The Project Gutenberg eBook of Reineke Fuchs
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Title: Reineke Fuchs
Author: Helene Fuchs
Illustrator: Max Wulff
Release date: October 30, 2025 [eBook #77153]
Language: German
Original publication: Berlin: Meidinger's Jugendschriften Verlag
Credits: Alexander Bauer and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK REINEKE FUCHS ***
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Anmerkungen zur Transkription.
Das Original ist in Fraktur gesetzt. Schreibweise und Interpunktion des
Originaltextes wurden übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler
sind stillschweigend korrigiert worden.
Worte in Antiqua sind so =gekennzeichnet=, gesperrte so ~gesperrt~.
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Reineke Fuchs
[Illustration: Reineke Fuchs 1.
Als der Wagen weiterfuhr, warf Reineke fortwährend Fische herab.
Der Wolf kam herbei und ließ sich's wohlschmecken.]
Reineke Fuchs
Der alten Sage nacherzählt
von
Helene Fuchs
Mit Illustrationen in Farbendruck
nach Originalen
von
Max Wulff
1921
Meidinger's Jugendschriften Verlag G.m.b.H.
Berlin W. 66
Inhalt.
Seite
Einleitung 7
~Reineke Fuchs.~
1. Kapitel. Reineke wird angeklagt 9
2. Kapitel. Braun entbietet Reineke an des Königs Hof 15
3. Kapitel. Hinze überbringt den Befehl des Königs 22
4. Kapitel. Grimbart bei Reineke. Die Beichte 26
5. Kapitel. Das Gericht und der Urteilsspruch. Reineke unter
dem Galgen 33
6. Kapitel. Die Geschichte von der Verschwörung 40
7. Kapitel. Reineke tritt seine Pilgerfahrt an. Lampe und
Bellyn in Malepartus 49
8. Kapitel. Die Sühne. Reineke wird abermals angeklagt 58
9. Kapitel. Grimbart in Malepartus 65
10. Kapitel. Reinekes zweite Beichte 69
11. Kapitel. Reinekes Verteidigung 75
12. Kapitel. Der Mann mit der Schlange 81
13. Kapitel. Reineke verteidigt sich weiter. Der wunderbare
Ring, der Kamm und der Spiegel 87
14. Kapitel. Neue Lügen Reinekes und seine Freisprechung 96
15. Kapitel. Neue Anklagen Isegrims und Reinekes Verteidigung 102
16. Kapitel. Die Forderung und die Vorbereitung zum Zweikampfe 111
17. Kapitel. Der Zweikampf und seine Entscheidung 115
[Illustration]
Einleitung.
Schon in den frühesten Zeiten des Menschengeschlechts hat sich die
Phantasie des Volkes damit beschäftigt, das Leben der Tiere zu
vermenschlichen, d. h. Tiere wie Menschen von bestimmtem Charakter und
Stande reden und handeln zu lassen. Solche Tiermärchen und Tierfabeln
waren bei den allerverschiedensten Völkern in Umlauf, sie haben
aber für uns erst literarische Gestalt angenommen in den Äsopischen
Fabeln, die sich von Griechenland aus auf dem Wege über Italien durch
schriftliche und mündliche Überlieferung bei allen Völkern unseres
Erdteils verbreiteten. Aus einer dieser Äsopischen Fabeln, die von der
Feindschaft zwischen Fuchs und Wolf und dem Siege der List des einen
über die rohe Kraft des anderen handelt, ist nun die mittelalterliche
Tierdichtung hervorgegangen.
Die frühesten Spuren derselben sind in einer lateinischen Dichtung des
frühen Mittelalters, die einen Mönch aus Lothringen zum Verfasser hat,
zu erkennen. Schon in dieser Erzählung von der Heilung des kranken
Löwen durch die Haut des Wolfes stecken zahlreiche satirische Züge,
Beziehungen auf kirchliche und politische Zustände, auf das Leben bei
Hofe und im Kloster, und gerade diese satirische Behandlung gibt der
ganzen späteren Tierdichtung bis auf unseren Reineke Fuchs das Gepräge.
Auf dem Grenzgebiet zwischen Frankreich und Deutschland hat sich nun
auch die weitere Ausbildung der Tiersage vollzogen. Hier wurden zuerst
den Tieren menschliche Eigennamen verliehen; ein Vorgang, der an sich
nichts Überraschendes hat, rufen doch auch wir unsere Haustiere, Hund
und Katze, Ziege und Lamm, Kuh und Pferd, mit Personennamen. Die
gewählten Namen sind meist Kose- oder Verkleinerungsformen: Reineke
von Reinhart (franz. =Renard=), Hinze von Heinrich, Lampe von
Lamprecht, Henning von Johannes usw.
Die wichtigste und für die ganze spätere Zeit bedeutungsvollste
Darstellung hat die Tiersage in Nordfrankreich gefunden. Französische
Spielleute verfaßten eine Anzahl von Tierschwänken, =branches=,
aus denen allmählich der große französische =Roman de Renard=
herauswuchs.
Indessen erreicht das Tierepos seine klassische Gestalt in den
Niederlanden. Nach verschiedenen Vorstufen erhielt es seine endgültige
Fassung im 15. Jahrhundert in Flandern durch Hinrik van Alkmar, dessen
Werk dann von einem Unbekannten in die niedersächsische Mundart
übertragen wurde. So entstand der »Reynke de Vos«, der zuerst im Jahre
1498 in Lübeck gedruckt und darauf zu wiederholten Malen bis auf die
neueste Zeit ins Hochdeutsche und in andere Sprachen übertragen wurde.
Eine Prosaübersetzung dieses »Reynke« von dem bekannten Leipziger
Professor Gottsched wurde endlich die Quelle für das klassische
Tierepos der Neuzeit, für Goethes köstlichen »Reineke Fuchs«. Auch wir
haben uns im ganzen dieser Quelle angeschlossen.
Möge die alte Dichtung in der neuen Fassung auch weiter ihren
Zauber ausüben und recht viele jugendliche Leser durch ihre frische
Natürlichkeit und ihren gesunden Humor erfreuen!
[Illustration]
[Illustration]
Reineke Fuchs.
1. Kapitel.
Reineke wird angeklagt.
Es war an einem Pfingsttage; Wälder und Felder grünten und blühten; die
Vögel sangen ihre fröhlichen Lieder; der Tag war heiter und das Wetter
schön, als Nobel, der Löwe, der König der Tiere, Boten aussandte und
alle seine Untertanen an seinen Hof entbieten ließ. Darauf erschienen
viele große Herren mit starkem Gefolge: Braun, der Bär, Isegrim, der
Wolf, Lütke, der Kranich, Marquart, der Häher, und viele andere;
sie alle waren gekommen, um ihrem Herrn die schuldige Ehrfurcht zu
bezeigen. Nur Reineke, der Fuchs, fehlte. Er mied den Hof, denn er
hatte so viele lose Streiche begangen und den Tieren so viel Böses
angetan, daß er unter ihnen nur noch einen Freund hatte, Grimbart, den
Dachs, mit dem er nahe verwandt war.
Als der ganze Hof versammelt war, trat Isegrim, der Wolf, vor den Thron
des Königs und begann zu klagen: »Gnädigster Herr und König! Ihr seid
edel und groß und verhelfet einem jeden zu seinem Rechte! So helfet
auch mir jetzt und strafet Reineke für all das Böse, das er mir und
den Meinen zugefügt hat. Mein Weib hat er beschimpft und meine Kinder
hat er mit schädlichem Unrat besudelt, daß drei von ihnen blind in der
Höhle liegen. Längst schon sollte er mir für seine bösen Taten Rede
stehen, aber er hält sich in seiner starken Burg versteckt. Gnädigster
Herr! Wollte ich all das Böse erzählen, das mir dieser Bube zugefügt
hat, wahrlich, es gehörten Wochen dazu. Ich übergehe es daher mit
Stillschweigen. Jedoch die Verhöhnung meines Weibes und das Unglück
meiner Kinder sollen nicht ungerächt bleiben.«
Kaum hatte Isegrim seine Rede beendet, da sprang Wackerlos, das
Hündchen, hervor und erzählte kläglichen Tones in französischer
Sprache, wie es einst so arm gewesen, daß es nur ein kleines Würstchen
besaß, und auch dieses habe Reineke genommen.
Funkelnden Auges trat Hinze, der Kater, hervor und sprach: »Wo ist
wohl einer in der ganzen Versammlung, der nicht Reineke mehr fürchtete
als Euch? Was aber die Klage des Wackerlos betrifft, so gehörte die
Wurst mir. Ich kam einstmals bei Nacht in eine Mühle, fand den Müller
schlafend und nahm die Wurst. Kam sie in den Besitz des Hundes, so
verdankt er sie meiner List!«
»Was nützen Klagen und Reden!« sprach der Panther. »Sind nicht genug
Schandtaten des Frevlers bekannt? Er ist ein Dieb und ein Mörder!
Verlören wir alle, auch der König, Gut, Ehre und Leben, er lachte dazu,
würde ihm nur ein einziger Bissen von einem fetten Huhn dabei zuteil!
Hört nur, was er noch gestern Lampe, dem Hasen, angetan! Hier steht
er, der friedliche Mann, und wird die Wahrheit meiner Rede bezeugen.
Reineke sagte, er wolle ihn singen lehren und zu einem Kaplan machen.
Ohne Arg setzte sich Lampe vor ihm nieder, und beide begannen zu
singen. Doch plötzlich ergriff Reineke den Hasen und versuchte ihn
zu erwürgen. Wäre ich nicht zufällig des Weges gekommen, unfehlbar
hätte er ihn getötet. So aber gelang mir's, den Braven zu retten. Seht
hier die frischen Wunden am Halse des friedlichen Mannes, der gewiß
niemandem Übles tut. So saget nun an, Herr König, und ihr, Vasallen des
Reiches, soll es ohne Strafe hingehen, daß Reineke also freventlich des
Königs Frieden zu brechen wagt?«
Da sprach Isegrim: »Reineke tut nimmermehr Gutes! Am besten für alle
würde es sein, Reineke wäre tot! Wird ihm aber auch diesmal verziehen,
so wird es noch manchem unter uns schlimm ergehen, der es jetzt am
wenigsten ahnt!«
Länger vermochte Grimbart, der Dachs, nicht zu schweigen. Er trat mutig
hervor, um seinen Verwandten zu verteidigen. »Herr Isegrim,« sprach er,
»es ist ein altes Sprichwort: ›Feindes Mund schafft selten Frommen.‹
Ihr habt es jetzt leicht, meinen Oheim zu schmähen, da er nicht
zugegen! Stünde er hier und besäße wie Ihr des Königs Liebe, so hättet
Ihr Euch wohl bedacht, ihn also anzuschwärzen und die alten Geschichten
hervorzukramen! Freilich, von dem, was Ihr Reineke getan, schwieget Ihr
weislich! Manche der Herren hier wissen es wohl, wie Ihr und Reineke
einst ein Bündnis schlosset und einander versprachet, treue Freunde zu
sein. Hört, Majestät, wie Isegrim die Treue gebrochen! Einmal fuhr ein
Mann durch den Wald, der Fische auf seinen Wagen geladen hatte. Isegrim
verspürte große Lust, von den Fischen zu essen. Er hatte aber kein
Geld, sich welche zu kaufen. Da schaffte Reineke Rat. Er legte sich auf
den Weg und stellte sich tot. Als nun der Fuhrmann herankam und meinen
Oheim liegen sah, stieg er vom Wagen herab, zog sein Messer hervor
und wollte ihm das Fell abziehen. Da Reineke sich aber nicht regte
noch rührte, hielt er ihn für tot und warf ihn auf den Wagen. Alles
dies wagte mein Oheim um Isegrims willen! Als der Wagen weiterfuhr,
warf Reineke fortwährend Fische herab. Der Wolf kam herbei und ließ
sich's wohl schmecken. Endlich sprang mein Oheim herab, um auch von den
Fischen zu essen; allein Isegrim hatte sie alle verzehrt. Ja, er hatte
so viel gefressen, daß er fast platzte. Meinem Oheim gab er die Gräten.
Ein andermal entdeckte Reineke bei einem Bauern ein
frischgeschlachtetes Schwein. Er vertraute es in gutem Glauben dem
Wolfe. Beide gingen hin; Reineke kroch zum Fenster hinein und warf
das Schwein herunter. Isegrim packte es und lief mit ihm davon. Da
erwachten die Hunde im Hofe, ergriffen Reineke und zerzausten ihm
furchtbar sein armes Fell. Mit knapper Not kam er davon, gelangte zum
Wolfe und forderte sein Teil. Der hatte indessen das ganze Schwein
verzehrt und gab meinem Oheim das Krummholz, daran es gehangen hatte.
Erhabener Herrscher, so könnte ich hundert solcher Streiche und mehr
erzählen, die Isegrim an Reineke verübt hat! Um aber auf das Märchen
vom armen, mißhandelten Hasen zurückzukommen, so sage ich Euch: Soll
der Lehrer nicht das Recht haben, den Schüler zu züchtigen? Sagt
selbst, was soll aus der Jugend werden, wenn alle Unart unbestraft
bliebe? Nun klagt Wackerlos, Reineke habe ihm einst ein Würstchen
genommen. Er hätte besser geschwiegen! Hinze, der Kater, sagt ja, die
Wurst war gestohlen! Reineke ist ein braver Mann! Hört nur, wie er
lebt, seit des Königs Frieden den Tieren verkündet ward! Er speist nur
einmal des Tages und enthält sich jeglichen Fleisches. Sein Schloß
Malepartus hat er verlassen und baut sich eine einsame Klause. Mir,
seinem Neffen, tut es weh, daß er hier so verklagt wird, und ich bitte
Eure Majestät, ihn bald seinen Feinden gegenüberzustellen.«
Kaum hatte Grimbart seine Rede beendet, da kam Henning, der Hahn, mit
seinem ganzen Gefolge. Auf einer Bahre trugen sie Kratzefuß, die beste
der Hennen. Traurig trat Henning vor den König und sprach: »Gnädiger
Herr! Erbarmet Euch meiner und meiner Kinder, denen Reineke großes
Leid zugefügt hat! Noch vor kurzem erfreute ich mich mit meiner Frau
meines stolzen Geschlechtes. Zehn Söhne und vierzehn Töchter blühten
uns lieblich heran. Starke Mauern umgeben den Klosterhof, auf welchem
wir leben. Oftmals schlich Reineke bei Nacht um die Mauern, aber sechs
treue Hunde wachten beständig und verjagten ihn immer. Da sann er auf
List: Einstmals kam er als Klausner verkleidet mit einem Brief, daran
Euer Siegel hing, zu mir. In dem Brief stand geschrieben, daß Ihr, Herr
König, allen Tieren festen Frieden gebietet.
Reineke fügte hinzu, er habe ein Gelübde getan, kein Fleisch mehr zu
essen und ein frommes Leben zu führen; deshalb brauche sich niemand in
Zukunft vor ihm zu fürchten. Darauf nahm er Abschied von mir und zog
seines Weges.
Da war ich sehr glücklich, eilte zu meiner Frau und den Kindern und
erzählte ihnen die ganze Geschichte. Ach, wie waren sie froh! Wir
eilten alle hinaus ins Freie, denn niemand lebt gern hinter Mauern.
Doch wehe! Reineke hatte sich im Gebüsch versteckt, sprang hervor und
holte sich eins meiner Kinder. Seitdem kam er immer wieder bei Tag und
bei Nacht, so gut hatte ihm mein Söhnlein geschmeckt, und selbst die
treuen Hunde konnten uns nicht mehr vor ihm schützen. Von allen meinen
Kindern blieben mir nur noch fünf. Sehet, Herr König, diese blühende
Tochter hat er mir gestern getötet, die Hunde jagten sie ihm ab. Ich
bringe Euch nun den Leichnam, daß Ihr Euch meines Unglücks erbarmt und
an dem Mörder Vergeltung übt!«
Da sprach der König zornig: »Nun, Herr Dachs, höret Ihr wohl? Sind das
die Fasten, die sich Euer Oheim auferlegt? Aber ich verkünde es Euch,
er soll gestraft werden für alle seine Missetaten! Zunächst aber soll
Eure Tochter, trauriger Henning, mit allen Ehren bestattet werden.«
Darauf wurde von allen Anwesenden ein feierlicher Gesang angestimmt
und die tote Henne in die Erde gesenkt. Auf ihr Grab setzte man
einen schönen, blanken Marmorstein; darauf stand zu lesen in goldenen
Buchstaben:
»Kratzefuß, Hahn Hennings Tochter, die beste,
Die stets viel Eier legte im Neste,
Die wohl mit ihren Füßen konnte schraben,
Liegt unter diesem Steine hier begraben.
Der falsche Reineke hat sie erbissen,
Sie will, daß die ganze Welt es soll wissen.«
Darauf rief der König alle Weisen seines Reiches zusammen, um mit ihnen
über Reinekes böse Taten zu Rate zu sitzen. Man beschloß, einen Boten
zu ihm zu senden und ihn aufzufordern, am nächsten Gerichtstag bei Hofe
zu erscheinen, bei Todesstrafe aber nicht auszubleiben. Braun, der Bär,
wurde auserwählt, die Botschaft zu überbringen. Und der König sagte zu
ihm: »Braun, sei auf deiner Hut! Der Fuchs ist falsch und hinterlistig,
er wird dich belügen und betrügen!«
»Das soll er wohl bleiben lassen!« versetzte der Bär. »Ich beteuere es
mit meinem Eide: Reineke soll mir nicht das Geringste tun! Es würde ihm
auch übel bekommen!«
2. Kapitel.
Braun entbietet Reineke an des Königs Hof.
Stolzen Mutes machte sich Braun auf den Weg zu Reinekes Burg
Malepartus. Er wanderte durch eine große, sandige Wüste, bis er endlich
die schönen, grünen Berge erreichte, an denen das Schloß lag.
Er pochte mehrmals an die schwere, verschlossene Pforte. Es erschien
aber niemand, zu öffnen. Da rief er laut: »Reineke, seid Ihr drinnen?
Ich bin Braun und komme als Bote des Königs. Ihr sollt bei Hofe vor
Gericht Euch stellen! Folget Ihr aber nicht dem Befehle, so seid Ihr
des Todes! Darum rate ich Euch, folgt mir sogleich zum König!«
Reineke lag drin auf der Lauer und hörte alle diese Worte.
»Könnte ich doch diesem Braun,« so dachte er, »für seine hochmütige
Rede etwas aufzählen!«
Gleich zu öffnen, schien ihm nicht ratsam, Braun konnte ja noch andere
Tiere im Hinterhalt haben. Um nachzudenken, was am besten zu tun sei,
ging er tiefer in seine Festung hinein. Malepartus war kunstvoll
gebaut, Löcher und Gänge gab es hier und manche verborgene Pforte, die
er je nach Bedarf öffnete oder verschloß. Hier fand er Schutz, wenn er
verfolgt ward, und manches unschuldige Tier verirrte sich hier hinein
und fiel ihm zur Beute.
Als Reineke sich überzeugt hatte, daß der Bär allein gekommen war, trat
er hinaus und begrüßte ihn: »Seid willkommen, Oheim Braun! Ich las eben
die Vesper. Darum konnte ich nicht sogleich kommen. Ich hoffe, daß Eure
Ankunft mir zum Vorteil gereichen wird! Es war aber ein anstrengender
Weg für Euch! Ihr schwitzt ja, daß Euer Haar naß ist! Hatte denn der
König keinen anderen Boten als Euch, den edelsten Herrn des Reichs?
Indessen ist es zu meinem Nutzen; Euer kluger Rat wird mir beim König
zu statten kommen. Höret, werter Oheim, ich hatte beschlossen, morgen
am Hof zu erscheinen, doch habe ich von einer Speise, an die ich nicht
gewöhnt bin, zu viel gegessen, und sie verursacht mir große Schmerzen
im Leibe.«
»Was aßet Ihr denn?« fragte Braun.
Reineke versetzte: »Was nützt es Euch, wenn ich es Euch sage! Es war
nur eine einfache Speise! Ein armer Mann kann ja nicht wie ein Graf
leben! So haben wir jetzt in der Not frische Honigscheiben gegessen,
die es hier reichlich gibt. Davon bin ich so krank!«
»Ei, ei,« versetzte Braun, »haltet Ihr Honig für etwas Schlechtes?
Honig ist eine kräftige Speise, die ich allen anderen Gerichten
vorziehe. Lieber Reineke, verschafft mir welchen, ich will Euch dafür
nach Kräften dienen und Euch immer dankbar sein!«
Reineke rief: »Treibt keinen Spott mit mir, Oheim Braun!« Braun
erwiderte: »Nein, so wahr Gott mir helfe!« »Nun, wenn es Euer Ernst
ist,« sprach Reineke, »so will ich Euch Honig verschaffen. Der Bauer
Rüsteviel wohnt kaum eine halbe Meile von hier. Er hat so viel Honig,
wie Ihr noch nie beisammen gesehen habt.«
Brauns Gelüste nach der süßen Speise ward immer größer, und er sagte:
»Führt mich nur sogleich hin, lieber Reineke, ich will es Euch stets
gedenken. Sollte ich mich aber mal an Honig wirklich satt essen, so
müßte man mir sehr viel davon vorsetzen.«
»O,« versetzte Reineke, »Euch soll es an Honig nicht fehlen! Zwar wird
mir das Gehen heute schwer, doch will ich Euch zuliebe den Weg gern
machen. Denn Ihr seid mir der Liebste von allen meinen Verwandten. Und
Ihr werdet mir auch am Hofe des Königs beistehen und mich gegen meine
Feinde verteidigen. Folget mir nur! Ich will Euch so honigsatt machen,
daß Ihr eine Weile genug habt!«
Voller Freude folgte ihm der Bär; der Abend war hereingebrochen, als
sie an des Bauern Rüsteviel Hof kamen. Dort lag eine mächtige Eiche,
die weit aufgespalten war, denn der Bauer hatte zwei starke Keile
hineingetrieben. Nun sprach Reineke: »Sehet, Oheim, in diesem Baum ist
mehr Honig, als Ihr verzehren könnt. Nehmt nun davon, doch ja nicht
zuviel, es könnte Euch schaden!«
Braun erwiderte: »Sorget nur nicht! Ich weiß wohl Maß zu halten in
allen Dingen.«
Also ließ sich der Bär betören und steckte seinen Kopf und die
Vorderpfoten tief in den Baum hinein. Nun zog der Fuchs mit großer
Anstrengung die Keile heraus, der Spalt ging zusammen, und da war nun
der Bär mit Kopf und Füßen gefangen! O, wie er da bat und flehte! Doch
der Fuchs hatte kein Erbarmen. Da fing der Bär an zu heulen und mit
den Hinterfüßen zu schlagen und machte solchen Lärm, daß der Bauer
herbeikam. Als Reineke ihn sah, rief er dem Bären zu: »Nun, Freund
Braun, schmeckt der Honig süß? Jetzt kommt Rüsteviel und wird Euch wohl
zur Mahlzeit ein Schlückchen kredenzen.« Und damit machte er sich auf
den Heimweg nach seinem Schloß Malepartus.
Als Rüsteviel den Bären erblickte, lief er sogleich ins Dorf, rief alle
Bauern zusammen und sprach: »In meinem Hof hat sich ein Bär gefangen,
kommt geschwind mit mir!« Schleunigst folgten ihm alle; ein jeder nahm
eine Waffe: der eine eine Heugabel, der andere eine Harke, der dritte
einen alten Spieß, der vierte einen Zaunpfahl. Der Pfarrer und der
Küster kamen auch herbei. Ja, sogar des Pfarrers alte Köchin wollte
dabei nicht fehlen; sie hatte als Waffe ihren Spinnrocken ergriffen,
um damit des Bären Fell gehörig zu bearbeiten. Als der arme Braune den
Lärm und das Geschrei der vielen Menschen hörte, ward ihm himmelangst
zumute. Mit gewaltigem Ruck riß er den Kopf aus der Spalte, doch, o
weh! die ganze Haut mit beiden Ohren blieb darin stecken, und das
Blut rieselte ihm am Halse herunter. Und noch immer war er an den
Pfoten gefesselt. Näher und näher kam das Toben. Da riß er mit größter
Kraftanstrengung die Tatzen heraus, doch das Fell blieb im Spalt
stecken. Die Füße taten so weh, daß er nicht laufen konnte; da kamen
auch schon die Bauern herbei und fielen über ihn her mit Schlägen und
Stößen. Auch die Weiber halfen mit, ihm das Fell zu gerben. Der Pfarrer
schlug ihn mit einem langen Stabe. Von fern warfen sie mit Steinen.
Endlich kam auch noch Rüsteviels Bruder und versetzte ihm einen so
wuchtigen Schlag vor den Kopf, daß ihm für einen Augenblick Hören und
Sehen verging. Dann aber sprang er rasend vor Schmerz empor und geriet
zwischen die Weiber. Diese erschraken gewaltig und sprangen so eilig
davon, daß viele in den tiefen Mühlbach stürzten. Da rief der Pfarrer:
»Kinder, seht, dort schwimmt Frau Jutte, meine treffliche Köchin! Zwei
Tonnen Bier gebe ich zum Besten, wenn ihr sie rettet!« Da liefen alle
zum Bache und retteten die Weiber.
Indessen kroch der Bär, halbtot vor Schmerzen, zum Wasser hin, denn er
dachte: Lieber den Tod im Wasser erdulden als von den Bauern erschlagen
werden. Doch siehe da! Er ertrank nicht, der Strom trug ihn hinweg! Als
die Bauern das sahen, riefen sie aus: »O, solche Schande, daß wir den
Bären entwischen lassen! Daran sind nur die Frauen schuld, die immer
nur stören! Doch komm' nur bald wieder, du Schelm, du hast ja deine
Ohren und Handschuhe zum Pfande gelassen!« So folgte dem Schaden auch
noch der Spott.
Doch Braun war froh, daß er entkommen war. Er verfluchte den Baum,
verfluchte die Bauern, verfluchte aber besonders Reineke, der ihn
verraten hatte. Der reißende Strom riß ihn in kurzer Zeit eine Meile
hinab. Er kroch ans Land und glaubte bald sterben zu müssen.
Als Reineke den Bären in Rüsteviels Hofe verlassen hatte, war er auf
die Hühnerjagd gegangen, aß sich tüchtig satt und lief dann zum Bache,
um zu trinken. Dabei sprach er zu sich selbst: »Wie froh bin ich, daß
ich es dem Bären mal ordentlich gegeben habe! Er hat jetzt gewiß schon
mit Rüsteviels scharfem Beil Bekanntschaft gemacht! Er war von jeher
mein Feind! Doch nun ist er tot und wird nicht mehr über mich klagen!«
Da hörte er neben sich stöhnen und erblickte den Bären, der matt und
blutend im Grase lag.
Da rief Reineke aus: »O Rüsteviel, dummer Wicht, wie konntest du dir
die vortreffliche Speise entgehen lassen!« Und höhnisch sprach er
zum Bären: »Nun, Oheim Braun, wie hat der Honig gemundet? Habt Ihr
vielleicht bei Rüsteviel etwas vergessen? Ich will es ihm melden, daß
er es Euch bringe! Ihr habt ihm wohl gar den Honig gestohlen? Oder habt
Ihr ihn bezahlt? Lieber Oheim, bei welchem Orden habt Ihr Euer Gelübde
getan, daß Ihr ein rotes Barett auf dem Haupte tragt? Oder seid Ihr
gar Abt geworden? Der hat Euch gewiß nach den Ohren geschnappt, der
Euch die Platte geschoren hat! Auch das Fell von Euren Backen und die
Handschuhe habt Ihr verloren!«
Länger konnte Braun die höhnischen Reden nicht ertragen. Er kroch in
den Bach, trieb mit dem Strome abwärts und kam an das andere Ufer.
Krank und matt lag er da, und traurig sprach er zu sich selber: »Ach,
daß mich nur einer tot schlüge! Ich kann kaum von der Stelle und muß
noch an den Hof des Königs reisen. Wie wird man mich verspotten, daß
ich so arg geschändet bin! Aber Reineke soll es mir büßen!«
Er raffte sich endlich auf, schlich sich mit großer Mühe fort und
erreichte am vierten Tage des Königs Schloß.
Als Nobel den Bären so elend und blutend vor sich sah, erschrak er
sehr und rief: »Bist du es wirklich, mein teurer Braun? Was ist dir
geschehen?«
»Gnädiger Herr König,« erwiderte der Bär, »ich klage Euch mein Leid!
Sehet den schändlichen Verrat, den Reineke an mir verübt hat!«
Zornig versetzte der König: »Solcher Frevel soll ohne alle Gnade
gestraft werden! Wie konnte es Reineke wagen, einen so edlen Herrn so
furchtbar zu schänden? Wahrlich, ich schwöre es bei meiner Ehre und
bei meiner Krone: Reineke soll die Strafe erdulden, die du von mir
forderst! Halte ich diese Zusage nicht, so will ich nimmermehr ein
Schwert führen!«
Sogleich traten alle Edlen zur Beratung zusammen, und man beschloß,
einen neuen Gerichtstag zu halten, und Hinze, der Kater, der klug und
gewandt war, sollte zu Reineke gehen und ihn zum Könige befehlen. Als
dieser Entschluß gefaßt war, wandte sich der König an Hinze und sprach:
»Geh' also und sage Reineke, wenn er sich noch länger weigern sollte,
vor Gericht zu erscheinen, so würde es ihm und seinem Geschlecht zu
ewigem Schaden gereichen.« Hinze erwiderte: »Verehrter Herr König,
wollt Ihr nicht einen anderen mit der Botschaft betrauen? Braun ist
stark und groß, und ihm mißlang der Auftrag; ich bin klein nur und
schwächlich, wie wird es mir ergehen?« Der König versetzte: »Bist
du auch nicht groß von Gestalt, so bist du doch klug und gewandt:
Es bleibt dabei, du überbringst ihm die Botschaft!« »Herr König!«
antwortete Hinze, »Euer Wille geschehe! Sehe ich ein gutes Zeichen zu
meiner Rechten am Wege, so wird es mit meiner Reise wohl ablaufen!«
3. Kapitel.
Hinze überbringt den Befehl des Königs.
