen Sinn fest
darauf gesetzt hatte, und daß kein Ausreden etwas fruchten würde. Sie
gingen daher fort, und im nächsten Walde begegneten ihnen vier
Pilgrimme, in der Pilgerkleidung und mit Palmzweigen in den Händen. Mit
diesen verwechselten die Ritter die Kleider und kamen so an die Thore
von Pirlapont. Aber die Thore waren verschlossen, und als sie deshalb
anklopften, fragte der Thorhüter von den Zinnen der Burg, wer da sei?
Wir sind vier Pilgrimme, antwortete Reinold, wir sind viele merkwürdige
Städte durchwandert, und kommen nun hieher, und haben großen Hunger und
Durst; bitten deshalb, Ihr wollet uns einlassen.

Hier ist viel Jammer im Hause, antwortete der Thorhüter, weil wir
gestern die Zeitung bekommen haben, daß die vier Söhne Heymons in
gefänglicher Haft von König Carl gekommen sind.

Ich bitte Euch um dieser vier Herren willen, antwortete Reinold, daß Ihr
uns einlassen wollet.

Der Thorhüter sprach: Wenn Ihr nicht einen so langen Bart trüget, möchte
ich Euch fast selber für den stolzen Reinold ansehn; und somit stieg er
hinunter und öffnete ihnen das Thor.

Sie gingen zu ihrer Mutter als Pilgrimme, und baten um eine Mahlzeit,
weil sie eine weite Reise gemacht hätten. Sie saßen nun zu Tische, und
Reinold betrachtete seine Mutter sehr genau, endlich bat er sie, ihm
auch einen Trunk Wein zu geben, weil er lange keinen guten Wein
getrunken habe. Die Mutter holte ihm selber eine Kanne mit Wein aus dem
Keller, und schenkte ihm ein. Reinolds Herz ward fröhlich, da er seine
Mutter selber ihm einschenken sah, und trank über die Maaßen, so daß er
ordentlicher weise betrunken ward. Er taumelte umher und begehrte einen
Becher nach dem andern, so daß sich Frau Aya über den lustigen Pilgrim
verwundern mußte. Er ließ sich immer noch mehr Wein einschenken, so daß
sich wohl ihrer vier davon hätten satt trinken mögen, dann taumelte er
umher, und sagte zu seiner Mutter: Nun gebt mir noch einen Becher und
ich will meinem Vetter Carl nichts achten. Adelhart erschrak, als er
diese Worte hörte, er wollte seinen Bruder anstoßen, um ihn zu warnen,
aber Reinold, der trunken war, fiel gleich der Länge nach in den Saal
hin. Die Mutter warf sich auf ihn nieder, und umhalsete ihn, und wollte
vor Freuden gar nicht wieder von ihm lassen, so daß sie Adelhart endlich
vom Boden aufheben mußte; dann umarmte sie auch die übrigen Söhne.

Es war aber einer im Saal zugegen, der dem Könige Carl sehr günstig war,
er ging daher zu Frau Aya und sagte: Gedenket Eures Eides, und liefert
nun Eure Kinder Eurem Bruder aus, der auf Euch ergrimmt ist; wo es aber
nicht geschieht, will ich selbst nach Hofe reiten, und anzeigen, daß sie
sich hier befinden. -- Als Aya diese Worte hörte, fing sie bitterlich an
zu weinen, und klagte: O du arger und gottloser Verräther, hast Du so
lange mein Brodt gegessen, und darfst nun dergleichen Reden gegen mich
führen? Und wenn mein Bruder auch noch viel ergrimmter wäre, so will ich
ihm dennoch meine Kinder nicht ausliefern.

Der Verräther lief hierauf zum Grafen Heymon, und gebrauchte gegen ihn
dieselben Worte, aber Heymon erwischte von ungefähr einen tüchtigen
Prügel, und schlug damit den Verräther zu Boden, und sagte: Nun darf ich
doch versichert seyn, daß Du es nicht bei Hofe anzeigen wirst. Dann ging
Graf Heymon zu seinen Edlen und versammelte sie und viel Volks, daß sie
ihm seine Kinder sollten fangen helfen, damit er sie seinem Eide gemäß
ausliefern könne.

Die Brüder sahen die Macht auf sich zukommen, und waren in großen
Aengsten, sie wußten sich nicht zu rathen, aber endlich trugen sie den
trunknen und schlafenden Reinold in ein Gemach, wo sie ihn verschlossen,
dann nahmen sie ihre Waffen zur Hand, und widersetzten sich dem Volke
des Grafen, das eindrang, um sie gefangen zu nehmen. Der Streit dauerte
länger als einen Tag, denn die Brüder gebrauchten sich sehr tapfer, und
schlugen viel Volks darnieder.

Reinold erwachte nun wieder und war nüchtern, er sah die Bedrängniß
seiner Brüder, und eilte sogleich hinzu, um ihnen beizustehn. Er sprang
sogleich in das Volk hinein, wo es am dicksten stand, und vor seinem
guten Schwerte stürzte alles nieder und entfloh; worauf Heymon sagte:
Ich sehe wohl, daß meine Kinder diesmal werden ungefangen bleiben, denn
Reinold hält sich besser, als alle zusammen. Reinold kam in Wuth und
drang auf seinen Vater ein, um ihn niederzuhauen; als Adelhart das
gewahr ward, eilte er auf ihn zu und hielt ihn zurück. Laß mich nur,
rief Reinold aus, ich will ihn lehren seine Kinder fangen. -- Aber
Adelhart sagte: Bedenke, Bruder, daß man dann bis in die spätesten
Zeiten von uns, als von Bösewichtern sprechen wird, daß kein edles
Gemüth mit uns wird Gemeinschaft pflegen wollen; nein, es ist
schändlich, lieber Bruder, und gegen die Religion, warum willst Du den
Vater tödten? Es ist ja sonst noch Volks genug da, das Du umbringen
kannst.

Reinold sah die Worte seines Bruders ein, und ließ von seinem Vorhaben
ab, aber er wüthete desto ärger gegen die Uebrigen, so daß alles umkam
oder flohe, und sich ihm sein Vater gefangen geben mußte. Reinold nahm
nunmehr seinen Vater und band ihn rücklings auf sein Pferd, dann gab er
den Zügel einem Knaben in die Hand, der es so an den Hof des Königs Carl
führen mußte. Der Thorhüter am königlichen Pallaste verwunderte sich
sehr, als er den Grafen so ankommen sah; er fragte erstaunt: Wer ist so
kühn, Herr Graf, daß er es wagen darf, Euch als ein Präsent an den Hof
zu schicken? Ach, das haben mir meine Kinder gethan, antwortete Heymon,
darum, daß ich sie habe fangen wollen.

König Carl ward ungemein betrübt, als er diese Nachricht empfing, er
brachte schnell eine Macht zusammen, um die Brüder zu belagern und sie
in seine Gewalt zu bekommen.

Reinold sah, wie sich die Schaaren versammelten, und ward in seinem
Gemüthe sehr betrübt. Er stand auf der Zinne der Burg und sah wie das
feindliche Heer seine Gezelte aufschlug, um ihn und seine Brüder zu
belagern. Er ging zu seiner Mutter und fragte sie, ob sie keinen Rath
wüßte, denn nun wäre an kein Entrinnen mehr zu denken, er müßte sich dem
König gefangen geben. Frau Aya weinte, da sie ihren tapfern Sohn so
reden hörte, er war der jüngste und ihr der liebste, und sie gedachte,
daß er noch am ersten seine Brüder retten könne, wenn sie ihm zur Flucht
behülflich wäre. Sie ließ ihn daher sein Pilgerkleid wieder anziehn,
dann schaffte sie ihn heimlich zu einer verborgenen Thür hinaus, und so
entkam Reinold.

Die übrigen Brüder aber waren in der größten Betrübniß, denn sie
fürchteten sich sehr vor König Carl, besonders da sie jetzt ihren Bruder
Reinold nicht mehr bei sich hatten. Die Mutter schlug ihnen vor,
barfüßig und in wollenen Hemden in das Lager des Königs zu gehn, und
fußfällig um Verzeihung zu bitten; sie folgten ihrem Rathe, und stellten
sich vor dem König Carl, ihren Feind. Carl war sehr ergrimmt, und fragte
gleich nach Reinold; sie sagten daß er entwischt sei, worüber der König
noch mehr aufgebracht wurde, und schwur, sie alle hängen zu lassen, wenn
der Reinold erst zur Gesellschaft hinzugekommen wäre.

Reinold war indessen auf Montalban angelangt, und voller schwermüthigen
Gedanken. Er warf sich vor, daß er an der Reise seiner Brüder Schuld
sei, und sie jetzt feigherzigerweise verlassen habe. Er bestieg sein Roß
Bayart und beschloß sie zu erretten. So ritt er mit diesem Gedanken bis
vor die Stadt Paris, wo er im Wald stille hielt, und bemerkte, daß ihm
ein Jüngling nachgekommen sei, der in seinen Diensten war. Bist Du
nachgekommen, mich zu verrathen? rief Reinold. Wie sollt ich, antwortete
der Jüngling, zu einer so schändlichen Absicht einen so weiten Weg
zurückgelegt haben? Nein, ich bin Euer Diener und Ihr könnt meiner
vielleicht gebrauchen.

Gut, sagte Reinold, so sollst Du ein Abgesandter von mir an König Carl
sein, doch sieh Dich ja gut vor, daß Du Dir einen guten Bürgen setzen
lässest, denn Du sollst ihm harte Worte überbringen. Sage ihm von
meinetwegen, daß ich es weiß, daß meine Brüder in seiner Haft sind, aber
er solle sich wohl vorsehen, ihnen einiges Leid zuzufügen. Wir sind alle
erbötig Sr. Majestät treu und ehrlich zu dienen, auch in wollenen Hemden
und barfüßig demüthigst um Verzeihung zu bitten, aber er soll sie
freilassen, und uns in seine Dienste nehmen. Will er sie aber nicht los
und ledig geben, so sag ihm nur, wollt' ich meine ganze Macht daran
strecken, und nicht eher ruhen und rasten, bis ich ihm so, wie dem
Könige Carlmann gethan hätte.

Der Jüngling wollte gehn, aber Reinold rief ihn zurück. Nein, sagte er,
Gott bewahre meinen Arm, daß ich Seine Majestät, meinen König und Vetter
umbringen sollte; das sei fern von mir, denn es wäre ein grausames und
unmenschliches Beginnen. Aber sage mir meine Botschaft gut und
verständig, daß er meine Brüder soll freigeben und daß wir ihm treu
dienen wollen, aber er muß uns vergeben; will er aber meine Brüder
hängen lassen, so will ich meine ganze Macht daran strecken und es soll
ihm dann nimmermehr gut gehn.

Der Bote verfügte sich nun in die Stadt, und ging an den Hof zu König
Carl, wo er seinen Auftrag ausrichtete. Er ließ sich aber vorher den
König Carl selber zum Bürgen setzen, daß er frei zurückkönne, und es war
gut, daß er es gethan hatte, denn König Carl wurde ungemein ergrimmt
über Reinold und seinen Abgesandten, so daß er ihn gewiß würde habe
hängen lassen, wenn er ihm nicht so sichere Bürgschaft zugesagt hätte.

Reinold wartete im Walde auf seinen Boten, er war vom Pferde gestiegen
und ging unter den Bäumen auf und ab, sein Pferd hatte er an einen Stamm
gebunden. Indem er so wartete und über das Schicksal seiner Brüder
nachdachte, überfiel ihn eine Schläfrigkeit. Er legte sich nieder, und
ehe er es noch bemerkte, war er unter dem Rauschen der alten Bäume fest
eingeschlafen. Indem bekam Bayart ein Gelüste nach dem frischen Grase,
weil er hungrig war, er schüttelte sich also so lange, bis er vom Baume
los war, dann ging er nach seiner Lust auf der Weide, weil er seinen
Herrn schlafen sah. Dreißig Bauerknechte waren von ohngefähr im Walde,
wo sie Holz fällten, diese wurden das Roß Bayart gewahr und erkannten es
sogleich, daß es Reinolds Pferd sei. Sie machten den Plan, das Roß zu
fangen, und umgaben es mit Bäumen und Zweigen von allen Seiten, so daß
es nicht davon kommen konnte. Dann banden sie es und führten es nach
Paris. Carl war erfreut, daß er das Roß erobert hatte, er schenkte es
sogleich dem Grafen Roland, der sich im Herzen heimlich darüber
betrübte, daß man es seinem Vetter Reinold entwendet hatte.

Reinold erwachte und sah, daß sein treues Roß fort war, er suchte es
lange im Walde und war überaus bekümmert. Als er es aber nicht
wiederfand, ward sein Jammer groß, er zog den Harnisch aus und warf ihn
in's Gebüsch, eben so sein Schwert und seinen Schild. Wohl bin ich nun
wie ein Thor bestraft, rief er aus, ich Unglückseliger! der ich dem
Könige Carl so große Worte sagen lasse, und nun nichts davon in's Werk
richten kann. Was für Macht soll ich nun daran strecken, um sie zu
befreien? Bayart ist mir gestohlen, und ich möchte hier im wilden Walde
lieber gleich umkommen, denn meine Brüder sind verloren, und ich kann
gar nichts thun um sie zu erretten.

Solche Klagen trieb Reinold und warf sich dann auf den Boden und machte
die wunderlichen Geberden eines Menschen, der in Verzweiflung ist.




                            Zehntes Bild.
                        Die Kunst des Malegys.


Indem trat ein alter Pilgrimm aus dem Gebüsche und ging auf Reinold zu.
Er hatte weiße Haare und einen langen Bart, seine Augenbraunen hingen
ihm über das Gesicht, so daß er durch die Haare sehen mußte, und man von
ihm glauben konnte, daß er wohl an zwei hundert Jahr alt sei. Er ging an
einem Pilgrimmsstabe und hinkte langsam daran einher. Reinold
verwunderte sich über die alte Gestalt, die auf ihn zukam.

Der Alte sagte: ei, junger Herr, worüber trauert Ihr denn so sehr? Ich
bin weit und breit die Länder durchzogen, aber nirgends, das mag ich
sagen, habe ich eine Person angetroffen, die so traurig gewesen wäre,
als Ihr es zu sein scheint. -- Ich habe auch die größte Ursache zur
Traurigkeit, antwortete Reinold, denn meine Brüder sind verloren, und
ich kann ihnen nunmehro auch nicht helfen, weil man mir mein Roß Bayart
gestohlen hat. Ich hatte mir große Thaten vorgesetzt, und wollte sie
befreien, aber Gott hat es anders gelenkt, darum will ich auch nicht
länger widerstreben, sondern mich für überwunden erkennen und mein
ganzes Leben aufgeben, denn ich fühle eine große Lust in mir zu sterben.
-- Das muß nie sein, antwortete der alte Pilgrimm, richtet Euch wieder
auf, die Hülfe ist oft am nächsten, wenn man sie am wenigsten vermuthet,
und verehret mir ein Almosen, damit ich für Euch und Eure Brüder beten
könne.

Reinold bedachte sich, weil er kein Geld bei sich hatte, da fielen ihm
seine goldenen Sporen ein, die ihm jetzt gar nichts mehr nütze sein
konnten, da er Bayart verloren hatte. Er band sie also los und gab sie
dem Pilgrimm, der sie sogleich in einen Sack steckte. Wenn Ihr mir noch
etwas zu geben habt, sagte der alte Pilgrimm, so gebt es mir, und ich
will in meinem Gebete Eurer dafür gedenken. -- Wenn ich mich nicht
schämte, fuhr Reinold auf, so wollte ich Dich das Bettlerhandwerk
lehren, daß Du daran gedenken solltest. Er meinte nemlich, ihm mit dem
Schwerte eins zu versetzen, wenn der Pilgrimm nicht zu alt und hinfällig
gewesen wäre.

Warum werdet Ihr böse? fuhr der Alte fort, der guten Gaben kann man
niemalen zu viele sammeln, und im Alter kommen sie einem gut zu statten;
darum, wenn Ihr noch etwas zu geben habt, so gönnt es mir lieber, als
einem andern.

Reinold zog hierauf sein kostbares Unterkleid aus, und sagte: siehe, ich
gebe Dir das, davon magst Du eine lange Zeit leben. Der Pilgrimm nahm
das Kleid und steckte es in den Sack und sagte: Ich danke Euch, Herr
Ritter, wenn Ihr noch etwas zu geben habt, so gebt es mir, ich will
Eurer Brüder dafür in meinem Gebete gedenken. Da ward Reinold zornig,
und zog sein Schwert und hieb nach dem Pilgrimm; der aber sprang zurück
und verwandelte sich in einen schönen Jüngling von zwanzig Jahren, aber
gleich darauf war er wieder der Alte. Reinold erstaunte, und holte noch
einmal mit dem Schwerte aus, der Pilgrimm sprang aber wieder zurück und
stand als ein schöner Jüngling da. Darauf wurde Reinold verwirrt und
sagte: Jetzt ist mein Unglück auf das Höchste gestiegen, meine Brüder
sind todt, dazu ist mein Roß Bayart gestohlen, mich selber wird man
aufhängen, und der Teufel kömmt nun gar noch und fängt an mich zu
vexiren: das kann und soll nicht so sein! Er stürzte mit Wuth auf den
Jüngling zu, um ihn niederzuhauen, der aber fürchtete sich und rief:
Seht Euch vor, was Ihr thut, denn ich bin Euer Vetter Malegys!

Kaum hatte Reinold diese Worte vernommen, so fiel er auf seine Kniee
nieder und bat um Verzeihung und Beistand. Malegys nahm ihn nun in die
Arme, tröstete ihn mit kräftigen Worten und versprach ihm, ihm sein Roß
Bayart wieder zu verschaffen. Reinold wurde wieder froh und so machten
sich beide Ritter auf den Weg nach Paris.

Malegys verwandelte den Reinold in einen ganz alten und schwachen
Pilger, und so machte er sich auch selber wieder zu einem alten Mann. So
kamen sie in die Stadt und setzten sich auf die große Brücke nieder, und
die Vorbeigehenden gaben ihnen Allmosen, denn sie sahen gar zu
erbärmlich aus, besonders Reinold, der für einen Todtkranken in einer
Ecke der Brücke lag. Es war grade an demselben Tage, an welchem Roland
sein geschenktes Pferd probiren wollte und es lief viel Volks zusammen,
und viele Ritter und Damen, um den Kurzweil mit anzusehn. Reinold hatte
sich seine Sporen wieder anlegen müssen, ohne daß man sie sehn konnte,
um desto besser gerüstet zu sein.

Es kam nun König Carl über die Brücke mit dem Grafen Roland, und Bayart
ward hintennach geführt. Der König sah die Pilgrimme, gab dem Malegys
ein Allmosen und ließ sich mit ihm in eine Unterredung ein. Malegys
erzählte viel von den Ländern, durch die er gereiset war, eben so auch
von der seltsamen Krankheit seines Gefährten; indem so kam Bayart näher,
weil er seinen Herrn witterte, und schnupperte den Reinold freundlich
an. Da Malegys das sah, schlug er das Roß mit seinem Stabe zurück,
gleichsam als wenn sich sein Gefährte davor fürchtete. Darauf sagte er
zum Könige, daß ihm ein weiser Einsiedler gesagt hätte, sein Geselle
würde sogleich gesund werden, wenn er nur einmal so glücklich sein
könnte, auf dem Rosse Bayart zu reiten. Der König antwortete: welch ein
glücklicher Zufall, denn das ist eben das Roß Bayart, welches wir mit
uns führen, und seht, das unverständige Thier schnuppert immer nach
Eurem Gesellen hin, das muß fürwahr ein wunderbarer Mann sein.

Darauf befahl er, daß Graf Roland den kranken Pilgrimm nehmen und auf
das Pferd setzen möchte; es geschah, aber der Pilgrimm fiel sogleich
wieder ab. Roland setzte ihn zum zweitenmal hinauf, und der Pilgrimm
fiel von der andern Seite wieder ab, endlich als Reinold zum drittenmale
in den Sattel gesetzt ward, blieb er aufrecht sitzen und das Roß spürte
nun seinen Herrn wieder und bäumte sich, und wollte von dannen laufen.
Da gab ihm Reinold noch die Sporen und ließ ihm den Zügel schießen, und
das Roß sprang gar behende davon und kam den Rittern bald aus den Augen.
Malegys erhob über seinen Gefährten ein großes Klagegeschrei, der gewiß
den Hals brechen würde, und Turpin der Bischof, Roland, Olivier und
Ogier ritten dem entflohenen Pferde nach.

Im Walde hielt Reinold still, weil er diese Herren nachkommen sah, und
gab sich ihnen zu erkennen, denn er wußte, daß sie es alle gut mit ihm
meinten. Sie versprachen ihm auch, bei dem Könige für seine Brüder zu
bitten, und ritten so zur Stadt zurück. Zum Könige sagten sie, sie
hätten das Roß nicht ereilen können, worüber Malegys ein noch lauteres
Klagegeschrei erhob; der König bedauerte ihn und gab ihm eine Verehrung.
Dann entfernte sich der listige Zauberer, als wenn er zum Besten seines
verlornen Gefährten eine heilige Wallfahrt vornehmen wollte.




                            Eilftes Bild.
           Malegys errettet die Brüder aus dem Gefängnisse.


König Carl ließ nunmehr seinen Rath versammeln, um über die drei
gefangenen Brüder ein Urtheil zu sprechen. Er ließ sie in den Saal
bringen und ihnen wie Missethätern die Hände auf den Rücken binden.
Darwider setzte sich Bischof Turpin und behauptete, daß sich das nicht
gezieme, weil diese Herren von fürstlichem Geblüte seien. Carl aber that
einen Schwur, daß er sie wollte henken lassen, weil sie seinen Sohn
Carlmann umgebracht hätten. Turpin versetzte dagegen, daß er es
nimmermehr zugeben würde, und daß gewiß der größte Theil der
Ritterschaft seiner Meinung wäre, weil die meisten mit den Gefangenen
verwandt wären. Darüber wurde König Carl zornig und schlug nach Bischof
Turpin, der Bischof aber ergriff den König beim Halse und hätte ihn
beinahe erwürgt, wenn nicht Roland und andre Genossen hinzugesprungen
wären und die Einigkeit wieder hergestellt hätten. Es wurde endlich
beschlossen, daß die Gefangenen noch auf einige Zeit verwahrt gehalten
werden sollten, worauf man sich denn nachher noch einmal bedenken
wollte.

So entgingen die Brüder noch dem Tode, denn dieser Tag war für sie ein
gefährlicher Tag gewesen, und sie hatten ihr Leben schon für verloren
geachtet.

In der Nacht machte sich Malegys auf und ging nach dem Gefängnisse. Vor
seiner Kunst sprangen sogleich alle Thüren auf, auch fielen den
Gefangenen die Ketten von den Händen. Er gab sich ihnen zu erkennen und
führte sie bis an die Brücke vor Paris, dann sagte er: ich muß nun noch
zum König Carl gehn, denn ich habe vergessen ihn um Erlaubniß zu fragen.
Ritsart antwortete: Ach, Vetter, diese Erlaubniß wird er Euch nimmermehr
geben, denn er hat seine Freude daran, daß er uns will henken lassen.

Aber Malegys ging vor das Bett des Königs Carl, der noch im tiefsten
Schlafe lag, und fragte ihn, ob er ihm erlauben wolle die Brüder aus dem
Gefängnisse zu führen. Carl antwortete: Führe sie, wohin Du Lust hast,
denn mich kümmert es nicht; es wußte nämlich der König nicht, was er
redete oder sagte. Somit nahm Malegys zugleich auch das Schwert und die
Krone Carls, so daß dieser es sah, dann verließ er ihn und eilte mit den
erretteten Brüdern nach Montalban.

König Carl war sehr ergrimmt, als er am Morgen seine Krone, sein Schwert
und seine Gefangenen vermißte.




                            Zwölftes Bild.
                     Ein Wettrennen mit Pferden.


König Carl bekam Lust, das beste Pferd in seinem ganzen Lande kennen zu
lernen, um es für Roland zu kaufen, damit dieser sich dann desto
zuverlässiger dem Reinold widersetzen könne, denn durch Roß Bayart war
Reinold selbst dem mächtigen Roland überlegen. Der König setzte also die
neue Krone, die er sich hatte machen lassen, zum Preise aus, für
denjenigen, der mit seinem Pferde zuerst das Ziel erreichen würde, er
wollte demjenigen Ritter dann die Krone für den vierfachen Preis
abkaufen, dazu auch das Roß; auf diesem Wege hoffte er das beste Roß zu
erhalten.

Malegys und Reinold hörten von diesem Turnier, und sie machten sich
alsbald mit den Brüdern auf den Weg nach Paris. Unterwegs aber
verwandelte Malegys den Reinold in einen Jüngling von vierzehn bis
funfzehn Jahren, so daß ihn Niemand erkennen mochte; eben so vertrieb er
dem Rosse Bayart die schwarze Farbe und machte ihn zu einem großen und
starken Schimmel: über welche Kunststücke Reinolds Brüder sehr lachen
mußten, denn sie erkannten selber ihren Bruder und das Roß Bayart nicht
wieder. So zogen sie fort und kamen in Paris an, die Brüder aber blieben
außerhalb der Stadt.

Als sie in der Herberge abgestiegen waren, ging Malegys in den Stall und
band Bayart den einen Schenkel fest, so daß er nicht recht gehen konnte,
dazu verwandelte er ihn auch so, daß er ein ganz dürres und mageres
Ansehn hatte. Der Wirth war höchlich darüber verwundert, und sagte
schmählend zu Malegys: O du böser Geselle, der du dieses gute Roß also
verdorben hast, ganz gewiß bist du Malegys und dein Geselle dort der
verbannte Reinold, ich will gleich zum Könige gehn und es anzeigen. Als
Reinold diese Worte hörte, zog er sogleich sein Schwert und hieb dem
verrätherischen Wirthe das Haupt ab.

Es war nun der Tag, an dem das Turnier gehalten werden sollte. Malegys
ritt auf der andern Seite zur Stadt hinaus, und Reinold kam mit seinem
dürren und hinkenden Klepper auf den Turnierplan. Alle Ritter spotteten
des Jünglings und seines Pferdes, nur ein schalkhafter Knecht war unter
ihnen, welcher sagte: wenn ich anders den Reinold je gesehen habe, so
ist es dieser Jüngling, und dieses sein Roß muß Roß Bayart sein. Bayart,
der diese Worte verstand und für seinen Herrn besorgt war, schlug von
hinten aus, so daß der Knecht todt niederfiel. Die Ritter sagten: das
Roß hat Recht gethan, warum hat er es also belogen?

Der Wettlauf nahm nun seinen Anfang, und die übrigen Ritter waren mit
ihren Pferden schon weit voraus; da löste Reinold dem Bayart heimlich
den gebundenen Schenkel, und von Stund an bekam das Pferd sein frisches
und gesundes Aussehn wieder, und der König und sein ganzes Gefolge
verwunderten sich über die Maaßen. Das Roß trieb nun ein Springens und
Laufens, wie es fast noch nie gethan hatte, so daß es bald allen übrigen
Pferden zuvorkam, worüber sich Reinold ungemein erfreute, denn er hatte
eine große Begierde zu der Krone. Als er endlich an das Ziel gekommen
war, nahm er die Krone von dem Orte weg, wo sie aufgestellt war, sprang
mit dem Rosse in die Seine und schwamm behende an das jenseitige Ufer.
König Carl war erstaunt und erschrocken, er rief dem Ritter nach, aber
Reinold hatte drüben schon seinen Vetter Malegys gefunden und rief
zurück: seht, ich bin Reinold, und dieses hier ist mein Roß Bayart, kein
beßres giebt's in der ganzen Welt mit Laufen und Springen, es ist daher
nur vergebene Mühe von Ew. Majestät, ein besseres aufsuchen zu wollen.

König Carl erschrak heftig und bat ihn zurückzukommen, er wolle ihm und
seinen Brüdern vergeben und ihnen Aemter ertheilen, darneben ihm die
Krone für den vierfachen Werth mit Gold abkaufen. Aber Reinold sagte:
Ich traue Eure Majestät nicht so viel, überdies, was wollt Ihr mit einer
Krone? Ihr seid ja ein Roßtäuscher geworden und dürft also keine Krone
tragen. Mit diesen Worten ritt er mit der Krone fort, und keiner wagte
es, in die Seine zu springen, weil sie die Kunst des Zauberers Malegys
fürchteten.

Die Brüder waren sehr erfreut, als sie den Reinold mit der kostbaren
Krone ankommen sahn; aber König Carl war sehr betrübt, daß er nun auch
seine zweite Krone verloren hatte, die er sich erst neu hatte machen
lassen.




                          Dreizehntes Bild.
                       König Ivo ein Verräther.


Es nahte sich jetzt das Pfingstfest, an dem König Carl immer seine Edle
und Fürsten zu versammeln pflegte; er mußte sich daher zu dieser
Feierlichkeit eine neue Krone verfertigen lassen, damit er in seinem
Schmucke und dem schicklichen Glanze erscheinen könne. Dann lud er alle
zum Feste ein, vorzüglich aber den König Ivo von Tarragon. Als sie
erschienen waren, wurde jeglichem sein Sitz angewiesen, und eine überaus
schöne Musik erklang; König Ivo aber aß mit König Carl an einem
besondern Tische, so daß ihm also dadurch eine große Ehre widerfuhr.

Nachdem man die Tafel aufgehoben hatte, nahm Carl den König Ivo bei der
Hand, und beide gingen im Garten spazieren. Carl sagte: Mein König, es
wird Euch bewußt sein, wie Euer Eidam meinen Sohn Carlmann erschlagen
hat, es ist mir unmöglich, den Mörder in meine Gewalt zu bekommen; so
Ihr ihn mir aber ausliefern wollt mit seinen Brüdern, will ich Euch eine
große Summe Goldes dafür verehren.

König Ivo freute sich, als er diesen Vorschlag hörte, denn er liebte das
Gold über die Maaßen, dazu so schmeichelte ihm das Vertrauen und die
Freundschaft König Carls, auch hatte er nun schon die treuen und
redlichen Dienste der Heymons Kinder vergessen, so daß er dieserwegen
den Handel einging, und die vier Brüder ohne Wehr und Waffen nach
Falkalon zu liefern versprach. Hierauf umarmten sich beide Könige von
Herzen, und Ivo zog sogleich nach Montalban, Carl aber schickte viel
Volks nach Falkalon, um die Brüder gefangen zu nehmen, und sie sich todt
oder lebendig überliefern zu lassen, damit die verdrüßlichen Händel ein
Ende gewinnen möchten.

Reinold war mit seinen Brüdern auf die Jagd gezogen, und er ritt nun mit
ihnen nach seinem Schlosse Montalban zurück. Aber plötzlich überfiel ihn
eine große Traurigkeit, so daß er den Kopf sinken ließ, und gebückt und
bekümmert auf seinem Pferde saß. Die Brüder wurden besorgt und fragten
ihn, was ihm fehle, daß er sich also in Gedanken verliere. Reinold
antwortete: ach, meine lieben Brüder, ich kann es Euch nicht sagen, wie
es geschieht, daß ich allen meinen Muth so plötzlich verliere, so daß
ich sagen möchte, mir ist wie einem schwachen Greisen zu Sinne, der das
Ende seines Lebens wünscht. Der Wald hier, in dem ich so oft gejagt
habe, kömmt mir so finster und traurig vor, ich freue mich auf nichts
und fürchte innerlich ein Uebel, das uns bevorsteht. -- Die Brüder
sagten: Du bist müde, Reinold, denn wir haben den ganzen Tag gejagt.

Indem kamen sie aus dem Walde und Reinold gewahrte viel Volks auf den
Zinnen seiner Burg. Heiliger Gott! rief er aus, wie viel Volks seh ich
da oben? Was mögen sie wollen, und wo mag mein Gemal und mein Vetter
Malegys sein? Ein Bote kam ihnen entgegen und sagte ihnen, daß König Ivo
auf dem Schlosse wäre, worüber sich Reinold sehr erfreute, denn er
gedachte nicht, daß ihm sein Schwiegervater einen solchen Possen spielen
könne.

Reinold wollte den König Ivo küssen, aber dieser sagte: Laß das, mein
Sohn, ich kann das Küssen jetzt nicht vertragen, denn ich habe einen
Fluß am Haupte. Reinold erkundigte sich nun nach der Ursach seines
Besuchs, und Ivo sagte ihm, daß er bei König Carl gewesen wäre, und
zwischen ihm und den vier Brüdern einen Frieden geschlossen hätte.
Reinold freute sich sehr, als er diese Neuigkeit erfuhr, denn er
wünschte nun endlich in Sicherheit leben zu können; die andern Brüder
aber setzten ein Mißtrauen in die Rede des Königs. Reinold wollte mit
tausend Mann aufbrechen, um doch einigen Schutz zu haben, wenn Carl
gegen sein Wort handeln sollte, aber Ivo sagte ihm, daß der Vertrag so
gemacht wäre, daß sie ohne alle Waffen und baarfüßig nach Falkalon auf
Eseln reiten sollten, dann sollten sie vor König Carl auf die Kniee
fallen und so würde er ihnen dann vergeben. Darüber wurde Reinold auch
nachdenklich und er antwortete: daß er darüber erst mit seiner
Hausfrauen Clarisse und mit seinen Brüdern rathschlagen wolle; worüber
Ivo erschrak, denn er fürchtete, daß ihm seine List nicht gelingen
werde.

Clarisse fiel ihrem Gemal Reinold um den Hals und weinte und beschwur
ihn, daß er nicht wegreisen möchte, weil ihr ihr Herz irgend ein Unglück
weissage. Reinold fragte: Was sollte mir begegnen? Euer Vater hat einen
guten Frieden geschlossen, und wir werden hinführo in aller Sicherheit
leben können. Ach, antwortete Clarisse, ich sehe wohl, Ihr kennt meinen
Herrn Vater noch nicht, denn ich muß Euch sagen, er ist sehr geldgeizig
und hat Euch ganz gewiß an den König Carl verrathen. Hierauf wurde
Reinold zornig und sagte: Ihr seid eine sehr schlechte Tochter, daß Ihr
also von Eurem leiblichen Vater reden dürft, nein, nun will ich ihm um
so mehr vertrauen und kühnlich nach Falkalon zu König Carl ziehn; denn
warum soll mich Ivo, mein zweiter Vater, verrathen? Hab' ich ihm doch
von jeher nichts als lauter Gutes erwiesen und treue und redliche
Dienste geleistet, das wird er nicht also geschwinde vergessen können,
daß er mich verrathen sollte, will mich also stracks auf den Weg machen.

Clarisse wurde sehr betrübt, da sie ihren Herrn so entschlossen sah; sie
rief heimlich Ritsart zu sich und sagte: Ritsart, ich halte dafür, daß
Euch allen Vieren großes Unglück begegnen wird, nimm deshalb diese vier
Schwerter, aber laß meinen Herrn Reinold nichts davon merken, darunter
ist eins, Florenberg, das an Vortrefflichkeit seines Gleichen sucht.

Ritsart nahm die Schwerter und verbarg sie unter seiner Kleidung, und
nun zogen die Brüder aus auf vier Eseln und barfuß und in wollenen
Hemden. Es war am frühen Morgen, und Reinold fing an mit lauter Stimme
ein Lied zu singen, um sein trauriges Herz etwas zu erheitern, welches
ihm aber sein Bruder, der betrübte Adelhart, heftig verwieß.

So zogen sie fort und kamen gen Falkalon. Schon in der Ferne sahen sie
viel Volks stehen, das bewaffnet war und auf sie wartete. Da wurde
Reinold betrübt und sagte: Ach, meine Brüder, ich sehe nun wohl ein, daß
uns mein Schwiegervater Ivo verrathen hat, denn dort sind viele
gewaffnete Leute, die auf uns warten, dazu haben wir keine Rüstung und
Waffen, auch kein Pferd als unsre Esel. Indem kamen die Feinde näher,
und der Anführer der Schaar rennte mit seinem Speere voraus, um Reinold
nieder zu stechen, indem er rief: Ergieb Dich nun, stolzer Reinold, denn
Dein Schwiegervater hat Dich um eine große Summe Goldes dem Könige
verkauft. Reinold ließ sich schnell von seinem Esel zur Seiten ab, aber
der Speer traf ihn doch, so daß er für todt auf der Erden lag. Darüber
wurden die Brüder sehr bekümmert, aber Reinold richtete sich bald wieder
auf: da ging Ritsart zu ihm und gab ihm das Schwert Florenberg in die
Hand und sagte: sieh, mein Bruder, das hat mir Deine Hausfrau Clarisse
zu unserm Schutze gegeben; gab auch den andern Brüdern jedem ein Schwert
und behielt auch für sich eins. Als Reinold das Schwert sahe sagte er: O
Bruder, nun ich meinen Florenberg in der Hand habe, bin ich voll guten
Muths, und ich will nicht mehr Reinold heißen, wenn ich alle diese
fürchte.

Das Volk war indessen mit seinen Anführern angerückt, und es entstand
ein blutiges Treffen; alle vier Brüder gebrauchten sich so tapfer, wie
es nur je die größten Helden haben thun können, vorzüglich aber Reinold,
der mehr Thaten that, als sonst ein Mensch zu thun im Stande ist. So
dauerte das Gemetzel bis in die Nacht; da zogen die Brüder die Harnische
der Erschlagenen an und stiegen auf die Pferde.

Am Morgen erneuerte sich der Kampf, und Writsart wurde im Gedränge
gefangen genommen, denn das Pferd war ihm unter dem Leibe zu Tode
gekommen. Eine Schaar führte den Gefangenen weg um ihn König Carln zu
überliefern; Adelhart wurde es zuerst inne, daß ein Bruder fehle und
sagte es dem Reinold; dieser wurde wüthend und drang darauf, daß man
Writsart wieder frei machen müsse; aber Adelhart sagte: Lieber Bruder,
es ist uns für dieses mal unmöglich, wenn wir ihnen nachsetzen, wird uns
die Menge umzingeln und überwältigen; immer noch besser, daß der eine
verloren geht, als wir alle. Aber Reinold wurde zornig und sagte: Sollen
wir es dulden, daß ein Bruder von uns gehenkt werde? daß man nachher
sage: sehet, das sind die Brüder, die so lange gegen König Carl
gestritten haben, und es doch am Ende haben leiden müssen, daß man einen
von ihnen gehenkt hat? Nein, lieber will ich mein Leben daran setzen,
denn fürwahr, das wäre uns eine sehr schlechte Ehre.

Er ritt also durch das Gedränge und traf auf die Schaar, die seinen
Bruder Writsart wegführte; der eine von ihnen sah sich um und sagte:
seht, da kömmt Reinold und geberdet sich nicht wie ein Mensch, sondern
wie ein wahrer Teufel, lasset uns alle davon fliehen! Reinold kam
herangesprengt und hieb die ersten nieder, die übrigen flohen, und so
war Writsart wieder frei; worauf Reinold sagte: Bruder, ich habe Euch
diesmal wieder frei gemacht, aber ich sage es Euch, es geschieht nicht
wieder; warum lasset Ihr Euch so gar leichtlich fangen? Writsart sagte:
Bruder Reinold, es war nicht meine Schuld, mein Pferd war todt, dazu so
hatten sie mir im Handgemenge mein Schwert zerschlagen. Nun, es soll
Euch für diesmal vergeben sein, sagte Reinold; und so ritten sie wieder
in den Kampf hinein.

Die Schlacht dauerte fort, aber es kam zu den Feinden eine Verstärkung.
Ritsart war schwer verwundet, und so mußte endlich Reinold mit seinen
Brüdern die Flucht ergreifen.




                          Vierzehntes Bild.
                    Die Belagerung auf dem Berge.


Reinold nahm den verwundeten Ritsart hinter sich aufs Pferd und er und
die andern Brüder flohen auf einen nah gelegenen Berg. Derselbe Berg war
sehr hoch und steil und ganz aus Marmorstein, und so beschaffen, daß nur
immer ein Mann heraufgehn konnte. Von oben warf Reinold nun mit
gewaltigen Steinen herunter, so daß Roß und Mann starb und Niemand sich
dem Berge zu nähern getraute. Graf Calon, der das Heer anführte, sprach
mit Ogier, der gerne seinen bedrängten Verwandten beigestanden hätte,
wenn ers gewagt hätte, ohne für einen Verräther angesehn zu werden. Er
ging dem Berge näher, um mit Reinold Unterhandlungen zu pflegen und ihn
zu fragen, ob er sich ergeben wolle, oder noch länger zu fechten
gedächte; er rief daher hinauf, daß Reinold mit Steinwürfen inne halten
solle, er habe etwas mit ihm zu reden. Als er oben kam, sah er, daß die
andern drei Brüder auf ihren Knieen lagen, und Gott um Hülfe anflehten,
und daß Reinold nur noch allein wacker sei. Er rieth ihnen hierauf, den
Berg nicht zu verlassen und ging wieder fort, indem er sie in den Schutz
Gottes befahl.

Reinold hatte auf Montalban einen Jüngling zurückgelassen, der die
Wissenschaft verstand, in den Sternen des Firmaments bei der Nacht zu
lesen; dieser stand oben auf der Burg und sah aus dem Laufe der
Gestirne, daß Reinold sich mit seinen Brüdern in der größten Gefahr
befinde, und daß er auf einem Berge belagert sei, imgleichen, daß König
Ivo ihn um eine große Summe Goldes an Carl verrathen habe. Er lief
sogleich zu Malegys, um es ihm anzusagen; dieser stand lustig in der
Küchen und ordnete ein Abendessen an, weil er glaubte, daß die Brüder
noch in dieser Nacht wiederkehren würden. Da Malegys das Unglück hörte,
wollte er sich selber erstechen, so sehr war er in Verzweiflung; aber
der Jüngling sagte: Malegys, was sollte Euch das helfen, wenn Ihr Euch
umbrächtet? Suchet lieber Eure Vettern zu erretten, und nehmt derohalben
Kriegesknechte mit Euch und setzt Euch auch auf das gewaltige Roß
Bayart. Malegys fand den Rath gut, er foderte die Knechte auf und ging
in den Stall, um auf Bayart zu steigen. Aber Bayart schlug und biß um
sich, wollte Niemand aufsteigen lassen, denn allein Reinold; Malegys
aber erwischte einen Prügel, in der Meinung, das Roß mit Gewalt zu
bezwingen, aber Bayart setzte sich auf die Hinterbeine und hätte den
Malegys fast zerrissen, wenn er nicht schnell zurückgesprungen wäre. Da
wurde Malegys betrübt und sagte: O du schändliches Roß! willst du nun in
der Noth deinen Herrn Reinold verlassen, der sich in Lebensgefahr
befindet? Kaum hörte Bayart diese Worte, so ließ er sich demüthig auf
seine Kniee nieder, so stieg Malegys auf und der Zug folgte ihm.

Oben auf dem Berge lagen nun die vier Heymonskinder und waren von einer
großen Macht belagert, Ritsart lag schwer verwundet und konnte sich
nicht aufrichten. Adelhart und Writsart waren auf ihren Knieen und
flehten zum barmherzigen Gott um Rettung und Hülfe, nur der starke
Reinold war noch wacker und munter und hielt den Feind von dem steilen
Berge zurück, indem er beständig große Felsensteine hinunterwarf. So
verging ein Tag und eine lange Nacht und keine Hülfe war sichtbar. Auch
der mächtige Reinold wurde schon ermüdet und alle Brüder waren in ihren
Herzen tief betrübt, so daß sie endlich beschlossen, sich zu ergeben und
zu sterben. Indem gewahrt Reinold in der fernen Morgensonne einen Reiter
und verkündigte seinen Brüdern: ach, theure Brüder, rief er aus, ich
erkenne mein Roß Bayart und meinen Vetter Malegys. -- Da erhoben sich
Writsart und Adelhart von den Knieen und sahen hin und erkannten
ebenfalls das Roß und seinen Reiter. Da wurden sie voll Muths, und
jauchzten und dankten Gott dem Herrn. Ritsart, der alles gehört hatte,
sagte: meine lieben Brüder, ich bin sehr schwer verwundet, daß ich mich
nicht durch eigene Kraft auf meine Beine stellen kann, ich bitte Euch,
Ihr wollet mir aufhelfen, damit ich doch auch zu meinem Troste das Roß
Bayart gewahr werde. Da hoben sie ihn auf und hielten ihn brüderlich in
ihren Armen, und er sah ebenfalls das Roß Bayart, worauf er sagte: Ach!
mich dünkt, ich bin nun schon ganz gesund und von allen meinen Wunden
genesen, seitdem ich dieses gute Roß gesehn. -- Bayart aber machte sehr
große Sprünge, um zu seinem Herrn zu kommen, es warf mit einem
gewaltigen Stoß den Malegys ab, senkte dann vor Reinold seine Kniee und
ließ ihn aufsteigen.

Es entstand ein neues blutiges Gefecht, Reinold brachte den Grafen Calon
um, und die Kriegsknechte, die Malegys gebracht hatte, hielten sich sehr
tapfer, so daß der Feind endlich die Flucht ergreifen mußte. Die Brüder
waren ungemein erfreut und dankten Gott aus tiefem Herzen; aber Reinold
schwur: den verrätherischen König Ivo mit dem Schwerte hinzurichten.
Dieser aber hatte schon Nachricht erhalten, und war in ein Kloster
geflohen, dort war er ein Mönch geworden, um seine Sünden abzubüßen.

Als Reinold zurückkam auf Montalban, wollte er erst seine Hausfrau
Clarissa nicht ansehn, weil ihr Vater ihn ohne Ursach verrathen habe.
Aber sie versöhnten sich bald und aßen und tranken, und Reinold gedachte
der verlaufnen Thaten nicht mehr.




                          Fünfzehntes Bild.
                      Reinolds Kampf mit Roland.


Roland wurde sehr zornig auf König Ivo, daß er nun sein Wort doch nicht
gehalten habe, die Brüder auszuliefern; es war ihm lieb, daß sie auf die
Art errettet waren, aber er wollte durchaus eine Rache an Ivo nehmen. Er
zog daher mit den Genossen vor das Kloster, in welches Ivo geflohen war
und hielt es belagert, in der Meinung, Ivo aufzuhängen, sobald er ihn in
seiner Gewalt haben würde. Ivo vernahm die traurige Botschaft und
schrieb einen überaus kläglichen Brief an Reinold, seinen Schwiegersohn,
daß er ihm helfen möchte, weil er sonst eines schmählichen Todes sterben
müsse. Reinold wollte sich nichts um den Verräther kümmern. Clarisse,
seine Hausfrau, saß mit ihrem jüngsten Söhnlein, das sie Adelhart
genennt hatte, grade neben ihm, als dieser klägliche Brief ankam, und
sie weinte über das Unglück ihres Vaters so heftig und so von Herzen,
daß Reinold dadurch über die Maaßen gerührt wurde und sogleich seinen
Harnisch anzog, und auf Bayart stieg, um den Verräther zu retten.

Als er vor das Kloster kam, war es schon erobert, und Roland machte eben
Anstalt, den König Ivo aufzuhängen. Reinold ritt schnell hinzu, nahm im
zornigen Muthe seinen Schwiegervater hinter sich auf's Pferd und floh
mit ihm davon. Roland verfolgte ihn, weil er seinen Raub nicht fahren
lassen wollte, hatte aber kein so gutes Pferd als Bayart war, deshalb
entkam ihm Reinold. Darüber wurde er sehr ergrimmt und schalt Reinold
einen Verräther, und die beiden Ritter setzten sich einen Tag fest, um
ihre Sache auszukämpfen.

Reinold brachte daher seinen Schwiegervater nach Montalban, und wollte
dann bald wieder zurück, weil er mit Roland einen Streit halten müsse.
Clarisse weinte sehr, als sie diese Nachricht hörte, denn Roland war ein
Mann, der, wenn er gepanzert war, weder von Schwert und Spieß verwundet
werden mochte. Aber Reinold ließ sich nicht irre machen und reiste ab.

Er bezeugte sich erst demüthig gegen Roland, weil er ein Vetter war, da
aber Roland trotzig war, sagte er: Ihr müßt nicht etwa glauben, daß ich
mich vor Euch fürchte, nein wahrlich nicht, und wenn gleich Eurer fünfe
wären, und zog gleich seinen Harnisch an und stieg auf Bayart. Sie
stießen heftig auf einander und mit solcher Gewalt, daß Roland sammt
seinem Pferde zu Boden stürzte, welches ihm sonst noch in keinem Kampfe
mit keinem Ritter begegnet war. Er erstaunte selber darüber, und raffte
sich wieder auf, aber die übrigen Genossen litten es nicht, daß der
Kampf fortgesetzt wurde.

So ritt Reinold mit frohem Herzen nach Montalban zurück, und Roland that
eine Wallfarth zum heiligen Jakob von Compostella.




                          Sechzehntes Bild.
               Reinold errettet seinen Bruder Ritsart.


Als Roland von seiner Wallfahrt zurückkam, traf er in einem Walde den
Ritsart, der dort jagte. Roland ritt auf ihn zu und sagte, daß er sich
gefangen geben müsse. Ritsart wollte sich ihm anfangs widersetzen, aber
da ihm Roland versprach, ihn gegen König Carl zu schützen, so ergab er
sich in sein Geleit und zog mit ihm nach Paris.

Malegys, der im Walde verborgen war, brachte diese Kundschaft sogleich
den Brüdern auf Montalban, sie machten sich bereit, Ritsart zu erlösen;
Malegys aber ging nach Paris, um zu sehen, wie es mit Ritsart werden
würde.

Malegys kam als ein kranker Pilgrimm mit geschwollenem Bein und einem
dicken Bauche, dazu in einen rauhen Mantel gehüllt, ganz alt und
unansehnlich zu König Carl und begehrte um Gottes Barmherzigkeit willen
eine Mahlzeit von ihm. Carl aber schlug ihn derbe mit einem Stecken und
sagte: ich traue keinem Pilgrimm mehr, seit mich Malegys betrogen hat.
Da geberdete sich Malegys gar kläglich und fing als ein kranker Mann an
zu weinen und zu schluchzen, so daß es König Carl wieder gereute, daß er
einen heiligen Pilgrimm geschlagen hatte, der noch überdies krank war.
Er ließ ihn also an einen Tisch niedersetzen und Speise und Trank
reichen, dazu bediente er ihn selbst, aus demüthiger Reue. Malegys
dachte in seinem schalkhaften Sinne: ich sollte dir wohl gerne deinen
Schlag wieder vergelten; als ihm daher der König einen so schmackhaften
Bissen in den Mund stecken wollte, ergriff er gar behende mit den Zähnen
dessen Finger und biß ihn tüchtig. Der König setzte sich vor Schmerzen
abseits und sagte: Du schelmischer Pilgrimm, warum thust du mir also? Du
hättest mir beinahe den Daumen abgebissen, wenn ich dich hätte gewähren
lassen. -- Malegys sagte: Verzeihen mir Ew. Majestät, ich war so gar
sehr hungrig, daß ich nicht recht Acht darauf gab, ob es die Speise oder
Euer Daumen war, daher geschah es ohne meinen Vorsatz.

Indem kam Roland mit dem gefangenen Ritsart in den Saal; König Carl war
sehr ergrimmt, als er ihn sah, und schwur, ihn sogleich aufhängen zu
lassen. Roland aber wollte es nicht zugeben, weil er ihm sicheres Geleit
zugesagt hätte; eben so waren auch die übrigen Genossen dagegen. Der
König fragte alle nach der Reihe herum, ob keiner es über sich nehmen
wolle, den Ritsart aufzuhängen, aber alle schlugen es ab. Da that sich
einer her, genannt Rype von Rypemont, der sagte, daß er es sich
unterstehen wolle, wenn die Genossen ihm alle angeloben wollten, deshalb
keine Rache an ihm zu nehmen. Alle sagten es ihm zu, außer Ogier, der
unwillig im Saale auf und abging. Der König wurde ergrimmt, daß dieser
es nicht auch versprechen wollte, gleich den andern; Ritsart sah indeß
den Malegys in einer Ecke sitzen, er näherte sich dem Ogier und sagte:
Ogier, gebt nur Euer Wort, denn ich sehe dort Malegys sitzen, und so
komme ich gewiß nicht an den Galgen. Ogier gab also auch sein
Versprechen, und Carl setzte nun den Tag fest, an welchem Ritsart zu
Falkalon sollte aufgehängt werden.

Malegys begab sich indessen in großer Eile nach Montalban zurück, und
sagte den Brüdern den Tag an, und daß sie sich rüsten sollten. Sie
ritten also aus, und lagerten sich nahe bei in einem Walde, von wo sie
den Galgen genau sehen konnten. Sie stiegen ab und setzten sich in das
Gras, wo Malegys ihnen die Geschichte erzählte, wie er dem König Carl in
Finger gebissen habe, und indem sie noch sprachen, überfiel sie eine
Schläfrigkeit, so daß sie alle einschliefen.

Der Zug mit Ritsart kam indessen zum Galgen, und Rype spottete seiner
und sagte, daß er nun weiter auf keine Hülfe zu hoffen habe. Ritsart
aber schaute sich sehr betrübt nach seinen Brüdern und Malegys und
Bayart um, daß sie ihm helfen sollten, und da er keinen von ihnen allen
gewahr ward, brach er in Thränen aus und ergab sich in sein Schicksal,
denn sie schliefen alle im Walde, außer Bayart, der noch munter war. So
mußte nun Ritsart wie ein Verbrecher auf die Leiter steigen, und als er
fast oben war, sah ihn Bayart aus dem Walde heraus. Das Pferd fing ein
großes Geschrei an und wüthete und tobte so lange, bis Reinold
aufwachte. Der sagte: Ei, du böser Schalk, das bin ich an dir ungewohnt,
und wollte es schlagen, aber da sah er seinen Bruder oben beim Galgen
und schnell stieg er auf Bayart und weckte die übrigen, und alle rannten
mit voller Gewalt aus dem Walde heraus. Reinold schlug unter das Volk,
so daß sie flohen oder umkamen, und Ritsart war wieder frei, und Rype
ward genommen und an den Galgen gehangen, weil er sich unterstanden
hatte, den Ritsart aufzuhängen.

Ritsart war so froh und guten Muths, daß er sich noch die Rüstung des
Rype anzog und auf sein Pferd stieg, um sich vom König Carl den
versprochenen Lohn auszahlen zu lassen. Reinold mußte lachen, da er
seinen Bruder noch so gutes Muthes sah, er folgte ihm von ferne mit
Malegys und den übrigen Brüdern.

Carl sah mit Ogier grade aus dem Fenster, als sie in der Ferne einen
Ritter über den Plan reiten sahen, den sie für Rype hielten. Carl war
sehr erfreut, weil er glaubte, Ritsart sei nun gewiß und wahrhaftig
gehangen, aber Ogier ward zornig und ging fort, um ihm entgegen zu
reiten und mit ihm handgemein zu werden. Carl versammelte seine
Ritterschaft, weil er fürchtete, daß Ogier den Rype umbringen würde,
ritten ihm also allesammt nach. Aber Ritsart gab sich dem Ogier zu
erkennen, als sie zusammen kamen, und der war nun zufrieden. Indem kam
König Carl mit seinem Gefolge näher, und lobte den vermeintlichen Rype,
daß er sein Versprechen so wacker ausgeführt habe. Darüber wurde Ritsart
zornig und sagte: ich bin nicht Rype, der hängt am Galgen, sondern
Ritsart! und rennte mit seinem Speer auf Carl zu und gab ihm einen guten
Stoß auf die Brust. Darüber wurde ein Gefecht und Reinold kam mit seinem
Gefolge heran und alle wurden mit einander handgemein. Reinold sprang
von Bayart und ergriff König Carl und warf ihn hinter sich auf's Pferd,
in der Meinung, ihn mit sich nach Montalban zu nehmen. Als die übrigen
sahen, daß König Carl gefangen war, setzten sie dem flüchtigen Bayart
nach und das Gefecht ward noch hitziger; Reinold aber sah zurück und
sah, daß seine Brüder mitten unter den Feinden kämpften, er warf daher
den König Carl wieder von sich, so daß er weit in's Feld hinein flog,
und meinte, das Herz im Leibe wäre ihm gesprungen; und so ritt Reinold
wieder unter die Feinde und focht tüchtig, bis er seine Brüder salvirt
hatte. Dann ritten sie alle nach Montalban.




                          Siebzehntes Bild.
                       Kunststück des Malegys.


