Sonnenländer

By Walter Rummel

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Title: Sonnenländer

Author: Walter von Rummel

Release date: July 7, 2025 [eBook #76455]

Language: German

Original publication: Leipzig: F. A. Brockhaus, 1921

Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SONNENLÄNDER ***


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                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1928 so weit
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 [Illustration:

  Reisen
  und
  Abenteuer
  14]




[Illustration: Palau-Versammlungshaus:

Meine Wohnung in Melegejok. (S. 124)]




                           Walter v. Rummel

                             Sonnenländer

                            [Illustration]

                   Leipzig / F. A. Brockhaus / 1928




            Dies Büchlein ist ein Auszug aus W. v. +Rummel+
           „+Erster Klasse und Zwischendeck+“ (Berlin 1911).


              Copyright 1921 by F. A. Brockhaus · Leipzig




Inhalt.


                                           Seite

  1. Ausreise                                  5

  2. Ankunft in Japan                          8

  3. Japanisches Nachtleben                   14

  4. Kreuz und quer durchs Land               20

  5. Sintflut und Erdbeben                    28

  6. Die Stromschnellen des Tenryugawa        33

  7. Tempelfeste                              39

  8. Insel der Seligen                        44

  9. Neue Reisepläne                          51

  10. Unter dem Sonnenbanner                  56

  11. Agrigan                                 66

  12. Pagan                                   70

  13. Geschichte der Marianen                 72

  14. Saipan                                  75

  15. Tinian, die Jagdinsel                   82

  16. Auf dem „Condor“                        90

  17. Jap                                     95

  18. Nach den Palauinseln                   104

  19. Auf Korror                             109

  20. Auf Babeltaob                          122

  21. Hundert Tage auf Jap                   139

  22. Abschied von der Südsee                153

  23. Heimreise                              156




[Illustration: Karte zu Walter v. Rummel, Sonnenländer

  Reiseweg
  des Verfassers

  Südhälfte von Nippon
  mit Inland-See

  Marianen
  und Karolinen

Kartographische Anstalt von F. A. Brockhaus, Leipzig.]




[Illustration]




1. Ausreise.


Sonnenländer! Von jeher habe ich sie gesucht. Mit 17 Jahren bin ich das
erstemal in Venedig, mit 19 in der Gironde und Provence, mit 21 Jahren
in Algier, Marokko und Spanien gewesen. Immer mitten im Hochsommer. Je
heißer die Sonne brannte, desto mehr freute es mich.

Auch auf meiner Weltreise habe ich immer treue Fühlung mit dem Süden
gehalten.

Von Hamburg fahre ich ab. Siebzehn Tage auf hoher See. Das Meer wird
glatt wie ein Spiegel und ist von einer tief ultramarinblauen Farbe.
Rotes Golfkraut schwimmt darin herum, schlanke blitzende Fische sprühen
wie schimmernde Silbertropfen darüber hinweg und des Nachts leuchten im
weißen Kielwasser feurig sprühende Funken auf. Windverwehte, kleine,
bunte Vögel hüpfen unruhig auf dem Bootsdeck umher und huschen, einen
Unterschlupf suchend, durch das Tauwerk.

Wir sind der Sonne nähergekommen, die Sterne sind heller und
leuchtender geworden; deutlicher als in der Heimat sieht man die
dunkelstarren Berge im toten Mond.

Land in Sicht. Ein blasser Dunststreifen. Bereits auf freiem Meere
fühlt man, daß man bald auf dem Boden der Tropen stehen wird, 30 Grad
im Schatten schon um 7 Uhr morgens.

Eine Stunde später liegt Kuba zum Greifen nahe vor mir, in grellgelbe
Farbentöne getaucht. Weißglut trinkend und ausströmend, verbrannt
und ausgedörrt von einer allgewaltigen Sonne. Havanna, die erste
Tropenstadt, die ich hier betrete, wirkt auf mich als etwas ganz Neues
und Seltsames.

Westwärts weiter. Zwei Tage später die mexikanische Küste. Wie
flüssiges Glas flimmert die Luft über flachen Dächern, die in
trostloser Sanddüne liegen: Verakruz. Kein freundlicher Empfang. Um
so größer die Überraschung, wenn man ein wenig höher und landeinwärts
kommt. Heiße Blüten- und Früchtepracht. Hoch darüber Gipfel in einsamer
Majestät und weißem Königshermelin.

Von Verakruz aus hat Cortez, der Eiserne, mit sechzehn Reitern und
sechshundert Waffenfähigen seinen Vormarsch ins Innere Mexikos
angetreten, ein ganz tollkühnes Wagnis, das ihn nach manchen
Rückschlägen schließlich eines der herrlichsten Länder der Erde erobern
ließ.

Zwei Monate habe ich dies einzig schöne Land bereist. Wollte man es
einigermaßen richtig kennenlernen, müßte man mehr denn zwei Jahre
daran wenden. Ist es doch viermal so groß als Deutschland, ohne dessen
Bahnverbindungen zu haben.

Nordwärts nun. Aber das bedeutet noch lange nicht den Norden. Denn
stark glüht die Sonne über den Staaten Zacatecas, Durango und
Chihuahua, ebenso in dem bereits zu Nordamerika gehörigen Texas. In
der Coloradowüste Arizonas aber steigt die Hitze ins Unerträgliche.
Das Land -- Sand und Salz -- liegt bis zu hundert Metern unter dem
Meeresspiegel. Feuerluft schlägt mir von allen Seiten entgegen.

Dann aber der herrliche Garten Kaliforniens, in dem die Fichte sich
freundlich mit der Palme paart. Der Tag ist noch warm, aber die Nächte
sind wundersam kühl und erquickend, mildlinde Sommernächte, schwer
von Blumendüften und durchzittert von dem flötenden Lockton eines
südländischen Vogels, durchbebt von Geigen- und Mandolinenklängen, von
den weichen Stimmen singender Mädchen und Frauen, durchweht von einem
lebend gebliebenen Hauch altspanischer Romantik.

In San Franzisko halte ich Ausschau. Eigentlich wollte ich nach Samoa
und Tahiti. Aber gerade vor der Nase ist mir das Schiff weggefahren.
Allzu lange müßte ich auf das nächste warten.

Ein anderer Dampfer liegt auslaufbereit im Hafen. Er geht nach Japan
und nimmt mich mit.

Um einmal andere Bilder zu sehen, fahre ich Zwischendeck. Der Entschluß
hat mich nie gereut. Ich habe in meinem Zwischendeck viel mehr gesehen,
erlebt und gelernt, als wenn ich erster Klasse gefahren wäre.

Nach sechstägiger Reise die hawaiische Inselgruppe, Eiland Oahu
und Stadt Honolulu. Diese erste Südseeinsel ist eine Enttäuschung,
allzusehr ist dort alles amerikanisiert. Und während Oahu, das nicht
Herbst und Winter, das nur den Sommer kennt, langsam im Abendnebel
verschwimmt, träume ich von andern Inseln, glücklichen Inseln, wo Sonne
und Sterne, wo das rollende Rad der Zeit stille zu stehen scheint,
stille steht für Menschen, die eines guten Willens gekommen sind. -- --

Fast vierzehn Tage wieder auf hoher See. Ich benütze die lange Zeit, um
mich in aller Eile ein wenig auf Japan vorzubereiten. Denn ich hatte es
nicht auf mein Reiseprogramm gesetzt.

Doch ich komme nicht recht vorwärts. Ein Mühlrad geht mir im Kopfe
herum, hundert Namen und Dinge wirren sich chaotisch durcheinander.
Aber eines präge ich mir ein, die Lehre, daß man um das europäische
Hotel einen weiten Bogen schlagen muß, wenn man vom eigentlichen
Nippon, wie das Kaiserreich Japan in der Landessprache heißt, etwas
kennenlernen will.




2. Ankunft in Japan.


Eines Tages sind wir wirklich da. Grün und freundlich erschließt sich
die weite Bucht von Tokio. Wie unsagbar wohl tut dieses frische,
saftige Grün nach den verbrannten Steppen Nordmexikos, nach dem starken
Seewind und der scharfen Salzluft! Goldschimmernder Glanz, zitternder
Silberflimmer über Land und See, da und dort noch geheimnisvoll
verschleiernder Nebelflor. Aus ganzem Herzen sei mir gegrüßt, heiteres,
sonniges, lächelndes Japan!

„Nach einem japanischen Gasthaus!“ sagte ich den Gepäckträgern bei
meiner Ankunft in Jokohama, dem Hafen von Tokio. Die taten sehr,
sehr erstaunt, zuckten zweifelnd und unschlüssig die Achseln und
beratschlagten lange, ein Beweis dafür, daß ihnen dieses Verlangen
etwas ganz Ungewöhnliches war.

„Mankahotel!“ meinten sie endlich. „Mankahotel!“ nickte ich zustimmend,
froh, daß sie doch noch irgend etwas ausgeklügelt hatten.

Dort, wo die europäische Niederlassung bereits in die japanische
Stadt übergegangen ist, steht es, in der Parkstraße, einer großen,
öffentlichen Gartenanlage gegenüber.

Ringsum kein europäisches Haus mehr, auch Wirt und Bedienung sind
japanisch. Nur das Hotel selbst, ein kleiner einstöckiger Bau, ist
nicht mehr ganz waschecht japanisch.

Mankahotel hat sich bereits mit Tischen, Stühlen und Betten europäisch
frisiert und ist so eigentlich nicht das, was ich gewollt und gesucht
hatte.

Aber auch die Leute vom Mankahotel sahen mich und meine Koffer mit ganz
mißtrauischen und argwöhnischen Augen an: -- ja, ja -- ein Bett hätten
sie wohl schon frei -- aber wie lange ich denn bliebe, und ob ich mir
vielleicht nicht doch das Zimmer vorher des näheren ansehen wollte.

Das tat ich denn auch und unterwarf den einen von den zwei Räumen,
die Mankahotel zu vermieten hat, einer kurzen Untersuchung: ein nicht
sehr großes Zimmerchen mit einem breiten Bett französischen Stiles,
außerdem mit Tisch, Stuhl und Waschtischchen eingerichtet. Aber alles,
und das ist mir die Hauptsache, ist blitzblank sauber gehalten. Durch
die niederen Fenster bietet sich ein interessanter Einblick in allerlei
japanische Nachbarhäuschen, in mancherlei Häuserwinkelwerk und Höfe.
Dazwischen ein nicht überbautes Stückchen freier Erde, das mit ein paar
grünen Bäumchen bepflanzt ist.

„Ich nehme das Zimmer!“ nickte ich.

Der Hotelwirt, ein kleiner, schmaler, gelbfarbiger Japaner mit klugen
Augen, nickte ebenso, ohne über meinen Entschluß besondere Freude oder
Genugtuung zu bekunden. Es entging mir auch nicht, wie er mich mit
einem erstaunt fragenden und forschenden Seitenblick streifte.

Freilich, die ersten Nächte, die ich nun im Mankahotel verbrachte,
sollten sich nicht allzu genußreich gestalten.

Nicht der glühend heiße Tag, an dem die Sonne so gewaltig
herniederbrennt, macht das Leben in den Tropen und den der Tropenzone
nahe gelegenen Ländern schwer. Der Tag ist mit einigem guten Willen
immer noch ganz gut zu ertragen. Das wirklich Schlimme, das, was böse
an den Nerven zehrt, die eigentliche Strapaze, das sind die Nächte,
diese feuchtschwülen, dumpfschweren Nächte, in denen man doch nicht
den ersehnten Schlaf finden kann, wenn man auch todmüde auf sein Lager
sinkt.

So eine nicht enden wollende, qualvolle und ruhelose Nacht war gleich
die erste, die ich im Hotel Manka verbrachte.

Ganz fein säuberlich hatte ich mein Moskitonetz zugezogen und alle
Fenster fest und gut geschlossen, um blutsaugende, unerwünschte
Nachtgäste am Eintritt zu hindern.

Aber nachdem ich mich drei Stunden lang schlaflos in der schweren
Stickluft auf den heißen Kissen herumgewälzt hatte, öffnete ich zuerst
zögernd ein Fenster, eine Viertelstunde später das zweite und kurz
darauf das dritte.

Wie luftig nun der frischkühle Nachtwind kräftig das Zimmer durchwehte!
Stolz und kühn, als ob es ein wahrhaftiges Schiffssegel werden wollte,
blähte und bauschte mein Moskitonetz sich mächtig auf.

Und all die seltsamen, zum Teil noch halb rätselhaften oder ganz
unverständlichen Stimmen und Stimmchen der japanischen Nacht dringen
jetzt an mein Ohr: grelles Lautengeklimper und süßes Flötenklagen. Dann
Wassergeplätscher. Drüben im Nachbarhäuschen wird noch gebadet. Wohl
einer, der auch nicht schlafen kann. Deutlich sehe ich von meinem Bette
aus eine sich nun am Fenster abtrocknende nackte Gestalt. Man gibt sich
höchst natürlich in Japan.

Ich lausche weiter hinaus: nun das zum vorsichtigen Gebrauch von Feuer
und Licht mahnende Holzgeklapper des japanischen Nachtwächters. Kurz
darauf der hübsche melodische Gesang eines Vogels. Dann der leise
elastische Sprung einer ihn jagenden Katze. Das langgezogene Zirpen
einer Zikade in dem Bäumchen vor meinem Fenster, fast wie das leise
Schnarchen eines Menschen hört es sich an. Rings um das ihnen den
Eintritt verwehrende Netz das laut-begehrliche Summen und Surren der
Moskitos.

Aber jetzt! Nein, das rumort nicht mehr nur da draußen herum. Ganz
dicht an meinem Ohr höre ich nun einen brummen. Und jetzt noch einen
und noch einen. In der nächsten Minute folgt auch schon Stich nach
Stich.

Das im Winde hoch aufflatternde Netz hat den kleinen Teufeln Einlaß
gewährt. Ein paar der schlimmen Gesellen klatsche ich an der Wange tot,
die übrigen setzen ihr blutiges Marterhandwerk lustig fort.

Der Morgen, der ersehnte Morgen beginnt fahl durch das Fenster
hereinzudämmern und all das böse, lichtscheue Nachtgesindel sucht seine
Tagesverstecke auf. Ein tiefer Morgenschlaf entschädigt mich für die
ruhelose Nacht.

Im übrigen ist es im Mankahotel zum allerbesten bestellt.

Alles gut, reinlich und nicht teuer!

In ein paar Tagen sind der Wirt und seine ihm den Haushalt führende
Schwester, ist auch die gesamte Bedienung unseres Hotels schon ganz
zutraulich und zutunlich geworden, die aus sechs Köpfen bestehende
Bubenschar, welche die Rolle von Servier- und Zimmerkellnern spielt,
und auch unsere drei Hausmädchen.

Was immer ich verlange, alles wird rasch und willig ausgeführt. Nie
auch nur der Schein einer Gegenrede, nie ein Besserwissenwollen, nie,
und wenn auch noch so viel noch so rasch zu tun ist, je eine mürrische
oder unzufriedene Miene.

Aber nicht nur gut und bequem lebt es sich in Hotel Manka. Ich kann
hier auch schon in der sonst stark unter europäischem Einfluß stehenden
Hafenstadt Jokohama japanisches Leben, japanische Sitte, japanischen
Volkscharakter studieren.

Nicht nur, daß fast alle Speisegäste waschechte Japaner sind. Ganz
japanisch ist vor allem unsere engere Hausgenossenschaft.

Da sind vor allem unsere schon erwähnten Hotelbuben. Ihr Häuptling --
der Älteste -- heißt Kakutaro. Wie geschickt, flink und gewandt er ist!
Trotz seiner Jugend könnte er manchem Oberkellner eines europäischen
Hotels als Vorbild dienen.

Die Götter hatten ihm schon bei seiner Geburt ersichtlich wohl gewollt.
Denn sie hatten ihm nicht die so oft als böses Danaergeschenk sich
erweisende Mitgift „männlicher Schönheit“ mit auf den Lebensweg
gegeben. Sehr hübsch ist der gute Kakutaro nicht zu nennen.

Aber dafür hat er andere Vorzüge.

Alle Sprachen -- englisch spricht er noch am besten -- aber alle andern
Sprachen radebrecht er ein wenig, deutsch und französisch, italienisch
und spanisch, russisch und chinesisch, und beständig sucht er
lerneifrig seine Kenntnisse zu erweitern. Die andern Buben streben ihm
nach. Sowie sie eine freie Minute ergattert haben, kauern sie in ihren
Badehosen -- Badehose ist außer bei den Mahlzeiten die Hauptbekleidung
unserer männlichen Bedienung -- in irgendeinem Winkel und grübeln über
einer Grammatik, einem Sprachführer oder sonst einem lehrhaften Buch
hin. Oder sie fragen und fragen, tun lauter kluge Fragen. Alles und
alles möchten sie wissen, sind beständig daran, ihren Gesichtskreis
zu erweitern -- und sind doch nur die kleinen, aus niederen Kreisen
stammenden Bedienungsbuben eines kleinen Gasthauses.

Für jedes freundliche Wort sind sie dankbar. Mit irgendeiner für
ein paar Sen, geringen japanischen Bronzemünzen, gekauften billigen
Kleinigkeit kann ich ihnen die größte Freude bereiten. Und dann suchen
die hübschen frischen Jungen ihre Dankbarkeit durch alle möglichen
kleinen, nicht erbetenen Dienste zu beweisen.

Grundehrlich sind sie. Nie habe ich irgend etwas verschlossen; das
Portemonnaie, selbst Zigarren und Zigaretten -- und sie rauchen sehr
gern -- konnte ich ruhig auf dem Tisch liegen lassen. Nie ist mir die
kleinste Kleinigkeit abhanden gekommen.

Schmerzen können sie aushalten wie ein Mann. Einmal hatte einer
eine offene böse Wunde am Fuß. Kakutaro, nicht nur Manager, Ober-
und Zahlkellner in einer Person, sondern auch allseitig geachteter
Hoteldoktor, steckte ihm irgendeine Heilpflanzenwolle in die Wunde und
zündete das Zeug an. Langsam glimmte die Wolle weiter und brannte die
Wunde aus. Drei- bis viermal wiederholte der gute Kakutaro mit größter
Seelenruhe diese äußerst schmerzhafte Manipulation. Der tapfere,
kleine, dreizehnjährige Junge aber saß dabei ganz still auf dem
Fußboden, besah sich, ohne eine Miene zu verziehen, die brennende Wolle
und -- lächelte!

Sie lächeln ja immer, diese Japaner, in Freude und in Schmerzen, auch
die Mädchen und Frauen. Unser ältestes Dienstmädchen hatte einmal
rasendes Kopfweh, daß sie kaum aus den Augen schauen konnte. Sie
erzählte es mir und lächelte dabei, als ob sie sich entschuldigen
wollte.

Ja, auch unsere Hotelmädchen sind ebenso nett und lustig, liebenswürdig
und freundlich wie die männliche Bedienung. Oshige, Osuzu, Omiyo heißt
das Dreigestirn, die älteste ist 21, die jüngste erst 13 Jahre alt. Nur
viel weniger wissensdurstig und lerneifrig sind sie als die Jungen,
dafür aber hundertmal neugieriger.

Der strahlende Zenit und Mittelpunkt des Hotels Manka aber ist sein
Besitzer selbst: Herr Gonjiro Shibata. Nicht in meinen allerkühnsten
Träumen hätte ich einen derartigen Hotelier für möglich gehalten, so
ist er die verkörperte Idealfigur vorbildlicher Gefälligkeit.

So bin ich sehr zufrieden, gleich am ersten Tag meiner Ankunft sofort
ein angenehmes Haupt- und Standquartier für meinen Aufenthalt in Japan
ausfindig gemacht zu haben. Zudem habe ich gleichzeitig in Herrn
Shibata einen eifrigen Führer gefunden, der selbst gern in Stadt und
Land umherzieht und die japanische Wanderlust stark in sich sitzen
hat. Er freut sich, mir all die Sehenswürdigkeiten Jokohamas zeigen zu
können, stille Tempel und stimmungsvolle Friedhöfe. Er geleitet mich
auch oft in die lustige, papierne und hölzerne Welt der japanischen
Stadt, führt mich hinaus in die Vororte oder ins Seebad Homoko.

Eindrücke über Eindrücke stürmen auf mich ein. Ich staune und komme
nicht aus dem Staunen heraus. Eine große, bunte, seltsame Welt hat sich
mir mit einem Schlage aufgetan.




3. Japanisches Nachtleben.


Am allerbesten gefällt mir Jokohama am Abend und in der Nacht. Tagsüber
ist es auch dort wie überall etwas still, besonders an heißen Tagen,
an denen die Sommersonne Nippons recht erbarmungslos herniederstechen
kann. Aber wenn der Abend kühl herniedersinkt, wenn vom goldglänzend
breit gemalten Firmamente sich scharf und tief olivengrün mit einer
satten Einheitsfarbe alle Bäume abzeichnen, dann strömt es aus allen
Häusern und Häuschen hinaus. Rings ein dicht durcheinanderwogendes
Gedränge.

Ab und zu auch einige europäische Globetrotter, die in den zweirädrigen
Droschken Japans, den Rikshas, angefahren kommen. Galopp! Galopp!
Schwer keuchend und schweißtriefend stürmen die armen menschlichen
Zugtiere, die Jinrikishamen, einher, der erste bahnt sich schreiend und
brüllend den Weg, die andern folgen. Galopp! Galopp! In zwanzig Minuten
haben die guten Europäer die ganze Stadt durchquert und glauben, damit
alles gesehen zu haben. In Wirklichkeit haben sie nichts gesehen,
nichts gehört und gelernt, haben nur einen Mißton in die ihres sauer
verdienten Abends sich freuenden japanischen Fußgänger hineingetragen.

Nur wer da langsam geht und oft wiederkommt, stehenbleibt und verweilt,
fragt und beobachtet, der lernt den Reiz der japanischen Stadt wirklich
begreifen.

„Klipp, klapp; klipp, klapp; klipp, klapp!“ Ich weiß nicht recht, mit
welchem Laute ich am besten dieses schlürfende Geklapper Tausender
von Holzsandalen, Holzpantöffelchen und allerkleinsten Holzschühchen
vergleichen sollte. Das ist so ein Massen-, ein Millionenton, ähnlich
vielleicht wie das Zwitschern der Zikadenheere in den japanischen
Bäumen, der Sprung und Flug von Heuschreckenlegionen, das Singen
der Grillen im Grase, das Rauschen und Murmeln des Flusses, das
langsame Branden des friedlichen Meeres -- viel tausend großer,
kleiner und kleinster Töne, alle in einen einzigen Einheitsakkord
zusammenklingend und verschmelzend, nicht in einen süß schmeichelnden,
auch keinen elementar gewaltigen vielleicht. Denn das klirrt nicht
silbern wie der über glatte Eisfläche fliegende Schlittschuh,
dröhnt auch nicht ehern wie der wuchtige Schwer- und Gleichschritt
heranmarschierender Bataillone, läßt auch nicht donnernd die Erde
erzittern wie heranbrausende Reiterdivisionen; das ist ein japanischer,
echt japanischer Ton, gleichmäßig immer, nicht allzu leis und nicht
allzu laut, nicht allzu schüchtern und nicht allzu leidenschaftlich,
erinnernd vielleicht an den harten Holzton der japanischen Laute, an
das unermüdliche Holzgeklapper des japanischen Nachtwächters, hartes
Holz auf harter Erde, ein ganz harter Ton, hart wie das Leben der
Menschen hierzulande ist, wenn man es nach unsern Begriffen mißt.

Ist aber gar nicht hart in Wirklichkeit! Es ist Arbeit, viel schwere
Menschenarbeit; oft Arbeit, zu der wir nur das Tier knechten. Es ist
fast spartanische Genügsamkeit; die Zufriedenheit mit Wenigem, unsagbar
Wenigem, würden wir sagen. Es ist ewige, stille Heiterkeit, ist helle
Freude an allem Schönen, was ihnen ihre Erde bietet: Freude an ihren
bunten Vögeln, großen Schmetterlingen und zirpenden Zikaden; Freude
an ihren großen, prächtigen Waldbäumen, an all den tausend Blumen und
Blüten; Freude an all den unzähligen Dingen und Dingelchen, die sie
sich selbst zu verfertigen verstehen.

Und in ihrer Freude, in ihrem heiteren Lebensgenuß, da werden selbst
die Großen und Alten: Großeltern, Väter und Mütter, werden sie alle
wieder zu Kindern, zu großen Kindern, die die sorglose, ganze Seligkeit
des Kindes in sich tragen.

An jedem Abend, Nacht für Nacht, ist zur Belohnung für des Tages
schwere Last und Müh die japanische Stadt wie ein kleines oder großes
Kinderzauberfest aufgeputzt: bunte Lampions, bunte, rote, blaue und
grüne Lichter, wohin man sieht. Wohin das Auge blickt: bunte Tücher in
hundert Farben, Fahnen, Laternen, Papierstreifen, die alle lustig im
Winde wehen. Fratzen und lachende Reklamegesichter, Tiger und wilde
Meerungeheuer, Göttergestalten und finster drohende Tempelhüter, nichts
darf fehlen!

[Illustration: Jokohama. (S. 8)]

[Illustration: Die Bedienung des Mankahotels. (S. 11)]

[Illustration: Japaner in Jokohama. (S. 17)]

[Illustration: Riksha. (S. 15)]

Die bis tief in die Nacht hinein offen stehenden Kaufläden sind voll
von Tausenden von Herrlichkeiten, eine ist schöner als die andere,
die Kinderherzen dürfen jubeln, und gerade oft das Allerschönste und
Reizendste ist für ein paar Heller auch von den Kleinsten der Kleinen
zu erwerben.

Langsam schiebt sich die Menge dahin, langsam pilgere ich mit, vor
jedem fliegenden oder stehenden Laden haltmachend, alle Basare
durchwandernd und durchstöbernd; nie komme ich zurück, ohne eine
Kleinigkeit erstanden zu haben.

Was sehe ich nicht sonst noch so unendlich viel, an dem ich mich
erfreuen kann, ohne es gerade erwerben zu können oder zu wollen:
alte Holz- und Bronzearbeiten, uralte Götterbilder, kostbarste und
farbenprächtigste Seidengewänder und Stoffe. Dann all die Blumen und
Zierbäume, von denen ich schon so viel gehört habe, daß sie mich von
allem Anfang an schon wie alte, liebgewordene Bekannte anmuten wollen.
Trotzdem staune ich, wenn ich sehe, wie so ein japanischer Gärtner mit
ein paar winzigen Zwergbäumchen den Eindruck eines hohen Urwaldes oder
eines ehrwürdigen Götterhaines hervorzurufen versteht, oder wie er aus
ein paar Blümchen, niederen Grashalmen und einigen Steinchen einen
großmächtigen Prunkgarten zusammengebaut hat.

Blumen und Bäume, Gärten und Wälder! Nur die Vögel fehlen darin! ...

Die Vogelhändler haben schon Schluß gemacht, gut für die kleinen
gefiederten Gefangenen, die nun Ruhe haben, schlecht für das Ganze des
Festes.

Denn ich vermisse sie nur ungern, die hübschen, immer hinter den
weißen Holzgitterstäben sitzenden und trotzdem immer vergnügt
plaudernden und zwitschernden Gesellen, schon allein wegen ihrer
Farbenpracht müßten auch sie da sein. Das glänzt und schimmert in allen
erdenklichen Tönen, vom hellsten Weiß bis zum tiefsten Schwarz; alle
Abstufungen und Übergänge, alle Mischfarben sind gegeben, und manche
der fremdländischen Südlandvögel sind bunt getupft und gesprenkelt wie
unsere heimischen Salme und Forellen.

Aber sie schlafen und nur die in einem ganz winzigen Holzkäfig sitzende
und zirpende Zikade versucht sie zu ersetzen, beteiligt sich, so laut
sie nur kann, an dem lustigen Nachtkonzert.

Doch genug von all den tausend Dingen und Dingelchen. Wer das
nicht selbst gesehen hat, dem ist das trotz längster, trotz der
begeistertsten Schilderungen doch nie ganz klarzumachen.

Nun rasch zu den Jongleuren und Artisten. Selbst ganz schauerliche,
indische Kunststücke werden mir vorgemacht.

Dann ins Theater. Die Japaner sind gute Schauspieler. Sie schließen
Fernen und Weiten auf, vor denen wir, im Innersten gepackt, überrascht
dastehen. Besonders der Ausdruck finsterer und leidenschaftlicher
Regungen, von Schmerz und starkem Schrecken ist oft von unheimlicher
Wirkung.

Jetzt die Geishas! Die kennt ja schon jeder und selbst der, dessen
Länder- und Völkerkunde Note IV oder V verdient, weiß, daß es in Japan
ein Fest der Kirschenblüte, weiß ferner, daß es dort „Geishas“ gibt,
daß besagte Geishas tanzen und singen und im übrigen sehr nett und
niedlich sind.

Nett und niedlich sind sie auch wirklich, besonders die ganz Kleinen
-- die Elevinnen oder Schülerinnen -- ich weiß nicht genau, wie der
kunstgerechte Ausdruck lautet --, die in ihrem mächtig großen Obi
(Gürtel) und den Riesenblumen im Haar drollig und reizend zu gleicher
Zeit aussehen.

Weniger nett und niedlich ist ihr Gesang und ihr Lautengeklimper.
Mit den oft recht graziösen Tänzen wird man sich weit eher befreunden
können. --

Wieder hinaus ins Freie.

Hell gleitet das Licht aus den im Winde leise zitternden Lampions,
springt lustig auf die Straße, schlüpft in die engsten Gassen hinein.
Breit bricht es aus den Basaren und großen Theatern heraus. Möchte es
irgendwo, wo keine Häuser stehen, ein wenig dunkler werden, flugs sind
dort auch wieder ein paar Gärtner mit ihren Blumen zur Stelle, ein
Spielwarenverkäufer mit seinen Schätzen, ein Seidentuchhändler, ein
Zikadenhausierer, und alle haben sie neben ihre Ware auf den Boden ein
paar helle Lampen gestellt.

Nein! Das ist wahrhaftig nicht die regelmäßige, weithin übersehbare,
recht brave und ordentliche, aber auch recht nüchterne und hausbackene
Art der europäischen Beleuchtung! Da ein Licht und dort ein Licht; hier
ein stolzer Strom, dort ein fahler Funke, fern da drüben, in weiter
Nacht ersterbend, ein ängstlich flackerndes Irrlicht.

Selbst in den Lichtern, in Strahlenkronen, in Lampions, Lampen und
Windlaternen steckt echter Künstlergeist. Unregelmäßig sind sie und
doch einheitlich -- ein großes Ganzes -- eine Liliputwiederholung und
-nachahmung von den Sternen des Himmels da droben.

Und jedes Licht, und mag es noch so klein und lebensbescheiden
leuchten, bringt dem, der da recht hinsieht, eine neue, kleine
Überraschung, ein neues Entzücken, eine neue Freude, bis man, müde
von vieler Freude, todmüde von all dem Schauen, durch die allmählich
stiller werdende Stadt den Heimweg antritt.

Aber selbst im Traume höre ich noch Geklapper von Holzsandalen, höre
ich Lachen und Freudenlaute, höre die frohen Stimmen von all den
kleinen und großen Kindern und sehe es blitzen und gleißen, funkeln und
sprühen, sehe die tausend goldenen Lichter der japanischen Nacht! ...




4. Kreuz und quer durchs Land.


Auch ins grüne Land hinein zog ich mit Herrn Shibata, zog durch die
Reisfelder und Wälder der Ebene, zog durch die Schluchten und Engtäler
der Berge.

Habe ich mich müde gelaufen, lade ich mich in irgendeinem Dorf zur
Nachtruhe.

Das einzige Gasthaus ist bald ausfindig gemacht. Mit tiefem, graziösem
Knix werde ich von den Mädchen des Hauses begrüßt. Einen Augenblick
später ist auch der Wirt selbst zur Stelle und ladet den Fremdling mit
ehrfurchtsvoll feierlicher Verbeugung, als ob dieser zum mindesten ein
Exkönig oder -kaiser wäre, zum Eintritt in sein Haus ein.

Ich entledige mich meiner Schuhe, bekomme von einem Mädchen eilig
Sandalen angezogen und betrete die erhöht liegende Vorhalle. An meinem
Zimmer angelangt, lege ich wiederum die Sandalen ab und stehe nun
auf peinlich sauberen Strohmatten. An den zwei Wänden befinden sich
zwei lange schmale Bilder, die bekannten Kakemonos, die in Aquarell
oder Stickerei ausgeführt zwischen zwei wagerechten Holzstäben
befestigt sind. Die zwei andern Wände, die aus durch Bambusgefüge
zusammengehaltenen Papierfensterscheiben bestehen, sind zur Zeit noch
zurückgeschoben und werden erst nachts zugemacht.

Aber ich habe nicht viel Zeit zu langer Betrachtung. Dicht hinter mir
ist schon eine Dienerin hereingehuscht und hat Tee sowie Rauchzeug,
Zigaretten und glimmende Kohlen gebracht; dann eine zweite, die mir
einen Kimono mit feierlicher Verbeugung überreicht.

Einen Augenblick bin ich allein. Ich reiße die Kleider vom Leib und
schlüpfe in meinen Kimono. Aber da stehe ich bereits vor der ersten
Schwierigkeit. Das alles ist viel zu eng, kurz und klein für uns
Europäer, das reicht kaum bis zu den Knien, statt bis zu den Knöcheln,
bis zum Ellenbogen, statt bis zum Handgelenk; über der Brust ist’s
überhaupt nicht zuzukriegen. Eine halbe Minute später hat sich auch
schon das ganze Haus um mich versammelt und macht in heller Freude
seine Glossen zu dem klein geratenen Kimono.

Das Vergnügen wird noch größer, selbst die Nachbarschaft strömt nun von
allen Ecken und Enden eiligst herbei, als ich in meinen Sandalen die
ersten, schüchternen Gehversuche mache; sie sind ebenfalls um manchen
Zentimeter zu kurz und fallen bei jedem Schritt vom Fuße.

Schon einige Tage nach meiner Ankunft in Japan ließ ich mir deshalb
Kimono und Sandalen anmessen und nahm diese zwei leicht wiegenden
Bekleidungsgegenstände bei meinen Fußtouren stets mit, um nicht mehr
als unfreiwilliges Mittel japanischer Volksbelustigung zu dienen.

Kurz nach der Ankunft werde ich auch feierlich zum Bade geleitet. Das
erstemal, wenn man eine japanische Badestube betritt, sieht man sich
freilich ein wenig ängstlich um. Eine schwüle Hitze brütet über dem
Raum und der mächtigen, in den Boden eingelassenen Holzwanne entsteigt
ein dichter, atembenehmender heißer Wasserdunst. Kaum habe ich höchst
vorsichtig mit der Haut der Zehenspitze das Wasser gestreift, ziehe ich
meinen Fuß mit einem leisen Wehruf wieder ein. Das ist gut zum Eier-
oder Hummernsieden, aber kein Bad für einen normalen Christenmenschen.
Doch ich versuche es wieder und wieder; was ein Japaner aushalten
kann, wird schließlich auch unsereins noch vertragen können, und eine
Viertelstunde später sitze ich richtig bis zu den Ohren, freilich mit
etwas süßsaurem Gesichte, in der quirlenden Wasserbrühe.

Nach dem Bade bin ich krebsrot, aber ich fühle mich auch wie
neugeboren. Reisehitze und Reisestaub, alle Müdigkeit ist wie
weggeweht. Frisch und munter bin ich, als ob ich einen langen
erquickenden Schlaf getan hätte.

In meinem Zimmer ist inzwischen das Essen aufgetragen worden. Ein
niederes, schwarzes Taburett steht auf dem Boden. Das enthält alle
möglichen schönen und guten Dinge, die man kennt: Tee und Reis, süßes
Gebäck, Fisch, roh und gekocht, Pasteten und Gemüse, aber noch viel
mehr Sachen, die man nach dem altbewährten Spruche: „Was der Bauer
nicht kennt, frißt er nicht“, wiederum mit höchst mißtrauischen Augen
von der Seite anschielt. An eine Menge Gerichte der japanischen Küche
wird sich der europäische Gaumen nicht so leicht gewöhnen. Aber hungrig
bin ich auch von der japanischen Tafel nie aufgestanden; ein paar
Dinge sind immer da, an die man sich halten kann, Reis und gebratener
oder gesottener, oft auch roher Fisch, Gebäck, Eier und, wenn es
sehr reichlich hergeht, ein paar winzige Stückchen Huhn. Auch den
unwillkürlichen Brechreiz, den mancher Europäer vor jedem japanischen
Tisch zu verspüren vermeint, habe ich bei mir nie festzustellen
vermocht, dazu ist das alles viel zu nett, reinlich und sauber
zubereitet und aufgetragen.

Auf dem Boden sitzend, führe ich die Speisen, die ich essen zu können
glaube, mit zwei langen, dünnen Holzstäbchen zu Munde. Während der
ganzen Mahlzeit kniet eines der Mädchen des Hauses neben mir, die
Reisschüssel nachfüllend, Sake, den japanischen Wein, oder den Tee
einschenkend und die gesamte Bedürfnisfrage des Gastes überwachend.

Nach dem Essen setze ich mich im leichten, luftigen Kimono ein wenig
auf die große Holzstufe vor dem Hause.

Je kleiner und abgelegener das Dorf ist, in dem ich eingekehrt bin,
desto größer ist bald der Menschenkreis, der sich um mich versammelt
hat, Fragen an den Wirt stellt, mit freundlichem Kopfnicken mich grüßt
und mir zulächelt. Nie wird diese große Volksversammlung, diese immer
liebenswürdige und herzliche Neugier, dieses Interesse, das die Leute
an dem Fremden nehmen, lästig. Ich bedauerte nur immer, daß ich die
Landessprache nicht sprach, kaum ein paar Worte schlecht radebrechte
und deshalb nicht so, wie ich wohl gewollt hätte, in den Gefühls- und
Gedankenkreis des Japaners einzudringen vermochte.

Das Reizendste aber sind die Kinder, die um einen herumstehen und sich
allmählich neugierig zutraulich immer näher und näher drängen. Bald hat
man eines im linken, eins im rechten Arm, und auf den Knien beginnt
auch schon eins lustig herumzuturnen. Sie kennen, sie wissen das
sofort, wenn jemand ein bißchen Zuneigung für sie übrig hat und sind
dankbar dafür.

Wie sauber und reinlich sie sind. Gleich den Großen baden auch sie
schon ein- oder ein paarmal des Tages.

Bunt und lustig, leicht und kleidsam sind sie angezogen. Dabei mit
wie kleinen, billigen Mitteln! Wer nur einmal eine solch große
Kinderversammlung um sich gehabt hat, hat auch schon den starken
Künstlerpulsschlag des japanischen Volkes pochen gehört, denn nur ein
Land von Künstlern kann seinen Kleinen, seinen Kindern solch reiche
herrliche Farben, solch reizend und einfach natürlichen Schnitt des
Kleides schenken! ...

Prächtig frisch, gut gebaut und schlank gewachsen diese lustig
dareinschauenden Knaben, die ganz kleinen Mädchen mit ihren großen
schwarzen Kirschenaugen aber sind schon eine reizende Miniatur der
Großen, haben schon trotz aller Kinderfrische und -natürlichkeit etwas
von dem starken Liebreiz der immer freundlichen, stets bescheidenen und
dienstbeflissenen erwachsenen Japanerin.

Früher als in den Städten wird es draußen auf dem Land, in den Dörfern
und Weilern schon still, ziemlich bald sucht man hier sein Nachtlager
auf. Das ist inzwischen auch schon in meinem Zimmer, auf demselben
Platz, wo ich eine Stunde vorher gegessen habe, aufgeschlagen worden.
Ein paar weiche Decken, mit einem tadellos weißen Leinentuch überzogen,
dienen als Unterlage, dazu ein ziemlich hartes Kopfkissen und eine
Zudecke, letztere oft sehr farbenprächtig und kostbar.

