Meine zweite Weltreise : Zweiter Theil

By Ida Pfeiffer

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Title: Meine zweite Weltreise
        Zweiter Theil

Author: Ida Pfeiffer

Release date: March 17, 2025 [eBook #75639]

Language: German

Original publication: Wien: Carl Gerold, 1856

Credits: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by eBooks on Demand at the University of Vienna.)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MEINE ZWEITE WELTREISE ***


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                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1856 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler
  wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht
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        fett:        =Gleichheitszeichen=
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[Illustration: Holzschnitt und Druck von Eduard Kretzschmar in Leipzig.

Eine Bambusbrücke.]




                                 Meine

                           Zweite Weltreise.


                                  Von

                             Ida Pfeiffer,

 Verfasserin der „Reise in das heilige Land“, der „Reise nach Island“
                  und der „Frauenfahrt um die Welt.“


                            Zweiter Theil.
               Sumatra.  Java.  Celebes.  Die Molukken.


                                 Wien.
                          Carl Gerold’s Sohn.
                                 1856.




     Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen behält sich die
                           Verfasserin vor.


                     Druck von Carl Gerold’s Sohn.




Inhalt des zweiten Bandes.


  =Siebentes Kapitel.=                                     Seite

  Sumatra. -- Ankunft in Padang. -- Reise in das Innere.
  -- Fort de Kock. -- Kotto-Godong. -- Seltsame
  Gesetze. -- Muara-Sipongie. -- Widerrathen der
  Reise. -- Die Battaker. -- Ihre Gebräuche und Gesetze.
  -- Abschied von den letzten Europäern                        1

  =Achtes Kapitel.=

  Fortsetzung der Reise auf Sumatra. -- Die Fußreise. --
  Das Nachtlager im Urwalde. -- Erstes Zusammentreffen
  mit den Kannibalen. -- Haly-Bonar. -- Opferung
  eines Büffelkalbes. -- Das Thal Silindong. --
  Feindseliger Empfang. -- Gezwungene Rückkehr. --
  Wiederholte wilde Scenen. -- Wiederkehr nach den
  Holländischen Besitzungen. -- Paija-Kombo. -- Besteigung
  des Merapi. -- Rückkunft nach Padang                        44

  =Neuntes Kapitel.=

  Java. -- Samarang. -- Die Schlammquellen von Grobogan.
  -- Besuch der freien Fürstenthümer Djogokarta
  und Surukarta. -- Der Tempel Boro-Budoo. -- Die
  heilige Schildkröte. -- Audienz bei dem Sultan. --
  Solo. -- Fürstliches Leichenbegängniß. -- Audienz bei
  dem Susubunan. -- Rückkehr nach Samarang. -- Reise
  nach Surabaya                                              101

  =Zehntes Kapitel.=

  Makassar. -- Banda. -- Erdbeben. -- Die Muskatnuß-Pflanzungen.
  -- Ambon. -- Ausflug nach der Negeri
  Emma. -- Saparua. -- Ceram. -- Fußreise durch das
  Innere Cerams. -- Ankunft zu Wahai. -- Die Alforen.
  -- Rückreise nach Ambon. -- Ternate. -- Besuch
  bei dem Sultan                                             142

  =Elftes Kapitel.=

  Celebes. -- Menado. -- Reise nach den Oberlanden. --
  Die holländischen Missionäre. -- Makassar. -- Reise
  in das Innere von Celebes. -- Maros. -- Eine Regentenwahl.
  -- Tanette. -- Baru. -- Fest der Zahnfeilung.
  -- Pare-pare. -- Der gelehrte Malaische König              194

  =Zwölftes Kapitel.=

  Sidenring. -- Die Seen von Tempe. -- Lagusi. -- Ein
  königliches Mahl. -- Rückkehr nach Sidenring. -- Die
  Rehjagd. -- Besuch bei dem Sultan von Goa. -- Abreise
  von Celebes. -- Surabaya. -- Eine Malaische
  Hochzeit. -- Eine Spukgeschichte. -- Rückkehr nach
  Batavia                                                    242




Siebentes Kapitel.

  Sumatra. -- Ankunft in Padang. -- Reise in das Innere. -- Fort de
  Kock. -- Kotto-Godong. -- Seltsame Gesetze. -- Muara-Sipongie.
  -- Widerrathen der Reise. -- Die Battaker. -- Ihre Gebräuche und
  Gesetze. -- Abschied von den letzten Europäern.


Schon seit einiger Zeit war der Wunsch in mir rege geworden, eine Reise
nach +Sumatra+ (560 M.) zu machen; allein die Kosten des Dampfschiffes
(fünfhundert Rupien für die Hin- und Rückfahrt) waren zu groß. Herr
van Rees machte mir jedoch Hoffnung auf eine billige Ueberfahrt.
Einige Stunden nach unserer Rückkunft von Tangerang fuhr er nach der
Stadt, und sandte mir wirklich ein Briefchen, in welchem eine Karte
eingeschlossen lag, lautend auf die Reise nach Sumatra und zurück. Wie
groß meine Freude war, kann man sich leicht vorstellen.

Herr van Rees hatte darüber mit den in Batavia etablirten deutschen
Kaufleuten gesprochen; sie waren sogleich bereit, eine Karte für mich
zu besorgen. Ich sage diesen Herrn meinen innigsten Dank, und kann sie
versichern, daß diese Reise die interessanteste von allen war, die ich
gemacht habe.

Schon den folgenden Tag sollte der Dampfer Makassar, 120 Pferdekraft,
Kapitän +Bergner+, absegeln. Meine Vorbereitungen waren schnell
gemacht, und am 8. +Juli+ 1852, Morgens um sechs Uhr ging ich an
Bord, begleitet von meinem unermüdlich gefälligen Freunde, Herrn van
Rees.

Denselben Tag noch bekamen wir die Küste von Sumatra zu Gesicht, ohne
jene von Java zu verlieren. Beide Inseln sind sehr gebirgig, Java’s
Berge aber höher und in Form und Gestalt abwechselnder.

10. +Juli.+ Erst diesen Morgen verloren wir die Küste von Java aus dem
Auge. Auf Sumatra zeigten sich zwei- bis dreifache Gebirgsketten. Ein
schöner, ebener Landgürtel zog sich von der See bis an das Gebirge.
Ebene und Gebirge waren üppig bewaldet.

11. +Juli.+ Wir sollten zu +Benkula+, dem Hauptorte der Residentschaft
gleichen Namens anlegen; allein der Ankerplatz ist selbst für
Dampfschiffe nur bei ruhigem Wetter zu benützen; da uns dieses nicht
begünstigte, mußten wir in die zwölf Meilen entfernte +Pulu-Bay+
einlaufen. Der Kapitän ging zu Lande nach Benkula und kam erst den
folgenden Nachmittag zurück. Gegen Abend ging die Reise weiter.

13. +Juli.+ Morgens kamen wir zu +Padang+ an, dem Hauptorte der
Holländischen Besitzungen auf Sumatra. Die Lage dieser Stadt ist
außerordentlich reizend. Auf der Westseite sind liebliche Hügel und
niedere Berge, darunter der +Gunang Batu+ der höchste (950 Fuß), der
schroff aufsteigende 350 Fuß hohe +Affenberg+ der auffallendste.
Dieser letztere ist in die See hinaus geschoben und mit dem Lande nur
durch eine schmale Erdzunge verbunden. Gegen Norden erhebt sich in der
Entfernung von vier bis fünf Paal ein schöner Gebirgszug; zwischen
diesem und der Stadt breitet sich eine sehr fruchtbare Ebene aus.

Padang ist die größte Stadt auf Sumatra: sie hat eine Bevölkerung
von 27,000 Seelen und ist der Sitz des Gouverneurs, der vier Paal von
der Stadt entfernt, nahe dem Gebirge zu „+Wellkom+“ ein schönes Haus
bewohnt. Die Stadt ist nicht hübsch; die besten Gebäude sind die
Magazine und Comptoir’s der Europäischen Kaufleute. Die Wohnhäuser
der Europäer liegen nahe der Stadt in kleinen Gärten unter schattigen
Kokospalmen, an welchen die ganze Gegend sehr reich ist.

Ich stieg zu Padang bei Herrn Major +Kreling+ ab; allein kaum hatte der
Gouverneur, Herr van +Switen+, meine Ankunft erfahren, als er selbst
kam, mich nach seinem Hause einzuladen, wohin ich noch denselben Tag
fuhr.

Meine Absicht war, in Padang selbst nur kurze Zeit zu verweilen; ich
wollte das sogenannte +Oberland+, +Benjol+, +Mandelling+, +Ankolla+,
+Groß-Toba+ u. s. w. besuchen, und bis zu den freien, wilden Battakern
unter die Kannibalen gehen. Auch hier wie zu Sarawak suchte man mich
zu bereden, diesen Plan aufzugeben; man sagte mir, daß, seit im
Jahre 1835 zwei Missionäre, die Herren +Layman+ und +Mansor+, von
den Battakern getödtet und auch gefressen worden seien, sich kein
Europäer ohne Militärbegleitung unter sie wage. Man rieth mir, mich mit
den Holländischen Besitzungen zu benügen, und mich nicht der beinah
unvermeidlichen Gefahr auszusetzen, auf so gräßliche Art mein Leben zu
verlieren. Allein gerade der Wunsch, unter die Battaker zu gehen, diese
von den Europäern so wenig gekannten Völker zu besuchen, war es, was
mich zu dieser Reise anspornte. Anderseits dachte ich, daß vielleicht
die Schwäche meines Geschlechtes mein Schutz sein könnte. Ich gab den
Warnungen kein Gehör, und trat am

19. +Juli+ unter trübem, wolkenbedecktem Himmel die Reise zu Pferde
an. Auch hier, wie zu Sarawak, stellte sich gleich am ersten Tage
meiner Reise ein Hinderniß entgegen, das mich zur Rückkehr zwang.
Als ich nämlich in die Nähe des Flusses +Udjong-Karang+ kam, fand
ich die Gegend in Folge mehrtägigen ununterbrochenen Regens weit und
breit überschwemmt -- das Wasser reichte den Pferden bis über die
Brust. Ueber den Fluß selbst führte keine Brücke; sie war in der Nacht
weggespült worden, und die Ueberfahrt auf einem Floße noch nicht
geordnet. Ich mußte nach Padang zurück.

20. +Juli.+ Mit wässerigem Sonnenschein zog ich aus; bald hatte ich
beständigen Regen. Ich ging bis +Lubulong+, 20 Paal oder zwei Etappen.
Auf Sumatra sind die Entfernungen in Etappen eingetheilt, d. h. in
Militär-Stationen oder Märschen von je acht bis dreizehn Paal. Auf den
Etappen findet man entweder einen Beamten oder ein kleines Fort, oder
irgend ein der Regierung gehöriges Häuschen, in welchem man die Nacht
zubringen kann. Auf manchen findet man auch Schreiber oder Aufseher,
welche die Fremden gegen Bezahlung aufnehmen.

Die Gegend fing, sechs bis acht Paal von Padang entfernt, an ein etwas
wildes Aussehen zu haben: wenige Reispflanzungen, dagegen viel Waldung,
Gestrüppe und Alang-Alang. Die Bevölkerung schien mir, im Verhältniß
zur geringen Kultur, bedeutend: ich kam häufig an Kampon’s vorüber. Da
ein großer Theil der Bevölkerung Sumatras aus Malaien besteht, so sind
auch hier die Hütten überall auf Pfähle gebaut.

In Sumatra wird, wie in Java, ebenfalls alles, Kaffee ausgenommen,
von Menschen getragen, und zwar auf dem Kopfe. Der Kaffee wird durch
Pferde und Büffel fortgeschafft. An der Straße liegen viele Hütten
(Pasangruhan), an welchen fünf Fuß hohe Gestelle angebracht sind,
auf die der Kulli die Last bequem vom Kopfe abschieben kann. Diese
Hütten dienen ihnen zugleich als Schenke; sie finden da Thee, Kaffee
(letzterer ein Abguß von den Blättern des Kaffeebaumes), gekochten Reis
und Qué-qué (eine Art Kuchen oder Backwerk). Sie können daselbst auch
die Nacht zubringen.

Man bezahlt den Kullis hier, wie auf Java 2½ Deut per Paal, und
vertraut ihnen unbedingt alles an. Man erzählte mir einen einzigen
Fall, in welchem sie zwar nichts entwendeten, aber dennoch dem
Eigentümer einen großen Schaden zugefügt hatten. Ein Mineralog sandte
mehrere Kisten mit Mineralien nach Padang. Die Kisten waren nicht
verschlossen, und als die Kulli sahen, daß sie nichts als Steine
enthielten, kamen sie überein, die Steine wegzuwerfen und die Kisten
vor Padang mit anderen Steinen anzufüllen -- sie meinten Steine wären
Steine. Der Eigentümer blieb leider längere Zeit auf Reisen; als er
zurück kam und den Verlust seiner Schätze entdeckte, war es zu spät,
sie wieder aufzufinden.

In den größeren Ortschaften fielen mir offene Hallen auf, die von
Holz gebaut, mit einem zierlich geschnitzten Dache bedeckt und mit
hellen Farben bemalt waren. In diesen Hallen halten die Rajah’s ihre
Beratungen, in ihnen werden alle Klagen vorgebracht und an den Tagen
des Bazar’s alle größeren Handelsgeschäfte abgeschlossen. Desgleichen
findet man auch eine Art Trommel, Tabu genannt, aufgestellt, auf welche
geschlagen wird, so bald sich die Gemeinde bei irgend einer Gelegenheit
versammeln soll. Die Trommeln sind acht bis fünfzehn Fuß lang, und
haben oben eine viel größere Oeffnung (oft drei Fuß im Durchmesser) als
unten; die obere Oeffnung ist mit einem Felle überzogen.

Der Hahnenkampf ist auf Sumatra erlaubt und scheint, je mehr man sich
dem Innern nähert, immer beliebter zu werden. Ich begegnete nun schon
vielen Männern und jungen Leuten, die ihre Streithähne stets unter dem
Arme trugen.

21. +Juli.+ Heute ging ich nicht weit, nur 10 Paal bis +Kaju-Tanam+.
Schön und freundlich war es diesen Morgen; die Sonne schien so
bescheiden, daß ich der Nähe des Aequators ganz vergaß. Einige Vögel
sangen, zwar nicht mit so gewandter Kehle wie in Europa, allein für
ein Tropenland artig genug; Affen schrien, lärmten und sprangen von
Ast zu Ast. Auch die Gegend war schöner, die Gebirge großartiger und
wechselnder in den Formen; die höchsten Berge, der +Singallang+ und
+Merapi+, sind 9 bis 10,000 Fuß hoch.

Ich hatte für diese Reise keine Pferde gekauft, da man mir zu Padang
sagte, daß mich die Herren, bei welchen ich jeden Tag einzusprechen
hätte, stets mit Pferden und mit einem Führer versehen würden. Und so
war es auch. Nur mußte ich oft an einem Tage zweimal Pferd und Führer
wechseln. Kaum war ich mit den Launen eines Pferdes vertraut geworden,
so hatte ich wieder ein anderes zu versuchen. Oft erhielt ich Thiere,
die so lebhaft waren, daß sie nach allen Seiten ausschlugen und nicht
aufsitzen lassen wollten. Man mußte ihnen einen Vorderfuß aufheben und
sie an der Nase festhalten. Saß ich oben, dann ging es in gestrecktem
Galopp über Stock und Stein. Ich ließ ihnen stets willig die Zügel,
wohl wissend, daß nach dem ersten Paal das Feuer von selbst erlosch.

Die Reise richtete ich folgendermaßen ein: Morgens zeitlich brach ich
auf, durchritt meine Station, sie mochte kurz oder lang sein, ohne
Unterbrechung und war gewöhnlich schon um zehn bis zwölf Uhr an Ort
und Stelle. Nach einer halbstündigen Rast ging ich dann in die Umgebung
auf die Insekten- und Schmetterling-Jagd.

Zu Kuju-Tanam fand ich in dem Kontrolor, Herrn +Barthelemy+, der mich
sehr freundlich aufnahm, einen emsigen Vogel-Sammler; er begleitete
mich auf meiner Jagd und versprach mir, Insekten und Reptilien zu
suchen und für meine Rückkehr bereit zu halten.

22. +Juli.+ 20 Paal nach +Fort de Kock+, auch +Buckiet-tingi+ genannt.

Die erste Hälfte des Weges ist sehr romantisch; eine herrliche Straße
windet sich durch eine Schlucht (bei den Holländern „Kluft“ genannt),
die bewaldete Hügel und Berge einengen; ein Waldbach stürmt tobend und
schäumend über Felsen und Steingerölle, während ein anderer knapp am
Wege von einer sechzig bis siebzig Fuß hohen Wand herabstürzt. Am Ende
der Schlucht steigt die Straße spiralförmig zu einer Höhe von 3000 Fuß
empor und führt auf einer Hochebene fort.

Ich begegnete langen und vielen Zügen von Pferden und Büffeln (letztere
vor Karren gespannt) mit Kaffee-Transporten, die nach +Priaman+ an die
Seeküste geschafft wurden, von wo man sie nach Padang verschifft.
Die Pferde sind etwas größer als auf Java, die Büffel sehr groß und
schwerfällig; die einen wie die andern besitzen jedoch wenig Kraft und
Ausdauer. Man ladet den Pferden, die hier nicht vor Karren gespannt
werden, nur einen Pikul auf. Ein Paar Büffel ziehen höchstens acht
Pikul, und dieß nur, wenn es auf guten Wegen geht. Pferde wie Büffel
machen per Tag nicht mehr als sechs Paal und ruhen jeden fünften
Tag. Trotz dieser wenig anstrengenden Arbeit leben die Thiere nicht
lange. Man füttert sie mit Gras und mit dem Marke der Sagopalme. Ein
gewöhnliches Pferd kostet fünfzehn bis zwanzig Rupien, ein Büffel bis
dreißig. Pferde, die aus dem Battaker-Lande kommen, etwas größer und
weit stärker sind, werden bis zu zwei- und dreihundert Rupien bezahlt.

Fort de Kock liegt auf einer schönen Hochebene von beinahe 3000 Fuß
Höhe und hat eine reizende Aussicht über weite Thäler und auf hohe
majestätische Berge. Das Klima ist hier sehr gemäßigt mit kühlen
Abenden und Nächten. Auf dieser Hochebene gedeiht die Weinrebe.

In Fort de Kock stieg ich bei dem Residenten des Agamer-Gebietes,
Herrn Oberst van der +Hardt+, ab, einem ausgezeichneten Offiziere, der
alle Kriege auf Sumatra vom Jahre 1830 bis 1849 mitgemacht hat und
zuerst mit seinen Truppen in dem Battaker-Lande bis an den Eingang
des Thales +Silidong+ (Groß-Toba) vorgedrungen ist. Ich hatte Herrn
van der Hardt[1] schon in Batavia, wohin er auf Urlaub gegangen war,
kennen gelernt und in seiner Gesellschaft die Reise von Batavia
nach Padang gemacht. Er überhäufte mich mit Aufmerksamkeiten und
Gefälligkeiten jeder Art, und veranstaltete sogleich eine Partie, um
mir die interessanteste Sehenswürdigkeit der Umgegend zu zeigen, den
schönen und reichen Kampon +Kotto-Godong+ (drei Paal). Dieser Kampon
ist wirklich der geschmackvollste und reichste von allen, die ich nicht
nur auf Sumatra, sondern auch auf Java und den übrigen Holländischen
Besitzungen sah. Am meisten fiel mir die Bauart der Häuser auf:
viel länger als breit, mit schmal zulaufenden Endseiten, die das
Mittelgebäude überragen, gleichen sie eher Schiffen als Häusern. Die
Dächer sind zwei- bis dreimal ausgeschweift und jede Ausschweifung mit
zwei Spitzen versehen, was ihnen das Ansehen Türkischer Sättel gibt.
Die Häuser sind von Holz und mit hellen Oelfarben angestrichen, die
Vorder- und Seitenwände mit kunstvoll ausgeschnittenen Arabesken oft
ganz bedeckt. Sie stehen auf Pfählen, von welchen man aber nichts
sieht, da sie von Bambus- und Bretterwänden umkleidet sind. Man kann
sich wirklich nichts geschmackvolleres, nichts originelleres vorstellen.

Das Innere besteht aus einem großen Gemache, das die ganze Länge
und wenigstens drei Viertheile der Breite des Hauses einnimmt, und
auf dessen äußerstem Ende ein kleines erhöhtes Plätzchen angebracht
ist, welches dem Hause wie angehängt scheint und, mit Polstern,
Matten und Teppichen reichlich belegt, der vornehmsten Frau zum
Ehrenplatze dient. Der hintere Theil des Hauses ist in winzig kleine
Kämmerchen abgetheilt, welche die Feuer- und Schlafstellen enthalten
und stockfinster sind, da die Hinterwände keine Fenster haben. Jedem
Hause gegenüber steht eine kleine, in derselben Art geschnitzte und
angestrichene Hütte, welche zur Aufbewahrung des Reises dient.

In den Häusern wohnt nicht, wie bei den Dayakern, ein ganzer Stamm,
sondern nur was zu einer Familie gehört.

Da der Rajah des Kampons[2] von unserm Kommen unterrichtet war, so
fanden wir seine Familie in den kostbarsten Kleidern, die Wohngemächer
mit Teppichen, Matten und Polstern belegt, alle Pracht, allen Reichthum
entfaltet. Die Sarongs der Frauen waren von schwerer Seide und höchst
geschmackvoll und reich mit Gold durchwirkt. Man zeigte uns Sarongs,
die bis zu fünfhundert Rupien kosteten. Die Padjus waren von blauem,
rothem oder grünem Seidensammt, mit Goldborden besetzt, die Kopftücher
von Seide und so schwer an Gold, daß sie nicht um den Kopf gebunden,
sondern mehr darauf gelegt wurden. Es gab deren bis zu dem Werthe von
sechzig Rupien. Die Frauen weben die Sarongs und Kopftücher selbst, den
Sammt kaufen sie. An den Handgelenken tragen sie kunstvoll gearbeitete
goldene Armbänder und an dem kleinen Finger der linken Hand einige
Ringe. Manche hatten diesen Finger auch mit einem zwei Zoll langen
goldenen Nagel geschmückt, der gleich einem Ringe angesteckt wird und
das Kennzeichen des Reichthums und Nichtsthuns ist.

Der Malaische Oberpriester machte uns seine Aufwartung im vollen
Staate. Eine lächerlichere Kleidung war mir noch nicht vorgekommen. Er
trug ein langes rosenfarbenes Unterkleid, darüber ein Oberkleid von
weißem Gaze, mit drei Reihen breiter Spitzenfalten besetzt; die Aermel,
ebenfalls mit Spitzen garnirt, reichten bis an das Handgelenke. Den
komischsten Kontrast zu diesem Anzuge, den jede Europäische Dame als
Ballkleidung hätte gebrauchen können, bildeten eine weiße Männerweste,
ein kostbarer Gürtel mit prächtigen Waffen und ein weißer Turban mit
einem großen Spitzenschleier, der bis über den halben Körper herabfiel.
Als uns diese Erscheinung ansprach und den Schleier zurückschlug,
erblickten wir ein junges, bartloses Gesicht. Wären wir nicht
versichert gewesen, daß der Oberpriester vor uns stehe, so hätten wir
sie eben so gut für ein Mädchen als für einen Mann gehalten.

Außer dem Hause des Rajah besuchten wir einige andere Hütten, in
welchen wir die Frauen und Mädchen mit kunstvollen Goldwebereien
beschäftiget fanden. Auch bei einem Goldarbeiter traten wir ein, der
wahre Kunstwerke verfertigte, und zwar zu unserem größten Erstaunen
blos mit Hilfe eines kleinen Amboses, einiger Hämmer, Nägel und anderer
Kleinigkeiten. Alle seine Werkzeuge faßte ein kleines Kästchen, das
er unter den Arm nehmen konnte, um seine Werkstätte nöthigen Falles
überall aufzuschlagen.

Die gewöhnliche Tracht der Malaien auf Sumatra besteht ebenfalls aus
einem Sarong nebst einer Kabai oder Padju; der einzige Unterschied
ist, daß sie hier die Stoffe sehr dunkelblau, beinahe schwarz färben,
während dieselben auf Java mehr buntfärbig getragen werden.

An Schönheit, oder besser gesagt Häßlichkeit, wetteifern sie mit ihren
Stammgenossen auf Java und Borneo. Dieselbe breite Gesichtsbildung,
dieselben weit hervorragenden Zahnkiefer, dieselben abgefeilten,
schwarz gefärbten Zähne. Viele junge Leute haben schon Zahnlücken;
die Reichen lassen sich goldene Zähne machen; aber nicht so sehr um
die verlornen zu ersetzen, als um damit zu prunken; sie setzen sie
blos bei besonderen Feierlichkeiten ein. Das weibliche Geschlecht hat
hier die Ohrläppchen nur einmal durchstochen; dagegen wird aber alle
Kunst angewandt, die Löcher so groß als möglich zu machen. Um dieß zu
Stande zu bringen, stecken sie in die durchstochenen Ohrläppchen ein
zusammengerolltes Blatt oder ein Stückchen Holz, das stets an Umfang
zunimmt, bis die Oeffnung einen Zoll weit geworden ist. Diese Löcher
sind in ihren Augen ein so vollkommener Schmuck, daß sie nicht nöthig
finden, ihn durch Ohrgehänge zu verschönern; nur wenige hängen Gold-,
Silber- oder Messingplatten daran, oder stecken ein rund geschnitztes
Stück Holz durch.

Eine besondere Merkwürdigkeit des Agamer-Distriktes ist, daß hier die
Weiber viele Rechte der Männer besitzen; letztere sind ihnen sogar in
mancher Hinsicht unterworfen. In jedem Lande der Welt gewiß höchst
originell, wird diese Erscheinung um so wunderbarer bei Mohamedanern,
die uns armen Geschöpfen sogar die Seele absprechen wollen.

Wenn z. B. ein Mädchen heiratsfähig ist, so sucht die Mutter nach dem
Bräutigam und bespricht sich mit der Mutter desselben, worauf die
beiden Frauen die Sache abmachen, ohne den Vätern Stimme zu geben. Am
Tage der Hochzeit holt die Mutter der Braut den Bräutigam ab; derselbe
folgt der Braut in das elterliche Haus und geht ganz in ihre Familie
über. Dieß hindert ihn jedoch nicht, mehrere Ehen zu schließen, nur
nicht in demselben Kampon, so daß ein Mann, der mehrere Frauen besitzt,
keinen festen Wohnplatz hat und bald in diesem, bald in einem andern
Kampon wohnt.

Ein Mann weigert sich nie, die ihm gebotene Braut zu nehmen; mißfällt
sie ihm, so kann er sie am Tage nach der Hochzeit verlassen. Die Braut
hat nicht dasselbe Recht: sie kann ihrem Bräutigam, sollte die Wahl sie
gereuen, nur vor der Hochzeit den Abschied geben und muß sich in diesem
Falle mit einem Theile ihrer beweglichen Güter, wie Hornvieh, Geflügel,
Hausgeräthe, mitunter auch mit Geld loskaufen.

Der Mann kann auch in der Folge seine Frau ohne die geringste Ursache
verlassen; die Frau darf hier nur die Initiative ergreifen, wenn sie
erlittene Mißhandlungen zu beweisen vermag. Bereuen die Eheleute die
Trennung innerhalb vierzig Tagen, so können sie sich ohne Ceremonien
wieder vereinigen. Sind aber die vierzig Tage vorüber, so müssen sie
neuerdings durch den Priester getraut werden. Die geschiedene Frau kann
sich nach drei Monaten und zehn Tagen wieder mit einem andern Manne
verbinden[3].

Wenn die Frau stirbt, erbt der Mann nur die Hälfte der ihr gehörigen
beweglichen Güter, außerdem nur, was sie ihm besonders vermacht. Die
eigentlichen Erben sind die Kinder; hat sie deren keine, so geht das
Vermögen auf die Kinder ihrer Schwester oder sonstigen weiblichen
Verwandten über. Der Mann kann nur von seinem Stamme, seiner Mutter,
oder seinen weiblichen Verwandten erben. Das Vermögen des Mannes erben
dem zu Folge auch nicht seine Kinder, sondern die seiner Schwester oder
weiblichen Verwandten.

Zu diesen sonderbaren Erbschafts-Gesetzen soll der Sage nach folgendes
Ereigniß Anlaß gegeben haben:

Ein großer Fürst, dessen Wohnsitz weit von der See entfernt lag,
träumte durch mehrere Nächte, daß er, um sein Glück zu befestigen, ein
großes Prauh bauen lassen müsse. Der Traum verkündete ihm zu gleicher
Zeit, sein nächster Blutsverwandter würde dieses Prauh mit leichter
Mühe in die See schaffen. Der Fürst that, wie das Traumgesicht gebot.
Als das Prauh fertig war, lud er alle seine Verwandten, so wie viele
Rajah’s aus der Umgegend ein, da die Fortschaffung des Prauh’s unter
großen Feierlichkeiten statt finden sollte. Er rief hierauf seinen
ältesten Sohn herbei, und befahl ihm, das Prauh nach der See zu
bringen. Der Arme wandte alle Kräfte an, doch vergebens: er vermochte
es nicht von der Stelle zu bewegen. In dieser Weise rief der Fürst
einen Sohn nach dem andern herbei; aber keinem gelang es. Zornentbrannt
forderte er den Sohn seiner Schwester auf, und siehe -- mit leichter
Mühe schob es dieser an den Ort seiner Bestimmung!

In den Holländischen Besitzungen auf Sumatra herrscht eine
eigenthümliche Art Sklaverei: sie darf nicht länger als zehn Jahre
dauern. Die Sklaven kommen alle von der nahen Insel +Nias+, sind
entweder Kriegsgefangene oder Schuldner und Verbrecher oder auch freie
Leute und werden von dem Sultane dieser Insel verkauft. Sklave wie
Sklavin kosten den festgesetzten Preis von 100 Rupien. Der Käufer muß
sie ordentlich kleiden und nähren, darf sie mit Arbeit nicht überladen
und muß jedem pr. Monat zwei Gulden Kupfer für Siri geben. Nach zehn
Jahren sind sie frei, kehren aber selten in ihre Heimat zurück, da sie
fürchten, von ihrem Sultane neuerdings verkauft zu werden.

Die Holländische Regierung sieht sehr darauf, daß die Sklaven nicht
mißhandelt werden. Kurz vor meiner Ankunft wurde zu Padang eine Frau,
die einen ihrer Sklaven arg mißhandelt hatte, wohlverdienter Weise
auf fünf Jahre in das Strafhaus gesperrt und des Rechtes für immer
verlustig erklärt, Sklaven zu halten. Den Sklaven, die sie hatte, wurde
die Freiheit gegeben.

+Wollte Gott, daß es in allen Sklavenstaaten so wäre!+

Beinahe in jedem Hause sieht man Niaser; ich fand sie minder häßlich
als die Malaien; nur sind die Weiber etwas gar zu klein.

In dem Distrikte von Agam wird schon sehr viel Kaffee gebaut. In den
hiezu geeigneten Gegenden muß, wie zu Java, jedes Familienhaupt 300
Bäume pflanzen und pflegen. Der Kaffee wird in gereinigtem Zustande an
die Magazine geliefert, die von den Pflanzungen oft zehn bis zwölf Paal
entfernt liegen. Der Pflanzer erhält per Pikul sieben Kupfergulden. Für
den Transport von den Magazinen an die Seeküste bezahlt man per Pikul
und per Meile drei Deut. Dieses Geschäft ist gewöhnlich verpachtet.

Im Jahre 1851 wurden auf Sumatra schon 120,000 Pikul Kaffee gewonnen,
was für die kurze Zeit, seit der man mit dem Kaffeebaue anfing,
sehr bedeutend war. Die Regierung verkauft den Kaffee zu Padang
im Versteigerungswege, gewöhnlich zu 20½ Rupien per Pikul. Der
Ausfuhrszoll beträgt per Pikul für Holland zwölf, für das Ausland sechs
Rupien.

Da Sumatra viel weniger bekannt ist als Java, und es manche meiner
Leser vielleicht interessiren dürfte, zu wissen, welche Produkte
hauptsächlich von dieser Insel ausgeführt und zu welchen Preisen sie
angenommen werden, so füge ich hier eine kurze Uebersicht bei.

Im Jahre 1851 wurden ausgeführt:

  Kaffee            der Pikul ~à~  20½ Rupien 120000 Pikul,
  Reis               „    „     „   2½   „     50000   „
  Benzoe, 1. Sorte, der Pikul ~à~ 250  Rupien,   250   „
  Benzoe, 2. Sorte,  „    „     „  75-100 R.,   4000   „
  Drachenblut        „    „     „       75 Rupien,
  Cassia             „    „     „       10   „
  Schwarzer Pfeffer  „    „     „       14   „
  Weißer       „     „    „     „       22   „
  Gutta-Percha       „    „     „       30   „
  Gummi-Elastique    „    „     „       25   „
  Gambir             „    „     „       18   „
  Muskatnüsse (hier frei) der Pikul ~à~ 90 Rupien.

Von Kampfer (auf Sumatra am besten und theuersten) kommen im Handel
jährlich höchstens zwei bis drei Pikul vor, die bis zu dem Preise von 7
bis 10,000 Rupien bezahlt werden. Ich komme hierauf später zurück.

Am +24. Juli+ setzte ich meine Reise wieder fort.

Herr van der Hardt war so gefällig, mir eine Reiseroute vorzuzeichnen,
mich mit Empfehlungsbriefen für die Beamten und Offiziere zu versehen
und mir Pferde nebst einen Führer bis +Palembajang+ (20 Paal) zu geben.

Ganz nahe bei Fort de Kock führt der Weg durch ein kleines Thal,
welches weit und breit durch seine eigentümliche Einfassung bekannt
ist. Ungefähr 200 Fuß hohe, senkrechte, wie mit dem Meißel behauene
Sandwände umgeben es; durch eine Spalte der Wände windet sich ein
steiler Weg. Unten angekommen, durchreitet man üppige Reispflanzungen,
von einem niedlichen Flusse bewässert, und ersteigt nach einer Meile
auf eben so steilen Wegen wieder die Hochebene. Man nennt dieß kleine
Thal +Karbauwengat+.

Von hier an bis Palembajang war das Land so hügelig, daß man es einer
stürmisch wogenden See hätte vergleichen können. Hie und da an den
Hügeln waren künstliche Terrassen angelegt, um das Wasser von einer
Reispflanzung zur andern zu leiten. Der Weg führte häufig die Höhen
hinauf und gewährte schöne Uebersichten der unzähligen Hügel und
Terrassen, die zum Theile in dem saftigen Grün der jungen, noch kaum
einen halben Fuß hohen Reispflanze prangten.

+25. Juli.+ +Bonjol+, dreizehn Paal. Die ersten sechs bis sieben Paal
ging es durch ein so enges Thal, daß man es eine Schlucht nennen
konnte. Selten sah man eine Hütte, ein Reisfeld; das Gemurmel des
Flusses +Massang+, das Geschrei der Affen waren die einzigen Töne, die
mein Ohr trafen. Vor dem Ausgange der Schlucht führt eine Brücke über
den Massang, dessen Ufer aus hoch aufgetürmten, von frischen, ewig
grünen Schlingpflanzen überdeckten Felsen bestehen. Tief unten schäumt
der Fluß durch das enge Felsbett.

Bald verläßt man den Massang, und kommt an den etwas bedeutenderen
+Alahan-Bajang+, der eine kurze Strecke vor seiner Mündung in die See
für Prauh’s schiffbar wird. Die wenigsten Flüsse auf der Westküste
Sumatra’s sind selbst für kleine Boote befahrbar; sie haben einen zu
kurzen Lauf um bedeutend zu werden, und einen sehr starken, von Gestein
und Felsmassen unterbrochenen Fall.

Die Gebirgszüge, die Sumatra von Süden nach Norden durchziehen,
verliert man nie aus dem Gesichte; bald ist man ihnen näher, bald
ferner. Sie wechseln an Form und Höhe; mitunter erheben sie sich zu
5-7000 Fuß. Der +Ophir+ auf der Westküste mißt sogar 9500 Fuß.

Bonjol liegt in einem weiten, zum Theil noch unkultivirten Thalkessel.
Es steht hier ein kleines Fort. An vielen Weibern in dieser Gegend
fiel mir die sonderbare Kopfbedeckung auf. Sie falten ein großes Tuch
mehrfach zusammen und legen es gleich einer Last ganz lose auf den Kopf.

+26. Juli.+ +Lubuskoping+, 10 Paal. Der Kontrolor, bei dem ich
abgestiegen war, so wie einige Offiziere, begleiteten mich eine Strecke
Weges. Als wir an den Fluß +Alahan-Bajang+ kamen (zwei Paal), fanden
wir ihn so angeschwollen, daß an keine Ueberfahrt zu denken war; wir
mußten zurück nach Bonjol.

Innerhalb der Grenzen von vier bis fünf Grad nördlich und südlich des
Aequators tritt die Regenzeit nicht so regelmäßig ein, und es regnet da
viel häufiger als in den weiter von dem Aequator entfernten Gegenden.
Ich hatte auf Borneo nichts als Regen, auf Java vergingen wenige Abende
ohne Regen, und eben so war es hier auf Sumatra. Für Reisende kann es
nichts Unangenehmeres geben, besonders wenn die Wege schlecht sind und
man über Flüsse ohne Brücken oder durch Waldungen muß. Selten verging
ein Tag, ohne daß ich vollkommen durchnäßt wurde.

Nachmittags kam die Nachricht, daß der Fluß gefallen sei, und daß man
ihn übersetzen könne. Ich eilte fort und wurde glücklich in einem
kleinen Boote hinüber gefahren; die Pferde mußten schwimmen.

Ich passirte heute den Aequator zu Pferde.

Gestern wie heute waren die Wege theilweise sehr schlecht. Der Regen
hatte den lehmigen Boden so schlüpfrig gemacht, daß es schwer und
gefährlich wurde, mit den unbeschlagenen Pferden über die oft sehr
steilen Hügel zu kommen. Auch fand ich die Pferde nirgends in der Welt
so ungeschickt wie hier: sie stolperten über jeden Stein, fielen in
jedes Gräbchen und fanden auf den Brücken gewiß die morscheste Stelle,
um den Fuß darauf zu setzen. Dabei erschracken sie über alles, oft über
ein großes Blatt, das am Wege lag. Ich kann den Pferden Sumatras mit
gutem Rechte dieses schlechte Zeugniß geben, ich habe sie erprobt, wie
wenig Männer, da ich sehr viel ritt und alle Paar Stunden ein anderes
Pferd bekam.

Lubuskoping liegt in einem schönen großen Thale. Man sieht hier den
Ophir besser als von jeder andern Seite, da die Vorgebirge sich
zertheilen und hierdurch einen vollkommenen Anblick dieses Berges vom
Fuße bis zur Spitze gestatten.

In dieser Gegend tragen die Leute sehr große Hüte von zwei bis drei Fuß
im Durchmesser. Sie sind aus Palmenblättern gemacht, ganz flach und
haben in der Mitte eine nur sechs Zoll hohe Spitze, die mit Blumen oder
andern Kleinigkeiten geziert ist.

+27. Juli.+ +Panty+, 18 Paal. Die Hälfte des Weges führte durch schöne
Waldthäler, und meistens durch Alang-Alang. Ueberall gab es häufige
Spuren von Elephanten-Tritten und Tigerklauen. Sumatra ist an Tigern
sehr reich. Die Leute, welche die Briefe durch das Land tragen, gehen
Abends nie ohne Feuerbrände. Sonderbarer Weise veranstalten weder die
Europäer noch die Eingebornen Tigerjagden wie in Brittisch-Indien.

Die Regierung zahlt für jeden erlegten Tiger zehn Rupien. Die
Eingebornen fangen sie in Fallen.

+Panty+ liegt mitten in den herrlichsten Waldungen; dessen ungeachtet
sind die Hütten der Eingebornen überaus klein und elend: die Leute sind
zu träge, das zum Baue nöthige Holz zu fällen. Sie leben hier überhaupt
in der größten Armuth, besitzen kaum ein Paar irdene Töpfe und einige
Matten, gehen halb nackt oder in Lumpen gekleidet und sehen sehr
schmutzig aus. An alledem ist ihre Trägheit schuld. Sie haben zwar
der Regierung viele Händearbeit zu leisten, aber sonst keine Abgaben.
Die Männer ergeben sich größtentheils dem Spiele und dem Müssiggange,
unterhalten sich mit Hahnenkämpfen, werfen, wie bei uns die Kinder,
Kupfermünzen oder Steinchen in kleine Löcher, lassen Drachen steigen,
schlagen die Zeit mit einer Art Bretterspiel mit kleinen Steinchen
todt, schlafen viel und sitzen mitunter auch Tage lang beisammen, ohne
etwas anders zu thun als Siri zu kauen oder zu schwatzen. Hätte unser
herrlicher Schiller in diesem Lande das Licht der Welt erblickt, er
würde die Männer „das leer geschwätzige Geschlecht“ genannt haben, und
nicht uns Frauen.

Die Weiber arbeiten viel mehr als die Männer. Bei den
Straßen-Ausbesserungen zählte ich durchschnittlich drei Weiber auf
einen Mann; in den Kaffeegärten haben sie die meisten Verrichtungen,
auf dem Felde schneiden sie den Reis, treten und stampfen ihn aus den
Aehren und tragen alle Lasten nach Hause. Ich sah manches Weib mit
einer schweren Last auf dem Kopfe, einer zweiten unter dem Arme und
einem auf den Rücken gebundenen Kinde mühsam einherschreiten, während
der Mann leer daneben ging.

Ich will damit nicht sagen, daß die Männer gar nichts thun; aber sie
arbeiten gewiß nicht halb so viel als die Weiber. Erstere pflügen
mit Büffeln das Feld und pflanzen den Reis, -- allerdings eine
beschwerliche Arbeit, da sie dabei bis über die Schenkel im Wasser
stehen müssen.

An den Bauten der Straßen und Brücken, der Kaffeemagazine und der
Wohnhäuser der Beamten darf auf Befehl der Regierung kein Weib Theil
nehmen. Dieser menschenfreundliche Befehl wurde in der Absicht gegeben,
das schwache Geschlecht doch einigermaßen zu schützen.

Auf Sumatra schneidet man den Reis nicht Halm für Halm, wie auf Java,
sondern man nimmt mit einem sichelförmigen Messer so viel Halme auf
einmal ab, als mit der Hand gefaßt werden können. Die Aehren werden auf
dem Felde selbst ausgetreten; zu diesem Zwecke sind kleine Gestelle von
Bambus errichtet, die neun Fuß hoch und fünf Fuß breit sein mögen. Zwei
Fuß von der Erde ist an dem Gestelle ein hölzerner Boden angebracht,
mit kleinen Löchern, durch welche die Reiskörner durchfallen können.
Auf diesem Boden werden die Aehren mit den Füßen ausgestampft. Ein
Blätterdach an der Spitze des Gestelles schützt die Arbeiter vor der
Sonne.

Man rechnet in Sumatra die Reisernte durchschnittlich auf sechzig bis
achtzig Prozent, während sie in Java hundert bis zweihundert gibt.

+28. Juli.+ +Rau+, 13. Paal. Ein ziemlich ausgedehnter Kampon mit
einigen angestrichenen, mit Schnitzwerk versehenen Bretterhäusern
und einem kleinen Fort. Die Lage dieses Ortes ist sehr ungesund; es
herrschen böse, hartnäckige Wechselfieber, die bei den Europäern häufig
in Auszehrung oder Wassersucht übergehen.

Hier beginnt die Provinz +Mandelling+, mit dem Distrikte +Ulu+ (von
den Eingebornen „Lubu“ genannt). Die Uluaner oder Lubuaner werden von
manchen für ein Stammvolk gehalten, von andern für verwilderte Malaien.
In diesem Distrikte fangen auch schon die Battaker an.

+29. Juli.+ +Muara-Sipongie+, 10 Paal. Langweiliger Ritt durch
wellenförmige, schmale, mit kurzen Alang-Alang bewachsene Thäler. Man
sah keine menschliche Wohnung, man hörte keinen Laut -- alles war
todtenstille wie in den Sandwüsten Afrika’s.

Ich befand mich nun schon mitten unter den Battakern; jedoch könnte man
diese die „gezähmten“ nennen, da sie unter der Holländischen Regierung
stehen (seit zehn Jahren) und daher natürlich ihrer Begierde nach
Menschenfleisch entsagen müssen.

Zu Muara-Sipongie empfing mich Herr Kontrolor +Schoggers+ auf die
zuvorkommendste Weise: er kam mir mehrere Paale entgegen geritten. Da
ich früh eintraf, und gerade großer Bazar gehalten wurde, ging ich
mit ihm dahin. Man sieht bei solchen Gelegenheiten viel Volk; auch
sagte mir Herr Schoggers, daß in den kleinen Flüssen dieses Distriktes
viel Gold gefunden und zum Verkaufe nach dem Bazar gebracht werde. Wir
fragten nach dieser Waare. Die glücklichen Besitzer waren so lumpig
gekleidet, daß ich keine Kupfermünzen, viel weniger Gold bei ihnen
gesucht hätte. Sie brachten Päckchen zum Vorscheine, so groß, daß
man einige Pfund Goldes hätte vermuthen können; allein da gab es der
Umwicklungen so viele, daß am Ende ein winziges Säckchen mit etwas
Goldstaub, oder ein erbsengroßes Goldklümpchen zum Vorschein kam. Für
das größte Stück, das ich sah, verlangte man siebzehn spanische Thaler.
Jederman hat das Recht, Gold zu suchen; nur muß er von dem Funde die
Hälfte an seinen Rajah abgeben.

Neben dem Bazar (einer offenen Halle mit einem Blätter-Dache) war ein
kleiner umzäunter Raum, wo die Hahnenkämpfe stattfanden. Eine Menge
Menschen standen gedrängt umher; es gab sehr viele Kämpfe und Wetten,
und zwar wetteten die Leute keine Kupfermünzen, sondern Spanische
Thaler. Dieses Reichthums ungeachtet waren sie alle so armselig
gekleidet, daß man sie für Bettler hätte halten mögen.

Die Vorbereitungen zum Kampfe, die Aufreizung der Thiere u. s. w.
gingen in derselben Art vor sich, wie auf Java; nur machten hier die
Hahnenbesitzer hinter ihren Hähnen schreckliche Grimassen mit Gesicht,
Händen und Füßen. Einer unter ihnen blies während des Gefechtes auf
seinen Hahn; die Wettenden wie die Zuseher nahmen dies sehr übel, und
es entstand ein allgemeines Gemurmel. Nach kaum einer Minute verließ
der eine Hahn das Schlachtfeld; der andere wurde als Sieger erklärt,
obwohl er, zu Tode verwundet, bald zusammenstürzte und früher den Geist
aufgab als der Besiegte. Andere Hähne ersetzten sogleich die Stelle der
geopferten. Halbe Tage lang unterhalten sich die Menschen mit diesem
grausamen Spiele und verlieren Summen, mit welchen sie ihrem häuslichen
Elende vollkommen aufhelfen könnten. Unter den Battakern ist der
Hahnenkampf viel weniger beliebt als unter den Malaien. Hier gibt es
noch viele Malaien, daher auch viele Hahnenkämpfe.

Herr Schoggers hatte die Güte, Nachmittags mehrere Battakische
Rajah’s von den umliegenden Dörfern zusammen zu berufen, um mit
ihnen über meine Reise zu sprechen. Er selbst hielt die Reise in
das unabhängige Battaker-Land für höchst gefährlich und führte das
gräßliche Schicksal der beiden Missionare an; doch fügte er hinzu,
daß dieser Mord zum Theile aus Mißverständniß geschehen sei. Einige
Zeit vor den Missionären hatten nämlich mahomedanische Priester mit
Kriegsgefolge einen Einfall in das Battaker-Land gemacht und die Leute
auf die grausamste Weise mit Feuer und Schwert (gleich unsern edlen
Vorfahren in Mexiko und Peru) zur Annahme ihrer Religion gezwungen.
Als hierauf die Amerikanischen Missionäre als Religionslehrer in ihr
Land kamen, geriethen die Battaker in große Wuth, sahen in ihnen neue
Religionsquäler, mordeten sie und fraßen sie auf.

Des Abends saßen wir in Gesellschaft mehrerer Rajahs, umgeben von
vielem Volke, denn weit und breit hatte man schon gehört, eine Frau
sei hier, die sich in das verrufene Land wagen wolle. Die Rajah’s,
so wie viele aus dem Volke, riethen mir die Reise ab. Da ich jedoch
fest dazu entschlossen war, fragte ich nur, ob es wahr sei (wie manche
Reisebeschreibungen behaupten), daß die Battaker die Leute nicht gleich
tödteten, sondern lebend an Pfähle bänden, ihnen das Fleisch stückweise
vom Körper schnitten und es warm mit Tabak und Salz verzehrten.
Dieses langsame Hinmorden hätte mich doch ein wenig abgeschreckt.
Aber man betheuerte mir einstimmig, daß dies nur mit jenen geschähe,
die schwerer Verbrechen wegen zum Tode verurtheilt seien. Die
Kriegsgefangenen werden an einen Baum gebunden und enthauptet; dann
fängt man ihr Blut sorgfältig auf und trinkt es warm oder verzehrt es
mit gekochtem Reise gemischt. Hierauf geht es an die Theilung. Die
Ohren, die Nase, die Leber und die Fußsohlen sind ein ausschließendes
Vorrecht des Rajah’s, der außerdem noch seinen Antheil an dem Körper
erhält. Die schmackhaftesten Theile sind die Fußsohlen, das Innere der
Hand, das Fleisch am Kopfe, das Herz und die Leber. Gewöhnlich rösten
sie das Fleisch und verzehren es mit Salz. Den Weibern ist es nicht
erlaubt, an diesem Festessen Theil zu nehmen.

Die Rajah’s versicherten mir mit höchst begehrlichen Mienen, daß
Menschenfleisch sehr gut schmecke und daß sie es gerne essen würden.

Aus dem Baumstamme, an welchen die Unglücklichen ihr Leben enden,
werden gewöhnlich vier bis sechs Fuß hohe Stöcke geschnitten, mit einer
Figur oder einigen Arabesken verziert und mit Menschenhaaren oder
Federn geschmückt. Ein solcher Stock heißt „Tungal-Panaluan,“ d. i.
Zauberstock. Sie legen ihm wunderbare Kräfte bei und besuchen keine
Kranken, geben keine Arzneien, ohne ihn zur Hand zu nehmen.

Die Battaker beobachten gleich den Dayakern keine religiösen Gebräuche;
sie beten nicht und haben weder Priester noch Tempel. Sie glauben an
gute und böse Geister. Von ersteren nehmen sie eine sehr kleine, von
letzteren eine sehr große Zahl an. Wird ein Mensch krank, so behaupten
sie, der böse Geist sitze in ihm; jedes Unglück wird einem solchen
Dämon zugeschrieben. Manchmal fährt, ihrer Meinung nach, der böse Geist
auch in einen Menschen, ohne ihn krank zu machen; dieser wird dann hoch
verehrt, da man fürchtet, in dem Menschen den Geist zu beleidigen.
Alles, was ein solcher Besessener spricht, wird als Orakelspruch
angenommen und getreu erfüllt. Gewöhnlich hat der Rajah die Ehre vom
Bösen besucht zu werden. Er zeigt dabei viele Grimassen und Zuckungen,
geberdet sich besonders bei den Tänzen wilder als alle übrigen und
benützt in diesem Zustande die Leichtgläubigkeit des Volkes, seine
Wünsche in Orakelsprüchen kund zu geben. Man zeigte mir unter den
Anwesenden mit vieler Hochachtung einen Knaben, der „der Sohn des
Bösen“ genannt wurde, da sein Vater von diesem Unholde besessen war.

Bei Taufen, Vermählungen, Sterbefällen gibt es keine Ceremonien. Nur
wenn ein bedeutender Rajah stirbt, werden die Rajah’s der Umgegend zur
Beerdigung eingeladen. Jeder kommt in Begleitung mehrerer Lanzenknechte
und bringt ein Büffelkalb mit. Die Kälber schlachtet man, vertheilt das
Fleisch unter die ganze Gemeinde, und durch mehrere Tage, oft Wochen
hindurch wird nichts als gegessen, Suri getrunken[4] und getanzt.

Ihre Regierungsform ist konstitutionell-monarchisch; der Rajah ist
das Oberhaupt; doch geht jedermann, selbst der Sklave, mit ihm
wie mit seines gleichen um; auch seinen Befehlen wird nicht immer
strenger Gehorsam geleistet, obwohl seine Person hoch geachtet ist.
Bei wichtigen Angelegenheiten kommen viele Rajah’s zusammen, um Rath
zu halten. Der älteste Sohn ist Haupterbe; er erbt alle Weiber seines
Vaters, die er zu den seinigen machen kann.