Olivier war einst auf der Jagd und stand mit seinem Pferde auf einem
hohen Berge. Da sah er unten nach dem Fluß hinunter und gewahrte einen
Mann, der am Berge herum kroch, und Kräuter zu suchen schien; er
gedachte gleich daran, daß es wohl Malegys sein könnte, ritt also
hinunter und sagte ihm, daß er sich gefangen geben sollte. Malegys
setzte sich zur Wehre, aber Olivier schlug ihm das Schwert aus der Hand,
und so mußte jener sich gefangen geben und dem Olivier nach Paris
folgen, zornig zwar, aber doch nachgebend.

König Carl freute sich sehr, daß Malegys in seiner Gewalt sei, er wollte
ihn sogleich aufhängen lassen, aber Malegys sagte: lasset mich noch bis
Morgen leben, das ist nicht lange, und mir ist es lieber. Das glaub'
ich, antwortete Carl, Du denkst vielleicht mir zu entwischen, aber
diesmal soll es Dir nicht gelingen, deshalb kann ich Dich wohl bis
morgen leben lassen, dann aber sollst Du dafür gestraft werden, daß Du
mir neulich beinahe den Daumen abgebissen hättest. -- Wenn ich morgen
hänge, antwortete Malegys, so werd' ich nun wohl Ew. Majestät nicht mehr
beissen. Das denk' ich auch, antwortete der König.

Es wurde zur Tafel geblasen und die Genossen saßen paarweise an kleinen
Tischen; der König aber speiste allein; worauf Malegys sagte: für alle
diese Herren ist gedeckt, außer für mich nicht, ich denke, ich setze
mich zu Ew. Majestät, so machen wir auch ein Paar. -- Du böser Schalk,
antwortete Carl, darfst Du noch so lose Reden führen, ich dächte, Dir
sollte die Lustigkeit wohl vergehn, da Du morgen sterben mußt. Aber die
Reden des Malegys gefielen dem Roland, und er ließ den Malegys neben
sich niedersetzen und sie aßen und tranken mit einander. Malegys wurde
immer lustiger und sang einige Lieder, worüber sich alle verwundern
mußten, da er so bald sterben sollte. Aber Malegys trank immer
fleißiger, und sang:

   Sollt' ich denn fröhlich nicht sein?
   Schmeckt mir doch Essen und Wein,
   Morgen ist lange nicht heut,
   Sterben hat doch seine Zeit,
   Jedermann thut es ja leid,
   Stirbt doch auch mancher noch heut.

Der König sagte: Du denkst Dich wohl vielleicht vom Galgen los zu
singen, aber darin sollst Du Dich verrechnen, und sogleich ließ er ihn
in einen festen Kerker führen und in Ketten legen und viel Eisen an die
Füße binden, damit er durchaus nicht entlaufen könne. Gebt Ihr mich
frei? sagte Malegys; gewiß nicht, antwortete der König. Nun, so gebt nur
gut auf mich Acht, redete darauf der Schalk, denn um Mitternacht denke
ich Euch zu entlaufen. Damit wird es nun wohl keine Noth haben, sagte
der König und ließ die festen eisernen Thüren doppelt zuschließen, und
die Genossen mußten mit bloßen Schwertern die Nacht hindurch vor dem
Gefängnisse Wache halten; meinte der König, er solle ihm nun gewiß nicht
entrinnen.

Aber um Mitternacht schüttelte Malegys die Schlösser von sich und die
Eisen fielen ihm von den Füßen; darauf machte er durch seine Kunst die
Schlösser und die eisernen Thüren auf und machte, daß die Genossen in
einen festen Schlaf fielen und einer über dem andern lag. Worauf er ihre
Schwerter und vieles kostbares Geräthe mit sich nahm und so schwer
beladen nach Montalban eilte. Reinold war sehr erfreut, daß er die zwölf
kostbarsten Schwerter in seiner Gewalt habe.

Am Morgen wollte König Carl den Malegys zum Tode führen lassen, stand
deshalb ziemlich früh auf. Da fand er die Genossen schlafend, wie einer
über dem andern lag, auch waren ihnen die Schwerter gestohlen und alle
Thüren offen, und kein Malegys im Kerker, aber die Ketten und das Eisen
war drin geblieben, worauf König Carl sehr erboßt wurde und einen Eid
that, er wolle Montalban belagern und mit eigner Hand die Schwerter
erobern.




                          Achtzehntes Bild.
         Montalban belagert; Frau Aya schließt einen Frieden.


König Carl brachte nun eine große Macht zusammen und zog mit allen
seinen Genossen vor Montalban und hielt es belagert. Roland mußte
hineingehn und die Festung auffodern, daß sie sich auf Gnade und Ungnade
ergeben solle; aber Reinold wollte das nicht thun, sich aber ergeben,
wenn König Carl ihm Verzeihung und Sicherheit verspräche. Das aber
wollte König Carl wieder nicht eingehn, und so dauerte der Krieg wieder
einige Jahre hintereinander, und ward auf eine blutige Art fortgeführt,
so daß auf beiden Seiten viele Leute todt blieben.

In einer Schlacht stach Reinold den König vom Pferde und hätte ihn
gefangen genommen, wenn ihn die Genossen nicht errettet hätten; aber an
demselben Tage wurde Malegys entwaffnet, und für einen Gefangenen in das
Lager des Feindes geführt. Der König wollte ihn am folgenden Morgen
hinrichten lassen.

In der Nacht aber brauchte Malegys seine Kunst und ging vor das Bett des
Königs und sagte zu ihm: Ew. Majestät, Reinold hat gebeten, daß wir
beide zu ihm kommen sollen. Der König war bezaubert und antwortete:
Schon gut, ich wünsche nur, wir wären erst unterwegs. Darauf nahm
Malegys den schlafenden König auf seine Schultern und trug ihn so gen
Montalban. Dort legten ihn die Brüder in ein köstliches Bette und
warteten dann, bis er aufwachen würde.

Der König war sehr verwundert und erschrak heftig, als er alle seine
Feinde um sein Bette stehen sah. Reinold redete ihn an, er möchte ihm
verzeihen und er wollte ihn sogleich freilassen und ihm mit seinen
Brüdern dienen. Aber König Carl wollte nicht nachgeben, so viel gute
Worte ihm auch Reinold gab, worüber Ritsart ergrimmte und sein Schwert
zog, und den König umbringen wollte; aber Reinold hielt ihn zurück und
sagte: Das sei ferne von Dir, Bruder, daß Du unsern König umbringen
solltest. Alle Brüder baten drauf und auch Malegys; aber Carl bestand
auf seinem stolzen Sinn, daß sie sich ihm alle auf Gnade und Ungnade
ergeben sollten. So viel wollte aber Reinold dem Könige auch nicht
trauen, er ließ ihn daher frei in sein Lager zurück, aber der Krieg ward
immer noch mit großer Wuth fortgesetzt, obgleich alle Genossen,
insonderheit der Bischof Turpin, für Reinold baten.

Das Schloß Montalban war so fest, daß es der Feind durchaus nicht
einnehmen konnte, aber der Proviant war den Belagerten gänzlich zu Ende
gegangen, so daß sie in die größte Noth geriethen. Alle übrigen Pferde
waren schon verzehrt, Reinold war in der größten Verzweiflung und rief:
Nun muß Bayart sterben. Er ging mit einem Messer in den Stall, um das
Roß todt zu stechen; aber sein Bruder Adelhart folgte ihm und hielt ihn
zurück und bat für das treue Roß. Bayart selbst fiel demüthig auf seine
Kniee, als wenn er um sein Leben bitten wollte. Darüber wurde Reinold
sehr gerührt, so daß er weinte und ließ dem Bayart Gnade widerfahren.

Turpin hörte von dem großen Mangel, der in der Vestung herrschte und
wurde sehr darüber betrübt, daß seine Verwandten solche Noth leiden
sollten. Er vermochte daher den Roland dahin, daß er beim nächsten
Angriff sich die Ehre ausbat den Vortrab anzuführen, und als das
geschah, schaffte er den Brüdern wieder eine große Menge Proviants in
die Vestung. So bekam auch Bayart wieder viel Futter und wurde wieder so
stark als er nur je gewesen war.

Aber Reinold sah ein, daß er sich am Ende nicht gut auf Montalban würde
halten können, weil der Proviant immer schnell verzehrt war; er beschloß
daher, sich mit seinen Brüdern nach seiner Burg Ardane zu begeben, weil
er sich dort besser schirmen könne. Er ließ also Bayart zu einer
heimlichen Pforte hinausbringen; dort stiegen alle Brüder auf und ritten
schnell nach Ardane. Malegys begab sich auf sein festes Castell.

Als König Carl diese Nachricht gehört hatte, zog er mit seiner Macht vor
Ardane und hielt es belagert, denn es war sein ernstlicher Wille, die
Brüder in seine Gewalt zu bekommen. Der Streit wurde heftig fortgesetzt
und es blieb viel Volk und viele Ritter. Am Ende kam Reinold auch hier
in sehr bedrängte Umstände und er sah ein, daß er sich mit der Zeit
würde ergeben müssen.

Aber seine Mutter Frau Aya kam mit einem großen Gefolge in das Lager
ihres Bruders, Königs Carl, um für ihre Söhne zu bitten. Sie ließ sich
vor ihm auf die Kniee nieder und weinte heftig und bat um das Leben
ihrer Kinder, und daß er sich möchte rühren lassen. König Carl hatte
seine Schwester in so langer Zeit nicht gesehn, dazu so rührte ihn ihr
Knien und ihre bitterlichen Thränen, so daß er ihr versprach, einen
guten Frieden zu machen und alles zu vergessen, wenn die Söhne ihm das
Roß Bayart in die Hände liefern wollten, damit zu schalten wie er Lust
hätte, weil es ihm gar zu großen Schaden gethan habe. Frau Aya war von
Herzen froh und ging sogleich in die Vestung zu ihren Kindern, ihnen die
Botschaft anzusagen. Adelhart setzte sich dagegen, daß man das Roß
ausliefern sollte; aber Reinold sagte: wir wollen es thun, lieben
Brüder, wir mögen vielleicht für das Roß auch Gnade erlangen.

Und so war denn nach einem langen Kriege der Friede geschlossen.




                          Neunzehntes Bild.
                    Das Roß Bayart wird ertränkt.


Die Brüder fielen im Beiseyn ihrer Mutter dem Könige zu Fuße, er hob sie
gnädig auf und alle waren sehr erfreut, besonders ihre Mutter Aya.
Hierauf nahm Reinold das Roß Bayart und gab es in die Hände Carls. Der
König ließ ihm sogleich zwei Mühlsteine an den Hals binden, und es, wie
er gelobt hatte, von der großen Brücke in's Wasser stürzen. Bayart sank
unter, kam aber bald wieder in die Höhe und sah nach seinem Herrn
Reinold; dann arbeitete er sich mit Schwimmen an's Ufer, schlug die
Mühlsteine von sich und ging zu Reinold und liebkosete ihm. Der König
sagte: Reinold, gebt mir das Roß zurück; Reinold nahm es, und gab es dem
Könige, der ließ ihm zwei Mühlsteine an den Hals henken und an jedem
Fuße einen und so wurde es von neuem in das Wasser geworfen. Es sank
wieder unter, kam aber bald wieder oben, sah Reinold an, stieg an's Ufer
und schlug alle Steine von sich, so daß sich alle über die Stärke
Bayarts verwundern mußten. Bayart stand wieder bei Reinold und liebkoste
ihm, wie zuvor, wodurch Reinold sehr gerührt war. Adelhart sagte:
Bruder, verflucht mußt Du sein, wenn Du das Roß wieder aus Deiner Hand
giebst! O Bayart, wird Dir nun so gelohnt, daß du deinen Herrn und uns
alle so oft errettet hast? Aber Reinold sagte: Brüder, sollt' ich um des
Rosses willen die Gunst des Königs verscherzen? nahm Bayart wieder und
übergab ihn dem Könige mit den Worten: Wenn das Roß noch einmal wieder
kömmt, kann ich es Ew. Majestät nicht wieder fangen, denn es geht meinem
Herzen gar zu nahe. Da wurden dem Bayart wieder zwei Mühlsteine an den
Hals gebunden und an jedem Fuß zwei, und er wurde zum drittenmal von der
Brücke hinuntergestürzt. Reinold aber mußte fortgehn, damit ihn das Roß
nicht wieder sähe und dadurch neue Kraft bekäme. Bayart blieb diesmal
länger unter Wasser, dann kam er aber doch wieder mit dem Kopfe hervor
und streckte ihn weit von sich, weil er seinen Herrn Reinold suchte; da
er ihn aber nirgends gewahr werden konnte, verließen ihn nach und nach
die Kräfte, er sank unter und kam nicht wieder ans Tageslicht.

Alle Brüder weinten und Reinold war im innersten Herzen betrübt; er
verschwor es, Zeit seines Lebens wieder Sporen an den Füßen zu tragen,
oder ein ander Pferd zu besteigen, zugleich wollte er das ganze
Ritterleben aufgeben. Die Brüder blieben bei Hofe, er aber ging nach
Montalban, wo er seiner Hausfrauen Clarisse den Tod Bayarts erzählte;
sie fiel in Ohnmacht, als sie diese Nachricht hörte, wurde aber dadurch
wieder etwas getröstet, daß die Brüder nun völlig mit König Carl
ausgesöhnt wären. Hierauf schlug Reinold seinen ältesten Sohn Emmrich
zum Ritter und gab ihm die Veste Montalban, auch den übrigen Söhnen
schenkte er Land und Leute, dann küßte er sie alle nach der Reihe und
verließ sie in der dunkeln Nacht.




                          Zwanzigstes Bild.
                         Reinold ein Eremit.


Reinold empfand die Eitelkeit alles menschlichen Treibens, begab sich
deshalb in einen abgelegenen wilden Wald, weil ihm die ganze Welt
nunmehr zuwider war. Da traf er einen Einsiedler, von dem lernte er das
eremitische Leben und brachte so seine Zeit mit frommen Gebeten und
stillen Betrachtungen zu. Allenthalben ließ man Reinold suchen, man fand
ihn aber nirgends, bis er nach einigen Jahren wieder freiwillig
hervorkam, weil er gern seinen Vater Heymon sehn wollte und seine
Mutter, Brüder und Kinder, in Summa, die Seinigen, die ihm theuer waren.
Dann ging er wieder in seinen Wald zurück und führte sein stilles Leben
weiter und that Buße für die mannichfaltigen Sünden, die er jemals im
Laufe seines Lebens begangen hatte. Dann lebte er noch lange in der
Einsamkeit und kam aus seinem Walde in die Welt, um seine Freunde zu
sehn, und nach vielen Jahren starb er als ein frommer Waldbruder, als
Roland schon bei Ronceval gefallen war und Carl gestorben und sein Vater
todt, und viele der Helden sich zerstreut und verloren hatten.

Und hier endigt sich die Historie von Reinold und den übrigen Heymons
Kindern.




                       Sehr wunderbare Historie
                               von der
                              Melusina.
                        In drei Abtheilungen.
                                1800.




                          Erste Abtheilung.


Wie oftmals durch Gunst der Frauen Männer zu hohem Glück und Ehre
gelangt sind, davon findet man in der Geschichte viele Beispiele, unter
andern auch in folgender sehr wunderbaren Historie, die vielen nur ein
Mährchen dünken möchte, weil einige Umstände zusammen treffen, die fast
an das Unwahrscheinliche gränzen.

Zu alten Zeiten lebte in Frankreich ein Graf _von Forst_, er hatte viele
Kinder, war arm und lebte in einem anmuthigen Walde. Dieser Graf hatte
viele Noth seine Kinder adelich und nach ihrem Stande zu erziehn, weil
es ihm am Vermögen fehlte. Sonderlich that ihm dieses um seinen jüngsten
Sohn Reymund leid, der schon früh ein hochstrebendes Gemüth in sich
spüren ließ, denn er sprach am liebsten von Rittern, die sich durch
wunderbare Begebenheiten und große Thaten zu den höchsten Ehren empor
geschwungen hatten, auch ließ er sich vom Vater gern alte Geschichten
erzählen, von solchen Leuten, die aus Armuth Fürsten und Könige geworden
und wünschte sich ein gleiches Schicksal. Darüber wurde der Vater oft
betrübt und führte ihm zu Gemüth, daß es nicht mehr die Zeit sei, an
derlei Wunderwerke zu glauben und er möchte sich nur früh in seinen
beschränkten Stand finden lernen. Reymund aber sagte: lieber Herr Vater,
es ist noch nicht aller Tage Abend, so können wir auch nicht wissen, was
aus mir noch werden möchte. Worauf der Vater antwortete: Nun, Gott möge
Dich segnen, mein Kind, denn ich sehe wohl, Dein Sinn steht nach hohen
Dingen.

Nicht weit vom Walde hatte der Graf _Emmerich_ seine großen,
weitläuftigen und reichen Güter; dieser war der Mutter Bruder des armen
Grafen von Forst und also sein naher Vetter und Verwandter. Dieser Herr
war neben seinem Reichthum in vielen Wissenschaften wohlerfahren,
sonderlich in der Kunst der Astronomie, denn er wußte alle Abtheilungen
des Jahrs, Mondwechsel, auch Sonnen- und Mondfinsternisse, konnte alles
daraus wahrsagen und die schwersten Rechnungen machen: auch war ihm
durch astrologische Weisheit das Firmament mit seinen Sternen nur wie
ein lieber Freund, den er um Rath fragen durfte, wußte auch genau
anzugeben, wo die Planeten standen und wann sie auf und wann sie
untergehn, in Summa er war von allen Leuten im Lande wegen seiner
Kenntnisse und großen Reichthums sehr hochgeachtet. Dieser Mann hatte
nur zwei Kinder, einen Sohn, welcher Bertram hieß, und eine Tochter. Er
rechnete mit seiner Kunst aus, und wußte es auch schon vorher, daß
seinem armen Vetter, dem Grafen von Forst, die Erziehung seiner vielen
Kinder zur Last falle, nahm sich also in seinem großmüthigen Herzen vor,
eins davon zu sich zu nehmen. Machte also ein großes Gastmahl und lud
dazu auch seinen Herrn Vetter ein, der auch mit drei von seinen Söhnen
kam, unter welchen sich Reymund, der jüngste, befand. Graf Emmerich sah,
daß sich alle höflich betrugen und alle in guter Kleidung zu ihm kamen
und war damit sehr zufrieden. Während der Mahlzeit warf er eine besondre
Liebe auf Reymund, der sehr geschickt und artig sein Hütlein beim Beten
vor das Gesicht zu halten wußte, wie wohl die andern sich auch andächtig
bezeigten, nachher zierlich und sauber aß, seinem Herrn Vetter in allen
Dingen aufwartete und sich überhaupt als ein feiner Gesell betrug.

Nachdem alle abgespeist hatten, gingen der Graf Emmerich und Graf Forst
beiseit und Emmerich sagte zu seinem Vetter: ich danke Euch vielmals,
mein Herr Vetter, daß Ihr zu meinem Gastgebot habt erscheinen wollen,
auch alle so höflich und in neuen Kleidern gekommen seid, welches suchen
werde, bei einer andern Gelegenheit zu vergelten. Ihr habt außerdem
viele und wackre Kinder, und viele wohlerzogene Kinder besitzen, ist von
je an für einen Segen des Himmels gerechnet worden; doch giebt es einen
Fall, wo man sich lieber deren einige mit Freuden abthun möchte, wenn
man nämlich sehr viele hat und sich selber dabei in Armuth befindet,
denn alsdenn müssen die Kindlein der ihnen zukommenden Erziehung
entbehren, wodurch sie nicht nur kein Vermögen, welches nicht sonderlich
zu achten, bekommen, sondern selbst ihren zukünftigen guten und
tugendhaften Lebenswandel verlieren. Will dieses übrigens nicht von
Euch, Herr Vetter, gesagt haben, denn mir ist nicht unbekannt, daß einem
so verständigen Manne fast alles möglich zu machen ist, wie Ihr es denn
auch mit der That beweiset; wollte Euch dennoch höflichst und
inständigst um Euer jüngstes Söhnlein Reymund gebeten haben, mir solchen
zur Erziehung zu überlassen, denn er hat mir doch gar zu artlich
gedünkt, sowohl mit Beten, als saubern Mundwischen, auch allem übrigen
gottgefälligen Betragen, will ihn wie meinen eignen Sohn halten, ihm
auch Vermögen hinterlassen.

Als der Graf von Forst diese Rede seines Herrn Vettern verstanden hatte,
überkam er eine große Freude und antwortete: mein Herr, Euer edles Herz,
wie Eure weltbekannte große Wissenschaft leuchten gleich sehr aus dem,
was Ihr gesagt, herfür, und so geschieht es denn auch zu meiner grösten
Zufriedenheit, daß ich Euch mein jüngstes Söhnlein, den Reymund, ob er
mir gleich das allerliebste Kind, übergebe und ausliefere, denn bei mir
hat er, wie Ihr wißt, kein großes Glück zu hoffen, darum will ich ihm
mit meiner väterlichen Liebe nicht im Wege stehn. Nehmt ihn hin, und
möge er Euch nur am letzten Tage noch eben so gut gefallen, als am
ersten, möge er in der Gottesfurcht aufwachsen, damit Euch Eure
Wohlthätigkeit und Liebe zu ihm nicht dermaleinst gereut.

So gaben sie sich die Hände und waren mit einander einverstanden. Der
Reymund wurde von dem Handel unterrichtet und weinte viel, welches dem
Grafen Emmerich wieder sehr gefiel, weil er daraus seine Liebe zum Vater
erkannte und sich auch dergleichen versprechen durfte. Endlich schieden
sie und der Graf von Forst reiste nach seinem Walde zurück.

Der Reymund war von nun an immer in Gesellschaft seines Herrn Vetters,
der Grafen Emmerich, bei dem er alle adlichen Sitten, auch reiten und
stechen lernte. Der Graf war ihm wegen seiner Tugenden so zugethan, daß
er ihn fast seinem Sohne vorzog, worüber dieser aber auch nicht neidisch
war, weil Reymund ihm höflich und freundlich begegnete, und überhaupt
der Liebling des ganzen Hauses wurde. Wo er konnte, diente er jedermann,
dabei war er niemals trotzig und hochmüthig, mit keinem zänkisch,
sondern immer nachgebend. So wuchs er auf und der junge Graf Bertram war
mit ihm von einem Alter.

Graf Emmerich war ein großer Freund von der Jagd und Reymund mußte ihn
fast immer auf allen seinen Zügen begleiten. So waren sie auch eines
Tages mit großer Gesellschaft in den Wald hinaus gezogen, mit Jägern und
Hunden und allem Zubehör. So kam ein wildes Schwein daher, das sie
alsbald niederlegen wollten, dieses aber haute viele von den Hunden zu
Schanden, eilte wieder fort und zog die ganze Jagdgesellschaft nach sich
in den Wald, so daß der Graf und Reymund allein zurück blieben. Es war
schon Mondschein und Nacht in demselben Walde und nicht lange währte es,
so waren sie verirrt, worauf Reymund zu seinem Herrn Vetter sagte: wir
sind in der Nacht von unsern Leuten gekommen, haben auch die Hunde
verloren, uns selber verirrt, darum wäre es wohl gut, einen Ort zu
finden, wo wir unterkommen möchten. Worauf der Graf zur Antwort gab: Du
rathest wohl, können wir es doch versuchen, denn der Himmel ist gestirnt
und der Mond scheint helle genug. Darauf ritten sie im Holze hin und
her, um einen geraden Weg zu finden, fanden ihn aber nicht und wurden
verdrüßlich; endlich geriethen sie auf eine schöne Straße und Reymund
sagte: dieses dürfte wohl die Straße nach unserm Schlosse sein; jetzt
wollen wir nur einige von unsern Leuten aussuchen, die die Wege besser
kennen: worauf der Graf mit den Worten erwiederte: es kann sein, ich
will Deinem Rathe folgen.

Indem sie noch so ritten, betrachtete der Graf mit Aufmerksamkeit das
Gestirn am Himmel, seufzte bei sich und sprach: O Gott, wie sind doch
deine Wunder so groß und mannichfaltig, wie hast Du die Natur in solcher
Gestalt zugerichtet und wie magst Du es zulassen, daß ein Mann durch
seine Missethat zu so großem zeitlichen Glück und hohen Ehren gelangen
möge? Komm hieher, mein Sohn, fuhr er gegen Reymund fort, und betrachte
einmal die Gestalt des Himmels, sieh jenen röthlichen Stern, der herauf
kommt und sich dem weißen nähert, sie machen zusammen ein wunderliches
Licht und seltne Stellung und bedeuten, daß in dieser Stunde ein
undankbarer Diener seinen Herrn und Wohlthäter erschlägt, und dadurch zu
allem zeitlichen Glücke gelangt.

Wie ist dieses möglich, antwortete Reymund, daß Ihr es aus den Gestirnen
erkennen mögt?

Die Natur, sagte Emmerich, ist wunderseltsam mannichfaltig und auch
wieder sehr einfach, der Himmel ist ein Spiegel der Erde, die Erde des
Himmels, ja ein jedes Ding spiegelt sich im andern wieder, erschafft
jenes und wird erschaffen, dieselben Kräfte in vielen Gestalten,
dieselben Bildungen aus verschiedenen Kräften, wie tausend Ströme die
durcheinander fließen, sich verwirren und in schöner Ordnung regieren,
wie tausend Geister, die sich spielend einer im andern bewegen und so
die Welt im Wechsel darstellen und festhalten; mir und meinesgleichen
ist die Kunst gegeben, den Abgrund an der Höhe des Firmamentes zu
erkennen, ich finde die Gestirne in mir und im Abgrunde wieder, unser
Herz zieht die Liebe der Geister an sich und so mögen wir im großen
Spiegel Vergangenes und Künftiges wahrnehmen.

Dieses ist zu verwundern, sagte Reymund; worauf sie weiter ritten und
ein Feuer fanden, das die Hirten im Holze angezündet hatten. Sie stiegen
von den Pferden ab, suchten Holz zusammen und legten es auf das Feuer,
weil es in der Nacht sehr kalt war, um sich an der Flamme zu wärmen. Als
sie noch damit beschäftigt waren, sich zu wärmen, hörten sie durch das
Holz etwas kommen, mithin ergriff Reymund sein Schwert, und der Graf
seinen Spieß, und sie konnten nicht damit geschwinde genug sein, denn es
kam ein großes Schwein, klopfete mit seinen Zähnen an den Bäumen und
schnaubete sehr. Da schrie Reymund seinem Vetter zu und sprach: O Herr
Vetter, schont Euer Leben und steigt lieber in aller Eile einen Baum
hinauf. Der Graf aber that dieses nicht, sondern sagte: Solches ist mir
noch nie vorkommen noch widerfahren, soll mir auch, wenn es Gott will,
niemals fürgehalten noch bewiesen werden, daß ich vor einem Schweine so
schändlich fliehe, oder mich auf die Bäume begebe. Dem Reymund that es
Leid, daß sein guter Rath nicht befolgt wurde; der Graf hielt hierauf
den Spieß vor, das Schwein lief daran, schlug aber den Stich ab, indem
es sich nur wenig verwundete, und den Grafen zur Erden niederwarf.
Darauf nahm Reymund seines Herrn Vetters Spieß, wollte damit das Schwein
niederlegen, fehlte aber und stieß damit in seines Herrn Vetters Leib,
zog ihn aber gleich wieder heraus und brachte das Schwein um, kehrte
sich wieder zu seinem Herrn Vetter, fand ihn in Todesnöthen liegen und
sah, wie er alsbald verschied.

Wie nun Reymund das jämmerliche Unglück, so er angerichtet, recht
bedachte, fing er eine laute und bittere Klage an, raufte seine Haare
aus, rang die Hände und weinte von Herzen, indem er ausrief:

   Ach Glück! wie hast Du mich so arg belogen,
   Reich machst Du arm, und Arme oft zu Reichen,
   Dem magst Du Trost, dem andern Jammer reichen,
   Dem bist Du Feind, und jenem dort gewogen.

   Bös Glück! welch Leid hast Du mir zugewogen?
   Ist noch ein Jammer meinem zu vergleichen?
   Muß so der edle Vetter mein erbleichen?
   Wollt' ihn erretten, wurde schlimm betrogen.

   Ich stieß ihn undankbar in sein Verderben,
   Das Auge mußte, so die Hand auch fehlen,
   Der eigne Speer von seinem Blut geröthet:

   O könnt' ich doch an seiner Seite sterben,
   Denn so wird der Verdacht mich ewig quälen,
   Ich habe gar mit Vorsatz ihn getödtet.

So klagte er in der Nacht und alle seine Sinne kamen in Verwirrung, er
wußte nicht mehr, ob er die Mordthat mit Fleiß begangen hatte, und
klagte sich selber auf das härteste an. Dann setzte er sich in Leid und
Betrübniß wieder auf sein Pferd, wußte nicht wohin und ließ es ohne
Lenkung und Führung freiwillig dahin gehn, wohin es nur wollte.

Es befand sich ein Brunnen im Walde, auf einem schönen freien Platz, der
aus einem Felsen entsprang und den man gewöhnlich nur den Waldbrunnen
nannte; hieher ging das Pferd mit Reymund, und beim Brunnen standen drei
schöne Jungfrauen, die aber Reymund in seiner tiefen Betrübniß nicht
bemerkte. Die jüngste und schönste von den dreien ging ihm entgegen, und
sagte: nie ist mir ein solcher Ritter vorgekommen, der vor Damen vorbei
reitet, ohne sie anzureden. Reymund aber trieb sein Klagen und Jammern
weiter, so daß er gar nicht hörte, was sie sagte, worauf sie das Pferd
beim Zügel fing und sprach: Ihr müßt wohl nicht aus adelichem Blute
sein, denn sonst würdet Ihr uns nicht so stillschweigend vorüber reiten.

Nun erwachte Reymund erst aus seiner Betäubung und erschrak, als er ein
so schönes Fräulein vor sich sah: er wußte nicht, war er lebend oder
todt, oder war sie ein Gespenst, oder ein Fräulein. Er stieg aber
alsbald mit der größten Behendigkeit vom Pferde herunter und sagte: ich
bitte, Ihr wollet mir verzeihen, denn ich bin wohl ein Ritter und aus
adelichem Blut, aber meine Unglücksfälle haben mich dermaßen
erschüttert, daß ich vor tiefster Betrübniß Artigkeit gegen Damen aus
den Augen zu setzen mich genöthigt sehe.

Sie antwortete: lieber Reymund, Euer Klagen und Euer Unglück thun mir
sehr leid. Worüber er sich verwunderte, daß sie seinen Namen wußte und
sagte: Wie könnt Ihr doch meinen Namen wissen, da ich Euch nicht kenne?
Wie ist es denn möglich, daß Ihr Euch mit dieser großen Schönheit, edlem
Leibe und trefflichen Angesichte hier allein im Walde befindet? Und wie
kömmt es, daß mir mein Gemüth sagt, es würde mir durch Euch einiger
Trost zukommen, ja daß ich schon, indem ich mit Euch rede, den süßen
Klang der Stimme von diesen holdseligen Lippen vernehme, in zauberischer
Gegenwart Eurer Lieblichkeit, meine Leiden gelindert fühle?

Das Fräulein sagte hierauf: theurer Reymund, habt Ihr gleich Euren Herrn
Vetter und das Schwein umgebracht, und seid dadurch in große Noth
gerathen, so ist dieses doch gegen Euren Willen geschehn und ich sage
Euch hiermit, daß Euch Glück, Reichthum und Macht wird zu Theil werden,
wie noch keinem jemals in Eurer Familie geschah, denn was Euer Herr
Vetter geweissagt hat, das muß an Euch selber in Erfüllung gehn und es
wird auch mit göttlicher Hülfe vollbracht werden.

Wie Reymund hörte, daß sie von göttlicher Hülfe sprach, wurde er noch
beherzter, weil er nun glaubte, daß das Fräulein kein Gespenst, auch
keine Heidin, sondern eine Christin sei, und sagte daher: aber mein
schönstes Fräulein, wie wißt Ihr doch meinen Namen, oder welch ein
Unglück mir begegnet ist, da ich Euch vorher niemals mit Augen gesehn
habe, denn Ihr wart nicht zugegen, als das Unglück geschah, noch habe
ich Euch vorher jemals bemerken können.

Sie sagte: tröstet Euch nur und seid allerdings unbekümmert, denn ich
bin eben diejenige, durch welche das in Erfüllung gehn muß, was Euer
Herr Vetter kurz vor seinem Tode geweissagt hat: zweifelt auch nicht
daran, daß ich eine gute Christin sei, wie ich denn in der That merke,
daß Ihr daran zweifelt, denn ich glaube alles, was einem guten Christen
zu glauben zukommt, als daß Christus für unser Heil gestorben und an das
bittre Kreuz genagelt ist, daß er nach dreien Tagen auferstanden,
^item^, daß er der eingeborne Sohn Gottes ist, und so weiter, gen Himmel
gefahren, nebst allen Dingen, die zu unsrer heiligen Religion gehören.
Darum vertraut mir nur, und Ihr sollt so weise, reich und mächtig
werden, wie es noch keiner je in Eurem Geschlechte gewesen ist.

Als Reymund dies gehört hatte, bekam er seinen Muth und auch seine Farbe
wieder, denn alle Zweifel waren nun bei ihm verschwunden; er antwortete
daher: holdseligstes und schönstes Fräulein, nunmehr bin ich bereit,
alles das zu thun, was Ihr mir gebieten werdet, denn ich sehe wohl, daß
es eine Schickung Gottes ist, und nichts anders: darum sagt mir nur, was
ich thun soll, und wenn es nicht mein Vermögen oder meine Kräfte
übersteigt, soll es gewiß in Erfüllung gesetzt werden.

Worauf das Fräulein antwortete: Reymund, Ihr sollt mir schwören, daß Ihr
mich zum ehelichen Gemal nehmen wollt, aber an keinem Sonnabend weder
nach mir fragen dürft, noch Euch sonst um mich bekümmern, sondern diesen
Tag muß ich ganz ausdrücklich für mich behalten, worauf ich Euch aber
wieder schwöre, nichts zu thun, noch mich an selbigem Tage irgend an
einen Ort zu verfügen, der Eurer Ehre nachtheilig sein könnte.

Reymund schwur sogleich und sie fuhr fort: wenn Ihr diesen Euren Schwur
jemals brecht, so wird es Euch selbst zum Nachtheil gereichen, denn Ihr
werdet dadurch an Gut und Ehre, an Land und Leuten merklich abnehmen;
auch werdet Ihr mich selbst verlieren. Reymund schwur noch einmal und
versprach, ihr in allem zu gehorchen, worauf sie ihm sagte, daß er nach
dem Schlosse zurück reiten möge, und sagen, daß er seinen Herrn Vetter
im Walde verloren habe und nicht wisse, wohin der gekommen sei, man
werde diesen hierauf suchen, finden und mit vielen Wehklagen begraben.
Dann würden alle Vasallen erscheinen, den jungen Grafen Bertram für
ihren Lehnsherrn erkennen, und die Lehn von ihm begehren, zu diesen
solle er sich auch begeben und zum Lohn für seine Dienste nur so viel
Landes bitten, als man mit einer Hirschhaut umschließen könne, welches
ihm jener gewiß nicht versagen würde; er solle aber nicht vergessen,
sich hierüber eine schriftliche Versicherung mit allen Siegeln
ausfertigen zu lassen. Reymund würde hierauf einem Manne mit einer
Hirschhaut begegnen, dem er sie abkaufen müsse, ohne zu handeln, diese
müsse er in die dünnsten Riemen schneiden lassen, sie in einem Büschel
zusammenlegen, und sich am Tage der Vergabung damit nach dem Waldbrunnen
begeben, hier solle er mit dem Riemen dann so viel Land umfassen, als
ihm nur möglich wäre. Nach allem diesen zeigte sie ihm noch den rechten
Weg nach dem Schlosse und bestimmte ihm einen Tag, an welchem er sie
wieder am Brunnen im Walde sprechen könne.

Reymund empfahl sich ihr, versprach alles auszurichten, wie sie es ihm
befohlen und eilte alsdann nach dem Schlosse zurück. Als er des Morgens
dort ankam, fragte ihn jedermann nach dem Grafen seinem Herrn; er aber
sagte, er habe ihn im Walde verloren, wisse nichts von ihm, könne also
auch keine Nachricht ertheilen. Endlich kamen des Grafen Diener alle von
der Jagd wieder zurück, keiner von allen wußte vom Grafen. Da entstand
im Hause ein großes Wehklagen, besonders von den Kindern und der Gräfin
ihrer Mutter. Die Diener wurden ausgeschickt, das Holz wurde durchsucht
und endlich fand man auch den Leichnam neben dem todten Schwein. Sie
brachten ihn in das Schloß und das Wehklagen und das Jammern vermehrten
sich noch um ein Großes: wurde dem todten Grafen hierauf ein köstliches
und ehrliches Begräbniß angestellt, die Glocken geläutet, alt und jung
versammelt und in Thränen, der Mann allgemein bedauert, und Männer und
Frauen, Geistliche und Weltliche in schönen Trauerkleidern zugegen, alle
hoch und tiefbetrübt, vorzüglich Reymund, wie es ihm das Fräulein im
Walde gerathen hatte.

Als der Graf begraben war, kamen alle Vasallen und Lehnsleute zu seinem
Sohne, um die Lehn von ihm zu empfangen, unter diesen auch Reymund, der
so, wie ihn Melusina unterwiesen hatte, nur um so viel Landes beim
Waldbrunnen bat, als er mit einer Hirschhaut umschließen könne. Dem
Bertram schien dies für seine langen und getreuen Dienste eine geringe
Belohnung, hielt ihn überhaupt für im Kopfe verwirrt, und sagte ihm also
mit verbißnem Lachen dieses Erdreich zu. Ließ hierüber auch ein Dokument
mit seinem Siegel und Petschaft ausfertigen, so daß nachher kein
Streiten darüber möglich war. Denselben Morgen noch kaufte Reymund die
Hirschhaut, die er in einen langen und ganz dünnen Riemen schneiden ließ
und als dies gethan war, ging er wieder zum Grafen Bertram, ihn zu
bitten, ihm nunmehr die versprochne Gabe durch einige seiner Räthe
überantworten zu lassen.

Sogleich wurden einige von den Räthen mit ausgeschickt, und Bertram
lachte innerlich, daß jener sein Besitzthum einer Hirschhaut so eifrig
betrieb. So kamen die Räthe mit Reymunden zum Waldbrunnen, und
verwunderten sich über die maßen als sie sahn, daß er die Hirschhaut zu
einem ganz dünnen Riemen geschnitten hatte. Zwei unbekannte Männer
nahmen hierauf den Riemen, steckten einen Pfahl in die Erde, und umzogen
nun mit den Faden viel Holz, Wiesen und Felsen, den Waldbrunnen und eine
große Weite des Thals, in welchem ein angenehmer Bach floß. Die Räthe
waren gar sehr erstaunt, mußten aber den Vertrag halten, welchen Graf
Bertram mit seinem Wappen untersiegelt hatte. Die Räthe kamen hierauf
zum Grafen zurück und erzählten ihm, was vorgefallen, die Hirschhaut sei
ganz in einen dünnen Riemen zerschnitten, zwei unbekannte Männer hätten
damit viel des Gebiets beim Waldbrunnen umschlossen, es habe geschienen,
als wenn der Riemen sich immer mehr auseinandergezogen, je weiter sie
gegangen, auch sei ihnen das ganze Revier viel größer vorgekommen, als
es ihnen wohl ehemals geschienen. Worauf der Graf antwortete: Es ist
eine fremde Sache und mag wohl ein Gespenst sein, denn ich habe oft
sagen hören, daß fremde Wunder bei dem Waldbrunnen geschehn sein, gebe
Gott nur, daß es zu seinem Besten ausschlage, denn er ist doch unser
Vetter und naher Verwandter, ist immer besser, als wenn er im Haupte
verwirrt wäre, wie ich anfangs gedachte, so ist er aber klüger, als man
von ihm denken mochte, dürfen es ihm auch nicht mit Gewalt wieder
nehmen, weil er unsre Unterschrift und Siegel hat. Reymund ging hierauf
selber noch zum Grafen, um ihm für die empfangene Gabe Dank zu sagen,
der ihn auch sehr freundschaftlich empfing.

An dem bestimmten Morgen ging Reymund ganz in der Frühe wieder zum
Waldbrunnen, wo er auch schon seine geliebte Melusina, seiner wartend,
antraf, die ihm mit den Worten entgegen kam: sei mir gegrüßt, Reymund,
Du bist ein weiser und vernünftiger Mann, denn Du hast alles so
ausgerichtet, wie ich es Dir gerathen habe. Hierauf gingen sie in eine
Kapelle, wo sie viel schönes Volk, Frauen, Ritter, Knechte, Priester und
kostbar gekleidete Leute sahen. Reymund verwunderte sich und fragte, wo
alles das Volk hergekommen sei? Melusina antwortete: wundere Dich nicht
darüber, denn es ist alles das Deinige und sie sollen Dir auch ihre
Ehrerbietung bezeigen. Hierauf wendete sie sich zu den Leuten und befahl
ihnen, den Reymund als ihren Herrn anzuerkennen, und ihm Treue, Gehorsam
und Liebe zu geloben, welches sie auch alle sogleich mit großer Freude
und aller Unterwürfigkeit thaten.

Reymund wollte noch immer nicht seinen Augen trauen, dachte: wo krieg'
ich all dergleichen Volk her? wobei er innerlich zu Gott betete, weil er
meinte, es dürfte das ganze Wesen nur ein schlimmes Gespenst sein.
Melusina weckte ihn bald aus diesen Gedanken, indem sie zu ihm sagte:
Reymund, nicht eher sollst Du ganz meinen Stand und mein Wesen erkennen
und erfahren, bis ich Dein ehliches Gemal bin. Worauf Reymund sagte: ich
bin bereit, Euren Willen zu allen Zeiten zu erfüllen. Nun wohlan, sprach
Melusina, so wollen wir unsre Hochzeit auf künftigen Mondtag ansetzen,
doch muß es dabei eine ganz andere Gestalt haben und ehrlich zugehn, so
daß wir alle Gebräuche erfüllen, die dabei üblich sind; lade daher Gäste
und Zeugen ein, und sorge nicht, daß es an Speis und Trank, oder irgend
einer Ergötzlichkeit fehlen dürfte, denn ich will alles besorgen.

Reymund ritt hierauf wieder nach dem Schlosse seines Vetters, des Grafen
Bertram, zurück, er fand ihn bei seiner Frau Mutter, trat vor beide hin,
machte einen zierlichen Reverenz und sagte: Gnädiger Herr Vetter, auch
gnädige Frau, es ist billig, da ich Euer Verwandter und Diener bin, Euch
meine Geheimnisse nicht länger verborgen zu halten, muß Euch also sagen,
daß ich mir eine Frau nehmen will, und die Hochzeit am nächsten Mondtage
beim Waldbrunnen zu feiern gesonnen bin, bitte Euch also beiderseits
demüthig, mir die Ehre zu gönnen und dabei Eure persönliche hohe
Gegenwart zu schenken.

Der Graf antwortete hierauf: Mein lieber Herr Vetter, Euch zu Ehren und
zu Liebe will ich herzlich gern dahin kommen, auch mit anständigem
Gefolge, hoffe auch, daß meine Frau Mutter mit mir gehen wird; doch muß
ich fragen: wer ist Dero Frau Gemalin, oder von wannen ist sie, denn es
wäre nicht gut, wenn sich mein Herr Vetter durch eine zu schnelle
Heirath unglücklich machte. Aus welcher Gegend und von welchem
Geschlechte ist sie? denn ich möchte auch gern wissen, ob sie denn wohl
adlich sei, da ich Euch zu Ehren mit Gefolge und meiner Frau Mutter auf
Eure Hochzeit kommen will.

Reymund antwortete: Herr Vetter, es kann nicht geschehn, es jetzt zu
sagen, denn ich weiß es dermalen selber noch nicht, ich weiß auch nicht
von wannen sie ist, oder was sonst ihr Wesen sein mag, begnügt Euch
damit, sie Mondtags in ihrem Stande zu sehn.

Der Graf antwortete: Herr Vetter, das ist ziemlich wunderlich, daß Ihr
ein Weib nehmt, welches Ihr selbst nicht kennt, ich fürchte, daß Ihr
angeführt werdet, wie es schon so manchem ergangen ist, und komme fast
auf meine erste Vermuthung zurück, daß Ihr im Haupte verwirrt sein mögt.
Ihr nehmt mir diesen meinen guten Rath nicht zum übeln, denn es
geschieht nur deswegen, weil ich zu Eurer Hochzeit kommen soll und da
fiele die Schande nachher auch mit auf mich.

Reymund antwortete: Herr Vetter, Eure Warnung nehme nicht sonderlich
übel, weil Ihr meine Gemalin nicht kennt, die so schön und klug ist, daß
sie ohne Zweifel von hoher Abkunft sein muß, bin übrigens im Haupte
recht gescheidt, trotz dem Besten im ganzen Lande und zu jeder Probe
erböthig, will übrigens die Frau selber heirathen und keinen andern dazu
überreden, steht sie mir an, so ist es gut, ist sie mir schön und edel
genug, so hat Niemand weiter etwas darnach zu fragen, gräme mich auch
nicht übermäßig, wenn Ihr nicht zu meiner Hochzeit kommen wollt, denn
ich werde schon andre und nicht minder gute Gäste zu finden wissen.

Es war nicht so gemeint, mein lieber Herr Vetter, antwortete hierauf der
Graf behende, denn er furchte sich; ich und meine Frau Mutter und die
meinigen wollen zur Hochzeit kommen, und rechnen es uns zu sonderbarer
Ehre dazu geladen zu sein. Wofür sich denn Reymund mit vielen und
höflichen Worten bedankte.

Am Mondtag Morgen ritt der Graf Bertram mit seiner Mutter und seinem
Hofgesinde aus, nach dem Waldbrunnen zu; man unterredete sich unterwegs
davon, wie man wohl keine Herberge finden dürfte, weder für Pferde noch
Menschen, noch auch Speise und Trank in gehörigem Maaß, oder andre
Ergötzlichkeit, indessen tröstete sich der Graf und meinte, ein
schlimmer Tag würde bald vorübergehn. So zogen sie durch den Wald und
als sie auf den offnen Platz zu den Felsen kamen, zeigten sich zwischen
den Bäumen viele schönen Zelter auf dem grünen Boden aufgebaut,
allenthalben sah man einen großen Rauch aufsteigen vom Kochen und vom
Braten, eine Menge Volks in schönen Kleidern war zugegen, die Zelter
prangten mit Fähnlein und buntgemalten Wappen, liebliche Musik erscholl,
die Köche waren bei den Backöfen und in den Küchen geschäftig, adliche
Herrn und Damen sah man auf dem reizenden Plan hin und wieder spazieren.
Alle dachten, es möchte wohl ein Gespenst sein, was sie sahen, als ihnen
sechszig treffliche Ritter entgegen kamen und sie im Namen des
Bräutigams und der Braut begrüßten, worauf sie sie zu Reymunden selber
brachten, der ihnen vor allen übrigen Gästen die zugegen waren, die
größte Ehre erwies.

Die Pferde wurden ihrerseits an die Krippen gezogen, wo man ihnen
schönen Haber vorlegte, Frauen und Jungfrauen kamen der Gräfin entgegen,
um sie zu empfangen, worüber sich diese nicht genug verwundern konnte,
da sie sich an diesem seltsamen Orte dergleichen Aufnahme nicht versehn
hatte. Reymund führte hierauf die Gäste in seine Wohnung, wo auch eine
Kapelle war, reich mit mancherlei Kleinodien ausgeziert. Nun wurde zur
Brautmesse geläutet, und das schöne Fräulein Melusina trat in allem
ihrem Schmucke herfür, so daß aller Augen von ihrem Glanze wie von ihren
Reizen geblendet wurden; ein feines Gewand schloß sich an den edlen
Wuchs der Glieder, und wie die Sommerlüfte spielend um sie wehten,
flossen in zarten Wellen die Falten des Gewandes, als wenn die Göttin
aus dem Meere gestiegen wäre und so eben die letzten Wogen von ihr
niedergleiten wollten: ein Blumenkranz verschönte das Haupt, und den
Busen trug sie frei, auf dessen Glanz die reichen Kleinodien mit
unterschiedlichen Farben schimmerten. Nun erhoben sich auch die
fröhlichen Saitenspiele, auch Musik mit Flöten und Posaunen, alle Sinne
der Gäste waren geblendet und in Entzücken und der Graf Bertram sagte in
seinem Herzen: dieses ist warlich eine Hochzeit, die sich sehen lassen
darf.

Hierauf wurd Reymund in der Kapelle von einem vornehmen Bischoffe mit
seiner geliebten Braut vermält. Dann verfügte man sich an die Tafel, wo
die köstlichsten Speisen und die schönsten Weine für alle im Ueberflusse
da waren. Allen gefiel das und es war keiner, der nicht mit Appetit das
Essen zu sich genommen, denn es war überdies vortrefflich zubereitet.
Nach der Tafel wurde man erst fröhlich, da fing auf dem Plan ein Stechen
und Thurnieren an, bei welchem sich Reymund mit seiner Geschicklichkeit
vorzüglich auszeichnete. Hier wurden viele köstliche Kleinodien
gewonnen, welche die edle Melusina zu Preisen ausgesetzt hatte; die
Damen empfanden über die Uebungen der jungen Ritter ein großes
Vergnügen.

Am Abend war wieder ein herrliches Mahl zubereitet, man setzte sich
wieder zu Tische, aß und trank und machte mit schönen Worten Spas, der
selten ist. Darnach wurden die Tänze angefangen, die bis tief in die
Nacht währten.

Als nun die Zeit gekommen war, daß die Braut zu Bett gebracht werden
sollte, so wurde sie von schönen Frauen in das Schlafgemach geführt.
Hier stand ein prächtiges Bett, das mit Lilien besteckt war, schöne
Teppiche und Vorhänge von der seltensten Stickerei zierten das Gemach,
nicht minder treffliche Mahlereien. Hier sah man in den lebhaftesten
Farben die nackte, badende Leda und den schneeweißen Schwan, der sich
liebkosend an sie schmiegte, indeß sie verwundert und entzündet mit
durstenden Lippen in der Luft nach erwiedernden Küssen suchte: hier
entsprang die Göttin der Liebe aus der Flut und schwimmende Najaden
brachten ihr Korallen und Lobgesänge entgegen. Dort war Mars im Netze
mit der Venus in einer Stellung festgehalten, die die Blicke der
lüsternen Götterschaar entzückte. Hier badete Galatea und die Wellen
schmiegten sich zärtlich zu ihren Füßen und ein schelmischer Widerschein
fing das Bildniß der lieblichen Gestalt auf. So waren noch andre
treffliche Gemälde und Darstellungen und das Zimmer war außerdem reich
und kostbar verziert. Die edlen Frauen entkleideten die Braut, wobei sie
sich selber über ihre Schönheit verwunderten und dem Bräutigam Glück
wünschten, worauf sie sie in das Bett legten. Nun wurde auch Reymund
hereingeführt, der sich alsbald zu seiner Melusina begab, worauf der
Bischoff hereintrat, um sie beide einzusegnen. Er erstaunte über die
Trefflichkeit des schönen Gemachs und sagte: Ihr habt da gar herrliche
Schildereien, edler Herr, es ist ein wahres Wunder für die Augen. Als er
dieses gesagt hatte, segnete er sie ein und betete viele schöne Gebete
über ihnen.

Einige von den ältern Gästen begaben sich nunmehr auch zur Ruhe, die
jungen aber blieben beim Tanzen munter, andre lustwandelten einsam mit
ihrer Geliebten in dem grünen Labyrinth der Büsche, andre Damen und
Ritter versammelten sich in der Nähe des Brautgemachs, um den
Neuvermälten einige süße Lieder zu singen. Eine Stimme begann bei einem
leisen Klang der Instrumente:

   Wann die Rosenzeit gekommen,
   Spielt um sie die warme Luft,
   Ihnen ist die Furcht benommen,
   Sie ergießen süßen Duft.

   Winde buhlen mit den Rosen,
   Willig bricht die Knospe los,
   Eilt entgegen süßem Kosen,
   Oeffnet lachend ihren Schoos.

Hierauf sang eine andre Stimme:

   Zarte Arme zum Umarmen,
   Lippen für den süßen Kuß,
   Busen daran zu erwarmen,
   Leib zum herrlichen Genuß.

   Rosen, Lilien, sind verstreuet
   Auf den wundersüßen Leib,
   Und der Liebe Gunst erfreuet
   Bräutigam und junges Weib.

Das Chor der Frauen sang lieblich, indessen die Instrumente ihre Töne
erhoben:

   Du bist nun ohne Hülfe eingefangen,
   Und mußt dich, Braut, dem stärkern Mann ergeben,
   Drum sei zufrieden, unterlaß dein Bangen,
   Geküßt gieb Küsse wieder ohne Beben,
   Die Zeit des Mädchenstandes ist vergangen,
   Du lernst ein liebend und geliebtes Leben,
   Drum magst du dich wohl seiner Weisung fügen,
   Anfangs besiegt wirst du am Ende siegen.

Das Chor der Männer stimmte an:

   Nein, keiner wird den Sieg von beiden haben,
   Und beide werden schönen Sieg gewinnen,
   Sie theilen ohne Neid die süßen Gaben,
   Und jeder reißt des andern Geist von hinnen,
   Sie kriegen nun, am Frieden sich zu laben,
   Indessen sie auf neue Tücke sinnen,
   Doch keiner hat des Friedens Ruh verschworen,
   Aus Zwietracht wird die Eintracht hold geboren.

Nun vereinigten sich die verschiedenen Stimmen in einen einzigen Chor
und sangen frohlockend:

   Es streift die Liebe durch den Duft der Linden,
   Der Glanz der Sterne küßt die Blum' im Stillen,
   Sehnsucht und Lieb' des Himmels Räum' erfüllen,
   Innbrünst'ger Wunsch seufzt in den nächtgen Winden.

   In einen Kuß müßt ihr all' Sinne binden,
   In einen durstgen Blick Begier und Willen,
   Nun gilts nicht Seel' und Leib mehr zu verhüllen,
   Und wundersüße Gaben sollt ihr finden.

   Ein süß Erstaunen fesselt Herz und Sinnen.
   Die Liebe brennt in Augen, Lippen, Händen,
   Die Küsse küssen sich, nicht mehr verschieden.

   Ungleiche Waffen? Wer wird da gewinnen?
   Der Sieg will sich nach keiner Seite wenden,
   Sie sind im Kämpfen einger als im Frieden. --

Dergleichen Lieder wurden noch mehr gesungen. Melusina lag indessen beim
Reymund und sagte zu ihm mit lieblicher Stimme: ich bin nun ganz die
deinige, mein herzliebster Gemal und Freund, und muß mich in allen
Dingen deinem Willen fügen, nur mußt du deinen Schwur, den du mir
gethan, niemals brechen, sonst kommst du von Glück in Unglück, von Ehre
in Elend. Reymund bestätigte ihr seine Treue noch einmal, worauf sie in
dieser Nacht von ihm mit einem Sohne schwanger wurde, den sie nachher
_Uriens_ nannten.

Diese Hochzeit währte mit allen ihren Festlichkeiten zwei Wochen
hindurch, nach welcher Zeit Melusina aus einem helfenbeinernen Schranke
eine Menge kostbarer Kleinodien nahm und jedem der anwesenden Gäste ein
herrliches Stück verehrte, vorzüglich aber dem Grafen und seiner Frau
Mutter, auch die Dienerschaft wurde mit Geschenken bedacht, worauf sich
denn alle Gäste wieder unter vielen Danksagungen entfernten. Auch der
Graf Bertram und die Seinigen nahmen freundlichen Abschied, welche
Reymund mit vielen von seinen Leuten zu Pferde begleitete. Der Graf
hätte den Reymund gern nach dem Stande der Melusina gefragt, aber er
furchte sich vor ihm, von wegen seiner neulichen Antwort; Reymund dankte
ihnen nochmals für die erwiesene Ehre, beurlaubte sich mit aller
Höflichkeit und ritt zurück.




                          Zweite Abtheilung.


Reymund kam zurück zur Melusina, küßte sie freundlich und sagte:
Allerliebste Gemalin, womit sollen wir uns nunmehr die Zeit vertreiben?
Melusina antwortete: ich hoffe, Gott wird uns mit allem dem versehn, was
wir nur bedürfen.

