Meine zweite Weltreise : Dritter Theil

By Ida Pfeiffer

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Title: Meine zweite Weltreise
        Dritter Theil

Author: Ida Pfeiffer

Release date: March 17, 2025 [eBook #75640]

Language: German

Original publication: Wien: Carl Gerold, 1856

Credits: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by eBooks on Demand at the University of Vienna.)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MEINE ZWEITE WELTREISE ***





[Illustration: ~Holzschnitt und Druck von Eduard Kretzschmar in
Leipzig.~

Eine Dame aus Lima.]




                                 Meine

                           Zweite Weltreise.

                                  Von

                             Ida Pfeiffer,

 Verfasserin der „Reise in das heilige Land“, der „Reise nach Island“
                  und der „Frauenfahrt um die Welt.“


                            Dritter Theil.
                   Kalifornien.    Peru.    Ecuador.


                                 Wien.
                          Carl Gerold’s Sohn.
                                 1856.




     Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen behält sich die
                           Verfasserin vor.

                     Druck von Carl Gerold’s Sohn.




Inhalt des dritten Bandes.


  Dreizehntes Kapitel.            Seite

  Reise von Batavia nach Kalifornien. -- Ankunft in San
  Francisco. -- Die Stadt der Wunder. -- Hohe Preise.
  -- Die Spielhäuser -- Amerikanisches Gerichtsverfahren.
  -- Die Plaza. -- Sacramento. -- Amerikanische
  Reisegesellschaft. -- Besuch bei General Sutter. --
  Mary’s Ville. -- Brown’s Valley. -- Die Goldwäschereien
  am Yuba-Flusse. -- Die Indianer                              1


  Vierzehntes Kapitel.

  Crescent-City. -- Ausflug zu den Rogue-river-Indianern.
  -- Ein Nachtlager im Wig-wam. -- Gefährliche Lage
  meines Reisegefährten. -- Rachsucht der Indianer. --
  San José. -- Acapulco. -- Panama                            44


  Fünfzehntes Kapitel.

  Reise nach Lima. -- Die Englischen Dampfer. -- Guayaquil.
  -- Callao. -- Die Deutschen Auswanderer. --
  Lima. -- Kirchen und öffentliche Gebäude. -- Die Peruanischen
  Damen. -- Erdbeben. -- Unsicherheit. --
  Der Badeort Chorillos. -- Die Ruinen des Sonnentempels
  Pachacamac. -- Die Hazienda St. Pedro                       91


  Sechzehntes Kapitel.

  Ecuador. -- Reise nach Quito. -- Fahrt auf dem Guaya.
  -- Savanetta. -- Die Tambos. -- Der Camino real.
  -- Guaranda. -- Uebergang über die Cordilleren nächst
  dem Chimborazo-Gipfel. -- Die Hochebenen von Ambato
  und Latacunga. -- Ausbruch des Cotopaxi. --
  Haziendas-Besitzer                                         133


  Siebzehntes Kapitel.

  Quito. -- Rohheit des Volkes. -- Sehenswürdigkeiten.
  -- Kirchliche Feste. -- Die Geistlichkeit und die Regierung.
  -- Die Indianer. -- Theater. -- Rückreise
  nach Guayaquil. -- Der Chimborazo. -- Ein Stiergefecht.
  -- Todesgefahr. -- Panama. -- Reise über
  den Isthmus. -- Aspinwall                                  173




Dreizehntes Kapitel.

  Reise von Batavia nach Kalifornien. -- Ankunft in San Francisco.
  -- Stadt der Wunder. -- Hohe Preise. -- Die Spielhäuser. --
  Amerikanisches Gerichtsverfahren. -- Die Plaza. -- Sacramento. --
  Amerikanische Reisegesellschaft. -- Besuch bei General Sutter.
  -- Mary’s Ville. -- Brown’s Valley. -- Die Goldwäschereien am
  Yuba-Flusse. -- Die Indianer.


Die Reise von +Batavia+ nach +San Francisco+ geht beinahe um die
Hälfte des Erdkreises: 150 Meilen durch die Java-See, 2000 durch die
Chinesische und bei 8000 durch den stillen Ocean, im ganzen 10,150
Meilen.

Am 6. +Juli+ Nachmittags begleiteten mich meine Freunde, Herr und Frau
+Steuerwald+, bis an das Boot, das mich an Bord des Dreimasters +Seneca
Baltimore+, Kapitän +Feenhagen+, brachte.

Es ging nun nach einem neuen Lande, zu einem neuen Volke. Bisher hatte
sich das Glück mir treu bewährt, es begleitete mich auf allen meinen
großen und langen Wanderungen. Ich hoffte, es werde mich gleich
gute Aufnahme auch bei den Amerikanern finden lassen und mich ohne
Unfall nach der weit entfernten Heimath in die Arme meiner Theueren
zurückführen! --

Am 7. +Juli+ früh Morgens wurden die Anker gelichtet, am 9. und
10. schifften wir an den Banda-Inseln vorüber und lenkten in die
+Gaspar-Straße+, welche von den Inseln +Leat+ und +Lepa+ gebildet wird
und in die Chinesische See leitet. Alle Waffen wurden in Stand gesetzt,
da diese See nicht immer frei von Piraten ist.

Am 12. +Juli+ passirten wir den Aequator. Die See war so ruhig, daß
der Kapitän eines Schiffes, welches an unserer Seite segelte, zu uns
an Bord kam. Kaum hatte er uns wieder verlassen, so erhob sich so
plötzlich eine Bö, daß wir in Angst waren, er könne sein Schiff nicht
mehr erreichen; nur mit Mühe gelang es ihm.

Am 22. +Juli+ begann Nachmittags ein heftiger Sturm; wir zogen alle
Segel ein und befürchteten einen +Tifoon+ (Orkan).

Am folgenden Tage gelangten wir unter fortgesetztem Sturme zwischen
+Luzon+ und der Höhe von +Formosa+ in den stillen Ocean. Von nun an
sahen wir durch zwei ewig lange Monate nichts als Himmel und Wasser;
die einzigen lebenden Geschöpfe, die wir von Zeit zu Zeit zu Gesicht
bekamen, waren einige Möven, welche unsere Segel umflatterten.

Ich ward auf dieser Reise abermals vom Wechselfieber heimgesucht,
obgleich weder die Kost noch sonst etwas mir Bekanntes Anlaß gab. Jene
war so trefflich, daß ich auf der ganzen Reise nicht nöthig hatte, ein
Stückchen Salzfleisch zu essen. Meine Schlafkabine war geräumig wie
ein Kämmerchen, und für alle meine Bedürfnisse ward von dem guten und
gefälligen Kapitän mit liebenswürdiger Aufmerksamkeit gesorgt. Welcher
Unterschied zwischen dieser Reise und jener von London nach dem Kap der
guten Hoffnung (Kapitän +Brodie+)! Mit Grausen denke ich der letzteren
noch heut zu Tage.

26. +September.+ Endlich erscholl der längst ersehnte Ruf „Land, Land!“
Abends lag die Küste Kaliforniens vor unsern Augen. Und dennoch, obwohl
ich beinahe drei Monate in dem hölzernen Gefängnisse zugebracht, mehr
als zwei Monate kein Land gesehen hatte, machte diese Küste durchaus
keinen angenehmen, im Gegentheile einen recht traurigen Eindruck auf
mich. Sie war über alle Maßen öde und todt. Nackte Sandhügel stiegen
von allen Seiten schroff auf, kein Baum, kein Strauch, nicht der
ärmlichste Grashalm unterbrach die einförmige Farbe dieser unheimlichen
Wüste. Hieher, dachte ich, verbannen sich die Menschen freiwillig
-- warum? -- um ein Klümpchen Gold zu finden! Wie müßte wohl eine
Gegend aussehen, die den golddürstigen Weißen fern hielte, wenn er den
geliebten Mammon daselbst zu finden wüßte?

27. +September.+ Morgens kam der Pilot an Bord und geleitete uns durch
das „goldene Thor“ (so wird die Einfahrt genannt) in die Bay von +San
Francisco+. Diese, obwohl so ziemlich denselben Charakter tragend, wie
die Küste, der wir zuerst ansichtig wurden, ist doch im ganzen schön zu
nennen. Sie ist von einer Fülle von Bergen, Hügeln und Felsparthieen
umgeben, die in den mannigfaltigsten Gruppen bald vortreten, bald
zurückweichen, ferner besitzt sie viele kleine Eilande und bildet
Buchten, Becken und Straßen, so daß der Blick fortwährend gefesselt
bleibt. Ihre Länge beträgt 45 Meilen, ihre größte Breite 12. Wir
glitten an den Ziegen- und Vogel-Eiländchen vorüber und warfen endlich
Anker vor der Stadt selbst, die zwölf Meilen von der Einfahrt liegt und
sich in bedeutendem Umfange auf vielen Sandhügeln ausbreitet.

Den zerstreut umher liegenden Häuschen gönnt man zwar noch nicht das
Recht, zur eigentlichen Stadt gezählt zu werden; allein da die Stadt
in so raschem Aufblühen ist und sich gewiß mehrere Meilen nach allen
Richtungen ausbreiten wird, so werden sie wohl bald dazu gehören. Die
eigentliche Stadt besteht blos aus den Theilen, welche knapp am Strande
liegen, wo sich die hölzernen Quais und die Magazine befinden. Die
Bevölkerung des Ganzen (der Stadt und der sogenannten Vorstädte) wird
auf einige sechzigtausend Seelen gerechnet.

Die Häuser in den Vorstädten und in der Umgebung sind sehr klein und
von Holz; sie liegen ohne die geringste Regelmäßigkeit und Ordnung,
das eine in der Tiefe, das andere auf steilen, spitzen Sandhügeln, was
einen höchst erbärmlichen Anblick gewährt. Die Stadt dagegen besitzt
schon viele große, zwei bis drei Stock hohe, gemauerte Häuser, die zum
Theil auf Plätzen stehen, wo noch vor kurzem die See war, und zwar
mit einer Tiefe, daß die größten Schiffe vor Anker gehen konnten.
Da nämlich die Sandhügel auf allen Seiten beinahe senkrecht aus dem
Meere stiegen, war man gezwungen, sie theilweise abzutragen, mit
dem hinunter geworfenen Sande die See zurück zu drängen und so eine
künstliche Fläche für die Geschäftsstadt zu bilden. Diese Arbeiten, so
wie auch die hölzernen Quais und Werfte überraschten mich mehr noch,
als die großen Häuser. Man kann nicht umhin, beide Unternehmungen als
Riesenwerke zu betrachten, wenn man bedenkt, wie kurze Zeit das Land
von Amerikanern[1] und Europäern in Besitz genommen ist, wie weit man
das Holz für die Quais und Werfte zu führen hatte, und wie über alle
Maßen theuer die Handwerker und gemeinen Arbeiter waren und noch heut
zu Tage sind. Die ausgedehnten Quais und Werfte, in eine Linie neben
einander gestellt, würden gewiß eine Länge von vielen Meilen betragen.
Die See ist an der Küste so tief, daß Schiffe von zwei- bis dreitausend
Tonnen an den Quais anlegen können.

Kalifornien oder Neu-Mexiko gehörte zu dem Staate Mexiko, wurde im
Jahre 1846 von den Amerikanern nach einjährigem Kriege erobert und im
selben Jahre am 7. Juli zu +Monterey+ den Nordamerikanischen Staaten
feierlich einverleibt. Die Bevölkerung dieses neuen Staates mochte
damals an 150,000 Seelen betragen, von welchen der größte Theil
Indianer waren; heut zu Tage wird sie auf 300,000 geschätzt.

Das erste Goldlager wurde bei +Coloma+ im Distrikte +Eldorado+ durch
General +Sutter+ bei Ziehung eines Mühlgrabens im Juli 1848 entdeckt.
Man stieß mit der Schaufel auf einen harten Gegenstand, den man im
ersten Augenblicke beinahe ununtersucht bei Seite geworfen hätte.
Doch die besondere Schwere erregte Aufmerksamkeit, und bei genauerer
Untersuchung ergab sich, daß es ein reiner Goldklumpen war. Die
Goldausfuhr betrug bis Ende 1849 ungefähr zwanzig Millionen Dollars, im
Jahre 1850 vierzig Millionen. Seitdem rechnet man sie durchschnittlich
per Monat auf fünf Millionen, welche Schätze alle nach den Vereinigten
Staaten und Europa gehen.

Doch wieder zurück zu meiner Ankunft in San Francisco.

Ich hatte gar keinen Empfehlungsbrief, konnte mich daher an niemanden
wenden und wußte nur zu gut, daß dieser Platz ganz außergewöhnlich
theuer und wohl für Geschäftsleute, aber nicht für Reisende geschaffen
sei, deren Kasse stets ab- und nie zunimmt. Ich wanderte den ersten
Tag von früh Morgens bis spät Abends umher, um eine nur einigermaßen
billige Unterkunft zu finden. Ermüdet und ohne Erfolg kehrte ich auf
das Schiff zurück, wo mir der gute Kapitän +Feenhagen+ so lange zu
bleiben angeboten hatte, als er den Hafen nicht verließe. Aber noch
denselben Abend erhielt ich eine äußerst liebenswürdige schriftliche
Einladung, für die ganze Zeit meines Aufenthaltes in dieser Stadt von
dem mir vollkommen unbekannten Englischen Hause +Colquhonn Smith+ und
+Morton+. Man kannte mich auch hier schon durch meine früheren Reisen,
und kaum las man meinen Namen unter den Angekommenen, so sandte man die
Einladung an Bord. Es bedarf wohl keiner Worte, um zu sagen, in welcher
Art ich aufgenommen wurde, und wie man bemüht war, mir mit allem an
die Hand zu gehen. Wahrlich, von wenig Familien trennte ich mich so
schwer als von dieser! Auch der Oesterreichische Konsul, Herr +Eduard
Vischer+, erwies mir viele und große Gefälligkeiten. Dieser Herr machte
eine erfreuliche Ausnahme von den meisten Oesterreichischen Konsuln,
welchen ich bisher auf meiner Reise begegnete; ich möchte von Herzen
wünschen, daß es deren mehrere ähnliche gäbe. Herr Vischer hat aber
auch allgemein den Ruf eines sehr guten und gefälligen Mannes.

Einen äußerst drückenden und beängstigenden Eindruck machten anfänglich
auf mich die engen, niedrigen Wohnungen, in welchen die Leute hier
leben. Die größten Gemächer sind so winzig, daß man in den meisten
Wohnungen gewiß in Verlegenheit käme, wenn zehn bis zwölf Personen zur
Tafel eingeladen wären. Von den Kämmerchen und Nebengemächern will ich
schon gar nicht reden, die sind alle wie für Liliputaner. Mir fiel
dieß natürlich um so mehr auf, da ich gerade aus Batavia kam, wo jeder
Empfangssaal so groß ist, daß man ganze hiesige Häuser hineinstellen
könnte. Solche Grillenhäuser, aus welchen jetzt noch die Hälfte der
Stadt besteht, besitzen gewöhnlich fünf bis sechs Behältnisse, die man
mit großem Unrecht „Zimmer“ nennt. Die Einrichtung ist reich, meistens
überreich, so daß die vielen schönen Möbel dem armen Bewohner beinahe
den ganzen Raum stehlen. Die Fußböden sind mit kostbaren Teppichen
belegt, die Wände mit Tapeten und Spiegeln bedeckt.

Auch in den neugebauten großen Ziegelhäusern sind die meisten Gemächer
sehr klein, besonders die Schlafkammern; man sagte mir, dieß sei
Amerikanische Sitte.

Ausgezeichnet groß und schön fand ich dagegen die Verkaufs-Lokale:
viele können mit jenen der größten Europäischen Städte in die Schranken
treten, so reich an Waaren, so zierlich arrangirt und so prachtvoll
sind sie. Die größten und schönsten Waarenlager findet man in der
Sacramento-Kle-Montgomery-Straße und auf der Plaza. An Spiel-, Kaffee-,
Wein- und Tanzhäusern ist die Stadt überfüllt. Theater gibt es
bereits sechs, in welchen Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch
gespielt wird. Zeitungen erscheinen dreizehn, große Buchdruckereien
bestehen achtzehn, außerdem noch viele kleine, die heute entstehen und
morgen wieder verlöschen. Kirchen von allen denkbaren Sekten sind
sechsundzwanzig erbaut, die meisten davon ganz unbedeutend.

Das gesellschaftliche Leben ist sehr großartig. Wer sich darin gefällt,
findet gewiß jeden Abend in häuslichen und öffentlichen Zirkeln mehr
Unterhaltung, als er wünschen kann. Bei Einladungen wird in Hülle
und Fülle aufgetischt. Was mir bei den Diners auffiel, war, daß es
nirgends Servietten gab, oder so kleine, wie für Puppen. Dieß kommt
von dem hohen Preise, der für das Waschen verlangt wird: man zahlt per
Dutzend Stücke, groß oder klein, 3 Dollars (1 Dollar ~à~ 4 Schilling
Englisch oder 2 fl. Oesterreichisch Geld); man gibt daher in den
meisten Familien nur die größeren Stücke außer Haus und sucht allen
überflüssigen Aufwand an Wäsche so viel wie möglich zu vermeiden.
Ueberhaupt findet man hier, in Folge der übertrieben hohen Preise
vieler Gegenstände, die höchste Oekonomie an der Seite der größten
Verschwendung. Manche Familien mit vier bis sechs Kindern halten
nur eine Magd, während es an prächtiger Hauseinrichtung, Garderobe,
Gesellschaften und Unterhaltungen nicht fehlt.

Ich füge hier die Preise verschiedener Gegenstände bei, die manche
meiner Leser kaum für wahrscheinlich halten dürften.

Eine Wohnung von fünf bis sechs Kämmerchen per Monat auf den besten
Plätzen 250 Dollars, etwas abgelegener 150 bis 200; die größten
Modemagazine per Monat 700 bis 1000 Dollars. In letzteren werden oft
wieder kleine Eckchen von sechs bis sieben Fuß im Geviert per Monat
für 100 Dollars abgelassen. Ein Diener, eine Magd 50 und 60 Dollars
per Monat nebst Kost und Wohnung, ein Handlanger 4 Dollars, ein
Zimmermann, Maurer 8 Dollars per Tag. Eine Kleidermacherin 4 Dollars
per Tag nebst Kost. -- Ein Huhn kostete 2, ein Kalkuttischer Hahn 10
Dollars, ein Dutzend Eier 2 Dollars. Ein Pfund Rindfleisch ¼ Dollar.
Ein Pfund Hammel- oder Schweinefleisch 60 Cents (ein Dollar hat 100
Cents), eine Flasche Milch 25 Cents, ein Pfund gesalzene Butter 75
Cents u. s. w. In den Hotels bezahlt eine Person per Monat für Kost
und Wohnung 100 Dollars. Der Preis eines Lohnwagens per Stunde 6
Dollars, eines Reitpferdes, ob auf eine Stunde oder einen halben Tag,
5 Dollars, Sonntags für Wagen oder Reitpferd das Doppelte. Nach einem
Dampfboote zu fahren 10 Dollars, nach einem Balle hin und zurück 20
Dollars. Für Reitpferde, die von den Eignern gewöhnlich in Miethställe
zur Verpflegung gegeben werden, per Monat 50 Dollars. Ein Lohndiener
erhält für jeden Gang 1 Dollar. Zwei bis drei Jahre früher waren die
Preise noch ungemein höher. Verhältnißmäßig billig werden dagegen
viele Fabrik- und Manufaktur-Gegenstände verkauft, und zwar in Folge
der übergroßen Einfuhr, mit der die Bevölkerung in keinem Verhältnisse
steht[2]. Viele Europäische und Amerikanische Handelshäuser sollen
dabei großen Schaden erlitten haben. Die Einfuhrzölle sind sehr
bedeutend; gewöhnliche Bedürfnisse zahlen zwanzig bis dreißig Prozent
und so fort bis zu hundert; letzteres jedoch nur für geistige Getränke.

Die Gründe der Stadt, wie die der nahen Umgebung, waren von der
Regierung in Lots ~à~ 150 Fuß im Geviert getheilt worden. Wer das
Glück hatte, solche Plätze im ersten Entstehen der Stadt zu kaufen,
konnte mit einigen guten Lots reich werden. Man kaufte die besten
zu 5- bis 8000 Dollars, die jetzt 150,000 kosten. Ein dreistöckiges
Backsteinhaus auf ein ganzes Lot gebaut, das eine Ecke formt, kommt auf
200,000 Dollars zu stehen, trägt aber einen jährlichen Zins von 130,000
Dollars, so daß Haus und Grund in längstens drei Jahren gezahlt sind.

San Francisco wurde sechsmal von Feuersbrünsten zerstört, von welchen
die meisten angelegt waren. Die zwei größten hatten im Jahre 1852
statt. Am 4. Mai des letztgenannten Jahres brannte jener Theil
der Stadt ab, in welchem die größten Reichthümer in den Magazinen
aufgespeichert lagen, nämlich von der Ecke der Montgomery-Straße bis
an die Kerney-Straße. Das zweite Feuer im Juli legte den westlich
gelegenen Theil der Stadt in Asche. Während das Feuer noch wüthete,
kamen zu den Grundbesitzern schon Leute, um den Grund auf drei oder
vier Jahre zu pachten. Sie bauten auf den beinahe noch glimmenden Boden
hölzerne Häuschen, die sie vermieteten, und wenn der Kontrakt zu Ende
war, hatten sie hinlänglich gewonnen, um den Grundbesitzern das Haus
für nichts zu überlassen.

Einstimmig wird San Francisco die Stadt der Wunder genannt. Die
Amerikaner behaupten, daß ihre schnelle Entstehung, ihr oftmaliges
Wiederaufbauen nach den Feuersbrünsten das Wunderbarste sei, was die
Welt je gesehen habe. Dieß ist allerdings wahr. Es gibt auch nur zwei
Kräfte, welche solche Wunder bewirken können -- Despotie und Gold.
Hier war letzteres der Hebel. Der Durst nach Gold, dieser größte der
Despoten, zog die Leute aus allen Weltgegenden herbei, und hölzerne
oder gemauerte Obdächer entstanden überall wie durch Zauber. Was sind
aber diese einfachen Werke gegen jene antiken Städte Hindostans,
deren Ruinen noch heut zu Tage die vergangene Größe verkünden,
und von welchen, wie uns die Geschichte lehrt, manche ebenfalls in
unglaublich kurzer Zeit entstanden, wie z. B. +Fatipoor Sikri+, eine
Stadt voll der schönsten Paläste mit Skulpturen ganz überdeckt, mit
prachtvollen Tempeln und Minarets, mit hoch gewölbten Stadtthoren
u. s. w., deren Umfang sechs Meilen betrug, die mit vierzig Fuß hohen
massiven Steinwällen umgeben und in weniger als zehn Jahren erbaut
wurde. Dergleichen Städte kann man Wunderwerke nennen, denn zu ihrer
Ausführung muß eine ganze Bevölkerung von Künstlern und Architekten
gehören.

Die Wunderwerke San Francisco’s bestehen in ganz gewöhnlichen Wohn- und
Zinshäusern, zu deren Erbauung die Goldminen Kaliforniens hinlänglich
Mittel geschafft haben und täglich schaffen. Was mich in dieser reichen
und luxuriösen Wunderstadt am meisten wunderte, ist, daß man auf zwei
sehr große Bedürfnisse gar keine Rücksicht genommen hat, auf reinliche,
geebnete Wege und auf Beleuchtung.

Von den Löchern, Hügeln und Unebenheiten in den Straßen der Stadt
kann man sich gar keine Vorstellung machen. Hier geht es Stufen
hinauf, dort einige hinunter, hier ist der Fußweg erhöht, dort wieder
nicht, hier werden Stellen abgegraben, dort liegen ganze Berge von
Ziegeln, Bauholz, Kalk und Sand, und keine Lichter werden zur Warnung
hingestellt. Dieß macht die Straßen bei Nacht nicht nur für Fahrende
und Reiter, sondern auch für Fußgänger wahrhaft gefährlich, was ganz
besonders von den hölzernen Quais gilt. Die See darunter ist nicht
ausgefüllt, die Bretter sind so abgenützt, daß sie einbrechen. Selbst
bei Tage muß man der vielen Löcher wegen mit größter Vorsicht fahren.
Nachts ereignet es sich nicht selten, daß Fußgänger in die Tiefe
stürzen und nie wieder zum Vorschein kommen.

In den schönsten und befahrensten Straßen liegen alte Kleider,
Wäsche, Stiefel, Flaschen, Geschirre, Kisten, todte Hunde, Katzen und
ungeheuere Ratten, an welchen die Stadt überreich ist; aller Unrath
wird vor die Thüre geworfen -- man könnte wirklich Konstantinopel im
Vergleiche zu San Francisco die Stadt der Reinlichkeit nennen. Dort
gibt es wenigstens Leute und Hunde genug, welche die Straßen säubern,
erstere lesen die Kleider, Wäsche u. dgl. auf, letztere verzehren den
Unrath.

Zu allem diesem kommt noch die Ungebundenheit der Leute, jeder Mensch
kann thun und machen, was er will; die Karren halten nicht selten
an den schmalen, ausgetretenen Wegen, die über die bei Regenwetter
grundlosen Straßen führen, Reiter befestigen ihre Pferde an den Häusern
auf den Gehwegen, so daß der arme Fußgänger tief in den Koth treten
muß, um sie zu umgehen. Derlei Willkürlichkeiten arten oft so aus, daß
sie mitunter gefährlich werden. So ging ich eines Morgens durch die
Stadt, als mir ein Fußgänger zurief. „Ein Bär, ein Bär!“ -- Ich wußte
gar nicht, was das bedeuten sollte, und konnte mir nicht denken, in den
Straßen einer so belebten Stadt einem Bären zu begegnen. Ich sah mich
nach allen Seiten um -- wirklich kam ein Bär hinter mir her gelaufen
und war nicht mehr als zwei Schritte von mir, so daß ich kaum Zeit
hatte, auf die Seite zu flüchten. Das Thier war wohl an einem Stricke,
der Strick an einem Karren befestigt; der Strick war aber so lang, daß
der Bär rechts und links auf die Fußwege unter die Vorübergehenden
gelangen konnte. Der Fuhrmann nahm sich nicht einmal die Mühe, die
Leute anzurufen.

Ein Geschäfts- oder Spaziergang in San Francisco ist meiner Meinung
nach eine wahre Bußaufgabe. In der sogenannten Geschäftsstadt kann man
sich kaum durch das Gewirre von Menschen, Reitern, Karren und Wagen
winden; in jenen Theilen der Stadt oder Gegenden[3], wo die Straßen
nicht mit Brettern belegt sind, muß man fußtief im Sande waten; dabei
die ewig einförmige Ansicht der nackten Sandhügel -- wahrlich nur
derjenige, der sein Glück im Golde findet, mag sich über alle diese
Unannehmlichkeiten hinaus setzen und am Ende wohl gar vergessen, daß
es Bäume und Wiesenteppiche gibt, die doch wohl schöner sind, als die
Teppiche der goldbelasteten Spieltische.

Im Frühling soll die Umgebung freilich einen anderen Anblick gewähren
und der dürre Sandboden mit einer wunderbar schönen, üppigen Flora
bekleidet sein; aber die Könige des Pflanzenreichs, die majestätischen
Bäume, die zierlichen Gebüsche schafft doch keine Jahreszeit.

Außerordentlich schön fand ich in San Francisco die Pferde und
Maulthiere. Sie werden, wie die Ochsen und Kühe, alle zu Lande über die
Plains (Ebenen) von Nordamerika herüber gebracht. Pferde und Maulthiere
sind sehr hoch und kräftig. Es gibt Pferde, mit welchen man sechzig
Meilen in einem Tage reiten kann, Maulthiere, die drei Centner tragen.
Die Pferde in den Lohnkutschen und Omnibussen sind ungleich schöner als
in London. Von einer besonderen Pracht sind die Lohnkutschen. Man kann
nicht leicht etwas schöneres in dieser Art sehen; es soll aber auch ein
solcher Wagen mit dem Gespann bis 4000 Dollars kosten.

Der Verkehr ist schon sehr leicht und schnell. Dampfschiffe
durchkreuzen die Bay, befahren die Flüsse; Stage-coaches, die gleich
Postgelegenheiten die Pferde wechseln, gehen nach allen Richtungen des
Landes. Auch eine Telegraphen-Linie ist bereits eröffnet und erstreckt
sich über +St. José+ bis +Sacramento+, eine Länge von ungefähr 130
Meilen.

Eines Abends besuchte ich die öffentlichen Unterhaltungsorte, von
welchen mich die Spielhäuser am meisten interessirten, da ich bisher
noch keine öffentlichen gesehen hatte. Was mir in diesen vor allem
in das Auge fiel, war die höchst gemischte Gesellschaft. Neben dem
zierlichsten Dandy saß ein Matrose, ein Minenarbeiter im rothwollenen
Hemde ohne Jacke, die Hände kaum vom Theer oder Schmutz gereinigt, die
Stiefel bis hinauf voll Koth. Der Reiche wie der schmutzig Gekleidete
hatten nur Gold und harte Thaler vor sich liegen. Noch vor zwei Jahren
soll man blos Gold gesehen haben. In keiner Miene, selbst bei dem
sanguinischen Franzosen, dem lebhaften Mexikaner las man Aufregung
oder Leidenschaft, obwohl ich das Gegentheil häufig behaupten hörte.
Aus den Gesichtern hätte ich nicht beurtheilen können, wer von der
Glücksgöttin begünstigt oder vernachlässigt war. Was die Einrichtung
dieser Spielhäuser anbelangt, so ist sie darauf angelegt, nicht nur
die Leidenschaft des Spielers, sondern auch seine Sinne zu berauschen
und zu betäuben. Abscheulich verführerische Oelgemälde hängen an den
Wänden, lärmende Musik durchrauscht die geräumigen Säle, schöne Mädchen
sitzen hie und da als Lockvögel an den Tischen.

Ich bin weit und breit in der Welt herum gekommen, unter Völker,
die in Folge des Klimas und aus Mangel an Erziehung und Religion
zu den sinnlichsten gehören; aber solche öffentliche, schamlose
Verführungsanstalten sah ich nirgends -- man findet sie nur unter
christlichen Völkern, unter civilisirten Regierungen. Ich will damit
nicht behaupten, daß die Unsittlichkeit unter nicht christlichen
Völkern geringer sei; allein sie so öffentlich zur Schau zu legen, so
weit geht ihre Schamlosigkeit nicht.

Von den andern öffentlichen Unterhaltungsplätzen, den Tanzhäusern, den
Chinesischen Spiel- und Erfrischungshäusern will ich schweigen; nur
muß ich bemerken, daß es in den Chinesischen Spielhäusern anständiger
zuging, als in den Amerikanischen. Da gab es weder Gemälde, noch Musik,
noch Mädchen; letztere wenigstens nicht in den Spielzimmern.

Der Goldüberfluß in San Francisco ist so groß, die Preise sind so hoch,
daß gar keine Kupfermünze in Umlauf ist; die Leute wünschen auch nicht,
daß es je dazu kommen möge. Jedermann findet hinlänglichen Verdienst;
im Gegentheil, es fehlt noch überall an Händen. Dessen ungeachtet
vergeht kaum eine Nacht, daß man nicht von Diebstählen hört. In allen
Schlafzimmern sieht man Pistolen hängen, und Abends geht niemand
ohne Stockdegen oder Pistolen aus, denn auch in den Straßen kommen
manchmal Raubanfälle und selbst Morde vor. Die Polizei ist so schlecht
organisirt, daß kein Dieb so leicht entdeckt wird, die Bestrafungen so
geringe, daß sie kein Mensch fürchtet. Beinahe alle Vergehungen werden
mit einigen Wochen Gefängnißstrafe abgebüßt. Sogar die Mörder kommen
leicht durch. Der Thäter geht gewöhnlich selbst zum Richter, erzählt
den Vorfall nach Belieben, wobei es natürlich immer heraus kommt, daß
er den Mord aus Nothwehr begangen habe. Weiß er den Richter auf dem
rechten Flecke zu packen (d. h. mit Gold), so kommt er oft nicht einmal
in das Gefängniß.

Während meines Aufenthaltes zu San Francisco schoß ein Herr, den ich
persönlich kennen lernte, seinen Diener nieder. Die Kugel war in
die Seite gegangen, und deshalb der Schuß zwar nicht augenblicklich
tödtlich, doch hatte man am dritten Tage die Kugel noch nicht gefunden.
Der Herr ging zu dem Richter, gab seine That an und erklärte sie
ebenfalls für Nothwehr. Er führte an, daß sein Diener häufig betrunken
sei, und daß er demselben in solch einem Zustande den Dienst kündete.
Der Betrunkene, darüber erboßt, habe ihm geantwortet, daß er ohnehin
nicht mehr bleiben wolle, daß er aber, bevor er das Haus verließe, ihn
niederschießen werde; „+entweder+“, habe er hinzu gefügt, „+schieße ich
Sie todt, oder Sie müssen mich todt schießen+.“ Bei diesen Worten habe
der Diener ihm mit der Faust gedroht, worauf er (der Herr) eine Pistole
ergriffen und auf ihn geschossen habe. Der Mörder wurde auf einen Tag
eingesperrt, den zweiten gegen eine Kaution und das Versprechen, sich
nicht aus dem Stadtgebiete zu entfernen, wieder frei gegeben.

Kurze Zeit darauf verließ ich San Francisco und erlebte deshalb
nicht den Ausgang der Geschichte; allein man versicherte mir, daß,
selbst wenn der Diener stürbe, der Herr mit höchstens einigen Wochen
Gefängnißstrafe davon käme.

Vor zwei Jahren soll es noch ganz anders zugegangen sein, da war man
seines Lebens am hellen Tage nicht sicher. Hatte einer einen Haß gegen
jemanden, oder einen Streit, so schoß er seinen Gegner auf öffentlicher
Straße nieder. Zweikämpfe wurden ohne weitere Umstände gleich auf
der Plaza ausgemacht; die Kämpfer schossen da auf einander, ohne die
Vorübergehenden anzurufen und zu warnen. Mitunter traf eine Kugel statt
eines Kämpfers einen ganz Unschuldigen; das schadete aber nichts,
deshalb wurde niemand zur Rechenschaft gezogen.

Viel strenger verfuhr man zu jener Zeit mit den Dieben, zwar nicht
das Gericht, das schlief so fest und wo möglich noch fester als heut
zu Tage, sondern die Privatpersonen. Sie bildeten einen Verein und
übten die Gerechtigkeitspflege selbst aus[4]. Den ersten Dieb, den
sie erhaschten, hingen sie sogleich auf der Plaza auf. Dieß wirkte so
kräftig, daß die Diebstähle auf lange Zeit aufhörten.

Wie man sieht ist die Plaza ein höchst merkwürdiger Ort für die
Stadtbewohner. Jetzt dient sie nicht mehr als Schauplatz so
gewalttätiger Scenen; im Gegentheile kehrt mancher vielleicht ein
wenig gebessert von ihr heim. Ein sehr wackerer, würdiger Missionär,
Herr +Taylor+, hält nämlich jeden Sonntag Nachmittag kräftige, gute
Predigten dort. Ich hörte mehrere und jede befriedigte mich sehr.
Er sprach den Leuten so recht an das Herz und Gemüth, und nahm die
zweckmäßigsten Beispiele aus dem gewöhnlichen Leben. Man sah es dem
trefflichen Manne an, daß er Missionär aus wahrem, innerem Berufe war.
Die Leute hörten ihm auch sehr aufmerksam zu, und mancher Händedruck
von Zuhörern ward ihm zum Lohne. Meiner Meinung nach hätten die
Christen gute Missionäre weit nöthiger als die Heiden. Ein altes
deutsches Sprüchwort sagt: „Kehre zuerst vor deiner Thür.“

Von den öffentlichen Anstalten besuchte ich das Gefängniß und das
Stadthospital. Um diese Plätze besuchen zu dürfen, mußte ich eine Menge
Gänge machen und ein halbes Dutzend Erlaubnißscheine begehren.

Als ich in dem Gefängnisse dem Director meinen Schein vorwies, begab
sich ein komisches Mißverständniß. Da sich in San Francisco niemand
Zeit nimmt, eine öffentliche Anstalt zu besuchen, wenn ihn nicht ein
Geschäft dahin ruft, dachte der Direktor, ich sei gekommen, um einen
Gefangenen zu sprechen. Er las den Schein gar nicht durch, sein Blick
blieb blos auf meinem Namen haften. Er dachte eine Weile nach und sagte
endlich, er könne sich nicht entsinnen, daß ein Verbrecher dieses
Namens in dem Gefängnisse säße, worauf dann natürlich die Erklärung
folgte.

Das Gefängniß besteht aus dunklen, feuchten Kämmerchen, jedes für
sechs Personen und so klein und enge, daß die Leute kaum Platz zum
Schlafen haben. Der Boden ist nicht gedielt, es gibt weder Bänke noch
Schlafstellen, und wer Decke oder Polster nicht selbst mitbringt, muß
sich ohne sie behelfen. Die Kost ist etwas besser: sie besteht aus
Suppe, einem Stücke Fleisch und einer hinlänglichen Portion schönen
Brodes.

Vor ungefähr sechs Monaten bekam das Gefängniß einen ganz unerwarteten
Besuch: eine zahlreiche Gesellschaft von Männern (achtzig bis neunzig)
verlangten es zu besehen. Als man sie eingelassen hatte, bemächtigten
sie sich der Schlüssel, holten einen Verbrecher heraus, den das Volk
schon lange gerne gerichtet sehen wollte und der bei der üblichen
Fahrlässigkeit der Regierung wahrscheinlich mit geringer Strafe
entkommen wäre, und hingen ihn vor dem Gefängnisse auf.

Das Hospital ist ziemlich gut, besonders wenn man auf die Zeit
Rücksicht nimmt, zu welcher es errichtet wurde, im Jahre 1849. Es war
damals in San Francisco noch alles so kostspielig, daß man sich wundern
muß, wie die zur Errichtung eines anständig geordneten Krankenhauses
(gegenwärtig schon mit dreihundert Betten) nöthige Summe durch
freiwillige Beiträge zusammen gebracht werden konnte. Die Kranken
bezahlen per Woche in den allgemeinen Zimmern 15, in einem besonderen
25 Dollars; die meisten werden jedoch unentgeldlich aufgenommen. Was
mir sehr gut gefiel, ist, daß man Unheilbare nicht fortschafft: sie
bleiben bis zu ihrem Tode. Wer das Unglück hatte, vor Errichtung dieses
Hospitales zu erkranken, der konnte sich noch glücklich schätzen, wenn
man ihn in irgend einen Winkel trug und ruhig genesen oder sterben
ließ. Kein Mensch hatte Zeit, sich nach einem Leidenden umzusehen, --
Gold, Gold war das einzige Ziel und Streben.