Als Hinze ein Stück des Weges gewandert war, sah er einen Martinsvogel
und rief: »Glück auf, edler Vogel, wende deine Flügel und fliege nach
meiner rechten Seite!« Der Vogel flog und setzte sich auf einen Baum,
der links am Wege stand. Hinze war darüber sehr betrübt, doch machte er
es, wie es so mancher tut, und sprach sich selber Mut zu. Darauf reiste
er weiter nach Malepartus und traf Reineke vor der Tür seines Hauses
sitzend.
»Guten Abend, Reineke!« sprach Hinze höflich. »Der König sendet mich
zu Euch, um Euch vor Gericht zu laden. Weigert Ihr Euch aber, mit mir
zu kommen, sagt der König, so wird er Euch und Euer ganzes Geschlecht
furchtbar strafen!«
Reineke hieß den Kater herzlich willkommen. Im Innern aber sann er auf
neue Ränke, wie er den Kater verraten und betrügen könne. Darum sprach
er freundlich: »Lieber Neffe, was wünscht Ihr heute abend zu essen?
Denn ich will Euer Wirt sein. Dann gehen wir morgen mit Tagesanbruch
nach Hofe. Unter allen meinen Freunden habe ich niemanden, auf den ich
mich besser verlassen kann als auf Euch. Nimmer hätte ich es gewagt,
mit dem grimmigen Bären, der so stark ist, den Weg zu machen! Aber,
Neffe, mit Euch gehe ich gern morgen früh.«
Hinze erwiderte darauf: »Nein, laßt uns lieber jetzt fort! Der Mond
scheint hell, der Weg ist gut, und die Luft ist warm.«
Reineke antwortete: »Bei Nacht reisen, bringt Gefahr. Glaubt nur,
mancher, der uns bei Tage freundlich grüßt, würde uns bei Nacht Böses
tun!«
Hinze sprach: »Vetter Reineke! Laßt mich also wissen, was ich essen
soll, wenn ich bei Euch bleibe?« »Wir leben hier von sehr geringer
Kost,« antwortete Reineke. »Ich will Euch Honigscheiben vorsetzen, die
ganz frisch und süß sind.« »Die habe ich niemals gegessen!« rief Hinze
aus. »Gebt mir doch eine fette Maus, die ist mir lieber als Honig!« »So
gern eßt Ihr Mäuse?« fragte Reineke. »Ist das Euer Ernst? Nicht weit
von hier wohnt der Pfarrer. In seiner Scheune wimmelt's von Mäusen. Wie
oft hörte ich ihn darüber klagen!« Unbedachtsam sprach Hinze: »Vetter,
bringt mich dahin! Denn mehr als jede andere Speise liebe ich die
Mäuse!« »Gut,« sprach Reineke, »Ihr sollt eine Mahlzeit haben, wie Ihr
sie niemals gehabt. Kommt, laßt uns gehen!«
Beide kamen bald an die Scheune. Reineke hatte in der vorigen Nacht ein
Loch durchgebrochen und einen Hahn geraubt. Um den Dieb das nächste Mal
zu fangen, hatte Martinchen, des Pfarrers Sohn, eine Schlinge gelegt.
Reineke wußte das, darum sprach er:
»Neffe Hinze, kriechet in das Loch, Ihr werdet dort Mäuse in Menge
finden. Ich werde indessen Wache stehen. Wenn Ihr satt seid, kommt
wieder heraus. Wir bleiben dann die Nacht über in meiner Wohnung, und
früh morgens machen wir uns auf den Weg zum König.« Ängstlich sprach
Hinze: »Soll man es wirklich wagen, da hineinzukriechen? Die Pfaffen
haben auch bisweilen Böses im Sinne.« Da sagte Reineke: »Seid Ihr so
furchtsam? Das wußte ich nicht. So kommt, laßt uns umkehren! Mein Weib
wird uns gute Speisen vorsetzen, wenn auch die Mäuse dabei fehlen.«
Nun schämte sich Hinze seiner Ängstlichkeit. Er kroch in das Loch, aber
o weh! er geriet in die Schlinge. Nun wollte er zurück, der Strick
zog sich aber nur fester um seinen Hals, daß er weder vorwärts noch
rückwärts konnte. Da fing er an zu heulen und flehte den Fuchs um Hilfe
an. Dieser freute sich des wohlgelungenen Streichs, sprang vor das Loch
und rief dem Kater zu: »Hinze, wie schmecken die Mäuse? Sind sie auch
gut und fett? Ihr singt ja so schön beim Essen, ist das bei Euch Sitte?
Wie gern wollte ich, daß Isegrim in demselben Loche steckte wie Ihr!
Dann sollte er mir alles bezahlen, was er mir Leides getan hat!« Mit
diesen Worten lief er davon.
Der arme Hinze, der sich nicht befreien konnte, miaute und knurrte ganz
jämmerlich. Das hörte Martinchen, des Pfarrers Sohn, der die Schlinge
gelegt hatte. Schnell sprang er aus dem Bett, weckte Vater und Mutter
und alles Gesinde und rief voll Freude: »Gott Lob und Dank! Mein Strick
war gut gelegt! Nun ist der Hühnerdieb gefangen! Jetzt soll er aber
auch seinen Lohn haben!« Alle liefen zur Scheune, selbst der Herr
Pfarrer ging mit. Martinchen ging mit einem Stock auf den Kater los und
versetzte ihm derbe Schläge, ja er schlug ihm sogar ein Auge aus. Der
Pfarrer aber hatte einen Stiel von einer Mistgabel genommen, womit er
Hinzen totschlagen wollte. Als der Kater merkte, daß er sterben sollte,
wurde er sehr zornig. Er sprang auf den Pfarrer los und biß und kratzte
ihn an den Beinen und an dem ganzen Leibe, bis dieser ohnmächtig zu
Boden sank. Nun ließen alle vom Kater ab, eilten zum Pfarrer, trugen
ihn ins Haus und legten ihn sorgfältig zu Bett. Hinze indessen in
seiner großen Not dachte nur an seine Rettung. Verzweifelt fing er an
den Strick zu zerbeißen und zu zernagen, und siehe da! endlich war er
entzwei! Schnell kroch er zum Loche hinaus und machte sich auf den Weg
nach des Königs Schlosse.
Es war schon heller Tag, als er dort ankam. Der König erschrak, als er
den armen Hinze so zerschlagen und auf einem Auge geblendet wiedersah.
Er geriet in großen Zorn, als er von Reinekes neuer Freveltat hörte.
Der Rat wurde einberufen, um über Reinekes Strafe zu beschließen. Da
sprach Grimbart, der Dachs: »Unter diesen Herren sind freilich viele,
die meinen, daß Reineke eine strenge Strafe verdient hat. Dennoch kann
man ihm nicht das Recht des freien Mannes vorenthalten, dreimal vor
Gericht geladen zu werden. Kommt er das dritte Mal nicht, so werde das
Urteil gesprochen!«
Der König versetzte: »Wer unter euch ist so kühn, daß er ihm die dritte
Vorladung bringen möchte? Wer hat ein Auge oder einen Leib zuviel, den
er um diesen Bösewicht aufs Spiel setzen möchte? Mich dünkt, es wird
sich hier niemand finden, der dazu Lust hätte!«
Da rief Grimbart mit lauter Stimme: »Höret, Herr König, ich übernehme
die Botschaft!«
Der König erwiderte: »So gehe denn hin und lade ihn vor Gericht! Doch
nimm deine Weisheit zu Rate, du weißt, wie boshaft dein Oheim ist!«
Grimbart versetzte: »Darauf wage ich es und hoffe, ihn gewiß mit mir an
den Hof zu bringen.«
4. Kapitel.
Grimbart bei Reineke. Die Beichte.
Also ging Grimbart nach Malepartus und fand Reineke mit seiner Frau und
seinen Kindern vor der Tür sitzend. Er redete ihn also an:
»Oheim Reineke, zuerst biete ich Euch meinen freundlichen Gruß! Ihr
seid so gelehrt, so weise und klug, daß ich mich wundere, wie Ihr des
Königs Wort so unbeachtet lassen könnt! Ich rate es Euch, kommt mit
mir an den Hof! Denn die Verzögerung kann Euch keinen Vorteil bringen!
Es ist wahr, man hat viele Klagen gegen Euch vorgebracht, und Ihr
werdet nunmehr zum dritten Male vorgeladen. Folgt Ihr aber auch dieses
Mal nicht, so wird der König mit seinem Heere kommen und Euer Schloß
belagern. Dann wird es Euch, Eurem Weibe und Euren Kindern Gut und
Leben kosten. Da Ihr dem Könige also doch nicht entgehen könnt, so ist
es gewiß am besten, wenn Ihr jetzt mit mir an den Hof kommt. Ihr habt
Euch ja schon oftmals aus der Schlinge gezogen! Eurer Überredungskunst
wird es auch diesmal gelingen, Eure Feinde zu widerlegen und den König
für Euch zu stimmen!«
»Euer Rat ist gut, Neffe!« versetzte der Fuchs. »Es ist freilich am
besten, daß ich an den Hof komme und mein Recht selbst wahrnehme.
Ich hoffe auch, der König wird mir Gnade widerfahren lassen. Er weiß
es wohl, daß ich ihm in seinem Rate dienen kann, und das verdrießt
manchen, der bei ihm ist. Der Hof kann ohne mich nicht bestehen. Hätte
ich noch viel mehr Unrecht getan und viel schwerere Sünden auf mich
geladen; gelingt es mir nur erst, mit dem König zu sprechen, so werde
ich seinen Zorn schon besänftigen. Zwar hat er viele, die mit ihm zu
Rate sitzen, doch wissen sie niemals das Richtige zu treffen. Soll
irgendein Beschluß gefaßt werden, so ist es stets Reineke, der den
Ausschlag geben muß. Viele mißgönnen mir das und haben mir deshalb den
Tod geschworen. Das beklemmt mir das Herz, denn ihrer sind mehr denn
zehn, und sie sind mächtiger als ich allein. Trotzdem ist es besser,
ich gehe selbst mit Euch an den Hof und stelle mich meinen Anklägern
gegenüber. Und wenn ich nicht gewinne, so ist mir's vielleicht möglich,
mit meinen Feinden einen günstigen Vertrag abzuschließen.«
Darauf rief Reineke seine Frau und seine Kinder herbei und sprach:
»Frau Ermelyn, ich gehe mit Neffe Grimbart zu Hofe. Sorget mir
indessen gut für unsere Kinder, ganz besonders für unseren Jüngsten,
Reinhartchen! Seine Zähne stehen ihm so zierlich um sein Mündchen, daß
ich hoffe, er wird einst ganz seinem Vater gleichen. Auch für Rossel
sorgt gut, er ist gleichfalls ein hübsches Kind, und ich habe ihn
ebenso lieb. Hütet die Kinder, während ich fern bin, und ich will Euch
dankbar dafür sein, wenn ich glücklich zurückkehre.«
Mit diesen Worten nahm er Abschied und ließ Frau und Kinder in Sorgen
zurück.
Kaum waren sie eine kleine Stunde gegangen, als Reineke sprach: »Hört
mich, lieber Neffe und Freund! Ich bin recht in Angst, denn ich
fürchte, ich gehe in den Tod. Meine Reue aber über meine begangenen
Sünden ist so groß, daß ich zur Beichte gehen möchte. Da aber kein
Pfarrer zur Stelle ist, so bitte ich Euch inständig, laßt mich vor Euch
beichten! Habe ich all mein Unrecht gestanden, so wird mir leichter ums
Herz werden.«
Grimbart versetzte: »Ihr müßt vor allem geloben, in Zukunft nicht mehr
zu rauben und von allem Verrat und anderen Tücken für immer abzulassen.
Wenn Ihr das nicht beschwört, kann keine Beichte Euch nützen.«
»Das weiß ich wohl!« erwiderte Reineke, »und so fange ich an. Hört wohl
zu!
=Confiteor tibi Pater et Mater=, daß ich der Otter und dem Kater
und vielen anderen Tieren manches Unrecht zugefügt; das will ich reuig
bekennen und Buße dafür tun!«
Der Dachs unterbrach diese Rede: »Das verstehe ich nicht! Ihr müßt
deutsch mit mir reden!«
Reineke fuhr fort: »Ich habe gesündigt an allen Tieren, die jetzt
leben! Und bitte sehr, sie mögen es mir verzeihen! Ich habe Braun, den
Bären, nach Rüsteviels Hofe geführt. Dort habe ich ihn im Baumspalt
eingeklemmt; er zerriß sich Gesicht und Tatzen und bekam Schläge in
Menge.
Hinze führte ich zur Scheune und hieß ihn Mäuse fangen. Er geriet in
die Schlinge, mußte viele Prügel ertragen, ja verlor sogar ein Auge
dabei.
Auch der Hahn verklagt mich mit Recht. Ich habe ihm viele seiner Kinder
geraubt und getötet.
Isegrim, dem Wolf, habe ich mancherlei Tücke zugefügt. Einmal, es mögen
wohl sechs Jahre her sein, besuchte er mich im Kloster Elkmar, wo ich
mich damals aufhielt. Er wollte auch Mönch werden und hub an, an der
Glocke zu läuten. Das gefiel ihm vorzüglich, und da ich das merkte,
band ich ihm beide Vorderfüße an dem Strick zusammen. Nun konnte er
läuten nach Herzenslust.
Als das Läuten aber gar nicht aufhörte, liefen alle Leute auf der
Straße herbei und die Mönche aus dem Kloster; sie meinten, der Teufel
sei da. Als sie den Wolf sahen, schlugen sie alle furchtbar auf ihn
los; man ließ ihm nicht Zeit, zu erklären, daß er ins Kloster wolle.
Halb zu Tode geprügelt, entkam er schließlich. Dennoch blieb er dabei,
in den geistlichen Stand eintreten zu wollen. Deshalb bat er mich, ihm
die Platte zu scheren. Da brannte ich ihm die Haare so sehr ab, daß ihm
die Haut zusammenschrumpfte.
Einstmals führte ich ihn ins Jülicher Land zum Hause eines reichen
Pfaffen. Dieser hatte ein großes Vorratshaus, in dem große, duftende
Schinken, fette Würste und andere köstliche Speisen aufbewahrt waren.
Auch ein Trog mit frisch eingesalzenem Fleische stand darin. Isegrim
brach sich ein Loch durch die Wand, da er sich einmal recht satt an
Fleisch essen wollte. Er kroch hinein und aß und aß, bis sein Hunger
gestillt war. Nun wollte er wieder heraus, aber o weh! vom übermäßigen
Essen war sein Bauch so dick geworden, daß er nicht durch das Loch
zurück konnte. Wo er also hungrig hineingekrochen war, konnte er satt
nicht mehr hinaus. Das war mir nun gerade recht, ich lief ins Dorf
und machte Lärm und Geschrei, um die Leute auf die Spur des Wolfes zu
bringen. Ich lief in das Haus des Pfaffen, der eben am Tisch saß und
speiste.
Ein fetter Kapaun stand vor ihm. Ich sprang plötzlich hinzu, erfaßte
den Braten und eilte davon. Entsetzt sprang der Pfaffe auf, um mir
nachzujagen. Dabei riß er den Tisch um: Gläser, Teller, Speise und
Trank, alles fiel zur Erde. Immerfort schrie der Pfaffe: ›Schlaget,
werfet, stechet, fanget den Dieb!‹ Da er aber in seinem blinden Zorn
nicht sah, wo er lief, fiel er in die Pfütze. Eine Menge Menschen waren
herbeigekommen, um über mich herzufallen, alle machten großes Geschrei.
Aber die Stimme des Pfarrers übertönte alle anderen: ›Habt ihr jemals
einen frecheren Dieb gesehen?‹ rief er; ›er hat mir das Huhn vom Tische
genommen, an dem ich eben saß und speiste.‹
Ich aber lief, so schnell ich laufen konnte. Als ich an den Speicher
kam, in dem Isegrim war, ließ ich das Huhn fallen, weil es mir zu
schwer wurde. Ihr könnt Euch denken, daß ich es ungern zurückließ! Als
nun der Pfarrer das Huhn aufhob, erblickte er Isegrim, der in dem Loch
steckte. Da rief er laut: ›Ihr Freunde, seht, hier ist noch ein viel
ärgerer Dieb in meinem Speicher! Ein Wolf, den müssen wir fangen!‹ Alle
fielen wie wild über den Wolf her, rissen ihn aus dem Loch heraus und
schlugen auf ihn los, daß er wie tot liegen blieb. Darauf schleppten
sie ihn auf die Straße über Stock und Stein und warfen ihn schließlich
in eine schlammige Grube, denn sie hielten ihn für tot. In solchem
Jammer und Schmerz lag er hilflos die ganze Nacht da; wie er endlich
davongekommen, weiß ich nicht zu sagen.
Gleichwohl schwur er mir abermals Treue, es war aber nur seines eigenen
Vorteils wegen. Es gelüstete ihn, sich einmal an Hühnern recht satt zu
essen. Ich sagte ihm, ich wüßte bei einem Bauern ein Hühnerhaus, in
dem viele fette Hühner oben auf dem Balken unter dem Dach zu sitzen
pflegten. Es war um Mitternacht, als ich ihn dorthin führte. Ein
Fenster stand offen, und ich tat, als ob ich hineinkriechen wollte,
trat aber wieder zurück und ließ Isegrim voran. ›Kriecht nur mutig
hinein, Ihr werdet gewiß bald ein fettes Huhn fassen!‹ rief ich ihm zu.
›Wer nicht wagt, gewinnt nicht!‹
Er kroch mit Gefahr durch das enge Fenster, suchte hier und da herum
und rief: ›Ich bin verraten, ich finde keine Hühner!‹ ›Ei,‹ sprach ich,
›die werden weiter hinten sitzen.‹ Der Wolf vergaß jede Vorsicht, so
groß war seine Begier nach Hühnern. Er ging immer weiter hinein, ich
aber klappte von außen das Fenster zu, daß es laut anschlug. Der Wolf
erschrak dermaßen, daß er vom Balken herab und schwer auf den Boden
fiel. Die Leute im Hause erwachten von dem Geräusch. Sie kamen mit
Licht und fanden den Wolf. Da wurde er wieder geprügelt, und zwar mit
solcher Gewalt, daß es ein Wunder ist, wie er mit dem Leben davonkam.
Sehet, Neffe, das sind nun alle meine Sünden, deren ich mich erinnern
kann. Sprechet mich nun los davon, und leget mir eine beliebige Buße
auf.«
Grimbart war verschlagen und klug; er brach ein Reis am Wege und
sprach: »Oheim, schlaget Euch dreimal mit diesem Reis; sodann legt es
auf die Erde und springt dreimal quer darüber, ohne zu taumeln. Hernach
küßt das Reis ohne Haß, zum Zeichen, daß Ihr gehorsam seid. Diese Buße
lege ich Euch auf. Und hiermit spreche ich Euch von Euren Sünden frei;
ich vergebe sie Euch alle, so groß auch ihre Zahl sein mag.«
Als Reineke alles nach Grimbarts Vorschrift getan hatte, sprach dieser
zu ihm:
»Oheim Reineke, in Zukunft müßt Ihr nun aber ein besseres Leben führen.
Alles Rauben, Stehlen, Betrügen und Verraten müßt Ihr lassen. Gehet
fleißig zur Kirche; lest die Psalmen, haltet die Feiertage, tröstet die
Kranken und gebt Almosen den Armen!«
Reineke sprach: »Alles das will ich geloben und treulich halten mein
Leben lang!«
Darauf wanderten beide weiter, bis sie an ein Kloster kamen. Darin
wohnten fromme Nonnen, die von früh bis spät zu Gott beteten. Sie
hatten viele Hühner, Enten und Gänse auf ihrem Hofe, die oft außerhalb
der Mauern herumliefen.
Reineke bemerkte sofort die Hühner, und alle seine bösen Gelüste
erwachten wieder. Ein junger, fetter Hahn gefiel ihm besonders, er
konnte seine Augen nicht von ihm abwenden. Plötzlich sprang er auf ihn
zu und packte ihn am Halse, daß die Federn umherflogen.
Entrüstet rief Grimbart: »Unseliger Oheim, was macht Ihr da? Wollt Ihr
um einen elenden Hahn wieder in Schande und Sünde verfallen? Wahrlich,
das nenne ich eine schöne Buße!«
Reuig sprach Reineke: »Das tat ich nur in Gedanken aus alter
Gewohnheit. Bittet Gott, daß er es mir vergebe! Ich will es in Zukunft
unterlassen.«
Nun wanderten sie weiter auf der breiten Landstraße. Aber Reineke
sah immer nach den Hühnern zurück, er hätte gar zu gern eins gehabt!
Grimbart bemerkte das wohl und sprach: »Garstiger Vielfraß! Wo habt Ihr
schon wieder Eure Augen?«
Reineke erwiderte: »Ihr irrt Euch gewaltig, verehrter Neffe, wenn Ihr
glaubt, ich habe böse Gedanken. Ich richtete eben ein frommes Gebet zum
Himmel für die Seelen der Hühner und Gänse, die ich den Nonnen geraubt
habe!«
Grimbart schwieg, Reineke aber schaute nach den Hühnern zurück, solange
er sie sehen konnte. Endlich erblickten sie das Schloß des Königs, das
Ziel ihrer Wanderung.
Aber je näher sie kamen, desto ängstlicher ward Reineke zumute. Er
dachte an die vielen Anklagen, die gegen ihn erhoben waren, und wußte
nicht, wie er sich rechtfertigen sollte. Am liebsten wäre er noch
umgekehrt, aber er schämte sich vor seinem Begleiter, dem Dachs.
[Illustration: Reineke Fuchs 2.
Also ließ sich der Bär betören und steckte seine Vorderpfoten tief in
den Baum hinein.]
5. Kapitel.
Das Gericht und der Urteilsspruch. Reineke unter dem Galgen.
Als man bei Hofe vernommen hatte, daß Reineke angekommen war, drängten
sich alle herbei, ihn zu sehen. Reineke aber stellte sich, als würde er
es gar nicht gewahr. Er ging so ruhig und stolz seines Weges, als wäre
er des Königs eigener Sohn. Mutig, wie wenn er nie ein Unrecht begangen
hätte, trat er vor den König Nobel und redete ihn an:
»Edler König! Gnädiger Herr! Um Eurer Größe und Eurer Würde willen
bitte ich Euch, hört meine Verantwortung an! Niemals hat ein Herr einen
treueren Knecht, einen ergebeneren Diener gehabt, als Eure königliche
Gnaden an mir haben! Zwar sind hier viele, die mich durch falsche
Anklagen Eurer Freundschaft, die mich so stolz macht, berauben wollen.
Aber Eure Weisheit wird das Lügengewebe meiner Feinde gewiß leicht
durchschauen. Sie hassen mich, weil ich Euch jederzeit treulich gedient
habe!«
»Schweig'!« sprach der König, »und spare deine Worte! Dein Schmeicheln
hilft dir nichts. Deine Übeltaten sollen dir jetzt vergolten werden!
Sprich, wie hast du den Frieden gehalten, den ich allen Tieren geboten
habe? O du falscher, treuloser Dieb! Hier steht der unglückliche Hahn,
der sein ganzes Geschlecht durch dich verloren hat. Du sagst zwar, du
liebst mich und willst mir treu dienen. Wie aber hast du meine Boten
behandelt? Der arme Braun trägt noch Kopf und Tatzen verbunden. Und
der bedauernswerte Hinze hat sogar ein Auge durch deine Falschheit
eingebüßt. Ja, es sind Ankläger genug vorhanden, und diesmal soll es
dir an den Hals gehen, du treuloser Verräter!«
»Gnädigster Herr,« erwiderte Reineke, »was kann ich dafür, daß Braun
mit blutiger Platte heimkam? Warum war er so dreist, sich an Rüsteviels
Honig zu wagen? Und wenn er es tat, warum ließ er sich dann von den
Bauern schlagen, er, der so stark von Gliedern ist? Und Hinze, der
Kater! Ich habe ihn gut aufgenommen und bewirtet. Er war aber nicht
zufrieden, sondern wollte sich durchaus Mäuse aus der Pfaffenscheune
holen. Das bekam ihm freilich schlecht! Aber was kann ich dafür, und
warum soll ich deshalb bestraft werden?
Aber ich bin in Eurer Gewalt und füge mich demütig Eurem Spruche, er
sei gut oder böse für mich. Ihr könnt mich sieden, blenden, köpfen
oder hängen, alles will ich ohne Murren erdulden und mein Schicksal
aus Eurer Hand empfangen. Mein Tod wird Euch freilich nur wenig Gewinn
bringen!«
Da trat Bellyn, der Widder, hervor und rief: »Ja, nun ist es Zeit,
unsere Klagen gegen Reineke vorzubringen.«
Da kam Isegrim mit allen seinen Verwandten, Braun, der Bär, und
Hinze, der Kater; Boldewyn, der Esel, Lampe, der Hase, Wackerlos, das
Hündchen, und Ryn, der große Hund; Metke, die Ziege, und Hermen, der
Ziegenbock; auch der bedächtige Ochs und das weise Pferd hatten zu
klagen. Selbst die Tiere des Waldes strömten herbei: der Hirsch, das
Reh, der Biber und das Kaninchen, auch Martin, der Affe, und der wilde
Eber. Ebenso kamen die Vögel herbei: Barthold, der Storch, Marquart,
der Häher, und Lütke, der Kranich. Mit lautem Schnattern erschienen
Dybke, die Ente, und Alheid, die Gans. Der Traurigste von allen aber
war Henning, der Hahn, dem der Fuchs die Kinder geraubt hatte.
Sie alle drängten sich zum König, und jeder klagte mit lebhaften Worten
über die Missetaten, die der Fuchs verübt hatte. Das war ein Geschrei,
Geheul und Gebrüll, daß der König häufig Ruhe gebieten mußte, um
überhaupt etwas von dem Durcheinander der Stimmen zu verstehen.
Auf alle diese Anklagen wußte Reineke mit großer Gewandtheit zu
antworten. Er fand für alles die schönsten Entschuldigungen und tat,
als ob er noch nie irgend jemand etwas Böses zugefügt hätte. Er sprach
mit solcher Überzeugung, daß man glauben konnte, er sei ganz unschuldig
und werde jetzt das Opfer seiner Feinde. Als aber alle Tiere erklärten,
wahrheitsgemäß ausgesagt zu haben, wurde einstimmig das Urteil des
Rates angenommen. Es lautete: ~Reineke, der Fuchs, ist zum Tode
verurteilt. Man soll ihn fangen, binden und am Galgen aufhängen.~ So
verkündete der König mit mächtiger Stimme vor der ganzen Versammlung.
Da sah Reineke ein, daß sein Spiel verloren war. Er ließ sich willig
binden, um den letzten Gang anzutreten.
Voll Beifall hatten die Feinde des Fuchses das Urteil aufgenommen.
Seine Freunde aber, Grimbart, der Dachs, Martin, der Affe, und einige
von seinem Geschlechte standen betroffen und traurig da. Sie hatten es
nicht für möglich gehalten, daß ein so strenger Urteilsspruch gefällt
werden könnte. Denn Reineke war ein Freiherr, einer der ersten Barone
im Reich, und sollte nun ein so schmähliches Ende durch Henkershand
erdulden. Dieses Unglück konnten sie nicht ertragen. Darum nahmen sie
Abschied vom König und verließen den Hof. Das war nun dem König sehr
unangenehm, daß so viele tapfere Junker von ihm gingen, und er sprach
zu einem seiner Räte: »Es wäre doch gut, wenn ich mir die Geschichte
noch etwas überlegte. Reineke ist ja boshaft und treulos, aber in
seinem Geschlechte ist doch mancher brave Mann, den der Hof nur
schlecht entbehren kann.«
Isegrim, Braun und Hinze gaben indessen auf Reineke wohl acht, daß er
ihnen nicht entschlüpfte. Sie hatten vom König den ehrenvollen Auftrag
bekommen, ihn zu hängen, und eilten nun, den Befehl zu vollstrecken.
Sie führten ihn gebunden mit sich, und als sie den Galgen gewahr
wurden, sprach Hinze: »Herr Isegrim, erinnert Euch nur, wie Eure Brüder
durch Reinekes Verrat am Galgen enden mußten! Wie froh er darüber
war, und wie er selbst mitging, als sie gehangen wurden! Bezahlt es
ihm jetzt mit gleicher Münze! Und Ihr, Herr Braun, vergeßt nicht, wie
er Euch in Rüsteviels Hofe verriet, wie Männer und Weiber auf Euch
losschlugen und Ihr an Kopf und Tatzen verwundet waret! Seht wohl zu,
daß er nicht entwische, denn seine List ist groß. Käme er uns diesmal
aus den Händen, so könnten wir uns nimmermehr an ihm rächen. Drum laßt
uns eilen und sehr auf der Hut sein!« Isegrim versetzte darauf: »Was
braucht es vieler Worte? Hätten wir nur ein Seil, so wollten wir ihm
die Pein schon verkürzen.«
Reineke hatte alles mitangehört, aber geschwiegen. Jetzt begann er zu
sprechen: »Da ihr euch alle rächen wollt, so wundert's mich, daß ihr
nicht kurzen Prozeß macht. Hinze kennt ja ein starkes Seil. Er hatte es
ja auf der Mäusejagd in des Pfaffen Scheune um den Hals. Es brachte ihm
freilich wenig Ehre! Und ihr, Braun und Isegrim, ihr eilet auch gar zu
sehr, euren Oheim und Vetter ums Leben zu bringen, und ihr meint, es
müsse euch jetzt sicher gelingen.«
Der König, die Königin und der ganze Hof waren inzwischen erschienen,
um das Todesurteil vollstrecken zu sehen. Ihnen folgte eine große
Menge, Hohe und Niedere, Reiche und Arme. Sie alle wollten dem
Schauspiel beiwohnen.
