Adolf Schreiber : Ein Musikerschicksal

By Max Brod

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Title: Adolf Schreiber
        Ein Musikerschicksal

Author: Max Brod

Release date: July 7, 2025 [eBook #76456]

Language: German

Original publication: Berlin: Welt-Verlag, 1921

Credits: Jana Srna and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK ADOLF SCHREIBER ***


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                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1921 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Offensichtliche Fehler
  wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr
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[Illustration]




Eine Auswahl aus Adolf Schreibers Kompositionen ist unter dem Titel
„Zehn Lieder“ im gleichen Verlag erschienen. Nähere Angaben am Schlusse
dieses Buches.




                               MAX BROD

                                 ADOLF
                               SCHREIBER

                         Ein Musikerschicksal


                    1921 / IM WELT-VERLAG / BERLIN




               _Copyright 1921 by Welt-Verlag, Berlin._




  „Es ist leichter Glut zu sein als Mensch und zu glühen.“

  AUS EINEM BRIEFE A. SCHREIBERS.




Am 1. September 1920 lief Adolf Schreiber aus dem unwirtlichen Berlin
in den Wannsee. -- Flüchtig begann die Tagespresse sich mit ihm zu
beschäftigen. „Selbstmord eines Künstlers“ -- „Künstlerschicksal“.
Ein paar Notizen, eine interessant aufgetupfte Farbe in einigen
Feuilletons. „Typischer Fall“ hieß es. Aber das war der Fall gar nicht,
war im Gegenteil ein Äußerstes an Kompliziertheit, Seltsamkeit. Als
solcher freilich hätte er einen grellen Reflex auf das Typische werfen
können. Aber nur die Nächststehenden wußten das. In Zeilen von +Adolf
Heilborn+, +Auguste Hauschner+ blitzte es auf. Dann wurde es
wieder sehr schnell still.

In diesen Zeilen war daran erinnert worden, daß Adolf Schreibers
tiefverborgenes Leben schon einmal ohne seinen Willen in die
Öffentlichkeit gezogen worden war. Durch einen Artikel von mir, einen
Verzweiflungsschrei. +Siegfried Jacobsohns+ „Schaubühne“ hatte im
Mai 1913 das Folgende gebracht, als meinen

  „AUFRUF AN DIE MUSIKFREUNDE“.

  _„Bene qui latuit, bene vixit“??_

  „Dichtungen schreiben und Verbindungen anknüpfen ist zweierlei.
  Darf es aber dem jungen Autor leider nicht sein, von besonderen
  Glücksfällen eines Porphyrogenitus abgesehen. Meist wird nur
  ein Gang zu fremden Leuten, ein Eindringen in unbekannte
  Redaktionsräumlichkeiten über den Abdruck des ersten Gedichtes, des
  ersten Buches entscheiden.

  „Noch viel, viel schlimmer hat es ein Komponist. Der Notendruck ist
  teurer; und wer kauft Werke eines neuen Musikers! Die Verleger der
  Musikliteratur haben daher taube Ohren für neue Musik. Und eine
  Aufführung bedarf eines großen Apparats. Der junge Komponist muß also
  auf den Mäcenas und Apostel in einer Person warten. Fall Hugo Wolf
  und andre.

  „Ich würde mich gar nicht darüber wundern, wenn im Nachlaß eines
  unbekannten alten Mannes kostbarste Musik aufgefunden würde. Nichts
  hat es auf der Welt so leicht, sich zu verstecken wie gute Musik.

  „Es ist leider nicht naturnotwendig, daß geniale
  Musik-Inspirationsfülle mit einer gewissen Vordringlichkeit und
  Ausdauer des um die erste Aufführung buhlenden Benehmens sich paare.
  Andrerseits ist das ja sehr schön und keusch. Aber traurig bleibt
  es, daß der Komponist Adolf Schreiber, obwohl er seit Jahren in
  Berlin lebt, es durch die einfachen menschlichen Eigenschaften der
  Bescheidenheit und Zurückhaltung durchgesetzt hat, nur von einigen
  Zufallsbekanntschaften angehört zu werden.

  „Und doch ist die Musik dieses nicht mehr ganz jungen Mannes das
  Wichtigste und Ergreifendste, was mir seit Jahren erklungen ist.
  Schreiber hat zahlreiche Klavierkompositionen, Violinsonaten, Fugen,
  Orchesterwerke in seinen Schubläden. Und die Lieder, was für Lieder!
  Seine Melodien zu Prosazeilen Peter Altenbergs, seine naiven,
  kraftstrotzenden Balladentöne für Liliencron haben mich einen ganzen
  Sommer lang mit unendlichem Glück gesegnet. Ich sage es kurz: eine
  ganz originelle Eigenart gibt sich hier kund, ein ganz Natürliches,
  ohne besondere Komplikation ein bisher durch Zufall unbekanntes
  Grundelement der Musik.

  „Aber der Komponist selbst ist selbstverneinend, fast asketisch, er
  tut keinen Schritt für sich, er ist ein heroischer Ausnahmemensch.
  Diese Zeilen schreibe ich ohne sein Wissen, vielleicht gegen seinen
  Willen. Ich frage ihn nicht, ich frage niemand. Ich hasse den
  stupiden Zufall, der (was ja sehr schön und keusch ist -- bene qui
  latuit, bene vixit) Genialität und Selbstverkleinerung in dieselbe
  Brust eingebaut hat. Ich wende mich an die Öffentlichkeit. Ich bürge
  mit meiner ganzen Person, mit meinem Ansehen und mit der Zukunft
  meines Ansehens für die magische Gewalt der Kompositionen Adolf
  Schreibers.

  „Ich frage: Welcher Sänger, welche Sängerin studiert die Lieder Adolf
  Schreibers? Welcher Verleger bietet sich zur Drucklegung an? Wer
  veranstaltet den ersten Liederabend, den ersten Kompositionsabend für
  Schreiber?

  „Die Adresse: Kapellmeister Adolf Schreiber, Berlin-Halensee,
  Joachim-Friedrichstraße 2.“

       *       *       *       *       *

Diese schrille Lichtreklame war nur eine von den vielen, die ich
längs der Bahn Adolf Schreibers angezündet habe. Nicht die erste und
nicht die letzte. Ich hatte mir damals, nach vielen Fehlschlägen,
vorgenommen, um jeden Preis und geradezu mit Erbitterung das Schweigen
rings um meinen Freund zu sprengen.

Es ist absolut mißlungen. Nicht den geringsten Erfolg habe ich für
ihn erzielt. -- Ich betrachte das als einen Teil des mir persönlich
zugestoßenen Unglücks und Unrechts, als einen ganz beträchtlichen Teil
meines Mißgeschicks. -- Wer Glück hat, hat es nicht nur für sich,
sondern auch für die, denen er helfen will. Hätte sich doch Adolf
Schreiber einen mit weniger Mißgeschick behafteten Freund erwählt!

O, wie bitter es ist, dies niederzuschreiben -- jetzt, da alles vorbei
ist.

Was geschah nach jenem gewagten, nahezu unschicklichen, gewissermaßen
von Schamröte erglühenden Aufruf 1913? -- Ein Kammersänger meldete
sich, ließ aber nach einigen Briefen die Sache fallen. Ferner forderte
der Direktor einer Filmgesellschaft Musik zu Gerhart Hauptmanns
„Atlantis“. Auch daraus wurde nichts. Schreiber komponierte. Ob aber
die Musik zur Aufführung gelangt ist, weiß ich nicht. Jedenfalls wirkte
sie nicht nach. -- Das war alles. Mehr habe ich nicht gehört. Wiederum
schloß sich um den Lebenden das Lehmgrab, das er mit sich trug, mitten
durch das energieplatzende Berlin um seine Schultern mit sich trug.

Allerdings war das auch seine eigene Schuld, -- sofern man von Schuld
hier sprechen will. Ein anderer hätte die „Situation ausgenützt“.
Schreiber machte gewiß einen Kreis rings um sie. Er wich ja allem
Guten, Günstigen aus, das sich anbot. Jemand hätte da sein müssen, ihn
zu zwingen. -- Ein typischer Fall? Nein, ein geradezu phantastischer.
Und er zeigt so richtig die ganze Phantastik der Kunst in dieser Welt.
Da gab es also einen Menschen, der die Kunst ganz ernst nahm und sonst
gar nichts. Der von Nebendingen, Geschicklichkeiten des Lebens nichts,
aber auch nicht das Mindeste wußte. So sehr nicht das Mindeste, daß
er nicht nur alles falsch packte, dort scherzte, wo es ernst wurde,
und dort ernsthaft drauflosarbeitete, wo es nicht der Rede wert war,
-- nein, mehr noch, daß er direkt gegen sich lebte, Schützengräben
anlegte zwischen sich und seinem Glück, -- eine Haltung, die aber
durchaus ableitbar ist aus dem redlichen Gemüt eines, der eben nur
die Kunst ernst nimmt und sonst gar nichts. Er hatte nur seine Musik,
alles andere hätten die andern für ihn haben müssen. -- Sofort erhebt
sich die Forderung, daß man ihm nicht nur hätte helfen, nein, daß
man ihm hätte +Hilfe aufdrängen+ sollen. Und diese Forderung,
verglichen mit dem tatsächlichen Zustand der Welt und ihrem Benehmen
Künstlern gegenüber, -- ja, die klingt freilich einfach absurd. Und
dabei ist doch nichts geschehen. Es hat sich nur der extreme Schulfall
des Künstlers gezeigt, dieser Schulfall, den jedermann gedanklich
konstruieren kann, an den jeder schon wiederholt und mit ideologischer
Genugtuung gedacht hat, an den man quasi gewöhnt ist. Aber siehe da,
er ereignet sich nun wirklich einmal, und sofort reißt sich die ganze
Paradoxie unserer Existenzform auf, die Unmöglichkeit, zu leben ...

       *       *       *       *       *

Es gibt Menschen mit Ellbogen und solche ohne Ellbogen. Das Besondere
des Falles Adolf Schreiber war: er hatte nicht nur keine, sondern sogar
negative Ellbogen, Ellbogen gegen sich selbst.

Es konnte ihm nichts Widerlicheres geschehen, als wenn man eines
seiner Werke lobte. Er geriet dann in nackte Wut. Ich habe dergleichen
nie gesehen außer an ihm. -- Wohl gibt es eine edle Trauer,
Niedergeschlagenheit des Künstlers, der in die Bewunderung, die
seine Arbeit erweckt, oft genug nicht mit einstimmen kann, weil er
das höhere Ziel sieht, das er verfehlt hat, und niemanden außer ihn
bedrückt diese Vision. Diese Trauer also kommt vor, man kennt sie.
Aber Wut, aufrichtige, gallige Wut? Ich weiß es, daß Adolf Schreiber
oft, wenn ich von seinen Liedern entzückt war und dies aussprach,
mich für einen Lügner und Schmeichler gehalten hat. -- Heute, in der
Ewigkeit, mein toter Freund, weißt du es, daß ich nie schonen wollte,
daß ich nur deshalb und nur dann lobpries, wenn ich mich beschenkt
von dir fühlte, lebenserhöht, angefacht, -- durchsonnt jede Ader von
Glück, das dein junges liebeglühendes Genie gab. Ich habe ja öfters
auch ablehnen müssen, namentlich in den späteren Jahren. Die Melodien
deiner Jugendwerke aber kamen aus dem Himmel. Er gehörte, wenn du
vorspieltest, nicht mehr dir allein, der Zugang war offen, du hattest
nichts zu verbieten, nichts dreinzureden, wenn meine Alltagsstarre
in Tränen auftaute ... Aber Schreibers Benehmen war derart, daß es
einem die aufrichtigste Begeisterung hätte verleiden können. Sogar
ich, sein Jugendfreund, fürchtete den endlosen Wortschwall seiner
Ableugnungsversuche (er leugnete sein Genie). Ich hielt zuweilen mit
meiner Bewunderung zurück, nur um unerquicklichen Debatten über meine
„Falschheit“ zu entgehen. Es gab Zeiten, in denen er sich mir ganz
verekelte. Denn man fühlte in seiner Ablehnung alles Lobes sehr wohl
auch einen ungeheuren inneren Stolz mit. Diese Mischung von äußerer
Unterwürfigkeit, Selbstzerfleischung, Sadismus gegen sich selbst und
verborgenem Trotz, der zumindest als Eigensinn immer wieder ausbrach,
war äußerst schwer erträglich.

Er bat unaufhörlich jeden, der mit ihm zusammentraf, doch nur ja davon
überzeugt zu sein, daß er gar kein Talent habe, daß er den letzten
Dreck an Stümperhaftigkeit darstelle ... Die Welt läßt sich so etwas
nicht zweimal sagen. Sie ist ja im allgemeinen darauf eingestellt, so
oder ähnlich zu urteilen. Sie widersetzte sich ihm nicht, sie tat ihm
den Gefallen.