Je höher ich nun im Sommer aufwärts gestiegen war, desto besser schlief
ich in der an die Heimat gemahnenden Kühle. Aber selbst unten in der
Tiefe, am Meer oder in der flachen Fruchtebene bringt der Abend auf dem
Lande fast immer eine gewisse Erfrischung mit sich. Ein Übernachten im
echten, japanischen Haus kommt einer erquickenden Rast unter freiem
Himmel ziemlich nahe. Kein einziger Stein, der noch nachts Glut und
Hitze ausströmte. Das leichte Holz- und Bambusgefüge, die Papierwände
und -türen schützen gut vor Regen und Nässe. Aber Luft und wehender
Wind ziehen lustig hindurch. Draußen rauschen die Bäume, es ist, als ob
sie dicht über mir rauschten, flüstern die Gräser, plaudert der Quell,
zirpt die Zikade. Mitten im Schlaf bin ich mitten in der grünen Natur.

Wenn es dann wieder tagt, wird leise eine Wand des Zimmers
fortgeschoben, goldene Morgensonne flutet herein. Das bedienende
Mädchen löscht das Nachtlicht, stellt den Tee neben das Bodenlager
und meldet, daß das Bad meiner warte. Zur Vervollkommnung
der Morgentoilette überreicht sie in manchen Gasthäusern eine
funkelnagelneue, niedliche, kleine Zahnbürste und bringt mir, wenn ich
dem Bade entstiegen bin, frisch gewaschen meine Wäsche.

Nach dem Frühstück und vor dem Abmarsch der feierliche Augenblick der
Rechnungsübergabe. Kniend wird sie von einer Dienerin überreicht und
über einen halben Meter ist sie lang geworden.

Aber all die vielen, mir unverständlichen Zirkel und Zeichen
besagen nichts Böses. Im japanischen Gasthaus wurde ich selbst
an den besuchtesten Bade- und Kurorten nie allzusehr belastet,
wurde sogar noch oft mit einem Geschenke bedacht, einer Sammlung
hübscher Ansichtskarten, einem geschmackvoll gezeichneten Hand- oder
Taschentuche. Unter tiefer, bis zum Erdboden gehender Verneigung des
Wirtes und seiner Leute ziehe ich frisch und ausgeruht von dannen. -- --

Weiter wandern wir, Shibata und ich. Von den Bergen herabsteigend
kommen wir ans Meer. Viel Schönes, viel Frohes und Sonniges ist da
zu erblicken. Wo ein guter Badestrand flach in die See verläuft,
jubeln sich in der Flut herumtummelnde Knaben. Frauen, in weiten,
wallenden Badekleidern, über das schwere Schwarzhaar einen großen,
breiten Strandhut gebunden; kleine, schlanke Mädchen setzen zagend und
mißtrauisch das schmalgefesselte Füßchen in die letzten Spritzer der
schon zurückweichenden Uferwelle; junge Männer, die im warmen Sande
sitzen und dem Seebad ein langes Luft- und Lichtbad folgen lassen,
besprechen eifrigst die jüngsten Erfolge japanischer Weltpolitik;
buntschillernde Geishas und Tänzerinnen, eng nebeneinander hockend,
bestaunen neugierig ängstlich das immer wieder sich erneuernde
Naturschauspiel der donnernd in schneeweißen Schaum und Gischt
zerstiebenden, schweren Brandungswoge.

Weiter! Berge treten ans Ufer heran, tiefes, felsgründiges Meer
erschimmert in sattblauer Farbe, reizvolle Ausblicke eröffnen sich.
Ein Wallfahrtsort mit Tempeln, Verkaufsständen und Erfrischungsbuden,
Enoshima genannt, bettet sich zwischen dunkles Grün. Hier scheinen
die guten Leute durch den Pilger- und Fremdenverkehr bereits
„weltläufiger“ geworden zu sein. Gegen ein geringes Geldgeschenk
springen umherlungernde Knaben in die Tiefe und holen vom Grunde einen
zappelnden, lebenden Fisch herauf, den sie da unten in irgendeinem
Klippenloch geschickt angebunden und verwahrt gehalten haben. „Eben im
Tauchersprunge gefangen!“ machen sie staunenden Fremdlingen weis.

Vorwärts schreiten wir -- vorwärts. Ringsum jetzt menschenverlassenes
Gestade, auf der Landseite von magerem, verkrüppeltem Föhrenwald
eingesäumt, über Meer und Land der helle Goldglanz der langsam
sinkenden Sonne. Ab und zu ein leises Flüstern im Busch und das
bescheidene Plätschern des hier langsam verebbenden, friedlichen Meeres.

Endlich, nach langer, fröhlicher Wanderung im weichfeuchten Ufersande
gegen Abend ein Fischerdorf. Man glaubt, hier gar nicht mehr in Japan,
man meint, an irgendeinem heißen Tropenstrand zu stehen, so tiefbraun
gebrannt sind diese nackten, meist nur mit einem schmalen Lendentuch
bekleideten Fischer. Sorglos scheinen diese Menschen, sind trotz aller
harten Armut und schwerer Mühen, trotz aller Gefahren des tückischen
Meeres immer vergnügt; Lachen und Scherz sind und bleiben bei ihnen
zu Hause, sie lassen sich nie und durch nichts die Freude an ihrer
Sonne und ihrer See, ihrem freien Meerwind und ihrem frischen Handwerk
vergällen. Und sie haben in den ausgefischten Ufergewässern oft nicht
leichte Arbeit, die drei Millionen Menschen, die im Fischfang und der
damit verbundenen Industrie tätig sind, das ganze Land mit genügenden
Vorräten zu versehen. Denn bei keiner japanischen Mahlzeit darf der
Fisch fehlen, frischer oder getrockneter, gedörrter oder gesalzener
oder gesottener Fisch.

Durch zum Trocknen aufgespannte Netze und Leinen führt uns der Weg in
das sauber gehaltene Dorf.

Vom freien Meer weht zum Ufer ein Sang von Männerstimmen, ein auf
flüsternder Flut schon halb erstorbenes Fischerlied. Rotgolden
leuchtende Segel flattern über die See, kommen mit der sinkenden
Sonne näher und näher, ein Schwarm kleiner, windverwehter, bunter
Schmetterlinge, der langsam und mühsam wieder dem rettenden Lande
zustrebt.

Freuden- und Begrüßungsrufe! Netze werden ans Land gezogen, Boote auf
den Sand geschleppt, emsiges Rühren und Schaffen aller Hände. -- -- --

Vom Meer aus zurück in die Ebene. Mit dem weichen grünen Samtteppich
der Reisfelder ist sie bespannt. Manchmal taucht, von Föhren
beschattet, ein erdbraunes, holzgezimmertes Bauernhaus auf, von fern
sich wie frisch aufgerissenes Ackerfeld oder ein verwitterter Felsblock
ausnehmend. Dicht daneben auf einem Waldhügel ein bescheidener
Dorftempel. Nun stilles, menschenleeres Heideland. Ab und zu ein
dunkler Tümpel, ein braunes Moor. Aus dem zarten Silberdunst der
Ferne taucht ein einsamer, mächtiger Bergriese auf, der Fujiyama, der
vielgeliebte, vielgemalte, von allen Dichtern besungene Berg Japans,
Ziel der Pilger und wandernden Söhne des Landes.




5. Sintflut und Erdbeben.


Dem Sonnenlande Japan beliebt es plötzlich, sich in fast ständigen
Regen zu hüllen.

War ich einmal bei leidlichem Wetter in irgendein Bergdorf
aufgestiegen, so erwachte ich am nächsten Morgen in einem so
unbeschreiblichen Strichregen, daß es gar nicht möglich war, den
Abstieg zu versuchen.

Am vielbesuchten Hakonesee ist mir dies gleich zweimal zugestoßen.
Zweimal war ich gezwungen, als einziger Badegast an dem kleinen Bergsee
zu bleiben.

Ununterbrochen tobte der Sturm und donnerte trotz aller
Windschutzbauten in der Nacht dermaßen an das Haus, daß ich glaubte,
die ganze Holzbude müsse im nächsten Augenblick rettungslos
zusammenbrechen. Am Tage aber zauberte er, die schweren weißen Nebel
nahe der Wasserfläche über den See dahinfegend, ein vollständiges
Winterbild hervor: wie ein dichtes, wildes Schneetreiben auf fest und
glatt gefrorener Eisfläche sah sich das an.

Eingehüllt in einen schweren Kimono, ein glimmendes Kohlenbecken an
meiner Seite, schlug ich ärgerlich und wenig guter Laune die Zeit tot.

Das tatenlose Herumsitzen, die Langeweile trieb mich endlich doch
zu Tale. Aber es war mehr ein Herabfallen und -purzeln, als ein
Herabsteigen. Die abschüssigen Lehmhalden waren schlüpfrig wie
Glatteis, ebenso der Fels und das Steingeröll. Dazu hatten Regen und
Taifun, jener gefährliche Wirbelsturm, lange Stücke des schmalen
Saumpfades in die Tiefe gerissen.

Als ich mich mit vieler Mühe und auf großen Umwegen wieder ins Tal
hinabgearbeitet hatte, fand ich dort die Brücke weggeschwemmt. Wollte
ich weiter kommen, so blieb mir gar nichts anderes übrig, als mich
über den wild tobenden Bergfluß hinüberseilen zu lassen.

Die japanische Seilfähre ist nicht wie unsere europäische: zwar ist da
auch ein Drahtseil vorhanden, aber daran wird kein Schiff, sondern wird
man gleich selbst in höchsteigener Person, auf einem schmalen Holzbrett
sitzend, angekoppelt.

Allzu groß ist das Vergnügen nicht!

Die kleinen, leichten Japaner sausen ja ganz frisch und flott hinüber,
nicht so das europäische Schwergewicht. Schon in der Mitte der Fahrt
beginnt das zu stocken, wie ein unfreiwilliger Akrobat tanze ich auf
elastischem Seil über der tobenden Flut auf und ab und habe Zeit genug,
tiefsinnige Betrachtungen darüber anzustellen, ob die eigenen achtzig
Kilo oder ob die japanische Drahtseilfabrikationskunst schließlich den
Sieg davontragen werde.

Aber drüben am andern Ufer arbeiten sie ganz wütend und holen mich
keuchend doch endlich heil und ganz über. Freilich, den Hut habe ich
als Obolus den japanischen Wasser-, Wetter- und Windgöttern in die
Tiefe geworfen, die Hose ist auch nicht mehr ganz salonfähig, aber
alles andere habe ich glücklich herübergerettet.

Ich sehe in diesen Tagen viel Ernstes und Trauriges: entwurzelte
Bäume, abgedeckte Hütten, zerstörte Gärten und Felder, niedergegangene
Steinlawinen, Vernichtung und Verheerung.

Als ich so in einem entsetzlichen Unwetter zum zweiten Male nach
Mijanoschita, der bekannten japanischen Sommervillegiatur kam, da fand
ich ganz in der Nähe, in einem reizenden, dicht zwischen Fluß und Fels
eingebauten Dörflein eine große Menschenansammlung, Polizisten, die
Ordnung hielten, Männer, Bauern und Kulis, die fieberhaft schaufelten
und arbeiteten.

Ein Bergsturz! Zwei Häuser in die Tiefe gerissen! Man sieht nicht mehr
viel davon, nur noch Schutt und Geröll. Und die, die in den Häusern
waren, sind längst tot.

Als ich jüngst hier gewesen, war ich dicht neben der Unglücksstelle
eingekehrt. Es regnete auch, aber es kam doch ab und zu die Sonne ein
wenig durch das Gewölk, man konnte sich im Freien halten. Ich kannte
die Leute, die da verschüttet worden waren, und die zwei hübschen,
lustigen Teehausmädchen, die sie entsetzlich verstümmelt herauftragen,
waren lachend vor mir davon und ins Haus gelaufen, als ich versuchen
wollte, sie zu photographieren.

Ganz schlimm sieht es auch in der Ebene aus, die Flüsse und Ströme sind
verheerend weit über die Ufer getreten, die so sorgsam bebauten und
liebevoll gepflegten Reisfelder sind zu schmutzig grauen Seen geworden
-- ein unsagbar trauriger Anblick. Manche Hütten sind weggerissen,
zahlreiche Menschenleben sind zu beklagen.

An der Küste aber stoße ich auf die Spuren einer verheerenden
Springflut, höre von vielen im Taifun untergegangenen Fischerbooten
erzählen.

Ich höre bald überhaupt nur noch von Todesfällen, von Dammbrüchen
und Geleisunterspülungen, Brückeneinstürzen und Bahnunterbrechungen.
Jammer, Elend und Not, wohin ich komme. Als ich endlich nach Jokohama
zurückgelange, finde ich auch dort allerlei Unheil. Vor allem ist die
städtische Wasserleitung zerstört. Das bedeutet soviel wie allerhöchste
Gefahr. Denn die japanische Stadt ist, wie schon des öfteren erwähnt,
ganz aus Holz erbaut. Dazu all der andere, bunte Flitterkram. Jeden
Augenblick auch ein Brandunglück. Und jetzt kann nur noch nach altem
Brauch, mit Eimern und Tonnen gelöscht werden.

Keinen trockenen Faden am Leibe mehr, kehre ich in mein Haupt- und
Standquartier „Hotel Manka“ zurück. Aber entsetzt mache ich die
Entdeckung, daß auch das Mankahotel inzwischen von einem Hochwasser
heimgesucht worden war. Meine im Erdgeschoß stehenden Schiffskoffer
hatten vergnügt „Schiffahren“ gespielt. Im untersten Fach fand sich ein
grauer Brei, eine zähe, geleeartige Masse, in der bereits lange gelbe
Würmer herumkrochen. Tieftraurig schaufelte ich das aus und übergab
es zu schleuniger Bestattung. Dann versuchte ich zu retten, was noch
zu retten war. Kohlenbecken wurden entzündet und die Reinigung und
Austrocknung der triefenden Koffer, das Aufhängen der nassen Kleider,
die Ausbreitung der feuchten Wäsche und des sonstigen noch verwendbaren
Kofferinhalts gestaltete sich zu einem glänzenden Freudenfest für die
neugierigen und wissensdurstigen Hotelboys und -girls.

Aber nicht nur das Wasser schafft Schaden und Elend, auch im Innern der
Erde will es rebellisch werden.

Ich erlebe in Jokohama mein erstes Erdbeben. Es ist ganz schön und gut
abgelaufen und hat auch allgemein außer verschiedenem Materialschaden
nicht allzuviel Unheil gestiftet.

Aber trotzdem! Sicherlich habe ich noch nie im Leben ein so
unheimliches Gefühl wie in dieser Nacht empfunden.

Ein schweres Alpdrücken. Ich träume -- träume, daß einer meiner
Angehörigen eines ganz gräßlichen, entsetzlichen Todes gestorben sei.

Plötzlich erwache ich. Auf dem Boden rollen ein paar am Abend vorher
erstandene Vasen zerbrochen umher.

Nun ein Stoß! Das Zimmer geht auf und ab wie ein Schiff im Sturm.
Geradeso wie bei hohem Seegang das Gebälk des Schiffes, kracht und
ächzt und stöhnt es in den Wänden, in der Decke, im Dachstuhl.

Jetzt noch ein Stoß, stärker, kräftiger, dröhnender als der erste!
Gewaltige Erdkräfte, die tief da unten zu schlafen schienen, sind
aufgewacht, sind heraufgestiegen, haben gerufen, daß sie noch leben wie
am allerersten Tage der Erde, und haben mahnend angepocht, das Pochen
ist laut und deutlich gewesen.

Im nächsten Augenblick muß das alles in Trümmer zusammenstürzen! Ein
Sprung aus dem Bett, ein zweiter nach der Tür, ein paar Sätze über die
Stiege hinab, nie noch habe ich im Leben so unanständig rasch ein Haus
verlassen! ...

Erleichtert atmete ich auf, als ich glücklich mitten auf der Straße im
strömenden Regen stehe -- mit vielen Leidensgenossen, die sich alle
in sehr unmöglichen oder gar keinen Kostümen gerettet haben, just
geradeso, wie sie in der schwülen Septembernacht der plötzliche Seegang
von Mutter Erde überrascht hat.

Wir sind alle noch etwas verschlafen, noch etwas beklommen und warten
der schlimmen Dinge, die nun weiter noch kommen werden. Aber es kommt
nichts mehr. Den Göttern der Tiefe hat es gefallen, nur zu pochen und
zu mahnen, mit dem zweiten kräftigen Stoß ist alles zu Ende.

Man steht plaudernd beisammen, bis es ganz Tag geworden ist, dann geht
man zurück, hebt seine zerbrochenen Habseligkeiten auf und ist etwas
verstimmt über die unnötigen Artistenriesensprünge, die man gemacht hat.

[Illustration: Japanerin im Kimono. (S. 21)]

[Illustration: Spielende Kinder. (S. 23)]

[Illustration: Fischerdorf. (S. 26)]

[Illustration: Japanische Fischer. (S. 26)]

Daß ich mit meiner Eile nicht allzusehr unrecht gehabt hatte,
wurde mir acht Tage später dadurch bewiesen, daß in friedlichster
Sonntagsmorgenfrühe plötzlich und unvermittelt, wohl als Nachfolge des
Erdbebens, meine Zimmerdecke, allerlei schweres Gebälk, dazu noch drei
Zentner Tomatensaucenflaschen, die über der Decke gelagert gewesen,
herabstürzten und eine grausame Verwüstung unter meinem Eigentum
anrichteten. Was nicht zerschlagen war, wurde in Tomatensauce getränkt.

„~Allright!~“ sagte ich trotz des wenig freundlichen Anblickes und war,
da ich erst zwei Minuten vorher durch einen Zufall das Zimmer verlassen
hatte, froh, so leichten Kaufes davongekommen zu sein!




6. Die Stromschnellen des Tenryugawa.


In Nagoya habe ich mir mit drei Bekannten, drei deutschen Offizieren,
ein Stelldichein gegeben. Wir haben schon gemeinsam von Kioto aus
die recht hübsche Fahrt über die Stromschnellen des Hozugawa gemacht
und wollen nun von Nagoya aus die Reise in die Berge hinein an den
Tenryugawa, einen mächtigen Bergstrom Zentraljapans, antreten, um auf
seinem Rücken uns wieder in die Ebene herabtragen zu lassen.

Da dieser Ausflug ziemlich selten unternommen wird, von manchem Kenner
des Landes aber überhaupt für das Schönste erklärt wird, was in Japan
zu sehen, möchte ich ihn etwas ausführlicher schildern.

Von Nagoya aus geht es in die Berge, durch breite Täler und enge
Schluchten, über Wasserscheiden und Höhenpässe. Erstaunt und erfreut
durchwandern wir eine ganz wundersame und fast unbekannte Bergwelt.
Oft ist das alles wie ein sonniges Südtiroler Tal: Maisfelder,
Maulbeerpflanzungen, Kakibäume, deren große, runde Früchte golden
wie Orangen aus dem üppigen Tiefgrün herauslachen. Zwischen all dem
reichen Segen ab und zu auf hohem Steinunterbau ein niederes Häuschen,
dessen weit hervorspringendes, breitschräges Dach ganz so wie ein
österreichisches oder bayerisches Gebirgshaus mit Schindeln und
Steinbelag gedeckt ist.

Doch je höher wir steigen, desto nordischer wird es ringsum.
Herbstroter Ahorn und schwarze Föhren verdrängen alles Fruchtland, bis
schließlich jeder Baumbestand allmählich aufgehört hat.

Wolkenbruchartiger Landregen macht einmal für vierundzwanzig
Stunden jedes Weitermarschieren unmöglich, aber nach vier Tagen
haben wir dennoch unter allerlei kleinen Abenteuern unser ersehntes
Wanderziel, das Gebirgsdörfchen Tokimata, den Abfahrtsort für die
Tenryugawatalreise, glücklich erreicht.

Wir sind etwas in Sorge. Der Tenryugawa kann nur in wenigen
Herbstmonaten des Jahres befahren werden, selbst in dieser Zeit aber
kommen lange und häufige Unterbrechungen durch Hochwasser vor.

Und der Fluß hat starkes Hochwasser. In scharfem Talfall wälzt er
schäumend und brausend seine schmutziggrauen Fluten dahin. Aber der
Schiffahrtspächter will uns dennoch hinabbringen lassen, doch nicht
ohne den Versuch gemacht zu haben, den Preis möglichst in die Höhe
zu treiben, was begreiflich erscheint, wenn man bedenkt, daß seine
Leute an vierzehn Tage zu tun haben werden, bis sie das Boot wieder
nach Tokimata zurückgeschleppt haben. Endlich sind wir aber doch
handelseinig, und die Abfahrtsstunde wird auf 6 Uhr morgens angesetzt.

Rasch treibt das breitgebaute, von vier stämmigen Schiffern mit
mächtigen Rudern gesteuerte Boot talabwärts. Flaches Gestade, ab und zu
schon ein Strudel und ein paar hüpfende, neugierig über die Bootswand
hereinguckende Wellen. Aber ruhig und sicher liegt das Boot noch auf
dem scharfzügig abwärts eilenden, breiten Strom. Prächtige Waldberge
in der Ferne, dunkles Laubgrün und gut bestellte Felder am Ufersaum.

Doch plötzlich hohe, einengende Wände. Zischend und schäumend donnert
die Flut gegen den Fels. Und schon ist auch das Boot mitten im tollsten
Hexenkessel. Von allen, allen Seiten hat das Wasser, der Strudel das
Fahrzeug gefaßt und zerrt und reißt es umher; über die meterhohe
Bootswand kommen die ersten Wellen herein.

Nun ein Stoß, ein ganz gewaltiger Stoß! Wir sind von den Sitzen
geflogen, so mächtig ist der Ruck gewesen. Gischt und Wasserdampf
sprüht empor, schon liegt das Boot auf der Seite. Klirrend und
krachend, mit einem Höllenlärm kollert verschiedenes Zerbrechliche
umher.

Doch der äußersten Kraftanstrengung unserer braven Fährleute glückt
es noch im letzten Augenblicke, das Boot vor dem Kentern zu bewahren.
Und „Kentern“ wäre hier gleichbedeutend mit Schluß und Ende. Nicht der
beste Weltmeisterschaftsschwimmer könnte sich aus dieser kochenden
Urkraft wildester Tiefstrudel je wieder herausarbeiten.

Schon an der nächsten Biegung, wo ein flach zulaufender Geröllstrand
sich zeigt, machen die Schiffer halt und nehmen weiteren Ballast,
mächtige Flußsteine, ein. Das Boot ist noch zu leicht, das Hochwasser
größer und stärker, als man oben in Tokimata angenommen hatte.

Wieder hinein in den reißenden, undurchsichtigen Fluß. Nun sollen
die eigentlichen Stromschnellen ja erst beginnen. Wieder dieselbe
atembenehmende Sturmjagd! Zu Tale! ... Zu Tale! ...

Weit, weit da drunten blitzt es silberweiß im grauschwarzen Flußbette
auf, weit, weit da drunten und jetzt noch tief, tief unter uns.

Doch unser windschnell dahinbrausendes Boot muß schon im nächsten
Augenblicke die weiße Gischt- und Schaumstelle erreicht haben. Die
erste Stromschnelle! ... Erwartungsvoll spähen aller Augen hinab! ...
Hoch richtet sich der auf der Spitze des Bootes stehende Fährmann
empor. Schlank, gerade und unbeweglich steht er da, fest und sicher,
auf der schmalen, scharfkantigen Planke. Langsam und feierlich -- ein
Betender -- hebt er das schwere Ruder und pocht dreimal damit an den
Bug des Bootes, laut, langsam und feierlich. Dumpf hallt es wider.

Kaum hat er den dritten und letzten schallenden Schlag getan, kaum
das huldigende und beschwörende Gebet an den Gott des Flusses zu
Ende gesprochen, da gibt auch der mächtige Gott aus der Tiefe schon
Antwort: dumpf, aber viel, viel schwerer und wuchtiger als der Schlag
des Ruders an die Bootswand, donnert und dröhnt, brüllt und braust er
seinen lauten Gruß in die Höhe. Gischt und Schaum, Wellen und Wogen
speit und schleudert er in weitem Bogen empor, rast in sinnloser, alles
zermalmender Wut da unten im tiefen, dunklen Grunde.

Wie ein Federball tanzt das Boot dahin und dorthin, vom gewaltigen Atem
seiner Riesenbrust hin- und hergeweht, hoch hinaufgehoben, um krachend
wieder auf die zischende Flut zurückzuprallen. Und nun schießt es, ein
von starker Sehne abgeschnellter Pfeil, mit plötzlichem Entschluß auf
die nahe, steile Felswand zu. Wenn es mit der Spitze den Stein berührt,
zerstäubt es in tausend Trümmer.

Jetzt aber beginnt ein Kämpfen und Ringen unserer vier Schiffsleute mit
den ungestümen, ungeheuren Machtgewalten des Stromes. Die Ruder ächzen
und stöhnen, die zusammengepreßte Bootswand seufzt und wimmert, der
Boden zittert.

Aber der Strom, der gewaltige Gott der Tiefe, bleibt Herr und Meister,
zürnend schleudert er uns an den Fels, nahe schon ist die verderbliche
Klippe.

Man sieht die Gefahr, man weiß die Gefahr und doch, man fühlt,
empfindet sie nicht als solche. Man starrt nur still und andächtig
auf dies gewaltige Ringen zwischen schwacher Menschenkraft und
ungebändigten Naturgewalten. Und die, die siegen, die müssen ja einmal
und endlich über uns Menschen siegen.

Doch unsere Leute denken nicht so. Mit beiden Füßen stehen sie jetzt
alle auf der schmalen Bootswand, holen weiter aus, setzen tiefer und
wuchtiger ein. Jede Sehne, jeder Nerv ist fieberhaft gespannt. Wie
leichte Weidengerten biegen sich die vier schweren Ruder, winden
und krümmen sich. Wenn eines der vier jetzt bräche, wäre alle Mühe
vergebens. Freilich, der Tod in einem solchen Augenblick, in einer
solch königlichen Machtoffenbarung der Natur wäre wahrhaftig das
Sterben wert und frei von allem Schaudern und Grauen.

Aber heller und lichter ist dennoch das Leben! ... Leben! Leben! ...
Wir hängen ja doch daran, oft ohne es zu wissen, und wenn es nicht viel
mehr als die sichere Gewohnheit von Atmen und Bewußtsein wäre.

Ins lachende Leben hinein gleitet wieder das Boot. Kaum einen Fuß vor
der todbringenden Wand hat sich schwerfällig langsam der Bug gedreht.

Die erste Stromschnelle ist genommen, ungezählte andere folgen. Um
6 Uhr morgens sind wir aufgebrochen, erst in den Nachmittagsstunden
kommen wir in ruhigeres Fahrwasser.

Was sehe ich nicht alles während dieser langen Fahrt!

Immer wieder muß ich die Riesenkräfte des Flusses anstaunen! Mit grober
Faust hat sich der wilde, ungebärdige Berggeselle irgendwo ein paar
mächtige Baumhünen zur Kurzweil gepflückt und spielt mit ihnen lustig
Ball, als ob es leichte Wiesenblumen wären. Schwere Holzflöße, von
starksehnigen Gebirglern mit schweren Ruderstangen zu Tale geleitet,
sind in seinen Bärenarmen nur gebrechliche, leicht geknickte Strohhalme.

Herrlich aber sind die Ufer, in die der Wildfang sein Bett tief
eingewühlt hat. Ein ewiger, reizvoller Wechsel: bald hochstämmiger
Nadelwald, bald lichtgrüner Bambushain, bald kahler Fels; in
schwindelnder Höhe kleine Bergdörfer, wie Schwalbennester an steil
abfallende Wände angeklebt. Jubelrufe von Kindern klingen hell aus dem
Hochwald zu uns hernieder. So unendlich vieles erblicke ich, daß ich
schon nach den ersten Stunden der Fahrt fast sehensmüde bin und kaum
mehr einen geringen Teil der blitzartig vorbeiziehenden tausend Bilder
in mich aufzunehmen vermag.

Etwas steif und gerädert, mit eingenommenem Kopfe -- wir haben alle
das Gefühl, eine schwere, stürmische Seefahrt hinter uns zu haben --
entsteigen wir am Abend dem Boote.

Müde lehne ich mich in die Riksha zurück, die mich zu der nächsten,
etwa zwanzig Kilometer entfernten Bahnstation bringen soll.

Nach dem tollen Dahinjagen über Strudel und Stromschnellen glaube ich,
jetzt auf den weichsten und besten Gummirädern der Welt zu fahren, so
sanft und ruhig gleitet der von einem kräftigen Kuli gezogene Wagen
rasch auf schmalem Feldwege dahin.

Abendstille über der weiten, friedlichen Herbstlandschaft. Ein Schimmer
von edelstem Goldbrokat über dem grünen Land, das langsam sich in
tiefere, feuchtfahle und dunkelsatte Farbentöne einhüllt.

Leise und lautlos trabt der Rikshamann weiter, sanft schwankt und
schaukelt der Wagen.

Das große Schweigen ringsum dünkt mich zu tief fast. Ich habe im Ohr
noch den tosenden Donner der Wildwasser.

An meinen geschlossenen Augen zieht alles Geschaute noch einmal vorbei:
es ist Japans Zartestes und Lieblichstes, Packendstes und Gewaltigstes
-- Japans Bestes und Seltenstes gewesen!




7. Tempelfeste.


Viel Schönes und Reizendes, Sonniges und Farbenfrohes zog während
meines Aufenthaltes in Japan noch an mir vorbei. Als eines der besten
Dinge aber, die man in Nippon überhaupt sehen kann, wollen mir noch
heute in der Erinnerung die Tempelfeste erscheinen, wie sie die kleinen
Leute des Landes feiern. So möchte ich versuchen, im folgenden solch
ein Fest, deren ich manche mitgemacht, mit einigen Worten zu schildern:

Ein Tempel im Grünen; ein brauner, strohgedeckter und verwitterter
Holztempel, bald auf freier Höhe stehend und weit über Stadt und Land,
Ebene und See hinwegblickend, bald in stilles, entlegenes Waldtal
versteckt oder mitten in den reichen Segen rauschender Reisfelder
eingebettet. Eine Föhre oder Kiefer, ein Ahorn oder anderer Baum, der
den Tempel beschattet.

Tempel im Grünen, vom Winde umflüstert, von der Zikade umsungen, von
Bambushainen umrauscht.

Ein altes, gebeugtes und gebrechliches Mütterlein, das mühsam zum
Beten herangehumpelt kommt; ein Pilgerpaar, Mann und Frau, die müde
an geweihter Stätte andachtsstille, schweigende Rast halten; ab und
zu vielleicht noch einmal ein anderer, der etwas Schweres auf seinem
Herzen lasten und seinem Gott zu sagen hat. Sonst nichts.

~Treuga Dei~, Gottesfrieden, gebietet feierlich der altmorsche
Holztempeltorbogen. Lärm und Unrast der Welt finden keinen Einlaß in
die heilige Klause des Gottes. Kirchenstill ist es rings, jahrein,
jahraus. In tiefem Schweigen träumt das schmale Schutzland der Gottheit
dahin und kein Fuß, kein lautes Wort stören den Frieden.

Aber einmal im Jahr will es unter dem breitästigen Föhrengezweig
lebendig werden, brausender Jubel umwogt die heilige Stätte, einmal im
Jahr, wenn sie das Fest des Tempels feiern.

Schon kommt ein feierlicher Zug aus dem Dorfe, aus der Vorstadt
herangezogen.

Schwer geschmückt schwankt ein hochgetürmter Wagen daher. Bekränzte
Götterbilder stehen darauf, ein halbes Hundert weißgekleideter Knaben
leistet freudigen Vorspanndienst.

Andere Jungen haben kunstvoll gefügte und geschnitzte Abbilder des
Tempels auf ihre Schultern genommen. Vorwärts stürmen sie, rückwärts
weichen sie, schwanken zur Seite, drehen in lachender, jauchzender
Festesfreude sich wie toll im Kreise umher, wollen durch ihre Rufe,
ihre Gebärden und Bewegungen uns glauben machen, daß das auf ihren
Schultern ruhende, leichte Holztempelbild eine zentnerschwere,
drückende Steinlast sei, kaum zu tragen und durch ihr Gewicht wuchtig
vorwärts, rückwärts und nach allen Seiten treibend.

Hinter dem Wagen, hinter den Tempelbildern kommen Scharen von freudig
erregten und erwartungsvoll gespannten Menschen im Feiertagskleide
gepilgert: Männer, Frauen und Kinder, Hunderte, Tausende von Kindern.

Vor dem Tempel staut sich die Menge.

Ernste, weißgekleidete Priester steigen langsam feierlichen Schrittes,
Würde und Andacht vereinend, die Stufen empor, treten ehrfurchtsvoll
in das geheimnisumwobene Halbdunkel des Tempels ein, knien schweigend
nieder, flüstern und raunen seltsame, kaum mehr zu deutende Worte
uralten Väterglaubens, neigen sich tief zur Erde, pressen Stirne und
Haupt auf den geweihten Boden. Stille, andachtsvolle Gebetsstille
herrscht im heiligen Hause des Gottes.

Aber draußen, dicht, dicht daneben, rings um den Tempel herum, seine
Stufen hinan, bis zu seiner Schwelle empor brandet ein breites Brausen
jauchzender Lust, schäumt ein rauschendes Meer wogender Freude. Ein
Jubel, ein einziger toller Lebenstaumel hat das ganze, ganze Volk in
seinem Innersten mächtig gepackt und mit sich fortgerissen.

Hat das die weiche, mild schmeichelnde, die göttliche Luft Japans
getan, die wie süßer Wein berauschend den ganzen Menschen durchdringt?
Hat sie heute alle frohen und hellen Saiten des Menschenherzens noch
froher und heller, noch höher gestimmt?

Oder ist’s die Sonne, die glänzender strahlt als sonst? ... Der
tiefblaue Himmel, der ein wolkenlos leuchtendes Festgezelt über all den
Jubel gespannt hat?

Ein goldenes Lichtfest feiert die Natur, und die Menschen, Kinder der
Sonne, Kinder des Lichtes, feiern es mit! ...

Strahlende Lebenslust auf allen Gesichtern, verklärt selbst das
verhärmte Antlitz der Armen. Rings ein Laufen, Tanzen und Springen,
alle Glieder sind leicht und gelöst; rings ein Lachen, Singen und
Jubilieren; Glockenhelle und Glanz in allen Stimmen. Von Auge zu Auge
rauscht und flutet es, schwillt an zum klaren, flüssigen Strom, der die
frohe Botschaft der Freude jauchzend ins weite Land hineinträgt ...

Jubel allüberall!

Doch am frohesten, am lustigsten schauen die Augen der Kinder darein.

Ein kleines, buntschillerndes Völklein, sind sie mit wichtigen
Mienen eilig gekommen, im Alltagskleide, das ihnen die Mutter mit
ein paar farbigen Streifen und Bändern liebreich verbrämt hat, und
im phantastisch geschmückten und aufgeputzten, weißen oder bunten
Festgewand; um die Stirne als Sonnenschutz ein breites Tuch gewunden
oder um die Schultern den großen, mit lang wallenden roten oder
gelben Gräsern gezierten Strohhut gehängt; in der kleinen, geballten
Faust sehr oft einen, dem warnenden Nachtwächterstock nachgebildeten
Eisenstecken, mit klirrenden und klingenden Ringen versehen.

Wohin das Auge sieht: leuchtende, glühende Farbenpracht! ... Guter
Geschmack, angeborener und vererbter Künstlersinn, hier, auf dem Feste
der Vorstadt oder des Bauerndorfes, wo die Armen und Kleinen des
Landes die Feier ihres bescheidenen Tempels begehen. Geschmack und
Künstlersinn bei Jungen und Alten, in Tracht und Kleidung, in Haltung
und Bewegung.

Künstlerhände haben auch den Festplatz geziert. Wie schön und
harmonisch ist das alles: der Tempel, den sie mit wenigen bunten
Tüchern und ein paar Blütenzweigen geschmückt haben, der phantastische
Festwagen, die Abbilder des Tempels, das mit Lampions und buntem
Zierat überschüttete Kinderfesttheater, die lustig dareinschauenden
Budenstände der Spielwarenverkäufer und sonstigen Händler.

Lächelnd und staunend steht man da und sucht das vielgestaltige und
immer wechselnde Bild in sich aufzunehmen. Auch den Fremden hat bald
eine Woge der allgemeinen Freude mit sich fortgerissen und trägt ihn
mitten hinein in den lauten Festjubel der großen Menge.

Solange man auch darin herumwandert, nie wird man in der
ausgelassensten Fröhlichkeit einen Mißton erlauschen, nie etwas
Maßloses, Verletzendes, Störendes -- Unkünstlerisches möchte ich sagen
-- hören oder sehen. Keine Roheiten! Kein Rüpel oder Betrunkener. Nicht
einmal irgendwo eine Bude, die alkoholhaltige Getränke verschenkte. Man
braucht das hierzulande nicht, um fröhlich zu sein. Alle Menschen und
Herzen scheinen auf einen einzigen warmfrohen Grundton gemeinsamen und
gegenseitigen Verstehens gestimmt!

Das wogt so den ganzen, langen, lieben Tag lachend und scherzend
durcheinander. Das endet auch nicht, wenn die Sonne mit einer glutroten
Farbenorgie strahlend Abschied genommen hat.

An den Föhren, die ihre geschweiften Drachenarme tiefschwarz und starr
in den blaßblauen Abendhimmel hineinheben, leuchtet golden, wie ein
plötzlich aufgehender Mond, eine Papierlaterne auf. Dann noch eine
und noch eine. Und später andere, Hunderte; in allen erdenklichen
bunten Farben schillernd. Wie gefangene Vögel und Riesenschmetterlinge
rauschen, flattern und schwanken sie im leisen Abendwind hin und her.

Grünlich leuchtende Glühwürmchen schlingen um Busch und Baum einen
lautlosen, zitternden Reigen. Mit ihnen tanzen um die Wette, ein
nächtlicher Spuk, ein wilder, wirbelnder Feuerzauber von hundert
großen, flackernden Irrlichtern, die glutroten, auf schwankenden
Bambusgerten daherwirbelnden Lampions herumtollender Knaben.

Erst tief in der Nacht will all die Lust langsam verebben. Die Kühle
treibt die fröhlichen Leutchen wieder nach Hause. Jubelnd und singend
ziehen die letzten davon.

Kaum sind sie fort, auf dem schmalen Tempelwege ein leiser, kaum hörbar
huschender Schritt.

Die da langsam gegangen kommt, trägt auf ihrem stillen, wunschlosen
Antlitz den Frieden der Welt. Mild und hell wie der Stern der Nacht
blickt ihr das Auge. Ihre Hand ist schmal, eine sanfte Hand, die auch
an jede Wunde rühren darf, eine weiche Hand, die so manche wird heilen
können.

Behutsam und leise schreitet sie in ihrem lichtgrünen, aus Mondlicht
gewirkten Kleide unter dem alten, verwitterten Tempeltorbogen hindurch,
schaut lächelnd in weiter Runde umher, breitet die Arme und segnet das
schweigende, schlafende Land.

Auf den Tempelstufen läßt sie sich langsam nieder, eine stille, getreue
Wächterin.

Die Gräser flüstern, Kiefern und Föhren rauschen, die Zikaden singen.
All das Flüstern, Rauschen und Singen, die hundert Stimmen und
Stimmchen in Wald und Feld klingen zusammen in einen einzigen freudigen
Gruß an die Wiedergekommene, die Herrin des Tempelgrundes: an die
„Einsamkeit“.

Ganz stille sitzt sie und nickt zufrieden.

Für ein langes Jahr hat wieder ihr Reich begonnen!




8. Insel der Seligen.


Von einem berühmten Tempelort im Süden des Landes muß ich des weiteren
noch berichten, einer Insel. „Insel der Seligen“ habe ich sie in
dankbarer Erinnerung getauft.