Isegrim befahl seinen nahen Verwandten, ja recht acht zu geben, daß
Reineke nicht entwische. Zu seiner Frau sprach er: »So lieb dir dein
Leben ist, hilf mir den Fuchs festhalten! Denn käme er diesmal wieder
davon, so würde es uns übel ergehen!« Zu Braun sprach er: »Bedenket,
was er Euch für Schaden zugefügt hat, das soll er jetzt reichlich
bezahlen! Hinze soll den Strick oben am Ast befestigen, er ist leichter
zu Fuß und behender als wir. Ich werde die Leiter zurechtstellen.
Haltet Ihr nur einen Augenblick noch fest, dann ist's geschehen!« Braun
erwiderte: »Setzt nur die Leiter recht fest an, ich will ihn schon
halten, ich bin stark genug.«
Reineke sprach: »Isegrim und Braun, ihr seid ja sehr geschäftig, euren
Oheim hängen zu sehen! Ihr, die ihr euch seiner erbarmen und ihn
beschützen müßtet! Gern flehte ich um Gnade! Doch sehe ich wohl, daß
mein Tod beschlossen ist, und ich wollte, es wäre schon vorbei! Mein
Vater starb auch in großen Ängsten, aber als es ans Sterben ging, da
war es in kurzem getan. Beeilt euch also, und verschont mich nicht
länger!«
Während er nun die Leiter hinaufstieg, dachte Reineke in seiner großen
Angst: »Wenn mir nur ein Gedanke käme, wie ich mein Leben retten
könnte und die Schande dagegen auf meine drei Henker fiele! Gelänge es
mir nur, zum König zu sprechen, so könnte ich vielleicht seinen Sinn
wenden, und er schenkt mir das Leben.«
Darauf erhob er laut seine Stimme, um durch den Lärm und das
Stimmengewirr durchzudringen, und sprach: »Ich sehe nunmehr den Tod vor
Augen, dem ich nicht entgehen kann. Ehe ich aber sterbe, möchte ich vor
allen hier Versammelten meine Beichte ablegen. Ich will der Wahrheit
gemäß alle Sünden bekennen, die ich begangen habe, damit ich mit
leichterer Seele in den Tod gehen kann!«
Durch diese Worte wurden viele Zuhörer gerührt. Sie baten den König,
Reinekes Beichte entgegenzunehmen, und als der König seine Einwilligung
gegeben hatte, begann der Fuchs:
»Nun helfe mir der heilige Geist! Denn ich sehe hier niemanden, dem
ich nicht Böses zugefügt hätte. Leider begann ich mein schlimmes Leben
schon in frühester Kindheit. Das Blöken der Schafe und Ziegen lockte
mich, ihnen zu folgen. Eines Tages biß ich ein Lämmchen tot. Sein Blut
schmeckte mir so gut, daß ich bald darauf vier junge Ziegen tötete.
Dann ward ich immer dreister und gieriger und schonte weder Hühner
noch Vögel, weder Enten noch Gänse. Ja, ich tötete mehr, als ich essen
konnte, und verscharrte sie im Sand.
Später verlebte ich einen Winter am Rhein und traf dort mit Isegrim
zusammen. Er rechnete mir vor, daß wir nahe verwandt wären, ja daß er
sogar mein richtiger Oheim sei. Darauf wurden wir gute Kameraden und
gelobten einander Treue. O, wie schmählich hat er den Eid gebrochen!
Wir gingen zusammen auf die Wanderschaft, um zu rauben. Die Beute
sollte redlich geteilt werden. Aber wie schlecht kam ich dabei fort!
Er teilte selbst, und wie es ihm gefiel; niemals bekam ich die Hälfte.
Hatte er ein Schaf oder eine Ziege erlegt, so stellte er sich davor und
zeigte mir die Zähne, wenn ich herankam. Hatten wir einmal einen Ochsen
oder eine Kuh gefangen, so rief er sein Weib und seine sieben Kinder
dazu, und ich hatte das Nachsehen. Ja, bekam ich einmal eine kleine
Rippe, so hatten sie das Fleisch davon schon abgenagt. Doch gottlob!
Ich litt keine Not. Denn ich hatte ja den großen Schatz an Silber und
Gold, daß sieben Wagen ihn nicht fortfahren könnten.«
Da unterbrach ihn der König: »Was sagst du von einem Schatz? Hast du
ihn noch? Und woher hast du ihn bekommen?«
Reineke antwortete: »Was hülfe es mir, wenn ich es verschwiege? Mir
kann er ja zu nichts mehr nützen! So will ich das Geheimnis vor meinem
Tode offenbaren: der Schatz war gestohlen. Er war dazu bestimmt,
Verräter zu bezahlen, die Eure Majestät ermorden sollten. Meinem Vater
brachte der Diebstahl den Tod, Euch aber rettete er das Leben.«
Die Königin fiel fast in Ohnmacht, als sie von dem geplanten Morde
hörte. Schreckensbleich sprach sie zu Reineke: »Bedenket es wohl,
Reineke! Ihr geht jetzt in den Tod! Sprecht nur die lautere Wahrheit!
Sagt uns jetzt alles, was Ihr von der Verschwörung wißt!«
Der König aber sprach mit gebietender Stimme: »Jedermann schweige jetzt
und trete beiseite! Du aber, Reineke, steige herab, daß ich genau
vernehme, was du mir zu sagen hast!«
Braun, Isegrim, Hinze und alle übrigen Tiere hörten diesen Befehl
mit größtem Verdruß, aber es half nichts, sie mußten den Fuchs von
der Leiter herabsteigen lassen. Seelensfroh folgte Reineke der
Aufforderung. Er dachte bei sich: »Welch ein Glück wäre es für mich,
wenn es mir gelänge, die Gnade des Königs und der Königin zu gewinnen
und meine Feinde ins Verderben zu stürzen! Was werde ich alles
zusammenlügen müssen!«
6. Kapitel.
Die Geschichte von der Verschwörung.
Als Reineke vor dem Königspaar stand, ermahnte ihn die Königin
nochmals, nur die lautere Wahrheit zu sagen.
Reineke erwiderte: »Das will ich tun. Ich muß ja sterben und will mit
reinem Gewissen ins ewige Leben hinübergehen! Deshalb darf ich auch
meine nächsten Verwandten nicht verschonen, ja selbst meinen Vater muß
ich anklagen, so schwer es mir auch wird.«
Da ermahnte ihn der König noch einmal: »Reineke, sagst du auch die
volle Wahrheit?«
»O edler Herr,« versetzte Reineke. »So sündig ich auch sonst bin, heute
werde ich nur die Wahrheit sagen. Wie könnte ich lügen, da mir der Tod
vor Augen steht? Wenn es Euch recht ist, Majestät, so will ich jetzt
alles bekennen, was ich von der Verschwörung weiß, und Euch die Namen
der Verräter nennen.«
Nun höre man die Lügen, die Reineke ersann, um sich zu retten und seine
Feinde zu verderben! Seinen eigenen Vater beschimpfte er im Grabe. Und
seinen treuen Freund, den Dachs, der ihm doch in allen Nöten beistand,
schwärzte er an. Er hielt dies für notwendig, um seine Erzählung
glaubhafter zu machen.
»Mein Vater,« so sprach er, »hatte das Glück, König Emmerichs Schatz
zu finden. Durch den Besitz dieser unermeßlichen Reichtümer wurde er
stolz und hochmütig. Er schätzte seine früheren Kameraden nicht mehr,
sondern suchte sich Freunde unter den Angesehenen und Hochstehenden
des Reiches. Zuerst wollte er sich den Bären verpflichten. Er sandte
Hinze, den Kater, zu Braun in das wilde Ardennerland und forderte ihn
auf, nach Flandern zu kommen, um König an Eurer Statt zu werden. Braun
gefiel der Vorschlag; er reiste sogleich nach Flandern und wurde von
meinem Vater wohl aufgenommen. Er sandte nun nach Isegrim und Grimbart,
dem Weisen, und diese vier, mit Hinze als fünftem im Bunde, berieten
den ganzen Plan. Zwischen der Stadt Gent und dem Dörfchen Ifte kamen
die Verräter zusammen, und hier war es, wo in finsterer Nacht Euer Tod,
o Majestät, beschlossen wurde. Sie schwuren einander Treue und gelobten
einstimmig, daß sie Braun zum König machen, ihn auf den Thron zu Aachen
führen und ihm die goldene Krone aufs Haupt setzen wollten. Würde sich
jemand von des Königs Anverwandten oder Freunden zu widersetzen wagen,
so sollte er mittels Gold bestochen oder aus dem Reiche vertrieben
werden.
Dies alles bekam ich folgendermaßen zu wissen: Als Grimbart eines Tages
in trunkenem Zustand war, erzählte er seiner Frau von dem Anschlage,
gebot ihr aber, das tiefste Schweigen darüber zu bewahren. Sie schwieg
auch so lange, bis sie es meinem Weibe sagte. Diese schwur ihr, bei
allem, was ihr heilig sei, das Geheimnis treu zu hüten. Aber sie
hielt nicht Wort; sobald sie zu mir kam, sagte sie mir alles, was sie
vernommen hatte. Ich erschrak bis ins Innerste meiner Seele. Mir fiel
die Geschichte von den Fröschen ein, die, ihrer Freiheit überdrüssig,
Gott anriefen, ihnen einen König zu geben. Gott erhörte sie und sandte
ihnen den Storch, der sie nach Belieben verfolgt und tötet. Da sahen
sie ihre Torheit ein. Aber zu spät! Ihr Klagen half ihnen nichts: sie
haben für immer die Tyrannei des Storchs zu ertragen. So, glaubte ich,
würde es auch uns ergehen, wenn wir Braun zum Könige bekämen. Ich kenne
seine Bosheit und Tücke. Ich weiß aber auch, wie edel und gütig unser
jetziger, angestammter König ist. Das wäre ein schlimmer Tausch, dachte
ich mir, an Eurer Majestät Stelle den plumpen Taugenichts zu setzen!
Ich überlegte nun hin und her, wie dieser Plan zu zerstören sei.
Behielt mein Vater seinen Schatz, so konnte er viele Tiere für seine
Zwecke gewinnen. Ich mußte also vor allem darauf ausgehen, den Schatz
zu rauben. Aber wo steckte er? Um das zu erfahren, schlich ich meinem
Vater nach, wo er auch war, in Wald und Feld, bei Hitze oder Kälte, bei
Tag und Nacht.
Einstmals lag ich im Walde und zerbrach mir den Kopf, wie ich den
Schatz entdecken könnte. Da sah ich plötzlich aus einer Felsenspalte
meinen Vater herauskriechen. Ich verhielt mich ganz still, daß er meine
Nähe nicht ahnte. Er sah sich nach allen Seiten vorsichtig um, als
er aber niemanden gewahr ward, scharrte er das Loch mit Sand zu und
machte es dem anderen Boden gleich. Er verwühlte mit dem Maule seine
Fußstapfen und strich mit dem Wedel darüber hin. Diese Listen lernte
ich von meinem schlauen Vater. Als ich diese großen Vorsichtsmaßregeln
sah, kam mir sofort der Gedanke, daß hier der Schatz verborgen sein
müsse. Kaum hatte sich mein Vater wegbegeben, da machte ich mich an die
Arbeit, die Erde wegzuschaffen. Dann kroch ich in die Spalte und stieg
in die Tiefe hinab. Da sah ich, was wohl noch selten jemand gesehen
hat, Gold und Silber und kostbare Geräte, Edelsteine und Perlen in
Hülle und Fülle! Nun trug und schleppte ich mit meinem Weibe Tag und
Nacht und ruhte nicht eher, bis der ganze Schatz an eine andere Stelle
gebracht war.
Indessen war mein Vater täglich mit den Verrätern zusammen. Braun und
Isegrim schrieben Briefe in alle Weltgegenden, um für ihre Zwecke
Söldner zu werben. Braun wollte alle in seinen Dienst nehmen und ihnen
einen reichlichen Sold auszahlen. Mein Vater lief also mit diesen
Briefen durch alle Länder zwischen der Elbe und dem Rhein und gewann
viele Söldner durch reiche Versprechungen. Er hatte mancherlei Gefahren
auf seiner Reise zu bestehen. Die Jäger stellten ihm nach, die Hunde
hetzten ihn, daß er mit knapper Not entkam. Endlich im Sommer kehrte
er heim und zeigte den Mitverschworenen voll Stolz die Liste der
Angeworbenen.
Zwölfhundert Wölfe von Isegrims Sippschaft mit scharfen Gebissen und
breiten Mäulern standen zum Kampfe bereit. Alle Bären und Kater waren
auf Brauns Seite. Auch alle Vielfraße und Dachse aus Thüringen und dem
Sachsenlande hatten zu kommen versprochen. Die einzige Bedingung war,
daß man ihnen den Sold auf drei Wochen im voraus zahlen sollte, dann
würden sie beim ersten Aufgebot dem Bären mit ganzer Macht zu Hilfe
ziehen. Das Geld hatte mein Vater leicht versprechen können; vertraute
er doch auf seinen unerschöpflichen Schatz!
Er machte sich nun auch eiligst auf, um Gold und Silber
herbeizuschaffen. Aber wie groß war seine Bestürzung, als er von seinen
Schätzen keine Spur fand! Er suchte und scharrte -- alles vergeblich,
der Schatz war und blieb verschwunden. In seiner Verzweiflung und
Scham, seine Versprechungen nicht halten zu können, erhängte er sich.
Damit schlug auch Brauns Verrat fehl.
Der Tod meines Vaters betrübte mich tief; aber das Bewußtsein, durch
meine List meinen König gerettet zu haben, richtete mich wieder auf.
Jetzt wird mir freilich übler Lohn für meine Treue. Die Verräter stehen
hoch in Ansehen, und der arme Reineke geht in den Tod. Mich tröstet nur
der Gedanke, bis zum letzten Augenblick treu meine Pflicht getan zu
haben.«
So schloß Reineke seine Rede, verneigte sich tief und trat zurück.
Im Herzen des Königs und der Königin war die Begier nach dem Besitze
des Goldes erwacht. Sie nahmen daher Reineke beiseite und fragten ihn,
wo er den großen Schatz aufbewahrt habe.
Er antwortete: »Was hülfe mir das? Soll ich mein Vermögen dem König
anzeigen, der mich hängen läßt? Ja, der den Dieben und Mördern glaubt,
die mich mit ihren Lügen fälschlich beschweren und mich verräterisch
ums Leben bringen wollen?«
»Nein, Reineke,« rief die Königin unüberlegt. »Der König wird Euch
leben lassen und Euch in Gnaden verzeihen. Aber sagt uns jetzt, wo der
Schatz liegt.«
Vorsichtig erwiderte Reineke: »Meine gnädige Frau, wenn der König mir
vor Euch geloben will, mir meine Verbrechen und Sünden zu verzeihen und
mir seine Huld aufs neue zu schenken, so will ich ihn zum reichsten
Fürsten der Welt machen.«
»Frau,« wandte sich der König an seine Gemahlin, »glaubet ihm nicht!
Lügen, stehlen und rauben, das mögt Ihr ihm glauben! Er ist einer der
ärgsten Lügner auf dem Erdboden.«
Leise erwiderte die Königin: »Nein, mein Herr, jetzt hat Reineke nicht
gelogen. Hat er doch seinen liebsten Freund und Verwandten, den Dachs,
mit angezeigt! Ja, sogar seinen eigenen Vater hat er nicht verschont!
Es wäre ihm doch leicht gewesen, alle Anklagen und Beschuldigungen
seinen Feinden aufzuladen. Darum könnt Ihr seinen Worten glauben.«
Nach einigem Nachdenken sagte der König leise zur Königin: »Wohlan
denn! Wenn das Eure Meinung ist, so soll geschehen, was Ihr wünscht!«
Und zum Fuchs gewendet, fügte er laut hinzu: »So will ich Euch denn
noch einmal verzeihen; aber ich schwöre es bei meiner Krone! es ist das
letzte Mal. Bei der nächsten Sünde, die Ihr begeht, seid Ihr und die
Euren dem Tode verfallen!«
Als Reineke den König so umgewandelt sah, faßte er neuen Mut und
beteuerte: »Herr, wäre es nicht töricht von mir, jetzt zu lügen, da die
Unwahrheit doch in kurzer Zeit zutage kommen müßte?«
Das leuchtete dem König ein. »Gut,« sagte er, »da Ihr also die volle
Wahrheit gesprochen habt, so will ich Euch verzeihen und Euch meine
Gnade wieder zuwenden.«
Wer war froher als der Fuchs? Dem sicheren Tode war er entgangen durch
seine eigene List; nun galt es, noch weiter Lügen zu ersinnen und das
Vertrauen des Königs wiederzugewinnen.
»Hoher König, edler Herr!« begann er. »Möge Gott Euch für all die
Gnade belohnen, die Ihr mir erweist! Ich will Euch mein Leben lang
dafür dankbar sein und Euch in Treue dienen! In allen Ländern der Welt
ist niemand, dem ich den Schatz so gönne wie Euch und meiner gnädigen
Königin. Ihr sollt reicher werden als alle Fürsten unter der Sonne.
Vernehmt denn, wo der Schatz verborgen liegt! Gegen Osten von Flandern
liegt eine große Wüste; in dieser ist ein Gebüsch, Hüsterloh genannt.
Nicht weit davon ist ein Bronnen, Krekelborn mit Namen. Niemals hat
eines Menschen Fuß diese Wildnis betreten, nur die Eule und der Schuhu
hausen dort. Da liegt nun der Schatz versteckt. Krekelborn wird der
Ort genannt, merkt Euch wohl den Namen! Denn Ihr, Majestät, und die
Königin müßt selbst dorthin, Ihr könnt keinen Boten mit der wichtigen
Sache betrauen. Es wäre Euer Schade, wenn etwas von den Kostbarkeiten
verloren ginge.
Also Ihr, mein Herr, müßt selbst nach dem Orte gehen. Wenn Ihr an
Krekelborn vorbei seid, werdet Ihr zwei junge Birken sehen. Sie stehen
dicht an einer Pfütze. Unter diesen Birken liegt der Schatz vergraben.
Dort müßt Ihr scharren und graben, dann findet Ihr versteckt im Moos
manch köstliches Geschmeide, Gold, Silber und herrliche Edelsteine.
Auch die Krone, die König Emmerich einst getragen, werdet Ihr dort
sehen. Sie sollte des Bären Haupt schmücken, hätte meine List es nicht
verhindert. Wenn alle diese Reichtümer vor Euch ausgebreitet liegen,
werdet Ihr gewiß meiner gedenken und sprechen: ›O du braver Fuchs,
treuer, redlicher Freund! Für deinen König hast du so viel Mühe und
Arbeit gehabt und hast ihm durch deine Klugheit diese Schätze, ja sogar
seine Krone erhalten! Möge es dir allezeit so gut ergehen, wie du es
verdient hast!‹«
Der König hatte aufmerksam zugehört. Die Geschichte kam ihm aber doch
etwas merkwürdig vor, und er sagte zu Reineke: »Höre, Reineke, du mußt
dich mit mir auf den Weg machen; es wäre doch möglich, daß ich allein
die Stelle nicht fände. Von Aachen habe ich wohl schon reden hören, wie
auch von Lüttich, Köln und Paris. Nie aber erzählte mir jemand etwas
von Hüsterloh und Krekelborn. Reineke, Reineke! Ich fürchte fast, du
erdichtest diese Namen und lügst uns etwas vor!«
Ungern hörte Reineke diese Worte. Er wußte sich aber zu helfen.
»Herr,« sprach er, »Euer Mißtrauen kränkt mich. Ich könnte es mir
noch erklären, wenn ich Euch in ferne Lande, vielleicht an den Jordan
schickte. Aber der Ort liegt ja nahe bei, in Flandern, und etliche von
den Anwesenden werden ihn kennen. Sie sollen Euch sagen, daß Krekelborn
bei Hüsterloh liegt und daß ich die Wahrheit geredet habe.«
Darauf rief der Fuchs den Hasen, der heftig erschrak und zu zittern
anfing.
»Lampe,« sprach der Fuchs, »fürchtet Euch nicht! Es soll Euch nichts
geschehen. Der König wünscht Euch zu sprechen. Ihr sollt ihm bei Eurem
Eide der Wahrheit gemäß sagen, ob Ihr die Orte Hüsterloh und Krekelborn
kennt.« Da atmete der Hase erleichtert auf und sagte: »Gnädigster
König, gern will ich die Frage beantworten, da ich die Orte genau
kenne. Hüsterloh liegt bei Krekelborn in der Wüste. Es ist ein dichtes
Gebüsch, in dem ich bisweilen Zuflucht suchte, wenn ich von Jägern und
Hunden verfolgt wurde. Ich habe da manchmal Frost und Hunger gelitten.«
Reineke sagte: »Tretet zurück, Lampe, Ihr habt unserem königlichen
Herrn genug gesagt.«
Zu Reineke gewandt, sagte der König: »Ich sehe, daß Ihr wahr gesprochen
habt, und bedaure die harten Worte, die ich dir in der Übereilung
sagte. Führe mich nun eiligst zu dem Schatze!«
Das kam dem Fuchse nun gar nicht gelegen. Wie konnte er den König zu
einem Schatze führen, der gar nicht vorhanden war! Er wußte sich aber
zu helfen.
»Majestät,« sagte er, »welche Ehre wäre es für mich, und wie von
Herzen gern würde ich Euch nach Flandern begleiten. Aber leider ist
es mir nicht möglich. Ihr würdet Euch versündigen, wenn Ihr mich
dazu nötigtet. Nur beschämt gestehe ich, was mich daran verhindert.
Isegrim ließ sich vor einiger Zeit das Haupt scheren und trat in ein
Kloster ein. Freilich, er tat es nicht aus Frömmigkeit, sondern um
bequem zu leben und gut zu essen. Aber wenn man ihm auch für sechs zu
essen gab, so wurde er doch niemals satt. Er klagte und jammerte und
wurde krank und elend. Da hatte ich Mitleid mit ihm, als meinem nahen
Verwandten, und verhalf ihm zur Flucht aus dem Kloster. Dafür traf mich
der Bannstrahl des Papstes. Meine nächste Sorge ist nun, mich davon
zu befreien, und deshalb will ich morgen mit Sonnenaufgang nach Rom
ziehen, um Ablaß zu erbitten! Ist mir der zuteil geworden, dann will
ich weiter übers Meer ziehen, bis ich, von allen Sünden gereinigt,
zurückkehren kann. Dann erst bin ich würdig, neben Euch zu gehen.
Reiste ich aber jetzt mit Euch, so würde jeder sagen: ›Seht, unser Herr
geht mit Reineke, den er eben hängen lassen wollte, und der noch dazu
im Bann ist!‹ Gestehet, gnädiger Herr, daß ich recht habe, und erteilt
mir Urlaub!«
»Es ist wahr,« sprach der König, »neben einem vom Banne Getroffenen
kann ich nicht gehen. Lampe mag mich nach Hüsterloh führen. Du aber,
Reineke, tritt deine Wallfahrt an, es wäre unrecht von mir, dich auch
nur einen Tag davon zurückzuhalten. Es freut mich, daß du dich so
eifrig zu bekehren strebst und dich in Zukunft vom Bösen zum Guten
wenden willst. Gott lasse dich die Reise glücklich enden!«
Darauf trat der König auf eine kleine Erhöhung, so daß er von allen
gesehen wurde, und sprach:
»Schweiget und höret meine Worte, ihr alle, die ihr hier versammelt
seid! Große und Kleine, Reiche und Arme! Hier steht Reineke, der zum
Tode verurteilt war, den ich aber begnadige. Er hat dem Königreich
durch Mitteilung wichtiger Geheimnisse einen großen Dienst erwiesen.
Ich schenke ihm deshalb Gut und Leben und wende ihm meine ganze Huld
von neuem zu. Auch meine Gemahlin, die Königin, hat Fürsprache für ihn
eingelegt. Euch allen gebiete ich bei Todesstrafe, daß ihr Reineke,
seinem Weibe und seinen Kindern alle Ehren bezeigt, wo sie euch auch
begegnen, es sei bei Tag oder bei Nacht. Ich will von jetzt an über
Reineke keine Klage mehr hören. Hat er früher Übles getan, so wird er
sich künftig bessern. Ich erteile ihm einen längeren Urlaub. Morgen
früh will er Stab und Ranzen nehmen und zum Papst nach Rom wallfahrten,
um Ablaß zu erbitten. Von da will er übers Meer ziehen und nicht eher
zurückkehren, bis er von allen seinen Sünden gereinigt ist.«
7. Kapitel.
Reineke tritt seine Pilgerfahrt an. Lampe und Bellyn in Malepartus.
Mit Schrecken vernahmen Reinekes Feinde seine Begnadigung. Zornig
sprach Hinze zu Isegrim und Braun: »Nun ist alle unsere Mühe und Arbeit
verloren! Ich wollte, ich wäre am Ende der Welt! Ist der Fuchs wieder
in des Königs Gunst, so wird er alle seine Künste brauchen, um uns ins
Unglück zu bringen. Ein Auge hat er mir schon geblendet, nun steht auch
das zweite in Gefahr.«
Braun erwiderte: »Nun ist freilich guter Rat teuer!« Und Isegrim rief:
»Wahrlich, es ist eine schlimme Sache! Aber laßt uns noch das Äußerste
wagen und mit dem König sprechen!«
Alles Abraten des Katers, diesen gewagten Schritt zu unterlassen,
nutzte nichts. Entschlossen traten Braun und Isegrim vor das Königspaar
und wollten ihre Klagen gegen Reineke von neuem anfangen.
Aber der König unterbrach sie zornig: »Habt ihr meine Worte nicht
vernommen? Ich will keine Klagen über Reineke mehr zu hören bekommen!
Er ist von mir wieder in Gnaden aufgenommen worden. Euer Ungehorsam
soll gestraft werden!«
Darauf ließ er beide binden und ins Gefängnis werfen.
Der König bestrafte die beiden so streng, weil er an die Verschwörung
dachte, die sie angeblich gegen ihn geplant hatten. So kamen Reinekes
Feinde ins Unglück, er selbst aber war frei und stand hoch in des
Königs Gunst. Da er für seine Reise ein Ränzlein brauchte, so schnitt
man von dem Rücken des Bären ein Stück Fell heraus, einen Fuß lang und
einen Fuß breit und fertigte daraus einen Ranzen an. Nun fehlten noch
die Schuhe für den frommen Pilger. Da mußte Isegrim das Fell von den
Vorderfüßen hergeben; da man vier Schuhe brauchte, so zog man Frau
Gieremund, Isegrims Weib, das Fell von den Hinterfüßen ab.
Nun trat Reineke vor den König und die Königin, verneigte sich tief und
sprach: »Nun habe ich Ränzel und Schuhwerk für die Reise und kann mich
getrost auf die Wanderschaft begeben. Ich danke Euch untertänigst für
alle Eure Güte und werde in meinen Gebeten stets Eurer gedenken!«
Braun, Isegrim und seine Frau hatten indes große Schmerzen zu erdulden.
Stöhnend und ächzend lagen sie auf ihrer Spreu im Gefängnis, denn auch
Frau Gieremund hatte man mit eingesperrt.
Ehe Reineke seine Pilgerfahrt antrat, ging er in den Kerker zu seinen
Feinden, um sie zu verhöhnen und zu verspotten, und sagte:
»Schönsten Dank, Oheim Braun, für das Ränzlein, das ich gut gebrauchen
kann für meine Wanderschaft. Und auch euch, teurer Vetter Isegrim und
liebes Mühmchen, danke ich von Herzen für die schönen Schuhe! Sie
passen vortrefflich, und seht nur, wie hübsch sie mir stehen! Ihr habt
euch große Mühe gegeben, mich ins Verderben zu stürzen. Aber das Blatt
hat sich gewendet: ich bin frei, und ihr seid eingekerkert. Das ist
aber ganz gesund, da habt ihr wenigstens Ruhe, eure Wunden heilen zu
lassen. Nun, ich werde unterwegs eurer gedenken und euch von dem Ablaß
ein gut Teil abgeben.«
Braun und Isegrim vernahmen schweigend die spöttischen Worte. Frau
Gieremund aber seufzte: »Möge der Himmel vergelten, was Ihr an uns
getan habt!«
In der Frühe des nächsten Morgens trat Reineke vor den König und
sprach:
»Majestät, Euer ergebener Knecht ist nunmehr bereit, die heilige
Wanderung anzutreten. Befehlt gütigst Eurem Priester, mir den Segen des
Himmels mit auf den Weg zu geben.«
Da rief König Nobel Bellyn, den Widder, herbei, der damals Kaplan und
Schreiber am Hofe war, und befahl ihm, Reineke den Segen zu erteilen
und seinen Wanderstab zu weihen.
Bellyn stand einen Augenblick ratlos da, dann sprach er schüchtern:
»Majestät, Ihr wißt, daß Reineke noch in des Papstes Bann ist, und
keinem Verbannten darf ich den Segen erteilen. Was würde der Bischof,
Herr Ohnegrund, und der Propst, Herr Losefund, sagen, wenn ich mich so
gegen die kirchlichen Bestimmungen verginge? Meines Amtes würde ich
gewiß sofort entsetzt.«
Da wurde der König sehr zornig und bestand auf seinem Willen.