Ich hatte Gelegenheit, in San Francisco eine sehr schöne Ausstellung
von Gemüsen, Früchten, Getreide-Gattungen und anderen Naturprodukten
Kaliforniens zu sehen, die Herr +Warren+ veranstaltete. Ein Kürbis
wog 125 Pfund, eine Runkelrübe 35 Pfund, eine weiße Rübe 25 Pfund,
ein Blumenkohl 22 Pfund, eine gelbe Rübe 6 Pfund, eine Kartoffel 4
Pfund, eine Zwiebel 2 Pfund, ein Krautkopf hatte 2½ Fuß im Durchmesser.
Weizen- und Gerstenhalme gab es von 12 Fuß Höhe, mit sehr großen,
reichgefüllten Aehren, Maisstengel von 17 Fuß Höhe mit 3 Kolben, wovon
jeder zwischen 550 und 600 Körner zählte. Die Früchte waren weniger
ausgezeichnet. Was kann Kalifornien nicht liefern, wenn sich die Leute
mehr und mehr mit Ackerbau und Kultur beschäftigen werden!

Nicht minder interessant war die Ausstellung eines
Riesen-Eichenstammes. Der Baum kam aus der nördlichen Gegend
Kaliforniens und war 250 Fuß hoch; der Stamm hatte am Grunde 97 Fuß,
oberhalb des Grundes 85 Fuß im Umfange. Man schätzte sein Alter auf
1500 Jahre. Als er gefällt wurde, war er noch vollkommen gesund. Man
löste die achtzehn Zoll dicke Rinde in Streifen ab, stellte sie in San
Francisco wieder zusammen und bildete daraus einen niedlichen Saal.
Eine Durchschnittsscheibe des Stammes wurde daneben gelegt, damit man
sich von dem Durchmesser des Baumes überzeugen konnte.

       *       *       *       *       *

Ich machte von San Francisco drei Ausflüge in das Innere von
Kalifornien. Den ersten nach +Sacramento+, +Mary’s Ville+ und den
Goldminen an dem +Yuba-Fluß+, den zweiten nach +Crescent-City+ und zu
den +Rogue-River-Indianern+, den dritten nach +St. José+.

Am +3. October+ Nachmittags 4 Uhr schiffte ich mich auf dem schönen
Dampfer „+Senator+“ nach Sacramento (100 Meilen) ein.

Die Amerikanischen Dampfer sind die schönsten, die man sehen kann.
Sie verdienen mit vollem Rechte, „Wasserpaläste“ genannt zu werden,
denn sie sehen vollkommen wie Häuser aus. Die Flußdampfer besonders
haben Stockwerke mit großen Thüren, Fenstern und Galerieen. Ständen
sie nicht im Wasser, so würde kein Mensch sie für Schiffe halten. Die
innere Einrichtung gibt an Pracht und Vollkommenheit der äußeren nichts
nach. Wenn man Nachts einem solchen Dampfer begegnet, gewährt dieß
einen wahren Feenanblick; alles erglänzt im hellsten Lichte und die
Schornsteine speien Feuer, gleich Vulkanen.

Spät Abends lenkten wir in den +Sacramento-Fluß+, der bis zu der Stadt
Sacramento für Dampfer von zwölf- bis fünfzehnhundert Tonnen fahrbar
ist.

Am +4. October+ Morgens 5 Uhr landeten wir an der Stadt. Die Reisenden
stürzten wie besessen an’s Ufer, um ihre Reise mit Stage-coaches oder
anderen kleineren Dampfbooten ohne Zeitverlust fortzusetzen. Auch ich
folgte ihrem Beispiele, und eilte, um meinen Platz auf der Stage-coach
nach +Gras-Vale+ zu erobern. Allein meine Eile war umsonst. Die Kutsche
war schon um 4 Uhr abgegangen. Ich änderte meine Reise dahin ab, daß
ich auf einem Dampfer nach Mary’s Ville (50 Meilen) ging.

Die Zeit bis zur Abfahrt des Dampfers benutzte ich, die Stadt zu
besehen, die in einer staubigen, sandigen Ebene liegt, in deren weitem
Hintergrunde man dunkle Umrisse von Gebirgen entdeckt. Die Stadt
zählt 20,000 Einwohner und bietet in kleinerem Maßstabe dasselbe
unvollendete, unsaubere Bild wie San Francisco. Nach den Begriffen der
Amerikaner gehört auch Sacramento zu den Wunderwerken der Welt, da
sie gleich San Francisco eben so schnell entstanden und eben so oft
abgebrannt ist.

Um 11 Uhr ging es wieder an die Reise. Schon nach einigen Meilen
lenkten wir in den +Feather-Fluß+, an welchem Mary’s Ville liegt. Die
Ufer dieses Flusses bleiben sich so ähnlich, daß ich mich, nachdem
ich sie einige Zeit betrachtet hatte, in den Saal begab, um auch über
die Gesellschaft meine Bemerkungen zu machen. Ich befand mich hier
zum ersten Male in einer großen Gesellschaft von freien Amerikanern.
Wie in den Spielhäusern zu San Francisco fielen mir vor allem die
Kontraste in der Kleidung auf. Die Damen waren durchgehend sehr geputzt
und hätten in ihrem Reiseanzuge in den glänzendsten Gesellschaften
erscheinen können. Ganz anders verhielt es sich mit den Männern. Manche
waren wohl sehr anständig gekleidet; die meisten aber hatten Jacken
an, die nicht selten zerrissen waren, derbe, schmutzige Stiefel über
die Beinkleider gezogen und die Hände so außerordentlich plump und
verbrannt (eine Sache, die mir selbst bei den best angekleideten Herren
häufig auffiel), wie die gemeinsten Bauersleute. Man spielte Karten,
man kaute Tabak, selbst Jungen von zehn bis zwölf Jahren thaten dieß;
allein man spuckte nicht so herum, wie manche Reisende behaupten. Eine
andere Gewohnheit aber, nicht minder häßlich als das Spucken, ist, daß
sich die Leute wohl der Sacktücher, aber zuvor ihrer Finger bedienen;
ich sah dieß sogar bei elegant gekleideten Herren.

Der gesammten Männerwelt muß ich das Zeugniß geben, daß sie gegen
mein Geschlecht, alt oder jung, reich oder ärmlich gekleidet, gleich
artig und gefällig war. Die Amerikaner gleichen hierin nicht meinen
Landsleuten, und überhaupt nicht den Europäern, die ihre Artigkeit
gewöhnlich nur der Jugend, Schönheit und dem Putze widmen.

Bei Tische blieb man nicht lange sitzen und sprach beinahe kein Wort;
die Leute verschlangen die Speisen brühheiß und halb ungekaut. Sie
gönnten sich keine Zeit, obwohl niemand etwas zu thun hatte; allein es
ist nun einmal schon ihre Gewohnheit, alles als Geschäft zu betrachten
und alles mit größter Hast und Eile zu verrichten. Getrunken wurde
nichts als Wasser. Man sagte mir, daß der Amerikaner es vorziehe, die
spirituosen Getränke zu verschiedenen Zeiten des Tages in kleinem Maße
zu sich zu nehmen. Auf jeden Fall glaube ich jedoch, daß er hierin dem
Engländer nachsteht, denn auch Kaffee und Thee wurde nicht sehr stark
und nicht in großen Portionen genossen.

Die Fahrt nach Mary’s Ville währte sehr lange, der Fluß hatte in
dieser Jahreszeit wenig Wasser, und wir saßen alle Augenblicke auf
Sandbänken auf. Es zeigten sich hie und da einige Hügel, später sogar
Gebirgsketten.

Ich hielt sechs Meilen von Mary’s Ville bei der dem General +Sutter+
gehörigen Farm[5] an. Es war 10 Uhr Nachts, als ich an’s Ufer gesetzt
wurde. Ich wußte weder Weg noch Steg; doch lag die Farm nicht weit
entfernt. An dem Gartenzaune angekommen, stürmte ein halbes Dutzend
großer Hunde auf mich ein. Ich verhielt mich ruhig, wohl wissend, daß
es so bei dem Gebelle bleibe. Alles lag schon in tiefer Ruhe. Durch den
Lärm der Hunde aufgeweckt, kam endlich jemand daher. Man empfing den
späten Gast auf die zuvorkommendste Weise.

General Sutter, ein Schweizer von Geburt, hat nicht nur, wie bereits
erwähnt, die erste Goldmine entdeckt; er zeichnete sich auch als Soldat
in dem letzten Kriege gegen die Mexikaner sehr aus. Er lebt seitdem auf
seinen bedeutenden Ländereien.

Sein jüngster Sohn, ein Mann von zweiundzwanzig Jahren, ist schon
Oberst bei der Landmiliz. Uns Europäern kommt es sonderbar vor, in
Amerika junge Leute so hohe Stellen bekleiden zu sehen. Der Amerikaner
sagt: „Wenn junge Leute ihr Fach verstehen, sind sie den älteren
vorzuziehen, da sie mehr Thätigkeit, Fleiß und Ausdauer besitzen.“ Man
findet in Amerika Männer von sechsundzwanzig bis achtundzwanzig Jahren,
die sich als Kaufleute, Advokaten, Schiffskapitaine u. s. w. schon
ein schönes Vermögen erworben haben. Freilich fangen sie auch in sehr
frühen Jahren zu arbeiten an.

Ich verweilte zwei Tage in der Rock-Farm. Hier wird schon ziemlich viel
Getreide und Gemüse gebaut. Der Boden sieht in der trockenen Jahreszeit
so unfruchtbar aus (nichts als Sand und Staub), daß man denken sollte,
das wenige, was hier wachsen kann müsse mit der größten Sorgfalt
gepflegt werden. Man versicherte mich des Gegentheiles. Der Boden wird
weder gedüngt noch bewässert, und die Getreidehalme, welche man mir von
der letzten Ernte wies, waren groß und überreich an Körnern. Doch muß
man auch bedenken, daß der Boden erst vor ein Paar Jahren zum ersten
Male aufgebrochen wurde. Wer weiß, wie er sich nach fünfzig Jahren
zeigen mag.

Mit Herrn Sutters älterem Sohne, der sich viel mit Botanik beschäftigt,
machte ich einen Spaziergang nach einem nahe gelegenen Walde. Ich
sah da sehr schöne und sehr verschiedenartige Eichen, an welchen
Kalifornien überhaupt reich sein soll, ferner hübsche Schlinggewächse
und sehr viele wilde Weinreben, die sich hoch hinauf mit den Bäumen
verzweigten. Die Beeren waren klein und nicht sehr süß. Der Boden des
Waldes hatte nicht den geringsten Anflug von Gras oder Grün.

Ungefähr zwanzig Meilen von der Rock-Farm entfernt, erhebt sich eine
majestätische Gebirgskette, deren höchste Spitze +Chasta+ heißt und
14,000 Fuß hoch sein soll. Vor dieser Kette steigen mitten in der Ebene
senkrechte Felswände auf, die man einem riesigen Walle vergleichen
könnte. Sie bilden drei Hauptspitzen, welche die „drei Buds“ genannt
werden.

Am +7. Oktober+ ließ mich Herr Sutter nach Mary’s Ville führen. Dieses
Städtchen liegt am Zusammenflusse des Feather- und Yuba-Flusses. Ein
Privatmann ließ hier eine hölzerne Brücke von vielleicht 120 Fuß Länge
bauen, deren Ueberschreitung per Pferd oder Stück Hornvieh einen halben
Dollar kostet.

Mary’s Ville, später entstanden als Sacramento, enthält bereits 6000
Einwohner, hat schon zwei Zeitungen und ein Theater. Die Waarenlager
sind so überfüllt, daß sie den Bedürfnissen einer zehnmal größeren
Bevölkerung genügen würden. Es wird wohl viel hiervon nach den Minen
gesandt; aber die Mode- und Luxus-Artikel finden doch nur bei den
Städtern Absatz.

Kaum in Mary’s Ville angekommen, war ich so glücklich, dem Herrn
Baronet +Heinrich Huntley+ zu begegnen, einem Engländer, den ich in
San Francisco kennen gelernt hatte. Dieser Herr besitzt Quarz-Goldminen
zu +Brown’s-Valley+, nahe der Gebirgskette, 14 Meilen von Mary’s Ville,
und ließ daselbst eine Dampfmühle zur Stampfung der Steine bauen. Er
war so gefällig, mich auf sein Besitzthum mitzunehmen, um mir die
Quarzminen, so wie auch die Goldwäschereien an dem Yuba-Flusse, die 6
Meilen davon entfernt liegen, zu zeigen.

Herr Huntley hat sich in Brown’s-Valley erst vor drei Monaten
angesiedelt, zu welcher Zeit der Platz einer Wildniß glich. Jetzt
standen schon drei kleine Holzhäuschen, und das Hauptwerk, die
Dampf-Stampfmühle, war der Vollendung ziemlich nahe. Die Arbeitsleute
wohnten in Zelten umher, und es sah recht belebt aus.

Die ganze Umgebung besteht aus reichhaltigen Goldquarz-Lagern.
Das Verfahren in den Minen ist wie in anderen Ländern. Man macht
Schachten und Gänge, fördert das Gestein zu Tage, schafft es in die
Mühle, stampft es zu Pulver, sondert durch Waschen das Metall von
dem Quarzstaube, schmilzt es mit Schwefelsäure und bindet es mit
Quecksilber. Herr Huntley war so gefällig, mir die ganze Verfahrungsart
im Kleinen zu zeigen. Ein Quarzstein von fünf Pfund lieferte auf diese
Weise dreizehn Cents Werth in Gold. Jedermann kann graben; da aber das
Anlegen einer Mühle eine etwas bedeutende Summe kostet, verkaufen die
Minengräber ihre Steine an Herrn Huntley.

Den folgenden Tag führte man mich nach den großen Goldwäschereien an
dem Yuba-Flusse. Das Gold wird hier auf zweierlei Arten gewonnen. Die
Goldsucher graben Löcher an Stellen im Flußbette, in welche das Wasser
nach einiger Zeit Erde und Schlamm absetzt; bei trockener Jahreszeit
zieht es sich etwas zurück. Nun schürft man das Angeschwemmte heraus
und sondert das sich vorfindende Gold durch Waschen ab. Die zweite,
ungleich großartigere Weise besteht in dem Abdämmen des Flusses.
Man baut zu diesem Zwecke mehrere hundert Klafter lange hölzerne
Fluder, in welche man den Fluß leitet. Der ganze trocken gelegte
Theil des Flußbettes wird dann durchwühlt und das Erdreich gewaschen.
Zu allen diesen Unternehmungen verbinden sich die Leute in größeren
Gesellschaften und theilen den Gewinn am Ende jeder Woche. Es geht
dabei so ordentlich und redlich zu, daß nie ein Streit stattfindet.
Jede Gesellschaft wählt ein Haupt, welches mit der Austheilung
beauftragt ist. Mit nicht minderer Sicherheit kann der Eigenthümer
seinen Schatz ohne Schloß und Riegel in seinem Zelte liegen lassen; er
wird nie etwas davon vermissen. Nicht so sicher ging es in der ersten
Zeit zu. Da wurde gestohlen und gemordet. Die Goldsucher sahen sich
gezwungen, der Justiz vorzugreifen und selbst Ordnung zu schaffen. Sie
hingen Diebe wie Mörder ohne Umstände auf, und dieses Mittel war probat.

Wer nicht selbst arbeiten will, findet Leute, die sich verdingen. Viele
ziehen einen gewissen Lohn dem ungewissen Gewinne vor; sie erhalten
sechs bis acht Dollars per Tag.

Jedermann und jede Gesellschaft kann einen freien Platz zum Goldsuchen
auswählen; nur muß mit der Arbeit spätestens vierzehn Tage nach der
Besitznahme angefangen werden. Wird dieser Zeitpunkt versäumt, so ist
das Recht auf den Platz verloren, und jeder andere Liebhaber kann sich
darauf niederlassen.

Wenn jemand nur mit einiger Wahrscheinlichkeit anzugeben vermag, daß
auf dieser oder jener Stelle Gold zu finden sei, selbst auf Plätzen,
wo Häuser stehen, so muß sie der Besitzer gegen Schadenersatz dem
Minengräber überlassen. Dieselben Gesetze bestehen auch in Chili und
Peru.

Es wurde an dem Flusse ungemein viel gearbeitet, und die Ufer sahen
sehr belebt aus. Gegen fünftausend Menschen waren auf einer Strecke von
höchstens drei bis fünf Meilen Länge beschäftigt. Zeltdörfer reihten
sich an Zeltdörfer; die Leute können sich keine Holzhütten bauen, da
sie, so wie eine Stelle ausgebeutet ist, zu einer anderen ziehen. Die
verschiedenen Nationen halten sich in Arbeit und Wohnung meistens
zusammen, so die Deutschen, die Amerikaner, die Chinesen u. s. w.

Unter den Goldsuchern gibt es im Verhältniß nur wenige, die ein
Vermögen zusammenbringen. Sie können nur acht Monate im Jahre arbeiten,
bis zu dem Eintritte der Regenzeit. Die Arbeit ist sehr beschwerlich,
die Leute müssen den ganzen Tag im Wasser stehen, und während der
Dauer ihrer Arbeiten muß jeder auch der geringsten Annehmlichkeit und
Erholung des Lebens entsagen. Gehen sie dann während der vier Monate
in irgend eine Stadt, so leben sie da wie die Matrosen, die nach einer
langen Seereise das Land betreten. Systematisch angelegte Verführungen
lauern von allen Seiten auf sie, der Schwindel der Unterhaltung
ergreift die Unglücklichen, und wenn sie aus dem Taumel erwachen, ist
nur zu oft der schwer erworbene Gewinn verschwunden. Arm, wie das erste
Mal, als sie von der Heimath kamen, aber geschwächt an Körper und Seele
durch das wüste Leben in der Stadt, müssen sie nach der harten Arbeit
zurückkehren, und glücklich noch derjenige, den die gemachte Erfahrung
vor Wiederholung bewahrt!

Die Gegend um Brown’s-Valley wie um den Yuba-Fluß gehört zu den
waldigen und gebirgigen. Die Wälder sind aber sehr licht, alle vierzig
bis sechzig Schritte steht ein Baum, meistens Eichen. Untergebüsch,
Schlingpflanzen gibt es gar nicht; der Boden besteht aus Staub und
kleinen Steinen.

Nach einigen Tagen verließ ich diese Gegend und ging wieder nach Mary’s
Ville zurück. In dem letzteren Landstriche ist es viel wärmer als in
und um San Francisco, obwohl jener nicht bedeutend viel südlicher
liegt. Ich war hier abermals so unglücklich, einen Anfall von dem
hartnäckigen Sumatrafieber zu bekommen.

In Mary’s Ville fand ich einen Landsmann, einen Wiener, Herrn +Rogler+.
Unsere beiderseitige Freude, von der lieben Heimath sprechen zu können,
war so groß, daß mir der gute Mann einen ganzen Tag schenkte und mich
an alle Orte begleitete, wo es etwas zu sehen gab.

Am meisten interessirten mich hier die Eingebornen, die noch reine
Indianer sind und sich vor jeder Vermischung mit Spanischem Blute
bewahrt haben. Diese sogenannten „Wilden“ vermindern sich von Jahr zu
Jahr und werden überall von den harten Weißen verdrängt. Vor einigen
Jahren lebten noch mehr als sechzig Familien bei Mary’s Ville, jetzt
sind sie bis auf zwanzig zusammen geschmolzen[6].

Ich fand diese Indianer noch viel häßlicher als die Malaien. Ihr
Wuchs ist klein und gedrungen. Sie haben besonders kurze Hälse und
plumpe Köpfe. Die Stirn ist niedrig, das Nasenbein wenig erhoben,
die Nasenflügel breit, die Augen schmal gespalten, wenig Intelligenz
ausdrückend, die Backenknochen breit, der Mund groß; die Zähne, zwar
weiß, stehen selten in schönen Reihen. Die kurzen, dichten und straff
um den Kopf herab hängenden Haare sehen gerade wie eine Pelzmütze aus.
Die Farbe derselben ist braun, nicht selten lichter und dunkler auf
einem und demselben Kopfe; sie pflegen sie wenig und scheinen sie mit
keinem Fette zu schmieren. Kinder von vier bis sechs Wochen hatten
schon einen ganzen Wald von Haaren auf dem Kopfe. Ihre Hautfarbe ist
schmutzig gelbbräunlich; die Weiber sind sehr zum Fettwerden geneigt.
Männer wie Weiber haben die Ohrläppchen sehr weit durchstochen und
tragen lange, runde, fingerdicke Rollen darin, die mit Zeichnungen oder
Glasperlen verziert sind. Sie schmücken sich außerdem mit Glasperlen,
Knöpfen, Federn und allem, was sie von den Weißen erhalten können.
Die Weiber waren am Kinn ganz wenig tätowirt. Ursprünglich gingen die
Männer ganz nackt, die Weiber trugen blos eine fußlange Schürze um
die Mitte des Leibes; seit sich jedoch die Weißen hier niedergelassen
haben, lesen die Indianer die weggeworfenen Kleidungsstücke, Wäsche,
Stiefel u. s. w., von den Straßen auf und bedecken ihren Körper damit
oft auf die lächerlichste Weise.

In Bildung und Lebensweise stehen diese Menschen sehr tief. Sie treiben
weder Ackerbau noch Viehzucht noch Jagd, nichts als etwas Fischfang.
Zu ihren Wohnungen graben sie runde, fünfzehn bis zwanzig Fuß breite,
zwei Fuß tiefe Löcher in die Erde, über die sie ein zeltförmiges Dach
von Holzwerk und Erdreich legen. Die Thüre ist ein kleines Loch, durch
welches man auf Händen und Füßen kriechen muß; eine noch kleinere
Oeffnung an der Spitze des Daches läßt den Rauch durchziehen. Sie haben
weder Matten noch Geschirre und verstehen nichts als Körbe zu flechten.
In dieser Kunst sind sie wahre Meister, wissen die Körbe vollkommen
wasserdicht zu flechten und kochen sogar ihre Fische darin. Sie
flechten große, um den Vorrath von getrockneten Fischen zu bewahren,
kleinere, um Wasser zu holen, und ganz kleine, die ihnen zur Bedeckung
des Kopfes dienen.

Es war gegen Abend, als ich diesen Stamm besuchte. Die Leute saßen
vor ihren Höhlen an kleinen Feuern und bereiteten und verzehrten
ihr Abendessen, das aus gebratenen Fischen und Eichelbrot bestand.
Letzteres war fest, schwer, sehr feucht, hatte die Farbe der Chocolade
und einen etwas bitteren Geschmack. Sie zerstampfen hiezu die
getrockneten Eicheln zu Pulver und verfertigen daraus das Brot ohne
sonstige Beimischung als Wasser. Außer Fischen und Eicheln essen sie
so ziemlich alles, was sie bekommen können. Eidechsen, Heuschrecken,
Frösche, Käfer u. s. w. sind Leckerbissen für sie.

Ich sah unter diesem Völkchen leider sehr viele Fieberkranke, auch eine
Irrsinnige und auffallend wenig Kinder. Die Indianer, die in der Nähe
der Weißen bleiben, sterben noch ungleich schneller aus, als jene, die
in das Innere der Wälder fliehen. Erstere erhalten von den Weißen als
Tauschmittel für Fische häufig Branntwein, der Gift für sie ist, und,
wie man schon bemerkt hat, sie erkranken und selbst sterben macht.
Ein zweites, noch größeres Unglück sind für sie die Blattern, eine
Krankheit, die durch die Weißen eingeschleppt wurde, und an der die
Eingebornen sehr häufig sterben.

Ihre Armuth an Kindern rührt hauptsächlich davon her, daß sie sich
gemeiniglich nur in ihrem eigenen Stamme verheirathen; sie sind oft
ganz verschwistert und verwandt unter einander. Ihre Sitten sollen
gut sein. Keine Indianerin wird freiwillig mit einem Weißen umgehen;
sie würde von ihrem Stamme verstoßen oder wohl gar getödtet. Will ein
Weißer ein Verhältniß mit einer Eingebornen eingehen, so muß er den
Häuptling durch Geschenke zur Bewilligung zu gewinnen suchen.

Eine recht malerische Gruppe bildeten die drei Aeltesten des Volkes.
Sie hatten einige Europäische Kleidungsstücke an, einen reichen
Federschmuck auf den Häuptern und saßen ruhig und ernst auf der Spitze
einer ihrer Erdhöhlen. Es schien, als betrachteten sie in ihrem
einfachen Naturverstande das rastlose Treiben der nahe wohnenden weißen
Fremdlinge nicht mit Erstaunen und Bewunderung, sondern mit Verachtung
und Geringschätzung. Ich werde die Blicke nie vergessen, welche diese
drei Männer auf mich und meinen Begleiter warfen; als letzterer sie
ansprach, würdigten sie ihn kaum einer Antwort.

Von dem Werthe des Goldes haben die Leute noch keinen Begriff: die
kleinste wie die größte Summe ist bei ihnen 5 Dollars. Ich wollte eine
von den Rollen kaufen, die sie durch das Ohr stecken, so wie eines der
wasserdichten Körbchen; sie verlangten für den einen wie für den andern
Gegenstand 5 Dollars.

Abends besuchte ich auch in Mary’s Ville die Spiel-, Tanz- und anderen
öffentlichen Unterhaltungs-Häuser. Ich kann von ihnen nur wiederholen,
was ich von jenen in San Francisco geschrieben habe: sie sind Kopien
in kleinerem Style. Ich möchte wohl behaupten, daß in der kurzen Zeit,
seit der Weiße nach Kalifornien kam, viel mehr Verbrechen und Laster
begangen wurden, als in den Hunderten von Jahren, während der das Land
nur von Eingebornen bewohnt war.

Nach San Francisco zurück ging ich denselben Weg über Sacramento. Die
Ufer des Flusses Sacramento werden von den Amerikanern als bezaubernd
schön und üppig geschildert. Auf der Herreise konnte ich nicht viel
sehen, ich machte sie bei Nacht. Mit großer Erwartung begab ich
mich daher auf die Rückreise, bei welcher mich der hellste Tag, das
glänzendste Sonnenlicht begünstigten. Ich bemühte mich aber vergebens,
die schönen Landschaften zu erblicken, die von Hunderten und Tausenden
bewundert werden. Die Ufer waren wohl von einer Reihe von Bäumen und
von Gebüschen umsäumt; allein wenige Schritte nach dem Innern zu
hörte die Vegetation auf, und der Blick verlor sich auf der sandigen,
staubigen Ebene. Und selbst die Bäume, meistens Eichen, Weiden und
Eschen, konnte man nicht schön nennen: sie hatten zwar zum Theil
dicke Stämme und umfangsreiche Kronen und Aeste, welch letztere sich
mitunter weit über das Wasser neigten; allein das Laubwerk war sehr
klein, schmal und von schmutzig dunkelgrüner Farbe. Nur Leute, die
beständig in der nackten, baumleeren, sandigen Gegend von San Francisco
leben, können so viel Wesen aus diesen armseligen Ufern machen.


  [1] Unter „Amerikaner“ versteht man nur die Bewohner der Vereinigten
      Staaten; die übrigen Völker Amerika’s werden bei ihren
      Völkernamen genannt, wie: Mexikaner, Brasilianer u. s. f.

  [2] Die Einfuhr von Gütern jeder Art ist für eine Bevölkerung von
      wenigstens einer Million, während in Kalifornien kaum 300,000
      Seelen leben mögen.

  [3] Es gibt Fahrstraßen in der Nähe der Stadt, die meilenlang mit
      Brettern belegt sind.

  [4] Das sogenannte Lynch-Gericht, auch in den Vereinigten Staaten,
      besonders in früheren Zeiten, von dem Volke häufig ausgeübt.

  [5] Farm heißt jeder Landsitz, groß oder klein.

  [6] Nahe der Farm des General Sutter lebten, wie er mir selbst
      erzählte, vor zwei Jahren über zweihundert Eingeborne in einem
      großen Wig-wam (Dorf), jetzt sind sie bis auf einige dreißig
      ausgestorben.




Vierzehntes Kapitel.

  Crescent-City. -- Ausflug zu den Rogue-river-Indianern.-- Ein
  Nachtlager im Wig-wam. -- Gefährliche Lage meines Reisegefährten. --
  Rachsucht der Indianer. -- San José. -- Acapulco. -- Panama.


Mein zweiter Ausflug galt, wie bereits gesagt, dem neu angelegten
Städtchen +Crescent-City+, nördlich, nahe an der Grenze von Oregon, und
den +Rogue-river-Indianern+.

Die Entfernung nach Crescent-City beträgt nur 300 Meilen; der Preis der
Ueberfahrt 50 Thaler. Die Amerikaner sind aber mit freien Ueberfahrten
nicht so karg wie die Engländer. Ich hatte oft nur nöthig, meinen Namen
zu nennen, und man gab mir freie Fahrten, so auch hier zur Hin- und
Rückreise für Crescent-City.

Am +3. November+ begab ich mich an Bord des Dampfers „Thomas Hunt.“

Wir liefen stets nahe der Küste, die meistens aus spitzen, steil
abfallenden Hügeln besteht, welche lange Ketten bilden und wenig
geeignete Plätze zu Ansiedelungen bieten. Es sah auch alles unbewohnt
aus. Die Berge und Hügel sind stellenweise mit dünnen Nadelwaldungen
bedeckt; doch ist die Sandregion noch vorherrschend. Wir kamen durch
die +Humboldts-Bay+.

Am +5. November+ früh Morgens lenkten wir in die Bucht oder den Hafen
von +Trinidad+. Diese Bucht ist ausnehmend klein und niedlich; ich
glaube kaum, daß sie eine Viertelmeile im Durchmesser hat. Sie ist
von fünfzig bis sechzig Fuß hohen, steilen Felshügeln umfaßt, die
Oeffnung gerade hinlänglich, daß ein Schiff einlaufen kann. In der
Mitte erhebt sich ein hoher, schwarzer Fels, der den kärglichen Raum
noch mehr beengt. Man könnte die ganze Bildung dieses Beckens für einen
ausgebrannten Krater halten. Von dem Städtchen sieht man einige Dutzend
hölzerne Häuser an den Säumen der Hügel. Ein schöner Nadelwald im
Hintergrunde schließt das Miniaturgemälde.

Das Städtchen Trinidad entstand vor zwei Jahren, geht aber jetzt schon
dem Untergange zu. Der Handel nimmt keinen Aufschwung, wie man bei der
Errichtung geglaubt hatte, und Ackerbau wird noch nicht betrieben.
Viele der Ansiedler sind wieder hinweg gegangen.

Von Trinidad an werden die Hügelreihen an der Küste niedriger, weniger
steil und dichter mit Nadelwaldungen bedeckt.

Unter heftigem Regen, stark bewegter See langten wir Nachmittags vor
Crescent-City an. Eine schwere Aufgabe war es, an das Land zu kommen,
da die Rhede sehr unsicher und jedem Winde oder Sturme ausgesetzt
ist. Von April bis November bietet sie zwar einigen Schutz gegen die
vorherrschenden Nordwinde; aber in den Wintermonaten ist sie den Winden
ganz Preis gegeben.

Die Lage des Städtchens ist überaus idyllisch. Die hölzernen Häuschen
stehen zum Theil in einer Reihe an dem Saume des Meergestades; andere
liegen zwischen Bäumen zerstreut umher. Das Ganze wird von hohen
Nadelwaldungen überschattet. Gegen Südwesten steigen reichbewaldete
Berge auf, auch an schönen Ebenen fehlt es nicht, und in der See liegen
viele reizende Gruppen kleiner Eilande und Felsparthieen, von welchen
manche nackt, andere bewaldet sind.

Crescent-City wurde erst in diesem Jahre, im Monat Februar, angelegt.
Der Wald mußte gelichtet und ein Blockhaus errichtet werden, denn
rund umher gab es noch viele Indianer-Stämme. Im Monat August standen
bereits neunzig Häuser, zwanzig Magazine waren eröffnet, mehrere Hotels
errichtet. Der Handel nach den Minen, die an dem Smith’s-Flusse
liegen, war schon in vollem Gange. Täglich sah ich viele Maulthiere mit
Lebensmitteln und andern Gütern von hier beladen dahin abgehen. Wenn es
sich bewährt, daß von diesem Punkte aus der sicherste und beste Verkehr
nach dem Innern geht, so wird sich dieser Ort wunderschnell erheben.
Aber auch zu Trinidad siedelten sich die Leute in dieser Hoffnung an,
die sich dann nicht bewährte. Die Theuerung ist hier noch weit größer
als in San Francisco, von woher alles zugeführt wird.

Herr +Grubler+, ein Schweizer von Geburt, war so gefällig, mich
in seinem Hause aufzunehmen. Dieser Mann gehörte unter die ersten
Ansiedler und erbaute das Blockhaus. Er ist auch Präsident und
hauptsächlicher Gründer eines sehr nützlichen und lobenswerthen
Vereins zur Bildung angehender Redner. Die Mitglieder versammeln
sich alle Wochen einen Abend in dem Schulsaale; es werden politische
Fragen gegeben, erdichtete Prozesse, so wie auch Novellen und Gedichte
vorgetragen, und in dieser Weise bieten diese Abende der ganzen
Gesellschaft eine lehrreiche Unterhaltung.

Ich war über die guten, fließenden Vorträge um so mehr erstaunt, als
die meisten der Sprecher wie Matrosen oder Minenarbeiter aussahen.
Sie hatten Jacken, rothe Wollhemden und dergleichen an. Auch das
schöne Geschlecht erschien in ganz einfachen kattunenen Hauskleidern.
Der Schulsaal sah ebenfalls nicht sehr elegant aus und ließ leider
den rauhen Wind von allen Seiten dergestalt ein, daß man die
Unschlittkerzen kaum vor dem Erlöschen bewahren konnte. Wie bald wird
dieß alles vielleicht umgeschaffen sein und Pracht und Luxus die
ländliche Einfachheit verdrängen! Werden sich die Leute dann wohl
besser unterhalten?

Obgleich Crescent-City nur vier Grad nördlicher liegt als San
Francisco, äußert sich in Witterung und Temperatur ein viel mächtigerer
Unterschied als man vermuthen sollte. Dicke Nebelwolken verhüllten die
ganze Gegend, es regnete häufig und schwer, und eine sehr empfindliche
Kälte machte sich fühlbar.

Der Hauptzweck meiner Reise hierher war, die Indianer zu besuchen,
welche in diesem Theile Kaliforniens noch in ziemlicher Anzahl zu
finden sind. Seit sich die Weißen hier niederließen, haben sie sich
jedoch etwas mehr in das Innere des Landes zurückgezogen, und man muß,
will man größere Wig-wams sehen, wenigstens zehn bis zwanzig Meilen
weit gehen.

Ein halbes Dutzend Indianische Familien waren noch in der Nähe des
Städtchens angesiedelt. Ich fand sie wie jene bei Mary’s Ville. Nichts
erschien mir komischer, als die sonderbaren Anzüge, denn auch hier
lasen sie alle von den Weißen weggeworfenen Kleidungsstücke auf. So
sah ich einen Indianer, welcher ein Beinkleid, eine sehr schadhafte
Mantille und einen zerknitterten Frauenhut trug. Ein anderer hatte
weiter nichts als einen Frack an, den er nach eigenem Geschmacke auf
der Rückseite ganz mit Glasperlen benäht hatte. Ein dritter trug
wieder nur eine Weste, dazu einen alten Männerhut, in welchen er oben
ein Loch geschnitten und viele Vogelfedern aufgesteckt hatte. Eben so
geschmackvoll waren die Weiber gekleidet.

Um weiter in das Land bis zu den Rogue-River-Indianern am Smith-Flusse
vorzudringen, muß man, wie mir die Leute hier versicherten, in
bewaffneter Gesellschaft gehen, da diese Indianer sehr wild und
hinterlistig sind. Man versprach mir, acht oder zehn Herren zusammen zu
bringen, die mich dahin begleiten sollten; allein es fanden sich nicht
so viele, und eine geringere Anzahl wollte den Gang nicht wagen.

Glücklicher Weise hörte ein Deutscher Matrose, Karl Braun, der sich
vor einigen Monaten hier niedergelassen hatte, von meinem Wunsche. Er
war so gut, zu mir zu kommen, um mir zu sagen, daß er Willens sei, zu
jenen Indianern zu gehen. Er sei viel mit Indianern in Verbindung,
von welchen er Fische gegen Glasperlen eintauschte, und verstehe ihre
Sprache. Wenn ich es wagen wolle, könne ich ihn begleiten. Ich war über
diesen unerwarteten Zufall sehr erfreut; die Reise ward beschlossen
und, sobald der Regen aufgehört hatte, auch angetreten.

Wir gingen am ersten Tage, +7. November+, ungefähr sechzehn Meilen,
meistens an dem Seegestade, in tiefem Sande oder über Steine. Durch
die Waldungen waren die Wege gut. Gegen Nachmittag wandten wir uns
dem Innern zu und gelangten sehr bald an den Smith-Fluß, dessen Ufer
ebenfalls aus Sand bestanden; doch kaum eine halbe Meile in das Land
hinein fingen schon herrliche Nadelwaldungen an. Die Bäume waren
sehr hoch und schlank, sie liefern das vorzüglichste Bauholz. Von
Schlinggewächsen sah ich wenig, dagegen gab es dichtes Untergebüsch,
unter welchem die Brombeer- und Heidelbeer-Staude und andere
Waldbeeren. Die Heidelbeer-Staude wächst hier viel höher als bei uns in
Europa; sie erreicht eine Höhe von vier Fuß.

Wir kamen an mehreren Wig-wams vorüber, hielten aber nur kurz an, um wo
möglich vor einbrechendem Regen, der in unfreundlichen Wolken über uns
schwebte, das Nachtlager zu erreichen. Die Wig-wams waren klein, sie
bestanden höchstens aus sechs bis acht Hütten oder Höhlen, jenen bei
Mary’s Ville gleich, nur daß das hölzerne Dachgerippe statt mit Erde
hier mit Blättern und Aesten überdeckt war.

Den Smith-Fluß übersetzten wir in einem ausgehöhlten Baumstamme, statt
der Ruder bedienten sich die Leute ganz schmaler Brettchen.

Je weiter wir uns von den Niederlassungen der Weißen entfernten, desto
weniger fanden wir die Leute bekleidet, endlich ganz im Naturzustande.
Nur die Weiber trugen um die Hüften eine kurze bauschige Schürze, die
aus Grasfasern oder aus Elenthierfell verfertigt war. Das Fell wird in
sehr feine Streifen geschnitten und nur oben in einer Breite von drei
Zoll ganz gelassen. Sie schlagen es zwei Mal um die Mitte, es sieht
aus wie ein recht zottiger Pelz. Dergleichen Schürzen sah ich schon
an den kleinsten Mädchen, wenn sie noch kaum gehen konnten. Von den
Häuptlingen trug hie und da einer ein Thierfell um die Achsel geworfen.