Die Männer müssen ihre Frauen kaufen. Die Tochter eines Rajah wird
nicht selten mit 40 Piaster in Gold und einigen Büffeln bezahlt. Die
Männer kaufen ihre künftigen Frauen oft schon im zartesten Alter; sie
nehmen sie in ihr Haus und behandeln sie wie ihre Kinder. Ist ein Mann
zu arm, um sich eine Frau zu kaufen, so zieht er zu der Familie seiner
Frau und arbeitet da wie ein Sklave. Selten nimmt ein Mann mehr als
eine Frau, weil ihm die Mittel zum Ankaufe gewöhnlich fehlen.

Die Battaker sind in vielen Dingen andern wilden Völkern voraus: sie
lesen und schreiben, ihre Gesetze sollen im allgemeinen sehr gut und
zweckmäßig sein, -- bei alle dem aber sind sie Menschenfresser.

Herr Schogger fügte diesen Berichten noch bei, daß die der
Holländischen Regierung unterworfenen Battaker jede Verpflichtung
genau und willig erfüllen, daß man den Kulli’s Gut und Geld sicher
anvertrauen könne, und daß Diebstähle, Morde und überhaupt Verbrechen
höchst selten vorkommen. Für einen Diebstahl ist die ganze Gemeinde,
in welcher er vorfällt, verantwortlich; letztere muß das Gestohlene
ersetzen, oder den Thäter überliefern. Morde finden nur aus Eifersucht
statt. Ein Verbrecher wird nicht eingesperrt, sondern bis einige Tage
vor Vollziehung der Strafe seiner Familie übergeben, die für ihn bürgt.
Gerichtet werden die Battaker, auch unter der Holländischen Regierung,
noch nach ihren Gesetzen, die leider für den Reichen sehr vortheilhaft
sind, da er sich sogar von der Todesstrafe loskaufen kann. Der größte
Theil der Summe kommt in diesem Falle dem Beleidigten oder seiner
Familie zu. Die zum Tode Verurtheilten werden auf dem Bazar enthauptet.
Sie gehen dem Tode nicht nur mit Muth, sondern sogar mit Fröhlichkeit
entgegen. Sie schmücken sich auf’s beste, bekränzen sich mit Blumen und
kommen singend und tanzend in Begleitung ihrer Verwandten und Freunde
auf den Richtplatz.

Diese Gleichgültigkeit für den Tod ist auch den Malaien und überhaupt
den meisten rohen Völkern eigen. Viele schreiben sie ihrem Stumpfsinne
zu.

+30. Juli.+ +Kotto-Nopau+, 11 Paal. Das Land fortwährend hügelig und
größtentheils mit Alang-Alang bedeckt. An Kampons war kein Mangel,
die Hütten aber elend, kaum fünfzehn Fuß im Gevierte. Da kauert alles
auf einer schmutzigen, zerrissenen Matte, in einer Ecke glimmt ein
Feuer, an dem höchstens ein irdener Topf steht, der den ganzen Hausrath
ausmacht. Die Bewohner sind sehr ärmlich in zerrissenes, dunkelblaues
Zeug gekleidet. Die Kinder gehen ganz nackt, die Mädchen und Weiber
häufig bis an den Gürtel. Zwei Hütten, wenig größer als Taubenschläge,
sah ich sogar auf hohen Bäumen zwischen den Aesten -- sie dienten
ebenfalls zu Wohnungen.

Ich kam an vielen kleinen Bächen mit gelbem, trüben Wasser vorüber; in
diesen suchen und finden die Leute das Gold. Gerade hier, wo die Leute
an der Quelle des Goldes saßen, war die Armuth am größten. Führt doch
dieses Metall statt Segen, überall nur Fluch mit sich.

Vier oder fünf Meilen von +Muara-Sipongie+ besah ich abseits der Straße
in einem Kaffeegarten einige Battakische Grabmäler. Sie bestanden aus
viereckigen Stein- oder Erdhügeln von drei bis vier Fuß Höhe, auf
welchen ein einfacher, hölzerner Sarg stand. Die Ecken waren mit vier
Fuß hohen, aus Holz geschnitzten Menschenfiguren geschmückt, die den
jämmerlichsten Fratzen glichen. Jede Grabesstätte war mit einem Dache
bedeckt und von einem hölzernen Geländer umgeben. Die Leiche liegt
nicht in dem Sarge, sondern unter der Erde.

+31. Juli.+ Fort +Elout+ (Panjabungan), achtzehn Paal. Waldparthien,
Gesträuche, junge Kaffeepflanzungen verdrängten an vielen Stellen das
traurige, einförmige Alang-Alang. Fort Elout liegt in einem großen,
hügeligen, von schönen Gebirgen umgebenen Thale und ist der Sitz eines
Assistent-Residenten.

Noch in keinem Distrikte fand ich so nette, reinliche Kampons als
in diesem. Man schreibt dies der Aufsicht und den Bemühungen des
gegenwärtigen Assistent-Residenten Herrn +Godoon+ zu. Die Hütten sind
zwar klein, aber sehr rein gehalten, und stehen in langen, regelmäßigen
Reihen, eine von der andern etwas getrennt. Der Unrath darf nicht unter
die Hütte oder vor dieselbe geworfen werden, und das Hornvieh hat
seinen Aufenthalt außerhalb des Kampons. Früher war diese Gegend sehr
ungesund; seit aber die Menschen einiger Maßen an Reinlichkeit gewöhnt
sind, herrschen viel weniger Krankheiten.

Auch die Brücken und Straßen zeigen von der Sorgfalt des Residenten.
Die Brücken sind alle gemauert, die Straßen sehr gut unterhalten.
Letztere haben eine Breite von wenigstens zwanzig Fuß, was mir
überflüssig erschien, in einem Lande, wo noch kein Fuhrwerk im
Gebrauche ist. Die Holländische Regierung läßt aber alle Straßen so
bauen, für den Fall, daß Militär-Züge hindurch zu gehen haben.

Das Bauen der Straßen ist für die Eingebornen eine harte Aufgabe, da
ihre einfachen Werkzeuge zu derlei Arbeiten gar nicht geschaffen sind.
Zum Brechen der Felsen haben sie eiserne Stangen, zum Graben in der
Erde handbreite, unten scharf zugehauene Hölzer. Die Erde schaffen sie
mit den Händen aus den Gruben. Das Alang-Alang, das die wenig benützten
Wege fortwährend überwuchert, schneiden sie mit kleinen Messern ab. So
mühsam wie die Straßen bauen sie auch die Wohnhäuser der Beamten und
die Kaffeemagazine. Ich sah oft sechs bis acht Menschen an einem Balken
oder einigen Brettern schleppen.

Wenn ich Bemerkungen über die Mangelhaftigkeit der Werkzeuge, über die
Art des Arbeitens machte, gab man mir zur Antwort: „Die Leute sind
es so gewöhnt.“ Warum sucht man sie denn in andern Sachen von ihren
Gewohnheiten abzubringen? An das Bauen der Straßen und Gebäude, an das
Anlegen der Kaffeegärten, Zucker- und Gewürz-Pflanzungen waren sie,
bevor die Europäer kamen, gewiß noch nicht gewöhnt. Aber leider wird in
vielen Ländern auf die Gewohnheiten und Nicht-Gewohnheiten der Völker
nur in so ferne Rücksicht genommen, als sie der Regierung Nutzen oder
Schaden bringen. Das Wohl der Unterthanen selbst kümmert sie nicht
viel. So ist es auch hier; die Straßen, die Brücken, die Gebäude müssen
unentgeldlich hergestellt werden; ob fünfzig oder hundert Menschen, und
auf welche Art sie daran arbeiten, ist der Regierung gleichgültig.

Ein anderer Druck für die Eingebornen, in deren Nähe Beamten wohnen,
ist, daß sie diesen viele häusliche Dienste, Gartenarbeiten, Botengänge
u. dgl., überall unentgeldlich, verrichten müssen. Die Zahl solcher
Leute, auf welche der Beamte ein Recht hat, ist nicht bestimmt; es
mißbrauchen daher gar manche ihre Macht und nehmen viel mehr Leute, als
sie eigentlich sollten.

Der jetzige Gouverneur-General, Herr Deimar van Twist, soll eifrig
bemüht sein, alle diese Mißbräuche und Bedrückungen so viel wie
möglich abzustellen. Er hat den Taglohn, so wie den Preis der von den
Eingebornen gelieferten Materialien erhöht und will es dahin bringen,
daß niemand ohne Lohn zu arbeiten habe.

+1. August.+ +Surumentingi+, 20 Paal. Obwohl sich der Charakter des
Landes ziemlich gleich blieb, gab es doch einige hübsche Ansichten.
Ich kam durch große, äußerst rein gehaltene Kampons, durch viele
Reispflanzungen und durch ein Wäldchen, das bloß aus Bambus, und zwar
von außerordentlicher Größe und Höhe (70 bis 80 Fuß), bestand. Die
Rohre sollen viel Wasser enthalten.

Zu Surumentingi fand ich nur ein einfaches Bambushäuschen mit der
nothdürftigsten Einrichtung, das den durchreisenden Beamten und
Offizieren als Unterkunft dient. Da ich nicht, gleich den verwöhnten
Europäern, meinen ganzen Haushalt mit mir führte, sondern nur so wenig
Gepäck, daß ich es im Nothfalle selbst fortschaffen konnte, hätte
ich mich heute mit einem höchst einfachen Mahle und einer harten
Schlafstelle begnügen müssen, wenn nicht Herr Godoon so gefällig und
aufmerksam gewesen wäre, mir alle Bedürfnisse nebst einigen Dienern
voraus zu senden. Ich fand ein treffliches Mahl, Thee und Kaffee und
konnte mich in einem weichen Bette ausruhen.

+2. August.+ +Padang-Sidimpuang+, 20 Paal. Fortgesetztes Hügelland,
jedoch von größeren Flächen unterbrochen. Die Gebirgskette nimmt stets
an Höhe ab.

Padang-Sidimpuang liegt bereits in Ankola und besitzt ebenfalls ein
kleines Fort. Ich traf hier die letzten Europäer; einige Offiziere und
einen Kontrolor, Herrn +Hammers+, bei welchem ich abstieg.

Die letzten drei Tage hatte ich Pferde bekommen, die entsetzlich
stießen; ich kam ganz erschöpft an und hatte nicht die geringste
Eßlust. Bei Tische konnte ich mich kaum aufrecht halten; mein Stolz
gab aber nicht zu, diese Schwäche zu gestehen. Ich warf den Katzen,
die den Tisch umschwärmten, heimlich einen Bissen nach dem andern zu.
Glücklicher Weise war es auch hier, wie auf ganz Java, Sitte, nach
dem Mittagsmahle eine kleine Siesta zu halten. Nie segnete ich diese
Gewohnheit so sehr als heute -- ich fiel auf mein Lager. Zwei Stunden
Ruhe stärkten mich so, daß ich gänzlich erholt zur Theestunde erschien
und Abends mit den Herren sogar eine Parthie Whist spielte.

Ich sah hier ein neues Beispiel der Gefühllosigkeit einer Javanesin. An
dem Tage, an welchem ich ankam, begrub man den Kapitän der Garnison. Er
hinterließ eine sogenannte Wirthschafterin mit vier Kindern. Durch zehn
Jahre hatte diese Person an seiner Seite das bequemste Leben geführt
-- heute, da man den Vater ihrer Kinder in’s Grab senkte, da sie nicht
wußte, wie ihre und ihrer Kinder Zukunft sich gestalten würde, sah sie
so fröhlich und heiter aus, lachte und scherzte so ungenirt, als ob in
ihrem Schicksale nicht das geringste vorgefallen wäre.

Ich blieb drei Tage zu Padang-Sidimpuang. Auch hier kamen, als mein
Vorsatz, das Battaker-Land zu betreten, bekannt wurde, viele Eingeborne
mich zu sehen. Sie warnten mich ebenfalls vor dieser Reise, um so mehr
als erst noch im vergangenen Jahre einige Uneinigkeiten zwischen den
Battakern und Holländern vorgefallen waren. Die Battaker hatten einen
Einfall in das Holländische Gebiet gemacht, einen Kampon zerstört und
27 Menschen mit sich fortgeführt. Die Holländer sandten zwar einige
Truppen, die Schuldigen aufzusuchen; sie fanden aber die Kampons leer,
die Bewohner waren, wie dieß bei solchen Gelegenheiten bei ihnen
üblich ist, in die unzugänglichsten Schluchten und Wälder entflohen.
Die einzige Rache, welche die Verfolger nehmen konnten, bestand im
Niederbrennen einiger Kampons. Herr +Hammers+ erzählte mir, daß vor
kaum zwei Jahren vier Menschen sogar von den Battakern, die unter der
Holländischen Regierung stehen, getödtet und verzehrt worden seien.

Nichts desto weniger blieb ich bei meinem Entschlusse stehen. Ich
wollte durch das große Thal +Silindong+ bis an den Land-See +Eier-Tau+
(großes Wasser) vordringen, welchen noch kein Europäer gesehen hat,
und von dessen Vorhandensein man bloß durch die Erzählungen der
Eingebornen unterrichtet ist. Von seiner Lage, Größe, von den an seinen
Ufern wohnenden Stämmen hat man nur ganz unvollständige Begriffe. Ich
konnte dem zu Folge keinen Plan dieser Reise machen und mußte alles
dem Schicksale und meinem bisher stets treuen Glücke überlassen. Herr
Hammers war so gütig, mich mit Briefen für einige Rajah’s, die mit den
Holländern in Verkehr standen, so wie mit einem Führer zu versehen. Ich
ordnete einige Papiere, die ich im Falle des Nichtwiederkehrens für
meine Familie zurückließ, und nahm recht herzlichen Abschied von den
Europäern. Sie konnten vielleicht die letzten sein, die mir auf dieser
Welt zu Gesicht kamen.


  [1] Er wurde im folgenden Jahre Gouverneur auf Celebes.

  [2] Jeder Kampon auf den holländischen Besitzungen in Sumatra hat
      seinen Rajah beibehalten. Letzterer bezieht von der Regierung
      einen kleinen Gehalt und trägt dafür Sorge, daß seine Gemeinde
      die Gesetze und Befehle der Regierung erfüllt und ausführt.

  [3] Diese Gesetze für Ehescheidungen, Wiedervereinigungen oder neu zu
      schließende Ehen sind bei allen Malaien dieselben.

  [4] Der Suri wird aus der Arenga-Palme gezogen. Auch Zucker wird aus
      dem Safte dieser Palme gewonnen.




Achtes Kapitel.

  Fortsetzung der Reise auf Sumatra. -- Die Fußreise. -- Das Nachtlager
  im Urwalde. -- Erstes Zusammentreffen mit den Kannibalen. --
  Haly-Bonar. -- Opferung eines Büffelkalbes. -- Das Thal Silindong.
  -- Feindseliger Empfang. -- Gezwungene Rückkehr. -- Wiederholte
  wilde Scenen. -- Wiederkehr nach den Holländischen Besitzungen. --
  Paija-Kombo. -- Besteigung des Merapi. -- Rückkunft nach Padang.


Am +5. August+ trat ich diese gefahrvolle Reise an. Ich ging bis
+Sipirok+, 20 Paal. Alles war Wald und Alang-Alang. Von einer kleinen
Hügelkette, über welche der Weg führte, übersah ich eines der größten
Thäler Sumatras, das wellenförmige +Lawas-Thal+.

Ich war nun schon durch einen großen Theil Sumatras gekommen. Ich
fand diese Insel, was Naturschönheiten anbelangt, eben so reizend, wo
nicht reizender als Java. Welch herrliches Land könnte nicht daraus
werden! Bis jetzt ist es verhältnißmäßig menschenleer und, die wenigen
Pflanzungen ausgenommen, unkultivirt. Wilde Thiere (Elephanten,
Rhinozerosse) bewohnen die mächtigen Waldungen des Innern,
blutdürstige Tiger durchstreichen das ausgedehnte Alang-Alang.

Man sollte glauben, daß ein Theil von Sumatra ein günstiges Land für
Europäische Auswanderer wäre. Auf den großen Hochebenen, deren es
viele gibt, bleibt das Klima, obwohl der Aequator so nahe ist, sehr
gemäßigt; die dichten, üppigen Wälder, das hohe Alang-Alang zeigen von
der Fruchtbarkeit des Bodens. Gewiß würde hier, wo die Natur so reich
ist, mit Nachhilfe der Kultur Großartiges zu schaffen sein. Allein
die Holländische Regierung begünstiget die Ansiedlung von Europäern,
selbst von ihren eigenen Unterthanen, durchaus nicht. Sie gibt vor
(mit vollem Rechte), daß die Eingebornen durch das Beispiel der Weißen
nur verdorben würden. Ich möchte noch einen zweiten Grund dahinter
suchen, und zwar -- die Furcht, daß die Weißen mit der Zeit dem kleinen
Vaterlande gegenüber zu mächtig würden und, mit den Eingebornen
vereint, sich unabhängig erklären könnten.

+Sipirok+ liegt in einem kleinen regelmäßigen Thale. Hier steht das
letzte Kaffeemagazin, unter der Aufsicht eines eingebornen Schreibers.
Ich kam gerade an, als eine große Lieferung statt fand, was mir
Gelegenheit gab, viel Volk (meist Battaker) zu sehen. Der Anblick war
eben nicht reizend. Derselbe Gesichtstypus wie bei den Malaien, nur
noch häßlicher, das weibliche Geschlecht auffallend klein. In der
Kunst die Zähne zu feilen, schwarz zu färben, mit einem Worte, sich
so häßlich als möglich zu machen, gebührt ihnen die Palme. Sie waren
sehr wenig, höchst dürftig und überaus schmutzig bekleidet. Alle hatten
die Backen mit Siri vollgestopft und spieen rechts und links neben den
ausgebreiteten Kaffee. Zum Zeitvertreibe suchten sie das Ungeziefer von
Kopf und Kleidung, und Kinder voll ekelhafter Hautausschläge warfen
sich mit Kaffeebohnen.

Nachdem der Kaffee besichtiget, in Säcke gefüllt, in das Magazin
abgeliefert war und die Leute das Geld empfangen hatten, verwandelte
sich der Platz in einen Bazar. Aus dem Gemache des Schreibers wurden
allerlei Waaren herausgeschafft, Krämer, die schon stundenlange auf
die Wegschaffung des Kaffees gelauert hatten, packten bunte Stoffe,
Glasperlen, Messingreifen, Eßwaaren u. dgl. aus. Mit gierigen Blicken
sahen die glücklichen Geldbesitzer auf alle die Gegenstände; die
Armen wußten nicht, woran sie sich halten sollten, -- es gab der
verführerischen Dinge gar zu viele, des Geldes gar zu wenig. Nach einer
Stunde war der Bazar zu Ende, d. h. die Pflanzer waren ihr Geld los.

Zu Sipirok hörte das Reisen zu Pferde auf; ich mußte wieder wie in
Borneo allen Bequemlichkeiten des Lebens auf einige Zeit entsagen und
meine Fußwanderungen beginnen.

+6. August.+ +Danau+, 12 Paal. Der Weg führte durch lauter Waldungen
über steile Berge und Hügel auf schlüpfrigen, schrecklichen Pfaden.

In Danau angekommen, wies man mich in eine halb verfallene Hütte,
die zwei Schlafstellen enthielt. Ich war von nun an in jedem Utta
(die Battaker nennen so ihre Dörfer) von Menschen umringt. Schon zu
Muara-Sipongie hatte diese Begierde mich zu sehen begonnen, da noch
keine Europäerin bis dahin gekommen war. Hier war es noch ärger, und
die Hütte so voll Leute, daß ich im ersten Augenblicke gar nicht
gewahrte, mit welchen Bewohnern ich sie theilte. Ein Mörder und ein
Sterbender waren ihre Inwohner. Ersterer hatte einen seiner Nachbaren
in einem Anfalle von Eifersucht getödtet und sollte in zwei Tagen auf
dem Bazar enthauptet werden. Er lag nackt auf dem Boden, an einen
Pfosten gebunden, die Füße durch einen Block gezogen und geberdete
sich wie närrisch; bald schrie, bald lachte, bald weinte er, dabei
warf er sich, so viel er konnte, von einer Seite zur andern, -- ein
grauenvoller Anblick. Der Kranke, ein Jüngling von achtzehn Jahren, lag
ebenfalls auf der Erde, ohne Matte, ohne Bedeckung; er litt an einem
Brustübel und hatte schreckliche Anfälle von Husten. Leider konnte ich
dem Armen keine Erleichterung verschaffen, da ich weder Arzeneien noch
sonstigen Bedarf für Leidende bei mir hatte.

Ich beobachtete bei dieser Gelegenheit, daß man mit dem Mörder viel
mehr Mitleid hatte, als mit dem Kranken. Die Weiber bereiteten das
Siri für ihn, sie brachten ihm zum Mahle Reis und getrocknete Fische,
fütterten ihn, da er die Hände gebunden hatte, gleich einem kleinen
Kinde, wehrten ihm die Fliegen ab u. s. w. Die Männer führten ihn zum
nahen Flusse, damit er sich baden könne. Den armen Kranken beachtete
niemand. Man ließ ihn liegen, husten und stöhnen, reichte ihm weder
Speise noch Trank und schien ihn zu betrachten, als ob er nicht mehr
unter die Lebenden gehörte. Ich konnte ihm auch nichts anderes geben
als Reis und Wasser; dieß war alles, was ich selbst erhielt.

Brustkrankheiten scheinen überhaupt in den hochgelegenen Gegenden
Sumatra’s zu herrschen; die Leute husteten viel und oft sehr heftig.
Die Hitze ist am Tage groß, die Nächte sind beinahe kalt, es regnet
viel und die Eingebornen gehen so leicht bekleidet wie in den heißen
Gegenden, haben jedoch nicht einmal eine Bedeckung für die Nacht.

Ich wollte mit dem Mörder nicht in einem Gemache bleiben und ließ
den Rajah ersuchen, mir eine andere Hütte anzuweisen. Er war so
gefällig, den Gefangenen und den Kranken entfernen zu lassen. Das Volk
aber konnte nicht abgehalten werden, mich zu umringen; ich war von
nun an, selbst während der Nacht, nicht einen Augenblick allein. Bis
Mitternacht brannten die Feuer und wurde geschwätzt; dann legten sich
die meisten hin, wo sie Platz fanden, zogen den Sarong über sich und
schnarchten um die Wette.

Den +7. August+ mußte ich in Danau bleiben. Der Rajah, dem Namen nach
noch unter Holländischer Botmäßigkeit, versicherte mir, daß ich ohne
seine Begleitung das freie Battaker-Land, welches einige Paal von hier
beginnt, nicht betreten könne. Er wolle mit mir gehen und sich bei den
Rajah’s, mit welchen er bekannt sei, persönlich für meine Aufnahme
verwenden.

Diesem Entschlusse zu Folge ließ er mir zu Ehren ein Büffelkalb
schlachten, um dabei die bösen Geister anzurufen, unserer gefahrvollen
Reise keine Hindernisse, kein Unglück in den Weg zu legen.

Früh Morgens besuchte er mich mit einem Gefolge von einem Dutzend
Weiber und vielen erwachsenen Mädchen, zum Theile seine Verwandten.
Die Weiber und Mädchen traten in tief gebeugter Stellung, die Hände
halb vor das Gesicht haltend, an mir vorüber. Es ist dieß der Gruß der
Niederen gegen die Höheren. Sie setzten sich im Hintergrunde der Hütte
zu Boden und packten aus schön geflochtenen Strohtaschen Siri, das für
mich bestimmt war.

Die Mädchen trugen zehn bis fünfzehn bleierne Ringe in den Ohrläppchen,
hatten auch die oberen Theile des Ohres durchstochen und mit einem
Knopfe oder einer kleinen Schnur von Glasperlen geziert. Am Halse, an
den Armen und an den Füßen trugen sie Messingringe und Glasperlen. All
dieß Geschmeide legen sie ab, wenn sie heirathen. Die Mädchen gingen
mit bedeckten Busen, die Weiber meistens entblößt. Weiber und Mädchen
hatten die Haare in einen Knoten geschürzt, in welchen sie Strohwülste
stecken, um ihn zu vergrößern. Auch die Männer lassen die Haare
lang wachsen und binden sie ebenfalls in einen Knoten, tragen aber
Strohkappen oder Tücher darüber. Diese Kopfbedeckung ist das einzige
Zeichen, an welchen man den Mann von dem Weibe unterscheiden kann, da
die Männer keine Bärte haben und beide Geschlechter die Sarongs auf
dieselbe Weise um den Körper schlagen.

Unter den Mädchen gab es einige sehr beleibte, wie mir ähnliche
unter den Malaien nicht vorgekommen waren; manche hatten die erste
Jugendblüthe schon abgestreift, ohne Männer gefunden zu haben. Dieß
rührt davon her, daß die Battaker ihre Weiber kaufen müssen.

Der Rajah war gekommen, um mich zu der feierlichen Schlachtung des
Büffelkalbes einzuladen. Ich folgte ihm in seine Hütte. Die Ceremonie
bestand in einem tollen Tanze, den der achtzehnjährige Sohn des Rajah’s
unter lärmender Musik aufführte. Die Hütte war so voll von Menschen,
daß man sich kaum bewegen konnte. Jedermann wollte den Jüngling
tanzen sehen, der, wie man mir sagte, vom bösen Geiste besessen war.
Er raste auch wirklich wie besessen umher, bis er vor Erschöpfung
beinahe hinsank. Ein anderer, nicht besessener Tänzer nahm seinen Platz
ein, bis sich jener wieder erholte, was sehr bald der Fall war. Dann
begann er zum zweitenmal dieselbe Raserei. Man reichte ihm eine mit
ungekochtem Reis gefüllte Schale die er mehrmals über den Kopf erhob,
als wolle er ihren Inhalt den Geistern opfern oder deren Segen darüber
erflehen; hierauf nahm er einige kleine Portionen heraus, streute sie
in die Luft, stürmte plötzlich aus der Hütte, streute vor derselben
ebenfalls einen Theil des Reises in die Luft und den Rest über das
Kalb, das, auf ein Gerüst gebunden, zum Schlachten bereit lag. Er
kehrte hierauf wieder in die Hütte zurück und raste so lange fort, bis
er am Ende ganz erschöpft den erbauten Zusehern in die Arme fiel. Das
Kalb wurde nun geschlachtet, in viele kleine Stücke zerschnitten und
größtentheils unter das Volk vertheilt. Für mich ward die Leber, als
das beste Stück, zur Seite gelegt. Ich erhielt sie Abends zum Imbiße,
aber leider ungenießbar; sie war zu einem Steine verbraten. Ich mußte
daher mich auch heute, obwohl mir zu Ehren das Kalb geschlachtet worden
war, mit Reis und Salz begnügen.

+8. August.+ Ich verließ Danau mit einem Gefolge von mehr als zwanzig
Personen, von welchen jedoch der größere Theil an der Grenze (drei
Paal) zurückkehrte. Sie reichten mir beim Abschiede die Hand und
wünschten mir eine glückliche Wiederkehr. Alle betrachteten meine
Reise als ein großes Wagestück, wiesen an den Hals und gaben mir durch
Zeichen zu verstehen, daß sie befürchteten, man würde mir den Kopf
abschneiden und mich auffressen. Obwohl diese Pantomime nicht sehr
ermuthigend war, kam mir doch kein einziges Mal der Gedanke in den
Sinn, von der Reise abzustehen.

Meine Begleitung bestand nur aus dem Rajah, aus fünf seiner Leute,
meinem Führer, einem Kulli für mich und einem für den Führer.

Der Weg ging durch die sogenannte „Wildniß“, durch finstere, beinahe
undurchdringliche Wälder oder durch sechs Fuß hohen Alang-Alang. Wir
sahen nirgends weder eine Hütte, noch einen Menschen, dagegen viele
Spuren von wilden Thieren, besonders von Tigern. Bei einem Flusse
angekommen, mußten wir auf einen Baum klettern und die überhängenden
Aeste, die sich mit jenen eines andern am jenseitigen Ufer kreuzten,
benützen, um hinüber zu kommen. Diese natürliche Brücke erhob sich
gewiß an zwanzig Fuß über das Wasser.

Von Zeit zu Zeit gelangten wir an Waldausschnitte, von welchen wir die
herrlichsten Ueberblicke großer, schöner Thäler hatten, die von dem
Flusse +Padang-Toru+ in unzähligen Krümmungen durchschnitten waren.
Ein kleiner See, wenig größer als ein Teich, schimmerte in schöner
Sonnenbeleuchtung auf einer der Höhen. Dem Padang-Toru kamen wir oft
ganz nahe; es ist ein schöner, breiter Strom, aber kein Boot schaukelte
sich auf seinem Rücken; wohin der Blick fiel, war alles menschenleer --
es schien, als wären wir die einzigen Bewohner der Erde.

In dieser Jahreszeit regnet es beinah regelmäßig jeden Nachmittag, und
leider traf uns der Regen stets auf dem Wege, denn hier wie in Borneo
war an ein frühes Fortkommen nicht zu denken. Dieses schlechte Wetter
belästigte mich um so mehr, als ich auf Kleider- und Wäsche-Wechsel
verzichten mußte -- einerseits verließen mich die Leute weder bei Tag
noch bei Nacht, anderseits hatte ich mein kleines Gepäck gewöhnlich
nicht zur Hand, wenn ich es am nothwendigsten brauchte. Mein Führer,
der, gleich jenem von Sarawak, nur that was ihm beliebte, verlangte
stets zuerst einen Kulli für sich, von welchem er sich vollkommen
bedienen ließ; für meine Reisetasche ward der nächste beste Mensch
genommen -- fand sich keiner, so ließ er sie zurück, mit dem Bedeuten,
sie nachzubringen.

Heute war der Regen schon über alle Maßen lästig. Wir mußten noch dazu
im Walde unser Nachtquartier aufschlagen. Man errichtete zwar schnell
ein kleines Blätterdach und bedeckte den Boden mit großen Blättern;
allein ich war schon durch und durch naß, als wir ankamen, und bis über
die Knie voll Schlamm und Morast; ich mußte an dem kleinem Flusse,
an dem wir uns gelagert hatten, den Schmutz von Füßen und Kleidern
waschen, und von Wasser triefend, zitternd vor Kälte (die Abende und
Nächte waren sehr kalt) das Feuer suchen, das aus Mangel an trockenem
Holze mehr glimmte als brannte.

Meine Begleiter trugen Holz für die Nacht zusammen, fingen in
dem Flüßchen einige kleine Fische und brachten einige ganz grüne
Bambusrohre herbei, deren Nutzen oder Gebrauch mir nicht erklärlich
war; bald sah ich, daß sie statt der Kochgeschirre dienten. Die Leute
legten Reis nebst etwas Wasser auf Bisangblätter, machten lange Wülste
daraus und schoben sie in die Rohre; dasselbe thaten sie mit den
kleinen Fischen. Die Rohre wurden auf das Feuer gelegt und so lange
liegen gelassen, bis sie zu brennen anfingen, was eine sehr geraume
Zeit währte, da sie viele Feuchtigkeit enthielten. Man spaltete dann
die Rohre und nahm die köstlichen Gerichte heraus. Einige der größeren
Fische wurden an kleine Holzstäbchen gespießt, die man neben dem Feuer
in die Erde steckte, und ein wenig gebraten.

Das Mahl war schlecht und unsauber; den Reis hatte man nicht gewaschen,
die Fische weder gereinigt noch gesalzen; allein den ganzen Tag hatte
ich nichts genossen, meine Eßlust war überdieß durch den mühevollen
Marsch (achtzehn Paal) sehr gesteigert worden; ich fand daher das Essen
dennoch vortrefflich.

Bevor wir uns zur Ruhe begaben, empfahl ich den Leuten, die Nacht
hindurch ein tüchtiges Feuer zu unterhalten, um die Tiger von uns zu
scheuchen. Aber bald fielen sie in tiefen Schlaf, mein Rufen erweckte
sie nicht, ich konnte das Feuer nicht unterhalten, weil das Holz zu naß
war, und so umgab uns bald undurchdringliche Finsterniß. Ich schlief
keine Minute, weniger einen Ueberfall von Menschen als von Thieren
fürchtend. So oft ich im Gebüsche ein Feuerkäferchen sah, meinte
ich das glühende Auge eines Tigers zu erblicken, so oft es im Laube
raschelte, dachte ich an Schlangen -- es war eine schauderhafte Nacht!

+9. August.+ +Soßor-Doluk+, siebzehn Paal. Wenig gestärkt durch das
gestrige Mahl, erschöpft vom nächtlichen Wachen, ging ich ohne Imbiß
fort und Mühen sonder gleichen entgegen. Wege, wie mir noch keine
ärgeren vorgekommen waren, führten durch undurchdringliche Waldungen,
voll von dichtem Untergebüsch, durch hochaufgeschossenes Alang-Alang,
durch Sümpfe und Flüsse, die oft der Länge nach durchwatet werden
mußten. Die Bäume und Gebüsche troffen noch vom nächtlichen Regen. Ganz
steil abfallende Hügel sperrten das Vordringen und waren gefährlich
zu übersteigen, da alles so glatt und schlüpfrig war, daß man keinen
festen Fuß fassen konnte. Zu diesen Uebeln gesellte sich noch ein
hochstämmiges Schilf (~Saccharum Koenigri~), das in einer Höhe von
vier bis fünf Fuß so dicht in einander verflochten war, daß man nur
in gebückter Stellung durchkommen konnte. Der Pfad bestand an solchen
Stellen aus einer schmalen Rinne mit Löchern und Gruben voll Schlamm
und Morast. Man hatte kaum so viel Raum, um einen Fuß vor den andern
zu setzen. Glitt man in ein Loch, in eine Grube, und wollte man sich
am Schilfe oder am Gebüsche fest halten, so erging es einem noch
schlimmer. Das Schilf brach, und unter dem Gebüsche gab es Stämmchen
mit großen Stacheln, an welchen man sich die Hände blutig riß.
Springende Blutsauger kamen in solcher Menge vor, daß ich am ganzen
Körper, besonders an den Füßen, heftig blutete. Den größten Theil
dieser Fußreise, besonders jenen durch die Wüstenei, mußte ich mit
bloßen Füßen machen, da es unmöglich ist, sich auf diesen morastigen,
theilweise tief unter Wasser stehenden Wegen irgend eines Schuhzeuges
zu bedienen, das dem Fortkommen nicht hinderlich wäre. Meine Füße
wurden in Folge dessen von dem scharfkantigen Alang-Alang ganz
zerschnitten, von Dornen zerstochen. Nach jeder vollbrachten Tagereise
mußte ich mir von einem der Eingebornen die Dornen ausziehen lassen.
Sie machten die Sache gut, aber auf sehr schmerzhafte Weise; die
großen, wenig spitzen Parangs dienten ihnen als Instrumente. Oft waren
meine Füße so wund, daß ich dachte, am folgenden Morgen nicht fort zu
können -- dennoch ging es täglich weiter.

Als wir dem Ausgange der Wildniß nahe kamen, hörten wir ein heftiges
Geschrei von vielen Menschenstimmen. Dies erschreckte uns sehr. Wir
verhielten uns eine Zeit lang ganz ruhig und stille und schlichen
endlich, gleich Dieben, mit großer Vorsicht dem Ausgange zu. Aus
dem Walde tretend, befanden wir uns an dem Ufer des Flusses +Puli+,
und sahen die Schreier, vierzig bis fünfzig an der Zahl, beinahe im
Naturzustande, im Wasser stehen und mit Fischen beschäftiget. Der
Rajah hieß mich mit den Leuten zurückbleiben, ging allein zu dem
fischenden Häuptlinge und ersuchte ihn um die Gnade, mir den Eintritt
in sein Land zu gewähren. Nach vielen Fragen und Erläuterungen erhielt
ich die Bewilligung. Wir gingen durch den ziemlich breiten Fluß und
machten am jenseitigen Ufer unter dem Prachtexemplar eines Baumes aus
der Familie der Dilleniacen (auch Colbertia genannt) Rast. Dieser Baum
hat mehr als faustgroße Blüthenknospen, die wie Früchte aussahen. Ich
öffnete eine derselben und fand eine wunderschöne Blume darinnen. Wenn
die Kapsel gereift ist, springt sie von selbst auf.

Außer dieser Gattung schöner Bäume fielen mir in Sumatra’s Wäldern
wenige ihres besondern Umfanges oder auch ihrer besondern Höhe wegen
auf. Ich habe wohl Bäume von hundert und vielleicht hundertzwanzig Fuß
Höhe gesehen, aber gewiß nicht von zweihundert, wie manche Reisende
behaupten wollen. Auch die wildwachsenden Blumen mußte ich emsig
suchen; sie schaffen hier bei weiten nicht, wie in Brasilien, die
Wälder zu natürlichen Gärten um.

Was den Weg anbelangt, so war nun wohl das Schlimmste der Reise
glücklich überstanden; jetzt begann aber der ungleich gefährlichere
Kampf mit den Menschen.

Wir setzten alsbald unsere Wanderung fort. Das Land war noch immer
hügelig, doch freier und offener, und gute Pfade führten uns der
Nachtstation zu. Wir kamen an einigen schrecklichen Erd-Spalten oder
Rissen vorüber, in deren Tiefe sich der Blick mit Schauder verlor.

Als wir in Soßor-Doluk anlangten, machte man einige Schwierigkeiten,
uns, das heißt, mich aufzunehmen; endlich wies man uns doch eine Ruine
von einer Hütte an, die so schief und krumm stand, daß ich jeden
Augenblick ihres Einsturzes gewärtig war. Das Dach glich einem Siebe,
ich konnte in der Nacht die Sterne über meinem Haupte zählen; allein es
war ein herrliches Nachtquartier im Vergleiche zu jenem in dem nassen,
finsteren Walde.

Abends kam der Rajah des Ortes in Begleitung des Rajah von
+Sigumpolang+ (einem nahe gelegenen Orte), der zufällig hier auf
Besuch war, zu mir. Beide machten große Schwierigkeiten, mir die
Erlaubniß zu ertheilen, weiter in dem Lande vorzudringen. Am Ende
verdankte ich diese Erlaubniß meinem Geschlechte; wäre ich ein Mann
gewesen, so hätten sie mich ohne Zweifel für einen Spion gehalten und
zurückgewiesen, wo nicht gar getödtet.

Nahe bei Soßor-Doluk ist eine heiße Quelle, doch ohne Schwefelgeruch.
Die Leute baden sich häufig darin und halten sie für jede Krankheit
heilsam.

+10. August.+ Sigumpolang (Klein-Toba), fünf Paal. Der Rajah dieses
Utta’s, Hali-Bonar, ein sechs Fuß hoher, kräftiger Greis, begleitete
uns. Wir überschritten den Padang-Toru auf einer Hängebrücke, die aus
einem einzigen, wenigstens siebenzig Fuß langen Bambusrohre bestand,
das kaum sechs Zoll im Durchmesser haben mochte. Dünne Stämmchen
formten an den Seiten ein Geländer, welches jedoch, gleich jenem auf
der Brücke zu Borneo, nicht als Stütze, sondern nur dazu diente,
das Gleichgewicht zu erhalten. Ich konnte den einfachen Bau, sowie
die Stärke dieser Brücke nicht genug bewundern. Das Rohr schwebte
vollkommen frei in der Luft, bloß die Endpunkte ruhten auf Baumstämmen.
Je mehr man sich der Mitte näherte, desto mehr schwankte es -- ich
dankte Gott, als ich das jenseitige Ufer glücklich erreichte. Dieses
einzige Rohr trug zu gleicher Zeit ungefähr ein Dutzend Menschen.

Die Landschaft war reizend, das Thal groß und wellenförmig; aber auch
an Flächen fehlte es nicht, die reich mit Reis bepflanzt waren.

Hali-Bonar führte mich an seinem Utta vorüber, einen halben Paal weiter
nach einem großen freien Platze, auf welchem Bazar gehalten wurde, um
mich da dem Volke und mehreren Rajah’s[5] vorzustellen. Er that dieß
in der Absicht, daß, wenn ich im Laufe der Reise durch eines der Utta
dieser Leute käme, sie mich freundlich aufnähmen. Die Rajah’s, die sich
auf dem Bazar befanden, setzten sich um mich auf den Boden, und ihre
Lanzenträger, deren jeder Rajah ein halbes Dutzend mit sich hatte,
schlossen einen Kreis um uns, eine höchst nothwendige Vorsicht, da das
Volk mit wildem Geschrei von allen Seiten herandrang. Die Verkäufer
verließen ihre Waaren, die Käufer vergaßen ihre Geschäfte; alles wollte
mich sehen; Männer und Kinder, die nicht in meine Nähe kommen konnten,
kletterten auf die Bäume. Es war ein Gewirre, ein Lärmen, von dem man
sich keine Vorstellung machen kann. Ich verstand kein Wort von dem, was
sie sprachen und befand mich fast allein unter diesen wilden Menschen
-- der Rajah von Danau war mit seinen Leuten und meinem Führer im Utta
zurückgeblieben.

Unter dem Volke sah ich viele sechs Fuß hohe, starke Männer; auch die
Weiber waren kräftiger als alle, die ich bisher auf Sumatra gesehen
hatte. Die Gesichtsbildung fand ich aber häßlich wie überall, die
Zahnkiefer breit und ganz besonders hervorragend, die Hautfarbe nicht
sehr dunkel. Gekleidet gingen beide Geschlechter in Sarongs. Die
Weiber trugen in den Ohrläppchen große Messingbleche oder runde Stücke
Holz; auf den Kopf legten sie ein, auch zwei große, zusammengefaltete
Tücher. Die Männer hatten hier die Ohrläppchen eben so weit
durchlöchert wie die Weiber, meistens aber nur eines. Die Rajah’s
trugen schwere Goldreifen daran, die Uebrigen steckten Strohzigarren
durch. Eine zweite Auszeichnung des Rajah bestand in einer großen
Tabakspfeife von Messing, die an einem schweren Messingrohre hing.

Ich bemerkte bei den Battakern dieselben aus weißen Muscheln
geschnittenen Armbänder, dieselben Korbgeflechte, dieselbe Art
Maultrommeln, dieselben aus Bast geschlagenen Zeuge, wie bei den
Dayakern.

Nachdem ich über eine Stunde unter diesem Volke zugebracht hatte,
führte mich Hali-Bonar nach seinem Utta.

Die Häuser der Battaker sind auf Pfählen gebaut, gleich jenen der
Malaien, aber ohne Vergleich größer, schöner und solider. Sie haben
sehr hohe Dächer, die das Haus an fünf Fuß überragen. Die beiden Enden
der Dächer gehen in hohen Spitzen aus. Ich möchte die Höhe der Häuser,
so wie ebenfalls das Gevierte auf vierzig bis fünfzig Fuß annehmen.
Sie bestehen aus Bretterwänden, die Dächer sind mit der Faser der
Aranga-Palme gedeckt. An manchen Häusern waren die Vorderseiten
angestrichen und ebenso geschmackvoll ausgeschnitzt, wie in dem Kampon
Kotto-Godong nächst Fort de Kock. Man sieht weder Fenster noch Thüren.
Nur in der Höhe ist an der Außenseite eine kleine hölzerne Gallerie
angebracht, von dem Vorsprunge des Daches gedeckt, auf welche nach
der innern Seite des Hauses eine Thüre führt, zu der man auf Leitern
steigen muß. Der Aufgang in das Haus ist unter demselben und mit einer
Fallthüre zu schließen. Das Innere besteht aus einem einzigen großen
Gemache, in welchem meistens drei auch vier Familien wohnen, jede
in einer Ecke. In diesen Häusern ist es natürlich ganz finster, man
gewahrt im ersten Augenblicke nichts als einige Luftlöcher in der Höhe,
die dem Rauche Ausgang gestatten, von welchem das Gemach stets voll
ist, da, obwohl die Leute wenig zu kochen haben, doch in jeder Ecke das
Feuer beinahe fortwährend brennt.

In dem Raume unter dem Hause werden Schweine, Geflügel, Kühe (alle
schwarz), Büffel, Hunde, hie und da auch ein Pferd gehalten. Die
Schweine sind von ganz eigenthümlicher Art: sie haben sehr spitz
zulaufende Rüssel, einen etwas eingebogenen Rücken, kurze Füße, wenig
Borsten, dagegen eine dicke, kurze Mähne, wie Pferde.

Die Vorräthe an Vieh und Reis fand ich bedeutend, ja sehr reich
im Vergleiche zu jenen der Javanesen oder der Sumatra-Malaien. Der
Hausrath bestand aus eisernen Kesseln, irdenen Töpfen, Tellern, Näpfen,
vielen Matten und Körben, einigen Spinnrädern, Holztruhen u. s. w.

Beinahe jedem Hause gegenüber steht ein Soppo, das ist eine offene
Hütte mit einem untertheilten Dache, auf welchem der Reis in Säcken und
Körben aufgespeichert ist. Dieser Soppo ist der eigentliche Wohnplatz
der Leute während des Tages. Hier weben die Weiber die Sarongs, die
Männer versammeln sich, um die Zeit im Geschwätze und Nichtsthun
hinzubringen, denn auch unter den Battakern muß das Weib beinahe
alle Arbeit verrichten. Abends finden hier die Zusammenkünfte der
heirathsmäßigen Mädchen mit den jungen Leuten statt. Dem Fremden wird
ebenfalls in den Soppos das Nachtquartier angewiesen. Auch ich schlug
das meinige hier auf.

Hali-Bonar erbot sich, mich bis +Silindong+ (Groß-Toba) zu begleiten,
ein Anerbieten, das ich mit um so größerer Freude annahm, als mich der
Rajah von Danau mit seinem Gefolge hier verließ.

Ich mußte gleichfalls wie zu Danau einen Tag verweilen, denn auch
Hali-Bonar schlachtete am folgenden Morgen ein Büffelkalb, theils mir
zu Ehren, theils um die bösen Geister anzuflehen, unserer Reise nichts
in den Weg zu legen. Er holte mich persönlich zu dieser Feierlichkeit
ab und führte mich in einen saubern, mit Matten belegten Soppo, der
seinem Hause gegenüber stand. Die Feierlichkeit fand hier unter freiem
Himmel statt. Ein ganzes Musikcorps war versammelt; man schlug auf
Trommeln und Gongs, man blies eine Art Dudelsack und lange Pfeife. Das
Kalb wurde unter voller Musik geschlachtet, die Eingeweide (der größte
Leckerbissen) in das Haus des Rajahs getragen und das übrige unter das
Volk vertheilt. Der Rajah von Danau bekam natürlich nebst seinen Leuten
auch seinen Theil.

Ein Mann trat hierauf, einfach und dennoch malerisch gekleidet, auf den
Schauplatz. Er trug einen schönen Sarong, der von den Hüften bis an die
Füße reichte, ein weißes Tuch kranzartig um den Kopf geschlungen und
eine Art von schwarzem Shawl, an den Rändern mit Glasperlen besetzt, um
den Oberkörper in reichen Falten geworfen. Die Shawls, an 5 Fuß lang
und 2½ breit, werden nur von den Männern getragen und dürfen bei
Feierlichkeiten und wenn die Krieger zu Felde ziehen, nicht fehlen.
Der Mann hielt in der einen Hand ein mit Wasser gefülltes Büffelhorn,
in der andern ein Betelblatt. Nach einer langen Rede, die einem Gebete
glich, fing er einen recht hübschen Tanz an, hob Horn und Blatt mehrmal
gegen den Himmel und schlug seine Augen zu demselben auf. Er goß
hierauf einiges Wasser gegen mich und die Musiker, den Rest über das
Betelblatt. Das Horn wurde ein zweites Mal mit Wasser gefüllt und
dieselbe Ceremonie wiederholt, worauf er einen Teller voll Reis nahm,
mit welchem er nach einer abermaligen Rede dasselbe that, wie mit dem
Wasser. Der Rajah trat nun auf den Schauplatz, gefolgt von einem Manne,
der stets nahe hinter ihm blieb und ein Diener zu sein schien. Der
Rajah ahmte den ersten Tänzer in allem nach, nur daß er das zweite Mal
das Horn gegen einen Teller mit Reiskuchen vertauschte, und es am Ende
des Tanzes vor mich hinstellte. Zum Schlusse begannen der Rajah und der
Tänzer vereint einen artigen Tanz aufzuführen, bei welchem sie mehrmals
die Hände wie bittend gegen den Himmel erhoben und diese Pantomime mit
ehrfurchtsvollen Blicken begleiteten. Der Diener folgte auch hiebei
dem Rajah stets wie sein Schatten. Wer nicht gewußt hätte, daß diese
Anrufung dem Haupte der bösen Geister oder, wie wir sagen würden, dem
Lucifer galt, würde das ganze für einen recht schönen, andächtigen
Gottesdienst gehalten haben. Bei keinem Volke sah ich eine anscheinend
so feierliche Ceremonie.

Nachdem die beiden Tänzer abgetreten waren, kamen andere, die
einfache, langweilige, den Malaischen sehr ähnliche Tänze aufführten.

Bei diesem Feste waren die Weiber nicht gegenwärtig; sie erhielten
jedoch ihren Antheil bei der Vertheilung des Fleisches. Nach dem Feste
wurde in dem Soppo, in welchem ich wohnte, das Festmahl bereitet
und verzehrt. Man kochte Reismehl in dem Blute des Büffels und ließ
Fleisch und Eingeweide an hölzernen Spießen braten. Ich bekam von allen
Gerichten, von der Leber ein besonders großes Stück. Was ich übrig
ließ, wurde mir so oft wieder vorgestellt, bis es aufgezehrt war -- man
gab mir nichts anderes. Manche von den Gästen tranken nach dem Essen
sehr warmes, beinahe heißes Wasser, das gleich unserm schwarzen Kaffee,
die Verdauung befördern soll.

Nachmittags ersuchte ich Hali-Bonar, einige Volkstänze ausführen
zu lassen. Der Schwert-Tanz glich zu meinem Erstaunen vollkommen
jenem, den ich auf Borneo von den Dayakern hatte aufführen sehen.
Dem Schwert-Tanze ganz ähnlich war der Messer-Tanz; der einzige
Unterschied bestand darin, daß die Messer nicht auf der Erde lagen,
sondern in Scheiden stacken, welche die Tänzer am Gürtel befestiget
hatten, und aus welchen während des Tanzes die Messer gezogen wurden.
Ein hierauf folgender Faustkampf gab dem Publikum sehr viel zu lachen.
Die beiden Kämpfer oder Tänzer schlugen und stießen sich auf höchst
vorsichtige Weise unter grotesken Grimassen und Wendungen mit Händen
und Füßen. Sehr wild und belebt war der Teufels-Tanz. Diese vier Tänze
wurden von zwei Männern aufgeführt. Nun kam ein Tanz, an welchem vier
Männer und ein Weib Theil nahmen; letzteres machte jedoch nur einige
Bewegungen mit den Händen und kauerte sich zeitweise auf den Boden;
die Männer tanzten um sie herum. Alle diese Tänze waren lebhaft,
mit abwechselnden, recht hübschen Figuren und Stellungen. Auch hier
schlugen die Tänzer die Augen stets zu Boden.

Ich hatte nun alle Tänze gesehen, bis auf jenen, den sie bei der
Tödtung eines Menschen aufführen, der zum Verzehren bestimmt ist.
Diesen Tanz wollte man mir nicht zeigen, gab aber am Ende doch meinen
Bitten nach. Sie banden zu diesem Zwecke an einen Pflock ein großes
Stück Holz, welches das Schlachtopfer vorstellte, und setzten ihm eine
Strohkappe auf. Ehe sie zu tanzen anfingen, streuten sie sich etwas
Erde auf den Kopf. Der Tanz selbst war sehr lebhaft und von vielen
Grimassen begleitet; sie hoben dabei die Füße so viel sie konnten in
die Höhe und zückten ihre Parangs nach dem Opfer. Endlich gab ihm
einer den ersten Stoß, die andern folgten sogleich seinem Beispiele,
das Blut wurde sorgfältig aufgefangen. Sie hieben dann den Kopf (die
Strohkappe) vom Rumpfe, legten ihn auf eine ausgebreitete Matte,
tanzten darum her, und stießen dabei wild-fröhliche Töne aus. Einige
hoben den Kopf auch auf und führten ihn zum Munde, als leckten sie
das Blut ab, andere warfen sich zur Erde, als saugten sie das vom
Kopfe rieselnde Blut auf, oder sie tauchten die Finger in dasselbe und
führten sie zum Munde. Alles dieß geschah nicht so sehr mit wilden als
mit fröhlichen Geberden; auch ihre Gesichtszüge drückten eher Vergnügen
als Grausamkeit aus. Freilich war dieß nur ein Spiel; ganz anders mag
es sich verhalten, wenn ein wirklicher Mensch getödtet wird.