»Was kümmert mich der Propst und der Bischof?« rief er aus. »Reineke
soll nach Rom und sich bekehren. Macht also nicht so viele unnütze
Worte, sondern sprecht den Segen über ihn.«
Da sah Bellyn ein, daß er sich nicht länger widersetzen durfte, zog
sein Buch hervor und las die passenden Segenssprüche und weihte den
Wanderstab. Reineke achtete nicht viel darauf, sondern lachte im Innern
seines Herzens. Er tat aber sehr ergriffen, das Haupt tief gebeugt und
die Augen voll Tränen der Reue. Empfand er aber wirklich Reue, so war
es nur deshalb, weil es ihm nicht gelungen war, alle seine Feinde ins
Unglück zu bringen.
Er nahm nun Abschied und bat alle, fleißig für ihn zu beten. Darauf
ergriff er Ränzel und Wanderstab und wollte eilig von dannen ziehen, da
er sich noch nicht so ganz sicher am Hofe fühlte.
»Warum eilst du dich plötzlich so sehr, fortzukommen?« fragte der König.
Da versetzte Reineke: »Es ist hohe Zeit. Wer etwas Gutes vollbringen
will, muß nicht säumen. Habt also die Gnade, mir Urlaub zu erteilen,
und laßt mich ziehen!«
Da gewährte ihm der König den gewünschten Urlaub, nahm Abschied von
ihm und befahl allen Herren seines Hofes, den frommen Pilger ein Stück
Weges zu begleiten.
So verließ Reineke den Hof des Königs, um den nächsten Weg nach Rom
einzuschlagen. Im Fortgehen rief er noch dem Herrscher zu: »Laßt
wohl achtgeben auf die beiden Verräter im Gefängnis, daß sie nicht
entweichen. Kämen sie los, so stände Euer Leben in Gefahr! Es sind ein
paar schlimme Bösewichte!«
Mit frommer Miene, Gebete murmelnd, schritt der Heuchler an der Spitze
des Zuges dahin. Nachdem sie ein Stück gegangen waren, nahmen alle
Abschied von dem Fuchs und kehrten an den Hof zurück. Nur Lampe, den
Hasen, und Bellyn, den Widder, hielt Reineke zurück, indem er mit
Tränen der Rührung sagte: »Muß ich denn nun wirklich allen Lebewohl
sagen? Auf so lange Zeit soll ich mich von dir trennen, Freund Lampe?
Und auch du, teurer Bellyn, willst jetzt von mir scheiden? Ihr könntet
mich wohl noch ein Stück weiter begleiten. Denn euch liebe ich vor
allen. Ihr seid brave Leute von guten Sitten und redlichem Sinn. Jeder
lobt eure Frömmigkeit. Ihr seid genügsam und stillt euren Hunger mit
Laub und Gras, wie auch ich es tat, als ich Mönch war, und fragt weder
nach Fleisch und Brot noch nach anderen verbotenen Speisen.«
O, wie ließen sich die beiden Einfältigen durch solches Lobreden
betören! Sie gingen immer weiter mit ihm und begleiteten den
Hinterlistigen schließlich bis zu seinem Schlosse Malepartus.
Als sie das Schloß erreicht hatten, sprach Reineke zum Widder: »Neffe
Bellyn, wartet hier draußen auf mich und erlabt Euch indessen an den
saftigen Kräutern, die hier in Menge stehen. Ihr seid gewiß hungrig
von dem weiten Wege. Und Ihr, Freund Lampe,« wendete er sich an den
Hasen, »kommt mit mir hinein und helft mir mein armes Weib trösten.
Sie wird sich gewiß sehr grämen, wenn sie hört, daß ich eine so lange
Pilgerschaft antreten will.« So betrog Reineke diese beiden mit vielen
süßen Worten.
Frau Ermelyn war inzwischen in großer Sorge gewesen, wie es wohl
Reineke vor Gericht ergehen würde. Als sie ihn nun vor sich sah,
war sie sehr erfreut und fragte ihn, wie es ihm ergangen wäre. Er
antwortete: »Ich war verurteilt, gehängt zu werden. Aber der König
hat mich begnadigt. Braun und Isegrim sind ins Gefängnis geworfen.
Ich muß nach Rom pilgern, um Buße zu tun. Zur Sühne gab mir der König
den Hasen, mit dem ich tun kann, was mir beliebt. Denn er ist es, der
mich verraten hat, wie mir der König sagte. Drum sage ich Euch, Frau
Ermelyn, er verdient eine große Strafe.«
Als Lampe diese Worte vernahm, erschrak er furchtbar und wollte
fliehen. Reineke aber vertrat ihm den Weg und packte ihn am Halse.
In Todesangst schrie er auf: »Bellyn, zu Hilfe, rettet mich! Ich bin
verloren! Der Pilger tötet mich!« Mehr konnte er nicht hervorbringen,
Reineke hatte ihm die Kehle durchgebissen. »Komm,« sprach er zu seiner
Frau, »nun wollen wir es uns fein schmecken lassen. Es ist ein guter,
fetter Hase. Nun ist doch der Geck zu etwas in der Welt nütze! Ich habe
es ihm lange nachgetragen; nun wird er niemals mehr über mich klagen.«
Nun machten sich alle über den Hasen her, Reineke, seine Frau und die
Kinder, und ließen sich's prächtig schmecken. Einmal übers andere Mal
rief die Füchsin aus: »Dank sei dem König, daß er uns ein so herrliches
Mahl bereitet hat! Möge der Himmel es ihm lohnen!« Reineke sagte: »Eßt
nur, soviel euch beliebt! Es ist genug da! So sollen alle, die Reineke
verklagen, es zuletzt mit dem Leben büßen!«
Als sie nun gesättigt waren, fragte Frau Ermelyn ihren Gatten: »Wie ist
es denn gekommen, daß der König Euch wieder begnadigt hat und sich uns
so gütig erweist?«
Da lachte der Fuchs und sprach: »Wollte ich Euch das alles genau
erzählen, so brauchte ich viele Stunden dazu! Kurzum, ich habe den
König und seine verehrte Frau Gemahlin gewaltig beschwindelt. Freilich,
die neue Freundschaft zwischen uns ist nur zart und gebrechlich und
kann leicht in die Brüche gehen. Kommt er erst hinter die Wahrheit,
so wird er rasen und mich mit Gewalt ergreifen lassen. Weder Gold
noch Silber werden mich dann befreien können. Ich käme sicher nicht
ungehängt davon! Darum müssen wir entfliehen, weit fort von hier in
ein Land, wo uns niemand kennt. Am besten ist es, wir ziehen nach
Schwaben! Das ist ein herrliches Land! Da gibt es Hühner, Gänse, Hasen
und Kaninchen in Menge. Auch an Süßigkeiten fehlt es da nicht für
unsere Kleinen, wie Feigen, Datteln, Rosinen und andere wohlschmeckende
Früchte! O, wie armselig ist unser Land dagegen! In Schwaben gibt es
viele große und kleine Vögel und in den Gewässern köstliche Fische.
Ich lernte sie schätzen, als ich Klausner war und kein anderes Fleisch
essen durfte. Die Namen der vielen Fische habe ich vergessen; Ich weiß
nur, daß sie von größtem Wohlgeschmack waren. Man bäckt dortzulande
das Brot mit Butter und Eiern. Die Luft ist erfrischend, das Wasser
klar und gesund. Seht, liebe Frau! Dorthin wollen wir ziehen und da in
Frieden leben!
Damit Ihr mich aber recht versteht, so wisset: Der König begnadigte
mich nur darum, weil ich ihm einen großen Schatz versprach. Ich sagte
ihm, bei Krekelborn liege der Schatz des Königs Emmerich vergraben. Nun
wird er dort Nachforschungen anstellen, aber soviel er auch gräbt, er
wird weder Gold noch Silber noch die Königskrone finden. Denn solch ein
Schatz ist ja gar nicht vorhanden! O, wie zornig wird er werden, wenn
er merkt, daß er betrogen ist!
Was meint Ihr wohl, was ich für schöne Lügen ersann, ehe ich entkam?
Es war aber auch in der höchsten Not, denn schon stand ich auf der
Leiter und hatte den Strick um den Hals. In solcher Angst bin ich
noch nie gewesen! In Zukunft muß ich mich jedoch hüten, wieder in die
Gewalt des Königs zu geraten, denn es würde mir ein zweites Mal gewiß
nicht gelingen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen! Darum laßt uns
rechtzeitig fliehen!«
Traurig erwiderte Frau Ermelyn: »Sollen wir in ein fernes Land ziehen,
wo wir fremd und elend sein werden? Haben wir doch hier alles, was
wir brauchen! Warum wollt Ihr Abenteuer suchen und das Ungewisse fürs
Gewisse nehmen? Ein Spatz in der Hand gilt mehr als zehn Tauben auf dem
Dache!
Wir können auch hier in Sicherheit leben! Unsere Burg ist stark und
gut gebaut. Und wenn uns selbst der König mit großer Heeresmacht
angreift, so sollte es ihm schwer werden, uns zu ergreifen. Ihr wißt ja
besser als ich, wie viele Seitentore unsere Festung hat, aus denen wir
entwischen können! Nur das betrübt mich, daß Ihr geschworen habt, fern
übers Meer zu fahren!«
»Besser geschworen, als verloren!« sagte der Fuchs. »Ein gezwungener
Eid taugt nicht viel. Und kurz, der Eid kümmert mich keinen Deut. Ich
gehe nicht nach Rom, und hätte ich auch zehn Eide geschworen! Euer
Rat aber ist klug, wir wollen hier bleiben! Wer weiß, wie es uns in
Schwaben ergehen würde! Was der König gegen mich unternehmen wird,
muß ich abwarten. Er ist mir zwar an Macht überlegen, das schadet
aber nichts! Vielleicht kann ich ihn nochmals überlisten und ihm eine
Narrenkappe mit Schellen über die Ohren ziehen!«
»Lampe, Lampe!« erklang da die Stimme von Bellyn. »Wollt Ihr denn ewig
da bleiben? Kommt doch heraus, wir müssen gehen.«
Alle Kräuter hatte der Widder schon abgeweidet, und die Zeit wurde ihm
lang.
Auf den Ruf trat Reineke hinaus und sprach: »Bellyn, Lampe läßt Euch
sagen, Ihr möchtet es nicht übelnehmen, daß er noch nicht kommt, und,
wenn es Euch zu lange dauert, immer vorangehen. Er sitzt noch sehr
vergnügt bei meiner Frau.«
Da fragte Bellyn: »Was war denn das vorhin für ein Geschrei? Warum
rief Lampe so kläglich: ›Helft mir, Bellyn!‹? Was habt Ihr ihm zuleide
getan?«
Reineke versetzte: »Hört nur, als ich meinem Weibe sagte, daß ich eine
weite Seereise antreten müßte, fiel sie in Ohnmacht. Da erschrak Lampe
und rief: ›Bellyn, helft mir, oder meine Muhme bleibt tot!‹«
Der Widder sagte zweifelnd: »Er hat doch recht jämmerlich nach mir
gerufen!«
Aber Reineke versetzte: »Ihr braucht Euch nicht um ihn zu ängstigen.
Lampen ist kein Haar gekrümmt worden! Ich wollte lieber selbst Schaden
erleiden, als daß Lampen ein Leid widerführe! Doch hört, Bellyn, der
König bat mich gestern, ihm noch ein paar Briefe zu schreiben. Wollt
Ihr sie ihm bringen, lieber Neffe? Sie sind schon geschrieben und ganz
fertig. Ich habe dem König darin manchen klugen Rat erteilt. Während
ich schrieb, plauderte Lampe mit meiner Frau; sie redeten von alten
Zeiten, aßen und tranken und waren seelensvergnügt!«
Bellyn sprach: »Lieber Reineke, gern will ich die Briefe besorgen. Aber
wie soll ich sie gut verwahren, daß kein Siegel zerbricht?«
»Da weiß ich Rat,« sprach Reineke. »Das Ränzel aus Brauns Fell ist
dicht und stark. Da hinein will ich die Briefe legen. Der König wird
Euch gewiß mit Ehren empfangen und Euch reichlich belohnen!«
Das alles glaubte der einfältige Widder dem Falschen.
Reineke ging ins Haus zurück, nahm den Ranzen und steckte Lampens Kopf
hinein, den er abgebissen hatte. Aber das durfte Bellyn nicht wissen.
Deshalb sagte Reineke zu ihm: »Seht, hier ist das Ränzlein; hängt
es Euch um den Hals! Doch hütet Euch, die Briefe zu lesen oder den
Ranzen auch nur zu öffnen! Ich habe den Knoten so verschlungen, wie es
zwischen dem König und mir ausgemacht ist. Hört mich also recht, und es
wird Euer eigener Vorteil sein. Sagt auch dem König, daß Ihr mir bei
den Briefen mit Rat und Tat beigestanden habt, so bekommt Ihr gewiß
großen Lohn und Dank dafür.«
Bellyn sprang vor Freude hoch in die Luft und rief: »Reineke, lieber
Oheim, nun sehe ich, wie gut Ihr es mit mir meint! Was für Ehre werde
ich bei Hofe einlegen, wenn sie hören, daß ich bei den schönen Briefen
mitgeholfen habe! Ich danke Euch von Herzen! Wie gut war es, daß ich
Euch so weit begleitete! Aber sagt, soll Lampe jetzt gleich mit mir
gehen? Ich möchte doch so schnell wie möglich die Briefe dem König
überbringen!«
»Geht nur voran!« antwortete der Fuchs. »Lampe soll bald nachfolgen,
ich habe nur noch etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen.«
»So seid Gott befohlen!« sagte Bellyn. »Ich mache mich auf den Weg.«
Und er eilte fröhlich von dannen.
8. Kapitel.
Die Sühne. Reineke wird abermals angeklagt.
Es war gegen Mittag, als Bellyn bei Hofe ankam und vor den König trat.
Dieser war sehr verwundert, als er Reinekes Ränzel sah, und fragte:
»Wo kommst du her, Bellyn? Und wo ist Reineke geblieben, da du seinen
Ranzen trägst?«
Bellyn sprach: »Gnädiger Herr, Reineke bat mich, ich sollte Euch Briefe
bringen, an denen ich mit Rat und Tat geholfen habe. Sie sind hier im
Ranzen, öffnet ihn gütigst.«
Da ließ der König den Biber kommen. Er hieß Bokert, war Schreiber und
Notar am Hofe und verstand vielerlei Sprachen. Auch Hinze, der Kater,
der klug und gelehrt war, mußte erscheinen.
Als diese beiden den künstlichen Knoten gelöst hatten, zogen sie zu
ihrem Entsetzen Lampes Kopf aus dem Ranzen hervor. O, wie erschrak da
der König. Voll Zorn rief er: »O Reineke, schändlicher Verräter, hätte
ich dir nur nicht geglaubt. Wie furchtbar hast du mich betrogen!« Und
der König erhob ein so gewaltiges Gebrüll, daß alle Tiere herbeigeeilt
kamen, um zu sehen, was sich ereignet hätte. Der Leopard, des Königs
naher Verwandter, bat den König, sich zu beruhigen, und sprach ihm Mut
zu. Da sagte der König: »Wundert Euch nicht, daß ich so verzweifelt
bin! Habe ich mich doch selbst an meinen nächsten Freunden vergangen.
Auf den bösen Rat des arglistigen Schelmen habe ich Braun und Isegrim
ins Gefängnis geworfen. Das reuet meine Seele. Aber meine Frau trägt
mit die Schuld daran. Hätte ich nur nicht auf ihre Worte gehört, als
sie für den Betrüger bat! Aber nun ist es zu spät; ich habe ihn nicht
mehr in meiner Gewalt!«
Der Leopard sprach: »Hört mich, Herr König! Grämt Euch nicht gar zu
sehr! Ist etwas übel getan, so kann man es doch wieder gut machen.
Braun, Isegrim und seine Frau müssen sofort in Freiheit gesetzt werden.
Als Sühne für das ungerecht ihnen zugefügte Leid soll man ihnen den
Bock Bellyn übergeben. Er bekannte ja selbst, daß er zu Lampes Tode
mit Rat und Tat geholfen habe. Dafür soll er seinen Lohn empfangen.
Dann wollen wir Reineke aufsuchen, ihn fangen und, ohne ihn zu Worte
kommen zu lassen, hängen. Denn kommt er zum Reden, schwatzt er sich
gewiß wieder los. Mit dieser Genugtuung werden auch Braun und Isegrim
zufrieden sein.«
Dieser Rat gefiel dem König, und er sprach: »Ich will Euren Rat
befolgen. Geht und setzt die beiden Herren in Freiheit. Man soll sie
mit großen Ehren wieder in meinen Rat setzen. Darum bitte ich Euch:
ruft meinen ganzen Hof zusammen. Jeder soll erfahren, wie listig
Reineke entkommen ist, und wie er, im Verein mit Bellyn, den armen
Lampe getötet hat. Ein jeder soll auch Braun und Isegrim alle Ehre
erweisen. Zur Genugtuung gebe ich ihnen den verräterischen Bellyn und
sein ganzes Geschlecht.«
Sogleich begab sich der Leopard ins Gefängnis, wo Braun und Isegrim
gebunden lagen. Unverzüglich wurden ihnen die Fesseln abgenommen,
und der Leopard sagte zu ihnen: »Ich bringe euch gute Botschaft, ihr
Herren! Der Betrug Reinekes kam an den Tag. Der König sieht ein, daß
man euch unverdient Übles zugefügt hat, und bereut es von Herzen. Um
euch dafür Genugtuung zu geben, überläßt er euch den Widder Bellyn
mit seinem ganzen Geschlechte für jetzt und für alle Zeiten. Er gibt
euch das Recht, sie anzugreifen, wo ihr sie auch trefft, im Wald und
im Feld, bei Tag und bei Nacht. Außerdem gibt mein gnädiger Herr
Reineke, der euch verraten hat, in eure Gewalt. Ihr mögt ihn mit aller
Macht verfolgen, sowohl ihn selbst, wie auch sein Weib und alle seine
Angehörigen. Dies alles soll ich euch im Namen des Königs verkündigen.
Ihr sollt dann aber auch das Vergangene vergessen und ihm von neuem
Treue schwören. Es wird euch nie mehr eine Ungerechtigkeit durch den
König widerfahren!«
So ward die Aussöhnung durch den Leoparden bewirkt. Noch an demselben
Tage mußte Bellyn seinen Hals hergeben. Und von der Zeit an sind Bären
und Wölfe die schlimmsten Feinde der Schafe und überfallen und töten
sie, wo sie nur können.
Der König aber ließ den Hof zwölf Tage länger beisammen bleiben und
gab große Feste zu Ehren von Braun und Isegrim. Großer Jubel herrschte
im ganzen Reiche, denn überall hin sandte der König seine Boten,
um alle seine Untertanen ins Schloß einzuladen. Von allen Seiten
strömten die Gäste herbei, um an der Freude teilzunehmen. Weithin
erschollen Trompeten und Schalmeien, Pauken und Flöten. Große Turniere
wurden veranstaltet, zierliche Tänze aufgeführt, und lustige Lieder
erklangen. Der König hatte alles im Überfluß anschaffen lassen. An
wohlschmeckenden Speisen gab es, was jedes Herz begehrte, und der Wein
floß in Strömen.
Als nun acht Tage in solchem Taumel vergangen waren und der König mit
den Großen des Reiches gerade an der Tafel saß, um zu speisen, trat ein
Kaninchen in den Festsaal hinein, das aus einer tiefen Wunde am Halse
blutete. Es trat dicht vor den König und die Königin hin und sprach
mit trauriger Gebärde: »Mein Herr König und alle, die ihr hier zugegen
seid! Hört meine Klage und erbarmt euch meiner! Gestern früh machte
ich mich auf den Weg zum Königsschloß, um der Einladung Eurer Majestät
zu den Festen zu folgen. Ich mußte an der Festung Malepartus vorüber.
Da saß Reineke vor seiner Tür, wie ein Pilger gekleidet, und schien
eifrig im Gebetbuch zu lesen. Ich wollte ruhig weitergehen. Allein
sowie er mich bemerkte, kam er mir entgegen, als wollte er mich
freundlich begrüßen. Aber plötzlich sprang er auf mich zu und packte
mich im Genick, daß ich glaubte, es wäre mein Ende. Er warf mich auf
den Boden nieder und wollte mich verspeisen. Doch Gott sei Dank! Als
sich einen Augenblick sein fester Griff lockerte, gelang es mir,
seinen Klauen zu entschlüpfen. Freilich hatte ich bei dem Kampf ein
Ohr eingebüßt und vier große Löcher im Kopf davongetragen. Ein Wunder
ist's, daß ich dem Tode entrann! Er war sehr ergrimmt und fluchte noch
lange hinter mir her. Seht, gnädiger Herr, so bricht der Fuchs den von
Euch angeordneten heiligen Frieden! Wer darf künftighin noch wagen,
über Land zu gehen, wenn Reineke die Straßen so unsicher macht?«
Kaum hatte das Kaninchen seine Klage beendet, da kam Merkenau, die
Krähe, herbeigeflogen und jammerte: »Hochwürdiger König, gnädiger
Herr! Ich bringe Euch eine traurige Nachricht! Vor Aufregung kann
ich kaum sprechen; das Herz zerspringt mir fast, so Schreckliches
ist mir passiert! Heute morgen flog ich mit Scharfenibbe, meinem
treuen Weibe, übers Feld. Da sah ich Reineke, den Fuchs, tot auf der
Erde liegen. Er hatte alle Viere von sich gestreckt, das Maul stand
weit offen, die Zunge hing lang zum Halse heraus, beide Augen waren
verdreht. Vor Schreck fing ich an zu schreien, aber er rührte sich
nicht, er war mausetot. Das betrübte mich sehr, und mein Weib fing
an zu weinen, so sehr jammerte sie sein Tod. Wir traten näher an ihn
heran und betasteten seinen Leib. Dann horchte meine Frau, ob noch ein
Atemzug zu bemerken sei. Aber es war nichts zu spüren; wir hätten
beide geschworen, er wäre tot! O, der Schändliche, wie betrog er uns!
Als meine Frau recht nahe an seinem Haupte stand und nach seinem Atem
horchte, packte er sie plötzlich am Hals und biß ihr den Kopf ab.
Darauf sprang er auf mich los und hätte mich auch fast erschnappt,
aber ich entkam noch mit knapper Not und rettete mich auf einen Baum,
der dicht dabei stand. Von hier aus mußte ich nun mitansehen, wie der
Bösewicht mein liebes Weib auffraß. Er war so gierig, daß er auch
nicht ein Knöchelchen zurückließ. Als er fort war, flog ich herab und
sammelte die blutigen Federn, um sie als teures Andenken aufzubewahren.
Ich habe sie mitgebracht, um sie Eurer Majestät zu zeigen als Beweis
des furchtbaren Mordes. Gnädiger Herr, rächet die grausige Tat! Laßt es
den Verräter mit seinem Leben büßen! Denn wenn Ihr diese Sache gering
achtet und Reineke ungestraft laßt, so wird es Eurem Namen keine Ehre
machen. Man wird im ganzen Reiche schlecht von Euch sprechen. Denn man
sagt: Wer Missetat nicht straft, der ist der Tat mitschuldig! Doch das
wäre Eurer fürstlichen Ehre zu nahe getreten.«
Als die Krähe ihre Klage beendet hatte, sprang König Nobel vom Throne
auf und rief in höchstem Zorn: »Wahrlich, ich schwöre es, diese Untaten
will ich strafen, daß man noch lange davon sprechen soll! Wie konnte
der Frevler es wagen, mein Gebot zu übertreten und den Frieden zu
brechen! Wie töricht war ich, daß ich ihn freigab! Daß ich allen seinen
Lügen glaubte, mit denen er mich so listig hinterging! Ich stattete ihn
noch selbst als Pilger aus, der nach Rom wandern sollte. Allein meine
Frau trägt die größte Schuld daran. Ich bin freilich nicht der einzige,
der durch den Rat der Frau zu Schaden kommt, es ist schon manchem so
gegangen. Lassen wir Reineke noch länger sein ruchloses Wesen treiben,
so müssen wir uns vor der ganzen Welt schämen. Darum, ihr Herren,
denkt eifrig darüber nach, wie wir seiner am schnellsten habhaft
werden können. Wenn wir es mit Ernst anfangen, so kann er uns unmöglich
entkommen!«
Isegrim und Braun waren mit den Worten des Königs äußerst zufrieden,
denn sie hofften, dem Fuchs würde nun alles Üble, was er ihnen zugefügt
hatte, doppelt und dreifach vergolten werden. Da sprach die Königin:
»Ich bitte Euch, mein Gemahl, zürnt nicht zu sehr. Schwört auch nicht
so leicht, damit Ihr bei Macht und Ansehen bleibt. Noch wißt Ihr ja
nicht genau, wie sich die Sache zugetragen hat. Wäre nur Reineke
zugegen! Vielleicht würden die dann schweigen, die jetzt über ihn
klagen. Oft klagt auch der, der selber Übles tut. Ich hielt Reineke
für klug und rechtschaffen, darum half ich ihm nach Vermögen. Ich tat
es aber nur in der besten Absicht, Euch zu nutzen. Leider ist es nun
zu Eurem Schaden ausgefallen. Doch, teurer Herr, übereilt Euch nicht!
Vergeßt nicht, daß der Fuchs aus edlem Geschlecht ist! Straft ihn
nicht, ohne ihn gehört zu haben! Ihr seid ja Herr im Lande, er kann
Euch nicht entgehen. Wollt Ihr ihn fangen oder töten, Euer Urteil muß
vollstreckt werden. Aber ich bitte Euch inständig, übereilt Euch nicht!«
Da sprach der Leopard: »Herr, folgt ruhig dem Rate Eurer Frau Gemahlin!
Was kann es Euch schaden, wenn Ihr den Fuchs erst anhört? Es steht
immer in Eurer Macht, Euch an ihm zu rächen. Darum schlage ich vor,
ihm noch einmal freies Geleit zu sichern und seine Verteidigung
mitanzuhören.«
Isegrim sagte darauf: »Es kann nicht schaden, wenn jeder seine Meinung
sagt. Hört mal, Herr Leopard! Wäre Reineke hier zur Stelle und könnte
beide Klagen von sich abschütteln, die heute gegen ihn vorgebracht
sind, so kann ich doch eine so böse Sache von ihm melden, daß er
durch sie sicher dem Tode verfallen wird. Allein ich will jetzt davon
schweigen, bis ich in seiner Gegenwart die Klage vorbringen kann. Aber
er wird nicht freiwillig kommen. Denn wie könnte er es wagen, dem
König vor das Angesicht zu treten, nachdem er ihn in so schamloser
Weise belogen hat. Wie konnte er es wagen, eine Geschichte zu erfinden
von Hüsterloh und Krekelborn und dem verborgenen Schatze des Königs
Emmerich, und das alles dem Könige für bare Münze auszugeben! Uns alle
hat er betrogen, mich und Braun aber obendrein am eigenen Körper arg
geschädigt. Ich werde mein Leben daran setzen, mich an ihm zu rächen.
Sein Leben lang hat er nicht die rechte Wahrheit geredet. Nun raubt
und mordet er auf der Heide. Wenn es dem König beliebt, so kann ja
ein Bote zu ihm gesendet werden. Aber ich sage Euch: er wird nicht
kommen. Er fühlt sich sicherer in seiner Festung Malepartus, die er für
unbezwinglich hält.«
Der König erwiderte: »Isegrim hat recht, er wird nicht an den Hof
kommen. Wozu sollen wir also die Zeit mit Worten verlieren? Ich will
den Klagen bald ein Ende machen. Der Bösewicht richtet mir sonst mein
ganzes Land zugrunde! Darum wollen wir alle nach Malepartus ziehen und
die Festung belagern. Ich gebiete, daß ihr euch alle bereit haltet,
mir in sechs Tagen dorthin zu folgen. Bewaffnet euch mit Harnischen,
Spießen und Bogen, mit Donnerbüchsen, Pallaschen und Hellebarden. Dann
wollen wir mal sehen, ob die Feste wirklich uneinnehmbar ist!«
Diesen Befehl des Königs hörten alle gern, und sie riefen: »Wir werden
bereit sein, Euch nach Malepartus zu folgen!«
9. Kapitel.
Grimbart in Malepartus.
Grimbart, der Dachs, war mit am Hofe gewesen und hatte den Beschluß
des Königs gehört. Er lief nun, so schnell es ihm möglich war, nach
Reinekes Schloß, um ihm diese Nachricht zu überbringen. Er war sehr
betrübt und sprach zu sich selber: »Ach, armer Oheim, wie wird es dir
nun gehen! Du bist das Haupt unseres ganzen Geschlechts, und wir alle
trauern um dich!«
Als Grimbart in Malepartus anlangte, fand er Reineke vor der Tür seines
Hauses stehen. Er hatte ein paar junge Tauben gefangen, die ihren
ersten Flug aus dem Neste gewagt hatten. Ihre Flügelein waren aber noch
zu schwach, um sie zu tragen. Sie fielen zur Erde nieder, Reineke sah
es und erhaschte sie. Als Reineke den Dachs kommen sah, ging er ihm
entgegen und sprach: »Willkommen, Neffe! Ihr lauft ja so sehr, daß Ihr
schwitzt! Was bringt Ihr denn für frohe Botschaft?«
Grimbart versetzte: »Eine Botschaft bringe ich Euch freilich, es ist
aber leider eine recht schlechte. Hab und Gut, Leib und Leben, alles
ist verloren! Der König hat geschworen, daß er Euch töten will. Er
hat alle seine Ritter aufgeboten, sich mit Schwertern, Büchsen und
Bogen zu bewaffnen. Mit Heeresmacht will er vor Malepartus ziehen und
die Festung belagern. In sechs Tagen ist er hier. Wehe, teurer Oheim,
dann seid Ihr verloren! Der König ist furchtbar erzürnt gegen Euch.