Heilige Erde! --

Reiner, geweihter Schutzboden! Kein Hund darf das Land betreten, kein
Wild hier getötet, kein Toter begraben, kein Leben geboren werden.
Weit in bergwasserklarer, blauender Meeresflut steht, heiligen
Gottesfrieden gebietend, der ragende, verwitterte Holztempelbogen.

Insel des Friedens, Land der Heiligung seit grauer Urväterzeit. Hier
rauscht der Wald noch so geheimnisvoll, stehen die Fichten und Föhren
noch so dunkel und dicht wie zu den Tagen, da erste frohe Botschaft
und fromme Sage durch fahrende Pilger hinüber zum Festland getragen
wurde. Auf windumbrauster Höhe brennt seit mehr denn tausend Jahren
ein heiliges, ewiges Feuer; in weiten, weihevoll dunklen Tempelhallen
murmeln weißgekleidete Priester Gebete; zum Klange der Flöten, zum
Spiele der Saiten wiegen junge Priesterinnen in rotem Festgewand, von
weißsilbernem Mantelgewebe umflutet, sich langsam und feierlich im
heiligen Tanze.

Hier klingt noch jetzt voll und rein die alte, liebe Weise von dem
vergangenen, dem gewesenen, dem langsam nun sterbenden Japan, klingt so
lockend und bezaubernd, daß man nicht müde wird, ihr zu lauschen.

All ihr Weg- und Wandermüden, willkommen drum in Miyajima, der
weltvergessenen Insel der Seligen! ...

Weg- und wandermüde war ich, als ich nach den Herrlichkeiten Kiotos
und Nikkos, Nagoyas und Naras in Kobe aufs Schiff stieg, um die
vierundzwanzigstündige Fahrt durch die Inlandsee nach Miyajima
anzutreten, eine Fahrt, die man nur völlig frisch und aufnahmefähig
unternehmen sollte, denn sie ist einzig schön.

Bald ist dies das Meer, oft scheint das wieder nur ein großer Binnensee
zu sein, dann wieder ein ganz kleiner Gebirgssee, der plötzlich und
unerwartet in eine herrliche, schimmernde, weite Bucht mündet, die
kurz darauf wieder sich in einen Fjord zusammenpreßt, so schmal und
eng, daß kaum ein Steinwurf ist von Land zu Lande. Oft kein Ausweg
zu sehen, rings ein nirgend sich öffnender Kreis der herrlichsten
Bergrundpanoramen der Welt, Felsen und Klippen, Hügel und Höhen,
Bergketten hinter Bergketten. Vom frühen Morgen bis in die späte Nacht
ein ewiges, prachtvolles Wechselbild!

Tausende von Inseln und Inselchen sind in die Inlandsee eingebettet,
manche groß und nicht zu übersehen, manche ganz winzig nur, ein paar
hoch und spitz aufgetürmte Felsblöcke oder eine Handvoll Land, das
von dem dunklen Grün der breiten japanischen Kiefer überschattet ist.
Fischerkähne und kleine Segler werden von der starken Kielwelle unseres
Schiffes hoch emporgeschleudert, und all das bunte, lustige Leben in
den unzähligen Fischerdörfern spielt sich zum Greifen nahe vor unsern
Augen ab.

Dunkle Nacht ist es schon, als ich nach einem meiner schönsten
Reisetage in Miyajima lande. Noch ein viertelstündiger, bergaufwärts
führender Weg, und ich bin in meinem japanischen Hotel „Momiji-ya“ =
„Gasthaus zum Ahorn“ angelangt.

Am nächsten Morgen halte ich nähere Umschau: mein Erkerzimmer steht
ganz auf mächtigen, bemoosten Felsblöcken. Dicht unter mir plätschert
ein kristallklarer Bergbach vorbei, den sie etwas oberhalb zu einem
kleinen See gestaut haben. Drei kleine niedliche Teehäuser, drei
Inseln, auf ein paar Felstrümmern aufgebaut, schwimmen drin herum. Und
weiter hinauf ein Gewirr von Brücken und Stegen, Springbrunnen und
Inselchen.

Rasch hinaus und den Berg empor! An einigen Teehäusern und auch schon
rötlich gefärbten Kirschbäumen vorbei geht es hinein in den Wald. Der
mutet einen fast an wie lieber deutscher Wald. Nur die Formen der
Föhren, Fichten und Kiefern sind abenteuerlicher und phantastischer,
und unter das Nadelholz mischt sich viel immergrünes Gesträuch.
Ganz sommerlich sieht das alles noch aus, jetzt im November, heute
am Allerseelentag. Nur der wilde Wein, der sich dicht und schwer um
die hohen Stämme der Föhren schlingt, hat schon ein rotes Herbstkleid
angezogen, und das Waldgras ist da und dort von einem leisen
Rotschimmer überhaucht. Aber sonst ist hier noch Sommer! Tiefgrün
und lichtgrün, wie man es sehen will, und alles noch in Saft und
treibender Kraft. Bunte Schmetterlinge und leuchtende Libellen irren um
schimmernde Waldblumen, die Grillen zirpen, die Vögel locken und rufen
so laut wie im Frühling, manchmal ein Damwild, das mich fragend mit
seinen großen Lichtern ansieht -- und über all der Pracht liegt warmer,
milder Sonnenschein.

Durch dämmerig dunklen Wald nun höher hinauf, bis alles tief unter
mir liegt: blaue See, in die der graue Tempel sich einbaut, dicht
daneben die schlank graziöse Pagode, und ringsum das in Sommergrün
und Herbstrot gebettete Dorf. Über der See durch Ferndunst und
Höhenrauch herübergrüßende Berge. Ringsum Stille und Schweigen. Ringsum
unzerstörte, unentweihte, heilige Natur -- Insel der Seligen!

Zum Dorfe hinab. In den saubern und netten Holzhäuschen wohnen
Fischers- und Schnitzersleute. Brauchen nicht viel zum Leben und
haben das Wenige. Zufriedene und vergnügte Gesichter allüberall. Kein
Bettler, kein Armer zu sehen -- Insel der Seligen! ...

Nun in die Tempel. Der eine, auf kiefernbestandener, weitblickender
Höhe, der andere zu seinen Füßen in der See. Zu dem Gotteshaus, das
unten im Meere steht, müssen die es umsäumenden Föhren von hoher
Schutzmauer herab alle sich ehrfürchtig niederneigen. Manche bäumt sich
zwar, nachdem sie tief sich schon gesenkt, mit ihrem mächtigen Stamme
widerspenstig, hoch und trotzig wieder empor. Aber der Gott, der
zwingt sie nieder. Demütig küssen sie schließlich alle mit den Spitzen
der Wipfel die geweihte Erde tief unter ihren Füßen und Wurzeln,
bezwungene Walddrachen, die den heiligen Göttern huldigen.

Nicht nur die Bäume, nicht nur das Meer, das dem Tempel hier ewig sein
hohes Lied rauscht, auch die Tiere grüßen die Götter. Ein schwarzes
Tempelroß ist da und Störche und Tauben, Hunderte und Hunderte von
Tauben, zahmer und zutraulicher als die auf dem Markusplatz. Auf
stillem Tempelgrund äsen friedlich die Hirsche. An heiliger Stätte
Gottesfriede zwischen Mensch und Tier. Beide sind Freunde hier, beide
sind eins in der Gottheit! ... Insel der Seligen! --

Am Nachmittag hinaus ans Meer, hinaus ins Meer auf schmaler, sandiger
Landzunge, vorbei an dem mächtigen Tempelbogen, dem wogenumrauschten
Wahrzeichen Miyajimas. Auf einem alten, wegüber liegenden Baumstamm
läßt sich da schön sitzen. Leise brandet das Meer, von einer fernen
Fischerbarke trägt der Wind ein lustig Lied herüber, und auf einem
dürren Ast krächzen darüber ärgerlich ein paar Raben.

Nun hinter mir ein Rascheln im Sand. Damwild, das mich begehrlich
ansieht. „Nein, nein, ich habe nichts!“ Und als ob es mein
Kopfschütteln verstanden hätte, beginnt es ruhig, dicht neben mir, sich
mageres Gras zu suchen.

Ich sitze und sinne nach. So ganz anders wie bei uns! Soviel sonniger,
farbenprächtiger und leuchtender! Und doch, es ist heute Allerseelentag
für einen -- auch hier. Man ist mit Gedanken und Träumen mehr als sonst
in der Heimat, man gedenkt seiner Toten, gedenkt derer, die leben.

[Illustration: Der heilige Fujiyama. (S. 27)]

[Illustration: Japanisches Bauernhaus am Fujiyama. (S. 27)]

[Illustration: Anmarsch zum Tenryugawa. (S. 33)]

[Illustration: Auf dem Tenryugawa. (S. 36)]

„Oheio!“ tönt es da hinter mir, eine helle Knabenstimme. Ein
Fischersbub, mit der Angel in der Hand, steht dicht hinter mir, hat
ein paar schlechte Rüben in der Hand und deutet auf die Hirsche.

„Oheio“ = „guten Morgen“, so grüßen hier mit einem tiefdrolligen Knix
alle Kinder, „Oheio“, weil dies Wort den Fremden meist geläufig ist;
grüßen hier so, auch wenn es schon Nachmittag oder gar Nacht ist.

„Oheio“, sage auch ich und sage „Arrigato“ = „ich danke schön“.
Gemeinsam füttern wir die Hirsche. Mein Fischersbub bleibt, auch
nachdem wir ausgefüttert haben, bei mir, deutet da- und dorthin und
erklärt mir wohl nun all die hundert Herrlichkeiten seiner schönen
Insel, redet, redet immerzu, ganz wie der Bergbach neben uns, den es
auch nicht stört, wenn niemand sein Murmeln und Rauschen versteht.

Aber endlich hat der Kleine sich müde gesprochen, und als die Sonne
hinter den Waldhügel hinabsinkt, trollt er mit einem letzten Oheio nach
einer wohlgelungenen Verbeugung in sein Dorf zurück.

Ich bin wieder allein, wie ich es nun schon Wochen und Monate gewesen.
Ganz still ist’s rings geworden. Die Fischer sind längst eingefahren --
Wild und Raben sind zurück in den Wald.

Ich möchte den Tag so gerne länger halten können. Er ist so schön
gewesen! ...

Schön und herrlich und strahlend wie das alte Japan, das nun
todgeweihte Märchenland, dessen Lied einen so vollen und guten Klang
hatte, der noch süß klingt im Sterben, das alte Japan, das eines Tages
sterben wird, auch auf Miyajima, der Insel der Seligen.

Allerseelenstimmung auch hier! ... Noch eben spielte auf dem grauen
Tempelbogen ein letztes, leises Sonnenlicht, nun liegt das alles schon
im dunklen Schatten.

Götterdämmerung ist finster über die alten Götter hereingebrochen. Der
Kinderglaube derer, die einst hier Tore und Tempel türmten, hat den
Todesstoß empfangen.

Schon lächeln die Jungen der neuen Zeit, die ganz Klugen und Weisen,
mitleidig nicht nur über die alten, die toten Götter, lächeln erhaben
auch über ihr altes, über das ganze, alte, selige Japan! ...

Aber sie sollten nicht lächeln -- ich würde weinen, wenn ich ein
Japaner wäre, sollten wenigstens trachten, einen eigenen guten Klang,
eigene Note und eigene Melodie in das neue Lied des neuen Japans zu
bringen. --

Im Nachtdunkel gehe ich durch stillen Bergwald zurück.

Allerseelen! ... Alle die Seelen, die von mir weggeflattert sind ins
große Wesenlose, sind heute um mich und bei mir, und auf dem Eiland, in
dessen Erde kein Toter ruht, kommen die Toten, die in ferner Heimaterde
schlafen -- meine Toten -- mir so nahe wie sonst noch nie.

Auf nachtschwarzen, feuchten Wiesen stehen sie, von weißen Nebeln
umflattert, an spukhaft geformten Föhren lehnen sie, kauern in dunklen
Hohlwegen unter abgestorbenen Wurzeln und Baumstümpfen, knien vor
altersgrauen Steinlaternen, treten aus einsamen Waldtempelbogen hervor,
spähen und schauen, winken und warten, warten, daß ich sie sehe und
grüße.

„Willkommen, ihr Toten!“ ...

Da lächeln sie leise ein leeres, freudloses Lächeln, ein lichtloses
Lächeln der Nacht, neigen zum Gruße das Haupt und ziehen mit mir. --

Rascheln von welkem Herbstlaub, Brechen von morschem Gezweig. Aber
das stört nicht die Toten und mich, stört nicht die Zwiesprache:
Unausgesprochenes wird heute gesprochen, Ungeklärtes wird heute
geklärt, Unverständliches wird verständlich, klar wie selige Sonne und
leuchtendes Licht. Zwischen mir und den Toten ein einziges großes
Verstehen und eine unendliche Liebe.

Dicht neben mir wandern sie hinein in die grüne Waldinsel der Seligen,
wo Leben und Leiden nicht in Schmerzen beginnen, in Schmerzen nicht
enden darf, wo kein Toter weilen, kein Toter begraben werden darf. -- --




9. Neue Reisepläne.


Ich gehe aus der Inlandsee nach Jokohama zurück. Herbst- und
Allerseelenstimmung auch hier.

In Tokio, weit draußen in der Vorstadt, wo die Gärtner wohnen, haben
diese aus den schönsten Chrysanthemen aller Farben und Größen bunte,
lebende Bilder zusammengewoben, haben aus Blumen, nur aus Blumen,
streitbare kriegerische Ritter und Knappen, Krieger und Streitrosse
geformt und zarte Töchter Nippons aufgebaut und gestaltet, haben ganze
bewegte, dramatische Szenen hervorgezaubert.

Aber trotz aller schimmernden Chrysanthemen und noch blühenden Rosen,
trotz aller in lachende Farbenpracht gehüllter Kamelienbäume kann
es schon bitter kalt sein und, wenn man nur für Sommer und Tropen
ausgerüstet ist, friert und klappert man wie noch nie im Leben. Kein
Ofen im Hotel Manka. Mißvergnügte Gesichter manchmal nun auch hier.
Allen, den Menschen, dem Lande fehlt die wärmende Sonne. --

Fort denn aus Japan!

Ich hatte dort das alte Japan gesucht und gefunden. Das neue, das ich
nun deutlicher sah und erkannte, hat doch so manche und nicht immer
leichte Schatten im Bilde.

Es ist gewiß etwas Großes, etwas noch nie Dagewesenes, wenn ein Volk es
fertig bringt, in wenig Jahrzehnten und ohne jede Revolution ein nach
außen hin vollständig abgeschlossenes, mittelalterliches Feudalwesen
in einen von allen Mächten anerkannten modernen Staat zu verwandeln.
Daß die Japaner sich dieser Tat rühmen, daß sie stolz sind auf ihre
Rasse und Kraft, ist selbstverständlich und sehr begreiflich. Aber
dieser gute Stolz artete bereits vor so manchem Jahr in Überhebung,
in Aufgeblasenheit aus. Der Japaner vergißt, daß er bis jetzt nur ein
freilich ausnehmend geschickter Nachahmer westeuropäischer Werte und
Dinge gewesen ist, daß er aber in dieser Hinsicht Selbständiges und
Eigenes noch nicht geschaffen hat. Kluge und berechtigte Vorsicht
wandelt sich häufig zu Mißtrauen und Spionenriecherei, gar zu gern wird
auch mit List und Lüge gearbeitet. Den eidlichen Versicherungen eines
japanischen Diplomaten wird man nicht leicht Glauben schenken dürfen,
der japanische Kaufmann genießt bei seinen europäischen Kollegen keinen
sehr guten Ruf. So kommt es, daß, während alle Touristen und Reisenden
meist nur eine Stimme des Entzückens haben, all die Europäer, die in
Japan lange zu leben gezwungen sind, sehr oft keineswegs begeistert von
ihrem Aufenthalte und ihrer Umgebung sind.

Im Märchenland Nippon hat, gewiß nicht immer zum Vorteil des Landes,
das nüchterne Europa seinen Einzug gehalten, hat da und dort bereits
festen Fuß gefaßt. Schon erheben sich in der und jener Stadt rote
Ziegelbauten und rußige Fabrikschlote, schon gibt es auch in Japan
aus der rasch emporschießenden Industrie emporgewachsene, schwer zu
lösende, soziale Fragen.

In den Hafenorten und Verkehrsmittelpunkten beginnen die Männer sich
nach englischem Schnitt zu kleiden. Gottlob haben wenigstens die
Frauen die ihnen herzlich schlecht zu Gesicht stehenden französischen
Toiletten noch nicht angenommen, nur für die hoffähigen Damen ist
europäisches Kleid vorgeschrieben. Ich wünsche der Japanerin auch nie,
daß sie von ihrer jetzigen, hübschen und malerischen Tracht abgehen
möge. Aber das kann man ihr von ganzem Herzen wünschen, daß ihre noch
recht gedrückte und unfreie Stellung sich recht bald verbessern und
heben möge. Sie würde es bei all ihren guten Eigenschaften wirklich
verdienen! Hier könnte man den Japanern Nachahmung europäischer Sitte
gewiß nur empfehlen.

Aber trotz dieses und jenes Schattens, den ich an Japan besonders gegen
Ende meines Aufenthalts da und dort zu entdecken geglaubt, scheinen mir
die Japaner als Volksgemeinschaft doch einer eingehenden Betrachtung
und Beachtung wert zu sein. Abgesehen von ihren Künstlereigenschaften,
ihrer Reinlichkeit, ihrer Naturliebe fällt ihr Patriotismus, ihr
Rassegefühl und -bewußtsein auf. Auch die Ahnenverehrung des Japaners
ist hier zu nennen. Unterstützt durch diesen Shintoismus, diesen Ahnen-
und Naturkult, der neben einer Anzahl von Naturkräften die Kaiser
und die hervorragenden Männer des Landes verehrt, baut sich auf ihr
Familiensinn und Familientradition auf.

Was uns Deutsche anlangt, so liebte uns der Japaner längst vor dem
Kriege schon nicht allzusehr. Der Friede von Shimonoseki nach dem
Kriege mit China, bei dem wir Japan unnütz in die Arme fielen und
es um die Früchte seiner Siege brachten, mag der Hauptgrund hierfür
gewesen sein. Auch das von unsern Gegnern in Japan vielverbreitete Bild
„Völker Europas, wahrt eure heiligsten Güter“ hat Schaden gestiftet.
Ebenso die bei uns so häufig gebrauchte Bezeichnung als „gelbe Affen“.
Durch solche Dinge wird weit mehr Unheil angerichtet als gemeiniglich
geglaubt wird. Auch der Erwerb der Marianen und Karolinen, einer
Inselwelt, die Japan vor der Türe lag, hat die Stimmung für uns nicht
gerade verbessert. Noch mehr war dem Japaner lästig, daß wir uns in
Kiautschou häuslich eingerichtet hatten. --

Zuneigung für uns Deutsche fand ich damals nur bei Leuten, die uns
näher kannten, japanischen Offizieren, die längere Zeit bei uns
gelebt und gelernt, bei Ärzten, bei Professoren, die ihre Studien
in Deutschland gemacht hatten. -- Im übrigen war es England bereits
gelungen, seinen Bundesgenossen in das deutschfeindliche Lager
hinüberzubringen. --

       *       *       *       *       *

So will ich denn fort aus Japan, will wieder hinaus auf die rauschende
See.

Schon im Laufe des Sommers hatte ich neue Pläne geschmiedet und war in
Tokio zu einer japanischen Segelschiffahrts-Gesellschaft gegangen, der
Hiki South Trading Company, die ab und zu einen kleinen Segelschoner
nach den Marianen laufen läßt. Dampferverkehr ist von Japan aus nach
dieser Inselgruppe überhaupt keiner vorhanden. Die Schiffsgesellschaft
erklärte sich auch bereit, mich mitzunehmen, aber so oft ich vorsprach
und fragte, die Abreise des Seglers wurde von Woche zu Woche
hinausgeschoben.

Da kommt mir plötzlich der Zufall, endlich einmal wieder ein günstiger,
zu Hilfe. Ich höre von einem deutschen Kaufmann, der einen japanischen
Segler gechartert haben und nach den Marianen fahren soll.

Es ist wirklich so! ... Schon habe ich den Kaufmann aufgestöbert, schon
sind wir auch einig.

Erstaunt und erfreut begrüßt er mich als den allerersten Globetrotter,
der seit undenklicher Zeit, jedenfalls aber seit den zehn Jahren, die
er auf den Marianen lebt, den Boden Saipans betreten wird.

Freilich, auf seinem Schiffe wird ebenfalls japanisch gekocht werden.
Dafür wird es aber sehr billig sein. Der Fahrpreis beträgt, die
Verpflegung eingerechnet, 25 Yen = 50 Mark. Sein Schiff ist auch nicht
größer als mein zuerst in Aussicht genommenes, es faßt ungefähr 180
Tonnen, und ist wohl auch nicht besser. Keine Versicherungsgesellschaft
nimmt diese kleinen japanischen Schoner auf. Acht Matrosen, Steuermann
und Kapitän, sämtlich Japaner, er und ich, mit der heiligen Glückszahl
„12“ werden wir auslaufen.

Aber mein Mundwerk braucht nicht vollständig einzurosten, und vor
Saipan, der Hauptinsel der Marianen, werden wir noch an einigen andern
ganz weltvergessenen Inseln anlegen.

Am nächsten Tag besuchen wir unser Boot. Schlank, mit drei hohen
Masten, liegt die Tora Maru, das „Tigerschiff“, ruhig auf der stillen
Flut des Hafens.

Ich besehe mir meine Kammer, die ich mir erst mit ein paar Decken zur
„Schlafkabine“ werde einrichten müssen. Aufrecht kann man darin nicht
stehen, wird nicht ausgestreckt darin liegen können. Aber was tut das
für die paar Nachtstunden? ... Am Tage werde ich in die Sonne sehen! ...

Schon am 15. November -- nein, das ist ein Freitag -- am 16. November 1
Uhr morgens, infolge dieses Schifferaberglaubens, stechen wir in See.
Ich habe gerade noch Zeit, ein paar Weihnachts- und Neujahrsbriefe
zu schreiben und muß leider auch auf die Ehre und Freude verzichten,
den Kaiser, den Sohn des Himmels, bei dem demnächstigen Staats- und
Hofchrysanthemenfest von Antlitz zu Antlitz schauen zu dürfen! ...

Aber allzu stark lockt mich wieder das Meer, locken die blauen Fernen.
Auf zu fröhlicher Fahrt! -- --




10. Unter dem Sonnenbanner.


Lustig wehte die japanische Flagge, das Banner der feuerrot aufgehenden
Sonne, von unserm Heck, als die „Tora Maru“, das schlanke, dreimastige
Tigerschiff, an einem kühlen Novembermorgen langsam aus dem Hafen
Jokohamas hinausglitt.

Doch der Wind war leider nur gerade stark genug, um den leichten
Flaggenwimpel seelenvergnügt hin und her flattern zu lassen, viel zu
schwach aber, um unsere drei großen und sieben kleinen Segel zu füllen.
In einem erbärmlich traurigen Schneckentempo -- oft schien das Schiff
überhaupt stille zu stehen -- schoben wir uns fast unmerklich vorwärts.
Dazu ein grauer, trüber Herbsttag, so daß ich nicht einmal die Umrisse
der hübschen grünen Bucht von Tokio zu erkennen vermochte, nichts als
Nebel, Rauch und Dunst ringsumher.

Es war schon dunkle Nacht, als wir das freie Meer erreichten. Hier aber
setzte endlich ein schärferer Nordost ein, und mit fröhlich und behäbig
geblähten Segeln tanzte nun die Tora Maru vergnügt dem Süden zu.

Je tiefer wir in die See eindrangen, desto stärker wurde die Dünung,
desto dichter der unaufhaltsam niederströmende Regen, desto finsterer
die Nacht.

Bald konnte ich mich auf dem Deck vor lauter vom Himmel und von der
See kommender Nässe nicht mehr halten, und da es zudem empfindlich
kalt wurde, war es das beste, sich in die enge und niedere Koje zu
verkriechen.

Geschlafen freilich habe ich in dieser ersten auf einem „Segler“
verbrachten Nacht nicht allzuviel. Beständig klatschten die
übergehenden Wellen an die wohlverriegelte Fensterluke meiner auf
Deck stehenden Koje; um mich, dicht neben mir und über mir wurde
beständig von unsern Matrosen gearbeitet; Schoten wurden angeholt
und losgelassen, Segel umgestellt, gerafft und eingeholt; Befehlsrufe
ertönten; der laute, anfeuernde Wechselgesang der im Tauwerk und in
den Masten hastig arbeitenden Matrosen wollte die ganze Nacht nicht
verstummen, und zu alledem rauschten Wind und Wellen ständig ihr
lautes, unruhvolles Lied.

Allmählich begann auch das Schiff immer stärker und stärker zu
arbeiten. Es stampfte und rollte zu gleicher Zeit, und mit dumpf
donnerndem Gruße klopften die Wogen dröhnend an seinen Rumpf. Links
hin und rechts hin wurde ich auf meinem Lager gewälzt, bis ich endlich
Kopf und Füße leidlich verstaut und gelernt hatte, mit den haltenden
und sich anklammernden Händen das Gleichgewicht des Körpers richtig zu
regeln.

Freilich, was ich alles Zerbrechliches an irdischen Gütern in meine
Koje mitgebracht hatte, das rollte sehr bald, in hundert Scherben
zerschlagen, auf dem Boden umher, und verschiedene Flüssigkeiten
überzogen das ganze fahrende Hab und Gut mit bunter, phantastischer
Farbenpracht. Aber was kümmert das einen in solchen Augenblicken des
Reiselebens? ... Wenn man nur selbst heil und mit gesunden Gliedern auf
seiner Schlafstätte sich zu behaupten weiß und den Kopf nicht allzu
heftig an die Holzwände angedonnert bekommt. Mag sonst zerbrechen, mag
spritzen, fließen und ausrinnen, was da nur will.

Bei Morgengrauen auf Deck! An Schlaf ist ja doch nicht zu denken. Das
ist freilich, wie so manches im Leben und auf der Reise, auch einmal
wieder leichter gedacht und gesagt als getan.

Kaum ist es mir mühsam und mit Aufbietung aller schon halb vergessenen
und eingerosteten turnerischen Künste gelungen, mich aus der engen
Koje herauszuwinden, so fliege ich im flottesten Riesenschwung aus
der Kammer heraus, durch das an die Kammer anschließende Eßzimmerchen
hindurch, um mit großem Radau, Lärm und Gepolter an der andern Wand
zu landen, postwendend und glatt segele ich alsdann mit noch größerer
Durchschnittsgeschwindigkeit und lauterem Anprall wieder in mein
Kämmerlein zurück.

Nicht nur selbst und höchstpersönlich torkele und taumele ich so
vollständig direktionslos im Raum herum, auch die gesamte andere Welt
der Erscheinungen dreht und kreist beständig im tollsten Wirbeltanz
umher. Vorsichtiger nun! Mich anklammernd, wo ich nur irgendeinen
Halt finden kann, mich weiter ziehend und weiter schleppend, komme
ich endlich doch, halb gehend und halb kriechend, glücklich auf Deck,
um dort sofort wieder die triefende Reling in stürmische und innigste
Umschlingung zu nehmen. Im nächsten Augenblick habe ich dies freilich
schon wiederum bitterlich bereut, eine übergehende Welle hat mir ein
kostenloses Morgenvollbad beschert. Ich schüttele mich, spucke das
Salzwasser wieder aus und meine „Pfui Teufel!“ ...

Auch sonst sehe ich nicht allzu Erfreuliches! Sturm! ... Scharfer
Nordoststurm! ... Wind und Wellen, Wasser und Regen, Nässe; Nässe von
unten, Nässe von oben, Nässe von seitwärts; Nässe, wohin ich mich
flüchte! Das ganze Deck ist eine einzige große, bald tiefere, bald
seichtere Wasserlache, die ihren durch die Ablauflöcher weggehenden
Feuchtigkeitsbestand sofort aus den neu einschlagenden Wellen ergänzt.

Einen recht netten, lieben Abschiedsgruß, den uns da das übellaunige
Japan nachgeschickt hat! ...

Arme Tora Maru! Wie siehst du aus! ...

Wahrhaftig wie ein springender Tiger! Aber wie ein ganz arg und stark
bezechter. Als ob das gute Tigerschiff sich zu seinen 180 Tonnen
einen allerschwersten Sake-Abschiedstrunk von weiteren 180 Tonnen
geleistet hätte. Ostwärts und westwärts schwankt der Bug, steigt
hoch hinauf in die Lüfte und zeichnet dort die absonderlichsten und
possierlichsten Linien, beschreibt die wunderlichsten Kurven, malt die
abenteuerlichsten Ornamente, bis er endlich nach langer, zielloser
Höhenrundreise und -irrfahrt sich wieder dazu bequemt, in der ihm vom
Steuer vorgeschriebenen südlichen Richtung schwer, widerwillig und
widerspenstig in die zischende Flut niederzuplatschen und einzustampfen.

Schiefes Schiff und schiefe Masten! Schiefer Wasserspiegel und schiefer
Horizont! Schiefe, grundschiefe Ebenen und Flächen nach allen Seiten,
ob man hinauf oder hinab, nah oder weit sieht! ... Hexenkessel! ...
Hexenschaukel! ... Abscheulicher, schwindelig machender Hexentanz! ...

Und das Schiff! Wie das keucht! Wie das stöhnt! Wie es schon müde,
todmüde zu sein scheint von dem wilden, tollen Reigen, wie es Ruhe
haben möchte und doch immer wieder von neuer Woge zu neuem Tanze geholt
und geladen wird. Und der sausende Sturm spielt im Takelwerk dazu sein
Liedlein auf. Alle wärmenden Hüllen haben sie der Tänzerin weggenommen.
Nackt tanzt sie im kalten Winde einher! Alle Segel sind eingeholt und
festgemacht, alle neun, Groß- und Besansegel, Vorstagsegel und die drei
Jib- und die drei Topsegel, nur das zehnte, das Vorsegel, bläht sich
noch ächzend und stöhnend im Winde.

Rasch zurück zum Steuer! Dort ist noch der trockenste und behaglichste
Platz.

Hier sehe ich erst so ganz richtig, wie sich das alles windet und
wiegt, wie das stöhnt und stampft, ächzt, schnaubt und kreischt, wie
gewaltig der Bug in die Höhe emporbäumt.

Nun sind wir ganz oben auf einem breiten Wogenkamme, nun zu allertiefst
im Tale. Hoch über uns die schäumenden, tosenden Wasser. Da rollt
es heran, schwarz und finster und brausend, da schwillt es an
und bläht sich auf, türmt sich empor mit schaumgekrönten, weißen
Spitzen und Brechern, wird zum Hügel, wird zur steilen Klippe, die
aus der Höhe herunterdonnert, im nächsten Augenblick müssen Reling
und Kojen, Segel und Masten, Steuer und Kompaß von der mächtigen
See zertrümmert und weggefegt sein. Aber nur ein dicker, schwerer
Wogenschwall der anstürmenden Hochflut ist dumpf krachend auf das
Deck herniedergeprasselt, und auf den breiten, gewaltigen Rücken der
bedrohenden Woge selbst hat sich mit raschem, katzenartigem Sprung Tora
Maru, das schlanke, behende Tigerschiff, gesetzt, drückt und preßt sie,
selbst hoch aufsteigend, unter sich und seinen Leib, zerfleischt und
zerfetzt sie, daß der weiße Schaum und Gischt, rinnendes Lebensblut der
Welle, nach allen Seiten zischend verspritzt. So ergeht es Welle nach
Welle, stundenlanger, tagelanger Kampf! ...

Der Steuermann -- erst neunzehn oder zwanzig Jahre ist er alt --, ein
schmal und lang gewachsener Japaner, ist wachsgelb wie ein Toter. Und
neben ihm der ganz kleine, untersetzte Kapitän kann kaum mehr aus
seinen winzigen Schlitzäuglein heraussehen und hat tiefe, schwarze
Ringe um die Augen.

„~Atama itai!~“ meint er, mit einem schmerzlichen Lächeln auf seine
Stirn weisend. „Kopfweh!“

„~Atama itai!~“ „Kopfweh!“ -- Ja, das haben wir, Kopfweh und noch mehr,
bis auf eine oder die andere Ausnahme wohl alle. Außer dem Kapitän und
dem Steuermann sind auch noch vier von unsern acht Matrosen regelrecht
und schwer seekrank.

Aber trotz aller Seekrankheit finden wir uns doch beim Mittagstisch.
Der sieht freilich nicht allzu einladend aus. Die „Schlingerleisten“
konnten es nicht verhindern, daß schon vor Beginn der Mahlzeit mehr
auf und unter dem Tische als in den Tassen und Tellern schwimmt und
verschiedenstes Geschirr zerbrochen auf dem Boden umherkollert. Als ich
zudem nur gebratene Lotos- und Klettenwurzeln, getrocknetes Seegras und
dergleichen vegetarische Herrlichkeiten mehr erblicke, als mir außerdem
noch der scharfe durchdringende Geruch eines großen aufgeschnittenen
Rettichs und verschiedener anderer stark duftender japanischer
Delikatessen bös und verdächtig in die Nase steigen will, schüttle
ich traurig den Kopf und ziehe mich hungrig und betrübt in meine Koje
zurück.

Das ist überhaupt das Allerbeste und Klügste, was ich in den nächsten
Tagen beginnen kann: brav in der Koje, möglichst gut verankert,
liegenbleiben; versuchen, Sturm, Regen und Seegang zu verschlafen und
hoffen, daß es bald anders werde.

Leider wurde es mit Ausnahme von ein paar wenig besseren Tagen im
großen und ganzen nie anders, die lange, lange Fahrt begann und endete
stürmisch.

Kaum daß es je so war, daß man ruhig sitzen konnte, ohne sich
anzuhalten; daß man friedlich sein frugales Mittag- und Abendmahl zu
sich nehmen konnte; daß man gehen konnte, ohne umzufallen, liegen
konnte, ohne energisch hin und her geworfen zu werden. Manche Beule,
manchen Riß und manche Schramme trug ich aus dem Wogengefecht davon,
und am Schlusse der Fahrt war ich dermaßen mit ehrenvollen Narben
übersät, als ob ich eine solenne oberbayrische Kirchweihkeilerei aktiv
und besonders passiv von Anfang bis zu Ende mitgemacht hätte.

Sehr schlimm war’s in der Höhe der Bonininseln. Dort hatte acht Tage
vorher ein Taifun gewütet, hatte die ganze Ernte vernichtet und sogar
einen großen Teil der Steinhäuser niedergerissen. Während unsere Segel
in einer zweitägigen Windstille schlaff um die Masten klapperten,
wurden wir herumgeworfen wie kaum im Sturm des ersten Tages.

Die schlimmste und unruhigste Fahrt, die er je nach den Marianen
gehabt, meinte unser Kapitän.

Ich weiß ja nicht, ob das der kleine Japaner nicht vielleicht
nach jeder Fahrt behauptet, aber jedenfalls war die Fahrt für
eine „Landratte“ vollkommen bewegungsreich genug. Dabei war ich
zu vollständiger Untätigkeit verdammt. An Schreiben war nicht zu
denken, aber auch das eben aufgeschlagene Buch klappte ich nach einer
Viertelstunde, müde des tollen Wirbeltanzes der Buchstaben, gern wieder
zu.

Der „Stille“ Ozean! Für den westlichen, sturm- und strömungsreichen
Teil des Pazifik stimmt diese Bezeichnung weiß Gott nie und nimmer.

„Still“ freilich in dem Sinne, daß er ganz welt- und menschenverlassen
ist, das ist er wohl sicherlich. Rings unendliche, grenzenlose
Meereseinsamkeit. Kein Gedanke, daß man einem andern Schiffe begegnen
könnte! In der dunkelsten, finstersten Nacht, bei schärfster Fahrt
denken sie gar nicht daran, eine einzige Laterne zu entzünden. Ist
wider die Vorschriften. Wenn man aber die Leute fragt, ob sie nicht
einen Zusammenstoß befürchten, dann lächeln sie nur. Jahr und Tag
könnte man hier herumfahren, einem andern Schiff würde man doch nie und
nimmer begegnen.

Durch den hohen Seegang scheint auch im Meere alles tot und erstorben
zu sein: kein Wal, kein stürmisch jagender Thunfisch, kein lustig
mitziehender Delphin. Ein einziges Mal, daß ein hungriger Hai im
weiten, scheuen Bogen unser Schiff umkreist. Sonst tote, leblose, ewige
Wasserwüste ringsum.

Und doch! trotz aller bösen See, wie unendlich viel Schönes bietet eine
solche Segelfahrt!

Der Dampfer, das ist der Sieg des Menschen über die Natur. Was kümmern
einen die Windstillen, was kümmert einen da selbst der Sturm. Wenn
nicht etwas ganz Unvorhergesehenes eintritt, durchfährt man ihn ruhig.

Auf dem Segler, da ist man wohl nicht Bezwinger und Herr, aber man ist,
man wird, und das ist das Schöne daran, ganz Freund, enger Freund der
Natur.

Nichts, was einen davon ablenkt, was einen Mißton, etwas Fremdes
hereintragen könnte. Kein Maschinenlärm und Kohlenstaub, kein Ölgeruch,
keine Eisenplatten und Stahlkonstruktionen, keine Herren im Smoking und
Damen in Gesellschaftstoiletten, keine langatmigen Diners und Soupers,
keine Kellner und Stewards, nichts von dem ganzen Hotelbetrieb des
großen Passagierdampfers, man ist allein mit den einfachen Seeleuten,
ist einziger Fahrgast; Fahrgast auf einem leichten, kunstvoll
gefügten Holzwerk, das fast lautlos über die Flut dahinrauscht. Ein
mittelalterliches, nein, ein ganz uraltes Ding, wie es so oder doch
ganz ähnlich schon vor Tausenden von Jahren das Wasser durchfurcht hat.
Und ganz nahe ist man diesem Wasser, man kann es fast mit den Händen
greifen.

Aller Vorgänge auf dem Meere lernt man achten, lernt alle Zeichen am
Himmel sehen und deuten; die grauen Nebel, die dort im Norden brauen,
können die Vorboten des ersehnten guten Windes sein. Die Wolken, die
sich im Süden auftürmen und finster zusammenballen, können uns schon in
einer Stunde den nächsten Sturm gebracht haben.

Einsamkeiten und Riesenweiten des Meeres, Ewigkeitsfernen des Alls
reden mit uns zu jeder Stunde. Frei geht der Blick in ungemessenen Raum!

Aus den Weiten kommt er wieder zum Nahen, schweift nach Osten und
schweift nach Westen. Dort drüben im Osten, wenn einmal ein klarer
Tag aufsteigen will, Sonnenaufgänge von einer unendlich keuschen und
stillen Pracht. Kein Laut, als das Rauschen der emporsteigenden Flut
grüßt das aufgehende Tagesgestirn.

Wenn es abends wieder niedertaucht ins Meer, schimmert ihm noch lange
eine leuchtende Farbenorgie von schwarzen und goldenen, blaßrosa und
lila, lichtblauen und tiefsamtblauen Tönen, ein bei uns nie gesehener
Farben- und Feuerzauber nach. Zu unserer Rechten leuchtet das Meer noch
in rotgoldgrünem Abendglanz; zu unserer Linken, drüben im Osten, ist zu
gleicher Zeit schon der Mond aufgestiegen, glutrot wie ein arbeitender
Vulkan, das Haupt unheildrohend und finster von schwarzem Dunstgewölk
umhüllt. Höher steigt er und wandelt sein Glutrot in lachendes Gold --
golden erschimmert die Flut. Weiter klimmt er empor, silbern wird nun
sein Gewand. Er breitet sein leuchtendes Kleid über die rollende See,
ihr Ruhe und Frieden gebietend. Da werden die Wellen, die Wogen ganz
still, flüstern und lispeln nur mehr ganz leise, rings schlafende,
träumende Silbersee.

