Wie ich Livingstone fand; Zweiter Band

By Henry M. Stanley

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Title: Wie ich Livingstone fand; Zweiter Band

Author: Henry M. Stanley

Release date: May 23, 2025 [eBook #76144]

Language: German

Original publication: Leipzig: F. A. Brockhaus, 1879

Credits: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This transcription was produced from images generously made available by Bayerische Staatsbibliothek / Bavarian State Library.)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK WIE ICH LIVINGSTONE FAND; ZWEITER BAND ***


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                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1879 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Offensichtliche Fehler
  wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr
  verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert;
  fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.

  Fußnoten wurden am Ende des betreffenden Kapitels zusammengefasst.

  Besondere Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der
  folgenden Symbole gekennzeichnet:

        kursiv: _Unterstriche_
        fett: =Gleichheitszeichen=
        gesperrt: +Pluszeichen+
        Kapitälchen: ~Tilden~

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                       WIE ICH LIVINGSTONE FAND.


                             ZWEITER BAND.




[Illustration:

  ZUSAMMENTREFFEN MIT ~Dr.~ LIVINGSTONE.      II.]




                       WIE ICH LIVINGSTONE FAND.

                                REISEN,
                      ABENTEUER UND ENTDECKUNGEN

                                  IN

                            CENTRAL-AFRIKA.

                                  VON

                           HENRY M. STANLEY.


                     AUTORISIRTE DEUTSCHE AUSGABE.

                            IN ZWEI BÄNDEN.

           _MIT ABBILDUNGEN IN HOLZSCHNITT UND EINER KARTE._


                             ZWEITER BAND.

                            [Illustration]


                               LEIPZIG:
                           F. A. BROCKHAUS.

                                 1879.




INHALT.


  ELFTES KAPITEL.

  +Durch Ukawendi, Uvinza und Uhha nach Udschidschi.+

  Seite

  Abreise aus Mrera. -- Lager in den Dschungels. -- Ich versinke
  bis an den Hals in den Schlamm des Rungwa. -- Der Mpokwa-Fluss.
  -- Erster Blick in die Heimat des Löwen. -- Eine Schar Affen.
  -- Abenteuer mit einem riesigen wilden Eber. -- Ein Löwe
  verfolgt mich. -- Ein Tag voll grosser Sorgen. -- Erlegung
  eines Büffels. -- Ein Leopard. -- Büffeljagd. -- Drohende
  Hungersnoth. -- Welled Nzogera’s Wohnsitz. -- Reichliche
  Lebensmittel. -- Ein Esel versinkt im Morast. -- Gesandtschaft
  an den Häuptling Kiala. -- Siebenstündige Unterredung. --
  An den Ufern des Malagarazi. -- Unser Esel Simba wird von
  einem Krokodil gepackt und fortgeschleppt. -- Nachrichten von
  Livingstone. -- Aufenthalt in Kawanga. -- Streitigkeiten über
  den Tribut. -- Unverschämte Forderungen. -- Wir setzen über die
  Flüsse Pombwe und Kanengi. -- Mitternächtlicher Marsch durch
  die Dschungels. -- Ein unsinniges Weib verräth uns fast durch
  ihr Geschrei. -- Das Donnern des Tanganika. -- An den Ufern des
  Rugufu. -- Niamtaga. -- Der Tanganika! Hurrah! Entfaltet die
  Fahnen! -- Susi, Dr. Livingstone’s Diener, begrüsst uns: „Guten
  Morgen, mein Herr!“ -- „Vermuthlich Dr. Livingstone?“ „Ja!“ --
  Unterhaltung mit dem Doctor. -- Gute Nacht.                          1


  ZWÖLFTES KAPITEL.

  Umgang mit Livingstone in Udschidschi.                              54


  DREIZEHNTES KAPITEL.

  +Unsere Fahrt auf dem Tanganika.+

  Unser Fahrzeug ein schwanker Nachen. -- Sehr grosser
  hundeähnlicher Affe. -- Die Fischer des Tanganika. -- Fluss und
  Dorf Zassi. -- Sondirungen des Sees. -- Die Insel Nyabigma. --
  Störung beim Abendessen. -- Feindseligkeit der Eingeborenen.
  -- Krieg zwischen Mukamba und Warumaschanya. -- Ein Mgwana
  behauptet, der Rusizi fliesse aus dem See. -- Ich werde
  vom Fieber aufs Lager geworfen und vom Doctor gepflegt. --
  Mukamba widerspricht dem Bericht des Mgwana. -- Massen von
  Krokodilen. -- Ruhinga’s Kunde. -- Das Ende des Sees und die
  Mündung des Rusizi. -- Die Frage, ob der Rusizi in den See oder
  aus demselben fliesst, ist auf immer gelöst. -- Der Doctor
  glaubt noch immer an einen Abfluss des Sees. -- Burton’s und
  Speke’s weitester Punkt. -- Zeichen von Unruhe in Mruta’s
  Dorfe. -- Die New York-Herald-Inseln. -- Cap Luvumba. -- Ein
  Gefecht in Vorbereitung. -- Der Sultan wird beruhigt. -- Eine
  tragikomische Scene. -- Rückkehr nach Udschidschi.                 105


  VIERZEHNTES KAPITEL.

  Geographische und ethnographische Bemerkungen.                     143


  FUNFZEHNTES KAPITEL.

  +Unsere Reise von Udschidschi nach Unyanyembé.+

  Plaudereien mit Livingstone über die Ereignisse unseres
  „Pickenicks“. -- Der Doctor will durchaus nicht in seine Heimat
  zurückkehren, ehe er seine Aufgabe gelöst. -- Er tadelt Dr.
  Kirk, dass ihm dieser Sklaven zugeschickt, denen er befohlen,
  Livingstone nach Hause zu bringen. -- Er bekommt seine
  gezogenen Enfield-Gewehre wieder. -- Er entschliesst sich, mich
  nach Unyanyembé zu begleiten. -- Ein Anfall von remittirendem
  Fieber. -- Unser Christfest. -- Abreise von Udschidschi. --
  Unsere Reise auf dem Tanganika. -- Ankunft am Liutsché und
  Fahrt über denselben. -- Fahrt über den Malagarazi. -- Im
  Tanganika existirt keine Strömung. -- Ankunft in Urimba. --
  Zebrajagd. -- Das Thal des Loadscheri. -- Erlegung einer
  Büffelkuh. -- Zusammentreffen mit einem Elefanten. --
  Erzählungen Reisender. -- Rothbärtige Affen. -- Anblick von
  Magdala. -- Das Thal Imrera. -- Der Doctor ist fussleidend.
  -- Heerden von Wild in der Mpokwa-Ebene. -- Erlegung zweier
  Zebras. -- Eine Heerde Giraffen. -- Eine Giraffe wird
  verwundet. -- Ibrahim’s Sklave Ulimengo läuft fort. -- Breite
  von Mpokwa. -- Umschmelzen von Zink-Feldflaschen zu Kugeln.
  -- Mit diesen wird eine Giraffe erlegt. -- Aufbruch nach
  Misonghi. -- Der Doctor wird entsetzlich zerstochen von wilden
  Bienen. -- Mirambo ist durch Hunger vernichtet. -- Shaw’s Tod.
  -- Ereignisse aus dem Leben und Tod Robert Livingstone’s. --
  Ein Löwe im Grase. -- Drei Löwen. -- Ankunft in Ugunda. --
  Einfangen des Deserteurs Hamdallah. -- Ankunft in Unyanyembé.      181


  SECHZEHNTES KAPITEL.

  +Die Heimreise.+

  Livingstone’s Vorräthe werden aufgemacht. -- Sie erweisen sich
  als eine Täuschung. -- Asmani wird als schuldig erfunden.
  -- Weisse Ameisen haben den Branntwein ausgetrunken und die
  Flaschen wieder zugekorkt! -- Die Güter werden Livingstone
  übergeben. -- Er schreibt Briefe nach Hause. -- Sein Brief an
  James G. Bennett. -- Gesang der Eingeborenen. -- Der letzte
  Abend mit Livingstone. -- Sein Tagebuch wird versiegelt. --
  Unsere endliche Abreise. -- Lebewohl! -- Halt in Tura. --
  Briefe vom Doctor. -- Ankunft in Kiwyeh. -- Ueberall erschallen
  Schlachthörner der Wagogo. -- Vollständiges Kampfkostüm.
  -- Ein falscher Alarm. -- Der Häuptling Khonze leistet
  unserm Weiterziehen Widerstand. -- Vorbereitung zum Kampf.
  -- Ein Mnyamwezi wird an der Kehle gepackt und der Frieden
  wiederhergestellt. -- Ankunft in Kanyenyi. -- Besuch des
  Sultans. -- Das Dorf Mapanga. -- Plötzliches Zusammenlaufen
  bewaffneter Eingeborenen. -- Vierzig Speere gegen vierzig
  Flinten. -- Tribut wird verlangt und bezahlt. -- Leucole’s
  Bericht über Farquhar’s Tod. -- Das Thal des Mukondokwa. --
  Durch die Masikazeit verursachte Noth. -- Furchtbare Fluten. --
  Kampf gegen Moskito-Schwärme. -- Des Doctors Depeschen-Kasten
  in Gefahr. -- Er wird mit Seilen durch den Fluss gezogen. --
  Ankunft in Simbamwenni. -- Die Stadtmauer ist fortgeschwemmt.
  -- Furchtbarer Sturm. -- Zerstörung von hundert Dörfern. --
  Die Msunva-Dschungels. -- Schrecken derselben. -- „Heiss
  Wasser“ Ameisen. -- Nachrichten aus Zanzibar. -- Ankunft in
  Bagamoyo. -- Zusammenkunft mit der Expedition zur Aufsuchung
  und Unterstützung Livingstone’s.                                   227


  SIEBZEHNTES KAPITEL.

  Ende der Expedition.                                               273

  +Anhang.+                                                          306
  +Wörterverzeichniss.+                                              343
  +Register.+                                                        345


  VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.

  Ansicht aus Uvinza                                                   1
  Dorf in Uzavira. -- Einheimische Töpferwaaren                        7
  Unser Haus in Udschidschi                                           54
  Am Tanganika-See                                                   105
  Susi, der Diener Livingstone’s                                     127
  Kühe aus Udschidschi und Unyamwezi, Pariahund, fettschwänziges
    Schaf                                                            143
  Fische aus dem Tanganika                                           157
  Ein Götzenbild                                                     176
  Dolche und Speerspitzen                                            180
  Unser Lager in Urimba                                              181
  Ein Halteplatz                                                     227
  Unamapokera                                                        252
  Andenken                                                           342


  SEPARATBILDER.

  Zusammentreffen mit Dr. Livingstone (Titelbild).
  Eberjagd                                                            10
  Halt in Magala in Urundi                                           122
  An der Mündung des Rusuzi                                          132
  Verschiedene Gerätschaften                                     168 169
  Dr. Livingstone mit seinem Tagebuch beschäftigt                    186
  Fahrt auf dem Tanganika-See                                        190
  Erlegung eines Büffels                                             199
  Eine Ueberraschung                                                 202
  Ein Löwe im Gras                                                   221
  Mein Haus in Kwihara in Unyanyembé                                 228
  Die Wagogo zum Krieg ausziehend                                    250
  Ein drohender Kampf                                                253
  „Nimm dich in Acht!“                                               259

  Uebersichtskarte von H. M. Stanley’s Reisen.




[Illustration: ANSICHT AUS UVINZA.]




ELFTES KAPITEL.

DURCH UKAWENDI, UVINZA UND UHHA NACH UDSCHIDSCHI.

  Abreise aus Mrera. -- Lager in den Dschungels. -- Ich versinke bis an
  den Hals in den Schlamm des Rungwa. -- Der Mpokwa-Fluss. -- Erster
  Blick in die Heimat des Löwen. -- Eine Schar Affen. -- Abenteuer mit
  einem riesigen wilden Eber. -- Ein Löwe verfolgt mich. -- Ein Tag
  voll grosser Sorgen. -- Erlegung eines Büffels. -- Ein Leopard. --
  Büffeljagd. -- Drohende Hungersnoth. -- Welled Nzogera’s Wohnsitz.
  -- Reichliche Lebensmittel. -- Ein Esel versinkt im Morast. --
  Gesandtschaft an den Häuptling Kiala. -- Siebenstündige Unterredung.
  -- An den Ufern des Malagarazi. -- Unser Esel Simba wird von einem
  Krokodil gepackt und fortgeschleppt. -- Nachrichten von Livingstone.
  -- Aufenthalt in Kawanga. -- Streitigkeiten über den Tribut. --
  Unverschämte Forderungen. -- Wir setzen über die Flüsse Pombwe und
  Kanengi. -- Mitternächtlicher Marsch durch die Dschungels. -- Ein
  unsinniges Weib verräth uns fast durch ihr Geschrei. -- Das Donnern
  des Tanganika. -- An den Ufern des Rugufu. -- Niamtaga. -- Der
  Tanganika! Hurrah! Entfaltet die Fahnen! -- Susi, Dr. Livingstone’s
  Diener, begrüsst uns: „Guten Morgen, mein Herr!“ -- „Vermuthlich Dr.
  Livingstone?“ „Ja!“ -- Unterhaltung mit dem Doctor. -- Gute Nacht.

  UKONONGO.

  Von Mrera nach             St. M.

  Mtoni                       4 30
  Misonghi                    4 30
  Mtoni                       6 --
  Mpokwa in Utanda            4 45
  Mtoni                       3 --

  UKAWENDI.

  Mtambu-Fluss                4 30
  Imrera                      4 20
  Rusawa-Berge                2 30
  Mtoni                       4 --
  Mtoni                       5 --
  Lager im Walde              6 --
  Lager im Walde              5 30

  UVINZA.

  Welled Nzogera              2 30
  Lager im Walde              4 15
  Siala am Malagarazi         2 45
  Ihata-Insel im Malagarazi   1 30
  Katalambula                 1 45

  UHHA.

  Kawanga in Uhha             5 30
  Lukomo                      1 --
  Kahirigi                    4 --
  Rusugi-Fluss                5 --
  See Musunya                 4 --
  Rugufu-Fluss                4 30
  Sunuzzi-Fluss               3 --
  Niamtaga Ukaranga           9 30

  UDSCHIDSCHI.

  Hafen von Udschidschi       6 --

Am 17. October sagten wir Mrera Lebewohl, um unsern Weg nach
Nordwesten fortzusetzen. Ich stand jetzt mit allen meinen Leuten auf
freundschaftlichem Fusse; alles Streiten hatte lange aufgehört. Bombay
und ich hatten unsern Zank vergessen; vielmehr waren der Kirangozi
und ich bereit, uns zu umarmen, auf so cordialem Fuss standen wir
zueinander. Das Vertrauen ist in alle Herzen zurückgekehrt, denn jetzt
konnten wir ja wie Mabruk-Unyanyembé sagte, „die Fische des Tanganika
riechen“. Weit hinter uns lag Unyanyembé mit aller seiner Unruhe. Wir
konnten uns über den furchtbaren Mirambo und seine frevelhaften Banden
lustig machen, und nach und nach werden wir wol auch den furchtsamen
Propheten, Scheikh, den Sohn Nasib’s, der uns stets schreckliche
Ereignisse in Aussicht stellte, auslachen können. Als wir in einer
Reihe wie Indianer durch das jenseits der Wiesen von Mrera liegende
junge Walddickicht zogen, lachten wir fröhlich und waren stolz auf
unsere Grossthaten. Ja, wir waren an jenem Morgen wirklich tapfer!

Als wir aus dem Dickicht traten, kamen wir in einen offenen Wald,
dessen zahlreiche Ameisenhügel wie Sanddünen aussahen. Ich denke, diese
Ameisenhaufen sind während einer besonders nassen Jahreszeit aufgebaut
worden, wo die waldbedeckte Ebene wol unter Wasser steht. Ich habe die
Ameisen zu tausenden am Bau ihrer Hügel in andern Districten, die von
Ueberschwemmungen litten, beschäftigt gesehen. Welch wunderbares System
von Zellen erbauen doch diese winzigen Insekten! Ein vollständiges
Labyrinth, Zelle in Zelle, Kammer in Kammer, Halle in Halle! Welche
Talente als Ingenieure und bedeutende Architekten legen sie an den Tag!
Wie musterhaft ist die Stadt, die sinnreich zu ihrer Sicherheit und
Bequemlichkeit angelegt ist!

Nach einem Marsch von kaum einer Stunde kamen wir aus dem Walde heraus
und begrüssten den Anblick eines klaren, murmelnden Baches, der rasch
nach Nordwesten floss, den wir mit dem Vergnügen ansahen, das nur Leute
nachempfinden können, die lange Zeit an dem schlechtesten Trinkwasser,
das man in Salzebenen, Mbugas, Pfützen und Wasserlöchern findet,
gelitten haben. Auf der andern Seite dieses Baches erhebt sich ein
rauher, steil abfallender Gebirgszug, von dessen Gipfel unsere Augen
sich an malerischen, belebten Landschaften weiden! Sie bilden für
unsere an dem Anblick tiefer Wälder, hoher Baumstämme und buschiger
Laubkronen übersättigten Augen ein ungewöhnliches Fest. Jetzt haben
wir Dutzende von Kegeln über die weite Ebene zerstreut vor uns, welche
sich über Süd-Ukonongo in das Gebiet der Wafipa erstreckt und bis
an die Rikwa-Ebene reicht. Die weit ausgedehnte Aussicht, die sich
plötzlich vor uns eröffnet, ist sehr mannichfaltig. Ausser Bergkegeln
und hochstrebenden, einzelstehenden Bergen mit flachen Gipfeln sehen
wir die Wasserscheide des Rungwa-Flusses, der sich südlich von uns
in den Tanganika ergiesst, und die des Malagarazi-Flusses, den der
Tanganika etwa einen Grad nördlich von unserm jetzigen Standpunkt
aufnimmt. Ein einzelner länglicher, dem geographischen Breitengrade
folgender Bergrücken trennt die Wasserscheide des Rungwa und Malagarazi
voneinander, und etwa 20 engl. Meilen westlich von diesem Höhenzuge
erhebt sich ein anderer, welcher sich von Norden nach Süden hinzieht.

An diesem Tage lagerten wir in den an einer engen Schlucht mit
Moorboden liegenden Dschungels, durch deren Schlammmassen das Wasser
des Rungwa langsam nach Süden, der Rikwa-Ebene zu sickert. Dies
war aber nur eine der vielen Schluchten, von denen einige mehrere
hundert Fuss, andere nur wenige Schritt breit sind, und deren Gründe
gefährliche von dichten hohen Binsen und Papyrus überwachsene Sümpfe
bilden. Auf der Oberfläche dieser grossen Kothabgründe sieht man
Hunderte von dünnen Streifen schlammigen, ockerfarbigen Wassers, in
denen kleine Thierchen wimmeln. Allmählich, einige Meilen südlich vom
Fusse des Höhenzugs (den ich Kasera nenne) nach dem Lande, das er
durchschneidet, kommen diese verschiedenen Wasserläufe zusammen und
münden in dem weiten, marschigen, schlammigen „Fluss“ Usense, welcher
hier schräg in südöstlicher Richtung ablenkt. Hierauf wird er, nachdem
er den Inhalt der Wasserläufe aus Norden und Nordwesten in seinen
breitern Kanal aufgenommen hat, bald zu einem Bache von einiger Breite
und Bedeutung und trifft mit einem von Osten, aus der Gegend von Urori
kommenden Flusse zusammen, mit dem er gemeinschaftlich die Rikwa-Ebene
durchfliesst und sich etwa 60 engl. Meilen, in gerader Linie, weiter
westlich in den Tanganika-See ergiesst. Der Rungwa-Fluss wird, wie man
mir sagt, als eine Grenzlinie zwischen dem nördlich gelegenen Lande
Usowa und dem südlichen Ufipa betrachtet.

Kaum hatten wir den Bau unserer Lagerumzäunung vollendet, als einige
unserer Leute eine kleine Anzahl Eingeborner anriefen, die sich auf
unser Lager zu bewegten, und an deren Spitze ein Mann war, den wir
nach Kleidung und Kopfputz als aus Zanzibar kommend erkannten. Nachdem
wir die gewöhnlichen Begrüssungen ausgetauscht, sagte man mir, dass
diese Leute eine Gesandtschaft von Simba (dem Löwen) sei, der über
Kasera in Süd-Unyamwezi herrscht. Simba sollte der Sohn von Mkasiwa,
König von Unyanyembé, sein und führte Krieg mit den Wazavira, vor
denen man mich gewarnt hatte. Er hatte so viel von meiner Grösse
gehört, dass er es bedauerte, dass ich meinen Weg nicht nach Ukawendi
nähme, damit er Gelegenheit erhalte, mich zu sehen und sich mit mir
zu befreunden. Anstatt mich persönlich zu besuchen, hatte Simba mir
diese Gesandtschaft nachgeschickt in der Hoffnung, dass ich ihm ein
Zeichen meiner Freundschaft in Gestalt von Tuch geben werde. Obwol ich
durch dieses Verlangen etwas überrascht wurde, so war es doch gewiss
politisch, diesen mächtigen Häuptling mir zum Freunde zu machen, um auf
meinem Rückwege nicht etwa mit ihm aneinander zu gerathen.

Da ich also um des Friedens willen durchaus ein Geschenk machen musste,
so war es nöthig, dass ich meine Friedensliebe durch etwas vorzügliches
an den Tag legte. Der Gesandte nahm daher Simba, dem Löwen von Kasera,
zwei prächtige Tücher und noch zwei Doti Merikani und Kaniki von mir
mit, und wenn ich dem Botschafter trauen durfte, so hatte ich mir nun
Simba auf immer zum Freunde gemacht.

Am 18. October brachen wir das Lager zur gewöhnlichen Zeit ab und
setzten unsern Marsch nordwestlich auf einem Wege fort, welcher
sich längs des Fusses der Kasera-Berge im Zickzack hinzog und uns
allerhand Beschwerden brachte. Wir überschritten wenigstens ein Dutzend
Sumpfschluchten, deren tiefer Koth und vieles Wasser uns grosse
Angst verursachten. Ich sank bis an den Hals in tiefe, von Elefanten
ausgetretene Löcher wahrhaft stygischen Schlammes und musste durch die
weichen durchsickerten Bette der Rungwa-Quellen mit nassen, von Koth
und Schlamm beschmutzten Kleidern hindurch. Der Anstand verbot es mir,
mich zu entkleiden und nackt durch den Binsenmoor zu waten; auch hätte
die heisse Sonne meinen Körper mit Blasen bedeckt. Ausserdem waren
diese Moräste zu häufig, um mit An- und Auskleiden Zeit zu verlieren,
und da ein Jeder meiner Leute mit einer gehörigen Last versehen war, so
wäre es grausam gewesen, sie dazu zu zwingen, mich hinüberzutragen. Es
blieb also nichts übrig, als belastet wie ich war mit meinen Kleidern
und meiner Ausrüstung in diese verschiedenen sumpfigen Wasserläufe
weiter hineinzumarschiren und mir all den philosophischen Stoicismus
zu bewahren, den meine Natur für solche Fälle aufzubieten hat. Zum
mindesten gesagt war dieser Marsch aber höchst ungemüthlich.

Alsbald kamen wir in das Gebiet der gefürchteten Wazavira, doch liess
sich kein Feind sehen. Simba hatte in seinem Kriege den nördlichen
Theil von Uzavira rein ausgeplündert, und wir sahen dort nichts
schlimmeres als das verwüstete Land, das einst, wenn man nach der Zahl
der verbrannten Hütten und Reste zerstörter Dörfer urtheilen darf, sehr
bevölkert gewesen sein muss. Auf den Feldern sprosste üppig junges
Gebüsch und sie wurden rasch die Heimat der wilden Bewohner des Waldes.
In einem der verlassenen und zerstörten Dörfer fand ich ein durchaus
nicht unangenehmes Quartier für die Expedition. In der Umgegend von
Misonghi, des verlassenen Dorfes, das wir bewohnten, schoss ich
drei Paar Perlhühner und einer meiner Jäger, Ulimengo, erlegte eine
Antilope, welche „Mbawala“ heisst und gegen deren Fleisch einige der
Wanyamwezi einen abergläubischen Widerwillen haben. Ich halte diese
Gattung Antilopen, die ungefähr 3½ Fuss hoch ist, rothes Fell, langen
Kopf und kurze Hörner hat, für die von Speke in Uganda entdeckte
„Nzoe“-Antilope, deren lateinischer Name nach Dr. Sclater „Tragelaphus
Spekii“ ist. Sie hat einen kurzen, buschigen Schwanz und langes Haar
den Rücken entlang.

Ein langer Marsch von sechs Stunden Dauer, in einer Richtung von West
zu Nord, der uns durch einen Wald führte, wo die schwarze Antilope zu
sehen und der auch sonst noch reich an Jagdthieren war, brachte uns
an einen Bach, der am Fusse eines hohen Bergkegels vorbeifliesst, zu
dessen Abhängen ein ganzer Wald von Federbambus blühte.

Am 20. verliessen wir unser Lager, das zwischen dem Bache und dem eben
erwähnten Bergkegel lag, und gingen über einen niedrigen Bergrücken,
der von dem Fusse des Hügelkegels sich hinabzieht. Hier wurden wir
von einem andern malerischen Anblick begrüsst, von Kegeln nämlich und
Bergabdachungen, welche sich nach allen Richtungen erhoben. Ein Marsch
von fast fünf Stunden durch dieses malerische Land brachte uns an den
Mpokwa-Fluss, einen Nebenfluss des Rungwa, und an ein vor kurzem von
den Wazavira verlassenes Dorf. Die Hütten desselben waren fast alle
unversehrt, genau so wie sie von ihren früheren Bewohnern verlassen
worden. In den Gärten fand man noch essbare Gemüsepflanzen, die uns,
nachdem wir uns so lange von Fleisch genährt, sehr gelegen kamen. Auf
den Zweigen der Bäume ruhten noch die Laren und Penaten der Wazavira
in Gestalt von grossen und sehr wohl geformten irdenen Töpfen.

[Illustration: DORF IN UZAVIRA. -- EINHEIMISCHE TÖPFERWAAREN.]

In dem nahe gelegenen Fluss gelang es einem meiner Leute, in wenig
Minuten 60 Fische von einer Welsart mit blosser Hand zu fangen. Um
den Strom schwebte eine Anzahl Vögel, wie z. B. der weissköpfige
Fischadler, der schwarze Königsfischer, grosse schneeweisse
Löffelgänse, Ibisse, Schwalben u. dergl. m. Dieser Fluss kommt aus
einer etwa acht Meilen nördlich vom Dorfe Mpokwa belegenen Berggruppe
und fliesst als schmaler Wasserstreifen herab, der sich unter hohen
Binsen und dichten zu beiden Seiten wachsenden Farrnkräutern, der
Heimat von Hunderten von Antilopen und Büffeln, durchwindet. Südlich
von Mpokwa wird das Thal breiter, die Berge wenden sich nach Ost und
West, und jenseits beginnt die Ebene, die als das Rikwa bekannt ist,
welche während der Masikazeit überschwemmt ist, in der trockenen
Jahreszeit aber denselben verdorrten Anblick darbietet, wie die meisten
afrikanischen Ebenen, wenn das Gras reif ist.

Am 21. gelangten wir, das rechte Ufer des Mpokwa entlang ziehend, an
den Ursprung des Baches und die Quellen des Mpokwa, die aus tiefen, von
hohen Bergrücken umgebenen Engpässen herkommen. Das Mbawala und der
Büffel sind hier in Menge vorhanden.

Nach einem Marsche von 4½ Stunden kamen wir am 22. an den schönen
Bach Mtambu, dessen Wasser süss und klar wie Krystall ist, und der
nach Norden fliesst. Zum ersten male sahen wir hier die Heimat des
Löwen und Leoparden, und es fielen mir dabei Freiligrath’s Verse
über dieselbe ein, denn wir schlugen unser Lager wenige Schritte von
einem Orte auf, der genau der Beschreibung des Dichters entspricht.
Der Viehtreiber, der die Ziegen und Esel unter seiner Obhut hatte,
trieb die Thiere bald nach unserer Ankunft im Lager ans Wasser, und
um dahin zu kommen mussten sie einen von Elefanten und Rhinozeros
in dem Farrnkraut gemachten Tunnel passiren. Kaum hatten sie den
dunkeln Höhlendurchgang betreten, als ein schwarzgefleckter Leopard
hervorsprang und seine Klauen in den Nacken eines der Esel einschlug,
sodass dieser vor Schmerz furchtbar aufschrie. Die andern Esel stimmten
in den schrecklichen Chor mit ein und schlugen mit den Hinterbeinen
so sehr gegen die Räuberkatze in die Luft, dass der Leopard durch das
Dickicht davonsprang, als ob er geradezu von dem lärmenden Geschrei,
den sein Angriff erzeugt hatte, erschreckt worden sei. Der Hals des
Esels zeigte einige starke Wunden, doch das Thier war nicht gerade
gefährlich verletzt.

In der Hoffnung, dass ich vielleicht ein Abenteuer mit einem Löwen
oder Leoparden in jenem dunkeln Gürtel hoher Bäume haben könnte,
unter deren dichtem Schatten das undurchdringliche Dickicht sich
ausbreitete, das so vortreffliche Schlupfwinkel für die Fleischfresser
bildet, schlenderte ich den schrecklichen Platz entlang in Begleitung
des Gewehrträgers Kalulu, welcher zwei Flinten und grössern
Munitionsvorrath bei sich trug. Vorsichtig krochen wir dahin und
blickten scharf in die tiefen, dunkeln Höhlen, deren Eingang wir auf
unserm Wege erblickten. Jeden Augenblick erwarteten wir den berühmten
Monarchen des Dickichts zu erblicken, wie er eben auf uns zuspringen
wollte, und ich hatte ein besonderes Vergnügen daran, mir den Glanz
und die Majestät des wüthenden Thieres vorzustellen, wenn es vor mich
hintrete. In jede dunkle Oeffnung schaute ich genau hinein in der
Hoffnung, das tödliche Glänzen der grossen wüthenden Augen und die
finsterblickende Stirn des Löwen zu sehen, aber leider, nachdem ich
eine Stunde nach Abenteuern ausgeschaut, war mir nichts begegnet.
Dadurch wurde ich muthig und kroch in eine der belaubten, dornigen
Höhlen, wo ich mich alsbald unter einem Laubdach befand, das ungefähr
hundert Fuss über meinem Kopf von den stattlichen grossen Stämmen des
königlichen Mvule gebildet wurde. Wer kann sich die Lage vorstellen?
Es war eine ebene, wiesenartige Lichtung; dichtes undurchdringliches
Dickicht umgab uns, jene stattlichen, von der Natur geschaffenen
Säulen, eine herrliche Reihe ausgezeichneter Bäume, welche in
bedeutender Höhe lebhaft grüne Laubmassen trugen, durch welche kein
einziger Sonnenstrahl durchdringen konnte, standen ringsum, während
zu unsern Füssen der Bach über glatte Kiesel in sanften Tönen dahin
murmelte, welche der heiligen Ruhe des Schauplatzes entsprachen. Wer
hätte diese heilige feierliche Harmonie der Natur entweihen können?
Doch gerade als ich es für unmöglich hielt, dass jemand sich versucht
fühlen könne, die friedliche Einsamkeit des Ortes zu stören, erblickte
ich einen Affen hoch auf einem Baumzweige über meinem Kopfe, der sich
mit erschreckten Blicken die unten stehenden sonderbaren Eindringlinge
beschaute. Nun konnte ich nicht umhin, laut und lange zu lachen, bis
ich von dem Chaos von Geschrei und sonderbaren Geräuschen, die mein
Lachen zu erwidern schienen, zur Ruhe gebracht wurde. Eine Heerde
Affen, die in dem dichtem Laube oben verborgen war, war grausam
aufgeweckt worden, und durch den von mir verursachten Lärm erschreckt
eilten sie mit furchtbarem Geschrei und Geheule von dem Schauplatz.

Wieder ins helle Sonnenlicht hinaustretend, schlenderte ich weiter
und suchte nach etwas Schiessbarem. Bald sah ich in dem Walde, der
zur Linken an das Thal des Mtambu grenzt, einen grossen, röthlichen,
wilden, mit fürchterlichen Hauern bewaffneten Eber ruhig grasen. Ich
liess Kalulu sich hinter einen Baum verkriechen und warf meinen
Sonnenhut dicht daneben hinter einen andern, damit ich das Thier um
so sicherer stellen könne, ging darauf bis auf eine Entfernung von
etwa 40 Meter auf dasselbe zu, zielte bedächtig und feuerte auf seine
vordere Schulter. Das Thier machte einen wüthenden Sprung, als ob
es durchaus nicht verletzt sei, und stand dann mit emporstehenden
Borsten und aufwärts gebogenem buschigem Schweif da, ein furchtbarer
Anblick. Während es so aufhorchte und mit den scharfen kleinen Augen
die Nachbarschaft durchmusterte, jagte ich ihm noch einen Schuss
in die Brust, der ihm durch den Körper drang. Anstatt jedoch zu
fallen, wie ich erwartet hatte, machte es einen furchtbaren Angriff
in der Richtung, aus der die Kugel gekommen war, und da es an mir
vorbeischoss, feuerte ich noch eine Kugel ab, die es geradezu
durchbohrte. Trotzdem lief es weiter, bis es in einer Entfernung von
sechs bis sieben Schritt von den Bäumen anlangte, hinter denen Kalulu
und mein Hut versteckt lag, wo es plötzlich halt machte und dann
hinstürzte. Als ich mich ihm aber mit meinem Messer nähern wollte, um
ihm den Hals zu zerschneiden, sprang es plötzlich auf; es hatte den
kleinen Kalulu erblickt und fast unmittelbar darauf wurden seine Augen
durch meine weisse Kopfbedeckung angezogen. Diese sonderbaren vor ihm
liegenden Gegenstände schienen für den Eber zu viel zu sein, denn mit
einem schrecklichen Grunzen stürzte er sich seitwärts in ein dichtes
Gestrüpp, aus dem man ihn nicht herausziehen konnte. Da es aber jetzt
zu spät wurde und das Lager fast drei Meilen entfernt war, so musste
ich, obwol ungern, ohne diese Beute heimkehren.

Auf unserm Wege ins Lager wurden wir von einem grossen Thiere, das uns
beständig auf der linken Seite folgte, begleitet. Es war zu dunkel, um
deutlich sehen zu können, doch war eine grosse Gestalt in nicht ganz
klaren Umrissen erkennbar. Es muss ein Löwe gewesen sein, wenn es nicht
der Geist des todten Ebers war.

[Illustration: EBERJAGD.

  II. S. 10.]

In jener Nacht wurden wir ungefähr um 11 Uhr durch das Gebrüll
eines Löwen dicht am Lager aufgeschreckt. Bald kam noch einer und
schliesslich ein dritter hinzu, und die Neuheit der Sache hielt
mich wach. Ich spähte durch die Pforte des Lagers und versuchte ein
gezogenes Gewehr, nämlich meine kleine Winchester-Flinte, auf deren
Genauigkeit ich grosses Vertrauen setzte, gegen ein Thier zu richten;
doch war es schade um die Patronen; sie hätten ebensogut mit Sägespänen
gefüllt sein können, so wenig nützte mir mein Schiessen. Mismuthig über
die elende Munition liess ich die Löwen allein und kehrte auf mein
Lager zurück, wo ich von ihrem Brüllen in Schlaf gewiegt wurde.

Das Thal des durchsichtigen Mtambu, dieses irdische Paradies des
Jägers, vertauschten wir am nächsten Morgen mit der den Wakawendi als
Imrera’s Kolonie bekannten Ansiedlung, doch kam uns dies jetzt nach
jener schönen Gegend wie eine Wüste vor. Das Dorf, in dessen Nähe wir
unser Lager aufschlugen, hiess Itaga und lag im District von Rusawa.
Sowie wir den Fluss Mtambu überschritten hatten, traten wir in Ukawendi
ein, das gewöhnlich von den Eingebornen des Landes Kawendi genannt wird.

Der Bezirk Rusawa ist dichtbevölkert. Das Volk ist ruhig und Fremden
freundlich gesinnt, obgleich nur wenige aus der Ferne diese Gegenden
besuchen. Ein paar Waswahilihändler kommen zwar fast jedes Jahr aus
Pumburu und Usowa hierher; da aber von diesem Volk sehr wenig Elfenbein
zu erlangen ist, so schreckt die grosse Entfernung zwischen den
verschiedenen Ansiedlungen den regelmässigen Händler davon ab, sich
soweit zu wagen.

Wenn Karavanen hier ankommen, so ist der Bezirk Pumburu ihr Zielpunkt,
welcher einen guten Tagesmarsch oder gegen 30 engl. Meilen südwestlich
von Imrera liegt; oder sie ziehen nach Usowa am Tanganika, über
Pumburu, Katuma, Uyombeh und Ugarawah. Usowa ist ein ganz wichtiger,
bevölkerter und blühender Bezirk am Tanganika. Diesen Weg hatten wir,
nachdem wir Imrera verlassen, eigentlich einzuschlagen beabsichtigt,
doch verboten uns die am letzteren Ort uns zugekommenen Gerüchte ein
solches Wagniss. Denn der Sultan von Usowa, Mapunda, der zwar ein
grosser Freund arabischer Händler ist, befand sich im Kriege mit der
Kolonie der Wazavira, welche wie wir uns erinnern, von Mpokwa und
dessen Umgegend in Utanda vertrieben worden waren und sich zwischen
Pumburu und Usowa niedergelassen haben sollten.

Als kluge, vorsichtige Leute, die eine grosse und werthvolle Expedition
zu hüten hatten, mussten wir uns darüber entscheiden, was zu thun und
welche Route einzuschlagen sei, da wir jetzt weit näher an Udschidschi
als an Unyanyembé waren. Ich schlug vor, wir sollten, dem Compass
nach, den directen Weg an den Tanganika einschlagen und ohne uns einem
bestimmten Weg oder Führer anzuvertrauen, gerade westlich ziehen, bis
wir an den Tanganika kämen, und dann dem Seeufer bis nach Udschidschi
folgen. Denn in meinem Geist spukte stets die Vorstellung, dass Dr.
Livingstone, wenn er von meiner Ankunft höre, was ja möglich war, falls
ich einen bekannten Weg einschlug, Udschidschi verlassen und meine
Expedition infolge dessen ihm stets nachziehen würde, ohne ihn zu
erreichen. Doch hielten meine bewandertsten Leute es für besser, dass
wir kühn nordwärts ziehen und an den Malagarazi marschiren sollten,
der ein grosser von Osten her in den Tanganika fliessender Fluss sein
sollte. Keiner meiner Leute jedoch kannte den Weg nach dem Malagarazi,
auch konnten wir keinen Führer von dem Sultan Imrera miethen. Man sagte
uns aber, der Malagarazi sei nur zwei Tagemärsche von Imrera entfernt.
In diesem Falle hielt ich es für gerathen, meine Leute mit Vorräthen
auf drei Tage zu versehen.

Das Dorf Itaga liegt in einer tiefen Bergschlucht und überblickt eine
ausgedehnte bebaute Fläche. Die Leute ziehen süsse Kartoffeln, Maniok,
-- aus dem Tapioka gemacht wird, -- Bohnen und den Holcus. Weder für
Geld noch gute Worte konnten wir ein einziges Hühnchen kaufen, sondern
waren nur im Stande, uns Korn und ein mageres, vor längerer Zeit aus
Uvinza importirtes Exemplar einer Ziege zu verschaffen.

Des 25. Octobers werde ich mich stets als eines sorgenvollen Tages
erinnern; denn mit ihm trat eine Reihe von Fatalitäten ein. Um Zutritt
zu dem Hochplateau, welches das Thal von Imrera westlich und nördlich
begrenzt, zu erlangen, zogen wir einen nach Osten führenden Weg. Nach
einem Marsch von 2½ Stunden campirten wir am Fusse desselben. Der
Pass versprach einen bequemen Aufgang auf den Gipfel des Hochlands, das
sich in einer Reihe von Abhängen tausend Fuss über dem Thale Imrera
erhob.

Meine Leute gaben mir zu verstehen, dass sie einen Tag in diesem Lager
halt machen wollten, um sich aus Imrera weitere Erkundigungen in
Betreff des Charakters des zwischen uns und dem Malagarazi liegenden
Landes zu verschaffen. Das war natürlich Unsinn, da ich schon einen Tag
in Imrera gehalten und die Führer mich dort bewogen hatten, diesen Weg
einzuschlagen, weil sie angeblich von Eingeborenen schon zuverlässige
Nachrichten über das Land erhalten hatten. Ich dachte an den Rathschlag
des Generals Andrew Jackson, den er einem jungen Freunde ertheilte,
welcher so lautete: „Sehen Sie wohl zu, ehe Sie etwas unternehmen, aber
wenn Sie sich entschlossen haben, es zu thun, thun Sie es sofort und
blicken Sie nie rückwärts“, -- und gerade das beabsichtigte ich zu thun.

Gegen Abend schoss einer meiner Leute einen Büffel, und dieser kleine
Umstand wurde wieder die Veranlassung zu Streit und bösen Worten.
Dem Büffel gelang es nämlich in ein Dickicht zu entkommen, wo man
ihn sicher am nächsten Morgen als Leiche gefunden hätte. Mehrere von
meinen gefrässigen und faulen Leuten baten mich, nun nur noch einen
Tag zu halten, damit sie sich durch Fleisch stärken könnten. „Nicht
eine Stunde nach dem morgenden Sonnenaufgang“, antwortete ich. Sofort
erscholl allgemein das Geschrei: „Kein “Poscho„“, d. h. Essen. „Ihr
habt Nahrungsmittel für drei Tage bei Euch“, erwiderte ich, „aber wenn
Ihr mehr wünscht, so ist Tuch hier. Geht und kauft Euch etwas.“

Als ich ihnen aber auftrug, sich ins Dorf zu begeben, um Einkäufe zu
machen, schützten sie sämmtlich zu grosse Ermüdung vor, bestanden
jedoch darauf, dass ich verpflichtet sei, noch einen Tag halt zu
machen, denn selbst wenn sie Korn kauften, so müsste dasselbe doch
gemahlen werden, ehe sie es verzehren könnten. Die verwöhnten Burschen
blieben lange bei diesem Raisonnement, aber ich war unerbittlich. Die
ganze Nacht über debattirten sie über die Schritte, die sie zu thun
hätten, um mich zum Halten zu bewegen. Ich hatte es jedoch Bombay
und Mabruki schon verboten, sich mit einer derartigen Bitte an mich
zu wenden, indem ich ihnen für solchen Fall eine gehörige Strafe in
Aussicht stellte, und Bombay erinnerte sich der von Speke erhaltenen
schrecklichen Bestrafung zu gut, um eine Wiederholung derselben zu
wünschen.

Am nächsten Morgen erliess ich bei Sonnenaufgang den Marschbefehl in
möglichst strengem, unnachgiebigem Tone, wodurch eine jede Anspielung
auf ein ferneres Halten ausgeschlossen war. Sie waren zwar sehr
verdriesslich und zur Rebellion geneigt, da ihnen aber nichts mehr
übrig blieb, was sie als Grund hätten anführen können, kamen sie
schliesslich, wenn auch widerwillig, meinem Befehl nach, und als wir in
unserm Lager am Ursprung des Rugufu-Flusses angekommen waren, hatten
die Leute den fetten Büffel vergessen und waren in ausgezeichneter
Stimmung.

Als wir jenen hohen Gebirgsbogen, welcher westlich und nördlich das
Becken von Imrera begrenzt, bestiegen, boten sich uns ausgedehnte
Aussichten nach Süden und Osten dar. Der Charakter der Landschaft
von Ukawendi ist stets belebt und malerisch, aber nie erhaben. Die
Einschnitte dieser Höhenkette enthalten verschiedene Ruinen von Bomas,
die während der Kriegszeit erbaut zu sein schienen.

Auf diesem Marsch war die Mbembufrucht sehr reichlich vorhanden und
da ich hinter meinen Leuten herzog, konnte ich fortwährend sehen, wie
sich diese eiligst einen Vorrath von den auf dem Boden herumliegenden
Früchten einsammelten.

Kurz ehe ich das Lager erreichte, hatte ich auf einen Leoparden
geschossen, ohne dass es mir gelungen wäre, ihn zu erlegen, da er
fortsprang. Zur Nacht brüllten die Löwen wie am Mtambu-Fluss.

Ein ziemlich langer Marsch im dunkeln Schatten eines grossen Waldes,
der uns vor den heissen Sonnenstrahlen schützte, brachte mich am
nächsten Tage an ein vor kurzem von Arabern aus Udschidschi erbautes
Lager, die so weit auf ihrem Wege nach Unyanyembé gekommen, aber durch
die Gerüchte über den zwischen Mirambo und den Arabern wüthenden Krieg
erschreckt, von hier zurückgekehrt waren. Unsere Route zog sich dem
rechten Ufer des breiten, trägen Rugufu-Flusses entlang, der von Rohr,
Binsen und Papyrus fast verstopft wird. Büffelspuren fanden sich
überall zahlreich vor, auch hatten wir einige Anzeichen für die Nähe
des Rhinozeros. In einer dichten Baumgruppe nahe am Fluss entdeckten
wir eine Colonie bärtiger, löwenartig aussehender Affen.

Als wir am Morgen des 28. im Begriff waren, das Lager zu verlassen,
spazirte eine Heerde Büffel bedächtig in Sicht. Sofort wurde völlige
Stille unter uns hergestellt, doch nicht, bevor die Thiere zu ihrem
grossen Erstaunen die ihnen drohende Gefahr entdeckt hatten. Als wir
anfingen, sie zu stellen, hörten wir alsbald das donnernde Geräusch
ihres Gallopirens, wonach es allerdings eine unnütze Aufgabe ist, ihnen
zu folgen auf einem langen Marsch in die Wüste.

An diesem Tage führte der Weg über grosse Lagen Sandstein und Eisenerz.
Das Wasser war abscheulich und spärlich und der Hunger fing an, uns
ernstlich zu bedrohen. Wir waren bereits sechs Stunden lang unterwegs
und hatten noch nirgends ein Zeichen von Cultur entdeckt. Nach meiner
Karte befanden wir uns noch zwei lange Märsche vom Malagarazi, wenn
Kapitän Burton die Lage dieses Flusses richtig bezeichnet hatte; nach
den Berichten der Eingeborenen hätten wir denselben an diesem Tage
erreichen müssen.

Am 29. verliessen wir unser Lager und befanden uns nach wenigen Minuten
vor der erhabensten aber wildesten Landschaft, die wir bisher in Afrika
gesehen hatten. Das Land war nach allen Richtungen von tiefen, wilden,
engen Schluchten durchschnitten, die sich überall hin, meist aber nach
Nordwesten zogen, und zu beiden Seiten erhoben sich enorme viereckige
Massen nackter Felsen (Sandstein), die theils rund und hochaufgethürmt,
theils pyramidal, theils in kreisförmigen Bergketten mit scharfem,
rauhem, kahlem Grat in die Höhe stiegen. Nirgends war viel Vegetation
sichtbar, ausser wo sie ein spärliches Unterkommen in der gespaltenen
Krone eines riesigen Berggipfels fand, wo sich etwas Erdreich gesammelt
hatte, oder am Fusse der röthlichen Ockerabhänge, die sich überall
steil vor unserm Blick erhoben.

Wir hatten eine lange Reihe von Felsrinnen hinabzusteigen, wo wir von
drohenden Massen verwitternden Gesteins umgeben waren, bis wir an
eine trockene, steinige Schlucht kamen, wo Berge von einigen tausend
Fuss Höhe sich über uns emporthürmten. Dieser Schlucht, die sich
nach allen Richtungen hin wand, allmählich aber zu einer weiten sich
nach Westen hinziehenden Ebene erweiterte, folgten wir. Der Weg, der
von hier weiter führte, ging über einen niedrigen Kamm nach Norden
und wir erblickten verlassene Ansiedlungen, deren Dörfer auf dichter
aussehenden, burgartigen Felsmassen erbaut waren. In der Nähe eines
steil aufsteigenden Felsens von mehr als 70 Fuss Höhe und etwa 50 Meter
Durchmesser, der die benachbarte riesenhafte Sykomore wie einen Zwerg
erscheinen liess, schlugen wir nach einem anhaltenden und raschen
Marsch von 5½ Stunden unser Lager auf.

Die Leute waren sehr hungrig; sie hatten jedes Stückchen Fleisch und
jede Spur von Korn, die sie besassen, vor 20 Stunden aufgegessen, und
eine sofortige Aussicht auf Nahrungsmittel war nicht vorhanden. Mir
waren nur 1½ Pfund Mehl geblieben, und diese Quantität hätte nicht
ausgereicht, um damit anzufangen, eine Truppe von mehr als 45 Leuten zu
nähren; ich hatte aber noch ungefähr 30 Pfund Thee und 20 Pfund Zucker,
und sobald wir im Lager ankamen, liess ich jeden Kessel füllen und aufs
Feuer setzen, und für alle Thee bereiten, indem ich einem jeden ein
Quart dieses heissen, angenehmen, gut versüssten Getränks gab. Einige
meiner Leute stahlen sich auch in die Tiefen des Dickichts, um wildes
Obst zu suchen, und kehrten alsbald mit Körben voll Waldpfirsich und
Tamarinden zurück, welche ihnen, obwol sie nicht sättigten, doch einen
Genuss boten. Ehe wir uns an jenem Abend zu Bett begaben, begannen die
Wangwana ein lautes, an Allah gerichtetes Gebet um Nahrungsmittel.

Zeitig am Morgen erhoben wir uns mit dem Entschluss, weiter zu reisen,
bis wir uns Nahrungsmittel verschaffen konnten, oder vor Strapazen und
Schwäche umfielen. Spuren von Rhinoceros und Büffeln waren reichlich
vorhanden, doch sahen wir kein lebendes Wesen. Wir zogen über eine
Menge kurzer Abhänge, kamen häufig in die Abgründe trockner, steiniger
Rinnen, und schliesslich in ein Thal, das auf der einen Seite von einem
dreieckigen Hügel mit steilen Seitenwänden, und auf der andern von
einer kühnen Gruppe von drei Bergen begrenzt war. Als wir dies Thal
hinabmarschirten, das bald sein trocknes, dürres Aussehen mit einem
lebhaften Grün vertauschte, erblickten wir in der Ferne einen Wald und
befanden uns bald in Kornfeldern. Gierig schauten wir nach einem Dorfe
aus und entdeckten ein solches auf dem Gipfel des hohen dreieckigen,
zu unserer Rechten befindlichen Berges. Bei dieser Entdeckung erhob
sich ein lautes Freudengeschrei, die Leute warfen ihre Lasten ab und
fingen an nach Nahrungsmitteln zu rufen. Ich ersuchte Freiwillige,
vorzutreten, um Zeug mitzunehmen und die Höhen zu erklimmen, um
Victualien um jeden Preis aus dem Dorfe zu bekommen. Während drei oder
vier danach ausgingen, ruhten wir ganz ermattet auf dem Boden aus.

In etwa einer Stunde kehrte unser Fouragecommando mit der erfreulichen
Nachricht zurück, dass Nahrungsmittel reichlich vorhanden seien. Das
Dorf, das wir sahen, hiess „Welled Nzogera’s“, des Sohnes von Nzogera;
dies liess uns erkennen, dass wir uns in Uvinza befanden, da Nzogera
der erste Häuptling von Uvinza ist. Ferner theilten sie uns mit, der
Vater Nzogera führe Krieg mit Lokanda-Mira wegen einiger im Thale des
Malagarazi belegenen Salzgruben und es werde infolge dessen schwer
sein, auf dem gewöhnlichen Wege nach Udschidschi zu ziehen; doch sei
der Sohn von Nzogera gegen Entschädigung bereit, uns mit Führern zu
versehen, die uns sicher auf einem nördlichen Wege nach Udschidschi
bringen könnten.

Da sich unsere Aussichten gut gestalteten, lagerten wir, um die
reichlichen Vorräthe zu geniessen, für welche unsere Mühen und
Entbehrungen während des Durchschreitens der Ukawendi-Wälder und
-Dickichte uns gut vorbereitet hatten.

Dann fing eine diplomatische Verhandlung an in Bezug auf die Quantität
und Qualität der Tuche, die der Sohn von Nzogera gewöhnlich von den
Reisenden verlangte. Es gelang uns, seine Anforderungen von 10 auf
7½ Doti Merikani und Kaniki herabzudrücken und uns die Führer, die
wir zu haben wünschten, zu verschaffen.

Nachstehend gebe ich einen Auszug aus meinem Marschtagebuch, da
ich ohne seine Hülfe es für unmöglich halte, unsere verschiedenen
Erlebnisse detaillirt zu erzählen, sodass man sie in ihrer Reihenfolge
gehörig überblickt, und da diese Auszüge am Schlusse eines jeden Tages
niedergeschrieben wurden, so besitzen sie, nach meiner Ansicht, mehr
Interesse als eine kühle Erzählung von Thatsachen, die jetzt durch die
Erinnerung abgeschwächt sind.

31. October, Dienstag. Lager im Dickicht. Richtung des Weges Nord zu
Ost. Zeit des Marsches 4 Stunden 15 Minuten.

Nachdem wir den Fuss des dreieckigen Berges verlassen hatten, auf
welchem der Sohn von Nzogera seine Veste gebaut hat, führte uns eine
lange Zeit unser Weg ostnordöstlich, um einen tiefen, unpassirbaren
Sumpf zu vermeiden, der sich zwischen uns und dem geraden Wege nach dem
Malagarazi-Flusse befand. Das Thal neigte sich rasch in diesen Sumpf
hinab, welcher in seine breite Fläche das Wasser von drei ausgedehnten
Bergzügen aufnahm. Alsbald kehrten wir nach Nordwesten und bereiteten
uns darauf vor, über den Morast zu ziehen. Als wir an seinem rechten
Ufer hielten, theilten uns die Führer eine furchtbare Katastrophe mit,
welche sich wenige Schritt oberhalb der Stelle, wo wir hinüberziehen
wollten, ereignet hatte. Sie erzählten nämlich von einem Araber und
seiner aus 35 Sklaven bestehenden Karavane, die plötzlich versunken
und nie wieder gesehen worden sei. Dieser Sumpf bot scheinbar eine
Breite von einigen hundert Meter dar und es wuchs ein dichtes aus
Gras und vielen verwesten Stoffen bestehendes Netzwerk darüber.
In seiner Mitte und unter diesem Grase lief ein breiter, tiefer,
reissender Fluss. Meine Leute schlichen den voranziehenden Führern mit
vorsichtigen Tritten nach. Als wir uns der Mitte näherten, sahen wir
die unsichere, von der Natur so sonderbar gebildete Grasbrücke sich in
schweren, langsamen Wellenlinien, dem Wogen des Meeres nach einem Sturm
vergleichbar auf und ab bewegen. Wo die beiden Esel unserer Expedition
gingen, erhoben sich die Graswellen einen Fuss hoch und plötzlich
stürzte einer derselben so unglücklich mit den Füssen durch, dass er
ausser Stande war aufzustehen, und die entstandene grosse Vertiefung
füllte sich alsbald mit Wasser. Mit Hülfe von zehn Leuten gelang es
uns jedoch, ihn wieder herauszuheben und auf einen festeren Punkt zu
bringen. So kam denn die ganze Karavane, indem sie die beiden Thiere
rasch weiter führte, ohne Unfall hinüber.

Als wir auf der andern Seite anlangten, schlugen wir uns nach Norden
und kamen in ein herrliches, in jeder Beziehung für den Ackerbau
geeignetes Land. Grosse Felsen erhoben sich hier und da; doch wuchsen
in den Spalten derselben stattliche Bäume, unter deren Schatten die
Dörfer der Bewohner versteckt lagen. Hier wurde die grosse Gier
verschiedener Dorfältesten nach Tuch durch die Anwesenheit des Jüngern
Sohns Nzogera’s im Zaum gehalten. Ziegen und Schafe waren merkwürdig
billig und in gutem Zustande, und folglich liess ich, um unsere Ankunft
in der Nähe des Malagarazi zu feiern, eine Heerde von acht Ziegen
schlachten und an meine Leute vertheilen.

1. November. Nachdem wir unser Lager verlassen, zogen wir nach
Nordwesten und erblickten, als wir einen Bergabhang hinabstiegen,
bald den ängstlich ersehnten Malagarazi, einen schmalen, aber tiefen
Fluss, der durch ein von hohen Gebirgen eingeschlossenes Thal fliesst.
Fischfressende Vögel sassen in Reihen auf den am Ufer befindlichen
Bäumen; links herum lagen Dörfer ziemlich dicht aneinander.
Nahrungsmittel waren reichlich und billig.

Nachdem wir das linke Ufer des Flusses einige Meilen entlang gereist
waren, kamen wir zu den Ansiedelungen, welche Kiala als ihren
Beherrscher anerkennen. Ich hatte angenommen, dass wir sofort über den
Fluss setzen könnten, doch erhoben sich Schwierigkeiten. Man sagte uns,
wir müssten unser Lager aufschlagen, ehe man sich auf Unterhandlungen
einlassen könne. Als wir dagegen protestirten, sagte man uns, wir
konnten über den Fluss setzen, wenn wir wollten, doch werde uns kein
Mvinza dabei helfen.

Da wir gezwungen waren, an diesem Tage halt zu machen, wurde das
Lager in der Mitte eines der Dörfer aufgeschlagen und die Ballen in
einer Hütte aufgespeichert, wo vier Soldaten sie bewachten. Nachdem
eine Gesandtschaft an Kiala, den ältesten Sohn des grossen Häuptlings
Nzogera abgeschickt worden war, um ihn um Erlaubniss zu bitten, als
friedliche Karavane den Fluss überschreiten zu dürfen, liess uns Kiala
wissen, der Weisse könne seinen Fluss überschreiten, nachdem er 50
Tücher bezahlt habe. 56 Tücher bedeutete fast einen ganzen Ballen!
Hier gab es also eine neue Gelegenheit, diplomatisch zu verfahren.
Ich bevollmächtigte daher Bombay und Asmani mit Kiala über das Honga
zu verhandeln; es sollte aber nicht mehr als 25 Doti betragen. Um 6
Uhr abends kehrten die beiden Leute, nachdem sie sieben Stunden lang
unterhandelt hatten, mit dem Verlangen zurück, dass Nzogera dreizehn
und Kiala zehn Doti erhalten müsse. Der arme Bombay war heiser, Asmani
jedoch lächelte noch immer, und ich gab nach und gratulirte mir,
dass die unverschämte Anforderung, die sich als eigentliche Räuberei
kennzeichnete, nicht schlimmer ausgefallen war.

Drei Stunden später kam noch eine Forderung. Kiala hatte Besuch von
einigen Häuptlingen seines Vaters erhalten, und als diese erfuhren,
dass ein Weisser sich an der Fähre befände, verlangten sie einige
Flinten und ein Fässchen Schiesspulver. Hier jedoch war meine Geduld
erschöpft, und ich erklärte ihnen, sie müssten es mit Gewalt nehmen,
denn ich werde mich nie in dieser Weise berauben lassen.

Bis 11 Uhr abends verhandelten Bombay und Asmani über diese
Extraforderung, raisonnirten, zankten und tobten, bis Bombay erklärte,
sie würden ihn durch ihr Schwatzen verrückt machen, wenn es noch viel
länger dauerte. Ich befahl Bombay, zwei Tuche, für jeden Häuptling
eins, mitzunehmen, und wenn sie das nicht für ausreichend hielten,
würde ich mich mit ihnen in einen Kampf einlassen. Das Geschenk wurde
angenommen, und die Unterhandlungen endigten um Mitternacht.

2. November. Ihata-Insel, 1½ Stunde westlich Von Kiala’s Behausung.
Um 5 Uhr nachmittags kamen wir vor die auf dem linken Ufer des
Malagarazi belegene Insel Ihata, nachdem der Morgen in kindischem
Geschwätz mit dem Besitzer der Nachen an der Fähre verschwendet
worden. Die schliessliche Forderung für das Uebersetzen betrug 8 Meter
Zeug und 4 Fundo[1] Sami-Sami oder rothe Perlen. Dies wurde sofort
bezahlt. Hierauf liess er vier Leute mit ihren Lasten in dem kleinen,
unförmlichen, schwanken Nachen übersetzen. Als die Bootsleute die
Passagiere und Lasten ausgesetzt hatten, erhielten sie den Befehl, auf
der andern Seite zu bleiben, und er kam abermals mit einer Forderung.
Die Fährleute hatten gefunden, dass zwei Fundo Perlen zu kurzes Maass
hätten und dass noch zwei Fundo bezahlt werden müssten, sonst würde der
Vertrag wegen des Uebersetzens als null und nichtig angesehen werden.
Also rückten wir noch zwei Fundo heraus, doch nicht ohne zu protestiren
und zu schwatzen, wie es in diesen Ländern nöthig ist.

Dreimal gingen die Nachen hin und zurück, und wiederum kam eine
Forderung mit dem gewöhnlichen Geschrei und wüthendem Wortstreit.
Diesmal sollten es fünf Khete[2] für den Mann sein, der uns an die
Fähre führte, eine Schukka Tuch für einen Schwätzer, der sich an den
altweibischen Dschumah gemacht hatte und nichts that als eben schwatzen
und den Lärm vermehren. Auch diese Forderungen wurden bewilligt.

Gegen Sonnenuntergang versuchten wir, die Esel überzusetzen. Simba,
ein schöner Kinyamwezi-Esel ging zuerst mit einem Strick um den Hals
hinein; als er aber in der Mitte des Stromes angelangt war, sahen wir,
wie er sich sträubte -- ein Krokodil hatte ihn an der Kehle gepackt.
Die Kämpfe des armen Thieres waren entsetzlich. Tschaupereh zog mit
aller Kraft an dem Strick, aber es war nutzlos, denn der Esel sank und
wir sahen ihn nicht mehr. Die Tiefe des Flusses ist an dieser Stelle
ungefähr 15 Fuss. Wir hatten die hellbraunen Köpfe, glänzenden Augen
und kammartigen Rücken in der Nähe gesehen, aber nicht geglaubt, dass
die Reptilien einer so aufregenden Scene sich nähern würden, wie sie
die Fähre während der Ueberfahrt darbot. Etwas betrübt über diesen
Verlust nahmen wir unsere Arbeit wieder auf und waren um 7 Uhr alle mit
Ausnahme von Bombay und dem einzigen uns jetzt noch übrig gebliebenen
Esel drüben, welcher am Morgen hinübergebracht werden sollte, wenn die
Krokodile den Fluss verlassen hätten.

3. November. Welche Zankereien haben wir in diesen letzten drei
Tagen erlebt! Welche Angst haben wir seit unserer Ankunft in Uvinza
ausgestanden! Die Wawinza sind schlimmer als die Wagogo und ihre
Habgier ist noch unersättlicher. Wir bekamen den Esel mit Hülfe eines
Mganga oder eines Medizinmannes hinüber, welcher ihn mit einigen
gekauten Blättern eines nahe am Strome über ihm wachsenden Baumes
bespie. Er theilte mir mit, er könne den Fluss zu jeder Stunde des
Tages oder der Nacht überschreiten, nachdem er seinen Körper mit diesen
gekauten Blättern eingerieben hätte, welche er für eine sehr wirksame
Medizin hielt.

Um 10 Uhr vormittags erschien aus der Richtung von Udschidschi eine
Karavane von 80 Waguhha, einem Stamme, der einen Landstrich auf der
südwestlichen Seite des Sees Tanganika bewohnt. Wir erkundigten uns
nach Neuigkeiten und erfuhren, dass ein Weisser gerade aus Manyuema
in Udschidschi angekommen sei. Diese Nachricht setzte uns alle in
Erstaunen.

„Ein Weisser?“ fragten wir.

„Ja, ein Weiser,“ lautete die Antwort.

„Wie ist er angezogen?“

„Wie der Herr,“ erwiderten sie auf mich deutend.

„Ist er jung oder alt?“

„Er ist alt; hat weisses Haar auf dem Gesicht und ist krank.“

„Von wo ist er hergekommen?“

„Aus einem weit hinter Uguhha liegenden, Manyuema genannten Lande.“

„Wirklich? Und hält er sich jetzt in Udschidschi auf?“

„Ja, wir haben ihn vor ungefähr acht Tagen gesehen.“

„Glaubt Ihr, dass er dort bleiben wird, bis wir ankommen?“

„Sigue“ (das wissen wir nicht).

„Ist er schon früher in Udschidschi gewesen?“

„Ja, er hat es vor langer Zeit verlassen.“

Hurrah, das ist Livingstone! Das muss er sein! Es kann kein anderer
sein; aber doch, vielleicht ist es doch ein anderer, irgendjemand von
der Westküste, oder vielleicht Baker! Nein, Baker hat kein weisses Haar
auf dem Gesicht. Aber jetzt müssen wir rasch marschiren, damit er nicht
hört, dass wir im Anzuge sind, und wegläuft.

Ich hielt eine Anrede an meine Leute, fragte sie, ob sie bereit seien,
ohne jeden Aufenthalt nach Udschidschi zu marschiren, und versprach
einem jeden von ihnen darauf, wenn sie auf meine Wünsche eingingen,
zwei Doti zu geben. Alle bejahten die Frage und waren fast ebenso
erfreut wie ich selbst. Ich aber war geradezu toll vor Freude und
ungemein darauf begierig, die brennende Frage zu lösen: „Ist dies Dr.
David Livingstone?“ Gott gebe mir Geduld, ich wünschte aber doch, es
gäbe in diesem Lande eine Eisenbahn oder wenigstens Pferde; denn mit
einem Pferde könnte ich Udschidschi in ungefähr zwölf Stunden erreichen.

Wir brachen sofort von den Ufern des Malagarazi auf, von zwei Führern
begleitet, die uns Usenge, der alte Fährmann, verschafft hatte, der
sich jetzt, wo wir hinüber waren, sehr liebenswürdig gegen uns erwies.

Nach einem Marsche von etwas mehr als einer Stunde kamen wir im Dorf
Isinga, des Sultans Katalambula, an. Die Salzebene, die wir dabei
durchschritten, wird weiterhin im Innern fruchtbar. Nachdem wir uns
gelagert, erhielten wir die Warnung, der Marsch am nächsten Tage sei
mit Vorsicht zu machen, da eine Bande Wavinza unter Makumbi, einem
grossen Häuptling Nzogera’s, vom Kriege zurückkäme, und Makumbi sei
gewöhnt, nach einem Siege nichts zurückzulassen. Vom Erfolg berauscht
greife er selbst die Dörfer seines eigenen Stammes an und mache
alles Lebende, Sklaven sowie Vieh, zu Gefangenen. Die Folgen einer
einmonatlichen Campagne gegen Lokanda-Mira sei die Zerstörung von zwei
Dörfern, das Tödten eines Kindes jenes Häuptlings und das Niedermetzeln
mehrerer Leute gewesen. Makumbi habe auch fünf Leute durch den Durst
verloren, den sie bei ihrem Uebergang über eine südlich vom Malagarazi
belegene Salzwüste erlitten hätten.

4. November. Mit grosser Vorsicht und unter tiefem Schweigen früh
aufgebrochen. Ich schickte die Führer voraus und zwar den einen 200
Schritt vor dem andern, damit sie uns beizeiten benachrichtigen
könnten. Der erste Theil des Marsches ging durch dünnes Gestrüpp von
Zwergbäumen, das immer dünner und dünner wurde, bis es schliesslich
ganz und gar verschwand. Nun hatten wir Uhha, ein flaches Land,
betreten. Unter den hohen gebleichten Stengeln von Dourra und Mais
waren Dörfer zu Dutzenden zu erblicken. Manchmal bildeten drei,
manchmal fünf, zehn bis zwanzig bienenkorbförmige Hütten ein Dorf.
Die Wahha lebten offenbar in völliger Sicherheit, denn kein einziges
ihrer Dörfer war von den gewöhnlichen Vertheidigungsmitteln eines
afrikanischen Dorfes umgeben. Ein schmaler, trockener Graben bildete
die einzige Grenze zwischen Uhha und Uvinza. Nachdem wir Uhha betreten,
war alle Gefahr vor Makumbi verschwunden.

In Kawanga hielten wir, und der Häuptling des Orts verlor keine Zeit,
uns zu verständigen, dass er der grosse Mutware von Kimenyi unter dem
König und der Zolleinnehmer für Seine Kiha-Majestät sei. Er erklärte,
er sei der einzige in Kimenyi, einem östlichen District von Uhha, der
Tribut verlangen könne, und es sei ihm sehr lieb und uns selbst eine
Ersparniss an Mühe, wenn wir seine Forderung von 12 Doti guten Tuchs
sofort abmachten. Das hielten wir jedoch nicht für das beste Verfahren,
da uns der Charakter der Afrikaner bekannt war. Wir fingen also sofort
an, diese Forderung zu verkleinern. Nach sechsstündigem heissen Reden
reducirte der Mutware dieselbe jedoch nur um zwei Doti. Hierauf wurde
sie denn in Ordnung gebracht unter der Abmachung, dass wir durch Uhha
bis an den Rusugi-Fluss reisen dürften, ohne weiter etwas bezahlen zu
müssen.

5. November. Nachdem wir Kawanga früh am Morgen verlassen und unsern
Marsch über die weiten Ebenen, die von der heissen Aequatorsonne
weissgedörrt waren, fortgesetzt hatten, zogen wir nach Westen voll
angenehmer Ahnungen, dass wir uns dem Ende unserer Mühen näherten, und
froh darüber, dass wir in fünf Tagen den Mann erblicken sollten, um
dessen willen ich aus so fernen civilisirten Ländern und durch so viele
Beschwerlichkeiten gekommen war. Wir waren im Begriff, eine Gruppe
von Dörfern zu passiren mit dem vollen Vertrauen von Leuten, an die
niemand weiter eine Forderung hat, als ich zwei Männer aus einer Schar
Eingeborener, die uns beobachtete, hervorspringen und an die Spitze der
Expedition heranlaufen sah, offenbar in der Absicht, unser Weiterziehen
zu verhindern.

Die Karavane hielt an und ich trat vor, um die Sache der beiden
Eingeborenen zu untersuchen. Ich wurde von beiden Wahha mit den
gewöhnlichen Yambos höflich begrüsst und dann gefragt:

„Warum zieht der Weisse durch das Dorf des Königs von Uhha ohne Gruss
und Gabe? Weiss der Weisse etwa nicht, dass ein König in Uhha lebt, dem
die Wangwana und Araber etwas für das Recht des Durchzuges bezahlen?“

„Wie? Wir haben ja gestern Abend den Häuptling von Kawanga bezahlt, der
uns mitgetheilt hat, er sei der Beamte, der den Zoll für den König von
Uhha einzunehmen habe.“

„Wie viel habt Ihr bezahlt?“

„Zehn Doti gutes Tuch.“

„Bestimmt?“

„Ganz bestimmt. Wenn Ihr ihn fragt, so wird er es Euch sagen.“

„Gut,“ sagte einer der Wahha, ein schöner, stattlicher, intelligent
aussehender Jüngling; „es ist unsere Pflicht gegen den König, Euch hier
aufzuhalten, bis wir die Wahrheit ermitteln. Wollt Ihr in unser Dorf
spazieren und Euch unter dem Schatten unserer Bäume ausruhen, bis wir
Boten nach Kawanga senden können?“

„Nein, die Sonne ist schon eine Stunde am Himmel und wir haben noch
weit zu reisen. Aber um Euch zu beweisen, dass wir nicht durch Euer
Land zu ziehen suchen, ohne das zu thun, was Rechtens ist, wollen wir
dableiben, wo wir jetzt sind, und Euern Boten zwei oder drei Soldaten
als Begleiter mitgeben, die Euch den Mann zeigen sollen, dem wir das
Tuch bezahlt haben.“

Die Boten zogen fort. Mittlerweile aber flüsterte der stattliche
Jüngling, der sich als ein Neffe des Königs auswies, einem jüngern
Menschen einen Befehl ins Ohr. Dieser eilte sofort mit der
Schnelligkeit einer Antilope in die Dörfergruppe, bei der wir eben
vorbeigezogen waren. Als Folge dieses Auftrags sahen wir bald eine
Truppe von ungefähr 50 Kriegern, die von einem langgewachsenen,
stattlichen Manne geführt wurde, auf uns zukommen. Er war mit einem
scharlachnen, Dschoho genannten Gewande bekleidet, dessen beide Enden
in einen Knoten über der linken Schulter zusammengebunden waren. Ein
Stück neue amerikanische Leinwand war wie ein Turban um seinen Kopf
gefaltet und ein grosses gekrümmtes Stück Elfenbein hing ihm um den
Hals. Er und seine Leute waren sämmtlich mit Speeren, Bogen und Pfeilen
bewaffnet und ihre Annäherung zeichnete sich durch eine überlegte Ruhe
aus, die unbedingtes Vertrauen auf jeden etwaigen Ausgang an den Tag
legte.

Auf der Ostseite des Pombwe-Flusses in der Nähe des Dorfes Lukomo in
Kimenyi in Uhha wurde uns Halt geboten.

Der prächtig gekleidete Häuptling war seinem Aussehen nach ein
merkwürdiger Mensch. Sein Gesicht war oval, mit hohen Backenknochen,
tief eingesunkenen Augen, einer vorragenden, kühnen Stirn, schöner Nase
und wohlgeformtem Munde. Er war schlank von Gestalt und ebenmässig
gebaut.

Als er sich uns genähert, begrüsste er mich in ganz herzlichem Tone mit
den Worten:

„Yambo bana?“ Wie geht es Euch, Herr?

Ich erwiderte ihm gleichfalls herzlich: „Yambo mutware?“ Wie geht es
Euch, Häuptling?

Ich und meine Leute wechselten solche Yambos auch mit den Kriegern
aus, und in unserer ersten Bekanntschaft war nichts, was einen
feindlichen Charakter angedeutet hätte.

Der Häuptling setzte sich mit untergeschlagenen Beinen und legte Bogen
und Pfeile an seine Seite; dasselbe thaten seine Leute.

Ich setzte mich auf einen Ballen und jeder meiner Leute auf seine Last,
wodurch ein Halbkreis gebildet wurde. Die Wahha waren etwas zahlreicher
als wir, aber während sie nur mit Bogen und Pfeilen, Speeren und
Knopfstöcken versehen waren, hatten wir Flinten, Musketen, Revolver,
Pistolen und Beile.

Wir sassen alle und tiefes Schweigen wurde von der Versammlung
beobachtet. Die grossen Ebenen um uns waren an diesem hellen Mittag
so still, als ob sie von allen lebenden Wesen verlassen wären. Darauf
sprach der Häuptling:

„Ich bin Mionvu, der grosse Mutware von Kimenyi, und der nächste nach
dem Könige, der dort wohnt,“ auf ein grosses, etwa zehn Meilen nach
Norden an nackten Bergen belegenes Dorf zeigend, „und bin hierher
gekommen, um mit dem Weissen zu sprechen. Es ist stets Sitte der Araber
und Wangwana gewesen, dem Könige, wenn sie durch dieses Land ziehen,
ein Geschenk darzubringen. Beabsichtigt der Weisse nicht, dem Könige
die Gebühren zu zahlen? Warum macht der Weisse halt am Wege? Warum will
er nicht das Dorf Lukomo betreten, wo Nahrungsmittel sind und Schatten
ist, wo wir die Dinge ruhig besprechen können? Gedenkt der Weisse zu
kämpfen? Ich weiss wohl, dass er stärker ist als wir. Seine Leute haben
Flinten und die Wahha haben nur Bogen, Pfeile und Speere; aber Uhha
ist gross und wir haben viele Dörfer. Möge er überall um sich blicken;
alles ist Uhha; unser Land dehnt sich viel weiter, als er an einem Tage
überblicken und durchschreiten kann. Der König von Uhha ist stark;
dennoch wünscht er die Freundschaft des Weissen. Will der Weisse Krieg
oder Frieden haben?“

Dumpfes Beifallsmurmeln folgte dieser Rede Mionvu’s von Seiten seiner
Leute und eine gewisse ungemüthliche Misbilligung seitens der meinigen.
Als ich im Begriff stand, ihm zu antworten, kamen mir die Worte
des General Sherman, die ich ihn gegen die Häuptlinge der Arapahoes
und Cheyennes im Jahre 1867 bei North Platte aussprechen hörte, ins
Gedächtniss zurück und ich legte in meiner Antwort an Mionvu, den
Mutware von Kimenyi, einigermassen denselben Geist an den Tag.

„Mionvu, der grosse Mutware, fragt mich, ob ich zum Kriege hergekommen
sei. Wann hat Mionvu je gehört, dass weisse Leute gegen Schwarze
kämpfen? Mionvu muss wissen, dass die Weissen sich von den Schwarzen
unterscheiden. Die Weissen verlassen weder ihr Land, um die Schwarzen
zu bekämpfen, noch kommen sie, um Elfenbein oder Sklaven zu kaufen,
sondern sie kommen her, um Flüsse, Seen und Berge aufzusuchen; um zu
erfahren, was für Länder, Völker, Flüsse, Seen, Wälder, Ebenen, Berge
und Gebirge in Euerm Lande sind; um die verschiedenen Thiere kennen
zu lernen, die in dem Lande der Schwarzen wohnen, damit sie, wenn sie
heimziehen, den weissen Königen, Männern und Kindern sagen können,
was sie in dem so fernen Lande gesehen und gehört haben. Die Weissen
unterscheiden sich von den Arabern und Wangwana, denn sie wissen
alles und sind sehr stark. Wenn sie kämpfen, so laufen die Araber und
Wangwana davon. Wir haben grosse Kanonen, welche donnern, und wenn sie
schiessen, so erzittert die Erde. Wir haben Geschütze, welche Kugeln
weiter tragen, als Ihr sehen könnt. Selbst mit diesen kleinen Dingern
(auf meine Revolver weisend) könnte ich zehn Leute schneller tödten,
als Ihr zählen könnt. Wir sind stärker, als die Wahha -- Mionvu hat
die Wahrheit gesagt --, trotzdem wünschen wir nicht, zu kämpfen. Ich
könnte jetzt Mionvu tödten, dennoch spreche ich mit ihm als Freund. Ich
wünsche, mit Mionvu und allen Schwarzen befreundet zu bleiben. Will mir
nun Mionvu sagen, was ich für ihn thun kann?“

Als diese Worte ihm unvollständig, wie ich vermuthe, aber doch
verständlich übersetzt wurden, zeigten die Gesichter der Wahha, wie
sehr sie dieselben zu würdigen wussten. Ein- oder zweimal glaube ich,
dass ich etwas wie Furcht in ihnen las, aber meine Versicherungen,
dass ich Frieden und Freundschaft mit ihnen haben wolle, verscheuchte
alsbald alle derartigen Empfindungen.

Mionvu erwiderte:

„Der Weisse sagt mir, dass er uns freundlich gesinnt sei. Warum kommt
er dann aber nicht in unser Dorf? Warum bleibt er am Wege? Die Sonne
ist heiss, Mionvu will hier nicht mehr sprechen. Wenn der Weisse ein
Freund ist, so wird er in unser Dorf kommen.“

„Jetzt müssen wir halten. Es ist Mittag. Ihr habt unsern Marsch
unterbrochen. Wir wollen also in Euerm Dorfe campiren,“ sagte ich,
indem ich aufstand und meine Leute anwies, ihre Lasten aufzunehmen.

So waren wir zum Bleiben gezwungen; es half nichts; die Boten waren
noch nicht von Kawanga zurückgekehrt. Als wir im Dorfe angekommen,
hatte sich Mionvu der Länge nach in den spärlichen Schatten geworfen,
den einige innerhalb des Boma stehende Bäume gewährten. Ungefähr um 2
Uhr nachmittags kehrten die Boten heim und sagten, es sei wahr, dass
der Häuptling von Kawanga zehn Tücher genommen habe, aber nicht für den
König von Uhha, sondern für sich selbst!

Mionvu, der offenbar scharfsinnig war und genau wusste, was er wollte,
erhob sich jetzt und fing an, kleine Bündel aus je zehn dünnen
Rohrstöckchen zu machen, und bald darauf überreichte er mir zehn dieser
kleinen Bündel, die zusammen 100 Rohrstöcke enthielten, mit den Worten:
Jeder Stab stelle ein Tuch vor, und das vom Könige Uhha verlangte Honga
betrage mithin +einhundert Tücher+! Fast zwei Ballen!

Nachdem wir uns von unserm fast unbeschreiblichen Erstaunen erholt,
boten wir ihm zehn an.

„Zehn Stück für den König von Uhha! Unmöglich! Ihr werdet Euch nicht
eher von Lukowo fortrühren, bis Ihr uns hundert bezahlt habt!“ rief
Mionvu in bedeutsamer Weise.

Ich antwortete ihm nicht, sondern ging in meine Hütte, die Mionvu
für mich eingerichtet hatte, und lud Bombay, Asmani, Mabruki und
Tschaupereh ein, sich mit mir zu berathen. Als ich sie fragte, ob wir
uns nicht durch Uhha kämpfend durchschlagen könnten, bekamen sie einen
gewaltigen Schreck, und Bombay bat mich flehend, mir wohl zu überlegen,
was ich thun wolle, da es ganz unnütz sei, sich mit den Wahha in einen
Krieg einzulassen.

„Ganz Uhha ist ein flaches Land, wir können uns nirgends darin
verstecken. Jedes Dorf um uns herum wird sich erheben, und wie können
45 Menschen mit Tausenden kämpfen? Sie würden uns alle in ein paar
Minuten tödten, und wie könnten Sie nach Udschidschi kommen, wenn Sie
todt wären? Bedenken Sie das, mein lieber Herr, und werfen Sie Ihr
Leben nicht für ein paar Tuchlappen fort.“

„Gut, Bombay; das ist aber Räuberei. Sollen wir uns dem unterwerfen?
Sollen wir diesem Kerl alles geben, was er verlangt? Er könnte mir
ebenso gut alles Tuch und alle Flinten abverlangen, wenn wir ihm nicht
zeigen, dass wir im Stande sind, gegen ihn zu kämpfen. Ich kann Mionvu
und seine bedeutendsten Leute selbst tödten und Ihr könnt alle diese
heulenden Kerle ohne viele Mühe erschlagen. Wenn Mionvu und seine
bedeutendsten Leute todt sind, so werden wir nicht sehr beunruhigt
werden und dann könnten wir südlich an den Malagarazi und von da
westlich nach Udschidschi ziehen.“

„Nein, mein lieber Herr, denken Sie keinen Augenblick daran. Wenn wir
uns in die Nähe des Malagarazi begeben, so würden wir mit Lokanda Mira
zusammentreffen.“

„Nun, dann wollen wir nach Norden gehen.“

„Dort hinauf zieht sich Uhha weit hin und jenseits Uhha sind die
Watuta.“

„Gut, dann sage mir, was wir thun sollen. Wir müssen etwas thun und
dürfen uns nicht berauben lassen.“

„Bezahlen Sie Mionvu, was er verlangt, und lassen Sie uns von hier
fortziehen. Dies ist der letzte Ort, wo wir zu zahlen haben werden, und
in vier Tagen sind wir in Udschidschi.“

„Hat Mionvu Dir gesagt, dass dies das letzte mal ist, wo wir zu zahlen
haben?“

„Ja wohl, das hat er.“

„Was sagst Du, Asmani, sollen wir kämpfen oder bezahlen?“

Asmani’s Gesicht hatte seinen gewöhnlichen lächelnden Ausdruck, er
antwortete aber: „Ich fürchte, wir müssen zahlen. Dies ist ganz
bestimmt das letzte mal.“

„Und Du, Tschaupereh?“

„Bezahlen Sie, Herr. Es ist besser, dass wir ruhig in diesem Lande
weiter kommen. Wenn wir stark genug wären, so würden sie uns bezahlen.
Ach! wenn wir nur zweihundert Flinten hätten, wie würden dann diese
Wahha laufen!“

„Was sagst Du, Mabruki?“

„Ach, lieber Herr, es ist sehr hart, und diese Leute sind grosse
Räuber. Ich würde wahrlich am liebsten ihnen die Köpfe abschlagen, aber
Sie thun doch besser daran, zu bezahlen. Dies ist ja das letzte mal,
und was sind hundert Tuche für Sie?“

„Schön also; Bombay und Asmani, Ihr geht zu Mionvu und bietet ihm
zwanzig. Will er die nicht nehmen, so bietet Ihr ihm dreissig, vierzig
bis achtzig, langsam steigend. Macht also viel Redensarten und gebt
nicht ein Doti mehr. Ich schwöre es Euch allen, ich werde Mionvu
erschiessen, wenn er mehr als achtzig beansprucht. Geht hin und
verhaltet Euch klug!“

Um die Sache kurz zu machen, wurden Mionvu um 9 Uhr vormittags 64 Doti
für den König von Uhha, 6 für ihn selbst und 5 für seinen Unterbeamten,
alles in allem 75 Doti, d. h. 1¼ Ballen, übergeben. Kaum hatten wir
diese bezahlt, als sie untereinander über die Beute zu streiten
anfingen, und ich hoffte, die verschiedenen Parteien würden sich eine
Schlacht liefern und ich somit einen Entschuldigungsgrund bekommen,
sie zu verlassen und mich südlich in das Dickicht zu schlagen, dessen
Existenz ich annahm, unter dessen freundlicher Bedeckung wir dann nach
Westen ziehen könnten. Es wurde aber nur ein Wortkampf daraus, der sehr
viel Lärm machte.

6. November. -- Mit dem Morgengrauen zogen wir sehr still und traurig
unsern Weg. Unser Tuchvorrath war arg vermindert. Wir hatten nur noch
neun Ballen übrig, die bei richtiger Oeconomie zusammen mit den noch
unberührten Perlen ausgereicht hätten, uns an den Atlantischen Ocean
zu bringen. Wenn ich aber noch vielen Leuten von Mionvu’s Schlage
begegnete, so hätte ich nicht genug gehabt, um nach Udschidschi zu
gelangen, und obgleich wir diesem Orte so nahe sein sollten, schien mir
Livingstone doch noch so weit wie je.

Wir zogen über den Pombwé und schlugen uns dann über eine leichte
wellige Ebene, die sich allmählich auf unserer Rechten zum Berge erhob
und sich zu unserer Linken in das Thal des Malagarazi senkte, welcher
Fluss ungefähr 20 Meilen entfernt war. Ueberall zeigten sich Dörfer;
Nahrungsmittel waren billig, Milch reichlich und Butter gut.

Nach einem vierstündigen Marsche überschritten wir den Kanengi-Fluss
und kamen in das Boma von Kahirigi, das von mehreren Watusi und Wahha
bewohnt wird. Hier sollte der Bruder des Königs von Uhha wohnen. Diese
Nachricht war mir durchaus nicht angenehm, und ich fing an, Verdacht
zu schöpfen, dass ich wiederum in ein Hornissennest gefallen sei. Wir
hatten noch keine zwei Stunden Rast gehalten, als zwei Wangwana in mein
Zelt kamen, die Sklaven unseres geckenhaften Freundes in Unyanyembé,
Thani bin Abdullah’s, waren. Diese Leute kamen von seiten des Bruders
des Königs, um Honga zu verlangen! Er verlangte 30 Doti, einen halben
Ballen!

Dürfte ich nur alle die wilden, wüthenden Gedanken, die in mir tobten,
als mir dies angekündigt wurde, schildern, so würde ich wol in einem
spätern ruhigen Augenblicke über mich selbst erschrecken. Ich war aber
böse, -- nein, das ist nicht das Wort; ich war wild, verzweifelt wild,
bereit und im Stande zu kämpfen und zu sterben, aber nicht von einer
solchen Bande elender, nackter Räuber mich aufhalten zu lassen. Noch
dazu angesichts von Udschidschi, wie man fast sagen konnte, nur vier
Tagereisen von dem Weissen, den ich für Livingstone halte, wenn nicht
noch ein zweites Exemplar von ihm in diesen Ländern herumreist. Gütige
Vorsehung! Was soll ich thun?

Mionvu hatte uns gesagt, das Honga von Uhha sei bezahlt, und hier kommt
noch eine Forderung vom Bruder des Königs! Zum zweiten male haben sie
gelogen und sind wir betrogen worden. Das soll nicht noch einmal
vorkommen.

Diese beiden Leute theilten uns mit, es existirten noch fünf
Häuptlinge, die nur zwei Stunden auseinander wohnten, welche uns wie
die, welche wir bereits besucht, Tribut abfordern würden. Als ich
dies erfuhr, fühlte ich eine gewisse Ruhe. Es war viel besser, das
Schlimmste sofort zu erfahren. Noch fünf Häuptlinge würden uns mit
ihren Forderungen bestimmt ruiniren. Was sollte ich angesichts dessen
thun? Wie soll ich zu Livingstone kommen, ohne völlig zum Bettler
geworden zu sein?

Ich entliess die Leute, rief Bombay und befahl ihm mit Asmani den
Tribut so billig wie möglich abzumachen. Dann zündete ich mir
meine Pfeife an, setzte die Kappe der Ueberlegung auf und begann
nachzudenken. In einer halben Stunde hatte ich einen Plan entworfen,
den ich noch in derselben Nacht ausführen wollte.

Ich citirte die beiden Sklaven Thani bin Abdullah’s, nachdem das Honga
zu jedermanns Zufriedenheit abgemacht war -- obgleich die grössten
Spitzfindigkeiten und diplomatischen Raisonnements ausser Stande waren,
es auf weniger als 26 Doti herabzubringen --, und fragte sie über die
Möglichkeit aus, den noch vor uns liegenden, Tribut verlangenden Wahha
auszuweichen.

Dies setzte sie anfänglich in Erstaunen und sie erklärten es für
unmöglich; schliesslich jedoch, nachdem ich in sie gedrungen, meinten
sie, einer von ihnen könne uns um Mitternacht oder etwas später in das
Dickicht, das sich an der Grenze von Uhha und Uvinza befände, führen.
Hielten wir eine direct westliche Richtung durch diese Dschungels ein,
so könnten wir, wie sie sagten, durch Uhha ohne weitere Beschwerden
reisen. Wenn ich dem Führer 12 Doti bezahlen und meinen Leuten, wenn
sie durch das schlafende Dorf zögen, völliges Stillschweigen auferlegen
wolle, so sei der Führer überzeugt, ich könne Udschidschi erreichen,
ohne ein einziges Doti weiter zu bezahlen. Es ist überflüssig
hinzuzufügen, dass ich die dargebotene Hülfe zu diesem Preise freudig
annahm.

Doch gab es da noch viel zu thun. Wir mussten uns Vorräthe für den
Durchzug durch das Dickicht auf wenigstens vier Tage kaufen und ich
schickte sofort Leute aus, um Korn zu jedem Preise herbeizuschaffen.
Das Glück begünstigte uns, denn vor 8 Uhr abends hatten wir Vorräthe
für sechs Tage.

7. November. -- In der vorigen Nacht ging ich gar nicht zu Bett, denn
meine Leute stahlen sich bald nach Mitternacht, als der Mond sich zu
zeigen anfing, in Abtheilungen von vier Mann, aus dem Dorfe heraus und
um 3 Uhr morgens befand sich die ganze Expedition ausserhalb des Boma,
ohne dass der geringste Lärm gemacht worden wäre. Nachdem ich dem neuen
Führer zugepfiffen hatte, fing die Expedition an, in südlicher Richtung
dem rechten Ufer des Kanengi-Flusses entlang sich zu bewegen. Nach
einstündigem Marsch schlugen wir uns nach Westen über die Grasebene und
blieben auf derselben trotz der sich uns darbietenden für die nackten
Leute sehr schlimmen Hindernisse. Hell beleuchtete der Mond unsern
Pfad; doch warfen dunkle Wolken hier und da lange Schatten über die
verlassenen einsamen Flächen, sodass die Mondstrahlen fast verdunkelt
wurden. Zu solcher Zeit schien unsere Lage schlimm, bis sich der Mond
wieder zeigte und über das Dunkel sein silbernes Licht leuchten liess.

Tapfer mühten sich die Leute ab, ohne zu murren, obwol ihre Beine
von dem scharfen Grase bluteten. Endlich erschien der ambrosische
Morgen mit seinen schönen, lieblichen Zügen. Der Himmel wurde uns neu
geboren und brachte uns Trost und Hoffnung. Als der Tag angebrochen,
eilten die Leute mit rascheren Schritten vorwärts, obwol sie durch
die ungewohnte Reise angegriffen waren, bis wir um 8 Uhr morgens den
raschen Rusugi-Fluss erblickten, wo in einem nahe gelegenen Gehölz halt
gemacht wurde, um zu frühstücken und zu ruhen. Beide Ufer des Flusses
wimmelten von Büffeln, Elenn und Antilopen; obwol uns aber der Anblick
sehr lockte, wagten wir es doch nicht zu feuern, da ein Flintenschuss
das ganze Land alarmirt haben würde. Ich zog daher blosses Zusehen und
die Befriedigung, die ich über unser Glück empfand, vor.

Nachdem wir eine Stunde geruht, sahen wir einige Eingeborene, die Salz
vom Malagarazi brachten, das rechte Ufer des Flusses hinaufkommen.
Als sie sich unserm Versteck gegenüber befanden, entdeckten sie uns,
legten ihre Salzbeutel nieder und liefen sofort laut schreiend davon,
um einige ungefähr vier Meilen nördlich von uns belegene Dörfer zu
allarmiren. Sofort befahl ich meinen Leuten, ihre Lasten wieder
aufzunehmen und in wenigen Augenblicken waren wir über den Rusugi,
und eilten direct auf ein vor uns liegendes Bambusdickicht zu. Kaum
waren wir darin, als ein albernes Weib laut zu schreien anfing. Meine
Leute waren sehr erschreckt über diese lärmende Demonstration, welche
die Rache der Wahha auf unser Haupt herabziehen musste, da wir den
ihnen gebührenden Tribut umgingen. In einer halben Stunde dürften
uns Hunderte von heulenden Wilden in den Dschungels umringen und
eine allgemeine Metzelei entstehen. Das Weib schrie immer wieder von
neuem ohne Ursache furchtbar auf. Sofort legten einige meiner Leute
in dem Instinkt der Selbsterhaltung ihre Ballen und Lasten nieder und
verschwanden im Dickicht und der Führer kam mit der Bitte auf mich
zugestürzt, den Lärm zum Stillstand zu bringen. Der Mann dieser Frau
zog nun in äusserster Wuth und Furcht sein Schwert und bat mich, ihr
sofort den Kopf abzuschlagen. Hätte ich nur ein Zeichen gegeben, so
hätte das Weib ihr Leben für ihre Thorheit gelassen. Ich versuchte
es, ihr Geschrei dadurch zu ersticken, dass ich meine Hand ihr über
den Mund hielt, aber sie entzog sich ihr mit Gewalt und fuhr fort,
schlimmer als je zu schreien. Mir blieb nichts übrig, als die Macht
meiner Peitsche an ihren Schultern zu erproben. Nach dem ersten Schlage
bat ich sie aufzuhören. „Nein!“ Sie schrie immer lauter, wie eine
Unsinnige. Wiederum fiel meine Peitsche auf ihre Schultern herab.
„Nein, nein, nein!“ Noch ein Schlag. „Willst Du wol still sein?“ „Nein,
nein, nein!“ Lauter und immer lauter schrie sie, und rascher und immer
rascher fielen die Schläge, um diese Widerspenstige zu zähmen. Als sie
aber einsah, ich sei ebenso entschlossen zuzuschlagen, wie sie, zu
schreien, gab sie es vor dem zehnten Schlage auf und wurde ruhig. Ein
Tuch wurde ihr über den Mund und die Arme über den Rücken gebunden,
und nach einigen Augenblicken, nachdem die Deserteure zu ihrer Pflicht
zurückgekehrt, begab sich die Expedition mit verdoppelter Schnelligkeit
vorwärts. Bis 1 Uhr mittags schritten wir standhaft weiter, bis wir den
kleinen See Musunya erblickten; der neunstündige Marsch hatte uns sehr
ermüdet.

Der See Musunya ist eins der kleinen kreisförmigen Becken, die in
diesem Theil von Uhha vorkommen. Es gibt ihrer eine ganze Gruppe.
Eigentlich könnte man sie nur grosse Pfützen nennen. In der
Masikajahreszeit muss sich der See Musunya drei bis vier Meilen in die
Länge und zwei in die Breite ziehen. Zahlreiche Flusspferde hausen in
ihm und an seinen Ufern kommen viele Jagdthiere vor.

In unserm Bivouak verhielten wir uns, wie man sich denken kann, sehr
ruhig; wir richteten weder Zelt noch Hütte auf, noch zündeten wir
Feuer an, um im Fall einer Verfolgung ohne Aufenthalt weiter ziehen zu
können. Ich hatte die Kammer meines gezogenen Winchestergewehrs (des
in einer solchen Krisis ausserordentlich werthvollen Geschenks meines
Freundes Morris) voll gefüllt und 200 Patronen in einem über meinen
Schultern hängenden Beutel gesteckt. Auch waren die Flinten aller
Soldaten fertig geladen, und wir zogen uns zurück, um unsere Strapazen
im Gefühl vollkommener Sicherheit zu verschlafen.

8. November. Lange vor dem Morgengrauen waren wir auf dem Marsch und
als der Tag anbrach, kamen wir aus dem Bambusdickicht heraus -- an
mehreren grossen, am Wege gelegenen Pfützen vorbei -- auf die nackte
Fläche von Uhha, welche weite Aussichten auf welliges Land darbietet,
in dessen Eintönigkeit hier und da charakteristische Baumgruppen
Abwechslung bringen. Stundenlang mussten wir uns über das wellenförmige
Land hinschleppen, während die Sonne mit afrikanischer Glut brannte,
diesmal jedoch ein wenig durch angenehme Lüftchen gemässigt, welche uns
den Duft frischen Grases und fremdartiger bunter Blumen zuwehten, die
auf der weiten, im übrigen blassgrünen Fläche wuchsen.

Wir kamen an den Rugufu-Fluss, nicht an den Rugufu von Ukawendi,
sondern den nördlichen Strom dieses Namens, der ein Zufluss des
Malagarazi ist. Es ist ein breiter, seichter, träger Fluss, der sich
fast unmerklich nach Südwesten zieht. Während wir im tiefen Schatten,
den uns eine dichte Dschungelgruppe gewährte, in unmittelbarer Nähe
des rechten Ufers halt machten, um etwas zu ruhen, ehe wir die Reise
fortsetzten, hörte ich deutlich im Westen einen Lärm wie von fernem
Donner. Als ich fragte, ob dies Donner sei, erhielt ich zur Antwort, es
sei der Kabogo.

„Kabogo? Was ist das?“

„Das ist ein grosser Berg auf der andern Seite des Tanganika, der voll
tiefer Löcher ist, in welche das Wasser stürzt, und wenn es auf dem
Tanganika windig ist, so gibt es einen Schall, wie Mvuha (Donner). Da
dort viele Boote zu Grunde gegangen sind, so ist es Sitte bei Arabern
und Eingeborenen, Tuch, Merikani und Kaniki, sowie namentlich weisse
(Merikani-)Perlen hineinzuwerfen, um den Mulungu (Gott) des Sees zu
besänftigen. Wer Perlen hineinwirft, kommt gewöhnlich ohne Fährlichkeit
davon, aber wer das nicht thut, geht zu Grunde und ertrinkt im See. Es
ist ein schrecklicher Ort.“ Diese Geschichte erzählte mir der stets
lächelnde Führer Asmani und sie wurde von einigen meiner Begleiter, die
früher den See beschifft hatten, bestätigt.

Dieser Ort, wo wir an den Ufern des Rugufu-Flusses zu Mittag halt
machten, ist wenigstens 18½ Stunden oder 46 Meilen von Udschidschi
entfernt und da der Kabogo nahe bei Uguhha sein soll, so muss er mehr
als 60 Meilen von Udschidschi fern sein. Es wurde also der Lärm des
donnernden Wassers, das sich in die Höhlen von Kabogo stürzen soll, von
uns in einer Entfernung von mehr als hundert Meilen gehört.

Nach drei Stunden setzten wir unsere Reise durch dünne Wälder, über
ausgedehnte Strecken von Urfelsen und dicht mit grossem Geröll
bestreute Felder fort, an zahlreichen Büffel-, Giraffen- und
Zebraheerden vorbei, und kamen über einen schwankenden, einem Torfmoor
ähnlichen Morast an den kleinen Bach Sunuzzi und an einen Lagerplatz,
der nur eine Meile von einer grossen Colonie der Wahha entfernt ist.
Da wir aber in den Tiefen eines grossen Waldes begraben waren, in
dessen Nähe sich kein Weg befand, und da wir keinen Lärm machten oder
Feuer anzündeten, sondern tiefes Schweigen beobachteten, so konnten wir
ruhig sein und bestimmt darauf rechnen, nicht gestört zu werden. Am
Morgen -- das hatte uns der Kirangozi zugesichert -- sollten wir aus
Uhha heraus sein, und wenn wir dann am selben Tage nach Niamtaga, in
Ukaranga, reisten, so würden wir am nächsten in Udschidschi sein. Sei
geduldig, liebe Seele! Noch einige Stunden und du wirst das Ende aller
dieser Mühen kennen! Dann werde ich mich dem weissen Manne gegenüber
befinden, der weisse Haare auf dem Gesicht hat, wer es auch sein mag!

9. November. Zwei Stunden vor dem Morgengrauen verliessen wir
unser Lager am Sunuzzi-Fluss und schlugen uns durch den Wald in
nordwestlicher Richtung, nachdem wir vorher unsere Ziegen geknebelt
hatten, damit sie uns nicht durch ihr Meckern verriethen. Dies war ein
Irrthum, der ein tragisches Ende hätte nehmen können, denn gerade als
der östliche Himmel eine bleichgraue Färbung annahm, kamen wir aus dem
Dickicht auf die Heerstrasse. Der Führer glaubte nämlich, wir hätten
Uhha hinter uns und hob ein Freudengeschrei an, in das alle Mitglieder
der Karavane einstimmten und alles zog mit erhöhter Energie vorwärts,
als wir plötzlich auf die Ausläufer eines Dorfes kamen, dessen Bewohner
im Begriff waren aufzustehen. Sofort wurde Stille geboten und die
Expedition zum Halten gebracht. Ich trat vor, um mich mit dem Führer
zu besprechen; er wusste aber nicht, was geschehen solle. Da keine
Zeit zur Ueberlegung war, liess ich die Ziegen schlachten und auf dem
Wege liegen und den Führer kühn durch das Dorf ziehen. Auch die Hühner
wurden abgethan und darauf nahm die Expedition, unter Leitung des
Führers, ihren Marsch rasch und schweigend wieder auf, nachdem ich den
Befehl ertheilt, schleunigst in das südlich vom Wege belegene Dickicht
zu ziehen. Ich blieb, bis der letzte Mann verschwunden war, dann
bildete ich, nachdem ich mein Winchestergewehr in Bereitschaft gesetzt,
mit meinen Flintenträgern und ihrer Munition den Nachtrab. Als wir im
Begriff waren, an der letzten Hütte vorbeizuziehen, sprang ein Mann aus
derselben und stiess einen Allarmruf aus, auch hörten wir laute Stimmen
wie von Streitenden. In kurzer Zeit jedoch waren wir in den Tiefen der
Dschungels und eilten vom Wege in südlicher leicht nach Westen sich
ziehender Richtung. Einmal glaubte ich, dass wir verfolgt würden, und
hielt hinter einem Baume, um unsere Feinde, wenn sie auf der Verfolgung
beständen, daran zu hindern; nach wenigen Minuten aber stellte es sich
heraus, dass niemand hinter uns her sei. Nach einem Marsch von einer
halben Stunde wandten wir uns wieder nach Westen. Jetzt war es heller
Tag und unsere Augen erfreuten sich an den malerischen, engen, kleinen
Thälern, wo wilde Obstbäume wuchsen, seltene Blumen blühten und kleine
Bäche über glatte Kiesel dahinflossen, wo alles herrlich und schön
war, bis wir schliesslich durch einen hübschen kleinen Bach watend,
dessen sanftes Gemurmel wir als liebliches Willkommen deuteten, die
Grenzen des bösen Uhha überschritten und in Ukaranga eintraten, was mit
jauchzendem Freudengeschrei begrüsst wurde.

Sofort fanden wir den ebenen Weg und gingen munter mit elastischen
Schritten, in beschleunigtem Tempo weiter, da wir wussten, dass
der Marsch sich seinem Ende nähere. Was kümmerten uns jetzt die
Beschwerden, die wir überstanden, die unebenen, schwierigen Wälder, die
dornigen Dickichte und schneidenden Gräser und das Geschrei der Wilden,
das uns so beunruhigt hatte? Morgen! Ja, der grosse Tag nähert sich,
und wir können in dieser triumphirenden Stimmung wol lachen und singen.
Wir haben schwere Prüfungen erduldet; sind im Ungemach gegeneinander
böse geworden, doch ist alles das jetzt vergessen und jedes Gesicht
strahlt von der Glückseligkeit, die wir alle verdient haben.

Zu Mittag machten wir einen kurzen Halt, um uns auszuruhen und zu
erfrischen. Man zeigte mir die Berge, von denen der Tanganika zu sehen
sei, welche das Thal des Liutsché im Westen begrenzen. Bei ihrem
Anblick konnte ich mich nicht länger halten; selbst dieser kurze Halt
machte mich unruhig und unzufrieden. Wir nahmen den Marsch wieder auf;
ich spornte meine Leute mit dem Versprechen an, dass sie morgen ihren
Lohn empfangen und so viel Fisch und Bier bekommen sollten, als sie
verzehren könnten.

Wir befanden uns in Sicht der Wakaranga-Dörfer. Als die Bewohner uns
erblickten, zeigten sie bedeutende Erregung. Ich schickte Leute voran,
um sie zu beruhigen, und sie kamen auch heraus, um uns zu begrüssen.
Dies war uns so neu und willkommen, so anders als das Verfahren der
unruhigen Wavinza und der Räuber von Uhha, dass wir gerührt waren. Doch
hatten wir keine Zeit, uns auf dem Wege aufzuhalten und uns der Freude
hinzugeben, denn ich wurde durch fast unbezwingliche Empfindungen
vorwärts getrieben und wünschte meinen Zweifeln und Befürchtungen ein
Ende zu machen. War Er noch da? Hatte Er von meiner Annäherung gehört?
Würde Er die Flucht ergreifen?

Wie schön sieht Ukaranga aus! Die grünen Hügel sind von Gruppen
strohgedeckter Kegel gekrönt; die Berge erheben und senken sich,
theils nackt, theils bebaut, hier als Weideland, dort als Holzschläge,
dort wiederum von Hütten belebt. Das Land hat etwas Aehnlichkeit mit
Maryland.

Wir überschreiten den Mkuti, einen herrlichen kleinen Fluss, besteigen
das andere Ufer und schreiten durch den Wald, wie Leute, die eine That
vollbracht haben, auf die sie stolz sein können. Schon sind wir neun
Stunden gereist und die Sonne sinkt rasch gen Westen; trotzdem scheinen
wir nicht ermüdet zu sein.

Wir erreichen die Ausläufer von Niamtaga und hören Trommeln schlagen.
Die Leute fliehen in die Wälder und verlassen ihre Dörfer, denn sie
halten uns für Ruga-Ruga, die Waldräuber Mirambo’s, die, nachdem sie
die Araber von Unyanyembé besiegt, die von Udschidschi bekämpfen
wollen. Selbst der König flieht aus seinem Dorf und jedermann folgt ihm
angsterfüllt. Wir ziehen in das Dorf, ergreifen ruhig Besitz davon, und
mein Zelt wird daselbst aufgeschlagen. Schliesslich verbreitet sich das
Gerücht, dass wir Wangwana aus Unyanyembé seien.

„Nun, ist Mirambo denn todt?“ fragen sie.

„Nein,“ erwidern wir.

„Wie seid Ihr denn durch Ukaranga gekommen?“

„Ueber Ukonongo, Ukawendi und Uhha.“

„Oh -- hi-le!“ Darauf lachen sie herzlich über ihre Angst und fangen
an, sich zu entschuldigen. Der König wird mir vorgestellt und sagt,
er sei nur in die Wälder gegangen, um uns anzugreifen, das heisst, er
habe die Absicht gehabt, uns alle todtzuschlagen, wenn wir Ruga-Ruga
gewesen. Wir wissen ja aber, wie sehr der arme König erschrocken
war und dass er bestimmt nie gewagt hätte zurückzukehren, wären wir
Ruga-Ruga gewesen. Doch wir sind nicht in der Stimmung, uns mit ihm
über seine eigenthümliche Ausdrucksweise zu streiten, sondern schütteln
ihm lieber die Hand und sagen ihm, wie wir uns freuen, ihn zu sehen.
Er nimmt auch an unserer Freude theil und lässt uns sofort drei der
fettesten Schafe, Töpfe mit Bier, Mehl und Honig zum Geschenk bringen
und ich beglücke ihn noch mehr mit zwei der schönsten Tücher, die ich
in meinen Ballen habe. Auf diese Weise kommt ein freundschaftlicher
Vertrag zwischen uns zu Stande.

Während ich mein Tagebuch über die Erlebnisse dieses Tages führe, lasse
ich Selim meinen neuen Flanellanzug auspacken, meine Stiefeln mit Oel
schmieren, meine Kopfbedeckung mit Kreide reinigen und mit einem neuen
Puggaree versehen, damit ich so anständig wie möglich vor dem weissen
Mann mit dem grauen Bart und den Arabern von Udschidschi erscheinen
könne, denn die Kleider, die ich im Dickicht und Walde getragen, sind
in Fetzen. Gute Nacht! Nur noch einen Tag und wir werden sehen, was die
Zukunft bringt.

Freitag, 10. November. Der 236. Tag seit Bagamoyo und der 51. seit
Unyanyembé. Allgemeine Richtung nach Udschidschi, West zu Süd.
Marschzeit sechs Stunden.

Es ist ein herrlicher, beseligender Morgen. Die Luft ist frisch und
kühl. Der Himmel lächelt liebevoll auf die Erde und ihre Kinder. Die
dichten Wälder sind von herrlichem, grünem Laub gekrönt; das Wasser des
Mkuti rauscht unter dem Smaragdschatten, den seine bewachsenen Ufer
darbieten, und scheint uns durch sein beständiges Rauschen zum Wettlauf
nach Udschidschi aufzufordern.

Wir befinden uns alle ausserhalb des Rohrzaunes des Dorfes; ein jeder
von uns sieht so nett und sauber und glücklich aus, wie damals, wo wir
uns in den Dhows in Zanzibar einschifften, was Ewigkeiten her zu sein
scheint; so viel haben wir gesehen und erfahren.

„Vorwärts!“

„Ay Wallah, ay Wallah, Bana yango!“ und die Braven schreiten leichten
Herzens davon in einem Tempo, das uns bald in Sicht von Udschidschi
bringen muss. Wir steigen einen mit Bambus bewachsenen Berg hinan,
in eine Schlucht hinab, durch welche ein wüthender kleiner Giessbach
stürzt, besteigen noch einen niedrigen Hügel, gehen dann einen ebenen
Fusspfad entlang, welcher in dem Abhang einer langen Bergkette
verläuft, und ziehen so eifrig weiter, wie es nur Leute mit leichtem
Herzen thun können.

Man hat mich darauf vorbereitet, dass ich in zwei Stunden den Tanganika
erblicken soll, denn der Kirangozi sagt, man sehe ihn von der Spitze
eines steilen Berges. Ich fange vor Erregung fast an zu weinen; doch
Geduld, wir müssen ihn doch erst sehen. Wir stürzen vorwärts, den Berg
athemlos hinauf, damit die grosse Scene nicht etwa davoneile. Endlich
sind wir auf dem Gipfel; aber ach, noch ist er nicht zu sehen. Noch
ein Endchen weiter, gerade dort; ja, dort ist er, ein Silberstreifen.
Ich erblicke ihn kaum zwischen den Bäumen, -- hier aber ist er endlich
wirklich, der Tanganika, und das sind die blauschwarzen Berge von Ugoma
und Ukaramba. Eine ungeheure, weite Fläche, ein glänzendes Silberbett
-- darüber ein leuchtender, blauer Baldachin -- hohe Berge als
Faltensaum, Palmenwälder seine Fransen! Der Tanganika! Hurrah! und die
Leute erwidern das Jubelgeschrei des Angelsachsen mit Stentorstimmen,
die grossen Wälder und Berge scheinen sich an unserm Triumph zu
betheiligen. „War dies der Ort, Bombay, wo Burton und Speke standen,
als sie zuerst den See erblickten?“

„Ich weiss das nicht mehr genau, Herr, glaube aber, es war irgendwo
hier in dieser Gegend.“

„Die armen Kerle! Der eine halb gelähmt, der andere halb blind,“ sagte
Sir Roderick Murchison, als er Burton und Speke’s Ankunft am Tanganika
beschrieb.

Und ich? Nun, ich bin so glücklich, dass ich, wenn ich ganz gelähmt und
blind wäre, doch glaube, ich könnte in diesem herrlichen Augenblick
mein Bett auf mich nehmen und wandeln und alle Blindheit hätte sofort
aufgehört. Zum Glück bin ich jedoch ganz wohl und keinen Tag krank
gewesen, seitdem ich Unyanyembé verlassen. Wie viel würde Shaw darum
geben, um jetzt an meiner Stelle zu sein? Wer ist glücklicher, er, der
in den Freuden Unyanyembés schwelgt, oder ich, der ich auf dem Gipfel
dieses Berges mit frohen Augen und stolzem Herzen auf den Tanganika
hinabblicke?

Wir steigen den westlichen Abhang des Berges hinab, das Thal des
Liutsché vor uns. Ungefähr eine Stunde vor Mittag haben wir das dichte
Matetegestrüpp erreicht, welches an beiden Ufern des Flusses wächst,
waten durch den klaren Strom, kommen auf der andern Seite an, treten
aus dem Dickicht hervor und die Gärten der Wadschidschi liegen vor
uns, ein Wunder von Pflanzenreichthum. Einzelheiten entziehen sich
meiner raschen, oberflächlichen Beobachtung. Ich bin von meinen eigenen
Gemüthsbewegungen fast überwältigt, wie ich die anmuthigen Palmen, die
netten grünen Gemüseplätze und kleinen, von schwarzen Mateterohr-Zäunen
umgebenen Dörfer erblickte.

Rasch eilen wir weiter, damit nicht die Nachricht unserer Annäherung
die Leute von Bunder-Udschidschi erreiche, ehe wir in Sicht und für
sie bereit sind. Wir halten an einem kleinen Bach, dann steigen wir
den langen Abhang einer nackten Hügelkette hinauf, die allerletzte
der unzähligen, die wir überschritten haben. Diese allein hindert uns
daran, den See in seiner ganzen gewaltigen Ausdehnung zu überblicken.
Wir kommen auf dem Gipfel an, überschreiten denselben bis an seinen
westlichen Rand und -- halt ein, Leser! -- der Hafen von Udschidschi
liegt in Palmen gehüllt nur 500 Schritt von uns entfernt. In diesem
grossen Augenblicke denken wir nicht mehr an die unzähligen Meilen,
die wir marschirt, die zahllosen Berge, die wir erklettert, die
vielen Wälder, die wir durchwandert haben; die Erinnerung an die
Dickichte und Dschungels, die uns belästigt, die heissen Salzebenen,
die uns die Füsse verbrannt, die glühende Sonne, die uns versengt
hat, an alle Gefahren und Beschwerden, die jetzt glücklich hinter uns
liegen, ist verschwunden! Endlich ist die grosse Stunde da! Unsere
Träume, Hoffnungen und Ahnungen sind jetzt erfüllt! Unsere Herzen und
Empfindungen liegen in den Augen, wie wir in die Palmen spähen und es
versuchen zu errathen, in welcher Hütte, in welchem Hause der weisse
Mann mit dem grauen Bart, von dem man uns am Malagarazi berichtet, wol
wohnen mag.

„Entfaltet die Fahne und ladet die Gewehre!“

„Ay Wallah, ay Wallah, Bana!“ erwidern die Leute eifrig.