Er war ganz außer sich über Euren Verrat an dem armen Lampe. Nun
haben auch noch das Kaninchen und die Krähe schwere Klagen gegen Euch
erhoben. Isegrim und Braun sind wieder hoch in Ehren am Hofe. Alles,
was sie wollen, geschieht. Es wird nicht lange dauern, so wird der
König Isegrim zum Marschall ernennen. Er ist schon jetzt mit dem König
vertrauter als ich mit Euch. Seit er durch Eure Schuld ins Gefängnis
geworfen wurde, hegt er einen furchtbaren Haß gegen Euch in seinem
Herzen und schwört, sich an Euch zu rächen, sollte er auch sein Leben
daran wagen. Er schimpft Euch Räuber und Mörder und drängt den König,
das Todesurteil über Euch auszusprechen. Glaubt mir, Oheim, werdet Ihr
gefangen, so müßt Ihr Abschied vom Leben nehmen.«
»Weiter habt Ihr mir nichts zu sagen?« versetzte lachend der Fuchs.
»Das ist ja nicht der Rede wert. Darum seid Ihr so sehr erschrocken?
Wenn es weiter nichts ist! Hätten der König und alle seine Räte noch
zehnmal mehr geschworen, so hilft es ihnen doch nichts. Komme ich
nur zu Worte, so will ich meine Verteidigung schon führen, daß ich
schließlich als Sieger dastehe und sie die Unterlegenen sind.
Schlagt Euch die Sache aus dem Sinn, lieber Neffe. Kommt mit hinein und
seht, was ich Euch vorzusetzen habe! Ein Paar Tauben, jung und fett!
Ich esse keine Speise lieber, denn sie ist leicht zu verdauen, man mag
sie ganz verschlucken oder klein gekaut haben. Auch die Knöchelchen
schmecken süß; sie sind halb Milch, halb Blut. Ich esse gern leichte
Speisen, und meine Frau hat denselben Geschmack. Kommt also herein,
sie wird Euch wohl empfangen. Aber von der bewußten Angelegenheit
müßt Ihr sie nichts merken lassen. Sie ist gar zu ängstlich und sieht
bei kleinen Dingen oft große Gefahr. Seid darum verschwiegen! Morgen
wollen wir an den Hof gehen. Aber werdet Ihr mir auch beistehen wie ein
Verwandter dem anderen?«
»Mit Leib und Seele stehe ich zu Euren Diensten!« rief Grimbart aus.
»Habt Dank!« sprach der Fuchs, »wenn ich mit dem Leben davonkomme, so
soll es Euer Schade nicht sein!«
»Ihr könnt getrost vor den König treten!« sagte Grimbart, »um euch zu
verantworten. Denn der Leopard gab den Rat, es solle Euch nichts Böses
geschehen, ehe Ihr Euch nicht selbst verteidigt habt. Derselben Meinung
ist auch die Königin. Ihr wißt, was für Macht sie über den König hat.
Nutzt das zu Eurem Vorteil!«
»Das werde ich tun!« sprach Reineke. »Hört mich der König nur erst an,
so wird es mir auch gelingen, ihn umzustimmen!«
Beide gingen nun in das Haus hinein und wurden von Frau Ermelyn
freundlich empfangen.
Sie bereitete ihnen ein köstliches Mahl von den mitgebrachten Tauben.
Jeder aß sein Teil davon, aber satt wurde keiner. Jeder hätte mit
Leichtigkeit noch ein halbes Dutzend solcher jungen Täubchen verzehrt.
Nach Tisch rief Reineke seine Kinder herbei und zeigte sie dem Gast.
»Seht, Neffe,« fragte er den Dachs, »wie gefallen Euch denn meine
Kinder, Rossel und Reinhart? Sie fangen schon frühzeitig an, sich in
mancherlei Geschicklichkeiten auszubilden. Der eine fängt ein Huhn,
der andere ein Küchlein. Sie können auch schon unter Wasser tauchen,
um Enten und Kibitze zu erhaschen. Ich könnte sie wohl öfter auf die
Jagd schicken, aber ich will sie erst klüger machen und sie erst
lehren, wie sie sich vor Jägern und Hunden in acht nehmen sollen. Wenn
sie das erst recht verstehen, dann werden sie uns manche köstlichen
Braten verschaffen, die wir jetzt entbehren müssen. Ich sage Euch, sie
schlagen ganz nach mir. Kein Tier, dem sie nachstellen, kann ihnen
etwas anhaben; sie beißen ihm gleich die Kehle durch, ganz wie Vater
Reineke es zu machen pflegt! Mit einem schnellen Sprung ergreifen sie
ihr Opfer. Kurzum, ich kann sie nur loben, sie sind geschickt und brav.«
Grimbart sagte darauf: »Das gefällt mir, daß diese beiden unserem
Geschlechte Ehre machen! Wer wohlerzogene Kinder hat, die schon früh
nach Erwerb streben, hat alle Ursache, sich zu freuen.«
»Doch jetzt, lieber Grimbart,« sprach Reineke, »wollen wir zur Ruhe
gehen. Ihr seid gewiß müde von der weiten Wanderung!«
Und sie gingen alle in den mit Heu bestreuten Saal und legten sich zum
Schlafen nieder. Reineke aber konnte kein Auge schließen, ihm war doch
sehr ängstlich zumute, und er sann hin und her über seine Rettung.
So lag er in schweren Gedanken bis an den hellen Morgen. Dann stand er
auf und sagte zu seiner Frau: »Ich muß heute mit Grimbart an den Hof
gehen. Aber macht Euch deshalb keine Sorgen. Spricht jemand Schlechtes
von mir, so denkt nur immer das Beste. Sorgt gut für die Kinder und
verwahrt unsere Festung wohl!«
»Das ist ja eine seltsame Sache!« sagte Frau Ermelyn. »Was habt Ihr
denn bei Hofe zu suchen? Wißt Ihr nicht, wie schlecht es Euch neulich
dort erging?«
»Es ist freilich wahr,« erwiderte Reineke, »ich war damals in großer
Gefahr. Manch einer war mir nicht gut gesinnt. Aber es geht bisweilen
wunderlich in der Welt zu und kommt oft besser, als man denkt. Darum
ängstigt Euch nicht! Ich muß nun einmal an den Hof, aber spätestens in
fünf bis sechs Tagen bin ich wieder daheim. Lebt wohl indessen!«
So nahm er Abschied von Frau und Kindern und verließ mit Grimbart die
Burg.
10. Kapitel.
Reinekes zweite Beichte.
Reineke und Grimbart wanderten also miteinander über die Heide,
geradeswegs nach des Königs Schlosse zu. Da sagte der Fuchs: »Es mag
nun kommen, wie es will; aber ich ahne doch, daß mir die Reise zu
großem Vorteil gereichen wird. Doch möchte ich gern meine Verteidigung
mit leichtem Herzen führen können, und deshalb bitte ich Euch nochmals,
meine Beichte mitanzuhören. Denn leider habe ich seitdem wieder manche
Sünde begangen.«
Grimbart erklärte sich bereit dazu, und der Fuchs begann: »Ich ließ
Braun ein großes Stück aus seinem Fell schneiden und einen Ranzen
daraus machen. Ich ließ dem Wolf und seiner Frau das Fell von den
Füßen abziehen und Schuhe für mich davon machen. Das tat ich aus Haß
und brachte es durch Lügen so weit, daß der König ihnen sehr zürnte
und sie ins Gefängnis werfen ließ. Den König selbst habe ich furchtbar
betrogen. Ich erzählte ihm von einem Schatz, der aber nirgends zu
finden sein wird.
Lampe habe ich getötet und verspeist. Darauf habe ich den ahnungslosen
Bellyn mit Lampes Kopf zum König geschickt, der den Widder für den
Übeltäter hielt und in großen Zorn geriet. Dem Kaninchen riß ich ein
Ohr ab und tötete es beinahe.
Auch die Krähe klagt mit Recht, ich fraß ihr Weibchen, Frau
Scharfenibbe. Alles das habe ich seit meiner letzten Beichte begangen.
Allein ich habe noch ein älteres Unrecht auf dem Gewissen, das ich
neulich zu beichten vergessen hatte. Das sollt Ihr jetzt auch erfahren,
lieber Neffe. Es war freilich ein recht loser Streich, den ich dem Wolf
gespielt habe, und ich wollte nicht, daß mir widerführe, was ich ihm
getan habe. Wir gingen einmal beide zwischen Kakys und Elverdingen.
Da sahen wir auf der Wiese eine kohlschwarze Stute mit ihrem Füllen
weiden. Das Junge mochte etwa vier Monate alt sein. Isegrim erblickte
es kaum, als schon sein Gelüste nach dem zarten Bissen erwachte. Der
Hunger plagte ihn überdies sehr. Da bat er mich: ›Lieber Freund, geht
doch zu der Stute und fragt sie, ob sie mir das Fohlen verkaufen will!‹
Ich tat ihm den Gefallen und fragte die Stute.
›Ja,‹ sprach sie, ›wenn Ihr gut bezahlen wollt, könnt Ihr es haben.‹
›Was fordert Ihr denn dafür?‹ fragte ich weiter. ›Der Preis steht auf
meinem rechten Hinterfuß geschrieben. Wenn Ihr ihn wissen wollt, so
lest ihn dort ab,‹ antwortete die Stute. Ich wußte gleich, was sie
damit meinte, ließ mich's aber nicht merken, sondern sagte: ›Nein, gute
Frau, lesen und schreiben kann ich nicht. Ich selbst begehre auch Euer
Kind nicht. Isegrim hat mich zu Euch gesandt, er wünschte den Preis zu
erfahren. ›So laßt ihn herkommen,‹ sprach sie, ›er mag ihn ablesen.‹
Da ging ich zu Isegrim zurück und sagte: ›Die Alte will Euch das Fohlen
lassen, der Preis steht auf ihrem rechten Hinterfuße geschrieben. Sie
wollte es mich lesen lassen, ich bin ja aber leider des Lesens und
Schreibens unkundig und habe oft Verdruß davon. Seht also selbst,
Oheim, ob Ihr es entziffern könnt.‹
›Wenn es weiter nichts ist!‹ versetzte Isegrim. ›Warum soll ich es
nicht lesen können? Es sei, was es sei: Deutsch, Latein, Französisch!
Habe ich doch zu Erfurt die hohe Schule besucht. Und was für Schriften
man mir auch zeigt, ich lese sie so glatt und leicht wie meinen Namen.
Wartet hier auf mich, ich will gehen und den Handel abschließen.‹ Er
ging also hin und fragte die Stute, wofür sie das Füllen geben wolle,
und zwar nach dem geringsten Preis. Sie erwiderte: ›Der Kaufpreis steht
auf meinem rechten Hinterfuß geschrieben.‹ ›Laßt sehen,‹ sagte der
Wolf. ›Gut,‹ versetzte sie und hob ihren Fuß hoch, der mit neuen Eisen
und sechs Hufnägeln beschlagen war. Er bückte sich, um zu lesen. Da
schlug sie aus und traf ihn so gewaltig vor den Kopf, daß er betäubt
zur Erde stürzte und wie tot liegen blieb. Die Stute sprang mit ihrem
Füllen davon, so schnell sie konnte. Es dauerte wohl eine halbe Stunde,
ehe Isegrim wieder zur Besinnung kam. Er lag verwundet auf dem Boden
und heulte vor Schmerzen. Ich ging zu ihm und fragte ihn: ›Herr, wo ist
die Stute? Seid Ihr auch satt von dem Fohlen? Warum gabt Ihr mir nicht
auch etwas ab, da ich doch die Botschaft gebracht habe? Habt Ihr etwa
schon nach der Mahlzeit geschlafen? Was war es für eine Schrift unter
ihrem Fuße? Ihr seid doch so weise und gelehrt!‹
›Ach Reineke!‹ stöhnte er, ›spottet doch nicht! Mir armen Schelmen
ist es so übel ergangen, daß es einen Stein erbarmen möchte. Die
langbeinige Mähre hat ihre Füße mit Eisen beschlagen. Es stand auch
keine Schrift darunter, sondern mit den sechs scharfen Nägeln, die
darin steckten, schlug sie mir sechs tiefe Wunden in den Kopf.‹
So kam Isegrim mit knapper Not mit dem Leben davon. Seht, Neffe, nun
habe ich Euch alles gebeichtet und bitte Euch, mir meine Sünden zu
vergeben. Ich will mich auch gern nach Eurem Rat bessern und in Zukunft
ein frömmeres Leben führen.«
Grimbart versetzte: »Eure Sünden sind groß. Da Ihr aber einem so
schweren Schicksal entgegengeht, will ich sie Euch alle vergeben. Ich
spreche Euch also feierlich davon los. Freilich, die Toten stehen
nicht wieder auf. Wie gut wäre es, wenn sie noch lebten! So aber wird
es Euch bei Hofe schlimm ergehen! Das, was Euch am meisten schaden
wird, ist Lampes Tod. Und eine unerhörte Kühnheit war es von Euch, dem
König seinen Kopf zuzuschicken!«
»Teurer Neffe!« sagte Reineke, »wer durch die Welt kommen soll, kann
sich unmöglich so heilig halten wie ein Mönch im Kloster. Lampes
Anblick reizte mich so sehr. Er sprang vor mir her und sah so fett und
appetitlich aus, daß ich Lust bekam, ihn zu fressen; und da tat ich es
auch. Den Widder Bellyn konnte ich niemals leiden, er ist so plump und
dumm und ungeschickt in allen Sachen. Ich gönnte ihm nie viel Gutes.
Nun heißt es zwar: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Aber, um die
Wahrheit zu sagen: diese beiden habe ich nie recht geachtet. Warum
sollte ich also viel Umstände mit ihnen machen? Sie haben nun den
Schaden, ich aber die Sünde davon. Indessen, wie Ihr selbst sagt, die
Toten kehren nicht wieder. Sprechen wir von etwas anderem!
Es ist jetzt eine gefährliche Zeit! Welches Beispiel wird uns von oben
gegeben? Ich meine vom König? Raubt er nicht selbst? Oder läßt sich
alles durch Bären und Wölfe heranschleppen? Gleichwohl meint er, das
wäre sein gutes Recht. Niemand ist, der ihm die Wahrheit sagt oder
zu sprechen wagt: Das ist unrecht getan! Weder sein Beichtvater noch
sein Kaplan tut es. Warum? Sie genießen es alle mit und schweigen um
ihres eigenen Vorteils willen. Will jemand kommen und klagen, so redet
er in den Wind! Er vertrödelt nur unnütz die Zeit. Und was man ihm
genommen hat, ist und bleibt fort. Seine Klage wird nicht beachtet, und
schließlich muß er schweigen! Ja, es geht schlimm in der Welt zu! Und
wird noch schlimmer werden jetzt, wo Wolf und Bär wieder beim König in
Ansehen sind. Sie werden jetzt stehlen, rauben und morden, und immer
heißt es, es sei im Namen des Königs. Nimmt aber mal ein armer Mann,
wie Reineke, ein Huhn, dann wollen sie ihm gleich an den Hals. Ja, ja!
Die kleinen Diebe hängt man, die großen läßt man laufen! Seht, Neffe,
ist es nicht ganz natürlich, daß man auch an seinen eigenen Vorteil
denkt? Die Großen nehmen, was sie kriegen können, also nehme ich mir
auch so viel wie möglich. Bisweilen quält mich dann mein Gewissen,
und ich bereue meine Taten. Lange dauert das aber nie. Und ich greife
wieder zu, wo es etwas zu greifen gibt. Aus dem Gerede, das darüber
entsteht, mache ich mir nichts. Denn wer kommt heutzutage nicht ins
Gerede? Selbst über die Besten und Bravsten wird hergezogen! Ja,
die Welt ist voll Lug und Trug, voll Heuchelei, Verrat und falschen
Schwüren! Pfui, pfui und nochmals pfui!«
Grimbart antwortete: »Lieber Oheim, warum beichtet Ihr mir eigentlich
die Sünden der anderen? Ich denke, Ihr habt mit Euren eigenen gerade
genug zu tun! Was gehen uns die anderen an? Jeder muß sehen, wie er mit
sich selbst fertig wird!«
Indessen waren sie am Schlosse des Königs angelangt. Reineke wurde
nun sehr verzagt, denn er wußte noch nicht, wie er sich aus all den
Anklagen herausschwindeln sollte. Doch raffte er seinen sinkenden Mut
wieder zusammen und schritt stolz aufgerichtet geradeswegs auf das
Schloß zu. Da kam ihm Martin, der Affe, entgegen. Er stand im Begriff,
nach Rom zu reisen, und sagte zu Reineke: »Habt nur guten Mut, lieber
Oheim! Ich weiß es wohl, wie Eure Sache steht.«
Reineke erwiderte: »Das Glück hat sich in diesen Tagen sehr gegen mich
gewendet. Ich bin abermals verklagt, und zwar von etlichen Verrätern,
nämlich von der Krähe und dem ehrlosen Kaninchen. Der eine hat seine
Frau und der andere sein Ohr verloren. Könnte ich nur mit dem König
sprechen, so sollte es den Verleumdern schon schlecht bekommen! Das
schlimmste ist, daß ich noch immer im Bann bin. Und das habe ich
Isegrim zu verdanken. Als er in Elkmar im Kloster war, verhalf ich ihm
zur Flucht. Er klagte, daß er das lange Fasten und Beten nicht ertragen
könnte. Jetzt bereue ich es bitter, daß ich ihm zu Hilfe kam. Denn als
Dank dafür verleumdet er mich beim König und schadet mir, wo er kann.
Ginge ich nun nach Rom, um von dem Bann befreit zu werden, so täte er
gewiß meiner Frau und meinen Kindern Böses an, und mit ihm die anderen,
die mir gram sind. Darum muß ich hier bleiben und sie beschützen. O,
wäre ich nur von dem Banne frei, so würde ich mit viel ruhigerem Herzen
vor den König hintreten und meine Verteidigung führen!«
»Reineke,« sprach Martin hierauf, »lieber Oheim, ich gehe gerade jetzt
nach Rom und will sehen, was ich da für Euch tun kann. Bin ich doch des
Bischofs Schreiber und verstehe gar wohl den Lauf des Rechts in Rom.
Ich will den Domprobst, der Euch zürnt, nach Rom kommen lassen und dort
ernstlich mit ihm rechten. Auch habe ich viele Freunde von mächtigem
Einfluß in Rom. Seid versichert, ich verschaffe Euch Absolution!
Geht nur getrost an den Hof. Dort findet Ihr mein Weib, Frau Rückenau.
Sprecht nur mit ihr, sie ist klug und erfahren, und ihr Rat gilt viel
beim König und der Königin. Der König weiß schon, daß ich Eure Sache in
Rom führen will. Er weiß auch, daß es mir gelingen wird, Euch vom Bann
zu erlösen. Er wird auch dessen eingedenk sein, daß viele vom Affen-
und Fuchsgeschlechte ihm oft die besten Ratschläge gegeben haben. Und
das wird Euch helfen, und Ihr werdet wie bisher siegreich aus dem
Kampfe hervorgehen!«
»Das ist ein guter Trost!« sagte Reineke. »Und ich will Eurer gedenken,
wenn ich frei und los komme.«
Hierauf schieden sie, und der Fuchs und der Dachs traten in das
Königsschloß ein.
11. Kapitel.
Reinekes Verteidigung.
Reineke kam also an den Hof des Königs, wo er so hart verklagt war. Er
fand daselbst viele, die ihm nichts Gutes gönnten, ja ihm sogar nach
dem Leben trachteten. Er sah sie alle versammelt, und ihm wurde gar
ängstlich zumute. Doch faßte er sich bald wieder ein Herz und schritt
frei durch all die Fürsten und Grafen hindurch. Der Dachs aber ging
ihm zur Seite, bis sie beide vor den König kamen. Leise flüsterte ihm
der Dachs zu: »Freund Reineke, seid nicht blöde in dieser Stunde. Dem
Blöden ist das Glück selten hold, dem Kühnen aber steht es bei.«
Reineke versetzte: »Ihr redet die Wahrheit; ich danke Euch für Eure
ermutigenden Worte!«
Darauf trat er dicht vor den Thron des Königs, kniete zur Erde nieder
und sprach: »Gott der Herr, dem alle Dinge bekannt sind, beschütze
meinen Herrn, den König, und meine Gebieterin, die Königin! Er verleihe
ihnen Weisheit, zu richten, wer Recht und Unrecht hat! Es gibt viele
Bösewichte in der Welt, und manchen, der von außen schön gleißt, im
Innern aber falsch und häßlich ist. Wollte Gott, daß es jedem an der
Stirn geschrieben stände, was in ihm ist! Dann würde mein Herr und
König sehen, daß ich nicht lüge, und daß ich nur darauf bedacht bin,
Euch zu dienen. Gleichwohl bin ich von Boshaften, die mir zu schaden
trachten, verklagt und durch schändliche Lügen angeschwärzt. Ohne
alles Verschulden hat man mir Eure Huld geraubt, mein gnädiger König!
Ich aber weiß, daß Ihr klug und weise seid und Euch nicht verleiten
laßt, vom Wege des Rechtes abzuweichen. Ihr habt das Euer Leben lang
nicht getan und werdet es auch jetzt nicht tun. Darauf setze ich mein
Vertrauen!«
Der König antwortete: »Du Bösewicht Reineke! Alle deine losen Worte
helfen dir nichts. Du hast sie schon gar zu oft verschwendet und mir
zu viel vorgelogen. Das alles soll nunmehr ein Ende nehmen. Wie treu
du bist, das lehrt die Geschichte von der Krähe und dem Kaninchen. Und
hätte ich sonst nichts wider dich, so wäre das schon allein genug, mich
zu erzürnen. Aber täglich kommen neue Übeltaten von dir ans Licht. Du
bist ein Schelm durch und durch! Und jetzt soll dir der Lohn für deine
Schandtaten werden!«
»O weh!« dachte Reineke. »Wie wird es mir ergehen! Wäre ich nur auf
meiner sicheren Burg geblieben! Jetzt ist guter Rat teuer! Nun heißt es
alle Kräfte zusammennehmen, um durchzukommen!«
Und zum König gewendet, sagte er: »Großer König, edler Fürst! Habe
ich nach Eurer Meinung den Tod verdient, so ist Euch die Sache nicht
richtig mitgeteilt worden. Ich bitte Euch, mich anzuhören! Ich habe
Euch in früherer Zeit manchen guten Rat gegeben und bin oftmals in
der Not bei Euch geblieben, wenn manche von Euch wichen, die sich
jetzt zwischen uns stellen und mich in meiner Abwesenheit Eurer Gnade
berauben wollen. Edler König! Hört mich darum an! Und findet Ihr mich
dann schuldig, so ergehe das Recht. Noch eins: Habe ich schuld, so
dienet mir nichts besser als Geduld! Ihr, hoher Herr, habt meiner
nicht viel gedacht, während ich oft an den Grenzen Eures Landes Wacht
hielt. Meint Ihr, daß ich hier an den Hof vor Euer Angesicht und
in die Schar aller meiner Feinde gekommen wäre, wenn ich mir das
Geringste vorzuwerfen hätte? Nein, um alles Gold der Welt hätte ich das
nicht getan! Dann wäre ich lieber auf meinem eigenen Grund und Boden
geblieben, wo ich frei war. Aber ich kam, da ich mir keiner Missetat
bewußt bin. Als mir mein Neffe Grimbart die Nachricht brachte, daß ich
an den Hof kommen sollte, hatte ich mir gerade vorgenommen, mich von
dem Banne zu befreien. Das sagte ich Martin, dem Affen, der eben im
Begriff war, nach Rom zu pilgern. Er versprach mir, sich meiner Sache
anzunehmen. Er riet mir, getrost an den Hof zu gehen, und gelobte mir
auf Treu und Glauben, mich von dem Banne zu erlösen. So schieden wir,
und ich kam an den Hof.
Hier bin ich nun von dem Kaninchen sehr schwer verklagt worden. Jetzt
steht Reineke hier, und wenn es die Wahrheit gesprochen hat, so trete
es vor und klage öffentlich. Es ist leicht, jemanden zu verleumden,
der abwesend ist. Nach Klage und Antwort erst soll man richten. Ich
habe bei meiner Treu diesen beiden falschen Kerlen, der Krähe und dem
Kaninchen, manches Gute getan. Gestern früh saß ich vor meiner Burg
und las in den Gebeten. Da kam das Kaninchen vorbei, grüßte mich und
erzählte, daß es an den Hof wollte. ›Geh' hin,‹ sagte ich, ›und Gott
sei mit dir!‹ Da klagte es mir, es wäre müde und hungrig. Ich fragte
es, ob es etwas essen wolle. ›Ja,‹ sprach es, ›gebt mir einen Bissen.‹
›Von Herzen gern,‹ sagte ich, und holte Brot und Butter und etliche
Kirschen. Es ist nämlich jetzt Fastenzeit, wo ich kein Fleisch zu essen
pflege. Als es nun schon tüchtig zugegriffen hatte, kam mein kleiner
Sohn hereingesprungen und wollte sich von dem Übriggebliebenen etwas
nehmen. Kinder lieben das Essen und sind selten ganz satt. Wie er nach
den Kirschen griff, schlug ihm das Kaninchen aufs Maul, daß ihm das
Blut herunterlief. Da sprang mein älterer Sohn, Reinhartchen, herbei
und packte das Kaninchen an der Kehle, daß es laut aufschrie. Ich lief
hinzu, trennte die Kämpfenden und schlug meine Kinder. Hat aber das
Kaninchen etwas davon gekriegt, so ist ihm recht geschehen, es hätte
wohl noch mehr verdient. Sie hätten ihm unfehlbar das Leben genommen,
wenn ich ihm nicht zu Hilfe gekommen wäre. Das ist nun der Dank dafür!
Nun sagt es, ich habe ihm sein Ohr abgerissen!
Seht, gnädiger Herr, da kommt nun der Rabe und klagt, er habe sein
Weib verloren. Wie das geschehen ist, weiß er selbst am besten. Sie
wollte ihren Hunger stillen und fraß einen Fisch mit allen Gräten auf.
Die blieben ihr im Halse stecken, und sie ist daran erstickt. Nun sagt
er, ich hätte sie totgebissen! Vielleicht hat er sie selbst ermordet!
Ja, könnte ich ihn nur recht verhören, er würde vielleicht ganz anders
aussagen! Wie hätte ich ihr auch so nahe kommen können, da sie fliegen
kann und ich nur gehen? Will aber sonst jemand mich eines Unrechts
beschuldigen, so tue er es mit gültigen Zeugen, wie es einem Edelmann
gegenüber geziemt. Oder soll kein gütlicher Vertrag abgeschlossen
werden, so ordne man einen Zweikampf an, bestimme Ort und Zeit und gebe
mir einen Gegner, der mir an Geburt nicht nachsteht. Da kämpfe dann ein
jeder für sein Recht, und wer dann die Ehre gewinnt, bei dem bleibe
sie. So ist es von jeher Brauch gewesen, und ich, Herr König, werde mir
mein Recht nicht nehmen lassen.«
Alle, die zugegen waren, staunten über Reinekes kühne Worte. Der Rabe
aber und das Kaninchen erschraken sehr. Was sollten sie aber tun? Sie
wagten kein Wort zu sagen, und verließen schleunigst das Schloß. »Wie
können wir den König überzeugen,« sprach eins zum anderen, »Reineke
ist uns ja doch mit Worten überlegen. Zeugen für unsere Sache gibt es
ja nicht, da niemand dabei gewesen ist. In einen Zweikampf mit ihm
können wir uns doch nicht einlassen. Er ist falsch, behende, listig und
boshaft. Ja, wenn unsrer auch noch fünfe wären, wir müßten's alle mit
Leib und Leben bezahlen. Es bleibt uns also nichts weiter übrig, als
den Schaden zu tragen! Möge es ihm der Teufel lohnen, was er an uns
verbrochen hat!«
Isegrim und Braun ward sehr unbehaglich zumute, als sie sahen, daß
diese beiden das Feld räumten. Der König aber rief: »Wer etwas zu
klagen hat, der trete vor!« Doch es meldete sich keiner; alles blieb
stumm. »Merkwürdig!« sagte der König, »gestern kamen so viele! Heute
ist Reineke hier, aber wo sind die Kläger geblieben?«
»Herr,« versetzte der Fuchs, »mancher klagt einen anderen schwer an,
der es wohl bleiben ließe, wenn sein Widerpart ihm gegenüberstände!
So machen es auch jetzt diese beiden Verleumder, der Rabe und das
Kaninchen, die mich gern in Schande und Strafe gebracht hätten.
Würden sie mich um Gnade bitten, so hätte ich ihnen in Gegenwart
dieser Herren gern vergeben. Nun haben sie sich aber aus dem Staube
gemacht, die schlimmen, bösen Buben! Sollte man auf solche hören, das
wäre ewig schade! An mir allein ist nicht viel gelegen, aber mancher
rechtschaffene Mann, der Euch Tag und Nacht treu dient, könnte durch
ihre Verleumdung leicht in Ungnade geraten!«
»Höre mich an!« sprach der König. »Du bist und bleibst ein Betrüger und
ein treuloser Verräter! Was trieb dich dazu, Lampe, den braven Ritter,
ums Leben zu bringen? Eben erst hatte ich dir deine Sünden verziehen.
Ich hatte dir Ränzel und Stab gegeben; du solltest nach Rom und übers
Meer, und ich glaubte, du würdest ein besseres Leben beginnen. Allein
das erste, was ich über dich zu hören bekam, war, daß du Lampen getötet
hattest. Bellyn brachte mir den Ranzen mit Lampens Kopf. Er hat es mit
dem Leben büßen müssen, und dir, du böser Bube, soll jetzt der gleiche
Lohn zuteil werden!«
»Was?« rief Reineke mit erheucheltem Erstaunen. »Ist Lampe tot? Und
Bellyn auch? O, weh mir, daß ich je geboren bin! So habe ich den
kostbarsten Schatz verloren! Denn ich sandte Euch durch diese Boten,
Lampe und Bellyn, die herrlichsten Kleinodien, die je die Erde gesehen!