Gegen Abend erreichten wir ein großes Wig-wam, dessen Bewohner
sich „Hüna-Indianer“ nannten. Mein Begleiter war bisher auf seinen
Wanderungen nicht so weit gekommen; er kannte aber dennoch einen jungen
Mann unter ihnen, mit dem er in andern Wig-wams zusammen getroffen
war und Fische gegen Glasperlen umgetauscht hatte. Wir beschlossen,
hier die Nacht zuzubringen. Es fing wieder an zu regnen, die Kälte
wurde unleidlich, und ich mußte daher noch froh sein, ein Plätzchen in
solch einem Erdloche mitten unter den ekelhaften, nackten Eingebornen
zu finden. Wir lagerten uns an das Feuer, welches in der Mitte der
Hütte lustig loderte und um das bereits ein halbes Dutzend Indianer
hockten. Bald füllte sich die Hütte so mit Neugierigen, daß die Hitze,
die Ausdünstung zum Ersticken wurde. Ging ich halb verzweifelnd in’s
Freie, so hatte ich noch mehr zu leiden, nicht nur von der Kälte und
dem Regen, sondern von den Bewohnern des ganzen Wig-wams, die sich so
um mich drängten, daß ich wie in einem festen Kreise eingeschlossen
war und mich kaum bewegen konnte. Sie zogen mich hin und her, sie
befühlten jedes meiner Kleidungsstücke vom Hute bis zum Schuhe. Ja ein
Mal schleppten sie mich sogar ein Stück weit in den Wald hinein zu
entfernten Hütten; nur mit Mühe kam ich wieder unter das Dach meines
Wirthes.

Mein Reisegefährte hatte Zucker, Kaffee und Brod bei sich, ich führte
ein Stückchen Käse und Brod mit. Der Matrose kochte einen ganzen
kleinen Kessel (er trug einen solchen von Weißblech mit sich) voll
Kaffee, aber so schwach, daß das Wasser blos einen leichten Anflug von
brauner Farbe bekam; nichtsdestoweniger fanden die Indianer dieses
heiße, bräunliche Wasser so köstlich, daß der Kessel bald geleert war
und eine zweite Auflage erfolgte, denn sie sahen, daß der Matrose noch
ein solches braunes Pulver hatte, und jeder wollte davon haben. Sie
griffen darnach, um es zu essen, und eher war keine Ruhe, bis alles
verzehrt war. Mein Führer konnte nichts von seinen Lebensmitteln für
den folgenden Morgen retten. Den Zucker warfen sie nicht in den Kaffee;
sie aßen ihn mit größter Begierde, eben so das Brod. Nach diesem
Mahle begannen sie ihre Kocherei. Sie brachten große, schöne Lachse
herbei, an welchen die Flüsse Kaliforniens überreich sind. Die Köpfe
und Schwänze wurden abgehauen, die Körper aufgeschlitzt mit Hölzchen
ausgespannt, an größere Hölzer gesteckt und am Feuer gebraten. Aus
den Köpfen und Schwänzen bereiteten sie eine Art Suppe. Sie füllten
ein Körbchen mit Wasser und warfen glühende Steine hinein, die sie
fortwährend durch frische ersetzten; als das Wasser hoch aufbrodelte,
warfen sie die Köpfe und Schwänze hinein und ließen sie einige Zeit
kochen. Dieses Verfahren erforderte sehr wenig Zeit, weniger als das
an unsern Sparheerden. Die Suppe sah gräulich und dick aus, denn mit
den Steinen kam mitunter auch eine Portion Asche in das Körbchen;
das nahmen die Leute aber nicht so genau. Sie langten die Suppe mit
Muscheln heraus und tranken sie. Die gebratenen Fische rissen sie mit
den Händen in Stücke und legten sie auf flache Körbchen, die ihnen
als Teller dienten. Hierauf rösteten sie Eicheln in der heißen Asche.
Diese, nebst dünnen, langen Graswurzeln, dienten als Dessert. Die
Wurzeln wurden nicht nur roh, sondern ungewaschen, mit der daran
klebenden Erde genossen. Sie schmeckten ungemein zart und fein; man
konnte sie mit der Zunge zerdrücken. Dieses Mahl wäre hinlänglich
reich und auch schmackhaft gewesen, hätten ihm nicht zwei Hauptwürzen
gefehlt: Reinlichkeit und Salz -- beide sind diesen Menschen unbekannt.

Nach dem Essen bemalten sich die Männer und Jünglinge das Gesicht ganz
abscheulich mit brauner, rother, blauer oder schwarzer Farbe. Sie
bestrichen sich das Gesicht zuerst mit Fischfett, dann rieben sie mit
den Händen die Farbe ein, und um verschiedene Zeichnungen hervor zu
bringen, fuhren sie hie und da mit dem Finger über die bemalte Stelle,
wodurch die Farbe verschwand. Daß dadurch ihre angeborne Häßlichkeit
noch um vieles widerlicher wurde, bedarf wohl keiner Erwähnung. Nach
dieser Operation fingen sie zu singen an. Ihre Gesänge fand ich
melodischer und besser vorgetragen, als ich es bei einem so rohen Volke
vermuthet hätte. Die Unterhaltung währte bis tief in die Nacht. Man
war dann doch so galant, mir eine der Höhlen insofern zu überlassen,
als sich die Männer entfernten und nur die Weiber bei mir blieben.
Eine derselben legte sich so knapp an meine Seite, daß ich mich
kaum umwenden konnte. Auf der andere Seite standen große Körbe voll
geräucherter Fische, über unsern Köpfen hingen die zu räuchernden,
man kann sich daher das angenehme Nachtlager auf dem kalten Boden ohne
Polster und Decke vorstellen.

Ich hatte an dem Mahle wenig Theil genommen, da ich beabsichtigte,
mich Nachts, wenn alles schliefe, mit einem Stückchen Käse und Brod
schadlos zu halten. So lange die Leute wach waren, wagte ich es nicht,
diese Kleinodien aus der Tasche zu ziehen; jeder hätte davon kosten
wollen, und am Ende wäre für mich selbst nichts übrig geblieben. Als
ich die Weiber schlafen, d. h. schnarchen hörte, richtete ich mich ein
wenig auf und zog meinen Schatz behutsam hervor; allein der Schlaf
meiner Nachbarin war entweder sehr leise oder Verstellung: sie erwachte
sogleich, frug mich, was ich thue und bedeutete mir, daß ich mich
niederlegen und nicht rühren solle. Sie schürte das Feuer an, bis ich
mich wieder auf die Erde hingestreckt und schlafend gestellt hatte,
und legte sich dann abermals an meine Seite. Vermuthlich hatte man
Mißtrauen gegen mich.

Am Morgen fing das Leben und Treiben schon vor Tagesanbruch an. Es
wurde reichlich gekocht und tapfer gespeist. Die Zeit während des
Kochens benutzte ich, mit einem Indianer auf den Fischfang zu gehen.
Er nahm eine zwanzig Fuß lange Stange mit, an welcher ein Speer aus
Knochen mittelst einer langen Schnur befestigt war. Sobald er den
Speer geworfen hatte, ließ er die Stange, je nach der Kraft und Größe
des Fisches, entweder in das Wasser fallen oder er behielt sie in der
Hand. Er warf den Speer, ohne je zu fehlen. Die Schnur war von den
Gedärmen des Elenthieres ausnehmend schön gearbeitet und glich einer
starken Musiksaite.

+8. November.+ Nach dem Frühstücke setzten wir unsere Reise fort. Wir
gingen auch heute sechzehn bis achtzehn Meilen stets durch herrliche
Waldungen. Schon nach einigen Meilen betraten wir das Oregon-Gebiet
und stießen bald auf Stämme der Rogue-River-Indianer. Wir kehrten
in mehreren ihrer Wig-wams ein; mein Begleiter suchte Fische
einzutauschen; er hatte bisher noch keine bekommen.

Ich kroch heute wie gestern in viele der Höhlen, um der Leute Thun und
Treiben zu beobachten.

Die Indianer im Norden Kaliforniens und besonders in dieser Gegend
stehen auf der tiefsten Stufe der Bildung; sie sollen gar keine
Begriffe einer Religion, keine Ahnung eines künftigen Lebens haben. In
manchen Wig-wams findet man eine Art Zauber- oder Wundermann, der die
Krankheiten heilen, bei Diebstählen die Diebe ausfindig machen und die
Orte angeben soll, wo die gestohlenen Sachen verborgen liegen.

Die Indianer von Kalifornien und Oregon skalpiren nicht und machen
keine Gefangenen; sie tödten die Männer, doch nie die Weiber. Kommt
zufällig während ihrer Kämpfe ein Weib, ein Kind in die Schußweite der
Pfeile, so schreien sie ihnen zu, sich zu entfernen, da sie nur gegen
Männer und nicht gegen Wehrlose kämpfen wollen.

Ich fand die Leute hier ein weniges größer und stärker als im südlichen
Kalifornien, doch nicht hübscher. Unter den Weibern, die nicht nur
am Kinn, sondern auch an den Händen und Armen etwas tätowirt waren,
gab es sehr fette, überaus plumpe Gestalten. Die Haare trugen Männer,
Weiber wie Mädchen in langen Wülsten. Da sie Kämme nicht kennen,
fahren sie sich mit den Händen durch die Haare, streichen sie glatt,
drehen sie auf jeder Seite des Kopfes zusammen und umwickeln sie mit
einem Streifen Thierfell oder sonst einem Lappen. Die Mädchen tragen
dieselben Haarwülste, nur haben sie die Haare vorn etwas abgeschnitten;
die Männer tragen nur eine Haarwulst im Nacken. Durch die Ohrläppchen
stecken sie runde Holz- oder Messingscheiben, die Männer und Knaben
hängen auch verschiedene Zierathen von Perlen an den unteren
Nasenknorpel. Beide Geschlechter schmücken sich leidenschaftlich gern
mit Glasperlen und Vogelfedern. An Waffen besitzen sie blos Bogen und
Pfeile, seit sich die Weißen überall niederlassen, auch Messer. Die
Elenthiere fangen sie in Schlingen.

Sie sind überaus unrein, suchen sich gegenseitig das Ungeziefer vom
Kopfe und geben jeden Fund gewissenhaft dem Eigenthümer, der ihn gierig
verspeist. Die Männer gehen zwar häufig Morgens in den Fluß; aber sie
tauchen nur ein Mal und kommen, gleich den Malaien, eben so schmutzig
von dem Bade zurück, als sie hingegangen sind. Dennoch sah ich unter
diesem Volke bei weitem nicht so viele Hautkrankheiten wie bei den
Malaien oder Dayakern. Dieß ist meiner Meinung nach den Schwitzbädern
zuzuschreiben, die sie häufig gebrauchen und deren jeder Wig-wam
wenigstens eins besitzt. Diese Schwitzbäder bestehen in Erdhöhlen,
ähnlich ihren Wohnplätzen, aber kleiner. Sie schließen den Zugang,
machen ein tüchtiges Feuer an und bleiben so lange darin hocken, bis
sie recht in Schweiß gerathen.

Auch bei allen diesen Stämmen, die ich sah, gab es auffallend wenig
Kinder, obwohl die Leute gesund und kräftig aussahen. Die kleinen
Kinder werden in schmale, längliche Körbchen, die mit einem Deckel
versehen sind, gebunden und so von den Müttern auf dem Rücken getragen.
Diese Last hindert die Frauen nicht, alle Arbeit zu verrichten, die
ihnen, wie bei den meisten rohen Völkern, größtentheils zufällt, aber
sehr gering ist. Sie haben zu kochen, Körbe zu flechten und Eicheln
zu sammeln. Letzteres Geschäft ist das beschwerlichste; sie müssen oft
viele Meilen danach gehen und große Lasten heimschleppen, denn wenn der
Mann auch mitgeht, trägt er doch gar keine, oder höchstens eine kleine
Last.

In vielen Hütten traf ich die Männer spielend. Sie saßen im Kreise um
ein kleines Feuer und hielten feine, kleine Stäbchen in den Händen,
von welchen die meisten weiß, einige wenige schwarz waren. Jeder warf
seine Stäbchen derart vor sich hin, daß die schwarzen alle weit aus
dem Kreise der weißen flogen. Er faßte sie hierauf wieder zusammen,
gab sie hinter dem Rücken von der linken in die rechte Hand und
begann das Werfen von neuem. Es gab viele Zuschauer und auch zwei
Musikanten, welche getrocknete Krebsscheeren auf ein Stöckchen gefaßt
hatten und damit an ein Brettchen schlugen. Ein anderes Spiel ist
eine Art Errathen mittelst Lehmkügelchen. Sie spielen um Muschelgeld,
das einzige, welches sie kennen und das Werth bei ihnen hat. Mit
diesem kaufen sie auch ihre Weiber. Wenn sie spielen, geschieht dieß
gewöhnlich in der Häuptlings-Hütte. Die Weiber sind für die Dauer des
Spieles aus der Hütte gebannt. Ihre Leidenschaft für das Spiel ist so
stark, daß sie es Tage und Nächte fortsetzen. Diese unglückselige
Beschäftigung war Ursache, daß mein armer Gefährte auch hier keine
Fische bekommen konnte.

In einem der Wig-wams blieben wir über Nacht. Ich schlief wieder in
einer Hütte mit mehreren Weibern. Meinem Gefährten wäre es aber diese
Nacht beinahe sehr schlecht ergangen: er war nahe daran, ermordet zu
werden. Eine Ahnung, wie er mir am folgenden Morgen sagte, flüsterte
ihm zu, vorsichtig zu sein, er traute den Leuten nicht und hatte
sich eine Hütte ausgebeten, um allein zu schlafen. Das Gefühl der
Unsicherheit ließ ihn nur leicht schlummern, und das war sein Glück,
denn gegen die Mitte der Nacht hörte er in den Zweigen, mit welchen er
den Eingang der Höhle vermacht hatte, ein leises Knistern und Rauschen,
und als er hin blickte, war schon ein Indianer auf Händen und Füßen in
die Hütte gekrochen, eben im Begriffe sich aufzurichten und ein Messer
zu zücken. Der Matrose sprang sogleich auf, hielt ihm eine Pistole
entgegen und drohte ihn niederzuschießen; der Indianer zog sich zurück,
vorgebend, daß er nur gekommen sei, nachzusehen, ob der Fremde genug
Holz zum Unterhalte des Feuers hätte.

Man schildert die Indianer als falsch, hinterlistig, rachsüchtig und
feig, und sagt, daß sie die Weißen nur dann zu tödten suchen, wenn sie
selbe einzeln finden. Wie können sich aber diese armen Menschen gegen
die wohlbewaffneten Weißen, gegen diese übermüthige Raçe, von der sie
so viel Unbill erleiden, anders rächen? Rache liegt nun einmal in der
Natur des Menschen. Was würde wohl der Weiße thun, wenn man so mit
ihm verführe, wie er mit dem armen Wilden? Auf dieser kleinen Strecke
Landes, die ich durchwanderte, sah ich mehrere zerstörte, abgebrannte
Wig-wams, aus welchen die Indianer von den weißen Ansiedlern mit
Gewalt vertrieben worden waren, weil sie nicht freiwillig von ihrem
heimatlichen Boden wichen. Die Weißen verführen ihre Weiber und
Töchter, und wo ihnen dieß nicht gelingt, nehmen sie dieselben ihnen
mit Gewalt weg. Während ich in Crescent-City war, ereignete sich ein
ähnlicher Fall. Drei Meilen von der Stadt hatten sich einige Amerikaner
als Farmer (Landbebauer) angesiedelt. Ein Eingeborner kam mit seinem
Weibe vorüber auf seinem Wege nach der Stadt. Die Männer sprangen aus
ihrer Hütte, rissen das Weib von seiner Seite, schleppten es in ihre
Wohnung und schlossen die Thüre. Der arme Wilde schrie und heulte,
schlug an die Thür und forderte sein Weib; statt dessen kamen die
Männer heraus, prügelten ihn derb durch und jagten ihn fort. Mit
zerschlagenem Körper kam er nach der Stadt und klagte. Und was geschah
den feigen, weißen Missethätern? Sie wurden verurtheilt, sich mit dem
Wilden abzufinden, d. h. ihm einige Glasperlen und andern werthlosen
Kram zu geben. Derlei Grausamkeiten werden natürlich von Stamm zu Stamm
erzählt, und so geschieht es öfter, daß wenn einzelne Weiße unter sie
kommen, die Uebermacht auf der Indianer Seite ist, diese gleiches
mit gleichem vergelten und den Unschuldigen für den Schuldigen büßen
lassen. Viele unpartheiische Männer gestanden mir, daß die Eingeborenen
überall, wo man ihnen mit Liebe und Güte entgegenkam, harmlos gefunden
wurden.

+9. November.+ Morgens verließen wir den gefährlichen Wig-wam. Wir
waren auf die Rückreise bedacht, mein Begleiter wagte sich nicht
weiter. Wir schlugen eine andere Richtung ein und kamen Nachmittags
an eine kleine Niederlassung von einem Dutzend Weißen. Auch hier war
das erste, was ich sah, ein großer in Asche gelegter Wig-wam. Die
Farmer lebten, der Weiber wegen, in stetem Streite mit den Indianern.
Letztere rächten sich, wo sie konnten, und erschlugen zu Ende einen der
Weißen, worauf diese an den Wig-wam Feuer legten und die Eingebornen
fortjagten. Seitdem gehen sie nie ohne scharfgeladene Gewehre an die
Arbeit, um so mehr, da seit einiger Zeit von andern nachbarlichen
Ansiedlern vier Männer vermißt wurden. Von zweien wurden die Körper
kürzlich an verschiedenen Plätzen im Walde unter Laub und Aesten
verborgen gefunden, ein dritter Körper eine weite Strecke von der
Farmer Wohnplatz in dem Flüßchen, aus welchem sie ihren Wasserbedarf
nehmen. Die Ansiedler sagten uns, daß sie, als sie den halbverwesten
Körper da zufällig fanden, vor Ekel alle erkrankten. Den vierten
Leichnam hatten sie noch nicht aufgefunden.

Wir kehrten bei den Farmern ein; sie wohnten in zwei kleinen Hütten,
Blockhäusern ähnlich, hatten aber schon den Bau einiger Häuser
begonnen. Die Leute lebten sehr gut. Sie hatten die schönsten
Wildgänse, die sie selbst schossen, herrliche Fische, die sie für
Kleinigkeiten von den Indianern eintauschten, Kartoffeln, Brod, Thee
und Kaffee, kurz wir hielten Abends ein köstliches Mahl, ein gleiches
Morgens.

Die Kälte war sehr empfindlich; Nachts stieg sie beinahe auf einen Grad
unter Null (Réaumur). Morgens war alles weiß vom Reife. Dennoch ist das
Land immer grün. Schnee fällt sehr selten, und wenn er fällt, berührt
er kaum den Boden, er schmilzt schon während des Fallens. Die Farmer
versicherten mir, daß der Grund eine reiche Ernte zu geben verspreche.
Sie waren erst sehr kurze Zeit angesiedelt und hatten kürzlich einen
Strich Landes angebaut. In der Umgebung von Crescent-City sah ich
in dieser vorgerückten Jahreszeit noch alle möglichen Gemüse im
Freien gedeihen, darunter so große und schöne, wie in Herrn Warren’s
Prachtausstellung zu San Francisco.

Ich glaube, daß der größte Theil Kaliforniens, besonders der nördliche,
für Europäische Ansiedler sehr vortheilhaft wäre. Das Klima ist gesund,
der Boden sehr ergiebig, selbst wo er sandig und trocken aussieht. Die
üppigen Waldungen zeugen von seiner Fruchtbarkeit. Er ist Urboden und
benöthigt daher weder Bewässerung noch Düngung; bis es zur letzteren
käme, könnten die Ansiedler bereits einen schönen Viehstand haben.

Nahe dem Oregon-Gebiete wird der Acker von der Regierung um einen
Dollar verkauft, in dem Oregon-Gebiete noch umsonst gegeben, da sie
auf alle Weise Ansiedler dahin zu bekommen sucht. Möchten die Leute
doch mehr in der Absicht des Ackerbaues als des Goldsuchens nach diesen
Ländern kommen! Farmer können sich mit einiger Ausdauer und Umsicht in
kurzer Zeit einen ausreichenden Wohlstand, ein angenehmes häusliches
Leben verschaffen; von den Goldsuchern sind im Verhältniß zu der großen
Zahl nur gar wenige reich heimgekehrt, bei den meisten kann man sagen:
„Wie gewonnen, so zerronnen!“

Am vierten Tage, +10. November+, kam ich von meinem Ausfluge wieder
nach Crescent-City zurück, das Loos des armen, ausgestoßenen Indianers
tief bedauernd. Man muß zwar gestehen, daß sich die Regierung um die
Indianer bekümmert; allein ihre Hauptsorge geht dahin, sie nach
entfernteren Plätzen zu schaffen, ihnen für das abgenommene Land einige
Entschädigungen zu geben und an die Ansiedler Befehle zu erlassen, sie
gut zu behandeln. Jedes Jahr werden Beamte nach ihren neuen Wohnplätzen
gesendet, um ihnen einige Geschenke zu bringen und nachzusehen, ob sie
nicht Hungers sterben. Aber ein bedeutender Fehler der Regierung ist
die allzugroße Nachsicht mit den Ansiedlern, da letztere, meistens
roher und weniger gutartig als die Wilden, diese Nachsicht nicht
vertragen, ohne sich zu übernehmen. So lange es der Gerichte noch so
wenige im Lande gibt, daß der Eingeborne nicht leicht zu ihnen gelangen
kann, und so lange dieselben den Ansiedlern gegenüber nicht größere
Strenge bezeugen, wird der arme Indianer immer der Spielball des
übermüthigen Weißen sein.

Das Land fand ich, wie gesagt, nicht nur sehr fruchtbar, sondern auch
romantisch. Die schöne Gebirgskette +Siskïyon+, die sich im Osten von
Mary’s Ville zeigt, erstreckt sich bis hieher, steigt in mehrfachen
Ketten auf, und fruchtbare Thäler und Ebenen breiten sich überall
dazwischen aus. Die höheren Spitzen waren in dieser Jahreszeit mit
Schnee bedeckt, dem ersten, den ich sah, seit ich mein Vaterland
verlassen hatte.

Als ich nach Crescent-City zurück kam, fand ich den Dampfer, mit
welchem ich die Reise von San Francisco machte, bereit, Abends die
Anker zu lichten. Das Wetter, das schon den ganzen Tag stürmte, wurde
so schlecht, daß wir erst am +11. November+ mit Mühe an Bord gelangen
konnten. Auf der Reise begleiteten uns Stürme und Nebel, so daß wir zu
Trinidad gar nicht einlaufen konnten. Als kleine Entschädigung dieses
bösen Wetters sah ich einen schönen Nebelregenbogen.

Den dritten kleineren Ausflug nach +St. José+ (60 Meilen) verdanke ich
der gefälligen Einladung des Oesterreichischen Konsuls, Herrn Vischer.
Es war dieß eine sehr große Aufmerksamkeit von seiner Seite, wenn man
bedenkt, wie hoch hier die Zeit geschätzt wird und wie theuer jede
Unterhaltung ist.

+22. November.+ Die Reise ging zu Lande. Wir setzten uns auf die
Außenseite des Omnibus, um die Schönheiten der Gegend, die als ganz
bezaubernd geschildert wird, recht genießen zu können.

Die Ebene, in welcher St. José liegt, erstreckt sich bis San Francisco
auf der einen, bis +Monterey+ auf der andern Seite, ist bei 120 Meilen
lang, zehn bis fünfzehn breit, und wird ihrer großen Fruchtbarkeit
wegen schon jetzt die Kornkammer des nördlichen Kaliforniens genannt.

Das erste Drittheil der Reise kann ich nicht für schön erklären.
Das wellenförmige Land ist ohne Vegetation, hie und da sieht man
verkrüppelte Bäumchen, deren Kronen ganz nach einer Seite stehen. Diese
seltsame Erscheinung verursachen die anhaltend starken Nord-Ost-Winde,
die das Klima von San Francisco so unangenehm machen. Der Boden ist
noch wenig bebaut und größtentheils eine magere Viehweide, auf welcher
die armen Thiere nur während des Frühlings genügende Nahrung finden.
Man behauptet jedoch, daß das Erdreich vortrefflich sei und daß es ihm
blos an Kultur fehle.

Drei Meilen von San Francisco liegt die Missionsstation +Dolores+,
in die ich schon früher durch Madame +Morton+ eingeführt wurde. Das
Kloster, die Kirche und einige Häuser der noch da wohnenden Spanier[7]
sind von ungebrannten Ziegeln erbaut, die Thüren und Fenster alle so
niedrig, die Häuser selbst so erbärmlich, daß ich sie, das Kloster
nicht ausgenommen, eher für Scheunen als für menschliche Wohnungen
gehalten hätte. Die Kirche enthält ein schönes Seitenaltar-Bild,
welches ich der Altspanischen Schule zuschreiben möchte.

In dem Gebiete +San Mateo+ (22 Meilen) fängt die Landschaft an,
hübscher zu werden. Der Berg +Diabolo+, 3600 Fuß, überragt die ihn
umgebenden Gebirge. Große, umfangreiche Bäume, meistens Eichen, bilden
parkähnliche Parthieen; Landsitze, Gasthäuser, kleine Farmer-Wohnungen
beleben die Gegend. Der Boden bestand zwar aus Sand und Staub,
in welchem die Pferde oft fußtief einsanken; doch konnte ich mir
vorstellen, daß nach der Regenzeit, im Frühlinge, wann die Felder
grünen, die Blumen blühen, das Gras sich überall hervor drängt, die
Bäume mit frischem Laube prangen, diese Landschaft recht lieblich und
freundlich sein und dem durch den Anblick von Naturschönheiten wenig
verwöhnten Städter bezaubernd erscheinen mag.

+St. Clara+, durch das der Weg führte, ist ein nettes Oertchen mit
einer hübschen Kirche und einem Jesuiten-Collegium für Knaben. Schon
das Wörtchen „San“ vor den Namen der Städtchen und Dörfer zeigt, daß
Kalifornien einst zu dem katholischen Mexiko gehörte. In den meisten
größeren Orten findet man hübsche Kirchen und Schulgebäude.

Eine vier Meilen lange Baum-Allee, von der Geistlichkeit gepflanzt,
führt von St. Clara nach St. José. Letzteres Städtchen ist etwas
bedeutender als ersteres, besitzt einige hundert Häuschen, die zum
größeren Theile neu und von den kürzlich eingewanderten Ansiedlern
bewohnt sind.

Wir fuhren noch vier Meilen weiter nach der großen Farm des Herrn
Vischer. Diese Farm von 750 Akres würde bei uns gewiß schon zu den
großen gehören; hier wird sie zwar auch nicht zu den ganz kleinen
gezählt; doch gibt es noch aus den Zeiten der Mexikanischen Regierung,
wo Grund und Boden so viel wie keinen Werth hatte, Landbesitzer, deren
Gründe sich sieben bis zehn Leguas (eine Legua = drei Meilen Englisch)
in die Länge, vier bis sechs in die Breite erstrecken. Der Werth dieser
Besitzungen steigt mit jedem Tage bedeutend; Leute, deren Ländereien
vor der Goldentdeckung kaum 50,000 Dollars werth waren, gehören heut
zu Tage zu den Millionären. Was die Besitzungen sehr vertheuert, sind
die Umzäunungen. Jeder Eigenthümer muß sein Land aus zwei Gründen
umzäunen lassen. Erstlich wird alles Hornvieh, so wie auch die Pferde,
Maulthiere, Schafe, Schweine, auf freie Plätze zur Weide getrieben,
zweitens lassen sich auf offenen Plätzen die neuen Ankömmlinge nieder,
bauen sich Zelte und Hütten, pflanzen u. s. w., ohne um Erlaubniß
anzufragen. Der Eigenthümer hat nach Amerikanischen Gesetzen kein
Recht, die Eindringlinge von uneingefaßten Räumen zu vertreiben, und
selbst wenn er diese später einzäunen läßt, geht die Vertreibung sehr
schwer, oft nur mit kostspieliger Proceßführung oder gar mit Gewalt ab.
An manchen Orten schlug und schoß man sich, wie im Kriege. Ueberhaupt
kann man sich von den Eigenmächtigkeiten und Gewaltthätigkeiten der
Ansiedler gar keine Vorstellung machen. Manche treiben die Freiheit so
weit, sogar leer stehende Hütten und Häuser in Besitz zu nehmen.

Diese Umzäunungen, hier Pfänzen genannt, kosten in einem Lande, wo die
Arbeit so theuer ist, ein schweres Geld. Herr Vischer z. B. benöthigte
für die Umzäunung seines Landes 30,000 acht Fuß hohe Pflöcke. Der Preis
per 1000 Stück im Walde war 50 Dollars, das Zuführen und Zuspitzen
kam auf 30, das Einschlagen in die Erde auf 20 zu stehen, so daß die
Umzäunung 3000 Dollars kostete.

Zwölf Meilen von San José liegt ein sehr großes, bedeutendes
Quecksilber-Bergwerk. Wir sollten es besuchen, der Wagen stand schon
vor der Thüre; allein unausgesetzter, heftiger Regen machte die
Parthie im wahren Sinne des Wortes zu Wasser, die Wege waren unfahrbar
geworden, und ich mußte mich mit der Beschreibung begnügen, die mir
Herr Vischer davon machte.

In dieses Bergwerk fährt man auf einem 1500 Fuß hohen Berge in die
Stollen ein und kommt 800 Fuß tiefer wieder an das Tageslicht. Die
Zinnobererze enthalten fünfunddreißig bis fünfundvierzig Prozent. Das
Bergwerk gehört einer Gesellschaft in Mexiko, deren Betriebskapital auf
eine Million Thaler geschätzt wird. Das Gewerk ist so reich, daß es
den Bedarf der ganzen Welt decken könnte. Seit es bearbeitet wird (seit
ungefähr zehn oder zwölf Jahren), ist der Preis des Quecksilbers in
Peru von achtzig auf fünfzig Dollars gefallen.

Das Wetter klärte sich auch den folgenden Tag nicht auf, es blieb uns
daher nichts anderes übrig, als das Merkwürdigste der Reise, den Besuch
der Minen, aufzugeben, und im wohlverschlossenen Omnibus nach der Stadt
zurück zu kehren.

Wenige Tage, bevor ich San Francisco verließ, brachten die Zeitungen
ganz wunderbare Berichte aus Unterkalifornien, das noch zu Mexiko
gehört.

Einige fünfzig Amerikaner hatten San Francisco auf einer Schaluppe
verlassen, bei +Félipe+ in dem Distrikte +Sonora+ gelandet, daselbst
eine Standarte aufgepflanzt und das Land förmlich in Besitz genommen.
Das friedliche Völkchen, eines solchen Piraten-Einfalls nicht gewärtig,
war nicht einmal mit Waffen versehen; es setzte sich bei +Guaymas+ kaum
zur Wehre, um so mehr, als die Piraten vorgaben, der Vortrab einer
bedeutenden Macht zu sein. Die fünfzig Amerikaner blieben Sieger und
erklärten einen Länderstrich mit einer Bevölkerung von 10,000 Seelen
für unabhängig von Mexiko.

Die Veranlassung dieses widerrechtlichen Zuges war der Durst nach
Gold, denn es ging die Sage, daß es da Gold und Silber in großer Menge
gäbe.

Und was sagte man in San Francisco zu diesem Raubanfalle? Die
Einen nahmen die Parthie der Räuber, die Anderen sahen darin einen
Geniestreich! --

Gerade den Tag vor meiner Abreise, am +15. December+, ging, ungehindert
von der Regierung, ein zweiter Trupp solchen Gesindels, 256 an der
Zahl, nach Sonora ab, um den Vorgängern zu helfen. Wie ich später
hörte, ist der Raubzug verunglückt. Die Mexikanische Regierung sandte
Truppen gegen diese Leute aus, mit dem Befehle, sie gleich Räubern
überall niederzuschießen, wo sie ihrer ansichtig würden. Die meisten
der Flibustier sind auch zu Grunde gegangen.

       *       *       *       *       *

Die Gesellschaft der Linie, deren Dampfer nach +Panama+ gehen, gab mir
auf einfaches Ansuchen des Herrn +Mathes+, eines dabei Angestellten,
freie Ueberfahrt von San Francisco nach Panama.

Am +16. December+ ging ich Nachmittags, in Begleitung der mir so
überaus theuer gewordenen Familie Morton, an Bord des Prachtdampfers
„+Golden Gate+,“ Kapitän +Isham+. Um 4 Uhr wurden die Anker gelichtet.

In meinem Leben habe ich kein schöneres Schiff gesehen. Es hatte 800
Pferdekraft oder 2500 Tonnen Gehalt, und faßte mit Bequemlichkeit 800,
im Nothfalle auch tausend Reisende. Der Verbrauch an Kohlen war per
Tag fünfzig Tonnen, die Schnelligkeit zwölf Meilen per Stunde. Seine
Länge betrug 300, die größte Breite 75 Fuß. Der Hauptsaal war 130
Fuß lang. Man konnte diesen Dampfer wahrhaftig einem großen Palaste
vergleichen -- er hatte vier Stockwerke, von welchen zwei sich über
dem Wasser befanden. Es liefen breite Galerien längs dem Borde, auf
die sich geräumige Thüren und Fenster öffneten. Die Einrichtung des
ersten Platzes war in jeder Beziehung prachtvoll, nicht minder die des
zweiten; selbst der dritte war in seiner Art vollkommen. Die Tafel, für
die erste und zweite Klasse dieselbe, war verschwenderisch besetzt,
die Gerichte köstlich bereitet, zwei Mal des Tages frisches Brod. Und
wie das Schiff durch seine Pracht und Bequemlichkeit, zeichneten sich
Kapitän und Schiffsoffiziere durch ihr zuvorkommendes, aufmerksames
Benehmen gegen die Reisenden aus. Mit Freuden sprachen wir bei der
Ankunft in Panama diesen Herren unseren Dank in einer öffentlichen
Adresse aus.

+17. December.+ Wir segelten an den Eilanden +St. Catarina+, +St.
Clemens+, +St. Barbara+ und +St. Anacapa+ vorüber. Am letzteren ging
vor vierzehn Tagen der prachtvolle Dampfer „+Winfield Scott+“ (2500
Tonnen) zu Grunde. Die Nacht war ungemein finster und neblig, und der
Kapitän hatte die große Unvorsichtigkeit, bei diesem Wetter nicht
außerhalb der Inseln, sondern zwischen denselben und dem Festlande zu
fahren. Glücklicher Weise ging dabei kein Menschenleben verloren. Doch
sank das Schiff so schnell, daß gar kein Gepäck und kaum die Goldbarren
und die Hälfte der Postpackete gerettet werden konnten.

Auch wir fuhren durch die enge Straße; allein der freundliche Mond
leuchtete uns aus allen Kräften, und die See war so ruhig, als schliefe
sie und träume höchstens von dem Unheil, das sie zeitweise anrichtet.

+18. December.+ Diesen Morgen hielten wir eine halbe Stunde vor +St.
Diego+ an, einige Reisende abzusetzen. Wir waren aber so weit von der
Küste entfernt, daß ich von dem neu angelegten Städtchen der Amerikaner
wenig, von dem älteren der Mexikaner, welches vier Meilen höher liegt,
gar nichts sah.

In der Nähe von St. Diego steigt eine sehr hohe Gebirgskette auf, deren
Spitzen die Schneeregion erreichen. Die ganze Küste, die wir bisher nie
aus dem Auge verloren, so wie die Gebirge sind wenig mit Vegetation und
Wald bedeckt.

+19. December.+ Fern dem Festlande, dagegen nah dem bedeutenden Eilande
+Cerroo+ und dem kleinen +Bonnitos+. Ersteres hat sechsundzwanzig
Meilen Länge, sieht schön und fruchtbar aus, ist aber dennoch
unbewohnt, da es ihm an Wasser fehlen soll. Bonnitos ist ein in vielen
Zacken aufsteigender Fels, ohne Baum und Busch mit spärlichem Grün.

+20. December.+ Meistens auf hoher See, das Kap +Lazaro+ passirt und in
die +Magdalenen-Bay+ gelenkt.

+21. und 22. December.+ Fortwährend auf hoher See.

Schon seit einigen Tagen fing die rauhe Witterung Kaliforniens der
Wärme zu weichen an. Mit jedem Schwunge des Rades fühlte man die
Annäherung der Tropen; ein warmes Kleidungsstück nach dem andern wurde
verbannt. Abends bildete das Deck einen schönen Vereinigungsplatz, man
drängte sich durch einander, man spazierte auf und nieder, größere und
kleinere Gruppen bildeten sich, Kinder sprangen und spielten umher, die
ganze Scene war reich beleuchtet von dem vollen Monde und von Tausenden
von Sternen. Wahrlich, der Reise auf diesem Wasserpalaste werde ich
stets mit großer Freude gedenken!

Die Gesellschaft bestand fast ausschließend aus Amerikanern, und
wiederholt muß ich sagen, daß die Herren durchgehend gegen mein
Geschlecht überaus artig und gefällig waren. In keinem Lande kam mir
Aehnliches vor. Die gemeinsten Amerikaner, Jungen von zehn Jahren,
standen hierin dem gebildetsten Europäer nicht nach. Auch in allem
übrigen ging es höchst anständig zu. Kein Mensch kam je mit einer
brennenden Cigarre in den Salon, niemand kaute da Tabak oder spuckte
zu Boden, nie wurde eine Ursache zur leisesten Rüge gegeben. Dieß
Benehmen setzte mich um so mehr in Erstaunen, als man wohl nirgends
eine gemischtere Gesellschaft finden mag, als auf Reisen von und nach
Kalifornien. Bei Tafel gab es die beste Gelegenheit, dieses Gemisch zu
beobachten. Der reich gewordene Minenarbeiter, Handwerker oder Krämer
saß neben dem großen Kaufmanne oder Spekulanten. Mit aufgestützten
Ellbogen saßen die Leute am Nachtische; mit Händen, welchen man es
hundert Schritte weit ansehen konnte, daß sie nur den Spaten, die
Schaufel zu führen gewohnt waren, langten sie nach den Schüsseln.
Ich gestehe aufrichtig, daß ich mich unter dieser natürlichen, aber
dennoch anständigen Gesellschaft weit fröhlicher und heimischer fühlte,
als auf einem der Englischen Dampfer, welche von Europa nach Indien
gehen. Dort herrschte auf dem ersten Platze durchgehends ein Putz (noch
ärger als bei den Frauen auf den kleinen Reisen von San Francisco nach
Sacramento und Mary’s Ville), als ginge es täglich nach einem Balle.
Hier waren die Frauen anständig, aber einfach gekleidet. Auch nimmt es
der Amerikaner ziemlich gleich auf, ob man mit dem Messer oder mit der
Gabel nach dem Munde fährt, ob man anders sitzt, geht und steht wie er.
Er hat noch nicht die kleinliche Schwäche des Britten, welcher jeden,
der nicht gerade alles so thut wie er, für roh und ungebildet hält.

