Mein Besuch Amerika's im Sommer 1824

By Philippe Suchard

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Philippe Suchard


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Title: Mein Besuch Amerika's im Sommer 1824
       Ein Flug durch die Vereinstaaten Maryland, Pensylvanien, New-York zum Niagarafall, und durch die Staaten Ohio, Indiana, Kentuky und Virginien zurück


Author: Philippe Suchard



Release Date: February 2, 2015  [eBook #48140]

Language: German


***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MEIN BESUCH AMERIKA'S IM SOMMER
1824***


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MEIN BESUCH AMERIKA'S IM SOMMER 1824.

Ein Flug durch die Vereinstaaten Maryland, Pensylvanien, New-York
zum Niagarafall, und durch die Staaten Ohio, Indiana, Kentuky und
Virginien zurück.

Von S. v. N.







Aarau, 1827.
Bei Heinrich Remigius Sauerländer.




1.

Die Abreise.

(20. bis 28. Mai.)


»Aber um aller Welt willen, Vetter, warum wollen Sie doch in alle Welt?«
riefen mir Vettern, Muhmen, Basen zu, als mein Entschluß bekannt ward.

-- Die vereinten Staaten von Nordamerika sind ja nicht alle Welt! -- war
meine Antwort.

»Wir sehen Sie in diesem Leben nicht wieder.«

-- Hm, ich denke, noch vor Weihnachten. Es ist von hier bis Amerika nicht
gar weit. Morgen reis' ich ab. In sechs, acht Wochen geh' ich in Amerika
schon spazieren.

»Und, Vetterchen, bedenken Sie doch die tausend Gefahren auf dem Meere!«

-- Ich sehe da deren nicht mehr, als auf dem Lande; nämlich, allenfalls ums
Leben zu kommen. Gut, diese Gefahr ist die einzige, und wir bestehen sie
vom Morgen bis zum Morgen alle Tage bei uns auf festem Boden.

»Ach, und Sie sind noch so blutjung.«

-- Sieben- bis achtundzwanzig Jahre, glaub' ich. In dem Alter hatte
Napoleon schon Italien erobert.

»Nun, warum machen Sie nicht lieber eine Lustreise nach Italien?«

-- Erstlich lasse ich mich schlechterdings nicht im Piemontesischen mit
meinen Paar Büchern als Transitgut plombiren; zweitens mich in Mailand
schlechterdings nicht auf die Polizei schleppen, wenn unglücklicherweise
an meiner Weste Carbonari-Farben zu sehen wären; drittens hab' ich einen
Abscheu vor Stileten und Dolchen der Weglagerer, die im Kirchenstaat wieder
mit der guten, alten Ordnung zurückgekehrt sind.

»Oder meinethalben gehen Sie nach Petersburg, wenn Sie etwa Berlin und Wien
gesehen haben.«

-- Petersburg ist von hier so weit, als Boston und Philadelphia, und die
chinesische Mauer der Paßordnung ist am Fortkommen hinderlicher, als der
Ocean. Ich möchte nicht, wegen der versäumten Unterschrift irgend eines
Paßschreibers, ein Vierteljahr lang in einem russischen oder polnischen
Gränzdorf verweilen.

»Reisen kostet Geld, Vetterchen!«

-- Ein Paar tausend Gulden für die Lustfahrt, mehr nicht. Andere verlieren
das noch behender und geschmackloser in Lotterien, am Spieltische,
beim Weintische, in kaufmännischen Spekulationen, durch lockere Weiber,
ungerathene Kinder, niederträchtige Falliten, übelberechnete Baupläne und
allerlei Neukäufe.

»Aber welchen Nutzen können Sie von der Reise haben?«

-- Der liebe Nutzen ist nicht Alles in der Welt; es gibt auch Anderes und
Besseres, wofür man lebt, z. B. das Gute, oder das Schöne, oder das Wissen
und Kennen. Dies abgerechnet, ist nicht auch Gesundheit und Lebensgenuß
etwas Nützliches? Dafür reisen Engländer und Franzosen in die Schweiz,
Deutsche nach Paris, Russen nach Neapel. Ich könnte auch wohl noch einen
Nebenzweck beifügen.

»Und der wäre? Eine Handelsspekulation? Unterwegs eine Braut finden? Ihren
Oheim in Amerika sehen?«

-- Nein, für alle Nothfälle auch gelegentlich zu erfahren, ob Amerika für
unser eins einmal zum Vaterlande taugen könnte?

»Behüt' uns der Himmel! Sie denken doch nicht an's Auswandern?«

-- Gerade jetzt nicht. Aber nehmen Sie mir nichts übel, es wird mir
allgemach ein wenig unheimlich und unfrei hier zu Lande.

»Wie? wo können Sie freier leben, als hier im freien Vaterlande?«

-- Wo? das weiß ich eben nicht, drum möcht' ich's gern wissen. Uebrigens
räum' ich willig ein, wir sind hier, Gott sei Dank, so frei, als man irgend
sein kann, wenn man sich mit Namen, Worten und Liedern begnügt; jeden
Rathsherrn sein Nabobchen spielen lassen muß; mit Nationalehre und
Nationalunabhängigkeit von Fremden es nicht genau nimmt; und es über sich
bringt, dem gesunden Menschenverstande zuweilen ein Auge zuzudrücken. Läg'
unser liebes Vaterland nicht in Europa, wäre es gewiß um die Hälfte mehr
werth.

»Was geht Sie denn Europa an?«

-- Hm! doch etwas. Man lebt nicht blos in seinem Hause, sondern auch im
Städtlein mit den Leuten. Und gebildete Menschen leben heutiges Tages nicht
blos in ihrem Ländlein, sondern auch im Welttheil, zu dem dasselbe gehört.
Wenns in Spanien brennt, fliegen Funken bis Rußland; und wenn man in London
spricht, hört mans gut in Berlin und Neapel. Ich gebe zu, Europa ist
sehr glücklich für viele, viele seiner vortrefflichen Bewohner;
für Geisterseher, Absolutisten, Ultra's, Mönche, Restauratoren,
Gebetbuchmacher, Inquisitoren, Wetterhähne, Censoren, Polizeispione,
Einnehmer, Zionswächter u. s. w. Leider hab' ich nicht die Ehre, zu einer
dieser Zünfte zu gehören. --

Als alles Zureden der lieben Vettern und Bäschen eitel blieb, liessen sie
mich gehen. Ich packte ein. Es kostete uns Allen beim Abschiede einige
köstliche Thränen. Ich bestieg den Postwagen.

Nichts von meinem Flug durch Frankreich bis Paris. Ich sprach unterwegs
den und diesen. -- »Seid ihr glücklich, Leutchen?« -- Jeder antwortete
mit einem zusammengesetzten Gesicht, das meistens etwas in's Süßlichsaure
schillerte: »=Mais oui.= So, so!« und dann gab's zu dem =«Mais oui»=
Anekdoten, Bemerkungen, gar Flüche, die insgesammt wie ein Kommentar zu dem
Sprüchwort aussahen: Vom Regen in die Traufe. Einige von den Pfiffigsten
hielten mich offenbar für einen Mouchard, oder Agent Provocateur. O die
glücklichen Leutchen!

Ich fand meinen Bruder in Paris. Er wollte mich bis _Havre_ begleiten. Am
27. Mai Abends 5 Uhr fuhren wir die Barrieren hinaus ins Freie. Die Natur
war von der Hand des Frühlings mit dem höchsten Zauber bekleidet. Von Zeit
zu Zeit schimmerte zwischen artigen Landhäusern und kleinen Gehölzen
der gekrümmte Strom der Seine. Etwas weiter hin stiegen St. Cloud und
Versailles mit den prachtvollen Schlössern empor. Nicht minder mannigfaltig
prangten die Gegenden zu unserer Rechten. Die letzten Strahlen der Sonne
hüllten die Kirchthürme von St. Denis in Gold. Dann ließ die Nacht ihren
halbdurchsichtigen Schleier nach und nach über das schöne, große Bild
niedersinken.

Am Morgen schwamm die Stadt _Rouen_ vor uns im Hintergrunde mit ihren
Thürmen und Schiffsmasten, halb und halb im Rauch der Schornsteine
verloren. Rouen hat viele protestantische Einwohner und vielen
Gewerbsfleiß. Dadurch ward es blühend. Man ist jetzt sehr eifrig daran, die
Kirchen besser zu bevölkern und durch Missionäre den Glauben zu stärken.
Die Fabriken fangen an zu kränkeln und mit dem Glauben will der Kredit
nicht wachsen.

Das Land, auch hinter Rouen, als wir von einer Anhöhe niederfuhren, ist
herrlich. Die Seine verliert sich in zahllosen und weiten Windungen durch
fruchtbare Gefilde in die blaue Ferne. -- Vier Uhr Nachmittags sahen wir
Havre und das Meer; um sieben Uhr saßen wir im Hotel _Bienvenu_ an guter
Tafel.




2.

Am Ufer des Meers.

(29. Mai bis 1. Juni.)


Ausgeschlafenen Sinnen ist das ganze Weltall frischer, lebendiger,
lachender. Alle Müh' und Noth, welche ich mit den Spediteurs und Zollratzen
in Havre wegen meines schon dahin vorausgesandten Reisegepäcks hatte, ward
mir wieder durch den Genuß versüßt, welchen jeder hat, der zum erstenmal am
Gestade eines Meeres steht.

Als wir dahin gingen, kamen wir in ein sonderbares Feldgelager. Alles war
mit Männern, Weibern, Kindern in fremden Trachten, alten Leuten mit Bärten,
Karren, Kisten und Pferden bedeckt. Gleich den Horden der Nomaden wohnten
sie Tag und Nacht im Freien; der Himmel war ihr Dach und die nächtliche
Finsterniß der Umhang ihres Bettes. Ich erkannte sie bald für Elsasser
und Schweizer. Die Bartmänner mochten zu jenen stillen, gutmüthigen
Wiedertäufern gehören, die Keinen beleidigen und so oft der Gegenstand
der Bedrängung sind. Man sagte mir, daß auch wohl nach und nach alle
jene Wiedertäuferfamilien, welche die wilden Berge des Münster- und
St. Imerthals fruchtbar machten, ihre Einsamkeiten verlassen würden, um
eine freiere Heimath zu suchen.

Die ganze Schaar, die wir hier sahen, waren Auswanderer nach Amerika.
Die Männer hatten mit Geschirr, Wagen und Kasten zu schaffen. Andere
schmauchten harmlos ihr Pfeifchen. Berner und Baseler Bäuerinnen, in ihrer
Landestracht, hingen Wäsche an Seilen auf zum Trocknen.

Ein so ausserordentliches Schauspiel mochten die Leute von Havre wohl
lange nicht gehabt haben. Sie standen zahlreich gaffend da. Ein Haufe
muthwilliger, kleiner Buben hatte ein kleines Bernermädchen zwischen sich,
das noch, wie in der Heimath gewohnt, die Haare seines Hauptes in zwei
langen, mit Bändern durchflochtenen Zöpfen niederhängen ließ, während
am Ende der Haarflechten unterwärts die Bänder bis fast zu den Waden
niederflatterten. Nun hatte einer der Knaben beide Band-Enden erhascht und
ließ das arme Mädchen, wie am Leitseil, bald rechts, bald links trotten.
Ich machte dem Auftritt ein Ende.

Als ich von den Auswanderern einige deutsch anredete, riefen sie: »Ach myn
Gott, syd'r au ne Schwyzer? Ganget'r au in Amerika?« Ich gab denen, welche
wegen der Ueberfahrt noch nichts auf den Schiffen bedungen hatten, den
wohlthätigen Rath, ganz unmittelbar mit einem Schiffskapitän den Vertrag
selbst abzuschliessen, und keinem jener dienstfertigen Negozianten und
Kommissionäre zu trauen, sie möchten Landsleute sein oder nicht.
Denn dergleichen Personen kennen selten, ausser ihrem Handels- und
Kommissions-Ertrag, etwas Erträglicheres; das Kontobuch ist die wahre
Heimath ihres Herzens und Geistes; das Soll und Haben ihr Vaterland und
Ausland.

Wir kamen zum Hafen. Die Unermeßlichkeit und Majestät der ersten
Erscheinung des uferlosen, lebendigen Meeres überfiel uns mit wunderbaren
Schauern. Wir standen unverabredet plötzlich still, wie gebannt, und
verloren die Sprache. Unser ganzes Wesen ward Auge; und doch ward mir, als
wären meine Augen viel zu klein, das Bild der Unendlichkeit aufzunehmen.

Wir bewanderten nun den Hafen von einem Ende zum andern, indem wir dem
Becken folgten, welches drei Viertel der Stadt einfaßt. Von Schritt zu
Schritt lag der Weg verrammelt: Seile, Holzbiegen, Kohlhaufen, ungeheure
Ankertaue, Steine, Schiffsmasten, Sandhaufen, Fässer, umgekehrte Nachen und
Kähne, Kisten von aller Form und Größe, Waarenballen aufeinandergethürmt,
Alles durcheinander. In den Zwischenräumen aufqualmendes Gewölk von
Theerkesseln. Links und rechts Hämmern und Klopfen von hundert Schlägeln,
Beilen, Aexten. Zwischendurch das Geschrei und Rufen der Matrosen am Ufer,
wie auf Fahrzeugen, die über den Wellen tanzten.

Wie wir Nachmittags wieder dahin kamen, sahen wir eine überraschende
Verwandlung. Das große Wasserbecken war geschlossen; der übrige Theil des
Hafens bis zum Meere lag trocken. Mehrere kleine Schiffe ragten aus dem
Sand hervor, andere ruhten mit einer Seite auf den beschlammten Steinen.

Anfangs standen wir bei dem unerwarteten Anblick voll Erstaunens da;
besannen uns aber bald, dies sei das Werk der _Ebbe_. In _Havre_ betragen
Fluth und Ebbe, vom höchsten zum tiefsten Punkt, 22 Fuß; so wechseln sie
binnen 25 Stunden zweimal. Zu _Liverpool_ ist ein Unterschied des tiefsten
Ebbe- und höchsten Fluthpunktes von 29 Fuß. In Amerika ist er weit
geringer; in _Philadelphia_ z. B. 6 Fuß, in _Newyork_ nur 5 Fuß, in
_Baltimore_ nur einen einzigen. Alles hängt davon ab, ob das Meer minder
oder mehr eingeschlossen und beengt ist.

Wir befanden uns bald auf dem Mola, der seine Erdzunge weit in die See
hinausstreckt. Eine unzählbare Menge Schiffe schwebte in allen Richtungen
vor uns über dem dunkeln, beweglichen Wasserspiegel und dem Horizont.
Majestätisch, wie Schwäne, zogen Dreimaster durch die Fluthen. Einige
Rauchstreifen über fernen Wellen ließen uns Dampfschiffe erkennen.

Folgendes Tags, es war Sonntag, neues Schauspiel. Eine bunte Volksmenge
füllte das Ufer des Hafens, beim herrlichsten Wetter. Ein neugebautes,
großes Schiff sollte zum erstenmal in sein künftiges Element
hinausgeschleudert werden. Wir gelangten zu dem gewaltigen Gebäu. Ein
Dampfschiff mit Musik und vielen Neugierigen war bereit, das todte
Ungeheuer in den Hafen zu schleppen. Tausend und tausend Menschen drängten
sich herbei; ihrer hundert wenigstens stiegen in's zu weihende Fahrzeug. --
Das Zeichen ward gegeben und bei zwanzig Mann, mit großen Aexten, schlugen
Gerüst- und Sperrwerk ein, welches dem Abrollen des Schiffs entgegenstand.
Es hing nur noch schwach mit dem Boden zusammen. Die Lage schien in der
Ordnung. Ein zweites Zeichen, und der Balken, welcher den Schiffrumpf noch
festhielt, stürzte zu Boden. Der Kiel, in einer Art Trag-Leitung, die
wohl mit Seife bestrichen war, glitschte langsam vor, bald mit wachsender
Geschwindigkeit, immer schneller, daß ein schwarzer Rauch hinten nachfuhr.
-- Plötzlich Geschrei um mich her: »Das Schiff stürzt auf die Seite!« Ich
stand mit meinem Bruder fünf Schritt von der Bahn. Das Schiff kömmt. Alles
schreit im Gewimmel, wo wir waren; alles flieht, stolpert über Seile,
Fässer, Holz, fällt, reißt andere fallend mit sich. -- Welch' ein
Schlachtfeld, welche Niederlage! -- Als ich aufstand -- die ganze
Verwirrung dauerte zwei Sekunden -- und mich umsah, schwamm das Schiff
schon stolz im Meere hin.




3.

Hyperion.


Denselben Abend reisete mein Bruder nach Paris zurück. -- Ich hatte mir
schon ein Schiff zur Ueberfahrt nach Amerika gefunden und die Bedingungen
abgeschlossen.

Es lagen eben drei Schiffe im Hafen segelfertig nach Amerika; der _Bayard_
und die _Elisabeth_ zur Fahrt nach Newyork, der _Hyperion_ nach Baltimore.
Ich wählte mir den Hyperion aus, diesen mythischen Vater des Sonnengottes,
mein Heil mit ihm zu versuchen. Es kamen noch andere kleine Umstände dazu,
die mich zu seinen Gunsten stimmten. Zwar der Bayard war das größte Schiff,
aber Hyperion stand ihm an Schönheit nicht nach. Und wie ich an sein Bord
ging, mit dem Schiffskapitän, einem Amerikaner, zu unterhandeln, hieß er:
_Albert de Valengin_. -- Von Valengin? was? Also eine Art Landsmann? --
In der That. Er erzählte mir, sein Vater, von _Neuenburg_ in der Schweiz
gebürtig, habe sich nach Amerika begeben gehabt, weil er mehr oder minder
Theil an einem Bürgeraufstande genommen hatte, der ihm mehr oder
minder gerecht geschienen. Denn in den letzten Jahrhunderten der
Eidsgenossenschaft, als diese durch innere Zwiste schwach in sich selbst,
daher feige gegen das Ausland, daher friedliebend im Uebermaaß gegen
Fremde, aber trotzig, herrisch und unterthansüchtig im eigenen Ländchen
geworden, wären der Unruhen und Aufstände so viel geworden, daß man sie
eher für etwas Gerechtes als Ungerechtes hätte ansehen mögen.

Was gings mich an? Ich ließ den Mann bei seinem Glauben. Er gefiel mir.
Er mochte kein Schweizer sein, blos freier Amerikaner. Er sprach auch nur
englisch. Er forderte für die Ueberfahrt nach Baltimore 600 Franken von
mir und begnügte sich mit 500, wenn ich für mein Bettgeräthe und den Wein
selber sorgen würde.

Die Kajüte war zierlich; alle Vertäfelung darin von Acajou-Holz; ebenso
Tisch und Stühle. Ein großer Spiegel, mit breitem Goldrahmen, füllte den
Raum zwischen beiden Fenstern im Hintergrund. In der Mitte des Zimmers
schwebte ein Kompaß an drei zierlichen Ketten hangend. Die Betten, in Form
sauberer Kleiderkisten, befanden sich hinter Umhängen, an den Seiten.
Die größte Sauberkeit war über Alles verbreitet. Schloß und metallische
Beschläge der Thür waren von glänzendem Messing. Ueber dem Fußboden lag
ein großer türkischer Teppich ausgespannt, und ein zweiter, sehr schmaler
deckte die Treppe.

Das Gefällige und Reinliche dieser kleinen Wohnung über den Wellen sprach
mich gar freundlich an. Das Anmuthige und Schöne gehört zu den ersten
Lebensgenüssen, und veredelt Leben und Gemüthsart. Das geistlose Thier hat
keine Fähigkeit, vom Schönen gerührt zu werden, eben weil es geistlos ist.
Es hat nur Sinn für Fraß und Durststillung. Der rohe, bildungslose Mensch
gleicht darin dem Thiere. Er kennt nichts Besseres, als was ihm in Gaumen
und Magen wohlthut. Der erste Federschmuck und Nasenring der Wilden ist
ein Zeichen vom Erwachen des Höhern. Das weibliche Geschlecht, immer früher
reifend, als das männliche, ist auch dasjenige, welches die Völker zuerst
und am meisten aus dem Schlamm des Thierthums hervor ins _Menschliche_
heben. Will man Wilde, Halbwilde, Leibeigene und rohe Bauern gesitteter
machen, bringe man den jungen Mädchen und Frauen Putzwaaren. Ein Hausirer
mit buntem Bänderkram, Halstüchern u. s. w. hat auf die Civilisation eines
wüsten Dorfes segensvollern Einfluß, als Pfarrer und Schulmeister. -- Das
wird freilich manchem Schulmeister unglaublich scheinen.

Alle seefahrende Völker haben ihre eigenthümliche Weise im Bau der Schiffe.
Es ist damit, wie mit Nationaltrachten, Sitten, Sprachen. Ein Seekapitän,
sobald er irgend ein Schiff nur deutlich erkennen mag, wird auch sogleich
sagen, welcher Nation es angehört. Die amerikanischen sind nach einer
andern Einrichtung geformt; allgemein anerkannt, daß sie die zierlichsten,
und dabei die feinsten Seegler sind. Aber sie haben auch die wenigste
Dauerhaftigkeit.

Mir lag jetzt nicht viel an der letztern; desto mehr am Niedlichen und
Schnellen. Der _Hyperion_ war eine Brick von 400 Tonnen. »Wie lange können
wir damit unterwegs sein?« fragte ich den Herrn von Valengin. -- »Ein
Schiff,« sagte er, »das keine andere Mittel zum Fliegen hat, als seine
Segel, hängt von der Huld der Winde ab. Der Hyperion hat die Ueberfahrt
von Charlestown in Amerika nach Amsterdam in Holland auch schon in achtzehn
Tagen gemacht.«

Zu den schnellsten Fahrten zählt man diejenige einer amerikanischen
Goelette, die von Newyork nach Havre nur vierzehn Tage brauchte; und eines
Packbootes, das in dreizehn Tagen von Newyork nach Liverpool kam. Aber
das, was bisher in den Jahrbüchern der Seefahrer das Unerhörteste gewesen,
erzählte mir in Amerika einige Monate später Herr _Gallatin_, wie ich ihn
zu Geneva besuchte. Als er nämlich zu seinem Gesandtschaftsposten in Paris
von Amerika abreisete, machte die Fregatte, welche ihn führte, den Weg bis
Havre in vierzehn Tagen.

Uebrigens ist bekannt, man fährt von Europa nach Amerika nicht so
geschwind, als umgekehrt. Dazu tragen einerseits die Südwestwinde bei, die
das Meer während zwei Drittheilen des Jahrs beherrschen, anderseits die
Strömungen, welche vom mexikanischen Golf ausgehen, sich bis zum 45. Grad
nordwärts fühlbar machen, und in mancher Gegend des Ozeans zwei bis vier
Seemeilen in einer Stunde einbringen. Das Wasser dieser Strömungen ist auch
bei sechs Grad wärmer, als das Wasser an den Küsten.

Ich habe zwar nicht die Ehre, Seemann zu sein. Allein im Vertrauen auf das
tägliche Fortschreiten menschlicher Wissenschaft und Kunst, darf ich
mir, vielleicht mit größerm Recht, als mancher andere, die Ehre erlauben,
Prophet zu sein. Schon jetzt ist eine Reise von Europa nach Amerika und
wieder zurück nicht kostspieliger, nicht gefährlicher, nicht unbequemer,
als die Reise im Kasten einer Postkutsche zu Lande auf halb so langem Wege.
Man ist da nicht zum Ueberfluß noch von hungrigen Postillionen, groben
Postbeamten, prellenden und schnellenden Wirthen, rohen Mauthknechten,
Paßschreibern, Visitatoren, Zoll- und Weggelderforderern und anderm
Reise-Ungeziefer geplagt, das von der Polizei- und Finanzkunst des
überglücklichen Europa zum Besten der Menschheit erfunden worden ist. Es
wird eine Zeit kommen, da, wenn sich der Europäer erholen, zerstreuen,
frische Luft schöpfen will, und umhersinnt, wohin eine kleine Lustreise
thun? er kurz abbricht und sagt: »Ich will ein wenig nach Amerika, und
komme gleich wieder.«

Bis jetzt bewegen sich die Fahrzeuge über das Meer entweder mit Segeln,
oder Galeerenrudern, oder Dampfmaschinen. Im Allgemeinen sind die Segel
freilich die vortheilhaftesten Schiffsfittige, am wohlfeilsten und
raumsparendsten. Nur bei langen Windstillen machen sie traurige Miene.
Es wird nicht fehlen, man wird mit der Zeit den Schiffsbau dahin
vervollkommnen, daß man zu den Segeln noch die Dampfmaschinen beihilfsweise
gesellt, und sie in Fällen spielen läßt, wo der Wind seine Huld versagt.