„Eins, zwei, drei, feuert!“

Ein Kleingewehrfeuer von fast funfzig Flinten brüllt wie ein
Salutschuss von einer Artilleriebatterie. Wir werden die Wirkung
desselben auf das friedlich aussehende Dorf da unten sofort sehen.

„Jetzt, Kirangozi, halte die Fahne des Weissen hoch und lass die
Zanzibarer Flagge vor dem Nachtrab hergehen. Und Ihr, Leute, haltet
Euch dicht aneinander und feuert weiter, bis wir auf dem Marktplatz
oder vor dem Hause des Weissen stehen. Ihr habt mir oft gesagt, dass
Ihr die Fische des Tanganika riechen könnt; ich kann es jetzt auch.
Hier gibt es Fische und Bier und eine lange Rast für Euch. Marsch.“

Ehe wir 100 Schritt weiter gegangen waren, hatten unsere wiederholten
Schüsse den gewünschten Erfolg. Wir hatten Udschidschi benachrichtigt,
dass eine Karavane im Anzug sei, und man sah die Leute zu Hunderten
uns entgegenströmen. Der blosse Anblick der Fahnen liess jedermann
wissen, dass wir eine Karavane seien, doch erregte die von dem riesigen
Asmani, der das Gesicht heute zu einem beständigen Lächeln verzog,
hochgetragene amerikanische Flagge zuerst allgemeines Erstaunen.
Viele der Leute aber, die sich jetzt uns näherten, erinnerten sich
der Flagge, denn sie hatten sie über dem amerikanischen Consulat und
vom Mast so manchen Schiffes im Hafen von Zanzibar wehen sehen und
begrüssten sie alsbald mit den Rufen: „Bindera Kisungu!“ Die Flagge
eines Weissen! „Bindera Merikani!“ Die amerikanische Flagge!

Dann umgaben sie uns, die Wadschidschi, Wanyamwezi, Wangwana, Warundi,
Waguhha, Wamanyuema und Araber und machten uns fast taub mit ihrem
Geschrei „Yambo, yambo, bana! yambo, bana! yambo, bana!“ da jeder
einzelne meiner Leute in dieser Weise begrüsst wurde.

Noch befinden wir uns etwa 300 Schritt vom Dorfe Udschidschi und mich
umgibt eine dichte Menge. Plötzlich höre ich eine Stimme zu meiner
Rechten in englischer Sprache mir zurufen:

„Guten Morgen, mein Herr.“

Erstaunt darüber, diese Begrüssung inmitten einer solchen Menge
Schwarzer zu hören, kehre ich mich rasch um, um den Mann zu betrachten
und erblicke ihn an meiner Seite mit ganz schwarzem, aber belebtem,
frohem Gesichte, in einem langen, weissen Hemd, einen Turban von
amerikanischer Leinwand um das wollige Haupt gewunden, und frage ihn:
„Ach wer sind Sie denn?“

„Ich bin Susi, der Diener von Dr. Livingstone,“ sagte er lachend und
eine glänzende Reihe Zähne zeigend.

„Was? Ist Dr. Livingstone hier?“

„Ja wohl!“

„In diesem Dorfe?“

„Ja wohl!“

„Ganz bestimmt?“

„Ganz bestimmt. Ich habe ihn ja eben verlassen.“

„Guten Morgen, mein Herr!“ liess sich eine andere Stimme vernehmen.

„Halloh,“ sagte ich, „ist das noch einer?“

„Ja, mein Herr.“

„Wie heissen Sie denn?“

„Mein Name ist Dschumah.“

„Wie, sind Sie Dschumah, der Freund von Wekotani?“

„Ja wohl.“

„Und ist der Doctor gesund?“

„Nein. Er ist nicht sehr wohl.“

„Wo ist er so lange gewesen?“

„In Manyuema.“

„Nun, Susi, laufen Sie, um es dem Doctor mitzutheilen, dass ich komme.“

„Ja wohl, Herr!“ und wie ein Toller schnellte er davon.

Jetzt waren wir 200 Schritt von dem Dorfe entfernt. Die Menge wurde
dichter und versperrte uns fast den Weg. Fahnen und Flaggen waren
aufgehisst, Araber und Wangwana drängten sich durch die Eingeborenen,
um uns zu begrüssen, denn nach ihrer Ansicht gehörten wir zu ihnen.
Alle waren in höchstem Grade erstaunt und fragten: „Wie kommt Ihr von
Unyanyembé?“

Bald kam Susi zurückgelaufen und fragte mich nach meinem Namen. Er
hatte dem Doctor gesagt, dass ich im Anzuge sei, dieser aber war zu
sehr erstaunt, um es zu glauben, und als er ihn um meinen Namen fragte,
war Susi in Verlegenheit gerathen.

Während Susi’s Abwesenheit war dem Doctor jedoch die Nachricht
zugekommen, dass es wirklich ein Weisser sei, dessen Flinten abgefeuert
und dessen Fahnen zu sehen waren, und die grossen arabischen Magnaten
von Udschidschi, Mohammed bin Sali, Sayd bin Madschid, Abid bin
Suliman, Mohammed bin Gharib und andere hatten sich vor des Doctors
Haus versammelt und dieser war aus seiner Veranda getreten, um die
Sache zu besprechen und meine Ankunft zu erwarten.

Mittlerweile hatte die Spitze der Expedition halt gemacht; der
Kirangozi war aus den Reihen ausgetreten, hielt seine Flagge hoch und
Selim sagte mir: „Ich sehe den Doctor. Ach, was für ein alter Mann
ist es! Er hat einen ganz weissen Bart.“ Und ich -- was hätte ich
nicht darum gegeben, einen Augenblick allein in der Wildniss sein zu
können, um meiner Freude ungesehen in irgendeinem tollen Streiche
Luft zu machen, um nur die Erregung, deren ich kaum Herr werden
konnte, zu beschwichtigen. Rasch klopft mir das Herz; doch darf ich
meine Empfindungen nicht durch einen Gesichtsausdruck verrathen,
welcher der Würde Abbruch thun könnte, die ein Weisser unter solchen
aussergewöhnlichen Umständen an den Tag legen muss.

Ich that also, was ich für das Würdigste hielt; stiess die Menge zurück
und schritt, von hinten hervorkommend, durch eine lebendige Allee von
Menschen, bis ich an den von Arabern gebildeten Halbkreis gelangte, an
dem vorn der Weisse mit dem grauen Bart stand. Als ich langsam auf ihn
zutrat, bemerkte ich, dass er blass und ermüdet aussah und einen grauen
Bart hatte, eine bläuliche Mütze mit verschossenem goldenem Bande, eine
Weste mit rothen Aermeln und ein paar graue Hosen trug. Ich wäre gern
auf ihn zugelaufen; nur war ich in Gegenwart eines solchen Pöbelhaufens
zu feig dazu. Ich wäre ihm gern um den Hals gefallen; nur wusste ich
nicht, wie er, als Engländer, mich aufnehmen würde[3]. Ich that also,
was Feigheit und falscher Stolz mir als das Beste anriethen, schritt
bedächtig auf ihn zu, nahm meinen Hut ab und sagte:

„Dr. Livingstone, wie ich vermuthe.“

„Ja,“ sagte er mit freundlichem Lächeln, die Mütze leicht lüftend.

Ich setze meinen Hut wieder auf den Kopf, er seine Mütze, wir reichen
uns herzlich die Hand und ich sage laut:

„Ich danke Gott, Doctor, dass es mir gestattet ist, Sie zu sehen.“

Er erwiderte: „Und ich bin dankbar, dass ich Sie hier begrüssen kann.“

Hierauf wende ich mich zu den Arabern, nehme als Antwort auf ihren
Begrüssungs-Chorus von Yambos meine Kopfbedeckung ab und der Doctor
stellt sie mir mit Namen vor. Dann kehren Livingstone und ich, die
Menge und die Männer, die meine Gefahren mit mir getheilt haben, völlig
vergessend zu seinem Tembé. Er weist auf die Veranda oder vielmehr
den Lehm-Altan unter dem breiten überhängenden Dach hin und zeigt
auf seinen eigenen Sitzplatz, dessen Construction ihm, wie ich sehe,
sein Alter und die Kenntniss des Lebens in Afrika eingegeben hat,
und der aus einer Strohmatte mit einem darüber gelegten Ziegenfell
und noch einem andern Fell besteht, das an die Mauer genagelt ist,
um seinen Rücken vor der Berührung mit dem kalten Lehm zu bewahren.
Ich protestire dagegen, seinen Sitz einzunehmen, der ihm so sehr viel
mehr ziemt als mir, der Doctor aber gibt nicht nach und ich muss ihn
einnehmen.

Wir, der Doctor und ich, sitzen mit dem Rücken gegen die Wand. Die
Araber setzen sich zur Linken. Mehr als tausend Eingeborene befinden
sich vor uns und erfüllen dicht den ganzen Platz. Sie befriedigen ihre
Neugierde und unterhalten sich über die Thatsache, dass zwei Weisse in
Udschidschi zusammentreffen, der eine eben von Manyuema im Westen, der
andere von Unyanyembé im Osten kommend.

Die Unterhaltung beginnt. Um was sie sich dreht, habe ich, offen
gestanden, vergessen. Ach, wir richteten Fragen aneinander, wie
folgende:

„Wie sind Sie hierhergekommen?“ und „Wo sind Sie die ganze lange
Zeit über gewesen? Die Welt hat Sie für todt gehalten.“ Ja, so fing
die Unterhaltung an; was der Doctor mir aber erzählt und was ich
ihm gesagt, kann ich nicht genau wiedergeben, denn ich war damit
beschäftigt, ihn anzublicken und den wunderbaren Mann, an dessen Seite
ich jetzt in Central-Afrika sass, zu studiren. Jedes Haar seines
Hauptes und Bartes, jede Runzel seines Gesichts, seine hagern Züge und
etwas abgespanntes Aussehen brachte mir die Kunde, nach der ich mich
immerwährend gesehnt, seitdem ich die Worte gehört: „Nehmen Sie, was
Sie brauchen, aber -- finden Sie Livingstone.“ Was ich da sah, war für
mich eine Kunde von höchstem Interesse und ungeschminkte Wahrheit. Ich
hörte und las zu gleicher Zeit. Was erzählten mir diese stummen Zeugen?

O Leser, wärest Du an dem Tage in Udschidschi an meiner Seite gewesen!
Wie beredt hätte sich Dir das eigentliche Wesen der Mühen dieses Mannes
offenbart! Wärest Du nur da gewesen, um ihn zu sehen und zu hören! Von
seinen Lippen, die nie lügen, erfuhr ich die Einzelheiten derselben.
Ich kann es nicht wiederholen, was er sagte, denn ich war zu sehr
eingenommen, als dass ich mein Notizbuch hätte herausziehen und seine
Erzählungen stenographiren können. Er hatte so viel zu erzählen, dass
er mit dem Ende anfing und scheinbar die Thatsachen vergass, dass er
über fünf bis sechs Jahre Rechenschaft abzulegen habe. Allmählich aber
kam sein Bericht hervor, rasch nahm er grosse Verhältnisse an und wurde
zu einer wunderbaren Geschichte von Thaten.

Die Araber erhoben sich mit einem Zartgefühl, das ich billigte,
als ob sie instinctmässig wussten, dass wir uns selbst überlassen
bleiben müssten. Ich schickte Bombay mit ihnen fort, damit er ihnen
Nachrichten über den Stand der Angelegenheiten in Unyanyembé gebe,
nach denen sie sich so sehr sehnten. Sayd bin Madschid war der Vater
des tapfern jungen Mannes, den ich in Masange gesehen, der mit mir in
Zimbizo gekämpft und von Mirambo’s Ruga-Ruga im Walde von Wilyankuru
getödtet worden war; und da er wusste, dass ich dabei gewesen, wünschte
er dringend die Geschichte des Kampfes zu hören; auch alle übrigen
hatten Freunde in Unyanyembé, und natürlich erwarten sie sehnsüchtig
Nachrichten über dieselben.

Nachdem ich Bombay und Asmani Befehl gegeben hatte, die Leute der
Expedition mit Essen zu versehen, rief ich „Kaif-Halek“ oder „Wie geht
es Ihnen?“ und stellte ihn Dr. Livingstone als einen der Soldaten
vor, der die in Unyanyembé liegenden Güter zu hüten gehabt und den
ich gezwungen hatte, mich nach Udschidschi zu begleiten, damit er
persönlich seinem Herrn den Briefbeutel, den ihm Dr. Kirk anvertraut,
übergeben könne. Dies war der berühmte mit dem Datum vom 1. November
1870 bezeichnete Beutel, der dem Doctor jetzt, 305 Tage, nachdem
er Zanzibar verlassen, übergeben wurde. Wie lange wäre er wol noch
in Unyanyembé geblieben, wenn ich nicht den grossen Reisenden in
Central-Afrika aufgesucht hätte?

Der Doctor behielt seinen Briefbeutel auf den Knien, dann öffnete er
ihn sofort, sah sich die Briefe, die in demselben enthalten waren, an
und las ein paar von seinen Kindern, wobei sich sein Gesicht aufhellte.

Darauf bat er mich, ihm Nachrichten zu geben.

„Nein, Doctor,“ sagte ich, „lesen Sie erst Ihre Briefe, auf die Sie
gewiss ungeduldig sind.“

„Ach,“ sagte er, „ich habe Jahre lang auf Briefe gewartet und habe
Geduld gelernt. Da kann ich wirklich noch ein paar Stunden warten.
Nein, erzählen Sie mir erst die allgemein interessanten Neuigkeiten.
Was passirt in der Welt?“

„Vermuthlich wissen Sie schon, dass der Suezkanal zur Thatsache
geworden, dass er eröffnet ist und jetzt ein regelmässiger Handel
zwischen Europa und Indien durch denselben getrieben wird?“

„Ich habe von seiner Eröffnung nichts gehört. Das ist etwas
Grossartiges. Nun, was noch?“

Bald darauf befand ich mich in der Rolle einer Jahreschronik
ihm gegenüber. Ich brauchte nichts zu übertreiben oder ihm
Sensationsnachrichten zu geben. Die Welt hatte in den letzten Jahren
viel gesehen und erfahren. Die Pacific-Eisenbahn war vollendet worden;
Grant war Präsident der Vereinigten Staaten geworden; Aegypten war von
Gelehrten überflutet worden; die Revolution von Kreta war beendet;
eine Revolution hatte Isabella vom spanischen Throne getrieben und
einen Regenten an ihre Stelle gesetzt. General Prim war ermordet;
Castelar hatte Europa mit seinen Fortschrittsideen über die Freiheit
des Cultus electrisirt; Preussen hatte Dänemark gedemüthigt und
Schleswig-Holstein annectirt und seine Armeen befanden sich jetzt um
Paris. Der „Schicksalsmann“ war ein Gefangener in Wilhelmshöhe, die
Königin der Mode und Kaiserin der Franzosen befand sich auf der Flucht
und das im Purpur geborene Kind hatte auf immer die für sein Haupt
bestimmte Kaiserkrone verloren. Die Napoleonische Dynastie war durch
die Preussen, Bismarck und Moltke, vernichtet und das stolze Kaiserthum
Frankreich in den Staub getreten.

Wozu hätte man diese Thatsachen noch zu übertreiben brauchen? Welch
grosse Menge Nachrichten war das für jemand, der aus den Tiefen der
Urwälder von Manyuema herauskam! Der Widerschein des glänzenden Lichtes
der Civilisation strahlte auf Livingstone, als er sich verwundert
eines der alleraufregendsten Blätter der Geschichte erzählen liess.
Wie schwanden die kleinen Thaten der Barbaren vor diesen dahin. Wer
konnte wissen, von welch neuen Sorgen und Unruhen Europa eben jetzt
heimgesucht werde, wo wir, seine beiden vereinsamten Kinder, die
Geschichte der letzten Ruhmesthaten und Leiden desselben besprachen.
Würdiger hätte sie wol ein lyrischer Demodocus erzählt, doch spielte in
Ermangelung des Dichters der Zeitungscorrespondent seine Rolle so gut
und wahr als möglich.

Kurz nachdem die Araber fort waren, wurde uns von Sayd bin Madschid
eine Schüssel heisser Fleischpasteten, von Mohammed bin Sali ein
gewürztes Huhn, sowie von Muini Kheri eine Schüssel gekochtes
Ziegenfleisch mit Reis zugeschickt. So kamen Geschenke von
Nahrungsmitteln der Reihe nach an und wir machten uns ebenso rasch, wie
sie gebracht wurden, an dieselben. Ich hatte eine gesunde, kräftige
Verdauung und die Bewegung, die ich mir gemacht, hatte sie in guten
Stand gesetzt; doch auch Livingstone, der sich darüber beklagt hatte,
er habe keinen Appetit, sein Magen weise alles ausser einer Tasse Thee
ab, ass wie ein kräftiger, hungriger Mann, und als er die Pfannkuchen
mit mir um die Wette verzehrte, wiederholte er immer: „Sie haben mir
neues Leben gebracht!“

„Wahrhaftig!“ sagte ich, „ich habe etwas vergessen. Rasch, Selim,
bring uns die Flasche, Du weisst welche, und die silbernen Becher.
Diese Flasche habe ich blos für diesen Fall mitgebracht, von dem ich
hoffte, dass er eintreten werde, obgleich mir meine Hoffnung oft eitel
erschienen ist.“

Selim wusste die Flasche Sillery-Champagner zu finden und kehrte bald
damit zurück. Ich gab dem Doctor einen silbernen Becher, gefüllt mit
dem erheiternden Weine und sagte, indem ich etwas davon in meinen
Becher goss: „Dr. Livingstone, auf Ihr Wohl!“

„Auf das Ihrige!“ antwortete er, und der Champagner, den ich für
dieses glückliche Zusammentreffen aufbewahrt, wurde mit herzlichsten
gegenseitigen Segenswünschen getrunken.

Wir plauderten und plauderten weiter; den ganzen Nachmittag wurden
uns allerlei Speisen zugetragen. Jedesmal, wenn neue kamen, assen wir
weiter, bis ich vollständig gesättigt und auch Livingstone genöthigt
war einzugestehen, dass er ebenfalls genügend habe. Dabei befand sich
Halimah, Livingstone’s Köchin, in einem Zustande grosser Aufregung.
Sie hatte nämlich den Kopf wiederholt zur Küche herausgesteckt, um
sich zu überzeugen, dass wirklich zwei Weisse dort auf der Veranda
sässen, wo sonst gewöhnlich nur einer sich befand, der nichts essen
wollte oder konnte. Sie hatte gefürchtet, ihr Herr wisse ihre Kochkunst
nicht genügend zu schätzen, war aber jetzt über die ungeheure Menge
verzehrter Speisen sehr verwundert und zugleich entzückt. Wir hörten,
wie sie mit grosser Zungenfertigkeit die erstaunte Menge, die vor der
Küche hielt, mit ihren Neuigkeiten erbaute. Die gute, treue Seele!
Während wir ihr lautes Geschwätz mit anhörten, berichtete der Doctor
über ihre treuen Dienste und die furchtbare Angst, die sie an den Tag
gelegt, als unsere Flinten zuerst die Ankunft eines zweiten Weissen in
Udschidschi ankündigten. Er erzählte mir, wie sie im Zustande höchster
Aufregung aus der Küche zu ihm und dann wieder auf den freien Platz
gelaufen sei, die verschiedensten Fragen aufwerfend; wie sie über die
spärliche Einrichtung ihrer Speisekammer, ihre dürftigen Vorräthe
in Verzweiflung gerathen und besorgt gewesen sei, ihre Armuth durch
glänzendes Auftreten zu verdecken und den Weissen durch eine Art
Barmekidenfest zu begrüssen. „Ist er denn nicht einer der unsern?“
sagte sie. „Bringt er uns nicht viel Tuch und Perlen? Sprecht mir nur
nicht von den Arabern! Wie kann man Araber mit Weissen vergleichen?“

Wir, Livingstone und ich, unterhielten uns über gar vieles, namentlich
über seine unmittelbaren Sorgen und die Enttäuschung, die er bei seiner
Ankunft in Udschidschi erlebt, als man ihm mittheilte, dass alle seine
Waaren verkauft und er dadurch zum armen Mann geworden sei. Es waren
nur noch etwa zwanzig Tücher von dem ganzen Vorrath übrig, den er dem
Trunkenbold Scherif, dem Halbblutschneider, welchem der britische
Consul die Güter anvertraut, in Verwahrung gegeben hatte. Ausserdem war
er von einem Ruhranfall heimgesucht worden und befand sich in einem
sehr beklagenswerthen Zustande. Er war noch keineswegs hergestellt,
obgleich er heute gut gegessen hatte und sich schon kräftiger und
besser zu fühlen begann.

Auch dieser für mich so glückliche Tag neigte sich schliesslich, wie
alle andern, seinem Ende zu. Wir sassen mit unsern Gesichtern gen Osten
gewandt, wie Livingstone es Tage lang vor meiner Ankunft gethan, und
beobachteten die dunkeln Schatten, welche über dem Palmenhain jenseits
des Dorfes und dem Wall von Bergen, den wir an jenem Tage überstiegen,
daherzogen und diese jetzt rasch in der Dunkelheit verschwinden
liessen. Wir lauschten mit dankbarem Herzen gegen den grossen Geber
alles Glücks und Segens, dem lauten Donner der Wasser des Tanganika und
dem Chor der Nachtinsekten. So vergingen die Stunden und wir sassen
noch immer mit den merkwürdigen Ereignissen des Tages beschäftigt, als
es mir einfiel, dass der Reisende seine Briefe noch nicht gelesen habe.

„Doctor,“ sagte ich, „Sie würden wol besser daran thun, Ihre Briefe zu
lesen. Ich will Sie nicht länger aufhalten.“

„Ja,“ erwiderte er, „es wird spät und ich will meine Briefe lesen. Gute
Nacht! Gott segne Sie!“

„Gute Nacht, mein theurer Doctor, und lassen Sie mich hoffen, dass die
Nachrichten, welche Sie bekommen, Ihnen recht erwünscht sein mögen.“

Und jetzt, theurer Leser, nachdem ich Dir in kurzem berichtet, „wie ich
Livingstone fand“, sage ich auch Dir „Gute Nacht.“


  [1] 4 Fundo = 40 Halsbänder, 1 Fundo = 10 Halsbänder.

  [2] Halsbänder.

  [3] „Dieser Engländer war, wie ich später fand, ein Militär, welcher
      aus Indien in seine Heimat zurückkehrte und die Wüste hier
      durchzog, um nach Palästina zu kommen. Ich meinerseits war
      ziemlich direct aus England gekommen und wir sahen uns
      hier in der Wüste ungefähr auf dem halben Wege von unsern
      Ausgangspunkten. Als wir uns einander näherten, entstand
      die Frage, ob wir uns anreden sollten. Ich hielt es für
      wahrscheinlich, dass der Fremde mich anreden könne und wenn er
      das thäte, war ich ganz bereit, so gemüthlich und gesprächig
      zu sein, als es meine Natur erlaubte. Trotzdem fiel mir
      nichts besonderes ein, was ich ihm zu sagen hätte. Natürlich
      entschuldigt unter civilisirten Leuten dieser Umstand das
      Schweigen nicht; ich war aber scheu und träge und hatte keine
      grosse Lust, anzuhalten und mitten in diesen weiten Einöden wie
      bei einer Visite Conversation zu machen. Der Reisende mochte
      wol ähnliche Empfindungen durchmachen, denn mit Ausnahme einer
      stummen Begrüssung, die im Heben der Hand an die Mütze und
      höflichem Armschwenken bestand, gingen wir aneinander vorbei, als
      ob wir uns mitten in London befänden.“

        ~Kinglake’s~ _Eothen_.




[Illustration: UNSER HAUS IN UDSCHIDSCHI.]




ZWÖLFTES KAPITEL.

UMGANG MIT LIVINGSTONE IN UDSCHIDSCHI.

Auszug aus meinen Notizen über Livingstone’s Reisen.

  „Wenn uns Liebe eint, so wird unser Verkehr unbeschreiblich schön
  und nutzbringend sein; wenn nicht, so ist die Zeit verloren und Ihr
  werdet mich nur peinigen. Ich werde Euch albern erscheinen und der
  Ruf, den ich habe, falsch. Alles Gute in mir ist magnetischer Natur
  und ich erziehe nicht durch Unterricht, sondern dadurch, dass ich
  meinem eigenen Berufe nachgehe.“

  ~Emerson’s~ _Representative Men_.


Früh am nächsten Morgen fuhr ich plötzlich aus dem Schlaf empor. Das
Zimmer kam mir fremd vor. Es war ein Haus und nicht mein Zelt. Ach ja!
Jetzt erinnerte ich mich, dass ich Livingstone aufgefunden und mich
in seinem Hause befände. Ich horchte, damit das in mir erwachende
Bewusstsein durch den Ton seiner Stimme bestätigt werde, hörte aber
nichts als das dumpfe Tosen der Wasser.

Ruhig lag ich im Bett; ja, in einem wirklichen Bett; wenn es auch nur
ein sehr einfaches vierbeiniges Gestell war, worauf Palmblätter anstatt
Daunen ausgebreitet lagen und Pferdehaar nebst meinem Bärenfell die
Stelle von Linnen vertraten. Ich fing damit an, mich einer strengen
Geistesprüfung zu unterziehen und mir meine Stellung klar zu machen.
Wozu wurde ich ausgeschickt? Um Livingstone zu finden. Hast du ihn
gefunden? Ja natürlich, bin ich nicht in seinem Hause? Wessen Kompass
hängt dort an dem Holznagel, wessen Kleider, wessen Stiefeln sind das?
Wer liest diese Zeitungen, diese Nummern der Saturday-Review und des
Punch, welche hier auf der Diele liegen? Gut. Was willst du also jetzt
thun? Ich werde ihm morgen mittheilen, wer mich abgesandt hat, was
mich hergebracht hat. Dann werde ich ihn bitten, einen Brief an Herrn
Bennett zu schreiben und ihm soviel neues über sich mitzutheilen, als
er Lust hat. Ich bin ja nicht hierher gekommen, um ihn auszuhorchen,
sondern es genügt mir, dass ich ihn aufgefunden habe. Insoweit ist
mein Erfolg vollständig, doch würde er noch glänzender sein, wenn
Livingstone mir Briefe für Herrn Bennett und eine Anerkenntniss darüber
gibt, dass er mich gesehen hat. Ob er das thun wird? Warum nicht?
Ich bin hergekommen, um ihm einen Dienst zu erweisen; er hat weder
Waaren noch Leute mehr, wol aber ich. Wenn ich ihm eine Freundlichkeit
erweise, wird er sie mir nicht erwidern? Was sagt der Dichter?

    „Und hoffe nur, dass der ein Freund Dir werde,
    Dem selber Du ein Freund geworden bist.
    Dass man die Freundschaft liebt, doch Opfer scheut,
    Macht’s, dass auf Erden Freunde selten sind.“

Ich habe mir seine freundschaftlichen Gesinnungen dadurch erkauft, dass
ich soweit gekommen bin, um ihm zu dienen, und glaube nach dem, was
ich gestern Abend von ihm gesehen, dass er durchaus nicht so ungünstig
und misanthropisch gesinnt ist, wie mir jener Mann gesagt, der ihn zu
kennen behauptete. Trotz seiner einsilbigen Begrüssung hat er, als
er mir die Hand reichte, einen bedeutenden Grad von Gemüthsbewegung
an den Tag gelegt; auch ist er ja gar nicht fortgelaufen, wie man es
mir vorher verkündet; freilich vielleicht nur, weil er keine Zeit
dazu hatte. Dennoch, wenn er seiner Natur nach sich dadurch belästigt
gefühlt hätte, dass jemand gekommen, um ihn aufzusuchen, so würde er
mich nicht so empfangen, wie er es gethan, oder gar ersucht haben, bei
ihm zu wohnen, sondern mich griesgrämig meiner Wege geschickt haben.
Auch hat er nichts gegen meine Nationalität, denn er hat gesagt: „Hier
sind Amerikaner und Engländer ganz gleich, wir sprechen dieselbe
Sprache und haben dieselben Ideen.“ „Gewiss, Doctor, da stimme ich mit
Ihnen überein; hier wenigstens sollen Amerikaner und Engländer Brüder
sein, und was ich für Sie thun kann, soll geschehen. Sie können also
über mich so frei verfügen, als ob ich Fleisch von Ihrem Fleisch, Bein
von Ihrem Bein wäre.“

Ich kleidete mich rasch an mit der Absicht, dem Tanganika entlang
zu wandeln, ehe der Doctor aufgestanden sei, öffnete die Thüre, die
schrecklich in ihren Angeln knarrte, und spazierte auf die Veranda.

„Ah, Herr Doctor, Sie sind schon auf? Ich hoffe, Sie haben gut
geschlafen.“

„Guten Morgen, Herr Stanley. Es freut mich, Sie zu sehen; hoffentlich
haben Sie gut geschlafen. Ich war gestern noch spät mit dem Lesen
meiner Briefe beschäftigt. Sie haben mir gute und schlechte Nachrichten
gebracht. Nehmen Sie aber doch Platz.“ Er machte mir an seiner Seite
Platz. „Ja! Viele meiner Freunde sind todt. Meinen ältesten Sohn, d. h.
meinen Sohn Thomas, hat ein schweres Unglück betroffen. Mein zweiter
Sohn Oswald studirt auf der Universität Medicin und es geht ihm gut,
wie ich höre. Meine älteste Tochter Agnes hat sich in einer Jacht mit
«Sir Paraffine» Young und seiner Familie amüsirt. Sir Roderick ist auch
wohl und drückt die Hoffnung aus, mich bald wiederzusehen. Sie haben
mir einen ganzen Sack Briefe mitgebracht.“

Der Mann war also durchaus kein Gespenst und die Scenen des gestrigen
Tages gehörten nicht der Traumwelt an. Ich blickte ihn aufmerksam an,
denn dadurch versicherte ich mich, dass er nicht fortgelaufen sei, was
ich auf dem ganzen Wege nach Udschidschi beständig fürchtete.

„Nun Herr Doctor“, sagte ich, „Sie wundern sich wol, warum ich hierher
gekommen bin?“

„Freilich“, sagte er, „habe ich mich darüber gewundert. Ich glaubte
zuerst, Sie seien ein Abgesandter der französischen Regierung an
Stelle des Lieutenants Le Saint, der einige Meilen jenseits Gondokoro
verstorben ist. Ich hörte, Sie hätten Boote, viele Leute und Vorräthe
bei sich und glaubte wirklich, Sie seien ein französischer Officier,
bis ich die amerikanische Flagge erblickte, und, Ihnen die Wahrheit
zu sagen, es freut mich eigentlich, dass es so ist, denn ich hätte
mich mit jenem auf Französisch nicht unterhalten können, und wenn er
nicht Englisch verstand, so hätten wir ein schönes Paar Weisser in
Udschidschi abgegeben. Gestern wollte ich Sie nicht danach fragen, weil
es mich eigentlich nichts anging.“

„Ja“, sagte ich lachend, „um Ihretwillen freut es mich, dass ich ein
Amerikaner und kein Franzose bin und dass wir einander vollständig ohne
Dolmetscher verstehen können. Ich sehe, die Araber wundern sich, dass
Sie, ein Engländer, und ich, ein Amerikaner, uns gegenseitig verstehen.
Wir müssen uns hüten, ihnen mitzutheilen, dass die Engländer und
Amerikaner sich bekämpft haben, dass es noch Alabama-Forderungen gibt
und dass wir Leute wie die Fenier in Amerika haben, die Sie hassen.
Doch im Ernst, Doctor, erschrecken Sie nicht, wenn ich Ihnen sage, dass
ich gekommen bin, um Sie zu suchen.“

„Um mich zu suchen?“

„Ja wohl.“

„Wie so?“

„Nun, Sie haben doch wol vom «New York Herald» gehört?“

„Oh gewiss. Wer hätte von dieser Zeitung nicht gehört!“

„St! Herr James Gordon Bennett, der Sohn von Herrn James Gordon
Bennett, des Besitzers des «Herald», hat ohne seines Vaters Wissen
und Genehmigung mich beauftragt, Sie aufzusuchen, mir so viele
Nachrichten, als Sie mir über Ihre Entdeckungen geben wollen, von Ihnen
zu verschaffen und Sie möglichst mit Mitteln zu unterstützen.“

„Wie? Der junge Herr Bennett hat Sie beauftragt, mir nachzureisen, mich
aufzusuchen und mir zu helfen! -- Dann ist es freilich kein Wunder,
dass Sie Herrn Bennett gestern Abend so sehr gelobt haben.“

„Ja, ich kenne ihn und bin stolz darauf, sagen zu können, dass er
durchaus so ist, wie ich ihn geschildert habe, nämlich ein eifriger,
grossmüthiger, aufrichtiger Mann.“

„Nun, ich bin ihm in der That sehr zu Dank verpflichtet und es macht
mich stolz, wenn ich daran denke, dass Ihr Amerikaner soviel auf mich
haltet. Sie sind gerade zur rechten Zeit angekommen, denn ich fing
schon an zu glauben, ich müsse die Araber anbetteln. Selbst diesen
fehlt es an Zeug; auch gibt es nur wenig Perlen in Udschidschi. Dieser
Kerl, der Scherif, hat mich vollständig ausgeplündert. Ich wünschte,
ich könnte Herrn Bennett in passenden Worten meinen Dank ausdrücken;
sollte mir das aber nicht gelingen, so bitte ich Sie, halten Sie mich
darum nicht für weniger dankbar.“

„Und jetzt, Doctor, da wir diese kleine Angelegenheit abgemacht haben,
soll uns Feradschi das Frühstück bringen, wenn Sie nichts dagegen
haben.“

„Sie haben mir Appetit gebracht,“ sagte er. „Halimah ist meine Köchin,
aber sie kennt nicht einmal den Unterschied zwischen Thee und Kaffee.“

Der Koch Feradschi war, wie gewöhnlich, mit trefflichem Thee und
einem Gericht dampfender Kuchen, welche der Doctor „Dampers“ nannte,
zur Hand. Ich habe mir nie viel aus dieser Art Pfannkuchen gemacht,
für Livingstone waren sie aber erwünscht, da er durch die harte
Kost in Lunda fast alle Zähne verloren hatte. Dort war er genöthigt
gewesen, von grünen Maisähren zu leben. Es gab nämlich in jenem
District kein Fleisch und die Anstrengung, an den Kornähren zu nagen,
hatte ihm sämmtliche Zähne gelockert. Ich meinerseits zog die harten
virginischen, aus Korn gebackenen „Scones“ vor, die meiner Ansicht
nach das schmackhafteste Brod abgeben, das man in Central-Afrika haben
kann.

Livingstone sagte, er habe mich schon für einen sehr üppigen reichen
Mann gehalten, als er meine grosse Badewanne erblickte, die mir einer
meiner Leute nachtrug; heute aber halte er mich für noch üppiger,
als meine Gabeln, Messer, Schüsseln und Tassen, silberne Löffel und
silberne Theekanne herrlich glänzend auf dem reichen persischen Teppich
ausgebreitet wurden und ich, wie er sah, durch meine gelben und
schwarzen Mercure gut bedient wurde.

Das war der Anfang meines Lebens in Udschidschi. Ich hatte Livingstone
vor meiner Ankunft nicht persönlich gekannt; früher war er mir nur
ein Gegenstand, ein grosser Artikel für eine Tageszeitung, wie die
meisten Dinge, an welchen das nach Neuigkeiten gierige Publikum Freude
hat. Ich hatte Schlachtfelder besucht; Revolutionen, Bürgerkriege,
Aufstände, Emeuten und Metzeleien mit angesehen; ich hatte nahe bei
dem verurtheilten Mörder gestanden, um über seine letzten Kämpfe
und Seufzer Bericht zu erstatten; niemals aber war es meine Aufgabe
gewesen, über irgendetwas Bericht zu erstatten, das mich so sehr bewegt
hätte wie die grossen Leiden, Entbehrungen und Widerwärtigkeiten
dieses Mannes, die ich jetzt in ihrem ganzen Umfange erfuhr. Ich fing
wahrhaftig an einzusehen, dass „die Götter oben die Angelegenheiten
der Menschen mit gerechten Augen überwachen“ und die Hand einer alles
beherrschenden gütigen Vorsehung zu erkennen.

Das Folgende sind Thatsachen, die wohl überlegt sein wollen. Ich hatte
an einem Tage des October 1869 den Auftrag bekommen, Livingstone
aufzusuchen. Herr Bennett hatte das Geld bereit liegen und ich war
reisefertig. Doch möge der Leser wohl darauf achten, dass ich nicht
sofort meine Expedition antrat. Ich hatte noch viele Aufgaben zu
erfüllen und viele tausend Meilen zu reisen, ehe ich dazu kam. Gesetzt
nun, ich wäre von Paris direct nach Zanzibar gegangen, so hätte ich
mich sieben bis acht Monate nach meiner Ankunft daselbst zwar in
Udschidschi befunden, Livingstone wäre aber dort nicht aufgefunden
worden; denn er war damals auf dem Lualaba und ich hätte ihm durch
die Urwälder von Manyuema, auf unwegsamen Pfaden und längs des krummen
Laufs des Lualaba Hunderte von Meilen folgen müssen. Die Zeit, die
ich dazu brauchte, um den Nil hinauf, nach Jerusalem, Konstantinopel,
Süd-Russland, dem Kaukasus und Persien zu reisen, benutzte Livingstone
zu fruchtbaren Entdeckungen im Westen des Tanganika. Man bedenke
ferner, dass ich in der letzten Hälfte des Juni in Unyanyembé ankam
und daselbst drei Monate lang durch einen Krieg aufgehalten, ein
unzufriedenes, ungeduldiges, ärgerliches Leben führte. Während ich mich
aber so abärgerte und durch eine Reihe von Zufälligkeiten aufgehalten
wurde, war Livingstone in demselben Monat gezwungen, nach Udschidschi
zurückzukehren. Er brauchte die Zeit vom Juni bis zum October, um
nach Udschidschi zu gelangen. Und im September befreite ich mich von
der Knechtschaft, in welche mich der Zufall gebannt hatte, und eilte
südlich nach Ukonongo, dann westlich nach Kawendi, darauf nördlich
nach Uvinza und schliesslich wieder westlich nach Udschidschi, wo ich
ungefähr drei Wochen nach Livingstone ankam, um ihn hier unter der
Veranda seines Hauses ruhend und sehnsüchtig nach Osten blickend zu
finden, nach der Weltgegend, wo ich herkam. Wäre ich direct von Paris
abgegangen, um ihn aufzusuchen, so hätte ich ihn vielleicht nicht
aufgefunden und dasselbe hätte leicht der Fall sein können, wenn ich im
Stande gewesen wäre, direct von Unyanyembé nach Udschidschi zu ziehen.

Unter den Palmen von Udschidschi kamen und gingen die Tage friedlich
und glücklich. Mein Gefährte nahm an Gesundheit und guter Laune
zu. Ihm war das Leben wiedergegeben, die schwindende Lebenskraft
wiederhergestellt worden; der Enthusiasmus für seine Aufgabe erreichte
allmählich wieder die Höhe, die ihn zu dem Wunsche zwang, wieder im
Stande zu sein, etwas zu leisten. Was konnte er aber mit fünf Menschen
und 15 bis 20 Stück Zeug thun?

„Haben Sie das nördliche Ende des Tanganika gesehen?“ fragte ich ihn
eines Tages.

„Nein. Ich habe es versucht dahin zu gehen, doch thaten die
Wadschidschi alles mögliche, um mich auszuziehen, wie sie es mit Burton
und Speke gethan, und ich hatte nicht viel Zeug. Wäre ich an das Ende
des Tanganika gegangen, so hätte ich nicht nach Manyuema ziehen können,
und das mittlere Wassersystem ist das wichtigste, und das ist der
Lualaba. Dem gegenüber ist die Frage, ob es eine Verbindung zwischen
dem Tanganika und dem Albert-Nyanza gibt, höchst unbedeutend. Das
grosse Flusssystem ist der Fluss, welcher vom elften Grad südlicher
Breite abfliesst, den ich sieben Grad nach Norden hin verfolgt habe.
Der Chambezi, wie er an seinem südlichen Ende heisst, entwässert
einen grossen Landstrich, der südlich von der südlichsten Quelle des
Tanganika liegt; deshalb muss er der wichtigste sein. Ich habe nicht
den geringsten Zweifel, dass dieser See der obere Tanganika, und der
Albert-Nyanza Baker’s der untere Tanganika ist, welche durch einen
Fluss verbunden werden, der vom obern in den untern läuft. Das ist
meine Meinung, welche sich auf arabische Berichte und einen Versuch
gründet, den ich mit Wasserpflanzen über seinen Verlauf angestellt
habe. Doch habe ich eigentlich nie viel darüber nachgedacht.“

„Nun, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, Doctor, so würde ich, ehe ich
Udschidschi verliess, das untersuchen und die Zweifel über diesen
Gegenstand lösen für den Fall, dass Sie, nachdem Sie hier fortgezogen,
nicht wieder auf demselben Wege zurückkehren. Die Geographische
Gesellschaft legt viel Gewicht auf diese vermeintliche Verbindung
und erklärt, Sie wären der einzige Mann, der die Frage lösen kann.
Wenn ich Ihnen dabei von Nutzen sein kann, so haben Sie über mich zu
befehlen. Obgleich ich nicht als Forscher nach Afrika gekommen, so bin
ich doch in Bezug hierauf ziemlich wissbegierig und würde Sie sehr
gern begleiten. Ich habe ungefähr zwanzig Leute bei mir, die zu rudern
verstehen; auch haben wir hinreichend viel Gewehre, Zeuge und Perlen.
Wenn wir also von den Arabern ein Boot bekommen können, so lässt sich
die Sache leicht machen.“

„O ja, wir können ein Canoe von Sayd bin Madschid bekommen. Dieser Mann
ist sehr freundlich gegen mich gewesen und wenn es einen arabischen
Gentleman gibt, so ist er es.“

„Dann ist es also abgemacht, dass wir gehen?“

„Ja! ich bin dazu bereit, sobald Sie es sind.“

„Ich stehe zu Ihren Befehlen. Hören Sie denn nicht, dass meine Leute
Sie den “grossen Herrn„ und mich den “kleinen Herrn„ nennen? Es würde
sich doch nicht passen, dass der kleine Herr befiehlt.“

Jetzt fing ich an Livingstone zu kennen. Ich behaupte, dass niemand
in seiner Gesellschaft sein kann, ohne ihn vollständig zu ergründen,
denn es ist kein Falsch in ihm und wie er äusserlich erscheint, so ist
auch sein Inneres beschaffen. Ich hoffe, dass ich in meiner Skizze
seines Charakters und seiner Entdeckungen niemand beleidige; denn ich
gebe einfach meine Meinung über den Mann, wie ich ihn gesehen und
erkannt habe, nicht wie er sich selbst darstellt oder wie man ihn
mir geschildert hat. Ich habe vom 10. November 1871 bis zum 14. März
1872 mit ihm zusammen gelebt, sein Leben im Lager und auf dem Marsche
beobachtet und empfinde für ihn unbedingte Bewunderung. Das Lager ist
der beste Ort, um die Schwächen eines Menschen an den Tag zu bringen,
denn hier entwickelt er bestimmt, wenn er launig oder querköpfig
ist, seine Sonderbarkeiten und schwachen Seiten. Ich halte es jedoch
für möglich, dass Livingstone die Gesellschaft eines nicht passenden
Genossen lästig geworden wäre. Ich weiss wenigstens, dass mir das sehr
leicht widerfahren kann, wenn jemand einen so schroffen Charakter hat,
dass es unmöglich ist, mit ihm zu reisen. Ich habe Leute gesehen, in
deren Gesellschaft ich mich so geknechtet fühlte, dass es eine Pflicht
der Selbstachtung war, mich sobald wie möglich von ihnen zu befreien,
wo ich es empfand, dass wir durchaus nicht zueinanderpassten und dass
meine Natur sich der ihrigen nie assimiliren könnte. Livingstone’s
Charakter hingegen ist so, dass ich ihn verehren muss. Er hat meine
ganze Begeisterung und nichts als die aufrichtigste Bewunderung
hervorgerufen.

Dr. Livingstone ist ungefähr 60 Jahre alt, erschien jedoch, nachdem er
völlig wiederhergestellt war, mehr wie ein Mann, der sein funfzigstes
Jahr noch nicht überschritten hat. Sein Haar ist noch von bräunlicher
Farbe, hier und da jedoch an den Schläfen mit etwas grau gemischt.
Backen- und Schnurrbart sind sehr grau; die Augen nussbraun und
ausserordentlich klar; er sieht so scharf wie ein Habicht. Nur die
Zähne zeigen die Schwäche des Alters an, denn die harte Kost in Lunda
hat in ihren Reihen Verheerungen angerichtet. Seine Gestalt, die bald
etwas an Corpulenz gewann, ist ein wenig mehr als mittelgross und etwas
gekrümmt. Wenn er geht hat er einen festen, aber schweren Tritt, der
dem eines überangestrengten oder ermüdeten Mannes gleicht. Gewöhnlich
trägt er eine Matrosenmütze mit grossem runden Schirm, an dem man
ihn in ganz Afrika wiedererkannt hat. Seine Kleidung zeigte, als ich
ihn zuerst sah, Spuren von Flickereien und Ausbesserungen, war aber
pedantisch reinlich.

Man hatte mich zu dem Glauben verleitet, dass Livingstone einen
menschenfeindlichen, griesgrämigen Charakter habe. Einige haben
behauptet, er sei geschwätzig; andere, er sei geistig gestört und
ganz anders geworden als der David Livingstone, den man als Missionär
verehrt habe; er zeichne nur Notizen und Beobachtungen auf, die kein
anderer als er selbst lesen könne; und ehe ich nach Central-Afrika kam,
hiess es, er sei mit einer afrikanischen Prinzessin verheirathet.

Alle diese Behauptungen muss ich entschieden in Abrede stellen. Ich
gebe zu, dass er kein Engel ist, doch nähert er sich einem solchen
Wesen so sehr, als die Natur eines lebenden Menschen es gestattet.
Nie habe ich eine Spur von Menschenfeindlichkeit oder Hypochondrie
an ihm bemerkt, und was die Geschwätzigkeit betrifft, so ist Dr.
Livingstone gerade das Gegentheil; er ist im höchsten Grade reservirt,
und demjenigen, welcher behauptet, Dr. Livingstone habe sich verändert,
kann ich nur erwidern, dass er ihn nie gekannt, denn es ist notorisch,
dass Livingstone einen Fond von ruhigem Humor besitzt, den er zu
jeder Zeit in Gesellschaft von Freunden an den Tag legt. Auch muss
ich mir die Freiheit nehmen den Herrn zu rectificiren, der mir
gesagt, Livingstone schreibe sich weder Notizen noch Beobachtungen
auf. Das grosse Tagebuch, das ich seiner Tochter mitbrachte, ist voll
von Bemerkungen und enthält nicht weniger als zwanzig Bogen voll
Beobachtungen, die er blos während seiner letzten Reise nach Manyuema
gemacht hat. In der Mitte des Buches ist ein Bogen nach dem andern,
eine Spalte nach der andern sorgfältig nur mit Zahlen beschrieben.
Auch enthält ein grosser Brief, den ich von ihm zur Beförderung an
Sir Thomas MacLear erhalten habe, nichts als Beobachtungen. Während
der vier Monate, die ich mit ihm zusammen war, habe ich es jeden
Abend gesehen, wie er sorgfältig Aufzeichnungen machte. Ein grosser
Blechkasten, den er mit sich führt, enthält zahllose Notizbücher, deren
Inhalt, wie ich glaube, noch einmal an das Tageslicht kommen wird. Auch
seine Karten bekunden viel Sorgfalt und Fleiss. Was das Gerücht über
seine afrikanische Heirath betrifft, so ist es überflüssig mehr darüber
zu sagen, als dass es unwahr ist, da es ganz unter der Würde eines
Gentleman ist, so etwas in Verbindung mit dem Namen Livingstone auch
nur anzudeuten.

Man kann jeden Zug in Dr. Livingstone’s Charakter sorgfältig analysiren
und es wird kein Mensch daran etwas auszusetzen finden. Er ist, wie
ich weiss, empfindlich, doch ist das mancher Mann von grossem Geist
und edlem Charakter. Namentlich ist er darüber empfindlich, wenn man
an ihm zweifelt oder kritisirt. Wer bezweifelt ihn aber auch? Das thun
nur stubenhockende Geographen, nicht aber die angestrengt thätigen
Reisenden, die zu hunderten auf der Liste der Königl. Geographischen
Gesellschaft stehen. Ich habe nicht gefunden, dass ein Richard Burton
oder Winwood Reade ihn kritisiren, und es kann einem Manne, der soviel
Mühe und Fleiss daran gewandt hat, nicht angenehm sein, wenn seine
Karten und Beobachtungen nach den Launen unverantwortlicher Leute
abgeändert werden. Livingstone kann in seinen Schlüssen in Bezug auf
manche Dinge im Irrthum sein, doch kann ihn ein Geograph, der zu
Hause bleibt, nur corrigiren, wenn er Daten von Leuten erhalten hat,
welche dieselbe Gegend erforscht haben. Weder Francis Galton noch
Dr. Beke können durch gelehrte Ueberzeugungen die Nichtexistenz des
Tanganika-Sees beweisen, denn vier Reisende haben ihn gesehen und
darüber Bericht erstattet. Weder Francis Galton noch Dr. Beke können
dem Oberst Grant beweisen, dass ein Strom wie der Victoria-Nil nicht
existirt. Und doch, wieviel hat der Oberst Grant von diesem Fluss,
diesem Strom gesehen? Noch keine funfzig Meilen. Da er ihn aber nach
Norden und Nordwesten hat fliessen sehen, glaubte er aufrichtig
und ehrlich, dass es derselbe Fluss ist, den er an Gondokoro hat
vorbeifliessen sehen. So ist auch Livingstone der Meinung, nachdem er
den Chambezi, Luapula und Lualaba über sieben Breitengrade verfolgt
und ihn immer noch nach Norden hat fliessen sehen, auch von den
Eingeborenen gehört hat, dass ein grosser See sich nördlich von dem
Punkt befindet, auf dem er auf seinem gewaltigen Marsche nach Norden
halt machte, als er dem Lauf des mächtigen Lualaba folgte -- dass
dieser Lualaba nichts anders als der Nil ist. Hat er denn nicht ein
Recht dazu, sich dadurch gekränkt zu fühlen, dass stubenhockerische
Geographen eine grosse, über drei Breitengrade sich erstreckende
Gebirgskette hinzeichnen, nur um durch diese schwarze, düster
aussehende Linie zu beweisen, „dass er die Zeit über mit dem Kopfe
gegen eine Steinmauer gerannt sei?“ Livingstone versteht es trotz all
seiner Kenntniss des geheimnissvollen Afrika noch nicht, ein Gebirge
zu fabriciren; er ist zu einfach, um es zu unternehmen, das Aussehen
der Natur nach einer beliebigen Methode, die nur gemüthlich zu Hause
bleibenden Geographen bekannt ist, umzuwandeln.[4]

Ich habe viele liebenswürdige Züge an Livingstone gefunden. Seine
Sanftmuth verlässt ihn niemals; ebenso wenig wie sein hoffnungsvolles
Wesen. Weder aufreibende Sorten, noch Beunruhigungen des Geistes, noch
lange Trennung von Haus und Familie kann ihn zum Klagen bringen. Er
glaubt, alles wird schliesslich doch gut, denn er hat einen festen
Glauben an die Güte der Vorsehung. Er ist, als Spielball unglücklicher
Verhältnisse und der elenden Menschen, die ihm von Zanzibar zugeschickt
worden, getäuscht und fast bis zu Tode gequält worden; dennoch
will er die Aufgabe, die ihm sein Freund Sir Roderick Murchison
gestellt hat, nicht im Stiche lassen. Den strengen Vorschriften der
Pflicht allein hat er Heimat und Bequemlichkeit, Vergnügungen und
Genüsse des civilisirten Lebens geopfert und hat mit dem Heldenmuthe
des Spartaners, der Unbeugsamkeit des Römers, der ausdauernden
Entschlossenheit des Angelsachsen niemals seine Aufgabe hintangesetzt,
wenn sich auch sein Herz nach Hause sehnt, sondern er will seinen
Obliegenheiten nachkommen, bis er Finis unter sein Werk setzen kann.

Livingstone hat eine liebenswürdige Ungezwungenheit, die ich zu
würdigen verstand. So oft er zu lachen anfing war das so ansteckend,
dass ich es ihm nachthun musste. Es war ein Lachen wie das des
„Herrn Teufelsdröck“, das den ganzen Menschen vom Kopf bis zur Zehe
erschüttert. Wenn er eine Geschichte erzählte, so geschah das in einer
Weise, dass man von der Wahrheit derselben überzeugt wurde. Dabei war
sein Gesicht von der überraschenden Komik der Geschichte so verklärt,
dass ich bestimmt wusste, sie sei erzählens- und hörenswerth.

Die hagern Züge, welche mich bei unserer ersten Zusammenkunft
erschreckt hatten, der schwere Tritt, der von Alter und anstrengenden
Reisen sprach, der graue Bart und die leichte Beugung seines Körpers
gaben ein ganz falsches Bild von dem Manne. Unter diesem abstrapazirten
Aeussern lag ein unendlicher Fond von Lustigkeit und unerschöpflichem
Humor; sein rauhes Aeussere schloss ein jugendliches, übersprudelndes
Gemüth in sich. Jeden Tag bekam ich unzählige Scherze, reizende
Anekdoten und interessante Jagdgeschichten zu hören, in denen seine
Freunde Oswell, Webb, Vardon und Gordon Cumming immer die Haupthelden
waren. Im Anfang wusste ich nicht bestimmt, ob nicht diese Jovialität,
dieser Humor und übersprudelnde Witz das Resultat einer nervösen
Aufgeregtheit sei; da ich aber fand, dass sie solange vorhielten als
ich bei ihm war, so muss ich sie für normal halten.

Noch ein Punkt, der meine Aufmerksamkeit besonders auf sich zog, war
sein wunderbares Gedächtniss. Wenn man an die vielen Jahre denkt,
die er in Afrika ohne Bücher zugebracht hat, so kann man es wol als
ein ungewöhnliches Gedächtniss betrachten, dass er ganze Gedichte
aus Byron, Burns, Tennyson, Longfellow, Whittier und Lowell hersagen
kann. Der Grund hierzu liegt wol in der Thatsache, dass er ein fast
ausschliesslich innerliches Leben geführt hat. Zimmermann, der die
Natur des Menschen gründlich studirt hat, sagt in dieser Beziehung:
„So erinnert man sich auch leicht an alles, was man gelesen, gehört,
gethan, erfahren und gedacht hat. Jeder Blick ins Stille erzeugt dann
neue Gedanken und gewährt dem Geiste die reinsten Vergnügungen. Man
schaut zurück auf das Vergangene, schaut vor sich hin auf die Zukunft
und vergisst auch wol Vergangenheit und Zukunft bei dem Genüsse seines
gegenwärtigen Glücks.“ (J. G. Zimmermann, Ueber die Einsamkeit.
Leipzig, 1785.) Er hat ganz in einer innerlichen Welt gelebt, aus der
er selten erwachte, ausser um sich dem zuzuwenden, was für ihn und
seine Leute unmittelbar praktisch nothwendig war. Dann verfiel er
wieder in dieselbe glückliche innere Welt, die er mit seinen eigenen
Freunden, Verwandten, Bekannten, mit ihm vertrauter Lektüre, Gedanken
und Ideenassociationen so bevölkert hat, dass seine eigene Welt
überall, wie seine Umgebung auch beschaffen sein mochte, für seinen
gebildeten Geist mehr Anziehendes als die äussere Umgebung besass.

Die Charakteristik von Dr. Livingstone würde nicht vollständig sein,
wenn wir nicht auch die religiöse Seite seines Charakters in Rücksicht
ziehen. Seine Religion ist nicht theoretischer Natur, sondern eine
beständige ernste, aufrichtige Praxis; sie ist weder demonstrativ
noch laut, sondern zeigt sich in ruhiger, praktischer Weise und ist
beständig thätig; sie ist nie aggressiv, was bisweilen sehr lästig,
wenn nicht gar ungebührlich ist. In ihm zeigt die Religion ihre
lieblichsten Züge; sie beherrscht sein Betragen nicht nur gegen
seine Dienstleute, sondern auch gegen die Eingeborenen, die bigotten
Mohammedaner und alle, die mit ihm in Berührung kommen. Ohne dieselbe
wäre Livingstone mit seinem hitzigen Temperament, seiner Begeisterung,
seinem Muth und strebsamem Geist ein sehr unumgänglicher Mensch und
harter Herr geworden. Die Religion hat ihn gezähmt und ihn zu einem
christlichen Gentleman gemacht; alles Rohe und Eigenwillige ist
dadurch veredelt und unterdrückt worden. Die Religion hat ihn zu dem
umgänglichsten Menschen und nachsichtigsten Herrn gemacht, zu einem
Manne, dessen Gesellschaft im höchsten Grade angenehm ist.

Ich habe oft zugehört, wie unsere Diener unsere verschiedenen
Eigenschaften besprachen. „Euer Herr“, sagten meine Diener zu denen
von Livingstone, „ist ein guter Mann, ein sehr guter Mann; er schlägt
euch nicht, denn er hat ein gutes Herz; aber der unserige -- ach,
der ist scharf und heiss wie Feuer «mkali sana, kana moto».“ Während
er im Anfange bei seiner Ankunft in Udschidschi von den Arabern und
Mischlingen gehasst und in jeder möglichen Weise chicanirt worden ist,
hat er sich durch seine stets gleichbleibende Güte und sein mildes,
angenehmes Temperament Aller Herzen gewonnen. Ich habe es gesehen,
dass ihm allgemeine Achtung gezollt wurde. Selbst die Mohammedaner
gingen nie an seinem Hause vorüber, ohne anzusprechen und ihn zu
begrüssen und ihm ein: «der Segen Gottes ruhe auf Euch!» zuzurufen.
Jeden Sonntag-Morgen versammelte er seine kleine Gemeinde um sich und
las ihnen Gebete und ein Kapitel aus der Bibel in einem natürlichen,
ungezierten und aufrichtigen Tone vor. Darauf hielt er eine kurze
Anrede in der Kiswahili-Sprache über den verlesenen Gegenstand, dem
seine Zuhörer mit offenbarem Interesse und grosser Aufmerksamkeit
folgten.

Es gibt noch einen Punkt in Livingstone’s Charakter, über den
diejenigen, welche seine Bücher lesen und seine Reisen studiren,
Auskunft haben möchten, und das ist seine Fähigkeit, dem schrecklichen
Klima Central-Afrikas Widerstand zu leisten, die consequente Energie,
mit der er seine Forschungen verfolgt. Diese letztere ist ihm und
seiner Rasse angeboren. Er bietet ein schönes Beispiel der Ausdauer,
Standhaftigkeit und Zähigkeit, welche den Angelsachsen auszeichnen;
doch ist seine Fähigkeit, dem Klima Widerstand zu leisten, nicht nur
der glücklichen Constitution, die ihm angeboren ist, sondern auch
dem streng mässigen Leben, das er stets geführt hat, zuzuschreiben.
Ein Trunkenbold oder ein Mann von lasterhaften Angewohnheiten könnte
niemals das Klima von Central-Afrika vertragen.

Am zweiten Tage nach meiner Ankunft in Udschidschi fragte ich
Livingstone, ob er sich nicht bisweilen danach sehne, seine Heimat
wiederzusehen und sich nach sechsjährigen Forschungen etwas auszuruhen.
Die Antwort, die er mir darauf gab, kennzeichnet den ganzen Mann. Er
sagte nämlich:

„Sehr gern würde ich nach Hause gehen und meine Kinder noch einmal
sehen; ich kann es aber nicht über mich gewinnen, die Aufgabe, die ich
mir gesetzt, jetzt im Stiche zu lassen, wo sie fast vollendet ist.
Es gehören nur noch sechs bis sieben Monate dazu, um die wirkliche
Quelle, die ich entdeckt habe, in Zusammenhang zu bringen mit dem
Petherick’schen Arm des Weissen Nils oder mit Sir Samuel Baker’s
Albert-Nyanza, welches der See ist, den die Eingeborenen “Tschowambe„
nennen. Warum sollte ich nach Hause gehen, ehe meine Aufgabe beendet
ist, um wieder zurückkehren zu müssen und dann erst etwas zu leisten,
was ich jetzt gut zu Stande bringen kann?“

„Und warum“, fragte ich, „sind Sie soweit zurückgekehrt, ohne die
Aufgabe, von der Sie sagen, dass sie geleistet werden müsse, zu
beendigen?“

„Einfach, weil ich dazu gezwungen war. Meine Leute wollten nicht einen
Schritt weitergehen. Sie empörten sich und beschlossen heimlich, wenn
ich darauf bestände, weiterzugehen, Unruhen im Lande zu erregen,
und nachdem sie das zu Stande gebracht, mich im Stich zu lassen. In
diesem Falle wäre ich ermordet worden. Es war gefährlich vorwärts
zu gehen. Ich hatte 600 Meilen der Wasserscheide erforscht und die
hauptsächlichsten Flüsse, die ihr Wasser in das Central-Wassersystem
ergiessen, untersucht; als ich aber die letzten 100 Meilen untersuchen
wollte, verloren meine Leute den Muth und machten sich daran, meine
Absicht in jeder möglichen Weise zu vereiteln. Jetzt, wo ich 700 Meilen
zurückgelegt habe, um mir neue Vorräthe und eine neue Begleitung zu
verschaffen, finde ich mich selbst von den Mitteln verlassen, um nur
ein paar Wochen zu leben, und bin krank an Geist und Körper.“

Hier frage ich den Leser, wie er sich wol in einer solchen Krisis
unter einer solchen Last von Schwierigkeiten benommen haben würde.
Viele wären gewiss in grosser Eile gewesen, nach Hause zu kommen,
um die neuen Entdeckungen, die aus den fortgesetzten Forschungen
hervorgegangen, zu veröffentlichen und die Angst der trauernden, auf
seine Rückkehr wartenden Familie und Freunde zu beschwichtigen. Es
war doch sicherlich hinreichend viel für die Lösung des Problems,
das den Geist seiner wissenschaftlichen Genossen in der Königl.
Geographischen Gesellschaft bewegte, geleistet worden. Das war ja keine
unfruchtbare Forschung, sondern schwere, ernste, jahrelange Arbeit voll
Selbstverleugnung, ausdauernder Geduld und erhabener Tapferkeit, wie
sie gewöhnliche Menschen nicht aufzuweisen haben.

Wenn nun Livingstone der Sitte anderer Reisender gefolgt und an die
Küste geeilt wäre, nachdem er den See Bangweolo entdeckt, um der
geographischen Welt darüber Mittheilung zu machen? Wenn er dann
wieder zurückgekehrt wäre, um den Moero zu entdecken und über diesen
Bericht erstattet, und dann dasselbe Verfahren bei der Entdeckung
des Kamolondo abermals eingeschlagen hätte? Er hingegen entdeckt
nicht nur den Chambezi, den See Bangweolo, den Fluss Luapula, den
See Moero, den Fluss Lualaba und den See Kamolondo, sondern dringt
noch weiter vorwärts, um das grossartige See- und Flusssystem in
seinem Zusammenhang vollständig zu erforschen. Wäre er dem Beispiel
gewöhnlicher Reisender gefolgt, so hätte er viel Zeit auf Hin- und
Herreisen verwandt, um Mittheilungen zu machen, statt zu forschen,
und wäre im Stande gewesen, ein Buch über die Entdeckung eines jeden
einzelnen Sees zu schreiben und dadurch viel Geld zu verdienen. Der
Inhalt seiner Bücher besteht aber nicht in den Forschungen weniger
Monate. Seine „Missions-Reisen“ umfassen eine Periode von sechzehn
Jahren; sein Buch über den Zambezi fünf Jahre, und wenn der grosse
Reisende solange lebt um heimzukehren, so wird sein drittes Werk,
das grossartigste von allen, die Berichte von acht bis neun Jahren
enthalten.

Bei Livingstone ist es Princip, was er unternimmt gut durchzuführen,
und im Bewusstsein, dass er dies thut, findet er trotz seiner Sehnsucht
nach der Heimat, die bisweilen überwältigend ist, einen gewissen
Grad von Zufriedenheit, wenn nicht Glückseligkeit. Während anders
geartete Leute einen langen Aufenthalt unter den Wilden Afrikas mit
Schrecken betrachten würden, so findet Livingstone’s Geist Freude und
Nahrung für seine wissenschaftlichen Studien darin. Die Wunder der
Urwelt, die grossen Wälder und hohen Gebirge, die unversieglichen
Ströme und Quellen der grossen Seen, die Wunder der Erde, die
Herrlichkeiten des tropischen Himmels bei Tag und Nacht, kurz alle
Erd- und Himmelserscheinungen sind Manna für einen Mann von solcher
Selbstverleugnung und einem so hingebenden philantropischen Geiste. Der
urwüchsigen Einfachheit der dunkeln Kinder Aethiopiens, unter denen er
so viele Jahre seines Lebens zugebracht hat, kann er Reize abgewinnen.
Er hat einen festen Glauben an ihre Fähigkeiten; sieht Tugend in ihnen,
wo andere nur Barbarei erblicken, und wo er bei ihnen gewesen ist,
hat er versucht das Volk zu heben, das anscheinend von Gott und der
Christenheit vergessen worden ist.

Eines Abends nahm ich mein Notizbuch zur Hand und schrieb ihm die Worte
vom Munde ab, die er mir über seine Reisen mitzutheilen hatte. Ohne
Zaudern erzählte er mir seine Erlebnisse, von denen das Folgende ein
kurzer Abriss ist.

Dr. David Livingstone hat die Insel Zanzibar im März 1866 verlassen.
Am 7. April reiste er von der Mikindiny-Bai mit einer Expedition ins
Innere ab, die aus zwölf Sepoys aus Bombay, neun Johannesen von den
Komoro-Inseln, sieben freigelassenen Sklaven und zwei Leuten aus
Zambezi, die er versuchsweise mitgenommen, nebst sechs Kamelen, drei
Büffeln, zwei Mauleseln und drei Eseln bestand. So hatte er alles in
allem dreissig Leute bei sich, von denen zwölf, nämlich die Sepoys,
als Wächter bei der Expedition dienen sollten. Sie waren meist mit
gezogenen Enfield-Gewehren bewaffnet, welche er von der Regierung in
Bombay geschenkt bekommen hatte. Das Gepäck der Expedition bestand aus
zehn Ballen Zeug und zwei Säcken Perlen, die als Circulationsmittel
zum Einkauf der Lebensbedürfnisse in den Ländern, welche Livingstone
zu besuchen beabsichtigte, verwerthet werden sollten. Ausser diesen
schwerfälligen Tauschmitteln führten sie noch mehrere Kasten voll
Instrumente, wie z. B. Chronometer, Luftthermometer, Sextanten,
künstliche Horizonte, nebst Kisten voll Kleider, Medicin und
persönliche Bedürfnisse mit sich. Die Expedition reiste das linke Ufer
des Rovuma-Flusses hinauf, eine Strasse, die ungemein beschwerlich
ist. Meilenlang mussten Livingstone und seine Begleiter sich den Weg
mit Aexten durch den dichten, fast undurchdringlichen Schilfmoor, der
sich an den Ufern des Flusses hinzieht, bahnen. Der Weg war ein blosser
Fusspfad, der in planlosester Weise in das Dickicht hinein- und wieder
hinausführte, wobei er ohne Rücksicht auf den weitern Verlauf sich
den bequemsten Ausweg suchte. Die Pagazi konnten wol ziemlich bequem
fortkommen, aber die Kamele waren wegen ihrer Grösse nicht im Stande,
einen Schritt vorwärts zu machen, ohne dass ihnen die Aexte der Leute
erst den Weg bahnten. Dieses Instrument war fast überall nothwendig
und das Vorwärtsschreiten der Expedition wurde ausserdem vielfach
aufgehalten durch die bei den Sepoys und Johannesen sich zeigende
Unlust zur Arbeit.

Schon bald nach der Abreise der Expedition von der Küste fing das
Murren und Klagen dieser Leute an, und bei jeder Gelegenheit legten
sie eine entschiedene Abneigung gegen den Weitermarsch an den Tag. Um
die Reise des Doctors zu verhindern und in der Hoffnung, dass sie ihn
zur Rückkehr an die Küste zwingen könnten, behandelten sie die Thiere
so grausam, dass in kürzester Zeit kein einziges mehr am Leben war.
Da aber dieser Plan ihnen mislang, so machten sie sich daran, die
Eingeborenen gegen den Weissen aufzustacheln, den sie frevelhafterweise
ganz eigenthümlicher Dinge beschuldigten. Da ihnen dies wol gelungen
wäre und es gefährlich war, solche Leute in seiner Umgebung zu
haben, so kam der Doctor zu dem Schluss, dass es am besten sei, sie
zu entlassen, und er schickte daher die Sepoys an die Küste zurück,
nachdem er sie mit Lebensmitteln für die Heimreise versehen hatte.
Diese Leute hatten sich in so üblen Ruf gebracht, dass die Eingeborenen
sie als des Doctors Sklaven bezeichneten. Einer ihrer schlimmsten
Fehler war der, dass sie gewohnt waren, ihre Flinten und Munition
dem ersten besten Weib oder Knaben, dem sie begegneten, zum Tragen
zu geben, und diese zu dem Zweck mit Drohungen und Versprechungen
bestürmten, zu deren Verwirklichung sie weder die Macht noch das Recht
hatten. Schon nach einstündigem Marsche waren sie müde und legten sich
dann am Wege hin, um ihr schweres Schicksal zu bejammern und neue Pläne
zu schmieden, wie sie ihres Führers Absichten vereiteln könnten. Gegen
Abend erschienen sie gewöhnlich auf dem Lagergrunde wie halbtodte
Menschen. Derartige Leute waren natürlich eine armselige Begleitung,
denn wäre die Expedition von einem irgendwie erheblichen Stamme
wandernder Eingeborener angegriffen worden, so hätte Livingstone sich
nicht vertheidigen können und es wäre ihm nichts übrig geblieben, als
sich ihnen zu ergeben und unterzugehen.

Am 18. Juli 1866 kam Livingstone und seine kleine Expedition in einem
Dorfe an, das einem Häuptling der Wahiyou gehörte, acht Tagereisen
vom Rovuma entfernt, von wo man die Wasserscheide des Nyassa-Sees
überblickte. Das Gebiet, das zwischen dem Rovuma-Flusse und diesem
Dorfe des Wahiyou-Häuptlings lag, war eine unbewohnte Wildniss, und
Livingstone, sowie seine Expedition, hatte während des Durchschreitens
derselben bedeutend von Hunger und Desertion der Leute zu leiden.

In den ersten Tagen des August 1866 kam der Reisende nach dem Lande
Mponda’s, eines Häuptlings, der in der Nähe des Nyassa-Sees lebt.
Auf dem Wege dahin desertirten ihm zwei Freigelassene. Hier bestand
auch Wekotani -- nicht Wakotani --, ein Schützling des Doctors, auf
seiner Entlassung, angeblich weil er seinen Bruder gefunden habe; die
Unwahrheit dieses Vorwandes stellte sich später heraus. Er behauptete
zugleich, seine Familie lebe auf dem östlichen Ufer des Nyassa-Sees
und Mponda’s Lieblingsfrau sei seine Schwester. Da Livingstone einsah,
dass Wekotani ihn nicht weiter begleiten wolle, brachte er diesen zu
Mponda, der ihn früher weder gesehen, noch je von ihm gehört hatte.
Trotzdem liess er ihn bei diesem Häuptling, nachdem er den undankbaren
Jungen noch mit soviel Zeug und Perlen versehen, dass er davon leben
könne, bis sein „grosser Bruder“ ihn abholen würde, und ausserdem
überzeugte er sich davon, dass Mponda ihn ehrenhaft behandeln werde.
Wekotani konnte lesen und schreiben, was er in der Schule in Bombay
gelernt hatte; Livingstone übergab ihm daher auch Schreibpapier, damit
er, wenn er je dazu Neigung fühlte, Herrn Horace Waller oder ihm selbst
schreiben könne. Ferner schärfte ihm der Doctor ein, sich nicht auf
Sklavenzüge einzulassen, die von seinen Landsleuten, den Nyassanern,
gewöhnlich gegen ihre Nachbarn ausgeführt werden. Als Wekotani fand,
dass sein Entlassungsgesuch Erfolg hatte, versuchte er es, einen andern
Schützling Livingstone’s, den Dschumah, der des Wekotani’s specieller
Gefährte war, gleichfalls dazu zu bewegen, den Dienst zu verlassen und
mit sich fortzunehmen, wobei er ihm als Lohn eine Frau und viel Pombé
von seinem grossen Bruder versprach. Als Dschumah dies dem Doctor
mittheilte, wurde ihm von diesem davon abgerathen, da er den Wekotani
sehr im Verdacht hatte, er wolle Dschumah zum Sklaven machen. Letzterer
zog sich darauf klugerweise von seinem Versucher zurück. Aus dem
Gebiete Mponda’s ging die Reise weiter an das Südende des Nyassa in das
Dorf eines Babisa-Häuptlings, der Arznei gegen eine Hautkrankheit zu
haben wünschte. Mit seiner gewöhnlichen Güte blieb er im Dorf dieses
Häuptlings, um dessen Krankheit zu behandeln.

Während er hier war, kam ein Mann von halb arabischer Abkunft vom
westlichen Ufer des Sees her und berichtete, er sei von einer Bande
Mazitu ausgeplündert worden, an einem Orte, von dem der Doctor und
Musa, der Führer der Johannesen, wohl wussten, dass er wenigstens 150
Meilen nord-nordwestlich von ihrem Aufenthaltsorte entfernt sei. Musa
hörte trotzdem aus Gründen, die wir sofort berichten werden, mit Eifer
der Erzählung des Arabers zu und schenkte ihm vollen Glauben. Nachdem
er sich die schauderhaften Einzelheiten vollständig angeeignet, kam
er zu Livingstone, um ihm das zu berichten, was er selbst so gern
gehört hatte. Der Reisende hörte die Erzählung geduldig an, die
durch Musa’s Bericht nichts von ihrer furchtbaren Bedeutung verlor,
und fragte den letzteren darauf, ob er sie glaube. „Ja“, sagte Musa
rasch in gebrochenem Englisch, „er hat mir die Wahrheit gesagt; ich
habe ihn gut ausgefragt und er sagte mir die Wahrheit.“ Livingstone
erwiderte jedoch, er glaube das nicht, denn die Mazitu würden
sich nicht damit begnügt haben, den Mann blos zu prügeln, sondern
hätten ihn bestimmt ermordet; doch schlug er vor, sie beide möchten
sich, um die Befürchtungen seines muselmännischen Untergebenen zu
beschwichtigen, an den Häuptling, bei dem sie sich aufhielten, wenden,
der als ein verständiger Mann im Stande sein werde, ihnen über die
Wahrscheinlichkeit dieser Erzählung Auskunft zu geben. Sie gingen also
zusammen zum Babisa-Häuptling, der, als er die Geschichte des Arabers
hörte, denselben ohne Zaudern für einen Lügner und seine Geschichte
für vollständig unbegründet erklärte, was er daraus schloss, dass er
sicherlich zeitig von der Anwesenheit der Mazitu gehört hätte, falls
sie vor kurzem in der Gegend gewesen wären.

Musa jedoch brach in die Worte aus: „Nein, nein, Doctor, nein, nein,
nein! Ich wünsche nicht, zu den Mazitu zu gehen. Ich wünsche nicht, von
den Mazitu getödtet zu werden, sondern will Vater, Mutter und Kind in
Johanna wiedersehen. Ich wünsche mir keine Mazitu!“ Das waren Musa’s
eigene Worte.

Livingstone erwiderte hierauf: „Auch ich wünsche nicht von den Mazitu
getödtet zu werden, da Ihr sie aber fürchtet, so verspreche ich Euch,
direct nach Westen zu gehen, bis wir weit aus dem Bereich der Mazitu
heraus sind.“

Musa war jedoch dadurch nicht befriedigt, sondern seufzte und härmte
sich weiter und meinte: „Wenn wir zweihundert Gewehre bei uns hätten,
so würde ich gehen; unsere kleine Expedition wird aber über Nacht
überfallen und getödtet werden.“

Livingstone wiederholte hierauf sein Versprechen, dass er nicht in ihre
Nähe, sondern nach Westen ziehen werde.

Sobald er sich aber nach Westen wandte, liefen Musa und die Johannesen
insgesammt fort.

Als der Doctor sich über Musa’s Betragen ausliess, sagte er, er habe
sich sehr stark versucht gefühlt, Musa und einen andern Rädelsführer
zu erschiessen, sei aber trotzdem froh darüber, seine Hände nicht mit
dem Blute dieser Spitzbuben besudelt zu haben. Ein paar Tage später kam
noch ein anderer von Livingstone’s Leuten, namens Simeon Price, mit
derselben Erzählung über die Mazitu zu ihm; da dieser aber durch die
kleine Zahl seiner Leute gezwungen war, alle derartige Neigungen zur
Desertion und Schwachmüthigkeit zu unterdrücken, so brachte er jenen
sofort zum Schweigen und verbot ihm auf das strengste, noch einmal den
Namen der Mazitu auszusprechen.

Hätten ihm die Eingeborenen nicht beigestanden, so hätte er daran
verzweifeln müssen, je in das wilde, unerforschte Innere, das er jetzt
zu betreten im Begriff stand, zu gelangen. „Zum Glück“, sagte er mit
Salbung, „befand ich mich jetzt, nachdem ich die Ufer des Nyassa
verlassen, in einem Lande, in welches noch nie ein Sklavenhändler den
Fuss gesetzt. Es war ein neues, jungfräuliches Land und infolge dessen
sind, wie ich es stets gefunden habe, die Eingeborenen gut und gastfrei
und sie trugen mir mein Gepäck gegen eine sehr geringe Gabe an Zeug von
Dorf zu Dorf.“ Noch in vielen andern Beziehungen wurde der Reisende in
seiner Noth von diesen noch unverdorbenen, unschuldigen Eingeborenen
freundlich behandelt.

Als Livingstone diese gastfreie Gegend im Anfange des December
1866 verliess, kam er in ein Land, wo die Mazitu ihre gewohnten
Räubereien ausgeführt hatten. Dasselbe war von allen Vorräthen und
Vieh vollständig ausgeplündert worden und das Volk in andere Gegenden,
die ausserhalb des Bereichs dieser wilden Räuber lagen, ausgewandert.
Wiederum wurde die Reisegesellschaft von quälendem Hunger gepeinigt
und musste zu wilden Früchten, die in einigen Theilen dieses Landes
wachsen, ihre Zuflucht nehmen. Zu Zeiten wurde der Zustand dieser
schwer heimgesuchten Expedition noch durch die herzlose Desertion
einiger Mitglieder verschlimmert, die mehr als einmal mit Livingstone’s
persönlichem Gepäck, seinen zum Wechseln bestimmten Kleidern und seiner
Wäsche fortliefen. Unter grössern und kleinern Unglücksfällen, die ihn
hartnäckig verfolgten, kam er doch sicher durch die Länder der Babisa,
Bobemba, Barungu, Ba-ulunga und Lunda.

Im Lande Lunda lebt der berühmte Cazembe, der den Europäern zuerst
durch den portugiesischen Reisenden Dr. Lacerda bekannt geworden ist.
Cazembe ist ein sehr intelligenter Fürst; ein grosser, stämmiger Mann,
der eine eigenthümliche, aus gedruckten rothen Stoffen bestehende
Kleidung, in der Form eines grossen schottischen Männerunterrocks,
trägt. In diesem Staatsanzuge empfing König Cazembe, von seinen
Häuptlingen und Leibwachen umgeben, den Dr. Livingstone. Ein Häuptling,
der vom König und den Aeltesten abgesandt worden, um alle Einzelheiten
über den Weissen zu erfahren, erhob sich darauf vor der Versammlung
und trug das Resultat seiner Untersuchungen mit lauter Stimme vor.
Er hatte erfahren, der Weisse sei angekommen, um sich die Gewässer,
Flüsse und Seen anzusehen und bezweifelte, obwol er nicht begreifen
konnte, wozu der Weisse dies brauche, durchaus nicht, dass sein Zweck
gut sei. Darauf fragte Cazembe den Doctor, was er vorhabe und wohin er
gehen wolle. Dieser erwiderte ihm, er habe daran gedacht, nach Süden
zu ziehen, da er von Seen und Flüssen gehört, die in jener Richtung
lägen. Hierauf fragte Cazembe: „Wozu wollt Ihr dahin gehen? Das Wasser
befindet sich hier ganz in der Nähe. Wir haben in dieser Umgegend viele
grosse Gewässer.“ Ehe die Versammlung auseinanderging, erliess Cazembe
den Befehl, den Weissen überall ungestört und unbelästigt durch sein
Land ziehen zu lassen. Es sei der erste Engländer, den er gesehen,
meinte er, und er habe ihn gern.

Bald nach dieser Einführung beim König kam die Königin in das grosse
Haus, von einer mit Speeren bewaffneten Leibwache von Amazonen umgeben.
Sie war eine schöne, schlanke, stattliche junge Frau und dachte
offenbar, sie werde auf den bäurischen Weissen einen grossen Eindruck
machen, denn sie hatte sich in höchst königlicher Weise angethan und
war mit einem schweren Speer bewaffnet. Doch brachte ihre Erscheinung,
die so ganz anders war, als Livingstone sich eingebildet, diesen zum
Lachen und vereitelte dadurch die beabsichtigte Wirkung vollständig,
denn das Gelächter des Doctors war so ansteckend, dass die Königin
selbst es zuerst nachmachte und die Amazonen in höfischer Weise ihr
folgten. Hierdurch ausser Fassung gebracht, lief die Königin, von ihren
gehorsamen Dämchen begleitet, in höchst würdeloser und im Vergleich
zu der majestätischen Art, in welcher sie aufgezogen war, ziemlich
unköniglicher Weise zurück. Livingstone wird noch viel über seinen
Empfang an diesem Hofe, sowie den interessanten König und seine Königin
zu erzählen haben. Und wer kann wol so gut wie er selbst die von ihm
persönlich erlebten Scenen beschreiben?

Bald nach seiner Ankunft im Lande Lunda oder Londa, noch ehe er den
Bezirk, über den Cazembe herrscht, betreten hatte, war er über den
Chambezi genannten Fluss gekommen, der ein ganz bedeutender Strom
ist. Die Aehnlichkeit des Namens mit dem grossen, schönen, südlichen
Fluss, der auf immer mit Livingstone’s Namen verbunden sein wird,
führte diesen zu der Zeit irre und er zollte ihm daher nicht die
Aufmerksamkeit, die ihm gebührte, sondern hielt den Chambezi nur für
ein Wasser, aus dem der Zambezi entsteht, und glaubte daher, dass er
keine Beziehung zu den Quellen des ägyptischen Flusses habe, die er
aufsuchte. Sein Fehler bestand darin, dass er sich zu sehr auf die
Genauigkeit der portugiesischen Nachrichten verliess und es hat ihm
viele Monate langwieriger Mühen und Reisen gekostet, denselben wieder
gut zu machen.

Seit dem Anfang des Jahres 1867, wo er im Reiche Cazembe’s ankam,
bis Mitte März 1869, der Zeit seiner Ankunft in Udschidschi, war er
meist damit beschäftigt, die Irrthümer und falschen Darstellungen
portugiesischer Reisender zu berichtigen. Wenn die Portugiesen vom
Flusse Chambezi sprechen, so nennen sie ihn immer „unsern eigenen
Zambezi“, welcher nämlich durch die portugiesischen Besitzungen
in Mozambique fliesst. Sie hatten Livingstone gesagt: „Wenn Sie
vom Nyassa zu Cazembe ziehen, so werden Sie unsern eigenen Zambezi
überschreiten“. Diese bestimmte, wiederholte, nicht nur mündlich
abgegebene, sondern auch in ihren Büchern und Karten verzeichnete
Nachricht wirkte natürlich verwirrend. Als Livingstone nun bemerkte,
dass ihre Beschreibungen mit dem, was er selbst gesehen, nicht
übereinstimmten, brach er -- aus einem ernsten Wunsche, Richtiges zu
geben und in Zweifel darüber, ob er sich nicht selbst geirrt habe --
auf, um noch einmal das Stück Land zu bereisen, durch das er schon
gekommen war. Immer aufs neue durchzog er, wie ein ruheloser Geist,
die verschiedenen Länder, die von mehreren Flüssen des complicirten
Wassersystems bewässert werden, und richtete die nämlichen Fragen
an die verschiedenen Völkerschaften, die er besuchte, bis er damit
aufhören musste, um nicht für verrückt zu gelten.

Doch haben seine Reisen und langwierigen Mühsale in Lunda und den
umliegenden Gebieten folgendes über allen Zweifel festgestellt:
erstens, dass der Chambezi ein ganz anderer Fluss als der Zambezi
der Portugiesen ist; und zweitens, dass der Chambezi, der ungefähr
am elften Grad südlicher Breite entspringt, nichts anderes als der
südlichste Zufluss des grossen Nils ist und dadurch diesem berühmten
Flusse eine Länge von mehr als 2000 Meilen, den Breitengraden nach,
gibt, wodurch er zum zweiten Fluss nach dem Mississippi, dem längsten
Strom der Erde, wird. Der wirkliche Name des Zambezi ist Dombazi.
Als Lacerda und seine portugiesischen Nachfolger bei ihrem Besuch
bei Cazembe den Chambezi überschritten und seinen Namen hörten, war
es natürlich, dass sie ihn als „unsern eigenen Zambezi“ bezeichneten
und ihn, ohne weitere Untersuchung, so darstellten, als ob er in der
Richtung dieses Stromes fliesse.

Während seiner Untersuchungen in dieser Gegend, die so reich an
Entdeckungen waren, kam Livingstone an einen See, der nordöstlich von
Cazembe liegt und von den Eingeborenen Liemba genannt wird, nach dem
gleichnamigen Lande, das im Osten und Süden an denselben grenzt. Als er
diesen See nach Norden verfolgte fand er, dass es der Tanganika oder
vielmehr sein südöstlichstes Ende sei, welches auf seiner Karte dem
Umriss von Italien sehr ähnlich sieht. Der Breitengrad des südlichen
Endes dieses grossen Wasserkörpers ist ungefähr 8° 42′ südlicher
Breite, wodurch er eine Länge von 360 engl. geographischen Meilen
von Norden nach Süden erhält. Vom südlichen Ende des Tanganika zog
Livingstone nach Marungu und bekam den See Moero in Sicht. Als er
diesen See, der ungefähr 60 Meilen lang ist, bis an sein südliches Ende
verfolgte, entdeckte er einen Fluss, der Luapula heisst und aus jener
Himmelsgegend in denselben eintritt. Dem Luapula nach Süden folgend
fand er, dass derselbe aus dem grossen See Bangweolo entspringt, der in
seinem Flächenumfang beinahe ebenso gross wie der Tanganika ist. Als er
die Gewässer untersuchte, welche sich in diesen See ergiessen, stellte
sich heraus, dass der Chambezi der bei weitem bedeutendste unter
diesen Zuflüssen sei, sodass er den Chambezi von seiner Quelle bis zum
See Bangweolo und den Ausfluss aus dessen nördlichem Ende, unter dem
Namen Luapula, verfolgt und gefunden hat, dass er in den See Moero
fliesst. Wiederum kehrte er nach dem Reiche Cazembe’s mit der vollen
Ueberzeugung zurück, dass der durch drei Breitengrade nach Norden sich
verlaufende Fluss nicht derselbe sein könne, wie der unter dem Namen
Zambezi nach Süden fliessende, obgleich ihre Namen sehr ähnlich lauten.

In Cazembe’s Wohnsitz fand er ein altes, weissbärtiges, der
Mischlingsrasse angehöriges Individuum, namens Mahommed bin Sali, der
vom Könige, wegen gewisser verdächtiger Umstände bei seiner Ankunft und
seinem Aufenthalte im Lande, als eine Art Staatsgefangener behandelt
wurde. Durch Livingstone’s Einfluss wurde Mahommed bin Sali befreit.
Auf seinem Wege nach Udschidschi hatte er Ursache es sehr zu bereuen,
dass er sich für dieses Halbblutindividuum ins Mittel gelegt hatte.
Er erwies sich nämlich als ein elender, undankbarer Wicht, der die
wenigen Begleiter von Livingstone zu verführen suchte und sich bei
ihnen dadurch beliebt machte, dass er ihnen die Gunstbezeugungen
seiner Concubinen verkaufte, wodurch er sie gewissermassen zu knechten
verstand. Hier wurde der Doctor von allen, mit Ausnahme zweier,
verlassen; denn selbst der treue Susi und Dschumah verliessen ihn, um
in Mahommed bin Sali’s Dienste zu treten. Diese aber trennten sich bald
wieder und kehrten zu ihrem alten Herrn zurück. Von dem Tage an, wo er
den gemeinen alten Kerl in seiner Gesellschaft hatte, verfolgte ihn
schweres Misgeschick bis zu seiner Ankunft in Udschidschi im März 1869.

Nun blieb er bis Ende Juni 1869 in Udschidschi, von wo er die Briefe
schrieb, welche, obwol die Laienwelt es bezweifelte, dass er am Leben
sei, doch der Königl. Geographischen Gesellschaft und seinen intimen
Freunden die Ueberzeugung davon beibrachten, sodass diese Musa’s
Bericht für die zwar scharfsinnige, aber lügenhafte Erfindung eines
feigen Deserteurs hielten. Während dieser Zeit fasste er den Gedanken,
um den Tanganika zu segeln; die Araber und Eingeborenen gingen aber so
darauf aus, ihn zu betrügen, dass, falls er dies wirklich unternommen
hätte, der Rest seiner Waaren ihn nicht in den Stand gesetzt haben
würde, das mittlere Wassersystem zu erforschen, dessen Anfangspunkt
er weit im Süden vom Wohnsitze Cazembe’s, ungefähr am elften Grad
südlicher Breite, im Chambezi-Flusse gefunden hat.

In den Tagen, wo Kapitän Burton nach seinem Marsche von der Küste bei
Zanzibar ermüdet in Udschidschi ausruhte, war das Land, in welches
Livingstone bei seiner Abreise von Udschidschi seine Schritte lenkte,
den Arabern nur durch ungenaue Berichte bekannt. Burton und Speke
haben, wie es scheint, nie davon reden hören. Speke, der Geograph
von Burton’s Expedition, hat zwar von einem Ort, der Urua hiess,
gehört, dem er auf seiner Karte nach der allgemeinen, von den Arabern
angegebenen Richtung eine Stelle gab; doch hatten die unternehmendsten
Araber auf ihren Handelsreisen nach Elfenbein nur die Grenze von Rua
berührt, wie die Eingeborenen und Livingstone es nennen; denn Rua ist
ein ungeheures Land, das sechs Breitengrade lang ist und sich in einer
bisher noch unbekannten Breite von Osten nach Westen erstreckt.

Ende Juni 1869 verliess Livingstone Udschidschi und begab sich über den
See nach dem auf dem westlichen Ufer gelegenen Uguhha, um seine letzte
und grösste Reihe von Erforschungen vorzunehmen. Das Resultat derselben
bestand in einer abermaligen Entdeckung eines Sees von erheblicher
Grösse, der mit dem Moero durch den grossen, Lualaba genannten Fluss
in Verbindung steht und eine Fortsetzung der Kette von Seen bildet, die
er vorher entdeckt hatte.

Vom Hafen von Uguhha ging er mit einer Gesellschaft von Händlern
in fast direct westlicher Richtung nach dem Lande Urua ab. Ein
funfzehntägiger Marsch brachte ihn nach Bambarre, dem ersten wichtigen
Elfenbeindepot in Manyema, oder wie die Eingeborenen es aussprechen:
Manyuema. Fast sechs Monate lang wurde er in Bambarre aufgehalten durch
Geschwüre an den Füssen, aus denen Blutwasser floss, sobald er sie auf
den Boden setzte. Als er sich erholt hatte reiste er in nördlicher
Richtung ab und kam nach mehreren Tagen an einen breiten, seeartigen
Fluss, welcher Lualaba heisst und nach Norden und Westen, an einigen
Stellen nach Süden, in sehr verwirrender Weise dahinfliesst. Der
Fluss war 1–3 engl. Meilen breit. Durch grosse Hartnäckigkeit gelang
es Livingstone, dessen labyrinthischen Lauf zu verfolgen, bis er
entdeckte, dass der Lualaba sich in den schmalen, langen See Kamolondo,
ungefähr 6° 30′ südlicher Breite, ergiesst. Als er diesen nach Süden
zu weiter verfolgte, kam er an den Punkt, wo er den Luapula in den See
Moero eintreten sah.

Wenn man Livingstone’s Beschreibungen der Schönheiten der Landschaft am
Moero anhört, so wird man ganz begeistert. Von allen Seiten von hohen
Bergen eingepfercht, welche bis an den Rand von reicher tropischer
Vegetation bekleidet sind, entlässt der Moero sein überflüssiges
Wasser durch einen tiefen Spalt im Busen der Gebirge. Der ungestüme,
grossartige Fluss donnert durch den Spalt wie ein Wasserfall, dehnt
sich aber, nachdem er dieses enge und tiefe Bett verlassen hat, in
den ruhigen, breiten, sich über Meilen erstreckenden Lualaba aus.
Nachdem er grosse Biegungen nach Westen und Südwesten gemacht hat
und sich darauf nach Norden wendet, tritt er in den Kamolondo. Von
den Eingeborenen wird er Lualaba genannt, Livingstone aber hat, um
ihn von andern Flüssen desselben Namens zu unterscheiden, ihm den
Namen „Webb’s Fluss“ gegeben, nach Herrn Webb, dem reichen Besitzer
von Newstead Abbey, den der Doctor als einen seiner ältesten und
treuesten Freunde verehrt. Südwestlich vom Kamolondo befindet sich
ein anderer grosser See, welcher sein Wasser durch den bedeutenden
Fluss Loeki oder Lomami in den grossen Lualaba ergiesst. Diesem See,
der den Eingeborenen als Tschebungo bekannt ist, hat Livingstone den
Namen „Lincoln“ gegeben, damit er später in Büchern und Karten als
Lincoln-See zum Gedächtniss des ermordeten Präsidenten Abraham Lincoln
bezeichnet werde. Livingstone that dies in Erinnerung an den lebhaften
Eindruck, den es auf ihn machte, als er einen Theil von Lincoln’s
Eröffnungsrede von einer englischen Kanzel hatte verlesen hören, worin
die Ursachen dargelegt waren, die Lincoln dazu bewogen hatten, seine
Emancipations-Proclamation zu erlassen, durch welche denkwürdige That
vier Millionen Sklaven auf immer befreit wurden. Zum Gedächtniss
dieses Mannes, dessen Wirken zu Gunsten der Negerrasse das Lob aller
guten Menschen verdient, hat Livingstone ein Monument errichtet, das
dauerhafter als Erz oder Stein ist.

In Webb’s Fluss tritt von Südsüdwest, etwas nördlich vom Kamolondo, ein
grosser, Lufira genannter Fluss ein; doch sind die Bäche, welche sich
aus der Wasserscheide in den Lualaba ergiessen, so zahlreich, dass des
Doctors Karte sie nicht alle aufnehmen konnte und er sie, mit Ausnahme
der bedeutendsten, ausgelassen hat. Indem er seinen Weg nach Norden
fortsetzte und den Lualaba durch seine mannichfaltigen Curven bis zum
vierten Grad südlicher Breite verfolgte, kam er an einen Ort, wo er von
einem andern See im Norden hörte, in welchen jener fliesst. Hier kommen
wir aber zu einem vollständigen Stillstand und können nur sagen: „Dies
war der weitliegendste Punkt, von wo Livingstone gezwungen war, auf dem
mühseligen 700 Meilen langen Weg nach Udschidschi zurückzukehren.“

Aus dieser kurzen Skizze von Dr. Livingstone’s wunderbaren Reisen
wird hoffentlich selbst der oberflächlichste Leser sowol als der
eigentliche Geograph dieses grosse System von Seen begreifen, die
durch Webb’s Fluss miteinander verbunden werden, und erkennen, was
Dr. Livingstone während dieser langen Jahre geleistet und wie sehr
er unsere geographischen Kenntnisse von Afrika erweitert hat. Dass
dieser unter verschiedenen Namen bekannte Fluss, der von einem See in
einen andern nach Norden fliesst, trotz aller seiner Krümmungen und
Windungen der Nil ist, darüber hegt Livingstone keinen Zweifel. Eine
lange Zeit hindurch war er wirklich ganz unsicher darüber, wegen der
grossen Biegungen und nach Westen, ja sogar nach Südwesten gerichteten
Krümmungen; nachdem er ihn aber von seinem Ursprung, dem Chambezi,
sieben Breitengrade hindurch, d. h. vom elften Grad bis zum vierten
Grad südlicher Breite verfolgt hat, ist er zu dem Schluss gezwungen,
dass es kein anderer als der Nil sein kann. Er hat ihn zuerst für
den Congo gehalten, als Quellen des Congo aber den Kassai und Kwango
erkannt, zwei Flüsse, welche auf der westlichen Seite der Wasserscheide
des Nils, ungefähr in der Breite des Bangweolo, entspringen; auch hat
er von einem andern Flusse, der Lubilasch heisst, gehört, welcher im
Norden seinen Ursprung nimmt und nach Westen läuft. Der Lualaba kann
dagegen nach Livingstone’s Ansicht, schon wegen seiner Grösse und Masse
sowie seines beständigen, anhaltenden Laufes nach Norden durch ein
breites, ausgedehntes Thal, das von hohen Bergen im Westen und Osten
begrenzt wird, nicht der Congo sein. Die Höhe des nördlichsten Punktes,
bis zu welchem er diesen wunderbaren Fluss verfolgt hat, betrug etwas
mehr als 2000 Fuss; sodass, obgleich Baker behauptet, sein See sei
2700 Fuss über dem Meere, doch der Bahr Ghazal, durch welchen der
Petherick’sche Arm des Weissen Nils sich in den Nil ergiesst, nur 2000
Fuss hoch liegt. In diesem Falle liegt die Möglichkeit vor, dass der
Lualaba nichts anderes als der Petherick’sche Arm sein mag.[5]

Bekanntlich sind Elfenbein-Handelsstationen ungefähr 500 Meilen den
Petherick’schen Arm hinauf gegründet. Diese Thatsache muss man im
Gedächtniss behalten, wenn man hört, dass Gondokoro, auf dem vierten
Grad nördlicher Breite, 2000 Fuss über dem Meere liegt und die Höhe
auf dem vierten Grad südlicher Breite, wo halt gemacht wurde, nur
etwas mehr als 2000 Fuss über dem Meeresspiegel liegt. Dass die beiden
Flüsse, die sich 2000 Fuss über dem Meere befinden sollen und durch
8 Grad Breite voneinander getrennt sind, ein und derselbe Fluss sei,
kann manchen Leuten als eine auffallende Behauptung erscheinen. Doch
muss man mit blossen Ausdrücken der Verwunderung zurückhalten und in
Betracht ziehen, dass dieser mächtige und breite Lualaba ein Seefluss
von grösserer Breite als der Mississippi ist, dass sein Wasser zu
Zeiten ausgedehnte Seen bildet, sich dann wieder in einen breiten Strom
zusammenzieht und abermals einen See bildet u. s. w. bis zum vierten
Breitengrade; und selbst jenseits dieses Punktes hat Livingstone von
einem grossen nach Norden zu liegenden See gehört.

Wir müssen daher warten, bis die Höhe der beiden Flüsse, des Lualaba
nämlich, wo Livingstone halt gemacht, und des südlichen Punktes auf dem
Bahr Ghazal, wo Petherick gewesen ist, genau bekannt sind.

Nimmt man, um der Discussion willen, an, dass dieser namenlose
See sechs Breitengrade einnimmt, da es derselbe sein kann, den
der italienische Reisende Piaggia entdeckt hat, aus welchem der
Petherick’sche Arm des Weissen Nils durch Binsenmoor in den Bahr Ghazal
heraus und von dort, südlich von Gondokoro, in den Weissen Nil tritt,
so könnte man die Flüsse für einen und denselben halten; denn wenn sich
der See über soviel Breitengrade erstreckt, so wird die Schwierigkeit
gehoben, dass man eine Verschiedenheit der Höhe zwischen zwei, 8 Grad
auseinanderliegenden Punkten eines Flusses nothwendig annehmen muss.

Auch können Livingstone’s Beobachtungs- und Höhenmessungs-Instrumente
falsch gewesen sein, und dies ist sehr wahrscheinlich, da sie fast
sechs Jahre lang auf Reisen übel behandelt worden sind. Denn es gibt
trotz der offenbaren Schwierigkeit, welche die Höhenlage zwischen
beiden Punkten bereitet, noch einen andern triftigen Grund, um Webb’s
Fluss oder den Lualaba für den Nil zu halten. Die Wasserscheide des
Flusses nämlich, von der Livingstone 600 Meilen bereist hat, zieht
sich durch ein Thal, das sich zwischen hohen östlichen und westlichen
Gebirgszügen von Süden nach Norden erstreckt.

Dieses Thal oder Wassersystem nimmt nicht den Kassai oder Kwango
auf, sondern Flüsse, die aus einer grossen Entfernung von Westen
herfliessen, z. B. die bedeutenden Zuflüsse Lufira und Lomami, und
grosse Flüsse aus dem Osten, wie den Lindi und Luamo; und während die
intelligentesten portugiesischen Reisenden und Händler behaupten, dass
der Kassai, Kwango und Lubilasch die Quellen des Congo sind, so hat
noch niemand die Vermuthung aufgestellt, dass der grosse nach Norden
fliessende Fluss, der den Eingeborenen als Lualaba bekannt ist, der
Congo sei.

Dieser Fluss könnte aber doch der Congo oder vielleicht der Niger sein.
Wenn der Lualaba nur 2000 Fuss und der Albert-Nyanza 2700 Fuss über
dem Meere liegt, so kann der Lualaba nicht in diesen See fliessen.
Und wenn der Bahr Ghazal sich nicht durch einen Arm acht Grad weit
über Gondokoro hinzieht, dann kann der Lualaba nicht der Nil sein.
Es ist aber voreilig, über diesen Gegenstand doctrinäre Ansichten
auszusprechen. Denn Livingstone wird diesen Punkt selbst aufklären; und
wenn er findet, dass es der Congo ist, so wird er der erste sein, der
seinen Irrthum eingesteht.

Livingstone gibt zu, dass die Quellen des Nils noch nicht entdeckt
sind, obgleich er den Lualaba durch sieben Breitengrade in seiner
Richtung nach Norden verfolgte, und obschon er keinen Zweifel hat,
dass dies der Nil ist, so kann man doch noch nicht behaupten, dass die
Nilfrage ihre endgültige Lösung gefunden hat und zwar aus folgenden
Gründen:

Erstens hat er vom Vorhandensein von vier Quellen gehört, von denen
zwei einem Fluss, der nach Norden fliesst, nämlich dem Webb’s Fluss
oder Lualaba, und zwei einem andern, der nach Süden fliesst, nämlich
dem Zambezi, als Ursprung dienen. Zu wiederholten malen hat er die
Eingeborenen von diesen Quellen reden hören. Mehrmals ist er nur
100–200 Meilen von ihnen entfernt gewesen; doch immer kam etwas
dazwischen, das ihn verhinderte sie selbst zu sehen. Nach dem Berichte
derer, die sie gesehen haben, entstehen sie auf je einer Seite eines
ebenen Walles, der keine Steine enthält. Einige haben ihn als einen
Ameisenhügel bezeichnet. Eine dieser Quellen soll so gross sein,
dass ein Mann, der auf der einen Seite steht, den gegenüberstehenden
nicht sehen kann. Diese Quellen müssen entdeckt und ihre Lage genau
bestimmt werden. Der Doctor nimmt an, dass sie nicht südlich von den
Zuflüssen des Sees Bangweolo liegen. In seinem Briefe an den „Herald“
sagt er: „Diese vier ansehnlichen, wasserreichen Quellen, die so nahe
beieinander entstehen und vier grossen Flüssen ihren Ursprung geben,
entsprechen gewissermassen der Beschreibung Herodot’s, des Vaters aller
Reisenden, die der Schreiber der Minerva in der Stadt Saïs in Aegypten
von den unergründlichen Quellen des Nils gegeben hat.“

Für solche Leser, die das Original nicht zur Hand haben, füge ich hier
die Uebersetzung[6] der Stelle aus Herodot bei:

  Ueber die Quellen des Nils aber wollte keiner von denen, mit welchen
  ich darüber mich besprach, weder von den Aegyptiern, noch von den
  Libyern, noch von den Hellenen etwas sicheres wissen, ausser in
  Aegypten in der Stadt Saïs der Schreiber des heiligen Schatzes der
  Athene; dieser schien mir jedoch zu scherzen, wenn er behauptete, es
  genau zu wissen. Er sprach sich nämlich in folgender Weise darüber
  aus: es wären zwei Berge mit spitzauslaufenden Gipfeln, zwischen der
  Stadt Syene in der Thebais und zwischen Elephantine gelegen; der eine
  derselben hätte den Namen Krophi, der andere den Namen Mophi; mitten
  aus diesen Bergen strömten die Quellen des Nils in unergründlicher
  Tiefe; die eine Hälfte des Wassers fliesse in der Richtung nach
  Aegypten und gegen Norden zu, die andere aber nach Aethiopien hin
  und südwärts. Dass aber die Quellen unergründlich seien, das habe,
  so versicherte er, Psammetich, der König von Aegypten, zu versuchen
  unternommen; er habe nämlich ein Tau von vielen tausend Klaftern
  Länge flechten lassen und dasselbe dort hinabgelassen, ohne auf den
  Grund zu kommen. Ist dies nun wirklich der Fall gewesen, wie der
  Schreiber es erzählte, so liefert er nach meinem Ermessen damit den
  Beweis, dass dort gewaltige Wirbel und Gegenströmung sich befinden;
  weil nun das Wasser stets an den Bergen sich stösst, so konnte wol
  das hinabgeworfene Senkblei nicht auf den Grund kommen.

  Von keinem andern konnte ich irgendetwas darüber erfahren, sondern
  nur soviel habe ich, soweit meine Forschung reichte, in Erfahrung
  gebracht, indem ich bis zur Stadt Elephantine selber als Augenzeuge
  gekommen bin, von da an aber nur vom Hörensagen berichten kann. Geht
  man von der Stadt Elephantine weiter aufwärts, so ist die Gegend
  steil; daher muss man hier an das Fahrzeug von beiden Seiten ein
  Tau anbinden, wie an einen Ochsen, und so die Reise machen; reisst
  es aber, so schiesst das Fahrzeug, von der Gewalt der Strömung
  getrieben, hinab; diese Gegend nimmt eine Fahrt von vier Tagen ein;
  der Nil hat hier viele Krümmungen, wie der Mäander; zwölf Schönen
  sind es, welche man auf diese Weise durchschiffen muss. Dann kommt
  man in eine ganz flache Gegend, in welcher der Nil um eine Insel
  herumfliesst, welche den Namen Tachompso führt; es bewohnen aber
  das Land von Elephantine aufwärts schon Aethiopier, sowie auch die
  Hälfte der Insel, die andere Hälfte bewohnen Aegyptier. An die Insel
  stösst ein grosser See, um welchen herum wandernde Aethiopier wohnen;
  hat man diesen See durchschifft, so kommt man in das Strombett des
  Nils, welcher in diesen See sich ergiesst; dann steigt man aus und
  nimmt den Weg längs des Flusses während vierzig Tagen; denn es ragen
  spitzige Felsen in dem Nil hervor und sind dort viele Klippen, durch
  welche die Schifffahrt unmöglich ist. Hat man nun dieses Land in den
  vierzig Tagen durchzogen, so besteigt man wieder ein anderes Fahrzeug
  und fährt auf demselben zwölf Tage lang; man gelangt sodann in eine
  grosse Stadt, welche den Namen Meroe führt. Diese Stadt wird für die
  Mutterstadt der übrigen Aethiopier ausgegeben; die darin Wohnenden
  verehren allein unter den Göttern den Zeus und Dionysos, und diese
  halten sie in grossen Ehren. Auch haben sie dort ein Orakel des
  Zeus: sie ziehen ins Feld, wenn der Gott durch einen Spruch es ihnen
  gebietet, und zwar dahin, wohin er gebietet.

  Von dieser Stadt gelangt man zu den Automolen in der gleichen
  Zeit der Fahrt, in der man von Elephantine zu der Mutterstadt der
  Aethiopier gekommen ist. Diese Automolen (Ueberläufer) führen den
  Namen Asmah; es bedeutet aber dieses Wort nach der Sprache der
  Hellenen soviel als: die zur linken Hand dem Könige stehen. Es waren
  diese 24 Myriaden Aegyptier von der Kriegerkaste abgefallen zu den
  Aethiopiern aus folgender Ursache. Zur Zeit des Königs Psammetichus
  bestanden Wachen in der Stadt Elephantine nach der Seite Aethiopiens
  zu, und eine andere Wache in dem Pelusischen Daphnä nach der Seite
  Arabiens und Syriens und eine zu Marea nach Libyen zu. Noch zu
  meiner Zeit stehen an denselben Orten der Perser Wachen, wie sie
  zu Psammetichus’ Zeit standen; denn zu Elephantine wie zu Daphnä
  halten Perser Wache. Diese ägyptischen Krieger nun hielten drei
  Jahre lang Wache, ohne dass jemand sie ablöste; da beriethen sie
  sich miteinander, fassten dann den gemeinsamen Entschluss, von
  Psammetichus allesammt abzufallen, und zogen nach Aethiopien. Als
  Psammetich dies vernahm, verfolgte er sie, und als er sie eingeholt,
  bat er sie mit vielen Worten und forderte sie auf, doch nicht die
  vaterländischen Götter, sowie Weiber und Kinder im Stiche zu lassen.
  Da soll einer von ihnen auf seine Scham gezeigt und ausgerufen haben,
  wo nur diese sei, da würden sie schon Weiber und Kinder bekommen. Als
  sie nun nach Aethiopien gekommen waren, übergaben sie sich dem König
  der Aethiopier, der sie auf folgende Weise belohnte: er war gerade
  damals in Streit mit etlichen von den Aethiopiern gerathen, und nun
  forderte er sie auf, diese wegzujagen und ihr Land zu bewohnen.
  Nachdem sie auf diese Weise unter die Aethiopier eingebürgert worden
  waren, sind diese milder geworden, indem sie ägyptische Sitten
  angenommen.

  Bis zu einer Reise von vier Monaten zu Wasser und Land kennt man
  demnach den Nil, abgesehen von seinem Lauf in Aegypten. Denn so viele
  Monate kommen heraus, wenn man zusammenrechnet, was verwendet wird
  auf die Reise von Elephantine bis zu diesen Automolen. Es fliesst
  aber der Nil von Abend und Sonnenuntergang her. Wie es von da an
  weiter geht, kann niemand mit Gewissheit angeben, denn es ist dieses
  Land eine Wüste infolge der Hitze.

  Folgendes jedoch hörte ich von Männern aus Cyrene, welche vorgaben,
  zu dem Orakel des Ammon gekommen zu sein und ein Gespräch mit
  Etearchus, dem König der Ammonier, gehabt zu haben; da wären sie denn
  nach manchen andern Gesprächen auch über den Nil zu reden gekommen,
  wie niemand dessen Quellen kenne; und hätte Etearchus versichert, es
  seien einstens zu ihm Männer von dem Stamme der Nasamonen gekommen,
  welches ein Libysches Volk ist, das an der Syrte und dem ostwärts von
  der Syrte gelegenen Lande in keiner grossen Entfernung wohnt; diese
  Nasamonen seien zu ihm gekommen und hätten auf die Frage, ob sie
  etwas näheres von den Wüsten Libyens wüssten, erzählt, es hätten bei
  ihnen angesehene Männer recht ausgelassene Söhne gehabt, welche, als
  sie Männer geworden waren, auf manche unnütze Dinge verfielen, und so
  hätten sie denn auch fünf von ihnen durch das Loos erwählt, welche
  die Wüsten Libyens besichtigen und zusehen sollten, ob sie nicht
  etwas mehr zu sehen bekämen als die, welche die entlegensten Gegenden
  je besehen hätten. An dem Theil von Libyen nämlich, der am nördlichen
  Meer liegt, von Aegypten angefangen bis zum Vorgebirge Soloeis, wo
  Libyen endet, an dieser ganzen Küstenstrecke wohnen Libyer, und
  zwar viele Völker der Libyer, ausser dem, was Hellenen und Phöniker
  innehaben. Aber über dem Meer und der am Meere sich hinziehenden
  Bevölkerung, oberhalb derselben, ist Libyen voll von wilden Thieren,
  und oberhalb dieses Landstriches der wilden Thiere ist nur Sand und
  eine völlig wasserlose, an allem bare Wüste. Die Jünglinge nun, so
  erzählten sie, ausgesendet von ihren Kameraden und wohl versehen
  mit Wasser und Lebensmitteln, zogen zuerst durch das bewohnte Land
  und kamen, als sie dasselbe durchschritten, in das Land der wilden
  Thiere; aus diesem zogen sie dann durch die Wüste, indem sie ihren
  Weg in westlicher Richtung nahmen. Und als sie viel sandiges Land
  durchzogen hatten und in vielen Tagen erblickten sie mit einem mal
  wieder Bäume, welche in einer Ebene wuchsen; da traten sie herzu und
  pflückten von der auf den Bäumen befindlichen Frucht; als sie aber
  pflückten, kamen kleine Männer herbei, nicht einmal von mittlerer
  Grösse, packten sie und schleppten sie weg; es verstanden aber weder
  die Nasamonen deren Sprache, noch die, welche sie wegschleppten, die
  der Nasamonen. Sie führten sie dann durch grosse Sümpfe, und als sie
  durch dieselben waren, gelangten sie in eine Stadt, deren Bewohner
  alle an Grösse den frühern gleich waren und schwarz von Farbe; längs
  der Stadt floss ein grosser Strom von Abend nach Sonnenaufgang zu und
  waren Krokodile in demselben zu sehen.

  Insoweit also wäre die Erzählung des Ammoniers Etearchus von
  mir angegeben; nun fügte er noch hinzu, es wären die Nasamonen
  zurückgekehrt, wie die Cyrenäer behaupten, und diejenigen, zu welchen
  sie gekommen, wären lauter Zauberer gewesen. In dem Flusse nun,
  welcher (an jener Stadt) vorbeifliesst, glaubte auch Etearchus den
  Nil zu erkennen, und erscheint dies auch ganz vernünftig. Denn der
  Nil kommt aus Libyen und zwar so, dass er dasselbe in der Mitte
  durchschneidet, und ist sein Lauf (wie ich vermuthe, indem ich aus
  dem, was offenkundig ist, auf das, was noch nicht erkannt ist,
  schliesse) in gleicher Richtung mit dem des Ister. Denn der Ister,
  der aus der Kelten Land und von der Stadt Pyrene kommt, nimmt seinen
  Lauf so, dass er Europa in der Mitte spaltet; die Kelten wohnen
  aber ausserhalb der Säulen des Hercules und sind die Nachbarn der
  Kynesier, welche unter allen Bewohnern Europas am äussersten Ende
  nach Sonnenuntergang zu wohnen. Es endet aber der Ister, nachdem er
  ganz Europa durchlaufen, in das Meer des Pontus Euxeinos, da, wo
  milesische Colonisten Istria bewohnen.

  Es wird nun der Ister, weil er durch bewohntes Land fliesst, von
  vielen gekannt; über die Quellen des Nils aber kann niemand etwas
  angeben, denn das Libyen, durch welches er fliesst, ist unbewohnt
  und öde; was ich jedoch über seinen Lauf durch meine Erkundigung
  soweit als nur immer möglich erfahren konnte, ist hier angegeben; er
  kommt nämlich (aus Libyen heraus) nach Aegypten. Aegypten aber liegt
  so ziemlich gegenüber dem steinigen Cilicien; von da aber bis nach
  Sinope, das am Pontus Euxeinos liegt, ist ein gerader Weg von fünf
  Tagen für einen rüstigen Fussgänger. Sinope aber liegt gegenüber der
  Mündung des Ister ins Meer. Sonach glaube ich, dass der Nil durch
  ganz Libyen in gleicher Weise fliesst, wie der Ister (durch Europa).
  Soviel soll nun über den Nil gesagt sein.