Nach einigen Tagen fing Melusina einen großen und prächtigen Bau an,
über welchen sich die ganze Nachbarschaft verwunderte, denn noch niemals
hatte man ein so mächtiges Kastell und in so geringer Zeit aus seinem
Fundamente heraufsteigen sehen. Sie bezahlte die Arbeiter reichlich und
auch gleich baar, wodurch sie alle die Lust zum Baue behielten. In
weniger als einem Jahre stand ein großes und festes Schloß mit seinen
Zinnen, Wällen, Zugbrück und sehr tiefen Gräben da, welches nach seiner
Festigkeit fast für unüberwindlich gehalten wurde, und welches sie
_Lusinia_ nannte, wodurch sie gleichsam auf ihren eignen Namen
anspielend deutete.

Nach neun Monaten gebar Melusina einen Sohn, der _Uriens_ genannt wurde,
und der sonst wohlgestaltet war, nur befand sich sein Angesicht seltsam
eingerichtet, denn dieses war kurz und breit, mit einem rothen und einem
grünen Auge, einem sehr weiten Mund, und hatte darneben noch große
herabhangende Ohren: sonsten war seine übrige Gestalt adelich und fein
und er wuchs nachher zu einem schönen und tapfern Ritter auf.

Im folgenden Jahre gebar Melusina wieder einen Sohn, der _Gedes_ getauft
wurde; dieser hatte eine solche Röthe in seinem Antlitze, daß sie
ordentlich einen Widerschein gab, sonst war er übrigens von edler
Bildung. Hierauf wurde von der Melusina ein anderes Schloß, Favent,
gebaut, hernach legte sie der Mutter Gottes zu Ehren ein Kloster aus
Andacht an, welches sie Malliers nannte; zuletzt aber baute sie eine
ganze Stadt, Portenach.

Darauf gebar sie wieder einen Sohn, der war zwar schön, doch stand ihm
das eine Auge höher als das andre, und wurde _Gyot_ genannt. Worauf sie
wieder ein Schloß bauen ließ, mit einer sehr schönen und kunstreichen
Brücke über den Strom allda. Dann brachte sie wieder einen Sohn zur
Welt, der _Antoni_ geheißen wurde und der eine Löwenklaue auf dem Backen
mit auf die Welt brachte, auch war er sehr wild und ganz rauch von
Haaren, und als er größer wurde, mußte sich jedermann vor ihm fürchten,
welcher ihn sah.

Dann gebar sie wieder einen Sohn, den _Reinhardt_, der nur ein Auge
mitten auf der Stirne hatte, damit aber so viel sah, wie andre mit
zweien und nachher sehr brav und tapfer wurde. Nicht lange gebar sie
wieder einen andern Sohn, den _Geoffroy_; dieser kam mit einem großen
Zahn zur Welt, der ihm fast wie ein Eberzahn aus dem Munde heraus stand,
dieser wurde nachher ein sehr tapfrer Ritter, hatte aber einen mehr
wunderlichen Sinn, als alle seine Brüder zusammen genommen. Reymund
sagte bei dieser Gelegenheit zu seiner liebsten Gemalin: werthe Frau,
was bringst du mir doch für seltsame Kinder zur Welt? soll denn kein
einziger ohne einen Makel erfunden werden? Sonderlich betrübt mich
dieser Geoffroy mit dem Zahn, denn er erinnert mich an mein ehemaliges
Unglück mit meinem Herrn Vetter und an das Schwein; ich fürchte immer,
daß uns durch diesen Sohn irgend ein Leid zustoßen wird. Melusina
antwortete: wir wollen ihn in der Furcht des Herrn erziehn und er wird
ein wackrer Ritter werden.

Darnach gebar sie wieder einen Sohn, den _Freymund_, der von schöner
Leibesgestalt war, aber auf der Nase einen haarigen Fleck, fast wie ein
Stück Wolfshaut, hatte. Nicht lange, so bekam sie noch einen Sohn,
_Horribel_, derselbe hatte drei Augen und war von bösen Sitten und argem
Gemüth. Dann kam der _Dietrich_ zur Welt, der ein großer Ritter wurde,
und zuletzt ein Sohn, den sie _Reymund_ nannten.

So hatte Melusina nun zehn Söhne, als:

    1)  _Uriens_, mit schlechtem Antlitz, einem rothen Auge und langen
           Ohren.
    2)  _Gedes_, mit der Röthe im Angesicht.
    3)  _Gyot_, ein Auge höher als das andre.
    4)  _Antoni_, eine Löwenklaue auf der Wange.
    5)  _Reinhardt_, nur ein Auge auf der Stirn.
    6)  _Geoffroy_, mit dem Zahn.
    7)  _Freymund_ mit der Wolfshaut auf der Nasen.
    8)  _Horribel_, der drei Augen hat.
    9)  _Dietrich_, ohne Fehl.
   10)  _Reymund_, ohne Fehl.

Als der älteste Sohn _Uriens_, der mit dem schlechten Antlitz und langen
Ohren, zu seinen erwachsenen Jahren gekommen war, begehrte er ein
berühmter Ritter und Kriegsmann zu werden und sein Glück in der weiten
Welt zu versuchen. Da ihm nun sein Sinn darnach stand, so rüstete er ein
Schiff aus, welches er eine Galeere nannte, nahm viel Volks mit, von
seinen Eltern Abschied, und ihn begleitete sein jüngerer Bruder Gyot,
dem ein Auge höher, als das andere stand. So begaben sie sich auf das
hohe Meer, und versahen sich auch mit Gold und Silber, von dem Segen
Reymunds, wie der Melusina begleitet.

Sie richteten ihre Seefahrt nach Famagusta, der Hauptstadt des
Königreichs Cypern, wo sie Anker warfen und an das Land stiegen. Hier
vernahmen sie, daß ein heidnischer König diese Stadt mit einer großen
Menge Volks belagert hielt und den christlichen König von Cypern hart
bedrängte, worauf sie sich vornahmen, diesem beizustehn. Schlugen also
ihr Lager im Angesicht der Feinde in der Nähe der Stadt auf, und
erwarteten eine günstige Gelegenheit, ihre Tapferkeit zu zeigen; die
Heiden aber waren ungewiß, ob sie dieses fremde Volk für Heiden oder für
Christen halten sollten. Der Heide zog daher aus Vorsichtigkeit sein
Volk zusammen, ob er etwa überfallen werden möchte, worauf der König von
Cypern, der dieses aus der Stadt wahrnahm, meinte, jener wolle sich zur
Flucht bereit machen, daher er die Thore aufmachen, Fahnen vortragen und
die Trompeten fröhlich blasen ließ, indem er mit aller Macht in das
heidnische Lager einbrach. Die Heiden aber wehrten sich tapferlich, und
brachten viele der Christen um, der König von Cypern selbst wurde von
einem vergifteten Pfeile getroffen, so daß er augenblicklich spürte, die
Wunde würde tödtlich sein. So mußten sie sich alle mit großem Verlust in
die Stadt zurück begeben.

Der König hatte eine schöne Tochter, Hermina genannt, welche heftig
erschrak, als sie ihren Herrn Vater auf diese Weise zurück kommen sah,
von dem vergifteten Pfeile verwundet, besonders, da sie hörte, daß er
von dieser Wunde nicht wieder aufkommen könne; sie klagte und weinte,
aber ihrem von dem vergifteten Pfeil getroffenen Vater war damit nicht
geholfen, sondern seine Leiden wurden dadurch nur vergrößert.

Indessen der König auf dem Kranken- und Sterbelager klagte, griff Uriens
nebst seinem Bruder die Heiden mit solcher Tapferkeit an, daß sie bald
erschraken und nicht wußten, wie ihnen geschah, so daß sie sich
genöthigt sahen, zurück zu weichen, weil ihnen eine solche Tapferkeit
bis dahin noch nicht vorgekommen war. Uriens aber that noch mehr, er
drang bis zu dem Heidenkönig hindurch, schwang sein Schwert, und hieb
ihm ohne weiteres den Kopf herunter, so daß der übrige Leib ebenfalls
gezwungen wurde, aus dem Sattel zu fallen. Wie die Heiden dergleichen
Beginnen wahrnahmen, verloren sie vollends gar den Muth und suchten ihr
Heil in einer unordentlichen und übereilten Flucht; damit war ihnen aber
wenig geholfen, denn nun schlugen die Christen dermaßen unter sie, daß
die meisten auf dem Platze blieben und nur die wenigsten mit dem Leben
davon kamen. Nachdem so der Streit geendigt war, ruhte Uriens mit seinem
Bruder Gyot im Lager der Feinde von dem vielen Fechten aus, denn die
Helden waren von dem Erschlagen der Heiden müde geworden.

Als der König diese Thaten und die Niederlage seiner Feinde vernahm,
freute er sich, ob er gleich dem Tode so nahe war, schickte also seine
Abgeordneten nach den beiden Brüdern, die um Entschuldigung bitten
mußten, daß er nicht selber komme, um ihnen seine persönliche Aufwartung
zu machen, er liege aber an einer Wunde von einem vergifteten Pfeile
dermaßen darnieder, daß es ihm unmöglich falle; sie möchten daher von
der Güte sein, ihn in seinem königlichen Pallaste zu besuchen, bevor er
gar gestorben wäre. Die beiden Brüder antworteten: daß sie ihre
Schuldigkeit nicht unterlassen würden, vor der hohen Gegenwart seiner
königlichen Majestät zu erscheinen, worauf sich die Abgeordneten zurück
begaben, und Uriens sich mit seinem Bruder Gyot alsbald in die Stadt
Famagusta verfügte. Als sie in die Stadt anlangten, verwunderte sich das
Cyperische Volk sehr über das seltsame Aussehn des Uriens und daß er,
ohnerachtet seines Angesichtes, solche Wunder der Tapferkeit zu
verrichten im Stande sei: er merkte, daß sie über ihn erstaunten und
begab sich in den Pallast des Königs, wo er diesen übel zugerichtet und
von dem vergifteten Pfeile am ganzen Leibe geschwollen im Bette liegend
antraf. Er grüßte den König und beklagte ihn wegen seines Unfalls,
worauf ihm der König dankte und sagte, daß ihm die ganze Christenheit
Preis, Lob und Verbindlichkeit schuldig sei, indem er auf solche Weise
unter die Heiden gewüthet, daß sie es auf lange empfinden würden.
Zugleich fragte der König, von wannen sie beiden gebürtig wären? Uriens
sagte, wie er Uriens heiße und in Lusinien geboren sei. Worauf der König
wieder antwortete: da ich nun meines tapfern Herrn Namen und Geschlecht
so umständlich weiß, so will ich nicht länger eine Bitte zurück halten,
die ich vorzutragen habe: ich bin nämlich des Willens, Euch, mein edler
Ritter, ein großes Glück, viel Ehre und Reichthum zuzufügen; ich habe
nur eine einzige Tochter, Hermina genannt, an welche mein Reich, so wie
mein ganzes Vermögen fällt, wenn ich, will's Gott bald, an meiner vom
vergifteten Pfeil empfangenen Wunde gestorben sein werde, dabei wünschte
ich, mein Reich in den Händen eines tapfern Ritters zu wissen, weil es
dem Heidenthum so nahe liegt, daß es durch dieses täglich beschädigt
werden kann; ich weiß keinen bessern Ritter als Ihr seid, darum bin ich
gesonnen, Euch mein Reich so wie meine Tochter zu übergeben.

Uriens bedankte sich höflich, sagte: er wäre es zwar durchaus nicht
würdig, wolle sich aber nicht weigern, die königlichen Befehle zu
vollführen. Ueber diese Antwort war der König sehr froh und zufrieden,
er ließ alsbald seine Tochter zu sich kommen und auch die Räthe seines
Reichs vor sich versammeln, zu welchen er sprach: Ihr wißt, wie ich
bisher mein Reich mit bewaffneter Hand gegen die Heiden beschirmt habe,
doch dieses kann von nun an nicht mehr geschehn, indem ich durch einen
vergifteten Pfeil auf den Tod verwundet bin, ich verlange also von Euch,
daß Ihr meine Tochter Hermina als Eure Oberherrschaft in meiner
Gegenwart, bevor ich sterbe, anerkennt, denn sie ist meine einzige und
rechtmäßige Erbin. Die Räthe und Landesherren thaten, was er begehrte,
worauf der sterbende König also fortfuhr: ein Weib aber kann unmöglich
durch ihre eigene Kraft ein Königreich beschützen, welches eine so
gefährliche Lage hat, indem es fast zu nahe an das wilde Heidenthum
gränzt, ich verlange daher, daß meine einzige Tochter Hermina sich mit
einem Ehegemal verbinde und da wüßte ich keinen tapfrern, und bessern,
wenn ihm gleich die Schönheit des Angesichts abgeht, als den
unvergleichlichen Ritter Uriens aus Lusinien, der die Heiden so
trefflich bezwungen, ja ihrem Könige das Haupt heruntergeschlagen hat,
ob ich gleich diese Freude nicht lange genießen werde, da ich auch durch
einen vergifteten Pfeil auf den Tod verwundet: Ich verlange also meine
Tochter Hermina, daß Du diesem Ritter als Deinem Gemale die Hand
reichest, und daß alle meine Räthe und Landesherren ihm als ihrem
zukünftigen Könige huldigen sollen.

Die Landesherren thaten solches sehr gern, auch gab Hermina dem Uriens
freiwillig ihre schöne Hand, worüber dieser im Herzen ungemein erfreut
war. Das Volk in Cypern, als es diese Neuigkeit erfuhr, war sehr froh
und vergnügt, denn Uriens gefiel ihnen allen, sie folgten ihm daher alle
in die Hauptkirche, wo er mit seiner Braut Hermina vermält wurde.
Zugleich ließ sich der verwundete König das heilige Sakrament geben,
worauf er selig verschied, so daß die Hochzeit ohne Tanz und Saitenspiel
gefeiert werden mußte; doch wurde der verstorbene König herrlich und mit
aller Pracht in seinem Begräbnisse beigesetzt. Dann wurde Uriens zum
Könige gekrönt.

Um diese nämliche Zeit fügte es sich auch, daß der König von Armenien
sterben mußte, welcher ein naher Verwandter des Königs von Cypern war.
Er hinterließ eine einzige sehr schöne Prinzessin, welche den Namen
Florie führte; die hinterlassenen Räthe beschlossen, diese mit dem
tapfern Gyot, dem Bruder des Uriens, zu vermälen, worein die Prinzessin
selber auch gern einwilligte. Als es so weit gekommen war, schickte man
eine Abgesandtschaft zum Könige Uriens von Cypern, die ihn ersuchen
mußte, dem Reiche Armenien seinen Bruder Gyot als einen Herrscher zu
überschicken, welches dieser auch sehr gern that, weil er dem Glücke
seines Bruders nicht im Wege sein wollte. Worauf Gyot nach Armenien
ging, sich mit der Prinzessin Florie verheirathete und zum König gekrönt
wurde.

Beide Brüder unterließen es nach diesen glücklichen Vorfällen nicht,
Boten mit Briefen zu ihren Eltern nach Lusinien zu schicken, wodurch
diese alles erfuhren, was ihren lieben Söhnen begegnet war und sich von
Herzen freuten, so daß auch Melusina, um sich gegen Gott dankbar und
gefällig zu bezeigen, eine neue Kirche stiftete, nachdem sie schon viele
andre gebaut hatte. Um die Zeit verheiratheten sie auch ihren Sohn
Gedes, den mit der hohen Röthe im Angesichte, mit einer vornehmen Gräfin
aus dem dortigen Lande.

Es währte nicht lange, so nahm auch _Reinhardt_, der nur ein Auge hatte,
von seinen Eltern Abschied, um sein Glück in der Welt zu versuchen. Ihn
begleitete _Antoni_, der zum Zeichen eine Löwenklaue auf der Wange trug;
sie nahmen ebenfalls viel Volks mit sich. Diese tapfern Ritter gelangten
auf ihrem Zuge nach Lützelburg, welches damals eben der König von Elsaß
mit einer ansehnlichen Armee belagert hielt und schon im Begriff stand,
die Stadt gar zu gewinnen. Dieser König hielt die Stadt aus bloßem
Muthwillen belagert, denn er wollte durchaus die Herzogin von
Lützelburg, die in der Stadt regierte, zu seiner Gemalin haben, sie aber
war nicht dieser Meinung und deshalb suchte er ihre Stadt zu erobern, um
sie selber dadurch zu gewinnen. So war also diese Prinzessin eine arme
verlassene Waise und in größter Bedrängniß, welches die beiden Brüder
von Lusinien nicht sobald gehört hatten, als sie, von Mitleid ergriffen,
den Entschluß faßten, dieser unglückseligen Prinzessin mit ihrer ganzen
Macht beizustehn. Sie wickelten also die Fahnen auf, stellten ihre
Völker in eine gute Schlachtordnung, und griffen nun mit der Loosung
Lusinien die Elsasser so beherzt an, daß viele von diesen in die Pfanne
gehauen wurden. Antonius kam im Treffen mit dem Könige von Elsaß in ein
einzeln Gefecht, worauf dieser entwaffnet wurde, und sich der König dem
Antonius gefangen geben mußte. Reinhardt that hierauf noch dem übrigen
Volke großen Schaden, so daß die Brüder eine herrliche und glänzende
Schlacht gewonnen hatten.

Die Brüder ließen hierauf den gefangenen König durch sechs von ihren
Rittern der Prinzessin von Lützelburg überantworten, welche sich über
ein solches Präsent höchlich erfreute und dem Himmel, so wie den beiden
tapfern Helden den besten Dank abstattete; sie erkundigte sich auch nach
den Namen, Herkommen und Geschlechte der beiden Brüder und war sehr
zufrieden, als sie solches alles erfahren hatte, denn sie faßte nun den
Entschluß, in ihren Staatsgeschäften nichts ohne Mitwissen und
Beistimmung der beiden Herren zu thun oder zu unternehmen. Sie ließ
hierauf diese beiden tapfern Ritter nebst den vornehmsten aus ihrem
Gefolge zu sich in die Stadt bitten, welche sich auch sogleich fertig
machten, ihr in Lützelburg aufzuwarten. In der Stadt empfing sie das
Volk in schöner Fröhlichkeit mit auserlesener Musik und trefflichem
Klang von Instrumenten, Jubelgeschrei und dergleichen, weil sie durch
die Brüder von dem Elsassischen Könige erlöst waren, der ihnen viel zu
schaffen gemacht hatte. Zwei vornehme Landesherren aus Lützelburg
erschienen hierauf und führten die beiden Herren auf das Schloß, wo die
Fürstin ihnen mit den schönsten Damen, Fräulein, Pagen und Gefolge
höflich entgegen kam und ihnen in den wohlgesetztesten Redensarten ihren
Dank abstattete, außerdem aber eine prächtige und überaus köstliche
Mahlzeit zurichten ließ, so daß nicht genug zu sagen ist, wie vergnügt
die beiden Brüder waren.

Am Tische wurde der gefangene König von Elsaß oben an gesetzt, dann
folgten die beiden Herren Antonius und Reinhardt, dann die vornehmsten
Landesherren und die übrigen Gäste nach ihren Würden, den Brüdern aus
Lusinien gegen über saß die schöne Fürstin, und so war man beim Essen
und Trinken ausnehmend vergnügt, ausgenommen der gefangene König, der
den großen Verlust seiner Leute und seiner Reichthümer nicht
verschmerzen konnte.

Nach dem Essen wurde gebetet und darauf fing der gefangene König zu den
Brüdern an: tapfre Ritter, bitte, mir nunmehr zu sagen, um welche
Ranzion ich der Gefangenschaft entledigt sein soll, die ich gern
entrichten will, um meine Freiheit nur wieder zu gewinnen. Antonius
antwortete: Ew. Königliche Majestät ist nicht unser Gefangener,
dieselben sind der Fürstin Durchlauchtigkeit von Lützelburg als ein
Präsent übermacht, so daß wir nicht mehr über Euch schalten können,
sondern Ihr gänzlich in die Willkühr dieser hohen Fürstin gestellt seid.
Darüber erschrak der König über die maßen, denn er wußte, daß er durch
sein Betragen die höchste Ungnade der Fürstin verdient hatte, fürchtete
also gar, als ein gottloser Mann und unverschämter Liebhaber sein Leben
zu verlieren. Da die Fürstin seine Verlegenheit sah, wandte sie sich
wieder zu den beiden Brüdern, und sagte, daß die Ranzion des Königs
gänzlich in ihrem Belieben stehe; sie hätten ihn gefangen, möchten daher
auch seinen Preis bestimmen, gebe ihnen also hiemit ihr Präsent wieder
zurücke. Worauf die Grafen antworteten: sie wollten ihn aller Ranzion
entledigen, er solle fußfällig die Fürstin um Verzeihung bitten,
versprechen, ihr nie in Zukunft mehr zur Last zu fallen, und allen ihrem
Lande zugefügten Schaden zu ersetzen. Wie das der König hörte, wurde er
froh und that sogleich freiwillig alles, was von ihm verlangt wurde.

Als dies geschehn und in Richtigkeit gebracht war, überlegte der König
von Elsaß bei sich selber, wie fromm die beiden Brüder aus Lusinien
wären, und wie edelmüthig sie sich gegen ihn bezeigt hätten, erinnerte
sich auch, wie nach dem Boethius Undankbarkeit eins der größten Laster
sei, nahm sich daher in seinem Gemüthe vor, nicht für undankbar zu
gelten und sagte daher öffentlich im Beisein aller Landesherren: Wollte
Gott, daß diese beiden Brüder die Stützen und Anführer des Fürstenthums
wären, so würde weder ich noch ein andrer Feind jemals sich unterstehn,
dieses Land feindlich zu überziehn; wenn ich rathen sollte, so möchte
die durchlauchtige Prinzessin einem von diesen tapfern Brüdern ihre Hand
und ihre Liebe reichen. Als die Landesherren dies hörten, freuten sie
sich und waren derselben Meinung, redeten auch der Fürstin von Herzen
zu, solches auszurichten, sie aber antwortete, daß sie dergleichen
Vorschläge erst überlegen müsse.

In der Nacht erwägte die Fürstin alles bei sich, was sich zugetragen
hatte, und da sie genau auf ihre Gedanken achtete, merkte sie, daß sie
eine sonderliche Neigung zum Grafen Antonius in sich habe, dieses
offenbarte sie auch am folgenden Tage und Antonius gab ihr seine Liebe
zu erkennen, die er gleich im ersten Augenblicke zu ihr gefaßt hatte; so
wurden sie dann einig und nach weniger Zeit mit einander getraut. Die
Hochzeit währte unter vielen Ergötzlichkeiten eine ganze Woche hindurch
und that sich beim Stechen der König von Elsaß ganz besonders hervor.

Als die Hochzeit vorüber und man eben unter vielen Danksagungen von
einander scheiden wollte, erschien am Hofe ein schnellreitender Bote,
der sogleich nach dem Könige von Elsaß fragte. Als dieser sich gemeldet,
empfing er von dem Boten Briefe, über deren Inhalt er sehr erschrak und
schmerzlich seufzte, worauf sich Antonius erkundigte, was in den Briefen
enthalten sei. Der König sagte: ach Gott! mein Herr Antonius, mein
Bruder, der König von Böhmen, schreibt mir hier, daß ihn der Türkische
Kaiser mit einer gewaltigen Macht in seiner Hauptstadt Prag belagert
halte, und daß er sich keiner Hülfe oder Entsatzes zu versehn habe, drum
wende er sich in seiner Bedrängniß an mich und beschwöre mich bei meiner
brüderlichen Liebe, zu seinem Beistande herzu zu eilen, denn sonst sei
es gewiß um ihn, wie um sein Reich geschehn. Und nunmehr, fuhr der König
von Elsaß fort, ist es meine eigne Schuld, daß fast alle mein Volk durch
Euch, tapfre Fürsten, in die Pfanne gehauen ist, so weiß ich nun in der
Eile meinem Bruder nicht sonderlich zu helfen.

Graf Antonius antwortete hierauf: Ew. Königliche Majestät kann sich
versichert halten, daß die Türken aus dem Lande Eures Herrn Bruders
herausgeschlagen werden sollen, denn mein Bruder Reinhardt soll mit Euch
ziehn, mit der ganzen Macht, die wir aus Lusinien mit uns genommen; dazu
will ich ihm noch Hülfsvölker aus meinem neuerworbenen Reiche geben, so
daß es Euch beiden mit Gottes Hülfe gelingen soll, den König von Böhmen
von seinen Feinden zu befreien. Sollte dieses aber noch nicht
hinreichend sein, so laßt es mich nur durch einen schnellen Boten
wissen, und alsbald will ich Euch selbst mit einer neuen Macht zu Hülfe
ziehn.

Hierauf dankte der König mit sehr freundlichen Worten, und sagte: Sollte
es uns gelingen, wie ich denn nicht zweifle, den Türken zu besiegen, so
hat mein Bruder, der König von Böhmen, eine einzige Tochter, die er ohne
meinen Rath und meine Einwilligung nicht verheirathet; diese verspreche
ich hiemit, sie dem Grafen Reinhardt, Eurem Bruder, zu einer ehlichen
Gemalin zu geben, wodurch er dereinst nach meines Bruders Tode König von
Böhmen wird, da mein Bruder kein andres Kind hat.

Beide Grafen dankten hierauf dem Könige für seinen guten Willen, und
Antonius war sehr vergnügt darüber, daß sein Bruder Reinhardt eine
Aussicht auf ein Königreich hatte, welches er ihm von Herzen gerne
gönnte. Er beschloß daher, um die Sache noch gewisser zu machen,
sogleich mit seinem Bruder und dem Könige nach Böhmen dem Türken
entgegen zu ziehen. Es wurde hierauf von ihnen eine große Macht zusammen
gebracht und sie zogen damit durch Deutschland bis vor die Stadt Prag,
welche der Türke eng belagert hielt.

Es war gerade an dem, daß der König von Böhmen einen kühnen und tapfern
Ausfall gegen die Ungläubigen that, um sie von der Stadt abzutreiben, da
wurde von beiden Seiten sehr tapfer gefochten, viele Heiden, aber auch
viele Christen erschlagen und endlich mußten die Christen der türkischen
Uebermacht weichen. Ja, was noch schlimmer war, der König von Böhmen,
der sich sehr tapfer hielt und ungern den Rückzug anstellte, wurde mit
einem Pfeile dergestalt durch den Leib geschossen, daß er sogleich todt
zur Erden niederfiel. Wie die Böhmen ihren König gefallen sahn, wurden
sie völlig sieglos und die Türken triumphirten, die Böhmen zogen sich in
die Stadt zurück und die Ungläubigen blieben Meister vom Felde, worauf
sie der Stadt Prag noch härter mit Belagern zusetzten.

Die heidnischen Türken nahmen hierauf in ihrem Uebermuthe den Leichnam
des Königs von Böhmen, legten ihn vor den Augen der böhmischen
Landesherren, die auf der Mauer standen, auf einen Scheiterhaufen und
brannten ihn zu Pulver, welches jene nicht ohne Thränen ansehn, aber
dennoch nicht verhindern konnten. Am meisten aber war die königliche
Prinzessin Eglantina betrübt, als sie diese kläglichen Neuigkeiten
vernommen hatte; sie rang die Hände, seufzte und sprach: ach! was soll
ich arme, Vater- und Mutterlose Waisin doch wohl anfangen? Meine Mutter
ist gestorben, so haben mir die Türken meinen Herrn Vater gar zu Pulver
verbrannt, verderben mir Land und Leute, nehmen mein Königreich weg, und
ich muß am Ende noch, ich Unglückseligste, den christlichen Glauben
verläugnen und zum Heidenthume übergehn, um nur beim Leben zu bleiben,
vielleicht muß ich gar einen Sohn oder Anverwandten des türkischen
Kaisers heirathen, um nur bei Ehren zu bleiben.

Dergleichen Klagen verführte die Prinzessin Eglantina sehr viele und
häufige, und es kam beinah so weit, daß sie sich in die Verzweiflung
ergab, als ein Bote kam, der ihr zu ihrer größten Freude die Nachricht
überbrachte: daß sich der König von Elsaß mit zwei Brüdern aus Lusinien
in Frankreich und einem großen Heere der Stadt nahe, um sie zu
entsetzen. Da dankte sie Gott von Herzen und hörte wieder auf den Trost,
den ihr ihre Freunde zusprachen, brachte auch ihre Kleider und Haare
wieder in Ordnung, die sie zuvor zerrissen hatte.

Die Türken waren eben dabei, im Sturm die Stadt gar zu ersteigen, als
sie die Nachricht durch einen andern Boten erhielten, ein großes
christliches Heer sei im Anzuge; darauf verwunderten sie sich, ließen
vom Stürmen ab, beriefen die Trompeter zur Schlacht zu blasen, stellten
sich in Ordnung, und wehrten sich gegen den tapfern Angriff der
christlichen Heerschaaren. Das Treffen war sehr blutig, doch behielt
endlich die gerechte Sache die Oberhand, sonderlich durch das
großmüthige Betragen der beiden Brüder Antonius und Reinhardt, die
unglaublich viel heidnisches Volk mit eignen Händen todtschlugen. Der
türkische Kaiser wurde wüthend, da er seine Armee verlieren sah, und
brachte wieder viele der Christen um, doch ersah ihn endlich Graf
Reinhardt, stürzte sich auf ihn und hieb ihm nach einem kurzen Kampfe
und einiger Verwundung seinen Kopf völlig herunter. Als das die Türken
wahrnahmen, wurden sie ganz sieglos und begaben sich auf die Flucht; so
behielten die christlichen Fahnen das Feld, und der König von Elsaß ließ
hierauf auch einen großen Scheiterhaufen errichten, den türkischen
Kaiser sammt allen getödteten Ungläubigen darauf legen und sie zur
Wiedervergeltung ebenfalls zu Pulver verbrennen.

Der König von Elsaß zog hierauf in die Stadt Prag, wo ihm die Prinzessin
traurig und weinend entgegen kam; der König aber tröstete sie und sagte:
gieb Dich nur zufrieden, liebste Muhme, das Geschehene ist nicht mehr zu
ändern, Dein Vater ist zwar mit Tode abgegangen und Dein Land ist Dir
von den Feinden einigermaaßen verderbt worden, indessen haben wir doch
auch durch Gottes Gnade unsre Rache erhalten, denn ich habe den
türkischen Kaiser und die Seinigen wieder zu Pulver brennen lassen. Die
Prinzessin antwortete: somit habe ich doch immer meinen Herrn Vater
verloren, und um ihn muß ich klagen und trauern. Das geziemt sich, sagte
der König, indessen ist es auch vernünftig, Trost anzunehmen, war er
doch mein Bruder und ich muß mich darin finden, so magst Du es denn auch
thun, wir wollen ihm ein ehrliches und schönes Begräbniß zurichten, mehr
kann er nicht verlangen.

Bei dem Begräbniß beschaute das Volk von Böhmen die beiden Brüder aus
Lusinien, und es dünkte ihnen wunderbar, daß der Graf Antonius eine
Löwenklaue auf der Wange und der Reinhardt nur ein Auge habe, doch
gefielen sie den Leuten sehr wegen ihres edlen Anstandes und weil sie
wußten, daß diese Brüder sie meistentheils von den Türken erlöst hatten.
Nach dem Begräbnisse versammelte der König von Elsaß alle Landesherren
des böhmischen Reichs und stellte ihnen vor, wie sie nunmehr ihren guten
König verloren, so daß sie sogar sein Leichenbegängniß ohne Leiche
hätten feiern müssen, das Königreich sei nun an die Prinzessin
Eglantina, seine Tochter, gefallen, aber ein Weib sei zu schwach, das
Land auf die gehörige Weise zu beschützen, sie möchten sich daher nach
einem frommen Könige umthun, dem sie alle gern gehorchten, und dem die
Prinzessin ihre Hand und Liebe schenken möchte.

Die Landesherren antworteten, daß sie alles in sein eignes hohes
Belieben stellen wollten, er möchte nach seiner trefflichen Vernunft
alles einrichten und das Reich entweder selber als König in Besitz
nehmen, oder ihnen einen andern tugendhaften Mann vorschlagen, dem sie
dann alle gern dienen wollten. Herauf wandte sich der König gegen die
beiden Brüder aus Lusinien und sagte: nun ist die Zeit gekommen, daß ich
mein Wort halten kann, Euch, tapfrer Reinhardt, zum Könige von Böhmen zu
machen; hier, Ihr Landesherren ist der Fürst, den ich Euch ausgesucht
habe und der Euch gewiß immer gut beschützen wird, denn er hat sich
schon dermalen gut erwiesen, indem er dem türkischen Kaiser den Kopf
herunter gehauen und sein Volk zerstreut und erschlagen hat.

Die Landesherren waren mit der Wahl des Königs vollkommen zufrieden,
worauf sich die beiden Brüder, insonderheit Reinhardt bedankten. Die
Prinzessin war vergnügt, einen so tapfern Helden zum Gemal zu bekommen,
der ihren Herrn Vater so schön gerochen, indem er den heidnischen Kaiser
und die Seinigen zu Pulver verbrannt. Man feierte die Hochzeit prächtig,
aber ohne Tanz und Saitenspiel, weil man noch den gestorbenen König
betrauerte, doch wurde ein großes Thurnier gehalten, wo sich beim
Stechen Reinhardt sonderlich hervorthat, so daß die Böhmen wahrnahmen,
welch einen tapfern und in Waffenübungen geschickten König sie erhalten
hatten. Antonius zog hierauf in sein Herzogthum, zu seiner Gemalin
zurück, und der König von Elsaß begab sich ebenfalls in sein Königreich,
nachdem alle herzlich von einander Abschied genommen hatten.

Indessen war Geoffroy mit dem Zahn auch zu einem starken und mächtigen
Ritter herangewachsen und spürte auch die Lust in sich, große Thaten zu
thun, um seinen Namen berühmt und unsterblich zu machen. Die
Gelegenheit, einigen Ruhm zu erwerben, zeigte sich bald, denn an den
Gränzen des Landes ließ sich ein gewaltiger Riese spüren, der ein
ziemliches Unwesen trieb mit Morden und Rauben, auch Leute Beschädigen
und Plündern, so daß selbst die Schlösser nicht sicher waren, die die
edle Melusina in dortiger Gegend gebaut hatte und sich jedermann vor ihm
furchte. Diesen Riesen beschloß Geoffroy anzugreifen, und auch mit
Gottes Hülfe umzubringen, über welchen Entschluß sich aber sein Herr
Vater Reymund heftig entsetzte und ihn von seinem gefährlichen Vorhaben
abzumahnen suchte, stellte ihm das Beispiel seiner Brüder vor Augen,
welche auch Ruhm gesucht und durch ihre Thaten sogar Könige geworden,
aber doch nie darauf gefallen waren, sich mit Riesen einzulassen. Aber
der Geoffroy bestand auf seinem festen Sinn und sagte: wird dem Riesen
nicht Einhalt gethan, so verübt er immer mehr Schaden an den Ländereien,
und das soll nicht sein. Reiste mithin ab, ohne sich sonderlich an die
Bitten seines Vaters Reymund und die Thränen seiner Mutter Melusina zu
kehren.

Der Freymund mit der Wolfshaut auf der Nasen war nun auch zu seinen
erwachsenen Jahren gekommen, und schien sich fast gänzlich den
Wissenschaften zu ergeben, denn er las sehr viel, trieb auch keine
Waffenübung, wie seine übrigen Brüder von ihrer frühen Jugend gethan
hatten. Es währte nicht lange, so zeigte sich seine Begierde zum
geistlichen Stande, denn er lag seinen Eltern dringend an, ihm zu
erlauben in dem Kloster Malliers, welches die Melusina aus Andacht
gestiftet hatte, ein Mönch zu werden. Als sein Vater Reymund diese Bitte
verstanden hatte, wurde er einigermaßen unwillig und sagte: Freymund,
alle Deine Brüder haben nach Ehren und Würden gestrebt, und sind tapfre
und berühmte Ritter geworden, und ich sollte nun noch unter meinen
Kindern einen Pfaffen haben? Solches will mir gar nicht gefallen; Du
sollst auch nach Tapferkeit und nach Ritterschaft streben.

Nach Ritterschaft will ich nicht streben, antwortete Freymund, auch will
ich Zeit meines Lebens keinen Harnisch an meinem Leibe tragen, oder ein
Pferd besteigen, sondern hier im Kloster Malliers Gott als Mönch dienen.
Sind alle meine Brüder edle und tapfre Herren und verrichten große
Thaten, so ist es auch nicht unrühmlich, wenn sie einen andern Bruder
haben, der für alle betet, da ihnen oft die Zeit dazu in ihren
verwirrten Händeln gebrechen mag. Ich bitte Euch daher um Gottes Willen,
Ihr wollet mir in meinem Verfahren nicht hinderlich, sondern
beförderlich sein, denn mein Sinn ist so darauf gerichtet, daß ich auf
andre Weise keine Ruhe für meine Seele finde.

Da Reymund diese große Begierde seines Sohnes sah, Gott zu dienen, ging
er seinetwegen mit seiner Gemalin Melusina zu Rath, was sie wohl über
ihn beschließen möchten. Diese sagte, daß sie es gänzlich in Reymunds
Wohlgefallen stelle, doch sei es ihr gar nicht zuwider, unter ihren
Kindern auch einen geistlichen Herrn zu haben.

Darauf wandte sich Reymund wieder zu seinem Sohn und sagte: mein
Freymund, ich und Deine Mutter haben es nun überlegt, daß wir Dir in
Deinem gottseligen Vorhaben nicht wollen hinderlich, sondern vielmehr
beförderlich sein, aber überlege Du, daß der Orden in Malliers sehr
strenge ist; ich kann Dich ja leicht zu einem Domherrn machen, so hast
Du es besser, oder ich habe es auch wohl um unsern allerheiligsten
Vater, den Pabst, verdient, daß er Dir ein Bisthum ertheilt, wenn ich
darum bei ihm nachsuche, so hast Du doch mehr Ehre und kein so hartes
und strenges Leben.

Aber Freymund sagte: nein, ich will sonst nichts weiter, als zu Malliers
im strengen Orden ein Mönch werden.

Wie bist Du nur von diesem Gedanken so eingenommen? fragte Reymund.

Freymund sagte: liebster Herr Vater, die Welt mit ihren Händeln ist sehr
verworren, so fürchte ich, wenn ich mich da hinein begebe, gar meine
Seele darüber zu verlieren, denn hinter Ehre und Ruhm, Wohlleben und
Pracht lauert der Satan, wie er den Schwachen überrasche, und ihn von
sich selber abtrünnig mache. Bin ich im Kloster zu Malliers, so bin ich
keiner dergleichen Gefahren ausgesetzt, meine zeitlichen und weltlichen
Sorgen sind mir entnommen, ich kann unaufhörlich an Gott denken, und mir
seine Wunderwerke recht lebendig vorstellen, dabei weiß ich, in diesen
Stunden schläfst du, in diesen issest du, in diesen wird Handarbeit
gethan, oder im Garten gegraben und Blumen und Gemüse auferzogen, so
viele Stunden dienst du Gott, und daß das jeden Tag wiederkommt und
keine Aendrung leidet, daß keine Störung und Irrsaal in diesem schönen
einfachen Lebenslaufe vorfällt, seht, das hat mir so überaus
wohlgefallen, daß ich gar zu gern im Kloster Malliers, im strengen
Orden, Mönch werden möchte.

Reymund sah ein, daß sein Sohn weise war und Recht hatte, darum gab er
seiner Bitte nach, und freudig begab sich Freymund zu den Patribus, und
wurde alsbald Mönch in dem Kloster Malliers, welches seine Mutter
gestiftet hatte, in dem strengen Orden.

Jetzt erhielten auch Reymund und Melusina Nachrichten von ihren Söhnen
Antonius und Reinhardt, wie der eine König von Böhmen, der andre Herzog
zu Lützelburg geworden sei, durch ihre Ritterschaft und ihre kühnen
Thaten: darüber dankten sie Gott sehr und freuten sich über ihr eignes
und ihrer Kinder großes Glück, denn drei von den Söhnen waren zu Königen
gekrönt, der vierte ein Herzog geworden, und der fünfte ganz nahe bei
ihnen im Kloster zu Malliers ein Mönch, um für alle übrigen Gott zu
bitten.

Es fügte sich, daß Reymund an einem Sonnabend wieder die Melusina
vermißte, denn sie pflegte an diesem ganzen Tage nicht zu erscheinen,
doch gedachte er seines Eides, sich nie um sie zu bekümmern und sie
ungestört gewähren zu lassen. Der Vater des Reymund, der alte Graf von
Forst, war damals schon gestorben, und sein ältester Sohn, der jetzt
Graf von Forst genannt wurde, legte einen Besuch bei seinem Bruder
Reymund ab. Reymund ließ dieses Besuches wegen viele und vornehme Gäste
zu sich einladen, die alle dem Reymund ihren ergebensten Respekt
bezeigten; doch als sich Melusina den ganzen Tag nicht zeigte, sagte der
Graf von Forst zu seinem Bruder: Bruder, laß doch Deine Gemalin
erscheinen, damit sich Deine vielen und vornehmen Gäste nicht darüber
verwundern, daß sie so lange außen bleibt. Reymund antwortete: lieber
Bruder, heute kann solches nicht geschehn, aber morgen sollst Du sie zu
sehn bekommen.

Als die Mahlzeit geendigt war, gingen die beiden Brüder beiseit, und der
Graf sagte zu Reymund: lieber Bruder, ich muß Dir ein Ding eröffnen,
welches mir schon seit lange auf dem Herzen liegt. Man sagt allgemein im
ganzen Lande, daß Du mit Deiner Gemalin übel angekommen seist, sie
sagen, Du seist bezaubert, daß sie sich alle Sonnabend abseitiget, und
Du an solchem Tage gar nicht einmal nach ihr fragen darfst; wunderlich
ist es immer, daß Du nicht weißt, was ihr Thun und Lassen sei, als ein
redlicher Bruder seh ich mich gezwungen, Dir zu sagen, daß Du davon
große Schande haben kannst, denn die meisten Leute meinen, sie treibe an
diesen Tagen Hurerei, welches doch gegen deine Ehre liefe, andre sagen
wieder, sie möchte überhaupt wohl ein Gespenst und alles mit ihr nur ein
ungeheures Wesen sein, darum ist es mein demüthiger Rath, Du erkundigst
Dich etwas mehr um ihr wahres Befinden und suchst es zu erforschen,
damit Du nicht Gefahr läufst, für einen Narren gehalten zu werden.

Als Reymund diese Rede verstanden hatte, wurde er vor Zorn ganz bleich
und dermaßen wüthig, daß er sich und seinen Schwur gänzlich vergaß; die
Worte seines Bruders schienen ihm recht und gut, in der größten
Grimmigkeit lief er fort und griff ein Schwert, womit er sich in die
Kammer begab, in die er noch nie gekommen war, weil er sie der Melusina
zu ihrem heimlichen Aufenthalte absonderlich hatte erbauen lassen. Hier
kam er an eine fest verschlossene eiserne Thür und er besann sich nun,
was er thun sollte; es fielen ihm wieder die Worte seines Bruders ein,
daß seine Gemalin in Unehren lebe. Darüber beschloß er, alles selber zu
sehn, und dann, nachdem er es befinden würde, seine Schmach zu rächen.
Er nahm also das Schwert, und bohrte mit der Spitze desselben ein
kleines Loch in der eisernen Thür, wo er hindurch sehn mochte.

Als Reymund nun stand, und durch die Oeffnung schaute, verwunderte er
sich über die maßen, denn er sah Melusina im Bade, wie sie von oben bis
auf den Nabel ein schönes Weib sei, dann aber in den Schweif einer
bunten gesprengten Schlange endigte, der azurblau war und mit
Silberfarben darunter gesprengt, so daß diese Farben wundersam in
einander schimmerten. Das Zimmer war eine tiefe Grotte, die Wände waren
mit allerhand seltsamen Muscheln ausgeziert und ein Springbrunnen, in
welchem sich Melusina befand, war in der Mitten. Von oben ergossen sich
auch Wasserstrahlen und tröpfelten wie Perlen durch einander, bei
welchem wunderbaren Getöse Melusina sang, indem sie eine Zitter in der
Hand hielt:

   Rauscht und weint ihr Wasserquellen
   In der stillen Einsamkeit,
   Die Erlösung ist noch weit,
   Meine Thränen mehren eure Wellen.

   Ach! wann wirst du, Trauer, enden,
   Von mir nehmen meine Schmach?
   Immer ist die Strafe wach,
   Keiner kann das bös Verhängniß wenden.

Bei diesen Worten vergoß sie einen Strom von Thränen und Reymund war auf
das innigste bewegt und erschüttert. Nun fiel ihm auch bei, wie er
seinen Eid gebrochen und eine Untreue gegen seine tugendvolle Gemalin
begangen habe, dabei konnte er ihre seltsame Verwandlung nicht begreifen
und furchte sich auch, daß nun sein Elend anfangen würde, da er seinen
Schwur nicht gehalten, wie sie ihm vor der Hochzeit prophezeit hatte,
denn er glaubte, daß sie nach ihrer verborgenen Wissenschaft recht gut
um seine Untreue wissen würde. Endlich aber verstopfte er die gemachte
Oeffnung wieder mit Wachs, und ging im höchsten Zorne zu seinem Bruder
zurück. Da dieser ihn also wüthend kommen sah, glaubte er, Reymund habe
die Melusina auf einer Unehre betroffen, und sagte zu ihm; siehe, mein
Bruder, es hat sich also bestätigt, daß Deine Gemalin Dir und ihrer Ehre
ist abtrünnig geworden.

Reymund aber sagte: Du hast mir Unwahrheit vorgebracht und bist mir ein
schädlicher Bruder, Du bist zu einer unglücklichen Stunde in mein Haus
gekommen, denn deinetwegen bin ich nun in Elend gerathen, daß ich meinen
allertheuersten Eid gebrochen habe, darum geh, verweile Dich nicht
länger hier, sonst möchte es Dein Leben kosten, und komme mir auch
niemalen wieder in mein Haus, oder vor mein Angesicht!

Ueber diese unvermuthete Anrede erschrak der Graf, so daß er sich eilig
zu Pferde satzte, und schnell wieder nach Hause ritt; auch die übrigen
Gäste wußten nicht, was sie aus Reymund machen sollten, denn er
geberdete sich, als wenn er ohne Sinnen wäre, weshalb sie sich auch
wieder fort begaben.

Reymund aber war im allergrößten Jammer, er glaubte, daß er seiner
Untreue halber nun seine geliebte Melusina nimmermehr wieder sehn würde,
und daß er sie auf Zeitlebens verloren habe, er schrie und klagte: ach,
du unglückselige Stunde, in welcher ich armer Mann geboren bin, daß ich
nun mein allerliebstes Gut entbehren soll! In seiner großen Betrübniß
zog er seine Kleider aus und legte sich zu Bett, denn er fühlte sich
matt und krank, er beschloß, als ein Einsiedler sein künftiges Leben
zuzubringen, wenn er Melusina verlieren sollte. So trieb er die ganze
Nacht sein Klagen, indem er sich von einer Seite nach der andern
wendete, indem eröffnete Melusina mit einem Schlüssel die Kammer und
trat zu ihm, zog sich nackt aus und legte sich neben ihm in das Bett,
sie fühlte, daß er kalt und krank war, umfing ihn zärtlich mit ihren
Armen und fragte ihn: was fehlt Dir, mein liebster Gemal? Er klagte ihr,
daß ihn ein Fieber überfallen habe, war aber doch froh, daß Melusina
wieder da sei und sich gegen ihn freundlich bezeigte, worauf er auch
wieder von ihren Küssen und liebreichen Umarmungen besser wurde.

Indessen war Geoffroy mit dem Zahn nach dem Lande geritten, wo man ihm
gesagt hatte, daß sich der große Riese aufhielte und seinen Unfug
triebe. Er ritt hin und her und fragte die Leute nach der Wohnung des
Riesen, weil er gekommen sei, ihn umzubringen. Die Leute sagten: das
wolle Gott, Herr Ritter, daß ihr dieses in's Werk setzt, denn er ist ein
ungeschlachter Mann und fügt uns so viel Leides zu, daß es nicht zu
sagen ist; worauf sie ihm auch das Schloß des Bösewichts zeigten.
Geoffroy kam hierauf an einen steilen Berg, auf welchem ein festes
Schloß lag, in welchem der Riese seinen Aufenthalt hatte. Hier stieg
Geoffroy von seinem Rosse ab, legte den Harnisch an, hängte den
stählernen Streitkolben an seinen Sattelbogen, gürtete das Schwert um
sich, nahm die Lanze in seine Hand, hielt seinen schönen mit Gold
ausgezierten Schild vor sich, setzte den Helm auf und stieg wieder zu
Pferde, worauf er gegen das Schloß ritt und den Riesen mit kühner und
lauter Stimme ausfoderte, indem er sprach: wo bist Du nun, Bösewicht,
der mir mein Land verdirbt, und den Meinigen so großen Schaden zufügt?
komm nur schnell heraus, damit ich Dir den Garaus mache. Der Riese war
oben im Schloß und fuhr mit seinem Kopfe heraus, welcher so groß wie ein
Ochsenhaupt war, um zu schauen, wer da sei, der ihn so kühnlich
ausfodre. Er erstaunte, als er nur einen einzigen Mann gewahr wurde, und
däuchte ihm, es sei kaum der Mühe werth, ein Gefecht mit ihm anzufangen;
doch zog er seinen Harnisch an, trat vor das Schloß heraus, und brachte
einen stählernen Schild mit sich, und drei eiserne Stangen, und drei
Hämmer in seinem Busen.

Als der Riese hervor kam, sah Geoffroy, daß er wohl bei funfzehn Schuh
lang war, worüber er sehr erstaunte, aber dennoch den Muth nicht verlor,
sondern jenen mit erschrecklicher Stimme anschrie. Der Riese aber
sprach: Wer, und von wannen bist Du? Worauf Geoffroy ausrief: ich bin
Geoffroy mit dem Zahn, wehre Dich, denn Du sollst allhier Dein Leben
lassen. Der Riese sagte: kleines Kerlein, mich jammert Deiner, geh nach
Hause, Du scheinst mir ein guter junger Mensch, aus dem mit der Zeit
wohl noch etwas werden kann. Gehst Du aber nicht, so schlage ich Dich
mit einem einzigen Streich zu Tode, Geoffroy aber achtete nicht darauf,
sondern schrie immer fort: wehre Dich, Hollunke, wenn Dir Dein Leben
lieb ist! Zugleich ritt er zurück, um Feld zu gewinnen, legte seine
Lanze ein, und rannte mit solcher Gewalt auf den Riesen, daß dieser von
diesem einzigen Stoße zur Erden niederfiel. Die Erde bebte unter dem
gewaltigen Fall des Riesen, aber er stand schnell wieder auf, und war
sehr erbost, daß ihn ein einziger Stoß eines Ritters dermaßen hatte
umwerfen können, er nahm daher seine stählerne Stange und schlug gegen
Geoffroy, der schon das zweite Rennen gegen ihn vornahm, womit er dessen
Pferd traf, und ihm beide Vorderbeine abhieb. Das Pferd fiel zu Boden,
und Geoffroy sprang plötzlich aus dem Sattel, zuckte sein Schwert, lief
den Riesen an, und gab ihm einen so harten Schlag, daß dieser seinen
Schild aus der Hand fallen ließ. Hierauf nahm der Riese die stählerne
Stange und schlug so auf den Geoffroy ein, daß dieser vom Schall des
Schlages ganz betäubt wurde, er erholte sich aber schnell, nahm den
Streitkolben vom Sattelbogen und schlug damit dem Riesen die Stange aus
der Hand. Da ergriff der Riese einen von seinen Hämmern, und schmiß ihn
so mächtig nach Geoffroy, daß dieser den Streitkolben auch mußte fallen
lassen. Der Riese bückte sich nach dem Kolben, aber Geoffroy nahm sein
Schwert wieder zur Hand und hieb damit dem Riesen einen Arm von Leibe
herunter: darüber erschrak der Riese und faßte seine Stange mit der
andern Hand und schlug nach Geoffroy, der aber sprang diesem Schlage
behende aus dem Wege, der Riese fiel wieder auf die Knie und Geoffroy
gab ihm nun einen solchen Hieb auf das Bein, daß er völlig zu Boden
stürzte, entsetzlich schrie und seine heidnischen Götter um Hülfe
anrief. Nun blieb dem tapfern Ritter nichts weiter übrig, als ihm den
Kopf nur völlig herunterzuhauen, welches er auch in aller Schnelligkeit
that, und so über den ungeheuren Mann den Sieg davon getragen hatte.

Geoffroy nahm hierauf das Horn des Riesen und blies so lange darein, bis
sich viele Leute aus den umliegenden Gegenden versammelten, die sich
alle entsetzten, daß er den großen Heiden mit seiner Kraft hatte
umbringen können. Bald breitete sich im ganzen Lande und auch in den
andern Reichen die Nachricht aus, wie Geoffroy den Riesen bezwungen
habe; er aber schickte einen Boten zu seinen Eltern, der auch diesen die
erfreuliche Nachricht bringen mußte.

Weil die Rede von seinem Siege schnell weit herum gekommen war, so
gelangten Boten aus dem entfernten Lande Norhemen an Geoffroy, die ihn
im Namen der dortigen Landesherren demüthig ersuchten, zu ihnen zu
kommen, und ebenfalls einen ungeheuren Riesen umzubringen, von dem sie
so sehr geplagt würden, daß sie sich nicht zu lassen wüßten; wenn er ihn
mit Gottes Hülfe bezwänge, so wollten sie ihn auch gern für ihren
Oberherrn erkennen, und ihm das ganze Land übergeben. Geoffroy
antwortete: er wolle kommen und den Riesen umbringen, nicht aber um Land
und Leute zu gewinnen, sondern er thue dieses nur aus Barmherzigkeit,
und weil er es für seine Pflicht halte, alle Riesen umzubringen, so weit
er sie nur erreichen möchte. So rüstete er sich, um zu Schiffe nach dem
Lande Norhemen zu fahren, voll von hohem Muth und feuriger Begier,
Wittwen und Waisen zu beschützen, allen Unterdrückten beizustehn, und
alle Unglaubigen vom Angesichte der Erde zu vertilgen, so daß alle über
seinen hohen Eifer und treffliche Vorsätze in Verwunderung geriethen.




                          Dritte Abtheilung.


Als Geoffroy abreisen wollte, kam ein Bote zu ihm mit einem Brief von
seinen Eltern, worin sie ihm meldeten, daß sie gesund wären, auch
Nachrichten von ihren Söhnen hätten, die sehr erfreulich, dabei sei ihr
Sohn Freymund im Kloster Malliers, nahe bei ihnen, ein Mönch geworden,
um Gott für alle zu bitten. Wie Geoffroy las, daß sein Bruder Freymund
ein Mönch geworden sei, ward er so zornig und wüthend, daß er nicht
anders, wie ein wilder Eber schäumte, und alle die zugegen waren, vor
Furcht schwiegen und nicht wußten, was sie sagen sollten. Er rief aus:
die schelmischen und nichtswürdigen Mönche haben meinen Bruder bezaubert
und betrogen, daß er nicht, wie wir alle gethan haben, die Ritterschaft
ergreifen will; muß ich mich mit Riesen herumschlagen, und soll er
indessen ein Mönch werden? Nun warlich, es soll ihnen und dem Abte übel
gerathen, denn ich will sie alle zusammen verderben und verbrennen!

Ueber diese Rede entsetzten sich alle; den Boten aus dem Lande Norhemen
aber befahl er seiner an dieser Stelle zu warten, denn er werde bald
wieder kommen. So ritt er im Grimme fort und kam bald auf seinem Wege
nach dem Kloster Malliers. Wie der Abt und die Mönche ihn kommen sahn,
gingen sie ihm höflich entgegen, um ihn zu begrüßen und ihm Willkommen
zu sagen, aber Geoffroy fuhr sie gleich zornwüthig an und schnaubte
ihnen entgegen: Ihr bösen Mönche, warum habt Ihr meinen Bruder also
verführt, daß er ein Mönch geworden und die Ritterschaft verläugnet hat?
Daran habt Ihr übel gethan und ich will Euch bestrafen, denn Ihr sollt
alle Euer Leben hergeben.

Ueber diese Rede erschraken der Abt und die Mönche; der Abt erwiederte:
wir haben mit nichten Euren Bruder verführt, er ist aus freiem Willen
und aus Andacht in unser Kloster gekommen, hier steht er gegenwärtig und
Ihr könnt ihn selbst darum fragen.

Freymund sagte hierauf: lieber Bruder, ich schwöre Dir, daß mich Niemand
überredet hat, sondern daß ich hierin bloß meinem eigenen Triebe gefolgt
bin, so ist es meine eigne Schuld, daß ich bin ein Mönch geworden, denn
ich tauge nicht zum Ritter, ich habe in mir ein Verlangen zum
gottseligen Leben gespürt, so habe ich denn nichts bessers gewußt, als
mich hieher zu begeben, wo ich für alle und auch für Dich beten will.

