Meine zweite Weltreise : Vierter Theil

By Ida Pfeiffer

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Title: Meine zweite Weltreise
        Vierter Theil

Author: Ida Pfeiffer

Release date: March 17, 2025 [eBook #75641]

Language: German

Original publication: Wien: Carl Gerold, 1856

Credits: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by eBooks on Demand at the University of Vienna.)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MEINE ZWEITE WELTREISE ***


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                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1856 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler
  wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr
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  fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.

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  folgenden Symbole gekennzeichnet:

        gesperrt: +Pluszeichen+
        Angiqua:  ~Tilden~

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[Illustration: Holzschnitt und Druck von Eduard Kretzschmar in Leipzig.

Niagara-Fall.]




                                 Meine

                           Zweite Weltreise.


                                  Von

                             Ida Pfeiffer,

 Verfasserin der „Reise in das heilige Land“, der „Reise nach Island“
                  und der „Frauenfahrt um die Welt.“


                            Vierter Theil.

                  Vereinigte Staaten von Nordamerika.


                                 Wien.

                          Carl Gerold’s Sohn.
                                 1856.




     Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen behält sich die
                           Verfasserin vor.


                     Druck von Carl Gerold’s Sohn.




Inhalt des vierten Bandes.


  Achtzehntes Kapitel.      Seite

  Neu-Orleans. -- Oeffentliche Gebäude. -- Hôtels. --
  Der Französische Marktplatz. -- Oeffentliche Sklaven-Versteigerung.
  -- Besuch einer Plantage. -- Die Sklaverei.
  -- Beispiele von grausamer Behandlung der Sklaven.
  -- Die freien Neger und Farbigen. -- Nachsicht
  mit den weißen Verbrechern.                                  1

  Neunzehntes Kapitel.

  Abreise von Neu-Orleans. -- Napoleon. -- Fahrt auf
  dem Arkansas. -- Little Rock. -- Gesellschaft auf den
  Dampfern. -- Amerikanische Ungezwungenheit. -- Kinder-Emancipation.
  -- Fort Smith. -- Die Cherokee-Indianer.
  -- St. Louis. -- Highland. -- Die Farmer.
  -- Pipin- und St. Croix-See.                                32

  Zwanzigstes Kapitel.

  St. Paul. -- Die St. Antony-Fälle. -- Die Pelzjäger.
  -- Die Fahrt in der Postkutsche. -- Stillwater. --
  St. Croix. -- Rückkehr nach Galena. -- Amerikanische
  Geduld. -- Chicago. -- Der Michigan-See. -- Milvaukee.
  -- Die unterirdische Eisenbahn. -- Die Mormonen.
  -- Der Lake Superior. -- Die Indianer. --
  Der Huron- und Erie-See. -- Cleveland. --
  Niagara-Falls-Village.                                      70

  Einundzwanzigstes Kapitel.      Seite

  Die Fälle des Niagara. -- Der Ontario-See. -- Die
  tausend Inseln. -- Montreal. -- Quebek. -- Die Amerikanischen
  Eisenbahnen. -- Neu-York. -- Merkwürdigkeiten
  der Stadt. -- Die Hôtels. -- Die schwarzen
  Minstrels. -- Emancipation. -- Gerichtsverfahren.          104

  Zweiundzwanzigstes Kapitel.

  Die Umgebungen Neu-Yorks. -- Die öffentlichen Institute.
  -- Blackwells- und Randalls-Island. -- Die Five-Points.
  -- Reise nach Boston. -- Der Empfehlungsbrief.
  -- Festessen der Massachusetts-Mechaniker-Gesellschaft.
  -- Waisenhaus, Gefängniß u. s. w. -- Cambridge.
  -- Lowell. -- Rückkehr nach Neu-York. -- Die
  Wahl. -- Abschied von den Vereinigten Staaten.             141

  Dreiundzwanzigstes Kapitel.

  Ankunft in Liverpool. -- Reise nach St. Miguel. -- Punta-del-Gada.
  -- Sonderbare alterthümliche Gebräuche.
  -- Villa-Franca. -- Das Ilheo. -- Der Badeort Furnas.
  -- Die heißen Quellen. -- Abreise von St. Miguel.
  -- Die Einfahrt des Tajo. -- Lissabon. -- Ankunft
  in England. -- Nachruf.                                    171




Achtzehntes Kapitel.

  Neu-Orleans. -- Oeffentliche Gebäude. -- Hôtels. -- Der französische
  Marktplatz. -- Oeffentliche Sklaven-Versteigerung. -- Die
  Sklavenhändler. -- Besuch einer Plantage. -- Die Sklaverei. --
  Beispiele von grausamer Behandlung der Sklaven. -- Die freien Neger
  und Farbigen. -- Nachsicht mit den weißen Verbrechern.


Die Entfernung von Aspinwall nach Neu-Orleans beträgt 1440 Seemeilen,
von welchen 1350 auf den Mexikanischen Meerbusen, 90 auf den
Mississippi kommen. Die Fahrt bis an die Mündung dieses mächtigen
Stromes legten wir ohne Unfall oder Abenteuer in fünf Tagen zurück.
Die schmutzig gelben Wogen des Mississippi wälzen sich der See mit
Ungestüm entgegen, und meilenweit vom Gestade erkennt man sein Gewässer
an der Färbung. An der Mündung erscheint der Strom endlos wie die See.
Auch höher hinauf noch breitet er sich schrankenlos über das tief
liegende Erdreich aus, und gönnt kaum hie und da einer Sandbank, einem
Erdfleckchen Platz. Nach und nach drängt sich mehr Land hervor, der
kühne Fischer wagt es schon, sein bescheidenes hölzernes Hüttchen
darauf zu bauen; noch höher hinauf beginnen die künstlichen Erdwälle,
die den Strom einfassen und sein Bett beschränken. Einen ängstlichen
Eindruck macht es zu Anfang auf den Reisenden, den Strom sechs bis
acht Fuß über das Land emporragen zu sehen: statt auf das Ufer hinauf,
blickt man auf dasselbe hinunter. Wie leicht kann er seine Fesseln
brechen und Tod und Verderben über die sorglosen Ansiedler bringen! Den
Fischerhütten folgt bald fetter Grasboden, diesem einzelnes Gestrüppe,
das nach und nach Gruppen bildet und endlich in kleine Waldungen
übergeht. Da kommt auch schon der Mensch mit seinem Fleiße. Mais und
Zuckerpflanzungen wechseln mit den Waldparthien, und wie das Land an
Räumlichkeit gewinnt, vermehrt sich die Kultur, bis zuletzt die schönst
geordneten Pflanzungen sich ununterbrochen an einander reihen. Die
netten Häuser der Pflanzer, die Zuckermühlen mit ihren hohen Kaminen,
die kleinen, aber niedlich aussehenden Hütten der Sklaven verleihen dem
Ganzen ein überaus freundliches Aussehen. Beneidenswerth möchte man
das Loos der Bewohner nennen, wüßte man nicht, daß alle, die Pflanzer
ausgenommen, -- Sklaven sind.

Ungefähr auf halbem Wege zwischen der Mündung des Mississippi und
Neu-Orleans kommt man an dem einfachen Fort „+Jackson+“ vorüber.

Gegen Mitternacht fiel der Anker vor +Neu-Orleans+, der größten Stadt
in dem Staate +Louisiana+.

Ungeachtet der späten Stunde eilten die meisten Reisenden noch an’s
Land, jeder hatte Freunde oder Verwandte und wußte, wohin zu gehen --
ich hatte niemanden aufzusuchen, ich stand allein und verweilte daher
bis zum folgenden Morgen ruhig in meiner Zelle.

Bei der Landung bekam ich schon einen kleinen Vorgeschmack von der hier
herrschenden republikanischen Gleichheit. Unter den Reisenden befand
sich ein sehr hübsches Mädchen von etwa zwanzig Jahren, mit blendend
weißer Hautfarbe und schönem, schwarzem Haar, das nur vorn ein wenig
gekräuselt war und so dem scharfen Beobachter einigen Zweifel an der
Reinheit des Blutes hätte einflößen können. Kaum hatte die Arme den Fuß
an’s Land gesetzt, so wurde sie von einem Gerichtsdiener angehalten und
in das Gefängniß gebracht, wo sie abwarten mußte, bis ihre Verwandten
kamen, zu beweisen, daß sie frei sei.

Ich hatte dieses Mädchen schon bemerkt, als ich mich in Aspinwall
einschiffte; sie fiel mir durch ihre Schönheit und durch ihr
bescheidenes Benehmen auf. Sie verschwand jedoch alsbald und kam
während der ganzen Reise nicht wieder zum Vorschein. Als ich mich
erkundigte, ob sie seekrank sei, daß sie gar nie zu Tisch käme, gab
mir einer der Herren, die Nase rümpfend, zur Antwort: „Wie könnte eine
Farbige es wagen, in unsere Gesellschaft zu kommen? Jede unserer Frauen
würde vom Tische aufstehen.“ Und diese Weißen mit so abgeschmackten,
inhumanen Ideen sind dieselben, die den ganzen Sonntag über nichts
anderes thun, als Kirchen besuchen und die Bibel lesen, von der sie (so
beweist wenigstens ihr Benehmen) wahrhaftig nicht mehr zu verstehen
scheinen, als ein Papagei von den Worten, die er plappern lernt.

Am letzten Tage der Reise, schon nahe der Gegend von Neu-Orleans, kam
das arme, von der Gesellschaft verbannte Geschöpf manchmal auf das
Deck; ich sprach mit dem Mädchen und fand sie höchst liebenswürdig und
gebildet -- ich möchte allen weißen Mädchen wünschen, daß sie ihr an
Bildung und Bescheidenheit glichen.

Die Stadt Neu-Orleans steht auf morastigem Grunde, an manchen Stellen
acht Fuß unter dem Niveau des Stromes. Sie nimmt sich sehr gut aus,
ist regelrecht gebaut, besitzt viele schöne Häuser von Backsteinen,
breite Straßen und einige hübsche Squares (Plätze) mit freundlichen
Gartenanlagen. Schade, daß die Straßen, wenige ausgenommen, so
schmutzig und unrein sind! Längs der Fußwege laufen wohl kleine Rinnen
oder Kanäle für fließendes Wasser; aber theils sind sie ausgetrocknet,
theils gleichen sie im vollsten Sinne des Wortes den ekelhaftesten
Pfützen; man ist häufig gezwungen, das Tuch vor die Nase zu halten. Mit
dem Unrathe nehmen es die Leute auch nicht so genau: sie werfen vieles
auf die Straße. Im Regenwetter sind manche Straßen beinahe ganz unter
Wasser. Bei dieser Unreinlichkeit, mit der sumpfigen Gegend rings umher
und der glühenden Hitze, ist es nicht zu wundern, daß diese Stadt so
oft von dem gelben Fieber besucht wird.

Neu-Orleans zählt bei 150,000 Einwohner, von welchen ungefähr ein
Drittheil Franzosen, ein Drittheil Amerikaner, ein Drittheil Deutsche
und andere Nationalitäten. Unter dem Namen „Amerikaner“ versteht man
eigentlich nur jene, die von den Engländern abstammen. Meiner Meinung
nach gebührt dieser Name entweder allen von Einwanderern Abstammenden,
die im Lande geboren, oder gar keinem, denn „Amerikaner“ ist eigentlich
nur der Indianer. Allein der Stolz der Engländer verleugnet sich
nirgends, und so haben sie sich ausschließend einen Namen zugeeignet,
der ihnen so viel oder so wenig zukommt, wie allen übrigen Nationen.

Neu-Orleans ist für den Welthandel der Vereinigten Staaten im Süden,
was Neu-York im Norden. Es ist die drittgrößte Handelsstadt, aber die
erste als Ausfuhrplatz.

Der Strom ist meilenlang mit Dampfern und Schiffen jeder Art bedeckt.
Achthundert Dampfer befahren von hier aus den Mississippi und dessen
Nebenflüsse. Ein großer Theil dieser Dampfer hat vier- bis sechshundert
Pferdekraft, zwei Stockwerke, schöne Gallerieen -- man glaubt eine
Stadt von hölzernen Palästen vor sich zu sehen.

Im Spätherbste soll es auf dem Mississippi noch ungleich lebhafter
zugehen, als es zur jetzigen Zeit der Fall war. Da ist die Ernte
vorüber, Zucker und Baumwolle, die Hauptartikel der Ausfuhr, liegen
bereit und werden in alle Weltgegenden versendet. Im Jahre 1853 wurden
gegen fünf Millionen Zentner Zucker ausgeführt.

Seit kurzem haben die Pflanzer angefangen, mit der Guano-Düngung
Versuche zu machen, wobei sich ein Gewinn von 100-150 Prozent ergab.
Welch’ ungeheuere Steigerung wird dieß mit der Zeit in der Produktion
bewirken!

Außer dem Mississippi, dem mächtigsten Strome der Vereinigten Staaten,
außer der Schiffswelt, die sich längs der Stadt ausbreitet, hat
Neu-Orleans nicht viel Anziehendes. Die Umgebung ist eben, auch nicht
durch den kleinsten Erdhügel unterbrochen.

Unter den Gebäuden zeichnen sich die Hôtels (besonders das St.
Charles-Hôtel), die Münze, die Banken, die Maurer- und andere Logen,
das Charity-Hospital, die katholische Kathedrale aus. Beinahe alle
diese Gebäude sind aus Quadersteinen erbaut.

Die katholische Kathedrale nimmt sich sehr gut aus, ist in Gothischem
Style gebaut und besitzt einen schönen, eisernen, durchbrochen
gearbeiteten Thurm. Das Innere ist einfach und sauber, nur mißfiel mir
die nach dem Vorbilde von London gemachte Eintheilung in Logen und
Sperrsitze.

Das Hôtel St. Charles ist überaus großartig angelegt: es hat ein
herrliches Portal mit einer Säulenreihe. Die innere Einrichtung
entspricht der äußeren Pracht. Hohe, große Empfangssäle, mit dem
größten Luxus ausgestattet, Lese-Säle mit allen Zeitungen der Welt,
dabei zahllose Dienerschaft und eine Kost, die selbst dem Verwöhntesten
nichts zu wünschen übrig läßt. Man zahlt zwar drei Dollars per Tag;
bedenkt man aber, was man alles dafür hat, so ist der Preis nicht gar
so übertrieben. Ueber die Maßen theuer dagegen sind die Empfangszimmer,
wenn man sie zu seinem ausschließenden Gebrauche miethen will:
ein Empfangszimmer kostet per Tag acht Dollars. Doch werden sie
selten gemietet. Der Amerikaner geht den größten Theil des Tages
seinen Geschäften nach; kommt er nach Hause, so verweilt er in den
allgemeinen Besuch- oder Lese-Zimmern. Da wird geschrieben, gelesen,
Musik gemacht, Kinder tummeln sich umher, eins nimmt auf das andere
keine Rücksicht, jeder benimmt sich, als wäre er in seinen eigenen
Zimmern. Eben so ungezwungen geht es bei Tisch zu. Man ist in Betreff
der Mahlzeiten nicht an bestimmte Stunden gebunden. Das Frühstück
beginnt z. B. um 7 Uhr Morgens und währt bis 10, das Gabelfrühstück von
12 bis 2 Uhr u. s. w. Man kommt in dieser Zeit je nach Belieben und
läßt sich geben, was die Speisekarte enthält. Bei Tische geht es höchst
einsilbig zu. Der Amerikaner betrachtet, wie bereits erwähnt, selbst
das Essen als ein Geschäft und schlingt die Speisen so hastig hinunter,
daß ihm für ein Gespräch keine Muße bleibt. Ueberdieß sprechen sich
Leute, die sich nicht kennen oder einander nicht vorgestellt worden
sind, gar nicht an; dieß würde für eine halbe Beleidigung gelten. Und
so kann ein Fremder in dem größten Gasthause wohnen und täglich in
zahlreicher Gesellschaft speisen, ohne Gelegenheit zu finden, auch nur
eine Bekanntschaft zu machen oder ein Wort anzubringen.

Das Charity-Hospital ist sehr gut eingerichtet; die Gemächer sind
ziemlich groß, Betten und Wäsche weiß und rein. Ein Theil der
Krankenpflege wird von barmherzigen Schwestern besorgt, welchen man
vorwirft, mit gar zu großem Eifer aus den Kranken und Sterbenden
Proselyten zu machen. Thun doch die Anglikaner, Presbyterianer, und
wie alle die Sekten heißen, dasselbe! Jeder meint, daß die Form seiner
Religion die einzig wahre und seligmachende sei.

Außer dem Charity-Hospital gibt es viele sehr gut eingerichtete
Privat-Spitäler, in welchen der Kranke täglich einen Dollar bezahlt.

Die Münze ist die schönste in den Vereinigten Staaten. Das herrlichste
Gebäude dürfte jedoch das Zollhaus werden, welches im Bau begriffen
ist, an dessen Vollendung man aber leider zweifelt. Es nimmt einen
ganzen Block[1] ein.

Das Wasserwerk in +La Fayette+ besteht aus einem sehr großen Becken,
welches aus dem Mississippi gefüllt wird. Von dem Becken ist das Wasser
in die Häuser geleitet, wofür jede Familie sechs bis zehn und auch mehr
Dollars per Jahr, je nach dem Bedarfe, bezahlt.

Die Marktplätze, besonders der sogenannte „Französische,“ sind äußerst
bequem und schön, die Hallen groß und luftig und in Reihen für die
verschiedenen Artikel, als Fleisch, Gemüse, Fische u. s. w. getheilt.
Auch an gekochten und gebratenen Eßwaaren gibt es keinen Mangel, alle
sehr zierlich und reinlich aufgestellt. Thee, Kaffee und Chokolade
werden ebenfalls ausgeschenkt; eine große Tasse dieser Getränke nebst
drei kleinen Kuchen kostet nur fünf Cents. Nicht nur die Marktleute
und Käufer, auch viele Geschäftsleute kommen hierher, ihr Frühstück
einzunehmen.

Der Französische Markt ist besonders Sonntags früh Morgens sehr
interessant. Die Neger und Negerinnen strömen von weit und breit
herbei, Naturerzeugnisse oder die Handprodukte, die sie in ihren
Freistunden verfertigen, zum Verkauf zu bringen. Sie sind vorzüglich
geschickt im Korbflechten.

Wenn man die Sklaven auf diesem Markte sieht, sollte man gerade nicht
glauben, daß es ihnen gar so hart ergeht, wie viele behaupten, und wie
es leider im allgemeinen wirklich der Fall ist. Sie sind ordentlich und
gut gekleidet, bringen viele Produkte auf den Markt, und umlagern die
Kaffee- und Schenktische in großen Massen.

Ich besuchte während meines Aufenthaltes zu Neu-Orleans zu
verschiedenen Malen die Sklavenmärkte, so wie auch die Orte, wo die
Sklaven öffentlich versteigert werden.

Die Haupt-Sklavenversteigerungen finden jeden Sonnabend in einem
prachtvollen, hohen Saale statt, der bequem an 500 bis 600 Personen
fassen mag. In demselben Lokale werden an den andern Tagen der Woche
Ländereien, Häuser u. s. w. versteigert. Rings herum in dem Saale
sind drei Fuß hohe Tribünen errichtet, auf welchen die Ausrufer
sammt den armen zu verkaufenden Opfern stehen. Die Sklaven sind gut
gekleidet und herausgeputzt, und werden so gestellt, daß sie von den
Kauflustigen vollkommen gut gesehen werden können. Der Ausrufer liest
ihr Alter, ihre körperliche Beschaffenheit, Tugenden, Fähigkeiten
u. s. w. ab, macht den Preis bekannt, und die Versteigerung beginnt.
Der Ausrufspreis für eine junge Mutter mit einem Kinde auf dem Arme,
einem andern an der Hand war 600 Dollars, das höchste Angebot 1280.
Der Eigenthümer gab sie jedoch dafür nicht her; der Preis war ihm noch
um einige hundert Dollars zu geringe. Mädchen von zwölf bis dreizehn
Jahren sah ich für 600 Dollars verkaufen. Diese armen Geschöpfe sahen
dem Verkaufe mit besonders fröhlichen Mienen entgegen, sie gefielen
sich in ihren schönen Kleidern und dachten wohl, daß die ganze
Gesellschaft sie bewundere -- es war vielleicht der seligste Tag ihres
Lebens!! --

Ich konnte diese Menschenversteigerung nicht lange mit ansehen -- ich
fand es wahrhaftig gar zu empörend, daß Menschen so tief sinken, so
ganz aller Moral, aller Humanität vergessen, ihres gleichen wie Thiere
zu er- und verhandeln.

Bei den Sklavenhändlern fand ich die Sklaven in Höfen sich aufhaltend.
Sie arbeiteten nicht, waren gut gekleidet und stets zum Verkaufe
bereit gehalten. Ich that, als hätte ich eine Köchin nebst einem
Diener nöthig. Sogleich wurden alle Sklaven durch den Schall einer
Glocke zusammen berufen und in zwei Reihen aufgestellt, in der einen
die Männer, in der andern die Weiber und Mädchen, worauf das Loben
und Anpreisen von Seite des Verkäufers anging. Für eine gute Köchin
verlangte er 1200 Dollars, für einen Diener, der, wie er sagte, noch
nicht ganz abgerichtet war, 1100 Dollars.

Die Sklavenhändler werden, sonderbarer Weise, sehr verachtet;
niemand geht mit ihnen um; sie sind beinahe wie von der menschlichen
Gesellschaft ausgeschlossen. Ich möchte fragen, ob denn der
Sklavenhalter achtbarer ist, als der Sklavenhändler? Kauft und verkauft
der Herr nicht so gut wie der Händler? Lebt der eine nicht so gut
wie der andere von dem Schweiße dieser Armen? Werden die Sklaven von
beiden nicht als Vieh angesehen und behandelt? Wahrlich, wenn man
die menschliche Gesellschaft betrachtet, mit ihren widersinnigen
Unterschieden und Kleinlichkeiten, muß man sie oder sich selbst oft für
irrsinnig halten.

Auch auf Plantagen hatte ich Gelegenheit, die Lage der Sklaven zu
beobachten; ich besuchte mehrere und brachte auf einer derselben,
bei Herrn +Kok+, einem reichen Sklavenhalter, in der Nähe von
+Donaldsville+ mehrere Tage zu.

Ich bin natürlich der Sklaverei so feind, wie jeder Mensch, der
ein Herz im Leibe hat. Ich sehe in ihr den größten Schandfleck der
Menschheit und möchte behaupten, daß jener, der Sklaven hält oder
damit handelt, den Namen „Mensch“ oder gar „Christ“ nicht verdient.
Ich war nicht das erste Mal in Sklavenstaaten, und überall erregte die
Sklaverei meinen tiefsten Abscheu; aber hier noch ungleich mehr wie
irgendwo, denn hier war ich von Republikanern umgeben, die auf ihre
Freiheit, auf ihre Gleichheitsrechte so stolz thun, daß sie denjenigen
gleich niederschießen möchten, der sie darin zu beeinträchtigen
oder zu stören sucht. Und diese freien Männer können sich selbst so
erniedrigen, können mit so öffentlicher Schamlosigkeit alle Grundsätze
der Religion und Moral mit Füßen treten?! Mit diesen bittern Gefühlen
besuchte ich die Pflanzungen, und war daher durchaus nicht geneigt, sie
mit günstigen Augen zu betrachten.

Doch muß ich gestehen, daß ich wenigstens auf jenen, die ich besuchte,
das Schicksal der armen Sklaven minder hart fand, als ich mir
vorstellte, was besonders der Fall auf Herrn Kok’s Pflanzungen war.
Dieser Herr, so wie seine Gemahlin, mögen wohl zu den besten und
menschenfreundlichsten Sklavenhaltern gehören; selbst ihre ganz jungen
Kinder scheinen schon die Gefühle der Eltern zu theilen. Ich sah eines
derselben, einen sechsjährigen Knaben, bei Tische von allen Gerichten
etwas bei Seite legen. Als ich ihn frug, für wen das bestimmt sei, gab
er mir zur Antworte „Für ein Negermädchen, unsere Gespielin, die etwas
unwohl ist.“

Die Negerwohnungen auf Herrn Kok’s Plantagen bestanden aus
abgesonderten kleinen Hütten, deren jede ein geräumiges Gemach
enthielt, in welchem entweder eine Familie, oder zwei bis drei
Unverheirathete wohnten. Die Betten waren gut und mit Polster,
Wolldecken, ja sogar mit Muskitonetzen versehen. In jeder Hütte gab
es wenigstens einen Tisch, einige Schemel, eine hölzerne Truhe. Eine
große Hütte in der Mitte des Dorfes war zur Aufbewahrung der kleinen
Kinder bestimmt, deren Eltern zur Arbeit gingen. Eine muntere, kräftige
Negerin führte die Aufsicht über sie. Nach einer Entbindung bleibt die
Mutter vier Wochen ganz zu Hause, und so lange das Kind der Mutterbrust
bedarf, sorgt man, daß sie in der Nähe der Wohnung Beschäftigung findet.

Auch an einem Hospitale fehlte es nicht, aus zwei geräumigen Gemächern
bestehend und mit recht guten Betten versehen. Ein Arzt kommt jede
Woche, und wenn es die Nothwendigkeit erfordert, jeden Tag.

Ich ging mehrere Male ohne Begleitung des Herrn Kok in das Dorf. Die
Leute waren anständig gekleidet; ich sah manche vor der Thüre ihrer
Hütte sitzen, mit einem tüchtigen Stücke Weißbrod in der Hand; auch
gebratenes frisches Schweinefleisch bekommen sie von Zeit zu Zeit.
Gegen sechs Uhr Abends kehrten sie von der Arbeit heim, munter und
lachend; das Abendmahl, aus Maismehl und Fleisch bestehend, war
bereitet und schmeckte gut, die Portionen waren reichlich. Nach
eingenommenem Mahle gingen sie von einer Hütte zur andern, saßen
zusammen, schwatzten und schäckerten -- sie schienen ihr Loos durchaus
nicht unglücklich zu finden. Besonders gut hatten es die Haussklaven
bei Herrn Kok. Ich bemerkte nie, daß sie stark ausgezankt oder gestraft
wurden, und ich suchte doch unbeachtet so viel wie möglich alles zu
beobachten.

Wenn es auf allen Pflanzungen so zuginge, wäre Sklaverei freilich
besser als die Lage vieler Bauern und Arbeitsleute in Europa. Man gehe
nach Rußland und sehe, wie der Bauer behandelt wird. Der russische
Bauer ist Sklave seines Herrn, Sklave der Regierung, Sklave der
Beamten, Officiere, ja nicht selten des gemeinen Soldaten. Er muß dem
Gutsherrn Frohndienste leisten, der Regierung Steuern zahlen, sich von
jedem Beamten, Officier und Soldaten Schläge und Mißhandlungen gefallen
lassen, und dabei für seinen Lebensunterhalt selbst sorgen. Kein Mensch
schafft ihm ein Kleid, wenn das seine in Lumpen vom Körper fällt, kein
Mensch reicht ihm einen Bissen Brod, zahlt seine Steuern, wenn sein
Feld zu wenig gibt. Was die Mißhandlungen betrifft, die ihm zu Theil
werden, könnte man davon so schauderhafte Geschichten erzählen, wie man
sie von den Sklavenhaltern erzählt. Der Herr, die Frau, die Aufseher
mißhandeln ihn nach Gefallen, der Beamte, der Officier, ja der gemeine
Soldat bezahlen ihm die geleisteten Dienste mit Prügel und Fußtritten.
Wenn ein Weib, ein Mädchen die Aufmerksamkeit des Gutsherrn erregt
und seine Wünsche nicht gutwillig erfüllt, ist sie, sind alle ihre
Verwandten der Rache desselben Preis gegeben. Der russische Bauer darf
die Scholle Erde nicht verlassen, auf welcher er geboren ist; er wird
+nur+ auf 25 Jahre zum Soldatendienst gezwungen, er wird mit der Knute
zum Frohndienste, zum Straßen- und Brückenbaue, zum Vorspann und andern
Leistungen getrieben, für welche er keine Entschädigung erhält. Für ihn
gibt es kein Gericht, seine Peiniger selbst sitzen als Richter an der
Tafel. Dabei aber besitzt er nicht, gleich dem Sklaven, einen Herrn,
der ihn theuer erkauft hat, und daher für ihn sorgt, wenigstens seine
leiblichen Bedürfnisse befriedigt. Wahrhaftig, das Loos eines Sklaven
könnte man noch für erträglicher halten als jenes eines Russischen
Bauern! --

Unverzeihlich finde ich es, daß sich die Regierung der Vereinigten
Staaten gar nicht um das Schicksal der Sklaven bekümmert. Die
Sklavengesetze sind höchst mangelhaft und schlecht, und selbst auf die
Befolgung der wenigen und schlechten Gesetze wird nicht gesehen. Die
Amerikaner sagen: „Da hätte die Regierung viel zu thun, sie kann sich
nicht zum Spione machen; das wären Eingriffe in die Freiheit“ u. s. w.
Ich meine aber, wenn sie sich in andern Zweigen der Verwaltung zum
Spürhunde hergibt, und z. B. die Wirthe ausspionirt, die am Sonntage
ein Glas Bier ausschenken, oder die Gäste, die es trinken, oder die
Uebertreter des Maine-Gesetzes[2], so kann sie es auch thun, wo es
sich um einen ganz ohne Vergleich wichtigeren Gegenstand handelt. Oder
ist es vielleicht ein geringeres Verbrechen, einen Menschen zu Tode zu
martern, als an einem Sonntage ein Glas Bier zu trinken? Warum vermag
die Holländische Regierung in Indien die Sklaven so trefflich zu
schützen? Ein despotischer Staat sorgt für die Milderung des Zustandes
dieser des ersten Menschenrechtes beraubten Unglücklichen, und ein
freier Staat, mit dessen Prinzip, dem gesunden Menschenverstande nach,
Sklaverei unvereinbar sein sollte, erlaubt und begünstiget sie nicht
bloß, sondern ermäßiget sie nicht einmal durch gute Gesetze! -- In
den Vereinigten Staaten darf der Sklave nicht Zeugniß abgeben, ja
unbegreiflicher Weise nicht einmal klagen. Das Gesetz erlaubt, den
Mann von seinem Weibe, die Kinder (jedoch nicht vor dreizehn Jahren)
von ihren Eltern zu reißen und zu verkaufen. Was für herzbrechende
Scenen mag es bei ähnlichen Gelegenheiten geben! Möchte doch solchen
Gesetzgebern, solchen Sklavenverkäufern dasselbe Schicksal widerfahren,
damit ihr abgestumpftes Gefühl ein wenig aufgerüttelt würde!

Ich will hier aus Hunderten von Beispielen, welche die grausame
Behandlung der Sklaven von Seite der Weißen darthun, nur einige
anführen. Ich ziehe sie aus: „Amerikanische Sklaverei, wie sie ist,
bestätigt von tausend Augenzeugen,“-- herausgegeben in Neu-York 1839.

       *       *       *       *       *

Herr G..., Erzieher bei einer Pflanzerfamilie, die den Ruf der Milde
hatte, schreibt im Juli 1832 ungefähr folgendes: „Eines Morgens, als
das Tischgebet vor dem Frühstücke beendet war, verlangte eines der
Kinder Syrup (Molasses). Die Sklavin gab ihm eine Portion auf den
Teller, vielleicht ein wenig größer wie sonst, doch nicht mehr, als das
Kind häufig zu essen pflegte. Der Herr ward darüber so aufgebracht,
daß er aufstand, die Hände der Sklavin mit einer Hand festhaltend,
sie mit der andern so lange aus allen Kräften schlug, bis er von der
Anstrengung ermüdet auf den Stuhl sank und sagte, seine Hand sei zu
schwach, um fortzufahren. Er zog hierauf seinen Schuh aus, und begann
mit dem Absatze desselben auf die Arme loszuschlagen. Sie konnte sich
endlich nicht enthalten zu schreien und suchte mit den Ellbogen den
Kopf zu schützen. Der Herr rief einen Neger herbei, und ließ ihn die
Hände der Sklavin hinter dem Rücken festhalten, damit er ungestört
fortprügeln konnte. Die Sklavin fiel endlich vor Schmerzen zu Boden und
rief Herrn G. um Hilfe an. Nichts desto weniger wurde mit dem Schlagen
fortgefahren. Herr G. meinte schon, daß sie den Geist aufgeben müsse.
Sie stand jedoch auf, ging hinaus, um sich vom Blute zu reinigen, und
kam, bevor man vom Tische aufstand, wieder in den Saal. Kein Mensch
würde sie erkannt haben, der Kopf war ganz aufgeschwollen, die Ohren
handdick, die Augen mit Blut unterlaufen u. s. w.“

Für dergleichen Kleinigkeiten hat sich der Pflanzer gar nicht zu
verantworten.

Eine andere Geschichte:

Herr P. erzählt von einem Herrn +Benjamin Jakob Harris+, Sklavenhalter
in Richmond, daß er ein Negermädchen von 15 Jahren zu Tode gepeitscht
habe. Während er sie schlug, machte seine Gattin ein Eisen glühend und
brannte sie damit an verschiedenen Theilen des Körpers. Das Verdikt
lautete: „Gestorben in Folge zu harter Schläge“ -- und der Mörder wurde
losgesprochen.

Einige Jahre später peitschte derselbe +Harris+ einen Sklaven zu Tode.
Er wurde abermals losgesprochen, da außer Sklaven niemand Zeuge dieser
That war.

Ein Kapitän von der Marine der Vereinigten Staaten zürnte einst über
seinen Negerjungen. Er stellte ihn auf einen Stuhl, band ihm die
Hände mit einem Stricke vorne zusammen, schlang den Strick um einen
Balken, zog den Jungen so hoch auf, daß er gerade mit den Zehen auf dem
Stuhle stehen blieb, und peitschte ihn in dieser Stellung mit kurzen
Unterbrechungen so lange, bis er ohnmächtig wurde und starb.

Auch dieser feige Henker wurde losgesprochen.

In +Goochland+ (Virginia) band ein Aufseher einen Mann an einen Baum,
schlug ihn in kurzen Zwischenräumen auf das grausamste, umgab den Baum
hierauf mit Strauchwerk, zündete es an und verbrannte langsam das arme
Schlachtopfer. Weil der Thäter ein Farbiger, nicht ein Weißer war,
wurde er zwar nicht aufgehenkt, wie er es verdient hätte, aber doch
wenigstens auf einige Monate eingesperrt.

       *       *       *       *       *

Mehr als tausend ähnliche Fälle enthält das Buch. Wenn man solche
Unthaten sieht und erzählen hört, könnte man versucht werden zu
wünschen, daß die Neger sich zusammenrotten und auch einmal an ihren
grausamen Henkern das Richteramt ausüben, ihnen gleiches mit gleichem
vergelten möchten! --

Dasselbe Buch sagt auch, daß die Sklavenhalter eine Zusammenkunft
gehabt hätten, um zu berathen, was mehr Nutzen brächte, die Sklaven gut
zu halten und dadurch das Kapital zu schonen, oder sie zu überarbeiten
und nach sieben bis acht Jahren zu verlieren. Leider soll das letztere
als mehr Nutzen bringend befunden worden sein. Und so sterben viele
Sklaven im Uebermaße körperlicher Anstrengung frühzeitig dahin. Das
Gesetz erlaubt in +Süd-Karolina+, den Sklaven im Sommer fünfzehn, im
Winter vierzehn Stunden täglich zur Arbeit anzuhalten, während der
Verbrecher durchschnittlich nur neun Stunden zu arbeiten hat. Die
meisten Sklavenstaaten haben jedoch keine Gesetze in dieser Beziehung;
der Pflanzer kann seine Sklaven ungestraft zu Tode arbeiten lassen.

Um den Unterricht der Sklaven bekümmern sich diese weisen und
menschenfreundlichen Gesetze nur in so ferne, daß sie denselben
verbieten. +Einen Sklaven lesen oder schreiben zu lehren, wird von dem
Gesetze strenge bestraft[3].+ -- Hier ist das Gesetz kein Spion!

Man ist aus allen Kräften bemüht, die Neger auf jener Stufe zu
erhalten, auf der sie waren, als man sie aus ihrem Vaterlande riß.

Auch über den Religionsunterricht ist nichts vorgeschrieben. Hie und
da befaßt sich eine Pflanzersfrau damit und hält eine Sonntagsschule,
d. h. sie liest den Sklaven aus der Bibel vor, lehrt sie Psalmen und
heilige Lieder singen -- die Moral mögen sie selbst herausfinden (eine
gewiß sehr schwierige Sache, da sie das christliche Betragen ihrer
Herren stets vor Augen haben). Auch Priester gehen zeitweise auf die
Pflanzungen, um zu lehren, d. h. zu predigen. Mehr darf nicht geschehen.