Und schneeweiß und silbern, ein stummer, glänzender Schwan, gleitet
das Schiff mit weitausgebreiteten, leuchtenden Schwingen lautlos durch
silberschäumende Flut, gleitet dahin durch weichmilde Tropennacht,
dahin unter Sternen und nie zu lösenden Fragen des Firmamentes und über
unerforschte Rätsel tiefster Meeresgründe, gleitet südwärts, immer
südwärts, unter dem Sonnenbanner der Sonne zu, entgegen dem in weiter
Ferne vor uns lockend aufleuchtenden, uns herrlich den Weg weisenden
Kreuze des Südens.

[Illustration: Kindertheater. (S. 42)]

[Illustration: Der Festzug. (S. 40)]

[Illustration: Uferpartie bei Enoshima. (S. 26)]

[Illustration: Inlandsee. (S. 45)]

Eine einzige solche Mondscheinnacht macht wochenlange Strapazen
wett, so schön ist sie. Man hat alles vergessen, hat vergessen, daß
man in Kammern und Kojen des Schiffes nicht aufrecht stehen, nicht
ausgestreckt liegen kann, daß man schon tage- und tagelang von nicht
viel mehr als von ein paar Handvoll Reis gelebt hat, daß man ... nein,
man weiß das alles schon nicht mehr, weiß nur mehr, daß eine ganz
einzige Pracht ringsum gebreitet ist.

Während der Mann am Steuer leise ein kleines japanisches Lied vor sich
hinsummt, träume ich neben ihm auf dem Boden liegend, hinaus in die
stille Mondnacht, träume und träume! ...

Doch plötzlich, vom Bug des Schiffes her, ein lauter, durchdringender
Schrei, der grell die Nacht durchgellt.

Nun ein Gebrüll der sämtlichen Matrosen, und, dieses übertönend,
ein lautes, mit hoher Stimme gegebenes Kommando des Kapitäns. Mit
schlaffen Segeln treibt das Schiff schon nur mehr langsam vor dem
Winde. Erschrocken fahre ich auf und stürze -- ich denke an die
Petroleumfässer, welche die Tora Maru geladen hat und an Feuersgefahr
--, so rasch ich kann, nach vorne.

Die ganze Schiffsbesatzung lehnt dort an der Reling, gespannt sich
hinüberbeugend.

Gottlob, kein Brand und kein Leck und nichts Böses. Ein schwerer, wohl
sechs Fuß langer Delphin, der von einem der Matrosen harpuniert wurde,
tobt da unten herum, schnaubt und pustet mächtig im Wasser herum, geht
tief, kommt wieder empor und peitscht aufgeregt die Flut.

Ein langer, aufregender Kampf. Der Mond ist von einer Wolke überdeckt,
man sieht kaum und kann das kräftige Tier nicht richtig führen. Es
gelingt ihm, ganz tief und unter das Schiff zu gehen und dort am Kiel
die Harpune, die wohl nur leicht in der Haut saß, abzustreifen.

Plötzlich ist die vorher fast überspannte Leine leicht und leer
geworden und wird von den betrübten Matrosen mit langen Gesichtern
eingeholt. Sie hatten sich schon auf den fetten Festbraten gefreut.
Selbst den Hai verzehren die japanischen Matrosen mit größter
Begeisterung. Und sehr viel schlechter und ungenießbarer als die
sonstige japanische Schiffskost kann auch ein Haifisch nicht sein!




11. Agrigan.


Am nächsten Tage nach dem verunglückten Delphinfang bekommen wir, ganz
in der Ferne, die zweitnördlichste Marianeninsel zu Gesicht. Sie ist
ein in der See halb versunkener Vulkankrater. Als „Urakas“ wird diese
Insel gewöhnlich auf den Seekarten geführt.

Kurz nach Urakas laufen wir an einer andern Insel vorbei, dem von einer
hohen, unruhigen See umspülten grünen Vulkaneiland Assumption (richtige
Benennung: „Assongsong“). Beide Inseln sind unbewohnt und außer
zahlreichen Seevögeln ist dort wohl auch wenig Tierleben zu finden.

Am nächsten Tage werfen wir vor der Insel „Agrigan“ Anker. Leider
landen wir nicht in der erhofften, frohen Stimmung. Schon von ferne
fielen die fahlen, gelben Grundtöne der Insel auf, und als wir näher
kamen, sahen wir nichts als Verheerung und Zerstörung; geknickte, ihrer
Blätter und Früchte vollständig beraubte Kokosnußpalmen, nicht in ihrem
sonstigen saftigen Grün freundlich und lachend herüberleuchtend, alle
gelb, welk und krank herschauend und viele der ganzen Länge nach auf
den Boden hingemäht.

Der deutsche Kaufmann, der die Tora Maru gechartert hatte, hatte mit
noch einem Teilhaber vier Marianeninseln, darunter auch Agrigan, vom
Deutschen Reiche behufs Kopragewinnung gepachtet. Kopra nennt man die
getrockneten Kerne der Kokosnuß, die nach Europa verkauft werden, wo
Kokosnußöl und aus den Rückständen Viehfutter daraus gewonnen wird.
Außer zwei eigenen Segelschiffen, die im Taifun ihm verlorengegangen
waren, hatte ihm dieser bereits zwei Inseln im letzten Jahre
vollständig zerstört, nun war die dritte ebenfalls zugrunde gegangen.

Als wir an Land kamen, sahen wir erst so recht, wie gewaltig der
Orkan hier gewütet hatte. Die weithin gestreckte Pflanzung war ein
einziges großes, trauriges Trümmerfeld. An keiner, keiner einzigen
Palme mehr eine einzige Frucht, die Blätter gelb und zerfetzt, auf dem
Boden in wirrem Durcheinander gefallene Stämme, abgerissene Blätter
und Kokosnüsse, auf Jahre hinaus keine Ernte mehr zu erwarten. Die
Palmhütten der Arbeiter niedergerissen, von dem festgefügten Koprahaus
das Dach verschwunden, alle vier Wände niedergelegt.

Die Insel, die auf mehrere Jahre hinaus keinen Ertrag und keine Ernte
mehr geben würde, mußte fürs erste aufgelassen und der größte Teil der
Arbeiter davon zurückgezogen werden. In diesem Sinne gab der deutsche
Kaufmann seine Anordnungen.

Nun begann in der vorher ganz stillen Ansiedelung sich plötzlich das
regste und bunteste Leben zu entfalten. Die braunen, pudelnackten
Karolinerkinder -- außer einigen Chamorros, den Ureinwohnern der
Marianen, sind fast sämtliche Arbeiter den auf Saipan ansässigen
Karolinern entnommen -- tollten in wilder Jagd hinter dem Geflügel,
Hähnen, Hühnern und Enten, einher. Die Männer, ebenfalls fast ganz
nackt, es waren kräftige und prächtig ebenmäßige Gestalten darunter,
machten sich daran, die Schweine einzufangen, eine böse, schwierige und
gefährliche Arbeit. Denn das Schwein hierzulande ist nicht so zahm,
friedlich und gutmütig wie unser deutsches Hausschwein. Es verteidigt
seine Freiheit mit allen Mitteln, und vor allem die großen schweren
Eber sind böse und ungebärdige Gesellen.

In den auf hohen Holzpfählen stehenden, mit Palmblättern bekleideten
und überdeckten Hütten sind inzwischen die Frauen an der Arbeit, die
wenigen Familienhabseligkeiten in Kisten und Bündel zu packen und ihre
Lawa-lawa, ein schurzartiges, die Lenden deckendes Bekleidungsstück,
in der sie sich zuerst vorstellten, gegen irgendein grellfarbiges,
leichtes Festtagskleidungsstück europäischer Machart zu vertauschen.

In kurzer Zeit sind alle Reisevorbereitungen beendet, die
Arbeiterkolonie von Agrigan steigt mit ihren Tieren, Kisten und Bündeln
zum Strande hinab.

Der deutsche Kaufmann und ich haben die Zwischenzeit dazu benutzt, uns
an einigen Kokosnüssen und an einem Stück saftigen Schweinebratens
zu erfreuen; man kann sonst nicht viel tun, denn das mannshohe,
messerscharfe Savannengras macht jedes weitere Eindringen in die
sonst gänzlich unbewohnte Insel fast unmöglich. Leider fehlten die
Bananen und die Orangen -- all das wurde auch vom Taifun zerstört --,
aber dennoch hat mir noch kein Diner je so gemundet, wie nach langer
japanischer Schiffskost dieser einfache, aber frische und schmackhafte
Imbiß, bei dem die fehlenden alkoholischen Getränke sowie das ebenfalls
ermangelnde Quellwasser eine Schale erfrischender Kokosnußmilch
ersetzen mußte.

Als wir zum Strand hinabkamen, saß schon die ganze braune, bunt
zusammengewürfelte Gesellschaft fröhlich schwatzend und scherzend im
Sande und wartete der Einschiffung. Diese gestaltete sich infolge der
Brandung etwas langwierig und schwierig. Für das Landungsboot ist es
unmöglich, ganz ans Ufer heranzukommen. Die Männer waten und schwimmen
hinaus bis zum Boot; Frauen, Kinder und sämtliches Getier werden
hinausgetragen, wobei sich manche heitere Episode abspielt, wenn
irgendeine höhere Brandungswelle die Träger samt ihrer Last teilweise
oder auch ganz für ein paar Augenblicke in feuchtes, salziges Naß
eintaucht.

Eine große allgemeine Fröhlichkeit erfaßt allmählich diese Menschen,
die nun wieder bessere Tage vor sich sehen. Fast zwei Monate haben sie
sich so ziemlich ausschließlich von Kokosnüssen genährt. Der Proviant
war ausgegangen, alle Baum- und Feldfrüchte waren vernichtet. Hühner
und Schweine waren in der Hauptsache Eigentum des deutschen Kaufmannes,
des Aufsehers und einiger weniger, besser gestellten Arbeiter gewesen.
So freuen sie sich jetzt der kommenden guten Zeiten.

Nur zwei Menschen sehe ich, die mitten in der allgemeinen Lustigkeit
traurig sind, zwei schlanke, hübsche Karoliner: ein junger Mensch,
Anfang der Zwanziger, und ein junges Mädchen, beide in Lawa-lawa und
ein paar grüne Zweige in den schwarzen Haaren.

Er muß, da seine Arbeitskraft hier nicht mehr benötigt wird, nach
Saipan zurückkehren, während sie in Agrigan zurückbleiben soll.

Sie lehnt und preßt ihren Kopf an seine Schulter, schluchzt bitterlich
und hat die braunen Augen voll von großen schweren Tränen. Er hat ihre
Hand gefaßt, drückt sie und starrt wortlos und düster in den Sand.

So stehen sie lange, stehen noch da, als unser Landungsboot schon
weit in der See schwimmt, stehen als die letzten, die einzigen, am
Ufer, die zwei braunen, jungen, schlanken, nackten Menschen mit dem
lichten Baumgrün im dunklen Haar, beide ganz allein an der unendlichen
tiefblauen See, die sich mit ihren weiten Wassern nun trennend zwischen
sie legen soll, beide von Abschiedsweh durchzittert.

Plötzlich macht er sich entschlossen los, springt durch die Brandung
und schwimmt mit starken, kräftigen Stößen, von der Dünungswelle bald
hoch hinaufgetragen, bald in den Wogentälern versinkend, unserm Boote
nach. Sie aber wendet sich kurz um und geht langsam, ohne noch einmal
umzusehen, zu ihrer Hütte unter den entlaubten Palmen zurück. -- --

Eine Stunde später lichten wir den Anker und segeln in den rasch
herabsinkenden Abend hinein. Monate und Monate werden vergehen, bevor
das weltvergessene Agrigan wieder ein Schiff zu Gesicht bekommen wird.




12. Pagan.


Die Tora Maru fährt am nächsten Morgen in die Bucht der Insel Pagan ein.

Hier sieht es freundlicher aus. Zwar bemerken wir schon vom Schiffe
aus, daß auch hier der Taifun gewütet haben muß. Aber Dorf und
Pflanzungen liegen hier geschützter, mehr landeinwärts, zur Linken
von schwarzen, hohen bizarren Basaltfelsen umtürmt, rechts ebenfalls
von Höhen umlagert, und weiter landeinwärts baut sich ein mächtiger,
noch tätiger Vulkan auf, der sein Haupt in schwere, dichte Dunst- und
Rauchwolken gehüllt hat.

Bald stehen wir auf dem schwarzen Ufersand, bald sind wir in dem
freundlichen Dörfchen mitten unter den braunen, lustigen Leuten, bald
durchwandern wir die weiten, hohen, saftig grünen Palmpflanzungen.

Hier sind die Palmen selbst wenigstens nicht vom Taifun gestürzt und
entwurzelt, nur dann und wann ist eine Krone oder eine Blättergruppe
geknickt worden, die Früchte liegen auf dem Boden verstreut. Nach
Jahresfrist, wenn kein neuer Taifun über die Insel wegzieht, ist wieder
auf eine Ernte zu hoffen. Aber vorläufig freilich muß auch diese Insel
in der Hauptsache geräumt werden! ...

Am Abend dieses Tages hat die kleine Tora Maru ungefähr siebzig
Karoliner an Bord: Männer, Frauen und eine Unmenge Kinder, einige
Dutzend Schweine und unzähliges Geflügel, darunter an dreißig
Kampfhähne, die getrennt an der Reling angebunden, sich gegenseitig
nach Leibeskräften und Herzenslust ankrähen.

Leider waren auch wieder die letzten sechsunddreißig Stunden unserer
Reise, die Fahrt von Pagan nach Saipan, sehr wenig erquicklich. Es
war, als ob die Berge und Vulkane von Pagan sich ins Meer fortpflanzen
wollten, so stark war der Seegang, und jede Minute kam ein schwerer
Brecher über Bord.

Dazu das mit Menschen und Tieren überfüllte Schiff. Der Kapitän machte
einen ganz gekränkten Kopf, und die Matrosen wußten kaum, wo sie sich
hinstellen sollten, die Segel aufzuziehen und einzureffen.

Freilich, das mörderische Geschrei der Kampfhähne verstummte sehr bald.
Schon nachdem sie die paar ersten Wellen über den Kamm bekommen hatten,
wurden sie ganz friedlich und duckten sich mit nassen Flügeln so klein
zusammen, als sie nur konnten. Auch die Schweine gaben ihr Grunzen und
Brummen sehr bald auf, kauerten sich, schwer seekrank, unter der vor
der Nässe schützenden Holzverkleidung des Buges zusammen und lagen dort
wie leblos und tot.

Dafür zeterten und schrien nun unsere zahlreichen Kinder der
verschiedensten Jahrgänge um so mehr und die Frauen ächzten und
stöhnten.

Einige Frauen und Kinder können wir zwar enggepfercht in unserm
Eßzimmerchen unterbringen. Aber alle die vielen andern, für die hier
kein Platz ist, müssen die sechsunddreißigstündige, durch Regenböen
und übergehende Wellen wenig behaglich gemachte Fahrt auf freiem,
ungeschütztem Deck verbringen, und alle wohl seufzen erleichtert auf,
als am Morgen des übernächsten Tages die grüne Bergküste Saipans im
Süden auftaucht.

Auch ich. Und ich sagte der Tora Maru endgültig Lebewohl. Ich
hatte zwar beabsichtigt, drei Tage später mit ihr noch bis Guam
weiterzufahren und von dort wieder auf ihr nach Saipan zurückzukehren.
Aber während man zur Fahrt von Saipan bis Guam nur zwei Tage benötigt,
dauert die Rückreise von Guam nach Saipan zehn bis vierzehn Tage,
oft auch länger. Man muß beständig gegen den in dieser Jahreszeit
hier regelmäßig wehenden Nordostpassat aufkreuzen. Und ich war
nicht gewillt, mir das amerikanische Guam durch einen weiteren
vierzehntägigen japanischen Kostgenuß zu erkaufen.

Während ich im Landungsboote in das Korallenriff Saipans einfahre,
blicke ich Abschied nehmend noch einmal zu den weißen Segeln der Tora
Maru zurück.

„Leb wohl!“ rufe ich ihr über die hohe schäumende See zu. „Leb wohl,
du schlankes, schönes Tigerschiff! ... Hast mich treulich durch Sturm
und böse See viele Meilen weit hierher getragen. Hab tausend Dank! Leb
wohl, schlanke, schöne Tora Maru!“ --




13. Geschichte der Marianen.


Die Marianen wurden von Magalhães im Jahre 1521 entdeckt. Er war im
September 1519 von Spanien aufgebrochen, um einen neuen, auf der
spanischen Erdhälfte gelegenen Weg nach den Molukken zu finden.
Vierzehn Monate später erreichte er, nachdem er schon zwei Schiffe
verloren hatte, mit den drei übrigen die Südsee. Magalhães war es,
der sie wegen des andauernd ruhigen Wetters, das er hier antraf, den
„Stillen Ozean“ taufte. Am 6. März 1521 warf er vor einer Marianeninsel
Anker. Die Eingeborenen, die sein Schiff mit ihren kleinen Seglern
umringten, waren zuerst freundlich und brachten ihm Nahrung und die
Früchte des Landes, dann aber wurden sie zudringlich, stahlen ein Boot
und Metalle. „Ladronen“ = „Diebsinseln“ nannte daher Magalhães das neue
entdeckte Land. Ein Streit entspann sich, die Eingeborenen kämpften mit
Wurfspeeren und Schleudern, waren aber den Feuerwaffen der Europäer
nicht gewachsen. Schon am 9. März fuhr Magalhães weiter, und nach
seinem bald darauf auf den Philippinen erfolgenden Tode vollendete sein
Begleiter Eltano diese allererste Weltumseglung.

Auf einer zweiten Reise entdeckte Eltano die Marianeninsel Rota,
im Jahre 1565 ergriff Spanien förmlich Besitz von der Inselgruppe,
aber erst ein Jahrhundert später mit der Ankunft des Jesuitenpaters
Sanvitores setzte die tatsächliche Herrschaft der Spanier ein. Nach der
Königin Maria Anna hieß er die Inselgruppe „Marianen“.

Der Bekehrungstätigkeit des spanischen Paters stellten sich bald
Schwierigkeiten entgegen. Der Adel wollte nicht dulden, daß das Volk
auch die Sakramente bekomme. Außerdem war die Ehe der „Chamorros“,
der Ureinwohner der Marianen, stets eine sehr lose und nur auf
Neigungsdauer geschlossen. Sie betrachteten daher die durch Sanvitores
eingeführte, unlösliche katholische Ehe als eine Einmischung in ihre
inneren Angelegenheiten.

Schon 1670 brachen die ersten Unruhen aus und Sanvitores wurde 1672
von einem Chamorro getötet, dessen Kind er gegen den Willen des Vaters
getauft hatte.

Doch alle Versuche der Chamorros, die Spanier zu vertreiben,
scheiterten daran, daß die Eingeborenen, wie fast alle Naturvölker, im
entscheidenden Augenblick nicht genügend Entschlossenheit zeigten und
auch nie vollständig einig waren.

Kämpfe und Kämpfe, dann Seuchen und Hungersnot folgten. Schon im
Jahre 1710 war von dem in alten Missionsberichten auf 100000 Köpfe
geschätzten Volke der Chamorros nur mehr ein kleiner Überrest von 3700
Menschen übrig.

Der Rest des Chamorrovolkes vermischte sich mit Spaniern, Tagalen, den
Ureinwohnern der Philippinen, wohl auch mit Chinesen und Japanern.
Es hat seine früheren guten Eigenschaften so ziemlich verloren,
Kriegsmut und Seetüchtigkeit, Freiheitsliebe und Unabhängigkeitssinn.
Alle Chamorros sind heute katholische Christen und gehen bekleidet.
Auf den früher deutschen Inseln leben ungefähr 2500, während
auf der größten und fruchtbarsten Marianeninsel, auf Guam, das
im spanisch-amerikanischen Kriege von den United States durch
Überrumpelung genommen und beim Friedensschluß behalten wurde, noch
ungefähr 10000 wohnen. Neben den Chamorros sind auf den meisten Inseln,
so auf Agrigan, Pagan, auf Tinian und vor allem auf Saipan, auch
Karoliner zu finden -- ungefähr 500 --, die hauptsächlich im Laufe
des vorigen Jahrhunderts auf ihren Kanoes hierher gekommen sind. Sie
zählen zum Stamme der Mikronesier, einer Mischung aus Malaien und
Melanesiern, sind Heiden geblieben, gehen unbekleidet, halten zäh an
ihren alten Gewohnheiten und Gebräuchen fest, sind auch bis heute
ziemlich rasserein geblieben. Die auf Saipan lebenden Karoliner sind
die kultiviertesten ihres Stammes, sind vor allem ziemlich fleißige
Land- und Ackerbauer geworden. Auch eine Strafkolonie befand sich auf
Saipan, in der Deportierte verschiedener anderer Inseln, von Jap,
Palau und Samoa zwangsweise angesiedelt waren.

Die Marianen und Karolinen wurden im Jahre 1899 für 16 Millionen von
Deutschland erworben. Der Kaufpreis war nicht gering, wenn man bedenkt,
daß die meisten Inseln klein sind, daß kulturell und kolonisatorisch
nur geringe Vorarbeit geleistet worden war. Auch saßen wir nun
plötzlich mitten in der japanischen Interessensphäre. Japan hätte die
Inselgruppen ebenfalls gern besessen und hatte dafür 12 Millionen
geboten. Die Möglichkeit von Reibungen aller Art war gegeben, zudem
noch die Wahrscheinlichkeit, daß Japan, sowie das Deutsche Reich von
ernsteren kriegerischen Verwicklungen heimgesucht würde, auf diese
Inselwelt seine Hand legen würde. So ist es denn auch gekommen.

Japan hat durch den Versailler Frieden das Mandat für die Marianen und
Karolinen und für alle andern früher deutschen Inseln bis zum Äquator
erhalten.




14. Saipan.


Auf Saipan und in dessen Hauptort Garapan gab es kein Gasthaus. Mir
glückte es schließlich bei einem japanischen Kaufmann, namens Isoda,
unterzukommen. Er war früher Dolmetscher beim deutschen Generalkonsulat
in Jokohama gewesen.

Neben dem Hause, über den angrenzenden Hütten der Chamorros, ringsum,
wohin man von breiter Veranda aus blickt, Palmen und Palmen. Wenn der
Wind in den breiten Blättern liegt, hört sich das an wie das Rauschen
eines großen unermeßlichen Waldes.

Nur zwanzig Schritt vom Hause entfernt beginnt der weiße Ufersand und
weitere zwanzig Schritt das Meer, zuerst seicht und smaragdgrün.
Weiter draußen dann ein weißer Silberschaum. Dort brechen die Wellen
sich am Riff. Noch weiter draußen, außerhalb des Riffs, endlose,
azurblaue Fläche.

Sehr schön ist es, wenn die Sonne im Westen gesunken ist, wenn nur noch
ihr Widerschein mit blassem und doch hellem Licht durchs Ufergrün irrt
und oben am tiefblauen Firmament die sanftroten Windwolken ziehen.

Wird es dunkler, singen sie in den Hütten, heute in der und morgen in
jener, altspanische Kirchenmelodien. Es ist gerade „Novena“, das heißt
die neun letzten Tage vor einem größeren Kirchenfeste. Und die feiern
sie auch heute noch so, wie die spanischen Mönche sie es gelehrt haben.

Man merkt es dem Gesange der Chamorros nicht allzu schwer an, daß nicht
recht viel Andacht bei der Sache ist, daß es vielmehr die Freude am
Gesange ist, die ihnen die Feier lieb und wert macht. Aus der Ferne
klingt es ganz hübsch und bringt Stimmung in die Landschaft.

Aber dann -- dann wird es still! ...

Still stehen die schlanken, hohen Stämme, still ruhen die breiten
Kronen der Palmen. Nachtschwarz und still -- kaum zu sehen, schlafen
die Hütten im weichen Ufersand. Still ist die See und dunkel, bloß
ein schmaler Streif erglänzt matt im fahlgrünen, von Wolkenschleiern
halbverdeckten Mondlicht. Die Sterne schimmern hell durchs schlanke
Blattwerk der Palmen. Nun beginnt auch auf der See ein großer Stern
aufzuleuchten -- und dann noch einer und noch einer -- bis es wohl an
hundert sind.

Und lautlos wie hundert Irrlichter gleiten die hundert Sterne da und
dort hin über die dunkle, nachtschwarze See. Karoliner sind es, die in
ihren Kanoes bei Fackellicht fischen.

Aber man sieht nicht die Boote, hört nicht die Menschen. Nur die
Lichter ziehen -- wie die Sterne über den Himmel -- lautlos ...
zitternd über das Meer.

„Südsee.“ Nun bin ich wirklich da.

„Südsee!“ Schon in Wort und Namen liegt ja für uns Menschen der
nördlich gemäßigten Zone ein starker und verlockender Klang. Wenn
der Wintersturm pfeifend über die Dächer fegt und klirrend an den
Fensterscheiben rüttelt, wenn in den nebelgrauen Städten unter Rauch
und Dunst die Sonne gestorben ist, dann träumt man von schimmernder
Lampe und warmem Ofen sich über Berge und Meere in ferne Länder hinweg,
die keinen Herbst und Winter kennen.

Ewiger Sommer, strahlende Sonne über uns. Blumen, Blüten und Früchte.
Nacktbraune Menschen an stillem Palmenstrand, und ringsum das Meer,
das raunende, rauschende, in dunkelblau wallendem Kleide unruhevoll
hin und her wandernde Meer, das sich mit einem leuchtenden Halsband
smaragdgrüner Korallenriffe festlich geschmückt und heiter lächelnd
auf sein ewig jugendschönes Haupt eine strahlende Diademkrone von
Millionen funkelnder Brillanten gedrückt hat, von Millionen in allen
Farben blitzender und erschimmernder Tropfen, die von dem schneeweißen
Gischt der wuchtigen Brandungswoge ins lachende Sonnengold hoch
emporgeschleudert werden.

So träumt man. -- Wenn man dann wirklich den Fuß auf die erste
Palmeninsel gesetzt hat, wenn man zum erstenmal faul im weichen
Ufersand sich reckt und streckt oder sich von lauer, sonnendurchwärmter
Flutwelle vergnüglich auf und ab schaukeln läßt, so sagt man sich froh
und zufrieden, daß das Bild paradiesischer Idylle, das sich Traum und
Phantasie zurechtgesponnen, nicht, wie so oft, schöner und lockender
als die erdgeborene Wirklichkeit gewesen ist.

Im Gegenteil! ... Der Phantasie haben des Lebens leuchtende Farben
doch nicht so ganz zur Verfügung gestanden. Viel zu nüchtern und
grau -- zu kalt und nordisch hat sie gemalt. Schon der Grundton war
falsch. Und der heiße Farbenrausch ringsumher, dies unendlich mächtige
Sonnenlicht, diese taghellen, weißsilbernen Mondnächte, die Feuerglut
der Gestirne, das alles läßt sich nie erdenken und erdichten. Man muß
es sehen und schauen.

Halb andächtig, halb übermütig blickt man umher. Lachender
Lebenssonntag um und in uns. Leib und Seele wurden in einem Jungbrunnen
gebadet, Wegstaub und Erdenschwere sind weggewaschen. Man meint, auf
höherer, freierer Warte, man glaubt, näher der Sonne zu stehen.

Und -- während man selbst den Puls rascher und freudiger schlagen,
das Blut heißer durch die Adern jagen fühlt, hört man rings um sich
die lange auf diesen Inseln lebenden Europäer alles Mögliche über die
Entbehrungen und Strapazen ihres Lebens klagen und fabeln. Aber man
lächelt nur ungläubig dazu. Denn selbst ist man ja so ganz erfüllt von
Freude, daß man am Abend keinen Schlaf finden kann, weil man sich zu
schwer von all der Pracht trennt, daß man mit einem frohen Willkommen
das Morgengrauen und den ersten Sonnenstrahl begrüßt, die uns wieder
zum Bewußtsein all der Herrlichkeiten erwachen lassen.

Früh schon wird es Tag im Dorf Garapan. Es ist noch dunkel, da beginnen
schon die Hähne zu krähen. Aber nicht der eine oder andere nur,
Hunderte und Hunderte von Hähnen. All die vielen, vielen Kampfhähne
der Chamorros und Karoliner lärmen um die Wette, ganz Garapan scheint
ein einziger, großer Geflügelhof geworden zu sein. An Schlaf ist da,
wenigstens in den ersten Tagen, nicht mehr zu denken.

Auf denn! Zuerst nehme ich ein Morgenbad im klaren Meer. Dann wandere
ich ziellos der See entlang, wo unter hohen, schattigen Palmen die
Hütten des immer vergnügten Karolinervölkleins liegen; Männer, Weiber,
Kinder, Kühe, Schweine und Hühner wimmeln da lustig durcheinander.
Reiches Leben auch im warmen Ufersande. Von den großen Krabben bis
zum kleinen Einsiedlerkrebs, eine unendlich bunte und mannigfaltige,
lebhaft dahinlaufende und kriechende Tierwelt.

Fort nun vom Meere und mitten in den grünen Busch, in die Savannen
hinein. Überall gibt es auch hier Neues und Seltsames zu sehen, weite
Tarofelder und lichte Bananenwälder, verschlungene Lianen, herrliche
Orchideen und verschiedenartigste Drazänen. Eine neue seltsame Welt ist
aus der rauschenden See vor mir emporgetaucht.

Am ersten Tage meines Aufenthaltes werde ich auch schon mit allen
auf Saipan lebenden Deutschen bekannt. Da ist ein Stationsleiter,
ein Lazarettgehilfe, zugleich auch Befehlshaber und Kommandant der
braunen, mit roter Lawa-lawa bekleideten Polizeitruppe, ein Weg-
und Plantagenaufseher, ein deutscher Lehrer, dessen Schule ich
besuche. Frisch und lustig stehen die gelben Chamorro-, die braunen
Karolinerkinder Red’ und Antwort, und zum Schlusse singen sie sogar
einige Lieder.

    „Ich geh’ durch einen grasgrünen Wald
    Und höre die Vögelein singen.
    Sie singen so jung, sie singen so alt.
    Die kleinen Vögelein in dem Wald,
    Die hör’ ich so gerne wohl singen!“

Hell und jauchzend klingt das alte Volkslied in den Palmenwald der
Tropen hinein.

Außer den vier eben genannten und vom Reich angestellten
Persönlichkeiten noch zwei deutsche Kapuzinerpatres, welche die
frühere spanische Mission übernommen haben, ein deutscher Pflanzer und
der deutsche Kaufmann, mit dem ich von Jokohama gekommen bin. Zur Zeit
meiner Anwesenheit waren auf Saipan auch noch zwei deutsche Frauen.

Da auf allen andern Marianeninseln keine Deutschen lebten, waren
also damals nur zwei dem Privaterwerb nachgehende Deutsche auf der
Inselgruppe. Und selbst diese beiden klagten. Außer der Kopra, dem
getrockneten Kern der Kokosnuß, ist eben wenig auszuführen. Die
Kokospalme kommt nun an und für sich recht gut fort, wenn nicht die
immer wiederkehrenden Taifune wären, die alle paar Jahre die Ernte
sowie den Palmenbestand der oder jener Insel vollständig vernichten.

Beim Durchwandern der breiten Straßen von Dorf Garapan fällt mir vor
allem die große Verschiedenartigkeit der Häuser und Bauwerke auf.
Die Chamorros und die von ihnen beeinflußten Karoliner stellen ihre
Wohnhäuser auf in den Erdboden gerammte Holzpflöcke und decken sie
mit Palmstroh oder den getrockneten Blättern des Pandanusbaumes ein.
Fußboden und Wohnraum befinden sich einen Meter über der Erde; der
freie Raum darunter dient Hühnern und Schweinen als Aufenthalt.

Am lebhaftesten geht es in Dorf Garapan am Abend her, wenn der Glutball
der Sonne nach heißer Tagesreise im Meer sich kühlen will. Auf ihren zu
Reittieren dressierten Ochsen kommen in raschem, schlankem Trabe die
Karolinerjungen vom Felde herein geritten, langsamer folgen die Weiber,
sitzend auf einem kurzen, ebenfalls von Ochsen gezogenen Karren, dessen
Räder oft nur aus zwei kreisrunden, massiven Steinplatten bestehen.

[Illustration: Dorf auf Pagan mit vom Taifun entblätterten und
entwurzelten Palmen. (S. 70)]

[Illustration: Die „Tora Maru“ verläßt Pagan. (S. 71)]

[Illustration: Ochsengespann auf Saipan. (S. 80)]

[Illustration: Karolinermädchen auf Saipan. (S. 81)]

Wie ein Bild aus dem antiken Griechenland sehen besonders die Gefährte
mit den Steinrädern sich an. Die Zugtiere gehen nach uralter Sitte
unter dem Joche. Die schlanken, fast unbekleideten Mädchen und Frauen
haben ihr dichtes Schwarzhaar mit einigen Blumen geschmückt oder
auf die Stirne sich einen grünen Laubkranz gedrückt. Harmonisch und
ebenmäßig meist ihr Körperbau, ganz ungemein fein und zart ihre Fesseln
und Gelenke, sehr klein die Hände, zierlich die Füße.

Ich habe verschiedene Schildpatt- und Muschelarmreife, wie sie diese
Karolinerfrauen tragen, mit nach Hause gebracht. Keiner Europäerin wird
es gelingen, sie über ihre Hand zu streifen.

Auch die mehr einem beschaulichen Nichtstuerleben huldigenden
Chamorros kommen gegen Abend aus ihren Häusern hervorgekrochen. Die
Männer paradieren in weißen Leinenanzügen; die Frauen, ebenfalls weiß
gekleidet, geben sich besonders an Fest- und Feiertagen sehr prächtig,
tragen kostbare Spitzentücher aus Manila, rote Strümpfe und weiße,
absatzhohe Atlasschuhe, während ihre Kinder -- im Gegensatz zu den
ganz nackten, kleinen Karolinern -- bis zu ihrem achten oder zehnten
Lebensjahr oft nur in ein weites Hemd gehüllt herumlaufen ...

Am Feierabend findet auch vor der oder jener Hütte eine Vorprobe
zum sonntägigen Hahnenkampfe statt, in einem andern Hause erklingt
irgendein Musikinstrument und, wenn es Nacht und noch kühler wird, gibt
auch mancher in besseren Verhältnissen lebende Chamorro einen kleinen
Ball -- für Tanz und Gesang sind die Chamorros immer zu haben.

Die Karoliner wiederum teilen sich mit den Ureinwohnern der Inseln wohl
in die Freude an den Hahnenkämpfen, im übrigen sind sie in ihren freien
Stunden leidenschaftliche Fischer und Jäger, Segler und Seefahrer.

Das Interessanteste, was ich von Fischerei auf Saipan zu Gesicht
bekommen, war ein großer Delphinfang. War da eine Herde Delphine
oder Schweinsfische, neugierig wie sie immer sind, in das Riff
hereingekommen. Flugs hatten die flinken Insulaner ihnen mit ihrer
gesamten Kanoeflottille den Ausweg in die freie See versperrt und
trieben nun unter lautem Hallo und Geschrei die mächtigen Tiere langsam
aus der Tiefe auf den flachen Strand, wo sie kurzweg gepackt und ganz
ans Land geschleppt wurden. Das war ein großes, großes Fest fürs
Karolinerdorf. Fette Braten standen in Aussicht. Männer und Knaben
trugen die Beute in den Schatten der Palmen, die Weiber führten einen
von ganz seltsam weichem und melodischem Gesange begleiteten Dank- und
Freudentanz auf. --




15. Tinian, die Jagdinsel.


Auch jagdlich Interessantes sah ich auf den Marianen, und zwar
auf der Nachbarinsel Saipans, auf Tinian. Ein altes, ausgedientes
Walfischfängerboot fährt von Saipan aus ab und zu nach dieser Insel.
In den ersten Morgenstunden, es ist noch dunkel, gehen wir in See. Ein
gerade auf den Marianen anwesender, von den Westkarolinen gekommener
deutscher Kaufmann, ferner der Alkalde und Bürgermeister von Saipan,
ein Chamorro, der die Jagd auf Tinian gepachtet hat, machen die Reise
mit. Auch ein kleines Chamorromädchen hat sich angeschlossen.

Von fünf Ruderern wird das offene Boot vorwärts getrieben. Mit
aller Kraft müssen sie einsetzen, um uns durch die scharf und hoch
heranrollende Brandung ins freie Meer hinauszubringen. Draußen eine
ruhige Dünung, die mit breiten, langen Wogen dahergezogen kommt. Wie
Berg und Tal sieht die See sich an, wie ein mächtiger, schlafender
Wasserriese, dessen Brust sich in starken, tiefen Zügen hebt. Köstlich
rein und klar der Tag. Alle sind froh und bester Dinge mit Ausnahme
des armen Alkalden, der bereits in der ersten Viertelstunde schwer
seekrank geworden ist. Gegen Mittag landen wir in Tinian und richten
uns in dem kleinen Jägerdorfe der Karoliner so gut es geht häuslich
ein. Der Alkalde hat uns eine winzige und höchst primitive Jagdhütte
zur Verfügung gestellt.

Im Morgengrauen des nächsten Tages brechen wir auf zur Jagd auf die
Wildochsen. Neben den Hütten beginnt schon der Busch. Dieser Busch
Tinians ist so dick und dicht, so ganz undurchdringlich, daß wir trotz
aller mitgeführten und eifrig gehandhabten Buschmesser oft zu gleicher
Zeit mit Kopf, Hals und Brust, Armen und Beinen in böses Gerank und
Gezweig schier unlöslich verstrickt sind. Stundenlang heißt es gebückt
und ohne sich frei aufrichten zu können, von tausend Dornen und
Nadeln zerstochen, in allerschwülster und feuchtester Treibhausluft
dahinkriechen und sich mühseligst vorwärtsarbeiten. Bald ist mein
leichter Leinenanzug nichts mehr als ein nasser Lappen. Brennender
Durst peinigt mich. Mit kleinen, da und dort aufgelesenen Zitronen
lösche ich ihn, so gut ich kann.

Plötzlich etwas Weißes, kaum für einen Augenblick zu sehen, ein
schönes, großes, prächtiges Tier, das in wilder Flucht schon wieder
verschwunden ist. Niemand -- selbst die eingeborenen Jäger nicht
-- ist in dem Dickicht zu Schuß gekommen. Aber der Führer unserer
Jagdgesellschaft, ein Chamorro, hat sich jetzt rasch von uns losgelöst
und eilt, kriecht und springt, so rasch er nur kann, durch Busch und
Unterholz dem entkommenen Wildochsen nach. Uns zwei Europäern ist es
ganz und gar unmöglich, so schnell zu folgen. Mühselig und langsam
arbeiten wir uns weiter. Plötzlich ein Schuß, der donnernd durch die
große Stille des Busches rollt. Aber noch lange haben wir zu tun, bis
wir an die Stelle gelangt sind, wo der Chamorro seine Kugel abgeschickt
hat. Ganz schlank und schneeweiß, wie ein seltsames Märchengetier
verzauberten Urwaldes, liegt das im Schuß gefallene Wild auf nasser,
schwarzer Erde. Als ob es noch lebte, so klar und sprechend blicken
die großen, blauen Lichter. Geheimnisvoll dunkel ist es unter den
schweren Wolken des dichten Blattwerks. Kein Sonnenstrahl kann da
hindurch. Große breitflügelige Falter mit lichthimmelblauen Sternchen
im nachtschwarzen Flügelkleide flattern ängstlich umher. Laut und
begehrlich heulen in nächster Nähe, Fraß erhoffend, hungrig die wilden
Hunde ...

