Wie ich Livingstone fand; Erster Band

By Henry M. Stanley

The Project Gutenberg eBook of Wie ich Livingstone fand; Erster Band
    
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Title: Wie ich Livingstone fand; Erster Band

Author: Henry M. Stanley

Release date: May 23, 2025 [eBook #76143]

Language: German

Original publication: Leipzig: F. A. Brockhaus, 1879

Credits: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This transcription was produced from images generously made available by Bayerische Staatsbibliothek / Bavarian State Library.)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK WIE ICH LIVINGSTONE FAND; ERSTER BAND ***


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                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1879 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Offensichtliche Fehler
  wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr
  verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert;
  fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.

  Fußnoten wurden am Ende des betreffenden Kapitels zusammengefasst.

  Besondere Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der
  folgenden Symbole gekennzeichnet:

        kursiv: _Unterstriche_
        gesperrt: +Pluszeichen+
        Kapitälchen: ~Tilden~

  ####################################################################




                       WIE ICH LIVINGSTONE FAND.


                             ERSTER BAND.




[Illustration: ZANZIBAR.

  I.]




                       WIE ICH LIVINGSTONE FAND.

                                REISEN,
                      ABENTEUER UND ENTDECKUNGEN

                                  IN

                            CENTRAL-AFRIKA.

                                  VON

                           HENRY M. STANLEY.


                     AUTORISIRTE DEUTSCHE AUSGABE.

                            IN ZWEI BÄNDEN.

           _MIT ABBILDUNGEN IN HOLZSCHNITT UND EINER KARTE._


                             ERSTER BAND.


                            [Illustration]


                               LEIPZIG:

                            F. A. BROCKHAUS

                                 1879.




                                 HERRN

                         JAMES GORDON BENNETT,
                  DEM BESITZER DES „NEW YORK HERALD“,

                         WIDMET DIESEN BERICHT

              ÜBER SEINE EXPEDITION AN ~Dr.~ LIVINGSTONE

                                  UND

       DIE REISEN, ABENTEUER UND ENTDECKUNGEN IN CENTRAL-AFRIKA

               ALS TRIBUT FÜR DIE FREIGEBIGE GROSSMUTH,
           WELCHE DAS UNTERNEHMEN INS LEBEN RIEF UND BIS ANS
                           ENDE DURCHFÜHRTE,


                            EHRFURCHTSVOLL


                                SEIN DANKBARER SPECIAL-CORRESPONDENT

                                          HENRY M. STANLEY,
                            FÜHRER DER EXPEDITION DES „NEW YORK HERALD“.




VORBEMERKUNG.


Seit der Veröffentlichung der englischen Originalausgabe dieses
Werkes hat der Verfasser desselben, Henry M. Stanley, seine zweite
von so glänzendem Erfolg gekrönte Forschungsreise durch Afrika
ausgeführt und deren ausführliche Schilderung in dem Werke „Through
the Dark Continent“ vor kurzem erscheinen lassen. Dieses liegt
bereits vollständig in deutscher Ausgabe vor.[1] Dagegen war infolge
eigenthümlicher hindernder Umstände von dem erstern Werke: „How I found
Livingstone“ bisher keine deutsche Uebersetzung veröffentlicht worden.
Vorliegende Publication füllt nun diese Lücke in der Reiseliteratur
über Afrika aus und wird namentlich allen denen willkommen sein, welche
Stanley’s neuere Reise mit Theilnahme verfolgt haben.

Der Verfasser beabsichtigte anfangs in der deutschen Ausgabe
einige geographische Details auf Grund seiner spätern Forschungen
hinzuzufügen oder zu verändern, hat es aber doch für angemessener
erachtet, dass den deutschen Lesern sein Werk ganz in derselben Gestalt
vorgeführt werde, welche er ihm unter den unmittelbaren Eindrücken der
Reiseerlebnisse gegeben hatte. Nur das der englischen Originalausgabe
beigefügte Kartenmaterial ist hier weggeblieben, weil dasselbe
wesentlich erweitert und berichtigt in der grossen Karte vorliegt,
die zu dem neuen Werke „Durch den Dunkeln Welttheil“ gehört. Statt
dessen erhalten die Leser am Schluss unsers Werkes eine allgemeine
Uebersichtskarte zur Orientirung sowol über die erste Reise Stanley’s
bis an den Tanganika-See, als auch über die zweite von der Ostküste bis
an das Gestade des Atlantischen Oceans.


  [1] Durch den Dunkeln Welttheil oder die Quellen des Nils, Reisen um
      die grossen Seen des äquatorialen Afrika und den Livingstone-Fluss
      abwärts nach dem Atlantischen Ocean von ~Henry M. Stanley~.
      Autorisirte deutsche Ausgabe. Aus dem Englischen von Prof. Dr.
      C. Böttger. 2 Bände. Mit Karten und Abbildungen. (Leipzig, F. A.
      Brockhaus, 1878.)




INHALT.


                                                                   Seite

  Einleitung.                                                          1


  ERSTES KAPITEL.

  +Zanzibar.+

  Ankunft in Zanzibar. -- Aufnahme beim Consul der Vereinigten
  Staaten. -- Kapitän Webb. -- Leben in Zanzibar. --
  Art des Handels mit dem Innern. -- Die Stadt Zanzibar. --
  Bevölkerung. -- Einführung bei Dr. Kirk. -- Bischof Tozer.           9


  ZWEITES KAPITEL.

  +Ausrüstung der Expedition.+

  Schwierigkeiten Nachrichten zu erhalten. -- Indienstnahme von
  J. W. Shaw und W. L. Farquhar. -- Mbarak Bombay. --
  Besuch im Palast des Sultans. -- Einschiffung nach Bagamoyo.
  -- Charakteristik des Sultans.                                      28


  DRITTES KAPITEL.

  +Das Leben in Bagamoyo.+

  Ankunft in Bagamoyo. -- Gastfreundschaft der Jesuiten-Mission.
  -- Leben in Bagamoyo. -- Ali bin Salim. -- Nächtliche
  Diebe. -- Ein Esel wird gestohlen. -- Verpackung der
  Ballen. -- Schwierigkeit, Pagazis zu bekommen. -- Transport-
  und Waaren-Kosten. -- Sur Hadschi Pallu. -- Seine
  Sünden. -- Besuch bei Livingstone’s Karavane. -- Ankunft
  des Dr. Kirk in Bagamoyo. -- Klima von Bagamoyo. -- Abreise
  der fünf Karavanen.                                                 46


  VIERTES KAPITEL.

  +Durch Ukwere, Ukami und Udoe nach Useguhha.+

  Ankunft im ersten Lager „Schamba Gonera“. -- Das Thal des
  Kingani. -- Eine Brücke wird über den Kingani geschlagen.
  -- Der Uebergang. -- Ich schiesse auf Flusspferde. -- Ankunft
  in Kikoka. -- Eine noch nie von einem Weissen bereiste
  Route. -- Rosako, Grenzdorf von Ukwere. -- Unverschämte
  Neugier der Wagogo. -- Mein Wachhund Omar. --
  Insekten. -- Die Tsetse-Fliege. -- Die Tschufwa-Fliege; Gefrässigkeit
  derselben. -- Anfang der Masika oder Regenzeit.
  -- Tod des arabischen Pferdes. -- Unterredung mit dem Häuptling
  von Kingaru. -- Tod des Braunen. -- Marsch nach Imbiki.
  -- Ankunft in Msuwa. -- Plagen der Dschungels. --
  Eine Sklavenbande in Ketten. -- Kisemo. -- Die Schönen
  von Kisemo. -- Khamesi’s Desertion und Bestrafung. -- Uebergang
  über den Ungerengeri. -- Die Hauptstadt von Useguhha
  Simbamwenni. -- Die Sultanin. -- Stürmischer Streit mit
  Shaw. -- Afrikanisches Wechselfieber. -- Abgesandte der
  Sultanin.                                                           73


  FÜNFTES KAPITEL.

  +Nach Ugogo.+

  Die Regenzeit. -- Zahlloses Ungeziefer. -- Uebergang über
  den Ungerengeri. -- Bunder Salaam bekommt Prügel, entflieht
  und wird wieder gefunden. -- Gefangennahme von
  Soldaten seitens der Sultanin. -- Die Makata-Wildniss. --
  Desertion und Wiedereinfangen eines Soldaten. -- Furchtbare
  Schwierigkeiten beim Uebergang über den Makata-Sumpf.
  -- Lager in Usagara. -- Shaw’s Brief an Farquhar.
  -- Des Letztern Antwort. -- Seine Verschwendung. -- Shaw’s
  Saumseligkeit. -- Neue Art einen Karren zu brauchen. --
  Der See Ugombo. -- Shaw und Farquhar beim Frühstück. --
  Shaw wird von mir der Länge lang zu Boden geschlagen. --
  Er verlangt seine Entlassung. -- Er empfindet Reue. -- Ein
  Schuss durch mein Zelt. -- Farquhar wird in Mpwapwa zurückgelassen.
  -- Abdullah bin Nasib. -- Gegend von Mpwapwa.                      122


  SECHSTES KAPITEL.

  +Durch Marenga Mkali, Ugogo, Uyanzi nach
  Unyanyembé.+

  Ankunft in Tschunyo. -- Bitterwasser. -- Marenga Mkali. --
  Sechsunddreissig Stunden lang kein Wasser. -- Gefährlicher
  Fieberanfall. -- Ankunft in Ugogo. -- Wüthender
  Pöbel. -- Reichliche Lebensmittel in Mvumi. -- Tribut an
  den grossen Sultan. -- Der Sultan von Matamburu. -- Marsch
  nach Bihawana. -- Die Wagogo erhalten Peitschenhiebe. --
  Besuch des Sultans von Mizanza. -- Die Wahumba sind ein
  stattlicher Menschenschlag. -- Ankunft in Mukonduku. --
  Abreise. -- Berathschlagung mit den Arabern über die einzuschlagende
  Route. -- Streit und Trennung von denselben.
  -- Sie folgen mir. -- Ugogo ein Land voll Bitterniss. --
  Ankunft in Kiti. -- Sultan bin Mohammed. -- Halt in
  Kusuri. -- Erschiessen eines Dieners. -- Schlammfische. --
  Ruinen von Rubuga. -- Amir bin Sultan. -- Uebergang über
  das Mtoni. -- Ankunft in Unyanyembé.                               168


  SIEBENTES KAPITEL.

  Geographische und ethnographische Bemerkungen.                     216


  ACHTES KAPITEL.

  +Das Leben in Unyanyembé.+

  Gastfreundschaft des Gouverneurs Sayd bin Salim. -- Bequemes
  Quartier. -- Tabora, die Hauptniederlassung der Araber.
  -- Mirambo, Häuptling von Uyoweh. -- Seine Räubereien.
  -- Ein Kriegsrath. -- Ich finde die Livingstone-Karavane
  auf. -- Schrecklicher Fieberanfall. -- Abmarsch nach
  Udschidschi. -- Ankunft in Masangi. -- Shaw erkrankt. --
  Ich stosse zum Heere der Araber in Mfuto. -- Gefecht mit
  Mirambo. -- Einnahme des Dorfes Zimbizo. -- Erneuter
  Fieberanfall. -- Niederlage und Gemetzel der Araber durch
  Mirambo. -- Rückzug nach Mfuto.                                    248


  NEUNTES KAPITEL.

  +Das Leben in Unyanyembé.+ (Fortsetzung.)

  Die Araber ziehen sich nach Tabora zurück. -- Ich ziehe
  weiter. -- Ankunft in Kwihara. -- Ich versuche eine andere
  Route. -- Meine Lage wird sehr ernst. -- Farquhar’s Tod
  wird berichtet. -- Niederlage der Araber in Tabora. -- Tod
  des Khamis bin Abdullah. -- Tabora in Flammen. -- Vorbereitungen
  zur Vertheidigung. -- Der philosophische Scheikh
  bin Nasib. -- Ich entschliesse mich, eine fliegende Karavane
  nach Udschidschi zu führen. -- Tod des Baruti. -- Meine
  Leute verlieren den Muth. -- Der kleine Bursche Kalulu. --
  Taufe desselben. -- Mirambo greift Mfuto an und wird
  zurückgeschlagen. -- Selim im Fieber-Delirium. -- Zwei
  Führer: Asmani und Mabruki. -- Mein Entschluss, Livingstone
  bestimmt aufzufinden.                                              275


  ZEHNTES KAPITEL.

  +Nach Mrera in Ukonongo.+

  Aufbruch aus Kwihara. -- Bombay bekommt Prügel. -- Shaw
  wünscht zurückzubleiben. -- Ich zwinge ihn weiterzuziehen.
  -- Ein neuer Fieberanfall. -- Livingstone’s Briefträger
  fehlt. -- Ankunft in Kasegera. -- Shaw kann nicht
  mehr weiter und wird nach Kwihara zurückgeschickt. -- Die
  herrlichen Wälder von Unyamwezi. -- Wir kommen nach
  Ugunda. -- Das Mukunguru. -- Beschreibung dieses Fiebers.
  -- Eine prächtige Sykomore. -- Ein Opfer der Pocken. --
  Zahlreiche Skelete auf dem Wege. -- Ankunft in Manyara.
  -- Streit mit dem Sultan über den Tribut. -- Er besucht
  mich. -- Eine Dosis Ammoniak. -- Verwunderung des
  Sultans. -- Das Paradies des Jägers. -- Meine erste Jagdbeute,
  eine Antilope. -- Zebrajagd. -- Abenteuer mit einem
  Krokodil. -- Zwei Jagdtage. -- Meuterei. -- Asmani und
  Mabruki legen auf mich an. -- Der Frieden wiederhergestellt.
  -- Bombay erhält wieder Prügel und wird in Ketten
  gelegt. -- Charakteristik meiner wichtigsten Leute. -- Ankunft
  in Ziwani. -- Der Honigvogel. -- Utende. -- Mwaru.
  -- Ankunft in Mrera. -- Allerlei Arbeit.                           297




VERZEICHNISS DER ABBILDUNGEN.


                                                                   Seite

  Lager in Bagamoyo                                                   46

  Bombay und Mabruki                                                  73

  Frau beim Kornmahlen                                               109

  Shaw und Farquhar                                                  122

  Unser Lager in Tschunyo                                            168

  Mann und Frau aus Ugogo                                            216

  Plan                                                               221

  Thor eines Dorfes                                                  231

  Kriegswaffen                                                       233

  Junge Wasagara                                                     239

  Ein Tembé aus der Vogelschau                                       243

  Ansicht von meinem Tembé aus                                       248

  Gruppe von Wanyamwezi                                              275

  Lager unter einer Riesen-Sykomore                                  313


  SEPARATBILDER.

  Zanzibar (Titelbild).
                                                                   Seite

  James Gordon Bennett, Eigenthümer des „New York Herald“              1

  Bagamoyo                                                            46

  Simbamwenni, die „Löwenstadt“                                      117

  Der Makata-Sumpf                                                   136

  Shaw auf dem Marsche                                               151

  See Ugombo                                                         152

  Der Berg Kibwe und das Thal des Mukondokwa                         236

  Angriff auf Mirambo                                                269

  Kwihara                                                            297

  Mamanyara nimmt Medicin                                            319

  Meuterei am Gombé-Fluss                                            328

  Selim, der Dolmetscher                                             334




[Illustration: JAMES GORDON BENNETT.

Eigenthümer des „New York Herald“.

  I. S. 1.]




EINLEITUNG.


Am 16. October 1869 war ich von den Kämpfen bei Valencia soeben in
Madrid angekommen. Um 10 Uhr vormittags überreicht mir Jacopo, in Nr.
-- Calle de la Cruz, ein Telegramm, welches lautet: „Kommen Sie sofort
nach Paris wegen wichtiger Geschäfte“.

Das Telegramm ist von James Gordon Bennett jun., dem jungen Director
des „New York Herald“.

Schleunigst nehme ich meine Bilder von den Wänden meiner im zweiten
Stock belegenen Zimmer, packe meine Bücher und Andenken, meine
hastig zusammengerafften theils halbgewaschenen, theils noch nicht
getrockneten Kleider in meine Koffer, und nach ein paar Stunden eiliger
und angestrengter Arbeit ist mein Gepäck geschnürt und nach Paris
signirt.

Der Eilzug nach Hendaye verlässt Madrid um 3 Uhr nachmittags; ich habe
also noch Zeit, meinen Freunden Lebewohl zu sagen. Einer derselben,
Berichterstatter für verschiedene londoner Zeitungen, wohnt Nr. 6 Calle
Goya im vierten Stock. Er hat mehrere Kinder, an denen ich ein warmes
Interesse nehme. Der kleine Karl und Willy sind intime Freunde von mir;
sie hören meine Abenteuer gern und es war mir ein Vergnügen mich mit
ihnen zu unterhalten, jetzt aber muss ich ihnen Lebewohl sagen.

Dann habe ich noch Bekannte bei der nordamerikanischen Gesandtschaft,
mit denen ich gern verkehre. Alles das ist jetzt plötzlich zu Ende.

„Ich hoffe, Sie werden uns schreiben, wir werden uns stets freuen, von
Ihrem Wohlergehen zu hören.“

Wie oft habe ich nicht während meines aufgeregten Lebens als unsteter
Journalist die gleichen Worte gehört und wie oft habe ich denselben
Schmerz beim Scheiden von ebenso lieben Freunden empfunden.

Aber ein Journalist wie ich muss das schwerste ertragen lernen; wie
ein Gladiator in der Arena muss er stets zum Kampf bereit sein; wenn
er feige zurückweicht, ist er verloren. Der Gladiator muss sich dem
auf seine Brust gezückten Schwert aussetzen; der reisende Journalist
oder herumstreichende Correspondent muss dem Befehle gehorchen, der ihn
seinem Verhängniss entgegenschicken kann; zur Schlacht wie zum Banket
lautet er immer gleich: „Mache dich fertig und geh!“ --

Um 3 Uhr nachmittags war ich unterwegs und da ich in Bayonne einige
Stunden Aufenthalt hatte, kam ich in Paris erst in der folgenden Nacht
an. Ich ging direct ins Grand Hôtel und klopfte an Herrn Bennett’s
Thüre.

„Herein!“ rief eine Stimme.

Bei meinem Eintritt fand ich Herrn Bennett im Bett.

„Wer sind Sie?“ fragte er.

„Mein Name ist Stanley“, antwortete ich.

„Ach ja! Nehmen Sie Platz. Ich habe ein wichtiges Geschäft für Sie.“

Nachdem er sich den Schlafrock umgeworfen, fragte mich Herr Bennett:
„Wo glauben Sie, dass Livingstone sich aufhält?“

„Ich weiss es wirklich nicht.“

„Glauben Sie, dass er am Leben ist?“

„Kann sein, kann aber auch nicht sein“, antwortete ich.

„Ich erlaube, er ist am Leben und man kann ihn finden, und ich will Sie
ausschicken, um ihn aufzusuchen.“

„Was?“ sagte ich, „Sie meinen wirklich, dass ich im Stande bin, Dr.
Livingstone aufzufinden? Sie meinen, dass ich nach Central-Afrika gehen
soll?“

„Ja wohl, ich meine, dass Sie hingehen und ihn aufsuchen sollen, wo
Sie ihn nur immer vermuthen können, dass Sie dann alle Nachrichten,
die Sie von ihm erhalten können, sammeln. Und vielleicht“, fügte er in
nachdenklichem Tone hinzu, „ist der alte Mann in Noth. Nehmen Sie genug
mit sich, um ihm beizustehen, wenn er dessen bedarf. Natürlich werden
Sie nach eigenem Plane handeln und das thun, was Sie für das Beste
halten, aber -- +finden Sie Livingstone+!“

„Aber“, sagte ich in Verwunderung über den kaltblütigen Befehl, mit
dem man einen Menschen nach Central-Afrika schickte, um einen Mann
aufzusuchen, den ich wie die meisten für todt hielt, „haben Sie
ernstlich die grosse Ausgabe überlegt, der Sie sich für diese kleine
Reise aussetzen?“

„Was wird es kosten?“ fragte er kurz.

„Burton’s und Speke’s Reise nach Central-Afrika hat 3000 bis 5000 Pfd.
St. gekostet, und ich denke man kann die Reise nicht für weniger als
2.500 Pfd. St. machen.“

„Gut, da will ich Ihnen sagen, was zu thun. Erheben Sie zunächst 1000
Pfd., und wenn Sie dies verbraucht haben trassiren Sie wieder über
1000 Pfd., und wenn diese verausgabt sind abermals 1000 Pfd., und wenn
Sie damit zu Rande sind noch 1000 Pfd. u. s. w., aber -- +finden Sie
Livingstone+!“

Erstaunt aber nicht irre gemacht durch diesen Befehl, -- denn ich
wusste, dass wenn Herr Bennett einmal zu etwas entschlossen, er nicht
leicht von seinem Plane abging,-- meinte ich doch, da es ein solches
Riesenunternehmen war, dass er noch nicht völlig die Gründe und
Gegengründe bei sich erwogen habe, und sagte: „Ich habe gehört, dass,
wenn Ihr Vater stirbt, Sie den «Herald» verkaufen und sich vom Geschäft
zurückziehen wollen.“

„Wer Ihnen das gesagt hat, hat Sie falsch berichtet, denn es gibt gar
nicht Geld genug in New York, um den «New York Herald» zu kaufen. Mein
Vater hat ihn zu einer grossen Zeitung gemacht, aber ich gedenke ihn
noch bedeutend zu vergrössern. Ich wünsche, dass er eine Zeitung in dem
wahren Sinne des Wortes werde. Ich meine, dass er alles bringen soll,
was die Welt interessirt, gleichviel was das kosten möge.“

Ich erwiderte ihm: „Dann habe ich nichts weiter zu sagen. -- Meinen
Sie, dass ich direct nach Afrika gehen soll, um Dr. Livingstone
aufzusuchen?“

„Nein; ich wünsche, dass Sie sich zuerst zur Einweihung des Suez-Kanals
begeben und dann den Nil hinaufgehen. Ich höre, dass sich Baker gerade
nach Oberägypten begibt; suchen Sie alles über seine Expedition zu
erfahren, was Sie können, und wenn Sie den Nil hinaufgehen, beschreiben
Sie möglichst genau alles, was für Touristen von Interesse ist.
Schreiben Sie einen Führer, einen recht praktischen, für Unterägypten,
in dem Sie uns alles berichten, was es dort Sehenswerthes gibt und wie
man es zu sehen hat.

„Dann könnten Sie auch nach Jerusalem gehen, Kapitän Warren soll dort
eben einige interessante Entdeckungen machen. Besuchen Sie darauf
Konstantinopel und berichten Sie über die zwischen dem Khedive und
dem Sultan herrschenden Schwierigkeiten. Dann können Sie ja wol
auch die Krim und die alten Schlachtfelder dort besuchen. Gehen Sie
durch den Kaukasus ans Kaspische Meer, dort sollen die Russen eine
Expedition gegen Chiwa ausrüsten. Von da können Sie durch Persien
nach Indien gehen und uns einen interessanten Bericht aus Persepolis
schreiben. Bagdad liegt dicht an Ihrem Wege nach Indien; wie wäre es,
wenn Sie dort hingingen und uns etwas über die Euphratthal-Eisenbahn
berichteten. Wenn Sie dann in Indien gewesen sind, können Sie sich nach
Livingstone umschauen. Vermuthlich werden Sie bis dahin gehört haben,
dass er sich auf dem Rückwege nach Zanzibar befindet, wenn nicht, so
gehen Sie ins Innere und suchen Sie ihn dort. Wenn er am Leben ist,
versuchen Sie es, von ihm soviel Nachrichten als möglich über seine
Entdeckungen zu erlangen, und wenn er todt ist, bringen Sie alle
möglichen Beweise für seinen Tod mit. Das ist alles. Gute Nacht und
Gott sei mit Ihnen!“

„Gute Nacht“, sagte ich, „ich will alles thun, was in der
Menschenmöglichkeit liegt, und Gott wird bei einer Aufgabe, wie sie mir
gestellt ist, mit mir sein.“

Ich wohnte mit dem jungen Edward King zusammen, der sich einen so
grossen Namen in Neuengland macht. Er war gerade der Mann, der sich
gefreut haben würde, seiner Zeitung zu erzählen, was der junge Herr
Bennett triebe und was für eine Aufgabe mir gestellt worden sei. Ich
hätte gern meine Ansichten über die wahrscheinlichen Resultate meiner
Reise mit ihm ausgetauscht, aber ich wagte das nicht. Obgleich schwer
von meiner grossen Aufgabe gedrückt, musste ich mir doch das Ansehen
geben, als ob ich nur zur Einweihung des Suez-Kanals ginge. Der junge
King begleitete mich an den marseiller Eilzug und wir trennten uns auf
dem Bahnhofe, er, um die Zeitungen in Bowles’ Lesezimmer zu lesen, ich,
um nach Central-Afrika und wer weiss wohin sonst noch zu gehen.

Ich brauche hier gar nicht aufzuzählen, was ich gethan habe, ehe
ich nach Central-Afrika ging: ich zog den Nil hinauf, sah den
Oberingenieur der Baker’schen Expedition, Herrn Higginbotham, in
Phylae und verhinderte ein Duell zwischen ihm und einem tollen jungen
Franzosen, der sich mit Herrn Higginbotham auf Pistolen duelliren
wollte, weil er die Zumuthung übelnahm, für einen Aegypter gehalten
zu werden, obgleich er ein Fes trug. Ich habe mich mit Kapitän Warren
in Jerusalem unterhalten und bin dort mit einem Unteringenieur in
eine der Gruben gefahren, um die Merkzeichen der tyrischen Arbeiter
auf den Grundsteinen des Salomonischen Tempels zu besehen. Ich habe
die Moscheen von Stambul in Gesellschaft des nordamerikanischen
Ministerresidenten und Generalkonsuls besucht, ich bin über die
Schlachtfelder der Krim gereist, Kinglake’s berühmtes Werk in der
Hand; ich habe mit der Witwe des Generals Liprandi in Odessa gespeist;
ich habe in Trapezunt den arabischen Reisenden Palgrave und in Tiflis
den Civilgouverneur des Kaukasus, Baron Nicolay besucht; in Teheran
bin ich mit dem russischen Gesandten zusammengewesen, habe überall
auf meiner Reise durch Persien die grösste Gastfreundschaft von den
Herren der indoeuropäischen Telegraphen-Gesellschaft erfahren,
und nach dem Beispiel vieler berühmter Männer meinen Namen auf die
Monumente von Persepolis eingeschrieben. Im Monat August 1870 kam ich
in Indien an, am 12. October fuhr ich auf der Barke „Polly“ von Bombay
nach Mauritius. Da die „Polly“ ein langsames Schiff war, dauerte die
Ueberfahrt 37 Tage. Am Bord der Barke befand sich ein gewisser William
Lawrence Farquhar aus Leith in Schottland als erster Steuermann. Er
war ein ausgezeichneter Schiffer, und da ich meinte, dass er mir von
Nutzen sein könnte, nahm ich ihn in Dienst unter der Bedingung, dass
sein Sold von dem Tage angehen solle, wo wir von Zanzibar nach Bagamoyo
abreisen würden. Da ich keine Gelegenheit hatte, direct nach Zanzibar
zu fahren, so ging ich zu Schiff nach den Seychellen. Drei oder vier
Tage nach meiner Ankunft in Mahé, einer Insel der Seychellen, hatte ich
das Glück, auf einem amerikanischen Walfischfahrer mit William Lawrence
Farquhar und Selim, einem arabischen Christenknaben aus Jerusalem, der
als Dolmetscher fungiren sollte, nach Zanzibar zu segeln, in welchem
Hafen wir am 26. Januar 1871 ankamen.

Soweit habe ich also meine Reisen nur oberflächlich berührt, weil
sie den Leser nicht interessiren; sie haben mich durch viele Länder
geführt, aber dieses Buch ist nur eine Beschreibung der Reise, auf
welcher ich Livingstone, den grossen Afrikareisenden, suchte. Sie ist,
ich gestehe es zu, ein Ikarusflug des Journalismus, einige haben sie
sogar für ein Donquixotiade erklärt; diese Bezeichnung kann ich jetzt
aber von mir abweisen, wie der Leser zugeben wird, noch ehe er an das
Ende des Buches kommt.

Ich habe mich des Wortes „Soldaten“ in diesem Buche bedient. Die
bewaffnete Begleitung, welche ein Reisender in Sold nimmt, damit sie
ihn nach Ostafrika geleite, besteht aus freien Schwarzen, Eingeborenen
von Zanzibar, oder befreiten Sklaven aus dem Innern, welche sich Askari
nennen, ein indisches Wort, das in seiner Uebersetzung „Soldaten“
bedeutet. Sie sind wie Soldaten bewaffnet und ausgerüstet, obgleich
sie sich auch als Dienstboten vermiethen, aber es würde anmassender
von mir sein sie Bediente zu nennen, als das Wort „Soldaten“ dafür zu
gebrauchen, und da ich mehr gewohnt gewesen bin sie Soldaten, als meine
Watuma Diener zu nennen, so konnte ich mir das nicht mehr abgewöhnen;
deshalb habe ich den Ausdruck „Soldaten“ stehen lassen, schicke jedoch
dieses Wort der Entschuldigung voran.

Auch habe ich vielleicht das persönliche Fürwort der ersten Person
singularis „ich“ häufiger gebraucht, als die Bescheidenheit es
eigentlich gestattet, aber man darf nicht vergessen, dass ich eine
Erzählung meiner eigenen Abenteuer und Reisen schreibe und dass
ich annehme, dass das grösste Interesse bis zu dem Punkt, wo ich
mit Livingstone zusammenkomme, sich an mich, meine Märsche, meine
Schwierigkeiten, meine Gedanken und Eindrücke knüpft. Trotzdem folgt
daraus, dass ich hin und wieder von +meiner+ Expedition oder
+meiner+ Karavane spreche, noch keineswegs, dass ich mir dieses
Recht anmasse, denn ich bemerke ausdrücklich, dass es die Expedition
des „New York Herald“ ist, dass ich nur den Befehl über dieselbe
von Herrn James Gordon Bennett, dem Besitzer des „New York Herald“,
erhalten habe und von diesem Herrn besoldet worden bin.

Noch eins: ich habe die erzählende Form für die Darstellung meiner
Reise gewählt, weil sie ein grösseres Interesse zu besitzen scheint als
die Form des Tagebuches, und ich glaube, dass ich auf diese Weise den
grossen Fehler der Wiederholung vermeide, den man vielen Reisenden zum
Vorwurf macht.

Nach diesen Auseinandersetzungen halte ich es nicht für nöthig,
noch irgendetwas in der Einleitung zu sagen und beginne daher meine
Erzählung.

  ~London~, 8, Duchess Street, Portland Place,
  October 1872.

  HENRY M. STANLEY.




ERSTES KAPITEL.

ZANZIBAR.

  Ankunft in Zanzibar. -- Aufnahme beim Consul der Vereinigten Staaten.
  -- Kapitän Webb. -- Leben in Zanzibar. -- Art des Handels mit dem
  Innern. -- Die Stadt Zanzibar. -- Bevölkerung. -- Einführung bei Dr.
  Kirk. -- Bischof Tozer.


Eine der fruchtbarsten Inseln des Indischen Oceans ist Zanzibar. Als
ich Bombay verliess, um die Expedition des „New York Herald“ in das
unbekannte Herz Afrikas zu führen, war meine abstracte Vorstellung von
der Insel die, dass sie nicht viel besser als eine grosse Sandbank
oder ein Stückchen vom Meer umgebener Sahara sei, in der sich ein paar
massig grosse Oasen befänden und in der die Cholera, das Fieber und
andere namenlose aber schreckliche Krankheiten zu wüthen pflegten. Ich
glaubte, sie sei von unwissenden Schwarzen mit dicken Lippen bewohnt,
deren Aeusseres im allgemeinen mit Du Chaillu’s Gorillas zu vergleichen
wäre und die von einem despotischen, griesgrämigen Araber beherrscht
würden. Weshalb sich diese Caricatur in meiner Phantasie festgesetzt
hatte, begreife ich nicht; ich hatte Bücher und Abhandlungen über
Zanzibar gelesen, die sich keineswegs ungünstig darüber äusserten,
dennoch schwebte es meinem Gehirn als eine Insel vor, deren gänzliches
Versinken im Meere der Welt nur nützlich sein könnte. Ich weiss es
nicht bestimmt, aber ich glaube, ich habe diese Vorstellung durch
Kapitän Burton’s „Lake Regions of Central-Africa“ in Verbindung mit
manchen andern excentrischen Ansichten bekommen. Dieses ganze Buch ist,
wiewol ausgezeichnet gewandt und wahr, doch in einem etwas galligen Ton
geschrieben, und ich glaube, die Wirkung desselben auf mich bestand
darin, dass ein Theil der Galle mir zu Kopf stieg, denn als ich es las,
sah ich einen verderbenbringenden Strom, welcher mich nach der ewigen
Fiebergegend Afrikas hintrieb, von wo, wie mir eine unheilverkündende
Ahnung sagte, man nicht wieder zurückkehre. Wie man aber die
beseligende Morgenröthe begrüsst, die den schrecklichen Traum, unter
welchem man die ganze Nacht hindurch sich seufzend plagt, vertreibt,
wie man sich über den Brief freut, der gute Nachrichten bringt, so
wurde mir beim Anblick der grünen Ufer Zanzibars zu Muthe, welche mir
zuriefen: „Hoffnung! Die Dinge sind selten so schlimm, als man sie sich
ausmalt.“

Es war am frühen Morgen, als ich durch den Kanal segelte, der Zanzibar
von Afrika trennt. In dem Morgengrauen wurden die Höhen des Festlandes
gleich langen Schatten sichtbar; die Insel lag uns in einer Entfernung
von nur einer Meile zur Linken und trat mit dem vorrückenden Tage
aus den sie umhüllenden Nebeln allmählich hervor, bis sie endlich
deutlich in Sicht war und so schön aussah, wie das schönste Kleinod
der Schöpfung. Sie schien niedrig, aber nicht flach zu sein, hin und
wieder sah ich sanfte Höhen, die sich über den anmuthigen Wipfeln
der Kokosbäume erhoben, welche sich längs der Insel hinzogen. Auch
wurden sie in angenehmer Weise durch Thalsenkungen unterbrochen,
welche andeuteten, wo diejenigen, die Schutz vor der heissen Sonne
suchten, Kühlung finden könnten. Mit Ausnahme der schmalen Sandlinie,
über die das saftgrüne Wasser in beständigem Gemurmel dahinrollte,
schien die Insel ganz in Grün gehüllt. Auf dem herrlichen Spiegel der
Meerenge befanden sich mehrere Dhows[2], die rasch mit schwellenden
Segeln der Bai von Zanzibar zueilten oder dieselbe verliessen. Ueber
dem Horizont des Meeres erschienen nach Süden zu die nackten Masten
einiger grossen Schiffe und östlich von diesen eine dichte Masse
weisser Häuser mit flachen Dächern. Dies war Zanzibar, die Hauptstadt
der Insel, welche sich bald als eine ziemlich grosse, dichtgebaute
Stadt enthüllte, an der man alle charakteristischen Merkmale der
arabischen Baukunst erkennen konnte. Ueber einigen der grössten
Häuser, welche sich an der Seeseite der Stadt hinzogen, flatterten
das blutrothe Banner des Sultans Seyyid Barghasch und die Flaggen der
amerikanischen, englischen, norddeutschen und französischen Consulate.
Im Hafen befanden sich dreizehn grosse Schiffe, vier zanzibarer
Kriegsschiffe und ein englisches, die „Nymphe“, zwei amerikanische, ein
französisches, ein portugiesisches, zwei englische und zwei deutsche
Kauffahrer. Ausserdem lagen da viele Dhows aus Johanna und Mayotte,
Orten der Komoroinseln, ebenso Dhows aus Muskat und Kutsch, welche
zwischen Indien, dem Persischen Meerbusen und Zanzibar Handel treiben.

Mit aufrichtiger Höflichkeit und Gastfreiheit empfing mich der
nordamerikanische Consul, Kapitän Francis R. Webb (der früher auf
der nordamerikanischen Flotte gedient hatte). Hätte dieser Herr mir
nicht die so nöthigen Dienste geleistet, so hätte ich mich dazu
verstehen müssen, mich in einem Hause, welches als das von Charley
bekannt ist, einzumiethen, das nach seinem Besitzer so genannt wird,
einem krummnasigen, im ganzen sehr excentrischen Franzosen, der einen
bedeutenden Ruf an dem Orte dafür hat, dass er unbemittelte Reisende
aufnimmt und ihnen häufig unter einer rauhen Aussenseite grosse
Freundlichkeiten erweist, -- oder ich wäre gar gezwungen gewesen, mein
amerikanisches Doppelzelt auf dem Sandufer dieser tropischen Insel
aufzuschlagen, was keineswegs wünschenswerth gewesen wäre.

Aber Kapitän Webb’s gelegener Vorschlag, sein bequemes, comfortables
Haus zum meinigen zu machen, mich gemüthlich einzurichten und
mir alles geben zu lassen, was ich nöthig hatte, beseitigte alle
Unannehmlichkeiten.

Ein Tag in Zanzibar brachte mir meine Unwissenheit in Bezug auf das
Volk und die Dinge Afrikas im allgemeinen zum Bewusstsein. Ich bildete
mir ein, ich hätte Burton und Speke ziemlich gut durchgelesen und
folglich die Bedeutung, Wichtigkeit und Grösse der Aufgabe, die ich
übernommen hatte, erfasst. Aber meine auf Bücherweisheit gegründeten
Schätzungen waren einfach lächerlich, die phantastischen Vorstellungen
von den Reizen, die Afrika bietet, waren alsbald zerstreut, die
Freuden, die ich vorausgesetzt hatte, verschwanden und alle unreifen
Vorstellungen nahmen eine bestimmte Gestalt an.

Ich spazierte durch die Stadt und verschaffte mir allgemeine Eindrücke.
In dem reinlichen Stadtviertel sah ich krumme, enge Gassen, weiss
getünchte Häuser, mit Mörtel gepflasterte Strassen. In dem Theil, den
ich das Banyanenviertel nennen will, erblickte ich auf jeder Seite
sehr vertiefte Alkoven, vor denen rothbeturbante Banyanen sassen,
und im Hintergrunde dünne Baumwollstoffe, Kalikos, amerikanische und
bedruckte Baumwollenwaaren und andere Gegenstände; auf den Fluren lagen
Elfenbeinzähne dichtgedrängt; in dunkeln Ecken Haufen von ungereinigter
loser Baumwolle, Vorräthe von Steingut, Nägeln, billigen Eisenwaaren
und Werkzeugen. Im Negerquartier rochen die Strassen sehr übel nach
der gelben und schwarzen Bevölkerung, welche mit ihren Wollköpfen vor
den Thüren ihrer elenden Hütten schwatzend, lachend, feilschend und
keifend sassen. Der Geruch war ein Gemisch von Häuten, Theer, Schmutz,
vegetabilischem Abgang, Excrementen u. s. w. Ich sah Strassen, die von
grossen, solid aussehenden Häusern mit flachen Dächern begrenzt wurden,
mit grossen geschnitzten Thüren und Messingklopfern, vor denen Sklaven
mit übereinandergeschlagenen Beinen sassen und den Eingang zu ihrer
Herren Häuser bewachten; eine seichte Seebucht, auf der sich Dhows,
Nachen, Boote und ein paar vereinzelte Bugsirdampfer befanden, welche
auf dem von der Ebbe zurückgelassenen Schlammmeer seitlich übergeneigt
dalagen. Ich sah einen Ort, der „Nazi-Moya“ (der „Eine Kokosbaum“)
heisst, wohin sich die Europäer des Abends mit langsamen Schritten,
fast wie Sterbende, begeben, um die liebliche Luft einzuathmen, die,
wenn der Tag zur Neige und die rothe Sonne im Westen untergeht, von der
See ausströmt. Ich sah die Gräber von einigen verstorbenen Matrosen,
welche ihr Leben nach der Ankunft in diesem Land eingebüsst hatten. Ich
sah das hohe Haus, worin Dr. Tozer, Missionsbischof von Central-Afrika,
und seine Schule für kleine Afrikaner sich befindet, und noch viele
andere Dinge, die sich so ineinanderwirrten, dass ich zu Bett gehen
musste, wollte ich im Stande bleiben, die sich verschiebenden Bilder
auseinanderzuhalten und das Arabische vom Afrikanischen, dies vom
Banyanischen, dieses wieder vom Hindostanischen und letzteres endlich
vom Europäischen zu scheiden.

Zanzibar ist das Bagdad, das Ispahan oder Stambul, wenn man will, von
Ostafrika. Es ist der grosse Markt, welcher die Elfenbeinhändler aus
dem Innern Afrikas anlockt. Auf diesen kommen das Kopalgummi, die
Häute, die Orseille, das Bauholz und die schwarzen Sklaven Afrikas.
Bagdad hat grosse Seidenbazars, Zanzibar Elfenbeinmagazine; Bagdad hat
einst mit Juwelen gehandelt, Zanzibar handelt mit Kopalgummi. Stambul
pflegte tscherkessische und georgische Sklaven einzuführen, Zanzibar
importirt schwarze Schönen aus Uhiyu, Ugindo, Ugogo, Unyamwezi und
Galla.

Dieselbe Art des Handels herrscht hier wie in allen mohammedanischen
Ländern vor, ja es ist dieselbe, wie sie lange vor der Geburt Moses
existirt hat. Der Araber ist unveränderlich, er hat die Sitten seiner
Vorältern mit sich gebracht, als er auf diese Insel kam, er ist hier
ebenso sehr Araber wie in Muskat oder Bagdad. Wohin er auch geht,
bringt er seinen Harem, seine Religion, sein langes Gewand, sein Hemd,
seine Pantoffeln und seinen Dolch mit sich. Wenn er ins Innere von
Afrika dringt, so vermag aller Spott der Neger nicht, seine Lebensweise
zu verändern. Dennoch ist das Land nicht orientalisch geworden, der
Araber ist nicht im Stande gewesen, die Atmosphäre zu verändern, das
Land ist halb afrikanisch im Aussehen, die Stadt nur halb arabisch.

Dem neuen Ankömmling sind die Muskataraber von Zanzibar im höchsten
Grade interessant. Sie haben eine gewisse Geschäftigkeit an sich,
die man bewundern muss. Sie sind meist alle Reisende. Die Mehrzahl
von ihnen sind oft schon in gefahrvollen Lagen gewesen, wenn sie in
Central-Afrika eindrangen, um das kostbare Elfenbein zu bekommen, und
dies sowie ihre reichen Erfahrungen haben ihrem Gesicht einen gewissen
unverkennbaren Zug von Selbstvertrauen und Selbstgenügsamkeit gegeben;
sie haben etwas Ruhiges, Entschlossenes, Trotziges, Unabhängiges an
sich, welches jedem unbewusst Achtung abgewinnt. Die Erzählungen
einiger dieser Leute könnten meines Erachtens Bände voll spannender
Abenteuer füllen.

Gegen die Mischlingsrassen hege ich eine grosse Verachtung. Sie
sind weder schwarz, noch weiss, weder gut, noch schlecht, weder zu
bewundern, noch zu hassen. Sie sind alles zu jeder Zeit; sie kriechen
beständig vor den grossen Arabern und sind immer grausam gegen die
Unglücklichen, die unter ihr Joch kommen. So oft ich einen elenden,
halbverhungerten Neger sah, wusste ich mit Bestimmtheit, dass er
einem der Mischlingsrasse angehöre. Stets habe ich in ihm einen
kriechenden Heuchler, einen feigen, entarteten, treulosen und gemeinen
Menschen gefunden. Er scheint stets bereit, vor einem reichen Araber
niederzufallen und ihn anzubeten, aber er ist einem armen schwarzen
Sklaven gegenüber unbarmherzig. Wenn er am meisten schwört, so kann man
sich darauf verlassen, dass er am meisten lügt, und doch ist es diese
Menschenrasse, welche sich am raschesten in Zanzibar vermehrt, diese
syphilitische, triefäugige, blasshäutige Mischung des Afrikaners und
Arabers.

Der Banyane ist ein geborener Handelsmann, das Ideal eines schlauen,
geldverdienenden Menschen. Das Geld fliesst ihm so natürlich in
die Tasche, wie das Wasser von einer Höhe hinab, und nie werden
Gewissensbisse ihn daran verhindern, seinen Nebenmenschen zu betrügen.
Er übertrifft den Juden und sein einziger Nebenbuhler auf dem Markt
ist der Perser. Der Araber ist ein Kind dagegen. Es ist Geldes werth,
ihn zu sehen, wie er mit aller Energie der Seele und des Leibes dahin
arbeitet, den Eingeborenen selbst um die allerkleinste Geldsumme zu
übervortheilen. Hat z. B. der Eingeborene einen Elfenbeinzahn, der ein
paar Frasilehs wiegt, die Wagschale zeigt auch das Gewicht an und
der Eingeborene versichert aufs feierlichste, dass es mehr als zwei
Frasilehs betragen müsse, so wird unser Banyane auf alle mögliche Weise
behaupten und schwören, dass der Eingeborene nichts davon verstehe und
dass die Wagschale falsch sei. Er nimmt seine ganze Kraft zusammen,
um den Zahn aufzuheben. „Er ist ja so leicht, er wiegt nicht mehr als
ein Frasileh. Komm“, sagt er, „Knicker, nimm Dein Geld und geh Deiner
Wege. Bist Du verrückt?“ -- Wenn der Eingeborene zaudert, so pflegt er
vor Wuth laut aufzuschreien, er schiebt ihn weg, stösst das Elfenbein
mit verächtlicher Gleichgültigkeit mit dem Fusse fort, kurz, nirgends
wird solch ein Lärm um nichts gemacht. Obgleich er nun dem erstaunten
Eingeborenen befiehlt, sich zu trollen, so beabsichtigt er durchaus
nicht, dass ihm der Kauf entgehen soll.

Die Banyanen üben vor allen andern Klassen den grössten Einfluss
auf den Handel von Central-Afrika aus. Mit Ausnahme von ein paar
reichen Arabern sind fast alle andern Kaufleute den Nachtheilen des
Wuchers ausgesetzt. Ein Handelsmann, der eine Reise ins Innere machen
will, gleichviel ob er nach Sklaven oder Elfenbein, Kopalgummi oder
Orseillewurzel auszieht, schlägt einem Banyanen vor, ihm 5000 Dollars
zu 50, 60 oder 70 Procent zu leihen. Der Banyane weiss sicher, dass
er nichts verliert, ob die Speculation des Handelsmannes sich bezahlt
macht oder nicht; denn ein erfahrener Handelsmann erleidet selten
Verluste, oder wenn er unschuldigerweise unglücklich gewesen ist, so
verliert er seinen Credit nicht. Mit Hülfe des Banyanen kommt er bald
wieder auf die Beine.

Nehmen wir, um ein Beispiel zu geben, wie der Handel ins Innere
gehandhabt wird, an, dass der Araber mit seiner Karavane Güter im
Werthe von 5000 Dollars ins Innere führt, so sind die Güter in
Unyanyembé 10000 Dollars, in Udschidschi 15000 Dollars werth; sie haben
also ihren Werth verdreifacht. Für 5 Doti oder 7½ Dollars kauft man
auf dem Markte von Udschidschi einen Sklaven, der sich in Zanzibar für
30 Dollars verkaufen lässt. Gewöhnliche männliche Sklaven kann man
sicher für 6 Dollars kaufen und erhält dafür an der Küste 25 Dollars.
Sagen wir nun, der Händler kauft Sklaven für den vollen Betrag seines
Geldes, d. h. also, er würde nach Abzug von 1500 Dollars Reisekosten
nach Udschidschi und zurück für 3500 Dollars 464 Sklaven à 7½ Dollars
erstehen, so bringen ihm diese in Zanzibar 13920 Dollars ein! Ein
anderes, dem Elfenbeinhandel entnommenes Beispiel: Ein Kaufmann bringt
Waaren für 5000 Dollars nach Udschidschi und hat, nach Abzug von 1500
Dollars Reiseausgaben dorthin und zurück, noch 3500 Dollars, in Tuchen
und Perlen, mit welchen er Elfenbein kauft. In Udschidschi kauft man
den Frasileh (oder 35 Pfd.) für 20 Dollars, wodurch er mit seinen 3500
Dollars 175 Frasilehs Elfenbein ersteht, das, wenn es gut ist, in
Zanzibar 60 Dollars per Frasileh werth ist. So stellt es sich heraus,
dass der Kaufmann einen Nettogewinn von 10500 Dollars gemacht hat.
Arabische Händler haben schon grössere Profite gemacht, und fast immer
kehren sie mit einem sehr grossen Nutzen zurück.

Auf die Banyanen folgen in Zanzibar, was die Machtstellung betrifft,
die mohammedanischen Hindus. Eine Zeit lang war ich wirklich
zweifelhaft, ob die Hindus nicht ebenso arg im Handel betrügen, wie
die Banyanen, und wenn ich den letzteren die Palme gereicht habe,
so ist das nur mit Widerstreben geschehen. Dieser Stamm der Inder
erzeugt Massen gewissenloser Schurken, während er kaum einen ehrlichen
Kaufmann aufzuweisen hat. Einer der ehrlichsten Leute von allen, ob
weiss oder schwarz, ob roth oder gelb, ist ein mohammedanischer Hindu,
namens Tarya Topan. Er ist unter den Europäern in Zanzibar durch seine
Ehrlichkeit und strenge Rechtschaffenheit im Geschäft sprichwörtlich
geworden. Er ist sehr reich, besitzt mehrere Schiffe und Dhows und
nimmt eine hervorragende Stellung im Rath bei Seyyid Barghasch ein.
Tarya hat viele Kinder, unter denen zwei oder drei erwachsene Söhne
sich befinden, welche er ganz nach seinem Vorbilde erzogen hat. Aber
Tarya repräsentirt nur eine ungemein kleine Minderheit.

Die Araber, Banyanen und mohammedanischen Hindus bilden die höhern und
mittlern Klassen. Diese sind im Besitze der Landgüter, der Schiffe und
des Handels. Vor ihnen beugen sich die Mischlingsrassen und die Neger.

Nach diesen sind das bedeutendste Volk, welches zur gemischten
Bevölkerung dieser Insel beiträgt, die Neger. Sie bestehen aus den
eingeborenen Wasawahili, Somalis, Komorines, Wanyamwezi und einer
Anzahl Repräsentanten der Stämme von Innerafrika.

Für einen weissen Fremdling, der im Begriff steht, ins Innere von
Afrika zu gehen, ist ein Spaziergang durch die Negerquartiere der
Wanyamwezi und Wasawahili höchst interessant; denn hier lernt
man es erst, dass man zugeben muss, dass die Neger Menschen wie
unsereins sind, obgleich von anderer Farbe; dass sie Leidenschaften
und Vorurtheile, Sympathien und Antipathien, Geschmacksrichtungen
und Empfindungen wie alle andern Menschen haben. Je eher man diese
Thatsache einsieht und sich nach ihr richtet, um so leichter wird
einem die Reise unter den verschiedenen Stämmen des Innern werden. Je
schmiegsamer man von Natur ist, um so gedeihlicher werden die Reisen
ausfallen.

Obwol ich einige Zeit unter den Negern unserer Südstaaten gelebt hatte,
so war meine Erziehung doch die eines Nordländers, und ich hatte in
den Vereinigten Staaten Schwarze gesehen, die ich mit Stolz meine
Freunde nannte. Auf diese Weise war ich darauf vorbereitet, einen
jeden Schwarzen, der die Eigenschaften eines wirklichen Menschen oder
überhaupt irgendwelche guten Eigenschaften besass, als Freund, ja
selbst als Bruder anzusehen und ihn ebenso zu achten, als ob er von
meiner Farbe und Abstammung wäre. Weder seine Farbe noch irgendwelche
Eigenthümlichkeiten seiner Physiognomie sollte ihn meinerseits
irgendwelcher Rechte berauben, die er als Mensch beanspruchen konnte.
„Haben diese Leute, diese wilden Schwarzen aus dem heidnischen Afrika“
-- fragte ich mich -- „die Eigenschaften, welche den Menschen seinen
Mitmenschen liebenswürdig machen?“ „Können diese Leute, diese Barbaren,
Güte schätzen und fühlen sie Abneigung wie ich?“ -- war die Frage,
die ich mir im Geiste vorlegte, als ich durch ihre Quartiere ging und
ihre Handlungsweise beobachtete. Brauche ich noch zu sagen, dass es
mir sehr angenehm war zu sehen, wie sie ebenso bereitwillig sich dem
Einfluss der Leidenschaften, der Liebe und des Hasses, wie ich selbst,
unterwarfen und dass die genaueste Beobachtung mir keinen bedeutenden
Unterschied zwischen ihrer Natur und meiner eigenen offenbarte?

Die Neger der Insel bilden wol zwei Drittel der ganzen Bevölkerung;
sie sind die arbeitenden Klassen, ob sie Sklaven oder Freie sind. Die
Sklaven verrichten die Arbeit auf den Plantagen, Landgütern und in den
Gärten der Gutsbesitzer, oder dienen als Hamals oder Lastträger auf dem
Lande sowie in der Stadt. Auf dem Lande sieht man sie mit sehr grossen
Lasten auf dem Kopfe so zufrieden und heiter wie möglich, nicht etwa,
weil sie freundlich behandelt werden oder leichte Arbeit haben, sondern
weil sie ihrer Natur nach heiter und leichten Herzens sind, weil sie
weder Vergnügungen noch Hoffnungen haben, die sie nicht nach Belieben
befriedigen können und keinem Ehrgeiz fröhnen, dem sie nicht Genüge
thun könnten, daher auch in ihren Hoffnungen nicht getäuscht worden
sind.

In der Stadt hört man zu allen Stunden Negerhamals zu zweien, beim
Transport von Säcken mit Gewürz, Waarenkisten u. dgl. beschäftigt,
vom Magazin zu der Wassertreppe und von dieser nach dem Ufer zu gehen
und eine Art monotone Melodie singen, durch die sie sich gegenseitig
aufmuntern und nach der sie marschiren, wenn sie sich barfüssig durch
die Strassen bewegen. Man kann diese Leute in kurzer Zeit leicht als
alte Bekannte an der Consequenz erkennen, mit welcher sie ihre Melodien
singen. Mehrmals des Tages habe ich dasselbe Paar unter den Fenstern
des Consulats vorbeigehen und immer dieselbe Melodie mit den gleichen
Worten wiederholen hören. Mancher könnte diese Lieder wol für albern
halten, aber für mich hatten sie einen gewissen Reiz und ich halte sie
für vollständig zweckentsprechend.

Die Stadt Zanzibar, auf dem südwestlichen Ufer der Insel gelegen, hat
eine Bevölkerung von fast 100,000 Einwohnern; die ganze Insel schätze
ich auf nicht mehr als 200,000, alle Rassen eingeschlossen.

Die grösste Zahl fremder Schiffe, welche mit diesem Hafen Handel
treiben, sind Amerikaner, hauptsächlich aus New York und Salem.
Nach den Amerikanern kommen die Deutschen, dann die Franzosen und
Engländer. Sie kommen mit amerikanischer Leinwand, Branntwein,
Schiesspulver, Musketen, Perlen, englischen Baumwollenwaaren,
Messingdraht, Porzellanwaaren und anderen Artikeln beladen, und
verlassen den Hafen mit Elfenbein, Kopalgummi, Gewürznelken, Häuten,
Muscheln, Sesam, Pfeffer und Kokosnussöl.

Der Werth der Exportartikel aus diesem Hafen wird auf 3,000,000 Dollars
geschätzt und der der Einfuhr aus andern Ländern auf 3,500,000 Dollars.

Die Europäer und Amerikaner, die in der Stadt Zanzibar wohnen, sind
entweder Regierungsbeamte oder unabhängige Kaufleute oder Agenten
für ein paar grosse europäische und amerikanische Handlungshäuser.
Das wichtigste Consulat ist das britische. Als ich in Zanzibar meine
Expedition ins Innere von Afrika ausrüstete, war Dr. John Kirk
britischer Consul und Geschäftsträger daselbst. Ich war sehr begierig,
diesen Herrn kennen zu lernen, weil sein Name so oft mit dem des Dr.
David Livingstone, den ich aufsuchen wollte, zusammen genannt worden
ist. In fast allen Zeitungen wurde er als der frühere Begleiter von Dr.
Livingstone bezeichnet. Nach den Artikeln und Briefen an die indische
Regierung, die ich gelesen hatte, bildete ich mir ein, dass wenn ich
überhaupt irgendwelche positive Kunde in Bezug auf den Aufenthaltsort
des Dr. Livingstone erhalten könnte, mir dieselbe von Dr. Kirk
zukommen würde; daher erwartete ich die Ehre, von Kapitän Webb bei ihm
eingeführt zu werden, mit nicht geringer Ungeduld.

Am zweiten Morgen nach meiner Ankunft in Zanzibar gingen der
amerikanische Consul und ich, in Uebereinstimmung mit der Etikette des
Ortes, auf die Strasse hinaus und nach einigen Augenblicken stand ich
vor diesem vielbesprochenen Manne. Kapitän Webb sagte zu einem Manne
von dünner, hagerer Gestalt, der einfach gekleidet und etwas gebückt
ging, schwarzhaarig, von schmalem Gesicht und eingefallenen Wangen war
und einen Bart trug: „Dr. Kirk, erlauben Sie mir, Ihnen Herrn Stanley,
vom «New York Herald», vorzustellen.“

Ich glaubte zu bemerken, dass er in dem Augenblick seine Augenlider
merklich erhob und dadurch den ganzen Umfang seiner Augen zeigte.
Wenn ich einen solchen Blick beschreiben sollte, so würde ich ihn als
ein Anstarren bezeichnen. Während der Unterhaltung, die sich über
verschiedene Gegenstände verbreitete, sah ich sein Gesicht, welches
ich aufmerksam beobachtete, sich nur einmal beleben und erregt werden,
und zwar als er uns einige seiner Jagdgeschichten erzählte. Da der
Gegenstand, der meinem Herzen am nächsten war, nicht zur Sprache kam,
nahm ich mir vor, ihn über Dr. Livingstone das nächste mal, wo ich ihn
besuchte, auszufragen.

Am Dienstag Abend haben Dr. und Frau Kirk ihre Gesellschaftsabende, wie
die Zanzibarer wissen. Die Freuden eines solchen Abends werden von der
civilisirten Bevölkerung von Zanzibar im allgemeinen ignorirt, aber
die Repräsentanten der europäischen Colonie besuchen sie trotzdem. An
eben diesem Abend waren die reichsten Einwohnerklassen ziemlich stark
vertreten.

Da wir Amerikaner zeitig ankamen, konnte ich bemerken, wie die andern
Gäste die Unterhaltung anfingen und war erstaunt zu hören, wie ein
jeder derselben nach der ersten Begrüssung ängstlich den Consul und
seine Frau danach fragte, ob sie heute Abend in Nazi-Moya gewesen
wären, worauf sie verneinend antworteten, denn zufälligerweise hatten
sie gerade an dem Abend ihren Erholungsspaziergang nicht bis zum
klassischen Boden von Nazi-Moya ausgedehnt. „O“, sagte jeder Gast im
Tone freudig triumphirender Verwunderung, „ich glaubte, ich hätte sie
dort nur nicht gesehen.“

„Wo und was ist denn eigentlich Nazi-Moya?“ fragte ich Kapitän Webb
sofort. „Nazi-Moya“, sagte dieser liebenswürdige Cyniker, „bedeutet
«ein Kokosbaum» und ist eine beliebte Promenade unmittelbar hinter Ras
Schangani (Sandy Point), wo man gegen Abend hingeht, um die frische
Seeluft zu geniessen. Es ist die gewöhnliche Form, wie man hier eine
Unterhaltung anfängt, da wir jetzt gerade einen grossen Mangel an
Unterhaltungsstoff haben.“

Kapitän Webb sprach die Wahrheit, wenn er sagte, dass grosser Mangel an
Unterhaltungsstoff wäre, und meine spätere Erfahrung lehrte mich, dass
die guten Europäer von Zanzibar, wenn ihnen anderer Unterhaltungsstoff
fehlte, das kleinste bischen Skandal benutzen, um ihre Abende angenehm
und amüsant zu machen.

Die Erfrischungen, welche der britische Consul nebst Frau ihren Gästen
an ihren Empfangsabenden anboten, bestanden aus einer Art milden
Weines und Cigarren, nicht weil sie nichts anderes zu Hause haben,
etwa Thee oder ein paar Kuchen, sondern wol nur weil es die Sitte
eines zanzibarisirten Europäers ist, dergleichen, mit etwas Soda-
oder Selterswasser gemischt, als eine Art Reizmittel für das bischen
Klatsch zu sich zu nehmen, das gewöhnlich unter dem Einfluss des Weines
sympathische und eifrige Zuhörer findet.

Es war wol alles sehr schön, aber trotzdem hielt ich diesen für einen
der langweiligsten Abende, die ich je erlebt hatte, bis Dr. Kirk aus
Mitleid für die Langeweile, an der ich litt, mich beiseiterief, um mir
eine schöne Elefantenflinte zu zeigen, welche ihm, wie er sagte, vom
Gouverneur von Bombay geschenkt worden sei. Ich hörte nun Loblieder
auf ihre tödliche Kraft und verderbenbringende Präcision und liess mir
einige Anekdoten von dem Leben im Schilfmoor, einige Jagdabenteuer und
Erlebnisse auf seinen Reisen mit Livingstone erzählen. „Ach, ja wohl,
Dr. Kirk“, sagte ich nachlässig, „was Livingstone betrifft, -- wo,
glauben Sie, ist der jetzt?“

„Ja“, erwiderte er, „das ist sehr schwer zu sagen; er kann todt
sein; wir wissen nichts Positives, worauf wir uns bestimmt verlassen
können. Davon bin ich überzeugt, dass niemand etwas Bestimmtes von
ihm seit mehr als zwei Jahren gehört hat. Dennoch glaube ich, dass
er am Leben sein muss. Wir schicken ihm beständig irgendetwas zu. In
Bagamoyo befindet sich eben eine kleine Expedition, die im Begriff
steht aufzubrechen. Ich glaube wirklich, dass der alte Mann jetzt nach
Hause kommen sollte; er wird, wie Sie wissen, alt, und wenn er stirbt,
so wird die Welt nichts von seinen Entdeckungen haben. Er schreibt
weder Notizen, noch Tagebücher, und nur sehr selten bringt er seine
Beobachtungen zu Papier, sondern macht nur ein Zeichen oder einen
Punkt oder etwas ähnliches auf eine Karte, was niemand als er selbst
verstehen kann. Ja, wenn er am Leben ist, so sollte er unter allen
Umständen heimkehren und einem jüngern Manne seine Stelle lassen.“

„Wie ist er im Umgange, Doctor?“ fragte ich mit lebhaftem Interesse an
dieser Unterhaltung.

„Nun, ich glaube, dass es im ganzen sehr schwer ist, mit ihm zu
verkehren. Ich habe persönlich zwar nie mit ihm Streit gehabt, aber
ich habe ihn gegen andere Leute oft hitzig werden sehen und, wie ich
glaube, ist das der hauptsächlichste Grund, weshalb er niemanden gern
um sich hat.“

„Wie ich höre, ist er ein sehr bescheidener Mann, nicht wahr?“ fragte
ich.

„Nur er kennt den Werth seiner eigenen Entdeckungen besser als
irgendein anderer. Er ist nicht gerade ein Engel“, sagte er lachend.

„Nun gesetzt, ich begegnete ihm auf meinen Reisen; ich könnte doch
möglicherweise mit ihm zusammentreffen, wenn er in der Richtung reist,
die ich selbst nehme. Wie würde er sich gegen mich verhalten?“

„Um Ihnen die Wahrheit zu sagen“, sagte er, „so glaube ich nicht,
dass er es sehr gern sehen würde. Ich weiss, dass, wenn Livingstone
in Erfahrung brächte, dass Burton oder Grant oder Baker oder einer
von diesen Leuten ihn aufsuche, er es bald so einrichten würde, dass
100 Meilen Sumpfboden sich zwischen ihnen befänden. Das glaube ich
bestimmt, -- auf mein Wort!“ --

Das war der Inhalt der Unterhaltung, die ich mit Dr. Kirk, dem früheren
Genossen von Livingstone, führte, so genau, wie mein Tagebuch und mein
Gedächtniss sie mir erinnerlich machen.

Brauche ich wol zu sagen, dass diese Kunde von einem Herrn, der
bekanntlich mit Dr. Livingstone genau bekannt war, eher mehr dazu
beitrug, den Enthusiasmus für meine Sache zu dämpfen als ihn zu
beleben! Ich fühlte mich sehr verstimmt und hätte gern mein Unternehmen
aufgegeben, aber der Befehl lautete: „Gehen Sie und finden Sie
Livingstone!“ Ausserdem hatte ich nicht angenommen, obgleich ich sehr
gern darauf eingegangen war, den Doctor aufzusuchen, dass der Weg nach
Central-Afrika mit Rosen bestreut sein werde. Wenn ich nun wirklich
als ein unverschämter Eindringling auf dem Gebiete der Entdeckungen
getadelt werden sollte, als ein Mensch, der sich in Dinge mischt, die
ihn nichts angehen, als einer, dessen Abwesenheit dem Doctor viel
angenehmer wäre als seine Anwesenheit, -- hatte ich nicht den Befehl
erhalten, ihn zu suchen? Nun, ich wollte ihn aufsuchen, wenn er noch
auf Erden wandelte, und wenn nicht, so wollte ich das mitbringen,
was die Leute sicher zu wissen interessirte. Dr. Kirk versprach mir
freundlich alle in seiner Macht stehende Unterstützung und stellte
mir alle Vortheile seiner Erfahrung zur Verfügung, aber ich erinnere
mich weder, dass er mir in irgendeiner Weise wirkliche Unterstützung
angedeihen liess, noch finde ich es in meinem Tagebuch verzeichnet.
Natürlich wusste er nicht, dass meine Befehle dahin lauteten, Dr.
Livingstone aufzusuchen, sonst würde er wol zweifelsohne sein
Versprechen eingelöst haben. Er glaubte, dass ich im Begriffe stände,
den Rufidschifluss bis an seine Quellen zu verfolgen. Aber welche
Zeitung würde wol einen Specialcorrespondenten ausschicken, um die
Quellen eines so unbedeutenden Flusses, wie der Rufidschi, zu entdecken?

Das Klima von Zanzibar ist nicht das angenehmste der Welt; ich habe es
von Amerikanern und Europäern herzlich verwünschen hören. Auch habe ich
es erlebt, dass fast die halbe weisse Colonie sich an einem Tage krank
zu Bette legen musste. Eine schädliche Malaria steigt aus dem seichten
Meerbusen des Malagasch herauf und nicht abgeleiteter Schmutz, Auswurf,
Abfälle aller Art, todte Mollusken, todte Pariahunde, todte Katzen,
allerlei Aas und Ueberreste von unbeerdigten Menschen und Thieren
tragen dazu bei, Zanzibar zu einer sehr ungesunden Stadt zu machen. In
Anbetracht nun, dass sie sehr gesund sein müsste, weil die Natur dem
Menschen hier die Mittel an die Hand gibt und ihn sehr unterstützt, so
ist es erstaunlich, dass der herrschende Fürst nicht den Vorschriften
der Vernunft gehorcht. Der Meerbusen von Zanzibar ist halbmondförmig,
und die Stadt ist auf dem südwestlichen Horn erbaut. Im Osten wird
sie fast gänzlich von der Malagasch-Lagune umgrenzt, einer Bucht des
Meeres, die bis hinter die Schangani-Spitze oder südlich davon reicht
und nur 250 Meter Land bis zum Meere übrig lässt. Wenn diese 250 Meter
von einem Graben von 10 Fuss durchzogen würden und die Bucht ein wenig
vertieft würde, so würde Zanzibar selbst eine Insel werden, und welche
Wunder würde dies nicht in Bezug auf den Gesundheitszustand bewirken!
Ich habe diesen Vorschlag nie machen hören, aber ich meine, die fremden
Consuln, die in Zanzibar wohnen, könnten diese Arbeit dem Sultan
empfehlen und sich so den Ruhm erwerben, die Stadt ebenso gesund zu
machen wie irgendeine andere in der Nähe des Aequators liegende. Bei
dieser Gelegenheit erinnere ich mich dessen, was mir der amerikanische
Consul, Kapitän Webb, bei meiner ersten Ankunft sagte, als ich meine
Verwunderung über die Apathie und Trägheit von Leuten an den Tag
legte, die mit der unbezwinglichen Energie geboren sind, welche die
Europäer und Amerikaner kennzeichnet, von Männern, welche den vorwärts
schreitenden Instinct der Weissen haben und doch zu blassen Phantomen
ihrer Gattung, zu hoffnungslosen, hypochondrischen Invaliden werden und
sich resignirt dem Glauben an die Tödlichkeit des Klimas hingeben, ohne
eine Spur von dem unternehmenden und unbesiegbaren Geist, der die Welt
regiert.

„Ja“, sagte Kapitän Webb, „Sie haben gut über Energie und dergleichen
Dinge reden, aber ich versichere Sie, dass ein Aufenthalt von 4 oder 5
Jahren auf dieser Insel, unter Leuten wie die hiesigen, Sie bald fühlen
lassen würde, dass es eine hoffnungslose Aufgabe sei, dem Einfluss
des Beispiels zu widerstehen, durch welches die energischsten Geister
unterjocht werden und dem Sie sich mit der Zeit, früher oder später,
unterwerfen müssen. Wir waren alle furchtbar energisch, als wir zuerst
herkamen und kämpften tapfer dafür, die Dinge so zu führen, wie wir es
zu Hause gewohnt waren; aber wir haben gefunden, dass wir mit unsern
Köpfen ganz vergeblich gegen Granitmauern anrennen. Diese Kerle, die
Araber, Banyanen und Hindus, kann man weder durch Scheltworte noch
durch Bitten veranlassen, rasch zu sein, und in kurzer Zeit sieht man
die Thorheit ein, gegen unüberwindliche Schwierigkeiten anzukämpfen.
Seien Sie geduldig und ärgern Sie sich nicht, das ist mein Rath, oder
Sie werden es hier nicht lange aushalten.“

Trotzdem gab es 3-4 ungemein fleissige Leute in Zanzibar, die den
ganzen Tag auf den Beinen waren. Einer, den ich kenne, war ein
Amerikaner. Ich glaube seine raschen Fusstritte noch jetzt auf dem
Pflaster unter dem Consulate zu vernehmen und zu hören, wie seine
lästige Stimme die Begrüssungsformel Yambo! einem jeden, dem er
begegnet, zuruft; und er hatte 12 Jahre in Zanzibar gelebt.

Ein anderer meiner Bekannten, ein handfester Schotte, ein Mann, der in
allem, was er that oder sagte, von den angenehmsten Manieren, natürlich
und aufrichtig war, hat in Zanzibar mehrere Jahre gelebt, ist der
Undankbarkeit seines Geschäftes sowie der Hitze und der Erschlaffung
des Klimas ausgesetzt gewesen und bietet doch den apathischen
Eingeborenen von Zanzibar tapfer Trotz. Niemand kann dem Kapitän H. C.
Fraser, der früher in der indischen Marine gedient hat, den Vorwurf der
Apathie machen, was auch immer Böswillige sonst gegen ihn sagen mögen.

Ich könnte noch leicht Beweise für den Fleiss anderer anführen, aber
sie sind alle gute Bekannte von mir und gute Leute. Die Amerikaner,
Engländer, Deutschen und Franzosen, die hier leben, haben mich mit
einer Höflichkeit und Güte behandelt, die ich nie vergessen werde.
Alles in allem genommen würde es schwer sein, eine gastfreiere und
liebenswürdigere Colonie von Weissen irgendwo in der Welt zu finden.

In einem grossen, hohen, auf der Schangani-Spitze gelegenen Hause,
das gewissermassen durch seine Weitläufigkeit imponirt und auf dem
ein sehr merkwürdiger Thurm sitzt, hat der Bischof Tozer mit seinen
Zöglingen, seinen Chorsängern und seiner ganzen Heerde ein vorzügliches
Unterkommen gefunden. Der Bischof, der sich selbst „Missionsbischof von
Central-Afrika“ nennt, ist einer der höflichsten Menschen, die ich je
gekannt habe. Ich glaube, man nennt ihn den „fechtenden Pastor“, ein
Name, der ein Plagiat ist, da ihn der Herzog von Wellington zuerst dem
Dr. Livingstone beigelegt hat. Vom Bischof Tozer erzählt man sich, dass
er mit einem unverschämten Strolch auf seinem Wege zur Kirche gekämpft
hat und, nachdem er ihn im Boxen gezüchtigt, sich erboten habe, alle
seine Gefährten der Reihe nach in derselben Weise zu behandeln, welcher
Vorschlag jedoch nicht angenommen wurde. Durch diesen siegreichen
Faustkampf verwandelte der Bischof Tozer seine Wölfe in Lämmer und
gewann sich den Titel eines Bischofs und die glückliche Sinekure, die
er inne hat.

Der Bischof in seinem scharlachen Gewande und mit dem priesterlichen
Titel eines „Missionsbischofs von Central-Afrika“, dessen Grund ich
nicht einsehen kann, hat den Gipfel seines Ehrgeizes erreicht und
ist infolgedessen unaussprechlich glücklich. Aber wenn man diesen
ausserordentlich hochkirchlichen Prälaten in seinem scharlachen
Amtsgewande und im sonderbarsten Kopfputz durch die Strassen von
Zanzibar wandeln oder in einer Klempnerbude um den Preis eines
Zinntopfes feilschen sieht, so gewährt das den lächerlichsten Anblick,
den ich je gesehen habe, es sei denn in einer Harlekinbude. Als
Weisser lege ich feierlichen Protest gegen diese Abgeschmacktheit ein.
Ein ähnliches Bild, wie der Bischof in seiner Priestergewandung und
Papiermütze in einer solchen Klempnerbude, bietet der König von Dahomey
dar, wenn er nur mit einem europäischen Hut bekleidet, im übrigen aber
nackt, pomphaft wie im ausgesuchtesten Staat herumspaziert. Was auch
der Bischof in seiner glücklichen Unschuld von der Wirkung denken mag,
die seine Erscheinung auf die Gemüther der Heiden hervorbringt, so kann
ich ihm doch sagen, dass er den Arabern und Wangwana, die in Unyanyembé
wohnen, höchst lächerlich erscheint, und dass auch die meisten seiner
weissen Brüder eine ähnliche Meinung von ihm haben. Lieber, guter
Bischof Tozer, ich möchte Dich gern lieben und bewundern, wenn Du nicht
Dein Hochkirchenthum an einem Orte wie Zanzibar gar so sehr zur Schau
trügest!

Die französischen Missionäre haben in einem wirklich praktischen Sinne
sehr thätig gearbeitet. Sie versuchen es nicht nur den Gemüthern ihrer
zahlreichen Konvertiten die Grundsätze der Religion beizubringen,
sondern sie auch für das praktische Leben zu erziehen. Sie lehren
ihren jungen Zöglingen die verschiedensten nützlichen Handwerke
und bilden sie zu Landbauern, Zimmerleuten, Schmieden, Schiffbauern
und Mechanikern aus. In ihren verschiedenen Unterrichtsabtheilungen
haben sie tüchtige und fleissige Lehrer. Ihre Werkstätten in Zanzibar
sind ein für den Fremden sehenswerther Anblick. Auf dem Festlande
in Bagamoyo haben sie eine sehr grosse Missionsstation. Das neben
derselben belegene Landgut, welches von den jungen Zöglingen bebaut
wird, ist ein Musterinstitut, dessen Erzeugnisse mehr als hinreichen,
um die Anstalten mit allen nothwendigen Lebensmitteln zu versehen. Mehr
als 200 Konvertiten und Zöglinge stehen unter ihrer Leitung.


  [2] Arabische Zweimaster.




ZWEITES KAPITEL.

AUSRÜSTUNG DER EXPEDITION.

  Schwierigkeiten Nachrichten zu erhalten. -- Indienstnahme von J. W.
  Shaw und W. L. Farquhar. -- Mbarak Bombay. -- Besuch im Palast des
  Sultans. -- Einschiffung nach Bagamoyo. -- Charakteristik des Sultans.


Ich kannte das Innere durchaus nicht und es war daher schwer zu
wissen, was ich brauchte, um eine Expedition nach Central-Afrika zu
unternehmen. Auch war die Zeit kostbar und ich konnte nicht viel auf
Erkundigung und Nachforschung verwenden. In einem solchen Falle wäre
es, nach meiner Ansicht, ein grosses Glück gewesen, wenn einer der drei
Herren, Kapitän Burton, Speke oder Grant, uns irgendeine Belehrung über
diese Punkte gegeben hätte, wenn sie ein Kapitel darüber geschrieben
hätten, wie man eine Expedition nach Central-Afrika auszurüsten habe.
Der Zweck dieses Kapitels ist also mitzutheilen, wie ich es anfing,
damit andere Reisende, die nach mir kommen, von meinen Erfahrungen
Nutzen ziehen mögen.

Einige der Fragen, die ich mir vorlegte, wenn ich mich nachts im Bett
herumwälzte, lauteten: wie viel Geld ist nöthig? wie viele Pagazis
oder Lastträger? wie viele Soldaten? wie viel Tuch? wie viel Perlen?
wie viel Draht? welche Sorten Zeug sind für die verschiedenen Stämme
nöthig? -- Ich mochte mir diese Fragen noch so häufig stellen, so kam
ich dem Punkt doch nicht näher, den ich zu erreichen wünschte. Ich
beschrieb ganze Buch Papier mit Schätzungen, mit Verzeichnissen von
Material, mit Berechnungen der Kosten für hundert Mann pro Jahr, à so
und so viel Meter verschiedener Zeugsorten, ich studirte Burton, Speke
und Grant umsonst; zwar konnte ich ein gut Theil Geographie, Ethnologie
und dergleichen, was zum Studium Inner-Afrikas gehört, aus ihnen
lernen, aber ich fand in keinem Buche etwas in Bezug auf die Ausrüstung
einer Expedition, ehe man nach Afrika geht. Unwillig warf ich die
Bücher von mir. Die Europäer in Zanzibar wussten so wenig als möglich
hierüber. Es gab nicht einen Weissen in Zanzibar, der mir sagen konnte,
wie viel Dotis per Tag eine Truppe von 100 Mann für ihren Unterhalt auf
der Reise bedurfte. Auch brauchten sie das in der That gar nicht zu
wissen. Aber was sollte ich denn anfangen? Das war eine grosse Frage.

Ich beschloss als das beste, einen arabischen Kaufmann aufzutreiben,
der mit Elfenbein handelt oder der vor kurzem aus dem Innern angekommen
war.

Scheikh Haschid war ein Mann von Bedeutung und Reichthum in Zanzibar.
Er hatte selbst eine Anzahl Karavanen ins Innere gesandt und war
infolgedessen mit verschiedenen hervorragenden Händlern bekannt, die
in sein Haus kamen und sich mit ihm über ihre Abenteuer und Gewinne
unterhielten. Auch war er der Besitzer des grossen Hauses, das Kapitän
Webb bewohnte, und lebte selbst auf der andern Seite der engen Strasse,
die sein Haus vom Consulate trennte. Scheikh Haschid war also vor allen
andern der Mann, dessen Rath einzuholen war, und daher wurde er auch
aufgefordert, mich im Consulat zu besuchen.

Von diesem graubärtigen, ehrwürdig aussehenden Scheikh habe ich über
afrikanische Tauschwerthe, die Art mit ihnen umzugehen, die Menge und
Qualität der Stoffe, die ich brauchte, mehr Auskunft erhalten, als aus
einem dreimonatlichen Studium von Büchern über Central-Afrika. Auch von
andern arabischen Kaufleuten, mit denen der alte Scheikh mich bekannt
machte, erhielt ich sehr werthvolle Andeutungen und Winke, welche mich
schliesslich in den Stand setzten, meine Expedition auszurüsten.

Der Leser darf nicht vergessen, dass ein Reisender nur das braucht,
was für die Reise und Forschung nöthig ist, und dass ein Ueberfluss
an Gütern oder Mitteln ihm ebenso verderblich wird wie der Mangel an
Vorräthen. Gerade diese Frage der Qualität und Quantität ist es, welche
der Reisende zuerst mit Vorsicht und Kritik klarstellen muss.

Meine Berather gaben mir zu verstehen, dass hundert Menschen mit
10 Doti oder 40 Meter Tuch täglich für ihre Nahrung auskommen; es
war also das Richtige, 2000 Doti amerikanische Leinwand, 1000 Doti
Kaniki und 650 Doti farbige Zeugsorten, wie z. B. Barsati, das in
Unyamwezi beliebt ist, Sohari, das in Ugogo genommen wird, Ismahili,
Taudschiri, Dschoho, Schasch, Rehani, Dschamdani oder Kunguru-Kutsch,
blau sowol als rosa zu kaufen. Dies hielt man für völlig ausreichend
für den Unterhalt von 100 Mann auf 12 Monate. Nach diesem Maassstabe
würden also für zwei Jahre 4000 Doti, oder 16000 Meter amerikanische
Leinwand, 2000 Doti oder 8000 Meter Kaniki, 1300 Doti oder 5200 Meter
verschiedene farbige Zeuge nöthig sein. Dies war eine bestimmte und
ausserordentlich werthvolle Kunde für mich und mit Ausnahme einiger
Nachrichten über die Qualität der Leinwand, des Kaniki und der farbigen
Zeuge hatte ich alles über diesen Punkt erfahren, was ich wünschte.

Die zweite wichtige Frage war: wie viele und welche Perlen nöthig
wären. Perlen sollten unter einigen Stämmen des Innern die Stelle des
Zeuges einnehmen. Der eine Stamm zieht weisse Perlen den schwarzen,
braune den gelben, rothe den grünen, grüne den weissen u. s. w. vor. So
nimmt man in Unyamwezi rothe Perlen (Sami-Sami) mit Freuden, während
man alle andern nicht annimmt. Schwarze Perlen (Bubu) sind Geld in
Ugogo, bei allen andern Stämmen aber nichts werth; die Eierperlen
(Sungomazzi) gelten in Udschidschi und Uguhha, werden aber in allen
andern Ländern nicht angenommen. Die weissen Perlen (Merikani) haben
Geltung in Ufipa und einigen Theilen von Usagara und Ugogo, werden aber
in Useguhha und Ukonongo nicht geachtet. Daher musste ich genau den
Aufenthalt meiner Expedition in den verschiedenen Ländern erforschen
und berechnen, damit ich genug von jeder Gattung hätte und doch einen
zu grossen Ueberschuss vermiede. Burton und Speke z. B. mussten einige
hundert Fundo Perlen als werthlos wegwerfen.

Nimmt man z. B. an, dass von den verschiedenen Völkern Europas jedes
seine eigenen Geldwerthe hätte, ohne die Mittel zu besitzen, sie zu
wechseln, und dass jemand Europa zu Fuss durchwandern wollte, so müsste
er, ehe er die Reise anträte, im Stande sein zu berechnen, wie viel
Tage er durch Frankreich zu reisen habe, wie viele durch Preussen,
Oesterreich und Russland, und dann die Ausgabe, die er pro Tag zu
machen hätte, feststellen. Wenn er seine Ausgaben auf einen Napoleondor
pro Tag berechnete und seine Reise durch Frankreich 30 Tage in Anspruch
nähme, so würde die Summe, die er für den Hin- und Rückweg brauchte,
auf 60 Napoleons zu fixiren sein, und da Napoleons in Preussen,
Oesterreich und Russland keinen Curs hätten, so würde es für ihn völlig
unnütz sein, sich mit einer Ladung von mehreren tausend Napoleons in
Gold zu beschweren.

Meine Besorgnisse über diesen Punkt waren sehr peinigend. Ich studirte
die schweren Namen und Maasse wiederholt durch, lernte die vielsilbigen
Worte auswendig und hoffte im Stande zu sein, allmählich zu einem
Verständniss der Bezeichnungen zu gelangen. Ich wiederholte im Geiste
die Worte Mukunguru, Ghulabio, Sungomazzi, Kadunduguru, Mutunda,
Sami-Sami, Bubu, Merikani, Hafde, Lunghio-Rega und Lakhio beständig,
bis ich ganz ausser mir gerieth. Endlich jedoch kam ich zu dem Schluss,
dass, wenn ich meine Bedürfnisse zu 50 Khete oder 5 Fundo per Tag auf
2 Jahre berechnete und wenn ich nur 11 verschiedene Sorten kaufte, ich
mich für geborgen halten konnte. Ich machte also meine Einkäufe und 22
Säcke der besten Arten wurden wohl verpackt in Kapitän Webb’s Wohnung
gebracht, sodass sie nach Bagamoyo transportirt werden konnten.

Nach den Perlen kam die Drahtfrage. Ich machte nach bedeutender Mühe
die Entdeckung, dass die Nummern 5 und 6, die fast die Dicke von
Telegraphendraht haben, als die besten für Handelszwecke gelten.
Perlen vertreten in Afrika die Kupfermünzen, Zeuge das Silber, Draht
gilt als Gold in den Ländern jenseits des Tan-ga-ni-ka.[3] 10 Frasileh
oder 350 Pfund Messingdraht hielt mein arabischer Rathgeber für völlig
ausreichend.

Nachdem ich meine Einkäufe an Zeug, Perlen und Draht gemacht hatte,
überblickte ich mit nicht geringem Stolz die stattlichen Ballen und
Packete, welche reihenweis in dem geräumigen Vorrathszimmer des
Kapitän Webb aufgehäuft lagen. Damit war aber meine Arbeit nicht zu
Ende, sondern fing erst an. Noch waren Provisionen, Kochgeräthe,
Boote, Seile, Bindfaden, Zelte, Esel, Sattel, Packleinwand, Segeltuch,
Theer, Nähnadeln, Handwerkzeug, Munition, Flinten, Reisegeräth, Beile,
Arzneimittel, Bettzeug, Geschenke für Häuptlinge, kurz tausenderlei
einzukaufen. Die Feuerprobe, die ich beim Schachern und Feilschen mit
hartherzigen Banyanen, Hindus, Arabern und Mischlingen auszustehen
hatte, war sehr angreifend. Ich kaufte z. B. 22 Esel in Zanzibar, wofür
mir 40-50 Dollars abgefordert wurden, was ich mit einem ungeheuern
Aufwand an Argumenten, die einer bessern Sache werth waren, auf
15-20 herabdrücken musste. Meine Erfahrungen mit den Eselhändlern
wiederholten sich bei den Kleinkrämern, selbst der Preis eines Packets
Stecknadeln musste um 5% herunter gehandelt werden, was natürlich sehr
viel Zeit und Geduld erforderte.

Nachdem ich die Esel zusammengebracht hatte, entdeckte ich, dass man
in Zanzibar keine Packsattel haben könne. Nun waren aber die Esel ohne
Packsattel für mich ganz nutzlos. Ich erfand also einen Sattel, den
ich und mein weisser Diener Farquhar einzig und allein aus Segeltuch,
Stricken und Baumwolle fabriciren mussten. Drei bis vier Frasileh
Baumwolle und 10 Stück Segeltuch waren für die Sattel nöthig. Ich
selbst machte einen Mustersattel zur Probe, darauf wurde ein Esel
gesattelt und ihm eine Last von 140 Pfund aufgepackt, und obgleich
das Thier, eine wilde Bestie aus Unyamwezi, sich bäumte und wüthend
geberdete, so blieb doch die ganze Last fest sitzen. Nach diesem
Experiment liess ich Farquhar noch 21 Sattel nach demselben Muster
fabriciren. Auch wurden wollene Polster angekauft, um die Thiere vor
dem Wundwerden zu schützen, doch muss ich hier wol erwähnen, dass die
Idee zu dem Sattel, den ich fertigte, von dem Otagosattel hergenommen
ist, den die englische Armee zu ihren Transporten in Abessinien benutzt
hat.

John William Shaw, ein geborener Londoner, der bisher dritter
Steuermann auf dem amerikanischen Schiffe „Nevada“ gewesen war,
wandte sich an mich, um Beschäftigung zu erlangen. Obgleich seine
Entlassung von der „Nevada“ etwas verdächtig war, besass er doch alle
die Eigenschaften eines Menschen, wie ich ihn brauchte, war vertraut
mit der Nadel und verstand aus Segeltuch alles zu machen, war ein
vorzüglicher Schiffer und willig, soweit seine Kunst reichte. Ich sah
keinen Grund, seine Dienste abzuweisen und nahm ihn daher für ein
Jahresgehalt von 300 Dollars als zweiten im Range nach William L.
Farquhar an.

Farquhar war ein ausgezeichneter Schiffer und vorzüglicher Rechner; er
war kräftig, energisch und gescheit, aber leider ein starker Trinker.
Während unseres Aufenthalts in Zanzibar war er jeden Tag benebelt und
das wüste, lasterhafte Leben, das er hier führte, wurde ihm, wie wir
sehen werden, bald nachdem wir ins Innere kamen, verderblich.

Meine nächste Aufgabe bestand darin, eine zuverlässige Escorte von
20 Mann für die Reise anzuwerben und mit Waffen und andern Dingen
auszurüsten. Dschohari, der erste Dragoman des amerikanischen
Consulats, sagte mir, er wisse, wo man einige von Speke’s „Getreuen“
auffinden könne. Es war mir schon vorher klar geworden, dass es am
besten sein würde, wenn es mir gelänge, einige mit den Sitten der
Weissen vertraute Leute in Dienst zu nehmen, welche andere veranlassen
könnten, sich der Expedition anzuschliessen. Besonders hatte ich
dabei an den Sidy Mbarak Mombay, gewöhnlich Bombay genannt, gedacht,
der trotz seines „Holzkopfes“ und seiner „plumpen Hände“ für den
„Getreusten der Getreuen“ galt.

Mit Hülfe des Dragomans Dschohari nahm ich in Zeit von ein paar Stunden
Uledi, Kapitän Grant’s frühern Bedienten, Ulimengo, Baruti, Ambari,
Mabruki (Muinyi Mabruki, der stierköpfige Mabruki, Kapitän Burton’s
frühern unglücklichen Diener), also fünf von Speke’s „Getreuen“ in
meine Dienste. Als ich sie fragte, ob sie bereit wären, abermals an der
Expedition eines Weissen nach Udschidschi theilzunehmen, erwiderten sie
bereitwilligst, dass sie sehr gern mit einem Bruder von Speke reisen
wollten. Der englische Consul Dr. John Kirk, der zugegen war, sagte
ihnen darauf, dass ich kein Bruder von Speke sei, sondern nur seine
Sprache rede; aber auf diese Unterscheidung legten sie keinen Werth und
ich hörte, wie sie mit grosser Freude ihre Bereitwilligkeit erklärten,
überall mit mir hinzugehen und alles zu thun, was ich wünschte.

Mombay, wie sie ihn nannten, oder Bombay, unter welchem Namen wir
Wasungu ihn kennen, war nach Pemba, einer Insel im Norden von Zanzibar,
gegangen. Uledi aber war der bestimmten Ueberzeugung, dass Mombay bei
der Aussicht auf eine neue Expedition vor Freuden Luftsprünge machen
würde. Dschohari erhielt daher den Auftrag, ihm nach Pemba zu schreiben
und ihn von dem ihm bevorstehenden Glück zu benachrichtigen.

Am 4. Morgen nach Abgang des Briefes erschien der berühmte Bombay, dem
die „Getreuen“ von Speke ihrem Range gemäss folgten. Vergeblich sah
ich nach dem Holzkopf und den Alligatorzähnen, von denen sein früherer
Herr gesprochen hatte. Ich sah einen schlanken, kurzen Mann von etwa 50
Jahren, mit grauem Kopf, ungewöhnlich hoher, enger Stirn und grossem
Munde, der sehr unregelmässige, weit auseinanderstehende Zähne zeigte.
Eine hässliche Lücke an der obern, vordern Zahnreihe Bombay’s war
durch die geballte Faust vom Kapitän Speke in Uganda bewirkt, als ihm
die Geduld riss und sofortige Bestrafung nöthig erschien. Kapitän
Speke hatte ihn offenbar durch Güte verwöhnt, was aus der Thatsache
hervorgeht, dass Bombay die Frechheit hatte, ihn zu einem Boxerkampf
aufzufordern. Aber das fand ich erst einige Monate später heraus,
als ich selbst genöthigt war, ihn gründlich zu bestrafen. Bei seiner
ersten Erscheinung war ich von Bombay, trotz seines rauhen Gesichts,
seines grossen Mundes, seiner kleinen Augen und seiner platten Nase,
sehr eingenommen.

„Salaam aleikum!“ waren die Worte, mit denen er mich begrüsste.

„Aleikum salaam!“ antwortete ich mit allem Ernst, den ich aufbieten
konnte. Dann benachrichtigte ich ihn, dass ich ihn zum Hauptmann
meiner nach Udschidschi gehenden Soldaten zu haben wünsche. Seine
Antwort lautete, er sei bereit, allen meinen Befehlen nachzukommen,
überall hinzugehen, wo ich ihn hinschicke, kurz ein Muster von einem
Diener und ein gutes Beispiel für die Soldaten abzugeben. Er hoffe,
ich werde ihn mit einer Uniform und einem guten Gewehr versehen, was
ich ihm beides versprach. Als ich mich nach den übrigen „Getreuen“,
welche Speke nach Aegypten begleitet hatten, erkundigte, sagte man mir,
dass ihrer nur sechs in Zanzibar wären. Ferradschi, Maktub, Sadik,
Sunguru, Manyu, Matadschari, Mkata und Almas wären todt, Uledi und
Mtamani in Unyanyembé, Hassan sei nach Kilwa gegangen und Ferahan wäre
wahrscheinlich in Udschidschi.

Von den sechs „Getreuen“, von welchen ein jeder noch seine Medaille für
die Entdeckung der Nilquellen besass, war einem, dem armen Mabruki, ein
grosses Misgeschick widerfahren, von dem ich fürchtete, dass es ihn
unfähig machen würde, nützlich und thätig zu sein.

Mabruki, der Stierköpfige, besass nämlich ein Schamba (Haus mit
Garten), auf das er sehr stolz war. Dicht neben ihm wohnte ein Nachbar
in ähnlichen Verhältnissen, ein Soldat von Seyd Madschid, mit dem
der zanksüchtige Mabruki einen Zwist hatte, der damit endete, dass
der Soldat zwei bis drei Kameraden dazu veranlasste, ihm bei der
Bestrafung des bösartigen Mabruki behülflich zu sein; und dies wurde
in einer Weise ausgeführt, die nur von einem Afrikanergemüth ersonnen
werden kann. Sie banden den unglücklichen Kerl an den Handgelenken
an einen Baum und nachdem sie ihre Rachgier dadurch befriedigt
hatten, dass sie ihn marterten, liessen sie ihn in solcher Stellung
zwei Tage hängen. Am Ende des zweiten Tages wurde er zufälligerweise
in einem höchst jammervollen Zustande aufgefunden; seine Hände
waren zu einer furchtbaren Grösse angeschwollen und da die Vene
der einen geplatzt waren, so konnte er sie nicht mehr brauchen. Es
versteht sich von selbst, dass, als die Sache zu Seyd Madschid’s
Ohren kam, die Uebelthäter schwer bestraft wurden. Dem Dr. Kirk,
der den armen Kerl in Behandlung nahm, gelang es, die eine Hand
einigermassen wiederherzustellen, sodass sie so ziemlich ihre alte
Gestalt wiedergewann, aber die andere ist arg verstümmelt und völlig
unbrauchbar.

Trotz seiner verkrüppelten Hand, seiner Hässlichkeit und Eitelkeit und
trotz des schlechten Zeugnisses, das Burton ihm ausstellte, nahm ich
Mabruki in meine Dienste, weil er einer von Speke’s Getreuen gewesen
war; denn wenn er auch nur seine Zunge in meinen Diensten in Bewegung
setzte, die Augen offen hatte und den Mund zur richtigen Zeit öffnete,
so war ich überzeugt, dass er mir nützlich sein könne.

Bombay, meinem Escortanführer, gelang es, noch 18 freie Männer als
Askari (Soldaten) anzunehmen, Leute, von denen er wusste, dass sie
nicht desertiren würden und für die er sich verantwortlich erklärte.
Es waren lauter sehr stattliche Burschen und weit intelligenter in
ihrem Aussehen, als ich jemals von afrikanischen Barbaren hätte glauben
mögen. Sie stammten hauptsächlich aus Uhiyau, einige aus Unyamwezi,
andere aus Useguhha und Ugindo. Als Sold wurden einem jeden von ihnen
36 Dollars für das Jahr ausgesetzt, oder 3 Dollars für den Monat;
jeder Soldat sollte eine Feuerschlossmuskete, Pulverhorn, Kugeltasche,
Messer, Beil und hinreichend viel Pulver und Kugeln für 200 Schüsse
erhalten. Bombay bekam, aus Rücksicht auf seinen Rang und seine frühern
treuen Dienste gegen Burton, Speke und Grant, 80 Dollars pro Jahr,
wovon er die halbe Summe im voraus erhielt, einen guten, gezogenen
Vorderlader und ausserdem eine Pistole, ein Messer und ein Beil. Die
andern fünf „Getreuen“, Ambari, Mabruki, Ulimengo, Baruti und Uledi,
wurden zu 40 Dollars pro Jahr und mit der gehörigen Ausrüstung als
Soldaten in Dienst genommen.

Da ich alle auf Ost- und Mittelafrika bezugnehmende Reisebeschreibungen
ziemlich gründlich studirt hatte, so hatte ich einen einigermassen
deutlichen Begriff von den Schwierigkeiten, die sich mir beim
Aufsuchen von Dr. Livingstone entgegenstellen würden. Diese so weit zu
vermeiden, als Menschenwitz es könnte, war das beständige Ziel meiner
Gedanken.

„Soll ich mich, wenn ich von Udschidschi über die Wasser des
Tanganika-Sees aufs andere Ufer blicke, auf der Schwelle des Erfolges
durch die Unverschämtheit eines Königs Kannena oder die Launen eines
Hamed bin Sulayyam aufhalten lassen?“ fragte ich mich. Um mich gegen
solche Zufälligkeiten zu schützen, entschloss ich mich, meine eigenen
Boote mitzunehmen. „Dann“, dachte ich, „kann ich, wenn ich höre, dass
Livingstone auf dem Tanganika ist, meine Boote vom Stapel lassen und
ihm folgen.“

Ich kaufte mir also vom amerikanischen Consul ein grosses Boot für 80
Dollars, das im Stande war, 20 Leute mit hinreichenden Vorräthen und
Waaren für eine Seefahrt zu beherbergen, und ein kleineres von einem
andern Amerikaner für 40 Dollars. Das letztere konnte bequem 6 Mann mit
den dazu gehörigen Vorräthen aufnehmen.

Die Boote wollte ich aber nicht ganz mitführen, sondern die Breter
herausnehmen und blos das Gerippe transportiren. Als Surrogat für die
Breter wollte ich jedes Boot mit einem Ueberzug von wohlgetheertem
doppelten Segeltuch versehen. Die Arbeit, die Boote auseinanderzunehmen
und von den Bretern zu befreien, fiel mir zu und diese kleine Aufgabe
beschäftigte mich ungefähr fünf Tage; auch packte ich sie für die
Pagazis zusammen, sodass jede Last sorgfältig gewogen nicht mehr als 68
Pfund betrug.

John Shaw zeichnete sich in der Bearbeitung des Segeltuchs für die
Boote aus; als die Ueberzüge fertig waren, passten sie genau zu
den Gerippen. Das Segeltuch dazu -- und zwar 6 Stück englisches
Hanfsegeltuch Nr. 3 -- wurde mir von Ludha Damdschi besorgt, der es
sich aus dem Magazin des Sultans zu verschaffen wusste.

Ein unübersteigliches Hinderniss für das rasche Fortkommen in Afrika
ist der Mangel an Lastträgern, und da Eile ein Hauptzweck der unter
meinem Befehl stehenden Expedition war, so war es meine Pflicht, diese
Schwierigkeiten soviel als möglich zu verringern. Lastträger konnte
ich mir zwar erst bei meiner Ankunft in Bagamoyo auf dem Festlande
verschaffen, doch hatte ich mehr als 20 gute Esel in Bereitschaft und
glaubte, dass ein für die Ziegenpfade Afrikas eingerichteter Karren
nützlich sein könnte. Daher liess ich einen Karren bauen, der 18
Zoll breit und 5 Fuss lang war, den ich mit zwei Vorderrädern eines
leichten amerikanischen Wagens versah, hauptsächlich, um die schmalen
Munitionskisten zu befördern. Ich meinte, wenn ein Esel eine Last
von 4 Frasileh oder 140 Pfund nach Unyanyembé tragen könne, so müsse
er im Stande sein, 8 Frasileh auf einem solchen Karren fortzuziehen,
eine Last, die der Tragkraft von vier starken Pagazis oder Lastträgern
gleichkommen würde. Die spätern Ereignisse werden beweisen, wie meine
Theorie sich in der Praxis bewährte.

Nachdem ich meine Einkäufe vollendet hatte und alles reihenweise
geschichtet aufgehäuft sah, hier Kochgeräthe, da Bündel von Stricken,
Zelten, Satteln, dort wieder Koffer und Kisten, die alles Mögliche
enthielten, gestehe ich, dass ich über meine eigene Kühnheit verlegen
wurde. Da lagen wenigstens 6 Tonnen Material! „Wie wird es nur möglich
sein“, dachte ich, „diese ganze träge Masse durch die zwischen
dem Meere und den grossen Seen von Afrika befindliche Wildniss zu
transportiren? Doch wirf nur alle deine Zweifel hinter dich, Mensch,
und lass’ sie fahren! Jeder Tag hat genug an seinen eigenen Sorgen,
ohne dass er noch die des nächsten hinzuzunehmen braucht.“

Der Reisende, der einen See in der Mitte jenes weiten afrikanischen
Continents vor sich hat, muss natürlich in ganz anderer Weise reisen,
als er es von andern Ländern her gewöhnt ist. Er muss das mit sich
nehmen, was ein Schiff braucht, wenn es auf eine lange Reise ausgeht.
Er muss sich eine Kiste mit Thee, einen kleinen Vorrath wohlverwahrter
Leckerbissen, Arzneien, ausserdem Flinten, Pulver, Kugeln mitnehmen,
um, wenn nöthig, auch verschiedene Kämpfe gehörig bestehen zu
können. Er muss Leute haben, die ihm diese mannichfachen Gegenstände
transportiren, und da das höchste, was ein einzelner Mann tragen kann,
nur 70 Pfund ist, so braucht man, um 11,000 Pfund zu transportiren,
gegen 160 Leute.

In Europa und im Orient, ja selbst in Arabien und Turkestan sind die
Arten zu reisen im Vergleich mit denen von Afrika ganz ausgezeichnet.
Ueberall nimmt man in jenen Ländern baares Geld, wodurch ein Reisender
in den Stand gesetzt wird, seine Subsistenzmittel bei sich zu tragen.
Ost- und Mittelafrika hingegen verlangt ein Halsband statt eines Cent,
zwei Meter amerikanischer Leinwand statt eines halben Dollar oder
Gulden und ein Kitinki von dickem Messingdraht statt eines Goldstücks.

Der afrikanische Reisende kann sich weder Wagen noch Kameele, weder
Pferde noch Maulesel miethen, die ihn ins Innere führen. Seine
Transportmittel sind auf nackte Schwarze beschränkt, die wenigstens 15
Dollars pro Kopf für den Transport von 70 Pfund bis nach Unyanyembé
verlangen.

Meine Vorgänger hatten es unter anderm verabsäumt, Leute, die nach
Afrika gehen, mit einem Umstände von grosser Wichtigkeit bekannt zu
machen, dass nämlich kein Reisender daran denken sollte, sein Geld
anders als in Gestalt von Goldmünzen nach Zanzibar zu bringen. Mit
Creditbriefen, Circular-Anweisungen und derartigen civilisirten Dingen
kommt man, nach meiner Erfahrung, den Bewohnern von Zanzibar noch um
ein Jahrhundert zu früh.

Die 20 bis 25 Cents, welche mir von jedem Dollar, den ich zu wechseln
hatte, abgezogen wurden, gehören zu den unangenehmsten Erinnerungen,
die sich meinem Gedächtniss dauernd eingeprägt haben; denn Zanzibar
liegt weit ab von allen Zugängen des europäischen Handels, und man
bezahlt viel Agio für baares Geld. Trotz Wechseln, Cheques und
Creditbriefen, oder einer Carte blanche für alle Bedürfnisse wendet man
alle seine Reden und Bitten umsonst an; 20 bis 25, ja 30 Cents werden
doch von jedem Dollar, wie man mir sagte und wie ich es selbst erfahren
habe, abgezogen. Wie schade, dass es hier keine Bankfiliale gibt!