Höchst sonderbar finde ich es, daß die Weißen die Sklaven einerseits
den Thieren gleich stellen, und andererseits ihnen das Theuerste,
die Kinder, anvertrauen. Die Negerin säugt sie, pflegt ihre erste
Kindheit, ja bleibt nicht selten die Vertraute des herangewachsenen
Mädchens. Hiezu finden die Eltern die Schwarzen vollkommen geeignet.
Muß dieser nahe Umgang mit so rohen sinnlichen Menschen nicht sehr
schädlich auf Sitten, Charakter und Bildung der Kinder einwirken? Muß
das Sittlichkeitsgefühl des Kindes, Mädchens oder Jünglings durch das
Beispiel, durch die Redensarten dieser Leute nicht gänzlich untergehen?
Ist dieß nicht von Seite der Eltern ein grenzenloser Leichtsinn, ein
gänzliches Vergessen ihrer Pflichten? Aber weil +sie+ so erzogen
wurden, mögen es ihre Kinder auch wieder werden: es ist gar zu bequem,
diese schwere Sorge andern zu überlassen. Daß es unter den Eltern auch
Ausnahmen gibt, versteht sich von selbst.

Ich möchte beinahe glauben, daß sich das Sklavenwesen durch seine
Folgen in manchen Beziehungen an den Weißen selbst rächt. Die Kinder
werden gewöhnt, sich jeden Dienst leisten zu lassen: es wäre eine
Schande, sich selbst auch nur ein Band zu binden, oder etwas von dem
Boden aufzuheben, -- der Sklave ist des Kindes Hand. Natürlicher Weise
werden die Kinder dadurch launenhaft, befehlshaberisch, träge, boshaft;
jede Energie, die Kraft zu handeln, ja selbst zu denken, geht verloren
und leider das Gefühl auch. Ein in den Sklavenstaaten erzogener
Jüngling, ein daselbst erzogenes Mädchen unterscheidet sich sehr zu
seinem Nachtheile von der in den freien Staaten erzogenen Jugend. Und
wirkt die Erziehung, die man in der Kindheit genießt, nicht auf das
ganze Leben?

Nicht minder hart als Sklaverei ist das Loos der freien Neger und
Farbigen, und zwar eben sowohl in den freien wie in den Sklavenstaaten.
Sie sind theils durch das Gesetz, theils durch die albernen
Vorurtheile der +duldsamen Christen+ von der menschlichen Gesellschaft
ausgeschlossen, gehören eigentlich gar keinem Stande zu, weder dem
Sklaven- noch dem Bürgerstande, und sind die Parias der Vereinigten
Staaten.

Um ihnen das Erniedrigende ihres Schicksals noch tiefer fühlen zu
lassen, gab man ihnen die Erlaubniß, Schulen zu besuchen, sich zu
bilden. Es ist dieß eine raffinirte Quälerei, der despotischsten
Regierung unwürdig. Durch die Bildung wird der Ehrgeiz erweckt,
der Neger und Farbige lernt sich als Mensch, lernt die Rechte der
Menschheit kennen -- wozu? -- um zu sehen, daß er von den Menschen
ausgestoßen, daß er der Rechte derselben beraubt ist. Denn das Gesetz
läßt ihn nicht Bürger des Staates werden, gibt ihm keine Stimme bei
den Wahlen, erkennt ihn nicht als Zeuge, ja ein Neger oder Farbiger
darf sogar keine Ehe mit einer Weißen eingehen. Muß der Arme nicht zum
Menschenfeinde werden? Muß durch so harte, widersinnige Gesetze nicht
jedes bessere Gefühl in ihm erstickt werden? Und ist es nicht die erste
Pflicht einer Regierung, mag sie was immer für einen Namen haben, auf
die Moral, auf die Sittlichkeit der Menschen zu wirken? Hier ist es
gerade das Gesetz, das der Moral Hohn spricht, und seine Verachtung des
menschlichen Gefühls geht so weit, daß wenn ein Weißer Kinder mit einer
Negerin oder Farbigen zeugt, er sie nicht einmal anerkennen darf. Will
er die Achtung seiner Mitbürger erhalten, so muß er ihnen die Erziehung
verweigern; verkauft er sie aber, allein oder sammt der Mutter, was
nicht selten vorkommen soll, so bleibt er ein +Ehrenmann+.

Oft sprach ich über das Schicksal dieser Unglücklichen, hörte aber die
Amerikaner stets behaupten, daß das vollkommen in der Ordnung sei, und
daß, wenn es den Leuten nicht gefalle, sie in ihr Vaterland gehen oder
nach Europa auswandern könnten.

In ihr Vaterland gehen?

Wo ist denn ihr Vaterland? Etwa in Afrika? Sind sie dort geboren? Haben
sie dort ihre Familie? Sprechen sie die Landessprache? Nichts von alle
dem. Seit fünfzig Jahren darf kein Sklave mehr eingeführt werden.
Die heutige Nachkommenschaft ist in Amerika geboren, Amerika ist ihr
Vaterland, und nicht Afrika, denn meiner Meinung nach haben die in
Amerika gebornen Neger so gut Anspruch auf den Namen „Amerikaner,“ als
die von den Europäischen Einwanderern abstammenden Weißen. Das ihnen
von den Amerikanern aufgedrungene Vaterland kennen sie nicht einmal dem
Namen nach.

Nach Europa auswandern?

Wer gibt ihnen die Mittel dazu? Und was sollen sie in einem Welttheile
machen, der übervölkert ist, der jährlich Hunderttausende von
Auswanderern nach allen Weltgegenden sendet? Europa ist nicht Amerika.
In Amerika bedarf man noch sehr der Hände und Köpfe. Die Einwanderung
ist es, welcher die Vereinigten Staaten die Stufe der Macht und
Bedeutung verdanken, auf der sie heut zu Tage stehen.

Kaum sollte man glauben, daß es Leute gibt, die behaupten, daß das
Sklavensystem in seinen Folgen sehr wohlthätig auf die Eingebornen
Afrika’s einwirke. Die freien Neger, sagen sie, werden erzogen,
erhalten guten Unterricht in der Religion. Sendet man sie dann nach der
Neger-Republik +Liberia+ in Afrika, so können sie dort ihre Landsleute
bekehren und gleichsam Missionär-Dienste verrichten.

Eine sehr kluge, +fein erfundene+ Entschuldigung des Sklavensystems! --

Wenn diese Abgesandten ihren Landsleuten erzählen, welches Heil ihnen
durch die Christen widerfahren ist, wie sie, so lange sie Sklaven
waren, von den meisten Weißen schlechter als deren Lastthiere behandelt
wurden, wie man sie für die kleinsten Vergehungen grausam marterte und
züchtigte, aus Spaß oft zu Tode prügelte, wie man sie mit Arbeiten bis
zum Hinsinken überlud und als Belohnung für die geleisteten Dienste
im Alter halb verhungern und verderben ließ, wie sie als freie Leute
noch immer von den Weißen verachtet, aus der menschlichen Gesellschaft
verstoßen, aller Rechte beraubt wurden, wie sie jedem weißen Schurken
nachstanden, sich an keine Tafel, in keinen Omnibus setzen durften,
im Theater abgesonderte Plätze hatten, als wären sie Aussätzige! --
ja, wenn von diesen Erzählungen ihre Landsleute nicht begeistert und
hingerissen werden und nicht haufenweise zum Christenthume übergehen,
so müßte man ihnen wahrhaftig allen Verstand absprechen. Ewig schade,
daß es nicht auch für uns Christen irgend wo einen Staat gibt, in
welchem wir derselben menschenfreundlichen Behandlung theilhaftig
werden könnten, gleich den Negern und Farbigen in den Vereinigten
Staaten! Es wäre nur der höchst wohlthätigen Folgen wegen, die sie auf
das Christenthum haben müßte.

Es gibt bisher dreizehn Sklavenstaaten, nämlich: +Florida+, +Georgia+,
+Texas+, +Karolina+, +Virginia+, +Kentucky+, +Tennessee+, +Alabama+,
+Mississippi+, +Louisiana+, +Arkansas+, +Missouri+, +Maryland+, nebst
einem Theile von +Kolumbia+. Vielleicht werden mit der Zeit noch
einige zuwachsen, es wäre nur wegen des Glückes, welches Afrika daraus
bevorstünde!! --

Den schroffsten Gegensatz zu der Behandlung der schwarzen und
farbigen Amerikaner bildet die Nachsicht der Regierung mit den weißen
Verbrechern.

Ich war drei Wochen in Neu-Orleans, und während dieser Zeit vergingen
wenige Tage, an welchen nicht ein Mord, eine Brandlegung stattfand.

Ich sprach einst empört über einen Mord, der in einer Nacht verübt
wurde. Ein Arbeiter schnitt in Streit und Trunkenheit seinem Weibe
den Hals ab. Man lachte mich über meine Gefühls-Aeußerungen beinahe
aus, und sagte, daß wenn ich fünf bis sechs Monate hier bliebe, ich an
dergleichen Dinge gewöhnt werden und gar nicht mehr darüber sprechen
würde.

Wirklich fand kaum einige Nächte später schon ein zweiter derartiger
Fall statt, bei welchem der Mann nach verübter That sich aufzuhängen
versuchte.

Ein in Trunkenheit, Eifersucht oder Streit verübter Mord wird selten
hart bestraft, und ganz besonders gilt das Laster der Trunkenheit als
große Entschuldigung. Aber auch selbst nicht betrunkene Verbrecher
kommen leicht durch, wenn sie reich sind und sich Freunde zu machen
verstehen. So hatte z. B. vor mehreren Monaten in Kentucky ein gar
schändlicher Mord statt, und der Mörder wurde dennoch gänzlich
freigesprochen.

Die Sache war folgende: Ein Knabe besuchte eine Schule, blieb häufig
aus, machte die Aufgaben gar nicht oder schlecht und entschuldigte sich
stets mit Lügen. Der Lehrer, hierüber aufgebracht, nannte ihn einst
einen Lügner. Der Knabe erzählte dieß, wahrscheinlich seiner Gewohnheit
nach mit Lügen und Uebertreibungen, seinem Vater und Bruder. Letzterer,
ein Jüngling von achtzehn bis zwanzig Jahren, bewaffnete sich mit einer
Pistole, gab seinem Bruder ein großes Messer, ging mit ihm nach dem
Schulhause und schoß nach kurzem Wortwechsel den Lehrer nieder. Der
Vater, ein reicher Mann, erkaufte die Jury, und der Mörder kam ohne
die geringste Strafe davon. Dieser Fall war so empörend, daß das Volk
die Jury-Männer, den Mörder und seinen Vater öffentlich beschimpfte,
wodurch erstere gezwungen wurden, ihre Stellen aufzugeben, letztere
ihre Besitzungen zu verkaufen und nach einem andern Staate
überzusiedeln. Traurig, wenn das Volk den Richter machen muß! --

Brandlegungen geschehen häufig von den Eigenthümern selbst, welche
die kostbaren Waaren erst in Sicherheit bringen, Gebäude, Waarenlager
u. s. w. überschätzen und auf diese Art aus derlei Schurkereien einen
schönen Gewinn ziehen.

Wenn ich über solche Gegenstände Bemerkungen machte, hieß es: „Was
wollen Sie? Amerika ist noch ein junges Land; es wird mit der Zeit
schon anders werden.“

Ich weiß nicht, ich möchte glauben, daß es in seiner Kindheit, zur
Zeit des großen +Washington+ besser war, als es jetzt in seiner Jugend
ist. Gute Gerechtigkeitspflege ist die erste Pflicht eines Staates
und vom größten Einflusse auf die Moralität seiner Bürger; schlechte
Gerechtigkeitspflege verdirbt das Volk. Wo die Leute nach Aemtern
und Stellen aus der einzigen Absicht streben, sich zu bereichern, wo
der Reiche alles durchsetzen, alles erkaufen und ungestraft, oder
doch beinahe so, Verbrechen begehen kann, gehen Vaterlandsliebe und
Moralität verloren. Amerika war nach der Trennung von England mit
einem reinen, makellosen Bogen Papier zu vergleichen -- Europa mit
einem mit Tintenflecken besudelten. Was hätte auf diesem schönen Bogen
nicht alles geschaffen werden können, und zwar um so leichter, als das
alte Europa leider nur zu deutlich die Fehler und Mißbräuche aufweist,
welche einer vollkommenen Gestaltung im Wege liegen. Was hätte aus
einem Lande wie Amerika werden können, das von der Natur so reich
ausgestattet ist und gegen keins der großen Uebel Europa’s zu kämpfen
hatte! Leider aber ward der reine Bogen nicht so heilig bewahrt und ist
mit der Zeit ziemlich stark besudelt worden!

Der Eindruck, den die Vereinigten Staaten bei meinem ersten Eintritte
auf mich machten, konnte nach dem, was ich hier in Neu-Orleans
sah, unmöglich ein sehr günstiger sein. Obwohl ich mich über meine
persönliche Aufnahme nicht zu beklagen hatte, und besonders von Herrn
+Dürmayer+ und der Familie +Höffer+, in deren Hause ich die letzten
acht Tage zubrachte, viele Freundschaftsdienste erfuhr, so war ich doch
herzlich froh, dieser Stadt den Rücken zu kehren, die man mit vollem
Rechte auch eine Stadt der Wunder nennen könnte, denn wunderbar klingt
es, Sklavenhändler, Sklavenbesitzer von Freiheit und Menschenrechten
sprechen zu hören.


  [1] Die Straßen in den Amerikanischen Städten bilden gleichmäßige
      Vierecke, „Blocks“ genannt.

  [2] Das Maine-Gesetz verbietet den Genuß geistiger Getränke. Es
      entstand zuerst in dem Staate Maine, und erhielt daher seinen
      Namen. Die Staaten, die dem Maine-Gesetze beigetreten sind,
      werden Temperance-Staaten genannt.

  [3] Ein Kind eines Pflanzers hatte einst den Einfall, seiner
      Gespielin, einem Negermädchen, die Buchstaben kennen zu lehren.
      Als die Mutter dieß zufällig sah, erschrack sie sehr darüber und
      verbot ihrem Kinde streng, damit fortzufahren, -- ja die Angst
      der Mutter war so groß, daß das Negermädchen aus dem Bereich der
      Familie geschafft wurde, um das Bischen Wissen so schnell als
      möglich zu vergessen.




Neunzehntes Kapitel.

  Abreise von Neu-Orleans. -- Napoleon. -- Fahrt auf dem Arkansas.
  -- Little Rock. -- Gesellschaft auf den Dampfern. -- Amerikanische
  Ungezwungenheit. -- Kinder-Emancipation. -- Fort Smith. -- Die
  Cherokee-Indianer. -- St. Louis. -- Highland. -- Die Farmer. -- Pipin-
  und St. Croix-See.


Am +23. Juni+ verließ ich Neu-Orleans auf dem prachtvollen Dampfer
„+Belfast+,“ der den Mississippi aufwärts ging. Kapitän +Taylor+,
Eigenthümer des Schiffes, war so artig, keine Bezahlung von mir
anzunehmen; mein Name war ihm durch die Zeitungsberichte bekannt.

Die innere Einrichtung dieses Dampfers war sehr kostbar. Schwere
Teppiche deckten den Boden, große Spiegel zierten die Wände, mit Sammt
überzogene Möbel, ein schönes Piano die Säle. Die Kost bestand aus
vier überaus reichen Mahlzeiten mit Backwerk, Eis u. s. w. Speisesaal,
Schlafkabinen, Betten ließen an Pracht und Bequemlichkeit nichts zu
wünschen übrig, und dabei war der Preis sehr billig: von Neu-Orleans
bis St. Louis (1200 Seemeilen) 25 Dollars, stromabwärts gar nur 20. Die
Amerikaner finden aber sogar diesen geringen Preis übertrieben.

Ich fuhr nur den halben Weg nach dem Städtchen +Napoleon+, um von
da aus auf dem +Arkansas+, der in den Mississippi mündet, nach Fort
+Smith+ zu gehen.

Unterwegs wurde häufig an Städten und Ortschaften angehalten, von
welchen die bedeutendste +Baton-Rouge+ mit ungefähr 30,000 Einwohnern.
Obwohl viel kleiner als Neu-Orleans, wird diese Stadt als die
Hauptstadt von Louisiana betrachtet, da sie mehr im Mittelpunkte
liegt. Das Gouvernements-Gebäude gleicht einem Palaste; es steht auf
einem kleinen Hügel, um welchen sich die Stadt lagert, und besitzt ein
schönes Säulenportal.

Die Stadt +Vicksburg+ scheint an Größe um ein geringes Baton-Rouge zu
übertreffen; sie liegt auf niedrigen Hügeln.

Am +26. Juni+ Abends gelangte ich nach +Napoleon+.

Ich hatte nun von der Mündung des Mississippi bis Napoleon an 700
Meilen gemacht, ohne auf dieser langen Strecke eine Ansicht zu finden,
die mich nur im geringsten angesprochen, viel weniger bezaubert hätte.
Der Strom als solcher ist erhaben: er gleitet majestätisch zwischen den
reichen Urwäldern dahin; allein die fortdauernde Einförmigkeit seiner
Ufer wird nur zu bald ermüdend, und man ist froh, die Fahrt auf dem
raschen Dampfer zu machen. Die ersten hundert Meilen von Neu-Orleans
an bieten nichts als große Pflanzungen von Zucker, Mais, Baumwolle in
weiten Ebenen, die im Hintergrund von Waldungen begrenzt sind. Später
werden die großen Pflanzungen seltener und kleiner, die Waldungen
vorherrschend. Letztere sind zwar dicht und hübsch, aber Riesenstämme
haben sie nicht aufzuweisen. Bei Baton-Rouge zeigen sich die ersten
Hügelbildungen, Höhen von fünfzehn bis zwanzig Fuß, die sich aber bald
wieder in den Ebenen verlieren. Bei Vicksburg erscheinen sie wieder auf
eine kurze Strecke und mögen da ein Paar Fuß höher sein.

Für den Pflanzer sind diese Ansichten gewiß überaus reizend, da er sie
aus einem andern Gesichtspunkte als der Reisende betrachtet, und die
unermeßlichen Strecken Landes, die seinem berechnenden Geiste Nahrung
und Hoffnung geben, bewundert.

Das einzige Originelle in diesem Lande mochten die Eingebornen
gewesen sein, die aber, seit die Weißen hier hausen, beinah gänzlich
verschwunden sind. Kein +Wig-wam+ steht mehr in den finstern Hainen,
kein Indianer erscheint bewaffnet mit Bogen und Pfeil und dem
Scalpirmesser an der Seite. Die wenigen Eingebornen, die man bei
einigen Städtchen und Ortschaften noch sieht, kommen mir wie exotische
Gewächse vor; sie waren mit Europäischen Lappen behangen und aller
ihrer Volks-Eigenthümlichkeiten schon halb entfremdet.

Obgleich die Reise nur drei Tage währte, hatten wir dennoch zwei
traurige Fälle an Bord. Ein Mann starb an der Cholera, und ein freier
Neger, Aufwärter am Tische, schlug im Streite einen seiner Gefährten
todt. Die Ursache des Streites war folgende: Der Thäter schlief nahe
an der Schiffsglocke, sein Gefährte band ihm aus Scherz die Füße an
dieselbe, und rief ihm hierauf zu, daß es Zeit sei, die Tafel zu
decken. Der Schläfer sprang auf, setzte dadurch die Glocke in Bewegung,
und bekam natürlicher Weise von dem Steuermanne einen tüchtigen
Verweis. Darüber erboßt, fing er mit seinem Kameraden einen Streit an,
ergriff ein Stück Holz und versetzte ihm damit über den Kopf ein paar
so tüchtige Schläge, daß er ihm die Hirnschale spaltete -- zwei Stunden
später war der Arme todt.

Die Reisenden sprachen über diese That mit einer empörenden
Gleichgültigkeit. Die Jungen von acht bis zehn Jahren gingen hin,
um den Erschlagenen anzusehen und kamen mit heiterer Miene zurück,
erzählend was sie erblickten, als wären sie Zeuge irgend einer
ergötzlichen Scene gewesen. Man weiß, daß Menschenleben in Amerika
nicht hoch geschätzt wird; aber das Gefühl bei der Jugend schon so
frühzeitig abgestumpft zu finden, ist doch traurig.

Das Städtchen +Napoleon+, erst kürzlich dem Walde entstiegen, ist
noch gänzlich von demselben umgeben. Ich blieb hier nur einen Tag und
schiffte mich auf dem kleinen Dampfer „+Thomas P. Ray+“ nach +Little
Rock+, dem Hauptstädtchen des +Arkansas+-Staates ein. Die Entfernung
beträgt 300 Meilen, die wir in 42 Stunden zurücklegten.

Auf dem Arkansas, so wie auf den meisten Nebenflüssen des Mississippi
kann man sich nur kleiner Fahrzeuge bedienen, da die Flüsse im Sommer
sehr wasserarm werden, und selbst die kleinsten Dampfer müssen durch
einige Monate ihre Fahrten einstellen.

Von einem großen Dampfer auf solch einen kleinen versetzt zu werden,
ist ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht. Auf dem „Thomas P.
Ray“ herrschte noch überdies wenig Ordnung. Es gab hier z. B. keine
kleinen abgetheilten Schlafkabinen, sondern die Herren schliefen in
einer gemeinschaftlichen Kabine, die Frauen ebenfalls. Außer mir befand
sich nur eine Frau mit zwei Kindern an Bord. Man denke sich aber meine
Verwunderung, als der Gemahl dieser Frau Abends in unsere Kabine kam
und daselbst eine Schlafstelle einnahm. Wir hatten eine Hitze von 108
Grad Fahrenheit, und ich war gezwungen, die schweren Vorhänge an meiner
Schlafstelle zuzuziehen. Auch Morgens mußte ich mich mühsam hinter
den Vorhängen ankleiden, und so an das Waschbecken treten, wo ich mir
natürlich kaum die Augen und die Fingerspitzen waschen konnte. Freilich
nehmen es die Damen in diesem Lande nicht so genau wie bei uns[4]. Die
Sparsamkeit war auf diesem Dampfer ebenfalls sehr groß. Dem Trinkwasser
wurde nur bei Tisch ein einziges Stückchen Eis beigegeben, während
man auf den großen Dampfern zu jeder Stunde des Tages Eiswasser haben
konnte. -- Kaffee, Thee wurde ohne Milch getrunken, obgleich wir zu
verschiedenen Malen im Tage anlegten, und die Milch in diesem Lande ein
so billiger Artikel ist, daß eine ganze Flasche voll nur einen Cent
kostet. Das Mittagsmahl bestand am ersten Tage aus gebratenen Hühnern
mit Kartoffeln, am zweiten gar nur aus etwas Schinken mit Kartoffeln.
Dabei waren die Preise höher, als auf den Prachtdampfern, die den
Mississippi befahren.

Die beiden Ufer des Arkansas sind von dichten Waldungen eingesäumt, die
sich noch über den größten Theil des Landes zu erstrecken scheinen. Der
Fluß selbst ist so voll von hervorragenden oder, was für die Schiffe
noch gefährlicher ist, kaum mit etwas Wasser überdeckten Baumstämmen,
daß es der größten Vorsicht bedarf, hindurch zu steuern. Nachts wird
nur bei hohem Wasserstande und hellem Mondscheine gefahren.

Little Rock zählt 3000 Einwohner und gleicht mehr einem niedlichen
Walddorfe, als einem Städtchen; die Häuser liegen weit von einander,
meistens mitten in Gärten und Gebüschen.

Ich fand hier als größte Merkwürdigkeit ein musikalisches Talent, ein
sechsjähriges Mädchen, +Marie Schaar+, von deutschen Eltern, das erst
seit fünf Monaten Klavierunterricht, und noch dazu sehr schlechten
erhalten, und zum Erstaunen richtig und gut spielte. Jede Melodie, die
man ihm einige Mal vorsang, spielte es nach, das Accordion behandelte
es meisterhaft, obwohl es darauf gar keinen Unterricht bekommen hatte.
Schade, daß das schöne Talent in dem kleinen Städtchen schwer eine
höhere Ausbildung erlangen dürfte!

Ich mußte in Little Rock bis 1. Juli auf den niedlichen Dampfer
„Colonel Drennen“ warten, der von hier nach Fort +Smith+ (300 Meilen)
fuhr. Auf diesem Dampfer war mehr Ordnung und eine hinreichend gute
Kost.

Die Fahrt auf dem Arkansas gefiel mir ungleich besser, als jene auf
dem Mississippi. Der Arkansas ist zwar als Fluß mit jenem gar nicht zu
vergleichen; im Gegentheil ist sein Wasserreichthum so geringe, daß die
Dampfer häufig auf Sandbänke auffahren und nur mit großer Mühe wieder
flott gemacht werden können. Das Auge aber hat hier, wegen der vielen
und häufig aufsteigenden Hügel- und Bergketten (wenn auch diese von
keiner bedeutenden Höhe), einen weiten und abwechselnden Spielraum; es
herrscht nicht die tödtende Einförmigkeit wie auf dem Mississippi. Die
Umgebung ist hier ebenfalls noch wilde Natur -- Wald, wohin das Auge
blickt; nur hie und da erscheint ein kleines Maisfeld, gleich einem
vorgeschobenen Posten der Cultur. Aermliche Holzhütten liegen unter den
Bäumen halb versteckt; selten wird man einen ihrer Bewohner ansichtig.
Niedere Hügelreihen treten auf, höhere Berge hinter ihnen. Schön nimmt
sich eine Felsenparthie aus, sechs bis acht Meilen hinter Little Rock,
von den Amerikanern mit Unrecht „+Big-Rock+“ (großer Felsen) genannt,
denn ihre Höhe übersteigt nicht dreißig bis vierzig Fuß. Noch schöner
sind die +Dardanellen+[5]. Felsen von ungefähr vierzig bis fünfzig Fuß
Höhe stehen gleich Soldaten in Reihen an beiden Seiten des Flusses.
Die Reisenden waren alle entzückt von diesem großen Naturwunder
und meinten, daß es in der Welt nichts Schöneres geben könne. Im
Hintergrunde zeigt sich der 500 Fuß hohe Berg +Magazine+, der höchste
der ganzen Umgebung; er zeichnet sich durch einen langen, schmalen,
ebenen Rücken von allen andern Bergen aus.

In diesen Gegenden, wo man selten an einem Städtchen oder Oertchen
vorüberfährt, wo alles noch wilde Natur ist, wo man nicht einmal
die fällende Axt hört, hier machte es auf mich einen eigenthümlich
erhabenen Eindruck, das große Kunstwerk menschlichen Schaffens, den
Dampfer, stolz dahinbrausen zu sehen. Wenn seine Schaufelräder inne
hielten, herrschte Todtenstille rings umher.

Obwohl die Wälder überall dicht und üppig stehen, die wenigen
Maisfelder schöne Früchte tragen, behauptet man dennoch, daß der Staat
Arkansas nicht unter die fruchtbaren zu zählen sei, und daß es deßhalb
so wenig Ansiedlungen gäbe. Einst, wenn Amerika das traurige Schicksal
Europa’s haben und übervölkert sein wird, dürften sich die Züge der
Einwanderer auch nach Arkansas wenden. Jetzt hat man es noch nicht
nöthig, mit dem Lande zu sparen, da es für den üppigsten Boden noch zu
wenig Hände gibt.

Die Gesellschaften, die ich bisher auf den Dampfern traf, schienen eben
nicht zu den gebildetsten zu gehören. Allgemein lachte man mich aus,
wenn ich, während Holz geladen wurde, in den Wald ging, um Insekten zu
fangen. Von einem Museum hatte selten jemand einen Begriff. Den ganzen
Tag über wurde nichts als geplaudert; was die Leute in den Gasthöfen
zu wenig sprachen, brachten sie hier ein. Man forschte mich mit großer
Neugierde über meine Familienverhältnisse aus, man fragte mich, zu
welcher Religion ich gehöre, wer mir das Geld zum Reisen gäbe, warum
ich so große Reisen mache u. s. w. Nebstbei waren die Leute etwas gar
zu ungezwungen. Wenn ich in einem Buche las, nahm man mir es ohne zu
fragen aus der Hand, um den Titel, oder, wenn es Bilder enthielt, diese
anzusehen. Während ich las, oder auf der Gallerie war, ging man ohne
Umstände in meine Kabine, nahm die Insekten in die Hand und besah sie
nicht bloß, sondern verdarb mir auch gar vieles. Am lästigsten aber
waren die Kinder: die schrieen und lärmten um die Wette, wenn die
Eltern nicht gleich thaten und erlaubten, was sie wünschten. Ich finde
nichts schlechter, als Kindern die Erfüllung ihrer Wünsche erst zu
verweigern, und wenn sie recht schreien und lärmen, dieselben am Ende
doch zu gestatten. Sagt man den Kleinen: „Ja“ oder „Nein,“ so soll es
dabei bleiben; das Kind wird dann schnell begreifen lernen, daß ihm die
Unarten zu nichts helfen.

Ein anderer Fehler der Amerikanischen Erziehung ist es, den Kindern
so frühzeitig das Benehmen und die Gewohnheiten der Erwachsenen
beizubringen. In manchen Ländern Europa’s bleiben die Kinder zu
lange Kinder, was auch nicht gut, aber doch besser ist, als sie um
ihre Kindheit ganz zu betrügen. Hier benimmt sich das achtjährige
Mädchen schon wie eine angehende Frau, der zehnjährige Knabe wie ein
erwachsener Jüngling. Das Mädchen heirathet in den südlichen Staaten
oft schon im zwölften Jahre, die Knaben treten mit demselben Alter in
das Geschäftsleben ein. In einigen der südlichen Staaten erlaubt sogar
das Gesetz die Trauung zwölfjähriger Mädchen, welche dem elterlichen
Hause entlaufen sind. Das Kind hat nur zu sagen oder zu beschwören, daß
es dieses Alter habe, und wird von dem Priester getraut. Solche Ehen,
die nicht selten vorkommen, heißen „~Run away matches~.“

Eine natürliche Folge dieser Kinder-Emancipation ist, daß nicht nur
die wissenschaftliche Ausbildung der Jugend vernachlässiget wird,
sondern daß auch bei den Mädchen die Kindlichkeit, Bescheidenheit,
bei den Frauen die zarte Weiblichkeit, die größten Zierden unseres
Geschlechtes, nur zu häufig verloren gehen.

Es gibt vielleicht in keinem Lande der Welt so viel öffentliche und
Privat-Unterrichts-Anstalten, wie in den Vereinigten Staaten; dennoch
kamen mir, wenigstens bisher, nicht viele gründlich gebildete Mädchen
oder Frauen vor; denn ein Bischen Klavier klimpern, singen oder einige
Französische Worte herplappern, nenne ich keine Bildung. Die größere
Zahl begnügt sich mit einem oberflächlichen Anflug des Wissens, womit
sie aber die echt republikanische Kühnheit verbindet, denselben überall
zur Geltung zu bringen. So erschrack ich immer, wenn ich ein Klavier
auf einem Dampfer sah. Jung und Alt setzte sich ohne Scheu hinzu; das
Geklimper, der sogenannte Gesang nahmen den ganzen Tag kein Ende. Eben
so wenig Kenntniß hatten sie von der Geographie. Wenn man mich fragte
(was Hunderte thaten), von welchem Lande ich nach den Vereinigten
Staaten gekommen, wo ich geboren sei u. s. w., und ich antwortete, ich
sei von Peru gekommen, in Wien geboren, wußten sie weder wo Peru, noch
wo die Stadt Wien liegt. Außer ihrem eigenen Lande kennen sie wenig
von der Welt, von Europa kaum mehr als Paris und London, vielleicht
einiges von Deutschland, und seit dem Kriege der Russen mit den Türken
wohl auch St. Petersburg und Constantinopel. In den vielen Schulen, in
welchen ich von den untersten bis zu den obersten Klassen Prüfungen
aus der Geographie beiwohnte, hörte ich nichts als Fragen über die
Vereinigten Staaten; man hätte glauben mögen, daß es gar keine andern
Länder gäbe.

Zu Anfange befremdete mich dieses oberflächliche Wissen sehr, um so
mehr, als mich die Eltern versicherten, daß ihre Kinder schon mit vier
Jahren die Schulen besuchten. Später sah ich wohl, woher es kam. Die
meisten Eltern besitzen selbst keine höhere Bildung und glauben für
die Erziehung ihrer Kinder genug zu thun, wenn sie dieselben nach der
Schule senden. Die Mütter in der wohlhabenden Klasse sind wenig für
Häuslichkeit erzogen; sie verbringen den größten Theil des Tages im
Rocking-chair schaukelnd, eine Novelle lesend, oder einen Spaziergang
machend, die Kaufläden besuchend, in welch letzteren sie Stunden
zubringen, um die schönen Waaren zu besehen. Für Kinder-Erziehung Sorge
zu tragen, dieselbe zu überwachen, haben sie weder Lust noch Zeit. In
der Schule selbst werden die Kinder nicht sehr zum Arbeiten angehalten,
denn beklagt sich das Kind über die Schule, über den Lehrer, so wird
ihm stets Recht gegeben, und wünscht es die Schule, die es besucht, mit
einer andern zu vertauschen, so erfüllt man seinen Willen. In Folge
dieses Verfahrens sind die Lehrer gezwungen, gegen die Kinder weder
Strenge noch Ernst zu gebrauchen, und sie wie erwachsene Leute zu
behandeln. Thäten sie es nicht, so würden ihre Schulen bald leer sein.

Als ich dieß alles gesehen und beobachtet hatte, befremdete mich
das oberflächliche Wissen der Kinder nicht mehr; im Gegentheile, es
wunderte mich, sie doch noch so unterrichtet zu finden, als es der Fall
war.

In Fort Smith angekommen, fand ich keine Gelegenheit mehr, die Reise
zu Wasser fortzusetzen; der Fluß war schon zu seicht geworden. Ich
miethete ein Pferd, um nach Fort Gibson (achtzig Meilen), in dessen
Nähe die +Cherokee+-Indianer leben, zu reiten; allein in der Nacht
hatte ich wieder einen Anfall des hartnäckigen Sumatra-Fiebers und
mußte der Reise entsagen.

Die Cherokee-Indianer zeichnen sich vor allen übrigen durch Schönheit
und Bildung aus. Sie leben in Ortschaften und Städtchen, haben eine
konstitutionelle Regierungsform, gute Schulen und senden ihre Söhne
häufig in Amerikanische Handelshäuser; sie geben sogar eine Zeitung
heraus. Ihr Häuptling ist mit einem weißen Mädchen aus guter Familie
verheirathet. -- Eine Ehe mit einem Indianer wird nicht als entehrend
angesehen.

Ich traf in Fort Smith viele dieser Indianer, die theils in
Handelsgeschäften, theils zum Vergnügen dahin gekommen waren. Mehrere
speisten in dem Gasthofe, in welchem ich wohnte. Sie sprachen etwas
Englisch und benahmen sich recht anständig; nur nahmen sie manchmal
einzelne Stücke aus der Schüssel und führten sie gleich zum Munde;
sie aßen mit Messer und Gabel. Ihre Gestalt und Gesichtsbildung war
durchgehend hübsch; man hätte die meisten für Europäer halten können,
wäre ihre Hautfarbe etwas lichter gewesen; diese aber war nicht hübsch,
entweder lederartig oder schmutzig lichtbraun. Männer wie Weiber trugen
Europäische Kleidung, manche der Männer über die Kleider eine Art
weite, kurze Blouse mit reich garnirten großen Krägen; einer hatte ein
zusammengedrehtes Tuch gleich einem Kranze um den Kopf geschlungen. Die
Männer waren alle hübscher, als die Weiber.

Während meines Aufenthaltes zu Fort Smith, am 4. Juli, wurde das Fest
der Unabhängigkeit-Erklärung gefeiert, bei welcher Gelegenheit ein
Negerball statt fand, an dem Freie wie Sklaven Theil nahmen. Sie waren
alle Europäisch gekleidet, die Männer schwarz mit weißen Halsbinden
und Westen, die Weiber und Mädchen in Tüll und andern hübschen weißen
Stoffen; auch an Goldketten und Geschmeiden fehlte es nicht, eben
so wenig an Bändern und Blumen in den Haaren. Der Saal war schön
geschmückt und beleuchtet, der Speisen gab es in Fülle. Es machte einen
höchst komischen Eindruck, alle die farbigen und schwarzen Gesichter in
dem Europäischen Putze zu sehen.