Erst am Nachmittag kommen wir wieder in das Dörflein zurück und
erfreuen uns an einem Bad in bergseeklarer Meeresflut. Der Alkalde
und das kleine Chamorromädchen, das mit uns herübergefahren, haben
inzwischen für das Mittagessen gesorgt. Der gute Bürgermeister von
Saipan war nicht bei der Jagd dabeigewesen. Er lehnte stets energisch
jede solche Einladung ab. „Einmal und nicht wieder“, meinte er
verständnisvoll lächelnd. Dafür aber war er sonst in die Gewohnheiten
seiner Ahnen zurückgefallen, hatte sich seines weißen Leinenanzuges
entledigt und zeigte sich auf Tinian nur mehr in der Badehose.

Die Wildochsen -- es sind wohl Nachkommen einmal von den Spaniern
hierher gebrachter und allmählich verwilderter Tiere -- werden
meist gedörrt und dann nach Guam ausgeführt, während sonstiges Wild
nach Saipan gebracht wird. Es gibt ja noch alles erdenkliche andere
Jagdbare auf der Insel, ganz ungemein viele Wildschweine, Ziegen mit
mächtigem Gehörn, Wildhühner und alle möglichen Wasservögel, auch
wilde Hunde sind zahlreich vertreten. -- Weitaus am interessantesten,
aber unendlich mühselig, eine ganz unglaubliche Hetze, ist die Jagd auf
die Sauen. Sie müssen, um bei der starken Tropenhitze noch Verwendung
finden zu können, lebend gefangen und lebend nach Saipan gebracht
werden.

Mit einer höchst abenteuerlichen Meute zieht man aus, alle möglichen
Nachkömmlinge europäischer Hunde sind da vorhanden, alle nur denkbaren
Gattungen, Arten und Mischrassen. Selbst winzige Foxterriers fehlen
nicht. Der Bestand der Meute wird je nach Bedarf auch aus den wilden
Hunden des Busches, die mit einem Lasso gefangen, bald durch Hunger und
Durst gezähmt werden, ergänzt. Mit Hussa und Hallo geht es hinter den
Schwarzröcken einher, geht in einem derartig tollen Sturmtempo durch
den allerverwachsensten Busch, daß ein Europäer mit den nacktbraunen
Jägern auf die Länge nie und nimmer Schritt halten kann. Ist das
Schwein von den Hunden gestellt, so wird es von den Karolinern geworfen
und gebunden. Aber manch armer Hund stirbt dabei unter den Waffen der
starken Keiler, mancher der verwegenen Jäger wird tödlich verletzt.

Für das gefangene und gefesselte Wildschwein beginnt nun ein langes,
trauriges Martyrium. Tagelang liegt es, ohne sich bewegen zu können,
ohne je Wasser zu bekommen, von Milliarden von Fliegen übersät und
gepeinigt, im Jagddorf der Karoliner und, nach Saipan gebracht,
tagelang in den Höfen der Chamorros herum, bis es endlich von seinen
Qualen erlöst wird.

Wenig anstrengend, wenig gefährlich und dabei doch recht unterhaltend
ist die Hahnenjagd auf Tinian. Der Jäger nimmt einen zahmen Haushahn
mit, der im Walde irgendwo angebunden wird. Durch sein Krähen hat er
bald einen Wildhahn angelockt. Ein wütender Kampf entspinnt sich,
und der Jäger braucht den vor Wut vollständig blinden Wildhahn nur zu
greifen.

Ich war auf Tinian meist recht müde am Abend. Die paar Jägerhütten
der Karoliner versinken bald in Schlaf und Schweigen. Grenzenlose
Einsamkeit, tiefste Nachtstille ringsum, nur leise durchzittert vom
müden Branden des Weltmeeres, durchklungen vom silbernen Rauschen der
Palmen. Im dichten Busch flutet hellstes, schneeweißes Mondlicht.

Man kann nicht schlafen in solchen Nächten, zu taghell ist es, zu laut,
immer lauter und lauter rauschen die Palmen. Der Nordostpassat hat an
ihnen gerüttelt. Da sind die toten Waldriesen plötzlich wach und lebend
geworden. Vorbei der dumpfe, bleischwere Tropentagesschlaf. Sehnsüchtig
und leidenschaftlich strecken sie nach Brüdern und Schwestern die
schlanken Arme aus. Geisterstunde im Palmenwald! Und nicht nur die
Bäume, das kleinste Gras, der kleinste Halm ist lebend geworden, hat
zu flüstern, zu raunen, zu rufen begonnen. Geheimnisvolle Stimmen und
Stimmchen allüberall. Wie verzaubert stehen Dickicht und Dorn, wie
überschüttet von dichtem, weißem Winterschnee. Ängstlich blicken die
braunen Mädchen und Frauen, wagen sich nicht von den Hütten fort, rasch
und eilig nimmt der Mann, die flackernde Fackel in der Hand, durch den
gespensterbelebten Busch seinen Heimweg.

Ich blieb mehrere Tage in Tinian. Der Aufenthalt dort hat ja mancherlei
kleine Beschwerden. Es geht selbstverständlich mehr als einfach her.
Eine gewisse Unannehmlichkeit bedeuten die Ratten, die in übergroßer
Anzahl vorhanden sind. Ich wurde am Abend ermahnt, mir ja sorgfältig
die Hände zu waschen, damit ihnen kein Speisengeruch anhafte, sonst
würde ich höchstwahrscheinlich von den zur Nachtzeit sehr zudringlichen
Tieren angenagt werden. Eine weitere Landplage sind die Fliegen. Zu
Milliarden und Milliarden sind sie da. Oft ist die Luft ganz schwarz
von ihnen, die in der Mitte des Dörfleins liegende Knochen- und
Schädelstätte ist dicht von ihnen übersät, es ist kaum möglich, sich
ihrer zu erwehren.

Aber dennoch blieb ich gerne. Eine solche Stille auf diesem
weltverlorenen Inselchen mitten im großen Ozean, wie ich sie noch nicht
gekannt. Ich fühlte mich ganz und für immer ausgeschaltet, losgelöst
vom Getriebe und Räderwerk der hastenden, lärmenden, nie zur Ruhe
kommenden Welt, eins fühlte ich mich mit Himmel, Erde und Meer, eins
mit großer, ewiger Natur.

An der See, unter den Palmen hab ich meinen Lieblingsplatz. Zweimal am
Tage steig ich in die kristallklare Flut. Wenn ich dem Ufer entlang
pilgere, verschwindet plötzlich der weiche Sandstrand, an seine Stelle
tritt steil ins tiefblaue Meer abstürzender Basaltfels. Ganz am Gestade
ab und zu auch bergseegrüne Färbungen. Große, schwarze Meerschnecken
kriechen auf dem Grunde dahin; reizende azurblaue, lustige Fischchen
huschen spielend um weiße Korallen herum und weiter draußen taucht
manchmal der sattbraune Rücken eines springenden Delphins auf.

Mehr landeinwärts, mitten im dichten Busch spricht sogar -- wie selten
ist das in der Südsee -- die Geschichte. Graue, mächtige Säulen
ragen mit breiten, schweren Kapitellen, wie von gewaltigen Riesen
und Hünen der Urzeit getürmt, aus dem rings sie umwuchernden, sich
an ihnen emporschlingenden Blatt- und Baumgrün empor, Reste eines
Chamorro-Edelsitzes. Zwölf dieser wuchtigen Korallensteinsäulen,
je sechs in einer Reihe stehend, trugen das Haus; auf Säulen und
Kapitellen ruhte in freier, luftiger Höhe erst der eigentliche
Wohnraum; zwischen den Trägern und Pfeilern, unter dem Wohnraum, war
der Stall, die Scheune, der Aufbewahrungsort für Ackerbau-, Jagd- und
Fischereigeräte. Vornehm und prächtig haben die Herrengeschlechter der
Chamorros gewohnt.

Nur zwei der altehrwürdigen Säulen stehen heute trotzig und einsam
noch da. Die andern zehn sanken, von Taifunen und Erdbeben zu Boden
geschmettert. Um das wilde Steinchaos ihrer Riesenleiber haben dichte
Lianen einen grünen Garten gesponnen; kein Laut, kein Vogelgezwitscher
an dieser ernsten Stätte des Todes, ringsum nur das tieftiefe,
ergreifende Schweigen des Tropenwaldes. Über den Kronen der Palmen
zieht ein fliegender Hund scheu seine Kreise.

Nie mehr werden diese starken Säulen in alter Pracht sich wieder
emporrecken. Denn das heutige Chamorrovolk hat in dumpfer Zeit der
Knechtschaft wie fast alle seine andern Tugenden so auch die Kunst,
solch mächtige Säulenpaläste zu türmen, vollständig vergessen und
verlernt. Nur auf niederen, schwächlichen Holzpflöcken erhebt sich das
ärmliche Haus des heutigen Chamorros. -- --

Rasch sind die Tage vergangen und allmählich wird es Zeit, nach Saipan
zurückzukehren. --

Auf der Heimreise von Tinian gaben mir die Karoliner noch eine
Vorstellung als Schwimmkünstler und gute Seefahrer.

Am Vorabend unseres Abfahrtstages war noch auf der Saipan
zunächstliegenden Landspitze gejagt worden, und wir kamen im
Morgengrauen, den Jägern die gefangenen Sauen abzunehmen. Ein Landen
war wegen der starken Brandung ausgeschlossen, und so brachten die
braunen Jäger die gefesselten Schwarzröcke schwimmend mitten durch
die hohe Brandung nach unserm Boote. Auf demselben langen, langen und
beschwerlichen Wege kamen sie auch -- schwimmend und ihn auf ihren
Händen herübertragend -- mit einem der Ihren an, einem hübschen, schwer
verletzten Karolinerjungen, dem ein wütender und ausbrechender Keiler
den Leib durchstoßen und aufgeschlitzt hatte.

Schwer und wuchtig stampft unser mit Ochsen und vielen Sauen gefülltes
und überladenes Boot wieder in die freie See hinaus. Es wird ein
böses Fahren. Sturmböe nach Sturmböe jagt von Nordosten heran und
geht heulend auf unser offenes und ungedecktes, nur von fünf Ruderern
getriebenes kleines Fahrzeug nieder. Gewaltig türmt sich, vom Winde
wild aufgerüttelt, die See empor, und von den Gigantenrücken der
schwarz und finster daherrollenden Wogen werden wir fast senkrecht
in die Höhe geschleudert. Kalt peitscht der Regen uns ins Gesicht,
Sturzwellen schlagen krachend ein, der am Bug untergebrachte, verletzte
Karoliner wimmert -- wir wissen nicht, ob wir ihn lebend hinüberbringen
--, und laut befehlend übergellt Wogendonner und Sturmgetöse die
heisere, rauhe Stimme des Steuermanns.

Erst nach vielen Stunden mühseligen Kampfes gelingt es uns, glücklich
in das schützende Riff Saipans einzulaufen.

Unser verwundeter Jäger wird zum Lazarettgehilfen gebracht; er ist
dank seiner ganz harten und zähen Natur schließlich auch mit dem Leben
davongekommen.

Der arme Alkalde, den wir ebenfalls mehr tot als lebend in Dorf Garapan
ablieferten, hat sich auch bald von seiner schweren Seekrankheit erholt.

Das alte Walfischfängerboot, mit dem ich diese Reise gemacht, ist
wenige Wochen später in dem stets unruhigen Kanal zwischen Saipan und
Tinian gesunken und in die Tiefe gegangen.

Auch mir persönlich sollte der Jagdausflug nach Tinian nicht allzu gut
bekommen.

Durchnäßt von den ständig übergehenden Brechern, rechnend auch mit
der Möglichkeit, daß unser Boot dem Ansturm der mächtigen Wogen auf
die Länge vielleicht nicht gewachsen sein könnte, hatte ich es wie
unsere braven Ruderer gemacht und mich während der Fahrt in Adamskostüm
geworfen.

Diese Tracht ist nun wohl den braunen Insulanern, deren Haut von Jugend
an durch Sonne und Seeluft gegerbt ist, nicht aber uns Europäern
gestattet. Obgleich die Sonne während des ganzen Tages kaum je richtig
das Gewölk zerreißen konnte, war die Lichtwirkung ihrer Strahlen doch
so stark, daß meine Haut überall, wo sie ihnen frei ausgesetzt gewesen,
verbrannt war. Die ersten Nächte wußte ich nicht, wie und wo liegen.
Und nach wenigen Tagen, als die ersten, ziemlich starken Schmerzen
wieder verflogen waren, konnte ich die verbrannte Haut wie trockene
Pergamentstreifen vom Körper abziehen.

Eine gute Lehre für die Zukunft! Wir Europäer unterschätzen im Anfang
immer die Wirkungen der Tropensonne. Man kann zufrieden sein, wenn man
bei solchen Unvorsichtigkeiten noch so glimpflich davonkommt und nicht
schwerer bestraft wird. -- --




16. Auf dem „Condor“.


„~Sailor! sailor!~“ riefen auf dem Strande Saipans eines Morgens die
Karoliner, „~sailor~“ riefen die Chamorros, „~sailor~“ schrien am Ufer
lustig hin und her springend die braunen, nackten Kinder.

„~Sailor!~“ ... Der laute, freudige Ruf durchflog mit Windeseile die
stillen Straßen des Dorfes Garapan. --

~Sailor~ -- ein Schiff! ... Und noch dazu ein deutsches Kriegsschiff!

Mit größter Pünktlichkeit war der in Sydney stationierte deutsche
kleine Kreuzer „Condor“ in aller Morgenfrühe seines angesagten
Ankunftstages vor Saipan eingetroffen.

Es ist das ein großes Ereignis für eine Insel, die nur ein paarmal im
Jahre flüchtig einen Postdampfer und sonst nur noch einige japanische
Segelschoner zu Gesicht bekommt. Erwartungsvoll flogen die Augen
hinüber zu dem schneeweißen Schiff, das weit draußen, in tiefer,
blauer See, außerhalb der grünlich herüberleuchtenden gefährlichen
Korallenriffe Anker geworfen hatte.

Doch bereits am Nachmittag dampfte der „Condor“ wieder weiter, den
nördlichen Marianeninseln zu, um den auf Agrigan und Pagan erwachsenen
Taifunschaden festzustellen.

Aber er kam wieder und blieb dann einige Tage in Saipan.

Viel konnte Dorf Garapan den fremden Gästen nicht bieten. Seit drei
Monaten war kein Postdampfer mehr hier gewesen, alle Vorräte waren auf
die Neige gegangen und, wenn nicht unser Segelschoner verschiedene
Bierkisten mitgebracht hätte, hätte man sogar vollständig auf dem
Trockenen gesessen.

Zum Abschied fand am letzten Abend in einem Chamorrohaus ein
kleiner, improvisierter Hausball statt, zu dem man in aller Eile die
bräunlich-gelben Schönheiten Garapans zusammengetrommelt hatte.

Als dann der „Condor“ von neuem in See stach, befand auch ich mich an
Bord. Der Kommandant hatte die große Liebenswürdigkeit gehabt, mich
mitzunehmen und ermöglichte es mir so, Rota zu sehen, sowie nach den
Westkarolinen und Palauinseln zu kommen.

Es ist ein ganz großer und seltener Glücksfall, wenn man da unten
in der Südsee solch eine plötzliche und unerwartete Fahrgelegenheit
findet. Man kann Monate, man kann auf vielen, entlegenen Inseln sogar
jahrelang sitzen, ohne irgendwelche Möglichkeit des Fortkommens zu
finden.

Die Karoliner allerdings machen, sicher nach Sonne und Sternen
steuernd, die tollkühnsten und waghalsigsten Fahrten von Insel zu
Insel. Doch von so mancher Kanoeflottille, die da aussegelt, gelangen
oft nur wenige Fahrzeuge ans Ziel. Die andern sinken, wenn allzu
hohe und böse See aufkommt, leck und mit zertrümmertem Ausleger in
die Tiefe, oder sie werden auch von Sturm und Strom ins Unermeßliche
verschlagen. Nicht selten sterben die wackren, braunen Seefahrer
Hungers, oder sie erliegen langsam der Erschöpfung. Entsetzliche
Schreckensszenen spielen sich auch heute noch häufig in der großen
Verlassenheit des Stillen Ozeans ab.

Wasser und Wasser -- leicht zerbrechliche Kanoes -- von einem Europäer
wohl für kürzere Fahrten, doch nie zu Reisen von endlosen Wochen
benützbar: doch nirgends, nirgends ein Schiff!

Dem „Condor“ aber bin ich zu um so größerem Danke für seine
Freundlichkeit verpflichtet, weil eigentlich auf einem Kriegsschiff,
und noch dazu auf einem kleinen Kreuzer, keinerlei Platz für
irgendwelchen Passagier ist.

Eine nicht geringe Strapaze, bei vieler Schönheit, die man sah,
bedeutete solch eine Jahresfahrt des „Condor“.

War er doch der allereinzigste in den australischen und Südseegewässern
stationierte deutsche Kreuzer und hatte in diesem einen Jahre, wo ich
ihm begegnete, Neuseeland, Samoa, Tahiti, Fidschi, Honolulu, die
Marschallinseln, die Karolinen-, Marianen-, Palauinseln, Neuguinea und
den Bismarck-Archipel besucht, hatte also in rund zehn Monaten die
gewaltige Strecke von 20000 Meilen gefahren.

Kam noch dazu, daß er auf fast allen deutschen Inselgruppen
irgendwelche unerwartete Arbeit vorfand, daß neue Fahrten und Reisen
eingeschoben werden mußten, die dann wieder in der Zeit, für die man
sich Ruhe und freie Tage erhofft hatte, zur Erledigung zu kommen hatten.

Der Dienst unserer in den heimatlichen Gewässern stehenden
Kriegsschiffe war bekanntlich sehr schwer und äußerst anstrengend.
Aber auch das Wanderleben unserer blauen Jungens da draußen bedeutete
viel mehr Mühe und Arbeit, als man bei uns zu Hause meist glaubte.
Ganz abgesehen von dem regelmäßigen Schiffsdienst auch noch viel
anderer: Geschütz- und Gewehrexerzieren, Schießübungen, wenig angenehme
Erkundungs- und Vermessungsfahrten, Segelmanöver und Reinigungsarbeiten.

Dazu die ermüdende Bewegung des Schiffes selbst, das ständige
Eingeschlossensein in schmalem, engem Raum, die besonders in der
Tropenhitze sich sehr unangenehm fühlbar machende Enge der Kojen,
der Verkehr immer mit denselben Menschen, das Fehlen fast aller
Kulturgenüsse, der Mangel an jedem größeren gesellschaftlichen Leben.

Da packte denn auch alle, wenn einmal Land in Sicht kam, eine ganz
gewaltige „Landsehnsucht“. Man wollte wieder einmal auf festem Boden
stehen, wollte sich tüchtig auslaufen, endlich einmal auch wieder
andere Menschen zu Gesicht bekommen -- aber so mancher wurde durch den
Dienst an Bord gehalten.

Das war besonders bitter, wenn das Schiff, wie so oft, an irgendeinem
schönen Punkte nur ganz kurz vor Anker lag. Ohne das allergeringste
gesehen zu haben, hieß es wieder Abschied nehmen. -- --

Ich, als Gast freilich, ich kann nichts von Mühen und Strapazen
künden, ich hab es immer nur sehr schön gehabt und kann mir keine
genußreichere, vergnügtere und schönere Fahrt als die mit dem „Condor“
denken.

Vom Kommandanten, der mir in selbstloser Weise seine Wohnkabine als
Schlafzimmer herrichten ließ und zur Verfügung stellte, an dessen
Tisch ich tagtäglich gegessen, -- vom Kommandanten und den Offizieren
angefangen bis herunter zum einfachen Matrosen und Seesoldaten waren
alle, mit denen ich irgendwie in Berührung kam, stets vom größten und
herzlichsten Entgegenkommen.

Wie war ich so froh, endlich wieder einmal auf einem richtigen Stück
deutschen Bodens, mitten in einem jungen, lebensfrohen Kreis zu stehen.

Vergnügte Stunden an Land mit den dienstfreien Herren des „Condor“,
prächtige Tage auch auf hoher See. Auf dem Achterdeck dehne ich mich
behaglich in dem bequemen Strohliegestuhl, lasse mir die Seebrise um
die Ohren wehen und freue mich, endlich einmal wieder deutsche Bücher
und Blätter in der Hand halten zu dürfen.

Lange sitzen wir in den warmen, silberhellen Mondnächten plaudernd
zusammen, und die ferne Heimat will wieder lebendig werden. -- -- --

Zum erstenmal werfen wir Anker vor Rota, der südlichsten deutschen
Marianeninsel.

Hier hat sich der Stamm der Chamorros noch am reinsten erhalten.
In den gewaltigen Felsbergen und tiefen Steinhöhlen, in den steil
aufsteigenden, unzugänglichen Gebirgen und schroffen Klippen fanden
die letzten, freien Chamorros Schutz und Versteck vor dem verfolgenden
Spanier. Aber ihrer allzu viele haben sich nicht gerettet. Nur selten,
daß ein Mensch unter den in bleischwerem Mittagsschlaf und grell
flimmerndem Sonnenlicht erstarrten Palmen sichtbar wird. Ein Hauch
trostloser und tiefster Schwermut, Schweigen des Todes brütet über dem
schwarzfelsigen Rota, der letzten ungastlichen Zufluchtsstätte eines
einmal zahlreichen und großen Volkes. -- --

Wir gehen kurz an Land, besuchen die sauber gehaltene
Chamorroansiedlung, durchstreifen ein wenig den Palmenwald, steigen
aufwärts und treten in einige der riesigen Höhlen ein.

Aber lange ist unseres Bleibens nicht, der „Condor“ hat immer Eile.
Schon nach einigen wenigen Stunden fährt er weiter, um auf Jap, die
Hauptinsel der Westkarolinen, zuzusteuern.




17. Jap.


Wieder einige Tage nichts als endloses Weltmeer. Als ich eines Morgens
erwache, haben wir bereits im Hafen von Jap festgemacht.

In Jap baut sich die europäische Niederlassung halbinselartig ins Meer
hinaus. Da steht dicht am Ufer, noch gut erhalten, das langgestreckte
alte spanische Fort, das damals unsere braune Polizeitruppe von zirka
40 Mann beherbergte. Dicht daneben, in einem grünen, schattigen Garten
das Haus des Bezirksamts; weiter landeinwärts verschiedene Amts- und
Wohngebäude der Telegraphengesellschaft; die deutsch-holländische
Kabellinie Menado-Schanghai besaß bekanntlich eine Station auf Jap und
hatte hier für ihre Beamten und Angestellten außerordentlich prächtige
und luftige, bequeme und gesunde Tropenhäuser errichtet. Da war
auch, den Bauten der Telegraphenstation gegenüber, das „Gasthaus zur
Kokosnuß“, in dem es oft recht froh und vergnügt herging. Noch weiter
landeinwärts, auf der Höhe des von der See aus ansteigenden Berges,
erhob sich, von Palmen umrauscht, die katholische Mission, während das
Krankenhaus, in dem ein deutscher Arzt seines Amtes waltete, ungefähr
einen Kilometer entfernt von der europäischen Niederlassung sich
befand. -- Auch ein nächst der deutschen Siedelung gelegenes, dicht
von roten Hibiskusblüten umrahmtes Miniaturhäuschen eines japanischen
Händlers muß hier erwähnt werden. Wandern wir in die Insel hinein,
so stoßen wir bald auf Hütten der Eingeborenen. Häufig liegen sie
an der See, mehr aber noch im Innern, unter hohen Palmen oder von
riesenblättrigen Tarofeldern umgeben.

Bei unserer Ankunft wird dem Kommandanten und mir vom Bezirksamtmann
der Westkarolinen, Regierungsrat Senfft, in liebenswürdigster Weise
ein schon am beginnenden Busch auf freier, windumbrauster Höhe
liegendes, aus zwei Zimmern bestehendes Holzhäuschen angewiesen. Auch
einen braunen Polizeisoldaten bekommen wir zur Bedienung gestellt.
Unser „Tissin“ gibt sich auch redlich alle Mühe, nur die gegenseitige
Verständigung ist oft recht wenig befriedigend. Auch sonst ist mit
unserm lieben und braven, in keiner Lage, in der er uns sitzen läßt,
seinen herrlichen Humor verlierenden Kanakendiener nicht allzuviel
anzufangen, was schon daraus erhellen dürfte, daß der Kommandant ihn
schon in der allerersten Stunde feierlich zum „dummen August“ ernannt
hat. Sehr geschmeichelt, sehr stolz ist der gute Tissin auf diesen neu
verliehenen Ehrentitel und beeilt sich stets mit willigem Grinsen, dem
Rufe schnellstens Folge zu leisten.

[Illustration: Karolinerhütten auf Saipan. (S. 80)]

[Illustration: Regierungsschule auf Saipan. (S. 79)]

[Illustration: Delphinfang auf Saipan. (S. 82)]

[Illustration: Säulen eines alten Chamorroherrensitzes auf Tinian. (S.
88)]

Es folgen nun einige Tage, die wir im allerschwersten Strichregen
verbringen. Sieht man in Japan den glänzenden Ölpapierschirm durch
die Straßen schwanken, so erblickt man hier ein anderes, eigenartiges
Schutzmittel gegen den Regen, einen von der Natur geschenkten Schirm,
das riesige, glänzend grüne Lackblatt, das die Insulaner über sich
halten oder auf ihrem Rücken befestigen. Sie fürchten den Regen sehr.
Begreiflich, denn sie gehen ja immer fast gänzlich unbekleidet und
die ständige große Hitze -- Jap hat eine mittlere Temperatur von 30
bis 32 Grad Celsius im Schatten, die auch nachts meist nur auf 26
bis 27 Grad herabgeht -- verweichlicht den Körper sehr. Wenn dann
einmal ein etwas kühlerer Wind weht und Strichregen kommt, so frieren
die Eingeborenen sofort sehr stark. Ich selbst habe im weiteren
Verlaufe meiner Südseereise bald geradeso wie die guten Insulaner
gefroren. Besonders bei längeren Kanoefahrten, wo man nicht die
Möglichkeit hat, irgendwelche lebhaftere Bewegung zu machen, sind
diese wolkenbruchartigen, oft den ganzen Tag andauernden Regen etwas
sehr Unangenehmes. Der dünne Tropenanzug ist in einer halben Minute
vollständig durchnäßt und klebt am Körper, der Wind bläst kalt darauf,
man fröstelt und schauert und macht es schließlich geradeso wie die
braunen Kanaken, die immer wieder für einige Minuten ins Wasser
springen und, am Kanoerande sich haltend, Erwärmung in der See suchen,
die in diesen Gegenden sich nie abkühlt. -- -- --

Nach einigen Tagen steht Weihnachten vor der Türe.

Weihnachten! Ein deutsches Fest und nur, nur zu Hause ist
Weihnachtsstimmung, zu Hause, wo man aus dem warmen Zimmer behaglich
in das dichte, weiße Schneetreiben oder in die klarkalte, mondhelle
Winternacht hinaussieht -- nur zu Hause! ... Dort, wo deutsche Natur
und deutscher Winter, wo die deutsche Fichte oder Tanne fehlen, dort
kann nimmer Weihnachten sein! --

Neun lange Monate war ich durch ewigen Sommer gepilgert, Sommer, so
gesegnet von der Sonne wie zu Hause nie! ... Neun lange Monate! Bald
wollen sie mich wie neun lange Jahre, bald wieder wie nur ein einziger
kurzer Tag bedünken. -- Und in der Heimat soll nun kalter Winter sein,
sollen sie heute schon Weihnachten feiern. Ich kann es kaum glauben.
Habe ich doch selbst keinen Winter, kaum die flüchtigen Vorboten eines
Herbstes gesehen. Scheint doch für mich selbst die Sonne in ihrem
höchsten Gipfelpunkt stehengeblieben zu sein! ... Halte ich doch auch
keine guten Grüße, keine kleinen Liebesgaben von zu Hause in der Hand.
Die letzten Briefe aus der Heimat sind im September oder zu Beginn des
Oktobers geschrieben, da dachten sie dort noch gar nicht an Weihnachten
-- die nächste Post aus Deutschland werde ich Ende April oder Anfang
Mai des nächsten Jahres erhalten -- durch weites Meer bin ich von allem
und allem abgeschnitten. Ich kann vielleicht dann und wann, alle paar
Monate einmal, eine Botschaft in die Heimat senden, bekommen kann ich
keine.

Zur Weihnachtsstimmung hier fehlt auch, daß man keinen „Weihnachtsbaum“
sieht. Die bräunlich-grüne, dünnfaserige Fadentanne, die sie dazu
hergerichtet haben, kann ihn nicht ersetzen. Ebensowenig die sonstige,
üppig reiche Tropenpracht, die hier in Jap, wo eine größere Anzahl
Deutscher und Europäer ansässig ist, in manchen Weihnachtszimmern
prächtig zusammengetragen ist.

Auch der Sturm, der heute draußen auf dem Meere braust und die
Palmkronen auf dem Gestade zerzaust, kann mir nicht einen deutschen,
herzhaften Wintersturm ersetzen. Wohl peitscht er die schweren
Regenschauer so dicht über die unruhig schäumende See dahin, daß sich
das im fahlen Abenddunkel wie ein winterliches Schneetreiben ansieht,
aber es fehlt den mächtig niedergehenden Tropenungewittern an der
nervenstärkenden, den Menschen erfrischenden, gesunden Kälte des
deutschen Winters. Man lebt nach wie vor, ob die Sonne herniederbrennt,
ob Wolkenbrüche herabstürzen, in der schwülen, erschlaffenden
Treibhausluft der Tropenzone.

Hinweg aus dem Regen, der mich in kaum einer Minute vollständig
durchnäßt hat.

Unter dem schützenden Dach der „Wirtschaft zur Kokosnuß“, dem Refugium
der Junggesellen Japs, finde ich Zuflucht.

Ich nehme einen Weihnachtsabend-Dämmerschoppen zu mir und bestaune
die prächtige Festdekoration, ganz und gar ein Werk der geschickten
Japkaroliner.

Dann geht’s hinauf auf das noch aus spanischer Zeit stehende, trotzige
Fort. Dort ist Weihnachtsbescherung der hier hausenden, lediglich aus
Karolinern bestehenden Polizeitruppe.

Wie in einem deutschen Kompanierevier ist die Mannschaft vor einer
mit brennenden Lichtern geschmückten Fadentanne in Reih’ und Glied
angetreten. Die Leute sehen ungemein phantastisch und farbenprächtig
aus. In dem nach Frauenart hoch aufgebundenen, dichten, schwarzen Haar
steckt der kunstvoll geschnitzte, mächtige Holzkamm, der zur Zeit durch
den darüber aufgestülpten Federntschako verdeckt wird. Der Oberkörper
ist mit einem deutschen Matrosenhemd, Lenden und Unterkörper bis zu den
Knien sind mit der roten Lawa-lawa bekleidet.

Unsere Jappolizeitruppe feiert auch Weihnachten, obwohl sie fast
insgesamt noch aus Heiden besteht, und die Leute erhalten Messer,
Lawa-lawa, Tabak, Konserven und Bier.

Es folgt ein Abendessen bei dem gastfreundlichen, stets hilfsbereiten
und liebenswürdigen Bezirksamtmann an festlich gedeckter Tafel, auf
die die ganze Blumen- und Blütenpracht der Tropen herniedergeschneit
ist.

Bei einem Weihnachtslied werden die Lichter des improvisierten
Festbaumes entzündet und von der mageren Fadentanne eilen wohl die
Gedanken aller nach Hause.

Um Mitternacht lädt von der Höhe herab die Glocke der Kapuzinerkapelle
zur Mette, und ein Teil unserer Tischgesellschaft pilgert durch die
Nacht zu dem Kirchlein hinauf. Der Sturm hat sich inzwischen gelegt und
es ist mondhelle, windstille Sternennacht, heller und leuchtender als
bei uns eine frostklare Winternacht in den Bergen.

Die Kapelle ist nur klein, abgesehen von den Europäern wohnen
verschiedene Chamorromänner und Frauen, einzelne der wenigen getauften
Karoliner und viele Chamorrokinder der Mette bei. --

Für den Nachmittag des ersten Weihnachtsfeiertages waren Tänze der
Japkaroliner angesagt.

Schon im Laufe des Vormittags kamen die verschiedenen Dorfschaften
unter der Führung ihrer Häuptlinge anmarschiert oder sie segelten in
ihren ganz lang und schmal gebauten graziösen Kanoes daher. Leicht und
pfeilgeschwind schossen diese über die bewegte Flut.

Mittags hat sich bereits der ganze Heerbann des Karolinervolkes, des
Beginnes der Tanzfeierlichkeit harrend, um das spanische Fort herum
gelagert. Um 4 Uhr nachmittag beginnt der erste Tanz.

Er hat sich wohl ursprünglich einmal aus einem alten Kriegstanz
entwickelt. In zwei Gliedern gehen die zwei Parteien, jede vielleicht
aus vierzig Mann bestehend, aufeinander los, kauern sich zusammen,
verharren in spähend vorwärts geneigter, geduckter Stellung, so wie
man im Dickicht ein Wild oder einen Feind anschleicht. Nun ein lauter,
gellender, durchdringender Schrei, und wie auf ein Kommandowort
prasseln und rasseln, knattern die schweren Bambusstäbe und -knüttel
aufeinanderlos. Blitzschnell und exakt ausgeführte Paraden wechseln mit
allen erdenklichen Kampf- und Fechterstellungen. Nicht eine einzige
Bewegung könnte besser klappen, besser ausgeführt sein. Ein lautes,
mächtiges, gleichzeitig aus achtzig Kehlen hervorgestoßenes dumpfes
Kriegsgeheul beendet diesen ersten Tanz.

Beim zweiten, von einer andern Dorfschaft zum besten gegebenen, singen
drei Mädchen die Begleitmelodie. Der nackte Hals und der nackte
Oberkörper sind mit allerhand Muschel- und Korallenschmuck verziert. Um
die Lenden tragen sie die hier landesübliche grüne Pflanzen-Lawa-lawa,
die so dick und bauschig ist, daß sie in ihrer Form an die Krinoline
erinnert. Die drei Sängerinnen, die Mühe haben, mit ihren Stimmen den
Lärm der Tanzenden zu überbieten, sind hübsche, nur etwas sehr kleine,
schmächtige und zierliche Erscheinungen.

Dem zweiten Reigen folgten nun Tanz um Tanz; Häuptling um Häuptling
bringt seine festlich aufgeputzten Leute zur Stelle.

Wieder einmal eine ganz andere seltsame Welt, in die ich staunend
eingetreten bin. Nie und nimmer hätte ich diesen braunen Inselsöhnen
eine solch glänzende Tanzmeisterschaft zugetraut, nie hätte ich
erwartet, eine solch bunte, glühende, wahrhaft künstlerische
Farbenpracht zu Gesicht zu bekommen.

Denn Farbenpracht, denkbar reichste Farbenpracht ist hier alles: die
braunen, oft durch Wurzelschminke und -zutat rot gefärbten Körper
der Tanzenden, die grellrote Lawa-lawa der Männer, die lichtgrüne
der Mädchen. Die Frauen haben sie nach Landesbrauch und ungalanter
Landessitte sämtlich zu Hause gelassen. Außer von der Lawa-lawa wird
Braun und Rot des Körpers durch um den Leib geschlungene, in allen
möglichen Farbentönen gehaltene Palmenfasern unterbrochen, um Hals und
Arme schmiegt sich reicher, oft kunstvoll und mühselig zusammengefügter
und zusammengetragener Muschelzierat.

Hellbraun glänzen aus dem dunklen, immer nach Frauenart hoch
aufgebundenen Haupthaar die mächtigen, schlank geschnitzten Holzkämme
heraus, meist mit irgendeinem Festabzeichen, und sei es auch nur einem
beliebigen bunten Lappen, verziert und verbrämt. Aber auch andere
kompliziertere Kopfbedeckungen sind zu sehen, oft meterlange, leicht
und luftig geformte Gestelle in Schiffsform, ganz mit weißem, zartem
Federflaum duftig überhaucht, überall Farbe und stets wechselnde, oft
bizarre und phantastische, aber immer geschmackvolle und ansprechende
Formen, Verzierungen und Ornamente.

Leider wird der zweite Teil des Festes wieder durch wolkenbruchartig
herniederstürzenden Regen gestört. Wir flüchten unter das nächste
erreichbare Dach, und die Japleute suchen Schutz unter den dichten
Bäumen. Aber trotz des beharrlich weiter niederströmenden Regens
lassen sie sich nicht von der Station vertreiben. Denn auch sie haben
heute ihr Weihnachten. Es ist einer der wenigen Tage im Jahr, wo sie
Bier bekommen. Sonst ist hierzu ein besonderer Erlaubnisschein des
Bezirksamts notwendig. Sie machen von dieser ihnen heute zustehenden
Vergünstigung gewissenhaft Gebrauch. Ich war daher sehr verwundert,
daß ich beim späten Nachhauseweg durch die dichtgelagerten Scharen
der Japleute auch nicht einem einzigen Betrunkenen begegnete. Wie ich
später erfuhr, hat das seinen Grund nicht in der Wohlerzogenheit,
Nüchternheit oder Trinkfestigkeit der Festteilnehmer, sondern in der
Tatsache, daß die emsige Polizeitruppe jeden allzu angeheiterten oder
radaulustigen Insulaner rasch und unerbittlich aus dem Weichbilde der
Station in den Busch hinaus abschiebt.

Lange stand ich, als dieser erste Weihnachtsfeiertag schlafen ging,
am weit aufgestoßenen Fenster meines ganz einsam im Grünen gelegenen,
winddurchbrausten, luftigen Holzhauses.

Wie schön das alles ist! ... Der scharfe Nordostpassat hat die
Regenwolken wieder weggeweht. Hinter den letzten, eilig nach
Südwesten dahinhetzenden Dunstnebeln ist still und friedlich der Mond
herausgetreten.

Hellsilbern erglänzt nun alles: der Himmel und das Meer, das zu meinen
Füßen unruhvoll brandet. Selbst in das dichte Geranke des wilden grünen
Busches, der bis in meine Fenster hineinwuchern will, gelingt es ab und
zu einem hellen Silberstrahl, leuchtend einzudringen.

Und brandendes Meer und brausender Wind, rauschender Busch und raunende
Zikade singen ein in herrlichen Akkorden zusammentönendes Lied von
Pracht und Herrlichkeit der Tropen.

Eine einzige Schönheit ist ringsum gebreitet. Die Sonne, die Sterne
sind heller als bei uns zu Hause. Reicher und glänzender, wärmer und
prächtiger ist alles. Kein Tag, an dem man die Sonne nicht sieht, keine
Nacht, in der man friert oder fröstelt. Früchte und Blumen das ganze
Jahr. Meer und Erde werfen den Menschen ihre Gaben in den Schoß. Da
ist auch keiner, der Sorge zu haben brauchte für den morgigen Tag! Und
doch trotz aller Pracht und allen Segens, trotz allen Lichtes und aller
Wärme -- ein Weihnachten gibt es hier nicht.




18. Nach den Palauinseln.


Sofort nach den Feiertagen macht sich der „Condor“ schon wieder auf
den Weg und steuert nun den Palauinseln zu, die politisch noch zu
den Karolinen gezählt wurden und mit diesen seinerzeit von Spanien
übernommen worden waren.

Wirtschaftlich hatte diese Inselgruppe nicht allzuviel zu bedeuten.
Auf der oder jener Insel, weit verstreut, da und dort, lebte ein
deutscher, englischer oder japanischer Händler. Die Ausfuhrprodukte
waren Kopra und „Trepang“ = „die getrocknete Seewalze“. Letztere wird
von den Chinesen als Delikatesse sehr begehrt und teuer bezahlt. Wer
freilich diese schwarze, schleimige Holothuria lebend gesehen, wird
wenig Appetit darauf haben. Außerdem wurden Schildpatt und einzelne
Alligatorenhäute exportiert. Später gesellte sich dazu Phosphat.

Sehr viel aber bieten diese bei uns zu Hause so gut wie nicht bekannten
Inseln dem Touristen und Naturfreund.