Ich hatte gewünscht, meine Reise incognito zu machen. Aber die
Thatsache, dass ein Weisser, ja ein Amerikaner, im Begriff stand,
nach Afrika zu reisen, war bald in ganz Zanzibar bekannt. Sie wurde
tausendmal in den Strassen wiederholt, in allen Läden und im Zollhause
besprochen. Der Bazar der Eingeborenen erhielt Kunde davon und
besprach es Tag und Nacht bis zu meiner Abreise. Die Fremden, mit
Einschluss der Europäer, wünschten die Gründe und alle Einzelheiten
meiner Ankunft und Abreise zu wissen.

Meine Antwort auf alle gehörigen und ungehörigen Fragen lautete: ich
gehe nach Afrika, und trotz meiner Karte, die

  _~Henry M. Stanley~_

  _New York Herald._

so aussah, glaube ich doch, dass nur wenige die Worte „New York Herald“
mit einer Expedition zur Auffindung des Dr. Livingstone in Zusammenhang
brachten. Das war aber doch nicht meine Schuld.

Was für eine schwere Arbeit ist es aber für einen einzelnen, eine
solche Expedition in Bewegung zu setzen! Wenn der Tag vorüber und ich
durch die Glühhitze einer unbarmherzigen Sonne von Laden zu Laden
geeilt war, mich mit viel Ausdauer und Geduld für das Feilschen mit dem
dunkeln Hindu gerüstet, allen Muth und Witz zusammengenommen hatte, um
den schurkischen Goanesen einzuschüchtern und dem listigen Banyanen ein
Paroli zu bieten; wenn ich den Tag über ganze Bände zusammengesprochen,
Abschätzungen corrigirt, Rechnungen gemacht, die Ablieferung von
gekauften Gegenständen überwacht und sie gemessen und gewogen hatte,
um zu sehen, dass sie vollwichtig seien; wenn ich endlich die Aufsicht
über Farquhar und Shaw geführt hatte, welche Eselsattel, Segel, Zelte,
Boote für die Expedition machten -- dann fühlte ich wohl, dass Körper
und Geist der Ruhe bedurften. So mühte ich mich, ohne Unterlass, einen
ganzen Monat ab.

Nachdem ich Tratten auf Herrn James Gordon Bennett im Betrage von
mehreren tausend Dollars für Zeuge, Perlen, Draht, Esel und tausend
andere Bedürfnisse verhandelt, die weisse und schwarze Begleitung
meiner Expedition besoldet, Kapitän Webb und seine Familie mehr als
genug mit dem Lärm der Vorbereitung belästigt und sein Haus mit meinen
Gütern angefüllt hatte, blieb mir nichts übrig, als formell von den
Europäern Abschied zu nehmen und dem Sultan und den Herren, die mir
beigestanden hatten, ehe ich mich nach Bagamoyo einschiffte, zu danken.

Am Tage vor meiner Abreise von Zanzibar ging der amerikanische Consul,
im schwarzen Rock und mit einem aussergewöhnlich schönen schwarzen Hut
geschmückt, um im Staatsanzuge zu erscheinen, mit mir in den Palast des
Sultans. Der Fürst war sehr gütig gegen mich gewesen, er hatte mich
mit einem arabischen Pferde beschenkt, mit Einführungsbriefen an seine
Agenten und Hauptrepräsentanten im Innern versehen und sich mir in
mancher andern Weise wohlgeneigt erwiesen.

Der Palast ist ein sehr grosses, geräumiges, hohes, viereckiges Haus,
das in der Nähe des Forts liegt, aus Korallen gebaut und stark mit
Kalkmörtel beworfen ist. Das Aeussere desselben ist halb arabisch,
halb italienisch. Lebhaft grüngefärbte Jalousien bilden die Laden,
die sehr von den weissgetünchten Mauern abstechen. Vor der grossen,
hohen, breiten Thür standen in zwei Halbkreisen verschiedene Belutschen
und persische Söldlinge, die mit grossen Schwertern und Schilden aus
Rhinozeroshaut bewaffnet waren. Ihr Anzug bestand aus einem grauweissen
baumwollenen Hemde, das bis auf die Knöchel reichte und von einem
reichlich mit Silberbuckeln besetzten Ledergurte zusammengehalten ward.

Als wir in Sicht kamen, wurde jemandem, der sich innerhalb des
Einganges befand, ein Zeichen gegeben und als wir 20 Meter von der
Thür entfernt waren, kam der Sultan, der auf uns wartete, die Stufen
herunter und an den Soldatenreihen vorbei auf uns zu, streckte die
rechte Hand aus und bewillkommnete uns mit freundlichem Lächeln.
Wir zogen unsere Hüte, drückten ihm die Hand, gingen darauf auf
seinen Befehl voran und erreichten alsbald die oberste, nahe bei der
Eingangsthür befindliche Stufe. Er wies uns weiter, wir verbeugten
uns und kamen an den Fuss einer ungemalten engen Treppe, wo wir uns
noch einmal dem Sultan zuwandten. „Gehen Sie weiter“ -- sagte er, und
wir gingen die Treppe hinauf, was meinem Gefühl widerstrebte, da der
Sultan, der unmittelbar hinter mir herging, dadurch in eine für einen
Souverän höchst unpassende Situation gebracht wurde. Der Consul ging,
wie ich sah, seitwärts hinauf, wodurch er augenscheinlich dem Anstand
und der Würde wenigstens zum Theil ihr Recht widerfahren lassen wollte.
Ich machte es ihm nach, so gut ich konnte, hielt aber trotzdem meine
Stellung für etwas sonderbar. Oben an der Treppe warteten wir, die
Gesichter dem heraufkommenden Fürsten zugewandt; wieder winkte er uns
hochherzig, vorwärts zu gehen, denn vor uns lag die Empfangshalle und
der Thronsaal. Ich bemerkte, wie ich bis ans äusserste Ende vorwärts
ging, dass das Zimmer hoch, im arabischen Stil gemalt, die dicken
Teppiche persische Arbeit waren und das Ameublement aus einem Dutzend
vergoldeter Stühle und einem Armleuchter bestand.

Wir setzten uns. Ludha Damdschi, der banyanische Steuereinnehmer,
ein würdig aussehender Greis mit intelligentem Gesicht, sass zur
Rechten des Sultans. Neben ihm befand sich der grosse mohammedanische
Kaufmann Tarya Topan, der nicht nur in seiner Eigenschaft als Rath
Seiner Hoheit, sondern auch weil er ein lebhaftes Interesse an dieser
amerikanischen Expedition nahm, zu der Unterredung gekommen war. Dem
Ludha gegenüber sass Kapitän Webb und neben diesem sass ich, Tarya
Topan gegenüber. Der Sultan sass auf einem vergoldeten Stuhle, zwischen
dem Amerikaner und seinen Räthen. Dschohari, der Dragoman, stand
demüthig vor dem Sultan, bereit, ihm das zu verdolmetschen, was wir dem
Fürsten mitzutheilen hatten.

Der Sultan könnte, was seinen Anzug betrifft, für einen mingrelischen
Mann von Stande gelten, mit Ausnahme seines Turbans, dessen reiche
Falten, abwechselnd in roth, gelb, braun und weiss, sein Haupt
umgaben. Sein langes Gewand war von dunkelm Tuch und um die Taille
von einem reichen Schwertgürtel umschlossen, von dem ein türkischer
Säbel mit goldenem Griffe herabhing, der in einer gleichfalls mit
Gold verzierten Scheide stak. Seine Beine und Füsse waren kahl und
hatten ein schwerfälliges Aussehen, da er an der Elephantiasis, dieser
merkwürdigen Heimsuchung Zanzibars, litt. An den Füssen trug er ein
Paar Watta (arabisch für Pantoffeln) mit dicken Sohlen und einem
starken ledernen Riemen über dem Spann. Seine helle Gesichtsfarbe und
regelmässigen intelligenten Züge verrathen den arabischen Patricier.
Uebrigens weisen sie nur auf hohe Abkunft und Geburt, man erkennt
an ihnen keinen bestimmten Charakter, es sei denn ein Ausdruck von
Liebenswürdigkeit und vollständiger Zufriedenheit mit sich selbst und
der eigenen Umgebung. So erschien mir Fürst oder Seyyid Barghasch,
Sultan von Zanzibar und Pemba und der Ostküste von Afrika vom
Somali-Lande bis nach Mozambique.

Kaffee wurde in Tassen, die auf goldenen Findschans standen, servirt,
ebenso Kokosnussmilch und prächtiger süsser Scherbet.

Die Unterhaltung begann mit der Frage an den Consul: „Sind Sie wohl?“

Consul. „Ja, ich danke Ihnen; wie befindet sich Ihre Hoheit?“

Hoheit. „Ganz wohl.“

Hoheit zu mir. „Sind Sie wohl?“

Antwort. „Ja wohl, ich danke.“

Der Consul fängt nun an Geschäftliches zu sprechen und es folgen Fragen
Seiner Hoheit über meine Reise.

„Wie gefällt Ihnen Persien? Haben Sie Kerbela, Bagdad, Masr und Stambul
gesehen? Haben die Türken viel Soldaten? Wie viele hat Persien? Ist
Persien fruchtbar? Wie gefällt Ihnen Zanzibar?“

Nachdem ich jede Frage zur Befriedigung Seiner Hoheit beantwortet
hatte, gab er mir Einführungsbriefe an seine Beamten in Bagamoyo und
Kaole, und einen allgemeinen Einführungsbrief an alle arabischen
Kaufleute, die ich unterwegs treffen könnte, und schloss seine an mich
gerichteten Worte mit der ausdrücklichen Hoffnung, dass es mir, was
auch der Zweck meiner Mission sei, gut gehen möge.

Wir gingen mit denselben Verbeugungen von ihm fort, mit denen wir
hereingekommen waren, und er begleitete uns bis an die Eingangsthür.

Ein seit langer Zeit in Zanzibar lebender amerikanischer Kaufmann, Herr
Goodhue von Salem, schenkte mir, als ich ihm Adieu sagte, ein edles
kastanienbraunes Pferd, das vom Cap der Guten Hoffnung importirt und in
Zanzibar mindestens 500 Dollars werth war.

Am 4. Februar, 28 Tage nach meiner Ankunft in Zanzibar, war die
Expedition des New York Herald vollständig ausgerüstet und organisirt;
die Zelte und Sattel waren fabricirt, die Boote und Segel fertig. Die
Esel schrien und die Pferde wieherten ungeduldig nach der Reise.

Die Etikette verlangte, dass ich noch einmal meine Karte bei den
europäischen und amerikanischen Consuln in Zanzibar abgab und jedermann
Adieu sagte.

Am 5. ankerten vier Dhows vor dem amerikanischen Consulat; in eins
derselben wurden die zwei Pferde gebracht, in zwei andere die Esel, in
das vierte, welches das grösste war, die schwarze Begleitung und die
viel Raum einnehmenden Tauschwerthe der Expedition.

Als ich eben den Befehl zur Abfahrt ertheilen wollte, fehlten die
beiden Weissen, Farquhar und Shaw. Nach eifriger Nachforschung fand man
sie irgendwo in den Schenken, in Gesellschaft von etwa einem Dutzend
guter Kameraden. Dort hielten sie Reden über die Grösse der Kunst,
Afrika zu erforschen und suchten sich vermittelst des Branntweins die
schrecklichen Vorahnungen abzuwehren, welche sich ihnen heimtückisch
hin und wieder aufdrängten und ihnen warnend zuraunten: es könne
doch in den neuen Ländern, die sie kennenlernen sollten, trotz aller
Romantik, mit der die Phantasie dieselben ausstatte, etwas stecken, was
... nun was ... --

„Kerls, macht, dass Ihr sofort in die Dhows kommt! Das ist ein
schlechter Anfang, nachdem Ihr Eure Contracte unterzeichnet habt“, --
sagte ich, als ich sie in Gesellschaft von Bombay und 4 bis 5 Mann von
der neuangeworbenen Escorte zum Ufer wanken sah.

„Bitte, Herr, darf -- darf -- darf ich Sie wol fragen, glauben Sie,
dass ich ganz richtig gehandelt habe, als ich Ihnen versprach, Sie nach
Afrika zu begleiten?“ fragte Shaw in zögerndem und bewegtem Tone.

„Habt Ihr nicht vorausbezahlt bekommen? Habt Ihr nicht den Contract
unterzeichnet?“ fragte ich, „und jetzt wollt Ihr Euch zurückziehen?
Macht, dass Ihr ins Boot kommt, rasch! Jetzt sind wir alle daran
gebunden und müssen zusammen schwimmen oder untergehen, leben oder
sterben. Keiner darf sich seiner Pflicht entziehen!“

Kurz vor 12 Uhr segelten wir ab. Die amerikanische Flagge, ein Geschenk
der gütigen Frau Webb an die Expedition, wurde am Mast aufgehisst;
der Consul, seine Frau und seine prächtigen Kinderchen Mary und
Charley befanden sich auf dem Dache ihres Hauses und schwenkten das
Sternenbanner, sowie Hüte und Taschentücher mir und den Meinigen
als Abschiedsgruss zu. -- Glückliche und gute Menschen, möge Euer
Lebenslauf und der unserige vom Glück begünstigt sein und möge Gottes
Segen auf uns allen ruhen!


  [3] Ich weiche, wie man sieht, vom Kapitän Burton im Buchstabiren
      dieses Wortes ab, da ich den Buchstaben y für überflüssig halte.




[Illustration: LAGER IN BAGAMOYO.]




DRITTES KAPITEL.

DAS LEBEN IN BAGAMOYO.

  Ankunft in Bagamoyo. -- Gastfreundschaft der Jesuiten-Mission. --
  Leben in Bagamoyo. -- Ali bin Salim. -- Nächtliche Diebe. -- Ein Esel
  wird gestohlen. -- Verpackung der Ballen. -- Schwierigkeit, Pagazis
  zu bekommen. -- Transport- und Waaren-Kosten. -- Sur Hadschi Pallu.
  -- Seine Sünden. -- Besuch bei Livingstone’s Karavane. -- Ankunft
  des Dr. Kirk in Bagamoyo. -- Klima von Bagamoyo. -- Abreise der fünf
  Karavanen.


Langsam entzog sich die Insel Zanzibar mit ihren Hainen von Kokospalmen
und Mangobäumen, von Gewürznelken und Zimmetstauden, und den gleichsam
Schildwache haltenden Inselchen Tschumbi und French, mit ihrer
weissgetünchten Stadt und ihren Düften von Johannisbrot, mit ihrem
Hafen und den Seeschiffen unserm Blick, und im Westen erhob sich der
afrikanische Continent, ein in Grün gehülltes Gestade, das dem ähnlich
ist, welches zurückweichend sich jetzt in eine blosse sich über dem
Horizont hinschlängelnde Linie verwandelt hat, und erschien in
nördlicher Richtung als hohe Bergkette. Die Entfernung von Zanzibar
nach Bagamoyo ist ungefähr 25 engl. Meilen, aber die langsamen,
schwerfälligen Dhows brauchten 10 Stunden, ehe sie auf dem Korallenriff
ankerten, welches wenige Fuss über dem Wasserspiegel, ungefähr 100
Meter von dem Ufer entfernt, sichtbar ist.

[Illustration: BAGAMOYO.

  I. S. 46.]

Die neuangeworbenen Soldaten, die Lärm und Aufregung liebten, gaben
wiederholte Salven, um die am Ufer angesammelten Araber, Banyanen und
Wasawahili zu begrüssen, die dort standen, um die Musungu (Weissen)
zu empfangen, was sie durch allgemeines Angaffen und ein im Chor
gebrülltes „Yambo, Bana“ (wie befinden Sie sich, Herr?) thaten.

Bei uns zu Lande ist ein von einer grossen Menschenmenge bereiteter
Empfang eine etwas langweilige Operation, da unsere unabhängigen Bürger
darauf bestehen, uns kräftig die Hand zu drücken, wodurch erst ihr
Selbstbewusstsein zufriedengestellt und die friedliche Demonstration
zum Abschluss gebracht wird; aber an diesem reichlich von Zuschauern
besetzten Gestade genügte die Antwort: Yambo, Bana! Nur einer, der
von allen Anwesenden als der Bedeutendste anerkannt wurde und der,
wie alle grossen Männer, besondere Aufmerksamkeit in Anspruch nahm,
kam hervor, um noch ein besonderes „Yambo“ seinerseits mit uns
auszutauschen und uns die Hand zu drücken. Diese Persönlichkeit mit
langem, herabhängendem Turban war Dschemadar Esau, Commandant der
in Bagamoyo stationirten zanzibarer Soldatentruppe, Polizei- oder
Belutsch-Gensdarmen. Er hatte Speke und Grant ein grosses Stück ins
Innere begleitet und sie, wie alle andern englischen Reisenden, hatten
ihn freigebig belohnt. Jetzt nahm er die Verantwortlichkeit auf sich,
bei der Ausladung der Expedition zu helfen, und trotz seiner unwürdigen
Erscheinung, seines schmählichen Schmutzes und behaarten Gesichts
empfehle ich ihn doch wegen seines Einflusses auf den Pöbel allen
künftigen ostafrikanischen Reisenden. Unter den ersten, die uns hier
begrüssten, war ein Pater der Gesellschaft des heiligen Geistes, der
mit den andern Jesuiten unter dem Superior Horner einen Missionsposten
von bedeutendem Einfluss und Verdienst in Bagamoyo eingerichtet hat.
Sie luden uns ein, von der Gastfreundschaft der Mission Gebrauch
zu machen, unsere Mahlzeiten dort einzunehmen und, wenn wir es
wünschten, unser Lager auf ihrem Grund und Boden aufzuschlagen. Aber
wie liebenswürdig auch immer eine Bewillkommnung und wie aufrichtig
herzlich eine Einladung sein mag, ziehe ich doch, wo es möglich ist,
die Unabhängigkeit der Abhängigkeit vor. Ausserdem war mein Sinn für
die Verpflichtungen eines Gastes gegen seinen Wirth gerade jetzt durch
die zarte Nachsicht meines gütigen Wirths in Zanzibar geschärft worden,
der kein Zeichen von Ungeduld über die Mühen, die ich ihm, wie ich nur
zu gut wusste, verursacht, von sich gegeben hatte. Deshalb sagte ich
dem gastfreundlichen Pater, dass ich mich nur auf eine Nacht von meinem
Lager entfernen könne.

Ich suchte ein Haus nahe der westlichen Umgebung der Stadt aus, wo ein
grosser, offener Platz liegt, durch den die Strasse nach Unyanyembé
führt. Wäre ich einen ganzen Monat in Bagamoyo gewesen, so hätte ich
keinen bessern Platz auswählen können. Meine Zelte wurden gegenüber
dem Tembé (Hause), das ich mir ausgesucht hatte, aufgeschlagen
und schlossen einen kleinen Platz ein, wo man Geschäfte abmachen,
Waarenballen nachsehen, untersuchen und signiren konnte, ohne von der
Zudringlichkeit Neugieriger belästigt zu werden. Nachdem ich die 27
Thiere der Expedition in einen eingehegten Platz hinter dem Hause hatte
treiben lassen, die Güterballen aufgespeichert und einen Cordon von
Soldaten herumgestellt hatte, begab ich mich, müde und hungrig, in die
Jesuitenmission, um ein spätes Mittagsessen einzunehmen, und liess das
neugebildete Lager unter Aufsicht der Weissen und des Kapitän Bombay.

Die Missions-Anstalt ist eine gute halbe Meile nördlich von der Stadt
entfernt; sie bildet eigentlich ein Dorf für sich und zählt ungefähr
15-16 Häuser. Mehr als 10 Patres und ebenso viel Schwestern sind
dort in der Niederlassung beschäftigt und alle haben sie genug damit
zu thun, den Schädeln der Eingeborenen das Feuer der Intelligenz zu
entlocken. Die Wahrheit zwingt mich zu sagen, dass sie dabei schöne
Erfolge erzielt haben. Sie haben in der Anstalt mehr als 200 Zöglinge,
sowol Knaben als Mädchen, und diese tragen, vom ältesten bis zum
jüngsten, das Gepräge der brauchbaren Erziehung, die sie erhalten
haben, an sich.

Das für die Väter und ihren Gast bereitete Mittagessen bestand aus
ebenso viel Schüsseln, wie ein Hôtel erster Klasse in Paris sie
zu geben pflegt, und war mit ebenso viel Kunst gekocht, obwol die
Umgebungen keineswegs die gleichen waren. Ich bin überzeugt, dass die
Patres ausser ihrem guten Geschmack für Speisen auch nicht ermangeln,
ihre Gedanken durch die Flüssigkeit anzuspornen, die Horaz, Hafis und
Byron so sehr gelobt haben. Der Champagner -- man denke sich Cliquot
in Ostafrika -- Lafite, Larose, Burgunder und Bordeaux waren von
allerbester Qualität und die sanften, demüthigen Blicke der Väter
verklärten sich sichtlich unter dem Einfluss des Weines. Diese Väter
verstehen das Leben und wissen seine Dauer zu würdigen. Ihre Festtafel
treibt das Mukunguru (afrikanische Sumpffieber) von ihrer Thür und
mildert den Trübsinn und das Gefühl der Verlassenheit, welche jeden mit
Schrecken befallen, wenn man aus dem hellen Zimmer in das tiefe Dunkel
der afrikanischen Nacht sich hinaus begibt, die nur durch das ermüdende
eintönige Geräusch der Frösche und Heimchen und das ferne Geheul der
Hyänen belebt wird. Es gehört etwas mehr als Menschenkraft dazu, um
ohne Unterstützung der erheiternd wirkenden röthlichen Flüssigkeit
stets leutselig und höflich unter den trüben Lebensverhältnissen der
Eingeborenen Afrikas zu bleiben.

Nach dem Abendessen, das mir die fehlende Kraft wiedergegeben hatte und
für das ich ausserordentlich dankbar war, kamen die fortgeschrittensten
Zöglinge, etwa 20 an der Zahl, mit Blasinstrumenten heraus und bildeten
ein vollständiges Musikchor. Ich war ziemlich erstaunt, so harmonische
Töne von diesen wollköpfigen Burschen zu hören, bekannte französische
Musik in diesem einsamen Hafen zu vernehmen und mir von Negerknaben,
die vor einigen Monaten nichts als die Ueberlieferung ihrer unwissenden
Mütter kannten, pariser Lieder über französische Tapferkeit und
französischen Ruhm mit der ganzen Kaltblütigkeit von Gassenjungen der
Vorstadt St. Antoine vorsingen zu lassen.

Ich genoss eine sehr erquickende Nachtruhe und suchte bei Tagesgrauen
mit frischem Muth für das neubeginnende Leben mein Feldlager auf.
Als ich die Thiere zählte, fehlten zwei Esel, und als ich meine
afrikanischen Tauschwerthe musterte, war eine Rolle Draht, Nr. 6,
nicht zu finden. Offenbar hatten sich alle meine Leute auf den Boden
geworfen, um zu schlafen, und hatten die Thatsache vergessen, dass
auf dem Mrima viele Diebe nachts herumschleichen. Ich schickte also
Soldaten in die Stadt, um dieselbe sammt ihrer Nachbarschaft zu
durchsuchen, liess Dschemadar Esau, mit dem Schleppturban, schmutzigen
Gesicht und Hals, von unserm Verlust in Kenntniss setzen und durch das
Versprechen einer Belohnung dazu anspornen, die Thiere aufzusuchen. Vor
dem Abend entdeckte man einen der fehlenden Esel ausserhalb der Stadt,
wie er Maniokblätter frass, aber das andere Thier und die Drahtrolle
fanden sich nicht.

Unter den Leuten, die mich an diesem ersten Tage meines Aufenthalts
in Bagamoyo besuchten, befand sich Ali bin Salim, ein Bruder des
berühmten Sayd bin Salim, früher Ras Kafilah, der bei Burton und Speke
und darauf bei Speke und Grant gewesen war. Er war mit seinen Salaams
sehr freigebig und ausserdem sollte sein Bruder mein Agent in Unyamwezi
sein; ich zögerte mithin nicht, sein Anerbieten, mir zu helfen,
anzunehmen. Aber leider wurde dieser Ali bin Salim gegenüber meiner dem
Weissen eigenen Arglosigkeit zu einer Schlange, zu einem wirklich bösen
Dorn in meinem Fleische. Ich wurde in sein bequemes Haus zum Kaffee
gebeten und ging dorthin; der Kaffee war gut, aber ohne Zucker, seine
Versprechungen waren zahlreich, aber ohne Werth. Er sagte zu mir: „Ich
bin Ihr Freund, ich wünsche Ihnen zu dienen, was könnte ich für Sie
thun?“ Ich antwortete: „Ich bin Ihnen sehr dankbar, ich bedarf eines
guten Freundes, der die Sprache und Sitten der Wanyamwezi kennt und im
Stande ist, mir sowol die Pagazis zu verschaffen, die ich brauche, als
auch meine Weiterreise zu beschleunigen. Ihr Bruder ist mit den Wasungu
(den weissen Männern) bekannt und weiss, dass Sie Ihr Wort halten.
Schaffen Sie mir 140 Pagazis und ich will Ihnen dafür zahlen, was Sie
fordern.“

Mit salbungsvoller Höflichkeit sagte die Schlange, die ich hegte
und pflegte: „Ich wünsche nichts von Ihnen, mein Freund, für einen
so kleinen Dienst. Bleiben Sie ruhig und zufrieden. Sie sollen sich
keine 14 Tage hier aufhalten. Morgen früh komme ich und werde mir Ihre
Güter ansehen, um zu berechnen, was nöthig ist.“ Als ich mich von ihm
verabschiedete, war ich von dem beglückenden Gedanken beseelt, dass ich
bald auf dem Wege nach Unyanyembé sein würde.

Ich muss den Leser mit zwei ausreichenden Gründen bekannt machen,
warum ich meine ganze Energie darauf verwenden musste, die Expedition
so rasch wie möglich aus Bagamoyo fortzuführen: erstens wünschte ich
Udschidschi zu erreichen, ehe die Nachricht zu Livingstone drang, dass
ich ihn aufsuche; denn ich stellte mir vor, dass er, seiner Natur
nach, es versuchen würde, sich lieber so weit als möglich von mir zu
entfernen, als irgend etwas dazu zu thun, sich mir zu nähern, und dann
hätte ich meine lange Reise umsonst gemacht. Zweitens sollte die Masika
oder Regenzeit bald eintreten und wenn diese mich noch in Bagamoyo
überraschte, so hätte ich meine Abreise bis nach Beendigung derselben
aufschieben müssen, was mir einen Aufenthalt von 40 Tagen verursacht
hätte, denn es sollte dann nach den übertriebenen Darstellungen
der Leute, mit denen ich in Berührung gekommen war, 40 Tage ohne
Unterbrechung regnen. Dies war, wie ich wusste, sehr zu fürchten,
denn ich erinnerte mich einer grossen Reihe von Unannehmlichkeiten,
die durch den Regen verursacht werden, z. B. des virginischen
Regens und der ihn begleitenden Schrecknisse, der Feuchtigkeit, des
Schimmels, der rheumatischen und Wechselfieber und ähnlicher Dinge;
dann des englischen Regens, jenes jammervollen Sprühregens, welcher
hypochondrisch macht; ferner der abessinischen Regenzeit, wo die
Schleusen des Himmels geöffnet zu sein scheinen und ein allgemeiner
Wolkenbruch stattfindet, der hinreicht, den halben Continent in ein
paar Stunden unter Wasser zu setzen; schliesslich des Monsun oder
indischen Platzregens, der jedermann absolut an das Haus fesselt. Mit
welchem von diesen Regenarten sollte ich den schrecklichen Masika
Ostafrikas vergleichen? Schrieb Burton nicht schon viel von dem
schwarzen Schlamm in Uzaramo? Nun, was kann aus einem Lande werden,
dessen Erdboden schon bei gutem Wetter schwarzer Schlamm genannt wird,
wenn ein 40tägiger Regen es durchfeuchtet und die Füsse von Pagazis und
Eseln es durchknetet haben? Dies waren naheliegende Erwägungen, wie sie
durch die zeitweiligen Umstände gerechtfertigt waren, und ich wurde
dadurch sehr beunruhigt.

Am nächsten Tage besuchte Ali bin Salim, treu seinem Versprechen, mein
Feldlager mit sehr wichtiger Miene und theilte mir, nachdem er den
Haufen Zeugwaaren besichtigt hatte, mit, dass ich sie mit Makandas,
d. h. Binsenbeuteln, bedecken müsse. Er sagte, er werde mir einen Mann
schicken, um dazu Maass zu nehmen, rieth mir aber, mit diesem nicht
wegen der Beutel zu handeln, da er selbst alles in Ordnung bringen
werde.

Während wir mit lobenswerther Geduld die 140 Pagazis, die uns Ali
bin Salim versprochen hatte, erwarteten, beschäftigten wir uns mit
allem, was man für nöthig halten konnte, um die ungesunde Seegegend
zu durchziehen, sodass wir sie passiren könnten, ehe das schreckliche
Fieber uns muthlos und schlaff machte. Ein kurzer Aufenthalt in
Bagamoyo zeigte uns schon, was uns fehlte, was überflüssig und
was nothwendig war. In einer Nacht wurden wir von einem Sturm und
furchtbaren Regen heimgesucht. Ich hatte Pagazizeug im Werthe von
1500 Dollars in meinem Zelt. Am Morgen besah ich es und siehe da, der
Drillich hatte den Regen wie ein Sieb hineingelassen und jeder Meter
Tuch war nass. Es bedurfte zweier Tage, um die Tuche zu trocknen und
wieder zusammenzufalten. Das Drillichzelt wurde also verworfen und
eins aus Hanfsegeltuch Nr. 5 gemacht. Erst darauf gewann ich die
Ueberzeugung, dass meine Zeugballen und die Munition für ein Jahr
sicher seien und dem Masika Trotz bieten könnten. In der Eile unserer
Abreise von Zanzibar und da ich damit nicht bekannt war, wie man Ballen
zu packen habe, hatte ich mich dem bessern Urtheil und der Erfahrung
eines gewissen Dschetta, eines Commissionärs, unterworfen, der mir
meine Ballen für den Transport herrichtete. Dieser wog die Ballen nicht
beim Zusammenpacken, sondern legte einfach Merikani, Kaniki, Barsati,
Dschamdani, Dschoho, Ismahili schichtweise aufeinander und schnürte
alles in Ballen. Ein paar Pagazis kamen in mein Lager und fingen an
zu unterhandeln, wünschten aber erst die Ballen zu sehen, ehe sie
den Handel abschlössen. Sie versuchten es, sie zu heben, aber o weh!
der Versuch schlug fehl und sie gingen wieder ab. Ich liess darauf
eine genaue Salter’sche Federwage aufhängen und hing einen Ballen an
dieselbe; der Zeiger wies 105 Pfund oder 3 Frasileh nach, also gerade
35 Pfund oder 1 Frasileh Uebergewicht. Als ich alle Ballen in dieser
Weise geprüft hatte, bemerkte ich, dass die Arbeit Dschetta’s, die nur
nach allgemeinen Schätzungen gemacht worden war, trotz seiner Erfahrung
mir bedeutende Mühe verursachte. Ich liess also durch die Soldaten
die Ballen wieder öffnen und zusammenpacken, was nun in folgender
Weise gemacht wurde. Wir zerschnitten ein Doti oder 4 Meter Merikani,
wovon in Zanzibar das Stück von 30 Meter gewöhnlich 2 Doll. 75 cts.
kostet, und breiteten es aus. Darauf nahmen wir ein Stück gute Merikani
und falteten dasselbe in 3 Theile statt der 2 Falten, die es in den
Fabriken von Nashua und Salem bekommen hatte, wodurch die Falten eine
Breite von 1 Fuss erhielten. Ein solches Stück bildet die erste Schicht
und wiegt 9 Pfund. Die zweite Schicht besteht aus 6 Stück Kaniki,
einem blauen Stoff, der dem französischen blauen Blousenstoff oder
dem amerikanischen blauen Barchent ähnlich, aber viel leichter ist.
Die dritte Schicht wird aus einem zweiten Stück Merikani, die vierte
aus noch 6 Stücken Kaniki, die fünfte aus Merikani, die sechste, wie
vorher, aus Kaniki und die siebente und letzte aus Merikani gebildet.
So hat man 4 Stück Merikani, die 36 Pfund wiegen, und 18 Stück Kaniki,
die auch 36 Pfund wiegen, im ganzen also 72 Pfund oder etwas mehr als
2 Frasileh. Dann wird das erste Tuch einfach über diese Schichten
gelegt und an den Ecken zusammengebunden. Hierauf nimmt man ein Bündel
Kokosstricke, zwei Leute klopfen und pressen den Ballen mit einem
hölzernen Hammer und binden das Ganze ebenso sorgfältig zusammen wie
Matrosen ihr Takelwerk umwinden.

Wenn solch ein Ballen fertig ist, bildet er eine solide Masse von 3½
Fuss Länge, 1 Fuss Höhe und 1 Fuss Breite. Solcher Ballen hatte ich 82
nach Unyanyembé zu transportiren, von denen 40 nur aus Merikani und
Kaniki bestanden; die übrigen 42 enthielten die Merikani und farbigen
Tuche, welche als Honga oder Tributtuche dienen und zum Miethen der
übrigen Pagazis von Unyanyembé nach Udschidschi und von dort weiter
verwendet werden sollten.

Der 15. Tag, zu welchem mir Ali bin Salim die Pagazis versprochen
hatte, ging vorüber und keine Spur von einem Pagazi zeigte sich in
meinem Lager. Ich schickte also den stierköpfigen Mabruki, einen
von Burton’s Gefährten, zu Ali bin Salim, um ihm meine Salaams zu
überbringen und die Hoffnung auszudrücken, dass er sein Wort halten
werde. Nach einer halben Stunde kam Mabruki mit der Antwort von dem
Araber zurück, dass er in ein paar Tagen im Stande sein werde, alle die
Pagazis zusammenzubringen, „aber“, fügte Mabruki schlau hinzu, „Bana,
ich glaube ihm nicht; er sprach so laut zu sich selbst, dass ich es
hören konnte: «Warum sollte ich diesem Musungu Pagazis verschaffen?
Seyyid Bargasch hat mir keinen Brief geschickt, sondern dem Dschemadar.
Warum sollte ich mich um ihn bemühen? Möge doch Seyyid Bargasch mir
einen Brief zu diesem Zweck schreiben, und ich will sie ihm in zwei
Tagen verschaffen.»“ --

Nach meiner Ueberzeugung war es jetzt Zeit zu handeln. Ali bin Salim
sollte einsehen, dass es ein übel Ding sei, mit einem Weissen, der
ernstlich abreisen wollte, sein Spiel zu treiben. Ich ritt also in sein
Haus, um ihn zu fragen, was er eigentlich meine.

Seine Antwort war, Mabruki hätte eine Lüge gesagt, die so schwarz sei
wie sein Gesicht; wenn er (Ali) je etwas derartiges gesagt hätte, so
wolle er selbst mein Sklave oder ein Pagazi werden. Aber hier brachte
ich den redseligen Ali zum Schweigen und erwiderte ihm, dass ich
nicht daran denken könne, ihn als Pagazi zu benutzen, ebenso wenig
als ich Seyyid Bargasch bemühen wolle, ihm selbst einen Brief zu
schreiben, oder von einem Menschen, der mich einmal, wie Ali bin Salim,
hintergangen hätte, irgendeinen Dienst annehmen wolle. Es wäre daher
besser, wenn Ali bin Salim aus meinem Lager wegbliebe und weder in
Person noch durch Vertreter mit demselben verkehre.

Ich hatte 14 Tage verloren, denn Dschemadar Sadur in Kaole hatte sich
nie aus seinem befestigten Hause in jenem Dorfe heraus bemüht, um
mir zu dienen, sondern war nur einmal, nachdem er des Sultans Brief
empfangen, zum Besuch bei mir gewesen. Auch der Zollhausbeamte in
Kaole, Narandschi, der ganz und gar unter dem Druck des grossen Ludha
Damdschi stand, war nicht dem bestimmten Ersuchen Ludha’s nachgekommen,
mir Pagazis zu verschaffen, sondern hatte nur geblinzelt, genickt und
versprochen, und wie es mir mit Ali bin Salim erging, habe ich eben
erzählt. In dieser Noth erinnerte ich mich des Versprechens, das mir
der grosse Kaufmann von Zanzibar, Tarya Topan, der mohammedanische
Hindu, gemacht hatte, dass er mir einen Brief an einen jungen Mann
namens Sur Hadschi Pallu geben wolle, der in Bagamoyo am besten im
Stande sein sollte, Pagazis zu verschaffen.

Ich schickte also meinen arabischen Dolmetscher Selim in einem Dhow
nach Zanzibar mit der inständigen Bitte an Kapitän Webb, dass er mir
von Tarya Topan den so lange verschobenen Einführungsbrief verschaffe.
Dies war die letzte Karte, die ich ausspielen konnte.

Am dritten Tage kam der junge Selim zurück und brachte mir nicht nur
einen Brief an Sur Hadschi Pallu, sondern auch eine Menge guter Dinge
aus dem stets gastfreien Hause des Herrn Webb. Sehr kurze Zeit nach
dem Empfang des Briefes kam der ausgezeichnete junge Mann Sur Hadschi
Pallu zu mir und theilte mir mit, dass er von Tarya Topan gebeten sei,
für mich 140 Pagazis nach Unyanyembé so rasch wie möglich zu miethen.
Dies wäre, wie er sagte, sehr kostspielig, denn es gäbe eine Menge von
arabischen und wasawahilischen Kaufleuten, welche auf jede Karavane
lauerten, die aus dem Innern käme, und diese pflegten 20 Doti oder 80
Meter Zeug jedem Pagazi zu zahlen. Da viele dieser Kaufleute nicht
willens oder im Stande gewesen wären mehr zu zahlen, so hätten sie
sechs Monate warten müssen, ehe sie ihre Leute bekommen hätten.

„Wenn Sie“, fuhr er fort, „rasch fortzukommen wünschen, so müssen Sie
25-40 Doti bezahlen und dann kann ich Sie vor Ablauf eines Monats
expediren.“

Ich erwiderte ihm darauf: „Hier sind meine Zeuge für die Pagazis im
Werthe von 1750 Dollars oder 3500 Doti, welche ausreichen, um 25 Doti
jedem der 140 Mann zu geben. Mehr als 25 Doti will ich nicht bezahlen.
Schicken Sie mir 140 Pagazis mit meinem Zeug und Draht nach Unyanyembé
und ich werde Sie mit dem grössten Geschenke, das Sie je erhalten
haben, erfreuen.“ Mit erquicklicher Naivität erwiderte der „junge
Mann“, dass er kein Geschenk wünsche, er werde mir die betreffende
Anzahl Pagazis schon besorgen, und dann könnte ich den „Wasungu“
sagen, was für ein guter „junger Mann“ er sei, und er werde infolge
davon den Vortheil haben, dass sein Geschäft zunähme. Er schloss diese
Erwiderung mit der erfreulichen Bemerkung, dass er schon 10 Pagazis
in seinem Hause habe, und wenn ich so gut sein wolle, 4 Ballen Zeug,
2 Beutel Perlen und 20 Rollen Draht in sein Haus bringen zu lassen,
so könnten die Pagazis unter Bedeckung von drei Soldaten am nächsten
Morgen Bagamoyo verlassen. „Denn“, bemerkte er, „es ist viel besser
und billiger, viele kleine Karavanen als eine grosse zu expediren. Die
grossen Karavanen laden zum Angriff ein oder werden von habsüchtigen
Häuptlingen unter den albernsten Vorwänden aufgehalten, wogegen kleine
unbemerkter vorüberziehen.“

Die Ballen und Perlen wurden richtig nach Sur Hadschi Pallu’s Haus
geschickt und ich brachte den Tag damit zu, mich innerlich über mein
grosses Glück zu freuen, des jungen Hindus geschäftliche Begabung,
die Grösse und den Einfluss von Tarya Topan und Herrn Webb’s Güte
anzuerkennen, die meine Abreise von Bagamoyo so sehr beschleunigt
hatten. In meinem Geist gelobte ich, dem Sur Hadschi Pallu ein
prächtiges Geschenk und eine grosse Reclame in meinem Buch angedeihen
zu lassen, und mit frohem Herzen machte ich diese Soldaten für ihren
Marsch nach Unyanyembé fertig.

Die Aufgabe, diese erste Karavane für den Weg nach Unyanyembé
reisefertig zu machen, belehrte mich über mehrere Dinge, welche von
meinen Vorgängern in Ostafrika unberücksichtigt gelassen worden sind
und die, wenn ich sie rechtzeitig in Zanzibar gekannt hätte, mir im
Ankauf und in der Auswahl der richtigen Zeugsorten von grossem Nutzen
gewesen wären. Ich füge daher hier als Beispiel eine Kostenberechnung
für die Expedition einer Karavane von 10 Pagazis und der drei sie
bewachenden Soldaten nach Unyanyembé bei.

+Transportkosten+:

  Miethgeld für 10 Pagazis zu 25 Doti à 50 cents     $  125.--
  Matamakorn auf 4 Tage                                   1.--

+Nahrung unterwegs+:

  25 Doti Merikani                                       12.50
  20 Doti Kaniki à 25 cents                               5.--
  2 Doti Taudschiri à 50 cents                            1.--
  9 Pfd. Sami-Sami                                        3.05
  3 Pfd. Bubu                                            --.33
  7 Pfd. Merikani                                         1.05
                                                   -------------
                                            zusammen $  148.93

+Nahrung für 3 Soldaten+:

  3 Pfd. Bubuperlen                                  $   --.33
  3 Pfd. Merikani                                        --.45
  3 Pfd. Sami-Sami                                        1.01⅔
  7½ Doti Merikani                                        3.75
  2 Doti Barsati                                          1.--
  2 Doti Kaniki                                          --.50
  Lohn für 3 Monate à 9 Dollars                          27.--
  An Geld für die Fähre über den Kingani                  2.--
                                                   ---------------
                                             zusammen $  36.04⅔

                   Kosten für die Pagazis             $ 148.93
                   Kosten für die Soldaten               36.04⅔
                                            ----------------------
                                         Gesammtsumme $ 184.97⅔

+Werth der Waaren, die von einem Theil der ersten Karavane expedirt
wurden+:

  3 Ballen Zeug, welche enthalten:
      90 Doti Kaniki zu 25 cents                       $ 22.50
      112½ Doti Merikani zu 50 cent                      56.25
  3 Lasten Draht oder 4 Frasileh                         36.87½
  1 Beutel mit tausend Stück Sungomazzi                  14.--
  1 Beutel Sami-Sami oder 2 Frasileh                     26.--
                                                  ----------------
                                                Summa $ 155.62½

Es übertrafen also die Transportkosten den Werth der transportirten
Waaren um etwas mehr als 29 Dollars. Wenn ich nun 100 Pagazis
expedirte, würden die Transportkosten für zehnmal so viel
Transportgüter, wie sie oben berechnet sind, $1849.76⅔ betragen,
während der Werth der Waaren sich selbst auf die Summe von $1556.25
berechnet, was zusammen $3406.1⅔ ausmacht.

Und da ich gerade bei diesem Transportsystem bin, so kann ich, als
methodisch verfahrender Mann, die Kostenrechnung eines Theils der
dritten Karavane mit verzeichnen, die mein weisser Diener Farquhar
führte und welche aus 10 Eseln, 3 Soldaten, einem Weissen und einem
Koch bestand, damit der Leser die Ausgaben vergleichen könne, denn ich
lasse aus der Rechnung nichts fort.

+Transportkosten+:

  Für 9 Lastesel à 18 Dollars                                   $ 162.--
  Für einen Esel für den Weissen                                   18.--
  Für 10 Sattel                                                    17.60
  Ein Sattel kostet: an Segeltuch 33½ cts.; Bindfaden
    5 cts.; Baumwolle 25 cts.; Eisenringen
    10 cts.; amerikanischem Drillich 15 cts.; Baumwollenband
    12½ cts. und an Stricken 20 cts.
                                                    zusammen        1.21
  3 Monat Gehalt für den Koch à 9 Dollars                          27.--
  3 Monat Gehalt für den Weissen à 25 Dollars                      75.--
  Ein Zelt                                                          8.--
  4 Pfd. Zucker                                                    --.25
  Thee                                                              4.--
  Arznei                                                            3.--
  Reis                                                              1.--
  Sold für 3 Soldaten à 9 Dollars                                  27.--
  Fährgeld                                                          2.--
  16 Mass Matamakorn                                                1.--
  An Futter für die Esel 16 Doti Merikani                           8.--
  Nahrung für 5 Leute 25 Doti                                      12.50
           „  15 Pfd. Perlen                                        3.--
                                                         ---------------
                                                         Summa  $ 370.56

+Werth der beförderten Waaren+:

18 Ballen Zeug, welche enthalten:

  540 Doti Kaniki à 25 cts                                      $ 135.--
  675 Doti Merikani à 50 cts                                      337.50

Die Transportkosten sind in diesem Falle viel geringer, und zu Gunsten
des Esels als Lastthier spricht, dass er viel mehr forttragen kann als
2 Pagazis. 2 Pagazis mit allem Dazugehörigen kosten ungefähr $37.1,
1 Esel dagegen unter denselben Bedingungen ungefähr $36.40. Das geht
aus den oben angeführten Zahlen hervor. Aber Farquhar hätte ebenso gut
20 Esel nach Unyanyembé führen können wie 10 und dann hätten sich die
Transportkosten noch sehr zu Gunsten der Esel geändert. Wenn wir nun in
Betracht ziehen, dass Burton’s 33 Esel alle starben, ehe sie Unyanyembé
erreichten, so müssen wir auch nicht vergessen, dass er uns erzählt,
wie seine sämmtlichen Pagazis unterwegs desertirt sind oder den Versuch
zur Desertion machten. Wir werden also besser im Stande sein, den
relativen Werth der Esel und der Pagazis zu beurtheilen, nachdem ich in
Unyanyembé angekommen bin. Bis dahin will ich die Frage offen lassen.

Der Abgang der ersten Karavane klärte mich auch in Bezug auf die Honga
oder den Tribut auf. Dieser musste für sich allein zusammengepackt
werden und aus den allerbesten Tuchen bestehen, denn die Häuptlinge
sind nicht nur habgierig, sondern auch sehr wählerisch und nehmen
das dünne, farbige Zeug der Pagazis nicht an, müssen vielmehr
ausserordentlich schöne und sehr theure Dabwani, Ismahili, Rehani
oder Sohari und Dotis von breitem Scharlachtuch erhalten. Der Tribut
für die erste Karavane betrug 25 Dollars. Da ich mehr als 140 Pagazis
abzuschicken hatte, so würde dieses Tributgeld schliesslich 330 Dollars
in Gold betragen, wobei noch ein Agio von 25 cents auf jeden Dollar zu
rechnen ist. Dieses bedenke, o Reisender! ich setze dir diese Thatsache
zur speciellen Belehrung auseinander.

Aber ehe mich meine erste Karavane verliess, mussten der würdige
Jüngling Sur Hadschi Pallu und ich zu einer schliesslichen
Verständigung über die Geldangelegenheiten gelangen. Am Morgen, an
dem die Abreise stattfinden sollte, kam Sur Hadschi Pallu in meine
Hütte und überreichte mir mit der ehrbarsten Miene der Unschuld eine
Rechnung darüber, dass er jeden der Pagazis mit 25 Doti als Miethgeld
nach Unyanyembé versehen habe, und bat sich sofortige Bezahlung
in Gold aus. Worte können das Erstaunen, das ich fühlte, gar nicht
ausdrücken, dass dieser so schlau aussehende Jüngling so bald den
mündlichen Contract vergessen haben sollte, den ich mit ihm am Morgen
vorher abgeschlossen hatte, welcher dahin lautete, dass von den 3000
in meinem Zelte lagernden Doti, die ausdrücklich für das Miethen von
Pagazis angeschafft waren, jeder meiner Lastträger von Bagamoyo nach
Unyanyembé bezahlt werden solle. Als ich ihn fragte, ob er sich des
Contractes erinnere, bejahte er dies; seine Gründe, ihn so bald zu
brechen, bestanden darin, dass er lieber seine eigenen Zeuge als die
meinigen verkaufe, für seine Tuche brauche er aber Geld und könne
für dieselben keine andern in Tausch nehmen. Ich gab ihm jedoch zu
verstehen, dass er, da er die Pagazis für mich anschaffe, meine Pagazis
auch mit meinen Zeugen zu bezahlen habe; dass ich ihm nicht mehr Geld
zu zahlen gedenke, als genau die Summe, die nach meinem Dafürhalten den
Mühen, die er als mein Agent gehabt, entspreche und dass er nur auf
diese Bedingungen hin in dieser Angelegenheit wie in jeder andern für
mich zu handeln habe, kurz, dass der „Musungu“ nicht daran gewöhnt sei,
sein Wort zurückzunehmen.

Das Vorstehende fasst eine grosse Anzahl Worte in wenige zusammen.
Er repräsentirt ein einstündiges Zwiegespräch, einen bösen Zank von
einer halben Stunde, ein Gelübde des Sur Hadschi Pallu, dass, wenn
ich seine Zeuge nicht nehme, er sich auch um mein Geschäft durchaus
nicht kümmern werde, viele Thränen, Bitten, schmerzliche Reue und
noch manches andere, worauf ich einfach erwiderte: „Thun Sie, was ich
von Ihnen verlange, oder thun Sie gar nichts!“ Schliesslich kam die
Sache zu einem glücklichen Ende. Sur Hadschi Pallu verliess mich mit
heiterm Gesichte, denn er nahm Poscho (Nahrungsmittel) für die drei
Soldaten und Honga (Tribut) für die Karavane mit sich. Wohl mir, dass
es so endete, und dass die spätern Streitigkeiten ähnlicher Art immer
so friedlich verliefen, sonst bezweifle ich, dass meine Abreise von
Bagamoyo so rasch vor sich gegangen wäre, wie es der Fall war. Da ich
gerade bei diesem Thema bin, welches factisch jeden Augenblick meiner
Zeit in Bagamoyo in Anspruch nahm, so kann ich gleich in Bezug auf Sur
Hadschi Pallu und seine Verbindung mit meiner Expedition ausführlicher
sprechen.

Sur Hadschi Pallu war ein gewandter junger Geschäftsmann, energisch,
ein rascher Rechner und schien zum glücklichen Kaufmann geboren. Seine
Augen ruhten nie, sie wanderten über jeden Theil meines Körpers, über
das Zelt, das Bett, die Flinten, die Tuche, und nachdem sie ihren
Rundgang beendet, fingen sie ihn schweigend von neuem an. Seine Finger
lagen nie still, sie hatten eine unruhige, nervöse Thätigkeit in ihren
Spitzen und waren beständig im Begriff, nach etwas herumzufühlen.
Während er mit mir sprach, pflegte er sich überzulehnen und das Gewebe
meines Hosenstoffes, meines Rockes, oder meine Schuhe und meine Socken
zu befühlen. Dann fühlte er sein eigenes leichtes Dschamdani-Hemd
oder Dabwani-Lendentuch an, bis sich seine Augen zufälligerweise auf
einen neuen Gegenstand hefteten, sein Körper sich überbeugte und sein
Arm sich mit den ungeheuern Fingern danach ausstreckte. Auch waren
seine Kinnladen in einer beständigen Bewegung, die durch die schlechte
Gewohnheit bedingt war, Betelnuss mit Kalk und bisweilen Taback mit
Kalk zu kauen. Sie gaben einen schnalzenden Ton von sich, ähnlich wie
ein junges Ferkel beim Saugen. Er war ein frommer Mohammedaner und
beobachtete die äusserlichen Ceremonien der wahrhaft Gläubigen. Er
pflegte mich freundlich zu grüssen, seine Schuhe abzunehmen und in
mein Zelt immer mit der Versicherung einzutreten, dass er nicht werth
wäre, in meiner Gegenwart zu sitzen, und nachdem er sich gesetzt hatte,
brachte er in umständlichster Weise sein Anliegen vor. Von Ehrlichkeit,
wirklicher praktischer Ehrlichkeit wusste dieser Jüngling nichts; die
reine Wahrheit war ihm völlig fremd; die Lügen, die er während seines
kurzen Lebens gesagt hatte, schienen ihm schon den kühnen Blick der
schuldlosen Jugend aus den Augen ausgelöscht, selbst den Schein aller
Wahrhaftigkeit aus den Zügen verbannt, kurz ihn, ein Bürschchen von 20
Jahren, zu einem vollendeten Schurken und completen Betrüger gemacht zu
haben.

Während der 6 Wochen, die ich in Bagamoyo war und auf meine Leute
wartete, hat mir dieser 20jährige Bursche so viel Mühe gemacht,
als alle Schurken von New York zusammengenommen dem dortigen
Polizeipräsidenten bereiten. Zehnmal den Tag ertappte man ihn auf
Unehrlichkeiten, aber er schämte sich nie darüber. Er schickte z. B.
seine Rechnungen über das Zeug, womit er die Pagazis versehen hatte,
ein und behauptete, dass er jedem 25 bezahlt hätte. Als ich jemand
hinschickte, der die Sache untersuchen musste, stellte sich heraus,
dass die grösste Zahl 20 und die niedrigste nur 12 betrug. Sur Hadschi
Pallu gab an, die Zeuge wären alle von erster Qualität gewesen,
Ulyahtuche, welche auf dem Markte viermal so viel werth seien, als die
gewöhnliche Sorte, die den Pagazis gegeben wird; aber eine persönlich
angestellte Untersuchung erwies, dass es die dünnsten verkäuflichen
Stoffe waren, z. B. 2½ Fuss breite amerikanische Leinwand, wovon das
Stück von 30 Meter in Zanzibar 2¾ Dollars kostet, oder die geringste
Sorte Kaniki, von denen gewöhnlich 20 Stück 9 Dollars kosten. Er kam
auch noch persönlich in mein Lager, um 40 Pfd. Sami-Sami, Merikani und
Bubuperlen als Poscho oder Rationen für die Karavane zu verlangen.
Eine Besichtigung ihrer Vorräthe vor der Abreise aus dem ersten Lager
hinter Bagamoyo wies ein Manco von ungefähr 5-30 Pfund nach. Ferner
betrog er mich auch um baares Geld, verlangte z. B. 4 Dollars für
die Kingani-Fähre für je 10 Pagazis, während das Fährgeld doch nur 2
Dollars betrug, und für Poscho eine ganz übertriebene Masse Pice (eine
Kupfermünze, die ungefähr ¾ Cents beträgt). Vier Wochen lang wurde
dies Betrugssystem täglich fortgesetzt. An jedem Tage entwarf er ein
Dutzend neuer Pläne, jeden Augenblick schien er sich zu überlegen, wie
er uns plündern konnte, bis ich schliesslich nicht mehr wusste, wie ich
ihn daran hindern sollte, denn wenn ich ihn der Menge seiner Genossen
gegenüber enthüllte, so brachte das keine Schamröthe auf seine fahlen
Wangen, er hörte dann mit einem Achselzucken zu; das war alles und dies
konnte ich mir auslegen, wie ich wollte. Eine Drohung, sein Geschenk
zu verkürzen, hatte gar keine Wirkung. Ein Vogel in der Hand war für
ihn mehr werth als zwei auf dem Dache und daher waren ihm gestohlene
Waaren im Werthe von 10 Dollars, die er aber factisch besass, von
grösserm innern Werth als 20 Dollars, deren Besitz ihm nach einigen
Tagen zugesichert wurde, selbst wenn das Versprechen von einem Musungu
herrührte.

Die Leser werden sich natürlich fragen, warum ich nicht nach der ersten
Entdeckung dieses schamlosen Verfahrens mein Geschäft mit ihm abbrach,
worauf ich zu erwidern habe, dass ich nicht ohne ihn auskommen konnte
und dass ich mich nie von einem andern Menschen so abhängig gefühlt
habe; ohne seine Hülfe oder die eines eben solchen Menschen hätte ich
in Bagamoyo wenigstens sechs Monate mich aufhalten können, nach welcher
Zeit die Expedition unnütz geworden wäre, da sich das Gerücht von
derselben überall hin verbreitet haben würde. Die sofortige Abreise
aus Bagamoyo war für meinen Erfolg nothwendig, später konnte ich mein
eigenes Schicksal zum grossen Theil selbst lenken.

Das waren die grössten Sorgen, die ich in dieser Zeit hatte. Ich habe
schon gesagt, dass ich Pagazikleidung im Werthe von 1750 Dollars oder
3500 Doti bei mir führte, die in meinem Zelte noch neben meinen übrigen
Ballen aufgestapelt lagen. Da ich 140 Pagazis zu 25 Doti berechnet
hatte, so glaubte ich genug zu haben; dennoch betrug Sur Hadschi
Pallu’s Rechnung ausserdem noch 1400 Dollars baar, obwol ich dem jungen
Hindu zu beweisen versucht hatte, dass ein Musungu kein Narr oder blind
gegen seine Diebstähle sei; obgleich die 3500 Doti verausgabt waren und
ich nur 135 Pagazis zu 25 Doti bekommen hatte, die eigentlich zusammen
nur 3200 Doti kosteten. Er gab vor, er habe 240 Doti Ulyakleider für
Muhongo angeschafft, die einen Werth von 960 meiner Doti hätten, das
Geld sei für Fähren-Pice und Geschenke an die Karavanenhäuptlinge, die
aus Zelten, Gewehren, breitem, rothem Tuch bestanden hätten, sowie
für dergleichen an die Leute von der Mrima (Küste), damit sie uns
Pagazis auftrieben, verausgabt worden. Als ich diese niederträchtige
Betrügerei sah, wurde ich wüthend und erklärte ihm, er würde, wenn er
seine Rechnung nicht nochmals überrechnete und berichtigte, nicht einen
einzigen Pice bekommen.

Aber ehe ich dies bewerkstelligen konnte, musste, da meine Worte,
Drohungen und Versprechungen unberücksichtigt von seinem harten Schädel
abprallten, ein Mann, namens Kandschi, aus dem Magazin von Tarya
Topan in Zanzibar herüberkommen, und dann erst wurde die Rechnung
schliesslich auf 738 Dollars heruntergebracht. Ohne Tarya Topan zu nahe
treten zu wollen, bin ich doch ausser Stande festzustellen, ob Kandschi
oder Sur Hadschi Pallu der vollendetere Schurke ist. Um mich der Worte
eines Weissen, der beide kennt, zu bedienen, „es ist kein Strohhalm
breit Unterschied zwischen ihnen“. Kandschi ist schlau und versteckt,
Sur Hadschi Pallu dreist und unverbesserlich. Aber Friede ihnen beiden;
mögen ihre geschorenen Häupter niemals mit der Sorgenkrone geschmückt
werden, die ich in Bagamoyo getragen habe.

Theurer, freundlicher Leser, glaube nur nicht, dass, wenn ich mich in
diesem oder irgendeinem andern Kapitel über scheinbar unbedeutende und
alltägliche Dinge auslasse, diese hätten unerwähnt bleiben sollen.
Jedes Titelchen, das ich erzähle, ist eine Thatsache, und Thatsachen
kennen lernen heisst Erfahrungen machen. Wie könnte ich Dir überhaupt
meine Erfahrungen mittheilen, wenn ich nicht auf diese elenden
Einzelheiten einginge, die den Fremdling bei seiner ersten Ankunft
in schwere Verlegenheiten stürzen? Wenn ich ein Regierungsbeamter
gewesen wäre, so hätte ich nur meinen Finger zu bewegen brauchen, um
meine volle Zahl Pagazis innerhalb einer Woche zu haben, aber als ein
Individuum ohne officielle Würden und ohne allen Regierungseinfluss,
musste ich mich gedulden, meine Zeit abwarten und ruhig meinen Grimm
herunterschlucken. Doch war nicht alles Brot, das ich ass, so sauer wie
dieses.

Farquhar und Shaw, meine Weissen, arbeiteten fleissig an wasserdichten
Zelten von Hanfsegeltuch, denn ich ersah aus den vorangehenden
Regengüssen, die die Annäherung des Masika bezeichneten, dass ein
gewöhnliches Zelt von leichtem Zeug mich der Feuchtigkeit und meine
Waaren dem Verschimmeln aussetzen würden, und da jetzt noch Zeit war,
alle die Irrthümer, welche sich aus Unwissenheit oder übergrosser
Eile in meinen Plan eingeschlichen hatten, zu corrigiren, so dachte
ich doch, dass es nicht klug wäre, die Dinge sich ganz selbst zu
überlassen. Jetzt, wo ich mit ungeschwächter Gesundheit zurückgekommen
bin, obgleich ich 23 Fieberanfälle in der kurzen Zeit von 13 Monaten
erlitten habe, muss ich gestehen, dass ich mein Leben erstlich der
Gnade Gottes, zweitens dem Enthusiasmus für mein Unternehmen, welcher
mich von Anfang bis zu Ende belebte, drittens dem Umstande, dass ich
meine Constitution nicht durch Unmässigkeit oder Ausschweifungen
ruinirt habe, viertens der Energie meiner Natur, fünftens einem
angeborenen zur Hoffnung geneigten Temperament, das sich nie verstimmen
liess, und sechstens der Maassregel verdanke, dass ich mich mit
einem geräumigen Segeltuchhause, welches dicht gegen Wasser und alle
Feuchtigkeit war, versehen habe. Hier möchte ich, wenn meine Erfahrung
von irgendwelchem Werth ist, den Reisenden den Rath geben, dass sie
sich ihrer eigenen Verstandeskraft bedienen und das beste und stärkste,
was für Geld zu haben ist, sich anschaffen mögen, statt ihr besseres
Urtheil den Launen eines Zeltmachers unterzuordnen, der sich bemühen
wird, ihnen einen schönen Artikel seiner eigenen Fabrik aufzubinden,
welcher für kein Klima passt; schliesslich erweist es sich als das
billigste und kann vielleicht zur Erhaltung ihres Lebens beitragen.

In Bezug auf einen Punkt verfiel ich in einen grossen Irrthum, und
damit zukünftige Reisende nicht eben denselben begehen, welcher für
meinen Lebensgenuss sehr nachtheilig war, bespreche ich ihn hier.

Man muss sehr sorgfältig in der Wahl seiner Waffen, seien sie nur für
die Jagd, oder zur Vertheidigung bestimmt, sein. Ein Reisender sollte
wenigstens drei verschiedene Arten Schiessgewehre haben: erstens
eine Vogelflinte, zweitens eine doppelläufige gezogene Flinte Nr. 10
oder 12, drittens ein Magazingewehr für die Vertheidigung. Für die
Vogelflinte würde ich zu Nr. 12 rathen mit Läufen, die wenigstens 4
Fuss lang sind. Als gezogenes Gewehr für grösseres Wild weise ich, bei
aller selbstverständlichen Achtung für alte Jäger, darauf hin, dass
die besten Gewehre für afrikanisches Wild die englischen Lancaster-
und Reillyflinten sind, und als Kampfwaffe, behaupte ich, ist die
beste bisher erfundene das amerikanische Winchester-Repetir-Gewehr
oder der sogenannte Sechzehn-Schiesser, wenn man dazu die Londoner
Eley’sche Munition nimmt. Wenn ich als Kampfwaffe zum amerikanischen
Winchester-Repetir-Gewehr rathe, so meine ich nicht, dass der Reisende
dies zu Angriffszwecken mitzunehmen hat, wol aber als bestes Mittel für
eine wirksame Vertheidigung, um sich gegen die Angriffe afrikanischer
Banditen zu wehren, die doch wahrscheinlich irgend einmal vorkommen
werden.

Bald nach meiner Rückkehr aus dem Innern traf ich mit einem jungen
Manne zusammen, welcher seine Ueberzeugung dahin aussprach, dass das
„Expressgewehr“ die vollkommenste Waffe für afrikanisches Wild sei.
Möglicherweise hat der junge Mann in Bezug auf das Expressgewehr recht,
aber er hat es nie gegen afrikanisches Wild versucht, und da ich es
auch nicht gethan hatte, konnte ich seine Behauptung nicht bestreiten;
aber ich war im Stande, meine Erfahrungen mit Gewehren anzuführen,
welche die ganze Kraft des „Expressgewehres“ haben, und ihm zu sagen,
dass, obwol die Kugeln die Thiere durchbohrten, sie dieselben fast
nie auf den ersten Schuss zum Falle brachten. Andererseits konnte ich
ihm mittheilen, dass während der Zeit, wo ich mit Dr. Livingstone
reiste, dieser mir sein schweres Reillygewehr lieh, mit dem ich selten
verfehlte, ein oder zwei Thiere ins Lager zu bringen, und dass ich
dabei gefunden habe, dass die Fraserkugel allen beabsichtigten Zwecken
entspricht. Die von Kapitän Speke und Sir Samuel Baker erzählten
Heldenthaten können nicht mehr Gegenstand der Verwunderung für den
jungen Jäger sein, wenn er ein Lancaster- oder Reillygewehr in der
Hand hat; nach wenigen Minuten kann er es ihnen nachthun, ja sie
sogar übertreffen, wenn er nur eine feste Hand hat. Um diesen Zweck
zu fördern, habe ich vorstehendes geschrieben. Das afrikanische
Wild verlangt „Knochenzerschmetterer“, denn ein gewöhnlicher
Karabiner besitzt zwar die ausreichende Schusskraft, um in das Thier
hineinzudringen, ist aber doch nicht im Stande, die Thiere zum Falle zu
bringen, was ein Gewehr thun muss, wenn es sich einem Afrika-Reisenden
nützlich erweisen soll.

Ich war noch nicht lange in Bagamoyo, als ich nach dem Lager Mussoudi’s
hinüberging, um die „Livingstone-Karavane“ zu besuchen, welche der
britische Consul am 1. November 1870 ausgeschickt hatte, um Livingstone
Hülfe zu leisten. Die Zahl ihrer Traglasten betrug 35 und diese
bedurften ebenso vieler Menschen, um nach Unyanyembé transportirt zu
werden. Die Leute, die diese Karavane zu begleiten hatten, bestanden
aus sieben Johannesen und Wahiyau. Von diesen sieben waren vier
Sklaven. Sie führten hier ein vergnügtes Leben, ohne an ihren Auftrag
zu denken oder sich um die Folgen zu bekümmern. Was diese Leute die
ganze Zeit über in Bagamoyo gethan haben, ausser ihren lasterhaften
Neigungen zu fröhnen, begreife ich nicht. Es wäre Unsinn zu behaupten,
dass es keine Pagazis gegeben habe, denn ich weiss, dass wenigstens 15
Karavanen seit dem Ramadan (15. December 1870) ins Innere abgegangen
waren. Und die Livingstone-Karavane war schon am 2. November in der
kleinen Stadt Bagamoyo angekommen und hier bis zum 10. Februar, im
ganzen also 100 Tage, liegen geblieben, weil ihr die geringfügige Zahl
von 35 Pagazis, die man durch den Einfluss des Consuls in zwei Tagen
hätte bekommen können, fehlte. Wenn der britische Consul sich damit
entschuldigt, er habe gar nicht gewusst, dass seine für Livingstone
bestimmten Vorräthe noch in Bagamoyo wären, so beweist mir das nur,
dass er in strafwürdigster Weise seine Pflicht gegen einen britischen
Unterthan und Collegen vernachlässigt habe, der selbst bis auf seinen
Lebensunterhalt völlig von ihm abhing. Denn am ersten Abend meiner
Ankunft in Zanzibar erfuhr ich, dass eine Karavane in Bagamoyo in
Begriff stand abzureisen, um dem Dr. Livingstone Vorräthe ins Innere
zu bringen. Damals wusste ich noch gar nicht, ob es ein schweres oder
leichtes Ding sei, eine Karavane ins Innere zu expediren. Man kann
sich daher meine Verwunderung leichter vorstellen, als ich sie zu
beschreiben vermag, wie ich die Entdeckung machte, dass diese Karavane,
die nur 35 Mann brauchte und vom britischen Consul abgeschickt worden
war, Zanzibar am 1. oder 2. November 1870 verlassen hatte und sich noch
am 10. Februar 1871, also +volle hundert Tage+, in Bagamoyo im
Lager befand. Da warf ich mir die Frage auf, wie viel Tage vergehen
müssten, bis ich, ein blosser Privatmann, 140 Leute zusammenbringen
könnte, wenn die kleine Zahl von 35 Mann noch nicht innerhalb 100 Tagen
von einem britischen Consul zusammengebracht werden konnte.

Ungefähr am 10. Februar verbreitete sich das Gerücht in den Bazars
von Bagamoyo und von dort aus in meinem Lager, dass der „Balyuz“
(technischer Ausdruck für Gesandter) nach Bagamoyo kommen werde, um den
Abgang der Livingstone-Karavane zu beschleunigen. An demselben Abend
nun oder am nächsten Morgen ging dieselbe aus Furcht ins Innere ab,
aber nur mit vier Mann Begleitung.

Zwei Tage darauf erschien das englische Regierungsschiff „Columbine“,
Kapitän Tucker, auf der Höhe von Bagamoyo, mit Dr. Kirk, dem britischen
Consul und politischen Residenten an Bord. An dem Abende der Ankunft
ritt ich zur französischen Mission hinauf, wo Dr. Kirk, Kapitän Tucker
und sein Adjutant in Begleitung des französischen Consuls, M. de
Vienne, einer gastfreien Einladung des Pater Horner, dem Superior der
Missions-Gesellschaft, gefolgt waren. Ich fand sie bei Tische und wurde
zu einem Glas Wein eingeladen. Die Unterhaltung drehte sich theilweise
um die Freuden, die man sich von einer Jagd versprach, zu welcher die
Vorbereitungen eben getroffen wurden.

Um 6 Uhr am nächsten Morgen machten sich Dr. Kirk, Kapitän Tucker, sein
Adjutant, Consul de Vienne und Pater Horner nach dem Kingani-Flusse
auf. Später am Tage ging auch ich mit Farquhar, Shaw und Sayd bin Sayf
nach dem Kingani, um dort Nilpferde zu schiessen.

Als wir uns auf dem Rückwege nach dem Lager befanden, begegneten wir
dem Pater Horner auf der Ebene des Kingani, welcher, wie er sagte, aus
Kikoka, dem ersten Lager auf dem Wege nach Unyanyembé von Bagamoyo aus,
kam, wohin er in Begleitung der Jäger gegangen war.

Am folgenden Freitag Abend kehrte die Gesellschaft des englischen
Consuls von der Jagd zurück. Ich speiste mit ihnen zu Abend, wo
ihre Erlebnisse in den Wäldern auf dem andern Ufer des Kingani den
hauptsächlichsten Gegenstand der Unterhaltung bildeten. Dr. Kirk
sagte mir, dass die Offiziere der „Columbine“ mit ihren gezogenen
Erbsenflinten nicht im Stande gewesen wären, irgend etwas zu schiessen;
er allein hätte einige Thiere erlegt, und um irgendetwas zu bekommen,
wäre er genöthigt gewesen, allein in den Wald zu gehen. „Jetzt wissen
sie“, sagte Dr. Kirk mit Bezug auf die Offiziere, „was man vom
Snidergewehr zu halten hat, wenn es gegen afrikanisches Wild gebraucht
wird.“

Um 9 Uhr am nächsten Morgen besuchten mich Dr. Kirk und ein
französischer Pater in meinem Lager. Der erstere liess sich nicht
überreden, eine Tasse Thee zu nehmen, da er, wie er mir sagte, im
Begriff sei, sich nach der Livingstone-Karavane umzusehen. Ungefähr
um 11 Uhr vormittags hörte ich, dass Dr. Kirk sich an Bord der
„Columbine“ begeben habe und dass auch die Kinder der französischen
Missionsgesellschaft mit einem vollen Orchester von Blasinstrumenten
hingegangen wären, um die Matrosen zu unterhalten. Zwischen 3 und 4 Uhr
nachmittags segelte die „Columbine“ nach Zanzibar zurück.

Bagamoyo hat ein sehr angenehmes Klima. Es ist in jeder Beziehung dem
von Zanzibar sehr vorzuziehen. Wir konnten in freier Luft schlafen
und standen am Morgen erfrischt und gesund auf, um unser Frühbad
im Meere zu geniessen, und bei Sonnenaufgang waren wir schon mit
verschiedenartigen Vorbereitungen für unsere Abreise beschäftigt.
Unsere Tage wurden durch Besuche von den Arabern belebt, die auch
nach Unyanyembé gehen wollten. Ferner kamen komische Scenen im
Lager vor; bisweilen Kriegsgerichte, die über die Widerspenstigen
abgehalten wurden; Boxerkämpfe zwischen Farquhar und Shaw, die auch
mein Einschreiten erforderlich machten, wenn sie gar zu hitzig
wurden; hin und wieder ein Jagdausflug nach der Ebene und dem Fluss
Kingani; gesellige Unterhaltungen mit dem alten Dschemadar und seiner
Belutschenbande, die nie müde wurden, mich vor der Ankunft der Masika
zu warnen und mir den Rath zu ertheilen, mich so rasch wie möglich auf
den Weg zu machen, ehe die Reisezeit vorüber sei.

John Shaw pflegte sehr verdriesslich zu werden, so oft diese Besuche
von den schwarzen Magnaten von Bagamoyo stattfanden. Bei diesen
Gelegenheiten war es nämlich meine erste Pflicht, nach der Sitte der
Araber, ihnen Erfrischungen und Kaffee anzubieten, und zwar sie zuerst
zu bedienen und dann erst das Präsentirbret den Weissen darzureichen.

Ich bemerkte hierbei, dass Shaw sehr ungehalten aussah, und als ich
mich nach der Ursache erkundigte, sagte man mir, ich habe ihn dadurch
sehr beleidigt, dass ich die Araber oder „Niggers“, wie er sie zu
nennen beliebte, eher als ihn, einen Weissen, habe bedienen lassen.
Der arme Shaw war unwissend wie ein Kind in Bezug auf die ihm in
jenem Lande, nach welchem sich jetzt seine Gedanken richteten, noch
bevorstehenden Widerwärtigkeiten. Was würde er nicht darum gegeben
haben zu wissen, dass noch ganz andere Beschwerden, als diese seiner
Farbe angethane Beleidigung, ihm auf dieser gefahrvollen Expedition
bevorständen. Er bewies es deutlich, dass der ungebildete Angelsachse
nicht geeignet ist zu reisen und mit andern Rassen in Verkehr zu treten.

Im Verlaufe der Zeit fand ich, dass es nothwendig war, Farquhar und
Shaw von einander zu trennen; denn der letztere hatte keine Spur von
Humor in seinem Wesen, aber eine sehr leicht verletzliche Eitelkeit und
einen himmelhoch fliegenden, grenzenlosen Ehrgeiz.

Ich glaubte, Farquhar würde für sich allein viel besser daran sein,
als mit Shaw zusammen, der ohne Zweifel eine für Farquhar’s Charakter
und Intelligenz höchst aufregende Manier hatte. Deshalb erwählte ich
ihn dazu, die dritte Karavane ins Innere zu führen, und nachdem ich
ihm dies angekündigt hatte, war der Friede sogleich zwischen den
widerspenstigen Gegnern hergestellt.

Unter den bei meiner Expedition beschäftigten Leuten befanden
sich zwei Hindus und zwei Goanesen. Diese hatten die Vorstellung
gewonnen, dass das Innere von Afrika ein Eldorado sei, dessen
Boden mit Elfenbeinzähnen bestreut wäre, und hatten sich, als ihre
Einbildungskraft so erhitzt war, zusammengethan, um auf eigene Hand
eine kleine Unternehmung zu organisiren. Ihre Namen waren Dschako,
Abdul Kader, Bunder Salaam und Aranselar. Dschako trat in meine Dienste
als Zimmermann und Gehülfe für alles, Abdul Kader als Schneider, Bunder
Salaam als Koch und Aranselar als Hauptmundschenk.

Aber Aranselar sah mit scharfem Blicke voraus, dass ich ihn wol stark
beschäftigen würde, und benutzte daher den grössten Theil der ihm
noch übrig bleibenden Zeit dazu, darüber nachzudenken, wie er sich
seiner Verpflichtung entziehen könne. Auf seine Bitte erhielt er
die Erlaubniss, nach Zanzibar zu gehen, um seine dortigen Freunde
zu besuchen. Zwei Tage später hörte ich, dass er sich das rechte
Auge ausgeschlagen hätte, und diese Thatsache sowie die Grösse der
Verletzung wurde mir vom Dr. Christie, dem Arzt Seiner Hoheit Seyyid
Barghasch, bestätigt. Seine Landsleute schienen mir etwas ähnliches im
Plane zu haben, aber ein gemessener Befehl, nach Vorausbezahlung ihres
Soldes keine solche Thorheit zu begehen, den ich an sie ergehen liess,
genügte, um etwa derartige böse Absichten zu hintertreiben.

Eines Abends ertappten wir einen Pferdejungen beim Diebstahl bei den
Ballen, und da war denn die Jagd nach ihm ins Land, bis er sich in den
Dschungels unsern Blicken entzog, eine der angenehmsten Zerstreuungen,
welche während unserer Vorbereitungen zum Marsche vorkamen.

Ich hatte jetzt vier Karavanen ins Innere abgesandt und die fünfte,
welche die Boote und Kasten, mein persönliches Gepäck und einige Zeug-
und Perlen-Ladungen befördern sollte, wollte ich selbst führen.

Nachstehend gebe ich eine Uebersicht über die Karavanen, wie sie der
Reihe nach abgingen.

6. Februar 1871. Ankunft der Expedition in Bagamoyo.

18. Februar. Die erste Karavane mit 22 Pagazis und 3 Soldaten reist ab.

21. Februar. Abgang der zweiten Karavane mit 28 Pagazis, 2 Hauptleuten
und 2 Soldaten.

25. Februar. Abgang der dritten Karavane mit 22 Pagazis, 10 Eseln,
einem Weissen, einem Koch und 3 Soldaten.

11. März. Abgang der vierten Karavane mit 55 Pagazis, 2 Anführern und 3
Soldaten.

21. März. Abgang der fünften Karavane mit 28 Pagazis, 12 Soldaten,
2 Weissen, einem Schneider, einem Koch, einem Dolmetscher, einem
Gewehrträger, 17 Eseln, 2 Pferden und einem Hunde.

Die Totalsumme der Seelen, welche sich in den Karavanen der Expedition
des „New York Herald“ befanden, betrug 192.




[Illustration: BOMBAY UND MABRUKI.]




VIERTES KAPITEL.

DURCH UKWERE, UKAMI UND UDOE NACH USEGUHHA.

  Ankunft im ersten Lager „Schamba Gonera“. -- Das Thal des Kingani.
  -- Eine Brücke wird über den Kingani geschlagen. -- Der Uebergang.
  -- Ich schiesse auf Flusspferde. -- Ankunft in Kikoka. -- Eine noch
  nie von einem Weissen bereiste Route. -- Rosako, Grenzdorf von
  Ukwere. -- Unverschämte Neugier der Wagogo. -- Mein Wachhund Omar. --
  Insekten. -- Die Tsetse-Fliege. -- Die Tschufwa-Fliege; Gefrässigkeit
  derselben. -- Anfang der Masika oder Regenzeit. -- Tod des arabischen
  Pferdes. -- Unterredung mit dem Häuptling von Kingaru. -- Tod des
  Braunen. -- Marsch nach Imbiki. -- Ankunft in Msuwa. -- Plagen des
  Dschungels. -- Eine Sklavenbande in Ketten. -- Kisemo. -- Die Schönen
  von Kisemo. -- Khamesi’s Desertion und Bestrafung. -- Uebergang
  über den Ungerengeri. -- Die Hauptstadt Useguhha Simbamwenni. --
  Die Sultanin. -- Stürmischer Streit mit Shaw. -- Afrikanisches
  Wechselfieber. -- Abgesandte der Sultanin.


Von Bagamoyo nach:

                         St. Min.
  Schamba Gonera          1  30
  Kikoka                  3  40
  Rosako                  5  --
  Kingaru                 6  --
  Imbiki                  4  30
  Msuwa                   4  30
  Kisemo                  4  30
  Mussoudi                4  20
  Mikeseh                 7  --
  Muhalleh                6  45
  Simbamwenni             3  --


Ehe ich mit diesem Kapitel fortfahre, muss ich mich kurz bei meinen
Lesern entschuldigen. Meine Wenigkeit steht voran in diesem Buche;
ich bin genöthigt sie so darzustellen, wie sie wirklich war, nicht
wie sie hätte sein sollen; wie sie sich betrug, nicht wie sie sich
hätte betragen sollen; wie sie reiste, nicht wie sie hätte reisen
sollen. Ich muss meines Gewissens halber alles genau berichten, wie
es sich ereignet hat, und nach bester Fähigkeit die Ereignisse und
Zufälligkeiten, wie sie bei der Expedition vorkamen, erzählen. Wie
also auch der die Bequemlichkeit liebende Stubenhocker die Verdienste
dieses Buches anschauen möge, so wird diesem doch gewiss grosses
Lob und grosser Dank von Reisenden abgestattet werden, welche mir
möglicherweise nach Ostafrika folgen, denn sie werden sofort sehen,
welche nützlichen Lehren meine Glücks- und Unglücksfälle ihnen geben.

Am 21. März, gerade 73 Tage nach meiner Ankunft in Zanzibar, verliess
die fünfte Karavane unter meiner Anführung und mit der Parole
„Vorwärts“ die Stadt Bagamoyo auf unserer ersten Reise nach Westen.
Als der Kirangozi die amerikanische Flagge aufrollte und sich an die
Spitze der Karavane stellte, und Pagazis, Thiere, Soldaten und müssige
Zuschauer sich in Reihen zum Marsche bereit gemacht hatten, sagten wir
dem dolce far niente des civilisirten Lebens, dem blauen Ocean, der
uns den Weg in die Heimat eröffnete, den hunderten von dunkelfarbigen
Zuschauern, die sich versammelt hatten, um unsere Abreise mit
wiederholten Musketensalven zu begrüssen, lebe wohl!

Unsere Karavane besteht aus 28 Pagazis mit Einschluss des Kirangozi
oder Führers; aus 12 Soldaten unter Hauptmann Mbarak Bombay, welche
17 Esel und ihre Lasten zu beaufsichtigen haben; aus meinem jungen
Dolmetscher Selim mit einem Esel und einem belasteten Karren; aus einem
Koch und seinem Stellvertreter, der gleichzeitig Schneider und Gehülfe
für alles ist und das graue Pferd führt; aus Shaw, dem ehemaligen
Steuermann, der jetzt in einen Führer des Nachtrabs und Aufseher über
die Karavane verwandelt ist und, mit einer nachenförmigen Kopfbedeckung
und Wasserstiefeln versehen, auf einem guten Reitesel sitzt, und
schliesslich aus mir selbst, auf einem herrlichen kastanienbraunen
Pferde reitend (dem Geschenk des Herrn Goodhue, eines seit lange in
Zanzibar lebenden Amerikaners), als „Bana Mkuba“, der „grosse Herr“,
wie ich von meinen Leuten genannt werde, als Leiter, Reporter, Denker
und Führer der Expedition.

Die verschiedenen Mitglieder der Karavane sind mir schon hinreichend
bekannt; sie sind der Gegenstand meines Nachdenkens und Wählens gewesen
und bisher habe ich keine Mängel an ihnen entdeckt, doch werde ich
mich, da es zu weitläufig wird, ihre Charaktere zu beschreiben, einfach
darauf beschränken, die Hauptpersonen nach ihrem Range hier aufzuzählen:

1. John W. Shaw, Nachhut und Aufseher. 2. Mbarak Bombay, Hauptmann der
Soldaten. 3. Uledi (Speke’s Diener), Sergeant. 4. Mabruki (Burton’s
Diener), Zeltwache. 5. Mabruki, der Kleine, Soldat. 6. Mabruk Salim,
Soldat. 7. Zaidi, Soldat. 8. Kamna, Soldat. 9. Sarmian, Soldat. 10.
Feradschi (ein Deserteur von Speke), Soldat. 11. Kingaru, Soldat. 12.
Ambari, Soldat. 13. Selim (der Jüngling aus Jerusalem), arabischer
Dolmetscher. 14. Bunder Salaam (aus Malabar), Koch. 15. Abdul Kader
(ebenfalls aus Malabar), Schneider und Gehülfe. 16. Hamadi (Wangwana),
Kirangozi. 17. Sarboko. 18. Dschafuneh. 19. Fardschalla. 20. Khamisi.
21. Asmani. 22. Tschamba. 23. Schubari. 24. Makoriga. 25. Khamis. Nr.
17-25 insgesammt Wangwana und mir als Pagazi dienend.

Es werden wol einige der Leute, welche hier aufgezählt sind, ganz
andere Gewohnheiten und einen andern Charakter auf ihrem Wege nach
Unyanyembé an den Tag legen, als ich mir vorstelle. Wir werden ihre
Eigenthümlichkeiten besser beurtheilen, wenn wir erst in Tabora
angekommen sind, wo eine allgemeine Musterung abgehalten und die
Berichte der vier Karavanen, die uns vorausgegangen sind, entgegen
genommen werden sollen. Im ganzen zählt die Expedition am Tage
der Abreise 3 Weisse, 23 Soldaten, 4 Ueberzählige, 4 Hauptleute
und 153 Pagazis, 27 Esel und 1 Karren, welche Zeuge, Perlen,
Draht, Bootgeräthschaften, Zelte, Kochgeräthe, Schüsseln, Medicin,
Pulver, Schrot, Musketen und Metallpatronen, Instrumente, kleine
Lebensbedürfnisse, wie z. B. Seife, Zucker, Thee, Kaffee, Liebig’schen
Fleischextract, Fleischconserven, Lichte u. s. w. transportiren, was
alles in allem 153 Lasten ausmacht. Die Waffen der Expedition bestehen
aus einem glatten, doppelläufigen Hinterlader, einer amerikanischen
Winchesterflinte (einem sogenannten „Sechzehnschiesser“), einer
gezogenen Henryflinte (auch Sechzehnschiesser), 2 Starr’schen
Hinterladern, einem Jocelyn’schen Hinterlader, einer Elefantenflinte
mit Kugeln, von denen 8 aufs Pfund gehen, 2 Revolvern mit Hinterladung,
24 Feuerschlossmusketen, 6 einläufigen Pistolen, einer Schlachtaxt, 2
Schwertern, 2 Dolchen (persische Kummers, die ich selbst in Schiras
gekauft habe), einem Sauspiess, 2 vierpfündigen amerikanischen Beilen,
24 Hacken und 24 Metzgermessern.

Die Expedition ist sorgfältig ausgerüstet, nichts ist gespart worden,
was sie brauchte, sondern für alles war gesorgt. Nichts war zu rasch
gemacht, doch war alles mit der grösstthunlichen Eile, welche Mittel
und Zweck gestatteten, gekauft, fabricirt und zusammengebracht. Wenn
dieselbe ihre Aufgabe, recht rasch nach Udschidschi und zurück zu
kommen, nicht löst, so muss das einem Zufall, der ausserhalb der Macht
des Willens liegt, zugeschrieben werden. So viel über das Personal und
den Zweck der Expedition, bis ihr Zielpunkt erreicht ist.

Wir verliessen Bagamoyo, von den Blicken vieler Neugierigen verfolgt,
mit vielem Eclat und zogen dann eine enge Gasse hinauf, welche durch
das dichte Laub zweier parallel laufenden Hecken von Mimosen fast
in ein Dämmerlicht gehüllt war. Wir waren alle guten Muthes, die
Soldaten sangen, der Kirangozi erhob seine Stimme in einem lauten,
brüllenden Tone und liess die amerikanische Flagge flattern, welche
allen Zuschauern sagte: „siehe da die Karavane eines Musungu!“ und
mein Herz schien mir rascher zu schlagen, als es sich für das ernste
Gesicht eines Führers passte, aber ich konnte es nicht zurückhalten,
der Enthusiasmus der Jugend haftete mir noch an trotz meiner Reisen.
Meine Pulse schlugen in voller Jugendkraft. Hinter mir lagen die
Sorgen, welche mich mehr als zwei Monate gequält hatten. Ich hatte mein
letztes Wort zu dem unehrlichen Sohn Hindostans, Sur Hadschi Pallu,
gesprochen, hatte den letzten Blick auf die lärmende Masse von Arabern,
Banyanen und Belutschen geworfen, den Jesuiten der französischen
Missionsgesellschaft Lebewohl gesagt, und vor mir glänzte die Sonne der
Verheissung auf ihrem Wege gen Westen. Um mich war alles lieblich; ich
sah fruchtbare Felder, eine lachende Vegetation, merkwürdige Bäume; ich
hörte das Zirpen der Heimchen, das Geschrei des Kibitz und das Summen
vieler Insekten, welche mir alle zu sagen schienen: endlich bist Du auf
dem Wege! Was konnte ich thun, als das Gesicht gegen den wolkenlosen
Himmel erheben und rufen: „Gott sei Dank!“

Das erste Lager, Schamba Gonera, ungefähr 3¼ englische Meilen entfernt,
erreichten wir in 1 Stunde 30 Minuten. Diese erste oder „kleine Reise“
lief verhältnissmässig sehr gut ab. Der Knabe Selim warf nicht mehr
als dreimal mit dem Wagen um. Der Soldat Zaidi liess seinen Esel, der
einen von meinen Kleiderkoffern und einen Munitionskasten trug, in
einen Pfuhl schmutzigen Wassers fallen. Die Kleider mussten wieder
gewaschen werden; der Munitionskasten war, Dank meiner Vorsicht,
wasserdicht. Kamna war vielleicht mit der Kunst des Eseltreibens
vertraut, hatte aber in seiner Freude über unsere Abreise bei seinen
Liedern u. s. w. die Schwierigkeiten vergessen, mit denen ein Thier
von reinem Eselsgeschlecht seiner Natur nach zu kämpfen hat, wie
z. B. die Unkenntniss des richtigen Weges und die Unfähigkeit, der
Versuchung zu widerstehen, Abstecher in die Tiefen eines Maniokfeldes
zu machen; und der Esel, welchem die unter den Eseltreibern herrschende
Sitte, einem Thiere einen Stock vor der Nase herumzuschwenken, nicht
bekannt war und der die Richtung, die er einzuschlagen hatte, falsch
auffasste, lief im vollsten Galop einen entgegengesetzten Weg hinauf,
bis seine Ladung das Gleichgewicht verlor und er gezwungen war, zu
Boden zu stürzen. Aber diese Zufälle waren nebensächlich, unbedeutend
und gehörten zu einer ersten „kleinen Reise“ in Ostafrika. Hierbei
kamen die Charaktere der Soldaten ein klein wenig zum Vorschein.
Bombay erwies sich als ehrlich und vertrauenswürdig, aber etwas zur
Saumseligkeit geneigt; Uledi schwatzte mehr als er arbeitete, während
der fortgelaufene Feradschi und Mabruki Burton mit seiner unbrauchbaren
Hand sich als treue und tüchtige Männer erwiesen, welche Lasten trugen,
deren blosser Anblick die starkgliederigen Hamals von Stambul zum
Seufzen gebracht haben würde.

Die Sattel waren ausgezeichnet und übertrafen alle Erwartungen. Das
starke Hanfsegeltuch trug seine 150 Pfund, als ob es Leder gewesen
wäre, und das Auf- und Abladen des verschiedenen Gepäcks wurde mit
systematischer Eile betrieben. Kurz, es gab nichts zu bedauern; der
Erfolg der Reise bewies, dass dieselbe nicht zu früh unternommen worden
war.

Die folgenden drei Tage wurden dazu verwendet, die Vorbereitungen für
die lange Landreise ganz zu vollenden und unsere Vorsichtsmassregeln
gegen die Masika, die jetzt bedenklich nahe war, zu treffen, sowie
unsere Rechnungen zu bezahlen. Die Soldaten und Pagazis benutzten noch
die Zwischenzeit, um ihre Freundinnen zu besuchen, aber ich lasse mich
auf die Chronique scandaleuse nicht ein.

Schamba Gonera bedeutet Gonera’s Feld. Gonera ist eine wohlhabende
indische Witwe, die gegen die Weissen freundlich gesinnt ist. Sie
exportirt viel Tuch, Perlen und Draht ins ferne Innere und importirt
dafür wieder Elfenbein. Ihr Haus ist nach dem Muster der Stadthäuser
gebaut und hat ein langes, schräg vorspringendes Dach, welches
kühlen Schatten gibt, in dem sich die Pagazis gern aufhalten. Auf
der südlichen und östlichen Seite desselben ziehen sich die bebauten
Felder hin, welche Bagamoyo mit dem Hauptstapelartikel Ostafrikas,
dem Matamakorn, versehen. Zur Linken wächst Mais und Muhogo, eine
yamsartige Wurzel von weisser Farbe, die einige Maniok nennen.
Wenn sie trocken ist, so macht man daraus Kuchen, die unsern
Soldatenpfannkuchen ähnlich sind. Nach Norden zu windet sich gerade
hinter dem Hause eine schwarze Sumpflache, eine buchtige Vertiefung,
welche an ihren tiefsten Stellen stets Wasser enthält, die schlammige
Heimat des Farrnkräuter und Binsen liebenden Kiboko oder Flusspferdes.
Seine Ufer, die mit Zwergfächerpalmen, mit hohen Wasserbinsen, Akazien
und Tigergras bedeckt sind, gewähren den zahlreichen Wasservögeln,
Pelikanen u. dgl. Schutz. Dies Gewässer verfolgt erst eine nordöstliche
Richtung und fliesst dann mit dem Kingani zusammen, welcher in einer
Entfernung von 4 Meilen von Gonera’s Landhaus sich ostwärts dem Meere
zuwendet. Nach Westen zu erstreckt sich eine Meile weit bebautes Land,
worauf die alten, mit Waldgras und Sumpfrohr dicht bewachsenen Seeufer
folgen, welche sich in länglichen, parallelen, bald abfallenden, bald
zurückweichenden Wellenlinien dahinziehen. Auf dem Rückgrate dieser
Landanschwellungen gedeiht der Ebenholz-, Calabassen- und Mangobaum.

„Sofari -- sofari leo! -- Pakia, pakia!“ (Eine Reise -- eine Reise
heute! -- Macht euch auf den Weg -- macht euch auf den Weg!) -- ertönte
am Morgen des vierten Tages, der in allem Ernst für die Abreise
bestimmt war, die muntere Stimme des Kirangozi, welche ihren Widerhall
fand in der meines arabischen Knaben Selim, des Tambourmajors, Dieners
und Factotums. Als ich meine Leute zu ihrer Arbeit antrieb und kräftig
mit half, die Zelte abzubrechen, beschloss ich in meinem Geiste, dass,
wenn meine vorangeeilten Karavanen mir reinen Weg gemacht hätten, ehe
drei Monate vergangen wären, Unyanyembé unser Ruheort sein solle. Um
6 Uhr morgens war unser zeitiges Frühstück abgemacht und die Esel und
Pagazis zogen vom Lager Gonera ab. Selbst in dieser frühen Stunde
hatte sich auf dem Lande eine ganze Menge neugieriger Eingeborener
versammelt, denen wir das Abschieds-„Quahary“ herzlich zuriefen. Mein
kastanienbraunes Pferd erwies sich mir als unschätzbar für den Dienst
des Quartiermeisters eines Transportzuges; denn mit einem solchen
musste ich mich vergleichen. Ich konnte zurückbleiben, bis der letzte
Esel das Lager verlassen hatte, um nach einem Galop von wenigen Minuten
mich wieder an die Front zu begeben und Shaw den Nachtrab zu überlassen.

Der Weg war ein blosser Fusspfad und führte über einen Boden, der,
obgleich sandig, von merkwürdiger Fruchtbarkeit war und Korn und andere
Pflanzen, die in ganz ungeschickter Weise gesäet und gepflanzt worden,
hundertfältig hervorbrachte. Auf ihren Feldern bei nachlässiger Arbeit
befanden sich Männer und Frauen in den allerspärlichsten Costümen, im
Vergleich zu denen Adam und Eva in ihrer Feigenblatt-Bekleidung in
vollem Staat gewesen sein müssen. Auch waren sie durchaus nicht darüber
beschämt, dass Leute, die an kleiderlose lebendige Körper nicht gewöhnt
waren, sie mit den Blicken verschlangen, und schienen es nicht zu
begreifen, warum unmässige Neugierde durch mehr als blosses Interesse
erwidert werden sollte. Sie verliessen ihre Arbeit, als die Wasungu
sich näherten, -- was für unnatürliche Wesen in Sonnenhüten, weissen
Flanell-Jacken und Pferdestiefeln waren das! Wären die Wasungu begierig
gewesen, die Umrisse der Anatomie und Physiologie zu studiren, welch
reiches Feld des Studiums hätte sich ihnen hier geboten! Wir zogen an
ihnen mit ernsten Gesichtern vorbei, während sie lachten und kicherten
und mit ihren Zeigefingern auf dies und das hinwiesen, was ihnen
sonderbar und komisch vorkam.

In etwa einer halben Stunde hatten wir das hohe Matama und die Felder
von Wassermelonen, Gurken und Maniok hinter uns gelassen und befanden
uns, nachdem wir ein Binsenmoor überschritten hatten, in einem offenen
Walde von Ebenholz- und Calabassenbäumen. In seinen Tiefen befinden
sich Hirsche in grosser Zahl und zur Nachtzeit wird er seines Grases
wegen von den Flusspferden des Kingani besucht. Eine Stunde später
waren wir aus den Wäldern herausgetreten und blickten über das breite
Thal des Kingani, wo sich eine Scenerie, so unendlich verschieden von
den Gebilden meiner dummen Phantasie, eröffnete, dass ich durch die
angenehme Enttäuschung ganz ergötzt wurde. Hier streckte sich ein Thal
vier Meilen nach Osten und Westen und ungefähr acht Meilen nach Norden
und Süden aus, welches mit seinem reichen Boden dem blossen wilden
Graswuchs überlassen war, was in der civilisirten Welt eine für die
Viehzucht sehr werthvolle Wiese abgegeben hätte; umgeben war dasselbe
von einem dichten Walde, der den Horizont nach allen Himmelsrichtungen
hin verdunkelte, und eingehüllt von baumbewachsenen Berggipfeln.

Als sich unsere Karavane hören liess, sprangen die rothen Antilopen
nach rechts und links und die Frösche hörten auf mit ihrem Quaken.
Die Sonne schien heiss, und während wir durch das Thal schritten,
spürten wir etwas von ihrer wirklich afrikanischen Glut. Ungefähr auf
dem halben Wege durch das Thal kamen wir an eine Pfütze stehenden
Wassers, die gerade auf der Strasse, welche die Karavane zog, einen
sumpfigen Teich gebildet hatte. Die Pagazis gingen über eine rasch
gebaute Brücke, die vor langer Zeit von einigen menschenfreundlichen
Waschensi gezimmert worden war. Es war ein merkwürdiges Ding; rohe
Baumäste ruhten auf sehr unsichern gabelförmigen Pfählen und es hatte
offenbar schon früher die Geduld manches beladenen Mnyamwezi auf
die Probe gestellt, wie jetzt die der Lastträger unserer Karavane.
Unsere schwächern Thiere wurden abgeladen, da die Erfahrungen an der
Schmutzlache zwischen Bagamoyo und Gonera uns diese Vorsichtsmassregel
gelehrt hatten; aber dies verursachte keinen langen Aufenthalt, die
Leute arbeiteten tüchtig unter Shaw’s Oberaufsicht.

Alsbald erreichten wir den trüben Kingani, der wegen seiner Flusspferde
berühmt ist, und gingen durch das Schilfmoor längs seines rechten
Ufers, bis uns durch einen engen Graben, der einen unmessbar tiefen
schwarzen Schlamm enthielt, geradezu Halt geboten wurde. Die
Schwierigkeit, die uns dieser darbot, war sehr gross, obgleich er kaum
8 Fuss breit war. Man konnte nämlich die Esel und vor allen Dingen die
Pferde nicht dazu bringen, die beiden Stangen zu überschreiten, wie es
unsere zweibeinigen Lastträger thaten. Auch konnte man sie nicht in den
Graben treiben, weil sie dort rasch untergegangen wären. Die einzige
Möglichkeit, ihn mit Sicherheit zu überschreiten, war durch eine
Brücke, welche in diesem conservativen Lande Generationen lang als das
Werk der Wasungu bestehen würde. So begaben wir uns denn an die Arbeit,
da wir es nicht vermeiden konnten, und bauten mit den amerikanischen
Aexten, welche unzweifelhaft die ersten waren, deren Streiche in diesem
Theile der Welt gehört wurden, eine Brücke. Man kann sich darauf
verlassen, dass sie rasch gemacht wurde, denn wo der civilisirte Weisse
sich einfindet, muss jede Schwierigkeit weichen. Die Brücke bestand aus
6 starken Bäumen, die über den Graben geworfen wurden. Kreuzweis über
diese wurden 15 Packsättel gelegt, welche wiederum mit einer dicken
Grasschicht bedeckt wurden. Alle Thiere gingen sicher hinüber, und
sodann begann zum dritten mal an diesem Morgen das Weiterwaten.

Der Kingani fliesst hier nach Norden, und unser Weg lag an dem rechten
Ufer entlang. Nachdem wir eine halbe Meile in der Richtung durch ein
Dickicht von ungeheuern Binsen und üppigen Schlingpflanzen gegangen
waren, kamen wir an eine Fähre, wo die Thiere wieder einmal abgeladen
werden mussten; und wahrhaftig, als ich die tiefen, schlammigen Wasser
des Flusses sah, wünschte ich mir Mosis Zauberstab, oder was ebenso gut
gewesen wäre, Aladdin’s Ring, denn dann hätten wir uns ohne weitere
Mühe auf dem andern Ufer befunden; aber da ich keine dieser Gaben
besass, so ertheilte ich den Befehl, sofort hinüberzugehen, denn es war
ein übles Ding, sich angesichts dieser sehr irdischen Aussicht nach
überirdischen Mitteln zu sehnen.

Kingwere, der Nachenruderer, der uns von seinem Dickicht-Versteck auf
der andern Seite erblickte, beantwortete höflich unsere Hallohs und
brachte seinen grossen ausgehöhlten Baum geschickt über die Wirbel des
Stromes an den Ort, wo wir auf ihn warteten. Während ein Theil unserer
Gesellschaft den Nachen mit unsern Gütern belud, machten andere ein
langes Seil zurecht, welches den Thieren um den Hals befestigt wurde,
um sie durch den Fluss aufs andere Ufer hinüberzuziehen. Nachdem ich
zugesehen hatte, dass die Arbeit ordentlich angefangen wurde, setzte
ich mich in einen ausrangirten Nachen, um mich damit zu unterhalten,
die dicken Schädel der Flusspferde mit meiner glatten Flinte No.
12 zu bearbeiten. Das gezogene Winchester-Gewehr vom Kaliber 44,
das mir Herr Edward Joy Morris, unser Gesandter in Constantinopel
geschenkt hatte, berührte sie nur leise und that ihnen ungefähr so viel
Schaden, wie die Schleuder eines Knaben, aber in Bezug auf Präcision
war es vollkommen, denn zehnmal der Reihe nach traf ich die Scheitel
der Thiere zwischen den Ohren. Ein altes Thier, das sehr altklug
ausschaute, wurde sogar von einer dieser Kugeln dicht am rechten Ohr
leicht getroffen, anstatt jedoch wie die andern, unterzutauchen, drehte
es ruhig den Kopf auf die andere Seite, als ob es fragen wollte, warum
verschwendet Ihr diese werthvollen Patronen auf uns? -- Die Antwort
auf diese stumme Frage „seiner Weisheit“ bestand in einer Kugel von
⁵⁄₄ Unzen Gewicht aus dem glattläufigen Gewehr, welche hochdieselbe
vor Schmerz aufbrüllen liess; nach einigen Augenblicken erhob sich
das Thier wieder und wälzte sich in seinen Todesqualen. Da sein
Gestöhn so jammervoll war, enthielt ich mich alles weitern unnützen
Blutvergiessens und liess die Amphibienhorden in Ruhe.