Geoffroy aber blieb in seinem Zorn und kein Zureden und Bitten vermochte
etwas über ihn; er stieg von seinem Pferde ab, besetzte das Kloster mit
seinen Leuten, ließ einen großen Haufen Heu, Stroh und Holz auf einen
Platz bringen, zündete dieses gegen den Wind an, und verbrannte so
seinen leiblichen Bruder nebst hundert Mönchen, die alle in die Kirche
geflohen waren.

Als die That vollbracht war, sah Geoffroy ein, daß er Unrecht gethan
hatte; er bereute sie heftig, weil er glaubte, sich an Gott versündigt
zu haben, schalt und fluchte auf sich selber, und verwünschte sich in
den Abgrund der Erden hinein, daß er niemals mehr das Tageslicht
erblicken möchte, doch war es nun zu spät mit seiner Reue und seinem
Wehklagen. Setzte sich deshalb wieder zu Pferde, und ritt nach der
Stelle in größter Eile zurück, wo er den Boten aus dem Lande Norhemen
gelassen hatte, fuhr mit ihm in einem Schiffe ab, der Wind war günstig
und so ging die Fahrt nach dem Lande Norhemen glücklich von Statten.

Reymund und Melusina saßen bei Tische und nahmen eine fröhliche Mahlzeit
in schöner Häuslichkeit und Freundlichkeit zu sich, als ein Bote mit
verwirrten Mienen und thränenden Augen zu ihnen hereintrat, und ihnen
sagte, er habe eine erschreckliche Neuigkeit zu sagen, wolle sie aber
nicht gerne vorbringen. Reymund sagte: er solle sie sagen, denn er habe
sich nun schon in Gottes Namen auf etwas Betrübtes gefaßt gemacht; so
sprach auch Melusina, denn sie wußten noch nicht, was vorgefallen war.
Drauf sagte der Bote: so muß ich Euch nur Meldung thun, daß eins von
Euren Kindern nicht mehr am Leben. So segne ihn der Herr, antwortete
Reymund, doch welcher von meinen Kindern ist es? Der Bote sagte: es ist
Freymund. Reymund war sehr betrübt, doch sprach er weiter: Gott hat ihn
zu sich genommen; doch ist er selig gestorben, sind ihm alle
christlichen Rechte widerfahren? Der Bote antwortete: Nein, er konnte
kein christliches Recht bekommen, denn er ist mit allen andern Mönchen
im Kloster zu Malliers verbrannt worden.

Darüber entsetzte sich Reymund und rief aus: Bote, nimm Dich in Acht,
daß Du keine Lügen vorbringst, denn dergleichen sollte Dir übel gelohnt
werden; wer hat sich unterstehn dürfen, ihn und das Kloster zu
verbrennen?

Der Bote sagte demüthig: gnädiger Herr, es sei ferne von mir, daß ich
mit Lügen umgehn sollte, dergleichen habe ich in meinem ganzen Leben
nicht gethan, und werde nun nicht mit Euch den Anfang machen. Nein,
Geoffroy mit dem Zahn hat in seiner Bosheit das Kloster sammt allen
Mönchen verbrannt, dazu seinen leiblichen Bruder, weil er erzürnt
gewesen, daß er ein Mönch geworden und geglaubt, der Abt und die Mönche
hätten ihn mit List dazu überredet. Hierauf erzählte er den ganzen
Vorgang, was Geoffroy gesprochen und was ihm der Abt erwiedert, und wie
der Geoffroy sich nicht daran gekehrt, sondern in seinem Zorn das ganze
Kloster sammt allen Mönchen verbrannt habe.

Da entsetzte sich Reymund recht in seinem innersten Herzen, wurde auch
voll Grimms und im ganzen Gemüthe bewegt, deshalb stieg er plötzlich zu
Pferde, um selbst nach der Brandstelle des Klosters Malliers
hinzureiten. Unterwegs hörte er von allen Leuten ein großes Klagen über
den Geoffroy, daß er das schöne Kloster also verderbt habe, sammt allen
Mönchen. Er kam selber an den Ort, wo das herrliche Gebäude gestanden
hatte, und sah nun die betrübten rauchenden Trümmern vor sich. Er wurde
hierauf sehr zornig und schwur, daß, wenn er den Geoffroy habhaft werden
könne, er ihn auch eines gewaltsamen Todes wolle sterben lassen. So ritt
er wieder im allerheftigsten Zorne nach seinem Hause zurück.

Er stieg vom Pferde ab, ging in seine Kammer, schloß sich ein, setzte
sich in höchster Betrübniß nieder, seufzte, weinte und klagte:

   Ach Gott! so hat Geoffroy im bösen Muthe
   Den eignen Bruder Freymund umgebracht,
   Der wollte Mönch sein, dienen Gott, der Gute,
   Doch starb er bald, und ruht in schwarzer Nacht.
   Ich selber habe mich befleckt mit Blute
   Und meinen eignen Vetter todt gemacht,
   Ich wollte damals nur das Schwein verderben,
   Und ließ am eignen Spieß den Vetter sterben.

   Drum hat der mit dem Zahne dies verbrochen,
   Der wüthete so wie ein wildes Schwein,
   Ich hatte erst den Vetter mein erstochen,
   Und ein Meerwunder muß meine Gattin sein;
   Sie hat mir Reichthum, Ehre, Glück versprochen,
   Ich zeugte Söhne, zehne nannt ich mein,
   Davon ist mir der liebste nun verbrannt,
   Das that des eignen wilden Bruders Hand.

   Und wie Geoffroy nun wüthend angefangen,
   So wird er auch niemals das Gute thun,
   Hätt' ich ihn hier, so müßt' er warlich hangen,
   Nie könnt' ich eh, bis er gestorben, ruhn;
   Den Bruder morden! frevles Unterfangen!
   Nein, strafen muß ich ihn, hin fahr' er nun,
   Boshafter wird er stets, gottloser werden,
   Am besten man vertilgt ihn von der Erden.

Als Reymund in diesen schweren Klagen war, schloß Melusina mit einem
Schlüssel die Kammerthür auf, und ging mit ihren Rittern, Frauen und
Jungfrauen zu ihm hinein, um ihn zu trösten, worauf sie ihn auf dem
Bette liegend fanden, indem seine Grimmigkeit noch durch den plötzlichen
Anblick seiner Gemalin vermehrt wurde. Melusina trat lieblich auf ihn zu
und sagte: Nicht, Reymund, mußt Du Dich über Dinge also sehr betrüben,
die Du nicht verschuldet, und welche Du nicht mehr ändern kannst,
betrübe Dich, aber sei geduldig in Deinem Gram und empfiehl Gott Dich
und Deinen Schmerz, der wird alles nach seinem Willen vollbringen und er
verlangt vielleicht jetzt, daß wir auf unsre Sünden und schlimmen
Leidenschaften achten und sie ablegen sollen. Unser Sohn Geoffroy hat
gesündigt, aber er wird seine Missethat beweinen und Buße thun, und Gott
wird ihm nach seiner unendlichen Barmherzigkeit vergeben, denn er will
nicht den Tod des Sünders, sondern daß er leben bleibe.

So vernünftig und schön Melusina sprach, so schaute sie Reymund doch mit
boshaften Augen an, war seiner selbst im Zorn nicht mächtig und sagte
laut und vor allen Gegenwärtigen: O Du Schlange und giftiger Wurm,
kömmst Du hieher, mir eine solche Rede zu halten und bist nur ein
liederlicher Fisch? Ja, ich habe gesehn, daß Du ein Meerwunder bist und
kein menschliches Geschöpf, darum müssen die Kinder von Dir Bösewichter
werden, es ist Deine Schlangenart, die in ihnen zum Vorschein kommt,
sieh nur, welchen schönen Anfang der Geoffroy mit dem Zahne gemacht hat!
hat er nicht meinen liebsten Sohn, und den Abt, und dazu alle Mönche
verbrannt?

Während dieser Worte verwandelte Melusina ihre schöne Farbe und wurde
ganz todtenblaß; mit einer Stimme, die allen durch das Herz drang,
sprach sie hierauf: Ach Reymund! wie lässest Du Dich so sehr von der
Unvernunft dahinreißen! welche Worte hast Du gesprochen? Ist mein
Schmerz nicht so groß, wie der Deinige? Mein Leiden nicht dem Deinigen
gleich? O wie hielt ich Dich lieb und werth! wie vertraute ich Dir mein
Heil und meine Wohlfarth! aber Du hast Dein Gelübde gebrochen und so muß
nun auch eintreffen, was ich Dir dazumal vorhergesagt, daß Du mich
verlieren würdest. O Reymund, Deine Wohlfarth, Dein Glück, alle Deine
Freude und Ehre muß leider nun ein Ende nehmen.

Mehr konnte sie nicht sprechen, sondern sie fiel nach diesen Worten
ohnmächtig zur Erde nieder. Die Herren und Diener erschraken sehr und
liefen eilig hinzu, ihr beizustehn, worauf sie auch wieder zu sich kam
und mit höchstkläglicher Stimme sagte:

   Ach Gott! ach! Herr! o Reymund! wehe mir!
   Die Zeit ist da, ich scheide nun von Dir,
   Wie mußt' ich doch von Deinem Werth, Geberden
   Also im Herzen mein bezaubert werden?
   O weh! mein Leiden sei Gott angesagt!
   O weh! es sei dem höchsten Herrn geklagt!
   O wehe mir, daß ich beim Bronnen rein und kalt,
   Dich fand, mein Reymund dort im grünen Wald!
   O weh, daß ich gefühlt nach Dir Verlangen,
   Weh mir, daß ich den schönen Leib umfangen!
   Der Stunde weh, da ich mein Leib und Leben
   In Deine Macht Dir gänzlich übergeben!
   Ha Deine Falschheit und Verrätherei,
   Dein Unverstand bricht alles nur entzwei,
   Dein zornger Grimm, Dein boshaft schlimmer Mund
   Richt' mich und Dich, mein Wohlfarth ganz zu Grund,
   Ich komme nun in Arbeit, Angst und Noth,
   Und kann nicht hoffen, daß der bald'ge Tod
   Von meinen Quaalen mich befreien mag,
   Sie währen fort bis an den jüngsten Tag.
   Gottloser Schalk! untreuer Bösewicht!
   So weiß Dein Herz nicht, was Dein Mund verspricht?
   Wie hältst Du mir Dein heiliges Versprechen?
   Wie magst Du so Dein Wort und Schwören brechen?
   Gern wollt' ich Dir, untreuer Mann, verzeihn,
   Wenn Du nur noch verschwiegen konntest sein,
   Du hattest mich am Bade schon gewahrt,
   Es war verziehn, denn keinem offenbart
   Als Dir, war noch mein Schmach und großes Leid,
   Nun ist es offenbar, nun kommt die Zeit
   Der Angst, der Pein, der Quaal und Herzenswehen,
   Wo Glück, Lieb, Heil und Wohlfarth muß vergehen.
   Hätt'st Du den Eid gehalten treu und wahr,
   So blieb ich bei Dir, Reymund, immerdar,
   Bis endlich uns der bittre Tod geschieden,
   In Erde ruhte dann mein Leib im Frieden,
   Die Seele wär' aus Leid im Freud gekommen,
   Aus Fegefeur in Himmelslicht genommen.
   Nun aber bleiben Leib und Seel beisammen
   Bis glüht der jüngste Tag in seinen Flammen,
   In Dir nimmt seinen Anfang schweres Leiden,
   Auch Du nimmst Abschied nun von Deinen Freuden,
   Vermindert und zertheilet wird Dein Land,
   Kommt niemals wieder unter eine Hand,
   Unglück trifft manche, die von Dir abstammen,
   Und auch wir beide bleiben nicht beisammen,
   Ich muß von Dir, von Schloß und Kindern scheiden,
   Und künftig Mann und Schloß und Kinder meiden.

Die trauernde Melusina wandte sich hierauf zu drei Landesherren, führte
sie zu Reymund und fuhr in ihrer Rede fort:

   Reymund, bei Dir ist meines Bleibens nicht,
   Doch nimm in Acht, was, wenn ich fort, geschicht,
   Horribel, unser Sohn mit dreien Augen,
   Ist bös und kann in dieser Welt nicht taugen,
   Erwächst er groß, wird er das Land verderben
   Mit Krieg und Hunger, laßt ihn vorher sterben.
   Daß Geoffroy hat den Abt, die Mönch verbrannt,
   Erfahre, daß auch hierin Gottes Hand,
   Sie schlugen ihre Regel in die Schanz
   Und hielten nicht des Klosters Observanz,
   Auch wird den Geoffroy schwere Reue plagen
   Er wird alsdann frommüthig in sich schlagen,
   Ein neues Kloster baun, das schöner ist,
   Worauf er auch zum Dienste Jesu Christ
   Mehr Mönche wird zum frommen Werk einsetzen,
   Sie unterhalten auch von seinen Schätzen.
   Es wird mir schwer von meinem Schloß zu scheiden,
   Das ich gebaut anmuthig und mit Freuden,
   Ich möchte fast in Thränen drum vergehn,
   Doch kann's nicht anders sein, es muß geschehn.
   Ach Reymund! wars nicht Lust und Freudigkeit
   Als wir so schön beisammen allezeit?
   Aus Freud wird Leid, aus Scherzen wird nun Schmerz,
   Aus Stärke Ohnmacht, das zerbricht mein Herz.
   Wie hatten wir so schönes Wohlgefallen,
   Das wandelt sich nunmehr in Mißgefallen,
   Wohlfarth wird Gram, zu Sorge Sicherheit,
   Zu Unglück Glück, Freiheit wird Dienstbarkeit.
   So dreht sich denn des Glückes Kugel rund,
   Kehrt all in's Gegentheil in einer Stund,
   Doch ist es Reymund Deine eigne Schuld,
   Daß Du verleurst des Glückes Lieb' und Huld.
   Ich muß zu meinen Leiden von Dir scheiden,
   Doch mag Dir Gott die Missethat verzeihn,
   Daß ich aus Lust in Gram, in Schmerz aus Freuden
   Bis an den jüngsten Tag muß immer sein;
   Nun muß ich wieder fort, in Angst eingehen,
   In der ich, Arme, einmal schon gewesen,
   Und wieder muß die Quaal an mir geschehen,
   Und niemand darf und kann mich nun erlösen.

Wie Reymund diese Klagen anhörte und sah, daß sich seine geliebteste
Gemalin zum Hinscheiden fertig machte, überfiel ihn eine solche
innerliche Angst, daß er nicht ein Wort zu sprechen vermochte; er
meinte, das Herz im Leibe müßte ihm vor großem Weh zerspringen und er
würde sterben, begehrte auch nicht länger zu leben und wünschte sich den
Tod. Er stand auf und ging mit kläglichen Geberden zu Melusina, küßte
sie mit höchster Betrübniß und weinte bitterlich. Vor großem
unaussprechlichen Herzeleid, das sie beide des Scheidens halber hatten,
fielen sie nieder auf die Erde. Die Landesherren und Hofbediente, Frauen
und Jungfrauen waren ebenfalls sehr traurig, huben sie beide auf,
weinten und alles Volk mit ihnen. Reymund fiel vor Melusina nieder auf
die Knie, und bat sie unter Schluchzen und Herzensangst um Vergebung,
daß er seine Gelübde so böslich gebrochen hätte. Melusina antwortete:
ich kann dem Verhängniß nicht Einhalt thun, welches es nun so
beschlossen hat, darum müssen wir uns drein ergeben. Vergiß nun Deinen
Sohn Freymund, aber gedenke Deines Sohnes Reymund, der einst an Deines
Bruders statt Graf zu Forst werden soll. Auch Deines jüngsten Sohnes,
Dietrich, nimm Dich an, der noch an der Brust der Amme liegt, denn er
soll einst ein tapfrer Ritter werden.

Nachdem Melusina diese Worte gesprochen hatte, schwang sie sich auf das
Fenster, wandte sich noch einmal um und sagte:

   Gesegn' Dich Gott, mein Herz und wahrer Freund:
   Gesegn' Dich Gott, holdseligster Gemal!
   Gesegn' Dich Gott, Du liebstes Kleinod mein!
   Gesegn' Dich Gott, Du schöne Kreatur!
   Gesegn' Dich Gott, Du meine schönste Freude!
   Gesegn' Dich Gott, Du Lust in dieser Welt!
   Ach segn' Dich Gott, mein liebster Trost und Hort!
   Auch Euch gesegne Gott, mein liebes Volk!
   Gesegn' Dich Gott, Lusinia, schönes Schloß,
   Das ich gebaut und selbst gestiftet hier!
   Gesegn' Dich Gott, Du Preis von dieser Welt!
   Gesegn' Dich Gott, Reymund, mein liebster Freund,
   Leb' ewig wohl, zu tausend gute Nacht!

Mit diesen letzten Worten schoß Melusina zum Fenster hinaus und
verwandelte sich vor den Augen alles Volks, denn sie wurde von den
Hüften an wiederum ein feindlicher, langer und ungeheurer Wurm. So
umfuhr sie in der Luft das Schloß, indem sie aus der Höhe herunter ein
entsetzliches Geschrei ausstieß, das so seltsam und unerhört klang, daß
allen das Herz im Leibe bebte, und sie sich vor nichts so furchten, als
diesen Ton noch einmal zu hören, so zerschmetternd und zerreissend klang
es, so tiefbetrübt, als sollte nun gar die ganze Welt vergehen, als wär
alle Lust erstorben und sollte der Jammer nun auf Erden auf immer
einheimisch sein. Dreimal ließ sie dieses entsetzliche Geschrei von sich
hören, dann vernahm man nichts mehr und sie war verschwunden.

Reymund stand bei den Seinen in großen Leiden und schwerer Quaal, er
schrie und weinte bitterlich, raufte sich die Haare aus und wünschte
niemals geboren zu sein; da er wieder vor seinem großen Herzeleid
sprechen konnte, rief er ihr die Worte nach:

   Nun so gesegn' Dich der allmächt'ge Gott,
   Mein schönes Weib und Freundin, Ehrenkrone!
   Gesegn' Dich Gott, mein Reichthum, meine Freude!
   Gesegn' Dich Gott, Du meine liebste Lust!
   Gesegn' Dich Gott, mein einziges Verlangen!
   Gesegn' Dich Gott, Du Frau von hohem Preis!
   Gesegn' Dich der allmächt'ge, ewge Herr
   Und unsrer theurer Heiland Jesus Christus!
   Ach alle meine Tage sind vergangen,
   Da ich Dich ferner nicht erblicken soll.

Reymund klagte so sehr, daß alle die Seinigen mit ihm klagen und weinen
mußten. Doch gab es einige ältre Leute, die sehr redlich waren und ihn
zu trösten suchten, weil sie auf das Wohl des Landes ihre Absicht
gerichtet hatten. Sie hielten ihm herrliche Beispiele vor, von andern
großen Männern, die vieles Unglück erlitten, sich aber nachher getröstet
hatten. Einer von den allerredlichsten aber erinnerte ihn an den Befehl
seiner abgeschiedenen Gemalin Melusina, seinen Sohn Horribel mit den
drei Augen nicht leben zu lassen, weil dieser sonst das ganze Land
verderben würde. Reymund antwortete: lieben Freunde, überlaßt mich nur
meinem Schmerze und thut übrigens nach Eurem Wohlgefallen und wie Euch
meine edle Gemalin Melusina befohlen hat.

Hiemit entfernte sich Reymund und verschloß sich in einer einsamen
Kammer, wo er trauerte und weinte und ein solches Wehklagen trieb, daß
es nicht zu sagen ist. Die Herren und Diener aber nahmen den kleinen
Sohn Horribel, der schon als Knabe ein sehr böses Gemüth in sich spüren
ließ, und sperrten ihn zum Besten des ganzen Landes in einen abgelegenen
Keller, worauf sie so viel brennendes Stroh hineinwarfen, daß der junge
Bösewicht ersticken mußte; so war das Land für die Zukunft gerettet.
Nachdem sie dieses vollbracht hatten, nahmen sie den Leichnam und legten
ihn heimlich in ein Bette, sagten er wäre todt, und begruben ihn
öffentlich nach einigen Tagen, als wenn er eines ordentlichen Todes
gestorben wäre.

Reymund hatte noch zwei junge Kinder, die ihre Ammen hatten und die
Brust sogen. In der Nacht sahen die Ammen oftmals, wenn es finster war,
daß Melusina in die Kammer kam, in welcher die Kinder schliefen, eins
nach dem andern aufhub, nämlich den Reymund und den Dieterich, sie am
Feuer wärmte und lieblich säugte und dann wieder sie liebkosend in ihre
Wiegen legte. Darnach war Melusina wieder verschwunden, und die
Dienerinnen wagten es aus Furcht nicht, zu ihr zu gehn, wann sie zugegen
war, doch nahm das Kind Dieterich so sehr zu, daß alle Menschen, die es
nur sahen, darüber erstaunen mußten.

Geoffroy war indessen mit dem Schiffe und seinem Boten glücklich in das
Land Norhemen angelangt. Gleich beim Schiffaussteigen kamen ihm die
betrübten Landesherren entgegen, empfingen ihn sehr freundlich,
bewillkommten ihn mit größter Höflichkeit, und erzählten so grausame
Thaten von dem Riesen, die der ungeheure Wüthrich an jedem Tage
verrichtete, wohl oft an einem Tage an die hundert Ritter erwürge, das
Volk nicht anders als nach tausenden umbringe, das Land verwüste, das
Vieh verderbe, und so weiter, daß Geoffroy antwortete: ei, meine Herren,
dieses ist ja kein Mensch, sondern ein rechter eingefleischter Teufel,
doch wenn ich ihn anders nur finde, so hoffe ich ihn mit Gottes Hülfe zu
überwinden, bin auch deswegen ausdrücklich hergekommen, denn ich habe
schon vorher, obgleich nicht so umständlich, von seinen Freveleien
gehört. Gebt mir deshalb nur einen Boten mit, der mir den Weg zu diesem
Unmenschen zeigt.

Die Landesherren schafften ihm bald einen Boten, der des Wegs kundig war
und auch die Wohnung des Riesen wußte, worauf Geoffroy sehr kurz, aber
doch mit seiner möglichsten Höflichkeit von den Landesherren Abschied
nahm. So ritten sie beide, er und der Bote nach dem Berge zu, wo der
Riese seine Wohnung hatte. Da sprach der Bote: Hier auf diesem Berge hat
nun der Riese seine Wohnung. Du mußt mich zu ihm führen, antwortete
Geoffroy, denn dazu bist Du mir mitgegeben; und so ritten sie auch den
Berg hinan, und als sie oben waren, sah sich der Bote um, und erblickte
den großen und mächtigen Riesen, der an einem Baume, auf einem
Marmorsteine saß.

Als der Bote sah, daß der Riese so gar nahe bei ihm war, zitterte er vor
Furcht an Händen und Füßen, wobei er ohne Unterlaß die Farbe
verwandelte. Geoffroy, der sich nicht umgesehn hatte, merkte daraus, daß
der Riese etwa in der Nähe sein müsse, er sagte daher lächelnd zum
Boten: fürchtet Euch nur nicht, mein lieber Freund, denn ich bin
gekommen, diesen Riesen umzubringen und Euch alle zu erlösen. Der Bote
sagte: Herr, ich bin Euch als ein Bote mitgegeben worden, denenselben
den Riesen zu zeigen, da ist er nun vor uns gegenwärtig, und sitzt auf
einem Marmorsteine, nun verleihe Euch Gott der Herr Kraft und Stärke,
denn hier kehr' ich um, und möchte um alle Schätze in der Welt, um alles
Gold und Silber nicht weiter mit denenselben hinauf reiten; also, Gott
befohlen, denn ich war bloß dafür gedungen, Euch den Riesen zu zeigen,
und da ist er.

Der Riese _Grimhold_ sah, daß zwei Leute zu ihm den Berg hinan ritten,
blieb also sitzen, um zu sehn, was es geben solle, denn er dachte wohl,
daß sie sich an ihn machen und eins mit ihm wagen wollten. Geoffroy bat
den Boten lächelnd, daß er doch noch bleiben und ihrem Gefechte zusehn
möchte, indem er bald wahrnehmen würde, welcher unter ihnen beiden der
beste sei. Der Bote aber sprach: was seh' ich doch an Dero Fechten, will
lieber wieder nach Hause gehn, indem ich das nunmehr vollbracht habe,
was mir ist anbefohlen worden. Geoffroy aber redete ihm wieder zu und
sagte nochmals: lieber Freund, laß es Dir nicht leid sein, noch eine
kleine Weile zu verziehn, denn Du wirst alsbald gewahr werden, welchen
Ausgang es nimmt, worauf Du dann dem übrigen Volke sagen kannst, wie es
sich begeben hat, und wer oben oder unten gelegen; willst Du dieses aber
nicht thun, so denke ich Dir selber eins zu versetzen, daß Du wohl hier
bleiben mußt.

Der Bote antwortete und sprach: gnädiger Herr, Ihr bittet so, daß man
Euch nichts abschlagen kann, doch wollte ich gebeten haben, das Ding
nicht lang zu machen, weil ich mich gar zu sehr vor dem Riesen fürchte,
denn er kommt mir nicht wie ein Mensch, sondern wie der leibhaftige
Teufel vor. Wenn Ihr so dächtet, wie ich, so würdet Ihr gegen den großen
ungeheuren Riesenkerl nicht so unbedachtsam Euer junges Leben wagen.
Geoffroy aber sagte: sorgt für mich nicht, denn ich will dem Leben des
Riesen bald ein Ende machen.

Geoffroy schied nun von dem Boten und kam an den Berg. Da ihn Grimhold
ganz allein herauf reiten sah, verwunderte er sich sehr, daß sich ein
einzelner Mann dergleichen unterstehn sollte, doch gedachte er wieder,
es werde vielleicht ein Unterhändler zwischen ihm und dem Lande sein,
daher stand er auf, ging ihm an dem Berge auf einer schönen Wiese
entgegen und nahm eine lange hölzerne Stange in seine Hand, mit der er
wie mit einem Stäblein spielte. Wie nun Geoffroy nahe genug gekommen
war, so schrie ihn der Riese an: Wer, oder von wannen seid Ihr, daß Ihr
es wagt, so gegen mich den Berg herauf zu reiten? Was habt Ihr hier zu
schaffen und zu suchen? Geoffroy schrie ihn wieder an: Du großer
Schreihals, mein Gewerbe ist ganz kürzlich dieses, daß ich Dir Deinen
gottlosen Kopf vom Leibe herunter hauen will, weiter habe ich hier
nichts zu suchen, darum halte Dich bereit, solches in Gottes Namen zu
erleiden.

Da fing der Riese an zu spotten und sagte: ei, mein kleiner Herr, laßt
mir doch noch mein armes Leben, nehmet mich lieber gefangen und verkauft
mich für Geld, damit ich doch nur meinen Leib behalte. Wie Geoffroy
merkte, daß er seiner spottete, schrie er ihn wieder an: Nun warte, Du
großer Hund, alsbald sollst Du für Dein Spaßmachen den Lohn bekommen.
Plötzlich ergriff er seinen Schild, legte die Lanze ein und rennte mit
solcher Gewalt auf den Riesen los, daß, wenn dieser nicht von seinem
stählernen Harnisch wäre geschützt worden, er ihn durch und durch
gestoßen hätte; aber der Stoß traf den Riesen doch so gewaltig, daß er
zur Erden fiel und den Hintern und die Beine dem Himmel zukehrte. Er
sprang aber geschwinde wieder auf und wollte nach Geoffroy mit seiner
Stange schlagen; wie dieser das merkte, sprang er schnell vom Pferde
herunter, in Besorgniß, er möchte ihn und das Pferd zu gleicher Zeit zu
Tode schlagen. Der Riese betrachtete hierauf den Geoffroy und
verwunderte sich sehr über dessen Stärke, und sagte zu ihm: ich weiß
nicht, wer oder von wannen Ihr seid, Ihr habt mir einen so starken Stoß
gegeben, daß ich meine Füße und meinen Hintern dem Himmel habe zukehren
müssen, solches ist mir zuvor in meinem Leben noch nicht begegnet, wenn
Ihr also ein frommer Ritter seid, so begehre ich von Euch, mir Euren
Namen nicht zu verschweigen.

Geoffroy antwortete: ich heiße Geoffroy mit dem Zahn und bin weit und
breit bekannt. Der Riese sagte: ich habe schon viel von Euch gehört, Ihr
seid also derselbe, der einen andern Riesen, meiner Mutter Bruder,
erschlagen hat, und nun hieher zu mir gekommen seid, um Euren Lohn dafür
zu empfangen, den ich Euch auch alsobald richtig auszahlen will. Damit
nahm der Riese die Stange und schlug mit großer Gewalt gegen Geoffroy,
in der Meinung, ihn zu treffen, Geoffroy aber sprang geschwind zurücke
und die Stange fuhr einen Schuh tief in den Felsen hinein. Zu gleicher
Zeit gab Geoffroy dem Riesen mit seinem Schwert einen solchen Hieb durch
seinen stählernen Harnisch, daß die Ringe davon fielen und das rothe
Blut durch den Harnisch abwärts floß. Darauf wurde der Riese über die
maßen wüthig, er nahm seine Stange und holte damit einen mächtigen Hieb
aus; aber Geoffroy sprang wieder zurücke, und der Streich war so
gewaltig, daß die Stange drei Schuhe tief in den Felsen hinein fuhr,
wovon ihm auch der Arm heftig erschütterte und seine Stange in Stücke
zersprang. Darüber ward Geoffroy sehr froh und lief wieder gegen den
Riesen, und führte einen so starken Hieb auf dessen Helm, daß er ihn
davon betäubte. Wie der Riese nun wehrlos war, so brauchte er seine
Faust und versetzte damit dem Geoffroy einen so harten Schlag auf seinen
Helm, daß er ihn damit beinah von Sinnen brachte, doch erholte er sich
bald und gab dem Riesen noch einen Hieb, daß ihm der Panzer versehrt
wurde, er ihm eine tiefe Wunde beibrachte und das Blut zu seinen Füßen
niederströmte. Darüber fing der Riese an gräßlich zu fluchen und seine
heidnischen Götter zum Beistand herbeizurufen. Dann sprang er auf
Geoffroy zu und packte ihn um den Leib, hierauf rungen die beiden aus
allen Kräften und Geoffroy war so mächtig, daß dem Riesen der Athem
verging, ihn seine Wunden sehr schmerzten und er beinahe ohnmächtig
geworden wäre. Hierauf wollte Geoffroy wieder nach seinem Schwerte
laufen, um ihm vollends den Rest zu geben, aber der Riese nahm dieses
Augenblickes wahr und nahm mit großer Schande die Flucht in den Felsen
hinein.

Der Riese war hinter dem Felsen in ein finstres Loch gesprungen und
Geoffroy konnte ihn nicht wiederfinden, so sehr er auch suchte, er
setzte sich also wieder zu Pferde und ritt zu seinem Boten zurück, der
seiner in großen Aengsten erwartet hatte. Dieser freute sich sehr, als
er ihn sah, und Geoffroy erzählte ihm den ganzen Verlauf des Zweikampfs,
denn jener hatte sich doch aus Furcht entfernt, als er gesehn, wie der
Riese zu handthieren angefangen. Er sah nun auch, wie dem Geoffroy sein
Helm voll Beulen und sein guter Schild zerschlagen war, woraus er wohl
abnehmen konnte, daß er nicht leichte Arbeit gehabt hatte. Indem sie
noch mit einander sprachen, kamen die Landesherren und eine große Menge
Volks herbei, die sich über den Sieg Geoffroy's höchlich erfreuten; doch
wurden sie wieder bekümmert, als sie hörten, daß der Riese nicht ganz
todt, sondern in den Felsen entronnen sei, und wenn er von seinen Wunden
wieder aufkäme, so möchte er hernach schlimmer werden, als er zuvor
gewesen.

Einer von den Landesherren fragte ihn hierauf, ob sich der Riese bei ihm
etwa erkundigt habe, wer, oder von wannen er sei. Geoffroy antwortete:
ja, er hat recht eigentlich darnach gefragt und ich habe ihm solches
auch nicht verschwiegen. Darauf sagte dieser Herr: tapfrer Ritter, Ihr
könnt versichert sein, daß dieser Riese nicht wieder aus seinem Berge
hervor kommt, so lange Ihr hier gegenwärtig bei uns bleibt, denn er hat
es durch eine Weissagung, daß er von Eurer Hand sterben werde. Darauf
schwur Geoffroy einen Eid, nicht eher von dem Lande zu weichen, bis er
den Riesen wieder gefunden und ihn vollends getödtet hätte.

Ein andrer Landesherr fuhr hierauf fort: Herr Ritter, in jenem Berge
sind überhaupt viele Gespenster, und fremde Dinge, die man wohl recht
seltsam nennen könnte. Wir sind ehedem von einem Könige _Helmas_ regiert
worden, derselbe hatte eine schöne und weise Gemalin _Persina_ genannt,
welcher er einen Eid schwören mußte, sie in ihrem Wochenbette nicht zu
besuchen, er brach aber diesen Eid und sah nach der Frau im Kindbette,
worauf er auf sonderbare Weise von ihr und von den Kindern plötzlich
getrennt wurde. Die drei Prinzessinnen haben darauf ihren Vater in
diesem Felsen verschlossen, und wohin nachher die Mutter mit den
Töchtern gekommen, hat Niemand erfahren können, seitdem aber der König
im Felsen verschlossen, hat sich hier immer ein Riese aufgehalten und
den Berg gehütet. Dieser ist der fünfte und alle haben uns unsägliche
Drangsal angethan, das Land verwüstet und alle Menschen so sie nur
erwischt, jämmerlich erschlagen, dabei hat es keiner gewagt, sich ihnen
zu widersetzen. Jetzt aber hoffen wir, daß Euer tapfrer Arm uns von der
Furcht erlösen wird. Geoffroy schwur ihnen nochmals, nicht vom Lande zu
weichen, bis er den Riesen gar umgebracht, und hiemit ritten sie alle
nach Hause.

Die Sonne war kaum aufgegangen, als Geoffroy sich wieder auf den Weg
nach dem Gebirge machte. Er kam an den Felsen, wohinein der Riese
geflohen war, suchte lange die Schluft, und fand sie endlich, worauf er
von seinem Pferde stieg, und mit seinem Spieß in die Oeffnung hinunter
langte. Er sagte: daß er nun hinab steigen wollte, um den Riesen
umzubringen, weil er überdies ein Heide und Ungläubiger sei. Die
Landesherren wünschten ihm Glück und den Beistand des Himmels: Geoffroy
machte hierauf ein Kreuz für sich und ließ sich an seinem Speer in den
finstern Felsen hinunter. Unten ging er lange herum, fand aber den
Riesen nicht, endlich ersah er einen Schein, nahm seinen Spieß und
fühlte damit so lange, bis er auf eine Thür traf, in diese ging er
hinein und trat in einen kostbaren Saal, wo er viele Reichthümer fand,
die Wände waren mit Gold und allen Arten von Edelgesteinen
ausgeschmückt, in der Mitte aber stand ein erhabenes Grabmal, welches
auf sechs güldenen Pfeilern ruhte, und mit den köstlichsten Edelsteinen,
die in demselben Berge reichlich wuchsen, häufig besetzt war. Auf dem
herrlichen Grabmal lag die Gestalt eines Königs aus Chalcedonen
gearbeitet, der auch von Edelsteinen glänzte, neben ihm war das Bildniß
seiner Gemalin, welche eine Tafel in ihren Händen hielt, worauf
geschrieben stand:

   Dies ist der König Helmas, hier begraben,
   Der mich zu seiner Gattin einst erwählte,
   Doch mußt' ich einen Eid zuvor noch haben,
   Den er treulos des Wortes brach, dann fehlte,
   Statt Lieb' und Treu, um mein Gemüth zu laben,
   Er mich und meine Kinder lange quälte;
   Er schwur, so ihm es sollte wohlergehen,
   In meinem Wochenbett mich nie zu sehen.

   Als er mir diesen hohen Eid geschworen,
   Ich mich durch Himmels Huld gesegnet fühlte,
   Drei schöne Töchter hatt' ich mir geboren,
   Doch der Gemal den theuren Eid nicht hielte,
   Drauf ging ich ihm, die Kinder auch verloren,
   Die ich zu meinem Trost bei mir behielte,
   Ich habe sie an meiner Brust gesogen
   Und sie nachher zur Weisheit auferzogen.

   Als sie gekommen zu Verstand und Jahren,
   Sprach ich zu ihnen von der Treue Bruch,
   Die ich vordem von dem Gemal erfahren,
   Die jüngste, Melusina, fein und klug,
   Sprach gleich von Rache, und die Schwestern waren
   Behende zu bestrafen den Betrug,
   Worauf sie ihren Vater unverdrossen
   Hieher in diesen wüsten Felsen schlossen.

   Er hat sein Leben endlich hier gelassen,
   Worauf ich ihn hier in sein Grab bestellt,
   Auch hab' ich dieses Bildniß fert'gen lassen,
   Das diese Tafel in den Händen hält,
   Damit ein jeder weiß, der kömmt, wasmaßen
   Er vordem war ein mächtger Fürst der Welt,
   Ich weiß, daß keiner hieher kommen möchte
   Es sei er stammt von unserem Geschlechte.

   Den Riesen hab' ich auch zur Wacht gegeben,
   Damit kein Fremder dieses Grab betritt,
   Ein jeder büßt sogleich mit seinem Leben
   Wer frechen Muthes das Gebirg beschritt.
   Nur einem unsers Stamm's ist es gegeben,
   Zu kommen unversehrt, er führet mit
   Im Innern eine Macht und Eigenschaft,
   Der nichts vermag des Riesen große Kraft.

   Mit Straf' hab' ich die Töchter heimgesucht,
   Weil sie sich an dem Vater so vergangen,
   Die jüngste, Melusin, ward so verflucht,
   Daß sie den Schweif von einer großen Schlangen
   Sonnabends führt; wer sie zum Weibe sucht,
   Muß schwören, sie des Tags nie zu verlangen,
   Zu lassen sie in ihren stillen Zimmern
   Und sich nicht um ihr Wesen zu bekümmern.

   Wenn ihr Gemal den Schwur ihr treu gehalten
   So sollte sie in Glücke wie in Freuden
   Recht lange froh auf dieser Erden walten,
   Im Tode endlich spät nur von ihm scheiden;
   Die zweite konnt' ich nicht so umgestalten,
   Doch mußte sie auch die Verwünschung leiden,
   Meliora heißt sie, sie ist schön gebaut,
   Wie jeder sieht, der einst ihr Wesen schaut.

   Ich habe sie in das Armensche Land,
   Um dort auf immer ein Gespenst zu sein,
   Ein hoch und steil Gebirg hinauf gebannt,
   Dort sperrt' ich sie in festen Schlössern ein,
   Ein Sperber ist ihr dorten zuerkannt,
   Den muß ein jeder, den das Glück führt ein,
   Bewachen fort drei Tag und auch drei Nächte,
   Ohn' daß ein Schlaf ihn überraschen möchte.

   Kömmt einer nun zu sehn die seltnen Sachen,
   Der vornehm ist, geborner Rittersmann,
   Muß er drei Tag' und Nächt' beim Sperber wachen;
   Doch kömmt der Schlaf ihm nur ein Stündchen an,
   So wird er nie im Leben wieder lachen,
   Er ist alsdann wohl ein verlorner Mann,
   Er bleibt alldort zum jüngsten Tag gefangen,
   Verschlossen unter Pein und Angst und Bangen.

   Doch wer drei Tag' und auch drei Nächte wacht,
   Kann von der Fürstin eine Gab' begehren,
   Und wenn er sich als weiser Mann bedacht,
   Wird sie ihm selbst das Größte gern gewähren,
   Nur nehme sich der Rittersmann in Acht,
   Nicht ihres schönen Leibes zu begehren,
   Es sind ja dorten Gold und Edelstein,
   Rubin und Perlen, alles ist wohl sein.

   Auf einem Berge wohnt das ältste Kind,
   Plantina ist mit Namen sie genannt,
   Und auf dem Fels gar große Schätze sind,
   Es liegt der Berg im Arragonschen Land,
   Bis einer unsern Stamms den Schatz gewinnt,
   Dann ist der Zauber von ihr abgewandt;
   Ein solcher Mann erobert auch zugleich
   Jerusalem, das ganze heil'ge Reich.

   Die Buße mußt' ich auf die Kinder legen,
   Weil sie zu großer Ding' sich unterfingen,
   Und ihrer ungezähmten Thorheit wegen,
   Daß sie so schwer am Vater sich vergingen,
   Ihn durften sie in diesem Berge hegen
   Bis er gestorben, also bösen Dingen
   Folgt alsbald auf dem Fuß die Strafe nach,
   Und Gott's Gerechtigkeit bleibt immer wach.

   Mein Name ist Persina, der Gemal
   Hat sich an mir wohl groß und schwer vergangen,
   Doch blieb die Lieb' im Herzen doch zumal,
   Zu ihm gerichtet Sehnsucht und Verlangen,
   Drum gab ich auch die Kinder in die Quaal,
   Weil sie ihn schmerzlich hielten eingefangen:
   An Eltern darf kein Kind die Hände legen,
   Es folgt der Fluch, wer also sich verwegen.

Als Geoffroy diese außerordentlichen Dinge auf der Tafel gelesen hatte,
konnte er sich nicht genug darüber verwundern, denn er sah ganz
deutlich, daß die Melusina, von welcher in der Schrift gesprochen wurde,
seine leibliche Mutter, mithin der König Helmas sein Großvater, und
Persina seine Großmutter gewesen sei. Doch ging er wieder aus der Kammer
heraus und suchte den Riesen allenthalben; er kam an einen großen Thurm,
wo er hineinging, und unten ein Gefängniß gewahr wurde, wo mancher
redliche Mann gefangen lag, und sich alle Gefangenen über Geoffroy's
Ankunft sehr verwunderten. Einer darunter sagte: mein sehr werther Herr,
geht ja fort von hier und verbergt Euch in einer Höhle, damit Euch der
Riese nicht sieht und gewahr wird, denn wenn Euch der ungeheure Riese
findet, so müßt Ihr Euer Leben verlieren und erschlagen werden.

Geoffroy fing aber hierüber an zu lachen und sagte: ich suche eben
diesen Riesen, denn ich möchte mich gar gerne mit ihm schlagen. Da sagte
ein andrer Gefangener: nun, Ihr werdet ihn bald sehn, denn er wird gewiß
gleich kommen, und dann wird es Euch gereuen, Ihr müßt umkommen, denn er
ist gar zu erschrecklich.

Indem sie noch sprachen, kam der Riese, eilte geschwind in eine Kammer
und schlug die Thür sehr eilig hinter sich zu. Geoffroy sah ihn, sprang
nach und trat so stark wider die Thür, daß sie in Stücke zersprang. Der
Riese hatte einen Hammer bei sich, mit welchem er so heftig auf
Geoffroy's Helm schlug, daß, wenn der Helm nicht so gar gut gewesen
wäre, er damit den Geoffroy erschlagen hätte. Geoffroy aber besann sich
schnell, und gab ihm mit dem Schwerte einen so gewaltigen Hieb, daß der
Riese sogleich zur Erde fiel. Darauf that der Riese einen so
erschrecklichen Schrei, daß der ganze Thurm erbebte und er sogleich todt
war. Hierauf steckte Geoffroy sein Schwert ein, ging wieder zu den
Gefangenen und fragte sie: ob sie aus dem Lande Norhemen gebürtig wären.
Sie sagten: Ja. Er fragte ferner: warum sie dorten gefangen säßen. Sie
sagten: um Schatzung und Tribut, die wir dem Riesen schuldig sind.
Geoffroy sagte: so danket Gott, daß er es mir vergönnt hat, diesen
Riesen ganz und gar umzubringen. Ueber diese Nachricht wurden die
Gefangenen sehr froh und lobten Gott, wobei sie Geoffroy baten, ihnen
doch aus dem Gefängnisse zu helfen. Geoffroy wollt' es von Herzen gern
thun, aber keiner wußte, wo die Schlüssel lagen; endlich fand sie der
tapfre Ritter, nachdem er allenthalben gesucht, schloß alsbald die
Thüren auf, und ließ die Gefangenen heraus, deren mehr als zweihundert
waren. Geoffroy erlaubte ihnen von den Edelgesteinen und dem Silber und
Golde zu nehmen, welches im Berge sei, denn er begehre nichts davon für
sich selber, wofür sie ihm noch mehr dankten.

Sie beschlossen darauf, den Riesen aus der unterirrdischen Schluft
hervor an das Tageslicht zu ziehn, und ihn allen Leuten im Lande zu
zeigen, welches sie auch sogleich in's Werk richteten: die Gefangenen
nahmen einen großen Karren, schroteten den ungeheuren Riesen darauf,
banden ihn so, daß er aufrecht saß, gleich als wenn er lebte, und fuhren
ihn so durch das ganze Land. Als das Volk im Lande den ungeheuren Riesen
sah, konnten sie sich nicht genug verwundern, sie dankten alle laut Gott
von Herzen, daß er sie durch Geoffroy von einem solchen ungeschlachten
Bösewicht erlöst hatte. Bei diesem bedankten sich auch die Landesherren
höflich für den ihnen und dem Reiche erwiesenen Dienst, auch das Volk
erzeigte ihm die größte Ehre und alle baten ihn inständigst, bei ihnen
als ihr König und Herr zu bleiben, welches er aber nicht annahm, sondern
bald darauf von dannen zog, denn er trug ein Verlangen, seinen Vater und
seine Mutter wieder zu sehn.

Er setzte sich also zu Schiffe und fuhr nach seinem Vaterlande. Als sein
Vater Reymund seine Zurückkunft erfahren hatte, ritt er ihm entgegen;
denn es war schon bekannt geworden, welche große Thaten er in dem Lande
Norhemen ausgeübt hatte, deswegen legte Reymund seinen Kummer um seine
geliebte Melusina ein wenig bei Seite. Als er mit seinem Sohn allein
war, erzählte er ihm sein ganzes gehabtes Unglück unter Vergießung
vieler Thränen. Als Geoffroy das hörte, erschrak er heftig und merkte,
daß alles dies von seiner Missethat hergekommen sei, indem er seinen
Bruder Freymund im Kloster Malliers verbrannt habe; doch sammelte er
sich wieder und erzählte, welche Tafel, Schrift und Nachrichten er in
dem bezauberten Berge gefunden habe, woraus Reymund merkte, von welchem
hohen Geschlechte seine Gemalin Melusina abgestammt sei. Geoffroy erfuhr
nun zugleich von seinem Vater, daß sein Bruder, der Graf von Forst, ihn
zuerst dahin vermocht habe, die Melusina an einem Sonnabend zu
belauschen und so sein theures Gelübde zu brechen, worauf Geoffroy einen
hohen Eid schwur, daß der Graf von Forst dafür sterben solle. Ritt auch
eilig hinweg, und Reymund blieb in größter Betrübniß zurück, daß sein
Sohn Geoffroy wieder eine neue Missethat begehn wollte.

Geoffroy kam bald vor dem Schlosse des Grafen von Forst an, er stieg
sogleich von seinem Pferde und ging in das Schloß hinein, ohne daß ihn
einer gewahr wurde, worauf er in den Saal kam, wo sein Vetter war. So
wie ihn Geoffroy sah, schrie er ihn ungestüm an und zog sein Schwert:
Bösewicht, Du mußt hier Dein Leben lassen, weil ich durch Dich meine
Mutter verloren habe. Der Graf war sich wohl bewußt, was er gethan
hatte, erschrak also und wollte ihm entfliehen, sprang auch zum Fenster
hinaus, fiel aber auf die harten Felsen und war todt. So hatte Geoffroy
das Unrecht gerochen, welches jener an seiner Mutter verübt hatte.
Zugleich kam dadurch die Grafschaft an seinen jüngern Bruder Reymund.

Sein Vater hörte den Tod seines Bruders, und grämte sich sehr, daß sein
Sohn von neuem eine solche Missethat begangen hatte; er nahm sich vor,
nicht mehr zu regieren, sondern nach Rom zu wallfahrten, seiner Sünden
wegen Buße zu thun, sich alsdann von der Welt abzusondern, in ein
Kloster zu gehn und dort sein bekümmertes Leben zu beschließen. Geoffroy
kam zurück, und sah die große Traurigkeit seines Vaters, fiel auf seine
Kniee, bekannte seine Missethaten und bat um seines Vaters Vergebung.
Reymund verzieh ihm und ertheilte ihm seinen Segen, worauf er zu ihm
sagte: doch, mein Sohn, mußt Du vor allen Dingen das Kloster Malliers
wieder auferbauen, und mehr Mönche darein setzen und stiften, als vorher
gewesen sind, sonst kann Dir Deine Schuld nicht verziehn werden. Welches
Geoffroy versprach und sich Reymund darauf zu seiner Reise nach Rom
rüstete; doch berief er noch vorher alle Vasallen und ließ sie seinem
Sohne Geoffroy huldigen. Darauf schied Reymund auch von seinen übrigen
Kindern, setzte sich zu Schiffe und fuhr nach Rom.

Geoffroy baute indessen das Kloster Malliers wieder auf und machte es
schöner, als es zuvor gewesen war, stiftete auch mehr Mönche zum
Gottesdienst, worüber sich alles Volk im Lande sehr verwunderte, daß er
das Kloster erst verbrannt hatte und nun wieder so herrlich neu
errichtete.

Reymund kam in Rom an und beichtete vor dem allerheiligsten Vater Pabst,
welcher ihm eine gelinde Buße auferlegte. Dann nahm er Abschied, nachdem
er dem Pabste vorher gesagt, er wolle nach unsrer lieben Frauen zu
Montserrate in Arragonien gehn, und dort ein Einsiedler werden, weil
daselbst ein schöner Gottesdienst sei. Er kam in Montserrate an, ließ
sich Kleider eines Einsiedlers machen und diente allhier Gott in
strenger Andacht und vielen Bußübungen.

Geoffroy reiste nun auch nach Rom, um seine Buße vor dem allerheiligsten
Vater abzulegen, auch zugleich von ihm zu erfahren, wo sein Vater
Reymund geblieben sei, welcher nicht wieder kam. Der Pabst berichtete
ihm: daß sein Vater zu Montserrate, im Gebirge, ein Einsiedler geworden;
dabei legte er ihm eine harte Buße auf, weil er so schwere Missethaten
begangen hatte, verordnete auch: daß er im Kloster Malliers hundert und
zwanzig Mönche einsetzen und stiften müsse, wenn er für seine Sünden
Vergebung von Gott erlangen wolle. Geoffroy versprach alles zu thun,
ließ sich die Absolution ertheilen und reiste hierauf ab, um seinen
alten betrübten Vater in der Einsiedelei im fernen, seltsamen Gebirge zu
Montserrate aufzusuchen.

Geoffroy reiste zu seinem Vater, um ihn zu bewegen, in die Welt zurück
zu kehren, aber der alte Reymund wollte in seiner Einsiedelei bleiben,
und so schied Geoffroy ungern von ihm, nachdem er einige Tage bei ihm
gewesen, und seinen Gottesdienst mit angesehn hatte. Es währte nicht
lange, so fühlte sich Reymund zum Tode matt, darum kam Geoffroy noch
einmal zu ihm, wartete sein Ende ab und ließ ihn dann herrlich und mit
großem Gepränge zur Erden bestatten. Nachher machte Geoffroy das Kloster
Malliers zu dem schönsten im Lande und setzte auch die Anzahl Mönche
hinein, die ihm der Pabst vorgeschrieben hatte.

Im Königreiche Armenien hatte Gyot indessen lange regiert, war alt
geworden und hatte nach seinem Tode das Reich seinem jungen und tapfern
Sohne hinterlassen, welcher auch Gyot genannt wurde.

   Ein steil und hohes Schloß
   Lag in demselben Land,
   Und drinnen Schätze groß
   Wie jedermann bekannt.

   Im Schloß war ein Gesichte,
   Gar schön und wundersam,
   Das manchem armen Wichte
   Zu Leid und Unheil kam.

   Wer gern die Schätze wollte,
   Die auf dem Schloß da lagen
   Von Gold und Stein, der sollte
   Ein seltsam Ding drum wagen.

   Ein Sperber saß wohl dorten,
   Den er bewachen soll,
   An einsam hohen Orten
   Drei Tag und Nächte wohl.

   Und keiner durfte schlafen
   Bei Tag' und in der Nacht,
   Sonst folgten harte Strafen,
   Daß er so schlecht gewacht.

   Wem dieses mocht gelingen,
   Der konnte wohl begehren,
   Von allen seltnen Dingen,
   Man mußte sie gewähren.

   Beim Sperber war in Ehren
   Ein trefflich schönes Weib,
   Konnt einer all's begehren,
   Nicht ihren schönen Leib.

   Gyot, der junge König
   Rüst sich im kecken Muth,
   Er dünkte sich nicht wenig
   Zum Abentheuer gut.

   Er sprach zu sich im Herzen:
   Gelingt der Zeitvertreib,
   So fodr' ich ohne Scherzen
   Doch nur das edle Weib.

   Zog aus mit vielen Leuten
   Und mit Gefolge groß,
   Da sahen sie von weiten
   Das wundersame Schloß.

   Auf grüner Wiese milde
   Ließ er die Diener sein,
   Und ging mit Schwert und Schilde
   Keck in's Burgthor hinein.

   Da kam ein alter Mann,
   Gar klein und krumm und bleich,
   War schneeweiß angethan,
   Sein Bart war licht zugleich.

   Der sprach: was sucht ihr hier?
   Still blieb der König stehen,
   Und sprach: ich komme schier
   Um die Gesicht' zu sehen.

   Der Alte ernsthaft sprach:
   Kommt ihr zu diesen Dingen,
   So folgt mir kecklich nach
   Will euch zu ihnen bringen.

   Der Alte ging voraus,
   Der junge hinterdrein,
   Sie treten in das Haus
   Und in den Saal hinein.

   Es glänzt der Saal von Pracht,
   Von Gold und Edelstein,
   Wo ihm entgegen lacht
   Der grün' und rothe Schein.

   Es war im schönen Zimmer
   Von tausend Farben Glanz
   Wie nur ein einzger Schimmer,
   Es war ein Kleinod ganz.

   Der König sprach: zu Hause,
   Hab' ich viel Säle licht,
   Doch gegen diese Klause
   Ist alles nur ein Wicht.

   Auf einer güldnen Stangen
   Sah er den Sperber dann:
   Tragt ihr nun noch Verlangen,
   So sprach der alte Mann,

   Das Abentheu'r zu wagen,
   Der Sperber sitzet hie,
   In Nächten und drei Tagen,
   Dürfet ihr schlafen nie.

   Könnt ihr nicht Schlaf vertreiben,
   Und euch erhalten wach,
   So müßt ihr allhier bleiben
   Bis an den jüngsten Tag.

   Doch könnt ihr es vollbringen
   So steht euch dafür frei,
   Zu nehmen von den Dingen,
   Was es auch immer sei.

   Doch eins ist untersaget,
   Das ist der Fürstin Leib:
   Nun geht mein Herr und waget
   Den edlen Zeitvertreib.

   Der König sprach: ich habe
   Zum Wachen mich gestellt,
   Ich bitte um die Gabe,
   Die meistens mir gefällt.

   Er dacht' in seinem Sinne
   Nur an das schöne Weib,
   Und wenn ich die gewinne,
   Bitt' ich um ihren Leib.

   Der Alte ging zurücke,
   Es blieb der Junge da,
   Und wagte nun sein Glücke,
   Er blieb dem Sperber nah.

   Er schaut bei Tag wie Nachte,
   Nur diesen Sperber an,
   Und unermüdet wachte
   Der übermüth'ge Mann.

   Nie ward es Nacht und dunkel
   Beim Sperber im Kastell,
   So glänzte der Karfunkel
   Roth durch die Zimmer hell.

   Darzu erklangen schöne
   Gesänge durch den Saal,
   Es sangen in die Töne
   Auch Vögel drein zumal.

   Und Speise war zugegen
   Und auch der süße Wein;
   Nur durft' er sich nicht legen,
   Mußt' immer wachend sein.

   Noch waren viele Zimmer,
   In die ging er hinein,
   In allen glänzt der Schimmer
   Von Gold und Edelstein.

   Gold waren alle Wände
   Und bunte Blumen drauf,
   Es rankten aller Ende
   Sich Zweig' und Kränz' hinauf.