Schon der erste Anblick aus der Ferne ist packend. Tiefblau rollt die
See gegen eine langgestreckte, zerrissene Küste an. Es ist Babeltaob,
das größte Palaueiland. Schroffe Zinnen und Zacken ragen empor, manche
nadelscharf zugespitzt, dazwischen wieder abgerundete und bewaldete
Kuppen mit weichen, sanften Linien, bald steil ins Meer abstürzender
Fels, bald flach verlaufender Palmenstrand.

Kaum kommen wir etwas näher, sehe ich bereits, daß sich hier eine ganze
Welt von Inseln aufschließt, von Inseln, Inselchen und allerwinzigsten
Miniaturinselchen, manche sich ausnehmend wie ein schöner Blumenstrauß
oder ein putziger Waldschwamm. Grün die runde bewaldete Kuppe, und
der sie tragende, graue Felsenstiel tief von ewig nagender Salzwoge
eingefressen.

Auf den größeren Inseln ist allerüppigste Tropenflora über den
flachen Uferstrand, über das steil aufsteigende Hügel- und Bergland
ausgestreut: Palmen jeder Art, Brotfrucht- und Kalophyllonbäume,
undurchdringliche Mangrovenwälder, Taro- und Lackfelder, Orangen- und
Mandarinenhaine, Bananenstauden und Ananaspflanzen und wie all die
andere reiche, verschiedenartige Vegetation noch heißen mag.

Bei der Insel Malakal wirft der „Condor“ Anker. Der deutsche
Stationsleiter Winkler kommt an Bord, und eine Stunde später fahren wir
mit ihm nach der Insel Korror, auf der er seinen Amtssitz hat. Ganz
schmal ist die Durchfahrt, die der Fels freiläßt, nur für Ruderboote
und Kanoes passierbar. -- -- --

Auf den Palauinseln war dem „Condor“ die Aufgabe zuteil geworden, zur
Warnung ein wenig die „Kriegsflagge“ zu zeigen.

Denn die guten Insulaner, hauptsächlich die Bewohner von Babeltaob,
waren im Laufe des Jahres plötzlich und wohl aus lauter Langeweile
-- Zeitvertreib durch irgendwelche Arbeit kennen sie nicht --, noch
dazu aufgehetzt von den „Kalits“, herrschaftslüsternen Zauberern,
auf den Gedanken verfallen, die Weißen aus ihrem schönen Inselreich
hinauszuwerfen und gründlich mit ihnen aufzuräumen. Allzu schwierig
mochte das nicht erscheinen. Auf eben der größten Insel Babeltaob war
überhaupt kein Weißer, in Korror war der einzige wehrhafte Europäer der
Stationsleiter, und die paar andern deutschen und englischen Händler
lebten als Einsiedler auf weit auseinanderliegenden Inseln.

So wurde denn in Babeltaob der wohlverborgen gehaltene treffsichere
Kampfspeer wieder ausgegraben, Gesicht und Körper mit grimmiger, roter
Blutfarbe beschmiert und unter Leitung der Kalits mit wildem Geheul ein
stürmischer und begeisterter Kriegstanz abgehalten, all das mitten in
tiefer, stockdunkler Nacht.

Aber der deutsche Stationsleiter Winkler hatte gerade noch rechtzeitig
Wind von der Sache bekommen, setzte noch mitten in der Nacht mit seiner
sechzehnköpfigen braunen Polizeitruppe nach Babeltaob über, fuhr
störend in die Kriegstänze und allgemeine Kampfesfreude hinein, nahm
die Kalits gefangen, riß ihr „heiliges Haus“ ein und ließ die Zauberer
mit nächster Schiffsgelegenheit nach den Karolinen und Marianen
deportieren, wo sie ihre weltlichen Herrschaftsgelüste mit mehrjähriger
Zwangsarbeit abzubüßen hatten.

Durch das rasche und entschlossene Vorgehen des Stationsleiters war
der Aufstand im Keim unterdrückt worden. Wäre er wirklich zum Ausbruch
gekommen, so hätte die kleine Polizeitruppe gegen die große Übermacht
nichts ausrichten können. --

Der „Condor“ sollte nun den in Korror zusammenberufenen Häuptlingen und
den von allen Seiten zusammengeströmten Insulanern vor Augen führen,
wie sich die Sache, wenn sie einmal wirklich mit allen Weißen reinen
Tisch machen sollten, nachträglich gestalten würde.

In fünf Booten kam ein Landungsdetachement angerückt und ging in
durch Spitze und Seitenpatrouillen gesicherter Marschkolonne über das
Hochplateau gegen den an dem Waldrand des Dorfes Korror gut gedeckt
liegenden Feind vor, warf ihn zurück, nahm Korror im Sturm, und
zwischen den Bananenstauden, unter den Orangen- und Brotfruchtbäumen
eilten unsere blauen Jungens, auf dem Kopf den schützenden Tropenhelm,
dem im Busche eilig verschwindenden Gegner nach. Gerade vor den
prächtigen Königs- und Versammlungshäusern Korrors fuhren Geschütze und
Maschinengewehre auf und donnerten dem fliehenden Feinde einen letzten,
lauten Abschiedsgruß zu.

Aber dann wird Friede. Unter den hohen, schattigen Bäumen, vor dem
Hause des uralten Häuptlings von Korror, spielt die Musikkapelle des
„Condor“ und hat bald einen dichten Zuhörerkreis um sich versammelt.
Selbst die vor dem schweren Geschützdonner und dem heftigen
Gewehrgeknatter anfänglich eilig in den Busch geflohenen Mädchen und
Frauen stellen sich, noch etwas verschüchtert, allmählich ein.

Die von der schwülen Tropenluft und dem heißen Sturmangriff durstig
gewordene Mannschaft schüttelt sich Orangen und Mandarinen herab, läßt
sich durch Kanakenjungen Kokosnüsse öffnen und fahndet, soweit das die
Kürze der Rast zuläßt, unter der Hand eifrig nach selbstverständlich
bezahlter „Kriegsbeute“, nach Kuriositäten irgendwelcher Art.

Am Tage nach dieser Landungsübung wurden sämtliche Häuptlinge auf
den „Condor“ eingeladen. In ihren Kanoes kamen sie angefahren und
wurden mit Tee und Gebäck bewirtet. Alsdann führten die Offiziere
sie durch das ganze Schiff und zeigten ihnen -- der eigentliche
Zweck der Einladung -- zur Warnung alle Waffen, die Gewehre und vor
allem die Geschütze, deren Bedienung, Wirkung, Treffsicherheit und
Durchschlagskraft erklärend.

In Erwiderung dieser Einladung wurden zu Ehren des deutschen
Kriegsschiffes am nächsten Tag von den waffenfähigen, lanzenbewaffneten
Männern der Insel Korror einige wilde Kriegstänze zum besten gegeben.

So verbrachte ich auf den Palauinseln noch einige schöne Tage mit den
Herren des „Condor“. Wir besichtigten die Missionsschule auf Korror,
fuhren hinüber zu dem auf Insel Babeltaob gelegenen, idyllischen
Dörflein Airei und machten noch den und jenen kleinen Ausflug. Am
letzten Dezember gab es gemeinsame Neujahrsfeier an Bord des „Condor“,
auf festlich geschmücktem Achterdeck. Hell klingen die Gläser zusammen,
froh finden die Augen sich, und durch die Stille der sternklaren
Tropennacht fliegt über unendliche See aus allen Herzen auch ein Gruß
in die Heimat.

Zwei Tage später hieß es Abschied nehmen. Die Herren des „Condor“
hatten noch die Liebenswürdigkeit gehabt, mich für den Aufenthalt auf
den Palauinseln mit einigem auszustatten, vor allem für einige Kisten
Zigarren war ich von Herzen dankbar. Nirgends hatte ich mich damit
versehen können. Denn was man in Japan davon erhalten kann, ist kaum
rauchbar, außerdem bei dem darauf liegenden, ganz ungeheuren Zoll von
300 Prozent auch kaum bezahlbar. Auf den Marianen und Karolinen aber
hatte ich vor geleerten Lagern gestanden.

Mit Kisten und Paketen beladen, stehe ich dankend am Ufer.

Händeschütteln nach allen Seiten. Auf Wiedersehen! Auf frohes
Wiedersehen irgendwo und irgendwann zu Hause!

Bald zieht der „Condor“, der nimmermüde Wandervogel, dem nirgends lange
zu bleiben vergönnt ist, weit, weit in der Ferne langsam und bedächtig
seine Bahn. Nun ist er nur mehr ein einziger, weißer Punkt in endloser,
azurblauer Fläche. Und jetzt -- jetzt ist gar nichts mehr als ganz
verlassene, hin- und herwogende See.

Schon manches Schiff sah ich scheiden auf meiner Reise, von vielen
Menschen bin ich nicht leichten Herzens fortgegangen, aber noch kein
Abschied ist mir so schwer gefallen wie der vom „Condor“ und seinen
mir liebgewordenen Menschen. Nun, wo dieses durchs Weltmeer treibende
Stück deutscher Scholle für immer mir entschwunden ist, hab ich
Heimweh, richtiges Heimweh danach. -- -- --




19. Auf Korror.


Ich bleibe auf Korror. -- Der Stationsleiter Winkler besaß neben
seinem Wohnhaus eine einzimmrige Blockhütte, in der er seine höchst
seltenen Postgeschäfte erledigte. Diese Hütte stellte er mir in
liebenswürdigster Weise zur Verfügung. Ich breitete darin eine
japanische Decke aus, die mir da und dort in der Südsee als Bett- und
Nachtlager gedient hat.

Zur Bedienung aber wurde mir ein Eingeborener beigeordnet. „Aumong“
hieß der junge Palaumann eigentlich.

Aber die Deutschen hatten diesen für deutsches Ohr und deutsche Zunge
unbequemen Namen, während Aumong Polizeisoldat auf den Westkarolinen
war, kurzerhand in „Otto“ umgewandelt.

Otto war einer der wenigen „getauften“ Palauleute. Lange Zeit wußte
ich es selbst nicht und erfuhr es nur dadurch, daß er eines Sonntags
seinen sonst nur mit einem schmalen Lendentuch bekleideten Körper mit
einem weißgrauen, sehr nach alsbaldiger Reinigung rufenden Fest- und
Feiertagshemd bedeckte und so stolz und würdig in die Missionskirche
von Korror wanderte.

Trotzdem war aber Ottos Lebenswandel sonst leider nicht alleweg
christlich, heilig und einwandfrei zu nennen. Zu der Zeit meiner
Ankunft auf den Palauinseln saß er sogar im „Calabus“, im Gefängnis,
-- saß darin, weil er durch allzu starke Courmacherei den Hausfrieden
gleich zweier Palaufamilien etwas gestört hatte.

Otto hatte nicht gerade ein sehr großes diplomatisches Geschick damit
bekundet, daß er mit den Versicherungen seiner Liebe und unwandelbaren
Treue gleich zwei dicht nebeneinander wohnende Schwägerinnen beglückt
hatte. In den guten alten Zeiten der Palauinseln wäre Otto eines
Tages wohl irgendwo im Busch als stummer Mann aufgefunden worden.
Aber da unter deutscher Herrschaft auf diese löbliche Landessitte die
Todesstrafe steht, wurde er von den beiden erbosten Ehemännern auf
andere Weise für längere Zeit unschädlich gemacht. Sie rückten mit
ihren Klagen beim Stationsleiter an, der den bereits öfter verwarnten
guten Otto teils zur Strafe, teils zur Sicherheit für seine immerhin
nicht ganz ungefährdete Person in den Calabus steckte.

Dieser Calabus ist im Grunde genommen gar nichts so Schreckliches.
Hinter Schloß und Riegel sitzen die Gefangenen nur bei Nacht. Und auch
da schwätzen und plaudern sie oft recht laut und vergnüglich. Tagsüber
aber werden sie im Freien mit gemeinnützigen Arbeiten, Weg- und
Dammbauten, Rodungen, Anpflanzungen und ähnlichen Arbeiten beschäftigt.

Bei den Palauleuten ist aber dennoch der Calabus ein recht gefürchtetes
Ding. Freiheitsberaubung und Arbeitszwang sind böse Strafen für einen
Südseeinsulaner. Dazu kommt die Angst vor Spott und Hohn der lieben
Mitmenschen. Das scheut schon der einfache Palaumann. Und nun gar,
wenn einer aus einer Häuptlings- und Fürstengens stammt, wie Otto, der
Urenkel des derzeitigen Häuptlings von Korror. So trug er eine recht
düstere und finster vergrämte Miene zur Schau, als er die ersten Male
an mir vorüberschlich.

Aber der Tag seiner Erlösung war nahe. Ich benötigte einen Insulaner,
der sich zum Führer, Begleiter und Diener eignete. Otto wurde als
der einzige, leidlich deutsch redende Palaumann hierfür in Aussicht
genommen und ihm der Rest seiner Strafzeit in Gnaden erlassen.

Den durch seine Entlassung aus dem Calabus frei gewordenen Platz aber
nahm nun sein Großvater, Arekoko genannt, ein. Dieser Arekoko war trotz
seines Alters noch eine jugendlich schlanke, elastische Erscheinung.
Sohn des Königs von Korror und künftiger König, gab er sich sehr gnädig
und gelassen und wirkte auch tatsächlich in seiner aufrecht-geraden
Haltung, mit den ruhigen Bewegungen, höchst vornehm. Ein langer,
weißer, würdiger Vollbart wallte ihm bis auf die Brust. Arekoko
hatte sich in früheren Jahren viel auf Segelschiffen herumgetrieben,
kannte das Meer und die Palauinseln wie kein zweiter und war der
einzig brauchbare Lotse auf der Inselgruppe. Da der „Condor“ bei
seiner Abfahrt auch noch eine Erkundungs- und Vermessungsfahrt zu
machen hatte, war Arekoko um 6 Uhr morgens auf den „Condor“ bestellt
worden. Das war ihm aber viel zu früh und er rückte erst um 8 Uhr
mit einer nichtigen Entschuldigung an. Am Nachmittag nach erfolgter
Vermessungsfahrt hätte er sein Kanoe an eine ihm näher bezeichnete
Stelle der Insel Babeltaob hinbestellen sollen, damit es ihn wieder
an Land bringen sollte. Auch das hatte er vergessen zu tun, so daß
der „Condor“ wieder warten mußte, bis ein zufällig vorbeikommendes
und herangerufenes Kanoe den guten Arekoko endlich aufnehmen konnte.
In einem Briefe des Kommandanten an den Stationsleiter, den Arekoko
selbst zurückbrachte und abgab, standen seine Missetaten verzeichnet
und zur Strafe dafür -- er hatte auch noch verschiedenes andere auf dem
Kerbholz -- wanderte er an Ottos Stelle ins Gefängnis.

Trotz aller Verehrung für seinen Großvater schien Otto über diese
plötzliche und unerwartete Schicksalswendung in hohem Grade befriedigt.
Lustig lachten seine dunklen Augen. Er war ein für einen Palaumann
auffallend hochgewachsener Mensch von vielleicht dreiundzwanzig
Jahren mit hübschen, ebenmäßigen Zügen und ohne die breite Nase des
Durchschnittsmikronesiers, breitbrüstig, starksehnig und gelenkig;
trotz aller Gefängniskost und in den letzten Wochen hinabgewürgten
Ärgers immer noch gut genährt. Der ganze Körper in ein einziges, tiefes
Dunkelbraun getaucht; das glänzend schwarze Kopfhaar und der ebenfalls
schwarze, eben beginnende Schnurrbart lebhaft mit dem lustigen,
scharlachroten Lendentuch kontrastierend.

Im Anfang, wo noch die Freude über die unerwartet rasche und glückliche
Befreiung aus dem Calabus nachwirkte, war Otto auch in allen Dingen
äußerst brauchbar und anstellig.

Besonders draußen auf See, bei starkem Wind oder unvermutet
aufkommendem schlimmen Wetter, an gefährlichen Stellen und in
reißenden Strömungen hätte ich mir keinen besseren, geschickteren
und zuverlässigeren Begleiter wünschen können. Aber, wie jeder
Mensch schließlich, hatte auch Otto seine schlechten Tage, Tage, wo
er zu gar nichts Lust hatte und am liebsten auf seiner braunen Haut
liegengeblieben wäre. Da hatte er denn auch sofort gleich ein ganzes
Dutzend oft gar nicht ungeschickter Ausreden zur Hand: ein Loch im
Kanoe, das Segel defekt, Regen oder Sturm, schlecht Wetter im Anzug.
Wenn ich dann trotzdem meinen Willen durchsetzte, so stieg er den
ganzen Tag mit einer wahren Leichenbittermiene herum. In solchen Zeiten
ließ ich ihn am besten ganz gehen, fragte ihn nicht und unternahm auch
nichts, wobei ich mich allzusehr in seine Hand gegeben hätte. Denn auf
irgendeinen kleinen Possen oder Schabernack, bei dem er sicher war,
nicht erwischt zu werden und aufzufliegen, wär’s ihm vielleicht nicht
angekommen.

[Illustration: Europäerhäuser auf Jap. (S. 95)]

[Illustration: Mannschaften des „Condor“ nach der Übung auf Korror. (S.
107)]

[Illustration: Häuptling von Melegejok. (S. 124)]

[Illustration: Der König von Nabuket. (S. 129)]

Am allerliebsten war ich mit Otto, wie schon erwähnt, auf dem Wasser
beisammen. Das machte ihm Freude, hier war er zu Hause. Oft waren wir
nur zu zweit auf dem Kanoe, oft hatten wir als dritten Mann noch einen
Strafgefangenen mit, einen gleich dreifachen Mörder, der aber eine
feste Hand und ein sicheres Auge hatte und über eine wahrhaft stoische
Ruhe verfügte.

Man ist bei Touren nach den oft sehr weit auseinandergelegenen Inseln
fast ausschließlich auf das Kanoe angewiesen. Solch ein ganz schmales
und leichtes, aus einem Baumstamm herausgearbeitetes Fahrzeug fliegt
mit seinem mächtigen Segel bei scharfem Wind wie ein Sturmvogel
dahin. Kein Dampf-, kein Motorboot, das es einholen könnte. Besonders
nachts und bei Mondschein sind solche Fahrten etwas sehr Reizvolles.
Das einzig Unangenehme ist, daß bei einigermaßen bewegter See Kanoe
und Ausleger viel unter Wasser sind, und man so beständig im Nassen
sitzt. Und der Weiße, der solch ein Fahrzeug benutzt, kann auf dem
eigentlichen Kanoe sich nicht leicht halten. Er müßte dazu mindestens
auch barfuß wie die Eingeborenen gehen. Das verbietet aber wiederum
die bös herabstechende Sonne. Ein beschuhter Fuß gleitet aber auf dem
glatten Holz unfehlbar aus. So ist’s noch am besten, auf der Verbindung
zwischen Ausleger und Kanoe Platz zu nehmen. Aber auch hier ist es,
besonders im Anfang, nicht allzu schwer, mit einem plötzlichen Plumpse
über Bord zu gehen.

Sehr interessant ist’s, wenn man Fischer ist. Manch schönen und
schweren Fang haben Otto und ich mit der Schleppleine aus der Tiefe
geholt, manch prächtigen Gesellen hat Otto in monddunkler Nacht bei
Fackellicht oder am hellen Tag und in wilder Flucht mit dem Speer
erbeutet. Wenn er schlecht gespeert hatte und der Fisch zu entkommen
drohte, dann ging er selber blitzschnell und kopfüber ihm ins Wasser
nach, einerlei, ob das ein schwerer Seehecht oder ein kleiner Hai
war, packte ihn von rückwärts, raufte und balgte sich mit ihm in der
See herum, gewandt und geschickt wie ein Fisch- und Wassermensch, und
ruhte nicht eher, als bis er ihn trotz aller Bisse und Risse glücklich
überwältigt und auf das Kanoe heraufgewälzt hatte.

Selbst wenn in der Nähe der Küste der Fisch tief gegangen war und sich
in den Korallen verstrickt hatte, ließ ihn Otto nicht los, sondern
tauchte trotz aller Haie oft in recht ansehnliche Tiefen hinab, dort
Leine und Fisch lösend.

Noch so manche andere gute Eigenschaft hatte mein Otto. Er war ein
recht guter Koch, ein sehr ins Gewicht fallender Vorzug. Er verstand
es auch, gut und geschickt einzuhandeln. Manche Schildpattschale,
manche holzgeschnitzte Figur und andere Kuriosität verdanke ich seinem
Spürsinn.

Die Insel Korror selbst nun ist in dem Teil, wo der Stationsleiter
dicht über dem Meer sein Haus hat, wenig schön. Neben dem Haus beginnt
ein verschiedene Kilometer langes und kahles Hochplateau. Aus der roten
Erde wächst Gestrüpp und Unkraut, und tagsüber liegt heiß und schwer
die Sonne darauf. Der Stationsleiter hat diesen Platz wohl deshalb
gewählt, weil er von dort einen guten Überblick auf die nächstgelegenen
Inseln hat und weil die Lage sicherlich sehr gesund ist. Der Seewind
hat hier stets Einlaß und vertreibt die Schwüle; nichts auch von der
dumpfen Feuchtigkeit, die überall unter den hohen, schweren Kronen der
Tropenbäume sich entwickelt. Das kahle, öde Hochplateau wurde damals
durch die Strafgefangenen aufgeforstet und wird sich inzwischen viel
freundlicher gestaltet haben. --

Nach Durchquerung der sonnigen Ebene erschließt sich ein hochstämmiger
und dunkelschattiger Tropenwald. Mitten darin Dorf Korror, wo zwei
Kapuzinerpatres -- außer dem Stationsleiter die zwei einzigen Weißen
der Insel -- Kirche, Schule und Kloster haben. In Korror wohnt auch der
alte König der Insel. Ururalt ist er, kann nur mehr mühsam humpeln und
leidet unter verschiedenen Gebrechen. Nur die Augen blicken noch ganz
klug und klar aus dem von einem gelbweißen Barte umrahmten, braunen
Gesichte heraus.

In Korror bekam ich auch die ersten Klub- und Versammlungshäuser
zu sehen. Ich war von ihrer großzügigen Anlage, von der schönen
Harmonie ihrer Raum- und Maßverhältnisse vollkommen überrascht.
Hochgiebelig und langgestreckt erheben sie sich auf schweren, starken
Holzstützen. Die Front und auch oft die Seitenwände, ebenso Stützen und
Tragbalken des Innern sind mit Ornamenten und Malereien übersät, mit
seltsamen und buntfarbigen, manchmal an altägyptische oder assyrische
Linienführung erinnernden Darstellungen in Bilderschrift aus Sage und
Geschichte, Seefahrt und Krieg, Jagd, Fischerei und häuslichem Leben.
Ab und zu auch an der Front einige noch etwas ungefüg gearbeitete
Holzschnitzereien, meist Mädchen darstellend.

Türen sind keine vorhanden. Die rechteckig ausgeschnittenen, kleinen
Eingangslöcher liegen in ziemlicher Höhe. In die senkrechten
Stützbalken sind Stufen eingearbeitet, die ein Emporklettern
ermöglichen. Dann eine kleine Bauchwelle und man ist ins Innere
gelangt, das stets aus einer einzigen, hohen und riesengroßen, vornehm
wirkenden Halle besteht.

In diesen schönen Klubhäusern hocken die Eingeborenen, kauen
bedächtig ihre Betelnuß, rauchen, schwatzen, lügen und prahlen,
lassen, um den neidischen Nachbar ein wenig zu ärgern, ein besonders
wertvolles Geldstück im Kreise herumgehen, eines dieser hier
großen Wert besitzenden, unreinen Glasstückchen, oder irgendeinen
terrakottaähnlichen, wohl auch uralten Scherben. Ihr Ursprung und ihre
Herkunft sind noch nicht völlig geklärt, nur das ist jedenfalls sicher,
daß sie zu ihrer Herstellung eine höhere Stufe der Kultur und Technik
erforderten, als sie je auf diesen Inseln gewesen. Wahrscheinlich
wurden sie in grauer Vorzeit von seefahrenden Japanern oder Chinesen
auf die Inseln gebracht.

Es hat auch nicht an findigen Matrosen gefehlt, die sich ähnliche
unreine Glasstücke zu verschaffen gewußt und damit reiche Leute
zu werden hofften. Denn oft ist schon für ein einziges dieser
Glasstückchen die Kopraernte oder der Schildpattertrag eines ganzen
Jahres, sind drei oder vier Häuser zu kaufen. Aber die Eingeborenen
waren noch klüger als die schlauen Matrosen. Sie erkannten sofort
den Betrug und nun laufen diese später eingeführten Glasstücke als
sogenanntes „falsches Geld“, das recht gering bewertet ist, im Verkehr
weiter.

Aber dieses „Glasgeld“ ist nicht das einzige, was auf den Palauinseln,
was auf den andern Karolineninseln noch ungeklärt ist.

Da ist -- um eines all dieser noch der Lösung harrenden Dinge zu
erwähnen -- der Ursprung und die Herkunft der Palauinsulaner, wie der
aller Karoliner und Mikronesier noch ziemlich unerforscht. Verschiedene
Ansichten laufen da durcheinander. Früher glaubte man ihre Heimat in
Amerika suchen zu müssen. Und darüber ist ja kein Zweifel, daß ein
Mikronesier und beispielsweise ein mexikanischer Indianer eine gewisse
Ähnlichkeit miteinander haben. Beide sind mittelgroß, schlank, brauner
Hautfarbe und schwarzhaarig. Auch gewisse Charaktereigenschaften
haben sie gemeinsam, vor allem ein ziemlich entwickeltes Phlegma.
Dennoch steht es heute wohl so ziemlich fest, daß die Mikronesier ein
ursprünglich von Westen gekommener, malaiischer Stamm sind, der sich im
Laufe der Zeiten mit Polynesiern und Melanesiern stark vermischt hat.
Aber das „wie“ und das „wann“ ist noch lange nicht erforscht, wird sich
überhaupt vielleicht nie mehr nachweisen lassen.

Schon die Bewohner einzelner benachbarter Inseln -- so zum Beispiel
Jap- und Palauleute -- weisen in ihrer äußeren Erscheinung gewisse
Unterschiede auf. Ja -- selbst die Eingeborenen einer einzigen
Insel sind sich oft ganz und gar unähnlich. Da gibt es tiefbraune,
hellbraune, fast gelbe Färbungen, da gibt es hochgewachsene und
kräftige, kleine und schmächtige Menschen. Mitten dazwischen --
gar nicht so selten -- ein brauner Insulaner von ausgesprochenstem
semitischem Typus. Wie kommt dieser semitische Einschlag hierher?
Er ist auf Jap, ist auf Tobi und Sonserol, ist auf Palau zu finden.
Vielleicht durch Blutmischung auf dem Wege über südlichere Inseln, über
die Molukken, wo dieser semitische Typus zahlreicher anzutreffen ist.
Denn es ist wohl kaum anzunehmen, daß Phönizier, daß Araber selbst
einmal in grauer Vorzeit auf die mikronesischen Inseln kamen. Man
hat ja in verschiedenen Glasgeldstückchen der Palauinseln arabische
Zeichen zu entdecken vermeint. Aber wenn dem auch so ist, so kann dies
Geldstückchen doch lange von Insel zu Insel gewandert sein, bis es
einmal in Korror oder Babeltaob gelandet ist.

Auch die Religion der Eingeborenen zu erforschen, wäre nicht
uninteressant. Freilich müßte man hierzu lange hier leben, die Sprache
erlernen und sich da und dort gute, sichere und wahrheitsliebende
Freunde erwerben. Denn wenn der mit den Insulanern wenig bekannte
Europäer nach diesen Dingen fragt, wird er von den mißtrauischen
Eingeborenen recht leicht angelogen. Eine allerhöchste Gottheit wird
allgemein angenommen. Unter ihr und neben ihr alle möglichen andern
Götter und Geister -- in Jap beispielsweise ein Kriegs- und ein
Donnergott --, außerdem haben aber auch Dorf und Tal, Busch und Bäume,
Bach und See ihre eigenen Schutzgeister. Es ist das alles ganz ähnlich
wie im japanischen Shintoismus. Wer weiß, ob nicht diese religiösen
Ideen in Urzeiten von Malaien sowohl nach Japan wie auf diese
weltverlorenen Südseeinseln gebracht wurden.

Auf den Palauinseln schien mir der Geisterglaube noch mehr wie auf
Jap ausgebildet zu sein, denn in so manchem Dorf sah ich ein kleines,
nicht bewohntes Holzhäuschen stehen, und auf meine Frage, wem es gehöre
und was damit sei, vernahm ich, daß es irgendeinem Geist oder einer
Gottheit geweiht sei.

Eigentümlicherweise finden sich in der Religionslehre der oder jener
Insel entschiedene Anklänge an die christliche Legende, an die
Sintflut, an die Hölle, an die Erlösung. Wohl wahrscheinlich, daß
da und dort, wie auf den Marianen, schon in früheren Jahrhunderten
Missionare tätig gewesen sind. Es verlautet freilich nichts mehr davon
-- aber vielleicht dürfen wir doch in diesen Annäherungen an biblische
Erzählungen Nachwirkungen ihrer Bekehrungsversuche sehen.

Über die Entstehung der mikronesischen Inselwelt selbst, um auch dies
zu streifen, gibt es verschiedene Theorien.

Die einen sagen, diese Inseln seien durch vulkanische Ausbrüche
entstanden, die andern halten sie für die letzten, die höchsten Reste
eines früheren Festlandes; beides wohl möglich.

Aber gleichzeitig kommt in der Südsee doch auch die beständige
Korallenbildung sehr in Betracht, so daß manche niedere Insel ihre
Entstehung als solche hauptsächlich dieser verdankt. Auf irgendeinem
unterseeischen Berge hat sich die Koralle festgesetzt, baut in
nimmermüder Arbeit höher und höher, baut bis zum Meeresspiegel herauf.
Sturm und Brandung werfen abgestorbene Korallenstücke auf die oberste
Schicht, und langsam, ganz allmählich taucht aus der Flut eine kleine
Insel, ein Atoll. Samen aller Art treibt an, ein bißchen Erdreich
bildet sich, und eines Tages grüßt die erste grüne Palme auf das blaue
Meer hinaus.

Die Korallenriffe bedeuten selbstverständlich, solange sie über
die Wasserfläche nicht herausragen, die allergrößte Gefahr für die
Schiffahrt. Gerade in der Südsee hört man so oft von Schiffen, die
völlig spurlos verschwinden. Da ist dann entweder das Schiff einem
Taifun zum Opfer gefallen, oder es ist auf irgendein unbekanntes und
nicht sichtbares Riff aufgefahren, ist leck geworden und gesunken.

Ganz nahe bei Korror -- nur zwanzig Minuten mit dem Kanoe zu fahren
-- liegt die Insel Malakal, auf der zwei japanische Händler tätig
sind. Sie haben sich Haus und Hof, wie das die Japaner meist tun,
sehr praktisch angelegt, sehr nett und gemütlich eingerichtet.
Verschiedene Japaner und Palauleute stehen in ihren Diensten -- aber
auch ein früherer deutscher Matrose, der vor Jahren auf den Palauinseln
hängengeblieben ist. Er hat es jedoch mit nichts vorwärtsgebracht, bis
er schließlich als Fischer von den japanischen Kaufleuten angestellt
wurde.

Mit einem dieser Japaner, namens Fujikawa, trat ich in näheren Verkehr.
Es war ein recht gebildeter, junger Mann mit guten Manieren und in
fast allen Dingen äußerst geschickt. Meinen -- ich weiß gar nicht,
zum wievielten Male -- gänzlich zusammengebrochenen „Tropenapparat“
flickte er mir immer von neuem so zurecht, daß ich einige Tage damit
wieder photographieren konnte. Zum Dank hierfür schenkte ich ihm meine
Aquarellfarben und ein kleines Skizzenbuch. Schon zwei Tage später
bekam ich dieses wieder zurück, ausgefüllt mit hübschen Malereien von
der Hand meines Freundes Fujikawa.

Sonst befindet sich in der Nähe der Insel Korror kein Kaufmann und
Händler, weder ein Europäer noch ein Japaner, den man besuchen könnte.

Ringsum allergrößte Berg- und Meereseinsamkeit, eine Stille, in die
nur das Wogen und Branden der Wellen hineinklingt. Viel Schönheit
ist überall gestreut. Da sind in der kraus verschlungenen Inselwelt
langgestreckte Meeresarme, aus denen die Berge hoch und steil,
senkrecht sich emporbauen; tief, tief grün sind sie und oft ganz
glatt geebnet wie irgendein geschützter, norwegischer Fjord. Da sind
entzückende kleine Buchten, Höhlen und Grotten, blau oft wie die von
Capri oder klar kristallgrün wie ein heimischer Gebirgssee. Weiter
draußen flutet das freie Meer, mit frischem, starkem Wellenschlage sich
zwischen die Inseln hereindrängend.

Ganz herrlich ist das alles besonders bei Sonnenuntergang. Da
sind Färbungen, wie ich sie noch nie und nirgends gesehen. Da ist
manchmal ein tiefes und sattes, noch lang in die sinkende Nacht
hineinstrahlendes Blau, da sind heißrote und starkgelbe, breit
aufgetragene Tinten, und all diese Töne sind von einer ganz seltenen,
leuchtenden Reinheit.

Je öfter ich im schwanken Kanoe diese wundersame Inselwelt durchfuhr,
desto mehr gewann ich sie lieb.

Bei all diesen Fahrten hängt, wie schon einmal gestreift, meist die
Schleppleine hinaus, welche die Insulaner ganz ähnlich wie unsere
Fischer gebrauchen. Nur ist die Leine länger und stärker, die Haken
sind größer und kräftiger. Trotzdem sprengen die ganz gewaltigen
Fischriesen mit einem Ruck manchmal Leine und Haken. Als Köder
dient ein toter, frischer Fisch oder ein künstliches Fischchen,
das die Karoliner sehr geschickt aus weißen und rosa Muscheln oder
aus Schildpatt sich zurechtzuschneiden verstehen. Ist aber gerade
gar nichts anderes zur Hand, so befestigen sie rasch am Haken ein
weißliches, lang und schmal geformtes Pandanus- oder Drazänenblatt, das
durch die rasche Vorwärtsbewegung des Kanoes ganz das Aussehen eines
eilig dahinschwimmenden Fisches erhält.

Auch mit der Angelgerte habe ich Erfolge erzielt. Manchmal baute Otto
mit einigen seiner Getreuen aus Bambusstäben eine große Fischfalle,
in der die Meeresbewohner bei Ebbe zurückblieben. Aus dem dann nur
etwa einen Meter tiefen Seichtwasser holten wir, auf den Bambusstäben
sitzend, die Fische mit dem Speer heraus, und das Ergebnis war
besonders in den ersten Tagen stets sehr reichlich. Abgesehen von
verschiedenen schweren Haien befanden sich auch stets eine ganze Menge
großer, guter und eßbarer Schuppentiere in der Falle.

Hundert Arten von Fischen bevölkern die kristallklare Flut, und fast
alle sind sie von einer bei uns nicht gekannten Farbenpracht, die vom
glühendsten Purpurrot und leuchtendsten Sammetblau, vom allertiefsten
Schwarz und sattesten Braun in die lichtesten und allerduftigsten,
in zartgelbe und mattgrüne, in weichrosa, mildviolette und
perlmutterartige Töne hinüberspielt, oft nur ganz leise und leicht, wie
ein schon verblassender und ersterbender Schimmerhauch aufgetragen.

Dazu eine kühne Verwegenheit und phantastische Abenteuerlichkeit der
Form: Fische mit gekrümmten, harten Papageienschnäbeln, Fische mit
großen Katzen- oder Eulenaugen, Fische wie Igel, rings mit Stacheln
besät, mit spitzen und gefährlichen Dolchen und Schwertern bewehrt,
oder auch ganz drollige Kumpane, die sich in der Tiefe kugelrund mit
Wasser und Luft aufgeblasen haben, ans Tageslicht befördert aber wie
ein lebensmüder Kinder-Kirchweihfestballon allmählich auslaufen und
jämmerlich zusammenklappen.

Sehr schön und farbenprächtig sind vor allem verschiedene Barscharten,
sehr häßlich die Haie mit ihrem breiten Kopf und den tückischen,
winzigen Augen, der ganze böse Kumpan in ein schmutziges Gelbgrün
gekleidet.

Die Insulaner fürchten ihn übrigens weit weniger als den Seehecht mit
seinem bösen Gebiß. Auch der Hornhecht kann durch seinen nadelspitzen
Dolch gefährlich werden, besonders des Nachts beim Fischen mit der
Fackel. Da springt er -- ganz ähnlich wie der fliegende Fisch -- nach
dem über der Flut zitternden Lichte in weitem, langgestrecktem Bogen
aus dem Wasser heraus, und wenn er dabei auf einen braunen, nackten
Insulaner stößt, so dringt durch die Wucht des Anstoßes sein Dolch tief
ein. Ich habe da böse Schrammen und Narben gesehen, die ganz nach einer
Verwundung durch ein modernes Geschoß ausschauten.




20. Auf Babeltaob.


Von Stationsleiter Winkler und meinem Freunde Fujikawa hörte ich eines
Tages, daß am nächsten Morgen in aller Frühe ein Boot nach der auf der
Insel Babeltaob befindlichen japanischen Handelsniederlassung abgehen
sollte.

Ich beschloß mitzufahren, und am andern Morgen saß ich mit Otto
im Boote der Japaner. Auf vier bis fünf Stunden war die Fahrt
veranschlagt; wir hatten aber scharfen Gegenwind, mußten beständig
kreuzen und kamen erst nach zwölfstündiger Reise, schon in dunkler
Nacht, an unserm Ziele an. Otto briet noch rasch einen während der
Fahrt gefangenen Seehecht. Dann übernachteten wir auf dem Fußboden in
der höchst einfach eingerichteten, japanischen Handelsstation.

Am andern Morgen fuhren wir nordwärts weiter, landeten bei einem
früheren, nun nicht mehr bewohnten spanischen Missionshaus und traten
von dort aus den Weg nach dem auf der Höhe gelegenen, mir als Wohnort
empfohlenen Walddorf Melegejok an.

Hohe und uralte Brotfrucht- und Kalophyllonbäume werfen ihre tiefen,
schweren Schatten. Üppigste Drazänen wuchern ringsumher. Ab und
zu lacht eine reifende Ananas wie eine Riesenerdbeere aus dunklem
Grün heraus. Steil steigt der Pfad hinan. Der glatte, ausgetretene
Fels trieft von Feuchtigkeit. Vorsichtig klimmen wir aufwärts. Ein
ungeschickter Tritt und unglücklicher Fall ist tunlichst zu vermeiden,
ein Bruch des Fußes wäre hier wenig angenehm. Es bliebe gar nichts
anderes übrig, als sich durch irgendeinen heilkundigen Häuptling
behandeln zu lassen.

Wir begegnen einigen jungen Mädchen. Sie tragen aus gelbgefärbten
Gräsern gefertigte, an den Hüften seitlich geteilte Lendenschürzen.
Kaum haben sie mich richtig erblickt, als sie auch schon so
rasch als sie nur können mit ganz entsetzten hohen Sprüngen, wie
ein aufgescheuchtes Rudel flüchtiger Waldtiere, eiligst in den
allerdicksten Busch hineinjagen. Alte Seeräubergeschichten mögen hier
noch spuken und lebendig sein, und den „weißen Mann“ fürchten die
Mädchen hierzulande gar sehr, fürchten ihn, besonders wenn es Nacht
und dunkel wird, und das darum, weil er gar so blaß und bleich, so
weiß und so sehr zum Erschrecken aussieht, ganz wie eine leibhaftige
Geistererscheinung, ein unheimliches, schlimmes Gespenst.