+23. December.+ In die niedliche Bucht von +Acapulco+ eingelaufen. Die
Berge umher sind zwar nicht hoch, auch nicht so üppig bekleidet, wie im
Indischen Archipel, doch herrlich im Vergleiche zu den öden Sandhügeln
Kaliforniens. Die hoch gefiederte Cocos-Palme, die umfangreiche Mango,
die zarte Banane und andere Bäume und Gebüsche umgürten theilweise die
See und steigen die Hügel hinan.

Hier setzte ich den Fuß zum ersten und wahrscheinlich auch zum letzten
Male auf Mexikanischen Grund und Boden.

Das Städtchen Acapulco liegt auf hügeligem Grunde in einem Winkel der
Bucht, so verborgen, daß man es von Bord aus kaum gewahrt. Dagegen
thront das Fort recht stattlich auf dem äußersten Ende eines weit in
die See vorgeschobenen Hügels. Das Städtchen, mit 1500 Einwohnern,
hat ein höchst armseliges Ansehen. Die Häuser sind von Holz, Lehm
oder ungebrannten Ziegeln erbaut und haben nur ein Erdgeschoß, das
mit stark vergitterten Fenstern versehen ist. Das Innere sieht etwas
freundlicher aus; die Zimmer sind hoch, luftig und gegen den Hofraum
mit Veranden umgeben, in welchen die Leute speisen und den größten
Theil des Tages verbringen.

Auf dem Platze, welcher als Markt dient, und durch viele kleine Buden
sehr verunstaltet ist, prangt eine ziemlich hübsche katholische Kirche
von ungebrannten Ziegeln. Dieß Material scheint bei den Spaniern sehr
beliebt zu sein; alle ihre Bauten in Kalifornien waren damit aufgeführt.

Der ganze Ort sah sehr ruinenhaft aus: ein heftiges Erdbeben hatte am
4. December vergangenen Jahres die meisten Gebäude mehr oder minder
beschädigt, manche der Ziegelhäuser sogar theilweise eingestürzt. Zum
Glück fand das Erdbeben Abends 9 Uhr statt, während noch alles wach war
und augenblicklich fliehen konnte. In Folge dessen kam niemand dabei
um. Auch die Festung, die ich bestieg, um den Ueberblick über die Bucht
und Gegend zu haben, hatte stark gelitten; ihre festen Steinwälle und
Mauern waren zum Theil geborsten und eingestürzt.

Acapulco ist berühmt durch die Perlen, welche auf verschiedenen,
zwanzig bis dreißig Meilen entfernt gelegenen Eilanden gefischt
werden. Die Perlenfischerei geht auf sehr einfache Weise vor sich.
Die Fischer sind mit Messer und Körbchen versehen, tauchen in die
Tiefe, oft fünfzig bis achtzig Fuß, lösen die Schaalthiere, die zu
dem Austergeschlechte gehören und gegessen werden, los, und kommen
nach ein bis zwei Minuten mit oder ohne Beute wieder an die Oberfläche
des Wassers. Die einzige Gefahr, die sie zu bekämpfen haben, sind die
die Küste umschwärmenden Haifische, welchen sie jedoch auf geschickte
Weise zu entgehen wissen. Sie führen, wie sie mir sagten, beständig ein
langes, abgerundetes Stück Holz mit sich und stecken es, können sie
dem Unthiere nicht durch Tauchen oder Schwimmen entkommen, in seinen
aufgesperrten Rachen; bis sich das Thier dieser Maulsperre entledigt,
hat der Taucher genügend Zeit, aus seiner gefährlichen Nähe zu kommen.

Das Schaalthier wird geöffnet, die Perle in dem Thiere und nicht, wie
viele fälschlich glauben, in der Schaale gesucht -- letztere enthält
nur die sogenannte „Perlmutter“. In vielen Schaalen gibt es Auswüchse,
welche ungeformten Perlen gleichen. Diese Auswüchse rühren von andern
Thieren her, gleich den Auswüchsen an Blättern oder Pflanzen. Obwohl
jede Auster Perlenstoff und manche sogar acht bis neun Perlen enthält,
bedarf es doch gar vieler Thiere, bis der Fischer so glücklich ist,
eine schön geformte, reine Perle zu finden. Je mehr Stücke eine Auster
enthält, desto sicherer, daß sie unbrauchbar sind. Man glaubt, daß die
Perle durch eine Krankheit des Thieres erzeugt wird; wenn daher ein
Thier viele Stücke enthält, genießen es die Leute nicht, sie halten es
für der Gesundheit schädlich.

Die Perlen an den Küsten Mexiko’s und Granada’s zeichnen sich durch ihr
besonders reines Wasser aus. Sie sind selbst am Platze sehr theuer.

Ich sah in Acapulco auch sehr schöne, aus ganz kleinen Muscheln
verfertigte Blumen, so wie auch graziöse, höchst richtig geformte
Wachsfigürchen, die Mexikaner in ihren Trachten und Handthierungen
vorstellend. Die Wachsfigürchen kommen aus der Stadt Mexiko.

Die Einwohner von Acapulco kann man gar keiner Race zuzählen; sie haben
sich aus der Verzweigung der Stammbewohner, der Neger und der Spanier,
welche vor etwas mehr als dreihundert Jahren das Land eroberten,
gebildet. Je nach der näheren oder ferneren Vermischung mit der einen
oder andern Nation ist ihre Hautfarbe braun, schwarz oder weiß, eben so
verhält es sich mit den Gesichtsbildungen.

Nach sechsstündigem Aufenthalte am Lande gingen wir wieder an Bord,
wo wir uns viel mit den jugendlichen Tauchern unterhielten, die das
Schiff von allen Seiten umschwärmten und uns Reisenden zuriefen, Geld
in die See zu werfen, in dessen Auffangen sie große Geschicklichkeit
bewiesen. Die Jungen machen sich schon frühzeitig mit dem Meere
vertraut, um für die Perlenfischerei tüchtig zu werden.

Von Acapulco an hielten wir uns stets auf hoher See und wurden des
Landes erst kurz vor +Panama+ wieder ansichtig.

Den heiligen Abend brachten wir ruhig wie jeden andern zu; am
Christtage gab es bei Tische viele Hurrah’s mit Champagner und andern
Weinen.

+28. December.+ Heute erschien wieder Land; es zeigte sich anfänglich
in hohen Gebirgen, welche später großen Ebenen wichen. Auch hier
gehörte die Vegetation nicht zu den üppigsten; die Flächen sahen sogar
mitunter etwas nackt aus. Abends 9 Uhr lagen wir vor Panama. Wir hatten
die 3300 Meilen von San Francisco hierher (den Aufenthalt abgerechnet)
in elf Tagen und neunzehn Stunden zurückgelegt.

+29. December.+ Schon um 4 Uhr Morgens begann das rege Leben auf unserm
Wasserpalaste. Alles wollte eilig an’s Land, um die besten Maulthiere
zu dem Uebergange über den Isthmus zu bekommen. Auch ich that dieß
frühzeitig, obwohl ich nicht im Sinne hatte, den Isthmus zu passiren;
aber Land bleibt Land: man zieht festen Grund und Boden dem besten
Schiffe vor.

Ich war so glücklich, bei Dr. +Autenrieth+ eine herzliche Aufnahme zu
finden.

Mein erster Gang war nach dem Platze, wo ich die ganze
Schiffsgesellschaft versammelt fand, sich zur Reise anschickend. Da
ging es munter her, alles drängte durch einander, der Platz war voll
von Menschen, Maulthieren, Pferden, Trägern und Gepäck. Die Bemittelten
ritten, die kleinen Kinder wurden getragen, die Armen folgten zu Fuße
nach, das Gepäck ward auf Maulthiere geladen.

Die Breite des Isthmus beträgt etwas über hundert Meilen, von welchen
man 23 zu Maulthier, einige vierzig in Booten und den Rest auf der
erst kürzlich begonnenen Eisenbahn zurücklegt. Diese kleine Reise, so
wie alles in dieser Gegend, kommt sehr hoch zu stehen, da des starken
Zudrangs wegen alles sehr theuer ist. So kostete z. B. die kleine
Fahrt von dem Dampfer an das Land (drei Meilen) per Kopf zwei Dollars;
für das Tragen durch das Wasser von dem Boote, welches bei Ebbezeit
nicht ganz an das Ufer gelangen kann, hatte man einen halben Dollar
zu bezahlen, eben so viel für das an’s Land Schaffen des Koffers.
Noch ärger ist es, wenn jemand an Bord eines Schiffes zu gehen hat,
da begehren die Leute oft das Zwei- und Dreifache. Es ist ein großer
Fehler, daß die Gesellschaft der Dampfschiffe nicht Anstalt trifft,
die Reisenden vor diesen Plünderungen zu bewahren.

Die Miethe eines Maulthieres für die dreiundzwanzig Meilen betrug, weil
es nicht sehr viele Reisende gab, achtzehn Thaler; sind der Reisenden
viele, dann steigt sie auf zwanzig und mehr. Ein Platz in dem Boot auf
dem Flusse kostet fünf, die Eisenbahn acht Thaler, das Gepäck zwanzig
Cents per Pfund, so daß diese kleine Reise ohne Kost und Nachtlager auf
nicht viel weniger als vierzig Thaler kommt.

Die Lage Panama’s[8] ist schön, das Land rings umher blühend. Kleine
Eilande und Felsen, darunter +Taboga+, +Taboguilla+, steigen von allen
Seiten aus dem Meere; eine Hügelkette, deren höchster Punkt der +Aneon+
(500 Fuß), zieht sich bis nahe an das Seegestade. Die Gebirgskette von
Mexiko und Neu-Granada ist hier schon sehr abgeflacht; man sieht sie in
der Ferne.

Die Stadt zählt mit den Vorstädten und der nächsten Umgebung gegen
10,000 Seelen. Sie hat bedeutende Festungswerke, welche auf der
Seeseite mit einem halben Dutzend Kanonen und einigen Bombenkesseln
versehen sind. Von den drei Plätzen zeichnet sich der Hauptplatz durch
Größe, Reinlichkeit und die Kathedrale mit einer hübschen Façade aus.
Einen angenehmen Eindruck machte es auf mich, die Straßen gesäubert zu
sehen von alten Kleidungsstücken, Wäsche, Schuhwerk, todten Hunden,
Katzen und Ratten und anderem Plunder, über welchen man in San
Francisco bei jedem Schritte zu klettern hatte. Auch über die Wohnungen
war ich entzückt, obwohl sie weder mit schönen Einrichtungen noch mit
Teppichen u. dgl. prangten; die Zimmer waren hoch und groß, man konnte
doch wieder frei athmen und sich bewegen.

An Kirchen und Kapellen ist die Stadt überreich; man zählt mehr als ein
Dutzend, die im Gebrauche sind, und eine ganze Menge, die in Ruinen
liegen. Wenn Kirchen allein die Menschen gut machten, so müßte dieß
hier der Fall sein.

Die größte Kirche ist die Kathedrale, die am meisten ausgeschmückte die
sogenannte „Negerkirche.“ An dieser ist sehr viel Silber angebracht,
aber geschmacklos und ohne Wirkung. Die hölzernen Statuen der Heiligen
sind gräßlich geschnitzt und bemalt, mit Menschenhaaren verziert und
in Seide, Sammet, Spitzen u. dgl. so barock gekleidet, daß man mit
Erstaunen nach ihnen sieht.

Am Sonntage wurde bei der großen Messe viel musicirt und gesungen,
aber so ohrenzerreißend, daß nach dieser musikalischen Ausführung mir
die Malaische Musik sicher gefallen hätte und ich mein über letztere
gefälltes strenges Urtheil zurücknehmen muß. Die Melodien während der
Wandlung klangen so munter, daß ich mich im Theater und nicht in einer
Kirche zu befinden wähnte.

Schon auf meinen früheren Reisen in +Chili+ und +Brasilien+ habe ich
bemerkt, daß viele der dortigen Priester so tief an Bildung und nur
zu häufig auch an Charakter stehen, daß man ihnen eher alles, als den
Gottesdienst und den Volksunterricht anvertrauen sollte. Nicht einmal
bei den Eingebornen, weder dort noch hier, stehen sie in Achtung oder
Ansehen. Da gehe man nach Batavia oder Padang, dort gibt es Männer, die
ihr Amt auf wahrhaft würdige Weise vertreten, dagegen auch bei Hohen
und Niederen in unbestrittener Achtung stehen. -- Wäre in den Spanisch-
oder Portugiesisch-Amerikanischen Ländern die Zahl der wackeren
Priester nicht gar so gering, so würde es mit der Volks-Erziehung und
Modalität nicht so schlecht stehen, wie es leider der Fall ist.

Unter den Ruinen sind die schönsten: das ehemalige Kollegium sammt
Kirche und die St. Domingo-Kirche. Beide würden herrliche Skizzen
zu Bildern geben. Sie sind noch nicht so sehr zerstört, daß man
nicht theilweise ihre schönen Formen, kühne Kuppel-Wölbungen, hohe
Portici sehen könnte. Zierliche Schlingpflanzen ranken sich an halb
eingestürzten Wänden auf, Bananen, Strauchwerk, Blüthen und Blumen
decken den Boden und blicken aus den verfallenen Thüren und Fenstern.
In der Ruine der St. Domingo-Kirche zeichnet sich einer der gewölbten
Bogen durch seine besondere Bauart aus und zieht die Aufmerksamkeit
aller Sachverständigen in hohem Grade an. Seine Wölbung ist so gering,
daß sie auf dreißig Fuß Länge kaum drei Fuß Höhe beträgt.

Das Volk in Panama besteht aus demselben Gemische von Alt-Spaniern,
Indianern, Negern u. s. w., wie in Acapulco. Unter den Mischlingen
gibt es viele hübsche Leute mit schönen Augen, Haaren und Zähnen. Man
rühmt auch ihre kleinen Hände und Füße. Dieselben sind wohl klein, aber
selten schön; man sieht, wie bei den Malaien, zu viel Knochen, die
runde Form fehlt, auch sind die Finger etwas zu lang.

Seit solche Massen von Reisenden den Isthmus hier durchziehen, gibt es
so viel Verdienst, daß das Volk nicht den geringsten Mangel zu leiden
hätte, wenn es arbeiten wollte; aber es ist träge, wie in allen heißen
Ländern. Es zieht die Armuth, die Unreinlichkeit der Arbeit vor. Seine
Hauptnahrung besteht aus Reis und Früchten. Sehr gern essen die Leute
frisches Schweine- und getrocknetes Ochsenfleisch. Letzteres wird
meistens von +Buenos-Aires+ eingeführt. Es ist in lange, schmale Stücke
geschnitten und wird nach der Elle verkauft.

Die Tracht des Volkes ist Europäisch. Der Mann hat das Europäische
Beinkleid, die Jacke an, das Weib ein die Straße fegendes, langes
Kleid, welches sehr weit ausgeschnitten und mit einer oder zwei so
breiten Falben versehen ist, daß solche bis tief unter die Brust
fallen. Wäre dieser Anzug rein und nett gehalten, so stände er ziemlich
gut; allein das Kleid hängt so lose, daß es von der einen Schulter
gewöhnlich hinab gleitet und Brust und Schulter entblößt, während es
auf der andern beinahe bis an den Hals reicht. Sie wischen mit den
breiten Falben den Schweiß vom Gesichte, bedienen sich derselben statt
der Taschentücher und putzen den Staub u. dgl. überall damit ab. Beide
Geschlechter tragen runde, kleine Strohhüte, die sie sehr schön zu
flechten verstehen. Dem weiblichen Geschlechte passen sie nicht gut,
da sie zu klein sind und kaum auf dem dickgeflochtenen Haare sitzen.
Weiber und Mädchen tragen sehr gern Blumen im Haar; in Ermangelung
frischer ersetzen sie selbe durch künstliche. Das Rauchen von Cigarren
ist eine Hauptleidenschaft beider Geschlechter: man sieht schon
zehnjährige Kinder mit der Cigarre im Munde. Eigenthümlich ist es,
daß die Leute, vorzüglich wenn sie mit Arbeiten beschäftigt sind, den
brennenden Theil der Cigarre in den Mund stecken, wodurch sie länger
währt. Ich würde diese Sonderbarkeit wohl nicht beobachtet haben, hätte
Dr. Autenrieth mich nicht darauf aufmerksam gemacht.

Die beliebteste Unterhaltung des Volkes sollen Hahnenkämpfe sein; doch
scheint die Leidenschaft dafür nicht gar so groß zu sein, da ich weder
Streithähne noch Gefechte sah.

Von den öffentlichen Anstalten Panama’s besuchte ich nur die Spitäler,
deren es zwei gibt, das eine für das Volk, das andere für Fremdlinge.
Ersteres ist von der Regierung, letzteres von den Europäern gegründet.
Das Volkshospital ist unter aller Kritik. Es besteht eigentlich
bloß aus einem langen, breiten, auf einer Seite ganz offenen Gange,
in welchem der von ansteckender Krankheit Befallene neben dem
leicht Erkrankten liegt. Unreinlichkeit und Armseligkeit sind die
Haupteigenschaften dieses Ortes, der mehr einem Gefängnisse als einer
Heilanstalt gleicht. Jeden andern als den im tiefsten Schmutze und
Elend aufgewachsenen Eingebornen müßte schon sein Anblick tödten. Ich
sah da ein Dutzend Menschen, meistens mit bösen Augen, abscheulichen
Geschwüren und Hautkrankheiten behaftet, in den ekelhaftesten,
schmutzigsten Verbänden auf dem ungedielten Boden kauern.

Einen ganz andern Anblick gewährt das Fremden-Hospital. Man hat zwar
nur ein abgetakeltes Schiff dazu verwendet; aber alles ist schön, rein
und wohlgeordnet, und der Kranke sehr gut gepflegt.

Unter den nahen Ausflügen Panama’s fand ich einen Spaziergang nach dem
Berge +Aneon+ höchst lohnend. Man kann mit größter Bequemlichkeit in
einer Stunde auf seine Spitze gelangen und genießt eine der reizendsten
Aussichten: stundenlang möchte man da sitzen und schauen. Man überblickt
die ganze Stadt, von welcher ein Theil weit in die See vordringt,
in deren Hintergrunde sich ein großes, höchst fruchtbares, üppiges
Thal anschließt, von einem Flusse durchschnitten. Leider deckt noch
Wald und Gebüsch den größten Theil des Grundes. Der weite Ocean mit
vielen Inseln und Eilanden auf der einen Seite, Reihen von Hügeln und
Bergketten auf der andern rahmen das liebliche und zugleich großartige
Bild ein. Kein ähnlicher Naturgenuß ward mir in Kalifornien zu Theil,
obwohl ich durch bedeutende Strecken jenes Landes reiste.

Schade, daß Panama so ungesund und das Klima so heiß ist. Der Fremde
wird leicht und schnell von dem hartnäckigen, bösartigen Panama-Fieber
befallen, und häufig bringt dieß ihm sogar den Tod. Die Ursache soll in
der geringen Kultur des Bodens liegen, und das große, schöne Thal ist
zum großen Theil sumpfiger Grund.


  [7] So nennen sich alle Eingebornen, die nicht reine Neger oder
      Indianer sind.

  [8] Panama ist der Hauptort und größte Hafen des Distriktes gleichen
      Namens in der Republik Neu-Granada, welche über zwei Millionen
      Einwohner zählt, und deren Hauptstadt +Bogota+ im Innern liegt.




Fünfzehntes Kapitel.

  Reise nach Lima. -- Die Englischen Dampfer. -- Guayaquil. -- Callao.
  -- Die Deutschen Auswanderer. -- Lima. -- Kirchen und öffentliche
  Gebäude. -- Die Peruanischen Damen. -- Erdbeben. -- Unsicherheit. --
  Der Badeort Chorillos. -- Die Ruinen des Sonnentempels Pachacamac. --
  Die Hazienda St. Pedro.


Am +7. Januar 1854+[9] ging ich von Panama mit dem Dampfer „+Bolivia+,“
750 Tonnen, Kapitän +Straham+, nach +Lima+.

Eine Englische Gesellschaft hat bisher noch immer den Vortheil,
die Linie von Panama nach +Valparaiso+ allein, ohne Amerikanische
Konkurrenz, zu befahren. Dieß ist Ursache, daß die Preise sehr hoch,
die Versorgung der Reisenden sehr schlecht ist. Obwohl der Engländer
stets von Philanthropie mit Begeisterung spricht, zeigt er auf seinen
Dampfern doch ganz das Gegentheil. Recht von Herzen würde es mich
freuen, eine Amerikanische Gesellschaft erstehen zu sehen. Man wirft
den Amerikanern vor, daß sie nur Dollar-Menschen seien -- auf ihren
Schiffen ziehe ich sie den Engländern bei weitem vor.

Ich will hier nur wieder eine kleine Skizze von der Einrichtung dieses
Dampfers geben.

Die Schlafkabinen auf dem ersten Platze sind so beschränkt, besonders
jene der Frauen, daß sich diese nur eine nach der andern aus- und
ankleiden können. Sind die Kabinen besetzt, so müssen die Nachkommenden
in dem Speisesaale schlafen, denn aufgenommen werden so viele Reisende
als kommen. Ist auch der Speisesaal schon voll, so stopft man die Leute
auf dem Vorderdeck in eine Kajüte, die zwar rein und hübsch, aber nicht
in Kabinen getheilt ist; einfache Vorhänge bergen jede Schlafstelle.
Beide Geschlechter werden dahin gewiesen, obgleich der Engländer
in seinem eigenen Lande so empfindlich ist, daß z. B. auf manchen
Eisenbahnen in die Wartezimmer der Frauen kein Herr gehen darf. Aber wo
es Geld zu verdienen gibt, schweigen alle andern Rücksichten.

Die Kost war sehr gut, der Kapitän äußerst gefällig und aufmerksam.

Der zweite Platz ist gar unter aller Kritik; er besteht aus einem
Loche, in welches nicht einmal eine Treppe, sondern nur eine Leiter
führt. Die Leute haben weder Schlafstellen noch Polster oder Teppiche,
sie können sich auf den nackten, schmutzigen Boden hinstrecken. Die
ganze Einrichtung ist ein langer Tisch und eine lange Bank, die Kost
besteht aus den Resten der Speisen, die von der Tafel des ersten
Platzes abgenommen werden. Tischzeug, Gläser und ähnliche Dinge
mangeln gänzlich; dieß würde Ueberfluß sein. Die Aufwärter bilden die
Gesellschaft der Reisenden.

Der dritte Platz ist das offene Deck, über welches sich kein Linnendach
spannte, die armen Reisenden gegen Regen oder die Tropensonne zu
schützen. Wahrlich, eine echt philanthropische Behandlung! Welcher
Gegensatz zu dem Amerikanischen Dampfer „Golden Gate,“ wo selbst der
Deckreisende eine geräumige Kajüte, ein gutes Bett und eine treffliche
Kost findet, und dafür nicht mehr zu bezahlen hat, als auf dem
Englischen Dampfer!

Bis +11. Januar+ fuhren wir stets auf hoher See. Am 10. Mittags
passirten wir den Aequator, ohne von der Hitze im geringsten zu leiden.
Der Kapitän, der schon seit mehreren Jahren die Reise von Panama nach
Valparaiso macht, versicherte mir, daß er die Temperatur längs der
Küste nie heiß gefunden habe; der Himmel sei meistens bedeckt, die
Kraft der Sonne dadurch gelähmt.

Am +11. Januar+ traten wir in den Golf von +Guayaquil+ und bekamen
Land von der Republik +Ecuador+ zu sehen. Im Vordergrunde liegt
ein abgeplatteter Felshügel, an welchen sich das Festland in
unübersehbaren, öden Flächen schließt. Später kamen wir an einem langen
Fels vorüber, der seiner merkwürdigen Gestaltung wegen der „todte Mann“
genannt wird.

+12. Januar.+ Früh Morgens in dem Städtchen Guayaquil angekommen,
welches an dem schönen Flusse +Guaya+, 50 Meilen stromaufwärts, liegt.

Guayaquil, mit 12,000 Einwohnern, ist der erste Hafenplatz und die
zweite Stadt des Landes; die Hauptstadt +Quito+ liegt jenseits des
+Chimborasso+ in einer Höhe von 10,000 Fuß.

Die Lage von Guayaquil ist recht artig: der Strom breitet sich gewiß
über eine halbe Meile aus, die Umgebung ist sehr fruchtbar; den
Hintergrund bildet eine schön bewachsene Hügelkette. In weiter Ferne
steigen die mächtigen Cordilleren auf. Bei ganz heiterem Wetter soll
man den 21,000 Fuß hohen Chimborasso sehen.

Die Bauart der Häuser fand ich sehr zweckmäßig: sie sind beinahe
durchgehend einstöckig, gegen die Straße zu mit breiten Galerien
versehen, die auf Säulen oder Bogen ruhen, unter welchen man geht und
auf diese Weise jederzeit vor der Sonne geschützt ist. Die Wohnungen
sind geräumig und ebenfalls gegen den Hof zu mit breiten Galerien
umgeben, die Zimmer hoch und luftig. Hier ist die Hitze sehr bedeutend.

Mein erster Gang in den Städten ist gewöhnlich nach den Bazaren
und Märkten: man hat da den besten Ueberblick des Volkes und der
Landesprodukte. Ich benutzte die kurze Zeit unseres Aufenthaltes hier
zum Besuche dieser Orte. Der Markt von Guayaquil liegt an dem Flusse.
Ich war überrascht von der Mannigfaltigkeit und dem großen Ueberflusse
der Lebensmittel. Es gab ganze Boote voll mit Ananas[10] oder andern
Früchten, Getreide aller Art, Reis, Mais, Gemüse, Jamswurzeln, Fleisch,
Fische, Geflügel, Eier, Chocolade u. s. w. Alles ist hier ungleich
billiger als in Panama, dessen ungeachtet gibt es hier wie dort keine
Kupfermünzen. Die kleinste Silbermünze ist ein +Quarto medio+ (2½
Cents), deren man aber so wenige sieht, daß man sagen könnte, sie seien
gar nicht im Kurse.

+13. Januar.+ Gegen Abend kamen wir nach +Payta+ (Peru), einem elenden
Orte mit der traurigsten Umgebung. So weit das Auge reicht, sieht es
weder einen Grashalm, noch viel weniger einen Busch oder Baum. Die
einigen Dutzend Häuser oder Hütten sind von Rohr, mit Lehm überklebt,
flach gedeckt; man unterscheidet sie kaum von dem sandigen, staubigen
Grund und Boden. Das Land ist hügelig und durchaus sandig.

Wir hielten hier, wie in Guayaquil, einige Stunden an; der gute Kapitän
Straham nahm mich überall mit an’s Land. Ich hatte nichts eiliger
zu thun, als einige der Hügelchen (dreißig bis vierzig Fuß hoch) zu
besteigen, weil ich hoffte, vielleicht doch im Hintergrunde einiges
Grün zu erspähen; allein vergebens, stets neu aufsteigende Hügelchen
bildeten eine Fortsetzung dieser todten, grauenvollen Wüste. Das
Trinkwasser wird auf Eseln 14 Meilen weit hergebracht, eben so weit
wird die Wäsche zum Waschen gesandt. Um nur einige Vegetation zu sehen,
muß man 21 Meilen weit nach einem Flusse wandern. -- Und an einem
solchen Orte lassen sich Menschen nieder!

+14. und 15. Januar.+ Häufig Land gesehen, denselben traurigen,
einförmigen Charakter tragend, theils niedrige Küsten, theils Hügel und
Berge, alles öde und wüstenartig.

+16. Januar.+ +Casma+, ein Landungsplatz an der See mit ein paar
erbärmlichen Laubhütten, den Reisenden Schutz verleihend, die auf den
Dampfer warten; die Stadt selbst liegt 6 Meilen landeinwärts. Hier
beginnen wieder höhere Gebirge, doch sind sie gleichfalls öde.

Wir hielten nur eine Stunde an, um Reisende und Fracht einzunehmen. Je
näher wir Lima kamen, desto mehr glich das Deck einem Bivouak. Die Zahl
der Reisenden stieg außerordentlich; man errichtete Nothzelte; Kisten,
Koffer und Körbe beengten den Raum so sehr, daß für die Leute selbst
wenig Platz blieb. Auch die Kabinen wurden voll bis zum Erdrücken. Das
Uebelste dabei war, daß die Leute trotz der vollkommen ruhigen See mehr
seekrank wurden, als ich dieß irgend wo in der Welt bemerkt hatte.

Die Frauen und Mädchen kamen in großem Putze an Bord; allenthalben
rauschten seidne Kleider, schöne Chinesische Umschlagetücher;
Edelsteine und Perlen fehlten auch nicht. Gestickte Schuhe, seidene
Strümpfe sah man sogar an Dienerinnen. Viele der so reich geschmückten
Frauen trugen das kleine, runde Männer-Strohhütchen, das ganz
abscheulich stand. Alle die Pracht und Herrlichkeit machte jedoch wenig
Effekt: es fehlte an geschmackvoller Zusammenstellung, und die Farben
waren meistens sehr grell und unpassend gewählt. Die Peruanischen
Frauen haben sehr kleine und wohlgeformte Füße. Sie wechseln auch, wie
man mir sagte, zweimal in der Woche die Schuhe und ziehen dieselben so
mühsam an, wie unsere Modewelt die Handschuhe. Sie stülpen den halben
Schuh rückwärts um und zwängen ihn dann mit der größten Anstrengung
über die Ferse.

+17. Januar.+ Der hohen, öden Gebirge blieben wir stets ansichtig; sie
nahmen an Höhe zu, je näher wir +Callao+ kamen.

Bei +Huacho+, einer kleinen befestigten Stadt, gleich Payta von einer
Wüste umgeben, wurde ebenfalls kurzer Halt gemacht. Der Kapitän
beeilte sich, Callao zu erreichen, wo wir schon Tags zuvor hätten
eintreffen sollen; allein der Dampfer fuhr sehr langsam, wir machten
durchschnittlich per Stunde nicht mehr als sechs Meilen. Da, wie
gesagt, keine Konkurrenz existirt, werden natürlich alte, schlechte
Dampfer benützt, -- der Reisende muß sich alles gefallen lassen.

Callao ist der bedeutendste Hafen von Peru. Die Rhede ist schön durch
die Masse der sie umgebenden Gebirge; doch fehlt es auch hier an Wald
und Vegetation.

Das Städtchen Callao, mit 7000 Einwohnern, erinnerte mich beim ersten
Anblick durch seine Bauart einigermaßen an den Orient. Die Häuser
haben nur ein Erdgeschoß oder höchstens einen Stock mit unregelmäßig
angebrachten Fenstern, oft nur mit hölzernen, dicht vergitterten
Balkons, die wie Verschläge an den Wänden hängen, und mit platten
Dächern (Terrassen). Sie sind theils aus ungebrannten Ziegeln erbaut,
theils aus Rohrwänden und mit Lehm beworfen. Die Zimmer sind etwas
düster, da sie ihr Licht gewöhnlich nur von einem Fenster erhalten,
mitunter nur von einem Verschlage, der auf die Terrasse mündet. Diese
Verschläge sind statt der Glasscheiben mit hölzernen Gittern und Läden
versehen, welch letztere man mittelst einer Schnur, die tief in das
Zimmer hinab hängt, öffnen und schließen kann.

Die Festung, die seit der Unabhängigkeits-Erklärung von Peru den Namen
+Independenzia+ führt, gehört zu den bedeutenderen. Sie bildet ein
regelmäßiges Achteck, ist umfangreich, gut erhalten, und von einem
breiten, tiefen Graben umgeben, der mittelst einer Verbindung mit der
See unter Wasser gesetzt werden kann.

Ich verweilte nur einen Tag in Callao. Vor allem besuchte ich auch
hier den Wochenmarkt, der mich durch die reiche und mannigfaltige
Zusammenstellung von Lebensprodukten beider Hemisphären noch mehr
in Erstaunen setzte, als jener von Guayaquil. Die Abstufungen der
Cordilleren (denen man hier sehr nahe ist) bieten so zu sagen alle
Klimate der Welt, und so kommt es, daß man hier neben der saftigen
Traube die hochgelbe Granadilla, neben dem Pfirsich die Mango, neben
der Aprikose oder dem Apfel die Platane oder Chirimoya u. s. w. sieht.
Letztere Frucht (von den Engländern Custod-apple genannt) wird von
mehreren Reisenden für die Königin aller Früchte erklärt. Ich würde
der Mangostan den Preis ertheilen, die auf Java vorkommt; sie schmeckt
ungleich feiner und ist dabei leicht und gesund. Die Granadilla ist
die Frucht einer Passions-Blume, an Geschmack unserer Stachelbeere
ganz ähnlich. Pfirsiche, Aepfel, Aprikosen stehen den Europäischen bei
weitem nach: man kann sie kaum anders als gekocht genießen. Die Ursache
mag wohl an der vernachlässigten Kultur liegen, da der Eingeborne zur
Arbeit zu träge ist und es wenige, beinahe keine Europäischen Pflanzer
gibt.

Von den Getreidegattungen wird Gerste und Mais am meisten gebaut; sie
bilden auch den Hauptnahrungszweig des gemeinen Volkes. Auffallend
waren mir Kolben ganz schwarzen Maises, die ich unter den Haufen der
gelben, weißlichen, braunen und andern liegen sah. Dieser schwarze Mais
kommt nur in ganz kleinen Kolben und zwar selten vor; er wird nur zu
Backwerken verwendet.

Nachmittags wanderte ich nach dem Platze (unweit der Festung), wo einst
Alt-Callao stand, das im Jahre 1746 durch ein schreckliches Erdbeben
zu Grunde ging. Ein Theil sank in die See, der andere in Trümmer; 3000
Menschen sollen dabei das Leben verloren haben. Von den Resten der
Stadt ist nichts mehr zu sehen, als hie und da kleine Bruchstücke einer
Wand oder Schichten von Ziegeln. Manche Reisende wollen behaupten, daß
man den in die See gesunkenen Theil der Stadt noch sähe -- eine der
gewöhnlichen romantischen Uebertreibungen.

Freundlicher war ein Gang nach den Gärten und andern Pflanzungen, die
in der Nähe von Callao am Saume eines Bächleins liegen. So sandig, wüst
und öde die Gegend rings umher ist, so schnell erscheint Leben und
Vegetation an Orten, die nur einigermaßen bewässert werden können. Ein
Dutzend Deutscher Ansiedler hat sich da niedergelassen und erzielt sehr
ergiebige Ernten. Sie bauen besonders viele Weinreben, die sich auf dem
Gestein fortranken, es wie ein Netz überziehen und sich kaum einen Fuß
hoch über die Erde erheben.

Vor ungefähr zwei Jahren erging von der Regierung Peru’s eine
Aufforderung nach Deutschland, Ansiedler hierher zu senden; man machte
ihnen gute, vortheilhafte Bedingungen, und diesem zu Folge schifften
sich alsbald über zweitausend Auswanderer nach dem fernen Lande ein.
Schon auf der Reise starb beinahe die Hälfte. Die Schiffe waren
überfüllt, die Lebensvorräthe, das Wasser schlecht und verdorben, und
die Leute wurden nicht besser behandelt als die Sklaven, die man von
Afrika bringt. In Peru angekommen, fanden die Ueberlebenden, daß man
sie von allen Seiten betrogen und belogen hatte. Statt sie in ein ihnen
angemessenes Klima zu weisen, gab man ihnen Ländereien bei Callao und
Lima, wo die große Hitze Europäischen Arbeitern tödtlich ist. Die ihnen
gebotenen Geldunterstützungen standen in keinem Verhältnisse zu der
Theuerung des Landes; nur zu bald versanken die Armen in Elend und
Krankheit. Der Hamburger Konsul in Lima, Herr +Rodewald+, nahm sich
ihrer mit aller Macht an, verwendete sich für sie bei der Regierung,
schrieb um Hülfe nach Deutschland, veranstaltete Sammlungen und
unterstützte sie kräftig aus seinen eigenen Mitteln. Dessen ungeachtet
starben die meisten, trostlose Witwen und Kinder hinterlassend, welche
das Klima natürlich besser vertrugen, da sie mit Feldarbeiten wenig
oder nichts zu thun hatten. Unverzeihlich ist es von der Regierung
eines Landes, durch Lüge und Betrug Leute, Familien zur Auswanderung
zu bewegen und sie dann so gewissenlos ihrem Schicksale zu überlassen.
Könnte ich doch allen Auswanderern zurufen, sich, bevor sie solch einen
wichtigen Schritt unternehmen, Kenntnisse von dem Lande, dem Klima, den
Kosten und den Hülfsmitteln, die ihnen daselbst zu Gebote stehen, zu
verschaffen, und nicht unbedingt den Vorspiegelungen zu glauben, die
ihnen von gewissenlosen, gewinnsüchtigen Agenten gemacht werden. Ist
der arme Mann einmal von seiner Heimath weg, so hat er nicht leicht
mehr die Mittel zur Heimkehr und muß bleiben, wo ihn sein Schicksal
hingeworfen hat.

Freilich ist die Schuld auch häufig an den Ansiedlern. Viele haben
die falsche Meinung, daß, wenn sie in einen fremden Welttheil gehen,
ihnen gleich, wie das Sprüchwort sagt, die gebratenen Tauben in den
Mund fliegen müssen; ist dieß dann nicht der Fall, so ergreift sie
Unzufriedenheit und Mißmuth. Gerade der Ansiedler muß sich, wenigstens
in den ersten Jahren, auf mehr Mühen, Arbeiten und Beschwerden gefaßt
machen, als in seiner Heimath. Aber so sind die Menschen, nie genügsam
und bescheiden in ihren Wünschen und Anforderungen. Sah ich doch selbst
bei manchen Auswanderern, die sich erst seit kurzer Zeit angesiedelt
hatten, den Tisch mit schönem Fleische, Gemüse, gutem Brot u. s. w.
besetzt, den Kaffee- und Theetopf zweimal des Tages auf dem Feuer
stehen, und dennoch waren die Leute nicht zufrieden. Warum? -- Weil sie
hier wie in der Heimath arbeiten mußten. Daheim mochte es ihnen an der
Arbeit wohl noch weniger gefehlt haben, wohl aber an den trefflichen
Lebensmitteln; wie oft mögen sie ihren Hunger kaum nothdürftig mit
Kartoffeln oder schlechtem Brote gestillt haben!