Die „Welt“: damit meine ich aber nicht etwa das volgus profanum. Von
dem wäre es selbstverständlich. -- Nein, der Fall Schreiber scheint wie
darauf angelegt, das Tiefste in bezug auf dieses Verhältnis „Künstler
und Kritik“ -- „Künstler und Rezeptivität“ zu enthüllen. Denn es waren
die feinsten Köpfe Berlins, die ich jedesmal, so oft ich für ein paar
Tage nach Berlin kam, auf Adolf Schreiber aufmerksam machte und mit
ihm zusammenführte. O wie grenzenlos haben sie mich alle enttäuscht,
alle! Obwohl ich es ihnen doch im vorhinein ausführlich dargelegt
hatte: „Da ist ein Mensch, absolut ungeschickt -- ungeschickt ist schon
gar kein Ausdruck für diesen Zustand chronischer Selbstmörderei --
ein Quell, den man erbohren muß aus härtestem Fels -- aber ich sage
euch, der Quell ist da“, -- obwohl ich sie also immer auf all sein
koboldhaftes Liebenswürdigsein, seine oft lästige Höflichkeit, seine
Verstocktheiten vorbereitete: keiner hat es auf die Dauer ausgehalten,
keiner hat an ihn geglaubt. Die Klügsten betrog er durch unaufhörliches
Sichselbstzerhacken, die Gütigsten ermüdete er durch seine unter
dem Schein des temperamentvollen Zickzackflatterns verborgene
Unnachgiebigkeit. Unbegreiflich aber bleibt es mir, daß die, denen er
seine Lieder am Ende dennoch vorgespielt hat, von diesen Feuerbränden
nicht definitiv entzündet wurden. Man sagt mir nun: Er spielte so
schlecht Klavier. Ich habe das nie gefunden (und ich verstehe schon
was vom Klavierspielen). Wohl aber weiß ich, daß Adolf Schreiber nie
das Klavier angerührt hat, ohne auf die schweinemäßigen Fehler, die er
sofort machen würde, im vorhinein zu fluchen. Er machte dann keine.
Aber nach dieser Introduktion hörte sie eben jeder. Eines ist wahr: das
verschmierende Weglasse-Klavierspiel, das zum modernen Kapellmeister
gehört, das verstand er wenig. Es widersprach seiner reinen, auf
ehrfurchtsvolle Sauberkeit bedachten Natur. Peinlich rang er darum,
jede Note, jede Sechzehntelpause herauszukriegen. Er spielte etwas
hart, warf kein Seidennetz über die Tasten, in dem unbequeme Akkorde
hätten in Andeutungen und falsche Schatten wegschlüpfen können ...
Dann heißt es, er habe seine eigenen Lieder mit entsetzlicher Stimme
gequäkt. Zugegeben; aber der Kenner muß eben diese Eigentümlichkeit so
manches Komponisten auf der Stelle ins tönende Silber der Konzertpodien
zu transformieren wissen ... O unbegreiflich, daß man nicht aufgehorcht
hat, wenn er mit der ganz ehrlichen Liebe des großen Bedürfnisses
von den Meistern sprach, die ihn beseligten: von Beethoven, Smetana,
Haydn, Brahms, Reger, Bach, von Dauthendey, Flaubert, Rilke. Er sprach
von ihnen, wie man von Wohltätern, von Almosengebern, vom täglichen
Brot, von Atemluft spricht. Er brauchte sie um ihrer selbst und um
seiner natürlichen Beschaffenheit willen, er war auf sie angewiesen,
er lechzte nach Schönheit und er sättigte sich an ihr. Ist denn solche
Liebe, solche Lauterkeit und Demut allzu häufig? Mir ist sie drei-,
viermal begegnet im ganzen. Sie mußte jeden erschüttern, sie brach so
rückhaltslos, so nebenzwecklos, so geradehin aus Schreibers großem,
stets erstaunt lächelndem Blick! -- Aber niemand sah es, niemand hat
diesen Blick zurückgestrahlt.

Die Fremdheit, mit der Menschen einander begegnen, die nicht gerade
Freunde oder Liebende sind, ist erstaunlich. So oft ich aus meinem
Gehäuse Prag hervorkrieche und ein paar Tage in Berlin verbringe,
fällt mir das auf. Gerade in Berlin fällt es mir besonders stark
auf, in den Kreisen der Künstler und des Kunstbetriebs. In Berlin
geht nämlich alles Äußerliche so glatt vor sich, das erleichtert das
Leben ganz ungemein. Die täglichen Lästigkeiten, die Friktionen des
schlechtfunktionierenden Tintenfasses, des verbrauchten Löschblattes
fehlen. Rhythmus erfaßt auch den Unfähigen, den Faulen, den Schlemihl.
Plötzlich strahlt er von Tüchtigkeiten, praktischen Zeiteinteilungen.
Man hat nie Zeit, infolgedessen hat man für das Wichtige immer Zeit.
Bei den Schaltern gibt’s kein Gedränge, denn das Publikum stellt sich
von selbst ohne Schutzmann im Gänsemarsch von der richtigen Seite an.
Trinkgeld-Meditieren ist abgeschafft. Jede Wohnung: Warmwasser, Balkon
-- was denn! ihre Loggia!! Selbst die mondlichtdünnste Unternehmung
stützt sich auf strammes Briefpapier, Bernhard-Type, ganz fette,
durch zittrigen Rand über sich selbst hinausgreifende Lettern und
Unterstreichungen nie weniger dick als eine Schriftzeile. Der ingeniöse
Fünfzack als Punkt, anders geht’s schon nicht --, das flößt unbewußt
Vertrauen ein. Wird etwas gegründet, wozu anderwärts noch nach Monaten
nicht mehr als ein Witz an Aktienkapital bereit steht, eine auf den
ersten Blick lebensunfähige, weltfern blaguierende Literatenidee,
eine Qualle, scheinbar nur im Aroma des Kaffeehauses haltbar, -- hier
tritt sofort ein wetterhartes Plakat, künstlerisch aufgemacht, in die
Erscheinung, verwandte Farben (orange in gelb, violett in schwarz)
werfen ihr Pathos ineinander, daß es nur so kracht, „Steinplatz“
oder „Pfalzburg“ sind um eine neue Telephonnummer bereichert und,
was das Merkwürdigste ist, die Sache lebt wirklich, fügt sich ein
in die Welt der Dividende. -- Infolgedessen fühlt man sich angenehm
gespannt, aufgepulvert, frei, gleichsam ohne Handgepäck, jedermann
tritt gutgeölt in den Tag, sogar Unterernährte haben eine fröhliche
Gesichtsfarbe -- und so ist denn der erste Eindruck der eines schnellen
freundlichen Entgegenkommens. Von Kälte habe ich nichts gespürt.
Was einer zu geben hat, wird rasch erkannt, in Empfang genommen,
umgesetzt. Querköpfigkeit, unnütze Reibung fehlt. So sollte man also
glauben, daß hier präzise Bahnen für jedermann geöffnet sind. Und doch
ist dieser erste Eindruck falsch. Die Glätte der äußeren Abwicklung
erleichtert inneres Anknüpfen, +aber bis zu einem gewissen Grade
nur+. Dann stößt man auf eine Asbest- und Aschenschicht, nicht
zu durchdringen. Dann rollt das Rad, mit dem sich’s so hübsch im
Takt rollen ließ, über einen hinweg. Der zur guten Stundeneinteilung
skelettierte Tag kommt den +leichteren+ Problemen der Geistigkeit
sehr entgegen, vor den +schwereren+ versagt er. Da, wo es heißt,
stundenlang, tagelang auf einem Fleck stehn und grübeln, da versagt
er. Das leichte, wohlabgestaubte, spiegelklar registrierte, mit
Telephon und Schaltbrett, Lauf-Pagen, Anmeldung usf. mustergültig
versehene große literarische Bureau „Berlin“, in seinen besseren
Abteilungen auf wirkliche Wertigkeit eingestellt, der besondern
Nüance nicht abgeneigt, manchen Bluff durchschauend, manche Mache
ablehnend, mit anständiger Klarheit richtig bemüht, -- da, wo man sich
die Haare raufen muß vor Entzücken, wo man leidenschaftlich nicht
nur die doppelte oder dreifache, schon sehr zuvorkommend bemessene
Konferenzzeit, sondern eventuell die ganze Zeit von der Schöpfung der
Erdkugel bis zum Weltuntergang hingeben müßte, ja, da kann es nicht
mehr mitmachen. Bei Adolf Schreiber konnte es nicht mitmachen. Es war
durchaus naturnotwendig (das sehe ich jetzt ein), daß in Berlin Adolf
Schreiber untergehen mußte. Berlin und Adolf Schreiber: das waren
absolute Gegensätze. In Berlin sind selbst ganz bizarre Originale von
Künstlern lebensfähig, -- die wohltuend praktischen Einrichtungen der
Druckereien, Adreßbücher, Untergrundbahnen, Klosette u. ä. kommen ihnen
entgegen; in andern Städten ergattert man ja nie, was man braucht,
es bedarf da Cecil-Rhodesscher Findigkeit und Unternehmungslust,
um nur an ein Waschlavoir zu gelangen -- und in Berlin wird selbst
Schrullenhaftigkeit irgendwie verwertet, allenfalls in Sensation
umgedeutet, auch der abseitige Einfall muß nicht auf „Notierung
gestrichen“ sinken, weil man eben kraft vernünftiger Lebensführung für
den Genuß einer gewissen rationierten Genialität Zeit behält, in Berlin
ist also alles trefflich eingerichtet und selbst das Unpassende findet
seine Unterkunft -- bis zu einem gewissen Grade. Adolf Schreiber aber
war gradlos, er war das Nirgendshineinpassende an sich, das Prinzip
der Untüchtigkeit in Reinkultur. Ihm bis zu einem gewissen Grade
entgegenkommen, hieß: ihm überhaupt nicht entgegenkommen. Er hätte
Jahrhunderte gebraucht, um (als Mensch) verstanden zu werden. So riß
allen die Geduld, auch solchen, die selbst komplizierte Fälle sind und
die sich nur mit Mühe aufrechterhalten, die in jeder andern Stadt
untergehen würden außer in Berlin, das wenigstens eine rationierte
Geduld hat, immerhin mehr Geduld mit seinen Künstlern als irgendeine
andere Stadt, die ich kenne. Berlin, das ich liebe, mit dem ich
persönlich ganz gut auskomme, denn einen kleinen Puff Fremdheit (wenn
auch nicht zu viel) halte ich eben aus ... Wenn nun aber ein Mensch wie
Adolf Schreiber das Unglück hat, daß er vollständig durch und durch
aus jener elysischen südwindzarten Lauterkeits-Materie besteht, von
der wir Hyperboräer glücklicherweise nur einen Teil mitbekommen haben!
-- Nicht die Technik der Großstadt hat Adolf Schreiber umgebracht. Die
Technik bringt den Geist nicht um. Sie erleichtert sogar sein Leben bis
zu einem gewissen Grade. Aber dieses „bis zu einem gewissen Grade“ hat
ihn umgebracht. Es konstituiert die Fremdheit zwischen den Menschen.
Unter dem Schild erleichterter geistiger Kommunikation, komfortabler
Bureaumöbel, schnellen Einverständnisses, das aber nur für robuste
Naturen oder für das robuste Teil zarter Naturen gültig ist, unter
dem Schein expeditiver Arbeitsmethodik schafft dieses „bis zu einem
gewissen Grade“ den besten Wert männlichen Verkehrs ab: die wahre,
grenzenlose, bis dort hinaus zeitverschwenderische Freundschaft.

Vor mir liegt ein alter Brief +Ludwig Rubiners+: „Lieber Herr
Brod! Ich war neulich bei Adolf Schreiber. Die Sache kommt mir bald
hoffnungslos vor. Denn er setzt seine fürchterliche Selbstzerfleischung
und Verachtung ja nicht einmal mehr in künstlerische Form um. Nun
betreibt er schon soundso lange bei einem alten Idioten Kontrapunkt,
natürlich nur, weil der Mensch seine Lieder schlecht findet! Neulich
war er beim Kapellmeister Reznicek, der ihm offenbar viel Gutes gesagt
hat. Infolgedessen hat er +mir+ lediglich wiedererzählt, wie R.
feststellte, daß Schreibers Lage hoffnungslos sei. Ein hoher Genuß war
es vor einigen Tagen für ihn, als er einen Hundertmarkschein aus der
Tasche verlor -- seine Produktivität wurde kolossal angeregt ... Da
sich aber dieser ganze Masochismus (ein leider allzu billiger Begriff!)
bei ihm nur in mündlichen Beteuerungen ausdrückt, also wie beim
Komponisten ein bloßes Phantasieren auf dem Klavier ohne Niederschrift
-- so erscheint mir die Sache hoffnungslos.“ -- Wie treffend ist
hier alles Äußere gesehen. Und doch ist der treffliche Psycholog
hinters Licht geführt. Denn Schreiber pflegte künstlerische Lethargie
+vorzutäuschen+. Das war einer seiner Tricks, um die Menschen
von sich abzustoßen ... Ich greife einen beliebigen seiner zahllosen
Briefe an mich heraus. Da heißt es: „Du glaubst vielleicht, ich wollte
Dich kränken, habe Launen oder wünsche den Himmel herabzureißen.
-- Nein, nein, nur ein bißchen Talent möchte ich haben und wollte
schon zufrieden sein und glücklich, aber so ist das Leben schier
unerträglich, allen zur Qual und mir zur unerträglichen Last, die ich
abschütteln möchte. -- Ich weiß, Du bist großmütig und wirst von einem
Bruch zwischen uns beiden nichts hören wollen -- aber was nützt die
Verzweiflung -- +ich kann nicht mit!+“ ... So suchte er mir immer
einzureden, daß er mein Leben unnütz belaste, mir Mühe verursache usf.
Indes war ich von Dankbarkeit für seinen „verlorenen Schwimmer“, für
„Fastnacht“, „Si dormis“ und andere Lieder immer aufs neue durchglüht.
War nun ich verrückt oder war er es? Seiner Beredsamkeit standzuhalten
war nicht leicht. Er brachte immer neue Argumente vor, wollte seinen
Unwert dem Widerstrebendsten nachweisen. Man mußte sich da immer wieder
vorhalten: das ist doch derselbe, der ...