Zweitens muss Webb’s Fluss bis an den Ort verfolgt werden, wo er sich
mit irgendeinem Theile des alten Nils verbindet.

Wenn dies beides geleistet worden ist, aber nicht früher, wird das
Geheimniss des Nils aufgeklärt sein. Die beiden Länder, durch welche
der merkwürdige seeartige Fluss Lualaba mit seinen zahlreichen Seen
und weiten Wasserflächen fliesst, sind Rua (das Uruwwa Speke’s) und
Manyuema. Zum ersten male erfährt Europa, dass zwischen dem Tanganika
und den bekannten Quellen des Congo Millionen Neger leben, welche
noch nichts von den weissen Völkern gesehen oder gehört haben, die
ausserhalb Afrikas ein so reges Leben führen. Auf diejenigen unter
ihnen, welche das Glück gehabt haben, das erste Exemplar dieser
merkwürdigen weissen Rasse in der Person von Dr. Livingstone kennen
zu lernen, scheint er einen sehr günstigen Eindruck gemacht zu haben,
obgleich man aus Misverständniss über den Zweck seiner Reise und weil
man ihn mit den Arabern in Verbindung gebracht hat, die dort furchtbar
wüthen, seinem Leben mehr als einmal nachgetrachtet hat. Diese beiden
ausgedehnten Länder Rua und Manyuema werden von wirklichen Heiden
bevölkert und nicht, wie die Reiche Karagweh, Urundi und Uganda,
von despotischen Königen beherrscht, sondern es hat ein jedes Dorf
daselbst seinen eigenen Sultan oder Herrn. Dreissig Meilen ausserhalb
ihres eigenen unmittelbaren Bereiches scheinen die Intelligentesten
dieser kleinen Häuptlinge von nichts mehr zu wissen. Dreissig Meilen
vom Lualaba entfernt gab es nur wenig Leute, die jemals von dem
grossen Fluss etwas gehört hatten. Unwissenheit der Eingeborenen über
ihr eigenes Vaterland vermehrte natürlich die Mühen Livingstone’s.
Mit ihnen verglichen sind alle die Stämme und Völkerschaften, mit
denen Livingstone sonst in Afrika in Berührung kam, als civilisirt
zu betrachten; dennoch sind diese wilden Völker von Manyuema in den
Künsten heimischer Industrie allen andern, die er gesehen, bedeutend
überlegen. Wo andere Stämme und Völkerschaften sich daran genügen
lassen, nachlässig über die Schultern geworfene Thierfelle als
Kleidung zu benutzen, fabricirt das Volk von Manyuema aus feinem Grase
bereitetes Zeug, das sich vortheilhaft mit dem feinsten Grastuch
Indiens vergleichen lässt. Auch verstehen sie die Kunst, dieselben in
verschiedenen Farben, schwarz, gelb und purpurroth, zu färben. Den
Wangwana oder Freigelassenen von Zanzibar fiel die Schönheit dieses
Artikels so auf, dass sie ihre Baumwollenzeuge gern gegen feines
Grastuch umtauschten, und ich habe fast an jedem Schwarzen, der aus
Manyuema kommt, dieses einheimische Tuch in elegant gemachte Damirs
(arabisch, kurze Jacken) umgewandelt gesehen. Diese Länder sind auch
sehr reich an Elfenbein. Das Fieber, nach Manyuema zu gehen, um
bunte Perlen für seine köstlichen Elfenbeinzähne einzutauschen, ist
ebenso gross wie dasjenige, welches die Menschen antrieb, sich in die
Schluchten und Goldgruben von Californien, Colorado, Montana und Idaho
zu begeben, oder nach Australien und in die Cap-Colonie zu ziehen, um
Goldklumpen oder Diamanten zu suchen. Manyuema ist jetzt das Eldorado
der Araber und der Wamrima-Stämme. Es ist nur etwa vier Jahre her,
dass der erste Araber von Manyuema mit einem solchen Reichthum an
Elfenbein und Berichten über die fabelhaften Massen, die sich dort
vorfinden, zurückkehrte, dass seitdem die altgewohnten Wege nach
Karagweh, Uganda, Ufipa und Marungu relativ verlassen worden sind.
Die Einwohner von Manyuema haben in ihrer Unkenntniss des Werthes
dieses kostbaren Artikels ihre Hütten auf Elfenbeinstützen erbaut. In
Manyuema waren Elfenbeinsäulen ein ganz gewöhnlicher Anblick, und wenn
man hiervon hört, kann man sich nicht länger über den Elfenbeinpalast
Salomon’s verwundern. Generationen hindurch haben sie Elfenbeinzähne
als Thürpfosten und Stützen für die Dachtraufen benutzt, bis sie
vollständig verrottet und werthlos geworden waren. Die Ankunft der
Araber hat sie aber bald über den Werth dieses Artikels belehrt, er ist
jetzt bedeutend im Preise gestiegen, obwol er noch fabelhaft billig
ist. In Zanzibar kostet das Frasileh (35 Pfd.) Elfenbein 50–60 Dollars,
je nach seiner Qualität. In Unyanyembé kostet das Pfund ungefähr 1
Dollar 10 Cents; in Manyuema hingegen kann man das Pfund für Kupfer
im Werthe von ½ bis 1¼ Cent kaufen. Die Araber verstehen jedoch die
Kunst, die Märkte durch ihre Habgier und Grausamkeit zu ruiniren. Mit
Musketen bewaffnet ist eine kleine Abtheilung Araber gegen das Volk von
Manyuema unbesiegbar, welches bis vor kurzem noch niemals eine Flinte
hat knallen hören. Das Entladen einer solchen Flinte flösst ihnen einen
tödlichen Schrecken ein und es ist fast unmöglich, sie dazu zu bewegen,
es gegen eine Flinte aufzunehmen. Sie glauben, die Araber hätten den
Blitz gestohlen und dass gegen solche Leute Bogen und Pfeile nur wenig
ausrichten können. Es fehlt ihnen keineswegs an Muth und sie haben
oft erklärt, dass, wenn die Gewehre nicht wären, kein Araber das Land
lebendig verlassen solle. Dies beweist, dass sie sich sehr gern in den
Kampf mit den verhassten Fremdlingen einlassen würden, wenn das Knallen
der Flinten ihnen nicht Schrecken einflösste.

In jedem Lande, das der Araber betritt, bringt er es bald dahin, dass
sein Name und seine Rasse verhasst wird. Die Hauptursache hiervon ist
aber nicht die Naturfarbe oder der Name des Arabers, sondern einfach
der Sklavenhandel. Solange man den Sklavenhandel in Zanzibar bestehen
lässt, wird dies im übrigen unternehmende Volk der Araber den Hass der
Eingeborenen ganz Afrikas auf sich ziehen.

Auf der Hauptreiseroute von Zanzibar ins Innere von Afrika sind
diese grausamen Handlungen aus dem einfachen Grunde unbekannt, weil
die Eingeborenen mit Flinten bewaffnet sind, mit ihnen umzugehen
verstehen und keineswegs zögern, bei günstiger Gelegenheit von
denselben Gebrauch zumachen. Die Araber haben es zu spät eingesehen,
welche Thorheit es war, den Eingeborenen Gewehre zu verkaufen, und
schwören jetzt demjenigen, der in Zukunft das noch thun will, Rache.
Sie haben aber diesen Fehler begangen und es ist sonderbar, dass
sie das Thörichte desselben nicht schon damals eingesehen haben. In
frühern Zeiten konnte der Araber unter dem Schutze seiner mit Flinten
bewaffneten Sklavenescorte durch Useguhha, Urori, Ukonongo, Ufipa,
Karagweh, Unyoro und Uganda mit einem blossen Stock in der Hand reisen;
jetzt jedoch ist das weder für ihn noch für sonst jemand möglich.
Ein jeder Schritt, den er thut, ob bewaffnet oder unbewaffnet, ist
gefahrvoll. Die Waseguhha halten ihn in der Nähe der Küste auf und
verlangen Tribut, wenn er nicht mit ihnen kämpfen will. In Ugogo
ist er täglich denselben drückenden Forderungen oder derselben
Alternative ausgesetzt. Auch die Wanyamwezi zeigen sich bereit, ihn
in der gleichen Weise zu übervortheilen. Der Weg nach Karagweh ist
voll von Beschwerden; da steht ihnen der schreckliche Mirambo im
Wege, der ihre verbündeten Truppen mit Leichtigkeit besiegt und sogar
Ausfälle bis an die Thüren ihrer Häuser in Unyanyembé macht. Glückt
es ihnen aber, an Mirambo vorbeizukommen, so steht Swaruru vor ihnen,
ein Häuptling, welcher den Tribut ballenweise verlangt und gegen
den zu kämpfen vergeblich ist. Diese Bemerkungen beziehen sich auf
den Sklavenhandel, der jetzt von den Arabern in Manyuema eingeführt
wird. Da sie auf dem Wege zwischen Zanzibar und Unyanyembé durch die
bedrohliche Haltung der Eingeborenen, welche die geringste Beleidigung
mit Blut zu rächen bereit sind, belästigt werden, haben die Araber
mit dem Menschenraube zwischen dem Tanganika und dem Meere aufgehört.
In Manyuema dagegen, wo die Eingeborenen furchtsam, unentschlossen
und in kleine Stämme zersplittert sind, treten sie wieder kühn auf
und lassen ihren Neigungen zu jenem schändlichen Handel freien Lauf.
Die Berichte, welche Livingstone aus jenen Gegenden mitbringt, sind
höchst beklagenswerth. Er war z. B. der unfreiwillige Zuschauer bei
einer furchtbaren That -- einer an den Bewohnern eines volkreichen
Bezirks verübten Metzelei, die sich auf dem Marktplatz, an den Ufern
des Lualaba, zutrug, wo sich jene nach uralter Sitte versammelt
hatten. Wie es scheint, lieben die Wamanyuema sehr, auf dem Markte
Handel zu treiben, und halten dies für den höchsten irdischen Genuss.
Sie können gar nicht genug an dem Vergnügen bekommen, mit grossem
Kraftaufwande wegen der unbedeutendsten Summe, der kleinsten Perle zu
feilschen, und wenn sie ihr jeweiliges Ziel erreicht haben, so sind
sie sehr glücklich. Auch die Frauen lieben das Handeln ungemein und
da sie sehr schön sind, so muss der Marktplatz bedeutende Anziehung
auf das männliche Geschlecht ausüben. An einem solchen Markttage
fing nun Tagamoyo, ein arabischer Mischling, mit seiner bewaffneten
Sklavenbegleitung eine allgemeine Metzelei damit an, dass er massenhaft
in die dichte Menschenmenge schiessen liess. Man nimmt an, dass
ungefähr 2000 Menschen anwesend waren und beim ersten Flintenknall
stürzten alle diese armen Leute nach ihren Nachen. In der furchtbaren
Eile der Flucht wurden die Boote von den ersten wenigen Leuten, die
sie glücklich in Besitz nahmen, fortgerudert. Wer nicht so davonkam,
sprang in das tiefe Wasser des Lualaba; hier wurden viele eine Beute
der zahlreichen, auf den Schauplatz stürzenden gefrässigen Krokodile;
der grösste Theil jedoch erlag den Kugeln des unbarmherzigen Tagamoyo
und seiner schurkischen Bande. Livingstone glaubt, wie auch die Araber
selbst, dass hierbei ungefähr 400 Menschen, hauptsächlich Frauen und
Kinder, getödtet und noch viel mehr zu Sklaven gemacht worden sind. Das
ist aber nur einer der vielen Frevel, von denen er unfreiwillig Zeuge
gewesen, und er ist ganz ausser Stande, die Entrüstung zu beschreiben,
welche er gegen die unmenschlichen Verbrecher empfindet. Die Sklaven
von Manyuema werden nämlich wegen ihrer schönen Gestalt und grossen
Gelehrigkeit besser bezahlt als die aus irgendeinem andern Lande. Die
Frauen sind, wie mir Livingstone wiederholt gesagt hat, ganz besonders
hübsch und haben, mit Ausnahme des Haares, nichts mit den Negern der
Westküste gemein. Sie sind von sehr heller Farbe, haben schöne Nasen,
wohlgeformte, nicht zu volle Lippen und nur selten den vorstehenden
Unterkiefer. Diese Weiber werden von den Mischlingen der Ostküste
eifrig zu Frauen gesucht und selbst die echten Omani-Araber verschmähen
es nicht sie zu heirathen. Im Norden von Manyuema kam Livingstone auf
eine helle Rasse, ungefähr von der Farbe der Portugiesen oder unserer
amerikanischen Mischlinge, der Quadronen in Louisiana, die sehr
schön ist und sich besonders durch Scharfsinn und Klugheit im Handel
auszeichnet. Die Weiber derselben tauchen sehr gewandt nach Austern,
die sich in grosser Zahl im Lualaba finden.

Rua ist an einem Orte, der Katanga heisst, reich an Kupfer. Seit
Urzeiten sind die Kupferminen dieses Ortes im Betriebe. In einem
Flussbett hat man Gold gefunden, das in Stücken von der Gestalt von
Stiften oder von der Grösse von Erbsen gefunden wird. Zwei Araber sind
aus Speculation auf dieses Metall hingegangen, da sie aber mit der
Kunst der Goldwäscherei unbekannt sind, so ist es kaum möglich, dass
sie dabei Glück haben werden. An der Verfolgung dieser hochwichtigen
und interessanten Entdeckungen wurde Livingstone, als er sich fast an
der Schwelle des Erfolgs befand, dadurch verhindert, dass seine Leute
sich direct weigerten, ihn weiter zu begleiten. Sie fürchteten sich,
ohne bedeutende Bedeckung weiter zu ziehen, und da man in Manyuema
keine Begleiter bekommen konnte, so kehrte Livingstone sehr wider
seinen Willen nach Udschidschi zurück.

Sein Rückweg war lang und beschwerlich. Die Reise selbst hatte jetzt
kein Interesse für ihn; denn er war denselben Weg nach Westen gezogen
voll grosser Hoffnungen und Bestrebungen, ungeduldig, das Ziel zu
erreichen, das ihm Ruhe von seinen Mühen versprach. Jetzt kehrte
er ohne Erfolg, mit vereitelten Hoffnungen, fast angesichts seines
Zielpunktes wieder um; da war es kein Wunder, dass sein alter, tapferer
Muth, seine starke Constitution der Enttäuschung und Entmuthigung fast
erlag.

Livingstone kam am 16. October in Udschidschi fast sterbend an.
Unterwegs hatte er versucht, da es unmöglich war, gegen die
Hartnäckigkeit seiner Leute anzukämpfen, sich mit dem Gedanken zu
trösten, es werde nicht viel Zeit, höchstens noch fünf bis sechs
Monate, dazu gehören, und darauf käme es nicht an, da es sich doch
nicht vermeiden liesse. In Udschidschi habe er ja seine Waaren und
von dort könne er ja mit neuen Leuten wieder ausziehen. Durch solche
Hoffnungen versuchte er es sich einzureden, dass alles wieder in
Ordnung kommen werde; man kann sich also den Schrecken vorstellen, als
es sich herausstellte, dass der Mann, dem seine Güter in Verwahrung
gegeben waren, sie sämmtlich gegen Elfenbein verkauft hatte.

Am Abend des Tages, als Livingstone nach Udschidschi zurückkehrte, sah
er seine beiden treuen Diener Susi und Dschumah bitterlich weinen. Er
fragte sie, was ihnen fehle, und erfuhr darauf zum ersten male die üble
Botschaft, die seiner wartete. Denn sie sprachen:

„All unser Eigenthum ist verkauft, Herr! Scherif hat alles für
Elfenbein losgeschlagen.“

Später am Abend kam Scherif selbst zu ihm und bot ihm
unverschämterweise die Hand, die Livingstone jedoch mit den Worten
zurückstiess, er könne einem Diebe nicht die Hand reichen. Zu seiner
Entschuldigung führte Scherif an, er habe aus dem Koran gewahrsagt und
daraus erfahren, der Hakim (arabisch für Doctor) sei todt.

Jetzt war Livingstone von allem entblösst und hatte gerade genug, um
sich und seine Leute ungefähr einen Monat zu unterhalten; dann wäre er
genöthigt gewesen die Araber anzubetteln.

Livingstone sprach sich mir gegenüber dahin aus, dass Speke, wenn er
die Höhe des Tanganika zu nur 1800 Fuss über dem Meeresspiegel angibt,
in diesen Fehler durch einen blossen lapsus calami, etwa durch zu
häufiges Schreiben der Jahreszahl unserer Zeitrechnung verfallen sein
müsse; denn die Höhe sei nach seinen Berechnungen 2800 Fuss, wie er sie
durch Bestimmung des Siedepunkts festgestellt, und nach dem Barometer
sogar etwas über 3000 Fuss.

Vielfach beklagte sich Livingstone darüber, dass ihm Sklaven als
Hüter seiner Waaren geschickt worden, nachdem er so häufig die Leute
in Zanzibar gebeten, ihm Freigelassene zu senden. Mit geringer Mühe
hätten die Leute, welche ihm Vorräthe zuzuschicken hatten, sich
gute, treue Freigelassene verschaffen können; wenn sie es aber
dabei bewenden liessen, sich nach Empfang eines Briefes von Dr.
Livingstone wegen der Boten an Ludha Damdschi zu wenden, so ist es
kein Wunder, dass unehrliche, unfähige Sklaven abgesandt wurden. Die
Entdeckung Livingstone’s, dass ein freier Neger hundertmal fähiger
und vertrauenswürdiger als ein Sklave sei, ist nicht neu. Schon vor
Jahrtausenden sprach der Hirt Eumacus zu Ulysses: „Zeus hat gesagt: Der
Tag, der Dich entehrt zum Sklaven, raubt Dir auch den halben Werth.“

Dr. Livingstone behauptet, er habe wiederholt den Dr. Kirk aufs
dringendste ersucht, ihm keine Sklaven zu schicken. Niemand wusste
besser, wie wenig Verlass auf sie sei, und man kann sich vorstellen,
wie hoffnungslos ihm seine Aufgabe erscheinen musste, als er immer
wieder von diesen unfähigen Menschen getäuscht-wurde. Es wird
daher stets den Freunden beider Herren leidthun müssen, dass Dr.
Livingstone’s hierauf gerichtete Bitten nicht mehr berücksichtigt
worden sind.

Es gibt noch einen Punkt, über den ich einige Bemerkungen zu machen
wünsche, das Verfahren nämlich, das die Gelehrten mit Livingstone’s
Depeschen vorgenommen haben. Wenn ein Reisender in Central-Afrika
etwas entdeckt, sei es nun ein See oder Berg, eine Ebene oder ein
Fluss, und Schlüsse in Bezug auf seine Entdeckungen zieht, so
sollten +seine+ Gründe vor allen andern von grösstem Gewicht sein.
Bisweilen hat er deren viele, zu viele wenigstens, um sie in einer
Depesche mitzutheilen, und ist daher genöthigt, aus Mangel an Raum
sie zurückzuhalten, bis er sie selbst in einem Buch veröffentlichen
kann. In einem solchen Falle muss es jedermann einleuchten, dass
stubenhockende Geographen beim Mangel genauer Daten nicht die Depeschen
oder den ursprünglichen Entdecker und Erforscher zu corrigiren
haben, und Ansichten, welche in der Absicht ausgesprochen werden,
um die Thatsachen zu entkräften, sollten von keinem Leser eine
grosse Bedeutung beigemessen werden. Nun hat Livingstone mit der
Geographischen Gesellschaft als Körperschaft nicht correspondirt, wol
aber seinem Freunde Sir Roderick Murchison geschrieben, und dieser
hatte als Präsident der Gesellschaft das Recht, wie Livingstone es
auch erwartete, den Inhalt dieser ziemlich langen Briefe der erhabenen
wissenschaftlichen Körperschaft, deren Haupt er war, vorzulegen. Wie
Livingstone mir selbst gesagt und andern Freunden geschrieben hat, ist
der Grund, warum er es sich versagt hat, Einzelheiten mitzutheilen,
seine Furcht, dass seine Depeschen willkürlichen Verbesserungen,
etwaigen Lieblingstheorien zu Gefallen, ausgesetzt sein könnten,
da viele der Kritiker die Thatsache vergessen, dass er das, was er
erzählt, nur nach anstrengender Forschung kennen gelernt hat.

Es ist wirklich eine beklagenswerthe Thatsache, dass Entdecker die
Wahrheiten, die sie für unzweifelhaft halten, nicht bekannt machen
können ohne dass man annimmt, sie gehörten einer parteiischen Clique
an, welche die Lieblingstheorien gewisser Geographen zu Hause umstürzen
will, oder sie beschuldigt, „wohlbekannte Thatsachen entstellt zu
haben“. Wenn der „gelehrte Herr Cooley“ nach dem Hörensagen eines
Arabers die Umrisse eines grossen Sees zeichnet, welcher ganz
Central-Afrika einnimmt und die verschiedenen Seen Nyassa, Tanganika
und Nyanza in sich schliesst, warum sollte er nicht sofort seinen
Irrthum eingestehen, wenn Livingstone, Burton, Speke, Grant, Wakefield,
New, Roscher, von der Decken und Baker beweisen, dass es mehrere
Seen gibt, die weit auseinanderliegen und verschiedene Namen führen.
Es macht doch nur sehr wenig mehr Mühe, sechs Seen zu zeichnen,
als einen einzigen grossen. Und das Zeugniss einer solchen Menge
Reisender sollte doch gewiss grössere Bedeutung haben, als das eines
Arabers. Trotzdem beschuldigt mich Herr Cooley der Verstocktheit
oder des Misverständnisses, wenn ich behaupte, der See Tanganika
sei ein Wasserkörper für sich, und er ist auch auf Kapitän Burton
böse geworden, seitdem dieser den See entdeckt hat. Bei aller seiner
Gelehrsamkeit in geographischen Dingen fehlt ihm doch der moralische
Muth, einen Irrthum einzugestehen. Herr Cooley ist aber nur der Typus
einer kleinen Anzahl Geographen. Die Cooley’sche Methode ist trotz
grosser Bildung, Erfahrung und Begabung offenbar ansteckend; denn
Herr F. Galton hat mit grosser, aber doch etwas spöttischer Urbanität
meine Vertheidigung des Forschers „eine Sensationsgeschichte“ genannt,
und Dr. Beke hat mit der ganzen Hartnäckigkeit eines Mannes, der ein
Steckenpferd reitet, aufs entschiedenste erklärt, dass Livingstone
die Quellen des Nils nicht entdeckt habe. Diese nachdrückliche
Erklärung einer rasch gebildeten Meinung kann doch nichts als eine
beklagenswerthe Voreingenommenheit seitens des Dr. Beke sein. Keiner
der drei Herren, deren Namen ich hier angeführt habe, verdient
mehr Glauben, als der grosse Forscher, der seine Bemerkungen über
diesen Punkt auf dem 4.° südl. Breite und dem 25.° östl. Länge in
Central-Afrika niedergeschrieben hat.

Dr. Livingstone verabscheut nun diese Cooley’sche Methode, welche
Hartnäckigkeit, Intoleranz und Engherzigkeit bedeutet, und bemerkt,
er werde seine Notizen für sich behalten, und darin hat er nach meiner
unmassgeblichen Ansicht sehr recht. Die Geographische Gesellschaft ist
gegründet worden, um die Kenntniss der wahren Geographie aller Länder
möglichst zu fordern. Wenn die Gesellschaft von dieser Cooley’schen
Methode durchsäuert würde und sich hartnäckig gegen die Offenbarungen
von Forschern sperrte, wie könnte sie jemals den Zweck, für den sie
gegründet ist, erreichen? Würde ein solches Verhalten die Forscher
ermuthigen? Wenn die Mitglieder der Gesellschaft sich von kleinen
Eifersüchteleien, Lieblings Vorstellungen, rohen, unmöglichen Theorien
beherrschen lassen, würden dann wol Leute ausziehen und tausende von
Dollars für die Aufklärung der Welt in Bezug auf das geheimnissvolle
Innere Afrikas ausgeben?

Ich habe keine eigenen Ansichten über irgendetwas, das ich nicht selbst
gesehen, ausgesprochen, da ich nicht danach geize, mehr verunglimpft
zu werden, als es schon geschehen ist. Unglücklicherweise befinde
ich mich im Bann der Ungnade einiger Geographen, weil ich unbewusst
das ausgeführt habe, was, wie sie wünschten, von einem der Ihrigen
geleistet werden sollte.

Ich habe geglaubt -- und in der That theilte die ganze Welt meine
Ueberzeugung --, dass sie um ihren grossen Genossen aufrichtig
besorgt und begierig wären, wie sie sagten, zu wissen, ob David
Livingstone noch am Leben sei. Die Amerikaner theilten diese Sorge und
ein amerikanischer Zeitungsbesitzer unternahm es plötzlich, jemand
nach Central-Afrika auszuschicken, um Livingstone aufzusuchen und
zu unterstützen. Dieser Mensch hatte zufälligerweise Erfolg, kehrte
in die civilisirte Welt zurück und erklärte, dass Livingstone, der
grosse Forscher, noch am Leben sei. Sofort wurde diese Nachricht
mit Hohn aufgenommen! Der Präsident der Königl. Geographischen
Gesellschaft erklärte sie für Unsinn; der Vicepräsident für
eine Sensationsnachricht; die Cooleyiten für Verstocktheit und
Misverständniss, und ein Beke behauptete sogar, die Theorie Dr.
Livingstone’s sei unmöglich. Fast ganz England und ein grosser Theil
von Amerika wurde hierdurch gänzlich verwirrt; allmählich jedoch
kamen Beweise für die grosse Thatsache zum Vorschein, dass Livingstone
nicht nur am Leben sei, sondern auch jeden Buchstaben, der angeblich
von ihm herrühre, ohne irgendwelche Abänderung oder Interpellation von
einer andern Hand selbst geschrieben habe. Dann kamen Angriffe auf den
Charakter des unglücklichen Zeitungscorrespondenten. Ein Individuum
nannte ihn einen „Charlatan und Lügner“; ein anderer meinte, er sei
durchaus nicht, was er zu sein vorgebe; während noch andere meinten,
der vielgeschmähte Journalist habe die Depeschen von einem Boten
gestohlen, und ähnliches gemeines, ungerechtes Zeug.

Man erlaube dem einfachen Zeitungscorrespondenten an alle Geographen,
Redacteure, Kritiker und professionsmässige Verleumder die Frage zu
richten, was wol in aller Welt aus Dr. Livingstone, dem berühmten
Forscher, geworden wäre, wenn sie ihre Debatten, Theorien und
Discussionen, ihre Zänkereien und Speculationen fortgesetzt hätten und
niemand ihm Trost, Gesundheit und Hülfe gebracht hätte?

Dr. Livingstone hat es wol nicht geglaubt, dass sein schlichter Freund
durch solche Angriffe belohnt werden würde und dass man die schwachen
Anstrengungen, denen ich mich, immer nur das eine Ziel im Auge und ohne
an die Möglichkeit von Neidern und Böswilligen zu denken, unterzogen,
so aufnehmen würde. In meiner Unschuld meinte ich, ich brauche blos
meine Geschichte ehrlich und wahr zu erzählen und sie werde sofort
ohne alle Kriteleien und Zweifel aufgenommen werden. Daher ist es wol
natürlich, dass ich mich gekränkt fühle durch Angriffe auf meine Ehre
und Wahrhaftigkeit an Stellen, wo ich sie am wenigsten vermuthet und am
meisten auf einen andern Empfang gehofft hatte.

Dr. Livingstone hatte grosse Zweifel darüber, ob es sich passe, an
die Königl. Geographische Gesellschaft Depeschen zu schicken, ohne
eine Garantie dafür zu haben, dass die Mittheilungen nicht pecuniär
ausgebeutet würden. Zur Privatbelehrung der Mitglieder war er sehr
gern bereit, seine Kenntnisse mitzutheilen; er wünschte aber nicht,
dass seine Entdeckungen einem jeden Mitglied beliebig zur Verfügung
gestellt würden, das Lust hätte, sich auf seine Kosten zu bereichern.
Auch beklagte er sich darüber, dass ein gewisses Mitglied der
Geographischen Gesellschaft gewissenloserweise eine rohe Kartenskizze
benutzt habe, die er der Gesellschaft geschickt hatte, um seinen Weg
zu erläutern. Als Livingstone nun bei seiner Heimkehr den Wunsch
ausgesprochen, es möge eine genaue, nach den vom Observatorium des
Cap der Guten Hoffnung verbesserten und beglaubigten Beobachtungen
berichtigte Karte angefertigt werden, habe dieses Mitglied ihm
entgegnet, er habe fünf bis sechs Monate an der vorliegenden Karte
gearbeitet und könne nicht daran denken, eine neue zu zeichnen, wenn
er nicht etwa 200 £ für seine Mühe bekäme. Ueber derartige Thatsachen
beschwert sich Dr. Livingstone. Vor der Königl. Geographischen
Gesellschaft als Körperschaft hat er die höchste Achtung und denkt
mit Stolz an seine Beziehungen zu derselben. Nur über einige wenige
Mitglieder beklagt er sich, von denen er glaubt, sie hätten seine
Depeschen in ihrer Gelehrsamkeit verunstaltet, wären als doctrinäre
Theoretiker gegen ihn vorgegangen und hätten seine Karten abgeändert,
um ihren eigenen krankhaften Vorstellungen und Phantasien in Cooley’s
Manier Genüge zu leisten. Obgleich es nun nur wenige derartige
Mitglieder gibt, so ist ihr Einfluss doch zu gross, als dass man an
ihnen ohne eine Bemerkung vorübergehen könnte.

       *       *       *       *       *

Wir verlebten mehrere glückliche Tage in Udschidschi und es wurde
nun Zeit, unsere Fahrt auf dem Tanganika vorzubereiten. Livingstone
erholte sich bei der neuen Kost, mit der ihn mein Koch versah, von
Tag zu Tag. Zwar konnte ich ihm keine Mahle bereiten, wie sie Jupiter
und Merkur in der Hütte von Baucis und Philemon erhielten; denn wir
hatten keine Beeren der keuschen Minerva, eingemachte Kirschen,
Endivien, Radieschen, getrocknete Feigen, Datteln, duftige Aepfel und
Weintrauben, aber wir hatten Käse und Butter, die ich selbst bereitete,
frische Eier, Hühner, Hammelbraten, Fische aus dem See, herrliche
saure Milch, Sahne, Palmwein, Eierpflanzen, Gurken, süsse Kartoffeln,
Erbsennüsse und Bohnen, weissen Honig aus Ukaranga, saftige, süsse
Singwe -- eine pflaumenartige Frucht aus den Wäldern von Udschidschi --
und Maiskuchen statt des Weizenbrotes.

Während der Mittagshitze sassen wir unter unserer Veranda und
unterhielten uns über verschiedene Projecte, und am frühen Morgen und
Abend suchten wir die Ufer des Sees auf und spazierten daselbst, um die
kühlen Lüfte einzuathmen, welche die Oberfläche des Wassers in Bewegung
setzten und die unruhige Brandung weit auf den glatten, weissen Sand
hinaufrollten.

Es war die trockene Jahreszeit und wir hatten herrliches Wetter; die
Temperatur betrug nie mehr als 21° R. im Schatten.

Der Marktplatz, der die breite, silberne Wasserfläche überblickte,
bot uns Belehrung und Unterhaltung. Täglich waren hier Vertreter von
fast allen Stämmen, die in der Nähe des Sees wohnen, zu sehen. Da
gab es die ackerbauenden, heerdenzüchtenden Wadschidschi mit ihren
Heerden; dort die Fischer von Ukaranga und Kaole, aus der Gegend
jenseits Bangwé und selbst von Urundi, mit ihren Breitlingen, die
sie Dogara nennen, mit Welsen, Barschen und andern Fischen; oder die
Palmölhändler, hauptsächlich aus Udschidschi und Urundi, mit grossen,
fünf Gallonen enthaltenden Töpfen voll röthlichen Oels, das so fest
wie Butter ist. Hier standen die Salzhändler aus den Salzebenen von
Uvinza und Uhha; dort die Elfenbeinhändler aus Uvira und Usowa; die
Bootmacher aus Ugoma und Urundi; die Trödler mit billigen Waaren
aus Zanzibar, die dünne, gedruckte Zeuge verkaufen, sowie Wechsler,
die blaue Mutunda-Perlen gegen Sami-Sami und Sungomazzi oder Sofi
umtauschen. Die Sofiperlen sehen wie kleine Stückchen dickes, etwa
halbzölliges Thonpfeifenrohr aus und sind hier sehr gesucht. Hier fand
man Waguhha, Wamanyuema, Wagoma, Wavira, Wasige, Warundi, Wadschidschi,
Waha, Wavinza, Wasowa, Wangwana, Wakawendi, Araber und Waswahili in
lärmendem Handel und Feilschen beschäftigt. Mit unbedecktem Haupt
und fast unbekleidet tändelten die Jünglinge mit schwarzhäutigen,
wollköpfigen Phylissen, die nicht wie ihre weissen Schwestern vor dem
glühenden Blick der Liebe zu erröthen wissen. Alte Weiber klatschten,
wie sie es überall thun; Kinder spielten und lachten und balgten sich,
ebenso wie die Kinder bei uns zu Lande, und auf ihre Speere oder Bogen
gestützte Greise waren gerade ebenso schwatzhaft auf dem Marktplatz von
Udschidschi, wie die alten Leute anderer Himmelsstriche.


  [4] Alle Kritiken, die ich über Livingstone’s Entdeckungen gelesen
      habe, sind zu sehr von dem odium geographicum gefärbt, als
      dass man ihnen das Gewicht beilegen könnte, das den ruhigen,
      kühlen Aussprüchen einer gesunden, logischen Ansicht erfahrener
      Reisenden und Männern der Wissenschaft zukommt.

  [5] [Durch die spätere Reise Stanley’s ist es klargestellt,
      dass diese Annahme Livingstone’s nicht zutreffend und dass der
      Lualaba in Wirklichkeit doch der Congo ist. In Erinnerung an
      den grossen Reisenden führt dieser grosse Strom jetzt den Namen
      „Livingstone-Fluss“.]

  [6] Herodot, übersetzt von J. Chr. F. Baehr, S. 41–48.




[Illustration: AM TANGANIKA-SEE.]




DREIZEHNTES KAPITEL.

UNSERE FAHRT AUF DEM TANGANIKA.

  Unser Fahrzeug ein schwanker Nachen. -- Sehr grosser hundeähnlicher
  Affe. -- Die Fischer des Tanganika. -- Fluss und Dorf Zassi. --
  Sondirungen des Sees. -- Die Insel Nyabigma. -- Störung beim
  Abendessen. -- Feindseligkeit der Eingeborenen. -- Krieg zwischen
  Mukamba und Warumaschanya. -- Ein Mgwana behauptet, der Rusizi
  fliesse aus dem See. -- Ich werde vom Fieber aufs Lager geworfen und
  vom Doctor gepflegt. -- Mukamba widerspricht dem Bericht des Mgwana.
  -- Massen von Krokodilen. -- Ruhinga’s Kunde. -- Das Ende des Sees
  und die Mündung des Rusizi. -- Die Frage, ob der Rusizi in den See
  oder aus demselben fliesst, ist auf immer gelöst. -- Der Doctor
  glaubt noch immer an einen Abfluss des Sees. -- Burton’s und Speke’s
  weitester Punkt. -- Zeichen von Unruhe in Mruta’s Dorfe. -- Die New
  York-Herald-Inseln. -- Cap Luvumba. -- Ein Gefecht in Vorbereitung.
  -- Der Sultan wird beruhigt. -- Eine tragikomische Scene. -- Rückkehr
  nach Udschidschi.

  „Ich leugne es aufs bestimmteste, dass ich mich durch irgendwelche
  Instruction der Königl. Geographischen Gesellschaft in Bezug auf die
  Lage des Weissen Nils habe verleiten lassen, die grosse Bedeutung
  der Richtung des Rusizi-Flusses ausser Acht zu lassen. Es ist eine
  Thatsache, dass wir unser Bestes thaten, ihn zu erreichen, dass es
  uns aber nicht gelang.“

  ~Burton’s~ _Zanzibar_.

  „Das einstimmige Zeugniss der Eingeborenen, dass der Rusizi-Fluss ein
  Zufluss sei, ist der zwingendste Beweis dafür, dass er aus dem See
  herausfliesst.“

  ~Speke.~

  „Ich beanspruche daher für den See Tanganika solange die Ehre, das
  südlichste Reservoir des Nils zu sein, bis ein positiverer, auf
  factische Beobachtungen gestützter Beweis es anders bestimmen wird.“

  ~Findlay.~


Hätten Livingstone und ich, nachdem wir uns entschlossen, das nördliche
Ende des Sees Tanganika zu besuchen, uns durch die abgeschmackten
Forderungen und Befürchtungen einer Schar Wadschidschi zwingen lassen,
nach Unyanyembé zurückzukehren, ohne das Problem des Rusizi-Flusses
gelöst zu haben, so hätten wir es gewiss verdient, in der Heimat mit
allgemeinem Hohngelächter aufgenommen zu werden. Burton’s Miserfolge
jedoch, der die Frage nicht erledigt hat, weil er Wadschidschi in seine
Dienste genommen, und das damalige lächerliche Verhalten des wilden
Häuptlings Kannena, dienten uns zur Warnung, von solchen Leuten für die
Lösung eines geographischen Problems eine Unterstützung zu erwarten.
Auch hatten wir ja eine hinreichende Zahl guter Matrosen bei uns, die
ganz unter unsern Befehlen standen. Konnten wir uns daher nur ein Canoe
verschaffen, so liess sich unseres Erachtens die Sache gut ausführen.

Nachdem wir uns also an Sayd bin Madschid gewandt, gestattete er uns in
freigebiger Weise sofort den Gebrauch seines Bootes zu jedem beliebigen
Zweck. Wir mietheten daher zwei Wadschidschiführer zu je zwei Doti und
trafen unsere Vorbereitungen, etwa eine Woche nach meiner Ankunft, aus
dem Hafen von Udschidschi abzureisen.

Ich habe schon mitgetheilt, weshalb Livingstone und ich die
Untersuchung der nördlichen Hälfte des Tanganika und des Flusses
Rusizi, über den so viel geschrieben und gesagt worden ist,
unternahmen.

Ehe wir uns einschifften, hatte sich Livingstone noch nicht definitiv
entschlossen, was er in seiner traurigen Lage thun solle. Seine
Dienerschaft bestand aus Susi, Dschumah, Hamoydah, Gardner und Halimah,
der Köchin, die mit Hamoydah verheirathet war. Zu diesen kam noch
Kaif-Halek, der Mensch, den ich gezwungen hatte, mich mit Livingstone’s
Briefen von Unyanyembé aus zu begleiten.

Wohin konnte sich Dr. Livingstone begeben mit diesen wenigen Leuten
und dem geringen Rest von Zeugen und Perlen, der ihm noch von dem
vom schwachköpfigen Scherif verschwendeten Vorrath übrig geblieben?
Das war eine schwer zu lösende Frage. Wäre Dr. Livingstone bei guter
Gesundheit gewesen, so hätte sie die ihm eigene Kühnheit und sein
unbezwinglicher Muth kurz beantwortet. Er hätte sich einiges Zeug von
Sayd bin Madschid, wenn auch zu einem enormen Preise, leihen können,
das ausgereicht hätte, ihn nach Unyanyembé und der Seeküste zu bringen.
Wie lange aber wäre er wol genöthigt gewesen, in Udschidschi zu bleiben
und auf die Waaren zu warten, die für ihn in Unyanyembé liegen sollten?
Wie lange wäre er von Erwartungen gefoltert worden, hätte er in der
täglichen Hoffnung auf das Ende des Krieges und die Ankunft seiner
Güter dort weilen müssen? Wer weiss, wie lange seine geschwächte
Gesundheit gegen die zahlreichen Enttäuschungen, die ihm bevorstanden,
Widerstand hätte leisten können?

Ich war so kühn, bei aller Dr. Livingstone’s grossen Erfahrungen als
Reisender gebührenden Hochachtung, ihm folgende Wege vorzuschlagen, von
denen er einen oder den andern annehmen konnte:

Erstens, nach Hause zu gehen und sich die so wohl verdiente Rast, der
er damals sehr zu bedürfen schien, zu gönnen.

Zweitens, nach Unyanyembé zu ziehen, dort seine Güter in Empfang zu
nehmen und hinreichend viel Pagazi zu miethen, um nach Manyuema oder
Rua zu reisen und das Nil-Problem, das seiner Meinung nach der Lösung
so nahe sei, zu erledigen.

Drittens, nach Unyanyembé zu gehen, dort seine Karavane in Empfang
zu nehmen, Leute zu miethen und sich mit Sir Samuel Baker zu
vereinigen, indem er nach Muanza marschirte und durch Ukerewe oder den
Victoria-Nyanza in meinen Booten bis nach Mtesa’s Palast in Uganda
segelte. Hierdurch würde er Mirambo und Swaruru von Usui vermeiden,
die ihn sonst auf dem gewöhnlichen Karavanenwege nach Uganda berauben
würden. Von Mtesa könnte er sich zu Kamrasi, dem König von Unyoro,
begeben, wo er jedenfalls etwas über den grossen Weissen erfahren
würde, der mit einer zahlreichen Mannschaft in Gondokoro sein sollte.

Viertens, nach Unyanyembé zu gehen, seine Karavane in Empfang zu
nehmen, Leute zu miethen und nach Udschidschi, sowie über Uguhha nach
Manyuema zurückzukehren.

Fünftens, über den Rusizi durch Ruanda und weiter nach Itara und Unyoro
zu Baker zu gehen.

Auf jeder dieser Touren, welche ihm auch als die zweckmässigste
erschiene, wollten ich und meine Leute ihm als Eskorte und Lastträger
nach besten Kräften beistehen. Wenn er die Heimfahrt wählte, so würde
ich stolz darauf sein, ihn zu begleiten und mich seinen Befehlen in
Bezug auf Marsch- und Rasttage vollständig zu unterwerfen.

Sechstens schlug ich ihm als letzten Ausweg vor, sich von mir bis
Unyanyembé begleiten zu lassen, wo er seine Waaren in Empfang nehmen,
von mir grosse Vorräthe des allerbesten Tuches, vorzüglicher Perlen,
Gewehre und Munition, Kochgeräthe, Kleider, Boote und Zelte erhalten
und sich in einem bequemen Hause ausruhen könne, während ich an
die Küste eilte, eine neue aus 50–60 treuen, gutbewaffneten Leuten
bestehende Expedition organisirte und ihm durch dieselbe neue Vorräthe
von erwünschten Genüssen in Gestalt von Naturalien zuschickte.

Nach langer Ueberlegung entschloss er sich, den letzten Weg
einzuschlagen, da dieser ihm der beste, am leichtesten auszuführende
zu sein schien, obwol er es nicht unterliess, sich über die
unverantwortliche Apathie seines Agenten in Zanzibar zu beklagen, die
ihm so viel Mühe, Verlegenheit und aufreibende Märsche von Hunderten
von Meilen verursacht hatte.

Unser Schiff, ein zwar nur schwankes, aus dem edeln Mvule-Baum Ugomas
ausgehöhltes Canoe, war eine afrikanische Argo, die auf eine edlere
Unternehmung als ihr berühmtes griechisches Vorbild ausging, denn wir
zogen nicht für schnöden Lohn nach einem goldenen Vlies aus, sondern
um womöglich eine Heerstrasse für den Handel zu entdecken, welche die
Schiffe vom Nil bis Udschidschi, Usowa und nach dem fernen Marungu
führen könne. Wir konnten nicht wissen, was wir alles auf der Reise
ans Nordende des Tanganika entdecken könnten, denn wir meinten, der
Rusizi sei ein Ausfluss des Tanganika, der nach dem Albert- oder
Victoria-Nyanza fliesse, da Eingeborene wie Araber uns sagten, der
Rusizi fliesse aus dem See heraus.

Sayd bin Madschid hatte behauptet, sein Nachen könne 25 Mann und 3500
Pfd. Elfenbein tragen. Auf diese Kunde hin schifften wir 25 Leute
ein, von denen mehrere sich Beutel mit Salz für den Handel mit den
Eingeborenen eingepackt hatten. Als wir aber vom Ufer bei Udschidschi
abstiessen, entdeckten wir, dass das Boot zu schwer beladen sei und bis
an den Hauptbalken einsank. Wir kehrten daher ans Ufer zurück, luden
sechs Leute und die Salzbeutel aus und behielten somit 16 Ruderer, den
jungen Araber Selim, den Koch Feradschi und zwei Wadschidschiführer bei
uns.

Nachdem wir so unser Boot in Ordnung gebracht, stiessen wir ab und
steuerten auf die Bangwe-Insel zu, die 4–5 Meilen von dem Bunder von
Udschidschi entfernt ist. Als wir dieselbe passirten, theilten uns
unsere Führer mit, die Araber und Wadschidschi hätten während eines vor
einigen Jahren stattgehabten Einfalls der Watuta, bei welchem diese
eine Menge Einwohner in Udschidschi massacrirten, auf dieser Insel
Schutz gesucht. Nur diejenigen, welche hierher geflohen waren, entkamen
dem Feuer und Schwert, mit dem die Watuta Udschidschi heimgesucht
hatten.

Nachdem wir an der Insel vorbeigefahren und den verschiedenen Biegungen
und Einschnitten des Ufers gefolgt waren, kamen wir in Sicht der
herrlichen Bai von Kigoma, die sofort als ausgezeichneter Hafen gegen
die auf dem Tanganika herrschenden sehr veränderlichen Winde sich
darstellt. Etwa um 10 Uhr vormittags fuhren wir ins Dorf Kigoma, da
der Ostwind sich gerade erhob und uns in den See zu treiben drohte. Von
Udschidschi nach Norden fahrende Reisende, die nicht sehr eilig sind,
benutzen stets Kigoma als ersten Hafen für ihre Boote.

Mit dem nächsten Morgengrauen brachen wir unser Zelt ab, legten das
Gepäck im Boot zurecht, kochten, tranken Kaffee und fuhren wieder
weiter nach Norden.

Der See war ganz ruhig, sein dunkelgrünes Wasser spiegelte den heitern
blauen Himmel wider. Flusspferde kamen in beunruhigende Nähe unseres
Nachens, um Luft zu schöpfen und tauchten die Köpfe wieder unter, als
ob sie mit uns Verstecken spielten. Als wir den hohen Waldhügeln von
Bemba gegenüber und eine Meile vom Ufer entfernt waren, hielten wir die
Gelegenheit für günstig, das Wasser zu sondiren, da die Farbe desselben
auf eine bedeutende Tiefe schliessen liess. Hier fanden wir, dass sie
35 Faden betrug.

An diesem Tage fuhren wir dicht am Ufer entlang, an welchem eine schön
bewaldete und von grünem Gras bekleidete Bergreihe sich sehr steil,
fast jählings in die Tiefe des Sees herabsenkte, sich unmittelbar
über uns thürmend und, als wir um die verschiedenen Vorgebirge und
Vorsprünge fuhren, grosse Erwartungen neuer, wunderbarer Bilder
erweckend, die sich unsern Blicken eröffnen würden, sobald die tiefen
Einschnitte vor uns lagen. Auch wurden wir nicht enttäuscht, denn die
Waldhügel mit ihren reichen schönbelaubten Bäumen, von denen viele aus
ihrem Blütenschmuck unbeschreiblich süsse Düfte entsandten, erhoben
ihre Häupter in mannichfaltigen Umrissen, hier als Pyramiden oder
abgestumpfte Kegel, dort tafelförmig oder in kirchendachähnlichen
Formen, dort wiederum als eine herrliche Masse mit glatten Umrissen
oder wilden gezackten Contouren und alles dies bildete einen höchst
interessanten Anblick. Die ausnehmend schönen Bilder am Ende der
verschiedenen Buchten entlockten uns manchen Ausruf der Bewunderung.
Bei mir war es sehr natürlich, dass ich die höchste Bewunderung für
diese Reihenfolge herrlicher Naturgemälde empfand; nicht minder aber
war dies auch bei Livingstone der Fall, obgleich man hätte annehmen
können, dass er, von viel schönern, wunderbarem derart gesättigt,
längst seinen Sinn für Naturschönheiten abgestumpft haben müsste.

Auf dem Wege von Bagamoyo nach Udschidschi hatte ich nichts gesehen,
was sich dem vergleichen liesse, nichts von diesen Fischeransiedlungen
unter dem Schatten von Palmen-, Platanen-, Bananen- und Mimosen-Hainen,
oder Cassavagärten rechts und links von Palmenwäldern oder Plätzchen
voll üppigen Korns, welche auf die ruhige Bucht niederschauten, deren
stille Wasser am frühen Morgen die Schönheit der Berge widerspiegelten,
die sie vor den tobenden, draussen wüthenden Stürmen schützten.

Offenbar glauben die Fischer sich in einer angenehmen Lage zu befinden.
Der See bietet ihnen so viele Fische, wie sie wollen, mehr, als sie zu
verzehren im Stande sind, sodass die Fleissigen viel verkaufen können.
Die steilen Abhänge der Hügel, welche die Frauen bearbeiten, erzeugen
viel Korn, z. B. Dourra und Mais neben Cassava, Erd- oder Erbsennüssen
und süssen Kartoffeln. Die Palmen geben Oel und die Platanen herrliches
Obst in reicher Menge. Die Schluchten und tiefen Gründe versehen sie
mit hohen stattlichen Bäumen, aus denen sie ihre Canoes schnitzen. Die
Natur hat sie mit allem aufs reichlichste versehen, was sich der Mensch
für Herz und Magen nur wünschen kann. Wenn man sich diese Scenen, die
sowol innerlich als äusserlich vollständig glücklich machen können,
ansieht, überfällt den Beschauer wol der Gedanke, wie diese Leute nach
der Heimat seufzen müssen, wenn sie, von den Arabern für ein paar Doti
erkauft, durch die traurige, zwischen diesem Lande und der Seeküste
liegende Wüste, nach Zanzibar gebracht werden, um dort Gewürznelken zu
lesen oder als Lastträger zu arbeiten!

Als wir in die Nähe von Niasanga, unserm zweiten Lagerort, kamen, trat
uns die Aehnlichkeit zwischen der Reihe malerischer Berge und Buchten
mit ihrer Weide- und Ackerbau-Landschaft und den Küsten des alten
Pontus lebhaft vor Augen. Wenige Minuten, ehe wir unser Boot ans Ufer
zogen, ereigneten sich zwei kleine Zwischenfälle. Ich schoss nämlich
einen sehr grossen Affen mit hundeähnlichem Gesicht, der von der
Schnauze bis zum Ende des Schwanzes 4 Fuss 9 Zoll mass. Sein Gesicht
war 8½ Zoll lang und er wog ungefähr 100 Pfund. Er hatte weder
eine Mähne noch einen Büschel am Ende seines Schwanzes, sein Körper
aber war von langem, borstigem Haar bedeckt. Wir sahen zahlreiche
Exemplare dieser Gattung, wie auch kleinere mit Katzenköpfen und langen
Schwänzen. Der zweite Vorfall war der Anblick einer grossen Eidechse
von etwa 2½ Fuss Länge, die in ihren Schlupfwinkel forthuschte, ehe
wir sie genau sehen konnten. Dr. Livingstone hielt sie für den Monitor
terrestris.

Unter einem Bananenbaume schlugen wir unser Lager auf. Unsere Umgebung
bestand aus dem jetzt dunkelgrauen Wasser des Tanganika, einem
amphitheatralischen Bergzuge und dem Dorfe Niasanga, das an der Mündung
des Flüsschens Niasanga liegt und von Palmenhainen, Platanendickichten
und kleinen Korn- und Cassavafeldern eingeschlossen ist. In der Nähe
unseres Zeltes befanden sich ungefähr ein halbes Dutzend grösserer
und kleinerer den Dorfbewohnern gehöriger Canoes. Unser Zelt blickte
auf die herrliche, von Lüftchen gefächelte Wasserebene, und in
der Ferne auf Ugoma, Ukaramba und die Insel Muzimu, deren Berge
und Höhenzüge tiefblau aussahen. Zu unsern Füssen befanden sich
reine, in kleine Reihen und Haufen angeschwemmte Kieselsteine. Eine
Untersuchung derselben offenbarte uns das Material der Berge, die
sich hinter uns zur Rechten und Linken erhoben. Es war Thonschiefer
und Conglomerat-Sandstein, harter weisser Lehm, ockerartiger Lehm,
der viel Eisen enthielt, glatter Quarz u. s. w. Wenn wir zu unserm
Zelt hinausblickten, konnten wir zu unsern beiden Seiten eine Reihe
dicker hoher Binsen sehen, die gleichsam eine Hecke zwischen dem
Ufer und dem Niasanga umgebenden bebauten Lande bildeten. Unter den
hier vorkommenden Vögeln waren am bemerkenswerthesten die muntern
Bachstelzen, die von den Eingeborenen als Friedensboten und von guter
Vorbedeutung angesehen werden, daher jeder Schade, den man ihnen
zufügt, sofort mit einer Strafe geahndet wird; sie bieten ja auch nur
Böswilligen eine Verlockung zur Gewaltthätigkeit dar. Bei unserer
Landung kamen sie uns entgegengeflogen und schwebten in der Luft vor
uns her, sodass wir sie leicht mit den Händen hätten ergreifen können.
Im übrigen kamen Krähen, Turteltauben, Fischhabichte, Königsfischer,
Ibis nigra und Ibis religiosa, Reiher, Gänse, Stossvögel, Reisvögel,
Meisen und Adler vor.

An diesem Ort litt Dr. Livingstone an Diarrhoe, was, wie er selbst
sagte, sein einziger schwacher Punkt ist; später fand ich, dass er sehr
häufig daran zu leiden hat. Jede Gemüthsbewegung oder Unregelmässigkeit
beim Essen zeigte sich bei ihm in dieser Weise. Bei mir fand gerade
das Umgekehrte statt. Wenn ich mich der Malaria aussetzte, in der
Nähe eines schädlichen Sumpfes campirte oder Gemüthsbewegungen hatte,
so bekam ich sofort sehr starke Verstopfung und bisweilen einen
Wechselfieberanfall.

Der dritte Tag unserer Reise auf dem Tanganika brachte uns nach dem
Fluss und Dorf Zassi, nachdem wir vier Stunden gerudert waren. An
unserm Wege erhoben sich die Berge 2000–2500 Fuss über dem Wasser
des Sees. Mir kam es vor, als ob die Landschaft bei jedem Schritt
malerischer und belebter würde, und ich hielt sie für viel lieblicher
als die Umgebung von Lake George oder am Hudson. Die traulichen
Plätzchen am Ende der Bucht mit ihren stets schönen Federpalmen und
breiten grünen Platanen geben wunderhübsche Bilder ab; sie sind alle
von Fischern in Besitz genommen, deren conische, bienenkorbförmige
Hütten aus dem Laube hervorblicken. Die Gestade sind sehr bevölkert und
jede Terrasse, jedes kleine Plateau und Stückchen ebenen Bodens ist
besetzt.

Zassi lässt sich leicht erkennen durch eine Gruppe kegelförmiger Hügel,
welche sich in der Nähe desselben erheben und Kirassi heissen. Ihnen
gegenüber, in einer Entfernung von ungefähr einer Meile vom Ufer,
sondirten wir und fanden eine Tiefe von 35 Faden wie am Tage vorher.
Eine Meile weiter konnte ich mit meinem 115 Faden langen Senkblei
keinen Grund finden. Als ich es zurückzog, riss die Leine und ich
verlor drei Viertel derselben mit dem Blei. Bei dieser Gelegenheit
erzählte mir Livingstone, er habe eine Stelle, dem hohen im Süden
von Udschidschi belegenen Kabogo gegenüber, sondirt und die grosse
Tiefe von 300 Faden erreicht. Auch er verlor dabei sein Blei und 100
Faden Leine, hatte aber noch ziemlich 900 Faden übrig, welche sich im
Boot befanden. Diese lange Lothleine hofften wir auf unserm Wege vom
östlichen nach dem westlichen Ufer des Sees benutzen zu können.

Am vierten Tage kamen wir in Nyabigma an, einer sandigen Insel in
Urundi. Wir hatten die Grenze zwischen Udschidschi und Urundi eine
halbe Stunde vor Nyabigma passirt. Der Mschala-Fluss wird von beiden
Nationen als die eigentliche Grenze angesehen, obgleich es einige
Warundi gibt, die über die Grenze hinaus in Udschidschi eingewandert
sind, z. B. der Mutware und die Dorfbewohner des volkreichen Kagunga,
das eine Stunde nördlich von Zassi liegt. Auch gibt es kleine
Abtheilungen von Wadschidschi, die das schöne Land in den Deltas der
Flüsse Kasokwe, Namusinga und Luaba benutzt haben, von denen die beiden
ersten in dieser Bucht, an deren Ende Nyabigma liegt, in den Tanganika
fliessen.

Aus Nyabigma kann man eine recht schöne Aussicht geniessen auf die
tiefe Bogenlinie der grossen Gebirgskette, die vom Cap Kazinga bis
an das Cap Kasofu, 20 bis 25 Meilen weit läuft. Diese grosse, theils
höckrige, theils kammartige, unregelmässige Gebirgslinie gibt eine
höchst imposante Scene ab. Tiefe Schluchten und Klüfte bieten den
zahlreichen, im Hintergrunde entspringenden Bächen und Flüssen Abfluss;
weisse Wölkchen umhüllen fast immer den Gipfel des Gebirgs. Vom Fusse
desselben erstreckt sich eine weite Alluvialebene, die über alle
Beschreibung reich an Palmen, Platanen und schotenreichen Bäumen ist.
Ueberall sieht man Dörfer in Gruppen. In diese Alluvialebene mündet
der Luaba- oder Ruaba-Fluss, nördlich vom Cap Kitunda, sowie die
Flüsse Kasokwe, Namusinga und Mschala auf der Südseite desselben. Die
sämmtlichen Deltas der Flüsse, die sich in den Tanganika ergiessen,
werden von allen Seiten von einem aus Matete, einer riesigen Grasart,
und Papyrus gebildeten Dickicht eingehegt. In einigen derselben, wie
z. B. denen des Luaba und Kasokwe, haben sich Moräste gebildet, in
denen das Matete- und Papyrusdickicht undurchdringlich ist. In ihrem
Innern befinden sich stille, tiefe Pfützen, die von verschiedenen
Wasservögeln, wie z. B. Gänsen, Enten, Schnepfen, Speckenten,
Königsfischern, Ibissen, Kranichen, Störchen und Pelikanen bewohnt
sind. Ihren Aufenthaltsort zu erreichen ist jedoch für den auf Wild
ausgehenden Jäger sehr schwer und oft sowol wegen der verrätherischen
Natur dieser Moräste mit grosser Gefahr verbunden, als auch wegen
der schrecklichen Fieberanfälle, die in diesen Gegenden immer auf
Durchnässung der Füsse und Kleider erfolgen, bedenklich.

In Nyabigma bereiteten wir uns durch Austheilung von zehn Patronen
an jeden unserer Leute auf einen Kampf mit den zwei Stationen
weiter wohnenden Warundi für den Fall vor, dass sie uns durch ein
zu naseweises Zurschautragen ihres Vorurtheils gegen Fremde dazu
veranlassen sollten.

Mit dem Morgengrauen des fünften Tages verliessen wir den Hafen der
Insel Nyabigma und befanden uns in nicht ganz einer Stunde auf der Höhe
von Cap Kitunda. Dies ist eine ebene Platte von Conglomerat-Sandstein,
die sich etwa acht Meilen vom Fusse der grossen Gebirgscurve
erhebt, die dem Luaba und seinen Nachbarströmen den Ursprung gibt.
Wir setzten über die tiefe Bai, an deren Ende das Delta des Luaba
liegt und gelangten an das Vorgebirge Kasofu. In seiner Umgegend
liegen zahlreiche Dörfer. Von hier aus erblickten wir eine Reihe von
Vorgebirgen oder Spitzen, nämlich Kigongo, Katunga und Buguluka, die
wir alle passirten, ehe wir in der schönen Gegend von Mukungu halt
machten.

In Mukungu, wo wir am fünften Tage weilten, wurde uns Honga oder Tribut
abverlangt. Das Tuch und die Perlen, von denen wir während unserer
Fahrt auf dem See lebten, gehörte mir; da Dr. Livingstone aber der
ältere, erfahrenere und wichtigste Mann unserer Gesellschaft war, lag
es ihm ob, alle solche Anforderungen zu erledigen. Wie oft hatte ich
mich nicht dieser langwierigen, peinvollen Aufgabe des Tributzahlens
unterziehen müssen! Ich war daher sehr neugierig zu sehen, wie der
grosse Reisende dies Geschäft abmachen würde.

Der Mateko (der Rangstufe nach weniger als ein Mutware) von Mukungu
forderte uns 2½ Doti ab. So viel betrug die an uns bald nach
Eintritt der Dunkelheit gestellte Forderung. Der Doctor fragte darauf,
ob für uns nichts mitgebracht worden sei und erhielt zur Antwort:
Nein, es sei jetzt zu spät, um irgendetwas zu bekommen; wenn wir
aber den Tribut bezahlten, so sei der Mateko bereit, uns bei unserer
Rückreise etwas zu geben. Hierüber lächelte Livingstone und sagte dem
ihm gegenüberstehenden Mateko: „Wenn Ihr uns jetzt nichts geben könnt
und so lange warten wollt, bis wir zurückkehren, so werden auch wir
mit dem Honga bis dahin warten.“ Hierüber war der Mateko überrascht
und protestirte gegen diesen Vorschlag. Wir bemerkten nun, dass er
verdriesslich geworden und drangen in ihn, uns ein Schaf, ein einziges,
kleines Schaf zu bringen, da unser Magen fast leer sei und wir mehr
als einen halben Tag darauf gewartet hätten. Dieses Ersuchen ward
auch von Erfolg gekrönt, denn der alte Mann eilte fort und brachte
uns ein Lamm sowie einen Topf von zwölf Liter süsses, aber starkes
Zogga (Palmweinpunsch), und dafür zahlte ihm Livingstone 2½ Doti
Tuch. Das Lamm wurde geschlachtet und da wir bei guter Verdauung
waren, bekam uns sein Fleisch sehr gut, doch hatten wir die Wirkungen
des Zogga zu bedauern. Susi nämlich, der unschätzbare Diener Dr.
Livingstone’s, und Bombay, der Führer meiner Karavane, waren mit der
Bewachung unseres Canoes betraut; da sie aber zu viel von diesem
berauschenden Punsch getrunken, schliefen sie sehr fest, und am Morgen
hatten wir den Verlust mehrer werthvoller, unentbehrlicher Gegenstände
zu bedauern, unter denen ich Livingstone’s 900 Faden lange Senkleine,
500 Stück Nadel-, Reifen- und Hohl-Patronen für meine Gewehre und 90
mir gleichfalls gehörige Musketenkugeln nenne. Ausser diesen uns gegen
die feindlichen Warundi unentbehrlichen Dingen war ein grosser Sack
Mehl und des Doctors ganzer Vorrath an weissem Zucker gestohlen. Dies
war das dritte mal, dass mein Verlass auf Bombay mir einen bedeutenden
Verlust verursachte und zum neunundneunzigsten mal hatte ich es bitter
zu bereuen, so unbedingtes Vertrauen auf das ihm von Speke und Grant
gezollte grosse Lob gesetzt zu haben. Nur die unwissenden Dieben
eigene Furcht hatte die Wilden daran verhindert, das ganze Boot mit
allem Inhalt zu nehmen und Bombay sowie Susi zu Sklaven zu machen. Ich
kann mir lebhaft die freudige Ueberraschung der Wilden vorstellen beim
Anblick und vortrefflichen Geschmack des Livingstone’schen Zuckers,
sowie die Verwunderung, mit der sie die merkwürdige Munition der
Wasungu betrachtet haben müssen. Hoffentlich haben sie sich nicht mit
den explodirenden Kugeln und gereiften Patronen aus Unwissenheit über
ihren tödlichen Inhalt Schaden gethan, sonst wäre der Kasten und sein
Inhalt eine wirkliche Pandorabüchse für sie geworden.

Ueber unsern Verlust sehr misgelaunt setzten wir am sechsten Tage zur
gewohnten Stunde unsere Wasserreise fort. Wir fuhren dicht an den
niedrigen Landspitzen, die von den Flüssen Kigwena, Kikumu und Kisunwe
gebildet werden, vorüber und steuerten, sobald eine Bucht interessant
aussah, ihren Einschnitten nach. Während unserer Wasserreise brachte
uns jeder Tag ähnliche Bilder. Zur Rechten erhoben sich die Gebirge von
Urundi, die uns hin und wieder die Schluchten zeigten, durch welche die
verschiedenen Flüsse und Bäche in den See traten. Am Fusse derselben
lagen die Alluvialebenen, wo die Oelpalme und liebliche Platane
blühten, unter deren Schatten Dutzende von Dörfern gruppirt waren. Hin
und wieder kamen wir an langen, schmalen Streifen von kiesigem oder
sandigem Uferlande vorbei, auf denen Marktplätze für den Fischverkauf
und die Stapelproducte der verschiedenen Gemeinden improvisirt waren.
Dann zogen wir an breiten Morästen vorüber, die durch die zahlreichen,
aus den Bergen kommenden Bäche gebildet werden und auf denen Matete und
Papyrus wuchert. Bald reichten die Berge mit ihren steilen Wänden dicht
ans Wasser, bald traten sie in tiefen Einschnitten zurück, an deren
Fuss eine Alluvialebene von einer Breite von 1–8 Meilen bestimmt zu
sehen war. Fortwährend erblickte man Canoes, die dicht an der Brandung
herfuhren und furchtlos der Möglichkeit einer Katastrophe Trotz boten,
wie sie z. B. durch Umschlagen der Boote und Verspeisen der Bemannung
von gefrässigen Krokodilen herbeigeführt werden könnte. Bisweilen
zeigte sich uns ein Boot in geringer Entfernung vor uns, worauf unsere
Leute, vom Chorgesang ermuntert, sich aufs äusserste anstrengten,
es einzuholen. Wenn die Eingeborenen unsere Anstrengungen sahen, so
verdoppelten auch sie die ihrigen und gaben zugleich, indem sie beim
Rudern ganz nackt dastanden, reiche Gelegenheit, vergleichende Anatomie
zu treiben. Dann wiederum sahen wir eine Gruppe Fischer, die in puris
naturalibus faul dalagen und mit neugierigen Blicken die an ihnen
vorbeifahrenden Nachen verfolgten. Ein anderes mal fuhren wir an einer
Canoeflottille vorbei, deren Besitzer ruhig in ihren Hütten sassen und
fleissig Haken und Ruthen anwandten oder ihre Netze auswarfen, oder
an Leuten, die ihre langen Schleppnetze dicht am Ufer für einen Zug
vorbereiteten. An einem andern Orte befanden sich furchtlos im Wasser
spielende Kinder, deren Mütter unter dem Schatten eines Baumes mit
Vergnügen zuschauten, woraus ich den Schluss zog, dass es in dem See,
ausser in der Nachbarschaft der grossen Flüsse, nicht viel Krokodile
gibt.

Nachdem wir die niedrige Landspitze von Kisunwe, die durch den
Kisunwe-Fluss gebildet wird, umfahren hatten, kamen wir in Sicht des
ungefähr 4–5 Meilen entfernten Cap Murembwe. Das dazwischen liegende
Land ist ein flaches, sandiges, kieshaltiges Ufer. In der unmittelbaren
Nähe desselben befinden sich Dörfer zu Dutzenden und das belebte Ufer
zeigt die dichte Bevölkerung dieser Gegend an.

Ungefähr auf halbem Wege zwischen dem Cap Kisunwe und Murembwe befindet
sich ein Haufen von Dörfern, der Bikari heisst und einen Mutware hat,
der gewohnt ist, Honga zu nehmen. Da es uns unmöglich gemacht war, es
auf längere Zeit mit einer feindlich gesinnten Gemeinde aufzunehmen,
so vermieden wir alle Ortschaften, welche bei den Wadschidschi in
bösem Rufe stehen. Doch selbst unsere Wadschidschiführer befanden sich
bisweilen im Irrthum und führten uns mehr als einmal an gefährliche
Orte. Offenbar hatten sie nichts dagegen, in Bikari halt zu machen, da
es der zweite Lagerplatz von Mukungu ist; denn ihnen war das Halten
im kühlen Schatten von Platanen dem Holzpuppen gleichen Sitzen in
einem schwanken Canoe unendlich lieber. Ehe sie uns aber ihre Gründe
auseinandersetzten, rief uns das Volk von Bikari mit lauter Stimme ans
Ufer und bedrohte uns mit der Rache des grossen Wami, wenn wir nicht
halt machten. Da diese Stimmen durchaus nicht sirenenhaft klangen, so
verweigerten wir es hartnäckig, ihrer Aufforderung nachzukommen. Als
jene ihre Drohungen als erfolglos erkannten, nahmen sie ihre Zuflucht
zu Steinen und bewarfen uns mit denselben in eindringlichster Weise.
Da ein Stein nur ein Fuss weit von meinem Arme vorbeiflog, so schlug
ich vor, dass man ihnen dafür eine Kugel in die unmittelbare Nähe
ihrer Füsse entsenden solle; Livingstone sagte zwar nichts dagegen,
zeigte jedoch deutlich, dass er dies nicht ganz billige. Da uns
diese Feindseligkeiten durchaus nicht angenehm waren und wir Zeichen
derselben fast bei jedem Dorfe, an dem wir vorüberkamen, erblickten, so
reisten wir weiter, bis wir nach der Spitze von Murembwe kamen, welches
als Delta des gleichnamigen Flusses durch breites Dornendickicht,
stachliges Rohr und dichte Buchen- und Papyrusbüsche so gut geschützt
war, dass der kühnste Mrundi wol vor einem Angriffe zurückschrecken
musste, namentlich wenn er daran dachte, dass sich jenseits dieses
unwirthbaren Morastes die Gewehre von Fremdlingen befanden, die seine
Leute in so roher Weise herausgefordert hatten. Wir zogen unsere
Canoes ans Ufer und unser stets bereiter Koch Feradschi zündete auf
einem kleinen Fleck reinen Sandes ein Feuer an und kochte uns einen
prächtigen Mokkakaffee. Trotz der uns noch drohenden Gefahr waren wir
sehr glücklich und würzten unser Mahl mit etwas Moralphilosophie, die
uns unbewusst zu höhern Wesen machte, als die uns umgebenden Heiden,
auf die wir jetzt, unter dem Einfluss des Mokka und der Philosophie,
mit ruhiger Verachtung, die nicht ohne einen gewissen Grad von Mitleid
war, hinabblickten. Der Doctor erzählte einiges aus seinem Leben unter
ähnlich gesinnten Völkerschaften, unterliess es aber nicht, mit der
Weisheit eines erfahrenen Mannes, solche Vorkommnisse dem unklugen
Verhalten der Araber und Mischlinge zuzuschreiben. In dieser Ansicht
stimmte ich rückhaltlos mit ihm überein.

Von der Murembwe-Spitze setzten wir nach Beendigung unseres
Kaffeegenusses und des Gesprächs über Moral unsere Reise fort und
steuerten auf Cap Sentakeyi los, welches wir, obwol es 8–10 Meilen
entfernt ist, doch bis zur Dunkelheit zu erreichen hofften. Die
Wangwana ruderten mit Macht; doch schon waren zehn Stunden verflossen
und die Nacht kam heran und wir befanden uns noch immer sehr weit von
Sentakeyi. Da es eine schöne Mondnacht und wir uns unserer gefährlichen
Lage sehr wohl bewusst waren, so gingen sie darauf ein, noch ein paar
Stunden weiter zu rudern. Ungefähr um 8 Uhr abends ruderten wir an
einen verlassenen Fleck am Ufer, auf eine reine Sandbank, die etwa
30 Fuss lang und 10 Fuss breit war, von der sich eine Lehmwand 10–12
Fuss in die Höhe hob, während auf jeder Seite verwitterte Felsenmassen
herumlagen. Hier konnten wir uns unseres Erachtens durch stilles
Verhalten der Beobachtung und darausfolgenden Belästigungen auf
einige Stunden entziehen und darauf, nachdem wir ausgeruht, unsere
Reise fortsetzen. Unser Theekessel kochte und die Leute hatten sich
ein kleines Feuer angezündet und ihre irdenen Töpfe mit Wasser zum
Grützekochen gefüllt, als unsere Späher dunkle Gestalten unserm Bivouak
zukriechen sahen. Nachdem wir sie angerufen, kamen sie sofort hervor
und begrüssten uns mit der Formel der Eingeborenen „Wake“. Unsere
Führer erklärten ihnen, dass wir Wangwana seien, bis zum Morgen dort
zu campiren gedächten und, wenn sie etwas zu verkaufen hätten, uns
freuen würden, mit ihnen am folgenden Tage in Handelsbeziehungen
zu treten. Nach ihren Aeusserungen waren sie hierüber hocherfreut
und entfernten sich, nachdem sie noch ein paar Worte gewechselt
und versprochen hatten, am nächsten Morgen mit Nahrungsmitteln
wiederzukehren und Freundschaft mit uns zu schliessen; wir hatten
wohl bemerkt, wie sie genaue Beobachtungen in Bezug auf unser Lager
machten. Als wir den Thee tranken, liessen uns unsere Späher wissen,
dass sich wieder ein Trupp uns nähere, der in derselben Weise wie der
erste uns begrüsste und aufmerksam beobachtete. Auch dieser entfernte
sich in äusserst freudiger Stimmung, wie mir schien, und nach kurzer
Zeit kam noch eine dritte Partie, welche es wie die frühern machte.
Aus alle dem schlossen wir, dass die Neuigkeit sich rasch durch das
Dorf verbreite. Auch hatten wir bemerkt, wie zwei Canoes mit mehr
als gewöhnlicher und nöthiger Eile hin und zurück fuhren. Wir hatten
guten Grund, argwöhnisch zu sein, denn es ist nicht gewöhnlich, dass
sich die Bewohner der Länder zwischen Udschidschi und Zanzibar nach
Eintritt der Dunkelheit unter irgendeinem Vorwand besuchen oder
begrüssen. Nach Eintritt der Dunkelheit ist es niemand gestattet,
um das Lager herumzuschleichen, ohne dass man auf ihn schiesst; und
dieses Hin- und Hergehen, diese demonstrativen Freudenbezeugungen bei
der Ankunft einiger Wangwana, einem Ereigniss, das in vielen Theilen
von Urundi als etwas ganz gewöhnliches angesehen worden wäre, war sehr
verdächtig. Während Livingstone und ich zu dem Schlusse kamen, dass
diese Bewegungen doch wol Feindseligkeiten bedeuteten, kam eine vierte
sehr laute und lärmende Abtheilung an und besuchte uns. Jetzt war unser
Abendessen beendet und wir hielten es nun für hohe Zeit, zu handeln.
Nachdem der vierte Besuch sich unter übermässigen Freudenbezeugungen
entfernt hatte, schickten wir unsere Leute rasch ins Boot und nachdem
wir alle, mit Einschluss der Wachen, Platz genommen, stiessen wir
vom Lande ab, aber auch nicht einen Augenblick zu früh. Als nämlich
das Canoe in dem herrschenden Zwielicht vorwärtsglitt, machte ich
den Doctor auf mehrere dunkle Gestalten aufmerksam, von denen sich
einige hinter zur Rechten liegenden Felsen verbargen, andere darüber
hinwegkrochen, um bessere Positionen zu gewinnen. Gleichzeitig kamen
von der Linken Leute in derselben verdächtigen Weise heran und alsbald
rief uns eine Stimme von der Höhe der Lehmbank an, die über unsern
eben verlassenen Ruheplatz hinüberragte. „Das war nett gemacht!“
rief Livingstone, als wir durchs Wasser schossen und die getäuschten
Räuber hinter uns liessen. Hier wurde ich wiederum durch die blosse
Anwesenheit des Doctors daran verhindert, ein paar gutgezielte Schüsse
in die Menge hineinzusenden, um sie davor zu warnen, in Zukunft Fremde
zu belästigen, weil ich dachte, dieser werde, wenn es nothwendig sei,
nicht zögern, den Befehl dazu zu ertheilen.

Nachdem wir noch sechs Stunden gerudert und in der Zeit um Cap
Sentakeyi gekommen waren, hielten wir an dem kleinen Fischerdorf
Mugeyo, wo man uns unbelästigt schlafen liess. Mit dem Morgengrauen
setzten wir unsere Reise fort und kamen ungefähr 8 Uhr morgens im
Dorfe des freundlichen Mutware von Magala an. Wir hatten 18 Stunden
nacheinander gerudert, was im Verhältniss von 2½ Meilen in der
Stunde 45 engl. Meilen ausmachte. Bei der Aufnahme, die wir vom
Lager am Cap Magala, einem der hervorragendsten Punkte im Norden von
Udschidschi, von der Gegend machten, fanden wir, dass die grosse Insel
Muzimu, die wir immer seit unserer Umfahrt um Cap Bangwe, unweit
Udschidschi-Bunder, gesehen hatten, eine südsüdwestliche Richtung
habe und dass das westliche Ufer sich bedeutend dem östlichen nähere.
Die Breite des Sees betrug an diesem Punkte etwa 8–10 Meilen. Wir
hatten einen schönen Blick auf die westlichen Hochlande, welche
durchschnittlich 3000 Fuss über dem See zu liegen schienen. Der etwas
nach Norden und Westen von Magala sich erhebende Luhanga-Pic konnte
etwa 500 Fuss höher und der nördlich vom Luhanga liegende Sumburizi,
wo Mruta, der Sultan von Uvira, dem Lande, das diesem Theile von
Urundi gegenüberliegt, lebt, etwa 300 Fuss höher als die benachbarten
Höhen sein. Nördlich vom Cap Magala zieht sich der See zwischen zwei
Gebirgsketten hin, die beide an einem ungefähr 30 Meilen nördlich von
uns belegenen Punkte zusammenstossen.

Die Warundi von Magala waren sehr höflich und gafften uns gründlich an.
Sie sammelten sich um die Zeltthür und beobachteten uns hartnäckig, als
ob wir Gegenstände des höchsten Interesses seien, die jedoch leicht auf
immer plötzlich verschwinden könnten. Der Mutware kam in grossem Staat,
spät am Nachmittag, um uns zu besuchen. Es war ein junger Mensch,
der mir in der Menge der Gaffer durch sein stattliches Aussehen und
seine schönen Zähne, die er, weil er das Lachen sehr liebte, beständig
zeigte, aufgefallen war. Man konnte ihn nicht verkennen, obwol er jetzt
mit vielen Elfenbeinzierathen, Halsbändern und schweren Messingringen
um Hand- und Fussgelenk geschmückt war. Die Werthschätzung, die wir
für ihn an den Tag legten, erwiderte er und gab uns für zwei Doti
Tuch und ein Fundo Samsam ein schönes fettes breitschwänziges Schaf und
einen Topf Milch. Beides war in unserer Lage ausserordentlich annehmbar.

[Illustration: HALT IN MAGALA IN URUNDI.

  II. S. 122.]

In Magala hörten wir, dass ein Krieg zwischen Mukamba, nach dessen
Land wir reisten, und Warumaschanya, dem Sultan eines Nachbarbezirks,
wüthe, und man rieth uns, lieber zurückzukehren, wenn wir nicht
beabsichtigten, einem dieser Häuptlinge gegen den andern beizustehen.
Da wir aber ausgezogen waren, um das Problem des Rusizi-Flusses zu
lösen, so hatten derartige Rücksichten kein Gewicht für uns.

Am achten Morgen nach unserer Abfahrt von Udschidschi sagten wir dem
gastfreien Volke von Magala Lebewohl und begaben uns auf die Reise
nach dem Lande Mukamba’s, welches in Sicht war. Bald nachdem wir die
Grenze zwischen dem eigentlichen Urundi und dem Theile, der als Usige
bekannt ist, überschritten hatten, erhob sich ein Sturm aus Südwesten.
Das furchtbare Schwanken unseres Bootes in den Wogenthälern warnte
uns, weiter zu fahren und wir wandten den Nachen nach dem ungefähr
vier Meilen weiter nördlich gelegenem Dorfe Kisuka zu, wo das in
Usige belegene Mugere anfängt. In Kisuka besuchte uns ein bei Mukamba
lebender Mgwana und erzählte uns Einzelheiten über den zwischen Mukamba
und Warumaschanya ausgebrochenen Krieg, aus denen hervorging, dass
diese beiden Häuptlinge sich beständig in den Haaren lagen. Uebrigens
ist es doch eigentlich eine nicht sehr blutige Art Krieg. Ein Häuptling
nämlich macht einen Raubzug in das Land des andern, wobei es ihm
glückt, mit einer Heerde Vieh abzuziehen und ein paar Leute, die er
überrascht hat, zu tödten. Wochen oder auch Monate können vergehen,
ehe der andere sich rächt und einen ähnlichen Fang thut, wodurch das
Gleichgewicht wieder hergestellt wird, sodass keiner etwas gewonnen
hat. Nur selten greifen sie sich mit Muth und Energie an, da der
Afrikaner seiner Natur nach sehr gegen eine energische Kriegführung ist.

Dieser Mgwana gab uns auch auf unser Befragen weit interessantere
Nachrichten, nämlich über den Rusizi. Denn er versicherte uns mit
Kennermiene, die zu bezweifeln ein Zeichen grosser Dummheit sei, dass
der Rusizi-Fluss aus dem See nach Suna’s (Mtesa’s) Lande fliesse.
„+Wo+ könnte er auch sonst hinfliessen?“ fragte er. Livingstone
war geneigt, dieses zu glauben oder wollte wol mehr diese Behauptung
auf sich beruhen lassen, bis sie durch Augenschein bestätigt sei. Ich
hatte, wie ich dem Doctor sagte, mehr Neigung es zu bezweifeln. Erstens
war die Nachricht zu gut, um wahr sein zu können, und zweitens erging
sich der Mensch zu begeistert über diesen Gegenstand, der für ihn doch
gar kein Interesse haben konnte. Seine „Barikallahs“ und „Inschallahs“
waren mir viel zu warm und seine Antworten stimmten viel zu sehr mit
unsern Wünschen überein. Der Doctor legte aber grosses Gewicht auf den
Bericht eines Mgwana, mit dem er im fernen Süden zusammengetroffen und
der ihm mitgetheilt, der Grossvater oder Vater Rumanika’s, des jetzigen
Königs von Karagweh, habe daran gedacht, das Bett des Kitangule-Flusses
zu verbreitern, damit seine Nachen nach Udschidschi fahren könnten,
um dort Handelsverbindungen anzuknüpfen. Aus diesem Umstande, der mit
seinem oft ausgesprochenen und auch jetzt festgehaltenen Glauben, dass
das Wasser des Tanganika irgendwo einen Abfluss habe, übereinstimmte,
glaube ich, dass Livingstone dem Bericht des Mgwana zugethan war. Im
weitern Verlauf jedoch werden wir sehen, zu welchem Ziele dies führte.

Am neunten Morgen nach unserer Abfahrt von Udschidschi passirten wir
etwa zwei Stunden nach Sonnenaufgang das breite Delta des Mugere, eines
Flusses, welcher seinen Namen auch der am östlichen Ufer belegenen
Gegend gibt, über die Mukamba herrscht. Wir befanden uns gerade der
südlichsten seiner drei Mündungen gegenüber, als wir einen grossen
Unterschied in der Färbung des Wassers entdeckten, welche sich durch
eine fast gerade östlich und westlich von der Mündung gezogene Linie
gut markiren liess. Auf der Südseite befand sich reines, hellgrünes
Wasser, auf der nördlichen war es schlammig und man konnte den Strom
gerade nach Norden fliessen sehen. Bald nachdem wir die erste Mündung
passirt, kamen wir an die zweite und dritte, von denen jede nur wenige
Schritt breit ist, aber hinreichend viel Wasser entlässt, um uns zu
gestatten, die Strömungen einige Ruthen nach Norden über ihre Mündungen
hinaus zu verfolgen.

Ueber die dritte Mündung des Mugere hinaus zeigte sich eine Biegung,
auf deren anderm Ufer sich eine Gruppe von Dörfern befand. Sie gehörten
Mukamba und in einem derselben lebt dieser Häuptling selbst. Die
Eingeborenen hatten noch nie einen Weissen gesehen und wir wurden
natürlich bei unserer Landung von einer grossen Menge umgeben,
sämmtlich mit langen Speeren bewaffnet. Dies sind ausser Knütteln und
eines hin und wieder vorkommenden Beiles die einzigen Waffen, die man
bei ihnen antrifft.

Man wies uns in eine Hütte, die Dr. Livingstone und ich gemeinsam
einnahmen. Von dem, was sich an jenem Tage ereignete, habe ich nur
eine dunkle Erinnerung, da ich zum ersten male, seitdem ich Unyanyembé
verlassen, vom Fieber niedergeworfen wurde. Ich erinnere mich nur
dunkel, dass ich den Versuch machte, Mukamba’s Alter zu bestimmen und
bemerkte, dass er im ganzen stattlich aussehe und uns wohl geneigt
sei. Während der Pausen der Qualen und Bewusstlosigkeit glaubte ich
zu sehen, wie Livingstone sich auf mich zu bewegte, und zu fühlen,
wie er mir den heissen Kopf und die brennenden Glieder liebevoll
betastete. Ich hatte mehrere Fieberanfälle zwischen Bagamoyo und
Unyanyembé erduldet, ohne dass irgend jemand mir Erleichterung von
den langwierigen, marternden Kopfschmerzen gebracht, oder die trübe
Aussicht, die nothwendig das Bett eines einsamen, kranken Reisenden
umgibt, erhellt hätte. Obgleich aber das Fieber, von dem ich drei
Monate lang frei gewesen, diesmal stärker als gewöhnlich auftrat, so
war ich doch nicht sehr traurig darüber, da ich jetzt die liebevolle,
väterliche Güte des vortrefflichen Mannes, dessen Kamerad ich war,
genoss.

Am nächsten Morgen, nachdem ich vom Fieber etwas genesen und Mukamba
mit einem aus einem Ochsen, einem Schaf und einer Ziege bestehenden
Geschenk angekommen war, konnte ich den Antworten, welche er auf
die Fragen über den Rusizi-Fluss und das Ende des Sees gab, meine
Aufmerksamkeit schenken. Der stets muntere und enthusiastische Mgwana
befand sich auch da und war durchaus nicht beschämt, als uns der
Häuptling durch ihn sagen liess, dass der Rusizi, der sich in einer
Entfernung von zwei Tagereisen zu Wasser, oder einer Tagereise zu Lande
von der Spitze des Sees mit dem Ruanda oder Luanda verbinde, in den See
fliesse.

So wurden unsere, durch die bestimmten und wiederholten Versicherungen,
dass der Fluss aus dem See heraus nach Karagweh fliesse, erregten
Hoffnungen ebenso schnell zu Schanden, wie sie erweckt worden waren.

Wir bezahlten Mukamba das aus 9 Doti und 9 Fundo Samsam, Lunghio
und Muzurio N’zige bestehende Honga. Hier wären die gedruckten
Taschentücher, deren ich in Unyanyembé so viele hatte, gut gegangen.
Nachdem der Häuptling sein Geschenk erhalten, führte er seinen Sohn,
einen hoch aufgeschossenen Jüngling von ungefähr 18 Jahren bei dem
Doctor ein als einen Menschen, der gern von ihm adoptirt werden
möchte. Dieser aber wies mit einem gutmüthigen Lachen alle solche
Verwandtschaft von der Hand, da sie nur dazu bestimmt war, ihm noch
etwas Tuch abzunehmen. Mukamba beruhigte sich dabei und bestand nicht
darauf, mehr zu bekommen.

Am zweiten Abend unseres Aufenthalts bei Mukamba hatte sich Susi, der
Diener Livingstone’s, infolge der freigebigen, reichlichen Gaben des
Häuptlings an Pombé gründlich betrunken. Gerade beim Morgengrauen
des nächsten Tages wurde ich durch ein scharfes, knallendes Geräusch
erweckt. Ich horchte auf und bemerkte, dass der Lärm in unserer Hütte
stattfand. Er rührte vom Doctor her, der um Mitternacht gefühlt hatte,
wie sich jemand an seine Seite niedergelegt; da er glaubte, ich sei
es, hatte er in freundlicher Weise Platz gemacht und sich auf den Rand
seines Bettes gelegt. Als er aber am Morgen sich ziemlich kalt fühlte,
wurde er ganz wach und entdeckte, als er sich auf seinen Ellenbogen
stützte, um zu sehen, wer sein Bettkamerad sei, zu seiner grossen
Verwunderung seinen schwarzen Diener Susi, der von seinen wollenen
Decken Besitz ergriffen, sie in egoistischer Weise um sich gewickelt
hatte und jetzt fast das ganze Bett einnahm. Der Doctor hatte mit
der ihm eigenen Sanftmuth, statt sogleich einen Stock zu nehmen, sich
daran genügen lassen, Susi auf den Rücken zu klopfen und ihm zu sagen:
„Susi, steh auf, Du befindest Dich in meinem Bett. Wie kannst Du Dich
in dieser Weise betrinken, nachdem ich es Dir schon so oft verboten?
Steh doch auf! Du willst nicht? Da hast Du was!“ und damit gab er ihm
einige Schläge mit der Hand. Susi aber schlief und schnarchte weiter.
Daher fuhr der Doctor mit seinen Schlägen fort, bis selbst Susi’s
dickes Fell sie zu fühlen anfing und er zu dem Bewusstsein erwachte,
wie wenig liebevolle Hingabe für seinen Herrn darin liege, dass er
dessen Bett usurpirt habe. Am nächsten Tage sah Susi wegen dieser
Mittheilung seiner Schwäche an den „kleinen Herrn“, wie ich hiess, sehr
niedergeschlagen aus.

[Illustration: SUSI, DER DIENER LIVINGSTONE’S.]

In der Dämmerung des nächsten Tages setzten wir uns in unser Boot
und ruderten über den See, nachdem Mukamba uns Lebewohl gesagt und
gebeten hatte, sobald wir seinen Bruder Ruhinga, dessen Gebiet am Ende
des Sees liege, erreicht hätten, ihm unsere Nachen zuzuschicken und
mittlerweile zwei unserer Leute mit ihren Flinten bei ihm zu lassen,
um seine Vertheidigung zu unterstützen, im Fall dass Warumaschanya
ihn sofort nach unserer Abreise angriffe. In neun Stunden waren
wir am Ende des Sees in Mugihewa, dem Lande Ruhinga’s, des ältern
Bruders Mukamba’s, angekommen. Als wir dahin zurückblickten, wo
wir hergekommen, bemerkten wir, dass wir, anstatt einen directen,
ostwestlichen Curs einzuhalten, in der Diagonale von Südwesten nach
Nordwesten gefahren seien. Mit andern Worten, wir waren von Mugere,
welches wenigstens zehn Meilen vom nordöstlichsten Punkt der Ostküste
entfernt ist, nach Mugihewa, das am nördlichsten Punkt der westlichen
Küste liegt, gekommen. Wären wir längs der Ostküste um das nördliche
Ufer des Sees gefahren, so wären wir bei Mukanigi, dem Lande des
Warumaschanya, und Usumbura, dem des Simveh, seines Freundes und
Verbündeten, vorbeigekommen. Durch unsere eben beschriebene diagonale
Richtung hatten wir das äusserste Ende des Sees ohne irgendwelche
Schwierigkeiten erreicht.

Das Land Mugihewa, in dem wir uns jetzt befanden, liegt im Delta des
Rusizi-Flusses. Es ist ein sehr flaches Land, dessen höchster Punkt
nicht zehn Fuss über dem See liegt, und hat zahlreiche Senkungen, die
vom üppigsten Mateterohr und hochgeschossenen Papyrus bewachsen sind,
sowie teichartige Vertiefungen, die, von stehenden Wassern erfüllt,
massenweise Malaria-Ausdünstungen verbreiten. Grosse Viehheerden werden
hier gezogen, denn wo der Boden nicht von Sumpfpflanzen bedeckt ist,
erzeugt er gutes, kräftiges Gras. Die Schafe und Ziegen, namentlich
erstere, sind immer in gutem Zustande und obgleich man sie nicht mit
englischen oder amerikanischen vergleichen kann, so sind sie doch die
schönsten, die ich in Afrika gesehen habe. Auf diesem Boden sieht man
zahlreiche Dörfer, weil der dazwischen liegende Raum nicht von den
üppigen wuchernden Dschungels, die in andern Theilen Afrikas gewöhnlich
sind, besetzt ist. Nur die abessinische Euphorbia Kolquall, welche ein
Häuptling hier zur Vertheidigung um die Dorfschaften hat anpflanzen
lassen, hindert daran, von einem Ende von Mugihewa bis ans andere zu
sehen. Das Wasser am Ende des Sees vom westlichen bis zum östlichen
Ufer wimmelt von Krokodilen. Vom Ufer aus zählte ich zehn Krokodilköpfe
und der Rusizi soll auch ganz voll davon sein.

Ruhinga, der uns bald nachdem wir in seinem Dorfe Quartier
aufgeschlagen, besuchte, war ein sehr liebenswürdiger Mann, dem es
stets gelang, irgendetwas zu sehen, das seine Lachlust reizte. Obgleich
er etwa 5–6 Jahre älter als Mukamba war, -- er selbst sagte, er sei
100 Jahre alt -- hatte er nicht halb so viel Würde und wurde auch von
seinem Volke nicht so sehr verehrt, wie sein jüngerer Bruder. Ruhinga
kannte jedoch das Land besser, als Mukamba, hatte ein vorzügliches
Gedächtniss und war im Stande, uns in intelligenter Weise Auskunft über
dasselbe zu geben. Nachdem er uns als Häuptling die Honneurs gemacht
und mit einem Ochsen und einem Schaf, nebst Milch und Honig beschenkt
hatte, versuchten wir eifrig, so viel Kunde wie möglich von ihm zu
bekommen.

Folgendes kann als der Hauptinhalt der von Ruhinga erhaltenen
Nachrichten gelten:

Das an das Ende des Sees, im Osten an das eigentliche Urundi, im
Westen an Uvira grenzende Land zerfällt in folgende Districte:
erstens das von Mukamba beherrschte Mugere, durch welches sich die
kleinen Flüsse Mugere und Mpanda in den See ergiessen. Zweitens das
von Warumaschanya regierte Mukanigi, welches das ganze nordöstliche
Ende des Sees einnimmt und durch das die kleinen Flüsse Karindwa und
Mugera wa Kanigi in den See fliessen. Drittens liegt auf der östlichen
Hälfte des am Ende des Sees befindlichen Gebietes das von Simveh, dem
Freunde und Bundesgenossen Warumaschanya’s beherrschte Usumbura und
erstreckt sich bis zum östlichen Ufer des Rusizi. Viertens zieht sich
vom westlichen Ufer des Rusizi bis an das äusserste nordwestliche
Ende des Sees Mugihewa, das Land Ruhinga’s. Fünftens liegt westlich
von Uvira Ruwenga, welches sich nördlich an Mugihewa vorbeizieht,
dasselbe bis an die Berge von Tschamati hin überragt und gleichfalls
von Mukamba beherrscht wird. Jenseits Ruwenga, von den Bergen von
Tschamati bis zum Fluss Ruanda, liegt das Land Tschamati. Westlich von
Ruwenga liegt Uaschi, welches alle die Berge, die auf einem zweitägigen
Marsch in jener Richtung liegen, einschliesst. Das sind die kleinern
Unterabtheilungen des Gebiets, welches als Ruwenga und Usige bekannt
ist. Ruwenga umfasst die Länder Ruwenga und Mugihewa; Usige die Länder
Usumbura, Mukanigi und Mugere. Doch bilden alle diese Länder nur
einen Theil von Urundi, welches alles Land in sich schliesst, das vom
Mschala-Fluss im Osten bis nach Uvira im Westen den See begrenzt und
sich zehn Tagereisen direct nördlich von dem Ende des Sees und einen
Monat in nordöstlicher Richtung bis nach Murukuko, der Hauptstadt
Mwezi’s, des Sultans von ganz Urundi, erstreckt. Gerade im Norden von
Urundi befindet sich Ruanda, ebenfalls ein sehr grosses Land.

Der Rusizi-Fluss entsteht nach dem Berichte Ruhinga’s in der Nähe
eines Kivo genannten Sees, der nach seiner Aussage so lang, wie von
Mugihewa bis Mugere, und so breit wie von Mugihewa bis nach dem Lande
Warumaschanya’s oder etwa 18 Meilen lang und 8 Meilen breit ist.
Dieser See wird an seinen westlichen und nördlichen Ufern von Bergen
umgeben. An der südwestlichen Seite eines dieser Berge entspringt
der Rusizi, der zuerst ein kleiner rascher Bach ist. In seinem
weitern Verlauf zum See nimmt er folgende Flüsse auf: Kagunissi,
Kaburan, Mohira, Nyamagana, Nyakagunda, Ruviro, Rofubu, Kavimvira,
Myove, Ruhuha, Mukindu, Sange, Rubirizi, Kiriba und schliesslich den
Ruanda-Fluss, welcher der grösste von allen zu sein scheint. Der See
Kivo führt seinen Namen von dem Lande, in dem er liegt. Auf der einen
Seite befindet sich Mutumbi (wol das Utumbi von Speke und Baker); im
Westen Ruanda; im Osten Urundi. Der Name des Häuptlings von Kivo ist
Kwansibura.

Nach so vielen genauen Einzelheiten über den Fluss Rusizi erübrigte
uns nur noch, ihn selbst zu sehen. Am zweiten Morgen nach unserer
Ankunft in Mugihewa wählten wir zehn starke Ruderer aus und machten uns
daran, das Ende des Sees und die Mündung des Rusizi zu erforschen. Wir
fanden, dass das nördliche Ende des Sees von sieben breiten Buchten
ausgezackt ist, von denen eine jede 1½–3 Meilen breit ist. Lange und
breite Sandvorsprünge, die von Matete überwachsen sind, trennten jede
Bai von der andern. Die erste, von Westen nach Osten anfangend, war
im breitesten Theile, bis an den äussersten südlichen Punkt Mugihewa
ungefähr drei Meilen breit und dient als Demarcationslinie zwischen dem
Bezirke Mukamba’s Ruwenga und Ruhinga’s Mugihewa; die Länge derselben
beträgt zwei Meilen. Die zweite Bucht war eine Meile von dem südlichen
Ende von Mugihewa bis nach Ruhinga’s am Kopfe der Bucht belegenem Dorfe
und nur noch eine Meile bis zu einer andern Sandzunge, an deren Spitze
eine kleine Insel lag. Die dritte Bucht erstreckte sich fast eine Meile
lang nach einer langen Düne, an deren Ende wiederum eine 1¼ Meile
lange Insel lag, welche die westliche Seite der vierten Bucht bildet,
an deren Spitze sich das Delta des Rusizi befindet. Diese vierte Bucht
war an ihrer Basis ungefähr drei Meilen tief und zog sich eine halbe
Meile weiter ins Land hinein als die übrigen. Sondirungen ergaben
eine Tiefe von sechs Fuss, die sich einige hundert Schritt von der
Hauptmündung des Rusizi gleichblieb. Der Strom war sehr trägfliessend
und lief nicht mehr als eine engl. Meile in der Stunde. Obwol wir
beständig unser Glas brauchten, um den Fluss aufzufinden, konnten wir
den Hauptkanal desselben nicht eher sehen, als bis wir uns ihm auf
200 Schritt genähert hatten und ihn dann nur daran erkennen, dass wir
beobachteten, aus welcher Mündung die Fischerboote herauskamen. Die
Bucht hatte sich an diesem Punkte von zwei Meilen auf etwa 200 Meter
Breite verengert. Wir forderten ein Boot auf, uns den Weg zu zeigen
und aus blosser Neugier der Besitzer fuhr uns eine ganze Flottille
von Canoes voran. Wir folgten und fuhren in einigen Minuten den Strom
hinauf, der sehr rasch, aber nur ungefähr zehn Meter breit und ungemein
seicht, nicht mehr als zwei Fuss tief war. Ungefähr eine halbe Meile
ruderten wir hinauf, wo der Strom sehr stark war, 6–8 Meilen in der
Stunde floss, und kamen weit genug, um die Natur desselben bei seiner
Mündung beobachten zu können. Hier konnten wir sehen, dass er weiter
wurde und sich in unzählige Kanäle spaltete, die an einzelnen Gruppen
von Binsen und Matetegras vorüberströmten, und dass er wie ein Morast
aussah. Wir waren den mittleren oder Hauptkanal hinaufgefahren. Der
westliche Kanal war ungefähr acht Meter breit. Nachdem wir zur Bucht
zurückgekehrt waren, bemerkten wir, dass der östlichste Kanal ungefähr
sechs Meter breit und zehn Fuss tief, aber sehr träge sei. So hatten
wir jede der drei Mündungen untersucht und unsern Zweifel über den
Charakter des Rusizi als Aus- oder Zufluss erledigt. Jetzt war es nicht
mehr nöthig, weiter hinaufzufahren, da sich im Flusse selbst nichts
Erforschenswerthes befand.

Die Frage, ob der Rusizi ein Aus- oder Einfluss sei, ist auf immer
beantwortet. In dieser Beziehung herrscht jetzt kein Zweifel mehr. An
Grösse ist er mit dem Malagarazi-Flusse nicht zu vergleichen, auch
kann er nur für die allerkleinsten Boote schiffbar gemacht werden. Das
einzige Merkwürdige an ihm ist, dass er von Krokodilen wimmelt, wogegen
kein einziges Flusspferd sich sehen liess. Dies kann gleichfalls
als ein Beweis seiner Seichtheit gelten. Die Buchten im Osten des
Rusizi sind ebenso gebildet wie die im Westen. Wenn man die Breite
der verschiedenen Buchten von einer Spitze zur andern und der sie
trennenden Dünen genau in Rechnung bringt, so kann der See ungefähr
12–14 Meilen breit sein. Hätten wir uns einfach daran genügen lassen,
einen Blick auf seine Gestaltung und den Zusammenstoss der östlichen
und westlichen Hügelkette zu werfen, so hätten wir behauptet, der See
ende in einem Punkte, wie Kapitän Speke ihn auf seiner Karte gezeichnet
hat. Die genauere Erforschung desselben hat aber diese Idee zu Schanden
gemacht. Der Tschamati-Berg ist der äusserste nördliche Endpunkt der
westlichen Kette und scheint bei oberflächlicher Untersuchung an die
Ramata-Berge der östlichen Kette, die dem Tschamati gegenüberliegen,
zu stossen; doch trennt ein etwa eine Meile breites Thal die beiden
Höhenzüge und durch dieses fliesst der Rusizi dem See zu. Der Tschamati
bildet zwar das Ende der westlichen Hügelkette, die östliche dehnt sich
aber Meilen lang weiter nach Nordwesten hin. Nachdem der Rusizi
aus dieser breiten Oeffnung herausgetreten, läuft er scheinbar als
breiter, mächtiger Strom in hundert Kanälen durch eine weite, von ihm
selbst gebildete Alluvialebene, bis er in der Nähe des Sees, wie oben
beschrieben, nur durch drei Kanäle in denselben hineinfliesst.

[Illustration: AN DER MÜNDUNG DES RUSIZI.

  II. S. 132.]

Ich darf es nicht unterlassen, hier zu sagen, dass, obwol Livingstone
und ich gegen den starken Strom des Rusizi, der rasch in den Tanganika
fliesst, zu kämpfen gehabt haben, der Doctor doch der Ueberzeugung
lebt, dass, welche Rolle auch der Rusizi spielen möge, der Tanganika
doch irgendwo einen Ausfluss haben müsse, weil alle Süsswasserseen
Ausflüsse haben. Livingstone kann seine Ansichten und Gründe hierfür
viel besser als ich auseinandersetzen, und um nicht über den Gegenstand
falsch zu berichten, will ich ihn ruhen lassen, bis Livingstone selbst
Gelegenheit hat, sich darüber auszusprechen, was er vermöge seiner
grossen Kenntniss Afrikas sachkundiger zu thun vermag.

Mir und, wie ich glaube, auch dem Doctor ist jetzt eins klar, dass
nämlich Sir Samuel Baker den Albert Nyanza um einen, wenn nicht zwei
Breitengrade wird verkürzen müssen. Dieser berühmte Reisende hat seinen
See weit in das Gebiet der Warundi hineingezeichnet und Ruanda an sein
östliches Ufer verlegt; während ein grosser Theil desselben, wenn nicht
das ganze, nördlich von dem Theil gezeichnet werden müsste, den er auf
seiner Karte als Usigé bezeichnet. Die Aussage eines so intelligenten
Mannes wie Ruhinga ist nicht zu verachten; denn wenn der Albert-See
bis auf hundert Meilen in die Nähe des Tanganika käme, so würde jener
gewiss von seinem Dasein gehört haben, sogar wenn er ihn nicht selbst
gesehen hätte. Ruhinga ist ursprünglich von Mutumbi gekommen und von
diesem Lande nach Mugihewa, dem Bezirk, den er jetzt beherrscht,
gereist. Er hat Mwezi, den grossen König von Urundi, gesehen und
beschreibt ihn als einen etwa vierzigjährigen, sehr guten Mann.

Unsere Aufgabe war jetzt beendigt; es gab nichts mehr, was uns in
Mugihewa zurückhalten konnte. Ruhinga war sehr freundlich gegen uns
gewesen und hatte uns einen Ochsen nach dem andern zum Schlachten und
Essen geschenkt. Dasselbe hatte Mukamba gethan. Ihre Frauen versahen
uns reichlich mit Milch und Butter und wir hatten jetzt bedeutende
Vorräthe davon.

Livingstone hatte eine Reihe von Breiten- und Längenbeobachtungen
angestellt, nach denen Mugihewa auf 3° 19′ südl. Breite liegt.

Früh am Morgen des 7. December verliessen wir Mugihewa und kamen an dem
südlichen Ende der Katangara-Inseln vorüber in die Nähe der Hochlande
von Uaschi, dicht an die Grenzlinie zwischen dem Gebiete Mukamba’s und
Uvira. Diese soll von einer weiten Schlucht gebildet werden, in deren
Tiefen sich ein Hain schöner geradstämmiger Bäume befindet, aus denen
die Eingeborenen Canoes verfertigen.

Am Kanyamabengu-Flusse vorbei, welcher dicht an dem Markt von Kirabula
in den See fliesst, dem äussersten Punkte, wo Burton und Speke den
Tanganika untersucht haben, steuerten wir südlich dem westlichen Ufer
des Flusses entlang noch eine halbe Stunde weiter nach Kavimba, wo wir
halt machten, um unser Frühstück zu bereiten.

Das Dorf, wo Mruta, König von Uvira, lebt, war von unserm Lager aus
zu sehen, und da wir Leute die Berge häufiger auf- und absteigen
sahen, als für uns von guter Vorbedeutung zu sein schien, beschlossen
wir, unsere Fahrt nach Süden fortzusetzen. Ausserdem trafen wir
eine trostlos aussehende Anzahl Wadschidschi, die einige Tage vor
unserer Ankunft deshalb geplündert worden waren, weil sie, wie die
Wavira glaubten, es versucht hatten, Hongazahlungen auszuweichen.
Dergleichen Thatsachen und unsere Kenntniss von der allgemeinen im
Lande herrschenden Unsicherheit, die von vielen in den Bezirken des
Tanganika wüthenden Kriegen herrührten, bestimmte uns, nicht in Kavimba
anzuhalten.

Ehe die Wavira sich versammelt hatten, begaben wir uns rasch in unser
Boot und wandten uns nach Süden einem starken Winde entgegen, der
gerade von Südwesten hertrieb. Nachdem wir etwa zwei Stunden, dem
sich rasch erhebenden Sturm entgegen, anstrengend gerudert hatten,
wandten wir unser Boot in eine kleine, ruhige, unter hohen Buchen fast
verborgene Bucht und begaben uns für die Nacht ans Land.

Mit den uns umgebenden Gefahren vertraut und wohl wissend, dass der
unversöhnliche Wilde unser schlimmster Feind sei, verwandten wir unsere
ganze Kraft auf die Errichtung eines starken Zaunes von Dornbüschen,
setzten uns darauf zum Abendessen und legten uns nieder. Vorher hatten
wir jedoch Wachen für unser Boot ausgestellt, damit die kühnen Diebe
von Uvira es nicht stehlen könnten, in welchem Falle wir in eine böse
Lage gekommen wären.

Bei Tagesanbruch verliessen wir nach unserm einfachen, aus Kaffee,
Käse und Dourra-Gebäck bestehenden Frühstück die Spitze Kukumba und
steuerten noch einmal nach Süden. Obwol unsere Feuer die Aufmerksamkeit
der scharfsichtigen, argwöhnischen Fischer von Kukumba auf sich
gezogen, hatten sich unsere Vorsichtsmassregeln sowie die von uns
ausgestellte Wache als wirksam gegen die Diebe von Uvira bewährt.

Auf unserer Weiterfahrt zeigten sich die westlichen Ufer des Sees als
höher und kühner, wie die Waldhöhen von Urundi und die struppigen
Erhebungen von Udschidschi. Zwischen den gekerbten Spitzen der
vordern Berglinie zeigte sich ein dahinter liegender Höhenzug, der
Vortrab der Berge, die sich weiter ins Land erheben, der eine Höhe
von 2500–3000 Fuss über dem See erreichte. In den Einschnitten der
vordern Gebirgsreihe streben einzelne Berge von bedeutender Höhe
plötzlich steil empor und sind in landschaftlicher Beziehung höchst
malerisch. Die meisten dieser Berge haben abgerundete, glatte oder auch
tafelförmige Gipfel. Der Bergrücken, den sie bilden, lässt hie und da
Vorsprünge von mehr allmählich absteigenden Contouren als Vorgebirge in
den See treten. So oft wir um diese Punkte herumfuhren, nahmen wir mit
dem Compass die Lage der Gegend auf und beobachteten die Richtung aller
interessanten, hervorragenden Gegenstände. Oft werden diese Caps von
Alluvialebenen gebildet, durch welche bestimmt ein Fluss fliesst. Diese
hübschen Alluvialebenen, die von Süden, Westen und Norden von einem
grossartigen Bergbogen umgeben werden, bieten eine üppige, bezaubernde
Landschaft dar. Die Vegetation scheint hier von selbst zu wachsen.
Gruppen der Palme Elaeis Guinensis hüllen ein dunkelbraunes Dorf ein;
eine Reihe majestätischer, herrlich gewachsener Mvule-Bäume, eine weite
von lebhaft grünen Sorghumstauden bedeckte Fläche, fallschirmartig
belaubte Mimosen, ein schmaler Streifen weissen Sandes, auf welchen
Boote der Eingeborenen weit ausserhalb des Bereiches der wogenden,
unruhigen Brandung hinaufgezogen sind; Fischer, die träge im Schatten
eines Baumes liegen: das sind die Scenen, welche sich uns auf der
Fahrt in unserm Canoe auf dem Tanganika darboten. So oft wir von der
Romantik solcher wilden Tropenlandschaft ermüdet waren, brauchten
wir nur das Auge zu den grossen Gebirgsgipfeln zu erheben, die in
düsterer Majestät rechts aus der Ferne herüberschauen; die leichten
Zeichnungen der Federwolke zu beobachten, die ihre Gipfel streift und
durch den Wind nach Norden getrieben wird; oder die Verwandlungen zu
betrachten, welche die Wolken annehmen, wie sie aus diesen leichten
Flocken in die dichtem, finstern Haufenwolken übergehen, den Vorläufer
von Sturm und Regen, die sich bald in eine unheilschwangere Gruppe
aufeinandergethürmter Alpen verwandeln und uns mahnen, dass der bisher
brauende Sturm da und es Zeit sei, ein Unterkommen zu suchen.

Hinter Muikamba sahen wir verschiedene Gruppen von hohen Mvule-Bäumen.
Bis nach Bemba hin werden die Berggipfel von den Wabembe bewohnt,
wogegen die Wavira die Alluvialebenen längs des Flusses und der
niedrigern Abhänge des Gebirges bebauen. In Bemba hielten wir an, um
Stückchen von Pfeifenthon mitzunehmen in Uebereinstimmung mit dem
Aberglauben der Wadschidschi, welche meinen, dass man eine gute,
glückliche Ueberfahrt hat, wenn man nach dieser alten Sitte verfährt.

Hinter Ngovi kamen wir an eine tiefe Bucht, welche sich im Bogen bis
zu dem zehn Meilen entfernten Cap Kabogi hinzieht. Nachdem wir etwa
zwei Drittel des Weges zurückgelegt, gelangten wir an eine Gruppe
von drei sehr steilen Felsinselchen, von denen die grösste etwa 300
Fuss Länge und 200 Fuss Breite an ihrer Basis hatte. Hier machten wir
Vorbereitungen, um die Nacht zu bleiben. Die Inseln wurden von einem
buntgefiederten alten Hahn, der als Sühnopfer für den Geist der Insel
gehalten wurde, von einer kränklichen, gelb aussehenden Drossel, einem
hammerköpfigen Storch und zwei Fischhabichten bewohnt, welche, als
sie entdeckten, dass wir von dem Orte Besitz genommen, der ihnen nach
frommer Sitte vorbehalten war, auf die westlichste Insel fortflogen,
von wo aus sie uns feierlich von ihren Horsten weiter beobachteten.

Da wir den Namen dieser Inseln Kavunvweh nur mit Mühe aussprechen
konnten, nannte sie Livingstone, da er glaubte, dass sie die
einzige von uns zu machende Entdeckung sein würden, die „New
York-Herald-Inseln“ und bekräftigte mir diesen neuen Namen durch einen
Händedruck. Durch sorgfältigen Ueberschlag wurde ihre Lage als auf 3°
41′ südl. Breite befindlich festgestellt.

Der Gipfel der grössten Insel war sehr geeignet zur Aufnahme der
Gegend, und wir benutzten diese Gelegenheit, da wir einen sehr
ausgedehnten Rundblick auf den breiten, länglichen See und die
denselben umgebenden hohen Gebirgszüge genossen. Die Ramata-Berge
zeigten sich deutlich und lagen nordnordöstlich davon; Cap Katanga
Südost zu Süd; Sentakeyi ostsüdöstlich; Magala Ost zu Nord; der
südwestliche Punkt der Muzimu-Insel zeigte nach Süden, der nördliche
nach Südsüdost.

Mit dem Morgengrauen des 9. December bereiteten wir uns auf unsere
Weiterreise vor. In der Nacht waren wir einigemal von Fischern
besucht worden, die jedoch durch unsere ängstliche Wachsamkeit am
Raube verhindert worden waren. Es schien mir aber, dass die Bewohner
des andern Ufers, die uns besuchten, eifrig auf eine Gelegenheit
warteten, über unser Boot herzufallen oder uns persönlich als Beute
fortzuschleppen. Durch diesen Gedanken wurden unsere Leute bedeutend
beunruhigt, wenn man nach der Energie, mit der sie von unserm letzten
Lagerplatze fortruderten, urtheilen darf.

Am Cap Kabogi kamen wir in das Gebiet der Wasansi. Dass wir einem
andern Stamm uns gegenüberbefanden, erfuhren wir durch die
Begrüssungsformel „Moholo“, die uns eine Gruppe Fischer zurief. Die
Begrüssung der Wavira heisst nämlich „Wake“, ebenso wie auch in Urundi,
Usige und Uhha.

Bald darauf kamen wir in Sicht von Cap Luvumba, einem absteigenden
Vorsprung eines Gebirgsrückens, der weit in den See hineinragt. Da ein
Sturm im Anzuge war, steuerten wir in eine gemüthliche, kleine Bucht,
die vor einem Dorfe lag, zogen unsern Nachen aus dem Wasser, schlugen
das Zelt auf und bereiteten uns für die Nacht vor.