Selbst während der kurzen Zeit unsers Aufenthalts an der Fähre
gewannen wir einige Kenntnisse über diese ungeschlachten Bewohner
der afrikanischen Gewässer. Wenn sie nicht durch fremde Laute
gestört werden, so versammeln sie sich in dem seichten Wasser auf
den Sandbänken und setzen den Vordertheil ihres Körpers dem warmen
Sonnenschein aus, wobei sie, wenn sie schläfrig ruhen, einer Heerde
grosser Schweine sehr ähnlich sehen. Wenn sie durch den Lärm eines
Eindringlings aufgeschreckt werden, so werfen sie sich rasch in die
Tiefe, peitschen das Wasser zu einem gelben Schaum und zerstreuen sich
unter der Oberfläche desselben; alsbald lassen sich die Köpfe einiger
wieder sehen und spritzen das Wasser aus den Nasenlöchern heraus, um
Athem zu schöpfen und vorsichtig um sich zu blicken. In dieser Lage
sieht man nur ihre Ohren, Stirn, Augen und Nasenlöcher, und da sie
rasch wieder untertauchen, so gehört eine feste Hand und ein rascher
Griff dazu, um sie zu schiessen. Ich habe verschiedene Vergleiche in
Bezug auf ihr Aussehen, wenn sie in dieser Weise schwimmen, anstellen
hören. Einige Araber sagten mir, sie sähen wie todte Bäume aus, die
den Fluss hinabschwimmen; andere, welche irgendwo Schweine gesehen
hatten, glaubten, sie ähnelten solchen, aber meiner Ansicht nach sehen
sie mehr wie schwimmende Pferde aus. Ihre grossen Nacken und spitzen
Ohren, weiten Augen und geöffneten Nasenlöcher sprechen mehr für diesen
Vergleich.

Nachts suchen sie das Lager auf und wandern mehrere Meilen weit ins
Land hinein, indem sie sich an den üppigen Gräsern desselben weiden.
Bis vier Meilen von der Stadt Bagamoyo -- der Kingani ist acht Meilen
von derselben entfernt -- sieht man ihre breite Fährte. Oft, wenn
sie nicht durch Menschenstimmen erschreckt werden, machen sie einen
Angriff auf die üppigen Kornhalme der eingeborenen Landbauer, und ein
Dutzend der Thiere genügt, um auf einem grossen Felde eine ungeheuere
Verwüstung anzurichten. Daher waren wir nicht erstaunt, als wir bei
unserm Aufenthalt an der Fähre von den Besitzern der Kornfelder laute
Hallohrufe hörten, wie es die rothwangigen Pächterjungen Englands thun,
wenn sie die Krähen vom jungen Weizen verscheuchen.

Die Karavane war mittlerweile mit ihren Ballen, Gepäckstücken, Eseln
und Leuten glücklich hinübergegangen. Ich hatte daran gedacht, am Ufer
zu campiren, um mich mit der Antilopenjagd zu amüsiren, mir das Fleisch
derselben zu verschaffen und dadurch meine Ziegen zu schonen, von denen
ich eine Anzahl lebendig mit mir führte; aber dank dem Schrecken und
der Furcht, welche meine Leute vor den Flusspferden empfanden, musste
ich bis an die Vorposten der Belutschgarnison von Bagamoyo, die sich in
einem kleinen, vier Meilen vom Fluss entfernt liegenden Dorfe namens
Kikoko befand, weiter eilen.

Das westliche Ufer des Flusses war bedeutend besser als das östliche.
Die Ebene erhob sich eine Meile lang allmählich, wie der Strand eines
Badeortes, bis sie in einem sanften, abgerundeten Bergrücken gipfelte,
und bot nicht die Schwierigkeiten dar, welche uns auf der andern Seite
belästigt hatten. Dort gab es keine jener ungeheuern Schmutzmassen
und schwarzen Kothlachen mit den überhohen Gräsern. Es fehlten die
miasmenreichen Dschungels mit ihren schädlichen Ausdünstungen. Die
Landschaft war gerade so, wie man sie vor einem englischen Herrenhause
findet, eine schöne ausgedehnte, mit Rasen belegte Ebene, auf der genug
Gebüsch vorhanden ist, um eine angenehme Abwechselung hineinzubringen.
Die Strasse führte, nachdem sie über eine offene Fläche gegangen, durch
einen Hain junger Ebenholzbäume, wo Perlhühner und ein Hartebeest
sichtbar wurden; dann wandte sie sich mit den charakteristischen
grossen Krümmungen eines Ziegenpfades eine Reihe von Landwellen hinauf
und hinab, umsäumt von dem dunkelgrünen Laub des Mango- und den
spärlichern und heller gefärbten Blättern des grossen Calabassenbaumes.
Die Thalsenkungen waren mit hohen mehr oder weniger dichten Dschungels
gefüllt und hier und da öffnete sich eine Lichtung, die selbst zur
Mittagszeit von dünnen Gängen hoher Bäume beschattet wurde. Bei unserer
Annäherung flohen Heerden grüner Tauben, Dohlen, Ibisse, Turteltauben,
Goldfasanen, Wachteln und Moorhennen, Krähen und Habichten in Schrecken
davon, während hin und wieder ein einsamer Pelikan sich flügelschlagend
entfernte.

Auch hatte dieser belebte Anblick seine Antilopenpaare und Affen,
welche wie australische Känguruhs dahinhuschten; diese waren hier von
bedeutender Grösse, mit kugelrunden Köpfen, weissen Brüsten und langen
am Ende buschigen Schweifen.

Wir kamen in Kikoka um 5 Uhr nachmittags an, nachdem wir unsere
Packthiere viermal auf- und abgeladen, eine tiefe Pfütze, eine
Schlammquelle und einen Fluss passirt und elf Meilen zurückgelegt
hatten.

Die Ansiedlung von Kikoka besteht aus einer Anzahl Strohhütten, die
nach keinem architektonischen Stil, sondern in einer Mischform gebaut
sind, die von trägen Ansiedlern aus der Mrima und Zanzibar erfunden
worden, um soviel Sonnenschein wie möglich von dem durch vorspringende
Dächer beschatteten Aeussern und dem Innern des Hauses abzuhalten. Eine
Quelle und einige Brunnen versehen sie mit Wasser, das, obgleich süss,
nicht besonders gesund oder appetitlich ist, da grosse Mengen verwester
Stoffe durch den Regen hineingewaschen werden, dort liegen bleiben und
sich dann weiter zersetzen. Man hat einen schwachen Versuch gemacht,
die Gegend zu lichten, um Platz für den Ackerbau zu gewinnen, aber
anstatt sich der schwierigen Aufgabe des Abholzens der Dschungels zu
unterziehen, benutzen die Ansiedler lieber offene Waldplätze, von denen
sie nur das Gras beseitigen, sodass sie blos den Boden zwei bis drei
Zoll tief aufzuhacken brauchen, um den Samen hineinzuwerfen und mit
Bestimmtheit auf Ertrag rechnen können.

Ich muss hier bemerken, dass die Route, die ich eingeschlagen, noch nie
von einem Weissen früher betreten worden ist. Wenn sich meine Leser
auch die Mühe geben wollen, die Route festzustellen, die Burton und
Speke und später Speke und Grant eingeschlagen haben, so wird sich
herausstellen, dass ein grosser Unterschied zwischen mir und meinen
Vorgängern vorliegt. Auf der Karte von Burton ist das Land im Umfange
von fünf Längengraden im Westen von Bagamoyo ganz ohne Städte, Dörfer
und Ansiedlungen. Durch meine Reisen ist dieser Mangel ausgefüllt
und so wird allmählich das grosse Herz Afrikas besser bekannt. Auch
beanspruche ich, dass was auf dieser den Weissen bisher unbekannten,
von ihnen nicht erforschten Route entdeckt worden ist, so wenig es
auch sein mag, als meine Entdeckung angesehen werden möge. Ich bringe
diese Bitte deshalb hier an, weil ein gewisser, viel gereister Herr in
Zanzibar, der seit einigen Jahren dort wohnt, es versucht hat, mich
davon abzubringen, diesen Weg einzuschlagen, indem er sagte, dass
eine solche Reise völlig ohne Interesse sein würde, da das ganze Land
genau bekannt sei. Hierbei leiteten ihn die hochherzigsten Motive, da
er wünschte, dass ich den Rufidschifluss hinaufginge, damit dieser
den Geographen bekannt werde. Von Herzen gern hätte ich dies gethan,
aber die Umstände verboten es mir, dies zu versuchen. Ich hatte eine
bestimmte Aufgabe zu lösen, war kein Entdeckungsreisender, sondern
bemühte mich, meine Pflicht in der raschesten und kürzesten Weise
zu erfüllen. Wenn diese rascheste und kürzeste Weise mich einen
wohlbekannten Weg führte, den schon drei Herren vor mir bereist hatten,
von denen ein jeder das veröffentlicht hat, was er davon kennen
gelernt, so ist das nicht meine Schuld; da es sich aber herausgestellt
hat, dass ich auf diese Weise auf einen unbereisten Weg, durch ein
bisher unbekanntes Land kam, so ist das um so glücklicher für mich.
Ich habe die Rufidschiroute als mit meinen Mitteln völlig unausführbar
ausgeschlossen, und es vorgezogen, den Weg durch Ukwere, Ukami, Udoe,
Useguhha, Usagara und Nord-Ugogo zu wählen. Der Erfolg und die Dauer
meines Marsches beweisen, dass ich nicht besser hätte verfahren können,
da dies der directe Weg nach Westen ist.

Am nächsten Tag machten wir in Kikoka Halt, da die vierte Karavane,
welche blos aus Wanyamwezi bestand, sich als ein grosses Hinderniss für
ein schnelleres Fortkommen erwies. Maganga, ihr Führer, versuchte es
auf verschiedene Weise, mir mehr Tuch und Geschenke abzupressen, obwol
er schon mehr als die drei andern Führer zusammen gekostet hatte; aber
seine Anstrengungen fruchteten weiter nichts, als dass ich ihm einen
Lohn versprach, wenn er so rasch wie möglich nach Unyanyembé käme,
damit ich ungehindert weiter könne.

Am 27. bald nach 7 Uhr morgens brachen wir unser Lager ab, nachdem
die Wanyamwezi fort waren. Das Land hatte denselben Charakter wie das
zwischen dem Kingani und Kikoka; es war anziehendes, in allen seinen
Gebilden schönes Parkland.

Ich ritt voran, um uns Fleisch zu verschaffen, wenn sich eine
Gelegenheit dazu bieten sollte, fand aber keine Spur von Dickicht oder
Wild. Gerade vor uns, im Westen, dehnten sich die Landwellen, die sich
bald hoben, bald senkten und wie die vielfach vergrösserten Furchen
eines Feldes parallel verliefen. Jeder Bergrücken hatte einen mit
Buschwerk bewachsenen Punkt oder einen dünnen Strich dicht belaubter
Bäume, bis wir ganz in die Nähe von Rosako, unserm nächsten Halteplatz,
kamen, wo sich das eintönig wellige Land veränderte und in einzelne
Hügel, die mit dichten Gebüschen bewachsen waren, verwandelte. Auf
einem derselben liegt, in undurchdringliches Dunkel dorniger Akazien
eingehüllt, Rosako, das von dieser natürlichen Befestigung umgürtet
wird und an ein anderes nach Norden gelegenes Dorf stösst, das in
ähnlicher Weise geschützt ist. Zwischen beiden senkt sich ein äusserst
fruchtbares und an Producten reiches Thal, das von einem kleinen
Bach durchschnitten wird, welcher das Wasser von demselben und den
darumliegenden niedrigen Hügeln ableitet.

Rosako ist das Grenzdorf von Ukwere, während Kikoka im äussersten
Nordwesten von Uzaramo liegt. Wir zogen in dies Dorf und besetzten
den mittlern Theil desselben mit unsern Zelten und Thieren. Der
Dorfhäuptling brachte mir eine Kitanda oder eine viereckige, leichte
Bettstelle, ohne Behänge, Fransen oder sonstige überflüssige Zierathen,
die aber trotzdem ebenso bequem ist, als wenn sie mit dergleichen
versehen wäre, für meinen Gebrauch ins Zelt. Die Thiere wurden
unmittelbar, nachdem sie entlastet waren, auf die Weide getrieben und
die Soldaten machten sich Mann für Mann an die Arbeit, die Bagage
zusammenzupacken, damit der während der Masikazeit stets drohende Regen
keinen unersetzlichen Schaden anrichte.

Unter andern Versuchen, die ich in Afrika anzustellen gedachte, hatte
ich mir auch vorgenommen, die Wirkungen eines guten Wachhundes auf
unmanierliche Menschen zu beobachten, welche durchaus darauf bestanden,
zu ungehöriger Zeit in mein Zelt zu kommen und so meine Werthsachen
in Gefahr brachten. Besonders wünschte ich die Wirkung seines Bellens
auf die starken Wagogo zu beobachten, welche, wie mir einige Araber
erzählten, die Thüren der Zelte auszuheben und, ob man das nun wünschte
oder nicht, hineinzutreten pflegen, die über die Furcht, welche sie
einflössen, lachen und dann wol sagen: „Hihi, Weisser, ich habe
niemals ein Dir ähnliches Wesen früher gesehen. Gibt es noch viele
Deinesgleichen? Woher kommst Du?“ Ebenso nehmen sie wol die Uhr weg
und fragen mit munterer Neugierde: „Wozu ist das, Weisser?“ worauf man
ihnen natürlich erwidert, dass es die Stunden und Minuten angäbe. Aber
der auf seine Tapferkeit stolze Mgogo, welcher noch unmanierlicher
als ein wildes Thier ist, antwortet dann wol mit einem beleidigenden
Schnaufen: „O Du Narr!“ oder „Du bist ein verdammter Lügner!“ -- Ich
hatte also an einen Wachhund gedacht und mir auch in Bombay einen guten
angeschafft, nicht nur zum treuen Begleiter, sondern auch um mir
solche Leutchen vom Halse zu halten.

Aber bald nach unserer Ankunft in Rosako stellte es sich heraus, dass
der Hund, der wegen seines türkischen Ursprungs Omar hiess, fehlte; er
hatte sich während eines Regensturmes von den Soldaten entfernt und war
verloren gegangen. Ich schickte also Mabruki-Burton nach Kikoka zurück,
um ihn aufzusuchen. Am folgenden Morgen, als wir gerade im Begriff
standen, Rosako zu verlassen, kam der treue Bursche mit dem Hunde
zurück, den er in Kikoka gefunden hatte.

Vor unserer Abreise am folgenden Morgen brachte mir Maganga, der
Führer der vierten Karavane, die traurige Nachricht, dass drei
seiner Pagazis krank wären und er bat mich deshalb um etwas „Dowa“
(Medicin). Obgleich ich kein Arzt bin und in keinerlei Beziehung zu
dieser Kunst stehe, hatte ich einen gut gefüllten Medicinkasten, ohne
den kein Reisender in Afrika leben kann, gerade für einen derartigen
Unfall bei mir. Ich besuchte also Maganga’s Kranke und fand, dass
einer eine Lungenentzündung, ein anderer das Mukunguru (afrikanische
Wechselfieber) und der dritte ein venerisches Leiden hatte. Sie dachten
alle, dass sie sterben müssten und schrien laut: „Mama, Mama!“ obwol
sie alle erwachsene Männer waren. Offenbar konnte die vierte Karavane
an dem Tage nicht weiterziehen. Ich befahl also dem Maganga, mir sobald
wie möglich nachzueilen und setzte meine eigene Marschroute fort.

Ausser in der Nachbarschaft der Dörfer, durch welche wir bisher
gekommen, waren nirgends Spuren von Cultur. Das zwischen den
verschiedenen Stationen sich ausdehnende Land ist eine Wildniss wie
die Wüste Sahara, obgleich es ein viel angenehmeres Aussehen hat. In
der That, hätte der erste Mensch zur Zeit der Schöpfung auf seine Welt
geblickt und in ihr die Schönheit gefunden, welche diesem Theil Afrikas
eigen ist, so hätte er sich nicht zu beklagen gehabt. Er würde in den
tiefen Dickichten, die wie Inseln in einem Meere grünen Grases liegen,
Schutz vor der Mittagsonne und einen sichern Zufluchtsort für sich und
die Gattin während der schrecklichen Dunkelheit gefunden haben. Am
Morgen hätte er auf dem sanft abfallenden Rasen spazieren gehen, sich
seiner Frische freuen und seine Waschungen in einem der vielen kleinen
Flüsse, die ihm zu Füssen fliessen, vornehmen können. Er bedarf ja nur
eines Obstgartens. Schöne, tiefe, kühle Wälder umgeben ihn und in ihrem
Schatten spazieren so viele Thiere, als man nur wünschen kann. Tagelang
kann man hier nach jeder der vier Himmelsrichtungen gehen und wird
stets dieselbe Scene erblicken.

So sehr ich auch wünschte, nach Unyanyembé weiterzueilen, so wurde
ich doch durch eine Herzensangst um die Ankunft meiner von der
vierten Karavane transportirten Güter zurückgehalten, welche, ehe
meine Karavane neun Meilen marschirt war, den höchsten Grad erreicht
hatte und mich veranlasste, dort ein Lager aufzuschlagen. Der von mir
erwählte Platz lag in der Nähe eines sich lang hinziehenden Quells,
der während der Regenzeit viel Wasser hat, da er den Abfluss für
zwei ausgedehnte Bergabhänge bildet. Kaum hatten wir unser Lager
aufgeschlagen, eine Boma von dornigen Akazien und andern Baumzweigen
gebaut und umpfählt, sodann unsere Thiere auf die Weide getrieben, als
wir eine ungeheuere Zahl der verschiedenartigsten Insekten bemerkten,
welche eine Zeit lang für uns zu einer neuen Quelle von Besorgnissen
wurden, bis sie durch eine genaue Untersuchung der verschiedenen Arten
zerstreut wurden.

Da die Jagd, welche ich nach mehreren Insektenarten anstellte, höchst
interessant war, so füge ich meinen Bericht darüber hier an, von
welchem Werthe er auch sein möge.

Meine Absicht beim Einfangen dieser Arten bestand darin, festzustellen,
ob sich das Genus Glossina morsitans der Naturforscher oder die
Tsetse (bisweilen Setse genannt) Livingstone’s, Vardon’s, Cumming’s
und Kirk’s, die den Pferden tödlich sein soll, darunter befände. Ich
wünschte mir meine beiden Pferde womöglich zu erhalten; aber Dr.
Kirk hatte mit der doctrinären Begeisterung eines Mannes, der ein
Steckenpferd reitet, den Tod meiner Pferde infolge der Tsetsefliege
bestimmt vorausgesagt, von der er behauptete, dass sie in grosser Zahl
im Lande von Bagamoyo vorhanden sei. Bis zu diesem Tage war ich fast
zwei Monate in Ostafrika gereist und hatte noch keine Tsetse gesehen,
und meine Pferde hatten, anstatt abgezehrt zu sein -- denn das ist
eins der Symptome des Tsetsebisses -- bedeutend zugenommen. Drei
verschiedene Arten Fliegen suchten Schutz in meinem Zelt und bildeten
zusammen einen beständigen Chor von Tönen, wobei die eine den tiefen
Bass, die andere den Tenor und die dritte einen schwachen Contra-Alt
zum besten gab. Der erste derselben rührte von einer gefrässigen und
wilden Fliege her, die einen Zoll lang war und einen Leib hatte, der im
Stande war, eine erstaunliche Masse Blut aufzunehmen.

Nach den schrecklichen Befürchtungen, welche mir Dr. Kirk’s
Behauptungen über die Tsetse beigebracht hatten, musste ich diese
für die Tsetse halten und wählte sie daher zuerst zur Untersuchung,
welche mit grösster Umsicht vorgenommen wurde. Ich liess eine derselben
sich auf meine Flanellgamaschen, die ich als Négligé im Lager trug,
niedersetzen. Kaum hatte sie das gethan, als sie das Hintertheil
erhob, den Kopf senkte und ihre Waffen, die aus vier haarähnlichen
Sticheln bestanden, aus dem sie verdeckenden rüsselartigen Beutel zog;
sofort fühlte ich einen Schmerz wie den, der durch einen geschickten
Lanzettschnitt oder eine feine Nadel erzeugt wird. Ich liess sie sich
vollsaugen, obgleich dies für meine Geduld und mein naturhistorisches
Interesse eine schwere Prüfung war. Ich sah ihre Bauchtheile sich
von der Fülle des Mahls ausdehnen, bis sie zur dreifachen Grösse des
frühern Umfangs angeschwollen waren, worauf sie mit Blut beladen aus
freien Stücken wegflog. Als ich meine Flanellgamaschen aufrollte,
um mir die Quelle anzusehen, woraus die Fliege das Blut gesogen
hatte, entdeckte ich, dass sie sich etwas über dem linken Knie befand
und als scharlachrothe, über dem Einstich zurückbleibende Perle
charakterisirte. Nachdem ich das Blut weggewischt hatte, ähnelte die
Wunde einer durch einen tiefen feinen Nadelstich verursachten; seit dem
Abgang der Fliege war aller Schmerz verschwunden.

Nachdem ich ein Exemplar von dieser Fliege gefangen hatte, stellte
ich einen Vergleich zwischen ihr und der Tsetsefliege an, wie sie
Dr. Livingstone in seinen „Missionary Travels and Researches in
South-Africa“ (London 1868, S. 56, 57) beschrieben hat. Es waren
zwischen ihnen so viele Unterscheidungspunkte vorhanden, dass es ganz
unwahrscheinlich ist, dass diese Fliege die wirkliche Tsetse ist,
obgleich meine Leute einstimmig erklärten, dass ihr Biss Pferden
wie Eseln tödlich sei. Eine kurze Beschreibung der Tsetse würde so
lauten: „Nicht viel grösser als eine gewöhnliche Hausfliege, fast
von derselben Farbe, wie die braune Hausfliege, der Hintertheil des
Körpers zeigt gelbe Querstreifen. Sie gibt ein sonderbares Gesumme
von sich und ihr Biss ist tödlich für Pferde, Ochsen und Hunde. Auf
den Menschen wirkt der Biss nicht, ebensowenig auf wilde Thiere. Wenn
man sie auf der Hand saugen lässt, so macht sie mit der Mittelzinke
von drei Theilen, in welche sich der Rüssel spaltet, einen Einstich,
zieht dieselbe dann etwas heraus und nimmt, während die Kinnbacken
in rasche Bewegung gerathen, eine scharlachrothe Farbe an; dem Biss
folgt ein leichtes Jucken.“ Die Fliege, welche ich beobachtet hatte,
wird von den Eingeborenen Mabunga genannt. Sie ist viel grösser als
die gewöhnliche Hausfliege, reichlich ein Drittel grösser als die
gewöhnliche Honigbiene und hat eine bestimmter markirte Farbe; ihr
Kopf ist schwarz, mit einem grünlichen Schimmer. Der Hintertheil
des Körpers ist durch eine weisse Linie ausgezeichnet, welche der
Länge nach von der Verbindungsstelle desselben mit dem Vorderkörper
hinabläuft, und auf jeder Seite dieser weissen Linie befinden sich zwei
andere, von denen die eine scharlachroth, die andere hellbraun ist. Was
ihr Summen anbetrifft, so hat es nichts Eigenthümliches, sondern man
könnte es für das einer gewöhnlichen Biene halten. Als ich sie fing,
machte sie verzweifelte Anstrengungen, sich zu befreien, versuchte
aber gar nicht zu beissen. Diese Fliege griff mit etwa zwanzig andern
mein graues Pferd an und biss es so arg in die Beine, dass diese
wie in Blut gebadet aussahen. Daher ist es wol möglich, dass ich
etwas rachsüchtig war, als ich mit mehr als dem blossen Eifer eines
Entomologen daranging, zu entdecken, was für Eigenthümlichkeiten ihre
Gebisswerkzeuge hätten.

Um das Bild dieser Fliege meinen Lesern so ähnlich wie möglich
vorzuführen, kann ich ihren Kopf mit einem ganz winzigen Miniaturbild
eines Elefanten vergleichen, denn sie hat einen schwarzen Rüssel und
ein paar hornige Fühlhörner, die an Farbe und Krümmung Elefantenzähnen
ähnlich sind. Der schwarze Rüssel ist jedoch blos eine hohle Scheide,
welche, wenn sie nicht beisst, vier röthliche, scharfe Lanzetten
umschliesst. Unter dem Mikroskop unterscheiden sich diese vier
Lanzetten durch ihre Dicke; zwei davon sind sehr dick, die dritte
ist dünn, aber die vierte, opalfarbige und fast durchsichtige, ist
ungemein fein. Diese letztere muss der Sauger sein; wenn die Fliege im
Begriff ist zu beissen, so fassen die beiden Fühlhörner den Theil, die
Lanzetten werden aus der Scheide gezogen und im Nu ist der Einschnitt
bewerkstelligt. Dies halte ich für die afrikanische „Pferdefliege“.

Die zweite Fliege, welche den Tenorlaut von sich gab, ähnelte an Grösse
und Aussehen mehr der Tsetse. Sie war sehr flink, und drei Soldaten
brauchten fast eine Stunde dazu, um ein Exemplar zu fangen; als es
schliesslich gefangen war, stach es sehr gierig in die Hand und hörte
mit seinen Angriffen gar nicht auf, bis es mit einer Nadel durchstochen
war. Diese Fliege hatte 3-4 weisse Querstreifen auf dem Hintertheil
ihres Körpers; ihre Beisswerkzeuge bestanden aus zwei schwarzen
Fühlhörnern und einem opalfarbigen Stichel, der sich unter dem Halse
einschlagen liess. Wenn sie beissen wollte, wurde dieser Stichel gerade
herausgeschoben und die Fühlhörner umgaben ihn eng. Nach dem Tode
verlor die Fliege ihre charakteristischen weissen Streifen. In diesem
Lager haben wir nur ein Exemplar dieser Gattung gesehen.

Die dritte Fliege, welche „Tschufwa“ heisst, hatte einen schwachen
Altton, war um ein Drittel grösser als die Hausfliege und hatte lange
Flügel. Obwol dieses Insekt die schwächsten Töne von sich gab, so
leistete es doch das meiste und richtete den grössten Schaden an.
Pferde und Esel strömten von Blut, bäumten sich und schlugen vor
Schmerzen mit den Hufen um sich. Es war so erpicht darauf, sich nicht
eher vertreiben zu lassen, als bis es sich zur Genüge vollgesogen
hatte, dass man es leicht abthun konnte; und dieser schreckliche Feind
des Viehes vermehrte sich immer an Zahl. Die drei genannten Arten sind
nach den Eingeborenen dem Vieh tödlich; und das ist wol der Grund,
warum so grosse Flächen vorzüglichen Weidelandes keinerlei Hausvieh
aufweisen und nur ein paar Ziegen von den Dorfbewohnern gehalten
werden. Diese letztere Fliege hat sich mir später als die Tsetse
herausgestellt.

Am zweiten Morgen hielt ich es für gerathener, auf die vierte
Karavane zu warten, statt weiter vorwärtszugehen. Burton hat für mich
ausreichende Erfahrungen in Bezug auf die Versprechungen der Banyanen
von Kaole und Zanzibar gemacht; er musste elf Monate warten, ehe er die
versprochenen Gegenstände erhielt. Da ich überhaupt nicht sehr viel
mehr als elf Monate auf meine ganze Reise zu verwenden gedachte, so
wäre es ein absoluter und nicht wieder gut zu machender Ruin gewesen,
wenn ich durch meine Karavane so lange in Unyanyembé zurückgehalten
werden sollte. Ihre Ankunft erwartend, widmete ich mich den Freuden
der Jagd. Ich muss gestehen, dass ich darin noch ein Neuling war,
obgleich ich in den Ebenen von Amerika und Persien mit gejagt hatte;
ich konnte mich indess immerhin als nicht schlechten Schützen ansehen
und zweifelte nicht, dass, wenn ich mich in einer Wildgegend und in
entsprechender Nähe des Wildes befände, ich einiges ins Lager bringen
könnte.

Nachdem wir durch das hohe Gras der Ebene eine Weile lang gegangen
waren, erreichten wir zwischen dichtem Schilf gelegene Lichtungen.
Ohne Erfolg spähte ich hier nach guten Verstecken und Schlupfwinkeln,
kam aber schliesslich auf eine Spur, welche von kleinen Antilopen
und Hartebeests reichlich betreten war, der wir folgten. Sie führte
mich in ein Dickicht und einen Wasserlauf entlang, der dasselbe
durchschnitt; aber nachdem ich ihm eine Stunde lang gefolgt war, kam
ich von demselben und beim Versuch, ihn wieder aufzufinden, auch von
meinem Wege ab. Hier leistete jedoch mein Taschenkompass gute Dienste
und mit seiner Hülfe steuerte ich auf die freie Ebene zu, in deren
Mitte das Lager stand. Aber es war furchtbar schwere Arbeit, sich
durch ein afrikanisches Dickicht durchzudrängen, das den Kleidern und
der Haut gleich verderblich war. Um rasch fortzukommen, hatte ich
ein paar Flanellgamaschen angezogen und die Füsse in Segeltuchschuhe
gesteckt. Wie sich erwarten liess, fasste, ehe ich ein paar Schritte
weit gegangen war, ein Zweig der Acacia horrida, die nur eins unter
hundert ähnlichen Uebeln bildet, das rechte Bein meiner Gamaschen am
Knie und riss es fast rein ab, worauf ein stämmiger Kolquall mich an
der Schulter fasste und mir als unvermeidliche Folge einen zweiten
Riss beibrachte. Ein paar Schritt weiter verunzierte eine stachelige
Aloepflanze durch einen weitern Riss das andere Bein meiner Gamaschen
und fast unmittelbar darauf strauchelte ich gegen einen Convolvulus
von der Stärke einer Mastenstrickleiter und fiel der Länge nach auf
ein Bett von Dornen. Auf allen Vieren, wie ein Hund auf der Fährte,
war ich nun gezwungen weiter zu wandern. Mein Sonnenhut wurde mit
jeder Minute schlechter, meine Haut mehr und mehr verletzt, meine
Kleider bei jedem Schritt mehr zerrissen. Ausser diesen Uebeln gab es
eine stechende ätzende Pflanze, welche neben ihren starken Gerüchen
mir schmerzhaft ins Gesicht schlug und einen dem durch Cayennepfeffer
verursachten ähnlichen, brennenden Schmerz hinterliess. Die in dem
undurchdringlichen Dickicht eingeschlossene Atmosphäre war heiss und
erstickend, der Schweiss rann mir aus allen Poren und machte meine
Flanellfetzen so nass, als ob ich durch ein Regenbad gegangen wäre.
Als ich schliesslich wieder in die Ebene gelangt war und frei athmen
konnte, gelobte ich mir im Geist, dass ich nie wieder ins Innere
afrikanischer Dschungels zu dringen versuchen würde, wenn es nicht eine
dringende Nothwendigkeit erheischte.

Trotz der grausamen Risse in meinen Kleidern und meiner Hautwunden
konnte ich nicht umhin, als ich über die grosse wellenförmige
in liebliches Grün gekleidete Ebene blickte, die von schönen im
Frühlingslaub prangenden Wäldern begränzt wurde, und die kleinen
über die weite Fläche verstreuten Gebüschinseln betrachtete, die
Schönheit der Gegend zu bewundern. Täglich gewann das Land in meiner
Werthschätzung, denn bisher fühlte ich nur, dass ich erhaltenen
Befehlen nachkam, und wie ungesund es auch sein mochte, so war ich doch
verpflichtet, weiterzugehen; aber aus Furcht vor dem schrecklichen
Fieber, das mir durch die Fieberaussichten, die das bittere Buch des
Kapitän Burton in meiner Phantasie angeregt hatte, noch schrecklicher
wurde, gelobte ich mir, nicht einen Fuss breit von meinem Wege
abzugehen.

Soll ich Dir sagen, lieber Leser, was die „Lake Regions of Central
Africa“ und später die Berichte europäischer Kaufleute in Zanzibar mir
für Vorstellungen vom Innern beigebracht hatten? Es waren die eines
ungeheuern Sumpfes, der rings vom Fieber eingehüllt wäre, und zwar
von einer Art gelben Fiebers, welches, wenn es mich nicht tödtete,
mich doch so an Körper und Geist schwächen würde, dass ich für die
Zukunft ein hülfloser Idiot bliebe. In diesem Sumpf, welcher sich
über mehr als 200 Meilen ins Innere erstreckt, spielten eine Masse
Nilpferde, Krokodile, Alligatoren, Eidechsen, Schildkröten und andere
Kröten, und die Miasmen, welche sich aus der ungeheuern Schlammflut
sich zersetzender und verwesender Massen erhoben, waren so dick und so
heftig deprimirend, wie der trübselige, Selbstmord erzeugende londoner
Nebel. Im Vordergrunde dieses schauerlichen Bildes befanden sich stets
in meinem Geiste die Gestalten der armen Burton und Speke, von denen
der erstere infolge dieses Fiebers ein vollständiger Invalide geworden
und der andere in seinem Gehirnleben dauernd angegriffen war. Den
bittern Fieberton in Kapitän Burton’s Buch hatte ich als die Folge
seiner afrikanischen Krankheit angesehen. Aber seit meiner Ankunft auf
dem Festlande hatte sich der düstere leichentuchartige Vorhang mit
jedem Tage mehr verzogen und die trostlose Aussicht aufgeklärt. Wir
waren jetzt zwei Monate auf ostafrikanischem Boden und kein einziger
meiner Leute war krank geworden. Ja, die Europäer hatten an Körperfülle
zugenommen und ihr Appetit war stets in ausserordentlich gutem Zustande.

Der zweite und dritte Tag verging ohne irgendeine Nachricht von
Maganga. Daher wurden Shaw und Bombay ausgesandt, um ihn mit aller
möglichen Beschleunigung heranzubringen. Am vierten Morgen kehrten
sie von dem langsamen Maganga und seinen langsam nachziehenden Leuten
begleitet zurück. An ihn gerichtete Fragen waren nur im Stande, ihm die
Entschuldigung zu entlocken, dass seine Leute zu krank gewesen wären
und er gefürchtet hätte, ihre Kräfte eher auf die Probe zu stellen,
als bis sie ganz im Stande wären, die Strapazen auszuhalten. Ausserdem
machte er den Vorschlag, ich möchte doch, da er sich noch einen Tag in
dem Lager aufhalten müsse, nach Kingaru voranziehen und dort bis zu
seiner Ankunft im Lager bleiben. Auf diesen Rath hin brach ich mein
Lager ab und zog nach dem fünf Meilen entfernten Kingaru.

Auf diesem Marsche wurde das Land hügeliger, und die Karavane stiess
zuerst auf Schilfmoor, was unserm Wagen bedeutende Mühe verursachte.
Pisolithischer Kalkstein trat in Schichten und Geröllen hervor; wir
fingen an, uns einzubilden, dass wir uns einem gesunden Hochlande
näherten, und als ob dieser Gedanke sich bestätigen sollte, wurden
im Norden und Nordwesten die purpurnen Kegel von Udoe sichtbar
und über allen ragte der Dilima-Pic etwa 1500 Fuss hoch über der
Meeresfläche empor. Aber bald darauf senkte sich der Weg wieder in ein
kesselförmiges, grünes, von hohem Korn bewachsenes Thal und bog sich
leicht von Nordwesten nach Westen durch ein Land, das sich abermals in
wellenförmigen Linien dahinzog.

In einer der zwischen diesen länglichen Bodenanschwellungen
befindlichen Niederungen stand das Dorf Kingaru mit einer Umgebung,
die in ihrem Aeussern auf Wechsel- und andere Fieber hindeutete.
Vielleicht machten die dicken Regenwolken und überhängenden Bergfirsten
mit ihren dichten, durch das Dunkel traurig aussehenden Wäldern den
Ort unangenehmer als gewöhnlich; jedenfalls waren die ersten Eindrücke
keineswegs angenehm, die ich von dieser rasenbekleideten, von dunkeln
Wäldern eingeschlossenen Thalsenkung und der nahe gelegenen tiefen
sumpfigen Wasserrinne empfing.

Ehe wir unser Lager in Ordnung bringen und die Zelte aufschlagen
konnten, kam der schreckliche Vorbote der Masikazeit in hinreichenden
Strömen herab, um die junge, glühende Liebe, die ich in letzter Zeit
für Ostafrika an den Tag gelegt hatte, zu dämpfen. Trotz des Regens
jedoch arbeiteten wir weiter, bis unser Lager fertig, das Eigenthum vor
Wetter und Dieben in Sicherheit gebracht war, und wir mit Ergebung
zusehen konnten, wie die Regentropfen den Boden in einen äusserst zähen
Schlamm verwandelten und aus unserm Lagergrunde kleine Seen und Flüsse
bildeten.

Gegen Abend, nachdem das unangenehme Schauspiel seinen Höhepunkt
erreicht hatte, hörte der Regen auf, und die Eingeborenen kamen
aus den in den Wäldern gelegenen Dörfern schaarenweise mit ihren
Verkaufsartikeln ins Lager. Ihnen voran erschien, als ob er dazu
verpflichtet wäre, der Sultan -- Beherrscher oder Häuptling -- des
Dorfes mit 3 Maass Matama und ½ Maass Reis, die er mich mit väterlichem
Lächeln anzunehmen ersuchte. Aber unter seiner lachenden Maske, den
triefenden Augen und der gefurchten Stirn liess sich ein ränkevolles,
äusserst schlaues Wesen erkennen. Unter derselben Maske, die dieser
schelmische Aelteste angenommen hatte, antwortete ich: „Der Häuptling
von Kingaru hat mich einen reichen Sultan genannt. Wenn ich das bin,
warum kommt dann der Häuptling nicht mit einem reichen Geschenk zu mir,
damit er ein ebenso reiches Gegengeschenk empfangen könne?“ Darauf
erwiderte er abermals mit einem gezwungenen Lächeln seines runzligen
Gesichts: „Kingaru ist arm und es gibt im Dorfe kein Matama.“ Worauf
ich entgegnete, ich werde ihm, da kein Matama im Dorf vorhanden sei,
ein halbes Schukka oder ein Meter Tuch geben, was genau seinem Geschenk
entspräche, und wenn er sein kleines Körbchen für ein ordentliches
Geschenk halte, so würde ich mein Zeug gleichfalls als ein solches
bezeichnen. Mit dieser Logik musste er sich zufriedengeben.

+1. April.+ Heute hat die Expedition einen Verlust erlitten durch
den Tod des grauen arabischen Pferdes, das mir Seyyid Barghasch, der
Sultan von Zanzibar, geschenkt hatte. Gestern Abend bemerkte ich, dass
das Pferd leidend war. Da ich mich dessen erinnerte, was mir Dr. Kirk,
der britische Consul in Zanzibar, so häufig versichert hatte, nämlich
dass Pferde im Innern von Afrika wegen der Tsetsefliege nicht leben
könnten, liess ich es öffnen, um den Magen, von dem ich meinte, dass er
krank sei, zu untersuchen. Ausser vielem unverdauten Matama und Gras
fanden sich 25 kurze, dicke, weisse Würmer vor, welche wie Blutegel
in der Wandung des Magens steckten, während die Därme von zahlreichen
langen weissen Würmern wimmelten. Ich bin überzeugt, dass weder Mensch
noch Vieh mit einer solchen Masse schädlicher lebender Wesen im Innern
lange existiren kann.

Damit der todte Kadaver das Thal nicht verpeste, liess ich das Pferd
ungefähr 20 Meter von der Lagerstätte tief in die Erde vergraben. Aus
dieser kleinen Veranlassung machte der Dorfhäuptling Kingaru ungeheuern
Lärm. Er hatte sich nämlich mit seinen Collegen, den Häuptlingen der
benachbarten Dörfer, die ungefähr zwei Dutzend aus Zweigen geflochtene
Hütten repräsentirten, über die beste Methode berathschlagt, wie er den
Musungu um ein oder zwei ganze Doti Merikani strafen könne, und war
dabei schliesslich zu der Ueberzeugung gelangt, dass die Beerdigung
eines todten Pferdes in ihrem Grund und Boden, ohne vorgängige
Erlaubniss, ein schreckliches und strafwürdiges Vergehen sei. Indem er
sich also über die unverzeihliche Unterlassung sehr entrüstet stellte,
beschloss Kingaru, vier junge Leute an den Musungu zu schicken und ihm
sagen zu lassen: „Da Ihr Euer Pferd in meinem Boden begraben habt,
so mag es gut sein; es kann da bleiben, aber Ihr müsst mir zwei Doti
Merikani dafür bezahlen.“ -- Als Antwort wurde den Boten aufgetragen,
ihrem Häuptling zu sagen, ich zöge es vor, die Sache mit ihm selbst
von Angesicht zu Angesicht zu besprechen, wenn er so gut sein wolle,
mich noch einmal in meinem Zelte zu besuchen. Da das Dorf nur einen
Steinwurf von unserm Feldlager entfernt war, kam der runzlige Aelteste
in ein paar Minuten wieder an die Thür meines Zeltes und etwa die
Hälfte der Einwohnerschaft folgte ihm.

Das nun folgende Zwiegespräch, welches so stattfand, wie es hier
aufgezeichnet, wird dazu beitragen, den Charakter der Leute zu
kennzeichnen, mit denen ich ungefähr ein Jahr lang im Verkehr stehen
sollte.

_Weisser_: „Sind Sie der grosse Häuptling von Kingaru?“

_Kingaru_: „Huh-uh. Ja.“

_Weisser_: „Der grosse, grosse Häuptling?“

_Kingaru_: „Huh-uh. Ja.“

_Weisser_: „Wie viel Soldaten habt Ihr?“

_Kingaru_: „Wieso?“

_Weisser_: „Wie viel Kriegsleute habt Ihr?“

_Kingaru_: „Gar keine.“

_Weisser_: „Nun, ich dachte, Ihr würdet tausend Mann bei Euch
haben, da Ihr einem so starken Weissen, der viel Gewehre und Soldaten
hat, eine Strafe von 2 Doti für das Begraben eines todten Pferdes
auferlegt.“

_Kingaru_ (etwas verwirrt): „Nein, ich habe keine Soldaten. Ich
habe blos ein paar junge Leute.“

_Weisser_: „Warum kommt Ihr denn und macht uns diese Unruhe?“

_Kingaru_: „Ich habe es nicht gethan, sondern meine Brüder, die
mir sagten: «Komm her, komm her, Kingaru, sieh, was der weisse Mann
gethan hat. Hat er nicht von Deinem Grund und Boden Besitz ergriffen
dadurch, dass er sein Pferd ohne Deine Erlaubniss in Deinem Erdreich
begraben hat? Komm, geh hin und sieh, mit welchem Rechte er das
gethan.» Daher bin ich hergekommen, um Euch zu fragen, wer Euch die
Erlaubniss ergeben hat, meinen Boden als Begräbnissplatz zu benutzen.“

_Weisser_: „Ich bedarf keines Menschen Erlaubniss, um das zu thun,
was recht ist. Mein Pferd ist krepirt. Hätte ich es in Euerm Thal
liegen lassen, um daselbst zu verfaulen und die Luft zu verpesten,
so hätte Krankheit Euer Dorf heimgesucht, Euer Wasser wäre ungesund
geworden und die Karavanen würden hier nicht anhalten, um Handel zu
treiben, denn sie würden sagen: «Dies ist ein unglücklicher Ort, lasst
uns fortziehen.» Aber genug davon; ich höre, Ihr wollt nicht, dass das
Pferd in Euerm Boden beerdigt sei. Der Fehler, den ich begangen, lässt
sich leicht wieder gutmachen. Im Augenblicke sollen meine Soldaten es
wieder ausgraben und den Boden so zudecken, wie er früher war, und
das Pferd soll da liegen bleiben, wo es gestorben ist.“ (Bombay laut
zurufend): „Heda, Bombay, nimm Soldaten mit Hacken, um mein Pferd aus
der Erde herauszugraben. Schleppt es dahin, wo es gestorben ist und
macht alles bereit für unsern morgen früh stattfindenden Marsch.“

Kingaru schreit nun mit bedeutend erhobener Stimme und vor Erregung
wackelndem Kopfe: „Akuna, akuna, Bana! Nein, nein, Herr! Möge der
weisse Mann nicht zornig werden. Das Pferd ist todt und liegt jetzt
begraben. Mag es da liegen bleiben, weil es schon da ist, und lasst uns
wieder gute Freunde sein.“

Nachdem der Scheikh von Kingaru auf diese Weise zur Vernunft gebracht
war, boten wir einander ein freundschaftliches Quahary und ich blieb
allein, um über meinen Verlust nachzudenken. Kaum war eine halbe Stunde
verstrichen -- es war 9 Uhr abends geworden und das Lager schon halb
im Schlummer, -- als ich ein tiefes, von einem der Thiere herrührendes
Gestöhne vernahm. Als ich mich danach erkundigte, welches Thier leidend
war, war ich erstaunt zu erfahren, dass es mein Brauner sei. Mit
einer Stallglaslaterne besuchte ich dasselbe und bemerkte, dass der
Schmerz im Magen sass, aber ob er von irgend einer giftigen Pflanze,
die es auf der Weide gefressen oder von einer sonstigen Krankheit
herrühre, konnte ich nicht ermitteln. Das Pferd gab reichliche Mengen
einer dünnflüssigen Substanz von sich, die aber in ihrer Farbe nichts
eigenthümliches hatte. Seine Schmerzen waren offenbar sehr gross, denn
es stöhnte wahrhaft kläglich und sträubte sich heftig. Ich blieb die
ganze Nacht auf in der Hoffnung, dass es nur die vorübergehende Wirkung
einer unbekannten schädlichen Pflanze sei, aber nach einem kurzen,
schweren Todeskampfe krepirte auch dieses Pferd am nächsten Morgen um
6 Uhr, genau 15 Stunden nach dem andern. Als wir den Magen öffneten,
stellte sich heraus, dass der Tod durch das nach Innen erfolgte
Aufplatzen eines Krebsgeschwürs bedingt war, das den grössten Theil
der Magenwand ergriffen und sich 1-2 Zoll nach dem Mageneingang hinauf
erstreckt hatte. Der Inhalt des Magens und der Gedärme war von dem
gelben schleimigen Ausfluss des Geschwürs geradezu überschwemmt.

So hatte ich meine beiden Pferde verloren und zwar innerhalb des kurzen
Zeitraums von fünfzehn Stunden. Bei meiner beschränkten Kenntniss der
Veterinärkunde, welche zwar durch die vorliegenden positiven Beweise,
die mir die Section der beiden Magen darbot, erweitert wurde, kann
ich es kaum wagen, der Behauptung des Dr. Kirk zu widersprechen und
etwa meinerseits behaupten zu wollen, dass Pferde doch im Stande sind,
Unyanyembé zu erreichen und bequem durch diesen Theil Ostafrikas reisen
können. Sollte ich aber in Zukunft jemals dazu Gelegenheit haben, so
würde ich nicht zaudern, mir vier Pferde mitzunehmen; doch würde ich
bestimmt vor dem Kaufe mir alle Mühe geben, genau festzustellen, ob
sie vollständig gesund und fehlerfrei sind, und den Reisenden, die
ein gutes Pferd gern haben, möchte ich zurufen: „Versuchen Sie es
weiter und lassen Sie sich nicht durch meine unglücklichen Erfahrungen
entmuthigen.“

Der 1., 2. und 3. April gingen vorüber und wir hörten und sahen nichts
von der stets zurückbleibenden vierten Karavane. Mittlerweile vermehrte
sich die Zahl unserer Unfälle. Ausser dem Verlust der kostbaren Zeit
infolge der Verkehrtheit des Führers der andern Karavane und dem
Verlust meiner beiden Pferde, benutzte ein mit Bootgeräthschaften
beladener Pagazi die Gelegenheit und desertirte. Ferner wurde mein
Dolmetscher Selim von einem heftigen Anfall von Wechselfieber befallen.
Ihm folgte alsbald der Koch, dann der Hülfskoch und Schneider Abdul
Kader, schliesslich ehe der dritte Tag vorbei war, hatte Bombay
Rheumatismus, Uledi (der frühere Diener Grant’s) Halsentzündung, Zaidi
den Fluss, Kingaru das Mukunguru, Khamisi, ein Pagazi, litt an Schwäche
der Lenden, Fardschallah bekam ein Gallenfieber, und ehe die Nacht
einbrach, hatte Makoviga Durchfall. So schien mein beabsichtigter
Sturmlauf nach Unyanyembé und rasches Durchschreiten der furchtbaren
Seegegend dazu bestimmt, ziemlich ähnlich wie der rasche Lauf auf
Magdala zu endigen, den Dr. Austin, von der Londoner „Times“, dem Sir
Robert Napier in Abessinien so dringend anrieth. Von einer Truppe von
25 Mann war einer desertirt, 10 befanden sich auf der Krankenliste, und
es wurde somit die Vorahnung, dass die übel aussehende Umgegend von
Kingaru uns Unglück bringen werde, zur vollen Wahrheit.

Am 4. April erschienen Maganga und seine Leute, nachdem sie sich uns
durch Musketenschüsse und Hornsignale, den in diesem Lande gewöhnlichen
Zeichen der Annäherung einer Karavane, angemeldet hatten. Seine Kranken
waren bedeutend besser, aber sie brauchten noch einen Tag Ruhe in
Kingaru. Nachmittags kam er, um Angriffe auf meine Freigebigkeit zu
machen, indem er mir Einzelheiten über die herzlosen Betrügereien
erzählte, welche Sur Hadschi Pallu gegen ihn verübt hätte; aber ich
sagte ihm, ich könne, seit ich Bagamoyo verlassen, nicht mehr freigebig
sein. Wir wären jetzt in einem Lande, wo das Tuch viel mehr werth sei;
auch hätte ich nicht mehr Zeug, als ich für meinen und meiner Leute
Unterhalt brauchte, und er und seine Karavane hätten mir mehr Geld
und Mühe gekostet, als die drei übrigen -- was auch der Fall war. Mit
dieser Entgegnung musste er sich zufriedengeben, aber ich löste wieder
seine Zweifel über die Geldangelegenheit, indem ich ihm versprach, dass
er, wenn er rasch mit seiner Karavane nach Unyanyembé weiterzöge, keine
Ursache haben solle, sich zu beklagen.

Am 5. April hatten wir die Genugthuung, die vierte Karavane vor uns her
verschwinden zu sehen mit dem erwünschten Versprechen, dass wir sie
diesseits von Simbamwenni gewiss nicht wieder erblicken sollten, wenn
wir auch noch so rasch folgten.

Am folgenden Morgen schlug ich, um meine Leute aus ihrer krankhaften
Stumpfheit aufzurütteln, einen ermunternden Alarm mit einem eisernen
Kochlöffel auf einer Zinnpfanne, wodurch ich anzeigte, dass wir im
Begriff standen, ein Sofari zu unternehmen. Nach der ausserordentlichen
Heiterkeit zu urtheilen, mit der meinem Aufruf entsprochen wurde, hatte
dies eine sehr gute Wirkung. Schon vor Sonnenaufgang waren wir in der
Lage aufbrechen zu können. Nach unserm Abzug stürzten die Dorfbewohner
von Kingaru mit der Schnelligkeit von Habichten heraus, um sich Lumpen
oder Abfälle, die wir zurückgelassen hatten, zu sammeln.

Der lange Marsch von 15 Meilen nach Imbiki bewies, dass unser
verlängerter Aufenthalt in Kingaru meine Soldaten und Pagazis völlig
demoralisirt hatte. Nur wenige von ihnen hatten Kraft genug, um Imbiki
vor der Nacht zu erreichen. Die andern, welche bei den beladenen Eseln
waren, erschienen erst am nächsten Morgen in einem bejammernswerthen
Zustande des Geistes und Körpers. Khamisi -- der Pagazi mit den
schwachen Lenden -- war weggelaufen und hatte zwei Ziegen, das Zelt für
die Waaren und die ganze persönliche Habe von Uledi, welche aus seinem
Besuchs-Dischdascheh, einem langen Hemde nach arabischem Schnitt, 10
Pfund Perlen und einigen feinen Zeugen bestand, mitgenommen. Uledi
hatte ihm dies in einem Anfall von Grossmuth anvertraut, während er
des Pagazi’s Last, nämlich 70 Pfund Bubuperlen, getragen hatte. Diese
Veruntreuung durfte nicht unbeachtet bleiben, auch konnte man Khamisi
nicht heimkehren lassen, ohne dass ein Versuch gemacht wurde, ihn
zu fassen. Daher wurden Uledi und Feradschi ausgeschickt, um ihn zu
verfolgen, während wir in Imbiki blieben, um den heruntergekommenen
Soldaten und Thieren Zeit zur Erholung zu geben.

Am 8. setzten wir unsere Reise fort und kamen in Msuwa an. Dieser
Marsch wird als der angreifendste von allen in der Erinnerung unserer
Karavane lebendig bleiben, obwol die Entfernung nur zehn Meilen betrug.
Er führte fortwährend durch Dschungeldickicht, nur unterbrochen von
drei dazwischen liegenden Waldwiesen von beschränkten Dimensionen,
die uns drei Athmungspausen in der grässlichen Reisearbeit durch das
Dickicht gewährten. Der Geruch, der den wilden Pflanzen desselben
entströmte, war so durchdringend, so stechend scharf, und das aus
den verwesten Pflanzenstoffen entstehende Miasma so dicht, dass ich
jeden Augenblick erwartete, ich und meine Leute würden in akuten
Fieberanfällen hinstürzen. Glücklicherweise jedoch gesellte sich dieses
Unglück nicht noch zu dem Uebelstande, dass wir die häufig fallenden
Packete auf- und abzuladen hatten. Es zeigte sich, dass sieben Soldaten
für die Besorgung von fünfzehn beladenen Eseln auf einer Reise durch
die Dschungels entschieden zu wenig waren; denn wenn der Pfad nur
einen Fuss breit ist und von einer von Dornen und Schlinggewächsen
starrenden Mauer zu beiden Seiten eingehegt wird, wenn vorspringende
Aeste quer über ihn laufen, sowie Bündel von starren Zweigen, spitz
wie Nägel alles aufhalten, was mehr als vier Fuss hoch ist, so kann
man vernünftigerweise annehmen, dass vier Fuss hohe Esel mit einer
Last, welche von einem Ballen zum andern vier Fuss misst, Unglück haben
mussten. Solches Unglück ereignete sich häufig und zwang uns alle paar
Minuten, die Sachen wieder in Ordnung zu bringen. Dies hatten wir so
oft zu thun, dass die Leute ganz unmuthig wurden und man ihnen scharf
zureden musste, damit sie sich an die Arbeit machten. Als ich Msuwa
erreichte, war niemand bei mir und den zehn Eseln, die ich trieb, als
Mabruki der Kleine, welcher, obwol gewöhnlich etwas dumm, wie ein Mann
bei seiner Arbeit blieb. Bombay und Uledi waren weit hinten mit den
abgemattetsten Eseln. Shaw hatte den Karren zu besorgen und machte
sehr trübe Erfahrungen dabei; wie er mir sagte, hatte er ein ganzes
Wörterbuch stürmischer Schimpfreden, wie sie den Matrosen bekannt sind,
verbraucht und noch ein neues, selbst extemporirtes erschöpft. Er kam
nicht vor 2 Uhr am nächsten Morgen an und war vollständig abgetrieben.
Ich zweifle wirklich, dass der frömmste Geistliche es hätte vermeiden
können, über seine eigene Thorheit hierher zu kommen, zu fluchen, wenn
er unter solchen Umständen, mit so häufig wiederkehrenden Störungen,
und einer solchen Sisyphusarbeit ausgesetzt, durch diese Dschungels
hätte reisen müssen. Wie habe ich mich doch auf diesem schweren Marsche
nach meiner frühern bequemen Lebensweise, nach der angenehmen Ruhe
in meinem behaglichen Lehnstuhl in Madrid gesehnt! Wer zuerst vom
Reisen behauptet hat, dass es blos für Narren paradiesisch sein könne,
muss sicherlich durch die Erlebnisse eines ähnlichen Tages zu diesem
Ausspruch veranlasst worden sein.

Wiederum wurde in Msuwa Halt gemacht, damit unsere Thiere sich erholen
konnten. Der Häuptling des Dorfes, ausser in der Farbe ein Weisser
in jeglicher Beziehung, schickte mir und meinen Leuten das fetteste
breitschwänzige Schaf seiner Heerde und fünf Maass Matamakorn. Das
Hammelfleisch war ausgezeichnet, unvergleichlich schön. Für sein
rechtzeitiges, uns so nothwendiges Geschenk gab ich ihm zwei Doti
und amüsirte ihn damit, dass ich ihm den wundervollen Mechanismus
des gezogenen Winchester-Gewehrs und meiner Hinterlader-Revolver
auseinandersetzte.

Er und seine Leute waren intelligent genug, um die Nützlichkeit dieser
Waffen in der Noth zu begreifen und deuteten mit ausdrucksvollen
Pantomimen die mächtige Wirkung derselben gegen blos mit Speer und
Bogen bewaffneten Massen an, indem sie ihre Arme so ausstreckten,
als ob sie eine Flinte hielten und mit derselben einen grossen Kreis
umschrieben. „Wahrlich“, sagten sie, „die Wasungu sind viel klüger
als die Waschensi. Was für Köpfe haben sie! Was für wunderbare Dinge
machen sie! Man sehe nur ihre Zelte, ihre Gewehre, ihre Uhren, ihre
Kleider und das kleine rollende Ding (den Karren) an, das mehr als fünf
Menschen transportiren kann, -- que!“

Am 10. marschirte meine Karavane von Msuwa ab, nachdem sie sich von
der furchtbaren Anstrengung des letzten Tages erholt hatte. Von den
gastfreien Dorfbewohnern wurden wir, soweit ihre Vertheidigungspfähle
reichten, begleitet und dort mit einstimmigen „Quaharys“ verabschiedet.
Ausserhalb des Dorfes versprach der Marsch weniger schwierig zu sein
als zwischen Imbiki und Msuwa. Nachdem die Strasse durch eine hübsche
kleine Ebene gegangen war, welche ein trockener Graben oder Mtoni
durchschnitt, führte sie an ein paar bebauten Feldern vorüber, wo uns
die Ackerbauer wie bezaubert, nur durch starres Anglotzen begrüssten.

Bald darauf stiessen wir auf ein Schauspiel, das in diesem Theile der
Welt gewöhnlich ist, nämlich auf eine gefesselte Sklavenbande, die
nach Osten zog. Die Sklaven sahen durchaus nicht niedergeschlagen aus,
sondern schienen im Gegentheil von dem philosophischen Humor erfüllt,
den der muntere Diener Martin Chuzzlewit’s an den Tag legt. Wäre es
nicht um die Ketten gewesen, so hätte man nur mit Schwierigkeit den
Herrn vom Sklaven unterscheiden können; die physiognomischen Züge
waren dieselben. Das milde Wohlwollen, mit dem sie uns anblickten,
war auf allen Gesichtern gleichmässig zu sehen. Die Ketten waren
schwer und hätten auch Elefanten fesseln können, aber da die Sklaven
ausser denselben nichts zu tragen hatten, konnte ihr Gewicht nicht
unerträglich sein.

Auf diesem Marsch gab es wenig Dickicht und obgleich die Packete
an einigen Stellen Unfälle erlitten, so waren diese doch nicht so
bedeutend, dass wir dadurch erheblich aufgehalten worden wären. Um
10 Uhr vormittags campirten wir mitten in einer Gegend, die eine
imposante Aussicht auf grünen Rasen und Wald darbot, über die sich
ein wolkenloser Himmel wölbte. Wir hatten unser Lager wieder in der
Wildniss aufgeschlagen und, wie es bei Karavanen Sitte ist, zwei
Schüsse abgefeuert, um den Waschensi, die Korn verkaufen wollten,
anzuzeigen, dass wir zum Handel bereit seien.

Unser nächster Halteplatz war das nur elf Meilen von Msuwa entfernte
Kisemo, ein in einem volkreichen Bezirk belegenes Dorf, das in
seiner Umgebung nicht weniger als fünf andere Dörfer zählt, welche
sämmtlich mit Pfählen und Dornenverhauen befestigt sind und einen
ebenso trotzigen Unabhängigkeitssinn an den Tag legen, als ob ihre
kleinen Gebieter lauter Percy und Douglas wären. Jedes Dorf lag oben
auf einem Bergkamm oder niedrigem Hügel und sah so herausfordernd
aus, wie ein Hahn auf seinem eigenen Misthaufen. Zwischen diesen
unbedeutenden Anhöhen und niedrigen Höhenzügen winden sich enge
Thäler, in denen Matama und Mais gebaut wird. Hinter dem Dorf fliesst
der Ungerengeri-Fluss, welcher in der Masikazeit ein ungestümer
Gebirgsstrom und im Stande ist, seine steilen Ufer zu überfluten,
in der trockenen Jahreszeit dagegen in seinem gewöhnlichen Zustande
verharrt und als kleiner, sehr klares, süsses Wasser enthaltender Bach
erscheint. Von Kisemo läuft er erst südwestlich, dann östlich, und er
bildet den Hauptzufluss des Kingani.

Die Schönen von Kisemo, welche riesige Posteriora haben, sind durch
ihre Liebhaberei für Schmuck von Messingdraht, der sich in Spiralen um
ihre Hand- und Fussgelenke windet, sowie durch die verschiedenartigen
Frisuren ihrer mit dicken Haaren besetzten Köpfe bekannt. Dagegen
beweisen ihre armen Gebieter, die sich mit schmutzigen zerrissenen
Fetzen und gespaltenen Ohren begnügen müssen, welch ausgedehnte
Herrschaft Asmodeus über diese Erdensphäre ausübt; denn es muss eine
unglückliche Zeit gewesen sein, wo die schwer belagerten Ehemänner
ihren drängenden Gemahlinnen schliesslich nachgaben. Ausser diesen
Messingverzierungen an den Extremitäten und den verschiedenen Frisuren
tragen die Weiber von Kisemo häufig lange Halsbänder, welche in den
verschiedenartigsten Farben an ihrem schwarzen Körper herabwallen.

Es gibt ein belebtes Bild, wenn ein solches Frauenzimmer von der
bereits erwähnten gewaltigen körperlichen Entwickelung, in vollem
Staat, bei der nothwendigen Hausarbeit ist und für sich und die Familie
Korn mahlt. Der Mahlapparat besteht aus zwei Theilen, einer dicken
ungefähr sechs Fuss langen Stange aus hartem Holze, die als Stössel
dient, und einem geräumigen hölzernen Mörser von drei Fuss Höhe.

Als Shaw dabei war, sein Zelt aufzuschlagen, war er genöthigt, einen
kleinen flachen Stein wegzurücken, um einen Pflock in den Boden
treiben zu können. Als der Dorfhäuptling dies sah, stürzte derselbe
sofort athemlos auf ihn zu, legte den Stein wieder an seine Stelle
und stellte sich dann in nachdrücklicher Weise, welche die grosse
Bedeutung andeutete, die dem Stein und seiner Lage beigelegt wurde,
auf denselben. Als Bombay bemerkte, dass Shaw in stummer Verwunderung
über diese Handlungsweise stehen blieb, erbot er sich, den Häuptling
zu fragen, was das zu bedeuten habe. Der Scheikh antwortete feierlich
mit einem Finger nach unten weisend: „Uganga!“ Darauf bat ich ihn
dringend, mir zu zeigen, was unter dem Steine eigentlich wäre. Mit
einer ganz rührenden Liebenswürdigkeit willfahrte er meinen Bitten und
meine Neugier wurde durch den Anblick eines geschnitzten Stäbchens
befriedigt, das ein Insekt fest an den Boden heftete, welches einem
jungen Frauenzimmer im Dorfe einen Abortus verursacht haben sollte.

[Illustration: FRAU BEIM KORNMAHLEN.]

Während des Nachmittags kehrten Uledi und Feradschi, die dem
weggelaufenen Khamisi nachgeschickt worden waren, mit ihm und allen
fehlenden Gegenständen zurück. Dem Khamisi waren bald nachdem er den
Weg verlassen und sich in das Dickicht gestürzt hatte, wo er sich im
Geiste über seine Beute freute, einige plündernde Waschensi begegnet,
die Nachzüglern fast immer auflauern; sie hatten ihn ohne Umschweife
in den Wald in ihr Dorf geschleppt und an einen Baum gebunden, um ihn
zu tödten. Khamisi hatte, wie er uns sagte, sie gefragt, warum sie
ihn anbänden, worauf sie ihm antworteten, sie ständen im Begriff, ihn
zu tödten, weil er ein Mgwana sei, und diese pflegten sie sofort nach
der Gefangennahme zu tödten. Diesen Debatten über Khamisi’s Schicksal
machten jedoch Uledi und Feradschi, welche bald darauf gut bewaffnet
an den Ort kamen, ein Ende, indem sie ihn als einen aus dem Lager des
Musungu weggelaufenen Pagazi, sowie alle Gegenstände, die er zur Zeit
seiner Gefangennahme bei sich hatte, für sich in Anspruch nahmen. Die
Räuber machten ihnen auch das Recht auf den Pagazi, die Ziege, das Zelt
und alle andern Werthsachen, die bei jenem gefunden worden, gar nicht
streitig, sondern meinten nur, sie verdienten eine Belohnung dafür,
dass sie ihn gefangen genommen. Da dies Verlangen als gerechtfertigt
anerkannt wurde, wurde ihnen eine Belohnung von zwei Doti und einem
Fundo oder zehn Schnüren Perlen gewährt.

Es war unmöglich, Khamisi seine Desertion und den Raubversuch zu
verzeihen, ohne dass er erst bestraft worden wäre. In Bagamoyo hatte
er, ehe er in meinen Dienst genommen wurde, einen Vorschuss von 5
Dollars an Geld verlangt und erhalten; und die Last von Bubuperlen, die
er zu tragen gehabt, war nicht schwerer, als jede andere Pagazilast; es
gab also gar keine Entschuldigung für seine Desertion. Um jedoch bei
seiner Bestrafung keine Unklugheit zu begehen, liess ich acht Pagazi
und vier Soldaten als Richter zusammentreten und bat sie, darüber zu
entscheiden, was zu geschehen habe. Ihr einmüthiger Urtheilspruch
lautete, dass er eines unter den Wanyamwezi’schen Pagazi sonst
unbekannten Verbrechens schuldig sei, und da dasselbe geeignet sei,
den letzteren einen schlechten Ruf zu schaffen, so verurtheilten sie
ihn dazu, mit des „grossen Herrn“ Eselspeitsche geprügelt zu werden.
Darauf liess ich ihn binden und in Erwägung, dass infolge seiner
Handlungsweise die Pagazi an ihrem guten Ruf, die Soldaten an der
Werthschätzung ihres Herrn als ausreichende Wachen Schaden gelitten
hatten und Shaw von mir dafür getadelt worden war, dass er nicht besser
nach den Nachzüglern gesehen, ertheilte ich den Befehl, dass jeder
Pagazi und Soldat sowie Shaw ihn mit je einem Hiebe bestrafen sollten.
Dies wurde auch unter des armen Khamisi lautem Wehklagen ausgeführt.

Ehe die Nacht anbrach, kam eine kleine Karavane von Wangwana an,
die mir einen langen Brief von dem liebenswürdigen amerikanischen
Consul in Zanzibar, sowie eine Reihe neuer Zeitungsnummern des „New
York Herald“, die bis zum 4. Februar reichten, brachte. Unter andern
erfreulichen Nachrichten, wie z. B. den Verhandlungen des Congresses
und der New-Yorker gesetzgebenden Versammlung oder Berichten über
schreckliche in Amerika begangene Verbrechen, die ich in ihnen las,
befand sich auch eine Schilderung des zweiten Levers des Präsidenten
Grant, in welchem Herr Jenkins mit studirtem Wortschwall die Toiletten
der Damen beschrieb, die bei diesem bemerkenswerthen Empfange zugegen
waren. Da las ich denn wie eine lavendelfarbene Straussfeder unter
den lieblichen grauen Locken von Frau X. gewogt; wie Diamanten der
grossartigen Toilette von Frau Y., dieser imposanten Erscheinung, die
Krone aufgesetzt; wie Frau Z. einen mit Rüschen von scharlachrothem
Atlas besetzten Ueberwurf getragen; wie Frau V. aus ihren Diamanten ein
Lichtmeer habe strahlen lassen, wenn sie in ihrem herrlichen, purpurnen
Atlasgewande dahingerauscht sei; wie sich der Präsident mit seiner
tiefen männlichen Stimme und seinem forschenden grauen Augenpaar bei
Gelegenheit seines zweiten Levers für das souveräne Volk aufgeopfert
habe; und noch mehr derartige Schmeicheleien.

Als ich von dieser erquicklichen Lectüre aufsah, erblickte ich in
meiner Zeltthüre die schwarzhäutigen Leiber von Kisemo’s Töchtern in
dichten Schaaren, die sich vergeblich abgemüht hatten, das Geheimniss
zu durchdringen, das in diesen enormen Papierbogen lag, in die ich
mich so lange Zeit vertieft hatte. So plötzlich und gewaltig war
der Contrast zwischen dem, was mein Freund Jenkins beschrieben,
und diesem so ausserordentlich realistischen Anblicke, der sich
meinen leibhaftigen Augen darbot, dass es einer starken Anstrengung
des Geistes und Gedächtnisses bedurfte, um es mir klar zu machen,
wie solche grossartig gekleidete Damen aussehen und wo eigentlich
der Unterschied liege zwischen einer „blonden Schönheit mit einer
Masse goldig schimmernden Haares und Augen, deren Glanz mit dem
der Diamanten wetteifert“, und einem dieser runden, dreizehn- bis
vierzehnjährigen, eben heranreifenden schwarzen Mädchen, die mit ihrem
Hahnenkamm wolligen Haupthaares, ihren üppig entwickelten, nur von
ein wenig alter Leinwand verhüllten Körperformen, ihren drei Pfund
schweren Messingdraht-Zierrathen an Kopf und Fuss und massenhaften
Perlenschnüren um den Hals, in der natürlichen Pracht und Schönheit
der Nacktheit zahlreich meinem Lever beiwohnten. Aber freilich gibt es
einen grossen Unterschied zwischen meinem Hof und dem des Präsidenten,
der nämlich, dass letzterer einen so tüchtigen Mann wie Jenkins zum
Reporter hat!

Am 12. erreichte die Karavane Mussundi am Ungerengeri-Fluss. Zum
Glück für unsere geduldigen Esel war dieser Marsch von all den
lästigen durch die Dschungels veranlassten Störungen frei; zum Glück
für uns selbst hatten wir keine Sorgen mehr um die Packete und keine
Angst, dass wir vor Anbruch der Nacht nicht ins Lager kämen. Nachdem
die Packereien fest auf die Rücken unserer guten Esel geschnallt
waren, marschirten sie auf dem vortrefflichen Wege ohne eine einzige
Verschiebung oder Veranlassung zur Ungeduld bis wir ins Lager kamen.
Wenn der Weg nach Unyanyembé überall so wäre wie dieser, so würde
ich ihn für ebenso angenehm halten, wie eine Ueberfahrt von New-York
nach Staten-Island zu einem Sonntagsvergnügen oder eine Fahrt in
der Pferdeeisenbahn nach dem Centralpark. Wenn man die Kiespfade,
Seen und Teiche, Museen, Gitterlauben, den Kiosk, die uniformirten
Polizisten und wohlgekleideten Besucher, kurz alle Einzelheiten
und Anzeichen einer alten Civilisation abzieht, so würde der alles
dessen beraubte Centralpark, mit seinen erquickenden freien Plätzen,
lieblichen Senkungen und mit Alleen bewachsenen Hügeln denen, die
sich denselben in diesem Zustande vorstellen könnten, ein ziemlich
treues Bild des Landes geben, welches sich, bald nachdem wir Kisemo
verlassen hatten, unsern Blicken darbot. Diese herrliche uncultivirte
Gegend mit ihren zahlreichen Blumen und mannichfaltigen süssduftenden
Sträuchern, unter denen ich den wilden Salbei, die Indigopflanze und
andere erkannte, hörte am Fusse des Pic Kira und seiner Nachbarkegel
auf, welche die Grenze zwischen Udoe und dem noch 20 Meilen entfernten
Ukami bezeichneten. Diese fernen Berge bildeten einen nicht unpassenden
Hintergrund für das herrliche Bild der offenen Ebene, der kleinen
Waldungen und sich senkenden freien Plätze. In den blauen Bergen lag
hinreichend viel malerisches und erhabenes, um das Bild zu einem Ganzen
zu vervollständigen.

Als wir uns dem Ungerengeri-Thal näherten, erhoben Granitblöcke und
glänzende Quarzvorsprünge ihr Haupt über dem röthlichen Boden. Nachdem
wir den Bergrücken hinabgestiegen, wo diese Felsen hervorragten,
befanden wir uns in dem schwarzen Lehmboden des Ungerengeri und
inmitten üppiger Felder von Zuckerrohr und Matama, Mais, Muhogo
und Gärten von Curry, Eier- und Gurkenpflanzen. An den Ufern des
Ungerengeri blühte die Banane und über diese schoss, sie um 70 Fuss
und mehr überragend, die stattliche Mparamusi empor, welche es an
Schönheit mit der persischen Chenar und der abessinischen Platane
aufnimmt. Ihr Stamm ist gerade und stattlich genug, um als Hauptmast
einer Fregatte erster Klasse dienen zu können, während ihre ausgedehnte
Laubkrone sich vor allen andern durch Dichtigkeit und lebhaftes Grün
unterscheidet. Dort befinden sich etwa 20 verschiedene Arten der
grösseren Baumgattungen, deren weit ausgebreitete Aeste sich über den
schmalen, aber raschen Fluss hinweg umarmen. Die Thalsenkungen und die
unmittelbare Nachbarschaft des Flusses wurde von jungen Waldungen von
Tigergras und steifen Binsen überwuchert.

Mussoudi ist wesentlich höher gelegen als die meisten anderen Dörfer
und sieht daher auf seine Nachbardörfer, deren Zahl mehr als hundert
beträgt, hinab. Es bildet die westliche Grenze von Ukwere. Auf dem
westlichen Ufer des Ungerengeri beginnt das Gebiet der Wakami.
Wir mussten einen Tag in Mussoudi halten, weil wir bei der Armuth
des Volkes uns nicht die nöthige Quantität Korn zu verschaffen
vermochten. Die Ursache dieses Mangels in einem so fruchtbaren und
kornreichen Thale war, dass sich die zahlreichen Karavanen, welche uns
vorausgezogen waren, hier mit grossen Vorräthen für ihre Reisen ins
Innere versehen hatten.

Am 14. passirten wir den Ungerengeri, welcher hier in südlicher
Richtung bis an die südliche Grenze des Thales fliesst, wo er sich bis
Kisemo hin nach Osten wendet. Nachdem wir hier über den Fluss gesetzt
waren, der zu allen Zeiten passirbar und nur 18 Meter breit ist, hatten
wir das Thal, welches einen sehr feuchten Boden und üppigen Graswuchs
hat, noch eine Meile lang zu durchziehen. Dann erhob es sich und
führte durch einen Wald von Mparamusi, Tamarinden, Tamarisken, Akazien
und blühenden Mimosen. So stiegen wir zwei Stunden lang aufwärts und
befanden uns dann auf dem Rücken des grössten Bergkammes, von wo wir
freie Aussichten über die unten liegende bewaldete Ebene und die fernen
Höhenzüge von Kisemo, die wir vor kurzem verlassen hatten, geniessen.
Nachdem wir ein paar hundert Fuss hinabgestiegen waren, kamen wir in
ein tiefes, aber trockenes Mtoni mit sandigem Bett, auf dessen anderer
Seite wir wieder die gleiche Höhe zu ersteigen hatten, wo sich ein
ähnliches Land unsern Blicken eröffnete, bis wir eine neu errichtete
Boma mit wohlgebauten Grashütten nahe an einer Wasserpfütze fanden,
die wir sofort als Halteplatz für die Nacht in Beschlag nahmen. Der
Karren machte uns bedeutende Mühe; selbst unser stärkster Esel, der mit
Bequemlichkeit 196 Pfund auf dem Rücken tragen konnte, vermochte ihn
mit einer nur aus 225 Pfund bestehenden Belastung nicht fortzuziehen.

Früh am Morgen des 15. brachen wir unser Lager ab und begaben uns
nach Mikeseh. Um ½9 Uhr morgens stiegen wir den südlichen Abhang
des Kira-Pic hinauf. Als wir die Höhe von 200 Fuss über dem Niveau
der umliegenden Landschaft erreicht hatten, wurden wir durch einen
herrlichen Blick auf ein Land erfreut, dessen Boden keinen Sabbath
kennt, und wenn Prof. Malthus dies gesehen hätte, so würde derselbe nie
sein albernes Pamphlet geschrieben und wie der „Unglücks-Hume“ über die
Uebervölkerung und den sichern Untergang Englands Unsinn geredet haben.
Wenn es irgendwo zu viel englischredende Menschen gibt, so setze ich
in sie dasselbe Vertrauen, wie der weitsehende Verfasser der „Noctes
Ambrosianae“ in den „Bruder Jonathan“ und weiss, dass ihre starken
Ellenbogen sich irgendwo unbekümmert um das Wohl und Wehe derer, die
ihnen Widerstand leisten, Platz schaffen werden. Es gibt viele Hengists
und Horsas, Captain John Smiths und Pilgerväter in der angelsächsischen
Rasse, und wenn Amerika von ihren Nachkommen gefüllt ist, warum soll
dann nicht Afrika und namentlich dieser prachtvolle Theil desselben
ihnen zu einer neuen Heimat werden?

Nachdem wir am Rücken eines gegen den südlichen Abhang des Kira zu
liegenden Berges entlang gereist waren, mussten wir wieder in das
kleine Thal von Kiwrima hinabsteigen, der ersten in Udoe gelegenen
Ansiedlung, wo es immer reichlichen Vorrath an Wasser gibt. Zwei Meilen
westlich von Kiwrima liegt Mikiseh.

Am 16. erreichten wir nach kurzem Marsch Ulagalla. Dies ist der Name
eines Bezirks oder eines Theils eines Bezirks, der zwischen den Bergen
von Uruguru, die ihn südlich begrenzen, und denen von Udoe liegt,
welche nördlich und parallel mit jenen und nur zehn Meilen davon
entfernt verlaufen. Der Haupttheil des so gebildeten Beckens heisst
Ulagalla.

Muhalleh ist die nächste Ansiedlung und hier befanden wir uns auf
dem Gebiet der Waseguhha. Auf diesem Marsch waren wir von Bergen
eingeschlossen, links von denen von Uruguru, rechts von denen von Udoe
und Useguhha, was uns eine sehr angenehme und willkommene Abwechslung
bot nach den vielen Meilen eintöniger Ebene, die wir bisher gesehen
hatten. Wenn wir es müde waren, in die Tiefen des Waldes zu schauen,
der noch auf beiden Seiten des Weges dahinlief, brauchten wir blos
unsere Blicke auf das Gebirge zu richten, um die merkwürdigen Bäume,
Pflanzen und bunten Blumen desselben zu betrachten, oder unsere
Köpfe zu erheben, um in diese angenehme Beschäftigung dadurch
eine Abwechslung zu bringen, dass wir den langen wellenförmigen
Rücken der Gebirge anschauten und uns im Geiste mit ihren Conturen,
Ausläufern, Vorsprüngen und Schluchten, ihren hervortretenden Felsen
und tiefen Abgründen und den vom Gipfel bis zum Fuss sich überall hin
erstreckenden grünen Wäldern beschäftigten. Wenn unsere Aufmerksamkeit
nicht für die profane Aufgabe beansprucht wurde, nach dem Gepäck der
Esel oder den Tritten der vorsichtig wandelnden Pagazi zu sehen,
so war es angenehm, die um die Berggipfel spielenden Nebel zu
beobachten, welche sich in wolkige Kronen und phantastische Häufchen
zusammenballten, dann wieder auflösten, um sich wieder zu einer
dunklen Masse zu sammeln, welche Regen drohte, und sich dann vor der
erglänzenden Sonne zu zerstreuen.

In Muhalleh befand sich die vierte Karavane unter Maganga mit drei
neuen Kranken, welche sich bei meiner Annäherung mit gierigen Blicken
zu mir, dem Medicinspender, wandten. Kleingewehrsalven begrüssten mich
und ein Geschenk von Reis- und Maisähren zum Rösten wartete nur darauf,
dass ich es annähme. Aber es wäre mir lieber gewesen, dass Maganga
und seine Leute acht oder zehn Märsche weiter vorwärts wären, was ich
ihm auch sagte. In diesem Lager kamen wir auch mit Salim bin Raschid
zusammen, welcher eine mit 300 Elfenbeinzähnen beladene Karavane
nach Osten führte. Ausser der in einem Geschenk von Reis bestehenden
Bewillkommnung dieses guten Arabers gab er mir noch Nachrichten von
Livingstone. Er war dem alten Reisenden in Udschidschi begegnet, hatte
zwei Wochen in einer Hütte neben ihm gewohnt und beschrieb ihn als sehr
alt aussehend mit langem grauem Bart und Schnurrbart, eben von schwerer
Krankheit genesen und noch sehr angegriffen aussehend. Livingstone
hatte die Absicht, nach erfolgter völliger Genesung ein Land, das
Manyema heisst, über Marungu zu besuchen.

Das Thal des Ungerengeri, in dem Muhalleh liegt, bietet eine wunderbare
Fruchtbarkeit dar. Hier ist das Matamakorn am höchsten und der Mais
könnte sich dem besten, der je in den Gründen von Arkansas zu sehen
ist, zur Seite stellen. Die zahlreichen Bergströme hatten die tiefen
Lehmschichten sehr aufgeweicht, und infolge davon kamen verschiedene
Unfälle vor, ehe wir das Lager erreichten. So wurde z. B. das Tuch
nass, der Thee schimmelte, der Zucker hatte Wasser angezogen und
die Werkzeuge waren verrostet, und nur durch sofortige auf diese
nothwendigen Artikel verwandte Aufmerksamkeit gelang es uns bedeutende
Verluste zu vermeiden.

Zwischen dem Betragen der Waseguhha und dem der Wadoe, Wakami und
Wakwere, die wir bisher gesehen hatten, liess sich ein kleiner
Unterschied bemerken. Wir fanden hier durchaus nicht die Höflichkeit,
die wir bisher mit Vergnügen beobachtet hatten. Ihr ausgesprochener
Wunsch, mit uns Handel zu treiben, war von unverschämten Andeutungen
begleitet, dass wir ihre Erzeugnisse zu den von ihnen festgestellten
Preisen kaufen müssten. Wenn wir Einwendungen erhoben, so wurden
sie böse, antworteten heftig, ohne Widerrede zu vertragen, wurden
leidenschaftlich und waren rasch mit Drohungen bei der Hand. Dieses
sonderbare, dem der ruhigen und sanften Wakwere so entgegengesetzte
Betragen lässt sich vortrefflich durch einen Vergleich erläutern,
den man etwa zwischen dem Verhalten des heissblütigen Griechen und
des kühlen und gesetzten Deutschen anstellt. Wir waren durch die
Nothwendigkeit gezwungen, ihnen Esswaaren abzukaufen, und zum Ruhm des
Landes und seiner Erzeugnisse sei es gesagt, dass der Honig hier von
vorzüglichem Wohlgeschmack war.

[Illustration: SIMBAMWENNI, DIE „LÖWENSTADT“.

  I. S. 117.]

Dem Seitenthal des Ungerengeri folgend, brachte uns ein Marsch von
zwei Stunden am nächsten Morgen dicht an der Hauptstadt von Useguhha,
Simbamwenni, vorüber. Die erste Ansicht der ummauerten, am westlichen
Fuss des Uruguru-Gebirge gelegenen Stadt mit ihrem schönen üppigen
Thal, das von zwei Flüssen und mehreren durchsichtigen Bächen, die
von den thau- und wolkenreichen Höhen herabrieseln, bewässert wird,
war derartig, wie wir sie nicht im östlichen Afrika zu finden gedacht
hatten. In Mazanderan in Persien würde eine solche Landschaft unsern
Erwartungen entsprochen haben, aber hier war sie ganz unerwartet.
Die Stadt kann eine Bevölkerung von etwa 3000 Menschen zählen, da
sie ungefähr tausend Häuser hat; bei der grossen Dichtigkeit der
Einwohner könnte sogar die Zahl 5000 der Wahrheit noch näher kommen.
Die Häuser in der Stadt sind charakteristisch afrikanisch, aber nach
dem besten Stil gebaut. Die Befestigungen sind nach arabisch-persischem
Muster angelegt und vereinigen arabische Zierlichkeit mit persischer
Planmässigkeit. Bei einem 950 Meilen langen Ritt in Persien habe ich
keine Stadt, ausser den ganz grossen, besser als Simbamwenni befestigt
gesehen. In Persien bestanden die Befestigungswerke, sogar die von
Kasvin, Teheran, Ispahan und Schiras aus Lehm; die von Simbamwenni
sind aus Stein, der von zwei Reihen Schiessscharten für Musketen
durchlöchert ist. Der Flächeninhalt der Stadt beträgt ungefähr
eine halbe Quadratmeile und bildet ein Viereck. Jede Ecke wird von
wohlgebauten Steinthürmen geschützt; vier Thore, von denen je eins
einer Himmelsrichtung entspricht und sich in der Mitte zwischen zwei
Thürmen befindet, vermitteln die Communication mit der Umgegend. Diese
Thore werden von festen quadratischen Thüren verschlossen, welche aus
afrikanischem Thekholz bestehen und mit Schnitzwerk nach unendlich
feinen complicirten arabischen Mustern geschmückt sind, woraus ich
schliesse, dass sie entweder in Zanzibar oder an der Küste gefertigt
und Bret für Bret nach Simbamwenni gebracht worden sind. Da jedoch viel
Verkehr zwischen Bagamoyo und Simbamwenni stattfindet, so ist es auch
möglich, dass Eingeborne die Verfertiger dieser künstlichen Arbeiten
sind, zumal ich an den grössten Häusern mehrere ähnlich obgleich nicht
ganz so mühevoll geschnitzte und ciselirte Thüren erblickte. Der Palast
des Sultans ist nach dem Stil der an der Küste befindlichen gebaut,
hat ein langes, sanft absteigendes, stark vorspringendes Dach und eine
Veranda an der Front.

Die Sultanin ist die älteste Tochter des berühmten Kisabengo,
eines in den Nachbarländern Udoe, Ukami, Ukwere, Kingaru, Ukwenni
und Kiranga-Wanna wegen seiner Liebhaberei für den Menschenraub
berüchtigten Mannes. Kisabengo war ein zweiter Theodor im kleinen
Massstabe. Von niedriger Abkunft, zeichnete er sich auch durch seine
persönliche Körperkraft aus, seine Redebegabung, seine kurzweilige
und gewandte Sprache, durch die er sich einen grossen Einfluss auf
flüchtige Sklaven zu verschaffen wusste und infolge dessen er von ihnen
zum Führer erwählt wurde. Vor gerechten Strafen, die er von dem Sultan
von Zanzibar zu erwarten hatte, fliehend, kam er in Ukami an, welches
damals von Ukwere bis Usagara reichte, und hier begann er die Laufbahn
eines Eroberers, deren Resultat darin bestand, dass die Wakami ihm
einen grossen Strich fruchtbaren Landes in dem Thal des Ungerengeri
abtraten. An dem festen Punkte, wo der Fluss dicht unter den Mauern
hinfliesst, baute er seine Hauptstadt und nannte sie Simbamwenni, was
„der Löwe“ oder die stärkste Stadt bedeutet. Im Greisenalter gab der
glückliche Räuber und Sklavenfänger seinen Namen Kisabengo auf, durch
den er so berüchtigt geworden war, und nannte sich Simbamwenni, nach
seiner Stadt. Auf seinem Todtenbette befahl er, dass seine älteste
Tochter ihm folgen solle und gab ihr auch den Namen der Stadt, welchen
die Sultanin noch heute führt.

Als wir über den reissenden Fluss setzten, welcher, wie ich schon
vorher sagte, dicht unter den Mauern dahinfliesst, hatten die Bewohner
von Simbamwenni eine gute Gelegenheit, ihre Neugier an dem „grossen
Musungu“ zu befriedigen, dessen verschiedene Karavanen ihm vorangezogen
waren und unverzeihlicher, weil ungerechtfertigter Weise ihm einen
Ruf grossen Reichthums und bedeutender Macht verschafft hatten. So
wurde ich von allen Seiten angegafft. Es befanden sich plötzlich weit
über tausend Eingeborne am Ufer, welche das Verbum „anstarren“ in
seinen verschiedenen Zeiten und Formen durchconjugirten, d. h. also,
mich hartnäckig, unverschämt, schlau, verschmitzt, bescheiden oder
verstohlen ansahen. Die Krieger der Sultanin, welche in der einen
Hand Speer, Bogen und Pfeilbündel oder Muskete hielten, umfassten mit
der andern je einen Freund, dem sie vertraulich ihre verschiedenen
Ansichten über meine Kleidung und Farbe mittheilten, sodass sie wie
Modelle von Nisos und Euryalus, Theseus und Pirithoos, Damon und
Phintias oder Achilles und Patroklus aussahen. Die Worte: „Musungu
Kuba“ hatten für diese Leute ebenso viel Reiz, wie die Musik des
buntbefiederten Pfeifers für die Ratten von Hameln, da sie einen so
grossen Theil der Bevölkerung aus ihren Mauern über den Strom lockten,
und als ich meine Reise bis an den vier Meilen entfernten Ungerengeri
fortsetzte, befürchtete ich, dass die Katastrophe von Hameln sich
wiederholen müsse, ehe ich die Leute loswerden könne. Aber zum Glück
für meine Gemüthsruhe unterlagen sie schliesslich der heissen Sonne und
der bedeutenden Entfernung, die wir bis an unser Lager zurückzulegen
hatten.

Da wir genöthigt waren, das Gepäck genau zu untersuchen, die Sättel
auszubessern, sowie einige der Thiere, deren Rücken sehr wund geworden
waren, zu curiren, so beschloss ich, hier zwei Tage Halt zu machen.
In Simbamwenni gab es hinreichende, obwol verhältnissmässig theure
Lebensmittel.

Als wir das nach Makanda bestimmte Gepäck öffneten, fanden wir
dasselbe in einem weit bessern Zustande, als wir gefürchtet hatten,
in Anbetracht der vielen Male wo es gründlich durchnässt worden,
denn wir befanden uns auf der Höhe der Masikazeit. Freilich hatten
einige werthvolle Dinge, z. B. Munitions-, Gewehr- und Theekisten
gelitten, was ich der Gedankenlosigkeit Shaw’s zuschrieb, der die
Esel durch brusthoch mit Wasser gefüllte Gräben getrieben hatte, wo
er aus Gründen der gemeinen Klugheit sie hätte abladen müssen. Als
ich Shaw in mein Zelt rief, um ihm meine Verluste zu zeigen, wurde
der Gute ausserordentlich heftig und warf mir vor, ich verlange von
ihm zuviel Arbeit, sei zu eigen, man könne mir nichts recht machen
und noch manches derartige. Seine stürmische Erwiderung schloss er
damit, dass er seine Absicht kundgab, meinen Dienst zu verlassen
und mit der ersten uns entgegenkommenden Karavane zurückzukehren.
Hierauf erwiderte ich ihm, ich werde seiner Abreise kein Hinderniss
entgegensetzen, da er sich als untüchtig und nachlässig erwiesen habe
und seine Musse mehr als seine Arbeit liebe. Er könne sich also, wenn
er wolle, augenblicklich entfernen, müsse aber sein persönliches Gepäck
zurücklassen, welches ich statt des ihm in Zanzibar vorgeschossenen
Geldes zurückbehalten wolle. Diese angemessene Ankündigung meiner
Absicht brachte Shaw in das gehörige Gleichgewicht, das er in seinem
Zorn einigermassen verloren hatte. Nach einigen Stunden war er mit
grossem Eifer in meinen Angelegenheiten beschäftigt und der Friede
wiederhergestellt.

Am zweiten Tage bemerkte ich zum ersten mal, dass meine Acclimatisation
in den Wechselfieber erzeugenden Sümpfen von Arkansas gegen das
Mukunguru von Ostafrika machtlos war. Die Vorläufer des afrikanischen
Typhus fühlte ich in meinem Körper um 10 Uhr morgens. Zuerst stellte
sich allgemeine Mattigkeit mit einer Neigung zum Schlaf ein; dann
kam ein Rückenschmerz, welcher von den Lenden anfangend die Wirbel
hinaufzog und sich über die Rippen erstreckte bis er die Schultern
erreichte, wo er sich als lästiger Schmerz festsetzte; drittens zog
ein Kältegefühl über den ganzen Körper, dem rasch Schwere im Kopfe,
thränende Augen, pulsirende Schläfen und ein undeutliches Sehen,
welches alle Gegenstände verzerrte und veränderte, folgte. Dies dauerte
bis 10 Uhr abends, dann verliess mich das Mukunguru, hinterliess aber
einen Zustand grosser Kraftlosigkeit.

Das Medicament, das ich drei Morgen nacheinander nach jedem Anfalle
gebrauchte, war dasjenige, welches ich aus Erfahrung in Kansas als das
beste kennen gelernt hatte, nämlich eine Quantität von 15 Gran Chinin,
welche dreimal des Tages alle zwei Stunden vom Morgen bis zum Mittag zu
5 Gran zu nehmen ist, und zwar muss die erste Dosis unmittelbar nach
den ersten Wirkungen eines am Abend vorher verabfolgten Abführmittels
genommen werden. Ich füge noch hinzu, dass diese Behandlung in
meinem und in allen andern Fällen, die in meinem Lager vorkamen, von
vollkommenem Erfolg gekrönt war. Wenn das Mukunguru sich gezeigt hatte,
brauchte man bei einer solchen Behandlung keinen zweiten Anfall zu
fürchten, wenigstens nicht vor Verlauf mehrerer Tage.

Am dritten Tage wurde das Lager von den Gesandten Ihrer Hoheit
der Sultanin von Simbamwenni besucht, die als ihre Repräsentanten
erschienen, um den Tribut, den sie erzwingen zu können glaubt, in
Empfang zu nehmen. Aber ich that ihnen sowol als Madame Simbamwenni
zu wissen, dass es unbillig wäre, dass ich noch einmal zahlen sollte,
da uns ihre Sitte bekannt wäre, den Besitzer von Karavanen nur einmal
Tribut zahlen zu lassen, und dies habe, wie sie doch wisse, der Musungu
(Farquhar) schon gethan. Die Gesandten antworteten mit einem „Ngema“
(sehr gut) und versprachen, meine Antwort ihrer Herrin zu überbringen.
Uebrigens war dies keineswegs sehr gut, da, wie man in einem spätern
Kapitel sehen wird, dieser weibliche Simbamwenni aus einem mir
zustossenden Unglück Vortheil zog und sich bezahlt machte. Hiermit
schliesse ich das Kapitel der Vorkommnisse während unseres Durchzuges
durch die Seeregion.




[Illustration: SHAW UND FARQUHAR.]




FÜNFTES KAPITEL.

NACH UGOGO.

  Die Regenzeit. -- Zahlloses Ungeziefer. -- Uebergang über den
  Ungerengeri. -- Bunder Salaam bekommt Prügel, entflieht und wird
  wieder gefunden. -- Gefangennahme von Soldaten seitens der Sultanin.
  -- Die Makata-Wildniss. -- Desertion und Wiedereinfangen eines
  Soldaten. -- Furchtbare Schwierigkeiten beim Uebergang über den
  Makata-Sumpf. -- Lager in Usagara. -- Shaw’s Brief an Farquhar.
  -- Des Letztern Antwort. -- Seine Verschwendung. -- Shaw’s
  Saumseligkeit. -- Neue Art einen Karren zu brauchen. -- Der See
  Ugombo. -- Shaw und Farquhar beim Frühstück. -- Shaw wird von mir der
  Länge lang zu Boden geschlagen. -- Er verlangt seine Entlassung. --
  Er empfindet Reue. -- Ein Schuss durch mein Zelt. -- Farquhar wird in
  Mpwapwa zurückgelassen. -- Abdullah bin Nasib. -- Gegend von Mpwapwa.


  USEGUHHA.                   St.  M.

  Vom Ungerengeri-Fluss nach
  Simbo                       2    --
  Feldlager im Freien         4    10
  Makata-Fluss                2    30

  USAGARA.                    St. M.

  Lager westlich vom Makata  --    5
  Lager in der Ebene          4   30
  Lager in der Ebene          2   --
  Rehenneko                   3   15
  Lager im Gebirge            3   30
  Kiora                       3   40
  Lager am Fluss              4   50
  Madete                      2   30
  See Ugombo                  3   --
  Matamombo                   6   --
  Mpwapwa                     7   --
  Kisokweh                    2   --
  Tschunyo                    1   30

Wir fanden, dass die Entfernung von Bagamoyo nach Simbamwenni
119 Meilen betrug, welche wir in 14 Märschen abmachten. Doch
erstreckten sich diese Märsche infolge der Schwierigkeiten, die uns
die Masikazeit bereitete und besonders wegen der Nachlässigkeit
der vierten unter Maganga’s Führung befindlichen Karavane, über 29
Tage, wodurch unser Reisetempo allerdings sehr langsam wurde und
wenig mehr als vier Meilen den Tag betrug. Ich schliesse nach dem,
was ich vom Reisen gesehen, dass ich, wenn ich nicht durch die
kranken Wanyamwezi-Lastträger gehindert worden wäre, die Entfernung
in 18 Tagen hätte abmachen können. Die Esel hatten mein Vertrauen
keineswegs getäuscht; diese armen Thiere kamen mit je einer Last
von 150 Pfund in allerbester Ordnung in Simbamwenni an; nur der aus
Gier und Faulheit zusammengesetzte Maganga mit seinen körperlich
schwachen, syphilitischen Stammesgenossen, welche alle Augenblicke
krank wurden, war daran Schuld. Bei trocknem Wetter hätte die Zahl
der Märsche sehr verringert werden können. Von dem halben Dutzend
Arabern, die meiner Expedition auf dieser Strasse vorangezogen,
legten zwei die ganze Entfernung in acht Tagen zurück. Aus der
kurzen Beschreibung des Landes, wie es sich von Tag zu Tag unsern
Blicken darstellte, kann der Leser sich eine richtige Vorstellung
desselben bilden. Wenn ich von Simbamwenni nach dem fernen an der
Küste belegenen Bagamoyo zurückblicke, so kenne ich einen Staat in
unserm Vaterlande, der sich sehr wohl mit diesem Landstriche, was
Fruchtbarkeit, physische Umrisse, Wälder und ebene von hohen Gehölzen
eingeschlossene Prairien, Gebirgskegel, Bergkämme und grossartige
mit Grün bedeckte Wellenformationen vergleichen lässt, und das ist
Missouri. Die Höhe von Simbamwenni kann nicht viel über 1000 Fuss
über der Meeresfläche betragen, da das Land sich sehr allmählich
erhoben hat. Da es gerade in der Regenzeit war, über die uns so
viele ominöse Erzählungen von Leuten mitgetheilt worden, die den
Charakter des Landes nicht kannten, erblickten wir es natürlich unter
den ungünstigsten Verhältnissen. Aber selbst in dieser ungünstigen
Phase blicke ich trotz allem tiefen schwarzen Kothe, übernässigem
Thau, triefendem, erkältendem Grase, dichten, üppigen Dschungels und
heimtückischen Fiebern, die ihr eigen, mit Vergnügen auf die Landschaft
zurück, wegen des Wohlstandes und Glücks, welches sie der civilisirten
Nation, die in Zukunft herkommen und von ihr Besitz ergreifen wird,
verspricht. Eine Eisenbahn von Bagamoyo nach Simbamwenni liesse sich
ebenso rasch und leicht und mit viel geringeren Kosten herstellen
als die Pacific-Eisenbahn, von deren raschen von Tag zu Tag bis zu
ihrer Vollendung erfolgenden Fortschritten die Welt mit Bewunderung
gehört hat. Ein Aufenthalt in diesem Theile von Afrika, würde, nachdem
daselbst eine gründliche Kanalisation durchgeführt worden, von keinen
grössern Unbequemlichkeiten begleitet sein, als einer neuen Ansiedlung
gewöhnlich zukommen. Die Temperatur betrug in dieser Jahreszeit während
des Tages nicht mehr als 24° R. Die Nächte waren angenehm, fast zu
kalt, wenn man nicht ein paar wollene Decken zum Zudecken hatte, und
bis Simbamwenni von jener Plage, die auf den Prairien von Nebraska und
Kansas so schrecklich wüthet, den Moskitos, verschont. Die einzigen
Beschwerden, die meines Erachtens dem Ansiedler arg zusetzen würden,
wären von der hartnäckigen, blutgierigen Mabungu oder Pferdefliege,
der Tschufwa u. a., die ich schon beschrieben habe, zu erwarten, die
bestimmt das Halten von Hausvieh unvortheilhaft machen würden, solange
bis die dichten Wälder und Dschungels abgeholzt wären.

Meiner Erwartung entgegen war die Expedition nicht im Stande, am
Ende der beiden Tage aufzubrechen, sondern noch zwei mussten in
recht elendem Zustande im traurigen Thale des Ungerengeri zugebracht
werden. Dieser Fluss, der in der trocknen Jahreszeit so klein ist,
gewinnt während der Masikazeit bedeutend an Umfang und Gewalt,
wie wir zu unserm Leidwesen erfuhren. In ihn ergiesst sich alles
Wasser, das von einer Anzahl Bergkuppen und zwei langen Gebirgsketten
herabströmt; während er sich am Fuss derselben dahinschlängelt,
nimmt er die Wasserfälle, die man in den kurzen Intervallen, wo die
Sonne scheint, in der Ferne glitzern sieht, und alle Nullahs und
Waldströme auf, die der ausgedehnten Wand der Gebirgsabhänge ein so
schroffes, unregelmässiges Aussehen verleihen, bis er in das Thal von
Simbamwenni als ein furchtbarer Wasserkörper hinabgleitet, der den
Karavanen, die nicht die Mittel haben, Brücken zu bauen, ein ernstes
Hinderniss bereitet. Hierzu kam noch ein beständig strömender Regen
und zwar ein solcher, wie er die Menschen ans Haus fesselt, sie
elend und unliebenswürdig macht, ein wirklicher londoner Regen, ein
beständiger von dichtem Nebel begleiteter Sprühregen. Wenn die Sonne
schien, erschien sie nur als ein blasses Abbild ihrer selbst und alte
Pagazi, die es in der Wetterkunde mit erfahrenen Wallfischfängern
hätten aufnehmen können, schüttelten bedenklich ihre Köpfe über dieses
betrübende Phänomen und erklärten es für zweifelhaft, ob der Regen
vor drei Wochen aufhören werde. Die Lokalität des Karavanenlagers
auf dieser Seite des Ungerengeri war ein unangenehm anzuschauendes
Treibbeet für Malaria und selbst in der Erinnerung abscheulich. Der
Schmutz von ganzen Generationen von Pagazi hatte unzähliges Ungeziefer
angesammelt. Armeen von schwarzen, weissen und rothen Ameisen suchen
den unglücklichen Boden heim; wurmartige Tausendfüssler von jeder Farbe
klettern über die Gesträuche und Pflanzen; an dem Unterholz hängen
die Nester gelbköpfiger Wespen mit Stacheln, die so böse wie die der
Skorpionen sind; ungeheure Käfer von der Grösse ausgewachsener Mäuse
wälzen Misthaufen über den Boden; das tausendfältige Ungeziefer, von
dem der Boden wimmelt, ist von allen Arten, Formen, Gestalten und
Farben; kurz die reichste entomologische Sammlung könnte es an Zahl und
Mannichfaltigkeit mit den Arten nicht aufnehmen, welche die vier Wände
meines Zeltes vom Morgen bis zur Nacht beherbergten.

Am fünften Morgen oder den 23. April liess der Regen auf ein paar
Stunden nach, während welcher Zeit wir es fertig bekamen, durch den
stygischen pestilenzialischen Koth an das überschwemmte Flussufer zu
waten. Die Soldaten fingen um 5 Uhr morgens an, die Bagage von einem
Ufer zum andern über eine Brücke zu tragen, welche das Nonplusultra von
Einfachheit war. Nur ein unwissender Afrikaner hätte mit ihr zufrieden
sein können; so wenig brauchbar war sie, um ein tiefes, reissendes
Wasser zu passiren. Selbst für leichtfüssige Pagazi war es durchaus
nicht angenehm hinüberzugehen und nur ein Seiltänzer von Profession
hätte eine Last bequem hinübertragen können. Um über eine afrikanische
Brücke zu gehen, dazu gehört erst ein grosser Sprung vom Lande auf
einen Baumast (der sich über oder unter Wasser befinden kann), und dann
wieder ein zweiter Sprung aufs Land. Mit 70 Pfund auf dem Rücken fällt
dies dem Lastträger schwer genug. Bisweilen hilft er sich mit Stricken,
die aus den langen Convolvulusarten extemporirt werden, welche von fast
jedem Baume herabhängen; aber nicht immer, da die Waschensi dies für
überflüssig halten.

