Das Gedächtnis

By Alfred Leopold Müller

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Title: Das Gedächtnis

Author: Alfred Leopold Müller

Release date: June 24, 2024 [eBook #73905]

Language: German

Original publication: Stuttgart: Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde/Franckh'sche Verlagshandlung, 1922

Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS GEDÄCHTNIS ***


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                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1922 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler
  wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht
  mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original
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  Der Übersichtlichkeit halber wurden die Fußnoten an das Ende der
  jeweiligen Kapitel, das Inhaltsverzeichnis dagegen an den Anfang des
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                            Das Gedächtnis

                                  Von

                         Alfred Leopold Müller
                Volkshochschule der Universität Leipzig
                      und Lehrer-Seminar Leipzig


                          Mit 18 Abbildungen

                              12. Auflage


                            [Illustration]


                               Stuttgart
                 Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde
             Geschäftsstelle: Franckh’sche Verlagshandlung
                                 1922




             Alle Rechte, besonders das Übersetzungsrecht,
                             vorbehalten.


             Für die Vereinigten Staaten von Nordamerika:
                            ~Copyright 1922
              by Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart~


           Eine schwedische Ausgabe dieses Buches ist unter
                dem Titel „Minnets Vard“ im Verlag von
                 +Wahlström und Widstrand, Stockholm+,
                              erschienen.


                  STUTTGARTER SETZMASCHINEN-DRUCKEREI
                       HOLZINGER & Co. STUTTGART




Inhaltsverzeichnis.


                                                                   Seite

     I. Die grundlegende Bedeutung des Gedächtnisses                 3-4

    II. Der wissenschaftliche Versuch                                4-6

   III. Bewußtseinsvorgänge                                         6-22

    IV. Ein kurzer Ausflug in die Werkstatt unseres Geistes        22-33

     V. Regeln für jede Gedächtnisarbeit                           33-49

        Aufmerksamkeit                                             33-37

        Die Taktgliederung                                         37-40

        Gruppenbilden, Stelle-Anweisen (Lokalisieren), Gliedern    40-42

        Gefühl und Anteilnahme (Interesse)                         43-45

        Lernen im Ganzen oder in Teilen?                           45-48

        Verteilung der Wiederholungen auf mehrere Tage                48

        Die Einbildung                                             48-49

    VI. Mehr Arbeit der Sinne! Die Zeugenaussage. Ihre Mängel
        und mögliche Besserung                                     49-57

   VII. Persönliche Eigentümlichkeiten beim Vorstellen             57-62

  VIII. Wie stellen wir fest, welche Vorstellungsseiten uns
        fehlen und deshalb einzuüben sind?                         62-64

    IX. Sinnvolles Lernen                                          64-66

     X. Mnemotechnische Anregungen??                               66-68

    XI. Hemmung und Förderung der Gedächtnistätigkeit              68-78

        Gesundheitlicher Teil                                      68-78

   XII. Zusammenfassung                                            78-82




I. Die grundlegende Bedeutung des Gedächtnisses.


Die gewaltigen Errungenschaften der Technik und Großbetriebe, die
kulturfördernden Leistungen der Wissenschaften, die in rastlosem
Fortschreiten die Menschheit zu ungeahnten Höhen führen, sie alle
entsprangen dem menschlichen Geiste. Nicht auf einmal. In mühevollem
Arbeiten, Entdecken und Verwerten baute die Nachwelt auf den
Errungenschaften der Vorwelt weiter. Was der einzelne schuf und
entdeckte, vermochte er mit einer bewundernswerten Kraft seines Geistes
zu bewahren, mit dem Gedächtnis. Es entfiel ihm nicht sofort wieder.
Er lehrte das Neue die andern. Sie vermochten es auch zu behalten, zu
verwerten und weiter zu vererben. Das Gedächtnis ist die Fähigkeit des
Menschen, Wahrnehmungen oder Vorstellungen einzuprägen, zu behalten,
wenn auch nicht unverändert, und später in ähnlicher Weise wieder zu
erneuern.

Im Gedächtnis liegen die Wurzeln zu jenem gewaltigen Riesenbau an
Errungenschaften, den der einzelne Mensch überhaupt nicht mehr zu
überschauen fähig ist. Das Gedächtnis ist das Pfund, mit dem er
wuchern konnte. Darum wurde es auch immer hochgeachtet und zu bilden
versucht. Von den ältesten Zeiten an bis zu den Gelehrten unserer Tage,
Weltweisen, Ärzten, Erziehern usw., schenkte man ihm regste Beachtung.
Es ist ein Schlüssel zum gesamten geistigen Leben.

Und wenn wir die verschiedenen Stufen menschlicher Begabung betrachten,
so zeigt sich eine fast ausnahmslose Regel: Minderwertige Geister
haben geringe Gedächtniskraft,[1] mittelgroße stets bessere
Gedächtnisleistung, und hervorragende Geister fallen meist auch durch
ihre erstaunliche Erinnerungsfähigkeit auf. Das Gedächtnis und die
gesamte Geistesbildung stehen im allgemeinen im gleichen Verhältnis
zueinander.

Ein Aristoteles, Leibniz, Goethe, Humboldt, Wilhelm Wundt und andere
waren nur deshalb fähig, große geistige Zusammenhänge zu schauen und
hervorzubringen, weil ihnen +das Gedächtnis wie ein großes beseeltes
Buch, das von selbst seine Seiten öffnet+, einen ungeahnten Reichtum an
geistigen Arbeitsunterlagen lieferte.

Auf so breiter, umfassender Grundlage gewonnene Ergebnisse haben
entschieden mehr Allgemeingültigkeit und kommen der Wahrheit sehr nahe.
Das Gedächtnis vertieft die Geistesbildung und gibt ihr Reichtum und
Umfang.




II. Der wissenschaftliche Versuch.


In fabelhafter Weise beherrscht jetzt der Mensch die Natur, deren
einstmals gefürchtete Kräfte von ihm zu getreuen, arbeitsamen Knechten
herabgedrückt worden sind. Den Hauptanteil an dieser Arbeit hat jenes
winzige bißchen Gehirn, 1400 g schwer, das erst ganz langsam, dann
immer schneller, lawinenartig die Mittel fand, den Menschen zum Herrn
der Natur zu machen.

Dabei entdeckte er einen bemerkenswerten Kniff. Es ist noch gar nicht
so lange her, daß er darauf verfiel, im Vergleich zu dem weiten Weg,
den die Menschheit bisher gehen mußte. Er entdeckte, daß die Natur
einfach gestellte Fragen unveränderlich nach bestimmten Gesetzen
beantwortete. Diese Frage ist das Experiment. Nachdem ihm diese
Gewißheit geworden, stellten seine Arbeiter auf naturwissenschaftlichem
Gebiete Milliarden von Fragen an den Erdgeist. Dem Ursachgesetz
unterworfen, beantwortete er auch geduldig alle einfach gestellten
Fragen in unzweideutiger Weise. Wenn aber voreilig und neugierig nach
den letzten, höchsten und schwierigsten Dingen gefragt wird, dann
schüttelt er kräftig sein Haupt, und wenn er überhaupt antwortet, so
geschieht es in einem Rätselwort.

Der Forscher läßt sich jedoch dadurch nicht entmutigen. Er zerschlägt
listig das ganze Rätsel in mehrere Teilfragen und wiederholt
vereinfacht den Versuch, bis er die Gesetzmäßigkeiten des Geschehens
klar erkennt. Mit der Erkenntnis der Natur sind aber dem Menschengeiste
meist gleichzeitig die Mittel zu ihrer Beherrschung gegeben.

Als er nun gar entdeckte, daß er selbst den Gesetzen des Naturreichs
unterworfen ist, übertrug er den Versuch auch auf sich selbst. Es
wäre nun merkwürdig, wenn er vor dem Gehirn und seinen Fähigkeiten
haltgemacht hätte. So haben wir denn tatsächlich seit etwa 60 Jahren
den wissenschaftlichen Versuch im Geistesleben, d. h. eine Erforschung
nach naturwissenschaftlichem Verfahren.

Lotzes, Steinthals, F. H. Weber-Fechners Versuche über
leiblich-seelische Wechselbeziehungen[2] und Helmholtz’ Untersuchungen
über Sinnesvorgänge bereiteten die Bahn vor, die erst Wilhelm
Wundt nachdrücklich beschritt, um mit Hilfe des wissenschaftlichen
Versuchs die Psychologie,[3] die bisher rein grübelnd übersinnliche
Geisteswissenschaft gewesen war, mit neuen und +sicheren+ Ergebnissen
zu bereichern. Seitdem ist in vielgliedriger Gelehrtenarbeit mit
Bienenfleiß eine ungeheure Menge geistiger Tatsachen zusammengetragen
worden. Die neue Seelenforschung ist eine wissenschaftliche Bewegung
fast ohnegleichen geworden. Sie steht heute im Mittelpunkte unseres
Denkens und beeinflußt alle Strömungen unserer Zeit.

+Ein+ Rätsel lag der seelischen Forschung besonders nahe, das
+Gedächtnis+, das als Grundbedingung alles höheren geistigen Lebens
wohl überhaupt die tiefste Frage der Seelenkunde ist. Auch technische
Vorzüge hat gerade diese Frage: Die Arbeitsleistungen des Gedächtnisses
sind ja genau gemessen, und die Lernbedingungen lassen sich auch in
zahlloser Weise verändern. Ebbinghaus war der erste Forscher, der
dieses Teilgebiet bearbeitete, indem er in mühseliger Arbeit sinnlose
Silben unter den verschiedensten Bedingungen selbst lernte und so die
grundlegenden Ergebnisse der Gedächtnisforschung entwickelte.

Obgleich aber diese Wissenschaft heute mit wichtigen Ergebnissen einer
fast abgeschlossenen Gedächtnisforschung aufwartet, ist leider von
einer allgemeinen Nutzbarmachung so gut wie nichts zu spüren. Und
doch ist es +ein dringendes Bedürfnis unserer Zeit, bei den großen
Anforderungen, die an das Wissen und Können jedes Menschen unserer
Zeit, besonders aber des Schülers, gestellt werden, diese Schätze zu
heben. Es ist eine unverantwortliche Kraft- und Zeitvergeudung+, wenn
Lehrer ihre Schüler, Eltern ihre Kinder planlos oder mit unsinnigem
Verfahren den nun einmal erforderlichen Gedächtnisstoff einprägen
lassen.

Die Überbürdungsfrage im Schulbetriebe wäre zur Hälfte gelöst, wenn
jedes Kind zu einem vernünftigen Gebrauche und zu sinngemäßer Pflege
seiner Gedächtniskraft erzogen würde. Die Kurzsichtigkeit würde
vermindert, Zeit und Nervenkraft gespart werden. Dann ließe sich auch
Zeit für bessere körperliche Ausbildung des Schülers gewinnen, damit
jeder fähig ist, mit Körper und Geist, also mit allen seinen Kräften,
dem Vaterland zu dienen.

Dabei will dieses Büchlein helfen. Es soll eine volkstümliche, kurze,
aber doch nach Möglichkeit umfassende Darstellung bewährter alter Wege
und neuerer Versuchs-Gedächtnisforschungen auch für Eltern und Schüler
sein. --


  [1] Binets und Simons Untersuchungen an geistig Minderwertigen
  (Imbezillen und Debilen) haben bewiesen, daß ein umfangreiches
  Gedächtnis eine recht seltene Ausnahme ist. Einer geringen
  Klugheit entspricht ein geringes Gedächtnis. Das ist die Regel.
  Die Untersuchungen an Durchschnittsschulkindern bestätigen sie
  durchaus. Erwähnt sei aber immerhin, daß bei Minderwertigen auch
  einmal eine Gedächtnisart sich ganz fabelhaft entwickeln kann. Ein
  geistig minderwertiger Vierzehnjähriger z. B. sagte nach drei Minuten
  Einprägung eine Seite lateinischer Wörter her, ohne je Latein gelernt
  zu haben. Vgl. auch S. 58 Inaudi.

  [2] Vgl. die Kosmos-Buchbeilage Dr. H. Dekker, Fühlen und Hören, S.
  32/33.

  [3] ~psyche~ (griech.) = Seele, ~logos~ (griech.) = Wort,
  Lehre. Psychologie = Seelenlehre, Seelenkunde. Leider ist unser
  wissenschaftliches Schrifttum noch so verwelscht, daß wir die
  Welschwörter noch daneben setzen müssen. Sonst findet sich der Leser
  auf keiner Seite einer wissenschaftlichen Abhandlung zurecht.




III. Bewußtseinsvorgänge.


Nach traumlosem, tiefem Schlafe, dem wir bewußtlos hingegeben waren,
erwachen wir und mit uns die +bewußte+ Tätigkeit unseres Geistes. Wir
+wissen+ von uns selbst, erkennen Teile der Außenwelt, wir sind bei
+Bewußtsein+. Im Bewußtsein beginnt nun die Verarbeitung von Reizen der
Außenwelt; denn an Auge und Ohr treten Äther- und Luftschwingungen.
Die Sinnesnerven leiten die Reize weiter,[4] und im Gehirn haben
wir +Empfindungen+. Darunter versteht der Forscher ein kühles
Kenntnisnehmen von dem Reiz, das in Wirklichkeit so kühl gar nicht
vorkommt. Wenn wir durch sinnreiche Apparate den Puls eines Menschen
aufzeichnen lassen und zeigen ihm eine einfache Farbe, etwa Blau, oder
lassen einen Ton erklingen -- sofort zeigt der Puls Veränderungen,
weil das Herz durch Gefühle etwas beeinflußt ist. Schon daraus sehen
wir, daß mit den einfachsten Empfindungen schon +Gefühle+ verknüpft
sind. Reine Empfindungen, also bloßes kühles Kenntnisnehmen von Reizen
ohne Gefühlsbegleitung, gibt es nicht. Der Seelenforscher aber muß die
verwickelten geistigen Vorgänge zergliedern und unterscheidet deshalb
scharf zwischen Empfindung, Gefühl und Willen. In Wirklichkeit hängen
diese drei Elemente des Bewußtseins eng verbunden miteinander zusammen.
Wie eng, das werden wir noch in diesem Abschnitt erkennen.

[Illustration: Abb. 1. Einfache Zuckung (Reflexbewegung).]

[Illustration: Abb. 2. Leitung des Reizes bei bewußten Empfindungen
(willkürliche Bewegungen).]

Selbst wenn wir in einem stillen Zimmer die Augen schließen und kein
störender Reiz uns trifft, merken wir doch noch deutlich, daß wir bei
Bewußtsein sind, und können irgendein Erlebnis, einen Spaziergang
u. dgl. +vor+ unser geistiges Auge, wie wir das Bewußtsein auch nennen
können, +hinstellen+. +Vorstellungen+ sind es, die dann im Bewußtsein
vorüberziehen. Freilich gelingt es uns nicht, alle Einzelheiten des
damals Geschauten oder Erlebten wieder aufleben zu lassen. Unser
körperliches Auge sieht ja nicht alles, und was es sieht, nicht überall
mit gleicher Deutlichkeit. Von all dem aber, was unsere Augen sehen,
macht das Bewußtsein, das geistige Auge, abermals einen Abzug; denn es
hält Auslese. Nur das nehmen wir in unsern Geist auf, was das innere
Auge aufmerksam betrachtet hat. (Vgl. auch S. 50 ein auffallendes
Beispiel dazu.)

Und damit sind wir wieder bei dem großen Rätsel angelangt, dem wir
uns in diesem Buche widmen wollen: Was von unserm Bewußtsein erfaßt
wurde, ob es nun dem Gesichts-, Gehörs-, Körpergefühls-, Geruchs- oder
Geschmacksbereich angehört, können wir als Vorstellung in ähnlicher
Weise auch wieder ins Bewußtsein zurückrufen. Diese großartige
Fähigkeit, Erinnerungsreste (Vorstellungen) im Bewußtsein in ähnlicher
Weise wie früher wieder aufleben zu lassen, bezeichnen wir, wie schon
gesagt, als Gedächtnis.

Cartesius war der Meinung, was durch das Bewußtsein eingehe,
hinterlasse (Gedächtnis-) +Spuren+. Diese Ansicht ist ein Fortschritt
gegenüber Platos Veranschaulichung dieses Rätsels. Nach ihm sollen
wir uns Erinnerungsbilder in der Seele ähnlich vorstellen, als wie
den Siegelabdruck im Wachs. Aber auch des Cartesius’ Ansicht führt
leicht zu grobsinnlicher Auffassung der Gedächtnisfrage. Deshalb redet
man heute vorsichtiger von +Anlagen zur Wiederbelebung+ früherer
Empfindungen. Damit meint man, daß jeder Eindruck infolge der Anlage
(oder Disposition) leicht wieder erneuert werden kann, sogar dann
erneuert werden kann, wenn die Empfindung längst vorüber ist. Sie
dauert mitunter jahrzehntelang. Ja, Ebbinghaus, der bei seinen
Versuchen noch nach langen Zeiträumen Ersparnisse beim Wiedererlernen
feststellen konnte, ist der Meinung, daß es bei Gesunden kein restloses
Vergessen gibt.

Es ist unmöglich, uns der geistigen Schätze an Vorstellungen, die unser
Gehirn besitzt, auf einmal bewußt zu sein; sie ruhen in ungeheurer
Menge gewissermaßen in Dunkelheit, im +Unbewußten+. Nur einige wenige
treten über die Bewußtseinsschwelle ins Bewußtsein ein, und jetzt erst
bemerken wir sie.

[Illustration: Abb. 3. Schnellseher nach Wundt. Rechts Schieber in
einem Augenblick des Falles. (Aus Schulze, Werkstatt der experiment.
Psychologie und Pädagogik.)]

Nun ist es mit unserem geistigen Auge ebenso wie mit dem körperlichen:
Das Bild, das unser Blick erfaßt (das Blickfeld), ist nicht in allen
Teilen gleich deutlich und klar. Nur einen kleinen Ausschnitt des
Bildes in der Richtung, in der das Auge gerade blickt, sehen wir ganz
klar, den Blickpunkt.

Die Vorstellung nun, die eben aus dem großen Reich des Unbewußten über
die Bewußtseinsschwelle ins Bewußtsein eingetreten ist, erscheint uns
noch nicht ganz deutlich und klar. Sie steht nun zwar im Blickfeld des
Bewußtseins, erreicht aber erst ihre höchste Klarheit und Deutlichkeit,
wenn sie in den Blickpunkt des Bewußtseins („Brennpunkt der
Aufmerksamkeit“ nach Wundt) weiterschreitet. Dies geschieht unter der
Leitung der Aufmerksamkeit, von der sie hier festgehalten werden kann,
sonst schreitet sie vom Blickpunkt in das Blickfeld und wird immer
mehr verdunkelt. Wenn sie nicht von der Aufmerksamkeit wieder in den
Blickpunkt gehoben wird, sinkt sie nach einiger Zeit über die Schwelle
des Bewußtseins ins Unbewußte zurück. Wir merken dann nicht eher wieder
etwas von ihr, als bis sie wieder einmal über die Bewußtseinsschwelle
gelangt. Fortwährendes Gehen und Kommen geistiger Inhalte finden wir
so im Bewußtsein. Alle wandern durchs Blickfeld (Perzeption),[5] nicht
alle durch den Blickpunkt (Apperzeption),[6] nämlich nur die durch
Aufmerksamkeit ausgezeichneten.

Früher wurde hin und wieder behauptet, in einem Augenblick könne unsere
Aufmerksamkeit sich nur +einem+ Eindruck hingeben, sich nur auf +eine+
Vorstellung richten. Das ist aber eine Unterschätzung dieser geistigen
Kraft des Bewußtseins und der Aufmerksamkeit. Rein aus der Erfahrung
liefert uns die Schrift der Blinden den Gegenbeweis.

Ihr Urheber, der französische Blindenlehrer Braille, hatte in der
Mitte des neunzehnten Jahrhunderts keine Ahnung von den Ergebnissen
der Versuchs-Seelenforschung und jener merkwürdigen Beständigkeit
des Bewußtseinsumfangs (Höchstzahl 6 Einheiten), die wir sofort
kennenlernen werden. Da er selbst erblindet war, kam er nach den
mannigfaltigsten Versuchen und Übungen darauf, nicht über sechs
verschieden gelagerte (erhabene, d. h. fühlbare) Punkte hinauszugehen
= ⠿ Nur so können diese Punkte als Buchstaben von den Blinden leicht
und sicher tastend unterschieden werden. Gewöhnlich werden dazu beide
Zeigefinger benützt. Der rechte geht voraus und faßt +gleichzeitig+ die
vorhandenen Punkte auf, der linke folgt prüfend, zergliedernd und faßt
die Punkte +nacheinander+ auf.

Die Buchstaben ~A~-~J~ werden durch die obersten vier Punkte
dargestellt, die Buchstaben ~K~-~T~ entstehen durch Hinzufügen des
untersten linken Punkts. Zu diesen Zeichen noch den rechten untersten
Punkt gesetzt, ergibt den Rest des Abc.

   ⠁    ⠃   ⠉    ⠙   ⠛    ⠟
  ~a~  ~b~  ~c~  ~d~  ~g~  ~q~

Diese Beschränkung auf 6 Punkte ist nicht zufällig gewesen. 9
Punkte etwa hätten Gelegenheit gegeben, noch Zahlen und Satzzeichen
darzustellen. So fehlen diese.

Für den Gesichtssinn gilt das gleiche. Wird eine Anzahl
unzusammenhängender Linien, Punkte, Ziffern oder Buchstaben dem Auge in
Bruchteilen einer Sekunde gezeigt und dann schnell wieder verdeckt --
genaue Versuche ermöglichen die verschiedenen Arten der Schnellseher[7]
(Tachistoskope) --, so zeigt sich, daß Ungeübte 3-4, Geübte dagegen
6 einzelne Linien, Punkte, Ziffern, Buchstaben klar und deutlich
gleichzeitig erfassen können. 6 Einheiten vermag die Aufmerksamkeit
also beim Gesichtssinn +gleichzeitig+ zu umfassen. Beim Gehör arbeitet
sie in ähnlicher Weise. 6 getrennte Schalleinheiten, etwa Taktschläge,
umfaßt sie auch +nacheinander+, nur muß auf strenge Sonderung der
einzelnen Schläge geachtet werden.

       *       *       *       *       *

Sowie etwas Takt oder Sinn mitspielt, umfängt die Aufmerksamkeit
sogleich bedeutend mehr. Wenn nämlich dem Auge in obiger Weise
sinnlose Silbenverbindungen geboten werden, erfassen wir in einem
gegebenen Augenblick 6-10 Buchstaben, bei geläufigen Satzbildungen,
Sprichwörtern, gar 4-5 kurze Worte mit zusammen 20-30 Buchstaben.
Selbst der Ungeübte vermag folgendes Wort zu lesen, es in einem
Augenblick überfliegend:

                          Sommernachtstraum.

Beim Gesichtssinn +gleichzeitiges+ Umfangen mit der Aufmerksamkeit
(simultan), beim Gehörssinn +nacheinander+ (sukzessiv) -- es bleibt
das gleiche Ergebnis: Höchstens 6 voneinander getrennte Einheiten
umspannt die Aufmerksamkeit. Wir wollen uns durch folgenden einfachen
Versuch selbst davon überzeugen. Wir lesen einer andern Person ohne
Taktgliederung (!) und ohne Betonung (!) folgende Silben vor:

~su~, ~le~, ~ar~, ~ip~, ~ed~, ~ok~.

Sie wird uns diese 6 Einheiten aus 12 Lauten bestehend wiedergeben
können. Wir bieten ihr in gleicher Weise folgende Silben:

~som~, ~dek~, ~lim~, ~fag~, ~tub~, ~ked~, ~hif~, ~ent~.

Höchstens 6, meistens weniger, etwa 5 Silben mit 15 Buchstaben, vermag
sie uns wiederzugeben.

Die Macht der Gliederung aber erkennen wir so recht aus den Versuchen
Wundts. Mit Klopfapparaten, die auf bestimmte Schläge Nachdruck legen,
z. B. beim ⁴⁄₄-Takt auf den ersten stark, auf den dritten nicht so
stark, auf den zweiten und vierten Schlag schwach klopfen, läßt sich
bei einiger Übung feststellen, daß die Aufmerksamkeit umfassen kann
(der Nachdruck wird durch Striche über der Note angezeigt):

[Illustration: 6 unrhythmische Eindrücke.

12 = ~M. M.~[8] 6×2 im ²⁄₈-Takt rhythmisierte Eindrücke.

20 = 5×4 Achtel im ²⁄₄-Takt.

40 = 5×8 Achtel im ⁴⁄₄-Takt.]

Mit 40 Eindrücken, in 5 Einheiten zusammengefaßt, ist der Höhepunkt
erreicht, und zwar bei geübten Versuchspersonen.

Tragen wir mit Takt und Betonung etwas verhältnismäßig Sinnvolles vor,
so ist es auch Ungeübten möglich, mit ihrer Aufmerksamkeit sehr viel
zu umspannen. Und vermuten läßt sich, daß es uns noch leichter fallen
wird, wenn wir die 3 Hilfen: Takt, Betonung und etwas Sinn, nützen
dürfen. Wie leicht fällt uns darum die Auffassung und Wiedergabe z. B.
des Signals zum Sturm auf den Feind:

 [Music: Sehr rasch ♩ = 120.

   Kartoffelsupp,  Kartoffelsupp, den ganzen Tag Kartoffelsupp,
     Supp, Supp, Supp.
   Geht schneller  Geht schneller geht immer immer schneller vor!
   vor!  vor!  vor!  vor!  vor!
 ]

Wir erkennen also schon hieraus ein grundlegendes geistiges Gesetz:
Getrennte Elemente vermag unser Bewußtsein nur wenige (6) aufzufassen.
Je mehr aber +gegliederter Zusammenhang+ herrscht, desto mehr vermag
die Aufmerksamkeit zu umspannen und zu verarbeiten.

[Illustration: Abb. 4. Verlauf der Empfindungen und des Gefühls bei
Einwirkung regelmäßiger Taktschläge (Nach Wundt.)]