4.

Haushaltung auf dem Meere.

(2. Juni bis 13. Juli.)


Ich war am Bord. Mittags den 2. Juni wurden die Anker des Hyperion
gelichtet, alle Flaggen und Wimpel aufgezogen. Die im Hafen bleibenden
Schiffe erwiederten auf dieselbe Art das Abschiedszeichen. Es blieb nicht
bei dieser stummen Sprache: »Hurrah!« brüllten unsere Matrosen; »Hurrah!«
scholl es links und rechts von den andern Fahrzeugen zurück.

Das Wetter war angenehm. Ein sanfter Wind strich furchend über die
spiegelnde Wasserebene. Mehrere kleinere Fahrzeuge folgten dem unsern.
Andere kamen uns entgegen, und zwar mit demselben Winde, und segelten dabei
nicht langsamer, manche geschwinder, als wir. Das amerikanische Packboot,
die _Queen-Maab_, kam so eben von New-York her. Mit entfalteter Flagge und
dem Hurrah-Gruß der Matrosen, fuhr es zehn Schritte weit an uns vorüber.
Das Verdeck desselben war voller Reisenden, deren Aeusseres schon
verkündete, wie vergnügt sie waren, am Ziel ihrer Fahrt zu sein. Das Land
wich hinter uns zurück. Der Zuschauer-Haufe am Ufer verschwand. Die Küsten
schienen sich auf den Wellen zu bewegen, und auf- und niederzusteigen.
Endlich wurden sie zu einem schwarzen Striche, der sich zwischen der
zitternden Wasser-Ebene und dem Himmel entlang zog.

Ich sah mich nun nach den Reisegefährten um, die mit mir im engen Raum
des Hyperion den Abgrund des Ozeans, von einem Welttheil zum andern,
überschiffen wollten. Der Kapitän, zwei Lieutenants, zehn Matrosen, ein
Stewart, ein Koch, ein Schiffsjunge, bildeten die Bemannung des Fahrzeugs.
Ich war der einzige Reisende in der Kajüte und am Tische des Kapitäns. Die
übrigen waren Auswanderer von Europa, Männer, Weiber, Kinder, 68 an der
Zahl, die unten im übrigen Schiffsraum herbergten und ihre Küche selbst
besorgten. Der Kapitän, die beiden Lieutenants und ich speiseten zusammen.
Man hält drei Mahlzeiten des Tags. Zum Frühstück gibt's schwarzen Kaffee,
Fleischschnitte, Geflügel, kleine Kuchen u. s. w. Mittags speist man um
1 Uhr, Fleisch auf verschiedene Art zubereitet und Gemüse; zum Nachtisch
Käse oder Früchte; Bier, Wein, gebrannte Wasser mit natürlichem verdünnt.
Sieben Uhr Abends nimmt man den Thee, wieder mit Nebengerichten von
Fleisch, Backwerk u. s. w. begleitet. Fast alle Schiffe haben lebendige
Schweine, Schafe, Hühner und Enten in Fülle an Bord. Einige Packboote,
zwischen Havre und New-York, halten auch der Milch wegen eine Kuh. -- Die
Matrosen speisen in ihrer Kajüte am andern Ende des Schiffes eine Stunde
früher, als der Kapitän.

Dieser hat wenig Langeweile. Er und einer seiner Lieutenants schreiben von
Stunde zu Stunde Richtung des Windes, Länge des zurückgelegten Weges, die
Höhe, welche man gefunden, die Schiffe, welche man gesehen oder gesprochen
hat und hundert andere Beobachtungen und Bemerkungen auf. Zu unbestimmten
Zeiten, des Nachts wie des Tags, ging der Kapitän aufs Verdeck und musterte
Sachen und Arbeiten.

Das Steuer führt ein Matrose, der alle zwei Stunden abgelöst wird; die
Augen stets auf zwei vor ihm befindliche Kompasse geheftet, die des Nachts
durch eine Lampe beleuchtet sind. Bei gutem Wetter hatten die Matrosen von
vierundzwanzig Stunden nur sechs zur Ruhe; bei bösem Wetter blieb Alles
auf den Beinen wach. -- In den meisten Reisebeschreibungen wird über die
Rohheit der Matrosen geklagt. Man schildert sie, wie einen Auswurf des
menschlichen Geschlechts. Ich fand das bei unsern Matrosen nicht. Sie
waren insgesammt Amerikaner, sehr gefällig, dienstfertig, sauber gekleidet,
sittsam und immer thätigen Gehorsam. Freilich man muß diese braven Leute
nicht wie Knechte und Bediente behandeln und ihnen Befehle zuherrschen
wollen. Aeusserte ich bittweise nur einen Wunsch, schnell sprangen zwei und
mehr, mir zu helfen. In Baltimore begegnete ich nachher einigen von ihnen
wieder auf der Gasse. Sie waren aber so zierlich gekleidet, daß ich sie im
ersten Augenblick nicht kannte. Einer lud mich sogar zu seinen Eltern ein.
Der Empfang überraschte mich durch das Anständige, Feine und Herzliche.
Wenn wir in der bürgerlichen Gesellschaft noch brutale, ekelhafte
Menschenklassen haben, wahrlich, so sind daran nur die höhern Stände mit
ihrer brutalen, ekelhaften Vorbildung schuld. Braucht nur häufig bei den
Kriegsleuten und Vaterlandsvertheidigern die Korporal-Fuchtel, in den
Schulen den Stock, werft die Juden mit Koth, und kehrt dem Handwerksmann
und Landmann hochmüthig den Rücken zu, wenn sie euch gleichgeboren zu sein
glauben, so habt ihr bald eine europäische Pariah's-Kaste gebildet. Dann
schreibt Bücher über Bücher über Verbesserung der Juden, über Schulwesen,
über Volksbildung; dann erlaßt Sitten- und Sonntagsmandate, Gesetze und
Dekrete zur Beförderung der Zivilisation! Das wird helfen, wie ein Pflaster
auf die Todeswunde des Erschlagenen. -- Wie treibt man's aber in jenen
Ländern, wo die Barbaren mit Titusköpfen und Fraks nach der neuesten Mode
wohnen?




5.

Die Seefahrt nach Baltimore.

(2. Juni bis 13. Juli.)


Ueber das spielende, wechselnde, gewaltige, majestätische Element der
Wellen, durch die Dienstbarkeit der Winde, wie von unsichtbaren Geistern,
hingetragen zu werden, ist ein Hochgenuß ganz eigener Art, besonders eh'
die Gewohnheit, die auch den stärksten Wein endlich verwässert, dafür die
Sinne stumpf macht. Verwunderung, Grausen und Stolz auf die Gewalt des
menschlichen Geistes, bemächtigen sich des ganzen Gemüths.

Leider verstimmte sich dies Hochgefühl bald durch die sogenannte
Seekrankheit, von welcher, mit Ausnahme der Kinder unter zwölf Jahren und
ganz alter Personen, alle Reisende ergriffen wurden, und ich, wie mirs
vorkam, am ärgsten. Es war ein bald widerlicher, bald lächerlicher,
Anblick, fünfzig bis sechszig Menschen um sich her die seltsamsten
Gesichter schneiden zu sehen, weil ihr Magen in beständiger Insurrektion
gegen Anstand und Sitte war. -- Ein Paar Tage lang mußten die Auswanderer
aller warmen Speisen entbehren, weil das Uebel ihre sämmtlichen
Kochkünstler ausser Stand setzte, den Herd zu besorgen.

Das Wetter blieb schön, der Wind günstig, zuweilen verwandelte er sich
sogar in sturmartige Stöße; wir befanden uns am vierten Tag der Abfahrt
schon weit ausser der Meerenge von Frankreich und England. Allein Lust
und Freude gingen im ewigen Uebelsein verloren. Man kann und mag sich mit
Niemandem unterhalten, nicht einmal lesen. Der Geist quält sich mit Denken
und Träumen. Aus den besten Träumen aber stört auch wieder das beständige
Krachen und Girren des vielbewegten Schiffes auf. Es ist einem zu Muthe,
als würde man, in einen großen hölzernen Kasten gesperrt, mit Schnelligkeit
über und zwischen Steingeröll fortgeschleppt. Man hält zuletzt keinen
Gedanken und Wunsch fester, als den, bald Land zu erreichen und ruhigen
Boden unter den Sohlen zu haben. Kein Essen erquickt; vielmehr es erneuert
nur den Jammer. Ich sehnte mich blos nach Mehlsuppe. Unser schwarzer
Schiffskoch aus Afrika machte sie nach meiner Angabe und endlich ziemlich
gut. Aber wenn er mich davon essen sah, bezeugte er mir sein herzlichstes
Mitleiden und betheuerte, weder in noch zwischen den drei Welttheilen
seiner Bekanntschaft je ein elenderes Essen gekocht zu haben.

Die Erhabenheit der unendlichen Wasserwüste, welche uns umgab, und mich
anfangs tief erschüttert hatte, ward, ich muß es gestehen, zuletzt mit
seiner majestätischen Einfalt mir sehr langweilig. Es wundert mich jetzt
gar nicht mehr, wenn die meisten Reisebeschreiber mit dem, wodurch sie sich
ihre Langeweile vertreiben, ihren Lesern die größte verursachen, nämlich
mit Aufzeichnung des Windes, der geblasen hat. Die einzige Abwechselung in
der weiten Einöde des Ozeans bringt entweder ein Schiff, das in der Ferne
erscheint, sich nähert und verschwindet; oder von Zeit zu Zeit das Spiel
der Fische auf der Oberfläche des ungeheuern Wasserbeckens. Die Delphine
bildeten da oft stundenlange Linien, indem sie regelmäßig einer nach
dem andern zwei bis drei Schuh über der nassen Fläche hoch sprangen. Die
Boniten und Doraden, mit allen Farben des Regenbogens geschmückt, schwammen
traulich neben dem Fahrzeug her; während der Haifisch unbeweglich auf dem
Wasserspiegel lag und die Beute erwartete, die seinem unersättlichen Rachen
zuschwimmen sollte. Der Spritzfisch blieb auch nicht aus, uns seine Künste
zu zeigen; und so stellten sich uns immer neue Arten von den Bewohnern des
feuchten Abgrundes dar. Eines Abends näherte sich sogar dem Schiffe einer
von den Riesen der Tiefe, ein Wallfisch. Dann und wann wieder flatterten
Tauben und Meerschwalben über und zwischen den Segeln umher. Die Schwalben
wandelten lustig über die Wogen und pickten mit den langen Schnäbeln nach
den Stückchen Zwieback, die wir ihnen hineinwarfen.

Der Wiedertäufer _Hermann_ versah bei den Ausgewanderten die Stelle eines
Schiffspredigers. Jeden Sonntag verrichtete er ein öffentliches Gebet und
hielt aus dem Stegreif über irgend eine Bibelstelle eine Rede, die darin
vor mancher Predigt gelehrter Pfarrer den Vorzug hatte, daß sie aus reinem,
frommem Gemüth hervorging, und verständig, kunstlos und erbaulich zum
Gemüth drang. Den Schluß dieser Andachtsstunde, die gewöhnlich zwei Stunden
dauerte, machte ein Psalmengesang. -- Dieser Wiedertäufer und seine Frau
zeichneten sich unter allen Ausgewanderten durch ihre feinen, geistvollen
Gesichtszüge aus.

Ich fand seine Frau eines Tages blaß und leidend sitzend, mit dem Rücken
gegen das Schiffsbord gelehnt. Ich bot ihr ein Glas Wermuth-Extract zur
Stärkung an. Sie trank es und stieg dann in's Zwischenverdeck hinunter.
Kaum zwei Stunden nachher verkündete mir ihr Mann die glückliche Entbindung
seiner Frau von einem Töchterlein. Ein Paar Tage später kam sie selbst aufs
Verdeck und zeigte mir ihren lieben Säugling. Auf meine Frage, wie es nun
um Taufe und Namen des Kindes stehen werde? erwiederte sie: »Wir weihen
unser Kind in das Christenthum ein, wenn es die Wichtigkeit und Heiligkeit
der Sache begreifen kann. Zu Ehren unsers guten Kapitäns wollen wir es aber
nach ihm _Albertine_ heißen. Wäre es ein Knäblein gewesen, würden wir es
_Hyperion_ oder _Ozean_ genannt haben.«

Wir waren schon zwanzig Tage auf dem Wasser. Die Hitze der Sonne ward
unausstehlich; das süße Trinkwasser in kleinern Portionen vertheilt, daß
es oft Streit darum gab. Wir hatten beständige Westwinde uns entgegen;
die Azoren südwärts gelassen, ohne sie zu erblicken, und uns der Bank von
Terre-neuve genaht. Sobald das Senkblei hier, bei 45 Klafter Tiefe, feinen
Sand fand, gab der Kapitän dem Schiffe die Richtung nach Süden. Wir kamen
ziemlich nahe bei den Bermuden vorüber.

Es ist auf dieser weiten, einsamen Wasserstraße den Schiffen Bedürfniß,
wenn sie einander begegnen, Frage und Antwort zu tauschen. Sie steuern sich
gegenseitig zu. Man hisst die Flagge; legt einige Segel bei, und fragt
sich durchs Sprachrohr, von wannen? wohin? welche Ladung? u. s. w. Am
gewissesten aber ist die Frage nach der Länge und Breite, unter der man
sich befindet. Ist zwischen den Berechnungen beider ein Unterschied, so
hält man sich gewöhnlich an die, welche auf dem Schiff gemacht ward, das
noch die kürzere Zeit unterwegs ist. Es ist noch nicht immer ganz leicht,
mit einander zu sprechen, besonders wenn der Wind stark, das Meer unruhig
geht; denn man kann sich dann einander nicht wohl gehörig nähern, ohne
Gefahr zu laufen.

Schon war es der 6. Juli und seit einigen Tagen die tiefste Windstille.
Kein Wimpel spielte. Das weite Meer stand unbeweglich und glatt, wie
spiegelndes Eis. Das Schiff schien angefesselt. Die entfalteten Segel
hingen schlaff nieder. Wolkenlos glühten Luft und Himmel um und über uns.
Die Sonne warf stechende Strahlen. Die Lebensmittel nahmen sichtbar ab.
Jeder theilte dem andern nur Furcht und Besorgniß mit. Ein Orkan auf dem
Meer ist das Fürchterlichste. Wir aber hätten jetzt lieber einen Orkan
bestanden. Die todte Ruhe währte schon acht Tage und das Leben der Segel
und Wogen wollte nicht wiederkehren. Ich stieg jeden Morgen sogleich auf
den Mastkorb, in Hoffnung, Küsten des Festlandes zu erblicken. Oft rief
mich die Ungeduld schon vor Tagesanbruch aufs Verdeck, wenn die Sterne
noch, in geheimnißvollen Ordnungen am Himmel, ihr blasses Licht durch das
stille Reich der Nacht ausgossen. Ich zitterte hoffend dem Tag entgegen;
ich fand mich immer getäuscht, doch immer durch die Herrlichkeit des
Sonnenaufgangs für die Täuschungen entschädigt.

Endlich, es war an einem Sonntage, gewann die Natur dieser ewigen Einöden
des Ozeans wieder Odem. Die Segeltücher wölbten sich nach und nach, und
wir flogen wieder acht bis neun Seemeilen in einer Stunde. Welche Freude
lächelte von allen Antlitzen; wie andächtig sprach der Wiedertäufer das
sonntägliche Abendgebet mit lauter Stimme, und mit welcher stummen Inbrunst
in allen Zügen beteten die Andern vor sich hin! Der glänzende Sonnenball
senkte sich den zitternden Wellen der Ferne entgegen. Das Schiff schien
ihm in heiterer Sehnsucht tanzend auf den Wogen nachzueilen, und das
Tagesgestirn selbst tändelnd seine Bahn und Stätte zu verlassen. Bald
verbarg es sich hinter dem Busen des einen, bald des andern Segels; bald
durchlief es der ganzen Breite nach die leichten Streifen des aufgespannten
Tauwerks und der Seile. Masten, Linnen und Wimpel, Bord und alles
Schiffsgeräth tauchten sich in wunderbaren Goldschimmer, von tiefern
Schatten begrenzt. Eine breite, blendende Lichtbrücke ging vom Hyperion
über das Meer bis zur Sonne, die zu zögern schien, aus diesem Tempel der
Schöpfungsherrlichkeit zu scheiden. Still sumsete zwischen Segeln und
Seilen der Wind sein Abendlied. Die Wogen brachen sich tönend am Schiff zum
Gesang. Die Menschen, in verschiedenen Stellungen, beteten. Der unendliche,
schweigende Himmel horchte.

Am 11. Juli sagte Herr _Valengin_: »Ich denke, wir werden morgen einen
Küsten-Lootsen am Bord sehen.« Frohe Botschaft. Wirklich entdeckte man ihn
folgendes Tages früh um neun Uhr vermittelst des Fernrohrs. Wir steckten
die Flagge auf. Nach zwei Stunden kam das leichte, winzige Fahrzeug bei uns
an, worin sieben Mann wie festgenagelt saßen, alles große, wohlgewachsene
Leute. Jede Welle schien das gebrechliche, niedrige Boot wie eine Nußschale
verschlucken zu wollen. Was doch der Mensch wagt; er der da weiß, was er
wagt! Welche Hingebung, zumal in stürmischen Wettern! Schiffe, welche durch
einen Windstoß gegen die Küste getrieben, oder auf langen Fahrten irre
wurden, sind oft schon durch diese unerschrockenen Männer gerettet
worden, die alle Untiefen und heimlichen Gefahren der Seegegend, und jedes
Anländeplätzchen des Gestades kennen.

Einer der Lootsen kletterte an einem ihm zugeworfenen Seil zu uns ans Bord
hinauf, grüßte uns freundlich, drückte dem Kapitän die Hand und jedem, der
ihm nahe kam, und fragte: »Wie stehts? Geht alles gut?« Diese herzliche
Frage, so natürlich in dem Verhältniß, und dabei so wohlwollend, hat für
den, der nach vielen Wochen wieder den ersten unbekannten Menschen sieht,
etwas Erquickendes. Es war die erste, unmittelbare Erscheinung eines
Bewohners der neuen Welt, die wir selbst noch nicht sahen.

Der Lootse nahm vom Kapitän den Befehl über sämmtliche Matrosen und sagte:
wir wären noch ohngefähr 150 Seemeilen (etwa drei derselben bilden eine
Wegstunde) entfernt von der Chesapeak-Bai, und wenn der Wind, der gerade
günstig und stark blies, tapfer anhielte, würden wir den andern Morgen an
Ort und Stelle unsers Wunsches sein.

Und am folgenden Morgen um neun Uhr scholl das Geschrei: Land! Land! -- Ein
freudiges Schrecken fuhr Allen durch die Glieder. Die Vorufer des jungen
Welttheils stiegen aus dem Schoos des Ozeans.




6.

Die Landung.


Wir fuhren in die _Chesapeak-Bai_ mit vollen Segeln ein. Links hob sich
das _Kap Henry_, mit einem weißen Thurm, auf welchem allnächtlich den
Seefahrern ein Feuer brennt. In größerer Ferne rechts zeigte sich noch ein
Leuchtthurm, es war der des _Kap Charles_.

Das Gewässer der Bai fanden wir mit Holz, Kräutern und Stroh bedeckt. Wir
erfuhren, es habe auf dem Lande fünfzehn Tage lang anhaltend geregnet. Noch
befanden wir uns sechszig Wegstunden (oder 180 Seemeilen) von Baltimore.
Aber der Wind ging stark mit uns. Wir fädelten binnen einer Stunde zehn
Knoten ab, das heißt, legten 3½ Wegstunden zurück, und noch dazu gegen die
Strömung des Meers.

Es zeigten sich, seit wir Land sahen, der Schiffe immer mehr vor unsern
Augen und immer mehr, je näher wir den Ufern der Bai kamen. Schon
unterschied man von den Fluren ungeheure Waldungen; bald da und hie
angebautes Land mit einzelnen Wohnungen der Menschen. Fröhliches Schauspiel
für uns. Eine Viertelstunde fern von uns zog ein Dampfschiff vorbei. Ein
schwarzer Rauchstreifen bezeichnete durch die Luft den verlassenen Weg
desselben. Silberbrandung umgab die Dampfräder.

Die Nacht kam. Bald unterschied man nichts mehr. Das Schiff flog rasch
durch die Wogen. Wir machten eilf Knoten in der Stunde. Ein Matrose, an
der Schiffsseite draussen angebunden, warf beständig das Senkblei und rief
jedesmal an, wie tief. Das hielt uns, und auch die Freude, spät wach.

Kaum war es Tag, rief mir der Kapitän zu: »Wir sind in der Rhede von
Baltimore!« -- Ich wagte es kaum zu glauben, und doch stand das Schiff
unbeweglich. Ich sprang aus dem Bett und warf mich hastig in die Kleider.
Als ich aufs Verdeck kam, lag die Stadt Baltimore vor mir. Durch den
lichten Wald der Schiffsmasten unterschieden wir Kirchthürme und die
Wipfel hoher Pappeln in allen Theilen der Stadt. Die Thürme sind von weißem
Marmor, sehr zierlich; die Häuser von Backsteinen gebaut. Zwischen
dem schönen Grün der Pappelbäume, stellten sie sich mit ihrem gelben,
röthlichen, bläulichen Anstrich dem Auge gar gefällig hin. Wir sahen zu
unserer Rechten Felder mit Korngarben bedeckt. Das Glockengetön der Heerden
sang uns vom Ufer an, wo halb sichtbar zwischen Obstbäumen die Kühe in
den Wiesen weidend umherirrten. Der Himmel klärte sich auf und die ersten
Strahlen der Sonne rötheten alle Höhen und Berge.

Um sieben Uhr Morgens nahte sich uns ein Kanot. Es brachte einen Arzt, der
den Gesundheitszustand Aller auf unserm Schiff untersuchen mußte, das den
Tag zuvor, mehr als gewöhnlich, gesäubert und gewaschen worden war. Er
grüßte uns mit einem »guten Morgen!« ohne dabei den Hut abzuziehen. Es war
ein gefälliger, angenehmer Mann; sehr sauber gekleidet. Nachdem er in
der Kajüte beim Kapitän ein kleines Frühstück genommen, kam er nach zehn
Minuten wieder aufs Verdeck. Der Namensausruf Aller im Schiffe erfolgte.
Er beschäftigte sich mit jedem einzeln; untersuchte noch zwei Personen, die
unpäßlich in ihren Betten geblieben waren, und schied zufrieden von uns,
auf die nämliche Art grüßend, wie er gekommen war.

Ich vermuthete, unsere Quarantäne würde wenigstens noch vierundzwanzig
Stunden auf dem Schiffe dauern. Darum rief ich einem Seemann, der auf einem
Kanot mit Doppelsegel nicht weit von unserm Hyperion vorbeifuhr, zu, ob
er mich nicht zum nächsten Bauerhause fahren wolle, um Milch und einige
frische Nahrung einzukaufen. Er kam heran; ich stieg von der Seite des
Schiffs, wo man eine Treppe angebracht hatte, hinab zu ihm. Er änderte an
den Segeln, und obgleich kein fühlbarer Wind ging, flog doch das kleine
Fahrzeug schneidend durch den Wasserspiegel ans Ufer.

Ich sprang ans Land. Mir ward wunderbar zu Muth, da ich den langentbehrten
festen Grund unter meinen Füßen fühlte; einen Boden unter meinen Sohlen,
den der weite Ozean von meiner Heimath trennte; den der große Columbus die
Kühnheit hatte zu suchen und das Glück ihn zu finden; den Jahrhunderte lang
die Grausamkeit raubsüchtigen Kriegsgesindels, golddürstiger Kaufleute und
herrschlustiger, dummgläubiger Pfaffen mit Menschenblut besudelt hatte,
bis Muth und Gefühl der Menschenwürde das Joch zerbrach, welches der
europäische Despotismus für unvergänglich hielt.

Von meinen Gedanken und Empfindungen in diesen Augenblicken Rechenschaft
zu geben, ist mir unmöglich. Ich kam zu einem artigen Bauerhause. Eine Frau
trat mir entgegen. Sie sprach deutsch; sie stammte aus dem Bernerland in
der Schweiz. Nun richtete sie hundert und tausend Fragen an mich, daß mir
zuletzt bange ward, keine Milch zu bekommen. Sie gab mir endlich, was ich
begehrte; ich mußte ihr aber versprechen, sie noch einmal zu besuchen. Als
ich zum Schiff zurückgekommen war, und meinen Fährmann fragte: was ich
denn schuldig sei? antwortete er: »O durchaus nichts. Es machte mir ein
Vergnügen, Sie einen Augenblick ans Land zu führen.« Er lehnte sehr höflich
Alles ab.