Nichts desto weniger machte dieses schauerliche Spiel einen großen
Eindruck auf mich. Ich betrachtete unwillkührlich die wilden Gestalten,
in deren Macht ich war; unheimliche Bilder drängten sich vor meinen
Geist, und, in mein Soppo zurückgekehrt, fiel ich erst spät in einen
unruhigen Schlaf mit aufgeregten, beängstigenden Träumen.

+12. August.+ +Si-Pijarajah+, 10 Paal. Die klare Morgensonne
verscheuchte die nächtlichen Visionen und mit neuem Muthe trat ich
die Tagereise an. Wir mußten heute über den tiefen, reißenden Strom
+Padang-Toru+, eine schwere Sache für mich, die nicht schwimmen
konnte. Zwei Eingeborne reichten mir jeder eine Hand, ich hielt den
Kopf über dem Wasser, und so zogen sie mich hinter sich her. Die Wege
waren gut; wir kamen über einige niedrige Hügelketten und durch schöne
Thäler mit Hügeln. Die Gebirgskette, die wir selten aus dem Gesichte
verloren, wurde stets niedriger, die höchsten Spitzen mochten 1200 bis
1500 Fuß hoch sein. Uttas sahen wir wenige; sie waren mit Erdwällen
oder hölzernen Zäunen umgeben. Wir mußten am Eingange stets um die
Erlaubniß des Eintrittes ansuchen. Ich litt heute sehr von der Hitze,
da der größte Theil des Weges in der Sonne oder durch glühend heißes
Alang-Alang ging. Der Thermometer zeigte vierzig Grad (Reaumur).

In Si-Pijarajah brachte ich die Nacht wieder in einem Soppo zu. Ich
wußte nie, welchen Wohnort ich wählen sollte, ob den Soppo oder das
Haus des Rajah. Im ersteren war ich unausgesetzt wie auf offener Schau.
Die Leute blieben nicht nur vor dem Soppo stehen, sie traten auch in
denselben. Abends wurde Feuer angezündet, und man schwatzte bis tief in
die Nacht. Jeder neu Hinzukommende wollte aus dem Munde meines Führers
selbst vernehmen, „warum, woher ich käme u. s. w.“ Keiner traute den
Ueberlieferungen seines Nachbars. Die Erscheinung einer Europäerin war
ihnen zu außerordentlich, sie konnten sie nicht begreifen. Auch diese
Barbaren thaten mir die Ehre an, mich für ein außergewöhnliches Wesen
zu halten. Viele unter den Neugierigen, die von andern Uttas gekommen
waren, streckten sich gleich auf dem Platze nieder, wo sie saßen, und
verschliefen da den Rest der Nacht.

In dem Hause eines Rajahs hatte ich einst nicht geringere
Unannehmlichkeiten. Die Weiber, in Gegenwart der Männer scheu und
zurückgezogen, mit ihren Kindern fliehend wenn ich mich näherte,
wurden, sobald ich allein in ihrer Mitte war, nicht nur gleich
zutraulich, sondern so zudringlich, daß sie meine ganze kleine Habe
forderten, die Kleidungsstücke nicht ausgenommen, die ich am Körper
trug. Ich wußte nicht, wie ich mich ihrer erwehren sollte, denn der
Anfang des Gebens wäre für sie das Signal des gewaltsamen Nehmens
gewesen. Ich schob mein Ränzchen hinter mich und mußte einige Male
die Weiber kräftig zurückweisen. Gewöhnlich zogen sie dann drohend
und heftige Reden gegen mich ausstoßend ab. Ich hütete mich so viel
als möglich allein mit ihnen zu sein. Unter den Männern war ich viel
sicherer: sie gafften mich stundenlang an, schwatzten fortwährend über
mich, verhielten sich aber im übrigen höchst anständig.

Eine weitere Unannehmlichkeit in den Häusern war während des Tages
die Dunkelheit, Abends, wenn die vier Feuer brannten, der Rauch; ich
konnte die Augen kaum öffnen. Auch sah ich hier so viel Schmutz und
Unreinlichkeit, daß ich die mir gebotene Mahlzeit nur mit dem größten
Ekel verzehrte. Der Reis wurde ungewaschen in den Topf geschüttet, der
Topf selbst gleichfalls nicht gereinigt, da die Leute glauben, daß,
wenn stets etwas Reis in dem Topfe zurückbleibe, es nie daran fehle.
Morgens kochten sie Milch, in die sie Kräuter und Blätter warfen, um
sie in Käse zu verwandeln. Sie preßten mit ihren schmutzigen Händen
den Käse aus, schütteten die Molken über den Reis und vermengten dieß
ebenfalls mit den Händen. Wurde für mich und meinen Führer ein Huhn
getödtet, so rissen sie es in vier Theile, die sie ins Feuer warfen,
wo dieselben gewöhnlich zu Kohlen verbrannten; die Eingeweide wuschen
sie ein wenig aus und bereiteten sie für sich. Sie aßen alles was lebt,
sogar Regenwürmer und alle Arten größerer Käfer. Ich konnte diese
ekelhafte Gefräßigkeit um so weniger begreifen, als ich in allen Uttas
Ueberfluß an Hornvieh, Geflügel, Schweinen, Reis u. s. w. sah.

Die Weiber werden hier, wo möglich noch mehr als in Mandelling oder
Ankola, wie Lastthiere betrachtet. Die Männer bauen nur die Häuser
und pflanzen den Reis; fast alles übrige fällt den Weibern zu. Am
meisten war ich erstaunt zu sehen, wie lange die Weiber die Kinder
säugten und auf dem Rücken trugen. Kinder von drei Jahren nahmen
noch die Mutterbrust und stritten sich oft mit den jüngeren darum.
Manches zweijährige kräftige Kind sah ich vom Spiele wegeilen, wenn
es die Mutter gewahrte, und sich auf ihren Rücken hängen. Diese band
es mittelst eines alten Tuches oder Sarongs fest und verrichtete mit
dieser Last ihre Arbeiten. Morgens rissen Mütter oft große Kinder
aus dem Schlafe, banden sich selbe auf den Rücken und begannen ihre
Hausgeschäfte.

+13. August.+ +Silindong+, Groß Toba, zwölf Paal. Die erste Hälfte
der Reise ging, wie gestern, durch wenig bevölkerte, hügelige Thäler;
dann erstiegen wir einen niedrigen Gebirgskamm, und das überraschend
schöne Silindong-Thal lag in seiner ganzen Größe zu unseren Füßen. Ich
hatte bisher auf dieser Reise keine größeren Flächen als von einigen
Paal Länge (das Lavas-Thal ausgenommen) gesehen. Hier erblickte ich
eine Ebene, die gewiß über zwanzig Paal lang und acht Paal breit sein
mochte; sie war von dem Padang-Toru in mehreren Armen durchschnitten
und bewässert, und mit üppig grünen Reisfeldern bedeckt. Eine unzählige
Menge kleiner Boskette lagen wie Blumen über den großen, grünen Teppich
gestreut. Jedes Boskett barg, wie ich später sah, ein Utta.

Bevor wir in das Thal hinab stiegen, bedeutete mir Hali-Bonar, mich
nicht von ihm zu entfernen und stets hinter seinen Rücken zu bleiben.
Den Zug eröffneten seine sechs Lanzenknechte, dann kam er, dann ich,
mein Führer und noch einige Leute von irgend einem Utta. An dem ersten
Utta angekommen, gab es schon Anstände mit dem Weiterkommen. Ueberall
war es bereits bekannt, daß ich im Lande sei und wohin ich gehen wolle.
Vor jedem Utta, an dem mein Weg vorüber führte, standen die Männer
versammelt, mit Lanzen und Parangs bewaffnet, und versperrten mir den
Durchzug. Doch am Ende wußte Hali-Bonar die Leute stets zu bewegen,
mich weiter gehen zu lassen.

An einem Orte aber schien es ernster zu werden. Mehr als achtzig
bewaffnete Männer standen am Wege und erwarteten uns. Als wir an ihnen
vorüber wollten, verstellten sie den Weg, und in einem Augenblicke
hatten viele Lanzenknechte einen Kreis um mich geschlossen. Die
Leute sahen über alle Beschreibung wild und fürchterlich aus. Sie
waren groß und kräftig, viele an sechs Fuß hoch, die Gesichtszüge
leidenschaftlich bewegt, was sie noch viel häßlicher machte -- das
große Maul mit den hervorstehenden Zähnen glich wahrlich mehr dem
Rachen eines wilden Thieres als einem menschlichen Munde. Sie schrieen
und lärmten so auf mich los, daß, wäre ich mit dergleichen Scenen nicht
schon vertraut gewesen, ich das äußerste hätte befürchten müssen. Ich
hatte zwar Angst -- die Scene war zu entsetzlich -- doch verlor ich
nicht meine Geistesgegenwart und setzte mich, anscheinend ruhig und
vertrauungsvoll, auf einen Stein, der am Wege lag. Einige Rajahs traten
auf mich zu, mir mit Worten und Zeichen drohend, daß, wenn ich nicht
umkehre, man mich tödten und verzehren würde. Die Worte verstand ich
nicht; aber die Zeichen ließen mir keinen Zweifel, denn sie wiesen mit
einem Messer an den Hals, mit den Zähnen an die Arme und bewegten die
Zahnkiefer, als hätten sie den Mund schon voll von meinem Fleische. Ich
war natürlich schon seit dem Eintritte in dieses Land auf solche Scenen
gefaßt, und hatte zu diesem Zwecke einen kleinen Satz in ihrer Sprache
gelernt. Mein Gedanke war, wenn ich etwas sagen könnte, was ihnen
gefiele, was sie lachen machen würde, hätte ich einen großen Vortheil
über sie, denn die Wilden sind wie die Kinder -- eine Kleinigkeit ist
oft hinreichend sie zu Freunden zu machen. Ich erhob mich also, klopfte
dem Vordersten der sich am meisten an mich heran drängte, freundlich
auf die Achsel und sagte mit heiterer, lächelnder Miene, halb Malaisch,
halb Battakisch: „Ihr werdet eine Frau nicht tödten und auffressen, am
wenigsten eine so alte wie ich bin, deren Fleisch schon hart und zähe
ist.“ Durch Zeichen und Worte gab ich ihnen ferner zu verstehen, daß
ich keine Furcht vor ihnen hätte, daß ich bereit sei, meinen Führer
zurück zu lassen und allein mit ihnen zu gehen; sie sollten mich nur
bis +Eier-Tau+ führen. Glücklicherweise fingen sie an, über mein
Kauderwelsch, über meine Pantomine zu lachen. Meine Furchtlosigkeit,
mein Zutrauen gefiel ihnen -- ich hatte gesiegt. Sie reichten mir die
Hände, die Reihen der Lanzenknechte öffneten sich, und froh und heiter,
im Gefühle der überstandenen Gefahr, setzte ich mit meinen Leuten die
Wanderung fort. Wir kamen unbelästigt bis +Tugala+, wo mich der Rajah
Ompu-Soubun in seinem Hause aufnahm.

+14. August.+ Nur sechs Paal zurückgelegt. Wiederholte wilde Scenen
unterbrachen den Marsch. Nur mit der größten Mühe gelangte ich bis zu
dem Rajah Ompu-nimar-longus, in dessen Utta ich diesen Tag und die
Hälfte des folgenden bleiben mußte.

Hier fanden meinetwegen große Berathungen statt. Jeden Augenblick
kam ein neuer Rajah mit einer kleinen Anzahl Lanzenknechte an; bald
war das Utta voll von Männern und Bewaffneten. In dem hohen Rathe
wurde leider beschlossen, daß ich nicht weiter vordringen dürfe.
So nahe am Ziele, nach so vielen glücklich überstandenen Gefahren
und Mühseligkeiten umkehren -- das war doch sehr hart! Nach der
Beschreibung der Eingebornen war ich nicht mehr als zehn bis zwölf
Paal von dem See Eier-Tau entfernt. Ich hätte nur eine niedrige
Hügelkette zu übersteigen gehabt und wäre an seinem Ufer gestanden. Sie
sagten mir, daß sich „das große Wasser,“ wie sie den See nannten, weit
ausbreite, daß das umliegende Land sehr fruchtbar und von mächtigen
Völkern bewohnt sei, die unter der Regierung einer Königin stünden.
Vergebens war mein erneuerter Antrag, meinen Führer zurückzulassen und
allein mit einem ihrer Leute zu gehen, vergebens suchte ich sie durch
Bitten zu bewegen, mich nur die Hügelkette ersteigen zu lassen, um doch
wenigstens einen Blick auf den See werfen zu können. Sie erwiderten
mir, daß sie mit den Battakern zu Eier-Tau beständige Uneinigkeiten
hätten, und daß keiner von ihnen es wagen würde, mit mir dahin zu
gehen. Sie versicherten mich, daß bisher noch kein Holländer (bei ihnen
ist jeder Europäer ein Holländer) so weit gekommen sei wie ich, ohne
feindlich behandelt, das heißt getödtet und aufgegessen worden zu sein.

Später hörte ich, daß die Königin von Eier-Tau einen Friedensbund mit
den Silindongern unter der Bedingung geschlossen hatte, keinem Fremden
zu erlauben, bis an die Grenze ihres Landes vorzudringen. Was an der
Sache wahr oder falsch war, konnte ich nicht ergründen.

Den folgenden Tag ward der Zulauf des Volkes noch stärker; es schien,
als versammelten sich alle streitfähigen Männer des Thales; man
sah nichts als Lanzen, Parangs, die viele aus der Scheide gezogen
hatten, sogar einige sehr lange Gewehre. Das Ganze glich einer echt
kriegerischen Scene, die ich mit großem Gefallen betrachtet hätte,
wäre meine Lage weniger kritisch gewesen. Ich sah aus ihren Mienen
und Geberden, daß alles mir galt, und konnte keinen Augenblick sicher
sein, daß nicht einem oder dem andern die Lust ankäme, mich zu morden,
denn so wie es nur einer Kleinigkeit bedarf, die Wilden zu Freunden
zu machen, eben so bedarf es auch nur wieder einer Kleinigkeit, sie
in die grausamsten Feinde zu verwandeln. Am unheimlichsten war mir
der Gedanke, mich unter Kannibalen zu befinden. Ich begriff in solchen
Augenblicken oft selbst nicht, woher ich den Muth genommen hatte, mich
unter dieses Volk zu wagen.

Während der Nacht war in dem Hause neben jenem des Rajah, bei dem ich
wohnte, ein Weib gestorben; ich ging Morgens hin, um zu sehen, was mit
der Leiche vorgenommen wurde. Sie lag ausgestreckt auf einer Matte und
war in zwei Sarongs so eingeschlagen, daß man nur das Gesicht sah. Drei
Weiber (wie man mir sagte, die Töchter der Verstorbenen) bewegten sich
langsam um die Leiche, stießen taktmäßig mit den Füßen auf den Boden,
murmelten dabei einige Worte und kniffen sich mit den Nägeln in die
entblößte Brust, bis hier und da etwas Blut zum Vorschein kam. Jeden
Augenblick beugten sie sich über die Leiche und berührten sie. Die
übrigen weiblichen Verwandten saßen an den Füßen der Todten und heulten
von Zeit zu Zeit; der Mann saß abseits und zeigte eine sehr betrübte
Miene. Vor dem Hause stand der Sarg, ein ausgehöhlter Baumstamm, der
aber so schmal war, daß die Leiche mit aller Gewalt hinein gepreßt
werden mußte. Die Leichen begraben sie gewöhnlich am Saume der Wälder
oder in Gebüschen; in einem einzigen Utta sah ich ein Grab neben einem
Hause.

Im grellen Widerspruche zu den Umständen, welche die Leute mit den
Verstorbenen machen, steht die Theilnahmslosigkeit, die sie für die
Kranken haben. Ich sah in mehreren Uttas halb sterbende Geschöpfe, die
sich mit größter Anstrengung über die kleine Hausleiter schleppten, um
an die Sonne zu gelangen. Niemand sah nach ihnen, kein Mensch reichte
ihnen Hilfe.

+15. August.+ Gegen Mittag verließ ich mit meinen Begleitern das
Utta. Man führte mich nun zurück, aber nicht auf demselben Wege, auf
welchem ich gekommen war; im Gegentheile schleppte man mich im Zickzack
von einem Utta zum andern; es war als wollten mir die Battaker die
Erlaubniß, ihr Land zu verlassen, noch schwerer ertheilen, als jene, es
zu betreten.

Die Uttas sind in diesem Thale mit acht Fuß hohen Erdwällen umgeben und
mit so hohen und dichten Bambuspflanzungen umzäumt, daß man außerhalb
derselben weder die Häuser noch die Wälle sieht. Manche sind noch
überdieß von einer Wasserpfütze umgeben. Jedes Utta hat nur einen ganz
schmalen Eingang mit einer Thüre, die Nachts geschlossen wird.

Daß mein Leben, trotz meiner Verzichtleistung auf weiteres Vordringen
und trotz des eingetretenen Rückwegs noch nicht in Sicherheit war,
zeigte sich heute. Ein hoher, sehr wild aussehender Mann empfing uns,
umgeben von bewaffnetem Volke, an dem Eingang eines Utta. Auch hier,
wie Tags zuvor, schloß man einen Kreis um mich. Der Wilde sprach mit
großer Heftigkeit und ließ meine Leute kaum zu Worte kommen, ja einmal
sah ich das gelbliche Gesicht meines Führers noch mehr erbleichen und
die Worte auf seinen Lippen ersterben. Mich selbst stieß der Wilde
mehrmal an und bedeutete mir gebieterisch, ihm in sein Haus zu folgen;
er faßte mich sogar einmal am Arme. Hali-Bonar winkte mir mit den
Augen, nicht von seiner Seite zu weichen und ja nicht jenem zu folgen.
Erst nach langen Erläuterungen und lebhaftem Wortwechsel, erwirkte
Hali-Bonar den Durchzug. Hier schien mein Leben nur an einem Haare
gehangen zu haben.

Als wir das Utta im Rücken hatten, hieß mich mein treuer Beschützer
knapp vor ihm gehen; er mochte vielleicht befürchten, daß dieser
blutdürstige Häuptling nachkommen und mir von rückwärts den Parang
durch den Leib stoßen könnte. Auch befahl er uns, so schnell als
möglich zu gehen. Wir liefen an fünf Stunden durch Wald und Alang
unausgesetzt fort bis zu einem Utta, wo die Leute freundlicher und
bereit waren, uns über Nacht aufzunehmen. Allein Hali-Bonar hielt
die Entfernung noch nicht für groß genug, und weiter ging es auf
beschwerlichen Kreuz- und Quer-Wegen. Erst spät Abends erreichten wir
ein Utta, dessen Namen mir jedoch entfiel, denn auf der Rückkehr kamen
wir durch so viele Uttas, daß ich ihre Namen nicht behalten konnte. Zu
schreiben wagte ich nicht, um nicht für eine Spionin gehalten zu werden.

+16. August.+ Diesen Morgen sah ich ein Mädchen aus einem der Häuser
stürzen und sich heulend und weinend zur Erde werfen, als wäre ihr das
größte Unglück begegnet. Dabei löste es ein Stück seines Schmuckes
nach dem andern von Hals, Arm und Ohr, und wickelte alles sorgfältig
in ein Tuch. Es sprang dann auf, lief ein Haus weiter, warf sich da
neuerdings unter Geschrei und Geheul nieder, raffte sich wieder auf und
eilte in das Haus zurück, aus welchem es gekommen war. Ich hielt dieses
Geschöpf für wahnsinnig; allein mein Führer sagte mir, daß es diesen
Abend heirathen und daher allem Schmuck (Glasperlen und Messingringe)
Lebewohl sagen müsse. Diesem Geschmeide weinte es bittere Thränen,
während beim Abschiede vom elterlichen Hause das Auge vielleicht
trocken bleibt! --

Auch heute kamen wir nur wenig vorwärts. Von einem Utta ging es zum
andern. Mitunter machten wir große Umwege, um irgend ein Utta zu
vermeiden, dessen Bewohner, wie Hali-Bonar schon unterrichtet sein
mochte, feindselig gegen uns gestimmt waren. Ich konnte nie erfahren,
warum wir zurück nicht denselben Weg nahmen, auf welchem wir gekommen
waren.

In den Utta’s, in welchen man uns über Nacht aufnahm, wurden wir stets
auch gastfreundlich bewirthet und erhielten nebst Reis manchmal Ubi
(süße Kartoffeln) oder wohl gar ein Huhn, Morgens Tadi, die bereits
beschriebene geronnene Milch. Das Huhn, die Ubi und den Tadi gab der
Rajah, den Reis lieferte die Gemeinde. In jenen Utta’s aber, in welchen
wir nicht gastlich aufgenommen wurden, hielt es oft schwer, einen Trunk
Wasser zu erlangen.

+17. August.+ Wie gestern und vorgestern von einem Utta zum andern
gezogen, mehr oder minder freundliche Aufnahme gefunden.

+18. August.+ Endlich war das schöne Thal +Silindong+, dessen Anblick
mir so viele Freude gemacht hatte, dessen Durchwandern von so
gefährlichen, schrecklichen Scenen begleitet war, glücklich im Rücken.
Alle Gefahr war zwar nicht vorüber, doch wenigstens der bei weitem
größere Theil[6].

Ich zählte auf dieser meiner Treibjagd durch das Silindong-Thal mehr
als fünfzig Utta’s rings umher. Eben so viele, wenn nicht mehr, mögen
noch weiter im Thale gelegen haben. Manche der Utta’s bestanden aus
zwanzig bis vierzig Häusern, die kleinsten aus fünf bis sechs. In den
großen Häusern zählte ich in den vier Ecken des Gemaches zwanzig bis
fünfundzwanzig Personen (natürlich die Kinder mitgerechnet). Doch
ist die Größe der Häuser nicht überall gleich, da in manchem nur
eine Familie wohnt. Nimmt man, sehr gering gerechnet, auf jedes Utta
durchschnittlich 150 Seelen an, so stellt sich für das ganze Thal eine
Bevölkerung von 15,000 Seelen heraus, eine Berechnung, die gewiß nicht
übertrieben ist. Auf keiner Insel des Indischen Archipels, Java nicht
ausgenommen, sah ich eine ähnlich bevölkerte und reichbepflanzte Gegend.

Schade, daß gerade in diesem herrlichen Thale die Menschen so wild
und kannibalisch sind. Ich fand die Leute im allgemeinen sehr groß und
kräftig, was besonders von den Rajahs gilt, auf deren Wahl Größe und
Stärke den meisten Einfluß haben sollen. Die Hautfarbe der Battaker ist
lichtbraun oder bräunlichgelb. Die Männer tragen die Haare entweder
lang und fliegend, oder halb abgeschnitten und wie Borsten von dem
Kopfe abstehend. Männer und Weiber gehen in Sarongs gekleidet, die von
schwarzer Farbe und mitunter an den Rändern mit Glasperlen besetzt
sind. Ein mit Glasperlen besetzter Sarong kostet bis fünfunddreißig und
vierzig Rupien. Die Männer tragen beständig eine Lanze und den Parang
und verlassen selten das Haus ohne diese Waffen. Siri kauen, Tabak
rauchen ist ihre Hauptbeschäftigung, der Mund ruht auch nicht einen
Augenblick. Dies gilt eben so gut von den Weibern (die gleichfalls
rauchen), ja sogar schon von den fünf- bis sechsjährigen Kindern. Ich
glaube, die Kinder verwechseln hier die Mutterbrust mit der Cigarre und
dem Siri. Ich sah Kinder von fünf Jahren, die ihre kleine Strohtasche
mit allen Bestandtheilen für Siri und Cigarre schon über den Schultern
hängen hatten. Die Battaker sind, wie ich bereits bemerkt habe, über
alle Maßen schmutzig und unrein. Der Sarong wird nie gewaschen, nie
geflickt und nicht gewechselt, bis er in Stücken vom Leibe fällt. Sie
baden sich wohl, d. h. sie schütten Wasser über sich, ohne sich zu
waschen und abzutrocknen, wie die Malaien, und damit ist alles gethan.
Ihre Behausung, ihre Matten und Kochgeschirre werden nie gereinigt. In
letztere greifen sie mit schmutzigen Händen, die Kinder nehmen daraus
und halten sich darüber, wobei oft ein Theil der Nahrung aus dem Munde
in den Topf zurückfällt. Zuweilen kömmt wohl auch ein Hund geschlichen
und spricht den Töpfen verstohlen zu. Ich will nur eine Scene
erzählen, die ich gesehen habe. Meine Leser werden sich vielleicht
wundern, wie man Aehnliches niederschreiben kann; allein sie ist zu
charakteristisch, um verschwiegen zu werden.

Ich saß in einem Soppo neben einem Weibe, das mit Weben beschäftigt
war und ein Kind von etwa zehn Monaten auf den Rücken gebunden hatte.
Das Kind fing zu weinen an und die Mutter legte es an die Brust. Es
mochte jedoch kurz zuvor mit einer guten Portion Reis vollgestopft
worden sein, denn die Muttermilch war ihm zu viel -- es entleerte sich
von allen Seiten in der Mutter Schooß. Diese blieb gelassen sitzen,
rief einen Hund herbei, schlug den Sarong auseinander und ließ den Hund
alles aufzehren. Sie hielt ihm dann das Kind von allen Seiten hin, daß
er es rein lecke. Das Kind ward wieder auf den Rücken gebunden und das
Weib fuhr in seiner Arbeit fort. Unter einem solchen Volke brachte ich
einige Wochen zu, mit diesen Leuten mußte ich aus einer Schüssel essen!
Man wird mir gern glauben, daß dieß das größte Opfer war, welches ich
meiner Reiselust bringen konnte, daß ich alle übrigen Beschwerden und
Mühseligkeiten, ja die Gefahren selbst, leichter ertrug, als diese
unbeschreibliche Unreinlichkeit.

Wir brachten die Nacht ungefähr sechs Paal von der Grenze des
Silindong-Thales, in dem Utta Kaßan zu.

+19. August. Bolanahito.+ Hier nahm ich Abschied von meinem wackeren
Freunde Hali-Bonar, dessen kräftigem Schutze ich wohl mehr als einmal
das Leben dankte. Es hieß nun abermals den Wald, die „Wüstenei“
durchziehen, die als natürliche Grenze das Land der freien Battaker
von den Holländischen Besitzungen trennt. Als letzten Dienst gab mir
Hali-Bonar noch vier seiner Leute mit, die mich bis Danau begleiten
sollten.

20. und +21. August+. Gewöhnt, wie ich es war, an alle Mühen und
Entbehrungen, an Regen und Hitze, an die ermüdendsten Märsche,
überfiel mich dennoch fast ein Fieberschauer, als ich an den Wald
gelangte, der fürchterlichen Wege, der Gefahren, der schlaflosen Nacht
gedachte, die ich das erstemal da zugebracht hatte. Doch glücklich
kamen wir Abends am zweiten Tage zu Danau an, wo mich die Leute mit
großer Freude und Herzlichkeit begrüßten. Jeder drängte sich an mich,
mir die Hand zu drücken. Sie wiederholten einstimmig, daß sie nicht
gedacht hatten, mich wiederzusehen.

Auf dieser Reise unter den Battakern hatte ich stets nach dem
Kampferbaume gefragt, der, wie man mir sagte, im Norden Sumatras bis
zu einer Höhe von 120 Fuß vorkommen soll. Man zeigte mir einige, die
aber kaum 70 Fuß haben mochten. Der Kampfer sitzt zwischen der Rinde
und dem Baste. Die Rinde wird abgelöst und der Kampfer mittelst eines
großen Besens herabgekehrt; dieß muß mit großer Sorgfalt geschehen,
denn wenn der Besen zu tief eingreift, geht der Baum zu Grunde. Manche
hauen den Baum um, um für den Augenblick mehr Kampfer zu gewinnen. Der
stärkste Baum liefert auf die erste Art höchstens ein Pfund Kampfer,
auf die letztere das doppelte. Der Pikul dieses Kampfers kostet
sechs- bis zehntausend Rupien. Er kommt als Arznei in dem Handel gar
nicht vor[7], da ihn die Chinesen begierig aufkaufen, von diesen die
Japanesen, welche ihn mit dem Japanischen Kampfer vermengen und zur
Bereitung ihres durch seine außerordentliche Feinheit bewährten Lacks
verwenden. Als Arznei soll der Kampfer von Sumatra um nichts besser
sein, als jener von Japan oder China.

Sago-Palmen sah ich ziemlich viele in Sumatra’s Waldungen; sie sollen
aber viel weniger Mark enthalten als jene auf den Molukken, wo ihr
eigentliches Vaterland ist.

+22. August.+ In Danau ließ ich meinen Führer zurück, der mir wo
möglich noch unausstehlicher war, als jener von Sarawak. Ich forderte
nur einen Kulli, um mein kleines Gepäck zu tragen; man wies mir einen
zehnjährigen Knaben an. Ich weigerte mich das Kind zu nehmen und wich
nicht vom Platze, bis mich mein Führer mit einem kräftigeren Träger
versehen hatte. Kaum aber waren wir einen Paal im Walde, so kam der
Junge nachgelaufen, der Träger setzte mein Ränzchen ab und ging davon.
Dieß war, wie mir der Junge sagte, zwischen dem Träger und meinem
Führer so abgemacht. Ich erwähne diese Geringfügigkeit nur, um zu
zeigen, wie man oft mit den Führern hintergangen und der Willkür und
Bosheit derselben ausgesetzt ist. Ich beschwerte mich wohl, als ich zu
Herrn Hammers zurückkam, über die schlechten Dienste jenes Mannes. Ich
hatte ihn auch sehr im Verdachte, daß er Ursache war, warum man mich
nicht bis Eier-Tau ließ, und ich vermuthe, er hat die Leute ersucht mir
Hindernisse in den Weg zu legen, damit es schneller an die Heimkehr
ginge. Allein was nützten meine Klagen! Der Mensch hütete sich wohl
während meiner Anwesenheit zum Vorscheine zu kommen. Erst lange nachdem
ich fort war, ließ er sich sehen und gab vor, in Folge der großen Mühen
in Danau schwer erkrankt gelegen zu haben.

Ich ging diesen Tag bis +Sipirok+, wo die Fußreise ein Ende hatte.
Im Ganzen war ich an 150 Paal gegangen, was auf guten Wegen gerade
nicht so anstrengend gewesen wäre; so aber war es einer wahren
Herkules-Arbeit zu vergleichen.

+23. August.+ +Padang-Sidimpuang.+ Nachmittags vier Uhr kam ich
glücklich aber ausgehungert bei Herrn Hammers an, -- ich hatte seit
gestern drei Uhr nicht die geringste Nahrung gesehen. Meine erste
Bitte war um eine Tasse Kaffee mit guter Büffelmilch und um ein
tüchtiges Stück Brot. Man kann sich gar keine Vorstellung machen von
dem angenehmen Gefühle, das ich empfand, als ich mich wieder in voller
Sicherheit sah, mich an eine reinliche Tafel mit guten Gerichten
setzte, in ein herrliches Bett zur Nachtruhe ging. Wer keine Mühen
und Gefahren ausgestanden hat, vermag das Gute nie in solchem Maße zu
schätzen und zu würdigen.

Ich verweilte einige Tage bei Herrn Hammers, und auch auf dem Wege
nach Fort de Kock ruhte ich hie und da einen Tag aus. Erst am +9.
September+ traf ich sehr leidend in Fort de Kock ein, wo ich in ein
heftiges Fieber fiel. Allein der trefflichen Pflege der liebenswürdigen
Gemahlin des Residenten, der ärztlichen Hilfe und meiner guten,
wirklich unzerstörbaren Natur, hatte ich es zu danken, daß ich bald
wieder hergestellt war. Die Sumatra-Fieber (Wechselfieber) sind sehr
hartnäckig und bösartig, wie es die Folge leider auch an mir zeigte.
Man verliert sie oft Jahre lang nicht; sie gehen häufig in Auszehrung
und andere Krankheiten über und sind vielen sogar tödtlich.

Kaum fühlte ich meine Gesundheit zurückgekehrt, so richteten sich
meine Gedanken schon wieder auf einen kleinen Ausflug. Doktor
+Bauer+, ein Deutscher, ausgezeichnet durch seine medicinischen und
botanischen Kenntnisse, war zu +Paya-Kombo+ stationirt. Ich wollte die
Bekanntschaft dieses Mannes machen und zugleich diese Gegend Sumatras
sehen, die einen ganz eigenthümlichen Charakter haben soll.

Am +18. September+ saß ich wieder zu Pferde und ritt zweiundzwanzig
Paal nach +Paya-Kombo+. Das wellenförmige Hügelland verschwindet
allmählig und gibt schönen Thälern, großen Ebenen Raum. Herrliche
Gebirgsketten steigen in mehrfachen Reihen auf: der +Merapi+, der
+Singallang+, die höchsten, der +Sago+, minder hoch, aber seiner
besonderen Form wegen in die Augen fallend. Sein Sattel zieht sich
ziemlich in die Länge, viele Felskuppen und Felsparthieen zieren ihn
und bewirken einen schönen Kontrast zu den üppigen Waldungen, die seine
Nachbarn bekleiden.

Wahrhaft pittoresk wird die Gegend in der Nähe des Kampon +Titti+.
Einzelne Felsstücke, bedeutende Felsgruppen liegen wie auf die Ebene
geworfen, -- welch fürchterliche Revolution mag sie von den Bergen so
weit weggeschleudert haben!

Unfern von Titti stürzt sich der +Pattang-Agam+ wild brausend und
schäumend durch einen tiefen, engen Felsspalt. Eine hoch gemauerte
Brücke führt darüber, welcher gegenüber sich eine wunderbar malerische
Felsgruppe, theilweise mit schönen Gewinden von Schling-Gewächsen
und anderen Pflanzen übersponnen aufthürmt. Lange weilte ich auf
der Brücke, um das grause Bild des tobenden Stromes, die ruhig milde
Landschaft um mich her, die Gebirgswelt in der Ferne mit einem Blicke
zu überschauen.

Die letzten Paal von Paya-Kombo geht es unausgesetzt zwischen Alleen
von Kokospalmen, viele Kampons liegen am Wege oder in den umliegenden
Reisfeldern. Die ganze Gegend vom Fort de Kock bis Paya-Kombo ist sehr
belebt und reich kultivirt.

Dieser kleine Ausflug machte einen höchst angenehmen Eindruck auf mich,
alles, was mich umgab, war lieblich -- eine Landschaft in rosigem
Lichte.

Zu Paya-Kombo stieg ich bei Dr. +Bauer+ ab. Auch er hatte schon manches
von mir gehört; wir waren uns daher gegenseitig nicht fremd. Die Tage,
die ich in dieses hochgebildeten Mannes Gesellschaft zubrachte, werden
mir unvergeßlich bleiben.

Ich fand bei Dr. Bauer zufällig einen zweiten Deutschen, Lieutenant
Freiherrn +von Bülow+, der von +Fort de Kapellen+ auf Besuch gekommen
war. Wir sprachen viel von den Naturschönheiten Sumatra’s. Unter
anderem kam die Rede auch auf den Merapi, seine Krater und seine
schönen Aussichten. Herr von Bülow, der Berg und Krater schon oft
besucht hatte, machte uns davon eine so reizende Schilderung, daß wir
sogleich den Entschluß faßten, ihn gemeinschaftlich zu besteigen.
Herr von Bülow ritt denselben Tag nach Fort de Kapellen, um den
Assistent-Residenten Herrn +Netscher+ zu ersuchen, auf dem Berge eine
kleine Laubhütte für unser Unterkommen errichten zu lassen.

Am nächsten Tag verweilte ich noch zu Paya-Kombo, den folgenden Tag,
+20. September+, ritten wir, Dr. Bauer und ich, nach Fort de Kapellen,
auf Malaisch +Pagar-udjong+, im Distrikte +Tanar-Dater+, zwanzig Paal.

Herr Netscher nahm mich nicht nur auf die freundlichste Weise bei
sich auf, er war auch so überaus gefällig gewesen, den Rajah von
+Sungi-djambu+ zu ersuchen, die auf den Berg führenden Pfade ein wenig
in Ordnung bringen, so wie auf halber Höhe die erwähnte Laubhütte
errichten zu lassen.

Abends machten wir einen Spaziergang nach dem Kampon +Pugger-zuijong+,
in welchem mehrere große Steine mit eingehauenen Inschriften liegen,
die bisher noch von niemandem entziffert werden konnten. Mich erinnerte
die Form dieser Steine an die Runensteine, die ich in Island und
Norwegen gesehen hatte.

+21. September.+ Von Fort de Kapellen konnten wir noch sieben Paal
reiten bis an die Kaffeegärten, die an den Abhängen des Merapi
angepflanzt sind. Unterwegs verweilten wir einige Zeit in dem Kampon
Sungi-djambu, der gleich jenem von +Kotto-Godong+ seiner Wohlhabenheit
wegen bekannt ist. Ich fand hier, wie dort, die Häuser mit Oelfarben
angestrichen, mit Holzschnitzwerk geziert, und bei den Bewohnern
schwerseidene Sarongs, Kopftücher mit Gold durchwirkt und viel echtes
Geschmeide. Wir mußten bei dem Rajah ein kleines Mahl einnehmen.

Bei den Kaffeegärten, die so wie die Wege besonders gut angelegt und
gehalten waren, begann die Fußreise. Ein schöner Steig, zum Theil für
uns ausgebessert, führte bis zur neugeschaffenen Hütte, die so bequem
und solid gemacht war, als sollte sie für Monate und nicht für Tage
dienen. Mehr als siebzig Menschen hatten gestern und heute am Steig und
an der Hütte gearbeitet; sie waren, als wir anlangten, noch im vollen
Schaffen begriffen. Jeder von uns fand sein eigenes, winzig kleines
Schlafkämmerchen. Da Herr von Bülow Diener, Koch, Lebensmittel u. s.
w. vorausgesandt hatte, so erfrischten wir uns sogleich an Speise und
Trank.

Die Reise ging diesen Tag nicht weiter; dessen ungeachtet gönnten wir
uns aber nicht die geringste Ruhe. Wir suchten Blumen und Insekten,
wir kletterten auf freie Punkte, um die Gegend zu überschauen.
Die dreifache Gebirgskette, welche Sumatra von Süden nach Norden
durchschneidet, lag mit allen ihren merkwürdigen pittoresken Spitzen
und Zacken, Kuppen und Einsenkungen vor uns aufgedeckt. Die klare
Spiegelfläche des +Sinkara-Sees+[8] schimmerte gleich einem Silberflor
aus der Mitte des ihn umgebenden Hügelkranzes, das Meer begrenzte in
weiter Ferne den wolkenlosen Himmel, und große, fruchtbare Thäler
breiteten sich aus zwischen Berg, Hügel und Meer. Lange hielt uns
dieses Rundgemälde fest gebannt, wir waren so in der Anschauung von
Gottes schöner Natur vertieft, daß jedes Wort auf unsern Lippen
erstarb. Die Natur selbst schien uns in der Betrachtung, in der
Bewunderung nicht stören zu wollen: kein Laut schlug an unser Ohr, kein
Lüftchen bewegte sich. Zu früh erstarb der letzte Strahl der Sonne,
zu schnell verblich ein Gegenstand nach dem andern in der schnell
heranrückenden Dämmerung.

Als sich die Nacht gänzlich herabgesenkt hatte, ward ein tüchtiger
Holzstoß angezündet, um Herrn Netscher unsere Anwesenheit auf der Höhe
kund zu machen. Nach kurzer Zeit loderte auch in der Tiefe ein Feuer
als Antwort auf.

+22. September.+ Nur drei- bis viertausend Fuß hatten wir heute zu
steigen -- eine geringe Mühe, hätte sich ein Pfad hinauf geschlängelt;
allein so weit konnte die Arbeit in diesen zwei Tagen nicht gefördert
werden. Es galt daher steil aufgethürmte Stein- und Erdwälle zu
erklimmen. Zuerst kamen wir an einen Krater, der schon lange ausgetobt
haben mochte -- seine Tiefe schlief ruhig unter einer Wasserdecke.
Dr. Bauer sah an dem Wassersaume einige Blumen und wäre gerne hinab
geklettert; allein die Wände fielen etwas zu steil ab, waren mit losem
Gerölle bedeckt und die Führer versicherten uns, daß ohne Stricke und
Leitern an ein Hinabsteigen nicht zu denken sei.

Ein zweiter Krater von bedeutendem Umfange, doch nicht tief, lag in
einiger Entfernung vom ersten. Auch dieser war schon lange erstorben;
aber gewaltig mag einst die Wuth und Kraft seiner Elemente gewesen
sein, denn weit und breit war alles mit großen Steinen überdeckt. Noch
wagte es beinahe kein Grashalm, keine Blume in dieser ausgebrannten
Werkstätte Wurzel zu fassen.

Endlich gelangten wir an den Hauptkrater. Ich hatte schon viele
Krater, besonders auf Island gesehen; aber keiner ließ sich mit diesem
vergleichen. Eine regelmäßigere, man könnte sagen, kunstgerechtere
Trichterform, als die Natur hier gebildet hat, kann sie nicht mehr
schaffen. Die Tiefe, die der Krater im gegenwärtigen Augenblicke
hatte, mochte 400 Fuß betragen, der obere Durchmesser 300 Fuß. Aus
zwei Oeffnungen steigen unausgesetzt dicke, schwarze Rauchsäulen. Ein
beständiges Zischen und Brausen verrieth die große Thätigkeit des nie
ruhenden Feuerheerdes. An ein Hinabklettern war nicht zu denken: wir
mußten uns damit begnügen, diese großartige Naturscene von dem Rande zu
betrachten. Der Krater liegt 8500 Fuß hoch.

Wir hielten uns lange bei jeder Gelegenheit auf und kamen erst spät
nach unserer Laubhütte zurück, viel zu spät, um noch nach Fort de
Kapellen gehen zu können; wir blieben also auch diese Nacht auf der
Höhe und gaben, wie gestern, der Gesellschaft zu Fort de Kapellen durch
Anzünden eines großen Feuers unser Dasein kund[9].

Am +23. September+ waren wir früh Morgens auf Fort de Kapellen und
am folgenden Tag ritt ich, ohne Paija-Kombo zu berühren, in gerader
Richtung nach Fort de Kock.

Ich sah auf diesem Ritte eine seltsame Naturerscheinung, die
hauptsächlich nur Sumatra eigen sein soll. Ein weißer, undurchdringlich
dicker Nebel lag über einer Fläche und deckte dermaßen alles, daß nicht
der geringste Umriß irgend eines Gegenstandes durchschien. Man könnte
wetten, einen See vor sich zu sehen, so ruhig und silberweiß ist der
Nebel und so scharf abgegrenzt. Ich wußte, daß ich ein Nebelmeer vor
mir hatte und wollte es doch nicht eher glauben, bis ich hinein ritt.
Diese Nebel bleiben viele Stunden unbeweglich liegen.

Am +30. September+ verließ ich Fort de Kock, um nach Padang zurück zu
kehren. Ich änderte jedoch unterwegs meinen Entschluß und machte einen
Abstecher nach +Priaman+ und +Tiku+ an die See, um meine noch sehr
unbedeutende Fischsammlung zu vermehren.

Fünf Paal von Priaman führt eine 360 Fuß lange, gedeckte Brücke über
den +Mangui+; diese Brücke ist die längste auf Sumatra.

In Priaman stieg ich bei dem Assistent-Residenten Herrn +Godin+ ab,
ritt aber gleich den folgenden Tag weiter nach Tiku (24 Paal), mit der
Hoffnung, eine reiche Ernte zu machen. Beständiges Regenwetter verdarb
mir jedoch nicht nur die Ernte, sondern überhaupt den ganzen Ausflug,
der mir bei schönem Wetter gewiß großes Vergnügen gemacht hätte, denn
das Land war angenehm; viele Kokos-Alleen umschatteten schöne Wege, und
zahlreiche, sehr reinliche Kampons belebten sie. Ich fand keine Gegend
auf Sumatra, das Thal Silindong ausgenommen, so bevölkert, wie diese
längs des Seegestades.

Die Weiber hatten hier die Ohrläppchen mehr durchlöchert als irgendwo.
Ich war stets froh, diese häßliche Zierde mit einer Messingplatte
oder einer Holzscheibe verdeckt zu sehen. Leider muß das weibliche
Geschlecht auch hier mit der Heirath allem Schmucke und somit dieser
dem Auge wohlthuenden Messingplatte oder Holzscheibe entsagen.

Nachdem ich zwei Tage vergebens auf besseres Wetter gewartet hatte,
ritt ich unter Regen wieder nach Priaman. Ich mußte nun bald an meine
Rückkehr nach Padang denken, um das Dampfboot nicht zu versäumen, das
jeden Monat nach Batavia geht. Ich blieb daher zu Priaman ebenfalls nur
zwei Tage.

Herr Godin brachte mir das große Opfer, mich unter dem heftigsten
Regen nach einem nahen, kleinen Eilande zu begleiten, welches Priaman
gegenüber liegt. Wir gingen in die See und suchten mehrere Stunden
hindurch zwischen den Riffen und Korallen nach Fischen und Crustaceen;
zuletzt kamen wir von Wasser triefend, zitternd vor Kälte, aber auch
reich beladen nach Hause. Obwohl ich mich Abends etwas unwohl fühlte,
hielt mich dies doch nicht ab, den Besuch nach diesem Eilande, das
meiner Sammlung so reiche Beträge lieferte, am nächsten Tage zu
wiederholen[10].

Am +7. Oktober+ langte ich in Padang an. Unterwegs erfaßte mich ein so
heftiges Fieber, daß ich Wellkom nicht mehr erreichen konnte und in
Padang selbst die höchst erfreuliche Einladung des Herrn van +Genepp+,
in seinem Hause abzusteigen, mit vielem Danke annahm. Freundliche,
sorgfältige Pflege, für welche ich dieser liebenswürdigen Familie aus
vollem Herzen danke, und ärztliche Hilfe bekämpften auch hier wie auf
Fort de Kock das Fortschreiten meiner Krankheit, und als nach acht
Tagen das Dampfschiff nach Batavia segelte, war ich schon so weit
hergestellt, um mitzugehen.

Ich habe auf Sumatra an 700 Paal zu Pferde und 150 zu Fuße gemacht. An
allen Orten wurde ich von den Holländischen Beamten und Officieren auf
die gastfreundlichste und liebevollste Weise aufgenommen, ich mochte
mit oder ohne Empfehlungsbrief kommen. Man half mir überall fort, man
gab mir Leute und Pferde -- mit einem Worte alles was ich benöthigte.

Sowohl in Hinsicht der herrlichen Naturscenen, die ich gesehen, der
interessanten Ereignisse, die ich erlebt, als auch wegen der überaus
zuvorkommenden Aufnahme, die ich bei den Europäern gefunden, gehört
diese Reise zu meinen liebsten und schönsten Erinnerungen.


  [5]  Auch in den Battaker-Ländern hat jedes Utta seinen Rajah. Dieser
       vielen Rajahs wegen ist das Reisen so beschwerlich; alle
       Augenblicke muß man den Schutz eines neuen zu erhalten suchen.

  [6]  Einige Zeit später begaben sich drei Französische Missionäre in
       das unabhängige Battaker-Land. Während ich bis Klein- und
       Groß-Toba vorgedrungen war, kamen sie nur bis Tapanola.
       Sie wurden von den Kannibalen erschlagen und unter großen
       Freudenfesten verzehrt.

  [7]  Ganz Sumatra liefert, wie bereits erwähnt, jährlich höchstens
       zwei Pikul.

  [8]  Dieser See ist 15 Paal lang, 5 Paal breit, und liegt 1300 Fuß
       über der Meeresfläche.

  [9]  Dr. Bauer erlaubte mir bereitwilligst, Folgendes über die
       Vegetation auf dem Merapi aus seinem Tagebuch zu entnehmen.

       „Die sich bald verlierende Kokospalme wird durch die Arengpalme
       (aus der man den Suri und braunen Zucker gewinnt) ersetzt. Die
       etwas tiefer häufigen Feigenbäume kommen allmählig seltener
       vor. Die rauhblätterigen Teraströmiaceen (~Saurauja~) mögen
       zuerst den Beginn der Bergvegetation bezeichnen. Später traten
       die schöne, unten an den Blättern weiße Nessel ~Urtica nivea
       Bl.~, noch später herrliche, rothe und gelbe Balsaminen auf. Die
       parasitischen Orchideen sind seltener als auf Java. In einer
       Höhe von 2500 bis 4000 Fuß sieht man viele Eichen und Kastanien,
       deren Früchte den Europäischen bald mehr bald minder gleichen.
       Die Laurineen (Lorbeergewächse) und die Rubiaceen scheinen hier
       so zahlreich wie auf Java zu sein; dagegen vermißt man die
       schöne, dort einheimische Rasamala (~Liquidambar Altingiana~).
       Reich vertreten sind die Aroideen, Scitamineen, Acanthaceen,
       Araliaceen, Sapindaceen, Meliaceen, Terebinthiaceen und
       Leguminosen. -- In einer Höhe von etwa 6800 Fuß beginnt die,
       der Javanischen ähnliche Alpenflora. Man sieht vor allem das
       zierliche ~Rhododendron retusum Benn.~ und viele schöne Arten
       von ~Gautiana~, ~Thibaudia~ oder ~Agapetes~ u. a. ~Graphalium~
       und verschiedene neue Arten von Synanthereen zeigen sich bis
       hoch hinauf.“

  [10] Schon bei meinem frühern Aufenthalte in Batavia hatte ich das
       Vergnügen, die Bekanntschaft des Herrn Doktor +Blecker+ zu
       machen, der unter die ersten Ichthyologen unserer Zeit zu zählen
       ist. Herrn Bleckers Sammeln beschränkt sich hauptsächlich auf
       Indien; er hat in dieser Beziehung gewiß die reichste Sammlung,
       die bisher besteht. Ich war so glücklich, ihm mehrere neue
       Gegenstände von Borneo, Sumatra und von den Molukken zu bringen.
       Er beschenkte mich dagegen reichlich mit Fischen von Java und
       andern Plätzen.




Neuntes Kapitel.

  Java. -- Samarang. -- Die Schlammquellen von Grobogan. -- Besuch
  der freien Fürstenthümer Djogokarta und Surukarta. -- Der Tempel
  Boro-Budoo. -- Die heilige Schildkröte. -- Audienz bei dem Sultan. --
  Solo. -- Fürstliches Leichenbegängniß. -- Audienz bei dem Susuhunan.
  -- Rückkehr nach Samarang. -- Reise nach Surabaya.


In Batavia angekommen wollte ich die Güte des Residenten Herrn van Rees
nicht mißbrauchen und stieg bei der Familie des Herrn Obrist Steuerwald
ab.

Meines Bleibens war aber nicht lange; ermuthigt durch die gute
Aufnahme, die ich auf Java und Sumatra gefunden, durch die
Bereitwilligkeit, mit welcher man mir überall das Reisen so viel als
möglich zu erleichtern gesucht hatte, wünschte ich nun auch das Innere
Javas, so wie Celebes, die Molukken u. s. w. zu besuchen.

Es gibt auf Batavia zwei Dampfschifffahrts-Gesellschaften,
deren Schiffe alle Inseln und etwas bedeutenderen Punkte der
Holländisch-Indischen Besitzungen berühren. Ich ging zu den Direktoren
beider, den Herren +Cores de Vries+ und +Fraser+, um sie zu ersuchen,
mir die Ueberfahrtspreise etwas billiger zu stellen. Wer stellt sich
meine Ueberraschung, meine Freude vor, als mir die Herren die Erlaubniß
ertheilten, von ihren Schiffen unentgeldlich überall, wohin sie gingen,
Gebrauch zu machen[11]!

Schon am +18. November+ verließ ich wieder Batavia auf der „Königin
der Niederlande,“ Kapitän Chevalier, mit der Bestimmung für +Samarang+
auf der Ostküste Java’s (210 Meilen). Wir hatten herrliches Wetter und
legten die Reise in 37 Stunden zurück. Das Land verloren wir selten
aus dem Gesicht. Es breitete sich als unübersehbare Ebene längs
dem Seegestade aus; erst nahe bei Samarang kam wieder ein Theil der
Gebirgswelt zum Vorschein, dabei der 5000 Fuß hohe +Ungarang+.

In Samarang fand ich bei Dr. +Schmitz+ die herzlichste Aufnahme. Er wie
seine Gemahlin waren Deutsche, hatten mir, der ihnen ganz Fremden, nach
Batavia geschrieben und mich in ihr Haus eingeladen für den Fall, daß
mich mein Weg nach Samarang führe. Von der Frau hatte ich schon viel in
Batavia als von einer ausgezeichneten Sängerin sprechen gehört.