Endlich sind wir auf der Höhe. Otto, der Tüchtige, führt mich
zum Häuptling. Der bewirtet mich mit Bananen und mit Tee, dessen
Zubereitung ihn der japanische Händler gelehrt hat. Unterdessen
bringt Otto mit wohlgesetzten Worten die Empfehlung von seiten des
Stationsleiters und unser Gesuch um ein passendes Wohnhaus vor.
Otto hat mich dem Häuptling von Melegejok recht wenig der Wahrheit
entsprechend als „Rubak“ vorgestellt, welches Wort ungefähr mit „hoher
Herr“ oder volkstümlicher mit „großes Tier“ übersetzt werden dürfte.

Nachdem wir uns etwas ausgeruht, erhebt sich der Häuptling, um uns
unser Wohnhaus anzuweisen.

Von seinen Töchtern begleitet, führt er uns durch das hübsche Dorf,
dessen weit auseinanderliegende Häuser in den dichten Buschwald
hineingebaut sind. Hohe Betel- und Kokospalmen beschatten die Häuser.
Mitten in der Ansiedlung befinden sich drei nebeneinanderliegende
Versammlungshäuser. In einer kleinen Drazänengruppe ein paar Steine,
die frühere Richtstätte. Auf dem runden, höchsten Steine wurde, wie mir
Otto erklärt, der gefangene Feind getötet.

Der Häuptling führt mich ins schönste und am besten gehaltene Haus.
Es ist groß wie eine Reitschule; auf einen Pfosten tretend, klettere
ich durch die Eingangsluke hinein. In einer Ecke wird meine Reisedecke
auf den Boden gelegt, das Moskitonetz darüber gespannt; das Nachtlager
wäre fertig. Kein Tisch, kein Stuhl, auch sonst nicht die geringste
Spur irgendwelcher europäischen Bequemlichkeit und Einrichtung. Kein
Fenster, nicht Schloß oder Riegel. Was tut’s? Auf der Decke, die über
die verstaubten und vermodernden Bretter gebreitet ist, liege ich
schon am ersten Abend ganz gut, liege halb im Freien, lustig und laut
pfeift der Passatwind durch das ganze Haus. Aber ich werde einige Male
im Schlafe geweckt. Oben im Dachstuhl, im dichten Palmstroh jagen und
tanzen die Ratten herum und vergnügen sich an tollen, wilden Spielen.
Wenn ich dann halb schlaftrunken herumblicke, sehe ich auch nicht
allzuviel. Denn die alte Schiffslaterne, die mir der Häuptling geborgt,
-- woher mag sie wohl stammen? -- will nicht recht brennen, flackert
nur ganz ärmlich und trübe und vermag nur ein paar Quadratmeter des
großen Hauses spärlich zu erhellen. -- Da ich aber mit niemandem
reden kann, schlafe ich doch bald wieder ein. Otto hat mich bereits
bei Einbruch der Dämmerung verlassen. Er ist von einer befreundeten
Familie, wie er mir mitgeteilt hat, als Gast aufgenommen worden.

Schon die zweite und nächste Nacht höre ich die laut lärmenden Ratten
nicht mehr, erwache nur ein allereinziges Mal, als eine der lustigen
Dachtänzerinnen bei einem Saltomortale verunglückt und dicht neben
meiner Lagerstätte zu Boden fällt, um sofort schnellstens wieder
davonzurasen.

Am Tage habe ich die allerbeste Gesellschaft, kein Tor, keine Türe
versperrt ja den Eingang. Jedermann, der Lust hat, kann kommen. Da
rückt der Häuptling mit einigen seiner Getreuen an, sie hocken sich
auf dem Boden im Kreise herum, da kommen seine Töchter, da kommen
noch andere Mädchen des Dorfes, ihre kleinen Geschwister auf dem Arme
herbeischleppend, da kommen auch einige Frauen. Eifrigst knuspern sie
an meinen Schokolade- und Zwiebackvorräten herum, höchlichst bestaunen
sie meine Tauschgegenstände. Geld kann man auf dieser herrlichen Insel
überhaupt nicht loswerden. Ein ganzes Warenhaus habe ich bei mir:
prächtiges, rotes Lendentuch, gewaltige Küchenmesser, Angelhaken und
Schnüre, Tabak und ähnliche Kostbarkeiten. Mit diesen Dingen bestreite
ich meinen Lebensbedarf, für einige Stangen Tabak bekomme ich eine
Wildtaube oder ein Huhn, Ananas und Bananen holt mir Otto aus dem
Busch, die Fische fangen wir gemeinsam, die Lendentücher sind für die
Leute, die mit mir auf dem Kanoe fahren, ein Küchenmesser erhält der
Häuptling für die Überlassung des Versammlungshauses.

Den Koch macht Otto, und ich muß es zu seiner Ehre sagen, er hat
dies Geschäft stets vorzüglich besorgt. -- Nur am Abend läßt er mich
auch weiterhin immer allein sitzen -- bald muß er zu einer bekannten
Familie, bald zu irgendeinem Freunde in ein weit entferntes Dorf --,
erst am Morgen kommt er um 6 oder 7 Uhr zum Wecken. Und ich gebe
ihm immer Urlaub, ich will ihm seine wiedergewonnene Freiheit nicht
vergällen. Aber es ist manchmal etwas eintönig für mich, denn früh wird
es in den Tropen dunkel, und in Melegejok ist das Gezweig der Palmen
ringsum so dicht, daß der Abend noch rascher zu kommen scheint.

Auch sonst scheint mir Otto ein wenig anders geworden. Seine ganze
Unternehmungslust ist wie gelähmt. Selbst seine geliebte Fischerei
lockt ihn nicht mehr. Weitere und mehr als eintägige Unternehmungen
sind ihm ein ganzer Greuel, und vor allem sträubt er sich mit Hand und
Fuß, aus allen Leibeskräften gegen ein von mir beabsichtigtes Verlassen
von Melegejok, gegen die Übersiedlung in ein anderes Dorf. „O nicht gut
das. Anderes Dorf hat nur ganz schlechtes Haus, wo noch mehr Ratten,
dazu Kakerlaken und Tausendfüßler; auch Alligatoren sind sehr viele!“
meinte er wichtig warnend und sehr treuherzig. Die bösen bissigen
Tausendfüßler, mit denen ich schon einige Male Bekanntschaft gemacht
habe, auch die Tatsache, daß ich mich im großen und ganzen im hübschen,
hochgelegenen Melegejok sehr wohl fühle, lassen mich schließlich
bleiben wo ich bin.

So machen wir denn von Melegejok aus unsere verschiedenen Ausflüge,
oft geht es nur für einen Nachmittag auf die See hinaus, dann fahren
wir wieder mit Sonnenaufgang ab, um erst in tiefer, dunkler Nacht
zurückzukehren. Auch landeinwärts ziehen wir ab und zu, über die
kahlen, roten Hochplateaus oder mitten hinein in den wildverwachsenen
Busch, der uns oft über dem Kopfe zusammenschlägt. Nach langer
Wanderung kommen wir wieder in ein stilles, im Tropenwald versunkenes
Dorf, weitgedehnte Tarofelder ringsumher, vor den Hütten girren
verschlafen die an Baumstämmchen angefesselten, blaugrünen Locktauben,
welche die Wildtauben in Tod und Verderben ziehen sollen. Oder wir
halten Rast an einem von dichtem Schilf eingesäumten Binnensee -- im
unteren Ende seines Ausflusses seien Alligatoren, erzählte Otto. Ich
hielt, da auf all diesen Inseln sonst nur eine sehr große Eidechse
zu finden, diese Mitteilung anfänglich für einen Bären, den Otto mir
aufbinden wollte. Hatte er mir doch selbst mit behaglichem Grinsen
vorgetragen, wie er schon mehrere wissensdurstige Europäer, die kein
Ende des Fragens finden konnten, ganz greulich angelogen hatte. Aber
diesmal hatte er wahr gesprochen, denn wenige Tage später überzeugte
mich eine riesige Alligatorenhaut, die mir in der japanischen
Handelsstation gezeigt wurde, von dem wirklichen Vorhandensein dieser
Tiere.

Später, bei meiner Rückkehr nach Korror, bestätigte mir auch
Stationsleiter Winkler die Richtigkeit dieser Tatsache und erzählte mir
dabei, daß er einmal leicht durch diese Alligatoren sogar ums Leben
hätte kommen können. Er war als erster deutscher Beamter gerade auf
den Inseln eingetroffen und gelangte nach einer langen Wanderung spät
abends an den Alligatorenfluß. Freudig benutzte er die Gelegenheit,
ein Bad darin zu nehmen und schwamm vergnügt hin und her, wunderte
sich nur, daß keiner seiner Leute, die sonst so gern ins Wasser gingen,
ihm Gesellschaft leistete. Nach beendetem Bade fragte er sie, ob sie
plötzlich wasserscheu geworden? „Nein, nein -- wir fürchten nur die
Alligatoren“, meinten sie ganz gemütlich. Im nächsten Augenblick ging
dann freilich ein ganz fürchterliches Donnerwetter auf ihre Köpfe
nieder. Und es muß wirklich ein Wunder genannt werden, daß keines der
gefräßigen Tiere, die gerade bei Einbruch der Dunkelheit meist auf Raub
ausgehen, den nichts ahnenden, armen Stationsleiter gepackt und in die
Tiefe gerissen hat.

Ein anderer Ausflug führte mich in das Dorf Nabuket. Eine lange Fahrt,
die vom frühen Morgen bis in den Nachmittag währt. Heiß brütet die
Sonne auf das Meer hernieder. Das lange, untätige und unbequeme Sitzen
auf dem Ausleger macht müde und schläfrig. Ein einziger, kleiner
Zwischenfall während der Reise. Otto hat blitzschnell einen flüchtigen,
ansehnlichen Hai gespeert, hat aber nicht ganz gut getroffen, und der
schwere Fisch steuert nun mit dem Speer im Rücken auf die Brandung
zu, um sich durch sie ins freie Meer hinauszuretten. Ein Sprung --
ein Plumps -- Otto schwimmt dem gespeerten Hai nach -- ein weiterer
Sprung -- mein anderer Insulaner ist auch schon in der See auf der Jagd
nach dem Haifisch. Die Bedienung des Kanoes liegt in meiner Hand und
ich halte es, so gut ich kann, von der Brandung entfernt. Die beiden
braunen Meisterschwimmer haben inzwischen den verhaßten Seeräuber noch
rechtzeitig eingeholt, zerren ihn am Speer in die Höhe, einer hat ihn
bei den Kiemen, der andere am Schweife gefaßt, und so bringen sie
ihn, sich raufend mit ihm, bis ans Kanoe heran. Nun haben sie ihn,
wälzen ihn herauf, ein Strick macht ihn fest, ein sausender Axthieb
zerschmettert ihm den Kopf.

[Illustration: Hochseekanoe. (S. 113)]

[Illustration: Palaumänner. (S. 117)]

[Illustration: Inneres des Versammlungshauses, in dem ich in Melegejok
wohnte. (S. 124)]

[Illustration: Geisterhaus auf Korror. (S. 118)]

Ruhig und phlegmatisch, als ob sich dies alles ganz von selbst
verstände, machen sich die zwei Palauleute wieder an die Ruder- und
Segelarbeit.

Dorf Nabuket liegt in einem wahren Segen von allerüppigster
Tropenfruchtbarkeit. Golden flutet das Sonnenlicht über fleißig
bebautes Land. In der Hauptsache ist es wieder die Taro, die hier
gepflanzt wird. Alles andere, Kokospalmen, Bananen und Ananas, bedarf
ja soviel wie keiner Pflege.

Ich bringe dem König des Dorfes einige meiner Tauschgegenstände als
Geschenk mit, er gibt mir eine Schildpattschale als Andenken. Diese
Schildpattschalen werden, oft recht hübsch geformt und unpoliert von
den Palauleuten als täglicher Gebrauchsgegenstand benutzt. Läßt man sie
nach der Heimkehr polieren, so geben sie schöne Schmuckschalen ab.

Nachdem ich mich noch durch eine frische Kokosnuß gestärkt,
verabschiedete ich mich wieder. Die Unterhaltung mit dem alten König
ist etwas umständlich zu führen. Denn er ist äußerst schwerhörig, und
der dolmetschende Otto hat sich nach kurzer Zeit heiser geschrien.

Wir gehen zum Strande zurück. Aber unser Kanoe liegt jetzt bei Ebbe
vollständig im Trockenen. An eine Heimfahrt ist für die nächsten
Stunden nicht zu denken. Wir werden lange warten müssen. --

Aber wir bekommen wenigstens Gesellschaft und wiederum die allerbeste.
Eine Schar von etwa dreißig jungen Mädchen, alle mit Laubgrün und roten
Hibiskusblüten, mit Korallen und Schildpattschmuck reich behangen, mit
der Gelbwurzel an Gesicht und Körper gefärbt, kommt den Strand entlang
gezogen. An ihrer Spitze, wie mir Otto erklärt, die Königin, -- eine
noch hübsche, etwas reife Schönheit. Ich verneige mich, Otto stellt
mich wieder als mächtigen „Rubak“ vor, huldreich nickt die Königin,
nicken die kleinen schmalen Mädchen, lächeln und flüstern und mustern
mich neugierig-ängstlich.

Dann setzt sich die Königin und um sie herum lagern sich ihre schlanken
jungen Begleiterinnen im Sande. Man ladet mich ein, auch Platz zu
nehmen. Und nun beginnt, während Otto wieder den Dolmetsch macht, eine
gemütliche Plauderstunde. Die Königin und ihre Damen erzählen, daß
sie den Nachmittag über im Walde getanzt und dann ein Bad in der See
genommen, Otto berichtet über unsern Besuch beim König, erzählt auch
noch so manches von mir, meiner Rubakschaft und meinen weiten Reisen,
erzählt und erzählt, und immer größer und erstaunter betrachten mich
die dunklen Augen der braunen Schönen. Ich glaube fast, Otto ist da
einmal wieder nicht bei der Wahrheit geblieben und hat dem Hofe von
Nabuket Märchen aus Tausendundeiner Nacht berichtet.

Wenn ich nur ein bißchen etwas verstehen würde, ein wenig mitreden
könnte. Ich bin es oft müde, bei allem und allem ohne jede Fähigkeit,
auch nur ein Wort enträtseln zu können, dabeisitzen zu müssen, ich
sehne mich oft danach, ein wenig mit jemand sprechen zu dürfen, denn
die paar kurzen Worte, die ich mit Otto wechseln kann, zählen ja
schließlich nicht. Der Mensch ist ein Herdentier, das merkt man recht
gut auf solch einer Reise, wo man viel sich allein überlassen ist.

Allmählich dunkelt es, die Königin erhebt sich, ich schüttle ihr und
den Hofdamen zum Abschied die Hand.

In langem Zuge verschwinden sie im Tropenwalde. Nun ist es still um
uns, kein Windhauch flüstert in den Kronen der Palmen, nur draußen
donnert schwer die Brandung.

Aber schon kommen andere Gäste -- ganz ungebetene --, Moskitos. In
dichten Scharen rücken sie aus Unterholz und Büschen heran. Bald
können wir uns ihrer nicht mehr erwehren. Otto und mein anderer
Kanoegenosse tragen Reisig und Palmstroh zusammen, bald prasselt das
Feuer, und dichter Rauch beginnt uns einzuspinnen. Die bösen Peiniger
müssen weichen.

Durch das Licht angelockt, stellen sich von da und dort Leute von
Nabuket ein, Männer und Knaben. Auch ihnen erzählt wieder Otto weiß
Gott was für Dinge von uns, daß sie nicht müde werden zu lauschen.

Endlich beginnt die Flut langsam heranzuplätschern. Ich werde
eingeladen, auf dem Kanoe wieder Platz zu nehmen, und die ganze frohe,
lustige Gesellschaft, Otto an der Spitze, schiebt mich mit lautem
Hallogeschrei ins tiefere Fahrwasser.

Eine herrliche, ruhige Heimfahrt. Still und dunkel die Nacht. Otto
entfacht einen Palmstrohbrand, und bis wir um Mitternacht wieder
in Melegejok landen, hat er Fische, eine ganze Menge Langusten und
Seekrabben mit seinem Speer erbeutet.

Ich bleibe weiter im Dorf Melegejok. Mein trefflicher Otto ist, wie
vorher, der einzige Mensch, mit dem ich einige wenige Worte wechseln
kann. Aber leider will seine Unternehmungslust immer noch nicht
wiederkehren. Immer früher tischt er mir am Abend mein einfaches
Nachtmahl auf, immer rascher und eiliger verschwindet er. Sein alter,
guter Freund hat, wie er mir des öfteren erzählt, ihn völlig mit
Beschlag gelegt.

So sitze ich denn am Abend weiterhin allein in der niederen
Eingangsöffnung meines Hauses und schaue in die Dämmerung hinaus.
Oft eilen meine Gedanken der sinkenden Sonne nach. Weit da drüben im
Westen, über unendlichen Weltmeeren, liegt die Heimat. Dort jauchzt
und tollt jetzt die fröhlichste Faschingslust. Welch Unterschied
zwischen dort und hier, zwischen brausendem Leben und allerstillster
Einsamkeit! ...

Ab und zu sprüht durch den dichten, dunklen Busch ein heller Feuerbrand
zu mir herüber. Er läßt die dunklen Umrisse von Palaumännern erkennen,
die, einer nach dem andern, in langem, stummem Gänsemarsche auf der
Wanderschaft nach irgendeinem Tanzplatze sind.

Der einzige Weiße bin ich unter vielen Hunderten von braunen
Insulanern, der allereinzige Weiße auf der großen Insel. Gar nicht
weit von hier das Dorf, wo sie vor kurzem beschlossen hatten, die
wenigen Weißen auf den andern Inseln zu ermorden. Wenn ihnen wieder
solche Gelüste kämen? ... Wenn sie die gute Gelegenheit benutzten und
plötzlich in der Nacht vor mein Haus rückten? Wohl liegt der Browning
neben mir auf dem Boden, aber ich käme ja gar nicht dazu, ihn zu
gebrauchen. Ich würde den barfüßigen Feind gar nicht heranschleichen
hören, würde ihn nicht hereinhuschen sehen. Denn tief und schwer ist
der Schlaf in den Tropen.

Wozu die Gedanken? Bis jetzt habe ich keinen Grund zu Besorgnissen.
Obwohl mein Haus mit allen Habseligkeiten tagelang unverschlossen
dasteht, ist mir noch nie das geringste abhandengekommen. Ein paar
schöne Angelhaken, die irgendein ungezogener Dorfrange hat mitgehen
lassen, kann ich nicht rechnen. Wo bei uns zu Hause findet man so große
Ehrlichkeit wie bei diesen sogenannten „Wilden“? ...

Weiter spähe ich in die Dunkelheit hinaus. Allmählich bricht mildes
Mondlicht durch das Laubwerk. Nun wird es lebhafter im Busch. Frauen-
und Mädchengestalten huschen da- und dorthin -- Kinder laufen,
springen und tanzen -- jagen sich wie ein nächtlicher Spuk im hell
erschimmernden Buschwald herum. Ein einsames Paar wandert in leisem
Gespräch bergaufwärts, der Mann überragt das kleine Mädchen wohl um
Haupteslänge. Bei einer plötzlichen Wendung seines Kopfes, kurz bevor
das Paar langsam in den Bambusgebüschen meinen Augen entschwindet,
habe ich in dem eifrig auf das Mädchen einredenden braunen Galan Otto,
meinen trefflichen und tüchtigen Otto, erkannt. Täuschung ist bei dem
hellen Mondlicht ausgeschlossen ...

„Otto!“ meine ich am nächsten Morgen, „kann ich deinen Freund nicht
kennenlernen?“ ...

„Freund ist in anderes Dorf -- weiß nicht, wann wiederkommt“, antwortet
er treuherzig.

„Ist aber noch recht klein und jung, dein Freund, Otto!“ ... Otto
stutzt und betrachtet mich mit einem taubensanften Augenaufschlag
prüfend und forschend. „Du hast gesehen meinen Freund?“ sondiert er
vorsichtig.

„Ich hab gesehen. Denk an den Calabus, Otto!“

„Nicht Calabus. Ist ein junges Mädchen. Ich will heiraten es.“

„Potztausend, Otto. Ich gratuliere!“

Unruhig von einem Fuß auf den andern tretend, bleibt er vor mir stehen.
Nervös spielend gleiten seine Hände über seine Lawa-lawa. Dann springt
er mit einem plötzlichen Entschluß auf die Türöffnung zu, schwingt sich
hinaus und läßt sich auf der Außenseite rasch herabgleiten. „Ich will
fragen Vater von Mädchen.“ Fort war er.

„He, Otto,“ rief ich ihm noch nach, „bring doch deine Braut her!“ Eine
Viertelstunde später erschien er mit ihr, sie an der Hand nachziehend.
„Vater sagt ja!“ meinte er kurz.

Die jungen Palaumädchen sind meist sehr schlank und gut gewachsen,
haben einen hübschen, freien Gang und elegante, fast graziöse
Bewegungen. Über ihr ganzes Wesen ist etwas klug und verständig
Abwägendes gebreitet, eine gewisse kühle und abwartende Zurückhaltung.
Nach dem Eindruck ihrer Erscheinung und der Art und Weise, sich zu
geben, könnte man versucht sein, sie die Französinnen, die Pariserinnen
Mikronesiens zu nennen.

Otto, der Frauenkenner, hatte bei seiner Brautschau gar keinen
schlechten Geschmack entwickelt. Das Mädchen hatte ein regelmäßiges,
ovalschmales Gesichtchen, aus dem zwei hübsche braune Rehaugen
stillklug herauslugten und mich neugierig prüfend musterten.
Die schlanke, schmalschulterige Gestalt war ebenmäßig und gut
durchgebildet. Kleine, zierliche Händchen, schmale Gelenke und
schlanke Fußfesseln. Außer dem schmalen, landesüblichen, goldgelben
Hüftenschurz hatte die Braut noch einen saftig grünen Blätterkranz um
den Hals gelegt und eine brennend rote Hibiskusblüte in ihr glänzendes
Schwarzhaar gesteckt. Sie mochte wohl noch sehr jung sein, kaum
fünfzehn Jahre alt.

Auf den Gesichtern der beiden stand ganz unverkennbar eine gewisse
Zufriedenheit ausgeprägt. Ein sehr hohes und großes Glücksgefühl
leuchtet ja überhaupt wohl selten oder vielleicht gar nie auf diesen
ruhigen und meist etwas regungslosen Gesichtern auf.

Ich beeilte mich, aus meiner Blechkiste der niedlichen Braut einiges
Zwiebackgebäck zu schenken, die kleine Palaudame, die schon früher sehr
eifrig ihre jungen Geschwister um unser Haus spazieren getragen hatte,
ließ sich auch ganz zutraulich auf der Diele nieder und knusperte
langsam und bedächtig prüfend an dem ihr fremden Gebäck herum.

Es mußte ihr sehr gut gemundet haben, denn schon am nächsten Tage
kehrte sie wieder und brachte gleich mehrere Freundinnen mit, die
eifrig mithalfen, meine Zwiebackkiste zu leeren.

Ich überließ Otto noch einige Tage seinem jungen Glücke und versuchte
den einsamen Tagen in dem einsamen Dorfe soviel als möglich noch
abzugewinnen, saß lange bei der versammelten Dorfschaft, wenn sie
stunden- und stundenlang in einem Versammlungshause ihre Tänze
einübte, sah den Mädchen und Frauen bei ihrer mühsamen und schweren
Arbeit in den schlammigen Tarofeldern zu -- bis zum Knie und zu den
Lenden stehen sie bei glühendster Sonnenhitze in dem grünen Sumpfe --,
photographierte und versuchte, diese und jene Seltsamkeit einzuhandeln.

Aber endlich hatte ich doch genug an all der Stille und Einsamkeit.
Zurück nach Korror! Otto wäre zwar begreiflicherweise noch gerne
geblieben; aber da es nun einmal nicht anders ging, machte er gute
Miene zum bösen Spiel, bat mich nur kurz vor der Abfahrt noch, dem
Stationsleiter nichts von seiner „Verlobung und seinen Heiratsplänen“
zu sagen. --

In Korror kam mir das Häuschen des Stationsleiters Winkler wie ein
Luxuspalast vor -- freudig begrüßte ich Tisch und Stuhl und all die
vielen kleinen Dinge des Lebens, an die wir Europäer nun einmal
von Kindesbeinen an gewöhnt sind. Vor allem aber waren die Abende
nun nicht mehr so still. Bis tief in die Nacht hinein sind wir oft
beisammengesessen, haben von zu Hause, haben von der weiten Welt
geplaudert. Stationsleiter Winkler war mit seinem Posten wohlzufrieden.
Er hatte manche Strapaze und manche Fährnis auf Expeditionen in
unsern afrikanischen Kolonien bestanden. Das Leben auf Korror ist
damit verglichen viel leichter und einfacher. Es gibt ja wohl auch
manch schlimme, lebensgefährliche Fahrt von Insel zu Insel, es gibt
manchen Ärger mit den Eingeborenen, schwere Arbeit im Kampfe gegen die
Schildlaus, die auf der Insel Jap den größten Teil der Palmenbestände
zerstört hat, während es Winkler gelungen ist, sie äußerst glücklich zu
bekämpfen.

Auch heißt es immer ein offenes Auge haben. Die Eingeborenen sind
ja durchschnittlich recht gutmütige Leute, wenigstens den Europäern
gegenüber. Mord und Totschlag kommt zwar öfter vor, aber nur zwischen
den Insulanern untereinander. Sie sind wie große Kinder, die aber
gleich diesen leicht zu betören sind.

Da braucht nur irgendein fremdenfeindlicher Zauberer aufzustehen, und
wenn er einen größeren Anhang gewinnt, wird er es leicht so darstellen
können, als ob es ein Geringes wäre, die Europäer niederzumachen und zu
vertreiben.

Es kommt ihm dabei zugute, daß die meisten Insulaner keinerlei
Vergleichsmaßstab haben. „Ist Deutschland auch so groß wie unsere
Insel?“ kann man fragen hören.

Wäre Winkler seinerzeit nicht auf der Hut gewesen, es wäre ihm ganz
ebenso ergangen, wie später den deutschen Beamten in Ponape.

Aber das bißchen Gefahr und der nicht seltene Ärger vergällt einem
alten Afrikaner das Leben noch lange nicht. Schlimmer ist schon die
große Einsamkeit, die langen, stillen Abende -- jahrein und jahraus.
Nur sechsmal im Jahr legte zur Zeit meines Aufenthaltes der Postdampfer
an den Palauinseln an. Sonst das ganze Jahr kein Schiff, nur einmal der
„Condor“ und vielleicht zwei oder drei japanische Segelschoner. Später
mag es etwas besser geworden sein, mögen vor allem auch einige Weiße
mehr auf der Inselgruppe gelebt haben, da mit dem Abbau des Phosphates,
von dessen Hebung man sich viel erwartete, auf der Insel Angaur
begonnen wurde.

Eine der schwersten Aufgaben des Stationsleiters schien mir die
Krankenpflege zu sein. Kein Arzt war damals auf der ganzen Inselgruppe,
auf der eine schreckliche Geißel der Südsee wütet, die Framboisie. Ich
weiß nicht, ob wissenschaftlich schon feststeht, worum es sich hier
eigentlich handelt, aber es ist wohl eine lepraähnliche Erscheinung;
die von der Krankheit Befallenen verfaulen bei lebendigem Leibe. Man
sieht angefressene Glieder und aufgebrochene Körper, tief in den Leib
hineingewachsene Geschwüre. Manches Gesicht ist ohne jede Nase, statt
ihrer nur mehr eine schwarzrote Höhlung -- ein entsetzlicher Anblick
--, dem einen fehlt ein Arm, dem andern ein Bein.

Da die zwei letzten Deutschen, welche vor mir die Inseln besucht
hatten, Ärzte gewesen waren, so glaubten die Leute wohl, jeder Weiße
müsse ein Medizinmann sein und wiesen mir ihre schauerlichen Gebrechen
und Gebresten. Ich konnte leider gar nichts anderes tun, als sie
an den Stationsleiter weisen. Denn der verbindet in seinem kleinen
Krankenhaus jeden Abend, wenn er seine andere mannigfache Arbeit
beendet hat, die zu ihm gekommenen Kranken, gibt ihnen Medizin und
hilft ihnen, so gut er kann. Ein Arzt täte da dringend not! Er würde
Arbeit genug finden, denn außer der Framboisie sind auch alle möglichen
andern Hautkrankheiten auf der Inselgruppe verbreitet. Ebenso sollten
die Missionen auf solchen Inseln, wo ein Arzt noch nicht ist, sich
möglichst viel der Krankenpflege widmen. --

Ende Januar hieß es für mich, mich zu entscheiden. Entweder mußte ich
bis Ende April auf den Palauinseln bleiben oder ich konnte mit dem
in den letzten Tagen des Januar von Hongkong kommenden und nach Jap
gehenden Postdampfer Germania dorthin reisen. In Jap aber war die
Natuna, der Dampfer der Phosphatgesellschaft, mit Kurs auf Singapore
für den Februar, und ferner für den März ein nach Japan laufender
Segelschoner angesagt. So entschloß ich mich, um endlich auch wieder
aus der Südsee weiterzukommen, für letzteres.

Rasch war der Tag der Abreise gekommen. Selbst hier, wo das Leben so
gleichmäßig dahinrinnt und manchmal ganz stocken will, fliegen dann
plötzlich wieder die Tage und Wochen spukhaft rasch vorbei.

Als ich bei einem wolkenbruchartigen Dauerregen an Bord fahren
mußte, stand mein Freund und Begleiter Otto gerade vor dem Hause
des Stationsleiters Posten. Der Dampfer hatte einen auf der
Durchreise befindlichen höheren Reichsbeamten gebracht, und da man
den Wachtdienstfähigkeiten der andern Polizeisoldaten scheinbar
nicht so recht traute, war Otto für einen Tag eingezogen worden
und repräsentierte mit angezogenem Gewehrkolben und umgeschnallten
Patronentaschen stolz die militärische Besatzung Korrors.

Als ich von ihm Abschied genommen und mich schon einige Schritte
entfernt hatte, rief ich, auf den Calabus deutend, ihm noch zu: „Und
heirate bald, Otto!“ ...

Er zwinkerte mir mit den Augen zu zum Zeichen, ich möge dies heikle
und vertrauliche Thema doch baldmöglichst fallen lassen, schielte
mißtrauisch zum Calabus, noch mißtrauischer zu den Fenstern des
Stationsleiters zurück und, als er alles richtig und in bester Ordnung
befunden hatte, da -- lächelte er.

Es lag unendlich viel in diesem Lächeln. Es war ein Lächeln freudiger
Befriedigung -- da schwebten ihm wohl seine Braut, seine Missetaten,
die ihn in den Calabus gebracht, oder noch viel mehr die, die
unaufgedeckt geblieben waren, vor Augen, -- es war ein Lächeln stiller
Wehmut und Resignation, wenn er der im Calabus verlebten Tage, wenn er
des Stationsleiters gedachte, -- ein Lächeln heimlichen, aber zähen
Trotzes, mit dem er die ganze europäische Kultur und Wirtschaft,
welche die Freiheit des Palaumannes und noch so vieles andere grausam
zerstört hatte, lebhaft zum Teufel wünschte.

Als ich mich -- mehr aus der Ferne -- noch einmal umblickte, legte er
gerade äußerst gelangweilt sein Gewehr auf die andere Schulter.

Unsere Augen trafen sich noch einmal, und da lächelte er wieder,
lächelte, als ob er damit über sein eigenes Leben und über Leben und
Schicksal seines ganzen Volkes hinwegblickte, sein halb freundliches,
halb still resigniertes Lächeln.

Einige Stunden später ist rings um mich her nichts als tiefblaue,
unruhvoll wogende See -- spurlos im Weltmeer versunken die stille
Inselidylle.




21. Hundert Tage auf Jap.


So bin ich denn wieder in Jap. Als ich an Land fahre, hege ich freilich
die allerbeste Hoffnung, daß ich nur wenige Wochen später schon wieder
an Bord der Natuna oder des japanischen Segelschoners gehen könne. Die
Germania aber, die mich hierher gebracht, sticht bereits am nächsten
Morgen von neuem in See, um nach den Marianen, nach Ponape und anderen
Inseln zu fahren. Dreimal im Jahre trat sie von Sydney, dreimal von
Hongkong aus die Reise durch die mikronesische Inselwelt an, deren
einzige und regelmäßige Verbindung mit Asien, Australien und Europa sie
darstellte.

Sofort nach Ankunft mache ich mich auf die Suche nach einem geeigneten
Quartier. Das ist auch auf Jap gar nicht so leicht, denn das „Gasthaus
zur Kokosnuß“ verschenkt wohl Bier und Whisky, bietet aber keinerlei
Unterkunftsmöglichkeit. Das Holzhäuschen, in dem ich das erstemal
gewohnt hatte, war wegen Baufälligkeit zum Abbruch bestimmt, und so
war ich sehr froh, als mir der Direktor der Telegraphenstation die
Erlaubnis erteilte, ein freies Zimmer im Wohnhaus der Beamten zu
beziehen und an den Mahlzeiten in der Messe teilzunehmen.

Jap war nämlich, wie schon erwähnt, Telegraphenstation der
deutsch-holländischen Kabellinie Menado-Schanghai, und außer dem
Direktor waren dort ständig acht bis zehn Beamte tätig -- bis auf
einen Schweizer, einen Engländer und einen Holländer lauter Deutsche.
So waren schon dadurch auf Jap viel mehr Europäer als auf den meisten
andern dieser Inseln. Neben den drei Beamten des Reiches, einem
deutschen Arzt, zwei Kapuzinerpatres und drei Händlern befanden sich
auch einige deutsche Frauen auf der Insel.

Jap hat, wie eben erwähnt, eine Kabelstation. Diese Tatsache ist wohl
schuld daran, daß Japan sich seines Mandates, das es für die früher
deutschen Inseln bis zum Äquator erhalten hat, was Jap betrifft, nicht
so ganz sorglos freuen konnte. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika
störten ihm das Vergnügen, hierzu wohl veranlaßt durch die Nähe der
ihnen gehörigen Philippinen.

Für mich gab es anfangs in Jap recht viel zu sehen. Denn während
meines ersten Aufenthaltes hatten die ständigen Wolkenbrüche, die der
Nordostpassat herbeigeführt hatte, jeden längeren Aufenthalt im Freien
unmöglich gemacht. So war das Verschiedenste nachzuholen.

Jap war schon in altspanischer Zeit Regierungsstation gewesen.
Die Spanier hatten aber durch ihre Zwangsbekehrungen die
Eingeborenenbevölkerung dermaßen erbittert, daß sie ständig ein
kriegsstarkes Bataillon auf der Insel, einen oder zwei Kreuzer im Hafen
haben mußten.

Deutschland, das sofort Gewissensfreiheit verkündet hatte, hielt die
Ordnung mit einer kleinen braunen Polizeitruppe von dreißig Mann
aufrecht, die in dem früheren spanischen Fort untergebracht war.

Manch schmückendes Beiwort verdiente das schöne Eiland: denn Jap
ist die Insel der schönen, wohlgepflegten Wege, die, auf Befehl des
Bezirksamts von Häuptlingen und Dorfschaften in gutem Stand gehalten,
sie nach allen Seiten durchqueren und umlaufen, und welch schöne Wege
zu gehen die auf Jap lebenden Europäer meist zu faul sind.

Es ist ferner die Insel der handgroßen, herrlichen Hibiskusblüte. Mit
brennend heißem, flammendem, breit und stark aufgetragenem Rot bekränzt
sie bacchantisch das Grün am Wege.

Es ist auch die Insel der Südseekrinoline, die sich die sonst ganz
unbekleidet gehenden, oft recht hübschen Insulanerinnen in Gestalt von
zwei oder drei schweren Grasröcken um die Hüften binden -- Grasröcke,
so wulstig und umfangreich, daß die armen Japerinnen durch diese recht
unbequeme Mode gezwungen sind, beim Gehen die Arme stets weit vom
Körper wegzuhalten und abzuspreizen.

Was die Herren der Schöpfung anlangt, so ist Jap ein gesegnetes
Dorado und eine Hochburg der „Männereitelkeit“. Nach Frauenart hoch
hinaufgebunden tragen die Japmänner ihr mit viel Liebe gepflegtes,
langes Haar ernst und würdevoll zur Schau. Diese Haartracht gibt den
meisten Gesichtern einen etwas weibischen und weichlichen Zug. Der
große, sorgfältig geschnitzte, fest in der dichten Perücke sitzende und
mit manchem bunten Lappen verbrämte Holzkamm ist Abzeichen und Sinnbild
des „Freien“, der auf jede seine Schönheit gefährdende Arbeit stolz und
verächtlich herabblickt. Kein Sklave darf ihn tragen!

Auf Jap gibt es nämlich noch heute in verschiedenen, ganz getrennten
Dörfern wohnende „Freie“ und „Sklaven“. Freilich ist die Form der
Sklaverei eine ziemlich milde. Dem Manne des Sklavendorfes, ebenso
seiner Frau und seinen Kindern steht aber eine größere Reihe von
Rechten der „Freien“ nicht zu, auch sind die Sklaven den Häuptlingen
der „freien“ Dörfer zu manchen Zwangsdiensten verpflichtet.

Wo die Eitelkeit zu Hause ist, entwickelt sich selbst bei Wilden
oder Halbwilden, auf Jap noch gefördert und unterstützt durch die
bestehenden Hörigkeitsverhältnisse, ein strenges „Zeremoniell“. Fest
geregelt ist zum Beispiel die Grußform und ganz genau bestimmt,
welches Dorf und welcher Mann zuerst zu grüßen hat. Es gibt auch
keine einzige Japfamilie, gibt keinen Japmann, der nicht seinen ihm
durch Tradition und Vererbung für immer zugewiesenen Klassen- und
Hofrang hätte. Selbst bei sonst ganz formlosen Wanderungen von Dorf zu
Dorf -- die Japleute gehen aus alter Buschangewohnheit auch auf den
jetzigen, breiten Wegen nie nebeneinander, sondern immer einer hinter
dem andern -- wird mit Argusaugen darauf gesehen, daß der Vornehmste
und Würdigste stolz voranmarschiert und die andern sich ihm jeweils
nach der gesellschaftlichen Stufenleiter und Rangordnung anschließen.
Dies gilt für die Männer, gilt auch den Frauen und Mädchen. Besonders
letztere bieten mit ihren hin und her schlenkernden Armen, wichtig und
ihrer Würde bewußt hintereinanderhertrottend, oft einen recht drolligen
Anblick.

Begegnet solch ein langsam und bedächtig seines Weges ziehender
Insulanerzug einem Weißen, so tritt er wortlos beiseite -- das ist
sein Gruß -- und läßt den weißen Mann vorbeigehen. Stoßen Japdamen auf
einen Europäer, so halten sie ebenfalls an und weichen ganz an den
Pfadrand zurück, machen dabei aber schämig völlig kehrt, dem hierüber
das erstemal baß erstaunten Fremdling als freundlichen Weg- und
Willkommengruß ihre Rückenpartien zeigend.

Die allergrößte Merkwürdigkeit Japs aber ist das Steingeld. Meines
Wissens hatte dieses Steingeld von Jap früher ein Gegenstück in Afrika,
in Togoland und an der Goldküste. Dort handelte es sich freilich nur um
ganz kleines, handliches Steingeld, während auf Jap Geldsteine bis zu
vier Meter Durchmesser zu finden sind. Schon mit einem kleinen Stück
von zirka sechs Spannen kann man fünfundzwanzig Sack Kopra kaufen,
und mit den Steinriesen, die sogar ihre eigenen Namen und Ehrentitel
führen, ersteht der Japmann sich die größten Felder und schönsten
Häuser, die allerbegehrtesten Frauen; für kleinere Zahlungen aber wird
„Muschelgeld“ benutzt.

Diese Geldsteine sind gewaltige, durchlochte und kreisrund behauene
Kalkspatstücke, die allenthalben in den Dörfern und an den Wegen
aufgestellt werden.