Da die Eingeborenen ruhig und höflich zu sein schienen, hatten wir
keinen Grund, anzunehmen, dass sie gegen Araber und Wangwana feindselig
gesinnt seien. Wir liessen also unser Frühstück kochen und legten
uns darauf, wie gewöhnlich, zu einem Nachmittagsschläfchen hin. Bald
schlief ich ein und träumte in meinem Zelt, ohne von dem Streit und
Zank, der, seitdem ich mich gelegt, entstanden war, etwas zu ahnen,
als ich eine Stimme mir zurufen hörte: „Herr, Herr! stehen Sie rasch
auf, soeben fängt ein Kampf an!“ Ich sprang auf und spazierte, nachdem
ich meinen Revolvergürtel rasch vom Flintenständer genommen, hinaus.
Wirklich schien eine erhebliche Feindseligkeit zwischen den beiden
Parteien, nämlich einer lärmenden, rachsüchtig aussehenden Anzahl
Eingeborener und unsern Leuten zu bestehen. Sieben oder acht der
Unsrigen hatten sich hinter dem Boot versteckt und ihre geladenen
Gewehre halb auf die leidenschaftlich erregte Masse gerichtet, die
jeden Augenblick sehr an Anzahl zunahm; den Doctor aber konnte ich
nirgends sehen.

„Wo ist der Doctor?“ fragte ich.

„Er ist mit seinem Compass über jenen Berg gegangen“, sagte Selim.

„Ist jemand bei ihm?“

„Susi und Dschumah.“

„Bombay, schicke sofort zwei Leute an den Doctor, damit er hierher
eile.“

Doch gerade in diesem Augenblick erschien er und seine beiden Leute
auf dem Abhang eines Berges und blickte in ruhiger Weise auf die
tragikomische Scene, die das kleine Becken, in welchem wir lagerten,
darbot. Denn trotz des ernstlichen Aussehens derselben mischte
sich wirklich manches Komische hinein, da ein nackter, vollständig
betrunkener Jüngling, der sich kaum auf den Beinen halten konnte, den
Boden mit seinem einzigen Lendentuche schlug und wie ein Toller schrie
und wüthete. In seiner eigenen vorzüglichen Sprache schwor er hoch und
theuer, kein Mgwana oder Araber dürfe sich auch nur einen Augenblick
auf dem geheiligten Boden von Usansi aufhalten. Auch sein Vater, der
Sultan, war ebenso betrunken wie er, aber nicht ganz so heftig in
seinem Betragen.

Mittlerweile kam Livingstone herab und Selim hatte mein gezogenes
Winchestergewehr gefüllt mit Patronen in meine Hand gesteckt.
Ruhig erkundigte sich der Doctor, was vorläge, und erhielt von den
Wadschidschiführern die Antwort, die Leute wünschten, dass wir
fortzögen, da sie Feinde der Araber seien, weil der älteste Sohn
des Sultans von Muzimu, der grossen fast gegenüberliegenden Insel,
von einem Belutsch namens Khamis in Udschidschi zu Tode geprügelt
worden sei, als der junge Mensch es gewagt, in den Harem des andern
hineinzusehen. Seit der Zeit sei der Friede zwischen den Wasansi und
Arabern gebrochen.

Nach Berathschlagung mit den Führern kamen wir zu dem Schluss, dass
es besser sei, den Versuch zu machen, den Sultan durch ein Geschenk
zu beruhigen, als sich durch die überspannte Laune eines betrunkenen
Jungen beleidigt zu fühlen. Dieser hatte in seiner unsinnigen Wuth den
Versuch gemacht, einen meiner Leute mit einer Sichel, die er bei sich
trug, zu verletzen. Dies galt als Kriegserklärung und die Soldaten
waren zum Kampf bereit; es lag jedoch keine Nothwendigkeit vor, sich
mit dem betrunkenen Pöbel in einen Kampf einzulassen, der, wenn wir
es gewünscht, mit unsern blossen Revolvern von der Stelle hätte
verscheucht werden können.

Der Doctor entblösste seinen Arm und sagte, er sei weder Mgwana noch
Araber, sondern ein Weisser; die Araber und Wangwana unterschieden
sich von uns durch die Farbe. Wir Weissen seien in jeder Beziehung
andere Menschen, als die, welche sie zu sehen gewohnt seien. Kein
Schwarzer habe je von einem Weissen etwas zu leiden gehabt. Diese
Rede schien eine grosse Wirkung hervorzubringen, denn es bedurfte
nicht vieler Worte, um den betrunkenen Jüngling und seinen ebenso
berauschten Vater zu bewegen, Platz zu nehmen und ruhig zu sprechen. In
ihrer Unterhaltung mit uns bezogen sie sich häufig auf Mombo, den Sohn
Kisesa’s, des Sultans von Muzimu, der in brutaler Weise ermordet worden
sei. „Ja, brutal ermordet!“ riefen sie wiederholt in ihrer eigenen
Sprache aus, indem sie durch eine ausdrucksvolle Pantomime andeuteten,
wie der unglückliche Jüngling gestorben sei.

Livingstone setzte seine Unterhaltung mit ihnen in milder, väterlicher
Weise fort und eben liessen ihre lauten Proteste gegen die Grausamkeit
der Araber nach, als der alte Sultan plötzlich aufstand, in sehr
aufgeregter Weise hin und herlief, sein Bein auf dieser Wanderung
absichtlich mit der scharfen Spitze seines Speeres verletzte und dann
ausrief, die Wangwana hätten ihn verwundet!

Bei diesem Ausruf ergriff die Hälfte der versammelten Menge schleunigst
die Flucht; ein altes Weib jedoch, das einen starken Stab trug, auf
dessen Spitze das Bild einer Eidechse eingeschnitzt war, begann den
Häuptling mit der ganzen Macht ihrer beweglichen Zunge zu schimpfen
und ihm vorzuwerfen, er wünsche, dass sie alle getödtet würden. Andere
Weiber kamen dazu und riethen ihm gleichfalls, ruhig zu sein und das
Geschenk anzunehmen, das wir ihm gern geben wollten.

Offenbar gehörte nicht viel dazu, um alle in dem kleinen Thal
anwesenden Leute zu einem blutigen Streit zu veranlassen. Das milde,
geduldige Betragen Livingstone’s bewirkte jedoch vor allen Dingen,
dass Blutvergiessen verhindert wurde, solange noch die geringste
Aussicht für eine freundschaftliche Beilegung des Streites bestand, und
schliesslich siegte es ob und es gelang, sowol den Sultan als seinen
Sohn in froher Stimmung fortzuschicken.

Während der Doctor sich mit ihnen unterhielt und ihre wilden
Leidenschaften zu beschwichtigen versuchte, liess ich das Zelt
abbrechen, die Boote ins Wasser bringen und das Gepäck besorgen; und
als die Verhandlungen freundschaftlich geschlossen waren, bat ich den
Doctor ins Boot zu springen, da dieser Friede anscheinend nur eine Ruhe
vor dem Sturm bedeute. „Ausserdem,“ sagte ich, „befinden sich etliche
Feiglinge in unserm Boot, die im Fall einer abermaligen Störung sich
nicht besinnen würden, uns beide hier zu lassen.“

Von Cap Luvumba fingen wir ungefähr um ½5 Uhr nachmittags an,
quer über den See zu rudern; um 8 Uhr befanden wir uns gegenüber Cap
Panza, dem nördlichen Ende der Insel Muzimu; um 6 Uhr morgens waren
wir südlich von Bikari und ruderten auf Mukungu in Urundi los, wo wir
um 10 Uhr morgens, nach einer 17½stündigen Ueberfahrt über den See
ankamen, der, wenn man die Stunde zu 2 Meilen rechnet, in directer
Entfernung etwa 35 engl. Meilen breit sein und dessen Länge vom Cap
Luvumba bis hierher etwas mehr als 43 Meilen betragen kann.

Am 11. December kamen wir nach siebenstündigem Rudern wieder im
malerischen Zassi an; am 12. in der südlichen Bucht von Niasanga, und
um 11 Uhr vormittags waren wir um Bangwe gefahren und Udschidschi lag
vor uns.

Still, ohne wie gewöhnlich Flinten abzuschiessen, da wir wenig Pulver
und Kugeln hatten, fuhren wir in den Hafen. Bei unserer Landung kamen
unsere Soldaten und die arabischen Grossen an den Rand des Wassers, um
uns zu begrüssen.

Mabruki hatte viel zu erzählen, was in unserer Abwesenheit geschehen
war. Dieser treue Mensch, der als Wache für Livingstone’s Haus
zurückgelassen worden war, hatte sich vorzüglich aufgeführt. Kalulu
hatte sich verbrüht und zeigte infolge dessen eine schrecklich
aussehende Brandwunde auf seiner Brust. Mabruki hatte Marora in Ketten
gelegt, weil er einen der Esel verwundet; der stotternde Feigling
Bilali, ein Kerl, der stets den Weibern etwas vorrenommirte, hatte
einen Tumult auf dem Marktplatz erregt und war von Mabruki tüchtig mit
dem Stock bearbeitet worden. Vor allem willkommen war mir ein Brief des
amerikanischen Consuls in Zanzibar vom 11. Juni, welcher Telegramme
aus Paris vom 22. April desselben Jahres enthielt. Der arme Livingstone
rief aus: „Und ich habe keine. Wie angenehm ist es, einen wirklich
guten Freund zu besitzen!“

Unsere Reise auf dem Tanganika hatte 28 Tage gedauert, während welcher
Zeit wir mehr als 300 Meilen zu Wasser zurückgelegt hatten.




[Illustration: KÜHE AUS UDSCHIDSCHI UND UNYAMWEZI, PARIAHUND,
FETTSCHWÄNZIGES SCHAF.]




VIERZEHNTES KAPITEL.

GEOGRAPHISCHE UND ETHNOGRAPHISCHE BEMERKUNGEN.

(Zweite Folge.)


In einem besondern Kapitel wollen wir jetzt besprechen, welche neuen
geographischen und ethnographischen Thatsachen uns, seitdem wir Uyanzi
oder Magunda Mkali verlassen, in Bezug auf die Länder Unyamwezi,
Ukonongo, Ukawendi, Uvinza, Uhha, Ukaranga, Udschidschi, Urundi, Usowa,
Ukaramba, Ugoma, Uguhha, Rua und Manyuema bekannt geworden sind.

Das erste Land, das wir zu betrachten haben, ist U-nyamwezi, in
welchem das =u= von den Eingeborenen wie das deutsche =u=
oder englische =oo= ausgesprochen wird. Ich erlaube mir in Bezug
auf die eigentliche Bedeutung des Wortes von allen meinen Vorgängern
abzuweichen. Die Herren Krapf und Rebmann, denen die Welt die erste
Anregung zur Erforschung des Innern Ostafrikas verdankt, übersetzen
das Wort U-nya-mwezi als das „Land des Mondes“, wobei U immer das
Praefixum für „Land“ ist, nya „von“ und mwezi „Mond“ bedeutet. Auch der
gelehrte Kapitän Burton scheint sich derselben Ansicht zuzuneigen und
Speke nimmt dieselbe Interpretation unbedenklich an. Bei aller Achtung
für die tüchtigere Kenntniss Afrikas, welche diese Herren im Vergleich
zu mir besitzen, möchte ich doch denen, die Freunde davon sind,
Finessen wie diese zu discutiren, meine Meinung dahin äussern, dass
man einem Kinyamwezi-Wort eine Kiswahili-Definition gegeben hat. In
der Kiswahili-Sprache nämlich würde das Land des Mondes Umwezi genannt
werden; dagegen ist Unyamwezi ein Kinyamwezi-Wort und kann nicht wegen
der Aehnlichkeit der letzten beiden Silben mit dem wohlbekannten
Kiswahili-Worte mwezi, das „Mond“ bedeutet, so gedeutet werden. Wenn
wir uns übrigens das Kiswahili als Maassstab nehmen, um das Wort
U-nya-mwezi zu deuten, so könnten wir ebenso gut die andere Bedeutung
der letzten beiden Silben mwezi, welches in der Kiswahili-Sprache
ebenso wol Dieb wie Mond heisst, annehmen.

Kapitän Burton sagt, Herr Desborough Cooley ziehe die Bedeutung
„Herr der Welt“ für das Wort Unyamwezi vor, welches er „Monomoezi“
buchstabirt. Zwar ziehe ich Cooley’s Deutung der von Burton gegebenen
vor, dennoch erlaube ich mir auch von Herrn Cooley in Bezug auf die
Genauigkeit der Uebersetzung abzuweichen. Soweit ich von Wanyamwezi
und Arabern, die das Land genau kennen, erfahren, lebte einmal ein
König in Ukalaganza -- was der ursprüngliche Name des Landes ist,
unter welchem auch die westlichen Stämme es allein kennen -- welcher
Mwezi hiess und das ganze Land von Uyanzi bis Uvinza beherrschte. Er
war damals der grösste König, niemand konnte vor ihm in der Schlacht
bestehen, keiner herrschte so weise wie er. Nach dem Tode dieses
grossen Königs aber kämpften seine Söhne unter sich um den Besitz der
höchsten Gewalt, und in den verschiedenen darauf folgenden Kriegen
wurden die Districte, welche die Söhne für sich gewonnen hatten, im
Laufe der Zeit mit verschiedenen Namen bezeichnet und von dem mittlern
und grössern Theil des Landes, welches noch den alten Namen Ukalaganza
behielt, unterschieden. Das Volk von Ukalaganza aber, das den vom alten
König Mwezi eingesetzten Erben anerkannte, wurde nach und nach als
Kinder von Mwezi und das Land als Unyamwezi bezeichnet, während die
andern Districte Konongo, Sagozi, Gunda, Simbiri u. s. w. hiessen. Zur
Unterstützung dieser Theorie, die sich auf eine mir vom alten Häuptling
von Masangi, das am Wege nach Mfuto liegt, mitgetheilte Erzählung
gründet, will ich nur anführen, dass der Name des jetzigen Königs von
Urundi Mwezi ist; und es ist bekannt, dass der Name fast jedes Dorfes
in Afrika einfach von einem lebenden oder todten Beherrscher abgeleitet
wird. Als Beispiel mögen die folgenden dienen: das Dorf Misonghi heisst
von Kwihara bis Bagamoyo Kadetamare, was der Name seines Häuptlings
ist; Kapitän Burton kann diese Thatsache bestätigen, da er den Namen
Kadetamare auf seiner eigenen Karte hat. Der District Nyambwa in Ugogo
verliert rasch seinen alten Titel und ist allgemeiner als Pembera Pereh
bekannt, was der Name des altersschwachen Sultans von Nyambwa ist.
Mrera in Ukonongo ist der Name des Häuptlings, wogegen der District
früher als Kasera bezeichnet wurde. Mbogo oder „Büffel“ hat gleichfalls
seinen Namen einem grossen bevölkerten Districte in Ukonongo gegeben.
Dann finden wir noch Pumburu, den Namen eines benachbarten Häuptlings
von Mapunda in Usowa. Uganda schwindet rasch gegen den berühmten Namen
des Königs Mtesa dahin und in einigen, vielleicht schon nach zehn
Jahren werden spätere Reisende die Araber vom grossen Lande Unyamtesa
oder Umtesa sprechen hören. Ich widersetze mich also entschieden der
poetischen Deutung von Unyamwezi als „Land des Mondes“, oder der
übelmeinenden als „Land des Diebes“; denn Unyamwezi bedeutet einfach
„das Land Mwezi’s“.

Aufs entschiedenste weiche ich auch von Kapitän Burton darin ab,
dass er annimmt, dass „Nimeamaye“, ein Land, das vom holländischen
Historiker Dapper als 60 Tagereisen vom Atlantischen Ocean geschildert
wird, Unyamwezi sein kann. Denn ein zu Pferde Reisender konnte die
Entfernung vom Atlantischen Ocean nach Unyamwezi sogar 1671, also vor
200 Jahren, wo das Land sich noch bis auf zehn Tagereisen vom Tanganika
erstreckte, nicht in 60 Tagen zurücklegen; wohl aber hätte ein von
keiner Last beschwerter Eingeborener vielleicht Manyuema in der Zeit
erreichen können und Nimeamaye ist wol eine Verstümmelung, die daraus
entstanden ist, dass man den richtigen Laut Manyuema oder Manyuemaye
falsch aufgefasst hat.

Gegenwärtig dehnt sich Unyamwezi von Osten nach Westen in gerader
Entfernung ungefähr 145 Meilen weit aus, d. h. vom Fluss Ngwhalah
zwischen Mgongo Tembo und Madedita, auf 34° östl. Länge, bis Usenye,
auf 31° 25′ östl. Länge, welches als das westlichste Ende von
Ukalaganza oder Unyamwezi angesehen wird; und von Norden nach Süden,
vom südlichen Ende des Victoria Nyanza auf 3° 51′ südl. Breite bis zum
Gombé-Flusse, auf 5° 40′ südl. Breite, also 149 geographische Meilen
lang, sodass es eine quadratische Fläche von mehr als 24500 Meilen
einnimmt.

Dieser grosse Flächenraum zerfällt in verschiedene Districte:
Unyanyembé, Usagari, Ugunda, Ugara, Nguru, Msalala, Usongo, Khokoro,
Usimbiri, Nasangaro, Ugoro u. s. w. Von diesen ist Unyanyembé, sowol
wegen seiner centralen Lage als auch wegen starker Bevölkerung, der
bedeutendste in Unyamwezi. Das im Norden von Unyanyembé wohnende Volk
ist als Wasukuma bekannt, das im Süden lebende als Watakama. Die
letztere Bezeichnung wird selten in Unyanyembé, aber häufig von den
Wasukuma gebraucht.

Ueberhaupt kann man Unyamwezi als das schönste Land im östlichen
Central-Afrika bezeichnen. Es ist ein grosses, wellenförmiges
Tafelland, das nach Westen sanft zum Tanganika abfällt, der das
Wasser des grössten Theils desselben aufnimmt. Wer sich das Land aus
der Vogelperspective ansähe, würde Wälder, einen in Purpur gefärbten
Laubteppich erblicken, der hier und da von nackten Ebenen und lichten
Strecken unterbrochen wird, die sich nach allen Himmelsrichtungen
erstrecken; hin und wieder erheben sich Massen von felsigen Bergen,
die wie abgestumpfte Kegel über die sanften, sich bis an den Horizont
hinziehenden Landwellen emporragen, welche sich wie die Wogen eines
Meeres nach einem Sturm ausnehmen. Stellt man sich auf irgendeinen
hervorstehenden Punkt, auf einen der riesigen Syenitblöcke, die
aus dem Kamm der Berge um Mgongo Tembo oder den Felsbuckeln von
Ngaraiso hervorragen, so wird man eine Landschaft erblicken, wie man
sie nie vorher gesehen. Es gibt dort keine erhabenen, grossartigen
Berge; nichts malerisches bietet sich dem Blick dar; man könnte die
Landschaft sogar prosaisch, monoton nennen, denn man hat dieselbe schon
hundertmal gesehen, ehe man nach Uyanzi gekommen; aber gerade in dieser
übermässigen Eintönigkeit liegt das Erhabene. Denn der zu Schaum und
wilden Wogen gepeitschte Ocean ist erhaben; ebenso ist es aber auch
der unter der Aequatorialsonne schlummernde, der das tiefe Blau des
Firmaments widerspiegelt und sich ohne eine Spur von Kräuselung weit
ausdehnt. In gleicher Weise liegt etwas Erhabenes in diesem Anblick
der grossen, ewigen, anscheinend unendlichen Ausdehnung von Wäldern
in Unyanyembé. Das Laub ist von allen Farben des Prismas; wenn sich
die Wälder aber in die Ferne hinziehen, umhüllt sie ein stiller,
geheimnissvoller Dunst und lässt sie zuerst hellblau, dann allmählich
dunkelblau erscheinen, bis sie in der Ferne verschwimmen. Blickt man
auf diese hinschwindenden Umrisse, so verfällt man unwillkürlich in
eine träumerische Stimmung, die in ihren Umrissen ebenso unbestimmt
ist wie die Aussicht am Horizont. Ich behaupte, dass sich niemand eine
solche Landschaft lange ansehen kann ohne zu wünschen, dass auch sein
Leben so heiter dahinschwinden möge, wie die Contouren der Wälder in
Unyamwezi.

In der Seegegend fanden wir eine Art pisolitischen Kalkstein; in Ugogo
Thonschiefer und Syenit in abwechselnden Schichten; in Unyamwezi
dagegen erheben sich die ungeheuern, glatten Schichten, welche sich
uns in Uyanzi mit kahlen Buckeln zeigten, zu massigen Hügeln oder
grossen verwitternden Bruchstücken von Felsmassen, die natürlich durch
den Reichthum der Vegetation, die ihre rauhen, unebenen Linien dem
Menschenblick entzieht, gemildert werden.

In Unyamwezi gibt es nur zwei Flüsse, die diesen Namen verdienen,
nämlich der nördliche und südliche Gombé. Der nördliche, unter dem
Namen Kwala, bisweilen auch Wallah bekannte Fluss entsteht südlich
von Rubuga und tritt, nachdem er in einem nordwestlichen Bogen
dahingeflossen, im Norden von Tabora in den Gombé, der hier selbst ein
Strom von ziemlicher Grösse und Wichtigkeit ist. Mit guten, leichten
Booten kann man sich im letzten Theil der Regenzeit ohne Schwierigkeit
etwa acht Meilen von Tabora einschiffen und glücklich bis zum Tanganika
fahren; natürlich nur, wenn alle Stämme es zugeben. In dieser Weise
könnte eine gut ausgerüstete Expedition Wunder bewirken.

Der Nghwhalah-Fluss -- als nördlich von Kusuri entspringend bekannt
und den Weg nach Unyanyembé oft durchschneidend, wie man sehen kann,
wenn man nach Tura kommt -- schlägt einige Meilen östlich von Madedita
eine stetige Richtung nach Süden ein, zieht durch Nguru, wird dann in
Manyara wieder sichtbar und ist hier als südlicher Gombé bekannt, der
jedoch nur während der Höhe der Regenzeit fliessendes Wasser enthält.
Von Manyara läuft er nach dem Lande Ugala in der Richtung Nord zu West
und nimmt vor seiner Verbindung mit dem Malagarazi die Ströme Mrera
und Mtambu auf, die, nachdem sie die östliche Basis der Rusawa-Berge
umsäumt haben, nach Nordosten gegen das Parkland von Uvenda nach dem
Gombé fliessen.

Alle andern Bäche, die in Unyamwezi wenig zahlreich und ohne Bedeutung
sind, entsenden ihre Gewässer entweder in den nördlichen oder südlichen
Gombé. Gewöhnlich bekommt man das Wasser aus grossen Pfuhlen oder
tiefen, länglichen Höhlungen, die man in Indien Nullahs, in Amerika
dagegen Gullies (Rinnen) nennen würde. Wo Nullahs und Pfuhle fehlen
gräbt man sich Gruben, aus welchen man ein blass milchartig aussehendes
Wasser erhält. Diese Farbe des Wassers wird von dem Eingeborenen von
Unyamwezi als ein sicheres Zeichen der Güte angesehen und er legt seine
Bewunderung dieser Eigenschaft an den Tag, indem er auf die Frage, ob
das Wasser gut ist, mit Inbrunst antwortet: „o miope sana“, „o, es ist
ganz weiss!“ woraus man natürlich entnehmen soll, dass es sehr gut sei.

Die Erzeugnisse der Wälder von Unyamwezi sowie von Ukonongo und Uvinza
sind ähnlich denen von Uyanzi, nämlich die allen baumbewachsenen
Hochlanden in der Nähe des Aequators gemeinsamen.

Der riesigste Baum, den man zwischen Uyanzi und dem Tanganika findet,
ist der Mtamba, wilde Feigenbaum, der ebenso gross wird wie die
mächtigen Baobabs von Ugogo. Er trägt eine angenehme Art Feigen,
welche, wenn sie reif sind, von den Eingeborenen gern gegessen
werden. Doch gibt es dieser Sykomoren nur wenige und sie stehen weit
auseinander. Andere in den Wäldern häufig vorkommende Bäume werden
durch die Kiswahili-Worte Mtundu, Miombo, Mkora, Mkurongo, Mbembu,
Mvule, Mtogwe, Msundurusi, Mninga, Mbugu, Matonga bezeichnet.

Erfinderischerweise haben die Eingeborenen für sie alle Nutzanwendungen
gefunden. Der Imbite bildet Balken, die so schön wie die der Ceder sind
und sich zierlich schnitzen lassen. Aus ihm fertigt man auch Thüren
und geschnittene Säulen, welche sich den Veranden entlang ziehen. Das
Holz duftet sehr angenehm und seine dunkelröthlichen mahagoniartigen
Streifen, die mit blassgelben abwechseln, sehen sehr hübsch, ja
prächtig aus.

Der Mkora ist ein schöner, grosser Baum, der in den Wäldern von Ugogo
und einigen Theilen Ukonongos zu stattlichen Proportionen heranwächst;
aus ihm schnitzen sich die Eingeborenen sehr mühselig den Kiti oder
Sessel, der bei den Aeltesten und Häuptlingen Afrikas so allgemein im
Gebrauch ist, sowie auch die grossen Mörser, in welchen das Dourra oder
Sorghum, Korn und Mais zu Mehl gestampft wird.

Der Mkurongo ist der Baum, aus welchem die Stange bereitet wird, deren
sich die Eingeborenen in ganz Central-Afrika als Mörserkeule für das
Zerstampfen des Korns bedienen. Es ist härter und dauerhafter als das
weisse amerikanische Wallnussholz und hat, wenn es polirt ist, ein
weisslich glänzendes Aussehen.

Der Mbugu bringt die weiche, nützliche Rinde hervor, aus welcher
die Eingeborenen ihre Tuche verfertigen. Die Rinde wird, nachdem
sie gut eingeweicht worden, zerstampft und bietet dann, nachdem sie
etwas getrocknet und abgerieben ist, das Aussehen eines dicken, losen
Filzes dar. Auch werden bisweilen Seile daraus gemacht; noch häufiger
aber wird sie zur Fabrikation von Kirindos oder runden Schachteln
gebraucht, die wie urwüchsige Hutschachteln aussehen und mit einer
Mischung verschiedener Lehmsorten bemalt und verziert werden. Diese
Kirindos sind bisweilen riesig und werden zur Aufspeicherung von Korn
gebraucht und über dem Boden von einem starken Unterbau von Holzblöcken
unterstützt, damit die Ameisen nicht heran können. Die Rinde des Mbugu
bildet auch vortreffliche Dächer und wird oft von den Familienvätern
oder luxuriöseren Jünglingen benutzt, um eine Kitanda oder rohe
Bettstelle zu machen. Aus der Rinde dieses Baumes bauen sich auch die
am Rufidschi wohnenden Warori ihre Boote.

Aus dem Mvule-Baume verfertigen sich die Seestämme ihre Canoes. Die
grössten auf dem Tanganika befindlichen sind erheblich mehr als 60 Fuss
lang. Seine bedeutendste Grösse erreicht der Baum in den Schluchten
von Ugoma, das auf dem westlichen Ufer Udschidschi gegenüber liegt.
Uvira, Urundi und Usowa besitzen auch sehr schöne Exemplare desselben.
Es ist eine mühselige Arbeit, diese Bäume umzuhauen und ihre enormen
Holzblöcke zu Booten auszuhöhlen; denn es gehören mehr als drei Monate
dazu, ehe ein Canoe fertig wird, um in See zu stechen. Während der
Aushöhlung des ungeheuern Blocks macht der Besitzer längs der obern
Seite desselben eine Anzahl Feuer aus den Abfällen und bittet seine
Nachbarn, ihm für etwas Korn oder Palmöl dabei behülflich zu sein. Wenn
das Boot bereit ist in See zu gehen, braut er einige Töpfe Pombé und
ladet alle seine Nachbarn ein, es auf den See zu bringen. Nach jedem
angestrengten Versuch stärken sich diese mit dem einheimischen Bier
und machen sich wieder mit erneuter Kraft und grossem Geschrei an die
Arbeit. Man kann ein grosses Canoe für 120 Doti Tuch oder einen Ballen
von etwa 75 Pfund Gewicht kaufen; wenn die Araber und Wadschidschi aber
sich ein Boot kaufen wollen, so nehmen sie gewöhnlich verschiedenerlei
Waaren mit, z. B. ein Dutzend Töpfe Palmöl, ein Dutzend Ziegen und eine
Anzahl verschiedenartiger Zeuge, einige Hacken und einige Beutel voll
Salz und Korn, wodurch der Handel vortheilhafter wird.

Die übrigen Bäume, welche die Wälder Central-Afrikas hervorbringen,
sind der Kolquall oder Kandelaberbaum; der Msundurusi oder Kopalbaum,
welcher in Ukawendi häufig vorkommt; der Moumbo oder Palmyra; der
Miombo; die schöne, duftende Mimose; der Mtundu; und an den Ufern des
Tanganika-Sees sieht man auch den herrlichen Guinea-Palmbaum, welcher
Mtschikitschi heisst, und die Platane.

Das Palmöl wird aus der Frucht der Palme ausgezogen, welche an dieser
nach Art der Dattel herabhängt. Jene wird gestossen und gekocht und das
Oel wird, nachdem es abgekühlt, in grossen irdenen Töpfen gesammelt,
die zehn bis zwanzig Liter enthalten. Für vier Meter oder ein Doti Tuch
kauft man sich den grössten Topf Palmöl, welches wie weiche, gelbe,
ockerfarbige Butter aussieht. Die Wadschidschi und andere bedienen sich
oft dieses Oels zum Kochen.

Aus demselben Baum, der Guineapalme, zieht man einen berauschenden
Saft, der Tembo heisst und ein viel angenehmeres Getränk als das Pombé
oder Bier ist.

Platanen kommen auch häufig in allen an den See grenzenden Dörfern vor.
Der Zogga genannte Punsch wird durch das Einstampfen von Platanen in
den grossen, hölzernen Mörsern, in denen die verschiedenen Kornarten zu
Mehl gestossen werden, bereitet.

Pflanzen aus den Familien der Cacteen und Aloë sieht man im ganzen
Lande, besonders aber in den dürren Ebenen von Ugogo und des südlichen
Uvinza.

Die Tamarindenbäume sind in allen Wäldern häufig, erreichen aber ihre
grösste Höhe in Usagara und westlich von Unyanyembé. Aus ihren Früchten
bereitet man, wenn man sie in Wasser taucht, ein angenehmes säuerliches
Getränk.

Die Tamarisken und verschiedenen Arten Akazien verdienen auch eine
Erwähnung, wenn man nur dafür Raum hätte. Die letztern wachsen überall
und werden den Karavanen wegen ihrer weit ausgebreiteten Zweige
sehr lästig. Die Dornen- und Gummibäume sind den Reisenden mit am
schädlichsten; die ersteren starren von allerlei bösen Dornen. Eines
Tages packte ein solches zudringliches Gewächs meinen Dolmetscher
Selim, als er an der Ruhr erkrankt daher ritt, am Halse und brachte ihm
ganz nahe an der Gurgelader eine hässliche Wunde bei, von der er bis an
sein Lebensende eine Narbe behalten wird.

Von Fruchtbäumen gibt es hier den Mbembu oder Waldpfirsich, die Matonga
oder Brechnuss, die Tamarinde, die Singwe oder Waldpflaume, den
Mtogwe oder Waldapfel, und in Ukawendi sind zahlreiche Arten Trauben.
Ausserdem kommen aber noch eine Menge in diesem Boden heimische
Gattungen vor, von denen einige gefährlich, andere unschädlich sind,
deren Namen und Eigenschaften ich jedoch nicht erfahren konnte.

Unter den von den Arabern von Unyanyembé in ihren Gärten gepflanzten
und sorgfältig gezogenen Obstbäumen befinden sich der Papaw, die Guava,
die Limone, Citrone, Granate, der Mango, die Banane und die Orange.

Die Hauptnahrungsmittel der verschiedenen in Unyamwezi und den
westlichen, bis zum See Tanganika sich erstreckenden Länder bilden
das Matama (Kiswahili) oder Dourra (arabisch) oder Dschowar
(hindostanisch), welches nach Linné den Namen Holcus sorghum führt; das
Badschri (Holcus spicatus); die Hirse (Panicum italicum); das Maweri
oder Sesam und der Mais. Ausserdem gibt es zahlreiche Hülsenfrüchte,
von denen jedoch die Wicke, sowie die Feld- und grosse Gartenbohne die
gewöhnlichsten sind. In Unyanyembé und Udschidschi kommt der Reis in
grossen Mengen vor, während der Weizen nur von den Arabern erbaut wird.

Süsse Kartoffeln, Yamswurzeln und Maniok sind in Unyanyembé und
Udschidschi und in einigen Theilen von Ukawendi in Ueberfluss.
Zuckerrohr gedeiht in Udschidschi.

Es gibt hier nur eine Erntezeit, welche am Tanganika im April, in
Unyamwezi im Mai und in der Seegegend im Juni stattfindet.

Baumwolle, Taback und die Ricinuspflanze werden überall in den
Centralgegenden gezogen. Kürbisse und Gurken sind gleichfalls
zahlreich und in Menge vorhanden. Der Indigo wächst wild.

Unter den in Central-Afrika einheimischen Sträuchern, Pflanzen und
Grasarten sind der wilde Thymian und Salbei, die Stechpalme und
Sonnenblume, der Cayenne-Pfeffer, der Ingwer, die Kurkuma, der Oleander
und die Gloriosa superba (in der Nähe des Tanganika) anzuführen; ebenso
die Mohnblume, die in der Umgegend der Dörfer von Ukawendi wild wächst,
sowie der wilde Senf und Curry. In den grossen den See begrenzenden
Waldungen sieht man hunderte von verschiedenartigen, blühenden
Sträuchern, wundervolle, süsse Düfte aushauchend. Unter den Gräsern
befinden sich das Habichtskraut, Ochsenauge, die in Indien als Bhota
bekannte Grasart, das Nagelkraut und ausserdem noch viele üppige Arten,
wie z. B. das Tiger- und Speergras.

Den Lotus, die Wasser- und blattlosen Lilien trifft man in den stillen
Seen des Gombé und den Pfuhlen von Ukawendi an.

Papyrus- und Mateterohr wächst am Rande aller unbewohnten, auf den
Alluvialebenen der Ufer des Tanganika befindlichen Plätze. Die
Aeschinomenae oder Markbäume sieht man an den Mündungen der grossen,
sich in diesen See ergiessenden Flüsse.

Da die Grenzen, die mir in diesem Kapitel gezogen sind, mich daran
hindern, auf einen detaillirten zoologischen Bericht der Säugethiere
und Vogelgattungen Central-Afrikas einzugehen, so werden die Leser es
mir verzeihen, wenn ich kurz bin.

Ich werde mit den Vierhändern, als den am höchsten organisirten
Thieren, anfangen.

Von diesen ist der grösste der Wanderu-Pavian. Er zeichnet sich durch
Grösse und löwenartiges Aussehen aus. In der Entfernung ähnelt er einem
kleinen Löwen und sein heiseres, dumpfes Brüllen in den dichten Wäldern
von Ukawendi dient nicht wenig dazu, die Täuschung zu vermehren. Eine
lange, gräuliche Mähne umgibt ihm Kopf und Hals. Sein Rückenhaar
ist dunkelgrau mit hellbraun gemischt; sein langer Schwanz endet
büschelförmig. Er wohnt in grossen, ausgehöhlten Bäumen und Höhlen.
Diese Gattung haben wir in der Nähe der Quellen des Rugufu gesehen.
An einigen weiter westlich liegenden Zuflüssen desselben Flusses
erblickten wir zahlreiche Exemplare dieses Pavians, die aber eine
gelbbraune Farbe hatten.

Auf diesen folgt der grosse, hundeähnliche Pavian, von dem ich im
vorhergehenden Kapitel eine Beschreibung gegeben habe. In Ukawendi und
dem westlichen Ukonongo finden sich auch kleinere Arten mit schwarzen
Gesichtern, die dem Tota Abessiniens ähnlich sind. Sie sind sehr
beweglich und klettern vorzüglich, leben in Heerden zusammen und nähren
sich von wilden Beeren, Mbembu oder Waldpfirsichen und Insekten.

Von grössern Katzenarten haben wir den Löwen und Leoparden in den
Wäldern von Ukawendi gesehen. Das Fell des Löwen gehört stets dem
Sultan. Der Löwe bewohnt die dicken Holzumgürtungen an den Bächen und
wird auch überall da in den Waldgegenden gefunden, wo es Jagdthiere
gibt.

Das Geheul der gefleckten Hyäne liess sich auf unserer Reise durch
Afrika besonders in Utanda und Ugogo allnächtlich hören. Dieses Thier
ist von der Grösse eines Bullenbeissers und hat einen mächtigen Kopf,
der sehr starke Kinnladen aufweist. Seine Farbe ist ein schmutziges mit
Grau vermischtes Gelbbraun, das von schwarzen, verblasst aussehenden
Flecken bedeckt ist. Die Ohren sind gross, dick und gleichfalls schwarz
gefleckt. Das Zahnsystem ähnelt dem des Hundes; doch hat die Hyäne drei
falsche Backenzähne in der obern Reihe und vier in der untern. Diese
Zähne sind mit furchtbaren Schneidespitzen bewaffnet, die sie in den
Stand setzen, die grössten Knochen zu zermalmen.

Die von uns gesehenen Schakals ähneln unsern Prairie-Coyoten und ihr
Geschrei ist ebenso scharf und bellend. Sie sind, was ihre Schnauze
betrifft, Füchsen ähnlich und haben dicke, buschige Schwänze. Ihre
Farbe ist dunkelgrau.

Ausserdem sahen wir Elefanten, Rhinozeros, Kameloparden oder
Giraffen, Zebras, Hartebeests, Elenn, Büffel, Springböcke, Pallahs
oder Wasserböcke, schwarze Antilopen, gesprenkelte Gnu, röthliche
und bleifarbene Schweine und wilde Eber, Hyrax oder Kaninchen,
Kudus (Antilope strepsiceros), kleine Perpusilla oder Blauböcke und
zahlreiche Reit- oder Rothböcke (Antilope eliotragus). Da ich diese
schon beschrieben habe, so ist es unnöthig, meine Bemerkungen hier zu
wiederholen. Doch kann ich hier erwähnen, dass ich viele Prairiehunde
oder Erdeichhörnchen an den Ufern des Rugufu und des Gombé gefunden
habe. Auch sahen wir im Kingani, Gombé, dem Malagarazi und dem See
Tanganika zahlreiche Flusspferde und Krokodile.

Von Hausthieren gibt es hier die in allen Ländern gewöhnlichen,
darunter zweierlei Arten Ochsen, von denen die eine in Ugogo,
Unyanyembé und Uhha anzutreffende durch einen zwischen den Schultern
sitzenden Höcker, wie ihn der amerikanische Bison hat, ausgezeichnet
ist; die andere, die wir nur in Udschidschi sahen, charakterisirt sich
durch lange Beine, einen dünnen Körper und enorm lange Hörner.

Schafe sind bei allen Stämmen gewöhnlich und zeichnen sich durch
breite, fette, schwere Schwänze aus. Auch Ziegen sind zahlreich und von
verschiedenen Farben. Die schönsten, die Afrika aufzuweisen hat, sind
die von Manyuema, welche kurze Beine und starke Leiber haben.

Die Esel, von denen viele in Ubanarama vorkommen, sind stark und gross,
aber bösartig und wild.

In jedem Dorfe sieht man viele Hunde. Sie sind von der echten
Pariarasse -- feig und räudig.

Auch zahme Katzen kommen in jedem Dorfe zahlreich vor; sie müssen hier
ein gutes Leben haben, da Ratten jedes von Menschen bewohnte Gebäude
heimsuchen.

In Central-Afrika sind die Vögel ausserordentlich zahlreich. Die uns
am häufigsten aufstossenden waren Fischadler, Bussarde, Weiher, Geier,
weisshalsige Krähen, Turteltauben, Ortolane und sattelschnäblige
Störche; am Gombé, Mpokwa und Rugufu: Ibis nigra und Ibis religiosa,
Tukans, wilde Gänse (deren Flügel mit Sporen bewaffnet sind), wilde
Enten, schwarze Madagaskarenten und Möven; am Tanganika-See: Reisvögel,
Drosseln, hammerköpfige Störche, Pelikans, bleifarbene und mit
Büschen auf dem Kopfe versehene Kraniche, Taucher, Königsfischer,
ägyptische Gänse, geöhrte Silbertaucher, Meerschwalben, Perlhühner,
Wachteln, Schneehühner (Ptarmigan) und Florikans. Auch habe ich in
Ugogo Strausse, am See Ugombo Schwäne, am Tanganika, in der Nähe des
Rusizi-Flusses, Schnepfen und Bachstelzen gesehen; und ausserdem
grosse und kleine Eulen, Fledermäuse, Bartvögel, sowie Balaeniceps und
Sandpfeifer. Sonst erkannte ich noch Wiedehopfe, Papageien, Dohlen,
Zaunkönige, Rothdrosseln, goldene Fliegenfänger und die kleinen
Federbuschreiher. Diese Liste ist, wie man wol sieht, viel zu lang, als
dass ich mich auf eine Beschreibung der einzelnen Gattungen einlassen
könnte.

Von Reptilien sahen wir eine grosse grüne Schlange, die Boa, und
eine kleine Schlange mit silberfarbigem Rücken. Unzählig waren die
Feldeidechsen; auch haben wir Schildkröten, Iguanas, Gymnopus, Kröten,
Frösche und grosse essbare Süsswasserschildkröten gesehen.

Die hauptsächlichsten Insekten waren: die gewöhnliche Hausfliege,
Moskitos, Flöhe, Läuse, Tsetse-, Pferde- und Viehfliegen, ungeheure
Käfer, Drachenflügler, Taranteln, Garten- und Hausspinnen, gelbe
Skorpione, Hundertfüssler, Tausendfüssler, Raupen, Seichameisen,
weisse, rothe und schwarze Ameisen.

Im Tanganika gibt es sehr verschiedenartige Fische:

1. Den Wels, von den Wadschidschi Singa genannt, der nach ihren
Berichten vier, ja sogar bis sechs Fuss lang wird. Ein Wels, den ich
gezeichnet habe, war 38½ Zoll lang und wog 10¾ Pfund, galt aber für
klein. Er ist ein sehr fetter Fisch, der auf dem Rücken schwarzbraun,
am Bauche hellbraun ins weissliche spielend ist. Er hat keine Schuppen
und gehört derselben Art an, die wir in Pfuhlen und Flüssen finden.
Er wird zu hunderten im Gombéfluss gefangen, zerschnitten, getrocknet
und zum Verkauf an Araber, mohammedanisirte Neger und Waswahili nach
Unyanyembé gebracht.

2. Der nächste an Grösse und Bedeutung ist der schuppige Sangara, der
für essbar gilt; der hier auf dem Holzschnitt dargestellte war 23 Zoll
lang, mass 5½ Zoll um den Leib und wog 6½ Pfund.

3. Darauf kommt der Mvuro, ein dicker, fleischiger Fisch, der für
vorzüglich gilt; er hat gleichfalls Schuppen. Der auf der Abbildung
gezeichnete war 18 Zoll lang, hatte 15¼ Zoll Leibesumfang und wog 5¼
Pfund.

[Illustration]

4. Ein schuppiger, Tschai genannter Fisch, den ich abgezeichnet, war
9¼ Zoll lang, hatte einen Leibesumfang von 4 Zoll, eine grünliche
Färbung auf dem Rücken und war am Bauche hell.

5. Ein schuppenloser, 7 Zoll langer, 4 Zoll breiter Fisch, der mit
blassen, tintenartigen, ¼ Zoll breiten Streifen versehen ist, einen
weissen Bauch hat und sehr hübsch aussieht, ist im See sehr zahlreich
und wird täglich in Massen von den Fischern von Udschidschi gefangen.

6. Noch ein schuppenloser, 6 Zoll langer Fisch, mit silberfarbigem
Bauch, schmeckt wie Forellen und ist sehr beliebt.

7. Ein Barsch, der meist 8 Zoll lang ist und 6 Zoll Leibesumfang hat,
ist ein sehr trockener Fisch und wird nur von den Armen gekauft.

8. Ein kurzer, dicker Aal ist von zartem Geschmack. Der hier
gezeichnete war 17 Zoll lang und hatte einen Leibesumfang von 4 Zoll.

Die eben genannten Gattungen sind die bedeutendsten Fische des
Tanganika; es gibt aber noch eine Art, welche, obgleich die kleinste,
doch mehr als jede andere dem Volk als Nahrung dient, nämlich der
kleine Dogara, eine Art Clupea (Ellritze), die in grossen Netzen
zu tausenden gefangen wird. Sie werden zum Trocknen in der Sonne
ausgebreitet oder gesalzen und in dieser Gestalt sogar bis nach
Unyanyembé ausgeführt. Hier gibt es auch verschiedene Varietäten von
Fischen, die wie die Sardinen der französischen Küste aussehen und
mit Angelruthen oder Handnetzen gefangen werden. Auch werden auf den
Märkten von Udschidschi Krabben und eine Art Austern feilgeboten.

Die den hier in Betracht kommenden Völkerschaften bekannten Metalle
sind: Kupfer und Eisen. Das Kupfer wird von der Küste und aus Rua
hergebracht; das bearbeitete Eisen aus Usukuma oder den nördlichen
Staaten von Unyamwezi und aus Uvira. Alle Messingzierathen, die tief
im Innern getragen werden, werden von den Eingeborenen aus dem dicken
Messingdraht, den ihnen die Karavanen verkaufen, fabricirt. Zwar
ist Eisenerz sehr häufig und kommt sogar an vielen Stellen zwischen
Unyamwezi und Udschidschi offen zu Tage liegend zum Vorschein, wird
jedoch selten bearbeitet, obgleich es Beispiele in Ukonongo und Uvinza
gibt, dass die Eingeborenen das Erz schmelzen und sich selbst Eisen
fabriciren.

Die Krankheiten, von denen die Eingeborenen im Westen von Unyanyembé
am meisten heimgesucht werden, sind die acute und chronische Ruhr,
die Cholera, das rückkehrende Fieber, Wechselfieber, der Typhus,
das Nervenfieber, Herzkrankheiten, Rheumatismus, Lähmung, Pocken,
Krätze, Augenentzündungen, Halsentzündungen, Schwindsucht, Kolik,
Hautausschläge, Geschwüre, Syphilis, Tripper, Krämpfe, Mastdarmvorfall,
Nabelbruch und Nierenentzündung.

Die fürchterlichste Geissel von Ost- und Central-Afrika sind aber die
Pocken. Die gebleichten Schädel der Opfer dieser grausamen Krankheit,
die an jeder Karavanenstrasse zu finden sind, zeigen nur zu deutlich
die Verwüstung an, welche sie jährlich nicht nur in den Reihen der
Handelsexpeditionen, sondern auch in den Dörfern der verschiedenen
Stämme anrichten. Manche Karavanen werden durch sie decimirt und es
gibt Dörfer, wo mehr als die halbe Bevölkerung ausgestorben ist. Dr.
Livingstone hat manchen armen Afrikaner durch die Kuhpockenimpfung
gerettet und sein Kummer über die täglichen Verwüstungen, welche die
Pocken unter dem Volk anrichten, hat ihn dazu veranlasst, um Zusendung
von Impfstoff zu bitten.

Die vom Volke selbst gebrauchten Arzneimittel sind entweder einfache
Kräuter oder Abkochungen von Kräutern, die ihnen die Waganga oder
Medicinleute geben. Der Medicinalgebrauch der Ricinuspflanze ist
unbekannt. Das aus den Samen ausgezogene Oel wird nur zum Einsalben des
Kopfes und Körpers gebraucht. Brechmittel bekommt man aus der Rinde
eines gewissen Baumes und die Araber behaupten, dass sie sehr wirksam
sind. Gegen Nierenkrankheiten setzen die Waganga eine Medicin aus der
Wurzel einer Pflanze und den Blättern eines in der Nähe von Unyamwezi
wachsenden Strauches zusammen, dessen Namen sie mir aber nicht nennen
wollten, obgleich ich ihn für ein Tuch zu erkaufen suchte. Obwol ich
einen Menschen diese Medicin einen Monat lang täglich benutzen sah,
habe ich doch keine Wirkung davon beobachtet. Unter den Arabern wird
gegen Nierenleiden Masticgummi in Wasser gekocht und jeden Abend vor
dem Schlafengehen eine Tasse voll davon, oder morgens und abends eine
Tasse frischer Milch getrunken. Gegen Rheumatismus besteht die Cur
darin, dass man sich in die Sonne legt oder tüchtig frottiren lässt.
Die Kolik glaubt man dadurch zu curiren, dass man einen Finger weit
in den Hals steckt und dadurch Brechen erzeugt. Gegen Ruhr werden
warme Steine abwechselnd rund um den Unterleib gelegt. Kranke, die an
miasmatischen Fiebern leiden, hüllen sich in Tücher ein und legen sich
in die Sonne, bis Schweiss eintritt. Diese Behandlung habe ich unter
den Leuten meiner eigenen Expedition mit dem Tode endigen sehen. Bei
den Pocken wird die Quarantäne streng erzwungen und nur diejenigen,
die schon früher die Pocken gehabt haben, wagen sich in die Nähe der
Kranken. Mitglieder einer Karavane, die an Pocken leiden, werden aus
der Gesellschaft der Gesunden ausgeschlossen und man weist ihnen
besondere Behausungen ausserhalb des Lagers an. Bei den nachfolgenden
Karavanen befinden sich jedoch immer leichtsinnige junge Burschen,
die gedankenlos in solche Hütten hineingehen und nach einigen Tagen
sich krank fühlen, über Mangel an Appetit, Schmerzen im Rücken und
schleichendes Fieber klagen; und dann weiss man bald, dass sie erkrankt
sind, worauf sie gleichfalls ausgeschlossen werden, und wenn sie
nicht weiter gehen können, lässt man sie liegen, um zu sterben; denn
keine Colonie duldet es, dass sie sich ihren Pforten nähern, und eine
Karavane kann in der Wüste nicht halt machen. Wer in dieser Weise wie
ein Verfluchter von den übrigen Menschen ausgestossen ist, sucht sich
mit einem Vorrath an Nahrungsmitteln und Wasser ein Dickicht auf, baut
sich eine Hütte und bleibt daselbst bis er gesund wird oder stirbt.

Nachdem man das schöne Parkland und die Wälder von Unyamwezi verlassen,
befindet man sich in Ukonongo, das berühmt ist wegen seiner wilden
Waldpfirsichbäume und des schönen Tekaholzes, sowie wegen der grossen
Lager von Eisenerz, die man auf der Reise nach Süden und Westen häufig
aus der Erde hervorragen sieht. Der östliche Theil desselben bildet
nur die Fortsetzung des Parklandes von Unyamwezi; wenn man sich aber
seiner westlichen Grenze, die an Ukawendi stösst, nähert, so fallen
grosse Bergrücken sehr ins Auge, welche die Wasserscheide für den
Fluss Mrera und die zahlreichen Sumpfschluchten, die sich nach der
Rikwa-Ebene wenden, bilden.

Der erste Anblick, den man von den blauen kegelförmigen Bergen erhält,
welche sich entweder einzeln oder zu dreien über die ausgedehnte, dem
Vernehmen nach über den Rungwa-Fluss hinweg bis zu den Weideländereien
der südlichen Watuta reichende Ebene erheben, ist sehr hübsch und
angenehm, ja man könnte fast sagen malerisch. Viele Zuflüsse des
Rungwa-Flusses entstehen gerade da, wo Ukonongo an Ukawendi stösst.
Einige derselben entspringen im Bezirk von Kasera. Man hat mir gesagt,
der Rungwa-Fluss sei so gross wie der Malagarazi und seine Hauptquelle
läge in Central-Urori. Während der Regenzeit überflutet dieser
Fluss die ihn umgebende Ebene, gerade wie der Mukondokwa es mit der
Makata-Ebene thut. Daher hat Speke auf seiner Karte einen bläulichen
Fleck, welcher die Rikwa-Lagune darstellen soll. Trotz vieler Anfragen
über diesen Punkt habe ich doch nichts darüber erfahren können, ausser
dass die Ebene während der Regenzeit von Wasser bedeckt ist.

Wenn es wahr wäre, dass der Rungwa in Central-Urori entsteht, dann
müssten wir die Behauptung als wahrscheinlich annehmen, dass der
Rufidschi oder Ruhwha-Fluss seine Quellen südwestlich von Ubena, an
einer Gruppe von Bergen hat, die möglicherweise dieselben sind, aus
denen der Chambezi entspringt.

Südlich von Ukonongo befindet sich das Gebiet der Watuta, südöstlich
die Districte der Warori, südwestlich Ufipa und Karungu, westlich
Ukawendi, nördlich Utakama oder die südlichen Provinzen von Unyamwezi.

Wir lernen in Ukawendi ein fast unbewohntes Land mit unregelmässiger
Oberfläche kennen, das bewaldet, von zahlreichen schönen Bächen
durchzogen, fruchtbar und von einer üppigen Fauna und Flora begünstigt
ist. Die einzigen bedeutenderen Ansiedelungen sind die von Mana Msenge
im Norden, von Ngondo und Tongwe im Westen, am Tanganika; die von
Rusawa in der Mitte, Pumburu im Süden und Utanda im Südosten.

Die wichtigsten Flüsse sind der Rugufu, welcher in der Berggruppe nahe
bei Pumburu entspringend parallel mit dem See durch ein tiefes Thal
nach Norden und südlich vom Malagarazi in den See fliesst. Der nächste
ist der Loadscheri, der zwischen den Höhenzügen von Kagungu und Pumburu
entsteht und in der Nähe des Hauptdorfes Urimba in den See einmündet.
Ausserdem gibt es noch zahlreiche Flüsse, wie den Uwelasia, Sigunga,
Mviga und Kivoe.

Ukawendi, welches unter den Ländern der Centralgegend den dritten Rang
einnimmt, erstreckt sich vom Malagarazi-Fluss ungefähr von 5° 10′ bis
etwa zu 6° 18′ südl. Breite. Im Norden wird es vom südlichen Uvinza und
dem Malagarazi-Flusse, im Osten von Ugara und Ukonongo, im Süden von
Usowa und Ufipa und im Westen vom Tanganika-See begrenzt.

Nördlich von Ukawendi kommen wir in das südliche Uvinza, ein Land,
das durch tiefe Schluchten mit wildem Gebirgscharakter und nach allen
Richtungen von dunkeln, nackten Höhenzügen durchschnitten wird. Im
Alluvialthal des Malagarazi findet man zahlreiche Salzgruben, aus denen
die Eingeborenen erhebliche Mengen Salz zu Tage fördern. Nur wenig
Flüsse fliessen durch das Land; unter den ihm eigenthümlichen Producten
befinden sich Ziegen und Korn.

Jenseits des Malagarazi kommt man an einen länglichen, nach der
geographischen Breite sich hinziehenden Streifen ärmlichen Landes,
welches Nord-Uvinza heisst. Der Boden ist arm und nährt nur spärliche
Gebüsche von Gummibäumen, Dornen, Tamarinden, Mimosen und wenige
verkrüppelte Exemplare des Tekabaumes. Sehr ausgedehnt sind die
Salzebenen, und der Besitz derselben und das ausschliessliche Recht
auf sie veranlassen häufig Streitigkeiten zwischen den beiden grossen
Häuptlingen Lokanda Mira und Nzogera.

Der Malagarazi ist an seinem Ursprung als der nördliche Gombé bekannt.
Wo er durch die ausgedehnten Salzebenen fliesst, schmeckt sein Wasser
leicht salzig, aber doch nicht unangenehm. Er fällt südlich von
Udschidschi-Bunder in den Tanganika. Ich glaube, dass er durch Boote
auf seinem ganzen Lauf vom See bis Wilyankuru schiffbar ist; in der
Regenzeit ist er es bestimmt.

Nord-Uvinza wird von dem Weidelande Uhha im Norden, von Ukalaganza und
Usagozi oder West-Unyamwezi im Osten, vom Malagarazi im Süden und von
Ukaranga im Westen begrenzt.

Seine Hauptansiedelungen sind Mpete, Usenye, Yambeho, Siala, Isinga,
Nzogera’s Insel und Lokanda Mira’s Bezirk. Die Hauptproducte sind
Ziegen, Schafe, Korn und Salz.

Von Uvinza kommen wir nach Uhha. Dies ist ein grosses, ebenes Land,
das mit den Prairien von Nebraska Aehnlichkeit hat. Es zerfällt in die
zwei Abtheilungen von Kimenyi und Antari. Uhha, im weitesten Sinne des
Wortes, wird nördlich von Ututa, südlich und östlich von Uvinza und
westlich von Ukaranga und Udschidschi begrenzt.

Der Gebirgszug, welcher die Grenze zwischen Uhha und Ututa bilden soll,
gibt zwei bedeutenden Strömen, dem Rusugi und Rugufu, ihren Ursprung.
Andere Flüsse sind der Sunuzzi, Kanengi und Pombwé. Fast alle Flüsse,
welche durch Uhha laufen, sind etwas salzig, namentlich der Pombwé,
Kanengi und Rusugi.

Auf den kahlen Ebenen von Uhha leben grosse Heerden von Vieh mit
Rückenhöckern und breitschwänzige Schafe. Auch die Ziegen sind hier
sehr schön. Der Boden ist fruchtbar und bringt reiche Ernten von Holcus
sorghum und Mais hervor. Das Klima ist gut und die Hitze wird durch die
Luftströmungen vom Tanganika und durch die Winde von Usagara gemässigt.

Kleine Seen oder grosse Teiche sind ein charakteristischer Zug für
Uhha. Sie nehmen ausgedehnte, seichte, kreisförmige Niederungen oder
Becken ein. Es fehlt nicht an Beweisen, dass ein grosser Theil von Uhha
einmal unter Wasser stand und das Thal des Malagarazi-Flusses nichts
als ein tiefer Arm des Tanganika war. In dieser Gegend würde ein Geolog
von Fach viel Interessantes finden.

Im Westen und jenseits des kleinen Flusses Sunuzzi kommen wir nach
Ukaranga, einem Lande, das einen sehr verschiedenartigen Charakter
darbietet. Im Norden, wo es an Nord-Uhha stösst, ist es gebirgig;
im Süden bildet es eine längliche, ebene Abdachung, die von hohen
Tekabäumen bedeckt wird; in seiner Mitte besteht es aus wellenförmigen
Bergen, die von raschfliessenden, klaren Bächen durchzogen werden,
ein fruchtbarer, herrlicher Bezirk. Vom Osten ziehen sich, in rechten
Winkeln vor dem das nordöstliche Uhha von Ukaranga trennenden
Gebirgsstocke nach Westen zu, eine Anzahl paralleler, mit Bäumen
bewachsener Höhenzüge hin und enden plötzlich in der Nähe des
Alluvialthals des Liutsché.

Die Bäume von Ukaranga sind hauptsächlich Teka-, Mbugu- und
Bambusbäume; das Klima ist besonders mild und feucht. Ein beständiger
Sprühregen scheint sich über die Gipfel der Ukaranga-Berge auszugiessen
und daher entstehen die zahlreichen Bäche, die sich in den Liutsché
ergiessen.

Von den Höhen von Ukaranga tritt man in das Liutsché-Thal hinab und
befindet sich in Udschidschi, einem durch hervorragende Schönheit und
Fruchtbarkeit ausgezeichneten District, und erblickt jenes mächtige
Binnenmeer, dessen Ufer von jetzt ab als geheiligt zu betrachten sind,
weil „die Stätte, die ein guter Mann betritt“ auf ewig geheiligt
ist. Und in der That, die Natur unterstützt uns in unserer Liebe
für die classischen Grenzländer des Tanganika. Niemand, er sei noch
so prosaisch, kann an dem Strande von Udschidschi stehen und bei
Sonnenuntergang nach Westen über den breiten, silbernen Wassergürtel
blicken, ohne im tiefsten Herzen durch die Farben gerührt zu werden,
welche die Sonne ihm am Himmel offenbart. Die Farben des Aethers
kommen und vergehen mit zauberischer Schnelligkeit. Sie sind golden
und azurfarben, rosa und silbern, purpurn und safrangelb; in dünnen
Linien und breiten Streifen verwandeln sich Feder- und Haufenwolken
in glänzendes, farbiges Gold; auf der riesigen, bläulich schwarzen
Scheidewand, welche den Tanganika nach Westen begrenzt, strahlen sie
ihren Glanz ab und offenbaren das ganze Gebirgspanorama, über welches
sie liebliche rosa Farbentöne ausgiessen und das sie in einer Flut von
Silberlicht baden.

Der merkwürdigste Stamm Central-Afrikas sind die Wanyamwezi. Mein
Ideal eines solchen ist ein schlanker Schwarzer mit langen Gliedern
und gutmüthigem Gesicht, auf dem sich stets ein Lächeln zeigt. In der
Mitte der obern Zahnreihe weist er eine kleine Lücke auf, die ihm als
Knaben beigebracht worden, um seinen Stamm anzuzeigen. Hunderte langer,
starrer Locken hängen ihm den Nacken herab; er ist fast nackt und
zeigt eine Gestalt, die ein vorzügliches Modell für einen schwarzen
Apollo abgeben würde. Ich habe viele Individuen dieses Stammes in der
Kleidung der Freigelassenen von Zanzibar gesehen, in einem Turban von
neuer, amerikanischer Leinwand oder im langen Disch-dascheh (Hemd)
der Araber, die ebenso schön und intelligent aussahen, wie irgend ein
Mswahili von der Küste von Zanguebar; aber was ich eben beschrieb, ist
mein Ideal.

Der Mnyamwezi ist der Yankee von Afrika; er ist ein geborener Händler
und Reisender. Seit undenklicher Zeit hat sein Stamm den Gütertransport
von einem Lande ins andere als sein Monopol behandelt. Der Mnyamwezi
ist das Kameel, das Pferd, der Maulesel und Esel, kurz das Lastthier,
nach dem sich alle Reisenden sehnen, um ihr Gepäck von der Küste
ins ferne afrikanische Innere bringen zu lassen. Der Araber kann
ohne seine Hülfe nirgends hinziehen; der weisse Reisende, der eine
Erforschungsexpedition macht, kann nicht ohne ihn auskommen. Meist
findet man ihn in grosser Zahl in Bagamoyo, Konduchi, Kaole, Dar
Salaam und Kilwa, wo er darauf wartet, für eine lange Reise gemiethet
zu werden. Er ist wie der Matrose, der seinen Wohnsitz in gewissen
Miethshäusern der grossen Seestädte hat, und gleicht ihm auch darin,
dass er nirgends Ruhe findet. Die Seeküste ist einem Mnyamwezi, was New
York für einen englischen Matrosen. In New York kann sich der englische
Matrose gegen höhern Lohn verdingen; ebenso kann sich der Mnyamwezi an
der Küste für seinen Rückweg mehr bezahlen lassen, als von Unyamwezi
ans Meer. Es ist eine so grosse Nachfrage nach ihm und wenn es Krieg
gibt, ist er so selten, dass sein Lohn hoch ist und 36–100 Meter Tuch
beträgt. Hundert dieser menschlichen Lastthiere können dem Reisenden
selbst nur für die dreimonatliche Reise bis nach Unyanyembé gegen
10000 Meter Tuch kosten. Dieses Tuch repräsentirt aber in Zanzibar 5000
Dollars Gold. Mit Geduld und strenger Oekonomie kann man sich aber
dieselbe Zahl auch für 3000 Dollars verschaffen.

Auf dem Lualaba, in den Wäldern von Ukawendi, auf den Bergen von
Uganda, den Gebirgen von Karagweh und in den Ebenen von Urori, auf dem
Plateau von Ugogo, in dem Parklande von Ukonongo, in den Sümpfen von
Useguhha, in den Engpässen von Usagara, der Wildniss von Ubena, und
unter den Hirtenstämmen der Watuta, die Ufer des Rufidschi entlang,
im sklavenhandelnden Kilwa, kurz überall in ganz Central-Afrika kann
man die Wanyamwezi finden mit Ballen aus Zanzibar bepackt, welche
Baumwollenwaaren und Fabrikate aus Massachusetts, Calicots aus England,
gedruckte Baumwollenwaaren aus Muskat, Tuche aus Cutsch, Perlen aus
Deutschland, Messingdraht aus Grossbritannien enthalten.

Wenn sie mit Karavanen ziehen, sind sie gelehrig und leicht zu
behandeln; in ihren Dörfern findet man sie als ein lustiges Völkchen;
auf ihren eigenen Handelsexpeditionen zeigen sie sich geschickt und
scharfsinnig; als Ruga-Ruga sind sie gewissenlos und kühn; in Ukonongo
und Ukawendi sind sie Jäger, in Usukuma Eisenschmelzer und Viehtreiber;
in Lunda suchen sie energisch nach Elfenbein und an der Küste staunen
sie schüchtern die neue Umgebung an.

Die Wanyamwezi sterben, wie ich fürchte, aus oder sie sind nach andern
Ländern ausgewandert. Meine erste Behauptung gründe ich darauf,
dass so grosse Landstriche verödet sind, wie z. B. Mgongo Tembo,
Rubuga, Kigwa, Utanda, Mfuto, Masange und Wilyankuru. Unruhige und
unzufriedene Geister wie Manwa Sera, Niongo, Mirambo und Oseto tragen
durch ihre beständigen Streitigkeiten wesentlich dazu bei, Unyamwezi
zu entvölkern. Auch sind die Strapazen der Reise, denen gerade die
Blüte der Nation ausgesetzt ist, der Vermehrung des Volkes nicht
günstig. Von zehn gebleichten Schädeln, die man an den Handelswegen
im Innern erblickt, gehören acht unglücklichen Wanyamwezi an, die den
Gefahren und Entbehrungen, die jeder Karavane auf dem Fusse folgen,
unterlegen sind. Auch die Sklaverei mit ihren Schrecknissen trägt zur
Demoralisation und Ausrottung dieses Volkes bei. Es ist traurig daran
zu denken, dass ein Volk wie das kriegerische Geschlecht der Makololo
noch innerhalb Menschengedenken, seit Livingstone zuerst Linyanti
sah, vom Erdboden verschwunden ist. Wie mächtig könnte nicht eine
philantropische Regierung dieses Volk machen! Welch herrliches Zeugniss
könnte es nicht für die civilisatorische Menschenliebe werden! Was für
gelehrige Convertiten für das Evangelium würde es abgeben, wenn ein
praktischer Missionar sich zu ihm begäbe!

Gross ist in Unyamwezi die Macht der „Uganga“ (Medizin). Mir
sagte man nach, dass ich im Stande sei, Regen zu machen, alle
Brunnen im Lande zu vergiften und alle Krieger Mirambo’s mit einem
Arzneipräparat zu tödten, bis ich mir die Mühe gab, diese mir
zugeschriebene Macht in Abrede zu stellen. Anfangs brachten sie mir
ihre Kranken, mit Geschwüren Behaftete, Syphilitische, Krätzige und
an den Pocken Erkrankte, Schwindsüchtige und an der Ruhr Leidende,
bis sie schliesslich durch meine ernstlichen Versicherungen sich
davon überzeugten, dass ich für dieselben nichts thun könne. Ein
an chronischer Dysenterie leidender Greis brachte mir ein schönes,
fettes Schaf und eine Schüssel Tschoroko (Wicken) als Bezahlung für
eine Kur seiner Krankheit. Ich hätte das Schaf nehmen und ihm eine
werthlose Mischung dafür geben können, sagte ihm aber, dass ich für
seine Krankheit nichts zu thun im Stande sei. Ich schenkte ihm jedoch
ungefähr 100 Gran Dover’sches Pulver und einige Doti gutes Tuch zur
Kleidung für sich und seine Frau, ohne sein Schaf zu nehmen, da mir des
Mannes Leiden so sehr zu Herzen gingen.

Nie begibt sich eine Partie Wanyamwezi auf die Jagd, ohne vorher den
Mganga (Medizinmann) zu Rathe gezogen zu haben, welcher sie gegen
Entgelt mit Zaubermitteln, Tränkchen, Kräutern und Segenssprüchen
versieht. Ein Stückchen vom Ohr eines Zebra, Löwenblut, die Klaue eines
Leoparden, die Lippe eines Büffels, der Schwanz einer Giraffe, die
Augenbraue eines Hartebeet sind Schätze, von denen man sich nur gegen
Bezahlung trennt. Um den Hals hängen sie sich ein dreieckiges Stückchen
polirten Quarzes oder Stückchen geschnitzten Holzes oder einen
allmächtigen Talisman, der in einer Pflanze besteht, die eifersüchtig
in einen ledernen Beutel eingenäht ist.

Im Ganzen sind die Wanyamwezi erzfeige. Ihre Karavanen stehlen sich
demüthig durch Ugogo; wenn sie aber dieses gefürchtete Land hinter sich
haben, renommiren sie sehr unter den andern Stämmen. Während in ihrem
Lande Krieg geführt wird, sind sie gewohnt, sich nie an Karavanen zu
vermiethen. Ihre Häuptlinge rathen dann von allen Handelsunternehmungen
entschieden ab und deren Befehle sind ihnen Gesetz.

Das Regierungssystem in Unyamwezi ist eine Erbmonarchie. Der König
heisst Mtemi. Ausser in Unyanyembé, Usagozi und Ugala verdient jedoch
kein Häuptling diesen Namen, obwol er aus Courtoisie den Häuptlingen
der Districte gegeben wird. Der jetzige König von Unyanyembé heisst
Mkasiwa; Pakalambula ist König von Ugara, und Moto oder „Feuer“ heisst
der König von Usagozi.

Mkasiwa kann 3000 Krieger aus einer Bevölkerung von fast 20,000
Menschen in Unyanyembé ausheben. Die kleinen Districte von Tabora und
Kwihara können allein 1500 Krieger stellen.

Unter den Wanyamwezi gibt es manche sonderbare Gebräuche, z. B. wenn
ein Kind geboren wird, zerschneidet der Vater die Eihäute und bringt
sie an die Grenze seines Districts, wo er sie in der Erde vergräbt. Ist
die Grenze ein Strom, so vergräbt er sie an seinem Ufer. Darauf bringt
er eine Baumwurzel heim und gräbt sie an seiner Thürschwelle ein.
Hierauf ladet er seine Freunde zu einem Feste ein, wozu er einen Ochsen
oder ein halbes Dutzend Ziegen und Pombé hergibt. Werden Zwillinge
geboren, so tödten sie nie einen derselben, sondern halten das für
einen grössern Segen. Die Mutter begibt sich, wenn die Niederkunft
naht, schleunig in den Wald und wird dort von einer Freundin gepflegt.

Die Hochzeitsceremonien sind denen der Wagogo ähnlich; die Frau wird
von dem Vater für Kühe oder Ziegen, je nach den Mitteln der Bewerber,
gekauft.

[Illustration:

  II. S. 168.

  1–6.    Zeichen am Wege.
  7. 8.   Pfeifenköpfe.
  9.      Büchse aus Baumrinde.
  10.     Feuerplatz mit irdenem Gefäss.
  11. 12. Hacken.
  13.     Guitarre.
  14.     Kamm.
  15.     Knotenstöcke.
  16.     Fliegenwedel.
  17.     Sessel.
  18.     Kürbisgefässe.]

[Illustration:

  II. S. 169.

  1. Kornspeicher.
  2. Dreschen.
  3. Kleine Hütte.
  4. Pfeifen.
  5. Pfeifenkopf.
  6. Kriegsbeil.
  7. Schnittmesser.
  8. Beinringe.
  9. Handgelenkringe.
  10. Trommel.
  11. Messingdrahtschmuck.
  12. Sessel.
  13. Manyuema-Speer.
  14. Udschidschi-Speer.
  15. Assegai.
  16. Signalhorn der Kirangozi.
  17. Guitarre.
  18. Musikinstrument.]

Die zu üblen Zwecken angewandte Zauberkunst wird mit dem Tode
bestraft. Auch ist die unter den Wagogo gebräuchliche Ceremonie, um
Bösewichter zu entdecken und zu überführen, ähnlich der in Unyamwezi
angewandten. Verbrechen gegen den Staat und die Gemeinde werden auch
mit dem Tode bestraft. Ein entdeckter Dieb, der seiner Schuld überführt
ist, kann entweder sofort getödtet oder je nach dem Urtheil des Königs
(Mtemi) zum Sklaven des Besitzers des Gutes werden, das er zu stehlen
versucht hat.

Nach dem Tode tragen die Wanyamwezi die Leichen entweder ins Gestrüpp
oder begraben die Vornehmeren in sitzender Stellung oder seitwärts
liegend, wie die Wagogo. Auf dem Marsch wird eine Leiche einfach bei
Seite geworfen und der Hyäne zur Beute überlassen, welche am besten für
die Reinigung des Waldes sorgt. Der Sultan wird innerhalb des Dorfes
begraben.

Die nördlichen Wanyamwezi sind ein sehr fleissiges Volk. Sie schmelzen
sich das Eisen selbst und fabriziren fast alle vom Tanganika bis
Usagara gebrauchten Hacken. Keine Karavane kehrt von Unyanyembé zurück,
ohne sich Hacken zu kaufen, mit welchen sie den Wagogo den Tribut für
die Rückreise bezahlen. Das in dieser Weise eingeführte Eisen wird von
den östlichen und westlichen Stämmen zu verschiedenen Instrumenten
verwendet. Aus demselben verfertigen sie sich Speere, Pfeilspitzen,
Sicheln und Kriegsbeile. In Unyanyembé sieht man oft den eingebornen
Handwerker mit diesen Mordinstrumenten einen Hausirhandel gegen Tuch
treiben. Für zwei Meter kann man einen neuen Speer oder ein Dutzend
Pfeile kaufen. Vier Meter Leinwand gibt man für einen Bogen bester
Art, der mit Messing- und Kupferdraht verziert ist; zwei Meter für ein
furchtbar aussehendes Beil. Diese letztere Waffe ist, wie man aus den
beigegebenen Abbildungen ersehen kann, derjenigen ähnlich, welcher sich
die Picten im Steinalter und die Römer und Aegypter in ihren frühesten
historischen Perioden bedient haben, und es ist genau dieselbe, wie sie
von Bagomoyo bis San Salvador, von Nubien bis zum Kaffernlande benutzt
wird.

Auf Kinyamwezi heisst die Gottheit Miringu, auf Kigogo Mulungu, auf
Kiswahili Mienzi Mungu. Die Wanyamwezi betrachten Gott als den
Schöpfer und Austheiler aller Reichthümer. Er wird fast nur angebetet,
um ihn um weltliche Reichthümer anzuflehen. Wenn der Tod ein Mitglied
einer Familie in Unyamwezi geraubt hat, so sagen die Verwandten vom
Todten, dass „Miringu ihn genommen hat“, oder dass „er verloren
gegangen ist;“ „es ist Gottes Werk.“ Der ehrfurchtsvolle Ton, in
welchem sie davon sprechen, zeigt auch, dass die Thatsache in ihren
Augen wunderbar ist.

„Kann ein Mädchen seinen Schmuck vergessen oder eine Braut ihre
Zierrathen?“ Bei den Wanyamwezi scheint es nicht der Fall zu sein. Von
der Stunde an, dass sie Mama zu rufen beginnt, sind ihre Zierrathen der
beständige Gegenstand ihrer Besorgnisse. Sie liebt es, die hübschen
aus rothen, gelben, weissen und grünen Perlen bestehenden Armbänder zu
betrachten, die in solchem Contrast zu ihrer dunklen Hautfarbe stehen;
ihre Finger durch die langen aus bunten Perlen bestehenden Halsbänder,
die an ihrem Halse herabhängen, gleiten zu lassen; oder mit dem
Perlengürtel zu spielen, der ihre Taille umgibt; sie steckt sie sich
sogar ins Haar und hört es gern, wenn man ihr sagt, dass sie ihr gut
stehen. Sie freut sich, einen spiralförmigen Drahtgürtel zu besitzen,
selbst wenn sie kein Kleidungsstück besitzt, das ihn nöthig macht. Mit
Ungeduld erwartet sie den Tag, wo sie sich verheirathen und ein Tuch
besitzen kann, um es um ihren Leib zu falten, und wo sie das Recht hat,
über ihre Hühner zu verfügen und sie gegen das billige von arabischen
Kaufleuten verkaufte Flitterwerk auszutauschen.

Die in angelsächsischen Ländern vorkommenden Theegesellschaften haben
ein hohes Alter. Als die Aegypter das erste Culturvolk waren, waren sie
oder wenigstens ihnen ähnliche Versammlungen Mode. Wer hat nicht auf
den Bildern des alten Aegyptens, die sich auf den Mauern des wieder
aufgefundenen Memphis befinden, Damengesellschaften erblickt? Ich habe
diese Gastmäler in Abessinien, diesem so conservativen Lande, gesehen.
In Unyamwezi kann man auch Damengesellschaften sehen und selten habe
ich etwas erblickt, das sich der Glückseligkeit und vollständigen
Zufriedenheit so nähert, wie die Gesichter der alten und jungen Frauen
eines Kinyamwezi-Tembé, wenn sie sich gegen Sonnenuntergang aus den
verschiedenen Häusern versammelt haben und die Ereignisse des Tages
oder die trivialen Interessen besprechen, über die sich ein geselliger
Kreis von Wanyamwezi zu unterhalten pflegt. Jedes Frauenzimmer hat
ihren kleinen Schemel und ihre heranwachsende Tochter an der Seite,
die, während die Mutter mit vor Zufriedenheit glänzendem Gesichte
schwatzt und raucht, ihre flinken Hände dazu verwendet, die wolligen
Locken der Mutter in eine Anzahl Flechten und Löckchen zu verwandeln.
Die ältern Frauenzimmer sitzen mit untergeschlagenen Beinen im Kreise
herum und erzählen, wie Schwalben schwatzend, ihre Erfahrungen. Die
Eine spricht davon, wie ihre Kuh aufgehört hat, Milch zu geben; die
Andere, wie gut sie ihre Milch an den Weissen verkauft hat; eine Dritte
von ihren Erlebnissen im Felde, während sie daselbst mit der Hacke
beschäftigt war; eine Vierte berichtet, wie ihr Gatte noch nicht aus
der Kinyamwezi-Hauptstadt zurückgekehrt, wohin er gezogen, um Korn zu
verkaufen.

Während die Dorfmatronen sich ihrer harmlosen Unterhaltung hingeben,
findet man den Pater familias auf der Börse, dem Etablissement, wo
die jungen Leute ihre Gespräche führen, wo die Preise der Artikel und
die Politik ihres Districts vielleicht mit ebenso viel Scharfsinn und
Verstand besprochen wird, wie an ähnlichen Orten civilisirterer Länder.
Dieser öffentliche Versammlungsort eines Kinyamwezidorfes heisst in der
Volkssprache „Wanza“ oder „Uwanza“ und befindet sich meist auf einer
Seite eines quadratischen innerhalb des Dorfes liegenden Platzes. Wenn
es nicht viel zu thun gibt -- und es ist selten, dass hier viel zu thun
ist -- rauchen die Männer hier und unterhalten sich, auf den Hacken
sitzend, vielleicht gerade über dieselben Gegenstände, die eben bei den
Weibern verhandelt werden. Am wahrscheinlichsten bildet wol der Weisse,
der eben angekommen ist, den Gegenstand ihrer Unterhaltung, denn dieser
bietet ihnen unzweifelhaft das interessanteste Thema, obgleich sie
trotz des Interesses und der Neugierde, die sich an ihn heftet, nie
so unverschämt sind, die Thatsache zu bezweifeln, dass er ein Weisser
ist, oder seine Aussagen zu bestreiten, wie es gewissen Leuten die
sich civilisirt nennen, zu thun beliebt. Wenn jemand einen Speer zu
schleifen, ein Schwert zu verzieren, einen Axtstiel zu machen, eine
Pfeife zu rauchen oder Neuigkeiten mitzutheilen hat, so geht er in die
Wanza. Wenn niemand da ist, so macht er seine Arbeit rasch ab und sucht
sich die Gruppe unter dem grossen Baum auf, der sich stets in dem Dorfe
befindet, unter dessen Schatten er seiner Liebhaberei für intelligente
Unterhaltung nachgehen kann. Was die Agora für Athen und die Börse
für die modernen Hauptstädte ist, das ist die Wanza für ein Dorf in
Unyamwezi.

Aus den vorhergehenden Bemerkungen kann man sehen, dass die Wanyamwezi
gern rauchen. Wenn man sich die Darstellungen der verschiedenen
Pfeifenarten ansieht, bemerkt man, dass sie eine bedeutende
Geschicklichkeit in der Fabrikation an den Tag legen. Auch sieht man,
dass dieselben denen der nordamerikanischen Indianer sehr ähnlich
sind. Während aber die Indianer rothen Seifenstein für ihre Pfeifen
verwenden, bedienen sich die Wanyamwezi des schwarzen, wie er sich im
westlichen Usukuma findet. Da dieser weiche Stein jedoch nicht ganz
leicht zu bekommen ist, so fabriciren sie sich die Pfeifen auch aus
schwarzem Lehm, der mit fein gehacktem Stroh gemischt wird. Der Taback
ist in Unyamwezi nicht besonders gut. Man fabricirt ihn in derselben
Gestalt wie die Laiber in Abessynien. Für ein Doti oder vier Meter
Tuch kauft man einen Laib von drei Pfund; ebenso viel kostet eine aus
schwarzem Seifenstein fabricirte Pfeife, deren Rohr reichlich mit
schönem Messing- oder Kupferdraht verziert ist.

Die Eingeborenen lieben es auch sehr, indischen Hanf mit ihrem Taback
zu mischen. Ihre Nargileh ist aber ein sehr einfacher Apparat, der aus
einem Kürbis und einem hohlen Stock besteht. Schon ein paar Züge aus
demselben genügen, schreckliche Hustenanfälle hervorzurufen, welche
den ganzen Körper zu martern scheinen. Das macht ihnen aber Vergnügen,
denn sie greifen oft dazu, obwol ihr lärmender, rauher Husten
unbeschreiblich widerlich ist.

Die Wanyamwezi von Unyanyembé besitzen viele Viehheerden. Von jedem
Lande, wo man Vieh sieht, lässt sich mit Bestimmtheit annehmen, dass
es selten von Krieg überzogen wird. Zwischen der Küste und Udschidschi
fanden wir Vieh nur in Usagara, Ugogo, Unyanyembé und Uhha; alle
übrigen Länder züchteten nur Ziegen, Schafe und Hühner. Einige der
reicheren Araber von Unyanyembé besitzen grosse Viehheerden und haben
40–50 Milchkühe; doch gibt es nur wenige Wanyamwezi, die deren mehr als
30 besitzen. Eine Milchkuh ist 20–30 Doti oder 75–110 Meter Leinwand
werth. In Usukuma hingegen kann man eine Kuh für zwei bis vier Doti
kaufen. 2½ Liter Milch gilt als reichliches Maass für eine Kuh. Das
ist aber nicht das Gewöhnliche; vielmehr bringt meines Erachtens eine
Kuh durchschnittlich nur 1¾ Liter. Ich liess mir zehn Tage lang
täglich 4½ Liter Milch für vier Meter Tuch (Kitambi, ein farbiges
Zeug) geben. Hieraus machte ich mir selbst Butter und Käse, was in
Unyanyembé der grösste materielle Genuss ist, den ein Weisser haben
kann.

Wie alle Neger liebt dieser Stamm die Musik sehr. Freilich ist sie
barbarisch und wird bald monoton, aber ihre besten Musiker verstehen
sie doch immer amüsant zu machen. Es gibt viele Improvisatoren unter
ihnen. Die letzte Scandalgeschichte, politische Nachrichten oder
persönlicher Klatsch wird bestimmt, wenn er hinreichend das öffentliche
Interesse in Anspruch nimmt, auch in Musik gesetzt. Schon eine Woche,
nachdem Mirambo den Krieg erklärt hatte, gab es in ganz Unyamwezi kein
Dorf, das nicht Mirambo’s in irgend einer Weise des Abends in seinen
Liedern Erwähnung gethan hätte; und da es lauter bekannte Melodien
waren, so wurde nur der Name des jetzt berühmten Königs an die Stelle
eines früher gebrauchten gesetzt. Auch der Musungu oder Muzungu, wie
es bisweilen ausgesprochen wird, wurde bald nach seiner Ankunft ein
beliebtes Thema, das aber in kurzer Zeit den Reiz der Neuheit verlor.

Die Nahrung dieser Eingeborenen, wie überhaupt aller Bewohner
Central-Afrikas, besteht aus Matamamehl, dem Holcus sorghum (dem
arabischen Dourra oder Dura), das in eine Art dicken Brei, ein
einfach aufgebrühtes Gericht, verwandelt wird. Dazu werden Blätter
von Gartenpflanzen, wie z. B. Bohnen und Gurkenpflanzen, gekocht und
hineingerührt. Nur selten essen die Eingeborenen Fleisch, da es zu
theuer sein würde, und es gibt viele Thiere, die sie nicht mögen. Mit
wahrem Genuss verzehren sie aber Fötusse und Eingeweide und wenn sie
Fleisch auf anderer Leute Kosten bekommen können, so stopfen sie sich
gern damit voll. Wenn meine Jagden vom Glück begünstigt waren, so
pflegten die zu meiner Karavane gehörigen Wanyamwezi die ganze Nacht
aufzubleiben, um ihre Fleischportionen aufzuzehren, als ob dies eine
heilige Pflicht sei. Der amerikanische, aus Mais verfertigte Mehlbrei
ist in ganz Central-Afrika wohl bekannt. Wenn dieses einfache Gericht
gekocht wird, versammeln sich die Männer der Familien um den Topf,
holen sich eine grosse Handvoll heraus, tunken sie in eine Schüssel
Grünkraut oder Ghee (geschmolzene Butter) und stopfen sich das Ganze in
den Mund. Die Frauen essen für sich allein, da es der männlichen Würde
nicht geziemt, zusammen mit den weiblichen Verwandten zu speisen.

In Central-Afrika wird selten ein sehr hohes Alter erreicht, obwol
man in jedem Dorfe graues Haar und gekrümmte Rücken sieht. Die
ältesten Leute habe ich in Ugogo und Unyanyembé gesehen, was sichere,
wohlgeordnete Länder sind. Magombo, den Sohn von Kanyenyi, würde ich
für fast 90 Jahre alt halten. Schon im Jahre 1858, also vor 14 Jahren,
erwähnt ihn Kapitän Burton als alt und hochbetagt. Noch lebt er zwar,
ist aber ausser Stande, ohne Beistand weit zu gehen. Sein ältester Sohn
Kisewah muss bedeutend über 60 Jahre und sein jüngster Sohn Mtundu
Ngondeh fast 50 Jahre alt sein. Der Sultan von Mizanza, welcher Sny bin
Amer, den Freund Burton’s und Speke’s, erschlug, kann meiner Ansicht
nach nicht weniger als 80 Jahre alt sein, und Pembera Pereh, der
Häuptling von Nyambwa, muss ungefähr dasselbe Alter erreicht haben.

Die Wakonongo und Wakawendi haben, meines Erachtens, früher demselben
Geschlecht, wie die Wanyamwezi angehört, denn ihre Sprache, Manieren
und Gewohnheiten sind dieselben. Wenn man aber den Malagarazi
überschreitet und nach Uvinza kommt, so befindet man sich unter einem
anderen Volke. Bei der Beschreibung der Sitten und Gebräuche der
Wavinza schliesse ich die Wadschidschi, Wakaranga, Warundi, Wavira,
Watuta und Watusi mit ein.

Schon der Gruss, den man bei der Ankunft in Uvinza vernimmt, deutet auf
neue Stämme und neue Gewohnheiten hin, die man im Begriff ist kennen
zu lernen. Zwischen zwei Wavinza ist eine erste Einführung eine sehr
langweilige Ceremonie. Wenn sie sich nähern, so strecken sie beide
Hände gegen einander aus und sprechen die Worte „Wake, Wake“; dann
fassen sie sich gegenseitig an die Ellenbogen, reiben einander die Arme
und sagen rasch „Wake, Wake, Waky, Waky“, was mit den Grunztönen „Huh,
Huh“, die gegenseitige Freude bedeuten, endet. Die Weiber begrüssen die
Männer -- ja selbst halberwachsene Jünglinge -- indem sie sich soweit
vorwärts beugen, bis ihre Fingerspitzen auf den Fusszehen ruhen oder
indem sie ihre Körper seitlich beugen und die Hände zusammenschlagen
mit dem Ausrufe: „Wake, Wake, Waky, Waky; Huh, Huh“. Dies erwidern die
Männer, indem sie ihre Hände zusammenschlagen und mit denselben Worten
antworten.

Die Kleidung aller dieser Menschen, wenn sie nicht reich genug sind,
sich von durchziehenden Karavanen Tuch zu kaufen, oder geschickt genug,
sich ihre eigenen Zeuge zu fabriciren wie die Wadschidschi und Warundi
es thun, besteht aus einer Ziegenhaut, die durch einen Knoten über der
Schulter befestigt ist und an einer Seite ihres Körpers herabfällt.

Als Zierrathen lieben sie solide Messingringe um Knöchel und Handgelenk
oder das Kitindi, Messingdraht, der spiralförmig gedreht ist. Auch
sind polirte Eberhauer oder ein polirtes Stück von dünnem, gebogenem
Elfenbein Lieblingszierrathen für den Hals in ganz Uvinza, Uhha,
Udschidschi und Urundi.

Die Wadschidschi fabriciren ihr eigenes Tuch aus der von ihnen
erbauten Baumwolle sehr geschickt; das Gewebe desselben ist dem
des mexikanischen Serape ähnlich. Wie die Wakaranga sind sie ein
abergläubisches Geschlecht. In Niamtaga habe ich, nicht weit von der
Dorfpforte, ihre Schutzgottheit gesehen, einen in Holz geschnitzten,
bemalten, männlichen Kopf. Das Gesicht war weiss angestrichen
und hatte schwarze starrende Augen; die Figur hatte viereckige,
hochstehende Schultern und eine Art Kopfputz, der gelb angemalt war.
Ein Jeder verbeugte sich bei seinem Eintritt in das Thor aufs tiefste
vor dem Götzenbilde, wie Katholiken es vor dem Bilde der heiligen
Jungfrau zu thun pflegen.

[Illustration: EIN GÖTZENBILD.]

Die Wadschidschi glauben Macht über Krokodile zu besitzen und mit
diesen Reptilien auf so freundschaftlichem Fusse zu stehen, dass sie
dieselben zu allem, was sie wünschen, zwingen können. In Udschidschi
läuft das Gerücht um, dass es ein Krokodil gibt, das ebenso gelehrt
ist, wie der im Barnum’schen Museum in New York befindliche Seehund,
sodass es den Befehlen seiner Freunde unbedingt gehorcht und sogar
auf Befehl einen Menschen aus seinem Hause in den See bringt oder auf
einen gedrängten Marktplatz geht, um einen Dieb mitten in einer grossen
Versammlung zu entdecken. Die am westlichen Ufer des Sees befindlichen
Höhlen von Kabogo sind den Wadschidschi schrecklich, und so oft sie an
diesem Ort vorüberziehen, vergessen sie nicht, die erzürnte Gottheit
des Sees dadurch zu besänftigen, dass sie Perlen und Tuch ins Wasser
werfen. Dies soll nach ihrer Aussage nothwendig sein und ebenso soll
der Gott die weissen (Merikani-) Perlen allen andern vorziehen. Dieser
hergebrachten Sitte müssen die Wangwana aus Zanzibar und die Araber
nachkommen, bevor die Wadschidschi sie ans andere Ufer bringen. Auch
muss jedes Boot, das an Bemba vorbeifährt, eine bestimmte Portion von
dem dortigen Pfeifenthon abbrechen, ehe es mit Sicherheit auf eine gute
Reise rechnen kann. Dass dies eine seit vielen Generationen bestehende
und befolgte Sitte ist, geht aus den ungeheuern Aushöhlungen hervor,
die in der Kreideklippe gemacht worden sind.

Nirgends habe ich eine grössere Verschiedenheit der Sitten in Bezug
auf die Haartracht gesehen, als in Urundi und Udschidschi. Entweder
wird das Haar völlig abrasirt oder man lässt es in Diagonalen oder
horizontalen Linien stehen. Entweder bildet es Kämme, Büsche,
Streifen, kleine Locken an den Schläfen und der Stirn; oder es wird in
Stirnbändern und bisweilen in schmalen, welligen oder geraden Linien
getragen. Hieraus kann man schliessen, dass die Kunst des Friseurs
in barbarischen Ländern ebenso hoch steht, wie in civilisirten. Was
die Schmückung ihrer Leiber durch Tätowiren betrifft, so stehen sie
darin höher als andere Stämme. Man findet hier ein tätowirtes Rad um
den Nabel und um jede Brust. Auf den Armen besteht das Tätowiren in
wellenförmigen Linien oder in concentrischen Falten oder in Linien, die
diagonal über die Brust zur Schulter laufen, ebenso in Armbändern um
das Handgelenk oder in einem verwickelten System von wellenförmigen und
horizontalen Linien, die sich von der linken Schulter zur rechten Hüfte
oder von der rechten Schulter zur linken Hüfte über die Magengegend
hinziehen. Auf dem Unterleib sieht man grosse Flecken, die gar keine
Zeichnung haben. Uebrigens muss das Tätowiren schmerzhaft sein,
wenn man nach den ungeheuren Blasen urtheilen darf, welche nach dem
Punktiren entstehen.

Die Eitelkeit des Negers auf Zierrathen wird nur durch seine Armuth
beschränkt. Wer im Stande ist, es zu bezahlen, trägt 30–40 Halsbänder
von Sami-Sami, Merikani, Sofi oder Pfeifenrohrperlen, Kadunduguru und
Rosaperlen. Hierbei spreche ich von den Wadschidschi und Warundi,
besonders von den letzteren. Am Halse hängen ihnen dünne geschnitzte
Stücke Elfenbein, Flusspferdzähne und Eberhauer herab und hinten vom
Nacken schwere Stücke geschnitzten Elfenbeins. Einige tragen am Halse
lange, schmale Glöckchen aus einheimischem Eisen, zusammengedrehten
Eisendraht und Zaubermittel oder weisse, polirte Steine und Schalen
als Amulets. Um die Handgelenke haben sie Armbänder von Sami-Sami oder
blauen Mutunda, welch letztere besonders beliebt sind; auch umgeben
Gürtel von diesen Perlen ihre Taille.

Ihre Kleidung besteht aus einem gegerbten Ziegen-, Kalb- oder
Schaffell, das mit dem rothen porösen Lehm, der von den Bächen durch
die Schluchten herabgetrieben wird, gefärbt ist. Auch werden diese
Fellkleider mit schwarzen Linien, Flecken und Kreisen verziert nach Art
der unter den amerikanischen Indianern herrschenden Sitte.

Wie die Wagogo, und vielleicht noch mehr, lieben die Warundi den Ocker
auf dem Körper. Ausser dass sie denselben mit dieser Lehmart einreihen,
was seine Farbe bedeutend heller macht, schmieren sie sich auch das
Gesicht, den Kopf, die Augenlider und Augenbrauen damit dunkelroth an.

Ihre Frauen haben die Sitte, sich die langen beutelförmigen Brüste mit
einem um den Leib gebundenen Strick auf dem Brustkasten festzubinden.
Zum Schutz oder aus Gewohnheit tragen sie lange Röcke, die bisweilen am
obern Ende mit der Figur einer kleinen Eidechse oder eines Krokodils
verziert sind.

Die am See wohnenden Stämme haben schwere Speere für den Nahekampf oder
um einen Menschen zu viertheilen, und leichte Assegai, die sie mit
grosser Genauigkeit 50–60 Meter schleudern können. Die hier benutzten
Bogen sind kürzer als die der Wanyamwezi und Wakonongo, die Pfeile
sind aber dieselben, nur dass sie mit grösserer Geschicklichkeit und
bedeutenderem Geschmack gemacht sind.

Die Wabembe oder Wavembe (Kannibalen, welche die schroffen
Felsenketten im Westen des Tanganika und gegenüber dem nordöstlichen
Urundi bewohnen) sind ein Volk, das selten von den Reisenden auf dem
See gesehen wird. Sie scheinen aus ihren eigenen Gewohnheiten den
Schluss zu ziehen, dass auch andere Menschen Menschenfresser sind, und
wenn sich Araber und Wangwana in ihrer Nähe zeigen, so bleiben sie in
ihren eigenen Bergdörfern. Sie sollen, obgleich ich für die Wahrheit
dieses Berichtes nicht einstehe, arabischen Kaufleuten, von denen sie
wussten, dass sie einen kranken oder sterbenden Sklaven hatten, das
Anerbieten gemacht haben, ihn für Korn und Vegetabilien zu kaufen, und
wenn sie einen ungewöhnlich fetten Freigelassenen aus Zanzibar sehen,
so sollen sie ihre Hände in den Mund stecken und verwundert ausrufen:
„Tschukula, ngema sana, hapa! Tschumvi mengi!“ Futter, gut, in der
That, hier! Salz in Menge!

Die Wasansi oder Basansi, wie Dr. Livingstone meint, dass sie heissen
sollten, sind Nachbarn der Wabembe und gehören, wie ich fürchte,
gleichfalls zur Klasse der Kannibalen. Es waren Wasansi, die uns,
dem Doctor und mir, am Cap Luvumba wegen des Mordes des Sohnes des
Sultans Kisesa durch den Belutsch Khamis den Skandal machten und uns
erklärten, sie wollten nie wieder einen „Murungwana“ (Freigelassenen
aus Zanzibar) sehen. Nie habe ich in meinem Leben eine solche Aufregung
gesehen, wie sie diese Leute zeigten, als sie bemerkten, dass einer
meiner Soldaten eine Ziege zerlegte, um sie zu vertheilen. Es schien,
als ob sie beim Anblick des Fleisches von einer Art Wahnsinn ergriffen
würden, wie man ihn etwa bei einem hungrigen fleischfressenden Thier
erwarten könnte. Mit wilden Augen flehten sie um das kleinste Theilchen
Fleisch und kämpften unter einander, als einer meiner Leute ein Stück
unter sie warf. Eifrig sammelten sie sich die Blutgerinsel, die von
der Ziege stammten, vom Boden auf und blickten mit heisshungriger
Gier jeden Bissen Fleisch an, den einer meiner Leute ass. Was an dem
Kannibalismus der Wabembe Wahres sein mag, weiss ich nicht, doch bin
ich überzeugt, dass die Wasansi Menschenfresser sind.

Die Bewohner von Manyuema sind die geschicktesten Fabrikanten von
Waffen, was man aus den hier abgebildeten Speerspitzen und Dolchen
ersehen kann.

[Illustration: DOLCHE UND SPEERSPITZEN.]




[Illustration: UNSER LAGER IN URIMBA.]




FUNFZEHNTES KAPITEL.

UNSERE REISE VON UDSCHIDSCHI NACH UNYANYEMBÉ.

  Plaudereien mit Livingstone über die Ereignisse unseres „Pickenicks“.
  -- Der Doctor will durchaus nicht in seine Heimat zurückkehren, ehe
  er seine Aufgabe gelöst. -- Er tadelt Dr. Kirk, dass ihm dieser
  Sklaven zugeschickt, denen er befohlen, Livingstone nach Hause zu
  bringen. -- Er bekommt seine gezogenen Enfield-Gewehre wieder. --
  Er entschliesst sich, mich nach Unyanyembé zu begleiten. -- Ein
  Anfall von remittirendem Fieber. -- Unser Christfest. -- Abreise
  von Udschidschi. -- Unsere Reise auf dem Tanganika. -- Ankunft am
  Liutsché und Fahrt über denselben. -- Fahrt über den Malagarazi.
  -- Im Tanganika existirt keine Strömung. -- Ankunft in Urimba. --
  Zebrajagd. -- Das Thal des Loadscheri. -- Erlegung einer Büffelkuh.
  -- Zusammentreffen mit einem Elefanten. -- Erzählungen Reisender. --
  Rothbärtige Affen. -- Anblick von Magdala. -- Das Thal Imrera. --
  Der Doctor ist fussleidend. -- Heerden von Wild in der Mpokwa-Ebene.
  -- Erlegung zweier Zebras. -- Eine Heerde Giraffen. -- Eine Giraffe
  wird verwundet. -- Ibrahim’s Sklave Ulimengo läuft fort. -- Breite
  von Mpokwa. -- Umschmelzen von Zink-Feldflaschen zu Kugeln. -- Mit
  diesen wird eine Giraffe erlegt. -- Aufbruch nach Misonghi. -- Der
  Doctor wird entsetzlich zerstochen von wilden Bienen. -- Mirambo ist
  durch Hunger vernichtet. -- Shaw’s Tod. -- Ereignisse aus dem Leben
  und Tod Robert Livingstone’s. -- Ein Löwe im Grase. -- Drei Löwen. --
  Ankunft in Ugunda. -- Einfangen des Deserteurs Hamdallah. -- Ankunft
  in Unyanyembé.


Wir fühlten uns ganz zu Hause, als wir uns auf unsere schwarze
Bärenhaut, den bunten persischen Teppich und die reinen neuen Matten
setzten, den Rücken an die Wand lehnten, unsern Thee behaglich
schlürften und uns über die Einzelheiten des „Picknicks“ unterhielten,
wie Livingstone durchaus unsere Reise an den Rusizi zu nennen beliebte.
Es schien, als ob alte Zeiten, die wir so gern ins Gedächtniss riefen,
wieder zurückgekehrt seien, obgleich unser Haus äusserlich sehr einfach
aussah und unsere Diener nur nackte Barbaren waren. In der Nähe dieses
Hauses aber hatte ich Livingstone nach dem ereignissvollen Marsch aus
Unyanyembé zuerst gesehen; auf dieser selben Veranda hatte ich seine
wunderbare Schilderung der weiten bezaubernden Gegenden im Westen des
Sees Tanganika gehört; hier hatte ich ihn zuerst kennen gelernt, und
von dem Augenblicke an ist meine Bewunderung für ihn stets im Wachsen
und ich fühle mich erhoben, wie er mir zum ersten male mittheilt, er
müsse unter meiner Begleitung und auf meine Kosten nach Unyanyembé
gehen. Die alten Lehmmauern, die kahlen Balken, das alte Strohdach
und diese eigenthümlich aussehende alte Veranda werden für mich ein
historisches Interesse mein Leben lang behalten. Daher habe ich mir die
Mühe gegeben, das einfache alte Haus durch eine Zeichnung unsterblich
zu machen.

Ich habe eben gesagt, dass meine Bewunderung für Livingstone zugenommen
hat. Das ist wahr; denn der Mann, den ich mir so ruhig wie einen andern
bedeutenden Menschen hatte ansehen wollen, um seinen Charakter und
seine Ansichten genau zu schildern, hat mich besiegt. Soll ich hier
aussprechen, was meine ursprüngliche Absicht gewesen? Es ist wahr wie
das Evangelium. Ich wollte ihn mir ansehen, genau berichten, was er
mir gesagt, sein Leben und Aussehen schildern, ihm darauf ein „Auf
Wiedersehen!“ zurufen und zurückreisen. Dass er in seiner Manier
besonders unangenehm und barsch sei, weshalb ich sofort in Streit mit
ihm gerathen müsse, war meine bestimmte Ueberzeugung gewesen. Ausserdem
war er ein Engländer, -- vielleicht ein Mann, der sich eines Lorgnons
bediente, durch das er mich mit wüthendem oder eiskaltem Blicke messen
würde (was beides dasselbe besagen will), oder mich, wie der junge
Fähnrich des Scinde’schen Cavallerie-Regiments in Abessinien, nachdem
er einige Schritte zurückgetreten, gelassen fragen könnte: „Mit wem
habe ich die Ehre zu sprechen?“ Oder er konnte mich wol gar, wie der
alte General in Senafe, Sir -- --, anschnauzen: „Nun, Herr! Wer sind
Sie? Was wollen Sie hier?“ Allerdings waren meine Bekanntschaften
mit Engländern derartig, dass ich nicht erstaunt gewesen wäre, wenn
er gesagt hätte: „Darf ich Sie wol fragen, mein Herr, ob Sie einen
Einführungsbrief an mich haben?“ Was wäre das aber für eine Frage an
den Ufern des Tanganika gewesen? Ich hätte mich auf einen Berg bei
Udschidschi zurückziehen, dort zwei Tage bleiben und dann zurückkehren
müssen, um der Welt mitzutheilen, wie ich angelaufen sei. Der edle,
wahrhaft christliche, offenherzige Livingstone hingegen handelte wie
ein Held, lud mich in sein Haus ein, drückte seine Freude darüber aus,
mich zu sehen und wurde, um die Wahrheit dieser Aussage zu bestätigen,
auch gleich gesund. „Sie haben mir neues Leben gebracht!“ Als ich am
Wechselfieber erkrankt zwischen Leben und Tod schwebte, hat er mich
wie ein Vater gepflegt, und jetzt sind wir über einen Monat zusammen
gewesen. Kann man sich wundern, dass ich einen Mann liebe, dessen
Gesicht seine ganze Natur widerspiegelt, dessen Herz die Güte selbst,
dessen Ziele die höchsten sind, bisweilen aber doch heftig in die Worte
ausbreche: „Aber, Herr Doctor, Ihre Familie würde Sie doch so gern, so
sehr gern sehen. Kommen Sie doch mit mir. Ich verspreche Ihnen, Sie
bis an die Küste zu geleiten. Sie sollen den schönsten Esel zum Reiten
haben, den man in Unyanyembé bekommen kann. Ihre Bedürfnisse sollen,
sowie Sie dieselben nur andeuten, befriedigt werden. Lassen Sie doch
die Quellen des Nils und kommen Sie nach Hause, um auszuruhen. Dann
können Sie ja, nachdem Sie das ein Jahr gethan und Ihre Gesundheit
wiederhergestellt haben, zurückkehren und Ihre Aufgabe beendigen.“

Darauf lautete seine Antwort stets: „Nein. Ich sehne mich allerdings
sehr danach, meine Familie zu sehen. Die Briefe meiner Kinder rühren
mich sehr; ich darf aber noch nicht nach Hause gehen, sondern muss
erst meine Aufgabe lösen. Ich bin ja nur durch Mangel an Vorräthen
aufgehalten worden und würde jetzt schon die Entdeckung des Nils
vollendet haben, wenn ich ihn bis an seine Verbindung mit dem
Baker’schen See oder dem Petherick’schen Arm des Nils verfolgt hätte.
Wäre ich nur noch einen Monat weiter gereist, so hätte ich sagen
können: “die Arbeit ist vollendet„. Dr. Kirk hat mir aber immer wieder
von neuem Sklaven geschickt und er sollte doch wissen, wie diese
beschaffen sind. Ich kann es nicht begreifen, warum er sich nur an
Banyanen gewandt hat, um mir Leute zu besorgen.“

Noch waren einige der Leute, welche Livingstone daran verhindert
hatten, seine interessanten Entdeckungen fortzusetzen, in Udschidschi
und hatten die der Regierung gehörigen gezogenen Enfield-Gewehre in
ihren Händen, welche sie zurückbehalten wollten, bis sie ihren Lohn
bekommen hätten. Da sie aber je 60 Dollars vom englischen Consul in
Zanzibar unter der contractlichen Bedingung erhalten hatten, dass
sie ihrem Herrn überall hin folgen sollten, dagegen nicht nur seinen
Befehlen ungehorsam gewesen, sondern ihm sogar überall in den Weg
getreten waren, so war es abgeschmackt, dass ein paar Leute die
Oberhand über den Doctor behalten und ihm die Rückgabe der von der
Regierung in Bombay geschenkten Gewehre verweigern sollten. Ich hatte
gehört, wie die dem Doctor freundlich gesinnten arabischen Scheikhs
den Leuten in milder Weise zugeredet hatten, die Waffen auszuliefern;
war Zeuge von der Hartnäckigkeit der Meuterer gewesen, und da nahm ich
denn auf dem Burzani von Sayd bin Madschid’s Hause Gelegenheit, meine
Ansicht nicht nur zum Besten der eigensinnigen Sklaven, sondern auch
zu dem der Araber auszusprechen und ihnen zu sagen, wie gut es sei,
dass ich Livingstone am Leben gefunden, denn wenn sie ihm auch nur ein
Haar gekrümmt hätten, so wäre ich an die Küste zurückgegangen, um
mit einer Rache-Expedition wiederzukehren. Ich hätte jetzt jeden Tag
darauf gewartet, dass Livingstone’s Flinten ihm zurückgegeben würden
und gehofft, ohne Gewalt auszukommen; da nun aber mehr als ein Monat
verstrichen und die Waffen noch nicht abgeliefert seien, so bäte ich
mir die Erlaubniss aus, sie mit Gewalt zu nehmen, und diese wurde mir
gewährt. Sofort wurde Susi, der tapfere Diener Livingstone’s (der
werth gewesen wäre, mit Silber aufgewogen zu werden, wäre er nicht ein
unverbesserlicher Dieb gewesen), mit ungefähr einem Dutzend Bewaffneter
abgeschickt, um die Waffen abzuholen, und in wenigen Minuten waren wir
ohne weitere Belästigung im Besitz derselben.

Livingstone war entschlossen, mich nach Unyanyembé zu begleiten, um
dort seine am 1. November 1870 durch den britischen Consul von Zanzibar
abgesandten Vorräthe in Empfang zu nehmen. Da mir die Leitung der
Escorte anvertraut worden, so war es meine Pflicht, die verschiedenen
Routen von Udschidschi nach Unyanyembé zu studiren. Ich war mir der
grossen Verantwortlichkeit sehr wohl bewusst, die die Begleitung eines
solchen Mannes mit sich bringt; auch waren meine eigenen Empfindungen
bei dem Fall im Spiel. Wenn nämlich Livingstone durch meine
Unvorsichtigkeit, solange er bei mir war, ein Schaden geschähe, so
würde man gleich sagen: „Ja! wäre er nur nicht mit dem Stanley gereist,
so wäre er jetzt noch am Leben!“

Ich nahm also meine von mir selbst angefertigte Karte vor, auf die
ich volles Vertrauen setzte, und entwarf eine Route, die uns nach
Unyanyembé führen sollte, ohne dass wir auch nur ein Tuch als Tribut zu
zahlen hätten, und der uns schlimmstenfalls durch Dschungels führte,
wodurch wir alle die Wavinza und plündernden Wahha vermeiden könnten.
Dieser friedliche, sichere Weg führte zu Wasser nach Süden die Küste
von Ukaranga und Ukawendi entlang bis zum Cap Tongwe. Hier würden wir
uns gegenüber dem im Ukawendi-Districte Rusawa belegenen Dorfe Itaga,
dessen Sultan Imrera ist, befinden und dann könnten wir den alten Weg
wieder einschlagen, den ich von Unyanyembé nach Udschidschi gereist
war. Dies setzte ich dem Doctor auseinander und er erkannte sofort die
Ausführbarkeit und Sicherheit dieser Route an. Wenn ich dabei wirklich,
wie ich wünschte, zu Imrera käme, so würde das den besten Beweis dafür
geben, dass meine Karte richtig sei.

Am 13. December kehrten wir von unserer nördlichen Expedition auf dem
Tanganika zurück. Von diesem Tage an begann Livingstone Briefe an seine
zahlreichen Freunde zu schreiben und die werthvollen Kenntnisse, die er
während seiner Reisejahre im Süden und Westen des Tanganika gesammelt,
aus seinen Tagebüchern in sein umfangreiches Notizbuch einzutragen.
Während er in Hemdärmeln, das grosse Notizbuch auf den Knien, auf
der Veranda sass, habe ich ihn gezeichnet und die Aehnlichkeit des
nebenstehenden Bildes ist vortrefflich, weil der mich unterstützende
Künstler mit angeborenem Talent die Fehler meiner Skizze entdeckt hat.
Dadurch bin ich im Stande, Livingstone dem Leser genau so vorzuführen,
wie ich ihn gesehen habe, über die Erlebnisse auf seinen langen
Märschen nachdenkend.

Bald nach meiner Ankunft in Udschidschi hatte er sich daran gemacht,
einen Brief an James Gordon Bennett zu schreiben, worin er ihm
dankte. Nachdem er ihn beendet, bat ich ihn, nur noch das Wort junior
hinzuzufügen, da er nur dem jüngeren Bennett Dank schuldig sei. Ich
hielt den Brief für vortrefflich und bat den Doctor, auch nicht ein
Wort hinzuzufügen. Die Empfindungen seines Herzens hatten ihren
Ausdruck in so dankbaren Worten gefunden; und wenn ich Herrn Bennett
richtig beurtheilte, so wusste ich, dass er damit zufrieden sein
würde. Denn er war ja nicht so sehr dabei interessirt, geographische
Neuigkeiten, als vielmehr die grosse Thatsache zu erfahren, dass
Livingstone selbst am Leben sei.

In diesem letzten Theil des December schrieb er auch Briefe an seine
Kinder, an Sir Roderick Murchison und an Lord Granville. Auch wollte er
an den Grafen Clarendon schreiben und mir fiel die schwere Aufgabe zu,
ihm mitzutheilen, dass dieser ausgezeichnete Mann gestorben sei.

[Illustration: Dr. LIVINGSTONE MIT SEINEM TAGEBUCH BESCHÄFTIGT.

  II. S. 186.]

Mittlerweile bereitete ich die Expedition auf den Rückweg nach
Unyanyembé vor und vertheilte Ballen und Gepäck, sowol des Doctors
grosse Blechkasten als auch meine eigenen unter meine Leute; denn
ich hatte den Entschluss gefasst, Livingstone’s Leute als Passagiere
mit marschiren zu lassen, da sie ihre Pflicht gegen ihren Herrn so
vorzüglich erfüllt hatten.

Sayd bin Madschid hatte am 12. December Udschidschi verlassen, um gegen
Mirambo zu ziehen und diesen schwarzen Bonaparte wegen der Ermordung
seines Sohnes in den Wäldern von Wilyankuru mit Krieg zu überziehen. Er
hatte 300 kräftige, mit Gewehren bewaffnete Burschen von Udschidschi
mitgenommen. Der tapfere alte Häuptling brannte vor Rache und Wuth und
erschien mit seinem 7 Fuss langen Gewehr als ganz stattlicher Krieger.
Ehe wir nach dem Rusizi gegangen, hatte ich ihm eine gute Reise
gewünscht und die Hoffnung ausgedrückt, dass er Central-Afrika von dem
Tyrannen Mirambo befreien möge.

Am 20. December wurde die Regenzeit durch einen heftigen Regen, Donner,
Blitz und Hagel eingeleitet, wobei das Thermometer auf 27° R. fiel.
Am Abend dieses Tages bekam ich zum dritten male in Afrika Urticaria
(Nesselausschlag) und war sehr leidend. Es war nur der Vorläufer eines
Anfalls von remittirendem Fieber, das sieben Tage anhielt. Es ist dies
die bösartige Form, die schon vielen Afrika-Reisenden auf dem Zambezi,
Weissen Nil, Congo und Niger tödlich geworden ist. Man hat dabei
Congestionen nach dem Kopfe, einen raschen Puls, starkes Herzklopfen
und böse Phantasien. Seit ich mit Livingstone zusammengekommen, war
dies mein vierter Fieberanfall. Die Aufregung des Marsches und die mich
beständig erfüllende Hoffnung hatte auf dem Wege nach Udschidschi auch
meinen Körper gegen Fieberanfälle gestählt; zwei Wochen aber, nachdem
das grosse Ereigniss sich vollzogen hatte, liessen meine Kräfte nach;
ich war völlig ruhigen Geistes geworden und erkrankte infolge dessen.
Da ich mich jedoch niemals der Unmässigkeit oder andern ausschweifenden
Gewohnheiten, die so manche Constitution ruiniren, hingegeben hatte, so
unterlag ich zum Glück den wiederholten Anfällen dieser heimtückischen
Krankheit nicht.