Bevor ich +Lima+, die Hauptstadt von Peru, betrete, will ich dieses
Reiches mit wenigen Worten erwähnen.

Peru faßt auf 2300 Quadratmeilen eine Bevölkerung von 2,150,000 Seelen
und ist in elf Departements, diese in 63 Provinzen getheilt. Die
Staatseinkünfte werden auf 10 Millionen Dollars gerechnet, eben so hoch
die Ausgaben. Die Staatsschuld beträgt gegen 60 Millionen Dollars. Auf
die Tilgung dieser Schuld wird nur ein ganz kleiner Theil der Einnahmen
verwendet.

Die legislative Gewalt besitzt der Kongreß, welcher sich alle zwei
Jahre in Lima versammelt und aus zwei Kammern besteht, der Kammer der
Senatoren (21) und jener der Deputirten (81).

Die executive Gewalt und das Recht, die Minister zu ernennen, liegt in
den Händen des Präsidenten, welcher alle vier Jahre neu erwählt wird.
Der jetzige Präsident heißt +José Rufino Echenique+.

Diese Regierungsform besteht seit dem Jahre 1824, in welchem sich das
Land von der Spanischen Regentschaft lossagte. Die einzige Festung
+Callao+ hielt sich unter General +Bodin+ bis Februar 1826 und ergab
sich unter sehr ehrenvollen Bedingungen. Obgleich dieser General große
Tapferkeit bewies, hinterließ er doch einen sehr schlechten Ruf. Man
schreibt die lange Vertheidigung mehr seinem Eigennutze als der Treue
und Anhänglichkeit an seinen Monarchen zu. Er soll nämlich große
Vorräthe von Lebensmitteln aufgespeichert und sie zur Zeit der Noth den
Reichen, die in die Festung geflohen waren, zu den unverschämtesten
Preisen überlassen haben. Die Leute mußten die Lebensmittel, wie man
erzählt, beinahe mit Gold aufwiegen. Mit ungeheueren Reichthümern
beladen ist der General nach der Uebergabe der Festung nach Spanien,
seinem Vaterlande, gegangen.

Seit der Unabhängigkeits-Erklärung fanden in Peru so viele Revolutionen
statt, daß eine Ruhe von ein paar Jahren unter die Seltenheiten gehört,
und daß man der politischen Bewegungen am Ende schon nicht mehr viel
achtet. Alle Revolutionen gingen bisher vom Militär aus. Hochgestellte
Offiziere, lüstern nach der Präsidenten-Würde, suchten das Militär zu
gewinnen, und die Unruhen begannen. Auch jetzt, als ich nach Peru kam,
war das Land im Aufstande, und diese Revolution war die erste, die
vom Civil ausging. Sie hatte ihren Anfang im September vorigen Jahres
genommen. Ursache der Revolution war die schlechte Verwaltung der
Staatseinkünfte, die sich seit der Auffindung des Guano (Vogeldünger)
auf den +Chincha+- und andern Eilanden[11] sehr vermehrt hatten und
doch weder für das allgemeine Wohl noch zur Tilgung der Staatsschulden
verwendet wurden. Man wirft dem gegenwärtigen Präsidenten vor, einen
großen Theil der Reichthümer des Landes in seine und seiner Anhänger
Hände zu leiten. Um dieß leichter zu bewirken, hat er die Leute
aufgefordert, unberichtigte Rechnungen aus den Zeiten vergangener
Revolutionen für gelieferte Lebensmittel, Schadenersätze u. dgl.
vorzubringen. Die Gläubiger, die solche Schulden einzufordern hatten,
dachten daran schon lange nicht mehr, viele hatten die Papiere verloren
oder zerrissen, andere waren gestorben und den Erben fehlte es an
Beweisen. Es wurde jedoch den Leuten unter der Hand gesagt, daß man
ihre Forderungen leicht anerkennen würde; nur möchten sie höhere Summen
angeben, damit man, einer scheinbaren Gerechtigkeit wegen, einiges
streichen könne.

Die Agenten des Präsidenten und dessen Anhang kauften diese Papiere
insgeheim um geringe Summen, und durch diese Umtriebe, so wie mit der
Manipulation der Staatspapiere und dem Guano-Handel soll sich der
Präsident allein schon einige Millionen Dollars erworben haben.

Die jetzige Revolution war noch nicht bis Lima gedrungen. Der Präsident
hatte das Militär noch auf seiner Seite; auch besoldete er theils aus
der Staats-, theils aus eigener Kasse eine Legion Spione, die sogleich
jede Person, auf die der leiseste Verdacht fiel, ergriffen und der
Regierung überlieferten. Viele schmachten in den Gefängnissen, andere
wurden des Landes verwiesen[12].

Schon seit vielen Jahren hat Peru das Unglück, von habsüchtigen,
eigennützigen Beamten regiert zu werden, die auf nichts anderes bedacht
sind, als ihre Taschen zu füllen.

Am +19. Januar+ fuhr ich nach Lima, wo der Hamburger Konsul,
Herr Rodewald, so gütig war, mich in sein Haus einzuladen, eine
Gefälligkeit, die für mich von um so größerem Werthe war, als man in
diesem Lande ausschließlich die Spanische Sprache spricht, mit welcher
ich mich noch nicht vertraut gemacht hatte.

Von Callao nach Lima (zwei Leguas, sechs Englische Meilen) führt seit
dem Jahre 1851 eine Eisenbahn, deren Steigung so bedeutend ist (450
Fuß), daß man auf der Fahrt von Lima nach Callao gar nicht des Dampfes
bedarf. Was mir bei dieser Eisenbahn am meisten auffiel, ist, daß sie
durch einen großen Theil der Vorstädte Lima’s geht, ohne durch Geländer
abgesperrt zu sein. Die Dampfwagen fahren hier durch die Straßen wie in
andern Städten die mit Pferden bespannten Kutschen. Kinder spielen an
den Hausthüren, Reiter lenken die Thiere eilig zur Seite, Leute laufen
über die Schienen, und lärmend braust die Lokomotive mitten hindurch.
Ungeachtet dieser augenscheinlichen Gefahr ereignete sich erst +ein+
Unglück. Ein Esel wurde überfahren und die Maschine kam dadurch aus dem
Geleise, bei welcher Gelegenheit mehrere Menschen verwundet wurden und
einer das Leben verlor.

Die Stadt Lima, mit 96,300 Einwohnern, wurde am 6. Januar des Jahres
1534 von Pizarro gegründet; am 18. Januar desselben Jahres legte er den
Grundstein zu der Kathedrale. Die Stadt ist in regelmäßige Quadrate
eingeteilt; der Fluß +Rimac+, über welchen eine einzige, aber schöne,
auf fünf Bogen ruhende Steinbrücke führt, theilt sie in zwei ungleiche
Theile. Die Straßen sind lang, ziemlich breit und gerade.

Der Hauptplatz ist ein schönes Viereck. Auf zwei Seiten laufen an den
Häusern Bogengänge hin, unter welchen es einige reiche, geschmackvolle
Waarenlager gibt; auf der dritten Seite steht die Kathedrale nebst dem
bischöflichen Palaste, auf der vierten Seite der Palast des Präsidenten
und das Haus der Senatoren. Diese Paläste gleichen von außen so
erbärmlichen Gebäuden, daß ich wirklich nicht weiß, wie man ihnen den
hochtrabenden Titel „Palast“ beilegen konnte. Im Hofraume sehen sie
etwas besser aus. Der Palast des Präsidenten ist überdieß noch durch
viele kleine Verkaufsbuden verunziert, die wie Kleckse daran hängen. In
der Mitte des Platzes prangt ein leidlicher Springbrunnen, der zu jeder
Zeit des Tages von Eseln und deren Treibern umgeben ist, denn kein Haus
in Lima hat einen eigenen Brunnen: alles Wasser wird mittelst Esel in
die Häuser gebracht. Manche Familie gibt für den Wasserbedarf allein im
Monat vier bis sechs Dollars aus.

An der Südseite dieses Platzes, wo jetzt Wohnhäuser stehen, stand der
Palast Pizarro’s. In demselben wurde Pizarro am 26. Juni 1546 ermordet.
Er saß mit einigen Freunden an der Tafel, als die Verschwornen den
Palast umringten und der Ruf: „Nieder mit dem Tyrannen!“ erscholl. Er
fiel mit dem Schwerte in der Hand. Die Stelle, wo er fiel, ist nicht
genau bezeichnet, eben so wenig der Ort, wo er begraben liegt. Einige
behaupten, in der Kathedrale, andere in der Franziskaner-Kirche. Ich
suchte und fragte in beiden Kirchen vergebens nach seiner Grabesstätte.

Kirchen und Klöster hat Lima in großer Menge aufzuweisen. Die
Geistlichkeit ist im Besitze unzähliger Gebäude und ausgedehnter
Ländereien; ein Fünftheil der Stadt soll ihr Eigenthum sein. Manche
Klöster schätzt man auf achtzig- bis hunderttausend Dollars Einkünfte.

Unter den Kirchen gefielen mir die Kathedrale, die Franziskaner-
und die St. Petri-Kirche am besten. Die der Augustiner und die der
Dominikaner gehören ebenfalls zu den vorzüglichen, so wie viele andere
in allen Gegenden der Stadt sehenswerth sind. Ihre Bauart ist imposant,
ihre Kuppeln sind hohe, herrliche Wölbungen, und im Innern findet man
vieles und schönes Schnitzwerk in Holz, alles Basrelief und sehr reich
vergoldet. Der innere Reichthum an Silber, Gold und Edelsteinen ist
nicht mehr so groß, als er gewesen sein soll. Die silbernen Tabernakel,
so wie die silbernen Säulen an den Altären in der Kathedrale sind so
schmutzig, daß man sie, wenn man auf ihre Kostbarkeit nicht aufmerksam
gemacht wird, gewiß ganz übersehen würde. Bei großen Festen sollen die
Kirchen prachtvoll mit Sammt, Blumen u. s. w. geschmückt, feenartig
erleuchtet sein, die Heiligen in großem Pomp mit Gold und Edelsteinen
prangen und die Priester in überreichen, goldgestickten Meßkleidern
erscheinen. Leider gab es während meiner Anwesenheit kein Fest, ich
mußte mich mit den schlecht geschnitzten hölzernen Heiligen in ihrem
Alltagsputze begnügen. Dessen ungeachtet machten die Kirchen einen
imposanten Eindruck. Die majestätischen Wölbungen, die langgezogenen,
hohen Schiffe, die Seitenaltäre und Nischen mit den sie stützenden
Pfeilern und Säulen, die mit Gemälden und Statuen gezierten Wände
(besonders wo dieß nicht übertrieben ist und nicht Bilder in grotesken
Anzügen mehr an das Heidenthum, als an das Christenthum erinnern), das
Halbdunkel, durch welches hie und da ein Lämpchen gleich einem Sterne
schimmert, die tiefe Stille oder der am Altar fungirende Priester im
würdigen Ornate erheben das Gemüth unstreitig mehr, als Tempel mit ganz
einfachen, weißen Wänden in prosaischer Nacktheit.

Die äußere Religiosität des Volkes ist noch ziemlich groß. Viele nehmen
die Hüte ab, wenn sie an einer Kirche vorüber gehen, aber gewiß thun
es alle, wenn Morgens oder Abends die Glocke zum Gebete ruft. Der
Fußgänger bleibt stehen, der Eseltreiber steigt von seinem Thiere ab,
das Gespräch erstirbt, alles fleht zum unsichtbaren Wesen. Ist aber
dieser Augenblick vorüber, so kehrt das gewöhnliche Getreibe wieder,
der Eseltreiber mißhandelt sein Thier wie zuvor, der Verkäufer betrügt
den Käufer, böse Nachrede tritt an die Stelle des Gebetes.

Außer den Kirchen ist gar kein öffentliches Gebäude hübsch zu nennen.
Im ganzen macht Lima auf den Ankömmling keinen sehr vortheilhaften
Eindruck. Die Vorstädte zeigen gleich den Orientalischen Städten
nichts als lange Mauerwände mit Eingangsthüren und sehr wenigen
Fenstern. Erst mehr gegen das Innere der Stadt wird der Anblick etwas
freundlicher. Die Häuser sind da meistens stockhoch, haben große,
hochgewölbte Eingangspforten und zahlreichere Fenster. Die angehängten,
eng vergitterten hölzernen Balkons findet man überall. Die Dächer sind
platt, wie in Callao; die meisten Zimmer erhalten hier wie dort das
Licht durch Verschläge, die auf das Dach münden.

Auch hier, wie im Orient, geht die eigentliche Façade der Häuser
auf den Hofraum. Die Empfangsgemächer (durchgehend im Erdgeschosse)
liegen dem großen Hausthore gegenüber; die Hallen unter dem Thore, die
Mauerwände in dem Hofe sind hie und da mit hübschen Fresken bemalt,
die Höfe nett gepflastert und mit Blumentöpfen geziert. Der Salon,
in welchen man von der Hausthüre gerade hinein sieht, ist niedlich
ausgestattet, die Fenster und Glasthüren werden mit Draperien versehen,
durch die Saalthüren hindurch erblickt man im Hintergrunde ein kleines
Gärtchen; mit wahrem Vergnügen bleibt man bei jedem Hausthore stehen,
um diesen lieblichen Anblick länger zu genießen. Abends ist ein Gang
durch die Straßen noch anziehender: die Gemächer sind erleuchtet,
Thüren und Fenster geöffnet, und die graziösen Gestalten der
Peruanischen Damen beleben die freundlichen Bilder.

Das schönste Haus ist jenes der Alt-Spanischen Familie +Torre-Tagle+;
es zeichnet sich durch seine schöne Façade und architektonischen
Verzierungen gegen die Straße zu aus. Jetzt ist das Haus auf einen
Seitenzweig der Familie übergegangen.

Von den öffentlichen Anstalten sah ich das Museum, die Akademie der
bildenden Künste und die Bibliothek. Das Hospital besuchte ich nicht,
es herrschte das gelbe Fieber und viele daran Erkrankte lagen in
demselben.

Das Museum als solches ist eins der erbärmlichsten von allen, die
ich bisher gesehen hatte. Jede Gattung aus dem Naturreiche ist mit
einigen schlechten, ganz verwahrlosten Exemplaren angedeutet. Aus
dem Insekten- und Crustaceen-Reiche fehlen sogar diese. Statt der
Peruanischen Insekten sieht man ein halbes Dutzend Kästchen mit den
gewöhnlichsten Chinesischen Käfern; von Seeprodukten ist gar nichts
vorhanden. Das Werthvollste sind vier sehr gut erhaltene Mumien in
hockender Stellung, wie sie in den Inkas-Gräbern aufgefunden wurden,
desgleichen eine ziemliche Anzahl Alt-Peruanischer Trink- und anderer
Gefäße. Aus acht Oelgemälden von einst regierenden Inkas ersieht man,
daß dieselben schöne, wohlgebildete Leute mit edlen Gesichtszügen
waren. Auch die lebensgroßen Bildnisse aller Spanischen Vicekönige sind
hier aufgestellt; aber gerade jenes von Pizarro steht im ungünstigsten
Lichte und ist vom Alter so geschwärzt, daß man kaum mehr als die
Umrisse unterscheiden kann.

Die „Akademie der bildenden Künste“ ist nichts weiter als eine
erbärmliche Zeichenschule für die ersten Anfänger. Aus welchem Grunde
sie den Namen „Akademie“ führt, konnte ich nicht ermitteln, denn sie
besitzt weder eine Büste oder Statue, noch ein Gemälde, noch eine
größere Zeichnung. Alles, was ich sah, waren einige angehende Künstler,
die sich mit dem Zeichnen von Nasen, Augen und Ohren beschäftigten.

Die Bibliothek enthält in zwei schönen Sälen 30,000 Bände. Es sollen
darunter werthvolle Handschriften sein.

An öffentlichen Spaziergängen besitzt Lima die +Alameda+ und die
Brücke. Die Alameda besteht aus Baum-Alleen längs des Rimac-Flusses.
An einer Seite steht die Arena für die Stiergefechte. An dem Ende der
Alameda befindet sich eine Anstalt für kalte Bäder. Die Gebirgswelt
sieht man nicht nur von hier aus, sondern beinahe von jeder Straße,
vorzüglich den 1275 Fuß hohen „+Cerro de San Cristoval+,“ auf dessen
Spitze ein Kreuz errichtet ist, zu welchem jedes Jahr eine große
Wallfahrt stattfindet.

Sehr schön ist der außerhalb der Stadt gelegene Friedhof oder das
„Pantheon.“ Es wurde im Jahre 1807 gegründet. Die Kapelle so wie das
Haus des Aufsehers sind sehr niedlich, die Gärten in verschiedene
Abtheilungen gesondert, von schönen Baum-Alleen durchschnitten und mit
hohen Mauern eingefaßt. Sie enthalten mehr als tausend Nischen zur
Aufnahme von Verstorbenen, nebst vielen andern Grabesplätzen. Unter den
Nischen gibt es solche, die für immerwährend angekauft werden können;
in den anderen bleiben die Leichen nur so lange, bis man den Platz
für die Nachfolgenden benöthigt. Die Gebeine werden dann in gemauerte
Gewölbe oder große Gräber geschafft. Die Leichen der Kinder werden in
einem hölzernen Thurm aufgeschichtet. Ich hob die Thüröffnung auf und
sah eine große Anzahl solcher kleiner Geschöpfe, in Tücher geschlagen,
aufgehäuft. Die Armen werden in große Gruben begraben.

Vor Erbauung des Pantheons wurden viele Verstorbene in den Kirchen
beigesetzt.

Außer dieser äußerst zweckmäßigen Einrichtung, daß die Todten nicht
mehr innerhalb der Stadt beerdigt werden, erfreut sich Lima zweier
Vortheile, die sehr zur Gesundheit beitragen. Der eine besteht in
vielen künstlich gezogenen Wassergräben, die, von dem Rimac gefüllt,
die Straßen von Osten nach Westen durchschneiden; der zweite in
einer Gattung ganz schwarzer Vögel von der Größe eines Huhnes,
deshalb auch +Gallinazo+ genannt, welche Thiere, gleich den Hunden in
Konstantinopel, die Straßen von allem aasartigen Unrathe säubern. Schon
in Callao fielen mir diese zahmen Raubvögel auf, die dort wie hier sich
mitten in den Straßen unter den Leuten bewegen.

Den Wochenmarkt besuchte ich mehrere Male. Eine große, gemauerte,
schöne Halle dient vorzüglich zum Fleisch-, geschlachtetem Geflügel-
und Gemüse-Verkauf. Die Verschiedenartigkeit der Lebensmittel ist
noch größer und natürlich die Menge bedeutender, als in Callao. Den
vielen Fleischbuden nach zu urtheilen, muß das Volk hier ziemlich
häufig Fleisch genießen. Sonderbar kam es mir vor, in den Fleischbuden
statt der Männer Weiber zu sehen, welche die schwersten Ochsenkeulen
handhabten und den Käufern pfundweise den Bedarf zutheilten. Das
Geflügel wird wie in Italien nicht nur in ganzen, sondern auch in
halben und Viertel-Stücken verkauft.

Das Leben in Lima ist theuer; man kann annehmen, daß ein Haushalt,
der in Deutschland 1500 Thaler kostet, hier gewiß auf 4000 zu stehen
kommt. In jedem wohlhabenden Hause wird ein Mayordomo gehalten, welcher
das Silberzeug, die Wäsche, so wie die Dienerschaft unter seiner
Aufsicht hat und die Einkäufe der Lebensmittel besorgt.

Außerordentlich ist der Verbrauch des Eises; man braucht per Tag
für etwa 1000 Dollars. Es wird von Nordamerika gebracht und kommt
auf diesem Wege billiger, als von den nahen Cordilleren, von wo es
durch Maulthiere getragen werden müßte. Man genießt es nicht blos
mit Wasser oder Wein, man bereitet auch Eis aus Milch und Früchten.
Schon am frühesten Morgen sind die zahlreichen Eisbuden belebt. Die
Milch-, Obst- und Fleischhändlerin, den Koch, den Mayordomo kann
man da in gemüthlicher Ruhe beisammen sitzend finden. Das Eis ist
durchschnittlich schlecht bereitet, grob, wenig consistent und fade.

Das Volk besteht hier wie zu Acapulco, Callao und gewiß allen
Spanisch-Südamerikanischen Staaten, aus einem solchen Gemische, einer
solchen Verzweigung Indianischen, Europäischen und Afrikanischen
Blutes, wie man es in keinem anderen Theile der Welt finden kann.
Unter der reichen Klasse, den Kreolen und Alt-Spaniern[13] gibt es
sehr schöne Mädchen und Frauen. Die Damenwelt von Lima hat den Ruf,
ihre Reize durch eine sehr geschmackvolle und kostbare Toilette zu
erhöhen; ihr Gang, ihr Benehmen wird als graziös geschildert. Daß
sie ganz besonders kleine, wohlgeformte Hände und Füße haben, nur
seidene Strümpfe und die engsten Schuhe tragen, habe ich bereits
erwähnt. Auch mit geistigen Fähigkeiten, mit natürlichem Verstande
und Witz, desgleichen mit Talenten, besonders für Musik, soll sie die
Natur reichlich ausgestattet haben. Leider sollen sie wenig Ausdauer
besitzen, dieselben auszubilden.

Ich selbst kann darüber kein Urtheil fällen, ich war zu kurze Zeit in
Lima, um in mehrere echt Alt-Spanische Häuser eingeführt werden zu
können; auch ist für Fremde der Zutritt nicht sehr leicht zu erhalten.
Ich sah nur in den Logen im Theater, wo ich die berühmte Sängerin Fr.
+Hayes+, den nicht minder geschätzten Tenoristen Herrn +Mengis+ und
den ausgezeichneten Violinkünstler Herrn +Hauser+ hörte, einen Theil
der eleganten Gesellschaft und fand an Schönheit und Grazie alles
bestätigt, was mir die Herren von der Frauenwelt gesagt hatten.

Vor noch wenig Jahren bedienten sich die Frauen, wenn sie auf der
Straße oder nach der Kirche gingen, einer eigenthümlichen Tracht,
die aus einem langen, schwarzseidenen Oberkleide (Saya) und dem Manto
bestand, der den Körper von den Hüften bis über den Kopf verhüllte
und nur einem Auge Raum zum Sehen gestattete. In diesem Anzuge soll
die Frau dem Manne unkenntlich geblieben sein, selbst wenn sie neben
ihm stand. Jetzt ist diese Tracht wie verschwunden, man sieht sie
kaum zuweilen in der Kirche oder bei Prozessionen. Man sagt, sie habe
gar zu leicht Anlaß zu unbescheidenen Zusammenkünften gegeben; die
Herren suchten die Saya bei Gemahlinnen und Töchtern abzuschaffen.
Jetzt ersetzen die Frauen den Manto durch ein großes Umschlagetuch,
das sie über Kopf und Kleid schlagen. Diese großen, aber nicht sehr
reizend stehenden Tücher tragen sie nicht nur in der Kirche und auf den
Straßen, sondern sogar im Parterre des Theaters.

Die Weiber aus dem Volke sah ich nirgends so reich und verschwenderisch
gekleidet wie hier. Milch- und Obst-Verkäuferinnen saßen in Barège-
oder Seidenkleidern, Chinesischen Tüchern, seidenen Strümpfen,
gestickten Schuhen auf den Eseln, mit dem Verkaufskram an der Seite.
Alles hing jedoch nachlässig, auch zerrissen am Körper, die Farben
waren höchst grell oder verschossen, alles stand schlecht zu der
dunklen oder gelben Gesichtsfarbe. Ich gedachte jedesmal der etwas
derben, aber passenden Worte Sancho Panso’s, welcher, als er Hoffnung
hatte, zum König einer noch unentdeckten Insel gemacht zu werden,
von seiner Frau sagte: „Sie wird sich als Königin ausnehmen, wie ein
Schwein mit einem goldenen Halsbande.“

Die Männer, Europäer wie Eingeborne, reich oder arm, tragen über
ihrem Anzug auf Reisen oder auch nur bei gewöhnlichen Reitparthieen
den Poncho wie in Chili. Selbst Frauen bedienen sich dieses
Kleidungsstückes, wenn sie einen Ausflug zu Pferde machen.

Die reichen und vornehmen Frauen gehen nur zur Kirche zu Fuß, sonst
fahren sie in Calezas, zweiräderigen, von Maulthieren gezogenen
Gläserwagen. Die Maulthiere sind weit vor die Kutsche gespannt, und der
Kutscher sitzt auf einem der Thiere.

Die Herren, die viel außer Hause zu thun haben, wie z. B. Aerzte,
reiten auf Maulthieren oder Pferden.

Die Kleinverkäufer, Wassermänner u. s. w. bedienen sich der Esel, die
hier sehr mißhandelt werden. Oft hängt auf einem solchen armen Thiere
die ganze Familie, Mann, Weib und Kind, nebst den größten Lasten als
Zugabe. Ein Peruanisches Sprichwort sagt: „Lima ist die Hölle der Esel,
das Fegefeuer der Ehemänner, der Himmel der Frauen.“ Wenn es eine
Seelenwanderung gäbe, müßte der Gedanke, in einen Peruanischen Esel
oder in ein Javanesisches Postpferd verwandelt werden zu können, zur
Verzweiflung bringen.

Ungleich besser geht der Eingeborne mit dem Llama um: er gebraucht
es zwar auch als Lastthier; allein er behandelt es mit Liebe und
Zärtlichkeit, man möchte beinahe sagen, er habe Hochachtung für dieses
Thier. Das Llama ist von dem Fuße bis zum Scheitel fünf Schuh hoch und
gehört zu dem Geschlechte der Kameele. Die Llamas werden als Lastthiere
gebraucht, sie sind für die schlechten Wege in den Cordilleren ungleich
brauchbarer, als Esel und Maulthiere, und bringen gewöhnlich die Erze
in die Niederungen. Ein Llama geht per Tag drei bis vier Leguas und
trägt hundert Pfund; ladet man ihm mehr auf, so legt es sich nieder und
steht nicht eher auf, als bis ihm die Ueberfracht abgenommen ist[14].

Selten bekommt man diese schönen, sanften Thiere in Lima zu sehen, denn
das warme Klima vertragen sie nicht. Zufällig kam doch während meiner
Anwesenheit eine kleine Heerde von vierzig bis fünfzig Stück nach der
Stadt, um Salz nach den Gebirgen zu bringen.

Wenn diese Thiere gereizt werden, spucken sie um sich. Der Speichel
soll so scharf und ätzend sein, daß er auf der Haut einen brennenden
Schmerz verursacht.

Außer der Seltenheit, Llamas in Lima zu sehen, erlebte ich auch noch
eine andere Merkwürdigkeit, nämlich einen ziemlich starken Regen, der
fünf bis sechs Stunden anhielt -- eine Erscheinung, deren sich die
ältesten Leute nicht zu entsinnen wußten. Es regnet hier im Sommer
nie, im sogenannten Winter höchst selten, und da fällt meistens mehr
feuchter Nebel als Regen, der kaum die Steine befeuchtet. Donnerwetter
gibt es diesseits der Cordilleren nie.

Die Temperatur ist, obwohl Lima nur zwölf Grad südlich vom Aequator
liegt, nie drückend heiß. Ich war in der Mitte des Sommers hier[15],
und fand den Thermometer im Zimmer nie über 20 Grad Réaumur. Man
schreibt diese gemäßigte Temperatur den Luftströmungen von den nur
achtundzwanzig Leguas von der Stadt entfernten, mit ewigem Schnee
bedeckten Cordilleren zu. Dagegen gibt es häufig Erdbeben. Ich erlebte
in den fünf Wochen meines Aufenthaltes drei. Das erste war sehr
bedeutend, richtete aber doch keinen Schaden an; bei dem zweiten ließ
sich ein starkes, donnerähnliches, unterirdisches Geräusch vernehmen,
welches gegen vierzig Sekunden anhielt; das dritte bestand aus ein
paar ganz leichten Stößen. Bei jedem Erdbeben stürzt das Volk auf
die Straßen, wirft sich auf die Knie und schreit, während es sich
beständig an die Brust schlägt: „~Misericordia!~“ Die Glocken läutet
man in allen Kirchen.

Eine große Unannehmlichkeit Lima’s ist die Unsicherheit (das
Räuberunwesen). Gegen 6 Uhr Nachmittags, wo es kaum dunkelt, darf
man sich weder vor ein Stadtthor, noch auf die Alameda oder sonst
einen einsamen Ort allein wagen; sogar zu Pferde wird man angefallen
und beraubt. Bei Hausberaubungen, die jedoch seltener vorfallen,
brechen die Diebe nicht immer durch Fenster und Thüren ein, sondern
sie ersteigen die Terrassen (meistens aus einer leichten Rohrdecke
bestehend), machen eine kleine Oeffnung und lassen sich in das Zimmer
hinab.

Vor noch wenig Jahren ging das Raubsystem viel großartiger vor sich.
Berittene oder unberittene Banden von dreißig bis vierzig Mann
kamen Abends zu irgend einem Hause (gerade nicht in den belebtesten
Straßen); die Hälfte der Leute stellte sich vor demselben auf, die
übrigen gingen hinein, schlossen schnell die Thüre und ersuchten die
erschrockenen Bewohner ganz höflich, sich nicht stören zu lassen,
ihnen nur alle Schlüssel zu geben, da sie schon selbst finden würden,
was sie benöthigten. Bis die Nachbarn oder Vorübergehenden, durch
die aufgestellte Wache aufmerksam gemacht, bewaffnete Hülfe bringen
konnten, waren die Vögel mit ihrer Beute schon längst davon geflogen.

Auf dem sehr besuchten Wege von Lima nach +Chorillos+ (zwei Leguas)
sind beständig berittene Patrouillen im Gange; dessen ungeachtet ist es
für einen einzelnen Reiter gefährlich, sich nach 6 Uhr auf der Straße
blicken zu lassen.

Die Peruanische Kavallerie, größtentheils aus Negern bestehend, soll
von geringem Werthe sein. Besser als diese ist, wie man mir sagte, die
Infanterie, zu welcher meistens Gebirgs-Indianer genommen werden. Man
schildert sie als tapfer und ausharrend, Hunger und Beschwerden lange
und leicht ertragend, und zählt sie zu den besten Truppen der Welt.
Im gewöhnlichen Dienste sehen die Truppen nicht sehr glänzend und
kriegerisch aus; hätten sie nicht ein Schwert umgegürtet, so würde man
sie kaum von den Tagelöhnern unterscheiden. Bei Paraden dagegen nimmt
sich das Militär, besonders die Kavallerie, recht gut aus: es ist mit
weißem Linnenzeug uniformirt, die Pferde sind hübsch und gut gezäumt.

Herr Konsul Rodewald war außerdem, daß er mir den angenehmsten
Aufenthalt in seinem Hause bot, auch noch so gefällig, einen
kleinen Ausflug zu veranstalten, um mir den Badeort Chorillos und
die Ruinen eines Peruanischen Sonnentempels zu zeigen, welche vier
Leguas von Chorillos bei dem Oertchen +Lurin+ stehen und unter die
interessantesten gezählt werden, von jenen, die noch längs der Küste
vorhanden sind.

Nach Chorillos (zwei Leguas) geht täglich ein Omnibus. Ich fuhr in
demselben, die Herren waren zu Pferde. Der Weg zieht sich durch
eine sandige Ebene, auf welcher man nur hie und da kleine grüne
Fleckchen gleich Oasen gewahrt. Auch die über einander geschichteten
Gebirgsmassen zur Seite sind ohne alle Vegetation. Der Badeort selbst
macht einen ungefälligen, traurigen Eindruck: erbärmliche Lehmhäuschen
stehen in schmutzigen, staubigen Straßen zusammen gedrängt. Ich würde
Chorillos eher für einen Verbannungs- als Belustigungs-Ort gehalten
haben. Man sollte glauben, daß wohl nur wirklich Kranke, welchen
die Seebäder verordnet sind, hierher kommen. Dem ist aber nicht so:
das zarte Geschlecht sucht, ohne krank zu sein, Vergnügen in diesem
traurigen Badeorte, Erholung in dem Luftwechsel, und die Herren zieht
nicht nur die Damenwelt, sondern auch der grüne Tisch an, auf dem sie
oft bedeutende Summen zurücklassen. So sucht der Mensch Wechsel in das
Leben zu bringen und vertauscht oft das Bessere gegen das Schlechtere.
Aber Licht und Schatten schaffen ein schönes Bild; eines wie das andere
allein ist eintönig und wird mit der Zeit unerträglich.

Am folgenden Morgen ging es zu Pferde nach Lurin. Wir wählten
den Weg über die +Pampas+, das heißt: „Sandsteppen,“ in welchen
nichtsdestoweniger einige hübsche Zuckerrohr-Pflanzungen (Haziendas)
liegen.

Eine Legua hinter Chorillos zeigt noch eine kleine Reihe gemauerter
Bogengänge, daß hier einst eine Wasserleitung existirte.

Kurz vor dem Oertchen Lurin lenkten wir unsere Rosse etwas rechts
nach dem 555 Fuß hohen Hügel +Pachacamac+, auf welchem die Ruinen des
umfangreichen Sonnentempels stehen.

Pachacamac (Schöpfer der Erde) war der mächtigste Gott der +Yunkas+.
Als die Yunkas von den +Inkas+ überwunden wurden, warfen diese die
Götzenbilder aus dem Tempel, weihten ihn der Sonne und bestimmten
königliche Jungfrauen (Sonnen-Jungfrauen) ein ewiges Feuer darin zu
unterhalten. So wie die Inkas die Yunkas vertrieben, ihre Götzenbilder
zerstört, sie gezwungen hatten, die Sonne anzubeten, eben so erging es
den Inkas später durch die Christen, als Pizarro das Land eroberte.
Die christlichen Horden verfuhren jedoch mit dem Volke noch grausamer,
als die Inkas mit den Yunkas. Die Sonnen-Jungfrauen wurden den rohen
Kriegern übergeben und das Volk durch Feuer und Schwert zur Annahme
einer neuen Religion gezwungen, die es hassen und verabscheuen mußte,
da es die Anhänger derselben die schändlichsten Gräuelthaten verüben
sah! --

Von dem Tempel, den wir von allen Seiten untersuchten, bestehen nur
mehr einfache Mauerreste, die gleichwohl von seiner ehemaligen Größe
zeugen. Die wenigen erkennbaren Kämmerchen gleichen kleinen Zellen
ohne Fenster und erhielten das Licht wahrscheinlich von oben. Auch
zwei kleine Feuerstellen waren noch zu erkennen. Die Mauern, Wände und
Wälle sind aus ungebrannten Ziegeln aufgeführt: hie und da besteht
die unterste Lage aus behauenen Steinen. An einer einzigen Wand
fanden wir noch ein kleines Stückchen sehr feines und hartes Plaster
von ziegelrother Farbe, ganz ähnlich wie ich es in den ausgegrabenen
Häusern zu +Pompeji+ bei Neapel gesehen hatte.

Die schönen Monumente der Peruanischen Bauart stehen bei +Cusco+ im
Innern des Landes, zweihundert Leguas von Lima. Die Hauptkunst der
Peruanischen Baumeister bestand darin, die größten Steine ohne Mörtel
so ineinander zu fügen, daß sie eine Festigkeit bekamen, als wäre das
Ganze aus einem Stücke gehauen. Noch heut zu Tage liegen die Steine so
fest auf einander, daß man mit keiner Messerklinge dazwischen dringen
kann.

Erheiternd ist der Blick von den Ruinen über das zu Füßen liegende
Thal. Die Umgebung von Lurin ist lieblich; blühende Felder, zartes
Gebüsch bedecken den ursprünglich sandigen Boden. Als die Spanier
Peru eroberten, war das Thal von Pachacamac das fruchtbarste an der
Küste und reich bevölkert. Die Wasserleitung in der Nähe von Chorillos
spricht noch von jenen schönen Zeiten.

Von den interessanten Denkmälern einer zerstörten Vergangenheit hinweg
begaben wir uns nach der prosaischen Hazienda +St. Pedro+, die zu dem
Kloster St. Pedro gehört, große Zuckerpflanzungen und viele Sklaven
besitzt.

Dergleichen Haziendas werden auf eine bedeutende Anzahl von Jahren
verpachtet. Jede Verbesserung, die der Pächter anbringt, erhält er zu
gut gerechnet. Oft belaufen sich zu Ende des Pachtes die Forderungen
so hoch, daß der Besitzer froh ist, wenn der Pächter um einen geringen
Preis den Pacht fortbehält. In dieser Hazienda hat der Pächter eine
Dampfmaschine zum Zuckerpressen (die erste im Lande) errichtet.

Es war Sonntag, und als wir ankamen, endete so eben der Gottesdienst.
Der ganze Haufen der Sklaven wurde von der Kirche in eine Abtheilung
des Hofes getrieben und diese geschlossen. Sie gingen singend, lachend
und lärmend nach ihrem Gefängnisse, aber gerade dadurch kamen sie mir
wie eine Heerde Vieh vor. Nie ergriff mich eine Scene so sehr, wie
diese, denn an keinem Orte sah ich die Menschheit so erniedrigt, so
ganz dem Thiere gleich gestellt. Jede Freude war nun für mich dahin:
ich konnte dieß Bild nicht aus dem Gedächtnisse streichen.

Die Armen sandten nach Branntwein, den ihnen ihr Herr verkauft; sie
wollten den Tag mit Trunk, Tanz und Gesang verbringen.

Ich war in Brasilien und in andern Ländern auf vielen Plantagen, die
mit Sklaven bearbeitet wurden; allein überall sah ich diese besser
gekleidet, als hier, und nirgends wurden sie eingesperrt.

Die Sklaverei ist in Peru bei der Unabhängigkeits-Erklärung nicht
aufgehoben, sondern dahin bestimmt worden, daß die von Sklaven
erzeugten Kinder nach fünfundzwanzig Jahren frei sein sollen. Später
wurden jedoch statt der fünfundzwanzig Jahre fünfzig festgesetzt.
Eingeführt darf kein Sklave mehr werden. Betritt ein Sklave
Peruanischen Boden, so ist er frei; dieß gilt auch von jenem, der
z. B. von seinem Herrn in ein fremdes Land oder über See mitgenommen
und wieder zurückgebracht wird. Im allgemeinen sollen die Sklaven gut
behandelt werden, besonders die Haussklaven, und von den Gesetzen sehr
in Schutz genommen sein. Der Sklave kann sich, wenn er hart behandelt
wird, selbst an einen andern Herrn verkaufen; auch läßt man ihnen
Zeit und Gelegenheit, sich Geld zu verdienen, damit sie sich selbst
loskaufen können. Die meisten aber ziehen es vor, das Verdiente in
Branntwein zu vertrinken und den Brodherrn für ihre Bedürfnisse sorgen
zu lassen.