Von dem bösen Fieber befreit, ging ich nach wenigen Tagen wieder
nach Napoleon zurück, wo ich mich auf dem prachtvollen Dampfer
„Crescent-City“ auf dem Mississippi einschiffte; der Kapitän Mr. +John+
nahm ebenfalls keine Bezahlung von mir an.

Die Ufer des Mississippi blieben fortwährend von gleicher Einförmigkeit
-- dichte unermeßliche Waldungen deckten die Ebenen; man hatte gar
keinen Anhaltspunkt einer hübschen Ansicht; nirgends bedeutende
Pflanzungen. Dem Vorübersegelnden zeigten sich nur erbärmliche hölzerne
Hütten, bei welchen Holz für die Dampfer zum Verkaufe aufgeschichtet
lag.

Oberhalb des Städtchens +Memphis+ stiegen die Ufer des Mississippi
in senkrechten Sandwänden zu einer Höhe von fünfzig Fuß empor. Diese
Strecke gilt als eine der schönen Scenen des Stromes. Der gute Kapitän
John rief mich auf die Gallerie, dieses Naturwunder zu besehen; die
Entzückungen unter den Reisenden nahmen kein Ende. Nach einer Strecke
von einigen hundert Schritten fällt die Natur schon wieder erschöpft in
ihre frühere Einförmigkeit zurück.

Bei +Jeddo+ (300 Meilen unterhalb St. Louis, also 1000 Meilen von
der Mündung des Flusses), einem Städtchen mit einem großen, schönen
katholischen Collegium, einer katholischen Kirche in Gothischem Style
und mehreren bedeutenden Ziegelhäusern, hat man zum ersten Male
hübschere Ansichten. Der Strom wird durch liebliche Inselchen in Arme
getheilt, bildet hie und da große Buchten gleich einem See, und kleine
Hügelketten erscheinen im Hintergrunde. Leute, die in ihrem Leben
nichts anderes als die unteren Gegenden des Mississippi gesehen haben,
mögen freilich diese Ansichten hinreißend schön finden; aber mit den
Donau-Gegenden z. B. halten sie keinen Vergleich aus.

Bei dem Städtchen +Cairo+ (280 Meilen unterhalb St. Louis) mündet
der +Ohio+ in den Mississippi. Sein Wasser ist rein, von schöner,
grünlicher Farbe. Eine gute Strecke noch vor der Mündung kann man den
Kampf der beiden Gewässer beobachten. Erst tauchen nur einzelne Wogen
des trüben Mississippi in dem klaren Ohio auf, bald werden sie häufiger
und häufiger und endlich geht das Reine ganz verloren. Das böse Princip
erringt hier, wie meistens im irdischen Leben, die Oberhand.

Das Städtchen Cairo liegt auf einer Erdzunge zwischen den beiden
Strömen. Alle diese Amerikanischen Städtchen oder Ortschaften gleichen
sich: man sieht ihnen die Eile, die Hast an, mit der sie gegründet
wurden. Sie bestehen meistens aus zerstreut umherliegenden Häuschen,
die von einfachen Bretterwänden zusammen gezimmert, klein und
beschränkt, mit Zimmerchen gleich Zellen versehen sind. Die dünnen
Bretterwände halten weder im Winter die Kälte, noch im Sommer die
glühende Hitze ab[6]. Aber an diesem und jenem Platze will sich der
Amerikaner ansiedeln, mit dem Willen beginnt er auch schon die That und
baut natürlich nur, was die höchste Notwendigkeit erfordert. Steigt
sein Bedarf, so vergrößert er allmählich seinen Bau; auch findet er
oft nach kurzer Zeit den Platz seinen Wünschen und Hoffnungen nicht
entsprechend, oder sein spekulirender Geist sehnt sich nach etwas
anderem; er verläßt plötzlich alles, selbst wenn es ihm gut ergangen
war, um sich an einem andern Orte niederzulassen. Die Amerikaner nennen
dieß „~move~.“ Ich traf auf dem Dampfer mehrere dergleichen „movende
Familien,“ die mir selbst gestanden, daß sie ihre Ansiedelungen aus
keinem anderen Grunde verließen, als weil sie schon einige Jahre darin
gelebt hatten.

Am +14. Juli+ erreichten wir die Stadt St. Louis, die erst einige
Meilen früher sichtbar wird, da der Strom beständig große Krümmungen
macht. Der Anblick der gleichförmigen Häusermasse, die sich dem Strome
entlang an einer kleinen Erhöhung ausbreitet, bietet eben nichts
überraschendes. Die großen Amerikanischen Städte besitzen wohl schöne
Gebäude und viele Kirchen; aber man sieht diese erst, wenn man durch
die Straßen wandelt; hervorragende schöne Kuppeln, hohe, majestätische
Thürme gibt es nur sehr wenige. Die nahe Umgebung von St. Louis ist
sandig, die Waldungen liegen mehrere Meilen entfernt; das Land ist eben.

Ich stieg hier bei Herrn +Charles Boyce+, Richter (~judge~) in
Louisiana ab. Ich hatte diesen Herrn, wie seine Familie, in Neu-Orleans
kennen gelernt, bei welcher Gelegenheit er so gütig war, mich in sein
Haus einzuladen, weil er wußte, daß ich im Sinne hatte, nach St. Louis
zu gehen.

Die Stadt St. Louis zählt gegen 120,000 Einwohner, eine überraschend
große Bevölkerung für die kurze Zeit ihrer eigentlichen Entwicklung,
denn noch vor zehn bis fünfzehn Jahren hatte sie kaum einige Tausend.
Unter den Gebäuden sind, wie in allen Amerikanischen Städten, die
Banken, die Gasthöfe, das Zollhaus u. s. w. die bedeutendsten; auch
unter den Privatgebäuden gibt es schöne; so steht z. B. in der vierten
Straße[7] ein Haus, ganz aus weißem Marmor gebaut, der in der Nähe
der Stadt gebrochen wird. Die katholische Kirche ist einfach, aber
sehr hübsch. Mein erster Gang war dahin, denn ich hatte von ihr in
dem Directory of St. Louis vom Jahre 1854 folgendes gelesen: „Die
Kathedrale von St. Louis hat keine Nebenbuhlerin in den Vereinigten
Staaten hinsichtlich ihrer Pracht, des Werthes und der Zierlichkeit
ihrer heiligen Gefäße, ihrer Gemälde und Verzierungen, und gewiß haben
wenige Kirchen in Europa werthvollere Gegenstände aufzuweisen. Sie
besitzt Gemälde von Rubens, Raphael, Guido, Paul Veronese und eine
Zahl anderer von den neuesten Meistern der Italienischen Schule.“
-- Ich hoffte dieser Beschreibung nach eine kostbare Bildergallerie
nebst andern großen Schätzen zu sehen; aber zu meinem Erstaunen fand
ich von allen diesen Kostbarkeiten und Meisterwerken nichts, vier
Oelgemälde ausgenommen, von welchen jedoch nur eines der älteren Zeit
zuzuschreiben sein mochte. Ich weiß, daß wohl gar manche Reisende die
Gewohnheit haben, mehr Poesie als Wahrheit in ihre Beschreibungen zu
flechten; aber eine ähnlich starke Lüge ist mir bisher doch noch nicht
vorgekommen.

Das Gefängniß ist aus massiven Steinen aufgeführt. Das Innere besteht
aus einer großen Halle, um welche die Zellen in zwei Stockwerken
laufen. Die Zellen sind für zwei Personen; sie besitzen gar keine
Einrichtung, nicht einmal einen Schragen zum Schlafen -- eine Kuhhaut
vertritt dessen Stelle. Der Gefangene kann sich, so lange er nicht
abgeurtheilt ist, mit seiner Börse alle Annehmlichkeiten verschaffen,
was nach gefälltem Urtheil nicht mehr erlaubt ist. Allein ich sah doch
bei manchen Abgeurtheilten mehr Comfort als bei andern. Leider ist der
goldene Schlüssel in den freien Staaten so mächtig, wie überall in der
Welt.

Die Gefängnißkost wäre nicht schlecht gewesen; allein die Bereitung und
die Art, auf welche man die Speisen den Leuten gab, fand ich unsauber
und unpassend -- man fütterte sie wie Hunde ab. Ein großer Kübel, in
welchem alles zusammen geschüttet war, wurde in die Halle gebracht, ein
ekelhaft schmutziger Neger faßte vor jeder Zelle mit einem Löffel, wohl
auch mit der Hand einige Brocken heraus, warf sie in ein Geschirr, und
schob dieses durch eine kleine Oeffnung in der Thüre dem Verbrecher zu.

Die Luft in der Halle war sehr unrein: wenn man an die Zellen kam,
mußte man die Nase zuhalten. Die Hinrichtungen (Aufhängen) finden in
dem Hofe des Gefängnisses statt.

Von Lehr- und andern Anstalten, als: für Kinder, die man von der Straße
aufliest, für alte arme Leute, für Mädchen und Frauen, die sich bessern
wollen u. s. w., besah ich manche, die ich alle sehr zweckmäßig und
trefflich eingerichtet fand. In dieser Hinsicht, besonders was die
Anstalten für Arme anbelangt, wird in den Vereinigten Staaten sehr
viel gethan. Viele Vereine bilden sich unter den Frauen, die emsig
nachsehen und alles sehr genau überwachen. In diesem Punkte kann man
den Amerikanischen Frauen wahrhaftig des Lobes nicht genug nachsagen.

Die Zuckerraffinerie des Herrn +Belcher+ ist sehenswerth, da sie die
größte im Westen ist: es werden wöchentlich bei 600 Tonnen[8] Syrup
(Melasses) in raffinirten Zucker verwandelt. Herr Belcher beschäftigt
gegen 700 Menschen nebst 140 Pferden und Maulthieren. Ich sah hier
einen der tiefsten artesischen Brunnen, die bisher gegraben wurden:
seine Tiefe beträgt 2200 Fuß. Man war zwar auf eine sehr starke Quelle
gekommen, sie enthielt aber so viel Schwefel, daß man sie nicht
benützen konnte; es wird daher mit der Bohrung des Brunnens noch
fortgefahren.

Die Markthalle ist groß und hübsch, steht aber jener von Neu-Orleans
weit nach.

Der Friedhof +Belle Fontaine+ ist einer der schönsten von allen, die
ich bisher gesehen. Er besteht aus einem prachtvollen Naturparke von
vielen hundert Acres Landes, in welchem die Kunst nichts anderes zu
thun hatte, als das Untergebüsch zu vertilgen, den Wald ein wenig zu
lichten und den Grasboden zu cultiviren. Auf diesem Friedhofe werden
nur Plätze für Familiengräber um theure Preise verkauft. Die Plätze
sind mit zierlichen leichten Eisengittern eingefaßt und mit Blumen
geschmückt, in deren Mitte kunstvolle Marmor-Monumente aufsteigen,
von welchen manche in Italien gearbeitet worden sind. Bis jetzt gibt
es noch wenige Grabesplätze. Der ganze Park ist von schönen Fahr-
und Gehwegen durchschnitten, und ein Spaziergang dahin sehr lohnend.
Schade, daß es keine Bänke gibt, um sich mit einem Buche allda länger
aufhalten zu können.

Ich blieb einige Wochen in dem Hause des Herrn Boyce und war während
dieser Zeit sehr aufmerksam auf die Behandlung der Dienerschaft, die
aus lauter Sklaven bestand. Zu meiner großen Freude fand ich, daß die
Leute behandelt wurden, als gehörten sie zur Familie, ja meiner Ansicht
nach wurden sie sogar zu wenig mit Arbeit beschäftiget: ein Halbdutzend
Sklaven arbeitete nicht so viel, als bei uns zwei Dienstleute. Die
Kleidung, die Kost war gut und hinreichend. Freilich gehörten auch Herr
und Frau Boyce zu den trefflichsten Menschen und ihre Kinder zu den
sehr wohl erzogenen. Glücklich wäre das Loos der Sklaven, würden sie
überall so gehalten!

Ich machte von St. Louis einen kleinen Ausflug nach dem Städtchen
+Highland+ (32 Meilen) in dem Staate +Illinois+, jenseits des
Mississippi gelegen. Zu diesem Ausfluge mußte ich einen Platz in der
Postkutsche (Stage-coach) nehmen, welche Art zu reisen die unbequemste
und lästigste ist. Der sonst mit der Zeit so geizende Amerikaner hat
da eine mehr als himmlische Geduld. So ist es z. B. gebräuchlich, daß
sich die Reisenden nicht an dem Orte der Abfahrt einfinden, sondern der
Wagen fährt vor jedes Haus sie abzuholen, eine Einrichtung, die sehr
langweilig ist und in großen Städten vielen Zeitverlust verursacht. Man
fährt oft ein Paar Stunden kreuz und quer, ohne daß die eigentliche
Reise begonnen hat. Eben so zeitraubend geht das Umspannen vor sich:
die Pferde sind nicht bereit, die Herren treten in die Schenke, und so
vergeht eine halbe Stunde, bevor man weiter kommt. Unterweges werden
die Pferde noch überdies getränkt.

Das Städtchen Highland mit 5000 Einwohnern ist vor fünfzehn Jahren
von Deutschen und Schweizern gegründet worden. Vor dieser Zeit war
das Land rings umher noch Prairie; jetzt ist der größte Theil schön
cultivirt und mit üppigen Weizen-, Hafer- und Mais-Feldern bedeckt.

Man erwies mir in Highland sehr viele Ehren[9]. Herr +Bernais+, ehemals
bei der französischen Gesandtschaft in Wien angestellt, erwartete
mich schon an der Station, und führte mich sogleich in sein Haus. Am
ersten Abende brachten mir die Mitglieder des Musikvereins, am zweiten
die Sänger ein Ständchen. Die Freundlichkeit und Herzlichkeit, mit
welcher man mir entgegen kam, die Deutsche Sprache, die ich von allen
Seiten hörte, die heimathlichen Lieder und Kompositionen, auf wirklich
ausgezeichnete Weise vorgetragen, machten es mich beinahe vergessen,
daß ich mich in einem fremden Welttheile befand: es war mir, als sei
ein Stück von Deutschland hieher gezaubert worden.

Fünf bis sechs Meilen von Highland landeinwärts sind die Prairien noch
im Naturzustande zu sehen. Man führte mich dahin; meine Begriffe waren
aber anders gewesen: ich hatte sie mir, den Beschreibungen zufolge,
als unübersehbare Flächen vorgestellt, mit sechs bis sieben Fuß hohem
Grase bedeckt, durch welches der Durchgang höchst beschwerlich sei.
Dem war indeß nicht so. Das Land hatte eine wellenförmige Bildung,
der Boden war zwar reich bewachsen; allein selten überstiegen die
Pflanzen die Höhe von zwei bis drei Fuß, und überall konnte man leicht
zu Fuße oder zu Wagen durchkommen. Die Aussicht von den zwanzig bis
dreißig Fuß hohen Hügeln war reizend; ich hätte nie geglaubt, daß
eine Landschaft ohne Gebirge, ohne Flüsse und Seen so schön sein
könnte. Die wellenförmige Bildung gestattete dem Auge eine weite
Fernsicht und brachte dabei doch hinreichende Abwechslung hervor. Nette
Farmhäuschen standen auf manchen Höhen, in Mitte blühender Pflanzungen;
im Vordergrunde breitete sich das Städtchen aus, kleine Boskette von
Frucht- und anderen Bäumen bildeten die Schlagschatten, und dunkle
Waldungen faßten in weiter Ferne das ganze Bild ein!

Auf der großen Besitzung des Herrn +Köpfli+ wurden vor einigen Jahren
sogar Weingärten angelegt. Der Versuch gelang vortrefflich; allein
es zeigte sich, daß der gewonnene Wein nicht die Kosten deckte und
billiger aus fremden Ländern zu beziehen war; es wurde daher die
Weincultur vor der Hand aufgegeben.

Ich besuchte mehrere Farms, um die Lebensweise der Farmer
(Grundbesitzer, Bauern) kennen zu lernen. Wer so viel besitzt, sich
Grund und Boden zu kaufen, ein Häuschen zu bauen und seinen Bedarf
für das erste Jahr zu decken, hat in den Vereinigten Staaten gewiß
die schönste Zukunft vor sich. Die Ländereien, die man in noch
uncultivirten Ländern von dem Staate kauft, kosten per Acre 1¼ Dollar.
Auf seinem Grunde kann der Farmer schaffen und bauen, was er nur immer
will: nichts ist in diesem schönen, freien Lande Monopol, nichts ist
verboten oder hoch besteuert; außer einer ganz unbedeutenden Abgabe
gibt es gar keine andern Leistungen und Pflichten.

Die Farmers besorgen mit den Knechten die äußeren Geschäfte, denn nie
sieht man in den Vereinigten Staaten ein Bauernweib auf dem Felde
arbeiten, Gras für das Vieh heimschleppen, die Erzeugnisse nach dem
Markte bringen u. dgl. Der Amerikaner hat für das weibliche Geschlecht
zu viel Schonung, um ihm dergleichen schwere Arbeiten aufzubürden. Die
Frauen besorgen die Hauswirthschaft, das Melken der Kühe, das Buttern
u. s. w. Sie leben sehr gut und sind durchschnittlich sauber gekleidet,
ja letzteres artet bei den Frauen oft nur zu sehr aus; sie erscheinen
Sonntags in stattlichem Putze mit goldenen Ketten, Uhren und Ringen.

Die Kost der Farmers besteht Morgens gewöhnlich aus kaltem Fleische
oder Schinken, Brot, Butter und Thee oder Kaffee, Mittags aus
gebratenem Fleische und Kartoffeln, Abends wie Morgens aus kaltem
Fleische, Thee u. s. w. Was am ersten Tage erscheint, kommt das ganze
Jahr hindurch, so daß die Küche den Frauen weder viel Kopfzerbrechen
noch Arbeit verursacht.

Beinahe jeder Farmer hat in seinem Hause ein nettes Zimmerchen, seine
Freunde zu empfangen; trotzdem darf man aber von Gastfreundschaft nicht
zu viel erwarten. Kommt man gerade zu einer ihrer Mahlzeiten, so wird
man zwar eingeladen; aber außer den Eßstunden wird den Besuchern nicht
einmal ein Glas Milch angeboten. Man sagte mir, daß jedermann auf Farms
aufgenommen werde, aber gewöhnlich zahle, wenn er über Nacht bleibe, --
worin besteht dann die gerühmte Gastfreundschaft? --

Ich kann von Highland nicht scheiden, ohne auch der liebenswürdigen
Familie +Bandelier+ zu gedenken. Jedermann, mit dem ich bekannt wurde,
lernte bald meine Leidenschaft für Insekten kennen. Seit ich aber die
Holländisch-Indischen Besitzungen verlassen hatte, war man nirgends so
gütig gewesen, mir deren weder aus Gefälligkeit noch gegen Bezahlung
zu verschaffen oder abzulassen; ja ich mußte wirklich oft über die
Angst lachen, mit der man mir zuweilen ein Paar elende Stücke zeigte:
die Leute fürchteten sich, mir ein Käferchen, einen Schmetterling
anbieten zu müssen. Vergebens gab ich den geehrten Sammlern schon im
voraus mein Wort, nichts zu begehren, mich mit dem Ansehen zu begnügen;
aber wie es schien, trauten sie meinem Worte nicht, und jeder hatte
seine Sammlung gerade vor einigen Tagen irgend einem Museum oder einem
Freunde als +Geschenk+ gesandt.

Nur der fünfzehnjährige Sohn des Herrn Bandelier machte eine Ausnahme;
er zeigte mir seine Sammlung mit größter Freude, und bat mich mit
wirklich rührender Innigkeit, davon zu nehmen, was ich brauchen könne.

Von Highland fuhr ich nach +Libanon+ (10 Meilen), einem neu angelegten
Städtchen, das bis jetzt noch aus nichts als aus einer kleinen Reihe
hölzerner Häuschen besteht, die am Waldsaume liegen. Der größte
Theil des Weges führt durch Prairien. Vier Meilen weiter liegt die
Farm des Herrn +Hecker+. Mit Erstaunen sah ich diesen talentvollen,
hochgebildeten Mann, den bekanntlich die politischen Verhältnisse
zwangen, sein Vaterland (Baden) zu verlassen, sich in das Landleben
fügen, als wäre er von Geburt an ein Farmer gewesen. Wenn er in seinem
Farmeranzuge, mit seinem langen Barte mitten unter seine Landsleute,
ja unter seine Freunde träte, niemand würde ihn erkennen. Beinahe noch
mehr bewunderte ich seine Frau: sie hat sich mit derselben Ergebung
und Fassung in die neue Lebensweise geschickt. Wie hart mag es beiden
fallen, mit nichts als Feld und Vieh zu schaffen zu haben, von nichts
anderem sprechen zu hören, jedes geistigen Umgangs zu entbehren?! --

Ich kehrte von diesem Ausfluge wieder nach St. Louis zurück, wo ich
noch einige Tage verweilte. Am +29. Juli+ setzte ich meine Reise auf
dem schönen Dampfer „+Excelsior+“ fort, der von hier nach +St. Paul+
(825 Meilen) ging.

Kaum dreißig Meilen oberhalb St. Louis mündet der Missouri in den
Mississippi, und dieser Fluß ist es, welcher dem Mississippi das
schmutzige Gewässer bringt; oberhalb der Einmündung des Missouri ist
der Mississippi klar und rein.

Am +30. Juli+ früh Morgens legten wir an dem winzigen, aus höchstens
einem Dutzend kleiner Häuser bestehenden Städtchen +Hamburg+ an, das
sich ungemein reizend um einen ungefähr hundert Fuß hohen Hügel lagert.

Noch schöner ist die Lage des Städtchens +Clarksville+. Wir kamen
an mehreren Ortschaften vorüber, die alle, wenn auch nur einige
hölzerne Häuschen zählend, in der Hoffnung auf die zukünftige Größe
und Bevölkerung schon jetzt „Städte“ genannt werden. Der Amerikaner
lebt überhaupt so sehr in der Zukunft, daß er von der Gegenwart wenig
genießt.

Von Hamburg bis zu dem Städtchen +Quincy+, welches wir am +31. Juli+
erreichten, wird die Fahrt auf dem Mississippi angenehmer. Der Strom
ist reich an größeren und kleineren Inseln; es zeigen sich abwechselnd
Hügelketten, und die Waldungen sind ungleich schöner, da die Bäume an
Höhe und Umfang zunehmen. Bei Quincy treten die Flächen wieder in den
Vordergrund. Bei +Keokuk+ wurde der Wasserstand schon so niedrig, daß
der größte Theil der Ladung auf ein Schleppschiff übertragen werden
mußte.

Das Städtchen +Madison+ mit dem Fort gleichen Namens gehört schon zu
den größeren und mag 3-4000 Einwohner zählen. Bedeutender noch ist
+Burlington+, mit ziemlich großen Backsteinhäusern und breiten Straßen.
+Rock-Island+ und +Davenport+, einander gegenüber gelegen und nur durch
den Mississippi getrennt, tragen den Namen „Stadt“ schon mit Recht.
Doch haben alle diese Städte und Städtchen nichts Eigenthümliches oder
Anziehendes. Das Land war auf beiden Seiten des Stromes noch wenig
aufgebrochen, die Waldung nur an den Stellen gelichtet, auf welchen
die Ortschaften standen; entweder wird noch wenig Land bebaut oder es
geschieht dieß mehr im Innern.

Wir blieben die Nacht vor Davenport liegen. Gegen 11 Uhr erhob sich
ein starker Sturm, der in einen Orkan auszuarten drohte. Die Blitze
folgten sich unausgesetzt, der Donner grollte wild durch das Brausen
des Windes. Der Kapitän und die Offiziere eilten aus ihren Kabinen auf
der obersten Terrasse in die tieferen hinab, befürchtend, der Sturm
möchte jene sammt dem Schornstein der Maschine mit sich fortführen, wie
es bei einem ähnlichen Sturme drei Wochen früher der Fall gewesen war.
Wir sahen noch am Ufer die zerstörten Kamine liegen, und am Lande ein
Backsteinhaus, das durch den Orkan seines Daches beraubt worden war.
Wir kamen jedoch dießmal mit der bloßen Angst davon, schon nach einer
Stunde zügelte der Sturm seine Wuth und hatte bald gänzlich ausgetobt.
In der heißen Jahreszeit sollen diese Gegenden öfter von Orkanen
heimgesucht werden.

Am +4. August+ Morgens lenkten wir in das +Fieber-Flüßchen+ und
landeten unfern seiner Mündung an dem Städtchen +Galena+. Die Lage
dieses Städtchens ist reizend: ein Theil windet sich an dem Fuße eines
schönen Hügels fort, während der andere sich in malerischen Gruppen bis
an dessen Spitze zieht.

Von Galena kehrten wir wieder in den Mississippi zurück, der nun schon
bedeutend an Breite abnimmt, dessen Ufer aber dafür an Reiz gewinnen.

Von Neu-Orleans bis hierher bietet dieser Strom der großen, schönen
Scenen wahrhaftig so wenige, daß ein Maler in Verzweiflung gerathen
müßte, würde ihm die Aufgabe gestellt, irgend eine überraschende,
reizende Ansicht davon zu liefern. Der Reisende hat für die lange Fahrt
(von der Mündung bis hierher 1600 Meilen) keine andere Entschädigung,
als sich an dem Gedanken zu laben, daß es doch großartig ist, zwischen
diesen Urwäldern und Prairien den Rücken eines der mächtigsten Ströme
der Erde von Hunderten von Dampfern befahren, in diesen Gegenden, die
noch vor zwanzig Jahren größtentheils von wilden Indianern, von Bären
und anderen Bestien bewohnt waren, überall Städte und Ortschaften
gleich Pilzen aus der Erde entstanden zu sehen. Allerdings ist dieser
Gedanke mächtig; aber schon nach wenig Tagen wird man mit den sich ewig
wiederholenden Wundern so vertraut, daß man ihrer am Ende gar nicht
mehr gedenkt und nur von der Einförmigkeit der Naturscenen gelangweilt
wird.

In Galena vermehrte sich unsere Gesellschaft um zwei Mädchen oder
Frauen von etwa zwanzig Jahren, deren Benehmen gleich zu erkennen gab,
zu welcher Klasse sie gehörten. Sie sprangen umher, liefen einander
nach, haschten sich u. s. w. Ich hielt mich fern von ihnen, denn noch
war ich so albern, die Menschen nicht nach Farbe und Blut, sondern
nach Bildung und Sittlichkeit zu schätzen. Als diese beiden Geschöpfe
den nächsten Tag den Dampfer verließen, gingen sie ganz nahe an mir
vorüber, klopften mir lachend auf die Achsel und schrieen mir in die
Ohren, als wäre ich taub gewesen: „Sie gleichen unserer Großmutter auf
ein Haar.“ Den Jahren nach hätte dieß wohl sein können: ich verläugne
mein Alter nicht; allein die Art und Weise, in welcher mir die Mädchen
dieß sagten, war so auffallend beleidigend, daß ich nicht umhin konnte,
ihnen zu antworten: „Und Sie gleichen zwei Affen, die ich von meinen
Reisen nach Hause gebracht habe, so vollkommen, daß ich schon dachte,
Sie seien mir entsprungen.“

Ueberhaupt befand sich auf diesem Dampfer wieder eine sehr gemischte
Gesellschaft. Ein Paar andere junge Frauen warfen sich bei Tische mit
den abgenagten Maiskolben -- die Nebensitzenden waren nicht sicher,
daß ihnen ein Stück davon an den Kopf flog. Und Abends erst, wenn sich
alle in den Schaukelstühlen (~Rocking-chairs~) wiegten, da hätte ich
ein Maler sein mögen, um den Frauen ein Bild zu zeichnen, wie anmuthig
sie sich in diesen Stellungen ausnahmen. Es waren zehn solcher Stühle,
die Frauen schoben sie in einen Kreis zusammen, setzten sich recht tief
hinein, streckten die Füße weit vor, ja manche hielten auch noch den
Arm über den Kopf, und so schaukelten sie sich, so viel es der Stuhl
zuließ. Wie unzart, wie unweiblich das aussah, ist nicht zu beschreiben.

Man sagte mir freilich, daß ich die Amerikaner nicht nach dem Benehmen
auf den Dampfern beurtheilen solle.

Das will ich gern glauben. In den Gesellschaften in Neu-Orleans oder
Neu-York hätte ich sie nicht so in ihrem natürlichen Gehenlassen
gesehen wie auf den Dampfern. In den Gesellschaften hätte ich nicht
gesehen, daß die Herren es sehr lieben, die Füße auf Stühle, ja
selbst auf Tische zu strecken -- ein eben so reizendes Bild, wie das
der weiblichen Jugend in den Schaukelstühlen. In den Gesellschaften
hätte ich nicht gesehen, wie die Leute die Achtung für sich und die
Gesellschaft so ganz außer Augen setzen, daß sie in beschmutzten,
ja selbst zerrissenen Kleidern, mit schmutziger Wäsche, ungeputzten
Stiefeln an die Tafel kommen. In den Gesellschaften hätte ich nicht
gesehen, daß selbst nett gekleidete Herren gleich Matrosen beständig
Tabak kauen, daß sich gar viele ihrer Finger statt des Taschentuches
bedienen, und daß sie bei Tische die Knochen des Geflügels, die
Schalen der Kartoffeln u. s. w. auf das Tischtuch neben den Teller
legen. In den Gesellschaften hätte ich nicht gesehen, wie unartig und
naseweis sich die Kinder benehmen. Und schwerlich hätte ich in den
Gesellschaften Gelegenheit gefunden, zu bemerken, daß die Leute gar
so orthodox und von der Sucht befallen sind, alles bekehren zu wollen,
was in ihr Bereich kommt. Kaum war ich oft auf das Deck eines Dampfers
gestiegen, so kam schon eine Frau oder ein Herr mit der Frage daher.
„Zu welcher Kirche gehören Sie?“ Ich fand diese Frage so unhöflich, so
unbescheiden, daß ich meistens zur Antwort gab: „Ich bekümmere mich
nichts, zu welcher Sekte Sie gehören, folgen Sie meinem Beispiele.“
Wünschte ich ein Buch zu haben, so gab man mir nicht selten religiöse
Abhandlungen oder die Bibel. Ich finde nichts ungeschickter, als, wie
man zu sagen pflegt, sogleich mit der Thüre in das Haus zu fallen: es
gibt dieß einen ungünstigen Begriff von den Leuten, und man hört gar
nicht oder mit Unwillen auf ihre Worte. Ich für meinen Theil floh diese
Bekehrer wie das böse Fieber, denn nichts ist mir unerträglicher, als
ein von seinem Glauben aufgeblasener Fanatiker.

+6. August.+ Früh Morgens fuhren wir in einen kleinen See, aus dessen
Mitte ein Inselchen steigt. Die Gegend war so still und romantisch,
das Inselchen von der Welt so abgeschieden, daß nichts als eine Klause
sammt dem Eremiten fehlte, das Bild vollkommen zu machen. Dieser
kleine See ist das Vorspiel eines größern, des +Pipin-Sees+ (zwanzig
Meilen lang vier Meilen breit); beide werden von dem Mississippi
gebildet. Die Ansicht des letzteren entschädigte mich zum großen Theile
für die lange, einförmige Strom-Reise. Südwestlich ist sein Becken
von einer hohen Hügelkette eingefaßt, die oft in steilen Felswänden
von drei- bis vierhundert Fuß Höhe abfällt. An eine derselben,
„+Maiden’s-Rock+“ (Mädchen-Fels) genannt, knüpft sich eine traurige
Sage. Ein Indianisches Mädchen war bestimmt, mit einem ihrer Landsleute
verheirathet zu werden. Da kam zufällig ein Weißer, der sich in der
Gegend verirrt hatte, in den Wig-wam (Dorf) des Mädchens. Er hielt
sich da einige Zeit auf, lernte das Mädchen kennen und lieben und
fand Gegenliebe. Als die Eltern so wie der Bräutigam dieß bemerkten,
verfolgten sie das Mädchen mit Vorstellungen und Drohungen, und
suchten die Hochzeit zu beeilen, um der Geschichte ein Ende zu machen.
Eines Tages, als das arme Geschöpf von dem Bräutigam besonders stark
gepeinigt wurde und sich nicht zu retten wußte, floh es auf den Fels
und stürzte sich in den See, der den Körper nur als Leiche wiedergab.

Die anderen Seiten des Sees sind theils von Hügeln, theils von sanft
aufsteigenden, gut kultivirten Flächen umgeben, deren Hintergrund eine
niedere Bergkette bildet. Städtchen, einzelne Farms liegen an den
Ufern. Ich konnte des Anblicks der reizenden Landschaft, des schönen
Wasserspiegels nicht müde werden, und zu schnell fuhren wir in den
dritten See ein, den +St. Croix+, welcher von dem Flusse gleichen
Namens gebildet wird und noch länger, aber bedeutend schmäler als der
Pipin-See ist. Gleich einem langen, weißen Tuche schlingt er sich
zwischen Hügeln, Flächen und Wäldern durch, und gestattet kaum einigen
kleinen Inseln Raum in seinem Bette. Auch +seine+ Ufer sind schön und
abwechselnd.

Am +7. August+ Morgens trafen wir in +St. Paul+ ein.


  [4] Später, als ich auf dem Ohio fuhr, rief eines Morgens eine junge
      Dame einen Herrn in den Damensalon, mit welchem sie keineswegs in
      naher Verwandtschaft stand, denn sie nannte ihn „Mister“ (Herr)
      und er sie „Miß“ (Fräulein), und ließ sich von ihm ohne Umstände
      das Kleid zuschnüren, obwohl eine Dienerin und viele Frauen da
      waren, die ihr denselben Dienst hätten leisten können.

  [5] Die Amerikaner pflegen Gegenden, Berge, Städte, Ortschaften mit
      den Namen der berühmtesten Gegenden, Gebirge, Städte oder selbst
      Personen der ganzen Welt aus alter und neuer Zeit zu benennen.

  [6] Bekanntlich ist in den Vereinigten Staaten im Sommer die Hitze,
      im Winter die Kälte viel heftiger als in andern Ländern, die
      unter denselben Breitegraden liegen.

  [7] Viele Straßen sind in den Amerikanischen Städten durch Nummern
      bezeichnet.

  [8] Eine Tonne gleich zwanzig Centner.

  [9] Man verzeihe mir, wenn ich dergleichen erwähne; es geschieht aber
      nur in der Absicht, allen den guten Menschen, deren ich auf
      meinen Reisen unter allen Nationen so viele traf, meine dankbare
      Erinnerung zu bezeigen.




Zwanzigstes Kapitel

  St. Paul. -- Die St. Antony-Fälle. -- Die Pelzjäger. -- Die Fahrt
  in der Postkutsche. -- Stillwater. -- St. Croix. -- Rückkehr nach
  Galena. -- Amerikanische Geduld. -- Chicago. -- Der Michigan-See.
  -- Milvaukee. -- Die unterirdische Eisenbahn. -- Die Mormonen. --
  Der Lake Superior. -- Die Indianer. -- Der Huron- und Erie-See. --
  Cleveland. -- Niagara-Falls-Village.


+St. Paul+ ist das Hauptstädtchen des +Minnesota-Distriktes+. Es
besteht aus zwei Theilen, von welchen der eine, der untere, an dem
Ufer, der andere (obere) auf Hügelland liegt. Dieses Städtchen, erst
vor fünf Jahren entstanden, nimmt, wie fast alle Anlagen in diesem
Distrikte, mit überraschender Schnelligkeit zu: es zählt bereits über
5000 Einwohner, und zwischen den hölzernen Häuschen stehen schon gar
manche stattliche Backsteingebäude. Bis auf zwei Meilen im Umkreise
gibt es hübsche Landhäuser, die in jung gepflanzten Gärten, in neu
aufgebrochenem Lande liegen.

Der Distrikt Minnesota ist den Vereinigten Staaten noch nicht als
Staat eingereiht. Eine Masse Landes muß, um als Staat anerkannt zu
werden, von einer gewissen Anzahl Weißer bewohnt sein (sechzig-
bis hunderttausend). So lange dieß nicht der Fall ist, bleibt
sie „Distrikt.“ In den Distrikten kann sich jedermann ansiedeln,
Land aufbrechen so viel und wo es ihm gefällt, man bedarf keiner
Bewilligung hierzu, hat nicht das geringste dafür zu bezahlen und
ist ganz steuerfrei; wird aber der Distrikt als Staat erklärt, so
muß man für das in Besitz genommene Land 1¼ Dollar per Acre bezahlen
oder es abgeben. Bevor der Distrikt zum Staate wird, entscheiden die
Einwohner durch Stimmenmehrheit für oder gegen die Einführung der
Sklaverei. Von Minnesota weiß man schon jetzt, daß die Sklaverei nicht
eingeführt wird, was nicht so sehr aus Menschenliebe geschieht, als in
Folge der klimatischen Verhältnisse. Das Klima ist gesund und für die
Europäischen Einwanderer vollkommen geeignet; sie können hier so gut
alle Feldarbeit bestellen, wie in ihrer Heimath, und wo dieß der Fall
ist, kommt die Arbeit billiger zu stehen, als mit Sklaven.