Weihnachten kam heran und der Doctor und ich hatten den Beschluss
gefasst, diese herrliche, von alters her gefeierte Zeit hier so
wie in angelsächsischen Ländern, nämlich mit einem Festmahl, wie
es Udschidschi uns bieten konnte, zu feiern. Am Abend vorher hatte
mich das Fieber ganz und gar verlassen und am Weihnachtsmorgen stand
ich, obgleich noch sehr schwach, völlig angekleidet auf, belehrte
den Koch Feradschi über die Wichtigkeit dieses Tages für uns Weisse
und versuchte es, diesem wohlgenährten Wilden einige Finessen der
Kochkunst beizubringen. Wir verschafften uns vom Markt zu Udschidschi
und dem guten alten Muini Kheri fette breitschwänzige Schafe, Ziegen,
Zogga und Pombé, Eier, frische Milch, Platanenfrüchte, Singwe, gutes
Kornmehl, Fische, Zwiebeln, süsse Kartoffeln u. dgl. Leider jedoch
war meine Schwäche uns hier hinderlich; denn Feradschi verdarb den
Braten, verbrannte uns unsere Eierkuchen und das Mittagessen misglückte
total. Dass der dickköpfige Schelm nicht Prügel erhielt kam nur daher,
dass ich unfähig war, meine Hände zu seiner Bestrafung zu rühren; ich
sah ihn aber mit einem so schrecklichen Blick an, dass jeder andere
als Feradschi dadurch vernichtet worden wäre. Der dumme, hartköpfige
Koch hingegen kicherte nur und hat wol, wie ich glaube, nachher mit
vielem Vergnügen die Pasteten, Eierspeisen und Braten, die durch seine
Nachlässigkeit für den Gaumen von Europäern verdorben waren, selbst
verzehrt.

Vor seiner Abreise hatte Sayd bin Madschid Befehl hinterlassen,
dass wir sein Boot auf unserer Heimreise gebrauchen könnten und
freundlicherweise lieh uns auch Muini Kheri sein grosses Fahrzeug für
denselben Zweck. Denn die Expedition, die jetzt um den Doctor und seine
fünf Leute nebst Gepäck vermehrt war, erheischte noch ein Boot. Für die
Dschungels von Ukawendi, welche wir durchziehen wollten, hatten wir
uns mit Milch, Ziegen und Vorräthen an fetten Schafen versehen. Die
gute Halimah, Livingstone’s Köchin, hatte einen Sack voll schönes Mehl
bereitet, wie sie es nur in ihrer grossen Verehrung für ihren Herrn
herzustellen im Stande war. Auch ihr Gatte Hamoydah hatte freiwillig
aufs aufmerksamste bei der Herstellung dieses wichtigen Nahrungsmittels
geholfen. Ich kaufte einen Esel für Livingstone und zwar den einzigen,
den man in Udschidschi erlangen konnte, für den Fall, dass er auf dem
langen Marsche von seinem alten Uebel heimgesucht werde. Kurz, wir
hatten reichlich Nahrungsmittel, Schafe, Ziegen, Käse, Tuch, Esel und
Boote, womit wir eine lange Strecke weit vorwärts kommen konnten; es
fehlte uns also an nichts.

Der 27. December, der Tag unserer Abreise von Udschidschi, ist da.
Ich war wol im Begriff, dem Hafen, dessen Name meinem Angedenken
stets heilig sein wird, auf immer Lebewohl zu sagen. Die Boote,
grosse, schwerfällige, hohle Baumstämme, sind mit Vorräthen schwer
beladen; die Ruderer sind zur Stelle; die englische Flagge weht am
Spiegel von Livingstone’s Boot, die amerikanische über dem meinigen
und ich kann sie nicht ansehen ohne einen gewissen Stolz, dass die
beiden angelsächsischen Nationen heute auf diesem grossen Binnenmeer
angesichts der wilden Natur und der Barbaren vertreten sind.

Die grossen arabischen Kaufleute, die staunenden Kinder von Unyamwezi,
Freigelassene aus Zanzibar, verwunderte Waguhhu und Wadschidschi, wilde
Warundi begleiten uns an die Boote; alle sind am heutigen Tage still,
ja sogar traurig, dass die Weissen, sie wissen nicht wohin, fortziehen.

Um 8 Uhr morgens fahren wir ab, überall hin die mit den Händen
winkenden Araber und Neugierigen grüssend. Einige derselben versuchten
uns etwas Gefühlvolles beim Abschied zu sagen; namentlich der
überführte Sünder Mohammed bin Sali. Obwol ich aber äusserlich keine
Misbilligung seiner Worte oder der herzlichen Weise zeigte, mit
der er mir die Hand drückte, so bedauerte ich es doch nicht wegen
seines an Livingstone im Jahre 1869 verübten Verrathes, ihn zum
letzten mal gesehen zu haben. Er bat mich sehr, „Mengi Salaams“ an
jedermann in Unyanyembé zu bringen. Hätte ich das aber gethan, so wäre
ich keineswegs darüber erstaunt gewesen, wenn mich alle für einen
hoffnungslosen Narren gehalten hätten.

Wir stiessen von dem Lehmufer am Fusse des Marktplatzes ab, während
die Landabtheilung unter der Führung des riesigen Asmani und Bombay’s
ohne irgendwelches Gepäck ihre Reise nach Süden längs der Ufer des
Sees antrat. Wir hatten abgemacht, mit ihnen an der Mündung eines
jeden Flusses zusammenzutreffen und sie von einem Ufer ans andere
überzusetzen.

Der Doctor fuhr in Sayd bin Madschid’s Boot, welches ungefähr ein
Drittel kürzer als das unter meinem Befehl stehende war, voran
und die britische Flagge, die an einem Bambusrohr befestigt war,
flatterte hinter ihm her wie ein scharlachrother Meteor. Mein mit
Wadschidschi-Matrosen bemanntes Boot, die ich gemiethet hatte, um die
Boote vom Cap Tongwe wieder nach Udschidschi Bunder zurückzubringen,
folgte und hatte eine viel höhere Flaggenstange, auf der das immer
schöne amerikanische Sternenbanner flatterte. Die bedeutende Höhe
meiner Stange entlockte dem Doctor, dessen loyaler Patriotismus dadurch
erregt wurde, die Bemerkung, er werde sich die höchste Palmyrapalme als
Flaggenstange abschneiden, da es sich nicht gezieme, dass die britische
Flagge soviel niedriger als die der Vereinigten Staaten sei.

Unsere Soldaten waren über den Gedanken, nach Unyanyembé zu gehen,
durchaus nicht weniger freudig erregt als wir. Sie stimmten den
Freudengesang der Zanzibarer Bootsleute an, welcher mit dem
begeisterten Chorgesang endigt: „Kinan de re re Kitunga“. So ruderten
sie dann wie Tolle daher, bis sie vor reiner Erschöpfung genöthigt
waren auszuruhen, während der Schweiss stromweise an ihnen herabfloss.
Sowie sie ausgeruht hatten, machten sie sich wieder an ihre Ruder und
stimmten den Gesang der Mrima an: „O Mama, re de mi Ky“, der sie bald
wieder zu grossen Anstrengungen anspornte. Durch diese energischen
ruckweisen Anstrengungen, sowie durch Gesang und Gelächter, Gestöhne
und Geschrei, gaben unsere schwitzenden und keuchenden Leute ihrem
freudigen Gefühl über den Gedanken Ausdruck, dass wir heimkehrten und
dass auf der Route, die ich nach Unyanyembé erwählt, durchaus keine
Gefahr zu fürchten sei.

    „Wir sind den Wahha entgangen, ha, ha!
    Die Wavinza werden uns nicht mehr plagen! oh, oh!
    Mionvu bekommt kein Tuch mehr von uns! hy, hy!
    Und Kiala wird nimmer uns wiedersehen! he, he!“

schrien sie mit wildem Gelächter und führten dabei wuchtige Streiche
mit den Rudern, welche die alten ungelenken Boote vom Vorsteven bis zum
Spiegel erbeben liessen.

[Illustration: FAHRT AUF DEM TANGANIKA-SEE.

  II. S. 190.]

Die Abtheilung am Ufer schien an unserer Aufregung theilzunehmen und
sang den wilden Refrain des tollen afrikanischen Liedes mit. Wir sahen,
wie sie vorwärts eilten, um mit uns gleichen Schritt zu halten, wenn
wir um die Caps und Vorsprünge und an den Buchten vorbeifuhren, deren
Ufer mit Riedgras, Schilfrohr und Binsen bedeckt waren. Wir sahen den
winzigen, beweglichen Kalulu, den kleinen Bilali und Madschwara die
der Karavane gehörigen Heerden von Ziegen, Schafen und Eseln treiben
und auch diese Thiere schienen sich an der allgemeinen Freude zu
betheiligen.

Auch die stolze, wilde Natur, der hehre, blaue, unendliche Himmelsdom,
die weite, lebhaft grüne Ebene zur Linken, die ausgedehnte, glänzende
Wasserfläche schien in feierlicher Heiterkeit an unserer Freude
theilzunehmen und sie zu vermehren.

Um 10 Uhr morgens kamen wir an der Wohnstätte Kirindo’s, eines alten
Häuptlings, an, der wegen seiner grossen Freundlichkeit gegen Dr.
Livingstone und Feindseligkeit gegen die Araber merkwürdig ist. Diese
konnten sich das nicht erklären, wogegen der Doctor den Grund wohl
wusste; denn er hatte nur freundliche, aufrichtige Worte mit Kirindo
gewechselt, während alle Araber mit ihm verkehrten, als ob er gar kein
Mensch, viel weniger ein Häuptling sei.

Kirindo’s Wohnsitz liegt an der Mündung des Liutsché, die sehr
breit ist. Der Fluss schleicht hier langsam durch einen Wald von
Aeschinomenen (Markbäumen) in den See. Diesen Ort hatten wir als
Sammelplatz für die See- und Landabtheilung bestimmt, damit die Boote
alle ans andere, anderthalb Meilen entfernte Ufer hinüberbrächten. Die
Mündung des Liutsché bildet die Bai von Ukaranga, welche ihren Namen
vom gleichnamigen, am andern Ufer, einige hundert Schritt vom See
entfernt liegenden Dorf Ukaranga führt, wohin wir übersetzen sollten.
Aus dem grössern Boote wurde alles Gepäck entfernt und sorgfältig ins
kleinere gepackt; einige ausgesucht gute Ruderer fuhren nun mit dem
Doctor ab, welcher das Aufschlagen des Lagers in Ukaranga überwachen
sollte, während ich zurückblieb, um die widerspenstigen, eigensinnigen
Esel zu binden und sie in das grosse Boot zu schleppen, damit dasselbe
nicht Gefahr laufe, umgeworfen und von hungrigen Krokodilen verzehrt zu
werden, die ringsumher auf Beute lauerten. Dann wurde die Ziegenheerde
eingeschifft und daneben so viele von unsern Leuten als möglich. Etwa
30 blieben noch mit mir zurück und für diese sollte das Boot noch
einmal zurückkehren.

Wir kamen alle gut in Ukaranga an, obwol wir in die gefährliche Nähe
einer Heerde Flusspferde geriethen, und setzten über die weite Mündung
des damals in Flut befindlichen Liutsché in etwa vier Stunden.

Am nächsten Tage nahmen wir unsern Weg in derselben Weise, wie wir
von Udschidschi abgereist waren, wieder nach Süden auf, so zwar, dass
die Seeabtheilung sich so nahe als möglich am Ufer hielt, jedoch, wo
es sich thun liess und Wind und Wetter es gestatteten, kühn über die
zahlreichen kleinen Buchten, welche die Ufer des Tanganika einkerben,
wegsetzte. Die Ufer waren wunderschön grün infolge der kurz vorher
stattgehabten Regengüsse; das Wasser des Sees spiegelte das blaue
Firmament treulich wieder. Es gab zahlreiche Flusspferde; die an diesem
Tage gesehenen hatten rothe Ringe rund um den untern Theil des Ohrs und
am Halse. Eins dieser Ungeheuer, das etwas spät auftauchte, wurde durch
unser Boot, welches direct auf dasselbe zusteuerte, so erschreckt,
dass es jählings untertauchte und dabei seine ganze Körperlänge
zeigte. Auf halbem Wege zwischen der Mündung des Malagarazi und der
des Liutsché sahen wir ein Lager am Ufer, nämlich Mohammed bin Gharib,
einen Mswahili, der oft in Livingstone’s mir mündlich mitgetheilten
Erzählungen seiner Abenteuer und Reisen als einer der freundlichsten
und besten Muselmänner Central-Afrikas vorgekommen war. Er erschien mir
als ein freundlich gesinnter Mann mit einem Gesichtsausdruck, den man
hier selten antrifft, dem der Offenherzigkeit nämlich.

Die Vegetation der Ufer war, als wir weiter kamen, wahrhaft tropisch;
jede Biegung des Sees zeigte uns neue Schönheiten. Den weichen
Kreidefelsen, aus welchen die steilen Ufer des Sees in der Nähe des
Malagarazi meist bestehen, hat die Brandung eigenthümlich mitgespielt.

An der Mündung dieses Flusses langten wir ungefähr um 2 Uhr
nachmittags an, nachdem wir 18 Meilen von Ukaranga gerudert waren. Die
Landabtheilung stiess sehr ermüdet ungefähr um 5 Uhr nachmittags zu uns.

Der nächste Tag wurde dazu verwandt, die Karavane über die breite
Mündung des Malagarazi in unser einige Meilen nördlich vom Flusse
belegenes Lager überzusetzen. Diesen Fluss würde eine civilisirte
Gemeinde sehr vortheilhaft finden, um die Entfernung zwischen dem
Tanganika und der Küste zu verkürzen. Man könnte nämlich fast 100
Meilen auf diesem Flusse fahren, der zu allen Jahreszeiten tief genug
ist, um bis Kiala in Uvinza schiffbar zu sein, von wo aus sich ein
gerader Weg leicht nach Unyanyembé führen liesse. Auch Missionäre
könnten auf ihren Reisen nach Uvinza, Uhha und Ugala davon Vortheil
ziehen.

Am 30. kamen wir, indem wir die malerischen Caps Kagongo, Mviga und
Kivoe umschifften, nach ungefähr dreistündigem Rudern in Sicht der
an der Mündung des raschfliessenden aber trüben Rugufu belegenen
Dorfschaften. Hier hatten wir wieder die Karavane über die von
Krokodilen heimgesuchte Flussmündung überzusetzen.

Am Morgen des 31. schickten wir ein Boot mit Leuten aus, um uns
Nahrungsmittel in einigen Dörfern, die man auf der andern Seite
erblickte, zu besorgen. Für 4 Doti kauften wir genug, um die aus 48
Personen bestehende Karavane vier Tage lang zu erhalten. Dann lichteten
wir die Anker, theilten dem Kirangozi mit, dass wir nach Urimba wollten
und gaben ihm den Befehl, sich so nahe wie möglich am Ufer des Sees
zu halten, wo es thunlich wäre, sonst aber so zu verfahren, wie es
am besten ginge. Von der Mündung des Rugufu, dessen Quellen wir auf
unserer pfadlosen Herreise nach Udschidschi passirt hatten, bis nach
dem sechs Tagereisen zu Wasser entfernten Urimba gibt es keine Dörfer
und also auch keine Nahrungsmittel. Da jedoch die Landabtheilung, ehe
sie Udschidschi verlassen, Rationen für acht Tage mitbekommen und an
diesem Morgen für vier Tage ausgetheilt erhalten hatte, befand sie
sich in keiner Gefahr zu verhungern, falls die Gebirgsspitzen, welche
sich jetzt steil und abschüssig hintereinander entfalteten, sie daran
verhindern sollten, mit uns im Verkehr zu bleiben. Man darf nämlich
nicht vergessen, dass eine Reise wie diese bisher noch nie von einem
Araber oder Mswahili versucht worden war und daher jeder Schritt,
den die Leute thaten, in ein Land hinein geschah, von dem sie nicht
wussten, an welchem Theil des Ufers der Weg sie hinführe. Wir segelten
um das steile Vorgebirge von Kivoe, dessen waldbewachsene Höhe und
zackiger Abhang, der bis an den Rand des Ufers von Holz bewachsen war
und dessen herrliche Buchten und ruhige Schlupfwinkel wol jedermann
hätten poetisch stimmen können; boten den wilden Wogen der Bucht von
Kivoe Trotz und fuhren direct auf das nächste Cap Mizohazy zu, wo wir
infolge von Wind und Wellen genöthigt waren, zur Nacht halt zu machen.

Hinter Mizohazy liegt das schroffe Cap Kabogo, nicht das
furchtbare Kabogo, dessen Namen die abergläubischen Eingeborenen
in geheimnissvolle Schrecken gehüllt haben und dessen gewaltiges
Donnergebrüll wir auf unserer Flucht vor den Wahha beim Uebersetzen
über den Rugufu vernommen, sondern eine Landspitze in Ukaranga, an
deren harten, unwirthlichen Felsen so manches Boot schon zerschellt
worden; wir fuhren dicht an seinen unheildrohenden Felsmassen vorbei,
voll Dank für die Ruhe des Tanganika. In der Nähe dieses Kabogo
befinden sich einige sehr schöne Mvulebäume, die sich sehr zum Bootbau
eignen, es gibt aber keine lärmenden Eingeborene, die sich um das
Privilegium sie abzuholzen streiten.

Am Rande des Wassers, ungefähr drei Fuss über demselben, erblickte man
deutlich an der glatten Fläche der Felsabhänge von Kabogo den höchsten
Wasserstand des Sees. Dies bewies uns, dass der Tanganika während
der Regenzeit ungefähr drei Fuss über sein Niveau in der trockenen
Jahreszeit steigt und während der letztern durch Verdunstung auf sein
normales Niveau zurückgeführt wird. Durch die Menge Flüsse, die wir
auf dieser Reise passirten, war ich im Stande zu beobachten, ob,
wie man mir gesagt, eine Strömung nach Norden vorhanden sei. Ich sah
es deutlich, dass, wenn der Wind aus Südwesten, Süden oder Südosten
blies, die braune Flut der Flüsse nach Norden strömte; doch kam es
auch etliche mal vor, dass, wenn wir bei Nordwest- und Nordwinden an
den Flussmündungen vorbeikamen, die trüben Fluten von den Mündungen
aus nach Süden getrieben wurden, woraus ich den Schluss ziehe, dass im
Tanganika keine andere Strömung existirt, als die vom veränderlichen
Winde bedingte.

In einer gemüthlichen, bei einem Sigunga benannten Orte gelegenen Bucht
legten wir an, um unser zweites Frühstück einzunehmen. Eine an der
Mündung der Bai befindliche Insel machte ganz den Eindruck, dass dies
ein sehr schöner Ort für eine Missionsstation sein würde. Die grossen
Bergabhänge im Hintergrunde, ein wellenförmiges, gut bewaldetes Land
zwischen denselben und der Bucht vermehrten noch die Reize dieses
Ortes. Die Insel, die Platz für ein grosses, wohlzuvertheidigendes
Dorf hat, könnte aus Klugheitsrücksichten die eigentliche Mission
und Gemeinde aufnehmen. Die von Land umschlossene Bucht würde ihre
Fischerei und Handelsfahrzeuge beschützen und der fruchtbare Boden
zwischen den Bergen und der Bai die Bevölkerung der Insel aufs
allerreichlichste zu ernähren im Stande sein. Holz, um Boote und
Häuser zu bauen, ist dicht bei der Hand; das umgebende Land hat viele
Jagdthiere, und das gelehrige, höfliche Volk von Ukaranga wartet nur
auf Seelenhirten.

Nach einem kurzen Aufenthalt in dem schönen Sigunga stiessen wir vom
Lande und kamen nach drei Stunden an der Mündung des Flusses Uwelasia
an. Wir amüsirten uns damit, auf die zahlreichen Flusspferde und
Krokodile zu schiessen, wodurch wir auch hofften, die Aufmerksamkeit
unserer Landabtheilung auf uns zu ziehen, deren Flinten wir seit dem
Rugufu nicht mehr hatten knallen hören.

Am 3. Januar verliessen wir Uwelasia und kamen am Cap Herembe vorüber
in der Bai von Tongwe an. Diese Bucht ist ungefähr 25 Meilen breit und
erstreckt sich vom Cap Herembe bis zum Cap Tongwe. Da wir uns so nahe
an unserm Bestimmungsort befanden, Urimba ist nämlich blos sechs Meilen
von der Herembe-Spitze entfernt, machten sich die Mannschaften beider
Boote eifrig an ihre Ruder und ermuthigten sich mit Geschrei, Gelächter
und Gesang zu den äussersten Anstrengungen. Die Flaggen der beiden
grossen angelsächsischen Völker spielten in den milden Lüften, näherten
sich bisweilen und entfernten sich dann wieder wie zwei schüchterne
Liebhaber. Das schmale, kleine Boot Livingstone’s blieb voran und die
rothe Kreuzfahne Englands, die vor mir herflatterte, schien dem schönen
nachfolgenden Boote zu sagen: „Folge mir, England führt Dich.“ Und
gebührte hier nicht wirklich England der erste Platz? Es hat ja ein
Recht dazu, indem es den Tanganika entdeckt hat; Amerika ist erst als
zweites hinzugekommen.

Urimba, ein grosser Bezirk von Kawendi, hat ein Dorf gleiches Namens,
das von Flüchtlingen aus Yombeh bewohnt wird, welche das Delta des
Loadscheri, obgleich es, wie das des Rusizi, ein äusserst ungesunder
Ort ist, doch der Nachbarschaft Pumburu’s, des Sultans des südlichen
Kawendi, sehr vorziehen. Sie scheinen von den nachhaltigen Verfolgungen
ihrer Unterdrücker so eingeschüchtert und mistrauisch gegen Fremde
geworden zu sein, dass sie uns durchaus nicht in ihr Dorf lassen
wollten, worüber ich, aufrichtig gesagt, sehr erfreut war, nachdem ich
mir die pesthauchende Fäulniss ihrer Umgebung angesehen hatte. In ihrer
unmittelbaren Nachbarschaft, ja sogar in einer Entfernung von einigen
Meilen nach beiden Seiten, könnte meines Erachtens ein Weisser auch
nicht eine einzige Nacht schlafen, ohne sich den Tod zu holen. Südlich
vom Dorfe, am äussersten südöstlichen Winkel der Tongwe-Bai, etwa 1½
Meile westlich vom hohen Pic Kivanga oder Kakungu, fand ich einen
geeigneten Lagerplatz. Nach einer vom Doctor angestellten Beobachtung
befanden wir uns auf 5° 54′ südl. Breite.

Die Eingeborenen hatten nichts von unserer Landabtheilung gehört und
da das Delta des Loadscheri und Mogambazi sich 15 Meilen lang hinzieht
und eine ganz unpassirbare Gegend bildete, die vollständig flach, von
hohem Matete, Aeschinomenen und Dornbüschen bewachsen und von Wasser
überflutet ist, so war es unnütz, unsere Leute dadurch abzustrapaziren,
dass sie in diesem unwirthlichen Lande nach unserer Landabtheilung
suchten. Auch konnten wir uns keine Lebensmittel verschaffen; denn die
Dörfer waren halbverhungert, sodass die Einwohner aus der Hand in den
Mund lebten von dem, was ein widerwilliges Geschick ihnen in die Netze
trieb.

Am zweiten Tage nach unserer Ankunft in Urimba begab ich mich
mit meinem Flintenträger Kalulu, der Livingstone’s vorzügliches
doppelläufiges Gewehr (ein Reilly Nr. 12) trug, auf die Suche nach
Wild. Nachdem ich ungefähr eine Meile gegangen, stiess ich auf eine
Heerde Zebras. Ich wusste es dadurch, dass ich auf Hand und Füssen
vorwärtskroch, so einzurichten, dass ich auf etwa 100 Schritt in ihre
Nähe kam; es war aber ein schlimmer Ort, denn niedrige Sträucher
stachen mich; die Tsetse-Fliegen liessen sich auf das Visir meiner
Flinte nieder, zerstachen mir die Nase, flogen mir in die Augen, kurz
brachten mich vollständig ausser Fassung; und um meine Unzufriedenheit
noch zu vermehren, beunruhigten meine Anstrengungen, mich von den
Dornen freizumachen, die Zebras, welche sich den verdächtigen
Gegenstand im Busch ansahen. Ich feuerte zwar auf die Brust eines
derselben, verfehlte es aber, wie zu erwarten war. Darauf galopirten
die Zebras ungefähr 300 Schritt weit fort; ich stürzte ins Freie,
spannte rasch den Drücker des linken Laufs, zielte nach einem
herrlichen Thier, das seinen Gefährten vorantrabte, und schickte ihm
auf gut Glück eine Kugel durchs Herz. Auch brachte mir ein anderer
glücklicher Schuss eine grosse Gans mit scharfen Hornsporen am vordem
Theile des Flügels. Dieser Fleischvorrath trug wesentlich dazu bei,
unsere Gesellschaft zu verproviantiren für die uns bevorstehende Reise
durch das unbekannte Land, das sich zwischen uns und Mrera in Rusawa in
Kawendi befand.

Erst am dritten Tage nach unserer Ankunft im Lager von Urimba langte
unsere Landabtheilung an. Sie hatte unsere grosse Flagge auf einem
zwanzig Fuss hohen Bambus über dem höchsten Baum in der Nähe unseres
Lagers erblickt, als sie den scharfen, hohen Bergrücken hinter dem
funfzehn Meilen entfernten Nerembe überschritten, und dieselbe zuerst
für einen grossen Vogel gehalten; es gab aber scharfsichtige Leute
unter ihnen, und geführt von ihnen erreichten sie unser Lager, wo sie
so begrüsst wurden, wie es nur Leuten widerfährt, die für verloren
gehalten sind.

In diesem Lager bekam ich einen neuen Fieberanfall, der durch die
Nachbarschaft des fürchterlichen Deltas herbeigeführt wurde, dessen
blosser Anblick mich schon krank machte.

Am 7. Januar brachen wir unser Lager ab und wandten uns nach Osten,
was für mich soviel wie nach Hause hiess. Doch geschah dies nicht ohne
Bedauern! Ich hatte viel Glück und Freude und angenehme Gesellschaft
an den Ufern des Sees gefunden, hatte liebliche Landschaften gesehen,
welche mich sirenenartig zur Ruhe einluden, wo es weder Tumult,
noch Streit, noch Niederlagen, weder Hoffnung, noch Enttäuschung
gab, sondern nur eine träumerische, träge, aber angenehme Ruhe, die
nur einige Nachtheile mit sich führte. Denn hier gab es Fieber;
und ich hatte keine Bücher oder Zeitungen, kein Weib unserer
Rasse, kein Theater oder Hotel oder Restaurant, keine Austern oder
Pfeffermünz-Pasteten oder Buchweizen-Kuchen oder sonst etwas, was
ein gebildeter Gaumen liebt. Daher hatte ich den Muth, als ich dem
friedlichen See und den grossen, blauen Bergen, welche je weiter sie
zu beiden Seiten in die Ferne rückten, noch intensiver blau wurden,
Lebewohl sagte, dieses schreckliche Wort ohne Thränen und Seufzer
auszusprechen.

[Illustration: ERLEGUNG EINES BÜFFELS.

  II. S. 199.]

Unser Weg führte uns durch das Thal des Loadscheri, welches sich,
nachdem wir sein Delta verlassen, immer mehr verengte, bis es zu einer
Waldschlucht wurde, die von dem laut brüllenden Strom ganz erfüllt war,
dessen überwältigender Sturz selbst die Luft, die wir athmeten, in
Mitleidenschaft zu ziehen schien. In dieser engen Bergschlucht wurde
es drückend und sehr zur Zeit führte der Weg auf eine Anhöhe, weiter
auf eine Terrasse, dann auf einen Berg und zuletzt auf ein Gebirge,
auf dem wir unser Lager aufschlugen. Als wir noch mit Vorbereitungen
dazu beschäftigt waren, zeigte der Doctor schweigend auf etwas hin und
sofort herrschte überall todtenähnliche Stille. Das Chinin, welches
ich am Morgen genommen, schien jeden Theil meines Gehirns afficirt zu
haben; dennoch blieb ein böses Uebel nach; obgleich ich aber unter der
schweren Last der Reillyflinte bebte, so kroch ich doch dahin, wo er
hinwies. Ich blickte eine tiefe Feldschlucht hinab, an deren anderer
Seite ich eine schöne Büffelkuh hinaufklettern sah. Sie hatte eben den
Gipfel erreicht und wandte sich um, um ihren Feind zu betrachten, als
es mir gelang, ihr einen Schuss gerade hinter das Schulterblatt und
dicht am Rückgrat hineinzujagen, was ihr ein dumpfes Schmerzgeschrei
entlockte. „Sie ist erlegt“, rief der Doctor, „das ist ein sicheres
Zeichen, dass Sie dieselbe getroffen haben“; und meine Leute erhoben
sogar ein Freudengeschrei bei der Aussicht auf Fleisch. Ein zweiter
Schuss in den Rücken brachte das Thier auf die Knie und ein dritter
endete sein Leben. So hatten wir wieder Vorrath an Lebensmitteln,
die uns, zerschnitten und über einem Feuer getrocknet, wie die
Wangwana es zu thun pflegen, ein gut Stück durch die vor uns liegende,
menschenleere Wildniss weiter bringen konnten. Für den Doctor und mich
liessen wir die Zunge, den Höcker und einige besonders gute Stücke
salzen und hatten so nach ein paar Tagen vorzügliches Pökelfleisch. Es
ist nicht unangemessen, dass ich hier mittheile, dass die Wangwana das
Gewehr mehr lobten als den Jäger.

Am nächsten Tage setzten wir unsern Marsch unter der Führung unseres
Kirangozi nach Osten fort; aus dem Wege, den er uns führte, war
aber zu ersehen, dass er nichts vom Lande wisse, obwol er uns durch
seine Redseligkeit hatte glauben lassen, er kenne Ngondo, Yombeh und
Pumburu’s Districte ganz genau. Als wir ihn von der Spitze der Karavane
zurückriefen, waren wir im Begriff, in den reissenden Loadscheri
hinabzusteigen, auf dessen anderer Seite sich drei unpassirbare
Bergzüge ausdehnten, die wir in einer ganz von unserm Wege abliegenden
Richtung nach Nord-Nordost hätten passiren müssen. Nachdem ich mich
mit dem Doctor besprochen, trat ich selbst an die Spitze der Karavane,
folgte dem Grat des Bergrückens und zog direct nach Osten, ohne auf den
Weg weiter zu achten. Zuweilen kreuzte ein bereister Weg unsern Pfad
und als wir demselben folgten, kamen wir an die Furt des Loadscheri.
Dieser entspringt im Süden und Südosten des Pic Kakungu. Nach
Ueberschreitung des Flusses benutzten wir den Weg so gut wir konnten,
bis wir die von Karah nach Ngondo und Pumburu im südlichen Kawendi
führende Hauptstrasse erreichten.

Bald nachdem wir unser Lager verlassen, bogen wir von dem bereisten
Wege ab und gingen auf eine in dem vor uns liegenden Bogen von Bergen
befindliche Oeffnung los, da sich Pumburu mit dem Volke von Manya
Msengé, einem District von Nord-Kawendi, im Kriege befand. Das Land
besitzt eine Fülle von Jagdthieren, Büffeln und Zebras; unter den
hervorragenden Bäumen befand sich die Hyphaene und Borassuspalme,
ein Baum, welcher Früchte von der Grösse der Kanonenkugel eines
600-Pfünders trägt, welche die Eingeborenen nach Aussage des Doctors
„Mabyah“[7] nennen und deren Samen sie rösten und essen. Als
Nahrungsmittel sind sie dem Europäer nicht zu empfehlen.

Am 10. war ich, an der Spitze meiner Leute, den Kompass in der Hand,
drei Stunden lang Führer. Ein schönes Parkland lag vor uns; das Gras
war aber sehr hoch und die jetzt ernstlich eintretende Regenzeit
machte mir meine Arbeit höchst unangenehm. Durch dieses hohe Gras, das
mir immer bis an den Hals reichte, musste ich mir nämlich auf meinen
Kompass bauend meinen Weg bahnen, um die Expedition zu führen, da keine
Spur eines Weges vorlag und wir uns jetzt in einem völlig unbereisten
Lande befanden. An einem schönen, nach Norden fliessenden kleinen Bach,
einem der Zuflüsse des Rugufu, schlugen wir unser Lager auf.

Auch der 11. sah mich durch das Gras ziehen, welches bei jedem Schritt
Regentropfen auf mich herabschauerte. Nach zwei Stunden überschritten
wir wieder einen kleinen Bach, der in seinem Bett schlüpfrige, den
Einfluss heftiger Giessbäche bekundende Felsen enthielt. Viele grosse
Pilze gedeihen hier. Als wir den Bach passirten, rief ein alter Pagazi
aus Unyamwezi in wehmüthigem Tone: „Mein Kibuyu ist todt!“ wodurch
er sagen wollte, er sei ausgeglitten und habe beim Falle seinen auf
Kiswahili „Kibuyu“ genannten Kürbis zerbrochen.

Am östlichen Ufer machten wir halt, um unser zweites Frühstück
einzunehmen, und kamen nach einem Marsche von 1½ Stunde an einen
weitern Bach, den ich zuerst wegen der Aehnlichkeit seiner Umgebung
für den Mtambu hielt, obgleich meine Karte mir sagte, dass dies nicht
möglich sei. Die umliegende Landschaft hatte jedoch viele Aehnlichkeit
mit jener, und im Norden sahen wir einen dem Magdala ähnlichen,
tafelförmigen Berg, den ich auf unserm Wege an den Malagarazi im Norden
von Imrera entdeckt hatte. Obwol wir nur 3½ Stunden gereist waren,
war der Doctor sehr matt, da das Land äusserst uneben ist.

Am nächsten Tage schritten wir über mehrere Bergrücken, wo uns
herrliche Landschaften von überwältigender Schönheit überall umgaben,
und erblickten einen mächtigen, raschfliessenden Strom, dessen Bett
zwischen enorm hohen Sandsteinmauern eingesenkt war und dort wie ein
kleiner Niagara lärmte und toste.

Nachdem wir unser Lager auf einer malerischen Anhöhe aufgeschlagen
hatten, wollte ich den Versuch machen, uns Fleisch zu verschaffen,
das in dieser interessanten Gegend doch jedenfalls vorhanden zu sein
schien. Ich ging daher mit meinem kleinen Winchester-Gewehr die Ufer
des Flusses entlang nach Osten. Etwa ein bis zwei Stunden zog ich so
weiter durch eine Gegend, die immer malerischer und lieblicher wurde,
und ging dann eine viel versprechende Schlucht hinauf. Ohne Erfolg
an ihrem Rande entlang schreitend, befand ich mich alsbald zu meinem
leicht begreiflichen Erstaunen direct einem Elefanten gegenüber, diesem
furchtbaren Kolosse, der Personification der Macht in Afrika, der seine
grossen, breiten Ohren wie schwellende Segel ausgebreitet hielt. Mich
dünkte, als ich seinen gewaltigen Rüssel wie einen warnenden Finger
vorwärts gestreckt sah, eine Stimme zu hören, die mir „Siste, Venator!“
zurief. Doch weiss ich nicht, ob dies nur in meiner Einbildung lag oder
von Kalulu herkam, der, wie ich glaube, gerade rief: „Tembo, tembo!
Bana yango!“ („ein Elefant, ein Elefant, Herr!“). Denn der junge Schelm
war, sobald er den furchtbaren Koloss in solcher unmittelbaren Nähe
erblickte, davongelaufen. Als ich mich von meinem Erstaunen erholt,
hielt auch ich es für klüger, mich zurückzuziehen, zumal ich nur eine
mit verrätherischen Sägespänepatronen geladene Erbsenflinte in der Hand
hatte. Wie ich zurückblickte sah ich, wie er seinen Rüssel bewegte, und
verstand, dass er sagen wollte: „Adieu, junger Mann! es ist ein Glück
für Dich, dass Du Dich zu rechter Zeit entfernst, denn sonst hätte ich
Dich zu Brei zerstampft.“

Als ich mir hierzu gratulirte, flog eine Wespe direct auf mich zu und
pflanzte mir ihren Stachel in den Nacken, sodass für diesen Nachmittag
mein in Aussicht genommenes Vergnügen vereitelt war. Bei meiner
Rückkehr ins Lager fand ich meine Leute murrend; ihre Provision war zu
Ende und für die nächsten drei Tage war keine Aussicht vorhanden, ihnen
welche zu schaffen. Mit dem gefrässigen Individuen eigenen Mangel an
Vorsicht hatten sie ihre Kornrationen und den ganzen Vorrath an Zebra-
und Büffelfleisch möglichst rasch verzehrt und schrien jetzt, sie
müssten verhungern.

Zahlreiche Spuren von Thieren waren zwar vorhanden; da aber die
Regenzeit da war, hatte sich das Wild überall hin zerstreut; in der
trockenen Jahreszeit hätten wir in diesen Wäldern unsere Speisekammer
jeden Tag mit neuen Vorräthen versehen können.

Als der Doctor und ich ungefähr um 6 oder 7 Uhr morgens unsern Thee
vor unserm Zelt einnahmen, ging eine aus zwölf Stück bestehende Heerde
von Elefanten etwa 800 Schritt an uns vorüber. Unsere Fundi Asmani
und Mabruki Kisesa wurden sofort abgesandt, um sie zu verfolgen. Ich
wäre selbst mit meinem schweren Reilly-Gewehre ihnen gefolgt, wäre ich
nicht so furchtbar ermüdet gewesen. Alsbald hörten wir das Knallen
ihrer Flinten und hofften, dass sie Glück haben möchten, da sie dann
einen tüchtigen Vorrath an Fleisch gehabt und wir beide uns an einem
Elefantenfuss als zarten schönen Braten hätten erlaben können. Nach
einer Stunde aber kehrten sie ohne jeglichen Erfolg zurück; sie
hatten den Thieren nur etwas Blut entzogen, welches sie uns auf einem
Blatte zeigten.

[Illustration: EINE ÜBERRASCHUNG.

  II. S. 202.]

Um einen afrikanischen Elefanten zu tödten, dazu gehört ein sehr
gutes gezogenes Gewehr. Ich glaube, dass ein Kaliber Nr. 8, mit einer
Fraser’schen Kugel geladen und in die Schläfe geschossen, jedesmal
einen Elefanten zu Fall bringen würde. Faulkner erzählt zwar einige
sonderbare Geschichten, wie er auf einen Elefanten zugetreten sei und
ihn durch eine in die Stirn gejagte Kugel sofort getödtet habe. Die
Erzählung ist jedoch so unglaublich, dass ich sie lieber nicht glaube;
namentlich da er hinzufügt, der Abdruck der Mündung seines Gewehrs
habe sich am Rumpfe des Elefanten vorgefunden. Afrikanische Reisende,
namentlich Jagdfreunde, lieben es oft zu sehr, Dinge zu erzählen, die
für gewöhnliche Menschen ans Unglaubliche streifen. Solche Geschichten
muss man wegen des Amüsements, die sie heimischen Lesern gewähren, cum
grano salis aufnehmen. Wenn ich je in Zukunft von jemandem höre, dass
er auf 500 Meter Entfernung einer Antilope das Rückgrat gebrochen, so
werde ich annehmen, es sei durch einen Schreib- oder Druckfehler eine
Null zuviel hinzugekommen, denn das ist eine in einem afrikanischen
Walde fast unmögliche Heldenthat. Vielleicht kann es einmal vorkommen,
aber gewiss nicht zweimal nacheinander. Denn eine Antilope gibt bei
einer Entfernung von 500 Meter eine sehr kleine Zielscheibe ab; und es
gehören derartige Geschichten durch göttliches Recht dem Jäger an, der
Afrika nur um der Jagd willen durchzieht. An der Küste von Zanzibar
habe ich junge Officiere getroffen, wenig über zwanzig Jahr alt, die
mit erstaunlicher Zungenfertigkeit von ihren fürchterlichen Abenteuern
mit Elefanten, Leoparden, Löwen und sonstigen Thieren zu erzählen
wussten. So oft sie nur auf ein im Flusse befindliches Flusspferd
geschossen, hatten sie es erlegt; wenn sie einer Antilope begegnet
waren, war es bestimmt ein Löwe gewesen und sie hatten ihn sofort
hingestreckt; wenn sie einen Elefanten in einem zoologischen Garten
erblickten, war es bestimmt derjenige, den sie in Afrika gesehen und
ohne Mühe eingefangen hatten: „Ich habe noch jetzt die Hauer zu Hause
und kann sie Ihnen, wenn Sie wollen, eines Tages zeigen.“ Bei manchen
Leuten ist es eine Krankheit, eine wirkliche Manie, dass sie nie im
Stande sind, die positive, buchstäbliche Wahrheit zu erzählen. Das
Reisen in Afrika ist an sich schon hinlänglich gefährlich, ohne dass
man es noch zu übertreiben braucht. Fast alle Leute, welche sich bei
der abessinischen Expedition befanden, werden sich des wunderlichen
Majors erinnern, der seine furchtbaren, ausserordentlich schrecklichen
Geschichten massenhaft zu erzählen pflegte. Eines Tages beschenkte
ich diesen Herrn mit einer mir von Satanta, dem Häuptling der Kiowas,
in der Nähe von Medicine Lodge zu Kansas, geschenkten Büffelhaut.
Doch schon am nächsten Tage hörte ich, dass er den Büffel auf einer
amerikanischen Prairie mit einer Pistolenkugel erschossen habe. Dies
ist nur ein Beispiel der Phantasiestückchen, welche viele Reisende zu
erzählen lieben. Viele Leute haben eine Neigung zur Uebertreibung. Die
Jäger von Süd- und Nordafrika sind berühmt wegen ihrer zahlreichen
Jagdanekdoten, von denen ich meine, dass sie einfache Flunkereien sind.

Am 13. setzten wir unsern Marsch über verschiedene Bergrücken
fort, und bei unserm Auf- und Absteigen erblickten wir nie vorher
erforschte Berge und Thäler. Nach Norden zu stürzten sich vom Regen
angeschwollene Bäche und erstreckten sich grossartige Urwälder, in
deren Dämmerschatten ein Weisser früher nie gewandert war.

Am 14. sahen wir dieselben Landschaften, nämlich eine ununterbrochene
Reihe sich dem Längengrade nach hinziehender Bergrücken, die
miteinander und dem Tanganika-See parallel laufen. Nach Osten fallen
diese Berge in steilen Abhängen und Terrassen nach tiefen Thälern zu
ab, wogegen sie nach Westen zu allmählichere Abhänge bilden. Dies sind
die besondern Charakterzüge von Ukawendi, der östlichen Wasserscheide
des Tanganika.

An diesem Tage trafen wir in einem der Thäler mit einer Colonie Affen
mit röthlichem Barte zusammen, deren Geheul an den Felsen widerhallte,
als sie die Karavane erblickten. Es war mir unmöglich, mich ihnen
zu nähern, denn sie kletterten an den Bäumen empor, kreischten mir
drohend entgegen und sprangen dann rasch weiter, wenn ich mich noch
mehr näherte. Beinahe hätten sie mich dazu gebracht, sie zu verfolgen,
wenn mir nicht plötzlich eingefallen wäre, dass meine Abwesenheit die
Expedition aufhielt.

Etwa um Mittag sahen wir unsern Magdala, den grossen sich thürmenden
Berg, dessen steile, düster aussehende Masse unsere Blicke auf sich
gezogen hatte, als er sich auf unserer eiligen Reise längs des
grossen Kammes des Rusawa, dem Krokodilflusse zu, in seiner ganzen
Grossartigkeit über die Ebene erhob. Die frühere mystische Schönheit
der umliegenden, baumbekleideten Ebene erkannten wir wieder. Damals
war sie ausgebleicht und von einem leichten Nebel lieblich bedeckt,
jetzt hingegen mit lebhaftem Grün geschmückt. Alle Pflanzen, Kräuter
und Bäume sprossten nach dem Regen in üppiger Lebenskraft. Flüsse, die
in jenen heissen Sommertagen gar nicht vorhanden waren, stürzten sich
jetzt schäumend zwischen dicken Gürteln mächtiger Bäume und tosend
in die Waldthäler hinab. Wir passirten viele solcher Bäche, die alle
Zuflüsse des Rugufu sind.

Schönes, bezauberndes Ukawendi! Womit soll ich die Lieblichkeit deiner
hehren, wilden, freien, üppigen Natur vergleichen? Gibt es etwas
Gleiches in Europa? Habe ich etwas Aehnliches in Asien, etwa in Indien
gesehen? Ja, vielleicht in Mingrelien und Imeritien. Denn dort gibt
es schäumende Flüsse, malerische Hügel, kühne Berge, emporstrebende
Gebirge, weite Wälder mit herrlichen, hohen Baumreihen, reinen, geraden
Stämmen, durch welche man lange Strecken hinabsehen kann wie hier.
Nur dass man in Ukawendi fast die Vegetation wachsen sehen kann. So
fruchtbar ist die Erde, die Natur so gütig, dass man sich, selbst ohne
die Absicht sich hier niederzulassen oder den Wunsch, die verderbliche
Atmosphäre länger als absolut nothwendig ist einzuathmen, unmerklich zu
ihr hingezogen fühlt, wenn man an die Möglichkeit denkt, dass das unter
dieser glänzenden, fesselnden Schönheit des Landes sich verbergende
Verderben durch ein Culturvolk sich entfernen und die ganze Gegend sich
ebenso gesund als fruchtbar machen liesse. Selbst als ich unter dem
Druck der schrecklichen Krankheit dahinwankte; als sich mein Gemüth
immer mehr und mehr verbitterte, mein Gehirn mitunter durch die stets
wiederkehrenden Fieberanfälle afficirt wurde; als ich wusste, wie
die aus eben dieser Schönheit entspringende Malaria mir langsam die
Constitution untergrub und hinterlistig die Kräfte des Geistes und
Körpers vernichtete, betrachtete ich das lockende Antlitz des Landes
mit bethörter Liebe und fühlte eine gewisse Traurigkeit mich an jedem
Tage beschleichen, der mich davon trennte, ja war fast geneigt, mit
dem Schicksal zu hadern, das mich gewaltsam aus Ukawendi zu entfernen
schien.

Am neunten Tage unseres Marsches von den Ufern des Tanganika erblickten
wir unsern „Berg Magdala“, der sich wie eine dunkle Wolke im Nordosten
erhob, wodurch mir klar wurde, dass wir uns Imrera näherten und dass
unser Icarus-Vorsatz, die unbewohnten Dschungels von Ukawendi zu
durchziehen, bald von Erfolg gekrönt sein werde. Gegen den Rathschlag
aller Führer und die Vorschläge der ermüdeten und verhungerten Leute
unserer Expedition hatte ich darauf bestanden, mich nur vom Kompass
und meiner Karte leiten zu lassen. Zwar setzten die Führer alles daran,
mich zu bewegen, meine Route zu verändern und nach Südwest zu ziehen,
was mich, wenn ich darauf gehört hätte, unzweifelhaft ins südwestliche
Ukonongo oder nordwestliche Ufipa gebracht haben würde. Traurig
fragten mich die alten erfahrenen Soldaten, ob ich sie denn durchaus
verhungern lassen wolle, da der Weg, den ich hätte einschlagen sollen,
nach Nordosten läge. Ich zog es aber vor, mein Vertrauen auf den
Kompass zu setzen. Zwar schien keine Sonne, als wir durch den Urwald,
durch Dschungels, über Bäche und steile Bergrücken und in tiefe Thäler
hinabzogen, sondern ein dicker Nebel bedeckte die Waldung; häufig
prasselte der Regen auf uns herab, und das Firmament bestand aus einem
undurchdringlichen grauen Dunst; aber der Doctor setzte vollständiges
Zutrauen in mich, und ich blieb meinem Vorsatze treu.

Sobald wir an unserm Lager angekommen waren, zerstreuten sich meine
Leute im Walde, um Nahrung zu suchen. Dicht dabei fanden sie einen Hain
von Singwebäumen. Auch genügten die zahlreichen in der Nähe wachsenden
Pilze, den nagenden Hunger meiner Leute zu stillen. Wäre es nicht
heftiges Regenwetter gewesen, so hätte ich Wildpret fürs Lager schaffen
können; doch hinderten mich die Ermattung und das schwächende Fieber
ganz und gar daran, aus dem Lager zu gehen, wenn wir einmal halt
gemacht hatten. Die Jäger wurden durch die in unserer Nachbarschaft
befindlichen zahlreichen Löwen, deren schreckliches Gebrüll Tag und
Nacht gehört wurde, so in Schrecken gesetzt, dass sie trotz der
Belohnung von 5 Doti, welche ich auf jedes erlegte Thier ausgesetzt, es
nicht wagten, in die finstern Waldwiesen oder schrecklichen Holzgehege
ausserhalb des freundlich geschützten Lagers zu dringen.

Am Morgen des zehnten Tages versicherte ich meinen Leuten, dass wir
uns ganz in der Nähe von Nahrungsmitteln befänden, ermunterte die
Liebenswürdigsten unter ihnen durch dies Versprechen reichlicher
Nahrung und drohte den Widerspenstigeren mit bösen Schlägen, falls sie
meine Geduld zu sehr auf die Probe stellten. Dann zog ich Ost zu Nord
durch den Wald, und die fast erschöpfte Expedition schleppte sich mit
Mühe hinter mir her. Es war wirklich eine verzweifelte Lage, und ich
bedauerte die armen Leute viel mehr als sie selbst es thaten. Obwol
ich in ihrer Gegenwart aufbrauste, wenn sie sich niederlegen und nicht
weiter ziehen wollten, war doch niemand weiter als ich davon entfernt,
ihnen etwas zu thun. Denn ich war zu stolz auf sie; aber unter den
Umständen wäre es gefährlich, ja sogar selbstmörderisch gewesen, einen
Zweifel an der Richtigkeit des Weges zur Schau zu tragen. Die einfache
Thatsache, dass ich meinen Weg nach des Doctors kleinem, köstlichen
Rathgeber, dem Kompass, fortsetzte, übte einen grossen moralischen
Einfluss auf sie aus, und obwol sie klagend und mit hagern Gesichtern
protestirten, folgten sie doch meinen Fusstapfen mit einer geradezu
rührenden Vertrauensseligkeit.

Viele Meilen lang schritten wir so über glattes, etwas abwärts
geneigtes Rasenland, mit einem Blick in Wald und Parkschönheiten
zur Rechten und Linken und vor uns, wie man sie selten sieht. In
einem Tempo, das bald den Hauptkörper der Expedition weit hinter mir
liess, ging ich voran mit einigen tapfern Burschen, die trotz ihrer
schweren Last gleichen Schritt mit mir hielten. Nach einigen Stunden
schritten wir den leichten, bequemen Abhang eines Bergrückens hinauf,
der in wenigen Minuten die Wahrheit oder Ungenauigkeit meiner Karte
feststellen sollte. Als wir an den östlichen Rand des Bergrückens
kamen, erkannten wir in einer Entfernung von etwa fünf Meilen und 1000
Fuss unter dem Hochplateau, auf dem wir standen, das Thal von Imrera!

Zu Mittag befanden wir uns in unserm alten Lager. Die Eingeborenen
sammelten sich um uns und brachten uns Vorräthe an Nahrungsmitteln
sowie ihre Glückwünsche dazu dar, dass wir gut aus Udschidschi
zurückgekommen seien. Es dauerte aber lange, ehe das letzte Mitglied
der Expedition ankam. Die Füsse des Doctors waren nämlich sehr wund
und bluteten infolge des mühsamen Marsches. Seine Schuhe waren so
abgetragen, und er hatte dieselben so zerschnitten und mit einem Messer
bearbeitet, um seinen mit Blasen bedeckten Füssen Erleichterung zu
verschaffen, dass keiner von meinen Leuten sie als Geschenk angenommen
haben würde, wenn er auch noch so sehr erpicht darauf gewesen wäre,
seine Füsse nach Art der Wasungu zu bekleiden.

Der Führer Asmani war sehr erstaunt, als er sah, dass der kleine
Kompass den Weg besser kenne als er, und erklärte es feierlichst als
seine Ueberzeugung, jener könne nicht lügen. Sein Ruf litt sehr, weil
das kleine Ding ihm die Palme streitig gemacht hatte, und nach diesem
Vorfalle wurde seine gerühmte Kenntniss des Landes erheblich in Zweifel
gezogen.

Nachdem wir einen Tag halt gemacht, um uns zu erholen, setzten wir
unsern Weg am 18. Januar 1872 nach Unyanyembé fort. Einige Meilen
hinter Imrera verlor Asmani wieder den Weg, und ich war genöthigt,
ihm denselben zu zeigen, wodurch ich mir abermals Ehre und Vertrauen
als Führer erwarb. Auch meine Schuhe waren sehr schlecht geworden und
es war schwer zu entscheiden, ob die des Doctors oder die meinigen
schlechter waren. Ueber das Aeussere des Landes war eine grosse
Veränderung gekommen, seit ich durch dasselbe gen Norden nach
Udschidschi gezogen war. Der wilde Wein hing jetzt in Trauben am
Wege; die Kornähren waren hinreichend vorgeschritten, um zur Nahrung
gepflückt und geröstet zu werden; die verschiedenen Pflanzen liessen
ihre Blüten fallen und die dichten Wälder und Gräser des Landes waren
grüner als je.

Am 19. kamen wir in Mpokwa’s verlassenem Dorfe an. Die Füsse des
Doctors waren durch den Marsch sehr wund gerieben. Er war den ganzen
Weg von Urimba zu Fuss gegangen, obgleich er einen Esel besass, während
ich, zu meiner Schande sei es gesagt, hin und wieder geritten war, um
mit meinen Kräften haushälterisch umzugehen, damit ich im Stande sei,
nach unserer Ankunft im Lager zu jagen.

Zu unserm Gebrauch wurden zwei Hütten geräumt; als wir es uns aber
gerade bequem machten, entdeckten unsere scharfäugigen Burschen mehrere
Heerden von Jagdthieren in der westlich von Mpokwa gelegenen Ebene.
Rasch verzehrte ich einen Bissen Kornbrot und Kaffee und eilte mit
Bilali als Flintenträger und Livingstone’s berühmter Reilly-Flinte
nebst den nöthigen Kugeln davon. Ich stürzte mich durch einen tiefen
Bach, wurde abermals nass, bahnte mir den Weg durch ein dichtes
Farrnkraut und kam schliesslich an einem dünnen Waldgürtel an, durch
den ich gezwungen war zu kriechen. In 1½ Stunde befand ich mich bei
einer Gruppe von Zebras, die sich 130 Meter entfernt spielend unter
dem Schatten eines grossen Baumes herum bissen. Als ich mich plötzlich
erhob, zog ich ihre Aufmerksamkeit auf mich, aber das treue alte Gewehr
war schon an meiner Schulter und piff! paff! gingen beide Läufe los,
und zwei herrliche Zebras, ein Männchen und ein Weibchen, fielen todt
unter den Baum, unter dem sie gestanden hatten. Nach einigen Sekunden
war ihnen der Hals durchschnitten; ich gab das Zeichen, dass ich Glück
gehabt hätte, und bald war ich von einem Dutzend meiner Leute umringt,
welche ihre Freude an den Tag legten durch reichliche Complimente, die
sie meiner Flinte, aber nicht mir spendeten. Als ich mit dem Fleisch
ins Lager zurückkam, empfing ich die Glückwünsche des Doctors, die ich
viel höher schätzte, da er von einer langen Erfahrung her wusste, was
Schiessen heisst.

Als die essbaren Theile der beiden Zebras an die Wage gehängt wurden,
fanden wir nach des Doctors Aufzeichnungen, dass wir 719 Pfund gutes
Fleisch besassen, was unter 44 Leute vertheilt für jeden etwas über
16 Pfund ausmachte. Bombay war besonders glücklich, da er einen
Traum gehabt, worin ich eine Hauptrolle gespielt und nach rechts und
links Thiere erschossen hatte; als er mich nun mit dem wundervollen
Reilly-Gewehr abziehen gesehen, hatte er meinen Erfolg durchaus nicht
bezweifelt und daher seine Leute bereit gehalten, um mir zu folgen,
sobald sie meine Flintenschüsse hören würden.

Das Nachstehende entnehme ich meinem Tagebuche:

20. Januar 1872. Heute machten wir halt. Als ich auf die Jagd ging,
sah ich eine Heerde von elf Giraffen. Nach Ueberschreitung des
Mpokwa-Baches gelang es mir, mich einer derselben auf 140 Meter zu
nähern, von wo ich auf sie losfeuerte. Sie wurde zwar verwundet,
doch gelang es mir nicht, sie zum Fall zu bringen, obgleich ich sehr
wünschte, ein Fell zu besitzen.

Am Nachmittag ging ich nach der Ostseite vom Dorfe und stiess auf eine
Heerde von sechs Giraffen. Ich verwundete abermals eine, doch kam sie
trotz meiner Anstrengung davon.

Was für merkwürdige Thiere sind es doch! Wie schön sind ihre grossen,
hellen Augen! Ich hätte einen Eid darauf leisten können, dass
beide Schüsse gut getroffen hätten; die Thiere gingen aber mit so
majestätischen Bewegungen ab, wie ein Klipper, der sich umwendet.
Wenn sie laufen, haben sie einen ungeschickten Gang, der etwas den
Verzerrungen einer indischen Nautch oder thebanischen Tänzerin ähnelt,
und in einer träumerisch wogenden Bewegung besteht, an welcher sich
selbst ihr Schwanz mit dem langen Büschel schwarzer Haare betheiligt.

Livingstone, welcher es wohl verstand, einen eifrigen, aber getäuschten
Jäger zu trösten, schrieb meinen Mangel an Erfolg dem Umstand zu,
dass ich blos mit Bleikugeln geschossen hätte, welche zu weich wären,
um durch das dicke Fell der Giraffen zu dringen, und rieth mir,
meine Zinkfeldflaschen zu zerschmelzen und die Kugeln dadurch härter
zu machen. Es war nicht das erste mal, dass ich Ursache hatte, den
Doctor als Reisegefährten zu bewundern. Niemand verstand es so gut
wie er, jedermann im Unglück zu trösten oder das Selbstbewusstsein
zu stärken. Wenn ich ein Zebra getödtet, so war sein Freund Oswell,
der südafrikanische Jäger und er selbst lange überzeugt gewesen, dass
Zebrafleisch das schönste in ganz Afrika sei. Wenn ich eine Büffelkuh
erlegt, so war sie bestimmt die beste ihrer Art und ihre Hörner werth,
als Muster nach Hause transportirt zu werden, und wie fett war sie!
Wenn ich ohne Beute nach Hause kam, so war entweder das Wild sehr scheu
oder die Leute hatten zuviel Lärm gemacht und es erschreckt. Niemand
könne doch bereits in Unruhe versetzte Thiere stellen. Er war wirklich
ein sehr rücksichtsvoller Gefährte, und da ich wusste, dass er in Allem
wahr sei, so war ich auf sein Lob, wenn ich Glück hatte, stolz und
leicht getröstet, wenn ich nichts erreicht hatte.

Der alte Pagazi Ibrahim, der in Ukawendi durch das Zerbrechen seines
alten Kibugu so sehr betrübt worden war, hatte vor unserer Abreise von
Udschidschi sein Tuch in einem Sklaven aus Manyuema angelegt, der den
Namen „Ulimengo“ trug, was die „Welt“ bedeutet. Als wir uns Mpokwa
näherten, lief Ulimengo davon mit der ganzen, aus einigen Tuchen und
einem Beutel voll Salz bestehenden Habe seines Herrn, die dieser nach
Unyanyembé zum Verhandeln mitgenommen. Ibrahim war untröstlich und
jammerte in so kläglicher Weise, dass die Leute, statt Mitleid mit
ihm zu fühlen, ihn auslachten. Ich fragte ihn, warum er sich so einen
Sklaven gekauft und demselben, als er bei ihm gewesen, nicht ordentlich
zu essen gegeben habe. Trotzig erwiderte er darauf: „War er etwa nicht
mein Sklave? War etwa das Tuch, mit dem ich ihn kaufte, nicht das
meinige? Wenn das Tuch mir gehörte, konnte ich nicht damit kaufen, was
ich wollte? Warum sprecht Ihr so mit mir?“

An diesem Abend wurde aber Ibrahim’s Herz durch Ulimengo’s Heimkehr mit
dem Salz und Tuch erfreut, und der einäugige Greis tanzte in seiner
Herzensfreude und kam rasch zu mir gelaufen, um mir die frohe Botschaft
zu bringen. „Sieh da, die “Welt„ ist zurückgekommen. Wahrhaftig! Mein
Salz und mein Tuch sind auch da. Wirklich!“ Ich sagte ihm, dass er gut
daran thun werde, ihm zukünftig ordentlich zu essen zu geben, da die
Sklaven ebenso gut wie ihre Herren des Essens bedürften.

Von 10 Uhr abends bis Mitternacht war Livingstone damit beschäftigt,
den Stern Canopus zu beobachten und dadurch festzustellen, dass Mpokwa,
im District von Utanda, in Ukonongo auf 6° 18′ 40″ südl. Br. liegt.
Als ich diese Lage mit der auf meiner Karte durch einen Ueberschlag
festgestellten verglich, ergab sich eine Differenz von drei Meilen,
denn ich hatte den Ort auf 6° 15′ südl. Br. verzeichnet.

Am nächsten Tage machten wir halt. Livingstone’s Füsse waren so
entzündet und wund, dass er keine Schuhe anziehen konnte. Auch meine
Hacken waren wund und thörichterweise schnitt ich grosse Kreise aus
meinen Schuhen heraus, um im Stande zu sein, umherzugehen.

Nachdem ich meine Zinkfeldflaschen in Kugeln verwandelt und mich mit
einem Schlächter und Flintenträger versehen hatte, begab ich mich,
mit der löblichen Absicht etwas zu schiessen, in das liebliche, ebene
Parkland westlich vom Bache Mpokwa. In der Ebene sah ich nichts, ging
also über einen Bergrücken und kam in ein breites, von hohem Grase
und vereinzelten Hyphaenepalmen und Mimosen bedecktes Becken. Hier
bemerkte ich eine Gruppe Giraffen, die Zweige der Mimosen benagend, und
machte mich daran, sie im Grase zu stellen, indem ich von den hohen,
grasbewachsenen Ameisenhügeln Vortheil zog, um mich den vorsichtigen
Thieren nähern zu können, ehe ihre grossen Augen mich entdeckten.
Ich kam ihnen mit Hülfe dieser sonderbaren Erhebungen auf 170 Meter
nahe, weiter aber konnte man nicht kriechen, ohne von ihnen gesehen zu
werden, so dünn und kurz war das Gras. Ich holte tief Athem, wischte
mir die schweisstriefende Stirn ab und setzte mich auf einen Augenblick
hin. Auch meine schwarzen Gehülfen waren von der Anstrengung und den
grossen Erwartungen, die durch die Nähe der edeln Thiere erweckt
wurden, ebenso athemlos wie ich. Ich spielte mit meiner schweren
Reilly-Flinte, untersuchte meine Patronen, erhob mich und wandte mich
dann mit bereit gehaltenem Gewehr. Ich zielte gut, lange und fest,
senkte dann das Gewehr etwas, um die Visire einzustellen, hob es noch
einmal und liess es wieder sinken. Eine Giraffe hatte den Leib halb zu
mir gewandt; wiederholt hob ich das Gewehr, zielte noch einmal rasch
auf die Herzgegend des Thieres und schoss ab. Es wankte, taumelte,
machte noch einen kurzen Galopp, aber das Blut stürzte in dickem Strom
aus der Wunde und ehe die Giraffe 200 Schritt zurückgelegt hatte konnte
sie nicht weiter, sondern hatte die Ohren zurückgezogen und liess mich
ganz herankommen. In der Entfernung von 20 Schritt jagte ich ihr noch
eine Zinkkugel durch den Kopf, worauf sie sofort todt niederstürzte.

„Allah ho akhbar!“ schrie Khamisi, mein Schlächter, inbrünstig. „Das
ist Fleisch, Herr!“

Ich war eigentlich betrübt, als ich das edle Thier vor mir hingestreckt
liegen sah. Wenn ich ihm das Leben hätte wiedergeben können, ich
glaube, ich hätte es gethan. Ich hielt es für sehr schade, dass
so herrliche Thiere, die für den Dienst des Menschen in Afrika so
geeignet wären, nicht zu etwas anderm als blos zur Nahrung verwandt
werden könnten. Pferde, Maulesel und Esel sterben in diesen ungesunden
Gegenden; welch ein Segen würde es aber für Afrika sein, wenn sich
Giraffen und Zebras zum Nutzen der Forscher und Handelsleute zähmen
liessen. Auf einem Zebra könnte man von Bagamoyo aus Udschidschi in
einem Monat erreichen, während ich mehr als sieben Monate zu dieser
Reise gebraucht habe!

Die todte Giraffe mass 16 Fuss 9 Zoll von dem rechten Vorderhufe bis
zur Spitze des Kopfes und war eine der grössten, obwol man schon Thiere
von 17 Fuss Höhe gesehen hat. Sie war mit grossen schwarzen, fast
runden Flecken besät.

Ich liess Khamisi bei dem todten Thiere, während ich ins Lager eilte,
um Leute zu schicken, die es zerschneiden und das Fleisch in das Dorf
bringen könnten. Khamisi aber kletterte aus Furcht vor den Löwen auf
einen Baum und die Geier setzten sich auf das Thier, sodass als meine
Leute dort ankamen, die Augen, die Zunge und ein grosses Stück des
Hintertheils schon verzehrt waren. Was übrig blieb zeigte auf der
Wagschale folgendes Gewicht:

  Ein Hinterbein  134 Pfd.
  Das andere      136  „
  Ein Vorderbein  160  „
  Das andere      160  „
  Die Rippen      158  „
  Der Hals         74  „
  Der Rumpf        87  „
  Die Brust        46  „
  Die Leber        20  „
  Die Lungen       12  „
  Das Herz          6  „
  --------------------------------------------
  Gesammtgewicht der essbaren Theile: 993 Pfd.

                        Haut und Kopf 181 Pfd.

An den drei folgenden Tagen litt ich an einem schweren Fieberanfall und
musste im Bett liegen bleiben. Ich wandte meine gewöhnlichen Heilmittel
dagegen an, Coloquinten und Chinin. Die Erfahrung hat mich aber
gelehrt, dass ein übermässiger Gebrauch eines und desselben starken
Abführmittels die Wirkung desselben schwächt und dass es daher für
Reisende gut ist, verschiedene Laxantien mitzunehmen, um gehörig auf
die Leber wirken zu können, wie z. B. Coloquinten, Calomel, Jalapenharz
und Bittersalz, und dass man Chinin nicht eher nehmen sollte, bis ein
Abführmittel den Organismus darauf vorbereitet hat.

Das Fieberrecept Livingstone’s besteht aus drei Gran Jalapenharz,
zwei Gran Calomel und soviel Cardamom-Tinctur, wie nöthig ist,
um die Reizung des Magens zu verhindern; daraus wird eine Pille
gemacht, die sofort zu nehmen ist, wenn man bedeutende Mattigkeit
und Niedergeschlagenheit, die sichern Vorläufer des afrikanischen
Fiebertypus, empfindet. Ein bis zwei Stunden später sollte man eine
Tasse Kaffee ohne Zucker und Milch zu sich nehmen, damit die Wirkung
um so rascher eintritt. Livingstone meint auch, dass das Chinin zu
gleicher Zeit mit dieser Pille genommen werden solle; dagegen hat mir
die Erfahrung, die zwar im Vergleich zu der seinigen wenig Bedeutung
hat, bewiesen, dass Chinin erst nach der Wirkung des Abführmittels
nützt. Mein Magen konnte z. B. Chinin nie vertragen, wenn nicht ein
Abführmittel vorhergegangen war. Ein wohlbekannter Missionär in
Konstantinopel empfiehlt Reisenden drei Gran Brechweinstein, damit der
Magen von Galle befreit werde; aber der verehrte Pastor vergisst dabei,
dass noch andere Organe, als der Magen in dieser Krankheit leiden,
und wenn auch in einigen Fällen ein leichter Anfall durch dieses
Mittel glücklich beseitigt worden sein mag, so ist es doch ein viel zu
heftiges für einen durch das afrikanische Klima geschwächten Menschen.
Ich habe mich drei- oder viermal genau nach dieser Methode behandelt,
ich kann sie aber mit gutem Gewissen nicht empfehlen. Gegen Urticaria
kann ich zwar drei Gran Brechweinstein empfehlen, doch würde eine
Magenpumpe denselben Zweck ebenso gut erreichen.

Am 27. gingen wir nach Misonghi ab. Ungefähr auf der Mitte des Wegs
sah ich den Führer der Expedition laufen und sein schnelles Forteilen
schien sich bald allen ihm Folgenden mitzutheilen, bis auch mein Esel
anfing, mit den Hacken um sich zu schlagen. Im nächsten Augenblick
wurde ich die Ursache dieser Aufregung gewahr, als eine Wolke wilder
Bienen mir um den Kopf schwirrte, von denen sich drei oder vier auf
mein Gesicht setzten und mich schrecklich zerstachen. Wir liefen wie
die Wahnsinnigen ungefähr eine halbe Meile weit, wobei wir uns fast
ebenso aufführten wie die armen zerstochenen Thiere.

Da dies ein ungewöhnlich langer Marsch war, so hegte ich Zweifel, ob
der Doctor ihn aushalten könne, da seine Füsse so wund waren. Ich
beschloss daher, ihm Leute mit der Kitanda entgegenzuschicken. Der
tapfere alte Held wollte aber durchaus nicht getragen werden und legte
den ganzen Weg bis zum Lager, einen Marsch von 18 Meilen, zu Fuss
zurück. Er war am Kopf und im Gesicht furchtbar zerstochen; die Bienen
hatten sich in Menge in seinem Haar festgesetzt; nachdem er aber eine
Tasse warmen Thee und etwas Nahrung zu sich genommen, war er so munter,
als ob er noch keine Meile gereist sei.

In Mrera, in Central-Ukonongo, hielten wir einen Tag, um Korn zu mahlen
und die Vorräthe zu kaufen, die wir während unseres Durchzugs durch die
zwischen Mrera und Manyara liegende Wildniss brauchten.

Am 31. Januar trafen wir in Mwaru, beim Sultan Kamirambo, eine von
einem Sklaven des Sayd bin Habib geführte Karavane, die uns in unserm,
in einem dichten Gestrüpp verborgenen Lager besuchte. Nachdem er sich
gesetzt und Kaffee getrunken, fragte ich ihn:

„Was für Nachrichten, mein Freund, bringst Du uns aus Unyanyembé?“

„Meine Nachrichten sind gut, Herr.“

„Wie steht es mit dem Kriege?“

„Ja! wo ist Mirambo? Er isst jetzt sogar Felle. Er ist ausgehungert.
Mein Herr, Sayd bin Habib, ist im Besitz von Kirira. Die Araber donnern
an den Thoren von Wilyankuru. Sayd bin Madschid, der in zwanzig Tagen
von Udschidschi nach Usagozi gekommen ist, hat den König Moto (Feuer)
gefangen genommen und erschlagen. Simba von Kasera hat die Waffen zur
Vertheidigung seines Vaters Mkasiwa von Unyanyembé ergriffen. Der
Häuptling von Ugunda hat 500 Mann ins Feld geschickt. Ach, ach, wo ist
jetzt Mirambo? In einem Monat wird er durch Hunger zu Grunde gegangen
sein.“

„Wirklich bedeutende und gute Nachrichten, mein Freund.“

„Ja wohl -- im Namen Gottes.“

„Und wohin ziehst Du mit Deiner Karavane?“

„Sayd, der Sohn Madschid’s, der aus Udschidschi kam, hat uns von dem
Wege erzählt, den der Weisse eingeschlagen hat, und gesagt, er sei
glücklich in Udschidschi angekommen und befände sich jetzt auf dem
Rückwege nach Unyanyembé. Da haben wir denn geglaubt, dass, wenn der
Weisse den Weg gehen könne, wir es auch könnten. Und siehe da, die
Araber ziehen jetzt zu hunderten auf dem Wege des Weissen, um in
Udschidschi Elfenbein einzuhandeln.“

„Ich bin dieser Weisse.“

„Sie?“

„Ja wohl.“

„Nun, man hat uns ja gesagt, Sie seien todt und hätten mit den Wazavira
gekämpft.“

„Ach, mein Freund, das sind die Worte von Ndschara, dem Sohne von
Khamis. Sieh mal her (auf Livingstone zeigend), dies ist der Weisse,
mein Vater[8], den ich in Udschidschi besucht habe. Er geht mit mir
nach Unyanyembé, um sein Tuch in Empfang zu nehmen, worauf er wieder an
die grossen Wasser zurückkehren wird.“

„Wunderbar! Du redest die Wahrheit.“

„Was kannst Du mir vom Weissen in Unyanyembé sagen?“

„Von welchem Weissen?“

„Dem Weissen, den ich im Hause von Sayd, dem Sohne Salim’s -- in meinem
Hause -- in Kwihara zurückgelassen habe.“

„Er ist todt.“

„Todt?“

„Wirklich.“

„Das kann doch gar nicht der Fall sein.“

„Ja, er ist wirklich todt.“

„Seit wie lange?“

„Seit vielen Monaten.“

„Woran ist er gestorben?“

„Am Homa (Fieber).“

„Sind noch mehr von meinen Leuten gestorben?“

„Das weiss ich nicht.“

„Genug.“ Ich sah den Doctor an und dieser sagte:

„Das habe ich Ihnen ja gesagt; als Sie ihn mir als einen Trunkenbold
schilderten wusste ich, dass er nicht am Leben bleiben könne.
Gewohnheitssäufer bleiben hier zu Lande ebenso wenig am Leben, wie
Leute, die andern Lastern ergeben sind. Ich schreibe den Todesfall, der
in meiner Expedition auf dem Zambezi vorkam, ganz derselben Ursache zu.“

„Ach, Herr Doctor, da sind nun zwei von uns todt. Ich werde der dritte
sein, wenn dieses Fieber lange dauert.“

„O nein, keineswegs. Wenn Sie am Fieber sterben sollten, so wären Sie
in Udschidschi gestorben, als Sie den schweren Anfall von remittirendem
Fieber hatten. Denken Sie doch nicht daran. Ihr Fieber kommt jetzt
nur vom Nasswerden her. Ich selbst reise nie während der nassen
Jahreszeit. Diesmal habe ich es nur gethan, weil ich so besorgt war und
Sie nicht in Udschidschi aufhalten wollte.“

„Ja, es gibt doch nichts schöneres, als einen guten Freund hier zu
Lande bei sich zu haben, durch den man ermuthigt und aufrecht erhalten
wird. Armer Shaw! Er war zwar ein schlechter Mensch, aber trotzdem
dauert er mich sehr. Wie oft habe ich es versucht, ihn aufzuheitern; es
fehlte ihm aber an Energie und die letzten Worte, die ich vor unserer
Trennung zu ihm sprach, waren: «Denken Sie daran, dass Sie sterben
werden, wenn Sie nach Unyanyembé zurückkehren.»“

Vom Führer der Karavane des Sayd bin Habib erhielten wir auch die
Nachricht, dass mehrere Packete Briefe und Zeitungen und Kisten durch
meine Boten und Araber für mich aus Zanzibar angekommen seien, und dass
Selim, der Sohn Scheikh Haschid’s aus Zanzibar, unter den neuerdings
in Unyanyembé Angekommenen sich befinde. Livingstone erinnerte mich in
seiner grossen Gutmüthigkeit auch daran, dass er nach seinen Berichten
einen Vorrath von Fruchtsäften und Schiffszwieback, Suppen, Fischen,
eingemachtem Schinken und Käse in Unyanyembé liegen habe und dass er
sich freuen werde, diese Leckerbissen mit mir zu theilen. Das munterte
mich sehr auf und während der verschiedenen Fieberanfälle, die ich
in dieser Zeit erlitt, liebte es meine Einbildungskraft, bei den
Genüssen von Unyanyembé zu verweilen. Ich stellte es mir vor, wie ich
die Schinken und Zwiebäcke und Fruchtsäfte wie ein Toller verzehren
werde. Ich lebte von diesen rasenden Phantasien, mein armes, geplagtes
Gehirn schwärmte für so einfache Dinge, wie Weizenbrot und Butter,
Schinken, Speckseiten, Caviar, und ich hätte keinen Preis für dieselben
für zu hoch gehalten. Ich war so weit von Europa und Amerika entfernt
und doch war es mir eine Freude während dieses schweren Zustandes
der Niedergeschlagenheit, in den ich durch immer wiederkehrende
Fieberanfälle gerathen war, bei diesen Dingen zu verweilen. Ich
wunderte mich, wie Leute, die derartige Genüsse zur Verfügung hätten,
überhaupt krank und des Lebens überdrüssig werden könnten und meinte,
ich würde im Stande sein, selbst sterbend aufzuspringen und einen
tollen Fandango zu tanzen, wenn ein Weizenbrot und ein schönes
Stückchen frischer Butter mir vorgesetzt würden.

Zwar fehlten uns diese eben aufgezählten Leckerbissen, aber wir
besassen dafür eingesalzene Giraffen- und gepökelte Zebrazungen;
wir hatten von Halimah selbst verfertigtes Ugali, süsse Kartoffeln,
Thee, Kaffee und heisse Pfannkuchen; alles dessen war ich aber nun
überdrüssig. Mein geschwächter, von Arzneimitteln wie Ipecacuanha,
Coloquinten, Brechweinstein, Chinin und ähnlichen Dingen angegriffener
und gereizter Magen verweigerte diese grobe Nahrung. In Verzweiflung
rief meine Seele aus: „Hätte ich nur ein Weizenbrot! 500 Dollars für
einen Laib Brot!“

Der Doctor ass, trotz des unaufhörlichen Regens, Thaus und Nebels,
der Marschanstrengungen und seiner wunden Füsse wie ein Held und ich
fasste daher den ernsten Entschluss, es ihm in männlicher Weise in der
ausdauernden Aufmerksamkeit, die er dem Wohle seiner Verdauungskraft
widmete, nachzuthun; aber es mislang mir vollständig.

Dr. Livingstone besitzt alle Gaben eines Reisenden. Seine Kenntniss
von allem, was Afrika betrifft, von Felsen, Bäumen, Früchten und
deren Eigenschaften, ist sehr gross. Auch steckt er voll weiser
Ansichten über ethnologische Dinge. Er ist mit der Kunst ein Lager
aufzuschlagen und mit allen dazu gehörigen Kniffen vertraut. Sein Bett
ist so angenehm wie eine Federmatraze; jeden Abend wird dies unter
eigener Oberaufsicht zurechtgemacht. Erst lässt er sich dazu zwei
gerade Stangen von 3–4 Zoll im Durchmesser schneiden; diese werden
parallel nebeneinander in einer Entfernung von 2 Fuss gelegt, quer
darüber einige kurze, 3 Fuss lange Stöcke, Schösslinge von Bäumen, und
über diese ein hoher Haufen Gras. Dann kommt ein Stück wasserdichtes
Segeltuch und wollene Decken, und so wird ein Lager hergestellt, das
für einen König gut genug wäre.

Auf Livingstone’s Anrathen kaufte ich Milchziegen, durch welche wir
seit unserm Abgang aus Udschidschi dreimal täglich mit frischer Milch
zum Thee und Kaffee versorgt wurden. Nebenbei gesagt trinken wir viel
von diesen angenehmen Erregungsmitteln und hören selten mit dem Trinken
auf, bevor nicht jeder von uns 6 bis 7 Tassen zu sich genommen hat.
Auch sind wir im Stande gewesen, uns mit Musik zu versehen, welche zwar
rauh, aber doch besser als gar keine ist. Ich meine das musikalische
Geschrei der Papageien aus Manyuema.

Auf dem halben Wege zwischen Mwaru, dem Dorfe Kamirambo’s, und dem
verlassenen Tongoni von Ukamba schnitt ich die Anfangsbuchstaben von
Livingstone’s und meinem Namen in einen grossen Baum mit dem Datum des
2. Februar. Zweimal habe ich mir dies in Afrika zu Schulden kommen
lassen; zum ersten mal nämlich, als wir in Süd-Uvinza hungerten,
schrieb ich das Datum mit meinen Anfangsbuchstaben und dem Worte
„verhungernd“ in grossen Buchstaben in den Stamm einer Sykomore.

Als wir durch den Wald von Ukamba zogen, sahen wir den gebleichten
Schädel eines Unglücklichen, der den Entbehrungen der Reise erlegen
war. Bei dieser Gelegenheit bemerkte der Doctor, dass er nicht durch
einen afrikanischen Wald und seine feierliche, heitere Stille ziehen
könne, ohne den Wunsch zu haben, ruhig unter den todten Blättern
begraben zu werden, wo er sicherlich ungestört liegen bleiben werde.
In England sei nicht Platz genug vorhanden und daher würden die Gräber
oft entweiht. Daher habe er, seitdem er seine Frau in den Wäldern von
Schupanga beerdigt, sich immer nach einem solchen Ort gesehnt, wo seine
Gebeine die ewige von ihm ersehnte Ruhe geniessen könnten.

Am selben Abend erzählte mir der Doctor, als die Zeltthür herabgelassen
und das Innere durch ein Paraffinlicht angenehm erhellt war, einige
auf die Laufbahn und den Tod seines ältesten Sohnes Robert bezügliche
Vorfälle. Die Leser von Livingstone’s erstem Buche „South Africa“, das
jeder Knabe besitzen sollte, werden sich wol der Achtung des sterbenden
Sebituane für den kleinen Knaben Robert entsinnen. Frau Livingstone
und ihre Familie gingen ans Cap der Guten Hoffnung und von dort nach
England. Hier bekam Robert einen Hauslehrer. Als er aber, ungefähr 18
Jahr alt, der Unthätigkeit müde geworden, verliess er Schottland und
ging nach Natal, von wo aus er den Versuch machte, zu seinem Vater zu
gelangen. Da ihm dies misglückte, schiffte er sich nach New York
ein, nahm Dienste in der Nordarmee in einem Freiwilligenregiment von
New Hampshire, nannte sich anstatt Robert Moffatt Livingstone nun
Rupert Vincent, damit sein Lehrer, der seine Pflichten gegen den jungen
Mann nicht gekannt zu haben scheint, ihn nicht auffinden könne. Nach
einer der Schlachten vor Richmond wurde er nach einem Hospital in
Nord-Carolina gebracht und starb daselbst an seinen Wunden.

[Illustration: EIN LÖWE IM GRAS.

  II. S. 221.]

Am 7. Februar kamen wir am Gombé an und schlugen unser Lager in der
Nähe eines der grössten Seen desselben auf. Dieser ist wol mehrere
Meilen lang und wimmelt von Flusspferden und Krokodilen.

Von diesem Lager aus schickte ich den Koch Feradschi und Tschaupereh
nach Unyanyembé, um uns die Briefe und Arzneien, die mir aus Zanzibar
zugeschickt waren, bis nach Ugunda entgegenzubringen. Wir dagegen zogen
am nächsten Tage in unser altes Quartier am Gombé, wo wir zuerst in das
eigentliche Jägerparadies in Central-Afrika eingeführt worden waren.
Der Regen hatte zwar die meisten Heerden auseinandergetrieben, es gab
jedoch noch viele Jagdthiere in der Umgegend. Bald nach dem Frühstück
nahm ich Khamisi und Kalulu mit mir auf die Jagd. Nach einem langen
Marsch kamen wir an ein dünnes Gebüsch, wo ich die Spuren verschiedener
Thiere, z. B. von Ebern, Antilopen, Elefanten, Rhinozeros, Flusspferden
und eine ungewöhnliche Zahl von Löwenspuren entdeckte. Plötzlich hörte
ich Khamisi rufen: „Herr, Herr, hier ist ein Simba! (Löwe).“ Erzfeige,
wie der junge Bursche war, kam er vor Furcht und Erregung zitternd zu
mir gelaufen, um mir den Kopf des Thieres zu zeigen, das gerade aus
dem hohen Grase hervorsah und uns standhaft anblickte. Gleich darauf
sprang der Löwe von einer Seite auf die andere, doch war das Gras so
hoch, dass man ihn nicht genau sehen konnte. Indem ich einen vor mir
stehenden Baum benutzte, kroch ich ruhig weiter mit der Absicht, das
schwere Gewehr gegen denselben anzulegen, da ich infolge mehrerer
Fieberanfälle zu schwach und ganz ausser Stande war, aus freier
Hand sicher zu zielen. Gross war aber mein Erstaunen, als ich das
Gewehr vorsichtig an den Baum gestützt und die Mündung auf den Punkt
gerichtet hatte, wo ich das Thier hatte stehen sehen. Als ich nämlich
weiter hinblickte, wo das Gras dünner und spärlicher war, sah ich das
Thier, wirklich ein Löwe, sehr rasch davonspringen. Der König des
Waldes befand sich in voller Flucht. Von dem Augenblicke an habe ich
aufgehört, ihn als das mächtigste Thier zu betrachten oder sein Gebrüll
am hellen Tage für furchtbarer zu halten als das Girren einer Taube.

Am nächsten Tage machten wir wiederum halt, und da ich ausser Stande
war, mein Verlangen nach der Jagd an einem Orte zu unterdrücken, wo es
so viel Wild aller Art gab, schlenderte ich bald nach dem Morgenkaffee,
nachdem ich ein paar Leute mit Geschenken an meinen Freund Mamanyara,
dessen man sich von der Geschichte mit der Ammoniak-Flasche her
erinnert, geschickt hatte, noch einmal in den Wald hinaus. Kaum 500
Schritt vom Lager hielt ich nebst meinen Leuten plötzlich still, indem
wir in unserer unmittelbaren Nähe, etwa 100 Schritt entfernt, das
Brüllen dreier Löwen hörten. Instinctiv erhoben meine Finger die beiden
Drücker, da ich einen gemeinsamen Angriff derselben auf mich erwartete,
denn wenn auch ein Löwe die Flucht ergriffen hatte, so war es doch kaum
glaublich, dass drei dasselbe thun würden. Während ich mich scharf
umsah, entdeckte ich in bequemer Schussweite ein schönes Hartebeest,
das hinter einem Baum zitternd kauerte, als ob es die Krallen des Löwen
in seinem Nacken zu fühlen fürchtete. Obgleich es mit dem Rücken zu
mir gewandt dastand, so meinte ich, eine Kugel könne es doch tödlich
treffen und feuerte deshalb auf dasselbe, ohne einen Augenblick zu
zögern. Das Thier sprang hoch auf, als ob es gedächte durch den Baum zu
springen, erholte sich aber und stürzte sich dann durch das Unterholz
nach einer andern Richtung als die, in der ich die Löwen glaubte, und
ich habe es nie wiedergesehen, obgleich ich von der blutigen Spur her
weiss, dass ich es getroffen habe. Auch habe ich nichts mehr von den
Löwen gesehen oder gehört. Weit und breit suchte ich in dem Gehölz nach
irgendwelcher Beute, war aber gezwungen, ohne eine solche ins Lager
zurückzukehren.

Ueber mein Unglück verstimmt, brachen wir bald nach Mittag nach
Manyara auf, wo wir gastfreundlich von meinem Freunde begrüsst
wurden, der mir Leute zugeschickt hatte, damit sein weisser Bruder
nicht im Walde, sondern in seinem Dorfe halt mache. Vom Häuptling
wurden uns Honig und Nahrungsmittel geschenkt, die uns in unserer
Lage sehr willkommen waren. Hier zeigten sich wieder die freundlichen
Gesinnungen, wie sie den centralafrikanischen Häuptlingen eigen, welche
noch nicht von Arabern verdorben worden sind, und wie sie auch Dr.
Livingstone unter den Babisa und Ba-ulunga und in Manyuema angetroffen
hat. Von allen Häuptlingen, von Imrera in Ukawendi an bis nach
Unyanyembé wurde ich ebenso freundlich wie von Mamanyara aufgenommen.

Am 14. langten wir in Ugunda an und bald nachdem wir es uns in einer
Hütte, die der Häuptling uns zum Gebrauch überlassen, bequem gemacht
hatten, kamen Feradschi und Tschaupereh mit Sarmean und Uledi Manwa
Sera zurück, welches, wie man sich erinnert, die beiden Soldaten waren,
die ich mit Briefen nach Zanzibar geschickt, damit sie Arznei für
den kranken Shaw mitbrächten. Sarmean hatte den Deserteur Hamdallah,
der auf unserm Wege nach Udschidschi in Manyara weggelaufen war,
aufgegriffen. Dieser Bursche hatte, wie es scheint, in Kigandu halt
gemacht und dem Häuptling und Doctor des Dorfes mitgetheilt, er sei
vom Weissen abgeschickt worden, um das Tuch, das dieser für die Cur
von Mabruk Salim zurückgelassen habe, wieder zu holen. Der einfältige
Häuptling hatte es ihm wirklich auf sein blosses Wort hin ausgeliefert
und infolge davon sei der Kranke sowie auch noch ein anderer, den ich
in Unyanyembé zurückgelassen, gestorben.

Als Sarmean aus Zanzibar in Unyanyembé ankam, etwa funfzig Tage nachdem
unsere Expedition nach Udschidschi abgegangen war, erhielt er die
Nachricht, dass der Weisse (Shaw) gestorben sei und dass ein Mensch
namens Hamdallah, der sich bei mir als Führer vermiethet habe und bald
darauf zurückgekehrt sei, sich in Unyanyembé befände. Bis Feradschi
und sein Gefährte ankamen hatte er ihn unbelästigt gelassen, dann aber
waren sie alle gemeinschaftlich in seine Hütte gegangen und hatten ihn
in Sicherheit gebracht. Sarmean hatte mit dem Eifer, der ihn immer
in meinem Dienst auszeichnete, sich eine Holzgabel verschafft und den
Deserteur mit dem Nacken zwischen die Zacken derselben gebracht. Ein
festgebundenes Querholz verhinderte ihn daran, sich von dieser so
gewandt angelegten Last zu befreien.

Nicht weniger als sieben Packete Briefe und Zeitungen aus Zanzibar
hatten sich während meiner Abwesenheit von Unyanyembé dort angesammelt.
Sie waren zu verschiedenen Zeiten den Führern von Karavanen anvertraut
worden, die sie, ihrem dem Consul gegebenen Versprechen getreu, in
meinem Tembé abgegeben hatten. Darunter befand sich ein Packet von Dr.
Kirk an mich, welches auch einige Briefe für Dr. Livingstone enthielt,
dem ich sie natürlich sofort überlieferte mit meinem Glückwunsch,
dass er von seinem Freunde nicht ganz vergessen worden sei. In
demselben Packet befand sich auch ein Brief von Dr. Kirk an mich vom
25. September 1871, d. i. fünf Tage nachdem ich Unyanyembé auf meinem
anscheinend hoffnungslosen Unternehmen verlassen hatte, der mich bat,
Livingstone’s Waaren in meine Obhut zu nehmen und mein möglichstes
zu thun, um sie ihm zukommen zu lassen. Auch enthielt er einige
phantastische Rathschläge, wie ich eine unmögliche Route über den See
Ukerewe einschlagen solle. Der Brief war jedoch in einem herzlichen,
freundlichen Tone abgefasst.

„Nun Doctor“, sagte ich zu Livingstone, „der englische Consul bittet
mich, alles zu thun, Ihnen Ihre Waaren zukommen zu lassen. Es thut
mir sehr leid, dass ich diese Vollmacht nicht früher erhalten habe,
denn dann hätte ich den Versuch gemacht; doch habe ich, ohne diese
Instruction, mein möglichstes gethan, Sie zu Ihren Gütern zu befördern.
Da der Berg nicht im Stande gewesen, zu Mohammed zu kommen, so war
Mohammed genöthigt, zum Berge zu gehen.“

Dr. Livingstone war aber zu sehr in seine eigenen, aus der Heimat
kommenden Briefe vertieft, die jetzt gerade ein Jahr alt waren.

Ich erhielt gute und schlechte Nachrichten aus New York; doch waren
die guten die spätern und verwischten alle Gefühle, welche durch
die schlechten in mir hervorgerufen worden waren. Auch waren etwa
100 Nummern New Yorker, Bostoner und Londoner Zeitungen voll von
wunderbaren Nachrichten. Die pariser Commune hatte sich in Waffen
gegen die National-Versammlung erhoben; die Tuilerien, das Louvre und
das alte Lutetia Parisiorum waren durch die Schurken von St. Antoine
in Brand gesteckt worden! Französische Soldaten hatten Männer, Weiber
und Kinder gemordet; in der schönsten Stadt der Welt war teuflische
Wildheit und eingefleischte Rachgier thätig! Schöne Frauen waren in
Dämonen verwandelt und von einer rohen Soldateska durch die Strassen
geschleppt worden, um allgemein verwünscht und erbarmungslos dem Tode
hingegeben zu werden. Zarte Kinder waren durch Bajonnete an den Boden
geheftet; Schuldige und Unschuldige erschossen, niedergemetzelt,
erdolcht, vernichtet; eine ganze Stadt der summa injuria einer
wüthenden, rücksichtslosen, brutalen Armee preisgegeben worden! O
Frankreich! Franzosen! Derartiges ist selbst im Herzen des barbarischen
Central-Afrika unbekannt. Wir stiessen die Zeitungen mit den Füssen
verächtlich von uns und blickten, um unsern verletzten Gefühlen
Erleichterung zu verschaffen, auf die komischen Seiten der Welt, wie
sie sich in den unschuldigen Blättern des „Punch“ darstellt. O guter,
freundlicher „Punch“! Der Segen des Reisenden komme über dich! Deine
Scherze wirkten wie wohlthätige Arznei! Deine freundliche Satire
erzeugte eine hysterische Munterkeit in uns.

Unsere Thür war von vielen neugierigen Eingeborenen umdrängt, die mit
unbeschreiblicher Verwunderung die enormen Papierbogen betrachteten.
Ich hörte sie oft die Worte wiederholen: „Khabari Kisungu“, Nachrichten
des Weissen, und vernahm, wie sie über die Fülle der Nachrichten
sprachen und ihren Glauben äusserten, dass der Wasungu „Mbyah sana“ und
sehr „Mkali“ sei, womit sie sagen wollten, dass der Weisse sehr böse
und sehr gescheit und gewandt sei. Durch das Wort „böse“ wird häufig
grosse Bewunderung ausgedrückt.

Am vierten Tage nach unserm Abgang von Ugunda, oder am 18. Februar,
dem 35. Tage seit unserer Abreise aus Udschidschi, erschienen wir mit
fliegenden Fahnen und unter Gewehrfeuer im Thale Kwihara, und als Dr.
Livingstone und ich durch das Portal meines alten Quartiers traten,
begrüsste ich ihn in aller Form in Unyanyembé und in meinem eigenen
Hause. Seit dem Tage, wo ich die Araber krank und fast lebensmüde,
aber trotzdem von der hohen Hoffnung beseelt, dass meine Mission von
Glück gekrönt werde, verlassen hatte, waren 131 Tage vergangen -- unter
welchen Wechselfällen weiss der Leser jetzt. In dieser Zeit hatte ich
mehr als 1200 engl. Meilen zurückgelegt. Aus der Mythe, der ich durch
die Wildniss nachgezogen war, war eine Thatsache geworden, und diese
wurde mir um so deutlicher, als der lebendige Mann Arm in Arm mit mir
in mein altes Zimmer trat und ich ihm sagte: „Herr Doctor! endlich sind
wir zu Hause!“


  [7] In der Kiswahili-Sprache bedeutet mabyah, mbyah oder byah
      „schlecht, unangenehm“.

  [8] Es ist ein höflicher Brauch in Afrika, ältere Leute als Baba
      (Vater) anzureden.




[Illustration: EIN HALTEPLATZ.]




SECHZEHNTES KAPITEL.

DIE HEIMREISE.

  Livingstone’s Vorräthe werden aufgemacht. -- Sie erweisen sich als
  eine Täuschung. -- Asmani wird als schuldig erfunden. -- Weisse
  Ameisen haben den Branntwein ausgetrunken und die Flaschen wieder
  zugekorkt! -- Die Güter werden Livingstone übergeben. -- Er schreibt
  Briefe nach Hause. -- Sein Brief an James G. Bennett. -- Gesang der
  Eingeborenen. -- Der letzte Abend mit Livingstone. -- Sein Tagebuch
  wird versiegelt. -- Unsere endliche Abreise. -- Lebewohl! -- Halt
  in Tura. -- Briefe vom Doctor. -- Ankunft in Kiwyeh. -- Ueberall
  erschallen Schlachthörner der Wagogo. -- Vollständiges Kampfkostüm.
  -- Ein falscher Alarm. -- Der Häuptling Khonze leistet unserm
  Weiterziehen Widerstand. -- Vorbereitung zum Kampf. -- Ein Mnyamwezi
  wird an der Kehle gepackt und der Frieden wiederhergestellt. --
  Ankunft in Kanyenyi. -- Besuch des Sultans. -- Das Dorf Mapanga.
  -- Plötzliches Zusammenlaufen bewaffneter Eingeborenen. -- Vierzig
  Speere gegen vierzig Flinten. -- Tribut wird verlangt und bezahlt. --
  Leucole’s Bericht über Farquhar’s Tod. -- Das Thal des Mukondokwa.
  -- Durch die Masikazeit verursachte Noth. -- Furchtbare Fluten. --
  Kampf gegen Moskito-Schwärme. -- Des Doctors Depeschen-Kasten in
  Gefahr. -- Er wird mit Seilen durch den Fluss gezogen. -- Ankunft in
  Simbamwenni. -- Die Stadtmauer ist fortgeschwemmt. -- Furchtbarer
  Sturm. -- Zerstörung von hundert Dörfern. -- Die Msunva-Dschungels.
  -- Schrecken derselben. -- „Heiss Wasser“ Ameisen. -- Nachrichten aus
  Zanzibar. -- Ankunft in Bagamoyo. -- Zusammenkunft mit der Expedition
  zur Aufsuchung und Unterstützung Livingstone’s.


Jetzt erschien mir Unyanyembé als ein irdisches Paradies. Livingstone
war nicht weniger glücklich, denn er befand sich in einem bequemen
Quartiere, das im Vergleich zu seiner Hütte in Udschidschi ein Palast
war. Unsere Vorrathsräume waren von Leckerbissen angefüllt und
enthielten ausserdem noch Tuch, Perlen, Draht und tausenderlei zu einer
Reise gehöriger und beschwerlicher Dinge, mit denen ich mehr als 150
Leute in Bagamoyo bepackt hatte. Ich besass 74 Lasten verschiedener
Sachen, von denen jetzt die werthvollsten Livingstone für seinen Marsch
an die Quellen des Nils überliefert werden sollten.

Wir erlebten einen grossen Tag, als ich mit Hammer und Meisel
Livingstone’s Kisten aufbrach, damit wir unsern ausgehungerten Magen
an den Leckerbissen ergötzen könnten, die uns von den Wirkungen der
schlechtnährenden Dourra- und Maisnahrung, der wir in der Wildniss
ausgesetzt gewesen, erlösen sollten. Ich glaubte bestimmt, dass eine
aus eingemachten Schinken, Schiffszwieback und Fruchtsäften bestehende
Diät mich unbesiegbar, wie Talus, machen und dass ich dann nur eines
starken Flegels bedürfen würde, um im Stande zu sein, die mächtigen
Wagogo in die Regionen des Nichts zu schicken, wenn sie es wagen
sollten, auch nur eine Miene zu machen, die ich nicht billigte.

[Illustration: MEIN HAUS IN KWIHARA IN UNYANYEMBÉ.

  II. 228.]

Die erste von mir geöffnete Kiste enthielt drei Zinnbüchsen mit
Biscuit, sechs Zinnbüchsen eingemachten Schinken, kleine Dinger, die
nicht viel grösser als Fingerhüte waren und als man sie aufmachte,
nur einen Esslöffel voll reichlich gepfefferten gehackten Fleisches
enthielten. Die Vorräthe des Doctors sanken dadurch 500 Grad unter
Null in meiner Achtung. Darauf kamen fünf Töpfe mit eingemachten
Fruchtsäften, von denen wir einen öffneten. Auch dies erwies sich
als eine Täuschung; denn die Steinkruken wogen 1 Pfund und in jeder
befand sich nur wenig mehr als ein Theelöffel voll Saft. Ja, wir fingen
wirklich an zu glauben, dass unsere Hoffnungen und Erwartungen zu hoch
geschraubt gewesen seien. Darauf kamen drei Flaschen Curry; aber wer
macht sich etwas aus Curry? Noch ein Kasten wurde aufgemacht und es
fiel ein kurzer dicker holländischer Käse heraus, der so hart wie ein
Ziegel, aber sonst gut und unversehrt war; in Unyamwezi ist er freilich
weniger tauglich. Dann kam noch ein Käse zum Vorschein, doch war er
ganz verzehrt, nämlich hohl und blosser Schein. Der dritte Kasten
enthielt nur zwei Zuckerhüte; der vierte Lichte; der fünfte Flaschen
mit Salz, verschiedenen Saucen, Anchovisessenz, Pfeffer und Senf. Um
Gottes willen! was war das für eine Nahrung, um einen Sterbenden, wie
mich, wieder ins Leben zu rufen! Der sechste Kasten enthielt vier
Hemden, zwei paar starke Schuhe, einige Strümpfe und Schuhbänder,
welche den Doctor so entzückten, dass er, als er sie anprobirte,
ausrief: „Nun bin ich wieder ich selbst!“ „Wer Ihnen das geschickt hat,
ist wirklich Ihr Freund!“ meinte ich. „Ja“, sagte er, „das hat mein
Freund Waller gethan.“

Die fünf andern Kisten enthielten eingemachtes Fleisch und Suppen;
die zwölfte aber, die ein Dutzend Flaschen medicinischen Branntwein
enthalten sollte, war fort und durch ein genaues Verhör Asmani’s, des
Führers der Livingstone-Karavane, kam es heraus, dass nicht nur diese
eine Kiste mit Branntwein fehlte, sondern auch zwei Ballen Tuch und
vier Säcke von in Afrika höchst werthvollen Perlen, von Sami-Sami
nämlich, die von den Eingeborenen so viel wie Gold geschätzt werden.

Nachdem die Vorräthe untersucht waren, fühlte ich mich sehr enttäuscht.
Alles erschien mir bei meiner Verstimmung als Täuschung. Unter den
Zinnkasten, die Zwieback enthielten, erwies sich bei der Oeffnung
nur einer als gut und der ganze Inhalt desselben reichte noch nicht
zu einer vollständigen Mahlzeit. Und die Suppen -- wer macht sich
etwas aus Suppen in Afrika? Gibt es dort nicht genug junge Ochsen,
Schafe und Ziegen, aus denen sich eine weit bessere Suppe, als eine
solche eingemachte, bereiten lässt? Erbsen- oder irgendeine andere
Pflanzensuppe wäre prächtig gewesen; aber Hühner- und Wildsuppen! Was
war das für ein Unsinn!

Dann untersuchte ich meine eigenen Vorräthe. Da fand ich noch etwas
schönen, alten Branntwein und eine Flasche Champagner. Als ich jedoch
die Tuchballen ansah, ward es mir offenbar, dass die Unehrlichkeit
auch hier ihre Hand im Spiel gehabt habe und es wurde Asmani, dem von
Dr. Kirk die Livingstone’schen Güter anvertraut worden waren, als der
Schuldige bezeichnet. Als ich seine Habseligkeiten untersuchen liess,
fand ich 8–10 bunte Tücher mit dem Zeichen meines Agenten in Zanzibar.
Da er ausser Stande war, darüber Rechenschaft zu geben, wie sie in
seinen Kasten gekommen seien, confiscirte ich sie sofort und vertheilte
sie unter die verdienstvollsten Leute des Doctors. Einige der Wächter
schuldigten ihn auch an, in meinen Vorrathsraum gegangen zu sein und
2–3 Gorah amerikanischer Baumwollenzeuge aus meinen Ballen gestohlen
und einige Tage später einem meiner Leute die Schlüssel entrissen und
zerbrochen zu haben, damit nicht andere Leute hineinkommen und seine
Schuld beweisen könnten. Da Asmani sich gleichfalls als einer von den
„moralischen Idioten“ auswies, so entliess ihn Livingstone sofort.
Wären wir nicht so bald in Unyanyembé angekommen, so wäre wol der ganze
von Zanzibar hergeschickte Vorrath verschwunden gewesen.

Da Unyanyembé reich an Früchten, Korn und Rindvieh ist, beschlossen
wir, uns noch einmal ein Weihnachtsessen, diesmal aber ein
ordentliches, bereiten zu lassen, und da ich bei ziemlich guter
Gesundheit war, konnte ich die Vorbereitungen dazu selbst
beaufsichtigen. Nie hat man wol in einem Tembé von Unyamwezi eine so
grosse Verschwendung wie im unsrigen gesehen und nie hat es da so viel
Delikatessen gegeben.

Als wir in Unyanyembé ankamen, waren wenig Araber anwesend, da sie
alle die Veste Mirambo’s belagerten. Etwa eine Woche nach unserer
Heimkehr kam das kleine Herrchen Scheikh Sayd bin Salim -- El Wali
--, welcher der Oberbefehlshaber dieser Truppen war, von seinem Heere
nach Kwihara. Der kleine Scheikh hatte es aber nicht so sehr eilig, den
Mann zu begrüssen, dem er so grosses Unrecht gethan. Sobald wir von
seiner Ankunft hörten, ergriffen wir die Gelegenheit, sofort Leute zu
ihm zu schicken wegen der Waaren, die nach Livingstone’s Abreise an die
Mikindany-Bucht an den Wali zur Weiterbeförderung gesandt worden waren.
Als unsere Leute zum ersten mal zu ihm kamen, erklärte sich der Herr
für zu krank, um sich mit dergleichen abgeben zu können; am zweiten
Tage aber wurden sie uns ausgeliefert und die Bitte hinzugefügt, der
Doctor möge über den Zustand derselben nicht zu böse sein, da die
weissen Ameisen alles zerstört hätten.

Die Vorräthe, die dieser Mensch in Unyanyembé zurückbehalten hatte,
befanden sich in sehr traurigem Zustande. Die Kosten ihrer Fracht
nach Udschidschi waren vorher bezahlt; die Güter waren aber seit 1867
absichtlich von Sayd bin Salim hier aufgehalten worden, damit er seine
Liebhaberei für Spirituosa befriedigen und zwei werthvolle Gewehre,
die sich darunter befanden, erben könne. Die weissen Ameisen hatten
aber nicht nur factisch den Kasten, in dem die Gewehre verpackt waren,
sondern auch die Flintenkolben aufgefressen. Die. Läufe waren oxydirt
und die Schlösser ganz zerstört. Auch die Branntweinflaschen waren
merkwürdigerweise diesen gefrässigen, unwiderstehlichen Zerstörern
zum Opfer gefallen, den weissen Ameisen, welche auf irgendeine
unerklärliche Weise den starken Henessy’sehen Branntwein ausgetrunken
und die Korken durch Kornstöpsel ersetzt hatten. Auch die Arzeneien
waren verschwunden, und die Zinktöpfe, in denen sie gut verpackt
waren, durch Zernagung zerstört. Zwei Branntweinflaschen und eine
kleine Zinkschachtel voll Medizin waren das Einzige, was von allen
vernichteten Gütern übrig geblieben war.

Ich bat Livingstone, den Scheikh Sayd auch fragen zu lassen, ob er
die beiden Briefe erhalten, die der Doctor bei seiner ersten Ankunft
in Udschidschi an Dr. Kirk und Lord Clarendon abgeschickt hatte, und
ob er sie dem Befehle gemäss weiter an die Küste befördert habe. Die
Antwort, die er dem Boten gab, lautete bejahend und später erhielt ich
dieselbe Antwort in Livingstone’s Gegenwart.

Am 22. Februar hörten die Regengüsse auf, die uns auf der ganzen
Strecke von Udschidschi hartnäckig verfolgt hatten, und wir bekamen
schönes Wetter. Während ich mich auf meine Heimreise vorbereitete,
schrieb der Doctor fleissig an seinen Briefen und trug Notizen in das
Tagebuch, welches ich seiner Familie mitnehmen sollte. Wenn wir nicht
damit beschäftigt waren, besuchten wir die Araber in Tabora, die uns
beide mit der grossartigen Gastfreundschaft aufnahmen, wegen der sie
berühmt sind.

Unter den Waaren, die ich Dr. Livingstone übergab, als ich die Tuche
sortirte, die ich auf meine Heimreise mitnehmen wollte, befanden sich:

                                        Doti. Yards.
  Beste amerikanische Leinewand          285 = 1140
  Beste Kaniki (blau)                     16 =   64
  Mittel Kaniki (blau)                    60 =  240
  Mittlere Dabwani-Tuche                  41 =  164
  Barsati-Tuche                           28 =  112
  Gedruckte Taschentücher                 70 =  280
  Mittleres Rehani-Tuch                  127 =  508
  Mittleres Ismahili-Tuch                 20 =   80
  Mittleres Sohari-Tuch                   20 =   80
  Vier Stücke schönes Kunguru (roth)      22 =   88
  Vier Gorah Rehani                        8 =   32
                            ------------------------
                            Gesammtsumme 697 = 2788.

  Ausserdem:

  16 Säcke assortirte Perlen im Gewicht von 992 Pfd.

  10 Frasileh Messingdraht Nr. 5 und 6 = 350 Pfd.

  Ein wasserdichtes Zelt von Segeltuch.

  Ein Luftbett.

  Ein Boot.

  Ein Sack mit Zimmermannsgeräthen.

  Eine Rippensäge.

  Zwei Fässer Theer.

  12 Bleche Schiffskupfer = 60 Pfd.

  Kleider.

  Ein Jocelyn’scher Hinterlader (mit Metallpatronen).

  Ein Starr’scher Hinterlader.

  Ein Henry’scher Sechzehnschiesser.

  Ein Revolver.

  200 Stück Revolvermunition.

  2000 Stück Jocelyn- und Starr-Patronen.

  1500 Henry’sche Gewehrpatronen.

  Ausserdem Kochgeräthschaften, ein Arzneikasten, Bücher, ein Sextant,
  Segeltuch-Beutel u. s. w. u. s. w.

Dies machte eine Gesammtsumme von ungefähr 40 Lasten. Manche der in
dieser Liste enthaltenen Dinge, namentlich die Karabiner und die
Munition, die Säge, Zimmermannswerkzeuge, Perlen und der Draht würden
in Unyanyembé zu beliebig hohen Preisen zu verkaufen gewesen sein. Von
den 33 Lasten, welche für Livingstone in meinem Tembé aufgespeichert
lagen (den Vorräthen nämlich, die ihm am 1. November 1870 zugeschickt
worden), waren nur wenige für seine Rückkehr nach Rua und Manyuema
zu brauchen. Die 697 Doti Tuch, die ich ihm überliess, bildeten
die einzigen verkäuflichen Werthgegenstände, die er besass, und in
Manyuema, wo die Eingeborenen ihr eigenes Tuch fabriciren, wären sie
völlig unverkäuflich gewesen; meine Perlen und der Draht dagegen
konnten, ökonomisch gehandhabt, ausreichen, ihn und seine Leute mehr
als zwei Jahre in jenen Gegenden zu erhalten. Sein eigenes Tuch und
das, was ich ihm gab, machte zusammen 1393 Doti aus; rechnet man den
Lebensunterhalt für den Tag zu zwei Doti, so genügte dies, ihn und
sechzig Leute 696 Tage zu erhalten. So hatte er Vorräthe für vier
Jahre und die einzigen Gegenstände, die ihm fehlten, um wieder eine
vollständig ausgerüstete Expedition zu haben, waren die, welche er und
ich in folgender Liste verzeichnet haben:

  Einige Zinnbüchsen mit amerikanischem Weizenmehl.
    „        „        „  Schiffszwieback.
    „        „        „  eingemachten Früchten.
    „        „        „  Sardinen.
    „        „        „  Lachs.
  10 Pfd. Hyson-Thee.
  Etwas Zwirn und Nähnadeln.
  Ein Dutzend officielle Couverts.
  Ein Nautical-Almanach für 1872 und 1873.
  Ein neues Tagebuch.
  Ein Chronometer.
  Eine Kette für widerspenstige Leute.

Mit den eben aufgezählten Artikeln würde er alles in allem 70 Lasten
gehabt haben, die ihm jedoch ohne Lastträger nur beschwerlich gewesen
wären, denn er konnte mit den neun Leuten, die er jetzt nur hatte, mit
einem so prächtigen Sortiment von Waaren nirgends hingehen. Deshalb
erhielt ich den Auftrag, sobald ich Zanzibar erreicht hätte, 50 Freie
anzuwerben, jeden von ihnen mit einem Gewehr, einem Beil und sonstigem
Zubehör auszurüsten, sowie 2000 Kugeln, 1000 Feuersteine und 10
Fässchen Pulver zu kaufen. Die Leute sollten Livingstone als Lastträger
überall hin begleiten, wo er es verlangte. Denn ohne solche Begleiter
dienten ihm die auf seine reichlichen Mittel basirten Hoffnungen nur
zur Qual, da die Sachen ohne Lastträger sich gar nicht verwerthen
liessen. Alle Reichthümer Londons und New Yorks wären ihm vollständig
unnütz gewesen, wenn er nicht die Mittel zur Beförderung hatte. Nun
vermiethet sich aber kein Mnyamwezi während der Kriegszeit als Träger.
Wer mein Tagebuch über das Leben in Unyanyembé gelesen hat, weiss,
wie hartnäckig conservativ die Wanyamwezi sind. Mir lag also, meinem
berühmten Gefährten gegenüber, noch die Pflicht ob, mich mit der
grössten Eile, als ob es sich um Leben und Tod handle, an die Küste zu
begeben, dort für ihn Leute anzuwerben, als ob er selbst da sei, für
ihn mit ebenso grossem Eifer wie für mich selbst zu arbeiten und nicht
zu ruhen, bis seine Wünsche erfüllt seien. Dieses gelobte ich mir zu
thun; aber freilich war das der Todesstreich für mein Project, den Nil
hinunterzugehen und Nachrichten über Sir S. Baker einzuziehen.

Livingstone’s Briefe waren beendet. Er übergab mir zwanzig nach
Grossbritannien, sechs nach Bombay, zwei nach New York und einen nach
Zanzibar. Die beiden nach New York gerichteten waren für James Gordon
Bennett jun.; nur dieser und nicht sein Vater hatte meine Expedition
veranlasst. Ich bitte den Leser um Entschuldigung, dass ich einen
dieser Briefe hier wieder veröffentliche, da er nach Inhalt und
Stil den Mann charakterisirt, für den es sich lohnte, eine kostbare
Expedition auszurüsten, um sichere Nachrichten über sein Leben oder
seinen Tod zu erhalten.

  Udschidschi am Tanganika, Ostafrika. November 1871.

  Herrn James Gordon Bennett jun.

  Verehrter Herr! Für gewöhnlich ist es etwas schwer, an jemand zu
  schreiben, den man nie gesehen hat. Es ist fast so, als ob man sich
  an eine Abstraction wendet; doch benimmt mir die Anwesenheit Ihres
  Repräsentanten, des Herrn H. M. Stanley, in diesen fernen Gegenden
  das Gefühl des Fremdseins, das ich sonst empfinden würde, und ich
  fühle mich ganz heimisch, wenn ich Ihnen schreibe, um Ihnen für die
  grosse Güte zu danken, die Sie dazu veranlasst hat, ihn herzusenden.

  Wenn ich Ihnen den verzweifelten Zustand darstelle, in welchem
  er mich aufgefunden hat, so werden Sie leicht einsehen, dass ich
  allen Grund habe, mich sehr starker Ausdrücke der Dankbarkeit zu
  bedienen. Ich erreichte Udschidschi nach einer Fussreise von 400–500
  Meilen Länge, die ich unter einer glühenden Sonne zurückgelegt
  hatte, enttäuscht, abgemattet und, fast am Ende des geographischen
  Theils meiner Mission, zur Rückkehr gezwungen durch eine Anzahl
  mohammedanischer Halbblutsklaven, die mir statt freier Männer aus
  Zanzibar zugeschickt waren. Die Leiden meines Gemüths wurden durch
  den traurigen Anblick der Inhumanität der Menschen gegeneinander
  noch gesteigert und hatten einen höchst nachtheiligen Einfluss auf
  meine Constitution ausgeübt und sie über alle Massen geschwächt. Ich
  glaubte, an Ort und Stelle sterben zu müssen. Es ist nicht zu viel
  gesagt, dass fast jeder Schritt auf dem peinigenden, durchglühten
  Wege mir schmerzhaft wurde und ich in Udschidschi als ein blosses
  Knochenskelet anlangte.