Daß nun gerade ich die Geduld nicht verloren habe, rechne ich mir nicht
als besonderes Verdienst. Schreiber war mein Jugendfreund, unter all
meinen Freunden der frühest erworbene. Das bindet.

Ich hatte ihn kennen gelernt, als er dreizehn Jahre alt geworden war,
bei seiner Barmizwah. Ich stand damals im zwölften -- 1896.

Adolf Schreibers Vater und der meine sind in demselben Haus der Prager
Josefsstadt (Euphemismus für „Judenstadt“) aufgewachsen. Mein Vater
machte die Bankkarriere, Schreibers Vater wurde Tapezierermeister.
-- Ich rekonstruiere nachträglich, daß das Erscheinen der gesamten
Familie Brod bei dem Familienfest Schreiber als eine Art „Ehrung“
des arm gebliebenen Jugendgespielen gedacht war. Jedenfalls kam ich
damals zum erstenmal in das bescheidene Häuschen Altprags (wir wohnten
schon längst in der Neustadt). Nach der üblichen Konfirmationsrede
spielte der kleine Adolf ein wenig Violine. Das entschied. Denn auch
ich war damals schon eifriger Musikant, Klavierist. Wir beiden Kinder
tauschten unsere Erfahrungen und Wünsche aus, jenseits aller sozialen
Schichtungen, von denen wir ohnedies nur Schattenhaftes ahnten.

Dieses erste Zusammentreffen hat sich so klar in mein sonst schlechtes
Gedächtnis gestanzt, daß ich mich sogar noch des Likörs entsinne, der
damals herumgereicht wurde ... Das Häuschen der Castulusgasse aber ist
längst eingerissen. Ich kann die Stelle nicht finden, wo es gestanden
hat.

Adolf wurde eingeladen, uns zu besuchen. Er kam, samt der Violine. --
Diese ersten Besuche zeitigten in Keimanlage gleich das ganze künftige
Verhältnis zwischen den Freunden, ja Adolfs ganze Lebenseinstellung.
Er war furchtbar schüchtern, von einer trotzigen peinlichen
Schüchternheit. Es dauerte jedesmal buchstäblich stundenlang, ehe es
meiner Mutter gelang, ihn zum Kaffeetrinken zu bewegen. Die Grazie,
etwas als Selbstverständlichkeit anzunehmen, hat er nie besessen.
Dieses Kaffeetrinken brachte quälende Debatten hervor, manchmal
schon recht bösgemeinte Scherzhaftigkeiten, die mich rasend machten,
denn ich drängte doch schon zum Musizieren. -- Schrecklich war
mir auch die Verehrung, die Adolf meinem Gymnasialstudium, meiner
besseren Orthographie (was er „Bildung“ nannte) entgegenbrachte. In
musikalischer Entwicklung war er mir voraus, was er aber nie anerkennen
wollte.

Wir spielten vierhändig, auch Klavier und Violine. Überdies waren
wir völlig uns selbst überlassen. Ohne Führer schlugen wir uns auf
eigene Faust durch das Dickicht der ersten Kunstbegeisterungen. Dabei
gab es natürlich manches Komische. So fiel uns beispielsweise eine
bloße Violinstimme des Mendelssohnschen Konzertes in die Hände. Wir
glaubten fest und steif, daß diese Stimme das ganze Werk bedeute, --
daß es anders sein könne, auf diese Idee kamen wir gar nicht. Adolf
mußte mir nun immer wieder das Konzert in dieser Form vortragen,
es bezauberte uns völlig. Frei, ahnungsvoll, vieldeutig schwebte
der Faden der reinen Melodie über dem Abgrund ... Nun gaben wir von
Zeit zu Zeit unglückseligen Verwandten eine Vorführung, eine Probe
unseres fortschreitenden Könnens. Hauptnummer: Mendelssohn-Konzert
für Violine solo. Heute erscheint es mir freilich nicht mehr so
empörenswert wie damals, daß die Zuhörer dem dünnen Lineament der
einen Stimme nicht zu folgen vermochten, daß sie sich langweilten, zu
schwätzen begannen. O diese Wut gegen die Philister in unsern jungen
Herzen! Meine Entrüstung, als es hieß: „Er hat entsetzlich gekratzt.
Es ist zu schwere Musik u. a.“ ... Eines aber ist seltsam: als ich
in späteren Jahren zum erstenmal die Klavierbegleitung des geliebten
Konzertes hörte, war ich bitter enttäuscht. Die Harmonien, die wir
hinzuimaginiert hatten, waren so mystisch schön gewesen.

Wir waren auf Zufälle angewiesen. Ich entsinne mich eines Nachmittags,
da uns die vierhändig gespielte Ouvertüre „Der Kalif von Bagdad“
(Boieldieu) faszinierte. Eine Stelle, die mir heute ganz gleichgültig
erscheint, erregte damals unsere ganze Glut. (Es ist der 37. bis
32. Takt, vom Schluß aus gezählt, -- offenbar stießen wir auf diese
Akkordfolge zum erstenmal.) Immer wieder spielten wir diese eine
Stelle und immer lauter. Wir schrien vor Vergnügen, wir sangen mit.
Wir spielten die ganze Ouvertüre von vorn, um uns nochmals überraschen
zu lassen, um die ganze Süßigkeit auszunutschen. Wir überboten uns in
den hartnäckigen Ausrufen: „Jetzt aber noch einmal!“ Als die Eltern
heimkamen, fieberten wir beide. Adolf wurde schnell heimgeschickt und
ich ins Bett.

Niemand nahm sich unseres Geschmackes an. Wir bildeten eigene, sehr
primitive Terminologien. Das höchste Prinzip unserer Verehrung hieß
„Dissonanz“. Der Dreiklang galt als verflucht. Inbegriff aller
Lächerlichkeit war Weber. Wagner überstrahlte bald alles. -- Wollten
wir etwas als äußerst geschmacklos und banal bezeichnen, so lachten wir
höhnisch: „Preziosa-Ouverture“. Das war der Nullpunkt der Musikalität.
-- Wir haben später unsere Ansichten mehr als einmal revidieren müssen.
Namentlich Adolf schwärmte dann für die einfachsten Formen, für Mozart
und Haydn. In diesen Bezirk konnte ich ihm nicht folgen. Ich gestehe,
daß mir noch heute von allen musikalischen Klassikern Weber der am
wenigsten zugängliche ist.

Unser Taschengeld sparten wir in einer kleinen Holzkassette. War sie
voll, so wurden aus diesem Schatz Sonaten für Klavier und Violine
gekauft. Die Klavierstimmen lagerten bei mir, die Violinstimmen bei
Adolf. Dieser gemeinsame Besitz an Viotti, Spohr, Vieuxtemps, Beethoven
u. a. war unser Freundschaftstolz. Einmal aber war schon Teilung
proponiert. Die Freundschaft sollte gekündigt werden, und zwar aus
„nationalen Gründen“. Der kleine Adolf wurde an einer tschechischen
Bürgerschule, ich im deutschen Gymnasium erzogen. Der chauvinistische
Geist der Schulen wirkte. So fühlte sich Adolf als fanatischer
Tscheche, ich als erbitterter Minoritätsdeutscher. Es kamen die
Dezemberkrawalle 1897, nach dem Sturz Badenis schlug der Pöbel allen
Deutschen und Juden die Fenster ein. Auch in meiner Elternwohnung
splitterten nachts die Scheiben, bebend flüchteten wir aus dem
gassenwärts gelegenen Kinderzimmer ins Schlafzimmer der Eltern. Ich
sehe noch, wie mein Vater die kleine Schwester aus dem Bett hebt --
und am Morgen lag wirklich im Bett ein großer Pflasterstein. Mit einem
Bügelbrett wurde das Hoffenster verbarrikadiert. Aber wir schlossen
kein Auge. Welche Beruhigung endlich für die ängstlichen Kinderherzen,
als der feste Schritt des Militärs draußen die Straße räumte ... Am
nächsten Morgen führte ich meinen Freund vor die verwüstete Fassade,
erzählte ihm alles, forderte ihn auf, angesichts dieser „Barbarei“
sein Tschechentum abzuschwören -- oder es sei alles aus zwischen uns.
Er gab aber nicht nach. Zum soundsovielten Mal kam es nur zu unserem
heißen Kindergespräch über Recht und Unrecht ... Nach vorübergehender
Abkühlung unserer Freundschaft scheint uns indes der gute Genius der
Musik bald wieder zusammengeführt zu haben.

Viele Jahre darauf merkten wir beide, obwohl in Häusern ohne
jüdische Tradition aufgewachsen, wohin wir gehörten. Von unsern
Kindheitsnationalismen blieb, uns beiden gemeinsam, die Liebe zur
deutschen wie zur tschechischen Musik; da gab es dann keinen Streit
mehr. -- Adolf Schreiber war völlig unpolitisch. An meinen kulturellen
Interessen (z. B. dem „Jüdischen Volksheim“ in Berlin) nahm er
einigen Anteil. Wie tief aber das Judentum in ihm saß, auch ohne
Wissensfundierung, entnehme ich jetzt bei Sichtung aller Erinnerungen
(zu meinem Erstaunen) einer alten Briefstelle: „Den Versöhnungstag habe
ich heuer das erstemal in meinem Leben -- menschenwürdig verbracht
-- ich habe über die Zerstörung des Tempels geweint. -- Muß das eine
furchtbare Katastrophe gewesen sein. -- Bei der Zerstörung ist jedem
persönlich ein Leid zugefügt worden, ein unerreichbares Ideal ist
vernichtet worden -- Männer und Frauen weinen auf der Straße -- können
kaum mehr gehen -- einer erzählt dem andern -- die Kinder schreien und
weinen, daß ihre Eltern nicht zu Hause sind -- daß sie nicht zu essen
bekommen, aber diese denken nicht an Speise und Trank -- sie fühlen nur
den Schmerz und Verlust -- alles vergißt zu essen, zu leben. -- Und wir
Elende -- was ist uns Hekuba -- wir feiern diesen Tag mit Fasten -- wir
entsagen der Speise -- bewußt -- hungern und dürsten -- wie bewußt!!!
und beten für +unser+ Wohlgedeihen.“ -- -- --

Schon die Tage der Kindheit schwächten meinen Freund durch allzu böse
Kämpfe. Er sollte Handwerker werden. Endlich setzte er es durch, ans
Konservatorium zu kommen. Zuerst in die Violinschule. Dann kostete
es wieder große Anstrengungen, in die Kapellmeisterklasse unter
Dvořák übernommen zu werden. -- Er plagte sich mit Violinstunden.
Eine Zeitlang war auch ich sein Schüler. Und da zeigte sich die andere
Seite seines Wesens. Er sekierte mich entsetzlich. Klavier hatte ich
leicht erlernt; mit dem Violinspiel ging es nicht vorwärts. Mit Grauen
denke ich an die erfolglosen unendlichen Lektionen zurück. Aus jeder
Kleinigkeit machte Adolf eine Affäre, über Hand- und Armstellung,
Bogenhaltung usf. kam man monatelang nicht hinaus, besonders
schmerzhafte Griffe mußten besonders oft wiederholt werden, bis alle
Gelenke krachten -- Niedersitzen, wenn die Beine zitterten, war nicht
erlaubt, nicht fünf Minuten der langen Stunde ließ er sich abhandeln,
gab lieber noch zu. Dabei immer dieses höflich-höhnische, geradezu
erfreute Lächeln im Gesicht des grausamen Lehrers. Spartaner gegen sich
selbst, war er es auch gegen andere. In konniventester Form folterte
er, und es war manchmal das Nebensächlichste, worauf er bestand. --
Er mochte dem Gotte der Kunst nur unter Qualen dienen. Man kann sich
vorstellen, wie das in seinen Provinz-Operetten-Ensembles gewirkt haben
mag.

Denn das ist ja die Tragik in seinem Leben: er, der Philisterhasser,
der glühend in sich verschlossene Verächter alles Mittelmäßigen
und Niedrigen, hochgespanntester Empfangsapparat für die äußersten
schwierigsten keusch-ernsthaftesten Wellenlängen der Kunst
und Kunstmoral, mußte Zeit seines Kapellmeister-Daseins der
+Operette+ dienen.