Das bringt uns auf die Frage, ob denn jene 6 getrennten Schalleindrücke
im Geiste getrennt bleiben? Ist die Zeit von einem Taktschlag zum
andern wirklich ganz leer? Nein! Eine aufmerksame Selbstbeobachtung
schon zeigt uns, daß seelische Elemente ausfüllend und so verbindend
wirken. Wenn wir aufmerksam auf etwas hören, haben wir leise
Spannungsempfindungen und -gefühle am Trommelfell, das Augenzwinkern
unterbleibt, dem Gesicht sieht man an, daß es gespannt ist, die Atmung
wird für Augenblicke unterbunden, zum mindesten verflacht. In dieser
Beherrschung so vieler Muskeln, mitunter des ganzen Körpers, zeigen
sich uns Willensäußerungen; dazu haben wir deutlich die Gefühle und
Empfindungen der Spannung, des Tätigseins, der Anstrengung. Das alles
+vor+ einem Taktschlag, hinterher stellt sich für Bruchteile einer
Sekunde das Gefühl der Entspannung, der Lösung ein, um in Erwartung des
nächsten Taktschlags wieder zum Gefühl der Spannung emporzuschnellen.
Der Verlauf dieser Empfindungen und Gefühle bei Einwirkung regelmäßiger
Taktschläge läßt sich etwa so veranschaulichen (s. Abb. 4). Punktiert
sind die Empfindungen von den Taktschlägen 1 2 3 4 5.

Doch nicht nur +Spannung und Lösung+, noch zwei ganz andere
Gefühlspaare können sich mit den bloßen Empfindungen verbinden: +Lust
und Unlust+, +Erregung und Beruhigung+.

Wir erwähnten schon, daß die einfachsten Empfindungen von uns
nicht kalt hingenommen werden. Es ist sofort für Gefühlsbegleitung
gesorgt, wie wir aus den Veränderungen der Atmung und des Herzschlags
ersehen. Diese Veränderungen können mit langen Hebelvorrichtungen auf
berußtes Papier geschrieben werden.[9] Nach Wundt herrschen folgende
Gesetzmäßigkeiten zwischen Puls und Gefühlen:

[Illustration:

                      Puls
              +--------+-----------------+
              |                          |
        verlangsamt               beschleunigt
       +------+-------+            +-----+------+
       |      |       |            |     |      |
  verstärkt   |   geschwächt  verstärkt  |    geschwächt
       |      |       |            |     |      |
     durch  durch   durch        durch  durch  durch
     Lust  Spannung Beruhigung Erregung Lösung Unlust
       |      |       +------------+     |      |
       |      +--------------------------+      |
       +----------------------------------------+

Abb. 5. Die Gesetzmäßigkeit zwischen Puls und Gefühlen. (Nach Wundt.)]

In diesen sechs Gefühlsrichtungen liegt eine ungeheure Summe von
Gefühlsschattierungen und -verbindungen, die zu jeder Empfindung
hinzutreten können.

Empfindungen enthalten Tatsächliches über die Außenwelt, Gefühle
dagegen sind persönliche, innerliche Antworten des Geistes auf Reize.

So erblicken wir bei tieferer Betrachtung in unserm Geiste den mächtig
schaffenden Grundsatz der Verbindung, weitgehender Verquickung
und Durchdringung, aber doch auch wieder Wahrung der Eigenart der
geistigen Elemente. Empfindung, Gefühl, Wille treten nicht vereinsamt
auf, sondern immer eng verschlungen wie die Fäden eines wundersam
verknüpften Flechtwerks.

Jetzt begreifen wir, warum wir überhaupt fähig sind, die einzelnen
Hornstöße des Sturmsignals im Zusammenhang nachzusingen. Wenn wir nicht
diesen Grundzug des Geistes kennten, getrennte Empfindungselemente mit
anderen Empfindungen, mit Gefühls- und Willenswerten zu verknüpfen und
zu einem Ganzen, zu einer Einheit, zusammenzuschweißen, würden wir vor
einem Rätsel stehen. So aber zieht die Vorstellung vom ersten Hornstoß
alles andere ins Bewußtsein nach, weil alles Dazugehörige: Empfindungen
mit Klang-, Spannungs-, Lösungs-, Tätigkeits-, Lustgefühlen usw.
verbunden wird, wozu noch eine Verknüpfung mit dem Wortgedächtnis
getreten ist: „Kartoffelsupp, Kartoffelsupp, den ganzen Tag
Kartoffelsupp, Supp, Supp, Supp.“ Dabei fühlt jeder ganz deutlich eine
damit verbundene Gefühlsmischung, die sich nicht leicht in Worte fassen
läßt: Das Ganze wirkt scharf, rhythmisch, stramm, ulkig usw. Im Gefecht
treten dazu noch ganz andere, vorzugsweise Willenswerte von Pflicht,
Gehorsam, Begeisterung, Wut usw. Ich erinnere mich noch ziemlich
deutlich meiner eigenen Bewußtseinslage beim Hören dieses Rufes im
Schlachtgetümmel. An das „Kartoffelsupp“ dachte ich nicht mehr, sondern
werbend und mahnend, aufreizend und vorwärtsdrängend stand nur die
andere Sinnverbindung im Blickpunkt des Bewußtseins: „Geht schneller
vor, geht schneller vor, geht immer, immer schneller vor, vor, vor,
vor!“ Und war man auch vom letzten Sprung noch atemlos, dieser
Ruf stachelte an und peitschte alle vorwärts, bis nach ungeheuern
Anstrengungen und Opfern die Stellung der Russen unser war.

Dieses Verbindungenschlagen der geistigen Elemente untereinander
bezeichnet man, wenn es von selbst geschieht, als +Assoziation+
(~socius~ [lat.] = der Genosse, der Gesellschafter).

Es wird Zeit, daß wir auch in der Wissenschaft den fremden
Sprachplunder loswerden: Vorstellungsverbindung ist für die Zunge
nicht leicht genug. Das lange Wort mehrere hundertmal in einem Buche
gebraucht, kostet Zeit, Lohn, Papier usw. Also: +Vorstellbindung+ kann
nicht mißverstanden werden.

Diese Bindungen verglich man früher mit einer Kette, bei der die
Einzelvorstellungen, den Gliedern einer Kette gleich, aneinander
gereiht sind. Jetzt veranschaulicht man das Wesen dieser nicht
einseitigen, sondern vielseitigen, fast allseitigen Bindungen besser
als ein weitverzweigtes Geflecht, als ein vielseitig brauchbares Netz.

+Arten der niederen geistigen Verbindungen+ (Assoziationen).

1. Wenn wir auf der Orgel einen Ton erzeugen, glauben wir, +einen+
Ton zu vernehmen. Wir sind sehr erstaunt, wenn wir mit Hilfe der
Helmholtzschen Schallverstärker erkennen, daß dieser +eine+ Ton sich
aus einem Grundton und einer ganzen Menge von Obertönen zusammensetzt,
die jenem die Klangfärbung geben. So innig haben sie sich verbunden,
daß wir die Obertöne fast nie heraushören. Wenn sich Metalle zu einer
Legierung verbinden, verschmelzen sie. Wir reden hier von einer
vollkommenen +Verschmelzung+ und erblicken darin eine Art der niederen
Bindungen. Die Haupttöne eines Akkordes verschmelzen ziemlich innig,
z. B. bilden in dem Vierklang ~c~ ~e~ ~g~ ~c´~ die Klänge ~c~ und ~c´~
eine nahezu vollkommene, ~c~ und ~g~, ~c~ und ~e~ aber unvollkommene
Verschmelzungen. Noch unvollkommener verschmelzen ~c~-~es~. Darum ist
ein Mehrklang immerhin eine Verschmelzung, aber eine lose.

Fast jeder Geschmack außer den einfachen Empfindungen: süß,
sauer, bitter, salzig, ist eine Verschmelzung der Geruchs- und
Geschmacksempfindungen. Wenn wir jemand bitten, sich die Nase
zuzuhalten, und geben ihm kleine Zwiebelstückchen in Würfelform zu
kauen oder streichen ihm die schönste Vanillentunke auf die Zunge, so
kann er nicht angeben, was er im Munde hat. Erst wenn er die Hand von
der Nase wegnimmt, +riecht+ er, was wir ihm gaben. Er sagt aber sicher:
„Jetzt +schmecke+ ich, daß es Zwiebel (Vanille) ist.“

Unsere räumlichen Gesichtsvorstellungen sind Verschmelzungen
der Netzhautempfindungen mit jenen äußerst feinen, die Stellung
und Bewegungen des Auges begleitenden Muskelempfindungen (vgl.
Praktische Gedächtnispflege S. 40-42). Doch nicht nur Empfindungen
verschmelzen untereinander, auch Empfindungen mit Gefühlen und
Gefühle untereinander. Von den vielen tausend Möglichkeiten wollen
wir ein echtes Beispiel herausgreifen, das sog. +Gemeingefühl+. Es
ist eine innige Verschmelzung hauptsächlich der sinnlichen Gefühle,
die an die Spannungs- und Bewegungsempfindungen der Muskeln und an
die Empfindungen der inneren Schleimhäute, besonders des Magens,
geknüpft sind. Darauf beruht also unser Gesamtbefinden, die Frische
und Lebendigkeit, die uns beseelt, oder die allgemeine Unlust und
Mattigkeit, die uns mitunter beherrscht.

2. Eine neue, die Verschmelzung ergänzende Form der Vorstellbindungen
lernen wir kennen, wenn wir das folgende Bildchen (Abb. 6) aufmerksam
betrachten: Ganz deutlich sehen wir, wie sich das vorderste Kind
herumdreht, das dritte Mädchen, mit zwei Zöpfen, nach oben schaut. So
meisterhaft hat der Künstler die weißen Fleckchen angebracht, daß die
Personen des Bildes stellenweise geradezu körperlich heraustreten.

[Illustration: Abb. 6. Die umbildende Angleichung beim Betrachten von
Bildern.

(Aus Neue Bahnen, 1906.)]

Diese prächtige Gelegenheit, unsere seelische Tätigkeit bei einer
Bildbetrachtung zu zergliedern, wollen wir nicht ungenutzt vorübergehen
lassen. Wollen wir zunächst mit schwarzem oder geschwärztem Papier
alle weißen Kleckse, die Lampen darstellen, zudecken! Dann nehmen wir
ein Stück Papier zur Hand! Damit decken wir zunächst die obere Hälfte
des Bildchens zu, so daß der unterste Rand des Papierstreifens in
der Richtung der Linie ~a~--~a~ liegt. Wie? diese länglichen weißen
Spritzer haben wir als Kinderkörper gedeutet?

Nun decke man die untere Hälfte des Bildes zu, daß der Streifenrand in
der Richtung ~b~-~b~ liegt! Mit Ausnahme des zweiten Kindes von links
werden wir kaum in jenen Flecken Köpfe vermuten. (Überzeugen!!)

Wie können diese unverständlichen Lichtflecke und -linien von uns
zu einem so „sprechenden“ Bilde gedeutet werden? -- +Wir+ sind es,
die eine Deutung ins Bild hineintragen, +wir+ geben unglaublich viel
alte Vorstellungselemente von Kindern, Laternen usw. an den neuen,
an sich gänzlich unvollständigen, feinberechnet unvollständigen
Eindruck ab. Der neue, ganz und gar lückenhafte Eindruck wird im
Nu ergänzt durch früher erworbene entsprechende Vorstellungen aus
dem Gesichtsgedächtnisschatze. +So+ wird der Eindruck „aufgefaßt“,
„verstanden“. Wenn der Künstler die weißen Flecke nicht so geschickt
angebracht hätte, so wären aus unserem Gedächtnis keine unbewußt
ergänzenden Vorstellungselemente hinzugetreten, würde uns das Bildchen
„unverständlich“ bleiben -- wir wüßten „nichts mit ihm anzufangen“.
Dieses gleichzeitige Zusammenfließen alter und neuer Vorstellungen wird
als +Assimilation+, als +umbildende Angleichung+, bezeichnet.

Alle Bild- und Gemäldebetrachtungen sind umbildende Angleichungen. Doch
nicht nur sie, auch alle Auffassungen von Dingen, die wir wiederholt
sehen. Angenommen, wir sehen einen wirklichen Fackelzug der Kleinen.
Wie unendlich lange Zeit würden wir wohl brauchen, um die ungeheure
Fülle von Einzelempfindungen, die gewaltige Flut von Gefühlen und
ihren Verbindungen, wirklich alle aufzufassen! So greift unsere
Aufmerksamkeit aus der Fülle von Eindrücken nur einige wenige Züge
heraus (Kinder, Fackeln, Laternen). Wir haben gar nicht die Zeit, alle
Einzelheiten aufzufassen. Aus früheren Vorstellungen wird so schnell,
daß wir es gar nicht merken, alles Fehlende ergänzt.

Auf diese Weise wird die Auffassung aller Eindrücke
wesentlich beschleunigt, weil unser Bewußtsein natürlich mit
Erinnerungsvorstellungen viel schneller arbeiten kann, als wenn
eine Zergliederung der gesamten Flut von Eindrücken erfolgen müßte.
Wir erinnern uns daran, daß unser Bewußtsein nur 6 Einheiten
gleichzeitig aufnehmen kann. Wem das als ein Mangel erscheint, der
wolle ja bedenken, daß ohne diese wundervolle Angleichung und ohne
jene Bewußtseinsenge die Eindrücke unserer Umgebung das Bewußtsein
erdrücken oder wir so fassungslos dastehen würden wie ein Blinder, der
plötzlich sehend wird.

Genau der gleiche Fall liegt vor beim Übersehen von Druckfehlern. Unser
Lesen ist infolge der Übung so geschwind, daß wir nicht mehr Buchstaben
an Buchstaben reihen, sondern wir überfliegen ganze Wörter. Kaum ist
das Wortbild flüchtig erfaßt, sofort kommt aus dem Erinnerungsschatze
das ganze Wort und die richtige Wortbedeutung ins Bewußtsein. Wir
+übersehen+ also eigentlich +nicht nur+ den Fehler, wir tun noch
viel mehr, +wir setzen+ unbewußt infolge des lebendigen, sofort
sprungbereiten Vorstellungsschatzes das +richtige Wort an Stelle des
falschen+.

Beim Sprechen, besonders beim schnellen, werden ganze Silben
verschluckt, ganze Wörter arg verstümmelt, und doch hören wir
sie richtig. Sofort, wenn solche unvollständige Klanggebilde ins
Bewußtsein treten, taucht das vollständige Wort aus dem Gedächtnis
ergänzend auf, verbindet sich mit dem neuen Klanggebilde, und die
Wortbedeutungsvorstellung tritt dann auch noch aus dem Gedächtnis ins
Bewußtsein. So verstehen wir. Wie unvollständig unser sprachliches
Hören meist ist, merken wir erst, wenn wir uns einmal verhören. Wir
glauben ein Wort bestimmt gehört zu haben, während es nachweislich
gar nicht gefallen ist. +Aus unserm Gedächtnis+ stammt das Wort mit
Wortbedeutung. +So mächtig treten alte Vorstellungen auf, daß sie jene
unklare Schallempfindung vollkommen in den Schatten stellen und uns
selbst weismachen, es sei der neue Eindruck.+

Diese Umbildungsvorgänge machen uns um eine wichtige Entdeckung
reicher. Sie zeigen uns, +wie unglaublich viel Altes, Gedächtnismäßiges
wir in unsere Erlebnisse hineintragen+. Alles Erkennen und
Wiedererkennen sind Umbildungen, wobei von den betreffenden alten
Vorstellungen meist ein gemengter Knäuel von Erinnerungsresten rege
wird.

Uns fällt das Sprichwort ein: „Irren ist menschlich!“ Das hat uns die
Erfahrung schon oft gezeigt. Wie tief dieses Irren aber schon in den
einfachsten Erinnerungsvorgängen begründet ist, hatten wir doch nicht
vermutet. Ist doch insofern alle menschliche Auffassung ein Irren!! So
erklären sich schon manche Mängel der Zeugenaussage. Vgl. S. 50-55.

Jetzt beginnen wir zu ahnen, von welch gewaltiger Bedeutung die
Forderung ist: „Mehr Arbeit der Sinne!“ (S. 50.) Es leuchtet doch
ein, daß nur dann eine neu auftretenden Reizen entsprechende
Auffassung erfolgen kann, wenn wir früher +peinlich genau ähnliche
Dinge aufmerksam zergliedernd auffaßten+ und so einen reichen Schatz
möglichst vollständiger und richtiger Vorstellungen erwarben.

3. Es sind aber auch Vorstellbindungen verschiedener Sinnesgebiete
möglich. Freilich besteht zwischen den einzelnen Sinnen eine
Scheidewand, so daß ein ununterscheidbares Zusammenfließen wie bei der
vollkommenen Verschmelzung nicht stattfinden kann. Aber doch knüpfen
sich auch hier zarte Bande, die allerdings etwas loser sind als die
Verbindungen des gleichen Sinnesgebiets, aber doch noch als feste
Bindungen angesprochen werden müssen. Es sind die „+Komplikationen+“
(ich schlage dafür vor „mehrsinnliche Bindungen“). Wenn wir einen
Borsdorfer Apfel sehen, und es läuft uns das Wasser im Munde
zusammen, so ist das nur möglich, weil die Gesichtsvorstellung vom
Borsdorfer Apfel mit der Geschmacksvorstellung früher eine Bindung
eingegangen ist, so daß jetzt sofort die Speicheldrüsen abzusondern
beginnen. Ein starker Donner weckt in unserm Bewußtsein gleichzeitig
vielleicht das Gesichtsbild eines Feldgeschützes oder Mörsers infolge
der Gehör-Gesichtsbindung. Beim stillen Lesen können viele an sich
beobachten, wie sie leise Sprechbewegungen ausführen. (Siehe später
Inaudi! S. 57.) Eine Übersicht würde uns also bieten:

              Vorstellbindungen (Assoziationen)

       eines Sinnesgebietes,            verschiedener Sinnesgebiete
                / \                                    |
               /   \                                   |
  Verschmelzung     Angleichung            vielsinnliche Bindung
                   (Assimilation)             (Komplikation)

Endlich gibt es auch Bindungen, die nicht in einer für die Beobachtung
unteilbaren Tat (simultan) vor sich gehen, sondern wo infolge
Verzögerung deutlich zwei Teile nachzuweisen sind. Diese verzögerte
(sukzessive) Vereinigung +beruht+ sonst +auf den gleichen allgemeinen
Ursachen+ und hat +dieselben Eigenschaften+ zweier gleichzeitiger
Bindungen, der umbildenden Angleichung und der mehrsinnlichen
Bindung. Sie ist der Beobachtung leicht zugänglich; denn alles, was
uns von selbst einfällt, wenn wir uns ganz willenlos dem Spiel der
Gedanken hingeben, ist verzögerte Bindung. +Das gesamte Erinnern,
sämtliche Gedächtnisvorgänge sind nacheinander ins Bewußtsein tretende
Vorstellbindungen.+ Scheinbar von selbst folgt einer Vorstellung dann
eine ganze Menge anderer. Wir wissen aber, daß +dieses Folgen nur auf
Grund von Verbindungen+ möglich ist. Deshalb verweisen wir andauernd
auf frühere oder spätere Stellen, damit jeder beim zweiten Lesen
möglichst viele Brücken schlägt.

Wirkt aber bei den geistigen Verbindungen der Wille mit und
unterscheiden wir deutlich Gefühle der Spannung, der Tätigkeit
dabei, so entstehen nach Wundt Apperzeptionen, die unmittelbar
unter der Mitwirkung der Aufmerksamkeit zustande kommen. Denken,
Überlegen, Einbildungskraft und Verstandestätigkeit sind (nach Wundt)
+solche+ Verbindungen. Durch sie nur sind dann solche weitgespannten
Zusammenhänge und Überblicke (Synthesen), solche tiefeindringenden
Zergliederungen (Analysen) möglich, wie wir sie bei den Größen des
Geistes bewundern.

Für Apperzeption, wie sie Wundt auffaßt, haben wir zahlreiche deutsche
Wörter: denken, beziehen, überlegen, zergliedern, verknüpfen,
verketten usw. Durch sie entstehen +die höheren, den Menschen vor der
Tierwelt auszeichnenden Gedächtnisverknüpfungen+. Von diesen höheren
Verbindungen läßt Goethe den Teufel bewundernd sprechen:

    „Es ist mit der Gedankenfabrik,
    Wie mit einem Webermeisterstück,
    Wo ein Tritt tausend Fäden regt,
    Die Schifflein herüber, hinüber schießen,
    Die Fäden ungesehen fließen,
    Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.“


  [4] Wie derartige Reize zustande kommen und wie sie von den
  Sinnesnerven fortgeleitet werden, um als Empfindungen in unser
  Bewußtsein zu treten, zeigen die beiden ersten Abbildungen. Unser
  Finger berührt einen heißen Gegenstand oder verletzt sich an einer
  Nadel; sofort wird der Finger auch schon zurückgezogen, ohne daß
  unser Wille daran beteiligt ist. Das geht so zu: Der heftige Reiz
  (Hitze, Stichverletzung) erregt eine Empfindungs-Nervenzelle, ein
  Sinneskörperchen, von denen Hunderte und Tausende auf Fingern,
  Lippen und anderen empfindlichen Stellen verteilt sind (Abb. 1).
  Jedes dieser Sinneskörperchen, die nur einige Tausendstel-Millimeter
  messen, ist von einer feinen Nervenfaser umstrickt, die sofort den
  Reiz bis zum Hinterhorn des Rückenmarks leitet. Dort löst er eine so
  starke Erregung aus, daß sie nach dem Vorderhorn zu (motorischen)
  Bewegungs-Nervenzellen überstrahlt und dort auch Erregung verursacht.
  Sie teilt sich der Bewegungsnervenfaser mit, die den dazugehörigen
  Muskel zusammenzieht und den Finger von der gefährdeten Stelle
  entfernt. Der Zuckungsbogen ist geschlossen, wir haben eine
  unwillkürliche Bewegung, eine Reflexbewegung, gemacht, an der unser
  Gehirn vorderhand gar keinen Anteil genommen hat.

  Wesentlich zusammengesetzter werden die Vorgänge, wenn wir uns
  im Dunkeln tastend bewegen. Dann genügt nicht die einfache
  Zuckungsbewegung zum Schutz des bedrohten Gliedes. Dann springt die
  Erregung nicht sofort vom Hinter- zum Vorderhorn, sondern steigt erst
  im Hinterhorn aufwärts ins Großhirn. Verschiedene Hirnstellen sind
  daran beteiligt (Abb. 2). Die an dieser Stelle als Schmerz, Druck,
  Kälte oder Wärme in unser Bewußtsein tretende Empfindung wird unter
  Hinzutritt des Willens zu einem Bewegungsantrieb umgearbeitet, der
  von der Bewegungszone im Gehirn zum Muskel abwärts geleitet wird, das
  bedrohte Glied mit bewußter Absicht zu bewegen.

  [5] Bloße Aufnahme.

  [6] Erfassung.

  [7] Solcher „Schnellseher“ gibt es mancherlei Arten. Bei den einen
  fällt eine Platte mit viereckiger Öffnung herab, durch die der Blick
  Bruchteile von Sekunden lang auf bestimmte Ziele freigegeben wird.
  Oder es schwingt vor den Augen eine Fläche mit einem Schlitz hin und
  her, durch den Zeichen oder Gegenstände auf ganz kurze, bestimmbare
  Zeit betrachtet werden (Abb. 3).

  [8] D. h. nach dem Taktmesser (Metronom) von Mälzel gemessen.

  [9] Wie sich Puls und Atmung bei jenen drei Gefühlsrichtungen
  gestalten, ist bei Wundt, Grundzüge der Physiologisch. Psychologie,
  II. Band, 6. Aufl., S. 304-309, zu ersehen. Es sind ähnliche Puls-
  und Atemlinien, wie wir eine auf Seite 69 bringen.




IV. Ein kurzer Ausflug in die Werkstatt unseres Geistes.


Es ist natürlich, daß unser Gehirn (Abb. 7 und 8), diese wunderbare
Gedankenfabrik, die Forscher besonders anzog, daß es ebenso wie das der
Tiere mit allen möglichen Verfahren bis zu seinen Zellen mikroskopisch
gründlich durchforscht wurde. Im Jahre 1887 schon erschien ein
Verzeichnis von 341 Arbeiten über Nervenfasern und Ganglienzellen.[10]
Allein 1895 bis 1908 wurden gegen 1500 Arbeiten nur über die Bauart der
Gehirnzellen veröffentlicht.

[Illustration: Abb. 7. Das menschliche Gehirn von oben.]

Ein Schnitt durch das Gehirn zeigt uns, daß die rötlichgraue
Oberfläche, die „graue Substanz“, das „Rindengrau“, nur einen dünnen
Überzug von wenigen Millimetern Dicke bildet. Was darunter liegt, sieht
weiß aus und besteht aus ungezählten Millionen von markhaltigen Fasern,
Nervenleitungen, die wir als Mark bezeichnen (Abb. 11).

Wenn wir nach einem Vergleiche suchen, der uns den Zweck dieser
Einrichtung verständlich macht, so eignet sich dazu das Bild einer
elektrischen Kraftanlage recht gut. Die Dynamomaschine als Kraftwerk
versorgt die Leitung, ein weit gespanntes Drahtnetz, mit Kraft und
Licht. Das Rindengrau würde als Kraftstelle, die ungeheuren Mengen von
Markfasern als das ganz verschlungene Leitungsnetz zu bezeichnen sein;
denn mehrere Millionen solcher Nervenleitungen verbinden die einzelnen
Teile des Gehirns und ihre Oberflächenzellen untereinander.

[Illustration: Abb. 8. Das menschliche Gehirn von unten.]

Außerdem ziehen ganze Faserzüge von einer Hirnhälfte zur andern. „Der
größte Teil des menschlichen Großhirnmarkes besteht also tatsächlich
aus nichts anderem als aus Millionen wohlabgedichteter, insgesamt
Tausende von Kilometern messender Leitungen, die die Sinneszonen
untereinander, die Sinnesbezirke mit den geistigen Bezirken und diese
wieder untereinander verknüpfen; -- und nur aus dieser Mechanik ergibt
sich die Einheitlichkeit der Großhirnleistungen.“ (Flechsig.)