  Hier fand ich, dass Waaren im Werthe von etwa 500 Pfd. Sterling, die
  ich aus Zanzibar herbestellt hatte, unverantwortlicherweise einem
  Trunkenbold, einem Schneider, mohammedanisches Halbblut, anvertraut
  worden waren, der, nachdem er sie theilweise 16 Monate lang auf dem
  Wege nach Udschidschi verschwendet, damit endete, den Rest zu seinen
  eigenen Gunsten gegen Sklaven und Elfenbein zu verkaufen. Er hatte
  aus dem Koran prophezeit und gefunden, dass ich todt sei; hatte auch
  dem Gouverneur von Unyanyembé geschrieben, dass er mir Sklaven nach
  Manyuema nachgeschickt habe, die bei ihrer Rückkehr mich für todt
  ausgegeben, und um die Erlaubniss nachgesucht, die wenigen Waaren,
  die seine Trunksucht noch übrig gelassen hatte, zu verkaufen.

  Er wusste jedoch ganz genau von Leuten, die mich gesehen hatten,
  dass ich am Leben sei und auf meine Güter und Leute warte; er ist
  aber, was die Moralität betrifft, offenbar ein Idiot, und da es hier
  kein Gesetz als das des Dolches und der Muskete gibt, musste ich
  hier äusserst entkräftet und von allem entblösst, ausser ein paar
  Tauschtuchen und Perlen, die ich vorsichtigerweise für den Fall der
  äussersten Noth hier gelassen, sitzen bleiben.

  Die nahe Aussicht auf Bettlerarmuth unter den Udschidschianern machte
  mich ganz elend.

  Zwar konnte ich nicht verzweifeln, da ich einmal so sehr über einen
  Freund gelacht, welcher bei seiner Ankunft an der Mündung des
  Zambezi behauptete, er fühle sich versucht zu verzweifeln, weil er
  die Photographie seiner Frau zerbrochen hatte, denn hiernach könnten
  wir durchaus kein Glück mehr haben. Seit der Zeit hat der Gedanke an
  Verzweiflung für mich einen so starken Beigeschmack des Lächerlichen
  bekommen, dass bei mir daran nicht mehr zu denken ist.

  Als ich nun ungefähr auf die niedrigste Stufe herabgesunken war,
  verbreiteten sich unbestimmte Gerüchte, dass ein Engländer mich
  besuchen werde. Zwar hatte ich mich in Gedanken mit dem Manne
  verglichen, der von Jerusalem nach Jericho ging, doch konnte wol
  kaum weder ein Priester, noch Levite, noch Samariter auf meinen
  Weg gerathen. Dennoch war der gute Samariter nahe bei der Hand und
  einer meiner Leute stürzte in grösster Eile auf mich zu und rief in
  grosser Aufregung: „Da kommt ein Engländer, ich sehe ihn!“ worauf er
  fortschnellte, um ihm entgegenzugehen.

  An der zum ersten male in diesem Theile der Welt gesehenen
  amerikanischen Flagge, welche sich an der Spitze der Karavane befand,
  erkannte ich die Nationalität des Fremden.

  Ich bin kalt und zugeknöpft, wie wir Insulaner es gewöhnlich
  sein sollen; aber Ihre Güte drang mir durch Mark und Bein. Sie
  überwältigte mich geradezu und ich rief in meinem Innern: „Möge der
  Höchste Ihnen und den Ihrigen seinen reichsten Segen zutheil werden
  lassen!“

  Auch die Nachrichten, die mir Herr Stanley mitzutheilen hatte,
  waren erschütternd. Die mächtigen politischen Veränderungen auf dem
  Continent; der Erfolg der atlantischen Kabel; die Wahl des General
  Grant und viele andere Dinge fesselten meine Aufmerksamkeit tagelang
  und hatten einen unmittelbaren und höchst wohlthätigen Einfluss auf
  meine Gesundheit. Ich war jahrelang völlig ohne Nachrichten von Hause
  gewesen, ausser den spärlichen, die ich aus einigen Nummern der
  „Saturday Review“ und des „Punch“ vom Jahre 1868 erhalten hatte. Mein
  Appetit kam wieder und in einer Woche fühlte ich mich sehr gekräftigt.

  Herr Stanley brachte mir auch eine sehr gütige, ermuthigende Depesche
  von Lord Clarendon (dessen Tod ich aufrichtig betrauere), welche
  die erste ist, die ich seit dem Jahre 1866 vom Auswärtigen Amte
  erhalten, und zugleich die Nachricht, dass die britische Regierung
  gütigerweise 1000 Pfd. Sterling zu meinem Beistande abgeschickt
  habe. Bis Herr Stanley zu mir kam, wusste ich gar nichts von dieser
  Geldunterstützung. Ich bin ohne Besoldung hergekommen; jetzt ist
  aber dieser Mangel glücklich gehoben und ich wünsche dringend, dass
  Sie und alle meine Freunde es erfahren, dass ich, obwol nicht durch
  Briefe ermuthigt, doch mit der John Bull eigenen Zähigkeit und immer
  im Glauben an ein glückliches Ende der Aufgabe treu nachgegangen bin,
  die mir mein Freund Sir Roderick Murchison gesetzt hat.

  Die Wasserscheide des südlichen Central-Afrika ist mehr als 700
  Meilen lang. Die daselbst befindlichen Quellen sind fast unzählbar,
  d. h. es würde ein Menschenleben dazu gehören, sie zu zählen. Von
  der Wasserscheide aus laufen sie in vier grosse Flüsse zusammen und
  diese vereinigen sich wiederum zu zwei mächtigen Strömen im grossen
  Nilthal, welches zwischen 10 und 12° südl. Br. anfängt. Es dauerte
  lange, ehe mir ein Licht über dieses alte Problem zu dämmern anfing
  und bis ich einen klaren Begriff von dem Wassersystem erhielt. Ich
  musste mir selbst den Weg Schritt für Schritt erkunden und tappte
  meist im Dunkeln, denn wer kümmerte sich darum, wie die Flüsse
  verliefen? „Wir tranken unser Theil und liessen das Uebrige weiter
  laufen.“

  Die Portugiesen, welche Cazembe besucht haben, fragten nur nach
  Sklaven und Elfenbein und nach weiter nichts. Ich hingegen erkundigte
  mich nach den Gewässern in Kreuz- und Querfragen, bis ich beinahe
  fürchten musste, dass man mich selbst für einen Wasserkopf halten
  werde.

  Meine letzte Aufgabe, in der ich aus Mangel an geeigneter Begleitung
  so behindert worden bin, bestand darin, das centrale Wassersystem,
  durch das Manyuema oder kürzer Manyema genannte Land der Kannibalen
  zu verfolgen. Dieses Wassersystem enthält vier grosse Seen. Dem
  vierten war ich nahe, als ich zur Rückkehr gezwungen wurde. Derselbe
  ist 1–3 Meilen breit und an allen Punkten und zu jeder Jahreszeit
  unzugänglich. Zwei nach Westen ziehende Wasserläufe, der Lufira
  oder Bartle Frere’s-Fluss fliessen in denselben beim See Kamolondo.
  Ferner fliesst auch der grosse Fluss Lomame durch den Lincoln-See in
  denselben und scheint den westlichen Arm des Nils, auf dem Petherick
  Handel getrieben hat, zu bilden.

  Nun habe ich zwar 600 Meilen der Wasserscheide kennen gelernt, aber
  leider ist gerade das nächste hundert Meilen das Interessanteste von
  allem, denn in demselben entstehen, wenn ich nicht irre, vier Quellen
  aus einem Erdhügel, von denen die letztere in nicht sehr grosser
  Entfernung zu einem grossen Flusse wird.

  Zwei derselben, der Lufira und Lomame, laufen nördlich nach Aegypten,
  und zwei, der Leambaye oder Obere Zambezi und der Kaful fliessen
  südlich ins innere Aethiopien.

  Sind das nicht die Quellen des Nils, deren der Schreiber der
  „Minerva“ in der Stadt Saïs Herodot gegenüber Erwähnung gethan?

  So häufig und an so entfernten Orten habe ich von denselben gehört,
  dass ich ihr Dasein nicht bezweifeln kann, und trotz des schweren
  Heimwehs, das mich jedes mal ergreift, wenn ich an meine Familie
  denke, wünsche ich doch meine Aufgabe durch ihre Wiederentdeckung zu
  Ende zu führen.

  Abermals sind Waaren im Werthe von 500 Pfd. Sterl. in
  unverantwortlicher Weise Sklaven anvertraut worden und, anstatt vier
  Monate, mehr als ein Jahr unterwegs gewesen. Auf Ihre Kosten muss
  ich an den Ort gehen, wo sie sich befinden, ehe ich meine Arbeiten
  naturgemäss vollenden kann.

  Wenn meine Enthüllungen in Bezug auf die schreckliche Sklaverei von
  Udschidschi dazu führen sollten, dass der Sklavenhandel auf der
  Ostküste unterdrückt würde, so werde ich das als einen noch grössern
  Erfolg ansehen als die Entdeckung der sämmtlichen Nilquellen. Jetzt,
  wo Sie die Sklaverei zu Hause abgethan haben, leihen Sie uns doch
  Ihre mächtige Beihülfe zu diesem grossen Zwecke. Das herrliche Land
  hier ist wie von einem Fluch des Himmels heimgesucht, damit die
  sklavenhändlerischen Privilegien des kleinen Sultans von Zanzibar
  nur nicht beeinträchtigt werden und die Krone Portugal sich eine
  Anwartschaft auf Rechte, die mythisch sind, bis auf eine spätere Zeit
  bewahre, wo Afrika für die portugiesischen Sklavenhändler zu einem
  zweiten Indien werden soll.

  Ich schliesse, indem ich Ihnen noch einmal für Ihren grossen Edelmuth
  danke und bin dankbarlich

  Ihr

  ~David Livingstone~.

Dem obigen Briefe habe ich nichts hinzuzufügen; er spricht für sich
selber; damals aber war ich der Ansicht, dass er den besten Beweis für
den Erfolg meiner Expedition abgebe. Was mich betraf, kümmerte ich
mich durchaus nicht um seine Entdeckungen, ausser insoweit sie die
Zeitung, die mir den Auftrag gegeben hatte, ihn aufzusuchen, betrafen.
Freilich empfand ich eine gewisse Neugier in Bezug auf das Resultat
seiner Reisen, aber da er mir gesagt, dass er seine Aufgabe noch nicht
vollendet habe, so hielt ich es für unzart, ihn nach mehr zu fragen,
als er freiwillig gab. Denn seine Entdeckungen sind die Früchte
seiner eigenen Arbeit und gehörten ihm. Durch ihre Veröffentlichung
hoffte er seinen Lohn zu empfangen, den er auf seine Kinder vererben
wollte. Doch hatte Livingstone einen höhern und edlern Ehrgeiz als den
blossen Geldlohn, den er zu erhalten hofft; denn er folgt den Geboten
der Pflicht. Nie hat es jemand gegeben, der sich so völlig dieser
abstracten Tugend hingegeben hat. Seine Neigungen trieben ihn zur
Heimkehr an und es gehörten die ernstesten Entschlüsse dazu, diesen
Lockungen Widerstand zu leisten. Dagegen schmiedete er mit jedem neuen
Schritt, den er zurücklegte, eine Kette der Sympathie, welche später
die christlichen Nationen mit den Heiden des tropischen Afrika durch
Nächstenliebe verbinden soll. Wenn es ihm gelänge, diese Liebeskette
durch Entdeckung und genaue Beschreibung von Völkerschaften,
die noch im Dunkel leben, zu vollenden, sodass er die Guten und
Menschenfreundlichen unter seinen Landsleuten dazu veranlasst, sich
für ihr Heil und ihre Erlösung zu interessiren, so sieht Livingstone
darin eine reichliche Belohnung. Einige werden dies zwar für das
Unternehmen eines Wahnsinnigen, den Plan eines Don Quixote erklären. So
steht es aber doch nicht, meine Freunde; denn so sicher wie die Sonne
über Christen und Ungläubige, civilisirte Menschen und Heiden scheint,
wird der Tag der Erleuchtung kommen. Und wenn auch weder der Apostel
Afrikas, noch wir jüngern Leute und vielleicht auch nicht einmal
unsere Kinder ihn erblicken mögen, so wird eine spätere Zukunft es
doch erleben und dem kühnen Pionnier der Civilisation ihre Anerkennung
zollen. --

Das Folgende entnehme ich meinem Tagebuche:

12. März. Die Araber haben mir nicht weniger als 45 Briefe an die Küste
mitgegeben. In den letzten Tagen bin ich Kurier geworden. Der Grund
hiervon ist, dass regelrecht organisirte Karavanen Unyanyembé wegen des
Krieges mit Mirambo nicht verlassen können. Wenn ich nun auch diese
ganze Zeit über in Unyanyembé geblieben wäre, um das Ende des Krieges
abzuwarten! Ich glaube nämlich, dass die Araber vor Ablauf von neun
Monaten von jetzt ab noch nicht im Stande sein werden, den Mirambo zu
besiegen.

Heute haben sich die Eingeborenen versammelt, um mir zu Ehren vor
meinem Hause einen Abschiedstanz aufzuführen. Es sind, wie ich sehe,
die Pagazi von Singiri, des Führers von Mtesa’s Karavane. Meine Leute
betheiligten sich gleichfalls, und durch die Musik mir selbst zum Trotz
gefesselt, nahm ich auch daran theil und tanzte zur grossen Bewunderung
meiner Tapfern mit, welche darüber sehr erfreut waren, ihren Herrn von
seiner gewöhnlichen Steifheit ablassen zu sehen.

Es ist ein wilder Tanz. Die Musik ist lebhaft und entsteht durch
den sonoren Ton von vier Trommeln, welche vier in der Mitte des
Zauberkreises stehende Leute umgehängt haben. Der stets komische
Bombay, der sich beim Tanz der Mrima am gemüthlichsten fühlt, hat
meinen Wassereimer auf dem Kopfe; der kräftige, flinke, festauftretende
Tschaupereh eine Axt in der Hand und ein Ziegenfell auf dem Haupt.
Baraka hat meine Bärenhaut und hantiert mit einem Speer herum. Der
stierköpfige Mabruki ist auf den Geist der Sache eingegangen und
schreitet feierlich auf und ab, wie ein Elefant. Ulimengo hat eine
Flinte und geberdet sich wie ein wüthender Bramarbas, sodass man meinen
sollte, er wolle sich auf eine Schlacht mit Hunderttausenden einlassen.
Khamisi und Kamna stehen, Rücken an Rücken, vor den Trommlern
und werfen um die Wette die Füsse in die Luft. Auch Asmani, die
personificirte Riesenkraft, ein wirklicher Titane, hat ein Gewehr, mit
dem er in der Luft herumfuchtelt, als ob er Thor sei, der mit seinem
Hammer Tausende erschlägt. Unser aller Skrupel und Leidenschaften
ruhen; wir sind Dämonen, die sich unter dem himmlischen Licht der
Sterne bekämpfen und theilnehmen an einem Zauberdrama, in welchem
wir durch den furchtbaren Donner der Trommeln zur thätigen Bewegung
angeregt werden.

Die Kriegsmusik ist beendet und eine neue beginnt. Der Chorführer ist
auf die Knie gesunken und taucht mit dem Kopf zwei- bis dreimal in
eine Aushöhlung des Bodens. Ein Chor, der auch auf den Knien ruht,
wiederholt in klagenden Tönen die letzten Worte eines feierlichen
langsamen Refrains. Wörtlich übersetzt lautet der Gesang so:

  _Chorführer._

  Oh, oh, oh! der weisse Mann geht nach Hause!

  _Chor._

  Oh, oh, oh! er geht nach Hause!
  Er geht nach Hause, oh, oh, oh!

  _Chorführer._

  In das glückliche Eiland auf dem Meere,
  Wo es Perlen gibt in Menge. Oh, oh, oh!

  _Chor._

  Oh, oh, oh! Wo es Perlen gibt in Menge.
              Oh, oh, oh!

  _Chorführer._

  Während Singiri uns zurückgehalten hat, oh, so lange
  Von unserer Heimat, so lange; oh, oh, oh!

  _Chor._

  Von unserer Heimat, oh, oh, oh!
              Oh, oh, oh!

  _Chorführer._

  Und wir hatten gar kein Essen so sehr lange Zeit.
  Wir sind halb verhungert, oh, sehr lange Zeit!
                  Bana Singiri!

  _Chor._
  Sehr lange Zeit, oh, oh, oh!
                  Bana Singiri-Singiri!
                        Singiri! oh, Singiri!

  _Chorführer._

  Mirambo ist in den Krieg gezogen
  Zu kämpfen gegen die Araber;
  Die Araber und Wangwana
  Sind fort, Mirambo zu bekämpfen!

  _Chor._

  Oh, oh, oh! Mirambo zu bekämpfen!
                Oh, Mirambo! Mirambo!
                Oh, Mirambo zu bekämpfen!

  _Chorführer._

  Aber der weisse Mann wird uns erfreuen,
  Er geht nach Hause! Denn er geht nach Hause,
  Und er wird uns erfreuen! Sch-sch-sch!

  _Chor._

  Der weisse Mann wird uns erfreuen. Sch-sch-sch!
                Sch -- sch-h-h -- sch-h-h-h-h-h!
                Um-m -- mu -- um-m-m -- sch!

Dies war der eigenthümliche Abschied, der mir von den Wanyamwezi
Singiri’s zutheil wurde. Ich habe denselben wegen seiner merkwürdigen
epischen Schönheit, rhythmischen Vortrefflichkeit und gewaltigen
Leidenschaft als eins der wunderbarsten Erzeugnisse der chorliebenden
Kinder Unyamwezis durch diese Blätter unsterblich machen wollen.

13. März. Endlich ist der letzte Tag meines Zusammenseins mit
Livingstone vorüber; der letzte Abend, den wir gemeinsam zu verleben
haben, ist da und ich kann dem Morgen nicht ausweichen. Es ist mir
zu Muthe, als ob ich gegen das Schicksal rebelliren möchte, das mich
von ihm trennt. Rasch folgen sich die Minuten und werden zu Stunden.
Unsere Thüre ist verschlossen und jeder von uns ist mit seinen eigenen
Gedanken beschäftigt. Wie die seinigen beschaffen sind, weiss ich
nicht; die meinigen sind traurig. Es scheint mir, als ob ich meine
Tage in einem elyseischen Felde verlebt habe. Warum sollte ich sonst
die nahe Abschiedstunde so schwer empfinden? Haben mich nicht in
letzter Zeit eine Reihe von Fieberanfällen Tag für Tag kraftlos auf ein
schmerzhaftes Lager geworfen? Habe ich nicht in furchtbaren Phantasien
gerast? nicht im Delirium die Fäuste wüthend geballt und mit der wilden
Kraft der Verzweiflung um mich geschlagen? Dennoch bedauere ich es,
das Vergnügen aufgeben zu müssen, das ich in der so theuer erkauften
Gesellschaft dieses Mannes empfunden, und kann doch nicht den sichern
Fortschritt der Zeit hemmen, welche heute Abend dahin fliegt, als ob
sie meiner spotte und sich an meinem Elende weide. So mag es denn sein!
Wie oft habe ich nicht schon im Leben den Schmerz der Trennung von
Freunden empfunden, wie oft noch länger zu bleiben gewünscht, wo das
Unvermeidliche doch geschehen, das Schicksal uns trennen musste. Dieses
mal ist es dieselbe traurige Empfindung, nur dass sie tiefer schmerzt;
dass der Abschied auf immer stattfinden kann! +Auf immer? Ja, auf
immer!+ so hallte ein wehmüthiger Seufzer wieder.

Ich habe mir alles niedergeschrieben, was er heute Abend gesagt hat;
der Leser soll das aber nicht mit mir theilen; es gehöre mir allein.

Ich bin ebenso eifersüchtig auf sein Tagebuch wie er selbst und habe
in grossen gothischen Buchstaben und deutlicher Schrift auf jede
Seite des wasserdichten Segeltuchdeckels desselben geschrieben: „+Auf
keinen Fall zu öffnen!+“ was er mit seinem Namen unterschrieben hat.
Jedes Wort habe ich stenographirt, das er mir gesagt hat in Bezug auf
die gleichförmige Vertheilung einiger Seltenheiten an seine Freunde
und Kinder, und den letzten Wunsch betreffs „seines theuern alten
Freundes Sir Roderick Murchison“, wegen dessen er sich geängstigt hat,
seitdem wir in Uganda die Zeitung erhalten, aus der wir ersahen, dass
der alte Herr einen Schlaganfall gehabt. Sobald ich nach Aden komme,
soll ich ihm bestimmt Nachrichten über ihn schicken; und ich habe es
ihm versprochen, dass er sie von mir rascher erhalten soll, als es je
früher in Central-Afrika geschehen ist.

„Morgen Abend werden Sie allein sein, Herr Doctor.“

„Ja; das Haus wird so aussehen, als ob ein Todesfall darin
stattgefunden hat. Sie würden doch besser daran thun, hier zu bleiben,
bis der Regen, der jetzt nahe bevorsteht, vorüber ist.“

„Ich wünschte zu Gott, ich könnte das, lieber Herr Doctor; doch jeder
Tag, den ich jetzt noch hier verweile, wo keine Nothwendigkeit mehr
vorliegt, hält Sie von Ihrer Arbeit und Ihrer Heimat zurück.“

„Das weiss ich; aber denken Sie doch an Ihre Gesundheit. Sie sind nicht
im Stande zu reisen. Was haben ein paar Wochen mehr oder weniger zu
bedeuten? Sie werden ebenso rasch an die Küste gelangen, wenn der Regen
vorüber ist, als wenn Sie jetzt fortziehen. Zwischen hier und der Küste
werden die Ebenen überschwemmt sein.“

„Meinen Sie das? Ich will aber die Küste in 40, allerhöchstens 50 Tagen
erreichen. Der Gedanke, dass ich Ihnen dadurch einen wesentlichen
Dienst leiste, wird mich anspornen.“

14. März. Mit dem Morgengrauen waren wir aufgestanden; die Ballen und
das Gepäck wurden zum Hause hinausgetragen und die Leute bereiteten
sich auf den ersten Marsch nach Hause vor.

Wir nahmen ein trauriges Frühstück zusammen ein. Ich konnte nicht
essen, das Herz war mir so voll; auch mein Gefährte schien keinen
Appetit zu haben. Wir fanden noch etwas zu thun, was uns etwas länger
zusammenhielt. Um 8 Uhr war ich noch nicht fort und hatte doch die
Absicht gehabt, um 5 Uhr morgens abzuziehen.

„Doctor“, sagte ich, „ich werde zwei Leute bei Ihnen lassen, die heute
und morgen hier bleiben können, denn es kann doch sein, dass Sie bei
der Eile meiner Abreise etwas vergessen haben. Einen Tag bleibe ich in
Tura an der Grenze von Unyamwezi, um ein letztes Wort, einen letzten
Wunsch von Ihnen in Empfang zu nehmen. Jetzt müssen wir scheiden, es
hilft doch nichts. Leben Sie wohl!“

„Nun, ich werde Sie noch ein Stückchen begleiten. Ich muss sehen, wie
Sie sich auf den Weg machen.“

„Vielen Dank. Nun, Leute, nach Hause! Kirangozi, erhebe die Fahne, und
+Marsch+!“

Das Haus sah verödet aus, es entschwand unsern Blicken. Die
Vergangenheit, die Gedanken an meine Bestrebungen und Hoffnungen
überwältigten mich. An die alten Berge, die mir früher interesselos und
unbedeutend erschienen waren, hatten sich geschichtliche Erinnerungen
geknüpft. Auf jener Burzani hatte ich Stunden lang gesessen, geträumt,
gehofft, geseufzt. Auf jenem Hügel hatte ich gestanden und die Schlacht
und Zerstörung von Tabora beobachtet. Unter jenem Dache war ich krank
gewesen, hatte ich delirirt und wie ein Kind über das Geschick geweint,
das meiner Mission drohte. Unter jenen Bananenbäumen lag mein todter
Kamerad, der arme Shaw! Ich hätte ein Vermögen darum gegeben, wenn
ich ihn jetzt an meiner Seite gehabt hätte. Aus diesem Hause war ich
nach Udschidschi gezogen; mit einem neuen, theuern Gefährten war ich
in dasselbe wie zu einem alten Bekannten zurückgekehrt, und jetzt
musste ich alles verlassen. Schon jetzt erscheint mir alles wie ein
sonderbarer Traum.

Wir gingen Seite an Seite; die Leute stimmten einen Gesang an. Ich
blickte Livingstone lange an, um mir seine Züge recht genau ins
Gedächtniss zu prägen.

„Soweit ich es verstehen kann, liegt also die Sache so, Herr Doctor,
dass Sie nicht beabsichtigen heimzukehren, bis Sie sich über die
Quellen des Nils vergewissert haben. Wenn Sie sich darüber aber
zufrieden gestellt haben, so werden Sie nach Hause kommen und auch
andere zufrieden stellen, nicht wahr?“

„Ja wohl! Sobald Ihre Leute zurückkommen, werde ich sofort nach Ufipa
aufbrechen, dann über den Rungwa-Fluss nach Süden und um das Ende
des Tanganika gehen. Darauf werde ich in südöstlicher Richtung nach
Tschicumbi’s Wohnsitz am Luapula gehen, mich über den Luapula direct
nach den Kupferminen von Katanga begeben, und acht Tagereisen südlich
von Katanga sollen, nach den Angaben der Eingeborenen, die Quellen
sich befinden. Wenn ich sie gefunden, kehre ich über Katanga zu den
unterirdischen Behausungen von Rua zurück. Von diesen Höhlen werde ich
in zehn Tagen in nordöstlicher Richtung nach dem See Kamolondo ziehen.
In Ihrem Boote werde ich im Stande sein, von dem See den Lufira-Fluss
hinauf nach dem See Lincoln zu reisen; dann kann ich auf meinem
Rückwege nach Norden über den Lualaba an den vierten See gehen, von dem
ich meine, dass er das ganze Problem lösen wird, und da werde ich wol
finden, dass es entweder der Tschauambe (Baker’s See) oder Piaggia’s
See ist.“

„Wie viel Zeit aber meinen Sie, dass diese kleine Reise beanspruchen
wird?“

„Höchstens anderthalb Jahr von dem Tage an, wo ich Unyanyembé verlasse.“

„Nehmen wir zwei Jahre an; es könnten ja doch unvorhergesehene
Verhältnisse eintreten. Es wird doch gut sein, wenn ich die Leute auf
zwei Jahre miethe und zwar von dem Tage an, wo dieselben in Unyanyembé
ankommen.“

„Ja, das wird gut sein.“

„Nun aber, mein lieber Doctor, auch die besten Freunde müssen sich
trennen. Sie haben mich weit genug begleitet; daher bitte ich Sie,
umzukehren.“

„Ich kann Ihnen nur Folgendes sagen: Sie haben das geleistet, was nur
wenige zu thun im Stande sind, und zwar viel besser als verschiedene
grosse Reisende, die ich kenne. Ich bin Ihnen dankbar für das, was Sie
an mir gethan. Gott geleite Sie sicher nach Hause und segne Sie, mein
Freund!“

„Und möge Gott auch Sie uns allen glücklich heimführen, mein theurer
Freund! Leben Sie wohl!“

„Leben Sie wohl!“

Wir schüttelten uns die Hände und ich musste mich von ihm losreissen,
um nicht zu weich zu werden. Doch auch Susi, Dschumah und Hamoydah, die
getreuen Genossen des Doctors, mussten mir die Hand drücken und küssen,
ehe ich ganz fortkam. Daher verrieth ich meine Empfindungen!

„Adieu, Doctor, theurer Freund!“

„Adieu!“

„+Marsch!+ Was haltet Ihr? Vorwärts! Geht Ihr nicht nach Hause?“ So
trieb ich meine Leute vor mir her. Jetzt keine Schwäche mehr. Ich
werde sie marschiren lassen, dass sie an mich denken sollen. Von heute
in vierzig Tagen werde ich das abmachen, was mich früher drei Monate
gekostet hat. --

Freundlicher Leser! Ich habe die vorstehenden Tagebuchblätter am
Abend eines jeden Tages geschrieben. Ich sehe sie jetzt nach sechs
Monaten wieder an, schäme mich ihrer aber nicht. Noch jetzt werden
meine Augen trübe, wenn ich an die Trennung denke. Ich durfte das
nicht ausstreichen oder abändern, was ich niedergeschrieben, als
meine Gefühle so lebhaft waren. Gebe Dir Gott, dass Du, wenn Du Dich
jemals auf eine Reise nach Afrika begibst, einen ebenso edeln, treuen
Mann wie David Livingstone zum Gefährten haben mögest! Vier Monate
und vier Tage habe ich mit ihm unter einem Dache, auf demselben Boote
oder in demselben Zelte zugebracht und habe nie einen Fehler an ihm
entdeckt. Ich selbst bin ein hitziger Mensch und habe schon oft wol
ohne ausreichende Ursache Bande der Freundschaft zerrissen, aber bei
Livingstone habe ich nie eine Ursache gehabt, mich gekränkt zu fühlen.
Ein jeder Tag, den ich mit ihm zubrachte, hat meine Bewunderung für ihn
nur erhöht.

Ich habe nicht die Absicht, meine Leser mit einer genauen Schilderung
unseres Rückmarsches zu belästigen und werde ihnen nur einige
Ereignisse, die uns auf der Reise nach der Küste passirten, erzählen.

17. März. Wir kamen an den Kwalah-Fluss, welchen ein Eingeborener von
Rubuga Nyahuba, ein anderer Unyahuha nannte. Am heutigen Tage fiel
der erste Regen der Masikazeit. Ehe ich zur Küste komme, werde ich
angeschimmelt sein. Im vorigen Jahre begann die Masikazeit in Bagamoyo
am 23. März und hörte am 30. April auf.

Am nächsten Tage hielt die Expedition in West-Tura, auf der Grenze von
Unyamwezi, und am 20. kamen wir in Ost-Tura an. Bald darauf hörten wir
ein lautes Schiessen, und Susi und Hamoydah, Livingstone’s Diener,
erschienen mit Uredi und einem andern von meinen Leuten nebst einem
Brief für Sir Thomas MacLear auf der Sternwarte des Cap der Guten
Hoffnung, sowie einem Brief für mich, welcher folgendermassen lautete:


  „Kwihara, 15. März 1872.

  Lieber Stanley!

  Wenn Sie bei Ihrer Ankunft in London telegraphiren können, so
  berichten Sie mir genau, wie sich Sir Roderick befindet. Sie haben
  gestern die Sache genau präcisirt, als Sie sagten, dass ich über
  die Quellen mit mir noch nicht im Reinen sei, sowie ich aber eine
  Ueberzeugung darüber gewonnen hätte, zurückkehren und andern
  genügende Auskunft über dieselben geben werde. Gerade so steht die
  Sache.

  Ich wünschte, ich könnte Ihnen ein besseres Wort als das schottische
  zurufen: «Mit starkem Muth den steilen Berg hinan!» Denn das werden
  Sie thun und ich freue mich, dass Ihr Fieber vor Ihrem Abgange
  die gefahrlosere Form der Intermittens angenommen hat. Ich hätte
  Sie nur mit sehr grosser Sorge abziehen lassen, wenn Sie noch mit
  dem continuirlichen Fieber behaftet gewesen wären. Es ist mir ein
  Trost, Sie der Fürsorge des gütigen Herrn und Vaters aller Wesen zu
  empfehlen.

  Dankbarlich

  Ihr

  ~David Livingstone.~“

  „Ich habe, so sehr ich konnte, daran gearbeitet, Beobachtungen
  abzuschreiben, die ich auf einer Marschroute von Kabuire zurück
  nach Cazembe und weiter an den See Bangweolo angestellt hatte und
  bin ganz müde davon. Meine grossen Zahlen füllen sechs Bogen Papier
  von grösstem Format und mancher Tag wird wol vergehen, ehe ich mich
  wieder ans Abschreiben mache. Als ich im Jahre 1869 in Udschidschi
  krank war, habe ich meine Pflicht gethan und bin nicht zu tadeln,
  obwol man sich zu Hause darüber etwas im Dunkeln befindet. Einige
  arabische Briefe sind angekommen und ich übersende sie Ihnen.

  D. L.“

  16. März 1872.

  „Nachschrift. Heute Morgen habe ich ein Billet an meinen Verleger
  Murray, 50, Albemarle Street, geschrieben, damit er Ihnen womöglich
  behülflich sei, das Tagebuch durch die Post oder sonstwie an Agnes
  zu schicken. Wenn Sie ihn aufsuchen, werden Sie in ihm einen biedern
  Gentleman kennen lernen. Glückliche Reise!

  ~David Livingstone.~

  An Herrn ~Henry M. Stanley~. -- Aufenthalt unbekannt.“

Einige Wangwana kamen nach Tura, um sich unserer heimkehrenden
Expedition anzuschliessen, da sie sich fürchteten, allein durch Ugogo
zu ziehen; andere sollten nachkommen; da man ihnen aber in Unyanyembé
ganz bestimmt gesagt hatte, dass die Karavane jedenfalls am 14. abgehen
werde, so wollte ich nicht länger warten.

Als wir Tura am 21. verliessen, wurden Susi und Hamoyda zum Doctor
zurückgeschickt, während wir unsern Marsch an den Nghwhalah-Fluss
fortsetzten.

Zwei Tage später kamen wir vor dem Dorfe Ngaraiso an, in welches die
Spitze der Karavane hineinzugehen versuchte, doch wurden sie von den
bösen Wakimbu mit Gewalt vertrieben.

Am 24. schlugen wir unser Lager auf einer sogenannten Tongoni oder
Lichtung auf. Es war ein sehr romantischer Ort, wie man aus der
allerdings nur skizzenhaften Abbildung zu Anfang dieses Kapitels
ersehen kann.

Einst befand sich diese Gegend in einem höchst blühenden Zustande. Der
Boden ist ausgezeichnet fruchtbar, das üppige Bauholz würde in der
Nähe der Küste sehr viel werth sein, und es gibt hier, was in Afrika
sehr geschätzt wird, reichlich Wasser. Wir lagerten in der Nähe eines
glatten, breiten Syenitblocks, an dessen einer Seite sich ein massiver
viereckiger Fels hoch emporhob, die verschiedenen in der Nachbarschaft
befindlichen Bäume überragend; auf dem andern Ende stand noch ein
eigenthümlicher Felsblock aufrecht, der an seinem Fusse gelockert war.

Meine Leute benutzten die grosse Felsplatte, um sich ihr Korn selbst zu
mahlen, was hier ja gewöhnlich geschieht, wenn Dörfer nicht in der Nähe
sind oder das Volk feindlich gesinnt ist.

Am 27. März gelangten wir nach Kiwyeh. Als wir mit dem Morgengrauen den
Mdaburu-Fluss verliessen, liess ich die Leute in aller Form warnend
bedeuten, dass wir im Begriff wären, in Ugogo einzutreten. Unter
lautem, trompetenartigen Blasen zogen wir aus dem Dorfe Kaniyaga und
kamen durch ausgedehnte wogende Maisfelder. Da die Aehren reif genug
zum Rösten und Dörren waren, wurden wir von einer Besorgniss befreit;
denn sehr häufig leiden Karavanen zu Anfang März Hunger, der sowol die
Eingeborenen als Fremden heimsucht.

Darauf kamen wir in die Districte der Gummibäume und wussten, dass wir
in Ugogo seien; denn die Wälder dieses Landes bestehen hauptsächlich
aus Gummi- und Dornbäumen, Mimosen und Tamarisken sowie verschiedenen
wilden Fruchtbäumen. Es gab viel Trauben, die jedoch noch nicht reif
waren; auch fanden wir eine runde röthliche Frucht von der Süsse der
Sultanatraube mit stachelbeerähnlichen Blättern. Eine andere, etwa von
der Grösse einer Aprikose, hatte sehr bittern Geschmack.

Als wir aus den dichten Dorndschungels heraustraten, erblickten wir die
ausgedehnten Ansiedelungen von Kiwyeh und fanden östlich vom Dorfe des
Häuptlings einen Lagerplatz unter dem Schatten einer Gruppe kolossaler
Baobabs.

Die Bevölkerung von Kiwyeh besteht etwa zu gleichen Theilen aus Wakimbu
und Wagogo. Der alte Kiwyeh, der in den Tagen Speke’s und Grant’s
lebte, ist todt und jetzt regiert sein junger Sohn das Gebiet. Obgleich
die Herrschaft dieses Jünglings äusserlich gut aussieht und seine
loyalen Unterthanen ihr Vieh zu Hunderten zählen, so ist seine Lage
doch eine misliche, denn seine grosse Jugend bietet den ihn umgebenden
Wagogohäuptlingen viele Versuchungen.

Kaum waren wir im Lager, als wir überall Kriegshörner laut ertönen
hörten und Boten erblickten, die nach allen Richtungen rasch
dahinflogen, um Kriegsalarm zu schlagen. Zuerst als ich erfuhr, dass
das Volk durch die Hörner zu den Waffen gerufen wurde, hatte ich halb
und halb den Verdacht, dass ein Angriff auf unsere Expedition gemacht
werden solle, doch erklärten mir die Worte „Urugu, Warugu“ (Dieb,
Diebe), die allgemein im Umlauf waren, alsbald die Ursache. Mukondoku
nämlich, der Häuptling des bevölkerten, zwei Tagemärsche nach Norden zu
liegenden Bezirkes, wo wir auf unserm frühern Zuge nach Westen etwas
in Angst gerathen waren, stand im Begriff, den jungen Mtemi, Kiwyeh,
anzugreifen, und deshalb wurden die Soldaten von Kiwyeh zum Kampf
zusammengerufen. Die Leute stürzten sich in ihre Dörfer und in kurzer
Zeit sahen wir sie im vollem Kriegskostüm heraufziehen. Strauss- und
Adlerfedern wogten auf der Stirn oder Zebra-Mähnen um den Kopf; Knie
und Knöchel waren mit kleinen Schellen besetzt. Vom Nacken flatterten
ihre Dschoho-Gewänder; Speere, Assegais, Knüttel und Bogen schwenkten
sie über den Kopf oder hielten sie in der rechten Hand, als ob sie zum
Wurf bereit seien. Zu beiden Seiten eines grossen Heereskörpers, der
im gleichmässigen, raschen Doppelschritt aus dem Hauptdorfe herauskam,
wobei die Schellen am Fuss- und Kniegelenk harmonisch erklangen,
befanden sich Trupps von Plänklern, die ganz besonders begeistert
zu sein schienen und sich auf dem Wege in Scheinkämpfen übten. Eine
Colonne nach der andern, Compagnien und Gruppen passirten eilig aus
jedem Dorfe an unserm Lager vorüber, bis etwa fast tausend Soldaten in
den Krieg gezogen waren. Diese Scene gab mir die beste Vorstellung von
der Schwäche selbst der grössten Karavanen, die zwischen Zanzibar und
Unyanyembé reisen.

Gegen Abend kehrten die Krieger aus dem Walde zurück, da der Alarm
sich als grundlos erwiesen hatte. Anfangs hiess es allgemein, die
Eindringlinge seien Wahehe oder Wadirigo, unter welchem Spottnamen
dieser Stamm wegen seiner Neigung zum Diebstahl bekannt ist. Die Wahehe
machen oft Streifzüge nach dem fetten Vieh von Ugogo. Aus ihrem eigenen
im Südwesten gelegenen Lande ziehen sie durch das Dickicht und bücken
sich bei Annäherung an die Heerden, indem sie sich den Körper mit aus
Ochsenhaut bestehenden Schilden bedecken. Wenn sie so zwischen das Vieh
und die Hirten gekommen sind, erheben sie sich plötzlich, fangen an,
das Vieh mit Gerten zu peitschen, treiben es in die Dschungels zu den
zu diesem Behuf Zurückgebliebenen, kehren dann schnell um und pflanzen
ihre Schilde vor sich hin, um mit den empörten Schäfern zu kämpfen.

Am 30. langten wir in Khonze an, das sich durch die grossen Laubkugeln
auszeichnet, welche die riesigen Sykomoren und Baobabs über die Ebene
ausbreiten. Der Häuptling von Khonze rühmt sich, vier Tembés zu
besitzen, aus denen er 50 Bewaffnete um sich sammeln könnte. Von den
Wanyamwezi-Bewohnern dazu angespornt, bereitete sich dieser Bursche
darauf vor, sich unserer Weiterreise zu widersetzen, weil ich ihm nur 3
Doti (12 Meter Tuch) als Honga geschickt hatte.

[Illustration: DIE WAGOGO ZUM KRIEG AUSZIEHEND.

  II. S. 250.]

Wir hielten und warteten auf die Heimkehr einiger uns freundlich
gesinnter Wagogo-Reisender, die sich uns angeschlossen und die wir
gebeten hatten, unserm Bombay bei den Unterhandlungen über den Tribut
beizustehen; plötzlich kamen diese Wagogo in athemloser Eile zu uns
zurück und riefen: „Warum haltet Ihr hier? Wollt Ihr sterben? Diese
Heiden wollen den Tribut gar nicht nehmen, sondern rühmen sich, dass
sie Euer ganzes Tuch verzehren wollen.“

Die Wanyamwezi-Ueberläufer, welche in Wagogo-Familien hinein
geheirathet haben, haben uns in diesem Lande stets zur Plage gereicht.
Als der Häuptling von Khonze heraufkam, liess ich meine Leute
ihre Flinten laden und that dies auch mit meiner eigenen in sehr
demonstrativer Weise in seiner Gegenwart. Darauf ging ich auf ihn
zu und fragte ihn, ob er gekommen sei, um uns unser Tuch mit Gewalt
abzunehmen, oder ob er ruhig das annehmen wolle, was ich ihm anböte.
Als der Mnyamwezi, der diese Feindseligkeiten angeregt hatte, im
Begriff war zu reden, ergriff ich ihn an der Gurgel und drohte, ihm
seine Nase noch platter zu schlagen, wenn er es versuchen sollte, in
meiner Gegenwart zu sprechen, und ihn zuerst zu erschiessen, wenn
wir zum Kampfe gezwungen würden. Hierauf wurde der Schurke in den
Hintergrund gestossen. Der Häuptling, der sich über dieses Verfahren
sehr amüsirte, lachte laut über die diesem Schmarotzer angethane
Kränkung und in kurzer Zeit hatten er und ich die Tributfrage zu
gegenseitiger Befriedigung erledigt und wir trennten uns als gute
Freunde. Am Abend erreichte die Expedition Sanza.

Am 31. kamen wir zu Kamyenyi, dem grossen Mtemi -- Magomba’s -- dessen
Sohn und Erbe Mtundu M’gondeh ist. Als wir gerade an dem Tembé des
grossen Sultans vorüberzogen, war sein Msagira oder erster Rath, ein
angenehmer Mann mit grauem Haar, damit beschäftigt, eine Dornhecke um
ein Fleckchen jungen Korns zu ziehen. Er begrüsste die Karavane mit
einem sonoren „Yambo“, stellte sich an die Spitze derselben und führte
sie an unsern Lagerplatz. Als er mir vorgestellt wurde, war er sehr
herzlich in seiner Manier. Ich liess ihm ein Kiti (Sessel) anbieten
und er unterhielt sich mit mir in leutseliger Weise. Er erinnerte sich
meiner Vorgänger Burton, Speke und Grant sehr wohl und sagte, ich
sei viel jünger als sie. Auch bot er mir Eselsmilch an, da er sich
erinnerte, dass einer der Weissen (Burton?) solche zu trinken pflegte.
Die Art, wie ich sie trank, schien ihm sehr amüsant zu sein.

[Illustration: UNAMAPOKERA.]

[Illustration: EIN DROHENDER KAMPF.

  II. S. 253.]

Sein Sohn Unamapokera war ein hoch aufgeschossener Mann von etwa 30
Jahren, der mit mir grosse Freundschaft schloss und mir den Tribut
leicht zu machen sowie einen Menschen mitzugeben versprach, welcher
mir den Weg zeigen solle nach Myumi, einem Dorfe an der Grenze von
Kanyenyi, wodurch ich den raubgierigen Kisewah vermeiden könne, der
gewohnt sei, Karavanen grossen Tribut abzunehmen.

Mit Hülfe Unamapokera’s und seines Vaters gelang es uns, nur wenig,
d. h. 10 Doti zu zahlen, während Burton 60 Doti Tuch hatte bezahlen
müssen.

Am 1. April standen wir früh auf und erreichten Myumi nach einem
Marsche von vier Stunden; dann zogen wir weiter und gelangten etwa
um 2 Uhr nachmittags an einen grossen Ziwa oder Teich inmitten der
Dschungels und am nächsten Tage um 10 Uhr morgens auf die Felder
von Mapanga. Als wir an dem Dorfe Mapanga vorbei an einen jenseits
gelegenen Ruheplatz zogen, wo wir frühstücken und den Tribut bezahlen
konnten, stürzte uns ein Bursche entgegen und fragte, wohin wir
wollten. Nachdem wir ihm geantwortet, dass wir an einen Lagerplatz
gingen, eilte er vorwärts und wir hörten ihn gleich darauf in einem
Felde zu unserer Rechten mit einigen Leuten sprechen.

Mittlerweile hatten wir einen anmuthigen, schattigen Platz gefunden
und halt gemacht; unsere Leute lagen auf dem Boden oder standen in der
Nähe ihrer Lasten. Bombay war eben im Begriff, einen Ballen zu öffnen,
als wir eine grosse Menge Menschen zusammenlaufen und laut schreien
hörten. Gleich darauf kamen 40–50 Bewaffnete, ein Häuptling an der
Spitze, aus dem Dickicht hervorgestürzt, schwangen ihre Speere über den
Köpfen oder waren im Begriffe, ihre Bogen zu spannen und stiessen ein
Geheul aus, wie es nur Wilde können, das ungefähr wie ein langgezogenes
„Hhaat-uh -- Hhaat -- uhh-uhh“ klang und das zugleich trotzig, bestimmt
und drohend, unverkennbar sagen wollte: „Ihr wollt doch wohl? Nein, Ihr
wollt nicht!“

Ich hatte es schon geahnt, dass die von mir gehörten Stimmen nichts
Gutes für uns bedeuteten, und infolge dessen meine Waffen und Patronen
in Ordnung gebracht. Das war wahrhaftig eine schöne Gelegenheit zu
einem Abenteuer! Wenn sie nur einen Speer auf uns geworfen oder wir
einen Schuss in diesen drohenden Haufen von Wilden hineingefeuert
hätten, so wäre es zwischen den sich gegenüberstehenden Banden zu
einem bösen Kampfe gekommen! Es wäre keine geregelte Schlacht, kein
äusseres Kriegsgepränge, sondern ein mörderischer Strauss geworden,
ein rasches Feuern von Hinterladern und Musketensalven, in das sich
fliegende Speere und das Rauschen der Bogen gemischt hätte, wobei die
Memmen sofort, von brüllenden Wilden verfolgt, fortgelaufen wären;
und wer weiss, wie das geendet haben könnte? Zwar waren nur 40 Speere
gegen 40 Flinten, aber wie viel von den mit Flinten Bewaffneten wären
wol davongelaufen? Vielleicht alle und ich wäre mit meinen kleinen
Flintenträgern allein geblieben, um mir den Hals abschneiden oder mich
enthaupten zu lassen, damit mein Kopf eine lange Stange in der Mitte
eines Kigogo-Dorfes zieren könne, wie der des armen Monsieur Maizan
in Dege la Mhora in Uzaramo. Welch glückliches Ende wäre das für
meine Expedition gewesen! Und dazu der Verlust des Livingstone’schen
Tagebuchs, der Frucht einer sechsjährigen Arbeit!

Hier zu Lande taugt es nichts zu kämpfen, wenn man nicht durch die
alleräusserste Noth dazu gezwungen wird. In Ugogo kann man nicht wie
Mungo Park kriegerisch gesinnt sein und Glück haben, es sei denn, dass
man eine ausreichende Zahl Truppen bei sich hat. Mit 500 Europäern
könnte ich Afrika von Norden nach Süden durchstreifen und brauchte bei
richtigem Takt und bei der moralischen Wirkung, die eine solche Truppe
einflösst, nur wenig zu kämpfen.

Ohne also von dem Ballen aufzustehen, auf dem ich sass, bat ich den
Kirangozi, eine Erklärung des furchtbaren Lärms und der drohenden
Mienen zu verlangen und zu fragen, ob sie gekommen seien, um uns zu
berauben.

„Nein“, sagte der Häuptling, „wir wünschen Euch nicht den Weg zu
versperren oder Euch zu berauben, sondern wollen nur Tribut haben.“

„Aber seht Ihr denn nicht, dass wir hier halten und der Ballen schon
geöffnet ist, um Euch den Tribut zu schicken. Wir sind so weit von
Eurem Dorfe, um, nachdem der Tribut bezahlt ist, unseres Weges weiter
zu ziehen, da der Tag noch jung ist.“

Der Häuptling brach in ein lautes Lachen aus, in das auch wir
einstimmten. Er war offenbar über sein Betragen beschämt, denn
freiwillig gab er die Erklärung ab, als er und seine Leute eben Holz
schlugen, um einen neuen Zaun für ihr Dorf zu machen, sei ein Jüngling
zu ihm gekommen und habe erzählt, dass eine Karavane von Wangwana
im Begriff sei durch das Land zu ziehen, ohne halt zu machen und zu
erklären wer sie seien. Alsbald waren wir sehr gute Freunde. Er bat
mich ihm Regen zu machen, da sein Korn leide und es seit Monaten keinen
Regen gegeben habe. Ich sagte ihm darauf, dass die Weissen zwar sehr
gross und gescheit seien und weit über den Arabern ständen, aber doch
keinen Regen machen könnten. Obwol sehr enttäuscht, bezweifelte er
diese Behauptung doch nicht und gestattete uns, nachdem wir ihm ein
geringfügiges Honga bezahlt, unseres Weges zu ziehen, ja er begleitete
uns sogar etwas weiter, um uns den Weg zu zeigen.

Um 3 Uhr nachmittags kamen wir in ein Dornendickicht und um 5 Uhr nach
Muhalata, einem Gebiete, über das Nyamzaga als Häuptling herrscht. Ein
Mgogo, den ich mir zum Freunde gemacht, erwies sich als sehr treu.
Er gehörte nach Mulowa, einem süd-südöstlich, südlich von Kulabi,
belegenen Lande, und war unter Beihülfe von Bombay bei der Festsetzung
des Tributs in meinem Interesse sehr thätig. Als wir am nächsten Tage
auf unserm Wege nach Mvumi durch Kulabi zogen und die Wagogo im Begriff
waren, uns wegen des Honga Aufenthalt zu bereiten, übernahm er es, uns
von weitern Zahlungen zu befreien, indem er behauptete, wir seien aus
Ugogo oder Kanyenyi. Da nickte der Häuptling einfach mit dem Kopfe
und wir zogen weiter. Es scheint also, dass die Wagogo von Karavanen,
welche nur in ihrem eigenen Lande Handel treiben und nicht über ihre
Grenzen hinaus wollen, kein Lösegeld erpressen.

Nach Kulabi zogen wir über eine nackte, rothe, lehmige Ebene, über
die der Wind von den Höhen von Usagara, die jetzt als bläulich
schwarze Berge vor uns erschienen, schrecklich heulte. Mit heftiger,
einschneidender Gewalt schienen die furchtbaren Stürme uns durch den
Körper zu dringen, als ob wir nur aus leichtem Gazegewebe beständen.
Männlich kämpften wir gegen diesen mächtigen „Peppo“ (Sturm), zogen
durch Mukamwa’s Land und kamen über ein breites, sandiges Flussbett
hinweg ins Gebiet von Mvumi, dem letzten Tribut erhebenden Häuptling
von Ugogo.

Am 4. April schlugen wir uns durch das Dickicht, nachdem ich Bombay
und meinen freundschaftlichen Mgogo mit 8 Doti Tuch als Abschiedstribut
an den Sultan abgeschickt, und in fünf Stunden waren wir auf der Grenze
der Wildniss Marenga Mkali, dem „harten“, bittern oder salzigen Wasser.

Aus unserm Lager schickte ich drei Leute nach Zanzibar mit Briefen
an den amerikanischen Consul, einer telegraphischen Depesche an den
„Herald“ und der Bitte an den Consul, er möge die Leute bald wieder
an mich zurückschicken mit einem Vorrath von Genussmitteln, wie sie
hungrige, ermüdete und durchnässte Leute wohl zu schätzen wissen.
Die drei Boten erhielten den Auftrag, sich durch nichts, ob Regen
oder Flüsse oder Ueberschwemmungen, aufhalten zu lassen, da wir sie,
wenn sie nicht vorwärts eilten, einholen würden ehe sie die Küste
erreichten. Mit einem inbrünstigen „Inschallah, Bana!“ zogen sie ab.

Am 5. begaben wir uns mit einem kräftigen aufmunternden Hurrah mitten
in die Wildniss, die ihrer ewigen Ruhe und Einsamkeit wegen den
geräuschvollen Streitigkeiten der Wagogo-Dorfschaften sehr vorzuziehen
war. Neun Stunden lang zogen wir dahin und stöberten durch lärmende
Ausrufe wilde Rhinozeros, furchtsame Quaggas und Heerden von Antilopen
auf, welche die Dschungels dieser breiten Salzbecken massenhaft
bewohnen. Am 7. kamen wir unter strömendem Regen in Mpwapwa an, wo mein
schottischer Begleiter Farquhar gestorben war.

Wir hatten den enormen Marsch von 338 englischen Meilen vom 14. März
bis zum 7. April, d. i. in 24 Tagen, mit Einschluss aller Aufenthalte,
zurückgelegt, was also etwas mehr als 14 Meilen täglich ausmachte.

Leukole, der Häuptling von Mpwapwa, bei dem ich Farquhar gelassen
hatte, gab mir folgenden Bericht von seinem Tode: „Bis zum fünften
Tage, nachdem Ihr ihn verlassen, schien der weisse Mann sich zu
bessern; dann aber fiel er bei einem Versuch, aufzustehen und aus dem
Zelte herauszuspazieren, auf den Boden. Von dem Augenblicke an wurde
er immer schlimmer und schlimmer und starb am Nachmittag wie ein
Mensch, der einschlafen will. Beine und Unterleib waren ihm bedeutend
angeschwollen und ich glaube, etwas muss in ihm zerrissen sein als er
fiel, denn er schrie wie ein Mensch, der grossen Schaden erlitten hat,
und sein Diener sagte: «der Herr meint, er sei im Begriff zu sterben.»“

„Wir liessen ihn unter einen grossen Baum tragen und daselbst liegen,
nachdem wir ihn mit Blättern zugedeckt hatten. Sein Diener nahm Besitz
von seinen Sachen, nämlich der Flinte, den Kleidern und der wollenen
Decke, und zog in das Tembé eines Mnyamwezi in der Nähe von Kisokweh,
wo er drei Monate gelebt hat und dann auch gestorben ist. Vor seinem
Tode verkaufte er das Gewehr seines Herrn für 10 Doti an einen Araber,
der nach Unyanyembé ging. Das ist alles, was ich davon weiss.“

Er zeigte mir hierauf die Vertiefung, in welche die Leiche Farquhar’s
geworfen worden war; ich konnte dort aber keine Spur von seinen
Gebeinen finden, obgleich wir uns genau danach umsahen, um ein
anständiges Grab für sie herzustellen. Ehe wir Unyanyembé verliessen,
waren 50 Leute zwei Tage lang damit beschäftigt, Felsblöcke
zusammenzutragen, aus denen ich um das Grab Shaw’s einen soliden,
dauerhaften Bau errichtete, der 8 Fuss lang und 5 Fuss breit war und
von dem Dr. Livingstone meinte, er würde als das Grab des ersten in
Unyamwezi verstorbenen Weissen hunderte von Jahren dauern. Obwol wir
nun keine Ueberreste des unglücklichen Farquhar entdecken konnten, so
sammelten wir doch eine grosse Menge Steine und bauten daraus einen
Wall in der Nähe des Stromes auf, um den Ort zu bezeichnen, wo seine
Leiche hingelegt worden war.

Erst als wir in das Thal des Mukondokwa-Flusses kamen, hatten wir
viel von der Masika zu leiden. Hier nämlich brausten und donnerten
die Giesbäche; der Fluss war eine mächtige, braune Flut, die mit
fast unwiderstehlicher Macht abwärts strömte. Die Ufer desselben
waren überflutet, breite Nullahs ganz von Wasser gefüllt, die Felder
überschwemmt und dennoch fiel noch immer der Regen in Strömen
hernieder, die uns verkündeten, was wir während unseres Durchzugs durch
die Küstengegend zu leiden haben würden. Trotzdem eilten wir weiter wie
Leute, denen jeder Augenblick kostbar ist, weil sie von einer Sündflut
überrascht werden können. Dreimal passirten wir diese furchtbare Flut
an den Furten vermittelst Seilen, die von einem Ufer ans andere an
Bäumen befestigt wurden, und kamen am 11. nach Kadetamare als elende,
vom Unglück heimgesuchte Menschen. Dort lagerten wir auf einem Berge,
gegenüber dem zur Rechten des Flusses liegenden Berge Kibwe, der einen
der höchsten Gipfel der Bergkette bildet.

Am 12. April erreichten wir nach dem ermüdendsten Marsche, den ich je
gemacht, die Mündung des Mukondokwa-Passes, aus welchem sich der Fluss
in die Makata-Ebene ergiesst. Wir erkannten, dass die Regenzeit in
diesem Jahr ungewöhnlich heftig sei, denn der üble Zustand des Landes,
wie wir ihn im vorigen Jahr angetroffen hatten, war nichts im Vergleich
zu dem diesjährigen. Dicht am Rande der schäumenden, aufgeregten Flut
lag unsere Route, die sich häufig in tiefe Graben senkte, worin wir uns
bisweilen bis an den Gurt, manchmal bis an den Hals im Wasser befanden.
Doch wurden wir durch die dringendste Nothwendigkeit weiter getrieben,
um nicht in einer der Dorfschaften bis ans Ende der Monsunregen
campiren zu müssen. So zogen wir denn über Marschgründe, bis an die
Knie im Kothe watend, unter triefenden Dschungel-Gewölben, durch
Pfützen, die bis an die Achseln reichten, weiter. Jeder Wasserlauf
schien bis zum Ueberfliessen voll zu sein, und noch immer strömte der
Regen weiter, schlug die Oberfläche des Wassers zu einem gelben Schaum
und peitschte uns, dass wir fast den Athem verloren. Ein halbtägiger
Kampf gegen diese Schwierigkeiten brachte uns, nachdem wir über den
Fluss gesetzt, wieder zu dem traurigen Dorfe Mvumi.

Die Nacht brachten wir damit zu, uns der schwarzen, gefrässigen
Moskitos zu erwehren und in heldenmüthigen Versuchen Ruhe und Schlaf zu
finden, was uns zum Theil infolge der äussersten Ermattung des Körpers
gelang.

[Illustration: „NIMM DICH IN ACHT!“

  II. S. 259.]

Am 13. zogen wir vom Dorfe Mvumi fort. Es hatte die ganze Nacht
geregnet und hörte auch am Morgen nicht auf. Meilenweit zogen wir über
überschwemmte Felder, bis wir wieder einmal ans Ufer eines Flussarms
kamen, wo derselbe eng und in der Mitte zu tief zum Uebersetzen
war. Wir fingen also an, einen Baum zu fällen, und richteten es
so ein, dass er gerade über den Strom fiel. Ueber diesen gefallenen
Baum bewegten sich unsere Leute langsam mit ihren Ballen und Kisten;
Rodschab aber, ein junger Bursche, nahm, entweder aus Uebereifer
oder aus Tollheit, Livingstone’s Kasten, der seine Briefe und das
Tagebuch enthielt, auf den Kopf und ging damit in den Fluss. Ich kam
als erster am andern Ufer an, um den Uebergang zu überwachen, und
erblickte plötzlich diesen Menschen mit dem kostbarsten Kasten auf dem
Kopf im Flusse gehend. Auf einmal fiel er in ein tiefes Loch und Mann
und Kasten verschwanden mir aus den Augen, sodass ich über das den
Depeschen drohende Schicksal in Verzweiflung gerieth. Zum Glück erholte
er sich wieder und kam herauf, während ich ihm, einen auf seinen Kopf
gezielten geladenen Revolver in der Hand, zuschrie: „Nimm Dich in Acht!
Wenn Du diesen Kasten fallen lässt, so wirst Du sofort erschossen!“

Meine sämmtlichen Leute hielten bei ihrer Arbeit inne und blickten auf
ihren durch die Flut und die Kugel zugleich gefährdeten Kameraden.
Der Mensch selbst schien die Pistole mit dem grössten Schrecken
anzusehen und es gelang ihm nach einigen verzweifelten Anstrengungen,
den Kasten glücklich ans Ufer zu bringen. Da die darin befindlichen
Gegenstände keinen Schaden erlitten hatten, kam Rodschab ohne Strafe
davon, wurde aber gewarnt, unter keinen Umständen den Kasten wieder
anzurühren, welcher dem sicherfüssigen, vorzüglichen Pagazi Maganga zur
Aufbewahrung übergeben wurde.

Von diesem Seitenfluss gelangten wir in etwa einer Stunde an den
Hauptfluss; hier aber genügte uns ein Blick auf seine wilden Wasser.
Wir arbeiteten angestrengt, um eine Fähre zu bauen; nachdem wir aber
vier Bäume abgeschlagen, die grünen Stämme zusammengebunden und dann
in den wirbelnden Strom hinabgestossen hatten, sahen wir sie wie Blei
sinken. Darauf banden wir sämmtliche starke Seile, die wir besassen,
zusammen, machten daraus ein Tau von 180 Fuss Länge, wanden ein
Ende desselben um Tschaupereh’s Körper und schickten ihn hinüber,
um das Tau an einem Baume zu befestigen. Er wurde weit stromabwärts
getrieben, da er aber ein vorzüglicher Schwimmer war, so gelang ihm
der Versuch. Darauf wurden die Ballen, von den Seilen umschnürt, in
den Strom gelassen und durch den Fluss ans andere Ufer gezogen, und
ebenso geschah es mit dem Zelt und denjenigen Dingen, die durch das
Wasser keinen Schaden leiden konnten. Auch wurden mehrere meiner Leute
und ich selbst durch das Wasser gezogen, wobei die besten Schwimmer
auf die Jungen aufpassten. Als die Reihe aber an die Briefkasten und
Werthsachen kam, wussten wir kein Mittel sie herüber zu bekommen. Es
wurde daher auf jeder Seite des Stromes ein Lager aufgeschlagen; das
eine auf einem Ameisenhaufen von erheblicher Höhe auf dem Ufer, das
ich eben verlassen hatte; während meine Leute sich an einem flachen,
schmutzigen Sumpfe niederlassen mussten. Ein fast fusshoher Damm wurde
in einem Kreise von 30 Fuss Durchmesser aufgeworfen, mein Zelt in die
Mitte desselben gestellt und ringsherum Lauben erbaut.

Dies war eine neue, aussergewöhnliche Lage, in der wir uns befanden.
Noch nicht 20 Schritt von unserm Lager schwoll ein Fluss an, der
flache, niedrige Ufer hatte; über uns lagerte ein düsterer Regenhimmel;
um uns zu drei Seiten ein ungeheuerer Wald, auf dessen Zweige wir
beständig den Regen herabprasseln hörten; uns zu Füssen ein grosser,
tiefer, schwarzer, ekelhafter Koth; hierzu kam noch der Gedanke, dass
der Fluss austreten und uns dadurch völlig vernichten könne.

Am Morgen schwoll der Strom noch immer an und ein unvermeidliches
Geschick schien unser zu harren. Noch war es Zeit zu handeln, die
Leute mit den werthvollsten Gegenständen der Expedition herüberkommen
zu lassen; Dr. Livingstone’s Tagebuch und Briefe und meine eigenen
Papiere hielt ich für viel werthvoller als alles andere. Als ich den
schrecklichen Strom ansah, kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht
die Kasten dadurch einzeln herüberschaffen könne, dass ich zwei dünne
Stangen schneiden, quer darüber Stöcke binden und dadurch eine Art
Tragbahre herstellen liess, auf der ein Kasten angebunden werden
könne. Zwei hinüberschwimmende Leute, die sich gleichzeitig am Tau
hielten und die Enden der Stangen auf ihren Schultern hätten, mussten
meines Erachtens im Stande sein, einen Kasten von 70 Pfund bequem
hinüberzuschaffen. In kurzer Zeit wurde eine solche Bahre angefertigt
und sechs Paar unserer stärksten Schwimmer wurden angefeuert durch ein
Glas steifen Grog und ein Versprechen von Tuch, das ihnen in Aussicht
stand, falls sie alles unbeschädigt ans Ufer brächten. Als ich sah, wie
leicht sie sich mit der Bahre auf den Schultern hinüberzogen, war ich
erstaunt, dass ich nicht früher auf diesen Plan verfallen war. Eine
Stunde nachdem das erste Paar das Uebersetzen begonnen hatte, befand
sich die ganze Expedition sicher am östlichen Ufer. Sofort brachen wir
unser Lager ab und marschirten nach Norden durch den sumpfigen Wald,
der an einigen Stellen vier Fuss unter Wasser stand. Nachdem wir sieben
Stunden lang beständig im Wasser gewatet und manche eigenthümliche
Unfälle erlebt hatten, kamen wir nach Rehenneko. Jetzt befanden wir uns
am Rande der überschwemmten Ebene des Makata, welche schon im Regen des
vorigen Jahres zu schrecklich gewesen war, als dass man kalten Blutes
daran hätte denken können, sie zu überschreiten.

Zehn Tage lang, bis zum 25., lagerten wir daher auf einem in der Nähe
von Rehenneko belegenen Berge und entschlossen uns erst, als der Regen
vollständig aufgehört hatte, über den Makata zu setzen. Die Tuchballen
waren sämmtlich, mit Ausnahme einer kleinen Anzahl, die ich zu meinem
eigenen Unterhalt zurückbehalten hatte, an die Leute als Geschenke für
ihre Arbeit vertheilt worden.

Wir hätten jedoch eigentlich noch einen Monat länger warten müssen,
denn die Ueberschwemmung hatte sich noch nicht um vier Zoll verringert.
Da wir nun aber einmal bis an den Hals im Wasser wateten, so war
es unnütz zurückzukehren. Auf zwei Märschen von je acht Stunden
arbeiteten wir uns durch Schlamm, Koth, tiefe Pfützen, bis an den Hals
reichendes Wasser und wahre Kothfluten, schwammen über Nullahs, wateten
durch Wasserrinnen und kamen am zweiten Tage gegen Sonnenuntergang
an die Ufer des Makata-Flusses. Diese Nacht werden meine Leute wol
nie vergessen; kein einziger von ihnen war im Stande einzuschlafen,
ehe Mitternacht lange vorüber war, wegen der dichten Schwärme von
Moskitos, welche uns zu verzehren drohten; und als am nächsten Tage
das Marschhorn ertönte, war nicht einer unter ihnen, der nicht willig
gewesen wäre von hier rasch fortzumarschiren.

Um 5 Uhr morgens fingen wir an über den Makata zu setzen; am andern
Ufer aber erstreckte sich sechs Meilen weit ein grosser See, dessen
Wasser langsam zum Wami flössen. Dies war der Zusammenfluss der
Ströme; hier vereinigten sich vier Flüsse zu einem. Die Eingeborenen
von Kigongo warnten uns zwar den Versuch zu machen, da das Wasser uns
über den Kopf reichen werde; ich brauchte aber meinen Leuten nur zu
winken und sie setzten ihren Weg fort. Selbst das Wasser -- wir wurden
geradezu zu Amphibien -- war besser als der furchtbare Schmutz und die
Haufen verwesender Pflanzen, die gegen das Boma des Dorfes getrieben
wurden. Bald waren wir bis an die Schultern im Wasser; dann sank
letzteres wieder bis an die Knie; darauf reichte es uns wiederum bis
an den Hals und wir mussten auf den Zehenspitzen waten und die Kinder
über dem Wasser halten. Es wiederholten sich die Leiden des gestrigen
Tages, bis wir am Rande des Kleinen Makata halten mussten, der in einem
Tempo von acht Knoten in der Stunde daherstürzte. Dieser war aber nur
50 Schritt breit und auf der andern Seite erhob sich ein hohes Ufer
und trockenes Parkland, das sich bis nach Simbo ausdehnte. Es blieb
uns nichts übrig als zu schwimmen; dies ging aber sehr langsam vor
sich, da die Strömung so reissend und stark war. Doch thaten guter,
thatkräftiger Wille, hohe Belohnungen, Geldgeschenke und das lebhafte
Gefühl, dass wir uns der Heimat näherten, Wunder und in einigen Stunden
befanden wir uns am andern Ufer des Makata.

Freudig hoffend zogen wir den trockenen, ebenen Pfad, der jetzt vor uns
lag, von Heldenmuth und Veteranenausdauer beseelt, dahin. In einem Tage
machten wir drei gewöhnliche Märsche ab und kamen lange vor der Nacht
in Simba an.

Am 29. überschritten wir den Ungerengeri. Als wir nach Simbamwenni, der
„Löwenstadt“ von Useguhha, kamen, welche Veränderung erblickten wir da!
Der überflutende Strom hatte die vordere Mauer der stark ummauerten
Stadt vollständig fortgeschwemmt und etwa fünfzig Häuser zerstört.
Die Dorfschaften der Waruguru an den Abhängen der Uruguru-Berge, der
Mkambaku-Bergkette, hatten auch schwer gelitten. Wenn ein Viertel der
Berichte, die uns mitgetheilt wurden, auf Wahrheit beruhte, so mussten
wenigstens auch 100 Menschen umgekommen sein.

Die Sultanin war geflohen und die Veste Kisabengo’s existirte nicht
mehr! Ein tiefer Kanal, den er bei Lebzeiten hatte ausgraben lassen,
um einen Arm des Ungerengeri in die Nähe der Stadt zu leiten, die sein
Stolz war, hatte Simbamwenni zu Grunde gerichtet. Nach der Zerstörung
des Ortes hatte sich der Fluss ein neues Bett ungefähr 300 Meter von
der Stadt gebildet. Was uns am meisten in Erstaunen setzte, waren die
Massen von Trümmern, die überall in Haufen dalagen, und die grosse
Anzahl Bäume, die niedergestreckt waren. Sie schienen sämmtlich in
derselben Richtung zu liegen, als ob ein starker Wind von Südwesten
gekommen wäre. Der Anblick des Ungerengeri-Thals war vollständig
verändert; aus einem Paradiese war es zu einer furchtbaren Wüste
geworden.

Wir setzten unsern Marsch bis nach Ulagalla fort und es wurde uns
bei unserer Weiterreise klar, dass ein ungewöhnlicher Sturm über das
Land hergefahren sei, denn die Bäume lagen an einigen Stellen wie in
Schwaden.

Ein sehr anstrengender langer Marsch brachte uns nach Mussoudi, ans
östliche Ufer des Ungerengeri; doch lange, ehe wir es erreicht hatten,
wussten wir, dass ungeheuer viel Menschenleben und Eigenthum zerstört
worden sei. Man kann sich die Ausdehnung und den Charakter des Unglücks
vorstellen, wenn ich sage, dass nach dem Berichte Mussoudi’s fast
hundert Dorfschaften fortgefegt worden sind.

Der Diwan Mussoudi erzählte, die Einwohner hätten sich wie gewöhnlich
zur Ruhe begeben, wie sie es seit 25 Jahren, wo er sich im Thale
niedergelassen, immer gethan, als sie mitten in der Nacht ein Getöse
wie von vielfachem Donner hörten, das sie aufweckte und ihnen die
Thatsache klar machte, dass der Tod ihnen in Gestalt einer furchtbaren
Wassermasse drohe, welche wie eine Mauer herabstürzte, die höchsten
Bäume mit sich fortriss und mit einem grausen Schlage Dörfer zu
Dutzenden der völligen Zerstörung anheimgab. Das sechs Tage nach dem
Ereigniss sich darbietende Schauspiel, wo der Fluss sich schon in seine
während des Monsun normale Breite und Tiefe zurückgezogen hatte, ist
geradezu furchtbar. Wohin man auch blicken mag findet man etwas, das
auf die Verwüstung, die das Land heimgesucht hat, hinweist. Kornfelder
sind viele Fuss hoch von Sand und Trümmern bedeckt; das Sandbett, das
der Fluss verlassen hat, ist ungefähr eine Meile breit und es stehen
nur noch gegen drei Dörfer von allen, die ich auf der Hinreise nach
Unyanyembé gesehen. Als ich Mussoudi fragte, wohin die Leute gegangen
seien, antwortete er: „Gott hat die meisten derselben zu sich genommen;
einige sind aber nach Udoe gegangen.“ Der schwerste Schlag, der je den
Stamm der Wakami getroffen, rührt allerdings von der Hand Gottes her,
und um die Worte des Diwans zu brauchen: „Gottes Macht ist wunderbar
und wer kann ihm widerstehen?“

Ich kehre wieder zu meinem Tagebuche zurück und mache daraus folgende
Auszüge.

30. April. An Msuwa vorbei reisten wir rasch durch Dschungels, die
uns auf unserm Wege nach Unyanyembé so viel Beschwerden bereitet
hatten. Welch schreckliche, unbeschreibliche, Ekel erregende Düfte
erzeugt doch dieses Dickicht! Es ist so dicht, dass ein Tiger nicht
hindurchkriechen, und so undurchdringlich, dass selbst ein Elefant es
mit ganzer Kraft nicht durchbrechen könnte! Wenn man das hier von uns
eingeathmete Miasma condensiren und in eine Flasche füllen könnte,
welch tödliches, augenblicklich wirkendes, in seinen Eigenschaften
unenträthselbares Gift würde dies sein! Ich glaube, es würde rascher
als Chloroform und tödlicher als Blausäure wirken.

Alle Schrecken finden sich daselbst beisammen: Boas über unsern
Häuptern, Schlangen und Skorpione zu unsern Füssen; Landkrabben,
Schildkröten und Iguanas bewegen sich in unserer Nähe; Malaria steckt
in der Luft, die wir athmen; der Weg ist von „Heisswasser“-Ameisen
heimgesucht, die uns die Beine so zerstechen, dass wir uns wie Tolle
krümmen und tanzen. Trotzdem sind wir so glücklich, unserm Untergange
zu entgehen, und das kann auch noch manchem späteren Reisenden
gelingen. Doch finden sich hier wirklich die zehn Plagen Aegyptens,
durch welche der Reisende Spiessruthen laufen muss:

   1. Die Boas.
   2. Die rothen oder „Heisswasser“-Ameisen.
   3. Skorpione.
   4. Die dorn- und speerartigen Cactusarten.
   5. Zahlreiche Hindernisse.
   6. Schwarzer, knietiefer Schlamm.
   7. Ersticken in der Dichtigkeit der Dschungels.
   8. Gestank.
   9. Dornen auf dem Wege.
  10. Miasmen.

1. Mai. Kingaru Hera. Hier hörten wir von einem grossen Sturm, der
in Zanzibar gewüthet und daselbst angeblich alle Häuser und Schiffe
zerstört haben soll; ebenso sollte er in Bagamoyo und Whinde gewüthet
haben. Ich bin jetzt hinreichend mit der Tendenz des Afrikaners
zum Uebertreiben bekannt, aber es mögen auch dort wirklich ernste
Verluste stattgefunden haben, wie sich aus den Wirkungen des Sturmes
im Innern schliessen lässt. Man sagt mir auch, dass sich Weisse in
Bagamoyo befinden, die im Begriff sind ins Innere zu reisen, um
mich aufzusuchen. Ich kann gar nicht begreifen, wer sich nach mir
umsehen sollte. Man muss wol irgendeine dunkle Vorstellung von meiner
Expedition haben, obgleich ich es nicht erklären kann, wie sie davon
etwas erfahren, dass ich jemanden aufgesucht habe, denn ich habe, ehe
ich Unyanyembé erreichte, keiner Seele etwas davon gesagt.

2. Mai. Rosako. Kaum war ich im Dorf angekommen, als die drei Leute,
die ich von Mvumi in Ugogo abgesandt, daselbst eintrafen und mir vom
freigebigen amerikanischen Consul einige Flaschen Champagner, mehrere
Töpfe mit Fruchtsaft und zwei Büchsen bostoner Zwieback mitbrachten.
Nach meinen schrecklichen Erlebnissen im Makata-Thale war mir dies
sehr willkommen. In eine dieser Büchsen hatte der Consul vier
Nummern des „Herald“ sorgfältig eingepackt. Von diesen enthielt eine
meine Correspondenz aus Unyanyembé, in der sich einige merkwürdige
Druckfehler namentlich in Bezug auf die Zahlen und die afrikanischen
Namen befinden. Vermuthlich habe ich infolge meiner Schwäche sehr
schlecht geschrieben. In einer andern Nummer befanden sich mehrere
Auszüge aus verschiedenen Zeitungen, aus denen ich ersah, dass viele
Redacteure die Expedition nach Afrika als eine Fabel ansehen. Leider
ist sie für mich eine schreckliche, ernste Thatsache gewesen, eine
anstrengende, gewissenhaft durchgeführte That, die mit Entbehrungen,
Krankheit, ja fast mit dem Tode verknüpft gewesen. 18 Leute haben
dieses Unternehmen mit dem Leben bezahlt. Auch ist der Tod meiner
beiden weissen Begleiter keine Fabel; diese armen Leute hat ihr
Schicksal in den unwirthlichen Regionen des Innern erreicht.

Einer dieser kritischen Artikel, der aus der Feder eines Redacteurs
in Tennessee stammt, endigt, nachdem er sich humoristisch über die
Expedition ausgelassen, folgendermassen:

  „Das Schicksal dieser Expedition steht fest, und wenn Livingstone
  nicht selbst in der civilisirten Gesellschaft wieder erscheint, so
  brauchen wir nicht darauf zu rechnen, je wieder etwas von diesem
  Commissionär des “Herald„ zu hören. Er wird wol in einen zweiten
  grossen Makata-Sumpf hineingerathen und den Weg seines unglücklichen
  Hundes Omar gehen. Sic semper.“

Während ich in Afrika in einem Auftrage reiste, von dem ich in meiner
Unschuld annahm, dass er sich den meisten Christenleuten empfehlen
müsse, gab es also Menschen, die innig wünschten, dass ich keinen
Erfolg haben möchte. Es ist sonderbar, wie wenig Unterschied zwischen
der Cultur und der Barbarei besteht, welch geringer Unterschied
zwischen manchen Weissen und wilden Negern existirt. Diese letzteren
habe ich, wenn man sie gut behandelt, als freundliche, angenehme Leute
kennen gelernt; die im obigen Auszuge sich darstellende Gesinnung zeigt
mir aber, was ich zu Hause zu erwarten habe. Jedenfalls habe ich das
Lachen auf meiner Seite. Wenn ich nur so lange lebe, um nach Hause zu
kommen, so finde ich vielleicht Gelegenheit, noch mehr zu lachen.

Einer der Briefe, die mir mein Bote aus Zanzibar mitgebracht,
berichtet, dass in Bagamoyo eine Expedition existirt, die sich
„Expedition zur Auffindung und Unterstützung Livingstone’s“ nennt. Was
werden die Führer derselben jetzt thun? Livingstone ist aufgefunden und
hat schon die nöthige Hülfe. Er selbst sagt, er brauche nichts mehr. Es
ist doch ein Unglück, dass sie sich nicht früher aufgemacht haben, dann
könnten sie mit Anstand weiter ziehen und von ihm willkommen geheissen
werden.

4. Mai. Wir sind bei Kingwere’s Fähre angekommen, aber nicht im Stande,
die Aufmerksamkeit des Fährmanns auf uns zu ziehen. Zwischen unserm
Lager und Bagamoyo haben wir eine wenigstens vier engl. Meilen breit
überschwemmte Ebene. Das Uebersetzen unserer Expedition über dieselbe
wird viel Zeit in Anspruch nehmen.

5. Mai. Kingwere, der Besitzer des Canoes, kam ungefähr um 11 Uhr
vormittags aus seinem Dorfe Gongoni vom andern Ufer der Wasserfläche
an. Nach seinen Bewegungen zu schliessen, möchte ich annehmen, dass er
der Nachkomme eines schwarzen Königs Log sei, denn ich habe in keinem
Lande, an keinem Individuum die Eigenthümlichkeiten jener fürstlichen
Persönlichkeit so deutlich erkannt wie an Kingwere. Er brachte zwei
kurze gebrechliche Nachen mit, in denen nur 12 Mann von uns Platz
hatten. Es war 3 Uhr nachmittags, ehe wir im Dorfe Gongoni ankamen.

6. Mai. Nachdem ich Kingwere die Nothwendigkeit, rasch zu handeln,
durch das Versprechen eines goldenen Fünfdollarstücks eingeschärft,
hatte ich die Genugthuung, den letzten Mann um 3½ Uhr nachmittags in
meinem Lager ankommen zu sehen.

Eine Stunde später sind wir auf dem Wege und zwar in einem Schritt, den
ich meine Karavane nie zuvor hatte annehmen sehen. Die Empfindungen
jedes Einzelnen sind ausserordentlich gespannt, was sich durch eine
gewisse Lebhaftigkeit, ja ich möchte sagen ein jähes Ungestüm der
Bewegungen kundthut. Meine Gefühle entsprechen übrigens genau den
ihrigen, und ich bin durchaus nicht zu stolz, die grosse Freude, die
sich meiner bemächtigt hat, einzugestehen. Denn es erfüllt mich mit
Stolz, dass ich die Sache glücklich zu Ende geführt habe; doch bin ich,
ehrlich gesprochen, nicht einmal dadurch so freudig erregt, als durch
die Hoffnung, morgen an einer reichlich mit den guten Dingen dieser
Welt besetzten Tafel zu sitzen. Welche Freude werde ich an Schinken,
Kartoffeln und gutem Brot haben! Ist das nicht ein beklagenswerther
Gemüthszustand? Mein lieber Freund, warten Sie es ab, bis Sie durch
abzehrenden Hunger und grobe, Ekel erregende Nahrung zu einem Skelet
abgemagert sind; bis Sie durch einen Makata-Sumpf gewatet und in
solchem Wasser, wie wir, 525 engl. Meilen marschirt sind; dann werden
auch Sie ordentliche Speisen für etwas Göttliches halten.

Glücklich sind wir, dass wir uns nach Vollendung unserer Expedition,
nach der Plage und Eile des Marsches, nach aller Angst und Qual vor
feindseligen Stämmen, nach dem angreifenden, funfzehn Tage dauernden
Marsche durch wahrhaft stygischen Morast und Koth der friedlichen Ruhe
Beulahs nähern! Können wir es da wol unterlassen, unsere Glückseligkeit
kundzuthun durch Abfeuern von Gewehren, bis unsere Pulverhörner geleert
sind, oder durch Hurrahs auszudrücken, bis wir heiser sind, sowie jedes
direct von der See kommende Menschenkind mit herzlichen, die Seele
erfreuenden „Yambos“ zu begrüssen? Das halten die Wangwana-Soldaten für
unmöglich, und ich sympathisire so sehr mit ihnen, dass ich, ohne sie
zu tadeln, ihre tollsten Streiche gestatte.

Mit Sonnenuntergang kommen wir in die Stadt Bagamoyo. In Beulah hörten
wir die Worte: „Es sind noch mehr Pilger zur Stadt gekommen“; in
Bagamoyo sagte man: „Der Weisse ist zur Stadt gekommen“. Morgen werden
wir nach Zanzibar übersetzen und in die goldene Pforte eingehen; dort
werden wir nichts mehr sehen, riechen oder schmecken, was den Magen
beleidigt!

Der Kirangozi stösst so mächtig ins Horn wie Astolf, während sich
Eingeborene und Araber um uns drängen; und die glänzende Fahne, deren
Sterne über dem Wasser des grossen Sees in Mittel-Afrika geflattert,
die dem durch Unglück in Udschidschi fast aufgeriebenen Livingstone
Hülfe versprochen, kehrt zwar zerfetzt und zerrissen, aber nicht
entehrt ans Meer zurück.

Als wir in die Mitte der Stadt kamen, sah ich auf den Stufen eines
grossen, weissen Hauses einen Weissen in Flanellkleidern und mit einer
der meinigen ähnlichen Kopfbedeckung stehen; er war jung, hatte einen
röthlichen Backenbart, ein leuchtendes, lebendiges, munteres Gesicht
und hielt den Kopf leicht auf eine Seite gebeugt, wodurch er ein
etwas nachdenkliches Aussehen bekam. Da ich mich mit allen Weissen
gewissermassen verwandt fühlte, spazierte ich auf ihn zu. Auch er kam
auf mich zu, schüttelte mir die Hand und hätte mich fast umarmt.

„Wollen Sie nicht eintreten?“ fragte er.

„Besten Dank.“

„Was wollen Sie trinken, Bier, Porter oder Branntwein? Bei Gott, ich
gratulire Ihnen zu Ihren glänzenden Erfolgen“, sagte er mit grosser
Erregung.

Ich erkannte ihn sofort. Es war ein Engländer. Sie haben es an sich, in
dieser Weise aufzutreten; aber in Central-Afrika war es etwas anderes.
(Ein glänzender Erfolg! Ist das wirklich die Ansicht, die man von der
Sache hat? Um so besser. Wie so weiss er aber überhaupt etwas davon?
Ach, ich habe ja ganz vergessen; meine Leute haben, wie ich sehe,
geschwatzt.)

„Schönen Dank! ich nehme alles sehr gern, was Sie mir geben wollen.“

„Junge, bringe rasch Bier her, oder ich werde dir sieben Teufel
ausprügeln“, sagte er in lebhaftem Tone.

Es würde unnütz sein, Einzelheiten der Unterhaltung, die zwischen uns
stattfand, mitzutheilen. Alsbald erzählte er mir mit der ihm eigenen
leichten, lebendigen Weise, wer er sei, wozu er hergekommen, was seine
Hoffnungen, Gedanken und Empfindungen über die verschiedensten Dinge
seien. Es war Lieutenant William Henn von der königlichen Marine,
Anführer der Expedition zur Aufsuchung und Unterstützung Livingstone’s,
welche die Königl. Geographische Gesellschaft im Begriffe war
abzusenden. Der erste Führer derselben bei ihrer Organisation war
Lieutenant Llewellyn S. Dawson, der, sobald er von meinen Leuten
erfuhr, dass ich Livingstone aufgefunden, nach Zanzibar übergesetzt
war und nach einer Besprechung mit Dr. John Kirk seine Stelle
niedergelegt hatte. Er hatte jetzt nichts mehr damit zu thun, sondern
der Oberbefehl war dem Lieutenant Henn zugefallen. Auch ein gewisser
Herr Charles New, ein Missionär aus Mombasah, hatte sich der Expedition
angeschlossen; doch auch dieser war zurückgetreten. Jetzt blieb also
niemand übrig, als Lieutenant Henn und Oswald Livingstone, der zweite
Sohn des Doctors.

„Ist Herr Oswald Livingstone hier?“ fragte ich mit höchstem Erstaunen.

„Ja wohl, er wird sogleich erscheinen.“

„Was wird er jetzt thun?“ fragte ich.

„Ich halte es jetzt für mich nicht der Mühe werth, mich auf die
Expedition zu begeben. Sie haben uns den Wind weggefangen. Da Sie ihm
Hülfe gebracht haben, so hat es, nach meiner Ansicht, eigentlich keinen
Zweck, dass ich hingehe. Was meinen Sie?“

„Das hängt davon ab. Sie kennen die Ihnen ertheilten Befehle am besten.
Wenn Sie nur hergekommen sind, um ihn aufzusuchen und ihm Hülfe
zu bringen, so kann ich Ihnen in Wahrheit sagen, dass das bereits
geschehen ist, und dass er nichts als einige Büchsen eingemachtes
Fleisch und noch ein paar Kleinigkeiten braucht, die Sie wol nicht
haben. Ich habe die Liste davon von ihm selbst geschrieben bei mir.
Jedenfalls muss aber sein Sohn hingehen, und für den kann ich mit
Leichtigkeit Leute zusammenbringen.“

„Gut, wenn er schon Hülfe hat, so ist mein Hingehen zwecklos .... Ich
hatte auf gute Jagd gehofft, von der ich ein grosser Freund bin. Wie
gerne möchte ich einen afrikanischen Elefanten erlegen.“

„Nun, Livingstone bedarf Ihrer nicht. Wie er sagt, hat er hinreichend
viel Vorräthe, um bequem seine Reise zu beendigen; und er muss es doch
am besten wissen. Wenn ihm etwas mangelte, so würde er es in seiner
Liste aufgeführt haben. Eine grössere Fülle würde ihm nur eine Last
sein, denn er könnte nicht Lastträger dafür bekommen. Was haben Sie da?“

„Ach“, sagte er leicht lächelnd, „wir haben ein Magazin voll Tuch und
Perlen, wir haben mehr als 190 Lasten an Vorräthen.“

„190 Lasten!“

„Ja wohl.“

„Wohin wollen Sie denn mit allen diesen Lasten? Es gibt ja an der
ganzen Küste nicht genug Leute, um eine solche Masse zu transportiren.
Denn für 190 Lasten brauchen Sie 250 Träger, da Sie wenigstens 50
Ueberzählige mitnehmen müssten!“

Jetzt trat ein hochaufgeschossener, hagerer junger Mann mit hellem
Teint, blondem Haar, dunklen, glänzenden Augen herein, der mir als
Herr Oswald Livingstone vorgestellt wurde. Es bedurfte kaum der
Einführung, denn in seinen Zügen lag viel, was an seinen Vater
erinnerte. Er sah ruhig und entschlossen aus und in der Art, wie er
mich begrüsste, zeigte sich ein schweigsamer Charakter, woraus ich auf
eine empfängliche Natur schloss, die für die Zukunft Gutes versprach.
Es konnte kaum einen grösseren Contrast geben als zwischen diesen
beiden jungen Leuten. Der Eine flüchtig, geschwätzig, inconsequent,
aufbrausend, von unbezwinglicher Lebenslust überschäumend, von der
Beweglichkeit des Quecksilbers, heiter und jovial; der Andere gesetzt
bis zum Ernst, von gleichmässig ruhigem Betragen, mit entschlossenem,
festem Gesicht, aber aufblitzenden Augen, die einen sonst unbeweglichen
Gesichtsausdruck belebten. Von Beiden würde nach meiner Meinung wol
der letztere der geeignete Führer einer Expedition gewesen sein; doch
wäre Henn, wenn er Ausdauer und zwar nicht blos die zur physischen
Constitution gehörige, sondern den sittlichen Muth besass, mit Ausdauer
und Tapferkeit stets wiederkehrendes Unglück, Fieber, Entbehrungen
und Beschwerden zu ertragen, wegen seines Humors und seiner
übersprudelnden Munterkeit ein wünschenswerther Gefährte gewesen.
Livingstone schien seiner Natur nach im Stande zu sein, die ganze Last
der Verantwortlichkeit zu tragen, wogegen Henn bei seiner natürlichen
Lebendigkeit und impulsivem Wesen noch zu jung für eine solche Aufgabe
zu sein schien, obwol er sich im reifen Mannesalter befand.

„Ich habe soeben dem Lieutenant Henn gesagt, dass, gleichviel ob er
geht oder nicht, Sie Ihren Vater aufsuchen müssen, Herr Livingstone.“

„Gewiss, das will ich.“

„Das ist schön. Ich werde Ihnen Leute und die Vorräthe, deren Ihr Vater
bedarf, besorgen. Meine Leute werden Sie ohne Schwierigkeiten nach
Unyanyembé bringen. Diese kennen den Weg gut und das ist ein grosser
Vortheil; sie verstehen es, mit Negerhäuptlingen zu unterhandeln und
Sie werden sich um ihretwillen nicht den Kopf zu zerbrechen sondern
nur zu marschiren brauchen. Vor allen Dingen ist Eile nöthig. Denn Ihr
Vater wartet auf die Sachen.“

„Ich werde sie schon rasch genug marschiren lassen, wenn es nur darauf
ankommt.“

„Sie werden mit wenig Gepäck landeinwärts ziehen und daher leicht lange
Märsche machen können.“

So war es denn abgemacht. Henn kam zu der definitiven Ansicht, dass, da
der Doctor bereits Hülfe erhalten, er selbst nicht nöthig sei. Ehe er
jedoch förmlich seine Stelle niederlegte, wollte er noch mit Dr. Kirk
Rücksprache nehmen und zu dem Zweck am nächsten Tage mit der Expedition
des „Herald“ nach Zanzibar übersetzen.

Um 2 Uhr morgens legte ich mich in bequemem Bett zum Schlafen
nieder. Gewisse Dinge im Schlafzimmer, wie z. B. Ränzel, Tornister,
Mantelsäcke, Sättel, Gewehrfutterale hatten einen Geruch von Neuheit an
sich. Offenbar fehlte es der neuen Expedition noch an Erfahrung; doch
hätte eine Reise ins Innere bald den Vorrath von überflüssigen Dingen,
mit denen sich jeder Neuling zuerst belastet, verringert.

Ach! wie seufzte ich erleichtert auf, als ich mich auf mein Bett warf
und den Gedanken fasste: „Gott sei Dank, mit dem Marschiren hat es ein
Ende.“




SIEBZEHNTES KAPITEL.

ENDE DER EXPEDITION.


Am 7. Mai 1872 um 5 Uhr nachmittags langte die Dhow, welche meine
Expedition nach Zanzibar zurückführte, im Hafen an, und meine Leute,
hoch erfreut, sich einmal wieder so nahe ihrer Heimat zu finden,
feuerten eine Salve nach der andern ab. Die amerikanische Flagge wurde
aufgehisst, und alsbald sahen wir, wie die Hausdächer und Werfte von
Zuschauern, unter denen sich viele Europäer befanden, besetzt waren,
die ihre Gläser auf uns richteten.

Langsam kamen wir ans Ufer; ein Boot wurde ausgesetzt, um uns ans Land
zu bringen; wir stiegen hinein, und alsbald war ich bei meinem Freunde,
dem Consul, der mich in Zanzibar herzlich willkommen hiess. Bald darauf
wurde ich dem Pastor Charles New vorgestellt, der noch vor einigen
Tagen ein wichtiges Mitglied der englischen Expedition gewesen war,
einem kleinen, schmächtigen Herrn, der, obgleich er schwächlich aussah,
doch einen solchen Grad von Energie besass, dass er für diesen Körper
fast zu gross zu sein schien. Auch er beglückwünschte mich herzlich.

Nach einem reichlichen Mahle, dem ich in einer Weise, die meine
neuen Freunde in Erstaunen setzte, Gerechtigkeit widerfahren liess,
machte mir Lieutenant Dawson, ein kräftiger, starker, junger Mann,
von prächtiger Gestalt, stattlichem Aussehen, raschen, intelligenten
Zügen, einen Besuch und sagte:

„Herr Stanley, erlauben Sie, dass ich Ihnen gratulire.“

Dann erzählte er mir, wie er auf meinen Erfolg neidisch sei, wie ich
ihm den Wind weggefangen habe (ein seemännischer Ausdruck, den auch
Lieutenant Henn gebraucht hatte), wieder, als er von meinen Leuten
erfahren, dass Dr. Livingstone aufgefunden sei, sofort von Bagamoyo
nach Zanzibar übergesetzt sei und nach einer kurzen Unterredung mit Dr.
Kirk seine Stelle niedergelegt habe.

„Aber meinen Sie nicht, Herr Dawson, dass Sie auf den blossen
mündlichen Bericht meiner Leute hin etwas zu rasch darin verfahren
sind?“

„Das kann sein“, sagte er; „ich hörte aber, dass Herr Webb einen Brief
von Ihnen erhalten und dass Sie und Livingstone entdeckt hätten,
der Rusizi laufe in den See, sowie dass Sie des Doctors Briefe und
Depeschen bei sich hätten.“

„Ja, aber Sie haben doch alle diese Nachrichten nur von meinen Leuten
erhalten; Sie hatten doch nichts selbst gesehen und haben also Ihre
Stelle früher niedergelegt, als Sie persönliche Beweise für die
Thatsache besassen.“

„Nun, Dr. Livingstone ist doch aufgefunden und hat Hülfe bekommen, wie
Herr Henn mir sagte, nicht wahr?“

„Ja, das ist wahr. Er ist mit allem gut versehen, braucht nur einige
wenige Genussmittel, die ich ihm durch eine Expedition von 50 Freien
zukommen lassen will. Gewiss ist Dr. Livingstone aufgefunden und hat
Hülfe bekommen, und ich habe alle Briefe und Depeschen, die er seinen
Freunden schicken konnte, bei mir.“

„Glauben Sie denn nicht, dass ich vollständig richtig gehandelt habe?“

„Kaum; obgleich es vielleicht am Ende ganz dasselbe geworden wäre. Denn
ein grösserer Vorrath an Tuch und Perlen, als er schon hat, würde ihm
nur eine Last sein. Indessen Sie haben Ihre Befehle von der Königl.
Geographischen Gesellschaft. Da ich diese noch nicht gesehen habe, kann
ich nicht darüber urtheilen, was Sie am besten hätten thun müssen; doch
meine ich, Sie haben unrecht daran gethan, Ihre Führerschaft eher
niederzulegen, als Sie mich gesehen, denn dann hätten Sie wol eine
ausreichende Entschuldigung für die Niederlegung Ihres Amtes gehabt.
Ich wenigstens hätte bei der Expedition so lange ausgehalten, bis ich
mich mit meinen Auftraggebern besprochen, obwol in einem Falle wie
dieser der Befehl wahrscheinlich gelautet haben würde: “Kommen Sie nach
Hause„.“

„Wie die Sache aber liegt, habe ich doch wol recht gethan.“

„Es wäre jetzt ganz bestimmt unnütz, Livingstone aufzusuchen und ihm
Hülfe zu bringen, weil er sie bereits hat; aber Sie hatten vielleicht
andere Befehle?“

„Nur wenn ich ins Innere ging, sollte ich meine Aufmerksamkeit auch
auf die Erforschung des Landes wenden; da Sie mir aber beim Hauptzweck
zuvorgekommen sind, so bin ich gezwungen nach Hause zurückzukehren. Die
Admiralität hat mir nur Urlaub gegeben um Livingstone aufzusuchen und
durchaus nichts über die Erforschung des Landes gesagt.“

„Steht denn in Ihren Befehlen gar nichts darüber, was Sie zu thun
haben, falls Sie mit mir zusammenträfen?“

„Kein Wort, obwol die Thatsache meinen Auftraggebern bekannt war;
denn eins der Mitglieder der Geographischen Gesellschaft hat mir
privatim gesagt, vielleicht könnte ich auch Ihnen Hülfe bringen. Ich
wusste nichts von Ihrer Expedition, ausser was in Ihren Briefen an den
“Herald„ stand; wir hatten aber gehört, dass Sie am Fieber erkrankt
und vielleicht todt seien. Als ich hier ankam, hörte ich viel von
Ihnen reden, und man erzählte, dass Sie Livingstone gerade an dem Tage
aufgefunden hätten, wo wir hier ankamen; darauf legten wir aber nicht
viel Gewicht. Erst nachdem ich Ihre eigenen Leute gesprochen, bin ich
zu dem Schluss gekommen, dass ich überflüssig sei, und habe deshalb
mein Amt niedergelegt.“

„Warum hat man meinen Namen in den Ihnen mitgegebenen Instructionen
nicht erwähnt? Man wusste doch nach dem, was Sie sagen, dass ich mich
im Innern befände, und mochte ich auch ein noch so schwacher Reisender
sein, so war das doch immer eine Möglichkeit, die aufstossen konnte.“

„Um die Wahrheit zu sagen, man wünschte es nicht, dass Sie ihn
auffänden. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie eifersüchtig man
bei uns zu Hause auf Ihre Expedition ist.“

„Ich sollte Livingstone also nicht auffinden! Was geht es jene an, wer
ihn auffindet und ihm Hülfe bringt, wenn es nur wirklich geschieht?“

Das waren meine ersten erschütternden Nachrichten, und von diesem
Augenblick an betrachtete ich mich als einen bei den Engländern
verurtheilten Mann. Dass jemand so unmenschlich sein könnte, mir
Miserfolg zu wünschen, weil ich an der Spitze einer amerikanischen
Expedition stand, war mir nie in den Sinn gekommen. Bis zu diesem
Augenblicke hatte ich nie überhaupt daran gedacht, wie die Menschen
mein Glück oder Misgeschick ansehen würden. Ich hatte zuviel mit meiner
Aufgabe zu thun, um an so etwas Unvernünftiges, Unwahrscheinliches
zu denken, dass es Leute gäbe, welche lieber Dr. Livingstone
unwiederbringlich verloren geben, als wünschen würden, dass ein
amerikanischer Zeitungsschreiber ihn auffinde.

Ich war jedoch nicht lange in Zanzibar, ehe ich die in England
herrschenden Gesinnungen völlig durchschaute. Man zeigte mir
Ausschnitte aus Zeitungen, worin mehrere Mitglieder der Königl.
Geographischen Gesellschaft die amerikanische Expedition lächerlich
gemacht hatten und eins derselben sogar so weit gegangen war zu sagen,
es bedürfe des „eisernen Kopfes eines Engländers“, um ins Innere von
Afrika zu dringen. Dr. Kirk hatte sehr freundlich hingeschrieben und
es ausgesprochen, dass er sich blos auf mich verlasse; dafür war ich
ihm dankbar und bedauerte es, der Ueberbringer eines so zurückhaltend
formell gehaltenen Schreibens von Dr. Livingstone an ihn zu sein.

An jenem Abend schickte ich einen Knaben ins englische Consulat mit
Briefen des grossen Reisenden an Dr. Kirk und Herrn Oswald Livingstone.

Von den amerikanischen und deutschen Einwohnern wurde ich warm
begrüsst; sie hätten wirklich nicht mehr Gefühl an den Tag legen
können, wenn Dr. Livingstone ein ihnen theurer, naher Verwandter
gewesen wäre. Kapitän H. A. Fraser und Dr. James Christie lobten mich
auch sehr. Wie es scheint, hatten diese beiden Herren es versucht,
privatim eine Expedition auszusenden, um ihrem Landsmann Hülfe zu
schicken; aber sie ist aus irgendeinem Grunde nicht zu Stande gekommen.
Sie hatten 500 Dollars zu diesem löblichen Zweck zusammengesteuert.
Der Mann jedoch, dem sie das Commando anvertraut hatten, war von einem
andern für einen andern Zweck mit einem höhern Gehalt angeworben
worden. Statt jedoch sich darüber zu ärgern, dass ich das gethan,
was sie beabsichtigt hatten, gehörten sie zu meinen begeistertsten
Bewunderern.

Am nächsten Tage besuchte mich Dr. Kirk und gratulirte mir herzlich
zu meinem Erfolg. Er machte durchaus keine Anspielung auf den Inhalt
des von Dr. Livingstone erhaltenen Briefes. Auch Bischof Tozer kam und
dankte mir für den Dr. Livingstone geleisteten Dienst.

An diesem Tage entliess ich auch meine Leute, warb jedoch sogleich
wieder zwanzig von ihnen an, die sich zum „grossen Meister“ begeben
sollten. Bombay, der im Innern des Landes jeden Gedanken an
Geldbelohnungen verächtlich von sich gewiesen, in meiner grössten
Noth jedoch versucht hatte, mir in jeder Weise in den Weg zu treten,
erhielt ausser seinem Sold ein Geschenk von 50 Dollars, und ein jeder
der übrigen je nach seinem Verdienst 20–50 Dollars. Denn am heutigen
Tage mussten alle Feindseligkeiten begraben und alles Unrecht verziehen
werden. Diese armen Leute hatten ja nur ihrer Natur gemäss gehandelt,
und von Udschidschi bis an die Küste hatten sie sich vorzüglich
betragen, was ich nicht vergass.

Als ich mich in einem Spiegel erblickte, fand ich mein Aussehen
schrecklich abgezehrt und verändert. Jedermann bestätigte meine
Ansicht, dass ich viel älter geworden und mein Haar ergraut sei.
Kapitän Fraser hatte bei seiner Begrüssung gesagt: „Aber Sie sind älter
als ich, mein Herr!“ und mich überhaupt nicht erkannt, bis ich ihm
meinen Namen gesagt. Selbst dann machte er die spasshafte Bemerkung,
er glaube, dies wäre ein zweiter Tichbornefall. Ich hatte mich selbst
in der kurzen Periode von dreizehn Monaten, nämlich vom 23. März 1871
bis zum 7. Mai 1872, so sehr verändert, dass meine Identität kaum
festzustellen war.

Auch Lieutenant Henn kam am Morgen nach meiner Ankunft zu mir und bat
um Erlaubniss, den Auftrag, den ich vom Dr. Livingstone erhalten, zu
sehen, was sofort geschah. Ich füge hier eine Abschrift des Auftrags
bei:

  „Unyanyembé, 14. März 1872.

  Ich habe durch die Benutzung von Sklaven zu Karavanen, die mir durch
  den englischen Consul zugeschickt worden, so viele Verluste erlitten,
  dass, wenn Herr Stanley noch einem derartigen Trupp begegnet, ich
  ihn ersuche, sie umkehren zu lassen, übrigens aber in der ganzen
  Angelegenheit nach eigenem Gutdünken zu verfahren.

  ~David Livingstone.~“

„Das bezieht sich aber gar nicht auf unsere Expedition,“ sagte
Lieutenant Henn.

„Natürlich nicht,“ erwiderte ich, „es bezieht sich nur auf
Sklavenkaravanen. Mit Ihrer Expedition habe ich überhaupt gar nichts
zu thun. Was mich betrifft, können Sie thun, was Sie wollen. Aber
Sie fragten mich gestern Abend, wie Sie sich erinnern werden, ob Dr.
Livingstone bereits Hülfe habe. Darauf antworte ich Ihnen abermals
“Ja„, und hier sind die Sachen (die von Livingstone selbst aufgestellte
Liste zeigend), welche er zu haben wünscht. Wenn Sie trotzdem glauben,
zu ihm ziehen zu müssen, so rathe ich Ihnen, das zu thun. Jedenfalls,
meine ich, sollten Sie die Waaren nicht eher verkaufen, was Sie, wie
ich höre, vorhaben, bis Sie von der Königl. Geographischen Gesellschaft
Nachrichten haben. Diese hat vielleicht andere Absichten mit Ihnen, da
sie jetzt schon so viele Kosten auf diese Expedition verwendet hat.“

„Ich werde mein Amt niederlegen und die ganze Sache dem jungen
Livingstone überlassen.“

„Thun Sie, was Sie wollen. Sie müssen Ihre eigenen Angelegenheiten am
besten beurtheilen können.“

„Ich weiss, was ich thun werde. Ich werde mit Kapitän Fraser nach
Kilima-Ndscharo gehen und dort eine gute Jagdpartie mitmachen. New
sagt mir, dass es in diesem Theil des Landes eine Menge Wild gibt.“

Lieutenant Henn ging denn auch direct aus dem amerikanischen Consulat,
um seine förmliche Entlassung einzureichen, und von nun ab befand
sich die Expedition in den Händen des Herrn Oswald Livingstone,
der sich dazu entschloss, die Vorräthe zu verkaufen und nur das
zurückzubehalten, was seinem Vater nützlich sein könne. Ehe er sie
jedoch verkaufte, sagte ich zu Dr. Kirk, es wäre doch das Beste,
sie aufzubewahren, weil die Königl. Geographische Gesellschaft sie
vielleicht anderweitig für Forschungsreisen zu verwenden wünsche.

„Nein,“ sagte Dr. Kirk, „diese Waaren gehören Dr. Livingstone und da er
sie nicht braucht, so kann man sie für ihn ohne viel Verlust in Geld
umsetzen.“

Von Pastor Charles New, einem auf der Ostküste von Afrika, einige
Meilen westlich von Mombasah wohnenden Missionär, erfuhr ich eine Menge
auf das Scheitern der englischen Expedition bezügliche Einzelheiten.
Obgleich er mir seine Bemerkungen mündlich mitgetheilt hat, so hat
er sie doch später in Gestalt eines an mich gerichteten Briefes
niedergelegt und ich ziehe hier dasjenige aus demselben aus, was auf
diese Angelegenheit Bezug hat:

  Nach einem langen Aufenthalt in Ost-Afrika war ich im Begriff nach
  England zurückzukehren, als ich in Zanzibar mit der englischen
  Expeditionsgesellschaft zusammentraf. Ganz wider mein Erwarten und
  auf Rath des Senats der Königl. Geographischen Gesellschaft wurde ich
  ersucht, mich der Expedition anzuschließen. Nach vieler Ueberlegung
  und einigem Zaudern that ich dies und nahm die Stelle eines
  Dolmetschers und dritten Befehlshabers an. Mein vom Lieutenant Dawson
  aufgesetzter Vertrag lautete so:

  „Ich willige ein, meine Dienste der Expedition zur Aufsuchung
  und Unterstützung Livingstone’s umsonst zu widmen und mich der
  ursprünglich in England von der Königl. Geographischen Gesellschaft
  organisirten Expedition unter folgender Bedingung anzuschliessen:

  1) Sollte durch irgendeinen Zufall Lieutenant Dawson unfähig werden,
  den Oberbefehl weiter zu führen, so werde ich Lieutenant William Henn
  als den Befehlshaber der Expedition ansehen und mich seinen Befehlen
  fügen.

  2) Sollte Lieutenant William Henn auch ausser Stande sein, den
  Befehl zu übernehmen, so werde ich ihn führen und alles thun, um
  die Zwecke der Expedition, wie sie in den Institutionen der Königl.
  Geographischen Gesellschaft niedergelegt sind, zu fördern.“

  So lautete der von mir unterzeichnete Pact. Nachdem ich mich der
  Expedition angeschlossen, that ich alles, um die Vorbereitungen zur
  Abreise so viel wie möglich zu beschleunigen. Lieutenant Dawson,
  Lieutenant Henn und ich selbst gingen mit den Waaren und Wächtern
  über den Kanal nach Bagamoyo, um dort sofort Wa-Pagazi anzuwerben
  und uns ohne Verzug auf den Weg zu begeben. Bei unserer Ankunft in
  Bagamoyo trafen wir drei Leute, die ein paar Tage vor uns angeblich
  von Ihnen aus dem Innern angekommen waren. Wir fragten dieselben aus
  und erfuhren von ihnen, dass Sie mit Dr. Livingstone in Udschidschi
  zusammengekommen und mit ihm ans Nordende des Sees gegangen seien,
  den Rusizi in den See hätten fliessen sehen, dann nach Udschidschi
  zurückgegangen und von dort östlich bis Unyanyembé zusammengereist
  seien. Dort sei Dr. Livingstone mit der Absicht geblieben, seine
  Forschungen fortzusetzen. Sie aber kehrten in aller Eile an die Küste
  zurück; Sie seien schon in Ugogo und könnten in ein paar Tagen in
  Bagamoyo eintreffen.

  Darauf sprachen Dawson und Henn ihre Absicht aus, die Expedition
  aufzugeben und nach England zurückzukehren auf Grund dessen, dass Sie
  die ihnen in Afrika gestellte Aufgabe bereits gelöst hätten. An dem
  Abend aber fragte mich Lieutenant Dawson, ob ich, falls es nöthig
  erscheine, Dr. Livingstone noch weitere Hülfe zuzuschicken, willens
  wäre, die Expedition zu leiten. Ich drückte meine Bereitschaft aus,
  über diesen Vorschlag nachzudenken. Am nächsten Tage kehrte Dawson
  nach Zanzibar zurück, um sich mit Dr. Kirk zu besprechen. Zwei Tage
  darauf erhielt ich Briefe von Dr. Kirk und von Lieutenant Dawson.
  Beide boten mir die Leitung der Unterstützungsexpedition an, da Herr
  Oswald Livingstone, dem es sehr darum zu thun war, sich zu seinem
  Vater zu begeben, darauf einging, sich meiner Leitung anzuvertrauen.
  Ich schrieb an Dr. Kirk und theilte ihm meine Bereitwilligkeit
  mit, die Hülfsexpedition zu führen. Mittlerweile aber hatte
  Lieutenant Henn seine Ansicht geändert und bestand jetzt darauf,
  den Oberbefehl zu führen. Ich war also genöthigt, mich zu seinen
  Gunsten zurückzuziehen. Man hoffte jedoch, dass ich als Zweiter
  dem Lieutenant Henn folgen würde und wäre das nöthig oder auch nur
  möglich gewesen, so hätte ich dies auch gethan.

  Die Expedition war aber keineswegs das, was sie ursprünglich in
  England gewesen war. Sie war zu einer verhältnissmässig unbedeutenden
  Reise nach Unyanyembé geworden, welche von zwei Leuten, die ein
  wirkliches Interesse daran und genügende Energie und Ausdauer hatten,
  leicht auszuführen war. Das war die Ansicht, die ich von der Sache
  hatte. Deshalb zog ich mich, auf den Grund hin zurück, dass meine
  Dienste nicht mehr gebraucht und meine Anwesenheit eine leichte
  Aufgabe nur erschweren würde. Man hat allgemein angenommen, ich
  habe mich schriftlich dazu verpflichtet, unter allen Umständen dem
  Lieutenant Henn zu folgen. Das ist aber nicht der Fall. Mein erster
  Pact bezog sich auf die Expedition, +wie sie ursprünglich in England
  organisirt worden war+, und stellte fest, dass ich unter Lieutenant
  Henn dienen wolle für den Fall, dass Lieutenant Dawson +durch
  irgendeinen Unfall zum Oberbefehl unfähig geworden sei+. Lieutenant
  Dawson war aber gar nicht durch +einen Unfall+ unfähig geworden,
  sondern er reichte seine Entlassung ein. Und dieser Rücktritt, der
  ursprünglich nicht vorhergesehen war, änderte, wie Dr. Kirk in seinem
  Briefe an mich sagte, vollständig alle frühem Anordnungen und auf
  dieser neuen Grundlage wurde mir die Expedition angeboten. Nachdem
  Lieutenant Dawson sich zurückgezogen, mussten neue Einrichtungen
  getroffen werden und jedes Individuum hatte die Freiheit, mitzugeben
  oder sich zurückzuziehen, wie es wollte.