Hier ist der Ort, gegen einen der furchtbarsten sozialen Mißstände zu
protestieren, der tief ins Kunstleben eingreift. -- Ein Kapellmeister,
der vom Geld seiner Eltern lebt, kann als Volontär oder Korrepetitor
an eine große Opernbühne gehen, wo er dann allmählich zum Dirigenten
aufrückt oder wenigstens die Anwartschaft auf den Kapellmeisterstab
eines andern wesentlich künstlerischen Instituts erringt. Adolf
Schreiber war so arm, daß er vom Konservatorium weg ins Verdienen
mußte. Die mehrjährige Schonzeit war ihm versagt. Das erstbeste
Engagement an eine Schmiere war ihm recht, denn auch um dieses
hatte er lange genug zu kämpfen. Wer nun aber hofft, aus der für
Unbemittelte notgedrungenen Anfänger-Schmierenlaufbahn jemals in die
Sphäre erstrangiger Kunst sich emporarbeiten zu können, der irrt
ganz gewaltig! Adolf Schreiber war nun einmal bei den Theateragenten
als Operettenkapellmeister abgestempelt -- und so blieb er es sein
Leben lang, trotz verzweifelter Versuche, an ein kleines, aber
anständiges Stadttheater zu gelangen. Lebenslänglich verurteilt zur
Geschäftsbühne, zur Polyhymnia des Profits, nie vor eine vollwertige
Kunstaufgabe gestellt. Und das alles nur, weil das Geld fehlte, ein
paar minderbesoldete Saisons einzulegen. Deshalb also dirigierte Abend
für Abend der scheue Erdengast im „Theater des Westens“ den „fidelen
Bauer“ oder die „Dollarprinzessin“. -- O, wie die Schablone arbeitet,
die Diktatur des „Faches“, mag es noch so sehr wider Anlage und Willen
gewählt sein. -- Wie oft hat Schreiber den Versuch gemacht, aus dem
Bannkreis der Amüsiermusik auszuspringen! Ein würdigerer Arbeitskreis
hätte zweifellos manche seiner inneren Disharmonien geschlichtet. Wer
weiß, vielleicht wäre er im Opernstudium oder mit guter Symphoniemusik
beschäftigt, also in den oberen Rängen des Metiers, auch seiner
Selbst-Unzufriedenheit, seines Minderwertigkeitsgefühls Herr
geworden! Wie freute er sich, wenn er nur einmal dazukam, richtige
gesundgewachsene Partituren zu schlagen, sei es auch nur eine der
älteren Operetten (Suppé oder Millöcker, Strauß) mit ihrer immerhin
feineren Faktur, ihren wohlgebauten Ouvertüren und Finalesätzen,
mit welcher Gründlichkeit und Feuerkraft warf er sich auf die ihm
so seltene Aufgabe! Aber das waren nur vorüberfliegende Sterne. Der
Horizont, der ihn dann immer wieder einschloß, hieß: Vaudeville. Aus
dieser traurigen „Lustigkeit“ gab es für den so tödlich ernsten, fast
humorlosen Menschen kein Entrinnen.

Einmal lächelte das Glück. In Kronstadt sagte bei einer
Lohengrin-Aufführung der erste Kapellmeister ab. Ich zitiere (o armes
Dokument eines erfolglosen Lebens) die „Kronstädter Zeitung“:

  „Der Aufführung des gewaltigen Wagnerwerkes ‚Lohengrin‘ sahen wir
  gestern mit geteilten Gefühlen entgegen. Einesteils bangte uns davor,
  ob wohl der Aufführung sich nicht so viele technische Schwierigkeiten
  entgegenstellen werden, daß der Gesamteindruck erheblichen Schaden
  leiden müsse, andernteils freuten wir uns auf die herrliche Musik.
  Unser Bangen wuchs, als vor Beginn der Aufführung Herr Chlumetzky
  vor die Rampe trat und dem Publikum mitteilte, Herr Kapellmeister
  Heß sei plötzlich ziemlich schwer erkrankt und es werde der zweite
  Kapellmeister Herr +Schreiber+ die Oper dirigieren. Es schien
  uns, als hätte Herr Heß bei den Proben den Eindruck gewonnen, die
  Oper gehe nicht und habe aus dem Grund die Leitung nicht übernommen.
  Dann erschien Kapellmeister +Schreiber+ und siehe, schon nach
  den ersten Takten des Orchesters kam eine Beruhigung über uns, wir
  sahen, daß Herr +Schreiber+ mit Energie und Sicherheit den
  Taktstock schwang. Und so blieb es bis zum Schluß. Wir müssen es
  gestehen, daß uns die Aufführung förmlich überrascht hat. Es war
  vielleicht die beste, die wir heuer gehabt haben usf.“

Daß der glückliche Zufall im Leben dieses Pechvogels keine weiteren
Konsequenzen gehabt hat, ist selbstverständlich. Nachzudrücken, wo
etwas nicht ganz von selbst ging: das verstand er nicht. Ich finde
in seinen nachgelassenen Papieren nur noch einige Theaterzettel
(„Hoffmanns Erzählungen“, „Figaros Hochzeit“), die ihn als
Operndirigenten zeigen. In eben diesem Nachlaß das Programm seines
Benefizabends im Stadttheater Bozen: es bringt das Vorspiel zu den
Meistersingern, eine Arie aus der „Entführung“, Balladen von Loewe und
Haydns Abschiedssymphonie. Eine lichtere Zeit verbrachte er an der
„Neuen Opernschule“ von Mary Hahn (Berlin). Unter seiner musikalischen
Leitung gab es Richard-Strauß-Abende, einen Wagner-Abend, Szenen aus
Glucks „Orpheus“. Wo er selbständig arbeiten konnte, bewährte er
sofort erlesenen Geschmack. Eine Saison lang war er Korrepetitor
am Deutschen Opernhaus in Charlottenburg. Künstler wie Hansen, die
Stolzenberg schätzten ihn sehr. Aber da er den ganzen Tag über Proben,
abends Bühnendienst hatte, von 100 Mark monatlich aber bei Verzicht
auf alle Nebeneinnahmen (Gesangsstunden) nicht leben konnte, mußte er
immer wieder Stellen von besser atembarer Musikatmosphäre aufgeben.
Volle Einnahmen brachte nur die Operette, ruhiges Aufdienen in bessere
Opernposten hätte zuviel Zeit beansprucht, so blieb es für Söhne
reicherer Häuser reserviert.

Mein unglücklicher Freund walzte so ziemlich über alle niederen
Kunststätten Deutschlands und Österreichs hin. Zuerst Linz, Tilsit,
Ingolstadt, Pilsen, Eger, Hermannstadt, Prager Sommertheater, Bozen,
-- dann Hamburg unter Direktor Monti -- 1906 zuerst im „Theater
des Westens“, dann unter Palfi im „Neuen Operettentheater“ am
Schiffbauerdamm -- die Odyssee einer Operettengesellschaft über Aachen,
Halle, Hannover u. a. -- dann Krankheitspause. Im Krieg sechs Wochen
lang Soldat, ja auch diese Tragikomödie fehlte nicht. Dann kam er
frei, zu Fronttheatern im Westen, wo er Lille, Cambrai, Valenciennes,
Longwy, später im Osten Minsk mit Foxtrott und Dreivierteltakt nebst
entsprechendem Bühnenvorgang zu beglücken hatte. Der Frieden brachte
ihm nur eine neue Tournee, Harz, Spandau, die kleinen Orte der Mark.
Die Truppe hatte nicht etwa ein Orchester mit sich. Überall spielte er
dasselbe Stück mit neuen Musikern, Dorfmusikanten oder Stadtkapelle.
Eine einzige Probe, dann die Vorstellung. Nach zwei, drei Tagen weiter
... Dazu also hatte eine schöne Jugend die geheimsten Herzsaiten zu den
wählerischesten Klängen sorgfältig gestimmt! Dies der Ausgang vieler
groß-hingebauter Pläne, unter Nachtwachen überwundener Hemmnisse,
Neugeburten. Unter der Last des ihm aufgezwungenen Schlendrians brach
er fast zusammen. -- Die letzte Anstellung war wieder bei Palfi, im
„Künstlertheater“. Doch davon später!

Ich blättere in deinen alten Briefen, mein Guter. -- Damals, als es
noch nicht klar war, daß dieser Ring sich unzerbrechlich schließen
würde um ihn, gab er sich auch der niederen Muse mit Straffheit und
Respekt hin. In einem schönen Brief erklärt er mir, wie auch eine
Schundoperette gut dirigiert werden könne, wie z. B. der Rhythmus
stets ins Absolute greife, wenn man ihn nur richtig herausbringt. Die
ganze Kraft der Jugendanfänge spricht aus solchen Theorien. Unglück,
Selbstanklage beschäftigte ihn auch damals schon genug, -- aber doch
immer wieder auch ein frischer Antrieb, ein heiter Sinnliches, das
später ganz fortfiel. Die Ferne war in schönem, perlenfarbigem Nebel
unendlich, Morgenlüfte wehten auf über dem Tau, -- am köstlichsten
wohl im Jahre des Pilsner Erlebnisses und der Wiener Tage. Ein oder
zwei Jahre darauf besuchte ich ihn in Berlin. Es muß um 1906 gewesen
sein. Wir hatten einander eine ganze Zeitlang nicht gesehen. Mein
erstes Buch war (unter lebhaftester Anteilnahme des Freundes) eben
erschienen. -- Da zeigte er mir seine ersten Lieder, sehnsüchtige
Erinnerungen an seine einzige große Liebe, an die „Rekonvaleszentin“,
an Wien. Diese Stunde war eines der markdurchdringenden, gleichsam
imprägnierenden Ereignisse meines Lebens. Damals fühlte ich, daß Adolf
Schreiber ein Genie ist. Ich habe an dieser Erkenntnis festgehalten
gegen alle Kohorten sogenannter „Sachverständigen“ und „Elitemenschen“,
ja gegen ihn selbst. Und ich werde an dieser Erkenntnis bis zu meinem
Tod festhalten, sie ist einfach ein Bestandstück meiner Seele,
unwiderlegbar. -- Die vorliegende erste Ausgabe Schreiberscher Lieder
wird mir überdies, das weiß ich, Bundesgenossen schaffen. -- Auch um
Gustav Mahler habe ich ja anfänglich völlig einsam gekämpft, bis zum
Krampf manchmal. Und wer kennt noch heute den großen Dänen-Musiker
Carl Nielsen, oder den säkularen Tschechen Janáček, dessen „Jenufa“
man einmal neben „Carmen“ und „Aida“ stellen wird! Wer kennt sie, auf
die ich seit Jahren hinweise! Aber die Welt ist taub, in ihrer Tücke
bringt sie sich selbst um die schönsten Genüsse! Das Erstaunliche dabei
ist ja nur, daß sie zu guter Letzt, nach einer Reihe von Jahren oder
Jahrzehnten doch immer noch von ihrer fallweisen Taubheit geheilt
wird ...

O die kleine Stube damals, das schwarze Leih-Pianino, -- wohin versank
die Nüchternheit des „Gartenhauses“, nackte Fassade hinter dem Hof
mit Staub-Grasbeeten, sauber chamotte-umrahmt! -- Schreiber spielte
die „Rekonvaleszentin“ nach Worten Peter Altenbergs. Süße Schauer
überjagten mich, ich brach in Tränen aus. -- Noch heute halte ich
dieses Lied für eines seiner Meisterstücke. Diese gut ausgelüfteten,
staubfreien Harmonien überall, -- spürte man nicht weißlackierte Möbel
des Krankenzimmers, linnengekleidete Schwester, ein Fenster groß,
offen, und weiche, klare, verzehrend-schmeichlerische Frühlingsluft ...
wie märzhaft jung bogen sich in jedem Takt, gleichsam ungewollt, zarte
Abweichungen vom Gewöhnlichen, alles so natürlich und doch neu, ohne
irgendwelche Exzessivität neu ... der fast sich von selbst ergebende
Fluß der Melodie, sprechend und gesungen zugleich ... und dann wie es
sich sammelte von den Worten an: „Ein Abglanz ihrer Leiden“ ... Die
beiden Takte von der „halbverwischten Kinderträne“ für sich allein
eine Intuition der allerhöchsten Art ... und wie es schloß, wie es
fiel und stieg. Wahrlich, wer von diesem Lied nicht hingerissen wird,
der weiß nichts vom Glück, nichts von den tiefsten Instinkten der
tönenden Welt. -- Das Lied gehört überdies zu den wenigen, die selbst
dem ungnädigen Schöpfer einige Zustimmung ablockten. Trotzdem brüllte
er mehr als einmal wilde Flüche, schwor, es zu vernichten. Da seine
Schaffenskraft erstorben sei, habe es keinen Zweck mehr, altes Zeug
aufzuheben. In seinem Nachlaß hat sich denn auch keine Abschrift dieses
Opus vorgefunden. Es existiert nur in dem einen Exemplar, das ich ihm
vor Jahren abgebettelt habe. -- Wohl aber fand ich unter Schreibers
Papieren einen Brief +Peter Altenbergs+, in der bekannten
Schul-Kurrentschrift, folgenden Inhalts:

  „Sehr geehrter Herr, +Marya Delward+ wird, falls es Ihnen recht
  ist, im Cabaret ‚Fledermaus‘, Eröffnung 1. Oktober, Ihre feine Sache
  singen.

  Ergebenst und dankend
  Peter Altenberg.

  ·|· Selbstverständlich gestatte ich die Herausgabe meines Textes.“

Ob es zur Aufführung gekommen ist, weiß ich nicht. Eher nein als ja.
Alle derartigen Dinge pflegten für Schreiber fehlzuschlagen.