Die Stadt Samarang liegt in einer sehr fruchtbaren Ebene und ist von
prachtvollen Alleen von Tamarinden-Bäumen umgeben, die hier zu einer
seltenen Höhe und Ueppigkeit gelangen. Die Europäer wohnen auch hier,
wie zu Batavia, außerhalb der Stadt.

Zu den ausgezeichnetsten Gebäuden gehört das Haus des Residenten[12].
In früheren Zeiten, als auch auf der Ostküste Java’s ein Gouverneur
residirte, war es dessen Palast. Ein großer, schöner Garten umgibt es.

Nach diesem Gebäude ist das Hospital, die ehemalige Wohnung des
Residenten, zu erwähnen.

Ich besuchte die Hospitäler beinahe in allen Holländischen
Niederlassungen und fand sie überall, selbst in den kleinsten
Orten, ausgezeichnet, vollkommen gut eingerichtet und die Kranken
trefflich gehalten. Ich müßte von jenen herrlichen Anstalten nur
immer wiederholen, was ich von der ersten geschrieben habe. In
dieser Hinsicht scheinen mir die Holländer alle übrigen Nationen zu
übertreffen.

In der erwähnten Anstalt hatten es die Irrsinnigen vorzüglich gut:
sie wohnten zu vier oder sechs gemeinschaftlich in hohen, geräumigen
Zimmern. Als ich in ihre Abtheilung kam, hatte ich gar keine Ahnung,
mich unter Irren zu befinden. Früher wurden die Unglücklichen bei
starken Ausbrüchen gebunden; unter der Leitung des Dr. Schmitz hat
diese Behandlung aufgehört. Er bestraft sie wie ungezogene Kinder und
beschränkt sie auf einen oder mehrere Tage in der Kost, was stets den
besten Erfolg hat.

Das Merkwürdigste in der Residentschaft Samarang sind die aufbrodelnden
Schlammquellen in der Nähe des Districtes +Grobogan+. Herr Resident
+Potter+ gewährte mir Postpferde dahin (66 Paal), Frau Schmitz war so
liebenswürdig, mich zu begleiten, und gut ausgerüstet verließen wir am
22. November Samarang.

Man kann leicht in einem Tage nach Grobogan kommen; da aber unterwegs
zu +Pennwangan+ (36 Paal) eine bedeutende Tabakfabrik lag, mit deren
Inhaber, Herrn +Klein+, Frau Schmitz bekannt war, fuhren wir am ersten
Tage nur bis dahin. Herr Klein zeigte uns die ganze Anstalt. Der Tabak
ist auf Java nicht gänzlich Monopol; man ist nicht gezwungen, ihn gegen
festgesetzte Preise an die Regierung zu liefern. Man miethet nur die
Ländereien auf zwanzig Jahre von ihr, mit welchem Pachte zugleich das
Recht auf eine gewisse Anzahl Arbeiter zu bestimmten Preisen verbunden
ist.

Herr Klein hat auf den von ihm gepachteten Ländereien acht große
Trockenhäuser von Holz aufgeführt, jedes 750 Fuß lang, 106 breit und
42 hoch. Die Tabaksblätter werden hier nicht gepflückt, sondern die
Pflanze wird an dem Stengel abgeschnitten und so aufgehangen. Wenn
die Blätter trocken sind, werden sie abgenommen, in große Haufen
aufgeschichtet und so lange liegen gelassen, bis sie durch ihre eigene
Wärme zu gähren beginnen. Die Verfertigung der Cigarren ist höchst
einfach. Die großen, schönen Blätter werden mit feinem Reiskleister
bestrichen, kleinere Blätter darein gerollt, die Cigarren oben und
unten nach einem Maße abgeschnitten, nochmals getrocknet und verpackt.

Den +23. November+ ging es weiter durch die Districte Damak und
Grobogan bis zu den Schlammquellen. Der Weg führte gestern wie heute
durch große, unübersehbare Ebenen, deren Einförmigkeit mir etwas
langweilig wurde. In weiter Ferne nach dem Inneren zu sah man den
+Ungarang+, +Merapi+, +Merbabu+, längs der Seeküste die niedrigen
Vorgebirge von +Sumbing+ und +Sindoro+.

Diese Gegend wird ihrer Fruchtbarkeit wegen die Reiskammer von Java
genannt, und doch fand hier im Jahre 1849 eine furchtbare Hungersnoth
statt. Die Reisernte war mißglückt, und Tausende von Menschen starben
dahin. Augenzeugen erzählten mir, daß man sich von dem Elende, von
den schauderhaften Scenen dieser Zeit gar keine Vorstellung machen
könne. In jeder Hütte lagen Todte, Sterbende, Halbverweste; die
Lebendigen waren oft nicht mehr im Stande, die Verstorbenen hinweg zu
schaffen. Ueberall begegnete man nur Gerippen; ausgehungerte Kinder,
die Eltern und Freunde verloren hatten, irrten jammernd umher und
schrieen nach Brot. Männer und Weiber fielen auf den Straßen nieder
und gaben den Geist auf. Man beraubte die Kokospalmen ihrer Kronen, um
die Blätter zu kochen und zu essen. Und so groß war dabei der Glaube
dieser Unglücklichen an ihre Bestimmung, daß sie neben den vollen
Reissäcken, die in und vor den Kaufläden standen, hinsanken und mit
dem Hungertodte kämpfend ausriefen: „Gott hat dieses Schicksal über
uns verhängt!“ -- Kein Kaufladen wurde geplündert.

Mehrere Privatleute sandten Berichte über diese grenzenlose Noth an
die Regierung und selbst an den Gouverneur-General (Herr +Deimar+ van
+Twist+ war zu dieser Zeit noch nicht in Indien; er kam erst im Jahre
1851). Die Regierung schien aber nur ihren eigenen Organen glauben
zu wollen und forderte officielle Berichte von dem Residenten zu
Samarang, Herrn Be..... Sollte man es glauben, daß dieser Mann die
Grausamkeit hatte, alles für unwahr zu erklären? Er wollte sogar die
Namen jener wissen, welche die Berichte geschrieben hatten, um sie
zu bestrafen[13]. Als die Regierung hinter die Wahrheit kam, war es
für Tausende und Tausende schon zu spät[14]. Viele der Unglücklichen
waren schon so schwach, daß sie die Nahrung nicht mehr vertragen
konnten. Die Straßen, die Dörfer lagen voll Leichen; bösartige Seuchen
entstanden in Folge der verpesteten Luft, und 120,000 Menschen
starben in der Zeit von 13 Monaten (September 1849 bis Oktober 1850);
außerdem wanderten über 20,000 aus. Und was geschah dem Residenten
und dem Assistent-Residenten? -- Ersterer wurde pensionirt, mit einem
jährlichen Gehalte von 6000 Recepissen, letzterer als +Resident+ in
eine andere Provinz versetzt.

Noch jetzt sah es in dem Bezirke Grobogan, wo die Noth am größten
war, düster und traurig aus. Obwohl die nie ermüdende Natur mit ihrem
grünen Teppiche die Leichenfelder überdeckt hatte, konnte sie weder die
Hütten beleben und vor dem Einsturze bewahren, noch den Bäumen ihre
Kronen wiedergeben. Alang-Alang und Gestrüppe wucherte auf dem größten
Theile des Bodens, zahllosen Heerden von Wildschweinen zum Tummelplatze
dienend. In wenig Jahren wird freilich wieder alles reich ersetzt sein;
die Geflüchteten kehren bereits zu ihren verfallenen Hütten zurück, der
ausgeruhte Boden wird doppelt tragen, und der Reisende durch die Ebene
ziehen, ohne im geringsten zu ahnen, von welchen Schreckensscenen sie
Zeuge war. Wird auch Herr Be..... diese Scenen aus seiner Erinnerung
streichen können?

Das Aufbrodeln der Schlammquellen sieht man schon einige Paal weit
von der Straße aus; es gleicht der Brandung des Meeres. Der Schlamm
steigt wie eine Woge in die Höhe, und der Dampf ist mit dem feinen
Staubregen der schäumenden Welle zu vergleichen. Wir fuhren den Quellen
bis einen halben Paal nahe. Tragstühle, durch die Vorsorge des Herrn
Assistent-Residenten, der uns begleitete, bereit gehalten, brachten uns
an Ort und Stelle.

Auf gelegten Brettern konnten wir bis an den Rand der Hauptquelle
gehen. Ihr Becken mag über 100 Fuß im Durchmesser haben. Das ganze
Becken ist zwar mit Schlamm gefüllt; allein nur ein kleiner Theil
brodelt gleich einer Woge auf, das übrige ist halb verhärtet. Die
Schlammquelle in diesem Becken hat 15 Fuß im Durchmesser; sie brodelte
höchstens 4 Fuß auf; bei anhaltendem Regenwetter soll sie einige
Fuß höher aufsteigen. Unbedeutende Aufbrodelungen von Schlamm gibt
es an vielen Stellen in dem Becken; Gas- oder Luftblasen steigen
beinahe überall auf. Ein zweites kleines Schlammbecken, von sechs bis
sieben Fuß im Durchmesser, liegt unfern dem großen. Man kann ihm ganz
nahe kommen; der kaum fußhoch aufwirbelnde Schlamm ist lauwarm. Wir
steckten ein sehr langes Bambusrohr in das Becken, welches von der
unterirdischen Kraft alsbald gehoben und über den Rand geworfen wurde.
Die große Schlammquelle ist viel heißer als die kleine. Der Schlamm
schmeckt sehr salzig. Viele Leute aus der Umgebung tragen davon nach
Hause und ziehen durch Abwässerung die Salztheile heraus. Diese Quellen
verdienen allerdings besucht zu werden; für mich waren sie jedoch nicht
so überraschend, da ich auf Island viel Wunderbareres der Art gesehen
hatte.

In der Nähe der Schlammquellen sind auch Salzquellen, oder besser
gesagt Salzbrunnen, denn vierkantige Oeffnungen von 4 Fuß Breite und 40
Fuß Tiefe leiten zu ihnen. Sie haben in der trockenen Jahreszeit eine
Wärme von 45 Grad Reaumur, in der Regenzeit von 39. Die Oeffnungen sind
mit Balken ausgezimmert, um das Einstürzen des Erdreichs zu verhindern.
Das Wasser wird herausgeschöpft und in große Becken geleitet, wo es
so lange bleibt, bis sich der wenige Schlamm, den es mit sich führt,
gesetzt hat. Man läßt es dann in ganz seichte, auf drei Fuß hohen
Gestellen ruhende Rinnen laufen und an der Sonne verdampfen. Das Salz
bleibt in kleinen, weißen Krystallen zurück und wird mit Muscheln
zusammengefaßt.

Es gibt viele solche Salzbrunnen in dieser Gegend. Der Reingewinnst im
Jahre beträgt 10,000 Pikul Salz. Man konnte mir nicht sagen, wie viel
Procent reines Salz dies Wasser liefert.

Von den Salzquellen kehrten wir mit dem Herrn Assistent-Residenten nach
Grobogan zurück und nahmen seine freundliche Einladung, die Nacht in
seinem Hause zuzubringen, gern an.

Am +24. November+ zogen wir wieder in Samarang ein, um sogleich
Vorbereitungen zu einer bedeutenderen Reise nach dem Innern des Landes
zu treffen. Herr Resident Potter gestattete mir Postpferde für seinen
ganzen Distrikt und versicherte mir, daß die übrigen Residenten
gewiß dasselbe thun würden. Er rieth mir besonders, die herrlichen
Hindu-Tempel, so wie die freien Fürstenthümer +Djogokarta+ und
+Surakarta+ zu besuchen.

Auf dieser Reise begleitete mich Herr und Frau Schmitz.

Wir verließen Samarang am +26. November+ und fuhren 48 Paal bis
+Magelang+, in der Residentschaft +Kadu+. Zu diesen 48 Paal benöthigten
wir neun Stunden, denn stets ging es über Gebirge von mehr als 2000
Fuß, ja zwischen +Salatiga+ und Magelang über eine Höhe von 4550 Fuß.
Unserem Sechsgespanne wurden häufig tüchtige Büffel zugesellt.

Diese langsame Fahrt war uns allen höchst angenehm, denn die Ansichten
waren überaus reich und wechselnd. Das Meer mit seinem endlosen Spiegel
lag tief unter uns, ein zweites Meer von Bergen, Hügeln und Thälern
umgab uns. Im Westen prangte der +Sumbing+ (10,770 Fuß), im Osten
der +Merapi+ (8240 Fuß), der +Merbabu+, im Norden der +Onclong+, das
+Telo-mayo-+ und +Jambu-+, im Süden das +Minore-Gebirge+. Unter den
Thälern war das schönste jenes von +Ambarawa+; es ist mit herrlichem
Grün, mit lieblichen Bosketen bedeckt. Leider ist diese Schönheit zum
Theil nur Larve, da der größte Theil dieses Thales einen trügerischen
Sumpf bildet, der an manchen Stellen unergründlich tief sein soll.

Einige Paal früher kamen wir an dem kleinen Fort +Ungarang+ vorüber,
welches seiner hohen Lage wegen so gesund ist, daß viel krankes Militär
hieher gesandt wird. Auch für Privatleute ist ein geräumiges Hotel
errichtet.

In dem Thale Ambarawa liegt die Festung „Wilhelm der Erste“; sie bildet
ein regelrechtes Viereck und ist die größte auf Java.

Um drei Uhr Nachmittag kamen wir in Magelang an (1200 Fuß hoch
gelegen). Herr Resident +Gaillard+ war so gütig, mich aufzunehmen.
Dr. Schmitz mit seiner Frau stieg bei einem Freunde ab. Das Gebäude,
welches der Resident bewohnt, gehört zu den sehr schönen, die Lage
zu den reizendsten, da sie das großartige Rundgemälde der herrlichen
Gebirgswelt beherrscht. Der dazu gehörige große Garten verdiente den
Namen eines Parkes; er ist sehr geschmackvoll angelegt und mit vielen
Alterthümern aus den nahen Hindu-Tempeln ausgeschmückt, unter welchen
auch der heilige Stier nicht fehlt.

Ganz nahe bei Magelang liegt ein einzelner Hügel, von welchem die
Eingebornen behaupten, daß er gerade den Mittelpunkt Java’s bezeichne;
sie nennen ihn deshalb „den Nabel von Java.“

In Magelang wurde mir das große Vergnügen zu Theil, meinen lieben
Landsmann Herrn Wilson kennen zu lernen, dessen Arbeiten ich in Batavia
gesehen und bewundert hatte.

Herr Wilson war von der Holländischen Regierung beauftragt worden,
die Hindu-Denkmäler und ganz besonders den Tempel +Boro-Budoo+ von
Innen und Außen auf das genaueste aufzunehmen. Diese kolossale Aufgabe
hatte er so eben beendet, und in wenig Tagen sollte er nach Batavia
zurückkehren.

Wir blieben einen Tag in Magelang; den nächsten Morgen begleitete uns
Herr Wilson nach dem zwölf Paal entfernten Tempel Boro-Budoo, und war
so gefällig unsern Führer und Erklärer abzugeben.

Der Tempel, als Gebäude betrachtet, hat gar nichts Kunstvolles oder
Schönes an sich. Er besteht aus zehn bis zwölf Fuß hohen Steinwänden,
die an einem kleinen Hügel, den sie ganz einnehmen, stufenweise
aufgeführt sind und ein regelmäßiges Viereck von 362 Fuß Durchmesser
bilden. In fünf Gallerien erheben sich die Wände eine über der andern
bis zu einer kleinen Fläche, von welcher wieder drei Terrassen
aufsteigen; den Schluß bildet das Sanktuarium, eine große Glocke
(leider schon größtenteils eingestürzt), unter welcher ein Buddha
sitzt, der vorsätzlich unvollendet blieb, denn die Hindu sagen, daß das
Allerheiligste von Menschenhänden nicht vollendet werden kann[15].

Die Höhe der ersten fünf aufsteigenden Terrassen beträgt 90 Fuß,
des ganzen Tempels mit den letzten drei Terrassen und der obersten
Glocke 120 Fuß. Auf der obersten Terrasse stehen 24 durchbrochen
gebaute Glocken, auf der zweiten 28, auf der dritten 32, jede mit
einem sitzenden Buddha. Im Ganzen enthält der Tempel 505 große Statuen
des Buddha und 4000 Basreliefs, die an den In- und Außenseiten der
Gallerien ausgehauen sind. Kein leeres Plätzchen zeigt sich an den
Wänden; alles ist mit menschlichen Figuren, Arabesken u. s. w. bedeckt.

Zu dem Zeichnen dieser ungeheuern Menge von Statuen, Basreliefs,
Figuren und Arabesken hat Herr Wilson nur vier Jahre verwendet. Der
ganze Tempel ist mit seinen unzähligen Einzelheiten auf 400 große
Velinbogen mit der Feder gezeichnet und auf diese Weise für die
Nachwelt bewahrt, wenn er selbst schon lange in Schutt gefallen sein
wird.

Aus den Basreliefs kann man die ganze Schöpfungsgeschichte der
Indier, die Erschaffung des ersten Menschen, die nach und nach sich
vervollkommnende Heiligkeit des Buddha u. s. w. ersehen. Diese
Schöpfungsgeschichte hat sehr viel Aehnlichkeit mit der unsrigen.

Die Figuren und Gruppen auf den Basreliefs kommen mir hier viel
richtiger, geschmackvoller und kunstreicher in Ausführung und
Zusammenstellung vor, als ich sie an den Tempeln zu +Elora+,
+Adjunta+ und andern in Brittisch Indien gesehen habe; dagegen fand
ich dort die Arabesken ungleich zierlicher, die Glocken und Figuren
bei weitem kolossaler. Was den Tempel als Gebäude anbelangt, kann
man ihn natürlich mit den großartigen Hindostanischen Tempeln nicht
vergleichen, da er, wie gesagt, nur aus parallel laufenden Steinwänden
besteht. Die Bauart ohne Mörtel, die Wölbung durch Vorschiebung der
übereinander gelegten Steine ist hier wie dort dieselbe.

Man vermuthet, daß der Tempel +Boro-Budoo+, wie auch die übrigen
Hindu-Tempel auf Java, im achten Jahrhundert nach Christi Geburt erbaut
worden seien. Welche Unzahl von Künstlern muß es zu jener Zeit gegeben
haben, um solche Riesen-Kunstwerke zu Stande zu bringen!

Obwohl der Hindu-Gottesdienst schon im 15. Jahrhundert von dem
Mohamedanismus verdrängt und ausgerottet wurde, und ganz Java seit
dieser Zeit mohamedanisch ist, so kommen doch noch Tausende von
Javanesen zu gewissen Zeiten im Jahre nach den Tempeln, um Gebete zu
verrichten. Die +Buddha’s+ in dem Tempel Boro-Budoo werden besonders
von dem weiblichen Geschlechte hoch verehrt. Viele Mütter pilgern
hieher, um vor ihrer Niederkunft zu bitten, nach derselben zu danken;
Bräute tragen ihre geheimen Anliegen vor. Ein Theil des alten
Gottesdienstes ist auf diese Art in den neuen übergegangen und hat sich
mit ihm verschmolzen.

Der Tempel Boro-Budoo ist leider schon ziemlich in Verfall; ein starker
Erdstoß -- und das Ganze kann ein Schutthaufen werden. Viele Wände und
Steine hängen in so losen Fugen und Geschieben über- und aneinander,
daß man mit Angst bei denselben stehen bleibt oder vorübergeht--
ein Luftzug scheint hinlänglich zu sein, sie umzuwerfen. Nur der
begeisterte Künstler konnte die Gefahr vergessen und Jahre lang hier
verweilen. Häufig fielen Steine aus ihren Fugen neben ihm zu Boden, ja
kürzlich bei einer schwachen Erderschütterung eine ganze Nische. Auch
hatte Herr Wilson von der glühenden Hitze viel zu leiden, die sich
zwischen den engen Wänden bildete und von keinem Lufthauche gemildert
wurde.

In der Entfernung von nur einem Paal steht der zierliche kleine Tempel
+Mendut+. Er mag zwanzig Fuß im Durchmesser und fünfzig in der Höhe
haben und geht in einer Kuppel aus; die Steine halten sich durch ihre
eigene Schwere, wie in den Glocken zu Boro-Budoo. Sachverständige
erteilen diesem Tempelchen ein besonders großes Lob; sie bewundern
die Wölbung, die Zierlichkeit der Arabesken, die drei darin sitzenden
Figuren, welche, wenn in aufrechter Stellung, sechzehn Fuß hoch wären.
Die Rundung der Formen, das höchst richtige Ebenmaß der Glieder, die
edlen Gesichtsbildungen dieser Statuen sollen das Vollendetste sein,
was man bisher von der Bildhauerarbeit der Hindu gesehen hat. Die
mittlere Figur stellt einen Buddha, die beiden anderen stellen Könige
vor.

An diesem Kleinode der Kunst nahmen wir Abschied von Herrn Wilson und
fuhren noch 18 Paal weiter nach +Djogokarta+, der Hauptstadt des freien
Fürstenthumes gleichen Namens.

Die beiden Fürstenthümer +Djogokarta+ und +Surakarta+ bildeten vor
etwas mehr als hundert Jahren ein mächtiges Reich unter dem Namen
+Mataran+. Zwei Brüder führten zu dieser Zeit einen Krieg um dasselbe,
welcher fünfzehn Jahre währte. Im Jahre 1752 schlossen sie Frieden
und theilten das Reich unter sich. Beide standen zwar damals schon
unter dem Schutze (?) der Holländischen Compagnie, genossen aber
ungleich mehr Freiheit und Selbstständigkeit, als heut zu Tage, bis
sich im Jahre 1825 der Prinz +Diepo Negoro+ zu Djogokarta, theils aus
Ehrsucht, theils beleidigt durch die zurücksetzende Behandlung der
Holländischen Beamten, empörte und die beiden Reiche in einen Krieg mit
den Holländern verwickelte, welcher fünf Jahre dauerte, sechstausend
Menschenleben und viele Millionen Rupien kostete. Die Folge war für die
eingeborenen Fürsten, daß die Holländer ihnen einen großen Theil der
Ländereien abnahmen und sie gänzlich abhängig machten. Sie führen zwar
noch den Titel „selbstständige“ Fürsten, haben aber einen Holländischen
Residenten zur Seite, der sie eben so beschränkt und überwacht, wie die
Engländer ihre „freien Könige“ in Hindostan. Sie dürfen ohne Vorwissen
des Residenten keinen Besuch, keinen Brief empfangen, ja nicht einmal
ihre Paläste verlassen; dafür bekommen sie aber von der Holländischen
Regierung einen jährlichen Gehalt oder eine Entschädigung, und zwar der
Sultan von Djogokarta 480,000 Rupien, der Susuhunan[16] von Surakarta
648,000 Rupien.

Ich stieg in Djogokarta, einer gütigen Einladung des Residenten Herrn
+Hasselmann+ zu Folge, in seinem Hause ab. Eine schönere Residenz als
diese (höchstens jene von Samarang ausgenommen) ist mir noch nicht
vorgekommen. Vermutlich hat man sie absichtlich in einem so großartigen
Style gebaut, um den Javanischen Fürsten Achtung vor den Europäern
einzuflößen, um so mehr, da der Sultan dem Residenten einige Mal im
Jahre feierliche Besuche abstattet und bei dieser Gelegenheit mit einem
Gefolge von drei- bis vierhundert Personen kommt, von welchen mehr als
hundert an die Tafel gezogen werden.

Außer den ceremoniellen macht der Sultan auch viele Privatbesuche,
nicht nur bei dem Residenten, sondern auch in anderen Europäischen
Häusern. Er kommt sogar in den Club und nimmt gern Theil am Billard-
und Karten-Spiel, wie überhaupt an jeder Europäischen Unterhaltung.
Wenn er die Europäische Welt zu sich ladet, wird nicht selten
getanzt. Seine Gemahlin und Töchter sind von diesem Vergnügen nicht
ausgeschlossen. Dieß mag vielleicht der einzige Ort in der Welt sein,
wo man die Gemahlin, die Töchter eines mohamedanischen Sultans in den
Armen Europäischer Herren und Offiziere walzen sehen kann. Die Sultanin
soll dem Whist- und L’hombre-Spiele ebenfalls nicht abhold sein.

+29. November.+ Wir brachten den ganzen Tag mit Besehen des
Merkwürdigen, mit Besuchen u. s. w. zu. Die Mutter der Frau Hasselmann,
Frau +Parvé+, eine muntere, sehr gefällige Dame, übernahm es, uns die
Sehenswürdigkeiten von Djogokarta zu zeigen. Wir begannen mit dem
Lustpalaste des Sultans. Jeder seiner Paläste wird „+Kraton+“ genannt
und ist mit hohen Mauerwällen umgeben, welche die Gärten, Badehäuser,
alle möglichen Nebengebäude, ja oft einen kleinen Kampon in sich
schließen. Dieser Palast heißt auch „+Wasserpalast+“ (Tamansari), weil
er bis an das erste Stockwerk unter Wasser gesetzt werden konnte. Von
Portugiesischen Baumeistern im Jahre 1754 gebaut, zeichnet er sich
weniger durch große, schöne Gemächer, als durch feste kasemattirte
Wölbungen und Gänge aus, die, wie man glauben sollte, Jahrhunderten
widerstehen können. Dennoch fängt er schon zu verfallen an; er wird
nicht mehr bewohnt, und ein unbewohntes Gebäude bessert der Malaie
so wenig wie jeder Orientale aus. An Einrichtung findet sich nichts
vor, als eine alte hölzerne Bettstelle, die man gewarnt wird, nicht
zu berühren, da derjenige, der es thäte, alsbald sterben müßte. Dieß
mag vielleicht wohl nur gesagt werden, um die Europäer auf höfliche
Weise abzuhalten, ein Bett zu berühren, welches die Eingebornen für
heilig halten, da der erste der dieses Reich regierenden Sultane darin
geschlafen hat.

Von dem Tamansari fuhren wir nach +Gédé+, dem Begräbnißplatze der
Familie des Sultans wie auch der Vornehmsten des Reiches. Dieser
Ort ist ebenfalls, gleich dem Kraton, mit hohen Mauern umgeben. Die
Gräber sind mit einfachen Steinplatten bedeckt, an deren beiden Enden
zwei bis drei Fuß hohe Steine aufrecht stehen. Ueber manche sah ich
winzig kleine hölzerne Hütten gebaut, vielleicht um die Steine vor dem
Einflusse der Witterung zu schützen. Die Gräber der Sultane sind in
einem großen hölzernen Hause; mehrere davon waren mit Betthimmeln und
weißen Vorhängen geschmückt.

In einem der Nebenhöfe wird in einem Teiche ein sehr merkwürdiges
Thier, eine große weiße Schildkröte gehalten, welche die Eingebornen
als heilig verehren. Sie ist so zahm, daß sie, wenn man sie ruft und
sie Hunger hat, sogleich erscheint, um die Gabe, die man ihr reicht,
aus der Hand zu nehmen. Dieß Kunststück wurde natürlich auch vor uns
aufgeführt, damit wir sie zu sehen bekämen. Sie erschien zweimal an der
Oberfläche des Wassers, ohne jedoch die Speise zu berühren, die man
ihr dicht vor den Mund hielt. Die Führer und die wenigen Eingebornen,
die uns begleiteten und die von Frau Parvé gehört hatten, daß ich in
Stambul und andern ihnen heiligen und interessanten Plätzen gewesen
war, sahen nach mir und sagten, daß ich eine ganz besondere Person
sein müsse, da die Schildkröte zweimal erschienen sei, ohne Hunger zu
haben. Es sei gerade, sagten sie, als wollte sie mich sehen und von mir
gesehen werden. Ich erzähle dergleichen geringfügige Dinge, weil ich
glaube, daß sie zur Charakteristik des Volkes gehören.

Die Auszeichnung, welche mir die Schildkröte erwies, wurde sogleich
in der ganzen Gegend als ein Wunder erzählt. Als ich Nachmittags dem
Sultan und seiner jungen, neunzehnjährigen, kinderlosen Gemahlin
vorgestellt wurde, faßte letztere, dieser Begebenheit wegen, ein
solches Vertrauen zu mir, daß sie mir leise in das Ohr flüsterte.
„O, bete für mich zu Deinem Gotte, daß er mich segnet und den Baum
nicht ohne Früchte dahin welken läßt!“ -- Dieß war doch der schönste
und rührendste Beweis von Zutrauen, der mir als Christin von einer
Mohamedanerin werden konnte.

Die Schildkröte war bei zwei Fuß lang, Schale und Körper ziemlich weiß,
erstere nicht horn-, sondern lederartig, die Augen roth. Sie hatte
mehrere Junge, die alle ebenfalls weiß waren. Durch die besondere
Verwendung der Frau Parvé erhielt ich eines, das ich sogleich in
Spiritus verwahrte.

Man hat die Behauptung aufgestellt, daß diese Thiere hier deshalb weiß
seien, weil der Wasserplatz, in welchem sie leben, nie von der Sonne
beschienen würde. Es wäre belehrend, einen Versuch mit einer dunklen
Schildkröte zu machen; ich glaube kaum, daß ihre Nachkommenschaft die
Farbe wechseln dürfte.

Ein zweiter fürstlicher Begräbnißplatz, auf welchen auch die Susuhunans
von Surakarta nebst ihren Familien kommen, liegt drei Paal von hier
entfernt; er heißt +Imo-Giri+. Die Gräber ziehen sich längs eines
Hügels von einigen hundert Fuß in die Höhe. Die Verwandten der
fürstlichen Häuser werden je nach dem Grade ihrer Verwandtschaft höher
oder tiefer auf dem Hügel begraben.

Bei der Rückkehr nach Hause fuhren wir über den großen Platz, auf
welchem Bazar gehalten wurde, der durch die vielen und schönen
Kupferarbeiten im ganzen Lande berühmt ist; sie werden in der Umgegend
verfertigt und hierher zum Verkaufe gebracht.

Nachmittags wurden wir von dem Sultan in seinem Palaste empfangen. Wir
kamen durch drei Höfe, in welchen baufällige Häuschen, erbärmliche
hölzerne Hütten, Pferdeställe u. s. w. standen.

Der Palast eines Javanesischen Fürsten oder Sultans besteht aus dem
Pendopo, Dalem und Probojekso. Der Pendopo ist eine ganz offene Halle,
über die sich ein hohes Dach wölbt, und zu welcher einige Stufen
führen. Er ist für die Festlichkeiten bestimmt und nur mit Tischen und
Stühlen meublirt. Dem Pendopo gegenüber steht der Dalem, ebenfalls eine
große Halle, die aber, allein von vorne offen, und daher etwas finster
ist, denn sie hat gewöhnlich keine oder wenige niedrige Fensterchen.
Der Dalem ist der Aufenthaltsort des Fürsten und zugleich der
Empfangssaal; er ist mit Kanapes, Stühlen, Spiegeln, Uhren, Gemälden u.
s. w. meistens überladen. Mehrere Thüren, im Hintergrunde angebracht,
führen in den Probojekso, den innern Aufenthaltsort des Fürsten, seiner
Frauen und Familie. Er besteht aus einem kleinen Saale mit vielen
Kämmerchen und Winkelwerk, alles düster und enge; einige Bettstellen,
Matten, Polster und Kissen bilden die ganze Einrichtung.

Alle fürstlichen Paläste, die ich auf Java sah, waren von Holz. Sie
sind nicht im entferntesten mit der Pracht, dem Reichthume, der Kunst
und dem Aufwande der Bengalischen und Hindostanischen Fürstensitze zu
vergleichen.

Der Sultan kam uns bis einige Schritte vor dem Dalem entgegen; er
reichte jedem von uns die Hand, führte uns in den Saal und wies
uns neben sich Plätze zum Sitzen an. Er zählte 32 Jahre, war von
mittlerer Größe, etwas beleibt, das Gesicht hübsch. Er hatte eine
Art Schlafrock an, darüber einen Sarong, beide, so wie das Kopftuch,
von Seidenstoffen. An Schmuck trug er eine Brosche und einige
Diamantenringe.

Ich war sehr erstaunt, in dem Dalem lauter weibliche Diener zu sehen;
zu Dutzenden kauerten sie halb nackt überall umher. Sie hatten nichts
als einen Sarong an, der kaum die halbe Brust deckte. Daß sich die
mohamedanischen Fürsten in ihren innersten Gemächern nur von Weibern
oder Eunuchen bedienen lassen, ist weltbekannt; aber sie auch in
den Empfangssälen nur von Weibern umgeben zu sehen, kam mir gar zu
unmännlich vor.

Nachdem sich der Sultan einige Zeit mit uns unterhalten hatte, führte
er uns in den Probojekso. Er ist so loyal, selbst den Europäischen
Herren das Betreten des innersten Heiligthumes zu gestatten. Wir
wurden seiner Gemahlin vorgestellt, einer Frau von 19 Jahren, dem
schönsten Geschöpfe, das ich bisher unter den Malaien oder Javanesinnen
gesehen hatte. Ihr Näschen war allerliebst, der Mund ziemlich klein,
mit glänzend weißen, schön geformten Zähnen, die Augen groß und
feuersprühend; die etwas breiten, hervorstehenden Backenknochen allein
erinnerten an die Javanesische Abkunft. Der Sultan verbietet seiner
Familie das Sirikauen, sowie das Schwärzen und Feilen der Zähne. Außer
der Sultanin sahen wir noch zwei Töchter des Sultans aus andern Ehen,
hübsche Mädchen von zwölf bis dreizehn Jahren.

Die Sultanin, wie die beiden Mädchen, waren nach der Sitte des
Landes in Sarongs und Kabays gekleidet. Sie trugen viele Haarnadeln,
Ohrgehänge, Ringe u. dgl. mit Diamanten. Die Sultanin sprach nie mit
ihrem Gemahle, ohne die Augen zu Boden zu schlagen und die Hände wie
bittend gegen die Stirne zu erheben.

Nachdem wir Thee getrunken hatten, zeigte uns der Sultan seine Waffen
und Kostbarkeiten; auch die golddurchwirkten Kleider seiner Gemahlin
bekamen wir zu sehen. Auf seinem Bette lagen vier der schönsten
Kriese[17], in der Ecke des Bettes am oberen Theil stand die Büste
des Königs von Holland. Das wird doch ein getreuer Verehrer seines
Europäischen königlichen Bruders sein!

Die höheren Diener und Beamten dieses, sowie auch anderer
Javanesischer Fürsten zeichnen sich durch eine eigentümliche
Kopfbedeckung aus: sie besteht in einer zehn Zoll hohen Kappe von
Strohgeflecht, Seide oder Goldstoff, je nach dem Range der Person.

Am +30. November+ fuhren wir nach +Solo+, der Hauptstadt von Surakarta
(40 Paal). Auf dem Wege dahin kommt man den „tausend Tempeln“ nahe
vorüber, die unweit des Oertchens +Brambanang+ liegen. Sie bilden eine
ganze Gruppe. In der Zahl ist man nicht übereingekommen; die Einen
geben 170, die Andern 300 an, auf jeden Fall weit weniger als tausend.
Die Tempel sind klein, im Style des Mendut. Der Haupttempel soll 67
Fuß hoch gewesen sein, ist aber schon beinahe zu einem Schutthaufen
verfallen. Wir kletterten bis an die obere Abtheilung, von welcher wir
in das Innere sehen konnten. In einer kleinen, gewölbten Halle stand
noch ein Buddha und hie und da entdeckte man einige Arabesken. Die
übrigen Tempel sollen nicht höher als 24 Fuß gewesen sein, und in jedem
soll ein Buddha gestanden haben.

In Solo konnte mich der Resident Herr +Büschkens+ nicht aufnehmen:
man war gerade beschäftigt, seine etwas baufällige Residenz
herzustellen. Ich ward in das Haus des Herrn +Göreke+, Missionärs
und Bibelübersetzers, gebracht, eines überaus gemüthlichen und
menschenfreundlichen Mannes. Ganz besonders gefiel mir seine Toleranz:
er war einer jener leider so seltenen Geistlichen, die den Menschen
mehr nach seinen Handlungen schätzen, als nach dem Glauben, zu welchem
er sich bekennt.

Die Lage von Solo ist nicht so hübsch, als jene von +Djogokarta+. Die
Ebene ist zu groß, die Gebirge sind zu fern, den 10,400 Fuß hohen Lawas
ausgenommen, dessen Formen man ziemlich deutlich sieht.

Ich fand in den freien Fürstenthümern Grund und Boden durchgehend gut
kultivirt. Dieß mag wohl daher kommen, daß die Fürsten ihre Ländereien
verpachten und die Pächter fleißig arbeiten müssen, um den hohen Pacht
heraus zu bringen. Man baut in beiden Fürstenthümern ziemlich viel
Indigo. Die Hütten der Eingebornen, so wie ihre Kleidung, fand ich
nicht schlechter und ärmlicher als im übrigen Java. Es gibt unter den
Reisenden viele, die in den Holländischen Besitzungen alles besser
bebaut und kultivirt finden wollen. Ich kann indeß nur so schildern,
wie mir die Sache erscheint, und bemühe mich stets, mein Urtheil so
viel als möglich vor Partheilichkeiten zu bewahren. Wege und Brücken
sind gleichfalls gut unterhalten. Hierzu werden die freien Fürsten
freilich von der Holländischen Regierung verhalten, die in den beiden
Städten Solo und Djogokarta bedeutende Forts hat.

Man macht einen Unterschied zwischen den Malaien und Javanesen.
Letztere leben mehr in dem Inneren von Java und den beiden freien
Fürstenthümern. Man behauptet von ihnen, daß sie schöner und von
besserem Charakter als die Malaien und einer größeren Anhänglichkeit
fähig seien. Ich hatte zufällig Gelegenheit, das Volk in großer Menge
zu sehen, da während meiner Anwesenheit in Djogokarta Bazar gehalten
wurde und hier in +Solo+ zwei Feierlichkeiten stattfanden. Ich muß
jedoch aufrichtig gestehen, daß mir das Volk eben so häßlich vorkam,
als auf Batavia. Man rühmt ihre kleinen Hände und Füße. Es ist wahr,
der Malaie wie der Javanese haben kleine Hände und Füße; aber in der
Kleinheit allein besteht nicht die Schönheit. Die Hände sind so mager,
daß jeder Knöchel hervorsteht, die Fingerspitzen ein wenig aufwärts
gebogen. Finger, Hände und Arme können sie so verdrehen, daß es häßlich
anzusehen ist. Diese Schlappheit in den Gliedern und Muskeln ist auch
den Europäern eigen, die in diesen Ländern geboren und erzogen werden.
Die Füße sind nicht minder häßlich, sehr platt und die Fußzehen stehen
weit aus einander.

Unter den Hochgebornen so wie unter der Dienerschaft in den Harems
der Fürsten sieht man wohl mitunter hübsche Leute, schöne Kinder; das
darf aber nicht als Maßstab angenommen werden. Alles was schön ist,
Männer wie Weiber, sucht man in die Fürstenhäuser zu bringen. Will
ein Javanese seine Tochter vor dem Harem schützen, so muß er sie sehr
jung verheirathen oder eine öffentliche Tänzerin aus ihr machen; als
solche ist sie für jeden Mann, den sie nicht selbst begünstigt, ein
Heiligthum. Dieser sonderbare Gebrauch geht so weit, daß, wenn eine
Frau sich von ihrem Manne gegen dessen Willen scheiden will, sie nur
eine öffentliche Tänzerin zu werden braucht. Dann hat der Mann keine
Ansprüche mehr auf sie. Gewöhnlich schätzen es sich jedoch die Eltern
zur Ehre, wenn ihre Töchter in den Harem eines Sultans aufgenommen
werden.

In keinem Lande sah ich so viel Blinde und Lahme als in Surakarta; auch
an Lepre-Kranken soll es nicht fehlen, für welche unfern von Solo ein
eigenes Hospital errichtet ist.

Man erzählt hinsichtlich dieser Gebrechen eine sehr grausame Sage von
einem der letztregierenden Susuhunans: Eine Europäische Dame machte
eine Reise durch Surakarta. Zu Solo wurde sie dem Fürsten vorgestellt,
der sie fragte, wie ihr das Land gefallen habe. Sie erwiederte: „sehr
wohl, bis auf die vielen Blinden, Lahmen und Lepre-Kranken, welchen
man überall begegnet.“ „Dieser Anblick,“ rief der Susuhunan aus,
„soll in Zukunft niemanden mehr stören.“ Er ließ die Unglücklichen
zusammenrufen, sie auf Boote laden, in die Mitte des Flusses führen,
die Böden der Boote, die besonders dazu eingerichtet waren, wurden
geöffnet, und alle die Armen ertränkt.

Der jetzt regierende Susuhunan, Paku der Siebente, hat den allgemeinen
Ruf eines höchst edlen und gerechten Fürsten; er soll, gleich Titus,
jeden Tag für verloren halten, an welchem er nicht etwas Gutes ausgeübt
hat.

Unter seinen Vasallen zeichnet sich der Fürst Mangku-Negoro besonders
aus, welcher der Unabhängige genannt wird, weil er doch einige
Freiheit genießt; er darf z.B. seinen Palast verlassen, ohne erst bei
dem Residenten um Erlaubniß anzufragen. Er hält 800 Mann Fußvolk und
400 Mann zu Pferde -- eine größere Anzahl als der Susuhunan selbst.
Ferner ist er Oberst in Holländischem Dienste und Ehren-Adjutant des
Gouverneur-Generals. Er bekommt den Gehalt eines Obersten nebst einer
bedeutenden Zulage für die Unterhaltung seiner Truppen, muß aber
dagegen auch jeden Augenblick zum Ausrücken bereit sein.

Alle diese Auszeichnungen wurden ihm als Belohnung für seine Treue
verliehen, die er den Holländern in dem letzten Kriege bewiesen hatte.
Er hielt sich nämlich auf ihrer Seite und war ihnen mit seinen
wohleingeübten Truppen von großem Nutzen. Inländische, gut eingeschulte
Truppen sind den Europäischen weit vorzuziehen. Das Klima ist ihnen
nicht schädlich, sie begnügen sich mit wenig und höchst einfacher
Nahrung und ertragen die Märsche und Mühen ohne großen Nachtheil.

Unsere erste Bitte an den Residenten war, dem Susuhunan, so wie einigen
der vornehmsten Prinzen vorgestellt zu werden. Wir erhielten auch die
Zusage einer Audienz für den folgenden Tag; sie fand aber leider nicht
statt, da kaum eine Stunde, bevor wir kommen sollten, die einzige
Schwester des Fürsten starb, die er, wie man sagte, überaus liebte.

In den wenigen Tagen, die wir zu Solo zubrachten, waren wir so
glücklich, zwei Feierlichkeiten zu sehen. Die erste bestand in der
Ueberreichung eines Briefes, den der Sultan von Djogokarta an den
Susuhunan von Surakarta geschrieben hatte. Nachdem sich der Resident
zuerst mit dem Inhalte bekannt gemacht, wurde der Brief in schöne
Seidenzeuge gewickelt, auf einen silbernen Teller gelegt und von
dem ersten Adjutanten des Susuhunans in einem sechsspännigen Wagen
abgeholt; in einem zweiten Wagen folgte der Resident. Dreizehn
Kanonenschüsse begleiteten diese Ceremonie.

Die zweite Feierlichkeit war die Fortschaffung der verstorbenen
Schwester des Susuhunans nach dem Begräbnißplatze Imo-Giri. Die Farbe
der Trauer ist hier, wie bei den Chinesen, weiß. Alles was zu dem Zuge
gehörte, Wagen, Pferde u. s. w. war mit weißem Kattun überhangen.
Jedermann, der ihn begleitete, mit einem weißen Kopftuche, Sarong,
Schürze oder sonst einem Lappen weißen Zeuges angethan.

Den Zug eröffneten Träger, die mit Balken, Brettern, Stangen u. dgl.
beladen waren. Diese Gegenstände gehörten zur Errichtung eines Daches
über dem Sarg der Verstorbenen auf den Stationen der Reise. Hierauf kam
berittenes Militär[18] mit weißen Binden und Schürzen. Diesem folgte
des Susuhunans leerer Staatswagen, das Leibpferd der Verstorbenen, der
Betthimmel für den Sarg und endlich der Sarg selbst, der mit einer
weißen, golddurchwirkten Atlasdecke überhangen war. Der Sarg wurde
bis an die äußerste Pforte des Kraton von den kaiserlichen Prinzen
getragen; hier übernahmen ihn die Minister und so abwärts bis zu den
Dienern. Viele Lanzenträger, deren Lanzen mit weißem Kammertuche
umwickelt waren, umgaben den Sarg; große Schirme wurden über ihn,
so wie über die Köpfe der Prinzen gehalten, und von den Knöpfen der
Schirme flatterten weiße Tücher. Hinter dem Sarge kam ein großer
viereckiger Kasten, welcher die Speisen enthielt, die Abends, der
Sitte gemäß, auf den Sarg der Verstorbenen gesetzt werden. Den Schluß
des Zuges machte ein großer Haufen Volkes. Der Gemahl, die Kinder der
Verstorbenen, so wie ihre Verwandten, den Susuhunan ausgenommen, waren
bis zur ersten Nachtstation vorausgefahren. Wie man mir sagte, brauchte
der Zug drei Tage, um nach Imo-Giri zu gelangen. (40 Paal.)

Es war allerdings interessant, diesen Trauerzug gesehen zu haben;
allein eben so gern hätte ich den guten, ehrwürdigen Susuhunan kennen
gelernt, woran nicht mehr zu denken war, da wir schon am folgenden
Morgen abreisen sollten. Zu meiner größten Ueberraschung brachte mir
Herr Göreke die Nachricht, daß uns der Fürst diesen Abend ausnahmsweise
empfangen wolle. Diese Gunst verdankten wir einzig und allein dem
guten Missionär, den der Susuhunan hoch schätzt, und dessen Bitte ihm
hinlänglich war, unsern Wunsch zu erfüllen.

Bevor wir zu dem Susuhunan fuhren, statteten wir noch zwei Besuche bei
andern Prinzen ab.

Der erste galt dem Fürsten Mangku-Negoro, dessen ich schon erwähnt
habe. Ich war im höchsten Grade über den edlen, feinen Anstand
erstaunt, mit welchem sich dieser Prinz zu benehmen wußte; er stand
hierin dem gebildetsten Europäer nicht nach. Seine Gesichtszüge
drückten Verstand, Scharfblick und Güte aus. Er nahm großes Interesse
an meinen Reisen und machte Fragen und Bemerkungen, die von vielen
Kenntnissen zeigten. In seiner Orientalischen Artigkeit verglich er
mich mit einer leichten, schwebenden Wolke.

Der zweite Besuch galt dem Fürsten Ngabchi, einem natürlichen
Bruder des Susuhunans, den man, da letzterer keinen Sohn hat, den
„wahrnehmenden Kronprinzen“ nennt. Diesen Fürsten trafen wir nicht zu
Hause, da er von dem Leichenzuge noch nicht zurückgekommen war.

Um halb acht Uhr war unsere Stunde, bei Hofe zu erscheinen. Die
Etikette ist hier ungleich größer als zu Djogokarta; die Herren Schmitz
und Göreke hielten die Uhren stets in der Hand, um nicht eine Minute zu
früh oder zu spät zu kommen.

An dem Eingange des innersten Hofes kamen uns zwei Hofdamen entgegen,
uns meldend, daß der Susuhunan bereit sei, uns zu empfangen. Im Dalem
kam er uns selbst zwei Schritte von seinem Lehnstuhl entgegen,
reichte uns die Hand und wies uns Plätze zum Sitzen an. Der Dalem
wie der Pendopo waren schön erleuchtet; Europäische Militär-Musik,
von den Eingebornen ziemlich gut aufgeführt, erschallte bei unserem
Eintritte und ward während unserer Anwesenheit öfter wiederholt. Einige
Schritte im Hintergrunde zur Linken des Fürsten saßen drei Hofdamen,
gleich den übrigen Dienerinnen bloß in einen Sarong gekleidet, welche
die Insignien des Reiches hielten, ein Schwert, einen Schild und ein
Scepter. Sie standen so steif und unbeweglich wie Statuen. Unter den
vielen Weibern, die überall umher kauerten, befanden sich auch zwei
Neffen des Susuhunan, Jünglinge von 14 bis 15 Jahren. Ich hielt sie für
recht hübsche Mädchen, denn sie trugen wie diese einen einfachen Sarong
und hatten die Haare zurückgekämmt, in einen Knoten geschlungen und mit
einem Kamme befestiget.

Wir hatten kaum Platz genommen, so kam ein Weib (vermuthlich auch
eine Hofdame) auf den Knieen hergerutscht und recitirte eine lange,
ununterbrochene Rede, die ich für ein Gebet hielt; spätem erfuhr ich,
daß es ein Bericht über den Leichenzug war, der ungefähr lautete „daß
die Prinzessin bis an den und den Ort gegangen sei, daselbst unter dem
Schatten eines Baldachinen so und so lange ausgeruht und hierauf die
Reise wieder an den und den Ort fortgesetzt habe, wo sie die Nacht
zubringen werde.“ Von einer so vornehmen Person wird nämlich, so lange
sie nicht begraben ist, ebenso gesprochen, als ob sie noch am Leben
wäre; auch für ihre leiblichen Bedürfnisse und Bequemlichkeiten wird
mit derselben Aufmerksamkeit gesorgt.

Alles, was sich dem Susuhunan nahte, seine Neffen nicht ausgenommen,
rutschte auf den Knieen. Die Leute standen vermuthlich erst auf, wenn
sie aus seinem Gesichtskreise kamen, denn ich blickte ihnen nach, so
weit als ich konnte, und sah sie nicht aufstehen.

Die Züge des Fürsten sprachen vollkommen aus, was man mir von ihm
gesagt hatte: ich sah nicht bald ein ehrwürdigeres, gutmüthigeres
Gesicht als das seine. Nur wunderte es mich, keinen Kummer an
ihn wahrzunehmen über den schweren Verlust, der ihn so kürzlich
betroffen. Er hörte den Bericht über den Leichenzug seiner Schwester
mit derselben Ruhe an, als hätte man ihm eine ganz gleichgiltige
Sache verkündet. Nachdem er sich eine Weile mit uns unterhalten und
uns mit Thee bewirthet hatte, der zu meiner Verwunderung nicht von
Dienerinnen, sondern von Dienern servirt wurde, bot er Frau Schmitz
und mir an, seiner Gemahlin einen Besuch zu machen. Wir fanden in
ihr eine noch junge Frau von vielleicht 25 Jahren; sie saß in einer
wenig erleuchteten Kammer auf einem Stuhle, ihr zur Seite eine
achtzehnjährige Stieftochter auf der Erde. Beide waren minder hübsch
als die fürstlichen Frauen zu Djogokarta, doch für Javanesinnen schön
genug. Die Kämmerchen in dem Probojekso fand ich sehr klein, dürftig
eingerichtet und erleuchtet. Nach einer halben Stunde kehrten wir in
den Dalem zurück.

Beim Abschiede hielt der Susuhunan eine sehr lange Rede an mich,
während welcher er mich bei der Hand nahm; am Ende derselben zog er
einen Ring von seinem Finger und steckte ihn mir an. Herr Göreke saß
leider zu weit entfernt, um etwas von dieser Rede zu hören; sie ging
daher für mich verloren, da der Susuhunan Hoch-Malaisch sprach, das ich
nicht verstand. Der Besuch währte über zwei Stunden.

Die Tracht des Susuhunans, seiner Frau und Tochter war sehr einfach,
ungefähr wie die an dem Hofe zu Djogokarta; der Susuhunan trug zwei
reich mit Brillanten besetzte Orden.

Am +3. December+ fuhren wir den kürzeren Weg über Salatiga nach
Samarang zurück (66 Paal), wo ich in dem Hause meiner liebenswürdigen
Begleiter noch eine Nacht zubrachte. Am folgenden Tage, um ein Uhr
Nachmittag, saß ich schon wieder auf dem Dampfer, um nach +Surabaya+ zu
gehen (180 M.).

Am Bord des Dampfers „Ambon“ wurde ich vom Kapitän Bergner als alte
Bekannte herzlichst begrüßt. Ich war mit ihm von Batavia nach Sumatra
gefahren, und er hatte kurz darauf den „Makassar“ mit dem „Ambon“
vertauscht. Es ist immer eine große Freude, auf einer Reise Bekannte
zu finden, und eine um so größere, wenn es so gute, gefällige Menschen
sind, wie Herr Bergner.

Von der Reise ist nicht viel zu sagen; wir hielten uns der Küste
Java’s fortwährend nahe, die abwechselnd eben und bergig ist. Vier
Hügel, die näher an Surabaya als an Samarang liegen, werden ihrer Form
wegen die vier Särge genannt; sie stehen von einander abgesondert,
mitten in einer Ebene. Zwölf Meilen von Surabaya sieht man, an eine
freundliche Hügelkette gelehnt, das Städtchen +Grisée+; hier gehen die
nicht-europäischen Schiffe gewöhnlich vor Anker.