  Ich hatte aber andere Gründe, um nicht eine zweite Stelle in dieser
  Expedition unter dem Lieutenant Henn anzunehmen. Meiner Ansicht nach
  ist er ungeeignet und unfähig, eine solche Expedition zu leiten.
  Beim Abgange hatte er erklärt, sein Hauptzweck sei die Jagd, er
  wolle versuchen, Büffel und Elefanten zu schiessen. Solch ein Mann
  ist aber nach meiner Ansicht, nicht der richtige, um Dr. Livingstone
  Hülfe zu bringen, und ich meine, man hätte mich nicht auffordern
  sollen, unter ihm zu dienen. Wäre die ursprüngliche Expedition
  unverändert geblieben, so wäre ich unter allen Umständen mitgegangen.
  Noch ein Punkt: Lieutenant Henn hatte gedroht, von der Expedition
  zurückzutreten, ehe wir irgendetwas von Ihrer Rückkunft gehört
  hatten, und dadurch eine Unbeständigkeit an den Tag gelegt, welche
  das übelste in Bezug auf seinen Erfolg als Befehlshaber versprach.
  Als ich hörte, dass Lieutenant Henn mit seinem Rücktritt gedroht
  hatte, machte ich bei Dr. Kirk einen Besuch, um mit diesem Herrn die
  Angelegenheit zu besprechen. Ich zeigte Dr. Kirk, dass dieser Stand
  der Dinge den Erfolg der Expedition sehr beeinträchtige, und schlug
  ihm vor, die Leute von der Expedition zusammenzurufen, um zwischen
  den Lieutenants Dawson und Henn ein besseres Einvernehmen zu Stande
  zu bringen. Dr. Kirk sagte darauf: „Nein, thun Sie das nicht, Henn
  wird Sie zwei oder drei Tage lang ins Innere begleiten und dann ruhig
  zurückkehren.“ --

Hier wollen wir aufhören. Ich habe Herrn New eine Freundlichkeit
erwiesen, da ich eine sehr hohe Meinung von seinen Fähigkeiten für
seinen edeln, grossen Beruf habe, und bin überzeugt, er wird es mir
vergeben, wenn ich in freundlicher Weise seine eigenen kleinen Fehler
kritisire. Der Leser kann aus dem obigen Briefe ersehen, dass die
Herren Dawson, Henn und New nicht auf sehr freundschaftlichem Fusse
miteinander standen. In der That hätte ein Fremder nach dem, was man
sich in Zanzibar erzählte, gemeint, die drei Herren ständen auf sehr
gespanntem Fusse zueinander. Das schien aber nur äusserlich der Fall zu
sein; es lag keine tiefe Feindschaft zu Grunde. Auch war es für einen
wirklichen, ernstlichen Streit doch noch etwas zu früh. So lange sie
alle unter einem festen unumschränkten Führer standen, schlummerten
kleine Antipathien und kamen nicht zur Geltung; sobald sich aber dieser
Führer, Lieutenant Dawson, zurückzog, trat etwas Eifersucht hervor,
die durch die Frage angeregt wurde, welche Dawson an New richtete, ob
er in dem Falle, dass eine Hülfe nöthig, willens sei, den Befehl zu
übernehmen. Herr New wollte sich vorbehalten, darüber nachzudenken;
wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass Herr Henn gleichfalls den
Befehl haben wollte, da es nur ein gedankenloses Wort von ihm gewesen,
als er sagte, er wolle die Expedition aufgeben, denn damals war er
noch nicht zu einem endgültigen Schlusse gekommen. Nach zweitägiger
Ueberlegung erklärte Herr New seine Bereitwilligkeit, den Oberbefehl
anzunehmen, und gerade in diesem Augenblicke drückte auch Herr Henn
seinen Entschluss aus, mit der Hülfsexpedition zu ziehen. Da er nun
der Zweite dem Range nach war, so konnte er über dieses Recht nach
Belieben verfügen, und die verschiedenen Parteien hatten es ihm
bewilligt, da sie contractlich dazu verpflichtet waren. Herr New jedoch
hat nach seiner eigenen Auslassung seine Stelle niedergelegt und als
Entschuldigung dafür angeführt, „die Expedition sei nicht mehr das, was
sie gewesen“; doch ist Herr New darin etwas inconsequent, wenn er sagt,
dass sie sich wesentlich geändert habe. Freilich hatte der frühere
Führer sich zurückgezogen, aber nach seiner eigenen Version hatte er
sich dazu verpflichtet, dem Lieutenant Henn zu gehorchen, wenn der
Lieutenant Dawson durch einen Zufall unfähig gemacht sei. Der Zufall,
nämlich mein Erscheinen, trat ein und Lieutenant Dawson machte sich
durch seinen freiwilligen Rücktritt unfähig, den Oberbefehl zu führen.
Deshalb hatte Lieutenant Henn wirklich das Recht des Oberbefehls und
Herr Charles New musste ihm gehorchen. „Sollte durch irgend einen
Zufall Lieutenant Dawson unfähig werden, den Oberbefehl weiter zu
führen, so werde ich Lieutenant William Henn als den Befehlshaber der
Expedition ansehen und mich seinen Befehlen fügen.“ In diesem Pacte
steht nichts von der ursprünglichen Organisation.

Ferner sagt Herr New, die Sache „sei jetzt zu einer verhältnissmässig
unbedeutenden Reise geworden, welche von zwei Leuten, die ein
wirkliches Interesse daran und genügende Energie und Ausdauer hatten,
leicht auszuführen sei“. Darin stimme ich mit ihm überein und behaupte,
dass nicht nur zwei, sondern auch einer sich hätte hinbegeben und den
Plan viel besser als zwei sich zankende Leute hätte ausführen können.
Aber über die verhältnissmässige Geringfügigkeit weiche ich sehr
von ihm ab. Ich meine, es sei für einen Unerfahrenen viel schwerer,
eine Karavane nach Unyanyembé, als für einen Erfahrenen eine solche
von Unyanyembé weiter zu führen. Bis die Expedition nach Unyanyembé
gekommen, wäre sie in der Schule der Erfahrung erzogen und die spätere
Reise wäre im Verhältniss zu dem ersten Versuch auf einem neuen Gebiet
nichts gewesen, wenigstens habe ich das gefunden. Ich hatte mehr Mühe,
mit meinen Karavanen nach Unyanyembé zu ziehen, als in allen darauf
folgenden Reisen zusammengenommen. Die Erfahrung, die ich auf der
ersten Hälfte meiner Märsche gewonnen, setzte mich in den Stand, die
übrigen Reisen rasch und leicht abzumachen. Wenn Herrn Charles New’s
Erfahrung als afrikanischer Reisender irgendetwas werth war oder für
eine noch unerfahrene Gesellschaft nutzbar gemacht werden sollte, so
galt dies gerade von der Küste bis nach Unyanyembé und nicht auf der
weitern Reise.

Nachdem Lieutenant Henn und Herr Livingstone Unyanyembé erreicht, wären
sie meines Erachtens vollständig im Stande gewesen, die Karavane auch
ohne Herrn New überall hin zu führen; die auf dem Marsche erworbenen
Erfahrungen würden sie befähigt haben, ganz ohne ihn auszukommen. Mir
scheint es doch, dass Herr New, wenn er „nach einigem Zaudern“ darauf
einging, sich der Expedition anzuschliessen, als ein Mann wie Dawson
ihr Führer war, um ihr die Wohlthat seiner Erfahrungen zukommen zu
lassen, und wenn er, nach Dawson’s Rücktritt, Henn für unfähig hielt,
nach der Ansicht aller billig Denkenden um so mehr verpflichtet war,
sowol Henn als Livingstone mit seinen Erfahrungen beizustehen, bis er
ihnen beigebracht hätte, wie sie ohne ihn weiter reisen könnten. Dann
erst hätte sich Herr New, wenn er wollte, ohne irgendeinen Nachtheil
für seinen Ruf zurückziehen können.

Wenn auch Herrn Henn’s Hauptzweck die Büffel- und Elefantenjagd
gewesen, so befreite dieser Umstand doch Herrn New nicht von seiner
Pflicht, ihn zu begleiten, ihm Rath zu ertheilen und ihn für den
Fall, dass alles Wild fehlte, in der Treue gegen den Hauptzweck der
Expedition zu ermuntern, der sie alle ihre Unterstützung zugesagt
hatten. Obwol Lieutenant Henn von Natur einen unsteten, lebhaften
Charakter hatte, so zeigte er sich doch consequenter als Herr New,
selbst wenn sein Zweck nur die Jagd war, indem er zum zweiten mal
nach Bagamoyo ging; denn jener ging, nachdem er aus Bagamoyo nach
Hause zurückgekehrt war, nicht wieder an seinen Dienst, sondern gab
erst seine Stellung auf, bot dann seine Hülfe wieder an, und zog sich
wiederum zurück und zwar nur, weil man ihm den Oberbefehl angeboten
hatte, als Henn noch nicht ganz entschieden war und weil, nachdem
dieser sich zur Expedition entschlossen hatte, ihm der Oberbefehl als
das ihm gebührende Recht übertragen wurde und nicht an Pastor Charles
New.

Es war Herrn New’s Pflicht, unter Henn’s Commando, wie er es
übernommen, mitzugehen; wenn dann Henn die Vorhersage des Dr. Kirk zur
Wahrheit gemacht, hätte er mit Ehren selbst das Commando übernehmen
können, das er nach seiner eigenen Aussage so sehr zu haben wünschte.

Wenn nun auch Herr New keine beneidenswerthe Rolle in diesem Akte
der kleinen, nicht nachahmungswerthen Komödie spielt, so erscheint
er doch im ersten Akte fast wie ein Held, und ich bewundere ihn sehr
als einen wahren, ernsten und tapfern Mann. Nach einem neunjährigen
Aufenthalte in Afrika erhält er am Vorabend seiner Abreise nach
England, wohin er sich begibt, um seine geschwächte Gesundheit zu
stärken, eine Einladung, die englische Expedition als Dolmetscher zu
begleiten. Nach kurzem Zaudern unterstützt er sie aufs kräftigste und
verpflichtet sich, alles zu thun, was in seiner Macht steht, um die
menschenfreundliche Mission, welche diese kleine Anzahl Engländer
vorhat, zu fördern. Bis er von meinen Leuten erfährt, dass Livingstone
aufgefunden sei und Hülfe erhalten habe, gibt er sich seiner Aufgabe
mit der ganzen Energie seiner Natur hin; er segelt von Zanzibar nach
Mombasah, kehrt sofort mit 20 Soldaten als Schutz für die Expedition
zurück und gewinnt durch seine treue Hingabe an seine Aufgabe aller
Herzen. Herr New hat in Zanzibar einen sehr guten Eindruck unter den
dortigen Europäern hinterlassen, und es ist ihre einstimmige Meinung,
dass er, wenn ich nicht so bald an die Küste gekommen wäre, die grosse,
kostspielige Expedition in guter Ordnung durchgeführt hätte. Ich zögere
durchaus nicht, es auszusprechen, dass er wegen seiner energischen
Natur und langen Erfahrung für diese Aufgabe völlig geeignet war.

Der grosse Fehler der Organisation bestand aber in dem Versuch, so
viele nicht zueinander passende Charaktere zu einem harmonischen
Ganzen zu verbinden. Kein einziges Mitglied hatte die geringste
Charakterverwandtschaft zum andern. Der eine war ehrgeizig,
eigensinnig, übereilt und zum Angriff geneigt; der andere lebhaft,
dem Impuls des Augenblicks hingegeben und von Natur inconsequent;
der dritte energisch, reizbar, fromm und zu offenherzig; der vierte
schweigsam, ernst und bestimmt. New und Livingstone wären sehr
gut miteinander ausgekommen. Dawson wäre allein wol besser als in
Verbindung mit einem andern gewesen. Wenn Henn allein den Oberbefehl
gehabt, so würde er seine Pflicht in ehrenhafter Weise durchgeführt
haben, denn Energie und Ehrenhaftigkeit sind die beiden Hauptzüge
seines Charakters. Aber zu einem einheitlichen, harmonischen Organismus
fehlten dreien derselben alle Vorbedingungen, während der vierte
sich keiner Partei angeschlossen, sondern ein neutraler Zeuge der
Streitigkeiten geblieben war. Hätten sie die Expedition unternommen,
so würden sie sich gezankt haben und es wäre schmählicher gewesen,
als wenn sie gar nicht fortgezogen wären. Es war daher für den Ruf
der Engländer ein Glück, dass meine Ankunft ihre Expedition vor dem
völligen Untergange im Innern schützte.

In Zanzibar bieten sich wenige Gelegenheiten zur Abreise. Das englische
Kriegsschiff „Magpie“ war am Morgen nach meiner Ankunft zum Kreuzen
abgefahren, und wir erfuhren nachher, dass es, wie beabsichtigt, den
„Wolverine“ getroffen und durch dieses Kriegsschiff Briefe nach den
Sechellen und England weiter befördert hatte. Wenn es wahr ist, was man
mir gesagt hat, dass ein englisches Kriegsschiff auch nicht eine Stunde
selbst auf Dr. Livingstone gewartet haben würde, so habe ich kein
Recht, mich darüber zu beschweren, dass es nicht wartete, bis ich ihm
auch nur eine kleine Depesche über Herrn Livingstone mitgeben konnte.
Andererseits schien es mir aber sonderbar, dass der Kapitän eines
Kriegsschiffes mit seinem Fahrzeug auf die Jagd nach Bagamoyo fahren
könne, ein anderer dagegen nicht einmal ein paar Augenblicke warten
durfte, um einen Brief, der gute Nachrichten über Livingstone enthielt,
mitzunehmen.

Ein englischer Geistlicher hat mir zwar gesagt, dass ein britischer
Kreuzer sogar wenn Dr. Livingstone selbst in Zanzibar erschienen
wäre, sich nicht eine Stunde lang über seine Zeit aufhalten könne,
um ihn weiter zu befördern. Ich kann aber kaum annehmen, dass die
nothwendige Disciplin eines britischen Kriegsschiffes in einem solchen
Ausnahmsfalle nicht hätte gelockert werden dürfen.

Nachdem ich meine Expedition aufgelöst, machte ich mich daran, Dr.
Livingstone’s Bitte gemäss, eine neue zu formiren. Was der englischen
Expedition fehlte, kaufte ich mit dem von Herrn Oswald Livingstone
mir gegebenem Gelde. Auch die 50 Flinten wurden mir aus den Vorräthen
der englischen Expedition von ihm geliefert, ebenso die Munition,
das Hongatuch für die Wagogo und das für den Unterhalt der Truppen
bestimmte Tuch. Herr Livingstone arbeitete angestrengt im Interesse
seines Vaters und stand mir mit allen seinen Fähigkeiten bei. Er
übergab mir Nautische Almanache für die Jahre 1872, 1873 und 1874 zum
Einpacken; ebenso einen Chronometer, den Dr. Kirk aufbewahrt und der
früher Dr. Livingstone gehört hatte. Alle diese Dinge wurden nebst
einem Tagebuche, Couverts, Notizbüchern, Schreibpapier, Arzneimitteln,
eingemachten Früchten und Fischen, Wein, Thee, Messern, Gabeln und
Tafelgeräth, Zeitungen, Privatbriefen und Depeschen, sowie 1 Centner
feines amerikanisches Mehl und einige Kästchen Zwieback in luftdichte
Zinnkasten verpackt.

Bis zum 19. Mai hiess es, dass Herr Oswald Livingstone die Karavane
seinem Vater zuführen werde; aber ungefähr an dem Tage änderte er
seinen Entschluss und setzte mich durch ein paar Zeilen in Erstaunen,
in denen er mir mittheilte, er sei entschlossen aus Gründen, die er
für ausreichend und richtig halte, nicht nach Unyanyembé zu gehen. Ich
erlaubte mir, ihm die Andeutung zu machen, dass es seine Pflicht sei,
sich hinzubegeben, nachdem er bis nach Zanzibar gekommen. Aber offenbar
handelte er nach bester Erkenntniss, und wenn man in Betracht zieht,
dass Dr. Kirk ihm den Rath gegeben, nicht seine Gesundheit zu gefährden
und seine Studien zu unterbrechen, wo eine absolute Nothwendigkeit
seiner persönlichen Beaufsichtigung der Karavane nicht vorlag, so
glaube ich, dass er ganz recht gethan hat, den Plan aufzugeben. Denn
Dr. Kirk war seines Vaters Freund und früherer Genosse auf dem Zambezi;
und da der junge Livingstone viel Vertrauen in sein Urtheil und zwar
mehr als in sein eigenes setzte, war es natürlich, dass er den Rath des
Freundes seines Vaters befolgte.

Unter diesen Umständen war es meine Pflicht, den Befehlen Dr.
Livingstone’s nachzukommen und ihm einen guten, tüchtigen Führer, einen
Araber, für die Expedition nach Unyanyembé zu besorgen. In dieser
Absicht schrieb ich einen Brief an Dr. Kirk, worin ich ihn darum bat,
seinen Einfluss beim Sultan geltend zu machen. Die Antwort, die ich von
Dr. Kirk erhielt, lautete folgendermassen:

  „Britisches Consulat zu Zanzibar, 20. Mai 1872.

  Werther Herr!

  Dr. Livingstone’s eigener Brief an Seyd Barghasch ist demselben
  vor langer Zeit übergeben und erklärt worden; darauf habe ich ihm
  aber mitgetheilt, dass Sie nicht mehr daran dächten, ihn um den
  betreffenden verantwortlichen Leiter der Expedition zu bitten.
  Unter den veränderten Umständen, wo Herr W. O. Livingstone den
  Gedanken aufgegeben hat, seinem Vater zu folgen, werde ich mich sehr
  freuen, Ihnen beim Sultan behülflich zu sein, und werde, wenn Sie es
  wünschen, sofort zu ihm schicken und ihn darum bitten, den geeigneten
  Mann auszusuchen, den Sie natürlich sich ansehen und nach Ihrem
  besten Dafürhalten entweder verwerfen oder annehmen können.

  Ergebenst

  Ihr

  (gez.) ~John Kirk~.“

Dr. Kirk hatte mit seiner Bitte beim Sultan keinen Erfolg, wie er
mir später mittheilte; ich traf deshalb sofort Schritte, anderweitig
einen Führer zu beschaffen, und es gelang mir in wenigen Stunden einen
von Scheikh Haschid sehr empfohlenen Mann zu finden, den ich gegen
Vorausbezahlung von 100 Dollars miethete. Der junge Araber schien
zwar nicht übermässig intelligent, aber doch ehrlich und tüchtig zu
sein. Ich überliess es aber Dr. Livingstone, ob er ihn nach seiner
Ankunft in Unyanyembé noch weiter benutzen wolle, da dieser dann selbst
entscheiden könne, ob er ganz zuverlässig sei.

Am 25. segelte Lieutenant Dawson, nachdem er sich einen Platz auf der
amerikanischen Barke „Mary A. Way“, Kapitän Russell, nach New York
genommen hatte, ab. Ich gab ihm einen Einführungsbrief an einen Freund
in New York mit. Wir trennten uns in höchst freundschaftlicher und
wohlwollender Weise, da ich ihn für einen ritterlichen Gentleman hielt.

Am Morgen des 26. machte Dr. Kirk seinem Freunde, Herrn Webb, im
amerikanischen Consulat einen Besuch und als er im Hause war, ergriff
ich die Gelegenheit, ihm zu sagen: „Herr Doctor, ich fürchte, ich
werde nicht im Stande sein, die Expedition für Dr. Livingstone so
schnell wie ich hoffte abzusenden. Wenn das Dampfschiff, welches Herr
Henn, Herr Livingstone und ich gemiethet haben, abfahren muss, ehe ich
die Expedition auf den Weg bringen kann, so würde ich Sie bitten, sich
der Mühe zu unterziehen.“

Hierauf erwiderte mir Dr. Kirk: „Wenn Sie das thun, so werde ich es
abschlagen müssen. Ich will mich nicht wieder unnöthigen Beleidigungen
aussetzen.[9] Als Privatmann habe ich nicht die Absicht, noch
irgendetwas für Dr. Livingstone zu thun. Officiell werde ich für ihn
ebenso handeln, wie für jeden andern britischen Unterthan.“

„Sie sprechen von unnöthigen Beleidigungen, Herr Dr. Kirk?“ fragte ich.

„Ja wohl.“

„Darf ich fragen, worin dieselben bestanden haben?“

„Er tadelt mich, dass ihn die Karavanen nicht zur rechten Zeit
erreicht, und wirft mir vor, Sklaven gemiethet zu haben. Was kann ich
aber dafür, dass die Leute ihn nicht erreicht haben?“

„Verzeihen Sie, Herr Doctor, aber wenn Sie an Dr. Livingstone’s
Stelle wären, so würden Sie ebenso gehandelt haben. Sie würden Ihren
besten Freund mindestens im Verdacht der Kälte, um nicht mehr zu
sagen, gehabt haben, wenn Ihnen die Leiter der Karavanen ein mal nach
dem andern erzählt hätten, dass sie vom Consul den Befehl erhalten,
Sie zurückzubringen und Sie unter keinen Umständen irgendwohin zu
begleiten.“

„Er konnte ja aber aus den Contracten ersehen, dass ich dieselben dazu
gemiethet hatte, ihn überallhin zu begleiten. Wenn er lieber Negern und
Mischlingen als meinen Worten und officiellen Mittheilungen glaubt, so
ist er ein Narr; das ist alles, was ich zu sagen habe.“

„Aber, werthester Herr, wie kann Dr. Livingstone anders als einigen
Zweifel gegen den Vertrag zu hegen? Schwören es ihm nicht alle die
Leute zu, dass Sie ihnen befohlen haben, ihn zurückzubringen? Alle
seine Bitten sind umsonst, und das Ganze endet damit, dass er gezwungen
ist, von seinen Entdeckungen zurückzukehren. Musste er nicht glauben,
dass dem irgendetwas Unerklärliches zu Grunde liege? Ueberall im Innern
hat er dieselbe Geschichte immer wieder von neuem gehört, dass Sie ihm
einen Brief geschrieben haben, der ihm befiehlt, zurückzukommen.“

„Dafür kann ich nichts; ich habe ihm einen Brief geschrieben gerade so,
wie er ihn mir geschickt.“

„Dann“, sagte ich, „geht es nicht an, dass ich die Karavanen in
Zanzibar lasse. Ich muss sie selbst noch auf den Weg bringen.“

Am nächsten Tage sammelte ich die Leute; da es aber gefährlich war,
ihnen das freie Herumspazieren in der Stadt zu gestatten, so schloss
ich sie in einen Hof ein, gab ihnen daselbst zu essen und liess sie
warten, bis alle 57 beim Namensaufruf sich als anwesend meldeten.

Mittlerweile verschaffte ich mir mit Hülfe des amerikanischen Consuls
die Dienste des Hauptdragomans des amerikanischen Consulats Dschohari,
der den Auftrag erhielt, die Expedition über die überschwemmte Ebene
des Kingani zu führen, und dem es eingeschärft wurde, in keinem
Falle zurückzukehren, bis die Expedition vom westlichen Ufer des
Kingani-Flusses abmarschirt sei. Herr Oswald Livingstone bezahlte ihm
freigebigerweise ein Douceur dafür, dass er seiner Pflicht vollkommen
nachkomme.

Als eine Dhow vor dem amerikanischen Consulat vor Anker gegangen war,
hielt ich folgende Anrede an meine alten Gefährten: „Ihr steht jetzt
im Begriff, nach Unyanyembé zum “Grossen Meister„ zurückzukehren. Ihr
kennt ihn und wisst, dass er ein guter Mann ist und ein gütiges Herz
hat. Er ist anders als ich und wird Euch nicht so schlagen, wie ich
es gethan. Aber Ihr wisst doch auch, dass ich Euch alle belohnt, Euch
alle mit Tuch und Geld reich gemacht habe. Ebenso wisst Ihr, wie ich
stets Euer Freund gewesen bin, wenn Ihr Euch gut aufführtet. Ich habe
Euch reichliche Nahrung und Kleidung gegeben. Wenn Ihr krank waret,
habe ich mich um Euch bekümmert. Wenn ich nun schon so gut gegen Euch
war, so wird es der Grosse Meister um so viel mehr sein. Er hat eine
liebliche Stimme und spricht freundlich. Wann habt Ihr je seine Hand
gegen einen Frevler aufheben sehen? Wenn Ihr Böses gethan hattet, so
sprach er nicht böse, sondern nur traurig zu Euch. Wollt Ihr mir nun
jetzt versprechen, ihm zu folgen, ihm in allen Dingen zu gehorchen und
ihn nicht zu verlassen?“

„Das wollen wir, das wollen wir, Herr!“ riefen sie alle eifrigst.

„Dann bleibt noch eins übrig. Ich wünsche Euch allen die Hand zu
drücken, ehe Ihr fortgeht und wir uns auf immer trennen.“ Alle stürzten
sogleich auf mich zu und wir schüttelten uns gegenseitig kräftigst die
Hände.

„Jetzt nehme ein jeder seine Last auf!“

Ich führte sie nun auf die Strasse und an den Strand, sah, wie sie alle
eingeschifft und die Segel aufgehisst wurden und wie die Dhow westwärts
nach Bagamoyo abfuhr.

Es war mir sonderbar zu Muthe und ich fühlte mich einigermassen
verlassen. Meine schwarzen Freunde, die so viele Hunderte von Meilen
mit mir gereist, so viele Gefahren mit mir getheilt hatten, waren fort
und ich war allein gelassen. Werde ich wol je eins ihrer freundlichen
Gesichter wiedersehen?

Am 29. fuhr der dem deutschen Consulat gehörige Dampfer „Afrika“, den
die Herren Henn, Livingstone, New, Morgan und ich gemiethet hatten, von
Zanzibar nach den Sechellen ab, geleitet von den besten Wünschen aller
auf der Insel wohnhaften Europäer.

Auf unserer Reise nach Osten sahen wir die „Mary A. Way“, auf welcher
sich Dawson allein befand. Ich wunderte mich, dass dieser eine so
langsame Segelgelegenheit benutzt hatte. Nach meiner Ankunft in England
bekam ich aber einen an den Secretär der Königl. Geographischen
Gesellschaft gerichteten Brief zu Gesicht, worin er sagt:

  „Ich hätte dieselbe Route genommen; aber wenn ich auch Herrn Stanley
  sein wohlverdientes Glück nicht misgönne, so wäre es mir, wenn nicht
  uns beiden, unangenehm gewesen, zusammen zu reisen, und von Zanzibar
  gibt es nur wenige Gelegenheiten nach Europa.“

Ich kann mir die Gesinnungen, von denen dieser Brief eingeflösst
worden, nicht vorstellen; sie sind so anders als ich nach der offenen,
edlen Natur des Schreibers voraussetzen musste. Ich kann es jedoch
begreifen, dass es ihm nicht angenehm sein mochte, mit mir zu reisen,
wenn sich irgend jemand unedle, misgünstige Vergleiche zu Schulden
kommen liess; warum es aber mir unangenehm sein sollte, kann ich gar
nicht einsehen.

Am 9. Juni kamen wir bei den Sechellen an, ungefähr zwölf Stunden
nachdem die französische Post nach Aden abgegangen war. Da eine
Verbindung zwischen Mahé, auf den Sechellen, und Aden nur einmal im
Monat stattfand, so mussten wir auf der Insel Mahé einen ganzen Monat
bleiben. Die Herren Livingstone, New, Morgan und ich mietheten ein
kleines hölzernes Haus, welches wir Livingstone-Cottage nannten; Herr
Henn dagegen zog in ein Hotel.

Der Aufenthalt in Mahé gehört zu den angenehmsten Erinnerungen an
meine Rückreise von Afrika. Ich fand in meinen Gefährten angenehme
Gesellschafter und echte Christen. Herr Livingstone entwickelte eine
Menge liebenswürdiger Charakterzüge und erwies sich als ein fleissiger,
nachdenkender, ernster Mann. Als schliesslich der französische Dampfer
von Mauritius ankam, bedauerte ein jeder von uns, dass wir die schöne
Insel und die gastfreien britischen Beamten, die dort stationirt sind,
verlassen mussten. Der Civil-Commissär, Hales Franklyn, und Dr. Brooks
thaten ihr Bestes, um es dem Wanderer angenehm zu machen, und ich
benutze diese Gelegenheit, die vielen Höflichkeiten, die ich persönlich
von ihnen erfahren, hiermit besonders hervorzuheben.

In Aden gingen die von Süden kommenden Passagiere auf den französischen
Postdampfer „Mei-kong“ über, der von China nach Marseille fuhr. In
diesem Hafen wurde ich von Dr. Hosmer und dem Repräsentanten des „Daily
Telegraph“ mit offenen Armen empfangen. Diese sagten mir, wie man die
Resultate der Expedition ansähe, aber erst bei meiner Ankunft in
England machte ich mir die ganze Lage klar.

Herr Bennett, welcher das ganze Unternehmen ins Leben gerufen und
erhalten hatte, krönte dasselbe jetzt durch eine der freigebigsten
Thaten, die man sich denken kann. Ich hatte Dr. Livingstone
versprochen, dass ich 24 Stunden, nachdem seine Briefe an Bennett in
den Londoner Zeitungen veröffentlicht wären, die für seine Familie und
Freunde in England bestimmten Briefe der Post übergeben werde. Um es
mir zu ermöglichen, mein verpfändetes Wort zu halten, beförderte Herrn
Bennett’s Agent die beiden Briefe durch den Telegraphen, was ihm nahezu
2000 Pfd. Sterling kostete.

                             *           *
                                   *

Nur noch einige Worte, theurer Leser, und dann zum Schluss! Es
wäre vielleicht würdevoller, wenn ich hier innehielte und unter
diesen Bericht über meine Reiseabenteuer und Entdeckungen das Wort
_Finis_ setzte. Es gibt aber einige Dinge, an denen ich nicht
stillschweigend vorübergehen kann, und unter diesen befindet sich die
Behandlung, die ich in England erfahren.

Die englische Presse scheint sich vor meiner Ankunft in England
in einem Netze von Irrthümern befunden zu haben. Kaum ein
afrikanisches Wort war richtig, alle Daten falsch, die Thatsachen
in unbegreiflichster Weise verdreht, und das schien zu Zweifeln und
Argwohn Veranlassung zu geben. Mit Ausnahme eines aus Unyanyembé
geschriebenen Briefes, der Depeschen nach meiner Rückkehr aus
Zanzibar und meiner Briefe aus Marseille, verwerfe ich alles übrige.
Ich kann nur für das einstehen, was ich geschrieben habe. Was im
„New York-Herald“ als meine Briefe und Depeschen veröffentlicht
worden, erkenne ich als correct an mit Ausnahme, wo Druckfehler sich
eingeschlichen haben, was bei den sonderbaren Namen und wol auch bei
meiner Handschrift natürlich ist, die, wenn man am Fieber leidet, nicht
sehr klar oder zierlich ausfallen kann.

Es ist aber eine erstaunliche Thatsache, dass englische Redacteure
darauf eifersüchtig waren, dass ein amerikanischer Correspondent Dr.
Livingstone hatte auffinden sollen. Fast alle englischen Zeitungen
haben ihre Ansichten über diesen Punkt in ganz deutlichen Ausdrücken
ausgesprochen, obgleich die hauptsächlichsten und angesehensten nicht
gezögert haben, mir zu gleicher Zeit viel Lob zu zollen. Ich beziehe
mich hierbei auf die „Times“, die „Daily News“ und die „Morning Post“.

Meine Herren Redacteure, wenn ich Ihnen auch für Ihr einem jungen und
nach seiner eignen Ansicht in keiner Weise ausgezeichneten Journalisten
gezolltes Lob danke, so muss ich doch offen gestehen, dass Sie kein
Recht haben, auf mich oder sonst jemand eifersüchtig zu sein. Ich bin
nur ein Special-Correspondent der Zeitung, der ich zu dienen die Ehre
habe und ganz zur Verfügung stehe. Ich war contractlich verpflichtet,
überallhin zu gehen, wenn es mir befohlen wurde. Ich habe nicht nach
der Auszeichnung gestrebt, Livingstone aufzusuchen; als ich aber den
Ruf erhielt, war ich gezwungen, entweder zu gehorchen oder meine Stelle
niederzulegen. Ich habe es vorgezogen, das erstere zu thun. Wenn Sie
dieses Buch gelesen haben, so werden Sie wissen, was aus der mir
anvertrauten Mission geworden, wie sie angefangen und wie sie beendet
ist.

Auch haben Sie kein Recht, meine Herren, auf meinen Auftraggeber
eifersüchtig zu sein. Ihnen stand ja Afrika ebenso offen wie ihm.
Die Amerikaner empfanden ein ebenso grosses Interesse für Dr.
Livingstone wie die Engländer. Es hatten wol ebenso viele Amerikaner
seine Bücher gelesen, wie Engländer. Von dem Wunsche beseelt, die
Sehnsucht der Amerikaner, etwas über Dr. Livingstone zu erfahren,
zu befriedigen, hatte mein Auftraggeber den Gedanken gefasst, einen
Special-Correspondenten nach Central-Afrika zu senden, um Livingstone
aufzusuchen. Es standen ihm reichliche Mittel zu Gebote, und er hatte
den Willen dazu. Wenn +ein+ Special-Correspondent den Auftrag
zurückgewiesen hätte, so hätte ihn ein anderer angenommen; es standen
ihm genug zu Befehl, und wenn keiner der bei seiner Zeitung ständig
Angestellten sich der Aufgabe unterzogen hätte, so hätte sich aus
einer Menge intelligenter Leute ein Freiwilliger gefunden, und das
Resultat wäre mit Gottes gnädiger Hülfe dasselbe, vielleicht sogar ein
besseres gewesen. Hätte einer von Ihnen daran gedacht, die Aufgabe
auszuführen und das ernstlich gewollt, so hätten sich Tausende von
Engländern sofort freiwillig dazu erboten, und es wäre zu demselben
Resultat, vielleicht zu einem bessern, gekommen. Sie haben sich ja alle
ausgezeichnet: die „Times“ in der Krim, im indischen Aufstande, sowie
überhaupt bei allen politischen Begebenheiten; ihr Name ist auf dem
ganzen Erdball wohlbekannt. Ebenso haben sich der „Daily Telegraph“ und
die „Daily News“ bei unzähligen Gelegenheiten ausgezeichnet. Wenn nun
der „New York-Herald“ den Unternehmungsgeist der Presse ins Herz von
Afrika, in dieses fabelhafte, dunkle Gebiet zu tragen wünschte, wer
will es ihm verwehren? Wenn er die Kosten tragen kann, warum sollten da
andere Zeitungen darüber murren? Es dreht sich hier einfach um Geld,
welches der nervus rerum aller Unternehmungen ist. Man kann mit gehörig
viel Geld leicht ganz Afrika erforschen; und nicht nur erforschen,
sondern erobern und civilisiren; nicht nur civilisiren, sondern mit
Eisenbahnen von einem Ende zum andern durchschneiden. Wozu also die
Eifersucht? Die Welt steht Ihnen ebenso gut offen, wie dem „New
York-Herald“.

Wo liegt denn die Grösse der That? Der Reisende, den ich gesucht
habe, war gar nicht verloren. Er war am Leben. Wäre er todt gewesen
und hätten seine Aufzeichnungen sich zerstreut unter den Stämmen
befunden und ich hätte sie und jedes Stückchen Manuscript über seine
Entdeckungen sowie seine Gebeine zusammengebracht und sie denen
übergeben, welche sie zu schätzen wissen, so wäre das gross gewesen.
Was ich aber so glücklich war auszuführen, war weniger gross, aber wol
etwas verdienstvoll. Ich fand ihn krank und verlassen, und durch meine
Ankunft wurde er heiter; mit meinen Waaren kam ich ihm zu Hülfe.

Ist der Umstand, dass ich ihm Heiterkeit und Unterstützung brachte,
eine Quelle des Misvergnügens für Sie? Nun, meine Herren! würden Sie
ihm nicht dieselben Dienste in eben solcher Weise geleistet haben? Wenn
Sie ein Kind in den Rinnstein fallen sähen, würden Sie nicht Ihre Hand
ausstrecken, um es aufzuheben? Wenn Sie einen ehrlichen, armen Mann
sähen, würden Sie ihn nicht unterstützen? Wenn Sie sich dem Schwachen
gegenüber befänden, würden Sie ihm nicht mit einem Theil Ihrer Kraft
beistehen? Wenn Sie Leiden sähen, würden Sie dieselben nicht zu mildern
suchen?

Nun denn! wie haben Sie mich dafür belohnt, dass ich das gethan, was
Sie in solchem Falle auch gethan hätten? Einige von Ihnen haben erst
die Wahrheit meiner Erzählung angezweifelt; dann die Briefe, die ich
als von ihm kommend vorgewiesen, als Fälschungen verdächtigt; dann mich
beschuldigt, auf Sensationsnachrichten auszugehen; darauf die einzelnen
Thatsachen, die ich veröffentlicht, bekrittelt und mich, als ob ich
ein Verbrechen begangen hätte, begeifert. Sie konnten eine einfache
Erzählung, die ungekünstelte, klare, buchstäbliche Wahrheit tadeln! Wie
schwach! Wie kindisch! Glauben Sie es mir aber, meine Herren Redacteure
und Kritiker, oder glauben Sie es mir nicht: was in meinem Buch erzählt
ist, hat sich nach meinem besten Wissen und Gewissen so zugetragen.

Und was haben Sie für sich zu sagen, meine Herren Geographen? Denken
Sie mich mit Ihrem Unglauben ebenso niederzuschlagen, wie Sie James
Bruce, René Caillie oder Paul du Chaillu niedergeschlagen haben?
Gedenken Sie mich ebenso durch Ihre Unfreundlichkeit zu verwunden, wie
den berühmten Burton und den tapfern Petherick? Sie haben die Welt
glauben lassen, dass Sie sich um Ihren grossen Genossen kümmerten.
Sie wünschten, dass man annähme, dass Sie sich danach sehnten, zu
erfahren, was aus ihm geworden, als nichts über ihn zu hören war. Nun
wird ohne Ihre Hülfe oder Ihren Beirath die Mission angefangen und bis
zu Ende durchgeführt, und Sie erhalten die Nachricht, Livingstone ist
aufgefunden und hat Hülfe erhalten; Ihr grosser Genosse ist am Leben
und steht im Begriff, seine Entdeckungen mit noch grösserer Thatkraft
weiter zu verfolgen. Und was antworten Sie darauf: „Es gibt einen
Punkt, in Bezug auf den etwas Aufklärung wünschenswerth ist; denn es
scheint der Glaube vorzuherrschen, dass Herr Stanley Dr. Livingstone
aufgefunden und ihm Hülfe gebracht hat; wogegen es, ohne der Energie,
Thatkraft und Treue des Herrn Stanley zu nahe zu treten, wahr ist,
dass, wenn hier überhaupt ein Auffinden und eine Hülfe stattgefunden
hat, sie von Dr. Livingstone ausgegangen ist, der Herrn Stanley
entdeckt und unterstützt hat. In Wirklichkeit ging es Dr. Livingstone
sehr gut, während Herr Stanley fast von allem entblösst war. Es ist
nothwendig, dass die gegenseitige Lage der Parteien richtig dargestellt
werde. Wir hoffen, dass die von der Königl. Geographischen Gesellschaft
ausgesandte Expedition sowol Dr. Livingstone als Herrn Stanley
Hülfe bringen und sie in den Stand setzen wird, ihre Forschungen
fortzusetzen.“

Meine Herren, darf ich Sie wol fragen, wenn Sie glaubten, dass es
Dr. Livingstone ganz vorzüglich ginge, warum schickten Sie dann Ihre
Expedition aus, ihm zu helfen?

Was haben Sie dann gethan, als ich in England ankam, nachdem Sie
eine Woche lang die Briefe Ihres Collegen in Händen hatten? Wollen
wir den guten „Punch“ antworten lassen: „Der Präsident der Königl.
Geographischen Gesellschaft, welcher entdeckt hat, dass Livingstone
Stanley aufgefunden und Stanley nicht Livingstone, hat schliesslich
auch die Entdeckung gemacht, dass Stanley sich in England befindet.
Das ist keine üble Entdeckung. Sie scheint jedoch nur nach ernsten
Anstrengungen gelungen zu sein. Herr Stanley erfährt am 6. August,
nachdem er eine Woche in England ist, dass die Königl. Geographische
Gesellschaft ihn entdeckt hat.“ Hören wir den „Daily Telegraph“, er
sagt: „Es gebührt sich, dass die Mitglieder der Königl. Geographischen
Gesellschaft Herrn Stanley eine ernste, ehrliche Ehrenerklärung
abgeben, da er (Herr Stanley) für dieselbe das Leben des grossen
Reisenden gerettet und uns alle diese kostbaren Documente (Briefe)
gebracht hat.“ Dafür habe ich denn auch einen kalten Dankbrief
erhalten, eine Woche nach meiner Ankunft in England.

Wie haben Sie sonst noch Ihre Gefühle an den Tag gelegt, nachdem Sie
die gute Kunde, dass Ihr Freund am Leben sei, erhalten hatten? Ihr
Vicepräsident lud mich im Auftrage Ihres Vorstandes zu einer Sitzung
der geographischen Abtheilung der Britischen Gesellschaft ein. Ich
kam dieser Bitte nach. Nachdem ich aber meinen Vortrag gehalten und
Livingstone gegen ziemlich strenge Kritiken vertheidigt hatte, erhob
sich Ihr Vicepräsident und sagte mit weicher, sanfter Stimme: „Wir
wünschen keine Sensationsgeschichten, sondern nur Thatsachen.“

Was war denn die Sensationsgeschichte, die ich erzählt hatte? Nachdem
ich meine Mittheilungen über die „Entdeckungen am nördlichen Ende
des Tanganika-See“ gemacht, las Herr C. R. Markham einen vom Oberst
Grant (dem Gefährten Speke’s) verfassten Aufsatz vor, welcher besagte,
Livingstone befände sich in einem grossen Irrthume, wenn er glaube,
die Quellen des Nils auf dem elften Grade südl. Br. entdeckt zu haben,
und dass er (Grant), da er keine Spuren von Gorillas, Kannibalen oder
Eingeborenen, die Schweine essen, gefunden habe, auch nur annehmen
könne, Livingstone sei viel weiter nach Westen gekommen, als er meine.
Bald darauf erhob sich Dr. Charles Beke, um seine Ansichten über den
Gegenstand auszusprechen, nämlich über Livingstone’s Entdeckungen.
Beke wusste ganz bestimmt, dass Livingstone die Quellen des Nils nicht
entdeckt habe. Der wichtigste Einwurf gegen die Theorie, dass der
Lualaba der Nil sei, ergebe sich aus Dr. Schweinfurth’s Forschungen.
Dieser berühmte Botaniker habe den Uelle, einen grossen Fluss, der
von Osten nach Westen fliesst, auf 3° 45′ nördl. Br. entdeckt und
dieser scheine in den Blauen Bergen, westlich vom Albert-Nyanza, zu
entspringen und das Becken des Nils vollständig abzuschneiden. Ferner
sagte Sir Henry Rawlinson, nachdem er meiner höflich Erwähnung gethan,
dass er sehr bezweifle, ob Livingstone sich auf dem Nilbecken befinde,
und dass er glaube, der Lualaba endige in einem grossen centralen See,
dessen Entdeckung, wie er aufrichtig hoffe, die Arbeiten Livingstone
krönen werde.

Wollen wir jetzt die Motive untersuchen, welche diesen
entgegenstehenden Ansichten zu Grunde liegen, dann werden wir
wissen, welchen Werth wir denselben beizumessen haben. Oberst Grant
war der Gefährte Speke’s auf seinem berühmten Marsche von Zanzibar
nach Gondokoro und glaubte ganz fest, dass Speke die Nilquellen in
dem Fluss entdeckt habe, der aus dem Victoria-Nyanza heraus und
nordwestlich in einen See fliesst, dessen einen Winkel Sir Samuel
Baker später entdeckt hat. Als Freund und Genosse Speke’s auf dieser
Expedition liebt es der tapfere Herr nicht, davon zu hören, dass
irgendein anderer Ansprüche darauf erhebt, eine andere Nilquelle
entdeckt zu haben. Es ist ein Stückchen ritterlicher Freundschaft
seinerseits, das gebe ich gern zu; aber was weiss denn eigentlich
Oberst Grant persönlich über Speke’s Quellen des Nils? Möge Speke
selbst Zeugniss ablegen: „Ich richtete es so ein, dass Grant mit unsern
Gütern, dem Vieh und den Frauen direct zu Kamrasi’s Wohnsitz gehen und
meine Briefe und eine Karte sofort an Petherick, nach Gani, expediren
solle, während ich den Fluss hinauf bis an seine Quelle oder an seinen
Austritt aus dem See ging und nachdem ich ihn, soweit als es thunlich
war, beschifft, wieder zurückkäme.“

Dies beweist, dass Grant persönlich niemals den Fluss aus dem
Victoria-Nyanza hat herauskommen sehen. Im besten Glauben und in naiver
Unschuld zog er 60 Meilen über Land zu Kamrasi, wohin er sich wie ein
gewöhnlicher Bote begab, um Speke’s Depeschen hinzubringen, und während
seiner Abwesenheit entdeckt Speke die Ripon-Fälle und marschirt dann
Grant nach Unyoro nach. Es ist also die Vertheidigung Speke’s eine
ritterliche That par excellence, aber keine Geographie. Noch nie hat
eine so kostspielige Expedition wie die von Speke und Grant so wenig
Resultate erzielt. Auf dem blossen Umstande fussend, dass er einen
südlichen und nördlichen Punkt eines Sees gesehen, hat Speke einen
grossen Wasserkörper gezeichnet, der ein Areal von mehr als 40000 engl.
Quadratmeilen einnimmt.

Weil Grant weder Gorillas, noch Kannibalen, noch schweineverzehrende
Menschen gesehen hat, bildet er sich ein, dass Livingstone viel mehr
nach Westen gekommen ist, als er annimmt. Dies ist abgeschmackt. Ich
habe selbst die Kannibalen von Ubembe und Usansi gesehen und alle
Araber in Udschidschi auch von den Menschenfressern von Manyuema reden
hören. Baker hat von Menschenfressern, die sich 200 Meilen westlich von
Gondokoro befanden, gehört. Burton und Speke haben die Kannibalen von
Ubembe gesehen. Livingstone ist aber vier Längengrade weiter westlich
als das westliche Ufer des Tanganika gewesen. Was wird also nun aus
Grant’s Einwendungen? In Bezug auf Stämme, die Schweine essen, ist zu
bemerken, dass fast ein jeder Stamm in ganz Afrika das Fleisch des
wilden Ebers verzehrt. Ich habe zwar nie von Stämmen gehört, welche
sich zahme Schweine halten; Livingstone hat sie aber gesehen und es ist
guter Grund zu glauben, dass die Manyuema überhaupt ein viel höherer
Menschenschlag sind als irgendeiner, den man im Osten in der Nähe des
Aequators trifft.

Der Präsident der Königl. Geographischen Gesellschaft, Sir Henry
Rawlinson, ist ein eifriger Vertreter der Theorie, dass alle
Süsswasserseen einen Abfluss haben müssen; dennoch glaubt er
gleichzeitig, dass der grosse Fluss Lualaba in einem Sumpf oder einem
Süsswassersee endigt, der keinen Ausfluss hat. Ist da Sir Henry nicht
etwas inconsequent? Wenn alle Süsswasserseen einen natürlichen Abfluss
haben müssen, warum soll der „grosse Binnensee“, von dem man annimmt,
dass er den Lualaba aufnimmt, keinen haben?

Trotzdem hat mich der Präsident der geographischen Abtheilung der
Britischen Gesellschaft, Herr F. Galton, dafür, dass ich Livingstone
in solcher Weise vertheidigt habe, mit merkwürdiger Leutseligkeit
beschuldigt, ein Fabrikant von Sensationsnachrichten zu sein.

Warum aber das? Dr. Livingstone zog aus, um den Ngami zu entdecken,
hielt tapfer auf der Reise aus und seine Anstrengungen wurden mit der
Entdeckung desselben belohnt. Auch Francis Galton unternahm es, den
See Ngami zu entdecken. Wie ihm das glückte, können wir von seinem
Reisebegleiter Andersson erfahren (Andersson’s Reisen): „Ich muss
gestehen, dass, als ich zuerst meines Freundes (Galton’s) Erzählung
las, ich anfangs etwas sehr erstaunt darüber war, als ich auf seine
angenehme Versicherung stiess, dass er sich nicht viel daraus mache,
den See Ngami zu erreichen. Es ist zwar wahr, dass wir, als wir an der
Walfisch-Bai landeten, nur wenig, Hoffnung hatten, dorthin zu kommen;
aber ich hatte, wenigstens für mein Theil, immer gemeint, dass das
grosse Ziel unserer Reise gerade der Ngami sei.“ Und weiter: „Galton
schien von der Aussicht entzückt zu sein, bald wieder in civilisirte
Länder zurückzukehren. Obgleich er bewiesen hatte, dass er fähig sei,
Strapazen und Beschwerden so gut wie irgendeiner von uns zu ertragen,
so leuchtete doch ein, dass er genug hatte.“ -- „Dass wir (Galton und
Andersson) den See Ngami nicht erreichten, hat mir sehr leid gethan.“
-- „Nicht lange nach seiner Rückkehr hat ihm die Königl. Geographische
Gesellschaft, wie ich mit Freuden hörte, ihre goldene Medaille als
Belohnung für seine der Wissenschaft geleisteten Dienste zuertheilt.“

Ich kann dieses Kapitel nicht schliessen, ohne noch ein Wort zu
Gunsten der jungen Herren zu sagen, die zur englischen Expedition zur
Aufsuchung und Unterstützung Livingstone’s gehört haben. Ich muss
gestehen, dass ich durchaus keine gerechtfertigten Gründe einsehen
kann, warum der Vorstand der Königl. Geographischen Gesellschaft sie
wegen ihrer Rückkehr getadelt hat. Das Geld für ihre Ausrüstung ist
vom britischen Publikum nur für die Unterstützung David Livingstone’s
zu einer Zeit gezeichnet worden, wo man diesem gesagt hatte, dass
meine Expedition misglückt sei. Nach der vom Vorstand in den Zeitungen
veröffentlichten Anzeige wurden freiwillige Befehlshaber gewünscht,
die Dr. Livingstone Hülfe bringen sollten. Die Herren Dawson, Henn
und Livingstone wurden mit der Erfüllung dieser Pflicht betraut. In
einer Versammlung der Gesellschaft kündigte Lieutenant Dawson an,
dass, da die Augen des britischen Publikums auf ihn gerichtet seien,
die Kenntniss dieser Thatsache ihm ein um so grösserer Sporn sein
werde, um das Geheimniss, das über Livingstone’s Schicksal ruhe, zu
lüften und seinen Aufenthaltsort auszukundschaften. Diese jungen Herren
reisten aus England nach Zanzibar, um getreulich die Instructionen
zur Aufsuchung und Unterstützung von Dr. Livingstone auszuführen.
Als ihr Anführer in Bagamoyo, dem Ausgangspunkt seiner Route, ankam,
brachte er in Erfahrung, dass Dr. Livingstone aufgefunden sei und
bereits Hülfe erhalten habe, worauf er nach Zanzibar zurück eilte,
um sich mit dem britischen Consul zu besprechen, wie man es ihm
befohlen hatte. Dieser rieth ihm, unter den gegebenen Verhältnissen
die Reise nicht fortzusetzen; auch hörte er aus derselben Quelle,
die durch eine Nachschrift in einem Blaubuch bestätigt ist, dass Dr.
Livingstone mit den Geographen in England nicht auf freundschaftlichem
Fusse stehe. Hierauf legte der Befehlshaber (Lieutenant Dawson) seine
Stelle nieder, weil man ihn zu dem Glauben gebracht hatte, dass
seine Anwesenheit Dr. Livingstone nicht angenehm sein werde. Darauf
übernahm es Lieutenant Henn, die Expedition zu führen; als er aber an
dem Ausgangspunkt derselben ankam, erschien ich persönlich auf dem
Felde und benachrichtigte ihn als Erwiderung auf die Frage, ob Dr.
Livingstone in Noth sei, dass der Reisende alle nöthigen Vorräthe
besässe, mit Ausnahme von funfzig tüchtigen Freigelassenen und
einigen Genussmitteln, worüber ich ihm ein Verzeichniss zur Prüfung
vorwies. Auch er kehrte nun nach Zanzibar zurück, besprach sich mit
seinem Freunde Dr. Kirk und legte sein Commando zu Gunsten von Oswald
Livingstone nieder. Schliesslich unternahm es dieser, ein Sohn des
Reisenden, eine Expedition zu seinem Vater zu führen. Da er aber gerade
an einer schweren Krankheit zu leiden anfing, die nach der Ansicht des
seinem Vater befreundeten Dr. Kirk ihn ganz unfähig machte, eine solche
Reise zu unternehmen, legte er, wenn auch sehr wider seinen Willen,
förmlich sein Amt nieder.

Wenn wir freimüthig und ehrlich untersuchen, wer dafür verantwortlich
ist, dass die englische Expedition sich zurückgezogen hat und
zurückgekehrt ist, so ist das meiner unmassgeblichen Meinung nach
keineswegs Lieutenant Dawson oder seine Gefährten. Sie hatten den
Auftrag erhalten, Livingstone Hülfe zu bringen, gleichzeitig aber den
Rath des Dr. Kirk einzuholen. Wenn dieser der Expedition den Rath
ertheilte, nicht weiter zu gehen, weil er der Meinung war, dass ihre
Anwesenheit dem Dr. Livingstone nicht angenehm sein würde, so hatten
die jungen Herren nach meiner Meinung vollständig Recht, umzukehren;
denn Dr. Kirk war berechtigt, da er zum obersten Schiedsrichter
ihres Schicksals erwählt worden, ihnen den Rath zur Rückkehr zu
ertheilen, wenn seiner Ansicht nach ihre Anwesenheit in Unyanyembé
Dr. Livingstone nicht ganz angenehm war. Allerdings stimme ich mit
Dr. Kirk in dieser Ansicht nicht überein, dass dies der Fall gewesen
wäre; sondern ich weiss, dass Dr. Livingstone die jungen Leute, die
dazu gekommen wären, ihm einen Dienst zu erweisen, willkommen geheissen
haben würde und dass sie, soweit er dabei in Betracht kam, die Fäden
seiner Arbeit hätten aufnehmen können. Dagegen stimme ich mit Dr. Kirk
darin überein, dass ihre Anwesenheit nicht mehr nöthig, ihre Hülfe
nicht erforderlich war. Auch bin ich nicht der Ansicht des Herrn,
dass Dr. Livingstone einen Streit mit der Königl. Geographischen
Gesellschaft gehabt oder den Mitgliedern derselben in irgendeiner
Weise feindlich gesinnt ist. Während der vier Monate, die ich in
seiner Gesellschaft verlebte, habe ich ihn nie ein Wort gegen die
Königl. Geographische Gesellschaft äussern hören, und fast alle seine
persönlichen Freunde sind Mitglieder gerade dieser Gesellschaft.

Die erste und eigentliche Ursache des Untergangs der Expedition bestand
aber darin, dass der Vorstand es unterlassen hatte, dem Befehlshaber,
Lieutenant Dawson, für den Fall Instructionen mitzugeben, dass er mich
mit Dr. Livingstone’s Briefen und Depeschen treffe und die Versicherung
von mir erhalte, er sei reichlich mit Vorräthen versehen. Hätten sie
officiell die Möglichkeit zugegeben, dass die amerikanische Expedition
in ihrem Liebeswerk von Erfolg gekrönt worden sei und die jungen Leute
auf diesen Fall vorbereitet, so brauchte der Vorstand jetzt nicht
Lieutenant Dawson und seine Gefährten der Untreue und Unfähigkeit
zu beschuldigen und diese selbst brauchten nicht zu bedauern, dass
sie freiwillig ihr Glück und ihr Leben dem Dienst der Gesellschaft
gewidmet haben. Da der Vorstand diesen sehr wichtigen Artikel in seinen
Instructionen ausgelassen, so sind die Mitglieder desselben einzig und
allein für das Scheitern der englischen Expedition verantwortlich.

Und jetzt, theurer Leser, will ich schliessen. Ich habe den Wagogo und
ihrer wilden Unverschämtheit; Mionvu, dem grössten aller Brandschatzer
und Tributsauger; den lärmenden Wavinza; den ungastlichen Warundi;
den arabischen Sklavenhändlern und Mischlingen; allen Fiebern, sowol
remittirenden wie intermittirenden; den Makatasümpfen und Krokodilen;
den Bitterwassern und öden Ebenen; meinen eigenen schwarzen Freunden
und treuen Nachfolgern; dem christlichen Helden und grossen Reisenden
Livingstone Lebewohl gesagt, und so biete ich denn auch Euch,
Kritikern, und allen Freunden wie Feinden, ein Lebewohl!


  [9] Leser, die sich für diesen Gegenstand interessiren, werden
      begierig sein, zu erfahren, worin diese Beleidigung bestanden
      hat. Sie bezieht sich auf Dr. Livingstone’s Brief aus Udschidschi
      an Dr. Kirk vom 30. October 1871. Siehe Anhang.




NACHSCHRIFT.


Ich wünsche noch zu sagen, dass ich, wenn ich im Laufe dieses
Buches manches harte Wort gegen gewisse Geographen und andere Leute
veröffentlicht und dadurch die Gefühle irgend jemandes verletzt habe,
dies sehr bedauere. Meine Entschuldigung besteht darin, dass alles, was
ich geschrieben, das Product meiner dermaligen Empfindungen gewesen
ist. Ich bin ein reisender Journalist und mehr an rasches Schreiben
als an elegante Diction gewöhnt; ich habe es aber vorgezogen, meine
Gedanken und Eindrücke, wie wenig Werth sie auch haben mögen, so stehen
zu lassen, wie sie gewesen, als sie in eine Form umzuarbeiten, die wol
in literarischer Beziehung viel besser, aber nicht die meinige gewesen
wäre.

Im allerletzten Augenblicke, wo die Bogen meines Werkes fast alle
ausgedruckt, wurde ich durch eine Einladung zu einem Festmahl der
Königl. Geographischen Gesellschaft, ich gestehe es, ebenso erfreut wie
überrascht. Seitdem ich in England gelandet, ja schon vorher, hatte
ich die bestimmte Ueberzeugung gewonnen, dass der einfache Dienst,
den die Vorsehung mir gestattet hat, der geographischen Wissenschaft
dadurch zu leisten, dass ich den grossen Forscher aufgefunden, ihm
Hülfe gebracht und die Resultate vieljähriger Arbeit nach England
gebracht habe, ein der Königl. Geographischen Gesellschaft nicht
willkommenes Ereigniss sei. Diese Empfindung mag einigen Bemerkungen
meines Buches den Charakter der Bitterkeit gegeben haben; offenherzig
gestehe ich jetzt ein, dass jene Ueberzeugung unbegründet gewesen ist.
Grosse Körperschaften bewegen sich langsam; ich war ungeduldig und
ohne Zweifel waren die Hoffnungen und Erwartungen meinerseits, dass
meine Erzählung sofort ohne Zögern, Zweifel und Krittelei aufgenommen
werden würde, ungerechtfertigt. Ich hatte geglaubt, dass ich um meiner
Mittheilungen willen sofort von der Königl. Geographischen Gesellschaft
aufgenommen werden würde, hatte aber nicht die Schwierigkeiten
erwogen, die sich nothwendig an die Bewegungen einer so erhabenen
wissenschaftlichen Körperschaft knüpfen. Die Mühlen der Götter sollen
langsam, aber sicher mahlen; ebenso hat die Königl. Geographische
Gesellschaft langsam, aber sicher entdeckt, dass ich kein Charlatan
bin, sondern das wirklich geleistet habe, was ich ausgesagt; dann erst
erkannte sie mich als ihren Genossen mit einer Wärme und Grossmuth
an, die ich nie vergessen werde. Ich erlaube mir, den Mitgliedern der
Königl. Geographischen Gesellschaft zu versichern, dass die Anerkennung
meiner schwachen Dienstleistungen ihrerseits mir nicht weniger
willkommen ist, weil sie etwas spät eingetreten. Besonders danke ich
Sir Henry Rawlinson sowol für die gütigen, grossmüthigen Worte, die
er über mich gesprochen, als auch für die schöne Art, in der er eine
einst rasch über mich hingeworfene Aeusserung zurückgenommen, die er
gethan, als ihm einige Thatsachen noch nicht bekannt waren, die seitdem
ans Licht getreten sind. Ich will nur noch hinzufügen, dass nach der
Ehre, die mir Ihre Majestät die Königin von England erzeigt hat, ich
stets die Medaille der Königl. Geographischen Gesellschaft als höchste
Auszeichnung schätzen werde.




ANHANG.


Mit der Erlaubniss des Herrn Bates, ständigen Secretärs der Royal
Geographical Society, werden die folgenden interessanten Auszüge aus
den Verhandlungen dieser Gesellschaft veröffentlicht:

Der Vorsitzende las vor der Verhandlung folgenden officiellen Brief
vor, den er vom Staatssecretär für die Auswärtigen Angelegenheiten,
Lord Clarendon, als Antwort auf die Petition erhalten, welche die
Regierung um Unterstützung für Dr. Livingstone ersucht hatte. Er
war überzeugt, die ganze Gesellschaft würde Lord Clarendon und der
Regierung Ihrer Majestät für diese Mittheilung einmüthig ihren
tiefgefühlten Dank aussprechen.

  „Auswärtiges Amt, 19. Mai 1870.

  Mein Herr!

  Ich habe keine Zeit verloren, meinen Collegen Ihre Bemerkungen über
  die Lage, in welcher sich Dr. Livingstone infolge von Geldmangel
  befindet, mitzutheilen und die Regierung Ihrer Majestät hat nicht
  unterlassen alles das in Betracht zu nehmen, was Sie zu Gunsten einer
  weitern dem ausgezeichneten Reisenden zu bewilligenden Geldsumme
  vorgebracht haben: dass er sich nämlich drei Jahre lang ohne Hülfe
  und Verbindung mit England allein durchgekämpft; nach den letzten
  Nachrichten einen Punkt erreicht hat, von dem er ohne Vorräthe weder
  vorwärts noch zurück kann, und das ihm bei seiner Abreise bewilligte
  Geld erschöpft ist, also weitere Mittel sehr dringend nöthig sind, um
  ihn neu auszurüsten und ihm seine Bedürfnisse ins Innere des Landes
  zu transportiren.

  Ich habe hiermit das Vergnügen, Sie davon in Kenntniss zu setzen,
  dass Ihrer Majestät Regierung bereit ist, 1000 Pfd. Sterling für die
  Expedition des Dr. Livingstone zu bewilligen und sich der ernstlichen
  Hoffnung hingibt, dass die Summe dazu dienen möge, ihn sicher in sein
  Vaterland zurückzubringen.

  Ich bin, mein Herr,

  Ihr gehorsamer Diener
  ~Clarendon~.

  _Sir +R. I. Murchison+, Bart._“

Am 23. Mai 1870 spricht Sir R. Murchison in folgender Weise über seinen
Freund Dr. Livingstone:

  Im Verlaufe des letzten Jahres sind wir in einem Zustand ängstlicher
  Spannung in Bezug auf die Lage unsers grossen Reisenden Livingstone
  geblieben, und ich bedauere diese Ansprache schliessen zu müssen,
  ohne im Stande zu sein, irgendetwas Ermuthigendes in der Beziehung
  zu sagen, dass wir ihn bald zu Hause begrüssen können. Zu gleicher
  Zeit ist aber keine Ursache vorhanden, an seinem Leben und seiner
  Sicherheit zu verzweifeln. Wir wissen, dass er sich einige Zeit in
  Udschidschi am See Tanganika aufgehalten hat, woher er am 30. Mai
  vorigen Jahres nach Hause geschrieben, von wo er aber aus Mangel an
  Lastträgern und Vorräthen ausser Stande war sich fortzubegeben. Zwar
  wurden ihm diese durch Dr. Kirk aus Zanzibar zugeschickt, aber leider
  hat der Ausbruch der Cholera diese Hülfsexpedition aufgehalten und an
  der Weiterreise verhindert. Nach neueren Mittheilungen jedoch, die
  das Auswärtige Amt erhalten, hat die Seuche so sehr nachgelassen,
  dass wir annehmen können, der Verkehr zwischen der Küste und
  Udschidschi sei jetzt schon wieder eröffnet.

  Die Aufgabe, die Livingstone noch bevorsteht, ist häufig erörtert
  worden, und hoffentlich wird er am Leben bleiben, um bis an das
  nördliche Ende des Tanganika zu gelangen und dort festzustellen,
  ob sein Wasser in den Albert-Nyanza Baker’s fliesst. Wenn diese
  Verbindung erwiesen würde, so können wir dem Gedanken Raum geben,
  dass Livingstone, der jetzt weiss, dass das grosse Unternehmen Sir
  Samuel Baker’s gegenwärtig ausgeführt wird, es versuchen werde, mit
  seinem grossen Collegen zusammenzukommen. Da die grosse Expedition
  Baker’s anfänglich aufgehalten worden, so hat er bekanntlich Chartum
  erst im Februar verlassen, um den Weissen Nil hinaufzugehen. Nachdem
  er Gondokoro, wie man annimmt, in den ersten Tagen des März erreicht
  hat, wird einige Zeit nothwendig damit vergehen, eine Faktorei an
  den oberen Stromschnellen und jenseits des Nebenflusses Asua zu
  gründen, wo die Dampfboote zusammengesetzt werden sollen, ehe sie
  auf das Wasser des Nils gebracht werden, auf dem sie in den grossen
  Albert-Nyanza-See zu fahren gedenken. Sobald sich jedoch ein Dampfer
  auf dem See befindet, können wir uns versichert halten, dass Baker
  mit seiner bekannten Energie und Raschheit nicht einen Augenblick
  verlieren wird, um es zu versuchen, das südliche Ende desselben zu
  erreichen in der Hoffnung, dort Livingstone hülfreiche Hand bieten zu
  können. Wollen wir uns daher dieser freudigen Hoffnung hingeben, die
  in der That die glücklichste Erfüllung unserer Herzenswünsche sein
  würde.

  Das britische Publikum wird sich über diesen Gegenstand am besten
  informiren, wenn es ein neuerlich erschienenes kleines Werk des Herrn
  Keith Johnston jun. studirt. In dieser Schrift hat der Verfasser eine
  kurze Geschichte aller Forschungen in Südafrika gegeben und auch nach
  den besten Autoritäten (Petermann u. A.) eine Karte gezeichnet, die
  deutlich nachweist, in welcher Ausdehnung die Flüsse, welche von den
  südlich und südsüdwestlich vom See Tanganika gelegenen Hochlanden
  herfliessen, zum grössten Theil von diesem See unabhängig und wol
  Zuflüsse des Congo sind. Auf der andern Seite sind die Flüsse,
  welche in den See Tanganika durch den Livingstone’schen See Liemba
  eintreten, wahrscheinlich die letzten Quellen des Nils selbst,
  wogegen der Kasai und andere Ströme, welche die Seen Bangweolo und
  Moero bilden, wol in den Congo fliessen.

  Wenn sich diese letzte Hypothese als wahr erweisen sollte, werden
  sich die Gewässer, die Livingstone zuerst entdeckt hat, sowol als
  die Quellen des Nils als des Congo herausstellen. Was aber den Nil
  betrifft, so muss mein scharfsinniger Freund fühlen, dass das Problem
  in Bezug auf denselben ungelöst bleibt, bis er beweist, dass einige
  der Gewässer des Tanganika in den Albert-Nyanza fliessen.

  Mittlerweile ist die Hypothese von Herrn Findlay u. A. (dass der
  See Tanganika mit dem Albert-Nyanza in Verbindung steht) nach den
  jetzigen Abschätzungen der relativen Höhenlage dieser südlichen
  Gewässer die wahrscheinlichste. Gebe Gott, dass der berühmte
  Livingstone die Wahrheit derselben erweise und dass wir ihn bald als
  den Entdecker der letzten Quellen des Nils sowol als des Congo zu
  Hause begrüssen mögen.

  Ueber diesen wichtigen und höchst interessanten Gegenstand ist es
  angenehm die Mittheilung zu machen, dass unser ausgezeichnetes
  Ehrenmitglied Dr. Petermann auf einer Generalkarte von Südafrika in
  der letzten Nummer seiner „Mittheilungen“ eine chronologische Skizze
  aller der wunderbaren, schwierigen Reisen Livingstone’s vom Jahre
  1841–1869 entworfen hat. In Bezug auf die Nebenflüsse des Congo
  unterscheidet sich die Karte Petermann’s von der Johnston’s in der
  Annahme, dass die Gewässer der Seen Bangweolo, Moero und Ulenge nach
  Norden und Osten zeigen. Wenn dies der Fall sein sollte, so werden
  sie auch in den grossen Albert-Nyanza Baker’s münden.

  Indem ich die Betrachtung dieses überaus interessanten Gegenstandes
  schliesse, freue ich mich im Stande zu sein mitzutheilen, dass Ihrer
  Majestät Regierung infolge der Darstellungen, die ich Lord Clarendon
  über die isolirte Stellung Livingstone’s in Udschidschi gemacht habe,
  wo er sich trotz der Nähe seines letzten Zieles, des nördlichen Endes
  des Sees Tanganika, ohne Lastträger und Vorräthe befand, freundlichst
  die Mittel bewilligt hat, wodurch der grosse Reisende wirksame
  Unterstützung erhält, ehe er in sein ihn bewunderndes Vaterland
  zurückkehrt.

In der Ansprache des Vorsitzenden der Königl. Geographischen
Gesellschaft wird gesagt, dass den Herren Dr. Beke, Arrowsmith und
Findlay grosser Ruhm dafür gebühre, dass sie auf theoretische Gründe
hin die grosse nach Süden reichende Ausdehnung des Nilbeckens
unterstützt hätten, falls nämlich das grosse Problem der südlichen
Wasserscheide des Nils gelöst würde.

Wenn ihnen der Ruhm für diese Theorie gebührt, welchen soll jetzt
Sir H. Rawlinson, nachdem Sir R. Murchison, der treue Freund
Livingstone’s, todt ist und Dr. Beke seine Unterstützung der obigen
Theorie zurückgezogen hat, diesem für die theoretische Unterstützung
zuschreiben, die der Herr der Ansicht leiht, dass die Wasserscheide
nicht die des Nils, sondern die des Congo ist?

Aus der 14. Sitzung der Königl. Geographischen Gesellschaft vom 13.
Juni 1870 ersieht man, dass der Vorsitzende derselben es ausspricht,
dass man keine Expedition beabsichtigt hat, um Livingstone aufzusuchen.
Ich erhielt meine Befehle im October 1869. Die Königl. Geographische
Gesellschaft sollte es mir also nicht zum Vorwurf machen, dass ich das
gethan, was sie zu thun beabsichtigt habe, und nicht darüber ärgerlich
sein, dass ich ihn aufgefunden, da das mit ihren Pflichten durchaus
nicht collidirt hat.

  Ehe der Vorsitzende auf die zu haltenden Vorträge einging, sprach
  er sich aus über die Art der Unterstützung, welche zum Ruhme des
  Earl Clarendon und der englischen Regierung dem Dr. Livingstone
  zugeschickt worden. Es hätten in Bezug auf die Angelegenheit
  viele Misverständnisse geherrscht, wenn man nach den zahlreichen
  Petitionen schliessen dürfe, die er von verschiedenen thatkräftigen
  jungen Leuten erhalten, die es gewünscht hätten, Dr. Livingstone
  aufzusuchen. Man habe nämlich angenommen, dass eine Expedition
  im Begriff sei, zu diesem Zweck aus unserm Vaterlande abzugehen.
  Eine solche Expedition wäre jedoch nicht beabsichtigt worden. Dr.
  Livingstone sei mehr als 3½ Jahre ohne einen einzigen europäischen
  Begleiter im Herzen von Afrika gewesen. Er (der Präsident) wisse
  nicht bestimmt, ob nicht ein nicht acclimatisirter junger Mann aus
  England Livingstone ungelegen kommen würde, weil er ausser andern
  Mühen auch noch die haben würde, für ihn zu sorgen. Deshalb kündige
  er hiermit an, dass die 1000 Pfd. Sterl., welche die Regierung
  hergegeben hätte, durch den Consul in Zanzibar, Herrn Churchill,
  der zufälligerweise hier im Lande sei und bald nach Zanzibar gehe,
  abgeschickt werden würden. Dieser wird Dr. Kirk instruiren, eine
  ähnliche Expedition wie die vorjährige, die durch die Cholera
  verhindert wurde, auszurüsten. Die Epidemie hat sehr nachgelassen und
  jetzt besteht die einzige Schwierigkeit darin, nach Udschidschi zu
  kommen, wo Dr. Livingstone sich nach den letzten Berichten befindet
  und aus Mangel an Lastträgern und Vorräthen nicht im Stande ist sich
  an einen andern Ort zu begeben. Damit diese Vorräthe von Zanzibar
  nach Udschidschi kommen, bedarf es zweier Monate; daher soll man
  sich in den nächsten Monaten keinen Sorgen hingeben. In etwa 7 bis 8
  Monaten können gute Nachrichten da sein und bald darauf würden wir
  hoffentlich wol unsern Freund in seinem Vaterlande wiedersehen.


_Brief von Herrn +Churchill+, Consul in Zanzibar, in Bezug auf Dr.
Livingstone._

  „Zanzibar, 18. November 1870.

  Mylord!

  Nach einem sehr grossen Zeitverlust, der denjenigen, die mit diesem
  Lande unbekannt sind, unnöthig erscheinen wird, ist es mir gelungen,
  Dr. Livingstone eine Verstärkung von 7 Mann zuzuschicken, welche
  sich verpflichtet haben, sich als Lastträger, Bootsleute u. s. w.
  zur Disposition des Doctors zu stellen und eine Menge Perlen, Tuch
  und Provision zu seinem Gebrauch mitgenommen haben. Er wird durch
  dieselbe Gelegenheit die Briefe und Schriftstücke, die mir Lord
  Clarendon und die Geographische Gesellschaft anvertraut haben, nebst
  einigen Kleidungsstücken erhalten, die seine Verwandten mir übersandt
  haben. Ich hoffe, dass sie Udschidschi im Monat Februar erreichen
  werden, jetzt aber lässt sich noch nichts Sicheres darüber sagen.
  In einer künftigen Depesche werde ich einen Bericht über die durch
  diese Expedition veranlassten Ausgaben abstatten. Etwa vor einem
  Monat erhielten wir Nachrichten davon, dass Leute und Vorräthe, die
  im October 1869 von Dr. Kirk abgesandt worden, am letzten Juni in
  Unyanyembé angekommen seien. Sieben der Leute waren an der Cholera
  gestorben und der Rest hatte, nachdem sie die ihnen mitgegebenen
  Provisionen verzehrt, auf Anrathen des Gouverneurs von Unyanyembé
  die Vorräthe, die sie Livingstone bringen sollten, zu ihrem
  eigenen Unterhalt angegriffen. Dies erscheint auf den ersten Blick
  unglaublich; wenn man aber weiter darüber nachdenkt, so kann man es
  dadurch erklären, dass die Karavane, wenn sie nicht irgendwelche
  Lebensmittel gehabt, an der Weiterreise verhindert worden wäre und
  dass der Gouverneur von Unyanyembé ihr, ohne Autorität des Sultans,
  die nöthigen Subsistenzmittel verweigerte.

  Die letzten Berichte aus dem Innern theilen mit, dass Dr.
  Livingstone, nachdem er einen Ort Manime (Manyuema) besucht habe,
  nach Udschidschi zurückgekehrt sei.“

  Im weitern Verlaufe sagte der Präsident, dass der Brief von Dr. Kirk,
  welcher in Sir Roderick Murchison’s Brief an die „Times“ erwähnt
  werde, drei Wochen später als der von Herrn Churchill geschrieben
  sei, und da dieser nicht die Behauptung enthielte, dass Dr.
  Livingstone wirklich in Udschidschi angekommen sei, obwol er seine
  Nachrichten aus derselben Quelle wie Herr Churchill habe, so scheine
  es, dass der Letztere dieses Ereigniss gleichsam vorausgenommen habe.
  Dr. Kirk sage nämlich nur, dass ein arabisch geschriebener Brief vom
  Juli 1870 vom Gouverneur von Unyanyembé eingetroffen sei, welcher
  aussage, dass Livingstone in Udschidschi zu gleicher Zeit mit den
  Leuten und Vorräthen erwartet werde, die auf dem Wege dahin seien.
  Auch sagte er, dass der Reisende in einem fernen Manime genannten
  Lande gewesen sei. Um die Wichtigkeit dieser Mittheilung zu begreifen
  sei es nöthig, auf den letzten Brief Rücksicht zu nehmen, den
  Livingstone selbst nach Hause geschrieben habe. Es sei ein vom 30.
  Mai 1869 datirter, aus Udschidschi an Dr. Kirk gerichteter Brief.
  In demselben sage Livingstone: „Was die mir bevorstehende Aufgabe
  betrifft, so besteht sie darin, die Quellen, die ich entdeckt und die
  5–700 Meilen südlich von Speke’s und Baker’s Nil liegen, mit diesem
  zu verbinden. Die Wassermasse, welche von 12° südl. Br. nach Norden
  fliesst, ist so gross, dass ich vermuthlich sowol an den Quellen
  des Nils als des Congo herumarbeite. Ich muss also das östliche
  Wassersystem bis an den Punkt verfolgen, wo Baker umgekehrt ist.
  Tanganyika, Nyige Chowambe (Baker’s?) sind ein Wasser und das Ende
  desselben liegt 300 Meilen südlich von hier. Den Ausfluss desselben,
  ob er nun Congo oder Nil sei, muss ich feststellen. Die westlich
  von hier wohnenden Menschen, welche Manyema heissen, sind, wenn die
  Araber die Wahrheit reden, Kannibalen. Dort werde ich wol zuerst
  hinzugehen und dann, wenn ich ungefressen zurückkomme und meine neuen
  Leute aus Zanzibar vorfinde, den Tanganika hinunterzugehen haben.“

Das folgende ist ein wichtiger Brief Dr. Kirk’s, den er etwa einen Tag
nach seiner Rückkehr von der in Kikoka, dem ersten Lager jenseits des
Kingani, abgehaltenen Jagdpartie geschrieben hat.

  „Zanzibar, 18. Februar 1871.

  Mylord!

  Ich habe die Ehre Ihnen zu berichten, dass ich, nachdem ich durch
  einen Eingeborenen erfahren, dass sich die von Herrn Churchill
  mit Vorräthen für Dr. Livingstone, laut seiner Depesche vom 18.
  November 1870, abgesandten Leute noch in Bagamoyo, einer uns
  gegenüberliegenden Seestadt des Festlandes, befänden und noch gar
  keine Schritte dazu gethan hätten, sich Lastträger zu verschaffen
  oder ihre Reise anzutreten, beschloss, womöglich selbst hinzugeben
  und bei ihrer Abreise zugegen zu sein. Kapitän Tucker, der
  Befehlshaber von Ihrer Majestät Schiff “Columbine„, hat mir auf meine
  Bitte freundlichst einen Platz in seinem Schiffe zu diesem Zweck zur
  Disposition gestellt.

  Als ich Bagamoyo erreichte, entdeckte ich, dass die betreffenden
  Leute noch im Dorfe seien, wogegen arabische Karavanen sich auf
  dieselbe Reise begeben hatten. Freilich sind Lastträger in diesem
  Jahre schwer zu haben, da nur wenige Leute aus Unyamwezi infolge der
  daselbst wüthenden Cholera hierher gekommen sind.

  Es ist mir jedoch, indem ich meinen Einfluss bei den Arabern
  benutzte, gelungen, alle Vorräthe, mit Ausnahme von vier Lasten,
  abzusenden und ich bin ihnen selbst eine Tagereise bis ins Binnenland
  gefolgt. Die noch übrig bleibenden vier Lasten sollten, wie ich
  bei meiner Rückkehr anordnete, durch eine arabische Karavane nach
  Unyanyembé gebracht werden und von dort durch Said bin Salim, den
  dortigen Gouverneur, nach Udschidschi geschickt werden.

  Wenn sie einmal auf der Reise sind, so gibt es wenig Motive für die
  Leute sich aufzuhalten; wogegen sie in Bagamoyo in guten Hütten unter
  ihren eigenen Leuten gern verweilen, da sie dort, ohne dass man es
  erfährt, ihr Leben geniessen und trotzdem ihren Monatslohn erwerben
  zu können meinen. Wäre ich nicht persönlich hingegangen, so hätten
  sie sich wol noch mehrere Monate daselbst aufgehalten.

  Als ich auf dem kurzen Ausfluge, den ich von Bagamoyo machte, auf
  der Handelsstrasse reiste, begegneten mir mehrere Karavanen auf dem
  Wege von Unyamwezi, Urori u. s. w., und aus meinen an die Eingeborenen
  und ihre Führer gestellten Fragen stellte sich heraus, dass man in
  Unyanyembé keine Nachrichten aus Udschidschi erhalten und dort nichts
  über Dr. Livingstone bekannt sei. Alle konnten berichten, dass er auf
  eine Reise gegangen sei, von der er nach den letzten Nachrichten noch
  nicht zurückgekehrt war.

  Das Land, durch das ich zog, nachdem ich über den Kingani gesetzt,
  war ein schönes Wald- und Parkland voll der verschiedensten Arten
  grossen Wildes, wie z. B. Giraffen, Elenn, Zebras, Hartebeests,
  Wildbeests u. s. w., von denen ich einige in einer Entfernung von noch
  nicht 12 Meilen von der Küstenstadt Bagamoyo erlegte. Der Kingani ist
  voll von Flusspferden und an seinen Ufern finden sich wilde Büffel.

  Leider wird diese reiche und verhältnissmässig gesunde Gegend, wo die
  Giraffe vorkommt, stets von der Tsetsefliege heimgesucht, die dem
  Vieh und den Pferden gefährlich ist.

  Auf meiner Heimreise nach Bagamoyo habe ich einen Tag dem Studium der
  französischen Anstalten und ihrer Behandlung Freigelassener gewidmet.
  Hierüber werde ich mir die Ehre geben, Eurer Lordschaft einen
  besondern Bericht abzustatten.

  Seitdem ich vor vier Jahren die Stadt Bagamoyo gesehen, hat sie sich
  um das Dreifache vergrössert. Die Hütten der Eingeborenen werden
  rasch durch Steinhäuser verdrängt und hier, wie sonst an der Küste,
  geht der Handel rasch in die Hände der Kutchees über.

  ~John Kirk.~“




~Dr.~ KIRK UND ~Dr.~ LIVINGSTONE.

_An den Redacteur des „Daily Telegraph“._


  „68, Portsdown Road, Maida Vale, 25. Juli 1872.

  Mein Herr! Mit grossem Interesse habe ich den Bericht Ihres
  Correspondenten über die Unterredung gelesen, die er gestern in
  Marseille mit Herrn Stanley, dem Auffinder des Herrn Dr. Livingstone,
  gehabt, und fühle mich berufen meinem Freunde, Dr. Kirk, beizustehen.
  Ich muss damit anfangen zu sagen, dass ich, falls in Zanzibar
  irgendeine Nachlässigkeit in Bezug auf die Mittheilungen an Dr.
  Livingstone stattgefunden hat, als der politische Agent und Ihrer
  Majestät Consul während der letzten fünf Jahre, einen Theil des Dr.
  Kirk zukommenden Tadels auf mich nehmen muss, da ich während der
  Zeit, wo ich auf meinem Posten war, d. h. länger als zwei Jahre, für
  alle an den Tag gelegte Lässigkeit verantwortlich bin.

  Während meines ersten Aufenthalts in Zanzibar (vom Juni 1867 bis
  April 1869) glaubte man, wie Sie sich erinnern werden, dass Dr.
  Livingstone ermordet worden sei; es wurden daher, wenn überhaupt
  welche, doch nur sehr wenige Briefe für ihn nach Zanzibar geschickt.
  Wenigstens kann ich dafür garantiren, dass durch meine Hände während
  der ganzen Zeit kein einziger Brief an ihn gegangen ist.

  In Uebereinstimmung mit Dr. Livingstone’s Bitte sandte ich in
  der Mitte des Jahres 1868 eine gewisse Anzahl von Vorräthen und
  Arzneien nach Udschidschi; weiss aber nicht, dass ihm irgendwelche
  Privatbriefe mit Ausnahme derer, die Dr. Kirk und ich ihm
  geschrieben, aus dem oben erwähnten Grunde geschickt worden sind.
  Bei einer frühern Gelegenheit hatte Dr. Seward über Kilwa Chinin und
  Vorräthe, die den Doctor in Udschidschi erwarten sollten, abgesandt.
  Bei diesen beiden Expeditionen wurde Dr. Kirk’s sehr werthvolle
  Unterstützung uns leicht zutheil, und ich muss hier für das grosse
  Interesse Zeugniss ablegen, das Dr. Kirk immer an allem genommen
  hat, was seinen Freund Dr. Livingstone betraf. Ich habe bei keiner
  Gelegenheit auch nur das geringste Zeichen von Eifersüchteleien
  seitens des Dr. Kirk wahrgenommen.

  Nach meiner Abreise von Zanzibar im April 1869 hat Dr. Kirk noch
  eine aus vierzehn Leuten und einer grossen Karavane von Vorräthen
  bestehende Expedition organisirt und dem grossen Reisenden nach
  Udschidschi zugeschickt. Die Cholera kam dazwischen und hat dieselbe
  aufgehalten, sodass von den vierzehn Leuten nur sieben Unyanyembé
  erreicht haben. Hier scheinen die Uebriggebliebenen sich der Vorräthe
  bemächtigt zu haben. Hierfür kann aber doch Dr. Kirk nicht getadelt
  werden. Auch ist es noch immer besser, dass sie dies gethan, als
  dass sie die Erklärung abgegeben hätten, sie könnten aus Mangel an
  Subsistenzmitteln ihre Reise gar nicht weiter fortsetzen.

  Bei meiner Rückkehr nach Zanzibar im August 1870 bereitete ich aus
  den reichen von Ihrer Majestät Regierung mir mitgegebenen Mitteln
  eine dritte Expedition vor und wählte andere Leute, welche das
  Land in der Umgegend von Udschidschi kannten, um die angeblich
  Verstorbenen zu ersetzen. Sie erhielten die Instruction, nach
  Udschidschi zu gehen und dort auf Dr. Livingstone zu warten. Der
  Weg war aber unsicher und keine Karavane wagte es, noch eine ganze
  Zeit lang nachdem die Expedition organisirt war, ins Innere des
  Landes vorzudringen; daher wurde sie in Bagamoyo aufgehalten;
  inzwischen reiste auch ich im December ab wegen Krankheit. Dies ist
  die Karavane, von der Herr Stanley sagt, dass sie Bagamoyo zwei
  Tage vor Dr. Kirk’s Besuch an der Küste mit dem Schiff “Columbine„
  verlassen habe. Mit derselben wurden die Briefe und Packete, die ich
  für Dr. Livingstone nach Zanzibar gebracht, befördert. Kirk soll bei
  seinem Besuch in Bagamoyo vorzüglich die Jagd im Auge gehabt und
  die Karavane vollständig vernachlässigt haben; doch beweist Herrn
  Stanley’s eigene Behauptung, dass die Karavane schon aufgebrochen
  war, als Kirk nach Bagamoyo kam, und ein Dorf von 500 Einwohnern
  ist doch nicht so gross, dass er die Sachlage nicht in zehn Minuten
  hätte erfahren können. Wenn er also wirklich mit den Officieren der
  “Columbine„ auf die Jagd ging, so that er es im Bewusstsein, dass der
  Zweck seiner Reise nach Bagamoyo bereits erfüllt sei. Auch zeigt ja
  Herrn Stanley’s Behauptung, dass das blosse Gerücht von Dr. Kirk’s
  bevorstehender Ankunft die gute Wirkung hatte, die Karavane in
  Bewegung zu setzen.

  Denjenigen, welche mit Zanzibar unbekannt sind, wird die Behauptung
  Stanley’s, dass ihn elf Packete ihm von Hause im Laufe von neun
  Monaten zugesandter Briefe in Udschidschi erreicht hätten, wogegen
  Livingstone in drei Jahren nicht einen einzigen Brief erhalten
  habe, sehr sonderbar erscheinen. Dazu kann ich aber die Erklärung
  geben, dass diese Packete wahrscheinlich zugleich mit dem Telegramm
  durch dieselbe Post in Zanzibar angekommen und nach Udschidschi
  durch einen und denselben Boten gesandt worden sind. Auch kann eine
  Karavane durch das Land ziehen, während es einer andern unmöglich
  wird ihren Bestimmungsort zu erreichen, und gerade der Kampf, der
  in Unyanyembé stattfand, an dem sich Herr Stanley betheiligte,
  kann den Weg für spätere Karavanen geebnet haben. Ich brauche mich
  übrigens nur auf Herrn Stanley’s eigene Abenteuer zu beziehen, um
  auf die Beschwerden hinzuweisen, denen bisweilen Karavanen auf ihrem
  Wege nach Udschidschi ausgesetzt sind; und wenn Dr. Livingstone
  andererseits keine Briefe erhalten hat, so kam dies, wie ich gezeigt
  habe, daher, dass ihm überhaupt keine Briefe geschrieben wurden, weil
  seine Freunde ihn für todt hielten.

  Ich hoffe, Herr Stanley hat Dr. Kirk die Gelegenheit geboten sich zu
  rechtfertigen. Wie das aber auch sein mag, so habe ich es für meine
  Pflicht gehalten, hier hervorzutreten und das Publikum durch Ihre
  Spalten von den sympathischen und freundlichen Gesinnungen, welche
  Dr. Kirk stets für seinen alten Freund und Mitreisenden empfunden
  hat, zu unterrichten.

  Ich bin, verehrter Herr,

  Ihr gehorsamer Diener

  ~Henry A. Churchill.~“

Hier folge ein Brief, der Dr. Livingstone ein Lächeln abgewinnen wird
ebenso wie dies bei mir der Fall war. Er stammt von dem „moralischen
Idioten“ Scherif, dem Halbblutschneider, welcher aus dem Koran
prophezeite, dass Dr. Livingstone todt sei, und auf diese Prophezeiung
hin des Doctors Waaren gegen Elfenbein verkaufte.

  (Mitgetheilt aus dem Auswärtigen Amt durch Lord Enfield.)

  „Zanzibar, 10. März 1871.

  Mylord!

  Ich habe die Ehre, Ihnen in der Uebersetzung Abschriften von Briefen,
  die ich eben aus Udschidschi erhalten habe, zu übersenden, woraus
  ersichtlich, dass vor fünf Monaten Dr. Livingstone sich an einem
  Manakoso benannten Orte befand und Leute und Vorräthe, die ich ihm
  im letzten Jahre geschickt habe, erwartete, sowie dass diese ihn
  jetzt erreicht oder wenigstens von Udschidschi an den Ort, wo er sich
  befindet, abgesandt worden sind.

  Da es jetzt Zeit ist die Briefe, die mit der gegenwärtigen
  Gelegenheit abgehen sollen, zu schliessen, bin ich nicht im Stande,
  bei den Arabern, die diese Länder kennen, Erkundigungen über die Lage
  der genannten Ortschaften einzuziehen, von denen ich jedoch vermuthe,
  dass sie sich im Westen des Sees befinden.

  ~John Kirk.~“

  (Uebersetzung.)

  „_An den Consul Kirk von Scherif Bascheik bin Ahmed._

  Ich habe Ihnen mitzutheilen, dass am 15. Schaban (10. November) ein
  Bote von dem Volke von Menama mit Briefen von den dortigen Arabern
  und einem von dem Doctor angekommen ist und dass diese Briefe vom 20.
  Rejib (15. October) datirt waren.

  Als Antwort auf meine Fragen haben sie mir mitgetheilt, dass der
  Doctor gesund ist, obwol er leidend gewesen, und dass er sich zur
  Zeit mit Mohammed bin Gharib in der Stadt Manakoso befindet, wo er
  auf Karavanen wartet, da er ohne Hülfe und Mittel ist und nur wenig
  Begleiter, nämlich acht hat, sodass er nicht weiter ziehen oder
  hierher kommen kann.

  Wir haben zwölf von unsern Leuten mit amerikanischen Tuchen, Kaniki,
  Perlen, Zucker, Kaffee, Salz, zwei paar Schuhen, Kugeln, Pulver,
  Seife und einer kleinen Flasche Medicin (Chinin) abgeschickt.

  Alles was er braucht, haben wir ihm geschickt und ich bleibe in
  Udschidschi und warte auf seine Befehle.

  Datirt den 20. Schaban 1287 (15. November 1870).

  [Richtige Uebersetzung.]

  ~John Kirk.~“

Aus den Protokollen der Königl. Geographischen Gesellschaft:

  Sir Ruderick Murchison theilte mit, er habe einen Brief von Dr. Kirk
  vom 30. April 1871 erhalten, in welchem dieser die Mittheilung macht,
  er habe, obgleich kein Eingeborener von Zanzibar je in Manemeh (dem
  Ort, aus dem man zuletzt vom Dr. Livingstone etwas gehört) gewesen
  sei, doch festgestellt, dass er ungefähr eine Monatsreise, also etwa
  200–300 engl. Meilen westlich vom Tanganika liegt und ein blühender
  Elfenbeinmarkt ist.

  Dr. Kirk ist der Meinung, dass Livingstone dorthin gegangen sei, um
  einen westlich gelegenen See, in welchen die Gewässer von Cazembe
  flössen, von dem er gehört, zu untersuchen, und um festzustellen,
  ob sie nach Westen und in den Congo, oder nach Norden und in das
  Nilbecken laufen. Ferner hofft er, dass Livingstone, wenn er den
  Ausfluss des Tanganika festgestellt habe, sich zufrieden geben und
  die übrige Arbeit spätern Reisenden überlassen werde, da er mehr als
  fünf Jahre auf Reisen und gewiss sehr der Ruhe bedürftig sei.

  Es ist sehr erfreulich zu hören, dass reichliche Vorräthe den Doctor
  bei seiner Rückkehr in Udschidschi erwarten.

  Dr. Kirk fügt hinzu, er könne, da die Regenzeit bald vorüber sein
  wird, Briefe und Packete in ungefähr einem Monate nach Udschidschi,
  d. h. etwa zum 1. Juni befördern.

  Der Vorsitzende sagte, er fände es etwas schwer zu glauben, dass
  fast 300 Meilen zwischen Manakoso und dem See Tanganika liegen
  sollen. Denn der Brief, den die mit den Vorräthen in Udschidschi
  beauftragten Araber von Livingstone erhalten, hätte nur 25 Tage
  gebraucht. Nun wäre aber die Durchschnittsschnelligkeit einer Reise
  in diesen Ländern nur 10 Meilen pro Tag, sodass nach der Zeit, die
  die Briefe gebraucht hätten, nur ein Zwischenraum von 250 Meilen,
  mit Einschluss der Fahrt über den See, zwischen Udschidschi und
  Manakoso liegen könne. Es sei übrigens doch sehr erfreulich zu hören,
  dass Livingstone sich nicht in einem unbekannten Kannibalenlande,
  wie früher angenommen, befände, sondern in einem blühenden
  Elfenbeinmarkt, zwischen welchem und der Seeküste beständige
  Handelsverbindung sei.

26. Juni 1871. Sir Henry Rawlinson sagte an diesem Tage in
seiner Ansprache als Vorsitzender unter andern auf geographische
Angelegenheiten bezüglichen Dingen folgendes:

  Mit Rücksicht auf unsern andern grossen Afrikaforscher Livingstone
  befinden wir uns noch immer in einem Zustande der peinlichsten
  Ungewissheit. Wir erfahren aus den letzten Berichten des Dr. Kirk
  in Zanzibar, die von Mitte August datiren, dass die arabischen
  Kaufleute, mit denen Dr. Livingstone vom Süden nach Manyemeh
  gereist war, von diesem Orte nach Udschidschi gegangen seien und
  im Anfang des Monats Juni täglich in Unyanyembé erwartet würden.
  Von Livingstone selbst war jedoch in letzterer Zeit keine directe
  Kunde nach Zanzibar gelangt, sondern Dr. Kirk hatte nur auf seinen
  andauernden Aufenthalt in Manyemeh geschlossen. Die zweite für ihn
  bestimmte Sendung Vorräthe sei mittlerweile durch Unyanyembé nach
  Udschidschi befördert und Dr. Kirk erwartete ängstlich Nachrichten
  über die Ankunft des amerikanischen Reisenden Herrn Stanley an diesem
  Orte. Dieser Herr, der vom richtigen Forscher-Typus sein soll, hat
  das an der Küste belegene Bagamoyo im letzten Februar verlassen, um
  nach Udschidschi zu gehen, und wollte mit Livingstone zusammenkommen,
  ehe er weiter ins Innere ging, sodass wir binnen kurzem aus dieser,
  wenn nicht aus einer andern Quelle definitive Nachrichten über den
  jetzigen Zustand unseres grossen Reisenden und seine zukünftigen
  Plane bekommen müssen. Wer Herrn Stanley persönlich kennt, weiss viel
  von seinem entschlossenen Charakter und seiner Fähigkeit, in Afrika
  zu reisen, zu erzählen. Seine Expedition ist gut ausgerüstet worden,
  er erfreut sich des grossen Vortheils, Bombay, das wohlbekannte
  Factotum von Speke und Grant in seinen Dienst genommen zu haben. Ich
  kann noch hinzufügen, dass er nur von seinen eigenen Hülfsmitteln
  abhängt und, wie es scheint, von einer blossen Liebe zu Abenteuern
  und Entdeckungen getrieben wird, und brauche wol kaum zu sagen, dass
  er, wenn es ihm gelingt, uns Livingstone wiederzubringen oder ihm
  dabei behülflich zu sein, das grosse Problem des obern Wassersystems
  des Nils und Congos zu lösen, von dieser Gesellschaft ebenso herzlich
  und warm begrüsst werden wird, als wenn er ein englischer Forscher
  wäre, der unter unsern unmittelbaren Auspicien handelt.

Aus dem Vorhergehenden ersieht man, dass Sir Henry Rawlison an dem Tage
sehr liebenswürdig von mir gesprochen hat.

Die nächsten Briefe, die über Livingstone und mich einliefen, sind vom
25. und 22. September 1871 und lauten folgendermassen:

  „Zanzibar, 25. September 1871.

  Lieber Sir Roderick!

  Sie werden aus dem ans Auswärtige Amt gerichteten Berichte ersehen,
  dass Schwierigkeiten in Unyamwezi entstanden sind, welche
  Udschidschi von der Küste abgeschnitten haben, und da wir von
  Udschidschi schon einige Zeit keine Nachrichten bekommen haben,
  so können wir noch lange warten, ehe wir Gewissheit über Dr.
  Livingstone’s Bewegungen erhalten.

  Alles was ich sagen kann ist, dass mir Berichte aus jenem Orte
  fehlen; weder er noch sein arabischer Freund Mohammed bin Gharib war
  daselbst angekommen; aber es gab ein Gerücht, das ich für werthlos
  halte, dass sie beide über Wemba um das südliche Ende herumgehen
  würden.

  Ich kann noch keine genauen Nachrichten über Manyema erhalten; ein
  jeder kennt es, doch ist, wie ich finde, noch keiner dort gewesen.
  Ich habe Leute gesehen, die von Udschidschi aus über den Tanganika
  gesetzt sind und Karavanen sich auf die Reise nach Manyema haben
  begeben sehen, doch scheint es ein ziemlich neuer, ungewöhnlicher
  Handelsweg zu sein.

  Ich freue mich, dass der Gouverneur von Unyanyembé von seinem Posten
  entfernt werden soll; er ist es, gegen den der Krieg dort geführt
  worden und wenn er getödtet wäre, würden wir alle zufriedener sein.

  Herr Stanley war in Unyanyembé und im Kampf, die Araber aber haben
  ihn im Stiche gelassen; vier von seinen Leuten wurden getödtet, er
  selbst entkam aber. Die Aussicht, dass er jetzt weiter gehen kann,
  ist gering; doch kann ich wirklich nicht sagen, wo er hingehen will;
  denn er hat seine Plane hier niemandem mitgetheilt. Ich habe Briefe
  an Dr. Livingstone an Stanley zur Weiterbeförderung geschickt und
  diesem auch die Sachen für Livingstone (die von der zweiten Sendung
  nämlich, denn die erste hat Udschidschi schon erreicht) anvertraut.

  Ich glaube, er wird es sich angelegen sein lassen, zuerst mit
  Livingstone zusammenzutreffen; ob er aber, nachdem er selbst gesehen,
  was sich am besten thun lässt, weiter gehen oder zurückkehren wird,
  kann ich nicht sagen. Er lag am Fieber krank, als er schrieb, ist
  aber wieder leidlich wohl geworden.

  Die Leute, welche hier angekommen sind, kehren morgen wieder zurück
  und sollten in 25 Tagen da sein, denn der Weg ist schön und Gras und
  Nahrungsmittel sind in Fülle vorhanden.

  Ihr aufrichtig ergebener

  ~John Kirk~.“

  „Zanzibar, 22. September 1871.

  Mylord!

  Soeben durch Spezialboten, die Unyanyembé vor etwa einem Monat
  verlassen haben, empfangene Briefe bringen uns die Nachricht
  von einem schweren Unglück, das der dortigen arabischen Colonie
  zugestossen ist und wahrscheinlich den Weg nach Udschidschi und
  Karague für die nächste Zukunft versperren wird.

  In Bezug auf die Hauptereignisse stimmen alle Berichte überein;
  aber natürlich sind die Briefe Herrn Stanley’s, eines Amerikaners,
  der sich an Ort und Stelle befand, die ausführlichsten und
  zuverlässigsten. Ich verdanke Herrn Webb, dem hiesigen amerikanischen
  Consul, einige Einzelheiten, die in diesen Briefen erzählt werden,
  welche ohne Zweifel anderswo in extenso werden veröffentlicht werden.
  In Kürze ist die Lage folgende: Die arabische Colonie des Innern,
  deren Mittelpunkt Unyanyembé ist, hat seit einiger Zeit unter der
  Führung von habgierigen, grundsatzlosen Leuten gestanden, deren sowol
  an Eingeborenen wie an den ärmeren Arabern verübten Erpressungen
  seit einiger Zeit Gegenstand von Klagen bei Seyd Barghasch geworden
  sind, welcher ausser Stande ist, sich bei einer solchen Entfernung
  in die Dinge zu mischen, solange dieselben für die Araber gut gehen.
  Ein Häuptling, dessen Dorf eine Tagereise auf der Hauptstrasse von
  Udschidschi nach Karague entfernt liegt, zog sich die Ungnade der
  Unyanyembé’schen Ansiedler zu und sein Wohnsitz wurde darauf durch
  eine Truppenmacht von etwa 1500 mit Flinten bewaffneten Soldaten
  angegriffen. Da er einsah, dass er das belagerte Dorf nicht halten
  könne, zog er sich mit seinem Gefolge zurück und legte sich in einen
  Hinterhalt, um die Angreifer auf ihrem Rückzuge zu überfallen, wo
  sie mit Elfenbein und anderer Beute beladen waren. Der Erfolg war
  für die Araber sehr unglücklich; viele derselben wurden getödtet mit
  Einschluss von 10 oder 20 Vornehmen, die guten hiesigen Familien
  angehören. Der arabische Rückzug artete bald in eine wilde Flucht aus
  und es ging dabei viel Vermögen verloren. Glücklicherweise gelang
  es Herrn Stanley, der am Fieber erkrankt und geschwächt war, nach
  Unyanyembé zurückzukehren; er wurde aber von den Arabern im Stich
  gelassen, deren Betragen er als ungemein feig schildert.

  Das ist beständig der Zustand der Dinge in Central-Afrika. Der Weg
  nach Udschidschi wird jetzt auf einige Zeit versperrt sein und es
  ist sehr ungewiss, wann wir wieder etwas von Dr. Livingstone hören
  können. Einer der Leute, die jetzt hergekommen sind, berichtet, dass
  ein Gerücht im Umlauf sei, Mahomed bin Gharib und der Weisse (Dr.
  Livingstone) würden von Manyema über Marungu und Wemba zurückkommen.
  Das Gerücht ist jedoch, meines Erachtens, nichts werth, doch kann ich
  es immerhin erwähnen.

  Die letzten von Herrn Churchill abgesandten Gegenstände haben
  Unyanyembé, wie ich schon früher berichtet, erreicht. Jetzt erfahre
  ich jedoch, dass der Führer, dem sie anvertraut worden, am Tage
  nachdem er nach Udschidschi abgezogen, gestorben ist und die Güter
  nach Unyanyembé zurückgebracht worden sind. Ich habe jetzt wenig
  Zutrauen zu dem Scheikh Said bin Salim und werde Herrn Stanley
  schreiben, der bisher wol nicht im Stande gewesen sein wird, den Ort
  zu verlassen, und ihn bevollmächtigen, Einrichtungen zu treffen, die
  Güter zu befördern oder, wenn er das nicht kann, für mich nach seinem
  besten Urtheil zu handeln, um dieselben vor Plünderung zu schützen;
  bei dem jetzigen Stande der Dinge aber wird es ein sehr grosses Glück
  sein, wenn sie überhaupt gerettet werden und je ihren Bestimmungsort
  erreichen.

  Die Boten werden sich in ein paar Tagen auf ihren Rückweg machen
  und sollten im Stande sein, ihre Reise bequem in 70–75 Tagen zu
  vollenden, denn der Weg ist so weit frei und Nahrungsmittel reichlich
  vorhanden.

  Für den arabischen Elfenbeinhandel ist die jetzige Lage der Dinge
  sehr ernst; sie haben sich jetzt weit im Innern niedergelassen und
  sich mit Tausenden von Sklaven, die aus dem Lande selbst sind,
  umgeben; ohne diese können sie nicht auskommen und doch können sie
  ihnen nicht Vertrauen schenken, denn sie sind alle bewaffnet und
  können sich gegen ihre Herren wenden.

  Der Häuptling, mit dem sie Krieg führen, ist mit Waffen wohl versehen
  und eine seiner Karavanen befindet sich jetzt mit mehreren hundert
  Fässern Pulver auf dem Wege ins Innere. Um diese Leute auf ihrer
  Reise anzuhalten, haben die Wasagara bereits den Befehl erhalten,
  sie anzugreifen und zu plündern; das kann jedoch auch nur der Anfang
  ähnlicher Angriffe auf arabische Karavanen sein, denn die wilden
  Stämme werden sich wenig darum kümmern, wen sie angreifen, wenn man
  sie erst zum Plündern ermuthigt hat.

  Ich habe die Ehre u. s. w.

  ~John Kirk~,

  politischer Agent und Consul für Zanzibar.

  _An Earl Granville._“

  Kapitän R. F. Burton theilte mit, dies sei nicht das erste mal,
  dass Unfriede zwischen den arabischen Handelsgemeinschaften und
  den Eingeborenen von Unyanyembé und Unyamwezi ausgebrochen sei.
  Der jetzige Stand der Dinge könne noch 2–3 Jahre anhalten; wenn
  aber Livingstone es zu vermeiden wünsche, durch diesen Bezirk zu
  ziehen, so würde es keine Schwierigkeiten für ihn haben, seinen
  Rückweg südlich vom See Tanganika zu nehmen. Zu gleicher Zeit
  würde ein muthiger Weisser, wie Livingstone, der die Sprache der
  Eingeborenen spricht, im Stande sein, sicher durch Ortschaften zu
  ziehen, in welche sich kein Schwarzer hineinwagen darf. Er habe nicht
  die geringste Furcht in Bezug auf Livingstone, sondern sei davon
  überzeugt, dass im Augenblicke, wo ihm irgend etwas geschähe, die
  Nachricht sich sofort an die Küste verbreiten und der Gesellschaft
  fast so rasch wie durch den Telegraphen zukommen würde.

  27. November. Sir Henry Rawlinson zeigt an, dass er der Versammlung
  eine Mittheilung über einen andern Gegenstand, an dem die
  Geographische Gesellschaft ein ebenso warmes Interesse nehme, nämlich
  über Dr. Livingstone zu machen habe. Bei der letzten Versammlung
  habe er Veranlassung gehabt, Briefe, die von Dr. Kirk an unsern
  hochgeehrten verstorbenen Vorsitzenden und an die Regierung von
  Bombay geschickt worden, vorzulesen, in denen er Unruhen beschrieben,

  welche zufällig in Afrika ausgebrochen und die Verbindung zwischen
  der Meeresküste und dem See Tanganika unterbrochen hätten. Ueber
  denselben Gegenstand hätte das Auswärtige Amt eine Depesche von
  Dr. Kirk seitdem erhalten, ein Duplicat einer früher gelesenen, an
  die Regierung von Bombay gerichteten Depesche. Er wünsche jetzt die
  Massregeln anzukündigen, die der Vorstand am heutigen Tage infolge
  des Empfangs dieser Briefe beantragt habe. Dem Vorstande und ihm
  selbst schiene es jetzt, dass die bisher gehegte Hoffnung, durch
  Herrn Stanley, den amerikanischen Reisenden, mit Dr. Livingstone
  in Beziehung zu treten, aufzugeben sei und daher sei es Pflicht
  des Vorstandes, auf andere Mittel zu sinnen, dies zu erreichen. Er
  beabsichtige jetzt, sich an das Auswärtige Amt zu wenden, damit
  entweder direct von diesem oder durch Zusammenwirken desselben und
  unserer Gesellschaft Mittel geschafft würden, mit dem Innern, wo
  sich Livingstone vermuthlich aufhielte, in Verbindung zu gelangen.
  Der eine Plan bestände darin, eingeborene Boten abzusenden, denen
  man eine Belohnung von 100 Guineen für das Ueberbringen eines
  eigenhändigen Briefes von Dr. Livingstone an die Seeküste aussetze;
  der andere von einem unserer Afrikareisenden herrührende Vorschlag
  laute, eine directe, von einem erfahrenen, dazu geeigneten Europäer
  geleitete Expedition hinzuschicken. Welcher von diesen Plänen am
  räthlichsten erscheine, werde vom Resultat der Unterhandlung mit dem
  Auswärtigen Amt abhängen; die Gesellschaft könne aber versichert
  sein, dass der Vorstand kein Mittel unversucht lassen werde,
  festzustellen, ob Dr. Livingstone in Manyema zurückgehalten werde, wo
  er den Berichten zufolge zusammen mit dem arabischen Händler Mohammed
  bin Gharib so lange gelebt haben soll.

  Herr Hormuzd Rassam sprach auf eine an ihn gerichtete Anfrage seine
  Meinung dahin aus, dass nach seinen Erfahrungen in Abessinien die
  beste Art, Nachrichten über entfernte Individuen zu bekommen,
  diejenige sei, Eingeborene als Boten auszuschicken. Bei drei
  verschiedenen Gelegenheiten habe er sich dieser Methode bedient, von
  Massowah aus mit den Gefangenen von Magdala in Verbindung zu treten.
  Er habe drei verschiedene Boten gebraucht, einen christlichen,
  einen mohammedanischen und einen Eingeborenen von Westabessinien.
  Diese habe er auf verschiedenen Routen abgesandt und sei vollkommen
  überzeugt gewesen, dass der eine von den Bewegungen der andern nichts
  gewusst habe. Zwar habe einer derselben einen selbstfabrizirten Brief
  zurückgebracht; die beiden andern aber seien etwa zehn Tage vor der
  verabredeten Zeit mit authentischen Nachrichten zurückgekehrt. Einige
  in Muscat lebende Araber, die bis an den Tanganika-See gereist seien,
  hätten versichert, man könne, mit Perlen und andern Tauschartikeln
  gehörig versehen, ohne Schwierigkeiten hin- und zurückreisen.

  General Rigby war der Ueberzeugung, dass der von Herrn Rassam
  empfohlene Plan vollständig misglücken werde. Zwar könnten in
  Abessinien einzelne Reisende von einem entfernten Punkte des
  Landes an einen andern reisen, aber auf der Ostküste Afrikas sei
  dies unmöglich. Dort müssten alle Reisende von durch Bewaffnete
  geschützten Karavanen begleitet werden. Nur Handelskaravanen machten
  die Reisen an die Seen und diesen wäre es ganz gleichgültig, wie
  viel Zeit sie darauf verwendeten; wenn die Gesellschaft sich darauf
  verliesse, dass ein einzelner Eingeborener sich einer Karavane
  anschlösse und darauf warte, bis er mit einer andern zurückkehren
  könne, so könnte sie wol fünf Jahre oder noch länger warten. Er
  sei überzeugt, dass der einzige Weg, sich mit Livingstone in
  Verbindung zu setzen und ihm Hülfe zu bringen, darin bestehe, einen
  unternehmenden englischen Reisenden von Zanzibar mit einer kleinen
  bewaffneten Truppe und ausreichenden Vorräthen abzusenden.

  Herr Rassam wollte nur noch hinzufügen, dass er durch Boten mit
  Häuptlingen in den entfernten Galla-Ländern in Verbindung getreten
  sei, die man nur durch eine Reise von 30–40 Tagen habe erreichen
  können. Seiner Meinung nach werde es nichts schaden, wenn man beide
  Pläne versuchte.

  Der Vorsitzende theilte mit, der Vorstand habe sich entschlossen,
  zuerst den Versuch mit den eingeborenen Boten zu machen und wenn dies
  misglückt sei, könnten sie das ernstere Unternehmen einer Expedition
  in Angriff nehmen.

Die folgende Correspondenz, welche auf die an Dr. Livingstone gesandten
Vorräthe Bezug hat, ist vom Auswärtigen Amt veröffentlicht worden:

  ~Dr. Livingstone an Dr. Kirk.~

  „Udschidschi, 30. October 1871.

  Mein Herr!