Glücklicherweise wurde die Bagage ohne einen einzigen Unfall
hinübergebracht, und obgleich die Strömung sehr stark war, wurden
die Esel mit bedeutenden Anstrengungen und unter vielem Fluchen ohne
Gefahr durch die Flut gezogen. Dieses schwierige Ueberschreiten des
Ungerengeri nahm volle fünf Stunden in Anspruch, obgleich Energie und
wüthende Schimpfreden, die für eine ganze Armee ausgereicht hätten,
daran gewandt wurden.

Nachdem wir die Thiere wieder belastet und unsere Kleider getrocknet
hatten, begaben wir uns aus der schrecklichen Umgegend des Flusses mit
seinem Dunst und Schmutz in nördlicher Richtung auf einen Weg, der auf
bequemen, ebnen Boden führte. Zwei vorspringende Berge wurden auf diese
Weise links vermieden, und nachdem wir an ihnen vorbeigegangen waren,
sahen wir das verhasste Thal nicht mehr.

Ich habe mich unterwegs immer gemüthlicher und heitrer befunden, als
wenn ich mich in einem Lager über einen Aufenthalt ärgerte, den
keine Kraftanstrengung vermeiden konnte, und infolge dessen fürchte
ich, manches auf dem Marsche in stärkeren Farben gezeichnet zu haben,
als es eigentlich verdient. Ich hielt aber die sich unsern Blicken
eröffnende Aussicht für viel angenehmer als das Thal von Simbamwenni
trotz all seiner unbeschreiblichen Fruchtbarkeit. Es war eine Reihe von
Lichtungen, die sich hintereinander zwischen Waldgruppen junger Bäume
aufthaten und in der Ferne von einzelnen Bergkuppen und zerstreuten
Bergen eingeschlossen waren. Hin und wieder erblickten wir, als wir auf
den Firsten von Hügeln dahinschritten, die blauen Usagara-Berge, welche
den Horizont nach Westen und Norden begrenzten, und blickten herab auf
eine dazwischen liegende weit ausgedehnte Ebene.

Am Fusse dieses ausgedehnten Abhanges, der von murmelnden Quellen und
Berggewässern gut bewässert war, fanden wir ein bequemes Khambi, mit
gut gebauten Hütten, das die Eingebornen Simbo nennen. Es liegt gerade
2 Stunden oder 5 Meilen nordwestlich von der Ungerengerifurt. Der Boden
ist felsig und besteht hauptsächlich aus Quarzgeröll, welches durch
die beständig fliessenden Bäche herabgespült ist. In ihrer Umgebung
wachsen Bambus, von denen die dicksten ungefähr 2½ Zoll im Durchmesser
umfassen; der „Myombo“, ein sehr stattlicher Baum mit einem glatten
Stamm wie eine Esche; der „Imbite“ mit grossen fleischigen Blättern,
wie der „Mtamba“, die Sykomore, der Pflaumenbaum, der „Ugaza“ oder
die Tamariske und der „Mgungu“, welcher mehrere weite Zweige mit
kleinen Blättern hat, die traubenförmig zusammengruppirt sind, und der
Seidenbaumwollbaum.

Von Simbo Khambi aus kann man zwar keine Dörfer oder Ansiedlungen
sehen, doch befinden sich in den Bergschluchten mehrere, die von den
einigermassen zu Diebstahl und Mord geneigten Waseguhha bewohnt werden.

Als wir am Morgen des 24. im Begriff waren, Simbo zu verlassen,
widerfuhr uns ein Unfall, der mir viele Tage lang Besorgnisse
einflösste. Bunder Salaam nämlich, ein Eingeborner von Malabar, der
als Koch bei mir fungirte, wurde dabei abgefasst, wie er zum fünften
mal die Rationen meines Tisches bestahl. Sein Verbündeter und
Busenfreund, Abdul Kader, der Unterkoch und Schneider, und der Araber
Selim waren die Angeber und Zeugen; nach unparteiischer Untersuchung
und da ihm schon viermal verziehen worden war, bekam Shaw den Befehl,
dem Malabaresen ein Dutzend Hiebe zu appliciren. Er bekam seine Prügel
ohne sich die Kleider ausziehen zu müssen; die Züchtigung war daher
nicht sehr schwer, sondern stand im richtigen Verhältniss zu seinem
Vergehen; die strengste Massregel aber bestand darin, dass er mitsammt
seinem Esel und seinen Sachen aus dem Lager ausgestossen wurde mit
der Erklärung, dass ich einen so unverbesserlichen Dieb nicht dulden
könne. Ich hatte nicht gemeint, dass er wirklich vertrieben werden und
der Gnade und Barmherzigkeit jedes gierigen Mschensi, der ihn zufällig
träfe, ausgesetzt werden solle, sondern glaubte, dass ein Schrecken ihm
zur Besserung seiner übeln Neigungen heilsam sein würde. Der Koch aber
nahm die Sache ernstlich und sobald seine Hände frei waren, stürzte
er aus dem Lager nach den Bergen, ohne auf Hut, Esel oder Eigenthum
Rücksicht zu nehmen. Umsonst brauchten Bombay und Abdul Kader ihre
Lungen, um den Flüchtling zurückzurufen; Bunder Salaam wollte durchaus
nicht zurückkehren; da wir aber meinten, dass er es doch vielleicht
thun könne, liess ich seinen Esel nebst der Habe an einen Baum in der
Nähe des Lagers binden, während wir unsern Marsch fortsetzten.

Die lange weite Ebene, die von den Höhen zwischen dem Ungerengeri
und Simbo sichtbar war, lag jetzt vor uns und prägte sich unserm
Gedächtniss in trauriger Weise als das Makata-Thal ein. Der erste
Marsch von Simbo mit dem Endziel Rehenneko am Fuss der Usagara-Berge
war sechs Meilen lang. Das Thal beginnt mit breitem wellenförmigem
Terrain, auf dem junge Bambuswaldungen, die dicht am Strome entlang
wachsen, Zwergfächerpalmen, stattliche Palmyra und Mgungu-Bäume stehen.
Dieses Terrain wird bald von wasserhaltigen Gräben unterbrochen, die
dichte Felder von Zuckerrohr und breithalmigem Grase ernähren, und auf
diesen Landstrich folgen weite, mit hohem Grase bewachsene Savannen,
auf denen hin und wieder ein vereinzelter Baum die Eintönigkeit der
Landschaft angenehm unterbricht. Das Makata-Thal ist eine Wildniss, die
auf ihrer ganzen Ausdehnung nur ein Waseguhhadorf enthält. Daher gibt
es viel Wild in den Waldgruppen und Kudus, Hartebeests, Antilopen und
Zebras lassen sich im Morgengrauen erblicken, wenn sie in die offnen
Savannen auf die Weide gehen. Zur Nacht schleicht sich hier die Hyäne
herum und geht mit scheusslichem Geheul auf schlafende Beute aus, sei
es nun Mensch oder Thier.

Der schlammige Koth der Savanne machte das Marschiren zu einer schweren
Arbeit und er klebte so zäh an den Füssen, dass Menschen und Thiere
sehr darunter litten. Ein Marsch von 10 Meilen nahm 10 Stunden in
Anspruch, daher waren wir genöthigt, unser Lager mitten in der Wildniss
aufzuschlagen und ein neues Khambi zu bauen, eine Massregel, die später
von einem halben Dutzend anderer Karavanen nachgemacht wurde.

Der Karren kam erst kurz vor Mitternacht an und mit demselben ausser
3-4 kreuzlahmen Pagazi Bombay mit der schmerzlichen Kunde, er habe
seine Last, die aus dem für die Güter bestimmten Zelte, einer grossen
amerikanischen Axt, seinen zwei Uniformröcken, Hemden, Perlen, Tuch,
Pulver, einer Pistole und einem Handbeil bestand, auf die Erde gelegt,
um den Karren aus einer Kothlache ziehen zu helfen; als er dann an
den Ort zurückgekehrt wäre, wo er es liegen gelassen, habe er es aber
nicht wiederfinden können. Er glaubte, dass irgend welche diebischen
Waschensi, die immer hinter den Karavanen herlauern, um Nachzügler
abzufangen, damit das Weite gesucht hätten. Diese traurige Geschichte,
die er mir in der finstern Mitternacht erzählte, nahm ich durchaus
nicht gnädig, sondern mit vielen Zornesworten auf, welche der reuige
Führer als seine verdiente Strafe hinnahm. In Wuth gerathend, zählte
ich ihm alle seine Sünden auf: in Muhalleh habe er eine Ziege verloren,
in Imbiki Tschamisi mit werthvollen Sachen desertiren lassen; häufig
sich einer grossen Nachlässigkeit bei der Beaufsichtigung der Esel
schuldig gemacht, indem er sie nachts anbinden lasse, ohne darauf
zu sehen, dass sie Wasser bekämen, und morgens, wenn wir im Begriff
ständen zu marschiren, schliefe er lieber bis 7 Uhr, anstatt früh
aufzustehen und die Esel zu satteln, damit wir um 6 Uhr fortziehen
könnten. In letzterer Zeit habe er eine grosse Vorliebe für das Feuer
an den Tag gelegt, indem er sich wie ein blutarmer Mensch regungslos
und schläfrig vor dasselbe hinkaure; jetzt habe er sogar mitten in der
Masikazeit das Waarenzelt verloren, wodurch die Zeugballen verdorben
und werthlos werden würden; auch die Axt habe er abhanden kommen
lassen, deren ich in Udschidschi zu meinem Bootbauen so sehr bedürfen
werde, sowie eine Pistole, ein Handbeil und eine Flasche besten
Pulvers, und schliesslich sei er ohne den Koch ins Lager gekommen,
obwol er doch wissen müsse, dass ich nicht beabsichtigt habe, den armen
Kerl allein hinauszutreiben damit er ermordet werde. In Anbetracht
aller dieser Dinge und da er zum Hauptmann absolut nicht zu brauchen
sei, werde ich ihn degradiren und Mabruki-Burton an seine Stelle
setzen. Ebenso solle Uledi (Grant’s Diener), wie Bombay, statt zweiter
Führer zu sein, in Zukunft den Soldaten keine Befehle mehr ertheilen,
sondern den von Mabruki ertheilten selbst zu gehorchen haben, da dieser
Mabruki soviel wie ein Dutzend Bombays und zwei Dutzend Uledis werth
sei. Auf diese Weise entliess ich ihn und befahl ihm, bei Anbruch des
Tages umzukehren und Zelt, Axt, Pistolen, Pulver und Beil aufzusuchen.

Am nächsten Morgen war die von den Anstrengungen des letzten Tages
vollständig ermattete Karavane genöthigt, Halt zu machen. Bombay
wurde nach den verlorenen Sachen, Kingaru, Mabruki der Grosse und der
Kleine bis Simbamwenni nach dem fehlenden Koch ausgeschickt und diese
erhielten den Auftrag, wenn sie mit ihm zurückkehrten, für 3 Doti
Korn mitzubringen, die uns als Lebensunterhalt in der Wildniss dienen
sollten.

Drei Tage gingen vorüber und wir waren noch im Lager, um mit
grösstmöglicher Geduld die Rückkehr der Soldaten, die nach dem
albernen Hindu ausgesandt waren, zu erwarten. Mittlerweile wurden die
Provisionen sehr knapp; Wild war nicht zu bekommen, da die Vögel sehr
scheu waren. Eine zweitägige Jagd verschaffte uns nur zwei Töpfe voll
Vögel, nämlich Waldhühner, Wachteln und Tauben. Ohne Erfolg kehrte
Bombay von seinem Streifzug nach unserer fehlenden Habe heim und fiel
dadurch sehr in Ungnade.

Am vierten Tage schickte ich Shaw mit zwei andern Soldaten aus, um zu
sehen, was aus Kingaru und den beiden Mabrukis geworden sei. Gegen
Abend kehrte er ganz erschöpft von einem wüthenden Anfall des Mukunguru
oder Wechselfiebers heim, brachte aber die fehlenden Soldaten mit sich,
welche nun selbst über ihre Schicksale berichten konnten.

Ihr Bericht lautete in kurzem folgendermassen: Als sie unser Lager
verlassen hatten, waren sie rasch nach Simbo marschirt und hatten
diesen Ort um 10 Uhr morgens erreicht. Nachdem sie dort die Umgegend
unseres letzten Khambi nach Spuren des Bunder Salaam, seines Esels
und Eigenthums durchsucht, aber nichts gefunden hatten, beschlossen
sie sofort, direct an die Ungerengeribrücke weiter zu gehen und sich
dort bei den Besitzern derselben nach den Reisenden zu erkundigen,
die nach der Abreise des Musungu den Fluss passirt wären. An der
Brücke hörten sie, dass ein weisser Esel, wie man ihn bei dem Musungu
gesehen, über den Fluss nach Simbamwenni gegangen wäre; einen Hindu
in Kisungukleidern hingegen hatten sie nicht gesehen. Meine drei
schwarzen Polizisten wurden durch diese Nachricht zu grösserer
Schnelligkeit angespornt, da sie nicht daran zweifelten, dass der
Koch von den Waschensi ermordet worden sei, welche den mit der Habe
des Kochs beladenen Esel mit sich fortgeführt hatten. In kurzer Zeit
kamen sie in Simbamwenni an und theilten den erstaunten, an dem
westlichen Thore der Stadt befindlichen Kriegern athemlos die Nachricht
mit, dass zwei Waschensi, die mit einem weissen Esel an ihrer Stadt
vorübergezogen sein müssten, einen Mann in Kisungukleidern, der zu dem
Musungu gehöre, ermordet hätten. Die Leute von Simbamwenni führten
meine Boten zur Sultanin, der sie ihre Geschichte erzählten. Diese
fragte die Thurmwächter, ob sie zwei Waschensi mit dem weissen Esel
gesehen hätten. Die Frage wurde bejaht, worauf sie sofort 20 ihrer
Musketiere nach Muhalleh schickte, um sie zu verfolgen. Diese kehrten
vor Nacht zurück und brachten die beiden Waschensi und den Esel mit
den ganzen Habseligkeiten des Kochs zurück. Sofort liess sich die
Sultanin, die offenbar ihres Vaters Energie sowol, als seine Gier
nach Reichthümern besass, meine Boten, die beiden Waschensi und den
Esel mitsammt dem Eigenthum des Kochs vorführen. Die beiden Waschensi
wurden ausgefragt, wie sie in den Besitz des Esels und einer solchen
Menge von Kisungukleidern, Tuchen und Perlen gekommen wären, worauf
sie erwiderten, sie hätten den Esel an einen Baum gebunden und die
Güter auf der Erde dicht dabei gefunden. Da sie keinen Besitzer oder
Berechtigten in der Nachbarschaft gesehen, hätten sie geglaubt, ein
Recht darauf zu besitzen und es daher mit sich genommen. Hierauf wurden
meine Soldaten gefragt, ob sie den Esel und die Habseligkeiten wieder
erkennten, welche Frage sie ohne Zögern bejahten. Ferner theilten sie
Ihrer Hoheit mit, dass sie nicht nur nach dem Esel und den Gütern,
sondern auch nach dem Besitzer ausgeschickt seien, welcher aus seines
Herrn Dienst desertirt sei, und dass sie zu wissen wünschten, was
die Waschensi mit dem Hindu angefangen hätten. Ihre Hoheit wollte
gleichfalls gern wissen, was die Waschensi mit dem Hindu gethan, und
um ihnen das Geständniss zu entlocken, beschuldigte sie dieselben
direct, ihn ermordet zu haben, und wollte nur wissen, was sie mit dem
Körper gemacht hatten. Die Waschensi erklärten mit grossem Eifer, dass
sie die Wahrheit gesagt hätten und dass sie nie einen Menschen, wie
er hier beschrieben worden, gesehen hätten; auch seien sie bereit,
falls die Sultanin es wünschte, ihre Behauptungen zu beschwören. Ihre
Hoheit wollte jedoch nicht, dass die Leute etwas beschwören, was sie
(die Hoheit) in ihrem Herzen für eine Lüge hielt, aber wol wolle sie
jene in Ketten legen lassen und unter Bedeckung einer Karavane an
Seyyid Barghasch schicken, der schon wissen werde, was er mit ihnen
anfangen solle. Hierauf wandte sie sich an meine Soldaten und fragte
dieselben, warum der Musungu den Tribut, nach dem sie ihre Hauptleute
ausgeschickt, nicht bezahlt habe. Die Soldaten waren ausser Stande,
eine Antwort darauf zu geben, da sie über die Angelegenheiten ihres
Herrn nichts wussten. Getreu dem Charakter ihres räuberischen Vaters,
benachrichtigte nun die Erbin von Kisabengo meine zitternden Leute,
dass, da der Musungu den Tribut nicht bezahlt habe, sie ihn sich jetzt
selbst nehmen werde. Sie werde ihre Gewehre sowie die des Kochs und
das auf den Esel gefundene Tuch sammt den Perlen für sich behalten,
die dem Hindu persönlich gehörigen Kleider aber ihren Häuptlingen
geben. Sie (meine Leute) dagegen sollten in Ketten gelegt werden,
bis der Musungu selbst zurückkäme, um sie mit Gewalt zu befreien.
Ihre Drohungen wurden auch wirklich ausgeführt. Sechzehn Stunden lang
befanden sich meine Soldaten auf dem Marktplatz in Ketten, dem Spott
des servilen Pöbels ausgesetzt. Zufälligerweise aber kam am nächsten
Tage Scheikh Thani, den ich in Kingaru getroffen hatte und dem ich seit
der Zeit um fünf Tage vorausgeeilt war, in Simbamwenni an, sah auf
seinem Wege in der Stadt, wo er sich Vorräthe für seine Reise durch
die Makata-Wildniss kaufen wollte, meine Leute in Ketten und erkannte
sie sofort als in meinen Diensten stehend. Nachdem er ihre Geschichte
angehört hatte, begab sich der gutherzige Scheikh zur Sultanin und
theilte ihr mit, dass sie ein grosses Unrecht begehe und zwar eins,
das nur mit Blutvergiessen endigen könne. „Der Musungu ist stark“,
sagte er, „sehr stark; er hat zwei Flinten, welche vierzig mal ohne
anzuhalten schiessen und mit ihren Kugeln auf eine Entfernung von einer
halben Stunde treffen, sowie mehrere andere, die mit Sprengkugeln
geladen werden, welche einen Mann in Stücke zerreissen. Er könnte auf
die Spitze jenes Berges gehen und jeden Einwohner in der Stadt tödten,
ehe ein einziger Ihrer Soldaten hinaufkommen könnte. Der Weg hierher
wird dann abgesperrt werden, Seyyid Barghasch wird gegen Ihr Land
marschiren, die Wadoe und Wakami werden kommen und an dem, was noch
übrig bleibt, Rache nehmen, und der Ort, den Ihr Vater so stark gemacht
hat, wird die Waseguhha nicht mehr kennen. Lassen Sie die Soldaten des
Musungu frei; geben Sie ihnen Nahrungsmittel und Korn für den Musungu;
erstatten Sie ihm die Gewehre wieder und lassen Sie sie gehen, denn
der weisse Mann kann sich schon jetzt auf dem Wege hierher befinden.“

Dieser übertriebene Bericht über meine Macht und das schreckliche vom
Araber entworfene Bild brachten insofern eine gute Wirkung hervor, als
Kingaru und die Mabrukis sofort aus ihrem Gewahrsam entlassen und mit
Nahrungsmitteln, die für unsere Karavane auf vier Tage ausreichten,
versehen wurden. Auch bekamen sie ein Gewehr nebst Zubehör, Kugeln und
Pulvervorrath, sowie des Kochs Esel, eine Brille, ein in Malabarischer
Sprache gedrucktes Buch und einen alten Hut, der dem gehörte, den wir
jetzt alle für todt hielten, zurück. Bis Simbo sorgte der Scheikh für
die Soldaten, und in seinem Lager, wo sie sich reichlich an Reis und
geklärter Butter (Ghee) erfreuten, fand sie Shaw, dem ebenso wie seinen
Gefährten dieselbe freigebige Gastfreundschaft daselbst zu Theil wurde.

Mit grossem Erstaunen hörte ich diese lange Geschichte an; meine
Brust hob sich von verschiedenen widerstreitenden, durch dieselbe
hervorgerufenen Empfindungen bestürmt; es war dies alles so ganz
anders, als ich vorausgesetzt hatte. Erstens glaubte ich, der Koch
werde aufgefunden werden, und hatte durchaus keine Ahnung davon,
dass ein grauses Geschick ihm zugestossen sei; ferner bereute ich
es, ihn bestraft zu haben und gelobte mir im Geiste, nie wieder ein
Mitglied meiner Karavane, wenn es mich auch noch so sehr beraubt habe,
fortzujagen, damit es nicht von solch grausamen Mördern getödtet werden
könne. Zweitens war ich über das Gebahren der Amazone Simbamwenni
höchst erstaunt, denn es war ganz gegen alle Gewohnheit, von einem und
demselben Eigenthümer zweimal Tribut zu fordern, und hätte sich das
doch anders verhalten, so liessen ihr ja die vier Tage, die ich an
dem Ufer des Ungerengeri lagerte, hinreichend viel Zeit, den Irrthum,
den ich durch meine Weigerung, Tribut zu bezahlen begangen hatte,
wieder gut zu machen; und ich hätte doch bestimmt die Sicherheit
meiner Karavane nicht gefährdet, wenn ihre Abgesandten ihr Verlangen
wiederholt hätten. Auf dieses Gefühl folgte grosse Entrüstung über den
gemeinen an meinen Gewehren verübten Raub, welcher mich dazu hätte
veranlassen können, wenn ich näher an Simbamwenni gewesen wäre, an
den Vorstädten der Stadt Rache zu nehmen; der Aufenthalt von vier
Tagen jedoch, den die Aufsuchung des Kochs veranlasst, hatte meinen
Zorn so sehr abgekühlt, dass ich dafür ganz dankbar wurde, dass mich
kein grösseres Misgeschick befallen hatte. Drittens verursachte die
wohlmeinende Uebertreibung des Scheikh Thani und die jammervollen
Erzählungen der drei Soldaten viel Heiterkeit. Am selben Abend noch
schrieb ich einen vollständigen Bericht über diesen Vorfall, der durch
die erste nach Osten ziehende Karavane dem amerikanischen Consul
überbracht werden sollte, damit Seyyid Barghasch die Geschichte von dem
unerklärlichen Verschwinden des Kochs von beiden Seiten erfahre.

Dankbaren Herzens verliessen wir unser Lager, wo wir so viel Angst und
Aerger ausgestanden hatten, ohne des wüthenden Regens zu achten, der,
nachdem er uns die ganze Nacht über durchnässt, unter andern Umständen
unsern Eifer für den Marsch einigermassen gedämpft haben würde. Der
Weg führte die erste Meile lang über ein röthliches Erdreich und wurde
durch sanfte Abhänge nach Osten und Westen trocken gelegt; als wir
aber den Schutz lieblicher Wälder, an deren östlichem Rande wir so
lange aufgehalten worden waren, verlassen hatten, kamen wir auf eine
der Savannen, deren Boden zur Regenzeit so weich wie Koth und klebrig
wie dicker Mörtel ist. Hier drohte uns das Schicksal des berühmten
Reisenden in Arkansas, der so tief in einen der zahlreichen Sümpfe
jenes Landes hineingesunken war, dass man von ihm nichts mehr als
seinen hohen, schmalen Cylinderhut erblicken konnte.

Shaw war krank und daher fiel die Pflicht, die vor Ermüdung
strauchelnde Karavane weiterzuführen, ganz und gar mir zu. Die
Wanyamwezi-Esel blieben wie festgewurzelt in dem Sumpf stecken. Sobald
ich einen derselben durch Prügel aus seiner eigensinnig behaupteten
Stellung herausgepeitscht hatte, fiel ein andrer sofort nieder und
verursachte mir eine Sisyphusarbeit, die unter dem tobenden Regen zum
Verrücktwerden war, da ich nur die Hülfe von Leuten wie Bombay und
Uledi hatte, welche selbst um ihrer heilen Haut willen dem Sturm und
Schmutz nicht Trotz bieten wollten. Zwei Stunden solcher schweren
Arbeit gehörten dazu, um meine Karavane über eine 1½ Meilen breite
Savanne fortzubringen, und kaum war ich damit fertig und hatte mir zur
Beendigung derselben Glück gewünscht, als ich von einem tiefen Graben
aufgehalten wurde, der mit Regenwasser von den überschwemmten Savannen
angefüllt zu einem bedeutenden brusttiefen Bach geworden war, der
rasch dem Makata zufloss. Da mussten denn die Esel abgeladen, durch
ein reissendes Wasser geführt und auf der andern Seite wieder beladen
werden, eine Operation, welche eine ganze Stunde in Anspruch nahm.

Gleich nachdem wir durch ein Gehölz gezogen waren, hemmte ein andres
Gewässer, welches zu einem Fluss angeschwollen war, unsere Weiterreise.
Da die Brücke fortgeschwemmt worden, waren wir genöthigt zu schwimmen
und unsere Bagage überzuflössen, was uns abermals zwei Stunden
aufhielt. Als wir das zweite Flussufer hinter uns hatten, wateten
wir bespritzt und bisweilen halb schwimmend durch Koth, vom Wasser
triefendes Gras und Matamahalme wankend längs des linken Ufers des
eigentlichen Makata, bis ein Weitergehen für den Tag durch eine tiefe
Krümmung des Flusses verhindert wurde, über die wir erst am nächsten
Tag setzen konnten.

Obwol an diesem fatalen Tage nur sechs engl. Meilen zurückgelegt worden
waren, hatte der Marsch zehn Stunden gedauert.

Halb todt vor Strapazen war ich doch glücklich, dass dieselben kein
Fieber hervorgerufen hatten, dem man fast nur durch ein Wunder entgehen
zu können schien. Denn unter allen mit Wechselfieber heimgesuchten
Gegenden nimmt die Makata-Wildniss den ersten Rang ein. Der blosse
Anblick der triefenden, in dichte Nebel gehüllten Wälder, des
überschwemmten Landes, der langen Schwaden von Tigergras, die durch die
trüben Fluten zu Boden gestreckt waren, der Hügel von faulenden Bäumen
und Rohrmassen, des angeschwollenen Flusses und des weinenden Himmels
waren genug, um das Mukunguru zu erzeugen. Die viel gebrauchten Khambis
mit den darum lagernden Schmutzhaufen hätten genügt, um die Cholera
hervorzurufen.

[Illustration: DER MAKATA-SUMPF.

  I. S. 136.]

Der Makata, ein Fluss, der in der trocknen Jahreszeit nur 40 Fuss breit
ist, bekommt in der Masikazeit die Breite, Tiefe und Gewalt eines
bedeutenden Stromes. Wenn die Regenzeit ungewöhnlich stark ist, so
überflutet er die grosse Ebene, welche sich zu beiden Seiten erstreckt,
und verwandelt sie in einen gewaltigen See. Er ist der Hauptzufluss
des Flusses Wami, welcher sich zwischen den Häfen Saadani und Whnide
ins Meer ergiesst. Ungefähr zehn Meilen nordöstlich von der Makatafurt
vereinigen sich der grosse Makata, der kleine Makata, ein namenloses
Flüsschen und der Fluss Rudewa; der auf diese Weise entstehende Fluss
heisst der Wami. Durch ganz Usagara ist der Wami als Mukondokwa
bekannt. Drei dieser Ströme entspringen aus dem halbmondförmigen
Usagaragebirge, welches die Makataebene nach Süden und Südwesten
begrenzt, während der Rudewa im nördlichen Horne desselben Höhenzugs
entspringt.

So rasch floss der Makatafluss und so sehr gefährdete die unsichere
darüberführende Brücke, die halb im Wasser vergraben war, unser
Eigenthum, dass der Transport desselben von einem Ufer zum andern volle
fünf Stunden in Anspruch nahm. Kaum hatten wir alles auf der andern
Seite, vom Wasser unbeschädigt, abgeladen, als der Regen in Strömen
herunterfloss und alles so durchnässte, als ob es durch das Wasser
geschleppt worden wäre. Durch den Sumpf, den ein einstündiger Regen
gebildet hatte, weiterzuziehen, war absolut unmöglich. Daher waren wir
gezwungen, an einem Ort zu campiren, wo jede Stunde uns neue Plagen
bereitete. Einer der Wangwanasoldaten, die ich in Bagamoyo in Dienst
genommen hatte, namens Kingaru, benutzte die Gelegenheit, um mit den
Habseligkeiten eines andern Mgwana wegzulaufen. Meine beiden Polizisten
Uledi (Grant’s Diener) und Sarmean wurden, mit amerikanischen
Hinterladern bewaffnet, sofort ausgeschickt, um ihn zu verfolgen. Sie
gingen mit einer grossen Geschicklichkeit und Raschheit dabei zu Werke,
die guten Erfolg versprach. Nach einer Stunde schon kamen sie mit dem
Deserteur heim, den sie im Hause eines Mseguhhahäuptlings, namens
Kigondo, gefunden hatten, der etwa eine Meile vom östlichen Ufer des
Flusses entfernt wohnte und der Uledi und Sarmean zurückbegleitete, um
seinen Lohn zu erhalten und über den Vorfall Bericht zu erstatten.

Nachdem sich Kigondo gesetzt, erzählte er: „Ich sah diesen Mann
mit einem Bündel rasch laufen, woraus ich schloss, dass er von
Ihnen desertire. Wir, meine Frau und ich, sassen in unserer kleinen
Wachthütte und beobachteten unser Korn; da der Weg dicht an uns
vorüberführt, musste dieser Mann an uns herankommen. Wir riefen ihm,
als er in der Nähe war, zu: «Meister, warum geht Ihr so rasch? Ihr
desertirt wol vom Musungu, denn wir wissen, Ihr gehört zu ihm, da Ihr
gestern von uns für 2 Doti Fleisch gekauft habt?» «Ja, sagte er, ich
laufe weg; ich will nach Simbamwenni gehen. Wenn Ihr mich dorthin
führen wollt, so will ich Euch ein Doti geben.» Darauf sagten wir
ihm: «Kommt in unser Haus und wir wollen in Ruhe darüber sprechen.»
Als er in einem innern Zimmer des Hauses sich befand, schlossen wir
ihn ein und gingen wieder auf die Wache hinaus, sagten aber unsern
Frauen, dass sie nach ihm sehen sollten. Wir wussten, dass, wenn Sie
ihn haben wollten, Sie ihm Askari (Soldaten) nachschicken würden. Kaum
hatten wir unsere Pfeife angezündet, als wir zwei mit kurzen Gewehren
bewaffnete Leute, die keine Lasten trugen, den Weg daher kommen sahen.
Sie blickten hin und wieder auf den Boden, als ob sie nach Fussspuren
ausschauten. Wir wussten, dass es die Leute waren, die wir erwarteten,
und riefen sie also mit den Worten an: «Was sucht Ihr?» Sie sagten:
«Wir suchen einen Mann, der unserm Herrn entlaufen ist. Dies sind
seine Fussspuren. Wenn Ihr lange in Eurer Hütte gewesen seid, so müsst
Ihr ihn gesehen haben. Könnt Ihr uns nicht sagen, wo er ist?» Wir
erwiderten: «Ja, er ist in unserm Hause, wenn Ihr uns begleiten wollt,
so wollen wir ihn Euch überliefern, aber Euer Herr muss uns Etwas dafür
geben, dass wir ihn gefangen haben.»“

Da Kigonda versprochen hatte, den Kingaru auszuliefern, so blieb
für Uledi und Sarmean nichts zu thun übrig, als ihren Gefangenen in
Gewahrsam zu nehmen und ihn mit den Leuten, die ihn gefangen genommen
hatten, in mein Lager auf das westliche Ufer des Makata zu führen.
Kingaru erhielt zwei Dutzend Peitschenhiebe und wurde in Ketten gelegt;
Kigondo bekam ein Doti und 5 Khete rothe Korallenperlen für seine Frau.

Der Platzregen, welcher uns an dem Tage, wo wir über den Makata
setzten, heimsuchte, war der letzte der Masikazeit. Da der erste
Regenguss, den wir bekommen hatten, am 23. März stattfand, und der
letzte am 30. April, so dauerte dieselbe 39 Tage. Die Seher von
Bagamoyo hatten ihre Prophezeihung in Bezug auf die Masikazeit sehr
feierlich dahin lautend abgegeben, dass „der Regen 40 Tage lang ohne
Aufhören fallen werde“, während wir nur 18 Regentage gehabt hatten.
Trotzdem waren wir froh, dass die Regenzeit vorüber war, denn wir
hatten es satt, jeden Tag Halt zu machen, um die Waaren zu trocknen,
die Werkzeuge und Eisenwaaren mit Fett zu schmieren und alle Tuch- und
Lederartikel sichtlich vor unsern Augen verfaulen zu sehen.

Der erste Mai fand uns, wie wir uns durch Schlamm und Wasser des
Makata mit einer Karavane durchschlugen, welche körperlich von den
Anstrengungen krank war, die das Uebersetzen über so viele Flüsse
und das Waten durch Sümpfe verursacht hatten. Shaw litt noch immer
an seinem ersten Mukunguru, das ihn uns in einer neuen und nicht
gerade der angenehmsten Weise zeigte. Ausserdem dass er sich gewisser
Bedürfnisse, die für die Expedition durchaus nicht angenehm waren,
innerhalb des Bereichs unserer Gehörorgane entledigte, nahm er
allmählich den Charakter eines chronischen Hypochonders an, der zu
allen Zeiten unliebsam, dem Mtongi einer afrikanischen Expedition,
die mit Morästen, Regen und einer erkrankten Karavane zu kämpfen hat,
geradezu hassenswerth erscheint. Zaidi, ein Soldat, war bedenklich an
den Pocken erkrankt; die Kitschumatschuma, „kleinen Eisen“, hatten
Bombay quer über die Brust gefasst und machten ihn zum unbrauchbarsten
der Dienstunfähigen. Mabruk Salim, ein kräftig gebauter Jüngling,
folgte dem Beispiel des Bombay und legte sich auf den Moorboden,
simulirte Erbrechen und betheuerte, dass er vollständig unfähig sei,
dem Makata-Moor Trotz zu bieten, aber kräftige Hiebe mit einer
geflochtenen Lederpeitsche über seine nackten Schultern vertrieben die
scheinbare Uebelkeit aus seinem Magen. Abdul Kader, der Hinduschneider
und Abenteurer, der schwächste aller Sterblichen, litt immer an Mangel
an Force, wie er sich auf französisch ausdrückte, war stets abgeneigt
zu arbeiten, hilflos, stellte sich krank, hatte aber fortwährend
Hunger. „O, Gott!“, war der Schrei meiner ermatteten Seele, „wenn
alle Männer meiner Expedition wie dieser wären, so wäre ich genöthigt
zurückzukehren, würde das aber nicht thun, ohne vorher summarische
Rache an allen zu nehmen.“ An diesem Tage erprobte ich die vorzüglichen
Eigenschaften einer guten Peitsche, und Abdul Kader (möchte er die
Geschichte nur seiner ganzen Sippschaft erzählen) wird bestimmt nie
wieder einen Weissen nach Afrika begleiten. Salomo war wol theils durch
göttliche Eingebung, theils durch Beobachtung weise, ich wurde es durch
Erfahrung und bin gezwungen zu bemerken, dass, wenn Schlamm und Nässe
die physische Energie der Trägen untergraben hatten, eine Hundepeitsche
ihrem Rücken sehr gut bekam und sie zu einer gesunden, bisweilen sogar
übermässigen Thätigkeit wieder befähigte.

Dreissig Meilen lang zog sich von unserm Lager aus die Makataebene, ein
ausgedehnter Sumpf, dahin. Das Wasser stand daselbst durchschnittlich
einen Fuss hoch; an manchen Orten geriethen wir in Löcher von 3, 4
und selbst 5 Fuss Tiefe hinein. Pitsch-Patsch, Pitsch-Patsch waren
die einzigen Töne, welche wir vom Anfang unseres Marsches an hörten,
bis wir die Bomas fanden, welche die einzigen trockenen Flecken längs
der Marschlinie einnahmen. Diese Art Arbeit dauerte zwei Tage, bis
wir des Rudewa-Flusses ansichtig wurden, eines zweiten mächtigen
Stromes, dessen Ufer von rauschendem Regenwasser überfloss. Als wir
über einen Arm des Rudewa gesetzt und aus dem feuchten Schilfgras,
das dicht an seinem westlichen Ufer wuchs, herausgekommen waren,
zeigte sich uns eine enorme Wasserfläche, aus welcher Gruppen von
Grasbüscheln und das Laub einzelner zerstreuter Bäume hervorschaute,
und die in einer Entfernung von 10 oder 12 Meilen von dem östlichen
Rande des Usagara-Gebirges begrenzt wurde. Auf dem fünf Meilen
langen Marsche von dem Arm des Rudewa erreichten wir den Höhepunkt
aller Unannehmlichkeiten und Plackereien. Als ich und die Wangwana
mit den beladenen Eseln erschienen, sahen wir die Pagazi auf einem
Hügel zusammenkauern. Als wir sie fragten, ob dieser Hügel das Lager
wäre, sagten sie: „Nein.“ Warum macht Ihr denn hier Halt? „Ach, viel
Wasser.“ Der eine zog eine Linie quer über seine Lende, um die Tiefe
des Wassers anzugeben, der andre eine quer über die Brust, der dritte
quer über den Hals, der vierte hielt gar die Hand weit über seinen
Kopf, wodurch er sagen wollte, dass wir würden schwimmen müssen. 9
Meilen durch ein Schilfmoor schwimmen, das war unmöglich. Es war
übrigens auch unmöglich, dass so verschiedene Berichte alle richtig
sein sollten. Daher gebot ich den Wangwana ohne Zögern mit ihren
Thieren weiter zu gehen. Nachdem wir drei Stunden lang durch 4 Fuss
tiefes Wasser gespritzt waren, erreichten wir das trockene Land und
hatten den Makata-Sumpf hinter uns, aber nicht ohne dass der Morast
mit seinen Schrecken einen dauernden Eindruck auf unsere Gemüther
hinterlassen hätte. Keiner von uns konnte diese Strapazen vergessen
oder den Ekel gegen das Reisen, den er fast erzeugte. Später hatten
wir uns dieser Partie noch lebhafter zu erinnern und es zu bedauern,
dass wir die Reise während der Masikazeit unternommen hatten, da die
Thiere von jetzt an fast täglich zu zweien und dreien krepirten, bis
nur fünf kränkliche, ganz heruntergekommene übrigblieben, da die
Wangwanasoldaten und Pagazi von unzähligen Krankheiten heimgesucht
wurden, und ich schliesslich selbst gezwungen war, mich an einem
Ruhranfalle, der mich an den Rand des Grabes brachte, ins Bett zu
legen. Ich habe wol mehr gelitten, als nöthig gewesen wäre, wenn ich
die richtige Medizin genommen hätte; aber mein zu grosses Vertrauen in
die zusammengesetzte Arznei, welche man „Collis Brown’s Chlorodyne“
nennt, verzögerte die Heilung, welche schliesslich durch einen
vernünftigen Gebrauch von Dover’schem Pulver bewirkt wurde. In keinem
einzigen Falle von Diarrhoe oder acuter Ruhr hat dieses „Chlorodyne“,
über das man so viel gesprochen und geschrieben, irgendwie die Wirkung
gehabt, den Anfall zu verringern, obwol ich drei Flaschen davon
verbraucht habe. Der Ruhr, welche wir uns durch den Uebergang über den
Makata zugezogen, fielen nur zwei Individuen zum Opfer und zwar ein
Pagazi und mein armes Hündchen Omar, das mich von Indien her begleitet
hatte.

Der einzige Baum von Erheblichkeit in dem Makata-Thale war die
Palmyrapalme (Borassus flabelliformis) und dieser wuchs an einigen
Stellen hinreichend zahlreich, um es als Hain zu bezeichnen. Seine
Früchte waren noch nicht reif, als wir vorbeizogen, sonst hätten
wir sie als etwas Neues gegessen. Die übrige Vegetation bestand aus
verschiedenartigen Dornbüschen und der lieblichen immergrünen Mimose
mit ihrem fallschirmförmigen Laubdach.

Am 4. Mai schritten wir eine sanfte Anhöhe hinauf, dem bedeutenden Orte
Rehenneko zu, dem ersten Dorfe in Usagara, in dessen Nähe wir lagerten.
Es lag am Fuss des Berges und sein Reichthum sowie seine Bergluft
versprachen uns Gesundheit und Lebensgenuss. Es war ein viereckiges,
dichtgebautes Dorf, um das sich ein dicker Lehmwall herumzog, der
kegelförmig zugespitzte Hütten umschloss, welche mit Bambus und
Holcushalmen gedeckt waren. Die Bevölkerung belief sich auf ungefähr
1000 Seelen. Es hat mehrere reiche und bevölkerte Nachbardörfer, deren
Einwohner in ihren Manieren hinreichend, aber nicht in unangenehmer
Weise unabhängig sind. Die Bäche sind hier vom reinsten Wasser, frisch
und durchsichtig wie Krystall, und rauschen über runde Kieselsteine
und reinen Kies, was dem Ohre des Reisenden, der ein solch lieblich
trinkbares Element aufsucht, wie die herrlichste Musik klingt.

In der Nähe von Rehenneko wächst der Bambus bis zu einer Grösse, die
ihn stark genug macht, als Zelt- und Achselholz-Stangen verwandt zu
werden, und so massenhaft, dass man eine ganze Armee damit versorgen
könnte. Die Bergabhänge sind dicht mit Bäumen bewaldet, die sehr gutes
Bauholz liefern könnten.

Vier Tage hielten wir an diesem herrlichen Ort, um uns zu stärken und
den Kranken und Schwachen Zeit zu geben, sich etwas zu erholen, ehe sie
ihre Kräfte an dem Besteigen der Usagara-Gebirge prüften.

Der 8. Mai sah uns mit unsern furchtbar heruntergekommenen Menschen und
Thieren die steilen Abhänge der ersten Hügelreihe hinaufziehen. Wir
erreichten den Gipfel, von dem wir einen bemerkenswerth grossartigen
Anblick genossen, der uns in einem meisterhaften Bilde das breite
Makata-Thal mit seinen raschen Bächen zeigte, die wie Silberschnüre
aussahen, als die Sonne auf die unbeschatteten Wasserläufe schien.
Tausende von anmuthigen Palmen vermehrten den Reiz der Landschaft, und
der grosse Wall der durch ihre Höhe und Ausdehnung erhabenen mattblauen
Uruguru- und Uswapanga-Gebirge bildet einen geeigneten Hintergrund für
eine so ausgedehnte Aussicht.

Nach Westen blickend fanden wir uns in einer Gebirgswelt, in welcher
sich Bergspitze hinter Bergspitze, Einschnitt hinter Einschnitt und
Gebirgskegel hinter Gebirgskegel zeigte. Nach Norden, Westen und Süden
rollten die Gebirgsspitzen wie Glaswogen; in der ganzen Landschaft war
kein einziger dürrer oder verbrannter Flecken sichtbar. Das Diorama bot
keine plötzlichen Wandelungen oder schlagenden Contraste dar, sondern
ein einziger Wald von grünen Bäumen bekleidete sämmtliche Bergspitzen,
Kegel und Gipfel.

Für die Leute war dieser erste Marschtag durch die Gebirgsgegend von
Usagara ein angenehmes Zwischenspiel nach der langen Reise über die
Ebenen und mühsamen Wellenformationen der Seegegend, aber für die
beladenen und geschwächten Thiere war es zu viel. Wir hatten zwei davon
verloren, als wir in unserm nur sieben Meilen von Rehenneko belegenen
Lager angekommen waren, was also die erste Abzahlung unserer Schuld an
den Makata bildete. Süsses klares Wasser war reichlich in den tiefen
Schluchten der Berge vorhanden, bisweilen floss es über Flussbetten von
festem Granit, bisweilen über einen reichen rothen Sandstein, dessen
weiche Masse vom Wasser bald durchdrungen, in fein zertheiltem Zustande
beständig fortgeschwemmt wurde und das unten befruchten half. In andern
Schluchten brauste und donnerte es, wie es über die Granitblöcke und
Quarzfelsen dahinstürzte.

Am 9. Mai kamen wir, nachdem wir noch einmal einen derartigen Weg
zurückgelegt, der uns die Berge hinauf und in die dämmernden Tiefen
der Thäler hinabführte, plötzlich an den Mukondokwa und sein eng
geschlossenes Thal, an dessen Ufer üppiges Schilfgras, Rohr und
Dorngebüsch dicht gedrängt standen. Hier kämpften knorrige Tamarisken
mit ungeheuren Convolvuli, die sich um deren Stämme mit solcher
Hartnäckigkeit und Macht wanden, dass jene nur als Stütze für diese
gewachsen zu sein schienen.

Das Thal war an einigen Stellen kaum ¼ Meile breit, an andern
erweiterte es sich bis auf eine Meile; die Hügel auf beiden Seiten
schossen in jähen Abhängen hinauf, welche von Mimosen, Akazien und
Tamarisken bekleidet, ein Flussthal einschlossen, dessen mannichfache
Krümmungen sich schlangenartig dahinzogen.

Bald nachdem wir in das Mukondokwa-Thal gelangt waren, kamen wir auf
die Strasse, die von Burton und Speke im Jahre 1857 zwischen Mbumi und
Kadetamare überschritten worden. (Dieser letztere Ort sollte eigentlich
Misonghi genannt werden, da Kadetamare nur der Name seines Häuptlings
ist.) Nachdem wir dem linken Ufer des Mukondokwa gefolgt, wo unsere
Route etwa eine Stunde lang nach allen Richtungen von Südosten nach
Westen, Norden und Nordosten verlief, kamen wir an die Furt. Am andern
Ufer derselben erreichten wir nach einem Marsch von einer kurzen halben
Stunde Kiora.

In diesem schmutzigen Dorfe, dessen Boden reichlich mit Ziegenmist
bedeckt und das für einen Weiler, der noch nicht 20 Familien enthielt,
von einer erstaunlichen Anzahl Kinder bewohnt war; wo die Sonne auf
den beschränkten freien Platz mit einer Glut von mehr als 43° Réaumur
herunterschoss, wo Fliegen und bekannte wie unbekannte Insektenarten
massenhaft schwärmten, fand ich, wie man mir schon früher mitgetheilt
hatte, die dritte Karavane, welche aus Bagamoyo so gut ausgerüstet und
mit Vorräthen versehen abgereist war. Ihr Führer nämlich, Farquhar,
lag hier krank im Bett mit geschwollenen Beinen (Bright’sche Krankheit
infolge von häufigen Ausschweifungen) und war ausser Stande und
vielleicht auch nicht Willens, sich zu bewegen, da er die Lage kannte,
in welche er seine Karavane gebracht hatte. Als ich in Rehenneko an
der Ruhr litt, hatte ich Shaw gebeten, Farquhar zu schreiben, um
genaue Auskunft über den Zustand der Karavane zu erhalten, der nach
Berichten vorüberziehender Karavanen ein erbärmlicher sein sollte.
Daher ermannte sich Shaw zur Abfassung folgenden Briefs:

  „Lieber Farquhar!

Auf die Bitte des Herrn Stanley schreibe ich Ihnen, um mir zu
vergewissern über alle Ihre Unglücksfälle und was vor eine Quantertät
Tuch Sie ausgegeben haben und wie viel Sie ibrig haben, wie viel Esel
toht sein und überhaupt alle Einzelheiten. Wie viel Pagazis haben Sie
entlassen und wie viel haben Sie bei sich. Was haben Sie mit alle
die Bagage gemacht, was die Esel hatten und wer ist Ihr Parangozery.
Was fehlt Ihnen. Was fehlt Dschacko und was fehlte die Esel, welche
starben. Was vor Bagage haben Sie in Ihrem Lager gelassen. Schicken
Sie Sarmean morgen zurick mit Willimingo und Barickca und ausreichende
Antwort auf die ibrigen Fragen. In zwei Tagen werden wir bei Sie sein.“

Wie ungrammatikalisch und unorthographisch auch der obige Brief sein
mag, so war er mir doch verständlicher, und wird es wol auch dem Leser
sein, als die Antwort, welche von dem Führer der dritten Karavane
erfolgte und also lautete:

  „Lieber Herr Stanley!

Alles ist in Ordnung, aber ich habe ein gut Theil Tuch zur Bezahlung
der Pagazis verbraucht. Ein Ballen ist vollständig zu Ende, der
Kirangozi war ein verdammter Schuft. Ich habe ihm sein Tuch abgenommen
und ihn aus dem Lager gejagt. Er sagte, er würde zu Ihnen gehen.
Ich habe Kiranga zum Kirangozi gemacht und ihm 10 Doti gegeben. Die
Lebensmittel sind hier sehr theuer; man erhält nur 2 Küchlein für ein
Schukka und eine Ziege kostet 5 Doti, und ich kann von hier nicht fort.

Ich habe gestern 6 Pagazis gemiethet und sie mit Uledi weiter
geschickt. Dschuma sagte, er sterbe vor Hunger, daher gab ich ihm 2
Ballen Merikani. Er sagt, er wird auf Sie in Ugogo warten. Dschacko
ist krank gewesen, ich weiss nicht woran und er kann nichts für mich
thun. Wellymingoe ist jetzt mein Koch. Können Sie mir etwas Zucker
schicken? Wenn Sie irgend welcher Hülfe bedürfen, so werde ich Ihnen
meine Pagazis schicken, denn zwischen der Stelle, wo Sie sich befinden,
und diesem Ort starben mir 9 Esel und ich habe nur noch einen übrig.
Das Kaniki ist vollständig zu Ende, aber ich habe noch etwas Merikani.
Empfehlen Sie mich Herrn Shaw und Selim.

  Ihr treuer
  W. L. Farquhar.“

Dies war die köstliche Antwort, welche ich auf eine besorgte Anfrage in
Bezug auf seinen und seiner Karavane Zustand erhielt. Wenn der Mensch
vollständig verrückt gewesen wäre, so hätte er kaum etwas Verwirrteres
hervorbringen können.

In der ersten Zeile sagt er, dass alles in Ordnung ist, während doch
nach den unmittelbar darauf folgenden Worten alles in übelstem Zustande
zu sein scheint. Er schickt den Kirangozi wegen einer persönlichen
Beleidigung weg und gibt einem meiner Mgwana-Soldaten, der abgesandt
war, um die fünfte Karavane zu begleiten, namens Dschumah, auf seine
blossen Bitten hin zwei Ballen Merikani, die 150 Dollars in Gold werth
sind und 150 Doti enthalten, welche ausreichen, um eine Karavane von
50 Mann von Bagamoyo nach Unyanyembé zu unterhalten. Auch ist all sein
Kaniki verbraucht, was für eine grosse Nachlässigkeit spricht. Kurz
dieser Brief ist mir vollständig unbegreiflich, wenn Farquhar nicht
toll geworden, was festzustellen ich mich eiligst bemühte, als ich in
die Umhegung von Kiora trat und sein Zelt auf einem Haufen Ziegenmist
erblickte.

Als er meine Stimme hörte, wankte Farquhar aus dem Zelt. Er hatte sich
seit der Zeit, wo er als mein schmucker Gefährte aus Bagamoyo abreiste,
so verändert, als ob er express von den Wabembe des Tanganika gemästet
worden wäre, wie wir es mit Gänsen und Truthühnern zum Weihnachtsfeste
zu thun pflegen, und er war so aufgeschwemmt, wie Barnum’s feistes
Weib. Mit nicht geringem Erstaunen betrachtete ich die aufgedunsenen
Wangen und den angeschwollenen Hals meines Dieners Farquhar. Seine
Beine waren auch wuchtig und elefantenartig, denn seine Krankheit war
entweder Elephantiasis oder Wassersucht. Das Gesicht war todtenbleich,
was sich leicht erklärte, da die Leute mir mittheilten, dass er zwei
Wochen lang nicht aus seinem Zelt herausgekommen sei. Er hatte sich
ungenirt der Soldaten und Pagazi bedient, da er ihre Dienste für alle
Bedürfnisse, bis zum geringsten herab, brauchte. Dafür bezahlte er
sie mit einer Ziege pro Tag, wo doch eine Ziege 5 Doti kostete, oder
schenkte ihnen an deren Stelle Hühner.

Ich wählte einen luftigen Hügel, der das Dorf Kiora überblickte, als
Lagerplatz, und liess, sobald die Zelte aufgestellt, die Thiere besorgt
und ein Boma aus Dornbüschen gemacht war, Farquhar durch vier Leute in
mein Zelt tragen. Als ich ihn fragte, was die Ursache seiner Krankheit
sei, sagte er, er kenne sie nicht und meinte, er habe nirgends
Schmerzen. Ich fragte: „Fühlen Sie nicht bisweilen Schmerzen auf der
rechten Seite?“ „Ja, ich glaube es, aber ich weiss es nicht.“ „Oder
hin und wieder ein rasches Klopfen an der linken Brust und vielleicht
Athemnoth?“ „Ja, das kann wol sein. Ich weiss sogar, dass ich bisweilen
rasch athme.“ An Verstopfung litt er nicht, sondern gab nur an, dass
seine zu einer ungeheuren Grösse angeschwollenen Beine ihm Beschwerden
machten, und obgleich er einen wahren Pferdeappetit hatte, fühlte er
sich doch schwach auf denselben. Nach den spärlichen Nachrichten über
die Krankheit und ihre Eigenthümlichkeiten, wie sie mir Farquhar gab,
konnte ich nur durch das Studium eines kleinen medizinischen Buchs, das
ich in meiner Bibliothek mit mir führte, herausbekommen, dass „eine
Anschwellung der Beine und mitunter des ganzen Körpers entweder von
Herz-, Leber- oder Nierenkrankheiten herkommen könne“. Da aber die
Darmfunctionen durchaus nicht träge waren, wusste ich nicht, was ich
aus der Krankheit machen sollte, wenn es nicht die in Zanzibar so sehr
häufig vorkommende Elephantiasis war. Auch wusste ich nicht, wie ich
jemand behandeln sollte, der mir nicht sagen konnte, ob er Schmerzen im
Kopf, Rücken, Fuss oder in der Brust habe.

Nachdem ich herausgefunden, dass Farquhar’s Krankheit nicht
augenblicklich und vorherrschend meine Aufmerksamkeit in Anspruch zu
nehmen habe, machte ich mich daran, über den Inhalt jenes dunkeln
Zettels, den er mir nach Rehenneko geschickt und der mich seitdem so
sehr beunruhigt hatte, klar zu werden. War aber schon sein Zettel
unverständlich, so war Farquhar’s mündliche Mittheilung in Bezug auf
den Zustand der ihm anvertrauten Güter noch zehnmal verwickelter und
räthselhafter. Seine Erzählung war so verworren, dass sich durchaus gar
keine Ordnung hineinbringen liess. Was er gethan oder nicht gethan,
was er an Tuch oder Perlen ausgegeben oder nicht, war so unentwirrbar
zusammengeworfen, dass ich bei dem Versuch, Ordnung in diesen
chaotischen Wortschwall zu bringen, bemerkte, dass ich zu absolutem
Blödsinn kam. Die einzige Art, diese Schwierigkeit zu überwinden,
bestand darin, persönlich jeden Zeugballen und jede Last Perlen zu
untersuchen und durch Vergleichung meiner auf die dritte Karavane
bezüglichen Liste festzustellen, was fehlte.

Der Leser wird sich vielleicht erinnern, dass jede Karavane, ehe
sie aus Bagamoyo oder einem andern Küstenort ins Innere abgeht, mit
ausreichend viel Zeug und Perlen für den Unterhalt von vier Monaten
versehen sein muss, ganz abgesehen von dem Tuch, das als Tribut in
Ugogo zuzahlen ist, und von den Ballen, für deren Transport der
Eigenthümer mit den Pagazi contrahirt hat.

Farquhar’s Karavane bildete keine Ausnahme von dieser Regel, sondern
war, da sie von einem Weissen geführt wurde, um seinetwillen ganz
besonders begünstigt. Sie bestand aus 23 Mann und 10 Eseln, war mit
120 Doti Merikani und Kaniki und 35 Pfund verschiedener Perlen für
den Lebensunterhalt versehen. Da 120 Doti 240 Schukka enthalten und
man für 1 Schukka durchschnittlich 25 Kubaba Korn kaufen kann, ein
Kubaba aber die Normalration für den einzelnen Mann ist, so ist es
ganz selbstverständlich, dass 240 Schukka ausreichten, um die Karavane
acht Monate lang mit Korn zu unterhalten. Da man jedoch zur Reise
nach Unyanyembé noch keine 120 Tage braucht, so blieben noch 120 Doti
Schukka gutes verkäufliches Tuch und 35 Pfund Perlen übrig, mit denen
sich der Weisse kleine Leckerbissen, wie z. B. Hühner, Eier und hin und
wieder eine Ziege verschaffen konnte.

Als ich nun die Waaren untersuchte, war ich begierig zu wissen, ob sie
mit meiner vor der Abreise der Karavane von Bagamoyo geschriebenen
Liste übereinstimmten. Das Wiegen, Aus- und Wiedereinpacken derselben
nahm eine Stunde in Anspruch, nach deren Ablauf ich den genauen Umfang
der Verluste kannte, welche die Expedition durch die Gefrässigkeit und
leichtsinnige Sorglosigkeit dieses schwachköpfigen Weissen erlitten
hatte. Im Verlauf von 73 Tagen hatte er 240 der für die Provision
gegebenen Schukka und 12 Doti farbige Tuche verbraucht, darauf die
Ballen angegriffen, aus denen er 82 Doti oder 164 Schukka entnommen und
sämmtlich zur Befriedigung seiner Gier nach Ziegenfleisch, Eiern und
Federvieh verausgabt hatte. Von allen ihm zum Transport nach Unyanyembé
anvertrauten Tuchballen blieben nur zwei unversehrt, alle andern waren
für Ziegen oder als Lohn für die Pagazi verbraucht. Neun von seinen
Eseln waren schon todt und der letzte war dem Sterben nahe.

Als ich die Ausgaben der aus 43 Seelen und 17 Eseln bestehenden
fünften Karavane, welche ich selbst 50 Tage lang geführt, berechnet
hatte, stellte sich heraus, dass sie nur 43 Doti oder 86 Schukka
betrugen, woraus ich ersah, dass Farquhar’s Verschwendung von so viel
werthvollem Tuch nicht zu entschuldigen war. „Man setze einen Bettler
auf ein Pferd und er wird zum Teufel reiten,“ dies ist ein Sprichwort,
dessen Richtigkeit sich in diesem Falle erwies. Ich hatte ihm einen
prachtvollen Zanzibarer Reitesel gegeben, den er zu Tode geritten.
Von dem Augenblick an, wo er ein Lager verliess, bis zu dem, wo er im
andern ankam, hatte er sich nie dazu verstanden, vom Esel zu steigen,
und da er nicht zu reiten verstand, auf dem Rücken des armen Thieres so
geschaukelt, dass dasselbe fürchterlich geschunden war und bald danach
starb. Hätte er seine Reise nach Unyanyembé -- auf welche Weise weiss
ich freilich nicht -- bei seiner Verschwendung fortgesetzt, so wäre
kein einziges Schukka Tuch und kein Pfund Perlen übriggeblieben. Es
war daher noch ein Glück, dass ich ihn in Kiora einholte, obwol er mir
sehr zur Last fiel; denn er war nicht im Stande zu gehen, und nach den
traurigen Erfahrungen im Makata-Thal fehlte es an der Möglichkeit, ihn
zu Esel zu transportiren. Unmöglich konnte ich ihn in Kiora lassen,
wo ihn der Tod bald ereilt hätte, aber wie lange ich einen in solchem
Zustande befindlichen Menschen durch ein Land, wo der Transport
so schwierig ist, mit mir schleppen könnte, war eine Frage, deren
Beantwortung von Umständen abhing.

Am 11. Mai zogen die dritte und fünfte, jetzt vereinigten Karavanen das
rechte Ufer des Mukondokwa durch Holcusfelder hinauf. Je weiter wir
auf unserm Marsche nach Westen kamen, desto höher wurden die grossen
Mukondokwa-Gebirgszüge und sie umgaben uns ringsum in einem engen
Flussthal. Wir liessen Muniyi Usagara zur Rechten und stiessen alsbald
auf quer über unsern Weg ziehende Ausläufer der Berge, über die wir
hinauf und dann wieder hinab steigen mussten.

Ein Marsch von acht Meilen von der Furt von Misonghi brachte uns zu
einer andern Furt des Mukondokwa, wo wir dem von Burton benutzten
Wege, der den Gomapass und die tiefen Abhänge von Rubeho hinaufführte,
auf lange Zeit Lebewohl sagten. Unser Weg verliess das rechte Ufer
und folgte dem linken durch ein Land, welches das directe Gegentheil
des zwischen Gebirgszügen eingeschlossenen Mukondokwa-Thales ist. Wir
hatten einen fruchtbaren Boden und eine üppige Vegetation, die von
Miasmen dampfte und durch ihre Gerüche überwältigte, mit einer dürren
Wildniss voll Aloe und Cactuspflanzen vertauscht, wo vor allem auch der
Kolkwall und verschiedene Dornbüsche gediehen.

Statt auf baumbewachsene Höhenabhänge und Thäler, statt auf bebaute
Felder blickten wir jetzt auf das Gebiet einer unbewohnten Wildniss.
Die Bergkuppen waren ihrer Laubkronen beraubt und offenbarten ihre
von Regen und Sonne gebleichte Felsennatur. Uns gerade zur Rechten
stand der Pic Nguru, der höchste der Usagarakegel, als wir den langen
Abhang über dunkelgrauem Boden hinaufstiegen, welcher sich jenseits des
braunen Mukondokwa zur Linken erhob.

[Illustration: SHAW AUF DEM MARSCHE.

  I. S. 151.]

Zwei Meilen von der letzten Furt entfernt fanden wir ein nettes Khambi
dicht am Fluss, wo derselbe zuerst eine tosende Stromschnelle bildet.

Als die Karavane sich am nächsten Morgen auf den Marsch vorbereitete,
theilte man mir mit, der Bana Mdogo (kleine Herr) Shaw, sei noch nicht
mit seinem Karren und den Leuten angekommen. Spät am Abend vorher hatte
ich an Shaw, der mir hatte sagen lassen, er sei zu krank um zu Fuss
gehen zu können, einen Esel abgeschickt, sowie einen zweiten für die
auf dem Karren befindliche Last, und in der Ueberzeugung, dass er bald
ankommen werde, mich zur Ruhe gelegt. Als ich am Morgen hörte, dass die
Leute noch nicht da seien, schloss ich, dass Shaw nicht wisse, dass wir
fünf Tage lang durch eine vollständig unbewohnte Wildniss zu marschiren
haben würden. Deshalb schickte ich Tschaupereh, einen Mgwanasoldaten,
mit folgendem Zettel an ihn: „Nach Empfang dieses Befehls werfen
Sie den Karren und alle überflüssigen Packsättel in die nächste
Schlucht und kommen Sie um Gottes Willen sofort, denn wir müssen hier
verhungern!“

Mit äusserster Ungeduld wartete ich 1, 2, 3, 4 Stunden auf Shaw, aber
umsonst. Da ich noch einen langen Marsch vor mir hatte, so konnte
ich nicht länger warten, sondern ging der Gesellschaft entgegen.
Ungefähr eine halbe Stunde von der Furt begegnete ich dem Vortrab der
Saumseligen, dem starken, kräftigen Tschaupereh und -- hört es ihr
Karrenmacher! -- er trug den ganzen Karren sammt Rädern, Gabel und
Achse auf dem Kopfe, da er herausgefunden hatte, dass er viel leichter
zu tragen, als zu ziehen sei. Der Anblick benahm mir so sehr die Lust,
weitere Versuche mit demselben anzustellen, dass ich ihn sofort in
die Tiefen des hohen Schilfrohrs schleudern und dort liegen liess.
Die Hauptfigur der Gruppe bildete Shaw selbst, der in einer Haltung
daher ritt, die es mir zweifelhaft erscheinen liess, ob er oder sein
Thier schläfriger sei. Als ich ihn darüber zur Rede stellte, dass
er die Karavane so lange habe warten lassen, wo uns doch ein Marsch
bevorstände, erwiderte er mir in sehr eigenthümlichem Tone, den er,
wenn er schlecht gelaunt war, stets annahm, er habe sein Möglichstes
geleistet. Dies musste ich jedoch bezweifeln, da ich den langsamen
Schritt, in dem er geritten, gesehen hatte. Ich bat ihn daher, wenn
er sein Tempo nicht beschleunigen könne, abzusteigen und den Esel ins
Lager vorausgehen zu lassen, damit derselbe für den Marsch beladen
werden könne. Natürlich gab es eine kleine Scene; der junge europäische
Mtongi einer ostafrikanischen Expedition muss aber natürlich mit den
Leuten, die er sich ausgesucht hat, vorlieb nehmen.

Um 4 Uhr nachmittags kamen wir in Madete an, um zwei Esel ärmer, welche
ihre müden Glieder im Todesschlaf ausgestreckt hatten. Wir hatten etwa
3 Uhr nachmittags den Mukondokwa überschritten und ich überzeugte
mich, nachdem ich Richtung und Verlauf desselben aufgenommen, dass
er in der Nähe einer Berggruppe entspringt, die sich ungefähr 40
Meilen nordwestlich vom Pic Nguru befindet. Unser Weg führte uns
westnordwestlich und entfernte sich schliesslich an dieser Stelle von
dem Flusse.

Nach einem Marsche von 7 Meilen über Berge, deren Sandstein- und
Granitformation an verschiedenen Stellen zu Tage trat und deren
steiniges, dürres Aeussere sich an jedem Busch und jeder Pflanze
widerzuspiegeln schien, und nachdem wir eine Höhe von ungefähr 800
Fuss über dem Spiegel des Mukondokwa erreicht hatten, erblickten wir,
am 14., den See Ugombo, eine graue Wasserfläche, die direct am Fuss
des Berges lag, von dessen Gipfel wir auf die Landschaft schauten.
Der Anblick war gerade nicht besonders schön, aber doch erquicklich.
Er bot den vom Verweilen auf der dürren Umgegend ermüdeten Augen
eine angenehme Abwechselung. Ausserdem war die unmittelbare Umgebung
des Sees zu zahm, um zu Begeisterung anzuregen. Dort gab es keine
grossartig anschwellenden Berge oder lachenden Landschaften, -- nichts
als einen dunkelbraunen Pic, der sich etwa tausend Fuss hoch über dem
Spiegel des Sees an seinem westlichen Ende erhebt. Von diesem entlehnt
der See seinen Namen Ugombo. Wir erblickten daselbst nur eine niedrige,
dunkelbraune, unregelmässige Bergkette, welche parallel mit seinem
nördlichen Ufer in der Entfernung von einer Meile verläuft und eine
ebene Fläche, die sich von seinem westlichen Ufer weit nach den
Mpwapwa-Bergen und dem Marenga Mkali erstreckt, welche uns aus unserer
vorspringenden Ecke sichtbar wurden. Von dieser eintönig dunkelbraunen
Landschaft liessen wir gern die Augen auf dem ruhigen, grauen Wasser zu
unsern Füssen ausruhen.

[Illustration: SEE UGOMBO.

  I. S. 152.]

Die Contouren des Sees ähneln, nach meiner Ansicht, einer Karte von
England ohne Wales. Northumberland liesse sich hierbei mit Recht mit
dem westlichen Ende des Sees vergleichen, wo zahlreiche Flusspferde
sich vergnügten; die Nordseeküste mit ihren kühnen Bogen und Buchten
wäre im kleinen durch die nördlichen Ufer des Sees vertreten, während
die östliche, sehr lange Seite desselben fast eine genaue Copie der
englischen Küste ist, wie sie von Kent nach Cornwall verläuft.

Vom Gipfel der Bergkette, die den See östlich in einer Länge von etwa
400 Fuss begränzt, herabsteigend, zogen wir am nördlichen Ufer entlang
und brauchten dazu von dem östlichen nach dem westlichen Ende genau 1
Stunde 30 Minuten.

Da diese Seite die grösste Länge des Sees darstellt, so schloss
ich, dass er drei Meilen lang ist und zwei Meilen im grössten
Breitendurchmesser hat. Seine unmittelbaren Ufer bilden auf allen
Seiten, in einer Breite von mindestens 50 Fuss von dem Wasserrande,
einen unpassirbaren Morast, der üppiges Rohr und Binsen nährt, wo das
wuchtige Hippopotamus auf seinen nächtlichen Zügen vom See aus seine
wassergefüllten Spuren in den weichen Moorboden hineingearbeitet
hat. Auch die kleinern Thiere, wie z. B. der Mbogo (Büffel), die
Punda-Terra (Zebra), die Twiga (Giraffe), der Eber, der Kudu, der Hyrax
(Kaninchen) und die Antilope kommen hierher, um bei Nacht ihren Durst
zu löschen. Die Oberfläche des Sees wimmelt von einer erstaunlichen
Menge verschiedener Wasservögel, wie z. B. schwarzen Schwänen, Enten,
heiligen Ibissen, Kranichen, Pelikanen; darüber schweben, auf Beute
lauernd, Fischadler und Habichte, während die Umgegend von dem lauten
Gezwitscher der nach ihren Jungen rufenden Perlhühner, dem widrigen
Geschrei des Tukan, dem Girren der Tauben und dem Gekreisch der
Eulen widertönt. Aus dem langen Gras der Umgegend erschallt auch das
knarrende, laute Geschrei des Florikans, der Waldschnepfe und des
Waldhuhns.

Da wir zwei Tage Halt machen mussten, weil der indische Küfer Dschako
mit einem meiner besten Karabiner desertirt war, so benutzte ich die
Gelegenheit, die nördlichen und südlichen Ufer des Sees zu untersuchen.
Am felsigen Fusse eines niedrigen auf der Nordseite belegenen
Bergbuckels, der ungefähr 15 Fuss über dem gegenwärtigen Wasserspiegel
liegt, entdeckte ich in deutlichen sehr bestimmten Linien die Wirkung
der Wellen. Von seiner Basis nämlich konnte man bis an den Rand des
Morastes feine Linien zermalmter Schalen so deutlich hervortreten
sehen, wie die kleinen Theilchen, welche reihenweis nach dem Rücktritt
der Flut am Meeresufer liegen bleiben. Es unterliegt keinem Zweifel,
dass die Wellenspuren sich von einem gewandten Geologen auf dem
Sandstein noch viel höher hinauf hätten verfolgen lassen; mir jedoch
offenbarten sie sich nur in ihren gröbsten Umrissen. Auch bezweifle
ich durchaus nicht, nach einer zweitägigen Erforschung der Umgegend
und namentlich der niedrigen Ebene am westlichen Ende, dass dieser
See Ugombo nur das Schwanzstück eines grossen Wasserkörpers ist, der
früher ebenso gross wie der Tanganika war. Nachdem ich die halbe Höhe
des Ugombo-Pics erstiegen hatte, bestätigte sich diese Ansicht, als ich
die weite gesenkte Ebene erblickte, die sich an seinem Fuss nach den
30 Meilen entfernten Mpwapwa-Bergen hinstreckt und von dort um Marenga
Mkali herum die ganze ausgedehnte, 40 Meilen breite Oberfläche, deren
Länge unbekannt ist, bedeckt. Wenn der See um 12 Fuss höher wäre, so
dachte ich, als ich denselben überblickte, würde er eine Länge von 30
Meilen und eine Breite von 10 Meilen haben. Wäre er aber gar um 30 Fuss
höher, so würde sich seine Länge auf 100 Meilen, seine Breite auf 50
vermehren, denn so eben war die Fläche, welche sich westlich von Ugombo
und nördlich von Marenga Mkali hinzieht. Das Wasser hatte übrigens
etwas von dem bittern Charakter des Matamombo-Flüsschens, das 15 Meilen
entfernt liegt, und in etwas geringerm Grade von dem des 40 Meilen
abgelegenen Marenga Mkali.

Gegen Ende des ersten Tages unseres Aufenthalts kam unser Hindu Dschako
im Lager an und entschuldigte sich damit, dass er vor Müdigkeit in
einem wenige Schritte vom Wege entfernten Gebüsch eingeschlafen sei.
Da er die Ursache unseres Aufenthalts in der armseligen Wüste von
Ugombo war, so befand ich mich nicht in einer Gemüthsstimmung, ihm
zu verzeihen. Um ihn also daran zu hindern, uns in Zukunft wieder
derartige Streiche durch Weglaufen zu spielen, sah ich mich gezwungen,
ihn in die gefesselte Bande der Deserteure einzuschliessen.

Es fielen noch zwei von unsern Eseln; der eine davon war von Farquhar
durch seine Körperlast und schaukelnde Reitmethode zu Tode geritten.
Um es zu verhindern, dass das werthvolle Gepäck zurückbleibe, sah
ich mich genöthigt, Farquhar auf meinem eignen Reitesel in das 30
Meilen entfernte Dorf Mpwapwa unter Aufsicht von Mabruki-Burton zu
schicken. Farquhar war durch seine vollständige Unfähigkeit, etwas
für sich selbst zu thun, zum Spott der Karavane geworden. Er schrie
beständig wie ein krankes Kind nach einem halben Dutzend Menschen,
die ihm aufwarten sollten, und wenn sie die englische Sprache, in der
er sie anredete, nicht verstanden, so erging er sich in einem Strom
der gemeinsten Schimpfworte, wie sie nur je das Ohr eines anständigen
Christenmenschen beleidigt haben. Dschako, den ich ihm als Koch
beigegeben, als er mit der dritten Karavane abgegangen war, hatte er
so furchtbar geprügelt, dass er fast blödsinnig geworden war, und die
Wangwanasoldaten fürchteten seine unsinnige Heftigkeit so, dass sie
ihm nicht nahekommen wollten. Infolge dessen hörte man Farquhar’s
Stimme, die zu keiner Zeit sehr harmonisch war, Tag und Nacht in den
schrillsten Tönen zanken.

Sechs Tage lang ertrug ich diese Plage und wenn meine Esel am Leben
geblieben wären, hätte ich sie vielleicht noch länger ausgehalten;
da sie aber alle sehr schwach waren, und ein Reiter wie Farquhar sie
der Reihe nach ruinirt haben würde, war ich wider Willen gezwungen,
um die Expedition vom Untergange zu retten, den Schluss zu ziehen,
dass es für mich, für ihn und alle Theile besser sei, ihn bei einem
freundlichen Dorfhäuptling mit Vorräthen an Tuch und Perlen auf sechs
Monate zu lassen, bis er wieder wohler würde, als dass er mich zu
Grunde richte und seine eigene Wiederherstellung unmöglich mache.

Am 15., um die Frühstückstunde, wurden Farquhar und Shaw wie gewöhnlich
zum Frühstück eingeladen. Aus ihrer mürrischen Begrüssung ging es mir
deutlich hervor, dass irgendetwas nicht in Ordnung sei, oder dass etwas
passiren würde. Auf den Gesichtern beider Männer lag ein düsterer
Ausdruck, welcher mich nichts Gutes ahnen liess. Sie erwiderten mir
meinen „Guten Morgen“ nicht, sondern wandten, als ich sie genau
ansah, ihre Gesichter ab. Es fiel mir auch ein, dass ihre lebhafte
Unterhaltung, von der ich einzelne Laute gehört hatte, sich um mich
gedreht haben müsse.

Ich bat sie darauf, Platz zu nehmen.

„Selim“, sagte ich, „bringe das Frühstück.“

Das Frühstück, das aus einem gebratenen Ziegenviertel, geschmorter
Leber, einem halben Dutzend guter Kartoffeln, einigen heissen
Pfannkuchen und Kaffee bestand, wurde aufgetragen.

„Shaw“, sagte ich, „seien Sie so gut, schneiden Sie das Fleisch und
reichen Sie es Farquhar.“

„Was für ein Hundefrass ist das?“ fragte Shaw in der unverschämtesten
Art, die man sich vorstellen kann.

„Was meinen Sie?“ fragte ich.

„Ich meine, dass die Art, wie Sie uns behandeln, eine Schande ist,“
sagte er unverschämt, das Gesicht zu mir gewandt. „Ich meine, was mich
betrifft, dass Sie mich viel zu viel zu Fuss gehen lassen. Ich dachte,
wir würden alle Tage Esel zum Reiten und Leute zu unserer Bedienung
haben. Statt dessen muss ich jetzt jeden Tag in der heissen Sonne zu
Fuss gehen, bis ich fühle, dass ich lieber in der Hölle sein möchte als
in dieser verfluchten Expedition. Ich wünsche, dass jede Seele dieser
verdammten Gesellschaft sofort zum Teufel gehen möge! Das wünsche ich
wahrhaftig!“

„Hören Sie mich an, Shaw und Farquhar. Vom Augenblick an, wo Sie die
Küste verlassen, haben Sie stets Esel zum Reiten und Leute zu Ihren
Diensten gehabt. Man hat Ihnen Ihre Zelte aufgestellt, Ihre Mahlzeiten
gekocht. Sie haben dasselbe Essen, dieselbe Behandlung wie ich gehabt,
aber jetzt sind sämmtliche Farquhar’sche Esel und sieben meiner
eigenen todt und ich habe einige Sachen fortwerfen müssen, um nur den
Transport der wichtigsten Waaren zu ermöglichen. Farquhar ist zu krank,
um zu gehen und muss daher einen Esel zum Reiten haben. Nach Verlauf
einiger weniger Tage werden sie aber sämmtlich todt sein; dann muss
ich entweder mehr als 20 neue Pagazi für die Waaren haben oder Wochen
lang auf den Transport warten. Und angesichts einer solchen Lage können
Sie noch murren und an meinem eigenen Tische Verwünschungen gegen mich
ausstossen? Haben Sie Ihre Stellung wohl überlegt? Wissen Sie, wo Sie
sind? Wissen Sie, dass Sie mein Diener und nicht mein Kamerad sind?“

„Verflucht sei so ein Diener“ -- sagte er.

Aber ehe noch Herr Shaw seinen Satz zu Ende bringen konnte, lag er lang
auf den Boden hingestreckt.

„Ist es nöthig, dass ich noch weiter gehen muss, um Sie zu lehren?“
fragte ich.

„Ich will Ihnen sagen, wie die Sache steht“, erwiderte er aufstehend.
„Ich denke, ich thäte besser daran, umzukehren. Ich habe genug gehabt
und beabsichtige, Sie nicht weiter zu begleiten. Ich bitte Sie also um
meine Entlassung aus Ihrem Dienst.“

„Gewiss. Heda, wer ist da? Bombay, komm her!“

Bombay erschien in der Zeltthür und ich sagte ihm: „Brecht das Zelt
dieses Menschen ab (auf Shaw weisend). Er will umkehren. Bringt seine
Flinte und Pistole in mein Zelt und begleitet ihn und sein Gepäck 500
Schritt zum Lager hinaus und lasst ihn dort.“

In wenig Augenblicken war sein Zelt auseinandergenommen, seine Flinte
und Pistolen in meinem Zelt und Bombay kehrte mit vier Bewaffneten
zurück, um mir Bericht abzustatten. „Nun gehen Sie, Sie haben volle
Freiheit. Diese Leute werden Sie zum Lager hinausbegleiten und Sie und
Ihr Gepäck dort allein lassen.“

Er ging also ab in Begleitung der Leute, die ihm sein Gepäck trugen.

Nach dem Frühstück fing ich an, Farquhar auseinanderzusetzen, wie
nothwendig es für mich sei, weiterzugehen; wie viele Sorgen ich
ohnedies habe, ohne noch an Leute denken zu müssen, die ich angenommen,
damit sie an mich und ihre Pflicht dächten; da er krank sei und eine
Zeit lang wol nicht im Stande sein werde, zu marschiren, wäre es
besser, wenn ich ihn an einem ruhigen Ort unter der Sorgfalt eines
guten Häuptlings liesse, der für ihn gegen Entgelt bis zu seiner
Wiederherstellung sorgen könne. Auf alles dies ging Farquhar ein.

Kaum hatte ich aufgehört zu sprechen, als Bombay an die Zeltthür kam
und sagte: „Herr Shaw möchte Sie gern sprechen.“

Ich ging ans Lagerthor und traf daselbst Shaw, der sehr reuig und
beschämt aussah und mich um Verzeihung und die Erlaubniss bat,
zurückkehren zu dürfen, wobei er versprach, dass ich an ihm nie wieder
etwas auszusetzen haben solle.

Ich streckte ihm die Hand entgegen und sagte: „Sprechen wir nicht mehr
davon, mein lieber Junge. Streit kommt in den besten Familien vor. Da
Sie um Entschuldigung bitten, so hat es damit sein Ende.“

Als ich an demselben Abend im Begriff war einzuschlafen, hörte ich
einen Schuss und eine Kugel flog ein paar Zoll über meinem Körper
durch mein Zelt. Ich griff rasch nach meinen Revolvern, stürzte zum
Zelt hinaus und fragte die Leute, die um das Wachtfeuer versammelt
waren, wer geschossen habe. Sie waren alle über den plötzlichen Schuss
erschreckt aufgesprungen.

„Wer hat jenen Schuss abgefeuert?“

Einer von ihnen sagte: „Der Bana mdogo“ (kleiner Herr).

Ich zündete ein Licht an und ging damit in Shaw’s Zelt. „Shaw, haben
Sie geschossen?“

Keine Antwort, -- er schien zu schlafen, da er sehr tief athmete.

„Shaw, Shaw, haben Sie den Schuss abgefeuert?“

„Was?“ sagte er, plötzlich aufspringend; „ich? ich feuern? Ich habe
geschlafen.“

Ich sah seine Flinte bei ihm liegen, ergriff dieselbe, fühlte daran
herum und steckte meinen kleinen Finger in den Lauf. Die Flinte war
warm, mein Finger vom verbrannten Pulver schwarz.

„Was ist das?“ fragte ich meinen Finger zeigend. „Die Flinte ist warm.
Die Leute sagen mir, dass Sie gefeuert haben!“

„Ach ja“, antwortete er, „jetzt erinnere ich mich. Im Traume sah ich
einen Dieb an meiner Thür vorübergehen. Ach ja, ich habe es vergessen.
Ich habe wirklich geschossen. Nun, was ist denn dabei?“

„Gar nichts“, sagte ich. „Ich rathe Ihnen aber, in Zukunft, um allen
Verdacht zu vermeiden, nicht in mein Zelt oder so sehr in meine Nähe
zu schiessen. Ich könnte doch verletzt werden und in dem Falle würden
sich üble Gerüchte verbreiten, was unangenehm sein dürfte, wie Sie wol
einsehen. Gute Nacht!“

Ueber diese Geschichte machten wir uns alle unsere Gedanken, aber ich
habe niemand ein Wort darüber gesagt, bis ich Livingstone traf. Der
Doctor lieh meinem Verdacht Worte, indem er sagte: „Er beabsichtigte
Sie zu ermorden.“

Was für eine plumpe Art zu morden war das aber! Wenn er es wirklich
gethan hätte, so würden meine eigenen Leute ihn so bestraft haben, wie
es das Verbrechen verdiente. Im Laufe eines Marsches von Monatsdauer
hätten sich ihm tausend bessere Gelegenheiten als diese dazu
dargeboten. Ich kann es mir eigentlich doch nur dadurch erklären, dass
ich annehme, er sei für den Augenblick geisteskrank gewesen.

Am 16. Mai zogen wir über die Ebene, die zwischen Ugombo und Mpwapwa
liegt und sich hin und wieder dicht an einer niedrigen Trappfelsenkette
hinzieht, aus der durch irgendwelche heftige Gewalt verschiedene grosse
Felsblöcke herausgerissen worden. Auf ihren Abhängen erreicht der
Kolquall eine Grösse, wie ich sie nie in Abessinien gesehen habe. Auf
der Ebene wachsen Baobab, ungeheure Tamarinden und verschiedenartige
Dornsträucher.

Fünf Stunden von Ugombo wand sich der Bergzug nach Nordosten. Wir
hingegen verfolgten eine nordwestliche Richtung weiter und gingen auf
den erhabenen Gebirgszug von Mpwapwa zu. Zu unserer Linken thürmte sich
der gigantische Rubeho in die blauen Wolken. Jetzt wurde es klar, warum
wir diesen neuen Weg nach Unyanyembé eingeschlagen hatten, denn dadurch
konnten wir die Pässe und steilen Anhöhen des Rubeho vermeiden und
hatten nichts schlimmeres zu gewärtigen, als eine breite glatte Ebene,
welche sanft nach Ugogo hinabging.

Nach einem Marsch von 15 Meilen lagerten wir in einem trockenen
Mtoni, der Matamombo heisst und wegen seiner Pfützen ockerfarbigen
Bitterwassers berühmt ist. Affen und Rhinozeros, Kudus, Steinböcke und
Antilopen fanden sich zahlreich in seiner Umgegend vor. In diesem Lager
starb mein Hündchen Omar an Unterleibsentzündung, fast an der Schwelle
des Landes Ugogo, wo seine Treue und Wachsamkeit mir unschätzbar
gewesen wären.

Der Marsch des nächsten Tages war gleichfalls 15 Meilen lang. Er ging
durch ein unendliches Gewirr von Dornbüschen. Innerhalb zwei Meilen
vom Lager führte der Weg über ein kleines Flussbett von der Breite
einer Allee direct ins Khambi von Mpwapwa, das dicht bei einigen Bächen
reinsten Wassers lag.

Der nächste Morgen fand uns sehr ermüdet nach dem langen Marsch von
Ugombo und im allgemeinen geneigt, von den herrlichen Genüssen, die
Mpwapwa den direct aus den fliegengeplagten Ländern der Waseguhha
und Wadoe kommenden Karavanen bietet, Gebrauch zu machen. Scheikh
Thani, der gescheite, arglos redende alte Araber, kampirte hier unter
dem angenehmen Schatten einer Mtamba-Sycamore und hatte sich seit
seiner vor zwei Tagen erfolgten Ankunft an frischer Milch, prächtigem
Hammelfleisch und kräftigem Rinderrücken delectirt. Wie er mir
mittheilte, hegte er nicht die Absicht, dieses glückliche, reiche Land
sobald mit dem salzigen, salpeterhaltigen Wasser von Marenga Mkali,
mit seinen verschiedenen Terekezas und vielfachen Unannehmlichkeiten
zu vertauschen. „Nein“, sagte er mir mit Nachdruck, „bleiben Sie
lieber zwei oder drei Tage hier; gönnen Sie Ihren ermatteten Thieren
Ruhe; sammeln Sie so viel Pagazi, als Sie können. Füllen Sie sich voll
mit frischer Milch, süssen Kartoffeln, Rindfleisch, Hammelfleisch,
geklärter Butter, Honig, Bohnen, Matama, Maweri und Nüssen; -- dann,
Inschallah! wollen wir zusammen ohne Aufenthalt nach Ugogo gehen!“ Da
der Rath vollständig mit meinen eigenen Wünschen und meinem grossen
Appetit nach den guten Dingen, die er nannte, übereinstimmte, so hatte
er nicht lange auf meine Zustimmung zu warten. „Ugogo“, fuhr er fort,
„ist reich an Milch und Honig, -- reich an Mehl, Bohnen und fast allen
Esswaaren; und, Inschallah! ehe noch eine Woche verstreicht, werden wir
in Ugogo sein!“

Ich hatte von durchziehenden Karavanen so viel ungemein günstige
Berichte über Ugogo und seine Produkte gehört, dass es mir geradezu als
gelobtes Land erschien, und war sehr begierig, meinen angegriffenen
Magen mit einigen der in Ugogo erzeugten köstlichen Nahrungsmittel
zu erquicken. Als ich aber hörte, dass Mpwapwa gleichfalls leckere
Esswaaren darbot, verbrachte ich den grössten Theil der Morgenstunden
damit, die geistesträgen Bewohner dazu zu bringen, sich von ihnen
zu trennen; und als schliesslich Eier, Milch, Honig, Hammel, Thee,
Matamagrütze und Bohnen in hinreichenden Quantitäten, um ein
anständiges Mahl zu bereiten, gesammelt waren, wandte ich meine volle
Aufmerksamkeit und alle Kochtalente einige Stunden lang dazu an,
diese rohen Vorräthe in ein Frühstück zu verwandeln, welches meinem
sowol wählerischen als ausgehungerten Magen annehmbar und wohlthuend
sein sollte. Die spätere gesunde Verdauung desselben bewies, dass
meine Anstrengungen vollständig von Erfolg gekrönt waren. Am Ende
dieses ereignissvollen Tages schrieb ich folgende Bemerkung in mein
Tagebuch: „Gott sei Dank, nach 57 Tagen, wo ich von Matamabrei und
zähem Ziegenfleisch gelebt, habe ich mit salbungsvoller Genugthuung ein
wirkliches Frühstück und Mittagessen genossen!“

In einem der vielen kleinen Dörfer, die auf den Abhängen des Mpwapwa
liegen, fand ich einen Zufluchtsort für Farquhar, wo er eine Heimat
finden konnte, bis er im Stande sein werde, nach Wiederherstellung
seiner Gesundheit uns nach Unyanyembé nachzukommen.

Nahrungsmittel gab es hier in Hülle und Fülle und von ausreichender
Mannichfaltigkeit, um den Wählerischsten zu befriedigen. Auch waren
sie billig, viel billiger, als wir sie an manchem Tag gehabt hatten.
Leucole, der Häuptling des Dorfes, mit dem ich Anordnungen zu Gunsten
von Farquhar’s Pflege und Bequemlichkeit traf, war ein kleiner alter
Mann mit mildem Auge und sehr angenehmem Gesicht, und als ich ihm
die Mittheilung machte, dass ich die Absicht habe, den Musungu ganz
unter seiner Obhut zu lassen, schlug er mir vor, ich möge einen meiner
Leute dazu anstellen, ihn zu bedienen und seine Wünsche den Leuten
Leucole’s zu verdolmetschen. Ich hatte schon an diese abermalige
Last, welche Farquhar’s Krankheit mir auferlegen könne, gedacht, aber
gehofft, dass Leucole mich hiervon gegen eine Extrabezahlung befreien
werde. In der Zeit jedoch, die zwischen Farquhar’s und unserer eigenen
Ankunft vergangen war, hatte der Häuptling schon hinlänglich erkannt,
dass er ganz unfähig sei, die Bedürfnisse eines Menschen wie Farquhar
zu befriedigen, welcher darauf bestand, nach jeder Kleinigkeit auf
englisch statt auf Kisagara oder Kiswahili zu rufen, und der, wenn
er nicht verstanden worden, erst die Eingeborenen auf englisch
gründlich verfluchte und, wenn er dies als nutzlos erkannt hatte, in
ein hartnäckiges, mürrisches Schweigen zu verfallen pflegte. Keine
Geldsumme war gross genug, um Leucole dazu zu bewegen, sich dieser
Aufgabe ohne einen Dolmetscher zu unterziehen. Es war nutzlos, über
meine Thorheit zu trauern, einen solchen Mann wie Farquhar auf die
Expedition mitgenommen zu haben. Er war im Innern von Afrika und krank;
mir lag es ob, danach zu sehen, dass er Pflege erhielt. Daher fragte
ich Bombay, welchen von unsern Leuten man am besten entbehren könne,
um ihn bei Farquhar zu lassen. Zu meinem Erstaunen sagte Bombay: „O
Herr, haben Sie uns nach Afrika gebracht, um uns so etwas zuzumuthen?
Wir haben unsern Contrakt nicht unterschrieben, um zurückzubleiben,
sondern um Sie nach Udschidschi, Ukerewe oder Kairo zu begleiten. Wenn
Sie einem der Soldaten befehlen, hier zu bleiben, so wird er nur so
lange gehorchen, als Sie da sind, -- nachher wird er weglaufen. Nein,
nein, Herr, das geht nicht!“ -- Trotz Bombay’s Versicherungen, die ich
zwar keine Ursache hatte zu bezweifeln, fragte ich einen jeden meiner
Leute persönlich, ob er bereit sei, zurückzubleiben und den kranken
Musungu zu bedienen.

Von jedem erhielt ich eine verneinende Antwort, die sehr entschieden
abgegeben wurde, und sie führten als Grund das heftige Betragen des
Musungu gegen die drei Soldaten an, die seiner Karavane von Bagamoyo
ab beigegeben worden. Sie fürchteten ihn, er verfluchte sie bei jeder
Gelegenheit und Ulimengo kopirte ihn so getreu und komisch, dass es
fast unmöglich war, sich des Lachens zu enthalten. Da jedoch der
kranke Mann absolut eines Pflegers bedurfte, so war ich gezwungen,
meine Autorität zu gebrauchen, und da Dschako der einzige ausser
Bombay und meinem arabischen Dolmetscher Selim war, der englisch
sprechen konnte, so wurde jener trotz seiner Einwendungen und Bitten
dazu bestimmt und der Häuptling Leucole dadurch zufriedengestellt.
Vorräthe an weissen Perlen, Merikani- und Kanikituchen auf sechs Monate
und zwei Doti schönen Tuchs als Geschenk für Leucole nach Farquhar’s
Wiederherstellung wurden dem letztern von Bombay gebracht und dazu noch
ein Karabiner, 300 Patronen, ein Satz Kochgeschirr und 3 Pfund Thee.

Abdullah bin Nasib, den ich hier mit 500 Pagazi und einem Gefolge
von arabischen und Waswahili-Satelliten, die sich um diese grosse
Persönlichkeit drängten, vorfand, behandelte mich ungefähr in derselben
Weise, wie Hamed bin Suleiman Speke in Kasenge behandelt hatte.
Von seinen Satelliten gefolgt kam er, ein hochgewachsener, kräftig
aussehender Mann von ungefähr 50 Jahren, mich in meinem Lager zu
besuchen und fragte mich, ob ich Esel zu kaufen wünsche. Da alle meine
Thiere entweder krank oder sterbend waren, so bejahte ich seine Frage
bereitwilligst, worauf er mir gnädigst erwiderte, er werde mir so
viele, wie ich wünsche, verkaufen und zwar gegen eine Bezahlung, die
ich ihm in Wechseln auf Zanzibar geben könne. Ich hielt ihn für einen
sehr verständigen und freundlichen Mann, der das Lob, welches ihm in
Burton’s „Lake Regions of Central-Africa“ reichlich gespendet wird,
vollständig rechtfertigte und behandelte ihn daher mit der Rücksicht,
die einem so grossen und guten Manne gebührte. Der Morgen kam und mit
ihm ging Abdullah bin Nasib oder „Kisesa“, wie er von den Wanyamwezi
genannt wird, mit allen seinen Pagazi, seinem ganzen Gefolge und seinen
Eseln nach Bagamoyo ab, ohne mir auch nur ein „Quahary“ oder Lebewohl
gesagt zu haben.

An diesem Orte findet man gewöhnlich 10-30 Pagazi, die auf ins Innere
ziehende Karavanen warten. Ich war glücklich genug, mir zwölf gute
Leute zu verschaffen, die nach meiner Ankunft in Unyanyembé ohne
Ausnahme freiwillig sich erboten, als Lastträger auch nach Udschidschi
mitzugehen. Da ich die furchtbaren Märsche von Marenga Mkali vor mir
hatte, so war ich für diesen glücklichen Zufall sehr dankbar, welcher
die Schwierigkeiten, die ich vermuthet hatte, löste, denn ich hatte nur
zehn Esel übrig, von denen vier so geschwächt waren, dass man sie als
Lastthiere nicht mehr gebrauchen konnte.

Mpwapwa, wie es von den Arabern, die es fertig bekommen, jedes Wort
der Eingeborenen zu verderben, genannt wird, heisst bei den Wasagara
Mbambwa. Es ist ein Gebirgszug, der sich mehr als 6000 Fuss über dem
Meere erhebt, im Norden die ausgedehnte Ebene, die beim See Ugombo
anfängt, und im Osten den Theil derselben begränzt, der Marenga Mkali
heisst und sich über die Grenze von Uhumba hinaus erstreckt. Mpwapwa
gegenüber, in einer Entfernung von etwa 30 Meilen, erhebt sich der
Anak-Pic von Rubeho mit mehreren andern hochstrebenden Genossen, welche
die langen Züge geradliniger Abdachungen überragen, die von der Ebene
von Ugombo und Marenga Mkali sich so regelmässig erheben, als ob sie
von ganzen Generationen von Maurern und Steinmetzen ausgehauen wären.

Als ich auf die grünen, von vielen dichtbelaubten Bäumen beschatteten
Abhänge von Mpwapwa und seine zahlreichen Bäche blickte, die anmuthig
und klar dahinflossen und ausser dichten Gruppen von Gummi- und
Dornbüschen riesige Sycamoren und Mimosen mit ihren fallschirmförmigen
Laubdächern ernährten, liess ich mir von der Einbildungskraft liebliche
Ansichten hinter den hohen Kegeln vormalen und mich in Versuchung
führen, den Strapazen eines Ersteigens des Gipfels Trotz zu bieten.
Mit einem Blick übersah mein Auge Ebene und Berg in einer Ausdehnung
von Hunderten von Quadratmeilen vom Pic Ugombo ins ferne Ugogo hinaus
und von Rubeho und Ugogo bis zu den dunkelpurpurnen Weideländern der
wilden, unbezähmbaren Wahumba. Die Ebene von Ugombo und die benachbarte
von Marenga Mkali, die dem Anschein nach so flach wie das Meer sind,
waren hier und da von Hügeln besät, welche die Natur in nachlässiger
Eile dahingestreut zu haben schien und die wie Inseln inmitten der
braungrünen Fläche aussahen. Wo sich dichte Dschungels befanden, war
die Farbe abwechselnd grün und dunkelbraun; wo die Ebene ohne Büsche
und Farrnkräuter kahl dalag, hatte sie ein weissbraunes Aussehen,
auf welches die vorüberziehenden Wolken hin und wieder ihre tiefen
Schatten warfen. Ueberhaupt war diese Seite des Bildes durchaus nicht
einladend; denn sie zeigte uns nur zu deutlich die Wüste in ihrem
eigensten abschreckenden Charakter. Doch nahm mich vielleicht noch
die Erkenntniss gegen dieselbe ein, dass in dieser ungeheuren vor
mir liegenden Ebene es nur Wasser gibt, das bitter wie Salpeter und
untrinkbar ist. Der Jäger hätte sie für ein Paradies ansehen können,
denn in ihren Tiefen gab es allerlei Wild, das ihn mächtig reizen
konnte; für den blosen Reisenden aber bot sie einen traurigen Anblick.
Näher jedoch am Fusse des Mpwapwa ändert sich das Aussehen der Ebene.
Zuerst werden die Dschungels dünner, es erscheinen Lichtungen im
Walde, darauf weite kahle Strecken und weiter hin ausgedehnte Felder
von kräftigem Holcus, Mais, Maweri oder Bajri, sowie hier und da ein
viereckiges Tembé oder Dorf. Noch näher zu uns verliefen schmale
Streifen von frischem, jungem Grase und es fanden sich grosse Bäume,
die von kleinen Partien angeschwemmten Wiesenbodens umgeben waren.
Ein breites Flussbett, das mehrere Wasserläufe enthält, zieht sich
durch die durstigen Felder und führt das belebende Element mit sich,
das in diesem Theile von Usagara so selten und kostbar ist. Hinab zum
Flussbett neigt sich der Mpwapwa, der an einigen Stellen durch grosse
Basaltblöcke oder Felsmassen, die von einem jähen Abhang herabgefallen
sind, ein rauhes Ansehen gewinnt. Hier klammert sich der Kolquall
mit sicherm Halte an und gewinnt seine Nahrung überall, wo es keiner
andern Pflanze gelingt; dort zieht sich die kräftige Mimose als grüner,
abfallender Wall fast bis zum Gipfel hinan und da weidet -- ein
beglückender Anblick für mich, der ihn so lange entbehrt -- zahlreiches
Vieh, das der Einsamkeit der tiefen Einschnitte des Gebirgszuges ein
angenehmes Leben verleiht.

Den schönsten Anblick jedoch gewährt die nördlich gelegene dichte
Gebirgsgruppe, welche, nach Rubeho zu, die vordere Bergreihe wie
mit Strebepfeilern stützt. Das ist die Heimat der Winde, die hier
entstehen, die jähen Abhänge und einzelnen Pics der Westseite, an
Stärke zunehmend, hinabsausen, durch das prairieartige Marenga Mkali
brausen und Ugogo und Unyamwezi mit der Gewalt des Sturmes durchtoben.
Zugleich ist es die Heimat des Thaus, wo klare Quellen, die durch ihre
Musik die bewaldeten Thäler erfreuen und den bevölkerten Bezirk von
Mpwapwa bereichern, entspringen. Es wird jedem besser und stärker zu
Muthe auf dieser luftigen Höhe, wenn er die reine Luft einsaugt und die
Augen an der Mannichfaltigkeit der Landschaft weidet, die sich hier
darbietet. Hier blickt man auf ausgedehnte, wiesengrüne Plateaus, glatt
abgerundete Gipfel und Bergthäler, die Schlupfwinkel enthalten, welche
die Seele eines Eremiten bezaubern können; dort auf tiefe, schreckliche
Schluchten, wo ein düsteres Dunkel herrscht, auf zerrissene Abhänge,
ungeheuere phantastisch gestaltete Blöcke, die über ihnen hervorragen,
sowie auf malerische Landstriche, die alles in sich schliessen, was die
Natur an Romantik und Poesie zu bieten hat.

Der Reisende wird Mpwapwa, obgleich er, von der Küste kommend, für die
Milch, die es ihm bietet und die er so lange entbehrt hat, dankbar
ist, doch stets als einen durch seine Ohrwürmer sehr merkwürdigen Ort
im Gedächtniss behalten. In meinem Zelte konnte ich sie zu Tausenden
zählen, in meiner Hängematte zu Hunderten, auf meinen Kleidern zu
Fünfzigen, auf meinem Hals und Kopf zu Zwanzigen. Die sonstigen Plagen,
als da sind Heuschrecken, Flöhe und anderes Ungeziefer, verlieren jede
Bedeutung, wenn man sie mit diesen entsetzlichen Ohrwürmern vergleicht.
Freilich beissen sie weder, noch reizen sie die Haut, ihre blosse
Anwesenheit und Zahl rief jedoch so schreckliche Vorstellungen hervor,
dass man dadurch fast toll werden konnte. Wer kommt wol nach Ostafrika,
ohne die Erfahrungen von Burton und Speke gelesen zu haben? Wer wird
wol, wenn er sie gelesen, sich nicht mit Schrecken der furchtbaren
Schilderungen erinnern, die Speke von dieser Pest gibt? Nur meine
angestrengte Wachsamkeit hat mich, wie ich glaube, vor ähnlichem
Unglück bewahrt.

Nach den Ohrwürmern kommen, was Bedeutung und Zahl betrifft, die
weissen Ameisen, deren Zerstörungsvermögen geradezu schrecklich ist.
Matten, Tuch, Koffer, Kleider, kurz alles, was ich besass, schien sich
am Abgrunde des Verderbens zu befinden, und wenn ich ihre Gefrässigkeit
beobachtete, so ängstigte ich mich, dass sie mein Zelt, während
ich schlief, auffressen könnten. Dieses war, seitdem ich die Küste
verlassen, das erste Khambi, wo ihre Anwesenheit mir Angst verursachte.
An allen andern Lagerstätten hatten bisher die rothen und schwarzen
Ameisen unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen; in Mpwapwa aber liess
sich die rothe Gattung gar nicht blicken und die schwarze war auch sehr
selten.

Nachdem wir drei Tage in Mpwapwa gehalten, entschloss ich mich,
ohne Aufenthalt nach Marenga Mkali zu marschiren, bis wir Mvumi in
Ugogo erreichten, wo ich die Kunst, Tribut an die Wagogohäuptlinge
zu bezahlen, erlernen sollte. Der erste Marsch nach Kisokweh wurde
absichtlich kurz gemacht, da er nur vier Meilen betrug, um es Scheikh
Thani, Scheikh Hamed und fünf bis sechs Waswahili-Karavanen zu
ermöglichen, mich in Tschunyo, an der Grenze von Marenga Mkali, zu
treffen.




[Illustration: UNSER LAGER IN TSCHUNYO.]




SECHSTES KAPITEL.

DURCH MARENGA MKALI, UGOGO, UYANZI NACH UNYANYEMBÉ.