[Illustration: Abb. 9. Isolierte Ganglienzelle. Nach Ramon y Cajal.
(Aus Pfeiffer, Menschliches Gehirn.)

~N~ Neurit (Nervenfaser); alle übrigen Ausläufer sind Dendriten
(baumartig verästelte Ausläufer des Zellinhalts).]

Das ganze Gehirn ist nun in kleinere oder größere Arbeitsgebiete
eingeteilt. Das +Kleinhirn+ ist durch Nervenleitungen mit allen
Gelenken, Sehnen, Muskeln, auch mit den drei Bogengängen des Labyrinths
im Ohr, verbunden. Darum empfinden wir mit seiner Hilfe fortwährend
jede Lageveränderung der beweglichen Körperteile und sind stets über
die Lage unseres Körpers genügend unterrichtet.

[Illustration: Abb. 10. Einzelne Zellen und Faserverbindungen aus
der vorderen Zentralwindung des Menschen. Nach Ramon y Cajal. (Aus
Pfeiffer, Menschliches Gehirn.)

~A~ Große Pyramidenzellen mit nach oben gerichteten Dendriten und
nach abwärts gerichtetem Neurit. -- ~B~ Schaltzellen, vielleicht
Mittelglieder von Assoziationsfasern. -- ~D~ Endverzweigungen aufwärts
gerichteter Neuriten.]

Um die Bedeutung des +Mittel-+ und +Zwischenhirns+ zu ermitteln,
versuchte man, bei Säugetieren das Großhirn zu entfernen, was nach
mühevollen Versuchen endlich Goltz, dem Straßburger Anatomen, bei
einem Hunde gelang. Das Tier, das also nur noch Kleinhirn und Mittel-
und Zwischenhirn besaß, blieb noch 18 Monate am Leben, und man
konnte an ihm beobachten, daß auch ein großhirnloses Säugetier nicht
ohne seelische Regungen ist. Zwar war der Hund blödsinnig geworden,
hatte die Fähigkeit zur richtigen Auslegung des Empfundenen und das
Gedächtnis verloren und vermochte die Nahrung nicht selbst zu suchen.
Doch konnte er sich ohne Unterstützung aufrichten, stehen und sogar
aufrecht gehen. War er auf glattem Boden hingefallen, so richtete
er sich von selbst wieder auf. Aus folgendem Versuch schließt der
Nichtfachmann vielleicht gar auf erste Anfänge eines Denkens ohne
Großhirn. Man ließ ihn zwischen lange Bretter. Er lief bis zum Ende, wo
die Zimmerwand ihm den Weg versperrte. Umdrehen konnte er sich in der
Enge nicht, so versuchte er lange, sich an der Wand emporzurichten und
das Hindernis zu überwinden. Nach vielen fruchtlosen Anstrengungen fing
er langsam an, rückwärts zu gehen, und war nach einer Viertelstunde (!)
erst wieder aus den Brettern heraus.

Ob man, wie Wundt, auf ein ganz leises Dämmern von Bewußtsein daraus
schließen darf? Oder war es nur bei dem Tiere ein etwas unheimliches
Gefühl vor dem unüberwindlichen Hindernis, das ein Zurückweichen
hervorrief, und dann ein zwangsläufiges Weiterpendeln, nachdem das
Rückwärtsgehen einmal eingeleitet war? Selbstverständlich fehlte seinem
Gehen Zweck und Ziel. Sinnestätigkeit war beschränkt vorhanden, denn er
war nicht blind, nicht taub, nicht stumm, hatte Geschmack und Gefühl.

[Illustration: Abb. 11. Frontalschnitt durch die rechte
Großhirnhalbkugel des Menschen. (Nach Dr. C. Heitzmann.)

~Stl~ Stirnlappen. ~Schl~ Schläfenlappen. ~Sw~ weiße Substanz. ~Sg~
graue Substanz. ~Ba~ Balken. ~Sth~, ~Lk~ u. ~Vm~ innere Anhäufungen
grauer Substanzen. ~Ki~ innere Kapsel. ~Vr~ rechte Hirnkammer.]

Aber die Triebe machten sich noch mit starker Wucht und Selbständigkeit
geltend. Hatte er kein Futter, so lief er hungrig und sehr lebhaft
umher. Nach dem Fressen trat sofort Ruhe ein, und es überfiel ihn ein
ruhiger, anscheinend traumloser Schlaf, bis Nahrungsmangel oder starke
innere oder äußere Reize sein Bewußtsein von neuem aufstachelten.
Die körperlichen Bedürfnisse wirken also sogar noch bei völligem
Großhirnmangel treibend (Trieb!) und setzen alle Glieder in Bewegung,
die der unmittelbaren Befriedigung der körperlichen Bedürfnisse dienen.

Nach Goltz und Flechsig gleicht nun das +neugeborene Kind+ --
besonders aber eine Frühgeburt, da sie mit einem fast ganz unreifen,
des Nervenmarks fast völlig entbehrenden Großhirn zur Welt kommt --
einem großhirnlosen Wesen. Schon vom ersten Atemzuge an wirken die
Triebe mächtig. Schreiend fordert das junge Leben die Befriedigung
seiner Bedürfnisse. Sind sie befriedigt, schwinden die Zeichen
von Bewußtsein, es schläft. Noch lange zeigt sich die Herrschaft
der Triebe, nach deren Befriedigung fast ausschließlich die Sinne
verlangen. Idioten, deren Großhirn sich nicht ausbildete, bleiben auf
dieser Entwicklungsstufe stehen. Wir ersehen daraus, daß +ein gesundes,
voll entwickeltes Großhirn nötig ist, um die Triebe zu beherrschen und
überhaupt zu höheren geistigen Leistungen zu gelangen+.

[Illustration: Abb. 12. Innen(Median-)seite der linken
Großhirnhalbkugel des erwachsenen menschlichen Gehirns in ½ natürl.
Größe. Rechts Stirn, links Hinterhaupt. Das verlängerte Mark mit
dem Kleinhirn bei ~h~ (Hirnschenkel) abgetrennt. ~a~ empfindende,
~b~ bewegende Zentren, ~B~ Balken, ~S~ Sehhügel. (Aus Pfeiffer, Das
menschliche Gehirn.)]

Wir wenden uns nun den größeren und kleineren Arbeitsgebieten der
Großhirnrinde zu, wie sie auf unserem farbigen Umschlagsbild,[11]
das nach Pfeiffer hergestellt wurde, und auf der Abbildung 12 zu
sehen sind. Über die Abgrenzung der +Sinneszonen+ sind die Forscher
einig. Von den Sinnesorganen lassen sich die Nervenleitungen sowohl
anatomisch als auch entwicklungsgeschichtlich bis zur Rinde verfolgen.

Der Hinterhauptslappen enthält den Sehbezirk. Wir „sehen“ mit dem
Hinterhauptsteil des Großhirns. Der Schläfenteil enthält die Hörzone.
In Teilen der untern Großhirnfläche (in der Seepferdchenwindung, ~gyrus
hippocampi~) liegen Geruch und Geschmack (s. Abb. 12). Aber ganz einig
ist man sich noch nicht. Entwicklungsgeschichtliche Betrachtungen
verlegen beide Sinne mehr an den Balken und über ihn. Wenn auch bei
Tast- und Körpergefühlsempfindungen die niedern nervösen Organe
(Rückenmark, verlängertes Mark, Kleinhirn, Mittel- und Zwischenhirn)
eine große Bedeutung haben, spielt dabei doch auch die hintere
Zentralwindung eine ganz +bedeutende Rolle+.

Bewegungen sind das Ergebnis einer gemeinsamen Betätigung mehrerer
Bezirke des gesamten Gehirns und Rückenmarks. Die vordere
Zentralwindung des Großhirns gilt aber als engere Bewegungszone, weil
sie eine Menge Punkte enthält, die nach Öffnung des Schädels und
Reizung mit elektrischem Strom Arbeiten bestimmter Muskeln auslösen.

Nun bleibt aber noch ein großer Teil der Hirnrinde (nach Flechsig
reichlich zwei Drittel) frei, wohin keine Nervenfasern von den
Sinnesorganen verlaufen, und von wo sich auch keine Verbindung zu
Muskeln nachweisen läßt.

Es liegt nahe, dorthin die Vorstellungs- und Gedankenverknüpfung (die
Assoziations- und Apperzeptionstätigkeit) zu verlegen. So unterscheidet
Flechsig auf Grund entwicklungsgeschichtlicher und reicher praktischer
Erfahrung als Irrenarzt drei große Assoziationszonen, die aber noch
nicht allgemein als solche anerkannt werden, gegen die sich sogar
schärfster Widerspruch erhebt.

Die Mehrzahl der Forscher neigt nämlich zu der Annahme, daß die
verbindende und verknüpfende Fähigkeit unseres Geistes nicht von genau
zu umgrenzenden Zonen (Assoziationsherden) abhängt, sondern daß bei
solchen Vorgängen größere oder geringere Teile der gesamten Hirnrinde
mitarbeiten. Dieser Meinung ist z. B. Wundt.

Aber auch Flechsig behauptet nicht, daß die von ihm angegebenen
Stellen des Gehirns unabhängig von andern arbeiten können. Er
meint auch, daß wir Vorstellungen in tausend-, hunderttausend- und
millionenzellige mit Rücksicht auf die dabei in Tätigkeit tretenden
nervösen Elemente einteilen können. Wenn wir etwa das Wort Honig
+schreiben+, so wird dem +Schreib+bezirk eine gewisse Führerschaft
zukommen, aber es muß doch erst in einer andern Zone ein +Vorstellen+
des Wortes Honig stattfinden. Da wir häufig während des Schreibens
leise Sprechbewegungen vollziehen, die, durch Hebelvorrichtungen
aufgezeichnet, sich nachweisen lassen, also auch deutlich oder
undeutlich der Klang des Wortes im Bewußtsein anklingt, müssen
jedenfalls auch die Sprech- und Hörzone mitarbeiten, ebenso die
Sehzone; denn jedes Wort wird ja auch gesehen, meist sogar noch
prüfend überflogen. Außerdem schreiben wir das Wort nicht geistlos
hin, wir sind uns über seine Bedeutung klar. Dann arbeitet die
Wortbedeutungszone mit. Dazu denken wir vielleicht an die gelbe Farbe
des Honigs, die Vorstellung vom süßen Geschmack läßt uns das Wasser im
Munde zusammenlaufen (Geschmacksbezirk). Denken wir nun noch an seinen
Urheber, an die summende Biene (Gehör-Gesicht), an seinen Ursprung, den
Blütenkelch, usw., so ist als sicher anzunehmen, daß bei diesem doch
immerhin einfachen seelischen Erlebnis beinahe die ganze Gehirnrinde
mitarbeitet.

In der Schläfengegend liegt die sogenannte Insel. Tiefe Erkrankungen
der +linken+ Insel führen bei +Rechts+händern meist zu starken
Sprachstörungen. Nach Flechsig ist sie schon durch ihre Lage und ihre
Nervenverbindungen dazu berufen, besonders in der linken Gehirnhälfte
die zerstreuten Bezirke der Sprache einheitlich zusammenzufassen. Aber
schon gegen die Abgrenzung der Wortseh- (Lesen), Worthör-, Sprech- und
Schreibbezirke hat sich starker Widerspruch bemerkbar gemacht. Daran
ist allerdings nicht zu zweifeln, daß es diese 4 Bezirke gibt, daß die
4 verschiedenen Äußerungen der Sprache: Lesen, Worthören, Sprechen
und Schreiben nicht einheitlich an +einem+ Orte untergebracht sind.
Das zeigen die Störungen bei Sprachlähmungen (Aphasie). Nur ob diese
Bezirke einen +besonderen+ Platz +neben+ den Sinneszonen haben oder ob
sie nicht vielmehr in den linken Sinneszonen mit +drinstecken+, das ist
die Streitfrage.

1911 ist Nießl von Mayendorf in seiner großen Sonderarbeit „Die
aphasischen Symptome und ihre kortikale (auf der Hirnrinde)
Lokalisation“ auf Grund vieler Tatsachen zu der Überzeugung gelangt,
daß die bisherige Abgrenzung der Sprachzonen nicht haltbar ist. Sie
seien +in die Sinnes+zonen zu verlegen.

Auf unserer Titelblattabbildung ist noch der von Dejerine vermutete
Lesebezirk angegeben. Allein es gibt eine ganze Reihe Fälle, wo die
graue Rinde (und nur in der grauen Rinde können Erinnerungen haften,
nur sie hat Nervenzellen, die weißen Markfasern darunter sind nur
Leitungsbahnen für die Erregungen der Rinde oder der Sinneswerkzeuge)
dieser Gegend zerstört war durch Erweichungen oder gelähmt durch
Blutergüsse -- und die Kranken fröhlich weiterlasen. Nur wenn die
linken Leitungsbahnen zur Stelle schärfsten Sehens, oder dieser
linke Hirnbezirk schärfsten Sehens selbst zerstört war, dann war
Leseblindheit +immer+ vorhanden.

Nießl von Mayendorf hat weiter gezeigt, daß die Brocasche Sprechstörung
von Erkrankungen der unteren linken vorderen Zentralwindung verursacht
wird. Von dort gehen auch die sonstigen Bewegungsantriebe zu Zunge,
Lippen, Schlund, Kehlkopf aus. Wiederum liegt die Sprechzone +im
Sinnesgebiet+ (und nicht außerhalb, nicht in der linken dritten
Stirnwindung).

Für das Worthören (Wernicke) sollen auch nur die beiden
Schläfenquerwindungen in Betracht kommen.

Die zweite große Hirnzone für geistiges Verknüpfen ist nach Flechsig
das Stirnhirn, das sich beim Menschen durch eine besonders starke
Entwicklung auszeichnet, wie auch bei den Tieren die geistige
Entwicklung mit der Ausbildung des Vorderhirns gleichen Schritt
hält. Kleinere anatomische Eingriffe oder Verletzungen bleiben
in den höheren Teilen meist ohne nachweisbare Schädigung, d. h.
es stellt sich keine Lähmung von Gliedmaßen ein, auch die Sinne
arbeiten wie sonst. Es erfolgt auch keine merkliche Störung des
Geisteslebens, vielleicht deshalb, weil gerade dort die große
Vielseitigkeit der Faserverbindungen den angrenzenden Hirnteilen
ermöglicht, stellvertretend für die verletzte Stelle zu wirken. Größere
Verletzungen allerdings haben eine Abnahme des Gedächtnisses zur Folge,
auch geringere, in gewissen Fällen sogar gänzliche Willenlosigkeit.

Neben Wundt und Flechsig nehmen auch andere Forscher an, daß
das Stirnhirn eine große Bedeutung für die Aufmerksamkeits- und
Lernvorgänge und den Willen hat. Und da alle Willenshandlungen
von Gefühlen begleitet sind -- Wundt bezeichnet ja sogar die
Willenshandlung als einen zusammengesetzten Gefühlsprozeß --, wird das
Stirnhirn wohl bedeutungsvoll für Gefühle sein.

Infolge reicher, ja verschwenderischer Ausstattung mit Leitungsfasern
bis in die entlegensten Teile der Hirnrinde sei der Anteil des
Stirnlappens an der Ausbildung des +Bewußtseins+ sehr groß. Hier
können Erregungen sämtlicher Sinnes-, Bewegungs- und Vorstellungszonen
zusammentreffen. Bei Störungen in diesem Teil finden sich denn auch
Beeinträchtigungen des Bewußtseins, die sich beim Affen auch durch
wissenschaftliche Versuche nachweisen lassen. Da außerdem Erkrankungen
des Stirnlappens zu Veränderungen des Bewußtseins, zur Entstehung von
Größenwahn oder Selbstvernichtungswahn führen können, soll dieser Teil
des Hirns wichtig sein für den Begriff der eigenen Persönlichkeit, für
die Vorstellung vom Ich.

Demgegenüber macht Nießl von Mayendorf geltend, daß fast jede
Verletzung des Gehirns die Menschen zu Neurasthenikern macht, daß also
Abnahme von Aufmerksamkeit und Gedächtnis eintritt. Das sei kein Grund,
Aufmerksamkeit, Bewußtsein, Gefühl und Willen gerade dorthin verlegen
zu wollen.

Eine dritte große Verknüpfungszone, gegen die sich allerdings viel
Widerspruch erhebt, nimmt Flechsig im hintern Scheitelhirn an (s.
Umschlagbild und Abb. 12). Was er sich als deren Aufgabe denkt,
wird uns in folgenden zwei Beispielen klar werden. Newton sah
einen Apfel vom Baume fallen. Dieser einfache Vorgang gab ihm den
Anstoß, das Gesetz der Schwere zu entwickeln. Galileis Pendelgesetze
haben ihre erste Ursache in einer vom Winde hin und her bewegten
Kirchenampel. Von wieviel Millionen Menschen sind schon fallende
Äpfel oder vom Winde bewegte Gegenstände gesehen worden -- und ihnen
fiel dabei gar nichts ein! Diese Fähigkeit, daß bei gewöhnlichen
Dingen ungewohnte, außerordentliche Gedanken auftauchen, die sich im
Kopfe des Schöpfergeistes zu einem ganzen Gebäude der prächtigsten
Gedankenverbindungen auswachsen, verlegt Flechsig in das hintere
Scheitelhirn. Tatsächlich zeigen solche Schöpfer der großen
geistigen Zusammenhänge, eine starke Entwicklung ihres Schädels in
der Scheitelgegend, so der Mathematiker Gauß, die Tonmeister Bach,
Beethoven, Richard Wagner, der Philosoph Kant und Naturwissenschafter,
wie Darwin und Liebig.

Andere Forscher sind vorsichtiger. So möchte Nießl von Mayendorf über
die übrige Hirnrinde außer den Sinneszonen nur so viel sagen, daß sie
wahrscheinlich nichts mit Wahrnehmungen, Erinnerungen, Gedächtnis
zu tun haben, sondern daß die Ernährungszustände der Hirnrinde als
Gefühle das einzige sind, was von den dort sich abspielenden Vorgängen
zu Bewußtsein kommt.

Wir müssen abwarten, wie die Verarbeitung der Kriegshirnverletzungen
die Ansichten klären wird.

Die leitenden Markfasern entwickeln sich größtenteils erst nach der
Geburt und gehen wohl erst um die Zeit der Geschlechtsreife der vollen
Reife entgegen. Außerdem ist anzunehmen, daß der Mensch, solange sich
noch neue Markfasern, also Nervenleitungsbahnen, im Gehirn bilden,
neuer geistiger Erwerbungen fähig ist. Denn weil alle körperlichen
Glieder durch Übung stärker werden, besonders eine Zunahme ihrer
Muskelmasse eintritt, liegt die Vermutung nahe, daß geistige Arbeit
auch neue Leitungsbahnen schafft und vorhandene Bahnen verstärkt;
das würde bis zum 40. Lebensjahr und darüber der Fall sein. Dann
wird sich wohl der Faserreichtum und die damit verbundene geistige
Leistungsfähigkeit längere Zeit auf gleicher Höhe halten, mit
zunehmendem Alter aber abnehmen. In den Vergrößerungsuntersuchungen von
Kaes findet sich eine Stütze für diese Vermutung.

[Illustration: Abb. 13. Ganglienzellenschicht aus der Sehrinde des
Menschen. Nach Ramon y Cajal.

(Aus Verworn, Mechanik des Geisteslebens.)]

Die Rinde setzt sich aus mehreren Schichten verschiedener Zellenlagen
zusammen. Nicht überall ist die gleiche Anzahl von Schichten, auch
ihre Stärke ist nicht überall die gleiche. Die Assoziationszonen
haben den Meynertschen Fünfschichtentypus, während in anderen
Gegenden Schichten mit Unterschichten auftreten. Vordere und hintere
Zentralwindung (für Gliedmaßenbewegung und -empfindung) unterscheiden
sich dadurch, daß in der hinteren Zentralwindung eine sogenannte
Körnerschicht vorhanden ist, an deren Stelle in der vorderen
Zentralwindung mächtige Pyramidenzellen treten. Diese Pyramiden sind
die Ursprungsstätte sämtlicher Bewegungsnerven und eines großen Teils
der Assoziationsfasern (Bechterew). Sie sind beim Menschen 30-40 µ (µ
= ¹⁄₁₀₀₀ mm) groß. Wie die einzelnen Zellen miteinander in Berührung
stehen, sehen wir an einer Vergrößerung aus der Sehrinde (Abb. 13).

Zwei Arten von Ausläufern hat die Zelle: Verästelte
Protoplasmafortsätze aus dem Zellinnern, die Reize empfangen
(Dendriten), und einen wenig verzweigten Ausläufer, der Reize
fortsendet (Neurit). Dieser wird gleich zum Achsenzylinder einer
Nervenfaser -- die aus Hülle, Mark und Achsenzylinder besteht --, wenn
die Zelle beim Übergang des Rindengraus zum Rindenweiß liegt.


  [10] Ein Ganglion ist ein Nervenknoten, aus dem Nervenfasern zu den
  Sinneswerkzeugen oder Muskeln oder andern Ganglien gehen (Abb. 9).
  Aus lauter Ganglien setzt sich die Hirnrinde zusammen (Abb. 10).

  [11] Um auf dem Umschlagsbild die Insel sichtbar zu machen, wurde
  der sie bedeckende Schläfenlappen entlang der Sylvischen Spalte nach
  unten gedrückt. Jedem Bewegungsherd in der vorderen Zentralwindung
  entspricht ein in der gleichen Höhe gelegener Empfindungsherd in der
  hinteren Zentralwindung; doch wurden diese letzten Zonen zur größeren
  Übersicht als „Zentren für die Körperempfindlichkeit“ zusammengefaßt.
  (Aus Pfeiffer, Das menschliche Gehirn.)




V. Regeln für jede Gedächtnisarbeit.


Aufmerksamkeit.

Wir würdigten schon die hervorragende Bedeutung der Aufmerksamkeit bei
den Bewußtseinsvorgängen. Sie ist eine grundlegende Bedingung alles
Denkens und bewußter Verknüpfung. Wir ahnen schon ihre Bedeutung für
das Gedächtnis und wollen deshalb den Vorgang der Aufmerksamkeit noch
besonders beobachten. Bei Schnell-Leseversuchen in Bruchteilen einer
Sekunde zeigten sich persönliche Unterschiede in den Leistungen. So
wurde nach mehrmaligem kurzen Zeigen (am Schnellseher, s. Fußnote S.
12) gelesen: Vom

  +------------------+-----------------------+------------------------+
  |   I. stetigen    |     II. unsteten      | III. mischenden Typus  |
  +------------------+-----------------------+------------------------+
  |statt: bedauernsw.|  Weihnachts-          | Papierschneidemaschine |
  |                  |   ausstellungen       | Papierschneidemaschine |
  +------------------+-----------------------+------------------------+
  |1. b........      | 1. Buchausstrebungen  | 1. Polizei.........    |
  |2. ...er.....     | 2. Weihnachtsabgaben  | 2. ....maschine        |
  |3. bedauer....    | 3. Weihnachtsbaum     | 3. Papierschneide-     |
  |4. .....werter    | 4. Weihnachts-        |      maschine          |
  |                  |      ausstellungen    |                        |
  |5. be.au...r      |                       |                        |
  |6. .....wer..     |                       |                        |
  |7. bedauernsw..   |                       |                        |
  |8. bedauernswerter|                       |                        |
  +------------------+-----------------------+------------------------+

Der erste Leser setzt sich langsam, aber sicher und ohne Fehler, das
Wort zusammen. Er verschließt sich der umbildenden Angleichung (S.
18-20) und macht auf sachliche Treue Anspruch. Der zweite glaubt gleich
alles gesehen zu haben, er springt förmlich mit den Augen über das
Wort hin, hat aber kaum einen Buchstaben richtig gesehen. Die äußeren
Reize veranlassen ein reges Auftauchen von Erinnerungen. Kennzeichnend
für ihn sind Einbildungszutaten, bis er mit der vierten Lesung das
Wort richtig erfaßt hat. Der dritte mischt beide Arten. Bei der ersten
Lesung ist sein Blick über das Wort hingehuscht, ein Einfall hat das
richtig gesehene P unrichtig zu Polizei ergänzt. Bei der zweiten Lesung
hat er durch genaues Sehen den hinteren Teil des Wortes richtig erfaßt
und bei der dritten das ganze Wort.

Infolge der ganz kurzen Lesezeit enthüllen sich uns hier die drei
Grundformen der Aufmerksamkeit:

  1. die festhaltende (fixierende), stetige,
  2. die hin und her schwankende (fluktuierende), unstete,
  3. die mischende Art.

Diese drei Grundformen des Aufmerkens führen uns zu scharf
unterscheidbaren Arten des Arbeitens überhaupt:

1. Der Stetige vermag sich nur langsam einer Aufgabe anzupassen. Es
vergeht erst einige Zeit, ehe er seine volle Anpassung an den zu
lernenden Stoff erreicht. Aber allmählich sammelt sich sein Geist
immer mehr, beharrt nun zäh und treu bei der Arbeit und läßt sich
nicht ablenken. Das Gedächtnis dieser Grundform des Aufmerkens nimmt
langsam auf, aber behält sehr treu. Der Geist beharrt in der einmal
eingeschlagenen Richtung wie ein Fernrohr, das, auf eine bestimmte
Entfernung eingestellt, die nähere oder fernere Umgebung unscharf oder
gar nicht abbildet. Der Forscher bezeichnet diese Erscheinung als
„Einstellung“. Kommt dazu noch eine überragende Begabung, dann ist der
Gelehrte fertig.