Wie die Kinder auf dem Hyperion, es waren derer wohl zwanzig, meinen großen
Topf voller Milch erblickten, liefen alle auf mich zu. Ich konnte jedem
nicht geschwind genug davon geben. Um sie zu sättigen, hätt' ich viermal
mehr haben müssen. Aber das war auch eine Schwelgerei für die guten
Kleinen, und ein Genuß für mich ihre Freude!

Der Kapitän hatte den Arzt in die Stadt begleitet. Sein Nachen kam
Nachmittags zurück, aber ohne ihn; statt seiner ein Briefchen an mich,
worin er mir ankündigte, ich könne ans Land gehen, wann ich wolle; der
Nachen stehe zu meinem Befehl.

Ich säumte keinen Augenblick.




7.

In Baltimore.

(13. bis 24. Juli.)


Die ersten Schritte am Lande, durch die Straßen der Stadt, reichten hin, um
mich zu belehren, ich sei in einem fremden Welttheil. Ich konnte nicht
müde werden, diese Reihen zierlicher Gebäude, diese Handelsgewölbe und
Kaufläden, diese Gruppen von Negern und Mulatten zu sehen.

Baltimore war vor fünfundvierzig Jahren noch ein gar geringes Städtchen,
mochte kaum ein halbes hundert Häuser haben, viele noch von Holz. Jetzt
steht da, einer Hauptstadt ähnlich, eine regsame Welt. Baltimore zählt
schon 75,000 Einwohner. Die Straßen sind gepflastert und mit breiten
Trottoirs eingefaßt; reinlich, heiter, angenehm mit Pappelbäumen besetzt,
deren Gipfel mit den Kirchthürmen um die Wette in die Lüfte aufstreben.
Die Häuser sind meistens von Backsteinen, manche von Marmor gebaut,
geschmackvoll und edel ausgeführt, von zwei und drei Stockwerken. Die
grünen Fensterläden überall, die Hausthüren von Rothholz und Acajou, die
glänzenden Messingbeschläge daran, die hohe Reinlichkeit überall -- Alles
gibt diesen Wohnungen, diesen breiten, lichten, saubern Straßen, ein
gefälliges, freundliches, frisches Ansehen, wie ich mich dessen von keiner
europäischen Stadt erinnerte. Während der heißen Sommerzeit werden die
Straßen täglich mit Wasser besprengt. Die schönste und längste derselben
ist die _Baltimorestraße_, beinahe eine halbe Stunde lang. In der Mitte
derselben steht seitwärts die Douane, ein Gebäu von ausserordentlichem
Umfang, aus weißem Marmor aufgeführt. Zwölf mächtige Säulen tragen einen
Theil vom Innern des Gebäudes, welches hier von oben herab durch eine
sehr hohe Kuppole erleuchtet wird. Links und rechts sind die Amts- und
Geschäftzimmer, die Wohnungen der Angestellten u. s. w. Die Beamten
selbst, einfach, aber äusserst zierlich gekleidet, zeichnen sich durch ihr
zuvorkommendes, gefälliges Betragen aus. --

Mein erster Gang war in einen Gasthof. Man saß eben zum Mittagsessen. Ich
brachte eine Eßlust mit, als hätt' ich auf dem Meere vier Wochen gefastet.
-- Ländlich, sittlich! Ich mußte mich bequemen, um nicht auffallend zu
werden, mit dem Messer in der rechten, mit der Gabel stets aber in der
linken Hand zu essen, und beide queer über den Teller zu legen, wenn man
mir keine Speisen mehr darbieten sollte. Ich war noch nicht halb gesättigt,
als meine Tischgenossen schon Feierabend machten. Ueberhaupt bemerkte ich
durchgehends nachher auf meinen Reisen im Lande, daß die Amerikaner am
Tische sehr mäßig sind. Selten nimmt man beim Frühstück oder Nachmittags
mehr, als zwei Tassen Thee oder Kaffee. Aber beim Thee und Kaffee wird
jedesmal zugleich Geflügel, Fisch, Backwerk, Brod, Butter u. s. w.
aufgetragen. Die Frau des Hauses bedient die Gäste. Bei der Mittagstafel
wird Bier zum Trinken gegeben und guter Branntwein mit Wasser verdünnt.

Der Sauberkeit und Zierde der Straßen und des Aeussern der Häuser
entspricht überall das Innere der Wohnungen. Man wird wenig Wohnungen
finden, wo der Fußboden nicht mit einem schönen türkischen Teppich bedeckt,
und von der Hausflur bis zum obersten Gemach des Hauses nicht jede Treppe
es ebenfalls wäre.

Von den öffentlichen Denkmälern zeichnete sich das zu Ehren Washingtons,
und ein anderes, nicht weit von einem Brunnen, zum Gedächtniß jener Bürger
aus, die bei Vertheidigung der Stadt gegen die Engländer im letzten Kriege
das Leben fürs Vaterland opferten. Ihre Gebeine ruhen unter dem Denkmale.
Ihre Namen alle sind in den Marmor des Fußgestells eingegraben.

Die katholische St. Pauls-Kirche könnte neben den schönsten Tempeln
Europens aufgezählt werden. Der Kirchen für die andern christlichen
Konfessionen mögen etwa noch achtzehn sein. Zuweilen stehen sie dicht neben
einander. Jeder, ohne Groll gegen den Nachbar, geht in das Gotteshaus,
wohin ihn sein Herz und sein Glaube rufen. Das ist die Wirkung der wahren
Religionsfreiheit, während man in Europa höchstens in den gebildeten
Ländern nur die Duldung kennt und sich mit religiöser Toleranz, als wäre
sie eine große Tugend, brüstet. -- Das ist in Amerika die Wirkung einer
weisen, vernünftigen Gesetzgebung. Die Menschen sind sich hier, wie vor
dem weltlichen, so vor dem göttlichen Gesetz in ihren Rechten gleich. Die
Europäer werden noch lange Zeit große und kleine Bücher über das Verhältniß
der Kirche zum Staat schreiben, indem die einen den Staat in die Kirche,
als in das Höhere und Allumfassende, hineinstellen, andere die Kirche dem
Staat unterordnen, und wieder andere Staat und Kirche, Kaiser und Papst, in
gleichen Würden neben einander setzen.

Die Amerikaner haben die Streitfrage der europäischen Staatsmänner und
Professoren längst und auf die naturgemäßeste Weise gelöst. Der Staat,
diese große Anstalt für Rechtssicherheit und Entwickelung der bürgerlichen
Gesellschaft, hat kein Befugniß, über religiöse Ueberzeugungen, über das
innere Verhältniß des Menschen zur Gottheit zu entscheiden. Den Bürgern
ist es anheimgestellt, in derjenigen Form oder kirchlichen Ordnung
ihre gemeinschaftlichen Gottesverehrungen zu veranstalten, die ihren
Ueberzeugungen am meisten entspricht. Wie mannigfaltig und verschieden
dieselben sein mögen, der Staat hat nicht darüber zu entscheiden, welche
Form die bessere, welche Kirche die alleinseligmachende sei. Allein alle
Bürger sind Eigenthümer gleicher Rechte; der Staat ist da, um sie alle in
den kirchlichen Verhältnissen ihrer Wahl zu schützen. Von der andern Seite
aber darf auch keinerlei Kirchenthum zerstörend auf die öffentliche
Ordnung des bürgerlichen Lebens einwirken, noch weniger sich, durch
priesterschaftlichen Stolz geleitet, weltliches Recht und Ansehen in
Staatsverfassung oder Staatsführung anmaßen.

»Lauheit, Indifferentismus!« rufen dabei in Europa unsere geistlichen
_Herren_ (denn Herrn wollen sie gern sein!).

Merkwürdig ists, daß eben diese _Herren_ fort und fort über Verfall
der Religion, Abnahme der Andacht, schlechten Besuch des Gottesdienstes
schreibend und predigend klagen. In Amerika klagt man nicht über
Indifferentismus. Hier wetteifern alle christlichen Kirchenparteien auf oft
rührende Weise in gottesdienstlicher Frömmigkeit. Hier sind in den größern
und kleinern Städten die Kirchen stets von Betern erfüllt, und in den
weiten Einsamkeiten junger Pflanzungen sieht man Pflanzerfamilien oft lange
Tagreisen bis zur nächsten Kapelle oder Kirche machen. Wenn sich eine Stadt
bildet oder ein Dorf -- so weit ich gekommen bin --, und alle Hütten noch
gebrechlich und hölzern sind, stehen zuerst immer zwei große Gebäude massiv
und kostbar aufgeführt da: das Rathhaus und der Tempel.

Den ersten Sonntag, welchen ich auf amerikanischer Erde erlebte, tönte
von allen Seiten das Geläut der Kirchenglocken. Es war der 18. Juli. Ich
verließ meinen Gasthof und folgte dem ersten Zuge von Menschen, den ich
sah, zu einer der Kirchen. Der Prediger war auf der Kanzel; ihm zur Rechten
saß der männliche, zur Linken der weibliche Theil der Gemeinde. Man sang
die Psalmen mit vieler Harmonie. Dann las der Prediger einen Bibeltext und
sprach über die Unerfahrenheit und Ungeduld der Menschen, indem sie ihre
Glücks- und Unglücksfälle dem Vertrauen auf eigene Kräfte anheimstellen,
ohne die tiefer liegenden Ursachen zu bemerken. Er sprach sehr erwecklich
und belehrend. Ich bemerkte, daß ich in einem Tempel der _Methodisten_
war, der sich, wie die Art der öffentlichen Andachtsübung, wenig von der
reformirten Form unterschied.

Von da begab ich mich in eine andere Kirche. Es war die der _Neger_. Auch
der Geistliche war ein Neger. Er ereiferte sich sehr gegen die, seinem
schwarzen Menschenschlage gewöhnlichen Untugenden. Seine Stimme war sehr
stark; seine Bewegung ganz schauspielerhaft. Die Kleidung der Zuhörer und
Zuhörerinnen zeichnete sich durch hohe Sauberkeit, Geschmack und Feinheit
aus. Die Frauenzimmer trugen sich meistens weiß; doch manche auch in
farbigen Kleidern und mit feinen Strohhüten. Aber welche Ueberraschung
für einen Europäer, wenn sich eine der schlanken Grazien mit dem Köpfchen
wandte, und dem Neugierigen eine ganz schwarze Gestalt wies!

Den folgenden Tag ging ich in eine katholische Kirche. Es wurde hier eben
ein ausserordentliches Seelen-Amt wegen dem Tode eines Herrn _Moranville_
gehalten. Bei der ansteckenden Seuche, die im Sommer 1819 zu Baltimore so
viele Menschen wegraffte, und durch die Wärme der Luft von 26 bis 28 Grad
Reaumur am furchtbarsten geworden war, opferte dieser Herr _Moranville_
Vermögen, Zeit und Kräfte für die leidende Menschheit auf. Er theilte
Arzneien aus, er tröstete die Sterbenden, er half die Todten forttragen,
so lange die Seuche wüthete. Die meisten Verwüstungen richtete sie in dem
Theil der Stadt an, der _Fellspoint_ heißt, und in den niedern Gegenden,
während der höher gelegene Theil der Stadt sich gesund bewahrte, obgleich
man auch von den Kranken da hinauf verlegt hatte. Herr Moranville fühlte
sich zuletzt auch nicht wohl. Er glaubte, das Klima Frankreichs, seines
Vaterlandes, werde ihm Besserung geben. Er reisete ab, kam nach _Amiens_
und starb da. Der _Hyperion_ hatte die Nachricht von seinem Tode
mitgebracht, den ganz Baltimore mit lauter Stimme beklagte. Die Kirche
hatte kaum Raum genug, die ungeheure Menschenmenge zu fassen. Mit welchem
kalten Pomp sah ich in Europa oft Menschen begraben, die zu den Höchsten
und Bedeutendsten gehörten. Hier weinten tausend und tausend dankbare Augen
still vor sich hin. Und als der Prediger vom Leben des Wohlthäters sprach,
ward der Schmerz laut.

Man hat jetzt seit Kurzem einen Theil des Hafens ausgetrocknet, wodurch die
Luft reiner und gesunder geworden ist. Es sind Flußgraben geöffnet, so, daß
die Fahrzeuge in der Nähe der Vorrathshäuser landen können. Diese Kanäle
ziehen sich manchmal eine halbe Wegstunde vor bis in die meisten Straßen
der Stadt. Neben den Kanälen sind auf beiden Seiten Hochstraßen für
Fuhrwerk. Zwischen den Häusern über den Dächern ragen daher die Masten der
Schiffe mit ihren flatternden Wimpeln empor. An den Ufern rollen prächtige
Lust- und Reisewagen entlang, Karren von Negern gezogen und gestoßen;
zierliche Kaufläden sind seitwärts geöffnet, deren Reichthum den
europäischen nicht nachsteht. Eine regsame Menschenmenge schwärmt durch
die lichten Straßen. Der Großtheil der Wandelnden ist immer in sauberer und
geschmackvoller Kleidung. Es hat Alles alle Tage sonntägliches Ansehen.

Jeden Morgen, ehe noch die Thürme im Goldstrahl der Sonne leuchteten,
erwacht' ich vom verworrenen Gesang mehrerer Stimmen. Ich ward neugierig,
woher diese Klänge, und ging ihnen eines Tages nach. Sie kamen vom Hafen.
Ich sah auf einem Schiff acht Neger beschäftigt, es auszuladen. Alle ihre
Bewegungen geschahen im strengen Zeitmaß und begleitet von einem Sang,
den einer von ihnen angestimmt hatte. Die Töne, mit weniger Abwechselung,
erhoben oder senkten sich, je nachdem der Waarenballen mehr oder minder
schwer war, der bewegt wurde. Ich fand diese Art melodisch zu arbeiten
nachher noch öfter bei den Negern. Man sagte mir, daß diese Unglücklichen
sich in den ersten Monaten ihrer Gefangenschaft einer solchen Schwermuth
überliessen, daß sie zuletzt gegen die Mahnungen ihrer Herren, selbst gegen
Schläge ganz unempfindlich würden. Nichts könnte sie dann erheitern, als
ihr Gesang. Man nöthige sie, zu Allem zu singen. So singen sie nachher zu
aller Arbeit und bewahren dadurch ihre Munterkeit.




8.

Die Auswanderer.


Um mehr in der Mitte der Stadt zu sein, wohin ich von meinem Gasthof wohl
eine halbe Stunde Wegs hatte, wählte ich einige Tage nach meiner Ankunft
den Gasthof zur _Indian Queen_. Im ersten hatte ich wöchentlich, bei
täglichen drei Mahlzeiten, 4 Dollars (ungefähr 1 Louisd'or) bezahlt; in
diesem war der Preis täglich 1¼ Dollar. Die Reisenden wurden durch sechs
Neger und Mulatten bedient; dreimal des Tages war die Tafel gedeckt, mit
ausgewählten Speisen besetzt und die Gesellschaft am Tisch zahlreicher.
Es waren mit mir etwa achtzig Reisende da und sehr wenig Europäer
unter denselben. Der Wirth hält ein Buch, worin der Name seiner Fremden
eingetragen ist. Das aber ist keine Polizeimaßregel, wie in Europa, sondern
Uebung. Die Polizei drängt sich hier nicht in Alles ein. Man setzt voraus,
die Mehrheit der Reisenden bestehe aus rechtlichen Menschen, und unterwirft
diese nicht den demüthigenden und beleidigenden Verfügungen, die man
einiger Schelmen willen erfunden hat. Man reiset durch alle Staaten
Amerika's, ohne auch nur eines Passes zu bedürfen, und sich damit beim
Thor jedes Städtleins und jeder Polizeibehörde ausweisen, verzögern und oft
plump genug behandelt sehen zu müssen.

Kömmt ein Reisender ans amerikanische Ufer, muß er erst seinem
Schiffskapitän den Werth seiner Waaren genau angeben, dann hernach beim
Zollamt den Werth des Verkauften. Ein jährlich vom Kongreß bestimmter Tarif
bezeichnet, was davon zu entrichten ist. Uebersteigt die Abgabe fünfzig
Piaster, gewährt man Zahlungsfristen von sechs, neun und zwölf Monaten. Man
hält sich an das gegebene Wort. Und Alles geht ganz gut dabei. -- Es
ist dies allerdings merkwürdig. Werden denn die Leute ehrlicher und
rechtlicher, wenn sie amerikanische Luft athmen? -- Ich möchte beinahe
glauben, es würden die Unterthanen der europäischen Regierungen viel besser
werden oder sein, wenn die Regierungen ihnen mehr Redlichkeit zutrauten.
Man verkrüppelt Völker nicht nur, wie in der Türkei, durch rohe, gesetzlose
Härte und Grausamkeit zu sklavischen Wesen, die mit den Lastern
des Sklaventhums behaftet stehen, sondern auch durch unbesonnene
Gesetzgebungen, in denen kein Glaube an die menschliche Tugend, keine
Achtung des jedem Menschen eigenthümlichen Ehrgefühls, keine Schonung
der Würde des Menschen, auch im Aermsten, vorherrscht. Mustert die
Gesetzgebungen der meisten Länder: sie scheinen für Botany-Bai-Leute
geschaffen zu sein.

Die heitere, freie, anständige Bewegung der Einwohner Baltimore's auf
Straßen, öffentlichen Plätzen u. s. w. fand ich im Innern der Familien
wieder. Ich ward einigemal in die Abendgesellschaften eines der ersten
Häuser, bei Herrn G...., eingeladen. Die Frauenzimmer machten nach dem Thee
Musik mit Gesangbegleitung; man plauderte, scherzte, spielte. Es war hier
Alles ohngefähr wie bei uns in ähnlichen guten Gesellschaften; nur weniger
gezwängt, steif und gesucht, viel heiterer und jeder mehr sich hingebend.

Noch muß ich doch auch ein Wort von meinen europäischen Reisegefährten,
den Auswanderern, sagen. Den Tag nach der Ankunft im Hafen, gingen die
Auswanderer ebenfalls ans Land und schickten sich an, in die westlichen
Gegenden der Vereinstaaten zu reisen, meistens in kleinen Caravanen von
acht bis zehn Personen. Manche waren schon ganz von Geld entblößt. Sie
wandten sich an eine sehr achtungswürdige Gesellschaft in Baltimore, und
die beiden ärmsten Familien, die eilf Personen stark waren, erhielten ein
Pferd für sich und 40 Piaster. Sie zogen, wie der größte Theil solcher
Ankömmlinge, den Ufern des Ohiostroms zu.

Auch das amerikanische Schiff _Elisabeth_ war in New-York, und früher, als
der Hyperion, mit mehr denn vierzig Reisenden angekommen, wie ich erfuhr.
Diese, meistens Schweizer, zogen an den Ufern des Hudson aufwärts und
folgten dem großen Kanal bis zum Erie-See. Das Schiff _Boston_ kam fast
gleichzeitig mit 120 Kolonisten, Elsassern und Schweizern, größtentheils
Wiedertäufern, in Alexandria in Virginien an. Auch diese wanderten vom Ufer
des Potomak zum Ohio. Eben so andere Auswanderer, die einige Wochen später
auf zwei Schiffen von Havre ankamen. -- Jährlich strömt aus Europa eine
unglaubliche Menge arbeitsamer, gewerbfleißiger Familien nach Amerika. Und
doch -- wie große Strecken Landes entbehren in Europa noch des Pfluges und
des Kunstfleißes!

Wie schon gesagt, sind in jedem Fall die amerikanischen Schiffe allen
andern zur Ueberfahrt vorzuziehen. Sie brauchen gewöhnlich von Europa
nach dem neuen Welttheil nicht mehr, als zwanzig bis vierzig Tage, und
zur Rückfahrt nach Europa etwa zwanzig bis dreißig. Zwölf Schiffe, die den
Namen Packboote tragen, machen zwischen Havre und New-York den regelmäßigen
Dienst; zwölf andere eben so von Grenok nach New-York; zwölf von London und
sechszehn von Liverpool eben dahin. Jedes dieser Schiffe macht die Hin- und
Herfahrt dreimal im Jahre. In jedem derselben ist der Preis für einen Platz
in der Kajüte zu dreißig Guineen (ohngefähr dreißig Louisd'or) oder 140
Dollars. Man hat dafür täglich drei wohlgewählte Mahlzeiten nebst dem Wein;
zum Nachtisch Madera; Sonntags Champagner.

Diejenigen, welche weniger Bequemlichkeit verlangen und unterwegs sparen
wollen, finden beim Kapitän eines Kauffahrteischiffes leicht den Platz zu
zwanzig Louisd'or. Die Auswanderer auf dem Hyperion zahlten für die Person
nur ohngefähr sechs Louisd'or; beköstigten sich aber selbst; schliefen
im Zwischenverdeck, hatten aber Holz zum Kochen und süßes Wasser
frei. Matratzen, Fleisch, Wein, Schiffszwieback, hatten sie von Havre
mitgenommen, und auf die Person für vier Louisd'or Lebensmittel berechnet.

Noch vor wenigen Jahren war die Ueberfahrt kostspieliger und bei der
Unerfahrenheit der damaligen Schiffskapitäne langsamer. Sie gebrauchten
dazu oft sechszig bis achtzig Tage, manchmal sogar drei bis fünf Monate.
Viele der Auswanderer waren sodann ausser Stand zu zahlen; hatten ihr Geld
oft schon beim langen Aufenthalt im Hafen verzehrt. Dann pflegten sie sich,
um die Ueberfahrt zu zahlen, dem Kapitän auf längere oder kürzere Zeit
in Arbeit zu verdingen, und dieser verkaufte sie, oder vielmehr ihre
Arbeitsverpflichtung, wenn er nach Amerika kam, an Andere, die das Meiste
boten.

Die Regierung von Amerika hat diesen schändlichen Handel durch ein Gesetz
verboten, und alle dergleichen Verträge zwischen Kapitänen und Reisenden
aufgehoben. Seitdem nimmt kein Kapitän mehr Ueberfahrende an, ohne das
Frachtgeld vorher baar erhalten zu haben.

Viele von den Ankömmlingen, die ich nachmals in verschiedenen Gegenden
Amerika's sprach, und welche die Ueberfahrt auf Schiffen anderer Stationen
gemacht hatten, erzählten mir von seltsamen Meer-Abentheuern, denen ich
kaum Glauben schenken konnte. Ein Aargauer, der im Jahr 1817 mit 450
Würtembergern und Schweizern die Ueberfahrt von Holland aus gemacht hatte,
erzählte: daß man nach sechs Wochen auf dem Meere endlich die Portionen
Lebensmittel habe auf ein Drittel einschränken müssen; daß sich deswegen
viele dem Kapitän verkauft hätten; daß bei 150 Menschen durch Hunger und
Krankheit auf dem Meer umgekommen wären, und erst nach einem Vierteljahre
New-York erreicht hätten. Gewiß ist, daß einige, die ihre Ueberfahrt
bezahlt hatten, nachher ihre Klage gegen den Kapitän aufsetzten und sie
Regierungsgliedern überreichten. Der Kapitän wurde vor den Richter
berufen, und da er sich nicht ganz rechtfertigen konnte, zu einjähriger
Gefangenschaft und zum Verlust seines Schiffes verurtheilt. Die Reisenden
wurden von den eingegangenen Verträgen frei gemacht. Und seit dieser
Zeit ists auch, daß jenes Gesetz erschien, um alle Mißbräuche dieser Art
abzuschaffen.




9.

Eine Tagreise nach Philadelphia.

(24. Juli.)


»Wie weit ists von hier bis zur Hauptstadt Pensylvaniens?« fragte ich.

»Vormals ziemlich weit,« war die Antwort; »man mußte mehrere Tage unterwegs
zubringen. Jetzt aber können Sie bei uns in Baltimore frühstücken und in
Philadelphia zu Abend speisen. Die beiden Städte sind einander sehr nahe
gerückt worden. Es sind, von Baltimore dahin, dreiunddreißig Stunden.«

In der That, wohin man bald gelangen kann, das ist nicht sehr entfernt.
Je mehr sich die Vereinstaaten beleben, mit Kunststraßen, Kanälen und
Schifferflüssen durchschnitten werden, Eilwagen und Dampfboote sich
vervielfältigen und vervollkommnen, je kleiner wird dies ungeheure Gebiet,
in welches man ziemlich bequem den größten Theil Europas hineinlegen kann.

Ich bestieg an einem schönen Morgen um fünf Uhr das Dampfschiff Richmond,
welches, mit der Kraft von siebenzig Pferden, regelmäßig die Fahrt von
New-York nach Albany macht. Ob ich gleich manches Dampfboot schon gesehen
hatte, überraschte mich doch dieses durch seine Sauberkeit, innere
Schönheit und die Pracht der Zimmergeräthe und Verzierungen. Der
Dampf hörte auf zu zischen; das Räderwerk gerieth in Bewegung, und mit
wunderbarer Geschicklichkeit flog das Boot mitten durch die Menge der
Fahrzeuge, welche das Gewässer des Hafens bedeckten. Kaum von der Rhede
etwas entfernt, kam uns das Dampfschiff =the Maryland= entgegen, das von
Charlestown und Norfolk nach Baltimore gehend, uns einen Reisenden abgab,
welcher nach New-York wollte.