Der Distrikt Minnesota hat 166,000 Quadratmeilen oder 106 Millionen
Acres Land; er wurde, obwohl den Weißen schon seit mehr als hundert
Jahren bekannt, doch eigentlich erst im Jahre 1849 von der Regierung
mit einiger Aufmerksamkeit untersucht und für sehr fruchtbar erklärt.
Sie kaufte den Eingebornen das Land ab, kleine Strecken ausgenommen,
und schickte sie größtenteils nach dem Indianer-Territorium. Die
Regierung bezahlt den Indianischen Häuptlingen gewöhnlich per Acre
fünf bis sechs Cents, ungefähr eben so hoch belaufen sich die Kosten
der Bemessung, Unterhandlung, Versendung der Eingeboren, Geschenke
u. s. w., so daß ihr der Acre Landes auf zehn bis zwölf Cents zu stehen
kommt. Sie verkauft ihn dann, wie gesagt, zu 1¼ Dollar.

Seit einigen Jahren bevölkert sich Minnesota mit reißender
Schnelligkeit und dürfte in kurzer Zeit zum Staate wenden. Im Jahre
1852 zählte man kaum zwanzigtausend Weiße; in dem darauf folgenden
Jahre ergab sich schon beinahe die doppelte Zahl.

Bisher sind die einzigen Ausfuhrartikel Bretter und Bauhölzer aller
Gattung, die erst nach St. Louis verflößt werden, von wo man sie
weiter versendet. Man kann sagen, daß in diesem Lande Dampf- und
Wasser-Sägemühlen an Stellen arbeiten, wo man beinahe noch die
rauchende Hütte des Indianers, die Spuren des wilden Büffels, des
flüchtigen Hirsches gewahrt. Hier ist der Menschenfleiß mit der
Natur im regsten Kampfe. Ich glaube kaum, daß je ein Land so schnell
angegriffen wurde, wie Minnesota. Es wird zwar noch viel an Getreide,
Kartoffeln u. s. w. von den Nachbarstaaten eingeführt, weil die
Ansiedler noch zu sehr mit der Lichtung der Wälder, mit den Sägemühlen
beschäftigt sind; doch hofft man schon in wenig Jahren nicht nur den
eigenen Bedarf zu decken, sondern sogar auszuführen, da der Boden sich
als außerordentlich fruchtbar zeigt.

Schönes, glückliches Land, das jedem Auswanderer mit gutem Gewissen
zu empfehlen ist, besonders solchen, die kräftige Hände, Arbeitsliebe
und Ordnungssinn mitbringen! Hier kann der Ansiedler auf baldigen Lohn
hoffen, das Klima ist nicht tödtend, die Arbeit nicht so beschwerlich
und langjährig, wie in manchen andern Ländern, wo oft erst die Kinder
den Fleiß der Eltern ernten.

Ich kam nach St. Paul mit einem Empfehlungsbriefe an Herrn
+Holingshead+, der sich sein Haus eine kleine Strecke von der Stadt auf
einem Hügelchen gebaut hat, von welchem er das reizendste Rundgemälde
überblickt. Das ganze Land ist wellenförmig und noch von großen
Prairien und mächtigen Wäldern bedeckt. Die wellenförmige Bildung
gestattet ausnehmend weite Fernsichten. Ein Hügel, welchen mir Herr
Holingshead zeigte, soll hundert Meilen im Umkreise sichtbar sein und
den verirrten Wanderern als Leitstern dienen.

Herr Holingshead war so freundlich, mich sogleich zu einer Fahrt nach
den berühmten Wasserfällen des Mississippi (den +St. Antony-Fällen+, 9
Meilen) einzuladen. Die lieblichsten Wege führen dahin über Ebenen und
Hügel, zwischen Prairien, Bosketten und neu aufgebrochenen Feldern,
in deren Mitte der kürzlich angekommene Farmer vorläufig seine
Bretterhütte aufgeschlagen hat. Jeder Schritt, der mich den Fällen
näherbrachte, steigerte meine Neugierde, denn ich hatte sie von den
Amerikanern als höchst merkwürdig schildern hören. Ich konnte zwar
keine mächtige Wassermasse erwarten, da der Fluß so seicht war, daß
wir kurz vor seinen Fällen durchfahren konnten; doch war seine Breite
noch ziemlich bedeutend; was an Wasserfülle mangeln mochte, hoffte ich
an Höhe ersetzt zu sehen. Bald stand ich vor den Fällen, über alle
Maßen erstaunt -- aber nicht über deren Großartigkeit, sondern über
deren Unbedeutendheit. Ueberdieß gab es nicht mehrere, sondern nur
einen Fall. Die Höhe des Sturzes mochte kaum zwanzig Fuß betragen,
die Breite war zwar bedeutend, aber eben dadurch verlor sich die Höhe
noch mehr. Zudem war der Fall durch eine Brettermühle und durch eine
Menge angeschwemmter Baumstämme sehr verunstaltet. Das schönste ist
die Felswand, über die er sich stürzt: sie schien wie mit einem Meisel
senkrecht abgeschnitten. Die nahe Umgebung bot nichts Romantisches:
sie bestand aus Waldungen, die alle Aussicht versperrten.

Und so sah ich abermals eine Naturscene, aus welcher die Amerikaner ein
Wunder machen, und abermals muß ich gestehen, daß nur Leute, die nichts
weiter gesehen haben, so urtheilen können. Aus Gefälligkeit in das
allgemeine Horn zu blasen, wie viele Reisende es thun, ist meine Sache
nicht; ich schreibe wie ich sehe und fühle, bin jedoch weit entfernt zu
glauben, daß meine Ansichten und Gefühle immer die richtigen sind.

Von dem Falle des Mississippi fuhren wir mit einem kleinen Umwege an
dem Falle des +Minne-ha-ha+ (lachendes Wasser) vorüber, nach St. Paul
zurück. Dieses Wässerchen hat kaum drei Fuß in der Breite, stürzt
sich jedoch senkrecht über eine Wand von sechzig Fuß, in ein Becken,
das von dicht bewachsenem Hügeln, oder eigentlich Felswänden, enge
umschlossen ist. Das Ganze gleicht einem eingestürzten Krater, allein
keine ausgeworfene Lava ist sichtbar. Man kann zwischen dem Falle und
der Felswand durchgehen. Mir gefiel beinahe dieser Miniatur-Wasserfall
besser, als jener gerühmte des Mississippi; von ersterem erwartete
ich nichts, von letzterem sehr viel. Besonders reizend waren die
Ansichten von den kleinen Höhen: der Blick schweifte ungefesselt weit
hin über das wellenförmige Prairien-Land, auf der einen Seite den Fluß
Minnesota, auf der andern den Mississippi verfolgend, der nach dem
Sturze seinen Lauf in einem engen Felsbette fortsetzt.

Auch an dem Fort +Snelling+ kamen wir vorüber, das auf erhöhtem
Felsgrunde steht, aus Stein gebaut und mit seinen vier Eckthürmen für
Indianer gewiß uneinnehmbar ist. Bei diesem Fort ergießt sich der
Minnesota in den Mississippi.

Wir fanden hier einige der sogenannten „Pelzjäger“ gelagert. Diese
Leute führen ein ganz eigenthümliches Leben. Sie halten sich beständig
unter den Indianern auf, wählen ihre Weiber aus ihnen und beschäftigen
sich nur mit Jagd und Tauschhandel. Sie halten sich Wochen und Monate
lang in den dichtesten Wäldern auf, wandern hoch nach dem Norden hinauf
und suchen mit allen Stämmen in Verbindung zu kommen. Sie nehmen von
den Eingeborenen Pelzwerk gegen Glasperlen, Messing, gefärbte Stoffe
u. s. w. Wenn sie der Waaren genug gesammelt haben, beladen sie damit
kleine, zweirädrige Karren, mit einem Pferde bespannt, und ziehen nach
den großen Städten, um zu verkaufen. Zurück bringen sie Kaffee, Zucker,
Thee u. dgl. für ihren Bedarf, und andere Waaren für die Indianer.
Während der Reise lagern sie stets in kleinen Zelten unter Gottes
freiem Himmel. Sie gewinnen ihre Lebensweise meistens so lieb, daß sie
dieselbe gegen die bequemste und angenehmste nicht vertauschen würden.
Obwohl sie oft viel Geld für ihre Pelze lösen, kehren sie doch häufig
arm zurück, da sie wie die Minenarbeiter in Californien sind, und in
kurzer Zeit den schwer verdienten Gewinn durchbringen. Glücklich noch
jener, der davon so viel erübrigt, einige Waaren für den Tauschhandel
mit nach Hause zu bringen. Die meisten dieser Pelzjäger sind Franzosen.

Mit trefflichem Appetit kamen wir von diesem Ausflug zurück nach
Herrn +Holingshead’s+ Haus, wo ein ausgezeichnetes Mittagsmahl unsrer
harrte. Nach Tische führte mich noch Frau Holingshead nach einer
kleinen Grotte, zwei Meilen von St. Paul, die eine halbe Meile weit in
einen Sandhügel dringt. Ein Bächlein, das seinen Lauf durch die Grotte
nimmt und kein eigentliches Bett hat, verbreitet überall Nässe und
Feuchtigkeit, so daß der Gang in das Innere sehr unangenehm und dabei
nicht lohnend ist, denn nirgends wird die Gestaltung eines Tropfsteins
sichtbar. Das hübscheste ist eine unregelmäßige Halle am Eintritte,
welche die Städter manchmal an heißen Tagen zu geselligen Vergnügungen
benützen.

Am +9. August+ verließ ich St. Paul, um nach dem Lake +Superior+ zu
gehen. Diese Reise wird theils auf dem Flusse +St. Croix+ und theils
zu Lande gemacht. Ich hatte mich zu St. Paul mit einem Herrn, der
gleichfalls dahin wollte, besprochen, den Ausflug gemeinschaftlich zu
unternehmen, und sollte zu Stillwater (16 Meilen von St. Paul) zwei
Tage auf ihn warten.

Nach Stillwater fuhr ich mit dem Postwagen. Ich fand da einen jungen
Mann, der kein Wort sprach, und eine junge Frau, die keinen Augenblick
schwieg. Schon in der ersten Viertelstunde hatte sie uns alle ihre
Verhältnisse erzählt. Nachdem wir kaum zwei Meilen gefahren waren,
vermehrte sich unsere Gesellschaft um eine dritte Person, eine junge
Frau, dem Putze nach zur reichen Klasse gehörend, denn sie war in Seide
gekleidet und mit Schmuck reichlich versehen. Allein ihr Benehmen
verrieth sie nur zu schnell. Die eine Seite ihres Gesichtes wies noch
große blaue Flecken, die sie vermuthlich in irgend einer Schenke
erbeutet hatte. Sie kaute Tabak trotz dem derbsten Amerikaner, zog ein
Fläschchen mit Branntwein aus der Tasche, labte sich ohne Umstände
damit und lud uns freundschaftlich zum Mitgenuß ein. Sie richtete an
uns alle das Wort. Von dem stummen Herrn und mir erhielt sie zwar
keine Antwort; aber mit dem geschwätzigen jungen Weibe gerieth sie
alsbald in tiefes Gespräch. Doch diese Gesellschaft genügte der Dirne
nicht, sie rief dem Kutscher zu, anzuhalten, stieg aus und gesellte
sich zu einigen Männern, die oben auf dem Wagen saßen. Mittags wurde
an einem Gasthofe angehalten, wir setzten uns an die Tafel und mußten
diese Person in unserer Mitte dulden -- sie war ja +eine Weiße+! --
Nach Tische kam ein hübscher, junger Mann in unsere Kutsche, und als
die edle Dame dieß sah, stieg auch sie wieder ein. Die beiden Leutchen
wurden bald so vertraut mit einander, daß man bedauern mußte, Ohren
und Augen zu haben. Ich erzähle dieses schöne Intermezzo nur, um
zum Nachdenken darüber aufzufordern, ob man die Menschen nach ihrer
Hautfarbe, oder nach ihrem Benehmen beurtheilen solle.

Die kurze Reise[10] nach Stillwater ist so lieblich, daß ich sie (nur
in keiner Stage-coach) aus Vergnügen oft wiederholen könnte. Hübsche
Wege führen durch einen natürlichen Wiesenpark, an kleinen Seen
vorüber, die sehr reich an Fischen sein sollen, und hin und wieder
eröffnen sich Aussichten auf den schönen St. Croix See, auf Prairien
und weite Strecken Landes.

Zu Stillwater nahm mich Herr +Schulenburg+ freundlich in seinem
Hause auf, und ich wartete verabredeter Weise zwei Tage auf meinen
Reisegefährten; als aber weder er noch einige Zeilen von ihm kamen (die
erste Unhöflichkeit, die ich von einem Amerikaner erfuhr), ging ich am
dritten Tage den +12. August+, auf einem kleinen Dampfer nach St. Croix
(30 Meilen).

Stillwater liegt nahe dem Ende des Sees, und bald kamen wir in den St.
Croix-Fluß, der nur bis St. Croix, und zwar nur für ganz kleine Dampfer
befahrbar ist; bei St. Croix bildet er Stürze und Wasserfälle, und
oberhalb dieser ist er seicht und voll Felsen, durch welche sich kaum
kleine Boote durcharbeiten können.

Die Fahrt ist hübsch, man ist von wilden, pittoresken Fels- und
Waldparthien umgeben; aber den nur einigermaßen verzärtelten Reisenden
würde sie wohl nicht für die Unannehmlichkeiten entschädigen, welchen
er auf diesen ganz beschränkten Dampfern ausgesetzt ist. Bis jetzt ist
die Gegend meistens nur von Holzschlägern und Holzhändlern besucht,
die in ihren ganz beschmutzten und zerrissenen Anzügen nicht selten
betrunken an Bord kommen. Da nur ein Platz existirt, muß man in ihrer
Gesellschaft leben. Der Tisch war jämmerlich bestellt, ein ekelhaftes
Tischtuch ausgebreitet, Theetassen dienten statt der Trinkgläser. Ich
werde dieses Dampfers, dieser Gesellschaft nicht leicht vergessen; ein
Betrunkener saß mit am Tische, ein zweiter lag daneben im Bette und
schnarchte nach dem Takte. --

Wir saßen mehrmals auf Sandbänken auf und erreichten diesen Tag nicht
St. Croix, obwohl wir Stillwater schon Morgens acht Uhr verlassen
hatten. Man wies mir für die Nacht ein schmutziges Bett an, das so hart
und knollicht war, als wäre es mit Steinen ausgefüllt gewesen.

+13. August.+ Um neun Uhr Morgens erreichten wir St. Croix. Der
Dampfer hielt in einem Wasserbecken, das von sechzig bis siebenzig
Fuß hohen Felsen so enge umschlossen ist, daß man kaum die Ein- und
Ausfahrt gewahren konnte. Eine der Felsspitzen, von den übrigen etwas
abgesondert, führt den Namen „des Teufels Schornstein.“

Als ich an’s Land stieg, bat ich sogleich jemanden, mich nach den
zwei Fällen des St. Croix-Flusses, dem Taylor- und dem obern Falle zu
führen, von welchen beiden man mir in Stillwater und St. Paul viel
gesprochen hatte. Wenn wir Europäer von einem Wasserfalle sprechen,
verstehen wir darunter doch eine hübsche Masse Wassers, die sich über
eine Höhe von wenigstens zwanzig bis dreißig Fuß stürzt. Die Amerikaner
sind in ihren Ansprüchen viel bescheidener: sie ersetzen an dem Namen,
was der Sache fehlt. Man wies mir eine Wasserschnelle (Rapid) von
kaum drei Fuß Höhe, vor welcher der Dampfer anhielt, und die ich,
ihrer Unbedeutendheit wegen, gar nicht beachtet hätte, dieß war der
Taylor-Fall; auch der obere Fall, eine Meile höher, war eher einer
Schnelle zu vergleichen: seine Höhe betrug sieben bis acht Fuß.

St. Croix besteht bis jetzt nur aus einem Gasthause[11], einem Dutzend
hölzerner Hütten und ein Paar Sägemühlen, die im Walde umherliegen.
Man hofft, daß sich hier bald eine bedeutende Stadt bilden wird. Diese
Hoffnung hegen die Amerikaner überall, wo einige Hütten entstehen.

Die Witterung in St. Paul, Stillwater und hier war bereits so rauh,
neblicht und regnerisch wie kaum bei uns im Monat November, so daß man
mir abrieth, die Reise nach dem Lake Superior zu Lande zu machen; sie
wäre auch unter diesen Umständen, des bösen Sumatra-Fiebers wegen, das
ich nicht los werden konnte, wirklich gefährlich für mich gewesen. Ich
kehrte daher wieder über Stillwater nach St. Paul und von da mit dem
Dampfer +Galena+ auf dem Mississippi nach Galena (300 Meilen) zurück.
Von Galena fuhr ich mit der Stage-coach nach +Warren+ (25 Meilen)
und von da mit der Eisenbahn nach +Chicago+ (175 Meilen), wo ich am
20. August ankam. Ueber diese Reise läßt sich nichts sagen, als daß
das Land durchgehends wellenförmig gebildet, zum Theil mit Waldungen
bedeckt ist und sehr fruchtbar scheint; die üppigen Felder versprachen
überall reiche Ernten.

Ungleich größeres Interesse fand ich darin, den Amerikaner zu
beobachten, der mir mit seinen widersprechenden Eigenschaften ewig ein
Räthsel bleiben wird. Auf einer Seite ist oft ein Wort hinreichend,
sein Blut in Wallung zu bringen, ja ihn bis zu Mord und Todtschlag zu
führen, auf der andern besitzt er die unendlichste Geduld. Letzteres
namentlich den Dienstleuten gegenüber, die beinahe die eigentlichen
Herren im Hause zu sein scheinen: um jede Dienstleistung muß man
sie bitten und ersuchen, als wäre es eine Gnade, selbe von ihnen zu
erhalten. Ich sehe es gewiß von Herzen gerne, daß Dienstleute wie zur
Familie gehörend, behandelt werden, würde aber auch strenge darauf
halten, daß sie die Pflichten, die sie gegen mich übernommen haben,
eben so genau erfüllen, wie ich die meinigen gegen sie.

Eine eben so ungemessene Nachsicht zeigen die Amerikaner, wie ich zum
Theile schon erwähnt habe, mit den Ungezogenheiten nicht nur ihrer
eigenen, sondern auch der fremden Kinder. Um die Geduld meines Lesers
nicht zu ermüden, will ich von den vielen Beispielen, die mir vorkamen,
nur eines erwähnen. Ich fuhr einst in einer Stage-coach an einer
einsamen Farm vorüber. Ein Junge kam heraus gesprungen, schrie dem
Kutscher zu, anzuhalten und lief dann zurück in das Haus. Der Kutscher
hielt einige Minuten, kein Mensch kam, -- es war ein Scherz des Knaben.
Anstatt abzusteigen und den Jungen zu züchtigen, begnügte sich der
Kutscher ein „~Goddam~“ auszurufen, und fuhr weiter.

Mit wahrer Entrüstung aber war ich Zeuge der Gelassenheit, mit welcher
sich auf der Fahrt von Galena nach Warren neun Herren den Launen eines
der Kutscher unterwarfen. Auf der letzten Station, auf welcher die
Pferde gewechselt werden, pflegen die Reisenden, wenn sie frühzeitig
ankommen, Thee oder sonstige Erfrischungen zu nehmen. Wir waren aber
später von Galena fortgefahren, hatten Angst, den Zug auf der Eisenbahn
zu versäumen, und sagten dem Kutscher, der ebenfalls auf jeder Station
gewechselt wird, er solle gleich weiterfahren. Dieser jedoch, mit dem
Wirthe vermutlich einverstanden, befahl uns fast, den Thee zu nehmen
und erklärte, daß er vor einer halben Stunde nicht weiterfahren würde.
Wir nahmen zwar keinen Thee; allein der Kutscher verschwand, und
all unser Rufen brachte ihn nicht zur Stelle. Als er endlich kam,
ersuchten ihn die Herren auf die höflichste Weise, die Fahrt so viel
wie möglich zu beschleunigen. Die Straße war herrlich, die Pferde waren
frisch -- der Kutscher aber fuhr im langsamsten Schritte. Keine Bitte
half, nicht einmal Geld, das man ihm gab. Die Herren stießen zeitweise
ein halblautes „~Goddam~“ aus, und damit war es abgethan. Ich als
Frau konnte nichts machen; aber ein Halbdutzend meiner phlegmatischen
Deutschen Landsleute hätte ich an die Stelle zaubern mögen, und bin
überzeugt, die hätten sich zu helfen gewußt.

Glücklicher Weise kamen wir drei Minuten vor dem Abgange des Zuges an,
und da niemand Reisekoffer mit sich führte, hatten wir nur von Wagen zu
Wagen zu steigen. Das Versäumen des Zuges hätte uns einen ganzen Tag
gekostet, denn es war Sonnabend, und am Sonntage geht in dem Staate
+Illinois+ kein Zug.

Die Stadt Chicago liegt in einer Ebene an dem +Michigan+-See. Das
einzige Merkwürdige an ihr ist ihr schnelles Emporwachsen. Im Jahre
1830 entstanden die ersten hölzernen Hütten, vier Jahre später fing
man an zu vermuten, daß der Platz vortheilhaft werden könnte, nahm ihn
rasch in Angriff, und nun zählt die Stadt schon an 60,000 Einwohner.

Ueberhaupt erfreut sich der ganze Staat Illinois einer reißend
schnellen Entwicklung. Man kann von ihm dasselbe sagen, wie vom
Distrikte Minnesota: das wellenförmige Land ist vortrefflich, die
Prairien sind leicht in Felder umzuschaffen, das Klima ist gut und
daher das Zuströmen der Einwanderer sehr bedeutend. Dabei ist der
Amerikaner unternehmend wie kein anderer Mensch in der Welt, baut
gleich Eisenbahnen nach allen Richtungen und befährt Flüsse und Seen
mit Dampfern. Die Verbindungen sind früher im Gange, als die Gegend
bevölkert ist; aber eben diese Verbindungen erleichtern das Ansiedeln.
Ueberall wird Land aufgebrochen, werden Farms errichtet, und wie durch
Zauber entstehen Ortschaften und Städte.

Am +22. August+ setzte ich die Reise auf dem Michigan-See fort. Ich
fuhr bis +Milvaukee+ (96 Meilen) in dem Staate +Wisconsin+. Auch diese
Stadt, erst im Jahre 1833 entstanden, zählt bereits 35,000 Einwohner,
von welchen ein Dritttheil Deutsche sind.

Ich fand hier den ersten guten Deutschen Gasthof, Herrn
+Wetzstein+ gehörig, in welchem man treffliche Kost, sehr hübsche
reinliche Zimmer für den billigen Preis von einem Thaler per Tag bekam.
In den andern Städten, wo ich bisher nach Deutschen Gasthöfen gefragt
hatte, waren es schmutzige Kneipen für arme Einwanderer.

In Milvaukee verweilte ich einige Tage und erfuhr von den Deutschen,
ganz besonders von den Frauen, sehr viele Aufmerksamkeiten. Ihr
freundlich zuvorkommendes Wesen, ihr Bestreben mir gefällig zu
sein, wird nie in meinem Gedächtnisse erlöschen. Herr +Napastek+
veranstaltete jeden Nachmittag eine Parthie nach den schönsten Punkten
der Umgebung, nach Melm’s Garten, nach Pest’s Pavillon u. s. w.
Die Fernsichten waren reizend, obwohl es der Landschaft an Hügeln
und Bergen gebrach. Aber der herrliche Wasserspiegel des Sees, der
in unübersehbarer Weite mit dem Horizonte verschwamm, ersetzte die
fehlende Gebirgswelt.

Außer den Deutschen Frauen lernte ich auch eine sehr liebenswürdige
junge Amerikanerin kennen, deren Gemahl, Herr +Booth+, Herausgeber
des „Demokraten“ und wüthender Abolutionist, sich vor kurzem an einem
Aufstande betheiligte, welcher eines entlaufenen Sklaven wegen hier
statt hatte. Der Fall war folgender: Ein Neger, aus den Sklavenstaaten
entflohen, wurde hier entdeckt und gefangen gesetzt. Er sollte seinem
Herrn, der gekommen war, ihn abzuholen, ausgeliefert werden. An dem
dazu bestimmten Tage vereinigten sich viele Abolutionisten, Herrn
Booth an der Spitze, stürmten das Gefängniß, befreiten den Neger und
verhalfen ihm zur Flucht nach Canada.

Herr Booth wurde eingesperrt, später jedoch auf Ehrenwort und gegen
eine Erlegung von 2000 Thaler bis zur Beendigung des Prozesses frei
gelassen. Sollte er den Prozeß verlieren, so muß er auf sechs Monate in
das Gefängniß und 1000 Thaler Strafe bezahlen[12].

Wie widersprechend sind doch die Gesetze, oder vielmehr wie leicht
umgangen in diesem Lande! Wenn jemand einen Brand anlegt, ein
betrügerisches Falliment macht, ja einen Mord oder was immer für ein
großes Verbrechen begeht, kann er leichter durchzukommen hoffen, als
wenn er sich eines entlaufenen Sklaven annimmt, demselben zur Flucht
behülflich ist. Könnte man ein Verbrechen sittlich nennen, so würde es
dieses sein, und gerade da sind die Richter unerbittlich. Wie empörend
ist nicht ein solches Gesetz in einem republikanischen jungen Staate,
welcher der ganzen Welt als Muster aufgestellt werden sollte! --

In dem Staate Illinois hat sich eine geheime Gesellschaft gebildet, die
den aus den nachbarlichen Sklavenstaaten entlaufenen Negern zur Flucht
nach Canada behülflich ist. Zu diesem Zwecke gibt es verschiedene
Stationen, auf welchen stets Pferde und Wagen bereit stehen, die
Flüchtlinge in größtmöglichster Eile über die Grenze zu bringen. Man
nennt diese Art der Beförderung „die unterirdische Eisenbahn.“ Wenn der
Sklave so glücklich ist, die erste Station zu erreichen, kann er sich
für so viel wie gerettet halten. Ist das Gericht auf seiner Spur, daß
man ihn nicht gleich fortschaffen kann, so hält man ihn verborgen und
bietet alle Mittel auf, sein Entkommen zu bewerkstelligen.

Am +26. August+ verließ ich Milvaukee auf dem Dampfer +Troi+, der den
ganzen Michigan-See entlang bis Sault St. Maria (304 Meilen) führt. Der
Michigan-See ist, als Wasserfläche betrachtet, unstreitig großartig und
einem Meere zu vergleichen, da seine Länge 400, seine größte Breite 80
Meilen beträgt. Die Umgebung dagegen ist im höchsten Grade einförmig --
nichts als unübersehbare Ebenen. Die Ufer steigen höchstens bis 30 Fuß
auf, und die Städte, die allein das ewige Einerlei unterbrechen, bieten
eben so wenig Interesse, da sie eine der andern vollkommen gleichen.

Gegen das Ende des See’s gibt es viele Inseln, darunter die
„Biber-Insel,“ welche von Mormonen[13] bewohnt wird. Wir hielten hier,
wie überhaupt an vielen Orten an. Ich stieg an’s Land, um diese Leute
zu besuchen, deren Lebensweise als gänzlich verschieden von jener
aller andern christlichen Sekten geschildert wird. Man sagt von ihnen,
daß sie Weiber- und Güter-Gemeinschaft haben, daß sie gemeinschaftlich
essen und arbeiten, daß die Kinder der Mutter im dritten Jahre
weggenommen und der Gesellschaft übergeben werden u. s. w.

Ich fragte einen alten, ehrwürdig aussehenden Mormonen hierüber.
Derselbe wollte von alledem nichts wissen; nur was Feld- und andere
Arbeiten anbelange, sei Gemeinschaft eingeführt. Er erzählte
mir ferner, daß ihr Chef oder Priester ein Prophet sei, der die
Krankheiten, mit Ausnahme der Beinbrüche (da reicht die Kraft des
heiligen Mannes vermuthlich nicht aus) durch Auflegen der Hände heile,
daß derselbe jeder Arbeit enthoben sei und dessen ungeachtet mehr
arbeite, als der fleißigste unter ihnen, denn er sei nicht nur den
ganzen Tag, sondern auch den größten Theil der Nacht mit Schreiben
beschäftiget. Als ich ihn fragte, was jener denn so viel zu schreiben
habe, ob es religiöse Tractate und Uebersetzungen derselben in
verschiedene Sprachen wären, um sie hinaus in alle Welt zu senden
und Proseliten zu machen, erhielt ich zur Antwort, daß er niemanden
offenbare, was er schreibe, daß dieß ein heiliges Geheimniß sei. Zum
Mormonenthum gehört also auch eine tüchtige Portion Glauben.

Ferner vernahm ich von diesem Manne, daß wenn ihr Prophet oder
Priester stürbe, ein anderer unmittelbar von Gott gewählt und die Wahl
durch einen Engel verkündet würde. Bei näherer Befragung zeigte es sich
jedoch, daß der Prophet Gott und Engel selbst vorstellt, daß er seinen
Nachfolger bestimmt, den guten Leuten vorgebend, es sei ihm die Wahl im
Traume von einem Engel zugeflüstert worden(!!)

Am +28. August+ erreichten wir das Ende, oder besser gesagt, den Anfang
des Michigan-Sees, der mit dem Lake Superior durch den Fluß +Sault
St. Maria+ (nur einige Meilen lang) verbunden ist. Unmittelbar vor
dem Eingange in den Lake Superior bildet der Fluß starke Schnellen
oder Abfälle, auch ist das Bett voll von Riffen und Felsen, über die
sich das Wasser mit großer Gewalt stürzt, so daß die Schiffahrt auf
die Strecke von einer Meile unterbrochen wird. Man arbeitete gerade
an einem Schleußen-Kanale, welcher die Schiffe von einem See in den
andern fördern wird. Die Kosten dieses Baues sind auf 650,000 Dollars
veranschlagt. Der Obere See (Lake Superior) liegt 792 Fuß über der
Meeresfläche und einige dreißig Fuß höher als der Michigan.

Zu Sault St. Maria mußte ich einen Tag auf den Dampfer warten, der den
Oberen See befährt. Ich wohnte da bei Herrn +Johnson+, welcher ein
kleines, aber sehr nettes +Boarding-house+ hält und mit seiner Familie
zu den trefflichsten Menschen gehört. Jeder Reisende wird sich bei ihm
heimisch und zufrieden fühlen.

Am +29. August+ spät Abends trat der Dampfer „Baltimore“ seine
Rundfahrt um den See an. Die Nacht war sehr neblicht, und durch
Unvorsichtigkeit des Steuermannes, der sich dem Lande zu nahe hielt,
fuhren wir auf eine vor dem Oertchen +White fish points+ gelegene
Sandbank hart auf. Wir mußten den Tag erwarten, die ganze Ladung
herausnehmen und wurden erst nach zwölf Stunden angestrengter Arbeit
wieder flott. Wir waren kaum hundert Fuß vom Ufer entfernt und hätten
eben so gut, wie auf die Sandbank, auf das feste Land auffahren können.
Dergleichen Unvorsichtigkeiten und noch bei weitem größere, kommen
jedoch in den Vereinigten Staaten so häufig vor, daß man gar nicht viel
Wesens davon macht.

Bei dieser Gelegenheit sah ich das Oertchen White fish points, welches
von Indianern bewohnt ist, die sich ausschließlich mit dem Fischfange
beschäftigen. Auch ein Paar Amerikaner haben sich da angesiedelt, um
von den Eingebornen die Fische einzutauschen, welche getrocknet und
eingesalzen werden. Der Obere See zeichnet sich durch seinen Reichthum
an äußerst schmackhaften Fischen aus. Dieser Nahrungsquelle zufolge war
auch in früheren Zeiten die ganze Umgebung des Sees sehr bevölkert,
und als die Französischen Jesuiten im 17. Jahrhunderte bis hierher
vordrangen, fanden sie Wig-wams mit einer Bevölkerung von 2000 Seelen.
Jetzt ist das freilich schon lange anders. Die Weißen brachten ihnen
Seuchen und Branntwein, so daß die Bevölkerung bald zusammen schmolz,
und von den Resten dieses unglücklichen Volkes werden noch in der
neuesten Zeit manchmal kleine Transporte nach dem „Indian Territory“
gesendet. Ein Indianer dürfte auch an diesem unermeßlichen See bald zur
seltenen Erscheinung werden.

Der +Superior-See+ ist der größte Süßwasser-See in der bekannten Welt,
er hat 355 Meilen Länge, 160 Meilen größte Breite, seine Wasserfläche
beträgt 32,000 Quadratmeilen, die tiefste Stelle 900 Fuß. Von den
Jesuiten im Jahre 1641 entdeckt, wurde das umliegende Land im Jahre
1671 von der Französischen Regierung in Besitz genommen. Im Jahre 1659
geschah die erste Erwähnung des daselbst vorkommenden Kupfers: die
Eingebornen zeigten den Jesuiten ein Stück reines Kupfer von sechs-
bis siebenhundert Pfund. Doch wurde erst in unserem Jahrhundert, im
Jahre 1845, angefangen, dieses Metall auf bergmännische Art zu Tage zu
fördern. Die Bergwerke liegen alle mehrere Meilen von dem See entfernt,
der tiefste Schacht mißt 700 Fuß, die größte Masse reinen Kupfers, die
bisher gefunden wurde, soll 50 Tonnen schwer gewesen sein.

Wir machten auf dem Lake Superior wenigstens fünfhundert Meilen, bis
wir an sein Ende kamen, denn wir lenkten in viele Buchten ein und
brachten den erst kürzlich entstandenen Oertchen (von den Amerikanern
bereits Städte genannt) Lebensmittel und sonstige Bedürfnisse.

Bei +Lepointe+, in dessen Nähe zwölf Inselchen liegen, die „+zwölf
Apostel+“ genannt, fanden wir zufällig sehr viele Indianer. Die
Amerikanische Regierung theilt nämlich alljährlich im Monat September
an die Chefs und Vornehmsten der Stämme, welche noch in diesen Gegenden
leben, Geschenke an Lebensmitteln, Kleidungsstücken, Geld u. s. w. aus.
Die Vertheilung findet zu Lepointe statt, wo sich alle zu beschenkenden
Indianer versammeln.

Ich sah deren eine ziemlich bedeutende Anzahl; sie gehörten zu den
Chipewa- und Sioux-Indianern und waren hübscher, kräftiger und höher
an Wuchs, als die meisten, besonders die südwestlichen, die mir bisher
vorgekommen waren. Doch hatten sie auch breite Backenknochen und straff
herabfallende Haare, die einen Theil des Gesichtes verbargen. Das
Häßlichste an ihnen war die Hautfarbe: eine recht schmutzig blaßgelbe
Lederfarbe. Wie sie zu dem Namen „Rothhäute“ gekommen sind, mögen die
Götter wissen. Es gab zwar manche rothbraune Gestalt unter ihnen, man
hätte die Hautfarbe für natürlich halten können, so fein war sie am
ganzen Körper eingerieben; allein bei näherer Betrachtung sah man wohl,
daß es nicht die Naturfarbe war. Nichtsdestoweniger fand ich gar manche
dieser Wilden mit ziemlich regelmäßigen, hübschen Gesichtszügen. Einige
hatten etwas von der Kultur der Weißen angenommen, gingen Europäisch
gekleidet, trugen die Haare zierlich gekämmt, sprachen Französisch oder
Englisch, verstanden diese Sprachen sogar zu schreiben, und hatten
Handwerke gelernt oder sich dem Handel gewidmet. Der große Haufe aber
zieht es vor, schlecht zu leben, halb nackt zu gehen, nur nicht zu
arbeiten. Die Indianer in den kalten Gegenden sind eben so wenig zum
Ackerbau und zu Handwerken zu bewegen, wie die Völker unter der heißen
Zone.