2. Das Gegenteil in allen Punkten ist die unstete, die hin und her
schwankende Aufmerksamkeitsform. Überraschend schnell paßt sich ihr
Vertreter einer umfangreichen Aufgabe an. Seine Aufmerksamkeit ist
schnell auf den zu lernenden Stoff gerichtet, hat sehr bald den
persönlichen Höhepunkt der Zuspitzung und Verdichtung erreicht. Aber
die innere Sammlung ist nicht so tiefgehend wie bei der ersten Art,
darum läßt sich seine Aufmerksamkeit leicht ablenken und einem neuen
Gebiet zuwenden. Irrtümer sind bei ihm an der Tagesordnung. Seine
Einstellung ist nicht so bestimmt gerichtet wie bei der ersten Form,
er gleicht einem Fernrohr mit fortwährendem Linsenwechsel. Seine
Leistungen sind nicht tiefgründig. Sein Gedächtnis nimmt überraschend
schnell auf, verliert aber auch rasch wieder das Gelernte, was ohne
Zweifel Nachteile sind.

Jedoch befähigt gerade diese Form des Aufmerkens zu ganz bestimmten
Berufen, ist sogar die grundlegende Eigenschaft mancher Begabung. Die
umfangreiche, sich schnell hingebende, aber auch schnell wieder neuen
Gebieten zuwendende Aufmerksamkeit zeichnet den geborenen Zeitungsmann,
Künstler, Staatsmann und jeden Geschäftsmenschen aus, begünstigt das
Aus-den-Ärmeln-Schütteln und die Schlagfertigkeit der Rede.

3. Die dritte Art ist meiner Meinung nach die vollkommenste. Wer ihr
angehört, vermag seine Aufmerksamkeit zu verteilen, vielen Dingen
gleichzeitig, allerdings mehr oberflächlich zuzuwenden, aber sie
auch kräftig und tiefgehend auf die einzelnen Reize zu richten.
Diese Aufmerksamkeit ist ein Vorzug des geborenen Offiziers. Einen
Nützlichkeitserfolg dieser Form sehen wir an obigen Leseversuchen. Das
Wort wird schon beim dritten Versuch getroffen.

Deshalb habe ich die beiden ersten Grundformen der Aufmerksamkeit
ausführlicher dargestellt, damit der Leser prüfen kann, welcher Form
er angehört. Die Art seines Aufmerkens erklärt sicherlich etwaige
ungünstige Gedächtniserfolge.

Dann gilt es bei der ersten Art, fleißig zu üben, um die Langsamkeit
zu überwinden und eine schnellere Anpassung der Aufmerksamkeit zu
erreichen. Nach den Feststellungen Meumanns vermag zähe, jahrelang
fortgesetzte Übung beinahe alle angeborenen Unterschiede im
Gedächtnisbereiche auszugleichen. Er weist das an einem langsam
Lernenden nach, der das erstemal zu 12 Silben 56 Wiederholungen
brauchte. Nach mehrmonatiger Übung waren nur noch 19 nötig.

Die zweite Form des Aufmerkens muß sich bemühen, gründlicher zu sein,
Einbildungszutaten unter allen Umständen zu unterdrücken. Dadurch wird
ja die Treue des Gedächtnisses außerordentlich beeinflußt. Für solche
Personen ist +das genaue Zeichnen+ eine gute Schulung des Geistes, und
es gilt für sie besonders das, was über die Ausbildung der Sinne gesagt
ist (vgl. S. 50-57).

Die zähe Übung ist also der Zauberstab, der grundlegende Schwächen des
Gedächtnisses beseitigt. Und ein zäher Wille erreicht stets mehr, als
die glänzendste Begabung eines haltlosen Menschen, bei dem nicht +Not,
Ehrgeiz oder Begeisterung den starken Willen zur Arbeit entwickeln
halfen+.

Man glaube ja nicht, dem Schöpfergeiste falle alles in den Schoß. Auch
der Gipfelmensch muß rastlos arbeiten, üben, wenn er die Vollendung
sehen will. Da hat z. B. ein Dichter eine „Leichenphantasie“ auf den
frühen Tod eines Jünglings gedichtet, und darin wird vom Vater des
Verstorbenen gesagt:

    Zitternd an der Krücke,
    Wer mit düsterm, rückgesunknem Blicke,
    Ausgegossen in ein heulend Ach,
    Schwer geneckt vom eisernen Geschicke,
    Schwankt dem stummgetragnen Sarge nach?
    Floß es „Vater“ von des Jünglings Lippe? (des Gestorbenen!)
    Nasse Schauer schauern fürchterlich
    Durch sein gramgeschmolzenes Gerippe,
    Seine Silberhaare bäumen sich. --

Vollständig verrückt! Nicht? Nun, der das dichtete, war der junge
Schiller. Daraus kann man die Größe der Arbeit und Übung ahnen, die
ihn zu unserem Dichterfürsten gemacht hat. Und von Fritz von Uhde wird
erzählt, daß sein Lehrer ihm den guten Rat gab, Pinsel und Palette
wegzulegen: „Aus Ihnen wird doch nichts!“ Aber der Grundsatz: „~Nulla
dies sine linea~“, kein Tag ohne Linie oder Pinselstrich, hat ihn auf
die Höhen seiner Kunst geführt.

Von einer andern Seite her wollen wir die Aufmerksamkeitserziehung als
eine Erziehung grundlegender Geisteseigenschaften betrachten. Unsre
Ärzte heilen manche Nervenkranke neuerdings dadurch, daß sie diese
ernsthaft arbeiten lassen. Im ärztlichen Schrifttum wird geradezu
einstimmig auf die ganz erstaunliche Bedeutung der Arbeit für die
Persönlichkeitsbildung, für den Willen, ja, für die geistige Gesundung
des Menschen hingewiesen. Aber, diese wohltätige Wirkung findet sich
nur bei streng geordneter, stetiger, pflichtgemäßer Arbeit, nie bei
spielerischer Scheinarbeit.

„Manche schwere Neurasthenien des späteren Lebens, die sich in sog.
Platzangst, nervösen Lähmungen usw. äußern, sind nur vergrößerte Formen
jener mangelnden Unterordnung des Körpers und des Nervensystems unter
den Willen, die sich im Schulleben in fortgesetzter Nachlässigkeit,
Flüchtigkeit und Zerfahrenheit in der Arbeitsleistung zeigt. Starke
Übung in der geistigen Bezwingung nervöser Unstetigkeit im Arbeiten
kann sehr wohl eine starke vorbeugende und heilende Wirkung auf dem
Gebiet der Nervenleiden haben.“ (Förster, Schule und Charakter, S.
239.)

Unser Buch soll keine bloße Belehrung sein, es soll zur Tat anregen.
Der rechte Mann verlangt Beweise und forscht selbst nach. So wäre eine
reizvolle Aufgabe, die eigene Aufmerksamkeitsform festzustellen und
mit dieser kleinen Aufgabe den segensreichen Grundsatz: „Erkenne dich
selbst“ zu üben. Ein beliebiger Lesestoff, ganz kurze Zeit von einer
zweiten Person gezeigt, genügt dazu schon. Wir hätten aufzuschreiben,
was wir gesehen haben, und zu vergleichen. Haben wir einzelne Wörter
oder Buchstaben richtig erfaßt, so gehören wir zur ersten, müssen wir
uns viel Flüchtigkeitsfehler, Einbildungszutaten bei der Nachprüfung
eingestehen, zur zweiten Art.

Jene mögen sich im schnellen Erfassen der Buchstaben und Wörter, bei
Spaziergängen im schnellen Erfassen der Fensterzahl, einer Häuserreihe
mit einem Blick, der einzelnen Latten an einem Zaun usw. üben.

Die andern möchten ihrem Blick bestimmte Richtung geben, ihn nicht
oberflächlich dahinschweifen lassen: Andauernd mehr ins einzelne
schauen, mehr nach Unterschieden beim Betrachten des Lattenzaunes oder
der Fenster einer Häuserreihe suchen usw.

Diese Übungen sind bei den verschiedensten Gelegenheiten noch zu
erweitern, bis sich die gemischte Aufmerksamkeitsform entwickelt,
die alle Vorzüge der beiden andern in sich vereinigt. Über die
vieldienliche Anwendung des hier Erkannten in Lehre und Leben
ließe sich ein ganzes Buch schreiben. Ich habe in der „Praktischen
Gedächtnispflege“ S. 12-23 mehr darüber mitgeteilt.


Die Taktgliederung.

Die Versuchs-Seelenforschung entdeckte, daß die Aufmerksamkeit
rhythmisch ist. Wir können uns davon überzeugen, indem wir unsere
Taschenuhr so weit von uns entfernt niederlegen, daß wir ihr Ticken
gerade noch hören. Da merken wir zu unserem Erstaunen, daß wir ein paar
Augenblicke das Ticken vernehmen, dann eine kurze Zeit nicht mehr,
es dann abermals hören, darauf wieder nicht usw. An der Uhr liegt es
nicht, die tickt in bestimmtem Takt weiter, unsere Aufmerksamkeit aber
wechselt, indem sie sich anspannt, dann nachläßt, um wieder angespannt
abermals nachzulassen.

Jetzt wird uns auch die Ursache der merkwürdigen Tatsache klar, daß
unser Bewußtsein, wie wir bereits auf S. 11-14 ausführten, nur sechs
gesonderte Taktschläge, aber 40 Töne, in 5 Takten zu 5 Einheiten
zusammengefaßt, umspannen kann: Aufmerksamkeit und Bewußtsein
sind rhythmisch veranlagt. Das liegt offenbar an unserer gesamten
leiblich-geistigen Einrichtung. Da das Herz in bestimmtem Takt klopft,
klopft es in den Schlagadern des ganzen Körpers in gleicher Weise. In
Fieberzuständen fühlen wir, wie es überall hämmert, in gesundem Zustand
allerdings seltener, mitunter aber deutlich vor dem Einschlafen. Aber
schon die Atembewegungen wirken merklich auf uns ein. So kommt es, daß
wir jede körperliche und geistige Arbeit am besten, erfolgreichsten und
liebsten in einem gewisse Takte ausführen.

Die Aufzeichnungen des Ergographen, an dem der menschliche Finger
Gewichte über die Ermüdung hinaus fortgesetzt hebt, bis ein weiteres
Heben infolge Ausgabe aller Kräfte nicht mehr möglich ist, zeigen
ein Gleichmaß von bewundernswerter Stetigkeit. Awramoff[12] ließ
Versuchspersonen Hebungen mit dem Finger an diesem Gerät ausführen. Er
stellte ihnen die beiden Aufgaben, ohne und mit Takt zu arbeiten. Da
mußte er die merkwürdige Erfahrung machen, daß er niemand fand, der
nicht nach 2-5 Hebungen ganz von selbst zu einem bestimmten Rhythmus
überging. Ebbinghaus zweifelte überhaupt daran, daß es ihm möglich sein
würde, seine Silben gänzlich ohne Takt zu lernen. Darum lernte er alles
taktmäßig.

Und gar der Takt des Gehens bildet (nach Wundt) „einen deutlich
erkennbaren Hintergrund unseres Bewußtseins“.[13] Dieser Grundzug
unseres Wesens gilt sogar für die Denkarbeit. Erwähnt sei Goethes
Ausspruch: „Die besten Gedanken kommen mir im Gehen.“ Auch der
Naturforscher Helmholtz machte ähnliche Erfahrungen. Er erzählt von
sich, daß er bei gleichmäßigem, langsamem Bergsteigen leicht und
erfolgreich zu denken vermöge. Vergleiche Praktische Gedächtnispflege
S. 15. Von Beethoven sagt man, daß er fast alle Tondichtungen im Gehen
geschaffen habe.

Die drei empfanden also die gewaltige Macht des Rhythmus. Sie sind
unverdächtige Zeugen; denn sie hatten damals sicher noch keine Ahnung
von den tieferen Gesetzmäßigkeiten des Bewußtseins, die uns erst die
Versuchsforschung enthüllte.

Tatsächlich hat der Rhythmus zu allen Zeiten und bei allen Völkern
eine Rolle gespielt, bei den Tänzen und Liedern sowohl, als auch
beim Arbeiten (s. Abb. 14, S. 39). Heute noch beobachten wir die
vereinigende und belebende Kraft des Taktes beim Getreidedreschen, beim
Straßenpflastern, beim Rudern usw.

[Illustration: Abb. 14. Bestellung eines Feldes in Ngilla (Kamerun),
die in Abteilungen von 100 Mann nach dem Takte der nachfolgenden
Musik erfolgt. Hinter den Arbeitern marschieren ebenfalls im Takt die
Säeleute, aus einem umgehängten Sack Samen streuend.

(Aus Meinecke, Deutsche Kolonien.)]

Er schafft einen gewissen Anreiz zur Arbeit, so daß der Zuhörer gar
nicht untätig bleiben kann. Lebhafte und abwechslungsreiche Takte
können erregen, sogar aufregen.

Beim Lernen ist der Takt darum schon seit den ältesten Zeiten
eingeführt. Die Griechen bevorzugten stark diese Form für Lebensregeln
und Gesetze. Ich persönlich habe noch keine Sprachlehre der alten
Sprachen gesehen, die nicht eine Fülle von Regeln in Rhythmus und
Reim enthielte. Ja, der Takt ist sogar ein Kennzeichen der Dichtung
geworden. Aus welchen Ursachen er es wurde und seine seelischen
Wirkungen, habe ich ausführlich dargestellt in „Deine gestaltende Seele
und Dein Stil“.

Ebert und Meumann haben denn auch zahlenmäßig die Vorteile
festzustellen versucht. Bei einer Versuchsperson waren für 10 Silben,
unrhythmisch gelernt, 23 Wiederholungen; für 12 Silben, rhythmisch
gelernt, 14 Wiederholungen; bei einer anderen Versuchsperson für
12 Silben, unrhythmisch gelernt, 49 Wiederholungen; für 16 Silben,
rhythmisch gelernt, 31 Wiederholungen nötig.

Die Erklärung dieser auffallenden Ergebnisse dürfte darin zu suchen
sein, daß sich der Rhythmus unserer Aufmerksamkeit selbsttätig, d. h.
unwillkürlich, regelt, so daß die Anspannungen mit den betonten Silben,
das Nachlassen der Aufmerksamkeit mit den unbetonten zusammenfällt,
die schwach und kurz betonten Eindrücke sich an die kräftiger betonten
anschließen und so zusammen eine Einheit bilden. Durch den Wechsel
der Tonstärke werden eng zusammenhaltende Gruppen gebildet. Die
Aufmerksamkeit selbst wird beherrscht und ihre Verteilung geregelt;
denn nicht allein die Aufmerksamkeitskraft, sondern auch ihre sparsame
und zweckmäßige Verwendung ist bedeutungsvoll.

In welchem Takte zu lernen ist? Je nach den Verhältnissen! Schnelles
rhythmisches Lernen gliedert günstiger als langsames Lernen. Bei
sinnarmen Stoffen oder Tätigkeiten (Berufstätigkeiten) wird man also
ein schnelles Zeitmaß wählen, da durch schnelles Lesen und Arbeiten
die Aufmerksamkeit aufs höchste gespannt wird. Dann aber vermindert
sich die Aufmerksamkeit, und schließlich wird die Arbeit von selbst
abschnurrend. Aber gerade das selbstwirksame Arbeiten ist ja vielfach
das Ziel der Übung, besonders im Berufe, weil durch Selbstbetrieb die
meiste geistige Kraft erspart wird.

Allein es ist wohl zu beachten, daß dieses maschinenmäßige Verfahren
sich nur für Sinnloses eignet. Für Stoffe, die der Verstand
erarbeitet und wo jedes einzelne Glied aufgefaßt werden soll, sollte
+langsam+ und +mit Verstand gelernt+ werden. Es ist also
die Unterscheidung, ob sinnlos oder sinnvoll, wichtig für den
einzuschlagenden Weg zur Einprägung.

Mehr darüber in der „Praktischen Gedächtnispflege“ S. 23-29.


Gruppenbilden, Stelle-Anweisen (Lokalisieren), Gliedern.

Auch beim beobachtenden Merken einer Reihe von Gegenständen ist ohne
Zweifel das Gruppenbilden vorteilhaft. Es ist ein Gliedern beim
Gesichtssinn. Ein Kaufmann hat Kisten zu zählen. Es bedeutet für ihn
eine große Zeit- und Kraftersparnis, wenn er stets drei oder vier
Kisten zusammenfaßt.

[Illustration: Abb. 15. Beförderung eines Stierkolosses beim Palastbau
des assyrischen Königs Sanherib (705-681 v. Chr..). Relief aus
Kujundschik, den Ruinen des alten Ninive. (Nach Layard, aus Bücher,
Arbeit und Rhythmus.) -- Der Leiter der Arbeit steht am Vorderende der
zu befördernden Last und gibt mit Handklatschen den Seilziehern das
Zeichen zum gleichzeitigen Anziehen. (Vgl. S. 39.)]

Dieses Einheitenbilden, das Umfassen mehrerer Personen oder
Gegenstände mit einem Blick, sollte oft geübt werden. Gelegenheit
dazu bieten spielende Kinder, auf der Straße sich bewegende Personen,
vorüberfahrende Eisenbahnzüge, Gartenzäune, Häuserfronten mit ihren
zahlreichen Fenstern usw.

Besteht doch auch die Tätigkeit des geübten Lesers nicht mehr in einem
mühseligen Aneinanderreihen von Buchstaben, sondern einige wenige
Buchstaben werden scharf ins Auge gefaßt, was an Zeichen dazwischen
liegt, wird überflogen und in Gruppen zusammengefaßt. Gar nicht anders
ist es beim schnellen Klavierspielen oder Stimmenbuchlesen. Diese
Hinweise deuten darauf, daß die eben angeregte Übung des Geistes
im Zusammenfassen zu Einheiten keine Spielerei ist, sondern den
mannigfachsten angewandten Gebieten zugute kommt, nicht zuletzt dem
Gedächtnis, dessen wichtige Grundlagen in einer scharfen gründlichen
Beobachtung und eben +im Einheitenbilden+ bestehen. Die Vorteile, die
Takt und Gruppenbilden dem Gedächtnis gewähren, scheinen zum Teil ihre
Ursache in dem „+Stelle-Anweisen+“ zu haben.

Jedes Glied einer übersichtlichen Gruppe hat seinen bestimmten
Platz. In ungeordneter Masse ist das unwillkürliche Merken eines
bestimmten Platzes sehr erschwert. Da nun Zahlen, sinnlose Silben,
verwickelte Formen gewissermaßen glatt sind und dem Gedächtnis kein
hervorstechendes Merkmal bieten, fördert tatsächlich Ortsmerken das
Gedächtnis.

In Lehre und Leben läßt sich das Stelleanweisen mannigfaltig mit
Erfolg verwenden. Mündliche Darbietungen müssen gut gegliedert, klar
geordnet sein. Auf alles Neue muß der Hörer durch eine Ankündigung,
gewissermaßen Überschrift, vorbereitet werden, damit er weiß, wohin
es einzuordnen ist. Schriftliche Darbietungen an der Tafel oder in
Unterrichtsbüchern sind übersichtlich zu gruppieren. Gelegenheit zu
einem Überblick, zu Rückschau und Zusammenfassung sollte oft geboten
werden. Ist etwa die Übersicht über jene vier Begriffe auf S. 21 dem
Leser überflüssig erschienen? Oder hat nicht vielmehr jeder deutlich
gefühlt, wie dadurch mehr Klarheit geschaffen und Verwechslungen
vorgebeugt wurde?


Gefühl und Anteilnahme (Interesse).

Die Bedeutung der Gefühle schon bei einfachen geistigen Vorgängen
lernten wir S. 14/15 kennen. Es kommt ihnen aber eine noch weit größere
Macht zu. Wie die Zergliederung der Seelenvorgänge lehrt, sind die
entscheidenden Antriebe sowohl bei der ursprünglichen Bildung der
Vorstellungen wie bei ihrer allmählichen Umwandlung die begleitenden
Gefühls- und Willensvorgänge (W. Wundt). Und nach Th. Ziegler kommt
uns überhaupt nur zum Bewußtsein, was Gefühlswert hat. Darum stehe
+das Gefühl an der engen Pforte des Bewußtseins+ und entscheide über
+Aufnahme oder Nichtaufnahme+, über ja oder nein. Daraus geht hervor,
daß der Gedächtnisvorgang die allertrefflichste Anregung erfährt,
wenn der Lernende eine möglichst hochgespannte Neigung für die Arbeit
gewinnt. Dann sind Aufmerksamkeit und Wille ohne weiteres da.

Was du tust, das tue freudig -- und es wird gelingen. So wird jede
Arbeit zu einer Quelle der Lebensfreude. Aber wie kommen wir zu einer
solchen +frohen, ausgeglichenen Gefühlslage von mittlerem Maß+, wie sie
sich auch für die Gedächtnisarbeit als fördernd erwiesen hat?

Man sollte meinen, eine aufgeregte Begeisterung müsse ungemein fördernd
wirken. Das ist aber nicht der Fall. Ob dabei zuviel Aufmerksamkeit
aufgesaugt wird? Die anzustrebende mittlere frohe Gefühlsstimmung
steht nicht mehr unter dem unmittelbaren Eindruck eines lustvollen
Erlebnisses, das die Wogen der Freude hochgehen ließ, sondern unter
seinen Nachwirkungen, die über den ganzen Tag und seine Gedächtnis- und
Arbeitsleistungen einen Schimmer von froher Stimmung verbreiten. Wir
können diese Gefühlsnachwirkungen mit den Nachbildern (vgl. Praktische
Gedächtnispflege S. 13) vergleichen. Wie es möglich ist, Nachbilder
festzuhalten und auszunützen, so auch eine abklingende Gefühlsflut.

Heinrich Seidel[14] schuf in seinem „Leberecht Hühnchen“ das Bild eines
wundervollen Alchimisten des Glücks, der aus den unscheinbarsten, vom
Durchschnittsmenschen unbeachteten Gedanken und Dingen unglaublich
viel goldene Schätze des Gemüts herausschmelzt. Und wenn wir es
versuchen, werden auch wir erkennen, daß die Erinnerung an froh
verlebte Stunden des Lernens und Schaffens, der Hinblick auf das
ferne schöne Ziel oder auf die nahe Belohnung, die man sich selbst
nach getaner Lernarbeit gönnt, Neigung, Freude und Willen steigern.
Selbst der sprödeste Stoff hat für einen aufnahmefähigen und klugen
Kopf reizvolle Seiten. Suchet, ihr werdet bestimmt finden! Meist
fehlt es auch nur an einem kraftvollen Anfang. Hat man sich nur erst
hineingewagt, dann merkt man Zusammenhänge und findet, daß alles
+fesselnd+ und +bedeutsam+ ist +innerhalb seines Zusammenhangs+. Auch
im +Kraftgefühl+, daß man trotz verlockender Ablenkungen sich doch
nicht von den gestellten Lernaufgaben abbringen läßt, ist leicht ein
Grund zur Fröhlichkeit zu finden.

Man schätze diese Anregung ja nicht gering ein! Die Freude vertieft,
beschleunigt, gibt unserer Gedankenentwicklung Flügel -- gedrückte,
trübe Stimmung verlangsamt. Wenn es nun noch gelingt, in dieser frohen,
ausgeglichenen Gefühlslage von mittlerem Maß dem Stoff Entzücken
abzugewinnen, dann ist der Lernerfolg gesichert. Aber woran haben wir
das meiste Vergnügen?

An dem, was wir erleben, wobei wir im höchsten Grade tätig sind. In
einer Arbeit des Leipziger Instituts für experimentelle Pädagogik[15]
habe ich nachweisen können, daß fast sämtliche freien und ungebundenen
Aussagen der Kinder von 8 Jahren bis zur Geschlechtsreife auf die
verschiedensten Reizworte hin +Erinnerungsreste von bestimmten
Erlebnissen sind+.[16] Das Kind bietet fast stets eine Geschichte, die
ein eigenes oder fremdes Erlebnis darstellt.

Darum kommt jetzt auch der Arbeitsunterricht dem Kinde viel näher.
Er bietet dem tätigen Kinde neue, tiefgreifende Erlebnisse, nicht
einen rasch vorüberrauschenden Wortschwall. Dem Kinde die Dinge in
die Hand! Nachbilden! Daran erleben! Das ist die heutige Losung.
Worte sind unlebendig, die nur dann das Kind packen und fesseln,
wenn eine Geschichte, also ein fremdes oder eigenes Erlebnis, alle
übrigen unterrichtlichen Maßnahmen mit einem gewissen +Erlebnisgefühl+
überstrahlt.

Mit der Geschlechtsreife wird der Gedankenverlauf begrifflich, aber
doch verfehlen Erlebnisse auch beim Erwachsenen nie ihre Wirkung, wie
wir aus der Spannung schließen müssen, die man Reisebeschreibungen,
Novellen, Romanen, Kriegserlebnissen usw. entgegenbringt. Da sind
wir gespannt, erregt, unser Geist ist in außerordentlich hohem Maße
tätig. Schon der selige Homer kannte diesen Zug der menschlichen Seele.
Anstatt trockene Beschreibungen zu bieten, etwa eine Rüstung Stück
für Stück zu beschreiben, stellt er uns den Helden dar, wie er sie
Teil für Teil anlegt. So wird aus einer trockenen Beschreibung -- eine
Geschichte, ein Erlebnis.

Die Anwendung des Grundsatzes, Gedächtnisstoffe erst gründlich zu
erleben, bedarf einer ausführlichen Darstellung. Ich gebe sie in „Neue
Gedächtnisgesetze. Ihre Anwendung in Lehre und Leben“. Th. Müllers
Verlag und Versandbuchhandlung. Leipzig-Eutritzsch.


Lernen im Ganzen oder in Teilen?

Wenn wir einen Schüler beim Lernen von Gedichten beobachten, so machen
wir fast stets die Erfahrung, daß er das Ganze in kleinere Abschnitte
zerlegt, diese einzeln lernt und dann versucht, sie aneinanderzureihen.
Die Gründe dafür sind: Man will die schwierigen Stellen erst für
sich lernen. Dann möchte man auch gern einen Fortschritt sehen,
denn beim Lernen im Ganzen kommt das Gefühl des Auswendigkönnens
erst ganz zuletzt. Auch glauben besonders Kinder leicht, einer
umfangreicheren Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Diese Einbildungen,
Selbsteinflüsterungen (Autosuggestion) beeinflussen tatsächlich das
Gedächtnis manchmal in so ungünstiger Weise, daß unter Umständen das
Lernen im Ganzen weniger wirkungsvoll ist (vgl. auch S. 48). Aber wie
unsinnig dieses stückweise Lernen ist, zeigt folgende Zeichnung. Die
starken Striche zeigen an, wievielmal ein Vers für sich gelernt wurde.
Die Bogenlinien zeigen, wie oft das Vers+ende an den Anfang+ gehängt
wurde.