Herr Rodewald hatte einen Sklaven, dem er die Freiheit schenken wollte;
dieser wies das Geschenk zurück, mit der Bemerkung, daß er sorgenloser
lebe, wenn ihn sein Herr behalte.

Den Rückweg nach Chorillos nahmen wir durch die +Playas+, d. h. an der
Meeresküste.

Die Nacht blieb ich in dem Badeorte und am folgenden Morgen fuhr ich
nach +Miraflores+, einem Dörfchen, auf halbem Wege zwischen Chorillos
und Lima gelegen. Auch hieher ziehen viele Familien aus der Stadt,
um in den Sommermonaten eine bessere, frischere Luft zu genießen.
Niedliche Ranchos (Sommerhäuschen) mit Gärten und ein hübscher Platz
zieren das freundliche Oertchen; im Vergleich zu Chorillos könnte man
Miraflores ein kleines Eden nennen.

Ich verlebte hier zwei sehr angenehme Tage in Gesellschaft der beiden
geistreichen, höchst gebildeten Frauen +Smiths+ und +Dardnell+. Erstere
Dame ist eine ausgezeichnete Malerin, Madame Dardnell mit einer schönen
Stimme begabt, und beide sind höchst achtungswerthe, liebenswürdige
Hausfrauen.

Nach Lima zurückgekehrt, dachte ich an die Fortsetzung meiner
Wanderungen.

Ich war mit der Absicht nach Lima gekommen, von hier aus die
Cordilleren zu überschreiten, nach +Loretto+ an den Amazonenstrom, und
von dort mit den Brasilianischen Dampfern nach +Para+ (an der Ostküste
Amerika’s) zu reisen. Allein die Revolution hinderte die Ausführung
dieses Planes. Sie hatte sich gerade nach den Gegenden gezogen, durch
die ich sollte. Ich hätte weder Führer noch Maulthiere bekommen, denn
bei Revolutionen oder Kriegen nimmt hier Freund wie Feind Leute und
Thiere in Beschlag; erstere werden den Soldaten eingereiht, letztere
für die Kavallerie oder Artillerie benützt.

Vergebens wartete ich bis gegen Ende Februar, die Lage der Dinge
änderte sich nicht, man rieth mir daher, mein Glück über +Quito+ zu
versuchen. Ich war dazu um so mehr geneigt, als mir Herr +Muncajo+,
~Chargé d’affaires~ der Republik Ecuador, sehr viel von Seite
seines Gouvernements versprach. Er sagte mir, daß der Präsident
sein besonderer Freund sei, daß er mir Briefe an ihn, wie auch an
andere hochgestellte, wichtige Personen geben, daß sich der Präsident
sicher selbst sehr für meine Reise interessiren und sie auf alle Art
unterstützen werde.

Im Vertrauen auf diese Versicherungen und wohl ausgerüstet mit einem
Dutzend, wie ich meinte, sehr gewichtiger Briefe, begab ich mich
fröhlichen Muthes auf die Reise, und ging auf dem Dampfer +Santiago+,
Kapitän +Joy+, wieder zurück nach Guayaquil.


  [9]  Den Antritt des neuen Jahres feierte ich in Panama bei Dr.
       Autenrieth.

  [10] Aber nicht so süß und aromatisch, wie im Ostindischen Archipel.

  [11] Man hat berechnet, daß auf den Chincha-Inseln allein noch ein
       Vorrath von mehr als zwölf Millionen Tonnen Guano vorhanden
       sei. Die Regierung verkauft den Guano auf eigene Rechnung in
       Europa und Nordamerika und gewinnt per Tonne fünfzehn bis
       fünfundzwanzig Dollars.

  [12] Wie ich später in Zeitungen las, endete die Revolution mit dem
       Sturze des Präsidenten.

  [13] Alle, deren Hautfarbe der weißen nur etwas nahe kommt, nennen
       sich „Alt-Spanier,“ sie wünschen sehr, zu dieser Race gezählt zu
       werden. Kreolen heißen jene, die von echt Europäischen Eltern
       geboren sind.

  [14] Ein Esel trägt für gewöhnlich zweihundert, ein Maulthier
       dreihundert Pfund.

  [15] Die Jahreszeiten, bekanntlich jene der nördlichen Hemisphäre,
       sind entgegengesetzt.




Sechzehntes Kapitel.

  Ecuador. -- Reise nach Quito. -- Fahrt auf dem Guaya. -- Savanetta.
  -- Die Tambos. -- Der Camino real. -- Guaranda. -- Uebergang über
  die Cordilleren nächst dem Chimborazo-Gipfel. -- Die Hochebenen von
  Ambato und Latacungo. -- Ausbruch des Cotopari. -- Haziendas-Besitzer.


Auf dem Dampfer Santiago fand ich die Kabinen besetzt und bekam
einen Platz in der bereits beschriebenen Kajüte auf dem Vorderdecke
angewiesen. Ich kam Abends an Bord und mußte den Weg dahin im Finstern
suchen -- der Zugang war nicht einmal mit einem Lämpchen erleuchtet.
Ich tappte über die Achsen der Wasserräder durch Kohlenschmutz und
Nässe, gerieth zu weit links, und stieß -- an die Hörner von Ochsen,
die, wie ich am folgenden Morgen sah, kaum zwei Schritte von dem
Eingange der Kajüte standen. Mich rechts wendend, fiel ich über einen
Kohlenhaufen, der noch nicht eingeräumt war und gerade vor unserer
Thüre lag -- eine höchst comfortable Einrichtung, die der Reisende aber
auch mit schwerem Gelde bezahlen muß.

Am +1. März+ erreichten wir Guayaquil.

In dieser, der wichtigsten Hafenstadt des Reiches Ecuador, gibt es
keinen Gasthof. Jeder Reisende muß sich mit Briefen an Familien
versehen, um irgend wo aufgenommen zu werden. Ich wagte es, ohne Brief
zu dem Hamburger Konsul Herrn +Garbe+ zu gehen, der mir sein Haus auch
gastfreundlich öffnete.

Ecuador hat sich im Jahre 1830 von dem Spanischen Mutterlande
losgesagt und als Republik erklärt. Die Bevölkerung des Landes besteht
aus 400,000 Seelen, die Staatseinkünfte betragen 900,000 Dollars,
die Ausgaben bedeutend mehr; dessen ungeachtet hat der Staat keine
Schulden. Die Regierung macht einen kurzen Prozeß und zahlt die Gehalte
meistens nur zur Hälfte. Die Regierungsform ist dieselbe wie in Peru.

Die Hauptausfuhr des Landes besteht in Cacao (jährlich fünfzehn,
sogar bis fünfundzwanzig Millionen Pfund), Kaffee noch wenig, aber
von vorzüglicher Güte, vielen heilsamen Kräutern und Pflanzen,
schön geflochtenen und sehr dauerhaften Strohhüten (dreißig bis
vierzigtausend Stück per Jahr), die in ganz Südamerika von Männern und
Frauen getragen werden.

Ich kam unglücklicher Weise nach Guayaquil zur Regenzeit, die im Monat
December beginnt, bis halben April währt, und natürlich zur Reise in
das Innere die ungünstigste ist. Man sagte mir, die Wege seien so
schlecht, daß jeder Verkehr mit der Hauptstadt des Landes (Quito),
die Post ausgenommen, für diese Zeit unterbrochen werde. Der Postbote
selbst habe die größte Mühe durchzukommen und müsse oft auf Bäume
klettern und sich von einem zum andern an den Aesten fortschwingen, um
derart über die grundlosen Sümpfe zu gelangen. Ich dachte aber, daß
manches von der Beschreibung übertrieben sein möge; auch traute ich mir
noch so viel Kraft und Ausdauer zu, eben so gut fortkommen zu können,
wie der Postbote, und traf meine Anstalten zur Reise.

Wider meinen Willen war ich gezwungen, meine Reise drei Wochen
zu verzögern, da ich abermals einige Anfälle des abscheulichen
Sumatra-Fiebers hatte.

Während meines Aufenthalts zu Guayaquil wurde der Unabhängigkeits-Tag
(+6. März+) gefeiert. Vormittags fand in der Kirche ein Hochamt statt,
Abends eine Beleuchtung. Letztere war über alle Maßen erbärmlich, kaum,
daß hie und da ein Paar Kerzen an einem Fenster prangten. Am folgenden
Abend ward dasselbe Kinderspiel wiederholt. Zugleich mit diesem
Feste wurde die Sklaverei gänzlich aufgehoben, welche, vermöge eines
Vertrages bei der Unabhängigkeits-Erklärung, noch zehn Jahre länger,
nämlich bis 1864, hätte dauern sollen.

Am +22. März+ ging ich Abends 5 Uhr mit dem Postboten in einem kleinen
Boote nach dem Städtchen +Bodegas+ ab.

Man hatte mich zu überreden gesucht, einen Diener mitzunehmen,
besonders weil ich der Spanischen Sprache nicht mächtig sei, und weil
in den Gebirgen während der Regenzeit, wo jeder Verkehr unterbrochen
ist, die Tambos (Schenken) unbewohnt wären; die Leute gingen für diese
Zeit in die Niederungen, ich könnte daher weder einen Trunk Wasser,
noch Feuer oder sonst etwas bekommen. Trotz meinem Abscheu gegen solche
Diener ließ ich mich leider dazu bewegen -- die Folge zeigte, daß ich
auch dießmal Unrecht hatte, nachzugeben.

Bodegas liegt 15 Leguas stromaufwärts an dem Flusse Guaya. Wir hatten
eine häßliche Nacht: es war stockfinster und der Regen strömte
unausgesetzt auf uns herab.

+23. März.+ Nachmittags landeten wir an der Treppe des ersten Beamten
von Bodegas. Das ganze Städtchen steht während der Regenzeit so tief
unter Wasser, daß man in Booten von einem Hause zum andern fährt. Die
Häuser sind auf Pfähle gebaut.

Als ich die wenigen Stufen hinan stieg, hob ein Neger mein kleines
Gepäck aus dem Boote und trug es mir nach; ich hielt ihn für den Diener
des Hauses. Kaum hatte er es jedoch abgelegt, so verlangte er zwei
Realen[16] für diese unbedeutende Mühe. Der Beamte so wie mein Diener
hörten dieß unverschämte Begehren; allein weder der eine noch der
andere machten die geringste Einwendung: weil das Zahlen nur mich und
nicht sie anging, waren sie zu träge, den Mund zu öffnen. Ich erzähle
absichtlich dergleichen Prellereien und Betrügereien, um meinen Lesern
einen Begriff von diesem abscheulichen Volke zu geben, und zugleich zu
beweisen, daß ich Recht habe, wenn ich behaupte, mich als einzelne,
schutzlose Frau unter den Wilden überall besser befunden zu haben, als
unter Christen. Ueberall, wo ich hinkam, hieß es zwar in diesem Lande:
„~Pobrezita Sennorita~;“ dabei war man aber schon bedacht, wie man
dieser „armen Frau“ ihr bischen Geld abnehmen könnte.

So hatte ich z. B. einen Brief an einen Kaufmann in Bodegas, Herrn
+Verdesotto+. Dieser Mann kam zu mir, und seine erste Frage war, ob
ich einen Sattel habe. Als ich es verneinte, sagte er, ich müsse
durchaus einen solchen haben, da man mir keinen mit den Maulthieren
vermiethen werde; er besitze einen sehr guten, beinahe ganz neuen,
den er mit einer Unze bezahlt habe; aus Rücksicht der Empfehlung wolle
er ihn mir um die Hälfte überlassen. Als er sah, daß ich zu dem Handel
nicht geneigt war, erklärte er, mich ohne Sattel nicht fortlassen zu
können, und wollte mir denselben um acht Thaler geben. Ich bezahlte das
Geld, und er sandte mir einen Sattel, der so schlecht, zerrissen und
erbärmlich war, daß man ihn kaum mehr gebrauchen konnte[17]. Derselbe
ehrliche Mann wollte mich auch noch um einen halben Thaler mehr
betrügen. Er hatte für mich für den kommenden Tag ein Boot von hier
nach +Savanetta+ bestellt, sagte der Preis sei 2½ Thaler und verlangte
im voraus das Geld. Zufällig erfuhr ich von dem Beamten, bei welchem
ich wohnte, daß man nur zwei Thaler zu bezahlen habe; der Betrüger
mußte mir daher einen halben Thaler wiedergeben.

In dem Hause des Beamten aß ich zum ersten Male nach der Landessitte.
Das Mahl fing mit der Sopa an, einer Art Wassersuppe mit Fett,
Kartoffeln und vielem rothen Pfeffer, dann kamen kleine Stückchen
geröstetes Fleisch, Reis, geröstete Pisangs, und zum Schlusse Locro,
ein Mittelding zwischen Sauce und Suppe, aus kleinen Fleischstückchen,
Brod, Käse, ein Paar hart gekochten Eiern und rothem Pfeffer
bestehend. Als Nachtisch fungirte eine Süßigkeit unter dem allgemeinen
Namen Dulce (Früchte, zu einer Sulze in Zucker gekocht), ohne welche
der Reichste wie der Aermste (den Indianer ausgenommen) keine Mahlzeit
schließen kann; der Arme begnügt sich mit Syrup (Molasses); aber süß
muß die Mahlzeit enden.

Zum Schlafen wurde mir eine Hängematte angewiesen; glücklicher Weise
gab es keine Mosquitos, weshalb ich auch ohne Netz schlafen konnte.

Die Hängematten sind hier wie in Peru so beliebt und so im Gebrauche,
daß eher jedes Möbel, nur dieses nicht, fehlen darf. Den ganzen Tag
über wiegt sich alles in Hängematten, jeder Besucher trachtet einer
solchen habhaft zu werden. Mädchen und Frauen verrichten sogar die
Handarbeiten in schaukelnder Bewegung.

+24. März.+ Savanetta, 5 Leguas. Von dem Postboten hatten wir uns schon
gestern getrennt; dieser setzte seine Reise ohne Unterlaß fort.

Savanetta ist ein kleines, schmutziges Oertchen mit elend gebauten,
strohgedeckten Bambushütten. Aus seinem Aeußeren würde man auf größte
Armuth schließen; dessen ungeachtet soll sein Handel ziemlich bedeutend
sein. Es ist der Hauptstapelplatz der Lebensmittel und Waaren, welche
von und nach den Cordilleren gebracht werden. Die höher gelegenen
Gegenden liefern hauptsächlich Kartoffeln, Butter, Käse, Schweinefett,
Eier, Geflügel; auch die meisten Säcke zur Verpackung der Cacaobohnen
werden in den Gebirgen verfertigt. Alles wird hier in kleine Boote oder
auf Thiere geladen, erstere gehen auf dem Savanetta-Flusse nach dem
Guaya, auf diesem nach Guayaquil, letztere mit Salz, Zucker, Kaffee und
anderen Waaren nach Quito und anderen Gegenden.

Mädchen und Frauen sahen durch die Nachlässigkeit in der Kleidung
ekelhaft aus. Sie tragen Kleider nach Französischem Schnitt, sind
aber zu bequem, sich in die engen Leiber derselben zu pressen. Sie
lassen sie lose herab fallen; eben so luftig hängt das Hemd über die
Achseln. Die Leute kamen mir wie Megären vor. Die Negerinnen bedienen
sich derselben Tracht, nie aber sah ich sie an einer Indianerin.
Letztere tragen gefärbte wollene Röcke und ein drei Ellen langes, eine
Elle breites Stück Wollenstoff, das sie gleich einem Shawl über den
Obertheil des Körpers schlagen.

In der trockenen Jahreszeit macht man die Reise schon von Bodegas aus
zu Lande; in der jetzigen aber ging es noch eine Legua über Savanetta
hinaus zu Boot. Doch mußte ich hier Maulthiere miethen. Bei dieser
Gelegenheit zeigte es sich, daß mich mein Diener betrogen hatte. Ich
nahm ihn nach Quito, wohin er ohnedieß zu gehen hatte, unter der
Bedingung mit, daß ich nur ein Maulthier für ihn, aber keins für sein
Gepäck zu bezahlen habe. Als ich bei der Abreise von Guayaquil in dem
Boote vieles Gepäck sah, sagte er, es gehöre nicht ihm; der Bootführer
habe es da- oder dorthin zu bringen. Hier erwies es sich, daß es dem
Schurken, meinem Diener gehörte, der nach Quito ging, um zu handeln. Er
mußte für sein Gepäck ein Thier miethen, dessen Zahlung natürlich bei
der meinigen eingerechnet wurde. Zum Glück kam die Reise doch nicht so
hoch zu stehen, als ich dachte; der Preis per Maulthier bis Quito (62
Leguas) betrug nur zehn Thaler.

Die Nacht in Savanetta gehörte zu den schlechtesten, obwohl ich nicht
ohne Empfehlungsbrief gekommen war. Ich fing schon früh an, einen
geringen Begriff von der Gastfreundschaft dieses Landes zu bekommen.
Sie steht bei weitem nicht auf dem Höhepunkt, auf welchem ich sie unter
den Arabern, Beduinen oder den wilden Völkern Borneo’s und anderer
Länder gefunden habe. In Bodegas betrog mich der eine, an den ich einen
Brief hatte, mit dem Sattel, der andere, bei dem ich wohnte, wies mir
eine Hängematte zum Schlafen an, während die Uebrigen vom Hause in
Betten unter Mosquito-Netzen schliefen, und ließ mich Morgens, obwohl
es schon gegen 9 Uhr war, ohne Imbiß aus seinem Hause ziehen. Hier
mußte ich in eine Garküche gehen, um meinen Hunger zu stillen, und
Nachts auf dem Boden schlafen, in einem Gemache mit vielen Leuten, die
rund um mich ihre Mosquito-Netze aufzogen. Mir gab man keins, obwohl es
hier ganze Schwärme dieser abscheulichen Thiere gab.

+25. März.+ +Playas+, 4 Leguas. Erst um 9 Uhr kamen wir fort. Die
erste Legua machten wir in einem kleinen Kahne, der von den Leuten
mehr fortgestoßen und gezogen, als gerudert wurde. Dann ward meine
Geduld noch eine ganze Stunde auf die Probe gestellt, bis die Thiere
erschienen. Die Umgebung glich einem Sumpfe, wir setzten uns auf
abgehauene Baumstämme und erwarteten so die Maulesel. Die ferneren
drei Leguas waren zwar sehr schlecht: es ging beständig durch Morast
und Wasser, allein der Beschreibung nach hatte ich es mir noch ärger
vorgestellt. Eine große Entschädigung für den schlechten Weg bot mir
der Anblick der schönen Waldungen, durch die wir ritten. Obgleich
die Bäume weder sehr hoch noch sehr umfangreich waren, fand ich hier
doch eine so reiche, herrliche Vegetation, eine solche Fülle der
schönsten, mannigfaltigsten Flora, wie sie mir auf allen meinen Reisen
nur in Brasilien vorgekommen ist. Wenn die Sonne nur einigermaßen
durch das Gewölk drang, schwärmte sogleich eine große Anzahl der
verschiedenartigsten, buntgefärbtesten Schmetterlinge und Libellen
umher, sich scherzend verfolgend oder auf den Blumen wiegend. Einige
dieser holden Schwärmer fielen mir zur Beute; wie ein tüchtiger Jäger
nie ohne Gewehr, war ich nie ohne Schmetterlingsnetz, und da das Reiten
sehr langsam ging, konnte ich, auf dem Maulthiere sitzend, gar manchen
Gefangenen machen.

In Playas betrat ich zum ersten Male einen Tambo, d. h. eine Art
Schenke, meistens eine erbärmliche Hütte, gerade groß genug, den
Eigenthümer sammt Familie nebst einigen Gästen gegen das Unwetter zu
schützen. In derlei Schenken findet der Arriero (Eseltreiber) ein Glas
Branntwein, die Thiere Klee, der Reisende, wenn es gut geht, eine
Portion Sopa. Wir waren nicht so glücklich. Die Bewohner hatten keine
Reisenden erwartet und so wenig gekocht, daß sie uns nichts überlassen
konnten. Ein zweites Mal ihre Kochkunst zu entfalten, dazu waren sie
viel zu faul. Ich hatte Käse und Brod bei mir, an Wasser fehlte es
nicht, und ich gab mich daher zufrieden. Für die Nacht mußte ich mit
der offenen Veranda vorlieb nehmen, die das Wohngemach umgab.

+26. März.+ +Jorje+, 6 Leguas. Heute erhielt ich schon einen
richtigeren Begriff von den hiesigen Wegen in der Regenzeit, und
fand es sehr natürlich, daß niemand reist, wenn nicht das wichtigste
Geschäft ruft. Wir hatten viel bergauf zu steigen, das Erdreich war
weich und lehmig, die Thiere glitten vor- und rückwärts aus, sanken
von einem Loch in’s andere, von Pfütze in Pfütze; es galt noch als
ein Glück, wenn Löcher und Pfützen nicht grundlos waren, und die
Thiere sich herausarbeiten konnten; aber oft versanken sie so tief,
daß man absteigen und ihnen die Lasten abnehmen mußte. Gerade an den
schlechtesten Stellen hieß es: zu Fuße gehen. Ich kam kaum vorwärts,
glitt und fiel fast bei jedem Schritte. Zwar rief ich meinen Diener;
aber weil ich nur eine Frau war und seine Maulthiere leider schon
bezahlt hatte, ging er ruhig seines Weges und überließ mich meinem
Schicksale. Einer der Arrieros, ein Indianer, nahm sich meiner an,
zog mich aus den Pfützen und half mir fort. Wir hatten zu einer Legua
durchschnittlich zwei starke Stunden nöthig. Auch mehrere Gießbäche
warfen sich über den Weg; sie waren jetzt tief und reißend, mitunter
höchst gefährlich; im Sommer soll von den meisten das Flußbett kaum
benetzt sein.

Die Gegend war schön: man hatte herrliche Ueberblicke üppiger
Gebirgsthäler, von Hügeln durchzogen und von den ersten Ketten der
Cordilleren umschlossen.

In dem Tambo zu Jorje fand ich ausnahmsweise ein gedieltes Zimmer
zum Schlafen und eine Sopa. Alles war zwar ekelhaft und schmutzig;
aber das muß man in diesen Ländern nicht so genau nehmen, und dem
Himmel danken, wenn man ein Obdach und ein dampfendes Gericht findet,
besonders in solcher Jahreszeit, wo die Tambos häufig geschlossen oder
die Leute auf den Besuch der Reisenden nicht vorbereitet sind.

Wir waren diesen Tag so unvorsichtig gewesen, unserem Arriero voraus zu
reiten; zur Strafe hatte ich für die Nacht nichts von meinem Gepäcke,
nicht einmal meine wollene Decke; ich vermochte kaum zu schlafen vor
Kälte, die hier Nachts schon sehr empfindlich ist. Die beladenen Thiere
konnten der gräßlichen Wege halber nicht bis Jorje gelangen.

+27. März.+ +Bogia+, 2 Leguas. Diesen Morgen kamen wir erst nach 9
Uhr fort, da wir unsere Thiere erwarten mußten. Die Wege waren heute
noch schrecklicher als gestern; wir hatten den sehr bedeutenden Berg
+Angos+ zu ersteigen. Glücklicher Weise trafen wir zu Jorje einen Zug
leer gehender Thiere, die demselben Eigenthümer gehörten, von welchem
wir die unseren gemiethet hatten. Das Gepäck wurde abgetheilt und den
leeren Thieren aufgebürdet. Trotz dieser Abhilfe verzweifelten die
Leute beinahe, an einigen Stellen durchzukommen. Nachdem wir die Hälfte
des Berges erstiegen hatten, wozu wir sieben Stunden benöthigten, wurde
beschlossen, in dem ersten besten Tambo einzukehren, weil weder wir
noch die Thiere weiter konnten.

Ich kam so durchaus beschmutzt an, daß ich aussah, als hätte ich
ein Schlammbad genommen. Die Schuhe nebst dem Regenmantel gab ich
meinem Diener, sie zu reinigen; allein er ließ sie liegen und that
mir durchaus keine Dienste. Es war gerade, als hätte ich ihn nur
mitgenommen, um das Vergnügen zu haben, seine Maulthiere und seine Kost
zu bezahlen. Ich mußte Schuhe und Mantel selbst waschen, und konnte mir
sogar das hierzu nöthige Wasser nur mit Mühe verschaffen, denn obwohl
in diesen Gegenden überall der größte Ueberfluß an Holz und Wasser ist,
findet man davon in den Hütten doch keine Vorräthe. Die Trägheit der
Leute geht so weit, daß sie nicht einmal hinein schaffen, was vor der
Thüre liegt. Das Wasser holen sie in Töpfen, die kaum zwei Flaschen
enthalten; ein größeres Gefäß zu tragen, wäre schon eine viel zu
beschwerliche Arbeit. Zum Waschen der Hände und des Gesichts erhält man
höchstens eine kleine Tasse voll. Ich sah nicht selten die Kartoffeln
in dem Wasser waschen, in welchem die Leute erst sich selbst, dann
das Kochgeschirr gereinigt hatten. Eben so sparsam wird mit dem Holze
umgegangen. An ein Trocknen der durchnäßten Kleidung ist nicht zu
denken, da kaum so viel Feuer vorhanden ist, um die Sopa zu kochen.

Der Tambo Bogia war einer der schlechtesten. Die Hütte hatte kaum
Raum für die Familie und die Feuerstelle. Ich mußte mein Quartier vor
der Hütte auf einer hölzernen Bank aufschlagen. Gewöhnlich springt
das Dach so weit vor, daß man gegen den Regen geschützt ist, was wir
wahrhaftig sehr nöthig hatten, denn Regen war auf dieser Reise unser
steter Begleiter. Selten zerstoben die schweren Wolken auf Augenblicke
und ließen uns die wundervollen Naturschönheiten gewahren. Welch’
entzückende Gebirgswelt! Welche Massen von Bergen und Bergketten. Die
niedlichsten, üppigsten Thäler lagerten dazwischen, oft tief, tief
unter uns. Das Geräusch der tosenden Wildbäche schlug nicht einmal
an unser Ohr, wir sahen nur den Lichtstreifen in der Tiefe, gleich
einem Silberfaden. Was für einen hinreißenden Zauber muß diese Reise
in schöner Jahreszeit entfalten! Entschädigten mich doch jetzt die
seltenen Momente der Anschauung überreich für die unzähligen Mühen und
Leiden. --

Diese Nacht um 11 Uhr fühlte ich vier gleichmäßige Erdstöße von Süden
nach Norden; sie folgten ziemlich rasch auf einander; kaum hatte ich
Zeit, zur Ueberzeugung zu gelangen, daß es ein Erdbeben sei. Ich
sprang von meinem Lager auf -- in demselben Augenblicke stürzten die
Einwohner unter dem Rufe „~Misericordia!~“ aus der Hütte und warfen
sich auf die Kniee.

Nach überstandener Gefahr sagten sie mir, daß dieses Erdbeben wie
zwei andere, die sie kürzlich verspürten, von dem Vulkane +Cotopaxi+
herrühre, welcher gegenwärtig so thätig sei, wie er es seit 57 Jahren
nicht gewesen.

+28. März.+ +Tamboco+, 6 Leguas. Lange ging es noch den Angos hinauf
-- wir hatten heute wie gestern zu steigen. Einen Theil des Weges
nannte man „+Camino real+.“ Ein ähnlich schlechter, unausgesetzt
halsbrecherischer Weg wie dieser ist mir nirgends vorgekommen. Ich
stieg oft von meinem Thiere ab, und mußte, um nicht fortwährend
zu gleiten, gleich den Indianern mit bloßen Füßen gehen -- eine
unangenehme Aufgabe, da es beständig regnete und kalt war. Besonders
eisig waren die Gebirgswässer, die sich respektlos über den
„königlichen Weg“ ergossen.

Statt schöner Aussichten umhüllten uns Nebel und Wolken. Bald senkten
sie sich in dichten Massen auf uns nieder, daß wir kaum dreißig
Schritt weit sehen konnten, bald ließen sie die Höhen etwas freier,
verdeckten dagegen die Tiefe unter uns. Zuweilen zerriß wohl auch das
graue Leichentuch, und wie durch Fensterchen sahen wir dann auf die
blühenden, in der Sonne erglänzenden Landschaften. Besonders reizend
war dieses Bild durch den auffallend bezeichneten Uebergang der
Vegetation von der tropischen Zone in die gemäßigte; hier wucherten die
Palme, der Kaffee- und Cacaobaum, die Banane, das saftige Zuckerrohr,
etwas höher hinauf erinnerten mich die mit Getreide, Kartoffeln,
Feldbohnen, Klee[18] bepflanzten Felder an meine Heimath.

Wenn man so schöne, reiche Gegenden sieht, sollte man meinen, die
Bewohner müßten damit übereinstimmen -- leider ist dieß hier weniger
der Fall als irgendwo. Die erbärmlichen Hütten des Volkes sind von
Strauchwerk geflochten, mit Erde überworfen; keine Oeffnung außer dem
Eingange verbreitet Licht über die grenzenlose innere Dürftigkeit. Da
gibt es weder Betten noch Hausgeräth, noch Kisten und Körbe, da die
Leute nichts zu bewahren haben. Sie schlafen entweder auf dem nackten
Erdboden oder höchstens auf einem Bambus-Gestelle mit einer Strohmatte
überlegt, in den einzigen Kleidungsstücken, die sie besitzen, und die
sie so lange tragen, bis sie als Lumpen vom Körper fallen. So dürftig
wie ihre Wohnung und Kleidung ist ihre Nahrung. Sie leben durchgehends
schlecht, die Indianer beinahe ausschließend nur von Gerste, die sie
ein wenig rösten und zu Pulver stoßen. Dieses Mehl essen sie für
gewöhnlich ohne alle Beimischung in trockenem Zustande, oder sie rühren
es mit Wasser ab und trinken es. Wenn sie auf einige Zeit vom Hause
gehen, nehmen sie nichts mit als solches Mehl in einem ledernen Sacke.
Auch der wohlhabende Alt-Spanier genießt es zuweilen, mischt dann aber
gewöhnlich etwas Zucker bei, wodurch es einen ziemlich guten Geschmack
erhält. Auf langen Reisen nimmt er es gleichfalls mit, und mischt dann
nebst Zucker zerriebenen Cacao und Zimmet bei. Auf diese Art bereitet,
ist es nicht nur ein sehr schmackhaftes, sondern auch ein sehr gesundes
und nahrhaftes Gericht. Man braucht wenig Raum, um es mitzuführen und
weder Feuer noch Topf zum Kochen. Der Soldat auf Märschen hat selten
eine andere Nahrung als Gerstenmehl.

Daß die Indianer die Parias dieses Landes sind, ist leicht
begreiflich; aber selbst bei den Alt-Spanischen Bauern, ja sogar
bei den Hazienda-Besitzern sieht man selten äußerlich anscheinende
Wohlhabenheit. Und doch stehen sich viele, z. B. die Eigenthümer von
Tambos, gewiß nicht so schlecht, um in einem so elenden Zustande zu
leben. Sie lassen sich ihre Sopa, ihren Klee verhältnißmäßig sehr
gut bezahlen. Sie begehren für ein paar Löffel dieser erbärmlichen
Wassersuppe, die nichts als einige Kartoffeln und etwas rothen
Pfeffer enthält, einen Medio[19], eben so viel für die Fütterung eines
Maulthieres. Im Sommer nehmen sie des Tages oft mehrere Thaler ein,
ohne Ausgaben zu haben, denn jeder Wirth ist zugleich der Erzeuger der
Produkte, die er verkauft.

Diesen Nachmittag stieß ein kleiner Trupp von acht Llamas zu uns. Ich
fühlte mich ganz glücklich, diese lieben Thiere mit ihren schlanken
Hälsen, ihrer stolzen Haltung, ihren sanften Augen um mich zu sehen.
Ich schreibe meine Vorliebe für die Llamas der Geschichte Robinson
Crusoe’s zu, die ich als Kind gelesen. In Verbindung mit dieser
Geschichte kehrten bei dem Anblicke dieser Thiere die Erinnerungen
meiner frühen Jugend in mein Gedächtniß zurück.

Der Tambo zu Tamboco war im Vergleich zu dem vorigen ein Palast. Er
war aus ungebrannten Ziegeln erbaut und bestand aus einem großen
Gemache mit einem halben Dutzend hölzerner Schragen zum Schlafen. Ein
Theil des Gemaches diente zwar zur Bewahrung der Feldgeräthschaften,
und das ganze war voll Schmutz und Unrath; doch war man vor Wind und
Wetter wohl geschützt und nicht gezwungen, mit den Tambo-Besitzern in
Gemeinschaft zu leben.

Eine sonderbare Sitte herrscht in diesem Lande. In den Tambos, wo man
übernachtet und Abends etwas genießt, muß man sogleich bezahlen, da
der Wirth dem Gaste nicht bis zur Abreise traut, obgleich er dessen
Thier nebst der Ladung unter seinen Händen hat, ein Beweis, welche hohe
Meinung die Leute selbst von einander haben.

+29. März.+ +Guaranda+, 5 Leguas. Heute gab es nur hie und da schlechte
Stellen; der größte Theil des Weges war ziemlich gut. Wir waren nun der
schönen Gebirgskette, deren Haupt der Chimborazo ist, schon ganz nahe;
allein Nebel und Wolken hielten uns den edlen Ahnherrn sammt seiner
riesigen Verwandtschaft gänzlich verborgen. Wir mußten uns mit dem
Anblicke der nahen Thäler begnügen, deren Hügelreihen mit den üppigsten
Pflanzungen prangten.

Der Pueblo (Markt, Dorf) Guaranda liegt in einem schönen, beinahe
zirkelrunden Thale, am Fuße des Chimborazo. Ich stieg hier bei einem
ziemlich wohlhabenden Hazienda-Besitzer ab und wurde freundlich
aufgenommen.

Ich kam gerade zu einer kleinen Feierlichkeit zurecht; es wurde ein
acht Monate altes Kind reicher Leute begraben. Da in kleinen Orten
alles Aufsehen erregt und das Volk erscheinen macht, besonders in
einem Lande wie dieses, wo die Leute an Arbeiten nicht gewöhnt sind
und daher Zeit genug haben, so sah ich bei dieser Gelegenheit die
schöne und unschöne Welt vereint. Das Kindchen saß in einer Art kleiner
Loge, die mit weißem Musselin drapirt, mit Gold- und Silberfransen und
Blumen verziert war, und mittelst Stangen getragen wurde. Der Kopf des
Kindes war durch eine Schlinge um den Hals an den oberen Theil der Loge
befestigt, aber so lose, daß er hin und her schwankte. Dieß machte
einen abscheulichen Eindruck, denn es sah aus, als wäre das Kindchen
aufgehangen. Dem Zuge folgte Musik, aus zwei Violinen und einer
Harfe bestehend, welch’ letztere auf den Rücken zweier Jungen ruhte.
Der Spieler riß von Zeit zu Zeit einen jämmerlich klingenden Accord
herunter. Auf dem Friedhofe wurde das Kind in einen kleinen Sarg gelegt.

Die Leute sahen hier schon viel blühender aus als in der heißen Gegend
von Guayaquil. Die Kinder besonders waren mit ihren rothen Backen, den
großen, feurigen Augen gar hübsch anzusehen. Auch an schönen Frauen
und Mädchen gab es keinen Mangel, besonders unter der wohlhabenden
Klasse. Die reinen Indianer sind gerade nicht hübsch, doch auch nicht
unangenehm. Der Kopf ist ein klein wenig zusammen geschoben, der Körper
gedrungen, die Augen bei vielen etwas schmal geschlitzt (doch haben
sie mitunter auch schöne Augen), die Nase etwas breit, aber bei weitem
nicht so gequetscht, wie bei den Malaien. Auch der Mund ist nicht gar
so groß und häßlich wie der Malaische, die Zahnkiefer sind gut geformt,
die Zähne glänzend weiß. Ihre Hautfarbe ist schmutzig bräunlich-gelb.
Am meisten entstellt sie das Haar, welches in größter Unordnung um das
Gesicht flattert; hätten sie es besser geordnet, so würden sie sich im
ganzen nicht übel ausnehmen.

Die Kleidung der Alt-Spanier, desgleichen der Indianer, ist wie in
Peru. Die Frauen und Mädchen tragen hier Umschlagetücher, die zugleich
den Kopf und das halbe Gesicht verbergen. Sogar zu Hause lieben sie
es, ihren höchst nachlässigen Anzug mit solch einem Tuche zu bedecken.
Sie sind beständig so eingewickelt, daß sie kaum die Hände gebrauchen
können. Freilich haben sie dieß auch nicht nöthig, denn arbeiten ist
nicht ihre Leidenschaft. Ich sah bei Familien, in welchen es drei bis
vier erwachsene Töchter gab, Kleider und Wäsche in dem elendesten
Zustande, die Kinder in Lumpen herum laufen, mit nackten Füßen oder
ganz zerrissenen Schuhen; man hätte sie für Bettelkinder halten
können. Dergleichen beleidigt das Auge der Leute nicht, weder Mütter
noch Töchter gewahrte ich je beschäftigt, zerrissene Wäsche oder
Kleidungsstücke auszubessern; dagegen ist das Hemd oft oben und unten
mühsam ausgenäht und gestickt, welche nutzlose Arbeit sich bis auf die
Polsterüberzüge, ja bis auf die Handtücher erstreckt.

In Guaranda war ich genöthigt, die Thiere zu wechseln. Man muß sich nie
bereden lassen, dieselben Thiere von Savanetta bis Quito zu behalten,
außer man ruht hie und da einen Tag aus, denn mit abgematteten Thieren
ist es nicht möglich, den Uebergang über den Chimborazo zu machen.

+30. März.+ Der heutige Tag gehörte unter die besonders merkwürdigen
meines Lebens; ich überstieg die Riesenkette der Cordilleren oder
+Anden+ an einem der interessantesten Punkte, dem Chimborazo. Zur
Zeit, als ich jung war, galt dieser Berg für den höchsten der Welt
(21,000 Fuß); seit man aber die Spitzen des Himalaja-Gebirges in Asien
gemessen, ist er in die zweite Klasse getreten.

Wir brachen sehr zeitlich auf, da wir elf Leguas auf theilweise
schrecklichen Wegen, beinahe unausgesetzt bergan, zu machen hatten. Vor
diesen elf Leguas gab es kein Obdach für die Nacht.