Wenn man aus dem Hafen kömmt, mag die _Chesapeakbay_ eine starke
Viertelstunde breit sein und nimmt dann den Namen _Susquehanna_ von dem
Fluß an, der aus den Alleghanybergen in zwei verschiedenen Strömen kömmt.
Diese Ströme vereinigen sich zu _Sunbury_ ehe sie in die Chesapeakbay
fallen.

Um acht Uhr wurde zum Morgenmahl geläutet. Jedermann setzte sich zum Tisch,
wie ihm gefiel. Es waren der Reisenden ohngefähr sechszig Personen. Das
Frühstück war, wie gewöhnlich, in üppiger Fülle aufgetischt; Kaffee,
Rindfleisch, Geflügel, Fisch, auf mancherlei Weise bereitet; Backwerk,
Butter und die =sweah patatoes=, oder süße Erdäpfel nicht zu vergessen, vom
feinsten Geschmack, welche mein Lieblingsbissen blieben, so lange ich in
Amerika war.

Das Schiff ging rasch; in einer Stunde stromaufwärts zwei Wegstunden. Beide
Ufer, die sich einander allmälig näherten, waren mit artigen Landhäusern
und wohlgebauten Feldern geschmückt. Im Hintergrunde unendlicher Wald.

Um eilf Uhr hielt das Schiff an. Wir mußten ans Land. Jeder Reisende
erhielt eine Karte, welche die Nummer eines Wagens trug, in dem jeder nun
vom Ufer der Susquehanna zum Delavarefluß fahren sollte, wo uns ein anderes
Dampfschiff erwartete.

Sechs schöne Wagen, jeder mit vier kräftigen zierlich geschirrten
Rossen bespannt, brachten uns in vierthalb Stunden von _Newcastle_ ans
Delavare-Ufer in den Delavarestaat. Es ist dies ein Weg von ohngefähr
neun Stunden Länge. Man saß im Wagen bequem, obgleich immer drei Personen
nebeneinander.

Wir hörten schon in der Ferne, ehe wir das Dampfboot sahen, den Dampf
pfeifen. Eilfertig, als wäre Alles auf der Flucht begriffen, stieg man aus
ins Schiff; das Gepäck kam sogleich mit, und wir flogen den Delavarestrom
aufwärts. Die Ufer desselben sind so lieblich, wie die der Susquehanna.
Wälder, durchschnitten von schönen Pflanzstätten, saubere Häuser von Back-
und Felssteinen, mit Gärten, verkündeten freudigen Wohlstand und noch Raum
genug für manchen Ansiedler. -- Zwischen Gehölzen, Maisfeldern und üppigen
Wiesen sahen wir auch zwei kleine Städte an uns vorüberschweben: _Chester_
und _Wilmington_. Sie hatten freundliches Aeusseres; die Häuser mit vielem
Geschmack erbaut, aus Steinen, Backsteinen und getünchtem Holz. Rechts
lag uns der Staat _Jersey_, weniger volkreich, als Pensylvania zu unserer
Linken.

Eine Menge Schiffe, Sloops und anderer Fahrzeuge begegneten uns, oder
folgte uns. Ueberall Leben und Verkehr. Aber kein Schiff konnte mit unserm
Boot gleichen Lauf halten; es legte in einer Stunde, gegen den Strom, über
2¼ Wegstunden zurück.

Es war sechs Uhr Abends vorbei, als wir schon den Wald von Schiffsmasten
sahen, welcher den Hafen von Philadelphia besäumt. Bald erblickten wir
am Ufer des Flusses, beim Eingang des Hafens, ein ungeheures steinernes
Bauwerk, breit und schwerfällig. Es war die Veste Mifflins.

Am Landplatz lagen schon fünf andere Dampfboote. Wir befanden uns dem
Marktplatz gegenüber. Eine Menge schaulustiger Menschen standen am Ufer.
Neger erboten sich, mein Gepäck zu tragen. Nur 200 Schritte vom Hafen ist
der Gasthof _Brandson_, wo ich einkehrte, und für einen Dollar täglich mich
ganz wohl befand.

So war ich nun in der Stiftung des unsterblichen und ewig ehrwürdigen
William Penn; in der Stadt, welche bis zum Jahre 1800 die Stadt des
Kongresses gewesen, der dann nach Washington im Columbiastaat verlegt
wurde.

General _Lafayette_ kannte sein Amerika, für dessen Unabhängigkeit er einst
als Jüngling gefochten hatte, nicht wieder, da er zum letztenmale dessen
Gast ward. Und jeder Reisende, der nur einige Jahre später kömmt, als der
frühere, findet Verwandlungen über Verwandlungen, neue Kolonien im Innern,
wo sonst Einöden, neue Städte, wo sonst einzelne Bauerhöfe lagen, und
kleine Ortschaften in Gewerbs-, Handels- und Prachtstädte verwandelt.

Laut der letzten Zählung steigt die Bevölkerung jetzt auf 12,508,000
Einwohner in den gesammten achtundzwanzig Staaten des Bundes. Ich will hier
die Uebersicht von gegenwärtiger Bevölkerung der Vereinstaaten, nebst den
Jahren ihrer Kolonisation und Aufnahme in den Bund, als selbstständige
Republiken, beifügen.


  Namen.       Kolonisation.  Eintritt in  Bevölk.
                               den Bund.   Seelen.

  Virginien         1610         1776     1,100,000
  New-York          1614         1776     1,220,000
  New-Jersey        1614         1776       314,000
  Massachusetts     1620         1776       548,000
  Newhampshire      1623         1776       274,000
  Pensylvanien      1627         1776     1,078,000
  Delavare          1627         1776       100,000
  Maine             1630         1819        10,000
  Connecticut       1635         1776       316,000
  Rhode-Island      1635         1776       100,000
  Maryland          1638         1776       450,000
  Vermont           1664         1776       300,000
  Nordkarolina      1669         1776       504,000
  Südkarolina       1710         1776       662,000
  Georgien          1732         1776       366,000
  Louisiana         1734         1812       158,000
  Tennesee          1750         1796       430,000
  Allabama          1770         1822        85,000
  Columbia          1638         1800        56,000
  Kentuky           1773         1792     1,100,000
  Indiana           1787         1816       130,000
  Ohio              1780         1803       540,000
  Illinois          1790         1818        55,000
  Missouri          1790         1820       106,000
  Missisippi        1780         1817       156,000
  Ostflorida  }
              }                  1822     1,000,000
  Westflorida }
  Michigan          1810         1823        50,000
  Die Länder westwärts Illinois
    u. s. w. zählen auch etwa             1,000,000.

Man sieht daraus, daß bei uns zu Lande die Geographien, welche erst vor
einigen Jahren gedruckt sind, wo sie von den Vereinstaaten reden, durch
die Riesenschritte, welche Bevölkerung und Anbau dort thun, unvollständig
geworden sind.

Noch ein Vierteljahrhundert, und die Vereinstaaten sind durch ihre Lage,
durch ihre Bevölkerung, durch ihren Reichthum, durch ihre vortrefflichen
Einrichtungen, durch ihre weisen Gesetzgebungen eine Riesenmacht, die
des gesammten Europens Trotz spotten kann, und auf unsern Welttheil mehr
Einfluß haben wird, als er auf sie. Da, wo jeder Bürger für sein Vaterland
das Gewehr trägt, wo beinahe eine Million Milizen in den Waffen
geübt werden, wo Freiheitsgefühl, Nationalstolz und Mißachtung der
alteuropäischen Einrichtungen begeistern, ist schon jetzt nichts mehr
von schweren Anfechtungen aus Amerika zu fürchten, obgleich die gesammten
achtundzwanzig Republiken nicht mehr, als kaum 6000 Soldaten, das heißt
in Sold und Lohn stehendes Kriegsvolk, unterhalten. Daß die Amerikaner ihr
Glück fühlen im Verhältniß zu den Europäern, muß uns gar nicht wundern.
Denn ungerechnet die natürliche Liebe der Eingebornen zu ihrer Heimath,
bringen die jährlichen Einwanderer und neuen Ansiedler wenig Lobreden auf
den alten Welttheil mit, welche die Neigung für Europa erhöhen könnten;
und dann erfahren sie wöchentlich aus zahllosen Zeitungen nur zu viel vom
Bunterlei unserer Schick- und Drangsale.




10.

Die Stadt der Freunde.

(24. bis 30. Juli.)


_Philadelphia_ trägt wohl seinen Namen mit Recht. Der Großtheil ihrer
Bewohner besteht aus Personen, die zur Kirchpartei, oder wie sie es
nennen, zur _Gesellschaft der Freunde_ gehören, die man gemeinlich mit dem
Spottnamen der _Quakers_ und _Zitterer_ bezeichnet.

Es war mir gleich anfangs, da ich durch die Stadt ging, auffallend, welche
anständige, ich möchte sagen sonntägliche Stille in den volkreichen Gassen
Philadelphia's herrschte, einer Stadt von ohngefähr 120,000 Seelen.
Und doch durchkreuzte sich das Volk in lebendigem Verkehr nach allen
Richtungen. Der Markt war voll Getümmels, von einem Ende zum andern mit
Gartenfrüchten und Gemüsen jeder Art, wohlgeordnet besetzt; seitwärts mit
ganzen Reihen von Bauerwagen und wohlgenährten Rossen; die Wagen waren mit
Fleischwaaren, gerupftem und in saubere Leinwand eingeschlagenem Geflügel
u. s. w. angefüllt, von Käufern und Käuferinnen umringt.

Jene Stille, die mich überraschte, hatte die nämliche Wirkung auf einen
englischen Schriftsteller hervorgebracht, der sich darüber so ausdrückt:
»Was mir, nicht nur zu Philadelphia, sondern in allen Städten der
Vereinstaaten, ungewohnt entgegentrat, war das anständige, besonnene Wesen
der Bürger. Da ist in den Straßen kein Lärmens, Schreiens, Zankens;
und doch bezeichnet dieser Mangel des Lärmens so wenig einen Mangel an
Lebhaftigkeit, als das Nichtdasein von Grausamkeit die fehlende Tapferkeit
andeutet. Wer daran zweifelt, besuche den nordamerikanischen Bundesstaat.«

Am Sonntage ward die Luft von allen Seiten durch das Geläut der Glocken
bewegt. Ich ging in die erste Kirche, die ich antraf; sie war sehr groß und
doch schon von Personen beiderlei Geschlechts angefüllt. Ich bemerkte an
den aufrecht stehenden Rockkragen der Männer, an den feinen aber blumen-
und federlosen Strohhüten der Frauenzimmer, an der mangelnden Kanzel,
die ich vergebens mit den Augen suchte, daß ich in einem Tempel der
Gesellschaft der Freunde war.

Die Kirchenglocken schwiegen. Im weiten Raum des der Andacht geweihten
Gebäudes entstand eine tiefe, anhaltende Stille. Alles schien in fromme
Betrachtung untergegangen. Ich wartete geduldig anderthalb Stunden, und es
änderte sich nichts. Ich war schon im Begriff fortzugehen, als eine gute
alte Frau vom Sitz aufstand, und mit zitternder doch vernehmlicher Stimme
das Schweigen brach, indem sie ein Gebet sprach. Dies mochte wohl eine
Viertelstunde dauern; dann bedeckte sie sich das Gesicht mit beiden Händen
und saß wieder nieder. Ich verweilte noch ein halbes Stündchen. Als niemand
aber das Wort nahm, ging ich wieder und besuchte eine andere Kirche.

Es ist in der Art und Weise dieser Gesellschaft der Freunde viel Eigenes,
Hartes, Schwärmerisches und Ueberspanntes. Wer könnte das ganz läugnen?
Aber doch muß ich bekennen, keine von allen christlichen Kirchenpartheien
hat dabei so viel Milde, Menschenfreundlichkeit, Selbstverläugnung,
Selbstaufopferung und Wahrhaftigkeit, als eben diese. Sie leben freundlich
unter allen Menschen, ohne deren wilde Thorheiten und Leidenschaften
anzunehmen. Sie wenden die Vorschriften des Christenthums streng, ja
_buchstäblich_ auf das wirkliche Leben an, und werden dadurch auffallend,
sonderlingsartig in den Augen derer, die eine andere Erziehung genossen
haben, sogar lächerlich. Sie zanken nicht, wie andere Christen, um Formen
und Dogmen; ihr Glaube liegt mehr sprechend in ihren Handlungsweisen. Das
stammt schon von erster Erziehung her, die ihnen nachher das Gewohnte
zum lieben Bedürfniß macht. Diese Erziehung weicht freilich von der
gewöhnlichen ab; ist vielleicht in Manchem zu ängstlich. Aber vielleicht
ist eben diese Aengstlichkeit das beste Verwahrungsmittel gegen die spätere
Leichtigkeit, mit dem, was unehrbar und lasterhaft ist, in Unterhandlung
zu treten. Tanz, Musik, Jagd, Hazardspiel und Theater sind untersagt. Die
erzieherische Gesetzgebung William _Penns_ scheint mir unendlich edler, in
sich selbst weiser und in ihren Wirkungen nicht minder bewundernswürdig,
als die vielbewunderte des _Lykurg_. Wer dies bezweifelt oder nicht
begreift, müßte Pensylvanien, müßte die entlegensten Einsamkeiten Amerika's
besuchen. Hier ist nicht Heuchelei, auf den Schein gemachte Frömmigkeit,
verlarvter Stolz, wie bei manchen ähnlichen Sekten in Europa, sondern
Ueberzeugung, die ins Leben durch die That tritt, und durch Erziehung und
Gewohnheit Bedürfniß wird.

Es scheint mir, daß die Einfalt, Wahrhaftigkeit, Anspruchlosigkeit
und Rechtlichkeit der Gesellschaft der Freunde, auf Denkart und Ton,
Gesetzgebung und Verfassung der Amerikaner in den Vereinstaaten einen sehr
bedeutenden Einfluß gehabt habe und noch immer übe. Ueberall bin ich
den Spuren ihrer Gesinnungen begegnet. Auch geniessen sie allgemeine und
wohlverdiente Achtung.

Unter ihnen herrscht vollkommene Gleichheit der Rechte; Reichthum und
Armuth geben darin keinen Unterschied. Die Häupter ihrer Versammlungen
beziehen keine Besoldungen, empfangen keine besondere Ehrenbezeugungen, und
finden für ihre Meinungen kein Uebergewicht bei den Andern. Das weibliche
Geschlecht hat, wie bei allen andern Kirchenpartheien, dieselbe
Stellung, und genießt derselben Achtung und Ehrfurcht. Die liebenswürdige
Bescheidenheit, Einfachheit, häusliche Ordnungsliebe und feine
Verständigkeit der Frauenzimmer macht, daß diese auch von den achtbarsten
Familien anderer Sekten gesucht werden. -- Erfüllt einer von ihnen nicht
seine Pflichten gewissenhaft, wird er von einem seiner nächsten Verwandten
oder vertrautesten Freunde im Stillen gewarnt; ist dies fruchtlos,
geschieht es von mehrern Seiten; zeigt sich alle Mühe eitel, ihn zu
seinen Pflichten zurückzuführen, wird er aus der Gesellschaft der Freunde
ausgeschlossen. Das Alles geschieht ohne Aufsehn im Stillen.

Die Verbesserung der Strafanstalten, die Versittlichung der Verbrecher, die
Verhütung des Verarmens und der aus Armuth entspringenden Uebelthaten,
die Verbreitung des Christenthums unter den Heiden, die menschlichere
Behandlung der Indianerstämme, die Abschaffung des Negerhandels und
der Sklaverei hat dieser Kirchpartei mehr, als allen andern in der
Christenheit, zu danken. -- Wenn man die Genossen derselben auch nicht
schon an ihrer äussern, einfachen Tracht erkennen würde, die Männer an
ihren breitkrämpigen schwarzen oder weißen Hüten, und schwarzen, braunen,
dunkelfarbigen Röcken; die Frauenzimmer an der Abwesenheit aller bloßen
Schmucksachen, der Ohrgehänge, Ringe, Armbänder, Federn, Kunstblumen
u. s. w. -- Trauer um die Todten legen sie nie an -- so würde man sie
an der strengen Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit im Handel und Wandel
erkennen; an ihrer Treue im gegebenen Wort, an der Verschmähung jeder Art
Betrugs und Ueberlistung.

Die Stadt _Philadelphia_ hat etwas ungemein Gefälliges im Aeussern. Die
Straßen sind geräumig und breit, manche achtzig bis hundert Schuh; alle
sauber mit Plattsteinen gepflastert. In der Mitte stehen Hallen, oder
zum Marktverkauf bestimmte, überdeckte Plätze, wo die Landleute, die ihre
Erzeugnisse bringen, gegen das Wetter geschirmt stehen. Manche dieser
Hallen sind über eine Viertelstunde lang. Die Fußgänge an den Seiten sind
von Zeltdächern beschattet, viele der Kaufläden und Gewölbe gleichen an
Fülle und Schönheit der Verzierung den schönsten in Paris.

_Penn_ selbst hat den Riß zur Stadt der Freunde im Jahr 1682 entworfen. Sie
ist wohl eine Wegstunde lang. Es ziehen vierundzwanzig breite, schnurgrade,
oft seitwärts mit Fußgängen versehene Straßen neben einander hin, die von
zwanzig andern ähnlichen im rechten Winkel durchschnitten sind. Die
Häuser haben meistens weißen, gelblichen oder röthlichen Anstrich. Die
Begräbnißplätze sind hier noch, wie in allen amerikanischen Städten, bei
den Kirchen. Es fehlt nicht an vielen Sehenswürdigkeiten. Ich darf nur an
das herrliche Museum erinnern, wo auch das vor einigen Jahren zu Bigbone
in Kentuky, ohnweit Cincinnati gefundene Mammuthskelet aufbewahrt wird, das
18 Schuh lange, 11½ Schuh hohe Riesenthier der Vorwelt.

Neben allen schönen Gebäuden der Stadt zeichnen sich immer die Kirchen
durch ihre Pracht und Majestät aus. Und ihrer sind nicht wenige. Und alle
sind doch nur auf Kosten der verschiedenen Kirchpartheien gebaut. Denn, wie
gesagt, hier ist keine herrschende, sogenannte Landesreligion. Der Staat
hat den weisen und wohlthätigen, und Religiosität befördernden Grundsatz
vollkommener Glaubensfreiheit anerkannt. Er zwingt niemanden zum
Kirchenbesuch, und doch sind alle Tempel stets beim öffentlichen
Gottesdienst angefüllt, während in Europa die Pfarrer über Verfall der
öffentlichen Andacht und die Leerheit der Gotteshäuser häufig jammern. Der
Staat gibt kein Geld zum Kirchenbau, besoldet keinen Geistlichen, und doch
gibt es kaum ein Land, wo so viel Kirchen sind. Im Jahr 1817 hatte die
Stadt Philadelphia bei ohngefähr 100,000 Einwohnern achtundvierzig Kirchen;
_Boston_, damals bei etwa 40,000 Seelen dreiundzwanzig Kirchen; _New-York_,
bei damals etwa 120,000 Einw., dreiundfünfzig Kirchen. Und heute sind
überall, nach Maßgabe der gestiegenen Bevölkerung, auch der Tempel mehr
geworden. -- Worauf deutet das?

Weil der Staat ohne Unterschied jeder christlichen Glaubensgenossenschaft
gleiches Recht und gleichen Schutz gewährt, hört man auch nichts von den
ekelhaften Religionszänkereien, mit denen sich die Europäer ermüden und
quälen. Es herrscht gegenseitige Achtung und Schonung. Man spricht nicht
gern über Glaubensverschiedenheit. Man ist so verständig, zu begreifen,
daß man keine fremde Glaubenslehre tadeln und beschimpfen könne, ohne die
eigene dem Tadel und der Beschimpfung preis zu geben. Noch weniger darf
sich das Kirchliche irgendwo in die Politik mengen, da beide durch die
Grundgesetze des Staates so scharf und fest von einander geschieden stehen.

Unter den Sehenswürdigkeiten, die erst seit Kurzem ihr Dasein empfangen
haben, zog mich ganz besonders das Kunstwerk am Shuykillstrom, eine Stunde
von Philadelphia, an, durch welches die ganze Stadt mit Wasser versehen
wird. Auf dem Wege dahin sah ich eben an einem neuen _Zucht-_ und
_Besserungshause_ arbeiten. Ein weiter Platz war dazu geebnet und der
ganze, große Raum mit einer mächtigen Mauer umgeben. Man sollte meinen,
hier werde an einem Festungswerk gebaut: so schwer und stark ist alles
aufgeführt. Das Thor ist eine mächtige Arbeit, und soll mit eisernen
Gitterthüren geschlossen werden, die wohl mehr, als eines Mannes Arm
vonnöthen haben dürften, um sich in ihren Angeln zu bewegen.

Eine halbe Stunde von da ist am Shuykill die Wassermaschine. Ein Vorbau
drängt das Wasser des Flusses vom Ufer ab. Räder von 16 Schuh Durchmesser
bewegen eine Pumpe mit doppeltem Stempel, wodurch das Wasser 120 Schuh hoch
gehoben in ein ungeheures Becken gegossen wird. Die Pumpe liefert binnen
vierundzwanzig Stunden bei 500,000 Gallonen Wasser. Sie steht erst seit
zwei Jahren. Vorher hatte man eine durch Dampf getriebene, die man aber nun
nicht mehr gebraucht.

Durch eine Menge Röhren und Kanäle fließt das Wasser aus dem ersten
Behälter nach allen Stadtvierteln, ja fast in jedes Haus, wo man mit einem
angebrachten Hahn so viel abzapft, als man will. In jeder Straße sind
mehrere Brunnen, die man, im Fall einer Feuersbrunst, nach Belieben laufen
läßt. Man legt nur den Schlauch der Feuerspritze an, die dann zweimal mehr
Wasser schleudert, als die sonst übliche.




11.

Der Ausflug nach New-York.

(30. Juli.)


Wie gern hätte ich noch in Philadelphia verweilen mögen! Ich mußte mich
immer recht ernsthaft daran erinnern, daß ich nur zum Besuch in Amerika sei
und versprochen habe, vor Weihnachten wieder in meiner Heimath zu sein.
Wie viel hatte ich noch zu sehen! _New-York_, der Hauptplatz des
nordamerikanischen Handelsverkehrs, ist nur zweiunddreißig Stunden von
Philadelphia entlegen. Kleinigkeit! Ich konnte also Abends dort sein.

Um halb sechs Uhr Morgens stieg ich ins Dampfboot, das an Bequemlichkeit
und Zier allen frühern nicht wich. Der Reisenden waren ohngefähr achtzig
auf dem Boot; Herren und Frauenzimmer; alle, ohne Ausnahme, sehr sauber
und mit Sorgfalt gekleidet, als wären sie nicht zur Reise, sondern zu einem
geselligen Vergnügen zusammengekommen. Auch, als man sich um sieben Uhr zum
Frühstück setzte, am reich mit allerlei Speisen beladenen Tisch, glich die
Reisegesellschaft einer freundlichen Vereinigung eingeladener Gäste.

Wir fuhren den Delaware aufwärts und erblickten nach einer halben Stunde
die Schiffswerfte von Philadelphia, auf welcher neun große Fahrzeuge bereit
lagen, ins Wasser gelassen zu werden. Die pensylvanische Küste bot uns
aller Orten das Schauspiel fleißigen Anbaus dar. Zwischen zerstreuten
Wäldchen und lichtstehenden Pappeln lachten uns freundliche Landhäuser an.
Nicht so große Mannigfaltigkeit zeigte das zum Staat Jersey gehörige Ufer.

Das Dampfboot lief in einer Stunde zwei Wegstunden stroman. Schon um neun
Uhr kamen wir an _Burlington_ vorüber, wo Reisende von uns gingen, andere
zu uns kamen. In _Bristol_, sechs bis sieben Stunden von Philadelphia,
stiegen wir ans Land, wo neun Wagen warteten, um uns weiter zu bringen.
Jeder suchte den seinigen nach der Nummer der empfangenen Karte. Der lange
Zug unserer zierlichen Reisewagen machte sich sehr artig und rollte, wie
durch einen weiten Garten, von Zeit zu Zeit neben hübschen Landhäusern und
Bauerhöfen vorüber, die, gut unterhalten, einen behaglichen Wohlstand zu
verrathen schienen.