Sie sind ein sehr sicherer Besitz, denn gestohlen kann so ein viele
Zentner schwerer Stein nicht allzu leicht werden. Bei den großen muß,
um sie fortzuschleppen, schon eine ganze Dorfschaft, hundert und mehr
Leute, Dienste tun. Ein Palmstamm wird durch das Loch in der Mitte
gesteckt, fünfzig Leute fassen vorne, fünfzig hinten an und so wird
im feierlichen Zuge das niedliche Geldstück seinem neuen Besitzer
zugestellt.

Ein heimliches Fortschaffen bei Nacht würde den Dieben ebenfalls
recht wenig helfen, denn jedes wertvollere Exemplar ist an kleinen
Kennzeichen auf der ganzen Insel bekannt. In früheren Zeiten dienten
die besseren Stücke als Kriegsentschädigung. Dieses eigenartige Geld
wird von den hoffnungsvollen Japsprößlingen auch sehr gerne ab und zu
als Turngerät benutzt, auf dem sie waghalsig herumklettern und rutschen.

Der in Jap nicht vorkommende Stein wird auf den Palauinseln gebrochen,
mitten in den Bergen drin. Durch glattschlüpfrige Wildnis und an
schwindelnd steilen Abstürzen vorbei muß man sich zu solch einem
„Steingeldbruch“ mühselig hinarbeiten. Mit den primitivsten Werkzeugen
wird der Stein hier bearbeitet, unter ganz ungeheuren Schwierigkeiten
an den Strand geschafft und auf Bambusflöße verladen. Dann folgt noch
der weite, lange und gefahrvolle Seeweg bis Jap. Manch Floß, das
diese zentnerschweren Riesensteine trug, manch Kanoe, das diese Flöße
schleppte, ist dabei schon in die Tiefe gegangen.

So ist es wohl zu verstehen, daß das so hart und sauer gewonnene
Steingeld bei den Insulanern sehr hoch im Kurse steht, und daß es
sehr, sehr bitter für die armen Leute sein mußte, wenn ab und zu auf
einen solch schönen und lieben, weißen Stein ein mächtiges, häßliches,
schwarzes ~B. A.~ (= Bezirks-Amt) aufgemalt wurde, zum Zeichen
dessen, daß der unerbittliche Amtmann wegen irgendwelcher Sünden und
Missetaten, nicht geleisteter Wegebaupflicht oder anderer Verfehlungen
die Pfändung eines Steines angeordnet hatte.

Damals brachte auch die Germania, brachten auch Segelschoner die
Geldsteine von den Palauinseln nach Jap, aber nur die Stücke, welche
auf dem Kanoe nach der Insel gekommen sind, genossen das ganze volle
Ansehen und die höchste Bewertung.

Von den „steinreichen Eingeborenen“ komme ich zu den deutschen Händlern
-- es wären ihrer, wie schon erwähnt, nur drei --, die aber alle drei
zu ihrem größten Leidwesen keine „steinreichen Leute“ wurden. Denn auch
Jap war eine der so häufigen Stätten deutschen Kolonialpeches.

[Illustration: Tanzende Männer auf Jap. (S. 101)]

[Illustration: Steingeld auf Jap. (S. 143)]

[Illustration]

[Illustration: Verschiedene Eingeborenenhäuser auf Jap. (Kap. 21)]

An demselben Tage, an dem auf dem spanischen Fort die deutsche Flagge
emporging -- „ein böses Omen“, sagten manche --, verheerte ein schwerer
Taifun die ganze Insel.

Kaum hatte man sich von diesem Schlage ein wenig erholt, begann die
Schildlaus in so zerstörender Weise aufzutreten, daß die meisten
Kokospalmen eingingen und die Kopraausfuhr für Jahre gesperrt werden
mußte. Erst im Frühjahr 1908 konnte sie wieder freigegeben werden.

Neben diesen drei deutschen Händlern war auf Jap ein japanischer
Kaufmann tätig. Wie schon des öfteren erwähnt, fand man sie überall,
diese kleinen, schlauen Japaner. Auf allen größeren und wichtigeren
Inseln hatten sie bereits ihre Handelsstationen angelegt. Da und dort
wurde sogar das Geburtsfest des Mikados wie fast das des Landesherrn
feierlich begangen.

Schon vor zehn Jahren war meiner Schätzung nach auf den Westkarolinen
ein Viertel der Einfuhr und die Hälfte der Ausfuhr in Händen der
Japaner. Auf den Marianen stellte sich diese zu ihren Gunsten noch weit
höher.

Es lag ja immer offen zutage, daß die japanische überseeische Politik
sich einige weite Linien durch den Stillen Ozean gezogen hat. Die eine
lief und läuft von Japan aus südostwärts nach den Hawaiinseln, die
andern laufen südlich Australien zu. Zäh hielten sie immer an diesen
Linien fest und schauten schon damals begehrlich über die ihnen bereits
gehörigen Bonininseln nach den Marianen und Karolinen einerseits, von
Formosa nach den Philippinen und Molukken andererseits aus.

Es muß ja den Japanern zugestanden werden, daß diese Inselgruppen
für sie immer weit größeren Wert als für uns hatten. Die kleinen
japanischen, mit wenigen Matrosen bemannten Segler brachten ihren
Handelsstationen billig die notwendigen Tauschwaren zu, fuhren Kopra,
Trepang und Schildpatt ebenso billig wieder zurück. Der deutsche
Händler hatte eine zweimalige teuere Fracht, einmal nach Hongkong und
von dort aus weiter nach Hamburg und Bremen. Er war auch sonst von
vornherein gegenüber seinem überaus lebensbescheidenen Konkurrenten
im Nachteil. Der Japaner verstand sich auch leichter und besser mit
den Eingeborenen, trat auf den Südseeinseln, wo er politisch nichts
zu sagen hatte, nicht als harter Zwingherr wie in Korea oder der
Mandschurei auf. Dafür brachte der Eingeborene seine Tauschwaren am
liebsten in die japanische Faktorei.

Außer den eben angeführten Gründen dieses guten Einverständnisses mögen
vielleicht noch verschiedene andere mitspielen, darunter wohl auch der,
daß -- so gewagt das klingen mag -- zwischen dem Insulaner und dem
Japaner eine recht weit zurückliegende, aber doch vielleicht etwas wie
eine leise Blutsverwandtschaft besteht. Wer einmal sonnenverbrannte,
nackte japanische Fischer oder Bauern bei der Arbeit gesehen hat, kann
diesem Gedanken schon leichter nähertreten.

Auch theoretisch läßt sich diese Behauptung verfechten. Die Ansichten
über den Ursprung der Mikronesier laufen ja sehr weit auseinander --
aber eine, die wahrscheinlichste Theorie geht, wie schon gestreift,
dahin, daß in ihren Adern ein starker Einschlag von Malaienblut
rollt. Das japanische Volk wiederum hat sich aus mongolischen und
malaiischen Elementen herausgebildet, und diese beiden Urrassen sind
noch heutzutage oft so wenig verschmolzen, daß man mit leichter Mühe
den einen Japaner dem mongolischen, den andern dem malaiischen Urstamm
zuteilen kann.

Man kann diese eben aufgeworfene Frage ruhig dem Fachgelehrten
überlassen -- das steht jedenfalls ganz zweifellos fest, daß der
Mikronesier sich mehr zum Japaner als zum Europäer hingezogen fühlt.

Es bestehen ja auch sonst noch andere Ähnlichkeiten zwischen Japan und
den ihm zunächst gelegenen Teilen der Südsee. Der Malaie, der nach
Nippon eingewandert ist, hat dorthin wohl sein pfahlbautenartiges Haus
gebracht. Dasselbe Haus finden wir auch auf den Marianen, Karolinen und
Palauinseln. Nur ist es hier in seinen rohen und einfachen Uranfängen
steckengeblieben, während der Japaner es in jahrtausendlanger
Entwicklung weiter ausgestattet und verfeinert hat. Ebenso wie in
Altjapan treffen wir in Mikronesien die Sitte an, die Zähne tiefschwarz
zu färben, dort wie hier eine große Verehrung des Mondes, dort wie hier
eine sehr liebevolle und nachsichtige Kinderbehandlung und -erziehung.
Wie schon einmal erwähnt, ist auch in der Götterlehre manchen Eilandes
eine ganz ähnliche Naturverehrung, wie sie der Shintoismus aufweist,
festzustellen. Ein Reisender und Forscher, der lange in Japan, lange in
der Südsee leben würde und in alle Dinge des Lebens tiefer einzudringen
vermöchte, der würde wahrscheinlich noch auf dies und jenes andere
Gemeinsame stoßen.

Um zu den japanischen Ambitionen auf die Marianen und Karolinen
zurückzukehren, so gab es längst vor dem Kriege bereits Leute, die
einen vorteilhaften Weiterverkauf der beiden Inselgruppen an Japan
befürworteten und ihn als die beste Lösung aller deutsch-mikronesischen
Fragen betrachteten. Denn darüber war für den Einsichtigen niemals ein
Zweifel, daß Japan sich bei gegebener Sachlage der Inseln bemächtigen
würde.

So schrieb auch ich seinerzeit:

„Japan hat zwar vorläufig noch an Korea zu schlucken -- aber trotzdem
schielt es zweifellos auch beständig in die Südsee hinunter und bei
gegebener guter Gelegenheit wird es sicherlich versuchen, ob es nicht
nach den amerikanischen Philippinen und Hawaiinseln, nach den deutschen
Marianen und Karolinen erfolgreich die Hand ausstrecken kann.“ --

Es kam denn auch, wie es nicht gut anders kommen konnte. Man brauchte
kein großer Politiker oder Stratege zu sein, um das vorauszusehen. Nur
ein großer und wohlausgerüsteter deutscher Kolonialbesitz, der sich aus
sich selbst und ohne Flotte verteidigen konnte, hätte im Weltkrieg mit
vollem Erfolg bestehen können, nie aber solch zerstreute, so weit vom
Mutterland abliegende Inselgruppen.

       *       *       *       *       *

Allmählich begann mir die Zeit lang zu werden. Die Natuna kam nicht im
Februar, kam auch nicht im März, hatte, wie ich später erfuhr, bereits
Ende Januar, ohne Jap zu berühren, die Südsee verlassen. Ebensowenig
ließ sich der japanische Segelschoner blicken. Auch sonst wollte kein
weißes Segel, kein schwarzer Rauch sich draußen auf dem blauen Meer
zeigen.

Ich sitze fest in unfreiwilliger Gefangenschaft. Und wenn ich noch so
sehr in die Weite sehe und spähe, ich erblicke nie etwas anderes als
unendliche Wasserfläche, so daß ich schließlich an meiner Befreiung
wirklich oft verzweifeln möchte.

Ärgerlich kehre ich der See den Rücken und stürme in meinem Gefängnis
herum. Sehr groß ist es ja nicht. In zwei Tagen kann ich die ganze
Insel zu Fuß umwandern. Sie ist, darüber ist nicht zu streiten,
wirklich ein kleines Paradies, ein einziger, großer, blühender Garten.
Da ist am Strande der See bald flacher Sandstrand, wo die stets
vergnügte, braune Jugend fischt, badet und sich im Kanoefahren übt,
bald wieder dichter Mangrovenbusch mit ganz unglaublich verschlungenem
Wurzelwerk, undurchdringlich und dunkel, unheimlich fast, nur vom
Leguan, großen Riesenkrabben und anderm Kriechgetier bevölkert. Dicht
neben dem Wasser, fast darin sich noch bespiegelnd, ist das Reich
der Palmen, steht Palme an Palme, ein einziger, fast die ganze Insel
umfassender Palmenwald. Wenn die Luft ruhig und still ist, dann
flimmert das heiße Sonnenlicht schwer in den regungslosen breiten
Kronen. Aber schöner ist’s, wenn der Meerwind lustig herangeflogen
kommt, daß sie zu flüstern und sich behaglich zu wiegen beginnen. Doch
am schönsten wird es in den taghellen Vollmondnächten, wenn das Meer
viel Meilen weit hinaus erschimmert und der große, große Wald brausend
mit mächtigem Rauschen der sehnsuchtsvoll zu ihm herandrängenden See
sein Nachtlied singt.

Weiter landeinwärts dehnen sich große Lackfelder mit ihren breiten,
mannshohen Blättern, blüht der Hibiskus mit freudigem Rot, grüßen
zauberhafte Orchideen in allen Farben hernieder, stehen dicht die
Drazänen, schimmert rosig die Ananas, und über all dem schweren
Reichtum wölben sich die Kronen uralter Bäume. Erst auf den Höhen wird
der Boden magerer und geringer. Nur der ölbaumgraue, hartblättrige
Pandanus liebt solch trockene, sonnenverbrannte Erde.

Schön ist es ringsum, aber Freiheit, die ihre Grenzen selbst sich
steckt, hat seit Adams und Evas Zeiten seltsamer Menschensehnsucht
immer köstlicher und begehrenswerter geschienen als das allerschönste,
aber mit hohen Mauern umgürtete Zwangsparadies. Die Mauern, über die es
kein Entrinnen gibt, hat hier das Meer gebaut, unüberschreitbarer, als
sie je ein Zwingherr aufgeführt hat. Und ich sehe sie überall, diese
viele Hunderte von Meilen breiten Wassermauern. Selbst wenn ich tiefer
in den Busch hineingewandert bin, nach wenigen Wegstunden stehe ich
doch schon wieder vor derselben, heiter und sonnig lächelnden, aber
doch so betrübsamen und unüberbrückbaren Meeresunendlichkeit.

Bald habe ich manchen Tag, wo ich mein kleines Paradies kaum mehr
sehe und beachte, manchen, wo ich aus der ganzen, goldenen Pracht am
liebsten auf und davonlaufen würde. Freilich kommen dann auch wieder
Stunden, wo ich mir ein frohes Herz nehme, daß all die lachende
Schönheit wieder aufs neue ersteht, jung, unvergänglich und bezaubernd,
wie ich sie im lauten Jubel erster Begeisterung gesehen -- gesegnete
Glücksstunden.

Aber am grauen Alltag habe ich doch bereits mit schärferem Auge
zuzusehen gelernt und habe da und dort trotz aller Sonne einen Schatten
erspäht. Zuviel Licht, zuviel Sonne! sage nun auch ich. Ich beginne
zu verstehen, daß die Insulaner in ihrer Einfalt die Sonne, deren
Wohltaten sie nicht begreifen, nicht lieben, sondern hassen -- nur
den Mond mit seinen kühlen, schimmernden Nächten haben sie ganz ins
Herz geschlossen -- und daß sie nach der heißen Herrin des Tages und
ihrem flammenden Strahlenzepter in ohnmächtiger und verbissener Wut
Scheltworte und Steine emporschleudern.

Wie schwül und schwer oft der Tag! Wie drückend, sowie ich das Zimmer
betreten, die Nacht! Und gar erst bei Windstille, wenn draußen kein
Blatt und kein Grashalm sich regt. Wie unerträglich der scharfe, nie
zur Ruhe kommende, metallene Rundgesang der Moskitos!

Ich empfinde plötzlich als lästig, was ich im Anfang als
selbstverständlich und mit einem Lächeln hingenommen habe.
Unternehmungslust und Arbeitsfreude weichen langsam einer trägen,
stumpfen Gleichgültigkeit. Gottlob, sage ich mir oft, daß ich hier
nicht für immer zu bleiben gezwungen bin. Ich werde eine bange Ahnung
nicht los, daß alle meine Kräfte dann gänzlich erschlaffen würden.

Nun bin ich auch schon so weit, daß ich all die mannigfachen Klagen der
ansässigen Europäer besser verstehen kann.

Es gibt ja da und dort in der Südsee einige, die sich vollkommen
eingewöhnt haben und sich sehr wohl fühlen, Menschen, die einen großen
Wirkungskreis haben, mehr aber noch Leute, die ganz jung als Matrosen,
Fischer, Jäger, Abenteurer oder Händler durch irgendeinen Zufall
hängengeblieben sind, die zehn, zwanzig und noch mehr Jahre Deutschland
nicht gesehen haben und auch gar keine sonderliche Sehnsucht mehr
danach haben. Sie sind teilweise, wie man hier sagt, allmählich
„verkanakert“, haben nicht mehr sehr viel andere geistige und leibliche
Bedürfnisse -- den Alkoholgenuß vielleicht ausgenommen -- als die
phlegmatisch zufriedenen Inselkanaken selbst.

Alle andern aber, besonders Menschen mit regeren geistigen Interessen
oder Leute, die an einen größeren, gesellschaftlichen Kreis gewöhnt
waren, fühlen sich selten auf die Dauer sehr befriedigt, und manche
kommen verbittert sogar dazu, die in der Südsee verlebten Jahre als
„verlorene“ ihres Lebens zu bezeichnen.

Das abgebrauchte Sprichwort, daß man nicht ungestraft unter Palmen
wandle, wird hier oft zur vollen Wahrheit.

Wir Deutsche, die wir den Nordländern zuzuzählen sind, vertragen eben
auf die Länge keinen ewigen und noch dazu einen so gewaltigen und
mächtigen Sommer. Wir wollen auch nicht immer nur Blumen und Blüten
und Früchte, immergrüne Sträucher und Bäume sehen. Stark duftende
Linden, rotwelkende Buchen, weiß beschneite Fichten stehen manchem
hier draußen lockend vor Augen. Wenn man all das, sich folgende und
ablösende Jahreszeiten, Frühlingsahnen, Herbstschauer und Winterstürme,
den Wechsel in der Natur, Werden, Leben und Sterben, mehrere Jahre
entbehrt hat, so leiden darunter, anfangs unmerklich, später stärker
und stärker, Leib und Seele. Die Nerven beginnen bei vielen lebhafter
als gut ist zu spielen oder sagen gar Generalstreik an. Bald überfrohe
und überlaute, ungesunde Lustigkeit, bald unmittelbar darauf und ohne
jeden begründeten Übergang Zeiten innerer Zerrissenheit und tiefster
Depressionen, die sich manchmal bis zum vollständigen Lebensüberdruß
steigern können. „Neurasthenie“, wird der Arzt sagen und wird wenig
tun können, sie zu heilen, solange der Betreffende an Ort und Stelle
bleibt. Nur ein Klimawechsel kann Besserung bringen. Ist dieser
unmöglich, so wird der böse Zustand immer wieder und immer stärker
kommen.

Immer mehr sehnte ich den Tag herbei, an dem es mir vergönnt wäre,
weiterzuwandern. Mit einer solch langen Reiseverzögerung hatte ich nie
gerechnet. Februar und März waren verstrichen. Jetzt im April begann
gar der lustige Passatwind einzuschlafen, schwerer und schwüler wurden
die Tage, dehnten und dehnten sich, endlos und ohne Schlaf war die
Nacht.

In der zweiten Hälfte des April sollte die Germania wieder
hierherkommen, und so setzte ich denn auf sie meine Hoffnung. Da
plötzlich ein Telegramm aus Sydney, daß die Germania in Ponape, der
Hauptinsel der Ostkarolinen, gestrandet sei und schwere Havarie
erlitten habe. Die Ausbesserung der Schäden werde mehrere Wochen
beanspruchen.

Geduld! Geduld! ... In dieser der menschlichen Natur so sehr
widersprechenden Tugend kann es ein Südseefahrer zur Weltmeisterschaft
bringen. Es hilft, hilft gar nichts, daß man jeden Morgen zu den
Flaggenmasten emporstarrt, ob nicht der bunte Wimpel zur Begrüßung
eines zufällig einlaufenden Schiffes lustig daran emporgehen will.

Zudem beginnt auf Jap, da der Dampfer über seine Zeit ausbleibt, alles
sehr knapp zu werden. Mehl und Kartoffeln gibt es längst nicht mehr,
auch die Konserven gehen ihrem Ende entgegen. Frisches Rindfleisch
kann auf Jap nur wenige Male im Jahre gegessen werden, zu Weihnachten
und Ostern wird je eine Festkuh geschlachtet. So greifen wir jetzt
auf die Schweine der Eingeborenen zurück, die so zahm sind, daß sie
die Insulanerinnen auf ihren Wegen durch den Busch wie treue Hunde
begleiten. Auch Fische lassen wir uns von den Japleuten besorgen. Sie
sind aber meist ungenießbar, da die Karoliner sie stets unausgenommen
auf dem Kanoe in der fürchterlichen Sonnenglut den ganzen Tag lang
liegen lassen. Nach mikronesischem Küchenrezept ist freilich ein sehr
starker Hautgout der Schuppentiere allererstes Erfordernis.

In der „Wirtschaft zur Kokosnuß“ ist die Bierquelle auch leider
versiegt. Zigarren und sonstiger Tabak sind fatamorganahafte Gebilde.
Ebenso ist sämtliches Schuhwerk auf den scharfen Korallensteinfelsen
mit der Zeit zum Teufel gegangen.

Aber die Germania kommt nicht, will nicht kommen!




22. Abschied von der Südsee.


Es ist Anfang Mai geworden. Ich habe, um für alle Fälle gerüstet zu
sein, bereits eifrig mit dem Packen begonnen. Keine leichte Arbeit das!
Ein ganzes Museum aller möglichen Dinge hat sich allmählich bei mir
angesammelt: Speere, Kriegs- und Tanzgürtel, Stein- und Muschelgeld,
Jagd- und Fischfanggeräte, Holzfiguren und geschnitzte Kanoemodelle,
Matten und Kleidungsstücke, Schildpattgegenstände, Schildkrötenschalen
und riesige, zentnerschwere Muscheln. All das muß nun in Kisten
verstaut werden.

Rasch ziehe ich auch noch ein letztes Mal zu meinen Lieblingsplätzen
hin, und jetzt, wo ich weiß, daß ich all das sehr bald nicht mehr,
wahrscheinlich gar nie mehr sehen werde, empfinde ich erst wieder ganz
allen Liebreiz und alle Schönheit.

Auch diese hundert unfreiwilligen Tage von Jap, die ich meist nur als
eine höchst unwillkommene Hemmung meiner Reise angesehen, werden mir
schließlich eine liebe Wandererinnerung bleiben.

Erinnerungen: Träume, die einmal leibhaftige Wahrheit und Wirklichkeit
gewesen -- Wirklichkeit, die jetzt schon nur mehr ein schöner Traum ist.

Bald, bald wird die Südsee, die ich so sehr ersehnt, die ich jubelnd
begrüßt, hinter mir liegen. All die südliche Schönheit, die allmächtige
Sonne, die tiefe, meerumgürtete Stille ist dann für mich nicht mehr,
ist alles versunken. Und ist doch alles auch fest und für immer
gegründet und gebaut. In jedem Augenblick dem suchenden Auge der
Sehnsucht erreichbar: Erinnerungen, das ganze Leben hindurch leuchtende
Erinnerungen. --

Am 6. Mai läuft die so heiß ersehnte Germania wirklich in den Hafen von
Jap ein und schon einen Tag später lichtet sie wieder die Anker. --
Noch ein letztes Händeschütteln mit den Zurückbleibenden, ein Grüßen
und Danken, ein Abschiednehmen für lange Zeit, vielleicht für immer.

Auf den Palauinseln ein kurzer Halt. Ich begrüße auch hier wieder gute
alte Bekannte, meinen liebenswürdigen Wirt vom Januar, Stationsleiter
Winkler, und meinen Freund Fujikawa. -- Meinen Begleiter Otto und
dessen Frau -- sie haben inzwischen wirklich geheiratet -- bekomme ich
aber leider nicht zu Gesicht. Er ist nicht an den Landungsplatz und auf
die Regierungsstation gekommen -- er ist kein allzu großer Freund wohl
von Regierungsbeamten und Vorgesetzten, die schon so manchen Tropfen
Wermut in den Kelch seines Lebens geträufelt haben.

Kurz nach der Abfahrt von Malakal in aller Morgenfrühe ein kleiner
Reiseunfall der Germania. Als wir der Küste von. Babeltaob entlang
steuern, ein plötzlicher Ruck und Stoß. Schon sitzt auch das gute
Schiff unbeweglich auf einem Korallenriff fest. So etwas ist recht
rasch und leicht geschehen. Die stark blendende Sonne, der blitzende
Wasserspiegel machen es oft fast unmöglich, die gefährliche Untiefe
rechtzeitig zu erkennen. Kapitän und Offiziere, die ganze Bemannung der
Germania arbeiten fieberhaft, um das Schiff von dem bösen Korallenriff
frei zu bekommen. Alles vergeblich. Trotz der verschiedensten Manöver
und Anstrengungen rührt sich die Germania nicht von der Stelle. Es wird
Mittag, es wird Nachmittag, brennend sticht die Sonne nieder, nicht
der mindeste Luftzug, der Kühlung brächte. Ein paar Kanoes schwirren
um uns herum. Wer weiß, ob wir sie nicht bald besteigen müssen, um an
Land, für recht lange an Land zu fahren, und ich mache mich schon mit
dem Gedanken vertraut, einen unfreiwilligen zweiten Aufenthalt auf
Babeltaob nehmen zu müssen. Denn wenn die Germania sich wirklich hier
sehr festgerannt hat, wird ihr niemand in ihrer unangenehmen Lage zu
Hilfe kommen können.

Nirgends ein Schiff, das sie abschleppen könnte. Auch keinerlei
Möglichkeit, sich mit Jap oder Hongkong zu verständigen.

Doch der Gott der Meere und Riffe hat ein Einsehen. Gegen Abend erlöst
er uns mit der wiederkommenden Flut und hebt das Schiff vom Felsen.
Alles ist gut abgegangen, und die Germania hat bei dem unliebsamen
Zwischenfall auch keinerlei ernsteren Schaden davongetragen.

Unsere weitere Reise verlief ohne jeden ferneren Zwischenfall. Das
Meer, das in diesen Breiten oft so bös und stürmisch sein kann,
war ganz eben und spiegelglatt wie nur irgendein windgeschützter
Hochgebirgssee. Wir machten sehr gute und rasche Fahrt und liefen,
nachdem einmal kurz die Philippinen in Sicht gewesen waren, am 18. Mai
in den Hafen von Hongkong ein.




23. Heimreise.


Noch manche Sonnenländer sah ich auf dieser Reise. Ich verbrachte einen
Monat in dem prächtigen Hongkong, ich lud mich in dem volksreichen,
lärmenden Kanton, in dem stillen, verschlafenen Macao, in dem schwülen
Singapore und Johore zu Gast, ich bestaunte Ceylons Herrlichkeiten.
Aber so vielerlei Länder und Städte lassen sich in einem Bande kaum
zusammendrängen.

Auf der „Scandia“ der Hamburg-Amerika-Linie, mit der ich die Heimreise
antrat, verlebte ich zwei Monate unter immer lachendem, sonnigem
Himmel. Eines Tages aber regengraues Firmament. Wir sind in der Nordsee.

Ich möchte nun auch dieses Buch genau mit denselben Worten schließen,
die ich damals, eine Reihe von Jahren vor dem Kriege, niedergeschrieben
habe. Denn ich glaube, sie haben in so manchem Punkte noch heute ihre
volle Berechtigung. Ich schrieb damals, im Sommer 1908:

„All das viele Geschaute gleitet noch einmal, als wollte es von mir
Abschied nehmen, in raschbuntem Wechsel an meinem Auge vorbei. Nicht
nur Schönheit und Freiheit fand ich da draußen in der weiten Welt. Ich
bekam auch wirkliche Einsicht in so manche Dinge, die ich bisher nur
mit den Augen der andern geschaut, nur aus Büchern und Reiseberichten
gekannt hatte. --

„Länder und Völker sind an mir vorbeigezogen. Ihre Stärken und
Schwächen, ihre Bedürfnisse versuchte ich zu erkunden. In Osten und
Westen hatte ich Gelegenheit, die Rassenfrage in den mannigfachsten
Abstufungen und Erscheinungsformen zu studieren.

„Und wenn ich jetzt am Ende der Reise noch einmal zurückblicke, so muß
ich wohl sagen, daß gar manches Land, gar manches Volk seine Sache
viel, viel schlechter macht als wir, daß andere aber wieder in so
manchen Dingen über uns stehen, und daß wir Deutschen noch in dem und
jenem von ihnen lernen könnten. --

„Ich sah auch das eigene Vaterland einmal aus der Höhen- und
Fernperspektive und hörte, wie es die andern -- Fremde, Feinde
vielleicht -- beurteilten. Einer allzu großen Beliebtheit im Rate der
Völker erfreut sich Deutschland sicherlich nicht. Oft mag das in Neid
und Mißgunst seinen tiefinnersten Grund haben. Denn deutscher Tatkraft
hat sich da und dort ein Ackerfeld erschlossen, das früher von andern
bebaut wurde. Aber manche Gegner und Spötter setzen doch oft an Stellen
ein, wo wirkliche Schwächen zweifellos vorhanden sind. Wir haben in
den letzten Jahrzehnten uns manchmal zu höflich gezeigt und unnütze
Verbeugungen gemacht, wir haben geschwankt und gezaudert, nicht recht
gewußt, was wir wollten, trugen Vorliebe für unnützen und hohlen Prunk
zur Schau, Parvenümanieren wirft man uns manchmal vor.

„Möchte das Deutschland der Zukunft stark und stolz, einfach und
schlicht, niemand zuliebe und niemand zuleide festen Schrittes einen
zielsicheren Weg gehen! ...

„Und Deutschland könnte das so gut, wenn es nur wollte. Hätte die
Kraft dazu in sich. Denn es geht ja aufwärts mit uns in vielfacher
Hinsicht. Unser Außenhandel wächst von Jahr zu Jahr -- im Lande mehrt
sich bei vielen der Wohlstand.

„Aber in diesem materiellen Aufstieg liegt auch eine Gefahr -- und es
ist meines Erachtens gewiß keine geringe. Schon haben wir so manche
unter uns, die nur mehr für ein einziges Ding auf dieser Welt Sinn
und Blick, Tatkraft und Willen haben -- für das „Geld“. Der Tanz vor
dem goldenen Kalbe hat begonnen, Hoch und Nieder beugt sich verehrend
vor dem schillernden Götzenbild. Alles, alles, glauben sie, müsse es
verschenken können.

„›Wach auf!‹ möchte man so manchem zuraunen, ein lautes ›Wach auf!‹
ins deutsche Land hineinrufen. Denn es ist an der Zeit, achtzuhaben,
daß wir über all dem eifrigen Haschen des rieselnden, rinnenden Goldes
nicht der viel höheren Güter vergessen, daß wir nicht plötzlich,
reich an Besitz geworden, doch unser Allerbestes für immer und
unwiederbringlich verloren haben.

„Deutschland! ... Wie zieht es mich jetzt wieder mächtig nach Hause.
Unsere Wurzeln, die ruhen ja doch in der Heimaterde, nur in ihr wird
unser Lebensbaum so richtig in Saft und Kraft bleiben können, hier
werden an ihm auch vielleicht Früchte reifen können. Willkommen denn,
Heimat! --“

Nicht freundlich empfängt uns das deutsche Fahrwasser!

Feuchter Nebeldunst und Nässe schlagen uns aus der gelbgrauen Nordsee
kalt entgegen.

Fröhlich vorwärts denn durch den grauen Dunst, vorwärts über die
gelbweiß aufschäumende Flut. Bald liegt die Nordsee hinter uns,
elbeinwärts geht die Fahrt. Grüne Wiesen grüßen herüber, wie lange hab
ich das nicht gesehen! Wetterfest und jugendschlank streben dahinter
dunkle Fichten zur Höhe, Ulmen- und Lindenkronen schwanken im Winde.
Schöner dünkt mich das Bild als die reichste Südlandfülle. Es ist ein
Stück Heimat wieder, Heimat wie der graue, ganz winterlich anmutende
Regenhimmel über mir, der breite, trübe Strom zu meinen Füßen.

Menschen rufen und winken vom Ufer herüber. Man sieht es der braven
„Scandia“ an, daß sie von weither kommt und nicht immer gute Fahrt
gehabt hat. Die Farben ihres Rumpfes sind von fressender Salzwoge bis
hoch hinauf weggewaschen; schwerer, rotbrauner Rost hat sich dick
auf die massigen Eisenplatten gelegt. See- und wettererprobt, wird
sie darum von den Menschen am Ufer, von den Menschen auf all den
uns begegnenden Dampfern und Booten doppelt herzlich in der Heimat
willkommen geheißen.

Und schließlich liegen wir im Hafen fest. Händeschütteln und flüchtiges
Abschiednehmen. Jeder eilt so rasch wie möglich an Land. Zwei Monate
lang hat man Tag für Tag, Stunde um Stunde beisammengestanden und
-gesessen. Wie eine große Familie hat sich die Schiffsgesellschaft gut
zusammengelebt. Am Morgen dachte man noch kaum an Trennung, am Abend
ist alles schon in alle vier Winde zerstreut. Die meisten werden sich
nie im Leben wieder treffen.

Aber kaum einer denkt beim Auseinandergehen, daß dies auch einen
Abschied bedeute, alle feiern heute ein Fest des Wiedersehens, manche
nach langer, langer Zeit, alle Herzen sind auf diesen Grundton
gestimmt, auf das Wiedersehen mit der Heimat! ...




Alte Reisen und Abenteuer


  Bd. 1 =Fernão de Magalhães=, Die erste Weltumseglung. Bearbeitet
  von ~Dr.~ +H. Plischke+

  Bd. 2 =Ulrich Schmidel=, Abenteuer in Südamerika. Bearb. von
  +Curt Cramer+

  Bd. 3 =J. Cook=, Die Suche nach dem Südland. Bearbeitet von
  ~Dr.~ +H. Damm+

  Bd. 4 =Peter Kolb=, Z. Vorgeb. d. Guten Hoffnung. Bearb. v.
  ~Dr.~ +H. Damm+

  Bd. 5 =Christoph Kolumbus=, Die Entdeckg. Amerikas. Bearb. v.
  ~Dr.~ +H. Plischke+

  Bd. 6 =Kapitän Phillip=, Gründung der Strafkolonie Sydney.
  Bearbeitet von ~Dr.~ +R. Plischke+

  Bd. 7 =Carl Friedrich Behrens=, Der wohlversuchte Südländer.
  Reise um d. Welt 1721/22. Bearb. v. ~Dr.~ +H. Plischke+

  Bd. 8 =Hans Egede=, Die Erforschung von Grönld. Bearb. v.
  ~Dr.~ +M. Heydrich+

  Bd. 9 =Hernando Cortes=, Die Eroberung v Mexiko. Bearb. v.
  ~Dr.~ +H. G. Bonte+

  Bd. 10 =Francis Drake=, Als Freib. i. Spanisch-Amerika. Bearb.
  v. ~Dr.~ +H. Damm+

  Bd. 11 =Marco Polo=, Am Hofe des Großkhans. Reisen in Hochasien
  u. China. Bearbeitet von ~Dr.~ +A. Herrmann+

  Bd. 12 =Mungo Park=, Vom Gambia zum Niger. Bearb. von ~Dr.~
  +P. Germann+

  Bd. 13 =Vasco da Gama=, Der Weg nach Ostindien. Bearb. v.
  ~Dr.~ +H. Plischke+

  Bd. 14 =Francisco Pizarro=, Der Sturz des Inkareichs. Bearb. von
  ~Dr.~ +H. G. Bonte+

  Bd. 15 =John Smith=, Unter den Indianern Virginiens. Bearb. v.
  ~Dr.~ +H. G. Bonte+

  Bd. 16 =Georg Wilhelm Steller=, Von Kamtschatka nach Amerika.
  Bearbeitet von ~Dr.~ +M. Heydrich+

  Bd. 17 =Herodot=, Reisen und Forschungen in Afrika. Bearb. von
  ~Dr.~ +H. Treidler+

  Bd. 18 =Tacitus=, Germania. Bearbeitet von ~Dr.~ +H.
  Philipp+

  Bd. 19 =John R. Jewitt=, Makwinnas Gefangener. Bearb. v. Prof.
  ~Dr.~ +A. Jacobi+

  Bd. 20 =Adam Olearius=, Die erste deutsche Expedition nach
  Persien. Bearbeitet von ~Dr.~ H. von +Staden+


Reisen und Abenteuer

  Bd. 1 =Sven Hedin=, Abenteuer in Tibet

  Bd. 2 =Sven Hedin=, Transhimalaja

  Bd. 3 =Kapitän Scott=, Letzte Fahrt (Scotts Tagebuch)

  Bd. 4 =Georg Schweinfurth=, Im Herzen von Afrika

  Bd. 5 =H. M. Stanley=, Wie ich Livingstone fand

  Bd. 6 =Kapitän Scott=, Letzte Fahrt (Abenteuer der Gefährten)

  Bd. 7 =Sven Hedin=, Durch Asiens Wüsten

  Bd. 8 =Sven Hedin=, Zu Land nach Indien

  Bd. 9 =A. E. Nordenskiöld=, Umseglung Asiens und Europas

  Bd. 10 =H. M. Stanley=, Im dunkelsten Afrika

  Bd. 11 =Georg Wegener=, Erinnerungen eines Weltreisenden

  Bd. 12 =Gustav Nachtigal=, Sahara u. Sudan

  Bd. 13 =Ernest Shackleton=, Im sechsten Erdteil

  Bd. 14 =Walter v. Rummel=, Sonnenländer

  Bd. 15 =W. H. Gilder=, Untergang der Jeannette-Expedition

  Bd. 16 =Slatin Pascha=, Feuer und Schwert im Sudan

  Bd. 17 =Einar Mikkelsen=, Ein arkt. Robinson

  Bd. 18 =H. M. Stanley=, Mein erster Weg zum Kongo

  Bd. 19 =Sven Hedin=, General Prschewalskij in Innerasien

  Bd. 20 =Sven Hedin=, Meine erste Reise

  Bd. 21 =H. M. Stanley=, Auf dem Kongo bis zur Mündung

  Bd. 22 =Henry S. Landor=, Auf verbot. Wegen

  Bd. 23 =Sven Hedin=, A. d. Schwelle Inneras.

  Bd. 24 =Otto Sverdrup=, Neues Land

  Bd. 25 =Hans Meyer=, Hochtouren im tropischen Afrika

  Bd. 26 =Douglas Mawson=, Leben und Tod am Südpol

  Bd. 27 =Arthur Berger=, Auf den Inseln des ewigen Frühlings

  Bd. 28 =Vilhjalmur Stefansson=, Jäger des hohen Nordens

  Bd. 29 =Prinz Max zu Wied=, Unter den Rothäuten

  Bd. 30 =Emil Holub=, Elf Jahre unter den Schwarzen Südafrikas

  Bd. 31 =L. V. Mausilla=, Die letzten wilden Indianer der Pampa

  Bd. 32 =Hans Meyer=, Hochtouren im trop. Amerika

  Bd. 33 =Rickmer W. Rickmers=, Die Wallfahrt zum Wahren Jakob

  Bd. 34 =Wilhelm Junker=, Bei meinen Freunden den Menschenfressern

  Bd. 35 =H. v. Foller=, Unter Javas Sonne

  Bd. 36 =Philipp Berges=, Wunder der Erde

  Bd. 37 =Alex. v. Humboldt=, In Südamerika

  Bd. 38 =Andreas Reischek=, Sterbende Welt

  Bd. 39 =Henry Hoek=, Aus Bolivias Bergen

  Bd. 40 =Martin Johnson=, Mit dem Kurbelkasten bei den
  Menschenfressern

  Bd. 41 =Ch. A. Lindbergh=, Wir zwei. Im Flugzeug über den
  Atlantik

  Bd. 42 =Therkel Mathiassen=, Mit Knud Rasmussen bei den
  amerikan. Eskimos

  Bd. 43 =Gerhard Rohlfs=, Kreuz und quer durch die Sahara

Jeder Band enthält 160 Seiten Text, etwa 30 Abbildungen und 2 Karten,
ist in sich abgeschlossen und einzeln käuflich / +Beide Sammlungen
werden fortgesetzt+

+Ausführliche Prospekte auf Verlangen kostenlos+

Verlag F. A. Brockhaus / Leipzig


Druck von F. A. Brockhaus, Leipzig





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SONNENLÄNDER ***


    

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