Erst am fünften Tage der Reise erreichten wir +Fond of lake+, die
äußerste südwestliche Spitze des Sees. Ich war nun den ganzen See
entlang gefahren, konnte aber in die stete Begeisterung der mich
umgebenden Gesellschaft nicht einstimmen. Wenn die Leute nur einige
hölzerne Hütten beisammen stehen sahen, ging es wie aus einem Munde:
„Ach wie schön, wie herrlich! Welches Bild könnte man da entwerfen!“
Es ist wahr, der Lake Superior ist ungleich pittoresker, als der
Michigan-See, die ihn umgebende, noch größtentheils im Schlummer
ruhende Natur, die finster aufsteigenden Wälder, die Hügelketten
verleihen ihm vielen Reiz; doch herrscht zu wenig Abwechselung, um
von der Umgebung begeistert werden zu können. Die Hügel sind meistens
niedrig, der höchste Berg, der +St. Ignacio+ an der Neepigon-Bay soll
1300 Fuß hoch sein; diesen Koloß bekamen wir jedoch nicht zu sehen.

Die neu angelegten Oertchen sind alle sehr unbedeutend: sie bestehen
vor der Hand noch aus kleinen Holzhäuschen, die mitten in den Waldungen
liegen. Das Land wurde noch nirgends aufgebrochen, die Dampfer bringen
allen Lebensbedarf für die neuen Ansiedler mit.

Unter den Reisenden gab es auch wieder gar manche, die begierig
waren, zu wissen, welcher Religion ich angehörte, wer mir Geld zum
Reisen gäbe u. s. w. Diese unzarte Neugierde berührte mich jedesmal
sehr unangenehm, und ich fand mich wirklich oft gezwungen, in meinen
Antworten ein wenig derb zu werden, um den unverschämten Fragen ein
Ende zu machen.

Am zweiten Tage der Reise kam eine Frau von ungefähr dreißig Jahren an
Bord. Sie war für ihr Alter etwas zu jugendlich gekleidet, trug die
Haare in langen Locken bis über die Schultern hinab und einen großen
runden Strohhut. Kaum hatten die übrigen Frauen sie gesehen, so kam
sogleich eine derselben zu mir, vor einem Gespräche mit dieser Fremden
warnend: man glaube, sie habe keinen guten Ruf. Ich erwiderte ihr,
daß das Glauben nicht genug sei, jemanden zu beleidigen; aber außer
mir sprach auch richtig niemand mit ihr. Abends wurden wie gewöhnlich
einige Quadrillen getanzt. Bei der dritten Quadrille führte ein Herr
die Fremde auf den Tanzplatz. Die Musik begann; aber kein anderes Paar
erschien. Der Herr trat vor und frug, warum man diese Frau absichtlich
so beleidige, er kenne sie und wisse, daß sie bei Verwandten zum
Besuche gewesen sei und nun zu ihrem Gemahl nach Fond of lake gehe;
ihr Charakter sei tadellos. Keine Antwort erfolgte, und der Tänzer war
gezwungen, mit der Frau abzutreten.

Hätten doch die anderen religiösen, tugendhaften Frauen wenigstens so
viel Zartgefühl gehabt, nicht mehr zu tanzen: das wäre doch eine kleine
Entschädigung für die schwere Beleidigung gewesen; aber weit entfernt
davon -- kaum war der Platz geräumt, so fing das Tanzen wieder an.

Zufälliger Weise bestürmte mich den nächsten Morgen gerade wieder eine
der neugierigsten Frauen mit der Frage, zu welcher Religion ich gehöre.
Ich erwiderte ihr ganz erzürnt: „Gewiß nicht zu jener, zu welcher Sie
und die ganze Gesellschaft gehören, denn meine Religion verbietet mir,
einen Nebenmenschen zu beschimpfen, ihm die Ehre zu rauben.“ -- Von
diesem Augenblick an hatte ich Ruhe.

In Fond of lake sind in einem kleinen Halbkreise bereits fünf Plätze
an dem See für Städte abgesteckt; an manchen stehen schon einige
hölzerne Häuschen. Sollten die Städte zu Stande kommen, so dürften sie
sich beinahe berühren; doch bezweifle ich die Erbauung, denn außer den
Kupferminen wird, da der Boden schlecht ist, keine Erwerbsquelle sein.
Leicht dürften einige von ihnen das Schicksal des Städtchens Trinidad
in Kalifornien haben und eingehen, bevor sie noch zu Städten werden.

Am +6. September+ traf ich wieder zu Sault St. Maria ein. Ich hatte nun
zehn Tage beinahe in derselben Gesellschaft gelebt und mit Erstaunen
bemerkt, wie freundlich und zärtlich die Frauen mit einander thaten,
gerade als wären sie alte Bekannte gewesen. Auch mich luden jene, die
in St. Maria wohnten, in ihr Haus auf eine Tasse Thee ein. Kaum aber
fiel der Anker, so lief alles auf und davon, und die neuen Freundinnen
nahmen sich gar nicht einmal Zeit, einander Adieu zuzurufen. Um
mich kümmerte sich schon gar keine Seele, man vergaß (vielleicht
vorsätzlich), mir die Wohnungen zu sagen, wo ich die Tasse Thee nehmen
sollte. Doch an derlei Artigkeiten war ich schon gewöhnt, und ruhig
ging ich wieder in das nette Häuschen des Herrn Johnson.

Am +7. September+ traf mich der frühe Morgen schon am Bord des Dampfers
„+Illinois+,“ um meine Reise nach dem Norden fortzusetzen.

Die Fahrt geht erst auf dem Flusse +St. Maria+, der sich oft zu kleinen
Seen ausbreitet und recht artige Ufer bespült. Dieser Fluß führt in die
Straße +Mackinac+, und diese in den zweitgrößten See Amerika’s, den
+Huron+, welcher 260 Meilen lang, 160 breit ist, 20,000 Quadratmeilen
einnimmt und 578 Fuß über der Meeresfläche liegt. Die Umgebung dieses
Sees ist etwas hübscher als jene des Michigan, doch ebenfalls ziemlich
einförmig. Das Land ist von wellenförmiger Bildung, viel mit Waldungen
bedeckt und hin und wieder mit niedlichen Hügelketten durchzogen.

Am +8. September+ verließen wir den Huron-See und traten in den Fluß
+St. Clair+, an dessen einem Ufer sich beinahe Städtchen an Städtchen
reiht, mit Wiesen und fruchtbaren Feldern dazwischen, während auf dem
andern zahllose Sägemühlen nebst mehreren Indianer-Dörfern liegen.
Selbst die Indianer scheinen hier aus ihrer Trägheit aufgerüttelt, denn
auch um ihre Dörfer war der Grund aufgebrochen und bepflanzt. Auf dem
Flusse war bedeutendes Leben, es fuhren viele Segelschiffe, meistens
mit Bauholz befrachtet, Dampfer schleppten sie durch den kurzen Fluß
in den kleinen St. Clair-See, welcher so voller Untiefen und Sandbänke
ist, daß er nur bei Tage befahren werden kann. Die Ufer dieses Sees
sind an manchen Stellen so flach, daß sich das Wasser entfesselt über
das Land ergießt und Sümpfe und Moräste bildet. Von dem St. Clair-See
führt der +Detroit-Fluß+ in den +Erie-See+. Die Entfernung von dem
Huron- bis zu dem Erie-See beträgt achtzig Meilen.

Gegen Mittag landeten wir zu +Cleveland+, dem Stolze des Staates Ohio,
am Eingange des Erie-Sees gelegen. In den wenigen Stunden meines
Aufenthaltes machte mich Dr. +Langsdorf+ mit dieser Stadt und deren
naher Umgebung bekannt.

Cleveland besteht aus zwei Städten, der eigentlichen Stadt Cleveland
und der Stadt +Ohio+, die durch eine Kluft von ersterer getrennt ist,
aber kürzlich zu dem Stadtgebiete Clevelands gezogen wurde und dadurch
ihren Namen verlor. Der Anblick der beiden blühenden Städte mit der
dazwischen liegenden merkwürdigen Schlucht, in deren Tiefe ein artiger
Fluß sein Bett gewühlt hat, ist höchst reizend. Die Kluft mag ungefähr
fünfzig Fuß Tiefe haben und ist mit Gesträuchen und Bäumen reich
bewachsen. Ein Kanal führt bis in den Erie-See.

Von den Einzelnheiten Clevelands bewunderte ich am meisten die Straße
Euclid. In dieser stehen die nettesten, geschmackvollsten Häuser,
welche freundlichen Villen gleichen und durch Boskette und Wiesen von
einander getrennt sind. In wenig Jahren mögen Gärten und Wiesen wohl
schon von neu entstandenen Häusern verdrängt sein.

Spät Abends setzte ich meine Reise auf dem schönen Dampfer
„+Crescent-City+“ fort. So viel ich bei scharfer Mondbeleuchtung sehen
konnte, scheinen sich auch die Ufer des Erie-Sees in nichts von jenen
des Michigan zu unterscheiden.

Der Dampfer „Crescent-City“ war eins der prachtvollsten Fahrzeuge,
die ich je bestiegen. Wo man nur hinsah, nichts als Sammt und Gold,
kostbare Teppiche, Spiegel von ungeheuerer Größe; eine hohe, schön
gewölbte Kuppel von farbigem Glase verbreitete über alle diese
Herrlichkeiten ein mattes Licht. Die Räume faßten an 1200 Personen.
Man lebte da nicht wie in einer geschlossenen Gesellschaft, sondern
wie in einer Stadt; man ging an den Leuten so fremd und unbekümmert
vorüber, wie auf einem öffentlichen Spaziergange. Aber bequem fand ich
diesen Dampfer nicht eingerichtet. Darauf scheinen indeß die Amerikaner
weniger zu halten, als auf Pracht, Luxus und Prunk. Die Fensterscheiben
z. B. rings auf die Gallerie hinaus waren von buntem Glase und mit
Arabesken so ausgefüllt, daß man gar nicht durchsehen konnte, weder
auf den See noch auf die Landschaft. Ja sogar das Licht von außen
war dadurch fast ganz vor dem Eindringen gehemmt. In den Kabinen des
unteren Stockwerkes (auch erste Klasse) schliefen je sechs Personen,
und für eine Zahl von fünfzig bis sechzig Frauen gab es nur ein kleines
gemeinschaftliches Waschzimmerchen mit nur zwei Waschbecken. Man mußte
sich anstellen, um die Gelegenheit zu erhaschen, sich die Augen und
Fingerspitzen ein wenig zu benetzen, und Glas und Handtuch selbst
mitbringen, denn ein Glas war nicht vorhanden und die Paar Handtücher
so durchnäßt, daß man sich ihrer nicht bedienen konnte. Die Aufwärterin
schien nur zur Aufsicht da zu sein. Sie saß, wie eine Dame gekleidet,
auf einem Sopha und häkelte. Zum Glück währte die Fahrt über den
Erie-See nicht lange, denn schon am

+9. September+ Morgens kamen wir nach +Buffalo+, einer hübschen
Stadt mit 60,000 Einwohnern. Meine Ungeduld, mich den berühmten
Fällen des Niagara zu nahen, war so groß, daß ich, des schlechten
Wetters ungeachtet, gleich auf die Eisenbahn ging, um nach dem Orte
+Niagara-Falls-Village+ (22 Meilen) zu fahren. Ich war da so glücklich,
ein überaus niedliches, kleines Hôtel, Madame +Teuscher+ gehörig, an
den Schnellen des mächtigen Stromes zu finden, der sich hier in zwei
Theile theilt und in wüthend stürmischer Eile seinen Fällen zu eilt.

Für diesen Tag aber mußte ich, selbst wenn sich das Wetter aufgeheitert
hätte, dem Gange nach den Fällen entsagen und mein Bett aufsuchen,
denn in letzterer Zeit hatte ich häufige Anfälle des unermüdlichen
Sumatra-Fiebers gehabt, und fühlte mich davon sehr angegriffen[14].


  [10] Zu einer Reise von sechzehn Englischen oder vier Deutschen
       Meilen benöthigten wir sechs Stunden, hielten über Mittag an und
       wechselten die Pferde. Das nenne ich doch schnell reisen! --

  [11] Ein Gasthof oder Boarding-house bildet sich gleich bei ein Paar
       Häusern. Der Amerikanische Arbeitsmann, Tischler, Maurer
       u. s. w. will gute Kost, ein gutes Bett haben und bezieht
       sogleich den Gasthof, wo er per Woche zahlt.

  [12] Von den freien Negern in Milvaukee erhielt Herr Booth einen
       werthvollen, schönen Stock, den sie ihm als Vertheidiger ihrer
       armen schwarzen Brüder verehrten.

  [13] Auf dieser Insel lebt nur ein kleiner Zweig dieser Sekte; der
       Hauptsitz der Mormonen ist am Salz-See, tief im Innern des
       Landes.

  [14] Bisher nahm ich immerwährend Chinin gegen das Fieber; allein ich
       konnte es nur auf kurze Zwischenräume damit vertreiben. In
       Buffalo rieth mir jemand folgendes Mittel dagegen: „Man nehme
       auf ein halbes Wasserglas voll starken, guten Brandy einen
       Theelöffel rothen, pulveristrten Pfeffer (Cayenne) und fünf
       bis sechs Theelöffel voll weißen Zucker, mische es gut durch
       einander, bis der Zucker gänzlich aufgelöst ist, und lasse es
       dann vier bis fünf Stunden stehen. Man beginne diese Arznei
       ein bis zwei Stunden, ehe das Fieber kommen soll, einzunehmen,
       und zwar jede Stunde zwei Theelöffel voll, bis das Ganze
       genommen ist. Man schüttle es bei jedesmaligem Nehmen gut durch
       einander.“ -- Das Fieber blieb, nachdem ich dieses Mittel
       genommen hatte, ganze zwei Monate aus; dann hatte ich einen
       abermaligen Anfall, ich nahm dieselbe Arznei, und das Fieber
       blieb gänzlich aus. -- Sollte gegen das Wechselfieber nichts
       mehr helfen, so wage man gleich mir dieß letzte Mittel.




Einundzwanzigstes Kapitel.

  Die Fälle des Niagara. -- Der Ontario-See. -- Die tausend Inseln. --
  Montreal. -- Quebek.-- Die Amerikanischen Eisenbahnen. -- Neu-York.
  -- Merkwürdigkeiten der Stadt. -- Die Hôtels. -- Die schwarzen
  Minstrels. -- Emancipation. -- Gerichtsverfahren.


+10. September.+ Der heutige Tag war wieder einer der unvergeßlichen in
den Annalen meines Lebens, einer von jenen, die mich glänzend belohnten
für die Mühen und Beschwerden, mit welchen ich sie erkaufte -- ich sah
eine der wunderbarsten, erhabensten Naturscenen in Gottes schöner Welt,
die +Niagara-Fälle+. Unmöglich ist es auszudrücken, was das Auge da
erblickt, was die Seele da fühlt. Der Maler muß hier an seiner Kunst
verzweifeln, der Dichter seine Feder weglegen. Aber wenn man einem
Todfeinde hier begegnete, müßte man ihm vergeben, oder kein Mensch
sein, und wer je an Gott gezweifelt, der gehe an diesen erhabensten
seiner Altäre, und gewiß wird er bekehrt, beruhigt heimkehren. O, daß
ich doch die Anschauung dieses Wunders mit meinen Angehörigen, mit
meinen Freunden, ja mit allen Menschen hätte theilen können! --

Zuerst führte mich die gefällige Frau +Teuscher+ an den Amerikanischen
Fall, und ich dachte, es könne nichts Herrlicheres geben als diesen.
Die ungeheuere Wassermasse stürzt sich über eine riesig breite,
senkrechte Wand. Die Staubwolken sind so mächtig als wollte sich der
Strom ein zweitesmal erheben, und doch kaum hundert Schritte von dem
Sturze entfernt, fließt er schon wieder so ruhig dahin, daß sich das
kleinste Boot sorglos auf seinem Rücken schaukeln kann.

Noch mächtiger aber ist die Wassermasse auf der Canadischen Seite,
noch bedeutender ist hier der Umfang des Falles (der die Form eines
Hufeisens bildet, und deßhalb „Hufeisenfall“ genannt wird), ich möchte
daher doch dem Canadischen Falle die Palme reichen.

Bei Sonnenschein bilden sich an beiden Fällen in den Sprühregen-Wolken
die schönsten Regenbogen. Eine ganz eigenthümliche Färbung zeigt das
Wasser unmittelbar an den Fällen selbst. Ein schöneres, helleres Grün,
durchsichtig wie der reinste, feurigste Chrysolit, sah ich bisher noch
bei keiner Wassermasse. Das Getöse der Stürze fand ich jedoch nicht so
betäubend und so weit vernehmbar, wie viele behaupten[15].

Auf der Canadischen Seite kann man ein Stück unter den Fall
hineingehen. Man erhält zu diesem Zwecke einen Führer und Kleider. Das
Schauspiel unter dem Falle ist nicht nur ergreifend und großartig,
sondern grauenhaft. Die über dem Haupte rollende Wassermasse, das
fürchterliche Toben und Brausen des milchweiß schäumenden Elementes,
die schmale, durch die beständige Nässe schlüpfrige Felskante, auf
welcher man vor dem Abgrunde steht, in den sich das Wasser stürzt, die
überhängenden Felstrümmer, die sich von Zeit zu Zeit lösen, machen
diese Parthie wirklich gefährlich und so ergreifend, daß ich nicht
jedermann rathen möchte, sie zu unternehmen.

Nachdem ich vor allem die Fälle besucht hatte, nahm ich mir erst Zeit,
die Umgebung zu betrachten. Wie bereits bemerkt, theilt sich der Strom
kurz oberhalb seines Falles in zwei Arme, von welchen der eine den Fall
auf der Amerikanischen, der andere jenen auf der Canadischen Seite
bildet. Die beiden Fälle sind sich jedoch ganz nahe und nur durch ein
kleines Inselchen getrennt. Die ganze Umgebung der Fälle (eine Insel
von einer halben Meile in der Breite und über eine Meile in der Länge)
paßt vollkommen zu der erhabenen Naturscene. Sie ist von einem üppigen
Urwalde mit majestätischen Bäumen, beinahe den umfangreichsten, die ich
in den Vereinigten Staaten sah (Kalifornien ausgenommen), bedeckt; es
gab viele Stämme von vier Fuß Durchmesser darunter. Die Menschenhand
hat dieses Heiligthum der Natur bisher geachtet und kaum gewagt einige
Fahrwege zu bahnen. Gott gebe, daß es immer so bleiben möge; allein
schwerlich dürften die künftigen Besitzer dem jetzigen gleichen, der
von der Mehrzahl der Menschen eine schöne Ausnahme macht und mehr
Achtung für die Natur, als Liebe zu den Thalern hat. Hohe Summen wurden
ihm schon für dieß Fleckchen Erde geboten; man wollte da Gasthöfe,
Belustigungsorte, Bade-Anstalten u. dgl. mehr errichten, aber gerade
deßhalb gab er es nicht her. Die heilige Stille des Haines sollte
durch das rastlose Treiben der Menschen nicht entweiht werden, und dem
Wunderwerke stets als Vortempel dienen.

In den Schnellen des Hufeisen-Falles steht von dem Sturze kaum
vierzig Fuß entfernt, ein kleines Thürmchen aufgemauert, zu welchem
eine Brücke führt. Gar manche Stunde stand ich da oben, die sich
verfolgenden, überstürzenden Wogen betrachtend. Ich blieb fünf Tage
in +Niagara-Falls-Village+, brachte meine Zeit größtenteils an den
Fällen zu, und je länger ich sie sah, desto schwerer ward es mir, mich
von ihnen zu trennen. So geht es mit allem Großen und Erhabenen; man
braucht Zeit, bis man es zu verstehen und in sich aufzunehmen vermag.

Leider vergeht selten ein Jahr, ohne daß die Fälle des Niagara ein
Opfer fordern, so vor wenig Monaten drei junge Leute, die eines Abends
zum Vergnügen auf dem Strome oberhalb der Fälle spazieren fuhren. Sie
wurden in die Schnellen gerissen, und keine menschliche Hülfe war mehr
möglich. Einem von ihnen gelang es, während der gräßlichen Fahrt einen
in den Schnellen wurzelnden Baumstamm zu erfassen und sich hinauf zu
schwingen. Er schrie um Hülfe; doch hörte man die Stimme zu undeutlich
durch das Brausen des Wassers, und die Nacht war zu finster, um den
Gegenstand zu sehen; erst Morgens entdeckte man den armen Menschen. Da
auch er keinen Zuruf würde deutlich vernommen haben, schrieb man auf
eine Tafel mit ellenlangen Buchstaben, daß man Vorkehrungen treffe, ihn
zu retten. Nach vielfältigen Versuchen gelang es endlich Nachmittags
gegen fünf Uhr, ein Boot in seine Nähe zu bringen. Der Arme saß schon
darinnen, man zog das Boot mittelst eines Seiles dem Lande zu, allein
unglücklicher Weise erfaßte es eine Sturzwoge mit solcher Gewalt, daß
das Seil sprang und das Boot mit seinem Opfer in den Fall gerissen
wurde. Keine Spur kam mehr zum Vorscheine, weder von ihm noch von
seinen Gefährten; nie findet man eine Leiche oder nur das Bret eines
Bootes, alles wird von der Gewalt des Sturzes zu Atomen zertrümmert.

Zwei Meilen von Niagara-Falls-Village ist eine Drahtbrücke über die
Schlucht gespannt, in welcher der Niagara dem nahen +Ontario-See+
zueilt. Die Schlucht ist enge, und der Strom soll hier an 900 Fuß Tiefe
haben. Die Brücke ist ein wahres Meisterwerk, die zusammengeflochtenen
Drähte haben die Dicke von starken Tauen und tragen die schwersten
Lastwagen. Eine Fahrt dahin sollte man nicht nur wegen der Brücke,
sondern auch wegen der reizenden Ansichten machen, die sich überall
darbieten. Von der Brücke selbst übersieht man die pittoreske
Felsenschlucht einerseits bis beinahe an die Fälle, andererseits bis
an den Ontario-See, ja der Blick schweift wie durch ein Fernrohr über
einen Theil des Sees bis auf die dahinter liegende lachende Landschaft.

Das Indianische Dorf +Tuscarora+ (sieben Meilen von den Fällen
entfernt) ist eines Besuches weniger werth. Seine Bewohner haben nichts
eigenthümliches mehr: sie sind Christen geworden, gehen gekleidet wie
die Weißen, und bauen und pflegen wie diese ihre Felder.

Am +13. September+ um zwei Uhr Mittags verließ ich
Niagara-Falls-Village in einer Postkutsche und fuhr nach dem Städtchen
+Lewistown+ (sieben Meilen). Das Städtchen liegt an dem Ausgange der
Schlucht, und der Strom nimmt sogleich derart an Breite zu, daß man
sich schon in dem See vermuthet, bevor man an ihn gelangt.

In Lewistown bestieg ich den Dampfer +Bay-State+, um nach +Montreal+
zu fahren. Schon sieben Meilen von Lewistown mündet der Niagara in den
Ontario-See und verliert sein kurzes aber thatenreiches Dasein. An
seinem Ausflusse liegt auf der Amerikanischen Seite die schöne Festung
+Georg+, auf der Canadischen die minder schöne Festung +Niagara+.

In dem Ontario-See, welcher 180 Meilen lang, 35 breit ist, hielten wir
uns stets der Küste der Vereinigten Staaten nahe. Sie bietet, außer
vielen Ortschaften, nichts Sehenswertes.

+14. September.+ Mit Sonnenaufgang ertönte die Schiffsglocke und weckte
die Reisenden, daß sie das Ende des See’s, die tausend Inselchen und
die Einfahrt in den +Lorenzo-Strom+ nicht verschlafen und übersehen
sollten. Bei +Ogdensburg+ vertauschten wir unsern Dampfer mit einem
kleineren, +British Queen+, um leichter über die Schnellen des
Lorenzo-Stromes zu kommen. Die Fahrt zwischen den tausend Inselchen ist
allerdings reizend: die Landschaft wird jeden Augenblick verändert, ein
Bild verdrängt das andere; aber mit den tausend Inseln des Mälar-Sees
in Schweden hält sie keinen Vergleich aus. Dort besteht die Einfassung
des Sees aus herrlichen Bergen, in den verschiedenartigsten Formen,
mit finstergrünen Waldungen bedeckt, zwischen welchen pittoresk
aufgethürmte Felskolosse, reiche Triften und Wiesen liegen, die Inseln
selbst sind ungemein schön und gewähren die abwechselndsten Bilder.
Hier ist alles flach und eben, und die Ufer der Inseln, wie des festen
Landes überragen kaum die Wasserfläche.

Der Lorenzo-Strom bildet mehrere Schnellen, die aber doch nicht so
stark sind, den Dampfern die Fahrt zu sperren. Kunst und Kühnheit
errangen den Sieg über sie, und furchtlos steuerte unser Kapitän
darüber hin.

Etwas gefährlich ist die Schnelle bei +Lachine+, wo wir spät Abends
ankamen. Da es stark regnete, und die Nacht stockfinster war, gingen
wir erst den folgenden Morgen darüber. Diese Schnelle sieht weniger
drohend aus, als die vorigen, ihre Hauptgefahr besteht in der geringen
Tiefe des Stromes. Wir nahmen bei Lachine einen Indianer als Lootsen an
Bord. Wenn über die Schnellen gefahren wird, arbeiten stets vier Mann
am Steuerruder.

Da Lachine nur neun Meilen von Montreal liegt, kamen wir sehr
frühzeitig an. Glücklicherweise hatte das Wetter sich aufgeheitert,
und die Sonne beleuchtete den schönen Berg Montreal, an dessen
Fuß sich die Stadt ausbreitet. Sie nimmt sich gut aus mit ihren
Gothischen Kirchen und den Zinndächern, die bei Sonnenschein eine so
blendende Wirkung hervorbringen, als wären sie mit den feinstpolirten
Silberplatten belegt.

Wir fuhren in einen schönen Dock ein und wurden durch eine Schleuse dem
Quai gleich gebracht.

In Montreal kaum ans Land gestiegen, hatte ich gleich einige
Unannehmlichkeiten. Ich fuhr nach dem ersten Gasthofe, Montreal-House,
und verlangte ein Zimmer. Der Buchhalter sah mich vom Kopfe bis zu
den Füßen an und sagte endlich: „Wir haben keines.“ -- Die Ursache
war, weil ich allein, nur mit einem kleinen Reisesacke kam und nicht
ein halbes Dutzend Koffer und Schachteln mit mir schleppte. In einem
zweiten Hotel (einem Temperance-House) ward mir dieselbe Antwort zu
Theil. Ich legte ein Goldstück von zehn Dollars auf den Tisch, den
galanten Wirth versichernd, daß ich stets voraus bezahlen würde, wenn
er glaube, es fehle mir an Geld. Dieser Talisman half. Er schob das
Geld zurück und ließ mir ein Zimmer geben. Wie doppelt grell fiel mir
diese Behandlung auf, da ich gerade aus den Vereinigten Staaten kam, wo
man die ärmste Frau mit Achtung, Güte und Zuvorkommenheit behandelt!

Wenn ich in Montreal ausging und auf den Straßen nach einem Wege
fragte, gab man mir entweder gar keine Antwort, oder man fertigte
mich ganz kurz mit den Worten ab: „~I don’t know~“ (ich weiß es
nicht). So viel ich sah, befand ich mich gerade nicht in dem Lande
der Höflichkeit. Da ich einige Auskünfte zu haben wünschte, niemanden
kannte und keine Empfehlungsbriefe mitgebracht hatte, dachte ich, es
sei am besten, mich an eines der größten Zeitungsbureau’s zu wenden.
In den Vereinigten Staaten kannte jeder Herausgeber meinen Namen,
ich mochte in das kleinste Städtchen kommen, und dann war ich schon
geborgen, da jeder mich freundlich aufnahm. Hier war es anders: der
Herausgeber des ersten Blattes kannte mich nicht, und dabei war er eben
so höflich, wie alle Leute, auf welche zu stoßen ich bisher das Unglück
hatte. Endlich fand ich doch ein Paar gefällige Menschen, gebrauchte
aber dabei die Vorsicht, sie gleich nach Nennung meines Namens zu
versichern, daß ich nicht arm sei und wohl freundschaftlicher Dienste,
aber keiner Gabe benöthige. Der Herausgeber des Transcoast, der
Belgische Consul Herr +Josef+ und Dr. +Visher+ machten mich die Unart
ihrer Landsleute vergessen. Dr. Visher, den ich erst zwei Tage vor
meiner Abreise kennen lernte, lud mich sogar in sein Haus ein, wohin
ich sogleich übersiedeln mußte. Auch danke ich es seiner Verwendung,
daß ich eine Freikarte zur Reise nach +Quebek+ hin und zurück erhielt.

Die Stadt Montreal mit 75,000 Einwohnern, ist nicht wie die Städte in
den Vereinigten Staaten, in regelmäßige Blocks getheilt, und zeigt in
ihrer ganzen Bauart, daß sie aus ältern Zeiten stammt. Ihre Häuser
haben eine alt-französische Form, mit hochaufsteigenden steilen
Dachungen; sie sind meistens aus Quadersteinen und so solide gebaut,
als sollten sie für die Ewigkeit währen; doch fehlt es ihnen dabei
weder an Zierlichkeit noch an Geschmack. Neben manchem palastähnlichen
Steinhause stehen wohl auch mitunter bescheidene, halbverfallene
Holzhäuser. Die Straßen sind sauber und rein, und das geschäftige Leben
in denselben ist nicht störend, die Leute scheinen sich hier mehr
Zeit zu gönnen und überstürzen sich nicht so, wie in den Vereinigten
Staaten, oder in England. Alles hat einen ruhigen gelassenen Anstrich.
In den Nebenstraßen ist es sogar menschenleer.

Die Kirchen sind alle im Gothischen Style gehalten; die schönste ist
die katholische Kathedrale, nach dem Muster der Notre-Dame-Kirche in
Paris erbaut.

Von den Gebäuden fallen besonders das Jesuiten-Collegium, die Banken,
einige Gasthöfe, das Postgebäude, die Markthalle u. s. w. in die Augen.

Das Museum lohnt kaum die Mühe, es zu besehen. Als das Merkwürdigste
wurde mir ein Elenthier von ungewöhnlicher Größe und ein Paar kleiner
Wallfische gezeigt, die man in dem Lorenzostrome gefangen hat.

Das sogenannte Englische Hospital, eine allerdings gute Anstalt, läßt
noch manches zu wünschen übrig. Die Halbgenesenen z. B. haben zur
Erholung in frischer Luft nichts als einen leeren Wiesenplatz ohne Baum
und ohne Bank. Auch die Luft in den Zimmern fand ich nicht sehr rein,
was freilich in kalten Ländern, wo man die Fenster nicht beständig
offen haben kann, schwieriger zu erreichen ist, als in den Tropen.

In dem Nonnenkloster der „grauen Nonnen“ gibt es zwei sehr zweckmäßige
Anstalten, die eine für arme alte Männer und Weiber, welche da bis zu
ihrem Absterben verpflegt werden, die andere für Kinder, die entweder
Waisen oder von ihren Eltern ganz vernachläßigt sind. Ich kam um zehn
Uhr Morgens dahin, und sonderbarer Weise war dieß gerade die Stunde des
Mittagmahles. Die Kost sah sehr schmackhaft aus und bestand aus Suppe,
Fleisch und noch einem Gerichte nebst schönem Brode. Eine Klosterfrau
theilte die Portionen aus.

Die Säle waren groß und hoch, die Betten bis hinab mit Vorhängen
versehen, nur fand ich die Säle ein wenig überfüllt.

Die schönste Ansicht der Stadt und Umgebung hat man von dem
+Montreal+-Berge oder von dem Thurme der Kathedrale. Ich war auf beiden
Punkten, und meinte kaum sie wieder verlassen zu können, so sehr
fesselte mich das vor dem Blicke sich entfaltende Bild. Die ehrwürdig
alterthümliche Stadt, die sich traulich an den Fuß des Berges schmiegt,
der Hafen mit seinen Schiffen und Dampfern, das rege Treiben auf dem
Lorenzostrome, der unfern der Stadt einen See mit vielen Inseln bildet,
das reichkultivirte Land umher, und in der Ferne einzeln auftauchende
Berge von wenigstens 1000 Fuß Höhe, machen diese Ansicht gewiß zu einer
der reizendsten Nordamerika’s.

Herr Konsul Josef war so zuvorkommend mich in seinem Wagen rund um
den Berg Montreal (9 Meilen) zu führen. Diese Gegend ist, der schönen
Ansichten wegen, die besuchteste und beliebteste; überall liegen
niedliche Sommerhäuser mitten in hübschen Gärten.

Canada wäre ebenfalls ein gutes Land für Europäische Ansiedler. Der
Boden soll sehr fruchtbar sein, das Klima ist zwar kalt und rauh,
doch höchst gesund, der Ankauf des Landes noch billiger als in den
Vereinigten Staaten, die Abgaben geringe und die Freiheit ziemlich
unbeschränkt. Bei diesen Vortheilen einerseits, besteht jedoch
andrerseits ein Gesetz, welches die Einwanderer abhält, Englische
Untertanen ausgenommen. Diesem Gesetze zufolge kann nämlich der
Einwanderer, wenn er früher stirbt, als er das Bürgerrecht erworben
hat (wozu, so viel ich mich entsinne, ein Aufenthalt von zehn Jahren
gehört), über seinen festen Nachlaß nicht verfügen. Land, Haus u. s. w.
fallen an die Regierung zurück.

+18. September.+ Abends ging ich mit dem großen Dampfer „Quebek“ von
Montreal nach Quebek. Es war dieser Dampfer auch wieder einer von den
„~splendid ones~,“ gleich dem „Crescent City“ auf dem Erie-See, wo man
vor lauter Pracht und Herrlichkeit gar keine Bequemlichkeit fand.

+19. September.+ Um 9 Uhr Morgens kam ich in Quebek an. Die Lage dieser
Stadt ist noch bei weitem reizender als jene von Montreal. Zum Theil in
demselben Style gebaut, nur noch älter, sind die Straßen etwas enger
und winklichter. Quebek besteht aus der obern und untern Stadt. Zu
ersterer führen hohe Treppen, doch schlängelt sich auch ein Fahrweg
hinauf. Selbst die untere Stadt ist etwas hügelig. Die Bevölkerung
zählt 45,000 Seelen, von welchen zwei Drittheile Franzosen, die noch
aus den Zeiten stammen, als Canada zu Frankreich gehörte[16].

Für Quebek hatte ich einen Brief mitgenommen, da ich besorgte, wie in
Montreal in keinem Gasthofe aufgenommen zu werden. Letzteres war nichts
desto weniger der Fall, aber nicht wegen Mißtrauens der Hôtelbesitzer,
denn der Herr, an den ich empfohlen war, sandte seinen Neffen mit mir
in ein Dutzend Boarding-Houses; wir fanden aber alle überfüllt. Die
Parlamentssitzungen hatten gerade begonnen, und viele Fremde waren
zugeströmt. Der Herr an welchen mein Brief lautete, schien auch kein
Kämmerchen für mich zu haben, obwohl ich hörte, daß er ein schönes Haus
bewohnte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als den Tag über die Stadt
ein wenig zu besehen und Abends mit dem Dampfer wieder nach Montreal
zurückzukehren.

Ich bestieg vor allem das Kap +Diamant+, 345 Fuß hoch, auf dessen
Spitze das Fort Diamant liegt. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, daß
die Quebeker den Montrealern an Höflichkeit nicht nachstanden. Geizend
mit der kurzen Zeit, über die ich zu gebieten hatte, wollte ich mich an
keine Speisestunde binden, und ging in einen Laden, einige Kuchen zu
essen. Dem Laden gegenüber lag die abgebrannte Ruine eines mächtigen
Gebäudes. Ich frug das Ladenmädchen, was das für ein Gebäude gewesen
sei. Sie antwortete mir: „Da hätte ich gerade Zeit, Ihnen Auskunft zu
geben,“ -- an Zeit fehlte es ihr wohl nicht, denn außer mir war kein
Käufer im Laden. (Später erfuhr ich, daß diese Ruine des Gouverneurs
Palast war.) Als ich das Kap zu besteigen anfing, überall nur grünen
Rasen und keinen Weg sah, fragte ich einen Mann, ob es erlaubt sei, da
hinauf zu gehen. „~Try it~“ (versucht es) war seine Antwort, und damit
ließ er mich stehen.

Doch auf der Spitze des Kaps angekommen, vergaß ich schnell der
erfahrenen Unhöflichkeiten, -- lange schon hatte sich mir kein so
überraschendes Bild dargeboten, wie ich es hier überblickte. Die
ehrwürdige Stadt lag zu meinen Füßen, sich terrassenförmig um das
Kap lagernd. Eines der schönsten, lachendsten Thäler verfolgte ich
bis an die Ausläufer der grünen Gebirge (25 Meilen), deren Kuppen
und langgezogene Rücken einen Theil desselben umfaßten, und der
Lorenzostrom, der an der Stadt eine mächtige Bucht bildet, schlängelte
sich andererseits durch mit Wald und Triften bedeckte Hügelketten fort.