Es wäre sinnlos, die ganze ermüdende Reihe meiner Anstrengungen hier
anzuführen. Bei Verlegern, Sängerinnen, Konzertdirektionen, Kritikern,
Essaisten pochte ich an. Alles vergebens. Ärgerlich war nur, daß
Schreiber selbst mir manchmal im entscheidenden Moment in den Arm fiel,
einen wichtigen Weg nicht machte, den ich ihm von Prag nach Berlin
hinübertelegraphierte u. ä. -- Einmal war (ohne mein Dazutun diesmal)
eine Verbindung mit +Humperdinck+ hergestellt. Schreiber suchte
ihn endlich auf, er wollte Stunden nehmen. (Er behauptete immer,
technisch unausgebildet zu sein.) Humperdinck sah Schreibers Lieder
durch. „Sie brauchen keinen Unterricht,“ sagte er dann. (Ehrt ihn in
meinen Augen.) Dies war für Schreiber das Signal, überhaupt nicht mehr
hinzugehen. Trotz Aufforderung. Weil der Mann ihn gelobt hatte. Sich
unterstanden hatte, ihn, ihn zu loben ...

Dagegen fand er einen alten Schulfuchs, der ihn in „reinem Satz“ und
„strengem Kontrapunkt“ zu unterrichten begann. -- Wäre die Figur
Adolf Schreibers erfunden: diesen Gipfelpunkt der Selbstzerstörung
hätte kein Dichter erfinden können, es sei denn Shakespeare selbst
oder Dostojewski! Schreiber begann nämlich, unter der Anleitung des
trefflichen Lehrers, seine früheren Kompositionen zu „korrigieren“. Er
wütete gegen seine eigene Unberührtheit und Genialität. Nun hatte er ja
endlich einen gefunden, der im Einklang mit ihm alles, was geschaffen
vorlag, verurteilte. Schreiber hatte eine unbegrenzte Verehrung für
die Kritik dieses Mannes, den ich nicht kenne, der mir aber von
mehreren Seiten als Pedant der allerkonservativsten Schule geschildert
wird... So finden sich in allen Arbeiten Schreibers unzählige
Bleistiftkorrekturen. Ich habe, wo immer es anging, die ursprüngliche
Fassung gewählt und ich glaube, auch spätere Publikationen werden mehr
oder minder auf die ersten Niederschriften zurückgreifen müssen. Hier
ist freilich der „Textkritik“ eine nahezu unlösbare Aufgabe gestellt!

Adolf Schreiber hat meiner Ansicht nach die Leistungen seines
Lebensfrühlings in späteren Jahren nie wieder ganz erreicht. Ein
Talent, gegen das aus allen Leibes- und Seelenkräften gewütet wird,
kann nicht anders als degenerieren. Dennoch hat er ein reiches
Lebenswerk hinterlassen. Ganze Stöße dieser Kompositionen aus den
guten Jahren liegen vor. Nur des beschränkten Raumes wegen mußten
einige meiner Lieblinge in der gleichzeitig erscheinenden Liederauswahl
wegbleiben. Dazu kommt vieles aus späterer Zeit, das ich noch gar nicht
erschöpfend beurteilen kann. -- Zu seinen Lebzeiten wurde ein einziges
seiner Lieder gedruckt und zwar in der Prager Monatsschrift „Deutsche
Arbeit“. Es heißt „Unsere Gespräche“ (Text aus dem „Weg des Verliebten“
von mir). Diese Veröffentlichung ist Prof. Rietsch und Hans Effenberger
zu danken. -- Ein einziges Lied von so vielen, vielen unschätzbaren!

Ein Engagement in Pilsen scheint für Schreiber das entscheidende
Erlebnis gebracht zu haben, das dann noch in Eger und bei einem Besuch
in Wien ausschwang. Doch auch die Örtlichkeit „Bozen“ taucht in mir
auf. Der verklungene Name „Ferra“ ... Ich entsinne mich mancher
Andeutungen von einem stolzen Mädchen und einer glücklichen Liebe, wohl
der einzigen, die er erlebt hat, -- obwohl viele Frauen ihn mit Liebe
umgeben haben. Ja, es gab einigemal Frauen, die das Einzigartige dieses
Mannes instinktiv begriffen und ihn in Sorgfalt, in selbstlosester,
Peinigungen unzugänglicher Zärtlichkeit gehütet haben. Frauen waren
in dieser Hinsicht feinfühliger als Männer, Künstler-Kollegen. Aber
Hingabe, Bewunderung, Anbetung -- das war ja etwas, was Schreiber erst
recht nicht vertrug. So scheuchte er Seelen fort, die er angezogen
hatte. Es gab immer Unglück und Öde um ihn. Dann wieder verschmachtete
er vor Sehnsucht. -- Welchen seltsamen Umständen nun es zu verdanken
ist, daß gerade das Pilsener Erlebnis die richtige Balance von Stolz
der Frau und ihrer Hingabe, von negativer und positiver Elektrizität
besessen hat, -- das fühle ich nur noch irgendwo im Dämmern der
Erinnerung, Schreiber hat es mir wohl erzählt, nachformen kann ich’s
nicht. Dunkel entsinne ich mich, daß eine gefährliche Erkrankung
dieses Mädchens eine große Rolle gespielt hat. Ich kann es mir etwa so
denken: Aufopferung und Schutzgewährung war ja so richtig Schreibers
Element, am Krankenbett winkte eine seltene Kombination, wie er sie
brauchte, die Stellung des hingebungsvollen Pflegers, die zugleich
eine beherrschende wie dienende ist. In dieser Stimmung mögen seine
geheimsten Fähigkeiten hervorgebrochen sein, Gnade in seinem oft
versiegenden Leben. So entstand die unsterbliche „Rekonvaleszentin“
und die verwandte Ballade „Maibaum“, die er „Und Pfingsten rings
--“ nannte. Aber damit nicht genug. Eine Fröhlichkeit, ein üppiges
Quellen der Sinnlichkeit wie nie zuvor und nachher nie wieder, besaß
ihn in jener bergumhallten waldigen weichen Wiener Zeit. Ein Heft
sehnsüchtiger „Walzer“ für Klavier zeugt davon. Schreiber schickte
sie mir mit einem Brief voll Innigkeit für Wien, -- „unaussprechliche
Sehnsucht nach Wien, nach dem Leben, nach der Liebe -- und so bitte ich
Dich auch diese Walzer zu spielen, weich, zärtlich, kosend, gemüt- und
gesangvoll. -- Ich fühlte immer eine alte Erinnerung in mir aufleben
-- wie ich den Kopf an ihr Boa, das auf ihrer Brust lag, lehnend den
zarten weichen Druck fühlte, mit dem sie meinen Kopf an ihre Brust
preßte -- das ist der Inhalt!“ -- Zuerst glaubte er, Schnitzlers
„Reigen“ in Musik zu setzen (mit diesen Walzern), dann aber fand er das
Buch zu brutal, zu realistisch. -- Auch schuf er eine ganz neue Form:
„Gstanzeln“, kurze, oft nur zweizeilige Liedchen auf volkstümliche,
dialektische Texte. Er schrieb schnell nacheinander zwei solche Zyklen,
die in ihrem Reichtum, rhythmisch und harmonisch originell, dabei von
einleuchtender natürlicher Invention zu dem Besten gehören, was ich von
ihm kenne. Daß diese Zyklen bald populär geworden wären und dabei den
Beifall der Kenner erlangt hätten, scheint mir sicher. Aber Schreiber
verwarf sie später vollständig, erlaubte mir niemals, daß ich mich um
eine Aufführung gerade dieser aussichtsreichsten Arbeiten bemühte.

Ich kenne nicht den Namen des Mädchens, die meinem Freund so viel
gewesen ist. Ich weiß nicht, wie sie auseinander geraten sind, wohin
sie sich gewendet hat, wie ihr Leben in all den Jahren verlaufen
ist, ich weiß gar nichts von ihr. Vielleicht hat sie ihn vergessen.
Vielleicht ist sie tot. -- Sollte aber irgendwo in der weiten Welt
dieses Blatt zufällig in ihre Hand kommen, so nehme sie es ehrfürchtig
erschauernd wie einen Gruß des Toten, -- und meinen stillen Dank dazu
für den überirdischen Lichtstrahl, der ins dunkle Herz eines bitteren
Menschen gefallen ist. -- -- -- -- -- -- -- --

An den „Walzern“ Schreibers bemerkte ich zum erstenmal eine
Eigentümlichkeit seines musikalischen Stils: die Akkorde scheinen
manchmal unreif, nicht voll genug, oder plötzlich an Stellen, wo man
es nicht erwartet, stumpf. Doch gilt es hier, im Urteil vorsichtig zu
sein. Das sind nicht etwa Fehler. Sondern gerade solche scheinbare
Ungeschicklichkeiten geben dem Duktus, nimmt man ihn nur einigemale
durch (unerläßliche Bedingung!) und gewöhnt sich an seine Untiefen,
einen wunderbaren Zauber von Unberührtheit, Naivität. -- Ich würde
diese Behauptung nicht wagen, wäre Schreiber der einzige Komponist, für
den solche „scheinbare Ungeschicklichkeit“ charakteristisch ist. Daß
man mir ohnedies vorwerfen wird, ich sei von Freundesliebe verblendet,
weiß ich. Dies hier aber würde den Vorwurf allzusehr provozieren. Ich
dürfte es also nur denken und -- schwiege. Doch glücklicherweise findet
sich bei Berlioz ganz ebendieselbe Eigenheit. Man höre etwa den Chant
de bonheur (aus Lelio). Gleich der Übergang vom dritten zum vierten
Takt zeigt genau diese leichte Härte, die ich meine. Aber wer würde
solche Kristallkanten aus Berlioz wegwünschen! Gerade in ihnen ist er
ja gleichsam: Berlioz zur dritten Potenz. Sie zeigen sich eigentlich
überall in seinem Werk, offenbaren sich schamhaft, mit herbem
jungfräulichem Reiz. -- Der Banause tritt hin und streicht sie als
dilettantisch an. Ohren aus Nilpferdleder haben die Leute! -- Um noch
präziser zu sagen, worauf es hier ankommt: im 47. Takt desselben Chant
de bonheur, bei der Sequenz auf das Wort „viens“ erwartet man in den
Sechzehntelfiguren der Begleitung kein d, sondern ein e. So steht es
auch im Vorspiel und Nachspiel. Hier aber -- eigensinnigerweise -- ein
kindliches schulfibelhaftes d. Man könnte es fast für einen Druckfehler
halten. Und es geht ja im Moment vorbei. Aber ein Duftmolekül aus dem
Paradies ist mit vorbeigefedert. Diese Duftsprühtropfen liegen überall
auf den Blütenblättern Berliozscher wie Schreiberscher Musik. Das
ist ja keine große Sache. Unsere Zeit ist an derbere Bekundung von
Eigenarten gewöhnt. Keine große Sache, -- es ist nur das, was eben das
wunderbare und geheime Wesen aller wahrhaftigen erlebnisnotwendigen
Kunst ausmacht. Aber abgesehen davon ist es wirklich nicht der Rede
wert.

Heute wird man einer Künstler-Eigenart erst gewahr, wenn sie sechsfach
unterstrichen, wenn sie außerdem als deutliche Etikette oben
aufgepappt, hundertmal wiederholt und dem starblindesten Kritikerauge
sichtbar wird. Der Künstler, der nicht in zehn Büchern immer wieder
denselben einleuchtenden Grundeinfall vorkaut, hat keinen Stil, sein
Profil verschwimmt im Nebel der Redaktionen. Tagore: ein Inder, da habt
ihr was, daran könnt ihr euch anhalten, Weisheit des Ostens, milde
Weisheit des Ostens, -- aus diesem Brocken kann auch der mittelmäßigste
Kopf einen Essai saugen, auf die intimere Verflechtung und Entwicklung
des Autors pfeift er, Etikette genügt. Welch erschütternde „Wahrheit“
hat nicht Sternheim entdeckt: Die Welt wird immer materialistischer,
Berlin voran, statt Persönlichkeitswerten gilt nur die Quantität,
-- eine Erkenntnis, bei der freilich ganze Bibliotheken von
Autoren aller Gattungen (Lyrik bis Nationalökonomie) vorgearbeitet
haben. Aber faßlich, unkompliziert schimmert sie, dem philiströsen
Anti-Bourgeois erfreulich, durch hübsche Sprachvertracktheit hindurch.
Ohne eine solche Marke ist Erfolg unmöglich. Mit Marke versehen hat
mißverständlicherweise sogar gute Qualität manchmal Erfolg.