  Am 25. und 28. habe ich Ihnen zwei eilige Briefe gesandt, welche (der
  eine für Sie, der andere für Lord Clarendon bestimmt) nach Unyanyembé
  befördert worden sind. Ich war gerade hier ganz abgemattet an Geist
  und Körper angekommen, als ich fand, dass Ihr Agent Scherif Bascha
  alle von Ihnen geschickten Waaren zu eigenen Gunsten für Sklaven und
  Elfenbein verkauft hatte. Er hatte den Koran um Rath gefragt und
  herausgefunden, dass ich todt sei. Auch schrieb er an den Gouverneur
  von Unyanyembé, er habe Sklaven nach Manyema gesandt, die mit dem
  Berichte zurückgekehrt seien, ich sei todt; er erbat sich deshalb vom
  Gouverneur die Erlaubniss, die Waaren zu verkaufen. Scherif Bascha
  wusste jedoch von Leuten, die aus Manyema von mir gekommen waren,
  dass ich in der Nähe von Udschidschi in Bambarre sei und auf ihn und
  meine Güter warte. Als aber meine Freunde hier gegen den Verkauf
  meiner Waaren protestirten, antwortete er ihnen jedesmal: “Ihr wisst
  nichts über die Angelegenheit; ich allein weiss, dass der Consul mir
  den Auftrag gegeben hat, einen Monat in Udschidschi zu bleiben und
  dann die Sachen zu verkaufen und zurückzukehren.„ Als ich ankam,
  sagte er, Ludha hätte ihm das befohlen. Von den Banyanischen Sklaven,
  die Sie hergeschickt, erfahre ich, dass sich Ludha an Ali bin Salim
  bin Raschid, eine notorisch unehrliche Persönlichkeit, gewandt und
  dieser ihm Scherif Bascha als Führer der Karavane anempfohlen habe.
  Kaum hatte dieser den Oberbefehl erhalten, so begab er sich zu
  Muhamad Nassur, der ihn mit 20 Kisten Seife und 8 Kisten Branntwein
  versah, die er im Einzelverkauf auf der Reise ins Innere losschlagen
  sollte. In Bagamoyo bekam Scherif eine Menge Opium und Schiesspulver
  von zwei dortigen Banyanen, deren Namen mir unbekannt sind. In ihrem
  Hause öffnete Scherif die Seifenkisten und steckte ihren Inhalt in
  meine Ballen; die Branntweinkisten liess er uneröffnet und brauchte
  Pagazi, die aus meinen Ballen bezahlt wurden, zum Transport des
  Opiums und des Schiesspulvers. Die Banyanen und Scherif hatten also
  ihre eigenen Handelsspeculationen verfolgt, anstatt die Beziehungen
  zwischen zwei Regierungsbeamten zu vermitteln und von da ab wurden
  alle Reiseausgaben aus meinen Vorräthen bezahlt und Scherif war im
  Stande, seinen Mitschuldigen 5 Frasilehs Elfenbein im Werthe von
  etwa 60 Pfd. Sterl. aus Unyanyembé zu schicken. Wiederum wurden die
  Pagazi von mir bezahlt. Er beeilte sich keineswegs, mir zu Hülfe
  zu kommen, sondern brachte 14 Monate auf der Reise zu, auf einer
  Entfernung, die man in drei Monaten hätte zurücklegen können. Wenn
  man zwei Monate Aufenthalt durch Krankheit abzieht, so bleiben noch
  12 Monate, von denen neun den Privatinteressen der Banyanen und des
  Scherif gewidmet waren. Er hat meine Güter verprasst, indem er sich
  das Beste an Speise und Trank, was das Land darbietet, kaufte; er
  hat in meinem Zelte gewohnt, bis es so verfault und zerrissen war,
  dass ich es nicht ein einziges mal brauchen konnte; er hat sich zwei
  Monate an drei verschiedenen Orten aufgehalten, um Branntwein, Opium,
  Schiesspulver und Seife zu verkaufen und als dies geschehen war
  wollte er, nachdem er in Udschidschi angekommen, nicht weiter ziehen.
  Hier wird allgemein berichtet, er sei einen ganzen Monat betrunken
  gewesen, und alles Durra, Pombé und den Palmwein hat er mit meinen
  schönen Samsam-Perlen gekauft. Er hat 24 Meter Calicot monatlich für
  sich, 8 Meter für jeden seiner zwei Sklaven, 8 Meter für seine Frau
  und 8 Meter für Awathe, den zweiten Führer, verausgabt. Als er mir
  die sieben Banyanen, von Ludha gemiethete Sklaven, nach Bambarre
  schickte, bewilligte er mir nur zwei Frasilehs der gröbsten Perlen,
  die er offenbar für meine schönen Samsam eingetauscht hatte, ein
  paar Stücke Calicot und aus Gnade und Barmherzigkeit die Hälfte des
  Kaffees und Zuckers. Die Sklaven kamen ohne Lasten. Schliesslich ging
  Scherif soweit, wie bereits berichtet, alles mit Ausnahme der andern
  Hälfte des Kaffees und Zuckers und eines Bündels unverkäuflicher
  Perlen sowie von vier Stücken Calicot zu verkaufen. Er zog von hier
  fort, deponirte jedoch, da er von Unruhen hörte, die in Unyanyembé
  ausgebrochen, sein Elfenbein in einem nahe belegenen Dorfe, kam
  zurück, nahm sich die vier Stück Calicot, und ich habe von all
  dem schönen Calicot und den Perlen, die Sie mir zugesandt, nicht
  +einen+ Meter oder eine einzige Reihe Perlen bekommen. Awathe,
  der zweite gemiethete Führer, schaute dem von Scherif verübten Raube
  von der Küste an zu und hat nie dagegen Einspruch erhoben oder einen
  Bericht darüber an seinen Miethsherrn erstattet. Vor Ihnen hat er
  sorgfältig ein Leiden verborgen, welches ihn daran verhinderte,
  mir auch nur einen Dienst zu leisten. Er hatte nämlich einen Bruch
  lange, ehe er gemiethet worden, und mir hat er gesagt, dass die
  grosse Fleischgeschwulst plötzlich bei seiner Ankunft in Udschidschi
  entstanden sei. Es ist kein Wasserbruch, sondern Fleischbruch und
  seine eigene Erzählung beweist, dass der Schmerz, den er simulirte,
  ganz aufgehört hatte, als sich einer meiner Freunde, Dugumbe, dazu
  erbot, ihn in kurzen, bequemen Tagereisen zu mir zu führen. Er
  schlug dies aus, da er glaubt, die Banyanen hätten so viel Macht
  über uns, dass er seinen vollen Lohn für die ganze Zeit, in der er
  meine Waaren verzehrt hat, bezahlt bekommen werde, obwol er ausser
  Stande war, seinen Dienst zu versehen. Dugumbe erbot sich auch, ein
  Packet Briefe, das dem Scherif als meinem Agenten übergeben worden,
  mir zu bringen; als er ihm aber mittheilte, er sei im Begriff, sich
  auf die Reise zu machen, kam nichts zum Vorschein. Das Packet ist
  wol zerstört worden, damit ich nicht die Liste von Waaren zu sehen
  bekäme, die Sie mir durch einen gewissen Hassani nach Unyanyembé
  geschickt haben. Indem ich mich gebührenderweise Ihrem Urtheil
  unterwerfe, fordere ich doch alle dadurch entstandenen Ausgaben,
  wie sie in Ludha’s Büchern enthalten sind, von den Banyanen zurück,
  die betrügerischerweise aus einer Karavane, die mir Hülfe bringen
  sollte, ein Mittel gemacht haben, um ihre eigene Geldgier zu
  befriedigen. Muhamad Nassur kann die Namen der übrigen banyanischen
  Mitschuldigen Scherif’s angeben, welche es zugelassen haben, dass
  die mir zugedachte Hülfe in eine Speculation verwandelt worden ist;
  sie sollten die von Ludha mitgeschickten Sklaven bezahlen und sich
  ihre Auslagen von Scherif wiedergeben lassen. Ich berichte diesen
  Fall sowol an die Regierung Ihrer Majestät, als an Sie und glaube,
  dass Sie dadurch besser im Stande sein werden, dafür zu sorgen, dass
  mir Gerechtigkeit widerfahre und den Banyanen Scherif und Awathe
  sowie den banyanischen Sklaven, welche mich, anstatt den in Ihrer
  Gegenwart eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen, in aller Weise
  schikanirt und gehindert haben, die gebührende Strafe zutheil werde.
  Indem Sie die Angelegenheit meiner Vorräthe und Leute dem Banyanen
  Ludha anvertraut haben, scheinen Sie nicht gewusst zu haben, dass
  unsere Regierung ihren Beamten verbietet, Sklaven zu benutzen. Der
  Commissar und Consul in Loanda auf der Westküste hat nach dem fernen
  St. Helena geschickt, um ziemlich dumme Diener zu bekommen, nur damit
  er sich nicht die Ungnade des Auswärtigen Amtes dadurch zuziehe, dass
  er geschickte portugiesische Sklaven, die zur Hand waren, benutze.
  Unter den sehr schwierigen Verhältnissen, von denen Sie reden,
  da die Cholera wüthete und Sie weder meine bereits übermittelten
  Instructionen, freie Leute und nicht Sklaven zu miethen, noch die in
  dem verlorenen Packete enthaltenen Geldanweisungen erhalten hatten,
  war es vielleicht am einfachsten, sich an Ludha zu wenden; ich hoffe
  indess, Sie werden mich nicht für undankbar halten, wenn ich darauf
  hinweise, dass dies doch ein grosser Irrthum war. Ludha ist zwar
  höflich, aber der Sklavenhandel und fast jeder andere Handel wird
  hauptsächlich durch das Geld der Banyanen vermittelt, die britische
  Unterthanen sind und den grössten Theil des Profits empfangen, es
  aber verstehen, das Odium der Sklaverei geschickt auf die Araber zu
  wälzen. Sie hassen uns Engländer und freuen sich mehr, wenn uns etwas
  misglückt, als wenn es gelingt. Ludha hat seine eigenen und andere
  banyanischen Sklaven zum Jahreslohne von 60 Dollars hergeschickt,
  während die gewöhnliche Bezahlung für Freie aus Zanzibar 25–30
  Dollars beträgt. Er wird enorme Interessen für das vorgeschossene
  Geld verlangen, angeblich 20–25 Procent, und selbst wenn Scherif’s
  Behauptung, dass Ludha ihm befohlen, nicht weiter als nach
  Udschidschi zu gehen, sondern nach einem Monat alles zu verkaufen
  und zurückzukehren, vollständig unwahr wäre, so ist es doch sehr
  merkwürdig, dass jeder der banyanischen Sklaven es aufs bestimmteste
  behauptete, dass sie mir nicht folgen, sondern mich zur Umkehr
  zwingen sollten. Ueber Leute, welche wussten, dass sie ihr Gehalt
  nicht weiter beziehen würden, hatte ich natürlich keinen Einfluss.
  Es ist auch sehr merkwürdig, dass die Zwecke Ihrer Karavanen so
  vollständig durch Banyanen, die fast unter dem Schatten des Consulats
  mit Scherif unter einer Decke stecken, vereitelt werden können und
  Ihnen weder ein Dragoman, noch andere Ihrer besoldeten Untergebenen
  das anzeigt. Diesen konnte doch der Charakter des Ali bin Salim bin
  Raschid und seines Gefährten Scherif kaum unbekannt sein. Wie kann
  man sie aber ohne glaubwürdige Zeugnisse in Dienst nehmen?

  Ihr ergebenster

  ~David Livingstone~.“

  „+Nachschrift.+

  16. November 1871.

  „Ich bedauere es sehr, dass ich gezwungen bin, Ihnen den vorstehenden
  sehr unliebsamen Gegenstand vorzutragen; ich habe aber soeben
  Nachrichten und Briefe erhalten, welche die Sache doppelt ernst
  erscheinen lassen. Herr Churchill hat mich durch einen Brief vom
  September 1870 benachrichtigt, dass Ihrer Majestät Regierung mir
  gütigst eine Unterstützung von 1000 Pfd. Sterl. geschickt hat.
  Zuerst seien Schwierigkeiten entstanden, Sachen im Werthe von 500
  Pfd. Sterl. abzusenden; zu Anfang November jedoch sei dies möglich
  geworden. Wiederum aber haben Sie Sklaven gemiethet und einer
  derselben erzählt mir jetzt, dass sie vier Monate oder bis zum
  Ende des Februar 1871 in Bagamoyo liegen geblieben sind. Niemand
  hat sich während der ganzen Zeit um sie bekümmert. Als aber ein
  Gerücht zu ihnen drang, dass der Consul käme, beeilten sie sich
  abzureisen, zwei Tage vor Ihrer Ankunft, welche gar nicht mit ihren
  Angelegenheiten zusammenhing, sondern durch eine Reise in Ihrem
  eigenen Privatinteresse bedingt gewesen sei. Diese Sklaven kamen im
  vorigen Mai nach Unyanyembé, dort sei, nach ihrem Berichte, der Krieg
  im Juli ausgebrochen, und dies gab ihnen einen guten Vorwand, dort
  zu bleiben. Damit ist ein ganzes Jahr verstrichen, in welchem 500
  Pfd. Sterl., welche die Regierung mir zugeschickt hat, dazu verwendet
  worden, Sklaven ein gutes Leben zu bereiten. Wie der Mann, der in
  Versuchung gerieth, zu verzweifeln, als er die Photographie seiner
  Frau zerbrochen hatte, möchte ich fast die Hoffnung aufgeben, jemals
  aus Zanzibar Hülfe zu bekommen, um den noch übrigen kleinen Rest
  meiner Aufgabe zu lösen. Ich brauche freie Menschen, nicht Sklaven,
  und solche sind in Zanzibar in Masse zu haben. Wenn aber die Sache
  dem Ludha, anstatt einem energischen, von Ihrem Dragoman oder andern
  Beamten überwachten Araber anvertraut wird, so kann ich noch zwanzig
  Jahre warten und Ihre Sklaven können sich lustig machen ohne ihre
  Pflicht zu thun.“

  ~Dr. Livingstone an Dr. Kirk.~

  „Unyanyembé, 20. Februar 1872.

  Mein lieber Kirk!

  Da ich mir durch Herrn Stanley 50 Freie aus Zanzibar kommen lasse, um
  im Stande zu sein, meine Aufgabe zu Ende zu führen, so bitte ich Sie,
  Ihren Einfluss beim Sultan zu meinen Gunsten zu verwerthen, damit
  dieser mir einen tüchtigen Führer verschaffe, der sie rasch herbringt
  und bei mir bleibt, bis ich meine Arbeit zu Ende geführt; und zwar
  muss es ein Mann von gutem Charakter sein, der gern für mich arbeitet
  und auf keinen Fall meine Expedition mit seinen Privatspeculationen
  heimsucht. Diesen Punkt muss man ihm deutlich auseinandersetzen.
  Wenn er aber ein guter energischer Führer ist, so werde ich ihm,
  sobald wir in das Land kommen, wo es viel Elfenbein gibt, dafür eine
  reichliche Belohnung zutheil werden lassen, obwol er die Reise auf
  meine Kosten gemacht hat. Wenn derselbe früher mit einer Karavane
  gereist ist, so wird er die Pflichten kennen, die er dem Haupte
  derselben schuldet. Bei seiner Ankunft hier werden wir aus der Weise,
  in welcher er Herrn Stanley’s Befehlen in Bezug auf die Leute und
  Esel nachgekommen ist, ersehen, ob er sich dazu eignet, mich weiter
  zu begleiten. Seine Pflicht ist, wie Sie andern sehr richtig gesagt
  haben, die ihm ertheilten Befehle auszuführen und darauf zu sehen,
  dass die andern dasselbe thun, ohne Rücksicht auf die Sitten oder
  Gewohnheiten anderer Karavanen. Ich wünsche, dass Sie Herrn Henry
  M. Stanley die Summe von 500 Pfd. Sterl. von dem Gelde geben, das
  Ihnen zu meinem Nutzen von Ihrer Majestät Regierung übermittelt
  worden, damit er dasselbe für mich verwende, und Sie werden seine
  Empfangsbescheinigung als ausreichendes Anerkenntniss meinerseits
  annehmen. Er weiss, was ich an Leuten und Waaren nöthig habe, und
  ich bin überzeugt, dass Sie Ihren ganzen consularischen Einfluss
  darauf verwenden werden, ihm das zu verschaffen, was ich brauche und
  die Expedition möglichst rasch ins Innere zu befördern. Wenn Sie
  zwei Briefe, die hastig am 28. October 1871, gleich nachdem ich in
  Udschidschi angekommen, geschrieben wurden, nämlich einen an Sie,
  den zweiten an Lord Clarendon gerichteten, nicht erhalten haben, so
  haben Sie sich vielleicht dazu verleiten lassen, wieder banyanische
  oder andere Sklaven statt freier Leute zu miethen. Zaudern Sie jetzt
  aber nicht, sondern seien Sie so gut, sie sofort wieder zu entlassen,
  mag es kosten, was es wolle. Ich habe Herrn Stanley einen Wechsel
  auf Bombay mitgegeben für den Fall, dass Sie alles Geld, das Ihnen
  von der Regierung übersandt worden, verausgabt haben. Sklaven sollen
  mir durchaus nicht geschickt werden, denn alle, die ich bisher
  gehabt, kamen hier von der Idee erfüllt an, dass sie mich nicht
  begleiten, sondern zur Rückkehr zwingen sollten und sie beschworen
  es (fälschlicherweise natürlich), dass Sie, der Consul, ihnen
  diese Instruction ertheilt hätten. Ich schliesse eine Quittung für
  einen Taschenchronometer ein, den mir vielleicht der Kapitän eines
  Kriegsschiffes leihen kann, ohne dass er ihn für sein eigenes Schiff
  entbehrt. Ehe ich hiervon und von Geldangelegenheiten zu sprechen
  aufhöre, möchte ich nur noch hinzufügen, dass Eile von grösster
  Wichtigkeit ist und dass, wenn Ihnen irgendeine andere Methode, rasch
  Geld zu bekommen, einfällt, z. B. von Herrn Young oder von meinen
  Bankiers Coutts und Comp., so bitte ich Sie, dieselbe einzuschlagen.
  Ich verpflichte mich hierdurch, das Ganze sofort durch einen Wechsel
  zu berichtigen, wenn Herrn Stanley’s Leute Unyanyembé erreichen. Aus
  einigen von Herrn Webb an Herrn Stanley gesandten Zeitungen ersehe
  ich, dass Sie der Meinung sind, dass Waaren und Packete, die Sie
  Banyanen mitgeben, in etwa einem Monat Udschidschi erreichen können.
  Der Kasten aber, den Sie verpackt haben, war ungefähr vier Jahre
  unterwegs. Waaren und wahrscheinlich auch Briefe, die mir durch einen
  gewissen Hassain hergeschickt worden, sind ganz und gar verschwunden.
  Durch Scherif mir übersandte Briefe waren vierzehn Monate unterwegs
  nach Udschidschi und ein Packet davon war vernichtet. Alle Güter
  sind für Sklaven und Elfenbein verkauft worden. Irrthümlicherweise
  haben Sie Earl Granville veranlasst, im Hause der Lords zu sagen,
  dass alle meine Bedürfnisse befriedigt seien. Ich brauche mich nicht
  weitläufiger darauf einzulassen, sondern es genügt wol, wenn ich
  Ihnen einen kurzen Ueberblick der Schicksale der durch Ludha und
  seine Sklaven mir zugekommenen Vorräthe gebe. Die Briefe befanden
  sich vierzehn Monate unterwegs nach Udschidschi und sind überhaupt
  nur dadurch hergekommen, dass Herr Stanley sie zufälligerweise zu
  sehen bekam und mir mitbrachte. Die von Ihnen gesandten Sklaven
  wollten ihn nicht nach Udschidschi begleiten. Warum hat man sie alle
  so instruirt, dass sie mir nicht folgen? Sie haben mir erzählt, dass
  sie sich vier Monate in Bagamoyo aufgehalten haben. Dort verschwanden
  drei Beutel Perlen und ein Ballen Tuch; dann verprassten die beiden
  Führer meine Güter hier. Der eine ist an den Pocken gestorben und der
  noch am Leben befindliche Athman hat am hellen Tage die Riegel und
  Schlüssel von Herrn Stanley’s Vorrathshaus zerbrochen und ihm Güter
  gestohlen. Er ist entlassen.

  Ich bin u. s. w.

  ~David Livingstone~,
  Ihrer Majestät Consul in Inner-Afrika.“


~Dr. Kirk an Earl Granville.~

  „Zanzibar, 9. Mai 1872.

  Ich habe die Ehre zu melden, dass gestern Herr Stanley, dessen
  bevorstehende Ankunft ich bereits angekündigt habe, nach Zanzibar
  gekommen und mir Briefe von Dr. Livingstone übergeben hat, von denen
  ich hierbei Copien übersende. Da Dr. Livingstone es geflissentlich
  vermeidet, auch nur Andeutungen von seinen während der letzten drei
  Jahre, wo er nichts von sich hat hören lassen, ausgeführten Arbeiten
  zu geben und ebensowenig etwas von den neuen Forschungen mittheilt,
  die er vor hat und für welche er durch Herrn Stanley 50 Bewaffnete
  verlangt und eine Ausgabe von 500 Pfd. Sterl. veranlasst, so muss ich
  es Herrn Stanley überlassen, dem das Geheimniss anvertraut worden, es
  in der Weise, wie es den Interessen seines Auftraggebers am besten
  passt, bekannt zu machen. Herrn Stanley sind Dr. Livingstone’s
  Tagebuch und seine sämmtlichen Notizen anvertraut worden mit dem
  speciellen Befehle, nichts über seine Route oder seine Pläne hier
  kund werden zu lassen; und Briefe, die früher geschrieben wurden und
  einige Nachrichten enthielten, sind entweder unterdrückt worden oder
  verloren gegangen. Der Rest von den durch die Regierung bewilligten
  1000 Pfd. Sterl., welche Eure Lordschaft Herrn Churchill übergeben
  hat, ist schon auf Ihren Befehl der Expedition zur Aufsuchung und
  Unterstützung von Livingstone übergeben worden und befindet sich in
  den Händen des Herrn W. O. Livingstone, der jetzt diese Expedition
  repräsentirt, nachdem sich die andern Mitglieder vernünftigerweise
  zurückgezogen haben, da sie erfahren, dass sich Dr. Livingstone
  ungefährdet in Unyanyembé befindet, wo er leicht zu erreichen ist
  und reichliche Vorräthe für die Jahre hat, die er sich noch im Lande
  aufzuhalten gedenkt. Herr Stanley hat mir die Liste von Sachen
  gezeigt, die jetzt von ihm bestellt worden, von denen sich fast alle
  bereits unter den für die Expedition beschafften Gegenständen und
  in den Händen von Herrn W. 0. Livingstone befinden. Daher werden
  wol die kostbaren Baumwollenwaaren und Perlen, die schon für die
  Reise angeschafft worden, verkauft werden, da Dr. Livingstone sie,
  wie wir wissen, nicht mehr nöthig hat. In den Händen der Expedition
  befinden sich auch funfzig gezogene Karabiner, sodass es überflüssig
  sein wird, noch neue Auslagen in dieser Beziehung zur Bewaffnung
  der funfzig Mann zu machen, die Herr Stanley aussuchen wird.
  Jetzt erübrigt es fast nur noch, Sklavenketten zu kaufen, die Dr.
  Livingstone für die Begleitmannschaft bestellt hat, um sie für den
  Fall zu brauchen, dass die Leute sich weigern, ihre Pflicht zu thun,
  wie es die vorigen gethan haben. Doch ist die Leitung der ganzen
  Angelegenheit, soweit sie sich auf diese Expedition bezieht, in den
  Händen von Dr. Livingstone’s Sohn, und die Auswahl der Leute wird
  ausschliesslich von Herrn Stanley besorgt. Die Expedition wird,
  auf die ausdrückliche Bitte Dr. Livingstone’s, sofort in leichter
  Marschordnung abziehen. Die weitläufige Correspondenz, die ich
  einschliesse, zeigt deutlich, dass der Agent Scherif Bascha, dem
  der Transport der Vorräthe nach Udschidschi anvertraut worden,
  dies in der nachlässigsten und unehrlichsten Weise besorgt hat. Es
  scheint jedoch, dass die Handelsspeculationen, die auf dem ersten
  Theile der Reise unternommen wurden, hauptsächlich mit Gütern
  bewerkstelligt worden sind, die er sich an der Küste geliehen und
  mit den Regierungsvorräthen zusammengethan hat, um sich die Kosten
  des Transports zu ersparen. In Udschidschi ist er mit einem grossen
  Vorrath von Regierungswaaren angekommen, welche, wenn er sie ehrlich
  abgegeben hätte, noch lange für Dr. Livingstone’s Bedürfnisse
  ausgereicht haben würden. Hier erst brachte er im Glauben, dass Dr.
  Livingstone nicht aus Manyema zurückkehren werde, die werthvollsten
  Sachen bei Seite und schickte nur wenig davon an den Doctor.

  Die zum zweiten mal abgesandten Vorräthe, genau dieselben, wie das
  erste mal, sind in Unyanyembé angekommen. Diese Expedition wurde
  zuerst von Herrn Churchill organisirt und abgeschickt; die Leute
  hielten sich aber noch nach der Abreise des Herrn Churchill von
  Zanzibar an der Küste auf. Da ich Ursache hatte zu argwöhnen, dass
  dies der Fall sei, schickte ich zuerst einen Consulardiener hin und
  folgte dann selbst. Als sie von meiner bevorstehenden Ankunft hörten,
  machten sie sich schleunigst auf den Weg. Es blieben aber noch
  einige Lasten übrig, die ich persönlich aus Bagamoyo abzuschicken
  hatte. Diese Güter sind jetzt in Dr. Livingstone’s Händen und in
  Bezug auf sie habe ich den damals in Unyanyembé anwesenden Herrn
  Stanley, als ich erfuhr, dass dort der Krieg ausgebrochen sei,
  gebeten, für mich zu handeln und sie Dr. Livingstone zu übermitteln.
  Zu der Zeit war es hier noch nicht bekannt, dass Herr Stanley
  ausgezogen war, um Dr. Livingstone aufzusuchen, denn dies hatte er
  bei seiner Abreise sorgfältig verheimlicht; da ich aber wusste,
  dass ein Weisser sich an Ort und Stelle befände, so bat ich ihn,
  alles Mögliche zu thun, um die für einen Reisecollegen bestimmten
  Güter weiter zu befördern. Ein grosser Theil der Livingstone’schen
  Correspondenz mit unserm Consulat bezieht sich auf förmliche Anklagen
  des Sklavenhaltens, die gegen mehrere der bedeutendsten Mitglieder
  der britisch-indischen Gemeinde gerichtet sind. Ich stehe dafür
  ein, dass ein jeder der Leute vollständig jedes Wort des Contractes
  verstanden hat, und ferner dass sich diese Leute, die angeblich
  Sklaven von Banyanen sind, für Freie ausgegeben haben. Dass sie
  sich sehr schlecht bewährt haben, unterliegt keinem Zweifel. Doch
  erzählt mir Herr Stanley, er sei gezwungen gewesen, obwol er selbst
  seine Expedition führte, seine Leute in Sklavenketten marschiren zu
  lassen, um ähnliches Unglück zu vermeiden, und Dr. Livingstone gibt
  in einer eigenhändigen Zuschrift den Befehl, Ketten für die Leute,
  die ihm jetzt zugeschickt werden, zu kaufen. In Bezug auf die alte
  Angelegenheit der Johannesen und Dr. Livingstone’s Geldforderungen
  an sie, erwarte ich Eurer Lordschaft Befehle; da aber Johanna nicht
  innerhalb meines Jurisdictionsbezirks liegt, so schliesse ich das
  darauf bezügliche Schriftstück im Original bei. Ich enthalte mich
  aller Bemerkungen über den unhöflichen Ton dieser officiellen Briefe,
  sowie über die schimpflichen persönlichen Insinuationen, die sich auf
  mein und Herrn Churchill’s Betragen beziehen. Ich bin aber bereit,
  wenn es nöthig ist, auf jeden Punkt, über den Eure Lordschaft eine
  Erklärung wünscht, Rede und Antwort zu stehen. Ich bin ganz ausser
  Stande, es mir zu erklären, warum Dr. Livingstone, der als Consul
  Ihrer Majestät accreditirt ist, nicht selbst sofort die stärksten
  Massregeln ergriffen hat, um dem Sklaven- und sonstigem Raube
  Einhalt zu thun, von dem er sagt, dass er durch junge Nassicks,
  britische Schutzbefohlene, begangen worden, welche, wenn sie jetzt
  nicht zu seiner Eskorte gehören, wenigstens durch ihn in das Land
  gebracht wurden und sich zur Zeit in demselben Lager befanden.
  Wenn er an Ort und Stelle, mit der ganzen Autorität eines Consuls
  versehen, nicht Macht genug hat, das zu unterdrücken, was er als
  Augenzeuge schildert, wie kann er erwarten, dass die Gerechtigkeit
  die Schuldigen aus einer solchen Entfernung erreiche, zumal sie sich
  in einer Gegend befinden, die durchaus nicht unter der Gewalt des
  Sultans von Zanzibar steht.“


[Auszug.]

~Dr. Kirk an Earl Granville.~

(Erhalten am 22. Juli.)

  „Zanzibar, 18. Mai 1872.

  Ich habe die Ehre mitzutheilen, dass, nachdem wir die sichere
  Kunde erhalten, Dr. Livingstone befinde sich bei guter Gesundheit
  und im Besitz reichlicher Vorräthe, aber ohne die Absicht, jetzt
  Afrika zu verlassen, in dem dreissig Tagereisen von der Küste
  entfernten Unyanyembé, der Führer der zu seiner Aufsuchung und
  Unterstützung bestimmten Expedition, Lieutenant Dawson, zu der
  Ueberzeugung gekommen ist, dass seine Dienste als Hydrograph und
  gewandter Landvermesser unnütz geworden seien. Da Dr. Livingstone’s
  Sohn noch darauf besteht, sich zu seinem Vater zu begeben, und
  Lieutenant Henn unter diesen Umständen es kaum für rathsam hielt,
  ihn allein ziehen zu lassen, übernahm dieser das Commando, nachdem
  Lieutenant Dawson zurückgetreten war. Der Missionär Herr New, der
  sich der Expedition als Dolmetscher angeschlossen, erbot sich auch,
  mitzugehen, und die neue Expedition war zum Aufbruch bereit, als
  auch Herr New aus dem Grunde ablehnte, er könne bei reiflicherer
  Ueberlegung die zweite Stelle nicht annehmen. Seine Entlassung wurde
  sofort angenommen. Darauf begaben sich Lieutenant Henn, Herr W.
  O. Livingstone und die aus Eingeborenen bestehende Wachmannschaft
  auf das Festland von Afrika, wo die Güter schon unter Lieutenant
  Dawson zusammengebracht worden waren. Die Expedition war bereit
  aufzubrechen und unter Auspicien, wie sie wol nie besser gewesen,
  als Herr Stanley, der amerikanische Zeitungscorrespondent, der vor
  einem Jahre abgereist war, in Bagamoyo ankam. Herr Stanley verlor
  keine Zeit, Herrn Lieutenant Henn davon zu benachrichtigen, dass
  er Befehle von Dr. Livingstone habe, jede Expedition, die zu ihm
  stossen wolle, zurückzuschicken, und dass er und seine Expedition
  durchaus nicht willkommen, sondern Livingstone nur zur Last fallen
  würde, da er (Herr Stanley) eigenhändige Befehle des Doctors habe,
  die Leute und Vorräthe, deren er noch bedürfe, zu besorgen. Da es
  bei Lieutenant Henn’s Rückkehr in Zanzibar aus der ganzen Haltung
  von Dr. Livingstone’s offizieller Correspondenz ersichtlich war,
  dass ihm keine Hülfe, die nicht von Herrn Stanley, dem Agenten, dem
  er Vertrauen schenke, käme, willkommen sei, zog sich Lieutenant
  Henn natürlich zurück; Herr W. O. Livingstone aber bestand noch
  darauf, seinen Vater unter allen Umständen in Gesellschaft von
  Herrn Stanley’s Leuten aufzusuchen und es wurden ihm daher die
  Vorräthe anvertraut. Herr Stanley beeilte sich auch, die 500 Pfd.
  Sterl., wegen deren ihn Dr. Livingstone in einem Briefe, dessen
  Abschrift ich beilege, an mich gewiesen hatte, mir abzuverlangen.
  Ich theilte ihm darauf mit, dass ich derartige Fonds nicht besässe,
  da infolge Befehls von Euer Lordschaft alles der letzten Expedition
  übergeben worden und dass Herr W. O. Livingstone die ganze
  Verantwortlichkeit für dieselben habe. Herr Stanley vernichtete
  darauf einen Livingstone’schen Wechsel über die Summe von 500 Pfd.
  Sterl., der auf Bombay ausgestellt war. Herr W. O. Livingstone
  hat es nach Durchlesung der Briefe seines Vaters abgelehnt, Herrn
  Stanley’s Expedition zu seinem Vater zu begleiten, dagegen Herrn
  Stanley alles, was er an Vorräthen und Geld brauchte, übergeben und
  die amerikanische Expedition ist gestern nach der Küste abgereist.
  Ich füge hier noch hinzu, da sonst vielleicht mein Betragen falsch
  dargestellt werden könnte, dass sich Herr Stanley, um Vorwürfen
  zu entgehen, die daraus entstehen könnten, dass seine Leute nicht
  rechtzeitig in Unyanyembé ankämen, an mich mit der Bitte gewandt
  hat, für ihren Abgang zu sorgen, nachdem er Zanzibar verlassen.
  Dieses habe ich sofort aufs bestimmteste abgelehnt und ihm gesagt,
  es sei mir unmöglich, mit Dr. Livingstone nach dem, was er gethan
  und gesagt habe, noch anders als in meiner officiellen Eigenschaft
  zu verhandeln. Herr W. O. Livingstone hat hier die überschüssigen
  Vorräthe der Expedition verkauft und wird seine Rechnung der Königl.
  Geographischen Gesellschaft einreichen.“

Aus dem Obigen ersieht man, dass Dr. Livingstone eine förmliche Klage
bei Herrn Kirk einreicht und natürlich auch genöthigt ist, seinen
Freund in der formellen Weise „Mein Herr!“ anzureden. Er fährt dann
fort die Erfolge der verschiedenen von Zanzibar an ihn abgesandten
Karavanen zu schildern und gesteht es in einer Nachschrift ein, dass
er es sehr bedauere gezwungen zu sein, über so unangenehme Dinge zu
schreiben.

In den Briefen Dr. Kirk’s, die es offenbar bekunden, dass er diese
Klage übel aufnimmt, findet man, dass dieser darauf durch folgende
gegen Dr. Livingstone und mich vorgebrachte Beschuldigungen erwidert:

1) Dr. Livingstone hat es „geflissentlich“ vermieden, die geringste
Andeutung über seine Arbeiten während der letzten drei Jahre, wo
er nichts von sich hat hören lassen, und in Bezug auf seine neuen
Forschungen zu machen.

2) Herr Stanley hat besondere Instructionen, ja nichts über seine
(zukünftige) Route oder Pläne bekannt werden zu lassen.

3) Früher geschriebene Briefe, in denen sich hierüber einige
Nachrichten befanden, sind unterdrückt worden oder verloren gegangen.

4) Herr Stanley ist gezwungen gewesen, seine Leute in Sklavenketten
marschiren zu lassen, um ähnliches Unglück zu vermeiden, wie das von
Livingstone erduldete.

5) Dr. Livingstone verlangt in einem eigenhändigen Schriftstücke Ketten
zu diesem Zweck (um Unglücksfälle zu vermeiden), für die Leute, die
jetzt zu ihm ziehen.

6) Der Ton der officiellen Briefe Dr. Livingstone’s ist unhöflich und
die persönlichen Insinuationen in Bezug auf mein und Herrn Churchill’s
Betragen sind schimpflich.

7) Ich wundere mich, dass Dr. Livingstone ausgerüstet mit der
Consularautorität nicht die Macht hat, dem Morden, dem Sklaven- und
sonstigem Raube, der öffentlich von jungen Nassicks, britischen
Schutzbefohlenen, verübt worden, ein Ziel zu setzen.

8) Herr Stanley hat keine Zeit verloren, Lieutenant Henn zu versichern,
dass ein schriftlicher Befehl Dr. Livingstone’s ihn ermächtige, eine
jede Expedition, die zu ihm stossen will, wieder zurückzuschicken.

9) Es geht deutlich aus der Haltung von Dr. Livingstone’s officieller
Correspondenz hervor, dass er nur Hülfe, welche durch seinen vertrauten
Agenten, Herrn Stanley, ihm zukommt, willkommen heissen werde.

10) Herr W. O. Livingstone hat, nachdem er seines Vaters Briefe
durchlesen, es abgelehnt, Herrn Stanley’s Expedition zu seinem Vater zu
begleiten.

Da Dr. Livingstone nicht hier ist und ich die obigen Beschuldigungen
ebenso widerlegen kann, als ob er selbst in England wäre, und da ich
an einigen der Beschuldigungen auch betheiligt bin, so ist es meine
Pflicht, sie so deutlich wie möglich auseinanderzusetzen. Ich erwidere
also in derselben Reihenfolge, wie oben die Behauptungen aufgeführt
sind, Folgendes:

1) Dr. Livingstone hat es nicht geflissentlich vermieden, Aufschlüsse
über seine zukünftigen Pläne oder frühern Arbeiten zu geben. Vielmehr
hat er wiederholt Briefe geschrieben, von welchen ich Abschriften in
seinem Tagebuche gesehen, welche Einzelheiten über seine Entdeckungen
enthalten.

2) Ich habe nie besondere Instructionen erhalten, nichts über Dr.
Livingstone’s zukünftige Route oder Pläne bekannt zu machen und
zwar weder von Dr. Livingstone, noch von Herrn Bennett, was dadurch
bewiesen wird, dass ich dem Correspondenten des „Daily Telegraph“, als
er mich in Marseille besuchte, um Nachrichten zu bekommen, dieselben
bereitwillig gegeben habe.

3) Briefe mit Nachrichten von Dr. Livingstone an Dr. Kirk und Lord
Clarendon, die bald nach seiner Ankunft in Udschidschi geschrieben,
wurden durch Kuriere nach Unyanyembé geschickt und von Sayd bin Salim
in Empfang genommen. Sie sind also später „unterdrückt worden oder
verloren gegangen“, nämlich auf dem Wege zwischen Sayd bin Salim in
Unyanyembé und dem britischen Consulat in Zanzibar in der Zeit, wo ich
mit Dr. Livingstone von Udschidschi nach Unyanyembé reiste.

4) Ich war nur dazu gezwungen, die wenigen widerspenstigen Leute und
Deserteure in Ketten marschiren zu lassen, Leute, die beständig meine
Expedition dadurch gefährdeten, dass sie unser Eigenthum auf dem Wege
liegen liessen oder meutern wollten.

5) Dr. Livingstone hat mir, auf meinen Rath hin, versprochen, den
moralischen Einfluss einer Kette auf Widerspenstige und Deserteure zu
versuchen, wie ich es auch gethan; denn irgendein Strafmittel ist in
Central-Afrika für die Unverbesserlichen ebenso nothwendig, wie die
Gefängnisse in civilisirten Ländern.

6) Der Ton von Dr. Livingstone’s Briefen ist nicht unhöflich.
Unhöflichkeit lag durchaus nicht in seiner Absicht; es sind nur
formelle Beschwerden.

7) Wäre Dr. Livingstone selbst mit despotischer und königlicher
Autorität versehen gewesen, so wäre er doch ebenso machtlos wie bei
Consularautorität, wenn er nicht die Mittel hatte, sie mit Gewalt zur
Geltung zu bringen. In den Wildnissen von Central-Afrika hätte er nicht
britische Schützlinge mit der Todes- oder Gefängnissstrafe belegen
können, wenn er auch die Autorität aller civilisirten Völker, aber
nicht die Mittel besässe, dieselbe mit Gewalt zur Geltung zu bringen.
Er konnte Uebelthäter eben nur entlassen.

8) Hier rathe ich den Lesern das Schlusskapitel zu lesen.

9) Es geht keineswegs aus der Haltung der officiellen Briefe Dr.
Livingstone’s an Dr. Kirk hervor, dass er nur eine von Herrn Stanley
ihm gesandte Hülfe willkommen heissen werde. Dr. Livingstone wusste
gar nicht, dass das britische Publikum eine Hülfsexpedition für ihn
organisirt habe. Da er dies nicht wusste, bat er mich, alles für ihn zu
thun, was ich könne; die Leute und Vorräthe aber, deren er bedurfte,
wurden ihm von Zanzibar einzig und allein aus englischem Gelde
geschickt.

10) Herr W. O. Livingstone hat nicht nach Durchlesung der Briefe
seines Vaters „es abgelehnt, Herrn Stanley’s Expedition zu seinem
Vater zu begleiten“, sondern Herr Livingstone hat sich nur auf den
freundschaftlichen, ärztlichen Rath des Dr. Kirk zurückgezogen, welcher
meinte, dass es bei seinem damaligen schwächlichen Gesundheitszustand
für ihn sehr unklug, wenn nicht gefährlich sei, den Versuch zu machen,
nach Unyanyembé während des schlimmsten Monsuns, der je über Ost-Afrika
hingezogen, zu gehen.

Ich schliesse mit der Hoffnung, dass die Empfindungen, welche Dr.
Kirk jetzt gegen Dr. Livingstone zu hegen scheint, höflichern und
duldsamern Platz machen werden, wenn letzterer heimkehrt, um dann die
innige Freundschaft vollständig wiederherzustellen, welche früher
den Verkehr zwischen diesen beiden alten Bekannten charakterisirte,
als sie zusammen in den Regionen des Zambezi und Nyassa-Sees reisten
und lebten. Ich glaube, ich kann seitens des Dr. Livingstone eine
herzliche, freundliche Erwiderung auf diese Empfindungen in Aussicht
stellen. Was mich betrifft, so würde mich nichts mehr freuen, als wenn
wir allesammt wieder recht gute Freunde würden. Dr. Livingstone kennt
die Gesinnungen, die ich für ihn hege, sehr wohl, und Dr. Kirk kann
überzeugt sein, dass ich für ihn aufrichtige Bewunderung empfinde.

       *       *       *       *       *

Das Folgende ist die allerletzte Nachricht von Dr. Livingstone (im
Auswärtigen Amt am 19. October 1872 angekommen) und beweist genau,
was ich gesagt habe, dass dieser gegen Dr. Kirk keine Unhöflichkeit
beabsichtigt oder daran gedacht hat, sein Verfahren anzugreifen, und
dass ich seine Empfindungen im vorhergehenden Absatz richtig gedeutet
habe.

  ~Dr. Livingstone an Lord Granville.~

  „Unyanyembé, 1. Juli 1872.

  Mylord!

  Ich muss daran erinnern, dass ich sehr grosse Unannehmlichkeiten
  dadurch erlitten, dass Sklaven statt Freier für mich engagirt worden
  sind. Dies hat mir volle zwei Jahre gekostet, mir ein unnützes
  Marschiren von 1800–2000 Meilen auferlegt, mich viermal der Gefahr
  eines gewaltsamen Todes ausgesetzt und ausserdem eine unbestimmbare
  Summe Geld gekostet. Gewisse Banyanen, indisch-britische Unterthanen,
  an deren Spitze ein gewisser Ludha Damdschi steht, scheinen
  uns ihre Sklaven für mehr als das doppelte Gehalt eines Freien
  betrüglicherweise aufgedrungen zu haben, und die sämmtlichen Sklaven
  waren von dem Gedanken erfüllt, dass sie mir nicht folgen, sondern
  mich zur Rückkehr zwingen sollten. Durch das Geld und die Waaren
  dieser Banyanen wird fast der ganze Sklavenhandel dieser Gegend
  vermittelt. Sie haben sich unehrlicher Agenten bedient, um die
  Karavanen zu führen und dies hat es zu Wege gebracht, dass ich zu
  vier verschiedenen malen ausgeplündert worden bin. Niemals wird
  ein Händler in dieser Weise beraubt. Ich habe eine Klage hierüber
  an Dr. Kirk abgesandt und in meinem Brief vom 14. November eine
  Copie desselben in der Hoffnung eingeschlossen, dass er, wenn es
  nöthig wäre, vom Auswärtigen Amte Unterstützung bekäme, damit
  mir Gerechtigkeit widerfahren und er die Sache rasch in Angriff
  nehmen könne, denn die Banyanen und ihr ungerechter Agent Scherif
  haben ihre Privathandelsspeculationen zwischen Dr. Kirk und mich
  zwischengeschoben und uns, ohne dass wir es wussten, dazu verführt,
  Sklaven zu brauchen, obwol wir uns dem widersetzt hatten, dass
  Kapitän Fraser dasselbe auf seiner Zuckerplantage thue. Ich bedauere
  es sehr, zufälligerweise erfahren zu haben, dass Dr. Kirk meine
  förmlichen Anklagen gegen die Banyanen als einen versteckten Angriff
  auf ihn selbst betrachtet hat; wenn ich dies vorhergesehen hätte, so
  hätte ich bestimmt alle meine Verluste stillschweigend ertragen. Ich
  habe niemals mit ihm Streit gehabt, obwol wir Jahre lang zusammen
  waren, und ich hatte keineswegs die Absicht, ihn zu beleidigen. Aber
  das öffentliche Interesse, das sich an dieser Expedition bethätigt,
  zwingt mich zur Veröffentlichung aller der Hindernisse, welche sich
  dem entgegengestellt haben, dass ihre Aufgabe nicht schon vollendet
  worden ist. Ich habe die Banyanen und ihre Agenten als die Ursache
  aller meiner Verluste dargestellt und gezeigt, dass der Gouverneur
  hier ihr hauptsächlichster Agent ist. Dies wird durch die Thatsache
  bestätigt, dass Scherif und die erste Sklavenbande jetzt bei ihm aufs
  bequemste in Mfutu leben, einem Dorfe, das etwa 12 Meilen von dem
  Ort, an dem ich dieses schreibe, entfernt ist.

  Da ich, wie ich in meinem obigen Briefe erwähnt habe, ausreichende
  Vorräthe besitze, die mich in den Stand setzen, in kurzer Zeit
  meine Arbeit möglichst zu beendigen, und da die erste und zweite
  Sklavenbande sich als so sehr ungenügend erwiesen hatte, war es mir
  sehr darum zu thun, dass nicht wieder Sklaven kommen sollten; ich bat
  daher Herrn Stanley, mir 50 Freie in Zanzibar zu miethen und für den
  Fall, dass er Sklaven begegne, dieselben wieder zurückzuschicken,
  ohne Rücksicht darauf, was für Ausgaben an sie gewandt worden seien.
  Diese wollte ich gern alle bezahlen. Ich hatte keine Idee davon, dass
  dies dazu führen würde, eine englische Expedition, die in grösster
  Freundlichkeit mir zu Hülfe geschickt worden, an ihrer Weiterreise
  zu verhindern. Ich bin vom aufrichtigsten, tiefsten Danke für die
  edle Anstrengung meiner Landsleute erfüllt und bedauere es sehr, dass
  meine Vorsichtsmassregeln gegen eine nochmalige Sklavenexpedition
  den selbstverleugnenden Eifer von Ehrenmännern gedämpft haben, die
  durchaus keine Spur vom Geiste von Sklaven an sich haben.

  Wie ich jetzt auseinandersetzen werde, hätten sie mir jedoch wenig
  in der Richtung nützen können, die ich einzuschlagen beabsichtige.
  Besässen wir aber einen Telegraphen oder selbst nur eine Briefpost,
  so hätte ich ihnen Arbeiten nach einer andern Richtung vorgeschlagen,
  die dem Vorstande der Geographischen Gesellschaft genehm gewesen wäre.

  Seit zwölf Monaten wird hier Krieg geführt. Derselbe ähnelt unsern
  kleinen Kaffernkriegen, bereichert aber niemanden. Aller Handel
  wird dadurch gehemmt und im ganzen Lande herrscht allgemeine
  Gesetzlosigkeit. Ich beabsichtige, diese Verwirrungen dadurch zu
  vermeiden, dass ich nach Süden nach Fipa gehe, dann um das südliche
  Ende des Tanganika und darauf über den Chambeze, dem Ufer des Sees
  Bangweolo entlang nach Westen ziehe. Wenn ich mich dann auf 12°
  südl. Br. befinde, so gedenke ich in gerader Richtung nach Westen an
  die alten Quellen zu gehen, von denen es heisst, dass sie an jenem
  Ende der Wasserscheide liegen, und mich von dort nach Norden zu
  den Kupferminen von Katanga zu wenden, die nur ungefähr zehn Tage
  südwestlich von den unterirdischen Höhlen sind. Von dort aus kehre
  ich nach Katanga zurück, das zwölf Tagereisen nach Südsüdwesten
  vom Ende des Lincoln-Sees liegt. Daselbst angekommen, werde ich
  der Vorsehung aufrichtig danken und über den Kamolondo-See nach
  Udschidschi und in die Heimat zurückkehren. Durch diese Reise hoffe
  ich den Theil des Landes, an dessen Erforschung mich die Sklaven
  gehindert haben, kennen zu lernen. Ich bin nämlich aus der Gegend
  des Zusammenflusses des Lomame mit Webb’s Lualaba zurückzukehren
  gezwungen worden. Der Lomame ist die Verlängerung des Lincoln-Sees
  in das centrale Seesystem -- in Webb’s Lualaba. Die hier angedeutete
  Route macht meine Rückreise nutzbar, indem sie mich aussen, oder
  sagen wir südlich um alle die Quellen zusammen herumführt, wogegen
  die Route, welche durch Manyuema führt, nicht dazu taugen würde, um
  den Faden der Forschungen wieder aufzunehmen. Jene bringt mich auch
  ausserhalb des Bereichs des von Udschidschi oder von der Küste aus
  betriebenen Sklavenhandels und Blutvergiessens, was die Manyuema
  jetzt zu rächen anfangen. Wenn ich mich jetzt zurückzöge, wie ich
  es von ganzem Herzen zu thun wünschte, so würde ich mir bewusst
  sein, die Entdeckung der Quellen unbeendet gelassen zu haben und
  alsbald einen Nachfolger zu bekommen, der die Nichtigkeit meiner
  Ansprüche nachweisen würde. Und was noch schlimmer wäre als das,
  die Banyanen und ihre Agenten, von denen ich glaube, dass sie sich
  verschworen haben, alle meine Pläne zu vereiteln, würden wesentlich
  ihre Absichten durchgesetzt haben. Ich kenne jetzt schon viele von
  den Völkerschaften, mit denen ich ganz freundschaftlich verkehre,
  nachdem ich in der Gegend weit gereist bin und den Irrthum verbessert
  habe, zu dem ich dadurch verführt wurde, dass der Chambeze von den
  Portugiesen und Andern Zambesi genannt wird. Ich möchte sehr gern
  die Basañgo besuchen, die nahe an meinem Wege wohnen, werde mich
  aber doch auf sechs bis acht Monate beschränken, um das Versäumte
  wieder gut zu machen. Vor ungefähr fünf Generationen ist ein Weisser
  in die Hochlande von Basañgo gekommen, die gerade im Osten von
  der Wasserscheide liegen. Derselbe hatte sechs Begleiter, welche
  jedoch alle starben, und schliesslich wurde dieser Führer, Tscharura
  genannt, zum Haupt der Basañgo gewählt. In der dritten Generation
  hatte er 60 kräftige Speerträger zu directen Nachkommen. Dies lässt
  auf eine ebenso grosse Zahl weiblichen Geschlechts schliessen.
  Sie sind von sehr heller Farbe und leicht daran zu erkennen, dass
  es niemandem, ausser der königlichen Familie, gestattet ist,
  Korallenperlen zu tragen, wie sie Tscharura eingeführt hat. Ein
  Buch, das er mitgebracht, ist erst vor kurzem verloren gegangen.
  Das Interesse des Falls liegt in seinem Zusammenhange mit der
  berühmten Theorie Darwin’s über die Entstehung der Arten, denn er
  beweist, dass eine verbesserte Varietät, wofür wir Weissen uns
  doch bescheidentlich halten, nicht dem ausgesetzt ist, durch grosse
  Zahlen, wie einige gemeint haben, überwuchert und vernichtet zu
  werden.

  Zwei Mazitu-Häuptlinge leben in der Nähe der Route. Ich würde sie
  sehr gern besuchen und für die Engländer Gerechtsame zu erlangen
  suchen, wie sie den Arabern von Seyd Madschid gewährt worden sind,
  bin aber jetzt viel zu reich, um mich unter Diebe zu begeben. Zu
  einer andern Zeit hätte ich getrost hingehen können, weil nach
  dem schottischen Sprichwort „niemand die Hosen eines Hochschotten
  stiehlt“. Wenn es einigermassen gut geht, so hoffe ich in acht
  Monaten von jetzt ab wieder in Udschidschi zurück zu sein. Sollte
  jemand die Klugheit meiner Entscheidung in Frage ziehen oder mich im
  Verdacht haben, wenig Liebe für meine Familie zu empfinden, indem
  ich diese letzte Reise unternehme, so kann ich mich vertrauensvoll
  um Billigung an den Vorstand der Königl. Geographischen Gesellschaft
  wenden, der den Gegenstand vollständig versteht.

  Hätte ich vorher wissen können, dass diese letzte Expedition
  herkommen würde, um mich aufzusuchen, so würde ich sie als
  Zweigexpedition benutzt haben, um den Victoria-See zu erforschen,
  zu welchem Zweck die gewählten Seeoffiziere ohne Zweifel vorzüglich
  geeignet gewesen wären. Das Skelet eines Bootes, das Herr Stanley
  hier gelassen hat, hätte ihren Zwecken dienen können und sie hätten
  das ganze Verdienst einer unabhängigen Forschung und ihrer Erfolge
  gehabt. Ich bin längere Zeit in Gesellschaft von drei intelligenten
  Sanheli gereist, die je drei, sechs und neun Jahre in dem östlich vom
  Victoria-See belegenen Lande gelebt haben, der dort Okara, hier aber
  Mkara genannt wird. Sie haben mir drei oder vier Seen beschrieben,
  von denen nur der eine seine Gewässer nach Norden entsendet. Okara
  scheint der eigentliche Victoria-See zu sein. Ungefähr aus seiner
  Mitte gibt er einen Arm nach Osten ab, welcher Kidette heisst, in
  den eine Menge Reusen gelegt und wo viele Fische gefangen werden.
  Er ist drei Tagereisen zu Boot lang und verbindet sich mit dem See
  Kavirondo, der wol nicht ein See, sondern nur ein Arm des Okara
  genannt zu werden verdient. An demselben lebt ein sehr schwarzes
  Volk, das Vieh hält. Weiter nach Osten befinden sich die Masai.
  Südöstlich von Kavirondo liegt der See Neibasch oder Neybasch; dessen
  südlichem Ufer entlang sind sie drei Tage gereist und von dort aus
  haben sie den Berg Kilimandscharo gleichfalls im Südosten gesehen.
  Der See hatte keinen Ausfluss. Als fern im Norden von Kavirondo
  liegend beschrieben sie den See Bariñgo (nicht Bahr Ngo). Ein Fluss
  oder Flüsschen, der Ngare na Rogwa heisst, fliesst in denselben von
  Süden oder Südosten. Sein Name bezeichnet, dass er etwas salzig ist.
  Bariñgo entsendet einen Fluss nach Nordosten, welcher Ngardabasch
  heisst. Das Land im Osten und Norden von Bariñgo heisst Burukineggo
  und man erzählt sich, dass dort Gallahs mit Kamelen und Pferden
  leben; meine Berichterstatter haben sie aber nicht gesehen. Ich gebe
  ihre Nachrichten nur so, ohne ihren Werth zu untersuchen. Ihr Zweck
  war das Plündern und sie konnten wol kaum in Bezug auf die Zahl
  der Seen im Irrthum sein, wo nach unserer Annahme sich nur einer
  befindet. Der Okara oder eigentliche Victoria-See ist der grösste
  und enthält viele sehr grosse Inseln. Ich habe nicht den geringsten
  Wunsch, in seine Nähe zu gehen weder jetzt noch in Zukunft, sondern
  wünsche nur meine eigene Aufgabe gut zu Ende zu führen und glaube,
  dass ich wol einige Ausdauer für mich in Anspruch nehmen darf. Wenn
  mir jedoch der Auftrag würde, noch irgendwo sonst hinzugeben, so
  würde ich mich bestimmt auf grosse Kränklichkeit oder dringende
  Privatangelegenheiten berufen. Man hat mir nachgesagt, dass ich
  unter den Arabern wie einer derselben lebe; dies kann nur heissen,
  dass ich auf gutem Fusse zu denselben stehe. Sie nennen mich oft den
  „Christen“ und ich habe nie diesen Charakter in irgendeiner Beziehung
  verleugnet.

  Eine eigene Skizze einer Längenaufnahme, welche ich an Sir Thomas
  MacLear an der Königlichen Sternwarte am Cap geschickt habe, ergibt
  27° östl. als die Länge des grossen Flusses Lualaba und die Breite
  von 4° 9′ südl. Er verläuft ungefähr zwischen 26° und 27° östl.
  L. und liegt daher nicht so weit westlich, wie es meine Rechnung,
  die ich ohne Uhr in dichten Wäldern und zwischen gigantischem Gras
  ausführte, festgestellt hatte. Es ist daher weniger wahrscheinlich,
  dass es der Congo ist, und ich könnte wol auf demselben mit Baker
  zusammentreffen. Mit Bezug auf die alten Quellen kenne ich schon die
  vier Ströme, die ohne Frage in der Nähe von oder an dem westlichen
  Ende der Wasserscheide entstehen. Herr Oswell und ich hörten etwa
  im Jahre 1851, dass der Kafue und Liambai (der Obere Zambesi) an
  einer Stelle entsprängen, obwol wir damals etwa 300 Meilen davon
  entfernt waren. Die beiden Flüsse Lomame und Lufira kommen aus
  derselben Gegend; der einzige Punkt, der noch zweifelhaft, ist die
  Entfernung ihrer Quellen voneinander und diesen möchte ich sehr
  gern feststellen. Ich schicke astronomische Beobachtungen und eine
  Kartenskizze durch einen Eingeborenen an Sir Thomas MacLear. Die
  Karte ist sehr unvollständig, weil mir alle bequemen Mittel für das
  Zeichnen derselben fehlten und keine Lage sollte als festgestellt
  oder veröffentlicht betrachtet werden, bis sie auf dem Observatorium
  von neuem berechnet worden ist.

  Es ist ziemlich viel Gefahr dabei, so zu verfahren, doch nicht
  so viel, wie wenn ich die Sache meinem Freunde, dem Gouverneur,
  vertraute. Eine frühere kartographische Skizze, eine Menge
  astronomischer Beobachtungen und fast alle meine Briefe sind
  hier verschwunden; aber es ist besser, dass sie den Gefahren des
  Transports durch einen Eingeborenen ausgesetzt sind, als dass sie
  mich über zahllose Gewässer begleiten. Die Furcht, mein Tagebuch
  ganz und gar zu verlieren, hat mich dazu geführt, es Herrn Stanley
  anzuvertrauen, damit meine Tochter es bis zu meiner Rückkehr
  verwahre, und ich hoffe, dass es sicher angekommen ist. Ich warte
  hier nur, bis meine 50 Leute eintreffen. Die natürliche Besorgniss,
  die ich für die Sicherheit meines Sohnes Oswell empfinde, der
  durch die zwischen diesem kalten Hochland und der Küste liegenden
  Fieberdistricte reist, wäre um das Dreifache vermehrt worden, wenn
  die Herren von der Marine mitgekommen wären.

  Zum Schluss erlauben Eure Lordschaft, dass ich Ihnen sowie dem
  Vorstande und den Mitgliedern der Königl. Geographischen Gesellschaft
  sowie allen denen meinen herzlichsten Dank sage, die freundlichst
  in irgendwelcher Weise dazu beigetragen haben, für meine Sicherheit
  zu sorgen. Ich fühle es aufrichtig, dass niemand in der Welt mehr
  Ursache zu dem tiefsten Danke hat, als

  Ihr gehorsamster Diener

  ~David Livingstone~,
  Ihrer Majestät Consul in Inner-Afrika.“

[Ergänzend sei hier erwähnt, dass die von H. M. Stanley in Zanzibar
organisirte neue Expedition am 12. August 1872 in Unyanyembé eintraf,
worauf Dr. Livingstone am 25. August eine neue Reise nach dem
Bangweolo-See antrat. Er ging dem südöstlichen Ufer des Tanganika-Sees
entlang und um dessen Südende in das Land des Cazembe, wo er den Ufern
des Bangweolo-Sees an der Nord-, Ost- und Südseite folgte. Am 1. Mai
1873 erlag er im Dorfe Tschitambo’s in Ilala der Dysenterie. Seine
treuen Diener, unter der Führung von Susi[10], trugen die Leiche nach
der Ostküste, von wo sie nach England übergeführt und am 18. April 1874
in der Westminster-Abtei zu London beigesetzt wurde.]


SCHLUSS.

Die folgende Correspondenz und namentlich das letzte Schreiben, das von
einer schönen, werthvollen, mit Brillanten besetzten goldenen Tabatière
begleitet war, wird von mir stets als eins der angenehmsten Resultate
meines Unternehmens geschätzt werden.

  H. M. S.

  „Auswärtiges Amt, 1. August.

  Mein Herr!

  Earl Granville gibt mir den Auftrag, Ihnen den Empfang eines
  Päckchens anzuzeigen, welches Briefe und Depeschen von Dr.
  Livingstone enthält, das Sie so gut waren, an Ihrer Majestät
  Gesandten in Paris zur Ueberlieferung an das hiesige Amt zu
  übergeben, und ich habe den Auftrag, Ihnen den Dank Seiner Lordschaft
  dafür auszusprechen, dass Sie sich dieser interessanten Documente
  angenommen haben.

  Ihr ergebenster Diener

  ~Enfield~.“


_An Herrn Henry M. Stanley, London._

  „London, 2. August.

  Herr Henry M. Stanley hat mir heute das Tagebuch meines Vaters, des
  Dr. Livingstone, überliefert, so wie es von meinem Vater adressirt
  und gesiegelt ist und mit den darauf befindlichen von meinem Vater
  unterzeichneten Instructionen. Für seine dafür bewiesene Sorgfalt,
  sowie für alles, was er zu Gunsten meines Vaters gethan hat, schulden
  wir ihm den besten Dank. Wir haben durchaus keine Ursache, es zu
  bezweifeln, dass es wirklich meines Vaters Tagebuch ist, und ich
  bezeuge hiermit, dass die Briefe, die er uns mitgebracht hat, Briefe
  meines Vaters sind und von niemand anderm herrühren.

  ~T. S. Livingstone.~“

  „2. August 1872.

  Mein Herr!

  Ich habe gar nicht gewusst, bis Sie dessen Erwähnung thaten, dass
  irgendein Zweifel über die Authenticität von Livingstone’s Depeschen,
  die Sie Lord Lyons am 31. Juli übergeben haben, existirte. Aber
  infolge dessen, was Sie mir gesagt haben, habe ich die Sache
  untersuchen lassen und finde, dass Herr Hammond, Untersecretär
  des Auswärtigen Amtes, und Herr Wylde, Chef des Departements für
  Consularangelegenheiten und Sklavenhandel, nicht den geringsten
  Zweifel an der Echtheit der Schriftstücke hegen, welche Lord Lyons
  erhalten hat und die sich jetzt im Druck befinden.

  Ich kann nicht umhin, diese Gelegenheit dazu zu benutzen, Ihnen meine
  Bewunderung der Eigenschaften auszudrücken, die Sie in den Stand
  gesetzt haben, den Zweck Ihrer Mission zu erreichen und ein Resultat
  zu erzielen, das sowol in den Vereinigten Staaten wie auch hier zu
  Lande mit so grossem Enthusiasmus begrüsst worden ist.

  Ihr gehorsamer

  ~Granville~.“


_An Herrn Henry Stanley._

  „Auswärtiges Amt, 27. August.

  Mein Herr!

  Es gereicht mir zu grosser Freude, Ihnen auf Befehl Ihrer Majestät
  mitzutheilen, dass dieselbe die Klugheit und den Eifer, den Sie an
  den Tag gelegt haben, um eine Verbindung mit Dr. Livingstone zu
  eröffnen und dadurch Ihre Majestät von Sorgen zu befreien, die sie
  gemeinsam mit ihren Unterthanen in Bezug auf das Schicksal dieses
  ausgezeichneten Reisenden empfunden hat, im höchsten Grade zu
  schätzen weiss.

  Die Königin beauftragt mich, Ihnen ihren Dank für den dadurch
  geleisteten Dienst auszusprechen zugleich mit ihren Glückwünschen,
  dass Sie Ihre Mission, die Sie so muthig unternommen, mit so grossem
  Glück durchgeführt haben. Gleichzeitig wünscht Ihre Majestät, dass
  ich Sie ersuche, das diesen Brief begleitende Andenken von ihr
  anzunehmen.

  Ihr ergebenster

  ~Granville~.“

[Illustration: ANDENKEN.]


  [10] Vgl. V. L. Cameron, „Quer durch Afrika“ (2 Bde., Leipzig, F. A.
       Brockhaus, 1877), I, 143.




WÖRTERVERZEICHNISS.


  Boma         Einhegung.
  Bubu         Schwarze Perlen.
  Diwan        Aeltester, Häuptling oder obrigkeitliche Person.
  Doti         Vier Yards Tuch.
  Dowa         Medicin.
  Fundo        Zehn Halsbänder oder zehn Khetes.
  Ghulabio     Eine Art Perlen.
  Hafde        Eine Art Perlen.
  Hamal        Lastträger.
  Honga        Tribut.
  Ismahili     Bezeichnung der Eingeborenen für eine besondere Art Tuch.
  Kadunguru    Eine Art ziegelfarbener Perlen.
  Kaif-Halek   „Wie geht es Ihnen?“
  Kaniki       Ein blaues, in Indien fabricirtes Zeug.
  Khambi       Lager.
  Khete        Ein Halsband oder ein Zehntel Fundo.
  Kirangozi    Führer.
  Kitambi      Eine Art Tuch.
  Kiti         Sessel.
  Kitschuma-
    tschuma    „Kleine Eisen“, eine Leberkrankheit.
  Lakhio       Eine Art rosafarbener Perlen.
  Lunghio      Blaue Perlen.
  Lunghio
    mbamba     Kleine blaue Perlen.
  Lunghio rega Grosse blaue Perlen.
  M            Ein Präfix, das zur Bezeichnung +eines+ Einwohners eines
                 Landes dient, z. B. M-dschidschi = ein Bewohner von
                 Dschidschi.
  Manyapara    Aeltester oder Unterhäuptling.
  Matama       Holcus sorghum oder das arabische Durra.
  Mbembu       Waldpfirsich.
  Merikani     Ungebleichte in Amerika fabricirte Baumwollenstoffe.
  Mganga       Ein Medicinmann oder Zauberdoctor.
  Miezi-Mungu  Ein Ausdruck für „Gott“ in Kiswahili-Sprache.
  Mtemi        Synonym für König.
  Mtoni        Nullah (Wasserlauf).
  Muhongo      Tribut.
  Mulungu      Bezeichnung der Eingeborenen für „Gott“.
  Mukunguru    Wechselfieber.
  Mvuha        Donner.
  Ngombe       Eine Kuh.
  Pagazi       Ein Lastträger.
  Poscho       Nahrungsmittel.
  Sami-Sami    Rothe Perlen.
  Schamba      Ein Feld.
  Schasch      Ein Muslintuch.
  Scheikh      Ein Titel, der aus Höflichkeit einem ältlichen Mann
                 gegeben wird.
  Schukka      Zwei Yards Tuch.
  Sohari       Eine Art farbiges Tuch.
  Sungomazzi   Grosse Glas- oder Porzellan-Perlen.
  Toudschiri   Eine besondere Art Tuch.
  U            Ein Präfix, das zur Bezeichnung eines Landes dient, z. B.
                 Udschidschi = das Land von Dschidschi.
  Uganga       Arznei.
  Wa-          Ein Präfix, das zur Bezeichnung +mehrerer+ Einwohner
                 eines Landes dient, z. B. Wadschidschi = Bewohner von
                 Dschidschi.
  Waschensi    Eine verächtliche Bezeichnung für „Eingeborene“.
  Yambo        „Wie geht es?“
  Ziwa         Ein Pfuhl, ein See.
  Ziwani       Ein Teich.




REGISTER.


  Abdul Kader, der Schneider I, 71, 210, 304.

  Abdullah bin Mussud I, 256.

  Abdullah bin Nasib I, 163, 238.

  Abid bin Suliman II, 46.

  Affen II, 9, 111, 153, 204.

  Akazien I, 198;
    II, 151.

  Ali bin Salim I, 50, 52, 54.

  Aloe II, 151.

  Alter, hohes, II, 174.

  Ambari I, 329, 332.

  Ameisen, Zerstörungen durch weisse, I, 167;
    II, 231.

  -- rothe oder „Heisswasser“-Ameisen II, 264.

  Ameisenhügel, merkwürdige, II, 2.

  Amer bin Sultan, der Typus eines alten arabischen Scheikh I, 213.

  Amram bin Mussud I, 256, 260.

  Anak-Pic I, 164.

  Antari II, 163.

  Antilopen I, 170, 320, 325;
    II, 154.

  Araber in Tabora I, 254, 276.

  Araber, Antipathie gegen sie als Sklavenhändler II, 93.

  Aranselar, Obermundschenk der Expedition I, 71.

  Armee, die arabische I, 267.

  Arzneimittel II, 159, 214.

  Asmani I, 261, 293, 327, 331;
    II, 31, 208, 230.

  Austin, Dr., I, 102.

  Auswärtiges Amt, Briefe II, 306.


  Baba (Vater), Höflichkeitsbezeichnung für ältere Personen II, 217.

  Bagamoyo, französ. Missionsstation in --, I, 27, 48;
    Leben in --, I, 47;
    Klima I, 69;
    Abreise I, 74;
    Rückkehr II, 268.

  -- Entfernung bis Simbamwenni I, 123;
    bis Unyanyembé I, 217.

  Baker, Sir Samuel, II, 133.

  Bambarre, Elfenbeindepot II, 82.

  Bambus I, 127, 142.

  Bangwé, Insel, II, 109.

  Bangweolo-See II, 80.

  Bankett I, 293.

  Banyanen I, 12;
    schlaue Handelsleute I, 14;
    ihr Einfluss auf den afrikanischen Handel I, 15.

  Baobab I, 172, 180.

  Baruti, einer von Speke’s Getreuen, sein Tod I, 289.

  Bäume I, 127;
    II, 149.

  Begräbniss-Ceremonien I, 244, 290.

  Begrüssungs-Ceremonien II, 175.

  Beke, Dr., II, 64, 99, 298.

  Bemba II, 136.

  Bennett, James Gordon, I, 1–4;
    II, 57;
    Brief von Dr. Livingstone an ihn II, 234;
    freigebige That in Bezug auf Dr. Livingstone’s Briefe II, 293.

  Benta Wald I, 309.

  Beulah II, 268.

  Bienen II, 215.

  Bihawana I, 178.

  Bikari, Haufen von Dörfern II, 118.

  Blumen II, 153.

  Bombay oder Mombay I, 33, 34, 129, 157, 162, 264, 299, 326, 329;
    II, 30, 116, 277.

  Bomboma’s Dorf I, 266.

  Borassus flabelliformis oder Palmyra-Palme I, 142;
    II, 200.

  Briefe von Shaw und Farquhar I, 145.

  Brooks, Dr., II, 292.

  Brücken, afrikanische, I, 81, 126.

  Büffel I, 326, 339;
    II, 8, 13, 15, 154, 199.

  Bunder Salaam, Koch der Expedition I, 70;
    seine Bestrafung und Flucht I, 127.

  Burton, „Lake Regions of Central Africa“ I, 11, 96, 223, 236, 260;
    II, 144.


  Cacteen II, 151.

  Canoes, Anfertigung von --, II, 150.

  Cazembe, König, II, 77;
    die Königin und ihre Amazonen II, 77.

  Chambezi, Wassersystem des --, II, 78.

  Charley’s Logirhaus in Zanzibar I, 11.

  Chiningebrauch I, 187.

  Christie, Dr., Arzt von Seyyid Barghasch I, 71;
    II, 277.

  „Columbine“, Schiff, I, 69.

  Congo II, 84.

  Cooley, Herr, II, 99, 144.


  Dahomey, der König von --, I, 26.

  Dar Salaam, Hafen, I, 218.

  Dawson, Lieutenant, II, 269, 273, 288, 291, 301.

  Desertionen I, 71, 102, 104, 137, 154, 278, 303, 304, 319.

  Dhows I, 10.

  Diebstähle I, 50, 71, 104, 128, 180, 208;
    II, 116, 229, 230.

  Dilima-Pics I, 97, 220.

  Diplomatie I, 316.

  Dowa, Medicin, I, 89.

  Draht als Tauschmittel im Innern I, 31.

  Dschako, Zimmermann, I, 71, 154, 163.

  Dschiweh la Singa, District, I, 203.

  Dschohari, Dragoman, I, 33;
    II, 290.

  Dschumah I, 332.

  Dschumah, Dr. Livingstone’s Diener, II, 45.

  Dschungels I, 94, 104;
    von Msuwa, ihre Schrecken II, 264.

  Durst I, 181, 337.


  Eber I, 326;
    II, 9, 155.

  Eidechse, grosse, II, 112.

  Eisen II, 158.

  Elefanten I, 339, 341;
    II, 154, 201;
    Schwierigkeit sie zu schiessen II, 203.

  Elenn I, 170;
    II, 154.

  Elephantiasis in Zanzibar häufig I, 147.

  Elfenbein II, 92.

  Esau, Dschemadar, I, 47.

  Esel I, 32, 77, 104, 123, 152, 155, 169, 177, 180, 190.

  -- von einem Krokodil gepackt II, 21.

  -- Scheikh Hamed’s, I, 185.


  Farquhar, W. L., I, 32, 33, 64, 70, 144, 146–150, 155, 158, 162;
    sein Tod I, 279;
    Bericht darüber II, 256.

  Faulkner’s sonderbare Jagdgeschichten II, 203.

  Fauna von Central-Afrika II, 153.

  Feradschi I, 333;
    II, 58.

  Feuerwaffen, für den Reisenden geeignet I, 65, 325.

  Fieber, Mukunguru, I, 120, 310;
    II, 214.

  Fische des Tanganika-See II, 156.

  Fliegen I, 90.

  Flusspferde I, 82, 153;
    II, 110, 155, 192.

  Franklyn, Hales, II, 292.

  Fraser, H. C., Kapitän, I, 25;
    II, 277.

  Freiligrath II, 8.

  Fruchtbäume II, 152, 249.


  Galton, Fr., II, 64, 99, 300.

  Gebirgsland I, 143.

  Geographische Gesellschaft, Königl., in London, ihre Beziehungen mit
      Dr. Livingstone II, 98;
    ihr Verhalten gegen den Verf. II, 296;
    ihre Censur der Livingstone-Expedition II, 298;
    ihre dem Verf. erwiesene Auszeichnung II, 305.

  Gesang der Eingeborenen I, 266;
    II, 173, 190, 240.

  Gesellschaften II, 170.

  Giraffen I, 170, 315;
    II, 154, 210, 212.

  Glossina morsitans oder Tsetse-Fliege I, 90.

  Gnu II, 154.

  Gold II, 95.

  Goma-Pass I, 150.

  Gombé, Flüsse I, 320; II, 148, 221.

  Gondokoro II, 84.

  Goodhue, Mr., I, 44, 70.

  Gottheit, Kenntniss der Eingeborenen I, 244;
    II, 169.

  Grant, Oberst, II, 298.

  Guineapalme II, 151.


  Haartracht II, 177.

  Halimah, Dr. Livingstone’s Köchin, II, 52, 58.

  Hamdallah I, 219, 319;
    II, 223.

  Handel in Afrika I, 15;
    in Ugogo I, 174;
    in Udschidschi II, 103.

  Hassan, der Mseguhha, I, 337.

  Häuptlinge, freundliche, II, 223.

  Hausthiere in Central-Afrika II, 155.

  Henn, Lieutenant, Zusammentreffen mit ihm, II, 269;
    tritt zurück II, 278.

  Herembe, Cap, II, 195.

  Herodot’s Bericht über die Nilquellen II, 87.

  Hindus, mohammedanische, I, 16.

  Honga oder Tribut I, 59, 174–176, 178, 179, 180, 186, 189, 190,
      193, 239;
    II, 20, 24, 29, 31, 32, 115, 126, 251, 252, 254.

  Honigvogel I, 321, 336.

  Horner, Pater, I, 68.

  Hosmer, Dr., II, 292.

  Hunde I, 88, 160;
    II, 155.

  Hunger II, 206.

  Hyänen I, 129, 177, 190;
    II, 154.


  Ibrahim, Pagazi, II, 211.

  Ibrahim bin Raschid I, 281.

  Ihata, Insel, II, 21.

  Imbiki I, 103.

  Imbite, Baum, II, 149.

  Imrera’s Colonie II, 11.

  Inesuka I, 303.

  Insekten von Central-Afrika I, 90, 125;
    II, 156.

  Itaga, Dorf, II, 11.


  Jagd auf Flusspferde I, 82;
    auf Vögel I, 130;
    auf Hyänen I, 190;
    auf Springböcke I, 320;
    auf Zebras I, 322;
      II, 197, 209;
    auf Antilopen I, 325, 339;
    auf einen Eber II, 10;
    auf Büffel II, 15, 199;
    auf Elefanten II, 202;
    auf Giraffen II, 210, 212;
    auf Löwen II, 221;
    auf Hartebeest II, 222.

  Jäger-Paradies I, 165, 322;
    II, 221.

  Jesuiten-Mission in Bagamoyo I, 27, 48.


  Kabogo, Berg, II, 37.

  -- Cap II, 194.

  Kadetamare oder Misonghi, Dorf, I, 144;
    günstige Lage für Missionsstationen I, 226.

  Kagongo, Cap, II, 193.

  Kahirigi, Boma von, II, 32.

  Kaif-Halek, der Briefträger, I, 303;
    II, 49.

  Kalulu, der Sklave, I, 290, 335.

  Kamirambo, Häuptling, I, 340.

  Kamolondo, See, II, 82.

  Kamyenyi II, 251.

  Kandschi I, 64.

  Kanengi, Fluss, II, 32.

  Kaniyaga, Dorf, II, 248.

  Kanyamabengu, Fluss, II, 134.

  Kanyenyi I, 186.

  Kaole, Dorf, I, 55, 217.

  Kasegera I, 304.

  Kasera-Bergrücken II, 4.

  Kasofu, Cap, II, 115.

  Kassai, Fluss, II, 84.

  Katanga, Kupferminen, II, 95.

  Katangara-Inseln II, 134.

  Katunga, Cap, II, 115.

  Kavimba II, 134.

  Kavunvweh, Inseln, II, 137.

  Kawanga, Dorf, II, 24.

  Kazeh, eine Mythe, I, 251.

  Kazima I, 285.

  Kema Kaguru, Gebirge, I, 223.

  Kenia, Berg, I, 236.

  Khamis bin Abdullah I, 257, 269;
    sein Tod I, 281.

  Khamisi desertirt I, 104;
    wird wieder eingefangen I, 109;
    wird verurtheilt I, 110;
    sein Charakter I, 332.

  Khonze II, 250.

  Kiala, Häuptling, II, 19.

  Kibwe, Berg, I, 236.

  Kididimo, Dorf, I, 180.

  Kigoma-Bai II, 109.

  Kigondo, Häuptling, I, 138.

  Kigongo, Cap, II, 115.

  Kigwa I, 213.

  Kigwena, Fluss, II, 117.

  Kikoka, Dorf, I, 85, 217, 218.

  Kikumu, Fluss, II, 117.

  Kikuru, Dorf, I, 310.

  Kilima-Ndscharo I, 236.

  Kilwa, Hafen von, I, 218.

  Kimenyi II, 26, 163.

  Kingani, Ebene, I, 67;
    Fluss I, 81, 218, 221;
    Thal I, 80.

  Kingaru, Deserteur, I, 137, 303;
    Dorf I, 97;
    II, 265.

  Kingwere, der Fährmann, I, 81;
    II, 267.

  Kiora, Dorf, I, 144.

  Kirabula II, 134.

  Kira-Pic I, 114, 219.

  Kirassi II, 113.

  Kirk, Dr., der Verf. wird ihm vorgestellt I, 19;
    seine Bemerkungen über Dr. Livingstone I, 21;
    beim Engagement von Speke’s „Getreuen“ I, 34;
    Besuch von Bagamoyo wegen der „Livingstone-Karavane“ I, 68;
    wünscht, dass der Verf. den Rufidschi-Fluss hinaufgehe I, 86;
    spricht sich gegen Verwendung von Pferden im Innern aus I, 102;
    Asmani über --, I, 262;
    gratulirt dem Verf. zu seinem Erfolg II, 277;
    entscheidet sich für den Verkauf der für Livingstone bestimmten
      Vorräthe II, 279;
    gibt O. Livingstone den Rath, nicht zu seinem Vater zu gehen II,
      287;
    Brief an den Verf., betr. Erlangung eines guten Führers durch Seyd
      Barghasch II, 288;
    seine Weigerung für Dr. Livingstone noch anderweit zu wirken, ausser
      in seiner officiellen Stellung II, 289.

  Kirondo, Häuptling, II, 191.

  Kirurumo, Dorf, I, 204.

  Kisabengo, Häuptling, ein zweiter Theodor im kleinen Massstabe, I,
    118, 234.

  Kisemo, Dorf, I, 104, 218.

  Kisigo, Fluss, I, 225, 227.

  Kisokweh, Dorf, I, 167.

  Kisuka, Dorf, II, 123.

  Kisunwe, Fluss, II, 118.

  Kitanda oder Bettstelle I, 88.

  Kiti I, 202.

  Kitunda, Cap, II, 115.

  Kivanga, Pic, II, 196.

  Kivoe, Cap, II, 193.

  Kiwrima-Thal I, 114.

  Kiwyeh, Sultan von, I, 193;
    Dorf II, 248;
    Bevölkerung von, II, 249.

  Kleidung II, 175, 178.

  Kolquall oder Candelaber-Baum I, 159;
    II, 128, 151.

  Komorines I, 17.

  Kondutschi, Dorf, I, 218.

  Kornmahlen in Kisemo I, 108.

  Kostenberechnung einer afrikanischen Expedition I, 57.

  Krankheiten I, 89, 102, 139, 141, 170, 289, 292, 304;
    der Eingeborenen II, 159.

  Kriegführung I, 276;
    II, 123.

  Kriegslärm II, 249.

  Kriegsrath der Araber I, 258.

  Kriegszug I, 268.

  Krokodil I, 332;
    II, 21, 129, 155;
    Sage II, 176.

  Kudu, Antilopen, II, 155.

  Kukumba-Spitze II, 135.

  Kulabi II, 255.

  Kupfer II, 158.

  Kupferminen von Katanga II, 95.

  Kusuri oder Konsuli I, 203.

  Kwala oder Nördlicher Gombé-Fluss II, 148.

  Kwala Mtoni I, 209.

  Kwango II, 84.

  Kwihara I, 251, 276, 285;
    II, 226.

  Kwikuru I, 215, 248.


  Leopard II, 8, 14, 154.

  Leukole, Häuptling, I, 162;
    sein Bericht über Farquhar’s Tod II, 256.

  Liemba-See II, 79.

  Lincoln-See II, 83.

  Lindi, Fluss, II, 86.

  Liutsché, Thal des, II, 43, 165.

  Livingstone, Dr., erstes Zusammentreffen mit ihm II, 47;
    sein Wunsch Neuigkeiten zu hören II, 50;
    seine Sorgen II, 53;
    hält Stanley für einen französ. Abgesandten II, 57;
    seine Leiden und Entbehrungen II, 59;
    sein Charakter II, 62;
    seine Kritiker II, 64;
    seine Entschlossenheit, die ihm gestellte Aufgabe auszuführen
      II, 66;
    gutes Gedächtniss, Religiosität II, 67;
    seine Forschungen und Entdeckungen II, 69 fg.;
    Einführung bei König Cazembe II, 77;
    Entdeckung des Sees Liemba II, 79;
    See Moero, Mohammed bin Sali II, 80;
    von Udschidschi nach Uguhha II, 81;
    am Lualaba II, 82;
    Lincoln-See II, 83;
    hält den Lualaba für den Nil II, 84;
    Nilfrage noch ungelöst II, 86;
    Herodot’s Beschreibung II, 87;
    in Manyuema II, 91;
    Rückkehr nach Udschidschi, in schlimmer Lage II, 96;
    Verhältniss zur Königl. Geographischen Gesellschaft II, 98 fg.;
    glückliche Tage in Udschidschi II, 102;
    Gesundheitszustand II, 113;
    Tributzahlung in Mukungu II, 116;
    pflegt Stanley während der Fieberanfälle II, 125;
    weist einen Adoptivsohn zurück II, 126;
    Susi’s Betrunkenheit II, 126;
    New York-Herald-Inseln II, 137;
    Beschwichtigung des Kampfes II, 139;
    sein Charakter II, 182;
    Entschluss nach Unyanyembé zu gehen II, 185;
    Briefe nach der Heimat II, 186;
    Abreise von Udschidschi II, 189;
    Bootfahrt auf dem Tanganika II, 190 fg.;
    mühsamer Marsch II, 208;
    Beobachtungen der Sterne, Entzündung der Füsse II, 212;
    Fieberrecept II, 214;
    von Bienen zerstochen II, 215;
    ein echter Reisender II, 219;
    Familien-Erinnerungen II, 220;
    Briefe aus der Heimat II, 224;
    Enttäuschung über die Vorräthe II, 229;
    Uebernahme von Waaren II, 232;
    Briefe II, 234;
    Brief an J. G. Bennett II, 235;
    letzter Tag mit dem Verf. II, 241;
    Zukunftspläne II, 244;
    Lebewohl II, 245;
    Brief an den Verf. II, 246;
    Depeschen in Gefahr II, 259.

  Livingstone, Oswald, erste Bekanntschaft mit ihm II, 271;
    Formirung seiner neuen Expedition II, 286;
    entschliesst sich nicht zu reisen II, 287.

  Livingstone, Robert Moffatt II, 220.

  Livingstone, T. S., Zeugniss über die Echtheit der Depeschen seines
    Vaters II, 341.

  „Livingstone-Cottage“ in Mahé (Sechellen) II, 292.

  Livingstone-Karavane I, 67, 261.

  Loadscheri, Fluss, II, 162, 196.

  Loeki oder Lomani, Fluss, II, 83.

  Löwen II, 8, 10, 14, 154, 207, 221.

  Luaba, Fluss, II, 115.

  Lualaba oder „Webb’s-Fluss“ Livingstone’s II, 82;
    für den Nil gehalten II, 84.

  Luamo, Fluss, II, 86.

  Luapula, Fluss, II, 80.

  Lubilasch, Fluss, II, 84, 86.

  Ludha Damdschi I, 42.

  Lufira, Fluss, II, 83.

  Luhanga, Pic, II, 122.

  Lukomo, Dorf, II, 26.

  Luvumba, Cap, II, 138.


  Mabruki I, 35, 131, 179, 271, 327, 330;
    II, 141.

  Mabunguru Nullah I, 200;
    Fluss I, 225.

  Madedita I, 207.

  Madete I, 152.

  Magala, Mutware von, II, 122.

  Maganga I, 87, 96, 102, 115, 334;
    II, 159.

  Magdala, Berg, II, 205.

  Magunda Mkali I, 199, 247.

  Mahé, Insel, II, 292.

  Mahommed bin Sali, seine Befreiung durch Livingstone und nachfolgende
    Undankbarkeit II, 80.

  Maizan, Monsieur, II, 254.

  Makata, Ebene, II, 261;
    Fluss I, 137, 222, 261;
    Thal I, 128, 136.

  Makololo-Rasse, Aussterben der, II, 167.

  Makumbi, Häuptling, II, 23.

  Malagarazi, Fluss, II, 3, 19, 162, 193.

  Malagasch-Lagune I, 23.

  Mamanyara, der Mtemi, I, 317.

  Manyara, Dorf, I, 316;
    II, 223.

  Manyuema, Land, II, 91;
    das Eldorado der Araber II, 92.

  -- Volksstamm II, 94;
    geschickte Waffenfabrikanten II, 180.

  Mapanga II, 253.

  Marefu II, 337.

  Marenga Mkali I, 153, 164, 169;
    II, 256.

  Masangi I, 266, 276.

  Masika oder Regenzeit I, 51, 97, 125, 139;
    II, 246, 257.

  Matamburu I, 177.

  Matamombo I, 154, 160.

  Mazitu II, 75.

  Mbambwa I, 164.

  Mbawala, Antilopenart, II, 8.

  Mbembu oder Waldpfirsich I, 338;
    II, 14, 152.

  Mbengerenga, Fluss, I, 222.

  Mbuamadschi I, 217.

  Mbugu, Baum, II, 149.

  Mbumi I, 225, 238.

  Mdaburu, Fluss, I, 225;
    II, 248.

  Mdunku, Fluss, I, 224.

  Mdunwi, Fluss, I, 224.

  Medicin, Anwendung bei den Eingeborenen II, 159.

  Messingdraht II, 158.

  Metalle, bei den Stämmen von Central-Afrika bekannte, II, 158.

  Mfuto, Ost-, I, 266.

  Mganga oder Medicinmann II, 22, 167.

  Mgeta I, 219.

  Mgongo Tembo oder „Elefantenrücken“ I, 205.

  Mgungu, Baum, I, 127.

  Mgwana I, 109.

  Mikiseh I, 114.

  Milch II, 173.

  Mionvu, Mutware von Kimenyi II, 26.

  Mirambo I, 257, 270, 282, 284, 286;
    Niederlage bei Mfuto I, 291.

  Mischlingsrassen I, 14.

  Misonghi, Dorf, I, 144;
    II, 6, 215.

  Missionäre, französische, in Bagamoyo, I, 26, 48.

  Missionsstationen, geeignete, I, 226;
    II, 195.

  Mizanza I, 187.

  Mizohazy, Cap, II, 194.

  Mkambaku, Bergkette Speke’s, I, 219.

  Mkambaku-Gebirge I, 219.

  Mkora, Baum, II, 149.

  Mkurongo, Baum, II, 149.

  Mkuti, Fluss, II, 40.

  Mkuyu, Riesen-Sykomore, I, 312.

  Mkwenkwe I, 302.

  Moero-See, II, 80;
    Schönheit der Scenerie II, 82.

  Mohammed bin Abdullah I, 281.

  -- bin Gharib II, 46, 192.

  -- bin Sali II, 46.

  Morris, E. J., I, 83.

  Moskitos II, 258, 261.

  Mpokwa II, 6, 209.

  Mponda, Häuptling, II, 73.

  Mpwapwa I, 153, 162, 164;
    II, 256.

  Mrera, Dorf, II, 215.

  Mrera, Häuptling, I, 340;
    seine Krieger I, 342.

  Mrera, Fluss, II, 148.

  Mrima I, 217.

  Msagara-Jüngling, das Ideal eines afrikanischen Wilden I, 238.

  Msalalo, Dorf, I, 203.

  Msundurusi oder Kopalbaum II, 151.

  Msuwa I, 104;
    II, 264.

  Mtamba, Sykomore, I, 127;
    II, 149.

  Mtambu, Fluss, II, 8, 148.

  Mtemi, Häuptling, I, 316.

  Mugere, Fluss, II, 124.

  Mugeyo, Dorf, II, 122.

  Mugihewa, District, II, 128.

  Muhalata II, 255.

  Muhalleh I, 115.

  Muhikamba II, 136.

  Muini Kheri II, 188.

  Mukamba, Häuptling, II, 123, 125.

  Mukanigi, Land, II, 128.

  Mukondoku I, 190;
    Häuptling II, 249.

  Mukondokwa-Bergkette I, 150;
    Pass I, 223, 258;
    Fluss I, 137, 144, 150, 152, 222, 257.

  Mukungu II, 115, 141.

  Mukunguru, das afrikanische intermittirende Fieber I, 89, 120, 131,
      139, 310.

  Mundu I, 223.

  Munieka I, 198.

  Muniyi Usagara I, 150.

  Murembwe-Spitze II, 119.

  Musa, Häuptling der Johanna-Leute, II, 75.

  Musik II, 173.

  Muskat-Araber von Zanzibar I, 13.

  Mussoud bin Abdullah I, 256, 260.

  Mussoudi, des Diwans Erzählung von der ausserordentlichen
      Ueberschwemmung, II, 263.

  Mussoudi, schöne Gegend, I, 112.

  Musunya-See II, 36.

  Muzimu-Insel II, 122.

  Mviga, Cap, II, 193.

  Mvule-Baum II, 150.

  Mvumi, Dorf, I, 167, 173;
    II, 258.

  Mwaru I, 340;
    II, 215.

  Myombo, Baum, I, 127;
    Fluss I, 224.

  Myumi, Dorf, II, 253.


  Nahrung der afrikanischen Stämme II, 152, 173.

  Nazi-Moya in Zanzibar I, 12, 20.

  Ndugu M’hali, der Sklave, I, 290.

  Neger von Zanzibar I, 17.

  New, Pastor Charles, II, 273;
    sein Bericht über das Scheitern der englischen Expedition II, 279.

  „New York Herald“-Inseln II, 137.

  Ngaraiso, Dorf, I, 203;
    II, 248.

  Nghwhalah, Fluss, I, 206;
    II, 148, 248.

  Ngovi II, 136.

  Nguru, Pic, I, 150, 152.

  Niamtaga II, 40.

  Niasanga, Dorf, II, 111, 141.

  Nil II, 84, 86.

  Niongo I, 340.

  Nondo, Speke’s Deserteur, I, 208.

  Nullahs, Beschreibung von, I, 224.

  Nyabigma, Insel, II, 114.

  Nyambwa I, 182.

  Nzogera II, 17.


  Ohrwurm, Plage in Mpwapwa I, 167.

  Omar der Wachhund I, 89;
    sein Tod I, 160.


  Pallahs oder Wasserböcke II, 154.

  Palmen II, 151.

  Panza, Cap, II, 141.

  Pavian, Wanderu, II, 153;
    mit hundähnlichem Gesicht II, 154.

  Pembera Pereh, Sultan, I, 183.

  Perlen als Tauschmittel im Innern I, 30;
    II, 103.

  Perpusilla, Antilopen I, 321;
    II, 155.

  Personalbestand der Expedition I, 75, 298.

  Petherick II, 84.

  Pfeifen II, 172.

  Pferdekrankheiten I, 98, 101.

  Piaggia, der italienische Reisende, II, 85.

  Platanen II, 151.

  Pocken, die Geissel des östlichen und centralen Afrika I, 205, 206,
      314; II, 159.

  Pombé I, 214, 293.

  Pombwe-Fluss II, 26.

  Pumburu, Bezirk, II, 11.


  Quaggas II, 256.


  Ramata-Berge II, 132, 137.

  Ras Schangani (Sandy Point) I, 20.

  Rauchen bei den Wanyamwezi II, 172.

  Rawlinson, Sir Henry, II, 298.

  Rehenneko, Dorf, I, 142, 238;
    II, 261.

  Reptilien von Central-Afrika II, 156.

  Rhinozeros I, 339;
    II, 256.

  Rocky Mountains verglichen mit der ostafrikanischen Gebirgskette
      I, 236.

  Rosako, Dorf, I, 87;
    II, 265.

  Rovuma II, 72.

  Rua, Land, II, 91.

  Rubeho, Abhänge, I, 150;
    Pic I, 164.

  Rubuga I, 212.

  Rudewa, Fluss, I, 140, 222.

  Rufidschi oder Ruhwha, Fluss, I, 224, 227.

  Rufu I, 219.

  Rufutu, Fluss, I, 224.

  Ruga-Ruga I, 260, 337.

  Rugufu, Fluss, II, 14, 36, 162, 193.

  Ruhinga, Häuptling, II, 129, 134.

  Rumuma, District, I, 223.

  Rungwa, Fluss, II, 3, 161.

  Rusawa, Bezirk, II, 11.

  Rusizi, Fluss, II, 123, 130;
    Problem des, II, 106;
    Delta II, 128.

  Rusugi, Fluss, II, 163.


  Sa’adani, Hafen, I, 217.

  Sadur, Dschemadar, I, 55.

  Salim bin Raschid I, 116.

  Salzebene I, 187.

  Salzgruben II, 162.

  Salzlagunen I, 224.

  Sarmean II, 223.

  Säugethiere II, 153.

  Sayd bin Madschid II, 46, 49, 106, 187.

  Sayd bin Salim I, 249;
    II, 231.

  Sayf, Ali’s Sohn, I, 281.

  Schakal II, 154.

  Schamba Gonera I, 77, 78.

  Scheikh Sayd bin Salim I, 248, 255;
    II, 231.

  -- Hamed I, 169, 178, 184, 187, 194, 196, 199, 201, 202, 204, 208.

  -- Haschid I, 29.

  Scheikh Khamis bin Abdullah I, 255, 257, 281.

  -- bin Nasib I, 252, 255, 285, 294, 298.

  -- Sultan bin Ali I, 256.

  -- Thani I, 133, 160, 170, 173, 174, 192, 197, 199, 201, 205.

  Scherif’s Unehrlichkeit II, 53.

  Schiza I, 213.

  Schlammfisch I, 210.

  Schlangen II, 156.

  Schmuck der Eingeborenen I, 107, 191, 238;
    II, 170, 175, 178.

  Schutzgottheit II, 175.

  Schweine II, 154.

  Sechellen II, 292.

  Selim I, 55, 79, 102, 273, 292, 334, 341.

  Sentakeyi, Cap, II, 120.

  Shaw, J. W., I, 33, 64, 70, 105, 108, 120, 135, 145, 151, 156, 264,
      266, 272, 280, 286, 291, 294, 300, 305;
    verlässt die Expedition I, 307;
    sein Tod II, 217.

  Sigunga II, 195.

  Simba, der Beherrscher von Kasera, II, 4.

  Simbamwenni I, 117, 124, 221;
    Zerstörung durch Ueberschwemmung II, 262;
    Sultanin von, I, 121, 130–132.

  Simbo I, 221.

  Simbo Khambi I, 127.

  Simeon Price, Dr. Livingstone’s Diener, II, 76.

  Singwe oder Waldpflaume II, 152.

  Sklaven, gefesselte, I, 106.

  Sklavenhandel I, 233, 234; II, 94.

  Somalis I, 17.

  Sonnenuntergang in Udschidschi II, 164.

  Soud bin Sayd I, 256, 259, 266;
    sein Angriff auf Wilyankuru I, 270;
    sein Tod I, 271.

  Speke, Kapitän, I, 219, 251;
    seine „Getreuen“ I, 33, 273;
    seine Behandlung Bombay’s I, 34;
    sein Irrthum betr. der Höhe des Tanganika II, 97.

  Stanley, Abreise von Bombay I, 9;
    Landung in Zanzibar I, 11;
    Eindrücke der Stadt I, 12;
    Zusammentreffen mit Dr. Kirk I, 19;
    Ausrüstung der Expedition I, 28;
    Besuch des Sultans I, 41;
    Abreise von Zanzibar I, 45;
    Ankunft in Bagamoyo I, 47;
    Besuch der Livingstone-Karavane I, 67;
    Zusammentreffen mit Dr. Kirk I, 69;
    Absendung von vier Karavanen I, 71;
    Abreise der fünften Karavane I, 74;
    erstes Lager „Schamba Gonera“ I, 77;
    Uebergang über den Kingani I, 82;
    Ankunft in Kikoka I, 85;
    Halt in Rosako I, 88;
    beschwerlicher Jagdausflug I, 94;
    Lager in Kingaru I, 97;
    Zwiegespräch mit dem Häuptling von Kingaru I, 99;
    Marsch nach Imbiki I, 103;
    Halt in Msuwa I, 105;
    Verwunderung des Häuptlings I, 106;
    Halt in Kisemo I, 107;
    Zeitungslectüre I, 110;
    Besuch von Kisemo’s Töchtern I, 111;
    Mussoudi I, 113;
    Uebergang über den Ungerengeri I, 113;
    Marsch nach Mikeseh I, 114;
    Ulagalla und Muhalleh I, 115;
    Zusammentreffen mit Salim bin Raschid, Nachrichten von Livingstone
      I, 116;
    Simbamwenni I, 117;
    Fieberanfall I, 120;
    Besuch von den Gesandten der Sultanin von Simbamwenni I, 121;
    schwieriger Uebergang über den Ungerengeri I, 126;
    Simbo Khambi I, 127;
    Bunder Salaam’s Diebstahl und Flucht I, 128;
    Makata-Thal I, 128;
    Bombay’s Verlust I, 129;
    Beistand der Sultanin von Simbamwenni I, 131;
    ihre Tributforderung I, 132;
    Intervention von Scheikh Thani I, 133;
    Schwierigkeiten im Makata-Thal I, 135;
    Uebergang über den Makata I, 137;
    erschöpfende Märsche durch den Makata-Sumpf I, 140;
    Anfall von Ruhr I, 141;
    Halt in Rehenneko I, 142;
    Eintritt in die Gebirgsgegend von Usagara I, 143;
    Mukondokwa-Fluss und -Thal I, 144;
    Kiora I, 144;
    Untersuchung des Zustandes von Farquhar’s Karavane I, 149;
    Mukondokwa-Fluss und -Thal I, 150;
    Madete, Ugombo-See I, 152;
    Revolte von Shaw und Farquhar I, 156;
    Shaw’s Reue mit darauf folgendem Attentat I, 158;
    Abreise von Ugombo I, 159;
    Lager in Matamombo I, 160;
    gutes Frühstück I, 161;
    Farquhar wird zur Pflege zurückgelassen I, 162;
    Anwerbung von 12 Pagazi I, 164;
    im ungastlichen Tschunya I, 169;
    Fieberanfall I, 170;
    in Ugogo I, 171;
    lebhafter Empfang seitens der aufgeregten Bevölkerung I, 173;
    neuer Fieberanfall I, 174;
    unverschämte Tributforderung I, 175;
    in Matamburu I, 177;
    in Bihawana I, 178;
    versuchter Betrug I, 179;
    Wechselfieber I, 179;
    in Kididimo I, 180;
    Fieberanfall I, 181;
    lärmende Bevölkerung I, 183;
    in Mizanza I, 187;
    Wechselfieber I, 187;
    Besuch des Sultans I, 188;
    Klein-Mukondoku I, 190;
    drohender Kampf I, 191;
    Aufruhr I, 193;
    Discussion über einzuschlagende Wege I, 194;
    Anzeichen von Empörung I, 197;
    Munieka I, 198;
    Mabunguru Nullah I, 200;
    Unyambogi I, 201;
    Kiti I, 202;
    Msalalo, Ngaraiso I, 203;
    Kirurumo, Zusammentreffen mit Sultan bin Mohammed I, 204;
    Kusuri, Besuch von Elefantenjägern, Abschied von Scheikh Thani,
      Mgongo Tembo I, 205;
    Nghw’halah Mtoni I, 206;
    Madedita, Eintritt in Unyamwezi, Ost-Tura I, 207;
    Nondo, Speke’s Deserteur, Central-Tura I, 208;
    ein Dieb erschossen, West-Tura I, 209;
    Rubuga I, 212;
    Zusammentreffen mit Amer bin Sultan, Kigwa, Schiza I, 213;
    Besuch des Sultans von Schiza I, 214;
    Einzug in Unyanyembé I, 215;
    Zusammensein mit Sayd bin Salim I, 248;
    angenehme Quartiere I, 253;
    Besuch der arabischen Magnaten von Tabora I, 254;
    in einem Kriegsrath I, 258;
    Rückkehr nach Kwihara, Vereinigung mit der Livingstone-Karavane
      I, 261;
    Fieberanfall I, 263;
    Abmarsch aus Unyanyembé I, 265;
    Ost-Mfuto, Shaw’s Krankheit I, 266;
    die arabische Armee I, 267;
    Umanda, Fieberanfall, Kriegszug I, 268;
    Angriff auf Zimbizo I, 269;
    Angriff auf Wilyankuru I, 270;
    Niederlage und Flucht I, 271;
    stürmische Kriegerversammlung I, 272;
    eilige Flucht I, 273;
    Auseinandersetzung mit den Arabern I, 276;
    Unsicherheit über den weiter einzuschlagenden Weg I, 277;
    ernste Lage, Mittheilungen über Livingstone I, 278;
    Nachricht über Farquhar’s Tod I, 279;
    Shaw’s Krankheit, Mirambo’s Angriff auf Tabora I, 280;
    neue Niederlage der Araber I, 282;
    Vorbereitungen gegen Mirambo’s Angriff I, 283;
    Besuch bei Scheikh bin Nasib I, 285;
    Entschluss eine fliegende Karavane abzusenden I, 286;
    Shaw’s Apathie I, 287;
    Ankunft von Briefen und Zeitungen, Entmuthigung der Leute I, 289;
    Kalululu der Sklave I, 290;
    Krankenwärter I, 292;
    Abschiedsbankett I, 293;
    Fieberanfall I, 294;
    Marsch nach Udschidschi auf einem südlichen Wege I, 298;
    Zank mit Bombay I, 300;
    Shaw’s Bedenken gegen Weitermarsch I, 301;
    Mkwenkwe, Fieberanfall I, 302;
    Drohung mit der Sklavenkette, Inesuka I, 303;
    Misgeschick der Expedition, Freudenfest in Kasegera I, 304;
    Kigandu, Shaw’s Fall vom Esel I, 305;
    Shaw verlässt die Expedition I, 307;
    Ugunda, befestigtes Dorf I, 308;
    Benta I, 309;
    Kikuru I, 310;
    Ziwani I, 312;
    Lagergedanken I, 314;
    Manyara, Schwierigkeiten Nahrungsmittel zu erhalten I, 316;
    Besuch des Mtemi I, 317;
    Erstaunen und Begeisterung der Gäste I, 318;
    magische Wirkung des Ammoniak I, 319;
    Jagd I, 320;
    Gefahr durch ein Krokodil I, 322;
    verdächtige Begegnung I, 323;
    friedliche Lagerscene I, 324;
    Jagdbeute I, 326;
    Meuterei I, 327;
    Bombay und Ambari in Ketten I, 329;
    Ziwani, Tongoni I, 335;
    eine arabische Gesandtschaft I, 337;
    Kriegsgerüchte, Unruhe der Einwohner von Utende I, 338;
    Nachrichten von einem Weissen I, 340;
    Anblick einer Elefantenheerde I, 341;
    reichliche Arbeit I, 342;
    Lager in den Dschungels II, 3;
    Gesandtschaft von Simba II, 4;
    Marsch durch Sumpf II, 5;
    zerstörte Dörfer, Mpokwa-Fluss II, 6;
    Mtambu, Angriff eines Leoparden II, 8;
    Erlegung eines Ebers, Löwen in der Nähe II, 10;
    Itaga II, 11;
    Unwilligkeit der Leute II, 13;
    schöne Landschaft II, 15;
    Gebet um Nahrungsmittel II, 16;
    reichliche Vorräthe II, 17;
    Sumpf II, 18;
    Malagarazi-Fluss II, 19;
    Unterhandlungen mit Kiala II, 20;
    Ihata, Forderungen für die Fähre II, 21;
    Nachrichten von Livingstone II, 22;
    Isinga II, 23;
    im Lande Uhha, Tribut in Kawanga II, 24;
    weitere Forderungen II, 25;
    Halt am Pombwe II, 26;
    Zusammenkunft mit dem Häuptling Mionvu II, 27;
    enorme Tributforderung II, 29;
    Berathschlagung mit den Führern II, 30;
    Kanengi-Fluss II, 32;
    neue Forderungen II, 33;
    Abmarsch in verstohlener Weise II, 34;
    ein unsinniges Weib II, 35;
    See Musunya II, 36;
    Berg Kabogo, Bach Sunuzzi II, 37;
    Angst vor Verfolgung II, 38;
    Eintritt in Ukaranga, Mkute, Niamtaga II, 40;
    Angst der Bewohner II, 41;
    erster Blick auf den Tanganika II, 42;
    der Hafen von Udschidschi II, 43;
    Salutschüsse II, 44;
    Susi, der Diener Livingstone’s II, 45;
    Zusammentreffen mit Livingstone II, 47;
    erste Unterhaltung II, 48;
    der Briefbeutel aus Zanzibar II, 50;
    Zusammensein mit Livingstone II, 54 fg.;
    Berathschlagung über weitere Pläne II, 107;
    Fahrt auf dem Tanganika II, 109 fg.;
    Sondirungen II, 113;
    Verluste II, 116;
    Feindseligkeiten II, 119;
    Flucht II, 121;
    Besuch des Mutware von Magala II, 122;
    Sturm II, 123;
    Bericht über den Rusizi-Fluss II, 123;
    Fieberanfälle II, 125;
    am äussersten Ende des Sees II, 128, 131;
    Ruhinga’s Bericht über die Geographie des Landes II, 129;
    Erforschung des Rusizi II, 131;
    befestigtes Lager II, 135;
    Aberglaube der Wadschidschi II, 136;
    drohender Kampf II, 138;
    Rückkehr nach Udschidschi, Mabruki’s Erzählungen II, 141;
    Brief und Telegramm II, 142;
    Bewunderung für Livingstone II, 182;
    Rücknahme der Livingstone entwendeten Waffen II, 184;
    Vorbereitungen für die Reise nach Unyanyembé II, 185;
    Nesselausschlag II, 187;
    verunglücktes Weihnachtsfestmahl II, 188;
    Abfahrt von Udschidschi II, 189;
    Fieberanfall II, 198;
    mit dem Kompass in der Hand II, 200;
    auf richtigem Wege II, 208;
    Fieberanfall II, 214;
    von Bienen zerstochen II, 215;
    Zusammentreffen mit einer Karavane Sayd bin Habib’s II, 216;
    Nachricht von Shaw’s Tod II, 217;
    Phantasien II, 218;
    Begegnung mit einem Löwen II, 221;
    der Deserteur Hamdallah II, 223;
    Ankunft von Briefen und Zeitungen II, 224;
    in Kwihara „zu Hause“ II, 226;
    Untersuchung der Vorräthe II, 229;
    Weihnachtsschmauss II, 230;
    Uebergabe von Waaren an Livingstone II, 232;
    Livingstone’s Briefe II, 234;
    Abschiedstanz II, 239;
    letzter Tag mit Livingstone II, 241;
    Marsch! II, 243;
    letztes Lebewohl II, 245;
    Brief von Livingstone II, 246;
    in Ugogo, Kriegslärm II, 249;
    Unterhandlung mit dem Häuptling von Khonze II, 251;
    der Msagira von Kamyenyi und sein Sohn Unamapokera II, 252;
    drohender Kampf in Mapanga II, 253;
    Voraussendung von Boten nach Zanzibar, Leukole’s Bericht über
      Farquhar’s Tod II, 256;
    Leiden während der Masikazeit II, 257;
    die Fluten der Makata-Ebene II, 258;
    ein gefährlicher Uebergang II, 259;
    zehn Tage in Rehenneko II, 261;
    schlimme Nacht II, 261;
    über Makata und Ungerengeri II, 262;
    Zerstörung durch Ueberschwemmung II, 263;
    beschwerlicher Marsch durch Dschungels II, 264;
    willkommene Sendung aus Zanzibar II, 265;
    misgünstige Kritiken der Expedition II, 266;
    Kingwere’s Fähre II, 267;
    Bewillkommnung in Bagamoyo II, 268;
    Zusammentreffen mit Lieut. Henn II, 269;
    mit Oswald Livingstone II, 271;
    das Marschiren ist zu Ende II, 272;
    Begrüssung in Zanzibar, der amerikanische Consul, Pastor New II,
      273;
    Lieut. Dawson II, 274;
    Besuch von Dr. Kirk und Bischof Tozer II, 277;
    Vorbereitungen für die Expedition von O. Livingstone II, 286;
    dessen Rücktritt II, 287;
    Wahl eines arabischen Führers, Trennung von Lieut. Dawson II, 288;
    Unterhaltung mit Dr. Kirk II, 289;
    Abschied von den schwarzen Reisegefährten II, 290;
    Abreise von Zanzibar II, 291;
    Aufenthalt auf den Sechellen, Reise nach Aden und Marseille II, 292;
    Bemerkungen über die englische Presse II, 293;
    die Königl. Geograph. Gesellschaft II, 297, 304.

  Sträucher II, 153.

  Sultan bin Ali I, 256.

  -- von Matamburu I, 177.

  -- von Mizanza I, 188.

  -- bin Mohammed I, 204.

  -- von Mvumi I, 175.

  -- von Zanzibar, Audienz I, 41.

  Sumburizi, Berg, II, 122.

  Sunuzzi, Bach, II, 37, 163.

  Sur Hadschi Pallu I, 55, 59–64.

  Susi, Dr. Livingstone’s Diener, II, 45, 116, 126.

  Swahili I, 217.

  Swaruru, Sultan von Mukondoku, I, 191–193.

  Sykomoren, riesige, I, 127, 312.


  Tabora I, 254, 256, 280, 283.

  Tagamoyo, Niedermetzelung der Wamanyuema, II, 95.

  Tamarinden II, 151.

  Tamarisken I, 127;
    II, 151.

  Tanganika-See, erster Anblick II, 42;
    Fahrt auf demselben mit Dr. Livingstone II, 109 fg.;
    äusserstes Ende II, 131.

  Tarya Topan I, 16, 42, 55.

  Tätowiren I, 238;
    II, 177.

  Tembé, das, I, 243.

  Temperatur I, 124, 144, 201;
    II, 103, 187.

  Thani bin Abdullah I, 256, 288.

  --, Scheikh, I, 191.

  Tongoni I, 335.

  Tongwe, Cap, II, 195.

  Töpferwaaren der Wazavira II, 7.

  Tozer, Bischof, I, 13, 25;
    seine Beglückwünschung II, 277.

  Tribut, s. Honga.

  Tschamati-Berg II, 132.

  Tschaupereh, Mgwana-Soldat, I, 151, 331.

  Tschowambe II, 69.

  Tschufwa-Fliege I, 93, 207.

  Tschunyo I, 169.

  Tsetse-Fliege I, 90, 207, 336.

  Tuch als Tauschmittel I, 30.

  Tuchfabrikation II, 91, 175.

  Tucker, Kapitän, I, 68.

  Tura, Ost-, I, 207;
    II, 246;
    Central-, I, 208;
    West- oder Tura Perro I, 209;
    II, 246.


  Udoe I, 114, 219, 231;
    Bergkegel von, I, 97.

  Udschidschi, Hafen von, II, 43, 103, 141, 165;
    Abfahrt II, 189.

  Uganga oder Zaubermittel I, 108;
    II, 167.

  Ugogo I, 161, 165, 171;
    II, 249.

  Ugombo, Ebene, I, 165;
    Pic I, 154, 165;
    See I, 152, 223.

  Ugunda, Dorf, I, 308;
    II, 223.

  Uhha, König von, II, 24;
    Land II, 163.

  Ukami I, 218.

  Ukaranga, District, II, 40, 163, 191.

  Ukawendi II, 14, 161, 205.

  Ukonongo I, 338;
    II, 160.

  Ukutu I, 219.

  Ukwere I, 113, 218, 230.

  Ulagalla, District, I, 115, 219.

  Ulimengo I, 332;
    II, 211.

  Ulonga, Fluss, I, 223.

  Umanda I, 268.

  Unamapokera, sein freundliches Wesen II, 252.

  Ungerengeri, Fluss, I, 107, 112, 113, 124, 219;
    II, 262;
    Thal I, 116.

  Unyambogi I, 201.

  Unyamwezi, Bezirk, I, 207;
    Bedeutung des Namens II, 143;
    das schönste Land im östlichen Central-Afrika II, 146.

  Unyanyembé I, 215;
    II, 228.

  Urimba, Lager in, II, 196.

  Urongo, Fluss, I, 223.

  Uruguru-Berge I, 115.

  Urundi-Gebirge II, 117.

  Usagara I, 127, 140, 143, 237.

  Useguhha, Gebiet von, I, 117, 219, 234.

  Usumbura, Land, II, 128.

  Utende, Dorf, I, 338.

  Ututa II, 163.

  Uvinza, Süd- und Nord-, II, 162.

  Uwelasia, Fluss, II, 195.

  Uyanzi, Magunda Mkali oder „heisses Feld“ I, 199, 237, 247.

  Uyoweh, Mirambo von, I, 257.

  Uzaramo I, 218.

  Uzavira, Dorf in, II, 6.


  Vegetation, Contrast in der, I, 227.

  Victoria, Königin von England II, 342.

  Victoria-Medaille von der Königl. Geographischen Gesellschaft dem
      Verf. zuerkannt II, 305.

  Viehheerden II, 173.

  Vienne, M. de, I, 68.

  Vögel von Central-Afrika I, 85, 153, 339;
    II, 113, 155.


  Wabembe oder Wavembe, ein Kannibalenstamm II, 178.

  Wadoe, Volksstamm, I, 218.

  Wadschidschi, Volksstamm, II, 175.

  Waffen I, 233, 242;
    II, 169, 178, 180.

  Waganga oder Medicinmänner I, 235, 268;
    II, 159.

  Wagogo I, 239;
    Dörfer I, 208;
    Volksstamm I, 172, 182.

  Waguhha, Volksstamm, II, 25.

  Wagunda, Volksstamm, I, 309.

  Wahumba, Volksstamm, I, 187, 190, 223.

  Wakami, Volksstamm, I, 113, 230.

  Wakawendi, Volksstamm, II, 174.

  Wakimbu, Volksstamm, I, 202;
    Dörfer I, 208, 247.

  Wakonongo, Volksstamm, I, 323;
    II, 174.

  Wakwere, Volksstamm, I, 229.

  Waldpfirsich I, 338;
    II, 14, 152.

  Waldscenerie in Unyamwezi I, 307.

  Wamanyuema II, 91.

  Wami, Fluss, I, 137, 221;
    für den Handel benutzbar I, 225.

  Wangwana-Karavane I, 110;
    Dorf I, 213.

  Wanyamwezi, Volksstamm, I, 17;
    die Yankees von Afrika II, 165;
    sonderbare Gebräuche II, 168.

  Warumaschanya II, 128.

  Warundi, Volksstamm, II, 178.

  Wasagara, Volksstamm, I, 235.

  Wasansi oder Basansi, Volksstamm, II, 137, 179.

  Waschensi I, 106.

  Waseguhha, Gebiet und Volksstamm, I, 115, 116, 219, 233, 235.

  Wasser, schlechtes, I, 169, 180;
    II, 148.

  Wassersystem I, 224.

  Waswahili, Volksstamm, I, 17, 229.

  Wavinza, Volksstamm, II, 175.

  Webb, Kapitän F. R., Consul der Vereinigten Staaten, I, 11, 20, 24;
    II, 273;
    Brief I, 110;
    dessen Gemahlin I, 45.

  Webb von Newstead Abbey II, 82.

  Welled Nzogera II, 17.

  Wels I, 326;
    II, 7.

  Wekotani II, 73.

  Whinde, Hafen, I, 217, 225.

  Wildniss, die afrikanische, günstiger für Reisende als das bevölkerte
      Land, I, 199.

  Wilyankuru, Angriff auf, I, 270.


  Zambezi II, 79.

  Zanguebar I, 217.

  Zanzibar, Insel, I, 9;
    Klima I, 23.

  Zanzibar, Stadt und Hafen, I, 10, 18;
    Charakter der Strassen und der Bevölkerung I, 12;
    Palast des Sultans I, 41;
    Abfahrt I, 45;
    II, 291;
    Rückkehr II, 273.

  Zassi, Dorf und Fluss, II, 113, 141.

  Zebra I, 170, 322;
    II, 197, 209.

  Zeuge als Tauschmittel I, 30.

  Zimbizo, Angriff auf, I, 269.

  Ziwani (Pfuhl) I, 312, 335.

  Zogga, Palmweinpunsch, II, 116, 151.


Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.


[Illustration: Stanley _ 1874–77.]






*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK WIE ICH LIVINGSTONE FAND; ZWEITER BAND ***


    

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