  Ankunft in Tschunyo. -- Bitterwasser. -- Marenga Mkali. --
  Sechsunddreissig Stunden lang kein Wasser. -- Gefährlicher
  Fieberanfall. -- Ankunft in Ugogo. -- Wüthender Pöbel. -- Reichliche
  Lebensmittel in Mvumi. -- Tribut an den grossen Sultan. -- Der Sultan
  von Matamburu. -- Marsch nach Bihawana. -- Die Wagogo erhalten
  Peitschenhiebe. -- Besuch des Sultans von Mizanza. -- Die Wahumba
  sind ein stattlicher Menschenschlag. -- Ankunft in Mukonduku. --
  Abreise. -- Berathschlagung mit den Arabern über die einzuschlagende
  Route. -- Streit und Trennung von denselben. -- Sie folgen mir.
  -- Ugogo ein Land voll Bitterniss. -- Ankunft in Kiti. -- Sultan
  bin Mohammed. -- Halt in Kusuri. -- Erschiessen eines Dieners. --
  Schlammfische. -- Ruinen von Rubuga. -- Amir bin Sultan. -- Uebergang
  über das Mtoni. -- Ankunft in Unyanyembé.


Von Marenga Mkali nach

                            St. Min.
  Mvumi in Klein-Ugogo      12  30
  Mvumi in Gross-Ugogo       4  --
  Matamburu                  4  --
  Bihawana                   4  --
  Kididimo                   2 --
  Pembera Pereh             10 --
  Mizanza                    5 30
  Mukondoku                  6 30
  Munieka                    5 --
  Mabunguru Mtoni in Uyanzi  8 --
  Kiti in Uyanzi             6 30
  Msalalo                    6 30
  Welled Ngaraiso            3 30
  Kusuri                     3 15
  Mgongo Tembo               3 30
  Mgongo Tembo Mtoni         3 30
  Nghwhalah Mtoni            2 40
  Madedita                   2 30
  Central Tura in Unyamwezi  3 --
  Kwala-Fluss                7 --
  Rubuga                     7 15
  Kigwa                      5 --
  Schisa                     7 --
  Kwihara                    3 --

Der 22. Mai sah Thani’s und Hamed’s Karavanen mit der meinigen in
Tschunyo, 3½ Stunden von Mpwapwa, vereinigt. Der Weg von letzterm
Ort läuft längs des Saumes des Mpwapwa-Höhenzuges. An drei oder vier
Stellen geht er über vorspringende Ausläufer, welche sich von dem
Hauptstock des Gebirges abtrennen. Der letzte dieser Bergausläufer, der
sich durch einen erhabenen Querfirst mit dem Mpwapwa verbindet, schützt
das Dorf Tschunyo, das an der westlichen Seite liegt, vor den Stürmen,
welche von den tiefen Abhängen herabbrausen.

Das Wasser von Tschunyo ist ganz besonders schlecht, sodass es durch
seine salzige, salpeterhaltige Beschaffenheit der Wildniss, welche
Usagara von Ugogo trennt, den Namen Marenga Mkali, Bitterwasser,
gegeben hat. Obgleich es ausserordentlich widerlich schmeckt, trinken
es Araber und Eingeborene ohne Furcht oder schlechte Folgen zu
verspüren, halten aber ihre Lastthiere sorgfältig von den Wassergruben
fern. Da ich seine Natur nicht kannte und nicht genau wusste, welche
Oertlichkeit mit dem Namen Marenga Mkali bezeichnet wird, liess ich
die Esel wie gewöhnlich nach einem Marsch ans Wasser führen und die
Folge davon war in hohem Grade verderblich. Was das furchtbare Moor
von Makata verschont hatte, vernichteten die Wasser von Marenga Mkali.
In weniger als fünf Tagen nach unserer Abreise von Tschunyo oder
Marenga Mkali fielen ihnen fünf von den neun Eseln, die mir damals
noch übrigblieben, zum Opfer und zwar gerade die fünf gesündesten. Das
Wasser schien Harnverhaltung hervorzurufen, denn der Tod von dreien
der Thiere war auf diese Ursache zurückzuführen.

Wir bildeten eine ganz imposante Karavane, als wir aus dem ungastlichen
Tschunyo ungefähr 400 Seelen stark fortzogen. Dazu hatten wir viele
Flinten, Flaggen, Hörner, Trommeln, und machten viel Lärm. Durch
Scheikh Thani’s Erlaubniss wurde Scheikh Hamed und mir die Aufgabe
zutheil, diese grosse Karavane durch das gefürchtete Ugogo zu führen.
Dies war, wie man später sehen wird, eine sehr unglückliche Wahl.

Endlich lag Marenga Mkali, in einer Breite von mehr als 30 Meilen
vor uns. Diese Entfernung musste innerhalb 36 Stunden zurückgelegt
werden, sodass die Strapazen eines gewöhnlichen Marsches dadurch
mehr als verdoppelt wurden. Von Tschunyo nach Ugogo findet man nicht
einen Tropfen Wasser. Da eine grosse Karavane von z. B. 200 Seelen
selten mehr als 1¾ Meilen in der Stunde zurücklegt, so beansprucht ein
Marsch von 30 Meilen eine siebenzigstündige Entbehrung von Wasser und
gestattet nur wenig Ruhe. Da Ostafrika meist unbeschränkte Wassermengen
besitzt, sind Karavanen nicht gezwungen, aus Mangel an diesem Element
zum Muschok Indiens oder dem Khirbeh Aegyptens ihre Zuflucht zu
nehmen. Weil sie im Stande sind, die wasserlosen Districte in einigen
langen Märschen zu passiren, lassen sie sich für diese Zeit an kleinen
Kürbisflaschen voll Wasser genügen und weiden ihre Phantasie an den
grossen Mengen, welche sie nach ihrer Ankunft an einem wasserreichen
Ort trinken werden.

Der Marsch durch diesen wasserlosen District war sehr eintönig und
mich packte ein gefährliches Fieber, welches mir die Eingeweide
geradezu zu verzehren schien. Die Wunder von Afrika, welche sich hier
in Gestalt von Zebras, Giraffen, Elenn und Antilopen zeigten, die über
die strauchlose Ebene gallopirten, hatten für mich keinen Reiz und
vermochten es nicht, meine Aufmerksamkeit von der schweren Erkrankung,
die mich befallen hatte, abzulenken. Gegen das Ende des ersten Marsches
war ich nicht im Stande, auf dem Esel zu sitzen. Auch ging es nicht an,
da wir erst den dritten Theil des Weges durch die Wüste hinter uns
hatten, vor dem nächsten Tage Halt zu machen. Es wurden daher Soldaten
commandirt, mich in einer Hängematte zu tragen, und als die Terekeza am
Abend zu Ende war, lag ich in einem lethargischen, völlig bewusstlosen
Zustande da. In der Nacht ging das Fieber vorüber und um 3 Uhr morgens,
als der Marsch wieder aufgenommen wurde, war ich gestiefelt und
gespornt und wieder als Mtongi meiner Karavane anerkannt. Um 8 Uhr
morgens hatten wir die 32 Meilen zurückgelegt. Die Wildniss von Marenga
Mkali war passirt und wir waren nach Ugogo gekommen, das für meine
Karavane ein gefürchtetes, für mich ein gelobtes Land war.

Der Uebergang von der Wildniss in dasselbe war sehr allmählich und
leicht. Nur nach und nach wurde das Dickicht dünner; es dauerte lange,
bis wir an abgeholztes Land kamen, und als es schliesslich da war, sah
man nicht eher Zeichen der Cultur, als bis wir Kräuter und Pflanzen
an einigen zur rechten Hand parallel mit unserer Route verlaufenden
Bergabhängen erkennen konnten. Dann erst erblickten wir Nutzholz auf
den Bergen und weite bebaute Felder, und siehe da, als wir über eine
röthliche Erdwelle schritten, die von hohem Unkraut und Rohr bedeckt
war, lagen nur wenige Schritt von uns entfernt, gerade quer über unserm
Weg, die Matama- und Kornfelder, nach denen wir ausgeschaut; wir waren
schon seit einer Stunde in Ugogo.

Der Blick war nicht, wie ich ihn erwartet. Ich hatte mir ein Plateau,
mehrere hundert Fuss höher als Marenga Mkali liegend, und eine
ausgedehnte Aussicht vorgestellt, die mir Ugogo und seinen Charakter
sofort offenbaren sollten. Statt dessen waren wir aber, als wir das
hohe Unkraut, welches das vor den bebauten Strecken kommende abgeholzte
Land bedeckt hatte, durchzogen, mitten in noch höhere Matamahalme
hineingerathen und mit Ausnahme des Blicks auf einige ferne Berge in
der Nähe von Mwumi, wo der grosse Sultan lebt, das Haupt des Stammes,
dem wir Tribut zahlen sollten, war die Aussicht sehr begrenzt.

In der Umgegend des ersten Dorfes bekamen wir jedoch einige
charakteristische Züge von Ugogo flüchtig zu sehen. Da lag eine
weite Ebene, bald flach, bald sich leicht erhebend, hier platt wie
ein Tisch, dort zu schroffen Hügeln geformt, welche von zahlreichen
unebenen, riesigen Felsblöcken starrten, die einer über dem andern
aufgeschichtet lagen, als ob Kinder eines Titanengeschlechts hier
Häuserbauen gespielt hätten. Wirklich bildeten diese Haufen runder,
eckiger und zerrissener Felsen kleine Hügel für sich und sahen so aus,
als ob ein jeder von ihnen durch irgendeine heftig wirkende Kraft von
unten hinaufgeworfen worden sei. Namentlich war einer derselben in
der Nähe von Mvumi so gross und hatte, da er durch die ausgestreckten
Zweige eines riesigen Baobab etwas den Blicken entzogen wurde, so
grosse Aehnlichkeit mit einem ungeheuren viereckigen Thurme, dass
ich längere Zeit die Idee hegte, etwas besonders Interessantes, was
sich merkwürdigerweise der Beobachtung meiner Vorgänger in Ostafrika
entzogen, entdeckt zu haben. Ein genaueres Hinsehen zerstörte die
Illusion und bewies mir, dass es ein grosser Felsenwürfel war, der
ungefähr 70 Fuss nach jeder Richtung mass. Die Baobab sind auch in
dieser Landschaft besonders hervorstechend, da kein anderer Baum in
diesen bebauten Gegenden zu sehen ist. Man hatte sie wol aus zwei
Gründen stehen lassen: erstens aus Mangel an geeigneten Beilen, Bäume
von so grossem Umfange zu fällen, und zweitens, weil die Frucht des
Baobab ein Mehl gibt, das bei Hungersnoth, wenn es nichts besseres
gibt, auch geniessbar und nahrhaft sein soll.

Die ersten Worte, die ich in Ugogo hörte, kamen von einem starkgebauten
Wagogo-Aeltesten, der seine Heerde träge hütete, aber ein sichtliches
Interesse an dem Fremdling bekundete, der in weissen Flanellkleidern,
den in Ugogo höchst ungewöhnlichen Hawkes’schen Patent-Kork-Sommerhut
auf dem Kopfe, vorbeizog.

„Yambo, Musungu! Yambo Bana, Bana!“ ertönte seine Stimme so laut, dass
man sie eine ganze Meile weit hören konnte. Kaum hatte die Begrüssung
stattgefunden, als das Wort „Musungu“ sein ganzes Dorf zu elektrisiren
schien und die Bewohner andrer Dörfer, die hie und da nicht weit vom
Wege lagen, nahmen, als sie die erste herrschende Aufregung bemerkten,
an dem allgemeinen tollen Durcheinander theil, das alle plötzlich zu
beherrschen schien. Meinen Weg vom ersten Dorf bis Mvumi betrachte ich
als einen Triumphzug, denn ich wurde von einem wüthenden, aus Männern,
Weibern und Kindern bestehenden Pöbelhaufen begleitet, die fast alle
nackt, wie Mutter Eva waren, als sie die Welt zuerst im Garten von Eden
erblickte. Sie zankten, stritten und stiessen sich, um den weissen
Mann am besten sehen zu können, dergleichen man in diesem Theil von
Ugogo noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Doch wurden die Ausrufe
der Verwunderung, wie z. B. „Hi le“, die oft verwirrend an mein Ohr
schlugen, von mir nicht mit Dank aufgenommen, da ich viele derselben
für ungehörig hielt. Achtunggebietendes Schweigen und ein reservirteres
Betragen würde mir mehr Hochachtung abgewonnen haben; aber ihr Mächte,
die ihr in Usungu die Etikette regelt! -- respectvolles Schweigen,
zurückhaltendes Benehmen und Werthschätzung, das sind drei Worte, die
man in dem wilden Ugogo nicht kennt.

Bisher hatte ich mich mit einem Bagdader Kaufmann verglichen, der
unter den Kurden von Kurdistan herumziehend seine aus Damaszenerseide,
Kefiyehs u. dgl. bestehenden Waaren verkauft; aber jetzt musste ich
ein niedrigeres Bild wählen und mich für nicht viel besser als den
Affen in der zoologischen Sammlung des Central-Parks halten, dessen
komische Grimassen so ungeheures Gelächter bei den jungen New-Yorkern
hervorrufen. Einer meiner Soldaten bat sie, ihr furchtbares Geschrei
und Lärmen etwas zu mässigen, aber das böse Gesindel gebot ihm,
stillzuschweigen, da es unwürdig sei, so mit den Wagogo zu sprechen.
Als ich mich flehentlich in dieser Verlegenheit an die Araber um Rath
wandte, sagte der alte, stets weltkluge Scheikh Thani: „Beachten Sie
jene nicht; es sind Hunde, die nicht nur bellen, sondern auch beissen.“

Um 9 Uhr morgens waren wir in unserm Boma in der Nähe des Dorfes Mvumi,
aber auch hierher kamen Mengen von Wagogo, um sich den Musungu etwas
anzusehen, dessen Anwesenheit alsbald im ganzen District von Mvumi
bekannt wurde. Zwei Stunden später hatte ich ihre Bemühungen, mich
zu sehen, ganz und gar vergessen; denn trotz wiederholter Dosen von
Chinin hatte mich das Mukunguru fest gepackt. Am nächsten Tage fand ein
Marsch von acht Meilen von Ost- nach West-Mvumi statt, wo der Sultan
des Bezirks wohnt. Die Menge und Mannichfaltigkeit der in unser Boma
gebrachten Lebensmittel straften die Berichte über die Erzeugnisse
von Ugogo nicht Lügen. Saure und süsse Milch, Honig, Bohnen, Matama,
Maweri, Mais, Ghee, Erbsennüsse und eine Sorte von Bohnennüssen, die
grossen Pistazien oder Mandeln sehr ähneln, Wassermelonen, Kürbisse,
Muss-Melonen und Gurken wurden uns gebracht und bereitwilligst gegen
Merikani, Kaniki, weisse Merikaniperlen und Sami-Sami oder Sam-Sam
umgetauscht. Das Handel- und Tauschgeschäft, das vom Morgen bis zur
Nacht vor sich ging, erinnerte mich an die unter den Gallas und
Abessiniern vorkommenden Gebräuche. Im Osten mussten Karavanen ihre
Leute mit Tuch aussenden, um bei den Dorfbewohnern Einkäufe zu machen.
Dies war in Ugogo nicht nöthig, wo die Leute jeden Verkaufsartikel,
den sie besassen, aus freien Stücken ins Lager brachten. Das kleinste
Stückchen weissen oder blauen Tuchs, ja sogar ein abgetragenes,
fadenscheiniges Lendentuch liess sich verkaufen und nützlich beim
Einkauf von Nahrungsmitteln verwerthen.

Am Tage nach unserm Marsch war Rasttag. Wir hatten ihn dazu bestimmt,
dem grossen Sultan von Mvumi den Tribut zu überbringen. Der kluge und
vorsichtige Scheikh Thani übernahm die Erledigung dieser wichtigen
Pflicht, deren Unterlassung ein Zeichen zum Kriege gewesen wäre.
Hamed und Thani schickten zwei treue, mit den Eigenthümlichkeiten des
Wagogo-Sultans genau vertraute, redegewandte Sklaven, die eine grosse
Zungenfertigkeit und wirklichen Instinct für den unter den Orientalen
üblichen Handel besassen, zu ihm. Sie trugen 6 Doti Tuch, nämlich 1
Doti Dabwani Ulyah und 1 Doti Barsati von mir, 2 Doti Merikani Satine
von Scheikh Thani und 2 Doti Kaniki von Scheikh Hamed als erste
Abzahlung des Tributs hin. Sie blieben eine ganze Stunde fort, kehrten
aber, nachdem sie ihre Ueberredungskunst umsonst angewandt hatten, mit
dem Verlangen nach mehr zurück, was Scheikh Thani mir in folgender
Weise mittheilte:

„Ach, dieser Sultan ist ein sehr, sehr böser Mann. Er sagt, der Musungu
ist ein grosser Mann, ich nenne ihn sogar einen Sultan. Der Musungu ist
sehr reich, denn mehrere seiner Karavanen sind schon vorbeigezogen. Der
Musungu muss 40 Doti bezahlen und die Araber jeder 12 Doti, denn sie
haben reiche Karavanen. Es ist unnütz, dass Ihr mir sagt, Ihr bildet
alle eine Karavane, denn wozu habt Ihr dann so viel Flaggen und Zelte?
Geht und bringt mir 60 Doti, mit weniger bin ich nicht zufrieden.“

Nachdem ich dieses unverschämte Verlangen erfahren, gab ich Scheikh
Thani zu verstehen, dass ich 20 mit Winchester-Repetir-Gewehren
bewaffnete Wasungu habe und den Sultan zwingen könne, mir Tribut zu
zahlen. Thani aber bat mich dringend, vorsichtig zu sein, damit nicht
böse Worte den Sultan reizen und dazu veranlassen könnten, einen
doppelten Tribut zu fordern, wozu er wol im Stande sei; „und wenn Sie
den Krieg vorzögen, so würden alle Ihre Pagazi desertiren und Sie sammt
Ihrem Tuch den Wagogo auf Gnade und Ungnade überlassen.“ Ich beeilte
mich aber, seine Befürchtungen zu beschwichtigen, indem ich Bombay in
seiner Gegenwart sagte, ich habe dieses Verlangen seitens der Wagogo
vorhergesehen, daher 120 Doti Tributtuche beiseite gelegt und werde
mich nicht für sehr beeinträchtigt halten, wenn der Sultan mir 40 Doti
Tuch abfordere und ich sie wirklich bezahle. Deshalb solle er den
Hongaballen aufmachen und von Scheikh Thani die vom Sultan gewünschten
Tuche herausnehmen lassen.

Nachdem Scheikh Thani sich die Mütze der Ueberlegung aufgesetzt und
mit Hamed und seinen treuen Bedienten zu Rath gegangen war, meinte er,
wenn ich 12 Doti bezahlen wolle, von denen 3 von Ulyah-Qualität wären,
werde der Sultan wol geruhen, unsern Tribut annehmbar zu finden, in
der Voraussetzung, dass er durch die beredten Worte der Getreuen sich
überreden lassen werde, der Musungu habe nichts weiter bei sich, als
das Maschiwa (Boot), das jenem von keinerlei Nutzen sein werde, es
komme was da wolle. Auf diesen klugen Rath, von dessen Weisheit er
überzeugt war, ging der Musungu ein.

Die Sklaven entfernten sich, diesmal mit 30 Doti und unsern besten
Glückwünschen, aus unserm Boma. Nach einer Stunde kehrten sie zurück
mit leeren Händen, aber ohne Erfolg. Der Sultan verlangte von dem
Musungu noch 6 Doti Merikani und 1 Fundo Bubu, von den Arabern und
andern Karavanen dagegen noch 12 Doti. Zum dritten male gingen die
Sklaven ins Tembé des Sultans ab, mit 6 Doti Merikani und 1 Fundo Bubu
von mir und 10 Doti von den Arabern. Doch wiederum kehrten sie mit den
Worten des Sultans zurück: „Die Doti des Musungu hätten zu kurzes Maass
und das Tuch der Araber wäre von elender Beschaffenheit, daher müsse
der Musungu ihm noch 3 gut gemessene Doti und die Araber 5 Doti Kaniki
senden.“

Meine 3 Doti wurden sofort mit dem längsten Vorderarm, dem
Kigogo-Maasse, ausgemessen und durch Bombay abgesandt, aber die Araber
erklärten fast verzweifelt, sie wären ruinirt, wenn sie sich solchen
Anforderungen fügten, und schickten nur 2 von den 5 Doti mit der
inständigen Bitte an den Sultan, er möge das Bezahlte als gerechtes und
billiges Muhongo ansehen und nicht noch mehr verlangen. Der Sultan von
Mvumi war jedoch keineswegs geneigt, diesen Vorschlag in Erwägung zu
ziehen, sondern erklärte, er müsse noch 3 Doti bekommen und zwar 2 von
Ulyahtuch und 1 von Kitambi Barsati, die ihm denn auch, da er durchaus
darauf bestand, unter den heftigsten Verwünschungen Scheikh Hamed’s und
den verzweifeltsten Seufzern Scheikh Thani’s übersandt wurden.

Ueberhaupt muss das Sultanat eines Districts in Ugogo sehr lohnend und
eine prächtige Sinecure so lange sein, als der Sultan es mit feigen
arabischen Kaufleuten zu thun hat, die sich scheuen, eine Spur von
Unabhängigkeit und Selbstvertrauen an den Tag zu legen, um nur nicht
noch mehr Strafe an Zeug zu zahlen. An einem Tage erhielt der Sultan
von einem einzigen Boma 47 Doti, die aus Merikani, Kaniki, Barsati,
Dabwani bestanden im Werthe von 35¼ Dollars, und ausserdem noch 7
Doti feiner Tuche (Rehani, Sohari und Daobwani-Ulyah), sowie 1 Fundo
Bubu, im Werthe von 14 Dollars, zusammen also 49¼ Dollars, eine ganz
anständige Summe für einen Mgogohäuptling.

Am 27. Mai schüttelten wir mit Freuden den Staub von Mvumi von den
Füssen und setzten unsern Weg nach Westen fort. In der letzten Nacht
waren fünf meiner Esel an den Wirkungen des Wassers von Marenga
Mkali gefallen. Ehe ich das Boma von Mvumi verliess, ging ich, mir
ihre Kadaver anzusehen, fand aber, dass ihr Fleisch von den Hyänen
vollständig aufgefressen und die Knochen sich im Besitz einer grossen
Schaar weisshalsiger Krähen befanden.

Als wir die zahlreichen Dörfer durchzogen und wahrnahmen, dass das
ganze Land wie ein ungeheures Kornfeld aussah, und ferner die am
Wege stehenden Leute zählten, die ihre gierigen Blicke am Musungu
weiden wollten, wunderte ich mich nicht mehr über die Erpressungen
der Wagogo. Denn offenbar durften sie blos ihre Hände ausstrecken, um
sich den ganzen Reichthum meiner Karavane anzueignen, und ich fing an,
besser von dem Volke zu denken, das seiner Kraft sich wohl bewusst,
doch keinen Gebrauch von ihr macht, sondern intelligent genug ist zu
begreifen, dass es in seinem Interesse liegt, Karavanen vorbeiziehen zu
lassen, ohne eine Rechtsverletzung an ihnen zu versuchen.

Zwischen Mvumi und dem District des nächsten Sultans, Matamburu, zählte
ich nicht weniger als 25 Dörfer, die über der lehmigen, farbenreichen
Ebene ausgestreut lagen. Trotz der unwirthlichen Natur der Ebene
waren sie besser gebaut, als irgendein Theil des Landes, das ich seit
Bagamoyo gesehen hatte.

Als wir schliesslich in unserm Boma in Matamburu ankamen, erwarteten
uns dieselben Gruppen neugieriger Leute, dieselben verwunderten Blicke,
dieselben Ausrufe des Erstaunens, dasselbe Gelächter über Dinge, die
sie an der Kleidung und Manier des Musungu lächerlich fanden, wie in
Mvumi. Da die Araber „Wakonongo“-Reisende waren, die sie alle Tage
sahen, waren diese vollständig befreit von den Belästigungen, die wir
auszustehen hatten.

Der Sultan von Matamburu, ein Mann von herkulischer Gestalt und einem
Kopf, der gut zu seinen Schultern passte, die sich mit denen des Milo
vergleichen liessen, erwies sich als ein sehr verständiger Mann. Nicht
ganz so mächtig wie der von Mvumi, besass er doch einen schönen Theil
von Ugogo, etwa 40 Dörfer, und er hätte, wenn er dazu Lust gehabt, die
feilen Seelen meiner arabischen Begleiter in derselben Weise, wie der
von Mvumi, drücken können. Vier Doti Tuch wurden ihm als erster seiner
Grösse dargebrachter Tribut hingesandt, die er anzunehmen versprach,
wenn die Araber und der Musungu ihm noch vier schicken würden. Bei
so billigem Verlangen wurde diese Angelegenheit bald zu jedermanns
Zufriedenheit beendet, und nicht lange darauf liess Scheikh Hamed’s
Kirangozi das Signal zum morgigen Marsche ertönen.

Auf Befehl eben dieses Scheikhs erhob sich der Kirangozi, um vor der
versammelten Karavane eine Rede zu halten. „Worte, Worte von dem Bana!“
rief er aus. „Leiht mir Euer Ohr, Kirangozi! Hört es, Ihr Kinder
von Unyamwezi! Morgen ist Reisetag! Der Weg ist krumm und schlecht,
schlecht! Da liegen Dschungels und viele Wagogo sind darin verborgen!
Wagogo tödten Pagazi mit Speeren und schneiden denen die Hälse ab,
welche Mutumba (Ballen und Uschangaperlen) bei sich führen! Die Wagogo
sind bei uns im Lager gewesen; sie haben Euere Ballen gesehen; heute
Abend suchen sie die Dschungels auf; morgen wachet gut, o Wanyamwezi!
Haltet Euch eng beisammen, bleibt nicht zurück! Die Kirangozi werden
langsam gehen, damit die Schwachen, die Kranken und die Jungen mit den
Starken Schritt halten können! Machen wir zweimal Rast auf dem Wege!
Dieses sind die Worte des Bana (Herrn). Hört Ihr sie, Wanyamwezi?“ (Ein
lautes bejahendes Geschrei erhebt sich aus allen Kehlen.) „Versteht Ihr
sie wohl?“ (Wiederholter Zuruf.) „Dann Bas!“ Nach dieser Rede zog sich
der beredte Kirangozi in die dunkle Nacht und seine Strohhütte zurück.

Der Marsch nach Bihawana, unserm nächsten Lager, war beschwerlich,
führte uns durch ein ununterbrochenes Dickicht von Gummi- und
Dorngebüschen, steile Berge hinauf und schliesslich über eine glühende
Ebene, auf der die Sonne heisser und heisser wurde, wie sie sich dem
Meridian näherte, bis sie schliesslich alles Leben aus der todten
Natur herauszusengen schien und die ganze Landschaft in einer solchen
weissen Glut dalag, dass sie den umsonst vor dem grellen Licht Schutz
suchenden schmerzhaften Augen unerträglich wurde. Mehrere versandete
Wasserläufe, auf denen manche Spur von Elefanten eingedrückt war,
passirten wir auch auf diesem Marsche. Diese Strombetten neigten sich
abwärts nach Südost und Süden.

In der Mitte dieser brennenden Ebene standen die Dörfer von Bihawana,
die wegen der ungewöhnlichen Niedrigkeit ihrer Hütten fast gar nicht
zu sehen waren. Sie erreichten nämlich nicht die Höhe des hohen
ausgebleichten Grases, das in der übermässigen Hitze rauchend dastand.

Unser Lager befand sich in einem grossen etwa eine Viertelmeile von
des Sultans Tembé gelegenen Boma. Bald nachdem ich im Lager ankam,
wurde ich von drei Wagogo besucht, welche mich fragten, ob ich nicht
unterwegs einen Mgogo mit einer Frau und einem Kinde gesehen hätte.
Ich war im Begriff, ganz unschuldig ja zu sagen, als der vorsichtige
und stets auf das Interesse seines Herrn bedachte Mabruki mich bat,
ihm keine Antwort zu ertheilen, da die Wagogo mich wie gewöhnlich
beschuldigen würden, jene beiseite gebracht zu haben und dafür eine
Strafe von mir verlangen würden.

Wüthend über den Betrug, den sie mir eben spielen wollten, war ich im
Begriff, meine Peitsche zu erheben, um sie aus dem Lager zu prügeln,
als mir Mabruki wieder mit brüllender Stimme gebot, mich in Acht zu
nehmen, denn jeder Schlag würde mich 3 oder 4 Doti Tuch kosten. Da ich
keineswegs wünschte, meinem Zorn auf so kostspielige Weise Luft zu
machen, so war ich gezwungen, ihn herunterzuschlucken, und die Wagogo
kamen ohne Bestrafung davon.

Einen Tag hielten wir an diesem Ort, und dies war mir sehr lieb, da ich
schwer am Wechselfieber litt, das in diesem Falle zwei Wochen dauerte
und mich daran hinderte, mein Tagebuch vollständig zu führen, wie ich
es sonst jeden Abend nach dem Marsche zu thun pflegte.

Der Sultan von Bihawana begnügte sich, obgleich seine Unterthanen
übelgesinnt und zu Mord und Diebstahl bereit waren, mit 3 Doti
Tuch als Honga. Von diesem Häuptling erhielt ich Nachrichten über
meine vierte Karavane, die sich in einem Kampf mit einigen seiner
geächteten Unterthanen ausgezeichnet. Meine Soldaten hatten zwei
derselben getödtet, die, nachdem sie einigen Pagazi aufgelauert, einen
Ballen Tuch und einen Beutel Perlen zu rauben versucht hatten. Da die
Soldaten zur rechten Zeit herankamen, vereitelten sie diesen Versuch
vollständig. Der Sultan meinte, es würden weniger Diebstähle unterwegs
an den Karavanen verübt werden, wenn sie alle ebenso gut, wie die
meinigen, bewacht würden. Mit dieser Ansicht stimmte ich von Herzen
überein.

Das Tembé des nächsten Sultans, durch dessen Gebiet wir am 30. Mai
marschirten, befand sich in Kididimo, und vier Meilen von Bihawana
entfernt. Der Weg führte uns durch eine flache, längliche, zwischen
zwei langen Bergkämmen befindliche Ebene, auf der sich zahlreiche,
riesig gestaltete Baobab vorfanden. Kididimo sieht sehr traurig aus
und selbst die Gesichter der Wagogo scheinen ein trauriges Gepräge von
der allgemeinen sie umgebenden Freudlosigkeit angenommen zu haben. Das
Wasser der Gruben in der Umgegend schmeckte nach warmem Pferdeurin,
und zwei Esel erkrankten und fielen in weniger als zwei Stunden an den
Wirkungen desselben. Der Mensch bekam davon Leibschmerzen, Uebelkeit
und eine allgemeine Reizbarkeit des Organismus und rächte sich infolge
dessen durch kräftige Verwünschungen gegen das Land und seinen albernen
Herrscher. Ihren Höhepunkt erreichte indessen unsere Stimmung erst, als
Bombay uns berichtete, dass der Kopf des Häuptlings, nachdem man über
das Muhongo sich zu einigen versucht, sehr gross geworden sei, als er
gehört habe, der Musungu sei angekommen und dass sich seine „Grösse“
nur verkleinern lasse, wenn er 10 Doti als Tribut bekäme. Obgleich die
Forderung gross war, befand ich mich doch nicht in der Stimmung --
schwach und fast ohne Energie, wie ich es von den wiederholten Anfällen
des Mukunguru war -- wegen dieser Summe Streit anzufangen. Daher wurde
sie ohne viele Worte bezahlt. Die Araber hingegen brachten den ganzen
Nachmittag mit Unterhandlungen zu und hatten schliesslich jeder 8 Doti
zu bezahlen.

Zwischen Kididimo und Nyambwa, dem District des Sultans Pembera Pereh,
befindet sich ein weiter, langer Wald und Dschungel, der von Elefanten
und Rhinozeros, Zebras, Hirschen, Antilopen und Giraffen bewohnt wird.
Mit dem Morgengrauen des 31. aufbrechend, kamen wir in die Dschungels,
deren dunkle von Büschen bewachsene Contouren ganz deutlich von
unserer Laube in Kididimo sichtbar gewesen waren, und hielten nach
zweistündigem Marsche Rast zum Frühstück an Pfützen süssen Wassers,
die, umrahmt von frischen grünen Streifen, einen Hauptzufluchtsort für
die wilden Thiere der Dschungels abgaben, deren frische Spuren sich
zahlreich daselbst vorfanden. Ein enges, vom Laube dicht beschattetes
Nullah bot einen vorzüglichen Schutz vor dem grellen Sonnenschein dar.
Zur Mittagstunde, nachdem unser Durst gelöscht, unser Hunger gestillt
und die Kürbisflaschen wieder gefüllt waren, begaben wir uns aus dem
Schatten in die furchtbare Glut des heissen Mittags hinaus. Der Pfad
schlängelte sich durch Dschungel und dünnen Wald hinein und wieder
heraus in offene Striche von Gras, das wie Stoppeln weissgedörrt war,
und zog sich dann durch Dickicht von Gummi- und Dornbüschen, die einen
penetranten Geruch, gleich einem Viehstalle, von sich gaben. Dann
ging es durch Gruppen ausgebreiteter Mimosen, Colonien von Baobab und
einem an edlem Wild reichen Landstrich weiter, welches letztere zwar
häufig von uns erblickt, doch vor unsern Gewehren ebenso sicher war,
als ob wir uns auf dem Indischen Ocean befunden hätten, denn eine
Terekeza, wie wir sie jetzt machten, lässt keinen Aufenthalt zu. Das
letzte Wasser hatten wir zur Mittagszeit verlassen; bis zum Mittag
des nächsten Tages konnten wir keinen Tropfen bekommen, und wenn wir
nicht rasch und lange an diesem Tage marschirten, so würde der wüthende
Durst alle Bande der Zucht entfesseln. So mühten wir uns tapfer sechs
lange ermüdende Stunden hindurch ab und lagerten bei Sonnenuntergang;
es blieb dabei noch ein Marsch von zwei Stunden vor uns, den wir eine
Stunde nach Sonnenaufgang machen mussten, ehe wir an unser Lager
Nyambwa kommen konnten. An diesem Abend bivuakirten unsere Leute unter
den Bäumen, von einem meilenweiten dichten Walde umgeben, und genossen
die kühle Nacht, ohne von Kopfbedeckungen oder Zelten beschützt zu
sein, während ich mich die Nacht hindurch in einem Fieberanfalle wälzte
und stöhnte.

Der Morgen kam und die lange Karavane oder vielmehr die Kette von
Karavanen war schon in erster Frühe unterwegs. Es war derselbe Wald,
der auf dem schmalen Pfade, den wir betraten, nur für einen Mann
Platz hatte. Ebenso beschränkt war die Aussicht. Zur Rechten und
Linken war der Wald dunkel und tief. Ueber uns befand sich ein heller
Himmelsstreifen, an dem einzelne Regenwolken schwebten. Wir hörten
nichts weiter als hin und wieder Töne eines fliegenden Vogels oder den
Lärm der Karavanen, deren Leute sangen, summten oder sich unterhielten
und laut aufjubelten, wenn sie der Gedanke überkam, dass wir uns Wasser
näherten. Einer meiner Pagazi fiel ermattet und krank nieder und erhob
sich nicht wieder. Der letzte der Karavane ging an ihm vorüber, ehe
er todt war. Das war ein Glück, sonst hätten wir die Barbarei begehen
müssen, ihn unbeerdigt liegen zu lassen, wo wir doch wussten, dass er
todt sei.

Um 7 Uhr morgens schlugen wir in Nyambwa unser Lager auf und tranken
das vorzügliche Wasser, das wir dort vorfanden, mit der Gier durstiger
Kamele. Ausgedehnte Kornfelder hatten uns die Nähe von Dörfern
verkündet, bei deren Anblick wir uns bewusst wurden, dass die Karavane
ihren Schritt beschleunigte, weil sie sich dem Halteplatz näherte. Als
die Wasungu in die bevölkerte Gegend zogen, beeilten sich Massen von
Wagogo, sie anzusehen, ehe sie vorbei waren. Jung und Alt beiderlei
Geschlechts drängte sich um uns, ein heulender Pöbelhaufen. Dieses
übermässig demonstrative Wesen entlockte meinem Aufseher, dem frühern
Seemann, die charakteristische Bemerkung: „Nun wahrhaftig, das
müssen echte Ugogier sein, denn sie gaffen einen in einer Weise an,
-- mein Gott, sie hören gar nicht mit Gaffen auf! Ich hätte grosse
Lust, ihnen ins Gesicht zu schlagen!“ Wirklich trieben es die Wagogo
von Nyambwa noch toller als die übrigen Wagogo. Diejenigen, die wir
bisher angetroffen, hatten sich damit begnügt, uns anzugaffen und zu
schreien; diese aber überschritten alle Grenzen, und mein wachsender
Zorn über ihre furchtbare Unverschämtheit machte sich darin Luft, dass
ich den lärmendsten von ihnen am Nacken packte und ihm, ehe er sich von
seinem Erstaunen erholen konnte, eine tüchtige Tracht Prügel mit meiner
Hundepeitsche verabfolgte, was ihm nicht sonderlich behagte. Dies
Verfahren rief aus der Masse der Gaffer eine ganze Flut von bösesten
Schimpfworten hervor, wobei sie sich sehr eigenthümlich geberdeten; sie
näherten sich nämlich wie wüthende Katzen und stiessen ihre Worte mit
einem Geräusch, das halb Zischen, halb Bellen war, hervor. Ihr Ausruf
lautete, um ihn phonetisch so gut wie möglich wiederzugeben, „Hahcht“,
und wurde in einem grellen Crescendoton hervorgestossen. Sie traten vor
und dann wieder zurück, mit der Frage: „Sollen die Wagogo wie Sklaven
von diesem Musungu gepeitscht werden? Ein Mgogo ist ein Mgwana (freier
Mann) und nicht daran gewöhnt, geschlagen zu werden. -- Hahcht!“ So oft
ich mich jedoch anschickte, meine Peitsche gegen sie zu schwenken, fand
dieses renommistische Volk es gerathen, sich von dem zornigen Musungu
in eine respectvolle Entfernung zurückzuziehen.

Da ich bemerkte, dass etwas männliche Machtentfaltung den Wagogo
gegenüber noththat und mich diesmal von Quälereien befreite, so
nahm ich, so oft sie das Maass überschritten, Zuflucht zu meiner
Peitsche, deren lange Schnur wie eine Pistole knallte. Solange sie
sich darauf beschränkten, ihre Zudringlichkeit blos durch Gaffen und
gegenseitige Mittheilung ihrer Ansichten über meine Farbe und sonstiges
Aeussere auszudrücken, schwieg ich philosophisch resignirt, um ihr
Vergnügen nicht zu stören; wenn sie aber auf mich zudrängten und mir
kaum gestatteten, mich fortzubewegen, dann bahnten alsbald ein paar
tüchtige, rasche, rechts und links ausgetheilte Peitschenhiebe mir in
zweckmässigster Weise den Weg.

Pembera Pereh ist ein komischer alter Mann von sehr kleinem Wuchs; er
würde gar nichts zu bedeuten haben, wenn er nicht der grösste Sultan
von Ugogo wäre und theilweise Macht über viele andere Stämme besässe.
Obgleich ein so bedeutender Häuptling, ist er von allen seinen
Unterthanen am schlechtesten gekleidet, stets schmutzig, stets mit
Fett beschmiert, beständig unsauber um den Mund. Das sind aber blose
Sonderbarkeiten. Als kluger Richter steht er ohnegleichen da und hat
immer irgendeinen Kniff in Bereitschaft, um den muthlosen arabischen
Kaufleuten, die alljährlich mit Unyanyembé Handel treiben, Tuch
abzuzwacken, und entscheidet mit grösster Leichtigkeit Rechtsfälle, die
über den Horizont eines gewöhnlichen Menschen gehen würden.

Scheikh Hamed, der erwählte Führer der vereinigten Karavanen, die jetzt
durch Ugogo zogen, war von so kleiner, gebrechlicher Gestalt, dass er
für eine Copie seines berühmten Prototyps „Dapper“ gelten konnte; was
ihm an Grösse und Gewicht abging, machte er jedoch durch Thätigkeit
wieder gut. Kaum waren wir in einem Lager angekommen, als man seine
niedliche, lebhafte Gestalt von einer Seite des grossen Boma zur andern
hin- und herhüpfen sah, unruhig Anordnungen treffend und alles und alle
störend. Er liess keinen Ballen oder Packen unter seine Sachen oder nur
in zu grosse Nähe derselben bringen, hatte eine Lieblingsmethode, seine
Waaren aufzustellen, die regelmässig durchgeführt werden musste, und
ein specielles Auge für den für sein Zelt am besten passenden Ort, den
er von keinem andern beeinträchtigen liess. Man hätte denken können,
dass er nach einem Tagesmarsch von 10-15 Meilen derartige Kleinigkeiten
seinen Dienern überlassen würde; aber nein, nichts konnte in Ordnung
sein, wenn er nicht selbst die Oberaufsicht darüber geführt hatte. Bei
dieser Arbeit war er unermüdlich und scheute keine Anstrengung.

Scheikh Hamed hatte noch eine andere nicht ungewöhnliche
Eigenthümlichkeit: da er kein reicher Mann war, so gab er sich
unendliche Mühe, jedes Schukka und Doti so gut wie möglich zu
verwerthen, und jede neue Ausgabe schien an seinem Herzen geradezu zu
nagen. Er war stets bereit, wie er selbst sagte, über die hohen Preise
von Ugogo und die Erpressungen seiner Sultane zu weinen. Aus diesem
Grunde konnten wir mit Bestimmtheit annehmen, dass er, als Leiter der
Karavane, unsern Aufenthalt in Ugogo, wo Nahrungsmittel theuer waren,
so viel wie möglich abkürzen werde.

Hamed wird, so lange er lebt, der Sorgen und Plagen, die er in Nyambwa
erlitten und des Tages gedenken, an dem wir daselbst ankamen. Sein
Unglück kam daher, dass er, während er sich eifrigst im Lager etwas zu
schaffen machte, seine Esel in die Matamafelder des Sultans Pembera
Pereh hineingerathen liess. Stundenlang suchten er und seine Diener
nach den abhanden gekommenen Eseln, kehrten aber unverrichteter Sache
am Abend zurück, und er bejammerte, wie es nur ein Orientale thun
kann, wenn er von harten Schicksalsschlägen heimgesucht wird, den
Verlust seiner Muskat-Esel, die an 100 Dollar werth waren. Der ältere,
erfahrenere und weisere Scheikh Thani rieth ihm, seinen Verlust dem
Sultan anzuzeigen. Auf diesen weisen Rath hin schickte Hamed zwei
Sklaven an den Sultan ab, die ihm die Nachricht zurückbrachten, Pembera
Pereh’s Diener hätten die beiden Esel beim Fressen von unreifem Matama
angetroffen und wenn ihr Besitzer nicht 9 Doti Tuch erster Qualität
bezahle, so werde Pembera Pereh sie bestimmt zurückbehalten, um sich
für das von ihnen gefressene Matama bezahlt zu machen. Hamed war in
Verzweiflung. 9 Doti erster Klasse, die in Unyanyembé einen Werth
von 25 Dollars repräsentirten, für Korn, das höchstens ½ Schukka
werth war, erschien ihm als eine lächerliche Forderung; wenn er sie
aber nicht bezahlte, so waren seine Esel im Werthe von 100 Dollars
verloren. Er begab sich also zum Sultan, um ihm die Abgeschmacktheit
dieser Entschädigungsforderung zu beweisen und zu sehen, ob er nicht
mit einem Schukka davonkommen könne, einer Summe, die mehr als den
doppelten Preis des von den Eseln verzehrten Korns betrage. Der Sultan
aber sass bei seinem Pombé, war betrunken, was er gewöhnlich zu sein
scheint, und zwar zu sehr betrunken, um auf ernste Dinge eingehen zu
können. Darum lieh sein Stellvertreter, ein Unyamwezischer Renegat, dem
Ansuchen sein Ohr. Bei den meisten Wagogohäuptlingen existirt nämlich
ein Unyamwezi als rechte Hand, Premierminister, Rath, Henker, kurz
als Individuum, das zu allem bereit ist, nur nicht fürs allgemeine
Beste zu sorgen. Ein derartiger Unyamwezischer Harlekin pflegt ein so
rastloser, unzufriedener Intriguant zu sein, dass man, sobald man hört,
dass ein solcher Mensch der hauptsächlichste Rath eines Mgogohäuptlings
ist, sich versucht fühlt, ihm persönlich zu Leibe zu gehen. Die meisten
der an den Arabern verübten Erpressungen werden von diesen schlauen
Renegaten in Scene gesetzt.

Scheikh Hamed fand den Unyamwezi viel hartnäckiger als den Sultan;
das Minimum, wofür er die Esel auslösen konnte, sollte 9 Doti Tuch
erster Qualität sein. An dem Tage blieb daher das Geschäft unerledigt
und die folgende Nacht war, wie man sich denken kann, für Hamed eine
schlaflose. Schliesslich jedoch erwiesen sich der Verlust, die schwere
Geldstrafe und die schlaflose Nacht als verkappte Segnungen, denn
gegen Mitternacht besuchte ein Mgogoräuber sein Lager und wurde bei
dem Versuch, einen Ballen Tuch zu stehlen, von dem vollständig wachen
und erzürnten Araber auf frischer That ertappt und sofort durch eine
in nächster Nähe seines Ohrs vorübersausende Kugel zum Verschwinden
gebracht.

Von jedem der Eigenthümer der Karavanen hatte der Unyamwezi für seinen
betrunkenen Herrn 15 Doti sich zahlen lassen, und von den übrigen 6
Karavanen je 6 Doti, zusammen 51 Doti. Bei unserm Abmarsch am nächsten
Morgen war er aber trotzdem nicht im geringsten geneigt, ein einziges
Tuch von der Hamed auferlegten Strafe abzuziehen und der unglückliche
Scheikh war daher genöthigt, die Forderung zu bezahlen oder seine Esel
dazulassen.

Nachdem wir durch die Kornfelder Pembera Pereh’s gezogen, kamen wir
auf eine weite, flache Ebene, welche horizontal wie ein Wasserspiegel
ist und die Wagogo mit Salz versieht. Von Kanyenyi erstreckt sich
dieses Salzfeld auf der südlichen Strasse bis jenseits der Grenze von
Uhumba und Ubanarama und enthält viele grosse Teiche von salzigem
Bitterwasser, deren niedrige Ufer von einem salpeterhaltigen Schaum
bedeckt sind. Zwei Tage später, als ich die Höhenkette, die Ugogo
von Uyanzi trennt, bestiegen hatte, bekam ich einen Umblick über die
ungeheure mehr als 100 engl. Quadratmeilen umfassende Salzebene.
Möglicherweise war es eine Täuschung, doch glaubte ich grosse Flächen
graublauen Wassers zu sehen, und dies lässt mich annehmen, dass diese
Saline nur eine Ecke eines grossen Salzsees ist. Die Wahumba, deren
es von Nyambwa bis zur Grenze von Uyanzi viele gibt, theilten meinen
Soldaten mit, es existire ein „Madschi Kuba“ in nördlicher Richtung.

Mizanza, unser auf Nyambwa folgender Lagerplatz, liegt in einem
Palmenhain, ungefähr 13 Meilen von dem letztgenannten Ort. Bald nach
meiner Ankunft musste ich mich unter wollene Decken begraben wegen
eines neuen Anfalls von Wechselfieber, wie ich solches zum ersten mal
während unserer Reise durch Marenga Mkali gehabt hatte. Ueberzeugt,
dass mich eine Tagesrast, die mich in den Stand setzte, regelmässige
Dosen des unschätzbaren Chinins zu nehmen, wiederherstellen werde,
bat ich Scheikh Thani, Hamed einen Halt für den morgenden Tag
vorzuschlagen, da ich völlig unfähig sei, die wiederholten Anfälle
der bösartigen Krankheit, die mich rasch in ein blosses Skelett von
Haut und Knochen verwandelte, ferner zu ertragen. Hamed, der sehr
nach Unyanyembé eilte, um sein Tuch dort loszuwerden, ehe andere
Karavanen auf dem Markt erschienen, erwiderte zuerst, er könne und
wolle wegen des Musungu nicht halten lassen. Nachdem mir Thani diese
Antwort mitgetheilt, ersuchte ich ihn, Hamed zu sagen, der Musungu
wünsche weder ihn noch eine andere Karavane aufzuhalten, sondern es sei
seine ausdrückliche Bitte, Hamed möge ohne Rücksicht auf ihn weiter
marschiren, da er hinreichend mit Gewehren versehen sei, um allein
durch Ugogo marschiren zu können. Aus welchem Grunde nun der Scheikh
seinen Entschluss abgeändert und den dringenden Wunsch, weiter zu
reisen, aufgegeben haben mag, jedenfalls erschallte an dem Abend sein
Marschsignal nicht, sondern er war am nächsten Morgen noch da.

Früh am Morgen fing ich meine Chinindosen an, um 6 Uhr nahm ich
schon die zweite, und bis 12 Uhr mittags hatte ich noch vier weitere
genommen, im ganzen gegen 50 gut gemessene Gran, deren Wirkung sich in
reichlichem, all mein Flanell-und Leinenzeug sowie die wollenen Decken
durchnässendem Schweisse kundthat. Nachmittags erhob ich mich, wahrhaft
dankbar, dass die Krankheit, die mich volle vierzehn Tage heimgesucht
hatte, schliesslich dem Chinin gewichen war.

An diesem Tage zog unser hohes Zelt und die amerikanische Flagge, die
immer von der Mittelstange herabflatterte, die Aufmerksamkeit des
Sultans von Mizanza auf sich und wurde die Ursache eines Besuches, mit
dem er mich beehrte. Da er unter den Arabern dafür berufen ist, Manwa
Sera in seinem Kriege gegen Scheikh Sny bin Amer beigestanden zu haben,
welchen letztern Burton und später Speke so sehr gepriesen, war er
für mich natürlich ein Gegenstand besonderer Neugierde, zumal er der
zweitmächtigste Häuptling in Ugogo ist.

Als die Thüre des Zeltes aufgemacht worden, damit der alte Herr
eintreten könne, erstaunte er über die Höhe und innere Einrichtung
desselben so sehr, dass er das schmierige Barsatituch, das seinen
einzigen Schutz gegen Nachtkühle und Tageshitze bildete, aus
Zerstreutheit herunterfallen liess und dadurch den ungeweihten Blicken
des Musungu seinen traurigen, gealterten Körper zeigte, der früher
von gewaltiger, imponirender Gestalt gewesen sein musste. Sein Sohn,
ein Jüngling von ungefähr 15 Jahren, der dies bemerkte, beeilte sich
im Gefühle seiner Kindespflicht ihn auf seine Nacktheit aufmerksam zu
machen, worauf der Alte, mit albernem Kichern über den Vorfall, sein
spärliches Kostüm wieder aufnahm und sich hinsetzte, um weiter zu kauen
und seine Bewunderung über das Zelt und die merkwürdigen Dinge, die zu
den eigenen Effecten des Musungu gehörten, in kindischer Weise an den
Tag zu legen. Ein warangischer Soldat, der zum ersten mal die glänzende
Pracht des kaiserlichen Palastes von Byzanz zu Gesicht bekommen,
hätte über dieselbe nicht erstaunter sein können als der Sultan von
Mizanza über die Ausrüstung meines Zeltes. Nachdem er in einfältiger
Verwunderung den Tisch angeglotzt, auf dem einige Steingutwaaren sowie
die paar Bücher standen, die ich bei mir führte, und die Hängematte
besichtigt, von der er meinte, sie sei durch eine Zaubervorrichtung
aufgehängt, wie auch die meinen Kleidervorrath enthaltenden Koffer
angeschaut, rief er aus: „Hi le! Der Musungu ist ein grosser Sultan,
der von seinem Lande hergekommen ist, um Ugogo zu sehen!“ Dann
betrachtete er mich und gerieth abermals in das grösste Erstaunen über
meine blasse Hautfarbe und mein schlichtes Haar, wobei er die Frage
aufwarf: „Wie in aller Welt kann er so weiss sein, da doch die Haut
meiner Landsleute von der Sonne schwarz gebrannt ist?“

Nun liess ich ihm meinen Korkhut zeigen, den er sich zu seinem und
unserm grossen Vergnügen auf den wolligen Kopf setzte. Hierauf kamen
die Gewehre, namentlich das wundervolle Winchester-Repetirgewehr an
die Reihe, das, um seine mörderischen Eigenschaften zu beweisen,
dreizehnmal in rascher Aufeinanderfolge abgefeuert wurde. War er
vorher erstaunt gewesen, so wurde er es jetzt noch tausendmal mehr
und sprach seine Meinung dahin aus, dass die Wagogo vor dem Musungu
nicht Stand halten könnten, da wo sich ein Mgogo sehen lasse, eine
solche Flinte ihn bestimmt tödten müsse. Schliesslich liess ich ihm
die übrigen Feuerwaffen bringen und den Mechanismus jeder einzelnen
auseinandersetzen, bis er in Enthusiasmus über meine Macht und
Reichthum ausbrach und mir erklärte, er wolle mir ein Schaf oder eine
Ziege zusenden und mein Bruder sein. Ich dankte ihm für diese Ehre
und versprach ihm, alles anzunehmen, was er mir schicken wolle. Auf
Scheikh Thani’s Rath, der als Dolmetscher fungirte und mir sagte,
Wagogohäuptlinge dürften nicht mit leeren Händen entlassen werden,
schnitt ich ein Schukka Kaniki ab und beschenkte ihn damit. Dies
Geschenk schlug er jedoch aus, nachdem er es untersucht und gemessen,
und zwar aus dem Grunde, dass der Musungu als grosser Sultan sich doch
nicht so gemein machen könne, ihm nur ein Schukka zu geben. Nach den
zwölf Doti, die er als Muhongo von den Karavanen bekommen hatte, schien
mir dies etwas stark, da er mir jedoch ein Schaf oder eine Ziege zu
schenken im Begriff stand, kam es am Ende auf ein Schukka mehr nicht an.

Bald darauf zog er ab und schickte mir seinem Versprechen gemäss ein
grosses, schönes, breitschwänziges, sehr fettes Schaf, mit der Meldung
zu: „Ich müsse ihm, da ich jetzt sein Bruder sei, drei Doti gutes Tuch
senden.“ Da der Preis eines Schafes nur 1½ Doti beträgt, so schlug
ich dasselbe und die Ehre der Brüderschaft aus, weil die Gaben alle
nur einseitig seien und ich, der ich ihm Muhongo bezahlt und ein Doti
Kaniki geschenkt habe, nicht noch mehr Tuch ohne entsprechendes Entgeld
fortgeben könne.

An diesem Nachmittag fiel noch einer meiner Esel, und zur Nacht kamen
die Hyänen in grosser Zahl, um sich an dem Leichnam gütlich zu thun.
Ulimengo, der Jäger und beste Schütze unter meinen Wangwana, stahl
sich heraus und hatte das Glück zwei zu erschiessen, die mit zu den
grössten ihrer Art gehörten. Die eine mass 6 Fuss von der Nasen- bis
zur Schwanzspitze und 3 Fuss um den Leib.

Am 4. Juni brachen wir unser Lager ab und schlugen, nachdem wir etwa
drei Meilen nach Westen gezogen und an mehrern Salzwasserteichen
vorbeigekommen waren, die Richtung nach Nordwesten ein, am Saum der
Kette niedriger Hügel vorüber, die Ugogo von Uyanzi trennen.

Nach einem Marsch von drei Stunden hielten wir eine kurze Zeit in
Klein-Mukondoku, um dem Bruder des Beherrschers des eigentlichen
Mukondoku Tribut zu zahlen. Drei Doti genügten dem Sultan, dessen
District nur zwei Dörfer enthält, die meist von Wahumbahirten und
Ueberläufern von den Wahehe bewohnt sind. Die Wahumba leben in
kegelförmigen Hütten, die mit Kuhmist beworfen und wie die Tatarenzelte
in Turkestan geformt sind.

Die Wahumba sind, soweit ich sie gesehen, ein schöner, wohlgestalteter
Menschenschlag. Die Männer sind geradezu stattlich, hochgewachsen,
und haben kleine Köpfe mit bedeutend vorspringendem Hinterhaupt. Man
sieht sich umsonst nach einer dicken Lippe oder platten Nase unter
ihnen um, im Gegentheil ist der Mund besonders zart, klein und schön
geschnitten. Sie haben eine griechische Nase, und zwar ist dieser Zug
so allgemein, dass ich sie sofort die Griechen Afrikas nannte. Ihre
untern Extremitäten haben nicht die Schwere wie bei den Wagogo und
andern Stämmen, sondern sind lang, wohlgestaltet und rein, wie die der
Antilopen. Ihr Hals ist lang und dünn und der kleine Kopf ruht anmuthig
auf demselben. Von Jugend auf Athleten, als Hirten auferzogen und
unter sich heirathend, halten sie ihre Rasse rein. Jeder von ihnen
könnte daher ein gutes Modell für den Bildhauer abgeben, der einen
Antinoos, Hylas, Daphnis oder Apollo in Marmor darstellen wollte. Die
Frauen sind in ihrer Art ebenso schön, wie die Männer. Sie haben eine
reine Ebenholzhaut, die nicht kohlschwarz, sondern von tintenfarbigem
Ton ist. Ihre Zierrathen bestehen aus spiralförmigen Messingringen, die
von den Ohren herabhängen, aus Halsbändern von demselben Material, und
einem spiralförmigen Messinggürtel um die Lenden, der dazu dient, ihre
Kalb- und Ziegenfelle festzuhalten, die, um den Körper gefaltet, von
der Schulter herabhängen, eine Hälfte der Brust bedecken und bis an die
Knie reichen.

Die Wahehe können die Römer Afrikas genannt werden.

Nachdem wir eine Stunde gehalten, nahmen wir unsern Marsch wieder
auf und kamen nach vier Stunden im eigentlichen Mukondoku an. Dieser
äusserste Theil von Ugogo ist sehr bevölkert; die Dörfer, welche
die Mitteltembé umgeben, wo der Sultan Swaruru lebt, zählen nicht
weniger als 36. Die Leute kamen massenhaft heraus, um sich die
wunderbaren Männer anzuschauen, deren Gesichter weiss, deren Körper
so eigenthümlich bekleidet, und deren Waffen so merkwürdig waren.
Namentlich erregten die Flinten ihr Erstaunen, die so rasch knallten,
dass man kaum an den Fingern abzählen konnte, und sie sammelten sich zu
solchen Haufen und heulten so wild, dass ich einen Augenblick glaubte,
es stecke noch etwas anderes als blose Neugier hinter dieser Bewegung,
die solche Massen an die Strassen lockte. Ich hielt und fragte, was
los sei, was sie wünschten und warum sie solchen Lärm machten? Ein
stämmiger Kerl, der meine Worte für eine Erklärung von Feindseligkeiten
hielt, spannte sofort seinen Bogen; so rasch aber, wie er seinen
Pfeil aufgelegt, war auch mein treues mit 13 Schüssen geladenes
Winchestergewehr gerichtet und wartete nur darauf, den Pfeil fliegen
zu sehen, um die bleiernen Boten des Todes in die Menge zu entsenden.
Diese jedoch verzog sich so rasch, wie sie gekommen war und liess den
stämmigen Thersites mit zwei oder drei unentschlossenen Stammesgenossen
in Pistolenschussweite von meiner angelegten Flinte stehen. Ein solch
plötzliches Auseinanderlaufen des Pöbels, der noch einen Augenblick
vorher überwältigend an Zahl war, veranlasste mich, mein Gewehr zu
senken und in ein herzliches Gelächter über die schmähliche Flucht
dieser Helden auszubrechen. Die Araber, die ebenso sehr über ihre
lärmende Zudringlichkeit beunruhigt waren, kamen jetzt, um einen
Waffenstillstand zu schliessen, was ihnen zu jedermanns Befriedigung
gelang. Einige erklärende Worte genügten, um den Pöbel noch zahlreicher
als vorher zurückkehren zu lassen; und der Thersites, der die Ursache
der augenblicklichen Störung gewesen, sah sich genöthigt, sich vor dem
Druck der öffentlichen Meinung beschämt zurückzuziehen. Nun kam ein
Häuptling heran, der, wie ich später erfuhr, der zweite nach Swaruru
war, und hielt dem Volke seine Behandlung des weissen Fremdlings vor.

„Wisst Ihr nicht, Ihr Wagogo, dass dieser Musungu ein Sultan (Mtemi,
ein sehr hoher Titel) ist? Er ist nicht nach Ugogo gekommen, wie
die Wakonongo (Araber), um Elfenbeinhandel zu treiben, sondern nur
uns zu sehen und uns Geschenke zu bringen. Warum belästigt Ihr ihn
und seine Leute? Lasst sie in Frieden ziehen! Wenn Ihr ihn zu sehen
wünscht, kommt näher, aber höhnt ihn nicht. Möge der Erste, der eine
Störung verursacht, sich in Acht nehmen; unser grosser Mtemi wird es
dann erfahren, wie Ihr seine Freunde behandelt.“ Dieses Stückchen
rhetorischer Kraftanstrengung seitens des Häuptlings wurde mir an Ort
und Stelle von dem alten Scheikh Thani übersetzt. Nachdem ich dies
vernommen, bat ich den Scheikh, den Häuptling wissen zu lassen, dass
ich, nachdem ich geruht, mich freuen werde, ihn in meinem Zelt zu
empfangen.

Nachdem wir in dem Khambi angekommen, das in Ugogo immer um einen
grossen Baobab ungefähr eine halbe Meile vom Tembé des Sultans entfernt
liegt, drängten sich die Wagogo in so grosser Zahl ins Lager, dass
Scheikh Thani sich entschloss, alles zu versuchen, um diese Plage
loszuwerden oder sie doch zu mildern. In seinem besten Anzuge begab
er sich zum Sultan, um diesen um Schutz gegen sein Volk anzurufen.
Der Sultan war sehr betrunken und beliebte zu sagen: „Was willst Du,
Du Dieb? Du bist hergekommen, um mir Elfenbein oder Zeug zu stehlen.
Mach’, dass Du fort kommst, Dieb!“ Der verständige Häuptling aber, den
wir eben dem Volke Vorwürfe wegen seiner Behandlung der Wasungu machen
hörten, winkte Scheikh Thani, zum Tembé hinauszukommen und begleitete
ihn an das Khambi. Das Lager war in grossem Aufruhr; die neugierigen
Wagogo hatten fast das ganze Terrain für sich in Anspruch genommen; es
war nirgends Platz, sich zu bewegen. Die Wanyamwezi stritten sich mit
den Wagogo, die Waswahili-Diener schrien laut, die Wagogo drückten ihre
Zelte zusammen und das Eigenthum ihrer Herren wäre in Gefahr, während
ich, im Zelte bei meinem Tagebuche beschäftigt, mich um den Lärm und
die Verwirrung draussen so lange nicht kümmerte, als sie sich auf die
Wagogo, Wanyamwezi und Wangwana beschränkten.

Der Anwesenheit des Häuptlings im Lager folgte jedoch eine so tiefe
Stille, dass ich mich bewogen fühlte hinauszugehen, um zu sehen,
wodurch sie veranlasst sei. Derselbe machte wenig, aber treffende
Worte. Er sagte nämlich: „In Eure Tembés, Wagogo, in Eure Tembés! Warum
kommt Ihr her, um die Wakonongo zu belästigen? Was habt Ihr mit ihnen
zu schaffen? Macht, dass Ihr in die Tembés kommt! Jeder Mgogo, der in
dem Khambi angetroffen wird, ohne Fleisch und Vieh verkaufen zu wollen,
soll dem Mtemi Zeug oder Kühe bezahlen. Fort mit Euch!“ Mit diesen
Worten ergriff er einen Stock und trieb die Hunderte aus dem Khambi,
die ihm wie Kinder gehorchten. Während der zwei Tage, die wir noch in
Mukondoku halt machten, sahen wir nichts mehr vom Pöbel, sondern hatten
Frieden.

Das Muhongo des Sultans Swaruru wurde mit weniger Worten abgemacht,
denn der Häuptling, der für den Sultan als Premier-Minister fungirte,
nahm, nachdem er durch ein Doti Rehani Ulyah von mir erfreut worden,
den gewöhnlichen Tribut von sechs Doti an, von denen nur eins aus Zeug
erster Qualität bestand.

Jenseits Mukondoku blieb nur noch ein Sultan übrig, dem Muhongo zu
zahlen war, und dies war der Sultan von Kiwyeh, dessen Ruf so übel ist,
dass Karavanenführer, welche Macht über ihre Pagazi haben, selten
durch Kiwyeh ziehen, sondern die Strapazen grosser Märsche durch die
Wildniss der Rohheit und den unverschämten Forderungen des Häuptlings
von Kiwyeh vorziehen. Die Pagazi hingegen, die ausser den zu tragenden
Lasten keine Verantwortlichkeit oder sonstige Beschwerlichkeit davon
haben, sondern im Fall eines feindlichen Angriffs ihre Beine brauchen
und davonlaufen können, marschiren lieber durch Kiwyeh, als dass sie
Durst und Strapazen einer Terekeza aushalten. Und oft siegte die
Vorliebe der Pagazi ob, wenn ihre Herren furchtsame, unentschlossene
Leute, wie Scheikh Hamed, waren.

Der 7. Juni war der Tag, der für unsere Abreise von Mukondoku bestimmt
war; daher kamen die Araber am Tage zuvor in mein Zelt, um mit mir
über den einzuschlagenden Weg zu berathschlagen. Nachdem wir die
Kirangozi der verschiedenen Karavanen und die ältern Wanyamwezi-Pagazi
zusammengerufen hatten, erfuhren wir, dass es drei Wege von Mukondoku
nach Uyanzi gäbe. Erstens einen südlichen, der aus den oben angeführten
Gründen gewöhnlich gewählt wurde und über Kiwyeh führte. Gegen diesen
erhob Hamed Einwendungen. „Der Sultan wäre schlecht“, sagte er,
„er verlange bisweilen 20 Doti von einer Karavane; unsere Karavane
würde etwa 60 Doti zu bezahlen haben. Der Weg über Kiwyeh ginge also
durchaus nicht an. Ausserdem“, meinte er, „müssen wir eine Terekeza
machen, um nach Kiwyeh zu gelangen, und dann werden wir es nicht vor
übermorgen erreichen.“ Zweitens gab es einen Mittelweg. Auf diesem
sollten wir am nächsten Tage in Munieka ankommen; am darauf folgenden
Tage würde eine Terekeza von Mabunguru Nullah bis zu einem Lager in
der Nähe von Unyambogi stattfinden müssen, und nach zwei Stunden
würden wir am darauf folgenden Tage in Kiti sein, wo es viel Wasser
und Nahrungsmittel gäbe. Da aber keiner der Kirangozi oder Araber
diesen Weg kannte und er nur von einem meiner alten Pagazi beschrieben
wurde, meinte Hamed, er vertraue die Führung einer so grossen Karavane
nicht gern einem alten Mnyamwezi an und möchte deshalb lieber etwas
genaueres über den dritten Weg hören, ehe er sich entscheide. Dieser
ging nördlich und führte die ersten beiden Stunden lang an zahlreichen
Wagogodörfern vorüber, dann würden wir durch Dschungels und nach einem
Marsche von drei Stunden nach Simbo kommen, wo zwar Wasser, aber kein
Dorf sei. Wenn wir am darauf folgenden Morgen früh aufbrächen, so
hätten wir sechs Stunden zu reisen, um an eine Wasserpfütze zu kommen.
Nach kurzer Rast an diesem Orte würde uns ein Nachmittagsmarsch von
fünf Stunden an einen Ort bringen, der nur drei Stunden von einem Dorfe
entfernt sei. Da dieser letztere Weg vielen bekannt war, sagte Hamed:
„Scheikh Thani, sagt dem Sahib, dass ich diesen für den besten halte“.
Nachdem mich Scheikh Thani davon benachrichtigt, sagte ich ihm, meine
Karavane werde, da ich mit ihnen durch Ugogo marschirt sei, sie auch
ferner begleiten, wenn sie sich entschlössen, über Simbo zu gehen.

Nachdem man nach vielfachen Verhandlungen über die Wege übereingekommen
war, bestimmte ich die Lage der verschiedenen Punkte mit dem Kompass.
Man wird sich erinnern, dass ich gesagt habe, wir hätten Mukondoku
nach einem dreistündigen, direct von Mizanza nach Westen gehenden
Marsche erreicht und seien darauf ungefähr 4¼ Stunde Nord zu West
an dem Saume einer Hügelkette gereist, die sich aus der Umgegend
von Kanyenyi Nord zu West an der Grenze von Uhumba hinzieht und als
Grenzlinie zwischen Ugogo und dem anliegenden Lande der Wayanzi dient.
Mukondoku befindet sich nur zwei Meilen von der östlichen Seite dieser
Bergkette; Kiwyeh liegt südsüdwestlich von Mukondoku und von dort
hat man einen Marsch von sieben Tagen nach Kusuri. Die Richtung von
Simbo ist nordnordwestlich, von dort nach Kusuri hat man sechs Tage zu
marschiren. Hieraus geht deutlich hervor, dass der kürzeste Weg der
über Kiti ist, und der einzige Einwand gegen denselben bestand darin,
dass er keinem der Araber und Kirangozi bekannt war.

Unmittelbar nach dieser unter den Häuptern stattgehabten Discussion in
Bezug auf die Vortheile der verschiedenen Wege erhob sich eine unter
den Pagazi, welche auf ein hartnäckiges Geschrei gegen den Weg über
Simbo hinauslief, da er eine lange Terekeza bedinge und wenig Aussicht
auf Wasser darbiete. Die Abneigung gegen den Weg über Simbo theilte
sich alsbald allen Karavanen mit und wurde durch Berichte über eine
Wildniss, die sich von Simbo nach Kusuri hinziehe, vergrössert, in der
man weder Nahrungsmittel noch Wasser bekommen könne. Hamed’s Pagazi und
die der arabischen Diener erhoben sich wie ein Mann und erklärten, sie
könnten den Marsch nicht einschlagen, und wenn Hamed darauf bestände,
so würden sie ihre Packen niederlegen und er möge dann dieselben allein
tragen.

Hamed Kimiani, wie er von den Arabern genannt wurde, stürzte nun zu
Scheikh Thani und erklärte ihm, er müsse den Weg über Kiwyeh wählen,
da sonst seine sämmtlichen Pagazi weglaufen würden. Dieser erwiderte
darauf, ihm seien alle Wege gleich und werde Hamed überall hin
folgen, wohin es ihm zu gehen beliebe. Dann kamen sie in mein Zelt
und benachrichtigten mich von dem Entschluss, zu dem die Wanyamwezi
gekommen seien. Sofort rief ich meinen alten Mnyamwezi, der mir den
günstigen Bericht abgestattet hatte, noch einmal in mein Zelt und
befahl ihm, mir eine genaue Schilderung des Weges über Kiti zu geben.
Dieser lautete so günstig, dass ich Hamed erwiderte, ich sei der Herr
meiner Karavane. Sie habe dorthin zu gehen, wohin ich es dem Kirangozi
befehle, nicht aber, wohin die Pagazi wollten. Wenn ich ihnen zu halten
befehle, so müssten sie halten, und wenn ich einen Marsch anordnete,
müsste ein Marsch stattfinden, und da ich ihnen gut zu essen und nicht
viel zu arbeiten gäbe, so möchte ich wol den Pagazi oder Soldaten
sehen, der mir nicht gehorche. „Sie hatten sich eben entschlossen, über
Simbo zu reisen, und wir hatten das abgemacht. Nun sagen Ihre Pagazi,
sie wollen über Kiwyeh gehen oder weglaufen. Gehen Sie über Kiwyeh und
zahlen Sie Ihre 20 Doti Muhongo. Ich und meine Karavane werden morgen
den Weg über Kiti einschlagen, und wenn Sie finden, dass ich einen Tag
früher in Unyanyembé bin als Sie, so wird es Ihnen schon leidthun, dass
Sie nicht denselben Weg genommen haben.“

Diese Erklärung von mir hatte die Wirkung, abermals Hamed’s Ansichten
umzustossen, denn er sagte sofort: „Das wird denn doch wol der beste
Weg sein, und da der Sahib entschlossen ist, ihn einzuschlagen und
wir alle zusammen durch das schlechte Land der Wagogo gereist sind,
Inschallah, so wollen wir auch jetzt alle denselben Weg ziehen!“ Da
der gute alte Thani keine Einwendungen dagegen erhob und Hamed sich
entschlossen hatte, so gingen sie beide wohlgemuth aus dem Zelt, um
diese Nachricht ihren Leuten mitzutheilen.

Am 7. Juni wurden die Karavanen, die dem Anschein nach einstimmig
darüber waren, dass man über Kiti reise, wie gewöhnlich von Hamed’s
Kirangozi geführt. Kaum waren wir jedoch eine Meile gegangen, als ich
bemerkte, dass wir den Weg über Simbo verlassen, die Richtung nach
Kiti eingeschlagen, aber durch einen schlau gewählten Umweg uns jetzt
rasch dem vor uns liegenden Bergpass näherten, der den Zutritt zu dem
höher gelegenen Plateau von Kiwyeh gestattete. Sofort liess ich meine
Karavane halten, den alten Pagazi, der über Kiti gereist war, kommen
und fragte ihn, ob wir jetzt nicht nach Kiwyeh gingen. Er bejahte die
Frage. Nun rief ich meine Pagazi zusammen und liess ihnen durch Bombay
sagen, der Musungu ändere nie seine Entschlüsse ab; da ich beschlossen,
meine Karavane solle über Kiti marschiren, so müsse sie dies auch thun,
ob die Araber mitkämen oder nicht. Darauf hiess ich den Alten seine
Last aufnehmen und dem Kirangozi den richtigen Weg nach Kiti zeigen.
Da legten denn die wanyamwezi’schen Pagazi ihre Ballen nieder und es
gab Anzeichen einer Empörung. Den Wangwana-Soldaten wurde hierauf der
Befehl ertheilt, ihre Flinten zu laden, sich zur Seite der Karavane
aufzustellen und den ersten Pagazi, der einen Desertions-Versuch machen
würde, niederzuschiessen. Ich selbst stieg ab, ergriff meine Peitsche,
ging auf den ersten Pagazi, der seine Last niedergelegt, zu und befahl
ihm, dieselbe wieder aufzunehmen und zu marschiren. Weiter brauchte
ich nicht zu gehen; ohne Ausnahme marschirten sie alle dem Kirangozi
nach. Ich stand im Begriff, Thani und Hamed Lebewohl zu sagen, als
Thani mir sagte: „Warten Sie ein wenig, Sahib, ich habe genug von
diesem Kinderspiel, ich werde mit Ihnen gehen“, und er liess auch
seine Karavane der meinigen folgen. Hamed’s Karavane war inzwischen
dicht an den Engpass gelangt; er selbst befand sich eine ganze Meile
hinter derselben und weinte wie ein Kind über unsere Desertion, wie er
es zu nennen beliebte. Da ich Mitleid mit seiner üblen Lage empfand --
denn er war fast von Sinnen, wenn er an den erpressungssüchtigen, rohen
Sultan von Kiwyeh dachte --, rieth ich ihm, seiner Karavane nachzueilen
und dieselbe an eben diesen Sultan zu erinnern mit Hinweis auf den
Umstand, dass die übrigen den andern Weg eingeschlagen hätten. Bevor
ich den Pass von Kiti erreicht hatte, sah ich auch, dass uns Hamed’s
Karavane nachfolgte.

Der Weg den Berg hinauf war uneben und steil; ausserordentlich spitze
Dornen peinigten uns schwer. Die Acacia horrida war hier schrecklicher
denn je, die Schotendorne streckten ihre Zweige aus und hielten
die Lasten auf, und die Mimosa mit ihrem regenschirmartigen Dach
beschattete uns zwar vor der Sonne, verhinderte aber ein rasches
Fortkommen. Steile, durch vieles Klettern glatt gewordene Vorsprünge
von Syenit und Granit mussten wir hinaufsteigen; ferne Schüsse,
die durch den Wald ertönten, vermehrten die Unruhe und allgemeine
Unzufriedenheit, und wäre ich nicht unmittelbar hinter meiner Karavane
gewesen und hätte jede ihrer Bewegungen beobachtet, so wären meine
Wanyamwezi bis auf den letzten Mann desertirt.

Obwol die Höhe, die wir erstiegen, kaum 800 Fuss über der Salzebene,
die wir eben verlassen, lag, so brauchten wir doch zwei Stunden, um
heraufzukommen.

Nachdem wir das Plateau erreicht und die grössten Schwierigkeiten
überwunden, hatten wir einen verhältnissmässig guten Weg, der durch
Dschungel, Wald und kleine offene Striche führte, die uns nach weiteren
drei Stunden nach Munieka brachten, einem kleinen Dorf, das inmitten
einer fruchtbaren, bebauten Lichtung von einer Colonie von Unterthanen
Swaruru’s von Mukondoku bewohnt wird.

Als wir in dem Lager angekommen, hatte ein jeder seinen guten Humor
und zufriedene Stimmung wieder bekommen, mit Ausnahme von Hamed.
Zufälligerweise hatten Thani’s Leute das Zelt desselben zu nahe an
den Baum gestellt, um welchen Hamed’s Ballen zusammengepackt lagen. Ob
der kleine Scheikh den ehrlichen alten Thani für fähig hielt, einen
davon zu stehlen, ist unbekannt, gewiss aber ist, dass er sich über
die grosse Nähe des Zeltes seines besten Freundes wüthend geberdete,
bis Thani den Befehl gab, dasselbe 100 Meter weiter zu transportiren.
Selbst dieses Verfahren befriedigte, wie es schien, Hamed nicht, denn
es wurde Mitternacht, wie mir Thani erzählte, ehe Hamed kam, um ihm die
Hände und Füsse zu küssen und ihn fussfällig um Verzeihung zu bitten,
die ihm natürlich Thani, eine gutmüthige Seele, gern gewährte. Hamed
gab sich jedoch nicht eher zufrieden, als bis er mit Hülfe seiner
Sklaven des Freundes Zelt wieder dorthin hatte schaffen lassen, wo es
ursprünglich gestanden.

In Munieka kam das Wasser aus einer tiefen, in einer Syeniterhebung
befindlichen Senkung und war klar wie Krystall, kalt wie Eiswasser, ein
Hochgenuss, den wir seit Simbamwenni nicht gehabt hatten.

Jetzt befanden wir uns an der Grenze von Uyanzi oder „Magunda
Mkali“, dem heissen Grunde oder heissen Felde, unter welchem Namen
es besser bekannt ist. Wir waren bei dem von Wagogo bewohnten Dorfe
vorübergezogen und im Begriffe, den Staub von Ugogo von unsern Füssen
zu schütteln. In dieses Land waren wir voll Hoffnung eingetreten, indem
wir es für ein liebliches Land, in welchem Milch und Honig fliessen,
gehalten hatten, waren aber schwer enttäuscht worden; denn es war uns
ein Land voll Galle und Bitternissen, voll Sorgen und Plagen geworden,
wo uns auf Schritt und Tritt Gefahren drohten und wir den Launen
betrunkener Sultane ausgesetzt gewesen. Kann es dann Wunder nehmen,
dass wir uns alle in diesem Augenblicke sehr glücklich fühlten? Trotz
der vor uns liegenden Aussicht auf ein Land, das wir für eine wirkliche
Wildniss hielten, wurde unsere gute Stimmung nicht vermindert,
sondern gestärkt, denn die Wildniss in Afrika ist in vielen Fällen
freundlicher, als das bevölkerte Land.

Der Kirangozi blies sein Kuduhorn viel fröhlicher an diesem Morgen,
als er in Ugogo zu thun pflegte. Wir standen im Begriff, in Magunda
Mkali einzutreten. Um 9 Uhr morgens, drei Stunden, nachdem wir Munieka
verlassen, und zwei Stunden, seitdem wir die äussersten Grenzen von
Ugogo hinter uns hatten, hielten wir in Mabunguru Nullah. Das Nullah
läuft südwestlich, nachdem es seinen Ursprung in den Bergketten, die
Ugogo von Magunda Mkali trennen, verlassen hat. Während der Regenzeit
muss es wegen der ausserordentlichen Steilheit seines Bettes kaum
passirbar sein. An den Syenit- und Basaltblöcken, welche seinen
Lauf hemmen, sieht man Spuren der Gewalt des Stromes. Ihre unebenen
Ecken sind geglättet und es befinden sich tief ausgehöhlte Becken im
Felsenbette, die in der trockenen Jahreszeit als Wasserbehälter dienen.
Obgleich das in ihnen enthaltene Wasser schleimig und grünlich aussieht
und von Fröschen stark bevölkert wird, ist es doch durchaus schmackhaft.

Zu Mittag nahmen wir unsern Marsch wieder auf, die Wanyamwezi jubelten
und sangen, die Wangwana-Soldaten, Diener und Pagazi wetteiferten mit
ihnen, was Lärm und Geschrei betraf, und liessen den dunkeln Wald, den
wir passirten, von ihren Stimmen widerhallen.

Die Landschaft war viel malerischer, als wir sie seit Bagamoyo
gesehen hatten. Der Boden erhob sich in grössern Wellen, hier und da
traten Hügel hervor und grosse Berge von Syenit, welche dem Walde ein
sonderbares, zauberhaftes Aussehen verliehen. Aus der Ferne schien
es fast, als ob wir uns einem Stückchen England, wie es während der
Feudalzeit ausgesehen haben mag, näherten, so sonderbare, phantastische
Gestalten nahmen die Felsen an. Hier erhob sich abgerundetes Geröll
übereinander, das scheinbar keinem Windstoss hätte widerstehen können;
dort thürmte es sich wie stumpfe Obelisken, welche die höchsten
Bäume überragten; hier wiederum nahm es die Gestalt mächtiger in
Glas verwandelter Wogen an; dort bildete es ein kleines Häufchen
zerrissener, zerklüfteter Felsmassen, während es anderwärts zu
grossartigen Bergen anschwoll.

Um 5 Uhr nachmittags hatten wir 20 Meilen zurückgelegt und das Signal
zum Halten erscholl. Schon um 1 Uhr morgens, als der Mond noch schien,
hörte man Hamed’s Horn und Stimme durch das ganz stille Lager tönen
und seine Pagazi zum Marsch wecken. Offenbar war Scheikh Hamed
vollständig verrückt geworden, warum sollte er sonst zu so früher
Stunde so wüthend auf den Marsch erpicht sein? Der Thau fiel schwer und
man war durchfröstelt; von allen Seiten antwortete ein unheilvolles
Gemurmel tiefer Unzufriedenheit dem frühen Allarmruf. Da wir jedoch
annahmen, dass er bessere Kunde erhalten als wir, beschlossen Scheikh
Thani und ich, uns danach zu richten, ob er durch den Verlauf der Sache
gerechtfertigt war oder nicht.

Da alle unzufrieden waren, wurde dieser Nachtmarsch in tiefem
Stillschweigen abgemacht. Das Thermometer stand auf 9° R., da wir
uns etwa 4500 Fuss über dem Meeresspiegel befanden. Die fast nackten
Pagazi gingen rasch, um warm zu bleiben und dadurch bekamen viele
von ihnen wunde Füsse, indem sie gegen vorspringende Wurzeln und
Felsen stolperten und auf Dornen traten. Um 3 Uhr morgens kamen wir
in dem Dorf Unyambogi an, wo wir uns hinwarfen, um uns durch Schlaf
auszuruhen, bis die Morgendämmerung uns kundthäte, was den hart
mitgenommenen Karavanen noch bevorstehe.

Es war helles Tageslicht, als ich erwachte. Die Sonne schoss glühende
Strahlen in mein Gesicht. Scheikh Thani kam bald darauf, um mir zu
sagen, Hamed sei vor zwei Stunden nach Kiti abgegangen, er aber habe
seine Aufforderung, ihn zu begleiten, rundweg abgeschlagen, sie als
Thorheit und völlig nutzlos bezeichnet, und er fragte mich nun um
meine Meinung. Ich sagte, das Ganze wäre reiner Unsinn und fragte ihn
meinerseits, wozu denn ein Terekeza überhaupt gemacht werde; würde
nicht etwa ein Nachmittagsmarsch die Karavanen auch in den Stand
setzen, zu Wasser und Nahrungsmitteln zu gelangen. Thani bejahte dies.
Dann legte ich ihm die Frage vor, ob etwa in Unyambogi Wasser und
Nahrungsmittel nicht zu haben seien? Darauf erwiderte derselbe, er habe
sich gar keine grosse Mühe gegeben, danach Erkundigungen einzuziehen,
aber von den Dorfbewohnern die Auskunft erhalten, dass Matama, Hindi,
Maweri, Schafe, Ziegen und Hühner in ihrem Dorfe in reichlicher Fülle
und zu so billigen Preisen zu haben seien, wie man sie in Ugogo gar
nicht kenne.

„Nun denn“, sagte ich, „wenn Hamed durchaus ein Narr sein und seine
Pagazi in Lebensgefahr bringen will, wozu brauchen wir das zu thun? Ich
habe ebensoviel Ursache zur Eile wie Scheikh Hamed, aber Unyanyembé
ist noch weit und ich will mein Vermögen nicht durch ein unsinniges
Vorgehen in Gefahr bringen.“

Wie Thani uns berichtet, fanden wir eine Fülle von Provision im Dorfe
selbst und gutes, süsses Wasser in einigen nahebei gelegenen Brunnen.
Ein Schaf kostete ein Schukka; sechs Küchlein waren für denselben Preis
zu haben; sechs Maass Matama, Maweri oder Hindi desgleichen; kurz,
schliesslich waren wir in das Land des Ueberflusses gekommen.

Am 10. Juni erreichten wir nach einer Reise von vier ein halb Stunden
Kiti, wo wir den unaufhaltsamen Hamed in schweren Sorgen antrafen. Er,
der ein Cäsar hatte sein wollen, erwies sich als ein unentschlossener
Antonius. Er hatte den Tod einer Lieblingssklavin, den Verlust von
fünf Dischdasch (arabischen Hemden) und von goldgestickten Jacken mit
silbernen Aermeln zu beklagen, mit denen er in Unyanyembé in vollem
Staat, wie es einem Kaufmann seines Standes geziemte, einzuziehen
gedacht. Alles das war mit drei fortgelaufenen Dienern verschwunden,
und ausserdem noch kupferne Präsentirteller, Reis- und Pilauschüsseln,
sowie zwei Ballen Tuch, welche desertirende Wangwana-Pagazi
mitgenommen. Mein arabischer Dolmetscher Selim fragte ihn: „Was machen
Sie hier, Scheikh Hamed? Ich dachte, Sie wären schon ein gut Stück
weiter auf dem Wege nach Unyanyembé.“ Darauf antwortete er: „Konnte ich
wol meinen Freund Thani zurücklassen?“

Kiti hat sehr viel Vieh und Korn, und wir konnten Nahrungsmittel
zu mässigen Preisen bekommen. Die Wakimbu, Auswanderer aus Ukimbu,
nahe bei Urori, sind ein ruhiger Volksstamm, der die friedlichen
Künste des Ackerbaues dem Kriege vorzieht, und lieber seine Heerden
weidet, als auf Eroberungen ausgeht. Beim geringsten Kriegsgerücht
ziehen sie mit Familie und Eigenthum in die ferne Wildniss, wo sie
das Land zu lichten anfangen und den Elefanten des Elfenbeins willen
jagen. Trotzdem fanden wir, dass es ein stattlicher, gut bewaffneter
Menschenschlag ist, der in Bezug auf Zahl und Waffen es wol mit manchem
andern Stamme aufnehmen kann. Hier aber wie anderweitig macht die
Zwietracht sie schwach. Sie bilden nämlich nur kleine Kolonien, von
denen jede von ihrem eigenen Häuptling beherrscht wird; wogegen sie,
wenn sie sich vereinigen würden, eine ganz ansehnliche Mannschaft einem
Feinde entgegenstellen könnten.

Unser nächster Bestimmungsort war das 15 Meilen von Kiti entfernte
Msalalo. Hamed folgte uns, nachdem er vergeblich nach seinen
Deserteuren und werthvollem Eigenthum geforscht, und versuchte noch
einmal, als er uns im Lager von Msalalo fand, vorbeizuziehen; seine
Pagazi jedoch versagten ihm den Dienst, da ihr Marsch so lang gewesen
war.

Welled Ngaraiso erreichten wir am 13. nach einem Marsch von drei ein
halb Stunden. Es ist ein blühender kleiner Ort, wo man Lebensmittel
fast zweimal so billig haben kann, wie in Uynambogi. Zwei Stunden
südlich liegt Dschiweh la Mkoa an dem alten Wege, auf welchem die
Strasse, die wir eingeschlagen, seitdem wir Bagamoyo verlassen, uns
jetzt rasch dahinführt.

Da Unyanyembé nahe war und die Pagazi und Soldaten sich während der
langen Märsche, die wir in letzter Zeit gemacht, vorzüglich aufgeführt
hatten, kaufte ich für drei Doti ein Bullenkalb und liess es speciell
für sie schlachten. Auch gab ich einem Jeden ein Khete rother Perlen,
damit er seine Lust nach irgend einem kleinen Genuss, den das Land
biete, stillen könne. Milch und Honig gab es in Menge und drei Frasileh
süsser Kartoffeln waren für ein Schukka zu haben, d. h. für ungefähr 1
M. 60 Pf.

Der 15. Juni brachte uns nach einem kurzen Marsche von acht und drei
viertel Meilen in das letzte Dorf von Magunda Mkali, im Districte von
Dschiweh la Singa. Kusuri, wie es die Araber nennen, heisst bei den
Wakimbu, die es bewohnen, Konsuli, was nur ein Beispiel unter vielen
ist, wie die Araber die Landesnamen der Dörfer und Districte umgetauft
oder corrumpirt haben.

Zwischen Ngaraiso und Kusuri kamen wir durch das Dorf Kirurumo,
das jetzt ein blühender Ort ist und manches ebenso gedeihende Dorf
in seiner Umgegend aufzuweisen hat. Als wir durchzogen, kamen die
Leute, um den Musungu zu begrüssen, dessen Ankunft durch seine
grosssprecherischen Karavanen schon lange vorher verkündet worden und
dessen Soldaten ihnen geholfen, eine Schlacht gegen ihre rebellischen
Brüder von Dschiweh la Mkoa zu gewinnen.

Etwas weiter kamen wir durch ein grosses Khambi, das Sultan bin
Mohammed, ein Omani-Araber von hoher Abkunft, besetzt hatte, der,
sobald er meine Ankunft erfuhr, herauskam, um mich zu begrüssen und
zu sich einzuladen. Da sich sein Harem im Zelt befand, wurde ich
natürlich nicht aufgefordert in dasselbe zu treten, sondern es lag
draussen für den Gast ein Teppich bereit. Nachdem die gewöhnlichen
Fragen nach meiner Gesundheit, den Erlebnissen der Reise und den
letzten Nachrichten von Zanzibar und Oman erledigt waren, erkundigte
er sich, ob ich viel Tuch bei mir habe. Diese Frage hört man häufig
von Eigenthümern zurückkehrender Karavanen, weil die Araber in ihrer
Gier, an den am Tanganika liegenden Elfenbein-Plätzen so viel Nutzen
wie möglich aus ihrem Tuch zu ziehen, leicht vergessen, einen Theil
für ihren Rückweg zurückzubehalten. Da ich thatsächlich nur einen
Ballen von dem Provisionstuch besass, das ich mir an der Küste zum
Unterhalt meiner Karavane besorgt, konnte ich, ohne zu erröthen, die
Sache verneinen. Einige Minuten später wurde Scheikh Hamed angekündigt,
erschien auch sofort mit einer tiefen Verbeugung vor dem grossen
Manne und mit dem lebhaften Wunsche, die Hand zu küssen, legte auch
durch sein „Kaif halek“ grosse Besorgniss an den Tag zu erfahren, ob
Sultan bin Mohammed auch „wohl -- wirklich ganz wohl“ sei. Ungefähr
fünf Minuten lang tauschten die Araber Fragen über ihre Gesundheit und
allgemeine Aussichten aus, dann gab es eine kleine Erholungspause,
und dieselbe Frage, die mir wegen meines Tuches vorgelegt worden,
wurde auch an Hamed gerichtet. „Sehr wenig“ erwiderte der Scheikh; und
doch wussten Sultan bin Mohammed und ich, dass er 55 Ballen in seiner
Karavane hatte.

Der fremde Araber schickte seinen Diener mit einer Ziegenhaut voll
schönem weissen unyanyembischen Reis in mein Khambi in Kusuri, welche
Gabe ich eigentlich ausschlagen wollte, nachdem ich gezwungen gewesen,
seine Frage zu verneinen. Auch erbot er sich, mir Briefe oder kleine
Packetchen, die ich nach Zanzibar schicken wolle, mitzunehmen, und als
er erfuhr, dass ich einen Weissen in Mpwapwa krank habe liegen lassen,
versprach er mir, diesen nach Zanzibar zu bringen.

Bald nachdem wir in Kusuri angekommen, besuchte mich eine Anzahl
in Dschiweh la Singa wohnender Waswahili-Elefantenjäger, unter der
Führung eines alten Mannes, der einst Diwan von Bagamoyo gewesen war.
Obgleich sie mir nichts zum Geschenk mitgebracht, verfehlten sie doch
nicht, mich um Papier, Curry und Seife anzugehen, drei Dinge, die ich
nur schlecht missen konnte, da der Makatasumpf meinen Vorrath sehr
geschmälert hatte.

Ich hielt einen Tag in Kusuri, um meiner Karavane nach ihrer langen
Reihe von Märschen Ruhe zu gönnen, ehe ich mich auf den zweitägigen
Marsch durch die unbewohnte Wildniss begab, die den District von
Dschiweh la Singa in Uyanzi von dem von Tura in Unyanyembé trennt.
Hamed zog voran und versprach mir, Said bin Salim von meiner Ankunft zu
benachrichtigen und ihn darum zu bitten, mir ein Tembé zu besorgen.

Am 15., nachdem ich festgestellt, dass Scheikh Thani mehrere Tage in
Kusuri werde aufgehalten werden, weil sehr viele seiner Leute an der
schrecklichen Plage Ostafrikas, den Pocken, krank darniederlagen,
verabschiedete ich mich von ihm und verliess mit meiner Karavane
Kusuri, um wieder einmal in die Wildniss und die Dschungels zu
ziehen. Kurz vor Mittag hielten wir im Khambi von Mgongo Tembo oder
Elefantenrücken, das seinen Namen von einer Felsenwelle führt, deren
von der Atmosphäre dunkelbraun gefärbter Grath nach dem Urtheil der
Eingeborenen dem blaubraunen Rücken jenes Waldungethüms ähnlich sehen
soll. Meine Karavane hatte hier geradezu einen Disput mit mir, ob wir
unsere Terekeza an diesem Tage oder am nächsten abmachen sollten. Die
Mehrheit war der Ansicht, dass der folgende Tag sich besser dazu
eigne; ich aber als Bana handelte nach meinem Interesse und bestand
darauf, nicht ohne einigemal meine Peitsche schwingen zu müssen, dass
dieselbe am heutigen Tage stattfinden solle.

Mgongo Tembo war, als Burton und Speke es durchzogen, eine
vielversprechende Kolonie, die manchen schönen Morgen Landes bebaute.
Vor zwei Jahren jedoch war ein Krieg wegen irgendeines vom hiesigen
Volk an den Karavanen verübten Frevels ausgebrochen und die Araber
kamen von Unyanyembé mit ihren Wangwanadienern, verbrannten die Dörfer
und verwüsteten die Arbeit von Jahren. Seit der Zeit besteht Mgongo
Tembo nur aus schwarzen Häuserresten und sind die Felder daselbst
sprossende Dschungels.

Eine Gruppe von Dattelpalmen, die einen dichten Hain nahe bei dem Mtoni
von Mgongo Tembo überragen, rief mir die Erinnerung an Aegypten zurück.
Die Ufer des Baches mit ihrem grünen Laub bildeten einen sonderbaren
Contrast gegen das braune, verdorrte Aussehen der zu beiden Seiten
liegenden Dschungels.

Um 1 Uhr nachmittags nahmen wir unsere Lasten und Wanderstäbe wieder
auf und waren in kurzer Zeit auf dem Wege nach Nghwhalah Mtoni, das
8¾ Meilen von dem Khambi entfernt liegt. Die Sonne brannte heiss; wie
ein Feuerball schickte sie ihre sengenden Strahlen uns gerade auf die
Köpfe herab und dörrte, als sie sich nach Westen neigte, die Luft aus,
ehe sie von den sich nach ihr sehnenden Lungen eingeathmet wurde.
Kibuyus voll Wasser wurden rasch geleert, um die furchtbare Hitze, die
Gaumen und Lungen verbrannte, zu lindern. Ein Pagazi, der schwer von
den Pocken befallen war, erlag denselben und warf sich an den Rand
des Weges, um zu sterben. Wir haben ihn nicht wieder gesehen, denn
die Reise einer Karavane auf einer Terekeza gleicht einigermassen der
eines Schiffes in einem Orkane. Die Karavane muss weiterziehen, wehe
dem, der zurückbleibt, denn Hunger und Durst werden ihn überfallen --
ebenso muss auch das Schiff vor dem wilden Sturm dahineilen, um nicht
zu scheitern, wehe dem, der über Bord fällt!

Gutes kaltes, süsses Wasser wurde in Ueberfluss in dem Bett des Mtoni
in tiefen Steinbehältnissen angetroffen; hier waren auch, wie bei
Mabunguru, die Spuren reissender Sturzbäche deutlich sichtbar.

Der Nghwhalah fängt im nördlich belegenen Ubanarama an, einem Lande,
das wegen seiner schönen Esel bekannt ist, und kreuzt sich, nachdem er
südlich und dann südsüdwestlich gelaufen, mit dem Wege nach Unyanyembé,
von welchem Punkt an er sich mehr nach Westen wendet.

Am 16. kamen wir in Madedita an, einem Orte, der seinen Namen von einem
frühern, jetzt nicht mehr existirenden Dorfe führt. Madedita ist 12½
Meilen von dem Nghwhalah Mtoni entfernt. Eine Pfütze guten Wassers, die
einige hundert Schritt vom Wege abliegt, ist das einzige, was Karavanen
hier bekommen können, ehe sie nach Tura in Unyamwezi gelangen. Die
Tsetse- oder Tschufwafliege, wie sie die Waswahili nennen, stach
uns furchtbar, was ein Zeichen ist, dass grosses Wild bisweilen die
Pfützen besucht, aber nicht als Beweis dafür zu nehmen ist, dass sich
dergleichen in der unmittelbaren Nähe des Wassers gerade befindet.
Eine einzelne so häufig von vorüberziehenden Karavanen besuchte
Pfütze, an der diese zu halten gezwungen sind, kann nicht oft von
Thieren des Waldes besucht werden, die in diesem Theil von Afrika die
Aufenthaltsorte des Menschen scheu fliehen.

Mit der Morgendämmerung des nächsten Tages waren wir auf dem Wege
und zwar in rascherem Tempo, als an den meisten früheren Tagen, da
wir im Begriff standen, Magunda Mkali mit dem bevölkertern, bessern
Lande von Unyamwezi zu vertauschen. Der Wald behielt seinen Charakter
eine ermüdend lange Zeit hindurch, aber nach zwei Stunden wurde er
dünner, verwandelte sich dann in ein niedriges Gestrüpp und verschwand
schliesslich ganz. So hatten wir den Boden von Unyamwezi erreicht,
wo sich eine weite Ebene in langen grossen Wellen bis an den fernen
purpurnen Horizont vor uns ausdehnte. Soweit die Ebene reicht
erblickten wir Felder von reifem Korn, die munter im kühlen von Usagara
her wehenden Morgenwinde rauschten.

Um 8 Uhr morgens kamen wir bei dem Grenzdorf von Unyamwezi, Ost-Tura,
an, in das wir einzogen ohne weitere Rücksicht auf die Stimmung
seiner spärlichen Einwohner. Hier fanden wir Nondo, einen Speke’schen
Deserteur, der zu denen gehörte, die für Baraka gegen Bombay Partei
genommen hatten. Da er bei mir in Dienst zu treten wünschte, war er
so liebenswürdig, seine früheren Kameraden und schliesslich auch die
Pagazi mit Honig und Scherbet zu versehen. Wir machten hier nur eine
kurze Erholungspause, da wir blos noch eine Stunde zu marschiren
hatten, um Central-Tura zu erreichen.

Der Weg von Ost-Tura führt durch ausgedehnte Felder von Hirse, Mais,
Holcus Sorghum, Maweri oder Panicum oder Bajri, wie die Araber es
nennen, durch Gärten von süssen Kartoffeln und grosse Strecken von
Gurken, Wassermelonen, Mussmelonen und Erbsennüssen, welche in den
tiefen Furchen zwischen den Holcushecken wachsen.

Einige breitblättrige Platanenpflanzen waren auch in der Umgegend der
Dörfer zu sehen, die, je weiter wir kamen, sehr zahlreich wurden. Die
Dörfer der Wakimbu sind, wie die der Wagogo, viereckig, mit flachen
Dächern und schliessen einen offenen Platz ein, der bisweilen durch
Zäune von Matamastengeln in drei bis vier Theile getheilt wird.

In Central-Tura, wo wir unser Lager aufschlugen, bekamen wir
ausreichende Beweise für die Schurkenhaftigkeit der Wakimbu von Tura.
Hamed nämlich, welcher trotz seiner Bemühungen, Unyanyembé zeitig zu
erreichen, um seine Tuche daselbst zu verkaufen, ehe andere Araber
mit Tuchvorräthen hinkämen, ausser Stande war, seine Pagazi dazu
zu zwingen, ihre Tagesmärsche zu verdoppeln, lagerte zugleich mit
den arabischen Dienern, die Hamed’s thörichte Hast dem vorsichtigen
Vorgehen Thani’s vorgezogen, gleichfalls in Central-Tura. Unsere erste
Nacht in Unyamwezi war nun sehr aufregend; denn das Lager des Musungu
wurde von zwei schleichenden Dieben aufgesucht, die jedoch bald durch
das unheilverkündende Geräusch eines Gewehrdrückers davon in Kenntniss
gesetzt wurden, dass das Lager des weissen Mannes gut bewacht sei.

Sie zogen nun nach Hamed’s Lager; doch auch hier vereitelte die
Ruhelosigkeit des Besitzers ihre Versuche; denn er schritt mit einer
geladenen Flinte in der Hand in demselben auf und ab und die Diebe
sahen sich gezwungen die Aussicht, etwas von seinen Ballen stehlen zu
können, aufzugeben. Von Hamed’s Lager begaben sie sich in das Hassan’s
(eines der arabischen Diener), wo es ihnen glückte, einige Ballen in
die Hände zu bekommen; zu ihrem Unglück aber machten sie ein Geräusch,
sodass der wachsame und scharfhörende Sklave aufwachte, seine geladene
Muskete ergriff und im Nu einen von ihnen durchs Herz geschossen hatte.
Das waren unsere Erlebnisse bei den Wakimbu von Tura.

Am nächsten Morgen erfuhren die umliegenden Dörfer den traurigen
Vorfall, der einen der Ihrigen befallen hatte. Obgleich aber die
Bewohner zur Nacht kecke Diebe waren, so erwiesen sie sich doch bei
Tage als feige Memmen und ahndeten die That weder durch Worte, noch
selbst durch Blicke. Es war ein Rasttag, und die Bewohner von Tura
brachten so grosse Vorräthe von Honig und Ghee, süssen Kartoffeln und
Korn in unser Lager, dass ich im Stande war, meinen Leuten für zwei
Doti ein Fest zur Feier unserer Ankunft in Unyamwezi zu bereiten.

Am 18. verliessen die drei Karavanen Hamed’s, Hassan’s und meine
eigene Tura auf einem Wege, der sich nach allen Richtungen im Zickzack
durch die hohen Matamafelder hinzog. In Zeit von einer Stunde waren
wir durch Tura Perro oder West-Tura gezogen und wieder in den Wald
gekommen, aus dem die Wakimbu von Tura ihren Honig beziehen und wo sie
tiefe Fallen für die Elefanten aushöhlen, an denen der Wald reich sein
soll. Ein einstündiger Marsch von West-Tura brachte uns zu einem Ziva
oder Teich. Es gab deren zwei inmitten einer kleinen offenen Mbuga
oder Ebene, die selbst in dieser späten Jahreszeit noch von dem Wasser
durchweicht war, das während der Regenzeit über dieselbe hinwegfliesst.
Nach dreistündiger Rast begaben wir uns auf die Terekeza oder den
Nachmittagsmarsch.