   Und Rubin und Smaragden,
   Demant und auch Sapphir
   Sah man erschimmernd prachten,
   Als Blumen herrlich hier.

   Auch war in Farben schöne
   Dort in dem Glanz und Schein,
   Die sangen zarte Töne,
   Wohl tausend Vögelein.

   Auch Ritter abgebildet
   Im wahren Conterfei,
   Gehelmt und auch beschildet
   Und wer ein jeder sei.

   Darneben war geschrieben,
   War keiner blieben wach,
   Drum waren sie geblieben
   Bis an den jüngsten Tag.

   Drei andre Bilder standen,
   Von Rittern, und dabei
   Die Schrift von welchen Landen
   Und Namens jeder sei.

   Die hatten Tag und Nacht
   Und ohne zu ermüden
   Den Sperber wohl bewacht,
   Drum waren sie geschieden.

   Und hatten Gaben viele
   Mit sich hinweggenommen,
   Gar mannlich bis zum Ziele,
   Glücklich zurück gekommen.

   Wie er dies all betrachtet,
   Ging er zum Sperber wieder,
   Den er drauf wohl beachtet,
   Und stark sind seine Glieder.

   Drei Tage sind vergangen,
   Der vierte Morgen kam,
   Worauf die Angst und Bangen,
   Sein Amt ein Ende nahm.

   Mit lächelnden Geberden
   Mit Schmuck in schöner Seide
   Tritt nunmehr zu dem werthen
   Im allerschönsten Kleide

   Die Fürstin in den Saal,
   Das überschöne Weib,
   Er sieht der Augen Stral
   Und ihren schlanken Leib.

   Sie sprach: ein schön Gelingen
   Hat euch das Glück bescheert,
   Erwählt nun von den Dingen
   Was euer Herz begehrt.

   Der sah nur ihre Schöne
   Und stand in sich entzückt,
   Er sprach: das Ende kröne
   Was mir so wohl geglückt.

   Drum mag ich keine Steine,
   Was frommte mir das Gold,
   Ich wünsche nur das eine,
   Das seid ihr Fürstin hold.

   Drum will ich nichts begehren,
   O wunderschönes Weib,
   Doch sollt ihr mir gewähren
   Den schlanken süßen Leib.

   Mit zornigen Geberden,
   Sprach drauf die Prinzessin:
   Mein Leib kann euch nicht werden,
   Wählt anderen Gewinn.

   Der König sprach: an Schätzen,
   An Edelstein und Gold,
   Mag jeder sich ergötzen,
   Ich hab' es nie gewollt.

   Drum will ich keine Gabe,
   Als nur den zarten Leib,
   Ihr seid die schönste Habe,
   O edles holdes Weib.

   Sie sprach: ihr seid vermessen
   Und redet wie ein Thor,
   Habt alle Punkt vergessen,
   Die man euch sagt' zuvor.

   Verändert euren Sinn,
   Kein Mann darf meine werden,
   Ihr habt des nicht Gewinn,
   So lang ihr lebt auf Erden.

   Es schadet eurem Glücke,
   Es schadet eurer Macht,
   Drum kehrt, mein Freund, zurücke,
   Seid witzig und bedacht.

   Was ist die Weisheit nütze?
   Verderben mag mein Leib,
   Sprach jener drauf in Hitze,
   Ich will euch, goldnes Weib.

   Sie sprach: ihr habt gesprochen,
   Und gleicht dem Reymund sehr,
   Der auch den Schwur gebrochen,
   Zu Kränkung seiner Ehr.

   Ihr habt die Gab' verloren
   Wie er das Weib verlor,
   Er hatte falsch geschworen,
   Ihr seid ein junger Thor.

   Und was ich nunmehr sage,
   Das trifft gewißlich ein,
   Von heut soll Gram und Plage
   Nur euer Erbtheil sein,

   Dein Vater, Gyot hieß er,
   War meiner Schwester Sohn,
   Und als er starb, da ließ er
   Dir seinen mächtgen Thron.

   Der Schwestern waren drei,
   Und Melusina eine,
   Sie machte Reymund frei,
   Und wurde drauf die seine.

   Wir hatten uns verbündet,
   Am Vater uns zu rächen
   Und haben schwer gesündet,
   Ich mag davon nicht sprechen.

   Die Mutter hieß Persina,
   Sie straft das Unterfangen,
   Samstag's wird Melusina
   Zu einer wüsten Schlangen.

   Sie den Tag nie zu sehn
   Hat Reymund ihr geschworen,
   Er bricht den Eid, die Wehn
   Sind da, sie geht verloren.

   So sind wir alle drei
   Gespenster für das Wüthen,
   Ich muß im Schlosse frei
   Den schönen Sperber hüten.

   Die dritte ist Plantina,
   Sie ward wie wir verflucht,
   Wie ich und Melusina
   Von Strafe heimgesucht.

   Weil sie wie wir gewüthet,
   Ist Arragon ihr Land,
   Wo sie die Schätze hütet
   Auf einen Berg gebannt.

   Von unserm Stamme ihr
   Habt euch nun schwer vergangen,
   So daß euch für und für
   Folgt Angst und Pein und Bangen.

   Der König sah die Schöne,
   In seinem jungen Muth
   Hört er nicht ihre Töne,
   Er fühlt nur seine Gluth.

   Er schaut die zarten Glieder,
   Den edlen schönen Bau,
   Und ihn entzündet wieder
   Das holde Bild der Frau.

   Er springt und will sie fassen
   Um ihren schlanken Leib,
   Doch schnell muß er sie lassen,
   Es schwand das süße Weib.

   Gespenster stehn im Saal,
   Die schlagen auf den dreisten
   In wilder Wuth zumal
   Mit ihren grimmen Fäusten.

   Der König rief: Erbarmen,
   Ihr schlagt mich ja zu todt!
   Sie hörten nicht den Armen,
   Und brachten ihn in Noth.

   Sie stießen ihn wohl mächtig
   Hinaus dann vor das Thor,
   So daß er lag ohnmächtig
   In bitterm Schmerz davor.

   Halb todt schleicht zu den Seinen,
   Der Fürst, im Antlitz bleich,
   Die Herrn und Diener weinen,
   Sie fragen ihn zugleich:

   Ist euch bei Tag und Nacht,
   Das schwere Amt gelungen?
   Habt ihr dort gut gewacht,
   Den großen Schatz errungen?

   Er sprach: zu bösem Glück
   Hatt' ich es unternommen,
   Bin hin zum Schloß, zurück
   Zu meinem Leid gekommen.

   Er ging, sein Regiment
   Nahm nun von Stund' an, ab,
   Der Feind das Reich zertrennt,
   Jung geht er in sein Grab.

                   *       *       *       *       *

   Es hatte auch Persina,
   Im Arragoner Land
   Die Tochter, hieß Plantina,
   Auf einen Berg verbannt,

   Die mußten ob Schätzen theuer
   Dort wohnen und sie hüten,
   Und Wurm und Ungeheuer
   Lief um den Berg mit Wüthen.

   Es waren grause Schlangen,
   Unthier und wilde Drachen,
   Die trugen all Verlangen,
   Die Schätze zu bewachen.

   Es kamen viele Ritter,
   Den'n nicht der Weg gelungen,
   Sie wurden allsammt bitter
   Von dem Gewürm verschlungen.

   So kam von Engelland
   Auch einst ein tapfrer Mann,
   Er war als Freund verwandt
   Dem herrlichen Tristan,

   Mitglied der Tafelrunde,
   Von König Arturs Leuten,
   Er wollt zu guter Stunde
   Die reichen Schätz' erbeuten,

   Mit Kraft und kühnem Muthe
   Hinauf zum Berge gehen,
   Er wollt' mit Leib und Blute
   Das Abentheur bestehen.

   Der Bote ritt im Zagen
   Mit ihm den Berg hinauf,
   Allein im schnellen Jagen
   Nahm er rückwärts den Lauf.

   Der Degen blieb alleine
   Und war in großer Noth,
   Er sprach: ich seh das eine,
   Das ist mein naher Tod.

   Wo ich die Augen wende
   Ist Dampf und wildes Wüthen
   Und Würmer ohne Ende,
   Die diesen Berg behüten.

   Frisch auf und sei gerüstet,
   Behalt den Muth, du Schwert,
   Weil mich des Kampfs gelüstet,
   Die Sache ist es werth.

   So ging er ohne Zagen,
   Ihm sprangen Würm entgegen,
   Doch kein Thier durfte wagen
   Zu stehn dem tapfern Degen.

   Er schlägt sie alle nieder
   Und dringt den Berg hinauf,
   Es kommen andre wieder
   Und sperren seinen Lauf.

   Ein schmaler Pfad sich wandte
   Zum steilen Berg hinan,
   Wo manche wilde Bande
   Bedroht den werthen Mann.

   Er ging auf lauter Schlangen,
   Auf Natter und Skorpion,
   Er hat sich's unterfangen
   Und spricht dem Grausal Hohn.

   Schmal sind und steil die Wege,
   Kaum Platz für seinen Schritt,
   Weit hallen seine Schläge,
   Laut klingt sein erzner Tritt.

   Da woll'n zwei wilde Drachen,
   Im Sprung her zu ihm dringen,
   Der zahnbewehrte Rachen
   Klafft weit, ihn zu verschlingen.

   Es rasseln ihre Flügel,
   Und scharf sind ihre Klauen,
   Womit sie in den Hügel
   Und harten Felsen hauen.

   An seinem Schild sie klirren,
   Nicht bebt der tapfre Mann,
   Er läßt sich gar nicht irren
   Und schreitet risch hinan.

   Der Drachen Auge blicket
   Ihn an mit rother Glut,
   Doch bleibt sein Schwert gezücket,
   Im Busen scharf der Muth.

   Mit zwei gewaltgen Schlägen
   Haut er die Häupter runter.
   Drauf stößt der wackre Degen
   Zum Abgrund sie hinunter.

   Den Weg ging er nun weiter
   Zum steilen Berg hinan,
   Der wurde nirgends breiter
   Nur enger wird die Bahn.

   Ein Bär kam ihm entgegen
   Gar groß und ungeheuer,
   Auf engen Felsen-Wegen,
   Ein schlimmes Abentheuer.

   Der Bär hat scharfe Klauen,
   Und ist im Grimme wild,
   Die in den Harnisch hauen
   Ihm zerren ab den Schild.

   Der Ritter muß sich wehren,
   Er kämpft mit Mannes Muth,
   Er trifft das Maul des Bären,
   Weit spritzt das dunkle Blut.

   Der Bär aufbrüllt im Grimme
   Und richtet sich empor,
   Weit tönt die rauhe Stimme,
   Er springt zum Ritter vor.

   Der schreitet keck entgegen,
   Und gab ihm manchen Schlag,
   Bald vor dem kühnen Degen
   Die große Tatze lag.

   Der Bär thut auf ihn dringen
   In allergrimmster Wuth,
   Es mußte mit ihm ringen
   Der edle Ritter gut.

   Der Harnisch reißt und trennet
   Sich ab dem Ritter werth,
   Mit Schrecken das erkennet,
   Verliert zugleich sein Schwert.

   Der Dolch muß ihn bewehren,
   Den nimmt er tapferlich
   Und giebt damit dem Bären
   Gar manchen scharfen Stich.

   Worauf des Bären Stimme
   Noch einmal brüllt empor,
   Er zuckt in seinem Grimme,
   Das Leben er verlor.

   Der Held sucht seinen Degen,
   Er faßt ihn freudig an,
   Und höher steigt verwegen,
   Der wunderkühne Mann.

   Ein jeder Schritt war Kämpfen,
   Streit jeder Athemzug,
   Die Ungeheur zu dämpfen,
   Fand er da Kampf genug.

   Er hört ein fern Getöse
   Und tritt beherzt hinzu,
   Da hielt der Wurm, der böse
   Im Schatten seine Ruh.

   Vor einer Thür von Stahl,
   Lag breit das schlimm Gewürm,
   Drinn war der Schatz im Saal,
   Der Wurm der letzte Schirm.

   Er schlief, sein Athem brauset,
   Er selber ein Gebirge,
   Der Ritter sieht, ihm grauset,
   Tritt zu, daß er ihn würge.

   So wie er schnarcht geht Feuer
   Aus seinem offnen Schlund,
   Es glänzt das Ungeheuer
   Von vielen Farben bunt.

   Die Zähne große Steine,
   Den'n keine Waffen halten,
   Die scharfbeklauten Beine,
   Können wohl Felsen spalten.

   Mit Brüllen thut er wachen
   Und grimmt den Ritter an,
   Sperrt seinen grausen Rachen
   Thorweit dem tapfern Mann.

   Das Schwert thut kühnlich blitzen,
   Ihn schirmt das Schild zugleich,
   Doch mag es ihm nicht nützen,
   Das Thier fühlt keinen Streich.

   Es faßt mit seinem Munde
   Das Schwert im Augenblicke,
   Zerbeißt es auch zur Stunde,
   Speit wieder aus die Stücke.

   Drauf schrie's, es bebt der Wald,
   Und an den Mann sich drang,
   Den es im Schlund alsbald
   Mit leichter Müh verschlang.

   Den Freunden bracht der Bote
   Die Kund nach Engelland,
   Von dieses Ritters Tode,
   Der sich dem unterwand

   Plantina zu erlösen,
   Die auf dem Schlosse harrt,
   Doch leider von dem bösen
   Gewürm verschlungen ward.

                   *       *       *       *       *

Geoffroy erhielt von diesem Thiere, auch von dem Tode des Ritters aus
Engelland Nachricht, wunderte sich, daß es ein solches Ungeheuer in der
Welt geben könne und nahm sich vor, es zu bekämpfen, und das wunderliche
Abentheuer zu bestehn. Er rüstete sich, zog aus, ward aber unterwegs so
gefährlich krank, daß ihm kein Arzt helfen mochte: als er dieses merkte,
sagte er: ich habe zwei Riesen umgebracht, aber dieses wilde Thier wird
meinem Schwert entgehen, will mich daher zu Gott wenden, und alle
weltlichen Gedanken fahren lassen.

Legte sich hiemit auf sein Sterbebette, beichtete, machte sein
Testament, bezahlte seine Schulden, und empfing alle Christliche Rechte,
worauf der tapfre Mann selig und in dem Herrn verschied.

Dieses ist die Geschichte von der Melusina, die wohl recht ein Spiegel
alles menschliches Glückes genannt werden kann.




                            König Rother.
                              Fragment.
                                1806.




           König Rother zieht einer Jungfrau die Schuhe an.


   In der Kammer ward es stille,
   Da sprach die Königinne:
   O weh, Fraue Herlind,
   Wie groß meine Sorgen sind
   Um den Herren Dietheriche,
   Den hätt' ich sicherliche
   Verstohlen gern gesehn,
   Und möcht' es füglich geschehn
   Um den tugendhaften Mann,
   Fünf Ringe lustsam
   Die möchte ein Bothe schier
   Um mich verdienen,
   Der den Held balde
   Brächte zu meiner Kammer.
   In Treuen sprach Herlind:
   Ich will mich heben geschwind,
   Ich geh zu der Herbergen sein,
   Es bringe Schaden groß oder klein,
   Doch pfleget er solcher Zucht
   Daß wir seyn dürfen ohne Furcht.

   Herlind ging balde
   Zu einer Kammer
   Und nahm ein theuerlich Gewand,
   Wie manche Fraue hat,
   Darin zierte sie den Leib,
   Da ging das listige Weib
   Zu dem Herrn Dietheriche.
   Er empfing sie frommliche,
   Viel nahe sie zu ihm saß,
   Dem Recken sie in das Ohre sprach:
   Dir entbietet holde Minne
   Meine Frau, die Königinne,
   Und ist dir mit Freundschaft unterthan,
   Du sollt hin zu ihr gahn,
   Dorten will die Magd
   Dich selber wohl empfahn,
   Nur um deine Ehre,
   In allen Treuen Herre.
   Du magst das wohl gewiß sein
   An der Jungfrauen mein.

   Also redete da Dietherich:
   Fraue du versündigest dich
   An mir elenden Manne,
   Ich bin auch zu Kammern gegangen
   Hievor da das mochte sein,
   Warum spottest du mein?
   Leider, so that man dem Armen ja,
   Eure Fraue gedacht der Rede nie,
   Hie sind so viele Herzogen
   Und Fürsten in dem Hofe,
   Daß ihr mit einem anderen Mann
   Euren Scherz möchtet han,
   Des hättet ihr minder Sünde,
   Ihr verdienet die Abgründe
   Daß ihr mich so thöricht wolltet han,
   Ich bin ein so armer Mann,
   Doch ehemals ich war
   Daheim ein reicher Graf.

   Herlinde sprach dem Herren zu,
   Sie konnte ihre Rede wohl thun:
   O nein, mein Herre Dietherich,
   Nicht verdenke du also mich,
   Ich habe dieses, weiß Gott, nicht gethan,
   Mich hieß meine Fraue hieher gahn,
   Es nimmt sie großes Wunder,
   Daß du so manche Stunde
   In diesem Hofe seiest gewest
   Und sie doch niemals wolltest sehn,
   Das ist doch selten nur gethan
   Von einem so stattlichen Mann,
   Nur verweist mir die Rede nicht,
   Der Königinne wäre lieb
   Welche Ehre dir gescheh
   Wie du sie auch nie gesehn,
   Wolltest du aber hingehn
   So thätest du nichts übeles daran.

   Dietherich zu der Frauen sprach:
   (Er wuste wohl, daß es ihr Ernst war)
   Hie sind so viele der Merker,
   Wer behalten will seine Ehre
   Der soll mit Klugheit gahn,
   Es wähnet der elende Mann
   Daß er nimmer so wohl thu,
   Daß sie es alle für gut
   Halten, die in dem Hofe sein;
   Nun sage der Jungfrauen dein
   Meinen Dienst, will sie ihn nehmen,
   Ich mag sie jetzt nicht sehen
   Vor der Helle des Tages,
   Ich fürchte, daß es erschalle
   Lästerlich uns Beiden,
   So verbietet mir das Reiche
   Constantin der Herre,
   So muß ich immermehre
   Flüchtig sein vor Rothere
   Und mag mich nirgend erretten.

   Herlind wollte von dannen gahn.
   Der Herre bat sie da bestahn
   Und hieß schnell seine Goldschmiede
   Zween silberne Schuhe giessen,
   Und zween von Golde.
   Als er sie geben wollte
   Da bat er Asprianen,
   Daß sie nur zu einem Fuße kamen,
   Daß er die beiden nehme
   Und sie der Frauen gebe,
   Und einen Mantel viel gut,
   Zwölf Ringe Gold roth:
   So soll man wohl belohnen
   Einer Königinne Bothe.
   Da sprang die fröhliche
   Von dem Herren Dietheriche.

   Herlind kam balde
   Zu ihrer Frauen Kammer
   Und sagete ihr von dem Herren,
   Er pflege seiner Ehren
   Sehre fleißigliche:
   Das wisset wahrliche,
   Ihm ist die Huld des Königes lieb,
   Er mag dich darum sehen nicht,
   Weil es sich nicht will fügen,
   Nun schaue an diese Schuhe,
   Die gab mir der Held gut
   Und that mir auch Liebes genug,
   Und einen Mantel wohlgethan,
   Wohl mir, daß ich je zu ihm kam,
   Und zwölf Ringe die ich han
   Die gab mir der Held lustsam,
   Es mochte nie auf der Erden
   Ein schönerer Ritter werden
   Als Dietherich der Degen
   Gott laß es mich erleben,
   Ich gafft ihn an ohn' danken,
   Daß ich mich des immer mag schämen.

   Es scheint wohl, sprach die Königinne,
   Daß ich nicht seliglich bin,
   Nun er mich nicht will sehen
   Magst du die Schuh mir geben,
   Um des Herren Hulde,
   Schnell ward der Kauf gethan,
   Sie zog den goldenen an,
   Dann nahm sie den silbernen Schuh,
   Der ging an denselben Fuß.
   O weh! Sprach die schöne Königinn
   Wie wir nun gehöhnet sind,
   Denn mit den Schuhen lustsam
   Ist ein Missegriff gethan,
   Ich bringe ihn nimmermehr an,
   In Treuen du must zurücke gahn
   Und bitten Dietheriche
   Sehre gezogenliche,
   Daß er dir den anderen Schuh gebe,
   Und mich auch sehen wolle selber
   Wenn er unter seinen Verwandten
   Je gut Geschlecht gewanne.

   O weh, sprach Herlind,
   Wie doch der Schade nun ist
   Fraue unser beiden,
   Nun wisset es in Treuen
   Sollt' ich immer Schande han
   Ich muß wieder zurücke gahn.
   Da hub die Fraue wohlgethan
   Ihr Kleid lustsam
   Hoch auf an die Knie,
   Denn sie gedachte der Zucht nicht,
   Frauelichen Ganges sie vergaß,
   Wie schnelle sie über den Hof gelaufen was
   Zu den Herren Dietheriche,
   Er empfing sie frommliche
   In allen den Geberden
   Als wenn er sie nie gesehen,
   Da wuste der Held wohlgethan
   Warume sie zurücke kam.

   Herlind sprach zu dem Herren:
   Ich must immermehr
   In Botschäften gahn,
   Mit dem Schuh ist Missegriff gethan,
   Sie sind der Königinne
   Gegeben um deinetwillen,
   Noch sollten wir den einen haben,
   Das heißt dich meine Fraue mahnen,
   Daß du ihr den andern Schuh wolltest geben,
   Und sähest sie auch selber
   Wenn du unter deinen Verwandten
   Je gutes Geschlecht gewannst.

   Ich thät' es gerne, sprach Dietherich
   Nur die Kammerere die melden mich.
   Nein, sprach Herlind,
   Mit Freuden sie in dem Hofe sind,
   Die Ritter schiessen den Schaft
   Da ist großen Spieles Kraft,
   Ich will hin vor dir gahn,
   Nun nimm zween deiner Mann
   Und hebe dich viel balde
   Nach mir zu der Kammer,
   Mit dem großen Schalle
   Vermissen sie dein alle.
   Herlind wollte von dannen gahn,
   Da sprach der listige Mann:
   Nun warte des Kammerers,
   Ich will nach dem Schuhe fragen.
   Schnelle kam Asprian,
   Er sprach: O weh, was habe ich dir gethan,
   Die Wege ich nicht erleiden mehr mag,
   Du bemühest mich diesen ganzen Tag
   Immer mit neuen Mähren,
   Mehr als du sonst thatest, Herre,
   Ihrer war hier ein großer Theil geschlagen,
   Die haben die Knechte zu tragen,
   Nimm nach deinem Gefallen,
   Ich bringe sie dir alle.
   Da nahm Asprian
   Die anderen Schuhe lustsam,
   Und einen Mantel sehr gut,
   Und auch zwölf Armkränze roth,
   Und gab alles der alten Bothin,
   Da ging sie also verstohlen
   Viel sehre fröhliche
   Von dem Herren Dietheriche,
   Und sagete auch schnelle
   Ihrer Frauen liebe Mähre.

   Des Mägdleins Schauen war sehnlich.
   Sich berieth der Herr Dietherich
   Mit Berther, dem alten Mann,
   Wie es mit Fuge möchte gahn.
   Verständig sprach der Herzoge:
   An dem versammelten Hofe
   Will ich machen großen Schall,
   Der zieht die Leute überall,
   So bemerket dich kein Mann.
   Er hieß die Riesen ausgahn,
   Selber bedeckt er sein Roß,
   Sich hub der Laut da auf dem Hof,
   Da führte der alte Jüngeling
   Tausend Ritter in den Ring,
   Widolt mit der Stangen
   Fuhr her mit Klange
   In aller der Geberde
   Als ob er thöricht wäre,
   Da überwarf sich Asprian,
   Der war der Riesen Spielmann,
   Grimme hin zwölf Klafter sprang,
   So thaten die anderen alle mit sammt,
   Er griff einen ungefügen Stein,
   Daß von den Merkeren kein
   Mann Dietherich vernahm,
   Da sie begunnten umher gahn.

   In deme Fenstere die junge Königinne stund,
   Schnelle kam der Held jung
   Ueber Hof gegangen.
   Da ward er wohl empfangen
   Mit zween Rittern herrlich,
   Hin ging der Recke Dietherich,
   Da wurde die Kammer aufgethan,
   Darein ging der Held wohlgethan,
   Den hieß die junge Königinn
   Selber willkommen sein,
   Und sprach was er dort geböte
   Daß sie das gerne thäten
   Nach ihrer beider Ehren:
   Ich habe dich gerne, Herre,
   Um deine Biederkeit gesehn,
   Und um etwas anderes ist es nicht geschehn,
   Diese Schuhe lustsam
   Die sollt du mir ziehen an.
   Viel gerne, sprach Dietherich,
   Nun ihr es geruhet an mich.
   Der Herre zu ihren Füßen saß,
   Viel schöne seine Gebärde was,
   Auf sein Bein satzte sie den Fuß,
   Es wurde nie Fraue besser beschuht.
   Da sprach der listige Mann:
   Nun sage mir, Fraue lustsam
   Mähre auf die Treue dein
   So wie du Christin wolltest sein,
   Dein hat nun gebeten mancher Mann,
   Wenn es in deinem Willen sollte stahn
   Welcher unter ihnen allen
   Dir am besten gefalle.

   Das saget er, da sprach die Fraue:
   Viel ernstlicher im Treuen
   Herre, auf die Seele mein,
   So wahr ich getaufet bin,
   Der aus allen Landen
   Die theuren Wigande
   Zu einander hiesse gahn,
   So würde doch nie kein Mann
   Der dein Genosse möchte sein,
   Das nehm ich auf die Treue mein
   Daß niemals eine Mutter gewann
   Ein Kind also lustsam,
   Darum mit Züchten Dietherich
   Mag ich lieben und ehren dich,
   Denn du bist in Tugenden ein ausgenommner Mann,

   Sollte ich aber die Wahl han;
   So nähm' ich einen Helden gut und stark
   Dessen Bothen kommen her in dies Land,
   Die noch hie leben
   In meines Vaters Kerker,
   Der ist geheissen Rother
   Und sitzet westlich über Meer,
   Ich will auch immer Jungfrau gahn
   Mir werde denn der Held lustsam.

   Als das Dietherich vernahm,
   Da sprach der listige Mann:
   Willt du Rother minnen,
   Den will ich dir balde bringen,
   Es lebet in der Welt kein Mann,
   Der mir so Liebes hätte gethan,
   Er minderte ofte meine Noth,
   Das lohne ihm noch Gott,
   Wir genossen fröhliche das Land
   Und lebten fröliche mitsamt.
   Er war mir immer gnädig und auch gut,
   Es hat mich auch nie vertrieben der Held gut.

   In Treuen, sprach die junge Königinn,
   Ich verstehe nicht die Rede dein,
   Dir ist Rother also lieb,
   Er hat dich auch vertrieben nicht,
   Von wannen du auch fährest Held stark,
   Du bist ein Bothe hergesandt,
   Dir ist des Königes Huld lieb,
   Nun verheele mir die Rede nicht,
   Was du mir heute wirst anzeigen,
   Das will ich immer verschweigen
   Bis an den jüngesten Tag.
   Der Herre zu der Frauen sprach:
   Nun stell' ich alle meine Ding
   In Gottes Gnade und bei dir,
   Ja, es steht dein Fuß
   In Rotheres Schooß.

   Die Fraue sehre erschrack,
   Den Fuß sie aufzog
   Und sprach zu Dietherich
   Sehre freundlich:
   Nun war ich doch nie so ungezogen,
   Mich hat mein Uebermuth betrogen,
   Daß ich meinen Fuß
   Sazte in deinen Schooß,
   Und bist du Rother so hehr
   So möchte kein König nimmermehr
   Bessere Tugend gewinnen,
   Der ausgenommenen Dinge
   Hast du von Meisterschaft List,
   Welches Geschlechtes du aber auch bist,
   Mein Herze sehnend,
   Und hätte dich Gott nun hergesendet
   Das wäre mir inniglicher lieb,
   Aber ich mag dir doch vertrauen nicht
   Du bescheinest mir denn die Wahrheit,
   Und wär' es dann aller Welt leid
   So räumte ich sicherliche
   Mit dir das Reiche,
   So ist es aber ungethan,
   Doch lebet kein Mann
   So schöne, den ich dafür nähme,
   Wenn du der König Rother wärest.

   Also redete da Dietherich,
   Sein Gemüthe war sehre listig:
   Nun hab' ich Freunde mehre,
   An denen armen Herren
   In dem Kerker,
   Wann die mich sähen,
   So möchtest du daran verstahn,
   Daß ich dir wahr gesaget han.
   In Treuen, sprach die Königinn,
   Die erwerb' ich von dem Vater mein
   Mit adelichem Sinne,
   Daß ich sie aus gewinne,
   Er giebet sie aber keinem Mann,
   Er muß sie denn auf den Leib han,
   Daß ihrer keiner entrinne,
   Bis man sie wieder bringe
   In den Kerker,
   Wo sie waren in Nöthen.

   Des antwortete da Dietherich:
   Ich will sie nehmen über mich
   Vor Constantine dem reichen
   Morgen sicherliche
   Wann er wird zu Hofe gahn.
   Die Fraue also lustsam
   Küßte den Herren,
   Da schied er von dann mit Ehren
   Aus von der Kammern
   Zu der Herbergen balde,
   So wie Berther das ersah,
   Wie schnell der Ring zerlassen war.
   Da sagete der Herre Dietherich
   Die Mähre also wunniglich
   Dem theuerlichen Herzogen,
   Des begunnten sie beide Gott loben.

   Die Jungfraue lag über Nacht
   Daß sie in vielen Gedanken war,
   Als es zu dem Tage kam,
   Einen Stab sie nahm
   Und kleidete sich in ein schwarz Gewand,
   Als wollte sie pilgern über Land,
   Eine Palme sie auf ihre Schulter nahm
   Als wenn sie aus dem Lande wollte gahn,
   So hob sie sich viel balde
   Zu ihres Vaters Kammer
   Und klopfete an das Thürlein.
   Auf that da Constantin,
   Als er das Mägdelein ansach
   Wie listiglich sie zu ihm sprach:
   Nun lebet wohl, Herr Vater mein,
   Mutter, ihr sollt gesund sein,
   Mir traumte in der Nacht
   Es sende des hohen Gottes Gewalt
   Seinen Bothen mir herab,
   Ich muß in den Abgrund gahn
   Mit lebendigem Leibe,
   Daran ist gar kein Zweifel,
   Dessen mag mich Niemand erwenden,
   Ich will nun das Elende
   Bauen immermehre
   Zum Troste meiner Seele.

   Traurig sprach da Constantin:
   O nein, liebe Tochter mein,
   Sage mir, was du wöllest,
   Dich davon zu erlösen.
   Vater, es bleibt immer gethan,
   Mir würden denn die gefangenen Mann,
   Die will ich kleiden und baden,
   Daß sie Genade müssen haben
   An ihrem armen Leibe
   Ettelicher Weile,
   Ich begehre sie nur auf drei Tage,
   Dann sollst du sie wieder haben
   Zu deinem Kerker.
   Constantin der edle
   Sprach, daß er das gerne thäte,
   Wenn sie einen Bürgen hätten,
   Der die auf den Leib dürfte nehmen
   Und sie ihm wieder möchte geben,
   Daß ihrer keiner entrunne.
   Da sprach die Magd, die junge:
   Ich bitt' es heute so manchen Mann
   Daß sie ettelicher muß bestahn
   Des Leib ist also tugendhaft
   Deme du sie mit Ehren geben magst.
   Da sprach Constantin:
   Das thu ich gerne, Tochter mein.

   Es war die Stunde
   Nunmehr gekommen
   Daß Constantin zu Tische ging,
   Dietherich nicht unterließ
   Er kam mit seinen Mannen
   Vor den König gegangen.
   Da man das Wasser nahm
   Die Jungfraue lustsam
   Ging um den Tisch flehend
   Mit heissen Thränen,
   Ob sie jemand so liebes hätte gethan,
   Der die gefangnen Mann
   Auf den Leib durfte nehmen;
   Ihr keiner durfte sie des gewähren.
   Die Herzogen, die reichen,
   Entzogen sich allgeleiche,
   Bis sie zu dem Recken kam,
   Mit dem der Rath war gethan.
   Da sprach die Magd herrlich:
   Nun gedenke, Held Diethrich,
   Aller deiner Güte
   Und hilf mir aus den Nöthen,
   Nimm die Bothen auf dein Leben,
   Die heisset dir der König geben,
   Verzaget sind meines Vaters Mann,
   Sie dürfen sich des nicht unterstahn,
   Doch soll die Eitelkeit dein
   Mit samt mir getheilet sein,
   Daß ich der geniesse,
   Und wenn du's gerne liessest,
   So erläst es dir nicht dein tugendhafter Muth,
   Du sollst mir das gewähren Held gut.
   Gerne, sprach Dietherich,
   Was Du geruhest an mich
   Das gehe mir nur an meinen Leib,
   Doch werde ich dein Bürge schönes Weib.

   Die Bothen gab da Constantin
   Dietheriche auf den Leib sein,
   Der Herre sie da übernahm,
   Da folgeten ihm des Königes Mann
   Zu dem Kerker,
   Wo sie waren mit Nöthen,
   Die elend Verhaften
   Lagen in Unkräften
   Und lebeten erbärmliche.
   Berther der reiche
   Stund und weinete,
   Da er den Schall erhörete.
   Den Kerker man aufbrach,
   Darein schien da der Tag,
   Schnelle kam ihnen das Licht,
   Des waren sie gewöhnet nicht.
   Erwin war der erste Mann
   Der aus dem Kerker kam,
   As ihn der Vater ansah,
   Wie groß seine Herzens-Reue war,
   Herum er sich kehrte
   Und rang seine Hände,
   Er durfte nicht weinen
   Und war ihm doch nie so leide
   Seit ihn seine Mutter trug.
   Erwin der Held gut
   War von dem Leibe gethan,
   So wie mit Recht ein armer Mann.
   Sie nahmen die Grafen zwölfe
   Her aus dem Kerker,
   Und jegelich seine Mann,
   Die Ritter sonst so lustsam,
   Sie waren beschmuzt und schwarz,
   Von großen Nöthen bleich gefarbt,
   Leopold der Meister
   Der hatte keine Kleider
   Als nur ein dünnes Schürzelein,
   Das wand er um den Leib sein,
   Da war der edele Mann
   Zum Erbarmen gethan,
   Zerschunden und zerschwellt.
   Dietherich der gute Held
   Stund traurig von Leide
   Und wollte doch nicht weinen
   Um die gefangnen Mann.
   Berther der alte Mann
   Ging allenthalben
   Die Gefangnen betrachtend,
   Da reuete ihn keiner hier
   Mehr als seine schönen Kind.
   Dietherich der Herre
   Hieß die Bothen edel
   Führen zu den Herbergen sein,
   Nur Leopold und Erwin
   Die ließ man alleine gahn,
   Zurücke blieb kein Mann.
   Da sprach Erwin der edle:
   Leopold, traut Herre,
   Sahst du einen grauen Mann
   Mit dem schönen Barte stahn,
   Der mich beschauete
   Und viel trauerte?
   Herum er sich kehrte
   Und rang seine Hände,
   Er durfte nicht weinen
   Und war ihm doch nie so leide;
   Vielleicht daß Gott der gute
   Durch seine Barmunge
   Ein groß Zeichen will begahn,
   Daß wir kommen von dannen.
   Das ist wahr, Bruder mein,
   Es mag wohl unser Vater sein.
   Da lacheten sie beide
   Von Freuden und von Leide.

   Die elenden Gäste
   Waren frei nicht länger
   Bis an den anderen Tag.
   Die Jungfraue ihren Vater bat
   Daß er sie dahin gehen liesse
   Sie wollte ihnen selber dienen.
   Urlaub ihr der König gab,
   Wie schnelle sie über den Hof hintrat,
   Zu dem Herren Dietheriche.
   Da hieß man allzugleiche
   Die fremden Ritter ausgahn,
   Darinne blieb kein Mann
   Als der Bothen Magen,
   Die über Meer waren gefahren.
   Denen gefangnen Mann
   Legete man gut Gewand an
   Und kleidete sie fleissigliche,
   Das kam von Dietheriche,
   Der Tisch war bereitet,
   Berther der reiche
   War Truchsaße,
   Die weile seine Kind aßen.

   Als nun die Herren saßen,
   Ihres Leides ein Theil vergaßen,
   Da nahm der Recke Dietherich
   Eine Harfe, die war herrlich,
   Und schlich hinter den Umhang,
   Wie schnell eine Weise daraus klang.
   Wellicher begunnte trinken,
   Dem begunnt' es nieder sinken,
   Daß er's auf den Tisch vergoß, welcher aber schnitt das Brod,
   Dem entfiel das Messer durch Noth,
   Sie wurden vor Freuden sinnelos,
   Wie mancher sein Trauern verlohr.
   Sie saßen alle und hörten
   Woher das Spiel zu ihnen kehrte.
   Laute die eine Weise klang,
   Leopold über den Tisch sprang
   Und der Grafe Erwin,
   Sie hiessen ihn willekommen sein
   Den reichen Harfner
   Und küßten ihn sehr.
   Wie rechte die Fraue da sah,
   Daß es der König Rother war.




                            Der erste Akt
                                 des
                             Schauspiels:
                            das Donauweib.
                                1808.




                             Erster Akt.


                             Erste Scene.

                               (Saal.)

         Herzbold tritt mit Christoph und andern Dienern auf.

                              Herzbold.

   Nun rührt Euch, rührt Euch, daß es einmal wird,
   Der Junker schilt, daß Ihr so lange trentelt.

                            Erster Diener.

   Man kann nicht hier und allenthalben sein.

                              Herzbold.

   Ich will Dir Beine machen, Tagedieb!
   Und nichts vergessen, was zum Putz gehört,
   Geschirre für die Pferde, denn zur Hochzeit gehn wir;
   Ich muß nachher nach allem selber sehn.

                              Diener ab.

                              Christoph.

   Ihr thut so groß, und wenn nun endlich alles
   In Ordnung ist, wird's erst an Euch gebrechen.

                              Herzbold.

   Hans Dampf! Du klug Dich Dünker! Meister Christoph! --
   Hast Recht; geh fort, mein Sohn, pass' auf: zum Glück
   Hat keiner von den Schlingeln Dich gehört. --

                  Christoph ~ab,~ Jakob ~tritt auf.~

   Da kommt mein lieber Kellermeister her;
   Freund Jakob, habt Ihr noch ein Glas vom Guten?

                                Jakob.

   Da, trink, wir steigen wohl nachher zum Keller,
   Noch zum Valet den Unger zu versuchen. --
   Doch warum nun so schnell, warum nicht lieber
   Noch etwas Ruhe? Ein'ge Tage später
   Würd' ihm das Herz nicht abgestoßen haben.

                              Herzbold.

   Du kennst ja wohl die Jugend, alter Graubart,
   Das treibt, das ängstet sich, zu eng ist's ihm,
   Er denkt, er träumt, er athmet nur die Braut;
   Da hat er sich im Krieg etwas getummelt,
   Sich hie und da von Böhm'schen Schwertern Hiebe
   Geholt, die Trennung von dem Vaterlande
   Hat nun die Gluth im Herzen mehr geschürt, --
   Je nun, da's sein soll, ist es gut, recht bald:
   Er ist und bleibt doch ein verdorbner Mensch.

                                Jakob.

   Wie so?

                              Herzbold.

   Was nützt dem Rittersmann das Weib?
   Er ist entzwei gebrochen, unbrauchbar,
   Wie die geknickte Lanze, hin der Muth,
   Die Jugendfrische: nein, ich dacht' es nicht,
   Daß er so bald des eignen Glückes satt sei;
   Da rennt er in sein Joch; ade nun Schwert

   Und Lanze, Abentheuer, Krieg und Jagd,
   Nun hängt er an dem Halse seines Weibes,
   Verzehrt sein Leben in langweil'gen Mauern,
   Zeugt fromme Kinder und erzieht sie still,
   Küßt eins und putzt dem andern seine Nase,
   Lehrt sie Gebete und moral'sche Flausen,
   Dünkt sich so wichtig wie der Großsultan,
   Wenn er dem ruft: stich dich nicht mit dem Messer!
   Um Gotteswillen Kaspar, Konrad, fallt
   Vom Schemel nicht! Franz, du liegst ja im Quark! --
   Verflucht die matte, freudenleere Trägheit,
   Die sanfte Zärtlichkeit, die recht im Mark,
   Im Innersten des Mannes zehrt, mit Wehmuth
   Und Leid und Liebe ihm sein Herz zerfrißt!

                                Jakob.

   Nun, nun, es hat die Ehe auch ihr Gutes,
   Dächt' jeder so wie Du, die Welt stürb' aus.

                              Herzbold.

   Warum denn das? Ich hasse nicht die Weiber.
   Da draus im Orient hab' ich's wohl gesehn,
   Wie man sie halten muß; was Leben heißt.
   Der Mah'med, sonst vielleicht ein böser Schelm,
   Hat hierin doch das Wahre recht getroffen;
   Da haben sie drei, vier der schmucken Weiber,
   Und Sklavinnen, so viel nur jeder mag,
   Die sitzen all und warten auf den Herrn,
   Und mucksen nicht, und sprechen in nichts mit;
   Da macht er seine Runde, bald zur braunen,
   Zur weißen dann, zur dicken und zur schlanken
   Trägt er sein Herz, und jede bleibt ihm neu;
   Doch ein' und immer ein, das taugt nichts, Freunde;

   Dann weiß auch so ein Türk nichts vom Erziehn
   Und Kindern, das wächst auf wie junge Böcke,
   Und hat er mal die Laun', so pfeift er nur,
   Da springen zwölf ihm an den Vaterhals.

                                Jakob.

   Du bleibst ein wilder Kauz, Freund.

                              Herzbold.

   Was da, wild!
   Du zahmes Huhn! komm in den Keller jetzt,
   Da taugst Du was, da nur bist Du zu Hause,
   Das Bischen hier hat mir App'tit gemacht;
   Nachher hab' ich zu thun, ist doch des Teufels
   Gepäck und Flitterstaat, und fehlt dann was,
   So fällt doch alle Schuld auf mich. Komm' nur,
   Ich höre schon den jungen gnäd'gen Herrn,
   Duck' unter! schnell! daß mir nicht Redensarten,
   Verliebter Unsinn in den Hals gerathen.

                              Beide ab.

                  Albrecht und Ulrich treten herein.

                              Albrecht.

   So bist Du wieder da? Ich halte Dich
   Und meine Hedewig im Arm, die Liebe
   Und holde Freundschaft; ist dann noch ein Wunsch
   In diesem Leben übrig? Mögen andre suchen
   Nach fernem Glück, nach Reichthum und nach Ruhm,
   Mir ward hier alles, alles ist geendigt,
   Wonach wohl sonst in kind'schen Jugendträumen
   Des Herzens Arme griffen, und nun fängt
   Der Frühling meines neuen Lebens an.

                               Ulrich.

   Beglückter Freund, der Du vom Himmel selbst
   Dein Loos als freundliches Geschenk empfingst,
   Der Du zu sagen weißt: dies wollt' ich haben!
   Und dem nun ungetrübt ward, was er wollte.
   Nicht finstre Tage, Sorge nicht, nicht Kummer,
   Kein Vorwurf Deines Herzens, noch Gewalt
   Hat Dir Dein Glück im schweren Kampf errungen,
   Nichts trübt den Glanz des Kleinods; wie ein Lächeln
   Geht Dir die Zeit vorüber. O mein Albrecht,
   Wär' ich rein, so froh, so einfach doch
   Im Leben nur wie Du, in allen Wünschen!
   Doch fernhin dehnt sich ungewisse Zukunft,
   Ich spiele mit Verzweifeln und mit Hoffen,
   Die Liebe scherzt mit losem leichten Finger
   Auf allen Saiten meines Herzens, oft
   Tönt Wahnsinn aus der Tiefe, fremde Räthsel
   Erzeugen sich wie Wolkenbilder, fliehend
   Ist Sonnenschein und Nacht im irren Wechsel.

                              Albrecht.

   Kann denn der Dichter wohl das Leben haschen?
   Ist etwas ihm ein Wahres? Soll sein Träumen,
   Das ihm die Nacht und die Gestirne senden,
   Des Wahnsinns leichtes goldenes Gespinnst,
   Das Liebe von der raschen Spindel dreht,
   Dem Ird'schen weichen? O beglückter Freund,
   Wer hat die Wahrheit? Wer besitzt das Leben?
   Entweder greifen wir mit Wünschen weit aus,
   Und finden niemals, niemals was wir suchten,
   Oder beschränken uns einfach in Demuth,
   Und wollen nicht was uns unmöglich ist,

   Empfangen, wie der Bettler, auch mit Dank
   Die karge Gabe, träumen nur von Glück,
   Darben in Gegenwart, vergessen was
   Vergangen, denken nur gering von Zukunft,
   Und sterben so gleichgültig hin, uns selbst
   Vergessend.

                               Ulrich.

   Das kannst Du nicht sagen,
   Du machst es wie der Reiche, der sich arm stellt,
   Um seinen Reichthum mehr nur zu empfinden,
   Und andre daran prahlend zu erinnern:
   Du liebst und wirst geliebt; die schönste Braut
   Harrt Dein in Sehnsucht, Du bist jung, wie sie --

                              Albrecht.

   Was mehr als alles, sie ist meine erste
   Und einz'ge Liebe: Freund, ich lästerte
   Den Himmel, denn mein Leben ist der Himmel:
   Ich fühl' es ja, aus Tausenden erlesen
   Und hoch beglückt bin ich, der Kette los
   Armsel'ger Aengstlichkeit, die alle fesselt;
   In Glück ward nun der Böhmenkrieg geendigt,
   Mit Ruhm zwar nicht gekränzet, doch geehrt,
   Geliebt von meinem Fürsten kehr' ich heim,
   Nun heim zu ihr, die ich seit zweien Jahren
   Nicht sah. Wie sie wird anders sein,
   Wie jungfräulich, wie sich bewußt der Liebe,
   Die in ihr schlief im schönsten Himmelsbette
   Und Lächeln träumte; wie wir Engel sehen
   Im Schlaf zuweilen, Unschuld halb, halb Schalkheit,
   Daß sich die rosenrothen Lippen fragen,
   Was sie denn meinen? Und die klaren Augen,
   Die sanften Geisterbrunnen, denen Gruß
   Und Blick entsteigen, wie die holden Feen
   Aus ihrem Bad die schönen Glieder heben!
   O Liebste! Und Du Liebster! Jugendfreund!
   Du meine Seele! laß uns Lieder singen
   Durch alle grünen Thäler lustberauscht.

                               Ulrich.

   Wer ganz beglückt, wie Du, wird nimmer dichten,
   Die Liebe gab mir freilich das Geschoß
   Des Reims und süßen Tons, doch nur im Unglück:
   Ruht' ich an ihrer Brust, in sel'ger Ruhe,
   Im Kuß wollt' ich die Melodie auslöschen,
   Die jetzt aus meinem Herzen zehrend brennt.

                              Albrecht.

   Doch sollst Du mir oft Deine Lieder singen,
   Denn keiner liebt sie so als ich, es spiegelt
   Mein Herz sich drein, und alles, was ich je
   Versucht, war doch nur schwacher Widerhall
   Von Deinem Ton. Weißt Du, wie ich einst sang?
      O Augen! wohin führen mich die süßen Scheine?
      Ich meine, daß ich nur zu büßen ein muß saugen
      Der Augen lieblich Grüßen; wie ich freudig weine
      Und mich der Deine fühl' im Küssen, fragen mich die Augen
      Mit sanftem Schimmer: wird auch immer dieses Glück mir lachen?
      Sie machen,
      Daß die Freuden Leiden gleich mir sind: --
      O liebstes Kind,
      Laß Dieses Fragen, sagen kann ich's nie und weint' ich mich auch
         blind.

                   Herzbold tritt taumelnd herein.

                              Herzbold.

   Die Pferd' sind da und stampfen ungeduldig.
   Wird's bald, Herr Ritter? Erst die Angst und Noth:
   Mach schnell, und: eile Dich! ei, spute Dich!
   Und wenn nun alles da und fix und fertig --

                              Albrecht.

   Geh nur voran, gleich schwingen wir uns auf. --
   Komm, Liebster! nun dem schönsten Glück entgegen,
   Umarme mich noch einmal: Du bist mein,
   Ich fühl' in mir des Himmels reinsten Segen,
   Und trete in des Paradieses Schein.

                             Sie gehn ab.


                            Zweite Scene.

                             (Am Strom.)

                           Hans und Peter.

                                Hans.

Die Arbeit wird Dir wieder sauer, nun die Sonne ein wenig scheint. Das
reckt und dehnt die faulen Glieder und kann nicht aus der Stelle.

                                Peter.

Wir haben aber auch noch wenig gefangen, es ist heut ein unglücklicher
Tag.

                                Hans.

Weißt Du, Schlingel, warum es ein unglücklicher Tag ist? Weil Du die
Sinne nicht beisammen hast, weil Du nichts als die Grethe denkst und
siehst; die Fische könnten zu Hunderten kommen, und Du würdest sie mit
Deinen Kalbsaugen nicht einmal gewahr werden. Wie wird es mit der
Hochzeit dort oben aussehn, wenn wir keine Fische liefern.

                                Peter.

Ihr sprecht von der Hochzeit. Wann wird sie denn sein?

                                Hans.

Je nu, morgen oder übermorgen; was schiert's mich weiter?

                                Peter.

Ach, ich dank' Euch, lieber Vater, daß Ihr endlich Euer Einwilligung
gegeben habt.

                                Hans.

Talk! Talk! was spricht der Lümmel? Kannst die Ohren nicht aufthun? Von
Deiner Hochzeit ist Gottlob noch nicht die Rede. Von des Fräuleins
Ehrentage, vom alten Grafen da droben. Nein, so lange ich lebe, oder der
alte Müller, der krausköpfige Brand, kann aus der Sache nichts werden.
-- Die Sonne kommt schon über die Berge, sing und breite die Netze aus.

                                Peter.

   Es war einmal ein Junggesell,
   Der thät hin fischen gehn,
   Die Wasser schienen klar und hell,
   Die Sonne gar so schön,
   Er schaut wohl in die nasse Fluth,
   Er denkt an sie und klagt und fühlt den Liebes-Muth.
   Und willst Du mich mit Netzen stehlen?
   So singt es aus dem Fluß:
   Zum Liebsten wollt' ich Dich erwählen,
   Komm her, komm her zum Kuß!
   Er zieht das Netz mit großer Pein,
   Und schau! da zappelt und lacht die Liebste drein.

   Da fällt sie ihm an seinen Mund,
   Und halst und drückt ihn sehr,
   Da war er froh und ganz gesund,
   Und klagte nimmer mehr,
   Sankt' Peter segnet' ihm den Zug,
   Er hat mit seinem lieben Fisch der Lust und Freude überg'nug.

                                Hans.

Alberner Junge, nichts als skandalöse unvernünftige Lieder hat er im
Kopf! -- Die Netze da oben müssen in den Strom gezogen werden; komm
hinunter in den Kahn. -- ~Man hört Jagdhörner.~ -- Da jagen sie schon so
früh im Walde.

                                Peter.

Die haben's besser, als wir, und wie herrlich das Horn die Felswand
hinab klingt und widerhallt, ich wette, daß sie es unten in der Mühle
hören. Heut Abend darf ich doch in die Mühle?

                                Hans.

Komm, Hasenfuß, Liebesnarr, Dummkopf! der Donaustrom könnte Dir wohl
unter den Beinen weglaufen, und Du würdest es doch nicht gewahr werden.
--

                               Gehn ab.

                      Christoph ~kömmt blasend~.

Wo mein Herr nur geblieben ist, und die ganze Gesellschaft. Den tollen
Herzbold hab' ich sehn vom Pferde fallen, aber ich konnt' ihn nicht
erreiten. ~Er bläst.~ Sie müssen sich doch zusammen finden. Das heiß'
ich Lust und Liebe zur Jagd, daß man die Bären nicht in Ruhe lassen
kann, wenn man zur Hochzeit reitet. Holla! ~Er bläßt.~ Da oben ragt
schon den Wald das alte Felsenschloß herüber; je nun, ich kann den Weg
ohne sie, sie können ihn ohne mich finden.

                Er bläst und geht in den Wald zurück.

                              Albrecht,

                  aus dem Walde mit einem Jagdspieß.

   Hier war das Blasen, doch ich sehe Niemand. --
   Ha! seid gegrüßt, gegrüßt ihr alten Mauern,
   Gesegnet seid da droben, liebe Steine,
   Die mir mein Theuerstes, die sie umschließen!
   Seh ich euch wieder nach so manchen Tagen?
   Dort ist ihr Fenster, in der Sonne glänzend:
   Nun schaut sie wohl hernieder, schaut die Donau
   Und späht nach mir: oder sie geht im Gärtchen,
   Pflückt Rosen, hebt sich auf den zarten Füßchen,
   Beugt sich die Brustwehr über weit, seufzt: Albrecht!

                             Eine Stimme.

   Albrecht!

                              Albrecht.

   Wie, war es nicht, als wenn es aus dem Strome,
   Vom Felsen drüben meinen Namen riefe?
   Es war nicht ihre Stimme!

                               Gesang.

      Auf Bergen nicht und nicht im Thal
      Wohnt Liebesglück,
      Von Thal und Bergen treibt die Quaal
      Dich bald zurück,
      Die Heimath weicht, die Ruhe flieht
      Wie Sehnsucht dich in ihre weiten sanften Kreise zieht.

                              Albrecht.

   Welch Tönen! Wasser, Berg und Wald erklingen,
   Mein ganzes Herz hallt wieder, und dies Echo
   Ruft laut im Innersten die Träume wach.
   So tönt nicht ihre Stimme; nein, die Wölbung
   Des Himmels und die Luft und Erd' und alles
   Ein Zaubersang! O voller Donaustrom,
   Du rauschest drein und jede Woge hüpft
   In Wollust und Entzücken.

                               Gesang.

      Sehnsucht hat ein Thor erbaut,
      Drinnen lacht das Lachen, schmachten
      Süße Blicke, dir entgegen schaut
      Der Kuß, die Arme dir entgegen trachten,
      O komm zum Schloß, auf Bergen nicht und nicht im grünen Thal,
      O endlich, endlich komm zum trauten Kämmerlein einmal.

                              Albrecht.

   Was weil' ich? Immer heller wird der Strom,
   Als wollten Blumen alle Wellen werden,
   Als strebte zu mir her das süße Wort,
   Mit Flüstern es dem Herzen zu verkünden,
   Was es entbehrt, und längst gesucht, gewünscht,
   Und doch den Wunsch, sich selber nicht erkannte.

                               Gesang.

      Rubinen glänzen in dem Saal,
      Dir winkt das Hochzeitbette,
      O küßt' ich dich ein einzigmal,
      O daß ich dich in Armen hätte,
      Dir in die lieben Augen tief zu sehn,
      Und Kuß auf Kuß in Wollust zu vergehn.

                              Albrecht.

   Ich will, ich muß hinweg, sie ist es nicht,
   Ich kenne wohl die zarten Laute Hedewigs,
   Das Schloß verbergen dort mir Wetterwolken,
   Sie ziehn zum Felsen oben dicht und dichter.
   O Hedwig! ~Will gehen.~

                               Stimme.

      Albrecht! Albrecht!

                              Albrecht.

   Es ruft! Mich täuscht kein Irrthum. -- Wer?
   Hier bin ich! -- Weit und breit kein Mensch --
   Ich bin allein, einsam ein Klaggeschrei
   Im Wald, die Felsen hallen wieder
   Gebrochne Töne von der Woge, Grauen
   Ergreift mich, greift durch Mark mir und Gebein.

                  Siglinde erscheint auf dem Wasser.

   Welch Frauenbild dort lächelnd in der Fluth?
   Die tiefen dunkeln Augen! Wehend weit
   Ihr Schleier -- und sie winkt -- wo bin ich, Himmel?

                              Siglinde.

   Albrecht! mein Albrecht! komm zu meinem Schlosse!

                              Albrecht.

   Wohin?

                              Siglinde.

   Tief unten, wo kein Neid Dich findet,
   Kein Argwohn --

                              Albrecht.

   Weh!

                              Siglinde.

   Kein Ueberdruß, Ermatten.

                              Albrecht.