Am +6. December+ Morgens warfen wir Anker auf der Rhede von Surabaya.

Alle Ankerplätze Java’s, die ich gesehen, Batavia, Surabaya und
Samarang, liegen drei bis vier Paal von den Städten entfernt; man muß
nach letzteren in Kähnen die Flüsse stromaufwärts fahren; in Surabaya
kann man von der Mündung des Flusses bis zur Stadt auch zu Wagen
fahren.

Herr Resident von +Perez+ war so gütig, mich aufzunehmen. Dieser
überaus gefällige Herr wußte von meinem Kommen; er hatte jedoch gehört,
daß ich zu Grisée vor Anker gehen würde und sandte mir sogar bis
dorthin einen Wagen entgegen.

Die Residenz, ein prächtiges Gebäude, leider mit einem ganz kleinen
Garten, liegt drei Paal von der Stadt. Eine herrliche Wiese breitet
sich davor aus, an deren Ende ein großes, wohlerhaltenes Steinbild
eines Hindu-Götzen steht, welches von den Malaien noch sehr verehrt
wird.

Ich blieb bis +14. December+ in Surabaya, ohne das Geringste zu sehen.
Die Regenzeit war eingetreten, und durch sie wurden alle meine Projekte
vereitelt. Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Reise nach
Celebes und den Molukken fortzusetzen und mich mit der Hoffnung zu
trösten, bei der Wiederkehr glücklicher zu sein.


  [11] Die mir ertheilten Freikarten lauteten:

       ~De onder geteekende verleent by deze vrye passage als passagier
       der eerste klasse, aan Mevrouw Ida Pfeiffer vor eene reis von
       Sourabaya over den Mollukschen Archipel met eene der Stoomschepe
       zyner onderneming. Batavia 9. November 1852.~

       ~+W. Cores de Vries.+~

                 *       *       *       *       *

       ~The bearer of these lines Madame Pfeiffer has free passage as
       cabin passenger on board of any of the boats of this company.
       Batavia 9. November 1852.~

       ~+Maclain Watson+ & Co., Directors of the N. I. Steamboat
       Company.~

       ~The agents of the company at Samarang and Sourabaya are
       requested to offer Madame Pfeiffer all the assistance in their
       power in the persecution of her travels.~

  [12] Die Gebäude, in welchen die Gouverneure und Residenten wohnen,
       gehören alle der Regierung; der Resident von Batavia allein muß
       eine Wohnung miethen.

  [13] Hätte man nicht schnell und leicht einen zuverlässigen Beamten
       abschicken können, um sich von dem wahren Bestande zu
       unterrichten? Freilich handelte es sich bloß um Menschenleben
       und nicht um Frohndienste oder Rückstände von Steuern.

  [14] Ich führe dies natürlich nur auf Grundlage der Aussagen
       vollkommen zuverlässiger Männer, deren Wort über jeden Zweifel
       erhaben ist, hier an.

  [15] Auf der höchsten Spitze des Tempels ersuchte ich Herrn Wilson,
       seinen Namen in mein Album zu zeichnen.

  [16] Susuhunan ist ein höherer Titel als „Sultan.“

  [17] Kries, ein schlangenförmiges Messer in einer Scheide von 10 bis
       15 Zoll Länge, die gewöhnliche Waffe der Malaien und Javanesen.

  [18] Das Militär der freien Fürsten trägt Holländische Uniform, die
       Offiziere haben Schuhe, die Soldaten nicht. Letztere tragen
       unter dem Helme das landesübliche Kopftuch, manche schlingen das
       Haar rückwärts in einen großen Knoten zusammen.




Zehntes Kapitel.

  Makassar. -- Banda. -- Erdbeben. -- Die Muskatnuß-Pflanzungen.
  -- Ambon. -- Ausflug nach der Negeri Emma. -- Saparua. -- Ceram.
  -- Fußreise durch das Innere Cerams. -- Ankunft zu Wahai. -- Die
  Alforen. -- Rückreise nach Ambon. -- Ternate. -- Besuch bei dem
  Sultan.


Am +14. December+ schiffte ich mich auf dem Dampfer „Banda“ nach
+Makassar+ ein (440 Seemeilen), der Hauptniederlassung der Holländer
auf Celebes.

Von Surabaya bis an die Küste von Celebes sah ich wenig. Das Schiff
war sehr klein, die See höchst stürmisch, und obwohl ich viele Jahre
gereist, Tausende von Meilen auf Segel- und Dampfschiffen gemacht, ohne
dem Meere meinen Tribut zu bezahlen, ward ich nichts desto weniger so
seekrank, wie es nur immer ein Neuling werden kann.

Erst am +17. December+ am frühen Morgen kam ich auf das Deck, um die
Küste von Celebes zu begrüßen, eine einförmige Ebene, im Hintergrunde
von niedrigen Bergen begrenzt.

Makassar (Udjang-Pandang), der Sitz des Holländischen Gouverneurs
auf Celebes, ist ein kleines, dem Ansehen nach beinahe Europäisches
Städtchen mit einem Fort. Die Europäer wohnen in erbärmlichen
Steinhäuschen nahe beisammen, längs des schönen Wiesenplatzes
+Hendrikspad+. Auch das Haus des Gouverneurs ist klein und unbedeutend.

Domine +Mathes+ (der protestantische Geistliche) nahm mich
gastfreundlich auf.

Ich war hier ebenfalls so unglücklich, gerade zum Beginn der Regenzeit
einzutreffen, und konnte nichts als den Bazar besuchen, auf welchem ich
eine ziemliche Menge Volkes sah. Ich fand die Eingebornen, Makassaren
und Buginesen, obwohl auch zur Malaischen Race gehörig, minder häßlich
als die Javanesen, groß und kräftig gebaut, das Gesicht etwas besser
geformt, die Hautfarbe lichter.

Da wenig Tage später der Dampfer „Ambon“ von hier nach +Banda+, einer
der Molukken ging, und während der Regenzeit an Ausflüge in das Innere
von Celebes nicht zu denken war, entschloß ich mich, diese Gelegenheit
zu benützen und meine Reise fortsetzen, mich wie zu Surabaya der
Hoffnung hingebend, auf der Rückfahrt günstigeres Wetter zu finden.

Am +21. December+ war ich schon wieder an Bord bei meinem guten
Kapitän Herrn Bergner. Wir machten die Reise nach der Insel Banda (690
Meilen) in 3½ Tagen. Außer einigen kleinen gebirgigen Eilanden kam uns
nichts zu Gesicht.

Am +24. December+ tauchte der +Gunong-Api+ vor uns auf, der höchste
Berg Bandas (1800 F.), dessen nordwestlicher Seite beständig
Rauchsäulen entsteigen. Abends um neun Uhr liefen wir bei herrlichen
Mondschein in die Bai ein, die auf der einen Seite von dem Feuerberge,
auf der andern von einer freundlichen Hügelkette begrenzt wird, welch
letztere ganz mit Muskatbäumen bepflanzt ist. Das kleine Städtchen
Banda liegt so gefährlich an dem Abhange des Gunong-Api, daß ein
Ausbruch es unausbleiblich zertrümmern würde; sonderbarer Weise raucht
der Berg beständig, ohne daß je ein Ausbruch stattgefunden hätte. Ist
aber wohl diesem Frieden immer zu trauen?

Da wir so spät angekommen waren, ging der Kapitän allein mit dem
Postpackete an’s Land. Wir Reisende verweilten auf dem Decke und
sprachen viel von der Freude, die in den Kreisen unserer Lieben
diesen Abend (Christabend) herrschen werde, von den fröhlichen
Spielen der über die Geschenke so freudig überraschten Kinder. Da kam
ganz unerwartet ein Araber an Bord. Erstaunt über den späten Besuch
umringten wir ihn, um zu hören was die Ursache hievon sei. Ach, wie
ward so plötzlich unsere heitere Stimmung in Wehmuth und Schrecken
verwandelt! Der Araber erzählte uns, daß am 26. November Morgens acht
Uhr ein fürchterliches Erdbeben auf dieser Insel stattfand, in Folge
dessen mehrere Häuser zusammenstürzten und alle dermaßen beschädigt
wurden, daß niemand mehr darin wohnen könne. Glücklicherweise
ereignete sich dies bei Tage, wo jedermann gleich fliehen konnte,
und es ging daher wenigstens kein Menschenleben verloren; aber alle
gebrechlichen Güter, Spiegel, Lampen, Gläser, Geschirre, die in
Flaschen gefüllten Getränke u. s. w. gingen zu Grunde. Noch war man
unter dem Eindrucke dieser furchtbaren Scene, als um halb neun Uhr
die Erde ein zweitesmal erbebte, das Wasser in der Bay zurück wich
und dann mit unwiderstehlicher Gewalt an die Küste stürzte, sie 24
Fuß hoch übersteigend. Zweimal sah man den Boden der See blos gelegt;
alle kleinen Boote und Barken wurden an die Küste geschleudert, wo sie
als Trümmer liegen blieben. Bei dieser Gelegenheit ertranken mehr als
achtzig Menschen. Ein großes Schiff, das in der Bay vor Anker lag,
gerieth zweimal auf den Grund und wurde nur durch die Geistesgegenwart
des Kapitäns gerettet, der das Ankertau sogleich nachließ; allein
vor einem bedeutenden Leck konnte er es doch nicht bewahren. Es lag
noch zur Ausbesserung in der Bucht. Dieses zweite Erdbeben zerstörte
ebenfalls viele Gebäude und vernichtete Tausende von Muskatbäumen, die
durch das sie überfluthende Salzwasser abstarben.

Die Erzählung des Arabers war schrecklich. Leider wurde sie Wort
für Wort von dem Kapitän bestätigt, als er zurückkam. Auf einige
der Reisenden machte sie einen so großen Eindruck, daß sie Morgens
gestanden, die ganze Nacht nicht geschlafen zu haben; sie fürchteten
ein wiederholtes Erd- oder Seebeben.

Morgens gingen wir an’s Land und konnten uns persönlich von den
stattgehabten Verwüstungen überzeugen. Mehrere Häuser lagen in Schutt,
alle waren mehr oder minder beschädigt, die Einrichtungen zum Theile
zertrümmert, zum Theile vor den Häusern unter freiem Himmel in Haufen
aufgeschichtet; die Leute wohnten daneben in kleinen Bambushütten, die
sie eilig aufrichten ließen. Die Kasernen und Wohnungen der Officiere
allein, einige hundert Schritte von dem Städtchen entfernt gelegen
und von Holz gebaut, blieben beinahe unbeschädigt. Sonderbar, daß auf
dieser Insel, wo starke Erdbeben nicht selten vorkommen, alle Häuser
von Stein gebaut sind[19].

Der Resident konnte mich nicht aufnehmen, da auch sein Haus zu
sehr beschädigt war; ein Deutscher, der Militärarzt Herr +Krause+,
beherbergte mich in seinem hölzernen Häuschen.

Ich machte denselben Tag noch einen Spaziergang um den Feuerberg
„Gunong-Api.“ Ich wollte ihn selbst besteigen; allein Dr. Krause, der
schon mehrmals oben war, um zu botanisiren, widerrieth es mir, indem er
mir versicherte, daß es nicht der Mühe lohne: der Berg ende in einer
geschlossenen Kegelform und habe an den Seiten einige Spalten, aus
welchen starker Schwefeldampf aufwirble.

Am folgenden Tage besuchte ich die große Muskatpflanzung des Herrn
+Meyer+, welche 15,000 Muskatbäume zählt. Die Muskatpflanzungen
werden „Perken,“ die Besitzer „Perkenier“ genannt. Eine solche
Pflanzung gleicht vollkommen einem Walde. Die Bäume sind vierzig bis
fünfzig Fuß hoch, umfangreich und nicht in Reihen gepflanzt. Große
Nanarinenbäume[20] schützen die Muskatbäume, die keine tiefen Wurzeln
schlagen, vor den starken, häufig wehenden Winden.

Die Insel Banda ist das eigentliche Vaterland des Muskatbaumes. Dieser
Baum bedarf hier gar keiner Pflege und wird bei weitem stärker und
höher als auf Singapore. Er fängt mitunter im zwölften, gewöhnlich aber
erst im fünfzehnten Jahre an Früchte zu tragen und erreicht ein Alter
von 80 Jahren. Das Jahr vor seinem Absterben soll er außergewöhnlich
viel tragen. Man rechnet durchschnittlich auf jeden Baum im Jahre 2500
Nüsse. Es giebt auch einige, die bis 4000 liefern. Die Ernte währt das
ganze Jahr hindurch. Man geht jeden Morgen in die Perken, pflückt die
reifen Nüsse, löst die Blüthe, von der sie ganz umsponnen sind, ab und
läßt Nuß und Blüthe an der Sonne trocknen. Die Nüsse, welche von selbst
abfallen, sind nicht halb so viel werth als die gepflückten. Ungefähr
hundert Nüsse sammt den Blüthen gehen auf ein Pfund; fünf Pfund Nüsse
geben ein Pfund Blüthe. Der Perkenier erhält von der Regierung für ein
Pfund Blüthe und vier Pfund Nüsse einen Kupfergulden.

Die Muskatnuß ist auf Banda und den dazu gehörenden kleinen Eilanden
Monopol. Der Eigenthümer kann die Perken verpachten oder verkaufen;
allein er darf keinen Baum ohne Bewilligung des Regierungsaufsehers
umhauen. Letzterer besucht jedes Jahr die Perken, bezeichnet die Bäume,
welche auszurotten sind und bestimmt die Zahl der neu zu pflanzenden.
Um die Leute zu den Muskatpflanzungen anzuregen, gibt die Regierung das
Land umsonst und unterstützt die Pflanzer mit billigen Arbeitern, die
aus den Verbrechern bestehen, welche von Java und anderen Orten hieher
verbannt und per Monat vermiethet werden.

Am +27. December+ segelte der Dampfer wieder ab. Da es auf dieser
kleinen Insel wenig zu sehen gab und ich, wollte ich das Schiff nicht
benutzen, einen Monat auf ein anderes hätte warten müssen, so besann
ich mich nicht lange und begab mich an Bord.

Wir verließen Nachmittags Banda, um nach der ebenfalls kleinen Insel
+Ambon+ (144 M.) zu segeln. Das Wetter war herrlich, so daß wir schon
am 28. December Morgens vor Ambon lagen.

Die Bucht von Ambon ist sechzehn Meilen lang, an der Einfahrt sechs,
bei Ambon, das ungefähr in der Mitte liegt, eine Meile breit. Die ganze
Bucht ist von niedrigen Hügelketten und Gebirgen umgeben, die höchsten
Punkte, der +Sytham+ und der +Sirymohu+ werden auf 3000 und 4000 Fuß
geschätzt. Die Hügelketten zeichnen sich durch reiche Vegetation aus;
Wälder wechseln mit Wiesenplätzen und Gewürzpflanzungen; die schöne
gefiederte Sago-Palme drängt sich überall hervor; die schlankstämmige
Areka-Palme, die Kokospalme überragen die umfangreichen Blätterbäume.

Ich hörte behaupten, daß die Einfahrt von Banda, besonders aber die von
Ambon an Schönheit mit jener von +Rio de Janeiro+ wetteifern könne.
Die Einfahrt von Banda ist reizend, die von Ambon wohl noch etwas
reizender, aber eine wie die andere sind in keiner Beziehung mit der
großartigen, einzig schönen Einfahrt von Rio de Janeiro zu vergleichen.
Eher könnte man eine Aehnlichkeit mit jener von +Santos+ (400 Meilen
von Rio de Janeiro) aufstellen.

Das Städtchen Ambon, Sitz des Gouverneurs der Molukken, zählt nur
1500 Einwohner und sieht mehr wie ein Dorf aus. Es ist von dem Fort
+Viktoria+ beschützt. Die Residenz des Gouverneurs, einen Paal von dem
Städtchen entfernt, zu +Batugadja+ gelegen, besteht aus einem ganz
unbedeutenden kleinen Bambus-Hause. Der Gouverneur, Herr +Vischer+,
konnte mich gar nicht aufnehmen, da das einzige Fremden-Kämmerchen
schon besetzt war; ich kam zu Herrn +Roskolt+, dem Direktor des
Institutes zur Bildung der Volksschullehrer.

Herr Roskolt wurde im Jahre 1835 von der Holländischen Regierung nach
Ambon gesandt, um dieses Institut zu errichten, welches zur Aufnahme
von zwölf eingebornen Jünglingen bestimmt war, die hier Unterricht,
Kleidung, Kost u. s. w. erhalten sollten. Die zu dem Zwecke angewiesene
Summe wurde in die Hände des Herrn Roskolt gegeben, und zwar ohne
daß die Regierung eine Verrechnung verlangte. Schon am Ende des
ersten Jahres fand Herr Roskolt, daß die Summe für achtzehn Jünglinge
ausreichen würde, und stellte das Ersuchen, sechs Zöglinge mehr
aufnehmen zu dürfen. Nebst diesen bestimmten Zöglingen erlaubt Herr
Roskolt auch noch zehn bis fünfzehn jungen Leuten an dem Unterrichte
Theil zu nehmen, aus welchen er dann immer die fähigsten zur gänzlichen
Aufnahme wählt. Der Unterricht besteht in richtiger Kenntniß und
Schreibung der Malaischen Sprache, in Religion, Arithmetik, Geographie
und im Gesange der Psalmen.

Die Eingebornen auf Ambon und den nahen Inselchen sind Christen;
zu den Zeiten der Portugiesen waren sie Katholiken, jetzt sind sie
Protestanten. In jedem größeren Dorfe (hier Negeri genannt) ist ein
Schullehrer angestellt, der zugleich die Stelle des Priesters vertritt
und in dem Gotteshause die Gebete und Gesänge abhält. Es gibt mitunter
so große Dörfer, daß ein Schullehrer bis 250 Kinder unter sich hat.
Ich besuchte auf meinen Ausflügen auf Ambon, Saparua und Ceram mehrere
Dorfschulen, deren Schullehrer Zöglinge des Herrn Roskolt waren. Die
Kinder schrieben recht hübsch, rechneten richtig, sangen die Psalmen
ganz gut u. s. w. Unwillkürlich stieg der Wunsch in mir auf, daß alle
Europäischen Dorfkinder so gut unterrichtet sein möchten, als es diese
Malaische Jugend war. Herr Roskolt hat sich nicht erfolglos bemüht;
seine Arbeiten tragen jetzt schon gute Früchte.

So wie Banda das Vaterland des Muskat-Baumes, so ist Ambon das des
Gewürznelken-Baumes. Die Pflanzung desselben ist daher auch ein
Hauptaugenmerk der Regierung und zugleich Monopol. Jedes Familienhaupt
muß, je nach der Güte des Bodens, dreißig bis achtzig Bäume pflanzen
und vollzählig unterhalten.

In frühern Zeiten wurde der Muskatbaum ausschließend auf Banda und den
dazu gehörigen kleinen Inseln, der Gewürznelken-Baum ausschließend auf
Ambon und Saparua gepflanzt; auf den übrigen Molukken wurden beide
Bäume ausgerottet. Jetzt können sie auf allen Inseln gepflanzt werden
und sind nur auf den obgenannten Monopol.

Der Gewürznelken-Baum beginnt im zwölften bis fünfzehnten Jahre
zu tragen und stirbt erst mit hundert Jahren. Er liefert ein bis
zwanzig Pfund. Die Ernte hat nur einmal im Jahre statt, von November
bis Januar. Die Nelken werden im Schatten getrocknet. Der Pflanzer
erhält seit kurzem dreißig Deut per Pfund, während er früher sich
mit vierundzwanzig begnügen mußte. Diese Erhöhung ist dem jetzigen
Gouverneur-General, Herrn Deimar van Twist zu danken[21].

Die Eingebornen wissen aus den Gewürznelken ganz hübsche Gegenstände zu
machen: Vasen, Schiffe, Körbchen u. s. w. Die Gewürznelken müssen sie
hiezu von der Regierung kaufen, und zwar zu einem unmäßig hohen Preise.
In Holland soll das Pfund dieses Gewürzes eine halbe Rupie kosten, hier
bezahlen die Leute zwei Rupien dafür. Außerdem ist noch die Ausfuhr von
dergleichen Spielzeug sehr hoch besteuert.

Auch der Muskat-Baum wird auf Ambon ziemlich häufig gepflanzt;
vorzüglich gut gedeiht der Kakao-Baum; der Pikul Bohnen wird
mit sechzig Rupien bezahlt. Der wichtigste Baum jedoch für die
Eingebornen, nicht nur auf Ambon, sondern auf allen Molukken, ist die
Sagopalme. Das Mark derselben macht die Hauptnahrung der Eingebornen
aus; es ist ihnen, was den Chinesen und Indiern der Reis, was andern
Völkern das Getreide. Diese Palme wird gewöhnlich im fünfzehnten
Jahre reif; man haut sie dann um, spaltet den Baum, und arbeitet
das Mark mittelst einer einfachen Haue von Bambus heraus. Der ganze
Stamm besteht aus Mark, das kaum von einer zolldicken Rinde umgeben
ist. Das Mark wird theilweise in eine Art Trog gelegt, der aus dem
ausgehöhlten Sagostamme verfertiget ist, und dessen Endseiten man mit
Stücken geschlagenen Bastes verstopft. Durch Waschen und Kneten des
Markes sondern sich die mehligen Theile von den faserigen ab. Das
von dem Mehle geschwängerte Wasser läuft durch den Bast, welcher die
Stelle eines Siebes vertritt, in einen zweiten Trog, in welchem mit dem
Waschen so lange fortgefahren wird, bis sich alle Mehltheile von den
Fasern gesondert haben. Sobald sich das Mehl gesetzt hat, läßt man das
Wasser ab, und die Arbeit ist beendet. Das Mehl wird in nassem Zustande
zu fünfundzwanzig bis dreißig Pfund in Körbe verpackt, die gleich an
Ort und Stelle von den grünen Blättern der Sagopalme gemacht werden.
Eine besondere Eigenschaft dieses Markes oder Mehles ist, daß es nie
trocken werden darf; man muß die Körbe mit dem Mehle von Zeit zu Zeit
in Wasser stellen.

Man bereitet aus diesem Mehle Brot und Papeta. Zur Bereitung des
ersteren bedient man sich eiserner oder irdener Geschirre, mit kleinen
Abtheilungen, die man erst glühend erhitzt, dann von innen mit etwas
Wasser befeuchtet. Man füllt sie hierauf ganz mit dem Mehle an,
bedeckt sie mit Blättern, legt ein Brettchen darauf, das mit einem
Steine beschwert wird, und läßt sie so lange stehen, bis sich Dunst
entwickelt, ein Zeichen, daß die Brötchen gar sind. Noch einfacher ist
die Bereitung der Papeta. Man schüttet anfänglich etwas kaltes Wasser
auf das Mehl, rührt es zu einem dicken Teige, gießt dann so viel heißes
Wasser zu, bis es sehr flüssig wird, und läßt es erkalten. Die Papeta
gleicht einer Sulze oder einem steifen Kleister. Beide Gerichte, ohne
andere pikante Ingredienzien genossen, schmecken überaus leer und fade.

Aus diesem Nahrungszweige ist ersichtlich, daß das Volk für Leben
und Unterhalt wenig zu thun braucht. Familien, die wenig oder keine
Sagobäume besitzen, können sich leicht mehrere hundert Pfund Mehl
mit wenig Arbeit erwerben. Es ist nämlich Sitte, daß wenn ein Mann
zu dem Eigenthümer eines reifen Sagobaumes geht und ihm sagt, daß er
einen reifen Baum habe, den er (der Mann) für ihn umhauen wolle, der
Eigenthümer stets seine Einwilligung gibt. Der Mann kommt dann mit
einigen Gehülfen, schlägt den Baum, bereitet und packt das Mehl, eine
Arbeit von drei bis vier Tagen; dafür erhält er die Hälfte des Mehles
nebst der Verköstigung während der Arbeit.

Die Sagopalme, der Pisang (Bananen-Baum) gedeihen ohne alle Nachhülfe,
das Meer ist überreich an Fischen, es wird daher begreiflich, daß
das Volk auf den Molukken träger ist, als irgendwo. Wenn man z. B.
mit dem Dampfer ankommt, ist der Landungsplatz voll von müssigen
Gaffern; keiner würde aber, selbst für übertrieben gute Bezahlung, das
Reisegepäck nach dem Städtchen tragen. Man muß erst in das Haus gehen,
in welchem man absteigt und von dort aus nach Trägern suchen. Oftmals
ging ich Nachmittags in mehr als ein Dutzend Hütten, um einiges von den
aus Gewürznelken gefertigten Arbeiten zu kaufen -- überall fand ich die
Leute entweder Karten spielend oder schlafend.

Den Neujahrstag (1853) feierten wir mit einem Spaziergange nach
dem nahen Wasserfalle „+Batu-Gontung+.“ Der Wasserfall ist höchst
unbedeutend, eben so eine dabei gelegene Grotte. Ein kaltes Bad im
Flüßchen und der Spaziergang durch die schönen Waldungen waren jedoch
sehr lohnend.

Um die Insel Ambon ein wenig kennen zu lernen, durchschnitt ich sie von
Norden nach Süden und ging nach der Negeri Emma, ungefähr acht Paal.
Man bedient sich auf Ambon zum Reisen einer Art Tragstühle, da die
Wege zum Fahren oder Reiten nur einige Paal um das Städtchen gut sind.
Ich wollte keinen Tragstuhl nehmen, indem mir nichts unangenehmer ist,
als mich von Menschen tragen zu lassen; allein man behauptete, daß die
Berge zu schroff seien, um von Europäern überklommen werden zu können.

Ich nahm also zur Vorsorge einen Tragstuhl mit, lief aber daneben her.
Es ist wahr, die Berge und Hügel steigen sehr schroff und steil auf,
man muß wirklich schwindellos sein, um hinüber zu kommen; ich hatte
jedoch ungleich Aergeres auf Borneo und Sumatra erlebt. In drei Stunden
war ich in Emma.

Die ganze Gegend zwischen dem Städtchen Ambon und Emma besteht aus
Schluchten und trichterförmigen Vertiefungen; man mußte stets auf- und
niederklettern oder auf äußerst schmalen Bergkanten fortschreiten.
Alles war mit schönen Waldungen, mit üppigem Untergesträuch bedeckt.
Man sah viele +Dusons+[22] mit Gewürznelken-Bäumen; in den Wäldern gab
es viele Sagopalmen. Von den Höhen erblickte man das Meer dies- und
jenseits der Insel. Die Berge bestehen zum Theil aus Sand, den man sehr
leicht herab arbeiten kann.

Die Negeris liegen an den Kanten der Schluchten oder auf den Spitzen
der Berge. Die Leute haben im Dorfe oft nicht einen Schritt ebene
Fläche. Die kleinsten Kinder hier würden manchen Erwachsenen aus den
Ebenen im Bergklettern beschämen. Das läuft und springt auf und ab
gleich Gemsen.

Ich blieb vier Tage auf Emma, um Insekten zu sammeln. Die Hitze war
zwar sehr drückend, ich ertrug sie jedoch so gut, als hätte ich mein
ganzes Leben unter dem Aequator zugebracht.

Nach Ambon zurückgekehrt, unternahm ich einen etwas größeren Ausflug
nach +Saparua+ und der Insel +Ceram+, einer der größten von den
Molukken. Letztere wollte ich vorzüglich ihrer Bewohner, der wilden
Alforen, wegen besuchen.

Am +11. Januar+ Nachts fuhr ich zur See nach dem Oertchen +Paseo+,
welches östlich von Ambon, an dem kaum einige hundert Fuß breiten
Isthmus liegt, der diese Insel in zwei Theile theilt. Ich kam um
zwei Uhr Nachts an. Die Prauhs wurden hier bei der Fluth über den
Isthmus gezogen und die Reise früh Morgens nach +Ihamahu+ (35 Meilen)
einer Negeri auf Saparua fortgesetzt. Von da ging ich zu Fuße nach
der Negeri-Saparua (7 Paal), wo ein kleines Fort und der Sitz eines
Assistent-Residenten ist.

Einen angenehmeren Spaziergang als von Ihamahu nach Saparua kann es
nicht leicht geben. Das ganze Inselchen gleicht einem freundlichen
Garten. Der Weg ist trefflich und führt durch kleine Waldungen von
Fruchtbäumen, durch bedeutende Negeris, in welchen die Häuser in Reihen
stehen, aber durch Bäume und grüne Plätze von einander geschieden und
mit lebendigen Hecken eingezäunt sind. Die Aussichten, die man von
den kleinen Höhen genießt, sind über alle Beschreibung herrlich. Man
sieht Ambon, Ceram, Haraku und viele andere Eilande; man sieht das Meer
bald als Bucht, bald als Bay oder Canal und über Saparua hinaus als
endlosen Wasserspiegel. Ich fand viel Aehnlichkeit mit den +Kykladen+
in Griechenland. Nur sind die Inselgruppen hier durch ihre üppige
Vegetation ungleich schöner als dort.

In Saparua traf ich den Gouverneur, Herrn +Vischer+, der auf einem
Kriegsschiffe von Ambon hieher gekommen war, weil man einen Aufstand
der Eingebornen befürchtete. Letztere sind in den entfernteren
Kolonieen oft den Eigenmächtigkeiten und Bedrückungen harter und
eigennütziger Beamten ausgesetzt. Auch hier schien dies der Fall zu
sein, und der Gouverneur wollte die Sache persönlich untersuchen.
Ich habe bereits bei der Erwähnung der Hungersnoth in dem Gebiete
von Samarang bemerkt, daß die Beamten, die sich Vergehungen oder
Eigenmächtigkeiten zu Schulden kommen lassen, meistens wenig,
mitunter gar nicht bestraft werden. In den Streitigkeiten mit den
Eingebornen erhält fast immer der Beamte, selten der Eingeborne Recht.
Bei der kleinsten Unachtsamkeit werden die Leute oft angefahren und
ausgescholten, als hätten sie das größte Verbrechen begangen. Ich
selbst sah einst einen Eingebornen an einen Pflock gebunden; er sollte
mit einem Rohre 50 Hiebe auf den nackten Rücken bekommen. Als ich
nach dem Verbrechen des Sträflings frug, wich man mit der Antwort
aus, woraus zu schließen war, daß die Strafe dem Verbrechen nicht
angemessen war. Zuverlässige Männer versicherten mir, daß nicht selten
bis 100 Stockschläge ausgetheilt würden, obwohl die von der Regierung
erlaubte höchste Zahl 30 sei. Die armen Leute erzittern manchmal so,
wenn sie von Beamten oder Officieren gerufen werden, daß ihnen das
Wort im Munde erstirbt. Auch in Brittisch-Indien hatte ich häufig
Gelegenheit, dasselbe zu bemerken. Sollten Beamten und Officiere,
die auf Außenposten angestellt sind, wo ihr Thun und Lassen nicht so
überwacht werden kann, nicht ungleich strenger bestraft werden, wenn
sie ihre Pflichten überschreiten, als der Eingeborne, dem die Gesetze
mit Waffengewalt aufgedrungen wurden? Aber so ist es fast in der ganzen
Welt. Der gemeine, arme Mann, der oft aus Unwissenheit, aus Unkenntniß
der Gesetze fehlt, wird für das geringste Vergehen strenge bestraft;
der Vornehme, der Gebildete findet Nachsicht und Milde. Verdiente
Letzterer, gerade weil er gebildet ist, weil er volles Bewußtsein
seines Vergehens hat, nicht doppelte Strafe?

Eine für den Reisenden sehr unangenehme Sache, die mich an Neapel, so
wie auch an mein liebes Vaterland Oesterreich erinnerte, ist auf den
Holländischen Besitzungen das ewige Abverlangen des Passes. In Batavia
ließ ich den Paß für die Reise nach den Molukken visiren, in Samarang
mußte dasselbe geschehen, in Surabaya, Ambon ebenso, ja beinahe in
jedem Neste, wo nur ein Beamter residirte. Auf Saparua soll die
Passomanie so weit gehen, daß kein Fischer ohne Paß auf den Fischzug
ausgehen darf. Wahrlich, eine unerhörte Plackerei!

Schon auf Ambon hatte ich den Gouverneur ersucht, meine Reise nach
+Wahay+ an der Nordküste Cerams zu unterstützen. Ich wollte zu Lande
durch das Innere dieser Insel gehen, die von den wilden Alforen
bewohnt ist, welche auf Köpfe noch gieriger sind als die Dayaker.
Bisher wagten es nur zwei Europäer diese höchst gefährliche Reise zu
unternehmen, von welchen der eine 150 Mann zum Schutze mitnahm. Ohne
Hilfe der Regierung kann man gar keine Leute als Begleiter finden,
da sich ein Stamm vor dem andern fürchtet. Ich wollte mich dessen
ungeachtet mit vier Leuten begnügen; allein der Gouverneur versicherte
mir, daß ich wenigstens 20 haben müßte, weil unter dieser Zahl niemand
mit mir ginge. Er fügte bei, daß, wenn eine dringende Nachricht zu
Lande nach Wahay zu senden sei (gewöhnlich geschieht dieß zur See),
stets 20 Mann geschickt werden.

Mit Briefen an einige Regenten, die auf Ceram ungefähr so viel wie
Dorfrichter sind, und den herzlichsten Glückwünschen trat ich am +17.
Januar+ Nachmittags die Reise zu Fuß an. Ich ging nur bis nach der
Negeri +Noloth+ auf +Saparua+ (7 Paal).

Am folgenden Tag, +18. Januar+, fuhr ich in einem Prauh über die See
nach +Makariki+ auf der Insel Ceram (32 Meilen). Ich kam da so spät an,
daß ich die Nacht in dem Prauh zubrachte.

Den +19. Januar+ mußte ich in Makariki bleiben. Der eingeborne
Häuptling hatte die zwanzig Leute zusammen zu suchen, die mich
begleiten sollten. Den Rest des Tages brauchten die Leute, meistens
Alforen und einige Malaien, dazu, sich für die Reise mit Lebensmitteln
zu versehen. Wir nahmen nichts als Sago-Brote, Pisangs und kleine
getrocknete Fischchen mit.

+20. Januar.+ Morgens begann die beschwerliche und gefahrvolle Reise.
Die Leute in Makariki machten mir von den Wegen eine schauerliche
Beschreibung: sie sagten, daß ich beständig über Steingerölle, durch
Wasser, über sehr schroffe Gebirge zu gehen, die Nächte in den Wäldern
unter freiem Himmel zuzubringen hätte, und prophezeiten mir, ich würde
gewiß bald umkehren.

Kaum waren wir eine Stunde gegangen, so begegneten wir schon einem
Hinderniß, das für mich wenigstens sehr unangenehm war: der breite,
tiefe und ziemlich reißende Fluß +Ruata+ mußte durchschwommen werden.
Wie bei Sigumpulang auf Sumatra kam ich mit Hilfe zweier Eingebornen,
die mir die Hand reichten und mich nach sich zogen, glücklich hindurch.
Diesen ersten Tag verließen wir zwar die Ebene nicht, deßhalb war
jedoch der Weg nicht minder schrecklich: er führte beständig in einem
breiten Strombette fort, das jetzt in der trocknen Jahreszeit nur von
einem schmalen, seichten Flüßchen eingenommen war. Wir hatten fast
immer großes Steingerölle zu überklettern und unzählige Mal den Fluß
nicht nur zu durchkreuzen, sondern mitunter lange Strecken in ihm zu
gehen. Gewiß ein Drittheil dieser Tagereise (18 Paal) ging durch
Wasser. Dabei litt ich viel von der Hitze, denn obwohl von Waldungen
umgeben, war das Strombett, in dessen Mitte wir uns halten mußten, zu
breit, als daß der kühlende Schatten bis zu uns hätte gelangen können.
An Aussichten war der Tag arm, da wir stets zwischen Waldungen und
Schluchten wandelten.

Nachmittags um 4 Uhr machten wir Halt[23]. Das Nachtlager wurde
im Flußbette aufgeschlagen. Die Alforen errichteten schnell drei
Laubdächer, unter die wir uns vertheilten, und lustige Feuer, an denen
es leider nichts zu kochen gab, loderten bald empor. Der Anblick der
finstern Waldungen, deren schwarze Schatten durch den aufgehenden Mond
noch mehr herausgehoben wurden, war wohl etwas unheimlich; allein es
halten sich auf dieser Insel keine wilden Thiere auf, und vor dem
Ueberfalle eines Alforen-Stammes hatte ich keine Furcht. Ruhig legte
ich mich auf das harte Steinlager und ließ mich von dem Gemurmel des
Flusses bald in schöne Träume wiegen.

+21. Januar+ (19 Paal). Heute hatten wir die erste Gebirgskette,
+Rothlong-Batai+, zu übersteigen; die Höhe des Uebergangs mochte 800
bis 900 Fuß betragen. Obgleich kein Pfad durch die Waldungen führte, so
gehörte der Weg dennoch nicht zu den schlechtesten: das Untergebüsch
war dünn, man konnte sich leicht überall durchwinden, auch waren die
Berge nicht so schroff und steil wie jene von Ambon. Ich bewunderte
sehr die Ortskenntniß der Leute: sie fanden durch das Labyrinth der
Bäume den Weg so sicher, als wären wir auf einer gebahnten Straße
gegangen.

Auf den Höhen sah man hie und da kleine Gruppen verfallener
Alforen-Hütten, die aus weiter nichts als Laubdächern bestanden, unter
welchen fußhohe Schlafstellen errichtet waren. Die Bewohner hatten da
wahrscheinlich schon allen Sago aufgezehrt und ihre Wohnsitze nach
einer neuen, fruchtbareren Gegend verlegt.

Nachdem die Gebirgskette überstiegen war, ging es beständig in engen
Klüften, in schmalen, stein- und wasserreichen Flußbetten fort, ja
wie gestern, so häufig im Wasser selbst, daß unsere Füße gar nicht
trocken wurden. Gegen Mittag ruhten wir ein halbes Stündchen aus, um
den magern Imbiß zu verzehren. Das harte Sagobrot mußte erst einige
Minuten im Wasser erweicht werden, um es genießbar zu machen; dazu ein
Paar Pisangs (Bananen), und die Tafel war Mittags, wie Morgens oder
Abends fertig. Mein Hunger zeigte sich jedoch in Folge der gehabten
Anstrengung stets so groß, daß ich die Entbehrung besserer Gerichte
nicht im Geringsten fühlte.

An Rehen und Wildschweinen muß diese Insel überreich sein; von
ersteren sahen wir viele, von letzteren fast nur die Spuren. Einige
meiner Leute hatten Gewehre mit; es ging aber keines los. Ich sah
bei dieser Gelegenheit, wie die Eingebornen die flüchtigsten Rehe im
schnellsten Laufe so zu erschrecken oder stutzig zu machen wußten,
daß die Thiere eine halbe Minute wie angewurzelt stehen blieben
und das Auge von ihnen nicht abzogen. Die Leute schwenkten nur ein
hochrothes Tuch und spannten es plötzlich auf. Trotz des sichern
Zielpunktes, den die Thiere der Art abgeben, mußten wir uns doch
die Lust auf einen Rehbraten vergehen lassen, da, wie gesagt, die
unglücklichen Gewehre stets versagten. Dagegen fingen meine braven
Alforen ein junges Wildschweinchen und ein Kussu (Baum- oder wilde
Katze). Ersterem liefen sie über Stock und Stein so behende und flink
nach, bis sie es ermüdeten und erhaschten. Letzteres holten sie von
einem gewiß über hundert Fuß hohen Baume herab. Es war ängstlich und
zugleich bewunderungswürdig zu sehen, mit welcher Leichtigkeit sie bis
auf die höchste Spitze des Baumes kletterten. Das Thier selbst war
nicht schwer zu erlegen: bei Tage sieht es nicht und bleibt ganz ruhig
sitzen. Sie gaben ihm einen Schlag auf den Kopf und warfen es zur Erde,
wo es gänzlich getödtet wurde.

Gestern wie heute begegneten wir keiner Seele. Das Nachtlager wurde
abermals in einem Flußbette aufgeschlagen. Die Feuer brannten jedoch
diesen Abend nicht umsonst. Dem Wildschweinchen wurde zwar vor der Hand
das Leben geschenkt (mit diesem Braten sollte die Ankunft in Wahay
gefeiert werden); aber das Kussu wurde geopfert. Die Leute schlitzten
es auf, nahmen die Eingeweide und Gedärme heraus, wuschen es aus und
legten es über das Feuer, um den Pelz einigermaßen abzubrennen. Sie
legten dann das Eingeweide sammt den ausgewaschenen Gedärmen wieder in
das Thier, steckten es an ein Holz und brieten es. Der Braten wurde
ohne Salz verzehrt, da wir nichts dergleichen mit uns führten. Die
guten Leute brachten mir ein ganzes Schenkelchen; ich nahm ein kleines
Stück, um ihre Gabe nicht zu verschmähen und um das Fleisch zu kosten.
Es hatte einen starken Geruch; nichts desto weniger schmeckte es mir.
Die Malaien essen dieses Thier nicht: sie finden den Geruch zu stark.

+22. Januar+ (achtzehn Paal). Heute gab es zwei Gebirgsketten zu
übersteigen. Die Höhe der ersteren, +Gorolehuway+, mochte 1500, die
der letzteren, +Hurali+, 500 Fuß betragen. Die Waldungen auf Ceram
zeichnen sich durch hohe, schlanke, ziemlich umfangreiche Bäume aus;
ich blieb häufig bewundernd stehen, um diese himmelanstrebenden
Giganten zu betrachten. Viele Stämme waren mit Schlingpflanzen und
Orchideen bedeckt; doch Blumen sah ich nicht. Dagegen fiel mir ein
Schwamm auf, wie ich nie zuvor einen gesehen. Er war nicht groß, hatte
die Form eines Fingerhutes und saß auf einem drei Zoll hohen Stängel.
Von der untern Kante hing rund herum ein zwei Finger breites, blendend
weißes Netz, das so durchbrochen war wie das feinste Spitzengewebe. Es
kam mir nie mehr ein zweites Exemplar vor.

Von der Höhe des Gorolehuway sah man weit in das Land hinein. Der
größte Theil war sehr gebirgig, die Thäler lang, aber schmal; überall
finstere Waldung, keine Spur einer Hütte oder eines Feldes.

Am schroffsten und gefährlichsten war der Uebergang über den Hurali.
Dieses Gebirge, das letzte, das wir zu übersteigen hatten, fiel an
manchen Stellen so senkrecht in die See, daß man kaum für den Fuß
Raum fand; wäre ich dem Schwindel unterworfen gewesen, so hätte ich
da gewiß meine Grabstätte gefunden. Auf dem Hurali sah ich das erste
Alforische Dorf; es soll das größte auf ganz Ceram sein und enthielt
an dreißig Hütten. Es schien aber wie ausgestorben: man sah und hörte
keine Seele, so daß ich glaubte, es sei verlassen. Meine Begleiter
sagten mir jedoch, daß das Dorf bewohnt und die Leute zu Hause wären;
nur seien sie so scheu und furchtsam, daß sie bei dem geringsten Laute
menschlicher Stimmen oder Fußtritte in die Hütten flöhen und die Thüren
verschlössen. Wir wurden hier von einem starken Regen überfallen und
suchten Schutz unter den Hütten, die auf Pfählen gebaut waren. Wir
klopften auch an manche Thür und riefen nach den Bewohnern. Einige
gaben uns zwar Antwort; aber keiner öffnete seine Thür. Und so war ich
über eine Stunde in einem großen Alforischen Dorfe, ohne eine Seele zu
Gesicht zu bekommen. Ich mußte die Neugierde, die Alforen kennen zu
lernen, auf die Rückreise verschieben, für die ich mir vornahm, mich
von irgend einem Rajah begleiten zu lassen, welcher Einfluß auf die
Leute hätte.

Als wir den +Hurali+ im Rücken hatten und an die See kamen, dachte
ich, daß nun alles Böse überstanden wäre; allein dem war nicht so. Die
Berge und Hügel Ceram’s haben die Eigenthümlichkeit, daß sie meistens
ganz schroff und steil gleich Wänden gegen die See abfallen. Wir mußten
noch einen ganzen Paal in der Brandung der See selbst über Felsen,
Riffe und Klippen steigen. Die Wogen schlugen heftig an, man hatte
Mühe, sich zu erhalten, um so mehr, als Klippen und Steine vom Wasser
spiegelglatt geschliffen waren, und auf diese Weise bot uns das Ende
der Reise mehr Schwierigkeiten als der Anfang. Doch auch dieß wurde
glücklich überwunden und ein lieblicher Pfad durch kleine Wiesen führte
den letzten Paal nach der Negeri Passanea.

Man wird es vielleicht für Großsprecherei halten, wenn ich sage, daß
mich diese Fußreise von einigen fünfzig Paal nicht im geringsten
ermüdete. Ich hatte stets so viel zu sehen, jeder Gegenstand, wenn
auch noch so klein und unbedeutend, interessirte mich so sehr, daß
ich alle Mühseligkeiten vergaß. In solchen Fällen bewunderte ich oft
selbst meine eisenfeste Natur, die mir erlaubte, ähnliche Strapazen
auszuhalten. Ich lebte nur von Sagobrot und Pisangs, schlief auf hartem
Boden und ging täglich achtzehn bis neunzehn Paal, was auf guten Wegen
wohl nichts sagen würde, auf diesen steinigen, schroffen Gebirgspfaden
aber im höchsten Grade beschwerlich war.

Passanea ist von Malaien bewohnt. Die Malaien lassen sich an
Küstengegenden, die Alforen im Gebirge nieder. In Passanea kehrte ich
bei dem Regenten ein.

Am folgenden Tage, +23. Januar+, fuhr ich in einem winzig kleinen Prauh
nach +Wahay+ (40 M.). Die See war ruhig, und ohne Unfall erreichte ich
Abends acht Uhr diesen Ort.

Wahay ist die einzige Niederlassung der Holländer auf Ceram; sie haben
hier ein kleines Fort mit einer Besatzung von 30 Mann.

Ich blieb in dem Prauh sitzen und sandte den Empfehlungsbrief, den mir
der Gouverneur Vischer für den Kommandanten, Herrn +Kern+, gegeben
hatte, an letztgenannten Herrn ab.

Der gute Mann wollte meinem Führer gar nicht glauben, als ihm dieser
verkündete, daß +eine Frau+ die Reise nach Wahay über Land gemacht
habe; er versicherte mir später zu wiederholten Malen, daß er eher den
Einsturz des Himmels als ein solches Ereigniß erwartet hätte.

Ich blieb sechs Tage auf Wahay, während welcher ich meine
Insekten-Sammlung sehr vermehrte; allein von den Alforen bekam ich
immer noch nichts zu sehen: sie wohnten zu weit ab von Wahay. Herr
Kern versprach mir, mich auf meiner Rückreise bis +Saway+ (nahe bei
Passanea) zu begleiten und von dort aus zwei Alforische Negeris mit mir
zu besuchen.

Herr Kern, der bereits seit zwei Jahren auf Wahay lebte und manches von
den Sitten und Gebräuchen der Alforen gesehen und gehört hatte, machte
mir davon ungefähr folgende Schilderung, die ich so übereinstimmend
fand mit dem, was ich bei den Dayakern beobachtet hatte, daß ich die
Alforen für Abkömmlinge oder Stammverwandte der Dayaker halten möchte.

Die Alforen sind Kopfjäger wie die Dayaker; sie schätzen einen
abgehauenen Menschenkopf höher als die kostbarste Beute. Hier muß
wirklich jeder Jüngling seiner Auserwählten als Brautgeschenk einen
Kopf oder wenigstens einen Theil eines Kopfes bringen. Gewöhnlich
ziehen fünf bis sechs Jünglinge gemeinschaftlich auf die Kopfjagd aus,
begnügen sich mit einer solchen Trophäe und theilen sie dann. Die
Hütte, in welcher sie die eroberten Köpfe aufbewahren, heißt Baileo.
Wenn der Baileo zu verfallen beginnt und ein neuer gebaut wird, bleibt
dieser ungedeckt, bis man ihn mit einem neuen Kopfe schmücken kann;
dann erst wird er gedeckt, und die Köpfe werden aus dem alten Baileo
übertragen.

Der Alfore, welcher einzeln auf die Kopfjagd geht, verbirgt sich
gleich den Dayakern hinter Bäumen oder Gesträuchen, legt sich flach
auf die Erde, bedeckt sich ganz mit Laub und Zweigen, und harrt Tage
lang, ohne Nahrung und Trank, auf seine Beute. Er schleudert nach dem
Unglücklichen aus seinem Verstecke mit nie fehlender Geschicklichkeit
seine Lanze, deren Spitze zwar nur von Bambus, aber scharf wie Eisen
ist. Dann stürzt er von rückwärts über sein Opfer her und haut ihm
den Kopf ab. Den Körper verbirgt er höchst sorgfältig in Klüften und
abgelegenen Orten, um die Entdeckung des Mordes so viel als möglich zu
verhindern.

Geht ein ganzer Stamm oder die Bewohnerschaft eines Dorfes auf
die Kopfjagd, so suchen sie das feindliche Dorf zu einer Zeit zu
überfallen, wenn die Männer auswärts mit Feldarbeit beschäftigt sind.
Die Alforen schätzen die Köpfe der Weiber, ja der Kinder eben so hoch,
wie die der Männer. Mit der Beute heimkehrend, kündigen sie ihr Glück
schon von fern durch gellende Pfiffe auf einer Muschel an. Die Weiber
und Kinder eilen den Siegern singend und jubelnd entgegen und führen
sie im Triumphe nach dem Baileo. Hier werden die Köpfe den Knaben und
Mädchen, die das zehnte Jahr nicht erreicht haben, überlassen; diese
saugen jeden Blutstropfen begierig aus, was ihnen nach der Eltern
Meinung Muth und Tapferkeit verleiht. Die Köpfe werden dann etwas
geröstet, von dem Fleische gereinigt und in dem Baileo aufgehangen.
Das Fleisch wird nicht gegessen, da die Alforen keine Kannibalen sind.
Die Feste dauern einige Tage; man verzehrt dabei Wildschweine, Rehe
und Kussus. Die Kinnbacken der verzehrten Thiere hängen sie ebenfalls
an den Wänden des Baileo auf. Bei solchen festlichen Gelegenheiten
erhalten die zehnjährigen Kinder ihr erstes Kleidungsstück, die
Knaben eine handbreite Leibbinde von Bast, die Mädchen ein enges, kaum
fußlanges Röckchen. Leibbinde wie Röckchen werden +Tijdaks+ genannt.

Wenn ein Mann einen Kopf erjagt hat, darf er als Auszeichnung
sein blankes hölzernes Schild mit weißen Muscheln, sein Tijdak
mit Zeichnungen verzieren. Man könnte diese Zeichen füglich die
„+Alforischen Militärorden+“ nennen, denn sie werden gleich den
Europäischen nur nach glorreichen Thaten verliehen, wenn die Hände des
Siegers Menschenblut vergossen haben.

Die Religion der Alforen ist mit vielen Göttern und Geistern belebt.
Einige Stämme haben Priester und eine Hütte als Tempel. Beide
dienen jedoch nicht für Gottesdienst, sondern für die Zeremonie des
Tätowirens, die an allen Kindern im zehnten Jahre vorgenommen wird. Die
Kinder werden zu diesem Zwecke mit +Sagower+ (Palmwein) berauscht, in
diesem Zustande in den Tempel gebracht und auf der Brust oder den Armen
etwas tätowirt. Wenn sie vom Schlafe erwachen, sagt man ihnen, der gute
Geist habe dieß gethan. Die Tätowirungshütte darf nur von dem Priester
und dem Rajah betreten werden. Die Stämme, die sich nicht tätowiren,
haben weder Tempel noch Priester.

Die Alforen können mehrere Weiber nehmen und sich ohne Schwierigkeit
wieder scheiden; gewöhnlich aber begnügen sie sich mit einer Frau.
Scheidungen sollen selten vorkommen. Die Weiber werden gekauft, zwar
nicht mit Geld, denn sie haben gar keines und trachten auch nicht
darnach, aber mit Reis und Tabak.

Sie tödten zuweilen die schwer Erkrankten, von welchen sie keine
Genesung mehr hoffen, spannen dabei die Unglücklichen gleichsam in den
Bock, indem sie ihnen die Arme durch die Knie ziehen, und lassen sie in
dieser Stellung, bis die Seele vom Körper geschieden ist. Die Todten
tragen sie entweder auf die höchsten Spitzen der Berge, am liebsten auf
hohe, steile Felsen, oder sie verbrennen sie.