Es war derselbe Wald, den wir bald nach unserm Abgange aus West-Tura
betreten hatten, durch den wir jetzt reisten, bis wir Kwala Mtoni,
oder wie Burton es auf seiner Karte fälschlich genannt hat, „Kwale“
erreichten. Das Wasser dieses Mtoni ist in zwei grossen Teichen oder
tiefen Senkungen der weiten, gekrümmten Rinne des Kwala enthalten. In
demselben fanden wir eine Art Schlammfisch; ich liess mir einen davon
zu einem Mahle herrichten, das durchaus nicht von jemand zu verachten
war, der seit Bagamoyo keinen Fisch zu kosten bekommen hatte. Wenn
ich die Wahl gehabt, hätte ich mir diesen Schlammfisch allerdings wol
nicht ausgesucht, da mein Geschmack bei geeigneter Gelegenheit etwas
wählerisch ist.

Von Tura nach dem Kwala Mtoni sind 17½ Meilen, eine Entfernung, die,
obgleich leicht zurückzulegen, wenn man vierzehn Tage dazu verwendet,
ungeheuer erscheint, sobald man einen Tag um den andern reisen soll.
So wenigstens erschien es meinen Pagazi, Soldaten und dem sonstigen
Gefolge, die sehr laut zu murren anfingen, als ich das Marschsignal
geben liess. Auf diesem Marsche wäre Abdul Kader, der Schneider, der
sich mir als ein zu allen Dingen geschickter Mensch angeschlossen
hatte, fast erlegen. Nach seinen eigenen Angaben konnte er sowol Hosen
flicken, als gutes Essen kochen und Elefanten schiessen, im Innern
Afrikas aber erwies er sich als Schwächster der Schwachen, der nichts
als essen und trinken konnte.

Schon lange war der kleine Vorrath von Waaren, die Abdul aus Zanzibar
in einem Schnupftuch mitgebracht und mit denen er die Absicht gehabt,
Elfenbein und Sklaven zu kaufen, sowie sein Glück in dem berühmten
Lande Unyamwezi zu machen, verschwunden und zwar zugleich mit den
grossen Hoffnungen, die er auf dieselben gebaut hatte, ebenso wie es
Alnaschar im arabischen Märchen ergangen. Als wir uns auf den Marsch
vorbereiteten, kam er zu mir mit einer kläglichen Erzählung über
seinen Tod, den er in den Knochen und dem müden Rücken herannahen
fühle, er könne kaum noch auf den Beinen stehen, sei ganz und gar
zusammengefallen, -- würde ich nicht Erbarmen mit ihm haben und ihn
abziehen lassen? -- Ursache dieser ausserordentlichen Bitte, die so
wenig zu dem Geiste, mit dem er Zanzibar verlassen, und dem Bestreben
passte, sich Elfenbein und Sklaven aus Unyamwezi zu verschaffen,
bestand darin, dass ich ihm befohlen hatte, zwei Sättel von den auf dem
letzten Marsche gefallenen Eseln bis nach Unyanyembé zu tragen. Obwol
ihr Gewicht nur 16 Pfund betrug, wie die Federwage zeigte, so wurde
Abdul Kader doch lebensmüde, als er die langen Märsche zählte, die
zwischen das Mtoni und Unyanyembé fielen. Der Länge nach fiel er auf
den Boden, um meine Füsse zu küssen und mich im Namen Gottes zu bitten,
ihn abziehen zu lassen.

Da ich einige Erfahrungen mit Hindus, Malabaresen und Kulis in
Abessinien gemacht hatte, so wusste ich genau, wie ich diesen Fall zu
behandeln hatte. Ohne Zögern gewährte ich ihm die Bitte, sobald er sie
mir vorgetragen; denn ebenso wie Abdul Kader angeblich sein Leben,
hatte ich seine Unbrauchbarkeit satt. Der Hindu wollte jedoch nicht,
wie er sagte, in den Dschungels, sondern erst nach unserer Ankunft
in Unyanyembé entlassen sein. „„Nun“, sagte ich, „dann müssen wir ja
erst nach Unyanyembé kommen. Mittlerweile wirst Du diese Sättel für
das Essen, das Du erhalten musst, tragen.“ „Haben Sie kein Erbarmen?“
flehte er. „Nein, keins für einen so unverbesserlich faulen Schlingel
wie Du“, erwiderte ich und begleitete meine Worte mit kräftigen, sehr
nothwendigen Hieben meiner Eselspeitsche, die den Sterbenden wieder zu
einem thätigen und nützlichen Leben auferweckten.

Ich gestehe, ich war am Morgen des 18. etwas übel gelaunt und müde,
und hatte auch Veranlassung meinen Kirangozi gehörig auszuschelten.
Ich hatte nämlich keinen energischen Muinyi Kidogo, wie Burton, den
ich gewiss weit besser als dieser zu schätzen gewusst haben würde. Wie
manches mal habe ich nach einem solchen Menschen geseufzt, wenn ich
meine Zuflucht zu Drohungen und bisweilen zu Prügeln nach rechts und
links nehmen musste, um die Pagazi und Soldaten anzuspornen, nachdem
alle meine Beredtsamkeit nicht ausreichte, die Karavanen zum Marsch
zu ermuthigen. Jedesmal, wenn eine Terekeza nöthig wurde, musste ich
dieselbe anordnen; niemals nahm ein anderer Veranlassung, mich darum
zu bitten, sondern ich musste ihre Nothwendigkeit und Nützlichkeit
beweisen; ich selbst musste Bombay die thörichten Bitten verweisen und
die Pagazi durch mahnendes Peitschenknallen zum Aufbruch anstacheln.

Höchst leidenschaftlich waren meine dem Kirangozi gemachten Vorwürfe,
dass er so hartnäckig dumm wie ein Esel sei und nicht einsehen wolle,
dass, wenn ich bei unserer Ankunft in Unyanyembé denen, die mir
gefallen, ein Bakschisch geben würde, ich nicht umhinkönne daran zu
denken, dass der Kirangozi, anstatt auf meinen Befehl zu marschiren,
immer sich nach den Rathschlägen der Pagazi gerichtet habe. Ich fragte
ihn, mit wie viel Doti er von den Pagazi bestochen worden sei, um kurze
Märsche und lange Stationen zu machen. Er erwiderte, kein einziger
der Pagazi habe seines Wissens die Absicht, ihm Tuch zu geben. „Nun
also“, sagte ich, „wie viel Tuch könnte ich Euch geben, wenn Ihr mir
zu Gefallen meine Befehle ausführtet?“ „Sehr, sehr viel“, erwiderte
er. „Nun gut, dann nehmt Eure Last und lasst mich von hier bis
Unyanyembé sehen, wie rasch Ihr marschiren könnt.“ Hiernach versprach
er mir feierlichst, sich meinen Anordnungen zu fügen und gehörig zu
marschiren, wenn ich es für nöthig hielte.

Da der Marsch nach Rubuga 18¾ Meilen beträgt, marschirten die
Pagazi rasch und lange, ohne zu rasten. Der Kirangozi hatte, seinem
Versprechen treu, Beine und Arme mit aller Macht angestrengt, denn
er legte die ganze Entfernung bis Central-Rubuga zurück ohne halt zu
machen, zum grossen Entsetzen seiner Pagazi, welche glaubten, er sei
verrückt geworden. Bisher waren wir vom Kirangozi gezwungen worden,
einen Nachmittagsmarsch zu machen, wenn die Entfernung nur 15 oder 16
Meilen betrug.

Rubuga war zur Zeit Burton’s, nach dessen Schilderung, ein wohlhabender
Bezirk. Selbst als wir durchzogen, waren die Spuren von Reichthum, den
es früher besessen, deutlich genug sichtbar in der weiten Ausdehnung
seiner Kornfelder, die sich rechts und links an der Strasse nach
Unyanyembé viele Meilen weit hinzogen. Das waren jedoch eben nur
Beweise, dass hier früher zahlreiche Dorfschaften und ein wohlbebauter,
an Viehherden und Kornvorräthen reicher District gewesen sei; denn
jetzt waren alle Dörfer niedergebrannt, die Bevölkerung drei bis vier
Tagereisen von Rubuga nach Norden vertrieben, das Vieh gewaltsam
geraubt, und die Kornfelder unbeackert liegen geblieben und bereits
von Dickicht und üppigem Unkraut überwuchert. Wir zogen durch ein
verbranntes Dorf nach dem andern, das nur aus schwarzen Haufen von
verkohltem Bauholz und verräuchertem Lehm bestand. Ein Feld nach dem
andern lag da, auf denen noch seit Jahren gereiftes Korn in der Mitte
eines Nachwuchses von Dornen, Gummibäumen, Mimosen und Kolquall dastand.

Wir kamen in einem Dorfe an, in dem ungefähr 60 Wangwana leben, die
sich hier niedergelassen haben, um sich vom Elfenbeinhandel zu nähren.
Ihren Unterhalt beziehen sie von den verlassenen Feldern der Bewohner
von Rubuga. Vom langen Marsche waren wir zwar sehr müde und erhitzt,
aber sämmtliche Pagazi hatten doch um 3 Uhr nachmittags das Dorf
erreicht.

In dem Wangwanadorf trafen wir Amer bin Sultan, der nach zehnjährigem
Aufenthalt in Unyanyembé nach Zanzibar zurückkehrte. Dies war der
echte Typus eines alten arabischen Scheikh, wie man ihn in Büchern
beschrieben findet, mit schneeweissem Bart und reinem, ehrwürdigem
Antlitz. Er schenkte mir eine Ziege und eine Ziegenhaut voll Reis, ein
für mich sehr annehmbares Geschenk an einem Orte, wo eine Ziege fünf
Schukka kostet.

Nachdem wir einen Tag in Rubuga halt gemacht, von wo ich Soldaten
an Scheikh Seyd bin Salim und Scheikh bin Nasib, die beiden
Hauptwürdenträger von Unyanyembé, abschickte, um ihnen meine Ankunft
anzumelden, nahmen wir am 21. Juni unsern Marsch nach dem fünf Stunden
entfernten Kigwa auf. Der Weg zog sich wieder durch einen Wald, ähnlich
wie der, welcher Tura von Rubuga trennt. Hier senkt sich das Land
rasch nach Westen zu. Kigwa war, wie wir sahen, von derselben Rache
heimgesucht worden, die Rubuga so verwüstet hatte.

Am nächsten Tage überschritten wir nach einem raschen Marsche von 3½
Stunden das Mtoni, das eigentlich gar kein Mtoni war, welches Kigwa von
dem Bezirke Unyanyembé trennt, und kamen, nachdem wir einen kurzen Halt
gemacht, um unsern Durst zu löschen, in nochmals 3½ Stunden in Schiza
an. Es war zwar ein langsamer Marsch, er entzückte uns aber sowol durch
die malerischen Landschaften, die uns beständig zu Gesicht kamen, als
auch durch die Beweise von dem friedlichen und fleissigen Charakter des
Volkes, die wir überall wahrnahmen. Eine kurze halbe Stunde hinter
Schiza erblickten wir die wellenförmige Ebene, die sich die Araber
ausgesucht haben, um darauf das Centraldepot, das ein so grosses,
ausgedehntes Handelsgebiet beherrscht, anzulegen. Ueberall liess sich
das Brüllen der Rinder, das Blöken von Ziegen und Schafen hören und
alles verlieh dem Lande ein glückliches idyllisches Ansehen.

Der Sultan von Schiza wünschte, dass ich meine Ankunft in Unyanyembé
mit einem fünf Gallonen enthaltenden Topf voll Pombé feiere, den er zu
diesem Zwecke mitgebracht hatte.

Da dasselbe an Geschmack schalem Bier und an Aussehen Milch und
Wasser glich, so reichte ich es, nachdem ich ein kleines Glas davon
getrunken, den Soldaten und Pagazi. Auf meine Bitte brachte der Sultan
ein schönes, fettes Bullenkalb, wofür er 5½ Doti Merikani annahm.
Dieses wurde sofort geschlachtet und der Karavane zum Abschiedsfest
aufgetragen.

Niemand schlief viel in jener Nacht; lange vor Morgengrauen waren die
Feuer angezündet und grosse Fleischstücke brodelten, damit die Leute,
ehe sie sich von dem Musungu trennten, dessen Freigebigkeit sie so oft
genossen, sich noch einmal gütlich thun könnten. Sechs Ladungen Pulver
wurden jedem Soldaten und Pagazi, der eine Flinte hatte, gegeben, um
sie abzubrennen, wenn wir uns den arabischen Häusern näherten. Der
gemeinste Pagazi hatte sich sein bestes Tuch um die Hüfte gegürtet
und einige von ihnen stolzirten in prächtigem Ulyah „Cumbisa Punga“
und scharlachrothem „Dschawah“, schwarzglänzendem „Rehani“ und nettem
„Dabwani“. Die Soldaten zogen mit neuem Tarbusch und den langen weissen
Hemden, wie solche an der Mrima und auf Zanzibar getragen werden,
auf, denn dies war ja der grosse, glückliche Tag, der stets in unserm
Munde gewesen war, seitdem wir die Küste verlassen, für den wir in der
letzten Zeit die bekannten Märsche gemacht hatten, nämlich 178½ engl.
Meilen in 16 Tagen mit Einschluss der Pausen, also etwas mehr als 11
Meilen den Tag.

Das Signal ertönte und die Karavane zog fröhlich mit fliegenden Bannern
und schallenden Trompeten und Hörnern aus. Ein kurzer Marsch von 2½
Stunden brachte uns in Sicht von Kwikuru, das ungefähr zwei Meilen
südlich von Tabora, der grössten arabischen Stadt, liegt. Vor der Stadt
erblickten wir eine lange Reihe von Männern in reinen Hemden, worauf
wir unsere geladenen Batterien eröffneten und ein Kleingewehrfeuer
losliessen, wie es Kwikuru wol selten gehört hat. Die Pagazi formirten
sich und nahmen das renommirende Aussehen von Veteranen an, die
Soldaten trompeteten ohne Unterbrechung fort, während ich, da ich die
Araber mir entgegenkommen sah, die Reihen verliess und meine Hand
ausstreckte, die sofort von Scheikh Said bin Salim und darauf von
etwa zwei Dutzend Menschen ergriffen wurde. Dies war unser Einzug in
Unyanyembé.




[Illustration: MANN UND FRAU AUS UGOGO.]




SIEBENTES KAPITEL.

GEOGRAPHISCHE UND ETHNOGRAPHISCHE BEMERKUNGEN.


Die Geographie des Landes, durch das wir eben gezogen sind, ist
schon auf den vorhergehenden Blättern in verschiedenen Beziehungen
beschrieben worden, wie wir sie theils aus den Berichten der
Eingeborenen erfahren, theils selbst gesehen haben. Es wird aber wol
gut sein, so klar wie möglich in einem Kapitel, das ausschliesslich der
Geographie und Ethnographie des Landes gewidmet ist, die Summe davon zu
ziehen, welche neuen Kenntnisse wir über das Innere Afrikas gewonnen
haben.

Es gab drei Routen von Bagamoyo nach Unyanyembé, zwischen denen unsere
Expedition zu wählen hatte; zwei derselben waren aber schon durch die
genaue Beschreibung bekannt, die wir von meinen Vorgängern in diesem
Theil Afrikas, den Herren Burton, Speke und Grant, erhalten haben.
Es war aber noch ein nördlicherer und directerer Weg nach Unyanyembé,
welcher durch das nördliche Uzaramo, Ukwere, Ukami, Udoe, Useguhha
oder Usegura, Usagara, Ugogo, Uyanzi und von da nach Unyanyembé führen
sollte, und dies war der Weg, den ich wählte.

Der Luftlinie nach beträgt die Entfernung von Bagamoyo nach Unyanyembé
fast sechs Längengrade oder 360 engl. Meilen. Die Krümmungen des Weges,
den die Karavanen einschlagen, der in Afrika der Lage des Landes
angepasst ist und der leichtern, weniger gefährlichen, vortheilhaftern
Richtung folgt, vergrössert die zurückzulegende Entfernung auf mehr
als 520 Meilen. Hierbei rechne ich natürlich nach der Zeit, die zu den
Märschen gebraucht worden, und nach unserm Marschtempo, das ich genau
zu 2½ engl. Meilen pro Stunde abschätze.

Der Theil des Landes, der sich von Bagamoyo nach Kikoka hinzieht,
heisst „Mrima“, der Berg; er kann auch Swahili oder Zanguebar genannt
werden. Den letztern Namen finden wir auf unsern alten Karten mit
Vorliebe als die Bezeichnung eines länglichen Seeküstenstrichs
aufgeführt, der sich von der Mündung des Juba nach Cap Delgado oder
vom Aequator nach 10° 41′ südl. Br. erstreckt. Swahili bedeutet die
„Seeküste“, daher heisst das Volk, das auf der Seeküste von Zanguebar
wohnt, die Waswahili und ihre Sprache Kiswahili. Hier erwähne ich
zugleich, dass das Präfix U das Land, Wa die Bewohner im Plural, M den
Singular der einzelnen Person bezeichnet. So bedeutet denn Uzaramo das
Land Zaramo; Wazaramo die Leute von Zaramo; Mzaramo eine Person aus
Zaramo; Kizaramo die Sprache von Zaramo.

Bagamoyo ist ein kleiner Hafen an der Mrima, Swahili- oder
Zanguebarküste, der fast gegenüber dem Hafen von Zanzibar liegt, wo die
nach Unyanyembé bestimmten Karavanen gewöhnlich landen. Einige Meilen
höher nach Norden liegen die Häfen von Whinde und Sa’adani, welche
beide je an einem Ufer des Flusses Wami liegen. Vier Meilen südlich von
Bagamoyo befindet sich Kaole, ein kleines Dorf, das ein Gurayza oder
Fort mit einer aus etwa einem Dutzend Belutschen bestehenden Garnison
enthält. Südlich von Kaole liegt Kondutschi, und noch südlicher
Dar Salaam, ein von dem verstorbenen Sultan neu gegründeter Hafen.
Südlich von Dar Salaam befindet sich Mbuamadschi, ein ganz bedeutender
Sammelplatz für nach dem Innern bestimmte Karavanen. Ungefähr 60 Meilen
südlich von Mbuamadschi befindet sich die nördlichste Mündung des
Rufidschiflusses gegenüber der Insel Mafia oder Monfia, und einen Grad
weiter südlich kommen wir zu dem berühmten Hafen Kilwa, dem grossen
Stapelplatz der Sklavenhändler.

Der als Mrima bekannte Strich Landes hat in den Augen der civilisirten
Welt eine grosse Bedeutung, denn bei allen Verhandlungen über die
Sklavenfrage muss sich unsere Aufmerksamkeit allen Ernstes auf diesen
Punkt concentriren. Seine Bedeutung liegt für uns in der Thatsache,
dass mit Hülfe der in demselben befindlichen Häfen Mombasah, Bueni,
Sa’adani, Whinde, Bagamoyo, Kaole, Kondutschi, Dar Salaam, Mbuamadschi
und Kilwa drei Viertel der gefangenen, geraubten oder im Innern
gekauften Sklaven ins Ausland verschifft werden. Diese Thatsache darf
man nicht vergessen.

Wenn wir einmal den Fluss Kingani auf unserm Wege nach Unyanyembé
passirt haben, so kann man sagen, dass wir das Land der Wamrima
verlassen haben und in den nördlichsten Theil von Uzaramo gelangt
sind. Der Sultan von Zanzibar hat in Kikoka, vier Meilen westlich von
Kingani, einen Posten etablirt und hierdurch seine Ansprüche auf den
Besitz der zehn Meilen Land von Bagamoyo nach Kikoka geltend gemacht.
Da es zwischen dem Fluss und Kikoka keine Einwohner gibt, so wird auch
dieser Anspruch nicht in Frage gestellt.

Zur Rechten, d. h. nördlich von dem Wege nach Unyanyembé, erstreckt
sich Ukwere, zwei Tagemärsche oder 25 Meilen lang. Nach Westen
dehnt sich Ukwere von Rosako bis Kisemo 60 Meilen weit aus. Von
Kisemo westlich, auf dem halben Wege nach Mikeseh, oder östlich von
dem Kira-Pic liegt Ukami. Dieses Land dehnte sich früher bis nach
Simbamwenni aus und schloss diese Hauptstadt der Waseguhha in sich;
die Wadoe aber, ihre nördlichen Nachbarn, besiegten die Einwohner und
eroberten das Land, wurden aber ihrerseits wieder von dem mächtigen
Stamme der Waseguhha unterworfen. Unter dem Namen Udoe existirt noch
ein grosses Land zwischen dem Kira-Pic und Ulagalla, das sich im Norden
über Ukami, im Osten noch über Ukwere hinaus nach der Mrima oder Küste
zu hinzieht. Dieser Theil zwischen dem Kira-Pic und Ulagalla ist das
südwestlichste Ende des Gebiets der Wadoe.

Useguhha fängt bei Ulagalla an, und sein westliches Ende befindet sich
am östlichen Ufer des Makata.

Dieses ganze Land, das die Districte von Ukwere, Ukami, Udoe und
Useguhha umschliesst, wird vom Kingani und seinen Nebenflüssen
durchzogen, oder ich sollte eigentlich sagen, von seinem
Hauptnebenflusse, dem Ungerengeri. Indem ich diese nördliche Route
einschlug, wurde ich in den Stand gesetzt, den Hauptnebenfluss des
Kingani im Ungerengeri zu entdecken, der von den Eingeborenen da wo er
sich in den Hauptfluss ergiesst, Rufu genannt wird. Speke und Grant
haben den Mgeta, einen andern Zufluss, entdeckt, der westlich von dem
Mkambaku-Gebirge kommend, nach Süden zu einen Bogen bildet und das
ganze Ukutu und Uzaramo durchfliesst. Das Areal, welches vom Kingani
und seinem Nebenflusse entwässert wird, lässt sich höchstens auf 12,000
engl. Quadratmeilen schätzen.

Wer die Geographie Afrikas studirt hat, wird es bemerken, dass
Speke auf seiner Karte nahe bei 37° östl. L. einen Gebirgszug als
Mkambaku-Kette verzeichnet hat, der sich mindestens einen Grad nach
Norden hinzieht. Den Theil dieses Gebirgszugs, der „Mkambaku“ heisst,
hat unsere Expedition gesehen; seine nördlichste Partie ist als
Uruguru-Gebirge bekannt. Am Fusse seines nördlichsten Endes, wo es
sich nach Osten umwendet, liegt die Hauptstadt des südlichen Useguhha,
Simbamwenni.

Speke sagt: „Wo der Kingani selbst entspringt, konnte ich nie ausfindig
machen; doch habe ich gehört, dass sein Ursprung in einer sprudelnden
Quelle auf der östlichen Seite des Mkambaku zu finden sei, wonach der
Mgeta der längere Arm wäre.“ Mit welchem Namen wir nun auch diesen
Fluss bezeichnen, ob als Kingani oder Hamdallah, wie ihn die Wamrima
nennen, oder als Rufu, wie er bei den Wakwere, Wakami, Wadoe und
Waseguhha heisst, so kann seine Quelle jetzt nicht mehr zweifelhaft
sein. Speke hat die Entdeckung gemacht, dass der Mgeta, einer der
beiden Hauptzuflüsse, am westlichen Abhange des Mkambaku entspringt,
und hat ihn um den Süden von Khutu dahinfliessen sehen. Ich habe
entdeckt, dass der zweite Hauptzufluss, der Ungerengeri, westlich
von dem Mkambaku oder eigentlich von den Uruguru-Bergen entspringt,
und dass er nordwärts durch Useguhha und Udoe in das südliche Ukwere
und Ukami und von dort in den Kingani fliesst. Dieser Fluss ist den
Eingeborenen als Rufu von da ab bekannt, wo er in Ukwere eintritt,
bis an den Punkt, wo er, drei Meilen nördlich von Bagamoyo, in den
Ocean mündet. Bei den Arabern jedoch heisst derselbe von dem Punkt an,
wo sich die verschiedenen Zuflüsse vereinigen, Kingani. Unter diesem
Namen wird er Leuten, welche die Karten afrikanischer Reisenden studirt
haben, am besten bekannt sein.

Die grösste Höhe, die unsere Expedition zwischen Bagamoyo und
Simbamwenni in Useguhha erreicht hat, betrug nicht mehr als 1000 Fuss,
und mit Ausnahme einiger hier und dort nördlich von Kingaru Hera und in
der Umgegend von Mikeseh sichtbaren Kegel, die als Dilima-Pics bekannt
sind, sieht man das Land sich allmählich in einer Reihe länglicher
parallel verlaufender Hügelketten erheben, die stark bewaldet und mit
Gestrüpp bewachsen sind, oder glatte, grasbestandene Bergrücken bilden,
deren Abhänge nach Osten und Westen zu welligen Senkungen abfallen,
durch welche die Wasserläufe sich nach Süden und Südwest in den
Ungerengeri ergiessen.

Jenseits Simbamwenni und westlich vom Ungerengeri stehen wir plötzlich
vereinzelten, hoch aufgethürmten Kegeln mit abgestumpften Spitzen
gegenüber, die untereinander durch niedrige Sättel oder Bergfirsten zu
einer isolirten Gebirgsgruppe verbunden sind, die sich wenigstens 2000
Fuss über den Ungerengeri erhebt. An ihrem Fusse, an der nördlichen
Seite dieses Stromes, zieht sich östlich ein langer bewaldeter
Bergrücken hin, der den Ungerengeri von dem Wami trennt.

Diese imposante Landschaft erfreut das Auge des Fremdlings sehr, der
sich der Hoffnung hingibt, bald bedeutendere Höhen zu ersteigen und
dadurch vor den Fiebern bewahrt zu bleiben, welche der der Natur des
Innern von Afrika Unkundige nur den Dschungels und Mooren der Seegegend
zuschreibt.

[Illustration]

In einem Marsche von Simbamwenni kommt man jedoch durch einen Engpass
der Berggruppe nach Simbo, wo man einen deutlichen Blick in das breite
Thal des Grossen Makata gewinnt, das von der hohen, kühnen, rückwärts
nach Osten zu liegenden Gruppe, und der herrlichen Bergkette von
Usagara begrenzt wird, deren stolze Pics und hochstrebende Gipfel in
den Wolken begraben sind.

Ich habe der Klarlegung des Unterschieds, der zwischen dem Kingani und
dem Wami existirt, viel Zeit gewidmet. Erst nachdem ich mich selbst
überzeugt, habe ich es gewagt festzustellen, dass der Unterschied
zwischen diesen beiden Flüssen klar und bestimmt vorhanden ist. Die
Araber, Wamrima und Eingeborenen und meine eigene persönliche Kenntniss
des Landes und der Gestaltung seiner Oberfläche erheben es über allen
Zweifel, dass der Kingani und Wami zwei völlig voneinander verschiedene
Flüsse sind. Der erstere tritt drei Meilen nördlich von Bagamoyo ins
Meer, wogegen der letztere sich ungefähr auf dem halben Wege zwischen
den Häfen Whinde und Sa’adani in dasselbe ergiesst.

Der vorstehende Plan wird am besten das Flusssystem dieser Gegend
klarlegen.

Es hat sich also herausgestellt, dass der Ungerengeri aus Südwesten
in den Kingani fliesst. Von dem Punkte, wo wir uns befinden (Simbo),
ist die Formation des Landes deutlich zu überblicken. Zur Rechten, das
Gesicht nach Westen gewandt, befindet sich das Thal des Makata oder des
Wami, der nach Norden und Osten fliesst; zur Linken haben wir das Thal
des Ungerengeri, welcher, nachdem er eine kühne Schwenkung nach Norden
gemacht hat, nach Südosten strömt. Unsere Marschlinie von Bagamoyo
hierher ist ungefähr gleich weit von beiden Flüssen entfernt gewesen,
wobei der Wami rechts und der Ungerengeri oder Kingani links liegen
bleibt.

Sieht man sich die vorstehende Kartenskizze an, so wird man finden, wie
ein und derselbe Fluss drei bis vier ganz verschiedene Namen trägt,
wodurch Reisende bei Verfolgung ihrer geographischen Forschungen
sich leicht täuschen lassen. Ebenso wie der Kingani eine Reihe
verschiedener Namen führt, heisst auch der Fluss, welcher zwischen den
mohammedanischen Häfen Whinde und Sa’adani ins Meer mündet, abwechselnd
Wami, Rudewa, Makata und Mukondokwa.

Der erste bedeutende Fluss, auf den man stösst, wenn man in die weite
Ebene, das Thal von Makata, tritt, ist der Kleine Makata, der, obwol
zu allen Jahreszeiten passirbar, in der Höhe der Masikazeit ein
reissender, für Reisende gefährlicher Strom wird. Hinter demselben
kommt man an ein tiefes Nullah, das während der Regenzeit von Wasser
überfliesst, und einige hundert Meter weiter an den Grossen Makata,
den Wami oder Mukondokwa, einen Fluss, der im Stande ist, sich zu
einem mächtigen Strom von 500-600 Meter Breite zu erweitern. Jenseits
des Grossen Makata gelangt man an den Mbengerenga, einen Zufluss des
Rudewa, welcher hier parallel mit unserer Marschroute fliesst und
sich in den Wami, unmittelbar oder doch sehr nahe am Zusammenfluss
des Grossen und Kleinen Makata, ergiesst. Nachdem man den Mbengerenga
überschritten, kommt man sofort zu einem andern kleinen Zufluss des
Rudewa und sieht den letztern selbst wie er sich der Strasse nähert
und scharf nach Osten wendet. Weiter nach Süden gewandt kommt man
an den Uronga, einen Fluss, der in Mundu, im nördlichen Usagara,
entspringt und hinter dem Lager in Rehenneko, über eine vorspringende
Gebirgskette hinweg, wieder zum Makata gelangt, der hier bei den
Wasagara den Namen Mukondokwa führt. Verfolgt man den Weg den
Mukondokwapass hinauf, dieselbe Strasse entlang, die Burton und Speke
eingeschlagen, so gelangt man an einen Punkt in diesem Thal, wo unsere
Wege auseinandergehen, indem der von Burton und Speke den Gipfel der
Rubehokette hinauf und dieselbe entlang führt, während der unsrige sich
bedeutend nach Norden wendet, jedoch so, dass er sich parallel mit der
andern Route in einem Zwischenraume von 20-30 Meilen hinzieht.

Burton kam bald, nachdem er das Thal des Mukondokwa verlassen, auf
ein Plateau, das mit steilen Abhängen über Berggefälle, Felsenstufen
und Gerölle hinweg in dem Becken des Flusses Rumuma endet. Dies ist
ein südlicher Zufluss oder eine Gabelung des Mukondokwa und leitet
das Wasser von den Hügeln nach dem Südwesten des Rumuma-Districts,
während der Hauptstrom, der in den Hochlanden von Wahumba oder Wamusai
entspringt, das Wasser dieser Länder nach Westen führt.

Noch nicht elf Meilen von der Furt, wo Burton’s und Speke’s und
mein Weg sich trennten, kam ich an einen See, den Ugombo-See, der,
obgleich von beschränkten Dimensionen, eine gewisse Rolle in dem
Wassersystem Ostafrikas spielt. Denn dieser kleine See, der kaum drei
Meilen lang ist, nimmt den Rumuma auf und entlässt ihn durch einen
engen Spalt in den Mukondokwa. Der Hauptstrom entspringt +nicht+
in den Hochlanden der Wahumba oder Wamusai und führt das Wasser aus
den westlichen Ländern +nicht+ mit sich, sondern er entsteht
wenigstens einen Grad nördlich von der Breite von Ugombo in den
Gebirgen von Kema-Kaguru, in dem Lande, das in Kisagara als Mundu
bekannt ist, welches auch die Ursprungsstätte des Stromes Uronga oder
Ulonga bildet.

Unter den übrigen Zuflüssen dieses Mukondokwa-Flusses befinden sich
ausser dem Rumuma die in Kivya entspringenden Flüsse Rufuta und Mdunku,
sowie der Myombo und Mdunwi.

Die Länder im Westen von dem Längengrad von Rubeho wurden -- wenigstens
auf unserer Route -- vermittelst Nullahs entwässert, die wegen der
allgemeinen Dürre in dieser trockenen Region das Wasser nicht in
einen Strom führen. Diese Nullahs oder trockenen Wasserläufe oder
vertiefte Fiumaras, die man in Amerika Gulches (Wasserschluchten)
nennen würde, absorbiren alles Wasser, das aus den unfruchtbaren,
jenseits oder westlich von den Usagara-Bergen liegenden Gegenden in sie
hineinfliesst. Der Mukondokwa-Fluss läuft von Norden nach Süden durch
die Berge von Usagara, schlägt sich dann nach Osten und entsendet die
ihm vom Rufuta, Rumuma, Myombo und Mdunwi zugeführten Wasser östlich in
den Indischen Ocean.

Der Regen fällt westlich von Usagara so spärlich, dass die sandigen
Fiumaras oder Wasserschluchten selten dem Rufidschi Wasser zuführen.
Denn westlich von Ugogi bis nach Tura in Unyamwezi fällt das Wasser
nach Süden in den Ruhwha oder Rufidschi.

Jene unfruchtbare Gegend, die das nördliche Marenga Mkali, das ganze
Ugogo, südliche Uhumba oder Umasai, Ihange und Mbogwe umschliesst,
hat keinen Wasserabfluss. Aller Regen, der hier fällt, wird von den
seichten Pfuhlen oder Seen aufgefangen, die über das Innere dieser
Gegend so dicht ausgestreut sind. Während der trockenen Jahreszeit
findet Verdunstung statt, und das Wasser wird aus diesen Pfuhlen durch
die beständigen, von Nordosten kommenden Monsuns in die grössern
Behältnisse der Seen geführt, welche der Victoria-Nyanza einnimmt, und
von dort in den Nil. Nachdem die Verdunstung stattgefunden, zeigt die
Oberfläche dieser unfruchtbaren Gegend grosse Landstrecken, die von
Salzen oder Salpeter inkrustirt sind. Die, welche man im Westen von
Tschaga, im District Angaruka, sieht, die Salzlagunen von Balibali,
westlich von Kikui, und die, welche ich selbst nördlich von Mizanza
gesehen, dienen dazu, diese Theorie zu begründen.

Jenseits Ugogo sind die einzigen nennenswerthen Ströme der Mdaburu und
der Mabunguru, die südlich in den Kisigo fliessen, dessen Lage einen
Grad südlich von Kiwyeh angenommen wird. Er soll, nach den Berichten
der Wagogo von Kiwyeh, ein bedeutender und raschfliessender, von
zahlreichen Flusspferden und Krokodilen heimgesuchter Strom sein. Der
Kisigo fliesst in den Rufidschi.

Von unserm Marsche nach Unyanyembé kann man in Kürze sagen, dass sein
erster Theil über das Becken des Kingani, der zweite über das des
Wami, der dritte über die Wasserscheide des Wami, der vierte über den
nördlichsten Theil des Ruhwha-Beckens und die wasserlose Gegend, der
fünfte in die Grenzen der Wasserscheide des Tanganika-Sees führte.

Nun kann der Leser und zwar mit Recht fragen: „Was nützen mir alle
diese langweiligen Beschreibungen von Flüssen, die so sonderbare,
unverständliche Namen haben?“

Geduld! lieber Leser, gerade auf diesen Punkt will ich jetzt kommen.
Wenn man sich die Karte von Afrika näher ansieht, so wird man
begreifen, worauf meine Beschreibung zweier besonderer Ströme hinweisen
soll.

Erstens ist, wie mir scheint, der Fluss Wami für den Handel benutzbar.
Ich weiss, dass man ihn durch leichte Dampfschiffe von einem niedrigen
Tiefgang von 2-3 Fuss eine Strecke von 2° in gerader Linie oder fast
200 Meilen zu Wasser vom Hafenort Whinde nach Mbumi in Usagara befahren
kann. Alle Hindernisse, die sich der Schifffahrt entgegenstellen, z. B.
die Mangelbäume, die an einigen Stellen, namentlich in der Nähe des
Dorfes in Kigongo’s District, an beiden Ufern ihre weitausgebreiteten
Zweige miteinander verbinden, lassen sich leicht mit dem Beil entfernen.

Mbumi liegt nur ein paar Meilen vom Fusse der Usagara-Berge, dem
gesundesten Theile Ostafrikas. Die Entfernung von Whinde nach Mbumi
liesse sich mit einem Dampfer leicht in vier Tagen zurücklegen.

Wer Afrika zu civilisiren wünscht, wer direct mit Usagara, Useguhha,
Ukutu, Uhehe Handel zu treiben wünscht, Elfenbein, Zucker, Baumwolle,
Orseillewurzel, Indigo und Korn aus diesen Ländern beziehen will, dem
eröffnet sich hier eine schöne Gelegenheit.

Vier Tage bringen den Missionär auf einem Dampfer in die Hochlande
von Afrika, wo er unter den sanften Wasagara ohne Furcht und Unruhe
leben und sich alle Genüsse des civilisirten Lebens gönnen kann, ohne
Angst, ihrer beraubt zu werden, inmitten der schönsten, malerischsten
Scenen, die eine poetische Phantasie auszumalen vermag! Hier gibt
es das herrlichste Grün, das reinste Wasser; hier sind Thäler, die
von Kornhalmen, von Wäldern von Tamarinden, Mimosen und Kopalbäumen
strotzen. Hier findet sich der gigantische Mvule, der stattliche
Mparamusi, die schöne Palme, kurz, eine Landschaft, wie sie nur
ein tropischer Himmel bedecken kann. Gesundheit und reichliche
Nahrungsmittel sind dem Missionär hier sicher; ein sanftes Volk lebt zu
seinen Füssen, das ihn gern willkommen heisst. Mit einziger Ausnahme
von civilisirter Gesellschaft fehlt hier nichts, was die Seele des
Menschen sich wünschen kann.

Vom Dorfe Kadetamare lassen sich eine ganze Zahl prächtiger Plätze zu
Missionsstationen benutzen, über welche heilsame Lüfte wehen, in denen
Wasser reichlich dahinfliesst, die unvergleichliche Fruchtbarkeit
umgibt und wo überall ein gelehriges, gutmüthiges Volk wohnt, das mit
sich und allen Reisenden und Nachbarn in Frieden lebt.

Wie die Pässe des Olympos die Pforten des oströmischen Reiches den
Horden Othman’s eröffneten, wie die Pässe von Kumaylé und Suru den
Briten den Zutritt zu Abessinien verschafften, so können die Pässe des
Mukondokwa das Evangelium und seinen wohlthätigen Einfluss ins Herz des
wilden Afrika einführen.

Ich kann mir den alten Kadetamare vorstellen, wie er sich die Hände
vor Vergnügen über den Anblick des Weissen reibt, der da kommt, um
seinem Volke die Worte des Mulungu, des Himmelsgeistes, zu lehren,
es zu unterweisen, wie es säen, ernten und Häuser bauen, wie es die
Kranken curiren und sich ein angenehmes Dasein verschaffen kann, kurz,
wie es civilisirt wird. Der Missionär muss jedoch, um Erfolg zu haben,
seine Pflichten ebenso gründlich kennen, wie ein Matrose die seinigen.
Es darf kein Mensch in Glacéhandschuhen, kein Weichling, kein
Zeitungsschreiber, kein zanksüchtiger Polemiker oder nur auf Ceremonien
bedachter Priester, sondern es muss ein ernster Arbeiter im Weinberge
des Herrn sein, ein Mann wie David Livingstone oder Robert Moffatt.

Der andere Fluss, der Rufidschi oder Ruhwha, ist noch wichtiger als
der Wami, denn er ist viel länger und entsendet zweimal so viel
Wasser in den Indischen Ocean. Er entsteht in der Nähe einiger Berge,
die ungefähr 100 Meilen südwestlich von Ubena liegen. Man nimmt vom
Kisigo, dem nördlichsten und wichtigsten Zufluss des Ruhwha, an, dass
er sich nahe beim 35. Grad östlicher Länge in diesen ergiesst. Von
dem Zusammenfluss bis zum Meere hat der Ruhwha eine Länge von vier
Längengraden in gerader Richtung. Diese Thatsache beweist an sich schon
die Wichtigkeit und den Rang desselben unter den Flüssen Ostafrikas.
Man weiss sehr wenig über ihn, als dass er für kleine Boote 96 Stunden
oder ungefähr 60 Meilen hinauf schiffbar ist, denn Banyanen treiben auf
dieser Strecke Handel den Fluss hinauf und sammeln Elfenbein ein von
den an seinen Ufern wohnenden Stämmen.

Der Reisende bemerkt zwischen den niedrigeren und höheren, oder den
See- und den unfruchtbaren Gegenden einen auffallenden Contrast in
Bezug auf die Vegetation. In den Thälern des Ungerengeri und Wami
ist die Productionskraft des Bodens merkwürdig. Der üppige schwarze
Alluvialboden, der seit vielen Jahrhunderten von diesen Flüssen
abgelagert ist, hat, was die Fruchtbarkeit betrifft, gar keine Grenze.
Jede Art Pflanze schiesst hier in gigantischen Proportionen auf. Die
Grashalme erreichen die Grösse eines gewöhnlichen Bambus, und die
Bäume, wie z. B. der Mparamusi und der Mvulebaum, haben 100 Fuss hohe
Stämme. Der in diesen Thälern wachsende Mais übertrifft den schönsten,
der in den Gründen von Arkansas, Missouri und Mississippi wächst. Das
Holcus sorghum oder Matama hat Stengel, die an Dicke das schönste
Zuckerrohr übertreffen und von denen manche 12 Fuss hoch werden. Die
Dichtigkeit der Dschungels ist geradezu schreckenerregend und die
Verschiedenheit der Pflanzen- und Baumarten würde die Kenntnisse des
gelehrtesten Botanikers auf die Probe stellen.

In meinen täglichen Berichten über unsere Märsche und Erlebnisse habe
ich versucht, die Natur des Landes, wie es sich mir darstellte, während
der Zeit unseres Durchzugs zu skizziren. Durch die Seegegend kamen
wir in der Masikazeit und konnten auf derselben die Wirkung dieser
Jahreszeit auf das Gras beobachten.

Wenn die Masikazeit anfängt, sind diese Gräser kaum kniehoch; gegen
Ende derselben haben sie dagegen ihre volle Höhe erreicht. Einen
Monat nach der Masikazeit, wo sie ganz verdorrt aussehen, zünden die
Eingeborenen sie an und tagelang ertönt das Land noch von dem Toben der
wüthenden Brände, über denen ein dicker schwarzer Rauch sich wie eine
Wolke erhebt, die dem Himmel selbst eine trübe Färbung verleiht.

Wenn diese Feuer durch die Wälder gewüthet und das Gras verzehrt haben,
dann tritt die beste Reisezeit ein. Man kommt leicht fort und kann fast
doppelt soviel marschiren, als wenn das Gras durch seine Dichtigkeit
und Höhe beständig Hindernisse in den Weg legt. Dann kann das Auge
frei über die schwellenden Umrisse und niedrigen Hügel schweifen, ohne
dass der Blick gehemmt würde durch einen jungen Wald dicker Gräser,
der gerade zwischen dem Beschauer und der reizenden Aussicht liegt,
über deren Spitzen nur ein Mann von 15 Fuss Höhe seine Liebe für
Naturschönheiten befriedigen könnte.

Es wäre eine schwere Aufgabe, feine ethnische Unterschiede zwischen den
Wamrima und den westlicheren Waschensi aufzustellen. Ich wundere mich
immer, wie Kapitän Burton im Stande gewesen ist, solch feine Linien zu
ziehen, die, wie ich den Leser versichern kann, von einem gewöhnlichen
Menschen, wie ich es bin, nicht bemerkt werden.

Nach Zanzibar tritt man zuerst über Bagamoyo in Afrika ein. An diesem
Orte kann man Wangindo, Waswahili, Warori, Wagogo, Wanyamwezi,
Waseguhha und Wasagara sehen; dennoch würde es für jedermann eine
schwierige Aufgabe sein, beim blossen Anblick ihrer Züge oder Kleidung
Unterschiede zu erkennen. Man könnte nämlich nur an gewissen
Gewohnheiten oder Unterscheidungsmerkmalen, wie z. B. am Tätowiren,
Durchstechen der Ohrläppchen, an Zierathen oder der Haartracht, die
im Anfange zu unbedeutend erscheinen, als dass man sie bemerkt,
Unterschiede unter den verschiedenen Stämmen herausfinden. Gewiss
gibt es deren; sie sind aber nicht so gross oder markirt, wie man sie
angegeben hat.

Die Waswahili stellen uns eine Rasse vor, die natürlich durch den
Verkehr mit halbcivilisirten Menschen beeinflusst und daher besser
angezogen sind und vortheilhafter aussehen als ihre wilderen, weiter
westlich wohnenden Brüder. Wie man sagt, dass in der Haut eines Russen
der Tartare steckt, so lässt sich auch behaupten, dass man unter dem
schneeweissen Dischdascheh oder Hemd des Mswahili den echten Barbaren
finden wird. Auf der Strasse, im Bazar erscheint er halb arabisirt;
seine freundlichen Manieren, sein demüthiges Fussfallen, seine
Kniebeugungen, sein Jargon, alles beweist, dass er mit der herrschenden
Rasse, der er unterworfen, in Berührung gekommen ist. Ist er jedoch
aus den Seestädten hinaus in die Waschensidörfer gegangen, so wirft
er das Hemd ab, das ihn halb civilisirt hat, und er erscheint in der
ganzen tiefen Schwärze seiner Haut, mit hervorstehendem Unterkiefer und
dicken Lippen als reiner Neger und Barbare. Selbst das schärfste Auge
könnte einen Unterschied zwischen ihm und dem Mschensi nicht erkennen,
wenn man nicht besonders darauf aufmerksam macht, dass die beiden Leute
verschiedenen Stämmen angehören.

Der nächste Stamm, den wir kennen lernen, sind die Wakwere, die einen
begrenzten Landstrich zwischen den Wazaramo und Wadoe einnehmen. Sie
sind die ersten Repräsentanten des reinen Barbaren, auf welche der
Reisende stösst, wenn er nur zwei Tagereisen von der Küste entfernt
ist, -- ein furchtsamer Stamm, die wol nie des Raubes wegen einen
Angriff auf eine Anzahl zusammengehöriger Menschen machen wird. Unter
den arabischen und waswahilischen Händlern haben sie keinen guten Ruf,
sondern gelten für sehr unehrlich, was ich durchaus nicht bezweifle,
denn sie haben auch mir guten Grund gegeben, an diese Berichte zu
glauben, als ich in Kingaru-Hera und Imbiki lagerte. Die Häuptlinge
des östlichem Theils von Ukwere sind nominell den Diwans der Mrima
unterworfen. Sie haben sich die dichtesten Dschungels als Orte für
ihre Dörfer ausgesucht. Jeder Zugang in eins ihrer Thäler wird aufs
eifersüchtigste durch starke, enge Holzthüren geschützt, die selten
mehr als 4½ Fuss hoch und bisweilen so eng sind, dass man nur seitlich
hinein kann.

Diese Inselchen in den Dschungels, die besonders durch ganz Ukwere
zahlreich sind, bieten einem nackten Feinde furchtbare Hindernisse.
Die Pflanzen, Büsche und jungen Bäume, welche ihren natürlichen Schutz
bilden, sind gewöhnlich Aloë- und Dorn-Arten, die so dicht wachsen
und sich miteinander verflechten, dass der kühnste und verzweifeltste
Räuber der furchtbaren Phalanx scharfer Dornen, von denen sie überall
starren, kaum Trotz bieten dürfte.

Einige dieser Dschungel-Inselchen sind von Banditenbanden besetzt,
die es selten verabsäumen, von der Schwäche eines einzelnen Wanderers
Vortheil zu ziehen, besonders wenn es ein Mgwana, ein Freier von
Zanzibar ist, wie ein jeder Neger, der auf Zanzibar wohnt, von den
eingeborenen Waschensi des Innern bezeichnet wird.

Ich möchte die Bevölkerung von Ukwere, in dessen Gebiet (das nicht mehr
als 30 engl. Meilen im Geviert hat und südlich vom Rufufluss, nördlich
vom Wami begrenzt wird) ungefähr hundert Dörfer anzunehmen sind, zu
nicht mehr als 5000 Seelen schätzen. Wären diese sämmtlich unter dem
Befehle eines Häuptlings verbunden, so könnten die Wakwere immerhin ein
mächtiger Stamm werden.

Nach den Wakwere kommt man zu den Wakami, den Resten eines einst
grossen Volks, das die Länder vom Ungerengeri bis zum Grossen
Makataflusse inne hatte. Häufige Kriege mit den Wadoe und Waseguhha
haben sie auf einen engen Landgurt beschränkt, der in gerader Richtung
zehn Meilen beträgt und von dem man sagen kann, dass er zwischen dem
Kira-Pic und der steinigen Felsenkette liegt, die an das Thal des
Ungerengeri im Osten, einige Meilen vom östlichen Ufer des Flusses,
grenzt.

Im Ungerengeri-Thale sind sie so zahlreich wie Bienen. Die
unübertroffene Fruchtbarkeit desselben ist für dieses Volk eine
Hauptursache gewesen, ihren Stammesunterschied zu bewahren. Mit einem
Fernrohr kann man, wenn man von dem steinigen Bergrücken hinab ins
schöne Thal blickt, Haufen brauner Hütten inmitten von Gebüschgruppen
wahrnehmen und ungefähr 100 Dorfschaften zählen, welche überall grossen
Wohlstand zeigen.

Von Ukami kommt man ins südliche Udoe und findet ein kriegerisches,
stattlich aussehendes Volk von viel intelligenteren Gesichtszügen und
etwas hellerer Hautfarbe als die Wakami und Wakwere, -- ein Volk, das
voll von Rassentraditionen steckt, das sich kühn wegen der kleinsten
Verletzung ihres Gebiets in den Kampf gestürzt und tapfer gegen
die Waseguhha und Wakami, sowie gegen nomadische Räuber aus Ukumba
vertheidigt hat.

[Illustration: THOR EINES DORFES.]

Udoe gehört seinem Aeussern nach zu den malerischsten Ländern zwischen
dem Meere und Unyanyembé. Grosse Kegel schiessen über die unendlichen
Wälder in die Höhe und über ihnen schweben leichte flockige Wolken
dahin, durch welche die heissglühende Sonne ihre Strahlen entsendet
und das Ganze in Licht badet, welches diesen sich reihenweise bis an
die Gipfel der Berge erstreckenden Laubkugeln Farbentöne entlockt,
die den Nachbildungsversuchen des strebsamsten Malers Trotz bieten
würden. Erst Udoe ruft des Reisenden Liebe zur Naturschönheit wieder
wach, nachdem er das Meer verlassen. Hier führen ihn die Wege längs
der scharfen Kanten von Bergketten, von denen er hinabsehen kann auf
waldbewachsene Abhänge, die sich zu beiden Seiten in tiefe Thäler
senken, um sich jenseits in hochstrebende Kegel zu erheben, welche den
Himmel küssen, oder in eine hohe Bergkette mit tiefen, concentrischen
Schluchten zu verwandeln, die durch ihr herausfordernd geheimnissvolles
Aussehen fast in Versuchung führt, auf die Erforschung derselben viel
Mühe zu verwenden. Wenn ein Byron diese Landschaft von Udoe erblickte,
so würde er geneigt sein zu sagen:

    „Der Morgen auf Udoes Hügeln graut,
    Und Urugurus Felsen, Kiras Höhen,
    Vom Nebel halbverhüllt und bachbethaut,
    Sie lassen sich im dunkeln Purpur sehen.“

Was könnte dieser Stamm uns nicht alles über die Thaten der
Sklavenhändler erzählen! Von der verbündeten Macht der Waseguhha aus
West und Nord und den Sklavenhändlern von Whinde und Sa’adani im Osten
angegriffen, haben die Wadoe es wol hundertmal erlebt, dass ihre Weiber
und Kinder fortgeschleppt, ein Bezirk nach dem andern von ihrem Lande
fortgerissen und mit Useguhha verbunden worden ist. Denn das Volk von
Useguhha wurde von den Sklavenhändlern in Whinde gemiethet und mit
Waffen und Munition versehen, um ihre Nachbarn, die Wadoe, anzugreifen
und sie wiederholt in grossen Massen zu Sklaven zu machen. Denn
Individuen dieses Stammes, namentlich Weiber und Kinder, die so wol in
physischer als geistiger Beziehung den knechtischen Rassen, die sie
umgeben, so überlegen sind, waren bei den sinnlichen Mohammedanern als
Concubinen und Diener sehr gesucht.

An diesem Stamme bemerkt man zuerst, dass er unterscheidende
Stammesabzeichen hat, die in einer sich der Länge nach an beiden
Seiten des Gesichts herabziehenden Linie von Punkten und in dem
Abfeilen der innern Seiten der beiden Mittelzähne des Oberkiefers
bestehen. Die Waffen dieses Stammes ähneln denen der Wakami und
Wakwere und bestehen aus einem Bogen, einem Schilde, einigen leichten
Speeren oder Assegais, einem langen Messer, einer kleinen handlichen
Schlachtaxt und einem Knüttel, der an dem einen Ende einen grossen
Knopf hat, welcher mit vielem Geschick um das Haupt eines Feindes
geschwungen wird und diesem einen betäubenden, bisweilen sogar
tödlichen Schlag versetzt.

[Illustration: KRIEGSWAFFEN.]

Wenn man aus den Wäldern von Mikeseh heraustritt, kommt man in das
Gebiet der Waseguhha oder Wasegura[4], wie die Araber dies Land
fälschlich nennen. Useguhha erstreckt sich in der Länge über zwei
Grade und seine grösste Breite ist 90 engl. geographische Meilen. Es
hat zwei Hauptabtheilungen, Süd-Useguhha, von Uruguru bis zum Wami,
und Nord-Useguhha, unter dem Häuptling Moto, vom Wami bis Umagassi und
Usumbara.

An der Erhebung dieses Stammes zu bedeutender Macht haben wir ein
Beispiel der Wechselfälle, welche die barbarischen Rassen im Verlaufe
der Zeit erlebt haben. Vor 30 Jahren waren die Waseguhha auf einen
engen Landgürtel zwischen den Wasambara und den Wadoe beschränkt. Die
Wadoe waren der Hauptstamm im Osten der Usagara-Gebirge, aber die
Sklavenhändler brachten ihnen Verderben, verriethen sie an organisirte
Banditenbanden, die aus vagabondirenden Wamrima, fortgelaufenen
Sklaven, Verbrechern aus Zanzibar und Menschenräubern bestanden und
die Wälder zwischen Usagara und dem Meere unsicher machten. Diese
Banden überzogen die den Wadoe unterworfenen Stämme mit Krieg, und
da Sklaven dieses Stammes sehr gesucht und sowol wegen der Schönheit
ihrer Gestalt, als ihrer physischen sowie sonstigen Vorzüge halber
gern gekauft wurden, nahmen diese Raubzüge gegen den Stamm so zu, dass
nach einigen Jahren die Wadoe fast gänzlich aus ihren schönen Thälern
und dem herrlichen Lande am Ungerengeri vertrieben waren. Unter diesen
Räubern war der berüchtigte Kisabengo einer der hervorragendsten,
dessen schändliches Leben ich schon bis zu der Zeit gekennzeichnet
habe, wo er seine Veste in Simbamwenni in der Nähe des Ungerengeri
erbaute.

Fast alle Waseguhha-Krieger sind mit Musketen bewaffnet und die Araber
versehen sie mit ausreichender Munition, wofür sie dann die Waruguru,
Wadoe und Wakwenni angreifen, um Sklaven für den arabischen Markt
zu bekommen. Es ist erst fünf Jahre her, dass die Waseguhha einen
glücklichen Raubzug ins Herz der Wasagara-Berge ausführten, in welchem
sie die bevölkerten Theile der Makataebene verwüsteten und mehr als
500 Sklaven erbeuteten. Früher wurden Kriege in diesem Lande durch
Blutfehden zwischen den verschiedenen Häuptlingen verursacht; jetzt
werden sie durch die Sklavenhändler der Mrima angezettelt, damit diese
Menschenwaare auf den Markt nach Zanzibar gebracht werden könne.

Das ostafrikanische Geschwader hat die Macht, dieses Hornissennest zu
vernichten und dem unmenschlichen Handel mit Sklaven, insoweit Useguhha
im Stande ist, ihn aufrecht zu erhalten, ein Ende zu machen. Wenn ein
langes Dampfboot mit 50 Mann an Bord zu diesem Zweck den Wamifluss
bis an Kigongo’s Wohnsitz hinauffährt, so würde es bis 20 Meilen vor
der Stadt Simbamwenni gelangen können. Diese Strecke liesse sich in
einer Nacht zurücklegen und am Morgen könnte man den Ort angreifen
und niederbrennen und somit diesen Kernpunkt des Sklavenhandels
in Ostafrika auf immer zerstören. Die von den Sklavenhändlern
unterstützten Waseguhha sind die eigentliche Pest dieses Theils von
Ostafrika, und wenn einmal ihr fester Platz genommen und zerstört ist,
würden sie ausser Stande sein, weiteres Unheil anzustiften.

Die Waseguhha sind wol die blindesten Anhänger der Zauberei; dennoch
fahren die Jünger dieser dunkeln Kunst bei ihnen sehr schlecht.
Sehr häufig sieht man Aschenhäufchen am Wege und Kleidungsstücke
an Baumzweigen darüber schweben; dies bezeichnet das Schicksal
der unglücklichen „Waganga“ oder Medicin-Männer. Solange ihre
Vorhersagungen richtig sind und glücklich auslaufen, werden diese
Sachverständigen der „Utschavi“ oder Zauberkunst günstig vom Volke
angesehen. Wenn aber ein ungewöhnliches Unglück eine Familie trifft
und diese beschwören kann, dass es die Folge der Kunst des Zauberers
ist, so bildet sich alsbald ein unbarmherziges Richtercollegium und es
erwartet jenen ein Schicksal, wie es die Hexen in den dunkelsten Tagen
von Neu-England erfahren haben. In diesen afrikanischen Wäldern findet
sich bald hinreichend viel dürres Holz und der Unglückliche stirbt den
Flammentod. Sein Lendentuch wird als Warnung für alle falschen Jünger
seiner Kunst über dem Ort, wo er von seinem Geschick ereilt worden,
aufgehängt.

Die Wasagara sind Bergbewohner. Das Land, das sie bewohnen, ist die
Gebirgskette und ihre unmittelbare Umgebung, die sich vom Makata-Flusse
nach der Wüste von Marenga Mkali ausdehnt und 75 engl. geographische
Meilen breit und fast 3 Breitengrade lang ist.

Die Gebirgskette liegt der Länge nach in einer nordöstlichen
Richtung. Die höchste Spitze hat wol eine Höhe von 6000 Fuss über
dem Meeresspiegel. Der Berg Kibwe muss ungefähr 2500 Fuss über dem
Mukondokwathale bei Kadetamare und dieses letztere 2000 Fuss über dem
Meere liegen. Es gibt aber Gipfel in der Ngurugruppe bei Ugombo, die
ich wenigstens 1500 Fuss höher als den Berg Kibwe schätze. Wenn man
sich der Kette vom Makata aus nähert, erheben sich die Berge im Norden
zu einer viel bedeutenderen Höhe als diejenigen, die an dem Pass von
Mukondokwa liegen. Auf den Gipfeln und Abhängen dieser Berge lassen
die Dünste, welche von den Monsunwinden hierher getrieben werden, ihre
Wasserlast fallen und werden zu Flüssen, die als Bäche die Bergabhänge
hinabrieseln und sich in den Thälern am östlichen Abhange vereinigen.

Wie sehr auch Geographen von mir abweichen mögen, so geht doch meine
Ansicht dahin, dass diese Gebirgskette für Ostafrika das ist, was die
Rocky-Mountains für Central-Nordamerika sind. Ich betrachte sie als
das Rückgrat von Ostafrika. Reisende verlegen Kilima-Ndscharo nach 37°
27′, den Berg Kenia nach 37° 35′ östl. Länge; ich stelle den Berg Kibwe
nach 36° 50′, und Burton glaubt, dass dieselbe Gebirgskette von Usagara
„ihren höchsten Punkt in Ndschesi-Uhiyou habe“. Wenn das Ruhwhathal,
durch welches der Rufidschi von dem jenseits liegenden Hochlande ins
Meer fliesst, nur eine Spalte in der Usagarakette ist, warum soll
das Mukondokwathal dies nicht ebenfalls sein? Warum kann denn die
niedrige Ebene von Uhumba oder Masai nicht auch ein Spalt sein? Warum
sollen die Ngaserai-Berge, die Gebirgsgruppe des Kilima-Ndscharo, der
Schneegipfel des Kenia, sein südlicher Nachbar, der Doeno Camwea, und
sein nördlicher, der Berg Msarara, die sich sämmtlich auf demselben
Längengrade erheben, nicht eben dieser Usagarakette angehören?

[Illustration: DER BERG KIBWE UND DAS THAL DES MUNKONDOKWA.

  I. S. 236.]

Derselbe Einfluss, den man auf den Ebenen östlich und westlich von den
Rocky-Mountains wahrnimmt, wird auch zu beiden Seiten der Usagarakette
sichtbar. Im westlichen Nordamerika besitzen bekanntlich die Ebenen
von Colorado, Wyoming und ein grosser Theil von Nebraska im Osten und
der am westlichen Fusse der Rocky-Mountains belegene Theil von Colorado
und Utah nicht die merkwürdige Fruchtbarkeit, welche man in der Nähe
des Missuriflusses und östlich oder westlich von Utah antrifft. Diese
nackten Regionen Amerikas ziehen sich 5-800 Meilen breit zu beiden
Seiten der Rocky-Mountains hin und haben eine Länge von fast 2000
Meilen. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass dieses Felsengebirge
eine Durchschnittshöhe von 11-12000 Fuss über dem Meeresspiegel hat. So
gigantische Züge zeigt die Natur in Ostafrika nicht. Ich schätze die
Durchschnittshöhe des östlichen Theils der Usagarakette zu 3500 Fuss
über dem Meeresspiegel, während der westliche noch 1000 Fuss höher ist.
Die Ebene oder das Thal des Makata, im Osten von Usagara, hat dasselbe
kahle Aussehen, das unsere westlichen Ebenen darbieten, und ebenso
lässt sich die Region im Westen von Usagara, welche das ganze Marenga
Mkali und Ugogo umfasst, ihres nackten unfruchtbaren Aeussern und ihrer
Salzablagerungen wegen mit Utah und dem westlichen Colorado vergleichen.

In Uyanzi aber, im Westen von Ugogo, erhebt sich das Land der Länge
nach zu einer Höhe von ungefähr 1000 Fuss über der Ebene von Ugogo
und erscheint infolge davon, dass es die von den Monsuns nach Westen
getragenen Dämpfe auffängt, fruchtbarer, sodass es in dieser Beziehung
gleich nach dem Thal des Mukondokwa kommt. Diese unfruchtbare Region,
die das Marenga Mkali umfasst, hat zwar nur eine Breite von etwa
100-150 engl. geographischen Meilen, ist aber doch 600 Meilen lang oder
vielleicht noch mehr.

Im südlichen Usagara ist das Volk sehr freundlich; im Norden aber,
in den Districten, die an die Wahumba stossen, hat das Volk mehr
den wilderen Charakter seiner Nachbarn. Wiederholte Angriffe von
den menschenraubenden Waseguhha, den räuberischen Wadirigo oder
Wahehe im Südwesten, den Wagogo im Westen und den Wahumba im Norden
haben sie dazu gebracht, Fremde mit Argwohn anzusehen, nach kurzer
Bekanntschaft jedoch erweisen sie sich als offene, freundliche und
tapfere Leute. In der That haben sie ausreichende Ursache, den Arabern
und Wangwana von Zanzibar zu mistrauen. Mbumi, in Ost-Usagara, ist
zweimal innerhalb weniger Jahre von menschenraubenden Arabern und
Waseguhha niedergebrannt worden; Rehenneko hat dasselbe Schicksal
erfahren, und erst vor wenigen Jahren hat Abdullah bin Nasib das Land
von Misonghi bis Mpwapwa mit Feuer und Schwert verheert. Kanyaparu,
der Herr der Berge um Tschunyo oder Kunyo, welcher früher den vierten
Theil von Marenga Mkali cultivirte, hat sich jetzt aus Furcht vor den
Wadirigo-Räubern ganz in die hohen Berge zurückgezogen.

In Ost-Usagara sind die grossen Unterschiede zwischen reinen Wasagara
und den Waseguhha nicht sichtbar. Man findet dieselben erst in den
Dörfern der Mpwapwa. Hier erst erblickt man die langen, dünnen, mit
Messing- und Kupferbehängseln, Kugeln und glänzenden Pice[5] aus
Zanzibar geschmückten Löckchen, durch welche sich hier und da eine
dünne Reihe kleiner Perlen zieht. Ein junger Msagara, der sich das
stumpfe Schwarz seines Gesichts leicht mit Ocker gebräunt und vier
oder fünf kupferne Münzen um die Stirn gebunden, der sich die Spitze
eines kleinen Flaschenkürbis in jedes Ohrläppchen gesteckt und es
dadurch ausgereckt hat, sowie tausende von gutgefetteten, mit kleinen
Kupfer- und Messingstückchen verzierte Locken trägt, stellt mit seinem
hocherhabenen Kopf, der vorragenden Brust, den muskulösen Armen und
wohlproportionirten Gliedern das Ideal eines stattlichen, jungen
afrikanischen Wilden dar.

Die Wasagara beider Geschlechter tätowiren sich Stirne, Brust und Arme.
Ausser dem in jedes Ohr hineingesteckten Kürbishalse, in welchem sich
ein kleiner Vorrath von „Tumbak“ oder Taback und aus dem Verbrennen
von Landmuscheln gewonnener Kalk befindet, trägt ein jeder Msagara
eine Anzahl primitiver Zierathe um den Hals, als da sind: ein paar
schneeweisse Muschelschalen, geschnitzte Holzstückchen, ein kleines
Ziegenhorn, eine von dem Medicinmanne des Stammes geweihte Arznei,
ein Fundo weisser oder rother Perlen, zwei bis drei durchlöcherte
Sungomazi-Eierperlen, eine Schnur Kupfermünzen und hin und wieder
kleine Messingketten, die billigen Uhrketten ähneln. Diese Dinge haben
sie sich entweder selbst gemacht oder von den arabischen Händlern gegen
Hühner und Ziegen eingehandelt. Die Kinder gehen alle nackt; Jünglinge
tragen ein Ziegen- oder Schaffell; erwachsene Männer und Frauen, die
Kinder haben, entweder ein baumwollenes oder aus Kaniki oder Barsati,
einem in Usagara besonders beliebten Zeuge, bestehendes Lendentuch.
Häuptlinge haben Mützen, wie sie von den Wamrima-Diwans getragen
werden, oder das arabische Tarbusch.

[Illustration: JUNGE WASAGARA.]

Es folgen nun auf unserer Marschlinie die Wagogo, ein mächtiger Stamm,
der die Gegend westlich von Usagara nach Uyanzi zu bewohnt, die
ungefähr 80 Meilen breit und 100 Meilen lang ist. Der Reisende muss
bei seinem Verkehr mit ihnen sehr klug und kritisch verfahren. Hier
hört er zuerst das Wort „Honga“, welches jetzt, nachdem er Simbamwenni
passirt, Tribut, vorher ein Geschenk an einen Freund bedeutet. Da
dasselbe unter Androhung von Krieg, falls man nicht freiwillig bezahlt,
abgefordert wird, so ist die beste Deutung des Wortes „mit Gewalt
erpresster Tribut oder Zoll“.

Unter nachfolgenden drei Routen durch Ugogo, mit Angabe der Summe
des Tributs, die eine Karavane von 150 Mann zu zahlen hat, steht dem
Reisenden die Wahl frei:

  --------------+---------+------------+---------+-----------+--------
    Nördlicher  | Tribut. | Mittlerer  | Tribut. | Südlicher | Tribut.
       Weg.     |         |    Weg.    |         |    Weg.   |
                | Tücher. |            | Tücher. |           | Tücher.
  --------------+---------+------------+---------+-----------+--------
  Mvumi         |    35   | Mvumi      |   35    | Kifukuru  |   25
  Matamburu     |    24   | Muhalata   |   25    | Kisewah   |   30
  Bihawana      |    10   | Mafanya    |   15    | Kanyeni   |   40
  Kididimo      |    26   | Kanyenyi   |   40    | Sanza     |   15
  Pembera Pereh |    30   | Sanza      |   15    | Usekke    |   21
  Mizanza       |    22   | Khonse     |   20    | Khonko    |   20
  Mukondoku     |    32   | Khonko     |   20    | Kiwyeh    |   27
                +---------+ Kiwyeh     |   27    |           +--------
                |   179   |            +---------+           |  178
                |         |            |  197    |           |

Diese Stoffe werden nur von den Binnenland-Karavanen bezahlt; den
nach der Küste zurückkehrenden werden dagegen gewöhnlich Hacken und
Elfenbein abverlangt.

Es versteht sich von selbst, dass, wenn der Reisende wünscht, um noch
grössere Summen gestraft zu werden, er die Wagogo stets bereit findet,
jeden Fetzen Stoff, den er ihnen gibt, anzunehmen. Mvumi verlangt z. B.
60 Zeuge und wundert sich über seine eigene Grossmuth, eine so kleine
Zahl von einem grossen Musungu (Weissen) zu fordern. Der Reisende
jedoch wird klug daran thun, die Unterhandlungen seinen tüchtigsten
Leuten zu überlassen, nachdem er ihnen eingeschärft, sich in Acht zu
nehmen und nicht zu rasch auf eine bestimmte Zahl einzugehen.

Die Wagogo sind in physischer und intellectueller Beziehung die beste
Rasse zwischen Unyamwezi und dem Meere. Ihre Farbe ist ein kräftiges
braunschwarz. Von vorn gesehen haben sie etwas löwenartiges an sich.
Ihre Gesichter sind breit und intelligent, die Augen gross und rund,
die Nase platt und der Mund sehr gross, die Lippen jedoch sind zwar
dick, indess nicht in so ungeheuerlichem Grade, wie wir sie uns in
unserer Caricatur eines Negerideals vorstellen. Bei alledem ist der
Mgogo, wennschon ein wilder Mann, der bei der geringsten Versuchung
vor keiner Unthat zurückschreckt, doch für den Weissen eine anziehende
Figur. Er ist stolz auf seinen Häuptling und auf sein Land, obwol
dieses unfruchtbar und reizlos ist; stolz auf sich selbst, seine Macht,
seine Waffen, seine Habe; eitel, sehr egoistisch, ein Renommist und
Tyrann, aber auch zur Freundschaft und zu Opfern für einen Freund
fähig. Ein grosser Fehler in seinem Charakter, der ihn den Reisenden
gegenüber in ein schlechtes Licht setzt, ist seine ausserordentliche
Habgier; wenn dieser unter derselben zu leiden hat, so stimmt ihn das
eben nicht besonders freundlich gegen den Bewohner von Ugogo.

Dagegen ist dieser kräftige Eingeborene mit der dunkeln Hautfarbe, der
Löwenstirn, dem drohenden Aussehen und bramarbasirenden Charakter,
dieser stolze, hochmüthige und zanksüchtige Mensch ein blosses Kind
einem andern gegenüber, der sich die Mühe nicht verdriessen lässt,
seinen Charakter zu studiren und seine Eitelkeit zu schonen. Er
ist leicht zu amüsiren, da seine Neugierde leicht angeregt wird.
Ein Reisender von schroffem Charakter wird bestimmt mit ihm Streit
bekommen; in Gegenwart dieses rohen Kindes der Natur jedoch, zumal
wenn es die Macht hat, gereicht es dem Reisenden zu Vortheil und
eigener Sicherheit, seine Schroffheiten abzulegen. Der Mgogo Räuberheld
befindet sich auf seinem eigenen Grund und Boden und hat einen
entschiedenen Vortheil vor dem weissen Fremdling. Jener ist zwar nicht
tapfer, kennt aber doch die Schwäche des Reisenden und ist geneigt,
davon Vortheil zu ziehen, wird aber durch das Interesse, das er am
Frieden hat, daran verhindert, irgendein Verbrechen zu begehen. Denn
jede gegen einen Reisenden verübte Gewaltthat würde den Weg sperren,
die Karavanen veranlassen, sich andere Wege aufzusuchen und somit den
Häuptlingen grosse Einbussen an ihren Einnahmen verursachen.

Der Mgogo-Krieger trägt als Waffen einen Bogen und einen Köcher voll
mörderisch aussehender spitzer, mit Zinken und Widerhaken versehener
Pfeile, ein paar leichte, schön gearbeitete Assegais, einen breiten,
schwertartigen Speer mit einer mehr als zwei Fuss langen Klinge, eine
Streitaxt und ein Rungu oder mit einem Knauf versehenen Knüttel. Auch
hat er einen ovalen Schild aus Rhinoceros-, Elefanten- oder Stierhaut,
der mit schwarzen und weissen Figuren bemalt ist. Seit seiner frühesten
Kindheit ist er mit diesen Waffen vertraut und vom 15. Jahre an weiss
er sie vortrefflich zu gebrauchen.

In sehr kurzer Zeit ist er für die Schlacht gerüstet; der Bote des
Häuptlings eilt von Dorf zu Dorf und bläst sein Ochsenhorn als
Signal zum Kriege. Der Krieger hört es, wirft seine Hacke über die
Schulter, tritt in sein Haus und kommt nach einigen Secunden wieder
in Kriegsfarben und vollem Kampfkostüm heraus. Ueber seinem Haupte
wallen Strauss-, Adler- oder Geierfedern; hinter ihm her flattert sein
langes, scharlachrothes Gewand; auf dem linken Arme befindet sich
sein Schild; in der linken Hand sein schnellender Assegaispeer und in
der rechten hält er sein wuchtiges Beil, das zweischneidig und spitz
auf einem starken Griffe steckt. Um Knöchel und Knie sind klingende
Ketten gebunden; mit den seine Arme zierenden elfenbeinernen Armbändern
zeigt er seine Ankunft an. Mit der Hacke des arbeitsamen Bauers hat er
auch das Aeussere desselben abgelegt und ist jetzt der stolze, eitle,
übermüthige Krieger, der wie ein Athlet aufspringt und begierig nach
dem Schlachtfelde schnaubt.

Die Stärke und Macht der Wagogo kommt von ihrer Zahl her. Denn obwol
man bisweilen Wagogokaravanen auf dem Wege nach Unyamwezi hin und
zurück trifft, so werden sie doch nicht so sehr wie die Wanyamwezi im
Handel beschäftigt. Daher sind ihre Dörfer stets voll von Kriegern.
Schwache Stämme oder Reste anderer Stämme freuen sich sehr, unter ihren
Schutz aufgenommen zu werden. Auch einzelne Individuen von andern
Stämmen, die wegen irgendeiner Gewaltthat gezwungen sind, dieselben zu
meiden, finden sich oft in den Dörfern der Wagogo. Im Norden sind die
Wahumba sehr zahlreich, im Süden die Wahehe und Wakimbu und im Osten
finden sich manche Familien aus Usagara. Auch kommen Wanyamwezi häufig
in diesem Lande vor. Diese letzteren sind wie die Schotten; man kann
sie fast überall in Mittelafrika finden und sie verstehen es, sich eine
hervorragende Stellung zu schaffen.

[Illustration: EIN TEMBÉ AUS DER VOGELSCHAU.]

Wie in West-Usagara sind auch die Häuser der Wagogo viereckig und um
die vier Seiten eines Hofes gereiht, nach welchem sich alle Thüren
öffnen. Die Dächer sind alle flach und Korn, Kräuter, Taback und
Kürbisse liegen auf denselben ausgebreitet. Die Rückseite jedes Gemachs
ist von Löchern durchbohrt, welche zur Beobachtung und Vertheidigung
dienen.

Das Tembé wird in Ugogo sehr leicht gebaut; es besteht nur aus einer
Reihe dünner Stöcke, die mit Lehm beworfen sind. Drei bis vier starke
Stangen werden in Zwischenräumen in der Erde befestigt, um die Längs-
und Querbalken, auf welchen das flache Lehmdach ruht, zu stützen. Eine
Musketenkugel kann die geflochtenen Wände eines Ugogotembé völlig
durchbohren. In Uyanzi dagegen ist das Tembé stärker, weil sie dort
sehr viele schöne Bäume haben, die heruntergeschlagen und in Bohlen von
drei bis vier Zoll Dicke zerspalten werden.

Das Tembé ist in Gemächer getheilt, die durch eine geflochtene Wand
voneinander getrennt werden. Jedes Gemach enthält eine Familie von
erwachsenen jungen Leuten beiderlei Geschlechts, die sich ihre Betten
aus gegerbten Häuten auf dem Boden machen. Nur der Vater der Familie
hat eine Kitanda oder feste Schlafstelle, die aus einem mit Ochsenhaut
bespannten Gestell oder aus der Rinde des Myombobaumes hergestellt ist.
Der Boden besteht aus glatt verstrichenem Lehm, ist sehr schmutzig und
riecht stark nach den abscheulichsten Dingen. In den Winkeln befinden
sich an den Balken die schönen luftigen Wohnungen der schwarzen,
gewaltig grossen Spinnen und anderer Ungeheuer von Insekten.

Eine besonders langköpfige, dunkelfarbige Gattung Ratten sucht jedes
Tembé heim. Kühe, Ziegen und Schafe sind die einzigen Hausthiere, denen
es gestattet wird, im Tembé zu wohnen. Hunde von der Pariah-Rasse
hausen draussen bei dem Vieh.

Die Wagogo glauben an das Dasein eines Gottes oder Himmelsgeistes,
den sie Mulungu nennen. Sie beten gewöhnlich zu ihm, wenn ihre Eltern
sterben. Nachdem ein Mgogo seinen Vater dem Grabe übergeben hat, bringt
er dessen Habe, sein Tuch, Elfenbein, Messer, Dschembe (Hacke), Bogen
und Pfeile, Speere und Vieh an einen Ort zusammen, kniet davor nieder
und spricht einen Wunsch aus, Mulungu möge seine weltlichen Reichthümer
vermehren, seine Arbeit segnen und ihm im Handel Glück bescheeren.

Folgende Unterredung fand zwischen mir und einem Mgogohändler statt:

„Wer hat nach Eurem Glauben Eure Eltern erschaffen?“

„Das hat Mulungu gethan, Weisser!“

„Gut. Wer hat denn Dich erschaffen?“

„Wenn Gott meinen Vater erschaffen, so hat er auch mich erschaffen,
nicht wahr?“

„Sehr wohl. Wo meinst Du wol, dass Dein Vater jetzt hingegangen ist, da
er todt ist?“ --

„Die Todten sterben“, sagte er feierlich, „sie sind nicht mehr. Der
Sultan stirbt, dann wird er zu nichts, dann ist er nicht besser als
ein todter Hund; er ist zu Ende, seine Worte sind zu Ende; es gibt
keine Worte mehr von ihm. Es ist wahr“, sagte er, da er ein Lächeln auf
meinem Gesicht erblickte, „der Sultan wird zu nichts. Wer etwas anderes
sagt ist ein Lügner. Das steht fest!“

„Er ist aber doch ein sehr grosser Mann, nicht wahr?“

„Nur solange er lebt; nach dem Tode fährt er in die Grube und da kann
man von ihm nicht mehr sagen als von einem andern.“

„Wie begrabt Ihr einen Mgogo?“

„Man bindet ihm die Beine zusammen, den rechten Arm an den Körper und
legt den linken unter den Kopf. Dann rollt man ihn auf seine linke
Seite ins Grab. Das Zeug, das er während seines Lebens getragen, wird
über ihn ausgebreitet. Darauf legen wir Erde auf ihn und Dornbüsche
darüber, damit die Fizi (Hyänen) nicht an ihn heran können. Ein Weib
wird auf ihre rechte Seite in ein vom Manne gesondertes Grab gelegt.“

„Was macht Ihr mit dem Sultan, wenn er gestorben ist?“

„Wir begraben ihn auch. Nur wird er in der Mitte des Dorfes begraben
und wir bauen ein Haus über ihn. Jedesmal, wenn ein Ochse geschlachtet
wird, so geschieht das vor seinem Grabe. Wenn der alte Sultan stirbt,
so verlangt der neue einen Ochsen und schlachtet ihn vor jenem Grabe
unter Anrufung von Mulungu als Zeugen, dass er der legitime Sultan sei.
Dann vertheilt er das Fleisch in seines Vaters Namen.“

„Wer folgt dem Sultan? Etwa der älteste Sohn?“

„Ja, wenn er einen Sohn hat. Wenn er aber kinderlos ist, so folgt der
ihm an Rang zunächst stehende grosse Häuptling. Der Msagira ist der
nächste nach dem Sultan; sein Geschäft besteht darin, die Beschwerden
anzuhören und dem Sultan vorzutragen. Auch übt er die Gerechtigkeit im
Namen des letztern, empfängt das Honga, bringt es dem Mtemi (Sultan),
stellt es vor ihn hin und behält soviel davon, als der Sultan nicht für
sich beansprucht. Die Häuptlinge heissen Manya-Para und der Msagira ist
der oberste Manya-Para.“

„Wie heirathen die Wagogo?“

„Sie kaufen sich ihre Frauen.“

„Was kostet ein Weib?“

„Ein sehr armer Mann kann seine Frau schon für ein paar Ziegen von
ihrem Vater kaufen.“

„Wieviel muss der Sultan dafür zahlen?“

„Er hat ungefähr 100 Ziegen oder ebenso viel Kühe, Schafe und Ziegen
an den Vater seiner Braut zu zahlen. Natürlich ist der Vater ein
Häuptling; der Sultan würde sich kein gemeines Weib kaufen. Des Vaters
Einwilligung muss erlangt und ihm dann das Vieh übergeben werden.
Viele Tage gehören dazu, um die Unterhandlungen hierüber zu beendigen.
Die ganze Familie und alle Freunde der Braut müssen sich darüber
unterhalten, ehe sie ihres Vaters Haus verlässt.“

„Was geschieht im Falle eines Mordes dem Manne, der einen andern
getödtet hat?“

„Der Mörder muss 50 Kühe bezahlen. Ist er zu arm, um zu bezahlen, so
gibt der Sultan den Verwandten des Ermordeten das Recht, ihn zu tödten.
Wenn sie ihn fangen, so binden sie ihn an einen Baum und werfen Speere
nach ihm und zwar zuerst immer einen auf einmal; dann springen sie auf
ihn zu, schneiden ihm den Kopf ab und später die Arme und Gliedmassen
und streuen dieselben im Lande umher.“

„Wie bestraft Ihr einen Dieb?“

„Wenn man ihn beim Stehlen ertappt, so wird er sofort todtgemacht und
man spricht weiter nicht davon. Ist es nicht ein Dieb?“

„Aber im Falle, dass Ihr nicht wüsstet, wer der Dieb ist?“

„Wenn uns jemand vorgeführt wird, der des Diebstahls bezichtigt ist,
tödten wir ein Huhn. Sind die Eingeweide desselben weiss, so ist er
unschuldig, sind sie aber gelb, so ist er schuldig.“

„Glaubt Ihr an Zauberei?“

„Das versteht sich von selbst und wir bestrafen den Mann mit dem Tode,
der Vieh verzaubert oder den Regenfall hindert.“

Zunächst an Ugogo liegt Uyanzi oder das „Magunda Mkali“ -- das heisse
Feld. In frühern Zeiten, ehe das Magunda Mkali von den Auswanderern
aus Ukimbu bewohnt war, beklagten sich die Lastträger über die
fürchterliche Hitze und den Durst, den sie auf der Reise durch dasselbe
erleiden mussten. Wasser war auf dem Wege, den sie einschlugen,
sehr spärlich und volle Tagemärsche häufig. Daher wurde es von den
Wanyamwezi-Pagazi das „heisse Feld“ genannt.

Uyanzi oder Magunda Mkali ist jetzt sehr bevölkert; längs der
nördlichen Strasse, die über Munieka führt, ist Wasser reichlich
vorhanden, befinden sich zahlreiche Dörfer, und die Reisenden fangen
an zu bemerken, dass der Name nicht mehr passt. Die Leute, die das
Land bewohnen, sind Wakimbu aus dem Süden. Es sind gute Ackerbauer
und ein sehr fleissiger Menschenschlag. Sie ähneln den Wasagara etwas
im Aeussern, erfreuen sich aber nicht eines grossen Rufs in Bezug
auf Tapferkeit. Ihre Waffen bestehen aus leichten Speeren, Bogen
und Pfeilen und Schlachtbeilen. Ihre Tembés sind stark gebaut und
sie zeigen bedeutende Gewandtheit in der Kunst, Vertheidigungswerke
anzulegen. Die Bomas derselben sind so gut, dass man Kanonen nöthig
hätte, um den Eingang zu erzwingen, wenn die Dörfer gehörig vertheidigt
würden. Sie sind auch sehr geschickt in der Anfertigung von Fallen
für Elefanten und Büffel; hin und wieder verfängt sich auch ein
vereinzelter Löwe oder Leopard in denselben.

Nachdem man durch Magunda Mkali marschirt ist, kommt man nach
Unyamwezi, dem Lande des Mondes; ich werde jedoch eine Beschreibung
des Volkes, das diesen interessanten District bewohnt, einem spätern
Kapitel überlassen.


  [4] Alle Stämme des Innern kennen diese nur als Waseguhha. Burton
      aber nimmt den von den Arabern verdorbenen Namen Wasegura an.
      Krapf, New, Wakefield und ich haben die Aussprache der
      Eingeborenen, Waseguhha, angenommen.

  [5] Kleine Kupfermünzen.




[Illustration: ANSICHT VON MEINEM TEMBÉ AUS.]




ACHTES KAPITEL.

DAS LEBEN IN UNYANYEMBÉ.

  Gastfreundschaft des Gouverneurs Sayd bin Salim. -- Bequemes
  Quartier. -- Tabora, die Hauptniederlassung der Araber. -- Mirambo,
  Häuptling von Uyoweh. -- Seine Räubereien. -- Ein Kriegsrath. -- Ich
  finde die Livingstone-Karavane auf. -- Schrecklicher Fieberanfall.
  -- Abmarsch nach Udschidschi. -- Ankunft in Masangi. -- Shaw
  erkrankt. -- Ich stosse zum Heere der Araber in Mfuto. -- Gefecht mit
  Mirambo. -- Einnahme des Dorfes Zimbizo. -- Erneuter Fieberanfall.
  -- Niederlage und Gemetzel der Araber durch Mirambo. -- Rückzug nach
  Mfuto.


Mir wurde eine geräuschlose Ovation zutheil, als ich an der Seite
des Gouverneurs Sayd bin Salim nach seinem Tembé in Kwikuru oder der
Hauptstadt ging. Die Wanyamwezi-Pagazi standen zu Hunderten am Wege,
die Krieger Mkasiwa’s, des Sultans, drängten sich um ihren Häuptling,
und Kinder, -- schwarze, nackte Engelchen, -- schauten zwischen den
Beinen ihrer Aeltern hindurch. Selbst Säuglinge von wenig Monaten
hingen auf dem Rücken ihrer Mütter und entrichteten sämmtlich den
meiner Farbe gebührenden Tribut, indem sie mich intensiv angafften. Die
einzigen Leute, die sich mit mir unterhielten, waren die Araber und der
alte Mkasiwa, der Herrscher von Unyanyembé.

Sayd bin Salim’s Haus befindet sich am nordwestlichen Winkel der
Einhegung und ist ein mit Stacketen umstelltes Boma von Kwikuru. Thee
wurde uns in einem silbernen Theekessel gemacht und eine reichliche
Quantität dampfender Pfannkuchen befanden sich unter einem silbernen
Deckel. Zu diesem Mahl wurde ich eingeladen. Wenn man ungefähr acht
Meilen ohne Frühstück marschirt und drei bis vier Stunden lang der
heissen Tropensonne ausgesetzt gewesen, so ist man geneigt, einem Mahle
Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, namentlich wenn man einen gesunden
Appetit hat. Ich glaube, ich setzte den Gouverneur in Erstaunen durch
die geschickte Art, mit der ich es fertig brachte, elf Tassen von
seinem aromatischen Decoct eines Assamkrautes zu vertilgen und aufs
ungezwungenste seinen hohen Thurm von Pfannkuchen zu vernichten,
die noch einen Augenblick vorher heiss unter ihrem silbernen Deckel
gedampft hatten.

Ich dankte dem Scheikh für das Mahl, wie es nur ein wirklich sehr
hungriger Mann, der sich gesättigt hat, thun kann. Selbst wenn ich
nicht gesprochen hätte, so würden meine dankbaren Blicke ihn davon in
Kenntniss gesetzt haben, wie sehr ich mich ihm verpflichtet fühlte.

Darauf zog ich meine Pfeife und den Tabacksbeutel heraus.

„Mein lieber Scheikh, willst Du rauchen?“

„Nein, ich danke. Araber rauchen nie.“

„Nun, wenn Du es auch nicht thust, so wirst Du wol nichts dagegen
haben, wenn ich rauche, um die Verdauung zu unterstützen!“

„Ngema! Gut, rauchen Sie nur, Herr.“

Hierauf ging es ans Fragen und Plaudern. Die Neugierde kam in ernsten
und leichten Gesprächen zur Geltung.

„Auf welchem Wege ist der Herr gekommen?“

„Ueber Mpwapwa.“

„Der Weg ist gut. War der Makata schlecht?“

„Ja, sehr schlecht.“

„Was gibts Neues in Zanzibar?“

„Von dort bringe ich gute Nachrichten. Seyd Turki hat Besitz von Muscat
ergriffen und Azim bin Ghis ist in den Strassen erschlagen worden.“

„Ist das wahr, Wallahi?“ (Bei Gott.)

„Ja, es ist wahr.“

„He he! das sind Neuigkeiten!“ wobei er sich den Bart streicht. „Herr,
haben Sie etwas von Suleiman bin Ali gehört?“

„Ja, der Gouverneur von Bombay hat ihn auf einem Kriegsschiff nach
Zanzibar geschickt und Suleiman bin Ali liegt jetzt in der Gurayza
(Festung).“

„He, das ist sehr schön. Hatten Sie den Wagogo viel Tribut zu zahlen?“

„Achtmal. Hamed Kimiani wünschte, dass ich über Kiwyeh gehe; ich wollte
aber nicht und zog gerade durch den Wald nach Munieka. Und da hielten
es Hamed und Thani für besser, mir zu folgen, als sich allein durch
Kiwyeh zu wagen.“

„Wo ist der Hadschi Abdullah, der hierher kam, und Spiki?“

„Hadschi Abdullah? Was für ein Hadschi Abdullah? Ach so, wir nennen ihn
Scheikh Burton. O, das ist jetzt ein grosser Mann, ein Balyuz in El
Scham.“

„He he, also ein Balyuz! He, in El Scham! Ist das nicht nahe bei Betlem
el Kudis?“

„Ja, ungefähr vier Tagereisen davon. Spiki ist todt. Er hat sich durch
einen unglücklichen Zufall erschossen.“

„Ach, Wallah (bei Gott), das sind schlechte Nachrichten. Spiki todt?
Masch Allah! Er war ein guter Mann, wirklich ein guter Mann! Todt!“

„Aber wo liegt dieses Kazeh, Scheikh Sayd?“

„Kazeh? Kazeh? -- Ich habe den Namen nie früher gehört.“

„Aber Ihr waret doch mit Burton, Speke und dem andern Manne, Grant, in
Kazeh. Ihr habt doch dort mehrere Monate gelebt, als Ihr Euch alle in
Unyanyembé aufhieltet? Es muss ganz in der Nähe sein. Wo wohnten denn
Hadschi Abdullah und Spiki, als sie in Unyanyembé waren? War es nicht
in Musa Mzuris’ Haus?“

„Das war in Tabora.“

„Nun, wo liegt denn Kazeh? Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der
mir sagen konnte, wo dieser Ort ist, und doch haben die drei Weissen
dieses Wort als den Namen des Ortes, in dem sie lebten, als Ihr bei
ihnen waret, niedergeschrieben. Ihr müsst doch wissen, wo er liegt.“

„Wallahi, Bana, ich habe den Namen nie gehört. Aber halt, Kazeh
bedeutet auf Kinyamwezi ein „Königreich“. Vielleicht haben sie dem Ort,
an dem sie sich aufhielten, den Namen gegeben. Ich war gewöhnlich im
ersten Haus, Sny bin Amer’s Haus, und Speke und Grant wohnten in Musa
Mzuris’ Haus; beide Häuser jedoch befinden sich, wie alle die übrigen,
in Tabora.“

„Ich danke Euch, Scheikh. Jetzt möchte ich gehen und nach meinen Leuten
sehen. Sie werden wol alle essen wollen.“

„Ich werde Sie begleiten, um Ihnen Ihr Haus zu zeigen. Das Tembé ist in
Kwihara, nur eine Stunde Weges von Tabora.“

Als wir Kwikuru verlassen, gingen wir über einen niedrigen Bergrücken
und sahen alsbald Kwihara zwischen zwei kleinen Hügelketten liegen,
von denen die nördlichste westlich in dem runden festungsartigen Berge
Zimbili auslief. Auf dem Thale schienen die glühendsten Sonnenstrahlen,
alles ertödtend, zu ruhen, welcher Eindruck wol durch die allgemeine
Ausbleichung und herbstliche Reife des Grases hervorgebracht wurde,
dem durchaus alle Farbentöne fehlten, die etwas Abwechselung in dieses
Einerlei hätten bringen können. Unter jener blendenden Sonne, in der
klaren Atmosphäre erschienen die Berge wie ausgedörrt. Das Korn war
seit lange geschnitten und Stoppelfelder bildeten eine weissbraune
Fläche. Die aus Lehm bestehenden Häuser mit ihren flachen Lehmdächern
sahen gleichfalls weissbraun aus. Auch die mit Stroh gedeckten
Hütten und die sie umgebenden Stackete aus abgeschältem Bauholz waren
weissbraun. Obwol ein kalter, heftiger, ungesunder Wind aus den Bergen
von Usagara uns sozusagen bis ins Mark schnitt, so hörte der intensive
Sonnenglanz doch nicht auf. Selbst wenn das Auge auf einen Augenblick
auf ein paar schwarze Kühe oder einen hohen Baum fiel, so konnte man
es doch nie vergessen, dass der erste Eindruck von Kwihara der eines
Bildes ohne Farbe, eines Nahrungsmittels ohne Geschmack gewesen; und
wenn man hinauf blickte, sah man einen blassblauen, fleckenlosen
Himmel, der durch seine Heiterkeit geradezu entsetzte.

Als ich mich dem Tembé von Said bin Salim näherte, kam Scheikh bin
Nasib mit andern arabischen Grossen zu uns. Vor der grossen Thür
des Tembé hatten die Leute die Ballen und Kisten aufgethürmt und
erzählten den Hauptleuten und Soldaten der ersten, zweiten und vierten
Karavane mit unglaublicher Zungenfertigkeit und Geschwindigkeit
die vielen Ereignisse, die uns zugestossen waren und ihnen als das
einzig mittheilenswerthe erschienen. Ueber ihren eignen beschränkten
Gesichtskreis hinaus kümmerten sie sich offenbar um nichts. Dann
hatten die verschiedenen Hauptleute der übrigen Karavanen ihrerseits
ihre Reiseerlebnisse zu berichten, wodurch eine lärmende, erregte
Unterhaltung entstand. Als wir uns näherten, hörte dieselbe aber sofort
auf, und meine Karavanenführer stürzten auf mich zu, um mich als Herrn
und Freund zu begrüssen. Ein Bursche, der treue Baruki, warf sich mir
zu Füssen, die andern feuerten ihre Flinten ab und betrugen sich wie
Verrückte in einem Anfall von Tobsucht. Auf allen Seiten hörte man den
Ruf: „Willkommen!“

„Spazieren Sie hinein, Herr; dies ist jetzt Ihr Haus; hier sind die
Quartiere für Ihre Leute. Hier können Sie die arabischen Grossen
empfangen; hier ist das Kochhaus; hier das Vorrathshaus; dort das
Gefängniss für die Widerspenstigen; da die Zimmer Ihres Weissen und
hier Ihre eigenen. Sehen Sie, hier ist das Schlafzimmer, dort das
Gewehr-, Badezimmer u. s. w.“ So sprach Scheikh Sayd, als er mir die
verschiedenen Oertlichkeiten zeigte.

Auf Ehre, für Central-Afrika war dies ein sehr gemüthlicher Ort.
Man hätte fast poetisch werden können, doch wollen wir derartige
überschwängliche Ideen auf die Zukunft verschieben. Gerade jetzt müssen
die Waaren ins Lager geschafft, die kleine Armee von Lastträgern muss
bezahlt und entlassen werden.

Bombay erhielt Befehl, die feste Vorrathskammer zu öffnen, die Ballen
daselbst in regelmässige Reihen aufzustapeln, die Perlen aufeinander
zu schichten und dem Draht einen besondern Ort anzuweisen. Boote,
Segeltuch u. s. w. sollten an einem so hohen Ort untergebracht
werden, dass die weissen Ameisen sie nicht erreichen konnten, und den
Munitionskisten und Pulverfässern war im Gewehrzimmer ausser aller
Gefahr eine Stätte zu schaffen. Dann wurde ein Ballen Zeug aufgemacht
und jeder Lastträger nach seinem Verdienst belohnt, damit er seinen
Freunden und Nachbarn zu Hause erzählen könne, wie viel besser der
Weisse sie behandelt, als der Araber.

Hierauf wurden die Berichte der Führer der ersten, zweiten und vierten
Karavane entgegengenommen, ihre Vorräthe inspicirt und die einzelnen
Erlebnisse auf ihren Märschen angehört. Die erste Karavane war in
Kirurumo in Krieg verwickelt gewesen, hatte den Kampf mit Glück
bestanden und Unyanyembé ohne irgendwelchen Verlust erreicht. Die
zweite hatte einen Dieb im Walde zwischen Pembera Pereh und Kididimo
erschossen. Die vierte hatte einen Ballen im Dickicht von Marenga Mkali
verloren und der Lastträger dabei eine starke Kopfverletzung von einem
Knotenstock erhalten, den einer der Diebe, die in den Dschungels nahe
der Grenze von Ugogo herumschleichen, gegen ihn geschwungen. Ich freute
mich zu hören, dass sie nicht mehr Unglück gehabt und belohnte jeden
Führer sofort mit einem schönen Stück Tuch und fünf Doti Merikani.

Gerade als ich wieder hungrig wurde, kamen von den Arabern mehrere
Sklaven hintereinander mit Präsentirtellern voll vortrefflicher
Speisen. Zuerst entwickelte sich eine grosse Schüssel Reis und ein Napf
voll mit Curry gewürzter Hühner, dann ein Dutzend grosser Weizenkuchen,
ferner dampfendheisse Schmalzkuchen, Papaws, Granaten und Limonen.
Hierauf kamen Menschen, die fünf fette Höcker-Ochsen, acht Schafe und
zehn Ziegen trieben, und noch ein Mann mit einem Dutzend junger Hühner
und einem Dutzend frischer Eier. Dieses war echte, praktische, edle
Höflichkeit, eine so grossartige Gastfreundschaft, dass sie meine
Dankbarkeit mit Sturm eroberte.

Meine Leute, deren ich jetzt nur 25 hatte, waren über diese üppige
Fülle, die auf meinem Tische und Hofe sichtbar wurde, so erfreut,
wie ich selbst. Als ich sah, wie ihre Gesichter im Vorgefühl der zu
erwartenden Genüsse erglänzten, liess ich ein Bullenkalb schlachten und
unter sie vertheilen.

Am zweiten Tage nach der Ankunft der Expedition des „New York Herald“
in dem Lande, das ich nun als klassischen Boden ansah, seitdem Burton,
Speke und Grant ihn vor Jahren besucht und beschrieben, kamen die
arabischen Magnaten von Tabora, um mich zu beglückwünschen.

Tabora[6] ist die arabische Hauptniederlassung in Central-Afrika. Es
besteht aus mehr als tausend Hütten und Tembés und man kann die aus
Arabern, Wangwana und Eingeborenen zusammengesetzte Bevölkerung sicher
auf 5000 Köpfe schätzen. Zwischen Tabora und der nächsten Ansiedlung
Kwihara erheben sich zwei schroffe Bergkämme, die voneinander durch
einen niedrigen Sattel getrennt sind, über welchen Tabora stets von
Kwihara aus sichtbar ist.

Diese Araber waren stattliche, schöne Leute. Meist stammten sie aus
Oman; einige jedoch waren Waswahili. Jeder meiner Gäste hatte ein
ganzes Gefolge bei sich. In Tabora lebte man ganz luxuriös. Die Ebene,
auf welcher die Colonie liegt, ist sehr fruchtbar, obgleich baumlos.
Die reichen Weideplätze erlauben es, grosse Vieh- und Ziegenheerden
zu halten, von denen sie grosse Quantitäten Milch, Sahne, Butter und
Ghee (geklärte Butter) haben. Reis wird überall erbaut; ebenso sind
süsse Kartoffeln, Yams, Muhogo, Holcus sorghum, Mais, Sesam, Hirse,
Felderbsen oder Wicken, die Tschoroko heissen, billig und immer zu
haben. Um ihre Tembés bauen die Araber etwas Weizen zum eignen
Gebrauch und haben sich Orangen, Limonen, Papaws und Mangobäume
gepflanzt, die hier sehr schön gedeihen. Zwiebeln und Knoblauch,
Gurken, Tomaten und mancherlei anderes kann sich der Weisse von
den wohlhabendern Arabern verschaffen, die in ihrer Art zweifellos
Epikuräer sind. Wenigstens einmal im Jahre bringen ihnen ihre Sklaven
von der Küste Vorräthe an Thee, Kaffee, Zucker, Gewürzen, eingemachten
Säften, gewürzten Saucen, Wein, Branntwein, Zwieback, Sardinen, Lachs,
feinen Tuchen und allem, was sie für ihren eigenen persönlichen
Gebrauch bedürfen. Fast jeder Araber von Stande vermag einen Reichthum
an persischen Teppichen, luxuriösen Betten, vollständigen Thee- und
Kaffee-Servicen, schön verzierten Schüsseln von verzinntem Kupfer und
messingnen Waschbecken aufzuweisen. Fast alle haben Uhren und Ketten,
einige solche von Gold, andere aus geringerm Material. Und wie in
Persien, Afghanistan und der Türkei die Harems einen wesentlichen Zug
in dem Haushalte eines Arabers bilden, so tritt die Sinnlichkeit der
Mohammedaner hier ebenso deutlich hervor wie im Orient. Jeder Araber
hält sich je nach seinen Mitteln eine Anzahl Concubinen, denn er führt
hier das Leben ganz ebenso, wie in der „Stadt des Sieges“. Das Auge,
das zuerst das unklassische Gesicht der afrikanischen schwarzen Frau
verachtete, verliert bald den Blick für schöne Contouren und sanften
hellen Teint; es dauert nicht lauge, so haftet es lüstern an den
unharmonischen, schwerfälligen Curven der negerartigen Gestalt und
blickt liebend auf das breite, unintelligente Gesicht und die dunkeln
Augen, welche nie das blendende Liebeslicht widerstrahlen, das die
armen Menschenkinder erst schön macht.

Die Araber, welche jetzt vor der Vorderthür meines Tembé standen, waren
die Geber der vortrefflichen Dinge, die ich am Tage vorher bekommen.
Natürlich begrüsste ich, wie es mir die Pflicht gebot, zuerst Scheikh
Sayd; dann Scheikh bin Nasib, den Consul Seiner Hoheit des Fürsten von
Zanzibar in Karagwa; darauf den edelsten Trojaner unter der arabischen
Bevölkerung, sowol was Haltung, als was Muth und Manneswürde betrifft,
Scheikh Khamis bin Abdullah; ferner den jungen Amram bin Mussud, der
jetzt Krieg gegen den König von Urori und sein aufrührisches Volk
führt; sowie den stattlichen, muthigen Soud, den Sohn von Sayd bin
Madschid; hierauf den geckenhaften Thani bin Abdullah, wie auch Massud
bin Abdullah und seinen Vetter Abdullah bin Mussud, die Eigenthümer
der Häuser, in denen früher Burton und Speke gewohnt, und schliesslich
den bejahrten Suleiman Dowa, Sayd bin Sayf, sowie den alten Hetman von
Tabora, Scheikh Sultan bin Ali.

Da der Besuch dieser Magnaten, unter deren gütigen Schutz weisse
Reisende sich nothwendig begeben müssen, nur ein formeller war, wie
ihn die echte arabische, stets steife Etikette verlangt, so ist es
unnöthig, die Unterhaltung über meine Gesundheit und ihren Reichthum,
meinen Dank und ihre Versicherungen loyaler Anhänglichkeit gegen mich
zu erzählen. Nachdem wir unsern Vorrath an Beglückwünschungen und
sonstigen Abgeschmacktheiten verbraucht, begaben sie sich fort, nachdem
sie ihren Wunsch zu verstehen gegeben, ich möge sie in Tabora besuchen
und an einem Fest, das sie im Begriff waren, mir zu geben, theilnehmen.