   Zu Dir? -- ~Siglinde versinkt.~
   Wo bleibst du Bild? Versank das Augenpaar?
   Ward in der Fluth dies Lächeln ausgelöscht?
   Spiegeln herauf nicht die Korallenlippen?
   Jetzt will ich gehn, -- wie mich das Wasser ruft --
   Wie mich der Strom anschaut, wie heißbedrängt
   Die Wellen meines Bluts die Wogen grüßen,
   Und Kühlung, Kühlung suchen, -- fort! O Hedwig! --
   Bist du gestorben? du im Strom versunken?
   Hinauf zum Wald! hinauf in ihre Arme!
   Es donnert fern, -- im Donner ihre Stimme,
   Mein Herz erschütternd.

       Siglinde schwebt auf dem Wasser, ein Kind in den Armen.

                              Siglinde.

   O mein Albrecht!

                              Albrecht.

   Wieder!

                              Siglinde.

   Du gehst?

                              Albrecht.

   Ein Kind! das winkt und nach mir greift,
   Wie Gold die Locken.

                                Kind.

   Willst mich nicht küssen, mit mir spielen, Vater?

                              Albrecht.

   Welch Wort!

                              Siglinde.

   Albrecht! Leb wohl! vergiß uns nicht! --

                              Versinken.

                              Albrecht.

   Wie? Vater? -- Albrecht schallt' es hier? -- Wohin,
   Wohin sind sie gekommen? Wo ist die Erde?
   Wo bin ich denn? Mir wankt der Fuß,
   Die Sinne schwindeln, alles läßt mich los
   Und bricht und stürzt in, außer mir zusammen,
   Und hülflos ich!

                            Ulrich kommt.

                               Ulrich.

   Wo weilst Du, Freund? Schon lange such' ich Dich.

                              Albrecht.

   Ha! Freund sagst Du? Mein Freund? Wie? War's nicht so?
   Du bist mein Freund? Du willst mein Bruder sein?
   Du lebst und bist mir nah? Ich kann Dich halten,
   Und nimmer wirst Du in den Strom versinken,
   Dich nimmt die Fluth nicht mit wie einen Gedanken,
   Den wir nicht wieder finden, der nun fort ist,
   Versunken, eingeschlungen in das Chaos,
   Das in uns ruht?

                               Ulrich.

   Was ist Dir, Liebster? Deine Augen glühen,
   Die Wange brennt, was klammerst Du so ängstlich
   Mich an?

                              Albrecht.

   Und wie der Schleier wehte,
   Als schon die Augen tief, tief eingesunken!

                               Ulrich.

   Besinne Dich, Geliebter, fasse Dich;
   Was widerfuhr Dir?

                              Albrecht.

   Laß mich.

                               Ulrich.

   Komm zum Schlosse,
   Es harrt Dein die Geliebte.

                              Albrecht.

   Laß mich, -- nur sammeln, -- nur --

                         Geht an das Wasser.

   O holder Strom!
   Ich weiß, -- ich kenne dich, -- nur gieb mir wieder
   Mich selbst. --

                      Steht in tiefen Gedanken.

                               Ulrich.

   Was kann ihm sein? So sah ich ihn noch nie.
   Ist die Gesundheit unsers Leibes nur
   Der Elemente Spiel, des Zufalls Gunst,
   Und so des Geistes Kraft? -- Wie starr er steht
   Und in die Wogen schaut. -- O mein Geliebter,
   Du thust mir weh, besinne Dich, mein Albrecht.

                              Albrecht.

   Bist Du hier, Ulrich? Kommst Du von der Jagd?
   Ich suchte Dich.

                               Ulrich.

   Schon lange weil' ich hier --

                              Albrecht.

   O Freund, nur Dir, nur Dir kann ich's vertraun,
   Wem sonst? Nie darf es meine Hedwig wissen,
   Ha! sie zuletzt! --
   Kannst Du es denken, träumen, ahnden nur --
   O ich weiß nicht, noch hab' ich meine Sprache
   Noch wieder nicht gefunden, keine Worte. --
   Du weißt, Geliebtester, wie ich schon früh
   Hieher zum Schlosse kam, als meine Eltern
   Gestorben, kaum nur war ich funfzehn Jahr,
   Hedwig um ein'ge Jahre jünger, froh
   Und heiter floß mein spielend Leben hin,
   Nur Krieg und Ruhm war mein Gedanke, kühn
   Träumt' ich mich als der Abentheuer Helden. --
   Nun, -- o vergieb, nur was Du weißt, erzähl' ich --
   Nun kam die Zeit, -- o wonnevolle Tage,
   Als ich in Hedwigs Blick war neu geboren,
   Dem unschuldvollen Lächeln flohn die Träume,
   Nur Liebe dacht' ich: nun las ich die Bücher,
   Die unsre deutschen Meister einst gedichtet,
   Nun sang ich Liebesreime, ruhte nicht
   Bis ich Dich kennen lernte, -- meine Jugend
   Verknüpfte sich der Deinen, Du mein Freund,
   Dein Bruder ich -- drei Jahr verschwanden so --
   Darauf --

                               Ulrich.

   Du zögerst jetzt, o sprich, Geliebter.

                              Albrecht.

   Drauf, o mein Freund, was ist der schwache Mensch? --
   Von Liebe trunken, in des Frühlings Blüthe,
   Als Blumen auf die üpp'ge Flur gegossen,
   Als so wie jetzt die Nachtigall zerfloß
   In Liebesklagen und den Hain mit Feuer
   Und schmelzendem Gesang durchrieselte, --
   Hier, eben hier, als eben so die Donau
   Erklang, den Busen voll von Liebesfeuer, --
   Schon hatten wir die Sehnsucht uns gestanden,
   Schon hatt' ich ihren süßen Kuß gekostet, --
   Da führte mich mein Glück, mein Unstern, Schicksal,
   An dieses Ufer, und ein Lied zu dichten
   Schaut' ich die Fluth mit brünstgen Augen an, --
   Ich bog hier um die Felsenecke, -- Augen!
   Was saht ihr? Glanz und Licht die Blumen all,
   Ein Frauenbild, wie aus dem Himmel selbst,
   So groß, so klar und leuchtend, saß in Schöne,
   In übermenschlicher, an diesem Stein,
   Vom reichen leuchtenden Gewand umflossen, --
   Sie redete mich an, -- ich nahm die Hand
   Die zarte, sah den üpp'gen weißen Busen,
   Mein Auge wurzelte auf ihren Lippen, --
   Im Walde waren wir, in eine Hütte
   Eintretend schwand mir rings die weite Welt
   In ihren Armen, und zum erstenmal
   Lernt' ich des Weibes hohe Schönheit kennen,
   Und trank zum erstenmal den Rausch des Wahnsinns
   Wild aus dem Wollustbecher, alles Holde
   Und Schauerliche, Mährchen, Sehnsucht, Wonne,
   Zog Feind und Freund bunthin durch mein Gemüth --
   Ich kam zum Schloß zurück, noch klang der Wald,
   Das Wasser rauschte noch, die Stimme tönte
   Empfindlich rührend noch im Ohr, ich mied mit Angst
   Die Blicke Hedwigs, -- drauf sucht' ich bald alles
   Was mir geschehen zu vergessen, wagte
   Zu sprechen, sie zu küssen, anzublicken,
   Und aus der Unschuld blauen Kinderaugen
   Goß sanfter Schein Verzeihung auf mich hin,
   Mein Geist ward in dem Blicke neu geläutert, --
   Ich mied den Ort, wo ich die Fremde fand, --
   Gespenster schienen mir an dieser Stätte
   Zu hausen, da vergaß ich ihn, und endlich
   Nach langer Zeit verirrt' ich mich hieher,
   Ein Grauen hielt mich fest, ich kehrte wieder,
   Nur fragen wollt' ich sie, ihr zürnen, fluchen, --
   Und nichts, nichts ließ sich sehn, -- dann rief der Krieg mich. --
      --
   Und nun nach langen mühevoll durchlebten
   Vier Jahren tret' ich aus dem Wald hieher, --
   Und wie ein heimlich Feuer plötzlich aufschlägt,
   Und rings das ganze Dach die Flamme frißt;
   Wie die Lauwine plötzlich nieder schmettert;
   Wie ungesehn die Wasser aus der Tiefe
   Oft springen und die Wiesen all' ertränken,
   Eh noch der Schnitter nur den Quell bemerkt,
   Wie sie die Dämme nieder reißen, Städte, Dörfer,
   Pallast und Kirchen in den Wogensturz
   Krachend begraben, -- so, auf einmal ganz
   Den Sinn umfangend nahm es meine Seele,
   Nur sie glaubt' ich zu hören und zu sehn, --
   Als wäre jenes Schloß dort ein Gefängniß,
   Hedwig wildfremd und kalt und überlästig,
   Als müßt' ich suchen jenes einz'ge Glück,
   Mich werfen in den Strudel fremder Wunder-
   Begebenheiten, als sei sie die Göttin
   Des Schicksals, Leben, Blume, Schönheit, Reichthum,
   Und ew'ges, inn'ges Glück, als -- o mein Freund,
   Was Du in Liedern sangst, was Dichter suchten,
   Was Heiden von dem Wunderland der Götter
   Gefabelt, und von Venus und Cupido,
   Als sei es hier bei jener Unbekannten,
   Als lebe Hedwig nicht, als sei die Liebe
   Zu ihr nur Phantasie und Heuchelei, --
   O komm! hör nicht die gift'gen Wogen rauschen,
   O komm, daß wir hier auf der Erde bleiben,
   Hinauf zum Felsenschloß, den Wolken näher,
   Den Wald hinein, daß alle grünen Blätter
   Im Sturm und im Gewitter brausen mögen,
   Daß wir den Wellenklang nicht mehr vernehmen!

                     Er zieht ihn mit sich fort.

                     Herzbold ~kömmt betrunken~.

Holla! kein Mensch hört, und das Waldhorn hab' ich auch verloren. --
Kann sein, daß sie auch schon alle oben auf mich warten. -- Das war ja
des Teufels Reiterei! -- Aber auch nur einem hasenfüßigen Verliebten,
und einem Poeten, der an sich schon verrückt ist, ohne alle Ursache,
kann es einfallen, wenn sie auf die Hochzeit reiten, sich mit Bären
einzulassen, und so im Walde auf und ab, bald zu Fuß, bald zu Pferde.
Ich, der ich mich noch zuvor mit einigen Flaschen guten Ungarschen Wein
gestärkt hatte, verliere unversehens die Bügel, darauf verliert das
Pferd unversehens mich und schmeißt mich mit dem Kopf gegen eine
ziemlich harte Eiche, daß ich im ersten Augenblick, mein Seel, nicht
wußte, ob ich fluchen oder in Ohnmacht fallen sollte. Wie ich wieder ein
weniges zu mir komme, war ich in der einsamsten Einsamkeit, ohne Weg und
Steg. Nun, Gottlob, bin ich doch wieder an das Tageslicht gekommen, und
sehe dort oben unsre Herberge. Wenn ich nur erst droben wäre, denn ich
bin so grausam durstig, daß mir die Zunge am Gaumen klebt; ich wäre im
Stande Wasser zu trinken; ein gutes frisches Quellenwasser ist unter
gewissen Umständen nicht ganz zu verachten. -- Nun wird da droben bald
Hochzeit in aller Frömmigkeit und Einträchtigkeit gehalten werden, und
mein junger Herr wird sich im Himmel dünken, denn er hat ein so stilles
und kühles Blut, daß ich wohl darauf schwören möchte, er ist noch ein
Junggesell.

                     Lautes Gelächter vom Strom.

Wer lacht denn? Was hört' ich denn? Irgend ein unverschämter, naseweiser
Gelbschnabel! -- Ich sage, ja, er ist noch ein Junggesell, denn ich habe
ihn schon als einen kleinen Jungen gekannt, und er war nie hinter die
Mädchen drein, er war immer eine weichgeschaffne stille Seele, die sich
schämte, wenn ihn die jungen Weiber nur anredeten, oder gar küssen
wollten; nun wird er aber die alten Frauen nicht mehr so gern haben, wie
damals.

                       Noch lauteres Gelächter.

Aber nein, das klingt ja wie eine ganze Spinnstube voll schäkernder
Mädchen, die sich erzählen, was der und der zu jener gesagt hat, wenn
sie sich Nachts besuchen. -- Was Satan! bin ich blind? -- Nein, ich sehe
zu viel! Der ganze Strom voll Mädchen, nackt und wiegend und tanzend. --
Sind wir etwa unwissend in Mahomeds Paradies gekommen? -- ~Alle lachen
und tauchen unter.~ Weg! -- o Herzbold! Herzbold! nun seh' ich, daß du
alt wirst! Mach dich nur auf eine rothe Nase und zitternde Kniee gefaßt,
denn noch niemals haben drei oder vier Kannen dein Gehirn so betäuben
können; armer Mensch, dein Lauf ist vollendet! Oder hat es etwa der Fall
gegen die Eiche gemacht, daß dir solche Hirngespinste aufsteigen? Die
Doktores sagen, daß heftige Erschütterungen, oder selbst
Gemüthsbewegungen, den Menschen zum Narren machen können. Auch giebt es
wohl Fälle, daß durch dergleichen Anstoß sich neue seelische Kräfte
aufthun, und der Geist einen Blick in das verborgene Reich der Wahrheit
versucht. So hab ich mir von einem erzählen lassen, der, als er eine
hohe Treppe herunter geworfen wurde, unten auf einmal griechisch
sprechen konnte, als er wieder aufgestanden war, oben konnt' er kaum
deutsch; ein andrer, dem man einen tüchtigen Hieb über den Schedel maß,
war durch den Kloben mit einemmale Musicus geworden; und so könnt' ich
jener Eiche auch vielleicht als meinen aufmunternden Schulmeister zu
verdanken haben, Blicke in das Reich der Natur zu thun, und da Weiber
und Mädchen zu sehn, wo andre kaum Fische und Krebse finden. Ein Weiser
oder ein Narr muß ich auf jeden Fall sein, der Mittelstand verträgt sich
mit solchen Gesichten nicht. Scherzweise habe ich vorher vom Wasser
gesprochen, und hier springt eine allerliebste Quelle aus dem Felsen,
ich will jetzt im Ernst davon schöpfen, um die Phantasien zu vertreiben.
-- ~Er schöpft in seinem Huthe, und so wie er trinkt, tritt das Kind aus
dem Berge und stellt sich an ihn.~ Ha! das thut gut! Nun sind mir die
Augen heller als erst, -- aber was Kuckuk! Ei! ei! so hat Frau Fortuna
noch nicht mit mir Armen Versteckens gespielt, als heute; -- immer
besser! bist Du ein kreatürliches Wesen, -- eine wirkliche Figur, -- ein
gebornes Geschöpf, so sprich, Du kleine Krabbe!

                           Das Kind weint.

                              Herzbold.

Warum weinst Du denn, Du schmuckes Thierchen? -- Sprich, kleines
allerliebstes Mädchen. Wein' nicht, mir wird so bang um's Herz. Hast Du
Hunger?

                           Kind ~weinend~.

Ich habe keine Eltern, beide todt, ich komm' aus dem Gebirge schon weit
her.

                              Herzbold.

Armes Wurm! Was die kleine Kröte schon hat erleben müssen. Was willst Du
denn?

                                Kind.

Einen Vater, eine Mutter möcht' ich haben?

                              Herzbold.

Wie alt bist Du denn?

                                Kind.

Drei Jahr und zwölf Wochen. Bring mich zu Fräulein Hedwig; will sie
bitten, daß sie meine Mutter wird.

                              Herzbold.

Ja, mein Engel, schon gut, aber die denkt jetzt auf eigne Kinder.

                                Kind.

Die sollen meine Brüder und Schwestern sein.

                              Herzbold.

Das geht nicht so schnell, Du hast keine Erfahrung, Du kennst die Welt
nicht. Was so verliebtes Volk Kinder in die Welt setzt, und läßt sie
dann auf gut Glück im wüsten Gebirge herum laufen, andern zur Last zu
fallen.

                                Kind.

Bist Du nie verliebt gewesen?

                              Herzbold.

Nein, Gott hat mich in Gnaden davor bewahrt; ich habe immer mehr zu thun
gehabt.

                                Kind.

Ja, Du Spitzbube, Du hast es eben gemacht, wie so mancher andre
Taugenichts; gelt? Armen Mädchen etwas vorgeschwatzt und gelogen, und
sie dann mit ihrem Jammer sitzen lassen, und nachher noch obendrein
hübsch männlich gethan mit dem starken Herzen? So sind wir armen Mädchen
immer die Betrogenen. Und Du, Herzbold, hast ganz die Miene dazu.

                              Herzbold.

Ha! wie? Was? bin ich verhext? da nur stehn kann ich und das Maul
aufsperren, nichts sagen, nichts denken. Das wird ein Zeitalter werden,
in dem die dreijährigen Kinder schon so räsonniren: das heiß' ich
Fortschritte in Kultur und Bildung. Dagegen sind wir nur Backfische
gewesen. Und der Kobold weiß meinen Namen. Bald fürcht' ich mich, so
klein dies Ding ist. Um Gottes Willen, bist Du ein Kind, oder ein Rind,
oder der Satan selber, der mich narren will?

                           Das Kind lacht.

                              Herzbold.

Und ich träume es doch nicht; nein, es hat seine Richtigkeit.

                           Kind ~weinend~.

O führe mich auf das Schloß, mich hungert sehr. Erbarme Dich einer armen
Waise.

                              Herzbold.

Komm, Wahrsager, Zigeuner, ich mag Dir nichts abschlagen. Mögen die
droben sehn, wie sie mit Dir fertig werden. Was geht's mich an? darf ich
mir die Hand ausbitten?

                                Kind.

Hier, mein Lieber. Ach, Du bist doch nicht so böse.

                              Herzbold.

Fahre nur fort in Deiner geistreichen Unterhaltung, und wenn Du manchmal
zu hoch sprechen solltest, so laß Dich herab, die dunkeln Stellen
einigermaßen zu erläutern. ~Sie gehn ab.~

                    Hans und Peter kommen zurück.

                                Hans.

Nichts gefangen. Da, nimm die Netze auf den Buckel, es ist schon Mittag.

                                Peter.

Es ist heiß.

                                Hans.

Fort, Du Langsam. An Dir liegt alle Schuld. Sogar die unvernünftigen
Fische, so stumm sie sind, haben gemerkt, daß Du ein verliebter Narr
bist, und sind Dir mit Verachtung aus dem Wege gegangen. Der Bengel ist
noch mein Unglück, er ruinirt mich. Auf den Abend wieder her, die Nacht
muß einbringen was der Tag eingebüßt hat.

                                Peter.

So hat man denn gar keine freie Stunde.

                                Hans.

Wer hat Schuld als Du? Halt's Maul! Fort, nach Hause, die Mutter wartet
mit dem Essen!

                               Gehn ab.


                             Dritte Scene

                              (Zimmer.)

                           Ulrich, Hedwig.

                               Ulrich.

   Mein schönes Fräulein, mein theure Freundin,
   Sogleich eilt Albrecht her in Eure Arme,
   Drum zürnet nicht, vergönnt ihm noch Erholung.

                               Hedwig.

   O Gott! wie hab' ich diesen Augenblick gewünscht, --
   Seht nur, ich kam fast ungeschmückt, mir war
   Jedweder Augenblick, der unsre Trennung
   Vermehrte, wie ein Tod, -- und nun, -- er liebt mich nicht,
   Er hat mich wohl vergessen. --

                               Ulrich.

   Keine Thränen
   Geliebtes Kind, macht nicht die schönen Augen
   Mit Weinen roth, -- er wird sogleich sich finden,
   Ihm war nicht wohl, nun sitzt im Hof er drunten
   Im Schatten jener Linde, schaut sich um,
   Erinnert sich der alten guten Zeit
   Und sammelt sein Gemüth.

                               Hedwig.

   So laßt uns ihm
   Entgegen eilen, daß ich dort ihn frage,
   Daß ich ihm nur in seine Augen schaue,
   Dann ist ja alles gut.

                               Ulrich.

   Hier kommt er selbst.

    Er geht ab. Albrecht tritt ein und sinkt stumm in die Arme der
                            Hedwig. Pause.

                               Hedwig.

   Du weinst?

                              Albrecht.

   O laß mich, laß mich, Süße, Dir
   Zu Füßen hin in Thränen, Seufzern rinnen,
   Es bricht mein Herz, -- o zu gewaltsam, -- Gott! --

                               Hedwig.

   Wie ist Dir?

                              Albrecht.

   Gut und wohl; -- da sind wir wieder,
   Stehn wieder auf der alten Stelle! sieh doch
   Die alten Sessel da, -- die Bank im Fenster,
   Von wo wir oft das Thal hinab geschaut, --
   Ha! noch der Einschnitt auf dem runden Tische,
   Die eingeschlungnen Namen Hedwig, Albrecht, --
   Gewiß, mein Herz, ich weiß nicht was ich sage, --
   Mir geht das Zimmer rund, -- auch Du weinst, Hedwig?

                               Hedwig.

   Ach, alles ist noch so, und Du, mein Albrecht, --
   Ach lieber Gott, was soll der Mensch doch wünschen --
   Ja, dieser Augenblick, er stand seit Jahren
   Verklärt vor meiner Seele wie ein Himmel,
   Da fliegst Du wie ein Engel her vom Himmel,
   Nahmst mich in Deinen Arm, in mir der Himmel --
   Und nun, -- wie dunkle Schwermuth, Angst und Furcht,
   Welch Todesbangen zuckt durch meine Seele --
   Ah, sieh, da hast Du noch den lieben Ring
   An deinem Finger, hier die kleine goldne Kette,
   Die ich an jenem Abend Dir geschenkt,
   Als Du einmal so traurig warst, so fremd, --
   Ha! weißt Du noch? -- Ach, liebster, liebster Albrecht!
   Kennst Du mich denn, liebst Du mich denn, wie sonst?

                              Albrecht.

   So senk' Dich denn mit aller Zärtlichkeit
   In dieses kranke Herz, so blühe denn
   In allen tiefen Schmerzen in mir auf,
   Du Liebste, Einz'ge, -- lange war ich weg,
   Nun bin ich da, nun wollen wir nicht weinen.
   Hat denn Dein Mund das Küssen nicht verlernt?
   Wie diese Thrän' aufgeht im hellen Auge
   Mit Lächeln ringend, glänzend schwillt, und hängt
   Wie ein Demant, nun fällt, nun fällt sie nieder,
   Entrinnt dem Käfig dieser schönen Wimper,
   Und so im Kuß verlösch ich Deinen Seufzer
   Der ihr will folgen, wie ein Vögelein
   Das andre sucht in freier Luft.

                               Hedwig.

   Mein Albrecht!

                              Albrecht.

      Wer kennt der Sehnenden
      Thränenden
      Freudvollen Schmerz?
      Ein bangender Scherz
      Spielt Freiheit ringend,
      In Seufzern klingend
      Durch's bebende Herz.
      Ich kann mich nicht fassen,
      Mich dünket verlassen,
      Verstoßen zu sein;
      Nur Lieb' hat empfunden,
      Wie innig verbunden
      Die Wonnen und Wunden
      Im sel'gen Verein.

                               Hedwig.

   Das war Dein erstes Lied, das Du mir sangst.

              Ulrich tritt ein mit dem Kaplan Johannes.

                               Ulrich.

   Der Herr Kaplan sucht Euch im ganzen Hause.

                              Johannes.

   Da seid ihr wieder, lieber gnäd'ger Herr!
   Der alte Graf wird auch sogleich erscheinen,
   Euch Willkomm sagen; Euch ist ja bekannt,
   Wie ernst und finster, und wie menschenscheu
   Er immer der Gesellschaft sich entzieht,
   Und diese Schwermuth hat noch zugenommen,
   Und ganz vorzüglich jetzt seit wen'gen Tagen. --
   Doch wie ist Euch? Mich dünkt, Ihr seid verändert,
   Ihr glüht, Euch ist doch wohl?

                              Albrecht.

   Ich bin gesund.
   Du alter theurer Pfleger meiner Jugend,
   Doch diese Hitze, -- ja der Tag ist heiß, --
   Wo ist denn Wolf? Lebt noch der alte Knecht?

                              Johannes.

   Wolf! Wolf! Euch ruft der gnäd'ge Junker Albrecht.

                             Wolf kommt.

                              Albrecht.

   Mir ist so heiß, bring' schnell etwas zur Labung.

                              Wolf geht.

                              Johannes.

   Da kommt der Graf.

                        Graf Erhard tritt ein.

                               Erhard.

   Laßt Euch umarmen, seid mir hoch begrüßt.

                              Albrecht.

   Mein theurer Vater, nehmt mich gern zum Sohn.

                          Wolf kommt zurück.

                                Wolf.

   Hier Wasser aus dem kühlen Felsenbronn.

                               Albrecht

                   setzt an, wirft den Becher weg.

   Nein, Wasser kühlt nicht diesen heißen Durst,
   Gieb Wein mir, goldnen, glutherfüllten Wein,
   Mich schaut aus dem krystallnen kalten Naß
   Ein wildes Auge an mit Feuerblick.

                                Wolf.

   Wie Ihr befehlt.

                              Johannes.

   Ein Fieber plagt Euch, Ritter.

                               Erhard.

   Die wilde Jugend, wie wir alle waren.

                              Trompeten.

                                Wolf.

   Da hält der Zug des Herzogs vor der Burg.

                               Erhard.

   Kommt ihm entgegen, unserm gnäd'gen Herrn.

                            Alle gehn ab.

                               Ulrich,

                      der zurück geblieben ist.

   Sie ist es. Wie das bange Herz mir klopft.
   Sie steigt vom Pferde, nickt mit liebem Gruß
   Den Freunden zu; die hohen Federn schwanken
   Vom Huth ihr nieder über goldne Locken,
   Den edlen Leib deckt herrliches Gewand,
   Weit nach folgt dienend ihres Kleides Saum
   In Lieb' um ihren schönen Fuß zu wallen.
   Was zögr' ich noch? Ich geh' ihr rasch entgegen,
   Und wenn ein sanfter Blick mich dann bemerkt
   Und freundlich unterscheidet, bin ich selig.

                               Geht ab.

                  Hedwig und Albrecht kommen zurück.

                               Hedwig.

   Ja, nun kenn' ich Dich wieder, nun erst bist Du
   Der alte, ja, das sind die treuen Augen,
   Das stille Lächeln um den kind'schen Mund:
   So lieb' ich Dich, so solltest Du mir bleiben,
   Nicht klug, nicht fremd, -- nicht -- ach, ich schwatze so,
   Nun hab' ich zu Dir so wie sonst Vertraun, --
   Nicht wie Du warst solltest Du jemals sein.

                              Albrecht.

   Nur wie ein Fieber hat es mich befallen,
   Und so verlassen. Liebes, holdes Mägdlein,
   Dein bin ich doch in jeglichem Gedanken,
   Ja jeder Puls in mir klingt Dir nur Liebe.
   Wie war ich so verlassen ohne Dich,
   Wie ist mir wohl, wenn ich Dein Auge sehe.

                               Hedwig.

   Der Vater ist seitdem recht schlimm geworden.

                              Albrecht.

   Es ist die alte Krankheit, die ihn drückt,
   Er meint es immer gut mit Dir und mir.
   Doch müssen wir nicht zur Gesellschaft wieder?

                               Hedwig.

   Ich schäme mich vor dieser hohen Frau,
   Der Herzogin, sie ist so schön, so groß,
   Sie sieht so mächtig drein und so verständig,
   Ich werde roth, wenn ich mit ihr muß sprechen.
   Ja, Albrecht, schon vorher fiel es mir ein,
   So eine solltest Du zur Frau Dir nehmen,
   Ich armes Kind bin Dir nicht schön genug.

                              Albrecht.

   Du liebes Herz, mit Dir nur bin ich glücklich,
   Denn Deines Wesens holde Lieblichkeit
   Ist mehr als jener Herrlichkeit und Pracht.

                    Herzbold kommt mit dem Kinde.

                              Herzbold.

Nur herein, nur herein hier, Du kleines Unkraut, hier ist die
Herrschaft. Gott grüß Euch, gnädiger Herr, und meine schöne, junge,
schmucke Gräfin; hier bring' ich Euch das Neuste vom Jahr, das ich
draußen im Walde, wie eine Erdbeere, aufgelesen habe.

                               Hedwig.

Was will das Kind?

                              Herzbold.

Bei Euch bleiben, vor der Hand Euer eigen werden. Es ist eine arme
verlassene Waise aus dem Gebirge.

                               Hedwig.

Komm zu mir, kleines Mädchen.

                                Kind.

   Willst Du mich hegen,
   Mütterlich pflegen,
   Wird meinetwegen
   Des Himmels Segen
   Dir allerwegen
   An's Herz sich legen.

                               Hedwig.

Ein hübscher Spruch. -- Sieh, mein Albrecht, wie schön, wie klug, -- ich
nehme sie an, als mir vom Himmel gegeben.

                                Kind.

Ach Du liebes Fräulein! Du bist so schön, und dabei auch so gut.

                              Albrecht.

Wie heißest Du?

                                Kind.

Sie nannten mich Adelfriede.

                               Hedwig.

Herzbold, führe die Kleine in meine Kammer. -- Komm, mein Albrecht, in
den Saal zu dem Herzog, der Vater schmählt sonst. ~Beide ab.~

                              Herzbold.

Siehst Du, kleine böse Sieben, nun hast Du Dein Glück gemacht, wenn Du
hübsch artig und folgsam bist.

                                Kind.

Sorge Du nur für Dich selbst. ~Sie gehn ab.~

                       Graf Erhard ~tritt ein.~

   Zu eng ist mir mein Haus; die stummen Wände
   Stehn mir wie Schwätzer da. -- Du dunkles Nest,
   So muß aus dir ein Sammelplatz von Thoren
   Auf deine alten Tage werden, Lachen
   Und Neckerei, Gesang in dir sich tummeln?
   Und diese Fremden! Möcht' ich doch, -- he Wolf!

                             Wolf kommt.

                               Erhard.

   Sind sind im Saale?

                                Wolf.

   Ja.

                               Erhard.

   Nun, ich muß hin.
   Nur diese sieben Tage, dann begrüß' ich
   Die alte liebe Einsamkeit von neuem.

                                 Ab.

                                Wolf.

   Der alte Griesgram ist doch nie zufrieden. --
   Bin ich's denn aber? Nein, die Knechtschaft hier,
   Das sauertöpfsche Leben, all der Zeter,
   Muß bald in helle Lust ausschlagen, ja,
   Ich halt's nicht aus; dann will ich jubeln, schrein,
   Die alte Haut vor Lust und Wonne schütteln.

                               Geht ab.




                         Prolog zur Magelone.
                                1803.


                              Die Nacht.

   Absteigen muß ich jetzt von meinem Thron,
   Des heil'gen Lichtes Ankunft ahnd' ich schon,
   Die goldne Heerde merkt die Abschiedsstunde
   Und kehret heim vom dunkeln Thalesgrunde;
   Die Schatten zittern, die mein Leben fühlen,
   Die Morgenröthe will mit Wolken spielen,
   All' meine Kinder wollen mich verlassen,
   Hülflos, erschreckt, weiß ich mich nicht zu fassen;
   Verfolgt, durchbohrt vom scharfen Strahl, dem glühenden,
   Sink' ich betäubt und stürze mit den fliehenden.

                             Die Träume.

   Mutter! Die Kinder, die schwebenden,
   In Aengsten erbebenden
   Nimm sie mit dir! --
   Weh! wohin fliehen? --
   Was uns deckte, wiegte, bewehrte, entziehen
   Die glühenden, blühenden Lichter uns hier.
   So enteilt, so flieht zu den dunkelsten Gestaden,
   Die unterird'schen Brunnen zu trinken, zu baden
   Im Geriesel tiefer Quellen -- -- wohin entrückt sind wir? --

                             Die Wolken.

   Uns kommt in süßen Grüßen ein stilles Leben,
   Wir wachen und fließen in Küssen zusammen,
   Da schießen liebende Flammen
   Und zieh'n uns fort, dem heil'gen Strahl uns hinzugeben.

                       Der Jüngling ~erwacht~.

   Ich war gefangen! Wer hat mich befreiet
   Und aufgelöst des Hauptes düstre Binde?
   Mein Geist, mein Muth war mit sich selbst entzweiet,
   Angst, Trübsal, Furcht nahmen zu ihrem Kinde
   Das bange Herz, zu fremder Noth geweihet;
   Es floh das wüste Heer im Morgenwinde,
   Ein Hauch hat Traum und dunkle Nacht verzehret,
   Und mein Gemüth im Morgenlicht verkläret.

                              Die Sonne.

   Ich will zu meinem hohen Thron aufsteigen:
   Morgenroth, Diener, leg' die güldnen Decken,
   Zum Fußtritt durch die lichtazurnen Strecken,
   Ruf durch den weiten Raum ein heil'ges Schweigen:

   Schön will ich mich den Unterthanen zeigen,
   Wald, Berg, Thal, Fluß mit meinem Glanz bedecken,
   Das Luftgefieder schnell zum Gruß erwecken,
   Der Pracht soll Niedres sich und Hohes neigen.

   Die Vögel singen, Wasser rauschen, hallen
   Gebirg' und Wald, mein Auge dringt zum Dunkeln;
   Geblendet, trunken, kommt mir Dank von allen:

   Ein kühler Thau soll ihre Inbrunst lindern;
   Wie Wald, Strom, Thal und Berg von Pracht erfunkeln,
   Blüht doch mein Bild nur in den Blumenkindern!

                             Die Wasser.

   Wie grün neigt sich das Gras in unsre Wellen,
   Wie lieblich schaut die Blum' in unsre Fluth,
   Vom Himmel will sich Duft zu uns gesellen,
   Glanz dringt und Luft in unser kühles Blut,
   Wir fühlen in uns Lieb' und Leben quellen;
   O wie uns wohl der blaue Himmel thut!
   Wir gehn wie Gedanken, wie süßes Gefühl, die enteilenden;
   Uns drängen die Schwestern vorüber den Ufern, den weilenden.

   Denn ach! Du Ufergrün, du Blumenroth, du Scheinen
   Vom lieben Licht, das grüßend uns umfängt,
   Ihr möchtet euch so gern mit uns vereinen,
   Wie ihr euch tief in unser Auge drängt,
   Ihr spiegelt euch in Thränen, die wir weinen,
   Hört Schluchzen, das sich in die Rede mengt;
   Nur Bildniß, Erinnrung, in lieben Gedanken, sehnsüchtigen,
   Begleitet uns still, die vertriebenen Wandrer, die flüchtigen.

                             Die Blumen.

   Wer je mit Wollust schaute
   In seinem goldnen Strahl
   Den hohen Himmelssaal,
   Und seinem Licht vertraute;
   Wer in der tiefen Nacht
   Die goldnen Lichter fühlte,
   Mit Augen sehnend zielte
   Nach ihrer Liebes-Macht;
   Gern Mond und Sonne dann,
   Die Stern' all im Gemüth
   Verklärt als Liebe sieht:
   Der schau' uns Blumen an.
   Wir sind nicht hoch, nicht ferne,
   Tief, wie ein liebend Herz,
   Sich regt ein heitrer Schmerz
   Beim Anblick unsrer Sterne.

                              Der Wald.

   Als der Frühling gekommen,
   Die Erde die Wärme empfunden,
   Die Luft durch Strahlen geläutert,
   Ist des Himmels Dunkel erheitert,
   Das Eis von den Wassern entschwunden,
   Sind grüne Pflanzen entglommen:
   Da haben meine Kinder
   Sich wiederum besonnen,
   Und ihren Schmuck nicht minder
   Wie Blumen rings gewonnen;
   Es sprangen tausend Bronnen
   Mit grünen Strahlen empor,
   Da wuchsen die dunkeln Schatten,
   Die kühle liebliche Nacht
   Aus dürren Zweigen hervor,
   Da schwebten über den Matten
   Die Dämm'rung, die Düfte, die Klänge,
   Die grünenden Betten der Liebesgesänge;
   Sie hat der Frühling in rauschender Pracht,
   Ein tönend Gezelt,
   Mit lieber Hand wieder aufgestellt.

                            Der Jüngling.

   O Wald, was sagst du, welch ein süßes Blicken
   Von Blumen will mein Leben in sich ziehen?
   Wasser, steht still, mir dünkt, es will entfliehen
   Ein Wort in eurem Strom, mich zu beglücken.

   Sonne, du willst mir Licht hernieder schicken,
   Die Farben, die in Blumen sterbend blühen,
   Glanz, der im Grün erlöschend nur kann glühen, --
   Wozu Gesang, Strom, Licht und Blumenpflücken?

   Wie tiefe Nächte dehnt es sich im Innern,
   Wie Morgenroth will es die Nacht verschlingen,
   Wie milder Abend fließen müde Scheine.

   Uneinig trennt sich alles im Vereine:
   Wie alle Kräfte zur Besinnung ringen
   Kann ich nicht, was ich bin, mich selbst erinnern.

                              Die Sonne.

   Empor zum reinen Himmelslicht, dem blauen,
   Sieh' auf und fühl' in dir des Segens Fülle,
   Durch dunkle Nacht blitz' auf ein kühner Wille,
   Dann wirst des Herzens Reichthum du vertrauen!

                             Die Wasser.

   Dann senken sich durch die verklärten Auen
   Die milden Wogen, fließen durch die Stille;
   Ahndend, was kühl in deinem Geiste quille,
   Wirst du dich süß im klaren Spiegel schauen.

                             Die Blumen.

   Dann regt ein süßer Trieb sich liebetrunken,
   Wasser und Licht sie wollen sich begatten,
   Es spielen vor dir Farb' und Freude schwebend.

                              Der Wald.

   Angst, Zweifel, Furcht ist in die Nacht versunken,
   Friede, Vertrauen wächst auf in dichten Schatten,
   Süßer Gesang erfrischt das Laub froh bebend.

                            Der Jüngling.

   Vernehm' ich nicht die allgewalt'gen Schwingen,
   Die der Natur erhabner Geist bewegt,
   Und wie er Berg, Wald, Luft und Ströme schlägt,
   Die Harf' im dunkeln Heiligthum erklingen?

   Aus Wollustdämmrung will ein Bild sich ringen,
   Das in der tiefsten Brust mein Geist gehegt,
   Und wie es Haupt und Glieder wachsend regt,
   Muß es in Schmerz und Lust zum Tag hindringen.

                  Die Jungfrau tritt aus dem Walde.

   Sie nah't, von der die Blumen mir gesprochen,
   In der des Lichtes Lieblichkeit erglänzt,
   Aus deren Aug' ein selig Dunkel blickt:

   Nun ist mein Herz als Frühling aufgebrochen,
   Und jeder Sinn ist dicht mit Wonn' umkränzt,
   Mein bist du, Himmel! denn ich bin entzückt.

                            Die Jungfrau.

   Und Thränen, Liebster, wollen dich begrüßen,
   Denn dieses Glück, das seine ros'ge Hand
   Holdlächelnd beut, das leuchtend blickt mit süßem
   Erröthen, ach! ist es wohl hergesandt
   Mit Schmerz und Leid die flücht'ge Lust zu büßen,
   Ist dieser Gruß zum Scheiden schon gewandt?
   Vielleicht verharrt der Gast, sieht er die Demuth
   Und wie Entzücken sich verklärt in Wehmuth.

                                Beide.

   O heilige Thränen,
   O süßer Schmerz!
   Es bricht das Herz
   In Glück und Lust,
   Doch fühlt die Brust
   Ein stilles Kranken,
   Ein zitternd Sehnen,
   Sich hin zu senken
   In ew'ges Licht,
   Das nicht Gedanken,
   Entzücken nicht
   Und Schmerzen denken.




                             Ein Prolog.
                                1796.




                                Scapin
                     als Vorredner an den Leser.


                               Scapin.

   Willkommen! und verzeiht, daß ich Euch ennuyire,
   Mich als ein Prologus im Prologus prostituire:
   -- Wie Scapin? -- und du wagst es, ohn' Erröthen,
   Als Vorredner der Vorred' aufzutreten?
   Begreift, wenn man heut zu Tag ein Original sein soll --
   Es ist so schwer -- und drum wird man zuweilen toll,
   Die meisten Leute nehmen's auch für neu;
   Ist's ihnen recht, so ist's ja einerlei.
   Je toller drum man's treibt, je origineller,
   Man macht den Boden flugs zum Keller,
   Und alle die vorübergehn, schrein:
   Ein seltner Mensch! er scheint original zu sein,
   Scheint's doch wenn man's Prolog zu manchen Werken liest,
   Daß dem Prologen grad ein Prolog nöthig ist.
   Drum kann, was ich jetzt thu, auch mit Vernunft bestehn,
   Ich kann satisfaisirt also von dannen gehn.
   Und untersucht ihr nur die Sach etwas genauer,
   So seht ihr ein, daß auch vom Fürsten bis zum Bauer
   Jedweder Vorred' nur zu einer Vorred' macht,
   Und weder groß noch klein darüber lacht,
   Denn der hat's warlich schon im Leben weit gebracht,
   Der in dem großen oder kleinen Staat
   Sich nur dem wirklichen Prologe naht.
   Ich wollt' Euch also nur von Eurem eignen Leben
   Durch mein Bemühn 'ne kleine Zeichnung geben,
   Ihr seht, ich zwinge mich, moralisch recht zu sein,
   Drum müßt Ihr unbesehn 's Aesthetische verzeihn.
   Hofft Ihr nun doch, statt kalter Küche Braten,
   Statt den Prologs ein durchgeführtes Stück,
   So ist Euch warlich nicht zu rathen,
   Ich wasche meine Händ' und zieh mich so zurück;
   Doch glaubt nicht, daß ich dieserwegen meine
   Daß ich ^illotis manibus^ erscheine,
   Ihr müßt Euch nach der Poesie bequemen,
   Metaphern nicht gleich ernstlich nehmen,
   Sonst seht Ihr Schätze und es sind nur Scherben,
   Ihr taugt gleich schlecht zum Lesen, Leben und Sterben.

                               Geht ab.

                   *       *       *       *       *

   Ein dunkles Parterre, keine Lichter brennen, das Orchester ist noch
         leer, einige Herren und Damen sitzen auf den Bänken.

   Peter und Michel kommen hereingestolpert und stoßen mit dem Kopfe
                  an die Frisur des Herrn Polykarp.

                               Michel.

   Verzeihen Sie, mir kömmt es dunkel vor.

                              Polykarp.

   Schon gut, -- mir brummt das ganze Ohr.

                                Peter.

   Man muß doch auch 'mal in's Theater gehn.

                               Michel.

   Man sagt es wär' hier viel zu sehn.

                              Polykarp.

   Bis jetzt sind wir noch sehr im Trüben.

                              Melantus.

   Ich wollt' ich wär' zu Haus' geblieben.

                                Peter.

   Doch hoff' ich es soll besser kommen,
   Sonst hätt' ich kein Billet genommen.

                              Melantus.

   Ich sitze hier nun schon so lange,
   Ich glaube gar es wird mir bange,
   Die Finsterniß macht viel Beschwerden,
   Ich mein' doch, es soll heller werden.

                               Michel.

   Die Stimme ist mir so bekannt, --
   Ei, guten Abend, Herr Melant.

                              Melantus.

   Ihr Diener: wie ist's Wohlergehn?

                               Michel.

   Gottlob! man kann jetzt doch schon etwas sehn.

                              Melantus.

   Belieben Sie nicht Platz zu nehmen?

                               Michel.

   Wir werden uns nun schon bequemen.
   Hier ist auch mein Vetter vom Land,
   Von der Mutter her mit mir verwandt.

                              Melantus.

   Freu' mich, daß ich Sie kennen lerne.

                                Peter.

   Gehorsamer Diener, 's geschieht gar gerne. --
   Sobald nur erst die Lichter scheinen,
   Muß man hier gut sehn, sollt' ich meinen.

                               Michel.

   O schaun Sie, schaun Sie doch die vielen Leute!
   Was für ein Stück giebt man denn heute?

                              Melantus.

   Der Himmel weiß, ich darf es nicht entdecken,
   Vielleicht: Irrthum an allen Ecken.

                              Polykarp.

   Verdammt! da soll man nun hier sitzen
   Und vor Erwartung frieren und schwitzen,
   Möchte man doch nur den Kuchenjungen schicken,
   So könnte man sich doch an irgend was erquicken.

                                Peter.

   Wie einem nun die Augen helle werden!

                              Melantus.

   So gehts mit allen Dingen auf Erden.

                               Michel.

   Mich dünkt, Sie sprechen so betrübt;
   Wo fehlt's? wenn's Ihnen zu sagen beliebt.

                              Melantus.

   Ach, bester Mann, ich habe vielen Kummer,
   Wir sitzen am Ende hier im Dunst,
   Mir wird im Kopfe immer dummer,
   Und glaube dabei nicht recht an eine Kunst.
   Es kann wohl sein, daß wir vergebens harren,
   Und, lieber Freund, dann sind wir rechte Narren.

                                Peter.

   Ja wohl, das wär ein schlechter Spaß.

                               Michel.

   Mit Ihr'r Erlaubniß, erklären Sie mir das.

                              Melantus.

   Sehn Sie, wer kann uns dafür stehn,
   Daß man hier wirklich wird was sehn?
   Wir hoffen am Ende vergebens auf Lichter,
   's giebt vielleicht weder Direktor noch Dichter;
   Wird man den Vorhang aufwärts rollen?

                               Michel.

   Gevatter! das sind wunderliche Schrollen.

                                Peter.

   Es fehlt nicht viel, ich gehe gleich hinaus,
   Wir säßen ja gleichsam hier in einem Narrenhaus.

                               Michel.

   Sie melankolen wohl zu Zeiten,
   Daß Sie mit solchen Grillen streiten,
   Denn bedenken Sie nur mit allen fünf Sinnen,
   Was würden wir dabei gewinnen?
   Nicht wahr? Sie wünschen was zu sehn,
   Sonst würden Sie nach Hause gehn?
   Woher käm Ihnen das Begehren
   Wenn endlich keine Stücke wären?
   Sie begreifen, daß ich philosophisch spreche,
   Die Beweise nicht bloß vom Zaune breche,
   Und darum sein Sie nur zufrieden,
   's wird uns gewiß ein schönes Stück beschieden.

                                Peter.

   Ja das ist auch mein wahrer Glaube.
   Sie sehn, weil ich mich manchmal schnaube,
   Hat man Schnupftücher in der Welt,
   Um einzukaufen dient das Geld;
   Ich pflege immer so zu schließen:
   's giebt Schuhe, sie passen zu den Füßen;
   Und folglich müssen auch Füße sein.
   Wo Füße sind, da ist ein Bein;
   Und so schließ ich nun immer weiter,
   Am Ende find' ich den ganzen Reiter
   Und werde so mit jedem Tage gescheidter.
   Sehn Sie, man sollte doch bedenken:
   Warum säßen wir auf diesen Bänken?
   Sie sind sogar mit Tuch beschlagen.
   Den Vorhang sehn wir vor uns dort,
   Er muß doch wozu sein und darum fahr' ich fort
   Meine Meinung deutlich vorzutragen,
   Daß wenn wir nur geduldig hoffen,
   Wird das Theater endlich offen.

                              Polykarp.

   Gottlob! nun brauch ich nicht zu fluchen,
   Da kömmt ja der erwünschte Kuchen.

   Er kauft reichlich ein, setzt sich nieder und fängt an zu essen.

                              Anthenor.

   Nachbarn! mit Erlaubniß, es thut mir leid,
   Allein Ihr seid alle nicht recht gescheidt,
   Ich will Euch zwar Eure Hoffnung nicht rauben,
   Doch scheint mir alles nur Aberglauben.
   Denn seht! ich schwör's bei meinem Leben,
   Es hat noch nie einen Direktor gegeben,
   Wie sollte also ein Stück entstehn?
   Die Idee, geb' ich zu, ist recht schön;
   Allein wer soll sie exekutiren?
   Wir zahlen, so mein' ich, unsre Gebühren
   Und sitzen dann hier und dichten und trachten;
   Und das ist schon für ein Stück zu achten.
   Habt Ihr schon einen Direktor gekannt?

                                Peter.

   Lieber Gott, Ihr wißt's, ich komme vom Land.

                              Anthenor.

   Könnt Ihr mir einen Direktor definiren?

                                Peter.

   Ich glaube, der Mann will uns vexiren.

                              Anthenor.

   Was ist also ein Direkteur?
   Ihr denkt und rathet hin und her,
   Verwirret Euch in die Kreuz und Quer,
   Und daraus folgt denn mir am Ende --

                              Melantus.

   O schließt nur ja nicht zu behende!

                              Anthenor.

   Daß wenn man's gründlich überlegt,
   Sich dahinten kein Direktor rührt noch regt,
   Daß _hinter_ dem Vorhange nichts sich rührt,
   Ein Stück wird _vor_ dem Theater aufgeführt
   Von uns, die wir als wahre Affen
   Behaupten, alles sei nur geschaffen
   Um zu einem künftigen Zwecke zu nutzen
   Und darum verschleudern die Gegenwart.

                     Michel ~heimlich zu Peter~.

   Das ist ein Kerl von schlimmer Art,
   Man sollte ihm die Nase putzen.

                                Peter.

   Wie wenn man ihn mit Philosophie zu Boden legte,
   Daß er sich weder rührte noch regte?

                               Michel.

   Das hilft bei ihm nichts, er ist ein Block,
   Aber ich habe hier einen tüchtigen Stock,
   Damit möcht' ich ihm eins versetzen,
   Daß er die Zukunft lernte besser schätzen.

                                Peter.

   Doch, wenn Sie keinen Direktor annehmen,
   Wie können Sie sich denn bequemen
   Hier zu sitzen in aller Welt?

                              Anthenor.

   Weil's mir draußen noch wen'ger gefällt.
   Das Sitzen hier macht mir Vergnügen,
   Ich betrachte die Menschen um mich her,
   Und dieses amüsirt mich mehr
   Als würde uns ein Stück angeführt,
   Das nur die Leute ennuyirt.

                               Michel.

   Hinterm Vorhang ein Licht! seht her!
   Was gilt die Wette, der Direkteur
   Arrangirt schon alles zum Stück
   Und bald hebt sich der Vorhang.

                              Anthenor.

   Nun, viel Glück!
   Wenn's so weit kommt, doch dann nur und nicht ehe
   Glaub' ich, daß etwas Aehnliches geschehe.

       Ein Lampenputzer tritt auf mit einem Licht in der Hand.

                                Peter.

   Der Direkteur!

                           Mehrere Stimmen.

   Wo? wo?

                                Peter.

   So wie er leibt und lebt
   Steht er ja da, seht hin! was gebt
   Ihr mir, wenn ich zu sprechen wage
   Und selber nach dem Stücke frage?

                              Polykarp.

   Wir alle sind Euch sehr verbunden,
   Es währt vielleicht noch ein'ge Stunden.
   Zum Amusiren hab' ich vor der Hand
   Wohl auf 'ne Stunde noch Proviant.

                           Mehrere Stimmen.

   Nun fragt ihn, denn das kann nicht schaden.

                          Peter ~steht auf~.

   Verzeihen Sie, ich bitt' in Gnaden,
   Sie möchten unsre Bitte gewähren
   Und uns in Unterthänigkeit belehren,
   Was, wie und wo das Stückchen wird gespielt,
   Nach dem ein jeder ein Begehren fühlt?

                            Lampenputzer.

   Was schwäzt denn wohl da unten? he?

                               Michel.

   Nun, Peter, hörst Du wohl? O weh!
   Ein schwäbischer Dialekt? -- oder irrt sich mein Gehör?
   Nein schwäbisch spricht wohl nicht der Direkteur.

                                Peter.

   Wir dachten, weil Sie mit dem Lichte
   Die dunkle Finsterniß vertreiben,
   Sie wären irgend einer vom Gewichte,
   Sie könnten uns vielleicht beschreiben,
   Von was für Ton, von welchen Arten
   Das Stück sei, das wir hier erwarten.

                            Lampenputzer.

   Wie? Schie erwarte da ein Stück?
   Das istchs das erste, wasch ich höre.

                              Polykarp.

   Das scheint noch alles weit zurück,
   Indessen zieh' ich draus die Lehre,
   Daß man sich halte an dem was wir besitzen.
   Was kann das Hoffen und Erwarten nützen?

                            Lampenputzer.

   Man schikte mich, um ein'ge Lichter anzuzünden.

                               Michel.

   Nun wird es sich ja doch wohl finden,
   Der Oberste schickt ihn gewiß hieher;
   Nicht wahr? der _man_, der ist der Direkteur?

                            Lampenputzer.

   Der Direkteur? der schickt? der _man_, --
   Nein, nein, Schie irren schich in mir,
   Scho viel ich von begreifen kann
   Istch's blos etwasch zu finster hier.

                                Peter.

   Doch sagt, wer kümmert sich darum?

                            Lampenputzer.

   Nun, nehmen Schie's nur halt nicht krumm,
   Wenn Schie's Dunkelsein besser gustiren,
   Scho will ich mich geschwinde retiriren.

                               Geht ab.

                               Michel.

   Der Kerl kann wirklich nicht kapiren.

                              Anthenor.

   Kommt Ihr nicht bald auf meine Hypothese?

                               Michel.

   Herr! sei er still, er macht uns böse,
   Man muß hier keine solche Reden führen,
   Er weiß den Henker vom Dirigiren.
   Wie kann er den Direktor läugnen?
   Daß wir ihn nicht so derbe zeichnen,
   Damit er sich nicht wieder untersteht
   Und andern mit solchen Exempeln vorgeht:
   Was würde aus dem ganzen Theater,
   Käm jedermann auf sein Geschnatter?

                              Anthenor.

   Doch mit Erlaubniß, seid so gütig nur,
   Zeigt vom Direktor mir die kleinste Spur.

                               Michel.

   Gottloser Mensch! wie kann er alles so verachten,
   Muthwillig zu verleugnen trachten?
   Hat er kein Geld am Eingang denn gegeben?
   Sieht er den Vorhang nicht? war nicht so eben
   Ein Mann, ein edler Mann, ein Abgesandte
   Vor unsern Augen da, der den Direktor kannte?
   Fing nicht schon an ein schönes Licht zu leuchten?
   Bis wir den edlen Mann mit unsern Reden scheuchten?
   Was kann er dazu sagen? he?
   Er wird sich nun auf's Leugnen legen.

                              Anthenor.

   Das wär ein wenig zu verwegen;
   Doch wenn ich anders Logik recht versteh,
   So können Sie daraus nicht schließen,
   Daß ein Direktor hinten sei.

                               Michel.

   Nun warte, ha! Das sollst Du büßen.

                       Er hebt einen Stock auf.

                                Peter.

   Je, schlagt den Kerl doch zu Brei!

                               Stimmen.

   Was ist denn da für ein Rumoren?

                                Peter.

   Meine Herrn, wir werden von 'nem Kerl geschoren,
   Der uns beweist, wir wären hier unnütze,
   Der manchen hier mit seinem Witze
   In seinem Glauben -- irre leitet,
   So weit in seinem Irrthum schreitet,
   Daß er behauptet, vom ganzen Direktor
   Gucke noch kein Härchen hervor,
   Und der zu uns sagt, wir sind nicht gescheidt,
   Wenn einer sich auf's Schauspiel freut,
   Er sagt, es wäre nur alles Trug,
   Wir wären uns selber Komödie genug.

                                Baal.

   Warum werft Ihr ihn nicht hinaus?

                               Stimmen.

   Er gehört gar nicht in dieses Haus.

                              Anthenor.

   Aber Leute, es gefällt mir noch weniger da draus.

                                Baal.

   Wir werden ihn nicht lange fragen.

                               Michel.

   Ich habe ihn schon hier beim Kragen.

                                Baal.

   Hinaus mit dieser Lästerzunge.

                    Anthenor wird hinausgeworfen.

                              Polykarp.

   Doch -- sagt, wo ist der Kuchenjunge?
   Das verzehrt sich schneller als man denkt.

                                Baal.

   So haben wir's nun zum besten gelenkt,
   So können wir doch nun nach dieser harten
   Bekämpfung wieder in Ruhe erwarten
   Was uns das güt'ge Schicksal bescheert,
   Und mancher wird noch durch seinen Fall belehrt.

   Das Orchester fängt an sich zu füllen, die Musikanten stimmen auf
                         ihren Instrumenten.

                                Peter.

   Sagt doch, was soll denn das bedeuten?

                               Michel.

   Sie wollen eine Musik bereiten.

                                Baal.

   Bereiten? 's ist ja schon Koncert,
   Ihr seid der Harmonie nicht werth.
   Hört, wie ein Ton mit dem andern kämpft
   Und jeder sich doch selber dämpft.
   Wer, ach! bei diesem Klang nichts fühlt,
   Für den ist nie ein Stück gespielt.

                              Melantus.

   Sie bereden mich nicht, daß Melodei
   In diesem Schariwari sei.