Ihre Gesetzgebung soll ziemlich weise und gut sein. Die verschiedenen
Stämme bilden eine Art Konföderation, haben einen König für die ganze
Insel und Rajah’s für jedes Dorf. Sie erweisen ihren Vorgesetzten viele
Ehrfurcht; dennoch sollen diese nur wenig Einfluß auf das Volk haben.
Im Ganzen schildert man die Alforen als ehrlich, gut, verträglich
und als gut gesittet. Sie sind die einzigen, die auf Ceram einige
Bodenkultur betreiben: sie pflanzen etwas Reis, Tabak, Ubi und Mais,
welche Artikel sie an die trägen Malaien, die beinahe nichts bauen,
gegen Kokosnüsse, Pisangs, bunte Tücher und Glasperlen vertauschen.

Während meiner Anwesenheit zu Wahay kam die Nachricht an den
Kommandanten, daß Alforen in eines ihrer stammverwandten Dörfer
eingefallen und fünf Köpfe erobert hätten. Die Holländische Regierung
nimmt keine Notiz, wenn sich die Alforen unter einander köpfen, und
selbst sehr wenig, wenn sie über die Malaien herfallen. Sie hat auf
dieser Insel zu wenig Macht, um mit einigem Ernste auftreten zu
können. Auch mit zahlreicheren Truppen, als ihr zu Gebote stehen,
würde es schwer sein, diese Bergvölker zum Gehorsam zu bringen.
Bei der geringsten Verfolgung ziehen sie sich auf die höchsten,
unzugänglichsten Berge zurück und finden dabei überall Nahrung, da
die Sagopalme allenthalben in solchem Uebermaße gedeiht, daß ungleich
mehr verdirbt, als aufgezehrt wird. Auch an Wild fehlt es nicht auf
dieser Insel, wo es keine reißenden Thiere gibt, die dessen Vermehrung
verhindern.

Kurze Zeit, bevor ich nach Wahay gekommen war, wurden drei Malaien von
Alforen getödtet. Man zog zwar zwei Rajahs von dem Stamme ein, welche
der Morde beschuldiget wurden; allein die Leute gestanden nichts, und
am Ende mußte man sich begnügen, sie nach ihren Gesetzen zu bestrafen.
Diese verurtheilen den schuldigen Stamm, den Verwandten der Gemordeten
zur Sühnung einige irdene Töpfe und Schüsseln, etwas Tabak und Reis zu
geben.

Die Holländische Regierung zieht von Ceram nicht den geringsten Nutzen.
Es werden keine Gewürze gebaut, keine Abgaben bezahlt. Das Fort zu
Wahay dient bloß dazu, festen Fuß auf der Insel zu haben, und sie
derart als Holländisches Besitzthum erklären zu können.

Am +30. Januar+ verließ ich Wahay, begleitet von Herrn Kern. Wir
waren kaum einige Stunden zur See, als sich ein so stürmischer Wind
erhob, daß wir das Land suchen mußten. Dieß war eine sehr schwierige
Aufgabe, obwohl wir längs der Küste in der Entfernung von kaum einer
Viertelmeile fuhren; überall gab es Riffe, hohe Felswände, steil
abfallende Berge. Mit vieler Mühe und Gefahr gelangten wir endlich
in eine kleine Bucht, wo wir den ganzen Tag und die halbe Nacht
zubrachten. Den folgenden Morgen fuhren wir nach +Saway+, das wir sehr
früh erreichten. Wir besuchten von hier aus zwei Alforische Dörfer,
+Massitulan+ und +Opin+, die auf niederen, aber beinahe senkrecht
aufsteigenden Hügeln nahe bei Saway liegen.

Die Hütten der Alforen sind klein und wie jene der Malaien auf Pfählen
gebaut; die Wände bestehen aus den Rippen der Sagoblätter, die Dächer
aus den Sagoblättern. Im Innern sieht man nichts als einige Matten,
einige Töpfe und Teller, einen Parang, Bogen und Pfeile, eine Lanze
und einen hölzernen Schild (vier Fuß lang und sechs bis acht Zoll
breit).

Die Alforen sind minder häßlich als die Malaien; ich fand mitunter
recht wohlgeformte Gesichtsbildungen. Der Körper ist schlank und
ebenmäßig; unter den Mädchen gibt es höchst zierliche Gestalten. Ihre
Hautfarbe ist sehr lichtbraun; sie haben schöne schwarze Augen, weiße
Zähne und dichtes schwarzes Haar, das nicht geschnitten wird. Die
Männer wickeln die Haare vorne zusammen in Form einer Scheibe, die sie
durch hinein gestecktes Reisstroh vergrößern. Um den Kopf winden sie
ein Tuch so geschickt und zierlich, daß die Haarscheibe gleich einer
Kokarde frei in der Höhe steht. Ein Mann, der zwei Köpfe erobert hat,
darf auch das Kopftuch mit weißen Muscheln verzieren. Doch tragen nicht
alle das Kopftuch oder die Haarscheibe; viele lassen das Haar frei
flattern, was ihnen ein etwas wildes Aussehen verleiht. Das dichte,
lange, etwas struppige Haar fällt über das Gesicht und fliegt bei jeder
Bewegung umher. So reich ihr Kopfhaar ist, so arm ist der Bart. Es
scheint nicht, daß sie wie die Malaien das Barthaar ausraufen; ich sah
im Gegentheile einige unter ihnen, die ein Schnurrbärtchen hatten und
sich viel darauf einzubilden schienen. Die Weiber haben das Haar hinten
in einen Knoten gedreht und aufgesteckt.

Beide Geschlechter gehen beinahe im Naturzustande; nur die Mädchen
kleiden sich in das fußlange, enge Röckchen. Die Männer tragen einen
handbreiten Gürtel von Bast, die Weiber legen, wenn sie heirathen, den
Tijdak ab und gehen beinahe ohne alle Bedeckung.

In diesen beiden Alforischen Dörfern gab es noch wenig eroberte Köpfe.
In dem einen stand ein neugebauter Baileo, der einstweilen ungedeckt
war und des zu liefernden Kopfes harrte. Der Rajah des Dorfes Opin
ist der Holländischen Regierung sehr ergeben. Er gestattet seinen
Leuten nicht, ihre Opfer unter den Malaien zu suchen, ja er wünscht
sogar, wie er sagt, das Kopfjagen ganz aufhören zu machen; doch
wurde bisher seinen Vorstellungen kein Gehör gegeben. Er erhielt
von dem Kommandanten für seine Anhänglichkeit an die Regierung
einige alte Europäische Kleidungsstücke und andere Kleinigkeiten zum
Geschenke. Da er von unserm Kommen unterrichtet war, hatte er alle
diese Kostbarkeiten an seinen Körper gehangen. Man konnte nichts
Lächerlicheres sehen. Ein altes Beinkleid reichte ihm bis an die
Knöchel; in die Weste hätte er sich zweimal wickeln können, eben
so in den Rock, an welchem die ursprüngliche Farbe kaum mehr zu
erkennen war. Auf letzteren hatte er mehrere bunte Schnüre, sowie ein
Stückchen Goldtresse als Orden geheftet. An der Seite trug er einen
alten Stoßdegen, auf dem Kopfe eine kleine, spitze Mütze mit weißen
Hahnenfedern. In diesem großen Putze erscheint er nur, wenn er mit
dem Kommandanten in Berührung kommt; sonst geht er nackt wie sein
Volk. Auch die Mädchen und Frauen, deren sich nur wenige auf vieles
Zureden des Rajah zeigten, erschienen, weil der Besuch des Kommandanten
angekündiget war, in Tücher und Kleidungsstücke eingehüllt. Ich sah sie
erst später auf Hurali, wo der Kommandant nicht bei mir war, in ihrem
Naturzustande.

Nachmittags fuhren wir nach +Passaneo+.

+1. Februar.+ Zu Passaneo trennten wir uns: der Kommandant fuhr zur See
nach Wahay, ich trat die Fußreise nach +Makariki+ an. Vor dem Abschiede
ersuchte ich noch den Kommandanten, mir den Regenten von Passaneo
bis Hurali mit zu senden, damit er die Alforen bewege, ihre Hütten
zu öffnen und mir Gelegenheit zu geben, dieses wilde und scheue Volk
einigermaßen zu sehen.

Ich kam in Passaneo wieder mit meinen Alforischen Begleitern zusammen,
die daselbst auf mich gewartet hatten. Nun erst, da ich den Werth der
Muscheln und Zeichnungen verstand, sah ich, welche tüchtige Kopfjäger
es unter ihnen gab; ich zählte sechs, deren Schilde (Tijdokos) und
Kopftücher mit vielen weißen Muscheln und Zeichnungen prangten.

Als wir zu Hurali ankamen, war richtig wieder keine Seele zu sehen; der
Regent mußte beinahe mit Gewalt die Leute aus ihren Hütten treiben. Ich
stieg in mehrere Behausungen und hoffte mehr Wohlhabenheit zu finden,
als in Massitulan und Opin, indem Hurali, wie gesagt, das bedeutendste
Alforische Dorf ist; allein die Einfachheit oder Armuth war hier wie
dort dieselbe. Die Kinder flohen vor mir, schrieen und heulten, als
kostete es ihr Leben. Auch die erwachsenen Mädchen reichten mir nur auf
wiederholte Zusprache des Regenten die Hand zum Gruße. Das Mißtrauen,
die Scheu dieser Leute rühren von ihrer Angst her: sie leben in steter
Besorgniß feindlicher Ueberfälle.

Man führte mich in den Baileo, der an Größe gegen die ihn umgebenden
Hütten einem wahren Palaste glich: seine Länge mochte sechzig, seine
Breite vierzig Fuß betragen. Mit Schauder zählte ich hier in einer
langen Reihe 156 Schädel, die seit vielen Jahren zusammen gebracht
wurden. An den Wänden hingen zahllose Kinnbacken der Wildschweine,
Rehe u. s. w. die bei den stattgehabten Festlichkeiten verzehrt worden
waren. Der Saal enthielt nichts weiter als die Köpfe, die Kinnbacken
und die Feuerstelle, an welcher die Köpfe geröstet werden.

In der Hütte des Rajahs hingen ebenfalls noch ein Dutzend
Menschenschädel.

Ich wünschte sehr den Festtanz zu sehen, den die Alforen um die
eroberten Köpfe aufführen. Die Jünglinge waren auch dazu gleich bereit,
und fanden sich alsbald mit den Instrumenten ein, die aus Muscheln und
einer Trommel bestanden. Sie begannen schon auf die Trommel zu schlagen
und den Muscheln gellende Töne zu entlocken; allein die älteren Leute,
besonders der Rajah, gaben ihre Einwilligung zu dem Tanze nicht: sie
meinten, daß, wenn dieser Tanz aus Scherz aufgeführt würde, einer von
ihnen bald als Opfer fallen müsse. Ich sah daraus, daß die Alforen, wie
alle rohen und unwissenden Völker, sehr abergläubisch sind.

Als Entschädigung zeigte mir der Rajah persönlich den Angriff eines
Feindes. Er bewaffnete sich mit Schild, Parang und Lanze; Schild und
Parang hielt er in der linken, die Lanze in der rechten Hand. Er
verbarg sich hinter einem Baum, spähte mit großer Vorsicht nach allen
Seiten, warf sich zu Boden, bedeckte sich mit Blättern und Zweigen und
legte das Ohr an die Erde. Nach kurzer Zeit richtete er sich etwas auf,
als gewahre er sein Opfer, zog sich für einen Augenblick noch mehr
zurück, warf plötzlich seine Lanze, stürzte hervor und führte mit dem
Parang einen kräftigen Streich durch die Luft. Dann bückte er sich und
raffte einen Stein auf, den er mir als eroberten Kopf überreichte.

Ich bat den Rajah hierauf, mir die berühmtesten Kopfjäger seines
Stammes vorzustellen. Er wies auf einige Männer, die um mich herum
saßen und sagte mir, dieser habe zwei, jener drei, er selbst erst einen
Kopf erbeutet. Es gibt keine Worte, mein Erstaunen zu schildern, als
ich dieß hörte und dabei die gutmüthigen, sanften Gesichter dieser
Menschen betrachtete. Die gerühmten Helden lächelten bei der Erwähnung
ihrer Traten so wohlgefällig und bescheiden, als wäre von den edelsten
Handlungen die Rede gewesen. Freilich ist in ihren Augen das Erjagen
eines Kopfes dieselbe Heldenthat, wie in den Augen eines Europäischen
Generals eine gewonnene Schlacht, in den Augen eines Soldaten das
Niedermetzeln seiner Gegner. Im Grunde ist die Sache auch hier wie dort
dieselbe.

Mit Herzlichkeit nahm ich Abschied von diesen sonst so harmlosen
Menschen und setzte die Reise fort. Wir hatten uns heute kaum zur Ruhe
gelagert, als wir von dem Wache stehenden Manne erweckt wurden, der
nach dem Walde wies. Dort sahen wir zu unserm Schrecken ein Licht
schimmern. Meine Leute sprangen auf und griffen zu den Waffen. Bald
erschienen ein halbes Dutzend Alforen mit brennenden Holzspänen und
erzählten uns, daß sie unfern unseres Lagers viele Alforen gesehen
hätten, die vermuthlich auf das Fällen der Sagobäume ausgegangen wären.
Sie empfahlen uns Vorsicht und gingen ihres Weges. Mein Führer, den
man mir in +Saparua+ mitgegeben hatte, und der der braveste und beste
Malaie war, der mir je vorgekommen, ließ unsere noch glimmenden Feuer
sogleich gänzlich auslöschen, beorderte an jede meiner Seiten drei Mann
als Wache, und auch die übrigen mußten sich ganz in meine Nähe legen.
Wir waren aber von der beschwerlichen Tagereise (wir hatten die beiden
Gebirgsketten überstiegen) alle so ermüdet, daß wir trotz der Gefahr
bald wieder zu schlafen begannen, wie ich glaube, die Wache nicht
ausgenommen.

Die Rückreise betrieb mein Führer mit solcher Eile, ich weiß nicht, ob
aus Furcht oder aus einem anderen Grunde, daß wir am dritten Tage schon
um 11 Uhr Vormittags in +Makariki+ waren. Die letzten sechs bis acht
Paal machten wir auf einem anderen Wege, der durch ganze Waldungen von
Sago-Palmen führte.

Ich ruhte in Makariki einen Tag aus, den folgenden kehrte ich nach
+Noloth+ auf +Saparua+ zurück und am

6. +Februar+ traf ich in der Negeri Saparua selbst ein, wo ich den
Gouverneur noch fand, der mich mit freudigem Erstaunen empfing. Seine
erste Frage war: „Sind Sie denn wirklich in +Wahay+ gewesen?“ -- „Hier
ist meine Bestätigung“, erwiderte ich lächelnd und reichte ihm einen
Brief des dortigen Kommandanten.

Zu Saparua war diesen Abend große Tafel. Der Gouverneur verließ am
folgenden Morgen die Insel und hatte zum Abschiede alle Regenten und
Schullehrer eingeladen. Diese Leute, sämmtlich Eingeborne, erschienen
in schwarzer, Europäischer Kleidung, drei unter ihnen in militärischer
Uniform: letztere waren Offiziere der Bürgermiliz. Ich bewunderte ihre
Haltung in den ihnen fremden, steifen Anzügen, so wie ihren Anstand
und ihr Benehmen bei der Tafel. Sie handhabten das Eßbesteck mit einer
Geschicklichkeit, als wären sie von Jugend auf daran gewöhnt gewesen.
Die Malaische Gesichtsform, die bräunliche Hautfarbe allein verrieth
sie; sonst hätte man meinen können, sich in Europäischer Gesellschaft
zu befinden.

Am folgenden Morgen war schon sehr frühzeitig vieles Volk vor dem
Hause versammelt, das dem Gouverneur durch allerlei Tänze seinen Dank
für dessen Besuch der Insel bezeugen wollte. Da gab es Tänzer und
Tänzerinnen in Menge. Letztere waren voll Flitterwerk; man sah, daß
sie alles auf sich gehangen hatten, was sie zusammen bringen konnten.
Auf dem Kopfe trugen sie Kronen von Messingblech mit Fransen oder
Blumen verziert, bunte Lappen prangten als Schürzen und Schärpen. Sie
führten den schläfrigen, einförmigen Malaischen Tanz auf, dessen Ende
nie zu erleben ist. Die Tänzer sahen wo möglich noch komischer aus.
Sie trugen messingene Pickelhauben mit himmelhohen Hahnenfedern, bunte
Schärpen, kleine, runde, hölzerne Schilde, mit weißen Papierschnitzeln
beklebt und hölzerne Parangs, mit Blumen geschmückt. Der Tanz, den sie
aufführten, war etwas lebhafter und abwechselnder als jener der Mädchen.

Die Besetzung des Forts (50 Mann) war ebenfalls aufgestellt, die
Regenten und Schullehrer umgaben den Gouverneur, und der ganze Zug
begleitete ihn unter Tanz und Musik bis an das Seegestade. Der
Gouverneur bereiste von hier noch einige andere Inseln.

Auch ich verließ Saparua noch denselben Abend, und am folgenden Tage
begrüßte ich zu Ambon wieder die liebenswürdige Familie Roskolt.

Ich hatte nun schon viel Gelegenheit gehabt, das Volk auf den Molukken
zu sehen. Ich fand die Malaien, aus welchen der größte Theil der
Bevölkerung bestand, hier minder häßlich als auf Java, Borneo und
Sumatra. Die Hautfarbe ist lichtbraun, der Körper wohlgeformt, wie
man ihn häufig bei Völkern findet, die ihn nicht in unnatürliche
Kleidertrachten zwingen. Sie verderben die Zähne nicht durch Feilen und
Schwärzen und kauen weniger Siri; die Weiber sah ich nirgends Tabak
rauchen. Die Hauptfarbe ihres Anzuges ist dunkelblau oder schwarz.

Ich hatte gehört und auch gelesen, daß die Christen unter den
Eingebornen aus Ambon höchst lächerlich gekleidet seien und nichts
lieber trügen als Europäische Kleider, besonders die Männer den
Europäischen runden Hut. Ich fand dieß aber nicht so auffallend. Die
Weiber zeichnen sich vor den übrigen Malaiinnen höchstens durch längere
Kabays aus; die Männer tragen mitunter Beinkleider, aber höchst selten
eine Kappe, einen Stroh- oder Filzhut; gewöhnlich gehen sie ohne
Kopfbedeckung. -- Aber so ist der Reisende: in allen Ländern will er
Sonderbarkeiten finden. Es würde mich nicht wundern, wenn Jemand ein
unbekanntes Land durchreist, und unter Tausenden von Eingebornen zwei
bis drei mit Klumpfüßen gefunden hätte, ihn sogleich die Behauptung
aufstellen zu hören, daß in diesem Lande die Leute alle an Klumpfüßen
litten.

Auf den Molukken sieht man bei den Eingebornen wenig Geflügel, sehr
selten Schweine und kein Hornvieh[24]; sie begnügen sich mit Sago,
rothem Pfeffer, Fischen und einigen Früchten.

Vor kurzem wurde auf Ambon eine Sagofabrik errichtet, in welcher das
schönste weiße Sagomehl, so wie der Perlsago producirt wird. Diese
Fabrik kann jedoch nicht so billig arbeiten, wie jene aus Singapore,
obwohl der Sago hier heimisch ist, und dort eingeführt werden muß. Auf
Singapore gibt es nämlich der arbeitsamen Chinesen genug, die sich mit
einem geringen Lohne begnügen, während hier der träge Malaie nur durch
Ueberzahlung zur Arbeit bewogen werden kann.

Am +3. März+ verließ ich Ambon, und zwar abermals auf dem Dampfer
Ambon, Kapitän Bergner. Ich ging über +Ternate+, das noch zu den
Molukken gehört, nach +Kema+ auf Celebes. Die Fahrt nach Ternate (260
Meil.) machten wir in 54 Stunden. Wir kamen an vielen Inseln und
Eiländchen vorüber; auf manchen sah ich ganz schroffe, vollkommen
kegelförmige Berge, die mitunter gerade aus der See emporstiegen. Viele
standen frei ohne alle Verbindung, sie erinnerten mich an jene um
Sarawak.

Die Einfahrt von Ternate ist sehr pittoresk. Die Bay erscheint von
mehreren über 5000 Fuß hohen Bergen umkränzt, darunter +Tidore+,
+Ternate+, letzterer ein Vulkan, der häufig raucht. An seinem Fuße
liegt das Städtchen Ternate.

Die Holländer haben hier ein Fort und einen Residenten; doch ist diese
Insel gleich +Ceram+ für die Holländische Regierung nur ein Lastposten,
den sie aus politischen Rücksichten beibehält.

Es residirt hier ein Sultan, welchem sie bisher sein ganzes Land
gelassen hat, und dem sie überdieß noch eine jährliche Pension von
10,800 Rupien gibt.

Wir blieben auf Ternate ein und einen halben Tag, die ich höchst
angenehm in dem Hause des Residenten, Herrn +Goldmann+, zubrachte.

Abends machten wir dem Sultan von Ternate einen Besuch. Er sandte, um
uns abzuholen, einen bequemen Europäischen Wagen, den er einst von dem
König von Holland zum Geschenke erhalten hatte. Da es aber auf der
Insel Ternate keine Pferde gibt, woran man in Holland nicht gedacht
hatte, mußten, wenn man den Wagen gebrauchen wollte, an die Stelle
der Pferde Menschen gespannt werden. Zu meinem Erstaunen sah ich auch
wirklich das Fuhrwerk vor das Haus rollen, von mehr als zwanzig Dienern
oder Unterthanen des Sultans gezogen und geschoben. Wir saßen ein
und fuhren so rasch, daß uns der Abgang der vierbeinigen Laufer kaum
bemerkbar wurde.

Das Haus des Sultans war von Stein in Europäischem Style ausgeführt,
der Sultan Europäisch gekleidet, mit Ausnahme des Turbans auf seinem
Kopfe. Er empfing uns unten an der Treppe, bot mir den Arm und
geleitete mich mit vielem Anstande in den Empfangssaal; hier mußte
ich mich von ihm trennen, da ich als Frau nicht an seiner Seite Platz
nehmen durfte. Es empfingen mich seine Töchter (die Sultanin ließ sich
krank melden), und führten mich an das eine Ende des Saales. Die Herren
saßen uns gegenüber an dem anderen Ende. Nachdem Thee und Backwerk
gereicht worden war, führte man uns zu Ehren zwei Tänze auf, den Menaré
und den Tjakalele.

Der Menaré wurde von zwölf hübsch gekleideten Mädchen getanzt. Sie
hatten hochrote seidene Blousen an, um den Hals einen sehr breiten
weißen Kragen, nebstdem noch rothe und grüne Schürzen und Schärpen. Um
die Taille trugen sie einen breiten Goldblech-Gürtel, vom Halse bis an
die Brust ein Goldblech, und von demselben Metalle Armbänder, auf dem
Kopfe einen schmalen Reif mit vielen Spitzen und Zacken. Nach hinten
hing noch ein Goldblech über die Haare, die mit Blumen geschmückt
waren; in dem Gürtel hatten sie Fächer stecken. Der Tanz war für
Malaiinnen ziemlich bewegt. Sie machten Figuren wie bei der Quadrille
und bedienten sich hiezu sogar ihrer Schärpen und Fächer. Alles
geschah jedoch mit gesenkten Augen ohne Grazie, und unter Begleitung
kreischender Gesänge. Die Musik bestand aus zwei Tamburinen und einer
Pfeife, die Musiker waren Weiber.

Der +Tjakalele+ rührt noch, mit einigen Abänderungen, aus den Zeiten
der Portugiesen her. Dieser Tanz, von einem Vortänzer und zehn Tänzern
ausgeführt, ist so hübsch, daß man ihn einem civilisirten Ballettanze
vergleichen könnte. Der Anzug der Tänzer bestand aus orangegelben
Beinkleidern und Kaftanen, letztere auf vier Seiten aufgeschlitzt,
aus bunten Binden und Schärpen und dreieckigen Filzhüten mit weißen
Federbüschen. Jeder Tänzer hielt ein hölzernes Schwert in der Hand und
hatte an jedem Arme ein buntes seidenes Tuch befestigt. Der Vortänzer
trug statt eines orangegelben Kaftans einen hochrothen, statt einer
Schärpe zwei, auf dem Hute zwei Federbüsche und an jedem Arme zwei
Tücher. Die Tänzer machten sehr künstliche, verwickelte Figuren und
Gruppen; sie stampften zeitweise mit den Füßen auf den Boden und
schlugen mit den Schwertern wie bei einem Gefechte aneinander. Auch
begleiteten sie den Tanz mit kurzen Gesängen, die etwas weniges
besser klangen als jene der Mädchen. Zum Schluß bildeten sie mit den
Schwertern eine Art Tragbahre, auf welche der Vortänzer sprang, und
trugen diesen im Triumphe von der Scene. Die Musik bestand aus zwei
Violinen und einer Pfeife und wurde von Männern gespielt.

Die Unterwürfigkeit ist an diesem Hofe nicht so groß wie zu Surakarta.
Die Leute fingen erst an, auf den Knien zu rutschen, wenn sie dem
Sultan schon ganz nahe waren. Den Sultan fand ich nicht von Weibern,
sondern von Männern umgeben, die hinter ihm aufrecht standen.

Beim Abschiede begleiteten mich die Töchter des Sultans bis an den
Ausgang des Saales; hier bot mir der Sultan wieder den Arm und
geleitete mich bis an den Wagen.

Ich sah mit Erstaunen die Straßen beleuchtet, obwohl ich im Hinfahren
den Luxus von Laternen nicht bemerkt hatte. Als wir bei dem ersten
Lichte vorüber fuhren, löste sich das Räthsel -- die Laternen waren
gleich den Pferden von Menschen vertreten, die an beiden Seiten der
Straße mit Fackeln standen.

Die Eingeborenen von Ternate leben noch viel von Sago; doch wird
auch Reis und Mais gebaut. Das Land ist fruchtbar, aber noch wenig
kultivirt. Daß an dergleichen Orten die Lebensmittel, an welche wir
Europäer gewöhnt sind, übertrieben viel kosten, versteht sich von
selbst, da wenig oder nichts gepflanzt wird und sich selten jemand
mit Aufziehung von Geflügel, Schweinen oder Hornvieh beschäftigt. So
bezahlt man hier z. B. für ein Pfund Rindfleisch sechzig Deut, für eine
Flasche Milch vierzig. Der Lohn der Dienerschaft ist ebenfalls sehr
hoch; man muß die Leute meistens von Java kommen lassen.

Am +7. März+ Abends verließen wir Ternate und am folgenden Morgen lagen
wir vor +Kema+ (94 Meilen) auf Celebes.


  [19] Als ich später nach Java zurückkam, las ich in den Zeitungen,
       daß in Folge dieses Erdbebens die Hälfte der Molukken zerstört
       worden sei. Welche Uebertreibung!

  [20] Der Nanarinen-Baum gehört zum Geschlecht der Kanarien-Bäume; er
       trägt eine sehr fette Mandel, aus welcher Oel gepreßt wird, das
       viel feiner als Kokos-Oel ist und auch zum Kochen verwendet wird.

  [21] Bei dieser Gelegenheit muß ich bemerken, daß unter diesem
       Gouverneur-General auch die Abgaben aufgehoben wurden, welche
       die Kleinverkäufer auf allen Holländisch-Indischen Besitzungen
       von den Lebensmitteln bezahlen mußten, die sie zu Markte
       brachten. Dieses Gesetz war um so drückender, als der Bazarpacht
       meistens in den Händen der Chinesen war, die unglaublich
       geldgierig und hartherzig sind und das Volk schrecklich quälten,
       ja nicht selten betrogen.

  [22] Jede Pflanzung, jeder Garten wird auf Ambon „Duson“ genannt.

  [23] In Gegenden, die nahe am Aequator liegen, muß man frühzeitig
       Halt machen, da die Sonne um 6 Uhr untergeht und die Dunkelheit
       plötzlich ohne vorhergehende Dämmerung eintritt.

  [24] Es giebt Hornvieh; dasselbe wird aber nur von den Holländern
       gehalten.




Elftes Kapitel.

  Celebes. -- Menado. -- Reise nach den Oberlanden. -- Die
  Holländischen Missionäre. -- Makassar. -- Reise in das Innere von
  Celebes. -- Maros. -- Eine Regentenwahl. -- Tanette. -- Baru. -- Fest
  der Zahnfeilung. -- Pare-pare. -- Der gelehrte Malaische König.


Celebes ist eine große Insel, die sich ungefähr von dem zweiten
Breitengrade, nördlich des Aequators, bis zu dem sechsten Grade südlich
von demselben erstreckt und durch tiefe Einschnitte des Meeres in vier
Halbinseln getheilt wird.

Kema liegt auf der nordöstlichen Spitze in der Residentschaft
+Menehassa+. Der Sitz des Residenten ist zu +Menado+ (zwanzig Paal). In
dem Ostmonsun gehen die Schiffe vor Menado, in dem Westmonsun vor Kema
vor Anker[25].

Kema ist ein ganz unbedeutendes Oertchen; ich fand hier nur einen
Beamten und einen Missionär, den ersten, welchem ich in den
Holländischen Besitzungen begegnete. Der Missionär, Herr +Hardig+, ein
Deutscher, lud mich sogleich in sein Haus ein. Ich blieb daselbst zwei
Tage und ritt dann ganz allein nach Menado. Der Weg führt durch schöne,
breite Thäler, die mit Reis, Kaffee und Mais bepflanzt sind. Hübsche
Berge erheben sich auf beiden Seiten, unter welchen der +Klabat+, die
beiden Brüder an 5000 Fuß hoch sind. Obwohl auch hier die Sagopalme
noch wild gedeiht, arbeiten die Leute doch bei weitem mehr als auf den
Molukken. Sie nähren sich hauptsächlich von Reis und Mais. Mit dem
Kaffeebaue haben sie mehr zu thun, als irgendwo: jedes Familienhaupt
muß 500 Bäume pflanzen und erhalten. Sie erhalten zwar für den Pikul
Kaffee zehn Kupfergulden, müssen aber davon an die Regenten und
Aufseher 1 Gulden 25 Deut abgeben. Jeder Eingeborne muß außerdem für
seine Hütte der Regierung jährlich sechs, dem Regenten zwei Gulden
bezahlen und an den Weg-, Brücken- und andern Bauten unentgeldlich
arbeiten. Es scheint, daß die Leute hier von der Holländischen
Regierung etwas stiefmütterlich behandelt werden.

Für Menado hatte ich eine Einladung vom Residenten Herrn +Andriesen+.

Da ich von Menehassa, das seiner schönen Natur wegen sehr gerühmt
wird, etwas sehen wollte, unternahm ich eine kleine Reise nach den
Oberlanden (2300 Fuß hoch gelegen) und dem See +Tondano+.

Am +14. März+ ritt ich in Gesellschaft des Missionärs, Herrn
+Schwarz+ (eines Deutschen), über +Lotho+, +Tomohan+ und +Lahendon+
nach +Sonder+ (23 Paal). Bei Lotho fängt die Steigung des Weges an;
man hat einige wunderbar schöne Aussichten über Land und Meer. Der
schönste Punkt aber ist auf der Höhe von Lahendon. Zu Füßen liegt ein
großes, fruchtbares Thal, von schönen Bergen umsäumt, darunter der
+Saputan+ oder +Frauenberg+, der +Lokon+ mit 5000 Fuß Höhe. Bepflanzte
Hügel, Waldungen, Boskette mit reichen Mais- und Reisfeldern, große,
nette Dörfer erscheinen überall dazwischen, und das freundliche
Lahendoner-Seelein schimmert gleich einem Diamanten aus der grünen
Einfassung.

Zu Tomohan blieben wir bei dem Missionär Herrn +Wilken+, ebenfalls
einem Deutschen, über Mittag. Nach Tische machten wir den kurzen
Umweg von einer Meile, um an den kleinen See zu kommen, der ungefähr
einen Paal im Durchmesser haben mag. Jenseits des Sees liegen einige
Schlammquellen. Ich ließ mich in einem ausgehöhlten Baumstamme
übersetzen; allein es war nichts als vertrockneter Schlamm zu sehen;
nicht das geringste Dampfwölkchen verkündete einiges Leben. Bei
Regenwetter sollen die Quellen noch etwas wirksam sein, aber lange
nicht mehr so stark als vor zehn Jahren. Zu jener Zeit bezahlte ein
Italienischer Graf den Besuch der Quellen mit seinem Leben. Er wagte
sich, ungeachtet der Warnungen seines Führers, zu nahe, sank bis an die
Schenkel in den kochenden Schlamm und starb nach einigen Monaten an den
Brandwunden.

Außer diesen Schlammquellen ist noch eine kleine heiße Schwefelquelle
nahe an dem See zu sehen.

Zu Sonder blieb ich bei dem Missionär Herrn +Graafland+. Herr Schwarz
ritt noch elf Paal weiter nach +Langowang+, wo er wohnte.

+15. März.+ Herr Graafland begleitete mich bis Langowang. Ungefähr
zwei Paal vor diesem Orte, einige hundert Schritte vom Wege ab, liegen
ebenfalls Schlammquellen. Es haben sich mehrere Becken gebildet,
von welchen das größte vielleicht zwanzig Fuß im Durchmesser ist.
Hier brodelt der Schlamm noch etwas auf. Nahe bei Langowang liegen
auch einige, beinahe kochend heiße Schwefelquellen. Das Wasser ist
krystallhell -- man kann tief hinab in die Felsbecken schauen. Der
Geruch nach Schwefel ist viel stärker als der Geschmack. Die Leute,
die in der Nähe dieser Quellen wohnen, bedienen sich des Wassers zum
Trinken und Kochen. Sie sagen, daß wer daran nicht gewöhnt sei,
anfangs nach dem Genuß häufig Leibschmerzen bekomme.

In Langowang stieg ich bei dem guten und biedern Herrn Schwarz ab und
hielt in seinem Hause einen Ruhetag.

Am +17. März+ ritt ich nach +Romboken+ (acht Paal), an dem schönen See
Tondano gelegen, der neun Paal lang und vier breit ist. Dieser See, ein
einstiger Krater, erhält seinen Wasserreichthum durch dreißig kleine
Flüsse; außerdem hat er selbst in seiner Mitte eine Quelle, an einer
Stelle, wo man mit dem Senkblei keinen Grund gefunden haben soll. Er
ist von lieblichen Bergen und Hügeln eingefaßt, die in immerwährendem
Grün prangen.

Aus Romboken erwartete mich der Missionär Herr +Noe+ mit einem Boote,
um mich nach Tondano (vier Paal), seinem Wohnsitze, zu führen. Unter
Weges überfiel uns ein echt tropischer Regenguß, begleitet von einem
sehr kühlen Winde; es erfaßte mich ein heftiger Frost, und das böse
Sumatra-Fieber stellte sich zum siebenten Male ein (ich hatte es
auch auf Ambon). Mit großer Sehnsucht sah ich der Ankunft zu Tondano
entgegen und eilte von dem Boote sogleich in das Bett. Gegen Abend war
der Anfall vorüber, und ich besuchte noch Herrn +Riedl+, ebenfalls
einen Deutschen Missionär.

Da ich das dreitägige Fieber hatte, konnte ich am folgenden Morgen
ruhig einen Spaziergang nach dem zwei Paal entfernten Wasserfall von
Tondano machen. Die Umgebung ist wild romantisch; der Fluß stürzt sich
über eine achtzig Fuß hohe Felswand in einen Kessel, der von allen
Seiten senkrecht abfällt und unzugänglich ist. Man kann diesen Fall nur
von oben besehen, wo eine offene Hütte für die Neugierigen errichtet
ist. Ein zweiter Fall ist weniger bedeutend. Ungefähr hundert Fuß von
letzterem führt ein Brückchen über den Fluß, von welchem man beide
Fälle überblickt. Der Fluß ist zwischen einige Felswände eingeengt,
in welche die Kraft des stark abfallenden Wassers große Oeffnungen
gebrochen hat, und durch diese stürzt er sich wie durch Schleußen fort.

Nachmittags durchschiffte ich den See in seiner ganzen Länge bis
+Kakas+, von wo ich nach Langowang zu Fuß ging. Hier nahm mich wieder
Herr Schwarz auf.

Mit dieser Parthie schloß sich meine Reise in der Residentschaft
Menehassa. Ich wäre noch weiter gekommen, wenn das Fieber nicht
wiederholt aufgetreten wäre. Alles was ich von diesem Lande sah, gefiel
mir unendlich. Es ist reich an Naturschönheiten, hat ein gemäßigtes
Klima und trefflichen Grund und Boden. Die Dorfschaften sind schön
und reinlich, die Häuser auf Pfähle gebaut, geräumig und so gut in
Stand gehalten, wie ich noch in keinem dieser Länder gesehen hatte.
Obwohl nur aus Holz oder von den Rippen der Sagoblätter, sehen viele
Häuser der Eingebornen, ihrer Größe und Sauberkeit wegen, wie Wohnungen
von Europäern aus. Es gibt Dorfschaften von 2 bis 3000 Seelen; die
Häuser stehen in Reihen, sind aber durch Bäume und Hecken von einander
geschieden. Die schönsten lebendigen Zäune von gefüllten Rosen laufen
längs den Häuserreihen hin. Sehr gute, breite Wege durchschneiden
Menehassa in allen Richtungen. In siebzehn Ortschaften sind sogenannte
„Loger-Häuser“ für den Residenten gebaut, der häufig im Lande herum
reisen muß, um nach den Kaffee-Pflanzungen zu sehen.

Die Eingebornen sind theils Christen, theils Heiden. Man nennt sie
Alforen; ich fand aber wenig Aehnlichkeit zwischen ihnen und den
Alforen auf Ceram. Auch sind sie keine Kopfjäger. Sie sind etwas minder
häßlich als die Malaien und lassen ihre Zähne weiß und ungefeilt.
Betel wird zwar überall gekaut, doch ziemlich mäßig. Die Kleidung der
Christen ist wie jene der Christen auf den Molukken. Die Nichtchristen
bekleiden sich weniger, immerhin aber mehr als ihre Namensverwandten
auf Ceram. Den Charakter des Volkes hörte ich allgemein loben; man
rühmt die Alforen als ehrliche, treue Menschen; ihre Sitten sind rein
und unverdorben und sie arbeiten mit gutem Willen für die Regierung.

+Menehassa+ hat eine Bevölkerung von 110,000 Seelen, von welcher
seit ungefähr zwanzig Jahren ein Drittheil zur christlichen Religion
übergegangen ist. Schon zu den Zeiten der Portugiesen soll es viele
Christen unter ihnen gegeben haben, die aber später aus Mangel an
Priestern und Lehrern wieder in das Heidenthum zurückfielen. Im Jahre
1831 wurden die ersten Missionäre, die Herren +Schwarz+ und +Riedl+,
von der Holländischen Missionsgesellschaft nach Menehassa gesandt. Herr
Schwarz allein hat in den zweiundzwanzig Jahren seines hiesigen Wirkens
9000 Menschen getauft.

Das Leben und Wirken der Missionäre, wie ich es hier sah, befriedigte
mich ungleich mehr als jenes der Amerikanischen und Englischen
Missionäre in Indien, China und Persien. Der Missionär setzt sich hier
an einem Orte fest und reist nicht bald 100, bald 200 Meilen hier und
dort hin, um Leuten zu predigen, die keinen Vorunterricht genossen
haben und daher von seinen langen Reden so viel wie nichts verstehen.
Hat sich sein Wirkungskreis so weit ausgedehnt, daß er seinen Gemeinden
nicht mehr genügen kann, so ersucht er die Missionsgesellschaft um
einen neuen Mitarbeiter, und so geht die Sache Schritt vor Schritt
vorwärts.

Die Herren Schwarz und Riedl haben die Arbeiten hier begonnen; jetzt
ist die Zahl der Missionäre schon auf zehn gestiegen, und auch diese
reichen nicht mehr aus.

Die Holländischen Missionäre beziehen von ihrer Gesellschaft einen
sehr mäßigen Gehalt: sie führen einen sehr bescheidenen Haushalt und
leben nicht in Pracht und Luxus wie die vornehmen Amerikanischen
und Englischen Missionäre. Die Folge davon ist, daß sich das Volk
mit Vertrauen dem Geistlichen und Lehrer nähert, den keine so hohe
Scheidewand von ihm trennt. In die Zeit, die ich bei Herrn Schwarz
zubrachte, fiel auch ein Sonntag. Ich sah da Nachmittags nach dem
Gottesdienste viele Eingeborne zu Besuch kommen und sich stundenlang so
herzlich und ohne Zwang mit der Familie unterhalten, als gehörten sie
dazu.

Jeder Missionär hält vier bis acht Jünglinge und eben so viele
Mädchen in seinem Hause. Die Jünglinge bildet er zu Schullehrern; die
Mädchen werden in allen nützlichen häuslichen Arbeiten unterrichtet,
die feinen, für das gewöhnliche Leben unnützen, wie Sticken,
Schlingen u. s. w. ausgenommen. Diese jungen Leute leben beständig in
Gemeinschaft mit der Familie, sie sind fast wie Kinder des Hauses zu
betrachten; doch wird auch andererseits wieder Sorge dafür getragen,
daß sie nicht durch zu hohen Unterricht oder durch eine zu bequeme
Lebensweise aus ihrer Sphäre gerissen werden.

Die Missionäre haben hier nicht jede Woche ein bis zwei Meetings
(Zusammenkünfte), sondern nur zwei im ganzen Jahre, und zu diesen
kommen weder die Frauen, Kinder, noch der ganze Hausstand mit. Die
Herren vereinigen sich auf zwei bis drei Tage, und jeder reitet dann
wieder heim. Sie finden es hier auch nicht unter ihrer Würde, sich mit
eingebornen, wohlerzogenen Mädchen zu verheirathen. Frau Schwarz war
nicht so glücklich, von Europäischen Eltern abzustammen; sie stand
aber ihrem Berufe eben so gut, wo nicht besser vor, als die meisten
Europäischen Missionärs-Frauen, denn weder sie noch ihre Kinder hatten
Klimawechsel, Reisen nach Europa u. s. w. nöthig. Was kostet dem
Englischen und Amerikanischen Missionsfond nicht das beständige Reisen
der Missionärs-Frauen und Kinder?!

Die Frauen der Missionäre sah ich die Kranken besuchen, die
abscheulichsten Wunden und Geschwüre verbinden. Hier bekam ich mehr
Achtung vor den Missionären, als ich bisher gehabt hatte, hier ward es
mir begreiflich, daß sie des Guten unendlich viel wirken können, wenn
sie diesen Stand aus wahrem, innerem Berufe ergriffen, und nicht, wie
es leider oft der Fall ist, aus der eigennützigen Absicht, sich eine
leichte Existenz, ein reichliches Auskommen zu verschaffen.

Die Regierung scheint auf Menehassa leider wenig Antheil an dem
Volksunterricht zu nehmen. Die Schullehrer, die ihre geringen Gehalte
(per Monat vier bis sieben Rupien, nur die beiden ersten Lehrer
erhalten zehn) von dem Missionsfonde beziehen, sind nicht einmal
von der Hüttensteuer ausgenommen, die sie an die Regierung und ihre
eingebornen Regenten bezahlen müssen.

Ich brachte fünf Tage bei der lieben, biedern Familie Schwarz zu; am
23. März trat ich den Rückweg nach Menado an. Herr Schwarz begleitete
mich zehn Paal weit; dann nahmen wir so innig wehmüthigen Abschied, als
wären wir jahrelange Freunde gewesen.

Ueber Mittag blieb ich bei Herrn Wilken, der mich schon früher in sein
Haus eingeladen hatte; Abends erreichte ich Menado (34 Paal).

In Menado hielt ich mich dießmal größtentheils bei dem Missionär Herrn
+Linemann+ auf, der ebenfalls ein Deutscher ist. Ich sollte mit ihm
die noch übrigen Stationen besuchen. Wir waren schon reisefertig,
als es verlautete, daß der Dampfer für Makassar noch diesen Monat
kommen würde. Ich mußte in Menado bleiben und den Ausflug, von dem
ich mir viel Vergnügen versprach, aufgeben, was ich später um so mehr
bedauerte, als ein Tag nach dem andern verging und der Dampfer nicht
anlangte.

Erst am 9. April berichtete man seine Ankunft; am 8. Abends ritt ich
nach Kema, und am folgenden Morgen ging ich an Bord.

Die Reise nach Makassar (600 Meil.) machten wir in drei Tagen.

Ich hatte schon früher gehört, daß Dr. Schmitz nach Makassar als
Direktor des Hospitales versetzt worden und daselbst mit seiner
Gemahlin bereits angelangt sei. Ich wußte, man werde mich da mit
offenen Armen aufnehmen und eilte bei meiner Ankunft sogleich in sein
Haus.

Da ich Makassar bereits gesehen hatte, blieb ich daselbst nur einige
Tage; ich war begierig, eine Reise in das Innere von Celebes zu
unternehmen.

Der von den Holländern unabhängige Theil dieser Insel ist in drei große
Reiche, +Bonni+, +Goa+ und +Sidenring+ getheilt, welche wieder in viele
kleine Staaten zerfallen, deren Könige oder Rajah’s den Regenten der
großen Reiche unterworfen sind. Die Sultane oder Könige dieser drei
Reiche sind Bundesgenossen der Holländer; sie dulden aber weder Forts
noch Residenten in ihren Ländern und haben bisher ihre vollkommene
Unabhängigkeit zu bewahren gewußt. Ich wollte diese Reiche, so wie
auch den Bergdistrikt +Duri+ besuchen, dessen wilde Bewohner in Höhlen
wohnen und noch auf einer sehr tiefen Stufe der Zivilisation stehen
sollen. Ich ersuchte den Gouverneur, Herrn +Bick+, um die Erlaubniß
zu dieser Reise, denn ohne dessen Bewilligung darf man weder in den
Besitzungen der Holländer auf Celebes noch zu deren Bundesgenossen
reisen. Der Gouverneur war sogleich bereit, mir die Erlaubniß für Goa
und Sidenring zu geben. Bonni schloß er aus, da die Regierung jetzt
eben nicht am besten mit diesem Sultan stand, welcher der mächtigste
von den Dreien ist und, wie man mir sagte, in kurzer Zeit eine Macht
von 40,000 tüchtigen Streitern zusammenbringen kann.

Mit Briefen vom Gouverneur an verschiedene Könige und Rajah’s versehen,
trat ich in Begleitung eines Sendlings (Dragomans) und eines Kulis am
17. April die Reise zu Pferde an. Ich ritt bis +Maros+ (17 Paal), dem
Sitze eines Assistent-Residenten. Maros und Makassar liegen auf einer
und derselben Ebene, die mit unübersehbaren Reisfeldern überdeckt ist.
Ich war über diese große Kultur um so mehr erstaunt, als ich nur wenige
Ortschaften sah und das Pflanzen des Reises, besonders aber die Ernte,
vieler Menschenhände bedarf, denn auch hier, wie auf Java, wird jede
Aehre einzeln abgeschnitten.

In dieser Ebene gab es weder gebahnte Wege noch Brücken; die Flüsse
Tello und Maros mußten wir in Booten übersetzen; die Pferde schwammen
hindurch.

Auf Maros stieg ich bei dem Assistent-Residenten Grafen Bentheim ab.
Dieser Herr wohnte in einem sehr schönen Gebäude, dessen Architekt
und Baumeister er selbst war, und das an Schönheit die Residenzen der
Gouverneure von Makassar und Ambon bei weitem übertrifft. Es ist von
massiven Steinen aufgeführt, hat einen artigen Säulengang und große,
hohe Gemächer.

Ich wollte auf Maros nur einen Tag bleiben; allein anhaltende Regen
hielten mich sechs Tage zurück. Welch ein Glück, daß mich dieß Wetter
nicht bei irgend einem Malaischen oder Buginesischen Könige oder Rajah
traf! Hier in der Mitte einer so überaus liebenswürdigen Familie,
wie die des Grafen, war das schlechte Wetter leicht zu ertragen, und
beinahe mit Bedauern sah ich die Sonne wieder erglänzen und mich an die
Fortsetzung meiner Wanderungen mahnen.

Während meines Aufenthaltes zu Maros besuchte ich die drei Paal
entfernt gelegene Grotte +Bulu Sepong+. Der Fels, in welchem sich diese
Grotte befindet, steht ganz vereinzelt, wie vom Himmel gefallen, in
der schönen Ebene. Er mag achtzig Fuß hoch sein und dreihundert Fuß im
Umfange haben. Als die Engländer das Land in Besitz hatten, benützten
sie ihn als Festung. Die Grotte war die Kaserne, auf der Spitze standen
die Kanonen. Die Grotte ist niedlich, von der Decke senken sich viele
Zacken und einige unregelmäßige Säulen von Stalaktit herab. Jetzt ist
sie der Tummelplatz von Fledermäusen und allerlei Nachtvögeln.

Auch einer Regentenwahl wohnte ich in dem Hause des Grafen bei. Einer
der Rajah’s wünschte von der Regierung wie von seinem Volke die
Zusicherung zu erhalten, daß nach seinem Ableben sein Titel auf seinen
Sohn übergehen möge; er wollte letzteren deßhalb noch bei Lebzeiten
für seinen Nachfolger erklären lassen. Die Regenten und Aeltesten des
Volkes von dem ganzen Bezirke versammelten sich zu diesem Zwecke in
dem Hause des Grafen. Jeder wurde einzeln und abgesondert um seine
Meinung und Stimme befragt. Alle stimmten zu Gunsten des Sohnes. Dieser
saß während der Verhandlung bei Seite und wurde, als die Stimmen
gesammelt waren, herbeigerufen, worauf man ihm den glücklichen Erfolg
verkündete. Er zog seinen Kries und legte den Eid der Treue ab.

Das Volk ist hier nicht sehr von der Regierung geplagt; es hat nur
den zehnten Theil der Ernte in Geldeswerth zu entrichten und weder
an Straßen-, noch Brücken- oder Häuserbauten zu arbeiten. Kaffee-,
Zucker- und Gewürzpflanzungen sind frei, und daher sieht man von diesen
Produkten auch nichts. Reis ist das einzige Bedürfniß der Eingeborenen
und in Folge dessen pflanzen sie nichts anderes, da sie ihre
Bequemlichkeit dem Verdienste oder Gewinne vorziehen. Damit wäre ein
Beweis geliefert, daß, wenn die Regierung ihr Monopol-System aufgäbe
und die Leute nicht zu der Arbeit zwänge, nicht, wie manche behaupten,
mehr gepflanzt und zu billigeren Preisen erzeugt würde, sondern im
Gegentheile auf allen Inseln, Java nicht ausgenommen, die meisten
Pflanzungen nur zu bald eingehen dürften.

Was überhaupt über das Monopol-System so wie über die Regierungsweise
der Holländer Gutes oder Böses zu sagen ist, wage ich als schlichte
Frau mit meinen ungenügenden Kenntnissen nicht zu beurtheilen. Meiner
Meinung nach ist jede Art Zwang eine Ungerechtigkeit, die nirgends
statt haben sollte. Wo ist aber eine Regierung in der Welt, die Zwang
nicht anwendet, wenn es in ihrer Macht steht? Ich möchte glauben,
daß bisher noch keine Regierung ein Land in der menschenfreundlichen
Absicht in Besitz genommen hat, das Volk zu beglücken -- die einzige
Frage war und ist stets: „Welchen Nutzen kann man aus dem Lande, aus
seinen Bewohnern ziehen?“ England sucht aus seinen überseeischen
Besitzungen so viel als möglich zu erpressen, die Spanier, Franzosen
u. s. w. eben so, und natürlich machen die Holländer von der
allgemeinen Regel keine Ausnahme.

Warum man aber gerade von der harten Regierung der Holländer in Indien
so viel spricht, weiß ich wahrlich nicht zu erklären. Ich fand sie
minder hart als in gar manchen andern Ländern. In Brittisch-Indien
z. B. wird jeder Fruchtbaum einzeln besteuert, das Pachtsystem ist
dort für den Kleinpächter ungemein drückend. Freilich haben auch auf
den Holländisch-Indischen Besitzungen die Eingeborenen mitunter viel
zu leiden; doch bestehen ihre Leistungen meistens in Handarbeit, was
weniger drückend ist, als wenn sie in Zahlungen beständen. Auch muß
man andererseits zugeben, daß besonders in neuerer Zeit viel für die
Verbesserung ihrer Lage gethan wird. In vielen Provinzen hat der
Bauer Eigenthumsrecht; er kann seine Hütte, seinen Grund verkaufen.
In anderen wird der Boden patriarchalisch bearbeitet und die Ernte
getheilt. In Gegenden, wo weder Kaffee, Zucker, Thee noch Gewürze
gebaut werden können, oder wo diese Produkte nicht Monopol sind, muß
gewöhnlich der fünfte Theil der Ernte, in einigen Distrikten auch nur
der zehnte Theil in Geldeswerth an die Regierung geliefert werden. In
jenen Gegenden, in welchen das erwähnte Monopol besteht, hat der Bauer
für sein eigenes Besitzthum äußerst geringe, meistens gar keine Abgaben
zu entrichten, muß aber dafür in den der Regierung gehörigen oder von
ihr verpachteten Pflanzungen arbeiten und erhält eine Vergütung.