Drei Tage später begab ich mich aus meinem Tembé, von 18 stattlich
gekleideten Männern als Gefolge begleitet, um in Tabora eine Visite
zu machen. Nachdem wir den Sattel, über den der Weg vom Thale von
Kwihara nach Tabora führt, überschritten, lag die Ebene, auf der sich
die arabische Colonie befindet, als eine Fläche dunklen Weidelandes
vor uns, das sich vom Fuss des uns zur Linken befindlichen Berges bis
an die Ufer des nördlichen Gombé erstreckte, die sich einige Meilen
jenseits Tabora zu purpurnen Hügeln und blauen Kegeln erheben.

Dreiviertel Stunden sassen wir auf der Lehm-Veranda des Tembé von
Sultan bin Ali, der wegen seines Alters, Reichthums und seiner Stellung
-- er ist Oberst in der nicht gerade lieblichen Armee des Seyyid
Barghasch -- von seinen Landsleuten hoch und niedrig als Rathgeber
und Helfer angesehen wird. Sein Boma oder eingehegtes Grundstück
enthält ein vollständiges Dorf von bienenkorbförmig gestalteten
Hütten und viereckigen Tembés. Von hier, wo wir eine Tasse Mokka und
etwas Scherbet genossen, lenkten wir unsere Schritte nach Khamis bin
Abdullah’s Haus, der, da er mich erwartet, ein Fest bereitet hatte, zu
dem er einige Freunde und Nachbarn eingeladen. Die Gruppe stattlicher
Araber in ihren langen, weissen Kostümen und grossen gewundenen,
gleichfalls schneeweissen Kopfbedeckungen, welche dastanden, um mich in
Tabora zu begrüssen, machte einen wirkungsvollen Eindruck auf mich. Ich
kam noch zur rechten Zeit, um einem Kriegsgericht, das sie abhielten,
beizuwohnen, und man bat mich, dazubleiben, da Selim, mein arabischer
Dolmetscher, auch mit dabei war.

Khamis bin Abdullah, ein kühner, tapferer Mann, der stets bereit ist,
für die Vorrechte der Araber einzutreten und ihr Recht, in jedem Lande
ehrlich Handel zu treiben, zu vertheidigen, ist derselbe, von dem Speke
in seiner „Entdeckung der Nilquellen“ uns erzählt, dass er Maula,
einen alten Häuptling, der sich mit Manwa Sera während der Kriege von
1860 verbündet hatte, erschoss; und der darauf, nachdem er seinen
unbarmherzigen Feind fünf Jahre lang durch Ugogo und Unyamwezi bis
Ukonongo gejagt, die Befriedigung genoss, ihn zu köpfen. Dieser drang
jetzt in die Araber, ihre Rechte gegen einen Häuptling, der Mirambo von
Uyoweh hiess, in einer bevorstehenden Krisis zu behaupten.

Dieser Mirambo von Uyoweh war, wie es scheint, in den letzten Jahren
in einem Zustand chronischer Unzufriedenheit mit der Politik der
benachbarten Häuptlinge gewesen. Früher Lastträger eines Arabers,
hatte er jetzt mit der gewissenlosen Schurken eigenen Gewandtheit, die
sich nicht darum kümmern, wie sie zur Gewalt kommen, die Königswürde
usurpirt. Als der Häuptling von Uyoweh starb, zog Mirambo, das Haupt
einer die Wälder von Wilyankuru unsicher machenden Räuberbande,
plötzlich in Uyoweh ein und machte sich mit Gewalt zum obersten
Herrn. Einige glückliche Kriegszüge, welche er zur Bereicherung aller
derer ausführte, die seine Autorität anerkannten, befestigten seine
Stellung. Doch war dies nur der Anfang. Er trug den Krieg durch Ugara
nach Ukonongo, durch Usagozi an die Grenze von Uvinza, und nachdem er
die über drei Breitengrade zerstreute Bevölkerung vernichtet, plante
er einen Ausfall gegen Mkasiwa und die Araber, weil sie ihn nicht in
seinen ehrgeizigen Plänen gegen ihren Verbündeten und Freund, mit dem
sie in Frieden lebten, unterstützen wollten.

Die erste Frevelthat, welche sich dieser verwegene Mann gegen die
Araber erlaubte, bestand darin, dass er eine nach Udschidschi bestimmte
Karavane aufhielt und von derselben fünf Fässer Schiesspulver, fünf
Gewehre und fünf Ballen Tuch verlangte. Diese aussergewöhnliche
Forderung wurde, nachdem man mehr als einen Tag im wildesten Streit
zugebracht, bezahlt; wenn aber die Araber schon über die ungeheuere
Abgabe, die ihnen abverlangt wurde, erstaunten, so waren sie noch
mehr entsetzt, als sie den Befehl erhielten, sich wieder auf den Weg
zurückzubegeben, auf dem sie hergekommen, und vernahmen, dass keine
arabische Karavane mehr durch dieses Land nach Udschidschi ziehen
solle, es sei denn über Mirambo’s Leiche.

Bei der Rückkehr der unglücklichen Araber nach Unyanyembé theilten sie
diese Thatsachen Scheikh Sayd bin Salim, dem Gouverneur der arabischen
Colonie, mit. Dieser alte Mann, der sehr gegen den Krieg war, versuchte
natürlich jedes Mittel, Mirambo dazu zu bewegen, sich wie früher mit
Geschenken zufrieden zu geben; Mirambo aber war diesmal hartnäckig
und fest entschlossen, Krieg zu führen, wenn ihm die Araber nicht in
seinen Kriegszügen gegen den alten Mkasiwa, Sultan der Wanyamwezi von
Unyanyembé beiständen.

„So stehen die Angelegenheiten jetzt“, sagte Khamis bin Abdullah.
„Mirambo sagt, Jahre lang wäre er gegen die benachbarten Waschensi im
Kriege gewesen und immer siegreich dabei geblieben. Das jetzige sei
ein grosses Jahr für ihn, er wolle die Araber und die Wanyamwezi von
Unyanyembé bekämpfen und nicht eher innehalten, bis er alle Araber
aus Unyanyembé vertrieben und über dieses Land an Stelle von Mkasiwa
herrsche. Kinder von Oman, soll das so sein? Sprich, Salim, Sohn von
Sayf, sollen wir diesem Mschensi (Heiden) entgegenziehen oder auf
unsere Insel zurückkehren?“

Ein Beifallsmurmeln folgte der Rede des Khamis bin Abdullah, da die
Mehrheit der Anwesenden junge Leute und begierig waren, den frechen
Mirambo zu züchtigen. Salim, der Sohn Sayf’s, ein alter Patriarch,
der langsam sprach, versuchte die Leidenschaften der jungen Leute,
Sprösslinge der Aristokratie von Muscat und Muttrah und Beduinen der
Wüste, zu besänftigen. Aber Khamis’ kühne Worte hatten einen zu tiefen
Eindruck auf ihre Gemüther gemacht.

Soud, der stattliche Araber, von dem ich schon gesprochen habe als
Sohn Sayd’s, des Sohnes Madschid’s, sagte: „Mein Vater pflegte mir
zu erzählen, wie er sich der Tage erinnere, da die Araber durch das
Land von Bagamoyo bis Udschidschi, von Kilwa bis Lunda, von Usenga
bis Uganda nur mit Stöcken bewaffnet ziehen konnten. Jene Tage
sind vorüber. Wir haben die Unverschämtheit der Wagogo lange genug
geduldet. Swaruru von Usui nimmt uns geradezu ab, was er will; und
jetzt haben wir es gar mit Mirambo zu thun, welcher, nachdem er
fünf Ballen Tuch als Tribut von einem einzigen Manne abgenommen,
uns erklärt, eine arabische Karavane solle nur über seine Leiche
nach Udschidschi gelangen können. Sind wir bereit, das Elfenbein von
Udschidschi, Urundi, Karagweh oder Uganda um dieses einen Mannes willen
aufzugeben? Ich sage, Krieg -- Krieg, bis wir seinen Bart unter unsere
Füsse getreten, Krieg, bis das ganze Uyoweh und Wilyankuru zerstört
ist; Krieg, bis wir wieder durch jeden Theil des Landes nur mit dem
Spazierstock in der Hand reisen können!“

Der allgemeine Beifall, welcher der Rede Soud’s folgte, bewies über
allen Zweifel, dass wir im Begriff waren, Krieg zu bekommen. Ich
dachte an Livingstone. Wenn dieser nun eben jetzt nach dem von Krieg
überzogenen Unyanyembé zu marschiren im Begriffe war?

Als ich hörte, dass die Araber die Absicht hatten, den Krieg rasch
innerhalb höchstens vierzehn Tagen zu beenden, da Uyoweh nur vier
Märsche weit entfernt war, so erbot ich mich freiwillig dazu, sie
zu begleiten, meine belasteten Karavanen bis Mfuto mitzunehmen,
sie daselbst unter Bedeckung einiger Wachen zu lassen und mit den
übrigen und der arabischen Armee weiter zu marschiren. Dann hoffte
ich, es würde möglich werden, nach der Besiegung von Mirambo und
seiner Waldbanditen -- der Ruga-Ruga -- eine Expedition auf dem jetzt
versperrten Wege direct nach Udschidschi zu führen. Die Araber waren
ihres Sieges sehr sicher und ich theilte ihre hoffnungsvolle Ansicht.

Der Kriegsrath wurde aufgehoben. Eine grosse Schüssel Reis und Curry
reichlich mit Mandeln, Citronen, Rosinen und Corinthen gemischt,
wurde hereingebracht, und es war wunderbar zu sehen, wie bald
unsere Kriegslust vergessen war, nachdem unsere Aufmerksamkeit auf
dieses vorzügliche Gericht gelenkt worden. Natürlich erhielt ich,
als Nicht-Mohammedaner, eine besondere Mahlzeit ähnlicher Art, noch
vermehrt durch Schüsseln voll Hühnerbraten, Kabobs, Schmalzkuchen,
andern Kuchen, Zuckerbrot, Früchten, Scherbet und Limonade,
Gummi-Bonbons und Süssigkeiten aus Muscat, Rosinen, Pflaumen und
Nüssen. Ohne Zweifel bewies mir Khamis bin Abdullah, dass er neben
seinem Kriegermuth doch auch dem gebildeten Geschmack, den er unter
dem Schatten der Mangos auf seines Vaters Gütern auf Zanzibar sich
angeeignet hat, sein Recht widerfahren lassen konnte.

Nachdem wir uns an diesen ungewöhnlichen Leckerbissen sehr satt
gegessen, begleiteten mich einige der Hauptaraber nach andern Tembés
in Tabora. Als wir Mussud bin Abdullah besuchten, zeigte er mir genau
den Ort, wo Burton’s und Speke’s Haus gestanden hatte, das jetzt
heruntergerissen und an dessen Stelle sein Büreau erbaut worden war.
Sny bin Amer’s Haus war auch abgebrochen und auf dessen Platz die jetzt
in Unyanyembé moderne Tembé erbaut worden, welche schön geschnittenes
Gebälk, grosse geschnitzte Thüren mit Messingklopfern und hohe,
schöne Zimmer hatte, ein Haus, das sowol zur Vertheidigung als zur
Bequemlichkeit dienen konnte.

Das schönste Haus in Unyanyembé gehört Amram bin Mussud, der 60
Frasileh Elfenbein, d. h. mehr als 3000 Dollars dafür bezahlt hat.
Man kann schon sehr schöne Häuser für 20-30 Frasileh Elfenbein haben.
Amram’s Haus heisst „Baherein“ („Die beiden Meere“). Es ist 100 Fuss
lang, 20 Fuss hoch und hat 4 Fuss dicke, zierlich mit Lehmmörtel
beworfene Wände. Die Hauptthür ist ein Wunder von Schnitzarbeit für die
Künstler von Unyanyembé. Ebenso ist auch jeder Balken im Hause schön
geschnitzt. Vor der Front des Hauses befindet sich eine junge Pflanzung
von Granatbäumen, die hier blühen, als ob sie auf heimischem Boden
ständen. Ein Schaduf oder Ziehbrunnen, wie man sie am Nil sehen kann,
dient dazu, die Gärten zu bewässern.

Gegen Abend gingen wir nach unserm schön gelegenen Tembé in Kwihara
zurück, sehr befriedigt durch das, was wir in Tabora gesehen. Meine
Leute trieben ein paar Ochsen vor sich her und brachten drei Säcke voll
dortigen ausgezeichneten Reis als Gastgeschenk des freigebigen Khamis
bin Abdullah heim.

In Unyanyembé fand ich die Livingstone-Karavane, von der meine Leser
sich erinnern müssen, dass sie auf das blosse Gerücht hin, der
englische „Balyuz“ Kirk käme nach Bagamoyo, erschreckt aufgebrochen
war. Da alle Karavanen wegen des in Aussicht stehenden Kriegs jetzt in
Unyanyembé hielten, äusserte ich zu Sayd bin Salim, es sei doch wol
besser, dass die Leute von der Livingstone-Karavane mit der meinigen in
meiner Tembé wohnten, damit ich die Güter des weissen Mannes bewachen
könne. Da Dr. Kirk mir niemals dazu Vollmacht ertheilt, die für
Livingstone bestimmten Waaren in meine Obhut zu nehmen, so konnte ich
natürlich dem Leiter der Karavane keine Befehle geben. Zum Glück war
Sayd bin Salim meiner Ansicht, und die Leute und Güter wurden sofort in
mein Tembé gebracht.

Eines Tages brachte mir Asmani, der jetzt Führer der
Livingstone-Karavane war, da der frühere kurz vorher an den Pocken
gestorben, ein Zelt auf die Veranda heraus, in der ich schrieb und
zeigte mir ein Briefpacket, das zu meinem Erstaunen die Adresse trug:
„An Dr. Livingstone in Udschidschi. 1. November 1870. Recommandirte
Briefe.“

Dies war der beste Beweis dafür, dass die Briefe an dem auf dem Beutel
angegebenen Datum eingesiegelt worden waren. Vom 1. November 1870 bis
zum 10. Februar 1871, gerade 100 Tage, hatten sie in Bagamoyo gelegen!
-- Eine elende, kleine Karavane von 33 Menschen hatte sich 100 Tage
in Bagamoyo, das nur 25 Meilen zu Wasser von Zanzibar entfernt ist,
aufgehalten. Armer Livingstone! Wer weiss, ob er nicht gerade wegen
des Mangels dieser Vorräthe, die so lange in der bequemen Nähe des
britischen Consulats gelegen und jetzt auch in Unyanyembé, Gott weiss
wie lange, aufgehalten werden, leidet! Die Karavane kam in Unyanyembé
etwas vor Mitte Mai an. Ungefähr in der letzten Hälfte des Mai fand die
erste Ruhestörung statt. Wäre diese Karavane bis Mitte März oder selbst
April angelangt, so hätte sie ohne Mühe nach Udschidschi weiter reisen
können. Ich fragte Asmani: „Wann sahen Sie Dr. Kirk zuletzt?“

„Ungefähr fünf oder sechs Wochen vor dem Ramadan.“

„Wann erhielten Sie dieses Briefpacket?“

„Am Tage ehe ich Zanzibar verliess, um nach Bagamoyo zu gehen.“

„Habt Ihr Dr. Kirk nicht in Bagamoyo gesehen, als er zur Jagd am
Kingani kam?“

„Nein, wir hörten, dass er kommen würde, und verliessen Bagamoyo.
Darauf erfuhren wir, er sei da gewesen. Zwei Tage jenseits Kikoka
hielten wir uns eine Woche auf, um auf die vier Leute der Begleitung zu
warten, welche noch nicht von Bagamoyo abgegangen waren.“

Am 7. Juli um 2 Uhr nachmittags sass ich auf dem Burzani, wie
gewöhnlich. Ich war in apathischer, niedergeschlagener Stimmung;
Schläfrigkeit überfiel mich. Zwar schlief ich nicht ein, doch schien
mir alle Kraft aus den Gliedern geschwunden zu sein. Dennoch war das
Gehirn beschäftigt; mein ganzes Leben zog im Geiste an mir vorüber.
Waren diese Scenen aus meiner Vergangenheit ernst, so sah ich auch
ernst aus; waren sie traurig, so weinte ich hysterisch; waren sie
freudig, so lachte ich laut auf. In rascher Folge drängten sich
Erinnerungen an die schweren Kämpfe und Drangsale eines noch jungen
Lebens in meinem Geiste; Ereignisse der Knabenzeit, der Jugend und
des Mannesalters; Gefahren, Reisescenen, Freuden und Bekümmernisse,
Liebe und Hass, Freundschaften und gleichgültige Verhältnisse gingen
wirr durcheinander. Meine Seele folgte den verschiedenen raschen
Wechselfällen meines Lebenslaufs. Sie stellte sich die langen
Irrfahrten, die krummen Pfade, die ich geführt worden, vor. Wenn ich
ihre Contouren auf dem sandigen Boden hingezeichnet hätte, welche
Räthsel hätten sich meiner Umgebung geboten und wie einfach und klar
waren sie mir!

Die lieblichste Gestalt in diesem Bilde war mir die eines edeln,
treuen Mannes, der mich Sohn nannte. Die lebhaftesten Eindrücke hatte
ich von meinem Leben in den grossen Fichtenwäldern von Arkansas und
Missouri. Die träumerischen Tage, die ich unter den ächzenden Tannen
der Ufer des Ouachita verbracht, die neue Lichtung, das Blockhaus,
unsere treuen schwarzen Diener, das Bild des Waldes und das prächtige
Leben, das ich führte -- alles lebte in meiner Erinnerung wieder auf.
Ich dachte daran, wie ich eines Tages, nachdem wir in die Nähe des
Mississippi gezogen, Hunderte von Meilen mit wilden Gesellen, den
riesigen Gestalten der Bootsleute dieses Flusses, hinuntersegelten und
wie der liebe alte Mann mich bei meiner Rückkehr begrüsste, als ob ich
vom Grabe heimgekehrt. Ich gedachte meiner Fussreisen durch das sonnige
Spanien und Frankreich, sowie unzähliger Abenteuer in Klein-Asien unter
den kurdischen Nomaden. Es schwebten mir die Schlachtfelder Amerikas
und die stürmischen Scenen des tobenden Krieges vor. Goldminen und
weite Prairien, Rathsversammlungen von Indianern, und manches Erlebniss
in den neuen Ländern im Westen traten mir vor die Seele. Lebhaft
erinnerte ich mich des Schreckens, den es mir verursachte, als ich,
heimgekehrt aus einem barbarischen Lande, das Unglück erfuhr, das dem
lieben Manne, den ich Vater nannte, zugestossen, und des angestrengten,
wechselvollen Lebens, das nun folgte. Halt! -- Mein Gott, ist das der
21. Juli? -- Ja. Shaw theilte mir mit, es sei der 21. Juli, als ich
von meinem schrecklichen Fieberanfall genesen. Das wirkliche Datum war
der 14.; aber erst als ich mit Dr. Livingstone zusammenkam, entdeckte
ich, dass eine Woche übersprungen war. Da erst prüften wir beide das
Nautische Jahrbuch, das ich besass, und es stellte sich heraus, dass
der Doctor sich um drei Wochen verrechnet und ich gleichfalls zu
meinem grossen Erstaunen mich um eine Woche geirrt hatte, und zwar um
acht Tage dem wirklichen Datum vorangeeilt war. Der Irrthum entstand
dadurch, dass man mir gesagt, ich sei zwei Wochen krank gewesen. Da
nun der Tag, wo ich wieder zu mir kam, ein Freitag war und Shaw sowie
die übrigen Leute bestimmt glaubten, ich sei zwei Wochen im Bette
gewesen, so datirte ich mein Tagebuch vom 21. Juli. Dass auch Shaw sich
verrechnet, lässt sich leicht erklären, denn das Fieber war im Begriff,
ihm nicht nur das Gedächtniss, sondern sogar den Verstand rasch zu
zerstören. Selim hatte mich nach klaren schriftlich aufgesetzten
Vorschriften, die ich ihm für einen solchen Fall gegeben, gepflegt.
Vorher hatte ich ihn fleissig in der Kenntniss und dem Gebrauch jedes
in meinem Kasten befindlichen Arzneimittels unterwiesen. Er theilte mir
mit, er habe mich mit Thee und etwas Branntwein ernährt, auch habe mir
Shaw drei- bis viermal etwas Sago-Abkochung gegeben. Am zehnten Tage
nach dem Anfang meiner Krankheit war ich jedoch wieder ganz wohlauf,
musste nun aber Shaw pflegen, welcher erkrankte. Am 22. Juli war Shaw
wieder gesund, dagegen legte sich Selim und stöhnte vier Tage lang im
Delirium; am 28. Juli jedoch waren wir sämmtlich wieder gesund und
freuten uns der Aussicht auf die Abwechselung, die uns ein Marsch gegen
Mirambo’s Veste darbieten sollte.

Am Morgen des 29. liess ich 50 Leute mit Zeugballen, Perlen und Draht
beladen, die nach Udschidschi bestimmt waren. Als ich ausserhalb des
Tembé Musterung über sie abhielt, fehlte blos Bombay. Während einige
Leute fortgingen, ihn aufzusuchen, begaben sich andere weg, um noch
einen Blick und einen Kuss von ihren schwarzen Delilas zu erhalten.
Man fand Bombay ungefähr um 2 Uhr nachmittags; sein Gesicht drückte
deutlich widerstreitende Leidenschaften aus, die ihn heimsuchten,
-- Schmerz über die Trennung von den Fleischtöpfen Unyanyembés, --
Bedauern darüber, dass er seine Dulcinea von Tabora verlassen und
alle Genüsse aufgeben müsse, -- die Aussicht auf anstrengende, lange
Märsche, -- auf Krieg und vielleicht -- den Tod. Es war daher kein
Wunder, dass Bombay, voll derartiger Empfindungen, sich widerspenstig
zeigte, als ich ihn an seine Stelle hinwies, und ich selbst war in
einer furchtbar schlechten Gemüthsverfassung, da ich von 8 Uhr morgens
bis 2 Uhr nachmittags auf ihn zu warten gehabt hatte. Ein Wort und ein
wüthender Blick, und heraus fuhr mein Stock auf Bombay’s Schulter,
als ob es jetzt mit ihm zu Ende gehen sollte. Ich glaube, dass die
gewaltige Wuth meines Zuschlagens seinen Eigensinn rascher brach, als
irgend sonst etwas, denn ehe ich ihm ein Dutzend Streiche beigebracht,
flehte er um Pardon. Bei diesem Worte hörte ich auf ihn zu bearbeiten,
denn es war das erste mal, dass er es gesprochen. Bombay war also
schliesslich besiegt.

„Marsch!“ -- Den Führer voran, zogen die 49 Mann ihm in feierlicher
Ordnung nach, jeder eine schwere Last afrikanischer Tauschwerthe,
sowie Flinte, Beil, Munitionsvorrath und Ugalitopf tragend. Wir boten
einen grossartigen Anblick dar, wie wir in Stille und Ordnung mit
fliegenden Fahnen abmarschirten, und die rothen wollenen Gewänder der
Leute im ziemlich starken, uns gerade in die Flanke wehenden Nordost
nachflatterten.

Auch schienen die Leute es zu wissen, dass sie nach etwas aussahen,
denn ich bemerkte, wie mehrere von ihnen eine martialischere Haltung
annahmen, als sie ihr vorzügliches Dschohotuch im Nacken vor dem Winde
herfliegen fühlten. Maganga, ein grosser Mnyamwezi, stolzirte daher wie
ein Goliath, der im Begriff ist, Mirambo und seine tausend Krieger ganz
allein zu bekämpfen. Der muntere Khamisi ging einem Löwen gleich unter
seiner Last einher, und der rohe Spassmacher, der unverbesserliche
Ulimengo, nahm den leisen Tritt einer Katze an. Sie konnten jedoch
nicht lange still bleiben, dazu war ihre Eitelkeit zu sehr angeregt,
die rothen Mäntel tanzten beständig vor ihren Augen, und es wäre ein
Wunder gewesen, wenn sie ein ernstes oder gar unzufriedenes Gebahren
länger als eine halbe Stunde hätten beibehalten können.

Ulimengo brach das Schweigen zuerst. Er hatte sich zum Kirangozi oder
Führer gemacht und war Träger der amerikanischen Flagge, von der die
Leute meinten, dass sie sicherlich Schrecken in das Herz des Feindes
tragen werde. Plötzlich wurde aus seinem Selbstvertrauen Tapferkeit
und Uebermuth; er blickte die Armee, die er führte, an und schrie:
„Hoy! Hoy!“, worauf der Chor ebenso antwortete: „Hoy! Hoy!“ Dieses
„Hoy! Hoy!“ wiederholte sich dann abwechselnd noch mehrfach.

„Wo zieht Ihr hin?“

Chor: „Wir ziehen in den Krieg.“

„Gegen wen?“

Chor: „Gegen Mirambo.“

„Wer ist Euer Herr?“

Chor: „Der weisse Mann.“

„Uff, Uff!“

Chor: „Uff, Uff!“

„Hyah! Hyah!“

Chor: „Hyah! Hyah!“

Diesen lächerlichen Gesang stimmten sie ohne Unterbrechung den ganzen
Tag an.

Am ersten Tag campirten wir in Bomboma’s Dorfe, das eine Meile
südwestlich von der natürlichen Bergveste Zimbili liegt. Bombay hatte
sich ganz von seinen Prügeln erholt und war die grämlichen Gedanken,
die meinen Zorn erregt, losgeworden. Da nun die Leute sich so gut
betragen, liess ich einen fünf Gallonen haltenden Topf mit Pombé
bringen, um die Tapferkeit, von der sie alle beseelt waren, noch weiter
anzuspornen.

Am zweiten Tage kamen wir in Masangi an. Bald darauf besuchte mich
Soud, der Sohn von Sayd bin Madschid, und theilte mir mit, die Araber
warteten auf mich und wollten nicht nach Mfuto marschiren, bis ich
angekommen sei.

Nach einem sechsstündigen Marsch, am dritten Tage nachdem wir
Unyanyembé verlassen, wurde Ost-Mfuto erreicht. Hier erkrankte Shaw,
legte sich auf die Strasse und erklärte, er müsse sterben. Diese
Nachricht wurde mir ungefähr um 4 Uhr nachmittags durch einen der
Nachzügler überbracht. Ich musste also Leute abschicken und ihn zu mir
ins Lager bringen lassen, obgleich ein jeder nach dem langen Marsche
recht ermüdet war. Eine Belohnung spornte ein Halbdutzend an, gerade
zur Dämmerung sich in den Wald zu wagen, um Shaw aufzusuchen, von dem
man annahm, dass er wenigstens drei Stunden vom Lagen entfernt sei.

Etwa um 2 Uhr morgens kamen meine Leute mit ihm zurück, nachdem sie ihn
das ganze Stück auf dem Rücken getragen hatten. Ich wurde aufgeweckt
und liess ihn in mein Zelt bringen, untersuchte ihn und überzeugte
mich, dass er durchaus kein Fieber habe. Auf meine Frage, wie er sich
befände, erwiderte er, er könne weder gehen noch reiten, fühle sich so
ungemein schwach und matt, dass er unfähig sei, sich weiter zu bewegen.
Nachdem ich ihm ein Glas Portwein in einem Napf Sagogrütze gegeben
hatte, schliefen wir beide ein.

Am nächsten Morgen in der Frühe kamen wir in Mfuto, dem Stelldichein
der arabischen Armee, an. Für den nächsten Tag war ein Halt anbefohlen,
damit wir uns an den Ochsen, deren wir viele geschlachtet, stärken
könnten.

Unsere Armee bestand aus folgendem Personal:

  Scheikh Sayd bin Salim               25 Halbblutleute
  Khamis bin Abdullah                 250 Sklaven
  Thani bin Abdullah                   80    „
  Mussud bin Abdullah                  75    „
  Abdullah bin Mussud                  80    „
  Ali bin Sayd bin Nasib              250    „
  Scheikh Nasur bin Mussud             50    „
     „    Hamed Kimiani                70    „
     „    Hamdam                       30    „
     „    Sayd bin Habib               50    „
     „    Salim bin Sayf              100    „
     „    Sunguru                      25    „
     „    Sarboko                      25    „
     „    Soud bin Sayd bin Madschid   50    „
     „    Mohammed bin Mussud          30    „
     „    Sayd bin Hamed               90    „
  Die Herald-Expedition                50 Soldaten
  Mkasiwa’s Wanyamwezi                800    „
  Halbblutleute und Wangwana          125    „
  Unabhängige Häuptlinge und deren
    Leute                             300    „

Das machte zusammen 2255 Menschen nach den mir von Thani bin Abdullah
gegebenen und von einem von Scheikh bin Nasib besoldeten Belutsch
bestätigten Zahlen. Von diesen Leuten waren 1500 mit Flinten und
Feuerschlossmusketen, deutschen und französischen Doppelflinten,
einigen englischen Enfield- und amerikanischen Springfieldgewehren
bewaffnet. Ausserdem hatten sie meist Speere und lange Messer, um die
Todten enthaupten und aus Rache verstümmeln zu können. Pulver und
Kugeln waren reichlich vorhanden; einige der Leute hatten je hundert
Schuss und von meinen Leuten erhielt jeder sechzig.

Als wir hinauszogen aus der Veste Mfuto, mit fliegenden Bannern,
welche die verschiedenen Befehlshaber bezeichneten, mit schallenden
Hörnern und fünfzig lärmenden Basstrommeln oder Gomas, unter
reichlichen Segnungen der Mollahs und glücklichen Prophezeiungen der
Wahrsager und Korandeuter, -- wer hätte da vorhersagen können, dass
diese grosse Macht noch ehe eine Woche verflossen in dieselbe Veste
Mfuto vollständig entmuthigt und demoralisirt so rasch wie möglich
zurückkehren würde?

Das Datum, an dem wir Mfuto verliessen, um in den Krieg mit Mirambo
zu ziehen, war der 3. August. Alle meine Güter waren in Mfuto
aufgespeichert und fertig, um nach Udschidschi transportirt zu werden,
sobald wir über den afrikanischen Häuptling gesiegt haben oder
wenigstens für alle Fälle gesichert sein würden.

Lange ehe wir Umanda erreichten, befand ich mich in meiner Hängematte
von wüthenden Wechselfieberanfällen heimgesucht, die erst spät in der
Nacht aufhörten.

In dem sechs Stunden von Mfuto entfernt liegenden Umanda beschmierten
sich die Krieger mit der Medizin, welche die Weisen für sie fabrizirt
hatten und die aus einer Mischung von Matama-Mehl und dem Saft eines
Krautes bestand, dessen Eigenschaften nur den Waganga der Wanyamwezi
bekannt sind.

Am 4. August um 6 Uhr morgens waren wir wiederum marschfertig; vorher
wurde jedoch das „Manneno“ oder die Rede von dem Redner der Wanyamwezi
gehalten:

[Illustration: ANGRIFF AUF MIRAMBO.

  I. S. 269.]

„Worte, Worte, Worte! Hört, Ihr Söhne von Mkasiwa, Ihr Kinder von
Unyamwezi! Der Marsch liegt vor Euch, die Diebe des Waldes erwarten
Euch. Ja, sie sind Diebe, denn sie plündern Euere Karavanen, sie
stehlen Euer Elfenbein, sie morden Euere Frauen. Sieh da, die Araber
sind bei Euch, die El Wali des arabischen Sultans, und der weisse Mann
sind bei Euch. Geht hin, der Sohn von Mkasiwa ist bei Euch! Kämpft,
tödtet, macht Sklaven, nehmt Tuch, nehmt Vieh, tödtet es, esst es und
macht Euch satt. Geht!“

Lautes, wildes Geschrei folgte dieser kühnen Anrede. Die Thore des
Dorfes wurden geöffnet und blau, roth und weiss gekleidete Soldaten
stürzten hinaus wie Gymnasten und feuerten ihre Flinten beständig ab,
um sich durch den Lärm zu ermuthigen oder Schrecken in das Herz derer
zu jagen, die uns in dem stark umhegten Zimbizo, der Ortschaft des
Sultans Kolongo, erwarteten.

Da Zimbizo nur fünf Stunden von Umanda entfernt ist, kamen wir um 11
Uhr in Sicht desselben. Wir hielten am Rande des bebauten Landes,
welches dasselbe sammt seinen Nachbardörfern umgibt, im Schatten des
Waldes. Strenger Befehl war von den verschiedenen Häuptlingen ertheilt
worden, nicht eher zu feuern, als bis sie in Schussweite von der Boma
entfernt seien.

Khamis bin Abdullah schlich durch den Wald nach dem Westen des Dorfes.
Die Wanyamwezi nahmen ihre Stellung vor dem Hauptthore und wurden von
den Truppen von Soud, dem Sohn Sayd’s, auf der Rechten und dem Sohn
von Habib auf der Linken unterstützt. Abdullah, Mussud, ich selbst und
andere trafen Vorbereitungen, die Ostpforte anzugreifen, wodurch das
ganze Dorf, mit einziger Ausnahme der Nordseite, wirksam eingeschlossen
war.

Plötzlich wurde ein Gewehrfeuer auf uns eröffnet, während wir aus dem
längs des Weges nach Unyanyembé sich hinziehenden Walde herauskamen, in
der Richtung, wo man den Anblick des Feindes erwartet hatte, und sofort
begannen die Angriffstruppen in prächtigster Weise darauf loszufeuern.
Es kamen zwar einige lächerliche Scenen vor, wo Leute sich anstellten,
als ob sie feuerten, dann aber mit der Behendigkeit hüpfender Frösche
auf die Seite, vor- oder rückwärts sprangen. Die Schlacht wurde jedoch
darum nicht weniger im Ernst geliefert. Die Hinterlader meiner Leute
verschlangen meine Metallpatronen viel schneller, als ich es gern sah;
zum Glück jedoch liess das Feuern nach und lustig stürzten wir vom
Westen, Süden, Norden ins Dorf, durch Thore und über hohe Umzäumungen,
die es umgaben. Die armen Bewohner flohen aus dem Gehege durch die
nördliche Pforte ins Gebirge, von den raschesten Läufern unserer Truppe
verfolgt und von hinten mit Kugeln aus den Hinterladern und Jagdflinten
beschossen.

Das Dorf war stark vertheidigt, und es fanden sich nicht mehr als 20
Leichname darin, da die feste, dicke Holzumzäumung eine vortreffliche
Schutzwehr gegen unsere Kugeln gebildet hatte.

Von Zimbizo zogen wir, nachdem wir eine hinreichende Truppenmacht
daselbst zurückgelassen, weiter und hatten in einer Stunde die Umgebung
vom Feinde gesäubert und noch zwei Dörfer genommen, die geplündert
und den Flammen übergeben wurden. Einige Elfenbeinzähne und etwa 50
Sklaven, sowie eine Masse Korn bildete die Beute, welche den Arabern
zufiel.

Am 5. durchstreifte eine Abtheilung Araber und Sklaven, in Stärke von
700 Mann, die Umgegend und trug Feuer und Verwüstung bis in das Boma
von Wilyankuru hin.

Am 6. führte Soud bin Sayd und etwa zwanzig junge Araber eine Truppe
von 500 Mann gegen Wilyankuru selbst, wo man annahm, dass Mirambo
sich aufhalte. Eine andere Abtheilung zog in die niedrigen von Wald
bestandenen Berge, die etwas nördlich von Zimbizo liegen, wo sie einen
jungen Walddieb im Schlaf überraschten, dem sie den Kopf vollständig
umdrehten und darauf abschnitten. Eine dritte Abtheilung machte sich
nach Süden auf und brachte einem Theil von Mirambo’s Buschräubern eine
Niederlage bei, wie wir gegen Mittag erfuhren.

Am Morgen war ich nach Sayd bin Salim’s Tembé gegangen, um ihm
vorzustellen, wie nöthig es sei, das lange Gras im Walde von Zimbizo
niederzubrennen, da es doch vielleicht Feinde verbergen könne. Bald
darauf jedoch bekam ich einen Anfall von Wechselfieber, der mich
niederwarf und nöthigte, mich in mein Lager zu begeben und in wollene
Decken zu hüllen, um zu schwitzen, was ich aber nicht eher that, als
bis ich Shaw und Bombay verboten, irgendeinen meiner Leute aus dem
Lager zu lassen. Ich hörte jedoch bald darauf von Selim, dass mehr als
die Hälfte derselben ausgezogen war, um mit Soud bin Sayd Wilyankuru
anzugreifen.

Etwa um 6 Uhr abends wurde das ganze Lager von Zimbizo von der
Nachricht erschreckt, dass alle Araber, die Soud bin Sayd begleitet,
getödtet und mehr als die Hälfte seiner Mannschaft erschlagen worden
seien. Einige meiner Leute kehrten zurück, und von ihnen erfuhr
ich, dass Uledi, der frühere Diener Grant’s, Mabruki Khatálabu (der
Vatermörder), Mabruki (der Kleine), Baruti von Useguhha und Ferahan
gefallen seien. Auch erzählten sie mir, es sei ihnen gelungen,
Wilyankuru in kurzer Zeit zu nehmen; Mirambo und sein Sohn seien
dagewesen; ersterer habe aber, nachdem sie eingezogen, seine Leute
versammelt und das Dorf verlassen. Hierauf habe er sich in das
Gras zu beiden Seiten des Weges zwischen Wilyankuru und Zimbizo
in den Hinterhalt gelegt und die Angreifer, als sie mit mehr denn
100 Elfenbeinzähnen, 60 Ballen Zeug und 2 bis 300 Sklaven auf dem
Heimwege gewesen, plötzlich auf beiden Seiten angegriffen und mit
den Speeren niedergemacht. Der tapfere Soud habe seine doppelläufige
Flinte abgeschossen und damit zwei Leute getödtet; wie er aber eben im
Begriff gewesen, abermals zu laden, habe ihn ein Speer getroffen und
durchbohrt. Alle übrigen Araber hätten dasselbe Schicksal erlitten.
Dieser plötzliche Angriff eines Feindes, den man für besiegt gehalten,
hatte die Mannschaft so demoralisirt, dass sie ihre Beute im Stich
liess und insgesammt davonlief. Erst nachdem die Leute einen weiten
Umweg durch die Wälder gemacht, kehrten sie nach Zimbizo zurück, um
ihre traurige Geschichte zu erzählen.

Die Wirkung dieser Niederlage ist gar nicht zu beschreiben. Es war
unmöglich, vor dem Geschrei der Weiber, deren Männer gefallen waren, zu
schlafen. Die ganze Nacht heulten und wehklagten sie, und dazwischen
hörte man das Stöhnen der Verwundeten, denen es gelungen war, vom
Feinde unbemerkt durch das Gras davon zu schleichen. Neue Flüchtlinge
kamen während der ganzen Nacht beständig an; von keinem meiner Leute
aber, die todt gesagt waren, wurde je wieder etwas gehört.

Am 7. zogen wir uns traurig und mistrauisch zurück; die Araber
beschuldigten sich gegenseitig, dass sie den Krieg angefangen,
ohne vorher alle friedlichen Mittel erschöpft zu haben. Stürmische
Kriegsversammlungen fanden statt, worin einige den Vorschlag machten,
sofort nach Unyanyembé zurückzukehren und in den Häusern zu bleiben.
Khamis bin Abdullah tobte als beschimpfter Fürst gegen die elende
Feigheit seiner Landsleute los. Diese stürmischen Versammlungen und
Vorschläge zum Rückzug wurden alsbald im ganzen Lager bekannt und
trugen mehr als irgendetwas anderes dazu bei, die verbündeten Truppen
der Wanyamwezi und Sklaven vollständig zu demoralisiren. Ich sandte
Bombay zu Sayd bin Salim mit dem Rath, nicht an einen Rückzug zu
denken, da dies nur Mirambo ermuthigen würde, den Kriegsschauplatz nach
Unyanyembé zu verlegen.

Nachdem ich Bombay mit dieser Botschaft abgeschickt, schlief ich ein,
wurde aber ungefähr um ½2 Uhr nachmittags von Selim mit den Worten
aufgeweckt: „Herr, stehen Sie auf; alles läuft fort und Khamis bin
Abdullah zieht selbst auch davon.“

Mit Hülfe von Selim kleidete ich mich an und wankte zur Thür. Mein
erster Anblick war der, wie Thani bin Abdullah fortgeschleppt wurde.
Als er mich erblickte, rief er: „Bana, rasch, Mirambo kommt!“ Dann
machte er sich ans Laufen und zog sich seine Jacke an, während ihm die
Augen vor Schrecken fast aus den Augenhöhlen zu treten schienen. Khamis
bin Abdullah war auch im Begriff, als letzter Araber abzuziehen. Zwei
meiner Leute wollten ihm eben folgen; doch gab ich Selim den Befehl,
diese mit einem Revolver zum Bleiben zu zwingen. Shaw sattelte seinen
Esel mit meinem Sattel, in der Absicht, mich zu verlassen und der
Barmherzigkeit Mirambo’s anheimzugeben. Es blieben mir nur Bombay,
Mabruki-Speke und Dschanda, welcher sein Mittagessen mit Gemüthsruhe
verzehrte, Mabruk Unyanyembé, Mtamani, Dschuma und Sarmian, also nur
sieben von fünfzig. Alle andern waren weggelaufen und jetzt schon über
alle Berge, ausser Uledi (Manwa Sera) und Zaidi, welche Selim mit
dem geladenen Revolver zurückgebracht hatte. Selim erhielt nun den
Befehl, meinen Esel zu satteln, und Bombay musste Shaw beim Satteln
des seinigen behülflich sein. In wenigen Augenblicken befanden wir uns
auf dem Wege, wobei die Leute sich immer nach dem verfolgenden Feinde
umsahen und die Esel mit Erfolg tüchtig antrieben, denn diese gingen
im scharfen Trabe, was mir grosse Schmerzen verursachte. Gern hätte
ich mich hingelegt, um zu sterben, das Leben hatte aber doch noch Reiz
für mich und ich hatte noch nicht alle Hoffnung aufgegeben, meine
Mission glücklich zu Ende führen zu können. Mein Geist war lebhaft mit
allerlei Plänen beschäftigt während der langen, einsamen Nachtstunden,
die wir dazu brauchten, um Mfuto zu erreichen, wohin die Araber sich
zurückgezogen. In dieser Nacht fiel Shaw von seinem Esel und wollte
nicht aufstehen, obgleich wir ihn dringend darum baten. Da ich selbst
nicht verzweifelte, so wünschte ich auch nicht, dass Shaw alle Hoffnung
aufgeben solle. Er wurde also wieder auf sein Thier gehoben und je
ein Mann ihm zur Seite gestellt, um ihn zu unterstützen. So ritten
wir durch die Dunkelheit. Um Mitternacht erreichten wir Mfuto sicher
und wurden sofort in das Dorf hineingelassen, aus dem wir so tapfer
hinausgezogen und in das wir so schmachbeladen zurückkehrten.

Ich fand, dass alle meine Leute vor Eintritt der Dunkelheit hier
angekommen waren. Ulimengo, der kühne Führer, der über seine Waffen
und unsere Streitmacht so sehr gefrohlockt hatte und des Sieges so
gewiss gewesen war, hatte den elfstündigen Marsch in sechs Stunden
zurückgelegt. Der stämmige Tschaupereh, den ich als den getreuesten
meiner Leute betrachtete, war nur eine halbe Stunde nach Ulimengo
angekommen, und der muntere Khamisi, der Geck, Redner und wilde
Demagoge, war als dritter dagewesen. Speke’s „Getreue“ hatten sich
ebenso feige bewiesen, wie irgendein anderer armer Neger. Nur Selim,
der junge Araber aus Jerusalem, war tapfer und treu gewesen. Denn
Shaw, obwol geborener Europäer, hatte sich als eine mindestens ebenso
niedrige, gemeine Seele wie irgendein Neger, wenn nicht noch schlimmer
gezeigt.

Ich fragte Selim: „Warum bist Du nicht auch fortgelaufen und hast
Deinen Herrn dem Tode überlassen?“

„O“, sagte der junge Araber naiv, „ich fürchtete, dass Sie mich
peitschen würden.“


  [6] Es gibt keinen Ort, der Kazeh heisst.




[Illustration: GRUPPE VON WANYAMWEZI.]




NEUNTES KAPITEL.

DAS LEBEN IN UNYANYEMBÉ. (Fortsetzung.)

  Die Araber ziehen sich nach Tabora zurück. -- Ich ziehe weiter. --
  Ankunft in Kwihara. -- Ich versuche eine andere Route. -- Meine Lage
  wird sehr ernst. -- Farquhar’s Tod wird berichtet. -- Niederlage
  der Araber in Tabora. -- Tod des Khamis bin Abdullah. -- Tabora in
  Flammen. -- Vorbereitungen zur Vertheidigung. -- Der philosophische
  Scheikh bin Nasib. -- Ich entschliesse mich, eine fliegende Karavane
  nach Udschidschi zu führen. -- Tod des Baruti. -- Meine Leute
  verlieren den Muth. -- Der kleine Bursche Kalulu. -- Taufe desselben.
  -- Mirambo greift Mfuto an und wird zurückgeschlagen. -- Selim
  im Fieber-Delirium. -- Zwei Führer: Asmani und Mabruki. -- Mein
  Entschluss, Livingstone bestimmt aufzufinden.


Es fiel den arabischen Grössen nicht ein, dass ich Ursache habe, mich
über sie zu beklagen, dass ich ein Recht habe, mich durch ihre schnöde
Desertion verletzt zu fühlen; ich, der ich aus Freundschaftspflicht
zu ihren Gunsten zu den Waffen gegriffen. Am nächsten Morgen nach dem
Rückzuge liessen sie mir ihre Salaams zutheil werden, als ob gar nichts
passirt sei, das die guten Beziehungen zwischen uns gestört haben
könnte.

Kaum hatten sie aber Platz genommen, als ich ihnen erklärte, sie
möchten, da der Krieg nur zwischen ihnen und Mirambo ausgebrochen sei
und wol bedeutend mehr Zeit in Anspruch nehmen werde, als ich daran
wenden könne, namentlich wenn sie nach jedem kleinen Unfall weglaufen
wollten, mich, nachdem sie ihre Verwundeten und Kranken auf dem Felde
sich selbst überlassen, nicht mehr als Verbündeten ansehen. „Ich bin
überzeugt“, sagte ich, „nachdem ich Euere Art zu kämpfen angesehen,
dass der Krieg nicht in so kurzer Zeit beendet sein wird, als Ihr es
glaubt. Es hat Euch, wie ich höre, fünf Jahre gekostet, Manwa Sera zu
besiegen und zu tödten, und Ihr werdet gewiss Mirambo nicht in weniger
als einem Jahre überwältigen. Ich bin als Weisser an eine andere Art
der Kriegführung gewöhnt und verstehe etwas vom Kämpfen, habe aber
noch nie Leute aus einem Lager wie das unsrige in Zimbizo aus einem so
geringfügigen Grunde, wie bei Euch, weglaufen sehen. Dadurch habt Ihr
Mirambo aufgefordert, Euch nach Unyanyembé zu folgen, und Ihr könnt
Euch darauf verlassen, er wird es thun.“

Die Araber versicherten einer nach dem andern, sie hätten nicht die
Absicht gehabt, mich zu verlassen; die Wanyamwezi von Mkasiwa aber
hätten geschrien, der Musungu sei fort, und dieses Geschrei hätte einen
panischen Schrecken unter ihren Leuten hervorgerufen, der sich nicht
habe aufhalten lassen.

Später an demselben Tage setzten die Araber ihren Rückzug bis Tabora
fort, welches 22 Meilen von Mfuto entfernt ist. Ich beschloss,
langsamer zu reisen, und am zweiten Tage nach der Flucht von Zimbizo
marschirte meine Expedition mit allen Vorräthen zurück nach Masangi,
und erst am dritten nach Kwihara.

Die hier folgenden Auszüge aus meinem Tagebuche werden am besten die
Gefühle und Gedanken an den Tag legen, die mich um diese Zeit, nach
unserer schmachvollen Flucht, bewegten.

+Kwihara, Freitag, 11. August 1871.+ Heute aus Zimbili, dem Dorfe
Bomboma’s, angekommen. Ich bin ganz enttäuscht und fast entmuthigt,
habe aber einen Trost: ich habe den Arabern gegenüber meine Pflicht
gethan und zwar weil ich glaubte, dass ich es ihnen wegen der Güte,
mit der sie mich empfangen, schuldig sei. Jetzt jedoch habe ich meine
Schuld abgetragen und fühle mich wieder frei, kann wieder meinen
eigenen Weg gehen. Ich freue mich aus mehrfachen Gründen, dass ich
meine Schuld mit so geringen Opfern losgeworden. Hätte ich mein Leben
bei diesem Unternehmen eingebüsst, so wäre das nur eine gerechte
Strafe gewesen. Aber ausser meiner Verpflichtung gegen die Araber lag
die Nothwendigkeit vor, alles zu versuchen, um Livingstone rasch zu
erreichen. Dieser Weg, den der Krieg mit Mirambo versperrt, führt von
hier in einem Monate nach Udschidschi, und wenn er durch meine Beihülfe
rascher als ohne dieselbe wieder frei werden konnte, warum sollte ich
sie verweigern? Zum zweiten male ist der Versuch gemacht worden, nach
Udschidschi zu kommen und -- beide sind fehlgeschlagen. Jetzt werde
ich einen andern Weg versuchen, denn durch den Norden hinzuziehen
würde Thorheit sein. Mirambo’s Mutter und Volk und die Wasui liegen
zwischen mir und Udschidschi, ganz abgesehen von den Watuta, die
seine Verbündeten und Räuber sind. Die südliche Route scheint mir die
praktischere zu sein. Zwar wissen nur wenige Menschen etwas von dem
Lande im Süden und die, welche ich darum befragt habe, sprechen von
Wassermangel und räuberischen Wazavira als ernstlichen Hindernissen,
sowie dass es dort nur wenige Ansiedlungen gibt und diese weit
auseinanderliegen.

Ehe ich es aber wagen kann, diese neue Route einzuschlagen, muss ich
mir neue Leute miethen, da die, welche ich nach Mfuto mitgenommen, ihre
Verpflichtung als erloschen ansehen und der Tod von fünf Kameraden
ihre Reiselust etwas gedämpft hat. Es ist unnütz zu hoffen, dass
ich Wanyamwezi bekommen werde, denn es ist gegen ihre Gewohnheit,
Karavanen während Kriegszeiten als Lastträger zu begleiten. Daher ist
meine Lage eine sehr ernste und ich hätte Entschuldigung genug, nach
der Küste zurückzukehren, aber mein Gewissen gestattet mir dies nicht,
nachdem ich so viel Geld ausgegeben und man so grosses Vertrauen auf
mich gesetzt hat. Fürwahr, ich fühle es, dass ich lieber sterben als
zurückkehren muss.

+Sonnabend, 12. August.+ Meine Leute sind, wie ich vorausgesehen,
fortgelaufen. Sie behaupteten, ich hätte sie gemiethet, um über
Mirambo’s Weg nach Udschidschi zu gehen. Jetzt habe ich nur 13 übrig.
Wohin kann ich mit diesem kleinen Trupp gehen? Mehr als 100 Lasten
habe ich in meiner Vorrathskammer. Livingstone’s Karavane ist auch
hier; seine Güter bestehen aus 17 Ballen Tuch, 12 Kisten und 6 Beuteln
Perlen. Seine Leute schwelgen hier im besten, was das Land nur bietet.

Wenn Livingstone in Udschidschi ist, so ist er jetzt wegen Mangel an
Subsistenzmitteln ausser Stande, fortzuziehen. Auch ich kann mich
als in Unyanyembé eingeschlossen ansehen und werde wol kaum nach
Udschidschi gehen können, bis der Krieg mit Mirambo vorüber ist.
Livingstone kann seine Waaren nicht bekommen, denn sie sind hier bei
mir. Nach Zanzibar kann er auch nicht zurückkehren und der Weg nach
dem Nil ist ihm ebenfalls versperrt. Zwar könnte er vielleicht, wenn
er Leute und Vorräthe hat, Baker erreichen, indem er nach Norden durch
Urundi, Ruanda, Karagwah, Uganda, Unyoro und Ubari nach Gondokoro
zieht. Pagazi kann er aber nicht bekommen, denn die Quellen, aus denen
man sie bezieht, sind verstopft. Es ist durchaus falsch, anzunehmen,
Livingstone könne, trotz aller seiner Energie, ohne Begleitung und
einen ausreichenden Vorrath von marktüblichem Zeug und Perlen durch
Afrika reisen.

Heute erzählte mir ein Mann, Livingstone sei, als er vom See Nyassa
nach dem Tanganika reiste (gerade zur Zeit, wo man ihn für ermordet
hielt), mit Sayd bin Omar’s Karavane zusammengetroffen, die nach Ulamba
zog. Damals reiste er mit Mohammed bin Gharib. Dieser Araber, der von
Urungu kam, sah Livingstone in Tschi-cumbi’s- oder Kwa-tschi-kumbi’s
Lande und reiste mit ihm später, wie ich höre, nach Manyuema oder
Manyema. Manyema liegt 40 Märsche nördlich vom Nyassa. Livingstone
ging damals zu Fuss und war in amerikanischer Leinwand gekleidet. Er
hatte all sein Tuch im See Liemba verloren, als er in einem Boot über
denselben setzte. Damals hatte er drei Nachen bei sich. In dem einen
befand sich sein Tuch, im andern seine Kisten und einige Mannschaft,
ins dritte war er selbst mit zwei Dienern und zwei Fischern gestiegen.
Das Boot mit dem Tuch schlug um. Von Nyassa ging Livingstone nach
Ubissa, von dort nach Uemba und von da nach Urungu. Er trug eine
Mütze, hatte einen doppelläufigen gezogenen Hinterlader bei sich, für
Sprengkugeln eingerichtet. Auch war er mit zwei Revolvern bewaffnet.
Die Wahiyau, welche bei Livingstone waren, hatten diesem Manne erzählt,
ihr Herr habe viele Leute bei sich gehabt, mehrere davon seien ihm aber
desertirt.

+13. August.+ Heute kam eine Karavane von der Seeküste an. Sie
berichtete, dass William Lawrence Farquhar, den ich in Mpwapwa in
Usagara krank zurückgelassen hatte, und sein Koch gestorben seien.
Farquhar sei einige Tage, nachdem ich in Ugogo eingezogen, gestorben,
sein Koch ein paar Wochen später. Mein erster Impuls war der Gedanke an
Rache. Ich glaubte nämlich, dass Leukole falsch gegen mich gehandelt
und ihn vergiftet habe oder dass er sonst irgendwie ermordet worden
sei. Eine persönliche Unterredung mit dem Mswahili jedoch, der mir die
Nachricht überbrachte und erzählte, Farquhar sei seiner schrecklichen
Krankheit erlegen, befreite mich von diesem Verdacht. Soweit ich ihn
verstehen konnte, hätte Farquhar an dem Morgen des Tages sich für wohl
genug gehalten, weiterzuziehen, war aber beim Versuche aufzustehen,
zurückgefallen und gestorben. Auch erfuhr ich, dass die Wasagara, da
sie manche abergläubische Ansichten in Bezug auf die Todten haben,
Dschako beauftragt hätten, den Körper zur Beerdigung hinauszuschaffen
und dass dieser, ausser Stande, ihn zu tragen, ihn in ein Dickicht
geschleppt und daselbst, ohne ihn mit Erde oder sonstwie zuzudecken,
nackt hätte liegen lassen.

„Da ist also einer von uns dahin, mein lieber Shaw! Wer wird wol der
nächste sein?“ sagte ich an dem Abend zu meinem Gefährten.

+14. August.+ Einige Briefe nach Zanzibar geschrieben. Shaw wurde
gestern Abend sehr krank. Ob es Fieber ist oder was sonst, weiss ich
nicht. Ich glaube nicht, dass es Fieber ist. Ich fürchte, es ist eine
durch Ansteckung zugezogene Krankheit. Ich habe keine Arzneien dafür;
daher habe ich drei Soldaten nach Zanzibar geschickt, nachdem ich ihnen
je 50 Dollars versprochen, damit sie sich recht beeilten.

+19. August, Sonnabend.+ Meine Soldaten sind damit beschäftigt,
Perlen aufzureihen. Shaw liegt noch zu Bett. Wir hören, dass Mirambo
im Begriff ist, gegen Unyanyembé zu ziehen. Eine Abtheilung Araber
ist mit ihren Sklaven heute Morgen ausgezogen, um sich des Pulvers
zu bemächtigen, das der gefürchtete Scheikh Sayd bin Salim, der
Oberbefehlshaber der arabischen Ansiedlungen, dort gelassen hat.

+21. August, Montag.+ Shaw noch krank. 100 Fundo Perlen sind
aufgezogen. Die Araber bereiten sich auf einen neuen Ausfall gegen
Mirambo vor. Heute Morgen hat Sayd bin Salim geleugnet, dass Mirambo
gegen Unyanyembé vorgeht.


+22. August.+ Als wir heute Morgen Perlen aufreihten, hörten wir
ungefähr um 10 Uhr ein beständiges Feuern aus der Gegend von Tabora.
Wir stürzten von unserer Arbeit an die Vorderthür, von wo aus man nach
Tabora sieht und hörten deutlich bedeutendes Kleingewehrfeuer und
zerstreutes Schiessen. Als ich auf das Dach meiner Tembé stieg, sah
ich mit meinen Gläsern den Rauch der Flinten. Einige meiner Leute, die
ich ausschickte, um die Ursache zu ermitteln, kamen mit der Nachricht
zurück, Mirambo habe Tabora mit mehr als 2000 Mann angegriffen und
eine Schar von mehr als 1000 Watuta, die sich mit ihm des Raubes wegen
verbündet, habe plötzlich Tabora auch von andern Seiten angegriffen.

Später am Tage, ungefähr gegen Mittag, sahen wir, als wir den niedrigen
Sattel, über welchem man Tabora erblicken kann, beobachteten,
denselben von Flüchtlingen aus jener Colonie dicht besetzt, die zu uns
nach Kwihara um Schutz flohen. Von diesen Leuten erhielten wir die
traurige Nachricht, dass der edle Khamis bin Abdullah, sein kleiner
Schützling Khamis, Mohammed bin Abdullah, Ibrahim bin Raschid und
Sayf, der Sohn Ali’s, des Sohnes von Scheikh, des Sohnes von Nasib,
erschlagen worden seien.

Als ich mich nach den Einzelheiten des Angriffs und der Todesart dieser
Araber erkundigte, hörte ich, Khamis bin Abdullah sei nebst einigen
gerade bei ihm anwesenden Hauptarabern nach dem ersten Feuer, das die
Einwohner von Tabora von dem feindlichen Ueberfalle benachrichtigte,
auf das Dach seines Tembé gestiegen und habe mit dem Fernglase nach der
Richtung geschaut, woher das Feuern kam. Zu seiner grossen Verwunderung
habe man die Ebene von Tabora von heranrückenden Wilden erfüllt gesehen
und etwa zwei Meilen davon, nahe bei Kazima, ein aufgeschlagenes Zelt
erblickt, von dem er wusste, dass es Mirambo gehöre, weil es ihm von
den Arabern von Tabora, als sie noch in guten Beziehungen zueinander
standen, geschenkt worden war.

Khamis bin Abdullah sei nun mit den Worten ins Haus hinabgestiegen:
„Lasst uns ihm entgegenziehen. Bewaffnet Euch, meine Freunde, und
begleitet mich!“ Seine Freunde riethen ihm sehr, sein Tembé nicht zu
verlassen, denn solange ein jeder Araber sich in seinem Tembé hielte,
seien sie den verbündeten Ruga-Ruga und Watuta über und über gewachsen.
Khamis aber rief ungeduldig aus: „Würdet Ihr uns rathen, aus Furcht
vor diesem Mschensi (Heiden) in unsern Tembés zu bleiben? Wer geht
mit mir?“ -- Sein kleiner Schützling, Khamis, der Sohn eines todten
Freundes, bat um die Erlaubniss, ihm seine Flinte zu tragen; Mohammed
bin Abdullah, Ibrahim bin Raschid und Sayf, der Sohn Ali’s, lauter
junge Araber aus guten Familien, die stolz darauf waren, mit dem edlen
Khamis zusammenzuleben, erboten sich auch, ihn zu begleiten. Nachdem
er hastig 80 Sklaven bewaffnet hatte, machte er sich, entgegen dem
Rathe seiner vorsichtigeren Freunde, auf den Weg und befand sich bald
seinem schlauen und entschlossenen Gegner Mirambo gegenüber. Als
dieser die Araber auf sich zukommen sah, liess er Befehl zu langsamem
Rückzug geben. Khamis, hierdurch getäuscht, stürzte sich mit seinen
Freunden hinter Mirambo her. Plötzlich aber liess dieser seine Leute
in geschlossener Ordnung gegen sie vorrücken und bei dem Anblick des
rasch gegen sie unternommenen Sturmlaufs ergriffen Khamis’ Sklaven die
wilde Flucht und überliessen, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen,
ihren Herrn dem Schicksal, das ihn jetzt ereilte. Die Wilden umgaben
nämlich die fünf Araber und schossen, wennschon einige von ihnen auch
von den Schüssen der Araber fielen, so lange auf die kleine Schar, bis
Khamis bin Abdullah selbst eine Kugel ins Bein bekam, sodass er auf
die Knie sank. Jetzt erst kam er zur Erkenntniss, dass er von seinen
Sklaven verlassen sei. Trotz seiner Wunden fuhr der tapfere Mann fort
zu schiessen, bald darauf aber traf ihn eine Kugel ins Herz. Der kleine
Khamis rief darauf, als er seinen Adoptivvater fallen sah: „Mein Vater
Khamis ist todt, ich will mit ihm sterben,“ und kämpfte weiter, bis
auch er bald darauf seine Todeswunde bekam. Einige Augenblicke später
war kein einziger Araber mehr am Leben.

Spät am Abend kamen uns einige Einzelheiten über diese tragische Scene
zu. Leute, welche die Körper gesehen hatten, erzählten mir, dass die
Leiche des edlen, tapfern, stattlichen Khamis bin Abdullah von den
wilden Verbündeten Mirambo’s arg verstümmelt worden sei. Man habe ihm
die Stirnhaut, Bart und Haut von dem untern Theil des Gesichts, die
Nasenspitze, das auf dem Magen und Unterleib befindliche Fett, die
Genitalien und schliesslich ein Stück von den Fersen abgeschnitten.
In demselben Zustand fand man die Leiche seines Adoptivsohnes und
seiner gefallenen Freunde. Die auf solche Weise den Leichnamen
entnommenen Fleisch- und Hautpartien hatten natürlich die Waganga oder
Medicinmänner sich angeeignet, um aus ihnen das kräftigste Gebräu
zu fabriziren, das nach ihrer Ansicht einen Menschen gegen seine
Feinde stark macht. Dieses Getränk wird mit ihrem Ugali und Reis
zusammengemischt und dann mit dem vollkommensten Vertrauen auf seine
Wirksamkeit als feiendes Mittel gegen Kugeln und sonstige Geschosse
getrunken.

Es war ein sehr trauriger Anblick, von unserm aufgeregten Kwihara aus
fast ganz Tabora in Flammen zu erblicken und Hunderte von Leuten zu uns
strömen zu sehen.

Da ich die Bereitschaft meiner Leute, zu mir zu halten, wahrnahm, so
machte ich Vorbereitungen zur Vertheidigung, indem ich Schiessscharten
für die Musketen in die starken Lehmmauern meines Tembé bohrte. Wir
machten sie so rasch und sie schienen so vortrefflich für eine wirksame
Vertheidigung des Tembé geeignet zu sein, dass meine Leute ganz
kampflustig wurden und mit Flinten bewaffnete aus Tabora vertriebene
Wangwana-Flüchtlinge darum baten, in unser Tembé eingelassen zu werden,
um bei seiner Vertheidigung mitzuwirken. Auch Livingstone’s Leute
wurden versammelt und aufgefordert, ihres Herrn Güter gegen Mirambo’s
vermeintlichen Angriff zu vertheidigen. Zur Nacht hatte ich 150
Bewaffnete in meinem Hofraum, welche an jedem Punkt aufgestellt waren,
an dem ein Angriff zu erwarten war. Mirambo hat gedroht, er werde
morgen nach Kwihara kommen. Ich hoffe zu Gott, er wird kommen und wenn
er ins Bereich eines amerikanischen gezogenen Gewehrs sich verläuft, so
will ich doch sehen, welche Kraft in amerikanischem Blei liegt.

+23. August.+ Wir haben im Thale von Kwihara einen sehr
angstvollen Tag verlebt. Unsere Augen waren beständig auf das
unglückliche Tabora gerichtet. Man hat uns gesagt, dass nur drei
Tembés die Hitze des Angriffs ausgehalten haben. Abid bin Suliman’s
Haus ist zerstört und mehr als 200 Elfenbeinzähne, die ihm gehörten,
sind das Eigenthum dieses afrikanischen Bonaparte geworden. Mein Tembé
ist so gut ausgerüstet, als seine Bauart und Vertheidigungsmittel es
gestatten. Schiessgruben umgeben das Haus von aussen, und alle Hütten
der Eingeborenen, welche die Aussicht behinderten, sind niedergerissen,
alle Bäume und Sträucher, die als Schutz für einen Feind hätten
dienen können, sind abgehauen. Wasser und Vorräthe für sechs Tage
sind hereingebracht. Ich habe Munition genug auf zwei Wochen und,
ohne zu prahlen, glaube ich nicht, dass 10,000 Afrikaner das Haus
nehmen könnten, obwol 4-500 Europäer es leicht ohne Kanonen zu thun
vermöchten. Mit Kanonen wären 50 Europäer im Stande, es zu bewältigen.
Die Mauern sind 3 Fuss dick und die Gemächer liegen so ineinander, dass
eine verzweifelte Männerschar lange kämpfen könnte, bis der letzte Raum
genommen wäre.

Meine Nachbarn, die Araber, bemühen sich, tapfer zu erscheinen; es ist
jedoch offenbar, dass sie in Verzweiflung sind. Gerüchtweise verlautet,
dass die Araber von Kwihara, wenn Tabora genommen ist, in Masse zur
Küste eilen und das Land Mirambo überlassen wollen. Wenn dies ihre
Absichten sind und sie dieselben wirklich ausführen, so werde ich mich
in einer schönen Situation befinden. Wenn sie mich jedoch wirklich
verlassen, so wird Mirambo keinen Vortheil von meinen und Livingstone’s
Vorräthen haben, denn ich werde das ganze Haus und alles, was sich
darin befindet, verbrennen. Das ist mein Entschluss. Aber was in aller
Welt wird aus Shaw werden? In einer solchen kritischen Lage würde ihn
niemand tragen.

+24. August.+ Die amerikanische Flagge weht noch über meinem Hause
und die Araber sind noch in Unyanyembé.

Ungefähr um 10 Uhr morgens kam ein Bote von Tabora mit der Frage,
ob wir sie nicht gegen Mirambo unterstützen wollten. Anfangs fühlte
ich mich sehr geneigt, ihnen zu helfen; nachdem ich aber die Sache
gründlich erwogen und mir die Fragen vorgelegt hatte: ob es klug sei?
ob ich verpflichtet sei zu gehen? was aus meinen Leuten werden würde,
wenn ich getödtet sei? ob sie mich wieder im Stich lassen würden? und
an das Schicksal des Khamis bin Abdullah dachte, liess ich ihnen sagen,
dass ich nicht kommen werde; sie müssten sich ja in ihren Tembés gegen
die Truppenmacht Mirambo’s völlig sicher fühlen; ich würde mich sehr
freuen, wenn sie ihn dazu bringen könnten, nach Kwihara zu kommen, in
welchem Falle ich es versuchen würde, ihn todtzuschiessen.

Mirambo und seine Hauptoffiziere sollen Schirme über den Köpfen tragen
und er selbst langes Haar wie ein Mnyamwezi-Pagazi und einen Bart
haben. Sollte er kommen, so werden alle mit Schirmen versehenen Leute
von einem Regen von Kugeln überschüttet werden in der Hoffnung, dass
eine so glücklich sei, ihn zu treffen. Nach den Vorstellungen des
Volkes sollte ich mir eine Kugel aus Silber giessen; ich habe aber kein
Silber bei mir. Allenfalls könnte ich mir eine aus Gold anfertigen.

Um 12 Uhr ging ich zu Scheikh bin Nasib und liess ungefähr 100 Leute
in meinem Hause, um es während meiner Abwesenheit zu bewachen. Dieser
alte Mann ist in seiner Art ein vollständiger Philosoph. Ich möchte
ihn einen Professor der praktischen Philosophie nennen. Gewöhnlich ist
er voll Sentenzen und Aphorismen und ein sehr bedächtiger Charakter.
Ich war also erstaunt, ihn in Verzweiflung zu finden, seine Aphorismen
haben ihn im Stich gelassen, seine Philosophie ist nicht im Stande
gewesen, sich im Unglück zu bewähren. Er hörte mir mehr wie ein
Sterbender, als wie ein Mann zu, der alle Mittel zur Vertheidigung und
zum Angriff besitzt.

Ich habe ihm seinen Zweipfünder mit Kugeln, Schrot und kleingehackten
Eisenstücken geladen und ihm den Rath ertheilt, denselben nicht früher
abzufeuern, als bis Mirambo’s Leute vor seinen Thoren wären.

Um 4 Uhr nachmittags hörte ich, dass Mirambo sich nach Kazima, einem
einige Meilen nordwestlich von Tabora belegenen Ort, begeben habe.

+26. August.+ Heute Morgen zogen die Araber aus, um Kazima
anzugreifen, gaben es aber wieder auf, weil Mirambo um einen Tag Frist
gebeten hatte, um das Fleisch, das er ihnen gestohlen, verzehren zu
können. Er hat sie unverschämterweise eingeladen, morgen früh zu
kommen, zu welcher Zeit er sie gründlich durchklopfen werde.

Kwihara hat sein friedfertiges Aussehen wieder erlangt; Flüchtlinge
drängen sich nicht mehr verzweifelt in der engen Räumlichkeit umher.

+27. August.+ Mirambo hat sich während der Nacht zurückgezogen,
und als die Araber sich mit einer Truppenmacht auf den Weg machten, um
das Dorf Kazima anzugreifen, fanden sie es leer.

Die Araber halten heute Kriegsrath und Zusammenkünfte, die sie sehr zu
lieben scheinen, nach denen sie aber nur langsam zur That schreiten.
So z. B. waren sie im Begriff, sich mit den Watuta des Nordens zu
verbünden; Mirambo ist ihnen jedoch darin zuvorgekommen. Ferner
sprachen sie davon, Mirambo’s Gebiet zum zweiten mal zu überfallen;
Mirambo aber hat Unyanyembé mit Feuer und Schwert überzogen, manchem
Haushalt den Tod gebracht und ihre Edelsten erschlagen.

Die Araber bringen ihre Stunden mit blossen Reden zu, während doch
die Strassen nach Udschidschi und Karagweh ihnen unzugänglicher denn
je sind. In der That sprechen viele einflussreiche Araber davon, nach
Zanzibar zurückzukehren, indem sie behaupten: Unyanyembé sei zu Grunde
gerichtet. Ich habe alle Achtung vor ihnen verloren.

Da ich die Unmöglichkeit einsehe, mir Wanyamwezi-Pagazi zu
verschaffen, miethe ich mittlerweile zu meiner Reise nach Udschidschi
Wangwana-Ueberläufer, die in Unyanyembé wohnen, zu dreifachen
Preisen; habe aber nicht viel Erfolg dabei. Einem jeden werden 30
Doti angeboten, während der gewöhnliche Miethpreis eines Lastträgers
nur 5-10 Doti bis nach Udschidschi beträgt. Ich brauche 50 Menschen
und beabsichtige 60-70 Lasten hier unter der Obhut einer Wache
zurückzulassen. Mit Ausnahme eines kleinen Koffers werde ich mein
ganzes persönliches Gepäck hier lassen.

+28. August.+ Heute keine Nachricht von Mirambo. Shaw wird wieder
kräftiger.

Scheikh bin Nasib hat mich heute besucht, hatte mir aber, ausser seinen
kleinen philosophischen Aussprüchen, nichts zu sagen.

Ich habe mich entschlossen, nachdem ich mir das Land angesehen, eine
fliegende Karavane auf einer südlichen Strasse durch das nördliche
Ukonongu und Ukawendi nach Udschidschi zu führen. Heute Abend hat
Scheikh bin Nasib diesen Entschluss erfahren.

+29. August.+ Shaw ist heute aufgestanden, um ein wenig zu
arbeiten. Doch ach! alle meine schönen feingesponnenen Pläne, zu Boot
über den Victoria-Nyanza und dann den Nil hinabzugehen, sind, wie
ich fürchte, an diesem Kriege mit Mirambo, dem schwarzen Bonaparte,
vollständig gescheitert. Zwei Monate schon sind hier vergeudet. Die
Araber nehmen sich so viel Zeit, um schlüssig zu werden. Rathschläge
und Worte haben sie genug, so viel wie Grashalme in unserm Thal, aber
es fehlt an Entschlossenheit. Die Hoffnung und Stütze der Araber ist
todt, seitdem Khamis bin Abdullah nicht mehr ist. Wo sind jetzt die
Krieger, von denen die Barden der Wangwana und Wanyamwezi singen? Wo
ist der mächtige Kisesa -- der grosse Abdullah bin Nasib? Wo ist der
Sayd, der Sohn des Madschid? Kisesa ist in Zanzibar und Sayd, Sohn des
Madschid, befindet sich in Udschidschi und weiss noch gar nicht, dass
sein Sohn im Walde von Wilyankuru gefallen ist.

Shaw wird rasch besser. Es gelingt mir noch immer nicht, Soldaten zu
bekommen. Fast verzweifle ich daran, je im Stande zu sein, von hier
fortzukommen. Es ist ein so schläfriges, träumendes, langsames Land.
Die Araber, Wangwana, Wanyamwezi sind alle gleich; niemand von ihnen
bekümmert sich um die Flüchtigkeit der Zeit. Ihr „Morgen“ bedeutet
bisweilen einen Monat. Für mich ist das geradezu zum Tollwerden.

+30. August.+ Shaw will nicht arbeiten. Ich kann ihn nicht dazu
bewegen, sich zu rühren; habe ihn mit Bitten und Schmeicheleien
bestürmt, ihm sogar kleine Leckerbissen gekocht. Während ich aber jeden
Nerv anspanne, um nach Udschidschi zu kommen, begnügt sich jener damit,
theilnahmlos zuzusehen. Wie hat sich doch der kühne, gewandte Mann seit
Zanzibar verändert!

Heute setzte ich mich mit meiner Handarbeit an seine Seite, um ihn
zu ermuthigen und habe ihm zum ersten mal die eigentliche Aufgabe
meiner Mission mitgetheilt. Ich erzählte ihm, dass mir die Geographie
des Landes nicht halb so sehr am Herzen liege, als das Auffinden
Livingstone’s. Zum ersten mal sagte ich ihm: „Nun, mein lieber
Shaw, Sie glauben wol, dass ich hergeschickt bin, um die Tiefe des
Tanganika zu messen? Durchaus nicht, mein Freund; man hat mir befohlen,
Livingstone aufzusuchen. Um Livingstone’s willen bin ich hier, nur
seinetwegen habe ich mich auf die Reise begeben. Sehen Sie nicht, alter
Freund, die Wichtigkeit dieser Mission ein? Begreifen Sie nicht, dass
Sie einen grossen Lohn von Herrn Bennett bekommen werden, wenn Sie mir
helfen? Ich bin fest überzeugt, dass, wenn Sie je nach New York kommen,
Sie nie um eine 50 Dollarnote verlegen sein werden. Also werden Sie
munter, tummeln Sie sich und sehen Sie heiter aus! Sagen Sie sich, Sie
wollen nicht sterben, das ist schon der halbe Kampf. Lachen Sie über
das Fieber, dann will ich Ihnen garantiren, dass das Fieber Sie nicht
tödtet. Ich habe Medizin genug für ein Regiment bei mir.“

Umsonst, -- ich sprach wie zu einer leblosen Mumie. Zwar wurden seine
Augen etwas heller, aber das Licht derselben wurde bald schwächer und
schwand. Ich wurde ganz entmuthigt; machte etwas starken Punsch, um
ihm Feuer in die Adern zu giessen, auf dass ich wieder Leben in ihm
sähe. Ich bereitete den Punsch mit Zucker und Eiern und machte ihn
mit Limonen und Gewürz schmackhaft. „Trinken Sie doch, Shaw“, sagte
ich, „und vergessen Sie Ihre elenden Leiden. Athmen Sie mir doch nicht
so ins Gesicht, als ob Sie im Begriff wären, zu sterben. Lassen Sie
diese Grimassen. Sie sind nicht krank, theurer Freund; es ist blosse
Langeweile, die Sie fühlen. Sehen Sie sich den Selim an. Ich will um
sonst etwas wetten, dass er nicht stirbt und dass ich ihn sicher zu
seinen Freunden nach Jerusalem zurückbringe. Sie werde ich auch wieder
in die Heimat führen, wenn Sie es mir gestatten wollen.“

Er rauchte seine widerliche Pfeife weiter. Wenn man seinen Athem hörte,
so meinte man, er sei im Sterben, aber er ist nicht einmal krank.
Erst neulich sagte er mir, er kenne alle die Manöver alter Seeleute,
die sie anwenden, um sich auf dem Meere von der Arbeit zu drücken.
Ich bin überzeugt, dass er auch mir solch einen Streich spielt.
Dieses Wechselfieber! -- ich kenne ja jedes Stadium desselben und bin
überzeugt, dass er es nicht hat.

Bestimmt glaube ich, dass, wenn ich einen Stock nehme, ich ihm diesen
Unsinn ausprügeln könnte.

+1. September.+ Nach dem Bericht von Thani bin Abdullah, den ich
heute in seinem Tembé in Maroro besucht habe, hat Mirambo bei seinem
Angriff auf Tabora 200 Mann verloren. Der Verlust der Araber besteht
aus 5 Arabern, 13 Freien und 8 Sklaven; ausserdem sind 3 Tembés und
mehr als 100 kleine Hütten verbrannt und 280 Elfenbeinzähne, 60 Kühe
und Bullenkälber weggenommen.

+3. September.+ Ein Packet Briefe und Zeitungen von Kapitän Webb
in Zanzibar erhalten. Wie schön ist es, dass Freunde selbst im fernen
Amerika des Abwesenden in Afrika gedenken! Man sagt mir, dass niemand
eine Ahnung davon hat, dass ich schon in Afrika bin.

Ich habe mich heute an Scheikh bin Nasib gewandt, damit er
Livingstone’s Karavane unter meiner Führung nach Udschidschi gehen
lasse; er wollte aber gar nichts davon hören und ist überzeugt, ich
gehe meinem Tode entgegen.

+4. September.+ Heute ist Shaw ganz wohl, wie er sagt, aber Selim
liegt am Fieber darnieder. Die Zahl meiner Leute mehrt sich allmählich,
obgleich einige meiner alten Soldaten fortfallen. Umgareza ist blind;
Baruti hat die Pocken in sehr hohem Grade; Bilali eine merkwürdige
Krankheit, ein Geschwür oder so etwas am Rücken, und Sadala hat das
Mukunguru (Wechselfieber).

+5. September.+ Heute Morgen ist Baruti gestorben. Er war einer
meiner besten Soldaten und gehörte zu den Begleitern Speke’s in
Aegypten. Dies ist der siebente Todte, den ich seit Zanzibar habe.

Heute haben mir die Berichte der Araber über den Zustand des Landes,
durch das ich zu reisen beabsichtige, das Leben schwer gemacht. „Die
Wege sind schlecht und sämmtlich versperrt; die Ruga-Ruga schwärmen in
den Wäldern; die Wakonongo kommen vom Süden, um Mirambo zu helfen; die
Waschensi befinden sich untereinander im Kriege.“ Meine Leute werden
entmuthigt, sie sind von den Befürchtungen der Araber und Wanyamwezi
angesteckt. Bombay fängt an zu meinen, dass ich besser daran thäte,
jetzt zur Küste zurückzukehren und später einen neuen Versuch zu machen.

Wir haben Baruti unter dem Schatten des Bananenbaumes, einige Schritt
westlich von meinem Tembé begraben. Das Grab wurde 4½ Fuss tief und
3 Fuss breit gemacht. Am Grunde desselben wurde auf einer Seite ein
schmaler Graben ausgehöhlt, in den der Leichnam auf die Seite gerollt
wurde, das Gesicht nach Mekka gewandt. Die Leiche war in 1½ Doti neue
amerikanische Leinwand gekleidet. Nachdem sie richtig in ihr enges Bett
gebracht worden, wurde ein herabhängendes Dach aus Stöcken gebaut,
das mit Matten und altem Segeltuch bedeckt wurde, um zu verhindern,
dass Erde auf den Körper falle. Dann wurde das Grab unter dem lustigen
Gelächter der Soldaten zugeschüttet; darauf ein kleiner Busch auf
dasselbe gepflanzt und in ein kleines mit der Hand gemachtes Loch
Wasser gegossen für den Fall, dass er, wie sie sagten, auf seinem Wege
ins Paradies durstig werde. Schliesslich wurde das ganze Grab mit
Wasser bespritzt und der Kürbis gebrochen. Nachdem diese Ceremonie
beendet, sagten die Leute das arabische Fat-hah her, worauf sie das
Grab ihres todten Kameraden verliessen, um nicht weiter an ihn zu
denken.

+7. September.+ Ein Araber, namens Mohammed, hat mich heute mit
einem kleinen Sklaven beschenkt, der Ndugu M’hali (meines Bruders
Reichthum) heisst. Da ich den Namen nicht liebte, rief ich die
Hauptleute meiner Karavane zusammen und ersuchte sie, ihm einen bessern
zu geben. Der eine meinte, Simba (ein Löwe), der andere sagte, Ngombe
(eine Kuh) würde geeignet für den kleinen Jungen sein. Wieder ein
anderer meinte, er solle Mirambo heissen, was ein lautes Gelächter
hervorrief. Bombay meinte, Bombay Mdogo würde für meinen kleinen
Schwarzen sehr passend sein. Ulimengo aber bezeichnete, nachdem er
sich die raschen Augen und flinken Bewegungen des Kleinen angesehen,
den Namen Ka-lu-lu als den geeignetsten, „denn“, sagte er, „sehen Sie
sich nur seine hellen Augen, seine schlanke Gestalt, seine raschen
Bewegungen an; ja, Kalulu ist sein Name.“ -- „Ja, Bana“, sagten die
andern, „lassen Sie ihn Kalulu heissen.“ Kalulu ist nämlich ein
Kiswahili-Ausdruck für das Junge der blauen Antilope (perpusilla).

„Gut“, sagte ich, nachdem Wasser in einer grossen Zinnpfanne gebracht
worden und Selim, der bereit war, sein Pathe zu sein, ihn über dasselbe
gehalten, „möge sein Name von jetzt an Ka-lu-lu heissen und niemand
ihm denselben rauben!“ So kam Mohammed’s kleiner Schwarzer zu dem Namen
Kalulu.

Die Expedition nimmt an Zahl zu, sie besteht jetzt aus zwei Weissen,
einem arabischen Knaben, einem Hindu, 29 Wangwana, einem Jungen von
Londa (Cazembés), einem von Nganda und einem von Liemba oder Uwemba.

Ehe es dunkelte wurden wir stark alarmirt. Wir hörten nämlich viel
Feuern in Tabora, was uns einen Angriff auf Kwihara fürchten liess. Es
erwies sich aber, dass es nur Salutschüsse zu Ehren der Ankunft von
Sultan Kitambi waren, der dem Sultan von Unyanyembé, Mkasiwa, einen
Besuch abstatten wollte.

+8. September.+ Gegen Abend hat Scheikh bin Nasib einen Brief
von einem Araber in Mfuto erhalten mit dem Bericht, dass dieser Ort
von Mirambo und seinen Watutaverbündeten angegriffen worden sei. Auch
rieth er ihm, die Leute von Kwihara bereit zu halten, denn wenn es
Mirambo gelänge, Mfuto zu erstürmen, so würde er direct auf Kwihara
losmarschiren.

+9. September.+ Gestern wurde Mirambo mit grossem Verlust bei
seinem Angriff auf Mfuto zurückgeschlagen. Es gelang ihm zwar, ein
kleines Wanyamwezi-Dorf anzugreifen, als er aber Mfuto stürmte,
wurde er mit schweren Verlusten zurückgeworfen. Er hat dabei drei
seiner vorzüglichsten Leute eingebüsst. Nachdem er seine Truppen
zurückgezogen, machten die Einwohner einen Ausfall und folgten ihm bis
an den Wald von Umanda, wo er abermals völlig in die Flucht geschlagen
wurde und selbst in schmählicher Weise vom Felde floh.

Die Köpfe seiner im Angriff erschlagenen Hauptleute wurden nach
Kwikuru, dem Boma von Mkasiwa, gebracht.

+11. September.+ Shaw ist ein sentimentaler Schwätzer und hat eine
gute Portion von Joseph Surface’s Grundsätzen an sich. Zu Zeiten kann
er ganz beredt über die Laster der Menschen, namentlich der Reichen,
sprechen. Seine Philippiken über diesen Gegenstand verdienten eine
bessere Zuhörerschaft als ich.

Er ist häufig ganz in sich selbst vertieft und in dieser Beziehung das
gerade Gegentheil von Jack Bunsby. Statt den Horizont anzusehen, blickt
er auf den Boden mit einem Blick, der zu sagen scheint, es ist irgendwo
etwas nicht richtig, ich suche es eben festzustellen, wo es ist und wie
man es in Ordnung bringen kann.

Heute erzählte er mir, sein Vater sei Kapitän in der britischen Marine
und er selbst bei vier Levées der Königin Victoria anwesend gewesen.
Dies ist jedoch kaum der Fall, da ich mir nicht vorstellen kann, dass
der Sohn eines Marinekapitäns so wenig mit der Feder Bescheid weiss,
dass er kaum im Stande ist, seinen eigenen Namen zu schreiben. Auch
sehe ich nicht ein, wie es möglich ist, dass er der Königin vorgestellt
sei, denn man hat mir immer gesagt, der Hof von St. James sei der
aristokratischste von Europa.

Auf mich ist er aber sehr böse, weil ich ihn auslache, und er hat
soeben eine Batterie von seinen Sentimentalitäten auf mich losgelassen,
die mich fast zur Verzweiflung darüber bringt, dass ich mich mit einem
solchen Narren belastet habe.

+14. September.+ Selim, der junge Araber, delirirt vor anhaltendem
Fieber. Shaw ist wieder krank oder simulirt es zu sein. Diese beiden
nehmen meine Zeit hauptsächlich in Anspruch. Ich bin geradezu
Krankenwärter geworden, denn ich habe niemand, der mich bei der
Pflege unterstützt. Wenn ich es versuche, Abdul Kader in der Kunst
sich nützlich zu machen, zu unterrichten, so ist sein Kopf von den
schrecklichen Dünsten des Unyamwezischen Tabacks so benebelt, dass er
ganz verwirrt herumläuft, Schüsseln zerbricht und gekochte Leckerbissen
umwirft, bis ich so ärgerlich werde, dass ich auf eine ganze Stunde
meine Gemüthsruhe verliere. Wenn ich Feradschi, der jetzt förmlich als
mein Koch installirt ist, darum bitte, mir beizustehen, so gelingt es
seinem dicken Holzkopf nicht, einen Gedanken zu fassen, und ich bin
daher genöthigt, selbst die Rolle des Küchenmeisters zu übernehmen.

+15. September.+ Der dritte Monat meines Aufenthalts in Unyanyembé
ist fast zu Ende und ich bin noch hier, hoffe aber doch, binnen acht
Tagen endlich abziehen zu können.

Die ganze Nacht hindurch bis morgens 9 Uhr haben meine Soldaten
getanzt und gesungen zu Ehren ihrer todten Kameraden, deren Gebeine
jetzt in den Wäldern von Wilyankuru bleichen. Zwei oder drei grosse
Töpfe voll Pombé genügten nicht, um den wüthenden Durst, welchen diese
lebhafte Bewegung erzeugt hatte, zu stillen. Daher wurde ich heute
Morgen zeitig darum gebeten, ein Schukka für einen weitern Topf dieses
kräftigen Getränks herzugeben.

Heute war ich damit beschäftigt, die Last für jeden Soldaten und
Gepäckträger auszusuchen. Um ihnen ihre Mühe so viel wie möglich zu
erleichtern, habe ich jede Last statt 70 blos 50 Pfund schwer gemacht,
wodurch ich hoffe, lange Märsche machen zu können. Ich bin im Stande
gewesen, während der letzten Tage 10 Pagazi zu miethen.

Einige meiner Leute sind noch sehr krank und es ist fast unnütz zu
erwarten, dass sie im Stande sein werden, irgendetwas zu tragen; ich
hoffe aber, andere Leute an ihrer Stelle zu bekommen, ehe der Tag der
Abreise da ist, der sich jetzt rasch zu nähern scheint.

+16. September.+ Wir haben unsere Arbeit fast beendet und werden,
so Gott will, am fünften Tage von jetzt ab, marschiren. Ich habe noch
zwei Pagazi sowie zwei Führer angenommen, die Asmani und Mabruki
heissen. Wenn eine ungeheuere Gestalt irgend jemand erschrecken könnte,
so müsste Asmani’s Aussehen diese Wirkung hervorrufen. Er ist mehr als
sechs Fuss hoch ohne Schuhe und hat Schultern, die für zwei gewöhnliche
Menschen breit genug sind.

Morgen beabsichtige ich, den Leuten einen Abschiedsschmauss zu geben,
um ihren Fortgang von diesem abstossenden, unglücklichen Lande zu
feiern.

+17. September.+ Das Bankett ist vorüber. Ich habe zwei
Bullenkälber schlachten, ein ganzes Schwein rösten und ausserdem noch
3 Schafe, 2 Ziegen, 15 Hühner, 120 Pfund Reis, 20 grosse, aus Mais
bestehende Laibe Brot, 100 Eier, 10 Pfund Butter und 5 Gallonen süsser
Milch zum Bankett geben lassen. Die Leute luden sich ihre Freunde und
Nachbarn ein und etwa 100 Frauen und Kinder nahmen daran theil.

Als das Bankett beendet war, wurde Pombé, das hiesige Bier, in fünf
Töpfen von je einer Gallone aufgetragen und die Leute fingen an zu
tanzen und thun das noch jetzt, wo ich schreibe.

+19. September.+ Heute hatte ich einen leichten Fieberanfall, der
unsere Abreise verzögert hat. Selim und Shaw haben sich beide erholt.
Der erstere erzählt mir, Shaw habe gemeint, ich werde wie ein Esel
sterben, und dann werde er meine Tagebücher und Koffer in Verwahrung
nehmen und sofort zur Küste eilen. Heute Nachmittag soll er gesagt
haben, er beabsichtige nicht, nach Udschidschi zu gehen, sondern wolle,
wenn ich fort sei, sich einen Vorrath von Hühnern auf dem Hofe und eine
Kuh anschaffen, um jeden Tag frische Eier und Milch zu haben.

Abends kam Shaw, als mein Fieber seinen Höhepunkt erreicht hatte, zu
mir, um mich zu fragen, an wen er im Falle meines Todes schreiben
solle. „Denn“, sagte er, „selbst die stärksten Leute können sterben.“
Ich befahl ihm, sich zu entfernen, um seine eigenen Sachen zu kümmern
und nicht stets um mich herumzukrächzen.

Etwa um 8 Uhr abends kam Scheikh bin Nasib zu mir und bat mich, morgen
nicht fortzuziehen, da ich so krank sei. Thani Sakhburi meinte sogar,
ich könne noch einen Monat dableiben; worauf ich ihm sagte, die Weissen
seien nicht gewohnt, ihr Wort zu brechen. Ich habe gesagt, ich werde
gehen und daher würde ich es auch thun.

Scheikh bin Nasib gab alle Hoffnung auf, mich dazu zu bewegen, noch
einen Tag zu bleiben, und ist mit dem Versprechen fortgegangen, Seyyid
Barghasch zu schreiben und ihm zu berichten, wie eigensinnig ich sei
und dass ich entschlossen sei, mich tödten zu lassen. Dies bot eine
kleine Abschiedsscene.

Um 10 Uhr abends war das Fieber vorüber. Ausser mir schlief alles im
Tembé und ein Gefühl unaussprechlicher Einsamkeit überkam mich, wie
ich an meine Lage und Absichten dachte und den vollständigen Mangel
an Sympathie bei allen, die mich umgaben, wahrnahm. Selbst mein
weisser Gehülfe, mit dem ich mir so viele Mühe gegeben, empfand noch
weniger Sympathie für mich, als mein kleiner schwarzer Knabe Kalulu.
Es gehört mehr Kraft als ich besitze dazu, alle dunkeln Vorahnungen
des Gemüths zu zerstreuen. Doch ist das, was ich Vorahnung nenne,
wol einfach die Folge der Warnungen, welche diese treulosen Araber
mir so häufig ausgesprochen haben. Diese Melancholie, dieses Gefühl
der Verlassenheit, rühren wol auch davon her. Auch ist das einzelne
Licht, das die Dunkelheit meiner Stubenecken kaum erhellt, gerade kein
Mittel, mich heiterer zu stimmen. Es ist mir zu Muthe, als sei ich in
Steinmauern gefangen. Warum soll ich mich aber durch Warnungen und
Gekrächze dieser dummen Araber quälen lassen? Ein Verdacht steigt in
mir auf, während ich dies schreibe, dass noch irgendein anderes Motiv
dahinterstecke. Ich möchte wol wissen, ob diese Araber mich in der
Hoffnung hier behalten wollen, dass ich dazu gebracht werden könnte,
ihnen noch einmal in ihrem Kriege mit Mirambo beizustehen! Wenn sie das
glauben, so irren sie sich sehr; denn ich habe einen feierlichen Eid
geschworen, den ich halten will, solange mir noch eine Lebenshoffnung
bleibt, mich von dem gefassten Entschluss nicht abbringen zu lassen,
solange zu suchen, bis ich Livingstone lebendig oder todt aufgefunden
habe und nicht ohne die stärksten Beweise für dessen Leben oder Tod
nach Hause zu kehren. Kein Lebender soll mich daran hindern; nur der
Tod kann es. Doch nein! selbst der nicht, denn ich werde, will und
kann nicht sterben! Ein gewisses, unbekanntes Etwas, sei es nun die
mir eigene stets rege Hoffnungsseligkeit oder eine aus einer grossen
Lebenskraft entspringende natürliche Kühnheit oder das Produkt eines
überschwänglichen Selbstvertrauens -- gleichviel -- ein Etwas sagt mir
heute Abend: +ich werde ihn ganz bestimmt finden+. Schon diese
blossen Worte inspiriren mich. Ich fühle mich glücklicher. Habe ich
gebetet? Heute Nacht werde ich ruhig schlafen. -- --

       *       *       *       *       *

Die obigen Notizen habe ich mich veranlasst gesehen, aus meinem
Tagebuch abzuschreiben, da sie, als zur Zeit an Ort und Stelle
geschrieben, am besten die Wechselfälle meines Lebens in Unyanyembé
darstellen. Mir scheinen sie dies viel besser zu thun, als irgendeine
noch so plastische Beschreibung mein dortiges Leben charakterisiren
könnte. Sie sind gerade durch ihre Buchstäblichkeit nicht übertrieben,
sondern geben meine derzeitigen Empfindungen genau wieder. Sie wissen
von zahllosen Fiebern zu erzählen, die ich selbst und meine Leute
durchgemacht, ohne auf die Diagnose oder Untersuchung derselben
einzugehen, und berichten unsere Gefahren und kleinen Freuden, unsere
Qualen und Vergnügungen, wie sie gerade vorkamen.

[Illustration: KWIHARA.

  I. S. 297.]




ZEHNTES KAPITEL.

NACH MRERA IN UKONONGO.

  Aufbruch aus Kwihara. -- Bombay bekommt Prügel. -- Shaw wünscht
  zurückzubleiben. -- Ich zwinge ihn weiterzuziehen. -- Ein neuer
  Fieberanfall. -- Livingstone’s Briefträger fehlt. -- Ankunft in
  Kasegera. -- Shaw kann nicht mehr weiter und wird nach Kwihara
  zurückgeschickt. -- Die herrlichen Wälder von Unyamwezi. -- Wir
  kommen nach Ugunda. -- Das Mukunguru. -- Beschreibung dieses Fiebers.
  -- Eine prächtige Sykomore. -- Ein Opfer der Pocken. -- Zahlreiche
  Skelete auf dem Wege. -- Ankunft in Manyara. -- Streit mit dem
  Sultan über den Tribut. -- Er besucht mich. -- Eine Dosis Ammoniak.
  -- Verwunderung des Sultans. -- Das Paradies des Jägers. -- Meine
  erste Jagdbeute, eine Antilope. -- Zebrajagd. -- Abenteuer mit einem
  Krokodil. -- Zwei Jagdtage. -- Meuterei. -- Asmani und Mabruki legen
  auf mich an. -- Der Frieden wiederhergestellt. -- Bombay erhält
  wieder Prügel und wird in Ketten gelegt. -- Charakteristik meiner
  wichtigsten Leute. -- Ankunft in Ziwani. -- Der Honigvogel. --
  Utende. -- Mwaru. -- Ankunft in Mrera. -- Allerlei Arbeit.


UNYAMWEZI.

    Von Kwihara nach:   St. M.
  Mkwenkwe               1  30
  Inesuka                2  --
  Kasegera               3  --
  Kigandu                2  45
  Ugunda                 7  --
  Benta                  3  15
  Kikuru                 5  --
  Ziwani                 4  --
  Manyara                6  30

UKONONGO.

    Von Manyara nach:   St. M.
  Gombéfluss             4  15
  Ziwani                 5  20
  Tongoni                1  30
  Lager                  5  15
  Marefu                 3  --
  Utende                 7  15
  Mtoni                  4  --
  Mwaru                  5  15
  Mrera                  5  13

Der 20. September war da. An diesem Tage hatte ich beschlossen,
mich von den Leuten, die mich mit ihren Zweifeln, Befürchtungen und
Meinungen quälten, zu trennen und den Marsch nach Udschidschi auf einem
südlichen Wege anzutreten. Ich war sehr schwach vom Fieber, das mich am
Tage vorher gepackt hatte, und es war höchst thöricht, unter solchen
Umständen einen Marsch anzufangen. Ich hatte aber gegen Scheikh bin
Nasib damit renommirt, dass ein weisser Mann sein Wort nie bricht, und
mein Ruf als Weisser wäre ruinirt gewesen, wenn ich zurückgeblieben
oder den Marsch infolge von Schwäche verschoben hätte.

Ich musterte die ganze Karavane ausserhalb meines Tembé; unsere Fahnen
und Flaggen wurden entfaltet, die Leute hatten ihre Lasten auf die
Mauern abgelegt und lachten und schrien ihre Neger-Prahlereien gehörig
hinaus. Alle Araber, mit Ausnahme von Scheikh bin Nasib, den ich durch
meine eigensinnige Opposition gegen seine Wünsche verletzt, hatten sich
aus Neugierde versammelt, um Zeugen unserer Abreise zu sein. Der alte
Scheikh dagegen legte sich zu Bette, schickte aber seinen Sohn, um mir
noch ein Stückchen philosophischer Sentimentalität zu überbringen, die
ich als die letzten Worte des patriarchalischen Scheikh, des Sohnes von
Nasib, des Sohnes von Ali, des Sohnes von Sayf aufbewahren solle. Armer
Scheikh! hättest du gewusst, was diesem Eigensinn, dieser eselhaften
Störrigkeit, den falschen Weg einzuschlagen, zu Grunde lag, was würdest
du erst dann gesagt haben? Der Scheikh aber tröstete sich mit dem
Gedanken, dass ich wol besser wisse als er, was ich vorhabe. Auch ist
das sehr wahrscheinlich; doch wird weder er noch irgendein Araber ganz
genau das Motiv erfahren, das mich überhaupt zum Marsch nach Westen
trieb, wo doch der Weg nach Osten soviel leichter war.

Meine Tapfern, die ich für einen raschen Marsch nach einem unbestimmten
Ziele ausserhalb Unyanyembé angeworben, hiessen wie folgt:

   1. John William Shaw aus London.
   2. Selim Heschmy aus Jerusalem.
   3. Sidy Mbarak Mombay aus Zanzibar.
   4. Mabruki Speke          „
   5. Ulimengo               „
   6. Ambari                 „
   7. Uledi                  „
   8. Asmani                 „
   9. Sarmian                „
  10. Kamua                  „
  11. Zaidi                  „
  12. Khamisi                „
  13. Tschaupereh aus Bagamoyo.
  14. Kingaru         „
  15. Belali          „
  16. Ferous aus Unyanyembé.
  17. Rodschab aus Bagamoyo.
  18. Mabruk Unyanyembé aus Unyanyembé.
  19. Mtamani aus Unyanyembé.
  20. Tschanda aus Maroro.
  21. Sadala aus Zanzibar.
  22. Kombo      „
  23. Saburi der Grosse aus Maroro.
  24. Saburi der Kleine     „
  25. Marora                „
  26. Feradschi (Koch) aus Zanzibar.
  27. Mabruk Salim         „
  28. Baraka               „
  29. Ibrahim aus Maroro.
  30. Mabruk Ferous aus Maroro.
  31. Baruti aus Bagamoyo.
  32. Umgareza aus Zanzibar.
  33. Hamadi (Führer) aus Zanzibar.
  34. Asmani    „         „
  35. Mabruk    „         „
  36. Hamdallah (Führer) aus Tabora.
  37. Dschumah aus Zanzibar.
  38. Maganga aus Mkwenkwe.
  39. Muccadum aus Tabora.
  40. Dasturi      „
  41. Tumayona aus Udschidschi.
  42. Mparamoto       „
  43. Wakiri          „
  44. Mufu            „
  45. Mpepo           „
  46. Kapingu         „
  47. Maschischauga   „
  48. Muheruka        „
  49. Missossi        „
  50. Tufum Byah      „
  51. Madschwara (Knabe) aus Uganda.
  52. Belali (Knabe) aus Uemba.
  53. Kalulu (Knabe) aus Lunda.
  54. Abdul Kader (Schneider) aus Malabar.

Das sind die Männer und Jünglinge, die ich mir ausgewählt, damit
sie als meine Gefährten auf der anscheinend unnützen Mission, den
verlorenen Reisenden David Livingstone aufzusuchen, sich die Krone der
Unsterblichkeit verdienten. Die Waaren, mit denen ich sie belastet,
bestanden aus 1000 Doti oder circa 4000 Meter Zeug, sechs Beutel
Perlen, vier Lasten Munition, einem Zelt, einem Bett, Kleidern,
einem Kasten Medicin, einem Sextanten und Büchern, zwei Lasten Thee,
Kaffee und Zucker, einer mit Mehl und Lichten, einer mit eingemachten
Fleischsorten, Sardinen und verschiedenen Bedürfnissen und einer mit
Kochgeräth.

Die Leute waren alle am Platz ausser Bombay. Dieser war fort und nicht
zu finden. Ich schickte also einen Mann aus, um ihn aufzutreiben. Man
fand ihn weinend in den Armen seiner Delila.

„Warum bist Du fortgegangen, Bombay, da Du doch wusstest, dass ich
abreisen wollte und wartete?“

„O Herr, ich sagte meiner Geliebten Lebewohl.“

„Wirklich?“

„Ja, Herr. Thun Sie das nicht, wenn Sie weggehen?“

„Still!“

„Zu Befehl.“

„Was fehlt Dir denn, Bombay?“

„Nichts.“

Da ich sah, dass er wol in der Laune war, sich mit mir vor den
ausserhalb meines Tembé als Zuschauer versammelten Araber zu zanken und
ich durch nichts in meinen Absichten gestört werden wollte, so war ich
veranlasst, Bombay mit meiner Peitsche einige Streiche zu versetzen,
was seinen heissen Zorn alsbald abkühlte, auf mein Haupt jedoch laute
einstimmige Einwendungen seitens meiner angeblichen arabischen Freunde
herabzog. „Aber, Herr, thun Sie das doch nicht, halten Sie doch ein.
Der arme Mensch weiss besser als Sie, was Ihnen und ihm auf dem Wege,
den Sie einschlagen wollen, bevorsteht.“

Wenn irgendetwas geeignet war, mich noch mehr in Wuth zu versetzen als
Bombay’s Unverschämtheit vor dieser Menge, so war es diese ungebetene
Einmischung in meine eigenen Angelegenheiten. Ich hielt aber an mich
und sagte ihnen nur mit lauter Stimme, ich wünschte nicht, dass sie
sich in meine Sachen mischten, wenn sie sich nicht mit mir zanken
wollten.