Nach zwei Stunden hielt man in _Trenton_ an, um die Rosse zu erfrischen,
was man jedesmal alle zwei Stunden beobachtete. Die Stadt -- bekanntlich
ist sie die Hauptstadt von Jersey -- macht den Augen ein ganz angenehmes
Bild. Die Häuser stehen nicht in strenger Regelmäßigkeit, sind aber
meistens in gutem Geschmack gebaut. Besonders ist die bedeckte Brücke,
welche über die Delaware führt, von besonderer Schönheit.

Zu _Princetown_, wo die Pferde gewechselt wurden, begegneten uns zehn volle
Reisewagen, die von New-York kamen, um das Dampfboot zu erreichen, welches
wir verlassen hatten; dagegen wir in Brunswik ein anderes finden sollten,
von dem sie herkamen. Immer und immer überraschte mich täglich die Menge
der Reisenden. Hier schien mir fast Alles unterwegs zu sein. Die Gasthöfe
hatten der Reisenden oft so viel zu beherbergen, wie etwa in Europa sonst
nur große Badeanstalten. Welch ein Verkehr und Leben auf diesen noch vor
vierzig bis fünfzig Jahren halböden Küsten!

Auch Princetown schien mir eine sehr artige Stadt. Ich konnte sie nicht
näher besichtigen. Noch vor wenigen Jahren war hier aber die berühmteste
Hochschule der Vereinstaaten. -- Ueber Kingstown gelangten wir endlich nach
der Stadt _New-Brunswik_, anmuthig am Rariton gelegen, über welchen eine
400 Schuh lange Brücke führt, die, wie gewöhnlich, auf den Seiten Fußgänge
und in der Mitte zwei Fahrwege hatte.

Die Hitze war sehr stark gewesen. Unsere lange Wagenreihe hatte dicke
Staubwolken aufgetrieben, und wir alle, wie wir zum Dampfboot kamen,
trugen mehr oder weniger die Spuren dieser Wolken. Allein jetzt erschienen
sogleich einige Mulatten und Neger, mit Bürsten, Handtüchern, Wasserbecken,
und luden jeden, der ihre Dienste verlangte, in ein Zimmer ein, um sich da
wieder entstäuben und schön machen zu lassen. Auch einige Barbierer waren
mit ihren Waffen bereit, die Männer zu verjüngen. Fast alle Reisende
unterwarfen sich dieser Purification, die weniger ängstlich, als die
spanische unter dem Scheermesser der Apostolischen ist. -- In Europa,
selbst in England und Holland, kennt man diesen hohen Grad der
Reinlichkeitsliebe nicht. Sie ist ein Beweis der gegenseitigen Achtung,
welche sich selbst Fremde untereinander im geselligen Leben schuldig sind,
und die bei uns oft tölpisch genug vernachlässigt zu werden pflegt. Ich
halte mich bei diesem kleinen Umstand gern auf, der selbst im Unbedeutenden
auf ein regeres, sittliches Feingefühl hindeutet.

So lange man in der Nähe von New-Brunswik ist, zeigt sich die Landschaft
wohlbevölkert in malerischer Abwechselung. Je weiter hin, werden die Ufer
flach, und von Ebb' und Fluth verschwemmt, die sich bis Brunswik fühlbar
macht. -- Links lagerte _Perth-Amboy_ seine niedliche Häuserreihen vor uns
auseinander; besonders stellte sich der Sommersitz der Familie _Brun_ von
New-York, Brightonhouse, anmuthig dar. Es liegt schloßähnlich auf einer
kleinen Anhöhe und schaut von da weit durch die Ebenen. Rechts hatten
wir _Staaten-Island_ oder _Richmond_, welches uns im Vorüberfluge nichts
Ausgezeichnetes in seinen Ländereien darbot, aber gegen New-York zu
an Bevölkerung reicher zu werden schien. Nachdem wir noch am linken
Rariton-Ufer, bei _Elisabeth-Town_, einige Reisende aufgenommen hatten,
fuhren wir gegen sechs Uhr Abends, beim lieblichsten Wetter, in die Bai von
New-York ein.

Da stieg plötzlich in der Tiefe des Hintergrundes vor uns eine, ich möchte
sagen von tausend Schiffsmasten halbverschleierte Stadt aus den Wellen.
Nur die Zinnen der Häuser, die Thürme, die Pappeln-Reihen, welche auf die
Richtungen der Straßen deuteten, liessen sich über den Wimpeln wahrnehmen.
Wie wir näher rückten, hatten wir die sogenannte Batterie vor uns. Es ist
dies ein öffentlicher Lustplatz, von Linden und Pappeln überschattet, deren
Zwischenräume am Boden wohlunterhaltenes Rasengrün deckt. Alles wimmelte
von Lustwandelnden. Die schöne Welt war im schönsten Sommerschmuck dort
versammelt. Am äussersten Ende, ohngefähr hundert Schritte vorwärts in der
Bai, hat man ein niedliches, kreisförmiges Pavillon aufgeführt. Es ist zwei
Stockwerke hoch; das Dach mit einer Gallerie umgeben. Man hat von
diesem Belvedere in der That, wie ich nachher sie selbst genoß, eine
wunderliebliche Aussicht. Ueber dem Bau erhebt sich ein dreißig Schuh hoher
Mastbaum, mit der Flagge der Vereinstaaten. Der Hafen von New-York ist voll
ewiger Bewegung. Täglich, stündlich laufen Schiffe ein, segeln andere
ab. Bei dreißig Dampfschiffe schwärmen ab und zu, von den verschiedensten
Formen und Bestimmungen. Flüchtige Rauchsäulen, die sich bald in den
Lüften zerstreuen, schweben des Tags über ihnen; Nachts sind eben so viel
Feuersäulen, gleich jenen, die in der Wüste den Kindern Israels leuchteten.

Als wir um sieben Uhr ans Land traten, boten Weiße, Mulatten und Schwarze
ihren Dienst an, unser Reisegepäcke in die Stadt zu tragen; aber nicht mit
jener frechen oder plumpen Zudringlichkeit, deren man von Leuten dieser
Klassen in Europa gewohnt ist. Längs dem Quai stand eine lange Reihe
eleganter Kutschen und Halbwagen, die wahrlich mit den Fiacren oder
Lohnkutschen von Paris oder Wien wenig Aehnlichkeit, dennoch die
nämliche Bestimmung, hatten. Sie sind geschmackvoll gestaltet, meistens
gondelförmig. Die Lohnkutscher, wie alle Personen aus der arbeitenden
Klasse, sind mit vieler Sorgfalt angekleidet, in ihrem Betragen gefällig,
zuvorkommend, ohne jenes knechtisch-höfliche Wesen, welches bei uns die
Würde des Mannes so oft entweiht.

Ein Sprung vom europäischen Ufer über den Ozean, ans amerikanische, macht,
beim schnellen Wechsel der Welttheile, jenen Gegensatz der Sitte und
Lebensweise ungemein fühlbar. Andern vielleicht scheint eine Beobachtung
dieser Art unbedeutend; mir bedeutsamer aber, als die Beschreibung von
Bildergallerien, Kunstkabineten und Bibliotheken, die wir Reisende gern
besuchen. Es ist in den amerikanischen Städten durch alle Volksklassen eine
gewisse Sittenfeinheit, ein Gefühl für das Anständige und Edle verbreitet,
welches nicht aus Tanzmeisterlektionen, sondern aus dem Bewußtsein des
eigenen Rechtes und der Achtung für fremdes stammt. Selbst die Einwanderer
schleifen nach und nach die rohen Seiten ihres Betragens ab, welches sie
von dem Stande oder der Kaste noch mitbrachten, der sie im andern Welttheil
eingebürgert waren; das grobe Hochfahren des Adelmanns und Beamten, die
stolze Leutseligkeit des Vornehmen gegen den Geringen, die Rang-Seligkeiten
des spießbürgerischen Kleinstädters, die unbehilfliche Steifheit des
Handwerkers, die unterthänige Kriecherei und patzige Frechheit der
Herrendiener. Wo der Mensch als Mensch gilt, ist ächter Adel --
Menschenadel daheim. Wer Freiheit und Recht hat, wie jeder, ehrt beides
gern im Andern, um beides geehrt in sich zu bewahren.

Ein Mulatte, mit einem Nummerschild am Rocke, trug mein Gepäck in die
Beaver-Street, wo ich bei einer Privatperson einkehren mußte, der ich schon
durch einen Freund in Philadelphia empfohlen war. Die Gastlichkeit der
Familie bedrückte mich fast. Eine Woche lang mußte ich bei ihr verweilen;
dann aber bezog ich den schönen Gasthof Columbian-House.




12.

Von New-York.

(30. Juli bis 14. August.)


Vor etwa 200 Jahren schickten die Holländer Ansiedler hieher, die bauten
am Zusammenfluß des Hudson- und Ostflusses am Meere, auf der äussersten
Morgenseite der Insel _Manhattan_, ihre Niederlassung _New-Amsterdam_;
später empfing die Pflanzstätte den Namen _New-Stockholm_; und seit sie
in Besitz der Engländer kam, hieß sie _New-York_. Die Insel ist etwa vier
Wegstunden lang und eine halbe breit. Jetzt steht hier eine reiche blühende
Stadt von 130,000 Einwohnern, die nach allen Welttheilen Handel treibt,
für Wissenschaften und Künste mehr Anstalten, Gesellschaften, Sammlungen,
Bibliotheken u. s. w. hat, als der Mehrtheil königlicher Hauptstädte in
andern Welttheilen, und daneben eine ausserordentliche Menge Fabriken in
thätiger Bewegung sieht.

Von der Batterie, deren ich schon erwähnte, hat man die Aussicht auf
mehrere Inseln. Die größten sind Richmond oder Staaten-Island rechts und
Long-Island links. Governor-, Ellis- und Gill-Island, worauf Vesten zur
Vertheidigung der Bai angelegt sind, haben geringen Umfang. -- In der
Ferne, doch etwa nur einer Stunde, sieht man die Stadt _Jersey_, Hauptort
vom Staate dieses Namens; noch eine schwedische Gründung. Die Höhen alle
herum sind da mit Windmühlen bepflanzt, die ihre luftigen Flügel rührig
herumtreiben.

Das Innere von New-York hat keinen so regelmäßigen Straßenbau, als
Philadelphia. Die bald breiten, bald engen Kreuz- und Quer-Gassen europäern
ein wenig. Doch eine Straße, wie der _Broadway_ zu New-York, von solcher
Breite, eine volle Stunde Wegs lang, die Fußgänge an den Seiten mit
Pappelbäumen eingefaßt, links und rechts schöne Gebäude, prachtvolle und
reiche Kaufmannsgewölbe -- findet man in Europa nicht leicht. Das schönste
Gebäu aber steht in der Mitte des Broadway, ganz von weißem Marmor,
in großen, riesenhaften Parthien. Es ist das Rathhaus. Davor liegt ein
öffentlicher Lustplatz, mit Geländern eingefaßt. Er heißt der Park, ist
aber nur ein weitläuftiger, mit Gängen durchschnittener und von einigen
Bäumen leichtbeschatteter Rasenplatz. Verschiedene Häuser haben Ebendächer
und Balkone, die an lieblichen Sommerabenden gern benutzt werden, um der
Aussicht auf den Hafen zu geniessen, der drei Viertel der ganzen Stadt
begrenzt, und wohl der größte der Vereinstaaten ist. Ueberhaupt liegt
New-York in einer äusserst anmuthigen Landschaft.

Man sieht hier nur wenige Neger, und die man sieht, sind frei. Zahlreicher
werden sie in den südlichern Staaten gefunden, und wiewohl man sie auch
dort schon sehr menschlich behandelt, rückt doch schon der bloße Gedanke
an ihr Sklaventhum diese Unglücklichen zur dienstbaren Thierklasse nieder.
Dieser Stand der Neger ist noch ein Nachlaß, eine Hefe von der Herrschaft
der christlichen Europäer. Ach, man sollte sich doch bei uns zu Lande nicht
brüsten mit Zivilisation und Christenthum, sollte nicht die Grausamkeit der
Araber, Türken, Mauren, nicht die Barbareien des Orients stolz verdammen,
so lange man noch nicht auf europäischen Schiffen den verruchten
Menschenhandel abgethan hat! -- In den Vereinstaaten ist jetzt wahrer
Wetteifer, das Loos der Schwarzen zu verbessern, ihnen allmälig die volle
Freiheit zu geben und sie zu vermenschlichen. Man weiß, die ersten wurden
im Jahr 1503 in die neue Welt aus Afrika hinübergeschleppt. Jahrhunderte
lang wurden diese beklagenswürdigen Mitmenschen wie Hausthiere behandelt;
oft schlechter. Wie lange wird es dauern, ehe die moralischen Narben der
Sklavenkette ganz verwachsen sind?

Die in Amerika gebornen Neger sind weniger schwarz, als die, welche
unmittelbar aus Afrika kommen. Man behauptete mir, das Schwarz vermindere
sich von Geschlechtsfolge zu Geschlechtsfolge.

Es ist möglich. Denn auch die Europäer in Amerika scheinen mir mit den
Jahrhunderten ihre Farbe allmälig zu ändern. Ich glaubte ziemlich gut
eingeborne Amerikaner von neuen Ansiedlern schon an Farbe, Bau und im
ganzen Wesen unterscheiden zu können. Sie sind im Allgemeinen wohl geformt.
Selten erblickt man einen Mißwuchs, wie man wohl in Europa oft genug sieht.
Aber die Farbe ihres Gesichts hat nicht das Leben und die Frische, wie bei
uns; die Stadtbewohner haben eine, ich möchte sagen kränklichblasse Haut;
die Landbewohner sind freilich brauner, ohne darum frischer und farbiger zu
sein. Die Gesichter sind gewöhnlich mehr länglich, als rund; und die Züge
derselben, die meistens zusammengesetzter, als bei uns, sind, verrathen so
wenig, als das übrige Aeussere der Gestalt, Gewerb und Beruf, die man in
Europa so leicht bei den verschiedenen Volksklassen unterscheiden kann.

Eine zuvorkommende, edle Gastfreundlichkeit ist wohl die herrschendste
Tugend unter den Amerikanern. Sie sind im Umgange gefällig, fein und offen.
Man muß sie nicht nach dem rohen, leidenschaftlichen Ton ihrer zahllosen
Zeitungen beurtheilen. Da treibt der politische Parteigeist sein freies und
derbes Spiel. Aber das schadet niemandem; denn man kennt das Geklätsch und
Treiben der Publizisten, und weiß, daß die, welche die zarten Verfädelungen
der Diplomatik und Politik auseinanderschlichten wollen, dazu gern die
gröbsten Finger gebrauchen.

Diese Sonderbarkeit dort ist, wie bei unsern europäischen Gelehrten,
einheimisch. Bei uns zwar nicht überall in der Politik, aber doch in andern
Fächern. Welche Klasse von Schriftstellern pudelt sich ungezogener und
ungeschliffener vor dem Publikum herum, als die der Jugenderzieher, der
Pädagogen und Philologen? Wer zeigt weniger die Wirkungen der Humanität,
als die Klasse derer, die Humaniora treiben? Wer handelt wüthender und
unchristlicher wider fremde Meinungen, als die Lehrer der Religion der
Liebe? Wer schreibt besser über Landwirthschaft, als wer dadurch ökonomisch
zu Grunde ging? Wer hat unphilosophischern Stolz, als die Philosophen?




13.

Der Besuch beim Oheim.


Zwölf Stunden von New-York, am linken Hudson-Ufer, wohnte ein Oheim von
mir, der sich schon vor vielen Jahren dort niedergelassen hatte. Ich nahm
mir vor, ihn zu besuchen, und bestieg ein Fahrzeug von der Größe unserer
größten Schiffe auf Seen und Flüssen, mit zwei Segeln, das heißt, einen
_Sloop_. Dies Fahrzeug hatte ein Verdeck, wie andere Schiffe, und eine
niedliche Cajüte. Meine Reisegefährten waren meistens Weiber und Mädchen,
die zur Stadt gekommen waren, einzukaufen oder zu verkaufen. Obgleich
in Amerika geboren, sprachen sie doch noch das Holländische, ihre
Stamm-Landessprache, untereinander. Mehrere rauchten Tabak aus kurzen,
irdenen Pfeifen. Das wunderliche Schauspiel dieser Schmaucherinnen, und der
ernsthaften, nachdenklichen Geberden, die sie dazu machten, fing an mich zu
belustigen.

Ein Landmann erklärte mir, das sei so Brauch bei den Holländerinnen;
indessen bei den Mädchen käme jetzt das Rauchen ganz ab. Gegen Abend
langten die Weiber ihre Körbe vor mit Speisevorrath gefüllt, und machten
Thee. Eine der Frauen trank ihre Tasse voll aus, füllte sie dann wieder und
bot sie mir. Ich mußte annehmen. Jede der Andern reichte mir nun noch von
ihrem Vorrath, eingemachte Pfirsiche, Brödchen, Honig, Butter, Käse.

Nun gings ans Fragen: »Ißt man bei Euch in Europa auch dergleichen? Wie
sind dort die Weiber? Ist das, was Ihr tragt, bei Euch Landestracht? Sehen
die Männer alle so munter bei Euch aus? Wie kleiden sich die Frauen?« --
Eine sagte: »Ihr seid ein kräftiger, starker Mann, und werdet ein guter
Landbauer werden.« Nach dieser Bemerkung über mein Körperliches rückte sie
stockend mit der zarttastenden Neugier aus: ob ich verheirathet sei? -- Als
ich mit Nein antwortete, war sie ausser sich vor Erstaunen; »Was?« rief sie
lebhaft: »Muß man denn bei Euch so spät heirathen?«

Wir kamen spät nach _Tapan_. Der Oheim wohnte noch eine Stunde Wegs weiter.
Ein hablicher Landmann, der desselben Wegs fuhr, erbot sich, mich in seinem
Wagen mit dahin zu nehmen. Ich setzte mich in seinen »Gig«, den zwei brave
Rosse zogen, und ein schwarzer Diener führte. -- Unterwegs gaukelten die
Flämmlein unzähliger Irrwische zu allen Seiten, über vermuthlich sumpfigen
Wiesen, als wollten sie mit den Gestirnen des Himmels über sich wetteifern.

Der Oheim war sehr überrascht, plötzlich einen europäischen Neffen
um Mitternacht erscheinen zu sehen. Er erquickte diesen indessen
gastfreundlich mit Speis' und Trank und gutem Nachtlager und sparte die
Fragen einer verzeihlichen Neugier dem folgenden Tage auf.

Der Aufenthalt hier war für mich, wenn gleich kurz, doch belehrend, und,
einen Unfall abgerechnet, angenehm. Ich wurde in die Bekanntschaft aller
Nachbarn eingeführt; auch in die Familie dessen, der mich von Tapan hierher
gebracht hatte. Als wir diesem einen Besuch machen wollten, gab man mir ein
Reitpferd. Ich hatte es aber kaum bestiegen, gebehrdete es sich so wild,
schlug aus, bäumte sich, daß ich zehn Schritte weit aus dem Sattel flog und
drei Stunden ohne Besinnung, doch ohne weitern Schaden, blieb, als daß ich
einige Tage lang Rippenschmerz fühlte. Ich machte nun meine Besuche zu Fuß.

Als ich zu meinem obenerwähnten nächtlichen Fuhrmann kam, stellte er mir
seine Frau, seine Mutter und seine Großmutter und seine Urgroßmutter
vor. Letztere mochte etwa hundert Jahre alt sein, und sprach, als geborne
Holländerin, nur holländisch. Vater und Sohn waren in dieser Familie die
einzigen männlichen Geschlechts. Bei Tische setzten sich die beiden alten
Frauen. Die beiden jüngern standen hinter den Stühlen ihrer Mütter, um sie
zu bedienen. Das feinste Tischzeug von schneeweißem Linnen und glänzendes
Silbergeschirr deckte die Tafel.

Ich fühlte mich in dieser patriarchalischen Familie sehr glücklich. Der
größte Theil des Tages verfloß unter Gesprächen über den Unterschied der
alten und neuen Welt.

Es wird gewöhnlich den Amerikanern schwer zu fassen, daß wir Europäer das
Vernünftige, Naturgemäße und Volksbeglückende ihrer Verfassungen, Gesetze
und Einrichtungen anerkennen, und doch bei uns an das Beengende und
Zwängende des oft zweckwidrigen, verderblichen Herkommens und Erbes aus
den Zeiten mittelalterischer Barbarei festhalten. Europa, wenn es sich
plötzlich der alten Einrichtungen und Gewohnheiten entledigen wollte, würde
in ein hundertjähriges, namenloses Elend versinken und sich doch nicht der
tausendjährigen Banden ganz entstricken können. Eine allgemeine, gewaltsame
Umgestaltung der Verfassungen, Gesetze und Sitten würde eine allgemeine,
gewaltsame Verheerung alles öffentlichen und häuslichen Glücks, eine
Hemmung des ruhigen Fortschreitens zur Vollendung, ja eine Verwilderung der
Sitten und Lebensansichten werden, und doch zuletzt, nach Erschöpfung
aller Kräfte, von zweifelhaftem Ausgang sein. Wer kennt die Wege der
Leidenschaften? -- Sie lassen sich nicht vorher berechnen, gleich den Wegen
der Vernunft.

Nordamerika dankt seine Vorzüge der gesellschaftlichen Ordnung eigentlich
keiner Revolution. Die sogenannte amerikanische Revolution war ein
Kampf für Unabhängigkeit gegen drückende Ministerialwillkühren,
Regierungsunbesonnenheiten und Handelsdespotismus, und half nachher zur
Gestaltung des Bessern als erleichterndes Mittel. Amerika dankt jene
Vorzüge der Eigenthümlichkeit seines Werdens. Hier schuf kein _altes Volk_
sich einen _neuen Staat_; nein, hier entsprang in weiten, fruchtbaren
Einsamkeiten ein neues Volk, das sich den Staat und die Gesetzgebung,
bereichert mit den Gedanken der Weisen des achtzehnten Jahrhunderts und
aller Jahrhunderte, getrieben vom tiefgefühlten Bedürfniß des Zeitalters,
unbeengt durch bestehende positive Rechte Anderer, nach Einsichten und
Umständen beliebig bilden konnte. Es würde vielmehr ein ewiger Schimpf für
den Verstand der Amerikaner geblieben sein, wenn sie ohne alle Noth das bei
sich aufgenommen hätten, was sie bei alten Völkern Verwerfliches gefunden.

Nun ist es zwar richtig, daß unter den gebildeten Nationen Europens
die Erkenntniß und das Bedürfniß dessen, was und wie es sein sollte, im
Widerspruch steht mit dem, was wirklich vorhanden ist und gilt. Dieser
Widerspruch erregt Mißmuth und Kampf. Aber _das_ scheint mir eben der
richtige, naturgemäße Gang der Menschheit zu ihrer Veredelung. Vernunft
und Leidenschaft begegnen sich feindselig. Im Streit um Verbesserungen der
bürgerlichen Gesellschaft mag die Partei derer, die aus Unwissenheit, oder
Schüchternheit, oder Eigennutz das Schlechtere festhalten, durch Macht,
Reichthum, Stellung und Volksvorurtheil die überwiegende sein; aber sie
wird unmerklich geschwächt und besiegt, weil sie, eben durch ihren Kampf,
wider Willen, die Erkenntniß des Bessern ausbreiten hilft. So schreitet die
europäische Menschheit allmälig zum Bessern vor, ohne es zu ahnen. Hundert
Wahrheiten, sonst als Ketzereien verdammt, sind jetzt Alltagsgedanken der
Priester und Edelleute, und sie selbst erstaunen über die Verkehrtheit und
Unmenschlichkeit der Alten, die das Gegentheil behaupten konnten.




14.

Die Gesandtschaft der Indianer.


Da ich nach Newyork zurückgekehrt war, hatte sich unterdessen in dieser
Stadt die Gesandtschaft von sechs indianischen Stämmen eingefunden, die
an den Quellen des Missisippi und an den Westküsten Amerika's wohnen. Die
Gesandtschaft bestand aus vierundzwanzig Häuptern der Stämme, nebst vier
Weibern und zwei kleinen Kindern. Sie waren, nur um bis zur Vereinigung des
Ohio mit dem Missisippi zu gelangen, sechs Monate unterwegs gewesen.
Dort hatte man sie in Dampfboote aufgenommen und wieder stromaufwärts
bis Pittsburg geführt. Von Pittsburg waren sie in Wagen nach Washington
gebracht, wo sie vom Präsidenten der Vereinstaaten mit Auszeichnung
empfangen wurden. Mit Hilfe von vier Dollmetschern, die unter ihnen gewohnt
hatten, ward mit ihnen ein Bundesvertrag abgeschlossen. Um ihnen eine
Vorstellung von höherer Landesgesittung zu geben, ließ der Präsident diese
Männer der Wildniß, begleitet von zwei Gliedern der Regierung, durch
die vornehmsten Städte des Landes reisen. Sie kamen durch Baltimore und
Philadelphia nach Newyork.