Wer hätte auch ahnen können, daß Bellyn die Schätze rauben und den
guten Lampe morden würde!«
Der König hatte genug gehört. Zornig verließ er den Saal und war
entschlossen, Reineke einen schmählichen Tod erleiden zu lassen.
[Illustration: Reineke Fuchs 3.
O, wie erschrak der König. Wie furchtbar hat mich Reineke betrogen!]
12. Kapitel.
Der Mann mit der Schlange.
Im anstoßenden Gemach fand der Herrscher die Königin, seine Gemahlin,
im Gespräch mit der Äffin, Frau Rückenau. Diese stand bei dem
Königspaare in hohem Ansehen; sie war weise und unterrichtet, und jeder
hörte auf sie, wohin sie nur kam.
Als sie nun den König zornig sah, sprach sie: »Edler Herr, ich bitte
Euch, zürnt doch nicht so sehr! Und gestattet mir, daß ich ein Wort
zugunsten des armen Reineke spreche. Er ist doch meinem Geschlecht
nahe verwandt, und sein Unglück geht mir sehr zu Herzen. An seine
Schuld kann ich nicht glauben, er ist doch jetzt freiwillig vor Gericht
erschienen! Sein Vater stand an Eurem Hofe in hohem Ansehen, weit mehr
als jetzt Braun und Isegrim. Diese beide verstehen zu wenig von Urteil
und Recht.«
»Kann es Euch wundern,« versetzte der König, »daß ich gegen Reineke in
Zorn bin? Vor kurzem erst nahm er Lampen das Leben und stürzte Bellyn
mit ins Verderben. Jetzt tut er so, als wüßte er von der ganzen Sache
nichts. Täglich bricht er den Frieden! Hättet Ihr nur gehört, was alles
für Klagen sie gegen ihn vorbrachten, von Rauben, Stehlen, Verrätereien
und Mordtaten!«
»Gnädiger Herr,« erwiderte die Äffin, »Reineke wird sehr verleumdet!
Er ist klüger als die anderen alle und erregt deshalb ihren Neid. Wie
oft hat er Euch mit treuem Rat zur Seite gestanden! Ihr wißt wohl noch,
wie vor einiger Zeit der Mann mit der Schlange vor Euren Thron kam?
Damals wußte keiner von Euren Ratgebern die Sache zu entscheiden. Da
ließet Ihr Reineke kommen, und er wußte gleich das Rechte zu treffen
und erntete Lob von Euch in reichem Maße.«
»Wie war doch die Geschichte?« fragte der König. »Ich erinnere mich
ihrer nur noch undeutlich. Wenn Ihr es noch genau wißt, so laßt mich's
hören.«
»Mit Eurer Erlaubnis soll es geschehen!« sagte die Äffin. »Es sind nun
zwei Jahre her, da kamen eines Tages eine Schlange und ein Mann vor
Euren Thron. Die Schlange klagte sehr zornig, daß der Mann sich dem
zweimal gefällten Urteilsspruch nicht fügen wolle. Und dann erfuhrt Ihr
folgende Geschichte:
Die Schlange war durch ein Loch in einem Zaun gekrochen und in einer
Schlinge hängen geblieben, aus der sie sich nicht wieder freimachen
konnte. Sie hätte gewiß da ihr Leben verloren. Da kam zufällig ein Mann
des Weges daher. Die Schlange rief ihm zu: ›Ich bitte dich, erbarme
dich meiner und mache mich los!‹ ›Von Herzen gern,‹ sagte der Mann,
›wenn du geloben willst, mir nichts Böses zu tun. Denn du tust mir
leid.‹ Da schwur die Schlange, ihm niemals Schaden zufügen zu wollen.
Und da erlöste er sie aus ihrer verzweifelten Lage.
Sie gingen miteinander weiter. Da die Schlange aber sehr verhungert
war, schoß sie plötzlich auf den Mann zu, um ihn zu töten und zu
fressen. Mit knapper Not entsprang ihr der Mann und sprach: ›Ist das
der Dank dafür, daß ich dir in deiner Not geholfen habe? So hältst
du deinen Schwur, mir nicht zu schaden?‹ Die Schlange erwiderte:
›Der Hunger treibt mich dazu. Das ist meine Rechtfertigung. Not kennt
kein Gebot.‹ Da sagte der Mann: ›Ich bitte dich, laß mich noch so
lange frei, bis wir einige unparteiische Leute treffen, die mögen
entscheiden, was Recht und Unrecht ist.‹ ›So lange will ich warten,‹
versetzte die Schlange.
Sie kamen über einen Graben und trafen dort den Raben Pflückebeutel
mit seinem Sohne Quackeler. Diese rief die Schlange herbei, erzählte
ihnen die Geschichte und fragte sie nach ihrer Meinung. ›Du darfst
den Mann fressen!‹ entschied der Rabe, denn er hoffte dabei auch für
sich ein Stück zu gewinnen. Die Schlange rief: ›Hurra, gewonnen! Nun
will ich auch nicht länger warten, meinen Hunger zu stillen.‹ ›Halt,‹
rief der Mann, ›frohlocke nicht zu früh! Sollte ein Räuber das Recht
haben, mich zum Tode zu verdammen? Dann soll er wenigstens nicht allein
über mich richten! Es müssen zum mindesten vier ihr Urteil sprechen!‹
›Meinethalben!‹ erwiderte die Schlange. ›So wollen wir weitergehen!‹
Da begegneten ihnen der Wolf und der Bär. Dem Mann ward sehr schlecht
zumute, als er sich in der Gesellschaft sah. Fünf gefährliche Feinde
umstanden ihn: die Schlange, der Wolf, der Bär und die beiden Raben.
›Wie wird es mir ergehen!‹ dachte er bei sich. Bär und Wolf entschieden
so: ›Die Schlange darf den Mann töten, weil der Hunger sie dazu zwingt.
Die Not hebt den Eid auf.‹
Da ward dem Mann angst und bange, denn alle trachteten ihm nach dem
Leben. Die Schlange schoß auf ihn zu und spritzte ihr böses Gift auf
ihn aus. Er sprang zur Seite und rief: ›Du tust mir unrecht, du darfst
mich nicht töten.‹ ›Wie kannst du das sagen?‹ zischte die Schlange.
›Schon zweimal ist für mich entschieden worden. Du gehörst mir, und ich
fresse dich.‹ ›Ja,‹ sprach der Mann, ›das haben die gesagt, die selbst
rauben und morden. Ich will mein Schicksal dem König anheimstellen.
Bringt mich vor ihn; was er ausspricht, mag geschehen. Seinem Urteil
unterwerfe ich mich, wie es auch sei.‹ Da sprachen Wolf und Bär zur
Schlange: ›Das kannst du ruhig gewähren, denn auch der König wird zu
deinen Gunsten entscheiden.‹
So kamen sie alle an Euren Hof, gnädiger Herr: der Mann, die Schlange,
die beiden Raben, der Bär und drei Wölfe, denn der Wolf hatte noch
seine Kinder mitgebracht, Eitelbauch und Nimmersatt. Sie kamen in der
Absicht, auch an dem Mahl teilzunehmen, wenn der Mann gefressen wurde.
Sie heulten und benahmen sich so plump und grob, daß Ihr ihnen den Hof
verbieten mußtet. Der Mann flehte Euch um Hilfe an. Er klagte, die
Schlange wolle ihn töten. Und doch habe er ihr eine so große Wohltat
erwiesen, und sie habe geschworen, ihm keinen Schaden zu tun. ›Das ist
freilich wahr!‹ versetzte die Schlange. ›Allein der Hunger zwang mich
dazu. Und der löst alle Eide!‹ Ihr, mein gnädigster Herr König, wart
sehr bekümmert über diese Angelegenheit und wußtet nicht, wie jeder zu
seinem Rechte kommen sollte. Eure Majestät hielt es für unbillig, den
Mann zum Tode zu verurteilen, der der Schlange so aus der Not geholfen
hatte. Ihr hattet aber auch Mitleid mit dem großen Hunger der Schlange.
Deshalb rieft Ihr Eure Ratgeber zusammen. Die meisten stimmten für den
Tod des Mannes. Da sandtet Ihr Boten an Reineke, denn was die anderen
rieten, gefiel Euch nicht.
Als der Fuchs kam, spracht Ihr: ›Wie Reineke entscheidet, so soll
es geschehen!‹ Dieser sagte darauf mit Bescheidenheit: ›Herr König,
laßt uns gleich hingehen und sehen, wo und wie der Mann die Schlange
fand. Soll ich ein gerechtes Urteil sprechen, so muß ich die Schlange
gefesselt sehen, wie der Mann sie angetroffen hat.‹ So gingen alle zu
der Stelle hin, und die Schlange mußte in die Schlinge kriechen.
Darauf sprach Reineke: ›Nun sind beide wieder in der Lage, in der sie
vorher waren; sie haben weder gewonnen noch verloren. Der Mann mag nun,
wenn er Lust dazu hat, die Schlange schwören lassen und sie befreien,
oder er kann sie in der Schlinge lassen und ungefährdet seines Weges
ziehen. Dies, denke ich, ist ein gerechtes Urteil; weiß aber jemand
etwas Besseres, so sage er es.‹
Sehet, Herr König, dieses Urteil gefiel Euch und auch Eurem Rate.
Der Mann war frei und dankte Euch sehr für Eure Gnade; die Schlange
aber kam in der Schlinge um. Reineke ward sehr gepriesen wegen seiner
Klugheit. Braun und Isegrim, so sagte man, sind zwar stark und groß,
und bei Fressereien sind sie stets die ersten. Aber an Klugheit fehlt
es ihnen. Sie prahlen mit ihrem Mut; kommt es aber zur Tat, so zeigt
es sich, was für Helden sie sind. Setzt es Schläge, so rücken sie aus,
aber wirkliche Helden sollen vor dem Feind nicht weichen. Bären und
Wölfe verderben das Land, sie fragen wenig danach, wessen Haus brennt,
wenn sie sich nur an den Flammen wärmen können. Sie haben miteinander
Erbarmen, wenn sie nur ihren Magen füllen können. Dem Armen rauben sie
die Eier und meinen noch sehr gut zu handeln, wenn sie ihm die Schalen
lassen. Kurz, ihr eigenes Wohl geht ihnen über alles! Wie anders
Reineke Fuchs! Er liebt das Recht und die Weisheit. Braucht Ihr einen
guten Rat, so könnt Ihr ihn nicht entbehren. Hat er einmal ein Unrecht
getan, so ist er ja auch ein Sterblicher wie wir alle. Wie schwer
würdet Ihr ihn vermissen, wenn Ihr ihm jetzt im Zorn das Leben raubt!
Darum bitte ich, nehmt ihn wieder zu Gnaden an!«
Der König erwiderte: »Ich will mir's überlegen. In der Angelegenheit
mit der Schlange hat er freilich einen guten Rat gegeben, das ist wahr.
Aber er ist trotzdem nicht viel wert und ein großer Betrüger. Alle,
denen er erst Freundschaft heuchelt, verrät er schließlich. Dem Wolf,
dem Bären, dem Kater, dem Kaninchen und der Krähe ist er zu schlau, sie
lassen sich alle von ihm hintergehen. Er tut ihnen nichts wie Spott und
Schande an. Der eine muß ihm ein Ohr, der andere ein Auge zum Pfande
lassen, mancher kommt sogar dabei ums Leben. Ich weiß nicht, wie Ihr
für den Bösewicht noch ein gutes Wort einlegen könnt! Er verdient es
sicherlich nicht!«
Die Äffin erwiderte: »Herr König, er ist mir nahe verwandt, und ich
fühle die Verpflichtung, ihm in der Not zu helfen. Aber auch Ihr,
großer König, bedenkt, daß sein Geschlecht groß und edel ist!«
13. Kapitel.
Reineke verteidigt sich weiter. Der wunderbare Ring, der Kamm und der
Spiegel.
Darauf schwieg die kluge Äffin, und der König ging wieder in den Saal
zurück, wo alle auf ihn warteten. Viele von Reinekes Freunden und
Verwandten waren herbeigekommen, um ihrem Vetter Beistand und Hilfe
zu gewähren. Aber auch seine Feinde waren zahlreich erschienen und
hofften, den verhaßten und gefürchteten Fuchs bald am Galgen hängen zu
sehen.
»Reineke,« sagte der König, »wie ging es zu, daß Bellyn und du dem
frommen Lampe das Leben nahmt? Wie konntet ihr euch unterstehen, mich
so zu verhöhnen, daß ihr mir Lampes Kopf zusandtet? Bellyn hat seine
Strafe schon empfangen, und dir soll es nicht besser ergehen.«
»Weh mir! in dieser großen Not!« rief Reineke aus. »O daß ich lieber
schon tot wäre! Hört mich, gnädiger Herr, und findet Ihr mich
schuldig, so laßt mich gleich töten! Der Verräter Bellyn hat mir einen
furchtbaren Streich gespielt. Er hat den kostbarsten Schatz geraubt,
der je auf Erden war. Ich vertraute ihm und Lampe die Kleinodien an,
um sie meinem gnädigen König zu senden. Bellyn muß sie unterschlagen
haben, und um nicht verraten zu werden, brachte er den armen Lampe ums
Leben. O, könnte man nur erfahren, wo die Sachen geblieben sind!«
»Wenn diese Schätze nur über der Erde sind,« sagte die Äffin, »so
wollen wir sie schon auskundschaften. Wir wollen ohne Ermüden danach
suchen, bis wir sie gefunden haben. Sagt nur, wie waren sie beschaffen?«
Reineke antwortete: »Sie waren so kostbar, daß ich fürchte, wir
bekommen sie niemals wieder. Wer sie einmal hat, gibt sie gewiß nicht
wieder heraus. O, wenn mein Weib das erfährt, so wird sie außer sich
sein. Sie riet mir dringend ab, den beiden diese Schätze anzuvertrauen.
Hätte ich nur auf sie gehört! Nun bin ich betrogen und verraten! Wer
hätte aber auch dem Widder so etwas zugetraut! Doch ich will nicht
ruhen und rasten und durch die ganze Welt reisen, ja selbst mein Leben
daran wagen, die Kostbarkeiten wiederzufinden! Gnädiger König!« fuhr
Reineke fort, »gestattet mir, zu erzählen, welcher Art die Schätze
waren, die ich Euch zum Geschenk bestimmt hatte, die Ihr aber leider
nicht bekommen habt.«
»Sprich,« sagte der König, »aber fasse dich kurz.«
Da begann Reineke: »Das erste Kleinod, das der Widder Bellyn von
mir empfing, war ein Ring. Dieser Ring besaß seltsame, wunderliche
Eigenschaften. Er war aus feinstem Gold gemacht, und an der Innenseite
standen Buchstaben eingeätzt. Die Schrift war in hebräischer Sprache
und wies drei Namen auf. In diesen Landen war niemand so gelehrt, daß
er diese Schrift gründlich verstanden hätte, außer dem Meister Abryon
in Trier. Er versteht alle Sprachen von Poitou bis Lüneburg. Auch kennt
er alle Kräuter und Steine und ihre Eigenschaften.
Ich zeigte ihm diesen Ring, und er sprach: ›In diesem Ring sind
wunderbare Kräfte verborgen. Als Seth das Öl der Barmherzigkeit im
Paradiese suchte, brachte er auch diesen Stein mit. Auch die Namen
stammen aus dem Paradiese. Wer diesen Stein bei sich tragt, der bleibt
von Donner und Blitz und allem Bösen unberührt.‹ Er sagte ferner: Wer
diesen Ring trüge, der könnte selbst in der grimmigsten Kälte nicht
erfrieren, und die größte Hitze könnte ihm nichts anhaben. Außen an
dem Fingerreife war ein heller Karfunkel, der so leuchtete, daß man in
finsterster Nacht alles sehen konnte. Und noch andere Tugenden besaß
der Stein. Alle Krankheiten heilte er: wer ihn berührte, der wurde
gesund. Nur gegen den Tod vermochte er nichts. Wer den Ring am Finger
trage, der käme glücklich durch alle Lande; Wasser und Feuer könnten
ihm nicht schaden, und er könnte weder verraten noch gefangen werden.
Kein Feind könnte ihn besiegen. Ja er würde die Gegner überwinden, und
wenn ihrer hundert an der Zahl wären. Ferner schützte er vor Gift und
anderen bösen Säften. Kurz, ich kann es nicht aussprechen, wie gut
und köstlich der Ring war. Ich hielt mich auch nicht für würdig, ihn
an der Hand zu tragen. Deshalb sandte ich ihn dem Könige, denn er ist
der Edelste und Herrlichste im Lande. All unser Glück hängt von seinem
Wohlergehen ab. Darum sollte der Ring ihn vor Krankheit und Gefahr
schützen.
Ferner übergab ich dem Widder für die Königin einen Kamm und einen
Spiegel, dergleichen in aller Welt nicht zu finden sein mag. Diesen
Kamm und Spiegel nahm ich auch aus dem Schatze meines Vaters. O, wie
oft habe ich dieser Sachen wegen mit meinem Weibe Streit und Zank
gehabt! Denn sie begehrte sonst nichts auf der Welt als diese Kleinode.
Ich aber hatte sie für meine gnädige Königin bestimmt, denn sie hat mir
oft Gutes getan. Ja, vor allen meinen Wohltätern steht sie obenan. Sie
hat oft ein gutes Wort für mich eingelegt. Sie ist von edlem Stamm,
tapfer und tugendhaft, kurz sie allein verdiente, Kamm und Spiegel
zu besitzen. Doch leider wird sie diese Schätze wohl nie zu sehen
bekommen! Der Kamm war aus dem Knochen eines Panthers gemacht. Der
Panther ist ein edles Tier, das zwischen Indien und dem Paradiese zu
Hause ist. Sein Fell ist bunt und prächtig. Er verbreitet einen süßen
Geruch, so daß alle Tiere, groß und klein, ihm nachfolgen, wohin er
auch geht. Aus einem Knochen von diesem Tiere war der Kamm gefertigt;
so klar wie Silber, rein und weiß und wohlriechend. Denn wenn das Tier
stirbt, so geht sein Geruch in die Knochen über; sie verderben niemals
und bleiben immer wohlriechend.
In diesen Kamm waren köstliche Bildnisse hineingeschnitzt aus rotem und
blauem Lasurstein, von Goldranken durchzogen.
Da sah man die Geschichte des Paris: wie er einstmals nahe bei einem
Brunnen lag und die drei Göttinnen Pallas, Juno und Venus kommen
sah. Sie hatten einen goldenen Apfel und zankten sich darum, wer ihn
besitzen sollte. Als sie Paris erblickten, beschlossen sie, sich seinem
Urteil zu unterwerfen. Diejenige, die er für die Schönste erklärte,
sollte den Apfel erhalten. Jede der Göttinnen versuchte nun, Paris
zu ihren Gunsten zu stimmen. Juno sprach zu ihm: ›Gibst du mir den
Apfel und preist mich für die Schönste, so mache ich dich so reich,
wie noch nie ein Fürst vor dir war.‹ Pallas sagte: ›Wenn du mir den
Apfel zusprichst, so sollst du groß und mächtig werden, daß Freund und
Feind dich fürchten sollen.‹ Venus sprach: ›Was nützen ihm Reichtum
und Macht? Ist nicht König Priamus sein Vater? Sind nicht alle seine
Brüder reich und mächtig?. Alles, was ihr ihm geben wollt, hat er ja
schon! Willst du mich aber als die Schönste preisen und mir den Apfel
übergeben, so soll dir das Kostbarste auf Erden zuteil werden. Ich
gebe dir das schönste Weib, das je auf Erden gelebt hat, Helena, die
Königin der Griechen. Sie ist schön und edel, tugendhaft und weise!‹
Da gab Paris der Venus den Apfel und pries sie als die Schönste der
drei Göttinnen. Sie aber führte ihn nach Griechenland und half ihm, die
schöne Königin zu gewinnen und nach Troja zu bringen. Diese Geschichte
stand auf dem Kamm in erhabener Arbeit, so klar und deutlich, daß es
jeder verstehen konnte.
Nun höret noch, wie der Spiegel beschaffen war! An Stelle des Glases
war ein schöner, klarer Beryll eingesetzt. Man sah darin alles, was
eine Meile entfernt geschah, bei Tag oder bei Nacht. Hatte jemand in
seinem Auge einen Flecken oder in seinem Antlitze einen Fehler und sah
in diesen Spiegel, so verschwanden die Gebrechen im selben Augenblick.
Ist es da ein Wunder, daß ich mich gräme, einen so köstlichen Schatz
verloren zu haben? Das Holz, aus dem der Rahmen gefertigt war,
hieß Sethym. Es glich dem Ebenholz, war fest und blank und konnte
nie verfaulen oder von Würmern zerstochen werden. Es war kostbarer
als Gold. Aus solchem Holze war zu König Krompardes Zeit das Pferd
gearbeitet, auf dem er in einer Stunde hundert Meilen weit reiten
konnte. Das Pferd hat nie seinesgleichen gehabt, aber leider ist meine
Zeit zu kurz, um Euch diese Geschichte gründlich erzählen zu können.
Der Rahmen des Spiegels war anderthalb Fuß breit. Viele Bilder waren in
ihn hineingeschnitzt, deren Bedeutung in goldener Schrift darunterstand.
Die erste Geschichte handelte von dem Pferde, das neidisch war, weil es
nicht wie der Hirsch laufen konnte. Es ging daher zu einem Hirten und
sprach: ›Glück auf! Setze dich auf meinen Rücken und folge meinem Rat.
Dort im Walde hat sich ein Hirsch versteckt. Den sollst du fangen, und
ich sage dir, deine Mühe wird sich reichlich belohnen. Sein Fleisch,
sein Geweih und sein Fell werden dir großen Nutzen bringen. Setze
dich also auf und laß uns jagen!‹ Der Hirt sagte, er wolle es wagen,
sprang auf den Rücken des Pferdes, und fort ging es in den Wald hinein.
Bald kamen sie auf die Spur des Hirsches und jagten ihm, so eilig
sie konnten, nach. Der Hirsch hatte aber einen großen Vorsprung, und
es gelang ihnen nicht, ihn einzuholen. Da sprach das Pferd zum Mann:
›Sitze ein wenig ab und laß mich etwas ruhen, denn ich bin sehr müde.‹
›Nein,‹ erwiderte der Mann, ›wahrlich nicht! Wir reiten weiter. Und
wenn du mir nicht gehorchst, sollst du meine Sporen fühlen.‹ Seht, so
wurde das Pferd ein Sklave des Menschen. Es wurde hart gestraft für
seine Absicht, dem Hirsch Tod und Verderben zu bringen. So geht es
manchem, der einem anderen Schaden zufügen will!
Ferner stand auf dem Rahmen die Geschichte von dem Hund und dem Esel.
Beide gehörten einem reichen Manne. Der Hund aber stand bei dem Herrn
in größerer Gunst als der Esel. Er saß an seines Herrn Tisch und
bekam die besten Bissen zu essen. Er wurde auf den Schoß genommen und
geliebkost. Dafür hatte er nichts weiter zu tun, als mit dem Schwanz zu
wedeln und zu schmeicheln. Das sah der Esel Boldewein und grämte sich
darüber. Er sprach zu sich selbst: ›Wie ist es nur möglich, daß mein
Herr so freundlich zu diesem faulen Hund ist, der nichts weiter tut
als lecken und schmeicheln? Ich aber muß die ganze Arbeit verrichten.
Ich muß schwere Säcke tragen und in vier Wochen mehr tun als fünf, ja
selbst zehn Hunde in einem ganzen Jahr ausrichten könnten. Er bekommt
feine Speisen zu essen, mir aber gibt man nichts als Heu. Er schläft
auf weichen Kissen, ich muß auf der harten Erde liegen. Ja, überall
spottet man über mich. Ich will das aber nicht länger ertragen, sondern
auch versuchen, die Huld meines Herrn zu erwerben.‹ Da kam der Herr
gerade nach Haus. Der Esel lief ihm entgegen, wedelte mit dem Schwanz
und schrie: Y--a -- Y--a. Er stellte sich auf die Hinterfüße und leckte
seinem Herrn das Gesicht, wie er's vom Hunde gesehen. Dabei war er
aber ungeschickt und stieß dem Herrn zwei große Beulen. Da rief dieser
in großer Angst: ›Ergreift den Esel und schlagt ihn tot!‹ Die Knechte
prügelten alle auf ihn los und trieben ihn wieder in den Stall. So
blieb er, was er war -- ein Esel.
So gibt es manchen dummen Esel, der anderen ihr Glück mißgönnt und
es doch selbst nicht erringen kann. Ja, gelingt es einem auch, so
eignet er sich nicht besser dazu als ein Schwein, das mit Löffeln ißt.
Man lasse die Esel Säcke tragen und Disteln und Heu fressen. Tut man
ihnen größere Ehre an, so bleibt es bei der alten Lehre: Wo Esel die
Herrschaft haben, da sieht man selten großes Gedeihen. Meist suchen sie
ihren eigenen Vorteil und fragen wenig nach anderer Leute Wohlfahrt.
Dabei ist das Traurige, daß die Esel täglich an Macht höher steigen.
Ferner war auf dem Rahmen zu sehen, wie mein Vater einstmals mit dem
Kater Hinze Freundschaft schloß. Sie schwuren einander, alle Beute
redlich zu teilen und sich in Gefahr treu beizustehen. So machten sie
viele Reisen zusammen. Einstmals sahen sie einen Jäger und Hunde auf
sich zukommen. Da rief Hinze in großer Angst: ›Jetzt ist guter Rat
teuer!‹ Mein Vater aber sagte: ›An gutem Rat fehlt es uns nicht, ich
habe noch einen ganzen Sack voll davon! Wir wollen aber unseren Schwur
halten und treu beieinander bleiben, dann wird noch alles gut werden.‹
Hinze versetzte: ›Hier gibt es nur einen guten Rat, den will ich mir
zunutze machen.‹ Und damit sprang er auf einen Baum, wo ihn die Hunde
nicht erreichen konnten. Meinen armen Vater ließ er in größter Gefahr
allein. Spottend rief Hinze noch vom Baum herab: ›Wie steht es denn
nun mit Eurem Rat? Ihr hattet doch eben noch einen ganzen Sack voll!
Nehmt doch davon!‹ Da kamen auch schon Jäger und Hunde ganz nahe heran.
Mein armer Vater wurde durch dick und dünn gehetzt, bis er endlich, zum
Tode ermattet, seine Burg erreichte. Dort war er vor den Verfolgern
sicher. So verriet ihn der, dem er am meisten vertraute. Es müßte also
ein Wunder sein, wenn ich dem bösen Schelm, dem Hinze, gut wäre. Solche
falschen Freunde gibt es häufig in der Welt, die uns im Glück anhangen
und in der Not verlassen.
Dann stand auf dem Spiegel die Fabel von dem Wolf, der für empfangene
Wohltat nicht dankte. Der Wolf lief einstmals übers Feld und fand ein
totes Pferd, dem das Fleisch schon von den Knochen abgezehrt war. Der
Wolf war aber sehr hungrig und fiel über die abgenagten Überreste her.
Da blieb ihm ein spitzer Knochen im Halse stecken, den er nicht wieder
herausbringen konnte. Er war in großer Gefahr und glaubte sterben zu
müssen. Zu den berühmtesten Ärzten schickte er und bot demjenigen
großen Lohn, der ihn aus seiner Not befreien würde. Aber vergebens,
keiner konnte ihm helfen. Da kam auch Lütke, der Kranich, herbei.
Er trug ein rotes Barett auf dem Kopfe, weswegen der Wolf ihn Herr
Doktor nannte. ›Hilf mir geschwind,‹ sagte Isegrim zu ihm, ›und zieh'
mir den Knochen aus dem Hals, dann will ich dich reich belohnen.‹ Der
Kranich glaubte den schönen Worten und steckte Schnabel und Kopf dem
Wolf in den Rachen und zog den Knochen heraus. Da schrie der Wolf:
›Weh mir! weh mir! Was machst du mir für Schmerzen! Doch ich will es
dir verzeihen! Hätte mir das ein anderer getan, niemals hätte ich es
erduldet!‹
›Seid zufrieden!‹ sagte der Kranich, ›Ihr seid nun geheilt. Darum gebt
mir meinen Lohn!‹
Da sprach der Wolf: ›Höre mir nur einer diesen Narren! Er tut mir
weh und begehrt noch Lohn dazu! Habe ich nicht genug des Guten an
ihm getan? Er steckt seinen Kopf in meinen Rachen, und ich lasse ihn
denselben wohlbehalten herausziehen! Hätte hier jemand ein Recht auf
Lohn, so wäre ich es doch, denke ich!‹
So belohnen Schurken ihre Wohltäter!
Seht, solche Geschichten und noch andere waren in den Spiegel
geschnitzt und mit goldener Schrift erklärt. Ich hielt mich für
unwürdig und zu geringe, so köstliche Dinge zu besitzen. Darum sandte
ich sie der Königin und dem Könige, meinem Herrn. Meine beiden Kinder
waren sehr betrübt darüber; sie guckten gern in den Spiegel hinein,
tanzten und sprangen davor und sahen, wie ihnen ihr Mäulchen stand, und
wie ihnen die Schwänzchen hingen.
Diese Kleinodien nun vertraute ich Bellyn und Lampe auf Treu und
Glauben an. Ich zweifelte nicht an ihrer Redlichkeit, sie waren meine
besten Freunde. Wie hätte ich ahnen können, daß Lampe dem nahen Tod
entgegenging! Jetzt rufe ich wehe! über den Mörder. Aber ein Mord
bleibt nicht lange verborgen. Die Wahrheit muß an das Tageslicht
kommen. Ich will nicht eher ruhen, bis ich erfahren habe, wer die
Kleinode gestohlen hat. Vielleicht ist sogar jemand unter den
Versammelten, der weiß, wo die Schätze geblieben sind, und wie Lampe
ums Leben kam.«
14. Kapitel.
Neue Lügen Reinekes und seine Freisprechung.