Die härtesten Lasten sind für die Eingeborenen die Arbeiten in den
Kaffeegärten und die Bauten der Straßen, Brücken, Magazine, Gebäude
der Beamten u. s. w. Bei ersteren müssen die Leute oft zwei bis drei
Monate im Jahre, mitunter fünfzehn bis zwanzig Paal von ihren Wohnungen
entfernt bleiben. Die Regierung bezahlt ihnen dagegen für jeden Pikul
gelieferten Kaffee eine bestimmte Summe. Die verschiedenen Arbeiten an
den Bauten aber mußten bisher ganz unentgeldlich geleistet werden; nur
die Werkführer, wie Maurer-, Zimmer- und Schlossermeister, erhalten für
den Tag eine angemessene Bezahlung. Wie ich schon früher erwähnt habe,
ist das Trachten des jetzigen Gouverneur-Generals dahin gerichtet,
einen genügenden Tagelohn für alle der Regierung zu leistenden Dienste
aufzustellen, und es soll diese wohlthätige Maßregel bei meiner
Abreise der Ausführung schon ganz nahe gewesen sein.

Die Bürger sind von jeder Last befreit: sie haben keine Frohndienste zu
leisten und nichts als jährlich für Grund und Boden eine kleine Summe
zu entrichten. Jeder Bauer kann Bürger werden, sobald er zwölf Jahre
Militärdienste leistet. Gerade über die Bürger hört man die meisten
Klagen: sie sind außerordentlich träge und in einigen Distrikten,
besonders auf Ambon, dem Kartenspiele sehr ergeben.

Die Sclaven sind auf den Holländischen Besitzungen gut gehalten:
sie können ihre Herren verklagen und werden von der Regierung sehr
in Schutz genommen. Die Gesetze für sie stehen hier nicht blos auf
dem Papiere, wie in den meisten Sclavenländern, sondern werden auch
ausgeführt.

Nach allem, was ich bisher auf meinen Reisen nicht nur in
Holländisch-Indien, sondern in allen außereuropäischen Ländern
beobachtet habe, möchte ich am Ende beinahe behaupten, daß das Loos
jener Völker glücklicher sei, die nicht unter die Herrschaft der
Weißen gerathen sind. Sie haben zwar auch ihre Leiden und Erpressungen
zu erdulden, aber gewiß keine ärgeren, als unter den habsüchtigen
Europäern.

Am +23. April+ trat ich die Weiterreise an. Graf Bentheim bestand
ungeachtet meiner Weigerung darauf, mir noch einen „Tolk“
(Dolmetscher) mitzugeben, welcher Buginesisch und Holländisch sprach.
Von letzterer Sprache hatte ich bereits so viel in meinen alten Kopf
gebracht, um mich verständlich machen zu können. Ich ging mit einem
Gefolge von neun Nichtsthuern auf den Weg, nämlich: Sendling, Tolk,
von welchen jeder zwei Kulli und einen Diener hatte; ich selbst hatte
nur einen Kulli. Dieser große Zug war mir sehr unangenehm, denn je
zahlreicher das Gefolge, desto mehr Mühe kostet es, die Leute in
Ordnung zu halten, desto schwieriger ist es, überall die nöthigen
Pferde zu erhalten.

Wir ritten nicht weiter als bis +Padkadjene+ (sechzehn Paal), beständig
in großen Ebenen zwischen Reispflanzungen. Man könnte die beiden
Distrikte von Maros und Makassar mit vollem Rechte die Reiskammern
der Insel nennen. Die Ebene von Maros erfreut sich eines besondern
Reichthums, was die Eingebornen zum größten Theile dem Grafen Bentheim
zu danken haben, da er mehrere Wasserleitungen anlegen ließ, welche die
Felder hinlänglich bewässern.

Obwohl mich Graf Bentheim auf die schlechten Wege vorbereitet hatte,
fand ich sie dennoch über meine Erwartung schlecht. Es gibt eigentlich
gar keine Wege: wir wanden uns beständig durch Reisfelder, die alle
durch die künstliche Bewässerung tief unter Wasser standen. Die Felder
waren durch schmale Erddämme getrennt, kaum so breit, daß die Pferde
einen Fuß vor den andern setzen konnten. Fast bei jedem Schritte mußte
man auf einen Sturz gefaßt sein. Das Pferd konnte leicht vom Damme
abgleiten oder mit demselben einbrechen, da er nur aus einer weichen
Erdmasse bestand. Ging es nicht auf diesen Erddämmen, so ging es durch
Pfützen und Moräste, in welche die Thiere bis an die Brust einsanken.
Oft waren sie kaum im Stande, sich heraus zu arbeiten. Dabei wurde
man natürlicher Weise vom Kopfe bis zu den Füßen mit Koth und Schlamm
bespritzt. Die Beamten bereisen diese Gegenden nie vor dem Monate
August, wann die Reisernte vorüber und alles trocken ist.

Schön nimmt sich eine kleine Gebirgskette von fünfzehn Paal Länge aus,
die sich vor einer größeren aufstellt, und deren Eigenthümlichkeit in
langen, senkrecht aufsteigenden Wänden besteht, welche sich hie und da
weit auseinanderspalten und reizende Durchblicke gewähren. Die höchste
Spitze der dahinter gelegenen größeren Gebirgskette ist der Maros mit
4800 Fuß. Auch dieser Berg steigt senkrecht in die Höhe.

+24. April.+ Wir ritten bis +Mendalle+ (28 Paal). Den Fluß Padkadjene
übersetzten wir in einem Boote, den Fluß Segéri mußten wir durchreiten.
Das Wasser ging den Pferden bis über die Brust; sie hatten beinahe den
Boden unter den Füßen verloren; die eigentliche Gefahr war jedoch, von
den Kaimans angefallen zu werden, an welchen es in den Flüssen dieser
Insel nicht fehlt. Aus dem Dorfe Segéri allein wurden im vergangenen
Jahre neunzehn Menschen von diesen Unthieren aufgezehrt. Dieß hindert
aber die Leute nicht, den Fluß zu durchschwimmen oder sich in demselben
zu baden. Sie sagen, wer bestimmt sei, von einem Kaiman gefressen zu
werden, könne seinem Schicksale nicht entgehen, selbst wenn er sich
keinem Flusse nähere.

Zu Segéri blieben wir bei dem Regenten über Mittag; es gab daselbst
weder Löffel noch Gabel; die Hände mußten deren Stelle vertreten.

In dieser Gegend beginnt schon wieder die häßliche Sitte, die Zähne
schwarz zu färben und abzufeilen. Auch die Nägel an Händen und Füßen
färben viele rothbraun. Die Tracht der Eingebornen ist durchgängig
ziemlich dieselbe. Die Männer tragen ein kurzes Beinkleid, das bis auf
den halben Schenkel reicht, darüber einen Sarong; der Oberkörper ist
selten bedeckt, der Kopf in ein Tuch geschlagen. Kein Mann geht vor
die Hütte ohne den Parang und eine große Tasche, welche die Siri- und
Rauch-Gegenstände enthält. Parang und Tasche werden unter dem Sarong
getragen, was den Leuten ein ganz eckiges Aussehen gibt. Nebst den
Parangs sind viele auch mit Lanzen bewaffnet.

Die Sarongs der Weiber sind hier viel länger als ich sie irgendwo
gesehen habe. Letztere ziehen sie zuweilen bis über den Kopf,
gewöhnlich aber schlagen sie selbe nur ganz lose um den Körper, wobei
oft ein langes Stück nachschleppt. Es ist nicht möglich, sich dieses
Kleidungsstückes alberner zu bedienen. Sie mußten stets eine Hand frei
haben, um es zusammen zu halten und aufzuheben. Außer dem Sarong tragen
sie noch ein ganz kurzes Oberhemd, das bis an die Hüften reicht und
bei den Mädchen aus sehr durchsichtigen, bei den Weibern aus dichteren
Stoffen besteht.

Nach der Mahlzeit machten wir uns wieder auf den Weg; der Regent von
Segéri begleitete uns. Man konnte nicht leicht ein schöneres Bild sehen
als diesen Makassaren[26] auf seinem prächtigen Schimmel. Der Mann
war sechs Fuß hoch, kräftig gebaut, und hatte ausdrucksvolle, ernste
Züge. Er trug einen blendend weißen Sarong höchst malerisch um den
bräunlichen Körper, ein weißes Tuch um den Kopf geschlagen. Sein Pferd
hatte weder Sattel noch sonstiges Reitzeug, außer einem kleinen Zaum,
der durch das Maul gezogen war. Und dennoch saß er so fest und dabei
so ungezwungen oben, wie der geübteste Reiter. Die Leute auf Celebes
sind durchgehend treffliche Reiter; man sieht schon zehnjährige Knaben
die Pferde wacker herumtummeln. Sie reiten ohne Sattel und Zeug; nur
ein kleiner Zaum, wie gerade bemerkt, wird den Pferden durch das Maul
gezogen, auch wohl manchmal eine kleine Decke ganz lose auf den Rücken
des Thieres gelegt. Wenn sie langsam reiten, stemmen sie gewöhnlich
einen Fuß in die Seite des Thieres -- ein höchst origineller Anblick.
Es gibt sehr viele Gestüte auf Celebes; die Pferde dieser Insel werden
häufig ausgeführt, da sie in ganz Indien die größten und ausdauerndsten
sind. Der Preis eines schönen Pferdes ist dreihundert Rupien.

Wir kamen auch heute viel durch Reisfelder, so wie durch Mais-, Ubi-
und Pisang-Pflanzungen. Große Strecken Alang-Alang, hie und da kleine
Waldparthien zogen sich dazwischen hin. Wir gingen stets in großen
Thälern fort und ließen die Gebirgsketten einige Paal seitwärts liegen.

+25. April.+ Die heutige Tagereise war nicht länger als sieben Paal,
aber desto unangenehmer. Die Wege um Mendalle waren durch die häufigen
Regen ganz unpraktisch geworden; wir mußten daher an das Meeresufer
hinabsteigen und zum Theile in der See selbst reiten; der Korallenriffe
halber konnten wir nicht einmal der Küste nahe bleiben, und ritten oft
einige hundert Schritte von ihr entfernt. Die Brandung war sehr stark,
das Wasser so trübe, daß man den Grund nicht sehen konnte. Ich dankte
Gott, als ich ohne Unfall aus dem feindlichen Elemente kam und unter
den Hufen meines Pferdes wieder Erde sah[27].

Vormittags erreichten wir +Tanette+, ein unabhängiges Fürstenthum oder
Königreich auf der Ostküste von Celebes und seit dem Jahre 1840 ein
treuer Bundesgenosse Hollands.

Das Oertchen Tanette liegt in einer freundlichen Ebene. Man zeigte mir
eine große Bambushütte mitten in Reisfeldern als den Palast der Königin.

Auf Celebes ist es gebräuchlich, daß man nicht geradezu nach der
Wohnung eines regierenden Hauptes geht; man muß sich ansagen lassen
und um die Erlaubniß einer Vorstellung ersuchen. Ich sandte also einen
meiner Leute an den königlichen Hof; die Einladung erfolgte, und ich
hatte nichts eiliger zu thun, als davon Gebrauch zu machen.

Tanette wird von einer Königin regiert. Sie empfing mich sehr
herzlich und führte mich sogleich zu ihrer Tochter, die nicht in das
Empfangsgemach kam. Die Prinzessin zählte schon neunzehn Jahre und
war noch nicht verheirathet. Sie war zwar Braut; doch schob man die
Vermählung noch auf ein Jahr hinaus. Bei der vornehmen Klasse ist es
Sitte, daß die Mädchen erst mit zwanzig und mehr Jahren heirathen,
während dieß in der geringen schon mit elf und zwölf Jahren geschieht.

Die Königin und ihre Tochter waren nicht anders oder besser gekleidet
als die Dienerinnen. Das Gefolge (Mädchen und Weiber) hielt sich stets
hinter der Königin auf wie ihr Schatten; zwei Mädchen darunter trugen
die königlichen Insignien, welche aus ein Paar Cimbeln und einem
Scepter bestanden. Die Cimbeln hatte das eine Mädchen am Halse hängen
und schlug sie von Zeit zu Zeit aneinander.

Der Palast war ungefähr siebzig Fuß lang, dreißig breit und stand,
wie alle Hütten und Häuser in Celebes, auf Pfählen. Das Innere war in
drei Kammern und eine Küche getheilt. Die erste Kammer, ziemlich groß,
stellte den Empfangssaal vor. Da stand ein Tisch nebst einigen Stühlen,
die Wände und die Decke waren mir zu Ehren mit buntfarbigem Kammertuche
behangen, eine Decorirung, welche vorgenommen wurde, während ich bei
der Prinzessin meinen Besuch abstattete. Die beiden kleinen Gemächer
dienten der königlichen Familie sammt einem Theile des Gefolges, das
sich überall hinlagerte, wo es Platz fand, als Schlaf- und eigentliche
Wohnplätze. In diesen Kammern herrschte eine jämmerliche Unordnung;
aller Hausbedarf, alle Vorräthe lagen durcheinander. Theile eines
schönen Thee- oder Speise-Services[28], geschliffene Gläser und
Flaschen standen neben irdenen Geschirren und anderem Kram, Kisten und
Körbe waren überall aufgeschichtet, mehrere Klambus aufgehangen, so daß
für die Bewohner selbst kaum Platz blieb. Und da sitzen die Leute von
Morgens bis Abends mit nichts als Schwatzen und Sirikauen beschäftigt.
Die einzige Arbeit, die eine Königin oder Prinzessin verrichtet, ist
das Gewebe eines Bandes, mit welchem die Männer die Kriese oder Parangs
an den Leib befestigen. Die Königin zeigte mir eines, das sie gerade
webte, und das ich in Zeichnung und Farben ungemein geschmackvoll fand.

Die Königin war so eben im Begriffe, nach +Baru+, einem benachbarten
Königreich zu gehen, wo sie zu einem Feste eingeladen war. Da mich
mein Weg ebenfalls dahin führte, ging ich mit ihr. Wir fuhren noch
denselben Tag auf dem Flusse Tanette in die See (14 Paal), auf welcher
die Reise bis zur Mündung des Baru fortgesetzt werden sollte; da jedoch
der Wind sehr ungünstig war, lenkten wir bald in eine kleine Bay, wo
wir die Nacht vor Anker gingen. Die Königin sammt einem Theil ihrer
Leute brachten die Nacht auf dem Lande zu.

Sie führte ein so zahlreiches Gefolge mit sich, daß ein halbes Dutzend
Europäischer Königinnen kein größeres benöthigt hätten. Da gab es mehr
als dreißig Mädchen und Weiber (letzteren folgten ihre Ehemänner), die
alle die Ehre hatten, Hofdamen, Kammermädchen u. s. w. vorzustellen.
Manche davon waren so lumpig gekleidet und dabei so unrein, daß ich
mich fürchtete, unangenehme Erbschaften zu machen, wenn sie in meine
Nähe kamen. An Gepäck hatte die hohe Gesellschaft so viel mit sich, als
handle es sich um eine Uebersiedelung und nicht um einen Besuch von
einigen Tagen. Das ganze große Boot war voll von Körben und Körbchen,
Kistchen und Taschen, Töpfen, Kochgeschirr, Polstern, Matten u. s. w.,
so daß man gar nicht wußte, wo Platz finden; wir saßen wie Pikelhäringe
zusammengepreßt -- eine abscheuliche Tour!

Die Mädchen waren während der ganzen Reise mit der Verfertigung des
Siri beschäftigt, das hier nicht in Päckchen, sondern in Cigarrenform
gemacht wird. Sie bestreichen ein Betelblatt mit etwas Kalk (aus
gebrannten Muscheln), legen ein Stückchen Arekanuß nebst Gambir darauf,
rollen es zusammen und umwickeln es mit einer Faser. Wenn ein Blatt
zu feucht war, schürzte die Hofdame den Sarong auf und streifte die
überflüssige Feuchtigkeit an dem Schenkel ab. Wenn ein Mädchen die
Liebeserklärung eines Jünglings günstig aufnimmt, beglückt sie ihn mit
Siri-Zigarren; wenn sie ihm keine reicht, ist er abgewiesen.

Die ganze Gesellschaft kaute beständig Siri; sie spuckten dabei fleißig
in kleine messingene Töpfe, die als Spucknäpfe dienten und von Hand zu
Hand gingen. Die Königin ließ sich den Kopf von Ungeziefer reinigen,
und dasselbe thaten die Hofdamen und Kammerzofen unter sich. Bei
der großen Unsauberkeit, die in allem herrschte, was ich hier wie
in Tanette sah, kam mir die Sorgfalt höchst lächerlich vor, die auf
die Trinkgefäße der Königin verwendet wurde. Sie hatte ein eigenes
Gefäß, aus welchem nur sie trank; das Wasser wurde mit einem besondern
Schöpflöffel, jedoch aus dem allgemeinen Wasserkübel geschöpft
und durch ein leinenes Säckchen geseiht. Für das Säckchen und den
Schöpflöffel war ein Gestell mitgenommen, auf welchem man sie trocknete
und bewahrte.

+26. April+ ging es früh auf die Reise. Wir lenkten alsbald in den
Fluß +Baru+ und fuhren sechs bis acht Paal stromaufwärts bis in die
Nähe der Residenz, die einen Paal seitwärts des Flusses liegt (35 Paal
von Tanette). Die Zeit, während welcher die Botschaft nach Hofe ging,
unsere Ankunft zu melden, benutzte die Königin mit ihrem Gefolge zum
Baden. Sie kamen aber von dem Bade eben so unsauber zurück, als sie
hingegangen waren, denn sie übergossen sich, gleich den Malaien, nur
mit Wasser, ohne sich zu waschen. Um dem Körper einen angenehmen Duft
zu verleihen, durchräucherten sie sich mit wohlriechenden Harzen. Zu
diesem Zwecke war ein eigenes Räucher-Pfännchen mitgenommen worden,
über welches die Königin, wie jede Hofdame, sich erst stellte und dann
Gesicht und Hände hielt.

Auch in Baru regierte eine Königin. Ich hatte gleichfalls meinen
Sendling mit dem in lichtgelben Atlas eingenähten Briefe des
Gouverneurs an den Hof geschickt.

Mit dem Sendlinge zurück kam ein Tragstuhl, nebst einem Abgesandten der
Königin und einigem Gefolge. Man trug mich bis zum Palaste, auch nur
einer Bambushütte, wo mich der erste Minister des Reiches empfing und
der Königin vorstellte. Der Empfangssaal mochte ungefähr neunzig Fuß
lang und über vierzig breit sein; er sah düster und drückend aus. Die
Decke, auf viele Stämme gestützt, war sehr niedrig; kleine Oeffnungen,
welche die Fenster vorstellten, gab es nur wenige. Auch hier waren die
Wände, wie die Decke des Saales, mit farbigem Kammertuch behangen.
Im Hintergrunde saß die achtzehnjährige Königin in einer Art offener
Loge, ihr zur Seite eine alte, sehr beleibte Duenna, die ihr mit einem
großen Fächer Luft zufächelte. An jeder Seite der Loge stand ein aus
Holz geschnitzter, großer Vogel, mit vielen Blumen geschmückt. Die
Königin lud mich sehr freundlich ein, an ihrer Seite Platz zu nehmen.
Sie war in einen weiten Sarong von dunkelrothem Mousselin mit einigen
Goldstickereien gekleidet. Ihr Gesicht fand ich angenehm, aber nicht
hübsch; sie war noch unverheirathet.

Die Königin von Tanette war mit ihrem Gefolge am Landungsplatze
zurückgeblieben, als man mich abholte. Vermuthlich hatte man nur den
einzigen Tragstuhl, den man für mich sandte. Während meiner Anwesenheit
bei Hofe, die doch einige Stunden dauerte, kam die Königin von
Tanette auch nicht zum Vorschein; sie mochte wohl sogleich in die ihr
angewiesene Wohnung gegangen sein, um sich von der beschwerlichen Reise
auszuruhen.

Ich kam zu dem großen Feste gerade recht. Es fand den folgenden Tag
statt und bestand darin, daß der jugendlichen Königin die oberen Zähne
gefeilt werden sollten, eine Handlung, die hier so wichtig ist, wie
z. B. in Brasilien die Taufe eines kaiserlichen Prinzen, oder in Europa
eine königliche Hochzeit. Alle Fürsten und Rajahs der ganzen Umgebung
waren dazu eingeladen. Eine kleine Vorunterhaltung gab es schon heute.
Auf einer Seite des Saales, nahe der königlichen Loge, tanzten ein
Dutzend Mädchen, auf der anderen, etwas weiter entfernt, zwölf- bis
vierzehnjährige Knaben die gewöhnlichen langweiligen Malaischen Tänze.
Viele Männer und Weiber, wahrscheinlich lauter hochgeborene Personen,
hockten in Gruppen umher und sahen den Tänzen gedankenlos zu; keine
Seele sprach ein Wort.

Ich allein wurde nebst meinen beiden Begleitern (Sendling und Tolk)
mit Kaffee, Thee, einer Art guten, süßen Scherbets und verschiedenen
Leckereien bewirthet. Unter letzteren gab es kleine Früchte in Zucker
eingekocht, eben so schmackhaft, wie man sie immer nur in Europa finden
kann.

Die Königin bedauerte sehr, mich nicht bei sich aufnehmen zu können;
allein sie hatte der Gäste schon so viele, daß alles über und über
besetzt war. Man führte mich in die Hütte eines Eingebornen und sandte
sogleich Matten, Polster und Klambu zu meiner Einrichtung, Hühner nebst
anderen Gegenständen zum Kochen. Wenn man in ein Privathaus gewiesen
wird, müssen die Bewohner dem Gaste sogleich die große Stube einräumen.
Dieß hindert jedoch weder sie noch alle Neugierigen, die den Fremdling
sehen wollen, sich beständig darin aufzuhalten. Ich mußte mich, wollte
ich nur einigermaßen Ruhe haben, unter mein Klambu flüchten, und selbst
da ließen mich die Leute nicht ungestört -- sie hoben den Klambu auf
und steckten die Köpfe darunter.

Die Hütten des Volkes sind auf Celebes ungleich größer als auf Java,
Sumatra, den Molukken u. s. w. Im Innern bestehen sie gewöhnlich aus
einem Gemache von fünfzehn bis zwanzig Fuß im Gevierte, an welches sich
ein bis zwei kleinere anschließen. Längs der rechten Seite des großen
Gemaches läuft ein sechs Fuß breiter Raum, in dem sich die Feuerstelle,
Wassergefäße und dergleichen befinden.

Die Ortschaften sind sehr unrein, voll Schmutz und Pfützen; dabei haben
die Leute nicht den guten Gebrauch der Dayaker, sich vor dem Eingange
der Hütte die Füße zu waschen, wozu stets Wasser bereit steht, sondern
sie treten mit ungewaschenen Füßen ein.

Ganz nahe der Hütte, die ich bewohnte, waren die Lagerplätze der
Büffel. Diese Plätze bestanden aus vier Fuß tiefen Sümpfen, in welchen
die Thiere ganz begraben lagen. Man sah nichts als die Hörner und die
Nase. Obwohl es in diesem Lande überall genug Büffel gibt, kann man
doch nirgends Butter oder Milch bekommen, da die Eingebornen keine
Kuh melken. Zum Kochen gebrauchen sie Oele, die aus den Kokosnüssen,
Kanarinen und anderen Früchten gewonnen werden.

Was Kleidung, Kost und Wohnung anbelangt, könnte man die Bewohner von
Celebes alle für gleich reich oder arm halten, da man im gewöhnlichen
Leben in nichts einen Unterschied bemerkt. Ihre Reichthümer bestehen in
einigem Gold- und Silbergeschmeide, in goldenen Kästchen und Büchsen,
welche die Bestandtheile des Siri enthalten, in seidenen Sarongs, in
schönen Parangs und Lanzen. Aber alles dieß sieht man nur bei großen
Festen und feierlichen Gelegenheiten, wie z. B. bei der Zahnfeilung,
der Hochzeit, dem Begräbnisse eines fürstlichen Hauptes. Das Gold
färben sie so dunkel, daß es gerade wie Kupfer aussieht.

Die Sarongs werden hier ebenfalls von den Weibern gewoben und gleichen
an Muster und Feinheit der sogenannten Englischen oder Schottischen
Leinwand. Eine geschickte fleißige Weberin arbeitet einen ganzen
Monat an einem Sarong. Bei Hofe werden die Sarongs von den Hofdienern
und Dienerinnen gewoben. Jeder Fremde, der bei Hofe vorgestellt
wird, erhält einen Sarong zum Geschenk; auch mir ward überall diese
Bescherung zu Theil.

+27. April.+ Nachmittags verkündeten einige Böllerschüsse den Anfang
der Feierlichkeit. Ich begab mich in den Palast, den ich vom Volk ganz
umringt fand. Es waren da viele Lanzenträger (Begleiter der Prinzen und
Vornehmen benachbarter Staaten), von welchen einer sogar ein eisernes
Panzerhemd[29] trug. Der Saal war so überfüllt, daß ich Mühe hatte,
durchzukommen. Mein Platz ward mir in der obersten Reihe unter den
zahllosen Königen, Fürsten und Fürstinnen angewiesen, die das Fest
weit und breit herbeigezogen hatte. Man stellte mir eine ganze Menge
regierender Häupter vor, darunter den künftigen Erben oder, wie die
Holländer sagen, den „wahrnehmenden“ Thronfolger von Bonni. Es ist
unglaublich, welche Menge von Fürsten, Prinzen und dergleichen hohe
Personen es auf Celebes gibt. Und alle diese Leute wollen mit einem
gewissen Aufwande leben und natürlich nichts thun; sie sind die wahren
Blutsauger des Volkes.

Die Königin war noch nicht gegenwärtig; auch sie verstand es, das
Publikum eine geraume Zeit warten zu lassen. Von ihrem Gemache
bis an den Ort, wo sie Platz nehmen sollte, war der Boden mit
weißem Kammertuche belegt. An der Thüre hielten sechs Mädchen einen
Baldachin von Gold durchwirktem, schwerem Seidenstoffe bereit. Einen
grellen Kontrast zu diesem reichen Baldachine bildeten die sechs
Stangen, mittelst welcher er getragen wurde: sie bestanden aus dünnen
Bambusstückchen, die ganz roh waren, wie man sie im Walde geschnitten
hatte.

Musik und wiederholte Böllerschüsse verkündeten endlich das Erscheinen
der Königin. Mit langsamen, gemessenen Schritten, mit beinah
geschlossenen Augen wankte sie unter dem Baldachine, gleich einer
zu opfernden Dulderin, ihrem Platze zu. Sie war in zwei purpurrothe
Sarongs gekleidet, von welchen der eine den oberen, der andere den
unteren Theil des Körpers deckte. In den Haaren trug sie Kränze von
Melati[30], nebst künstlich gearbeiteten Blumen von Gold, außerdem
Ringe, Armbänder und anderes Geschmeide.

Die Königin blieb stumm und bewegungslos sitzen und schlug den Blick
kein einziges Mal auf. In ihrer Nähe bildeten ein Dutzend Mädchen ein
halbes Viereck und sangen ein religiöses Lied. Man brachte hierauf
eine alte abgenützte Matratze, breitete ein Tuch darüber und legte
einige Polster nebst einer Decke darauf zurecht. In diesem Augenblicke
entstand plötzlich an der Eingangsthüre ein heftiger Lärm, große
Bewegung; es schien mir, daß Leute mit Gewalt eindringen wollten und
abgewehrt wurden. Ich dachte schon, daß dieser Aufstand mir gelte, daß
es das Volk übel nähme, mich als Fremde, dieser großen Feierlichkeit
beiwohnen zu lassen. Die Ruhe wurde indeß bald wieder hergestellt; ich
konnte leider die Ursache dieser Unruhe nicht erfahren, und auch mein
Tolk vermochte nicht, mir darüber Auskunft zu geben. Letzterer war
überhaupt sehr mit Dummheit geschlagen, denn ich mochte ihn fragen was
ich wollte, er war beinahe nie im Stande, meine Fragen zu beantworten.

Man führte nun einen ältlichen Mann, ebenfalls unter dem Baldachine
an das Bett, stellte an seine Seite ein mit Wasser gefülltes Becken
und legte verschiedene Instrumente daneben. Die Königin schob sich
in sitzender Stellung nach dem Bette. Die Duenna nahm ihr die
Blumen aus den Haaren und reichte eine kleine goldene Untertasse
einer nahe sitzenden, sehr alten Frau (der ältesten Königin aus der
Verwandtschaft), welche darein einen ganzen Mund voll blutrothen
Speichels spuckte. Mit diesem kostbaren Safte salbte sie die Königin
an den Schläfen und an der Stirne, goß auch etwas davon auf einen
Riemen, den sie nach ihr schnellte, um ihren Körper von allen Seiten
zu besprengen. Hierauf nahm sie eine Räucherpfanne mit Rauchwerk,
reichte sie dreimal von der rechten zur linken Seite um die Königin,
ein viertes Mal in umgekehrter Richtung. Die Königin mußte sich nun
der Länge nach niederlegen, wurde leichthin mit der Decke bedeckt und
mit Melati bestreut. Die Duenna hockte sich rechts zu ihrem Kopfe, der
Arzt nahm die linke Seite ein, und mich setzte man neben die Duenna,
ebenfalls der Königin ganz nahe, welche mich bei der Hand faßte und
diese während der ganzen Operation nicht mehr los ließ. Sie sah überaus
betrübt aus, drückte mir zeitweise die Hand und blickte mich dabei so
wehmüthig an, als wollte sie Hülfe von mir erheischen. Fast mit Angst
harrte ich der kommenden Dinge.

Der Arzt warf drei Feilen von verschiedener Größe in das Wasserbecken,
schob der Königin eine kleine Walze von Palmkohl zwischen die Zähne,
nahm die größte der Feilen, und fing damit so kräftig an auf die Zähne
loszuarbeiten, als hätte er einen Holzblock unter den Händen. Mit einer
zweiten, kleineren Feile setzte er die Operation fort. Bevor er an die
kleinste kam, nahm er die Walze aus dem Munde und schob an deren Stelle
ein um die Hälfte dünneres Röllchen von Betelblättern. Im ganzen
machte er seine Sache gut und schnell, besonders wenn man die plumpen
Instrumente betrachtete, deren er sich bediente. Was aber die arme
Königin dabei gelitten haben mag, wissen die Götter! Dennoch verzog sie
keine Miene: ich fühlte nicht einmal ihre Hand erzittern.

Als die Operation vorüber war, reichte man dem Arzte einen Hahn;
er riß ihm ein Stückchen von dem Kamme los und bestrich mit dem
herausquellenden Blute die Zähne und Lippen der Dulderin. Zu Ende
wiederholte die Duenna mit drei angebrannten, zusammengebundenen Kerzen
dieselbe Ceremonie, die sie mit der Räucherpfanne vorgenommen hatte,
worauf die Königin wieder auf ihren alten Platz zurück rutschte[31].

Die Operation der Zahnfeilung wurde außer an der Königin noch an sechs
Mädchen (wahrscheinlich aus dem königlichen Gefolge) vorgenommen; dabei
fanden jedoch nicht die geringsten Ceremonien statt. Die Mädchen legten
sich auf eine Matte, ohne Polster oder Decke, der Arzt schob ihnen
eine Walze in den Mund, feilte tüchtig darauf los, und die Sache war
abgethan.

Der ganzen großen Gesellschaft, die in dem Saale versammelt war
(bei 400 Personen) wurde Thee und Backwerk vorgesetzt. Mir ließ
die Königin außerdem eine Tasse des süßen Scherbets, wie auch eine
Portion der in Zucker gekochten Früchte reichen. Sie schien wirklich
einiges persönliche Interesse an mir genommen zu haben. Der Thee wie
die Leckereien wurden nicht eher berührt, als bis wieder ein langes
religiöses Lied herabgeheult war. Dann aß und trank man mit großer
Bescheidenheit.

Ich begab mich bald darauf nach Hause, denn außer langweiligen,
einförmigen Tänzen gab es nichts weiter zu sehen. Die Leckereien, die
man mir bei Hofe vorgesetzt hatte, wurden mir, wie es hier Sitte ist,
in meine Wohnung nachgesandt. Ich berührte sie hier eben so wenig wie
dort; sie waren aus Reismehl, Zucker, Oel, Kanarinen u. s. w. gemacht,
und schmeckten sehr fett und ranzig.

+28. April+ blieb ich zu Baru. Der Tolk sagte mir, daß es heute noch
Feste über Feste gebe, und daß es der Königin daher unmöglich sei,
mir Leute und Pferde zur Weiterreise zu verschaffen. Später sah ich,
daß er mich belogen hatte; es gefiel ihm hier sehr wohl. Die Königin
sandte beständig gute und viele Lebensmittel, er fand stets große
Gesellschaft zum Schwatzen, und so wäre er nicht Tage, sondern Wochen
hier geblieben. Keine einzige Unterhaltung hatte statt, nichts gab es
als Abends ein einfaches Hahnengefecht auf dem Bazar, wie es bei jedem
Markte gebräuchlich ist.

+29. April.+ Mein ärgster Verdruß auf dieser Reise war das Gefolge.
Die Leute hatten für mich als Frau nicht die geringste Aufmerksamkeit
oder Folgsamkeit. Wenn ich von dem Tolk etwas forderte, sagte er es
dem Sendling, dieser dem Diener, der Diener oft wieder dem Kulli, kurz
ich hatte einen Haufen von Leuten um mich und war so schlecht als
möglich bedient. Die Kerls wollten nicht einmal mein Schmetterlingsnetz
nehmen, ich mußte es meistens selbst tragen. Ein zweiter Uebelstand mit
so zahlreichem Gefolge war, daß wir überall vieler Pferde und Träger
bedurften. Daß der Tolk und Sendling nicht zu Fuß gingen, versteht sich
von selbst; aber auch ihre Diener mußten Pferde haben, wenn wir auch
nur acht oder neun Paal den Tag machten. Die Herbeischaffung der Pferde
nahm stets die schönen Morgenstunden weg. Wir kamen erst fort, wenn die
Sonne recht brannte. Anders verhält es sich freilich mit den Leuten,
wenn sie mit ihrem Herrn oder Vorgesetzten reisen. Da fürchten sie den
Stock oder sonstige Strafen, da hat alles Hände und Füße. Ich hatte
das aus Erfahrung kennen gelernt und deßhalb blos einen gewöhnlichen
Führer und einen Kulli mitnehmen wollen; allein der Gouverneur wie
Graf Bentheim, die es beide sehr gut mit mir meinten und ihre Leute
für besser hielten als sie waren, überredeten mich zur Mitnahme dieses
lästigen Gefolges.

Erst um zehn Uhr Morgens kamen wir heute in das Prauh. Man gab vor, daß
es nach Pare-pare, wohin ich wollte, zu Wasser näher sei als zu Lande;
dann aber erfuhr ich, daß man dieß vorgab, weil man nicht so viele
Pferde schnell genug herbeischaffen konnte, als der Tolk verlangte.

Kaum waren wir einige Stunden auf der See gefahren, so lenkten die
Leute in eine Bucht und wollten die Reise für diesen Tag beschließen.
Ich war darüber so aufgebracht, daß ich alle Scheltworte, die mir in
der Malaischen und Holländischen Sprache bekannt waren, zusammennahm,
den Leuten ihr elendes Betragen tüchtig zu verweisen. Ich drohte Briefe
nach Maros und Makassar zu schreiben, ja selbst Tolk und Sendling
zurück zu senden. Dieß bewirkte doch so viel, daß wir nach einer kurzen
Rast wieder weiter fuhren, erst gegen Abend in eine Bay lenkten und in
der Nähe eines Dorfes vor Anker gingen. Der Tolk sagte mir, daß man
Nachts nicht fahren könne, weil die Küsten voll Piraten seien. Dieß
wußte ich, wir blieben daher hier über Nacht.

Ich schlief in dem kleinen Prauh. Zum Imbiß erhielt ich nichts als
Reis, die Leute hatten nicht einmal für Lebensmittel gesorgt.

Außer unserem Prauh lagen noch zwei ganz kleine vor Anker. Mitten
in der Nacht erweckte uns ein fürchterliches Geschrei. Wir fuhren
erschrocken empor, meine Leute griffen nach ihren Waffen, da wir
dachten, von Piraten überfallen zu werden. Glücklicherweise kam niemand
an unser Prauh. Was auf den beiden andern vorging, woher das Geschrei
kam, darum bekümmerten sich meine Leute nicht, obwohl ich sehr darauf
drang, zu sehen, ob jene nicht unserer Hülfe bedürften. Morgens
vernahmen wir, daß Diebe vom Lande an die Prauhs geschwommen waren und
verschiedenes gestohlen hatten. Die Leute wurden erst wach, als die
Diebe mit ihrem Raube bereits dem Lande zuschwammen.

+30. April.+ Nachmittags drei Uhr kamen wir zu Pare-pare an (30
Meil.). Dieses Oertchen liegt in einer reizenden Bucht, welche von
kleinen, fruchtreichen Ebenen, von sanft anschwellenden Hügeln, und
im Hintergrunde von bedeutenden Gebirgen umgeben ist. Im Hafen lagen
ziemlich viele Prauhs und kleine Barken, die von Makassar und den
umliegenden Inseln handeltreibend hieher kommen. Der König dieses
kleinen Reiches zieht außer dem Zolle auch aus seinen eigenen
Handelsgeschäften großen Nutzen und soll für Celebes ziemlich
wohlhabend sein.

Als der Tolk an’s Land stieg, um nach des Königs Wohnung zu fragen,
wies man auf ein kleines Canoe, welches gerade im Ankommen begriffen
war, und sagte dem Tolk, daß der König so eben vom Fischfange
heimkehre. Ich hätte ihn wahrhaftig für nichts anderes, als einen ganz
gewöhnlichen Fischer gehalten: er trug bloß einen schmutzigen Sarong
nebst einem Kopftuche. Auch seinem Wohnsitze sah man nichts weniger
als Wohlhabenheit an. Derselbe bestand in einer höchst baufälligen
Bambushütte, der Zugang führte durch eine Pfütze. Vor der Eingangsthüre
saßen auf einem kleinen Vorplatze mehrere Jungen und Mädchen, die im
Koran-Lesen[32] unterrichtet wurden. Das Sonderbarste bei der Sache
ist, daß der Koran in Arabischer Sprache gelehrt wird, von welcher die
Lehrer selbst nichts verstehen. Sie lesen oder schreien die Gebete
herab, ohne das geringste Verständniß von dem zu haben, was sie
plappern.

Von dem Vorplatze ging es in des Königs Gemach, eine ganz gewöhnliche
Malaische Wohnstube, von welcher ein Theil durch Bambuswände in
Verschläge abgetheilt, die anderen von mehreren Klambus eingenommen
waren. Im Vordergrunde lagen viele Kaufmannsgüter in Kisten und Ballen
aufgestapelt, und überall machte sich ein Schmutz und eine Unordnung
sondergleichen breit.

Ich verstand von der Malaischen Sprache schon so viel, um mich mit
dem Könige unterhalten zu können. Er hatte einige Kenntniß in der
Geographie, besaß mehrere Landkarten und wußte so ziemlich die
Hauptreiche Europa’s zu nennen (der König wurde in Makassar erzogen).
Er legte mir die beiden Hemisphären vor und war höchst erstaunt,
als ich ihm in Kürze alle Welttheile, so wie die vorzüglichsten
Reiche derselben wies. Er ersuchte mich auch, in seiner Gegenwart zu
schreiben. Ich bemühte mich, sehr schnell zu schreiben, wohl wissend,
daß ihn dieß um so mehr in Erstaunen setzen würde, als die Malaien
alles, was sie thun, höchst gelassen verrichten. Ich mußte ihm meinen
Namen, Vaterland und Geburtsort aufschreiben, was ich in deutscher
und lateinischer Schrift that. Er fragte mich auch über verschiedene
Naturerscheinungen und bat mich, ihm einiges von den Sitten und
Gebräuchen fremder Völker und ganz besonders von meinem Volke zu
erzählen; kurz -- ich hatte Gelegenheit, mein Bischen Wissen so viel
wie möglich auszukramen -- Eitelkeit nimmt überall gern Huldigungen
an. Dafür ward mir die Ehre zu Theil, auch von diesem Manne für ein
ganz besonders bevorzugtes Wesen gehalten zu werden, wozu freilich in
einem Lande nicht viel gehört, in welchem die Männer wenig, die Weiber
so viel wie nichts wissen. Er ersuchte mich, ihm den Tag meiner Geburt
aufzuschreiben, welcher, wie er behauptete, unter die glücklichsten
gehören müsse.

Als er vernahm, daß meine Reisen gedruckt seien, sagte er, daß er
gern hundert Rupien geben würde, wenn er sie in seiner Sprache haben
könnte. War das doch ein galanter König! -- Wie hätte ich meine Reisen
ausdehnen können, was wäre mir nicht alles möglich geworden, wenn es
viele so freigebige Monarchen gäbe!

Ich äußerte den Wunsch, der Königin vorgestellt zu werden. Nach
geraumer Zeit erschien ein Weib, so alt, runzelicht und zu einem
Skelette zusammengeschrumpft, daß ich im Zweifel war, ob dieß die
Mutter oder die Großmutter des Königs sei, welch letzterer doch auch
schon ein Mann von einigen dreißig Jahren sein mochte. Dazu war sie
auf einem Auge blind, die Haare hatte sie zum Theile rothbraun gefärbt,
zum Theile waren sie schwarz und grau, und in größter Unordnung, als
hätten sie wochenlang keinen Kamm gesehen, hingen sie ihr bis an die
Schultern hinab -- es konnte nicht leicht ein häßlicheres Bild des
Alters geben.

Erst um sechs Uhr Abends kam ich in die mir angewiesene Wohnung.

In Folge der Nachlässigkeit meines Gefolges hatte ich seit
sechsundzwanzig Stunden nichts gegessen. Die Leute waren so sorglos
gewesen, auf die Reise nicht hinlänglich Wasser mitzunehmen, um den
Reis kochen zu können; für den gestrigen Tag waren sie mit gekochtem
Reis versehen, der Abends kalt gespeist worden war. Heute Morgens
wartete ich vergebens auf eine Mahlzeit. Als ich darnach verlangte, kam
es erst heraus, daß das Wasser zum Kochen fehlte. Ein Diener verließ
sich auf den andern, und keiner sah nach. In Pare-pare angekommen,
beauftragte ich den Tolk, so schnell als möglich ein Mahl zu besorgen.
Mit wahrem Heißhunger begab ich mich von dem Könige weg in meine
Wohnung, sah die Schüsseln schon dampfen und rauchen, glaubte den
würzigen Geruch der Speisen schon einzuathmen, da hieß es: „noch nicht
fertig.“-- Und so mußte ich noch zwei ewig lange Stunden warten.
Für meine Geduld hoffte ich doch wenigstens mit köstlichen Gerichten
belohnt zu werden. Ich täuschte mich jedoch abermals, da ich nichts
als Reis und einen Fisch in einer inländischen Brühe erhielt, die aus
gestampften, mit Wasser und Kokosöl ausgekochten, säuerlichen Blättern
bestand. Wahrlich, man mußte sechsundzwanzig Stunden gefastet haben, um
dieses Essen genießbar zu finden!

+1. Mai.+ Diesen Morgen machte ich dem Könige den Abschiedsbesuch und
verehrte seiner Gemahlin einige Fläschchen Kölnerwasser, ihm selbst
ein großes illuminirtes Bild, welches den Glaspalast in Hydepark
vorstellte. Um ihm einen Begriff von der Größe meines Sultans (Kaisers)
zu geben, sagte ich: „Sieh’, dieß ist der Palast meines Sultans, er
ist so hoch, daß die höchsten Bäume darinnen stehen können, und so
groß, daß man eine halbe Stunde braucht, ihn zu umgehen.“ Er war sehr
erstaunt und that viele Fragen über Sultan und Palast; nur meinte er,
daß der Palast gar zu durchsichtig sei. Die Sonne müsse da hinein
brennen und leuchten, daß man bei Tage gar nicht schlafen könne; er
möchte nicht darinnen wohnen.

Noch manche Stunde plauderten wir, erst um eilf Uhr kam ich fort.


  [25] Ost- und Westwind wechseln ungefähr alle sechs Monate.

  [26] Die Bewohner von Celebes sind im Süden Makassaren und Buginesen
       (alle Mohamedaner), im Norden Alforen. Uebrigens findet man
       Buginesen über die ganze Insel zerstreut.

  [27] Die vier Halbinseln, aus welchen Celebes besteht, sind lang,
       aber schmal, so daß man häufig wieder an die Meeresküste kommt.

  [28] Die Bundesgenossen erhalten von der Holländischen Regierung
       beinahe alle Jahre dergleichen Geschenke.

  [29] Im Kriege sollen viele der Eingebornen Panzerhemden tragen.

  [30] Melati heißt der gefüllte Jasmin; er ist die Lieblingsblume der
       Malaien und Chinesen und riecht angenehm, aber etwas stark.

  [31] Wenn Zahnfeilungen bei hohen Häuptern statthaben, gibt es in
       Zwischenräumen von mehreren Monaten drei Feste. Bei dem ersten
       werden die Zähne bezeichnet, wie weit sie zu feilen sind, bei
       dem zweiten werden die unteren, bei dem dritten die oberen Zähne
       gefeilt.

  [32] Die Malaien, und mit sehr geringer Ausnahme (Menehassa) alle
       Bewohner von Celebes, sind Mohamedanischer Religion. Doch
       genießt hier das weibliche Geschlecht dieselben Rechte, wie
       das männliche. Das erstgeborne Kind eines Königs, Knabe oder
       Mädchen, folgt dem Vater in der Regierung. Hinterläßt er
       eine Witwe, so regiert diese, wenn auch der Sohn schon das
       Mannesalter erreicht hat. Mädchen besuchen die Schule so gut wie
       die Knaben.




Zwölftes Kapitel.

  Sidenring. -- Die Seen von Tempe. -- Lagusi. -- Ein königliches Mahl.
  -- Rückkehr nach Sidenring. -- Die Rehjagd. -- Besuch bei dem Sultan
  von Goa. -- Abreise von Celebes. -- Surabaya. -- Eine Malaische
  Hochzeit. -- Eine Spukgeschichte. -- Rückkehr nach Batavia.


Von Pare-pare ging ich zu Pferde nach +Batu-Masapaija+ (zwölf Paal)
einem Landsitze des Königs von +Sidenring+, welcher abwechselnd hier
und in der eigentlichen Residenz zu +Tete-adje+ an dem See +Tempe+
wohnt.

Die Wege führten theilweise über niedrige Gebirge, welche, Alang-Alang
und kurzes Gras ausgenommen, von Vegetation beinahe entblößt, dagegen
voll Steine und Gerölle waren, so daß unsere armen Thiere wie Gemsen
klettern mußten. Wir begegneten vielen Saumpferden, die hauptsächlich
Reis nach dem Hafen Pare-pare trugen. Außerdem war das Land nur von
Pferden belebt, die sich lustig im Zustande der Freiheit herum
tummelten. Die Könige in diesen Gegenden haben große Gestüte und
treiben sehr gewinnreichen Pferdehandel.

Schon seit mehreren Stunden zog sich der Weg einförmig bergauf,
zwischen Hügeln fort, die jede freie Aussicht versperrten; dagegen
wurden wir bei dem Ausgange eines engen Thales überreich belohnt,
denn eine der herrlichsten Ansichten, vielleicht die schönste von
ganz Celebes, lag vor unsern Blicken. Eine beinahe unabsehbare Ebene
breitete sich aus, in ihrer Mitte glänzten die Wasserspiegel der
beiden Seen +Tamparang-Urai+ und +Tamparang-Cabaija+, gewöhnlich die
Seen von Tempe genannt. Der erstere dieser Seen bildet ein langes,
unregelmäßiges, der letztere ein schönes, rundes Becken. Reiche
Reispflanzungen, große Ortschaften verkündeten den Wohlstand der
Gegend. Im Vordergrunde stiegen viele vereinzelte, kleine, spitze Hügel
und Felsen auf, die man aus der Ferne und der Höhe, auf welcher wir
uns befanden, für Tumuli hätte halten mögen, so klein und niedlich
erschienen sie auf dieser ungeheuren Ebene. Im Hintergrunde erhoben
sich schöne Gebirgsketten gleich hohen Mauern, als wollten sie das
friedliche Thal vor den Stürmen der Außenwelt bewahren.

Langsam ritt ich nach der Ebene hinab, denn jeder Schritt verlöschte
einen Zug des herrlichen Bildes. Das Großartige verschwand, unser
Pfad ging wieder zwischen niedern Hügeln in die Tiefe, und bald sahen
wir weiter nichts, als einzelne Hütten, einige Stallungen, die dem
Könige zugehörten, kleine Mais- und Reisfelder. Dies ging so fort bis
Batu-Masapaija, wo wir den König auch wirklich antrafen.

Obwohl der König von Sidenring zu den drei größten auf Celebes gehört,
wohnte er eben so erbärmlich wie der kleinste, ärmste Rajah. Sein
Palast, aus dünnem Bambusgeflechte, mit Stroh gedeckt, glich einer halb
verfallenen Scheune. Das Innere bestand aus einem großen Gemache, von
durchlöcherten Halbwänden untertheilt, und voll schmutziger Klambus. Am
Eingange gab es einige Feuerstellen, auf welchen halb erloschene Brände
einen abscheulichen Rauch verbreiteten, im Vordergrunde wimmelte es
von Faullenzern aller Art, Männer, Weiber und Kinder. Hier hockte eine
Gruppe, Siri kauend und schwatzend, dort lagen Schläfer auf dem Boden
ausgestreckt und um die Wette schnarchend, hier erschien hinter einem
geöffneten Klambu ein zerraufter Kopf, dort balgten sich nackte Kinder,
mit Finnen und Schmutz bedeckt -- wo man hinsah ein erbärmlicher
ekelhafter Anblick.

Das königliche Ehepaar hockte im Hintergrunde auf einer zwei Fuß hohen
Tribune, gleich der Dienerschaft mit Sirikauen beschäftiget und in
den lieben langen Tag hinein schauend. In der Nähe der Tribune waren
hier und da Kisten und Körbe aufgestapelt, zerrissene Kleidungsstücke
hingen umher, dazwischen auch eine schöne gestickte Militärs-Uniform,
die der König von der Holländischen Regierung zum Geschenke erhalten
hatte. Der König zeigte mir dies Kleidungsstück und ersuchte mich, ihm
ein derartiges einfacheres zu verfertigen. So sind die Schicksale des
Reisenden! Der König von Pare-pare hätte mir hundert Rupien für meine
Bücher gegeben, während dieser hier mich zu seinem Hofschneider erheben
wollte! Ich wich der bescheidenen Bitte dadurch aus, daß ich sagte, ich
sei zum Arbeiten zu vornehm.

Man beherbergte mich in diesem scheunenartigen Palaste unter einem
Klambu. Die Kost war ziemlich schlecht; man brachte mir auf handgroßen
Täßchen einige winzig kleine Stückchen Fleisch, ein Paar fingerlange
Fische und den Hals, Kopf und die Flügelspitzen eines Hühnchens.

Nach der Tafel besuchte mich der König. Als er zufällig einige Insekten
sah, die ich unterweges gefangen hatte, und hörte, daß ich Werth darauf
legte, versprach er mir ganz unaufgefordert, Leute in die Waldungen zu
senden und für meine Rückkehr eine kleine Sammlung bereit zu halten.

Schon in einigen Tagen sollte ich wieder hier sein, denn meine Reise
ging nun nicht mehr weiter als über die beiden Seen bis +Lagusi+, der
Residenz der Königin von +Wadjo+, deren Königreich an jenes von +Bonni+
grenzt. Der Besuch des letzteren, wie bereits erwähnt, war mir nicht
gestattet.

Beim Abschied versprach mir der König noch, wenn ich wiederkehre, mir
zu Ehren auch eine Rehjagd zu veranstalten.

+2. Mai.+ Wir ritten heute nicht mehr als neun Paal in der großen Ebene
beinah unausgesetzt zwischen Reisfeldern bis in die Nähe des ersten
Sees, wo wir in einer offenen Hütte, d. h. unter einem Blätterdache
unsere Wohnung aufschlugen. Wir kamen durch mehrere große Ortschaften,
darunter besonders +Awaritij+ mit mehr als 200 Häusern. Ich fand in
diesem Königreiche Dörfer und Häuser durchgehends sehr groß.