Hier gab man ihnen auf der Batterie ein Fest. An Wein, Branntewein und
Leckereien durft' es nicht fehlen. Eine ausgewählte Musik spielte den
ganzen Abend. Ein Feuerwerk beschloß das Tagwerk.

Ich begegnete ihnen unter einem Haufen Neugieriger beim Eintritt des
Lustgangs der Batterie. In demselben Augenblick liessen sich die ersten
Töne der Musik hören. Auf der Stelle erhoben diese Gesandten ihrerseits
einen Fest- oder Kriegsgesang, mit solcher Macht, daß sie fast den Odem
darüber verloren. Sie begannen und endeten ihr Geheul immer mit einem Laut,
der wie _Hu!_ oder _Kohu!_ klang, daß den Hörern in der Nähe davon die
Ohren gellten. Der Gesang selbst hatte eine Art Melodie. In verschiedenen
Zeiträumen fuhren sich die Sänger dabei, und alle zugleich, mit der Hand
über den Mund. Ihr Gebrüll hatte etwas Furchtbares. Dabei waren ihre
Geberden und Leibesbewegungen mit den Streitäxten in den Fäusten so drohend
und schrecklich, daß Jeder, der diese ihre Artigkeiten zum ersten Mal sah,
jeden Augenblick fürchtete, die Erde mit Blut und verstümmelten Menschen
bedeckt zu sehen.

Um einen Schelling erhielt ich Erlaubniß, in die Batterie einzutreten.
Da war ein runder Tisch, rings mit Stühlen, für sie bereitet. Vier- bis
fünfhundert neugieriger Zuschauer bildeten einen Kreis.

Als sich die Wilden gesetzt hatten, war ihr erstes Geschäft, die brennenden
Kerzen auszulöschen. Man bat sie, es nicht zu thun; reichte ihnen gefüllte
Gläser zum Trinken, und bot nun dem Obersten der Gesandtschaft eine von den
Schüsseln dar, sich selber davon zu bedienen. Er legte den Schurz, den er
um die Hüften trug, über die Knie auseinander, leerte die Schüssel darein
aus und gab sie wieder zurück. Von nun an hütete man sich wohl, Jedem die
gefüllte Schüssel darzubieten, sondern gab jedem Einzelnen seinen Theil
davon. Die Gäste hörten essend immer der Musik aufmerksam zu. Als nach dem
Schluß derselben alle Zuschauer freudig mit den Händen Beifall klatschten,
wurden die Indianer gleich beim ersten Klatschen unruhig, sahen sich unter
einander an und fuhren mit den Fäusten nach den Streitäxten. Ihre Furcht
verlor sich, als die Musik wieder begann; und da sie schloß, erhoben sie
zum Zeichen ihrer Zufriedenheit ein gar entsetzliches Geschrei.

Man ließ endlich das Feuerwerk aufsteigen, was ihnen eine angenehme
Verwunderung zu erregen schien, und um acht Uhr zogen sie sich zurück.
Beim Heimgehen war ich dem Zuge dieser Gesandten sehr nahe gekommen. Einer
dieser Naturmenschen, neben welchem ich zufällig ging, betrachtete mich
seitwärts so neugierig, wie ich ihn. Ich bot ihm lächelnd die Hand dar; er
schüttelte sie mir treuherzig. Sein Haupthaar war, wie meistens auch
bei den übrigen, zur Hälfte weggeschoren, und der Schopfbüschel mit
buntfarbigen Federn ausgeschmückt; andere trugen die Haare lang, bis auf
die Achseln niederfallend; in der Nase Metallringe; die Arme und den ganzen
Oberleib unbedeckt, eben so die Beine. Einigen hing ein Wildthierfell von
der Schulter herab.

Es waren wohlgebaute, starkgemuskelte Leute, ungefähr sechs Schuh groß, von
schmutzig rother Hautfarbe, die durch das Beschmieren mit Fett und
rother Erdfarbe noch schmutziger geworden war. Einige von ihnen hatten
Tatowirungen. Ihr Gang war ganz eigen. Es kam mir vor, als hätten sie ihn
bei den Wanderungen auf dem Boden ihrer Urwälder zur Gewohnheit angenommen.
Stets haben sie die Augen vor sich nieder auf die Erde geheftet; so gehen
sie, ohne rechts noch links umherzuschauen. Die Weiber, etwas kleiner
und in Felle gehüllt, schienen sehr furchtsam zu sein. In der ihnen
angewiesenen Wohnung wollten sie sich nie von einander trennen lassen. Sie
schliefen alle beisammen.

Sie sind nachher mit Dampfschiffen auf dem Hudsonfluß und über die großen
Seen in ihre Heimath zurückgekehrt. Als zu Albany eins ihrer Häupter starb,
legten sie seinen Leichnam in einen doppelten Kasten und nahmen ihn mit
sich.

Die amerikanischen Zeitungen enthielten die Namen dieser Gesandten, mit der
Uebersetzung. Ich füge sie hier bei. Sie sind alle bezeichnend: Ganzgift,
Wind, hockender Adler, Fuchswach, Wolkenaufgang, Matt-Auge, Sperling im
Gehen jagend, Löffel, Büffel, fliegendes Täubchen, Bär brüllend daß Felsen
zittern, weißnasiger Fuchs, Fuchssprung linksum, geduckter Fuchs, Sonne,
Weißnebel, krausgeschwänzter Fuchs, Starkläufer, Donnerschnell.

Leider mußte ich mich stets daran erinnern, daß ich nur zum Besuch in
Amerika sei. Ich hatte noch so viel zu sehen und genoß so angenehme Tage.
Ich war durch Empfehlung in eins der ersten Häuser in Newyork eingeführt.
Das Haupt der Familie, der Vater, wohnte auf einem Landgut am Ufer des
Rariton. Ich ward auch dort mit großem Wohlwollen aufgenommen. Der alte
Herr führte mich unter andern in seine Bibliothek und rollte da einen
Haufen Pergamente und Karten auf, um mir Titel und Umfang seiner gesammten
Länderbesitzungen zu zeigen. Demzufolge besaß er einen ungeheuern
Flächenraum Landes, der zusammen beinah soviel an Größe betrug, als etwa
ein kleines deutsches Königreich. Er bat mich, wenn ich durch Virginien
käme, einige seiner Besitzungen zu besuchen und besonders ihm Schweizer zum
Anbau zu verschaffen.

Sein weitläuftiges Wohngebäu auf dem Landgut, eine Viertelstunde von der
Amboy-Bay, zählt achtzig Gemächer und beherrscht eine der reizendsten
Aussichten. Zwei seiner Söhne führen in Newyork eine der ersten
Großhandlungen. Sie besitzen zwei Züge Schiffe, von denen der eine
regelmäßig nach Livorno, der andere nach Ostindien die Fahrt macht. Ein
dritter Sohn hat sich der Verbreitung des Evangeliums unter den Heiden
gewidmet und ist schon seit vielen Jahren Missionär. Er verschmäht den
bequemen Genuß eines großen Reichthums und duldet mit apostolischem Muthe
die größten Entbehrungen, um durch die unwirthbaren Einöden der Wilden die
Saat christlicher Gesittung auszustreuen.




15.

Die Fahrt nach Albany und Saratoga.

(14. bis 16. Aug.)


Kein Monarch Europens kann sich rühmen, einen glänzendern und größern
Triumphzug gefeiert zu haben, von den Völkern mit höhern Ehren begrüßt
worden zu sein -- selbst _Napoleon_ nicht, wenn er die bezwungene Welt
durchreisete --, als General _Lafayette_, der Mitstifter amerikanischer
Unabhängigkeit, da er das Vaterland seines Ruhmes zum letzten Male sah.

Ungeboten, ja unaufgefordert rüstete sich Alles, den edeln und geliebten
Gast zu empfangen. Arm und Reich ward für ihn thätig. Die ganze Nation
wollte ihn empfangen, ihn sehen, ihn segnen. Was sind daneben die kalten
Feierlichkeiten, mit welchen prunklustigen Großen der andern Welttheile,
unter steten Einmischungen der Polizei, geschmeichelt und gehuldigt werden
muß! Wie der greise _Lafayette_ diese Reihe von rührenden Auftritten
und geräusch- und prachtvollen Festen ohne Zerstörung seiner Gesundheit
ertragen konnte, bleibt mir noch immer unbegreiflich.

Und dieser große Edelmann, als er wieder in sein Geburts- und Vaterland
Frankreich zurückkehrte, wo er der Gegenstand des Hasses oder Widerwillens
des Hofes, der Minister, der Großen und ihrer Diener und Beamten war --
wie anders mußte ihm da Alles erscheinen! Ein Welttheil bringt ihm
Verwünschungen für dieselben Gesinnungen, derentwillen ihm ein anderer
dankbar den unsterblichen Lorbeer reichte. Die Nachwelt wird strenges
Gericht über die Menschen unserer Tage halten.

Gern wäre ich Zeuge von Lafayettens Empfang in Newyork gewesen, wo schon
große Zubereitungen veranstaltet wurden. Da sich seine Ankunft aber von
Tag zu Tag verzögerte, wollte ich nicht länger verweilen und bestieg ein
Dampfschiff, welches nach Albany ging.

Täglich fahren drei Dampfboote von Newyork dahin, die auf dem Hudson binnen
achtzehn bis vierundzwanzig Stunden die fünfzig Wegstunden lange
Strecke bis Albany zurücklegen. Diese Boote, welche zu den größten der
Vereinstaaten gehören, gehen nicht über Albany hinaus, sondern werden von
minder großen abgelöset, die dann den Hudson hinauf durch den Georgs- und
Champlainsee auf dem Lorenzenstrom nach Canada gehen. Der Hudson, oder
Northriver, wie er auch heißt, und bei New-York, wo er sich ins Meer
ausmündet, drei Viertelstunden, bei Albany beinah noch eine kleine halbe
Stunde breit ist, bildet sich eigentlich in seiner Größe erst durch die
einfallenden Gewässer des Sacondaga und Mohawk. Seine Ufer sind an einigen
Orten sehr schroff, von weißgrauen Kalkfelsen, mit Tannen und Eichen
besäumt. Von Zeit zu Zeit erscheinen artige Landhäuser, Bauerhöfe und
kleine Ortschaften auf fruchtbarem Gefilde.

Weil ich immer auf dem Verdeck geblieben war, hatte ich nicht bemerkt, wie
große Gesellschaft sich mit mir auf dem Boote befand. Es waren hundert und
achtzig Reisende. Frauenzimmer und Herren hatten ihre besondern Säle; wer
mit jenen speisen wollte, mußte, mit Angabe seines Namens, beim Kapitän
um Erlaubniß bitten. Er führte mich also in ihren Saal. Man setzte sich in
bunter Reihe an zwei langen Tafeln zum Frühstück, welches mit ausgewählten
Platten versorgt war. Auch hier schien weniger eine vom Zufall
zusammengeführte Reisegesellschaft, als eine Versammlung eingeladener Gäste
beisammen zu sein; so sorgfältig und anständig war der Anzug Aller, so
gesellig, fein und ungebunden war die gegenseitige Unterhaltung.

Wir kamen am Städtchen _Orange-Town_, dreizehn Stunden von Newyork, dann
fünf Stunden weiter bei _West-Point_ vorbei, wo das vorzüglichste Kollegium
für die Jugend der Vereinstaaten ist. Unter den hiesigen Zöglingen befinden
sich auch zweihundert und fünfzig meistens Söhne von Wittwen, oder von
Militärpersonen, die den letzten Krieg mitgemacht hatten. Sie werden
hier für den Land- und Seedienst der Vereinstaaten auf öffentliche Kosten
erzogen.

Der Hudson wimmelt von Sloops und Fahrzeugen, die sich nur mit dem Winde,
oder der Fluth und Ebbe fortbewegen, welche noch über dreißig Stunden
von der Flußmündung spürbar ist. Man sagte mir, es wären täglich wohl bei
zweitausend solcher Sloops auf dem Hudson thätig.

Die drei größten Dampfboote dieses Flusses waren damals der _Chancellor
Levington_ von achtzig Pferdestärken, und geräumig genug, um fünfhundert
Reisende bequem zu halten; der _Richmond_ zu siebenzig Pferdestärken,
für vierhundert Reisende; und der _Kent_ von sechszig Pferdestärken,
der dreihundert Reisende aufnehmen konnte. Alle diese Fahrzeuge sind
in verschiedene Gemächer getheilt. Das schönste derselben ist für die
Frauenzimmer, und zwar als ihr ausschließlich eigenes, bestimmt; das
nachschönste ist für sie und für die jungen Männer, denen der Kapitän
Zutritt gestattet. Zwei andere, größere Säle sind einzig für Männer. Alle
diese Zimmer sind, wie auf andern Schiffen, seitwärts mit Betten versehen,
von denen stets eins über ein anderes angebracht und mit Umhängen, einen
auswärts gehenden Bogen bildend, verdeckt sind.

In der Schiffsmitte und zur Seite befinden sich noch kleine Gemächer zu
besonderm Zweck, z. B. ein Badstübchen, ein Lesezimmer mit den Werken
amerikanischer und britischer Schriftsteller; die Küchen, die Gemächer der
Schiffsmannschaft, der Mechaniker, Matrosen, Köche, Mägde und Bedienten,
deren zusammen etwa zwanzig Personen sind.

Des Nachts verbreiten große Hängeleuchter die möglichste Heiterkeit rings
ums Schiff und warnen die Sloops schon von Weitem, auszuweichen. -- Die
Seitenräder haben zweiunddreißig Schuh im Durchmesser, und geben dem
Schiffe die Geschwindigkeit, binnen einer Stunde Zeit stromauf zwei
Wegstunden, und stromab drei Wegstunden zurückzulegen.

Das Ausschiffen und Aufnehmen von Reisenden unterwegs raubt wenig Zeit. Die
Schiffsglocke ruft an. Ein am Aussenbord hangender Nachen, groß genug, acht
Personen zu fassen, wird schnell ins Wasser gelassen. Die Reisenden steigen
bequem auf einer eisernen Geländerstiege vom Schiff ein. Zwei Ruderer
bringen den Nachen schnell ans Ufer, während der Matrose am Steuer hinten
ein Seil, das am Dampfboot befestigt ist, allmälig abrollen läßt. Aus- und
Einladen des Nachens am Ufer ist Sache weniger Minuten. Der Pilot gibt dem
Dampfschiff ein Zeichen; sogleich setzt sich dort durch den Mechanismus ein
Zylinder in Bewegung, der das Seil des Nachens aufrollt und diesen an sich
zieht.

Es war an einem schönen Sonntagsmorgen um fünf Uhr (15. Aug.), als wir vor
dem Städtchen _Hudson_ anlangten. Es stellt sich dem Auge gar freundlich
dar. Es mag drei- bis viertausend Einwohner haben. Von Zeit zu Zeit tönten
den ganzen Vormittag die Kirchenglocken über die Landschaft, welche die
Bewohner der umherliegenden Höfe zur Andacht riefen. Um eilf Uhr Morgens
kamen wir endlich zu _Albany_ an.

Diese Stadt zählt jetzt vierzehntausend Bewohner und ist ganz in Art und
Weise der übrigen neuen Städte Amerika's gebaut. Albany's Handelsverkehr
ist sehr bedeutend, weil sich hier der Stapelplatz aller Erzeugnisse vom
Norden des Newyorker Staates bis Canada befindet, besonders seit dem Bau
des herrlichen Kanals, der vom Hudson bei Albany bis zum Erie-See läuft.

Dies Meisterstück der Kunst und des amerikanischen Gemeingeistes verdient
gekannt zu sein. Man denke sich, daß dieser Kanal hundert und zehn Stunden
lang ist; daß man über demselben fünfhundert und sechsundfünfzig hölzerne
Brücken zählt, und siebenundvierzig Schleusen, jede sieben Schuh höher
(denn dies ist der Fall vom Eriesee bis zum Hudsonufer); man denke sich,
daß mehrere Leitungen angebracht sind, die das Wasser über Sümpfe und
kleine Seen führen (die größte bei Rochester, mehr denn sechsundsechszig
Stunden von Albany, ganz von Stein, mit einer Seitenstraße für die Rosse,
um die Schiffe zu ziehen) -- man denke sich diesen großen, festen Bau des
Ganzen, und dann -- daß das Alles in Zeit von zwei Jahren vollendet ward.

Ich verweilte in Albany nicht lange; begnügte mich mit einer Besichtigung
des Innern der Stadt, nahm einen Reisewagen, übernachtete in Skenectady und
befand mich andern Morgens in den berühmten Bädern von _Saratoga_.




16.

Saratoga's Heilquellen. Utica.

(16. bis 19. Aug.)


Ein junger, gebildeter, sehr unterrichteter Quaker war mein Reisegefährte
bis hierher gewesen. Wir gewannen einander lieb und blieben in Saratoga
beständig beisammen. Alle Religionen und alle Kirchpartheien haben ihren
heiligen Grund und sind wahrlich in ihrem Wesentlichen und Göttlichen nicht
so sehr von einander verschieden, als die Menschen in denselben, welche
aus Religion und Kirche Werkzeuge ihrer Selbstsucht, ihres Hochmuths,
ihrer Milzsüchtigkeit machen und die dummgläubige Unwissenheit Anderer
fanatisiren und leiten.

Die Umgegenden von _Saratoga_ schienen mir gar wild. Die Stadt selbst
besteht nur aus einer einzigen, sehr breiten aber noch ungepflasterten
Straße. Baumstöcke, die hin und wieder mit Wurzelstöcken über einander
liegen, deuten an, vor wie weniger Zeit noch der Platz, wo der Ort
aufgebaut ist, ein finsterer Wald gewesen, den die Bären bewohnten, die
auch jetzt noch oft in der Nachbarschaft sichtbar sind.

Jäger entdeckten vor etwa zehn Jahren zuerst hier die Mineralquellen. Erst
seit vier Jahren baute man die prächtigen, pallastartigen Gasthäuser auf,
deren nun schon zehn vorhanden sind. Das vornehmste derselben ist ohne
Zweifel _Congreß-Hall_; dann folgen _Union-Hall_, _United-Staten-Hall_ und
der _Pavillon_. Die Anzahl der Kurgäste, welche sich bei meiner Ankunft
hier befand, betrug 1230 Personen, Leute aus allen Staaten des Vereins und
Südamerika's, auch einige Europäer.

Der Heilquellen sollen um Saratoga bei zwanzig sein. Begleiter von meinem
Freunde, dem Quäker, besucht' ich und kostete ich mehrere. Man bemerkte
uns jedesmal, bei welcher die Kur begonnen, bei welcher sie beendet werden
müsse. Einige lauwarme Quellen hatten den Geschmack von denen zu _Baden_
im Kanton Aargau; andere glichen dem Selterserwasser; die Quelle von
_Balston_, zwei Stunden von Saratoga, hatte die größte Aehnlichkeit mit der
vom _Schwarzbrünnli_ bei _Gurnigel_ im Kanton Bern.

Nur wenige Gäste baden; die meisten begnügen sich mit Trinken des Wassers.
Des Morgens sieht man in dieser werdenden Stadt Alles von Gehenden und
Kommenden belebt. An jeder Quelle stehen ein paar Kinder, die mit einem
Stabe, an dessen Ende drei Gläser in eisernen Reifen oder Käfigen hängen,
das Wasser schöpfen und den sie umringenden Trinkern bieten.

Unter den Trinkern befand sich auch der ehemalige König von Spanien,
_Joseph Bonaparte_. Er scheint sich als freier harmloser Bewohner eines
Freistaats weit glücklicher zu fühlen, denn vor Zeiten im königlichen
Glanz. Er, von etwas mehr als mittlerer Stärke, hat ein volles,
ausdrucksreiches Gesicht und angenehmere, freundlichere Züge, als sein
Bruder, der große Napoleon.

Noch ist in Saratoga nur Alles erste, rohe Anlage; Sorge für das
dringendste Bedürfniß. Noch fehlt es selbst an Lustgängen für die Gäste.
Die Umgegend hat indessen viel Anmuth, obgleich sie von Wäldern und kleinen
Hügeln umringt ist. Auf einem dieser Hügel, nicht weit vom Orte, hat man
eine Aussicht bis zum St. Georgensee.

Dennoch fehlt es in dieser Gegend, wo sonst die Wilden, vom Stamm der
Irokesen, hauseten, wo man in den nahen Waldungen noch die Ueberbleibsel
ihrer zahlreichen Befestigungen, ihrer Gräber u. s. w. erblickt, nicht an
Mitteln des geselligen oder einsamen Genusses. -- In einem Lesesaal fand
ich die Werke der besten amerikanischen und englischen Gelehrten, und bei
hundert verschiedene Zeitungen aus allen Staaten des Vereins. Der Saal
war von stillen Lesern angefüllt. Ueber demselben ist ein anderer Saal,
in welchem man Liebhabern eine Sammlung von Mineralien und andern
Naturmerkwürdigkeiten, oder Kunsterzeugnissen der Indianer vorzeigt, die
man in den Umgegenden gefunden hat.

Auch Schauspiel fand sich. Eine Gesellschaft kommt zu gewissen Zeiten
von Newyork hierher und giebt ihre Vorstellungen. Ich hatte sie schon in
Newyork gesehen und sehr mittelmäßig gefunden. In Congreß-Hall gab es,
durch Unterschriften, Abends einen Ball. Man walzt in Amerika wenig; desto
mehr sind Quadrillen beliebt und eine Art Hopser.

In _Skenectady_, wo ich einen Preussen mit seiner Gemahlin fand, der von
St. Thomas kam, wo er Consul war, und nach Saratoga reisete, bestieg ich
ein langes, bedecktes Schiff, um den großen Kanal hinauf zu fahren. Zwei
Jagdhörner gaben das Zeichen zur Abreise; sie waren es auch, welche den
Schleusenwächtern die Ankunft des Schiffes verkündeten, so wie den beiden
Zugpferden, die alle zwei und eine halbe Stunde gewechselt wurden, da sie
in dieser Zeit im scharfen Trott fünf Wegstunden zurückgelegt hatten.
-- Der Uebergang von einer Schleuse in die andere ist Geschäft von zwei
Minuten. In vierundzwanzig Stunden hatten wir vierzig Wegstunden gemacht.

Bei _Utica_, einem Städtchen von zweitausend Seelen, am Ufer des
Mohawkflusses, hielten wir an. Der Kanal geht über diesen sich viel
schlängelnden Strom mehrmals hinüber, oft zwanzig Schuh mit der
Wasserleitung über der Oberfläche des Flusses. Und immer ist dabei
seitwärts doch Raum zu einem Weg für die Rosse gespart, die das Schiff
ziehen.

Wir waren unserer sechsunddreißig Reisende auf dem Fahrzeuge. Von der
Gegend war selten viel zu sehen, der Kanal schneidet meistens schnurgrade
durch Thäler und unermeßliche Waldungen. Hier ist noch der Boden in uralter
Wildniß; wenig bevölkert. In der Nähe des kleinen Fleckens _Frankfurt_
hörten wir das Tosen eines Wasserfalles, der ziemlich beträchtlich sein
soll.

Aber diese Einöden werden durch die Nähe des Kanals bald lebendig und
urbar werden. Schon jetzt wird die Stadt _Utica_ blühend. An einer Seite
derselben, wo vor Kurzem noch der finstere Rest eines Waldes verschont
stand, ist jetzt ein breites Wasserbecken gebaut, in welchem zierliche
Schiffe, beladen mit Waaren und Menschen, landen. Täglich brachten in
den Monaten Juli und August, der Zeitung von Utica zu Folge, zwei Schiffe
fünfzig bis sechszig Reisende, von denen die mehrsten nach dem Erie- und
Ontario-See gingen. Nicht so zahlreich, wie ich nachher aus der Newyorker
Zeitung ersah, sind die Reisenden im Spätjahr. Hingegen der Waarenverkehr
zeigte sich noch im Oktober 1824 so lebhaft, wie im August, da ich selbst
in Utika war.*)

  *) Es kann Liebhabern der Statistik vielleicht lieb sein, zu erfahren,
  welche Arten Waaren vorzüglich nach Utica gebracht wurden. In einem
  Jahrzehend ist's gewiß anders; aber dann könnte es noch geschichtlich
  anziehend werden. Ich will also das Verzeichniß der in Utica während
  der ersten Oktoberwoche 1824 eingeführten Waaren hersetzen, wie ich
  dasselbe in mein Reisetaschenbuch aus der Newyorker Zeitung damals
  eintrug.