Adolf Schreiber hätte sich wohl nie zur Marke entwickelt. -- Rufe
ich mir seine Figur auf, -- dunkle Augen unter hoher breitwölbiger
Stirn, das blasse kindlich-runde Gesicht, rettungslos traurig oder
hastig, verlegen lächelnd, den wie in Sturmwinde verlorenen, eilig
hingeblasenen Gang, den hohen mageren Körper, die enthusiastische
Sprache, voll von Stößen und Fragen --, so erscheint er mir wie der
Genius der Ehrlichkeit, ausgestoßen aus dem wohnlichen Umkreis der
Menschen. Und das wird immer so sein. Nur Zufall oder die Gnade Gottes
kann einmal ein Menschenkind, mit so viel Reinheit gesegnet, dem
Untergang entreißen. Beten wir für die arme Seele der Menschheit! --

Es ist das Beschämende unseres Kunstlebens, daß nicht der
lebenspendende Einfall, organisch entstanden und organisch
weiterwachsend, der zarte Einfall, der Berge versetzt, weil er
wahrhaftig aus einem übernatürlichen Erlebnis stammt, von Kritik
und eiligen „Kunstgenießern“ gefühlt wird (die sogenannten
„Edelfeuilletonisten“ miteingeschlossen) -- sondern beliebt ist
+das möglichst banale Grundmotiv+ in +möglichst outrierter
Aufmachung+. Gegen die Outrance als solche sage ich nichts. Auch
sie kann (ist es bei Schönberg) göttliche Herzbewegung sein. Aber
die herzlose Outrance, die Outrance, die das Allerhergebrachteste,
den kalten Braten von vorgestern deckt, -- sie ist die Feindin der
Kunst. Gebt mir einen richtigen Kunstverständigen! Daran will ich
ihn erkennen, daß er an dem aus Wahrheit entsprungenen Einfall
sich unlösbar festhakt, einerlei, ob es ein unscheinbarer, ins
Gebüsch springender Mimikry-Einfall ist oder ein Einfall in krasser
Plakatfarbe, plutzetoll. Auf beide Arten göttlicher Offenbarung
reagiert gleicherweise der richtige Rezeptor. Und er weiß auch, daß
die Physiognomie eines Wachsenden gewissen Veränderungen ausgesetzt
sein muß. Aber er entlarvt a tempo den „scriptorem unius libri“, soll
heißen: den Mann der Zeit, der dasselbe Buch hundertmal hintereinander
schreibt, bis ihn die Kritikerzunft bei der neunzigsten Wiederholung
desselben aufdringlich und auffallend herausgeputzten Fadismus endlich
als „Charakter“, als „Individualität“ zu bemerken nicht umhin kann. --

Will man sich zu Schreibers Liedern historisch einstellen, so vergesse
man nicht, daß alle in der gleichzeitig erscheinenden Sammlung*)
veröffentlichten (außer „Tanz der Unsterblichen“ und „Das Huhn“) aus
seiner Frühzeit stammen, in der von Einflüssen Schönbergs, Debussys
nicht die Rede sein konnte. -- Die Einfachheit vieler Schreiberscher
Konzeptionen ist aber, das wird man sofort merken, weit entfernt von
irgendeiner Schablone der Spätromantik, irgendeiner Schulkunst. In
jedem Takt ist eigenes Leben, oft nur durch feinnervige Abweichung vom
erwarteten Akkord kenntlich, oft energisch neuer Biegung hingereckt
(vgl. „Nach Catullus“ z. B. Takt 10–14, 23–25 und anderwärts).
Absichtlich habe ich zwei der einfachsten Lieder („Wiegenlied“ und
„Minnelied“) in diese Sammlung aufgenommen; nicht nur weil ihr Melos
und ihre Harmonik unvergeßlich tönt, Erfindungen ein für allemal,
wie seit jeher dagewesen und nur durch Zufall jetzt erst zu unserer
Kenntnis gelangt (so ist das Gefühl, das jede große Musik erzeugt)
-- sondern weil gerade im einfachsten Material der neue Einfall am
prätentionslosesten, am schönsten hervortritt. Man höre nur die Töne
„zieht ein Traum“, „kräht ein Hahn“, die Schlußworte des Wiegenliedes,
die akkordische Unruhe in „schlafe nicht ein“, die tiefe Innigkeit
„lieb von Herzen sein“, das völlig hilflos, völlig primitiv liniierte
„Ich werde sterben“ und die Gesangskurve, die danach aufgeht und hinab.
Oder hat man die Holzschnittfarbe der „Fastnacht“, den zweistimmig
geschnitzten Ländler und entzückendes Gespräch und klassisches,
formkräftiges Regengemälde je zuvor erlebt? Hier wie in dem Zyklus nach
+Christian Morgenstern+ leuchtet überdies ein Humor durch, wie ihn
der Mensch Adolf Schreiber kaum je zeigte. Über „Das Huhn“ ist nichts
zu reden, es wird bald sehr berühmt sein und auf den ganzen Zyklus
neugierig machen. Wie bei den Worten „daß ihm unsre Sympathie gehört“
gleichsam ein ganzer Männergesangverein losbricht: genial, genial! Und
als ich die Ballade „Trotzköpfe“ Professor +Oskar Bie+ vorspielte,
wunderte er sich, daß eine so intuitive Dramatik nicht längst in allen
Konzertsälen erklungen sei. Kann man sich ein dankbareres Vortragsstück
denken! (Die anderen Vorzüge will ich gar nicht besonders hervorheben,
die wundervolle Variations- und Rondoform u. ä.) -- Dieselbe Dramatik
in dem tieferschütternden „Maibaum“. Wie haben mich die Nonen und
Dezimen seines „Sensenschnittes“ zittern lassen -- die melodische
Linie, die sich zum Schlusse wiederholt -- oder die aus unnennbarer,
ganz dunkler Tiefe des Erlebnisses hervorgestammelten Worte: „und wenn
du mich verläßt“. -- --

  *) vgl. Seite 79.

Über die drei Lieder nach +Liliencron+-Texten liegt ein Brief des
Dichters vor. Ich führe ihn hier vollständig an. Er ist für Liliencron
wie für Schreiber charakteristisch. Schreiber hatte sich mehrere
Freiheiten erlaubt, Zeilen weggelassen, den Titel geändert. Er war in
dieser Hinsicht wie in manch anderer höchst eigenwillig, Synthese von
Adoration und Herrschsucht. So z. B. beharrte er darauf, zwei Zeilen
in Liliencrons „Trotzköpfchen“ folgendermaßen lauten zu lassen: „Such
dir ein ander Schätzchen wo, die wird durch deinen Reichtum +roh+“
... statt „froh“, wie der Dichter geschrieben hatte. Ich stritt mit
ihm öfters dieser „Emendation“ wegen und schließlich scheint er sie
dem Dichter doch nicht vorzuschlagen gewagt haben. Aber im Manuskript
hielt er natürlich eisern fest an ihr. -- Einmal zeigte er mir einen
sehr groben Brief von Bierbaum, der kurzerhand die Veröffentlichung
eines ein wenig „geänderten“ Gesangstextes verbot. Der arme
Schreiber! Es wäre ja vermutlich ohnedies nicht zur Veröffentlichung
gekommen. Schreiber aber war damals wochenlang tiefbetrübt. -- Der
lebenstrahlende Baron hingegen antwortete wie folgt:

  „Alt-Rahlstedt bei Hamburg, 11. 8. 7.

  Hochgeehrter Herr Capellmeister,

  Herzlichen Dank für Ihre drei herrlichen Lieder. Eben spielte
  Georg Kugelberg, unser großer Claviermeister, die Begleitung.
  Das erste wurde von den Zuhörern -- es ist die 97. Composition
  meines Wiegenliedes -- unendlich hoch aufgenommen. Aber ich fand
  „Trotzköpfe“, das soviel ich weiß noch nicht componiert ist,
  +außerordentlich charakteristisch+. Und habe über Ihre Musik
  gejubelt!

  Nun aber der Maibaum. Ich halte gerade die Str., die Sie weglassen
  wollen, für die besten. Und namentlich denke ich mir die Zeile: „Ein
  Wasser schwatzt sich selig durchs Gelände“ als besonders wertvoll für
  den -- Componisten. Den Namen „Der Maibaum“ geb ich nicht her. Oder
  ich würde nur dann den Titel „Und Pfingsten rings“ erlauben, wenn
  Sie unten auf der Seite die breite Erklärung geben würden, weshalb
  Sie den Titel geändert und die vier Strophen weggelassen haben. Der
  gute Brahms hat zwei Gedichte von mir componiert. Das eine, bekannte,
  vorzüglich. Beim andern, das nichts taugt (was er übrigens selbst
  zugegeben hat), hat er ganz einfach den Titel geändert. Ich nenne es:
  Tiefe Sehnsucht. Und er hat ihm den albernen Titel: Maienkätzchen
  gegeben, ohne mich zu fragen -- das kann ich ihm auch nach seinem
  Tode niemals vergessen. Herzlichen Dank nochmals für Ihre wundervolle
  Musik.

  Ein Wandsbecker (Baisamburg?) Lehrer am Matthias Claudius-Gymnasium
  wird sich erlauben, Ihnen nach etwa 8 Wochen eine kleine komische
  Oper oder Operette: Till Eulenspiegel vorzulegen. Er heißt Hugo
  Ritter.

  Ihr ergebenster
  Detlev Baron Liliencron“.

       *       *       *       *       *

Wie als Kapellmeister konnte sich Schreiber in siebenunddreißigjährigem
Leben auch als Komponist nicht einmal eines Anfangserfolges rühmen.
+Kurt Hiller+ wollte Lieder von ihm im „neopathetischen Kabarett“
herausbringen. Im letzten Moment sagt der Sänger ab. „Erleichtert habe
ich aufgeatmet“ schreibt mir Adolf. So stand er sich selbst im Wege,
zumindest mit Gedanken und selbsthasserischem Wunsch. -- +Herwarth
Walden+ kümmert sich um ihn, nützt ihn aber nur auf eine Art aus,
die hier zu benennen mir widerstrebt. -- Ein Lübecker Abend bleibt
ohne Folgen. -- Gegen das Ende hin veranstaltete die unendlich
gütige +Auguste Hauschner+ mühevoll werbend ein Konzert seiner
Lieder nach Christian Morgenstern. Es war das erstemal, daß er vor
erstklassige, gut eingeladene, wesentliche Öffentlichkeit kam. (Wenn
durch nichts anderes sollte Adolf Schreiber dadurch berühmt werden, daß
er es verstanden hat, vierzehn Jahre in Berlin zu leben, in engster
Fühlung mit Künstler- und Theaterkreisen, und doch völlig unbekannt
zu bleiben.) -- Selbstverständlich stand das Konzert unter einem
ungünstigen Stern. Zuerst rezitierte Resi Langer, wie immer mit großem
Erfolg. Die berühmte Sängerin aber (ihr Name sei verschwiegen) soll nur
wenige Noten so gesungen haben, wie der Komponist in unerklärlichem
Eigendünkel sie festgesetzt hatte. Im übrigen begnügte sie sich
mit Improvisationen. Der Begleiter spielte den delikaten, überaus
schwierigen Klavierpart -- vom Blatt. Hier erkenne ich übrigens die
Unglückshand meines armen Freundes: statt seine Schmierentournee laufen
zu lassen, Urlaub für acht Tage zu nehmen und den entscheidenden Abend
vorzubereiten, kam er erst am Vortage nach Berlin, schickte den Mann,
der die Lieder bis dahin einstudiert hatte, als untauglich weg (am
Vorabend des Konzertes), zerzankte sich mit der Diva usf. -- Der Abend
soll einem peinlichen Skandal nicht unähnlich geendet haben. Die Diva
eilte auch schon zu ihrem zweiten Auftreten anderorts, an demselben
Abend. Betrieb, Betrieb! Die Dame weiß wahrscheinlich bis heute nicht,
daß auf diese Art die letzte Chance für einen großen Künstler unter
ihrer freundlichen Mitwirkung verlorengegangen ist. -- Seltsamerweise
äußerte sich die Kritik nicht ganz ungünstig über die gehörten Fetzen
und Fragmente. „Berliner Tageblatt“ und „Börsencourier“ stellten
Individualität fest. Daß nun jemand Interesse am Individuum dieser
Individualität genommen und Schreiber „entdeckt“ hätte -- das kann man
vermutlich auf dieser Welt nicht verlangen.

Kein Zweifel, daß die Hartnäckigkeit der Mißerfolge Schreibers Herz
ermüdet hat, -- obwohl er nach außen hin diese Mißerfolge als gerechtes
Los eines Nichtkönners hinzustellen eifrig bemüht war.