Wer so lernt, braucht sich nicht zu wundern, wenn es ihm geht, wie dem
Vereinsvorstand, der beim Stiftungsfest mit der üblichen Rede loslegte:
„Verehrte Anwesende, es ist so Sitte in unserm Verein, daß wir den Tag
seiner Entstehung festlich begehen ....“ Dann ging es munter weiter,
bis der Begrüßungsgedanke ausgeführt und die Überleitung zu etwas
Neuem nun fällig war. Statt dessen stammelte der Redner: „Ja, jawohl,
verehrte Anwesende, es ist so Sitte in unserm Verein, daß wir den Tag
seiner Entstehung festlich begehen ....“ Nun war er unrettbar wieder
auf den 1. Abschnitt seiner Rede eingestellt und fand sich erst weiter,
als er sie ablesen konnte.

 [Illustration:

     ((((( Berggipfel erglühen,
     ||||| Waldwipfel erblühen,
     ||||| Vom Lenzhauch geschwellt;
     ||||| Zugvogel mit Singen
     ||||| Erhebt seine Schwingen,
     ||||| Ich fahr’ in die Welt.
     ||||(-------------------------)|||||
     |||(---------------------------)||||
     ||(-----------------------------)|||
     |(-------------------------------)||
     (---------------------------------)|
     nur einmal!  +---------------------)
                 /
                /
           +---+
          /
     ((((( Mir ist zum Geleite
     ||||| In lichtgoldenem Kleide
     ||||| Frau Sonne bestellt;
     ||||| Sie wirft meinen Schatten
     ||||| Auf blumige Matten,
     ||||| Ich fahr’ in die Welt.
     ||||(-------------------------)|||||
     |||(---------------------------)||||
     ||(-----------------------------)|||
     |(-------------------------------)||
     (---------------------------------)|
     nur einmal!  +---------------------)
                 /
                /
           +---+
          /
           Mein Hutschmuck die Rose,
           Mein Lager im Moose,
           Der Himmel mein Zelt:
           Mag lauern und trauern,
           Wer will, hinter Mauern,
           Ich fahr’ in die Welt.
 ]

Wir wissen sofort, wie er sie einlernte: stückchenweise. Wenn das Ende
eines Abschnitts 4-6mal an den Anfang gehängt wird wie in obiger
Zeichnung und nur einmal die zum nächsten Abschnitt führende Verbindung
geschlagen wird, dann kann’s ja gar nicht anders kommen; denn die
+Gefahr+, daß man +an den Anfang zurückgeführt+ wird, ist +immer da
vorhanden+, wo +stückchenweise eingeprägt+ wird.

Deshalb empfiehlt sich in jedem Falle das Ganzlernen, dann hängt
aneinander, was zueinander gehört.

Überdies zeigen auch zahlreiche seelenkundliche Versuche mit
+Sicherheit+, daß das Lernen im Ganzen bedeutend vorteilhafter ist in
bezug auf +Zeitersparnis+ und +Behalten+.

Besonders ist das Lernen im Ganzen natürlich bei +sinnvollem+ Stoff
zu empfehlen, der sich ja förmlich dagegen wehrt, durch ein Lernen in
Teilen zerstückelt zu werden. Hier unterstützt der Denkzusammenhang
ganz außerordentlich das Verknüpfen; denn es wird uns der +Sinn
fortwährend und weiterlaufend+ zum Bewußtsein gebracht. Die
Aufmerksamkeit bleibt dadurch fortwährend besser gefesselt als beim
Lernen in Teilen, wo die Versuchung gar zu groß ist, achtlos zu lernen
und einen wichtigen Vorteil aus der Hand zu geben: Sinnvolles Lernen
hat meist eine etwa zehnfach bessere Wirkung als geistloses Einpauken.
Darum wird beim Lernen im Ganzen eher ein gedankenloses Hersagen
vermieden, das für das Einprägen fast wirkungslos ist.

Nun gibt es aber doch ganz große Gedichte. +Die+ in einem Zuge
einzuprägen, dürfte schon aus dem Grunde nicht ratsam sein, weil die
Aufmerksamkeit gar nicht so lange angespannt zu arbeiten vermag. Am
+Anfang+ und +gegen das Ende+ hin +spannt sich+ die Aufmerksamkeit an,
während +in der Mitte+ deutlich ein +Nachlassen+ nachzuweisen ist.

Und doch ist das Lernen im Ganzen auch hier zu empfehlen, aber mit
einer Änderung, die Meumann vorgeschlagen hat. Man teilt ein großes
Gedicht, etwa Schillers „Lied von der Glocke“, dem Inhalte nach in
mehrere Teile und zieht dort trennende Bleistiftstriche.

Nun wird im Ganzen gelernt, aber bei den Bleistiftstrichen ist zu
warten, damit sich die Vorstellbindungen und -verknüpfungen festigen
können, die Aufmerksamkeit sich neu sammelt und man dann mit aller
Frische und Sammlung nach jedem Striche wieder fortfahren kann.

So bilden sich +die Bindungen nur in einer Richtung+. Und die
beim Lernen in Teilen entstehenden, an den Anfang zurückführenden
Verbindungen werden vermieden.

Das gilt besonders für +gleichartigen, überall gleich schweren+
Lernstoff. Finden sich mehrere schwere Stellen, wird es ohne Zweifel
vorteilhafter sein, sie mit einigen Mehr-Lesungen +gesondert+
einzuprägen während des Ganzlernens.

(Wer da glaubt, mit dem Teil-Lernen bessere Erfolge zu erzielen, der
vergesse wenigstens nie, den Teil am Anfang und Ende in natürlichen
Zusammenhang zu bringen. Stets wird es sich empfehlen, dem gesonderten
Lernen +einige Ganz-Lesungen vorauszuschicken+.)


Verteilung der Wiederholungen auf mehrere Tage.

Es ist nicht zweckmäßig, etwas durch unsinnige Häufung von
Wiederholungen in einem Atem einprägen zu wollen. Größere
Unterbrechungen und Verteilung auf eine längere Zeitstrecke sind unter
allen Umständen vorteilhaft. (Also +zeitig beginnen+!) Ebbinghaus
fand zum Beispiel, daß 68 Wiederholungen an einem Tage nicht den
Einprägungswert haben, wie insgesamt 38 Wiederholungen, auf drei Tage
verteilt. Auch Adolf Jost fand, daß besonders bei den Stoffen, die eine
große Zahl von Wiederholungen brauchen, die ausgedehnteste Verteilung
am wirksamsten ist. Er stellte ein schnelleres Lernen und besseres
Behalten fest.

Schließlich kommt es gar nicht darauf an, daß wir etwas so schnell
als möglich lernen. Die Hauptsache ist, daß sich +feine Fäden in
alle möglichen Gedankenbereiche spinnen+, damit das Gelernte nicht
als toter Ballast, sondern +lebendig in uns wirkt+, +eng mit unsrer
Persönlichkeit verknüpft+ wird, damit Schätze des Schönen, etwa
Dichterworte, +Einfluß auf unser Leben+ gewinnen, nach allen Richtungen
hin mit ihren Strahlen +erwärmend, bereichernd und vergoldend+ wirken.
Und das wird durch eine Verteilung der Wiederholungen viel besser
erreicht als durch ihre Häufung.


Die Einbildung.

Nichts hindert alle unsre Fähigkeiten so sehr, wie der lähmende
Zweifel: „Wirst du es fertig bringen? Vermagst du es noch?“ So wird
jeder z. B. beim Hoch- oder Weitspringen die Beobachtung machen, daß
er gewiß nicht über die Schnur kommt, wenn er sich die Frage vorlegt:
„Wirst du drüber kommen?“ Sagt er sich aber: „Das wäre noch schöner!
Das leistest du bestimmt,“ dann kann er sicher sein, daß er die sich
selbst zugetraute Leistung vollbringt.

Der +Glaube an sich+ selbst wirkt +Wunder+. Daher ist die +Stärkung des
Selbstvertrauens+ eine wichtige Aufgabe der Erziehung. Ganz besonders
macht sich das Vertrauen auf eigene Kraft beim Gedächtnis bemerkbar.
Wenn ein Schüler mit dem bangen Zweifel aufzusagen beginnt: „Wirst du
es auch noch können?“ so bleibt er sicher stecken. Der felsenfeste
Glaube aber: „Das bringst du fertig!“ ist unter allen Umständen von
größtem Vorteil.

Um diesen Vorteil zu gewinnen, brauchen manche Schüler ein
merkwürdiges, aber doch wirkungsvolles Mittel. Sie legen beim Schlafen
das Buch unter den Kopf, nachdem sie die Aufgabe sicher gelernt haben.
Am frühen Morgen wird alles nochmals durchgelesen und dann später
mit gutem Erfolge aufgesagt, weil der lähmende Zweifel infolge der
Einbildung (Autosuggestion) ausgeschaltet ist.

Wir wollen nicht auf die herabschauen, die zu absonderlichen Mitteln
greifen, um das unbedingt nötige Vertrauen auf ihr Gedächtnis zu
gewinnen, wenn es ihnen nicht aus freiem Willensantrieb gelingt. So
mancher große Geist hat in sonderbaren Begleitumständen die nötige
Anregung zur Arbeit gefunden, wobei ohne Zweifel die Einbildung die
größte Rolle gespielt hat. Haydn und Richard Wagner legten z. B. beim
Tondichten gewählte Kleidung an. Wagners Vorliebe für Samt und starke
Wohlgerüche ist ja allgemein bekannt. Grün und rotgelbe Tapeten galten
Goethe als Anregungsmittel, und die Beispiele für ähnliches Verhalten
sind zahllos!

Übers Aufhalten des +Vergessens+ handelt ausführlich die „Praktische
Gedächtnispflege“ S. 29-35 übers absichtliche Vergessen und über
falsche und richtige Psychanalyse, d. h. über Befreiung unserer Seele,
„Neue Gedächtnisgesetze. Ihre Anwendung in Lehre und Leben“.


  [12] Wundts Philosoph. Studien, Bd. 18, 1903.

  [13] Hat doch sogar Trautschold, ein Schüler Wundts, einmal in den
  „Philosophischen Studien“ den Versuch gewagt, die Assoziationszeit
  und die Zeit für eine Gehbewegung in Verbindung zu bringen.

  [14] Von H. Seidels Erzählungen (J. G. Cotta Nachfg., Stuttgart)
  ist auch eine Probe „Die Augen der Erinnerung“ in der billigen
  „Schatzgräber-Sammlung“ Nr. 90 (Kunstwart-Verlag) erschienen.

  [15] Das der rege Leipziger Lehrerverein einrichtete.

  [16] Pädagogisch-psychologische Arbeiten, Bd. VI. 1. Alfred Leopold
  Müller, Unterschiede der Vorstellungen und Vorstellungsverbindungen
  bei Kindern verschiedener Altersstufen.




VI. Mehr Arbeit der Sinne!

  Bücher sind Brillen, durch welche die Welt betrachtet wird, schwachen
  Augen freilich nötig zur Stütze, zur Erhaltung. Aber der freie Blick
  ins Leben erhält das Leben gesünder.

  Feuchtersleben, Diätetik der Seele (Tagebuchblätter).


Der verdienstvolle Erzieher Dinter fragte einst einen Postboten, der
über 20 Jahre lang zweimal täglich durch einen Wald gehen mußte, ob es
ein Nadel- oder Laubwald sei. Der Mann blieb die Antwort schuldig, da
er es wirklich nicht wußte.

Ein krasser Fall allerdings! Aber ob man uns mit ähnlichen Fragen hin
und wieder nicht auch in arge Verlegenheit bringen könnte?

Wollen wir doch gleich einmal versuchen, ob wir imstande sind, alle
Geschäfte links und rechts auf einer Straße anzugeben, die wir täglich
auf dem Gange zur Arbeit, zur Schule usw. schon seit Jahren benützen!

Oder eine zweite Selbstprüfung: Steht die VI (6) bei unsrer Taschenuhr
verkehrt oder aufrecht? (Erst nach Beantwortung der Frage am Schluß des
Buches nachsehen!)

Wie nötig die Sinnesübung ist, zeigt


Die Zeugenaussage. Ihre Mängel und mögliche Besserung.

Umfassende und eingehende Versuche lehren: Eine völlig wahrheitsmäßige
Zeugenaussage gibt es nicht. Es handelt sich immer um ein Gemisch von
Wahrheit und etwas Irrtum.

+Geheimrat von Liszt+ wies den Teilnehmern an den Übungen seines
kriminalistischen Seminars zweimal nach, wie unglaublich verfälscht
die eigene Zeugenaussage war. Die beiden schlagenden Versuche haben
berechtigtes Aufsehen erregt. +William Stern+ teilt sie in seinem
umfassenden grundlegenden Werke über „+Die Zeugenaussage+“ (4 Hefte)
mit:

Das einemal ließ er zwei Übungsteilnehmer sich zanken, wobei ein
ungeladener Revolver gezogen und abgedrückt wurde. Die Tatberichte
gingen weit auseinander -- die +Aufregung fälscht+ natürlich stark
Auffassung und Erinnerung. Deshalb wählte er später einen sehr ruhigen
Vorgang:

22 Rechtskunde treibende Damen und Herren sind zu einer
Arbeitsgemeinschaft vereinigt. Da bringt ein Mann einen Brief an
Geheimrat von Liszt. Während dieser ihn liest, nimmt der Bote ein paar
Bücher aus dem Bücherfach, läßt sie fallen, hebt sie auf, behält ein
Buch, stellt die andern wieder ins Fach, bekommt eine Antwort, geht
hinaus und nimmt das Buch mit.

Nach einer Stunde Arbeit über Rechtsfragen erklärt Liszt, jenes kleine
Erlebnis sei als ein wissenschaftlicher Versuch aufzufassen, jeder
solle einen schriftlichen Bericht darüber geben.

Zur Überraschung aller Beteiligten ergab sich, daß von +neun+
Behauptungen +eine falsch+ war, bei diesem +freien Bericht+, der
absichtlich eine Stunde später aufgenommen war, um der Wirklichkeit
recht nahe zu kommen.

Beim +Verhör+ nach acht Tagen konnte +der vierte Teil+ der Fragen nicht
mehr beantwortet werden. Und es ist immer anerkennenswert, wenn man
über Dinge schweigt, die man nicht mehr genau weiß. Sonst wäre das
Ergebnis noch +trostloser+ geworden; denn +außerdem+ war von +fünf
abgegebenen Antworten eine falsch+.

Ein Richter hat nun die verzweiflungsvolle Aufgabe, die Wahrheit zu
suchen und sieht sich Zeugen gegenüber,

  1. die so würdelos sind, daß sie die Wahrheit gar nicht sagen mögen;

  2. die infolge krankhafter Veranlagung sich selbst täuschen, die
  Unwahrheit sagen im guten Glauben, die lautere Wahrheit zu bieten.
  Hysterische sind ja bekannt als solche, die steif und fest an ihre
  bloßen Einbildungen glauben;

  3. hat selbst der +geistig vollkommen Gesunde+

    ~a~) +Auffassungsfälschungen+,
    ~b~) +Erinnerungsfälschungen+,
    ~c~) +Aussagefälschungen+,

so daß man -- wenn er frei erzählt -- beim besten Zeugen +unter 10-20
Behauptungen+ mit +einer falschen+ rechnen muß.

Beim Ausfragen, also beim +Verhör+, ist gar schon unter 3-5 Tatsachen
+eine falsche+, weil zuviel in den Zeugen hineingefragt wird.

Um bei entscheidenden Aussagen der Wahrheit ein paar Schritte näher zu
kommen, hat W. Stern folgende beachtenswerte Anregungen gegeben:

1. Der freie Bericht möchte bevorzugt, das Verhör nicht über das
unbedingt erforderliche Mindestmaß ausgedehnt werden.

2. Bei der Vernehmung sind die Fragen mit aufzuschreiben, daß man die
Wirkung solcher Einflüsterungsfragen noch feststellen kann.

3. Stellt man dem Zeugen einen Angeschuldigten gegenüber mit der
Frage: „Erkennen Sie in diesem Manne den wieder, den Sie bei der Tat
gesehen haben?“ so ist der darin liegende Einbildungszwang so groß,
daß die Zeugen, besonders Kinder und Ungebildete, sehr oft einfach
ja sagen. Wenn man dagegen den Verdächtigen mit einer kleinen Zahl
ihm nicht völlig unähnlicher Personen, dem Zeugen gegenüberstellt
und aussuchen läßt: „Ist der Täter unter diesen und welcher ist es?“
dann kommt man manchmal der Wahrheit näher. Es ist schon vorgekommen,
daß sich Hysterische als Zeugen herbeigedrängt haben, die überhaupt
den Fall gar nicht erlebt haben können. Bei den andern aber hat man
in der Bestimmtheit des Wiedererkennens oft einen Maßstab für ihre
Gedächtnistreue. Aber damit eine Anklage Unschuldiger unterbleibt,
muß bei den zugezogenen Personen feststehen, daß sie als Täter nicht
in Betracht kommen (Mitgefangene, Gefängniswärter usw.). Auch für das
Wiedererkennen belastender Gegenstände ist das gleiche Wahlverfahren
nur zu empfehlen.

Wenn sich Aussagen von sonst gleich glaubwürdigen Zeugen
gegenüberstehen, die teils +freiwillig berichtet haben+, teils
+verhört+ sind -- welche verdienen etwas mehr Glauben?

Doch wohl die des freien Berichts.

Je mehr Zeit verfließt, desto mehr wird vergessen. (Vgl. Praktische
Gedächtnispflege, S. 30 die Zahlen des Vergessens in Hunderteln, die
sich als gesetzmäßig herausstellten, z. B. nach einem Tag 32%, nach
sechs Tagen 51% Verlust usw.). Die Gefahr ist groß, daß die Lücken
durch freie Zutaten ergänzt werden. Oft berichtet der Zeuge +nicht mehr
von dem früheren =Erlebnis=+, sondern er lehnt sich unabsichtlich --
absichtlich an den Wortlaut seiner früheren Aussage an.

Wieviel fälschende +Außeneinflüsse+ können sich bis zur +späten+
Hauptverhandlung eingeschlichen haben! Der eine Zeuge bespricht sich
mit dem andern. Sie legen sich in aller Unschuld ihre Aussage zurecht.
Das Hörensagen von andern, der Zufall will’s, daß von einem großen
Sünder vor dem Herrn auch mal etwas Liebes und Schönes berichtet
wird, sofort ist mancher Zeuge geneigt, die Sache milder und ruhiger
darzustellen. Oder der Parteien Haß trägt ihm von einem durchaus
ehrenwerten Menschen etwas Entstelltes oder häßliches Freierfundenes
zu. Mancher Zeuge verschärft nun seine Aussage.

Dazu kommen Vermutungen von Zeitungsschreibern. Die Versuchung, seinen
Witz an irgendeiner merkwürdigen oder dunkeln Sache spielen zu lassen,
ist für viele zu groß. Steht es erst in den Zeitungen, dann ist eine
öffentliche Meinung fertig, die einflüsternd auf die Zeugen wirkt, usw.
Wenn darum von einem Zeugen frühere und spätere Aussagen vorliegen --
welche haben die größere Glaubwürdigkeit?

Bei schwierig zu beurteilenden, dazu +entscheidenden+ Aussagen
sollten immer Gutachten eines Seelenforschers über die allgemeine
Glaubwürdigkeit des betreffenden Zeugen eingeholt werden.
Wissenschaftliche Versuche über ganz bestimmte Sondergebiete, um die es
sich manchmal vor Gericht handeln kann, stehen ja in reichster Auswahl
zur Verfügung, etwa Farbengedächtnis, Raum- und Zeitschätzung, der Grad
der Einbildungsfähigkeit usw.

So ist dringend zu wünschen, daß sich in entscheidenden Fällen die
wünschenswerte Menschenkenntnis des Richters mit seelenkundlichem
Wissen über verzwickte seelische Erscheinungen verbinde. Wer deshalb
Aussageleistungen von anderen verlangt, beurteilt und womöglich
bestraft, möchte an sich selbst die Schwierigkeiten, Grenzen und
Bedingungen der Zeugenaussage +schon als Rechtsschüler+ kennengelernt
haben.

+Ganz verzweifelt+ steht es oft mit der +Kinderaussage+. Ein großer
Teil ihrer Lügen sind Einfälle, träumerische Spielereien, die sie dann
nicht mehr von Wirklichkeitserlebnissen unterscheiden können. Selbst
gegen freie Berichte ist bei vielen Kindern das +äußerste Mißtrauen+
angebracht. Bei andern ist wiederum der freie Bericht äußerst dürftig,
deshalb muß verhört werden. Aber -- in viele Kinder läßt sich +alles+
hineinfragen. Daß Gänse vier Füße haben, Äpfel auf Birnbäumen wachsen,
Regen auch trocken sein kann, das sind Kleinigkeiten, es kommen noch
viel tollere Dinge vor.

Ungefragt erzählte mir eine sonst überaus brave Achtjährige, daß sie
„wahrhaftig gesehen“, wie der Storch ein kleines Brüderchen brachte
und die Mutter ins Bein gebissen. Ich selbst zeigte einer Klasse
drei Minuten lang -- wie reichlich die Zeit bemessen, wird uns klar,
wenn wir im Sekundentakt bis 180 zählen -- das Bild von Fritz Roeber
„Kains Brudermord“, drei Personen (Adam, Eva, der erschlagene Abel)
im Vordergrunde, ganz im Hintergrund ist Kain sichtbar. Außer einer
schlichten felsigen Umgebung sind +nur+ diese vier Personen sichtbar!!
Neben 4 Fragen der Form: Stand Eva links oder rechts von Adam? fanden
sich 7 andere Fragen nach Sachen, die gar nicht dargestellt waren:
Wo liegt der treue Schäferhund Abels, im Vorder- oder Hintergrund
des Bildes? Da hat nun diese leicht beeinflußbare Klasse von
Vierzehnjährigen gesehen: die Knaben 3,1, die Mädchen 3,37 Gegenstände,
die überhaupt nicht dargestellt waren. Nur +2 mittelbegabte+ Kinder
und +1 schlecht begabter+, teilnahmsloser Junge hatten, wie verlangt,
stets einen Strich gemacht, wenn sie etwas nicht genau wußten. Der
Klassenzweite, der Begabteste unter allen, meldete sich und beteuerte,
er habe aber nicht gelogen!

Wer die Nachrichten aus dem Gerichtssaal verfolgt, stößt immer wieder
auf +erschütternde Verurteilungen Unschuldiger+ durch Kinderaussagen,
die sich später als Lügen herausstellen. Ehre und Leben manches Lehrers
hat schwer darunter leiden müssen. Aber auch jeder andere kann in
ähnliche Lagen kommen, wo ihm eine einzige Falschaussage unendlich viel
Aufregungen oder gar Elend verschafft, deshalb hoffen wir, mit einer
+ausführlichen Verbreitung dieser Tatsachen manches Rechtsverbrechen an
Unschuldigen zu verhüten+.

Statt dieser zwei Fälle ließen sich Hunderte bringen: Der Drogist G.
wurde auf die Beschuldigung der dreizehnjährigen Schülerin K. hin zu
zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. G. verbüßte die Strafe und verließ
gebrochen und vollkommen arbeitsunfähig das Zuchthaus. Die K. sagte
im Wiederaufnahmeverfahren unter Eid aus, daß sie seinerzeit die
Unwahrheit gesagt habe. G. wurde daraufhin freigesprochen. (Monatsschr.
f. Kriminalpsychologie.) -- Rektor B. wurde von mehreren älteren
Mädchen beschuldigt, sich an ihnen in ihrer Schulzeit vergangen zu
haben. Er wurde zu 1 Jahr 3 Monaten Gefängnis verurteilt und aus dem
Amte entlassen. Als er seine Strafe verbüßt hatte, widerriefen mehrere
der Mädchen schriftlich ihre Beschuldigungen und erklärten, ihre
Aussagen nur auf Drängen der Polizei gemacht zu haben. Als sie dies
aber vor Gericht bezeugen sollten, fielen sie erneut um, da sie Gefahr
liefen, sich wegen Meineids verantworten zu müssen. Vergleiche auch
Michel, Zeugnisfähigkeit.

Kindliche Zeugen sind meist schon zu Hause seitens der Eltern usw.
unzähligen Einflüsterungen ausgesetzt gewesen. Sie treten mit völlig
verschobenen Erinnerungsbildern in den Gerichtssaal, wo sie erneuten
Fragezwängen und Einbildungen ausgesetzt werden.

Deshalb wird von der Seite des Rechts durch Schneickert, von der
Seelenforschung aus durch Lipmann gefordert:

1. +Kinder unter 7 Jahren sind überhaupt nicht als zeugnisfähig+ zu
betrachten.

2. Auf +alleinige Bekundung von Kindern+ hin darf +keine Verurteilung+
stattfinden.

In der Schule schon muß jeder planmäßig zu größter Zuverlässigkeit
seiner +Beobachtung+, seiner +Erinnerung+ und seiner +Aussage erzogen+
werden. Immer wieder kann nicht nachdrücklich genug eingeschärft werden:

+Nur was du mit eigenen Augen gesehen, mit eigenen Ohren gehört hast+,
davon darfst du reden, und dann rechne noch mit Irrtümern. Gegenüber
dem Richter oder auch im gewöhnlichen Gespräch +unterscheide scharf
deine eigenen Erlebnisse von deinen bloßen Vermutungen+ und vergiß
nicht, diese als Vermutungen zu bezeichnen.