Zu Anfang war der Weg wirklich fürchterlich, ich sah mich abermals
genöthigt, auf den schlechtesten Parthien vom Maulthier zu steigen
und zu Fuß zu gehen, was mir um so beschwerlicher fiel, als die
kalte Gebirgsluft sehr auf meine Brust wirkte. Ich fühlte große
Beängstigungen, Athemlosigkeit und Zittern am Körper -- ich fürchtete
jeden Augenblick, hinzusinken; allein es hieß: Vorwärts, und nur mit
der größten Mühe schleppte ich mich fort durch Koth und Schlamm, durch
Gießbäche, Löcher, Sümpfe und über Gestein. Wenn ich mich schon auf der
Höhe befunden hätte, würde ich mein Uebelbefinden der zu feinen Luft
zugeschrieben haben, die bei vielen dieselbe Erscheinung bewirkt. Man
nennt dieses Uebel „Veta.“ Es währt bei manchen nur einige Tage, bei
anderen, wenn sie auf den Höhen verbleiben, wohl auch einige Wochen.

Nach den ersten zwei Leguas fing der Weg an, mehr felsig und steinig
zu werden; ich konnte dann wenigstens auf meinem Thiere sitzen
bleiben. Wir hatten fortwährend Regengüsse, Schauer, sogar einen
kurzen Schneefall. Der Schnee löste sich sogleich auf, als er die Erde
berührte; nur an sehr wenig Stellen blieb er liegen; ich kann daher
doch sagen, daß ich über Schnee ging. Die Wolken und Nebel lüfteten
sich leider kein einziges Mal; ich bekam die Kuppe des Chimborazo nicht
zu sehen, ein Unglück, das mir noch ungleich empfindlicher war, als
mein körperliches Leiden.

Bis auf den höchsten Punkt des Ueberganges rechnet man von Guaranda
sechs Leguas. Der Rücken des Berges bildet da eine kleine Ebene von ein
paar hundert Schritten, die von allen Seiten abfällt, die Nordseite
ausgenommen, auf welcher die Kuppe des Chimborazo beinahe senkrecht
emporsteigt.

Auf dieser kleinen Hochebene ist ein Haufen Steine zusammengeworfen,
nach einigen als Zeichen, daß man hier den Höhenpunkt des Ueberganges
erreicht habe, nach andern als Denkmal eines Mordes, der hier im
vorigen Jahre an einem Engländer verübt wurde. Dieser Mann ging von
einem Arriero allein begleitet über die Cordilleren. Wahrscheinlich
wäre ihm nichts widerfahren, hätte er nicht die Unvorsichtigkeit
gehabt, bei jeder Gelegenheit, wo es etwas zu zahlen gab, seine mit
Gold wohlgefüllte Börse sehen zu lassen. Diesem Schimmer konnte der
Führer nicht widerstehen, und als er sich mit dem Krösus in dieser
verlassenen Gegend allein sah, schlug er ihn von rückwärts mit einem
großen, in ein Tuch gewickelten Stein (gewöhnliche Art des Todtschlags
hier zu Lande) auf’s Haupt. Die Leiche verbarg er im Schnee. That und
Thäter wurden jedoch bald entdeckt, letzterer durch das Gold, von
welchem er einige Stücke wechseln ließ.

Ich stieg, obwohl im höchsten Grade ermüdet, von meinem Thiere ab,
trug einen Stein herbei und fügte ihn dem Denkmale hinzu; ich dachte:
der Stein wird noch da ruhen, wenn meine Gebeine schon längst in Staub
verwandelt sind. Dann kletterte ich an der Westseite des Berges hinab,
bis ich Wasser fand, füllte damit meinen Becher, trank einige Mund
voll, eilte mit dem Rest auf die Ostseite und goß ihn in das erste
Bächlein. Dasselbe that ich mit einem Becher Wasser von der Ostseite
des Berges. Ich hatte in den Reisen des Herrn +v. Tschudi+ gelesen, daß
er dieß auf der Wasserscheide bei +Passeo de serro+ auf den Cordilleren
gethan habe. Der Gedanke, daß ein Becher Wasser, der nach dem stillen
Meere fließen sollte, auf diese Art nach dem atlantischen Ocean floß,
und so umgekehrt, machte ihm Vergnügen und gefiel auch mir so gut, daß
ich ihn gleichfalls in Ausführung brachte[20].

Die Höhe des Ueberganges konnte ich nicht mit Bestimmtheit erfahren;
die einen gaben 14,000, die andern 16,000 Fuß an. Ich möchte sie auf
nicht ganz 15,000 schätzen. Die Schneelinie wird unter dem Aequator
auf 15,000 Fuß gerechnet. Wir kamen über kein eigentliches Schneefeld,
hätten jedoch, um zur ewigen Schneelinie zu gelangen, höchstens noch
zwei- bis dreihundert Fuß zu steigen gehabt; sie lag ganz nahe an
unserer Seite. Der Thermometer stand auf Null (Réaumur).

Die Vegetation hört nur auf dieser kleinen Hochebene gänzlich auf.
Bis drei Leguas von Guaranda findet man Feldbau, dann folgen magere
Waldungen mit vielen schönen Blumen. Farrenbäume, wie auf den Höhen
von Sumatra oder Java, fand ich nirgends; das höchste Farrenkraut maß
hier nur drei Fuß. Dagegen rankten sich noch sehr verkrüppelte, dünne
Bäumchen bis zu einer Höhe von 14,000 Fuß, aber nur auf der Westseite;
auf der Ostseite zeigte sich lange kein Baum. Die Bäumchen hatten ein
merkwürdiges Aussehen: sie waren beinahe von Rinde ganz entblößt und
trugen gar kein Moos.

Auf der kleinen Hochebene des Chimborazo herrschen häufig rauhe, sehr
heftige Winde, die dem Reisenden Sand und Steinchen in großer Menge in
das Gesicht werfen. Man bindet deshalb gewöhnlich eine seidene Maske
vor, die an den Augenstellen mit Gläsern versehen ist. In den Monaten
August und September ist der Uebergang mitunter sogar lebensgefährlich:
plötzliche Winde kommen nicht selten mit solcher Kraft, daß sie die
Maulthiere sammt der Last in die Luft führen und weit vom Platze erst
wieder zur Erde setzen.

Von dieser Hochebene bis zur Nachtstation +Chacquiporgo+, einem
einzelnen, elenden Hause, rechnet man noch fünf Leguas. Die Wege waren
nun gut, es ging zeitweise sachte nach abwärts oder über Hügelland;
allein der beständige Regen, die kalten Winde machten diesen Ritt im
höchsten Grade unangenehm. In meinem Leben kam ich nie so gänzlich
erschöpft an, wie diesen Abend. Ich litt sehr von Brustbeschwerden,
dabei klapperten mir die Zähne vor Kälte, ich war so steif und starr,
daß ich mich nur mit Mühe von meinem Maulthiere bis zur Schlafstelle
schleppen konnte. Obgleich von Koth und Schmutz ganz bedeckt, Gesicht
und Hände nicht ausgenommen, fühlte ich mich unfähig, mir selbst Wasser
zu holen, mein Diener brachte mir keins, ich sank hin auf die hölzerne
Lagerstätte und hüllte mich in meinen Mantel. Doch fand ich wenig
Erholung, die Brustbeschwerden zwangen mich oft, aufzusitzen. Erst
nach einigen Stunden war ich im Stande, einige Bissen Brot und Käse
zu mir zu nehmen. Ich erhielt nichts Warmes, weder zu essen noch zu
trinken; auch Morgens mußte ich ohne warmen Imbiß weiter ziehen. In der
Winterszeit hält sich kein Wirth hier auf, denn es reist Niemand.

Das Haus +Chacquiporgo+ auf dem Chimborazo ist das einzige Gebäude,
welches zwischen Guayaquil und Quito von der Regierung für Reisende
errichtet ist. Es besteht aus zwei Gemächern mit einigen hölzernen
Schlafstellen und Bänken und einem großen Raume für die Arrieros. In
keinem Lande der Welt, von allen, die ich bisher bereiste, sah ich so
wenig, oder, besser gesagt, nichts für Reisende gethan, wie in diesem.
Die Tambos sind so über alle Maßen klein und unsauber, daß man sie
für Schweineställe und nicht für menschliche Wohnungen halten möchte.
Der Reisende findet darin nichts weiter, als ein Obdach gegen Regen
und Sturm und, wenn es gut geht, zum Imbiß die elende Sopa. Dem armen
Arriero ist in den Tambos nicht einmal ein Plätzchen gegönnt; er kann
von Glück sagen, wenn er neben dem Tambo ein Dach findet, das auf vier
Pfählen ohne Seitenwände ruht. Sein Loos ist wirklich bedauernswerth.
Den ganzen Tag muß er auf den schrecklichsten Wegen neben seinen
Thieren herlaufen; kommt er Abends an, und hat er die Thiere abgeladen,
so muß er fort, das Futter für sie zu schneiden (der Wirth thut dieß
nicht; nur in Ortschaften, wo die Kleefelder entfernter sind, findet
man den Klee in gebundenen Büscheln). Hat er sein Tagwerk vollbracht,
so kann er sich auf die nasse Erde hinstrecken, mit seinem zerrissenen
Poncho bedecken und seinen Hunger mit Gerstenmehl stillen.

Nicht minder bemitleidete ich die armen Lastthiere. Man nennt Lima
„die Hölle der Esel;“ man kann diesen Namen auf ganz Peru und Ecuador
ausdehnen, und nicht nur auf die Esel allein, sondern auch in Bezug auf
Maulthiere, Pferde und Arrieros anwenden.

Man beladet hier z. B. ein Maulthier, ein Pferd mit acht bis zehn
Arobas (eine Aroba = 25 Pfund), einen Esel mit vier bis sechs. Die
Ladung muß hinauf, die Thiere mögen auf Rücken und Seiten ganz wund
sein, das kümmert nicht. Eines Tages empfand ich während des Reitens
einen beständigen, starken, unangenehmen Geruch; als ich Abends
abgestiegen war, fand ich mein Kleid voll Blut, das von einer Wunde
meines armen Thieres herrührte. Ich sah mehrmals auf schlechten Wegen
zwei Personen auf einem Pferde oder Maulthiere, auch wohl auf einem
Esel sitzen.

Wie ganz anders sorgt der Türke, der Perser, der Hindu, ja sogar der
Kannibale auf Sumatra (der Battaker) für Reisende und Thiere. In den
Karavansereien der Türken und Perser, in den Serai’s der Hindu findet
der Reisende ein Kämmerchen für sich, der Treiber ein gleiches mit
seinen Gefährten, die Thiere einen gedeckten Stall; der Battaker
hat in jedem Dorfe Hütten (Soppo) für die Reisenden errichtet. Und
diese Hütten sind ohne Unterschied dem Eingebornen wie dem Fremdlinge
geöffnet, ohne daß er dafür etwas zu bezahlen hat. Wie höchst nöthig
wären nicht dergleichen menschenfreundliche Anstalten zwischen
Guayaquil und Quito, einer Straße, die von vielen Reisenden begangen
wird, auf welcher im Sommer täglich große Züge von Lastthieren
verkehren! Und mit wie geringen Kosten könnten mehrere hölzerne Häuser
aufgeführt werden, in einem Lande, wie dieses, wo es nirgends an
Baumaterial fehlt.

+31. März.+ +Ambato+, 8 Leguas. Schon gestern fiel mir der merkwürdig
grelle Unterschied zwischen der Ost- und Westseite der Cordilleren auf.
Auf der Westseite ist das gebirgige Element vorherrschend, mit Klüften
und Pässen und meistens schmalen Thälern, die wie zwischen die Berge
eingeschoben erscheinen; dabei die üppigste Vegetation, Ebenen und
Höhen mit den schönsten Waldungen, und die Berge selbst in bedeutender
Höhe mit üppigen Feldern bedeckt. -- Ganz anders ist es auf der
Ostseite; Berge und Hügel werden von großen Hochebenen zurückgedrängt,
die wegen ihrer geringen Vegetation das Auge durch ihre Einförmigkeit
ermüden. Die schönen Wälder verschwinden, die Blumen sind seltener, und
Haidegras, das jedes Thier verschmäht, bedeckt große Strecken. Drei
Leguas von dem Uebergangspunkte entfernt, sah ich wohl schon wieder in
den Tiefen hie und da kleine Viehheerden weiden; den ersten Anbau fand
ich aber erst sieben Leguas hinter dem Uebergangspunkte. Eine Strecke
von neun bis zehn Leguas ist daher unangebautes Land, von welchem
jedoch gewiß ein großer Theil urbar gemacht werden könnte, wäre die
Bevölkerung nicht so geringe.

Wir ritten heute viel zwischen Alleen von Kaktus und Aloe. Die Kaktus
wachsen hier zu einer Höhe von acht bis zehn Fuß; die Aloes glichen
jenen, die ich um Neapel gesehen habe; der Blüthenstamm schoß aus der
Mitte der Blätter zu einer Höhe von einigen zwanzig Fuß.

Die Hochebene von Ambato gehört zu den schönen; sie ist von dem
Chimborazo, dem +Tungaragua+ und andern majestätischen Bergen
eingefaßt. Die Temperatur ist hier schon wieder so mild, daß die Banane
und andere südliche Früchte vorkommen.

Das Städtchen Ambato liegt in einem Kessel dieser Hochebene und
gewährt, von der Höhe gesehen, mit seinen Gärten und Fruchtbäumen,
die es von allen Seiten umsäumen und durchschneiden, einen wahrhaft
überraschenden Anblick. Ich hielt mein Thier mehrmals an und
betrachtete mit Vergnügen das liebliche Bild. Das Städtchen ist
ungemein ausgedehnt, die Häuser sind jedoch über alle Beschreibung
erbärmlich und klein, da die meisten gar keine Fenster und nur eine
Thür haben; erst gegen den Platz zu gestaltet sich das Ganze ein wenig
besser.

Ich stieg hier ebenfalls bei einem Hazienda-Besitzer ab. Die guten
Leute verstehen noch nicht, daß man einem Reisenden, besonders wenn er
von Regen triefend ankommt, wie es mit mir der Fall war, ein Fleckchen
anweist, wo er sich waschen und umkleiden kann. Hier bietet man ihm
nicht einmal eine Erfrischung an, wenn man auch weiß, daß er vielleicht
ein Dutzend Leguas mit leerem Magen gemacht hat. Er muß unter der
Familie in seinen nassen, beschmutzten Kleidern oft zwei bis drei
Stunden sitzen bleiben und mit Geduld die Mahlzeitstunde erwarten. Die
Familie, die sich den ganzen Tag in den Hängematten schaukelt und die
Zeit mit Schwatzen verbringt, ist froh, wenigstens ein neues Gesicht
angaffen zu können. Bei mir, die ich der Spanischen Sprache nicht
mächtig war, hatten sie wahrhaftig kein anderes Vergnügen.

+1. April.+ +Latacunga+, 8 Leguas. Aus der Tiefe des Kessels steigend,
gelangten wir an einen schönen Gebirgsfluß, der sich in eine
natürliche Grotte verlor und nach einigen hundert Schritten wieder
zum Vorschein kam. Einige tiefe Schluchten oder Erdspalten hatten
wir auf lebensgefährlichen Brückchen zu überschreiten, andere zu
durchziehen. In solchen Schluchten ist ein Zusammentreffen, selbst mit
einzelnen Reitern, sehr unangenehm, da die Wege so schmal sind, daß
gerade nur ein Thier Platz hat. Der Arriero schreit, pfeift und lärmt
auch beständig, wenn er an einen solchen natürlichen Hohlweg gelangt,
um sein Dasein so weit als möglich zu verkünden. Diese Stellen
abgerechnet, war der Weg gut, und zum ersten Male trübte kein Regen
unsere Tagereise.

Ein großer Theil der Hochebene von Ambato war kultivirt; Dörfer oder
Hütten gab es jedoch nur sehr wenige. Der Tungaragua, der sich aus den
Wolken immer mehr und mehr heraus arbeitete, stieg ohne Verbindung mit
den andern Bergen als kolossaler Kegel majestätisch vor uns auf.

Von der Hochebene Ambato kamen wir in die noch weit bedeutendere und
schönere von +Latacunga+, an deren Eingange das Städtchen gleichen
Namens liegt. Den Chimborazo verliert man nun schon aus dem Gesichte,
dagegen tauchen andere hohe Berge auf, unter welchen besonders der
+Cotopaxi+ und der +Iliniza+.

In Latacunga, einem gleich Ambato sehr ausgedehnten Neste, stieg ich
ebenfalls wieder bei einem Hazienda-Besitzer ab. Ich wurde zwar überall
freundlich aufgenommen, allein Morgens ließ man mich stets fortziehen,
ohne mir auch nur eine Tasse Thee oder Chocolade zu reichen, obgleich
die Morgen kalt, nebelig oder gar regnerisch waren, und man wohl
wußte, daß ich oft bis Abend keinen Ort finden würde, wo ich einige
Erfrischungen erhalten konnte.

Ich war nun schon viel mit Hazienda-Besitzern in Berührung gekommen,
brachte ganze Tage unter ihnen zu und hatte daher Gelegenheit, ihre
Lebensweise zu beobachten. Die Mehrzahl lebt in einer Unordnung, in
einer Dürftigkeit und Unsauberkeit, die jede Beschreibung übertrifft.
Ich ziehe das Haus eines nur einigermaßen bemittelten Deutschen
Bauers den meisten dieser Hazienda’s vor. In ersterem findet man doch
so viel Reinlichkeit, daß man sich mit Lust an den Tisch setzt, um
das einfache, aber gut gekochte Mahl zu verzehren. Nicht so in den
letzteren. Da wird der Tisch mit einem zerrissenen Tuche gedeckt, das
vor Schmutzflecken kaum eine weiße Stelle mehr aufzuweisen hat. Auch
an den anderen Tischgeräthschaften ist selten das Nöthigste vorhanden.
So fand ich z. B. in einer Hazienda elf Personen an der Tafel, und
ich glaube nicht, daß es drei ganze Bestecke der gemeinsten Art gab.
Eine Person besaß einen Löffel, die andere eine Gabel, die dritte
ein Messer. Hatte der Löffelbesitzer seine Suppe gegessen, so gab er
den Löffel seinem Nachbar, eben so ging es mit Messer und Gabel; die
Kinder aßen zum Theil mit den Fingern. Eine zerbrochene Waschkanne
enthielt das Trinkwasser, ein Glas diente der ganzen Gesellschaft.
Die Kinder kamen in zerlumpten Kleidern zu Tische, mit bloßen Füßen
oder mit abgenützten Schuhen, mit beschmutzten Händen und Gesichtern;
dabei hatten sie aber ein so hübsches, blühendes Aussehen, so feurige,
schöne Augen, daß ich mit wahrem Vergnügen diesen bausbackigen
Engelsköpfen zusah, wie sie einen Bissen nach dem andern mit wahrer
Herzenslust verschlangen. Eine in Lumpen gehüllte Negerin oder ein paar
kleine, halbnackte Negerkinder besorgten die Aufwartung bei Tische.

In demselben Hause wurde mir ein Zimmer zum Schlafen angewiesen, das
Gott weiß wie lange nicht gereinigt worden war, und außer dem Bett
nichts als zwei zerbrochene Stühle nebst dem Fragmente eines Tischchens
enthielt. Alles, was ich benöthigte, mußte ich begehren; ich fand nicht
einmal Wasser, und als man es mir brachte, mußte ich vor die Thür
gehen, mich zu waschen, denn ein Waschbecken war nicht vorhanden.

In einem andern Hause lag ich kaum ein halbes Stündchen im Bette,
so sprang ich wieder heraus -- ich war im vollsten Sinne des Wortes
von Ungeziefer bedeckt. Die ganze Nacht brachte ich auf einem Stuhle
zu, und Morgens war ich so voll rother Flecke, als hätte ich einen
Ausschlag bekommen. Und beinahe in jedem Hause traf ich eine, auch
mehrere erwachsene Töchter, die ohne große Mühe das Hauswesen in guter
Ordnung hätten halten können. Allein das ist nicht ihre Sache. Das
große Tuch um Kopf, Schultern und Arm geworfen, sitzen sie den ganzen
Tag umher, und stehlen, wie wir Deutsche sagen, unserem lieben Gott
die Zeit. Bei der grenzenlosen Bettelhaftigkeit einerseits findet man
andererseits mitunter einigen Luxus zur Schau gestellt. In einem Hause
war der Empfangssaal mit Teppichen, Spiegeln u. s. w. geschmückt, in
einem andern fand ich ein ziemlich gutes Klavier, eine sehr schöne
Englische Reiseschatulle -- alles Gegenstände, die hier sehr hoch
kommen, da man sie mühsam über die Gebirge schleppen muß. Die Frauen,
die Töchter zeigten mir kostbare Kleider, Chinesische Shawls u. s. w.
Mich wunderte dieß um so mehr, als die Hazienda-Besitzer hier zu Land
durchschnittlich nicht sehr wohlhabend sind. Sie besitzen wohl viel
Grund; aber es fehlt an Märkten und an Straßen. Große Städte gibt es
nicht, und die Wege sind so schlecht, daß es kaum die Mühe lohnt,
Lebensmittel drei bis vier Tagereisen weit zu senden.

+2. April.+ +Machacha+, 11 Leguas. Heute ging es fortgesetzt auf
der Hochebene von Latacunga. Die Wege waren sehr gut und führten
größtentheils zwischen Hecken von Kaktus und Aloe, reich untermischt
mit schönen Blumen, hindurch. Umfaßt von dem Kranze der herrlichsten
Gebirge, von welchen, wie bemerkt, der Cotopaxi und Iliniza die
hervorragendsten, würde diese Hochebene entzückend schön sein, hätte
die eigensinnige Natur nicht zwei Hauptsachen vergessen: Waldparthien
und Wasser. Kultivirt ist wenig; es mag wohl an Händen fehlen. Der
Boden scheint auch nicht aus so fetter Erde zu bestehen, wie auf der
Westseite der Cordilleren. Der größere Theil des Thales zeigt wohl
ein frisches, saftiges Grün; doch gibt es auch viel Staub und Sand
und genug Strecken voll großer Steine und Felsstücke, die gewiß einst
der Cotopaxi in seiner Wuth rings umher geschleudert hat. Dieser
Riesen-Vulkan hielt den ganzen Tag meine Aufmerksamkeit gefesselt.
Die mächtigsten Rauchsäulen entwirbelten seinem Krater, umfangreichen
Baumstämmen mit reichen Kronen, oder Aehren vergleichbar, oder in wild
sich auf einander folgenden Wolken aufsteigend. Leider zerstoben die
pittoresken Gebilde eben so schnell, als sie entstanden.

Der Cotopaxi war bis an den Krater mit einer leichten Schneedecke
bekleidet; der ihm gegenüber stehende Iliniza aber prangte in einer so
dichten, weißen Hülle, daß man sah, wie die Strahlen der Sonne keine
Macht über ihn ausübten.

Die Nacht brachte ich sehr schlecht in einem Tambo zu.

+3. April.+ +Quito+, 8 Leguas. Morgens, bevor ich das Maulthier
bestieg, blickte ich noch einmal nach dem Vulkan zurück, um ihm
Lebewohl zu sagen, denn der Weg leitete uns nun in die Hochebene von
Quito. Der Feuerspeier schien meine Aufmerksamkeit dankbar anzuerkennen
und lohnte mir mit einem prachtvollen Ausbruche. Dichte Rauchwolken
wirbelten auf, das Feuer schlängelte sich gleich blitzenden Flammen
hindurch, überstieg die Rauchwolken und senkte sich in einem dichten
Regen zur Erde. Wie herrlich müßte dieses Schauspiel bei Nacht gewesen
sein! Doch auch so war ich reichlich befriedigt, und dankte Gott,
daß er mir gestattete, von vielen Wundern der Natur auch dieses zu
erblicken.

Wenn man anstatt über Ambato über Riobamba nach Quito geht, kommt
man dem Cotopaxi um vieles näher, und sieht bei dieser Gelegenheit
die Ruinen dreier kleiner Gebäude, die noch aus den Zeiten der Inkas
stammen. Der Zeichnung nach, die ich später zu Gesicht bekam, würde
sich jedoch der Umweg nicht lohnen, am wenigsten in der Regenzeit.

Das Wetter war heute herrlich, die Wege trefflich, drei Leguas
ausgenommen, welche wieder zu den sehr schlechten gehörten. Es gab
Schluchten, steile Hügel, große Steine mitten auf dem Wege. Nicht
einmal so nahe der Stadt sorgt die Regierung für einige Abhilfe. Für
Wege und Brücken wird in diesem Lande gar nichts gethan. Findet man
hie und da eine feste, gemauerte Brücke, einen etwas besseren Weg, so
kann man versichert sein, daß sie noch aus den Zeiten der Spanischen
Regierung rühren.


  [16] Ein Thaler hat hier acht Realen, auf eine Unze gehen zwanzig bis
       einundzwanzig Thaler, je nach dem Kurse. Ein hiesiger Thaler ist
       um ein Fünftheil weniger werth, als ein Spanischer Thaler.

  [17] In Quito gab man mir, im Umtausche gegen einen andern, einen
       halben Thaler dafür.

  [18] Der Klee erreicht hier eine Höhe von 2½ Fuß.

  [19] Auf einen Thaler gehen sechzehn Medios.

  [20] Gut war es, daß ich es dießmal that, wo der Regen sehr stark
       und ich um Wasser nicht verlegen war; auf der Rückreise hätte
       ich ungleich größere Mühe gehabt, denn die Quellen, die hier die
       Wasserscheide bilden, liegen weit auseinander.




Siebzehntes Kapitel.

  Quito. -- Rohheit des Volkes. -- Sehenswürdigkeiten. -- Kirchliche
  Feste. -- Die Geistlichkeit und die Regierung. -- Die Indianer. --
  Theater. -- Rückreise nach Guayaquil. -- Der Chimborazo. -- Ein
  Stiergefecht. -- Todesgefahr. -- Panama. -- Reise über den Isthmus.
  -- Aspinwall.


Quito liegt ebenfalls in einer Hochebene, die zwar auch groß und schön,
aber bei weitem nicht so ausgedehnt und von keinen solchen Riesenbergen
eingesäumt ist, wie jene von Latacunga. Die Stadt selbst sieht man
erst zwei Leguas, bevor man sie erreicht. Ihr Anblick hat nichts
überraschendes. Die Häuser sind niedrig und mit leicht aufsteigenden
Ziegeldächern gedeckt. Ein Paar Thürme oder Kuppeln unterbrechen diesen
Steinhaufen. Die beiden Berge +Panicillo+ und +Pinchincha+, an welche
sich die Stadt lehnt, sind weder mit Bäumen noch mit Untergebüsch
bewachsen; eben so ist das ganze Gebirge beschaffen, das die Hochebene
einfaßt. Die einzige Schönheit dieser Gegend besteht in dem Kreise
der angehäuften Berge, von welchen einer über den andern blickt. Es
breiten sich wohl überall in dem Thale schöne Wiesenteppiche aus,
und viele kultivirte Felder liegen dazwischen; doch erwartet man
unter diesem himmlischen Klima eine ungleich mehr in’s Auge fallende
Vegetation, herrliche Waldungen, Hecken, Gebüsche, Blumen u. s. w. Die
Berge sind nur mit ganz kurzem Grase bewachsen; die Kultur bemerkt
man natürlich erst bei genauerer Betrachtung, und so kommt es, daß
der Reisende, der von dieser Stadt und deren Lage die übertriebensten
Beschreibungen gelesen hat, durch den Anblick sehr enttäuscht wird.

So ging es auch mir, je näher ich kam, desto mehr fiel meine
Begeisterung. Die nächste Umgebung hat außer Feldern und Wiesen wenig
Gärten oder Fruchtbäume. Die Häuschen in der Vorstadt sind klein, halb
zerfallen und über alle Beschreibung unrein gehalten, die Straßen so
voll Pfützen und Unrath, daß man sich die Nase hätte verhalten mögen,
das Volk in die ekelhaftesten Lumpen gekleidet. Letzteres gaffte mich
an, lachte mich aus, wies mit den Fingern nach mir, lief mir nach --
Fremdlinge kommen selten in dieß vergessene Land, und sind sie nicht
ganz so gekleidet, wie der Eingeborne (ich trug wohl den Poncho, allein
der kleine Strohhut fehlte mir), so treibt das Volk sein Gespött mit
ihnen.

Näher dem Platze werden die Häuser etwas stattlicher: sie zeigen ein
Stockwerk und statt der Fenster Glasthüren mit Balkonen. Der Platz
weist einige hübsche Gebäude auf, darunter die Kathedrale, der Palast
des Bischofs und jener des Präsidenten. Beide Gebäude haben eine
Säulenkolonnade. Der Palast des Präsidenten würde sich nicht übel
ausnehmen, wäre er nicht schon halb in Ruinen zerfallen, was besonders
von der Treppe an der Façade gilt. Er ist jedoch wenigstens nicht wie
jener in Lima durch die angehängten kleinen Kaufmannsbuden verunziert.
Den Platz schmückt ferner ein Kunstbrunnen, welchem jedoch eine
Kleinigkeit fehlt -- das Wasser.

In der Stadt Quito, die gegen 50,000 Einwohner zählen soll, gibt es
keinen Gasthof. Ich war wohl mit vielen Empfehlungsbriefen versehen;
allein ich hatte nur einen, an Herrn +Algierre+ lautend, bei der Hand;
die übrigen lagen im Koffer, der in Wachstuch eingenäht war.

Wir hielten vor dem Hause des Herrn Algierre an, fanden es aber
verlassen. Herr Algierre war vor einigen Tagen mit seiner Familie nach
seiner Hazienda gegangen. Für den ersten Augenblick wußte ich nun
nicht, wohin mich wenden. Mein Schlingel von Diener kümmerte sich nicht
im geringsten um mich, das Volk fing an, sich um mich zu versammeln,
bestürmte mich mit neugierigen Fragen, schrie und lachte -- ich war
eine Frau, allein, ohne männlichen Schutz, es ließ daher ohne Rückhalt
seiner Ausgelassenheit die Zügel schießen. Die Unannehmlichkeit meiner
Lage stieg von Minute zu Minute, da trat endlich ein Herr herbei,
reichte mir schnell einen kleinen Strohhut, wie ihn die Leute hier zu
Lande tragen, und sagte meinem Diener, mich in sein Haus zu bringen.
Daselbst angekommen, packte ich meinen Koffer schnell aus, zog mich ein
wenig an, nahm unter den Briefen jenen an den Amerikanischen ~Chargé
d’affaires~, Herrn +White+, heraus, und eilte, von einem Indianerjungen
begleitet, nach dessen Wohnung. Mein Diener war bereits verschwunden.

Noch war nicht alles Unangenehme überstanden. Mein Anzug gab diesem
civilisirten Volke abermals Anlaß zu Gespött. Ich trug nämlich eine
Mantille und einen seidenen Hut, nicht das landesübliche große Tuch,
und ging ohne Begleitung, denn den Indianerjungen beachtete man nicht.
Glücklicher Weise lag Herrn White’s Wohnung nicht sehr entfernt, und
nach einigen Minuten war ich in Sicherheit.

Herr White und seine Frau boten mir sogleich ihr Haus an. Auch Herr +de
Paz+, der Spanische Minister, und seine Gemahlin erwiesen mir in der
Folge sehr viele Aufmerksamkeiten.

Ich kam in Quito häufig in Häuser der Alt-Spanier. Bei den Reichen
sieht man, wenigstens in den Empfangssälen, viel Luxus. Die Wohnungen
bestehen aus großen Gemächern, was man, der Außenseite der Häuser nach
zu urtheilen, nicht vermuthen würde; aber auch hier, wie in Peru, geht
die eigentliche Façade nach dem Inneren zu, auf hübsche Höfe, die mit
Blumen, Springbrunnen u. dgl. geschmückt sind.

Die Frauen fand ich liebenswürdig, nur sehr wenig gebildet, woran wohl
zum Theil die Abgelegenheit ihrer Stadt Schuld sein mag. Es verliert
sich dahin nicht so leicht ein guter Lehrer, viel weniger ein Künstler
oder Gelehrter; daher hören und sehen die Leute wenig oder nichts von
Künsten und Wissenschaften, um so weniger, als sie der Literatur nicht
hold sind. Ich glaube, daß die ganze Damenwelt Quitos kein anderes,
als ein Gebetbuch zur Hand nimmt. Was geistige Auffassungskraft und
Talente betrifft, sollen sie, gleich den Peruanischen Frauen, das
männliche Geschlecht übertreffen. Sie mengen sich auch in alles, und
ganz besonders in die Staatsangelegenheiten, für welche sie oft mehr
Interesse zeigen, als die Männer. Dafür werden hier aber auch Mädchen
und Frauen für politische Vergehen eben so gut gestraft, wie die
Männer, und nicht selten auf Monate und Jahre in Klöster gesperrt. Ich
lernte eine junge, sehr interessante Frau kennen (Schwiegertochter
des Generals +Algierre+), die auf ein ganzes Jahr in ein Kloster
gesperrt werden sollte; sie hielt sich jedoch lange Zeit verborgen, bis
die Geschichte halb in Vergessenheit gerieth, und entging glücklich
der Strafe. Gegen die Verbannung der Jesuiten, die vor ungefähr zwei
Jahren statt hatte, kämpften die Frauen mit aller Macht; doch blieben
die Männer Sieger, und die geistlichen Herren mußten den Wanderstab
ergreifen und dem schönen Lande Lebewohl sagen.

Die einzigen Sehenswürdigkeiten Quitos sind die Kirchen. Die Jesuiten-,
Franziskaner-, St. Domingo-Kirche und die Kathedrale zeichnen sich
besonders aus. Sie sind ganz im Geschmacke der Augustinerkirche zu
Lima, im Innern reich und fein vergoldet von der Decke bis zum Grunde,
mit schönem Holzschnitzwerk bedeckt, die Statuen abgerechnet, die
hier wie in Lima wahren Fratzengestalten gleichen. Zu meinem größten
Erstaunen hörte ich dessen ungeachtet stets von den vielen guten
Bildhauern und Bilderschnitzern sprechen, die Quito besitzen soll[21].
Die Hauptaltäre, desgleichen die Säulen rings um den Tabernakel, sind
mit Silberplatten belegt. Außer diesen vier Kirchen gibt es noch
mehrere andere, die reich an Vergoldung und innerer Ausstattung und
nur etwas klein sind. An den Festtagen erscheinen die Heiligen in
kostbaren Kleidern, mit echtem Schmucke. Der Schmuck, den die heilige
Maria am Grün-Donnerstage trägt, soll über 200,000 Thaler werth sein.
Das ausgezeichnetste Stück daran ist ein Rosenkranz von sehr großen,
schönen Perlen.

Die Spitäler für Kranke, Irrsinnige und Aussätzige fand ich unter
aller Kritik. Es wäre gewiß Gott viel wohlgefälliger, wenn die Leute
etwas weniger auf die Ausschmückung seiner Tempel verwendeten und
dagegen jene Anstalten etwas besser bedächten. Ich bediene mich nie
wohlriechender Wässer; aber bei dem Besuche der Spitäler hätte ich
gern ein Fläschchen Kölner Wasser herzaubern mögen. Die verpestete
Luft, die in den Gemächern herrschte, wäre allein hinreichend, Gesunde
krank zu machen. Die sogenannten Säle bestehen aus langen Gängen mit
Nischen, in welchen die armen Kranken auf hölzernen, mit Ochsenhäuten
überspannten Schragen liegen, ohne Polster und Decke. Die Unreinigkeit
war grenzenlos, die Luft dick von Gestank. Jeder der Gänge hatte blos
zwei winzige Fensterchen, das eine am oberen, das andere am unteren
Ende, und selbst diese waren fest verschlossen.

Eben so beschaffen ist das Irrenhospital, in welchem sich auch die
Leprekranken, jedoch in einer besonderen Abtheilung, befinden. Die
Irrsinnigen liefen im Hofe, der gegen die Straße zu nicht einmal
geschlossen war, frei herum; die Leprekranken sind eingesperrt. Wenn
sich ein Paar Leprekranke verheirathen wollen, wird es ihnen gestattet,
und so finden sogar an diesem Orte des größten Elendes manchmal
Hochzeiten statt. Zum Glück für die Nachkommenschaft erfreut sich ein
solches Ehepaar nie eines Kindes.

Weder in diesem noch in dem andern Hospitale sah ich eine Arznei an
der Seite eines Kranken stehen. Es ist wohl eine Apotheke vorhanden;
aber Gott mag dem beistehen, der etwas von den Heiltränken nimmt, die
da zusammen gemischt werden. Die Unordnung ist so groß, daß die Leute
gar nicht finden, was man verlangt. Ich benöthigte Terpentingeist
für meine Insekten und Senfmehl für mich. Ich fühlte mich nämlich,
vielleicht in Folge der feinen Luft oder der beschwerlichen Reise,
während der ersten vierzehn Tage sehr unwohl, konnte nur sehr langsam
gehen, der Athem fehlte mir; auch hatte ich Stechen auf der Brust und
Husten. Nichtsdestoweniger ging ich jeden Tag aus und schleppte mich
überall hin, wo es etwas zu sehen gab. Doch wieder auf die Apotheke
zurück zu kommen -- beim Suchen nach dem Terpentingeist wurde von ein
Paar Dutzend Flaschen jede geöffnet und dazu gerochen, denn sie waren
nicht einmal mit Etiketten versehen; das Senfmehl wollte gar nicht
zum Vorschein kommen. Nachdem ich eine Viertelstunde gewartet hatte
und eben fortgehen wollte, fand man es in einem Winkel. Die Preise
sind ungefähr zehnfach so hoch als bei uns in Deutschland, so daß die
Armen keine Arznei kaufen können und (vielleicht zu ihrem Glücke) zu
Hausmitteln ihre Zuflucht nehmen müssen.

Das Kollegium ist nicht groß, aber für die Zahl der Schüler
hinreichend. Schon in Guayaquil erzählte man mir von einem Museum,
das sich in dem Kollegium Quito’s befinden solle; in Quito selbst
bestätigte man mir sein Vorhandensein. Als ich in das Kollegium ging,
um es zu besehen, führte man mich in -- +einen ganz leeren Saal+, der
vielleicht einst zu einem Museum bestimmt und schon in vorhinein mit
diesem Namen getauft worden ist.

Auch eine Münze wird den Besuchern gezeigt, die aber den größten Theil
des Jahres friedlich ruht.

Um einen gesammten Ueberblick der Stadt und Umgebung zu haben, muß
man den nicht sehr hohen Berg +Panicillo+ ersteigen. Man übersieht
die ganze Hochebene mit den sie begrenzenden, übereinander gehäuften
Gebirgszügen und vielen einzelnen Gebirgsstöcken. Die Gebirge haben
keine auffallenden oder pittoresken Formen. Die ganze Gegend scheint
wasserarm zu sein: nirgends zeigt sich ein Fluß; ein winziges, kleines
Bächlein stürzt sich von dem Pinchincha in eine Schlucht und versieht
ganz Quito mit Trink- und Waschwasser. Morgens und Abends wird es in
offene Kanäle geleitet, welche die Straßen der Stadt durchlaufen, und
säubert sie so wenigstens einigermaßen vom Unrathe.