Von dem Kap herabgestiegen, besuchte ich des Gouverneurs niedlichen
Garten, der dem Volke geöffnet und mit vielen Bänken versehen ist --
ein wahrhaft schöner Ruhepunkt, denn auch hier hat man das herrliche
Amphitheater vor sich.

Unter den Gebäuden fielen mir besonders die katholische Kirche und das
Parlamentshaus auf, welch’ letzteres einen sehr schönen Sitzungssaal
hat.

Schon um 5 Uhr Abends mußte ich wieder auf den Dampfer zurückkehren.
Obwohl ich den ganzen Tag umher gelaufen und davon sehr ermüdet war,
hielten mich dennoch die reizenden Scenerieen des Lorenzostromes bis
tief in die Nacht auf dem Deck gefesselt. Ich glaube bestimmt, daß
die Ufer dieses Stromes an Naturschönheiten so reich und wechselnd
sind, wie jene des Rheins; doch fehlt hier der Zauber der Romantik,
das Ohr des Reisenden kann keiner Sage lauschen, kein Schloß, keine
Ruine zeigt sich seinem Auge. Merkwürdig und eigentümlich ist dafür
das Farbenspiel, welches im Herbst die Baumblätter haben. Da gibt es
rothe und braune, gelbe und grüne Blätter von allen Abstufungen und
Uebergängen; dazwischen schimmern weiße durch, die oft wie Silber
glänzen. Ich sah von diesen Blättern ganz allein gemachte Kränze, die
sich herrlich ausnahmen.

Am +20. September+ Morgens traf ich wieder in Montreal ein, und schon
Nachmittags setzte ich meine Reise nach Neu-York fort.

Beinahe alle Fahrten auf den Dampfern Nordamerika’s, von Neu-Orleans
bis St. Louis, von Milvaukee über alle Seen und bis Montreal, von
Montreal nach Quebek und zurück hatte ich bisher unentgeldlich gehabt.
In den Vereinigten Staaten genügte die Nennung meines Namens; jeder
Kapitän nahm mich zuvorkommend auf, ohne erst eine Bittschrift an einen
Agenten oder Direktor einzureichen. In Montreal war es Dr. +Visher+,
dessen Verwendung ich die freie Fahrt nach Quebek und zurück verdankte
(es war, wie ich glaube, ebenfalls ein Amerikanischer Dampfer).
Er versuchte auch, mir eine Freikarte auf dem Englischen Dampfer
„+Canada+“ zu verschaffen, der den kleinen +Champlain-See+ befährt;
allein hier half keine Empfehlung, es hieß: „Bezahlen.“

Ich setzte bei Montreal in einem kleinen Dampfer über den Lorenzostrom,
fuhr dann auf der Eisenbahn nach +Rouses point+ (60 Meilen), von da auf
dem schönen Dampfer „Canada“ über den Champlain-See und eine kleine
Strecke den +Hudson-Strom+ abwärts bis +Whitehall+, und von Whitehall
wieder auf der Eisenbahn nach Neu-York, im ganzen eine Reise von
ungefähr dreihundert Meilen, die man in 24 Stunden zurücklegt.

Die Fahrt auf dem Hudson hat viel ähnliches mit jener auf dem Lorenzo.
Die Eisenbahn von Whitehall nach Neu-York läuft beständig längs des
Flusses. Leider fährt sie so rasch, daß man kaum flüchtige Blicke auf
die schnell wechselnden Landschaften werfen kann.

Man macht auf den Amerikanischen Eisenbahnen mit dem Postzuge sechzig,
mit den gewöhnlichen Zügen fünfundzwanzig bis dreißig Meilen per
Stunde. Die Wagen sind sehr bequem eingerichtet, die Preise ungemein
billig. Die Geleise laufen, wie auf der Bahn von Callao nach Lima,
durch Städte und Ortschaften, ohne durch ein Geländer von Geh- und
Fahrwegen abgesondert zu sein. Daß dieß zu manchen Unglücksfällen
Veranlassung gibt, ist nicht zu wundern. Aber Gefahr, Achtung für das
Menschenleben kennt der Amerikaner nicht[17].

Die Einfahrt in die Weltstadt Amerikas (Neu-York) ist, wenigstens von
dieser Seite, so unter aller Beschreibung, daß ich mich schon lange in
dem Stadtgebiete befand und noch immer des Eintritts gewärtig war.
Man fährt beständig über Plätze, wo nichts als Bauholz aufgeschichtet
liegt, an hölzernen Hütten vorüber, zwischen welchen hie und da ein
Steinhaus wie verloren steht, durch schmutzige, von Unrath strotzende
Straßen.

Auf dem Bahnhofe wird die Dampfmaschine mit Pferden gewechselt;
Schienen laufen durch einen großen Theil der Stadt, auf welchen die
Reisenden nicht nur von einem Bahnhofe zu dem andern gebracht werden,
sondern auch, wie ich später sah, Waggons die Stelle der Omnibus
vertreten und nach verschiedenen Richtungen verkehren. Diese höchst
zweckmäßige Einrichtung ist durchaus gefahrlos, da die Waggons langsam
gehen, jeden Augenblick angehalten werden können, und die Geleise in
den breiten Straßen kein Hinderniß sind, um so mehr, als die anderen
Wagen kreuz und quer über sie hinfahren, als wären die Geleise gar
nicht vorhanden.

Der Eintritt in eine große Stadt, wo man weder Oertlichkeit noch
Menschen kennt, ist besonders für eine Frau überaus lästig. Ich war so
glücklich, gleich für den ersten Augenblick eine freundliche Aufnahme
bei Herrn +Wutschel+ zu finden, und des folgenden Tages schon von
Herrn Dr. +Krakowitzer+ auf die zuvorkommendste Weise in das Haus
eingeladen zu werden. Da dieses jedoch in +Williamsburg+ lag, von
der eigentlichen Stadt Neu-York zu weit entfernt, und ich in der
Folge auch von Herrn +Aigner+, so wie von dem österreichischen Consul
Herrn +Loosey+, die beide in der Mitte der Stadt wohnten, Einladungen
erhielt, so verweilte ich abwechselnd bei diesen liebenswürdigen
Familien, die mir den Aufenthalt so angenehm machten, als hätte ich
unter lang bewährten Freunden gelebt.

Die Stadt Neu-York, mit einer Bevölkerung von beinahe 600,000 Seelen
liegt, wie bekannt, auf einer Insel, die im Westen und Osten von dem
Hudson, im Norden von dem Harlem-Flusse und im Süden von der Bay
bespült wird.

Ich kann von dieser Stadt nicht viel mehr sagen, als daß sie schön
gelegen und größer und bevölkerter ist, als alle Städte, die ich bisher
in den Vereinigten Staaten gesehen, und daß mir das Geschäftsleben
in den Hauptstraßen, besonders in +Broad-way+ und +Wall-Street+ noch
bedeutender vorkam, als in der City in London. Das Gedränge von
Menschen, Omnibus, Waggons, Lastwagen, macht jeden Gang durch diese
Straßen beschwerlich, und sonderbarer Weise lieben es die Frauen
sehr, sich gerade auf dem Broad-way, in Mitte der Geschäftsstunden im
vollsten Putze zu zeigen, wodurch das Gedränge noch vermehrt wird, da
sie langsam gehen und vor den Laden stehen bleiben, die Auslagen zu
betrachten.

Die Straßen sind sehr breit und häufig mit großen Bäumen besetzt,
was ihnen viel Reiz verleiht; die Gehwege sind von den Fahrwegen wie
in London durch einige Zoll hohe Trottoirs geschieden. Ueberall, die
Hauptstraßen nicht ausgenommen, herrscht sehr viel Schmutz, und dieß
muß auf die Gesundheit, besonders im heißen Sommer, höchst schädlich
einwirken. So ist es z. B. hier üblich, den Kehricht jeden Morgen in
Kisten oder Kübeln vor das Haus zu setzen. Die Wagen, die das wegfahren
sollen, kommen oft erst gegen Mittag und noch später, daher stößt man
bei jedem Schritte darauf. Darneben gibt es viele kleine Pfützen, die
sich in den schmalen Rinnen zwischen den Fahr- und Gehwegen sammeln und
eben keine aromatischen Gerüche verbreiten.

Gebäude sieht man viele und sehr bedeutende; doch besteht ihre
Schönheit hauptsächlich in der Größe, höchstens, daß einige einen
Portikus, von Säulen getragen, besitzen. Die ausgezeichnesten sind
auch hier wieder die Börse, die Banken und die ersten Gasthöfe, als
+Metropolis+, +St. Nicolas+, +Irvinghouse+ u. s. w. Von den Kirchen
sieht die +Trinidad-Kirche+ mit ihrem hohen Thurme viel versprechend
aus; das Schiff ist jedoch weder lang noch hoch. Unter den Häusern
gibt es einige von Eisen, auch ein Paar von Marmor, dazwischen aber gar
manche hölzerne Hütte.

Die meisten Familien wohnen hier wie in England, in schmalen hohen
Häusern, die sie für sich allein haben; doch fangen sie mitunter schon
an einzusehen, daß es etwas unbequem sei, beständig Treppen auf- und
nieder zu steigen, denn gespeist wird für gewöhnlich eine Treppe tief
unter dem Erdgeschoß, neben der Küche, die Empfangszimmer liegen zu
ebener Erde, die Schlafzimmer in den obern Stockwerken. Die neuen
Häuser sind allerdings mit allen Einrichtungen versehen, das Wasser,
kalt wie warm, wird bis in die obern Stockwerke geleitet, die Speisen
werden mittelst eines Aufzuges in das erste Stockwerk gebracht, und
von jedem Stockwerke kann man, vermöge kleiner Oeffnungen, welche die
Wände durchziehen, bis unter das Erdgeschoß mit den Dienstleuten auf
die leichteste Art verkehren: man spricht, den Mund an die Oeffnung
haltend, ganz leise hinein, und erhält eben so die Antwort. Das ganze
Haus ist mit Gas erleuchtet.

Von Museen, Bildergallerien u. dgl. ist in Neu-York nicht viel zu
sehen. Das Privat-Museum des Herrn +Barnum+, als Museum nicht viel zu
beachten, ist jedoch eines Besuches werth; man findet da bald einen
Zwerg, bald irgend ein seltenes Thier, bald eine Komödie nebst einer
Zusammenstellung von ausgestopften Vögeln, Thieren, Kleidungsstücken
der Chinesen, ja sogar eine gut erhaltene Mumie, kurz von allem etwas.
In diesem Museum sind überall Tafeln angeschlagen, welche die Besucher
vor den Taschendieben warnen. Auch in manchen großen Verkaufslokalen
gibt es derlei Plakate. Für mich war dieß ganz neu, ich hatte bisher an
solchen Orten noch keine ähnliche Warnung gelesen.

Verkaufslokale besitzt Neu-York in großer Menge und zwar der
prachtvollsten Art. Das großartigste ist jenes des Herrn +Steward+.
Da können sich Frauen und Herren Stoffe und Luxusartikel jeder
Art verschaffen; außer Schmuck und Schuhzeug ist alles zu haben.
Ein großer Theil der Waaren ist in großen schönen Sälen auf das
zierlichste aufgestellt -- es kam mir hier beinahe wie in einer kleinen
Industrie-Ausstellung vor. Mehr als 250 Leute finden bei diesem
Geschäfte Anstellung.

Nicht minder großartig ist Herrn +Taylors+ Zuckerbäckerei- und
Erfrischungs-Lokal. Hier kann man nicht nur alle möglichen Bäckereien,
Eis und Getränke haben, sondern auch Mittags- und Abend-Mahlzeiten. Bei
Nacht bei der glänzenden Gasbeleuchtung sieht es wahrhaft feenartig aus.

Die Druckerei der „Tribune“ (das am meisten gelesene Zeitungsblatt in
den Vereinigten Staaten, 35,000 Exemplare, und von dem Wochenblatte
120,000), nimmt ein ganzes Haus von vier Stockwerken ein und
beschäftiget 293 Personen. Das Interessanteste ist hier die von Herrn
+Hoe+ erfundene Cylinder-Presse, welche vier Seiten zu gleicher Zeit
in weniger als vier Sekunden druckt. Herr Hoe hat auch für Paris eine
solche Maschine verfertiget. In England soll jedoch, wie man mir sagte,
in der Druckerei der „Times“ schon seit längerer Zeit eine ähnliche
Cylinder-Presse im Gebrauche sein, man kann daher diese Erfindung
eigentlich nicht ganz Herrn Hoe zuschreiben, wahrscheinlich hat er sie
nur bedeutend verbessert.

Ueberhaupt ist es hier zu Lande ebenso gut wie in Europa der Fall,
daß, wenn an irgend einer Maschine oder Erfindung eine Verbesserung
angebracht wird, man das Ganze gleich als eine ganz neue Erfindung
rühmen hört.

Bei dem Besuche der Druckerei hatte ich das Vergnügen, einen der
Theilhaber an der „Tribune,“ Herrn Bayard +Taylor+ kennen zu lernen.
Dieser noch junge Mann hat sich nicht nur als Poet ausgezeichnet,
sondern mit gleichem Talente auch den Orient, Indien, Abyssinien
beschrieben, welche Länder er kürzlich bereiste. Selten liefert ein
Poet getreue Reisebilder, gewöhnlich reißt ihn seine Phantasie hin,
-- nicht so bei Herrn Taylor; er wußte das Gesehene wahr, ohne
Uebertreibung darzustellen, und doch den Zauber der Poesie darüber zu
hauchen.

Auch die +Novelty-Iron-Works+ der Herrn +Stillman+, +Allen+ und Komp.
besuchte ich. Sie sind die größten Amerika’s: nicht nur alle denkbaren
Dampfmaschinen werden in ihnen verfertiget, sondern die größten
Dampfschiffe gebaut und vollkommen ausgerüstet und eingerichtet.
Tausend Menschen finden daselbst Beschäftigung, von welchen die
geringen Arbeiter 1 Dollar per Tag, die Meister bis zu 4 Dollars
verdienen; 400,000 Tonnen Roheisen werden jedes Jahr verarbeitet. Als
Herr Stillman die Güte hatte, mich in dieser Riesen-Anstalt umher zu
führen, lag gerade ein halbfertiger Dampfer auf der Werfte; seine Größe
betrug 3400 Tonnen, er enthielt 1000 Schlafstellen und wird den Namen
„+Metropolis+“ führen.

Was die großen Gasthöfe Neu-Yorks betrifft, so kann ich nur
wiederholen, was ich von jenen in Neu-Orleans erwähnte: sie sind
die prachtvollsten, die ich je gesehen habe. Aber auch hier geht,
wie auf den Amerikanischen Dampfschiffen, vor lauter Pracht und
Herrlichkeit gar mancher Comfort verloren. So findet man z. B.
nirgends ein Fleckchen, um ruhig und bequem schreiben zu können. In
den Empfangssälen berauben die großen, schweren, damastenen Vorhänge,
welche mehr als das halbe Fenster beschatten, das Gemach des Lichtes,
die Tische sind mit Marmorplatten überlegt, auf welchen in der kalten
Jahreszeit der darauf ruhende Arm beinahe selbst zu Marmor wird. In
den Schlafzimmern findet man alles, nur keinen Schreibtisch, und
jeden andern Tisch ebenfalls mit Marmorplatten belegt. Ich sah zu
verschiedenen Malen die Leute ihr Schreibbuch auf den Knieen haltend,
so auf die mühevollste Weise schreiben. Heißt das doch dem Luxus Opfer
bringen! -- Wie gemüthlich saß ich dagegen in dem kleinen Hotel der
Frau Teuscher an den Schnellen des Niagara. Mein Zimmerchen war auch
mit Teppichen ausgelegt, es enthielt ebenfalls reine, zierliche Möbel,
einen schönen Spiegel; aber ich hatte dabei nicht nöthig auf den Knieen
zu schreiben -- ein bequemer Tisch, freilich ohne Marmorplatten, diente
mir hiezu.

Das größte Gasthaus ist das +Neu-York-Hotel+, welches an 1000 Zimmer
enthalten soll. Auch das +St. Nikolas-Hotel+, das +Irvinghouse+
haben bei 400 Gastzimmer und 300 Leute Dienerschaft. Das ganze Haus
wird mittelst Dampf geheizt, überall genießt man einer angenehmen,
gleichmäßigen Wärme. Die Kamine sind überflüssig und werden nur
beibehalten, weil der Amerikaner gleich dem Engländer gerne ein
lustiges Kaminfeuer sieht.

Neu-York besitzt mehrere schöne Theater, in welchen Englische,
Französische und Deutsche Stücke, auch Italienische Opern aufgeführt
werden. Am beliebtesten aber scheinen die sogenannten „schwarzen
Minstrels“ zu sein. Die Schauspieler sind Weiße, aber schwarz gefärbt,
und stellen Neger dar, die bemüht sind, sich in die Sitten und
Gebräuche der Weißen hinein zu finden. In der Vorstellung, welcher
ich beiwohnte, erschienen zehn Schauspieler in zierlich schwarzem
Anzuge mit weißen Westen und Halsbinden; sie saßen im Halbkreise und
sangen mit Begleitung eines Tamburins und einer Guitarre komische
Lieder. Nach jedem Liede hielten zwei von ihnen witzig sein sollende
Gespräche. Diese Unterhaltung währte eine ganze Stunde fort. Eine Art
Komödie folgte darauf, bei welcher ich weder Sinn noch Zusammenhang
heraus fand; dabei wurde auch ein wenig getanzt. Das Publikum (und sehr
gewähltes, das verriethen nicht nur der geschmackvolle Anzug, sondern
auch die Wagen in Menge, die vor dem Schauspielhause standen) schien
sich sehr gut zu unterhalten und lachte fortwährend aus vollem Halse.
Daß das schöne Geschlecht in diesem Lande eine ganz besondere Lachlust
besitzt, wußte ich schon aus Erfahrung von den Dampfern her; aber an
den Männern war es mir eine ganz neue Erscheinung.

Das +Castle-Garden-Theater+, in welchem gewöhnlich Ballete gegeben
werden, gefiel mir durch seine Lage. Es steht an der südöstlichen
Spitze der Stadt auf einer einstigen Batterie, die in die Bay etwas
vorgeschoben und durch eine kleine Brücke mit der Stadt verbunden ist.
Eine breite Gallerie läuft von außen rund umher, auf die man in den
Zwischenakten treten kann, und von welcher man bei Mondbeleuchtung eine
herrliche Uebersicht der Stadt und Bay genießt.

Wie ich bereits früher erwähnt habe, ist in den Vereinigten Staaten die
Zahl der öffentlichen und Privat-Unterrichts-Anstalten außerordentlich
groß. Neu-York selbst hat deren in Menge aufzuweisen. Ich besah
mehrere, und unter anderen auch das +Free-College+ für Jünglinge. Es
ist ein Gebäude in Gothischem Style, mit hohen, großen Lehrsälen und
Gängen. Diesem Institute stehen die ausgezeichnetsten Professoren
vor, es werden bis zu fünfhundert Zöglinge aufgenommen, aber nur zum
Unterrichte, nicht in Kost und Verpflegung. Sie bringen sechs Stunden
täglich in dem Kollegium zu, lernen alle Gegenstände, die zur höheren
Ausbildung gehören, und erhalten sowohl den Unterricht als die nöthigen
Bücher, Papier, Federn u. s. w. unentgeldlich. Bevor ein Zögling
aufgenommen wird, muß er sich einer strengen Prüfung unterwerfen,
besteht er sie nicht sehr gut, so nützt keine Verwendung. Um hierbei
jedem Unterschleife vorzubeugen, sollen die Professoren die Namen der
zu Prüfenden nicht wissen und auch der Geprüfte eben so wenig seinen
Erfolg erfahren, als bis derselbe im Rathe entschieden ist. Möglich,
daß auf diese Art Bevorzugungen ausgewichen wird; allein der Mensch
bleibt überall Mensch, und der Mittel der Bestechung gibt es gar
viele, deshalb gefällt es mir nicht, daß der Reiche mit dem Armen hier
gleichsteht. Der Reiche könnte bezahlen; die fünfhundert Plätze sollten
nur für Mittellose bestimmt sein.

In den Privat-Mädchen-Instituten, hier Seminarien genannt, können die
Mädchen in allen Zweigen der Wissenschaften und Künste Unterricht
erhalten, und lernen sogar die lateinische und griechische Sprache.
Auf meine Frage, wie es komme, daß man die Mädchen mit diesen todten
Sprachen quäle, hieß es: „Damit sie in der Folge die Töchtersprachen,
Italienisch, Französisch u. s. w., desto leichter erlernen.“ Man sollte
daraus schließen, daß alle Mädchen der letztgenannten Sprachen mächtig
seien; doch weit davon entfernt -- ich hörte nirgends so wenig fremde
Sprachen sprechen, als unter den Amerikanern.

Diese einseitige Erziehung, in welcher das Weibliche gänzlich
vernachlässiget wird, möchte ich als Hauptursache jenes Hanges nach
Emancipation betrachten, der die Amerikanischen Mädchen und Frauen so
stark charakterisirt.

Ich sollte denken, daß die Frauen vorerst anfingen, sich in ihrem
Hause vollkommen zu emancipiren. Die häuslichen Geschäfte müssen am
Ende von jemanden verrichtet werden, und meiner Meinung nach sind
dazu doch die Frauen passender als die Männer. Ich bin weit entfernt,
damit sagen zu wollen, daß die Frauen die Dienste der Mägde leisten
sollen; aber verstehen müssen sie dieselben, sonst sind die letzteren
die eigentlichen Herren im Hause. Die Mädchen in meinem Lande studiren
ebenfalls Sprachen, Musik, Geschichte u. s. w., finden aber dabei Zeit,
sich auch mit den weiblichen Beschäftigungen bekannt zu machen.

Ich ging einst in Neu-York eine Frau besuchen und fand sie nicht zu
Hause: die Magd sagte mir, sie sei auf das Land gegangen (da die
Wohnung gewechselt werde) und werde erst wiederkommen, wenn in der
neuen Wohnung alles in Ordnung gebracht sei. Und wer besorgte die
Uebersiedlung? Natürlich der Gatte, der Geschäftsmann! --

Es sollte mich nicht wundern, wenn mit der Zeit der Mann es sein wird,
welcher der neu eintretenden Magd zeigt, wie sie das Kind zu baden,
anzukleiden, die Küche zu beschicken habe, mit einem Worte, wie ihre
ganze Arbeit einzutheilen sei. Vielleicht kommt dieß jetzt schon vor!

Weil die Amerikanischen Frauen sich häufig von der Führung des
Hauswesens emancipiren, die Männer nicht immer Zeit und Lust haben,
die Pflichten ihrer Frauen zu übernehmen, gehen Eheleute nicht selten
in Boarding-Houses, um da zu leben -- eine abscheuliche Gewohnheit,
die oft die fürchterlichsten Folgen nach sich zieht. Müssiggang ist,
wie bekannt, aller Laster Anfang. Eine junge hübsche Frau[18] wohnt da
mit Leuten in Gemeinschaft, deren Charakter oft nicht der beste ist,
das Hauswesen beschäftigt sie nicht, und hat sie Kinder, so sendet sie
dieselben schon in dem Alter von vier Jahren nach der Schule.

Zu dem Lobe der Amerikanischen Frauen muß ich jedoch anführen, daß sie
(ausgenommen in den Sklavenstaaten) ihre Kleinen selten einer Amme
anvertrauen und die Mutterpflicht selbst verrichten. In dieser Hinsicht
gebührt ihnen der Preis vor allen andern Nationen. Gott erhalte diese
schöne Sitte!

Fühlen Mädchen einerseits Abscheu für die weiblichen Beschäftigungen,
andrerseits einen besondern Drang nach einer Kunst oder
Wissenschaft[19], die sie bis zur Vollkommenheit studiren und ausüben
wollen, so mögen sie es thun, aber in diesem Falle nicht auf halbem
Wege stehen bleiben, sondern sich vollkommen emancipiren, und so lange
sie Professoren, Doktoren u. s. w. sind, dem Ehestande entsagen, denn
schwer, wo nicht unmöglich ist es, die Pflichten des Mannes und der
Frau zu gleicher Zeit zu erfüllen.

Und möchten doch alle Emancipations-Proselytinnen bedenken, daß gerade
der Beruf, von welchem sie sich emancipiren wollen, zu den schönsten
und edelsten gehört. Oder kann es etwas Edleres geben, als den Beruf
einer Mutter?[20] Liegt nicht in ihren Händen der kostbarste Schatz
jedes Staates -- die Erziehung der Jugend? Ist es nicht die Mutter,
die dem Kinde schon im zartesten Alter Liebe für Pflicht und Tugend
einflößt, es auf den Weg leitet, ein würdiges Mitglied des großen
Menschenvereines zu werden? Eine besonnene Hausfrau, eine vernünftige,
liebende Mutter war und wird ewig das Ideal des Weibes bleiben.

Doch wieder zurück zu den Seminarien.

Das Schulgeld für ein Mädchen in den ersten Anstalten ist per
Jahr (zehn Monate) 500 Dollars; dafür erhält es Kost, Wohnung und
den Unterricht in den gewöhnlichen Lehrgegenständen. Musik- und
Tanzunterricht, Nebenrechnungen belaufen sich auf 200-300 Dollars,
und bei dieser hohen Bezahlung herrscht die schöne Gewohnheit, daß
zwei sich ganz fremde Zöglinge eine Schlafstelle theilen müssen. Ich
fand leider diesen Uebelstand schon in London; doch erstreckt er
sich dort gemeiniglich nur auf ein Schwesterpaar; in den Vereinigten
Staaten aber geht diese Manie so weit, daß Knaben und Männer sogar
die Schlafstellen theilen. Ich sah in manchen Familien, die zu den
wohlhabenden gehörten, eine Magd und zwei Kinder, oder auch drei
Kinder zusammen schlafen. Ich konnte mich oft nicht enthalten, diese
abscheuliche Gewohnheit zu rügen. Man gab mir zur Antwort, es geschehe
aus Zeitersparniß. Immer hört man dieses Wort in jedermanns Munde,
und doch fand ich, daß Frauen und Dienstleute hier ungleich weniger
arbeiten, als bei uns in Deutschland. Und muß man, um ein wenig Zeit zu
ersparen, die Sittlichkeit, die Gesundheit zum Opfer bringen?! --

Die Gerichtsverhandlungen besuchte ich einige Male. Es ging da ungefähr
so zu, wie in meiner Vaterstadt (Wien) nach der Revolution im Jahre
1848: es gab Richter und Geschworne, Advokaten von beiden Theilen,
Zeugen und ein sehr aufmerksames Publikum. Ich wohnte einem wichtigen
Prozesse bei, in welchem es sich um die Verurteilung eines Mörders
handelte. Der Sachverhalt war folgender:

Der Verbrecher Dr. Gr., ein Ausschweifungen jeder Art ergebener Mann,
wohnte in dem +St. Nicolas+-Gasthofe; mit ihm zu gleicher Zeit Obrist
+Loring+ sammt Frau. Dr. Gr. kam beinahe jede Nacht betrunken nach
Hause. In einer Nacht, gegen drei Uhr Morgens ging er in die Gallerie
und schellte mit Heftigkeit einem Diener, und zwar durch anhaltend
lange Zeit. Obrist Loring trat endlich aus seinem Zimmer, den Doktor
ersuchend, mit dem Schellen aufzuhören, da es vergebens sei, denn die
Diener wohnten nicht in diesem Theile des Hauses, überdieß habe seine
Frau starke Kopfschmerzen und könne den Lärm nicht vertragen. Doch
nach kurzem ging das Schellen wieder an, und wie später Frau Loring
bei dem Verhöre aussagte, ging ihr Mann abermals aus dem Zimmer mit
dem Vorsatze, einen Diener zu holen und so der Ruhestörung ein Ende zu
machen. Dr. Gr. aber behauptete, der Oberst habe ihm einige Scheltworte
gesagt (eine Sache, die höchst natürlich gewesen wäre, und die der
rohe Wüstling vollkommen verdient hätte). Kurz Dr. Gr. lief in sein
Zimmer, kam mit einem Degenstocke wieder und stieß diesen Herrn Loring
durch den Leib. Der Stich ging durch das Herz, und der Oberst wurde als
Leiche in sein Zimmer zurück getragen.

Ich habe schon auf meiner Reise durch die südlichen Staaten erwähnt,
daß in Amerika das Laster der Trunkenheit als große Entschuldigung
gilt. Auch hier hörte ich viele, die das Benehmen des Mörder gerade
durch seine Lebensweise entschuldigten. Sie sagten: „Er that dieß in
der Trunkenheit, wer weiß, wie ihn Loring gereizt hat“ u. s. w.

Bei dem Verhör sah der Doctor so ruhig und unbefangen umher, als wäre
er schuldlos gewesen. Die Zeitungen schrieben, daß er vermutlich ganz
frei gesprochen werde, da er Geld und Freunde besitze. Er wurde zwar
auf sieben Jahre Gefängniß verurtheilt, appellirte aber dagegen, und
sogleich ward das Urtheil auf vier Jahre herabgesetzt. Ich verließ
Neu-York vor der vollkommenen Entscheidung des Prozesses; allein die
allgemeine Stimme sagte, daß wohl schon nach einigen Monaten gänzliche
Verzeihung erfolgen dürfte. Nur müsse der Mörder in diesem Falle
Neu-York verlassen, sonst würde er von dem Volke überall beleidigt
werden.

Es gibt manche, die an dem Volke rühmen, daß es seinen Unwillen derart
zu erkennen gibt, die dieses Gefühl für Gerechtigkeit in ihm bewundern.
Aber wenn das Volk die Gerechtigkeit erkennt und liebt, warum gestattet
es, daß so unrechtmäßige Nachsicht mit den Verbrechern geübt wird,
warum wählt es nicht ehrliche, unbeugsame Männer zu Richtern und
Geschwornen? -- An der Macht hierzu fehlt es ihm in einem freien Lande,
wie die Vereinigten Staaten es sind, doch gewiß nicht! --


  [15] Ich las in Beschreibungen, daß man das Getöse 40 Meilen weit
       höre. Ich vernahm es kaum mehr in der Entfernung von einer
       Meile. -- Der Hufeisen-Fall ist 2100 Fuß breit, die Höhe 149
       Fuß. Der Amerikanische ist 1140 Fuß breit, 164 Fuß hoch. Man
       schätzt die Wassermasse, die von beiden Fällen per Minute
       herabstürzt, auf 670,250 Tonnen.

  [16] Die Franzosen gründeten in Canada die erste Kolonie im Jahre
       1607; sie blieben im Besitz des Landes bis 1759, wo es ihnen von
       den Engländern abgenommen wurde.

  [17] Herr +Chapin+, einer der berühmtesten Amerikanischen Prediger,
       sagt in einer seiner Predigten nach einem großen Unfalle auf
       einer Eisenbahn: „Und gegen dieses Ungestüm sollte auf jede
       Weise gearbeitet, vor allem das Menschenleben geachtet werden.
       Dieß Gefühl sollte, wie ich mit Schmerz gestehen muß, in unserem
       Zeitalter und unserem Lande weiter und tiefer verbreitet sein.
       Das Leben ist kostbar. O! herzlose Korporationen, stellt eueren
       Dollars die Menschlichkeit gegenüber, und wenn ein kleiner
       Gewinn wichtiger ist als ein etwas fester gemachter Keil
       oder ein extra aufgestellter Aufseher an einem gefährlichen
       Punkte, so sagt nicht, daß der Staat nur seiner Aufregung Gehör
       gibt, wenn er die Lebensnerven durchschneidet, mittelst deren
       Korporationen bestehen.“

  [18] Nicht selten ziehen auch junge Mädchen, welchen es in
       dem elterlichen Hause nicht gefällt oder zu still zugeht, in
       Boarding-Houses.

  [19] In den Vereinigten Staaten gibt es eine außerordentliche Anzahl
       von Dichterinnen, Schriftstellerinnen und Komponistinnen.
       Wenn ich die Namen aller jener aufgezeichnet hätte, die man
       mir als solche vorstellte, so würde ich bogenlange Register
       zusammengebracht haben. Gewiß gibt es darunter viele sehr
       talentvolle; aber die auch nur ein Verschen, einen kleinen
       Aufsatz, einen Walzer, eine Polka geschrieben hat, nennt sich
       schon Dichterin, Komponistin. Die Unbedeutendheit des Werkchens
       ersetzt ein großer, viel versprechender Titel. Hierauf scheint
       man in den Vereinigten Staaten überhaupt sehr viel zu halten.
       Als ich mit einem Verleger betreffs meiner Reisebeschreibung
       sprach, war seine erste Frage nach dem Titel. Lächelnd erwiderte
       ich ihm, daß ich daran erst denken würde, wenn die Arbeit
       vollendet sei. Er meinte aber, dieß wäre eine sehr wichtige
       Sache, das Publikum sähe viel auf den Titel, und klänge dieser
       gut, so sei dem Buche schon im vorhinein eine gute Aufnahme
       gesichert.

  [20] Man wird mir vielleicht zurufen, daß ich mich selbst in gewisser
       Beziehung emancipirt habe, indem ich so große Reisen allein
       unternahm und jahrelang vom Hause abwesend blieb; -- ich that
       dieß jedoch erst, als meine Kinder herangewachsen, selbständig
       waren, als sie meiner Pflege und Sorgfalt nicht mehr bedurften,
       und als mir überhaupt keine häuslichen Pflichten mehr oblagen.




Zweiundzwanzigstes Kapitel.

  Die Umgebungen Neu-Yorks. -- Die öffentlichen Institute.
  -- Blackwells- und Randalls-Island. -- Die Five-Points. --
  Reise nach Boston. -- Der Empfehlungsbrief. -- Festessen der
  Massachusetts-Mechaniker-Gesellschaft. -- Waisenhaus, Gefängniß
  u. s. w. -- Cambridge. -- Lowell. -- Rückkehr nach Neu-York. -- Die
  Wahl. -- Abschied von den Vereinigten Staaten.


Ich benützte meinen Aufenthalt in Neu-York zu wiederholten Besuchen
der nahen Umgebung, so wie auch zu zwei kleinen Ausflügen, den einen
nach Herrn +Bryant’s+ Landsitze auf +Long-Island+, den andern nach dem
Landhause des berühmten Dichters +Washington Irving+.

Die nächste Umgebung der Stadt bilden die Städte +Broklyn+,
+Williamsburg+ und +Hoboken+, die man eigentlich als Theile Neu-Yorks
betrachten könnte, denn sie sind nur durch den Fluß davon getrennt.
Viele Leute wohnen da, welche ihre Geschäfte täglich nach Neu-York
rufen, und Dampfer fahren jeden Augenblick hin und her.

Etwas weiter über der Bay liegt +States’ Island+. Aus der Bay machen
die Amerikaner gar viel, und wollen sie mit jener von Neapel oder
Konstantinopel vergleichen. Davon kann wohl keine Rede sein. Sie ist
allerdings hübsch; allein ihre Breite ist zu groß, die Hügelkette zu
niedrig. Von der Stadt aus erscheint die gegenüberliegende Hügelkette
noch viel unbedeutender als sie ist, und von States’ Island aus
verschwimmt Neu-York zu einem Steinhaufen, und man sieht von den
Schiffen nichts als den Mastenwald.

Auf States’ Island selbst gibt es hübsche Landsitze mit schönen
Aussichten. Schade daß alles mit Bretterwänden eingefaßt ist und man
nirgend durch die Wäldchen und Wiesen gehen kann, sondern sich mit der
staubigen Straße begnügen muß.

+Greenwood+ (6 Meilen von Neu-York) ist der prachtvollste Friedhof
nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern in der ganzen Welt. Die
ehrwürdigsten Bäume beschatten die saftigsten Wiesen, spiegelhelle
Teiche blicken dazwischen durch. Unter den Bäumen zeichnen sich ganz
besonders die Trauerweiden aus: in keinem Lande sah ich sie so groß und
umfangreich, als in den nördlichen Theilen der Vereinigten Staaten. Von
den Hügeln hat man die bezauberndste Uebersicht der Bay und der Stadt
sammt ihrer Umgebung. Wahrlich, ich würde meinen Wohnsitz ungleich
lieber hier bei den Todten aufschlagen, als in der geräuschvollen Stadt!