Doch das Wesentliche war das noch nicht. -- Ich sehe die Briefe
durch, die Schreiber im Laufe der zwei Jahrzehnte mir geschickt
hat ... Nebenbei bemerkt: Diese Briefe sind in ihrer herrlichen
Ursprünglichkeit große Dokumente einer Menschenseele. Auch sie
sollten einmal veröffentlicht werden. Aber ist das möglich? Nur ein
Faksimile könnte sie wiedergeben. Denn die seltsam charakteristische
+Raumverteilung+ gehört mit zu ihrem Inhalt. Alle sind gleichsam
mit stürmender Hand hingeworfen, ohne Rücksicht auf Zeile und
Gleichmaß; bald bedeckt ein einzelnes wichtiges Wort, ein schallender
Ausruf die halbe Seite, bald stehen kleine Sätze über die Fläche
hingestreut oder ein Initial, ein Endbuchstabe wächst zu gigantischer
Form, bald drängen sich die Worte eng, wie vor Angst zusammen, bald
simulieren sie kälteste Kalligraphie, bald fallen sie ineinandergewirrt
aus jeder Regel, die vielen Gedankenstriche als einzige Gliederung, mit
Rufzeichen wie mit Girlanden umsteckt. Jede solche Briefseite gibt auf
den ersten Anblick die Stimmung wieder, in der sie hingehaut worden
ist. -- In einem der kostbaren Schriftstücke fand ich den Satz, den ich
an die Spitze dieser Erinnerungen setze. Ich zitiere hier den ganzen
Brief:

  „Gott sei Dank.
  Soeben habe ich in einem Zug

  Möchte rollend das Blut aller Verliebten sein (komponiert?) Gott sei
  Dank -- seit gestern Abend war ich in einer Aufregung u. wußte nicht
  was es sei -- heute schlug ich zufällig dieses Gedicht auf Ich bin
  aber auch schon seit Deiner Abreise so gequält u. gemartert daß man
  mit den Qualen ein Menschenleben erfüllen könnte

  Ich liebe wahnsinnig
  werde auch geliebt

  und trotzdem keine Ruhe keine Rast ich weiß nicht mehr was ich soll
  was ich tun soll das Leben zu ertragen Es ist leichter Glut zu sein
  als Mensch und zu glühen

  Und dieser Flaubert dazu dieser Mensch der mich zum Wahnsinn bringt
  Dieser Heilige Antonius ist lichtes Feuer -- brennendes sengendes
  Feuer -- das ist ein Buch Sehnsucht nichts als Sehnsucht ich glaube
  kaum daß er ohne Brandwunden das Buch zu Ende geschrieben hat -- ich
  kann das Buch nicht in den (Händen?) halten -- der ich es nur lese

  Er hat es geschrieben
  Wird man das je in Musik sagen können -- ? --
  Mein Lied trägt nur 2 Bemerkungen
  Zu Anfang -- +rasend+
  Die letzte Zeile
  +Andante+“

Heute, wenn ich alles überblicke, scheint mir der innere Motor von
Schreibers Kunst und Leben: eine schwelgerische Sinnlichkeit, dabei
dem Tierischen und Gemeinen abhold. Alle Nerven vibrierend von Eros,
dem aber gleichzeitig Liebe stets etwas Fernes, Geistiges, unendlich
Zartes bedeutet. „Von dem Rosenbusch, o Mutter, von den Rosen komm
ich.“ Grazie, Homophonie. Denkt man dabei nun etwa an „Filigranarbeit“,
so ist man wiederum auf falscher Spur. Denn Leidenschaft durchzuckte
dieses Süße, Fein-Nervöse, niemals gab es Schonung, niemals
Ausbastelung eines Schnitzwerks unter dem Glassturz; sondern Innigkeit
vor allem, fern jedem Intellektualismus, das einfache Gefühl wie aus
Volksliedern, brausender Strom des Lebens, selbstvergessene Hingabe
durchdrang verworrenes Goldfadengespinst. -- Aber verständlich ist
es, daß er, der Lebenssüchtige, sich so brüsk vom Leben absperrte
(und vielleicht war auch seine Ungeschicklichkeit nur verkleidete
Brüskierung der Welt). Er stellte nämlich so hohe Forderungen an
das Reale, daß sie nicht honoriert werden konnten oder nur in ganz
außergewöhnlicher Konstellation, -- das Leben sollte lieblich sein
und doch auch heroisch-wild, rasend vor natürlichem Blutschwall und
gleichzeitig kalt und tugendrein wie das forschende Lichtauge des
Gelehrten. Als Mensch wie als Künstler blieb er stets auf nahezu
Unmögliches angewiesen; da er dies wohl fühlen mußte, verdoppelte er
seine Wut und Verachtung des Möglichen, Durchschnittlichen. Daher hat
er auch sich selbst immer mißtrauisch beobachtet, gehaßt, verworfen.
Um so wilder brach freilich manchmal sein Lebenswille aus, und
geschah es unter glücklichem Stern, so mochte es wohl Küsse geben
oder entsprangen Akkordfolgen, die selbst für dies qualvolle Leben
entschädigten. -- Seine Liebesfreude, seine Regungen zu Leichtigkeit
und Leichtsinn hin klingen bezaubernd aus den Liedern, schmal
schwingendes Blendlicht vor Nachttapeten des Todes. --

       *       *       *       *       *

Mein Freund hat in der Ehe kein Glück gefunden. Seine Gattin war
stets redlich um ihn bemüht geblieben, im Sommer 1920 aber wurde die
Krise unvermeidlich. Schreiber verließ seine Wohnung, jedoch nicht
etwa in Unfrieden. Er gab dort noch öfters seine Lektionen, sprach
freundschaftlich mit der Frau, so oft sie einander trafen. Er wohnte
bei Bekannten, schließlich nahm er ein Zimmer für sich. In der Wahl
seiner Geliebten, um deretwillen er von seiner Frau (nach langen
inneren Kämpfen) weggegangen war, scheint er ebenso unglücklich gewesen
zu sein wie in allen anderen Dingen. Diese Freundin kümmerte sich bald
nicht mehr um ihn, sie ließ ihn, um den sich in besseren Zeiten so
viele Frauen heiß beworben hatten, einfach untergehen, überließ ihn
sich selbst und seiner totalen Unfähigkeit, die Dinge des praktischen
Alltags, in Nachkriegs-Berlin doppelt schwierig, zu bewältigen.
Verwahrlosung, körperliche Schwäche, schlechte Ernährung haben denn
auch daran mitgewirkt, die latente Melancholie seiner Seele zur
Entladung zu bringen.

Juli und Anfang August 1920 verbrachte er im schönen
Kurfürstendamm-Heim seines skandinavischen Freundes, Herrn Jens
Gjerlöw, dessen Gesangslehrer er war. Unter der Adresse des Herrn
Gjerlöw hat er auch noch meinen letzten Brief erhalten, in dem ich
ihm meinen Besuch für November ansagte. Ich stellte es mir als einen
Hauptzweck dieser Berliner Reise vor, in seine immer verworreneren
Angelegenheiten einige Ordnung zu bringen. -- Daß ich seinen Nachlaß
würde ordnen müssen, träumte mir nicht. Und doch empfand ich seltsame
Unruhe. Adolf antwortete nicht. Bis dahin war ja unsere Korrespondenz
eine ziemlich regelmäßige geblieben. Eines Morgens erwachte ich mit
dem festen Entschlusse: Ich muß nochmals schreiben, nachfragen.
Gerade äußerte ich, daß Adolfs ganz ungewohntes Stillschweigen mich
beunruhige, da hören wir (in eben demselben Moment) ein Papier in den
Briefkasten fallen. Es war das Telegramm, das seinen Tod meldete ...

Die Gründe seines Selbstmords sind dunkel. Keine Zeile hat er
hinterlassen. Wie weit die unaufhörlichen Enttäuschungen, die
Energieschwächungen aller Art, an diesem Ende beteiligt sein mögen,
-- wer könnte das enträtseln. Offen zutage aber liegt wo nicht
die Ursache, so doch das letzte Motiv. Was hat sozusagen dem Faß
den Boden ausgeschlagen? Eine häßliche Theateraffäre. O unsäglich
traurig, in diesen Dingen zu wühlen, wo schuldlos-schuldig Mensch
gegen Mitmensch steht. -- Schreiber war zuletzt als Kapellmeister
am „Künstlertheater“ (Nürnberger Straße) engagiert. Unter Direktor
Palfi, mit dem er auch früher einmal schon jahrelang gearbeitet
hatte und der ihn als gewissenhaften, schließlich auch schon nolens
volens routinierten Operettenkapellmeister schätzen mußte. Schreiber
leitete alle Proben für die neue Operette, mit der die Saison eröffnet
werden sollte. Da er, wie schon erwähnt, musikalische Einzelheiten
auch niederer Kunstgattungen ungewöhnlich wichtig nahm und eine
reichliche Portion Eigensinn besaß, scheint es ohne den üblichen
Kulissenzank nicht abgegangen zu sein. Doch nicht dies war der Grund
dafür, daß ihm plötzlich, ganz unvermutet bei der Generalprobe die
Partitur abgefordert wurde. Vielmehr ergab es sich aus dem an Berliner
Bühnen eingebürgerten Verleihsystem: Die Premiere mußte von einem
„bekannten Namen“ dirigiert werden. Mein Freund sollte nur die Plage
des Einstudierens und die späteren, von niemandem bemerkten Reprisen
haben. In normaler Gefühlslage hätte er diese Kränkung weggelacht,
zu den übrigen gelegt. Diesmal (vielleicht war gerade das Maß voll)
gab es ihm den Rest. -- Über das Weitere orientiert der nachfolgende
Brief, der auch seinem Verfasser, Herrn Gjerlöw, das schönste Zeugnis
edlen Menschentums ausstellt. Wie rein hebt es sich von dem empörenden
Kaltsinn ab, den die Theaterleute auch noch nach der Katastrophe
bewiesen haben. Fünf Tage lang konnte die Witwe keine Auskunft von
ihnen erhalten, obwohl die Tasche des Vermißten noch am Unglückstage
selbst im Grunewald, am Wasser gefunden worden war. Hier ist allerdings
eine Vollendung Berlinerischer Organisation und Zeiteinteilung
erreicht, bei der das Herz erstarrt! --

Als ich dann im Dezember nach Berlin kam, sah ich noch an allen
Litfaßsäulen die tödliche Operette angezeigt. Ihr Titel: „Die
Scheidungsreise“ -- fiel mich symbolhaft an. Sie soll einen großen
Erfolg gehabt haben. Einer hatte sie einstudiert, -- der faulte im
Wasser.

Der Brief des Norwegers, vom 14. September, lautet:

„Ich werde Ihnen berichten, was ich weiß über Adolf Schreibers letzte
Tage.

Ich hatte ihn -- mit Mühe -- dazu gebracht, daß er in meiner Wohnung
lebte, die Zeit, die ich verreist war. Ich kam Sonnabend, 14. August,
zurück, fand hier eine Karte für ihn, die ich ihm Sonntag vormittag
in seine neue Wohnung brachte. Ich sah ihn schon auf der Straße, wie
er daherkam, zerstreut um sich blickend -- für mich ein rührender,
doch auch trauriger Anblick -- ich rief ihn an, und er meinte, es
wäre schön, daß ich mich um ihn kümmerte. Wir gingen auf sein Zimmer
(Friedbergstraße 4) und ich gab ihm die Karte (von Frl. M., seiner
‚Liebe‘). Er sagte, das wäre das erste Lebenszeichen seit drei Wochen.
Wir sprachen weiter von diesem ‚Fall‘ -- und er sagte, es wäre ihm
unverständlich, wie ein Mensch, von dem er doch gesehen hatte, wie er
sich unter seinem Einfluß änderte (und insofern wohl auch besserte)
im selben Moment, wo sie nicht mehr zusammen waren, dies alles quasi
abstreifte. -- Dazu ich: Das wäre mir leider sehr wohl verständlich --
Menschen mit 40 Jahren, und dazu Theatermenschen, sind wohl überhaupt
nicht mehr zu ändern, jedenfalls nicht par distance. Ja, dann wollte
er nicht mehr leben -- wenn er nicht einen einzigen Menschen halten
konnte -- dann hatte er in allem verspielt. Dazu ich: es wäre doch ein
Unsinn, sein Leben davon abhängig zu machen, ob man einem ixbeliebigen
Menschen, den man noch dazu nicht in der Nähe habe, sozusagen neuformen
könnte oder nicht. -- Das wäre überhaupt eine ziemlich unbescheidene
Forderung, -- er sollte lieber schauen, daß er mit seinem eigenen Leben
besser fortkäme und lieber zu Helene zurückkehren. -- Diese Liebe
brachte ihn ganz auf den Hund. Er konnte als Korrepetitor sehr vielen
Menschen nützlich sein und dabei auch viel Geld verdienen -- aber diese
Liebe brachte ihn auch in seiner Arbeit herunter.

Nun, wir sprachen noch viel -- ich lud ihn zu Mittag ein, was er wie
immer nicht annehmen wollte. Dafür kam er zum Tee nachmittags -- wir
sprachen wieder hin und her -- und wenn ich jetzt alles zusammenfasse,
glaube ich, daß Adolf, dieses reine Kind in puncto: Frauen --
vielleicht zum erstenmal eine Frau erotisch liebte --, und zwar eine
Frau, die ihm weder menschlich gleichwertig war noch überhaupt verwandt
.................

Helene sagte mir, daß er diese Frau früher gehaßt und verachtet habe.
Mirabile dictu.

In der folgenden Zeit kam er öfters nachmittags zu mir zum Begleiten,
war aber meistens gedrückter Stimmung. Er wurde dann engagiert, als
Kapellmeister im Künstlertheater vom 1. September, von Regisseur Palfi.

Dies half -- vor allem wohl, weil er hoffte, Frl. M. dort als Soubrette
anbringen zu können.

Er hatte nun viel zu tun mit den Proben im Theater, und ich war etwas
krank, aber auch beruhigt, daß er sich durch diese neue Anstellung
und Arbeit wieder neuen Mut holen würde, so daß ich mich einige Tage
nicht um ihn kümmerte. Er rief ein paarmal an, daß er nächstens kommen
würde. --

Freitag, 3. September, morgens sah ich in der Zeitung, daß ein Dr.
Günther dirigiert hatte und rief gleich bei Helene an, wie das käme.
Sie wußte von nichts. Adolf wäre seit Dienstag nicht bei ihr gewesen --
und selbst hat sie ihn seit Montag nicht gesprochen.