Sind +Unterschiede+ in der Zeugenaussage +zwischen Mann und Weib+
vorhanden? Die Antwort, obgleich heiter, ist leider Tatsache: So
dankbar wir den Damen für holdes Verschönen unseres Lebens sind -- die
Mehrzahl der Aussageversuche lehrte:

+Frauen vergessen weniger+, aber +verfälschen mehr+ als die Männer. Bei
der Aufgabe, die beeidigungsfähigen Teile ihrer schriftlichen Aussage
nachträglich zu unterstreichen, unterstrichen sie fröhlich doppelt
soviel Falschaussagen als die Männer, nahmen also +doppelt soviel
Falscheide+ auf sich.

Obige Tatsachen und die Kenntnis der Umbildungsvorgänge (s. S. 18-20)
werden uns von der Notwendigkeit überzeugen, etwas mehr für die
Ausbildung unserer Sinne und unserer Aufmerksamkeit zu tun und die
Augen weit zu öffnen.

Es leuchtet doch ein, daß man sich nur dann genau einer Sache erinnern
kann, wenn man sie +in allen Teilen gründlich beobachtet+ hat. +Punkt
für Punkt, Teil für Teil+ muß das Auge den Gegenstand abwandern, ihn in
seine Teile zerlegen und dann alles zu einem Gesamtbilde vereinigen.

Jeder sollte +täglich ein paar Übungen+ im raschen, sicheren,
vollständigen Beobachten vornehmen. An Gelegenheit mangelt es nicht.
Man sucht z. B. auf dem Tisch oder Schreibtisch mit einem Blick
alle Gegenstände und ihre Lage zueinander aufzufassen, schließt die
Augen und bemüht sich, ein genaues Bild des Gesehenen innerlich
hervorzubringen. Dann aber ist es nötig, das innere Bild durch
Vergleichen auf seine +Richtigkeit+ zu +prüfen+. Wieder schließe
man die Augen und versuche erneut, noch deutlicher, sinnlicher die
Gegenstände innerlich zu zeichnen! Oder man wirft einen kurzen Blick in
ein Zimmer und versucht dann, ohne wieder hinzusehen, im Geist die Lage
aller Gegenstände geistig darzustellen. Oder man versuche, sich an alle
Einzelheiten eines Gemäldes zu erinnern!

Auch eine Übung des +Gehörs+ ist zur Steigerung der Gedächtnisleistung
unter allen Umständen wünschenswert und leicht zu erreichen. Der Raum
dieses Buches läßt es nicht zu, alle Übungsmöglichkeiten anzuführen.
Wir können nur einige Richtlinien für die Übungen angeben:

Mit geschlossenen Augen lausche man den Geräuschen, die von der Straße
oder vom Flur her ins Zimmer dringen! Man bestimme die Richtung! Aus
der Stärke und aus dem Takt der Schritte läßt sich bestimmen, wer es
ist, der kommt oder geht.

Eine zweite Person läßt Kupfer-, Silber-, Nickel- und Goldmünzen aus
gleicher Höhe zu Boden fallen. Dann bestimmt man mit geschlossenen
Augen, welches Metall herabfiel, wo die Münze hingerollt sein könnte,
sucht sie mit geschlossenen Augen usw.

Welch fabelhafter Leistung ein geübter +Tastsinn+ fähig ist, zeigen uns
die Blinden. Wir fassen unter diesem Sinn die eigentlich zu trennenden
Sinnesgebiete des Kälte-, Wärme-, Druck- und Muskelsinnes zusammen.
Üben läßt er sich natürlich auf die mannigfachste Weise, z. B. man
bestimmt nur durch Fühlen den Wert zufällig ergriffener Münzen,
spielt mit +geschlossenen Augen+ Klavier oder betastet und begreift
Gegenstände und sucht nur mit dem Tastsinn körperliche Anschauungen
zu gewinnen. Es ist dem Menschen angeboren, sich durch Berührung der
Gegenstände Kenntnis über sie zu verschaffen, so daß in jeder Sammlung
das Berühren der Kunstwerke verboten werden muß. Wo es aber erlaubt
ist, da sollte man von dieser natürlichen Regung eifrig Gebrauch machen.

Man fürchte ja nicht, in der Erziehung unserer Sinne etwa zuviel zu
tun, in der Annahme, es sei doch eigentlich nur nötig, bei allen Dingen
die Hauptsachen zu beobachten und zu merken. Dem sei erwidert, daß wir
aus Unachtsamkeit eine Fülle von wichtigen Punkten nicht beachten,
daß außerdem unsere Neigungen schon viel zu sehr eine Auslese unter
den Einzelheiten des beobachteten Stoffes vornehmen und daß die
Wertschätzung gewisser Gesichtspunkte uns blind für alles übrige macht.
Deshalb sei nach wie vor auf eine gründliche Schärfung und vielseitige
Ausbildung unsrer Sinne hingewiesen, schon aus dem Grunde, weil wir uns
mit ausgebildeten Sinnen besser in der Welt fortfinden, als mit einem
guten Gedächtnis, aber mangelhaft ausgebildeten Sinneskräften.

Wer so mit seinen Sinnen fleißig und gewissenhaft arbeitet, dessen
+Vorstellungsleben+ wird auch +viel reicher+ werden. Die Vorstellungen
sind vollständiger, +lebendiger+, +farbiger+.

+Gedächtnisstoffe+ den +Sinnen geben+!

Das ist eine so wichtige Losung, daß sie einer ganz ausführlichen
Darstellung bedarf. Wie sogar philosophische Gedankengänge Kants, eines
unserer schwersten Denker nach einer Anregung meines hochverehrten
Lehrers Professor Eduard Sprangers in einer Zeichnung sichtbar gemacht
werden können, so daß man Kants ganzes Lehrgebäude nur aus der
Zeichnung abzulesen braucht, zeige ich in „Neue Gedächtnisgesetze. Ihre
Anwendung in Lehre und Leben“.




VII. Persönliche Eigentümlichkeiten beim Vorstellen.


Indem wir tiefer in die persönlichen Unterschiede des
Vorstellungslebens eindringen, versuchen wir die +Selbsterkenntnis+ zu
fördern. Nur so lernt jeder den oder jenen Mangel, die Vorteile und
Nachteile seiner Veranlagung kennen. Er vermag dann durch Übung schwach
entwickelte, aber für das Gedächtnis wichtige Kräfte in sich zu voller
Entwicklung zu bringen und auch sie nutzbar zu machen.

Durch +Charcots+ Vorlesungen über +Aphasie+ erhielt die
Gedächtnisforschung eine weitere Anregung. Sie ist eine
Gehirnerkrankung mit +teilweisem+ oder +gänzlichem Verlust der
Sprache+, ohne daß dieser Mangel in Störungen der Sprachwerkzeuge oder
der Begabung zu liegen braucht. So konnte zum Beispiel ein rechtsseitig
gelähmtes, an Aphasie leidendes Mädchen das Liedchen „Weißt du, wieviel
Sternlein stehen“ singen und beim Singen sämtliche Worte dieser
Dichtung richtig und klar aussprechen; aber es war ihr unmöglich, etwa
das Lied nur sprechend wiederzugeben und ohne diese Hilfe überhaupt
zu sprechen. Das Gedächtnis für Worte war krank und unselbständig
geworden. Das Gedächtnis für Sang und Takt aber war noch gesund und
konnte dem Sprachgedächtnis wirksame Gedächtnishilfen leisten.

Charcot lehrte nun eine +Vielheit der Gedächtnisse+ und ihre
Unabhängigkeit bei jenen Kranken. Dazu sei gleich bemerkt, daß
tatsächlich eine Vielheit der Gedächtnisse nebeneinander besteht
(Ton-, Takt-, Zahlen-, Sprach-, Personengedächtnis), die aber durchaus
nicht scharf voneinander getrennt sind. Das Gedächtnis des einen
Sinnes vermag das Gedächtnis anderer zu vertreten. Auch ist durch
Übung eines einzelnen Gedächtnisses eine Übung des allgemeinen und der
Sondergedächtnisse nachweisbar.

Die wiederholt auftretenden einseitigen Rechenkünstler, wie der
Franzose Inaudi, der Grieche Diamandi und der Deutsche Dr. Rückle sind
gute Beispiele dafür, was für eine Vielheit der Gedächtnisse möglich
ist.

Der Piemontese Inaudi z. B. behielt Ziffern und Zahlen nach dem +Klange
seiner Stimme+. Bei ihm arbeiteten ausschließlich das Gehör (akustisch)
und die Sprachmuskeln (motorisch), und selbst wenn er nur aufmerksam
auf die gesprochenen Zahlen hörte, merkte man deutlich, wie die Lippen
und Kehle ganz leise mitarbeiteten. Er stützte sich also auf die
Klangwirkung, auf den Takt und auf sein Gedächtnis für die Bewegungen
der Sprachwerkzeuge und vermochte sogar nach einer Stunde öffentlichen
Rechnens (mit rund 300 Ziffern) sämtliche Rechnungen zu wiederholen.
Selbst am folgenden Tage vollbrachte er noch diese Leistung.

Der andere, der Grieche Diamandi, lernte +lediglich durch Sehen+
(optisch). Ja, sogar wenn ihm die Zahlen und Ziffern vorgesprochen
wurden, erschienen sie ihm deutlich als Schriftzüge auf einer Tafel.

Inaudi, der erste, stellte einen nach Begabung und Neigung
+einseitigen+ Menschen dar. Wir haben in ihm ein bloßes Schauspiel, ein
+blendendes Feuerwerk+ der Natur vor uns. Wenn er wenigstens sein fast
unbegreifliches Zahlengedächtnis, wie etwa Gauß oder Ampère, in den
Dienst überschauender, scharfsinniger mathematischer Folgerungen hätte
stellen können! So aber war sein Gedächtnis für anderes als Zahlen ganz
schwach entwickelt. 42 Zahlen vermochte er unmittelbar nachzusprechen
(andere Menschen bringen es höchstens auf 13 Zahlen). Aber er war kaum
imstande, 6-7 Buchstaben oder 6-7 Wörter eines Gedichtes unmittelbar
nachzusprechen.

Der deutsche Rechenkünstler Dr. Rückle schließlich ist beiden noch
ganz bedeutend überlegen. Er braucht alle drei Vorstellhilfen:
Sprechbewegungen, Gehör, vorwiegend aber verläßt er sich aufs Gesicht.
Weiter zeigt er sich den anderen aus dem wichtigen Grunde überlegen,
weil er +verstandesmäßige Hilfen+ noch mit einschaltet (eingeflochtene
Rechnungen und Überlegungen), z. B. die Zahl 70128 merkte er sich im
Augenblick folgendermaßen = 701 + 28 = 729 = 9³, in ähnlicher Weise
86219 = 219 = 3 × 73 und ~log~ 73 = 1,86...

Dr. Rückle konnte nach zweimaligem Durchlesen siebenmal sieben
einstellige Zahlen, in sieben Reihen zu je sieben Zahlen, in jeder nur
gewünschten Reihenfolge aufsagen. Diese Leistungen hat weder Diamandi
noch Inaudi auch nur annähernd vollbracht.

Am besten aber zeigt sich die staunenswerte ungeheure
Ausbildungsmöglichkeit eines bescheiden ausgestatteten Sinnes an der
Entwicklung der taubstummblinden Helen Keller. Hier verrichtete der
Tastsinn Wunder des Gedächtnisses, denn er vertrat die Stelle des Auges
und des Ohres. Diese Amerikanerin, obgleich zeitlebens taub und blind,
lernte mit seiner Hilfe englisch, deutsch, französisch, lateinisch,
griechisch lesen und schreiben. Sie setzte es sogar durch, daß man ihr
Unterricht im Sprechen erteilte. Die Eltern, ihre geliebte Lehrerin,
alle rieten ab. Aber der kleine Trotzkopf von 10 Jahren setzte es
durch und lernte sogar verständlich englisch sprechen. So mächtig
wirkt der Geist und wenn er in einem Kerker, wie bei Helen Keller,
eingesperrt wäre. Und wenn er mit einem so dürftigen Handwerkszeug wie
mit dem Tastsinn arbeiten muß.

Ihre Lehrerin Annie Sullivan lehrte diesem von der Umwelt
abgeschnittenen Geiste nur durch den Tastsinn das Finger-Abc, das in
27 verschiedenen Stellungen und Beugungen der Finger besteht, gab ihr
einen Gegenstand und „fingerte“ ihr dann den Namen dafür in die Hand.
Unermüdlich und geduldig tat sie das, bis bei dem Mädchen endlich,
endlich der erste Strahl des Verständnisses durchbrach. Von da an
ging es mit Riesenschritten vorwärts. Nur mit Hilfe des Tastsinnes
bildete sich Helen Keller so weit fort, daß sie mit 16 Jahren die
Gelehrtenschule besuchen und nach drei Jahren die Reifeprüfung machen
konnte. Danach studierte sie an der Harvard-Hochschule Schrifttum
und Geschichte. Sie nahm die Vorlesungen in der Weise auf, daß ihre
Lehrerin ihr die Worte des Hochschullehrers mit Hilfe der Finger
mitteilte.

Bei diesen fabelhaften Leistungen ist natürlich das Gedächtnis für
Tastreize die allererste Grundbedingung. Infolge der höchstmöglichen
Ausbildung dieses Sinnes vermag sie die feinsten Zuckungen der Hände
andrer aufzunehmen und deren Gemütsbewegungen zu empfinden. „Die Hände
der Menschen führen für mich eine beredte Sprache; die Berührung
mancher Hand aber ist eine Beleidigung. Es gibt andere, deren Hände
gleichsam Sonnenstrahlen in sich tragen.“

Bei Helen Keller sehen wir deutlich, wie ein Sinn stellvertretend
für andere einspringen kann, und daß auch für die Gedächtnisse das
gleiche gilt. Es arbeitet also +kein Sinn starr für sich abgetrennt+,
sondern es sind Bindungen und Knüpfungen mit anderen Sinnesgebieten und
-gedächtnissen möglich (vgl. S. 21. Die mehrsinnlichen Bindungen).

Aus den Leistungen der einseitigen Rechenkünstler müssen wir die
Lehre ziehen, jedes Gedächtnis nach Kräften in uns auszubilden, für
die nötige Verbindung und Zusammenarbeit der Sondergedächtnisse zu
sorgen und nicht zuletzt den Verstand stark an der Gedächtnisarbeit
zu beteiligen. Die Vernachlässigung eines Gedächtnisses bedeutet
Verarmung und ist darum zu bekämpfen. „Je gleichmäßiger die Gebiete
der verschiedenen Sinne bei einem Menschen entwickelt sind, desto
+fruchtbarer+ wird die Vereinigung der Vorstellungen verschiedener
Sinneseindrücke sein. Und +je einseitiger+ er ist, desto +notwendiger+
ist sie.“ (Paul Barth.)

Bei allen solchen reinen Anlagen, denen ein angeborener seelischer
Mangel zugrunde liegt, haben wir es nämlich meist mit starrer Vererbung
zu tun. So bei Künstlern, berühmten Rechnern, Schachspielern und
anderen hochgesteigerten Begabungen. In mehreren Altersfolgen einer
Familie findet sich mitunter eine bestimmte Vorstellungsart vor, z. B.
war in der Familie Johann Sebastian Bachs das musikalische Gedächtnis
in ganz hervorragender Weise ausgebildet.

Die meisten Menschen haben aber gemischtes Vorstellungsgepräge.
So fanden sich unter 350 Versuchspersonen nur 18 ausgesprochene
Gesichts-, 6 Gehörs- und 17 Bewegungsmenschen. Die andern mischten,
und ihre Anlagen sind je nach dem Vererbungsgrade mehr oder weniger
umbildungsfähig.

Je bildungsfähiger aber die Anlagen sind, um so mehr lernt der
eifrig Übende mit allen eingeübten Vorstellungsmitteln arbeiten. Ein
+vollkommenes+ Gedächtnis gründet sich auf eine +allseitige Entwicklung
des Vorstellens+.

       *       *       *       *       *

Es ist nun auf Grund der Versuche bestimmt anzunehmen, daß die Mehrzahl
der Menschen abwechselnd in zwei ganz verschiedenen Formen geistig
arbeitet.

Handelt es sich um Gegenstände oder Vorgänge, so erinnern wir uns
früherer anschaulicher +Bilder+. Wir denken an Überreste früherer
Sinneswahrnehmungen oder an Verbindungen von solchen. Das ist das
sinnlich-anschauliche (gegenständliche) Vorstellen. Und zwar zählen die
meisten Menschen zu den Sehern, wenn sie nicht +in Worten denken+.

Beruf oder Begabung lassen bald das eine, bald das andere hervor-
oder zurücktreten. +Bildende Künstler+ arbeiten z. B. viel mit dem
+sinnlichen Vorstellungsvermögen+, können sich aber meist nicht für
wissenschaftliche Tätigkeit erwärmen. Die bedeutendsten +Geister der
Wissenschaft+ aber +bevorzugen das Wortdenken+. Darum sind sie meist
schlechte Künstler.

Bei diesem Wortdenken nun zeigen sich die Unterschiede je nach dem
Vorherrschen eines Vorstellungsgepräges. Der Gehörsmensch arbeitet
mit gehörten Worten, ein anderer mit Gesichtsbildern gedruckter
oder geschriebener Worte und der vorwiegend auf Bewegungen sein
Vorstellungsleben Aufbauende mit leisem Zusammenziehen der Muskeln der
Sprachwerkzeuge.

Natürlich spielt dabei auch eine Rolle, durch welche Sinne wir den
oder jenen Stoff in uns aufnahmen. So berichtet ein Forscher (Baldwin)
von sich, daß er sich sein Deutsch innerlich sprechend und hörend
vorstellt, weil er es durch Unterhaltung in Deutschland gelernt hat,
sein Französisch aber innerlich schreibend und sehend, wie er es in der
Schule lernte.

Mit je mehr Sinnen wir etwas in uns aufnehmen, desto mehr Sinnen steht
es dann zur Verfügung. Jedenfalls ist es uns viel geläufiger, wenn wir
es durch mehrere, als wenn wir es nur durch einen Sinn aufnehmen. Und
das Leben verlangt vielfach von uns vielseitige, schnelle Anwendung
unseres Könnens. So bestätigen denn auch die Versuche von Lay,
Schiller, Haggenmüller, Fuchs, Lobsien, Itschner die Notwendigkeit,
alle Sinne heranzuziehen: Abschreiben (sehend mit Schreibbewegungen)
mit leisem Sprechen (hörend mit Sprechbewegungen) ist z. B. für die
Rechtschreibung die wirksamste Einprägung.[17]

Hier haben wir eine Verbindung aller nur möglichen sinnlichen Keime,
des Sehens, Hörens, Sprechens und Schreibens. Und der Erfolg ist der
denkbar beste bei unseren Schülern wie sie jetzt sind, d. h. noch gar
nicht auf allen Sinnesgebieten genügend ausgebildet.




VIII. Wie stellen wir fest, welche Vorstellungsseiten uns fehlen und
deshalb einzuüben sind?


Dazu fehlt es vorläufig an einem handlichen, vollkommen befriedigenden
Verfahren. Aber einige Hinweise erlauben uns, ziemlich deutlich die
vorwiegende Vorstellungsart zu erkennen.

1. Man beachte die Fehler in schriftlichen Arbeiten! Der Hörer
verwechselt ähnlich klingende Laute, z. B. ä und ö mit e, s mit ß und
z. Der Seher aber faßt die Form der Buchstaben scharf auf und stützt
sich nicht auf den Klang, sondern aufs Wortbild. Der Hörer macht etwa
Fehler: sagte -- sachte, Hitze -- Hitse, Haide -- Heide, Lid -- Lied.
Davor bleibt der Seher bewahrt, weil sich ihm die Verschiedenheit des
Gesichtsbildes schnell aufdrängt.

2. Der Seher merkt sich mehr die Mitlaute, weil sie dem Auge durch ihre
Größe auffällig sind, der Hörer die Selbstlaute, die bekanntlich lauter
klingen als die Mitlaute.

3. Der Seher kann meist genau angeben, wo eine bestimmte Stelle im
Buche oder in der Arbeit zu finden ist, die andern können das nicht.

4. Der Seher buchstabiert lange Wörter leicht rückwärts wie vorwärts,
was den beiden anderen Arten wesentliche Schwierigkeiten macht. Auch
folgende Aufgabe vermag bei der Feststellung der Vorstellungsart zu
helfen:

5. Man schreibe Gegenstände mit lebhaften Farben auf, dann Gegenstände,
die starke Geräusche erzeugen! Beide Aufgaben sind 10 oder 15 Minuten
lang fortzusetzen. Wer viel mit dem Gesicht arbeitet, wird bei der
ersten, wer sich mehr aufs Gehör verläßt, bei der zweiten mehr
Gegenstände aufschreiben.

Handelt es sich nun um Gedächtnisleistungen, die sofort von uns
verlangt werden, so werden wir uns zunächst auf unser Vorstellungs- und
Gedächtnisgepräge stützen, dann aber die Übung der anderen Sinne eifrig
betreiben, damit sie später eine weitere Hilfe für uns werden.

In welcher Weise diese Forderung zu verwirklichen ist, möge noch durch
folgende Beispiele erläutert werden:

Ein Maler wendete folgendes Mittel in seiner Malerschule an. Um seine
Schüler an das Zeichnen aus dem Gedächtnis zu gewöhnen, ließ er die
Umrißlinie der Figur mit dem Bleistift in der Luft verfolgen. So
nötigte er seine Schüler, das Muskel- mit dem Gesichtsgedächtnis zu
verschmelzen. Noch vorteilhafter soll die feine Arbeit der Augenmuskeln
für das Gedächtnis sein.[18]

Von sich selbst erzählt Meumann, daß er sich beim Lernen der
Fremdwörter an die Klangbilder hielt. Die hebräischen Zeitwörter
bereiteten ihm aber große Schwierigkeiten, weil alle in der ersten
Silbe ein langes a, in der zweiten meist ein kurzes a haben, seltener
e, o und a. Da half er sich damit, daß er, obgleich Hörer, nur auf das
Gesichtsbild der Mitlaute achtete. Mit dem Gesicht lernend überwand er
allmählich die Schwierigkeiten.


  [17] Vgl. Prof. Dr. Paul Barth, Die Elemente der Erziehungs- und
  Unterrichtslehre. 6. Auflage (J. A. Barth, Leipzig), und W. A. Lay,
  Führer durch den Rechtschreibunterricht.

  [18] In der Praktischen Gedächtnispflege S. 35-44 ist die
  Einschaltung geeigneter Muskelempfindungen beim Lernen ausführlich
  dargestellt.




IX. Sinnvolles Lernen.


Zuerst ist es nötig, den +Inhalt zu erfassen+. Dann erleichtert
der Zusammenhang wesentlich die Einprägung. Eine geringe Zahl von
Menschen schlägt den umgekehrten Weg ein, lernt erst die Wörter
und versucht dann, mit deren Hilfe in den Inhalt einzudringen.
Selbstverständlich kann dieses Verfahren nicht empfohlen werden. Das
mögen nur solche Leute tun, die ein großes Gedächtnis für Wörter, aber
geringes Verständnis haben. Da mag der Fleiß ersetzen, was an Geist
fehlt.

Wenn der +Sinn erfaßt+ ist, braucht der Lernende nach Ebbinghaus
+nur ein Zehntel der Zeit+. Andere Forscher haben je nach der
Schwierigkeit des sinnvollen Stoffs noch bessere Ergebnisse erhalten.
Fünfundzwanzigmal so viel Wörter wurden behalten, wenn man den
Versuchspersonen sinnvolle Sätze statt unzusammenhängender Wörter bot.

Die große Überlegenheit des durchdachten Zusammenhangs wird uns aus
folgenden Ergebnissen klar.

Bei Meumanns Versuchen behielten die geübtesten Personen bis zu 13
Buchstaben, ebenso viele Zahlen, 7 bis 9 sinnlose Silben, bis 10
Einzelwörter, bis 20 Wörter eines Gedichts, bis 24 Wörter einer
Weltansichtsrede. Daraus ersehen wir die wichtige Tatsache, daß
nicht die Zahl der Elemente, sondern die Zahl der selbständigen
Gedächtnis+einheiten+ maßgebend ist. Obige 10 Einzelwörter enthielten
etwa 50-60 Buchstaben. Das Gedächtnis behielt sie aber nicht als
Buchstaben, sondern als Worteinheiten.

„Unser Gedächtnis ist eine synthetische (zusammensetzende) Tätigkeit,
die aus Elementen Einheiten schafft, und das ist ‚assoziiert‘, was für
unser Bewußtsein zum Teil eines Ganzen geworden ist.“ (Meumann.)

Die hervorragende Bedeutung der Denkzusammenhänge war sicherlich schon
vor langer Zeit unseren Vorfahren bekannt, sonst hätten sie nicht
das Wort „Gedächtnis“ gebildet. Nur an dem, was +durchdacht+ und
+verstanden+ ist, zeigen sich die besten Gedächtnisleistungen. Das
Denken schafft eben die größten umfassendsten Vorstellungseinheiten und
gibt allen Teilen einen weiteren Verwendungsbereich und eine größere
Bereitschaft. Was die Vorstellbindungen unbewußt und achtlos erreichen,
nämlich einen Zusammenhang unter den einzelnen seelischen Grundwerten,
schafft das Denken viel dauerhafter, weitgespannter und besser. Diese
Gedankenverknüpfungen (vgl. S. 22) bedeuten tatsächlich das Höchste,
was der Menschengeist hervorzubringen vermag.

Das Verständnis für so manchen zunächst langweiligen Stoff geht uns
erst auf, wenn wir vom Gegenteil ausgehen. Der Gegensatz wirft meist
wertvolle Schlaglichter auf den ödesten Stoff und kann plötzlich in uns
eine Fülle von Gedankenzusammenhängen anregen.

Ein vollendetes Beispiel dafür bietet die Beschäftigung mit der
Rechtswissenschaft. Welche Marter für den Nichteingeweihten, in einem
Gesetzbuch lesen zu müssen, wie es jetzt bei uns in Deutschland üblich
ist!

Scheinbar etwas ganz anderes werden aber diese reizlosen
Gesetzesabschnitte, wenn wir uns die Zeit nehmen, über jeden etwas
nachzudenken, uns etwa vorzustellen, wie es sein würde, wenn das
+Gegenteil+ erlaubt wäre, uns einige anschauliche Fälle auszudenken und
Vermutungen über den +Grund der Entstehung+ des Gesetzes anzustellen.
Ein so betrachteter Abschnitt ist dann schon zur Hälfte gelernt.