Ohne Einlaßkarte erhält man keinen Zutritt in diesen Ort der Ruhe; an
Sonntagen wird er leider ganz geschlossen, und somit ist der schönste
Punkt um Neu-York für die arbeitende Klasse, die nur über den Sonntag
gebieten kann, so viel wie gar nicht vorhanden.

Zu +High-Bridge+ (10 Meilen) sind die großen Wasserwerke, welche den
Bedarf Neu-Yorks decken; ein hoch gespannter Aquädukt leitet das
Quellwasser über einen Arm des Hudson-Flusses nach der Stadt. Ueberdieß
verdient dieser Ort auch seiner Landschaft wegen besucht zu werden, die
zu einer der schönsten um Neu-York gehört.

Ich fuhr in einem Omnibus dahin, welcher im Innern Plätze für zwölf
Personen enthielt. Dieser Omnibus geht nur alle halbe Stunden ab und
weist niemanden zurück[21]. Ich zählte vierzehn Erwachsene und fünf
Kinder, von welchen das jüngste über vier Jahre alt war. Zu meinem
Erstaunen setzten sich Mädchen, junge Frauen ohne alle Umstände auf
den Schooß ihnen ganz fremder Männer. Das nenne ich doch etwas gar zu
frei! -- Sittlichkeitsgefühl, Frauenwürde, sind dieß hier nur leere
Worte? Ich würde eine solche Sache für kaum möglich gehalten haben,
hätte ich es nicht selbst gesehen.

Herrn +Bryant’s+ Landsitz liegt bei +Roslin+ auf +Long-Island+ (30
Meilen von Neu-York). Es gereichte mir zum größten Vergnügen, diesen
Herrn kennen zu lernen, der als Herausgeber einer der gelesensten
Zeitungen und als Schriftsteller, Poet und Uebersetzer Deutscher
Dichter nicht nur in seinem Vaterlande, sondern auch außerhalb
desselben rühmlichst bekannt ist. Er war so freundlich, mich auf einige
Tage zu sich auf das Land einzuladen. Die kleine Reise dahin kann man
auf der Eisenbahn oder zur See auf kleinen Dampfern machen. Beide Wege
bieten viele hübsche Ansichten, besonders letzterer.

Das Landhaus liegt überaus reizend auf einer kleinen Anhöhe, nahe
der See; Parthieen des Dörfleins Roslin umgeben es von allen Seiten,
frische Laubbäume, stattliche Trauerweiden (mit Stämmen bis zu fünf
Fuß im Durchmesser) gruppiren sich dazwischen. Das Ganze hat einen
so ländlich stillen, ruhigen Anstrich, als gäbe es Hunderte von
Meilen weit keine Stadt. Hier kann sich das Gemüth erholen und neue
Kräfte für das stürmische Leben sammeln. Aber abgesehen von diesen
Annehmlichkeiten fühlte ich mich von der herzlich guten Familie
Bryant so angezogen, daß ich alles andere nur als schöne Zugabe
betrachtete. In Frau Bryant lernte ich das vollkommenste Muster einer
Hausfrau kennen. Sie beweist, wie gut man Häuslichkeit mit Bildung,
Bescheidenheit und Anmuth mit Willensmeinung und Kraft verbinden kann.
Wollte Gott, es gäbe nicht nur in Amerika, sondern überall viele so
gediegene Hausfrauen!

Wie gern hätte ich auch hier wieder der Zeit in die Speichen gegriffen;
die wenigen Tage eilten nur zu rasch dahin!

+Washington Irving’s+ Landhaus liegt ebenfalls ungefähr 30 Meilen von
Neu-York, aber in einer andern Richtung, am Hudson-Flusse. Auch dieser
große Dichter nahm mich sehr zuvorkommend auf. In seinen ruhigen,
freundlichen, wohlwollenden Zügen hätte ich eher einen gemütlichen
Landmann als einen genialen Schriftsteller gesucht; wenn er aber
zu sprechen begann, erglänzten seine Augen in Jugendfeuer, seine
Gesichtszüge nahmen den geistreichsten Ausdruck an. Glücklich hat hier
die Natur Geist und Gemüth zugleich begabt.

Washington Irving führt ein Junggesellen-Leben; doch wußte er sein
Alter herrlich auszuschmücken. Mehrere sehr liebenswürdige Nichten
(Töchter seiner Schwester) theilen die reizend gelegene Villa mit ihrem
Oheim, der selbst im Winter diesen Ort der Zurückgezogenheit nicht
verläßt.

Nun blieb mir von Neu-York nicht viel mehr zu besehen übrig, als die
öffentlichen Institute, die Volksschulen, Armen- und Waisen-Häuser,
Irren-Hospital, Gefängnisse u. s. w.

Mein Glücksstern führte mich zuerst nach den +Tombs+
(Stadtgefängnissen). Ich sage „mein Glücksstern,“ weil ich da an
der Oberaufseherin (Matrone) M. +Flora Forster+, eine der besten,
treuherzigsten Frauen kennen lernte: ihr Charakter sprach mich sehr an,
und gar manche Stunde, ganze Abende brachte ich bei ihr in den Tombs
und in ihrem Hause zu.

Das Stadtgefängniß ist ein in Egyptischem Style gehaltenes Gebäude.
Ich dachte, es hätte den Namen „Tombs“ von seiner Aehnlichkeit mit den
Egyptischen Grab-Monumenten erhalten; das ist aber nicht der Fall. Man
nennt es Tombs, weil es zur Zeit seiner Entstehung von Sümpfen ganz
umgeben war, welche die Luft so ungesund machten, daß die meisten der
Gefangenen starben.

In dieses Gefängniß kommen Verbrecher jeder Art und besonders alle
Betrunkenen, die man auf der Straße findet. Die Verbrecher bleiben bis
zu ihrer Aburtheilung. Sie haben nette, luftige Kämmerchen (in jedem
Kämmerchen lebt nur ein Gefangener), mit Betten und einem Stuhle und
eine einfache gesunde, genügende Kost. Die leichteren Verbrecher können
einige Stunden des Tages im Hofe umhergehen, die schweren in den innern
Gängen. So lange sie nicht verurtheilt sind, wird ihnen gestattet, sich
so viele Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten zu verschaffen, als es
ihre Börse oder die Sorge ihrer Freunde erlaubt.

Die Betrunkenen kommen auf fünf Tage hieher, nach mehrmals
wiederholtem Falle werden sie auf sechs Monate nach dem Strafhause auf
+Blackwells-Island+ verurtheilt.

Zu meinem Leidwesen sah ich in der Abtheilung für das weibliche
Geschlecht meistens junge Mädchen und Weiber. Die Zahl solcher
bedauernswerther Geschöpfe soll sich manchen Tag auf dreißig und
vierzig belaufen. Im vergangenen Jahre wurden bei 6000 Weiber und
Mädchen hieher gebracht. Wer das Laster der Trunkenheit in seiner
vollen Entwürdigung sehen will, der komme hieher! -- Ich begreife
wirklich nicht, wie man ihm in den Vereinigten Staaten so viel zu Gute
halten kann.

Die Oberaufseherin der weiblichen Abtheilung ist M. +Forster+, und
wenn die Leute nicht gebessert herauskommen, ist es gewiß nicht ihre
Schuld, denn sie sucht sie mit wahrer Herzlichkeit und Menschenliebe
auf den Weg des Guten zu leiten. Ich hatte oft Gelegenheit, sie in der
Ausübung ihres Berufes zu sehen und nahm den größten Antheil an ihrem
Schalten und Walten.

Unter den Amerikanischen Frauen und Mädchen herrscht, wie in England
und Deutschland, die schöne Sitte, daß sich gar manche unter ihnen
zu zeitweiligen Besuchen der weiblichen Lehr- und Straf-Anstalten
verbinden. Sie sehen nicht nur nach, ob die dabei Angestellten ihre
Pflichten erfüllen, sondern sie bemühen sich auch selbst, durch
gemüthliches Zusprechen, durch gute Lehren die Leute zu bessern, und
wenn die Gefangenen ihre Strafzeit überstanden haben, sie an anständige
Orte zu bringen, wo sie sich ihren Unterhalt verdienen können. Unter
diesen Frauen, welche sich der Hülflosen und der Verbrecherinnen so
liebevoll annehmen, lernte ich vorzugsweise Frau +Gibbons+ (Gemahlin
des Herrn J. S. Gibbons) und Fräulein +Curtis+ kennen. Schon die
Väter dieser beiden genannten Damen widmeten den Armen den größten
Theil ihrer Zeit und vieles Geld, und bemühten sich besonders, die
herangewachsenen Waisen, die gebesserten Sträflinge bei tugendhaften
Familien unterzubringen; Frau Gibbons’ Vater ist bereits gestorben,
Herr Curtis schon ein 81jähriger Greis. Die beiden Damen wirken aber
ganz in dem Geiste dieser wahren Wohlthäter fort.

Ich besuchte mit ihnen und Frau Forster +Blackwells-Island+, ein
winziges Inselchen, unferne von der Stadt, freundlich gelegen und mit
einer herrlich gesunden Luft. Dieses Fleckchen Erde (eine Meile lang,
eine halbe Meile breit) enthält ausschließend öffentliche Anstalten für
alte, gebrechliche Leute, für Geisteskranke und solche Verbrecher, die
auf sechs Monate verurtheilt sind.

Die drei Gebäude, in gehöriger Entfernung stehend und durch Gärten und
Steinwänden von einander getrennt, gleichen an Größe und solidem Bau
Palästen. Sie sind von Quadersteinen aufgeführt und wurden, wie man mir
sagte, von den Verbrechern selbst gebaut.

Alle diese drei Anstalten kann man in jeder Hinsicht vollkommen nennen.
Die Säle zum Arbeiten, zum Aufenthalte während des Tages, zum Speisen
und Schlafen sind hoch und geräumig, die Kost ist gut, gesund und
reichlich, die Ordnung und Reinlichkeit überaus groß. Wer arbeitsfähig
ist, muß täglich eine bestimmte Zahl von Stunden arbeiten.

Unter den Verbrecherinnen fiel mir ein junges Mädchen von 18 bis 20
Jahren auf: sie trug das Haar kurzgeschnitten, nach Art der Männer. Als
ich nach der Ursache frug, hieß es, daß sie sechs Monate als Matrose
auf einem Schiffe gedient habe. Dieß war auch das Vergehen, wegen
dessen sie sich an diesem Orte befand.

Die Verbrecher, Männer wie Weiber, verhielten sich äußerst anständig,
man hörte weder Geflüster, noch Gelächter, wenn man in die Säle
trat. Man behandelt aber auch die Leute nicht mit bösen Worten und
mit Rohheit wie Verbrecher, sondern wie bereits Gebesserte. Man hat
den Grundsatz, des Verbrechers That zu vergessen, kein Mensch darf
derselben erwähnen. Die Frauen, mit welchen ich kam, reichten den
Leuten die Hände und sprachen mit ihnen auf die herzlichste Weise.
Gewiß muß solche Behandlungsart von guten Folgen sein.

Am allerbesten gefiel mir das Hospital für die Irren; ich ziehe es bei
weitem +Bedlam+ in London vor. Die Unglücklichen werden Nachts nicht
in kleine Zellen gesperrt, sondern schlafen in luftigen, geräumigen
Zimmern und (obwohl durchgehend Arme) in blendend weißen guten Betten.
Die Fenster sind derart vergittert, daß man es gar nicht gewahrt; die
eisernen Stäbe passen nämlich gerade auf die hölzernen Fensterrahmen.
Die Mahlzeiten werden in Gemeinschaft eingenommen, auf reinlich
gedeckten Tafeln, mit weißem Geschirre, mit Gläsern und Eßbestecken;
nur den gefährlichen Irren wird dergleichen nicht anvertraut: diese
speisen auf Blechgeschirr, und das Fleisch wird ihnen in Stückchen
geschnitten, auf den Tisch gebracht.

+Randall’s-Island+, ein anderes Inselchen, enthält ebenfalls nur
öffentliche Anstalten und zwar meistens für Kinder. Die größte hievon
(~Home of refuge~) ein prachtvolles Gebäude, so eben beendet, ist
für Kinder bestimmt, die wegen Vergehungen hieher kommen. Die andern
kleinen Häuser sind für Waisen oder von ihren Eltern ganz verwahrloste,
für blödsinnige und eines auch für kranke, besonders scrophulöse Kinder.

Alle diese Anstalten sind schön und trefflich eingerichtet; nur fand
ich bei den kranken und blödsinnigen Kindern der Wärterinnen zu wenig,
und deshalb die Pflege nicht ganz so, wie sie sein sollte. Wie kann
eine Wärterin zwanzig und mehr solcher kleiner Geschöpfe besorgen! Auch
die Bezahlung der Wärterinnen ist zu gering.

In dem +~Home of refuge~+ werden die Kinder vom zehnten Jahre an
aufgenommen, und je nach ihrer Besserung und Bekehrung kürzere oder
längere Zeit behalten. Oft erlangen sie schon nach drei Monaten ihre
Freiheit wieder, oft bleiben sie bis zur Mündigkeit, die bei Jünglingen
mit dem vollendeten einundzwanzigsten, bei Mädchen mit dem achtzehnten
Jahre eintritt. Wenn dergleichen Kinder aus der Anstalt austreten,
sucht man sie bei Farmers in Dienst zu bringen.

Außer dem Waisenhause auf Randall’s-Island, gibt es in Neu-York noch
zwei, eines für farbige, eines für weiße Kinder. Letzteres liegt im
Herzen der Stadt, in den „~five points~,“ dem verrufensten Theile
Neu-York’s. Kein wohlgekleideter Mensch dürfte es wagen, Abends dahin
zu gehen, außer in Begleitung eines Polizei-Mannes. Beraubungen,
Morde, alle möglichen Verbrechen werden da besprochen und verabredet.
Und inmitten dieser überirdischen Hölle hat die Missions-Gesellschaft
das Waisenhaus errichtet, in dessen einer Abtheilung auch Mädchen
und Weiber aufgenommen werden, die auf unrechten Wegen gewandelt und
sich bessern wollen. Man versieht sie mit Arbeit; einen Theil ihres
Wochenlohnes geben sie an die Anstalt für Kost und Verpflegung.

An dem Schulunterrichte der Waisen können auch Kinder Theil nehmen, die
nicht in Kost und Verpflegung sind. Diese Anstalt erfreut sich eines
sehr schönen Erfolges; schon senden viele der verworfensten Eltern ihre
Kinder zur Schule, und gar manche jugendliche Sünderin verließ den
schlechten Pfad.

In dem Waisenhause der farbigen Kinder werden diese von dem zweiten
bis zum zwölften Jahre behalten; dann sucht man sie auf Farms,
bei Handwerkern oder in braven Familien unterzubringen. Für den
Schulunterricht gibt es sonderbarer Weise nur einen gemeinschaftlichen
Saal; die Kinder sitzen zwar in Klassen eingeteilt, aber ohne
durch eine Wand von einander getrennt zu sein. Das Geschrei der
Lehrerinnen[22] und der Kinder ist so arg wie in einer Judenschule.
Wenn eine Lehrerin eine Frage stellt, gibt die ganze Klasse die
Antwort, ob recht oder nicht, das kann man, des Lärmens wegen, gar
nicht unterscheiden. Die unzweckmäßigste Methode, daß ganze Klassen
antworten, fand ich nicht nur in diesem Waisenhause, sondern auch in
andern öffentlichen Schulen.

Das Amt einer Lehrerin oder Professorin ist in den Amerikanischen
Schulen (die hohen Mädchen-Seminarien nicht ausgenommen) sehr leicht
und bequem. Die Lehrbücher sind der Art eingerichtet, daß der
Unterricht ganz einfach aus den Büchern herausgelesen wird, und damit
ist die Sache abgethan.

In der Gegend der ~five points~ sind für die Jungen, welche die
Zeitungen austragen, einige Säle eingerichtet, in welchen sie gute
Betten, Beleuchtung, Heizung und Unterricht in den Normal-Gegenständen
und in der Religion für die geringe Bezahlung von zweiundvierzig Cents
per Woche finden. --

Das Taubstummen-Institut unter der Leitung des Direktors +Peck+ ist
ausgezeichnet. Die Zöglinge sind in den verschiedenen Zweigen des
Wissens so ausgebildet, als hätten sie nicht weniger, sondern mehr
als fünf Sinne. Besonders thaten sie sich in der Aufsatzlehre und
Arithmetik hervor. Einige sprachen wenige Worte, eine Erscheinung,
die mir nicht neu war, da ich sie schon vor vielen Jahren in dem
Taubstummen-Institute zu Wien beobachtet hatte.

Herr Peck Vater war abwesend. Die Anstalt wurde mir mit größter
Bereitwilligkeit von seinem Sohne gezeigt, der an Jahren kaum
das Jünglingsalter überschritten hatte, in der Art und Weise mit
den Unglücklichen umzugehen, ihre Liebe zu gewinnen und sie zu
unterrichten, aber den gediegensten und erfahrensten Männern an die
Seite zu setzen ist. -- Die Amerikaner werden schon in jungen Jahren
für das praktische Leben gleich erfahrenen Männern ausgebildet, was
hauptsächlich durch den frühen Eintritt in das Geschäftsleben geschieht.

Herr Peck Sohn hat sich ein sehr liebenswürdiges Mädchen aus den
Zöglingen zur Lebensgefährtin gewählt.

Ich war nun schon drei Wochen in Neu-York und hatte das Merkwürdigste
so ziemlich gesehen; man forderte mich auf, auch einige Ausflüge nach
den andern großen Städten, +Boston+, +Philadelphia+, +Washington+ zu
machen. Aber aufrichtig gesagt, ohne Unterlaß große Städte besuchen,
ermüdet mich; zudem bieten die Amerikanischen Städte, groß oder klein,
zu wenig Abwechslung: sie gleichen einer der andern gar zu sehr. Doch
gab ich endlich der Ueberredung meiner Freunde nach und entschloß mich,
wenigstens Boston, das „Athen“ der Vereinigten Staaten zu besuchen.

Am +10. Oktober+ ging ich Nachmittags auf dem großen Dampfer „+Van
der Bilt+“ den östlichen Hudson-Fluß 65 Meilen aufwärts, bis zur
Eisenbahn. Diese Fahrt ist nur Anfangs hübsch durch die Ansichten
der Städte Neu-York und Broklyn, durch kleine Hügelparthieen und die
umherliegenden Landhäuser; später werden die Ufer flach und einförmig.

Sehr praktisch fand ich die Art und Weise, in welcher die Güter und
das Gepäcke der Reisenden auf dem Dampfer geordnet werden, um allem
Zeitverlust und allen Unordnungen bei dem Wechsel mit der Eisenbahn
vorzubeugen. Es gab kleine Waggons, in welche das Gepäcke je nach den
verschiedenen Stationen gelegt wurde. Bei der Ankunft an der Eisenbahn
standen die Pferde schon bereit, die Waggons wurden herausgezogen und
an den Zug angehängt. Dadurch ging alles schnell und ordentlich, ohne
Gedränge und Laufen vor sich.

Was das Praktische in allen Einrichtungen anbelangt, sind die
Amerikaner wirklich bewundernswürdig: in dieser Beziehung könnten alle
Nationen bei ihnen in die Lehre gehen.

Um 2 Uhr Nachts wechselten wir den Dampfer mit der Eisenbahn, und nach
ungefähr vier Stunden (120 Meilen) waren wir in Boston.

Ich stieg hier auch wieder in einem Boarding-house ab. Doch kaum hatte
Dr. +Hoffendahl+ (ein Deutscher) von meiner Ankunft gehört, als er mich
sogleich in sein Haus einlud, obwohl ich keinen Empfehlungsbrief an
ihn hatte. Ich sage ihm, wie allen Familien, die mich von dem lästigen
Gasthofsleben befreiten, wiederholt meinen herzlichsten Dank.

Die Stadt Boston, mit einer Bevölkerung von 150,000 Seelen, liegt auf
drei Hügelchen, und da die Straßen beinah durchgehends mit schönen
Baumalleen bepflanzt sind, nimmt sie sich sehr gut aus; auch ist
sie so rein gehalten, daß man sie im Vergleiche zu Neu-York ein
„Schmuckkästchen“ nennen könnte. In den Geschäftsstraßen +Washington-+
und +Hannover-Street+ ist das Gedränge wohl auch bedeutend, aber nicht
übermäßig. Ein Park in der Mitte der Stadt, mit wahren Prachtexemplaren
von Bäumen, mit einem Teiche und vielen Bänken, bietet einen
freundlichen Spaziergang und gewährt einen geräumigen Tummelplatz
für die Jugend. Die öffentlichen Gebäude sind, wie in allen großen
Städten der Vereinigten Staaten, schön und meistens aus Quadersteinen
aufgeführt. An Museen, Bildergallerien u. dgl. ist nicht viel zu sehen.
Das Lese-Athenäum enthält eine kleine Sammlung von Statuen, Büsten,
Oelgemälden u. s. w., doch ohne besondern Werth; bedeutend ist dagegen
die Bibliothek.

Dr. +Warren+, rühmlichst bekannt als Naturforscher, besitzt eine
Sammlung seltener Fossilien, unter andern ein vollkommenes Skelett des
Mastodon, welches auch zugleich das größte sein soll, das von dieser
Gattung Thiere bisher gefunden wurde (Fundort: Nordamerika). Dr. Warren
hatte die Gefälligkeit, mir selbst seine schöne Sammlung zu zeigen.

Das +Bunka-Hill-Monument+, für die Geschichte der Vereinigten Staaten
gewiß das merkwürdigste, besteht aus einem einfachen Obelisken von
grauem Stein. Es steht auf einem Hügelchen in der Stadt und wurde
zur Erinnerung der Helden gesetzt, die in dem ersten Freiheitskampfe
(1774), der wie bekannt von hier ausging, fielen. Gewiß ist dieser
einfache Obelisk die schönste Zierde der Stadt und der Stolz der
Vereinigten Staaten. Man kann bis an die Spitze des Monuments steigen,
eine zwar etwas mühsame Arbeit, die aber durch einen schönen Ueberblick
über Stadt und Umgebung belohnt wird.

Ich war so glücklich, in Boston die Bekanntschaft des Geistlichen
Herrn +Bernard+ zu machen. Derselbe war so überaus gütig, nahm so viel
Antheil an mir, daß er mich persönlich überall hinführte. Wenn es seine
Zeit erlaubte, kam er schon Morgens mich abzuholen.

Ich hatte zwar in Neu-York einen Empfehlungsbrief für eines der ersten
Bostoner-Häuser (Ad. und Komp.) erhalten, mit der Versicherung, daß man
mich da nicht nur sehr zuvorkommend empfangen, sondern mir auch vieles
von Boston zeigen würde. Als ich aber den Brief abgab, betrachtete mich
der reiche Herr höchst kaltblütig (ich war einfach gekleidet und kam
nicht gefahren), las an den Paar Zeilen des Briefes eine ganze Ewigkeit
(vermutlich überlegte er, wie er mich empfangen sollte) und fragte
mich endlich: „Was wollen Sie?“ -- gerade als wäre eine Arme vor ihm
gestanden, mit irgend einem Anliegen. Ich antwortete ihm in demselben
Tone: „Ich will nichts. Man hat mir diesen Brief an Sie gegeben, und
zwar unaufgefordert, ich glaubte daher, ihn abgeben zu müssen.“ Als er
sah, daß ich mit keinem Anliegen gekommen war (aus dem Briefe schien
er das nicht heraus buchstabirt zu haben), fügte er in herablassendem
Tone hinzu: „Wenn Sie einer Auskunft bedürfen, werde ich solche Ihnen
ertheilen.“ Und damit schieden wir, ohne daß ich von diesem Herrn
ferner etwas gesehen oder gehört hätte.

Das war ein echtes Beispiel eines Geldaristokraten, wie sie nicht
nur in den Vereinigten Staaten, sondern in der ganzen Welt sind. Ihr
Hochmuth erscheint noch ungleich unerträglicher, als jener der wahren
Aristokratie, die doch gewöhnlich Bildung und Benehmen hat, was dem
Geldadel nur zu häufig fehlt. In Boston scheint diese Klasse von
Menschen ärger zusammen zu halten, als irgendwo. In ihre Gesellschaft
zu kommen, soll unendlich schwer sein, die Heirathen schließen sie nur
unter ihres gleichen, ja sie wohnen sogar alle in einer Straße (Beacon
Street). Und dennoch entschuldige ich den Stolzen eher, als jenen, der
ihm huldigt. Wie bald müßten Geld- und Geburts-Adel von ihren Höhen
herabsteigen, wenn es keine Speichellecker gäbe, die ihnen Ehrfurcht
und Bewunderung bezeigten.

Ich kam, wie gesagt, am 11. October Morgens um sechs Uhr in
Boston an und wurde noch denselben Tag dem Stadt-Mayor, Herrn
Dr. +Smith+ vorgestellt. Abends hatte ein großes Festessen der
„+Massachusetts+-Mechaniker-Gesellschaft“ (wie alle drei Jahre)
statt, welches in der +Faneuil-Hall+ abgehalten wurde. Diese Halle ist
geschichtlich eben so berühmt, wie das +Bunka-Hill+-Monument, denn hier
fanden die ersten Zusammenkünfte, Berathungen und Beschlüsse statt, von
hier zog man zu dem ersten Freiheitskampfe aus, und dem zu Folge trägt
diese jedem Amerikaner unvergeßliche Halle auch den schönen Namen:
„Wiege der Freiheit.“

Herr Dr. Smith lud mich zu dem Feste ein.

Mit tiefer Ehrfurcht der Vergangenheit gedenkend, betrat ich die Halle:
sie war geschmackvoll ausgeziert und reich erleuchtet, auf der Gallerie
befand sich ein Musikchor. Die Tafeln waren für 800 Personen gedeckt.
An Gerichten gab es eine große Auswahl; statt der geistigen Getränke
aber wurde Wasser, Kaffee und Thee gereicht. Der Staat Massachusetts
gehört nämlich dem Temperance-Vereine an. Die Mahlzeit war in einer
Stunde abgethan. Dann wurden durch zwei Stunden Gelegenheitsreden
gehalten. Herr Mayor Smith hatte die große Aufmerksamkeit, in seiner
Rede von mir sehr schmeichelhafte Erwähnung zu machen und mich der
Gesellschaft vorzustellen. Als ich seinem Wunsche zufolge aufstand,
empfing mich sogleich ein lautes Beifallklatschen, und wenn ich bisher
nie bedauert hätte, der Englischen Sprache nicht vollkommen mächtig zu
sein, so wäre es in diesem Augenblicke der Fall gewesen; ich konnte
der Gesellschaft meinen Dank für ihr freundliches Wohlwollen nur durch
stumme Verbeugungen bezeugen.

Zwischen den Reden wurden Hymnen, Arien und das berühmte Volkslied
„Yankee-Doodle“ vorgetragen. Um elf Uhr ging die Gesellschaft
auseinander.

Die öffentlichen Anstalten in Boston sind durchgehends musterhaft
eingerichtet.

Das Blindeninstitut, welches zu den ausgezeichnetsten seiner Art
gehören soll, fand ich leider geschlossen, die Ferien waren noch nicht
beendet. Ich hatte aber dennoch das Vergnügen, den Direktor desselben,
Herrn +Howe+ kennen zu lernen, der sich hinsichtlich der Erziehung und
Behandlung der Blinden einen großen Ruf erworben hat.

Unweit des Blinden-Institutes steht jenes der Blödsinnigen. Wahrhaft
bewundernswürdig ist hier die Macht der Erziehung. Alle diese
Blödsinnigen waren rein in Kleidung und Haltung, viele unter ihnen
konnten lesen, wenige auch schreiben, manche hatten sogar Begriffe von
der Erdbeschreibung.

Ein Geschwister-Paar fiel mir durch die auffallend kleine Bildung
des Kopfes auf. Dieser Form und dem Gesichtsausdrucke zufolge, hätte
man die Unglücklichen für vollkommen dumm halten mögen; sie konnten
jedoch ein wenig lesen, die Farben unterscheiden, die Tage der Wochen
hersagen u. s. w. Ein bildschönes, blondlockiges, sechsjähriges Mädchen
war irrsinnig. Man sah diesem Kinde weder in den Augen noch in den
Gesichtszügen an, daß es der Vernunft beraubt war. Das feurige blaue
Auge schien eher das Gegentheil zu verrathen; aber außer kleinen
Gesängen war ihm bisher nichts beizubringen gewesen -- es hatte eine
rastlose Beweglichkeit.

So lange diese Armen in der menschenfreundlichen Anstalt sind, geht es
ihnen freilich gut; aber wenn sie in die Welt hinausgestoßen werden, in
deren Kette sie kein Glied bilden, dann ist ihr Schicksal schrecklich.
Und leider erreichen solche unglückliche Geschöpfe gewöhnlich ein hohes
Alter, denn keine Sorge, keine Leidenschaft trübt ihre Ruhe.

Das Massachusetts-General-Hospital ist unstreitig das schönste und best
eingerichtete, das ich in den Vereinigten Staaten sah. Ich stelle es
beinahe den Hospitälern in +Surabaya+ und +Samarang+ auf Java gleich --
das höchste Lob, das ich ihm ertheilen kann.

Das Bostoner Gefängniß gehört ebenfalls zu den prachtvollsten, die
ich sah. Von außen sieht es einer herrlichen Kirche mit einer schönen
Kuppel ähnlich. Das Innere bildet eine lange, hohe Halle, in deren
Mitte ein schmales, dreistöckiges Gebäude steht, welches auf beiden
Seiten durch alle Stockwerke in kleine Zellen getheilt ist. Jede Zelle
hat ein Fenster und eine Thüre, die durch eiserne Gitter geschlossen
sind und auf die ringsum laufenden Gallerien münden. Das Ganze gleicht
einem eisernen Käfige.

Die Gefangenen erhalten hinlänglich Licht und Luft von der Halle und
finden auch einige Zerstreuung, da es in der Halle immer etwas zu sehen
gibt. Mit einander können sie nicht verkehren. Der Gefangenwärter sitzt
unten in der Halle, von wo er alle Zellen mit einem Blicke übersieht.
Ich war in der Küche bei der Austheilung der Kost gegenwärtig, und fand
diese sehr gut. Es gibt fünfmal in der Woche Fleisch nebst guter Suppe,
die andern zwei Tage Fische. Jeder Mann erhält Morgens Kaffee nebst
einem Pfund Brot, Mittags ein Pfund Fleisch, drei große Kartoffeln
und ein Stück gutes Brot, Abends Thee und Brot. Es sollte mich nicht
wundern, wenn die Leute kleine Verbrechen begingen, blos in der
Absicht, auf einige Zeit hierher zu kommen. Sie essen und wohnen gut
und haben nichts zu arbeiten.

Das Hospital für Irre besteht aus drei Gebäuden, jedes mit einem
abgeschlossenen, schönen Garten. Die beiden Seitengebäude sind nur
für wohlhabende Leute errichtet, das eine für acht Herren, das
andere für acht Frauen. Jeder Kranke hat zwei überaus prachtvoll
eingerichtete Zimmer, einen Badeplatz, einen eigenen Aufwärter und eine
sehr gewählte, gute Kost. Für dieß alles, die ärztliche Pflege mit
einbegriffen, werden per Woche zwanzig Dollars gefordert.

Das dritte Gebäude enthält billigere Plätze, für drei Dollars per
Woche, und sehr viele unentgeldliche Plätze.

Von den Schulen, die ich in Boston besuchte, kann ich nur dasselbe
wiederholen, was ich von jenen in Neu-York gesagt habe: sie sind alle
als Musterschulen aufzustellen. Großes Vergnügen machte es mir, hier
auch die farbigen Kinder so gut unterrichtet zu finden, daß man farbige
Mädchen und Jünglinge als Lehrerinnen und Lehrer gebrauchen kann.

In der großen Volksschule, welche über 600 Schüler zählt und unter
der Leitung Herrn +Bernard’s+ steht, sah ich zum ersten Male, daß den
Mädchen auch weibliche Handarbeiten, Nähen, Sticken u. s. w. gelehrt
wurden. So viel ich glaube, ist diese vernünftige Einrichtung Frau
Bernard zu danken, welche die Oberaufsicht über die Mädchen hat.
Während der Tagesstunden wird die Schule von Kindern besucht, und drei
bis vier Mal in der Woche sind zwei Stunden Abends (von sieben bis neun
Uhr) für solche junge Leute bestimmt, die in ihren Kinderjahren keinen
Unterricht genossen haben.

Herr Bernard ist von seinen Zöglingen so geliebt und geachtet, daß
sie ihn nicht nur in der Schule freudig begrüßen, sondern ihm überall
entgegen eilen, wo sie ihm begegnen. Häufig sah ich dieß mit eigenen
Augen auf unsern Wanderungen durch die Stadt.

Der Gefälligkeit meines unermüdlichen Freundes verdanke ich auch
zwei interessante Ausflüge in Boston’s Umgebung, den ersten nach
+Cambridge+, den andern nach +Lowell+.

+Cambridge+ (4 Meilen von Boston) ist das größte und bedeutendste
Kollegium[23] in den Vereinigten Staaten. Die Zahl der Schüler betrug
in diesem Jahre 900, von welchen 700 in Kost und Wohnung aufgenommen
waren. Dieses Kollegium gleicht einer kleinen Kolonie: es besteht
nicht aus einem einzigen Gebäude, sondern aus vielen Häusern, die auf
Wiesenplätzen oder in niedlichen Gärten liegen. In einigen Häusern
befinden sich die Lehrsäle für die verschiedenen Gegenstände, die
andern dienen den Studenten zu Wohnungen; auch jeder Professor bewohnt
ein eigenes Häuschen.

Die Bibliothek ist ebenfalls die größte und interessanteste in
den Vereinigten Staaten: sie enthält 80,000 Bände, darunter zwei
geschriebene Bibeln, von welchen die eine aus dem neunten, die andere
aus dem vierzehnten Jahrhundert datirt, viele andere werthvolle alte
Bücher mit schönen Handzeichnungen und Malereien, so wie auch die Kopie
eines kleinen Werkchens von Hypokrates, mit der Feder dem Original so
täuschend nachgeahmt, daß man sie davon nicht zu unterscheiden vermag.
Man soll für dieses Kunstwerk 1500 £ St. geboten haben.

Ich lernte in Cambridge den Professor und rühmlichst bekannten
Naturforscher Herrn +Agassiz+ kennen, der, als er noch in seinem
Vaterlande, der Schweiz, lebte, die vorzüglichsten Berge und Gletscher,
darunter auch den Montblanc, bestiegen hat. Die Bekanntschaft dieses
ausgezeichneten Mannes war mir um so werther, als ich auf meiner ersten
Reise um die Welt im Jahre 1847 in China (+Canton+) von einem seiner
nahen Verwandten, auch einem Herrn Agassiz, gar freundlich aufgenommen
worden war.

Hier beschäftigt sich Herr Agassiz außer der Ausübung seines Lehramtes
mit Sammeln von Insekten, Reptilien und allem, was in das Naturreich
gehört. Er soll eine der reichsten Sammlungen von Insekten und
Schmetterlingen, die in Nordamerika vorkommen, haben. Ich konnte leider
wenig davon sehen, da gerade alles gepackt war, um in ein anderes Lokal
gebracht zu werden.

Lowell, die berühmteste Fabrikstadt der Vereinigten Staaten, mit
einer Bevölkerung von 33,000 Seelen, liegt 25 Meilen von Boston. Man
verfertiget hier die ausgezeichnetsten Teppiche, Weiß- und Druckwaaren.
Im Ganzen sind 11 Fabriken im Gange, welche 8476 Mädchen und 4507
Männer beschäftigen, und deren Betriebskapital man auf 14 Millionen
Dollars schätzt.

Die Mädchen wohnen beinahe durchgehends in Boarding-Houses, die zu
den Fabriken gehören, und in welchen eben so wie in den Fabriken die
wohlgeordnetste Aufsicht über sie geführt wird. Ein Mädchen bezahlt per
Monat für gute Kost und Wohnung 5 Dollars, ihr Erwerb beläuft sich auf
13 bis 14. Jene, die nicht in den Kosthäusern leben, müssen sich einen
wöchentlichen Abzug von 25 Cents (¼ Dollar) gefallen lassen. Man will
sie durch diesen Abzug zu bewegen suchen, in den Kosthäusern zu wohnen,
wo sie mehr unter Aufsicht sind.

Die Arbeiterinnen haben hier ein so sittiges Aussehen und Benehmen,
daß viele Eltern, der wohlerzogenen Klasse angehörend, keinen Anstand
nehmen, ihre Töchter in die Fabriken zur Arbeit zu senden. Dieses
schöne, sittige Benehmen der Arbeiterinnen war mir so neu, daß es mich
bei weitem mehr überraschte als das Maschinenwesen, welches allerdings
in den Vereinigten Staaten auf einen sehr hohen Punkt gebracht ist,
von dem ich aber viel zu wenig verstehe, um darüber etwas sagen zu
können.