Da alles im Saal ruhig blieb und sich keiner zum Wort meldete, fuhr
Reineke fort: »Seht, gnädigster Herr und König! Es kommen so viele
Sachen vor Euch, daß Ihr unmöglich alles im Gedächtnis behalten könnt.
Oder erinnert Ihr Euch vielleicht noch des großen Dienstes, den mein
Vater dem Euren erwies? Euer Vater lag im Sterben, und mein Vater
rettete ihm das Leben. Ich glaube zwar, Ihr könnt Euch dessen nicht
entsinnen, denn Ihr wart damals erst 3 Jahre alt.
Es war ein sehr kalter Winter. Euer Vater lag schwerkrank danieder.
Er litt große Schmerzen und konnte sich nicht bewegen. Man mußte ihn
heben und tragen. Er ließ von weit und breit alle Ärzte rufen; doch
keiner konnte ihm helfen, alle erklärten, er sei dem Tode verfallen.
Endlich schickte man zu meinem Vater. Der war damals sehr angesehen bei
Hofe, denn er verstand die Kunst der Arzneimittel, konnte Zähne ziehen,
Brechmittel geben und hatte schon manchem in der Not geholfen. Als er
nun zu Eurem Vater kam und ihn so krank und schwach liegen sah, ging
es ihm sehr zu Herzen, und er rief: ›O, mein König, gnädigster Herr!
Könnte ich doch mein Leben hingeben, um Euch zu helfen! Ich täte es
mit Freude und Stolz! Aber es gibt nur ein Mittel, um Euch zu retten.
Ihr müßt die Leber eines siebenjährigen Wolfes essen. Dann werdet Ihr
genesen. Aber Eile ist vonnöten, sonst stehe ich für nichts!‹ Der
Wolf, der zugegen war, hörte diese Worte mit Schrecken. Der König
sprach zu ihm: ›Hört Ihr es, Herr Wolf? Ich brauche Eure Leber, um
gesund zu werden!‹ Der Wolf antwortete bebend: ›Herr, fürwahr, was
nützt Euch meine Leber? Ich bin noch nicht fünf Jahr alt.‹ Da sagte
mein Vater: ›Ich werde es der Leber schon ansehen, ob sie sich für den
König eignet.‹ Darauf führte man den Wolf in die Küche und riß ihm die
Leber heraus. Der König aß sie und wurde gesund.
O, wie dankbar war er meinem Vater! Er schenkte ihm eine goldene Spange
und ein rotes Barett. Das mußte mein Vater immer tragen, und alle Leute
redeten ihn ›Herr Doktor‹ an. Der König schätzte ihn hoch und ehrte
ihn sein Leben lang; er mußte stets zur Rechten des Königs gehen. Wie
hat das Blatt sich jetzt gewendet! Mein Vater ist vergessen, und die
eigennützigen Schelmen werden erhöht. Man trachtet nur nach Vorteil und
Gewinn, aber rechte Weisheit wird nicht geschätzt. Leute aus niedrigem
Stand spielen sich als große Herren auf und drücken die Armen. Sie
vergessen ihre Herkunft und sind taub für alle Bitten, wenn nicht
gleich eine Gabe dabei ist. Ihre Meinung ist: Bringt nur her, dies
zuerst und hernach noch mehr! Solcher gierigen Wölfe gibt es viele. Die
besten Bissen nehmen sie für sich. Und könnten sie auch ihres Herrn
Leben mit einer Kleinigkeit retten, so täten sie es doch nicht. Jener
Wolf wollte auch nicht seine Leber für seinen König hingeben. Und
gleichwohl sähe ich es lieber, daß zwanzig Wölfe ihr Leben einbüßten,
als daß der König oder die Königin von uns genommen würde!
Dies alles, Herr König, geschah in Eurer frühsten Kindheit, und ich
weiß wohl, daß Ihr Euch dessen nicht mehr erinnern könnt. Mir aber
hat es sich so eingeprägt, als wäre es erst gestern geschehen. Diese
Geschichte nun war auch auf dem Spiegel angebracht mit Gold und
Edelsteinen, wie es mein Vater haben wollte. Könnte ich nur diesen
Spiegel wieder ausfindig machen, so wollte ich mein Leben und Vermögen
daransetzen.«
»Reineke,« sprach der König, »Eure Worte habe ich wohl gehört und
verstanden. War aber Euer Vater so tugendhaft und stand hier so hoch in
Ehren, so muß das schon sehr lange her sein. Ich erinnere mich dessen
nicht; auch hat mir's niemand berichtet. Von Euren schlimmen Ränken
aber weiß ich viel. Jeder weiß davon zu erzählen. Tut man Euch damit
unrecht? Das werdet Ihr schwerlich beweisen können! Wenn mir doch auch
mal etwas Gutes von Euch berichtet würde! Aber nein, das geschieht
niemals!«
»Gnädigster Herr!« erwiderte Reineke. »Gestattet, daß ich hierauf
antworte. Ihr selbst wißt ja Gutes von mir. Nicht als ob ich mich
dessen rühmen wollte; denn ich bin jederzeit verpflichtet, alles
für Euch zu tun, was in meinen Kräften steht. Denkt Ihr nicht mehr
daran, wie einst Isegrim und ich ein Schwein gefangen hatten? Da es
fürchterlich schrie, bissen wir es gleich tot! Da kamt Ihr, Herr König,
und die Königin herzu. Ihr wart müde und hungrig und batet uns, die
Beute mit Euch zu teilen. ›Ja,‹ sprach Isegrim brummig, denn er tat es
höchst ungern. Ich aber sagte: ›Herr, es soll Euch von Herzen gegönnt
sein! Ja, hätten wir noch der Schweine viel mehr, sie ständen Euch
zu Diensten! Befehlt, wer es teilen soll!‹ ›Das soll der Wolf tun!‹
spracht Ihr. Da freute sich Isegrim. Er teilte in seiner gewohnten
Weise, ohne jede Gerechtigkeit, nur zu seinem eigenen Vorteil. Ein
Viertel gab er Euch, ein Viertel Eurer Frau, die andere Hälfte nahm er
für sich selbst. Er aß über die Maßen gierig. Nur die Ohren und die
Schnauze und die halbe Lunge gab er mir. Alles andere behielt er für
sich, wie Ihr selbst saht. So zeigte er seinen Edelmut. Als Ihr aber
Euren Teil aufgegessen hattet, wart Ihr noch nicht satt. Das merkte ich
wohl. Auch der Wolf sah es, tat aber, als merkte er nichts, und fraß
ruhig weiter, ohne Euch etwas anzubieten. Da bekam er von Euch einen
Schlag hinter die Ohren, daß er furchtbar heulend und mit blutiger
Platte davonlief. ›Teile ein andermal besser,‹ rieft Ihr ihm nach,
›sonst will ich's dir beibringen! Eile jetzt und schaffe uns was zu
essen!‹ Da sprach ich: ›Herr, gebietet Ihr, so gehe ich mit ihm. Ich
weiß etwas Gutes aufzufinden.‹
Das war Euch recht, und so ging ich mit dem Wolfe. Seufzend und
blutend trollte er neben mir her. Bald glückte es uns, ein fettes Kalb
zu erlegen. Das gefiel Euch wohl; Ihr freutet Euch sehr, als wir es
brachten, Ihr lobtet mich auch und sagtet, ich wäre gut, in der Zeit
der Not ausgesendet zu werden. Darauf befahlt Ihr mir, das Kalb zu
teilen. Ich sagte zu Euch: ›Herr, die eine Hälfte gehört Euch, die
andere der Königin. Was darinnen ist, Herz, Leber und Lunge, gehört
Euren Kindern. Mir gehören die Füße, und der Wolf soll das Beste haben
-- den Kopf.‹ Als Ihr das hörtet, spracht Ihr: ›Reineke, wer hat Euch
so hübsch teilen gelehrt?‹ Ich versetzte: ›Herr, jener mit dem blutigen
Kopf hat's mich gelehrt! Denn heute, als Isegrim das Schwein teilte,
paßte ich gut auf und lernte, wie man Schweine und Kälber teilen muß.‹
Seht nun, Herr König, so habe ich Euch stets die Euch gebührende Ehre
bewiesen. Alles was ich besitze und erwerbe, gehört Euch und der
Königin. Wenn Ihr nur an die Teilung des Schweines oder des Kalbes
denkt, so werdet Ihr erkennen, bei wem die rechte Treue ist, bei
Reineke oder bei Isegrim? Nun steht aber der Wolf hoch in Ehren und ist
Euer erster Minister. Euren Vorteil sucht er nicht; er ist stets nur
auf seinen eigenen bedacht. Er und Braun führen das große Wort, aber
Reinekes Sache wird nicht gehört.
Es ist wahr, Herr, daß ich schwer verklagt bin. Doch will ich nicht
eher weichen, bis mir mein Recht geworden ist. Ist hier bei Hofe
jemand, der mir Böses nachweisen kann, so trete er mit seinen Zeugen
hervor. Er setze da sein Vermögen, ein Ohr oder sogar sein Leben ein
zum Pfand für die Wahrheit seiner Behauptungen. Solch Recht hat hier
jederzeit gegolten -- ich nehme es auch für mich in Anspruch.«
Dem König gefiel diese mutige Rede, und er erwiderte: »Es sei, wie
es sei, Recht muß Recht bleiben. So sollst du auch, Reineke, mit
Gerechtigkeit gerichtet werden. Man hat dich schwer angeklagt und dir
Lampes Tod zur Last gelegt. O wie ungern habe ich ihn verloren. Denn
ich hatte ihn sehr lieb. Und als mir Bellyn sein Haupt brachte, war
ich im tiefsten Herzen betrübt. Dennoch ist es möglich, daß der Widder
die Schandtat allein verübt hat. Ist aber sonst noch jemand, der über
Reineke klagen will, so trete er vor. Was mich selbst betrifft, so will
ich ihm vergeben, denn Reineke hat mir stets in Treue und Ergebenheit
gedient. Hätte aber jemand glaubwürdige Zeugen, so bringe er sie her,
und das Recht soll walten!«
Reineke versetzte: »Gnädiger Herr, ich danke Euch sehr für Eure große
Gnade und Gerechtigkeit. Ich schwöre es bei meinem Eide: als Lampe und
Bellyn von mir schieden, tat mir das Herz recht weh; denn ich hatte
diese beiden sehr lieb. Wie konnte ich aber ahnen, daß Lampe der Tod so
nahe bevorstand!«
So verstand es Reineke, den König und alle Anwesenden zu täuschen.
Er sprach so sicher und sah so ernst dabei aus, daß niemand an der
Wahrheit seiner Worte zweifeln konnte. Er hatte die Schätze so genau
beschrieben, daß man unmöglich annehmen konnte, die ganze Geschichte
sei nur erfunden. In dem König hatte er solche Begier nach den
Kostbarkeiten erweckt, daß dieser nur danach trachtete, sie wieder
aufzufinden. Darum sprach er zu dem Fuchs: »Seid ohne Sorgen,
Reineke! Ihr sollt frei reisen und versuchen, die Kostbarkeiten wieder
aufzufinden. Meine Hilfe soll Euch dabei zu Diensten stehen.«
»Gnädiger Herr,« versetzte Reineke, »ich danke Eurer Majestät sehr für
die trostreichen und ermutigenden Worte. Euch kommt es zu, Raub und
Mord zu strafen, die leider der Schätze wegen begangen worden sind.
Ich will allen Fleiß anwenden und Tag und Nacht reisen. Erfahre ich es
dann, wo die Schätze geblieben sind, und reicht meine Kraft nicht aus,
sie Euch zurückzugewinnen, so werde ich Euer Gnaden um Hilfe anrufen.
Gelingt es dann, Euch die Kleinodien zu überliefern, so wäre meine Mühe
reichlich belohnt.«
Mit Wohlgefallen hörte der König diese Worte. Er glaubte alles, was
Reineke sagte, obwohl ihn dieser so furchtbar betrogen und belogen
hatte. Aber auch alle anderen hatte der Schelm betört, und sie fanden
es ganz richtig, daß dem braven Reineke wieder die volle Freiheit
gewährt wurde. Nun konnte er tun und lassen, was er wollte, denn er
stand wieder in der Gunst seines Herrn.
15. Kapitel.
Neue Anklagen Isegrims und Reinekes Verteidigung.
Einer aber war in der Versammlung, dem die Freisprechung Reinekes
durchaus nicht gefiel. Aufgeregt und zornig trat Isegrim vor den König
und sagte: »Herr König, gnädiger Herr! Glaubt Ihr Reineke jetzt aufs
neue, der Euch so viel vorgelogen hat? Wie könnt Ihr dem losen Schalk
nur trauen? Er betrügt sicherlich uns alle, denn er lügt immer und
sagt niemals die Wahrheit. Aber ich lasse ihn so noch nicht ziehen.
Ihr sollt es noch hören und erkennen, daß er ein falscher Bube ist.
Ich weiß noch drei schlimme Geschichten von ihm. Die will ich hier
öffentlich bekannt machen und meine Aussage mit Leben und Ehre
verfechten! Zeugen habe ich zwar nicht. Aber ist es denn möglich, für
alles Zeugen zu finden? Es wagt ja auch niemand gegen ihn zu zeugen,
denn er behält ja immer recht. Außerdem ist er niemandes Freund und
weder Euch noch Eurem Hause zugetan. Ich will ihn aber heute nicht von
hinnen lassen, ehe er mir nicht Rede gestanden hat. Gnädigster Herr,
Reineke hat stets meinem ganzen Geschlechte zu schaden getrachtet. Was
hat er nicht mir und meinem Weibe für Schimpf angetan?
Einstmals führte er sie an einen Teich und befahl ihr, in den Schlamm
zu treten. Er sagte, er wolle sie lehren, Fische zu fangen. Sie solle
nur den Schwanz ins Wasser hängen, da würden so viele Fische anbeißen,
daß sie gar nicht alle essen könnte. Sie watete also hinein und schwamm
so lange, bis er ihr zurief, an der Stelle zu bleiben und den Schwanz
ins Wasser zu hängen. Der Winter war kalt, und es fror sehr scharf.
Endlich konnte es mein Weib nicht mehr aushalten, denn der Schwanz
war fest eingefroren. Da er aber so schwer war, glaubte sie, es wären
lauter Fische daran. Sie zog und zog, konnte aber den Schwanz nicht
herausbekommen. Reineke aber freute sich seines schändlichen Streiches.
Er stand am Ufer und verspottete sie. Da kam ich von ungefähr des
Weges. Wie erschrak ich, als ich mein Weib laut jammern und um Hilfe
rufen hörte! ›Reineke, was hast du getan?‹ rief ich. Aber kaum wurde
er mich gewahr, so lief er spornstreichs davon. Traurig ging ich
näher heran. Durch tiefen Morast mußte ich waten, durch kaltes Wasser
schwimmen, bis ich zu ihr gelangte. Nun bemühte ich mich, das Eis zu
brechen. Sie riß und zerrte, und endlich war sie frei. Aber ein Stück
des Schwanzes war im Eise geblieben. Ihr lautes Schmerzensgeschrei
war von den Bauern des Dorfes gehört worden. Sie wurden uns im Teiche
gewahr und kamen herbei mit Knütteln, Äxten und Prügeln. Auch Weiber
mit Spinnrocken liefen herzu. Alle riefen durcheinander: ›Fangt ihn,
schlagt ihn, tötet ihn!‹ Nie war es mir banger zumute. Wir liefen
beide, daß uns der Schweiß ausbrach. Da war ein böser Bube, der mit
einer langen Pike nach uns stach. Dieser tat uns den meisten Schaden.
Denn er war stark und leichtfüßig. Zum Glück war es Abend, und die
Nacht brach herein; sonst wären wir nicht mit dem Leben davongekommen.
Seht, Herr König, das war ein schändlicher Verrat, den Ihr sicher ohne
alle Gnade strafen werdet.«
Auf diese Klage Isegrims sagte der König: »Um gerecht zu urteilen, will
ich erst hören, was der Verklagte zu sagen hat. Reineke, tretet vor!«
»Wäre alles wahr, was Isegrim gesagt hat,« versetzte der Fuchs, »so
würde es mir nicht zur Ehre gereichen. Verhüte Gott, daß man es für
Wahrheit halte. Richtig ist, daß ich der Wölfin einmal zeigte, wie man
Fische fangen sollte. Aber sie war so begierig danach, daß sie auf
nichts weiter hörte. Das Schlimme war, daß sie den Schwanz zu lange im
Wasser ließ. Darum fror er fest. Hätte sie ihn schneller herausgezogen,
so würde sie genug Fische gehabt haben. Allein sie wollte sich nicht
genügen lassen. Allzuviel begehren ist niemals gut. Einen Habgierigen
kann niemand sättigen. So erging es auch Frau Gieremund, als sie im
Eise festgefroren saß. Das ist jetzt der Dank dafür, daß ich ihr nach
Kräften half, sie herauszuheben. Allein es war umsonst, sie war mir
zu schwer. Da kam Isegrim dazu. Er stand am Ufer und schimpfte und
fluchte, denn er meinte, ich sei an dem Mißgeschick seiner Frau schuld.
Als ich seinen Zorn sah, machte ich, daß ich davonkam. Das war gewiß
auch das Klügste, was ich tun konnte, denn er war sehr aufgebracht und
drohte, es mir heimzahlen zu wollen. Sehet, Herr König, er klagt, daß
ihn die Bauern verfolgt haben. Oh, das tat beiden sehr gut. Es erwärmte
ihnen das Blut, nachdem sie im Wasser so sehr gefroren hatten. Was soll
man also weiter darauf hören? Hier steht ja Frau Gieremund. Man mag sie
befragen. Ich aber bitte mir eine Woche Frist aus, daß ich mich mit
meinen Freunden besprechen und mich mit ihnen beraten kann, wie ich die
Klage des Wolfes beantworten soll.«
Da sprach Frau Gieremund: »Seht, Reineke, all Euer Wesen ist
Schalkheit, List und Spitzbüberei, Lug, Trug und Verrat. Ja, wer
Euren Worten traut, wird gewiß zuletzt hintergangen. Eure Worte sind
leichtfertig und betrügerisch, wie ich es bei dem Brunnen wohl erfahren
habe. Es hingen zwei Eimer daran. Ihr waret in den einen gestiegen
und damit niedergesunken, daß Ihr nicht wieder in die Höhe konntet.
Ich hörte Euch stöhnen und rief Euch zu: ›Wie seid Ihr denn da
hineingeraten?‹ Da sagtet Ihr zu mir: ›Steigt nur in den anderen Eimer
und kommt zu mir herab, so könnt Ihr Fische in Menge haben. Ich habe
schon so viele gegessen, daß mir der Leib davon weh tut.‹ Ich dummes
Weib glaubte das auch. Ich stieg in den Eimer und sank herab. Aber da
stieg der andere Eimer, in dem Ihr saßet, in die Höhe. Darüber war ich
sehr verwundert und fragte Euch, wie das zugehe? Darauf antwortetet
Ihr: ›Das ist nun so der Lauf der Welt! Der eine steigt, der andre
fällt! So geht es auch uns beiden. Der eine wird erniedrigt, der andere
erhöht, nach den Tugenden, die ein jeder hat!‹
Darauf sprangt Ihr aus dem Eimer und lieft davon. Ich mußte aber
den ganzen Tag da sitzen und war hungrig und sehr betrübt. Da kamen
zwei Bauern an den Brunnen, und wie sie mich sahen, riefen sie: ›Ha,
da sitzt der Räuber, der uns unsere Lämmer würgt! Und sie zogen
mich heraus und prügelten auf mich los, daß ich knapp mit dem Leben
davonkam. Einen schlimmeren Tag habe ich nie erlebt!«
»Das war zu Eurem Besten!« sprach Reineke, »daß Ihr so geschlagen
wurdet. Und mir war es auch sehr angenehm. Ich hätte die Schläge nicht
so gut vertragen können. Und einer von uns beiden mußte daran glauben.
Ihr habt aber auch eine weise Lehre dabei erhalten: daß Ihr ein
andermal besser auf Eurer Hut sein sollt und niemand zu viel Glauben
schenken dürft. Denn die Welt ist voller Bosheit!«
»Das ist wahr,« sprach Isegrim, »ich habe es besonders an Reineke
erfahren. Wie oft hat er mich hintergangen! Ich habe noch lange nicht
alles erzählt. Einst kamen wir an einen Berg im Sachsenlande, wo ein
Geschlecht von Affen hauste. Er hieß mich in ihre Höhle kriechen und
wußte recht gut, daß es mir übel darin ergehen würde. Wäre es mir
nicht gelungen, den Ausgang zu erreichen, so hätte es mir gewiß ein Ohr
gekostet. Den meisten Schaden tat mir die Äffin, seine Muhme. Ihm aber
war es zuwider, daß ich mit dem Leben davonkam. Ich glaubte, ich sei in
der Hölle gewesen!«
Da wendete sich Reineke an alle Herren, die mit ihm bei Hofe waren, und
sprach: »Isegrim ist nicht recht bei Sinnen, was er jetzt von der Äffin
spricht. Und seine Worte sind nicht zu verstehen. Es ist wohl zwei und
ein halbes Jahr her, daß ich mit ihm ins Sachsenland reiste. Es ist
aber alles gelogen, was er sagt. Denn es war ein Meerkatzen-Geschlecht.
Und auch das ist eine Unwahrheit, daß Meerkatzen meine Muhmen sind.
Frau Rückenau und Martin, der Affe, das sind meine Verwandten. Er ist
Notar und versteht das Recht. Was aber Isegrim von den Meerkatzen
erzählt, das sagte er bloß mir zum Spott. Denn ich habe nichts mit
ihnen zu tun. Sie sind niemals meine Freunde gewesen und sehen aus wie
die Teufel in der Hölle. Daß ich aber die Meerkatze meine Muhme hieß,
das tat ich nur aus Klugheit, um mir eine gute Aufnahme zu verschaffen.
Die Sache verhielt sich nämlich so: Wir gingen einstmals um einen
hohen Berg herum und kamen an eine tiefe, dunkle Höhle. Isegrim war
vor Hunger ganz matt. Ich habe ihn übrigens nie so satt gesehen, daß
er nicht gern noch mehr gehabt hätte. Ich sagte zu ihm: ›In der Höhle
dort ist gewiß Speise genug vorhanden, und wer da wohnt, gibt einem
wohl davon ab.‹ Da versetzte Isegrim: ›Oheim Reineke, ich will hier
unter dem Baum warten. Geht hinein und fragt danach! Ihr eignet Euch
besser dazu als ich.‹ Und so wollte er mich in die Falle bringen. Wenn
ich aber etwas zu essen fände, so sollte ich es ihn wissen lassen. Ich
ging in die Höhle hinein, einen langen, dunklen Gang hindurch, in dem
mir angst und bange wurde. Solche Angst möchte ich um alles Gold in
der Welt nicht noch einmal ausstehen. Denn es waren da viele häßliche
Tiere, große und kleine. Das schlimmste aber war die alte Meerkatze.
Als ich sie erblickte, glaubte ich den Teufel selbst zu sehen. Sie
lag in der Ecke zusammengekauert. In ihrem großen, weit aufgesperrten
Maul standen lange Zähne. An Händen und Füßen hatte sie furchtbare
Krallen. Ihr Rücken endete in einem langen Schwanz. Nie habe ich ein
häßlicheres Tier gesehen! Die Jungen waren kohlschwarz und sahen wie
die leibhaftigen Teufel aus. Sie lagen in verfaultem Heu, bis an die
Ohren mit Schmutz bedeckt, und ein Geruch war in der Höhle, daß mir
übel davon wurde. Sie sahen mich sehr grimmig an, und ich dachte:
Ach, wäre ich nur glücklich wieder hier heraus! Die Alte war größer
als Isegrim und ihre Kinder fast ebenso groß. In dieser gefährlichen
Gesellschaft schien es mir nicht ratsam, die Wahrheit zu sagen. Denn
ihrer waren viele, und ich war allein, und alle sahen sehr böse aus.
Da fand ich einen Ausweg. Ich grüßte sie höflich und tat, als ob ich
sie kennte. Ich nannte die Meerkatze Muhme und die Kinder meine Neffen.
Ich sagte: ›Gott erhalte Euch lange gesund! Diese sind Eure Kinder, das
sehe ich wohl an der Ähnlichkeit. Sie gefallen mir über die Maßen gut.
Wie schön, wie lustig sie sind! Ein jeder davon könnte eines Königs
Sohn sein!‹
Als ich sie nun so ehrerbietig begrüßte, wie ich es doch gar nicht
meinte, tat sie auch, als ob sie mich kennte. Sie war sehr vergnügt
und nannte mich Oheim, obgleich wir gar nicht verwandt sind. Und was
schadete es, daß ich sie Muhme nannte, wenn mir auch der Angstschweiß
dabei ausbrach?
›Freund Reineke,‹ sprach sie zu mir, ›seid uns willkommen! Es ist mir
eine rechte Freude, daß Ihr mich besucht! Ihr seid ein kluger Mann und
könnt Eure kleinen Verwandten lehren, wie sie zu Ehre und Ruhm in der
Welt kommen könnten.‹
Seht, solch freundlichen Empfang hatte ich mir bloß dadurch verdient,
daß ich sie Muhme nannte und ihre Kinder lobte! Ich wäre gern so
schnell wie möglich fortgegangen, allein sie sagte: ›Oheim, ich lasse
Euch nicht fort, ehe Ihr eine gute Mahlzeit bei mir gegessen habt.‹
Darauf brachte sie voll Eifer so viel Speisen herbei, daß ich sie
nicht alle aufzählen kann, Hirsche, Rehe und anderes Wildbret. Ich war
verwundert, wie sie zu all dem gekommen war. Ich nahm davon, was mir
gefiel, und aß mich recht satt. Als ich fertig war, gab sie mir noch
ein Stück von einem Hirsch für mein Weib und meine Kinder mit. Darauf
nahm ich Abschied von ihr, und sie sprach: ›Reineke, kommt oft wieder
her!‹ Ich versprach es und machte, daß ich hinauskam. Denn hätte ich
noch länger in dem Gestank aushalten müssen, ich hätte den Tod davon
gehabt.
Draußen fand ich Isegrim stöhnend und matt unter dem Baume liegend.
›Wie geht es Euch, Oheim?‹ fragte ich ihn. ›Nicht gut,‹ erwiderte er.
›Ich muß umkommen, ich sterbe vor Hunger.‹ Ich erbarmte mich seines
Elends und gab ihm das Stück Fleisch, das ich geschenkt bekommen hatte.
Er aß, und es schmeckte ihm sehr gut. Ja, er war mir sehr dankbar,
obwohl er das jetzt vergessen zu haben scheint. Als nun der Wolf
gegessen hatte, sagte er zu mir: ›Oheim Reineke, sagt mir doch, wer
dort in der Höhle wohnt, und wie es darin aussieht, gut oder übel.‹ Ich
sagte die Wahrheit und gab ihm die besten Lehren. ›Es ist ein garstiges
Nest,‹ sagte ich, ›doch zu essen gibt es genug; wenn Ihr was haben
wollt, so geht nur hinein. Aber hütet Euch wohl, die Wahrheit zu sagen.
Die liebe Wahrheit müßt Ihr diesmal verbergen, wenn es Euch gut gehen
soll. Wer immer die Wahrheit sagt, muß viel Verfolgung erdulden. Redet
nur, was gerne gehört wird, und schweiget über das, was nicht zu sagen
nötig ist.‹
Seht, Herr König, das waren meine Worte, die ich ihm auf den Weg
mitgab. Und so ging er fort, tat aber gerade das Gegenteil von dem,
was ich ihm gesagt hatte. Hat er nun etwas abbekommen, so ist es seine
eigene Schuld. Warum hat er meine Ratschläge nicht befolgt? Er sagte
keck, er wüßte schon selber, was er zu tun hätte, und ging in die Höhle
hinein.
Da erblickte er nun die Meerkatzen, die wie die Teufel selbst aussahen.
›Hilf Gott!‹ rief er aus, ›was für scheußliche Tiere sind das! Sind
das Eure Kinder, oder sind sie aus der Hölle selbst entsprungen? Geht,
ersäuft sie, das ist mein Rat! Gehörten sie mir, so würde ich sie alle
hängen. Was soll solch böse Brut in der Welt? Wie garstig sehen sie
aus!‹
Die Meerkatze versetzte: ›Welcher Teufel hat Euch hergesandt? Was habt
Ihr uns zu verspotten? Was habt Ihr überhaupt hier zu suchen? Ob meine
Kinder häßlich oder schön sind, was geht es Euch an? Reineke, der
Fuchs, ist doch gewiß klug; der war heute auch bei uns und fand meine
Kinder schön, sittsam und von guter Art. Er begrüßte sie als seine
nahen Anverwandten, und das vor kaum einer Stunde. Gefallen sie Euch
nicht so gut wie ihm, wer hat Euch denn hierher gebeten? Das sage ich
Euch, Herr Isegrim, wenn Ihr es wissen wollt.‹
Da forderte der Wolf etwas zu essen von ihr. ›Gebt her,‹ rief er,
›oder ich werde Euch dabei helfen. Für mich sind die Speisen nötiger
als für diese Gespenster.‹ Da sprang die Meerkatze auf ihn zu, biß
und kratzte auf ihn los, und die Kinder machten es ebenso, bissen und
zerrten ihn aufs furchtbarste. Er fing an zu heulen und zu schreien.