Die große Bedeutung des Gegensatzes in aller Kulturentwicklung, in
unserm Denken, in unserm ganzen seelischen Leben, in der Dichtung
(einfache Gegensätze, Gegensatzstimmungen an Ruinenstätten großer
Vergangenheit, Parodie, Ironie, Satire, Paradoxon) habe ich ausführlich
in „+Deine gestaltende Seele und dein Stil+“ dargestellt (Th. Müllers
Verlag und Versandbuchhandlung).

Auch die Wörtchen „+Warum?+“, „+Wozu?+“ sind Zauberstäbe, die uns, etwa
in Naturwissenschaften und Geschichte, mit einem Schlage in tausend
Zusammenhänge bringen, die natürlich ganz wunderbare Gedächtnisstützen
sind.

Von großer Wichtigkeit ist eine Geistestätigkeit, die wir schon in
andern Abschnitten erwähnten, beim sinnvollen Lernen aber nicht
übergehen dürfen: das +Zurückschauen+, +Überblicken+, +Zusammenfassen+,
damit sich auch +außer der Reihe Verbindungen knüpfen+. Das schafft
+bewußte Ordnung+ unter unseren Geistesschätzen, während die
Vorstellbindungen blind und unbewußt ordnen.

Zusammenfassend ist bei allem Lesen und Lernen zu fordern:
Pausen einzufügen, um zurückzuschauen, in stiller Betrachtung
zu +vergleichen+, um +ähnliche+ oder +entgegengesetzte+ Fälle
heranzuziehen.

Ganz besonders gilt es für Vernunftzusammenhänge: Erst die
+Hauptgedanken klar herauszuschälen+, den ganzen Aufbau in bezug auf
+Ursache und Wirkung+, +Grund und Folge+, +Zweck und Absicht+ klar vor
das geistige Auge zu stellen; dann ist in einem langsamen Zeitmaß zu
lesen, +das dem Verstehen angepaßt ist+.




X. Mnemotechnische Anregungen??


Um eine möglichst vollständige Gedächtnislehre zu bieten, mag hier noch
folgender Abschnitt Platz finden, dem ich jedoch selbst nicht in allen
Teilen zustimmen kann.

Findige Köpfe haben sich allenthalben Gedächtnishilfen geschaffen.
Erinnern wir uns daran, wie sich der Soldat seine Hornsignale
merkt, an das Kartoffelsupp usw. Vgl. S. 14. Sehr erfinderisch sind
von jeher Schüler im Ersinnen von Merkstützen, sog. Eselsbrücken,
gewesen. Für die auf dem Fichtelgebirge entspringenden Flüsse Main,
Saale, Eger, Naab wurde als Merkwort das lateinische ~mens~ gewählt.
Für bestimmte Dichter des 18. Jahrhunderts dient die Zahl 9 als
Gedächtnishilfe: 1719* Gleim, 1729* Lessing, 1749* Goethe, 1759*
Schiller, 1769† Gellert, 1799* Heine. Die Zahl der Monatstage (30 oder
31) wird vielfach von den Schülern an den Knöcheln beider Handrücken
festgestellt usw.

Aber sollte sich nicht all dies durch reines Einprägen und öfteres
Wiederholen ebensogut merken lassen? Wir möchten lieber für spröden
Stoff vorschlagen, ihn auf +kleine Zettelchen+ zu schreiben, sie in der
Tasche mit sich herumzutragen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit
durchzulesen. Durch fortwährendes gelegentliches Auffrischen werden
selbst die schwersten Sachen dem Gedächtnisse dauernd und geläufig
einverleibt.

Noch glatter als das alleinstehende Wort ist die Zahl. Wer ein gering
entwickeltes Zahlengedächtnis hat, das trotz eifriger Übung keine
wesentlichen Fortschritte macht, der wird sich vielleicht mit Erfolg
folgender mnemotechnischer Hilfe bedienen, um sich etwa Jahreszahlen,
wichtige Fernsprechnummern, Fahrplanzeiten usw., über die er stets
verfügen muß, einzuprägen. Jede Zahl wird in bestimmte Buchstaben
umgewandelt (auch die in Klammer stehenden Buchstaben gelten für
dieselbe Zahl).

1. Für 1 gilt t (d), da das geschriebene t Ähnlichkeit mit 1 hat.

2. n und v haben zwei Grundstriche.

3. m hat drei Grundstriche und ist dem w ähnlich.

4. r ist in der 4 vieler Sprachen zu finden. Das deutsche q hat
Ähnlichkeit mit 4.

5. Das Schluß-s kann man als verschnörkelte 5 ansehen. Für 5 gelten
auch ß und s.

6. b hat Ähnlichkeit mit der 6; aus demselben Grunde gehört der harte
Lippenlaut p hierher.

7. Zwischen f (pf) und der Ziffer 7 lassen sich schließlich auch
gewisse Ähnlichkeiten entdecken.

8. 8 ist ein recht plumpes h (j).

9. g sieht der 9 ähnlich. Es treten noch ch und k dazu.

10. Das Nullzeichen (0) in 10 kommt zuletzt, gilt darum für z, l, tz.

Gilt es nun z. B., die Zahl 814 = htr als Todesjahr Karls des Großen zu
merken, so läßt sich daraus etwa das Wort Hüter bilden, das man ganz
gut mit Karl dem Großen in Verbindung bringen kann. Die Schlacht bei
Cannä: 216 = ntp = ~ante portas~. Mosis Gesetzgebung: 1500 = dsll = du
sollst.

Die mnemotechnischen Grundsätze sind jedoch nach Meumann so
verschwenderisch wie möglich. Es widerstreitet dem natürlichen
Bestreben unseres Gedächtnisses, nur +das unbedingt Notwendige
zu behalten+, indem der Lernende mit einer +ungeheuren Masse von
Hilfsvorstellungen überlastet+ wird, die allmählich alle wieder
ausgeschieden werden müssen, wenn ein glattes und sicheres Hersagen des
Behaltenen stattfinden soll. Daher pflegen alle Menschen, die sich
anfangs mit Begeisterung dieser so oft gekünstelten Hilfen bedienen,
bald wieder abzufallen, weil +niemand diese Überlastung seines
Gedächtnisses mit bloßen Hilfsvorstellungen auf die Dauer erträgt+.

In „Neue Gedächtnisgesetze. Ihre Anwendung in Lehre und Leben“
habe ich im Anschluß an „vier Rechenkünstler und ihre Merktechnik“
+natürliche Zahlenmerkhilfen+ in reicher Auswahl vorgeschlagen:
mathematisch-astronomische Geschichts-, Erdkunde-Zahlen usw.




XI. Hemmung und Förderung der Gedächtnistätigkeit.

  Wir müssen die Anerkennung des Satzes verlangen, daß die Kraft des
  Geistes auch nach der sittlichen Richtung hin in weitestem Maße vom
  Körper abhängt (sonderlich vom Gehirn) .... Mit dem Kampf gegen die
  Rauschgifte, die nur zu häufig zum furchtbarsten Feinde des Großhirns
  werden, ist noch lange nicht genug getan. Allgemeine Aufklärung
  über die Gesundheit des Gehirnlebens tut not, und noch vieles muß
  geschehen.

  (Flechsig, Rektoratsrede 1894.)


Gesundheitlicher Teil.

Eine Gesundheitslehre des Gedächtnisses läßt sich nicht von der
Gesundheitslehre des Geistes lösen, die wiederum innig mit der
Körperpflege verknüpft ist; denn nur in einem gesunden Körper kann eine
gesunde Seele wohnen. Mannigfache Gefahren bedrohen die Gesundheit des
Körpers und Geistes.


Selbstgifte.

Jede Arbeit erzeugt Stoffwechselreste, z. B. Kohlensäure, Harnsäure und
ganz eigenartige Ermüdungsgifte. Dauert die Arbeit sehr lange, ist sie
sehr anstrengend und werden mehr Gifte erzeugt, als der Körper durch
Lungen und Nieren ausscheiden kann, so reichern sie sich in ihm an und
wirken lähmend. Dann hat der Körper das Bedürfnis nach Ausscheidung
dieser belastenden Gifte. Er zeigt Ermüdung und das +Verlangen nach
Ruhe+. Die soll man ihm dann auch +gönnen+.

Arbeit im Zustande der Übermüdung ist entschieden schädlich und sollte
nur in ganz dringenden Fällen ausgeübt werden. Lernarbeit ist in diesem
Zustande beinahe wertlos.

Wie begegnen wir nun am besten der Ermüdung? Geben wir zunächst
zwei Ärzten das Wort! „Hufelands Rat, durch Willkür die tägliche
Aussonderung zu regeln, ist bekannt und begründet, und ich füge bei
diesem Anlaß den hinzu, während des Lesens und Schreibens, wo man
unbewußt den Atem anhält, manchmal absichtlich tief einzuatmen, selbst
vom Tische aufzustehen und ein paarmal durchs Zimmer zu gehen, --
sowie, zumal bei feinerer oder abendlicher Arbeit, manchmal für einige
Minuten die Augen zu schließen. Der Laie befolge diesen Rat! Der Arzt
begreift ihn.“[19]

[Illustration: Abb. 16. Atmung und Puls beim Betrachten des Bildes auf
Abb. 17: Jüngling zu Nain (14jähr. Schüler)

(Aus Schulze, Werkstatt der experiment. Psychologie und Pädagogik.)]

Wir haben den außerordentlich hohen Wert der Aufmerksamkeit besonders
für die Verknüpfung, für das höhere geistige Dasein, kennen gelernt.
Leider hat nun aber die Aufmerksamkeit auch eine Kehrseite.

In obiger Abbildung 16, die wir dem trefflichen Buche Rudolf Schulzes
„Aus der Werkstatt der experimentellen Psychologie“ entnahmen, zeigt
die obere Wellenlinie die Atmung, die untere den Puls eines Knaben an,
der das Bild des Jünglings zu Nain (Abb. 17) betrachtet. Die beiden
Marken des mittleren Strichs zeigen uns den Augenblick der Öffnung
und Schließung einer Tür, die das Bild verdeckt. Wir sehen, wie die
Pulslinie bei der ersten Marke plötzlich nach oben springt, also
verstärkten Herzschlag anzeigt, nach Schließen der Tür aber ebenso
plötzlich wieder sinkt. Die Atemveränderung ist auch sehr auffällig.
Erst ganz regelmäßige Züge, während der Bildbetrachtung ganz flaches,
unregelmäßiges Atmen und beim Schließen der Tür zwei tiefe, befreiende
Atemzüge.

[Illustration: Abb. 17. Der Jüngling zu Nain von Haueisen.

(Verkleinerte Wiedergabe einer farb. Künstlerlithographie aus R.
Voigtländer’s Verlag, Leipzig, Größe 100×70 ~cm~. Preis M 6.--.)]

Daraus ergibt sich, wie die Aufmerksamkeit die Atmung verflacht. Man
redet ja auch von einer „atemlosen Spannung“. Dauert dieser Zustand
lange, dann wird das die Gehirnzellen belastende Gift, die Kohlensäure,
nicht in dem Maße ausgeschieden, wie es wünschenswert ist. Dreimal
so viel Sauerstoff brauchen Hirnzellen wie andere Körperzellen von
gleichem Gewicht. Dazu sind die Hirnzellen außerordentlich empfindlich
gegen die entstehenden Stoffwechselgifte.[20]

Wird unsre Aufmerksamkeit zu lange angespannt, so antworten wir mit
einem Gähnen. Diese Erscheinung ist noch nicht eindeutig erklärt. Am
meisten für sich hat wohl die Meinung, daß es ein tiefes Atemholen
sei, um die Kohlensäure auszuscheiden und Blut und Gehirn wieder mit
Sauerstoff anzureichern. Zugleich ist mit dem Gähnen ein Druck auf
die Schilddrüse verbunden, durch den sie zu einer inneren Absonderung
von Gegengiften (Antitoxinen) gegen die Ermüdung angeregt wird. Oder
die Aufmerksamkeit schweift ab, weil sie sich nicht länger verdichten
kann. Dann sind der weitere Unterricht und die Lernarbeit wertlos.
Durch ein paar tiefe, befreiende Atemzüge aber sind wir wieder in der
Lage, uns zu sammeln. Dann wird die Unterrichts- und Lernarbeit wieder
wertvoller.[21]

Außerdem wollen wir ja nicht außer acht lassen, daß tägliche
Tiefatemübungen das einzige Mittel sind, unsre Jugend zu einem
lungenkräftigen Geschlecht heranzubilden, dem auch die Schwindsucht
nichts anhaben kann.

Wenn überall bei der Jugend auf eine kräftige, vollständige, tiefe
Atmung besonders der +oberen+ Lungenteile, auf eine frühe Erweiterung
des oberen Brustkorbs und Rippenringes (Hände hinter dem Kopf
verschränken) Wert gelegt würde, dann würden viele Ansteckungen von
Schwindsucht überhaupt nicht aufkommen, andere leicht und schnell
ausheilen, und die große jährliche Verlustziffer an Lungenschwindsucht
für unser Vaterland würde ganz gewaltig sinken (1913 = 85000 Todesfälle
an Lungentuberkulose).

Dieser Abschnitt gehört mit gutem Recht in eine Gedächtnislehre, denn
+was nützt alle Übung des Gedächtnisses+, wenn jener niederträchtige
Feind langsam aber sicher alle Hoffnungsblüten vernichtet!


Über die Dauer der geistigen Arbeit.

Neun Stunden angestrengter geistiger Arbeit dürften das zulässige
+Höchstmaß+ sein. Dann soll die Erholung, die Entspannung folgen.
Diese suchen und finden die meisten Menschen durch Betätigung auf
anderen Gebieten, z. B. beim Zeitungslesen, Kugel- und Kartenspielen,
Schaubühnenbesuch usw. Allein diese Erholung ist nicht die denkbar
beste, denn sie beansprucht wieder Aufmerksamkeit, die die Atmung
verflacht. Darum müssen wir als eine wesentlich bessere Erholung das
Spazierengehen mit tiefem Atmen bezeichnen.

Das ruhige Wandern mit regelmäßigen tiefen Atemzügen wird vielfach von
Ärzten auch als ein wirksames Heilmittel gegen Nervosität empfohlen,
zu deren ersten Kennzeichen ein Nachlassen des Gedächtnisses und die
Gedankenflucht gehören. Man vermag dann nicht mehr bei einem einmal
eingeschlagenen Gedankengange zu bleiben, verliert den Faden, schweift
zumeist auf Grund oberflächlicher Bindungen von einem Gebiete in das
andere und vergißt dabei, was man alles hatte sagen wollen.

Hier gilt es vorzubeugen. Das gelingt sicher, wenn man täglich
insgesamt mindestens drei Stunden auf Wandern, leichtere oder schwerere
Gartenarbeit, Sport und Turnen verwendet.

Unbedingt soll sich jeder deutsche Jüngling und jedes Mädchen dem
Turnen und dem Turnspiele, dieser +allseitigen, ausgeglichenen+
Ausbildung des Körpers, eifrig hingeben. Denn es ist wahrhaftig ein
Jungborn der Menschheit und erhält geschmeidig bis ins späte Alter. Der
Sport ist zwar meist einseitig, wohl auch kostspieliger als das Turnen,
erzieht aber zu +schneller Entschlußfähigkeit und Geistesgegenwart+.

Es ist jedoch zu bemerken, daß Sport und Turnen, überhaupt körperliche
Anstrengungen, wie wissenschaftliche Versuche beim Gewichtheben,
Vorstellungsbinden und Vorstellungsergänzen festgestellt haben, neben
der körperlichen auch gehörig viel geistige Kraft verbrauchen. Es
fällt den Beteiligten nur nicht so auf, +weil es lustbetonte Arbeit
ist+. Darum ist es empfehlenswert, auch +darauf erst eine Erholung
und Entspannung+ folgen zu lassen, ehe man sich wieder anstrengenden
Tätigkeiten hingibt. Erwähnt sei schließlich noch, daß bei dieser
Betätigung unter allen Umständen +eine Erschütterung des Kopfes und des
Rückenmarks+ zu +vermeiden+ ist.

In einer Gesundheitslehre des Geisteslebens dürfen auch einige
Bemerkungen über die +beste Erholung+, den +Schlaf+, nicht fehlen; denn
ein Mensch, der durch den Schlaf noch nicht genügend gestärkt und
neubelebt ist, der müde und abgespannt die Arbeit der Lerntätigkeit
aufnimmt, leistet wenig oder gar nichts. Der wissenschaftliche
Versuch zeigt uns nämlich, daß der Einfluß des körperlich-geistigen
Wohlbefindens auf die Leistungsfähigkeit sehr groß ist.

Allgemein ist die Ansicht verbreitet, daß für den Erwachsenen
mindestens acht Stunden Schlaf nötig sind. Wenn aber ein Bedürfnis
für noch längere Ruhe vorhanden ist, so gebe man dem ruhig nach. +Die
Nacht+ sollte +so wenig als möglich zur Arbeit+ verwendet werden.

Nach dem Mittagessen (12 Uhr) erreicht die geistige Leistungsfähigkeit
infolge der Verdauungstätigkeit einen ganz beträchtlichen Tiefstand.
Darum ist die geistige Arbeit sofort nach dem Mittagessen verfehlt.
Entweder wird sie oder die Verdauung, meist beide, unter großer
Kraftvergeudung ungünstig beeinflußt. Von 3 Uhr an steigert sich wieder
die Arbeitsfähigkeit und erreicht gegen 5 Uhr ihren Höhepunkt am
Nachmittag.

Bei Nervosität oder nach angestrengter geistiger Arbeit, die unbedingt
+mindestens eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen zu beenden+ ist,
vermag mancher nicht einzuschlafen. Dem können wir nicht dringend genug
unser Mittel der Entspannung empfehlen, wie wir es für Spaziergänger
vorschlugen, nur daß an Stelle des Marschierens fortwährendes Zählen,
etwa bis vier, einzutreten hat: Also Sammlung auf tiefe Atmung und
Zählen, dabei mit geschlossenen Augen Festhalten eines vorgestellten
Punktes. Dazu fasse man vertrauensvoll den festen Vorsatz, am andern
Morgen recht frisch, munter und leistungsfähig aufzustehen!

Wir haben es hier mit der +Einbildung+ zu tun, die aber ganz
wesentlichen Einfluß auszuüben vermag. Es sei nur an die bekannte
Tatsache erinnert, daß es fast jedem Menschen möglich ist, zu einer
bestimmten Zeit frühmorgens aufzuwachen. Bei den meisten genügt hierzu
der feste Vorsatz und der Glaube an den Erfolg.

Selbst bei schwerer Schlaflosigkeit läßt sich mit ähnlichen Mitteln
viel erreichen. Natürlich ist es dann nötig, noch länger als eine halbe
Stunde vor dem Schlafengehen mit jeder geistigen Arbeit aufzuhören.
Auch muß man sich +tagsüber körperlich müde gearbeitet+ haben. Die Zeit
vor dem Schlafengehen verwende man dann dazu, in einem schleppenden,
ermüdenden Zeitmaß umherzuwandern, durch Schlaffmachen des ganzen
Körpers sich +Müdigkeit einzureden+, bemühe sich, an nichts weiter als
an die Müdigkeit zu denken, die immer mehr von Körper und Geist Besitz
ergreift. Man vergesse aber ja nicht den +gläubigen Vorsatz+, am andern
Morgen recht +frisch und leistungsfähig aufzustehen+.

Wenn ein Nervöser den Arzt zu Rate zieht, ist dessen erste Frage nach
der Verdauung. Verstopfungen sind nämlich mitunter die allerersten
Ursachen von Schädigungen des Nervengefüges, von Schwermut,
Lebensüberdruß, ja sogar von Selbstmord und schweren Verfehlungen in
geschlechtlicher Beziehung.

Und diese Schädigungen sind gerade bei Schülern infolge der sitzenden
Lebensweise weit verbreiteter, als man nur ahnt. Da infolge der
herrschenden falschen Scham diese außerordentlich wichtige Frage selten
gestreift wird, will ich wenigstens in dieser Beziehung meine Pflicht
erfüllen, denn es ist eine ganz gefährliche Klippe, an der schon
manches Lebensglück gescheitert ist.

Es ist nicht zu empfehlen, mit Arzeneien, an die sich der Körper
schnell gewöhnt, dagegen einzuschreiten. Ein Glas frisches Wasser am
Abend und eins nüchtern frühmorgens wirken in den allermeisten Fällen.
Wichtig ist Gewöhnung an eine bestimmte Zeit, dabei nötigenfalls
Einbildungseinflüsse vor dem Einschlafen.


Dem Körper fremde Gifte.

Bei nervöser Schlaflosigkeit mit Kopfschmerz verordnet der Arzt
+Brom+. Wie aber die Untersuchungen der Kräpelinschen Schule ergeben
haben, schwächt dieses Gift das Gedächtnis, indem es die seelische
Verbindefähigkeit herabsetzt. Unsere oben erwähnten naturgemäßen Mittel
gegen Schlaflosigkeit sind entschieden empfehlenswerter als jeder
Gifttrank, wenn auch Brom noch verhältnismäßig am unschädlichsten ist.
Viel verbreitet ist als Schlafmittel


das Rauschgift.

In dieser Frage will ich nur Leuchten der Wissenschaft reden lassen.

Schon 400 Jahre vor Chr. Geb. wünschte +Plato+ ein Gesetz, das den
Knaben bis zu 18 Jahren den Wein verbietet. Ferner hat Kräpelin, Lehrer
der Irrenärzte, an der Universität München, 1892 in einer wertvollen,
vielbeachteten Arbeit: „Über die Beeinflussung einfacher seelischer
Vorgänge durch einige Arzneimittel“ die Wirkung von Alkohol, Tee,
Morphium, Äther, Amylnitrit usw. untersucht. Die Ergebnisse, zu denen
er in bezug auf die Wirkung des Alkohols kommt, sind kurz folgende:

Einfache geistige Fähigkeiten mit und ohne Weingeistbeeinflussung
können ja genau an den +Leistungen+ gemessen und verglichen werden. Da
zeigt sich, daß das Rauschgift geistige Leistungen +verringert+ und
+verschlechtert+, während merkwürdigerweise die Leute selbst glauben,
besonders gut und angeregt zu arbeiten. An vielen Versuchspersonen
wurden folgende Untersuchungen mit peinlich gewissenhafter Vermeidung
von Fehlerquellen angestellt:

  1. die Zahl der Silben geprüft, die in fünf Minuten mit Betonung
  gelesen wurden, ebenso

  2. die Menge der Zahlen, die in derselben Zeit zusammengezählt wurden,

  3. die Zahl der Wiederholungen, die nötig waren, um zwölfstellige
  Zahlen zu lernen,

  4. die Zeit auf tausendstel Sekunden gemessen, die gebraucht wurde,
  um bei zwei verschiedenen Zeichen, etwa Klingel oder Erscheinen einer
  grünen Scheibe, entweder einen rechten oder linken Hebel loszulassen.

+Höhere geistige Arbeit+ wurde verlangt, indem man zu sinnlichen
oder rein gedanklichen (abstrakten) Wörtern schnell andere Wörter zu
sagen hatte. Natürlich sind +die+ Wörter am schnellsten da, die schon
irgendeine Verbindung mit dem Reizwort haben, mit ihm verbunden oder
gar verknüpft sind. Die Verknüpfung ist natürlich die höhere Leistung.
Es zeigte sich, daß diese sinnvollen, gedanklichen Zusammenhänge
(Apperzeptionen) nach Alkoholgenuß vermindert und durch bloße
Vorstellbindungen (Assoziationen) ersetzt wurden. Und unter diesen
fand ebenfalls ein weiteres +Herabdrücken+ statt. Die wertvolleren
Verbindungen, etwa daß beim Reizwort Tag einfiel: Licht, Sonne,
Arbeit usw., werden durch solche ersetzt, wo noch weniger Sinn zu
walten braucht: Mittag, Sonntag, Bach, mag usw. Hier ruft der Klang
einen andern Klang geistlos ins Bewußtsein. Auch wurden viel Worte
gemacht mit wenig Sinn. Diese Tatsache ist natürlich fürs Gedächtnis
bedeutungsvoll.

Endlich wurde das unmittelbare Behalten geprüft. Das Auge betrachtete
durch einen Spalt sinnlose Silben, ein- und zweisilbige Wörter, die
sich auf einer Trommel vorüberbewegten. Man ließ nun nach 15, 30
oder 60 Sekunden angeben, was gemerkt worden war. Schon bei 30 ~g~
Alkohol (¾ ~l~ Bier) treten nach 15 bis 20 Minuten häufige Auslassungen
(vergessen) ein, auch falsche Angaben. Die Zuverlässigkeit leidet
stark. Besonders bei sinnlosen Silben, die schwerer zu lesen und
aufzufassen sind als sinnvolle Wörter, stieg die Zahl der Auslassungen
auf das Fünfzehnfache, die der falschen Angaben aufs Doppelte der
Fehler in nüchternem Zustande.

Es zeigt sich also eine +um so größere Beeinträchtigung, je
anstrengendere oder höhere Leistungen+ vom Geiste verlangt werden.
Je geistloser, je maschinenmäßiger, je eingeübter eine Arbeit ist,
desto geringer ist der Schaden. Es wirkt also der Alkohol auf +den+ am
ungünstigsten, der +schöpferisch+ tätig sein will.

Nach größeren Gaben, bei 60 ~g~ Alkohol (= 1½ ~l~ Bier), war die
Erschwerung oder Lähmung der geistigen Arbeit bis zwei Stunden
nachzuweisen. Bei mittleren Gaben, bei 30-45 ~g~ Alkohol (= ¾–1 ~l~
Bier), ergab sich ebenfalls bei +allen+ geprüften geistigen Leistungen
eine deutlich nachweisbare Minderung von etwa 40 bis 50 Minuten Dauer.