Auf dem Panicillo sind noch Mauerreste einer Festung zu sehen, die
unter der Spanischen Regierung erbaut worden war.

Neben dem Panicillo erhebt sich der bedeutend höhere Pinchincha, ein
einstiger Vulkan, der aber seit mehreren hundert Jahren erloschen
schien. Zwei Tage, bevor ich Quito verließ, öffnete sich an einer Seite
des Berges, und zwar gerade an jener der Stadt zugewandten, eine kleine
Spalte, welcher Rauch entstieg. Man kann sich denken, in welche Unruhe
diese Erscheinung die Stadtbewohner versetzte. Ich habe in der Folge
nicht vernommen, ob die gefahrdrohenden unterirdischen Kräfte eine
fernere Thätigkeit entwickelten.

Das Leben in Quito ist sehr billig; dennoch gibt es hier, wie in Peru,
Chili, Neu-Granada u. s. w., keine Kupfermünzen. Als die kleinste Münze
kann man den Medio betrachten. Es existiren zwar Quartillos (zwei
auf einen Medio); sie sind aber so selten, daß man sie kaum zu sehen
bekommt. Man pflegt statt der Scheidemünze Brot oder Eier heraus zu
geben, welche Gegenstände auch der Verkäufer an Geldesstatt annimmt.

Man findet in Quito ganz eingerichtete Miethhäuser, mit Spiegeln,
Teppichen, Möbeln, Lampen u. s. w. Für ein sehr wohleingerichtetes
Haus mit acht bis zehn Zimmern zahlt man per Monat höchstens 50
Thaler -- ein sehr billiger Preis, wenn man bedenkt, wie hoch Möbel,
Teppiche, Spiegel u. dgl. durch den Transport über die Cordilleren zu
stehen kommen, denn obgleich es in Quito der Sculpteurs in Menge gibt,
ist doch niemand im Stande, einen ordentlichen Stuhl oder Tisch zu
verfertigen.

Auch die Dienerschaft wird nicht besonders theuer bezahlt. Ein Diener,
eine Magd erhalten nebst Kost drei Thaler per Monat, ein Koch sechs
Thaler. Letzterem gibt man gewöhnlich für den Unterhalt des Hauses
eine bestimmte Summe. In Familien z. B., die aus Mann, Frau, einem
Kinde und ein Paar Dienstleuten bestehen, erhält er einen Thaler per
Tag, wofür er zwei reichliche Mahlzeiten schafft, Morgens eine Suppe,
Sancochado genannt, die aus Fleisch, Mais und Juka (Jams-Wurzeln)
bereitet wird, dann noch zwei Fleischgerichte, Kartoffeln, Eier, Brot,
Butter und Milch; zur zweiten Mahlzeit Hühnersuppe mit Reis, dreierlei
Fleischgerichte, Kartoffeln, Brot und oft noch eine Mehlspeise, und
Abends Brot und Milch zum Thee. Wahrlich genug für einen Thaler, der
nur achtzig Cents gilt!

Ich befand mich gerade in der Charwoche zu Quito und hatte deshalb
Gelegenheit, den wichtigsten kirchlichen Festen beizuwohnen.

Die erste feierliche Prozession fand am Palmsonntage nach der
Kathedrale statt; sie stellte den Einzug des Erlösers in Jerusalem dar.
Den Zug eröffnete die Geistlichkeit, ihr folgten der Präsident, die
Stabsoffiziere, Beamten und Honoratioren, dann kam ein lebensgroßes,
aus Holz geschnitztes Christusbild, auf eine Eselin gebunden; das Thier
erwartete jedoch die Prozession vor der Kirchenthüre und trat erst in
ihre Reihe, als sie in die Kirche einzog. Den Schluß machte das Volk.
Ich sah hier zum ersten Male einem Esel den Eintritt in eine Kirche
gestattet.

Am Montage sollte die Indianische Prozession statthaben. Indianer,
Mischlinge, Alt-Spanier, mit einem Worte alle Ecuadorianer bekennen
sich zwar zur katholischen Religion; allein die Alt-Spanier wollen
nicht mit den Indianern auf eine Stufe gestellt werden, und daher haben
letztere ihre besondere Prozession. Machen es ja die Anglikaner und
Protestanten auch nicht anders, die haben gar Sperrsitze und Logen in
den Kirchen, und wehe dem Armen, der sich in die aristokratischen
Plätze eindrängen wollte! In den katholischen Kirchen Ecuador’s wie
Peru’s findet doch wenigstens keine Absonderung der Reichen und Armen
statt. Der Sklave kann sich neben seinen Herrn setzen, wenn er einen
Platz an seiner Seite leer findet. Es gibt wenig Bänke in der Kirche;
man pflegt kleine Teppiche mitzunehmen, um darauf zu knieen.

Die Indianische Prozession bekam ich leider nicht zu sehen; sie wurde
von dem Bischof zum ersten Male verboten, weil es in den vergangenen
Jahren gar zu toll dabei zugegangen war. Die Anzüge der Leute sollen
so barock und komisch gewesen sein, daß der Zug der lächerlichsten
Maskerade, nicht aber einer heiligen Prozession glich.

Die Hauptprozession fand am Grün-Donnerstag Nachmittags statt. Bei
dieser machte das Militär den Anfang, hierauf folgten Beamte und
Honoratioren, Laienbrüder, Geistliche und eine bildlich dargestellte
Scene aus der Leidensgeschichte Jesu. Nach dieser kamen abermals
Beamte, Honoratioren, Geistliche und Laienbrüder, eine zweite Scene
u. s. w.; ich zählte im ganzen sechs verschiedene Scenen. In einer sah
man Christus am Oelberge, wie ihm der Engel den Labebecher reicht,
während die drei Jünger im Hintergrunde schlafen; in einer andern
sah man ihn, das Kreuz tragend, in einer dritten an die Schandsäule
gebunden, gegeißelt u. s. w. Die Schmerzens-Mutter war mit dem Dolche
in der Brust dargestellt, hatte aber dabei ein langes Schleppkleid von
schwarzem Sammet an und war mit Edelsteinen und dem bereits erwähnten
kostbaren Rosenkranze geschmückt. Die Figuren dieser Scenen waren
lebensgroß in Holz geschnitzt und vollkommen bekleidet; auf dem Kopfe
trugen sie sogar Perücken. Sie waren auf Tribünen befestigt und wurden
mittelst vieler Stangen zu meinem Erstaunen von Indianern getragen. Ich
sage: zu meinem Erstaunen, denn die stolzen Alt-Spanier, die sich mit
den Indianern nicht vermengen wollen und eine besondere Prozession für
sie veranstalten, sollten ihnen um so weniger gestatten, die Bildnisse
Gottes und seiner Heiligen zu tragen.

Den Schluß der Prozession machten neun Domherren in langen, schwarzen
Kleidern mit zwölf Fuß langen Schleppen, die sie nachzogen. Hinter
jeder Schleppe gingen vier Jungen, die nichts anderes zu thun hatten,
als die Schleppen gehörig auszubreiten, wenn sie sich aufschlugen oder
zusammenrollten.

Ich fand an dieser Prozession durchaus nichts erbauliches; sie kam mir
im Gegentheile eher wie ein theatralisches Gepränge vor.

Am Charfreitag Abends ging das Kirchen- und Gräberbesuchen an. Die
Beleuchtung der Kirchen war wahrhaft blendend, der ganze Hintergrund
strahlte in dem Glanze von Hunderten von Lichtern. Auch bei dieser
Gelegenheit waren Scenen aus dem Leben Jesu dargestellt, z. B. das
letzte Abendmahl, die Brotaustheilung, die sieben Sakramente u. s. w.
Lächeln kann man über solche Scenen nicht, der Gegenstand ist zu ernst,
zu würdig; aber bis in das Innerste muß sich jeder nur einigermaßen
denkende Mensch verletzt fühlen, wenn er mit dem Heiligsten solch
ein schmachvolles Spiel treiben sieht. Eine Beschreibung der
fratzenhaften Figuren, der barocken Stellungen, der überaus komischen
Zusammenstellung der Kleidertrachten aus ältester und neuester Zeit
zu machen, wäre schwer, wenigstens für meine Feder. Die Figur z. B.,
die in den sieben Sakramenten die letzte Oelung empfing, hatte die
vollsten, schön gefärbtesten Wangen und leuchtende Augen, gleich
funkelnden Sternen. Gar abscheulich nahm sich die Ehe aus: Braut
und Bräutigam hatten die Gesichter ganz verzogen und so unsichere
Stellungen, daß man meinte, jetzt und jetzt müßte das eine vor-, das
andere rückwärts sinken. In der Scene, wo Jesus die Kindlein zu sich
kommen läßt, hatten diese Banditenmäntel um, die ihnen bis über die
Füße hingen, und dazu auf den Köpfen Strohhütchen oder Käppchen.

Es wäre nöthig, daß der Papst einige ernste, würdige Priester hierher
sendete, um so manchem unsinnigen Treiben Schranken zu setzen. Unter
den bestehenden Verhältnissen ist es freilich nicht zu wundern, daß das
Volk so verdummt und charakterlos ist. Die Geistlichkeit schiebt die
Verderbtheit des Volkes auf die Regierung. Unzweifelhaft tragen beide
Schuld. Noch sind diese Länder viel zu weit zurück und vor allem zu
demoralisirt, um einer republikanischen Verfassung fähig zu sein.

Jede andere Regierungsform, auch die absoluteste, wäre für solche
Staaten besser, als diese republikanische Karikatur. Ich bin nun
schon zu alt, um in meinem Leben noch Gutes von jenen Gegenden zu
hören; aber ich hoffe, daß sie mit der Zeit alle von den Amerikanern
der Vereinigten Staaten verschlungen werden, die mit einem Theile
Mexiko’s bereits den Anfang gemacht haben. Es ist wahr, ich sah auch
in Kalifornien mitunter abscheuliche Handlungen, es waren aber mehr
Einzelnheiten, wie sie unter jeder Regierung vorkommen, und besonders
unter einer neuen und in einem Lande, in welches der Golddurst so viele
Abenteurer lockt.

Am traurigsten ist in Ecuador das Loos der Indianer, dieser armen
Nachkommen der rechtmäßigen Besitzer des Landes.

Ich habe bereits erwähnt, daß während meines Aufenthaltes zu Guayaquil
die Sklaverei aufgehoben wurde. Gänzliche Freiheit! Welche schöne
Worte! -- Man sollte glauben, daß Ecuador den übrigen Republiken
weit voraus sei. Leider ist dem nicht so. Die Lage der Indianer ist
schlechter als Sklaverei. Diese unglücklichen Menschen haben nicht
einen, sondern mehrere Herren, denen sie dienen müssen, von welchen
sie aber keiner kleidet oder speiset. Für ihre Bedürfnisse müssen sie
selbst sorgen, das ist der einzige Vortheil, den sie von der Freiheit
haben. Jeder männliche Indianer muß jährlich eine Kopfsteuer von drei
Thalern zahlen, die mit seinem neunzehnten Jahre beginnt und mit dem
fünfzigsten aufhört. Der sogenannte Alt-Spanier[22], er mag Bauer
oder was immer sein, ist von dieser Steuer befreit. Eine Geldtaxe
ist in diesem Lande, wo der Verkehr durch die hohen Gebirge, durch
die grenzenlos schlechten Wege, durch Mangel an Brücken u. s. w. so
erschwert ist, die härteste Last, besonders für den Indianer, der ohne
Besitzthum, gedrückt und niedergehalten ist.

Die philanthropischen Ecuadorianer behaupten zwar, daß der Indianer,
die Kopfsteuer ausgenommen, dieselben Rechte besitze, wie der
Alt-Spanier, daß er Land bekommen könne, soviel er im Stande sei zu
bebauen. Wie kann er aber Land begehren, wenn er keine Mittel hat es
urbar zu machen, wie kann er die Zeit abwarten, bis es ihm Ernten gibt,
und dabei noch der Regierung, die ihn mit nichts unterstützt, sondern
nur von ihm haben will, die schwere Kopfsteuer zahlen?! --

Gewöhnlich vermiethet er sich als Arbeiter bei den Haziendas-Besitzern.
Diese geben ihm ein Stückchen Land zum Unterhalte, unterstützen
ihn mit allem was er bedarf, natürlich gegen Abrechnung, bezahlen
seine Kopfsteuer und geben ihm einen jährlichen kleinen Gehalt. Der
Hazienden-Besitzer sucht dem Indianer in Lebensmitteln, Branntwein,
Kleidungsstücken fortwährend so viel vorzustrecken, daß letzterer sein
Schuldner bleibt, denn so lange der Indianer Schuldner seines Herrn
ist, kann er ihn nicht verlassen. Im entgegengesetzten Falle kann
er es thun. Stirbt er als Schuldner seines Herrn, so ist die Schuld
aufgehoben: sie wird nie von seiner Familie gefordert.

Ein ferneres großes Uebel für diese armen Menschen sind die
Truppenmärsche. Der Indianer ist zwar als Ersatz für diese schwere
Kopfsteuer von dem Soldaten-Dienste befreit; allein er muß bei den
Märschen die Effekten, Lebensmittel der Soldaten auf seinem Rücken
tragen und erhält als Entschädigung, Schimpfworte und Rippenstöße.
Geht ein freier Indianer zufällig in dem Augenblicke an einer Kaserne
vorüber, in welcher man eines Arbeitsmannes oder eines Gehülfen bedarf,
so springt ein Soldat auf ihn zu und reißt ihm den Strohhut vom Kopfe,
als Zeichen, daß er ihm folgen müsse. Folgt er nicht gutwillig, so
wird er mit Prügeln dazu gezwungen. Ich selbst war in Quito mehrmalen
Augenzeuge solcher barbarischer, widerrechtlicher Handlungen.

Kommt ein Indianer zum ersten Male von den Gebirgen in die Ebenen, so
kann er von jedermann mit Gewalt auf eine bestimmte Zeit in Dienst
genommen werden. Er wird zwar dafür bezahlt, aber natürlich sehr
schlecht. Ich sah in einem Hause einen Indianer sammt seinem Weibe
für einen Thaler per Monat ohne Kost und Kleider dienen. Die armen
Menschen kamen mir wie die Parias in Hindostan vor; sie aßen alles was
man im Hause weg warf, sie kochten die äußeren Blätter des Kohles, des
Krautes, mischten etwas Gerstenmehl bei und genossen das Gericht ohne
alle andere Zuthat, ja sogar ohne Salz; sie schliefen auf der Erde in
einem Winkel der Küche oder der offenen Veranda, kaum zur Hälfte mit
ihren zerrissenen Ponchos zugedeckt.

Diese bedauernswerthe Menschenklasse, noch die beste und
rechtschaffenste im ganzen Lande, wird nicht nur von Alt-Spaniern,
sondern auch von den Mischlingen, ja sogar von den Negern, als tief
unter ihnen stehend betrachtet und mit Verachtung behandelt.

Während meines Aufenthaltes in Quito fügte es der Zufall, daß eine
Theatervorstellung angekündigt wurde, eine Sache, die sich in dieser
Stadt selten ereignet, da sich nicht leicht ein Trupp Schauspieler oder
Künstler über die Cordilleren verliert. Ich freute mich sehr auf diese
Vorstellung, da ich erwartete eine Gesellschaft zu sehen, wie sie bei
uns auf dem Lande von Dorf zu Dorf wandern, die Bühne in der ersten
besten Scheune aufschlagend.

Hier diente das Museum als Theater. Man stellte hölzerne Bänke hinein,
brachte Stühle auf die Gallerie und zündete Talglichter an, die den
Leuten die Kleider beschmutzten. Am Eingang des Vorsaales, in welchem
man die Billete löste, paradirte ein wachthabender Soldat, sein Gewehr
vor den Eingang pflanzend und die Leute mit dem „~A donde va~“ (Wohin
geht Ihr?), so derb anschreiend, daß man ordentlich zurückprallte. Man
mußte antworten: „In das Theater!“ Bei dem wirklichen Eingang in das
Theater stand ein zweiter Posten, ebenfalls das Gewehr vor die Thür
pflanzend und denselben martialischen Anruf wiederholend. Ist mir doch
in meinem Leben kein ähnlicher Unsinn vorgekommen!

Das Publikum war echt republikanisch. Da sah man lumpig gekleidete
Indianer, deren Weiber sogar ihre Säuglinge mitbrachten, Neger, deren
Ausdünstung gerade keine Wohlgerüche verbreitete, Gassenjungen, die
sich um Plätze balgten, als wären sie auf offener Straße; dazwischen
saßen Herren und Offiziere mit ihren Frauen und Töchtern, erstere
in ihren Ponchos, letztere in den großen Umschlagetüchern, die sie
zugleich über den Kopf gezogen hatten. Nur eine Gesellschaft von
drei Frauen und einigen Herren machte eine Ausnahme. Diese Leute
waren geschmückt, als hätte es einen Besuch des Opernhauses in
Paris oder London gegolten -- die Damen sehr entblößt und beladen
mit Schmuck, Federn und Blumen, die Herren in schwarzem Anzuge mit
Glacé-Handschuhen. Das sah wirklich komisch aus inmitten dieser
schmutzigen, etwas gar zu gemischten Gesellschaft.

Die Vorstellung selbst war nicht ein Theaterstück, wie ich erwartete;
ein Taschenspieler machte die erbärmlichsten Kunststücke, die man nur
sehen kann. Jedes Kind hätte sie zum besten geben können; es fand
auch nicht die geringste Täuschung statt. Aber das Publikum war damit
zufrieden, es klatschte dem Pfuscher aus Leibeskräften Beifall zu,
erhob sich und stieg sogar auf die Bänke. Bei einem der Kunststücke
wurde eine Pistole losgeschossen. Dieser unvermuthete Lärm schreckte
die schlummernden Säuglinge auf, und sie fingen alle plötzlich aus
vollen Kehlen zu schreien an, so daß der große Künstler mit seiner
Vorstellung einhalten mußte, bis die kleinen Störer von ihren Müttern
beschwichtiget und wieder eingeschlummert waren.

Nach dem ersten Akte verließ ich das Haus, es war mir nicht möglich
länger zu bleiben. Die einzige Freude, die mir diese Unterhaltung
verschaffte, war zu sehen, daß der Eintritt niemand versagt war.
Der Indianer, der Neger hatte, sobald er bezahlen konnte, dieselben
Rechte, wie jene geputzte und geschmückte Gesellschaft. Die Preise
waren für Quito so hoch (der erste Platz einen halben, der zweite
einen Viertel-Thaler), daß es mir ein wahres Räthsel wurde, woher
das Bettelvolk und die Gassenjungen das Geld hiezu aufgebracht haben
mochten.

Vor meiner Abreise von Quito besuchte ich noch die Hazienda des
Generals +Algierre+, die von allen Hazienda’s, die ich in Ecuador
gesehen, eine glänzende Ausnahme macht. Da herrscht doch geregelte
Ordnung, Reinlichkeit und Wohlhabenheit. Das Wohnhaus ist eines der
schönsten im Lande. Der älteste Sohn des Generals, Herr Carlos Algierre
hat einen Theil seiner Erziehung in Paris genossen; er ist ein feiner,
gebildeter Weltmann und verbindet damit, wie man mir allgemein
versicherte, einen sehr gediegenen Charakter, wie überhaupt die ganze
Familie. Ich fand bei ihm die auserlesensten Werke der französischen
Literatur.

Vater und Sohn haben sich durch Anlegung einer Fabrik, in welcher
weißes Kammertuch erzeugt wird, um ihr Vaterland verdient gemacht.
Sie ließen die hiezu nöthigen Maschinen von Belgien kommen. Ueber
neunhundert Lastthiere waren nöthig, sie von Guayaquil nach Chillo (so
heißt die Hazienda) zu schaffen. Die größeren Maschinen mußten von
Menschen getragen werden. Die Baumwolle wird angekauft, wie sie von
der Ernte kömmt, und verläßt als fertiges Kammertuch die Fabrik. Ein
Belgier leitet das ganze Werk. Außer dieser Fabrik gibt es nur noch
eine im Lande, in welcher grobes Tuch für die Ponchos gemacht wird.

Chillos liegt fünf Meilen von Quito in einem herrlichen, fruchtbaren
Thale, von mächtigen Gebirgen eingefaßt, über welche die Spitze des
Cotopaxi ragt.

Die Briefe, die mir der Ecuadorianische ~Chargé d’affaires~ in Lima,
Herr +Muncayo+, für den Präsidenten und die hohen Beamten mitgab,
brachten mir nicht den geringsten Nutzen. Der Präsident dieser großen
Republik von 400,000 Seelen fand sich im Gefühle seiner hohen Stellung
zu stolz und zu gewichtig, mir den Anblick seiner Person zu gönnen. Er
gab mir, nachdem ich ihm den Empfehlungsbrief gesandt hatte, weder eine
Antwort, noch ließ er mich zu sich bescheiden. Ein anderer Großer des
kleinen Reiches, ein Herr +Larrea+, an den ich ebenfalls einen Brief
hatte, trieb die Höflichkeit noch weiter: er lud Herrn und Frau +White+
zu einer Abendunterhaltung ein, ohne meiner zu erwähnen, obgleich ich
Herrn White’s Gast war. Unter solchen Umständen war natürlich an meine
projectirte Reise nach dem Amozonenstrom nicht zu denken, denn ohne
kräftige Hilfe der Regierung, nicht etwa mit Geld, sondern mit sichern
Leuten, konnte ich sie nicht unternehmen. Die wilden Indianer-Stämme,
durch deren Länder die Reise geht, geben den Reisenden weder Boote noch
Leute; man muß alles mit Gewalt erzwingen, oder durch seine eigenen
Leute Boote zimmern lassen, und sogar die nöthige Nahrung theils
mitnehmen, theils sich durch Erlegung von Wild verschaffen.

Ich war zu meinem großen Leidwesen gezwungen, diesem Plane zu entsagen,
und wollte dafür zu Lande nach +Bogota+, der Hauptstadt Neu-Granadas,
gehen. Diese Reise, fortwährend zwischen den Cordilleren hinführend,
soll im Sommer herrlich, in der Regenzeit aber fürchterlich sein.
Nichts destoweniger war ich dazu entschlossen, denn das schöne Wetter
abzuwarten, dauerte mir zu lange, die Regenzeit endigte, nach dieser
Richtung erst im Monate Juni, und jetzt waren wir noch im April.
Ich handelte von dem Koche des Herrn White einen guten Sattel aus,
bei welcher Gelegenheit ich abermals sah, wie geneigt dieses Volk
zu Betrügereien ist. Der Mann verlangte drei Thaler für den Sattel
in Gegenwart zweier Herren. Ich sagte ihm selbe zu, wenn der Sattel
gut befunden würde (den Sattel hatten wir nicht gesehen, da er ihn
in einem andern Hause bewahrte). Als ich ihn gesehen und bezahlen
wollte, schob der Verkäufer die drei Thaler zurück, dreist behauptend,
daß er vier Thaler gefordert habe. Alle diese Schlechtigkeiten und
viele andere, mit deren Erzählung ich meine Leser verschone, ärgerten
mich so sehr, daß ich sehnlichst wünschte, bald aus dem Bereiche
der südamerikanischen Republiken zu kommen. Die größten Mühen und
Beschwerden sind nicht vermögend meine Reiselust zu vermindern; allein
Völker mit so schlechtem, nichtswürdigem Charakter würden es nur zu
bald bewirken. Ich fühlte mich unter den Kannibalen Sumatras ungleich
zufriedener, als unter diesem christlichen Gesindel.

Ich hatte schon Thiere gemiethet zur Reise nach Bogota, und ging nur
noch zu dem Spanischen Minister, Herrn +de Paz+, um Abschied zu nehmen.
Dieser gute Mann bot seine ganze Beredsamkeit auf, mich von der Reise
abzubringen. Er sagte mir, daß ich sie, obwohl die Entfernung nur 250
Leguas (750 englische Meilen) betrage, in der jetzigen Jahreszeit nicht
unter fünfzig Tagen machen könne, daß ich die größten Schwierigkeiten
finden dürfte, einige der vorkommenden bedeutenden Flüsse zu
übersetzen, und daß ich als Frau den unverschämtesten Betrügereien
und Schlechtigkeiten von Seite der Eingebornen ausgesetzt wäre, da in
dieser Entfernung Briefe oder selbst Befehle der Regierung sehr wenig
oder gar nicht geachtet werden. Ich gab seinen Vorstellungen Gehör,
wozu wohl auch mein Wunsch, diesen erbärmlichen Völkern baldigst den
Rücken zu kehren, viel beitrug, und änderte meinen Reiseplan dahin ab,
daß ich nach Guayaquil zurückkehrte.

Ich kann wohl sagen, daß ich Herrn de Paz mein Leben danke, da
mich seine Vorstellungen dieser Reise entsagen machten. Meine
Gesundheit hatte durch die beständig sich wiederholenden Anfälle des
Sumatra-Fiebers sehr gelitten, und ich glaube kaum, daß ich fünfzig
Tage voll Mühen und Entbehrungen mit stetem Regen und Klimawechsel
hätte überstehen können.

Am +25. April+ verließ ich Quito, und zwar bloß in der Begleitung eines
+Arrieros+. Ich hatte gelobt, keinen Diener mehr mit mir zu nehmen.
Die Reise ließ sich sehr gut an, und ich genoß das Glück, viermal den
Chimborazo in voller Schönheit zu sehen, das erste Mal bei meiner
Ankunft in Ambato, das zweite Mal bei der Abreise, das dritte Mal
bei dem Uebergange und das vierte Mal in Guaranda. Die Sonne selbst
schien entzückt zu sein, das herrliche Werk Gottes beleuchten zu
können; sie goß ihr ganzes Feuer, ihr volles Licht auf ihn und machte
sein jungfräulich-schneeiges Haupt in unbeschreiblichem Schimmer
erglänzen. Ich versank in Anschauung und tiefe Bewunderung. Leider
währten diese erhabenen Anblicke stets zu kurz -- Wolken und Nebel
umschwebten bald die Spitzen, senkten sich immer tiefer und tiefer und
verhüllten nur gar zu rasch dieß Heiligthum der Cordilleren mit ihrem
undurchdringlichen Schleier. --

Ich bemerkte, daß der Chimborazo nicht in einer Spitze ausgeht: er hat
eine Hauptkuppe und drei kleinere; zwischen der Hauptkuppe und den
kleineren scheint sich eine ziemlich bedeutende schiefe Fläche von
Westen nach Osten zu ziehen.

Am überraschendsten ist der Anblick des Berges von Ambato aus, welcher
Ort bedeutend tiefer liegt, als Guaranda. Man glaubt wahrlich, den
Koloß beinahe an die Himmelsdecke stoßen zu sehen. Das letzte Drittel
seiner Höhe steigt in wunderbar ebenmäßiger, kuppelartiger Form empor.

Das Vergnügen, das ich in der Anschauung dieses herrlichen Berges
fand, ließ mich alle Gefahr vergessen. Erst als ich auf die kleine
Hochebene, an die Stelle gelangte, wo der Engländer von seinem Arriero
ermordet worden war, machten mir die die ganze Gegend verdeckenden
Nebelwolken die grausige Einsamkeit fühlbar, in der ich mich befand.
Doch glücklich ward auch diese Tagereise (die vierte von Quito)
vollbracht, und ohne Unfall erreichte ich Guaranda.

Hier kam ich abermals zu einer mir ganz neuen Scene zurecht. Es
war gerade Sonntag, und die Leute unterhielten sich mit einem sein
sollenden Stiergefecht, das aber eben so läppisch und erbärmlich
war, wie die Künste des Taschenspielers in Quito. Dem Stier waren an
den Hörnern Stricke befestigt, die von vielen Männern an zwei Seiten
gehalten wurden, so daß er sich weder links noch rechts einen Schritt
weiter bewegen konnte, als man es für gut fand. Man suchte ihn durch
Zuwerfen von bunten Tüchern und anderen Gegenständen aufzureizen,
allein ohne Erfolg; er blieb ruhig stehen und blickte die versammelte
Volksmenge wie verblüfft an. Am Ende warf man ihm gar eine Schlinge um
den Hals und band ihm die Füße. Nachdem er so gefesselt war, stürmten
die Männer und Jungen auf ihn ein und quälten ihn auf allerlei Weise.
Viele waren auch zu Pferde und jagten im Triumphe um ihn herum; es
konnte kein grausameres und zugleich alberneres Kinderspiel geben
als dieses. Was würden die guten, gemütlichen Hindostaner von diesen
Menschen gedacht haben, wenn sie dieselben eine so schmähliche
Tierquälerei hätten verüben sehen! Nachdem das Spiel mehrere Stunden
gewährt, die Männer, gleich Schuljungen dem gefesselten Thiere
gegenüber ihren Muth und ihre Unerschrockenheit gezeigt, machte die
Nacht dieser edlen Unterhaltung ein Ende.

Ich mußte in Guaranda einen Tag bleiben, um frische Thiere zu miethen.
Ich verstand nun schon so viel von der Spanischen Sprache, um mit den
Leuten ein wenig verkehren zu können und ihre Gespräche aufzufassen.
Zu meinem Erstaunen hörte ich Frauen in Gegenwart ihrer Kinder, in
Gegenwart von Männern und Jünglingen Gegenstände besprechen, die bei
uns kaum zwischen Frauen allein besprochen werden. Diese Leute haben
nicht das geringste Zartgefühl. Ein Herr, der auf Besuch zu der Familie
kam, bei welcher ich wohnte, zog ohne Umstände sein Reitbeinkleid, das
er über ein anderes Beinkleid trug, vor der ganzen Gesellschaft aus.

Ich fand in Guaranda einen Italiener, den ich ersuchte, die Thiere
für mich auszuhandeln, und die Dauer der Reise auf vier Tage
festzustellen. Man macht sie, wenn die Regenzeit im Abnehmen ist,
gewöhnlich in drei Tagen; ich wollte aber vier Tage dazu verwenden,
weil man durch viele Waldungen und Gebüsche kommt, die von Insekten und
Schmetterlingen reich belebt sind, so daß ich mir eine ausgiebige Jagd
versprechen konnte. Ich bezahlte deshalb für die Thiere auch mehr als
den gewöhnlichen Preis. Der Vermiether verlangte die ganze Summe in
vorhinein; ich wollte nur die Hälfte erlegen, um den Arriero in meiner
Gewalt zu haben. Allein der Italiener gab vor, den Mann gut zu kennen,
und versicherte mir, daß ich nichts dabei wage, wenn ich das ganze Geld
sogleich gäbe. Leider that ich es. Kaum waren wir eine Tagereise von
Guaranda entfernt, so sagte mir der Arriero, daß ich die Reise in drei
Tagen machen müsse, sein Herr habe es ihm so aufgetragen. Vergebens
berief ich mich auf die Versicherung des Italieners, auf die größere
Bezahlung. Das Geld war in den Händen des Eigentümers, und wie mir der
Arriero sagte, hatte sein Herr dem Italiener einen kleinen Theil davon
abgegeben, damit er mich zur Vorausbezahlung bewege. Gegen dergleichen
Betrügereien ist freilich nichts zu machen -- kein Mensch hätte meine
Klage angehört, niemand mir Recht verschafft.

Die Wege von Guaranda nach Savanetta waren noch gefährlicher als auf
der Herreise, da es viel und stark bergab ging. Die Thiere glitten
beinahe bei jedem Schritte aus, oder stolperten über die Steine, oder
fielen in die Löcher, von welchen die Straße voll war. Ich hatte das
Unglück, daß mein Maulthier gerade an einem sehr steilen Abhange in ein
Loch stürzte, wobei der Sattelgurt riß, so daß ich mit dem Sattel über
den Kopf des Thieres flog. Der Arriero, statt mir zu helfen, lachte aus
vollem Halse über meinen Sturz. Glücklicherweise kam ich unbeschädigt
davon.

In die größte Lebensgefahr aber geriet ich auf dem Flusse Guaya. Ich
mußte nämlich von Savanetta bis Guayaquil in einem kleinen Boote fahren
(drei Tage). Während des Fahrens an die Außenseite steigend, hatte
ich das Unglück auszugleiten und in den Fluß zu stürzen, der voll von
Kaimans ist. Im ersten Augenblicke erschrack ich nicht so sehr, obwohl
ich nicht schwimmen konnte, da ich dachte, daß die Bootsleute gute
Schwimmer seien und mich gewiß augenblicklich heraus holen würden.
Ich wußte auch, daß ich zweimal an die Oberfläche des Wassers käme,
und sie mich derart leicht sehen könnten. Die Kaimans hatte ich ganz
vergessen. Als ich aber das erste Mal an die Oberfläche kam, sah ich
mich vergebens nach einem Retter um -- ich hatte gerade nur so viel
Zeit, das Boot zu gewahren und zu bemerken, daß die Leute gar keine
Miene machten, mir zu Hülfe zu kommen. Ich sank das zweite Mal. Nun
bekam ich wohl Angst, verlor aber zum Glück die Besinnung nicht; ich
wußte, daß man die Hände vor sich strecken und gleich Rudern gebrauchen
müsse -- ich versuchte, was in meinen Kräften lag -- auf menschliche
Hülfe hatte ich nicht mehr zu rechnen. Und siehe -- als ich zum zweiten
Male auftauchte, befand ich mich unmittelbar an dem Boote; ich hatte
nur nöthig, mich daran zu klammern. Die Bootsleute betrachteten dieß
alles ruhig und gelassen; keiner reichte mir die Hand oder ein Ruder.
Einer der Reisenden (ein Eingeborner) half mir in das Boot. Ich gestehe
aufrichtig, daß, wenn ich dieser Scene gedenke, es mich heute noch
kalt überläuft. Gottes Schutz schien mich auf allen meinen Reisen zu
geleiten, bewahrte mich in zahllosen Gefahren; aber so augenscheinlich,
so unverkennbar ruhte seine Hand nie auf mir wie dießmal. Ich kann
mit Worten meine Gefühle nicht ausdrücken, aber tief fühle ich seine
unendliche Güte und Barmherzigkeit.

Kaum war ich gerettet, so stürzten sich zwei Bootsleute in den Strom,
um sich zu baden. Sie schwammen die längste Zeit um das Boot herum;
es war gerade, als wollten sie mir zeigen, daß sie mir hätten helfen
können, wenn sie gewollt.

Als ich in Guayaquil meinen Unglücksfall erzählte, und mich über die
Schlechtigkeit der Bootsleute beklagte, wunderte man sich noch, daß sie
mich wieder in das Boot gelassen und nicht weggestoßen hatten. Es soll
sich manchmal ereignen, daß die Leute einen Reisenden, vorzüglich wenn
er fremd ist, vorsätzlich in das Wasser werfen, um sich seiner Habe zu
bemächtigen.

In Guayaquil widerfuhr mir zum Abschiede noch der letzte Betrug von
Seite eines edlen Ecuadorianers. Das Boot, in welchem ich die Fahrt von
Savanetta nach Guayaquil machte, gehörte einem reichen Kaufmann, Namens
+Alvaro+, der gleichfalls nach Guayaquil fuhr, jedoch in einem andern
Boote. In dem Preise der Ueberfahrt hatte ich mein kleines Gepäck
ausdrücklich mit einbedungen. Nichts destoweniger war der reiche Mann
so unverschämt, mir bei der Ankunft zu Guayaquil meinen Koffer nicht
auszuliefern, bis ich ihm einen halben Thaler mehr bezahlte.

Geld, Geld ist das einzige, wornach die Leute in diesem Lande
streben; die Menschen thun es zwar überall, aber doch nicht auf so
niederträchtige Weise, durch ähnlich unverschämte Betrügereien wie hier.

Von Guayaquil fuhr ich mit dem Dampfer wieder nach Panama, wo ich
am 21. Mai anlangte und von ~Dr.~ +Autenrieth+ herzlich willkommen
geheißen wurde. Wenige Tage später ging ich über den Isthmus nach
+Aspinwall+, eine sehr kleine Reise (117 englische Meilen), die aber,
wie ich bereits beschrieben, sehr großes Geld kostet. Eine Eisenbahn
war nun schon zum größten Theile vollendet, man war der lästigen
Flußfahrt überhoben und hatte nur mehr sechszehn englische Meilen zu
reiten. Diese kleine Strecke kostete fünfzehn Thaler. Für das Gepäck
mußte man per Pfund fünfzehn Cents (hundert auf einen Dollar) bezahlen.
Ein Platz auf der Eisenbahn kostete 12½ Thaler. Glücklicherweise
gehört die Eisenbahn einer Amerikanischen und nicht einer Englischen
Gesellschaft; in Folge dessen gab man mir mit größter Bereitwilligkeit
unentgeldlich eine Karte.

In einigen Monaten wird die Eisenbahn bis Panama beendet sein, und der
Reisende diesen vor kurzem noch so beschwerlichen Uebergang in wenigen
Stunden machen können.

In Aspinwall wird man von Trägern, Wirthen und dergleichen Volk auf
wahrhaft Kalifornische Art mitgenommen. In den ersten Gasthöfen zahlt
man per Tag vier und fünf, in den billigsten zwei Dollars.

Aspinwall besteht erst seit anderthalb Jahren. Dieses junge Städtchen
hat ein ganz Nordamerikanisches Ansehen; die Häuser sind alle von
Holz und wurden aus den Vereinigten Staaten herüber gebracht, wodurch
sie billiger zu stehen kommen, als wenn sie bei der übertrieben
theuern Arbeit hier angefertigt worden wären. Wo der Amerikaner
etwas zu verdienen hofft, ist er flink bei der Hand; nur will er
die Gelegenheiten gar zu gut benützen, und prellt den Reisenden wo
er kann -- das thut aber der Amerikaner nicht allein, das thun alle
civilisirten und uncivilisirten christlichen Völker.

Am +31. Mai+ Abends verließ ich Aspinwall auf dem schönen Dampfer
„Eldorado“, Kapitän +Grey+, mit der Bestimmung nach Neu-Orleans.


  [21] Ich besuchte einige der vorzüglichsten Ateliers und fand überall
       die gleich schlecht geschnitzten, hölzernen Figuren, wie in den
       Kirchen.

  [22] Hier wie in Peru nennt sich zwar alles „Alt-Spanier“, was nur
       einige Tropfen Spanischen Blutes in seinen Adern hat, und nicht
       reiner Indianer oder Neger ist; allein die Regierung geht, der
       jährlichen drei Thaler wegen, dabei etwas genauer zu Werke.





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MEINE ZWEITE WELTREISE ***


    

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or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™

Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s
goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg™ and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.

Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state’s laws.

The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
and official page at www.gutenberg.org/contact

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread
public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
visit www.gutenberg.org/donate.

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate.

Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

Most people start at our website which has the main PG search
facility: www.gutenberg.org.

This website includes information about Project Gutenberg™,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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