                                Baal.

   Je mehr Schariwari, je besser,
   Der Genuß ist drum um so größer.
   Sie scheinen nichts von zu verstehn,
   Drum will ich als Exempel vorgehn,
   Und damit nur jeder gänzlich schweige:
   Ich spiele selber etwas auf der Geige,
   Doch hab' ich's noch nie weiter getrieben,
   Bin immer beim Schariwari stehn geblieben.

                              Melantus.

   So dürften Sie auch gar nicht wagen
   Ihr Urtheil hier so dreist zu sagen,
   Ein jeder, der nur Ohren hat,
   Ist dieses Kreischens lange satt.

                                Baal.

   Was gehn für Laster hier im Schwunge?
   Herr, mit der groben Lästerzunge,
   Sie verdienten, daß Sie's wissen,
   Sie würden wie Anthenor 'rausgeschmissen.

                              Melantus.

   's ist keiner, der sich's unterstände,
   An mich zu legen seine Hände.

                                Baal.

   Hier ist er! denn es ist bekannt,
   Auch davon bin ich Dilettant.

                      Er ergreift den Melantus.

   Meine lieben Zuschauer und Freunde,
   Entled'gen wir uns schnell unsrer Feinde,
   So haben wir dann desto größre Ruh
   Und sehn den Werken des Direktors zu,
   Und werden im lieblich himmlischen Koncert
   Nicht mehr von Flegeln der Art gestört.

                    Melantus wird hinausgedrängt.

                                Peter.

   Das geht hier streng zu, wie ich merke.

                               Michel.

   Der Kerl hat 'ne große Stärke.
   Man darf nun nicht mehr disputiren,
   Will man nicht seinen Platz verlieren.

                                Peter.

   Die Leute waren zu ungenirt,
   Drum wird an ihnen ein Exempel statuirt.

                              Polykarp.

   O weh mir! -- ach! mein Herz will brechen --
   Bin kaum im Stand -- ein Wort zu sprechen --
   Was fang' ich armer -- geschlagner Mann
   In diesen -- großen -- Nöthen an?

                                Baal.

   Da seht Ihr nun, was unsre Sinnen
   Mit uns für schlechtes Spiel beginnen,
   Ihr könnt gar leichtlich es ermessen,
   Der Sünder hat sich überfressen.

                              Polykarp.

   Ach nein! -- es ist mein schlimmes Glück,
   Ein hartes unverdient Geschick --
   Sie meinen wohl die wen'gen Kuchen --
   Ach! könnt' ich irgendwo Hülfe suchen.

                                Baal.

   Das ist die Strafe der Sinnlichkeit!

                              Polykarp.

   Und ist es denn nicht Grausamkeit,
   Die armen Dinger von Sinnen, uns angeschaffen,
   So unerhört für Sinnlichkeit zu strafen?
   Ach! -- vor den Augen wird mir's trübe,
   Helft mir, o helft -- aus Nächstenliebe!

           Er sinkt um und wird von einigen hinausgetragen.

                                Peter.

   Sollt' das noch eine Weile währen
   So wird das Theater sich bald wieder leeren.

                               Michel.

   Wenn immer nicht neue wiederkämen,
   So möcht' das Publikum bald ein Ende nehmen.

                                Baal.

   Merkt's Euch, Ihr lieben Nachbarsleute,
   Da seht Ihr ein Exempel heute,
   Wohin elende Sinnlichkeit uns führt,
   Daß man Hoffnung zum Stück und alles verliert.

                       Ein reisender Engländer.

   Der Henker hol' ein solches Publikum,
   Ich scheere mich den Teufel nichts darum,
   ^God dam!^ macht Essen so viel Beschwerden,
   Wird aus der Hoffnung auch nichts werden,
   Und eben fällt mir's ein: daß ich mich ennuyire,
   's ist besser, daß ich mein Eintrittsgeld verliere,
   Als hier unter abgeschmackten Narren
   Nichts thu' als auf was Abgeschmacktes harren.

                                Baal.

   Sie wollen, mein geliebter Freund,
   Von dannen gehn, so wie es scheint.

                            Der Engländer.

   Nicht anders!

                                Baal.

   Haben Sie überlegt,
   Was dieser Schritt für Folgen hegt?

                            Der Engländer.

   Das hab' ich nicht in Acht genommen,
   Ich will den Narren hier entkommen.

                                Baal.

   Die Narren werden nicht verschwinden,
   Auch anderswo sind welche zu finden.

                            Der Engländer.

   So ist's doch eine neue Sorte,
   Ich geh von dem verwünschten Orte,
   Wo der dicke Kerl für sein bischen Geld
   Sich für den Allerklügsten hält. ~Er geht ab.~

                                Baal.

   Wer wird das wen'ge Warten scheuen?
   Es wird ihn warlich noch gereuen. --
   Die Störer sind nun weggebracht,
   Nicht wahr, nun hoffen Sie mit Macht?

                                Peter.

   Sein Sie nur so gut mir vorzuschreiben,
   Ich hoffe, und ich laß es bleiben,
   Wie Sie es gütigst haben wollen,
   Damit Sie mich nur nicht 'rausschmeissen sollen.

                               Michel.

   Nein, nein, hier sitzt sich's gut und schön,
   Wir werden gewiß bald etwas sehn,
   Wenn ich nur wüßte, ich muß mich schämen
   So zu sprechen, -- was für Sachen kämen.

                              Gottfried.

   Sehn Sie, ich will's Ihnen deutlich machen:
   Vor's Erste ist es nichts zum Lachen,
   Vor's Zweite, ist es nichts zum Spaßen,
   Vor's Dritte, schön ist es über die maaßen,
   Und Viertens, keine Schlägerein,
   Und Fünftens, keine Zänkerein,
   Dann Sechstens ist es äußerst schön,
   Und schließlich, werden Sie's ja selber sehn.

                                Peter.

   's ist mir doch lieb, ich bin geblieben,
   Er hat wohl selbst das Stück geschrieben.

                               Michel.

   Mich wundert, wie der gute Mann
   So klar und deutlich davon reden kann,
   Als hätt er's ehmals schon gesehn --
   's ist aber doch gewiß recht schön.

                 Ein zweiter Lampenputzer tritt auf.

                               Michel.

   Da seh ich wieder ein Licht erscheinen.

                                Peter.

   Was wird Herr Baal dazu meinen?

                               Michel.

   Herr Baal, wir sind gar sehr gequält,
   Weil es uns an einer tüchtigen Meinung fehlt,
   Wollten Sie nicht etwas für uns denken?
   Und uns dann Ihre güt'ge Meinung schenken?

                                Baal.

   Lieben Freunde, das kann gar leicht geschehen,
   Muß mir den Mann erst näher besehen.

          Der Lampenputzer hat indessen Lichter angezündet.

                                Rüpel.

   Das ist doch gleich ein andres Wesen,
   Man kann nun die Avise lesen.

                            Lampenputzer.

   Ich zündete die Lichter an,
   Und sieh, das war sehr gut gethan,
   Vorher war alles nur Schattenreich,
   Jetzt sieht das Publikum doch Menschen gleich.

                            Das Publikum.

   Wir sind Ihnen dafür in allen Stunden
   In tiefer Unterthänigkeit verbunden.

                            Lampenputzer.

   Ich hoffe, das Stück soll bald beginnen.

                                Peter.

   Wir trachten darnach mit allen Sinnen.

                            Lampenputzer.

   Ich bin so dreist und will es wagen,
   Ihnen kürzlich meine Meinung zu sagen,
   Ich kenne den Herrn Direktor persönlich,
   Es ist ein guter Mann, gewöhnlich
   Seh ich ihn einmal Tag für Tag,
   So daß ich wohl so von ihm sprechen mag.
   Sein einzger Wunsch ist Ihr Vergnügen.
   Ja er hat mir es nicht verschwiegen,
   Daß wenn sie nur noch etwas sich gedulden wollen,
   Sie sich gewiß verwundern sollen.

                               Michel.

   Ob man das alles darf so glauben?

                                Peter.

   Es ist noch manches loszuschrauben.
   Wenn nur Herr Baal voller Güte
   Sich mit einem kleinen Wink bemühte.

                            Das Publikum.

   Herr Baal, wir sind sehr verlegen,
   Sie wissen wohl, der Meinung wegen.

                                Baal.

   Ganz recht und mir wird's auf die Dauer
   Wahrhaftig doch ein bischen sauer,
   Für alle zu glauben, für alle zu denken,
   Und so geschickt die Gemüther zu lenken.
   Indessen mein' ich, daß dieser Mann
   Wohl schwerlich vom Direktor wissen kann.
   Der Direktor macht sich nicht so gemein,
   Er ist für solche viel zu fein,
   Ich halte dafür, er macht mir Wind,
   Und wir sind Thoren, wenn wir geduldig sind.

   Ein Theil des Publikums wirft mit Aepfeln nach dem Lampenputzer,
                   worauf sich dieser zurückzieht.

                                Rüpel.

   Mir kommen jetzt Ideen nagelneu,
   Und ich sage sie Ihnen ohne Scheu.
   Wenn ich das Ganze überlege,
   So können wir Nachbarn allewege
   Hier gar nicht im Theater sein,
   Es ist nur Lug und Trug und Schein.

                               Michel.

   Sie führen uns auf neues Eis;
   Doch wo bleibt denn nun Ihr Beweis?

                                Rüpel.

   Ein Beweis so klar wie der Tag,
   Wer ihn nur begreifen mag.
   Wir bilden uns nämlich ein, _wir sind_,
   Und daraus folgt denn nun geschwind,
   Daß alle Dinge, die wir so erleben,
   In uns nur als Phantome schweben.

                                Peter.

   In uns? Es schwebte nur in mir
   Das ganze große Theater hier?

                                Rüpel.

   Nicht anders.

                                Peter.

   Mit allen diesen Bänken?

                                Rüpel.

   Natürlich!

                                Peter.

   Das wird mir den Verstand verrenken.

                               Michel.

   Die Meinung verdirbt uns alle den Magen,
   Wir haben genug an unsrer Seele zu tragen.

                                Rüpel.

   Sie empören sich gegen meine Gründe,
   Was gilts, daß ich's mir noch komm oder erfinde?
   Ich bin der einz'ge hier, der existirt,
   Und sich die andern nur imaginirt,
   Dann steht es billig kaum zu begreifen,
   Wie ich so kann Erfindung auf Erfindung häufen,
   Und daß ich hier so eingepresset sitze,
   Und das Gedränge macht, daß ich schwitze,
   Und doch kann ich's verfluchte Imaginiren
   Nicht lassen, ich muß dies alles produciren.

                  Michel ~giebt ihm eine Ohrfeige~.

   Darin scheint mir kein Menschenverstand,
   Und drum bestraft Sie diese Hand.

                                Rüpel.

   Daß ich mir diese Ohrfeig' nur erdenk', ist Ihr Glück,
   Sonst bräch ich warlich Ihr Genick.

                               Michel.

   Wo hab' ich ein Genick? Sie stellen sich's nur vor.

               Rüpel ~giebt ihm wieder eine Ohrfeige~.

   Sie haben Recht und drum schlag ich Sie auch ans Ohr,
   Es ist nur meine eigne Seele,
   Die ich dadurch ein wenig quäle.

                                Peter.

   Das ist ein wahres Ungeheuer.

                               Michel.

   Hier ist der gute Rath nun theuer.

                                Peter.

   Nur zugeschlagen, ich helfe mit,
   Denn bei dem Kerl ist doppelter Profit,
   Denn erstlich kriegt er allewege
   Von uns schwer abgewogne Schläge,
   Dann kriegt er auch noch die, Ihr hört's ihn selber sagen,
   Die wir aus diesem Kampfe tragen.

                               Stimmen.

   Ruhig, wozu soll das Gelärme?

                                Rüpel.

   Es ist nichts, meine Herrn, als daß ich ein wenig schwärme.
   Wir leben in aller Einigkeit,
   Ich fingire mir nur 'ne Streitigkeit,
   's ist nur um ein wenig Geduld zu thun,
   So wird die Imagination wohl wieder ruhn.

                 Baal, ~der aus dem Schlaf erwacht~.

   Nun weiß ich alles, lieben Leute,
   Ein Familienstück giebt man uns heute,
   Der Lampenputzer ist dem Direktor verwandt,
   Wir haben gänzlich ihn verkannt;
   Wenn der Vorhang sich nun endlich hebt,
   So sehen wir, was jeder in seinem eignen Hause erlebt,
   Wie der Obre sich um die Familie bemüht,
   Die Kinder durch Lohn und Strafe erzieht.
   Am Mittag ißt er sich wacker satt,
   Beim Verdauen er Langeweile hat,
   Läßt sich dann ein'ge Arien singen,
   Und thuts in allen möglichen Dingen
   Wie wir es immer haben gethan;
   Und das sehn wir zur Erquickung an.
   Wie wird es uns ergötzend laben,
   Unser langweilig Leben im Spiegel zu haben!

                              Gottfried.

   Ich freue mich schon jetzt darauf,
   Ging' doch der Vorhang endlich auf!
   Doch hoff' ich, werd' ich auch erfahren
   Was gestern für Leute beim Nachbar waren,
   Und wer in das neue Haus gezogen,
   Man hat so manches darüber gelogen.

                                Peter.

   Wir sehn vielleicht auch Herrn Melante
   Und manche andre Bekannte,
   Meine Muhme die wollte nicht mit mir kommen,
   Sie hat vielleicht auf'm Theater Platz genommen.

                               Michel.

   Mir ist ein Knecht jüngst echappirt,
   Der wird vielleicht mit aufgeführt:
   Man sollte dann aber darnach streben,
   Ihm ein'ge wenige Prügel zu geben.

                               August.

   Ich glaube vielmehr, daß wir etwas sehen
   Was vor noch nimmermehr geschehen,
   Gemälde, die doch nicht Gemälde zu nennen,
   Maschinen, die sich bewegen können,
   Und bunte tausendfarbge Strahlen
   Die alles schön und herrlich mahlen,
   Daß wir vor Wolken und schimmernden Dunst,
   Vor unbegreiflich schöner Kunst,
   Am Ende nichts vom Theater werden gewahr;
   Das ist meine Meinung auf ein Haar.

                               Philipp.

   Meine Vernunft kann sich durchaus nicht bequemen,
   Nur eine der Meinungen anzunehmen.
   Es so zu glauben ist nur dumm,
   Ich find' einen andern Weg mir weit herum,
   Denn ohngefähr glaub' ich dieselben Sachen,
   Nur muß ich mir darüber ein Systemchen machen,
   Und daß bei Leibe sich nur nicht der Vorhang hebt
   Bis mein System ist fertig ausgewebt,
   Daß ich nicht unvorbereitet, wie ein Schwein,
   In all die Freude plumpe hinein.

                         Baal ~zu Hanswurst~.

   Mein Sohn, Du sprichst kein einzig Wort,
   Hab' ich Dich dazu unterricht?
   Nun sprich, bist gern an diesem Ort?
   Wie? oder liebest Du ihn nicht?

                              Hanswurst.

   Verzeiht, mein Vater, ich habe sacht
   Indeß über alles nachgedacht,
   Das ist noch nichts und zeigt von keinen Gaben
   Irgend eine lumpige Meinung zu haben,
   Doch das, dünkt mich, verräth Geschick,
   Mit einem kühnen Adlerblick
   Durch das ganze mannichfaltige Gebiet zu streifen,
   Was roh ist, niedlich glatt zu schleifen,
   Von Eichen Birnen abzuessen,
   Den leeren Raum genau zu messen,
   In jedem Unsinn Wahrheit auch zu finden,
   Und alles zu einem Ganzen zu verbinden.
   Eure Meinung, Vater, ist bekannt,
   Ich nehme sie an und mache sie etwas galant,
   Dazu nehm ich ein bischen vom Anthenor hinein,
   So vermeid' ich dadurch der Einseitigkeit Schein.
   Auch ist Herr Polykarp nicht gänzlich zu verachten,
   Nur muß man fleißig dahin trachten,
   Es mit Herrn Philipps Sätzen zu vereinen,
   Und auch zugleich, was Rüpel meint, zu meinen.
   Ich nehme mich auch Herrn Melantens an,
   Auch Gottfried und Herr August ist ein guter Mann.
   Es muß uns allenthalben glücken,
   Von einem zum andern zu legen Brücken,
   Und so meine Freunde, bleibt es uns offen,
   Auf die wunderlichste Weise zu hoffen,
   Auf Sachen, die uns jetzt im Augenblick
   Unsinnig scheinen, aber wir kommen schnell zur Ueberzeugung zurück.
   Ich dächte, das wäre der beste Schwank,
   Und die Zeit würde uns so am wenigsten lang.

                            Das Publikum.

   Ja, ja, das ist die beste Methode,
   Wir sind schon alle in der Mode.




                              Der Autor.
                       Ein Fastnachts-Schwank.
                                1800.


                     Der Autor ~in seiner Stube~.

   Wie mir's in allen Gliedern liegt!
   Die Augen kann ich kaum erheben,
   Bin durch und durch recht mißvergnügt
   Und führe ein meschantes Leben.
   Von allen geneckt, von keinem gefühlt,
   Vergebens Poesie ausgespielt --
   Da kommen sie dann und loben, wie's scheint,
   Ist eigentlich als Tadel gemeint,
   Und drehn sich und winden sich närrisch herum,
   Sind überklug, deswegen unterdumm. -- --
   Wo bist du, herrliche Frühlingszeit?
   Wie liegst du von diesen Mauern so weit!
   Kommt Sonne über die Dächer geflossen,
   Scheint mitleidsvoll in die Kammer herein: --
   Ich habe noch keine frohe Stunde genossen,
   Mich nicht ergangen im lieblichen Schein,
   Statt aller frohen freien Natur,
   Druckfehler um mich in Korrektur,
   Gewöhne mich alles zu korrigiren,
   Die ganze Welt zu rektifiziren,
   Schau ich von der Höh hinab in die Thäler,
   Seh ich allenthalben nur Schöpfungsfehler,
   Und fange zu brummen an, endlich zu hassen,
   Möchte bogenweis umdrucken lassen,
   Kömmt mir alles nur wie Stümperwerk vor,
   Und fühle recht gut, ich werd' ein Thor. --
   Warum seid ihr entschwunden
   Ihr fröhlichen Jugendstunden,
   Als noch Baum und Blume mit mir spielten,
   Und Erd' und Himmel mit mir fühlten,
   Mich alle als ihres Gleichen hielten?
   Jetzt bin ich unter der Presse
   Und leide schlimmen Druck,
   Verhandelt auf der Messe,
   Und komme täglich weiter zuruck.
   Da ist an keine Ergötzung zu denken,
   Kein Volksfest, kein fröhlich Gelag,
   Man muß sogar am Feiertag
   Mit Sorgen sein Gemüth nur kränken.
   Will ich zum Wald die Schritte lenken,
   So folgt mir die Erinnrung nach,
   Und alle Sorgen werden wach,
   Will nichts mir die Erquickung schenken.
   Kurzum, soll andre amüsiren,
   Daß sie vergessen ihr prosaisch Leben,
   Und muß mich selber ennuyiren,
   Vor mir will keine Hoffnung schweben,
   Und da hilft auch kein Sperren und Zieren,
   Ich muß es nur so dulden eben. --

                              Es klopft.

   Herein!

                      Ein Fremder tritt herein.

                               Fremder.

   Verzeihen, daß ich so dreist gewesen,
   Ich habe gar manches von Ihnen gelesen,
   Du mußt auch sehn den Mann so dacht ich,
   Betrachten ihn mit großem Fleiß,
   Bin jetzt auf einer gelehrten Reis',
   Einen Umweg von einer halben Meile macht' ich.

                                Autor.

   Bin Ihnen trefflich obligirt.

                               Fremder.

   Sie sind doch wohl nicht occupirt?

                                Autor.

   Ich bin es niemals, oder immer.

                               Fremder.

   Sie deuten auf das Frauenzimmer,
   Das im Meister die schöne Rolle spielt,
   Natalie, die nie oder immer Liebe fühlt:
   Hab' bei dem Buche gar manches gedacht,
   Geschaudert, geweint, mich erfreut und gelacht,
   Es ist doch gar ein trefflich Werk,
   Versteht man's, ist überstiegen mancher Berg.

                                Autor.

   Sie scheinen der Dichtkunst sehr ergeben.

                               Fremder.

   Ich kann wohl sagen, sie ist mein Leben,
   Doch lieb' ich auch den Ernst daneben.

                                Autor.

   Ganz Recht, der Ernst, den muß man lieben,
   Treibt man ihn nicht, wird man von ihm getrieben.

                               Fremder.

   Ach Lieber! es giebt so viel zu lernen,
   Die Wissenschaften täglich um sich fressen,
   Da darf man sich nur ein bischen entfernen,
   Hat man das Beste gleich vergessen,
   Und wenn man dann mit dem Zeitalter nicht geht,
   Kommt man nur allenthalben zu spät.

                                Autor.

   Die Unruhe sich jetzt schneller regt,
   Die volle Stunde häufger schlägt,
   Da muß die Uhr wohl vorwärts kommen,
   Das Repetirwerk ist herausgenommen,
   Eine neue Feder hinein endlich kam,
   Die alte war etwas gar zu lahm.

                               Fremder.

   Sehr wahr, und werth, sich zu notiren, --
   Ich darf Sie doch wohl auch zitiren,
   Wann ich die Reisebeschreibung edire,
   Und Sie dort namentlich aufführe?

                                Autor.

   Sie werden mir dadurch viel Ehre erzeigen,
   Doch mehr noch, wenn Sie gänzlich schweigen.

                               Fremder.

   So wenig mein Werklein wird bedeuten,
   Kommen Sie doch zu lauter ehrbaren Leuten.
   Was haben Sie jetzo unter der Feder?

                                Autor.

   Jetzt hat die Feder mich unter sich.

                               Fremder.

   Es scheint, mein Herr, Sie scherzen entweder,
   Oder ich bin ihnen hinderlich.

                                Autor.

   Das Erste so wenig wie das Zweite,
   Es ist nur meine Art so heute:
   Doch weil sie's wissen wollen zumal
   Arbeite an einem Poetischen Journal,
   Vielleicht ist's Ihnen auch schon bekannt.

                               Fremder.

   Ei! ei! das ist ja ganz charmant!
   Poetisch? das heißt, wie ich es fasse,
   So gleichsam Gedichte von Zeit zu Zeit,
   Das Ganze wird aber in der Masse
   Ganz unpoetisch weit und breit,
   Wir haben der Journale längst genug,
   Poetisch Journal ist ein Widerspruch.

                                Autor.

   _Es_ wird sich eben nach jedem bequemen,
   So wie er will, kann's jeder nehmen.

                               Fremder.

   So hab ich's unter andern selber gern,
   Der eine will die Schaale, der andre den Kern,
   Müssen's nur nicht am Interessanten fehlen lassen.

                                Autor.

   Wenn man nur wüßte, was interessirt.

                               Fremder.

   So intressirt zum Beispiel, über die maßen,
   Was da und da für Komödien aufgeführt,
   Wie der und der die Rolle genommen,
   Was für Witz von Paris und London gekommen.

                                Autor.

   In dergleichen Dingen bin ich unerfahren.

                               Fremder.

   So müssen Sie sich mit andern paaren,
   Um Korrespondenz und Konnexionen,
   Karikaturen und Spionen,
   Um Neuigkeiten, aus Wien und Berlin
   Und dergleichen Amüsanten bemühn.

                                Autor.

   Doch seh ich eben nichts Neues geschehen.

                               Fremder.

   Man muß nur von sprechen, man kann es nicht sehn;
   Wer wird die Dinge so schwerfällig nehmen?
   Man muß sich eben zum Glauben bequemen;
   Wer fodert, daß Gilreys Bilder witzig wären?
   Es handelt sich drum, sie zu erklären.

                                Autor.

   Mein Herr, das ist mir nicht gegeben,
   Zu führen ein solch erbärmlich Leben.

                               Fremder.

   Ja ja, sie glauben wohl, was sie leisten,
   Sind kaum ein Gilrey für die Meisten,
   Und, Spaß a part, wie meinen Sie das,
   Halten Sie denn ihren Spaß für Spaß?
      Ihre Reime
      Und Träume,
      Dazwischen die Blumen und Bäume,
      Und alles, man weiß nicht geht man,
      Fällt, oder steht man,
      Kein Silbenmaas, Rhytmus durchaus nicht,
      Daß alles so bunt und kraus herausbricht,
      Sammt den Aufputz vielerlei Plunders,
      Das halten Sie wohl für was Besonders?

                                Autor.

   Ihr Eifer bringt Sie in's Parodiren.

                               Fremder.

   Ei man muß sich leider wohl enthusiasmiren,
   Wenn man sieht die Zeichen der Zeit,
   Den unnützen Stolz, die Ueberklugheit,
   Daß sie anfangen, brave Leute zu hassen;
   Nein, selber leben und leben lassen!
   Der eine schreibt Journale und kritisirt,
   Der andre schreibt Journale und spintisirt,
   Ein dritter fängt's an und satirisirt,
   Ganz gut, doch muß man keinen verachten,
   Nicht meinen, das Gute für sich zu pachten,
   Die andern zu verkleinern streben,
   Die Menge der Leser muß den Ausschlag geben.

                                Autor.

   Ich freue mich, daß ein Patriot
   Sich annimmt seines Vaterlandes Noth.

                               Fremder.

   Ei schön! Sehn Sie, wie gut der Rest
   Von sanften Gefühlen ihnen läßt,
   Das andre ist doch nur Saus und Braus,
   Kommt nichts bei alle dem heraus.

                                Autor.

   Sie sind wohl auch ein Schriftensteller.

                               Fremder.

   Es liest jetzt keiner, er schreibe denn auch,
   Das ist jetzt allgemein Gebrauch,
   Nutzt überdies für Küch' und Keller.

                                Autor.

   Worauf ist ihr Bemühn gericht't?

                               Fremder.

   Mehr auszubreiten der Wahrheit Licht,
   Doch fang ich's sachtchen sachtchen an,
   Bin sehr der Menschenliebe zugethan,
   Suche zu befördern Lieb' und Eintracht,
   Geh nicht auf die Gegner als ob man ein Schwein schlacht,
   So daß man ihr Quieken gassenweit hört,
   Denn dadurch wird selten einer bekehrt.
   Sie werden bald manches in der Nationalzeitung
   Von aller meiner Bemühung finden,
   Dann geb' ich mir noch mehr Ausbreitung,
   Such mich mit andern zu verbinden,
   Die auch für die gute Sache glühen,
   Und sich zu Deutschlands Besten bemühen:
   So wirken wir dann zur Geselligkeit,
   Wie die Verfasser der Ruhestunden,
   Erzeigen Tausenden eine Gefälligkeit,
   Die Nachwelt ist uns noch verbunden,
   Erschnappen wohl gar, o Herrlichkeit,
   Ein Bischen von deutscher Unsterblichkeit.
   Ich empfehle mich Ihnen, hab' sehr mich gefreut, --
   Muß gehn, besuche noch andre Leut. -- ~Geht.~

                                Autor.

   Man sagt wohl: laß dich nicht erboßen,
   Belache lieber die Narrenpossen,
   Doch kömmt's einem manchmal in die Glieder geschossen,
   Daß man möchte mit Prügeln und Knütteln
   Diese Zartheit und Trefflichkeit durcheinander rütteln.
   Meinen sind Engel, und sind in der Regel
   Beim Licht besehn gar ordinäre Flegel.
   Man närrt sich nur, denn nimmer nie
   Verstehn sie, fühlen sie Poesie. --
   Was willst du nur das Geschriebne häufen,
   Durch wunderbare Länder schweifen?
   Denkst du die Meister zu übertreffen,
   Deren Töne bei ihnen nicht wiederklingen?
   Wie kannst du dich nur selber äffen?
   Denkst du die goldne Zeit zurück zu bringen?
   Wie war es denn, als noch die starre Brust
   Geöffnet war den Schmerzen wie der Lust?
   Welch Genius hat doch beflügelt
   Den dunkeln Kerker ehemals entriegelt?
   Jetzt sind sie zu, und kein Erwarmen,
   Kein Sonnenschein dringt zu den Armen,
   Sitzen drinn in ihrem dunkeln Haus,
   Man hört sie aus der Ferne winseln,
   Und ihre Liebesmelodien pinseln.
   Gukt höchstens mal einer in der Schlafmütze raus,
   Und wundert sich, daß draussen auch Welt,
   Die ihm aber wegen der Größe nicht gefällt.
   Der Schlüssel zum Gefängniß scheint verloren,
   Und wer weiß, wenn der Held einst wird geboren,
   Der sie aus ihrer Marterkammer hebt
   Und sie zu Lust und Trauer neu belebt.
   Sie denken nichts, sie fühlen nichts,
   Sie wissen's nicht und entbehren des Lichts,
   Und auch die Sehnsucht ist ihnen versiegt,
   Sie sind nicht verdrüßlich, noch wenger vergnügt.
   Was nutzt alles Dichten und Trachten,
   Da sie's so kecklich verachten?
   Mit aller Kunst, o wahres Wort!
   Man keinen Hund aus dem Ofen lockt.

   O hätt' ich Flügel mich himmelan zu schwingen,
   Könnt' mir einer den flüchtigen Pegasus bringen,
   Damit in den blauen Luftrevieren
   Mit aller Freude herum zu spazieren,
   Sonne und Mond und Sterne näher zu besehn,
   Und hier in Qualm und Dampf nicht zu vergehn!
   Da klopft es schon wieder an meiner Thür.
   Herein!

                   Die Muse tritt lächelnd herein.

                                Autor.

   O Himmel! ich vergehe schier,
   O du lieb holdes Angesicht,
   So schau ich wieder dein Augenlicht?
   Ich bin's nicht werth, unwürdger Knecht,
   Daß du den Weg zu mir gericht.

                                Muse.

   Wie muß ich Dich in Unmuth finden,
   Was konnte so Deine Sinne binden?

                                Autor.

   Ich fühle die Schaam im neuen Erquicken,
   Ich erkenne mich wieder im hohen Entzücken,
   Dein Auge in mein Herz 'nein lacht,
   Hat allen Frühling wieder gebracht.
   Ich fühle mich jetzt von Geistern umgeben,
   Die Kraft von Himmel und Erd' um mich schweben,
   Und ihnen entgegen mein fröhliches Streben,
   Es haben sich verjüngt die Stunden,
   Die Vorzeit sich wieder mit mir verbunden,
   Ich habe mich auf mich selbst besonnen,
   Und richte wieder den Blick zur Sonnen.

                                Muse.

   Ich hörte Dich schrein, wie ein mürrisches Kind,
   Du wolltest Dich nicht in der Einsamkeit sehn,
   Drum kam ich Dich zu trösten geschwind,
   Daß nicht in Aengsten möchtest vergehn.

                                Autor.

   Du bist so gut und freundlich mir.

                                Muse.

   Sei auch nur gut und freundlich Dir,
   Bedenk, daß jeder der Nächste sich.

                                Autor.

   Ergeben bin ich dir ewiglich,
   Mein Herz, mein Sinn und all mein Blut,
   Dient ewig dir mit treuem Muth,
   Der Gedanke an dich mich hatte verlassen,
   Drum fing ich an die Welt zu hassen,
   Dein Gegenwart lößt die verworrenen Schatten,
   Die dicht mich eingeenget hatten,
   Wie fröhlich spielt Zukunft und Vergangenheit,
   Daß es mich recht in's Herz hinein freut,
   Wie fühl' ich zu Muth und Lachen mich tüchtig,
   Wie freun mich die grotesken Gestalten,
   Die mich für ihres Gleichen halten.

                                Muse.

   Nun geht, mein Freund, Dein Puls wieder richtig.

                                Autor.

   Im Auge ist mir ein Aug' entstanden,
   Im innern Ohr ein neues Gehör,
   Nun ist mir alles ganz recht um mich her,
   Ich fühle, ich kam mir selbst abhanden.

                                Muse.

   Du mußt nie selber werden ein Thor,
   Rückst Du die Thorheit andern vor.

                                Autor.

   Hat man auch noch so große Antipathie,
   Und haßt das Gemeine von Herzensgrund,
   So kommt doch plötzlich, man weiß nicht wie,
   Eine trübe armuthseelge Stund,
   Sieh da, so hat man die Sympathie.

                                Muse.

   Bleib nur der Fröhlichkeit ergeben,
   Und thu nicht mit Dir selber grollen,
   So fühlst Du schon das gute Leben
   Wie alle Menschen es leben sollen.
   Blick um Dich heiter und fühle Dich frisch,
   Im Dichten kühn, und fröhlich bei Tisch,
   Trink in Dich munter machenden Wein,
   So wirst Du immer ein Weiser sein.

                                Autor.

   Ja wärst du mir nur immer zur Seit,
   Erlöschte wohl nie die Freudigkeit.

                                Muse.

   O Thor, hast Du mich nicht besser erkannt?
   Meinst wohl, ich sei in Gestalt gebannt?
   Schau an umher das grünende Land,
   Horch, wie der Vöglein Lieder klingen,
   Wie süße Düfte zu Dir dringen,
   Wie Hain und Flur, der Strom sich regt,
   Im ewigen Leben mit Wellen schlägt,
   Wie der Wind, ein Athem, niedergeht,
   Erfrischend durch Laub und Kräuter weht,
   Schau auf zum hohen Himmelssaal,
   Erwäge die ewige Bläue zumal,
   Ja in Dir, Dein eignes Herz erspäh
   Und warst Du nur mein Schüler je,
   So siehst Du mein Bild, wohin Du blickst,
   Und Dich an meiner Lieb' entzückst.

                                Autor.

   So redlich willst du's mit uns meinen?
   Wer möchte sich so hart versteinen,
   Sich deinem Liebesdienst entziehen,
   Nicht licht in deinem Herzen blühen?

                                Muse.

   Ja, wer mich trägt in seinem Herzen,
   Den will ich auch im Herzen tragen,
   Er darf mir alle Wünsche sagen,
   Ich schenk' ihm Muth, das Höchste zu wagen,
   Ich will eine Wagenburg um ihn schlagen,
   Daß feig vor ihm entfliehn die Schmerzen,
   Versöhnt um ihn mit bunten Freuden scherzen.

                                Autor.

   Ich will auch künftig nie mehr lästern,
   Gedenk nur mein mit deinen Schwestern.

                                Muse.

   Verkünde unsern Dienst nur weiter,
   Verzage nicht, es wird die Erde heiter,
   Vernimm in allen Stunden unser Wort,
   Und schau Dich um, Du hörst es da und dort.
   In allen Zungen, in allen Sprachen:
   Das neue Leben klingt durch alle Räume,
   Und Stein und Fels und Abgrund tönen,
   Und viel zum Fest, zur Blüthenzeit erwachen,
   Es fliehn die schweren, dumpfen Träume,
   Wie Thal und Wald sich rings in Frühlingspracht verschönen.

                                Autor.

   Wenn ich in deiner Gegenwart mich fühle
   So denk' ich nur auf große Dinge,
   Doch wenn ich dann die heilgen Spiele
   Beginnen will, dünkt alles mir geringe,
   Wo Jauchzen klang, ersteht ein todtes Schweigen,
   Es ist als bräche unter mir der Grund,
   Dann fühl ich mich nicht froh und nicht gesund,
   Ich muß alsbald zur niedern Erde steigen,
   Die tönenden Geister fliehn, ich vernehme laut
   Des Volks Geschrei, laut tobende Windsbraut.

                                Muse.

   Du bist noch jung, wohn' immer mehr im Schein,
   So wirst Du nur die Götter hören,
   Das Irdische alsdann verschwören,
   Und taub sein für des Pöbels Schrein,
   Wer einmal hörte Sphären klingen,
   Zu dem kann nie der Erde Wirrwarr dringen.

                                Autor.

   In deinem Lichte bin ich ewig jung,
   Zum Morgenroth wird alle Dämmerung,
   Den Freuden bin ich hingestellt zum Ziel,
   Leiden und Verdruß werden ein lustig Spiel,
   Ich seh nur Masken um mich tanzen,
   Ein fröhliches Possenspiel wird aus dem Ganzen.
   Doch daß du fühlen und merken mögest,
   Wie einem oft zu Muthe wird,
   Wie man von den Affen wird turbirt,
   Wie wärs, wenn du dich zurücke zögest;
   Begieb dich hinter dem Schirm derweile,
   Es kömmt ein andrer schon wieder in Eile.

                       Die Muse verbirgt sich.

                    Ein Schauspieler tritt herein.

                            Schauspieler.

   Ist mir lieb, daß Sie zu Hause geblieben,
   Denn ich habe gar nöthig Sie zu sprechen. --
   Hören's, was haben's da für ein Stück geschrieben?

                                Autor.

   Scheint Ihnen was dran zu gebrechen?

                            Schauspieler.

   Gar vielerlei; nur eins vor allen,
   Das mir im mindsten nicht will gefallen --
   Nicht wahr, ich bin der erste Held?

                                Autor.

   Wenn's Ihnen einmal so gefällt
   Den Mann als einen Helden zu nehmen,
   Er wird sich wohl darnach bequemen.

                            Schauspieler.

   Ei was! Sie müssen die Tragödie so zwingen,
   Daß immer die Helden recht vorwärts springen,
   Daß sie so recht, -- Sie verstehn mich schon,
   So tüchtig und kräftig, -- ich will nur sagen,
   Daß sich das Spielen doch dann verlohnt,
   Und man kann Beifall von dannen tragen.

                                Autor.

   Ich wollte gern, daß das Ganze rührte,
   Nichts Einzelnes die Gemüther irre führte,
   Daß Neubegier nicht unnütz spannte
   Und so das höhere Interesse verbannte,
   Es war mein Zweck, verschönert zu geben
   Ein Bild von dem großen verworrenen Leben.

                            Schauspieler.

   Nun seh mir ein Mensch nur solchen Zweck!
   Ei gehn Sie mir doch damit weg!
   Das Ganze, verstehn Sie, läuft darauf ab,
   Ob aus dem Parterr erschallt: Klipp klapp!
   Ob's in die Hände, in die Beine fährt,
   Das ist, was die guten und schlechten Dichter bewährt,
   Und werden Sie sich nicht anders richten,
   So fürcht' ich, Sie werden für die Beine dichten.

                                Autor.

   Sie haben da eine eigne Theorie.

                            Schauspieler.

   Mein Bester, die Praxis trügt uns nie,
   Sie mögen sich wohl mit kuriosen Idealen,
   Gar trefflich die Phantasie vollmahlen,
   Doch wenn man die Wirklichkeit etwas kennt,
   So hat's damit gar bald ein End.

                                Autor.

   Was ist denn aber die Wirklichkeit?

                            Schauspieler.

   Sie ist wirklich und in der That
   Nur auf dem Theater zur jetzigen Zeit,
   Das meiste im Leben ist übertrieben,
   Doch in der Kunst hält man noch Rath
   Mit Enthusiasmus und mit Lieben. --
   Ihrem Helden fehlts an großer Gesinnung,
   Das paßt auch nicht in unsre Innung.

                                Autor.

   Daran hab ich nicht Schuld gehabt,
   Er war damit nicht mehr begabt.

                            Schauspieler.

   Kurz, ändern sie ihn, daß er sich fügt,
   Wenn Ihnen am Beifall des Zeitalters liegt,
   Er muß sich ja doch nach Ihnen geniren.

                                Autor.

   Doch wird dabei das Ganze verlieren.

                            Schauspieler.

   Was haben Sie denn für ein Ganzes im Sinn?
   Sie wissen's ja selbst, kein Ganzes nicht,
   Ein Stück ist's, wie man immer spricht,
   Vielleicht lag sonst ein Ganzes darin,
   Das war für die Dinger ein großes Glück,
   Doch jetzt ist jedes nur ein Stück;
   Man muß auch dran was spielen können,
   Sonst wird es keiner ein Schauspiel nennen,
   Kein Ganzes stellen wir nimmermehr dar,
   Was ließe sich auch daran wohl spielen?
   Die Zuschauer wollen was tüchtiges fühlen,
   Denn dafür bezahlen sie richtig und baar;
   Kämen wir nun mit einem Ganzen angestochen,
   Sie thäten wahrhaftig im Ganzen pochen.

                                Autor.

   Ich habe mehr gedichtet für die Welt,
   Auf Ihre Kunst nicht Rücksicht genommen.

                            Schauspieler.

   Da sind Sie ganz in die Irre gekommen,
   Die jetzige Welt ist immer das Geld,
   Jemehr Geld man hat, jemehr auch Welt,
   Welt ist nichts als eine falsche Aussprache,
   Das andre aber bezeichnet die Sache.
   Wollen Sie sich nun nicht korrigiren,
   So kann ich den Helden ihres Stücks nicht entrepreniren.

                               Geht ab.

                                Muse.

   Warum machst Du Dir solche Beschwer,
   Stehst mit den Thoren in Verkehr?

                                Autor.

   Ich that es nur, um auch im Weiten,
   Im Volke deinen Dienst zu verbreiten.

                                Muse.

   O laß sie nur in ihrem Eigenthume,
   Denn sie sind fern von meinem Heiligthume.

                                Autor.

   Man kann sich freilich übereilen,
   Man wünscht doch für die Menge zu schreiben.

                                Muse.

   Die Menge! gäb' es eine Menge!
   Doch ziehn sich tausend in die Enge,
   Es scheint am Ende kaum noch Einer,
   Beim rechten Licht besehn, gar keiner.

                     Ein Recensent tritt herein.

                              Recensent.

   Ich bringe Ihnen das Buch hier wieder,
   Es war mir doch zu sehr zuwider.

                                Autor.

   Ich danke für Ihre Aufrichtigkeit.

                              Recensent.

   Ja, lieber Mann, es thut mir leid,
   Ich spräche gern, wie sich's geziemt,
   Ein wenig, wie man's nennt, verblümt,
   Aber Ihre Schriften sind gar zu schlecht,
   Als daß man's Ihnen nicht sollte sagen,
   Vielleicht kann's doch dazu beitragen,
   Daß Sie sich kehren auf Wege, die recht,
   Und nicht auf Pfaden so kreuz und quer:
   Sie machen sich selber das Leben schwer.

                                Autor.

   Wollen Sie's mir nicht ein wenig erläutern?

                              Recensent.

   Daran würde jede Bemühung scheitern,
   Alles was Sie suchen ist excentrisch,
   Alles was Sie wollen ist unverständlich,
   Alles was Sie schreiben ist ohne Verstand,
   Und drum kann man nur vor der Hand
   Sie warnen, daß Sie werden ein anderer Mann.
   Leben Sie wohl, ich habe meine Pflicht gethan. ~Ab.~

                                Muse.

   Was bedeutet diese Kreatur?

                                Autor.

   Er ist ein Wächter aller Poetischen Natur,
   Er zieht sich alle Kunst sehr zu Gemüthe,
   Und meistert verständig an jeder Blüthe,
   Er studirt beständig Poesie,
   Und glaubt doch, daß sie da sei, nie,
   Hält all Bemühn zu dichten für verloren,
   Poeten und Künstler sind ihm Thoren,
   Doch wäscht er immer an diesen Mohren,
   Er nimmt sich ihre Krankheit zu Herzen
   Und möchte sie bleichen und entschwärzen,
   Im gemeinen Leben man ihn nennt
   Wenn von ihm die Rede, der Recensent.

                                Muse.

   Dergleichen Erfindung ist gewiß modern.

                                Autor.

   Sie nennen sich deine Priester gern
   Und meinen, sind von der Bildung der Kern,
   Ehemals gab es Prophetenschüler,
   Jetzo hat man Recensirmühlen,
   Was sie unter sich haben muß brechen oder biegen,
   Vom Großen und Starken, das sie mühlen,
   Sagen sie stets: ich kann es nicht klein kriegen!
   Denn klein muß alles sein, was sie fassen und fühlen,
   Kommt ihnen ein Tüchtiger unter die Hände,
   Der sich nicht will verkleinern lassen,
   So schimpfen sie auf ihn aus der Maßen,
   Beschließen ihr Urtheil so am Ende:
   Ein Monstrum ist dieser, der Natur mißglückt,
   Keiner kriegt ihn klein, er ist verrückt.

                                Muse.

   Die Maschinerie ist nicht übel erdacht;
   Aber werden diese Werkzeuge nicht verlacht?

                                Autor.

   Das Lachen sich bei uns Menschen fast verliert,
   Wir fürchten, wir würden dadurch gethiert,
   Und wenn man sich mit Gelächter beschwert,
   So ist es meistens der Mühe nicht werth.
   Sie wollen lachen mit Natur,
   Und über eine Wahrscheinlichkeit,
   Das Lächerliche soll aber nicht sein lächerlich pur,
   Sondern drinn stecken eine Erbaulichkeit,
   Weil nun Recensenten ganz und gar lächerlich sind,
   Lacht über sie kein Menschenkind.

                                Muse.

   Möcht einen Aristophanes unter sie schicken.

                                Autor.

   Nein, Beste, sie rissen ihn warlich zu Stücken,
   Denn er verletzt die feine Sitte.

                                Muse.

   Was nennt ihr so, das sag', ich bitte.

                                Autor.

   Ach was! es ist ein dummes Wesen,
   Du solltest es in den Büchern lesen,
   Es ist eben das, was ihnen fehlt,
   Und weil nun jeden das Gewissen quält,
   Daß sie sich fühlen durch und durch gemein,
   So wissen sie nicht wo aus noch ein,
   Und finden in jedem Scherz, in aller Lust,
   Nur Spiegel ihrer verächtlichen Brust,
   Sie erschrecken vor jedem spaßhaften Spaß,
   Und schreien: pfui! indecent und kraß!
   Sie fühlen den Scherz nicht, nur ihre Gemeinheit,
   Drum finden sie nicht Verbindung und Einheit.
   Seitdem der Witz in den Brunnen gefallen
   Sind Steine drüber gebaut von allen,
   Nun warnt man jeden, nicht nahe zu gehn,
   Viel wenger in den Brunnen zu sehn,
   Es heißt: du könntest dich überpürzen,
   Und ebenfalls wie der Witz 'nein stürzen,
   So wärst du unten auf immer verloren,
   Und wohntest zeitlebens bei dem Thoren,
   Flieht was ihr könnt vor dem Witze weit!
   Das nennen sie ihre Sittlichkeit.

                                Muse.

   Du scheinst mir doch zu übertreiben,
   Wird doch irgend wer was Lust'ges schreiben.

                                Autor.

   Es giebt allerdings leichtfertige Vögel,
   Denn Ausnahme leidet jede Regel,
   Die haben gehört, daß geizige Leut
   Verwerflich sind zu aller Zeit,
   Das schildern sie denn, so wie den Neid,
   Habsucht und ander dergleichen Gebrechen,
   Wodurch sie diese Laster schwächen.
   Dann giebt es welche, die gehn schon weiter
   Und machen sich gleichsam ein Bischen breiter,
   Versuchen die Poesie höher zu führen,
   Regenten aus der Ferne zu schikaniren,
   Tadeln verblümt die und die Anstalten,
   Halten sich aber immer aus dem Schuß,
   Verschaffen dem Publikum großen Genuß
   Und man muß sie für ungeheuer witzig halten.

                                Muse.

   Ihr seid auf die Art im ganzen Land
   Mit aller Lustigkeit abgebrannt.

                                Autor.

   Gottlob! wir sitzen recht auf dem Sand.

                                Muse.

   Leb wohl und behalte guten Muth,
   So geht es Dir beständig gut.

                               Muse ab.

                                Autor.

   O hätte sie doch länger verweilt,
   So lange sie mich angeschaut
   War ich recht durch und durch erbaut,
   Da sie nun wieder hinweggeeilt,
   So kommt die kleinliche Furcht zurücke,
   Ich bange, wenn ich um mich blicke,
   Die Häuser umher, die wankenden Gestalten
   Mich drücken und keinen Trost enthalten,
   Sie bedeuten nichts und wandeln todt einher,
   Ich fühle die ganze Welt so leer. --

                     Ein alter Mann tritt herein.

                             Alter Mann.

   Der junge Autor wohnt wohl hier?
   Ich klopfte zweimal an die Thür,
   Doch keiner rief, wie gebräuchlich: herein!
   Drum trat ich ohne weitres ein.

                                Autor.

   Verzeihn Sie mir, ich war zerstreut,
   Es geht mir manches im Kopf rum heut.

                             Alter Mann.

   A ha! wohl neue Plane gewiß?

                                Autor.

   Ich weiß nicht recht, es war das und dies.

                             Alter Mann.

   Ich muß Ihnen sagen, gegen dies und das
   Hab' ich eigentlich einen großen Haß,
   Man muß beständig das Rechte wollen
   Und auch die rechten Mittel ergreifen,
   Denn wenn die schönen Wissenschaften reifen sollen
   Muß man nicht hie und dorthin schweifen,
   Man muß auf ebnen Straßen bleiben,
   Fein gründlich, doch verständlich schreiben,
   Den Plan von allen Seiten überlegen,
   So giebt nachher der Himmel seinen Segen,
   Daß es die Leute lesen, verstehn und lieben,
   Und so muß man sich weiter üben,
   Und höher steigen und höher und immer höher noch,
   So kömmt man am Ende erstaunlich hoch.

                                Autor.

   Das kann ich mir wirklich so ziemlich denken,
   Es geht fast so, wenn sie einen henken,
   Doch hat's ein solcher noch keinem gedankt,
   Wenn er zu solcher Höh' gelangt.

                             Alter Mann.

   Ich meine, mein Freund, in der Literatur,
   Muß man durchmachen gar manche Kur,
   Erleiden manche böse Stund,
   Eh man sich glauben darf gesund.
   Man muß die Jugend überstehn,
   Eh man kann aus den Augen sehn,
   Dann muß man wieder rückwärts gehn,
   Dann wieder vorwärts ein'ge Schritte,
   So bleibt man trefflich in der Mitte:
   Das meiste ist doch die Bejahrung,
   Das allermeiste die Erfahrung.
   Haben Sie sich schon viel zu erfahren bemüht?

                                Autor.

   Man sieht zuweilen das, was man sieht.

                             Alter Mann.

   Ei Teufel einmal! wozu ist denn die Welt,
   Wozu geschehn denn die trefflichen Thaten,
   Da wenden Sie sich an Männer, die rathen
   Von Herzen gern, wo's Ihnen fehlt.

                                Autor.

   Ich habe die Welt schon lange gesucht,
   Doch scheint sie vor mir auf der Flucht.

                             Alter Mann.

   Wo dachten Sie sie denn zu attrappiren?

                                Autor.

   Ich wollte sie in meinem Innern spüren.

                             Alter Mann.

   Da mußte sie Ihnen wohl echappiren.
   Ich muß die Ehre haben, Ihnen zu sagen,
   Im Innern spür' ich nur den Magen,
   Und außerdem die schreckliche Phantasie,
   Und, wenn Sie wollen, ein Bischen Genie.

                                Autor.

   Ich bitte, ich will Sie gar nicht geniren.

                             Alter Mann.

   Doch all das Ding muß uns nicht irre führen,
   Das muß man wissen zu bezähmen
   Und ihm sein wildes Feuer zu nehmen,
   Man muß es gleichsam pulverisiren;
   Geschieht diese Vorsicht nicht bei Zeiten,
   So weiß ich manche, die 's zu spät bereuten,
   Man mußte sie nachher trepaniren,
   Sie dachten, wie sich's nicht wollte gebühren.

                                Autor.

   Sie hielten sich immer wohl in den Schranken?

                             Alter Mann.

   Ha Gnade Gott jedem rebellschen Gedanken,
   Der nicht so denken wollte wie ich,
   Zum Unsinn macht ich ihn unbesehn,
   Das ist wohl tausendmal geschehn,
   So hielt ich mich stets fein säuberlich.

                                Autor.

   Doch mit der Phantasie ward es Ihnen sauer?

                             Alter Mann.

   Im Anfang etwas, doch auf die Dauer
   Kam ich auch bald mit ihr in Gang,
   Auch sie begab sich unter den Zwang.

                                Autor.

   Das ist sonst gegen ihre Natur.

                             Alter Mann.

   Glauben Sie denn an die Kreatur?

                                Autor.

   Sie haben mich erst in dem Glauben bestärkt,
   Weil Sie sagten, Sie haben sie in sich gemerkt.

                             Alter Mann.

   Sie lassen sich, mein Seel, leicht berücken,
   Das ist nur eine Art sich auszudrücken.
   Ich habe eine lebhafte Phantasie,
   Und sehn Sie, darum bild' ich mir ein,
   Es müßte eine Phantasie in mir sein,
   Hat aber dergleichen gegeben nie.
   Was man so nennt, ist nur ein Spaß,
   Hat eigentlich nie was damit gemeint,
   Und damit es klingt nach irgend was,
   Und es ein wirkliches Wesen scheint,
   Hat man das Unding, wie bekannt,
   Zum Zeitvertreibe Phantasie genannt.

                                Autor.

   Was ist's denn, was den Dichter macht?

                             Alter Mann.

   Wenn ich Ihnen soll meine Meinung sagen,
   (Ja, bitte, geben Sie jetzo Acht,)
   So wär' es wohl Zeit in unsern Tagen,
   In denen man alle Sektirer veracht,
   Daß man's mit Dichtern eben also macht;
   Sie sind doch alle nur schlechte Gesellen,
   Und besser bei Fabriken anzustellen:
   Ach Gott, da ist die Arbeit ohne Ende,
   Fehlen leider noch immer thätige Hände.
   Ich bin zwar selbst ein Dichter gewesen
   Und wurde zu meiner Zeit gelesen,
   Schreib' auch noch mit unter was zum Spaß,
   Doch trag ich gegen alle Dichter Haß,
   Es giebt in der Welt so viel zu thun,
   Da gilt kein Schwatzen, kein Müßiggehn,
   Wer da will zuschaun oder ruhn,
   Der muß von der Welt gar wenig verstehn,
   Das Vaterland fordert auch unsre Pflichten,
   Da ist nicht Zeit, dummes Zeug zu dichten.

                                Autor.

   Sie sind aber warlich gar zu strenge
   Und treiben die Dichter sehr in die Enge.
   Sie sprechen von Welt, wo ist sie zu finden?
   Ich möchte sie gar zu gern ergründen.

                             Alter Mann.

   Man muß Welt haben, Welt anzutreffen,
   Sonst ist das ganze Ding ein Aeffen,
   Wie man muß einen Witz besitzen,
   Um zu verstehn der andern Witzen.
   Das ist überhaupt in der ganzen Welt
   Gar absonderlich übel bestellt,
   Daß alles, was gut ist und tüchtig,
   Daß alles, was sauber geht und richtig,
   Man nur in mir vereinigt findt,
   Die andern Menschen sind alle blind.

                                Autor.

   Das ist doch aber zum Erstaunen.

                             Alter Mann.

   Es haben mir viele nicht glauben wollen,
   Sogar meine besten Freunde raunen
   Sich einer dem andern in die Ohren,
   Daß mir davon die Ohren grollen,
   Ich gehörte eigentlich selbst zu den Thoren:
   Doch ist davon keine Silbe wahr,
   Wie sie wohl selber denken können,
   Man will mir meinen Ruhm nicht gönnen,
   Doch krümmt mir alles das kein Haar.
   Noch einmal von der Welt zu sprechen,
   So thut's der Welt itzt selbst an Welt gebrechen,
   Es ist gar eine grobe Zeit,
   Wo man mißhandelt die schönsten Leut,
   Ja Mißhandel ist der ganze Handel,
   Unwandel aller Handel und Wandel,
   Die guten Köpfe sterben ab,
   Und Schelme tanzen auf ihrem Grab,
   Kurzum, wenn ich, mein Lieber, nicht wäre,
   So entstände eine gewaltige Leere.

                                Autor.

   Mir ist noch nie ein Mann vorgekommen,
   Der so wenig ein Blatt vor den Mund genommen.

                             Alter Mann.

   Es geschieht auch in der That nur selten,
   Daß einer so in sich vereint alle Welten.
   Ich hab's verkündigt und immer verkündigt,
   Doch haben sich alle so schwer versündigt,
   Daß keiner mir glaubt, noch nach mir hört,
   So sehr mein Mund sie auch belehrt,
   Will keiner an meine Bildung glauben,
   Meinen, mir hingen zu hoch die Trauben;
   So schwimm ich denn in Wassersnoth
   Und droht mir stets der nahe Tod;
   Will ich nur etwas oben bleiben,
   Muß ich in jeder Messe schreiben,
   Doch hilft mir nichts, daß ich vermessen,
   Denn leider werd' ich mit jeder Messen
   Im Reich nur mehr und mehr vergessen.

                                Autor.