„Nein, nein, Bana“, riefen sie alle, „wir wünschen nicht mit Ihnen zu
streiten. Im Namen Gottes! schlagen Sie Ihren Weg in Frieden ein.“

„Leben Sie wohl“, sagte ich und drückte ihnen die Hand.

„Adieu, leben Sie wohl, Herr! Wir wünschen Ihnen alle gut Glück. Gott
sei mit Ihnen und führe Sie!“

„Marsch!“ Eine Abschiedssalve wurde abgefeuert, die Flaggen wurden von
den Führern in die Höhe gehoben, jeder Pagazi stürzte auf seine Last
zu und in kurzer Zeit war der vordere Theil der Expedition mit Gesang
und Geschrei um das westliche Ende meines Tembé die Strasse nach Uganda
entlang abgezogen.

„Nun, Herr Shaw, ich warte auf Sie. Steigen Sie auf Ihren Esel, wenn
Sie nicht zu Fuss gehen können.“

„Bitte, Herr Stanley, ich fürchte, ich kann nicht mitgehen.“

„Wieso?“

„Ich weiss es nicht; ich fühle mich aber sehr schwach!“

„Das bin ich auch. Wie Sie wissen hat mich das Fieber erst spät gestern
Abend verlassen. Ziehen Sie sich doch nicht vor diesen Arabern zurück.
Bedenken Sie, dass Sie ein Weisser sind. Hier Selim, Mabruki, Bombay,
helft Herrn Shaw auf seinen Esel und geht neben ihm.“

„O Bana, Bana, nehmen Sie ihn nicht mit! Sehen Sie denn nicht, dass er
krank ist?“ sagten die Araber.

„Ihr bleibt mir davon! Nichts kann mich daran hindern, ihn mitzunehmen.
Er soll mit. Bombay! vorwärts!“ --

So war der Rest meiner Gesellschaft auf den Weg gebracht. Das bis vor
kurzem noch so geschäftige Tembé hatte ein ödes, verlassenes Aussehen
gewonnen. Ich wandte mich gegen die Araber, lüftete meinen Hut und
sagte noch einmal Lebewohl. Dann kehrte auch ich mich in Begleitung
meiner vier jungen Flintenträger Selim, Kaluli, Madschwara und Bilali
gen Süden.

Ehe wir 5 Kilometer gegangen erhob der wilde Unyamwezi-Esel, der von
hinten vom schlauen Mabruki gekitzelt wurde, die Hinterbeine und John
Shaw, der nie ein guter Reiter gewesen, lag der Länge lang in der Nähe
eines Dornbusches auf dem Boden. Er schrie auf und wir liefen alle hin,
um ihm zu helfen.

„Was gibt’s, mein lieber Freund?“ fragte ich, „haben Sie Schaden
genommen?“

„O mein Gott, mein Gott! Lassen Sie mich doch umkehren, Herr Stanley!“

„Etwa weil Sie von einem Esel heruntergefallen sind? Fassen Sie nur
Muth. Es würde mir sehr leidthun, wenn ich sagen müsste, dass Sie
zurückgeblieben. In vier bis fünf Tagen werden Sie selbst über dies
kleine Misgeschick lachen. Fast alle Menschen fühlen sich etwas
weichherzig, wenn sie einen angenehmen Ort verlassen. Steigen Sie
nur wieder auf Ihren Esel, alter Freund! Entschliessen Sie sich doch
mitzugehen! Dann geht’s auch.“

Noch einmal halfen wir ihm hinauf; trotzdem überlegte ich mir aber die
ganze Zeit, ob es nicht viel besser sei, den Menschen zurückzuschicken,
als ihn wider seinen Willen fast mit Gewalt mehrere hunderte Meilen,
die zwischen mir und Udschidschi liegen mussten, mitzuschleppen. Wenn
er nun unterwegs stürbe? Vielleicht war er wirklich krank? Nein, das
ist er nicht, er stellt sich blos so. Ich gestehe aber, ich hätte ihn
an Ort und Stelle zurückgeschickt, wenn ich nicht der Ueberzeugung
gewesen wäre, dafür von den Arabern ausgelacht zu werden.

Nach einem halbstündigen Marsche wurde die Situation belebter. Shaw
fing an sich zu amüsiren. Bombay hatte unsern Zank vergessen und
versicherte, wenn ich durch Mirambo’s Land ziehen könne, so würde
auch ich den Tanganika erreichen. Dasselbe glaubt Mabruki-Speke.
Selim freute sich, Unyanyembé zu verlassen, wo er soviel vom Fieber
gelitten, und in dem kühnen Aussehen der Hügel, die sich über schöne
Thäler erhoben, lag etwas, das auch mich belebte und zu meiner Reise
ermuthigte.

In 1½ Stunden kamen wir in unserm Lager in dem Kinyamwezi-Dorfe
Mkwenkwe an, dem Geburtsort unsers berühmten Sängers Maganga.

Mein Zelt wurde aufgeschlagen und die Güter in einem der Tembés
zusammengelegt; die Hälfte der Leute war aber nach Kwihara
zurückgegangen, um sich noch einmal von ihren Frauen und Freundinnen zu
verabschieden.

Gegen Abend wurde ich wieder einmal vom Wechselfieber befallen. Vor dem
Morgen war es zwar wieder fort, hatte mich aber schrecklich schwach und
matt gemacht. Ich hatte die Unterhaltung der Leute untereinander bei
ihren Lagerfeuern über die wahrscheinlichen Aussichten für den nächsten
Tag mit angehört. Unter ihnen war die Frage aufgeworfen worden, ob
ich den Marsch weiter fortsetzen würde. Fast alle waren der Ansicht,
dass, da der Herr krank sei, ein Marsch nicht stattfinden werde. Mich
trieb dagegen ein höchster Grad von Eigensinn an, ihrer Lässigkeit
Trotz zu bieten. Als ich aber zu meinem Zelt hinaustrat, um ihnen zu
befehlen, sich fertig zu machen, fand ich, dass wenigstens zwanzig von
ihnen fehlten. Auch war Livingstone’s Briefträger Kaif-Halek -- oder
„Wie befinden Sie sich?“ -- noch nicht mit dem Briefbeutel desselben
angekommen.

Ich suchte zwanzig der stärksten und treuesten Leute aus und schickte
sie nach Unyanyembé zurück, um die fehlenden Leute aufzusuchen, und
Selim sollte zugleich von Scheikh bin Nasib eine lange Sklavenkette
borgen oder kaufen.

Zur Nacht kehrten meine Polizisten mit neun der fehlenden Leute zurück.
Die Wadschidschi aber waren alle zusammen desertirt und liessen sich
nicht auffinden. Selim kam auch heim mit einer starken Kette, mit
der man wenigstens zehn Leute in die daran befindlichen Halsbänder
schliessen konnte. Auch Kaif-Halek erschien mit seinem Briefbeutel,
den er unter meinem Geleit an Livingstone bringen sollte. Darauf hielt
ich eine Anrede an die Leute und zeigte ihnen die Sklavenkette vor.
Ich sagte ihnen, ich sei der erste Weisse, der eine Sklavenkette auf
die Reise mitgenommen habe; da sie sich aber alle so sehr fürchteten,
mich zu begleiten, sei ich gezwungen, davon Gebrauch zu machen, da
es das einzige Mittel sei, sie zusammenzuhalten. Die Guten brauchten
keine Furcht vor der Kette zu haben, nur die Deserteure, die Diebe, die
ihren Lohn nebst Geschenken, Flinten und Munition erhielten und dann
doch wegliefen, hätten sie zu fürchten. Diesmal werde ich noch keinen
in Ketten legen, wenn aber für die Folge wieder jemand desertire, so
werde ich halten lassen, den Marsch nicht eher aufnehmen, bis ich
ihn gefunden, und dann solle er mit der Sklavenkette um den Hals
nach Udschidschi marschiren. „Hört Ihr?“ „Ja“, lautete die Antwort.
„Versteht Ihr?“ „Ja.“

Um 6 Uhr abends brachen wir auf und schlugen den Weg nach Inesuka ein,
wo wir um 8 Uhr abends ankamen.

Als wir am nächsten Morgen im Begriff waren den Marsch anzutreten,
entdeckten wir, dass wiederum zwei weggelaufen waren. Sofort wurden
Baraka und Bombay nach Unyanyembé geschickt, um die beiden fehlenden
Leute Asmani und Kingaru zurückzubringen, mit dem bestimmten Befehl,
nicht ohne sie heimzukehren. Kingaru war, wie der Leser sich erinnern
wird, jetzt schon zum dritten mal davongelaufen. Während diese
Verfolgung vor sich ging, hielten wir im Dorfe Inesuka, hauptsächlich
um Shaw’s willen.

Am Abend wurden die unverbesserlichen Deserteure zurückgebracht und,
wie ich gedroht hatte, tüchtig geprügelt und in Ketten gelegt, um sie
vor einer nochmaligen Versuchung zu sichern. Bombay und Baraka hatten
eine romantische Geschichte über ihre Gefangennahme zu erzählen, und da
ich bei sehr guter Stimmung war, so wurden ihre Dienste mit je einem
schönen Tuch belohnt.

Am folgenden Morgen verschwand wieder ein Lastträger, welcher seinen
Miethslohn von 15 neuen Tuchen sowie auch noch eine Flinte mitnahm.
Aber noch irgendwo in der Nähe von Unyanyembé halt zu machen war
eine Gefahr, die nur dadurch vermieden werden konnte, dass wir ohne
Aufenthalt durch die südlichen Dschungelländer weiter reisten. Man
wird sich erinnern, dass ich den gefürchteten Schneider Abdul Kader in
meinem Gefolge hatte, welcher von Bagamoyo mit glänzenden Hoffnungen
auf die Elfenbeinschätze auszog, die er sich im Innern von Afrika
erwerben könne. An diesem Morgen flehte Abdul Kader aus Furcht vor den
angeblich drohenden Gefahren um seine Entlassung. Er schwor mir zu, er
sei krank und ausser Stande, weiter zu gehen. Da ich seiner ohnehin
ziemlich überdrüssig war, zahlte ich ihn in Tuch aus und liess ihn
laufen.

Ungefähr auf dem halben Wege nach Kasegera erkrankte Mabruk Salim
plötzlich an Erbrechen, Diarrhöe und einem beständigen Abgang von
Würmern. Ich behandelte ihn mit einem Gran Kalomel und einigen Unzen
Branntwein. Da er ausser Stande war zu gehen, so versah ich ihn mit
einem Esel. Ein anderer Mann, namens Zaidi, wurde vom Rheumatismus
befallen. Shaw stürzte auch zweimal von dem Thiere, das er ritt, und
es bedurfte sehr vieler guter Worte, um ihn wieder zum Aufsteigen zu
bewegen. Wahrhaftig, meine Expedition wurde vom Misgeschick verfolgt
und es schien, als ob die Schicksals-Göttinnen unsere Rückkehr
beschlossen hätten. Es sah wirklich so aus, als ob alles zu Grunde
ginge. Wenn ich nur 14 Tage weit von Unyanyembé wäre, so wäre ich,
meiner Ansicht nach, gerettet.

Kasegera bot am Nachmittag und Abend unserer Ankunft eine Freudenscene
dar. Es waren eben Leute, die an der Küste gewesen, heimgekehrt und die
junge Welt hatte sich in neuen Barsatis, Soharis und langen Kleidern
von glänzendem neuen Kaniki aufgeputzt, welche sie hinter einem Busch
angezogen., ehe sie in vollem Staat erschienen. Die Frauen schrien
„Hihi“, wie Mänaden, und „Lutulu“ ertönte es häufig und laut den ganzen
Nachmittag. Sylphidenartige Mädchen blickten voll Bewunderung auf die
jugendlichen Helden; alte Frauen liebkosten sie ungemein und vom Alter
gebeugte Patriarchen an Stöcken segneten sie. So geberdet sich der
Ruhm in Unyamwezi. Alle die glücklichen Jünglinge mussten ihrer Zunge
bis zu den Frühstunden des nächsten Morgens freien Lauf lassen, um die
Wunder zu erzählen, die sie in der Nähe des grossen Meeres und auf
„Ungudscha“, der Insel Zanzibar, gesehen hatten. Sie mussten berichten,
wie sie die Schiffe der weissen Männer und eine grosse Anzahl Weisse
gesehen, welche Gefahren und Prüfungen sie auf ihrer Reise durch das
Land der wilden Wagogo bestanden und was sie sonst noch erlebt hatten,
kurz Dinge, die dem Leser und mir jetzt schon genau bekannt sind.

Am 24. hoben wir unser Lager auf, marschirten durch einen Wald von
Imbiti-Holz in süd-südwestlicher Richtung und kamen nach ungefähr drei
Stunden nach Kigandu.

Als wir bei diesem Dorf anlangten, das von einer Tochter Mkasiwa’s
beherrscht wird, theilte man uns mit, wir dürften dasselbe nicht
betreten ohne Zoll zu zahlen. Da wir dies nicht thun wollten, waren
wir genöthigt, in einem verfallenen, von Ratten heimgesuchten Boma zu
campiren, das eine Meile links von Kigandu liegt, nachdem wir von den
feigen Eingeborenen dafür tüchtig beschimpft worden, dass wir Mkasiwa
in der Stunde der Noth verlassen hätten. Man beschuldigte uns, des
Krieges wegen ausgerissen zu sein.

Fast unmittelbar vor unserm Lager verlor Shaw bei seinem Versuch, vom
Esel zu steigen, die Steigbügel und fiel aufs Gesicht zur Erde. Dieses
kleine Nebenspiel des Herrn Shaw kam mir jetzt zu häufig vor. Daher
befahl ich den Leuten, als sie hinstürzten, ihm aufzuhelfen, ihn liegen
zu lassen. Der dumme Mensch blieb factisch in der heissen Sonne eine
ganze Stunde lang auf dem Boden liegen und als ich ihn gelassen fragte,
ob er sich da nicht etwas ungemüthlich fühle, setzte er sich auf und
weinte wie ein Kind.

„Wünschen Sie umzukehren, Herr Shaw?“ „Ich bitte darum. Ich glaube
nicht, dass ich weiter mit kann; und wenn Sie so gut sein wollen, so
wünsche ich sehr, umzukehren.“ „Gut, Herr Shaw, ich bin zu dem Schluss
gelangt, dass es das beste für Sie ist, zurückzukehren. Meine Geduld
ist zu Ende. Ich habe es treulich versucht, Ihnen über das kleinliche
Elend, dem Sie sich so ganz hingeben, hinweg zu helfen. Sie leiden
einfach an Hypochondrie und bilden sich nur ein, krank zu sein, und
offenbar kann Sie nichts von dieser Ueberzeugung abbringen. Hören Sie
auf meine Worte: nach Unyanyembé zurückkehren, heisst sterben. Sollten
Sie in Kwihara krank werden, wer versteht es wol, Sie dort mit Arznei
zu behandeln? Nehmen wir an, dass Sie deliriren, wie kann einer meiner
Soldaten wissen, was Ihnen fehlt oder was Ihnen gut sein würde. Noch
einmal wiederhole ich es, wenn Sie zurückkehren, so sterben Sie.“ „Ach,
mein Gott! ich wünschte, ich hätte es nie gewagt herzukommen. Ich
dachte mir das Leben in Afrika so ganz anders, als es ist. Ich will
doch lieber heimkehren, wenn Sie es mir gestatten.“

Am nächsten Tage hielten wir und trafen Einrichtungen, um Shaw nach
Kwihara zurück zu transportiren. Ich liess eine starke Tragbahre
anfertigen und miethete vier kräftige Pagazi in Kigandu für seinen
Transport, liess Brot backen, eine Kanne mit kaltem Thee füllen und für
seinen Lebensunterhalt unterwegs ein Ziegenviertel braten.

Den Abend vor unserer Trennung verbrachten wir gemeinschaftlich.
Shaw spielte einige Melodien auf einem Accordion, das ich für ihn in
Zanzibar gekauft. Zwar war es nur ein elendes Ding für zehn Dollars,
doch kamen mir die heimatlichen Klänge, die er dem Instrumente
entlockte, an jenem Abend wie himmlische Melodien vor. Das letzte Lied,
das er spielte, ehe wir uns zurückzogen, war: „Home, sweet home!“ und
es schien mir, dass wir, ehe es zu Ende war, weicher gegeneinander
gestimmt waren.

Am Morgen des 27. standen wir alle früh auf. Es lag eine bedeutende
Energie in unsern Bewegungen. Ein langer, langer Marsch stand uns an
jenem Tage bevor; ich musste ja aber alle Kranken und Schwächlichen
zurücklassen. Nur die Gesunden, die rasch und lange marschiren konnten,
sollten mich begleiten. Mabruk Salim liess ich in der Obhut eines
eingeborenen Doctors, der ihn für ein Tuch, das ich ihm im voraus gab,
behandeln sollte.

Das Horn erklang zum Aufbruch. Shaw wurde auf die Tragbahre gelegt,
welche die Träger auf die Schultern nahmen. Meine Leute stellten sich
mit erhobenen Fahnen in zwei Reihen auf und mitten durch diese und
die glänzenden Fahnen, die über den Wassern des Tanganika flattern
sollten, ehe Shaw sie wieder zu Gesicht bekam, wurde dieser nach Norden
zu fortgetragen. Wir zogen nach Süden mit rascheren und elastischeren
Schritten, als ob uns ein Alp abgenommen sei.

Wir stiegen einen Bergrücken hinan, welcher von ungeheuern
Syenitblöcken starrte, die sich über einem Walde von Zwergbäumen
zeigten. Der Anblick war ein solcher, wie wir schon anderweitig oft
gesehen. Ein unbegrenzter Wald erstreckte sich in grossen Wellen weit
über den Gesichtskreis hinaus. Waldbewachsene Bergfirsten erhoben
sich sanft übereinander, bis sie in der dunkeln purpurnen Ferne
verschwanden. Ein warmer Nebel schwebte über ihnen, der, obwol klar
genug in unserer Nähe, in der Ferne undurchdringlich blau wurde. Wald,
Wald, nichts als Wald, Laubkugeln oder fallschirmartige Laubdächer
von grüner, brauner oder welker Färbung! Die Wälder hoben sich
schichtweise übereinander, ein wahrer Laubocean. Der Horizont bietet
an allen Punkten denselben Anblick dar. In weiter Ferne mag sich wol
die unbestimmte Contour eines Berges zeigen, oder hier und da ein
hoher Baum, welcher die übrigen sichtlich überragte und sich scharf
von dem durchsichtigen Himmel abhob. Mit dieser Ausnahme bleibt es
immer dasselbe, immer der klare Himmel, der sich auf den dunkeln Wald
herabsenkt, stets dieselben Umrisse, derselbe Wald, derselbe Horizont
Tag für Tag, Woche für Woche. Wir eilen auf die Höhe eines Bergrückens
in der Erwartung einer Veränderung, aber die ermüdeten Augen kehren zu
der unmittelbaren Umgebung zurück, nachdem sie über die weite Fläche
geschweift, von der Gleichartigkeit der Landschaft übersättigt. Carlyle
sagt irgendwo in seinen Schriften, dass der Vatican trotz seiner
Grösse sich doch nur wie eine Eierschale zu dem sternenfunkelnden Dom
verhält, von dem Arcturus und Orion beständig herabstrahlen; und so
sage ich, dass der Lustwald des Centralparks in New-York trotz seiner
Grossartigkeit im Vergleich zu den armseligen Hainen, die man in andern
grossen Städten sieht, dass der Forst von Windsor und die New-Forests
in England trotz ihrer erhabenen Schönheit sich doch nur wie Gestrüpp
im Vergleich zu diesen ewigen Wäldern von Unyamwezi ausnehmen.

Wir marschirten drei Stunden und hielten dann, um uns zu erfrischen.
Ich bemerkte, dass die Leute sehr ermüdet, nach unserer langen Ruhe
in Kwihara noch nicht an eine Reihe langer Märsche gewöhnt oder
für ernste, angestrengte Arbeit gehörig eingeschult waren. Als wir
unsern Marsch wieder aufnahmen, zeigte sich wiederholt Unmuth und
Abgespanntheit, ein paar launige Bemerkungen über ihre Faulheit
brachten die Leute jedoch wieder in gute Stimmung und wir erreichten
Ugunda um zwei Uhr nachmittags, nach einem weitern Marsch von vier
Stunden.

Ugunda ist ein sehr grosses Dorf im gleichnamigen Districte, der
an die südliche Grenze von Unyanyembé stösst. Das Dorf besitzt wol
400 Familien oder 2000 Seelen. Es wird durch eine hohe und starke
Pallisadenreihe von dreizölligem Bauholz geschützt. Ueber den
Pallisaden hat man Gerüste mit kleinen Schiessscharten errichtet, die
für die Musketen der Scharfschützen bestimmt sind, welche in diesem
kastenartigen Gerüst ihre Zuflucht nehmen, um die Häupter einer
angreifenden Truppe niederschiessen zu können. Innerhalb dient ein
Graben, dessen Sandboden drei bis vier Fuss hoch gegen die Stakete
aufgeworfen ist, als Schutz für die Hauptmasse der Vertheidiger,
die in demselben niederknien und so im Stande sind, einer grossen
Truppenmacht Widerstand zu leisten. Einige Meilen um das Dorf herum
sind alle Hindernisse hinweggeräumt und die Belagerten werden von
scharfäugigen Wächtern gewarnt, sich für die Vertheidigung bereit zu
halten, ehe sich der Feind auf Musketenschussweite nähert. Mirambo hat
seine Räubertruppen von diesem starkbefestigten Dorfe nach zwei bis
drei erfolglosen Versuchen, es zu erstürmen, zurückgezogen und die
Wagunda frohlocken seitdem darüber, dass sie diesen kühnsten Räuber,
den Unyamwezi seit Generationen gesehen, zurückgeschlagen haben.

Die Wagunda haben ungefähr 3000 Quadratmorgen bebautes Land um ihr
Hauptdorf, und dieses Terrain genügt, um das Korn nicht nur für ihren
eigenen Bedarf zu erzeugen, sondern auch für den der vielen Karavanen,
die auf diesem Wege nach Ufipa und Marungu ziehen.

Wie tapfer auch die Wagunda innerhalb der starken Einhegung sein mögen,
mit der sie ihr Hauptdorf umgeben haben, so sind sie doch nicht frei
von dem Gefühl der Unsicherheit, das die Seele eines Mnyamwezi während
der Kriegszeit erfüllt. An diesem Ort pflegen die Karavanen ihre Leute
aus dem Schwarm von Pagazi zu rekrutiren, welche sich freiwillig
anbieten, die ersteren in die fernen Elfenbeingegenden des Südens zu
begleiten. Ich konnte aber nicht einen einzigen dazu bewegen, mir zu
folgen, so gross war ihre Furcht vor Mirambo und seinen Ruga-Ruga.
Sie wussten auch viel von bevorstehenden Kriegen zu erzählen. Man
behauptete, Mbogo ziehe gegen Ugunda mit 1000 Wakonongo; die Wazavira
hätten vor vier Monaten eine Karavane angegriffen; Simba durchstreiche
das Land mit einer Bande wilder Söldlinge, und noch manches ähnliche.

Am 28. kamen wir in einem kleinen netten Dorfe an, das in dem Benta
genannten Walde liegt, 3¼ Stunden von Ugunda. Die Strasse führt durch
die Kornfelder der Wagunda und tritt dann in die um die Dörfer des
Kisari liegenden Lichtungen ein, wo wir den Besitzer einer Karavane
antrafen, der Lastträger nach Ufipa zusammentrommelte. Er war gezwungen
gewesen, hier zwei Monate halt zu machen und bemühte sich eifrig, meine
Leute dazu zu bewegen, sich seiner Karavane anzuschliessen, was eben
nicht dazu beitrug, Harmonie zwischen uns herzustellen. Einige Tage
später fand ich, als ich wieder zurückkehrte, dass er den Gedanken,
nach Süden zu ziehen, aufgegeben hatte. Nachdem wir Kisari verlassen,
marschirten wir durch ein dünnes Gebüsch von schwarzem Jackholz, über
ein Erdreich, das von der Sonnenhitze geborsten war, und hin und wieder
an einer ausgetrockneten Pfütze vorüber, deren Boden die deutlichen
Spuren von Elefanten, Rhinozeros, Büffeln und Zebras zeigte, was uns
Hoffnung machte, dass wir bald auf Jagdthiere stossen würden.

Benta war gut mit Mais und einem Korn versehen, das die Eingeborenen
Tschoroko nennen und das ich für Wicken halte. Ich kaufte mir einen
guten Vorrath davon für meinen eigenen persönlichen Bedarf, da ich
fand, dass es eine sehr gesunde Nahrung sei. Das Korn wurde auf den
flachen Dächern der Tembés in grossen, aus der Rinde des Mtundu-Baumes
angefertigten Kasten aufbewahrt. Hier habe ich den grössten Kasten
erblickt, den ich je in Afrika gesehen; man hätte ihn für die
Hutschachtel eines Titanen halten können. Er hatte sieben Fuss im
Durchmesser und zehn Fuss Höhe.

Am 29. erreichten wir, nachdem wir in süd-südwestlicher Richtung
gereist waren, Kikuru. Der fünfstündige Marsch führte über Ebenen, die
von der Sonne geborsten waren, auf denen schwarzes Jack- und Ebenholz
sowie Zwerggebüsche wuchsen, und auf denen sich zahlreiche Ameisenhügel
von lichter kreidefarbener Erde wie Sanddünen erhoben.

Das Mukunguru, im Kiswahili der Name für Fieber, kommt in dieser
Gegend von ausgedehnten Wäldern und flachen Ebenen häufig vor, da die
Natur hier das Wasser nur sehr unvollkommen abfliessen lässt. In der
trockenen Jahreszeit liegt nichts abschreckendes im Anblick des Landes.
Das verbrannte Gras, das von den hartgewordenen Spuren der Thiere, die
diese Ebenen während des letzten Theils der Regenzeit bewohnen, bedeckt
ist, gibt aber dem Lande ein etwas düsteres Aussehen. Im Walde liegen
zahllose Bäume im letzten Stadium der Verwesung umher und auf den
hingestreckten Stämmen kann man zahllose Insektenarten arbeiten sehen.
Unmerklich wird aber das Gift der todten und verwesenden Pflanzenwelt
in den Organismus aufgenommen und von Folgen begleitet, die bisweilen
tödlich sind wie die, welche aus der Nachbarschaft des Upasbaumes
entstehen sollen.

Die ersten übeln Folgen, die aus der Malaria entstehen, sind
Verstopfung und verstimmende Mattigkeit, ungemeine Schläfrigkeit
und beständige Neigung zum Gähnen. Die Zunge nimmt eine gelbliche,
krankhafte Färbung an und wird fast schwarz. Selbst die Zähne werden
gelb und von einer übelriechenden Masse überzogen. Die Augen des
Patienten glänzen hell und füllen sich mit Wasser. Dies sind sichere
Symptome des beginnenden Fiebers, welches bald darauf den ganzen
Organismus durchtobt und den Patienten zitternd vor Pein niederstreckt.

Bisweilen geht diesem Fieber ein heftiger Schüttelfrost voran, während
welcher Zeit man wollene Decken über den Patienten legen kann, ohne die
tödliche Kälte, die er empfindet, sehr zu mindern. Darauf folgt ein
ungewöhnlich heftiger Kopfschmerz, furchtbare Schmerzen der Lenden und
Rückensäule, die, sich über die Schulterblätter verbreitend, den Hals
hinauflaufen und sich schliesslich im Hinter- und Vorderkopf fixiren.
Gewöhnlich jedoch geht dem Fieber keine Kälte voran, sondern, nachdem
Mattigkeit und Schwächegefühl, grosse Hitze und pulsirende Schläfe
eingetreten, fangen Lenden und Rückgratsäule an zu schmerzen und ein
wüthender Durst ergreift den Kranken. Das Gehirn wird von sonderbaren
Phantasien angefüllt, die bisweilen die schrecklichsten Gestalten
annehmen. Vor dem verdunkelten Gesicht des Leidenden schweben in einer
glühenden Atmosphäre die Gestalten wirklicher und phantastischer
Reptilien, die sich jeden Augenblick in sonderbarere Formen verwandeln
und immer verworrener, zusammengesetzter, scheusslicher, entsetzlicher
werden. Ausser Stande, diese nahezu toll machenden Bilder weiter zu
ertragen, macht der Kranke eine Anstrengung und öffnet die Augen, bannt
jedoch dadurch das Delirium nur, um bewusstlos in ein anderes Traumland
hinüberzugleiten, wo sich ihm eine neue phantastische Hölle plastisch
darstellt und neue Qualen beginnen. Ach, wie viele Stunden habe ich
unter dem schrecklichen Alp gelitten, den Anfälle eines wirklichen
Deliriums hervorgerufen! Wehe über die folternden Qualen des Körpers,
denen ein Reisender in Afrika ausgesetzt ist, über die höhnische
Reizbarkeit, die Marter des Geistes, welche die schrecklichen Bilder
dieser Teufeleien erzeugen! Dem höchsten Grade von Geduld gelingt es
nicht, den Kranken zu besänftigen; die aufmerksamste Pflege genügt ihm
nicht, die grösste Unterwürfigkeit verfehlt völlig ihren Zweck. In
diesen schrecklichen wechselnden Bildern, die einen wilden Wahnsinn
hervorrufen, wäre Hiob selbst reizbar, wüthend und zornig geworden.
Ein in diesem Zustande befindlicher Mensch betrachtet sich als den
Mittelpunkt alles Elends. Wenn er sich davon erholt hat, fühlt er sich
geläutert, wird leutselig und lächerlich liebenswürdig; dann versteht
er allen Dingen Freuden zu entlocken, die ihm noch am vorhergehenden
Tage Schrecken und Entsetzen einflössten; dann betrachtet er seine
Leute mit Liebe und Freundlichkeit und sieht auch das gewöhnlichste
mit Begeisterung an. Die Natur erscheint ihm reizend; in den todten,
eintönigen Wäldern findet sein Geist eine stete Quelle neuer Freuden.
Hier spreche ich aus eigener Erfahrung, wie ich sie aus einer
sorgfältigen Analyse des Anfalls in seinen verschiedenen Stadien, dem
hitzigen, jammernden und albernen, gewonnen; denn ich pflegte mich
damit zu amüsiren, die humoristischen und entsetzlichen, phantastisch
übertriebenen Bilder, die sich mir darboten, zu Papier zu bringen,
selbst während ich an den Fieber-Paroxysmen litt.

Nach einem vierstündigen Marsche in süd-südwestlicher Richtung kamen
wir am 1. October bei einer grossen Pfütze an, die als der Ziwani
bekannt ist. Hier entdeckten wir ein altes, halb verbranntes Khambi,
das von einem grossartigen Mkuyu (einer Sykomore), dem Riesen der
Wälder von Unyamwezi, beschattet wurde und das wir binnen einer Stunde
in ein herrliches Lager verwandelten.

Wenn ich mich recht besinne, so hatte der Baum 38 Fuss im Umfang. Es
ist der schönste Baum seiner Art, den ich in Afrika gesehen. Unter der
ungeheuern Laubkuppel desselben hätte ein Regiment Soldaten bequem zu
Mittag rasten können. Der Durchmesser des von ihm geworfenen Schattens
war 120 Fuss. Die kräftige Gesundheit, der ich mich zu dieser Zeit
erfreute, setzte mich in den Stand, die Umgegend mit Bewunderung zu
gemessen. Ein Gefühl von Wohlbehagen und vollständiger Zufriedenheit
ergriff mich, wie ich es in Unyanyembé nicht gekannt, wo ich mein Leben
in Unthätigkeit und Aerger verbracht hatte. Ich unterhielt mich mit
meinen Leuten wie mit Freunden und meinesgleichen. Wir raisonnirten
miteinander über unsere Aussichten in ganz kameradschaftlicher,
geselliger Art und Weise.

[Illustration: LAGER UNTER EINER RIESEN-SYKOMORE.]

Wenn das Tageslicht dahinschwand und die Sonne rasch über dem
westlichen Horizont herabsank, den Himmel mit Gold- und Silber-,
Safran- und Opalfarben schmückend, wenn dieses prächtige Farbenspiel
sich auf den Spitzen des ewigen Waldes widerspiegelte, die heilige
Stille des Himmels auf allem ruhte und selbst die rohen Gemüther meiner
Umgebung die ganze Herrlichkeit des Naturlebens mitten im ungeheuern,
von allen andern menschlichen Wesen leeren Walde tief empfanden,
dann trat die Zeit ein, wo wir alle nach vollendeter Tagesarbeit und
völliger Sicherstellung des Lagers unsere Pfeifen hervor holten und so
recht den Lohn unserer Mühen, die einem tüchtigen Tagewerk folgende
Zufriedenheit gemessen konnten.

Draussen hört man nichts als das Geschrei eines umherirrenden Florikans
oder Perlhuhns, das seine Genossen verloren, das heisere Quaken der
Frösche in der nahgelegenen Pfütze oder das Zirpen der Heimchen, welche
den Tag zur Ruhe zu lullen scheinen. In unserm Lager lässt sich das
Geräusch der Kürbispfeifen vernehmen, aus denen die Leute den blauen
Aether einziehen, den auch ich liebe. Ich liege glücklich und zufrieden
auf meinem Teppich unter dem Dom lebendigen Laubes, rauche meine kurze
Meerschaumpfeife und hänge trotz der Schönheit des stillen grauen
Himmelslichts und der Heiterkeit, die mich überall umgibt, meinen
Gedanken an die Heimat und die Freunde im fernen Amerika nach. Doch
wenden sich diese Gedanken alsbald wieder zu meiner noch unvollendeten
Aufgabe, zu dem Manne hin, der für mich noch immer ein Mythus ist, der
sogar todt sein kann oder vielleicht, ob nah oder fern von mir, jetzt
durch einen eben solchen Wald zieht, dessen Wipfel die Aussicht aus
meinem Lager beschränken. Wir befinden uns beide auf demselben Boden,
vielleicht in demselben Walde, wer weiss es? -- und doch ist er mir so
fern, dass er ebenso gut in seiner kleinen Hütte in Ulva sein könnte.
Obwol ich selbst jetzt noch nicht weiss, ob er überhaupt existirt, so
fühle ich doch eine gewisse Ruhe, eine gewisse Genugthuung, die sich
schwer beschreiben lässt. Warum ist der Mensch doch so schwach, dass er
hunderte von Meilen ziehen muss, um die Zweifel, die sein ungeduldiges,
stolzes Gemüth füllen, zu befriedigen? Warum kann mein Leib nicht dem
kühnen Fluge meines Geistes folgen und das Sehnen stillen, das ich
empfinde, die quälende Frage zu lösen, die sich mir stets auf die
Lippen drängt: Lebt er noch? -- O, meine Seele, sei geduldig, du hast
eine glückliche Ruhe, um die andere Leute dich beneiden könnten! Für
die Gegenwart genügt das Bewusstsein, dass deine Mission eine heilige
ist! Vorwärts und hoffe!

Am Montag den 2. October zogen wir durch den Wald und die Ebene,
welche sich von dem Ziwani nach Manyara erstreckt. Das kostete 6½
Stunden. Die Hitze war furchtbar drückend; doch wuchsen die Mtundu-
und Miombo-Bäume hier in Zwischenräumen, die gerade ausreichten, um
jedem Baum sein freies Wachsthum zu gestatten, während ihr Laub sich
zu einem Dache verband, das angenehmen Schatten warf. Der Pfad war
frei und bequem, der zusammengestampfte, feste, rothe Boden bot keine
Hindernisse dar. Nur litten wir sehr von den Angriffen der Tsetse-
oder Panga (Schwert)-Fliege, die hier schwärmte. Wir wussten, dass wir
uns einem ausgedehnten Aufenthaltsort von Wild näherten und passten
beständig auf, was für Gattungen diese Wälder wol bewohnten.

Als wir, im Tempo von ungefähr drei engl. Meilen in der Stunde,
weiter zogen, bemerkte ich, wie die Karavane vom Wege abbog und 50
Schritt jenseits eines auf demselben befindlichen Gegenstandes, der
die Aufmerksamkeit der Leute auf sich gezogen, wieder auf denselben
zurückkehrte. Als ich soweit gekommen war, fand ich, dass es der
Leichnam eines Mannes sei, der als ein Opfer der furchtbaren Geissel
Afrikas, der Pocken, gestorben war. Er gehörte zu der Räuber- oder
Guerillabande Oseto’s, die in dem Dienste des Mkasiwa von Unyanyembé
steht und diese Wälder nach den Guerillas Mirambo’s durchsuchte. Sie
waren aus Ukonongo von einem Raubzug, den sie gegen den Sultan von
Mbogo geführt hatten, zurückgekehrt und hatten ihren Kameraden am Wege
liegen lassen, wo er gestorben war. Er war ungefähr einen Tag todt.

Beiläufig bemerkt ereignete es sich häufig, dass wir ein Skelet oder
einen Schädel auf dem Wege fanden. Fast jeden Tag sahen wir einen,
manchmal zwei dieser Ueberbleibsel todter vergessener Menschen.

Bald danach kamen wir aus dem Wald und traten in eine Mbuga oder Ebene,
in der wir eine Menge Giraffen erblickten, deren lange Hälse man über
einen Busch, an dem sie gefressen hatten, emporragen sah. Dieser
Anblick wurde mit einem Freudenschrei begrüsst, denn jetzt wussten wir,
dass wir in ein Land jagdbarer Thiere gekommen waren und dass wir in
der Nähe des Flusses Gombé, wo wir halten wollten, viele dieser Thiere
sehen würden.

Ein Marsch von drei Stunden über diese heisse Ebene brachte uns an
die bebauten Felder von Manyara. Vor der Dorfpforte verbot man uns
hineinzutreten, da das ganze Land sich im Kriegszustande befinde und es
nöthig sei, sehr vorsichtig beim Einlass irgendeiner Truppe zu sein,
damit die Dorfbewohner nicht dadurch compromittirt würden. Man wies
uns jedoch nach einem rechts vom Dorfe, in der Nähe einiger klarer
Wasserpfützen belegenen Khambi, wo wir ungefähr ein halbes Dutzend zu
Grunde gerichtete Hütten erblickten, die für ermüdete Menschen sehr
ungemüthlich aussahen.

Nachdem wir unser Lager errichtet hatten, gab ich dem Kirangozi einiges
Zeug, um uns Nahrungsmittel für den Durchzug der vor uns liegenden
Wüste, die 135 Meilen oder neun Märsche lang sein sollte, im Dorfe zu
kaufen. Man sagte ihm, dass der Mtemi seinen Leuten aufs strengste
verboten hätte, Korn zu verkaufen.

Das war offenbar ein Fall, in dem nur etwas Diplomatie uns helfen
konnte, denn es hätte uns mehrere Tage aufgehalten, wenn wir genöthigt
gewesen wären, Leute nach Kikuru zurückzuschicken, um uns Proviant zu
holen. Ich öffnete also meine Ballen der besseren Waarensorten, suchte
zwei hübsche Tücher aus und schickte Bombay mit ihnen an den Sultan
mit dem Freundschaftsgruss des weissen Mannes. Der Sultan schlug es
verdriesslich aus und befahl ihm, zum Weissen zurückzukehren und ihm
zu sagen, er möge ihn nicht weiter belästigen. Alles Bitten blieb
umsonst, er wollte nicht einlenken, und die Leute waren genöthigt, in
sehr schlechter Laune und hungrig zu Bett zu gehen. Hier fielen mir die
Worte Ndschara’s, eines Sklavenhändlers und Schmarotzers des grossen
Scheikh bin Nasib, ein: „O Herr, Sie werden es erfahren, dass Sie
dem Volk nicht gewachsen sein werden und werden zurückkehren müssen.
Die Wamanyara sind schlecht, die Wakonongo sind sehr schlecht, die
Wazavira sind die allerschlechtesten. Sie sind zu einer schlechten
Zeit in dieses Land gekommen. Ueberall herrscht Krieg.“ Und wirklich,
wenn man nach dem Inhalt der Unterhaltungen schliessen durfte, die um
unsere Lagerfeuer geführt wurden, so schien dies nur zu klar zu sein.
Es war alle Aussicht dazu vorhanden, dass meine Leute alle zusammen
ausreissen würden. Ich suchte jedoch sie zu ermuthigen und sagte ihnen,
ich werde ihnen morgen Nahrungsmittel verschaffen.

Am nächsten Morgen wurde der Ballen der besten Zeuge noch einmal
aufgemacht und vier gute Tücher nebst zwei Doti Merikani ausgewählt
und Bombay damit sammt Grüssen und höflichen Redensarten abgesandt.
Es war nöthig, sehr höflich gegen einen so verdriesslichen Mann zu
sein, der zu mächtig war, als dass man sich hätte ihn zum Feinde
machen dürfen. Was wäre aus uns geworden, wenn er sich entschloss, das
Beispiel des gefürchteten Mirambo, des Königs von Uyoweh, nachzuahmen!
Die Wirkung meiner grossartigen Freigebigkeit liess sich jedoch bald in
der Masse von Vorräthen sehen, die ins Lager gebracht wurden. Ehe eine
Stunde vorüber war, kamen Kisten voll Choroko, Bohnen, Reis, Matama
oder Dourra und Mais, die ein Dutzend Dorfbewohner auf dem Kopfe uns
zutrugen, und bald darauf kam der Mtemi selbst mit einem Gefolge von
etwa 30 Musketieren und 20 Speerträgern, um sich den ersten Weissen,
der je hier erblickt worden, anzusehen. Hinter diesen Kriegern kam ein
grossartiges Geschenk, das an Werth dem, das er erhalten, gleichkam
und aus mehrern grossen Kürbissen voll Honig, Hühnern, Ziegen und
hinreichend viel Wicken und Bohnen bestand, um meine Leute auf vier
Tage zu verproviantiren.

Ich ging dem Häuptling bis an die Thüre meines Lagers entgegen,
verbeugte mich tief und lud ihn ein in mein Zelt, das ich für seinen
Empfang eingerichtet hatte so gut als es die Umstände erlaubten. Mein
persischer Teppich und die Bärenhaut lagen ausgebreitet und ein grosses
Stück funkelnagelneues Scharlachzeug bedeckte meine Kitanda oder
Bettstelle.

Ich forderte den Häuptling und seine Hauptleute auf, Platz zu nehmen.
Der Blick befriedigten Erstaunens, den sie auf mich, mein Gesicht,
meine Kleider und Gewehre warfen, ist kaum zu beschreiben. Sie sahen
mich einige Secunden sehr genau an, dann blickten sie auf sich
selbst und brachen in ein unbezwingliches Gelächter aus, wobei sie
mit ihren Fingern wiederholt Schnippchen schlugen. Sie sprachen die
Kinyamwezi-Sprache und mein Dolmetscher Maganga musste den Häuptling
von der grossen Freude benachrichtigen, die ich bei seinem Anblick
empfand. Nach einer kurzen Zeit, in der wir Complimente wechselten
und um die Wette über einander lachten, wünschte der Häuptling, dass
ich ihm meine Flinten zeige. Der „Sechzehnschiesser“, das gezogene
Winchestergewehr, rief Tausende von schmeichelhaften Bemerkungen
des aufgeregten Mannes hervor und die kleinen tödlichen Revolver,
deren schöne Arbeit die Leute für übermenschlich ansahen, machten
sie so beredt und entzückt, dass ich gern zu etwas andern griff. Die
doppelläufigen Gewehre, die mit schweren Pulverladungen abgefeuert
wurden, veranlassten sie scheinbar beunruhigt aufzuspringen und sich
darauf in convulsivischem Gelächter wieder zu setzen. Sowie die
Begeisterung meiner Gäste zunahm, griffen sie sich gegenseitig an die
Zeigefinger, schraubten und zogen an diesen herum bis ich fürchtete,
dass sie verrenkt werden würden. Nachdem ich ihnen den Unterschied
zwischen Weissen und Arabern auseinandergesetzt, zog ich meinen
Medicinkasten hervor, der ihnen wieder wegen der sinnreichen und
hübschen Anordnung der Flaschen begeisterte Seufzer entlockte. Der
Häuptling fragte, was sie zu bedeuten hätten.

„Dowa“, antwortete ich bedeutungsvoll, ein Wort, welches mit Medicin
übersetzt werden kann.

„Oh, oh“, murmelten sie voll Bewunderung. Es gelang mir sehr bald, ihre
unbedingte Bewunderung zu gewinnen, und es war ihnen ganz klar, dass
ich den ausgezeichnetsten Arabern, die sie gesehen, bedeutend überlegen
sei. „Dowa, Dowa“, sagten sie.

„Hier“, meinte ich und entkorkte ein Flasche mit medicinischem
Branntwein, „ist das Kisungu Pombé (das Bier des Weissen). Nehmt einmal
einen Löffel davon und versucht es!“ Mit diesen Worten überreichte ich
es ihnen.

„Hacht, hacht, oh hacht. Was? Ach, was für starkes Bier haben die
Weissen. O, wie mein Hals brennt!“ „Ja, es ist aber gut“, sagte ich,
„schon ein klein wenig davon bewirkt es, dass die Leute sich stark
und gut fühlen; zuviel davon macht sie dagegen schlecht und lässt sie
sterben.“

[Illustration: MAMANYARA NIMMT MEDICIN.

  I. S. 319.]

„Geben Sie mir etwas davon“, sagte einer der Häuptlinge, dem die andern
der Reihe nach folgten.

Darauf holte ich eine Flasche concentrirtes Ammoniak, von dem ich ihnen
erklärte, dass es gut gegen Schlangenbisse und Kopfschmerzen sei.
Sofort klagte der Sultan über Kopfschmerzen und wünschte etwas davon zu
haben. Indem ich ihm befahl, seine Augen zu schliessen, entkorkte ich
plötzlich die Flasche und hielt sie Seiner Majestät unter die Nase. Der
Effect war magisch, denn er fiel rückwärts um, als ob er angeschossen
sei, und die Verzerrungen seiner Gesichtszüge lassen sich nicht
beschreiben. Seine Häuptlinge brüllten vor Lachen, klatschten die Hände
zusammen, kniffen einander, schlugen Schnippchen mit ihren Fingern
und betrugen sich sonst noch höchst lächerlich. Ich glaube bestimmt,
dass, wenn eine solche Scene auf irgendeiner Bühne aufgeführt würde,
die Wirkung auf das Publikum sofort wahrzunehmen wäre, dass dasselbe
sich an meiner Stelle fast toll gelacht haben würde. Schliesslich
erholte sich der Sultan; grosse Thränen rollten ihm die Wangen herab,
seine Gesichtszüge bebten vor Lachen und er sprach langsam das Wort
„Kali“, d. h. heisse, starke, rasche, brennende Medicin. Er wünschte
nichts mehr davon; die andern Häuptlinge aber drängten sich danach,
ein wenig daran zu riechen, und verfielen, sobald sie das gethan,
in unbezwingliches Gelächter. Der ganze Morgen verging mit dieser
Staatsvisite, von der alle Betheiligten ausserordentlich befriedigt
waren.

„Ach“, sagte der Sultan beim Weggehen, „diese Weissen wissen alles, mit
ihnen verglichen sind die Araber gar nichts!“

In dieser Nacht desertirte einer der Führer, Hamdallah, mit seinem aus
27 Doti bestehenden Lohn und einem Gewehr. Es wäre unnütz gewesen, ihm
am Morgen zu folgen, da es mich viel länger als ich konnte aufgehalten
haben würde; doch gelobte ich mir innerlich, dass Herr Hamdallah diese
27 Doti abarbeiten solle, ehe ich die Küste erreichte.

Der 4. October, Mittwoch, sah uns nach dem Gombéfluss reisen, der 4¼
Stunden von Manyara entfernt ist.

Kaum hatten wir die wogenden Kornfelder meines Freundes Mamanyara
verlassen, als wir eine Heerde schöner Zebras erblickten. Zwei Stunden
später waren wir in ein prächtiges weites Parkland getreten, das mit
seiner weiten, grossartigen Aussicht, dem sich ausbreitenden grünen
Teppich, der hier und dort mit kleinen Gruppen von dichtem Gebüsch
und schattigen Bäumen besetzt war, ohne Zweifel eine der schönsten
Landschaften Afrikas ist. Hierzu kommt noch, dass, als ich einen der
zahlreichen kleinen Hügel bestieg, ich eine Menge Heerden Büffel,
Zebras, Giraffen und Antilopen erblickte, was mir ebenso wie bei meiner
ersten Landung auf dem Boden Afrikas einiges Herzklopfen vor Erregung
machte. Wir krochen geräuschlos die Ebene hinauf bis zu dem Lager, das
wir uns an den Ufern des trägen Gombé aufschlagen wollten.

Hier war denn endlich das Paradies des Jägers! Wie klein und
unbedeutend erschienen meine Jagden nach kleinen Antilopen und
wilden Ebern; welche thörichte Kraftverschwendung lag in den langen
Spaziergängen durch feuchte Gräser und dornige Dickichte! Wie lebhaft
erinnerte ich mich meiner ersten bittern Erfahrung in den afrikanischen
Dschungels der Seegegend! Aber hier, welches Edelmanns Park hätte sich
mit diesem Schauspiel vergleichen können? Hier hat man eine weiche,
sammetartige Rasenfläche vor sich, dort angenehmen Schatten unter jenen
ausgedehnten Baumgruppen, und in bequemer Schussweite weiden Heerden
verschiedener grosser Wildarten. Jetzt, wo sich eine solche Aussicht
meinen Blicken eröffnet, fühle ich mich vollständig für meinen langen
Umweg nach Süden entschädigt. Hier gibt es keine dornigen Dickichte
und durchdringend riechende Moore, die den Jäger erschrecken und seine
Sehnsucht nach echtem Sport abschwächen. Kein Jäger könnte sich ein
schöneres Feld für seine Thätigkeit ersehnen.

Nachdem ich die Oertlichheit des Lagers festgestellt, das eine der
Pfützen, die in der Richtung des Gombéflusses liegen, überblickte,
nahm ich meine doppelläufige glatte Flinte und schlenderte fort in
das Parkland. Aus einer Baumgruppe hervortretend, sah ich drei schöne
feiste Springböcke auf dem frischen Grase gerade hundert Schritt von
mir entfernt weiden. Ich kniete nieder und feuerte; eine unglückliche
Antilope sprang instinktiv in die Höhe und fiel todt nieder. Ihre
Gefährten schnellten gleichfalls in die Luft und machten dabei
Sprünge von ungefähr 12 Fuss Weite, gleich als ob diese Vierfüssler
gymnastische Uebungen machen wollten, und eilten darauf fort, wie
Gummibälle in die Höhe prallend, bis ein Hügel sie meinen Blicken
entzog. Die Soldaten begrüssten mein Glück mit lautem Freudengeschrei
und kamen sofort aus dem Lager gelaufen, als sie das Knallen meiner
Flinte hörten. Mein Flintenträger zückte sein Messer gegen den Hals
des Thieres und rief ein inniges „Bismillah“, als er den Kopf fast
vollständig vom Körper trennte.

Jetzt sandte ich Jäger nach Osten und Norden aus, um uns Fleisch zu
verschaffen, denn in jeder Karavane finden sich sogenannte Fundi,
deren eigentliches Handwerk darin besteht, das Fleisch für das Lager
zu erjagen. Einige von ihnen sind im Stellen des Wildes sehr gewandt,
befinden sich aber oft in gefährlicher Lage wegen der nothwendigen
Annäherung, da sie ihre sehr unzuverlässigen Gewehre nur in der Nähe
mit einiger Sicherheit gebrauchen können.

Nach dem Frühstück, das aus gerösteten Springbockschnitten, heissen
Kornkuchen und einer Tasse herrlichen Mokkakaffees bestand, wanderte
ich gemeinschaftlich mit Kalulu und Madschwara, zwei jungen
Flintenträgern, nach Südwesten. Die kleinen Perpusilla-Antilopen
sprangen wie Kaninchen vor mir her, als ich mich durch das Unterholz
dahinschlich; der Honigvogel hüpfte zirpend von Baum zu Baum, als ob
er glaubte, dass ich den süssen Schatz, dessen Versteck er allein
kannte, aufsuchte; doch wünschte ich weder Perpusillas noch Honig zu
haben, denn ich suchte mir an diesem Tage etwas Grosses. Scharfsichtige
Fischadler und Bussarde, die auf Bäumen an den Krümmungen des Gombé
sassen, dachten und wol mit gutem Recht, dass ich ihnen nachstelle,
wenn man nach dem raschen Fluge urtheilen darf, mit dem diese Vögel
verschwanden, als sie mich ankommen sahen. Doch nein, heute will ich
nichts als Hartebeests, Zebras, Giraffen, Elenn und Büffel! Nachdem
ich dem Lauf des Gombé ungefähr eine Meile gefolgt war und meine Augen
lange an den breiten, langen Wasserflächen erfreut hatte, die ich
so lange nicht mehr gesehen, bot sich mir ein Schauspiel, das meine
Seele im Innersten entzückte. Da befanden sich, ungefähr 150 Schritt
von mir, zehn Zebras, mit den Schweifen die schönen gestreiften Körper
peitschend und sich gegenseitig beissend. Der Anblick war so hübsch, so
romantisch; nie hatte ich es mir vorher so klar gemacht, dass ich in
Central-Afrika sei. Ich fühlte mich im Augenblick stolz darauf, ein so
ungeheueres, von so edlem Gethier bewohntes Gebiet zu besitzen. Hier
hatte ich im Bereich einer Bleikugel ein jedes der schönen Thiere, des
Stolzes der afrikanischen Wälder, das ich zu haben wünschte. Ich konnte
sie nach Belieben schiessen. Mir gehörten sie an, ohne dass ich Geld
dafür zu zahlen hätte; dennoch liess ich meine Flinte zweimal sinken,
da ich die herrlichen Thiere nicht verwunden wollte, aber Paff! -- und
eins derselben lag auf seinem Rücken und kämpfte mit den Beinen in der
Luft. O, wie schade war es! Doch rasch heraus mit dem scharfen Messer
über die schönen Streifen, die sich um den Hals ziehen. Was für ein
hässlicher Schnitt! Es ist geschehen, ich habe ein herrliches Thier zu
meinen Füssen. Hurrah, heute Abend werde ich Ukonongo-Zebrabraten essen!

Ich hielt einen Springbock und ein Zebra ausreichend für das
Jagdvergnügen eines Tages, namentlich nach einem langen Marsch. Der
Gombé, ein sich lang hinstreckendes tiefes Gewässer, das sich still
durch grüne Haine windet und Lotusblätter auf seiner Oberfläche leicht
wiegt, sah hübsch, romantisch, friedlich wie ein Sommertraum aus und
lud sehr zum Bade ein. Ich suchte mir den schattigsten Ort unter einer
breiten Mimose aus, von wo der Boden sich platt wie eine Wiese an das
steile Wasser hinabzog. Ich wagte es, mich zu entkleiden, war schon bis
an die Knöchel ins Wasser gegangen und hatte beide Hände zum raschen
Tauchersprunge zusammengelegt, als plötzlich meine Aufmerksamkeit durch
einen furchtbar langen Körper angezogen wurde, der in Sicht schoss
und gerade den Ort unter der Oberfläche einnahm, den ich mit einem
Kopfsprung hatte untersuchen wollen. Gerechter Himmel, es war ein
Krokodil! Instinktmässig sprang ich zurück, und das war meine Rettung,
denn das Ungethüm wandte sich mit enttäuschtem Blick ab und ich konnte
mir Glück wünschen, dass ich soeben seinen Kinnladen entkommen war
und gelobte mir, mich nie wieder durch die verrätherische Ruhe eines
afrikanischen Flusses verlocken zu lassen.

Sobald ich angekleidet war, wandte ich mich von dem jetzt abstossend
erscheinenden Anblick des Stromes ab. Als ich durch das Dickicht meinem
Lager zuschlenderte, entdeckte ich die Gestalten zweier Eingeborenen,
die scharf um sich blickten. Ich gebot meinen jungen Begleitern
vollkommene Ruhe, schlich mich an sie heran und wusste es mit Hülfe
einer dichten Gruppe von Unterholz so einzurichten, mich ihnen
unentdeckt bis auf ein paar Schritt Entfernung zu nähern. Ihre blose
unerklärte Anwesenheit in dem grossen Walde bildete bei dem damaligen
unruhigen Zustande des Landes eine Quelle der Besorgniss, und ich
beabsichtigte, mich ihnen plötzlich zu zeigen, die Wirkung hiervon zu
beobachten, und wenn diese irgendetwas meiner Expedition Feindseliges
kundgab, die Sache sofort mit Hülfe meines doppelläufigen glatten
Gewehrs zu erledigen.

Als ich auf der einen Seite des Busches ankam, erschienen beide
verdächtig aussehende Eingeborene auf der andern, und wir waren nur ein
paar Schritt auseinander. Ich that einen Sprung und wir standen uns
dicht gegenüber. Die Eingeborenen warfen einen Blick auf die plötzliche
Erscheinung eines weissen Mannes und schienen einen Augenblick wie
versteinert, dann aber erholten sie sich und riefen aus: „Bana, Bana,
Sie kennen uns nicht. Wir sind ja Wakonongo, die in Ihr Lager gekommen,
Sie nach Mrera zu begleiten, und wir suchen Honig.“ „Ja, wahrhaftig,
Ihr seid die Wakonongo. Gut, dann ist alles in Ordnung. Ich dachte, Ihr
könntet Ruga-Ruga sein.“

Wir fingen nun beiderseits an laut zu lachen, statt uns feindlich
entgegenzutreten. Die Wakonongo freuten sich sehr über den Zufall und
lachten herzlich, als sie ihren Weg fortsetzten, um wilden Honig zu
suchen. Auf einem Stückchen Rinde trugen sie etwas Feuer, mit dem sie
die Bienen aus ihren in den grossen Mtundu-Bäumen gelegenen Nestern
ausräucherten.

Die Abenteuer des Tages waren vorüber; das Blau des Himmels hatte
sich in ein todtes Grau verwandelt; der Mond erschien gerade über den
Bäumen; das Wasser des Gombé war wie ein silberner Gürtel; heisere
Frösche quakten laut an dem Rande des Flusses; die Fischadler liessen
aus den Wipfeln der höchsten Bäume ihr grabliedähnliches Geschrei
ertönen; Elennthiere warnten ihre im Walde befindlichen Heerden
durch ihr Wiehern, und leise schlichen sich verschiedene Raubthiere
ausserhalb unseres Lagers durch die dunkeln Wälder. In dem hohen
Gehege von Busch und Dorn, das wir um das Lager errichtet hatten, war
alles heiter, lachend, fröhlich und wahrhaft gemüthlich. Um jedes
Lagerfeuer sah man dunkle Männergestalten hocken, der eine nagte an
einem saftigen Knochen; der andere sog das fette Mark aus dem Bein
eines Zebras; ein dritter drehte einen mit ungeheuern Kabobs garnirten
Stock an einem hellen Feuer; ein vierter hielt eine grosse Rippe über
eine Flamme. Noch andere rührten fleissig in grossen schwarzen Töpfen
voll Ugali herum und beobachteten sorgfältig das brodelnde Fleisch
und das Aufwallen der Suppe, während das Feuer tüchtig flackerte und
hüpfte, einen hellen Schein auf die nackten Gestalten der Männer
warf und dem hohen Zelt, das in der Mitte des Lagers wie ein einem
mysteriösen Gotte geweihter Tempel dastand, eine röthliche Färbung gab.
Die Flammen warfen ihren Schein auf die massigen Zweige der Bäume, die
sich über unser Lager ausdehnten, und im Dunkel ihres Laubes wurden die
phantastischsten Schatten sichtbar. Es war eine wilde, romantische,
ausdrucksvolle Scene. Doch kümmerten sich meine Leute wenig um Schatten
und Mondlicht, Scharlachfärbung und tempelartige Zelte, vielmehr waren
sie alle eifrig dabei beschäftigt, ihre verschiedenen Erlebnisse zu
erzählen und sich mit den kräftigen Fleischspeisen, die unsere Flinten
uns verschafft hatten, vollzustopfen. Der eine erzählte, wie er einen
wilden Eber gestellt und wie er infolge des wüthenden Angriffs, den das
verwundete Thier auf ihn gemacht, die Flinte habe wegwerfen und einen
Baum hinaufklettern müssen. Er erinnerte sich noch des schrecklichen
Grunzens des Thieres, und das ganze Firmament erdröhnte von dem
Gelächter, das seine mimischen Darstellungen hervorrief. Ein anderer
hatte ein Büffelkalb erschossen, ein dritter ein Hartebeest erlegt.
Die Wakonongo erzählten ihre spasshafte Zusammenkunft mit mir im Walde
und gaben weitläufige Beschreibungen von Honigvorräthen, die sich in
den Wäldern befänden. Die ganze Zeit über versuchten Selim und seine
jungen Untergebenen ihre scharfen Zähne an dem Fleisch eines Ferkels,
das einer der Jäger erlegt, sonst aber niemand essen wollte, wegen
der mohammedanischen Abneigung gegen Schweinefleisch, welche sich die
Leute bei ihrer Umwandlung aus wilden Negern in brauchbare, gelehrige
Zanzibarer Freie mit angeeignet hatten.

Die beiden folgenden Tage lagerten wir und machten häufige Streifzüge
gegen die Heerden dieses schönen Landes. Am ersten Tage war ich wieder
sehr glücklich bei meiner Jagd; denn ich erbeutete ein paar Antilopen,
eine Kudu (Antilope strepsiceros) mit schönen gewundenen Hörnern und
einen Pallah-Bock (Antilope melampus), ein röthlich braunes Thier,
das ungefähr 3½ Fuss misst und breite Hinterbacken hat. Es wäre mir
wol gelungen, Thiere zu Dutzenden zu schiessen, hätte ich nur ein
genaues, schweres Gewehr gehabt, wie sie von Lancaster, Reilly oder
Blissett fabricirt werden, bei denen nie ein Schuss versagt. Meine
Gewehre waren aber, mit Ausnahme meiner leichten glatten Flinte,
nicht für afrikanisches Wild, sondern mehr für Menschen geeignet.
Mit dem gezogenen Winchestergewehr und dem Starr’schen Karabiner war
ich zwar im Stande, alles zu treffen, was 200 Meter von mir entfernt
war, aber die Thiere wussten, obwol verwundet, sich stets dem Messer
zu entziehen, sodass ich die Erbsenkugeln satt bekam. Hier zu Lande
braucht man ein grosses Kaliber; Nr. 10 oder 12 ist der eigentliche
Knochenzerschmetterer, der jedes angeschossene Thier sofort zu Falle
bringt, wodurch man alle Strapazen und Enttäuschungen vermeidet.
Mehrere male wurde ich während dieser beiden Tage, nachdem ich
mühevoll das Thier gestellt hatte und auf dem Boden herangekrochen
war, enttäuscht. Einmal stiess ich plötzlich auf ein Elenn, während
ich das gezogene Winchestergewehr in der Hand hatte; das Elenn sowie
ich waren beide höchst erstaunt, da wir uns nur 25 Schritt voneinander
befanden. Ich feuerte ihm auf die Brust, die Kugel ging richtig weit
in die innern Theile hinein und das Blut quoll aus der Wunde hervor.
In wenigen Minuten jedoch war das Thier weit fort und ich zu sehr
enttäuscht, um ihm nachsetzen zu können. Alle Liebe zur Jagd schien vor
diesen verschiedenen Misgeschicken zu verschwinden. Was waren denn zwei
Antilopen für die Jagd eines Tages im Verhältniss zu den Tausenden, die
auf der Ebene weideten?

Die Thiere, die während der Jagd von drei Tagen in unser Lager gebracht
wurden, waren zwei Büffel, zwei wilde Eber, drei Hartebeest, ein Zebra
und ein Pallah. Ausserdem wurden acht Perlhühner, drei Florikans, zwei
Fischadler, ein Pelikan geschossen, und einer meiner Leute fing ein
paar grosse Welse. Mittlerweile hatten die Leute diese reichlichen
Vorräthe in Stücke geschnitten und getrocknet, damit sie uns bei unserm
Durchzug durch die vor uns befindliche lange Wüstenei dienten.

Am Sonnabend den 7. October brachen wir unser Lager zum grossen
Bedauern der fleischliebenden und gefrässigen Wangwana ab. Sie
schickten Bombay früh am Morgen zu mir, um mich zu bitten, noch einen
Tag länger da zu verweilen. Das war immer der Fall, sie hatten stets
eine unüberwindliche Abneigung gegen die Arbeit, wenn sie Fleisch zu
sehen bekamen. Ich schalt Bombay gründlich aus, dass er mir eine solche
Bitte vortrug, nachdem wir eine Rast von zwei Tagen gehabt, während
welcher Zeit sie sich mit Fleisch vollgestopft hätten. Bombay war daher
keineswegs in bester Laune; denn gefüllte Fleischtöpfe waren mehr nach
seinem Geschmack, als beständiges Marschiren und die damit verbundenen
Strapazen. Ich sah, wie sich sein Gesicht in hässliche verdriessliche
Falten zog und seine grossen Unterlippen herabhingen, was so viel
bedeutete wie: „Bringen Sie die Leute selbst in Bewegung, Sie böser,
grausamer Mann! Ich werde Ihnen dabei nicht behülflich sein.“

Eine unheilverkündende Stille folgte meinem dem Kirangozi ertheilten
Befehl, das Horn ertönen zu lassen, und der gewöhnliche Singsang
liess sich nicht vernehmen. Die Leute kehrten sich verdriesslich
ihren Ballen zu, und ich hörte, wie Asmani, der gigantische Führer,
unser Fundi, murrend sagte, er bedauere es, sich als Führer nach
dem Tanganika vermiethet zu haben. Dennoch brachen sie, wenn auch
widerwillig, auf. Ich blieb mit meinen Flintenträgern zurück, um die
Nachzügler anzutreiben. Nach einer halben Stunde etwa sah ich aber, wie
die Karavane vollständig stillhielt, die Ballen auf den Boden warf,
wie die Leute in Gruppen herumstanden und sich ärgerlich und aufgeregt
unterhielten.

Indem ich meine doppelläufige Flinte von Selim’s Schultern nahm, suchte
ich mir ein Dutzend Ladungen Rehposten aus und ging, nachdem ich zwei
davon in die Läufe gethan und meine Revolver bereit gemacht hatte, auf
sie zu. Ich bemerkte, wie die Leute zu ihren Flinten griffen, als ich
näher kam. Als ich 30 Schritt von den Gruppen entfernt war, sah ich
die Köpfe von zwei Leuten über einem Ameisenhaufen zu meiner Linken
erscheinen, ihre Flintenläufe nachlässig auf den Weg gerichtet.

Ich hielt an, warf den Lauf meiner Flinte in die Höhlung der linken
Hand, zielte kaltblütig auf sie und drohte ihnen die Köpfe zu
zerschmettern, falls sie nicht vorträten, um mit mir zu sprechen. Diese
beiden waren der riesenhafte Asmani und sein getreuer Freund Mabruki,
die Führer Scheikh bin Nasib’s. Da es gefährlich war, einem solchen
Befehl nicht nachzukommen, so kamen sie sogleich; ich sah aber, als
ich Asmani im Auge behielt, dass er seine Finger am Drücker seiner
Flinte bewegte und dieselbe in Bereitschaft hielt. Wiederum erhob ich
meine Flinte und drohte, ihn sofort zu erschiessen, wenn er nicht seine
Flinte fortwerfe.

Asmani kam seitwärts mit grinsendem Gesicht heran, aus seinen
schurkischen Augen jedoch blickte die unheimliche Absicht zum Morde so
klar wie möglich hervor. Mabruki schlich sich hinter mich und legte
bedächtig Pulver auf die Pfanne seiner Muskete; ich fuhr aber mit der
Flinte scharf in die Runde, hielt die Mündung derselben ihm ungefähr
zwei Fuss vor das boshafte Gesicht und befahl ihm, sein Gewehr sofort
wegzuwerfen. Rasch liess er es aus der Hand fallen und ich gab ihm mit
meiner Flinte einen kräftigen Stoss vor die Brust, der ihn taumelnd
einige Fuss von mir niederstreckte. Hierauf wandte ich mich zu Asmani
und befahl ihm, sein Gewehr niederzulegen, wobei ich eine kräftige
Bewegung mit meiner Flinte machte und deren Stecher gleichzeitig leise
andrückte. Nie war ein Mensch dem Tode näher als Asmani während dieser
kurzen Augenblicke. Doch wollte ich nicht gern Blut vergiessen, sondern
alle möglichen Mittel versuchen, es zu vermeiden; gelang es mir aber
nicht, diesen Schurken einzuschüchtern, so war meine Autorität zu Ende.
In Wahrheit fürchteten sich alle, weiter zu ziehen, und die einzige
Möglichkeit, sie dazu zu bewegen, war durch Gewalt und die Ausübung
meiner ganzen Willenskraft in diesem Falle, selbst wenn ein einzelner
seinen Ungehorsam mit dem Tode zu büssen hätte. Als ich mir eben klar
machte, dass Asmani seinen letzten Augenblick auf Erden verlebt habe,
da er seine Flinte an die Schulter hob, trat eine Gestalt hinter ihm
hervor, fegte sein Gewehr mit einer ungeduldigen kräftigen Bewegung zur
Seite, und ich hörte, wie Mabruki-Speke in erschrecktem Tone sagte:

„Mensch, wie wagst Du es, Deine Flinte gegen den Herrn zu richten?“
Darauf warf sich Mabruki mir zu Füssen, versuchte sie zu küssen und
bat mich, ihn nicht zu bestrafen. „Jetzt sei alles vorüber“, sagte
er, „es würde keine Zänkerei mehr vorkommen, sie würden alle mit mir
ohne irgendwelchen Streit nach dem Tanganika gehen und Inschallah! wir
werden den alten Musungu in Udschidschi finden. Sprecht, Männer, freie
Männer, wird das nicht geschehen? Werden wir nicht an den Tanganika
gehen, ohne irgend weitere Unruhe? Sagt das dem Herrn einstimmig.“

Alle riefen laut: „Ay Wallah! ay Wallah! Bana yango! Hamuna manneno
mgini!“ Buchstäblich übersetzt: „Ja, bei Gott! ja, bei Gott, mein Herr!
Es gibt keine andern Worte!“

„Bitte den Herrn um Verzeihung, oder mach, dass Du fortkommst!“ sagte
Mabruki gebieterisch zu Asmani, und dieser that es zu unser aller
Freude.

[Illustration: MEUTEREI AM GOMBÉ-FLUSS.

  I. S. 328.]

Es blieb mir nur noch übrig, einen allgemeinen Pardon an alle
zu ertheilen, mit Ausnahme von Bombay und Ambari, welche die jetzt
glücklich unterdrückte Meuterei angestiftet hatten. Denn Bombay als
Hauptmann hätte, wenn er gewollt, durch ein Wort jede Aeusserung übler
Laune im Keime ersticken können. Bombay war aber dem Marschiren noch
abgeneigter als der feigste seiner Kameraden, nicht weil er feig,
sondern weil er faul war und seinen Bauch zu seinem Gott machte.
Ich ergriff also einen Speer und schlug ihn damit tüchtig auf die
Schultern, sprang darauf auf Ambari, dessen höhnisches Gesicht bald
eine merkliche Verwandlung erlitt. Darauf liess ich sie alle beide in
Ketten legen und drohte ihnen, dass sie geschlossen bleiben sollten,
bis sie wüssten, wie sie um Verzeihung zu bitten hätten. Asmani und
Mabruki wurden verwarnt, ihren bösen Stimmungen nicht mehr nachzugeben,
wenn sie nicht den Tod, dem sie jetzt glücklich entronnen, schmecken
wollten.

Wiederum wurde der Befehl zum Marsch ertheilt und alle nahmen ihre
Lasten mit erstaunlicher Munterkeit auf und entschwanden alsbald den
Blicken, Bombay und Ambari in Ketten, zusammen mit den Deserteuren
Kingaru und Asmani, mit den schwersten Lasten beladen, hinter uns her.

Kaum waren wir eine Stunde von dem Gombé entfernt, als Bombay und
Ambari mit zitternder Stimme mich um Verzeihung baten; ich liess sie
noch eine halbe Stunde bitten, dann gab ich schliesslich nach, befreite
sie von ihren Ketten und setzte den erstern wieder vollständig in seine
Würde als Hauptmann ein.

Da ich über Persönlichkeiten spreche, will ich hier eine kurze
Charakterskizze eines jeden der wichtigsten Männer, deren Namen in den
folgenden Kapiteln häufig erscheinen werden, einschalten. Dies sind
ihrem Range nach Bombay, Mabruki-Speke, der Führer Asmani, Tschaupereh,
Ulimengo, Khamisi, Ambari, Dschumah, der Koch Feradschi, der Mnyamwezi
Maganga, der arabische Knabe Selim und der jugendliche Gewehrträger
Kalulu.

Bombay ist von Burton, Speke und Grant sehr gelobt worden; es thut
mir aber leid, dass ich nicht im Stande bin, dies ganz zu bestätigen.
Burton bezeichnet ihn überschwenglich als die „Personification der
Ehrlichkeit“. In Wahrheit war aber Bombay weder sehr ehrlich, noch
sehr unehrlich, d. h. er wagte es nicht, viel zu stehlen. Wenn er
das Fleisch vertheilte, wusste er es bisweilen schlau einzurichten,
einen grossen Theil für sich zu verstecken, doch hat mich diese kleine
Sünde nicht sehr gestört; als Hauptmann verdiente er eine grössere
Portion als die übrigen. Man musste ihn aber genau bewachen, und wenn
er wusste, dass dies geschah, so wagte er es selten, sich mehr Tuch
anzueignen, als ich ihm aus freien Stücken gegeben hätte, wenn er darum
gebeten. Als Kammerdiener wäre er tadellos gewesen, als Hauptmann
oder Dschemadar über seine Genossen befand er sich jedoch nicht im
richtigen Wirkungskreise. Man musste zu viel daran denken und sich zu
viele Sorgen machen, um ihn in Ordnung zu halten. Bisweilen war er so
dumm in seinen Bewegungen, dass ihm nicht zu helfen war; oft vergass
er den Befehl im Augenblick, wo er ihm ertheilt worden, zerbrach oder
verlor beständig irgendeinen werthvollen Gegenstand und liebte es, zu
räsonniren; auch war er zum Aufbrausen geneigt. Bombay hält Hadschi
Abdullah für einen der bösesten Weissen, die existiren, weil er es mit
angesehen, wie dieser die Schädel von Menschen sammelte und sie in
seine Beutel that, als ob er im Begriff sei, eine fürchterliche Medizin
daraus zu bereiten. Er wollte wissen, ob sein früherer Herr alles
niedergeschrieben habe, was er gethan, und als ich ihm sagte, dass
Burton nichts darüber in seinem Buche mitgetheilt, dass er in Kilwa
Schädel gesammelt, meinte er, ich würde ein gutes Werk thun, wenn ich
diese wichtige Thatsache mittheilte[7]. Bombay beabsichtigt, einst noch
an das Grab von Speke zu wallfahrten.

Mabruki, „Ras-bukra Mabruki“, der stierköpfige Mabruki, wie Burton ihn
nennt, Mabruki-Speke, wie wir ihn zur Unterscheidung von den andern
Mabrukis nannten, ist nach meiner Ansicht ein Mann, dem sehr grosses
Unrecht geschehen ist. Der grosse Reisende pflegte ihn auf Arabisch
zu rufen und in dem auserwählten Wörterverzeichniss von El Scham zu
schimpfen. „Ji’ib el haleeb Bil-alek“, erzählte mir Mabruki, sei ihm
oft zugerufen worden; d. h. „Bring mir die Milch, Du --“ Nun, ich muss
gestehen, ich bin nicht hinreichend im Syrisch-Arabischen bewandert, um
im Stande zu sein, das letzte Wort zu übersetzen. Es muss ohne Zweifel
etwas schreckliches sein, denn es erregt noch heute Mabruki in hohem
Grade. Mabruki sagt, er möchte gern mit seinem frühern Herrn kämpfen,
ich glaube jedoch nicht, dass er ihm sehr viel Schaden thun würde.
Mabruki ist aber, wenn auch dumm, doch treu; er ist als Kammerdiener
durchaus nichts werth, ebenso gut könnte er Sekretär sein. Als Wache
hingegen ist er unschätzbar und als zweiter Hauptmann oder Fundi,
dessen Pflicht es ist, die Nachzügler wieder heranzubringen, ist er
über alles Lob erhaben. Er ist hässlich und eitel, aber nicht feige.

Der Führer Asmani ist ein grosser Kerl, mehr als sechs Fuss hoch, mit
dem Nacken und den Schultern eines Herkules. Neben seiner Function
als Führer ist er ein Fundi, heisst auch bisweilen Fundi-Asmani, oder
Jäger. Er ist ein sehr abergläubischer Mensch, der sein Gewehr und
seinen als Talisman dienenden geflochtenen Riemen sehr in Acht nimmt,
welchen letzteren er in das Blut aller Thiere, die er je geschossen,
getaucht hat. Er fürchtet sich vor Löwen und wagt sich nie hinaus, wo
er weiss, dass Löwen da sind. Alle andern Thiere betrachtet er als
Jagdwild und ist unermüdlich beim Verfolgen derselben. Selten sieht
man ihn ohne ein Lächeln auf dem Gesicht, das aber nicht freundlich,
sondern mehr selbstentschuldigend, verrätherisch ist. Er könnte einem
Menschen den Hals abschneiden und dabei lächeln.

Tschaupereh ist ein stämmiger, kleiner Mann von ungefähr dreissig
Jahren, sehr gutmüthig und spassig. Wenn Tschaupereh in seinem
trockenen Stile spricht, wie Mark Twain, so lacht das ganze Lager. Ich
zanke mich nie mit Tschaupereh und habe es nie gethan. Ein freundliches
Wort, das man an ihn richtet, wird bestimmt mit einer guten That
vergolten. Er ist der Stärkste, Gesündeste, Liebenswürdigste und
Treueste von allen, kurz, die Personification eines guten Trabanten.

Khamisi ist ein netter, reinlicher Junge von ungefähr zwanzig Jahren,
thätig, laut, prahlerisch und der Feigste der Feigen. Er pflegt bei
jeder Gelegenheit zu stehlen, hängt mit Vorliebe an seiner Flinte, ist
immer sehr ängstlich, wenn eine Schraube losgeht oder ein Stein nicht
Feuer geben will; doch bezweifle ich, dass er vor starkem Zittern im
Stande sein würde, seine Flinte gegen einen Feind abzufeuern. Er würde
sich wol eher auf seine Füsse verlassen, die klein und wohlgeformt sind.

Ambari ist ein Mann von ungefähr vierzig Jahren, gehört zu Speke’s
„Getreuen“ und auch zu den meinigen. Er würde nicht von mir weglaufen,
ausser vor einem Feinde, und wenn er sich in grosser persönlicher
Gefahr befinden sollte. In seiner Art ist er gescheit, aber nicht
hinreichend, um als Hauptmann zu dienen; er könnte jedoch eine kleinere
Abtheilung in seine Obhut nehmen und gewiss gut über dieselbe Bericht
erstatten. Er ist faul, liebt das gute Leben und hasst das Marschiren,
wenn er mehr als seine Flinte zu tragen hat.

Dschumah ist derjenige von den Leuten, auf den am meisten geschimpft
wird, aber nicht von mir, denn ich streite mich selten mit ihm; er
hat nämlich Alteweiber-Manieren und ist in seiner Weise geneigt, das
beste für mich zu thun, obwol er nicht ein Pfund tragen kann, ohne über
sein hartes Schicksal zu stöhnen. Mir gegenüber ist er sentimental und
pathetisch; den unbedeutenderen Mitgliedern der Karavane gegenüber
zeigt er sich streng und unnachgiebig. In Wahrheit hätte ich Dschumah
sehr leicht entbehren können, er war unverbesserlich unbrauchbar
und ass viel mehr, als er werth war. Im übrigen war er ein sehr
streitsüchtiger und mürrischer Narr.

Ulimengo, ein starker, tapferer Bursche von dreissig Jahren, war
der Tollste und Hirnverbrannteste meiner Gesellschaft. Obgleich ein
Erzfeigling, renommirte er doch gewaltig; trotz seiner Liebe zum
Spass und Vergnügen, war er nicht sehr gegen die Arbeit. Mit hundert
Leuten seines Schlags hätte ich durch ganz Afrika reisen können,
vorausgesetzt, dass man keine Gefechte zu bestehen hätte. Man wird
sich wol erinnern, dass er der Kriegsheld war, der meine kleine
Armee gegen Mirambo in den Krieg führte und den Schlachtgesang der
Wangwana anstimmte, und dass ich erzählt habe, wie er, als der Rückzug
beschlossen war, als erster von meiner Gesellschaft die Veste Mfuto
erreichte. Er läuft rasch und schiesst gut. Ihm verdanke ich bei
verschiedenen Gelegenheiten werthvolle Beiträge zu meiner Speisekammer.

Feradschi, ein früherer Tellerputzer von Speke, war mein Koch. Er wurde
in dies Amt befördert, nachdem Bunder-Salaam ausgerissen war und Abdul
Kader sich als völlig unbrauchbar erwiesen hatte. Feradschi’s Zwecken
genügte es, wenn er kein Wischtuch hatte, die Schüsseln mit Kornähren,
grünen Zweigen, einem Bündel Blätter oder Gras, was ihm gerade zur
Hand war, zu reinigen. Wenn ich mir einen Teller bringen liess und ihm
darauf eine schwarze, fettige, schmutzige Daumenspur zeigte, so hielt
Feradschi ein Abreiben mit dem Finger für genügend, um alle Einwürfe
zu erledigen. Wenn ich ihm andeutete, dass ein Löffel schmutzig
sei, so glaubte er, der Peinlichste müsse damit zufriedengestellt
sein, wenn er es mit etwas Speichel an seinem schmierigen Lendentuch
abgerieben hatte. Jedes Pfund Fleisch und jeder dritte Löffel Schleim
oder Grütze, den ich in Afrika gegessen, enthielt wenigstens zehn Gran
Sand. Feradschi ärgerte sich ungemein, als ich ihm drohte, ich würde
bei unserer Ankunft in Zanzibar mir den Magen vom grossen englischen
Doctor öffnen und jedes in demselben gefundene Sandkorn zählen lassen,
wo dann Feradschi für jedes derselben einen Dollar zahlen müsse. Das
Bewusstsein, dass mein Magen eine grosse Anzahl Sandkörner enthalten
müsse, wodurch er schweres Geld verwirkt habe, machte ihn zuweilen sehr
traurig. Im übrigen war Feradschi ein guter, sehr fleissiger, wenn auch
nicht perfekter Koch und konnte eine Tasse Thee sowie drei bis vier
heisse Pfannkuchen innerhalb zehn Minuten, nachdem wir halt gemacht,
fertig bringen, und dafür war ich ihm sehr dankbar, da ich nach einem
langen Marsch gewöhnlich hungrig war. Feradschi hatte Baraka’s
Partei gegen Bombay in Unyoro ergriffen, und da Speke sich für Bombay
entschied, verliess Feradschi aus Liebe zu Baraka Speke’s Dienste und
verwirkte so seinen Lohn.

Maganga war ein in Mkwenkwe geborener Mnyamwezi, ein starker,
treuer Diener, ausgezeichneter Pagazi und von tadellosem Charakter.
Er war es, der zu allen Zeiten auf dem Wege den lauten Gesang der
Wanyamwezi-Träger anstimmte, der ohne Rücksicht darauf, wie heiss die
Sonne brannte oder wie lang der Marsch war, mit Sicherheit unter den
Leuten Munterkeit und Leben verbreitete. Zu solchen Zeiten sangen
alle mit meilenweit zu hörenden Stimmen, dass die grossen Wälder
laut erdröhnten und jedes Thier meilenweit in der Runde erschreckt
aufgescheucht ward. Wenn wir uns einem Dorfe näherten, dessen Bewohner
uns feindselig gesinnt sein konnten, so fing Maganga seinen Gesang
an, alle andern stimmten im Chor ein und dadurch erfuhren wir, ob
die Eingeborenen freundlich oder feindlich gegen uns seien. Waren
sie feindlich oder verzagt, so pflegten sie ihre Pforten sofort zu
schliessen und blickten uns finster von dem Innern aus an; waren sie
dagegen freundlich, so stürzten sie aus den Pforten heraus, um uns zu
begrüssen und einige freundliche Worte zu wechseln.

Das wichtigste Mitglied in der Expedition nach mir war Selim, der junge
arabische Christ aus Jerusalem. Er war vom guten Bischof Gobat erzogen,
und wenn alle arabischen Knaben aus seiner Schule so gut wie Selim
einschlagen, so verdient der Bischof das höchste Lob für sein edles
Wirken. Ohne Selim hätte ich in Mfuto zu Grunde gehen müssen; ohne ihn
hätte ich mir nicht so leicht die Freundschaft der Hauptaraber des
Innern erwerben oder mit ihnen so gut verkehren können, denn wenn ich
auch Arabisch verstand, so konnte ich es doch nicht sprechen. Diesen
Jungen habe ich im Januar 1870 in Dienst genommen; seit der Zeit ist er
mit mir durch das südliche Russland, den Kaukasus und Persien gereist.
Er war in meinem Dienste ehrlich und treu, selbst bis zum Tode, und
ohne Furcht und Tadel. Während ich sein Lob hier verzeichne, fühle ich,
dass es durchaus nicht hinreicht, um die Empfindungen auszudrücken,
die ich für seine mir geleisteten Dienste hege.

[Illustration: SELIM, DER DOLMETSCHER.

  I. S. 334.]

Ich habe bereits erzählt, wie Kalulu in meinen Dienst und zu seinem
jetzigen Namen kam. Bald fand ich heraus, wie gewandt und rasch er beim
Lernen war, und deshalb wurde er zum Range meines Leibdieners erhoben.
Selbst Selim konnte es Kalulu nicht an Raschheit und Bereitwilligkeit
zuvorthun, wenn er meine Bedürfnisse bei Tisch errathen sollte. Seine
kleinen schwarzen Augen schweiften immer über die Schüssel und waren
bemüht, herauszufinden, was ich noch brauche und was nicht.

In ungefähr 4½ Stunden, nachdem wir den Ort verlassen, der beinahe
zum Schauplatz eines blutigen Conflicts geworden wäre, kamen wir an
dem Ziwani an. Der Ziwani oder der Pfuhl enthielt nicht einen Tropfen
Wasser, sodass meine Leute, deren Zungen ganz vertrocknet waren, weiter
gehen mussten, um danach zu graben. Diese Ausgrabung wurde mittels
starker, harter, scharf zugespitzter Stöcke in dem trockenen, hart
zusammengebackenen Boden bewirkt; nachdem sie sechs Fuss tief gegraben
hatten, wurden ihre Mühen durch den Anblick von einigen Tropfen
schlammiger Flüssigkeit belohnt, welche an den Seiten des Loches
durchsickerte. Diese verschluckten sie gierig, um ihren wüthenden Durst
zu löschen. Freiwillig gingen einige mit Eimern, Kürbisflaschen und
Kannen südlich nach einer verlassenen Lichtung, welche in Ukamba der
„Tongoni“ genannt wird, und kehrten nach drei Stunden mit einem für den
unmittelbaren Gebrauch gehörigen Vorrath guten klaren Wassers zurück.

Nach 1½ Stunde kamen wir bei diesem Tongoni oder der verlassenen
Lichtung der Wakamba an. Hier waren drei oder vier Dörfer
niedergebrannt und ein grosser offener Platz lag infolge der Zerstörung
der Wa-Ruga-Ruga Mirambo’s verwüstet da. Die übrigbleibenden Einwohner
waren nach der Plünderung und völligen Zerstörung ihrer blühenden
Ansiedlung gen Westen nach Ugara ausgewandert. Eine grosse Heerde
Büffel löscht jetzt ihren Durst an der Pfütze, welche die Ukambadörfer
mit Wasser versehen hat.

Grosse Massen von Eisenblutstein kamen an der Oberfläche in diesen
Wäldern zum Vorschein. Wildes Obst war reichlich vorhanden; der
Holzapfel, die Tamarinde und eine kleine pflaumenartige Frucht versahen
uns mit einem angenehmen Mahl.

Der Honigvogel ist in diesen Wäldern von Ukonongo sehr häufig. Sein
Geschrei ist ein lautes rasches Zirpen. Die Wakonongo verstehen sich
seiner Leitung zu bedienen, um zu dem süssen Honigschatz zu kommen, den
die wilden Bienen in dem Spalt irgendeines grossen Baumes aufgehäuft
haben. Täglich brachten mir die Wakonongo, die sich unserer Karavane
angeschlossen hatten, ungeheure Stücken Honigwaben, die schönen weissen
und rothen Honig enthielten. Gewöhnlich enthalten die rothen Honigwaben
eine grosse Anzahl todter Bienen, doch kümmerten sich unsere ungemein
gefrässigen Leute wenig darum, sondern assen nicht nur die Honigbienen,
sondern auch eine gute Portion Wachs.

Sobald der Honigvogel einen Menschen bemerkt, gibt er sofort eine Reihe
wilder aufgeregter Schreie von sich, hüpft von Zweig zu Zweig, von Ast
zu Ast und dann auf einen andern Baum, indem er fortwährend sein Zirpen
wiederholt. Der Eingeborene, der den Charakter des kleinen Vogels
kennt, folgt ihm ohne Zaudern; wenn seine Schritte zu langsam für den
unruhigen Rufer sind, so fliegt dieser zurück und dringt mit noch
lautern, ungeduldigern Tönen in ihn, sich zu beeilen. Dann schnellt er
sich rasch vorwärts, als ob er ihm zeigen wolle, wie rasch er sich an
den Honigvorrath begeben könne, bis schliesslich der Schatz erreicht
ist, der Eingeborene das Bienennest ausgeräuchert und den Honig in
Sicherheit gebracht hat. Dann putzt sich der kleine Vogel und zirpt
in triumphirender Melodie, als ob er dem Zweifüssler die Mittheilung
mache, dass dieser ohne seine Beihülfe niemals den Honig gefunden haben
würde.

Büffelmücken und Tsetses waren auf diesem Marsch sehr beschwerlich
infolge der zahlreichen in der Nähe sich aufhaltenden Heerden von
Jagdthieren.

Am 9. October machten wir einen langen Marsch nach Süden und schlugen
unser Lager in der Mitte eines prächtigen Haines auf. Wasser war auf
dem Wege sehr selten. Die Wamrima und Wanyamwezi sind nicht im Stande,
lange den Durst auszuhalten; wenn viel Wasser da ist, so löschen
sie denselben bei jedem Bach oder jeder Pfütze; ist es nur sparsam
vorhanden, wie hier und in den Wüsten von Marenga und Magunda Mkali,
so werden, nachdem die Leute vorher ihre Kürbisflaschen gefüllt, lange
Nachmittagsmärsche unternommen, sodass sie im Stande sind, das Wasser
früh am nächsten Morgen zu erreichen. Selim vermochte nie den Durst
auszuhalten; es kam gar nicht darauf an, wie viel von dem köstlichen
Nass er bei sich führte, gewöhnlich trank er den ganzen Vorrath aus,
ehe das Lager erreicht war, und litt infolge dessen während der Nacht
am Durst. Ausserdem gefährdete er sein Leben, indem er aus jeder
schmutzigen Lache trank und gerade jetzt begann er auch darüber zu
klagen, dass er blutigen Stuhlgang habe, was ich für ein Anfangsstadium
der Ruhr hielt.

Während dieser Märsche, seitdem wir Ugunda verlassen, bildeten die
Wa-Ruga-Ruga, deren Frevelthaten und die Möglichkeit, dass wir mit
diesen kühnen Waldräubern zusammentreffen könnten, einen beliebten
Gesprächsstoff an den Lagerfeuern. Ich glaube wahrhaftig, die ganze
Karavane wäre, falls ein halbes Dutzend von Mirambo’s Leuten uns
plötzlich angefallen hätte, davongelaufen.

Wir erreichten Marefu am nächsten Tage, nach einem kurzen Marsche von
drei Stunden. Dort fanden wir eine von den Unyanyembischen Arabern an
die südlichen Watuta abgeschickte Gesandtschaft, die mehrere Ballen
an Geschenken mit sich führte und unter der Leitung des Mseguhha
Hassan stand. Dieser tapfere Führer und Diplomat hatte hier wegen der
Kriege und Kriegsgerüchte in dem vor ihm liegenden Lande etwas mehr
als zehn Tage halt gemacht. Es hiess, dass Mbogo, der Sultan von Mbogo
in Ukonongo, mit dem Bruder von Manwa Sera Krieg führe und da Mbogo
ein grosser District von Ukonongo ist, der nur zwei Tagereisen von
Marefu entfernt ist, so hielt die Furcht, in den Krieg verwickelt zu
werden, den alten Hassan vom Weitermarsch ab. Er rieth auch mir, nicht
weiter zu gehen, da es unmöglich sei, das zu thun, ohne in den Kampf
hineingezogen zu werden. Ich sagte ihm aber, ich habe die Absicht,
meinen Weg fortzusetzen und es dem Zufall anheimzugeben, und erbot mich
freundlich, ihn bis an die Grenze von Ufipa zu begleiten, von wo er
leicht und sicher seinen Weg zu den Watuta fortsetzen könne; er schlug
dies aber aus.

Wir waren jetzt vierzehn Tage in südwestlicher Richtung gereist und
hatten nur wenig mehr als einen Breitengrad zurückgelegt. Ich hatte
die Absicht, etwas weiter nach Süden zu gehen, weil der Weg so gut
war und wir auch in dieser Richtung nicht zu fürchten brauchten, mit
Mirambo zusammenzutreffen; doch zwangen mich die Gerüchte von diesem in
dem nur zwei Tagereisen vor uns liegenden Lande wüthenden Kriege, im
Interesse der Expedition mich seitlich, in der Richtung West zu Nord,
dem Tanganika zu, durch den Wald zu schlagen und, wo es vortheilhaft
war, Elefantenspuren und Fusspfaden zu folgen. Nachdem ich mich mit
dem Führer Asmani berathschlagt, nahm ich diesen neuen Plan an. Jetzt
befanden wir uns nach Ueberschreitung des Gombé in Ukonongo.

Am folgenden Tage nach unserer Ankunft in Marefu, wandten wir uns nach
Westen angesichts der Dorfbewohner und des arabischen Gesandten, der
bis zum letzten Augenblicke uns wiederholte, wir begäben uns bestimmt
in Gefahr.

Wir marschirten acht Stunden lang durch einen Wald, in welchem die
Waldpfirsich oder „Mbembu“ reichlich vorkommt. Der Baum, der diese
Frucht trägt, ähnelt sehr einem Birnbaum und ist ungemein fruchtbar.
Ich sah einen Baum, dessen Früchte ich zu etwa 2½ Hectoliter
abschätzte. An diesem Tage ass ich sehr viel solcher Pfirsiche. Solange
der Reisende sich dieselben verschaffen kann, braucht er sich in diesen
Gegenden nicht vor dem Verhungern zu fürchten.

Am Fusse eines anmuthigen Bergkegels fanden wir ein Dorf, Utende
genannt, dessen Einwohner in grosser Unruhe waren, als wir plötzlich
auf ihrem Bergkamme erschienen. Die Klugheit veranlasste mich, dem
Sultan ein Geschenk von einem Doti zu übersenden; er nahm dasselbe
jedoch nicht an, da er gerade von Pombé betrunken und folglich zur
Unverschämtheit geneigt war. Da er mir sagen liess, dass er jedes
Geschenk ausschlagen werde, wenn er nicht noch vier Stück Zeug bekäme,
so liess ich sofort eine starke Boma auf dem Gipfel eines kleinen
Berges aufbauen, der sich in der Nähe eines reichlichen Wasservorraths
befand, und packte das Geschenk ruhig wieder in meinen Ballen ein.
So nahm ich eine strategisch gewählte Stellung ein, da ich die Front
des Berges und den ganzen zwischen seinem Fuss und dem Dorf der
Watende befindlichen Raum hätte bestreichen können. Die ganze Nacht
über blieben Wachen ausgestellt, glücklicherweise jedoch wurden wir
bis zum Morgen nicht beunruhigt. Dann erst erschien eine Deputation
der wichtigsten Einwohner, um mich zu fragen, ob ich fortzuziehen
beabsichtige, ohne ihrem Häuptling ein Geschenk zu machen. Ich
erwiderte ihnen, dass es nicht meine Absicht sei, durch irgendein Land
zu ziehen, ohne mich mit dem Häuptling zu befreunden und wenn der
ihrige ein gutes Tuch von mir annehmen wolle, würde ich es ihm gern
geben. Anfangs erhoben sie zwar Einwendungen gegen die Geringfügigkeit
der Gabe, schliesslich aber wurde die Meinungsverschiedenheit
geschlichtet durch ein Fundo rother Perlen -- Sami-Sami -- ich für die
Frau des Häuptlings hinzufügte.

Von der Hügelkette von Utende zog sich ein Wald meilenweit nach Westen
hinab, der in einer grossen First mit glattem Gipfel sein Ende fand,
die sich 5-600 Fuss über der Ebene erhob.

Ein Marsch von vier Stunden brachte uns am 12. October an ein dem Gombé
ähnliches Nullah, das während der nassen Jahreszeit in den Gombé und
von dort in den Malagarazi fliesst.

Kurz ehe wir unser Lager aufschlugen, sahen wir eine Heerde Nimba oder
Gallah; ich hatte das Glück, eins zu schiessen, was eine willkommene
Zugabe zu unserm rasch sich vermindernden Vorrath an getrocknetem
Fleisch bildete, den wir uns in unserm Lager am Gombé gesammelt hatten.
Nach den vielen Spuren schlossen wir, dass hier zahlreiche Büffel wie
auch Elefanten und Rhinozeros hausten. Auch das Federvieh war durch
Ibisse, Fischadler, Pelikane, Störche, Kraniche, einige schneeweisse
Löffelreiher und Flamingos gut vertreten.

Von dem Nullah oder Mtoni zogen wir nach Mwaru, dem Hauptdorf des
Districts Mwaru, dessen Häuptling Ka-mirambo ist. Unser Marsch führte
uns über verlassene freie Plätze, die einst von Ka-mirambo’s Leuten
besetzt gewesen, welche jetzt aber vor etwa zehn Jahren von Mkasiwa
während seiner Kriegführung gegen Manwa Sera vertrieben worden waren.
Niongo, der Bruder des letztern, führte jetzt eben Krieg mit Mbogo und
war durch Mwaru am Tage vor unserer Ankunft durchgezogen, nachdem er
von seinem Feinde eine Niederlage erlitten hatte.

Die Hügelkette, welche sich am westlichen Horizont dahinzog und von
Utende aus sichtbar gewesen war, überschritten wir an diesem Tage.
Der westliche Abhang windet sich hier schräg nach Südwesten und wird
vom Flusse Mrera, der sich in den Malagarazi ergiesst, entwässert.
Schon hier nahmen wir den Einfluss des Tanganika wahr, obwol wir noch
zwölf bis fünfzehn Märsche von dem See entfernt waren: das Gebüsch
wurde dichter und das Gras ungemein hoch. Dies erinnerte mich an die
Seedistricte von Ukwere und Ukami.

An diesem Orte hörten wir von einer Karavane, die direct von Ufipa
angekommen war, dass ein Weisser, den ich für Livingstone hielt, in
„Urua“ sein solle.

Nachdem wir Mwaru verlassen, kamen wir in das Gebiet Mrera’s, eines
Häuptlings, der einst viel Macht und Einfluss in dieser Gegend besass.
Kriege haben jedoch seine Besitzungen auf drei bis vier Dörfer
beschränkt, die in einem Dickicht versteckt liegen, dessen äusserer
Rand so dicht ist, dass er wie eine Steinmauer alle Eindringlinge
fernhält. Neun gebleichte Schädel staken an Pfählen, die sich vor dem
Haupteingang befanden, und erzählten von den zwischen den Wakonongo
und Wazavira bestehenden Kämpfen. Dieser letztere Stamm wohnt in
einem Lande, das einige Märsche westlich von uns liegt. Sein Gebiet
mussten wir vermeiden, wenn wir nicht wieder eine Gelegenheit aufsuchen
wollten, uns im Kriege mit den Eingeborenen auszuzeichnen. Die Wazavira
sind nämlich, wie wir von den Wakonongo von Mrera erfuhren, allen
Wangwana feindlich gesinnt.

Auf einem schmalen Sumpfstreifen zwischen Mwaru und Mrera sahen wir
eine kleine Heerde wilder Elefanten. Zum ersten mal geschah es, dass
ich diese Thiere in ihrer natürlichen Wildheit erblickte und ich werde
nicht leicht den ersten Eindruck vergessen, den sie auf mich machten.
Nach meinem Dafürhalten verdient eigentlich der Elefant den Titel eines
Königs der Thiere; seine ungeheure Gestalt, die majestätische Art, in
welcher er jemand, der in sein Gebiet eindringt, anschaut, und sein
ganzes machtbewusstes Wesen geben gute Gründe für seine Ansprüche auf
diesen Titel ab. Diese Heerde hielt, als wir in der Entfernung einer
Meile an ihr vorbeizogen, an, um sich die Karavane anzusehen und begab
sich, nach Befriedigung ihrer Neugierde, insgesammt in den nach Süden
die Sumpfebene begrenzenden Wald, als ob ihnen Karavanen alltägliche
Erscheinungen seien, wogegen sie, die freien und unbesieglichen Herren
des Waldes und Sumpfes nichts mit den feigen Zweifüsslern gemein
hätten, die nie muthig genug sind, um sich ihnen im ehrlichen Kampfe
zu stellen. Die Zerstörung, die eine solche Heerde in einem Walde
anrichtet, ist geradezu furchtbar. Wenn die Bäume noch jung sind, so
kann man sie in dichten Reihen entwurzelt auf der Erde liegen sehen;
sie bezeichnen die Spur der Elefanten, die sich ihren Weg durch Wald
und Dickicht mit wuchtigem Tritt gebahnt haben.

An diesem Orte wurde der junge Selim so krank, dass ich genöthigt
war, seinetwegen drei Tage mit der Karavane halt zu machen. Er schien
an einer Krankheit in den Gelenken zu leiden; er krümmte sich vor
Schmerzen und zitterte beständig. Ausserdem hatte er einen Anfall von
acuter Ruhr. Beständige Pflege und Sorgfalt stellte ihn jedoch bald
wieder her und am vierten Tage war er im Stande, die Strapazen des
Reitens zu ertragen.

Während unseres Aufenthalts in Mrera hatte ich Gelegenheit, mehrere
Thiere zu schiessen. Der an das cultivirte Land stossende Wald ist
reich an edeln Thieren. Zebras, Giraffen, Elefanten und Rhinozeros sind
hier sehr gewöhnlich; Ptarmigans und Perlhühner kommen gleichfalls
zahlreich vor.

Die Krieger von Mrera sind fast alle mit Musketen, bewaffnet, die sie
sehr sorgfältig behandeln. Sie verlangten dringend nach Flintensteinen,
Kugeln und Pulver, was ich aber grundsätzlich stets verweigerte, damit
sie nicht, falls einmal ein Zwiespalt entstände, die so erhaltene
Munition zu meinem eigenen Nachtheil verwenden könnten. Die Männer
dieses Dorfes sind Faullenzer, sie spielen wie grosse Kinder und thun
nichts weiter als Jagen, Gaffen und Schwatzen.

Während der Zeit, wo ich mich in Mrera aufhielt, beschäftigte ich
mich damit, meine Schuhe auszubessern und die grossen Risse in meinen
Kleidern zu flicken, welche die Dornbüsche während der letzten Märsche
fast gänzlich ruinirt hatten. Im Westen über Mrera hinaus lag eine
Wildniss, von der man uns vorhersagte, dass wir neun Tage brauchen
würden, um sie zu passiren.

Es trat daher an uns die Nothwendigkeit heran, uns mit einem grossen
Vorrath von Korn zu versehen, welches, ehe wir die vor uns liegende
grosse unbewohnte Wüste betraten, zu mahlen und zu sieben war; es gab
demnach reichliche Arbeit.


Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.

  [7] Bei meiner Rückkehr nach England finde ich, dass Kapitän Burton
      die Welt von dieser „bösen, verabscheuenswerthen Handlung“ in
      seinem Buche über Zanzibar in Kenntniss gesetzt hat, und dass die
      interessante Sammlung im „Royal College of Surgeons“ in London zu
      sehen ist.





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK WIE ICH LIVINGSTONE FAND; ERSTER BAND ***


    

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