  Die in erwähnter Woche zu Utica eingelaufenen 127 Fahrzeuge führten:
  3310 Faß Mehl, das Faß zu 6 Scheffel; 1686 Faß Salz; 315 Faß
  Lebensmittel; 460 Faß Asche; 6300 Scheffel Getreide; 130 Scheffel
  Leinsamen; 763 Scheffel Pfirsiche zum Destilliren; 9094 Gallonen
  Whisky (Kornbranntwein, der Gallon hält 2 Maas); 105,844 Fuß Brett-
  und Zimmerholz; 10,000 Latten- und Schindelbünde; 158 Zentner Speck und
  Butter; 323 Tonnen Gyps; 500 Tonnen anderes Material; 27 Tonnen
  Käse; 30 Tonnen Hopfen; 953 Kisten Glaswaaren; 19 Zentner Sämereien;
  91 Tonnen Porzellanthon; 15 Kisten Kleider; 3 Kisten rohe Häute;
  3 Tonnen Gänsefedern. Ausserdem viele andere Kleinigkeiten.




17.

Die Fahrt zum Niagara.

(20. bis 22. Aug.)


Ich stieg mit acht andern Reisenden, die ebenfalls den großen Fall des
Niagarastromes besuchen wollten, in die Postkutsche. Denn bei der Fahrt auf
dem Schiffe, das Tag und Nacht geht, verlor ich zu viel Gelegenheit, das
Land, das ich durchreisete, zu sehen. Die Postkutsche macht täglich
zwanzig Stunden Weges, fährt bei Tagesanbruch ab, und kehrt bei nächtlicher
Dunkelheit ein. Ein anderer Reisewagen, der eine halbe Stunde nach uns von
Utica abging, holte uns zu _Oneida_ ein, wo wir dar Frühstück nahmen.

Kaum waren wir eine Strecke hinter Oneida, ward ich durch etwas überrascht,
was in Europa, wo vortreffliche Polizei herrscht, keinen Reisenden
überrascht, und schwerlich als Merkwürdigkeit in eine Reisebeschreibung
aufgenommen wird. Ich aber will's gern hier eintragen.

So weit ich bisher in Amerika gekommen bin, hatte ich keine Straßenbettler
gefunden. Hier liefen uns die ersten Bettelbuben nach. Es waren kleine
Indianer. Bald auch kamen wir durch das Dorf der Wilden. Es bestand aus den
erbärmlichsten Hütten, die hie und da im Wald, oder auf schlecht angebautem
Erdreich herumlagen. Links von unserm Weg sah ich einen artigen grünen
Rasenplatz von alten Bäumen überschattet. Dort, sagte man mir, pflegen die
Häupter der Wilden ihre Rathsversammlungen zu halten.

Die hiesigen Indianer waren vom Stamm _Cayagua_, und nicht von der schönen
Art. Sie hatten runde Gesichter, langgeschlitzte Augen, dicke Nasen, lange
auf die Schultern niederhängende Haare, und elende Lumpen um die Hälfte
ihres schmutzigen, gelben Leibes gewickelt. Das waren nicht mehr die
kecken, kräftigen Gestalten, die ich in Newyork bewundert hatte.

Das Land wurde, je weiter wir kamen, wilder, und mit Ausnahme einzelner
Ortschaften, weniger bevölkert. Selten sah man Häuser von Backsteinen,
sondern nur von leichtbehauenen Baumstämmen, sogenannte Blockhäuser. Sie
sind leicht und wohlfeil zu erbauen.

Ein junges Ehepaar, das sich als Pflanzer in den neuen Staaten ansiedeln
will, hat oft, statt alles Vermögens, nichts als ein oder zwei Rosse, ein
wenig Linnenzeug im Bündel und hundert Dollars Münze im Geldbeutel. Damit
wandert es in die Einsamkeit und wählt sich eine Gegend, einen Boden, wie
er ihm eben zusagt. Es hat an fünfzig Morgen Landes genug; zahlt den
Morgen mit einem bis zwei Dollar zum Theil baar, zum Theil verzinset es das
Uebrige mit sechs Prozent. Dann werden die nächsten Nachbarn, die oft drei
und vier Stunden Wegs entfernt wohnen, besucht und vom Tag benachrichtigt,
wenns an Erbauung des Hauses gehen soll. Am bestimmten Tag kommen alle
Nachbarn mit ihren Pferden, Ochsen, Aexten, Beilen u. s. w. um Holz zu
führen; bringen auch Sämereien mit und Vorräthe von Lebensmitteln zum
Geschenk für die neuen Pflanzer. -- Dann werden die Baumstämme gefällt,
entastet; an ihren beiden Enden mit Einschnitten und Zapfen zum
Zusammenfugen versehen, und auf einander gelegt, wie wenns einen großen
Käfig geben sollte. Allfällige Lücken zwischen den Balken füllt man mit
Steinen, Moos und Erde aus. Ehe der Tag ganz zu Ende ist, steht die Wohnung
schon fertig. Dann werden die Eingeladenen noch mit Speise und Trank
bewirthet, und ihre Zahl ist immer ziemlich groß; und jeglicher kehrt zu
den Seinen zurück, oder wohnt er allzu entfernt, nimmt er unterwegs beim
ersten besten Pflanzer dessen Gastfreundschaft in Anspruch, die herzlich
gern bewilligt wird.

Ist der junge Pflanzer irgend rührig und arbeitsam auf dem neuen Gute: so
ist er am Ende von zwei bis drei Jahren schon im Stande, eine Wohnung von
Backsteinen aufzuführen. Auch das wieder ist nicht so gar köstlich. Denn zu
dem Behuf gibt es Ziegelbrenner, die von einem Ort zum andern wandern. Auf
dem Bauplatz selbst legen sie ihre Werkstatt an, kneten, formen und brennen
die Backsteine, die sie zu vier bis sechs Dollars das Tausend liefern. Die
neuen Häuser sind dann ein Stockwerk hoch, mit zwei bis vier Fenstern in
der Breite. Zu einem Gebäu von drei Fenstern vorn gehören vierzigtausend
Steine. In Städten haben diese Steinhäuser auch einen Anstrich von aussen,
und die Dachung ist mit Schiefer gedeckt.

Jenseits des indianischen Dorfes sieht man von einer kleinen Höhe den
ganzen Oneida-See, und bis zum Ontario-See, der an den Horizont grenzt.
Wir kamen durch zwei Städtchen, _Manlieus_ und _Odanagua_; zwischen beiden
dehnte sich zu unserer Rechten ein See aus, acht Stunden lang, ungefähr
eine Stunde breit, an dessen gegenüberliegendem Ufer wieder die Häuser von
zwei Städtchen hervorschimmerten. Ich fragte, wie sie hießen, und ward von
Ehrfurcht durchdrungen, als ich ihre Namen, _Rom_ und _Syrakus_, hörte.

Durch das niedliche Städtchen _Skenektedes_, am Ende eines kleinen Sees
hingelagert, gelangten wir Abends acht Uhr nach der kleinen Stadt _Auburn_,
etwa einundzwanzig Wegstunden von Utica. Das Wirthshaus, wo wir abstiegen,
war schon voller Reisenden, die vom Niagara in zwei Wagen zurückgekommen
waren. Ich spürte gemach, daß ich mich in Nordamerika den Grenzen der
zivilisirten Welt näherte. Das Wirthshaus hatte nichts Erquickliches. Die
Schlafgemächer, worin immer fünf Betten beisammen standen, glichen den
Kasernen. Das Städtchen selbst zählte schon eine Bevölkerung von etwa
zweitausend Seelen.

Andern Tages ward es nicht besser. Die Landschaften wurden immer einsamer
und wilder. Von einer Stadt zur andern fährt man oft vier bis zehn Stunden
Weges durch ewige Wälder, in denen man nur dann und wann hölzerne Hütten
zwischen weiten Strecken uralter, hoher, dicker Bäume erblickt, die aber
alle verdorrt sind und einen traurigen Anblick gewähren. Die Pflanzer
nämlich, welche ohnehin der Arbeit in den ersten Jahren genug haben, geben
sich nicht die Mühe, die riesenhaften Bäume selbst zu fällen, die sie
wegschaffen möchten. Sie schälen nur unterhalb über der Wurzel Rinde und
Splint bis aufs Holz ab, lassen den Baum absterben und, wie er fault, vom
Wind und Regen umwerfen. Man benutzt aber häufig das Land schon, ehe
die Stämme gefallen sind; jätet unter den dürren Aesten, die nichts mehr
verschatten, das Gesträuch aus, pflügt den Boden mit einem einzigen Pferde
auf, streut den Samen aus und erfreut sich der Aernte, die auf einem an
Lebenskraft so reichen Boden nie schlecht sein kann.

Durch das Städtlein _Geneva_, am nördlichen Ende des Seneca-Sees ungemein
anmuthig hingebaut, und durch _Canandaigua_, wo wir zu Mittag speiseten,
kamen wir Abends in das Städtchen _Rochester_, welches zwar nur erst 1800
Einwohner hat, aber auch erst zehn Jahre alt ist. Wir sahen folgendes Tages
unterwegs einzelne Häuser ganz mit Menschen angefüllt, und mit gesattelten
Pferden und Wagen umringt. Es war Sonntag. Man hatte sich da zum
Gottesdienst versammelt, und manche Familie wohl deswegen eine halbe
Tagereise gemacht und mehr. Hier zu Lande sind keine Zwangsanstalten,
Beichtzettel, Sonntagsmandate und dergleichen Nothbehelfe erforderlich,
um die Kirchen zu füllen und würdige Feier des Tages zu erzwecken.
Alles erfolgt von selbst, wo wahre Freiheit daheim ist. Erzwungene
Gottesdienstlichkeit ist das sicherste Mittel, die Kirche und ihre Priester
verhaßt zu machen, Irreligiosität zu verbreiten und eine geheuchelte,
darum eben lästige äussere Ehrbarkeit, statt frommer Sitten, herrschend zu
machen. Es ist unglaublich, wie weit man in manchen Ländern Europens noch
zurück ist, nach so vielen Erfahrungen und Thatsachen, die einfachsten
Sätze des gesunden Verstandes zu begreifen.

Man hört den Sturz des Niagarafalls, wenn der Wind von daher kommt, sechs
Stunden Wegs weit. Ich hörte sein Brausen aber erst in einer Entfernung von
zwei Stunden, und nur dumpf.

Bei einbrechender Nacht kamen wir nach _Lewistown_, am Ufer des Niagara.
Drei englische Lords und ein ehemaliger britischer Admiral saßen im
Wirthshause am Kaminfeuer und sprachen mit andern amerikanischen Reisenden.
Sie waren eben vom Wasserfall zurückgekommen. Natürlich, wir, die wir ihn
erst schauen wollten, sponnen die Unterhaltung darüber gern fort.

Als mir der Wirth mein Schlafzimmer anwies, machte er mich auf ein
anhaltendes Sumsen aufmerksam, welches aber meine Ohren mächtiger schlug,
wenn er die Fenster öffnete. Es war das Tosen des ungeheuern Stromfalles,
dessen einförmiger Donner aus den weiten Urwäldern wiederhallte, bald näher
heranzuwandeln, bald wieder sich zu entfernen schien, je nachdem der Wind
das majestätische düstre Rauschen mit sich hintrieb.

Ich stand lange am Fenster und horchte der wunderbaren Natur-Musik. Der
Nachthimmel war heiter und hing voller Sterne. Empfindungen, die sich in
kein Wort kleiden lassen, bewegten mich. Ich stand da beinahe zweitausend
Stunden weit von meiner Heimath, in jenen unermeßlichen Wäldern, die
noch vor wenigen Jahren nur von Wilden bewohnt, oder von Abentheurern
und verwegenen Reisenden besucht waren, welche für Handelsgewinn oder
Kenntnißbereicherung jedes Wagstück bestanden.




18.

Der Wasserfall des Niagara.

(23. Aug.)


Noch lag ich im tiefsten Schlaf, als mich der Wirth schon früh Morgens
nach 3 Uhr mit angezündeter Kerze ermunterte, aufzustehen; der Wagen werde
sogleich vorfahren. Kaum hatte ich Zeit mich anzukleiden. Der Reisewagen
rollte heran. Wir stiegen ein. In kurzer Zeit hatten wir den Fuß eines
mäßigen Hügels erreicht. Aber auf der Höhe droben angekommen, faltete sich
plötzlich vor unsern trunkenen Blicken eins der reizendsten Schauspiele
auseinander. Der Himmel glühte in allen Farben des Morgens; der Erdball
schien sich vom Schlummer aufzurichten und verschämt erröthend dem Gott
des Tages entgegen zu lächeln. Zu meinen Füßen wallte, wie ein dunkler,
stellenweis funkelnder Teppich weithin der _Ontario-See_. Einzelne
Nebelsäulen wandelten über diesen wehenden Teppich wie verspätete Geister
der Nacht; sie wandelten und verschwanden. Nordwärts umfaßte den See der
breite, schwarze Saum von Canada's unübersehbaren Wäldern; westwärts ein
langer blauer Streifen von Gebirgen. Mehr in der Nähe hoben sich bei der
Ausmündung des Niagarastroms zwei Vesten, die sich gegenseitig zu bewachen
schienen. Drüben am canadischen Ufer die _St. Georgs-Veste_; hierüben,
auf dem Gebiet der Vereinstaaten, die _Niagara-Veste_. Im Hintergrunde,
am jenseitigen Ufer des Ontario-Gestades, glänzten im ersten Sonnenstrahl
Kirchthürme und Gebäude aus der Ferne. Ich vernahm vom Postkutscher, es sei
das canadische Städtlein _York_, acht Stunden Wegs von uns. »Sehen Sie auch
seitwärts!« setzte er hinzu und wies nach der Mittagsseite. Ich wandte mich
dahin und sah eine ungeheure Dampfsäule in der Ferne aus dem Schoos der
Erde gegen die Wolken auffahren, wie von einem Vulkan ausgekocht. Dort war
der Niagarafall.

Erst nach ungefähr einer Stunde sahen wir von diesem zwischen den Bäumen
einige Wassermassen erscheinen und verschwinden. Aber das dumpfe Getöse
ward mit jedem Augenblick deutlicher und lauter. Um neun Uhr hielt der
Wagen vor einem artigen Wirthshause still, wo wir uns mit gutem Frühstück
erquicken konnten, und freundliche Führer zum Wasserfall erhielten.

Wir begaben uns dahin. Auf einer Brücke, die über einen Arm des Flusses
geworfen ist, gelangten wir zu einer Insel, _Goat-Island_, welche den
Stromfall in zwei ungleiche Theile trennt. Wir verweilten hier, uns auf der
Insel zerstreuend, die ungefähr eine halbe Stunde Umfang hat, bis drei Uhr
Nachmittags, um den Wasserfall und seine Pracht in aller Muße zu genießen.

Die Kalklager, von denen die Alleghany-Berge aufgeschichtet sind,
bilden oft Berge und Hügel von beträchtlicher Höhe. Ein Zweig dieser
Gebirgsverästung, der sich durch Maryland, Pensylvanien und Newyork
streckt, durchschneidet den Niagarafluß in die Queere und verursacht den
ungeheuern Sturz dieses Gewässers. Der Niagara, einziger Abfluß der großen
Seen und des Erie-Sees, bildet bis zu seiner Mündung in das weite Becken
des Ontario, einen mächtigen Strom von tausend bis zwölfhundert Schuh
Breite und großer Tiefe. Bis zum _Chippewaystrom_, der zwischen dem Erie-
und Ontariosee in ihn hineinstürzt, (vor Zeiten hat hier auch eine Veste
gestanden), fließt er langsam und still. Dort aber, enger zwischen Felsen
geklemmt, von den Wassern des _Chippeway_ verstärkt, wird er unruhig, sein
Fall reissender. Er stürmt schäumend gegen Klippen und Felsen, die ihm
den Weg verrammeln. Zwei Inseln spalten ihn in drei Theile. Aber stürmisch
vereinigt er sich wieder, nahe dem weit über hundert Schuh tiefen Abgrund,
in welchen er hinab muß. Die Felsen haben ihm hier bis auf viertausend
Schuh weiten Spielraum gelassen. Es ist ein heulendes Meer, dessen Wogen,
unter einander kämpfend ihrem zermalmenden Sturze entgegenrasen.

Der Wasserfall hat die Form eines Hufeisens. Der östliche Theil ist der
vollere, gewaltigere, malerischere. Die Masse der niederstürzenden Fluthen,
von unten auf angesehen, scheint aus den Himmeln herabzufahren und sich
in einen bodenlosen Abgrund vergraben zu wollen. Die Felsenlager, welche
unterhalb einige Absätze bilden, drohen unter dem Gewicht der zermalmenden
Wassersäulen zu zersplittern und zu verstäuben. Die Erde und der
Felsenboden dröhnen und zittern unterm Fuß des Menschen. Man steht in der
Mitte eines ewigen, betäubenden Donners, während rings umher die ganze
Natur schweigt, wie vom Entsetzen erstarrt. Aus der Tiefe, wo Alles kocht
und gährt, silbergraue Staubwolken und Wasserbündel und Strahlen hastig
auffliegen, und von nachkommenden wieder ereilt und zerstört werden, heulen
in allerlei Tönen zwischen den Klippen die gräßlichen Stimmen des Abgrunds
durch das einförmige Tosen der Donner.

Ich begab mich vom amerikanischen Ufer auf _Goat-Island_; eine lange,
schmale Brücke, mit großer Kühnheit über die Strömungen hingebaut, führt zu
diesem Eiland. Und auf demselben befindet sich ein artiges Wohnhaus, wo
man nicht nur Erfrischungen findet, sondern, was mich verdroß, ich möchte
sagen, anekelte -- sogar ein _Billard_! -- Pfui! Da, wo vor der Majestät
des Schöpfers, vor der erschütternden Herrlichkeit der Natur Alles klein
wird, will die erbärmlichste aller menschlichen Leidenschaften, die
Spielsucht, noch groß thun und sich auf den Zehen in die Höhe strecken und
gelten. Da, wo Alles zur Bewunderung und Andacht ruft, will man noch --
gemeine Unterhaltung, um der Langenweile zu entgehen. Ich könnte unmöglich
mit einem Reisenden Freundschaft schließen, den ich hier Billard spielen
sähe. Ich sähe in ihm das vollendete Zerrbild europäischer Zivilisation;
jene sittliche Verkrüppelung, die wieder in stumpfes, gemüthloses, freches
Thierthum übergeht. Es gibt Stellen auf Erden, die den Menschen aller Zonen
und Religionen durch sich selbst Heiligthümer sind, heiliger, als ihre von
Kalk und Steinen gebauten Kirchen und Tempel. Man sollte deren Entweihung
nicht dulden.

Das Haupt eines indianischen Stamms hatte, so erzählte man mir, von den
Alten gehört, es sei zwischen den Seen ein großes Wunder. Er machte sich
auf; begleitet von seinen vornehmsten Kriegern kam er zum Niagarafall.
Nachdem er eine Weile mit Erstaunen und Schweigen dagestanden war, nahm
er seinen Tamoak, mit Silber belegt, seinen Bogen und die schönsten seiner
Zierden, warf sie in den Schlund der Wogen, und sagte zu seinen Gefährten:
»Fürwahr! Hier ist ein Haus des großen Geistes!«

Man hat auf der Insel die bequemste Ansicht des Wasserfalls; und wie man
auf einen andern Punkt derselben tritt, verwandelt sich dem Auge das nie
ermüdende Riesenspiel der Natur zu neuen Erscheinungen. Ich lebte in einer
Wunderwelt. Recht anmuthig war es, daß auf dem grünen Teppich der Wiesen
einige Hirsche und Rehe zahm und traulich um das Haus gingen und sich uns
arglos näherten.

Ein junger Amerikaner war bisher immer mein Gefährte gewesen. Er blieb es
auch, als ich bis zum Tiefsten des Wasserfalls niederstieg. Dies geschieht
auf hölzernen Leitern, die man am senkrechten Felsen angebracht hat, die
aber unter jedem Schritt schwanken. Zwei Männer, schon an diese schwierige
Kletterei gewöhnt, trugen unsere Bündel. Denn wir hatten mit uns selbst
genug zu schaffen, uns an Gesträuchen, Klippen und was uns unter die Hände
kam, festzuklammern. Jeden Augenblick durchnetzte uns ein Stoß und Brast
von Wasserstaub, durch den Wind gegen uns getrieben. Das Geheul der Wogen
betäubte uns die Ohren.

Unten nahm uns ein kleiner Nachen auf. Einer der Führer stieg zugleich ein
und schiffte uns mit Hilfe eines Ruders mitten durch die wüthenden Wellen.
Wir brachten über eine halbe Stunde zu, ehe wir das canadische Ufer
erreichen konnten.

Während dieser Ueberfahrt genossen wir gemächlich und umfassend das
große Bild ewiger Verwandlungen. Die brennenden Farben des Regenbogens
umgaukelten uns, bald in der schäumenden Nähe, bald über uns.

So erreichten wir unten am Wasserfall, wo uns beständig dicke Wolken
aufsteigenden Wasserstaubes verschlangen, das canadische Ufer. Aber
das Erklimmen dieser schroffen Felsen war für uns so gefahrdrohend und
mühselig, als es das Herabsteigen am jenseitigen Ufer gewesen war.

Droben erreicht man in einer Viertelstunde ein großes, schönes Wirthshaus.
Hier fanden wir Alles belebt. Jeden Augenblick zeigten sich uns andere
Gesichter; Reisende kamen, Reisende gingen. Ganze Karavanen durchkreuzten
sich. Die Fenster des Speisesaals gingen gegen den Fall hinaus. Man zeigte
mir von da den _Table-Rock_ (Tafelfelsen), wo die schönste Ansicht des
ganzen Falles sein soll. -- Ich begab mich dahin, und sah mich keineswegs
getäuscht. Dieser Felsen streckt sich beträchtlich weit in den ungeheuern
Schlund vor. In der That, das Auge umfaßt hier mit einem Blick das
Ungeheure des großen Schauspiels. Es ist dem Geiste zu groß. Er will Alles
umfassen und wird von dem erhabenen Ganzen verschlungen. Er verliert sich.
Er schwebt zwischen Grausen und Entzücken.




19.

Ein Besuch bei den Seneca-Wilden.


Nichts widerlicher, als der Uebergang von prachtvollen Naturszenen,
aus denen man in der Trunkenheit stiller Begeisterung zurückkehrt, zur
Gemeinheit von Wirthshausszenen. Es ist die schmerzlichste Verletzung der
Andacht. Es ist mehr, als Kirchenraub.

Ich zauderte auch nicht lange, und ließ anspannen. Es war erst vier Uhr
Nachmittags, und ich konnte noch bequem nach dem Städtchen _Buffalo_, sechs
bis sieben Stunden von da, gelangen. Der Weg dahin, auf canadischem Boden,
folgt den gekrümmten Ufern des Niagara, der oberhalb Chippeway einen
sanften Lauf hat. Als wir beim äussersten Ende des Erie-Sees, bei der
Erie-Veste angekommen waren, mußten wir in einem Fahrzeuge über den Fluß
setzen. Vor uns lagen in einiger Entfernung zwei Städtchen, _Blackrock_ und
_Buffalo_.

_Buffalo_ liegt an der östlichen Ausspitzung des Erie-Sees und war während
des letzten Krieges fast ganz zerstört worden. Am meisten hatte es aber von
der Rohheit der Indianer gelitten, deren sich die Engländer hatten gegen
die Amerikaner bedienen wollen. Es ist gefährlich, solche Bundesgenossen
im Hause zu haben. Jetzt ist Buffalo freilich wieder aus der Asche neu
aufgestanden, aber nicht als ein Phönix. Das Städtchen ist nichts weniger
als hübsch. Indessen, was nicht ist, kann noch werden; denn der Ort ist zum
Waarenverkehr trefflich gelegen. Der große Kanal des Erie-Sees, der mit
dem Hudsonfluß verknüpft ist, geht von Buffalo aus, wo Fahrzeuge aus dem
Michigan- und Erie-See landen müssen. Auch herrscht hier im Hafen schon
viel Thätigkeit und Leben.

Herr L**, dem ich von New-York aus empfohlen war, empfing mich sehr
zuvorkommend. Aus einer achtbaren französischen Familie stammend, war er
schon vor vierzig Jahren nach Amerika ausgewandert. Während des Krieges
zwischen England und Nordamerika hatte er, wie er mir erzählte, Buffalo
verlassen und sich mit seiner Frau bei den Wilden zwei Jahre lang
aufgehalten, indessen er seine drei Kinder nach Frankreich zurückschickte,
um ihnen eine gute Erziehung geben zu lassen.

Sein Leben unter den Wilden, und was er mir davon sagte, hatte für mich
viel Anziehendes. Bei mancherlei Entbehrung entbehrlicher Dinge, war
er doch bei ihnen sehr glücklich gewesen. Er konnte ihre treue
Gastfreundschaft nicht genug rühmen.