Das Blut lief ihm über die Backen. Er setzte sich nicht einmal zur
Wehr, sondern lief, so schnell er konnte, aus der Höhle heraus. Ich
stand draußen und erwartete ihn. Er war jämmerlich zerschunden. Sein
Fell war zerzaust, ein Ohr war zerrissen. Mehrere Löcher hatten sie
ihm in den Kopf geschlagen. Das Blut floß in Strömen herab. Ich fragte
ihn: ›Habt Ihr etwa die Wahrheit gesagt?‹ ›Ja,‹ erwiderte er, ›ich
sagte, wie ich es fand. Die garstige Hexe hat mich arg beschimpft. Wäre
sie hier draußen, so sollte sie mir's teuer bezahlen! Wie gefallen Euch
ihre Kinder, Reineke? Sehen sie nicht garstig und häßlich aus? Da ich
ihr das aber sagte, war es um mich geschehen! Ich verscherzte mir damit
sogleich ihre Gnade und kam sehr übel dabei an.‹ Da erwiderte ich:
›Seid Ihr denn verrückt? So habe ich es Euch nicht gelehrt. Ihr hättet
zu ihr sagen sollen: Liebe Muhme, wie geht es Euch und Euren reizenden
Kinderchen? Sie sind alle, groß und klein, meine lieben Verwandten!‹
Isegrim versetzte darauf: ›Ehe ich sie Muhme und die Kinder meine
Neffen nennen würde, eher soll sie lieber der Teufel holen! Ihre
Freundschaft kann ich gar wohl entbehren, denn es ist das ärgste
Lumpengesindel von der Welt.‹
Seht, Herr König, so empfing Isegrim für sein schlimmes Benehmen
schlimmen Lohn. Hat er nicht unrecht, wenn er sagt, ich habe ihn
verraten und bin schuld daran, daß es ihm so übel erging? Fragt
ihn selbst, ob sich die Sache nicht so zugetragen hat, wie ich sie
erzählte.«
16. Kapitel.
Die Forderung und die Vorbereitung zum Zweikampfe.
Auf diese Aufforderung versetzte Isegrim: »Wir wollen endlich zu
schwatzen aufhören und dem Dinge ein Ende machen! Warum sollen wir
uns fortwährend zanken? Reineke, Ihr sollt Euren Willen haben, ich
will mit Euch einen Zweikampf wagen. Dann wird es sich zeigen, auf
wessen Seite das Recht ist. Ihr sprecht hier von der Affenhöhle, wie
ich großen Hunger litt und Ihr mir etwas zu essen brachtet. Das war
aber ein bloßer Knochen, von dem Ihr schon alles Fleisch abgenagt
hattet! Ihr spottet meiner und tretet meiner Ehre zu nah'! Ihr habt
schändliche Lügen ersonnen, wie ich dem Könige, meinem Herrn, nach dem
Leben getrachtet hätte. Alles, was Ihr dem König von dem Schatz erzählt
habt, ist Lug und Trug. Niemand wird je die Kostbarkeiten zu sehen
bekommen, da sie gar nicht vorhanden sind. Ihr habt mich und mein Weib
unzählige Male betrogen und verraten. Mit freundlichen Worten habt Ihr
mir geschmeichelt, aber weh mir, wenn ich Euch traute! Ich fordere Euch
also jetzt zum Zweikampf auf Tod und Leben! So soll unser Zwist endlich
aufhören! Ich sage, daß Ihr ein Mörder und Verräter seid, ein Dieb und
ein Räuber! Hier werfe ich meinen Handschuh hin. Nehmt ihn auf, und der
Kampf soll zwischen uns entscheiden. Ihr, Herr König, und alle ihr
Herren, habt es gehört und sollt Zeugen bei dem Zweikampf sein! Der
morgige Tag entscheide, wer im Recht ist, Reineke oder ich!«
So sprach der Wolf. Reineke aber dachte in seinem Sinn: »Das wird nun
um Gut und Leben gehen! Er ist groß, und ich bin klein. Er ist stark,
und ich bin schwach. Mache ich meine Sache diesmal schlecht, so ist
alles verloren. Doch wenn er auch stärker ist, so bin ich doch klüger
und weiß mir besser zu helfen. Auch kann ich schneller laufen als er,
denn ich habe noch die Klauen an meinen Vorderfüßen, während er sie
eingebüßt hat.«
Und zum Wolf gewendet, sagte er: »Isegrim, Ihr seid selbst ein
Verräter! Alles, was Ihr mir hier zur Last legt, das lügt Ihr! Ich will
es wagen, mit Euch zu kämpfen. Denn das war von jeher mein Wunsch.
Alles, was Isegrim sagt, ist Lüge. Darauf setze ich mein Gegenpfand
hier vor Gericht!« Damit warf er seinen Handschuh hin.
Der König empfing das Pfand von Isegrim ebenso wie das von Reineke und
sprach zu ihnen: »Ihr müßt nun beide Bürgen stellen, daß ihr morgen zum
Kampfe erscheinen wollt. Eure Angelegenheiten sind so verworren, daß
nur der Kampf zwischen euch entscheiden kann.«
Isegrims Bürgen wurden Hinze, der Kater, und Braun, der Bär; Grimbart,
der Dachs, und Mönke, der junge Affe, wurden Bürgen für Reineke.
Darauf wurde die Versammlung beendet. Zu Reineke aber trat Frau
Rückenau heran und sagte: »Freund Reineke, seid nur guten Mutes! Euer
Oheim Martin, der jetzt nach Rom gegangen ist, lehrte mich einst ein
gutes Gebet, das der Abt von Schluckauf verfaßt hat. Dieser Abt hatte
Martin lieb und schenkte ihm das Gebet und sprach: ›Dieses Gebet ist
allemal gut für den, der in den Streit geht. Man muß es frühmorgens
nüchtern über ihn lesen, so soll er den Tag über von aller Not frei
und selbst vor dem Tode sicher sein. An diesem Tage kann ihn niemand
verwunden.‹ Darum, lieber Oheim, seid guten Mutes! Ich will es morgen
früh über Euch lesen, so braucht Ihr Euch vor dem Tode nicht zu
fürchten.«
Reineke antwortete: »Meine liebe Muhme, ich danke Euch von Herzen
dafür! Meine Sache ist gerecht, deshalb sehe ich getrost dem kommenden
Tag entgegen!«
Reinekes Freunde blieben die Nacht über bei ihm, um ihm die Sorgen zu
vertreiben. Frau Rückenau, die Äffin, war beständig mit Rat und Tat
um ihn herum. Sie ließ ihm vom Kopf bis zum Schwanze alle seine Haare
abscheren und ihn ganz mit Öl bestreichen. Sie sprach zu ihm: »Reineke,
paßt wohl auf, was Ihr tut. Hört guter Freunde Rat, das wird Euch gut
tun und kann nie schaden. Ihr seid nun am ganzen Leibe rund und glatt;
Isegrim wird Euch nun mit seinen Tatzen nicht fassen und festhalten
können. Laßt Euch zuerst von ihm angreifen und jagen. Flieht eilig vor
ihm, aber -- vergeßt das nicht -- immer gegen den Wind. Da wirbelt Ihr
tüchtig Staub auf, der ihm in die Augen fliegt. Steht er dann still, um
sich die Augen auszuwischen, so schleudert Ihr ihm mit Eurem Schwanz
neuen Sand hinein. Er wird dann wie blind sein und nicht mehr wissen,
wohin er sich wenden soll. So, lieber Oheim! Nun legt Euch ruhig
schlafen, wir wollen Euch schon wecken, wenn es Zeit ist. Aber vorher
muß ich über Euch die heiligen Worte lesen, von denen ich Euch gesagt
habe.« Damit legte sie die Hand auf sein Haupt und sprach: »Gaudo
statzi salphenio, Caßbu, garfonns Barbas aßbulfrio! -- Seht, Reineke,
nun seid Ihr wohl verwahrt!«
Darauf legte sich der Fuchs zu Bett und schlief, bis die Sonne aufging.
Da kamen die Otter und der Dachs und weckten ihn.
Die Otter brachte ihm eine junge Ente und sagte: »Ich habe manchen
Sprung gewagt, ehe ich sie dem Vogelsteller bei der Hühnerburg rechts
vom Damm wegstibitzen konnte. Laßt sie Euch wohlschmecken, lieber
Vetter!«
»Das ist ein guter Morgengruß!« versetzte Reineke. »Verschmähte ich
das, so wäre ich ein Narr. Gott lohne es Euch, daß Ihr meiner so
gedenkt!«
Reineke aß und trank tüchtig, damit er sich recht gestärkt fühle, und
ging dann in Begleitung seiner Freunde auf den Platz, wo der Kampf
stattfinden sollte.
17. Kapitel.
Der Zweikampf und seine Entscheidung.
Als der König Reineke so geschoren und von Fett glänzend daherkommen
sah, lachte er aus vollem Halse und rief: »O, Fuchs, wer hat dich das
gelehrt? Wahrlich, an Schlauheit übertrifft dich niemand! Du weißt dir
immer zu helfen!«
Reineke verneigte sich tief vor dem König und grüßte auch die Königin
mit größter Ehrerbietung. Er zeigte sich zum Kampf bereit und sprang
munter in den Kreis hinein.
Da stand auch schon der Wolf mit seinen Freunden, die ihm alle das
Schlimmste wünschten. Sie sprachen manches boshafte Wort über ihn. Bald
darauf traten die Kampfrichter herbei, der Luchs und der Leopard, und
beide Kämpfer mußten den Eid leisten. Isegrim schwur, Reineke sei ein
Verräter, ein Dieb und ein Mörder, dafür wolle er sein Leben einsetzen.
Reineke dagegen tat den Schwur, Isegrim leiste einen falschen Eid,
jedes Wort, das er sage, sei eine Lüge. Und das wolle er ihm beweisen!
Da sprachen die Kreishüter: »Tut, was ihr zu tun habt! Wer im Recht
ist, das wird sich bald zeigen!«
Da gingen alle hinaus, groß und klein, die nichts darin zu tun hatten.
Nur der Wolf und der Fuchs blieben in dem Kreise.
Die Äffin flüsterte Reineke zu: »Vergeßt nicht, was ich Euch geraten
habe!«
Frohen Mutes erwiderte der Fuchs: »Ich weiß, Ihr sähet es gern,
wenn es gut endete! Glaubt mir, ich werde meinem Feinde unverzagt
entgegengehen! Bin ich doch schon mancher Gefahr entronnen! Wie oft
habe ich schon mein Leben aufs Spiel gesetzt; so will ich es auch gegen
diesen Bösewicht wagen. Und ich hoffe, ich werde siegreich aus dem
Kampfe hervorgehen und sowohl ihn wie sein ganzes Geschlecht in Schande
bringen! Mir aber und allen meinen Verwandten werde ich Ehre bereiten.
Ich will dem Wolf schon eintränken, was er über mich gesagt hat!«
Nun blieben diese beiden allein aus dem Kampfplatz, und ein paar
tapfere Kämpfer waren es, die man da bewundern konnte.
Es erschallte die Trompete zum Zeichen, daß der Kampf beginnen sollte.
Voll Ingrimm, mit offenem Rachen und blitzenden Augen sprang der
Wolf aus seinen Gegner los. Dieser aber, leichter und gewandter als
der schwerfällige Wolf, sprang rasch zur Seite. Dann lief er immer
gegen den Wind vor dem Wolf her, seinen Schwanz im Winde schleifend.
Absichtlich ließ er Isegrim nahe herankommen, und als dieser glaubte,
ihn schon fassen zu können, schlug ihm der Schlaue den mit Sand
gefüllten Schweif so heftig in die Augen, daß dem Wolf Hören und
Sehen verging. Während dieser nun stehen blieb, um sich die Augen
auszuwischen, wirbelte Reineke immer mehr Staub und Sand auf und schlug
dem Gegner mit dem Schweif in die Augen, daß dieser nicht das Geringste
mehr sehen konnte. Schnell faßte ihn Reineke bei der Kehle, biß und
kratzte ihn und gab ihm noch lose Worte dazu. »Ei, Herr Isegrim,«
spottete er, »Ihr habt oftmals manch unschuldiges Lamm gefressen und
manch anderes harmloses Tier verschlungen; ich hoffe, Ihr werdet es
künftig nicht mehr tun. Das gereicht Eurer Seele sicher zum Heile, daß
Ihr in Zukunft nicht mehr rauben und morden könnt. Seid nur geduldig,
denn es ist bald aus mit Euch, da Ihr in Reinekes Macht geraten seid.
Doch wollt Ihr abbitten und Euch versöhnen, so will ich Eures Lebens
gern schonen.«
Mit einem kräftigen Ruck riß sich Isegrim los. Da schlug ihm Reineke
ins Gesicht, daß er ein Auge verlor! Vor Schmerzen heulte er laut auf
und sprang wie rasend auf Reineke los. Er warf ihn auf die Erde nieder
und packte den einen Vorderfuß des Fuchses mit seinen Zähnen, indem er
rief: »O du Dieb, nun ist deine letzte Stunde gekommen! Erkläre dich
als überwunden, oder ich schlage dich tot. Deine Betrügereien sind zu
groß gewesen. Dein Staubaufwirbeln, dein Lügen und dein Fettschmieren
soll dir nun nichts helfen! Du kannst mir nicht mehr entgehen! Du hast
mir zu viel Schaden zugefügt und mir jetzt sogar ein Auge ausgerissen!«
Reineke war sehr übel zumute. »Jetzt bin ich in der größten Gefahr,«
dachte er. »Ergebe ich mich nicht, so ist es mein Tod; ergebe ich
mich aber, so gerate ich in Schimpf und Schande.« Er legte sich also
aufs Bitten: »Lieber Oheim, schont meiner, und ich will gern Euer
Lehnsmann werden. Ich will für Euch zum Heiligen Grabe wallfahren und
Ablaß für Eure Seele erflehen. Ich will Euch in Ehren halten, als ob
Ihr der Papst in Rom wäret, ja Euch einen teuren Eid schwören, Euer
Knecht in Ewigkeit zu sein. Auch meine Verwandten sollen Euch stets
dienen. Alles, was ich fangen kann, das steht Euch zu Gebote; es mögen
nun Gänse, Enten, Hühner oder Fische sein, so will ich sie an Euren
Tisch liefern. Nur was Ihr übriglaßt, will ich für mich beanspruchen.
Ich will jederzeit auf Euer Wohl bedacht sein, daß Euch kein Schaden
geschehe. Ihr seid stark, und ich bin klug. Halten wir nun zusammen,
der eine mit Rat, der andere mit Macht, wer will uns dann etwas
anhaben? Wir sind so nahe Anverwandte, daß wir nicht miteinander
streiten sollten. Ich bin auch ungern in diesen Kampf mit Euch
gegangen; wenn ich ihm nur hätte entgehen können! Allein Ihr habt mich
dazu herausgefordert, da mußte ich wohl kommen, so ungern ich es auch
tat. Doch bin ich bisher noch sehr gnädig mit Euch verfahren und habe
nicht meine ganzen Kampfmittel aufgeboten. Ich habe eine Ehre darin
gesucht, Euch als meinen Oheim zu schonen. Sonst wäre ich ganz anders
mit Euch verfahren. Jetzt ist Euch noch nicht viel Schaden geschehen,
außer mit Eurem Auge. Und das geschah aus Versehen! O, wie leid tut es
mir! Aber ich weiß einen Rat, Euch wieder zu heilen. Doch verliert Ihr
selbst das Auge, und Ihr seid sonst gesund, so ist es nicht so schlimm.
Denn Ihr braucht nur ein Fenster zuzumachen, wenn Ihr schlafen geht, da
andere zwei schließen müssen.
Noch eine andere Versöhnung will ich Euch anbieten. Alle meine Freunde,
mein Weib und meine Kinder, sollen sich vor Euch neigen in Gegenwart
des Königs, unseres Herrn, und sollen Euch um Reinekes Leben bitten.
Ich will auch öffentlich bekennen, daß ich nicht die Wahrheit gesagt
und Euch häufig belogen und betrogen habe. Schwören will ich, daß ich
nichts Böses von Euch weiß. Tötet Ihr mich aber jetzt, so müßt Ihr
allezeit in Angst vor meinen Verwandten und Freunden leben. Verschont
Ihr mich hingegen, so erwerbt Ihr Euch Ruhm und Ansehen und gewinnt
viele neue Freunde, die Euch jederzeit dienen werden. Tut nun, was Euch
gut dünkt. Mir ist wenig daran gelegen, ob ich lebe oder sterbe!«
Da sprach der Wolf: »O du falscher Fuchs, wie gerne wärst du wieder
frei! Und wäre die ganze Welt aus rotem Golde, und du bötest mir
dieselbe zum Ersatz, ich ließe dich doch nicht los. Du hast mich zu oft
betrogen, du falscher, treuloser Gesell! Und gäbst nur sicherlich nicht
eine Eierschale, wenn ich dir dein Leben schenkte. Nach deinen Freunden
frage ich nicht viel. Ich will ihre Feindschaft schon ertragen und
werde mich zu wehren wissen, wenn sie mich angreifen. Ach, wie würdest
du mich verspotten, wenn ich mich durch deine Verlockungen verführen
ließe, dich freizugeben! Wie würdest du künftighin noch manchen
betrügen, der sich auf dein Lügen nicht verstände! Du sagst, du habest
mich verschont! Schau' nur her, du Bösewicht! Hast du mir nicht ein
Auge ausgerissen? Hast du mir nicht an allen Teilen meines Körpers mehr
als zwanzig Wunden beigebracht? Du ließest mir ja nicht die Zeit zum
Atemholen. Wie töricht würde ich handeln, wenn ich dir Gnade erwiese.
Nein, nein! Diesmal sollst du es mit dem Leben büßen!«
Während der Wolf so sprach, hatte Reineke auf neue List gesonnen.
Er packte plötzlich den Wolf an der empfindlichsten Stelle seines
Körpers mit solcher Gewalt, daß Isegrim vor Schmerz laut aufschrie. Den
Augenblick benutzte Reineke, seine Pfote aus dem Rachen des Wolfes zu
ziehen, und nun hielt er den Wolf mit beiden Tatzen fest umklammert und
biß wie wild darauflos, wohin er eben traf. Isegrim schrie und heulte
vor Schmerz und sank endlich, von Blut und Wunden bedeckt, betäubt zur
Erde nieder.
Voll Schrecken und Betrübnis sahen die Freunde des Wolfes dem Ausgang
des Kampfes zu. Sie eilten zum König und baten ihn, den Befehl zur
Beendigung des Kampfes zu geben. Der König war damit einverstanden.
Er gebot den beiden Kampfrichtern, dem Luchs und dem Leopard, dem
siegreichen Fuchs mitzuteilen, es sei nunmehr genug, und er, der König,
wünsche, daß man den Kampf endige. Diese beiden eilten sogleich in den
Kreis und sprachen: »Hört, Reineke! Wir Kampfrichter verkünden Euch
den Befehl des Königs! Er will den Krieg zwischen euch beiden endigen
und euch trennen. Er bittet Euch, Isegrim freizugeben und am Leben
zu lassen. Es wäre dem König leid, wenn einer von euch beiden in dem
Kampfe bliebe! Ihr, Reineke, habt den Sieg davongetragen, das sagt hier
jung und alt, und alle rechtlich Denkenden zollen Euch Beifall.«
Reineke entgegnete darauf: »Dafür sollen sie alle meinen Dank haben!
Gern gebe ich den Worten des Königs Gehör und gehorche seinem Befehle.
Mehr verlange ich nicht als den Sieg. Doch bitte ich den König, mir zu
gestatten, daß ich erst meine Freunde befrage.«
Da riefen alle seine Freunde und Verwandten: »Ja, Reineke, es dünkt
auch uns gut, daß Ihr dem Willen des Königs folgt!«
Darauf kamen sie von allen Seiten herbei, denn es hatten sich eine
ganze Menge zu dem interessanten Schauspiel eingefunden. Der Dachs, der
Affe und der Biber, die Otter, der Marder und das Eichhorn drängten
sich nun alle an den Fuchs heran. Ja, viele, die gegen ihn geklagt
hatten und nichts von ihm hatten wissen mögen, erzeigten ihm jetzt die
größte Liebe. Jeder wollte sein nächster Verwandter sein und sich in
seine Gunst setzen. Ja, so geht es in der Welt. Wem es gut geht, der
hat viele Freunde, wem es aber übel geht, der hat gewiß keine! So war
es auch hier. Als Reineke gewonnen hatte, wollte jeder auf seiner Seite
stehen. Die einen pfiffen, die anderen sangen, bliesen auf Posaunen
oder schlugen die Pauken. Alle seine Freunde riefen ihm zu: »Reineke,
seid froh! Ihr habt Euch in dieser Stunde mit Ruhm bedeckt. Wir waren
schon sehr betrübt, als Ihr zu unterliegen schienet. Aber das Glück hat
sich bald gewendet. Ihr seid mit Ehren aus dem Kampf hervorgegangen!
Das war ein treffliches Meisterstück!«
Reineke dankte allen seinen Freunden und trat dann, von den
Kampfrichtern begleitet, vor den König. Demütig kniete er vor dem
Throne nieder. Der König aber hieß ihn aufstehen und sprach in
Gegenwart aller Herren zu ihm: »Ihr habt den Streit mit Ehren bestanden
und tapfer für Euer Recht gekämpft! So spreche ich Euch denn frei von
jeder Schuld, und keine Strafe soll Euch treffen. Alles übrige soll
entschieden werden, sobald Isegrim von seinen Wunden wiederhergestellt
ist.«
Reineke sprach: »Herr, Eurem Rate folge ich immer gern. Ehe ich herkam,
klagte manch einer über mich, dem ich nie Schaden zugefügt hatte.
Mancher stimmte wohl nur in das allgemeine Geschrei gegen mich ein
aus Furcht vor dem Wolfe. Sie merkten, daß Isegrim damals besser bei
Euch angeschrieben war als ich. Wer im Recht war, das kümmerte sie
nicht. Sie glichen jenen gierigen Hunden, die vor der Küche warteten,
ob man ihnen nicht einen Knochen hinauswerfe. Da sahen sie einen
Hund herauskommen, der dem Koch ein großes Stück gesottenes Fleisch
wegstibitzt hatte. Es war ihm aber auch schlecht bekommen. Der Koch
hatte ihm sein Hinterteil mit kochendem Wasser begossen und ihm den
ganzen Schwanz verbrüht. Gleichwohl hielt er das Gestohlene fest. Als
er nun zu den anderen Hunden kam, riefen diese: ›Seht, diesem geht
es gut! Er hat den Koch zum Freunde! Welch prachtvolles Stück hat er
ihm gegeben!‹ Da sprach der arme Verbrannte traurig: ›Ihr preist mich
glücklich, weil ihr mich nur von vorne seht und euch das Stück Fleisch
gefällt. Aber seht mich nur mal von hinten an, da werdet ihr eure
Meinung bald ändern!‹ Als sie ihn nun recht besahen und bemerkten, wie
verbrannt er war, wie ihm die Haare ausfielen, und wie die ganze Haut
eingeschrumpft war, da befiel sie ein Grauen. Kein einziger wollte in
die Küche; sie liefen weg und ließen ihn allein.
Herr, mit diesem Beispiel meine ich die Habgierigen. Kommen sie zu
Macht und Ansehen, so will sie ein jeder zum Freunde haben. Man sieht
täglich, ja stündlich auf sie, denn sie tragen das Fleisch im Munde.
Ein jeder sagt, was sie gern hören. Jeder lobt sie, ob sie gleich
nichts taugen. Und so wird ihre böse Sache immer von ihnen bestärkt.
Allein die Strafe folgt ihnen endlich nach. Ihr Regiment schlägt
schließlich um; zuletzt kann man sie nicht mehr leiden, und das Haar
fällt ihnen auf beiden Seiten aus; das sind ihre großen und kleinen
Freunde, die sämtlich von ihnen abfallen und sie allein stehen lassen,
wie diese Hunde taten, als sie ihren Kameraden verbrannt, blutig und
beschimpft vor sich sahen. Herr, versteht mich recht. Von Reineke soll
dies nicht gesagt werden. Ich will das beste Teil erwählen, und meine
Freunde sollen sich meiner nicht zu schämen haben. Ich danke Euer
Gnaden gehorsamst und bin jederzeit bereit, nach Eurem Willen zu leben.«
Der König sprach darauf: »Wohl habe ich Euch verstanden, Reineke! Ich
setze Euch wieder in alle Eure Ehren ein. Ihr sollt zu den ersten
Baronen meines Reiches gehören. Jederzeit sollt Ihr bereit sein,
in meinem geheimen Rat zu erscheinen. Der Hof kann Euren Rat nicht
entbehren. Wenn Ihr Eure Weisheit mit Tugend verbindet, so steht hier
niemand so hoch wie Ihr. In Zukunft will ich keine Klagen mehr gegen
Euch mit anhören. Ihr sollt als Kanzler des Reiches Euer eigenes Urteil
sprechen. Mein königliches Siegel lege ich in Eure Hand. Was Ihr
schreibt und siegelt, das hat Geltung, als hätte ich es selbst getan.«
So wurde nun Reineke der erste Staatsdiener an des Königs Hofe. Er
neigte sich vor König Nobel und sagte: »Gnädiger Herr, ich danke
Euch sehr, daß Ihr mir so große Ehre erweist! Ich werde mich immer
erkenntlich dafür zeigen und Eure Güte zu verdienen streben!«
Dem Wolf erging es indessen sehr übel. Zum Tode ermattet und in großen
Schmerzen war er auf der Erde liegen geblieben. Nur seine Frau, seine
Kinder, Braun, der Bär, und Hinze, der Kater, waren um ihn versammelt.
Sie schafften eine Bahre herbei, legten ihn vorsichtig hinauf und
trugen ihn traurig vom Kampfplatz. Man rief sogleich Ärzte herbei, die
seine Wunden untersuchten. Er hatte deren sechsundzwanzig. Er wurde
verbunden und mußte Arznei zu sich nehmen; denn er war sehr schwach
und krank. Endlich schlief er ein wenig ein. Aber es dauerte nicht
lange, und er erwachte wieder. Der Kummer über die erlittene Schmach
ließ ihn keine Ruhe finden. Sein Weib, Frau Gieremund, saß an seinem
Lager in tiefer Betrübnis. Sie jammerte über die Schmerzen, die ihr
armer Mann auszuhalten hatte, und ärgerte sich, daß der Bösewicht
Reineke den Sieg über ihn davongetragen hatte.
Reineke indessen weilte wohlgemut und frohen Sinnes im Kreise seiner
Freunde, die ihn umschmeichelten. Der König sagte ihm freundliche Worte
zum Abschied. »Reineke,« sprach er, »kehrt bald zurück, mein lieber
Kanzler!«
Der Fuchs kniete vor dem Throne nieder und sagte:
»Gnädiger Herr, ich danke Euch aus vollem Herzen, wie auch meiner
gnädigen Königin, Euren Räten und allen Herren am Hofe. Gott erhalte
Euch lange, reich an Ruhm und Ehren! Was Ihr anordnet, werde ich
jederzeit tun, nicht nur aus Pflicht, sondern auch aus Liebe! Denn ich
liebe und ehre Euch, wie Ihr es verdient. Wenn Ihr es gestattet, hoher
Herr, so will ich jetzt zu meinem Weibe und meinen Kindern reisen, die
ungeduldig meiner harren und gewiß über mein langes Ausbleiben schon
sehr bekümmert sind.«
Der König sprach: »So reist denn glücklich, mein lieber Reineke!«
So schied Reineke von des Königs Schloß, mit schönen Worten und in
großer Gnade. Der König gab ihm ein ansehnliches Geleit mit auf den
Weg. Wohl vierzig Ritter folgten ihm, alle sehr stolz auf diese Ehre.
Reineke schritt wie ein Prinz voran. Es war ihm sehr wohl zumute. Er
hatte des Königs Gnade wiedergewonnen und war Reichskanzler geworden.
»Ei,« dachte er bei sich, »nun soll mir's nicht fehlen! Wem ich jetzt
wohl will, dem kann ich helfen; wer mein Freund ist, dem soll's auch
gut gehen! Daher preise ich die Weisheit mehr als alles Gold der Welt!«
Also ging Reineke mit seinen Freunden nach seinem Hause Malepartus.
Er dankte ihnen allen sehr für ihre Treue, daß sie ihm in der Not
beigestanden hatten, und bot ihnen seine Dienste für die Zukunft an.
Darauf schieden sie voneinander.
Reineke trat in seine Burg ein, wo ihn Frau Ermelyn sehr erfreut
willkommen hieß. Sie erkundigte sich nach den Angelegenheiten bei
Hofe, und wie es ihm ergangen wäre. Der Fuchs sagte zu ihr: »Die Sache
hat eine glückliche Wendung genommen. Ich stehe hoch in der Gnade des
Königs. Er hat mich wieder zum Rat an seinem Hofe ernannt und mich über
alle Herren gesetzt. Das gereicht unserem Geschlecht zu großen Ehren.
Er hat mich zum Kanzler des Reiches erwählt, und ich werde künftighin
seine Siegel führen. Was Reineke tut und schreibt, das hat Gültigkeit.
Dem Wolfe habe ich wohl für immer die Lust benommen, mich zu verklagen.
Er ist im Zweikampf unterlegen. Ich habe ihn auf einem Auge geblendet
und schwer verwundet. Wer weiß, ob er mit dem Leben davonkommt! Aber
wenn er auch lebt, Schaden kann er mir doch nicht mehr anhaben; denn
ich bin sein Obermann geworden und aller seiner Gesellen dazu!«
Da war nun die Frau Füchsin über die Maßen froh, und mit ihr freuten
sich die beiden Söhnchen Reinhart und Rossel, daß ihr Vater so hoch
erhoben war. Sie riefen: »Nun wollen wir froh und sorglos leben, unsere
Burg befestigen und immer glücklich und zufrieden sein!«
[Illustration]
Druck von A. Seydel & Cie. G.m.b.H., Berlin SW 61.
*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK REINEKE FUCHS ***
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