Nach geringen Gaben (7,5-10 ~g~ = ¼ ~l~ Bier) trat vor der Lähmung
eine +kurze+, viertel- bis halbstündige Erleichterung ein, jedoch nur
bei Arbeiten, die irgendwie +mit Muskelarbeit+ zusammenhängen, z. B.
beim Lesen (Sprachmuskulatur), beim Loslassen der Hebel. Aber dieser
unwesentliche, kurze Vorteil wird +übertroffen+ von +Nachteilen+:
Die Sicherheit und Genauigkeit nimmt ab. Was nützt es, wenn die
Bewegung erleichtert, aber die +Überlegung verringert+ wird und die
+Zuverlässigkeit leidet+! Was ist das aber für ein verfluchter Gewinn,
wenn der Führer eines Kraftwagens das Lenkrad schneller dreht, aber
gerade nach der falschen Richtung, und einen solchen Zusammenstoß
mit Wagen oder Baum oder Prellstein verursacht, daß alle Insassen
herausgeschleudert werden und Hals und Beine brechen!

„Und gar eine einmalige Gabe von 80 ~g~ Alkohol = 2 ~l~ Bier verfliegt
nicht rasch und vollständig, sondern hinterläßt eine gewisse
Nachwirkung, die nach 24 Stunden noch nicht ganz verschwunden ist.“
(Kräpelin.)

+Jede Erleichterung fehlt+ bei den Vorstellbindungen und beim Rechnen.
Auf das Gedächtnis wirkt also auch eine kleine Gabe von allem Anfang
an schädlich. Kräpelin folgert, daß der Weingeist +von vornherein die
Verstandes- und gefühlsmäßigen Vorgänge+, später auch die zunächst
erleichterten Bewegungen erschwert.[22]

Wenden wir uns nun von diesem auch die Gedächtnistätigkeit lähmenden zu


den anregenden Giften, Tee und Kaffee.

Sie enthalten beide dasselbe Gift. In den Kaffeebohnen schwankt der
Gehalt an Kaffein (Koffein, Teein usw.) von 0,7-2,2%, in den Blättern
des chinesischen Tees von 2-3,5%, im Paraguaytee (~Ilex paraguayensis~)
beträgt er gegen 5%.

Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es kein gänzlich
ungefährliches Gift ist. Kräftige Gaben erzeugen Gedankenverwirrung,
Schwindel, Ohrensausen, Beklemmung, Zittern der Hände, jagenden,
zuweilen aussetzenden Puls. Sind diese Erscheinungen vorüber, so
bleibt eine körperliche und geistige Niedergeschlagenheit zurück. Bei
Tieren tritt nach größeren Mengen unter allgemeiner Muskellähmung der
Tod durch Ersticken ein. Wenn wir auch heute etwas an den Genuß von
Kaffee gewöhnt sind, so ist Kindern, Herzkranken und nervösen Personen
gegenüber Vorsicht, am besten Ersatz des Kaffees nach altdeutscher
Sitte durch eine reiche Auswahl kräftiger Suppen geboten.

Durch die bekannten Kaffee-Ersatzmittel-Aufgüsse wird nach Mahlzeiten
der Magensaft verdünnt, die Verdauungstätigkeit verlangsamt und
verlängert. Sie sind also auch nicht zu empfehlen. Überdies +trinken
wir+ im allgemeinen +viel zu viel+.

In geringen Mengen und nicht Tag für Tag genossen wirkt dieses Gift
aber anregend auf die Nervenzentren des Großhirns und des verlängerten
Markes. Das Herz schlägt kräftiger. Darum pulst das Blut schneller,
wird in reicherem Maße allen Geweben des Körpers zugeführt, spült die
dort entstandenen Ermüdungsgifte schneller fort und führt reichlich
neue Nährstoffe zu. Deshalb regt es auch die geistigen Fähigkeiten
merklich an. Man denkt und arbeitet leichter; sowohl gewohnheitsmäßige,
geistige Arbeiten, als auch die Auffassung neuer Eindrücke werden
gefördert. Ermüdung, sogar der Schlaf wird verscheucht.

Gleichwohl ist es ohne Zweifel besser, auch das Kaffein zu meiden und
sich nur dann die mäßige Anwendung dieses Giftes zu gestatten, wenn
ein dringendes Bedürfnis vorliegt: Nachtwachen bei Schwerkranken; für
Kraftwagen- und Dampfwagenführer usw.


  [19] Dr. Feuchtersleben, Diätetik der Seele (Tagebuchblätter), und
  Dr. Hufeland, Makrobiotik, seien als weitere Beiträge zur seelischen
  Gesundheitspflege empfohlen (Reclams Univers.-Bibl. Nr. 1281 und
  481/484); ebenso Nr. 1130: Kant, Macht des Gemütes (herausg. von
  Hufeland).

  [20] Das Kosmosbändchen von Lipschütz, Warum wir sterben, bringt
  weitere Belege zu dieser Frage.

  [21] Sehr zu empfehlen ist besonders für Frauen: Weibliche
  Körperbildung und Bewegungskunst von F. Giese und Hedwig Hagemann.
  (F. Bruckmann, München.) Nur Atemübungen, aber in ausgezeichneter
  Weise, bietet das billige Heftchen von ~Dr. med.~ Beschorner und
  Friedrich Richter, Atemübungen (Verlag Paul Eberhardt, Leipzig).

  [22] Als Anregung zu weiterem Nachdenken über diese und andere unsre
  Zeit bewegenden Fragen sei das Buch von Bonne empfohlen: Im Kampf
  um die Ideale, Verlag E. Reinhardt, München (erschienen in einer
  großen und in einer +Volksausgabe+, 13 Mk.). Ferner Dr. Wilhelm
  Bode, Zum Schutze unsrer Kinder vor Wein, Bier und Branntwein
  (Mäßigkeits-Verlag, Berlin ~W~ 15, Uhlandstraße 146, 1 Mk.)




XII. Zusammenfassung.


Der Wert des Zurückschauens, Überblickens, Zusammenfassens, den
wir bei allen geistigen Leistungen erkannten, besonders aber bei
Gedächtniserfolgen gewürdigt haben, führt von selbst zu einer kurzen
Rückschau am Schlusse des Buches.

Eine grundlegende Geisteskraft für allen Fortschritt, zugleich wohl
die schwierigste Frage der Seelenforschung, lernten wir im Gedächtnis
kennen. Es vertieft jede Geistesbildung und gibt ihr Reichtum und
Umfang.

Als der Mensch erkannte, daß die Natur einfach gestellte Fragen
(Experimente) unveränderlich nach ewigen Gesetzen beantwortet, als er
erkannte, daß er selbst nicht außerhalb der Natur steht, unterwarf
er auch den menschlichen Geist und das Gehirn dem wissenschaftlichen
Versuch, auf dem die großen Ergebnisse der heutigen Gedächtnisforschung
beruhen, deren Kenntnis für die Allgemeinheit von großem
Nützlichkeitswert ist.

Auf dem Schaffen von Zusammenhängen beruht das Gedächtnis. Dieses
Verbindungenschlagen, Verquicken und Durchdringen (bei Verschmelzung
und Angleichung) geistiger Grundwerte bezeichnen wir (als Assoziation)
als Vorstellbindung, wenn es von selbst geschieht. Ist Aufmerksamkeit
und Wille daran beteiligt, so entstehen (Apperzeptionen): Beziehungen,
Verknüpfungen, Verkettungen.

Obgleich sich unser Gedächtnis aus einer Vielheit, dem Zahlen-, Wort-,
Ton-, Bewegungs-, Gleichgewichtsgedächtnis usw., zusammensetzt, gelten
doch gewisse Regeln für sie alle.

So ist der Grad der Aufmerksamkeit bei der Auffassung eine grundlegende
Kraft. Je mehr Aufmerksamkeit und innere Sammlung -- desto größer
ist der Erfolg des Lernens. Aber schon hier zeigen sich persönliche
Unterschiede. Wir unterscheiden eine stetige oder festhaltende
Anlage, die sich nur langsam einer Aufgabe anzupassen vermag, aber
dann treu und zäh in der einmal eingeschlagenen Richtung beharrt,
ferner eine unstete Form, die sich überraschend schnell einer
umfangreichen Aufgabe anpaßt, sich aber leicht ablenken läßt. Zu
erstreben ist aber ein drittes Gepräge, das die Vorzüge beider Formen
in sich vereinigt, schnell umfangreich-oberflächlich, aber ebenso
schnell beschränkt-kräftig und -tiefgehend sich dem einzelnen widmen
kann. Durch Übung lassen sich fast alle angeborenen Unterschiede im
Gedächtnisbereiche ausgleichen.

Genau so stark wie unser gesamter leiblich-geistiger Verband, z. B.
Puls, Atmen, Gehen usw., rhythmisch veranlagt ist, kommt auch bei
Aufmerksamkeit und Bewußtsein der Takt als ein jede leibliche und
geistige Arbeit stark fördernder Antrieb vor. Er läßt uns Getrenntes
zu Einheiten zusammenfassen und wird so zu einer bedeutsamen
Gedächtnishilfe.

Was Gefühlswert für uns hat, was als eigenes oder fremdes Erlebnis
(in Form einer Erzählung) an uns herantritt, begegnet einer starken
Anteilnahme. Wirkt aber die Neigung mit, so ist die Arbeit schon zur
Hälfte geleistet. Darum empfiehlt es sich, an dem, was wir treiben, den
regsten Anteil zu nehmen, in hohem Grade tätig zu sein.

Das Gefühl der Sicherheit, des Könnens, dieses Kraftgefühl, ist,
wie bei allen Erfolgen, so auch beim Gedächtniserfolg eine wichtige
Voraussetzung. Nichts hindert unsre Fähigkeiten so sehr wie der
lähmende Zweifel. Er muß mit aller Kraft unterdrückt werden, und läßt
sich das erforderliche Selbstvertrauen auf keine andere Weise gewinnen,
so nehme man ruhig die Einbildung (Autosuggestion) zu Hilfe. Der Erfolg
ist hier das Entscheidende.

Schon daraus läßt sich schließen, daß der bewußte Wille auf den
Gedächtnisvorgang nicht ohne Einfluß ist. Tatsächlich weist die
Versuchs-Seelenkunde nach, daß der feste Vorsatz, sich etwas für immer
einzuprägen, die Dauer der Bindungen fördert. Unbewußt steigert sich
dabei die Aufmerksamkeit.

Auseinanderreißen des Lernstoffs führt meist zu geistloser Einprägung.
Schon darum ist das Lernen im Ganzen vorteilhafter als Lernen in
Teilen. Nur in jenem Falle wirkt der Sinn als starke Hilfe. Selbst
bei großen Stoffen ist das Ganzlernen zu empfehlen. Nur schiebe man
sinngemäß einige Pausen, in denen an nichts anderes gedacht werden
darf, ein. Währenddessen kann sich die Aufmerksamkeit neu sammeln. So
werden auch bei umfangreichen Stoffen die Gedankenfäden nur in einer
Richtung geschlagen.

Das Merken arbeitet in zwei Formen. Das unmittelbare Behalten ist ein
Benützen von Nachbildern, die wir noch eine kurze Zeit im Bewußtsein
festhalten, bis wir etwa auf eine Frage die Antwort gefunden haben.
Dagegen beruht das Merken für längere Zeit, das auch wieder in zwei
Formen möglich ist, für einen bestimmten Zeitpunkt und für immer, auf
dem wichtigen Vorgang der Bindung oder Verkettung (Assoziation oder der
Apperzeption).

Geschickte Auffindung irgendwelcher Zusammenhänge selbst bei sinnlosem
Stoff ist eine wertvolle Hilfe beim Einprägen. Die Zahl besonders
führt in unserem Geiste ein recht schwaches kraftloses Dasein. Wer nun
schnell und geschickt mit mnemotechnischer Hilfe die Zahlen in passende
Wörter zu übertragen vermag, wird ohne Zweifel Vorteile haben. Allein
für andere sind die mnemotechnischen Grundsätze eine +Kraftvergeudung+,
da meist mit einer ungeheuern Menge von Hilfsvorstellungen gearbeitet
werden muß.

Bei den einzelnen Menschen zeigen sich ausgeprägte
Vorstellungsunterschiede. Die einen arbeiten vornehmlich mit Gesichts-,
die andern mit Gehörsvorstellungen. Sehr bedeutungsvoll sind außerdem
Bewegungserinnerungen für unser Vorstellen und geistiges Arbeiten.

Die Anschauung dient als unerläßliche Grundlage aller Erkenntnis,
und ohne kräftige Arbeit der Sinne gibt es kein gesundes, lebendiges
Geistesleben. Durch planmäßige gründliche Beobachtungsübungen gilt
es, schon in frühester Jugend die folgenschwere Unzuverlässigkeit der
Zeugenaussage zu bessern.

Gesundheit des Gedächtnisses beruht in der Gesundheitspflege des
Körpers und Geistes. Gesunder Leib und gesunder Geist verbürgen auch
ein leistungsfähiges Gedächtnis.


Lösung der Aufgabe auf S. 50:

In den meisten Fällen ist die VI (6) nur angedeutet. Ihr Platz wird vom
Sekundenzifferblatt eingenommen. Nun eine ehrliche Antwort! Sahst du
nicht eine VI (6) oder IɅ (9) vor deinem geistigen Auge stehen?

       *       *       *       *       *

Dieses Buch sollte in erster Linie die +Wissenschaft+ von der heutigen
Gedächtnisforschung verbreiten. Ausführlich auch noch die Anwendung der
Ergebnisse für Lehre und Leben zu bringen, dafür mangelte der Raum.
Aber in zwei andern Bändchen von +Alfred Leopold Müller+:

1. +Praktische Gedächtnispflege+ wird das nachgeholt. Die 4. Auflage
bringt auf 55 Seiten wichtige Ratschläge für +alles+ Lernen. In den
folgenden 23 Seiten sind +sämtliche fruchtbringende+ Gedanken über
+Sprachenlernen+ dargestellt, die jemals veröffentlicht wurden. Die
letzten 14 Seiten behandeln ausführlich: +Sinngemäße Vorbereitung auf
Prüfungen+.

2. +Neue Gedächtnisgesetze. Ihre Anwendung in Lehre und Leben.+
Der Geistesforschung 4.-6. Band. (Th. Müllers Verlag und
Versandbuchhandlung, Leipzig-Eutritzsch, Bernburger Straße 28), Preis
10 Mk., enthält u. a.: Was wir aus Geisteskrankheiten fürs Gedächtnis
lernen. Gedächtnisberufseignungsprüfungen. Bildhafte Darstellung
philosophischer Gedankengänge, mathematischer, geschichtlicher,
erdkundlicher Stoffe. Absichtliches Vergessen. Rechte und falsche
Befreiung der Seele (Psychanalyse). Erleben der Gedächtnisstoffe. Vier
Rechenkünstler und ihre Merktechnik. Die verwerfliche Mnemotechnik,
aber +Zahlenlernen+ mit +natürlichen Gedächtnishilfen+. Notwendigkeit
und +Gefahren+ straffer Willenseinschaltung in den Lernvorgang usw.

Mit diesen drei Werken hat jeder die Gewähr, das +gesamte+
Gedächtnisgebiet zu kennen, auf sicherem Grunde zu stehen und
auf +alle+ Vorteile beim Nützen von Gedächtnisstoffen für unser
verwickeltes Kulturleben und für sein persönliches Leben hingewiesen zu
sein.

Von Alfred Leopold Müller ist auch der 7.-10. Band der Geistesforschung
in Th. Müllers Verlag erschienen: „+Deine gestaltende Seele und dein
Stil+“. Preis 14 Mk., auf holzfreiem Papier, in festem Umschlag 20 Mk.

Statt des bisher allein üblichen grammatischen langweiligen Weges
ist eine tiefer schürfende seelische Grundlegung des Stils erreicht.
Zahlreiche Beispiele zeigen, wie unsere größten Meister nur mit diesen
Gestaltungsmitteln die +tiefsten Wirkungen+ erreichten. Zugleich lernt
jeder Leser den Gedanken aus verführerischen Stilformen herausschälen.
Nur so wird man zugleich unabhängig von geschickter Aufmachung und
gewinnt ein eigenes Urteil.

Eine solche den Erfolg verbürgende Stillehre auf neuen Wegen mit so
hochgesteckten Zielen gibt es noch nicht in unserem Schrifttum.




Folgende seit Bestehen des Kosmos erschienene Buchbeilagen

erhalten Mitglieder, solange vorrätig zu +Ausnahmepreisen+:


1. Gruppe 1904-1907. Broschiert M 98.50, gebunden M 152.--

  1904

Bölsche, W., Abstammung des Menschen. -- Meyer, Dr. M. W.,
Weltuntergang. -- Zell, Ist das Tier unvernünftig? (Dopp.-Bd.) --
Meyer, Dr. M. W., Weltschöpfung.

  1905

Bölsche, Stammbaum der Tiere. -- Francé, Sinnesleben der Pflanzen. --
Zell, Tierfabeln. -- Teichmann, Dr. E., Leben und Tod. -- Meyer, Dr. M.
W., Sonne und Sterne.

  1906

Francé, Liebesleben der Pflanzen. -- Meyer, Dr. M. W., Rätsel der
Erdpole. -- Zell, Dr. Th., Streifzüge durch die Tierwelt. -- Bölsche,
W., Im Steinkohlenwald. -- Ament, Dr. W., Die Seele des Kindes.

  1907

Francé, Streifzüge im Wassertropfen. -- Zell, Dr. Th., Straußenpolitik.
-- Meyer, Dr. M. W., Kometen und Meteore. -- Teichmann, Fortpflanzung
und Zeugung. -- Floericke, Dr. K., Die Vögel des deutschen Waldes.


2. Gruppe 1908-1911. Broschiert M 98.50, gebunden M 152.--

  1908

Meyer, Dr. M. W., Erdbeben und Vulkane. -- Teichmann, Dr. E., Die
Vererbung. -- Sajó, Krieg und Frieden im Ameisenstaat. -- Dekker,
Naturgeschichte des Kindes. -- Floericke, Dr. K., Säugetiere des
deutschen Waldes.

  1909

Francé, Bilder aus dem Leben des Waldes. -- Meyer, Dr. M. W., Der Mond.
-- Sajó, Prof. K., Die Honigbiene. -- Floericke, Kriechtiere und Lurche
Deutschlands. -- Bölsche, W., Der Mensch in der Tertiärzeit.

  1910

Koelsch, Pflanzen zwischen Dorf und Trift. -- Dekker, Fühlen und Hören.
-- Meyer, Dr. M. W., Welt der Planeten. -- Floericke, Säugetiere
fremder Länder. -- Weule, Kultur der Kulturlosen.

  1911

Koelsch, Durch Heide und Moor. -- Dekker, Sehen, Riechen und Schmecken.
-- Bölsche, Der Mensch der Pfahlbauzeit. -- Floericke, Vögel fremder
Länder. -- Weule, Kulturelemente der Menschheit.


3. Gruppe 1912-1916. Broschiert M 123.--, gebunden M 190.--

  1912

Gibson-Günther, Was ist Elektrizität? -- Dannemann, Wie unser Weltbild
entstand. -- Floericke, Fremde Kriechtiere und Lurche. -- Weule,
Die Urgesellschaft und ihre Lebensfürsorge. -- Koelsch, Würger im
Pflanzenreich.

  1913

Bölsche, Festländer und Meere. -- Floericke, Einheimische Fische. --
Koelsch, Der blühende See. -- Zart, Bausteine des Weltalls. -- Dekker,
Vom sieghaften Zellenstaat.

  1914

Bölsche, Wilh., Tierwanderungen in der Urwelt. -- Floericke, Dr. Kurt,
Meeresfische. -- Lipschütz, Dr. A., Warum wir sterben. -- Kahn, Dr.
Fritz, Die Milchstraße. -- Nagel, Dr. Osk., Romantik der Chemie.

  1915

Bölsche, Wilh., Der Mensch der Zukunft. -- Floericke, Dr. K.,
Gepanzerte Ritter. -- Weule, Prof. Dr. K., Vom Kerbstock zum Alphabet.
-- Müller, A. L., Gedächtnis und seine Pflege. -- Besser, H., Raubwild
und Dickhäuter.

  1916

Bölsche, Stammbaum der Insekten. -- Dekker, Dr., Heilen und Helfen. --
Floericke, Dr., Bulgarien. -- Weule, Krieg in den Tiefen der Menschheit
(Doppelband).


4. Gruppe 1917-1921. Broschiert M 98.50, gebunden M 152.--

  1917

Besser, Natur- und Jagdstudien in Deutsch-Ostafrika. -- Floericke, Dr.,
Plagegeister. -- Hasterlik, Dr., Speise und Trank. -- Bölsche, Schutz-
und Trutzbündnisse in der Natur.

  1918

Floericke, Forscherfahrt in Feindesland. -- Fischer-Defoy, Schlafen und
Träumen. -- Kurth, Zwischen Keller und Dach. -- Hasterlik, Dr., Von
Reiz- und Rauschmitteln.

  1919

Bölsche, Eiszeit und Klimawechsel. -- Zell, Neue Tierbeobachtungen. --
Floericke, Spinnen und Spinnenleben. -- Kahn, Die Zelle.

  1920

Fischer-Defoy, Lebensgefahr in Haus und Hof. -- Francé, Die Pflanze als
Erfinder. -- Floericke, Schnecken und Muscheln. -- Lämmel, Wege zur
Relativitätstheorie.

  1921

Weule, Naturbeherrschung I. -- Floericke, Gewürm. -- Günther,
Radiotechnik. -- Sanders, Hypnose und Suggestion.


Alle 4 Gruppen auf einmal bezogen: brosch. M 358.50, geb. M 556.--

  =Einzeln bezogen= jeder Band brosch. M 6.20, geb M 9.40 (für
    Nichtmitgl. je M 7.60 bzw. M 11.20).
  Die Jahrgänge 1904-1916 (je 5 Bände) kosten für Mitglieder brosch.
    je M 27.50, geb. je M 42.50.
  Die Jahrgänge 1917-1921 (je 4 Bände) kosten für Mitglieder brosch.
    je M 22.--, geb. je M 34.--.

  =_Vom Kosmos-Handweiser_= sind noch geringe Vorräte von 1910, 1911,
  1913, 1914, 1915, 1917, 1918, 1919, 1920, 1921 vorhanden. Jeder
  Band kostet für Mitglieder brosch. M 14.--, geb. M 26.50 (für
  Nichtmitglieder brosch. M 17.--, geb. M 30.--)


Der fortschreitenden Teuerung entsprechende, mäßige Preiserhöhungen
vorbehalten.




Volkstümliche Bücher über Menschenkunde


[Illustration]


  =Abstammung des Menschen.= Von +Wilh. Bölsche+. Mit Abb. (1)

Eine Übersicht über das ganze Menschen-Abstammungs-Problem von der
einfachen Urzelle an durch alle Tierklassen bis zur „Krone der
Schöpfung“.


  =Der Mensch in der Tertiärzeit und im Diluvium.= V. +Wilh.
  Bölsche+. Mit vielen Abbildungen. (30)

Eine Antwort auf alle Fragen, die die Höhlenmenschenforschung auf dem
Gebiet des vorgeschichtlich. Menschen hervorgerufen hat.


  =Der Mensch der Pfahlbauzeit.= Von +Wilh. Bölsche+. Reich
  illustr. (38)

Eine anschauliche Schilderung der Pfahlbauperiode, zusammengestellt
nach den neuesten prähistorischen Funden.


  =Der Mensch der Zukunft.= Von +W. Bölsche+. Mit
  Kopfleisten. (56)

Geistvolle Betrachtungen über die Möglichkeit der Weiterentwicklung des
Menschen vom Standpunkt der Naturwissenschaften.


  =Vom sieghaften Zellenstaat.= Von Dr. +H. Dekker+. Mit
  Bildern. (50)

Wie die vielen winzig kleinen Zellen, aus denen alles Lebende
aufgebaut ist, zusammenwirken, um sieghaft über die Stürme des Lebens
hinwegzuhelfen, wird in dem Bändchen erzählt.


  =Naturgeschichte des Kindes.= Von Dr. +Herm. Dekker+. Mit
  Abb. (24)

Eine Schilderung des Kindes aus seiner historischen Entwicklung heraus.


  =Seele des Kindes.= Eine vergleichende Lebensgeschichte. Von
  ~Dr. phil.~ +Wilh. Ament+. Mit 2 Tafeln und 43 Abbildungen.
  (15)

Eine volkstümliche Darstellung des umfangreichen Stoffes.


  =Schlafen und Träumen.= Von Dr. +W. Fischer-Defoy+. (76)

Die sicheren Ergebnisse auf dem Gebiete der Schlaf- und Traumforschung
werden hier in außerordentlich ansprechender Form vermittelt.


  =Fortpflanzung und Zeugung.= Von Dr. +Ernst Teichmann+. Mit
  zahlreichen Abbildungen. (19)

Ein Gebiet, das die größten Rätsel aller Rätsel umschließt, wird hier
in gemeinverständlicher Darstellung behandelt.


  =Leben und Tod.= Ein Kapitel aus der Lebenskunde. Von Dr.
  +Ernst Teichmann+. (9)

Ein Versuch, gemeinverständlich darzustellen, was die Naturwissenschaft
über das Phänomen des Lebens aussagen kann.


  =D. Vererbung als erhaltende Macht= im Flusse organischen
  Geschehens. Von Dr. +E. Teichmann+. Mit Textabbildungen u. 4
  Tafeln. (22)

Eine Skizze von der Bedeutung der Vererbungsforschung für das Leben d.
Menschheit.


  =Die Zelle.= Von Dr. +Fr. Kahn+. (77)

Das Buch bietet eine klare Erkenntnis der „Mysterien“ des
geheimnisvollen Kleinlebens der Zelle.


Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart


                  STUTTGARTER SETZMASCHINEN-DRUCKEREI
                       HOLZINGER & Co. STUTTGART





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DAS GEDÄCHTNIS ***


    

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from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of
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forth in Section 3 below.

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or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™

Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s
goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg™ and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.

Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state’s laws.

The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
and official page at www.gutenberg.org/contact

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread
public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
visit www.gutenberg.org/donate.

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate.

Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
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facility: www.gutenberg.org.

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