   Wenn Sie nun sterben, wie wird's da stehn?

                             Alter Mann.

   Sonder Zweifel muß die Welt dann untergehn,
   Gesprochen ganz aufrichtig und ehrlich
   Kann ich die Sache darthun klärlich,
   Dann widersetzt sich keiner der bösen Sache,
   Und so kommt denn des Himmels Rache,
   Verschlingt die Erde mit Mann und Maus,
   Und dann ist alles zusammen aus.

                                Autor.

   Freilich ist jetzt keiner ihrer Meinung,
   Drum kommt sie so besonders heraus,
   Es fehlt den Leuten jetzt an Vereinung.

                             Alter Mann.

   Das ist der Punkt, mein werther Herr,
   Darum ist was Gutes zu leisten so schwer,
   Darum ist Kritik zurückgegangen,
   Darum verstummen, die ehemals sangen.
   Ja vormals waren andre Zeiten,
   Da wollte die Sache mehr bedeuten,
   Da ward sie geführt von andern Leuten,
   Da galten noch die großen Männer,
   Da gab es mich und andre Kenner,
   Seitdem hat alles sich verkehrt,
   Ist die Kunst keinen Schuß Pulver mehr werth.
   O könnte nur Lessing wiederkehren,
   Der zeigte den Leuten, wie dumm sie wären,
   Und sie mich recht müßten verehren.

                Lessing durch das Dach in einer Wolke.

                                Autor.

   O weh! das Haus bricht in einander,
   So muß ich's lassen repariren.

                             Alter Mann.

   O Lessing, großer Held, was kann Dich rühren,
   Von jenseit zu uns herüber zu wandern?

                                Autor.

   Bewirth' ich einen so großen Herrn,
   So trag' ich auch die Kosten gern.

                               Lessing.

   Ich komme durch die Wolken nieder,
   Weil Ihr mir gar zu sehr zuwider,
   Verschont doch meinen guten Namen,
   Nie war ich eine Krücke für die Lahmen,
   Nie nicht ein Esel für die Zahmen.

                             Alter Mann.

   Bewahre! als wenn wir das nur glaubten,
   Conträr, wir wollen deine Ehre behaupten.

                               Lessing.

   Zum behaupten gehört noch stets ein Haupt,
   Ihr aber, die ihr weder zweifelt noch glaubt,
   Nicht selber denkt und andre nicht versteht,
   Daß ihr so schändlich mit meinem Namen umgeht,
   Das erregt mir noch oben meinen Zorn,
   Ist mir in der besten Seligkeit ein Dorn.
   Die ihr nicht kriegen könnt, haltet Friede,
   In der Dummheit Namen, seid ihr's noch nicht müde,
   Das alte Spiegelfechten fortzuführen,
   Bei jedem Quark meinen Namen zu zitiren?
   Ihr behauptet kein noch so dummes Ding,
   Keine Albernheit, sei sie noch so gering,
   So wird die Schwerfälligkeit selber flink
   Und schreit: grade so meint es Lessing!
   Ihr Unmeiner, nein, ihr seid nicht die Meinen,
   Nun ich todt bin, denkt ihr, ihr könnt es mir bieten,
   Ich kann nicht mehr bejahn, nicht verneinen:
   Nun soll ich als eure Fahne erscheinen,
   Euer Feldgeschrei im pöbelhaften Wüthen,
   Und opfert mich auf, ihr barbarischen Scythen!
   Wodurch verdiente denn mein großer Sinn,
   Daß ich der Dummheit Heilger bin?
   War dies von meinem ganzen Leben,
   Von meinem kühnen mißverstandnen Streben,
   Von meinem hohen Eifer der Beschluß,
   Daß ich euch, Korporalen, zum Profose dienen muß?
   Ihr, die ihr nie das kleinste gefühlt,
   Wohin ich mit meinen Pfeilen gezielt,
   Die ihr nicht ahnden konntet, nicht fassen,
   Wie ich eures gleichen mußte hassen,
   Wie ich immer, wo nach ihr mit allen Sinnen trachtet,
   Herzinnig und tiefsinnig habe verachtet:
   Nun sagt, was habt ihr denn mit eurem Geschrei?
   So redet dreist heraus und frei!

                             Alter Mann.

   Ach lieber Himmel, ich bin verlegen,
   Was kann dich nur so zum Zorn bewegen?
   Auf Erden hab' ich dich nie so schlimm gesehn;
   Kömmst scheltend aus der Seligkeit? das ist nicht schön!

                               Lessing.

   Im Himmel lernt man erst das rechte Zürnen,
   Weil es ist der Liebe erste That,
   Hier unten, bezwungen von allen Gestirnen,
   Wird oft der himmlische Zorn bald matt,
   Das Irdische hält uns in seinen Schranken,
   Ertödtet zu oft die Göttergedanken.

                             Alter Mann.

   Ach wie denn, Freund? ich dachte nur Frieden
   Sei uns dort oben auf immer beschieden.

                               Lessing.

   Ja Frieden, den ihr nimmermehr kennt:
   In wem kein unsterbliches Feuer brennt,
   Wer hier nicht schon steigt zur Liebe hinan,
   Wird dort in Krieg, in ewgen Bann gethan.

                             Alter Mann.

   So wäre auch nicht die Vergebung aller Sünden
   Da oben im Himmelreich zu finden?

                               Lessing.

   Ja aller, außer wie die Schrift verheißt,
   Der Sünde gegen den heilgen Geist,
   Die ihr ohne Ruh und Rast begeht,
   In der euer ganzes Wirken steht,
   Ja Gott verfolgt ihr und seine Gerechte,
   Und seid des Satans leibeigene Knechte.

                             Alter Mann.

   Wir glauben eben an beide nicht
   Und halten das für das wahre Licht,
   Das andre ist Finsterniß, die uns sonst deckte,
   Und meinten, du wärst von unsrer Sekte.

                               Lessing.

   Wohl eurem falschmünzenden Stempel
   Dient jedes Götterbild nur zum Gepräge,
   Der Irrlehre nur zum neuen Exempel,
   Jedweder Weg wird euch zum Irrwege;
   Ja wohl brachte euch zu Tage nur,
   Ein Tagelöhner der Natur,
   Nicht Menschen, Christen oder Heiden,
   Müßt ihr verzweifeln an allen Freuden,
   Stumm bleibt's in euch, wird nimmer wach,
   Ihr ahmt zu schlecht die Menschheit nach.

                             Alter Mann.

   Ich bitte dich, verfolg uns doch nicht,
   Es hat dich keiner so sehr gepriesen,
   Den Leuten so umständlich die Schönheit bewiesen,
   Die Trefflichkeit deiner dramatschen Gedicht.

                               Lessing.

   Das ist es, was ihr von mir wißt,
   Alles andre ist euch verborgen blieben.
   Ich hatte immer ein heimlich Gelüst
   Die Schöne der Poesie zu lieben,
   Doch wollte sie mir ihren Genuß nicht gönnen,
   Drum durft' ich die Holde niemals erkennen.
   Ich war eines Predigers Stimm' in der Wüst,
   Doch kehrte sich keiner an mein Ermahnen,
   Ging jeder fort auf seinen Bahnen,
   Ich wollte, wie vieles, die Poesie verkünden,
   Ich wußte, sie mußte sich bald entzünden,
   Drum tauft' ich mit Wasser und mit Verstand
   Einige Wesen, Schauspiele genannt.
   Nach mir ist ein anderer größrer erschienen,
   Bestimmt als Priester den Musen zu dienen,
   Der hat getauft mit Feuer und Geist,
   Wie all sein Wirken und Dichten beweist,
   Er wandelt unter euch in Göttlichkeit,
   Doch wer erkennt sein strahlend Ehrenkleid?
   Verstockten Herzens bleibt ihr stets in blöden Sinnen,
   Könnt weder Heil noch Trost, Verstand noch Vernunft gewinnen,
   So bleibt denn dumm, fahrt fort in eurem Zeitvertreibe,
   Doch bleibt honetten Leuten, absonderlich aber mir vom Leibe!

        Die Wolke erhebt sich wieder und verschwindet mit ihm.

                                Autor.

   Der Tausend! das ist ein gewaltiger
   Und überaus gestrenger Herr!

                             Alter Mann.

   Es ist nicht sein Ernst, er liebt das Uebertriebne,
   Das beweist so manches von ihm Geschriebne.
   Er war ein ganz vorzüglicher Mann,
   Doch wandelte ihn schon oft im Leben die Grobheit an,
   Daß er seine besten Freunde nicht wollte erkennen
   Und ihnen nicht auch die gehörige Größe gönnen;
   Da hatten wir manches auszubaden,
   Doch kamen wir immer wieder zu Gnaden. --
   Es ärgert mich nur, daß er mich hier blamirt,
   Und leicht den jungen Mann irre führt.
   Hören Sie, mein Freund, glauben Sie ihm kein Wort,
   Ich meine er war auch nicht mal hier,
   Denn er ging plötzlich wieder fort,
   Und die Decke ist ganz eben und schier,
   Da müßte sich doch eine Oeffnung zeigen,
   Drum mein' ich, es war nur Lug und Trug,
   Wollen gütigst den ganzen Vorfall verschweigen,
   Ich habe schon sonst der Geister genug
   Gesehn in meinem verblendeten Sinn,
   Wohlverstanden, wenn ich nicht bei mir selber bin,
   Denn sonst in meinen gesunden Tagen
   Dürfte weder Geist noch Geistesgleichen es wagen,
   Mir nahe zu kommen in mein Revier,
   Ich wies' ihm augenblicks die Thür. ~Geht ab.~

                                Autor.

   Es scheint heut ein kurioser Tag,
   An dem ich noch manches erleben mag,
   Es ist als wär' die Zeit in Gährung
   Und trachtete nach einer seltsamen Gebärung.

                      Der Bediente kommt herein.

                              Bediente.

   Mein Herr, es ist ein Fremder draus,
   Der sagt, er spräche sie gar zu gern.

                                Autor.

   So sag' ihm nur, ich sei nicht zu Haus,
   Es giebt sonst wieder neuen Lärm. ~Bed. ab.~
   Ja wohl mag der ein Fremder sein,
   Von mir und allem, was ich denke.
   Da laufen sie in die Häuser herein
   Und geben sich einen vornehmen Schein,
   Thun noch als brächten sie einem Geschenke,
   Daß man die Zeit mit ihnen verliert,
   Daß sich auf sechserlei Art ennuyirt.

                       Bedienter kommt wieder.

                              Bedienter.

   Der Herr sagt, er ginge nimmermehr,
   Er sei ein zu großer Bewunderer,
   Um eine Entschuldigung anzunehmen,
   Sie müßten sich dazu bequemen
   Ihn in Guten oder Bösen zu sich zu bitten,
   Er ist auf einge Meilen umgeritten.

                                Autor.

   Was ist es denn für eine Art von Mensch?

                              Bedienter.

   Er scheint ein wenig wetterwendsch,
   Hat feines Tuch zu seinem Kleide,
   Er thut gewiß keinem Menschen was zu Leide.

                                Autor.

   So sag' ihm nur, er wär gebeten,
   Gütigst zu mir herein zu treten.

              Bediente ab, der Bewunderer tritt herein.

                             Bewunderer.

   Ach mein werther Herr, ich bin darin so eigen,
   Daß ich ein wenig neugierig bin,
   Von Jugend auf stand darauf mein Sinn,
   Schon als Knabe lief ich zu manchem Spektakel hin,
   Wo sich nur irgend was mochte zeigen.
   Bitte ergebenst, sie wollen mir nicht verschweigen,
   Ob ich Sie in ihren Arbeiten störe,
   Denn sonst hab' ich sogleich die Ehre,
   Mich wieder gehorsamst zu empfehlen,
   Drum sein Sie so gut es nicht zu verhehlen.

                                Autor.

   Man muß sich um die Zeit nicht quälen,
   So lange man lebt, kann sie uns nicht fehlen,
   Und dann kommt vollends die Ewigkeit,
   So hat man dann noch mehre Zeit.

                             Bewunderer.

   Ich freue mich also, daß ich Sie kennen lerne,
   Ich hätte sie längst gekannt gar gerne,
   Sie glauben nicht, wie ich mich an Ihren Schriften ergötzt,
   Wie sie mich in meine Jugend zurückversetzt.

                                Autor.

   Sie haben sie also übersetzt;
   Doch sind Sie auch jetzo noch nicht alt.

                             Bewunderer.

   Ach nein, ich meine aber nur der Sternbald,
   Ich schriebe dergleichen gar zu gerne,
   Auch solche freie gereimte Lieder,
   Sie tönen in meiner Seele wieder,
   Vielleicht gelingt's, daß ich auch Ferne
   Einmal zusammenreime mit Sterne.

                                Autor.

   Sie scheinen die Sache schon inne zu haben,
   So kann es Ihnen nicht werden schwer.

                             Bewunderer.

   Doch bleiben meine Gedichte so leer,
   Mir ist's, als fehlen mir die Gaben.

                                Autor.

   Es findet sich alles, wenn man sich übt
   Und nur das Gute recht innig liebt.

                             Bewunderer.

   Auch fühl ich wohl, daß ich durch meine Talente
   Mit der Zeit was Großes leisten könnte,
   Nur macht mir das die meisten Sorgen,
   Daß es nicht geschieht heut' oder morgen.

                                Autor.

   Ja freilich ist es besser gethan,
   Man wird alsbald ein großer Mann,
   Die Geduld ist nicht allen gegeben,
   So lange in der Mitte zu schweben.

                             Bewunderer.

   Man muß nur jeden Vorsatz zur Religion machen,
   So kann man über die ganze Welt lachen,
   Und das Lachen muß wieder Religion werden,
   Dazu die Natur, die wir haben auf Erden,
   Und dies mit göttlicher Liebe verbunden,
   Einge Blumen noch hineingewunden,
   Und alles in Poesie verschmolzen,
   Macht einen schon ziemlich zu einem Stolzen.

                                Autor.

   Mein werther Herr, ich versteh' Sie nicht.

                             Bewunderer.

   Haben Sie das Verstehn nie bis zur Religion getrieben?
   Ich dächte denn doch das sei das wahre Blumen-Lieben.
   Die Natur ist immer natürlich,
   So bin ich auch gleichsam figürlich,
   Ach Gott! die Rose ist ein schönes Kind,
   Mich entzückt zugleich die edle Lucind'.

                                Autor.

   Sie scheinen sie nicht verstanden zu haben.

                             Bewunderer.

   Ich habe so meine Art, mich dran zu laben,
   Denn jedweder Mensch hat seine Gaben,
   Ich verachte Gottlob! die Sittlichkeit.

                                Autor.

   Doch hätten Sie dazu noch künftig Zeit,
   Man fängt doch erst gelinde an.

                             Bewunderer.

   Der erste, der's denkt, mag's also treiben,
   Doch ich, der ich die Sachen lesen kann,
   Muß nicht beim Anfang stehen bleiben,
   Ich mache mir alles zur Religion,
   Und sitze drin wie auf einem gepolsterten Thron.

                                Autor.

   Doch wenn nun alle auf die Erfindung geriethen?

                             Bewunderer.

   Das wäre freilich ein übler Umstand,
   So hätte man gar nichts Eignes mehr.

                                Autor.

   Das müßte Ihnen dann ein andrer vergüten,
   Vielleicht verbreitet sich dann im Land
   Schon wieder eine neue Lehre,
   Sie können sich immer zur neusten bekennen,
   Die Religion alsdann den andern gönnen.

                             Bewunderer.

   Ich habe mir das so schön angewöhnt
   Und finde, daß es ganz lieblich tönt,
   Auch sind noch alle dagegen in Empörung
   Und wie in allgemeiner Verschwörung,
   So daß sie in selbstesten innersten Gemüthen
   Im herzesten Herzen dagegen wüthen,
   Da giebt es also noch keine Bekehrung.

                                Autor.

   Das sagen Sie nicht, es findet wohl Beifall,
   So hört man die Dinge dann überall.
   Sie drücken sich aber kuriose aus.

                             Bewunderer.

   Es muß immer aus dem innersten Gemüth heraus,
   Und oft will es nicht weichen und wanken,
   Oft fehlen wohl selber die Gedanken,
   Da muß man die Sprache recht bei der Wurzel kriegen,
   Aus dem Innersten sprechen, es mag brechen oder biegen.
   So ist es mir schon oft gelungen
   Zu gerathen auf treffliche Vorstellungen.

                                Autor.

   Es ist gewiß, die Welt thut jetzt große Schritte,
   Sie hat die rechten Sieben-Meilen-Stiefeln angezogen,
   Meint man, man ist in der Bildung Mitte,
   So ist man gewöhnlich sehr betrogen,
   Sie rennt voraus und immer voraus,
   Man wird verdrüßlich und geht nach Haus.

                             Bewunderer.

   Somit wäre alsdann die Bildung aus,
   Doch hoff' ich, Sie schreiben für uns noch fleißig.
   Ich muß gestehn, ich ahme Sie nach,
   Habe auch hier bei mir mitgebracht
   Etliche artliche Lieder, an die hundert und dreißig.

                                Autor.

   Ich bitte, daß Sie mich entschuldigen mögen,
   Sie anzuhören geht über mein Vermögen.

                             Bewunderer.

   Nur eins und das andre, Sie werden sich wundern,
   Denn meine Poesie ist ein wahres Kunterbuntern,
   Sie haben mich außerdem begeistert,
   Drum wär' ich gern von Ihnen gemeistert.

                              Er liest.

      Stille, stille,
      Wie die Welle,
      In den Seen
      Blumen stehen,
      An dem Rande,
      Sanfte Bande,
      Und es flimmern
      In den Schimmern,
      Süße Töne,
      Ach wie Schöne!
      Komm und kröne
      Mein Verlangen,
      Denn dein Bangen
      Ist so ferne
      Wie die Sterne,
      Liebesblicke,
      All mein Glücke,
      Binden Flammen,
      Sich zusammen,
      Daß sie schwammen,
      Ach die schöne Zeit,
         Weit! weit!

                                Autor.

   Ich muß Sie bitten, hier inne zu halten,
   Mir schwindelt vor den vielen Gestalten,
   Die sich so ungenirt entfalten.

                             Bewunderer.

   Nicht wahr, es geht recht kraus durch einander?
   Man sieht gleichsam nur lauter Lichter wandern.

                                Autor.

   Ein ungemein zarter Genius drinne haust,
   Es paßt zusammen, wie auf's Auge die Faust,
   Da springen einem auch die Funken und Lichter
   Um so dichtrischer, als man darauf schlägt dichter,
   Daß einem Hören und Sehen vergeht
   Und man sich doch vor purem Sehn nicht kann lassen: --
   Daß nichts in seinem Zusammenhange steht,
   Das ist die Kunst es zusammen zu fassen.

                             Bewunderer.

   Ganz recht, das ist's eben, was ich von Ihnen lerne,
   Doch eh ich mich noch ergebenst entferne,
   Will ich noch zur zweiten Lektüre schreiten
   Und Sie dadurch zur dritten vorbereiten.

                              Er liest.

      Wanke, wanke,
      Mein Gedanke,
      Tönt die Flöte,
      Morgenröthe?
      Nein verschwunden
      Sind die Stunden!
      Wiederkehren
      Soll mir gewähren,
      Was ich verloren
      Eh' ich geboren.

                                Autor.

   Ich bitte Sie, ich sinke um,
   Mir wird im Kopfe gar zu dumm.

                             Bewunderer.

   Sie treiben wohl ihr Zuhören bis zur Religion?

                                Autor.

   Ach nein, ich fühle mich krank und matt,
   Mir ist, als müßt' ich sterben schon,
   Des Lebens bin ich völlig satt.

                             Bewunderer.

   Ei! ei! das wäre ein großer Verlust!
   So haben Sie's wohl auf der Brust?

                                Autor.

   Nein, nein, ich sterbe an meinen Liedern,
   Sie fangen mir an, so zu zuwidern,
   Sie sind mir eine so ekle Speis'
   Daß ich mich nicht zu lassen weiß.

                             Bewunderer.

   Treiben Sie Ihren Ekel bis zur Religion?
   Erlauben Sie mir jetzt einen andern Ton,
   Jetzt will ich Ihnen lesen, was im Spaßen
   In ihrer Manier ich habe gethan.

                                Autor.

   Ach nein, ich bin ein verlorner Mann,
   Ich weiß durchaus mich nicht zu fassen,
   Ich muß Sie bitten, mich zu verlassen.

                             Bewunderer.

   Nun nun, ich komme wohl morgen wieder
   Und lese Ihnen noch einige Lieder.
      Früh, früh,
      Ei sieh,
      Durch den Wald,
      Laut erschallt
      Vöglein-Stimmen,
      Die verschwimmen
      Wie ein Flimmen
      Durch Gesträuche
      Und die Eiche
      Sieht darein,
      Als müßt' es so sein.
   Doch jetzt muß ich gehn, denn wenn ich bleibe
   Ich das Abschiednehmen bis zur Religion treibe.

                      Verbeugt sich und geht ab.

                                Autor.

   Ist das der Lohn von allem Bemühen,
   Von allen Fackeln, die wir glauben zu zünden,
   Daß wir dergleichen Blüthen erziehen?
   Wie muß da alle Hoffnung schwinden!
   Wenn man das Rechte will ergründen,
   Und möchte dringen bis zum innern Kern,
   Hingäbe der Gottheit sein Leben gern,
   Die verlornen Geister mit schönem Bestreben,
   Die erstorbne Welt sucht zu beleben,
   So streut man nur Worte in den Wind,
   Die nachher zum Mißbrauch gut genug sind.
   O edler Freund, was strebtest du Lucinden,
   Die Gluth dem Volke zu verkünden?
   Sie laufen hinzu, und keiner dich kennt,
   Und es hilft kein Rufen: »Rühre nicht, Bock, denn es brennt!«
   Alle Mühe, alles ernste Ringen,
   Glauben sie besser zu entbehren,
   Sie meinen, es müsse im Schlaf gelingen,
   Und stellen sich, als ob sie Titanen wären,
   Und wissen, daß selbst Backen und Brauen
   Sich nicht läßt mit dem Genie pur zwingen.

                      Ein Weltmann tritt herein.

                              Weltmann.

   Ich komme zu Ihnen mit Freundes-Vertrauen,
   Man hat mir gesagt, daß Sie mancherlei dichten,
   Wodurch Sie wollen die Welt bekehren,
   Da muß man sich nach den Umständen richten,
   Selbst lernen, will man andre belehren,
   Sie führen aber scheint's, ein eremitisch Leben,
   Und sind wohl gar dem Spekuliren ergeben.

                                Autor.

   Ich will nichts, und mag mir nichts vornehmen,
   Es dient doch nur, es zu verfehlen,
   Man muß nur sich und andre quälen,
   Was hilft es, wilde Steine zähmen,
   Die Zeit des Orpheus ist verflossen,
   Man hält dergleichen jetzt für Possen.

                              Weltmann.

   Und auch mit Recht, mein werther Freund,
   Sie kennen die Welt nicht, wie es scheint,
   Sie wollen mit Geisseln drunter schlagen,
   Mit Posaunen wie zum jüngsten Tage blasen,
   Doch muß man alles still gewähren lassen,
   Und kommt die Zeit, wird man den Sieg von dannen tragen.

                                Autor.

   Ich möchte mich lieber gleich in die Nichtigkeit ergeben,
   Denn ganz verdrüßlich fällt mir doch mein Leben.

                              Weltmann.

   Ei warum das! das thut nicht noth,
   Zeitig genug kommt immer noch der Tod,
   Auch muß man schaffen und wirken und thätig sein,
   Denn dergleichen wird immer räthlich sein,
   Nur nicht sich in sich zurücke ziehn,
   Das ist die schädlichste Medizin.

                                Autor.

   Ich verzweifle an allem, keiner versteht mich,
   Unbefangen in der Poesie keiner ergeht sich,
   Mir wird am Ende vor allen Worten bange,
   Jeder Schritt wird mir sauer auf meinem Gange.

                              Weltmann.

   Das macht, weil Sie die Welt nicht studiren.
   Sich nicht auf gehörige Vielseitigkeit appliziren,
   Denn wenn Sie sich selber so eng borniren,
   Das muß sie nothwendig irre führen.

                                Autor.

   Die Irre! das ist das rechte Wort!
   Wo ist denn nicht zu irren ein Ort?

                              Weltmann.

   Nun, zum Beispiel, wenn man sich das Ganze vorhält,
   Und, wie schon gesagt, beobachtet die Welt,
   Sich sucht von allen Seiten
   In allen Kenntnissen und Gedanken zu verbreiten,
   In Politik, Statistik, neuer Geschichte,
   Das sind die großen gewaltgen Gewichte,
   Die die Uhr der Welt in Bewegung setzen,
   Die Schleifsteine, die die Ingenia wetzen.

                                Autor.

   Wenn ich die alte Welt mit der neuen messe,
   So hat die neue für mich kein Interesse.

                              Weltmann.

   Das ist es, wo Sie wieder irren,
   Das macht, weil sie das Interesse verwirren,
   Sie wollen kein reines Interesse haben,
   Sich immer an einem poetischen laben,
   Doch dauert das unmöglich auf die Länge,
   Man kömmt dabei gewaltig in die Enge.

                                Autor.

   Ach leider! bin ich schon in dem Gedränge,
   Und sehe kein Mittel heraus zu kommen,
   Denn mir ist aller Muth genommen.

                              Weltmann.

   Ei, mein Werther, das muß sich alles fügen,
   Ihr richtiger Verstand wird gewiß am Ende siegen,
   Man muß sich nur in die Zeiten schicken,
   So kann es nicht anders, es muß uns glücken,
   Einmal stolziren, und dreimal sich bücken,
   Das glauben Sie mir, so wie nun die Welt ist,
   Ist jetzt zumal das rechte Verhältniß.
   Von allem, was da ist, ein wenig erhaschen,
   Und damit anfüllen seine Taschen,
   Und mit jedem, den man vorüber wandelt,
   Ein bischen mit der vielen Kenntniß gehandelt,
   Zur rechten Zeit Allmosen spendirt,
   Und sich bescheiden dazu verneigt,
   Als sollt' es keiner sehn, doch daß man es zeigt,
   Dann wieder mit allen Vieren handthiert,
   Gestoßen in Hoboen und Posaunen,
   Daß rings umher die Leute erstaunen.
   Doch niemals ohne Absicht gelobt,
   Noch weniger drein mit Knütteln geschlagen,
   Denn wer die gute Sache zu stürmen strebt,
   Der kommt zu kurz in unsern Tagen.
   Darum bezähmen Sie ihren Unwillen,
   Oder schaffen Sie ihn lieber gänzlich fort,
   Und glauben Sie mir nur auf mein Wort,
   Schon dadurch wird sich manches erfüllen.
   Nur frisch gelobt, so lobt man wieder,
   Vereingen sich zum Band die Glieder.
   Und hat man gar den Ruf von bescheiden,
   So loben sie einen mit tausend Freuden,
   Denkt jeder: hält dich der Mann doch für klüger,
   Am Ende bleibst du immer sein Besieger.
   Hat man nun lange genug geschont,
   So sieht man, wie man oben thront,
   Von allen Seiten Feuerwerke brennen,
   Und jung und alt dann unsern Namen nennen;
   So ist die Welt, doch sind Sie grob,
   Empört das Grobzeug sich darob,
   Und wenn Sie vollends dabei satirisch,
   Wird all das Mengelmus aufrührisch,
   Und schreien: wir wollen ihn sämmtlich nicht lesen,
   So ist seine Macht auf Erden gewesen.
   Ich bitte, Sie glauben, daß ich nicht scherze,
   Und nehmen sich meinen Rath zu Herzen,
   Nur hübsch der Vielseitigkeit sich beflissen,
   Müssen scheinen so ziemlich um alles zu wissen,
   Dazu die liebe Humanität,
   Die jetzt in allen Kalendern steht,
   So kann es Ihnen bei meiner Seelen
   In unsrer Welt gar niemals fehlen.

                               Geht ab.

                                Autor.

   So will man mir denn alles rauben?
   Soll ich an eine Welt noch glauben?
   Wohl gar noch an die Psychologie
   Und an ein nachahmendes Genie?
   Mir fällt mein ganzes Bewußtsein um,
   Steht auf den Kopf und macht mich dumm,
   Da treten die Leute nur flugs herein,
   Und schreien mir zu: so sollst du sein!
   Ich weiß mich nicht zu rühren und zu regen,
   Ja wohl ist mir die Welt zu überlegen,
   Ich kann an vielem nehmen kein Theil,
   Tausend Dinge machen mir Langeweil,
   Ich bin so unbeholfen und ungelenkisch,
   Einseitig sehr, noch mehr altfränkisch. --
   -- Was kommt herauf die Treppe schollern,
   Mit schwerem Tritt herauf sich kollern?
   Warlich, der tritt nicht sänftlich nieder,
   Es klingen alle Fenster wieder,
   Es scheint, er trägt Stiefeln mit Eisen beschlagen,
   Wenn der in meine Thür eintritt,
   So sprengt von ihm ein einzger Tritt
   Die Wände wie die Pfosten ein;
   Was wird der Wirth zu meinen Visiten sagen?
   Da klopft das Ungethüm. -- Herein!

                      Der Altfrank tritt herein.

                            Der Altfrank.

   Einen guten Tag, mein junges Kerlein.

                                Autor.

   Du lieber Gott, wer mag der Herr sein?
   Mit diesem langen weißen Bart,
   Mit dieser Mütz, seltsamer Art,
   So wunderlich mit Schellen behängt,
   Daß jede Bewegung wiederklingt,
   Mit diesem langen tüchtgen Knüttel,
   Den Dolch in seinem breiten Gürtel?

                            Der Altfrank.

   Kennst mich wohl nicht, du kleiner Wicht?

                                Autor.

   Zeitlebens sah ich kein solches Gesicht.

                            Der Altfrank.

   Das weiß ich Dir gar wenig Dank,
   So höre denn, ich bin, Gottlob, der Altfrank,
   Der alte Franke, den sie nicht lassen ruhn,
   Sondern wenn sie einmal was Gutes thun,
   Sehn ihren Nächsten in tiefen Nöthen,
   Zu Gott dem Herrn inbrünstig beten,
   Wenn Kinder ihre Eltern lieben,
   Die Söhne gehorchen, die Töchter in Tugend sich üben,
   So schreit das Volk, mit bösem Maule zänkisch:
   Ei seht doch Leute, wie sind sie da altfränkisch!
   Doch wer nach Huren fleißig geht,
   Den Freund verläumdend auf dem Markte steht,
   Gott's Wort nicht acht't, die Kirchen verhöhnt,
   Am liebsten begeht, was am schwersten verpönt,
   Geizt, wuchert, das Geld zusammenscharrt,
   Der ist ein Kerl neumodischer Art,
   Und endlich verzweifelnd stirbt im Tode,
   Der ist ein artiger Mann nach der Mode.

                                Autor.

   Wie bist du nur darauf gefallen
   Mir deinen Besuch zu gönnen vor allen?

                            Der Altfrank.

   Weil du mir immer warst gewogen,
   Warst mir, ohne mich zu kennen, ergeben,
   Magst gern das alte deutsche Leben,
   Das hat mich nun zu dir gezogen.
   Du bist nicht für das Moderne und Neue,
   Du liebst in der Natur das Weite und Freie,
   In aller Poesie das Volle und Tücht'ge,
   In allem Scherz das Wilde und Flücht'ge.
   Du hassest, was nicht redlich gemeint,
   Du verehrst, was gesund und brav dir scheint,
   Da hört' ich dich nun aus der Ferne fluchen,
   Das bewog mich denn dich zu besuchen.

                                Autor.

   Du erzeigst mir warlich sehr viel Ehre,
   Wenn ich nur aufgelegter wäre,
   So steht es um meine Laune mißlich,
   Ich bin verstimmt und fast verdrüßlich.

                            Der Altfrank.

   Ach was, verstimmt! das ist dummes Gezeug,
   Willst du nicht besser reden, so schweig!
   Treibt über all's in der Welt ein Räsonniren
   Und kann seine eigne Laune nicht regieren?
   Wer heißt dich doch von Laune sein?
   Das soll auch so was Neumodsches sein.
   Steht dir der Magen schief, auf frisch
   Setz dich an einen vollen Tisch,
   Ziehn dir die Leut ein schiefes Maul,
   So sei zum Fratzenziehn auch nicht faul,
   Will hündisch Volk dich wild anschrein
   So denk: da schlag' das Donnerwetter drein!

                                Autor.

   So was zu denken ist aber unschicklich.

                            Der Altfrank.

   So was dachten und sagten wir augenblicklich
   Wann uns was Dumms in die Quere kam
   Und sich zu viel heraußer nahm.

                                Autor.

   Dafür sind wir auch besser erzogen.

                            Der Altfrank.

   Halt's Maul, denn das ist doch erlogen.

                                Autor.

   Ihr seid ein rauher, barscher Mann,
   Ich bitte ergebenst, fahrt mich nicht so an.
   Ihr habt gar keinen geselligen Ton
   Und seid der Grobheit zu sehr gewohnt,
   Man kann doch friedlich und freundlich sein,
   Und braucht nicht wie ein Bär zu schrein.

                            Der Altfrank.

   So ist nun meine Art zu sprechen,
   Ich thu die Zähne weit auseinander brechen,
   Geh du mit deiner schwernoths Redensart,
   Holunken nur die murmeln in den Bart.

                                Autor.

   Treten Sie nur nicht meiner Ehre zu nah,
   Sonst muß ich Sie bitten, sich zu entfernen,
   Ich möchte nicht gerne mit Ihnen lärmen,
   Weil ich Sie heut zum erstenmal sah,
   Drum gehn Sie lieber fort im Stillen,
   Hab' außerdem schon meine Grillen.

                            Der Altfrank.

   Die werden aus deiner Narrheit quillen.
   So halt' doch, Kerl, die Nase in die Höh!
   Wann sah man einen Deutschen je
   Also die Schuh besehn und granzen,
   Auf so erbärmliche Weis' gramanzen?
   Hast ehrlichs Blut und bist kein Schuft,
   Schau dreist hinein in die freie Luft,
   Thu' mit Beinen strampfen, mit Händen handthieren,
   Und steh nicht als gingst gewöhnlich auf Vieren,
   Als wär dein Aufrechtwandeln Ausnahme nur
   Und gegen deine hündische Natur.
   Die Sonn' schaut auf dich, so schau sie auch an,
   Die Sterne betracht, so hast du wohl gethan,
   Erwäge in deinem herzhaften Gemüthe,
   Wie du und alles nur mancherlei Blüthe,
   Und alles in einem großen Stamme steht
   Zurück in Gottes Kräfte geht.
   Doch bist du allzusehr verdrossen
   Und steckst voll dummer irdscher Possen,
   So steck die Nas' in ein gutes Buch,
   So wirst du wieder gesund und klug,
   Da schau von unserm deutschen Mann
   Das Gedicht vom Faust mal wieder an,
   Da liegt für dich noch manch Verständniß,
   Wovon viel Hundert nicht haben Kenntniß:
   Und willst mal recht in die Tiefe schauen
   In allen Sinnen dich erbauen,
   Den Wein des Lebens schlürfen ein,
   So recht im Frühling heimisch sein,
   Wo aus allen Blüthen Nachtigallen
   Und tausendfach Gesänge schallen,
   Unendlichfach die Geister quallen,
   So hab dir ja ein Buch erschlossen,
   Wo schon manch Himmelsstunde hast genossen,
   So gab ich dir noch außer Göthe,
   Auroram, jene Morgenröthe,
   Von dem Propheten, den sie schelten,
   Dem aufgeschlossen alle Welten,
   Des heilger unentweihter Mund
   Der Gottheit Tiefe hat verkundt,
   Den großen deutschen Jakob Böhme,
   Daß er von dir die Schwermuth nähme,
   Jedwedes Wort in ihm dir lacht,
   Und all umzogen mit Glanz und Pracht,
   Er hat durchaus sich gesponnen ein
   In eitel Glori und Heiligenschein. --
   Nun sprich, was fehlt in der Welt dir noch,
   Daß du mürmelst und brümmelst verdrossen doch?

                                Autor.

   Das alles will nicht recht erklecken,
   Es fehlt mir noch an hundert Ecken,
   Ich bin ungeschickt und ungewandt,
   Interessire mich nicht für Welt und Land,
   Bin immer auf meine Vorsätze erpicht
   Und habe kein recht Welt-Interesse nicht,
   Drum kann ich auch in meinem Leben
   Nie so recht Red' und Antwort geben,
   Von vielen guten Wissenschaften
   Will nichts in meinem Gemüthe haften,
   Und kurz, ich bin mit meiner Seele
   Auf so gar wenig eingeschränkt,
   Worauf sie ewig sinnt und denkt:
   Das ist es, worüber ich mich quäle.

                            Der Altfrank.

   Ei was! das ist eine schlechte Art
   In alles seine Nase zu stoßen,
   Bei sich zu führen eine Taschen-Allgegenwart,
   Und doch vom Kleinen wie von dem Großen,
   Das Rechte nicht zu wissen und zu erkennen,
   Und pur die Dinge mit Namen zu nennen.
   Auch will es sich nicht schicken und fügen,
   Das Universum in den Kopf zu kriegen,
   Bleibt doch jeder nur sein eigen.
   So schau die Bäume mit ihren Zweigen,
   Schau Blumen an und alle Pflanzen,
   Sie sind die Theile des großen Ganzen,
   Doch jedes prangt in seiner Schöne,
   Ins Fremde kein's hinüber schweift
   Das Widerwärtge nie ergreift,
   Für sich bestehn die mannichfaltgen Töne,
   Wollte sich Natur in Eins einrühren,
   Müßte dann das Chaos zurücke führen.
   Die Schöpfung hat sich dadurch nur geboren,
   Weil jede Kraft sich aus dem Ganzen verloren,
   Und einzeln das Ganze figurirt:
   Der Mensch ward aus allen Theilen formirt,
   Innewohnend in ihm sind alle Geister,
   Drum ist er der Natur auch Meister,
   Doch hat er in sich einen Klang,
   Der tief sein Wesen ganz durchdrang,
   Wenn er den Ton nun wieder hört,
   Wird gleich sein Innres ganz empört,
   Alle Geister steigen auf in die Erinnrung,
   Der Ewigkeit Strahlen fallen in die Dämmrung.
   Er strebt in seine alte Wurzel zurück,
   Und erhascht seines Lebens Silberblick:
   So hat jedwedes in aller Natur
   Seine eigne bestimmte Signatur.
   Dich treibt es liebend zu umfassen,
   Was die meisten um dich verachten und hassen,
   So laß denn deinem Geiste Raum
   Und bilde fertig deinen Raum,
   Laß dir den Muth niemals entgehn,
   Willst du nur sehn, so wirst du sehn,
   Dann glänzet dir im süßen Geisterlichte,
   Die du gewünscht, die himmlischen Gesichte.

                                Autor.

   Und dann fühl' ich mich wieder so verloren,
   Daß ich mir diese Liebe auserkohren;
   Hält nicht fast jeder mich für einen Thoren?
   Sie wollen nichts von dergleichen Dingen wissen,
   Und weit entfernt, daß sie sind hingerissen,
   Noch mehr, daß sie sich sollten darnach sehnen,
   So sitzen sie nur und gähnen.
   Wie soll das einen nun wohl stärken,
   Wenn sie einen Autor gar nicht bemerken?
   Das ist doch wohl noch zu verzeihn
   Daß man will gern verstanden sein.

                            Der Altfrank.

   Was nimmst du das nur so genau,
   Ob sie heiß oder kalt sind, oder lau?
   Kannst sie doch nicht bei Haaren ins Verständniß reißen,
   Nicht bei den Ohren hinüberzerrn?
   Daß sich um dich nicht kümmern die meisten,
   Das glaub' ich dir von Herzen gern,
   Allein das muß dich nicht bekümmern.
   Schreib's dir und deinem Sinne recht,
   Thu dich des Besten stets befleißen,
   Und sei den Musen ein würdger Knecht,
   So mags dann funkeln oder flimmern.
   Mögen sie dich tadeln oder loben,
   Das Gute bleibt am Ende oben.

                                Autor.

   So will ich mich denn niedersetzen
   Und ohne weiters mich ergötzen,
   Meine alte Arbeit wieder suchen,
   Und nicht mehr auf die Zeiten fluchen.

                            Der Altfrank.

   Das wird dir immer nützlich sein,
   Auch will ich mich darüber freun,
   Wann du zu Stande bringst was Tüchtigs,
   Was Gutes, Großes und was Wichtigs;
   Erwärme dein Herz in alter Liebe,
   Erwecke in dir die alten Triebe,
   Wenn dir die neue Zeit nicht gefällt
   So gedenk der braven alten Welt,
   Mit Andacht geh zu den alten Ruinen,
   Die auf den hohen Bergen verwittern,
   Sie schaun dich an mit wehmüthigen Mienen
   Und erzählen dir von Thaten und Rittern,
   Besuche zumal die Wald-Kapellen,
   Wo sich heilge Geschichten vor dich stellen,
   Die alte katholische Religion,
   Als sie noch schmückte ihren Thron,
   Und schöner die Welt durchströmte,
   Ein selger Tod die Märtrer krönte:
   Als deutsche Freiheit noch stolzirte,
   Vor ganz Europa hell pranchirte,
   Das alles magst du kühnlich preisen
   Verkündigen in vollen Weisen,
   Was sonst erregte deinen Muth,
   Beseligte in Adern dein Blut,
   Lebt nicht noch alles in einzeln Spuren,
   Wandelst nicht noch auf denselbigen Fluren?
   Willst du ein Deutscher sein geacht't,
   Verkünd' der Deutschen Stolz und Macht,
   Laß all das eitle Gewäsch und Gramanzen
   Den Welschen oder flüchtigen Franzen.
   Sei stolz, wie's einem Deutschen ziemt,
   Der seines Vaterlands sich rühmt,
   Der erkannt der alten Zeiten Adel,
   Die großen Männer ohne Fehl und Tadel,
   Thu dann, was du schon lang gewollt,
   Was du auf mein Geheiß schon längst gesollt,
   Versuch es in lebendgen Bildern
   Die verwilderte Zeit zu schildern,
   Die die letzte deutsche war,
   Den heilgen Krieg der dreißig Jahr
   Das theure Mutterland verheerte
   Und seine letzte Kraft verzehrte,
   Dies stell in mancherlei Schauspiel dar:
   Daß du der Mitwelt mögest geben,
   Erinnerung und Denkmal von deinem Leben.

                                Autor.

   Deine Worte erwecken die alte Lust,
   Den sonstgen Trieb in meiner Brust;
   Den Vorsatz will ich treu bewahren,
   Ich lasse Furcht und Zweifel fahren,
   Magst du nur ferner mein gedenken,
   Und mir, du treuer Mann, deine Liebe schenken.

                            Der Altfrank.

   Du hattest immer zu mir begehrt,
   Drum hab' ich deinen Wunsch gewährt,
   Du hast mich endlich mit Augen gesehn
   Und darfst nun über mich Rede stehn;
   Doch hör' ich dich wieder aus der Fern
   Wie ein Kindlein winseln, schrein und plärrn,
   Ueber Recensenten und Kritiker klagen,
   Dich mit Wehmuth und Demuth und Dummmuth plagen,
   So sag ich mich gänzlich von dir ab;
   Dann magst du andre Freunde treffen,
   Die mögen dich ängstigen oder äffen,
   Und stoßen dich in die Grube hinab.
   Dann such in der Aufklärung Schutz und Schirm,
   Und treib' es wie das modernste Gewürm:
   Sieh über das Bessere höhnisch hinweg
   Und liege bei Memmen und Narren im Dreck.

                          Geht stampfend ab.

                                Autor.

   Ein schwerer Fluch, den da der grobe Mann
   Gesprochen hat, ein fürchterlicher Bann:
   Muß denn das Alte grob stets sein?
   Das will mir doch bei alledem nicht ein.
   Er meint am Ende, die rechte Witzesart
   Liege in dem verteufelt groben Fischart:
   Und wollt' ich davon das Bescheidenste schreiben,
   So würde mir kein honetter Leser bleiben. --
   Das Feuer im Ofen brennt hell und knistert,
   Als wollt es den ganzen Ofen sprengen:
   Mir ist als ob es mit Stimmen flüstert,
   Als löste der Ofen sich in Gesängen:
   Wenn alles Poesie und Musik noch wird,
   Gestaltet sich die Welt doch zu verwirrt. --
   Ich sehe den Ofen in seiner Basis wackeln,
   Es springen, meiner Seel, die Kacheln,
   Dampf und Gestank erfüllt das Zimmer
   Und drinne steht ein Frauenzimmer.

             Der falsche Ruhm tritt aus dem Ofen heraus.

                                Autor.

   Wer bist du wunderbares Bild?
   Sag an, was du von mir haben willt,
   Mir steigt der Dampf in alle Sinnen,
   Ich möchte fort, kann nicht von hinnen.

                            Falscher Ruhm.

   Ich bin der Ruhm, der die Welt durchkreuzt,
   Der alle Helden mächtig reizt,
   Der Lohn für alle Arbeit,
   Ich wohn' in Licht und Klarheit,
   Wo Feuer brennt, da brenn' auch ich,
   Drum kam ich aus dem Ofen säuberlich
   Mit meinen Kränzen dir entgegen
   Dir zu ertheilen meinen Segen.

                                Autor.

   Doch deine Kränze, mit Verlaub,
   Bestehn ja nur aus dürrem Laub.

                            Falscher Ruhm.

   Du Thor, geht man durch Feuer risch,
   So bleibt das grüne Laub nicht frisch.

                                Autor.

   Wie kannst denn du der Ruhm doch sein?
   Ich dachte, der wohnte im lichten Schein,
   So kömmst du her in Qualm und Gestank,
   Das macht mir doch etwas mein Herze bang.

                            Falscher Ruhm.

   Nicht viel gezweifelt; ich hasse das Licht,
   Denn weil ich, leider, beim Lichte besehn,
   So gar sehr reizend bin eben nicht,
   So will ich lieber im Qualme stehn:
   Was du Gestank thust böslich nennen,
   Das ist ja eben mein Geruch,
   Woran die Menschen mich erkennen,
   Und der mir anzieht die Menge genug.
   Nun sprich, ich habe nicht Zeit zum Hänseln,
   Denn ich bin immer in Thätigkeit,
   Hier und da zu krönen treffliche Leut,
   Steht einer dir an von meinen Kränzen?

                                Autor.

   Sie sind aber alle voll Staub und Aschen.

                            Falscher Ruhm.

   Ich fülle den Kopf nicht, sondern die Taschen,
   Geld mußt du haben, willst du was gelten,
   Das Gold hat immer sehr gegolten,
   Dann mögen sie um dich lärmen und schelten,
   Eine volle Tasche wird nimmer gescholten.
   Willst dich zu meinem Dienst bequemen,
   So mußt dich weder erzürnen noch schämen,
   Mußt nie an keine Herrlichkeit glauben,
   Noch weniger dich mit Andacht verschrauben,
   Die Menge ist deiner Gottheit Stimme,
   Je dummer du mengst, je größer deine Menge,
   Und stehst du recht dicht im großen Gedränge,
   So fürchtest du dich vor keinem Grimme.
   Schau an, wie lieblich jetzt die Welt,
   In der Armuthseligkeit ist bestellt,
   Es fehlt ihnen allen von Osten nach Westen,
   Von Norden nach Süden an dem Besten,
   Drum wer die Leute halbwege ergötzt,
   Wird gleich in alle Sprach übersetzt,
   Noch niemals hatt' es ein Dichter kommoder,
   Fehlt ihm auch gänzlich der Menschenverstand,
   Sein Ruhm geht doch von der äußersten Oder
   Bis an des Mittelmeeres Strand;
   Es kommen gelaufen die Irren und Britten,
   Der Poesie zu Enge Länder und demüthig bitten
   Sie dich und reichen genuine Guineen
   Für sehr ungeniete Genien,
   Und sprechen: sei unser Shakespeare,
   Wir sehn, der unsrige ist ein Käsebier,
   Flugs wirst der berühmte Shakspeare du,
   Und wärst Du selber der Kotzebue.

                                Autor.

   Das Ding ist wahrlich so übel nicht,
   Wenn du mir hältst, was dein Mund verspricht.

                            Falscher Ruhm.

   Du mußt nur, wenn es dir soll glücken,
   Dein Vorurtheil gegen den Dampf ersticken.

                                Autor.

   Wenn mich der Dampf nicht wird ersticken.

                            Falscher Ruhm.

   Der muß dein Element ja werden,
   Dann wandelst du auf dieser Erden,
   Als der berühmte große Hans Dampf,
   Und überstanden ist aller Kampf,
   Die meisten halten's doch für Rauch,
   In dem ja lebten die Götter auch.

                                Autor.

   Was hör' ich oben für ein herrlich Singen,
   Das durch das ganze Lustrevier erschallt?
   Es ist, als ob die Töne widerklingen
   Aus einem grünen Vögelvollen Wald,
   Und wie sie kommen süße Düfte schwingen
   Hernieder sich, und gaukelnd mich umwallt
   In allen trunknen Sinnen die Bemeistrung,
   Ich möchte sagen fast, das ist Begeistrung.
   Ich seh das Dach sich oben wieder spalten,
   Das Haus muß heute wahrlich untergehn,
   Wie sich die Bretter alle dort entfalten
   Dringt durch sie her ein heller Lichtstrahl schön,
   Es brechen nieder mächtige Gestalten,
   Und fahren aus dem lieblichen Getön,
   Verwirrt weiß ich mich wahrlich nicht zu fassen,
   Wo soll ich alle die Besuche lassen?

         Der wahre Ruhm schwebt von Genien getragen herunter.

                                Autor.

   O holdes Bild, ich stürze in die Knie,
   Und bete zu dir im andächtgen Schweigen,
   Mein Herz erhebt sich, und noch nimmer, nie
   Sah ich die Majestät, wie du sie zeigen
   Mir willst in deinem Glanz, ich ehre sie
   Und möchte gern dir zugehören eigen,
   Mit Zittern ist das andre Bild entwichen,
   Es ist vor deinem vollen Glanz erblichen.

                              Der Ruhm.

   Nicht daß du wirst von Thoren laut gepriesen,
   Nicht daß die Welt, die eitle, dich verehrt,
   Nicht daß du Schmeichler siehst zu deinen Füßen,
   Daß man dein Lob von allen Zungen hört,
   Nicht Lohn und Gold hat sich als Ruhm erwiesen,
   Es hat dein eignes Herz dich schon belehrt,
   Daß nur im Innern dir der wahre Ruhm,
   Ist dir dein Ziel und Streben Heiligthum.

   Und wollen sie dich höhnen und verkennen,
   Fällt dir auch nur ein mittelmäßig Loos,
   Will auch die Welt nicht deinen Namen nennen,
   Dünkt sich der Thor auch über dir und groß;
   Wird nur im Herzen dir die Flamme brennen,
   Hegt dich die Andacht nur in ihrem Schooß,
   So blüht im Herzen dir die goldne Blume,
   Auch ungekannt wohnst du im hohen Ruhme.

                                Autor.

   Die heut'gen Stunden will ich nie vergessen,
      Sie sollen tief in meinem Innern blühen,
      Nie will ich mich im Uebermuth vergessen:
   Ja ewig will ich, heilge Kunst dir glühen,
      Kein fremdes Bild soll in mir auferstehen
      Und von der vorgesetzten Bahn mich ziehen.
   Ich sehe vor mir wundervolle Höhen,
      Nach ihnen sei der feste Schritt geleitet,
      Und sollte rings um mich die Welt vergehen.
   Was thuts, wenn Pöbel hinter mir auch schreitet,
      Sein Wüthen mir den Weg verkümmern will,
      Von einem süßen Licht bin ich geleitet.
   Die ewgen Ströme werden nimmer still.
      Der freche Hohn sinkt unter bald in Schweigen,
      Die Nacht nimmt ihn in ihre schwarze Hüll'.
   Bald muß das schöne Morgenroth sich zeigen,
      Es dämmern schon die wolkigen Gestalten,
      Die Finsterniß muß sich hinunter neigen. --
      Dann bitt ich noch: nicht Spaß für Ernst zu halten.




Anmerkungen zur Transkription


Der Originaltext ist in Fraktur gesetzt. Hervorhebungen, die im
Original g e s p e r r t sind, wurden mit Unterstrichen wie _hier_
gekennzeichnet. Textstellen, die im Original in Antiqua gesetzt sind,
wurden ^so^ und Bühnenanweisungen ~so~ markiert.

Die variierende Schreibweise des Originales wurde weitgehend
beibehalten. Lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert,
teilweise unter Verwendung weiterer Ausgaben, wie hier aufgeführt
(vorher/nachher):

   [S. 5]:
   ... standen auf den Tafeln, und eine schöne schöne Musik ...
   ... standen auf den Tafeln, und eine schöne Musik ...

   [S. 15]:
   ... er legte ihn nun auch ein schönes Gebiß an, und putzte ...
   ... er legte ihm nun auch ein schönes Gebiß an, und putzte ...

   [S. 24]:
   ... möchte, schlug ihm ein anderer von den Räthen zu Boden, ...
   ... möchte, schlug ihn ein anderer von den Räthen zu Boden, ...

   [S. 25]:
   ... ich will dem tapfern Reinold die Steinkippe geben, ...
   ... ich will dem tapfern Reinold die Steinklippe geben, ...

   [S. 25]:
   ... zum ehelichen Gemal geben, wenn er mir solches verpricht. ...
   ... zum ehelichen Gemal geben, wenn er mir solches verspricht. ...

   [S. 25]:
   ... daß das Schloß Montalban heiße und Reinold angegehöre, ...
   ... daß das Schloß Montalban heiße und Reinold angehöre, ...

   [S. 34]:
   ... und ging auf Reinhold zu. Er hatte weiße Haare und ...
   ... und ging auf Reinold zu. Er hatte weiße Haare und ...

   [S. 35]:
   ... hatte, da fielen ihm seine goldene Sporen ein, die ihm ...
   ... hatte, da fielen ihm seine goldenen Sporen ein, die ihm ...

   [S. 45]:
   ... Hab' ich ihn doch von jeher nichts als lauter ...
   ... Hab' ich ihm doch von jeher nichts als lauter ...

   [S. 51]:
   ... die Malegys gebracht hatten, hielten sich sehr tapfer, ...
   ... die Malegys gebracht hatte, hielten sich sehr tapfer, ...

   [S. 56]:
   ... sie flohen oder umkamen, und Risart war wieder frei, ...
   ... sie flohen oder umkamen, und Ritsart war wieder frei, ...

   [S. 61]:
   ... so viel gute Worte ihn auch Reinold gab, worüber ...
   ... so viel gute Worte ihm auch Reinold gab, worüber ...

   [S. 64]:
   ... fangen, denn es geht meinen Herzen gar zu nahe. Da ...
   ... fangen, denn es geht meinem Herzen gar zu nahe. Da ...

   [S. 69]:
   ... Begebenheiten und große Thaten und den höchsten ...
   ... Begebenheiten und große Thaten zu den höchsten ...

   [S. 73]:
   ... Reymond zu seinem Herrn Vetter sagte: wir sind in ...
   ... Reymund zu seinem Herrn Vetter sagte: wir sind in ...

   [S. 77]:
   ... mit der größten Behendigkeit von Pferde herunter ...
   ... mit der größten Behendigkeit vom Pferde herunter ...

   [S. 146]:
   ... Tafel gelesen hatte; konnte er sich nicht genug darüber ...
   ... Tafel gelesen hatte, konnte er sich nicht genug darüber ...

   [S. 147]:
   ... daß der ganze Thurm erbebte und er soglich todt war. ...
   ... daß der ganze Thurm erbebte und er sogleich todt war. ...

   [S. 275]:
   ... Sie Sind wohl auch ein Schriftensteller. ...
   ... Sie sind wohl auch ein Schriftensteller. ...






End of the Project Gutenberg EBook of Schriften 13: Märchen / Dramatische
Gedichte / Fragmente, by Ludwig Tieck

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  the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
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  Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid
  within 60 days following each date on which you prepare (or are
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  Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in
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1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project
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are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing
from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The
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trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
works not protected by U.S. copyright law in creating the Project
Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm
electronic works, and the medium on which they may be stored, may
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LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

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damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement
violates the law of the state applicable to this agreement, the
agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or
limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or
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remaining provisions.

1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in
accordance with this agreement, and any volunteers associated with the
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including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
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or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
www.gutenberg.org



Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
volunteers and employees are scattered throughout numerous
locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
date contact information can be found at the Foundation's web site and
official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:

    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    [email protected]

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate

Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

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facility: www.gutenberg.org

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