Auch heute bestand meine Mahlzeit nur aus einigen kleinen Fischchen
nebst Reis, und zwar ebenfalls wieder durch die Schuld meiner Leute,
denn wenn man in diesen Ländern irgendwo gastfreundlich aufgenommen
wird, ist es Sitte, alles zu begehren, was man nöthig hat; hätten meine
Leute einige Hühner, Früchte u. dgl. verlangt, so würde man sie ihnen
mit Freuden gegeben haben; allein sie thaten es nicht, selbst wenn ich
es ihnen befahl -- sie wollten nicht die Mühe der Zubereitung haben.

+3. Mai.+ Lagusi (dreißig Paal). Heute ward ich über meine Leute im
höchsten Grade aufgebracht. Als ich Morgens an das Ufer des Flusses
kam, auf welchem wir noch ein kleines Stück bis in den See zu fahren
hatten, war nicht einmal das Prauh in Bereitschaft: eine ganze Stunde
mußte ich in der glühenden Sonne stehen und die Leute zur Arbeit
antreiben. Mit größtmöglichster Langsamkeit schoben sie endlich einen
ausgehöhlten Baumstamm in das Wasser und deckten ihn mit einem so
niedrigen Blätterdach, daß ich darunter kaum aufrecht sitzen konnte.
Ich betrat mit Widerstreben dieses gefährliche und unbequeme Fahrzeug;
wie aber stieg erst meine Angst, nachdem ich so viele Menschen folgen
sah, als der hohle Baumstamm fassen konnte! Ich wehrte mich dagegen;
doch weder Tolk noch Sendling hörten auf mich; sie ließen mitfahren
wem es beliebte. Einundzwanzig Personen saßen in dem engen Raume. Ich
mußte während der ganzen Fahrt, die über neun Stunden dauerte, gleich
den übrigen, auf meinen unterschlagenen Beinen hocken. Den Eingebornen
macht dieß freilich keine Unbequemlichkeit, die sind an diese Stellung
gewöhnt; ich litt aber unaussprechlich.

Unter den Mitreisenden befand sich ein Greis, der, obwohl er eben nicht
sehr gebrechlich aussah, nicht lange sitzen konnte. Er mußte sich
legen, und in Folge dessen waren wir gezwungen, noch mehr zusammen zu
rücken. Später sah ich, woher die Schwäche des Alten rührte: er war ein
starker Opiumraucher. Er führte Pfeife, Opium und Lampe mit sich und
rauchte und schlief abwechselnd während der ganzen Fahrt.

Die beiden Seen, deren vereinigte Länge ich auf ungefähr dreißig,
die höchste Breite auf zehn Paal rechne, sind durch den Fluß Watta
verbunden, ihre Entfernung von einander beträgt höchstens 1½ Paal. Die
Seen, besonders der große, haben wenig Tiefe; letzterer dürfte sich
mit der Zeit in einen Sumpf verwandeln, denn jetzt schon ist der ganze
Grund und Boden mit Pflanzen dicht überwachsen, und ganze Parthieen
derselben schwimmen gleich Inseln auf der Oberfläche umher. Die Ufer
bieten wenig Reiz; an vielen Stellen sind sie mit Alang-Alang bedeckt.
An dem großen See liegen bedeutende Ortschaften; sie nehmen sich aber
in der nackten Umgebung, die weder Gebüsche noch Baum besitzt, ganz
armselig aus. Die die Seen umgrenzenden Länder bilden Bestandtheile
von Sidenring, Wadjo und andern kleinen Königreichen. Man sieht auch
die Gebirge von Bonni, von welchen ich nur eine Tagreise entfernt war.
Lagusi liegt am Tjenrana, achtzehn Paal stromaufwärts. Als ich das
Boot verließ, um nach der königlichen Residenz zu gehen (¼ Paal)
begleitete mich die ganze Dorfgemeinde; man hatte hier noch kein
Europäisches Gesicht gesehen. Die Leute wollten alle mit mir in den
Palast (natürlich auch nur eine Bambushütte) -- man mußte sie mit
Gewalt forttreiben.

Die Königin ließ lange auf sich warten. Sie war alt, aber kräftig,
überaus lebhaft und sprach sehr eifrig und viel. Sie behauptete,
sechsundsiebenzig Jahre zu zählen; aber ihrem jüngsten Sohne nach zu
urtheilen, mochte sie es mit den Jahren wohl nicht so genau nehmen.
Wenn die Leute hier alt sind, machen sie sich gerne noch älter: sie
glauben dadurch an Würde zu gewinnen. Im allgemeinen haben sie auch
wenig Begriff von Zeitrechnung und wissen meistens selbst nicht, wie
viel Jahre sie zählen.

Nach der üblichen Bewirthung mit Thee und Süßigkeiten wollte ich mich
zurückziehen, da ich halb lahm von dem neun Stunden langen unbequemen
Sitzen in dem Baumstamme war; allein die hohe Frau gab es nicht zu:
sie unterhielt sich zu gut mit meinen Leuten, die ihr alle Neuigkeiten
aus der großen Stadt Makassar erzählen mußten. Sie war sehr munter
und heiter, obwohl sie, wie sie mir selbst mit wahrhaft stoischer
Gleichgültigkeit erzählte, erst vor drei Tagen einen Sohn begraben
hatte. So sind diese Menschen! -- So lange die Leiche im Hause ist,
heulen, schreien und geberden sie sich wie Wahnsinnige; ist der
Verstorbene einmal der Erde übergeben, so begraben sie den Schmerz mit
ihm, Heiterkeit und Frohsinn kehren wieder.

Die Königin trug Trauer um ihren Sohn. Dieselbe bestand in einem
dunklen Tuche, das um den Kopf geschlagen war, die Haare ganz verbarg
und bis über die Schultern fiel.

Sehr gegen meinen Willen war ich gezwungen, die Abendmahlzeit bei der
Königin einzunehmen. Auch hier war das Essen unter aller Kritik. Es
gab eine Menge kleiner Schüsselchen, deren Gesammtinhalt den Magen
eines ganz gewöhnlichen Essers nicht überladen hätte. Ein Schüsselchen
enthielt ein hartgekochtes Ei in vier Theile geschnitten, ein anderes
drei winzig kleine Kartoffeln, ein drittes die Hälfte eines drei Zoll
langen Fischchens, ein viertes ein paar Scheibchen von Gurken, ein
fünftes zwei gekochte nußgroße Zwiebelchen u. s. w. Mitten unter dieses
Puppenmahl setzte man einen sehr großen, fest zugedeckten Suppentopf
und legte daneben einen großen Suppenschöpflöffel. Diesem Riesentopfe
weihte ich meine ganze Aufmerksamkeit; mein erwartungsvoller Magen
hoffte auf gekochte Hühner oder sonst ein herrliches Gericht. In dieser
schwelgerischen Erwartung nahm ich eine gute Portion Reis auf meinen
Teller, um ihn mit der köstlichen Sauce, mit dem zarten Hühnerfleische
zu mengen; doch der Deckel des Topfes wurde lange Zeit nicht gehoben.
Ich verlangte nach etwas Salz, um meinen Reis vorläufig zu würzen. Da
endlich -- ging der Deckel auf, man griff nach dem großen Schöpflöffel
und langte -- -- einen Fingerhut voll weißen Salzes heraus[33]. Bald
wäre ich aus Schmerz über die getäuschte Hoffnung selbst zur Salzsäule
geworden.

Nicht minder komisch ging es mit dem Wasser zu: man stellte zwei
sehr schön geschliffene Flaschen in Futteralen vor uns. Da Flaschen
gewöhnlich von Gläsern begleitet sind, wartete ich lange auf letztere.
Als sie nicht erschienen, verlangte ich darnach; die Königin aber sagte
mir, ich möchte nur aus der Flasche trinken, und nicht nur sie und ich,
sondern Tolk, Sendling, alles trank aus den Flaschen.

Unter den Früchten gab es eine, Durian genannt, in Form und Umfange
einer Melone von mittlerer Größe ähnlich und mit sehr rauher Schale,
die dermaßen nach Knoblauch stank, daß man die Frucht schon roch, als
sie dreißig bis vierzig Schritte entfernt war. Das Innere besteht aus
weißen, an einander gereihten, sehr großen Bohnen. Ich hatte die Frucht
schon auf Borneo wie auch auf den Molukken gesehen. Die Europäer
versicherten mir, daß, wenn man sich an den starken Geruch gewöhnt
habe, diese Frucht sehr fein schmecke, und fügten hinzu, wenn man sie
so recht ~con amore~ genießen wolle, müsse man dieß auf einem Flusse in
einem Boote sitzend thun, um die Hände jeden Augenblick in das Wasser
tauchen zu können, damit der Geruch sich leichter verlöre. Ich konnte
ihr, selbst nach wiederholten Versuchen, des Geruches wegen, keinen
Geschmack abgewinnen.

Die bei Tische aufwartende Hofdame oder Dienerin trug auf dem Daumen
der linken Hand ein wenigstens fünf Zoll langes Nagelfutteral. Ich gab
ihr meine Verwunderung über diesen ungeheuren Nagel zu erkennen, sie
versichernd, daß ich ähnliches nicht einmal in China, dem Lande der
Nagelkultur gesehen hätte. Lächelnd zog sie das Futteral ab, und ich
sah, daß es eigentlich mehr als Zierde diente: der Nagel selbst hatte
höchstens einen halben Zoll Länge. Eben so verhielt es sich mit den
übrigen Futteral-Trägern; nur der Sohn der Königin machte hievon eine
Ausnahme: sein Finger prangte mit einem zwei Zoll langen Nagel. Die
Mode der Nagelfutterale sah ich nur in dieser Gegend.

Als das Mahl vorüber war, setzte ich die Ceremonie bei Seite und
verlangte, mich zurückziehen zu dürfen. Die Königin entschuldigte sich,
mich nicht in ihrer Ruine von Palast aufnehmen zu können, ich möchte
ihrem Sohne nach dem seinigen folgen; dort sei schon alles für mich
bereit. Daselbst angekommen, sollte ich noch seiner Frau vorgestellt
werden und abermals Thee und Backwerk genießen. Allein ich wich dieser
Ehre für heute aus und schlüpfte unter meinen Klambu, wo ich mich der
nöthigen Ruhe erfreute.

+4. Mai.+ Der Prinz war ein noch junger Mann; Gesichtsfarbe und Züge
verriethen aber schon den starken Opiumraucher. Sein erstes Geschäft
Morgens war auch die Opiumpfeife anzuzünden. Leider wird dieses Gift
auf Celebes häufig gebraucht.

Nach dem Frühstücke, das der gestrigen Abendmahlzeit würdig an die
Seite zu stellen war, ging ich mit dem Prinzen zur Königin, um Abschied
zu nehmen. Beim Eintritte in den Palast fielen mir drei Kisten in die
Augen, die ich gestern nicht bemerkt hatte; zwei dienten als Stühle für
die Königin und mich, die dritte als Tisch.

Ich mußte über eine halbe Stunde auf die Königin warten; es hieß, sie
mache Toilette. Und worin bestand diese Toilette? In einer weißen
Blouse, die sie über den Sarong gezogen hatte, der Kopf war wie gestern
in ein Tuch gehüllt. An Schmuck trug sie zwei Reihen hohler Kugeln
aus Goldblech, in Form und Größe kleiner Hühnereier, die kreuzweise
über Brust und Schulter hingen, an jeder Seite der Brust ein rundes,
handgroßes, mit Edelsteinen besetztes Goldblech, das man für Orden
hätte halten können, wenn die Leute auf Celebes schon auf diesem
Höhepunkte der Civilisation stünden. Am meisten fiel mir jedoch die
Fußbekleidung auf: sie bestand aus ausgeschnittenen Schuhen nach Art
der Europäischen; nur waren sie, statt von Stoff, ganz von Goldblech,
die Sohle nicht ausgenommen, und mit Edelsteinen besetzt.

Als mich die Königin begrüßte, sagte sie mir, daß sie es für ihre
Pflicht gehalten habe, mich im königlichen Staate zu empfangen.

Auch bei dieser Gelegenheit mußte wieder gespeist werden. Während
der Mahlzeit wurde ihr Sohn abgeholt, um ein Haus zu besichtigen, in
welches diese Nacht Diebe eingebrochen, und an Silber, Geschmeide
u. dgl. bei 800 Rupien im Werthe gestohlen hatten.

Die Buginesen, Hauptbevölkerung dieser Gegenden, sind die
berüchtigtsten Diebe und Piraten im ganzen Archipel, übrigens
die gewandtesten und hübschesten Leute, die ich auf dieser Insel
gesehen. Männer und Weiber sind groß, sehr gut gewachsen, auch ihre
Gesichtsbildung ist bei weitem besser, als die der Malaien. Das
Nasenbein thut sich doch ein bischen hervor; manche haben mitunter ganz
hübsch geformte Nasen, und die Zahnkiefer ragen nicht so heraus. Ihre
Augen sind schön und verrathen viel Intelligenz. Ihre Hautfarbe ist
licht röthlich braun.

Wie ich bereits bemerkt habe, genießen die Weiber auf Celebes so
ziemlich die Rechte der Männer: ein Mann darf ohne die Bewilligung
seiner ersten Frau keine zweite nehmen. Auch von den öffentlichen
Angelegenheiten sind sie nicht ausgeschlossen. Die Bewohner des
Königreiches +Wadjo+ (Lagusi), ein handeltreibendes, friedliches Volk,
ziehen es sogar vor, von Königinnen regiert zu werden; sie sagen, daß
deren Regierung weniger kriegslustig, treuer und ruhiger sei, als die
der Männer.

Um 11 Uhr sagte ich der Königin Lebewohl.

Ich hatte meinen Leuten schon am frühen Morgen befohlen, alles zur
Rückreise in Bereitschaft zu halten; trotzdem fand ich, als ich an’s
Ufer kam, nicht einmal ein Boot vor. Mit vielem Gezänke kam erst unser
ausgehöhlter Baumstamm um Mittag zum Vorschein. Die Rückreise war wo
möglich noch unangenehmer als die Herreise, da die Leute so träge
ruderten, daß wir nicht von der Stelle kamen. Ich mußte in dem engen
Gefängnisse zwanzig Stunden, von Mittag zwölf bis nächsten Morgen
acht Uhr zubringen. Während der Nacht wurden die Ruder zur Seite
gelegt, und alles schlief. Glücklicherweise war das Wetter schön und
der See ruhig, dennoch schwankte das gefährliche Fahrzeug bei jeder
Bewegung eines Schläfers so heftig, daß ich oft fürchtete, es könne das
Gleichgewicht verlieren.

+5. Mai.+ In der offenen Hütte wieder angekommen, rasteten wir zwei
Stunden, dann bestiegen wir Pferde und ritten nach +Batu-Massapaija+,
zu dem König von Sidenring zurück.

Meine erste Frage war nach den Insekten. Der König reichte mir -- die
leere Flasche[34]. Ich erinnerte ihn an die Rehjagd -- „Uebermorgen“
hieß es.

Ich dankte ihm für die vielen Insekten und für die schöne Jagd und
ersuchte ihn, mir einige Leute zu geben, um nach dem Bergdistrikte
+Duri+ gehen zu können, dessen Bewohner eine Art Alforen und ein noch
als sehr wild bekannter Volksstamm, Bundesgenossen des Königs von
Sidenring sind. Sie sollen in Höhlen wohnen. Diese Reise gefiel aber
dem Tolk und Sendling nicht. Man mußte sie zu Fuße machen und obwohl
ich von der +Buginesischen+ Sprache, in welcher meine Leute mit dem
Könige verkehrten, so viel wie nichts verstand, entnahm ich doch, daß
sie den König ersuchten, mir Schwierigkeiten zu machen. Der König
sagte mir dann in Malaischer Sprache, daß er jetzt mit diesem Volke
gerade nicht im besten Einvernehmen stehe und daher meinen Wunsch nicht
erfüllen könne. Hätte ich diese trägen, faulen Leute nicht bei mir
gehabt, so würde ich meinen Willen durchgesetzt haben, denn ich sah es
dem Könige an, daß er der Erfüllung meines Ersuchens nicht ungeneigt
war. Er bemerkte wohl, daß ich böse wurde, und um mich ein wenig zu
erheitern, versprach er mir, die Rehjagd auf den morgigen Tag zu
veranstalten.

Ich brachte den ganzen Abend mit der königlichen Familie zu und
bemerkte mit Vergnügen, daß das königliche Ehepaar, obwohl schon lange
verheirathet (sie hatten vierzehn Kinder), in einer überaus glücklichen
Ehe lebte. Ich hörte auch, der König habe nur +eine+ Frau, und
überhaupt sei das Familienleben auf Celebes besser als auf irgend einer
der anderen Inseln dieses Archipels. Gewöhnlich begnügt sich der Mann
mit +einer+ Gattin, und Scheidungen finden auch nicht so häufig statt.

Die beiden Eheleute richteten unzählige Fragen an mich; vor allem
andern aber baten sie mich um die Arznei, die ich ihrer Meinung nach
nähme, um in meinem Alter so kräftig zu sein. Der König sagte, daß er
nicht im Stande wäre, es mir gleich zu thun, viel weniger die Königin,
obwohl sie beide um so viel jünger seien als ich. Vergebens betheuerte
ich, daß dieß nur Folge der von der ihrigen so ganz verschiedenen
Lebensweise wäre. Dann kam auch hier wieder die Rede auf meinen Sultan
(ein besonderes Lieblingsthema aller dieser Fürsten); sie fragten
mich, wie er wohne, was er speise, ob ich ihn oft besuche u. s. w. Ich
erzählte ihnen mit aller Ausführlichkeit das kaiserliche Familienleben.

+6. Mai.+ Gestern hatte die Königin erklärt, sie wolle ebenfalls an
der Jagd Theil nehmen. Ich war über diesen heldenmüthigen Entschluß
sehr erstaunt, denn daß eine Königin ihre Hütte ohne eine bedeutende
Veranlassung verläßt, gehört unter diesen Völkern zu den Wundern.
So erzählte mir z. B. die achtzehnjährige Königin von Baru, daß sie
seit acht Jahren nicht über zweihundert Schritte weit von ihrer Hütte
gekommen sei.

Als es zur Jagd ging, fragte ich nach der Königin. Der König sagte mir,
daß sie uns nicht begleiten könne, sie habe das Fieber (vermuthlich das
Trägheitsfieber).

Wir begaben uns auf einen großen, schönen Wiesenplatz, der ringsum
von Waldungen eingesäumt war. Die Rehe wurden getrieben, von Hunden
gefangen, welche die armen Thiere gräßlich zerfleischten, und von den
Leuten mit Lanzen getödtet. Viele von den Jägern waren zu Pferde und
jagten den Thieren nach. Der König und ich saßen im Schatten eines
Baumes und sahen zu, -- es war eine abscheuliche Unterhaltung, der ich
kein zweites Mal beiwohnen möchte!

Nach der Jagd versammelten sich die Reiter und Treiber um uns. Diese
Gruppe war so malerisch, daß ich vieles gegeben hätte, ein Zeichner
zu sein. Die Reiter ruhten auf ihren schönen, unbeweglich stehenden
Thieren in den verschiedenartigsten Stellungen. Sie schlugen einen Fuß,
oft wohl beide unter, hockten auf den Fersen oder stemmten die Füße
in die Seiten der Thiere, kurz geberdeten sich wie auf festem Grund
und Boden. So wie die Leute zu Pferde, so lagerten die Treiber auf der
Wiese umher. Die Kopftücher hatten sie in der mannigfaltigsten Weise um
den Kopf geschlagen. Sie stärken diese Tücher und vermögen ihnen daher
jede beliebige Form zu geben; die langen, weiten Sarongs umhüllten die
kräftigen Körper bald ganz, bald theilweise, oder hingen als Schärpen
in reichem Faltenwurfe von der Schulter hinab. Das Betrachten dieses
Bildes ergötzte mich ungleich mehr als die grausame Jagd.

Zur Abendmahlzeit setzte man uns schon das Schulterstück eines
der erlegten Rehe vor. Leider war es durch die Bereitung beinahe
ungenießbar geworden. Man hatte das Fleisch, ohne es zuvor zu waschen
und zu salzen, in das brennende Feuer geworfen und kaum so lange darin
gelassen, bis es warm wurde. Es war ganz schwarz, stank nach Rauch,
und das Blut quoll überall heraus. Von solchen Speisen lebt ein König,
der, wie er mir selbst erzählte, im vergangenen Jahre 8000 Rupien in
den Hahnenkämpfen verloren, das Jahr zuvor 10,000 Rupien in demselben
Spiele gewonnen hatte! --

+7. Mai+ Morgens nahm ich Abschied von dem königlichen Spieler. Die
Rückreise ging sehr rasch von Statten. Ich machte in Pare-pare,
Baru und Tanette nur die nöthige Rast und erreichte schon am 9. Mai
wieder die Grenze der Holländischen Besitzungen, die zwei Paal von
der Residenz des Königreichs Tanette beginnen. Um zwei Uhr war ich
zu Mandelle, und um eine Tagereise zu gewinnen, ging ich zu Fuß noch
sechs Paal weiter bis +Segeri+, denn bis frische Pferde herbeigeschafft
worden wären, würde es Nacht gewesen sein, und die Wege waren zu
gräßlich, um sich bei Nacht darauf zu wagen. Meinen Leuten kam dieß
nicht sehr gelegen; allein ich bekümmerte mich nicht darum, und begab
mich ohne sie auf den Weg, wohl wissend, daß sie mir folgen würden. Wir
kamen durch so tiefe Sümpfe, daß man an einer Stelle Mühe hatte, mich
durch zu bringen. Bei jedem Schritte sank ich bis an den Oberleib ein,
zwei meiner Leute mußten mir stets heraushelfen. Am nächsten Morgen
fühlte ich mich so wenig ermüdet, daß ich zweiunddreißig Paal zwar zu
Pferde, aber ebenfalls wie gestern, durch die schrecklichsten Sümpfe
machte, was selbst für Reiter sehr ermüdend ist. Ich kam glücklich und
wohlbehalten zu Maros an; Tolk und Sendling wurden dagegen von den
Beschwerden dieser eiligen Rückreise so angegriffen, daß sie beide
einige Tage unwohl waren.

Zu Maros blieb ich noch einige Tage und besuchte von hier aus
den Fürsten +Aru-Sinri+, den früheren Minister von Bonni, der
sechs Paal von Maros entfernt wohnt. Die Gemahlin dieses Fürsten,
+Aru-Palengerang+, hatte die gerechtesten Ansprüche auf das Reich
Bonni: sie war die Schwester des letztverstorbenen Königs, der keine
Kinder hinterließ; auch sie war kinderlos und hatte einen Neffen
adoptirt. Als aber der König starb, wußte letzterer sich einen solchen
Anhang zu verschaffen, daß er sich der Regierung bemächtigte und seine
Wohltäterin vertrieb. Sie warf sich mit ihrem Gemahl in die Arme der
Holländischen Regierung, welche ihnen ein niedliches Bambushaus bauen
ließ und eine jährliche Pension gibt.

Auf ganz Celebes fand ich kein Fürstenhaus so schön gehalten wie
dieses. Das Innere war in Gemächer getheilt, die Küche abgesondert, die
Dienerschaft sehr sauber gekleidet, der Tisch höchst zierlich gedeckt,
die Gerichte gut, man hätte in keinem Europäischen Hause mehr Ordnung
und Reinlichkeit finden können.

Der Prinz Aru-Sinri und seine Gemahlin werden auch allgemein als
ausgezeichnete Leute, sowohl in Bezug auf Herz als auf Verstand gerühmt.

Am +13. Mai+ ritt ich nach Makassar zurück, wo ich bis +20. Mai+ blieb.
Ich stattete vor meiner Abreise in Begleitung des Herrn +Weiergang+,
eines hiesigen Kaufmannes, noch dem Sultan von Goa einen Besuch ab. Das
Reich Goa stößt an Makassar an; die Residenz des Fürsten ist nur vier
Paal von letzterem entfernt. Dieses Reich besteht aus den Trümmern des
Königreiches Makassar, welches in früheren Zeiten das mächtigste von
Celebes war, eine treffliche Armee und viele Kutter besaß und einen
großen Theil der umliegenden Inseln beherrschte.

Der Sultan von Goa bewohnt ein weit hübscheres Haus, als seine
königlichen Kollegen von Sidenring und Pare-pare, da es von Brettern
und mit Schnitzwerk verziert ist. Im Innern sah es jedoch eben so aus,
wie bei allen übrigen Fürsten: eine Ueberfülle von Hofgesinde und
Dienerschaft, ein Chaos von Klambus und übereinander geschichteten
Kisten und Kasten.

Der Sultan ließ gerade ein neues Haus bauen, obwohl das alte noch ganz
gut erhalten schien; er wollte letzteres nicht mehr bewohnen, weil sein
Vater darin gestorben war. Soll man dieß Zartgefühl nennen? Ich wäre
eher geneigt, es für Aberglauben zu halten, denn Gefühl für Verstorbene
habe ich unter diesen Völkern nirgends gefunden.

Nahe an der Residenz sind die Gräber des Fürstenhauses. Sie enthalten
einfache steinerne Grabesmonumente, die zum Theile in kleinen
gemauerten Hallen stehen.

Am +20. Mai+ verließ ich Makassar auf dem Dampfer „Banda“, um zum
dritten und letzten Male die gastfreundlichen Küsten Java’s zu betreten.

Nach 2½tägiger Fahrt ankerten wir auf der Rhede von Surabaya. Während
meines ersten Aufenthaltes an diesem Orte hatte ich die Bekanntschaft
der Frau Brumond, Gattin des Domine Brumond, gemacht, welche so
freundlich war, mich in ihr Haus einzuladen, wenn ich von der Reise
nach den Molukken und Celebes zurück käme. Herr Resident von Perez, bei
welchem ich damals abgestiegen war, hatte nämlich den Ruf nach Batavia
als Rath von Indien (höchste Stelle nach dem Gouverneur-General;
es sind deren vier, jede mit einem jährlichen Gehalte von 36,000
Rupien) erhalten. Ich fand bei dieser liebenswürdigen Familie eine
so herzliche Aufnahme, und während der Krankheit die mich hier
befiel, eine so sorgfältige Pflege, daß ich gar nicht glaubte, mich
in einem fremden Lande zu befinden. Zu dem Fieber, das mich seit
meinem Aufenthalt in Sumatra häufig belästigte, gesellte sich ein
Anthrax auf dem Rücken, eine Folge der beschwerlichen Wanderungen und
ausgestandenen Mühseligkeiten auf den Molukken und auf Celebes. Durch
diese Krankheit wurde mir der Aufenthalt auf Surabaya sehr verbittert,
und es war an meine Reise ins Gebirge, nach dem Feuerberge +Brumo+
u. s. f. nicht mehr zu denken; ich benützte nur die Zeit meiner
Rekonvaleszenz, Surabaya selbst und seine nahe Umgebung ein wenig zu
besehen.

Der gute Herr Brumond war so gefällig, meinen Cicerone zu machen. Wir
begannen mit der Moschee, welche die schönste auf Java sein soll und
in ganz neuester Zeit von einem Holländischen Baumeister aufgeführt
wurde. Sie nimmt sich sehr gut aus, obwohl ihre Bauart weder rein
Maurisch noch Gothisch, sondern ein Gemisch von beiden ist. Sie bildet
mit den beiden Minarets, die durch vierzig Fuß lange, schöne Gänge
verbunden sind, ein Achteck. Das Gebäude ist von Backsteinen (Ziegeln)
aufgeführt, die Vorderseite des Daches, so wie die Eingangsthüre mit
hübschem Holzschnitzwerk verziert.

Der Diener verweigerte uns zwar nicht den Eintritt in die Moschee;
allein er verlangte, daß wir die Schuhe ausziehen sollten. Herr
Brumond, meiner Rekonvaleszenz gedenkend, reichte ihm eine Rupie,
und dieser silberne Schlüssel öffnete uns die Thüre ohne weitere
Anforderung. Wir sahen im Innern nichts weiter als eine hübsche Halle
mit einer kleinen Kanzel, einigen Lampen, Matten und vielen messingenen
Spucknäpfen. Letztere fallen einem Fremden gar sehr in die Augen;
allein ein Sirikauer kann ihrer nicht entbehren, und an einem so
heiligen Orte darf er nicht auf den Boden spucken.

Von der Moschee gingen wir in den nah gelegenen Malaischen Kampon.
Dieser gefiel mir ganz und gar nicht. Die Bambushütten, hier nicht
auf Pfähle gebaut, stehen in zwei Reihen enge an einander und bilden
eine Straße. Der Unrath wird vor alle Thüren geworfen, gegen Abend vor
jedem Hause zusammengefegt und verbrannt. Wir kamen gerade zu dieser
unglückseligen Stunde in den Kampon und konnten deshalb vor Rauch und
Gestank kaum durch die Straße dringen. Wie mag es da in der Regenzeit
aussehen, wann nicht gefegt und verbrannt werden kann? Es ist ganz und
gar nicht zu wundern, daß die Leute beständig mit Fiebern, Haut- und
andern Krankheiten zu kämpfen haben.

Die Hütten sind außerordentlich klein und gedrückt, ohne Fenster und
mit einem so niedrigen Pförtchen, daß man ungebückt nicht durchkommt.
Im Innern ist jedes dieser Schneckenhäuser noch in drei Theile
getheilt, die wahren Löchern gleichen. Das erste Loch, das einzige, in
welches durch die geöffnete Thüre Licht fällt, enthält links und rechts
eine Schlafstelle, die während des Tages als Werkstätte oder Sitzplatz
dient. In dem zweiten Loche ist an einer Seite die Schlafstelle des
Hausherrn, an der andern eine hölzerne Bank, in dem dritten die
Feuerstelle. Es bleibt überall gerade nur so viel Raum, um hindurch
schlüpfen zu können. Die Einrichtung besteht aus einigen Matten,
Polstern, irdenen Kochtöpfen und einer hölzernen Truhe auf Rädern, die
alle Schätze der Familie, Kleidungsstücke, Waffen, Geschmeide u. s. w.
enthält und im Falle einer Feuersgefahr leicht fortgerollt werden kann.

Das Volk kam mir minder häßlich vor, als im Beginne meiner Reise auf
Borneo, Java u. s. f. Ich sah nun schon seit mehr als einem Jahre
größtentheils nur Malaien und möchte daher meine Geschmacksänderung
der Gewohnheit zuschreiben, die am Ende das Häßliche minder häßlich
erscheinen läßt. Geht es doch mit dem Schönen eben so -- die
herrlichste Landschaft, alle Tage gesehen, macht mit der Zeit nicht
halb so viel Eindruck als im ersten Augenblicke.

Wir besuchten diesen Abend auch noch den Chinesischen Kampon, der mit
seinen niedlichen Häuschen, durch seine außerordentliche Reinlichkeit
den größten Kontrast zu dem Malaischen bildete. Die Häuschen aus
Backsteinen waren alle so weiß und nett, als wäre der ganze Kampon erst
kürzlich beendet worden. Sie sind zwar auch nicht groß, aber geräumig
genug, selbst eine zahlreiche Familie anständig unterzubringen. Es
fehlt weder an Fenstern noch Thüren, von welchen erstere mit schönen
Läden versehen sind; alles Holz- und Rohrwerk ist mit dunkler Oelfarbe
angestrichen. Den Vordertheil des Hauses umgibt eine Veranda; von
dieser tritt man in das Empfangszimmer, welches die ganze Länge des
Hauses einnimmt. Hier findet man den Boden mit Matten belegt, die
Wände mit Spiegeln und Bildern geziert, und eine genügende Einrichtung
an Tischen, Stühlen und Schränken. Im Hintergrunde führen links und
rechts Thüren in die Wohnstübchen. Beinahe in jedem Hause ist in dem
Empfangszimmer ein kleiner Altar aufgerichtet.

Wir betraten mehrere Häuschen, deren Bewohner schon bei der
Abendmahlzeit saßen. (Die Weiber der Chinesen sind ebenso wie jene
der Malaien von der Tischgesellschaft ausgeschlossen; sie speisen in
der Küche oder in ihren Kämmerchen.) Der Tisch war mit einem weißen
Tuche gedeckt und trug Gläser, Flaschen, Teller und gute Gerichte; mit
Vergnügen hätte man an ihrer Tafel theilnehmen können, während es Ekel
erregt, den Malaien zuzusehen, wie sie bei ihren Mahlzeiten irgendwo
auf dem Boden kauern und große Portionen in Wasser gekochten Reises mit
den Händen in den weit geöffneten Schlund stopfen.

Die Chinesen in den Städten sind Kaufleute, Pächter oder Handwerker;
sie sind arbeitsam und unermüdlich, gönnen sich aber auch einige
häusliche Bequemlichkeiten. Nicht so die Malaien; bei diesen
leben Wohlhabende wie Arme in demselben Schmutze, in derselben
Beschränktheit. Der einzige Aufwand, die einzige Liebhaberei der
Reichen besteht in kostbaren Waffen, in Gold- und Silbergeschmeide, das
sie sorgfältig verschließen und bewahren, und das man höchstens bei
außerordentlichen Festen und Begebenheiten, oder wenn man sie darum
ersucht, zu sehen bekommt. Außerdem begnügen sie sich mit einem alten
Sarong und einem schmutzigen Kopftuche. Eine Ausnahme davon machen nur
die von der Regierung als Regenten u. s. w. Angestellten: diese suchen
gewöhnlich den Aufwand und die Lebensweise der Holländischen Residenten
nachzuahmen.

Einen der folgenden Tage gingen wir nach dem großen Malaischen
Friedhof, der zum Theile auch der heilige genannt wird. Er ist mit
einer Mauer umgeben. Das Innere ist in viele Plätze getheilt, die
ebenfalls durch Mauern oder Staketen von einander gesondert sind und je
nach der Heiligkeit oder dem hohen Stande der daselbst Ruhenden mehr
oder weniger in Ordnung gehalten werden. Es gibt noch viele Grabmäler
von Sultanen aus der guten alten Zeit, als Sultane auf Surabaya
herrschten. Sie sind alle höchst einfach und bestehen aus Steinplatten
oder aufrecht stehenden Steinen, von welchen die meisten schon
beschädiget oder eingesunken sind. Von diesen Gräbern wird eines für
so heilig gehalten, daß keine Ehe unter dem Volke Surabaya’s und der
nähern Umgebung geschlossen wird, ohne daß das Brautpaar hieher kommt,
um durch ein kurzes Gebet den Segen zu dem Bunde zu erflehen. Wir waren
so glücklich, einem dieser Brautpaare zu begegnen. Die Braut, ein
etwas beleibtes, sehr häßliches, zwölfjähriges Mädchen, wurde in einer
kleinen Sänfte getragen, die von beiden Seiten offen war, damit sie
von dem Volke in ihrer bräutlichen Herrlichkeit gesehen werden konnte.
Sie trug einen seidenen Sarong, der etwas über die Hüfte reichte; von
da an war sie unbekleidet und mit einer gelben Farbe ganz bemalt,
was dieselbe Wirkung hervorbrachte, wie enge anliegender Tricot. Der
Kopf, Hals, die Ohren und Arme waren mit Schmuck beladen. Sowohl der
seidene Sarong wie der Schmuck sind selten Eigenthum der Braut: diese
Gegenstände werden für die Feierlichkeit gemiethet. Ihre Begleitung
bestand aus vielen Weibern und Mädchen, wahrscheinlich Verwandte. Der
Bräutigam, ein hübscher Mann von einigen zwanzig Jahren, folgte zu Fuße
in Gesellschaft vieler Jünglinge und Männer. Er war sauber, aber nicht
anders als seine Begleiter gekleidet.

Ich sah in Surabaya nicht nur dieses Brautpaar aus dem Volke, ich
wohnte auch einem vornehmen Hochzeitsfeste bei, wo es des Prunkes nicht
wenig gab. Die Braut war die Schwester des Regenten.

Dieses Fest währte mehrere Tage. Am ersten fand die Ceremonie in dem
Tempel statt, bei welcher ich nicht zugegen sein konnte, da ich gerade
das Fieber hatte. Die Braut folgt an diesem Tage nicht ihrem Gemahl in
sein Haus, sondern kehrt in das ihrige zurück. Am zweiten Tage ward das
eigentliche Fest in dem Hause der Braut gefeiert. Der Gatte kam gegen
Abend in feierlichem Zuge zu seiner Gemahlin. Den Zug eröffneten viele
Jünglinge und Knaben aus dem Volke in ihrer gewöhnlichen Kleidung; sie
trugen Palmenzweige oder sehr hohe Stangen mit bunten Tüchern, die
wie Fahnen flatterten. Ihnen folgte Musik, Gongs und Trommeln und
hierauf eine Art Leibwache mit sehr schönen Lanzen, von welcher eine
Abtheilung dunkelbraune, die andere zimmetbraune Sarongs trug, die in
faltenreichen Spitzen bis an die Waden hinab fielen. Der Oberkörper und
die Füße waren mit lichtgelber Farbe bemalt; auf dem Kopfe trugen sie
eine Art Krone von Goldblech oder Messing. Sie sahen sehr geschmackvoll
und kriegerisch aus. Zwischen jeder Abtheilung ging Musik. Der
Bräutigam kam in einem vierspännigen Europäischen Wagen gefahren,
von zwei Frauen (Verwandten) begleitet. An dem Hause angekommen,
stellte sich das Gefolge in Reihen auf, und der Bräutigam schritt mit
gesenktem Haupte und beinahe geschlossenen Augen in den Empfangssaal,
in dessen Hintergrunde die Braut, umgeben von Frauen und Mädchen, auf
einem schönen Teppiche saß. Stillschweigend, ohne Gruß, ohne die Augen
aufzuschlagen, nahm der Bräutigam an der Seite der Braut Platz. Beide
blieben bis neun Uhr so stumm und unbeweglich wie Statuen sitzen.

Braut und Bräutigam waren beinahe gleich gekleidet; sie trugen lange,
golddurchwirkte seidene Sarongs. Der Bräutigam hatte den Oberkörper
unbekleidet und gelb bemalt, die Braut trug ein lichtgelbes, seidenes,
sehr knapp anschließendes Leibchen, die Arme hatte sie bis an die
Achseln ebenfalls nackt und gelb bemalt. Auf dem Kopfe trugen beide
Kränze von Melati. Drei Reihen dieser Blumen fielen von den Schläfen
bis an die Brust hinab. Außer den Blumen hatten sie noch einige
Verzierungen auf dem Kopfe. Das Brautpaar war von vielen Verwandten
umgeben, aber alle saßen stumm und bewegungslos da. Um acht Uhr wurde
Thee und Backwerk gereicht; die ganze Gesellschaft aß und trank, ohne
auch nur ein Wort zu sprechen. Um neun Uhr verschwand das Brautpaar auf
einige Augenblicke, um sich umzukleiden, erschien wieder in einfachen
Hauskleidern und blieb dann noch ungefähr eine Stunde sitzen. An diesem
Tage wird zwar die Braut dem Bräutigam übergeben; allein er darf sie
noch nicht in sein Haus führen; er muß sogar noch einen dritten Abend
in dem ihrigen zubringen.

Auch hier ist es wie auf Celebes bei Reichen und Vornehmen nicht Sitte,
die Mädchen gar zu jung zu verheirathen; gewöhnlich geschieht es
zwischen dem achtzehnten und zwanzigsten Jahre[35]. Manche beobachten
den Gebrauch, daß die Braut den Bräutigam erst in der Moschee kennen
lernt.

Ein großes Fest bei den reichen Javanesen wird auch gefeiert, wenn ein
Jüngling seine Schulzeit vollendet hat. Der Jüngling sitzt obenan, die
Eltern und Verwandten um ihn, dann alle seine Lehrer; erstere fragen
ihn über alles aus, was er gelernt hat.

Von den öffentlichen Anstalten Surabayas gefiel mir am besten das
Hospital: es ist in jeder Hinsicht das vollkommenste, das ich sah, und
dieß will viel sagen, denn in allen Holländisch-Indischen Besitzungen
sind die Hospitäler vortrefflich eingerichtet. Dieses hat für
achthundert Kranke Raum und ist in mehrere Gebäude abgetheilt, deren
jedes von Wiesen und Gärten, mit Blumen und Bäumen umgeben ist. In
einem der Gärten sah ich eine Wasserpalme, die merkwürdigste unter den
Palmen, die mir auf Java und Sumatra vorkamen. Die Blätter sind zwölf
bis fünfzehn Fuß lang und schießen einzeln aus dem Stamme, der kaum
fünfzehn Fuß hoch sein mag, gerade in die Höhe. Sie schließen sich
eines an das andere und bilden einen vollkommenen regelmäßigen Fächer.
Der untere Theil der Blätter so wie der Stamm enthalten Wasser. Diese
Palme ist auf Madagascar heimisch; auf Sumatra und Java fand ich sie
nur als Zierde in den Gärten der Europäer.

Die Strafhäuser sind gleich jenen in Batavia der Art eingerichtet, daß
man beinahe sagen könnte, für Verbrecher sei die Menschlichkeit zu
weit getrieben. Die Holländischen Soldaten[36] haben hübsche Zimmer,
nette Gärtchen und erhalten eine sehr gute Kost. Die eingebornen
Verbrecher sind gemeinschaftlich in große Räume gesperrt und werden zu
verschiedenen Arbeiten in- und außerhalb des Gefängnisses verwendet,
wofür sie per Tag einige Deute für Siri bekommen. Keiner der Gefangenen
ist geschlossen; die Eingebornen tragen nur um den Hals einen eisernen
Ring; dessen ungeachtet soll das Entfliehen zu den sehr seltenen Fällen
gehören. Die Eingebornen haben vor den Gesetzen viel mehr Achtung, als
die Weißen.

Die Gefängnisse waren stark besetzt, wie man mir sagte, mit
zwölfhundert Sträflingen, meistens Dieben. Die schweren Verbrecher
werden nach der Aburtheilung nach verschiedenen Inseln, besonders nach
den Molukken verwiesen, wo sie für die Regierung arbeiten, oder gegen
Lohn an Privatleute vermiethet werden. Todesstrafen haben höchst selten
statt.

Die Fabrik für Ausbesserung und Zusammenstellung von Dampf- und anderen
Maschinen besuchte ich ebenfalls. Diese Fabrik ist für Java sehr
nothwendig, da es der Dampfschiffe, Zuckermühlen und andern Anstalten
schon in großer Menge gibt. Man könnte hier die Dampfmaschinen auch
ganz neu verfertigen; allein sie würden höher zu stehen kommen als in
Europa, denn da die Eingebornen nicht gezwungen sind, in den Fabriken
zu arbeiten, muß man sie gut bezahlen, um sie dazu zu bewegen. Es waren
in dieser Fabrik täglich an sechshundert Arbeiter beschäftiget, welche,
die Werkmeister ausgenommen, alle Eingeborne sind und per Tag von
dreißig bis hundertzwanzig Deut erhalten.

Nicht minder vollkommen eingerichtet ist das Arsenal, in welchem
alle Gattungen Kugeln für Kanonen, Bomben und Gewehre gegossen, die
Wagengestelle für die Artillerie, alles Riemwerk für Soldaten und
Pferde gemacht werden. Auch hier arbeiten beinahe nur Eingeborne;
man zieht sie den Europäern bedeutend vor. Sie sind sehr gelehrig
und besonders im Nachahmen sehr geschickt, arbeiten ruhig, fleißig
und höchst genau, und schwatzen, zanken und trinken nicht. Ich sah
in beiden Fabriken die vollendetsten Arbeiten aus den Händen der
Eingebornen hervorgehen, unter andern ein großes Staatssiegel in
Messing gestochen, welches von dem besten Siegelstecher in Europa nicht
besser hätte ausgearbeitet werden können[37].

Ich besah auch das Trockendock, eine herrliche Anstalt zur Ausbesserung
der Schiffe. Das Becken, groß genug für das größte Schiff, steht durch
einen Canal mit der See in Verbindung; das Wasser wird, wenn das Schiff
im Becken liegt, mittelst einer Dampfmaschine in fünf bis sechs Stunden
gänzlich ausgepumpt. Wenn keine Regierungsschiffe in der Ausbesserung
liegen, werden auch Handelsschiffe angenommen, für welche per Tag und
per Tonne eine bestimmte Summe zu bezahlen ist. Es lag eben ein Schiff
von zwölfhundert Tonnen in dem Becken, das täglich dreihundert Rupien
für nichts als den Platz bezahlte. Diese Anstalt mag großen Nutzen
tragen, denn der Kostenaufwand ist sehr gering, und an Schiffen, die
der Ausbesserung bedürfen, fehlt es nie.

Leider konnte ich, wie gesagt, weder den Feuerberg Brumo, noch das von
manchen Reisenden so schauervoll beschriebene „Todtenthal“ besuchen, in
welchem der Baum Upas steht. Die Ausdünstung dieses Giftbaumes soll,
nach deren Behauptung, jedem lebendem Wesen, das sich in seine Nähe
wagt, Mensch oder Thier, Tod und Verderben bringen.

Der Saft des Baumes diente zur Vergiftung der Pfeile, und um das Gift
zu erlangen, sollen die Sultane dieses Landes den schweren Verbrechern
die Strafe auferlegt haben, eine gewisse Menge Saftes von dem Baume
zu bringen. Hatte der Verbrecher das Glück, mit dem Winde in das
Thal zu gehen, so konnte er den Auftrag vollführen, mit dem Leben
zurückkehren, und jede weitere Strafe war ihm in diesem Falle erlassen.
Kam ihm jedoch bei diesem Gang der Wind in’s Gesicht, so war sein Tod
unvermeidlich.

Ich selbst erinnere mich, Beschreibungen dieser Art gelesen zu haben;
es hieß ferner, daß dieses Thal voll von Skeletten von Menschen und
Thieren sei. Jeder Vogel, der über das Thal fliege, stürze als Leiche
nieder u. s. w. -- Sehr glaubwürdige Leute versicherten mir, daß
an allem diesem Geschwätze kein wahres Wort sei. Es stehe zwar ein
Upas-Baum in einem kleinen Thale; allein Mensch und Thier kann sich ihm
ohne die geringste Gefahr nahen, der Wind mag kommen, von welcher Seite
er will. Hier und da ströme zwar aus dem Boden dieses Thales einiges
Gas aus, das sich aber nicht über zwei Fuß erhebe. Man führt, um dem
Fremden dieß zu zeigen, gleich wie in die Hundsgrotte zu Neapel, kleine
Hunde dahin, die nach einigen Minuten von Zuckungen ergriffen dem Tode
verfallen würden, zöge man sie nicht sogleich aus der Stickluft.

Auf Java habe ich keinen Upas-Baum gesehen, dagegen in Borneo mehrere,
an welchen ich oft ganz nahe vorbei kam. Die Eingebornen warnten mich
bloß, weder den Stamm noch die Aeste zu berühren; sie sagten, die Hand
schwölle auf und schmerze einige Stunden. Vielleicht ist auch dieß
nicht wahr; ich wagte aber doch nicht, es zu versuchen.

Da ich gerade von so Sonderbarem spreche, will ich auch eines
rätselhaften Ereignisses erwähnen, das sich vor mehreren Jahren
auf Java zutrug und so viel Aufsehen machte, daß es sogar die
Aufmerksamkeit der Regierung in Anspruch nahm.

In der Cheriboner Residentschaft lag ein Häuschen, in welchem es, wie
die Leute behaupteten, arg spukte. Sobald der Abend einbrach, begann
ein Steinregen und Sirigespuck von allen Seiten in dem Gemache. Die
Steine, wie das Gespuck fielen knapp neben den Leuten, die sich darin
befanden, nieder, ohne jedoch Jemanden zu treffen. Dieser Spuk schien
hauptsächlich gegen ein kleines Kind gerichtet. Es wurde von dieser
unerklärlichen Sache so viel gesprochen, daß am Ende die Regierung
einen verläßlichen Stabs-Officier beauftragte, sie zu untersuchen.
Dieser ließ das Häuschen von auserwählten, treuen Soldaten umstellen,
welche niemand den Aus- oder Eingang gestatteten, untersuchte alles
genau, und setzte sich dann, das Kind auf den Schooß nehmend, in das
verrufene Gemach. Zu Abend begann der Stein- und Siri-Regen wie
immer, alles fiel knapp um den Officier und das Kind nieder, ohne
sie zu berühren. Abermals wurde jeder Winkel, jedes Loch untersucht
und -- nichts gefunden. Der Officier konnte aus der Sache nicht klug
werden. Er ließ die Steine aufheben, sie bezeichnen und sie an einem
weit entfernten Orte verbergen -- vergebens, dieselben bezeichneten
Steine flogen zur selben Stunde wieder in das Gemach. Um dieser
unbegreiflichen Geschichte ein Ende zu machen ließ die Regierung das
Häuschen niederreißen.

       *       *       *       *       *

Nach Batavia zurückgekommen, war ich abermals unentschlossen, wohin
ich meinen Wanderstab wenden sollte. Von Indien hatte ich das
Interessanteste gesehen (Englisch Indien auf meiner ersten Reise
um die Welt), nach Australien verlangte ich nicht sehr, auch lagen
keine Schiffe für dorthin im Hafen, wohl aber gab es deren zwei für
Nord-Amerika, und zwar eines für Baltimore (Vereinigte Staaten), das
zweite für San Francisco in Kalifornien.

Ich wandte mich an den Amerikanischen Consul, Herrn Reed, ihn
ersuchend, mit den Kapitänen dieser Schiffe zu sprechen und mir,
wo möglich, einen billigen Ueberfahrtspreis zu erwirken. Herr Reed
überbrachte mir schon nach einigen Tagen die erfreuliche Nachricht,
daß der Kapitän des für San Francisco bestimmten Schiffes bereit sei,
mich ohne die geringste Vergütung auf diese lange Reise (über 10,000
Seemeilen) mitzunehmen.

Beinahe mit wehmüthiger Empfindung nahm ich Abschied von den
Holländisch-Indischen Besitzungen. Ich sah in diesen Ländern viel des
Herrlichen und Großen in der wundervollen Natur, ich kam mit neuen
Völkern in Berührung, deren Bekanntschaft mir, trotz der Gefahren, mit
welchen ich sie mitunter erkaufte, höchst genußreiche und interessante
Beobachtungen bot. Und nicht nur Geist und Auge fanden Genüsse auf
dieser Reise, auch das Herz hatte seinen Theil, denn überall begegnete
ich unter den Holländern vielen guten Menschen, die mir auf die
liebevollste Weise mit Rath und That an die Hand gingen. Diesen, wie
auch den Deutschen, die ich an einigen Orten traf, verdanke ich es, daß
mir das Reisen nicht nur überhaupt ausführbar, sondern auch (die Länder
der wilden Dayaker, Battaker und, Alforen ausgenommen, wo es keine
Europäer gab) so leicht und angenehm gemacht wurde, als es nur immer
möglich war.

So lange ich lebe, werden die Eindrücke dieser schönen Reise eben so
wenig aus meinem Gedächtnisse schwinden, wie die Erinnerung an die
Zuvorkommenheit und wahre Gastfreundschaft der Holländer.


  [33] Man findet sehr selten weißes Salz, gewöhnlich ist es so
       schmutzig und dunkel wie Asche.

  [34] Die Leute versprechen alles mit der größten Bereitwilligkeit;
       ersucht man sie um etwas, so bekommt man stets „Ja“ zur Antwort;
       allein höchst selten halten sie Wort.

  [35] Bei den Europäern scheint frühes Heirathen sehr Sitte gewesen
       zu sein. Die Regierung hat in neuerer Zeit einen Befehl
       erlassen, welchem zu Folge kein Europäisches Mädchen vor dem
       fünfzehnten Jahre heirathen darf.

  [36] Die eingebornen Soldaten werden nicht mit den Holländischen in
       dasselbe Gefängniß gesperrt.

  [37] Ich sah bei Oberst +von Schierbrandt+ in Batavia eine
       Haus-Einrichtung in Gothischem Style, die er in Surabaya
       verfertigen ließ. Die Stühle, Kanapees, Schränke u. s. w. waren
       höchst kunstvoll ausgeschnitzt, die Tapezierer-Arbeit nicht
       minder vollkommen. Aber bis auf die kleinsten Details mußte Herr
       Schierbrandt den Leuten Zeichnungen geben, aus eigner Erfindung
       können sie nichts schaffen.





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MEINE ZWEITE WELTREISE ***


    

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        legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty
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        Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in
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        Literary Archive Foundation.”
    
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Gutenberg™ electronic work or group of works on different terms than
are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing
from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of
the Project Gutenberg™ trademark. Contact the Foundation as set
forth in Section 3 below.

1.F.

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effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
works not protected by U.S. copyright law in creating the Project
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including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™

Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s
goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg™ and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.

Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state’s laws.

The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
and official page at www.gutenberg.org/contact

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread
public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
visit www.gutenberg.org/donate.

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate.

Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
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facility: www.gutenberg.org.

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