Am +19. Oktober+ ging ich wieder nach Neu-York zurück, wo ich noch bis
zum +10. November+ blieb.

Am +7. November+ hatte in Neu-York die Wahl des Bürgermeisters,
Gouverneurs und noch einiger Beamten statt. Man fürchtete, daß es
bei dieser Gelegenheit sehr stürmisch hergehen würde, man war sogar
auf kleine Gefechte gefaßt, denn nie standen sich die Partheien
bisher so schroff gegenüber: es handelte sich um die Einführung oder
Ausschließung des Temperance-Gesetzes. Ich ging einen großen Theil
des Tages in der Stadt, besonders in den +five Points+ und auf dem
sechsten +Ward+[24] umher, um das stimmende Volk zu sehen. Der Anblick
der Wähler war gerade nicht geeignet, das Gemüth zu beruhigen: der
anständigen Leute gab es nur wenige auf den Wahlplätzen.

Glücklicherweise gestaltete sich die Wahl diesmal ruhiger als je, und
zwar selbst in den „five Points“ und in der sechsten Ward, welche
Plätze sich bei derlei Gelegenheiten stets durch fürchterliche
Schlägereien auszeichnen, besonders letztere, die dadurch den Namen
„blutige Ward“ errungen hat.

Die Ursache dieser unerwarteten Friedlichkeit war gerade, daß jedermann
sich auf das ärgste gefaßt, und daher sein Haus nicht ohne Schuß- oder
Stich-Waffen verlassen hatte. Jede der Partheien hütete sich, den
Anfang zu machen, und so ging der Tag, einen Todten und ein Paar schwer
Verwundete in Williamsburg ausgenommen, ohne blutige Ereignisse vorüber.

Am +10. November+ verließ ich Neu-York auf dem prachtvollen
Amerikanischen Dampfer „+Pacific+,“ der von hier nach +Liverpool+ fährt.

Ich hatte nun das Land gesehen, dessen Besuch schon lange einen meiner
sehnlichsten Wünsche bildete. Weniger reich an Naturschönheiten als die
Länder der südlichen Hemisphäre, ist es mehr durch das industrielle
und geschäftige Treiben seiner Bewohner, und vor allem durch seine
Verfassung interessant.

Manches fand ich wohl anders, als ich es mir gedacht hatte, anders
als es sein sollte und sein könnte, wenig übereinstimmend mit den
Grundsätzen von Freiheit und Gleichheit, die den Grundpfeiler seiner
Einrichtungen bilden. So die Sklaverei in den Sklavenstaaten -- so in
den freien Staaten die Ausschließung des freien Negers und Farbigen von
aller Gesellschaft, von jeder bürgerlichen Bedeutung -- so das grausame
Gesetz, welches entflohene Sklaven gleich wilden Thieren aufzufangen
und ihren barbarischen Peinigern auszuliefern befiehlt -- so die nicht
zu entschuldigende Nachsicht der Richter und Jury-Männer mit den weißen
Verbrechern, die, wie die Amerikanischen Zeitungen selbst schreiben,
ohne, oder mit höchst geringen Strafen davon kommen, sobald sie Geld
oder gute Freunde haben -- so die streng gebotene Feier des Sonntags,
die den Armen, der die ganze Woche an seine Arbeit gefesselt ist, jeder
Erheiterung beraubt.

Aber bei allen diesen Gebrechen und Unvollkommenheiten kann man
doch nicht umhin, zu bekennen, daß (die Sklavenstaaten ausgenommen)
das Gleichgewicht durch das Gute, welches der großen Mehrzahl der
Menschen aus den freien Einrichtungen und Gesetzen erwächst, nicht nur
hergestellt, sondern bei weitem überwogen wird, und daß die Vereinigten
Staaten als Staat bisher einzig in der Welt dastehen.

Mit Recht ist der Amerikaner stolz auf sein Vaterland, in welchem der
Mensch auf jener Stufe der Gleichberechtigung steht, auf die ihn Gott
gestellt, und die in der Geschichte ihres gleichen nicht findet.


  [21] Man sagt in den Vereinigten Staaten, daß ein Omnibus nie voll
       wird.

  [22] In den Amerikanischen Schulen sind statt der Lehrer sehr
       häufig Lehrerinnen angestellt, selbst bei den unteren Schulen
       der Knaben. Man sucht in diesen Staaten auf alle mögliche Weise
       dem weiblichen Geschlecht Mittel und Wege zu verschaffen, sich
       anständig fortzubringen.

  [23] Es wurde noch unter der Englischen Regierung gestiftet.

  [24] Die Stadt ist in zwölf Wards eingetheilt.




Dreiundzwanzigstes Kapitel.

  Ankunft in Liverpool. -- Reise nach St. Miguel. -- Punta-del-Gada. --
  Sonderbare alterthümliche Gebräuche. -- Villa-Franca. -- Das Ilheo.
  -- Der Badeort Furnas. -- Die heißen Quellen. -- Abreise von St.
  Miguel. -- Die Einfahrt des Tajo. -- Lissabon. -- Ankunft in England.
  -- Nachruf.


Durch die freundliche Fürsprache des würdigen Greises Herrn +Curtis+
erhielt ich für die Fahrt von Neu-York nach Liverpool (3200 Meilen) von
der Amerikanischen Linie der Herrn +Collins+ und Komp. eine Freikarte.

Die Amerikaner fand ich in dieser Beziehung ungleich galanter als die
Engländer -- auf keinem Englischen Schiffe, weder Segler noch Dampfer,
gab man mir, selbst für ganz kurze Reisen, einen freien Platz. Ich
sage den Amerikanern wiederholt meinen herzlichen Dank; durch ihre und
der nicht minder galanten Holländer Unterstützung allein ward es mir
möglich, meinen Reisen eine Ausdehnung zu geben, auf die ich Anfangs
nicht zu hoffen wagte.

Nach einer raschen Fahrt von 10½ Tagen trafen wir glücklich in
Liverpool ein. Kapitän +Nye+ hatte die ausnehmende Gefälligkeit, mich
persönlich in den „+Adelphi+-Gasthof“ (wo man keine Bezahlung von mir
annahm) zu führen, und von diesem am folgenden Morgen bis auf die
Eisenbahn zu begleiten. Er gehört auch zu jenen Menschen, von welchen
mir der Abschied schwer wurde, wie von lang bewährten Freunden.

In London ward ich herzlich von Herrn +Waterhouse+ (einem der
Direktoren im Britischen Museum) bewillkommnet, und verweilte einige
Wochen in dem Kreise seiner freundlichen Familie, mich erholend von den
Fieberanfällen, die mich auf der Seereise wieder heimsuchten[25]. Aber
noch war meine Reise nicht zu Ende, noch wollte ich vor der Rückkehr
in die Heimath einen meiner Söhne besuchen, der auf der Insel +St.
Miguel+, einer der Azoren, lebte. Lange fand ich keine Gelegenheit
dahin, bis endlich ein kleines Fruchtschiff (Schooner), deren jährlich
gegen 200 von Englands Häfen nach St. Miguel gehen, daselbst Orangen
zu holen, mich aufnahm. Diese Schiffe sind zwar nicht im geringsten
für Reisende eingerichtet, und der Kapitän Herr +Livingston+ sagte mir
selbst, daß er mir durchaus keine Bequemlichkeit anbieten, und nur
das Loch einräumen könne, in welchem der Koch schlafe. Was war aber zu
machen? Nach St. Miguel wollte ich, ich setzte mich daher über diese
Unannehmlichkeiten hinaus und entschloß mich zu der Reise. Sie dauerte
leider 20 Tage, und während dieser langen Zeit konnte ich nicht einmal
mein Kleid ablegen -- der enge Raum, in welchem ich schlief, gestattete
mir hierzu keine Möglichkeit. Dazu das fürchterliche Rollen des kleinen
Schiffes in der beinahe fortwährend stürmischen See, der Kohlendampf
vom Kamine, die schlechte Luft in der winzig kleinen Kabine, die der
Kälte und des Sturmes wegen stets geschlossen bleiben mußte -- ich
dachte wahrhaftig kaum die Ankunft in St. Miguel zu erleben.

Doch über alles dies klage ich nicht, das hatte man mir im vorhinein
gesagt; aber das Benehmen des Eigenthümers, oder eines der Eigenthümer
des Schiffes (+Royal Blue Jacket+), des Herrn +Chessel+ aus Bristol
kann ich nicht ungerügt lassen: es war gar zu grob und gemein. Ich
hatte die Ueberfahrt mit dem Kapitän und dem Rheder oder Agenten Herrn
+Chessel’s+, Herrn +Burnett+, für 3 Livres St. ohne Kost abgeschlossen.
Als ich am Tage der Abreise mit meinem Gepäck an Bord kam, sagte mir
der Kapitän, wie es schien mit einiger Verlegenheit, daß ich nochmals
auf das Office des Rheders gehen solle. Ich ging hin und traf da Herrn
Chessel, der mich in ziemlich rauhem Tone anfuhr, mir erklärend, daß
ich die Ueberfahrt unter 5 Livres St. ohne Kost nicht machen könne.
Vergebens erwiderte ich ihm, daß der Vertrag bereits abgeschlossen sei,
er fuhr in demselben höflichen Tone fort, daß das nichts zu sagen habe,
ich möge entweder die 5 Livres St. zahlen, oder mein Gepäck wieder
holen. Ich hätte nun freilich nur zum Richter zu gehen gebraucht, und
das Recht wäre mir zugesprochen worden; allein das Schiff lag zum
Absegeln bereit, die Zeit drängte, ich war deshalb gezwungen, mir diese
unverschämte Prellerei gefallen zu lassen. Ich hatte nur die 3 Livres
St. mit mir genommen und gab sie ab, mit dem Bemerken, daß ich den Rest
an den Kapitän erlegen würde. Allein der edle Herr Chessel mochte mich
für seines gleichen halten: er traute meinem Worte nicht und kam selbst
an Bord, die 2 Livres St. in Empfang zu nehmen. Mit vielen Menschen
haben mich meine Reisen in Berührung gebracht, aber Leute mit solchem
Charakter sind mir glücklicher Weise nur wenige vorgekommen.

Am +31. December+ wurden wir der freundlichen Insel +St. Miguel+[26]
ansichtig. Ich schmeichelte mir schon mit der Hoffnung, den
Sylvester-Abend mit meinem Sohne feiern zu können, den ich seit sechs
Jahren nicht gesehen hatte; allein die stets feindlichen Winde zwangen
uns, hin und her zu kreuzen und gegen Einbruch der Nacht sogar das
Weite zu suchen.

Am +1. Januar+, obwohl die Winde noch heftig waren, gelang es uns,
der Hauptstadt +Punta-del-Gada+ nahe zu kommen, wir sahen schon das
Boot des Arztes aus dem Hafen laufen und auf uns zurudern, und es
stand unserer Meinung nach der Landung nichts mehr im Wege. Aber wie
schmerzlich wurden wir durch den Schreckensruf überrascht, daß wir auf
einige Tage der Quarantaine unterworfen seien -- der Cholera wegen, die
in England schon lange aufgehört hatte!

Glücklicher Weise kam schon am nächsten Tage, +2. Januar+, der Arzt
wieder, uns verkündend, daß die Quarantaine aufgehoben und daß wir frei
seien.

Später erfuhr ich, daß an demselben Tage, an welchem wir ankamen (1.
Januar), zu derselben Zeit, ja noch etwas früher, ein Schiff aus
Lissabon anlangte, welches der Gesundheits-Behörde die offizielle
Nachricht überbrachte, die Quarantaine sei aufgehoben. Um zehn Uhr
Morgens waren, wie man mir sagte, schon alle Briefe und Zeitungen
ausgetheilt und folglich wohl auch die offiziellen Befehle. Ob der
Arzt aus Nachlässigkeit dieselben nicht geöffnet oder aus irgend einem
andern Grunde vorsätzlich verschwiegen, weiß ich nicht; nur das weiß
ich, daß ihm jeder Besuch eines Schiffes vier bis fünf Thaler einträgt,
und daß er auf diese Art Gelegenheit bekam, zwei Besuche zu machen,
den einen, das Schiff in Quarantaine zu erklären, den andern, die
Quarantaine wieder aufzuheben. Ob aus Nachlässigkeit oder Eigennutz,
ist eine solche Handlungsweise gleich unverzeihlich, und besonders an
einem Platze, wie St. Miguel, wo es keinen Hafen, keine sichere Rhede
gibt, und wo zur Winterszeit plötzliche und anhaltende Stürme die
Schiffe oft wochenlang vom Lande abhalten. Was mich sehr bei dieser
Sache wunderte, war, daß niemand, nicht einmal der Englische Konsul,
den Arzt hierüber zur Rechenschaft zog.

Die Insel St. Miguel ist sehr hübsch: sie besitzt eine Fülle von
Hügeln und Gebirgen, die mit frischem Grün bedeckt und in reizender
Unordnung durcheinander geworfen sind. Auf den ersten Blick sieht man,
daß diese Insel vulkanischen Ursprungs ist; die Form der Gebirge,
die dunklen Meeresgestade hie und da (Lava) bezeugen es. Aber kein
rauchender Krater ist mehr vorhanden, und lange müssen die Vulkane
ausgetobt haben, denn schon ist die Lava so verhärtet, daß sie wieder
halb zu Stein wurde, und beinahe überall mit Erde so bedeckt, daß die
herrlichsten Orangenhaine, die üppigsten Getreide-Felder darauf wuchern.

Die Insel hat achtzehn Leguas (eine Legua = drei Meilen) in der Länge,
drei bis vier in der Breite und eine Bevölkerung von 90,000 Seelen.
Ihr Handel ist bedeutender, als man ihrer Größe nach vermuthen würde.
Die Hauptausfuhr besteht in Orangen, jährlich zwischen 120,000 bis
140,000 Kisten, deren jede durchschnittlich 800 Stücke enthält, was die
ungeheure Summe von mehr als hundert Millionen Orangen gibt. Ueber 200
Englische Schiffe kommen jährlich von dem Monate November bis gegen
Ende März an, um die Frucht zu laden. Alle Orangen gehen nach England,
ein einziges Schiff wird nach Hamburg, eines, höchstens zwei nach den
Vereinigten Staaten gesendet.

Den nächst bedeutenden Artikel bildet das Türkische Korn, und nebstdem
werden noch viele Getreidearten und Bohnen ausgeführt. Im Ganzen
besuchen diese Insel jedes Jahr bei 450 Schiffe, und der Werth der
jährlichen Ausfuhr beträgt an 500 Contos de Reis (90,000 £. St.)

Trotz dieses großen Verkehrs ist doch das Volk sehr arm, was
hauptsächlich davon herrührt, daß der Bauer nicht Eigenthümer
des Bodens, sondern Pächter ist, und das nicht einmal für seine
Lebenszeit, sondern nur für eine bestimmte kurze Anzahl von Jahren.

Von dem Städtchen Punta-del-Gada (mit 12,000, die nahe Umgebung
inbegriffen 16,000 Seelen) ist nicht viel zu sagen. Die Bauart ist der
Europäischen ähnlich, die Häuser sind meistens unansehlich mit kleinen
Balkons und abscheulich großen umfangsreichen Rauchfängen. Doch gibt es
auch einige hübsche Gebäude. Den Nutzen der großen Rauchfänge konnte
ich mir nicht erklären, um so weniger, als das Küchenfeuer das einzige
im Hause ist. Kamine fand ich zu meinem Bedauern nicht im Gebrauche,
obwohl die Wintermonate November bis März ziemlich rauh, regnerisch
und stürmisch sind. Ich hatte das Unglück, einen, wie man mir sagte,
außergewöhnlich strengen Winter zu finden und litt viel von der Kälte.
Es gab zwar weder Schnee noch Eis; doch fehlten hiezu wenige Grade. Die
fürchterlichsten Stürme hausten, und freundliche Tage gehörten zu den
Seltenheiten; selbst noch zu Anfang des Maimonates war die Wärme nicht
viel bedeutender, als in meinem Vaterlande. Daß dieß jedoch nicht immer
so ist, davon zeigen außer den Orangen noch viele Früchte der wärmeren
Zone, von welchen besonders die Banane hier zur vollkommenen Reife
gelangt, weniger der +Custod-apple+, der hart und unschmackhaft bleibt.
Die Ananas-Frucht gedeiht in Glashäusern ohne Beihülfe einer Heizung
und erreicht einen außerordentlichen Umfang. Eine Portugiesische Dame,
die Gemahlin des Herrn Dr. +Agostinho Mochado+, sandte mir einen
Ananas, der an Größe alle übertraf, die ich in Indien gesehen; doch
stand er ihnen an Süßigkeit nach. Die Europäischen Gemüse, Rüben, Kohl,
Erbsen u. s. w. kommen ohne besondere Pflege fort.

Die Azorianer, von den Portugiesen abstammend, haben schöne dunkle
Augen und Haare. Ich fand hier im Gegensatze zu allen Ländern, die
ich bereist habe, das Volk hübscher, als die höhere Klasse. Die
Tracht der letzteren ist die französische; das Volk trägt sich auch
nach Europäischer Sitte, jedoch mit Ausnahme der Kopfbedeckung.
Diese besteht bei den Männern aus steifen Tuchkappen mit einem weit
hervorragenden, komisch ausgeschnittenen Schilde und rings herum mit
einem acht bis zehn Zoll breiten Tuch- oder Sammtstreifen, der über
die Achsel herunter hängt und den Hals gegen Sonne und Regen schützt.
Noch grotesker ist die Kopfbedeckung der Weiber, eine Art Kapuze von
blauem Tuche, bei zehn Zoll hoch und gewiß einen und einen halben
Fuß lang, welcher Tracht mittelst eines starken Fischbeines ungefähr
die Form eines mehr als riesenhaften Hahnenkammes gegeben ist. Außer
diesem sinnreichen Kopfputze tragen sie über die Europäischen Kleider
auch noch einen langen schweren Männermantel, durchgehend von blauem
Tuche, der bis auf die Erde reicht und nie, auch bei der größten Hitze,
abgelegt wird. Diese lächerliche, geschmacklose Kleidung hat namentlich
den Uebelstand, daß eine Mutter ihre Tochter darin nicht erkennen
würde, denn den großen Hahnenkamm, in welchem der Kopf steckt, ziehen
sie nach vorne, so daß man von dem Gesichte beinahe nichts sieht, und
die Mäntel gleichen einer dem andern. Kein Frauenzimmer aus dem Volke
würde sich ohne Mantel und Kapuze auf die Straße begeben; jeder Pfennig
wird emsig zusammen gespart, sich diese Kleinodien zu verschaffen; die
nicht so glücklich ist, sie zu besitzen, sucht sie von Freundinnen oder
gegen Bezahlung auszuborgen.

Nicht minder sonderbar ist die Sitte hier, daß kein Mädchen, kein
junges Weib allein ausgehen darf; keine Magd würde allein über die
Straße gehen, viel weniger etwas holen oder einkaufen. In jedem Hause
muß man einen Diener halten, die Einkäufe und Ausgänge zu besorgen. Ich
bedauerte wirklich die armen Mägde, die hier wie in einem Gefängniß
eingesperrt sind; wenn sie nicht irgend eine alte Verwandte haben, die
sich ihrer erbarmt und sie von Zeit zu Zeit ein halbes Stündchen auf
die Straße führt, können sie das ganze Jahr zu Hause sitzen bleiben,
denn nicht einmal Sonntags wagen sie es, allein nach der Kirche zu
gehen.

Ueberhaupt sollen auf dieser Insel, wie man mir erzählte, vor noch
kaum vierzig Jahren selbst unter der sogenannten gebildeten Welt gar
sonderbare Gebräuche geherrscht haben.

So wurde z. B. wenn eine Frau einer andern einen Staats-Besuch machen
wollte, Tags zuvor ein Diener zu der letzteren gesandt, ihr anzumelden,
daß die Besuchende zu einer bestimmten Stunde an dem Hause vorüber
fahren würde. Sie kam dann zu dieser Zeit in großem Putze, jedoch in
einer mit Vorhängen dicht verschlossenen Kutsche angefahren, die zu
besuchende Frau saß schon bereit an dem ebenfalls wohlgeschlossenen
Fenster. Vor dem Hause angelangt, hielt der Wagen einen Augenblick an,
der Vorhang wurde auf die Seite geschoben, das Fenster geöffnet, die
beiden Frauen begrüßten sich -- und sogleich wurden Vorhang und Fenster
wieder geschlossen, und der Wagen fuhr weiter.

Die Frauen scheinen zu dieser Zeit eine solche Scheu vor Herren gehabt
zu haben, daß diese bei den Besuchen der Frauen nicht zugegen sein
durften. Kam eine Frau eine andere besuchen und es war zufällig ein
Herr, selbst ein Verwandter, zugegen, so fuhr sie wieder fort, oder
die Frau des Hauses ersuchte die Herren, fort zu gehen.

Noch lächerlicher ging es bei Hausbällen zu (öffentliche Bälle wurden
gar nicht gegeben). Die weiblichen Gäste nahmen an dem Tanze selbst gar
keinen Antheil, sondern saßen mit den Frauen und Töchtern des Hauses
in einem an den Tanzsaal stoßenden Zimmer, und zwar im Finstern, um
von den Herren nicht gesehen zu werden. Die Herren -- tanzten mit
den Dienerinnen des Hauses und andern von der Ballgeberin geladenen
Dienerinnen! --

Ich verweilte einige Monate auf St. Miguel und machte außer einigen
Spaziergängen in die nahe Umgebung auch einen Ausflug nach dem Badeorte
+Furnas+ (9 Leguas von Punta-del-Gada), berühmt durch seine heißen
Quellen. Die vornehme Welt der Insel geht jedes Jahr auf einige Wochen
oder Monate dahin, weniger um zu baden, als sich zu ergötzen, wie dieß
überhaupt in den meisten Badeorten der Fall ist.

Wir machten die kleine Reise, wie es in diesem Lande Sitte ist, zu
Esel, und nahmen unsern Weg über +Villa-Franca+ (5 Leguas), längs
der Seeküste. Villa-Franca ist ein kleines Städtchen mit derselben
reizenden Lage, wie Punta-del-Gada. Wir blieben hier die Nacht in dem
Hause des Herrn +Gago+, wo alles freundlich zu unserer Aufnahme bereit
war.

Am folgenden Morgen fuhren wir in einem Boote nach dem kaum zwei- bis
dreihundert Schritte von dem Lande gelegenen „+Ilheo+,“ einer winzig
kleinen Insel oder vielmehr Bay, von einem Felsengürtel umschlossen,
in welchem nur eine ganz schmale Oeffnung frei geblieben, kaum breit
genug, ein kleines Fruchtschiff einzulassen. Augenscheinlich stand hier
unmittelbar in der See einst ein kleiner Vulkan, der ausgetobt hat und
eingestürzt ist. Mit wenig Kosten könnte man aus dieser Miniatur-Bay
einen herrlichen Dock zur Ausbesserung der Schiffe machen; doch für
dergleichen Sachen hat man hier keinen Sinn.

Gegen Mittag setzten wir die Reise fort und langten nach einem
angenehmen Ritte schon früh Nachmittags in Furnas an. Ungefähr eine
Viertelstunde vor dem Orte liegt ein artiger See, von schön geformten
Gebirgen umgürtet, an dessen nordöstlichem Ende gleichfalls heiße
Quellen aufbrodeln, die wir aber nicht besahen, da uns gerade ein
kleiner Regen überfiel.

Furnas selbst liegt in einem wunderlieblichen, freundlichen Thale,
eingeschlossen von über einander aufsteigenden Gebirgen; schöne
Waldungen, üppige Felder, Wiesen und Triften im frischesten Grün decken
Berge, Hügel und Thal -- ich sah mich ganz in eines jener schönen
Gebirgsthäler versetzt, an welchen Steiermark, Kärnthen und Tyrol so
reich sind. Aufsteigende Rauchwolken verkünden die unweit des Dorfes
gelegenen heißen Quellen (Caldeiras), und begierig eilt der Fremdling
dahin, eine Erscheinung zu sehen, von welcher die ganze Bevölkerung St.
Miguels mit Entzücken und zugleich mit Grausen spricht.

Meine Neugierde, meine Erwartung, ich gestehe es, waren eben nicht sehr
groß, ich hatte in dieser Art das Vollkommenste was die bekannte Welt
bietet, auf Island gesehen. Aber gerade, weil ich mir nicht zu viel
versprach, ward ich überrascht. Eine der kochenden Quellen brodelt
reich und gewaltig zu einer Höhe von vier bis sechs Fuß auf, eine
zweite minder hoch, andere nicht mehr als gewöhnlich kochendes Wasser.
Am merkwürdigsten unter allen ist die Schlammquelle „+Pedro Botelko+“
genannt. Schon ihre Umgebung ist pittoresk: sie ist von finstern
Felsen eingefaßt, in welchen das Getöse wiederhallt, und gleicht einem
wahren Höllenschlunde; ein großer Fels neigt sich weit über sie und
hindert ihr senkrechtes Aufsteigen. Ihre Kraft schleudert den kochenden
Schlamm nach allen Seiten in eine Weite von zwölf bis fünfzehn Fuß.
Unbedeutende, kleine Quellen gibt es in der Umgebung viele; einige
davon brodeln sogar in der Mitte eines kalten Bächleins auf. Auch
eisenhaltige Quellen und ein Sauerbrunnen (+Aqua azeda+) kommen vor.

An einer glücklich gewählten Stelle des reizenden Thales hat Herr
Vicomte +da Praia+, einer der größten Grundbesitzer der Insel, ein
Landhaus gebaut und einen Garten angelegt. Beide waren noch nicht ganz
vollendet. Das zierliche Gebäude steht auf einem kleinen Hügel und
bietet von jedem Fenster die herrlichsten Ansichten des Thales und der
es umgebenden Gebirgswelt; der Garten, im großen Style angelegt, mit
Teichen, dunklen Baumparthieen und freundlichen Blumenbosketten, zeigt
schon jetzt von dem guten Geschmacke seines Gründers.

Wir machten von Furnas aus auch noch eine kleine Parthie auf eine der
Bergkuppen, ungefähr 2000 Fuß über der Meeresfläche. Wir sahen hier
Gebirge über Gebirge vor uns aufsteigen, darunter den höchsten Berg
der Insel, den „+Pico de Vara+“ (4000 Fuß); zu unsern Füßen lag das
liebliche Thal von Furnas mit seinen Caldeiras, dem See, so wie auch
einige andere Thäler mit freundlichen Ortschaften, und auf beiden
Seiten der Insel breitete sich das Meer ins Unermeßliche aus. Auf der
Südseite entdeckt man auch die Insel +Santa-Maria+, ungefähr vierzig
Meilen von St. Miguel gelegen.

Den Rückweg nach +Punta-del-Gada+ nahmen wir längs der Nordküste über
+Ribeira-Grande+. Als Weg ist er besser, als der längs der Südküste,
aber an schönen Ansichten weniger reich und abwechselnd.

Die Karnevals-Zeit ging auf St. Miguel ganz unbeachtet vorüber. Nur
in den letzten drei Tagen herrscht hier, wie in Brasilien die alberne
Gewohnheit, sich gegenseitig mit Wasser zu übergießen. Statt sich
während dieser drei Tage zu unterhalten, muß man sich in sein Zimmer
einschließen, und kann nicht einmal an das offene Fenster treten, denn
sogleich ist man der Gefahr ausgesetzt, von des Nachbars Fenster, von
der Straße eine Ladung des nassen Elements zu erhalten. Die Leute
blasen Eier aus, oder verfertigen von Wachs Orangen, Citronen, füllen
sie mit Wasser und bewerfen sich damit, ja aus den Häusern schütten
sie ganze Töpfe voll auf die Vorübergehenden. Keine Frau ist in diesen
Tagen auf der Straße zu sehen, und die wenigen Herren, die auszugehen
wagen, suchen sich durch aufgespannte Regenschirme zu schützen.

Erst am +21. Mai+ verließ ich St. Miguel. Die Fruchtschiffe für England
hatten schon gegen Ende März aufgehört; ich war daher gezwungen, über
+Lissabon+ nach London zu gehen.

Auf dem kleinen Portugiesischen Schiffe „+Michaelense+“ (110 Tonnen,
Kapitän +Fonseca+) fand ich zu meiner höchsten Verwunderung alles so
bequem eingerichtet, wie es auf manchem Dampfer kaum der Fall ist. Die
Schlafstellen waren hoch und geräumig, die Kost reich und gut bereitet,
der Tisch rein gedeckt, die Bedienung rasch. Es war dies das erste
Portugiesische Schiff, auf welchem ich fuhr. Wenn alle ihm gleichen,
kann man sie den Reisenden mit gutem Gewissen empfehlen.

Die Fahrt währte acht Tage (720 Meilen), und außer einem todten
Wallfische, der gleich einem emporragenden Felsen an unserm Schiffe
vorbeitrieb, und um welchen Hunderte von Raubvögeln schwärmten,
unterbrach nichts ihre Einförmigkeit. Wir sahen nicht eher Land als bis
wir der Portugiesischen Küste nahe kamen.

Am +28. Mai+ liefen wir in den +Tajo+ ein, der an der Mündung nur
durch die Farbe von der See zu unterscheiden war. Die Stadt Lissabon
liegt zwei Leguas stromaufwärts; doch geht die Fahrt beinahe noch eine
Legua weiter, da die Schiffe an der Düne im Mittelpunkt der Stadt
vor Anker gehen. An diesen drei Leguas segelten wir sieben bis acht
Stunden; allein man konnte dies keinen Zeitverlust nennen, da die Fahrt
wirklich gar zu reizend ist. Der Strom entfaltet eine mächtige Breite,
sein Rücken ist voll von schaukelnden Fahrzeugen, zwischen welchen
hie und da ein Dampfer eilt, und die Ufer bestehen aus freundlichen
Hügelketten, welchen man den einzigen Vorwurf machen kann, daß weder
Bäume noch Gebüsch sie decken.

An der Mündung steht auf der einen Seite das Fort St. Julian, hinter
welchem sich in geringer Entfernung die schön geformten Berge der
+Serra de Cintra+ erheben; auf der andern Seite steigt ein Leuchtthurm,
umgeben von einer Batterie (Torre de Bugia) unmittelbar aus der
See. An malerisch gelegenen Ortschaften, kleinen Festungen vorüber
gleitend, gelangt man nach Belem, wo der Strom von seiner Breite
etwas abnehmend, die Mauern eines prachtvollen Thurmes bespült, der
in Gothisch-Maurischem Style gehalten, ein herrliches Schaustück
der älteren Zeiten ist. Während nun auf der Südseite noch immer
einzelne Ortschaften mit zum Theile schon halbverfallenen Kastellen
und Festungswerken wechseln, breitet sich auf der Nordseite die
Stadt Lissabon aus, nicht nur den schmalen ebenen Gürtel zwischen
dem Strome und der Hügelkette, sondern auch die Höhen und Seiten der
Hügel selbst deckend. Dem Mittelpunkte der Stadt gegenüber treten
die Ufer des Stromes weit zurück, und dieser bildet eine große Bay,
an deren Rande man in der Entfernung Ortschaften, Baumgruppen und im
Hintergrunde einzelne Berge entdeckt. Stundenlange saß ich später an
den Fenstern des am Meere liegenden Gasthofes, in welchem ich abstieg,
und betrachtete mit unendlichem Gefallen das großartige und doch dabei
lieblich schöne Rundgemälde. --

Anmuthig sind bei der Ankunft in Lissabon die Plackereien mit den
Beamten. Schon bei Belem kömmt der Besuch des Gesundheits-Offiziers an
Bord, dann jener des Zollamtes, der Schiffspolizei, des Hafenmeisters,
der Paß-Besichtigung -- das nimmt kein Ende. Wir kamen von einer
Portugiesischen Besitzung und wurden so strenge behandelt, als wären
wir aus dem Monde gekommen. Für die Pässe hat man ein schweres Geld
zu entrichten, und die Zollgesetze sind so strenge, daß man nicht den
kleinsten Nachtsack mit sich nehmen darf. Wahrlich es ist unglaublich,
daß gerade in dem auf sein Fortschreiten so stolzen Europa die
Regierungen den Leuten das Reisen auf alle Art zu verleiden suchen!

Von der Stadt Lissabon sah ich nur sehr wenig, obgleich ich zwölf
Tage daselbst verweilte; ich kam unwohl an und war gezwungen, den
größten Theil dieser Zeit mein Zimmer zu hüten. Mit Mühe erstieg ich
einige der steilen hügeligen Straßen, welche die Eigenthümlichkeit
Lissabons bilden, um vollkommene Ansichten über Stadt, Strom und
Umgebung zu haben; ich sah, daß die Stadt auch jenseits der Hügelkette
sich fortzieht und ausbreitet. Die Häuser haben keine eigenthümliche
Bauart, die Kirchen weder schöne Thürme noch Kuppeln. Reizend liegen
hie und da auf hohen Hügeln mitten in der Stadt noch Ruinen halb
eingestürzter großer Paläste und Kirchen aus der schaurigen Zeit
des Jahres 1755, in welchem bekanntlich ein furchtbares Erdbeben
den größten Theil der Stadt in Schutt legte, und wobei Tausende von
Menschen ihr Grab fanden.

Die öffentlichen Gärten zeichnen sich durch schöne Blumenparthien,
jener in der untern Stadt auch durch alte ehrwürdige Bäume aus. Die
Portugiesen scheinen überhaupt große Blumenfreunde zu sein; schon auf
St. Miguel hatte ich dieß bemerkt, und hier sah ich diese lieblichen
Frühlingsboten überall in Menge, selbst auf Plätzen, wie z. B. in dem
Hofe und an dem Landungsplatze des Zollgebäudes.

Eine Fahrt nach der +Serra de Cintra+, berühmt durch die reiche
Vegetation und als Sommersitz der königlichen Familie, konnte ich
nicht unternehmen. Ich brachte mehrere Tage im Bette zu und verließ
erst am 9. Juni mein Zimmer, um mich auf dem Dampfer +Iberia+ nach
+Southampton+ (900 Meilen) einzuschiffen.

Dieser Dampfer gehörte leider keiner Amerikanischen oder Holländischen,
sondern einer Englischen Gesellschaft an, ich mußte daher bezahlen,
und zwar zehn £ St. für eine kleine Schlafstelle in einer kleinen,
dumpfen, finstern Kabine, in welcher sich außer mir noch elf Frauen
nebst vier Kindern befanden. Wie ungleich bequemer hatte ich es auf dem
kleinen Portugiesischen Segelschiffe, wo ich für eine beinah eben so
weite Fahrt nur 3½ £. St. bezahlte. Meinem Sohne wurde die Schlafstelle
gar auf dem zweiten Platze angewiesen, dafür aber nichts destoweniger
die volle Bezahlung des ersten abgenommen.

Am +14. Juni+ Morgens langten wir in Southampton an, denselben Tag
fuhr ich mit der Eisenbahn nach London, wo ich abermals von der lieben
Familie Waterhouse auf das herzlichste aufgenommen wurde, und somit war
meine Reise glücklich vollendet.

       *       *       *       *       *

Sollten in meinem Tagebuche gegen das eine oder das andere Volk, gegen
Sitten und Gebräuche der verschiedenen Länder, die ich durchwandert, zu
starke Ausdrücke vorkommen, sollten unrichtige Ansichten geäußert sein,
so bitte ich meine Leser um große, sehr große Nachsicht. Ich rufe ihnen
wie bei Gelegenheit meiner ersten Reise nach dem gelobten Lande zu, daß
ich weit entfernt bin, mich zu der Zahl der glücklich begabten Personen
zu rechnen.

Mein Wesen ist Einfachheit, mein ganzes Streben schlichte Wahrheit
und Vermeidung jeder Uebertreibung. Der Zweck meiner Schriften kann
unter diesen Umständen kein anderer sein, als das von mir Gesehene und
Erlebte ganz so wiederzugeben, wie es sich meinem Geiste und Gefühle
darstellte.


  [25] Ich nahm wieder Brandy mit rothem Pfeffer, und das Fieber blieb
       endlich ganz weg.

  [26] Die Azoren-Gruppe besteht aus neun Inseln, von welchen St.
       Miguel die größte. Die Azoren werden zu Afrika gerechnet und
       sind von den Portugiesen im Jahre 1446 entdeckt und in Besitz
       genommen worden.





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MEINE ZWEITE WELTREISE ***


    

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