Ich ging dann gleich in seine Wohnung (Friedbergstraße 4). Da war er
nicht gewesen seit Mittwoch früh. Soweit ich dann habe feststellen
können, ist er Mittwoch ins Theater, wo er schon viel Krach gehabt --
mit Komponist Hirsch und Palfi -- hier hat er den neuen Kapellmeister
Günther, ‚der die ersten Vorstellungen leiten sollte‘, vorgefunden.
Dieser, ein guter Bekannter von ihm, war peinlich berührt, er wäre aber
gerufen worden. ‚Selbstverständlich dirigieren Sie, ich aber komme
nicht wieder‘. -- Davon ist er wohl gleich nach Wannsee gefahren; seine
Uhr ist im Wasser 12⁵⁵ stehengeblieben. --

In seiner Wohnung habe ich gleich nach dem Theater telephoniert, sie
haben mir aber jede Auskunft verweigert. Helene haben sie höflich
geantwortet, sie wüßten nichts -- dabei ist seine Mappe Mittwoch
am Wasser gefunden worden, und weil ein Brief drinnen war an Herrn
Komponisten Hirsch, hat der Finder dort Donnerstag angerufen. Dies hat
Frau Schreiber erst Montag erfahren, dadurch, daß sie persönlich ins
Theater ging. Sonnabend bin ich weggefahren -- Montag abend zurück --
Dienstag morgens sagte mir Helene von dem Fund der Tasche. Sie ging
dann zur Polizei, wo ich schon Freitag gewesen bin. Mittwoch mußte sie
nach Wannsee zur Gendarmeriestation, um anzuzeigen -- und bat mich,
mitzufahren. Auf der Station kein Gendarm. Wir sind allein dorthin, wo
die Tasche gefunden wurde. Hier habe ich ihn im Schilf gesehen, aber
nichts gesagt, -- Helene war schon so zu aufgeregt. -- Ich habe sie
dann wieder nach Hause gebracht -- habe mir ein Handtuch geholt und bin
wieder hinausgefahren.

Da lag unser Adolf auf der Brust im Wasser -- ich habe ihn hereingeholt
-- da war er genau eine Woche im Wasser gewesen --

Wir haben nun alles geordnet mit der Polizei usw. und morgen den 15.
Septbr. wird er auf dem Jüdischen Friedhof begraben, früh um 10¼.

Er hat nichts schriftliches hinterlassen -- auch kein Testament. So ist
unser Adolf aus dieser Welt gegangen; wo er sich nicht zurechtfinden
konnte. Er ist von selbst gegangen -- aber Gott, der alles weiß --
wird schon wissen warum -- und dieses Kind, das nichts war als Güte
und Liebe, an sein Vaterherz drücken. -- Ein norwegisches Sterbelied,
das wir hier gesungen und das er abgeschrieben, hatte er bei sich in
der Brieftasche. -- Es heißt da -- „Besser kann ich nicht fahren als
zu meinem Gott -- besser kann ich nicht antworten, wenn der Tod mir
Botschaft schickt, als daß ich bin wohlbereit und will gerne folgen“.
Und zuletzt -- „Denn Gottes Wohnung hat Frieden in allem Überfluß“. --

Ich habe Ihnen dies möglichst knapp geschrieben, werter Herr Brod, wenn
Sie hierherkommen, werden wir noch alles durchsprechen.

Er war mir von Herzen lieb und mein einziger Freund hier, -- und ich
habe seinesgleichen nicht getroffen.

  Ihr
  Jens Gjerlöw“.

       *       *       *       *       *

Im Nachlaß Adolf Schreibers befindet sich außer den schon hier
erwähnten Kompositionen eine große Anzahl von Liedern, wohl 200, ein
Chor mit Orchester („Lenore“ von Bürger), ein zweites großes Chorwerk
mit Orchester und kleine Chöre a capella, ein Zyklus nach Rilkes
„Marienleben“ für Gesang, Klavier und obligate Viola (geschrieben
1915–1916), eine Sonate für Klavier und Violine, der Zyklus von
Christian-Morgenstern-Liedern, Bühnenmusiken zu meinen Dramen „Die Höhe
des Gefühls“ und „Abschied von der Jugend“, Klavierstücke usf. Der
größere Teil der Skripten ist noch ungesichtet.

Eine Überraschung war es selbst für mich, seinen intimsten Freund,
auch -- Dichtungen vorzufinden, Novellen und dramatische Szenen. Nie
hat Schreiber ein Wort von dieser Seite seiner Begabung auch nur
angedeutet. -- All die wilde Prosa (Raumanordnung wie in den Briefen)
trägt das Datum 1903, scheint binnen wenigen Tagen hintereinander
hingelegt. Grausame Themen, das Ich im schmerzlichen Aufruhr gegen eine
häßliche Umwelt, die Stimmung etwa von Flauberts Jugendpoesie, übrigens
durchaus ursprünglich, ohne literarisches Muster. --

Wäre ich naiv genug gewesen, die Welle von Sensation, die nach Adolf
Schreibers Tod durch die Öffentlichkeit ging, irgendwie ernst zu
nehmen, als Zeichen innerer Aufweckung und Teilnahme: dann hätten
meine Bemühungen um Schreibers Nachlaß mich wieder einmal empfindlich
getäuscht. -- Doch ich hatte es im voraus so vorgesehen. Als ich nach
Berlin kam, war der kleine Zwischenfall schon wieder vergessen. Einige
hatten ihn gar nicht bemerkt. Von Künstlern, erlesenen Menschen, denen
ich Schreiber ans Herz gelegt hatte, wurde ich, drei Monate nach seinem
Ende, konversationsweise gefragt, wie es dem Herrn Kapellmeister gehe.
Sie wußten noch nichts ... Berlin ist groß.

Dann saß ich in seiner Wohnung, an seinem „Blüthner“. Ich sah nochmals
seinen Stolz, die mit dem edelsten Geschmack zusammengebrachten Bücher
und Noten. Das Bild Smetanas, ernst blickt es herab, Leidenswasser im
Auge. Die Reiseandenken, die seltsamen Nippesfiguren, denen er zugetan
war ...

Hart, ungerührt saß ich da, erstaunt über die unsentimentale Stimmung.
Aber sie war vielleicht eine Huldigung an ihn, der Gefühlsausbrüche,
ihm gewidmet, niemals gelitten hätte. -- Stundenlang nahm ich
Notenblätter aus den dichtgefüllten Mappen, spielte, probierte da
und dort. Erinnerungen an jenes Pianino im Gartenhaus, an die erste
Offenbarung seiner Kunst. O Tage der Jugend, wie anders haben wir es
geträumt! Und auch später noch -- in all seinen Hoffnungslosigkeiten
war es doch immer noch Leben gewesen, halbunbewußte Kraft, Erfindung,
federndes Vorwärts, unbenützte Reserve, der Funken, der Schlag, das
Ich-weiß-nicht-wohinaus, der freie unerforschbare Horizont! Und nun
-- alles vorbei! Weil (letzten Endes) der Star so und so die Première
dirigiert hat! O Blödsinn, Blödsinn unserer Zellanordnung, unseres
unmöglichen Daseins, unserer Majestät von Zufalls Gnaden ... Und nun
stoße ich auf seine lieblich-sehnsüchtige Wunderhornmelodie: „Der
verlorene Schwimmer“: „Er rief aus voller Brust -- mein Stern ist
aufgegangen -- ich schiff ihm nach mit Lust. -- Das Lichtlein auf den
Händen -- er schwamm zum Liebchen her. -- Wo mag er hin sich wenden
-- ich seh sein Licht nicht mehr? -- Liegt er in ihrem Schoße, sein
Lichtlein wendet ab -- liegt er im Wasserschlosse, in einem nassen
Grab“ ... Da konnte ich nicht länger an mich halten ...

Es ist merkwürdig, wie viele Prophezeiungen unter den Liedtexten sind,
die Schreiber ausgewählt hat.

Allenthalben grenzte, stieß sein Leben an das große Geheimnis.
Überirdisches ist ihm zuteil geworden und Leidenschaft erfüllte
ihn zuzeiten völlig, von oben bis unten. -- Und auch jetzt noch
lebt Musik in der verlassenen Wohnung, als könnte mit einem Schlage
diese starke Flamme nicht ausgelöscht sein. Ein Wunderknabe mit
tiefen schönen dunklen Augen, zwölfjährig, schon heute ein sicherer
Meister der Geige -- Adolfs Frau hatte das ostjüdische Kind zu sich
genommen um dem Künstler eine Freude zu bereiten, nun blüht das Kind
unter der Hand der Witwe. Mit der übernatürlichen Besonnenheit des
Genies, ein Schuljunge noch und doch durchaus mit der Fassungskraft
Erwachsener begabt, erzählt es von seinem Pflegevater, zu dem es doch
erst vor einem halben Jahr gebracht worden ist, -- von gemeinsamen
Spaziergängen mit unablässigem musikalischem Gespräch. Alle Dreiklänge,
alle Septimenakkorde aufzählen, bis der Mund weh tat, -- das war
eine Kleinigkeit für Adolfs Pädagogik. Ja, daran erkenne ich seine
quälerische und selbstquälerische Methode wieder. Wenn irgendwo eine
Türe aufging, eine Autohupe erklang, mußte sofort der absolute Ton
erraten werden. Sie erfanden ein Spiel daraus, überboten sich im
Auffinden dieser Zufallsgeräusche. Ja, man hat viel von ihm lernen
können. Und diese Begeisterung, wenn er von den Meistern sprach! ...
So macht mir der kleine Violinvirtuose meinen Freund noch für ein
Weilchen lebendig. Und erfreut mich durch sein stillbescheidenes,
sanft bedeutsames, ausgeglichenes Wesen, so unähnlich dem
zerschellten Chaos meines Freundes. Möge ihm, der über dem Grab eines
Schicksals-Ungünstlings aufwächst, alles gelingen, was diesem mißlungen
ist!

Herr Gjerlöw hat mir noch einen zweiten Brief geschrieben. Da heißt es:
„Ich werde mit dieser Sache nicht fertig -- muß immer wieder an Adolf
denken -- und mache mir Vorwürfe und sage ‚wenn und wann‘, dann wäre es
vielleicht nicht so gegangen. -- Sehr viel habe ich hierüber noch zu
sagen -- aber das Schreiben ist mir zuwider, auch geht es so langsam.
Ich muß Adolf immer mit Caspar Hauser von Wassermann vergleichen -- so
einsam und unbeholfen, und wir alle haben so träge Herzen gehabt. --
Wenn Sie kommen, werden wir über alles reden. -- Sie müssen ein Buch
schreiben -- eine Warnung für harte und träge Herzen.“




          Druckleitung, Titel u. Einband: Menachem Birnbaum.
          Druck von C. G. Röder G. m. b. H., Leipzig. 817521.




                 Gleichzeitig erschien im Welt-Verlag:

                    ZEHN LIEDER VON ADOLF SCHREIBER
                        für Gesang und Klavier.

  1. Die Rekonvaleszentin („Sie hat so viel gelitten ...“) von Peter
  Altenberg.

  2. Trotzköpfe („Und echten Samt zu aller Neid ...“) von Detlev v.
  Liliencron.

  3. Der Maibaum („Wir liebten uns ...“) von Detlev v. Liliencron.

  4. Wiegenlied („Vor der Türe schläft der Baum ...“) von Detlev v.
  Liliencron.

  5. Minnelied („Wenn all die Welt Ruhe hat ...“) von Ditmar v. Aiste.

  6. Fastnacht („Die Fastnacht bringt uns Freuden ...“) Aus des Knaben
  Wunderhorn.

  7. Nach Catullus („Wir wollen, o Lesbia, lieben und leben ...“) von
  Max Brod.

  8. Dal rosal vengo, mi madre („Von dem Rosenbusch, o Mutter ...“) von
  E. Geibel.

  9. Der Tanz der Unsterblichen („Zu meiner Flöte von Jade hab’ ich ein
  Lied gesungen den Menschen ...“) von Li-Tai-Pe.

  10. Das Huhn („In der Bahnhofshalle, nicht für es gebaut ...“) von
  Christian Morgenstern.

  Geheftet M. 25.--.




                       WELT-VERLAG / BERLIN NW 7


  HEDWIG CASPARI: Elohim. _Gedichte. 2. Aufl. Geb. M. 15.--._

  -- Salomos Abfall. _Eine Handlung in neun Vorgängen. Geh. M. 17.--,
  geb. M. 23.--._

  SAMMY GRONEMANN: Tohuwabohu. _Roman. 8. Aufl. Geh. M. 25.--, geb.
  M. 30.--._

  LUDWIG STRAUSS: Die Flut Das Jahr Der Weg. _Gedichte 1916–1919.
  Geh. M. 15.--, geb. M. 20.--._

  HERMANN STRUCK -- ARNOLD ZWEIG: Das ostjüdische Antlitz. _Mit 50
  Originallithographien. Geb. M. 50.--._

  ARNOLD ZWEIG: Drei Erzählungen. _Geh. M. 5.50, geb. M. 9.--._

  L. SCHAPIRO: Die Stadt der Toten und andere Erzählungen. _Aus dem
  Jiddischen von S. Schmitz. Geh. M. 5.--, geb. M. 7.50._

  LYRISCHE DICHTUNG DEUTSCHER JUDEN. Verse von Franz Werfel, Max Brod,
  Albert Ehrenstein, Else Lasker-Schüler, Ludwig Strauss, Hedwig
  Caspari, Rudolf Fuchs, Oskar Kohn, Uriel Birnbaum, Alfr. Wolfenstein.
  _Geh. M. 9.50, geb. M. 12.--._


                 +Verlagskatalog steht zur Verfügung.+





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or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™

Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s
goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg™ and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.

Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state’s laws.

The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
and official page at www.gutenberg.org/contact

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread
public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
visit www.gutenberg.org/donate.

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate.

Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of
volunteer support.

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the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
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facility: www.gutenberg.org.

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