In den Umgegenden des Eriesees und gar nicht entfernt von Buffalo trieb
sich damals ein zahlreicher Stamm von Indianern herum, der den Namen
_Seneca_ führt, und ein Zweig der alten, vielgefürchteten _Irokesen_ ist.
Diese Wilden waren damals mit aller Welt rings um in Frieden: Herr L**
ermunterte mich, sie zu besuchen. Es gefiel mir gar wohl, etwa einen Tag
lang, oder zwei, das einsame Treiben und Wirthschaften dieser Naturkinder
zu schauen. Aber wie man ein paar Jahre lang mit ihnen in den Wäldern ganz
behaglich hausen könne, wollte mir doch nicht einleuchten. Wir machten uns
also auf den Weg.

Schon, wie wir aus Buffalo hervor waren, begegneten uns einige der
Senecaner. Ihre Bekleidung schien mir etwas sorgfältiger, als jene der
Cayagua-Indianer. Sie hatten auch gar kein ärmliches Aussehen. Die, welche
Hüte trugen, hatten sie sogar mit Silberplättchen geziert. Breite Gurte von
rothem Tuch hingen um ihre Hüften; andere trugen diese Gürte schärpenartig
gebunden. Manchen hing an der Seite ein breites Messer; dabei hielt jeder
seinen Tomoak in der muskelstarken Faust.

Der Weg zu ihrem Dorfe führte in die Tiefe einer ungeheuern Waldung. Je
weiter wir hineinkamen, je dichter wurde das Gehölz, und von Zeit zu
Zeit stand ein Indianer, kommend oder gehend, vor uns, so unerwartet oder
unvorhergesehen, als wär er aus der Erde hervorgeschossen. -- Ein Greis,
dem zwei junge Leute nachfolgten, alle wohlbewaffnet und wohlgekleidet,
strich an uns vorüber, ohne uns anzusehen. Ich hielt ihn an und fragte,
wie weit es noch bis zur Mitte des Stammes hin sei? Diese Wilden verstanden
kein Englisch. Der Alte redete mit den Jünglingen, wie sich zu berathen.
Nun versuchten wir die Zeichensprache. Damit gings besser. Wir erhielten
die verlangte Auskunft und sahen nach zwei Stunden Wegs im Wald umher
zerstreute Hütten.

Das Holz war stellenweis abgeschlagen, und der leergewordene Platz ziemlich
nachlässig angepflanzt. Mais, Korn, Erdäpfel und andere Feldfrüchte sahen
wir, mehr wie durch Zufall, als durch Menschenhand da hingesetzt. Es sind
auch nur die Weiber, die den Landbau treiben. Männer schämen sich noch des,
und treiben blos das edle Weidwerk, als geborne Jäger. Das Weib ist noch
eine Art Sklavin; trägt auch, während sich der Mann frei bewegt, auf Reisen
die Lebensmittelvorräthe in einem Korb auf dem Rücken, an einem breiten
Lederriemen, der über die Stirn geht. Eben so tragen sie auch ihre kleinen
Kinder, aber auf ein Brett gebunden, bis ans Kinn eingefäscht, mit deren
Rücken gegen ihren Rücken.

Der große Stamm der Irokesen, der einst an den Champlain-, Ontario- und
Erie-Seen umhertrieb, ist jetzt fast ganz verschwunden. Man sieht nur noch
einzelne abgerissene Zweige desselben, wie den der Senecaner. Als sich im
Jahre 1610 die ersten christlichen Glaubensboten unter sie wagten,
zählten sie noch eine Heeresmacht von mehr denn 20,000 Kriegern. Nach dem
nordamerikanischen Unabhängigkeitskriege im Jahr 1780 fanden sich hier nur
noch etwa 1500 Krieger vor. Jetzt können sie nicht mehr als 150 bis 200
Streiter aufstellen.

Diese befremdende Verminderung der Indianer mag mancherlei Ursachen haben.
Der Wilde zieht sich bei jeder Annäherung der zivilisirten Welt scheu
zurück, wenn er sie nicht zerstören kann. Er will mit ihr nichts gemein
haben. Er kennt aus den Sagen seiner Väter und Urväter die nie zuverlässige
Treue, die List und Hab- und Herrschgier und rastlose Ausbreitungssucht
der Europäer. Er kann die Lebensbequemlichkeiten derselben nicht reizend
finden, weil er ihrer durchaus nicht bedarf; kann die Genüsse nicht
schätzen, welche Wissenschaft und Kunst gewähren mögen, weil sie ihm fremd
und verschlossen stehen; kann die feinern Vergnügungen der gebildeten
Gesellschaft nicht leben, weil sie zugleich einen äussern Zwang auflegen,
der ihm naturwidrig scheinen muß. -- Die reine Freiheit des Wilden hat
ohnehin ihren eigenthümlichen Zauber, der aus der Einfalt, Rechtlichkeit
und ungebundenen Sorglosigkeit hervorgeht. Man hat wenige, oder am Ende
_gar keine_ Beispiele, daß Indianer, welche bei Europäern erzogen wurden,
nicht gerne wieder aus dem Zwang der Etikette, des Zeremoniels, des
Kirchenthums, des Rangwesens, der Polizeiordnungen, der Titulaturen, der
gesellschaftlichen Vorurtheile, der Parteimachereien, der unendlichen
Lebensmühen, um zum Besitz entbehrlicher Dinge zu gelangen, herausgegangen
und in die Stille und Freiheit ihrer Wildnisse, zur einfachen Lebensweise
ihrer Stammesgenossen zurückgekehrt und daselbst geblieben wären. Dagegen
sind der Beispiele mehrere vorhanden, daß gebildete Europäer, die gewaltsam
oder freiwillig unter die Indianer kamen, sobald sie sich nach Jahr und
Tag unter ihnen heimisch fühlten, auf das Bittersüß der Zivilisation
verzichteten, sich, wie die Familie L** zu Buffalo, sehr glücklich bei
ihnen fühlten, und entweder gar nicht mehr, oder doch nicht ohne späteres
Heimweh, in die Welt der Gebildeten zurückkehrten.

Eine große Zahl der Irokesen hat sich wirklich von den großen Seen hinweg
westwärts in das unbekannte Innere des Welttheils gezogen. Was noch
zurückblieb, ward zum Theil wohl in Kriegen, mehr noch durch das Gift der
gebrannten Wasser, welches sie von den Europäern kennen lernten, durch
Völlerei und Krankheiten, die daher entsprangen, allmälig aufgerieben.
Vielweiberei findet in der Regel bei ihnen nicht statt; nur die
Stammhäupter und Vornehmsten haben mehrere Frauen.

In der ersten Hütte, in die ich eintrat, fand ich eine Indianerin
geschäftig, Mais in einem hölzernen Troge klein zu stoßen, um daraus
eine Art Brod zu backen, das sie _Hökake_ heißen. Ich hatte späterhin bei
einsamen nordamerikanischen Pflanzern oft genug Anlaß, meinen Gaumen mit
dieser Hökake vertraut zu machen.

Fünfzig Schritte weiter, in einer zweiten und viel größern Hütte, die
einem Oberhaupt gehörte, lagen fünf junge Weiber auf dem Boden, die unter
einander mit bunten Bohnen, auf einer über die Erde gebreiteten Matte,
spielten. Zwei derselben rauchten dazu, zwei andere säugten ihre Kinder.
Ihre Bekleidung war so spärlich, daß unsere Schönen in europäischen
Städten, wenn sie sich in »eleganter« griechischer Tracht halbnackt den
Gaffern hinstellen, daneben ganz nonnenhaft vermummt erschienen haben
würden. Sie sahen zu uns auf, ohne ihre bequeme Lagerung zu ändern. Ich
verlangte ein wenig Milch. Die Jüngste, welche etwas englisch
verstand, fragte, wie viel ich dafür geben wollte? Ich reichte ihr ein
Sechs-Pencestück hin. Sie brachte mir mehr Milch, als ich trinken konnte.

Ohne die Indianer in ihrer Sprache sprechen zu können, geht man unter ihnen
natürlich wie ein Taubstummer umher. Man sieht dies und das, aber möchte
Erklärungen dazu, und vermag sie nicht zu fordern. Ich durchirrte das Dorf
und wandelte in den Umgebungen mehrerer Hütten, deren kahles Innere keiner
Beschreibung bedarf. Ich bemerkte auch von den schauerlichen Siegeszeichen
der Wilden, die mit den Haaren bewachsene Schädelhaut von den Köpfen ihrer
erschlagenen Feinde. Nun wußte ich ohngefähr, wie es in den Walddörfern
und Hütten der alten, tapfern, vielgerühmten Germanen zu Tacitus
Zeit ausgesehen haben mag, von denen, ihrem Whisky (oder Meth) ihrem
Eichelschmaus (oder Hökake) u. dgl. m. noch jetzt die Rektoren und
Professoren an den Schulen in Deutschland ihrer lernbegierigen Jugend gern
großes Aufhebens machen.

Man weiß, wie es bei den Wilden mit dem Skalpiren, oder dem Abziehen der
Schädelhaut ihrer Feinde, schnell und leicht geht. Aber eins wußte ich
nicht und schien mir fast unglaublich. Man versicherte mich, daß man
Menschen gekannt habe, die noch viele Jahre nach ihrer Skalpirung munter
und gesund gelebt haben; nur daß ihnen die Haare nicht wieder nachwuchsen.

Die Rechtlichkeit und Strenge der amerikanischen Gesetze und der Ernst
in deren Vollziehung hat bewirkt, daß sich die Seneca-Indianer sehr ruhig
verhalten. Nur die Begierde, etwas zu besitzen, das ihnen an einem Weißen
gefällt, hat sie oft zu Unthaten verleitet. Denn das kürzeste Mittel, sich
im Besitz des gewünschten Gutes zu sehen, schien ihnen auch das beste zu
sein, nämlich den Eigenthümer zu tödten. -- Doch auch davon hat man lange
nicht gehört.




20.

Die Fahrt im Vaggon nach Pittsburg.

(25. bis 28. August.)


Mein Plan war gewesen, im Dampfschiff von Buffalo über den ganzen Erie-See
bis an dessen entgegengesetztes Ende nach Detroit zu fahren. Aber ich hatte
mich in den Tagen verrechnet; das Dampfschiff war schon abgereiset, und
acht Tage lang hier auf ein anderes zu warten, taugte zu meinem Zeitvorrath
schlecht.

Ich bequemte mich also, wenn gleich etwas ungern, mit in ein Fuhrwerk zu
sitzen, das den folgenden Tag von Buffalo nach Pittsburg in Pensylvanien
abreisen sollte. Man nannte diesen Wagen, der wie ein Karren aussieht,
einen »_Vaggon_.« Ich werde noch lange an diese Vaggons denken, die eben
nicht zu dem bequemsten Reisegeräth gehören, zumal auf Wegen, wie die sind,
wo sie gebraucht werden. Zu meiner vorläufigen Beruhigung erzählte man mir,
daß zwei Wochen vorher zwei Reisende mit dem wöchentlich abgehenden Vaggon
kein Glück gehabt. Der eine wäre vom Vordersitz herab in eine Schlucht
geschleudert worden und auf der Stelle todt gewesen; der andere, indem
er herausspringen wollte, als der Vaggon eben umstürzte, wäre von diesem
zerschmettert worden. Aber das begegne bei einiger Vorsicht nicht alle
Tage.

In Gesellschaft anderer Reisenden bestieg ich also den Vaggon. Eine Stunde
von Buffalo schon hörte die Straße auf. Man fuhr nun immer längs dem Ufer
des Erie-Sees hin. Aber welch ein Weg! -- oder vielmehr, es war gar kein
Weg da. Bald sanken die armen Rosse bis über die Knie in feinen Schlammsand
ein, bald in Morastpfützen und Koth. Es waren vier Pferde, allein sie
hatten Arbeit vollauf, den Wagen nur im Schritt fortzubringen. Ich hatte
die angenehme Einbildung, das sei eine wüste Stelle; man müsse einige
Augenblicke Geduld haben. Der Postknecht belehrte mich aber sehr höflich,
die wüste Stelle dauere zehn Stunden Weges lang.

Der See ging ziemlich stürmisch. Trotz dem fuhr unser kühner Phaëton ins
Wasser hinein, wenn er entweder aus dem Schlamm sich retten, oder großen
Steinen ausweichen wollte. So lange die Räder des Vaggons, die, als eines
Strandlaufers, sehr hoch waren, noch festen Boden über sich fühlten, ließ
ich die Wasserreise unbetadelt. Aber nun kamen wir an einen Platz, wo sich
ein Felsen ziemlich weit in den See hinausstreckte. Der mußte umschifft
werden. Der Lenker unserer Schicksale und des Vaggons trieb die Pferde ins
Wasser, bis es über sie wegrauschte, und sie wie Hunde schwammen, während
die Wogen des kleinen stürmischen Meers den Kasten des edeln Vaggon
weidlich zerschlugen. Da ward mirs doch etwas schwül; ich dachte an meine
unglücklichen Vaggonsvorfahren und verwünschte diese Art Lustreisen. Meine
amerikanischen Reisegefährten verwunderten sich höchlich. Sie fanden die
Sache vollkommen in der Ordnung der Dinge. Ich mußte ihnen das allerdings
zugestehen; aber, dacht' ich: ländlich, sittlich!

In einem einsamen Hause hart am See ward zu Mittag gespeiset, Roß und
Vaggon gewechselt. Dann gings weiter; nicht besser, als des Morgens, aber
doch, zur Abwechselung, auch anders. Denn wenn die Pferde, bei der Tiefe
und Beweglichkeit des Sandes nicht mehr von der Stelle rücken konnten, fuhr
man, statt ins Wasser, in den Wald, der das Seeufer besäumt. Da mußte man
nun mit vieler Kunst im Zikzak zwischen den Bäumen und um sie herumkreisen;
bald sich durch einen in die Quer hingestürzten alten Stamm, bald durch
einen Bach-Hohlweg in witzigen Erfindungen üben lassen, wie man das neue
Hinderniß überwinden könne.

Doch, ohne Hals- und Beinbruch, hatten wir das Glück, bei eintretender
Nacht an Ort und Stelle nach _Fredonia_ zu gelangen.

Fredonia trägt den Namen einer Stadt (=Township=). Es ist eine _neue_
Stadt. Aber mache sich niemand gar zu glänzende Vorstellungen von den neuen
Städten in Nordamerika. Es hat damit ein ganz eigenes Bewandtniß. Ihre
Errichtung hängt nicht blos von Zufälligkeiten ab, durch welche ehemals die
Städte Europens, oder auch noch die Küstenstädte Nordamerika's entstanden
sind, wo ein Kloster, ein Wallfahrtsort, ein landesherrliches Schloß und
dergleichen, mehr Ansiedler, als anderswohin, zusammenlockte; oder wo eine
Bucht, ein natürlicher Hafen, die Mündung eines großen Stroms, zur Gründung
einer Kolonie einlud. Kluge Vorausberechnungen bestimmen jetzt den Platz,
wo eine künftige Stadt im Innern des Landes stehen müsse. Dann wird die
Erbauung derselben durch Beschluß angeordnet und begonnen, es sei, wo es
wolle.

So steht Fredonia mitten in Wildnissen und Wäldern, die sonst allein vom
Geheul der Irokesen und wilden Thieren belebt waren. Da führen noch keine
vielbewanderte Wege, keine gebaute, regelmäßige Hochstraßen zu den Thoren.
Es sind noch keine Thore, keine Ringmauern vorhanden. Die Stadt ist _erst
vier Jahre alt_. Man sieht ein gutgebautes Gerichtshaus (=court-house=).
Weiterhin stehen wieder zwei Kirchen, aus Backsteinen geschmackvoll
aufgeführt; zwei verschiedenen Glaubensparteien angehörend; beide ziemlich
nahe beisammen. Dann sieht man noch ein Wirthshaus; einen Kaufladen und
Magazin mit Spezerei, Leinwand, Tüchern, gebrannten Wassern und andern
kleinen Bedürfnissen; ferner eine Schmiede, und eine Buchdruckerei, aus der
wöchentlich eine Zeitung hervorgeht. Dann in gleichem Verhältniß, wie in
mehrern europäischen Staaten der augenlose weltliche und geistliche Arm
derer, die Gewalt haben, die gegenseitige Mittheilung, Belehrung und
Verknüpfung der Geister unter einander vermittelst der unterdrückten
Preßfreiheit unterdrücken möchte, suchen die Nordamerikaner durch
Begünstigung der Preßfreiheit Gemeinsinn, Theilnahme an vaterländischen
Angelegenheiten, Kunst, Kenntniß, Volksbelehrung zu befördern. Um jene
sieben, acht Gebäude herum stehen in Fredonia etwa noch zehn einzelne
Häuser zerstreut umher. Aber die öffentlichen Plätze, die Märkte, die
künftigen Straßen sind schon im Plan vorhanden; sind schon wirklich
ausgesteckt. Wer sich da ansiedeln will, ist gehalten, dem angenommenen
Plan gemäß zu bauen.

So sieht eine vierjährige Stadt im Innern Nordamerika's aus.

Folgenden Tages gings durch Wald und Wüstenei; der Weg ward nicht
gemächlicher, aber doch minder gefahrvoll, als am vorigen Tage. Der
Postknecht, welcher die Zeitung von Fredonia auf seiner Reise abzugeben
hatte, warf dieselben, wo man in der Nähe von einzelnen Häusern unterwegs
vorbeikam, links und rechts aus dem Wagen vor die Thüren. Abends kamen wir
noch bei hellem Tage zu _Erie_ an.

Diese Stadt liegt am Südosttheil des Sees, von dem sie benannt ist, auf
einer Anhöhe, von der sich eine weitgedehnte Aussicht ergibt, und bis zum
jenseitigen See-Ufer. Die Seen Ontario und Erie gleichen kleinen
Meeren; jeder von ihnen hat über dritthalbhundert Stunden Umfang und bei
sechshundert Geviertmeilen Fläche.

Südwärts der Stadt, die sich mit ihren 150 Häusern und drei Kirchen auf
ihrer Höhe gar städtisch ausnimmt, kann man noch Ueberbleibsel einer ältern
Niederlassung wahrnehmen. Es hatten sich da vorzeiten französische Pflanzer
auf einer Landzunge angebaut, die sie _Presqu'isle_ nannten. Der Boden
war sehr gut, das Klima gesund; allein die allzugroße Entfernung von allen
andern bewohnten Orten zwang sie, das Land wieder zu verlassen. Kurze Zeit
nachher gründeten die Amerikaner die Stadt Erie. Wenn einmal die Ufer des
Sees bevölkerter sind, wird diese Stadt sehr bedeutend werden müssen.

Mit Anbruch des folgenden Tages ging die Reise südwärts, nach Pittsburg.
Wir kamen abermals an Ueberbleibseln einer französischen Niederlassung,
_Lebeuf_ geheißen, etwa fünf Stunden von Erie, vorbei, die das Schicksal
von Presqu'isle gehabt hatte. Dagegen sahen wir, zwei gute Stunden weiter
hin, die holländische Niederlassung _Waterfort_ in sehr blühendem Zustande.
Wir frühstückten hier in einem sehr guten Wirthshause. Zu _Meadville_, zehn
Stunden von da, hielten wir etwas an. Ich traf da mit einem Herrn zusammen,
der mit gleicher Leichtigkeit englisch, deutsch und französisch sprach.
Seine Unterhaltung war für mich sehr belehrend. Vermuthlich hielt er mich
für den Geschäftsführer einiger europäischen Auswanderer-Gesellschaften. Er
trug mir Ländereien zum Kauf an, den Acker zu zwei und drei Dollars. Es war
ein Herr H**, Agent einer holländischen Kompagnie.

Erst spät Nachts kamen wir in das Städtchen _Mercer_, welches dem Städtchen
Meadville glich. Beide nämlich sind _neue_ Städte. Man wird nun wissen, was
darunter zu verstehen ist. Vorzeiten ging der Weg hieher durch die Veste
_Wenango_, die wir weit links gelassen hatten.

Ich war seit den vorigen Tagen, von den Wasserfällen des Niagara weg, durch
ungeheure Einsamkeiten fortgeführt worden. Aber sie konnten nicht mit denen
verglichen werden, die sich zwischen Mercer und Pittsburg am folgenden Tage
auslagerten. Es ist eine Strecke von zwanzig Wegstunden, und wir sahen nur
das einzige Städtlein _Buttler_; fuhren oft fünf bis sechs Stunden, ohne
eine Hütte, vergraben im Gebüsch, zu erblicken. Alles ein endloser
Wald, dessen finstere, durch einander gewachsene Zweige selten nur einen
freundlichen Strahl des Himmels auf uns niederzufallen erlaubten.

Es läßt sich denken, wie es um die Poststraße dieser unbewohnten Welt
stand. Wir hatten vier wackere Rosse; wir waren im Wagen unserer nur drei
Reisende, und doch kostete es keine geringe Mühe und Noth, vorwärts zu
kommen. Beim vorletzten Pferdewechseln liefen wir am Ende noch Gefahr,
Hals und Beine zu brechen. Es ging eben einen Hügel steil abwärts. Die
Amerikaner pflegen keine Räder zu spannen, sondern lassen die Pferde
geschwinder laufen, oft im Galopp bergab. So machte es unser Postknecht.
Das Riemenwerk eines der Deichselpferde riß. Mit vieler Geschicklichkeit
lenkte er das andere, welches allein noch den Wagen zurückhalten konnte.
Aber nun war ein großer Stamm über den Weg gefallen, und doch nicht quer
genug, um den Wagen zum Stehen zu bringen. Auf einer Seite liefen die Räder
auf dem Stamm entlang; endlich sprang das eine über, das andere schob den
Stamm fort. Das Holz rollte. Die erschrockenen Pferde nahmen mit Wagen und
Holz Reißaus. Wir tanzten in der Luft, und siehe da -- kamen mit heiler
Haut glücklich davon.

Auf einer schönen Halbinsel, gebildet von den Strömen Manongahela und
Alleghany, beut sich dem Auge die Stadt Pittsburg dar. Jene Ströme rauschen
einander aus entgegengesetzten Weltgegenden zu. Der Alleghany kömmt
von Norden. Er ist aus verschiedenen Gebirgsbächen und Wassern von den
Erie-Ufern entstanden, die sich bei der Wenango-Veste verbinden. Der
Manongahela hinwieder kömmt von Süden her, aus den Laurels-Gebirgen, in
Obervirginien. Er verschlingt in seinem Laufe viele andere Ströme, und so
auch den _Youghiogeni_, der ziemlich beträchtlich ist. Bei Pittsburg,
wo der Alleghany und Manongahela zusammenfallen, empfangen sie nach der
Vereinigung den Namen _Ohio_ (man spricht den Namen O-hai-io aus) oder
Schön-Fluß. Dieser durchläuft dann eine weite Strecke von 400 Stunden, bis
er sich in den Missisippi ausmündet.

Wir fuhren über eine der prächtigsten Bogenbrücke in die Stadt hinein.
Sie ist mit Schiefer bedacht, und ruht auf fünf Bogengewölben, jedes
fünfundsiebenzig Schritte lang. Eben so schön ist jenseits der Stadt auf
ihrer Mittagsseite die andere Brücke. Sie hat die Länge von 532 Schritten;
an jeder Seite zweiundfünfzig Fenster, um Heiterkeit zu geben; zwar nur
von Holz gebaut, aber auf acht steinernen Pfeilern ruhend, die sieben
Bogen bilden. Sowohl für Fuhrwerke, als Fußgänger, sind Doppelwege. Diese
trefflichen Arbeiten, welche im Jahr 1816 ein englischer Ingenieur leitete,
der auch in Tennesee eine ähnliche Brücke gebaut hat, sind binnen zwei
Jahren vollendet worden.




21.

Die Ohio-Fahrt nach Mariette.

(29. August bis 4. Sept.)


Ich verweilte mit Vergnügen in Pittsburg einige Tage. Die Stadt ist in
mehr als einer Hinsicht anziehend für den Beobachter. Man nennt sie das
»Manchester der Vereinstaaten.«

Sie ward erst im Jahre 1784 gegründet. Im Jahre 1800 zählte sie 2400
Einwohner; im Jahre 1810 aber 4700 derselben, und gegenwärtig über 14,000.
Darunter sind, ausser eingebornen Amerikanern, Engländer, Franzosen,
Schotten, viele Deutsche und Schweizer, die sich alle, jetzt wohlzufrieden,
veramerikanert haben.

Die Stadt besitzt nicht, wie andere Städte dieses großen Freilandes, das
lachende, freundliche Ansehen in seinem Innern. Die Häuser sind vom Rauch
der Steinkohlen geschwärzt, die hier allgemein üblich sind. Aber dagegen
erblickt man eine rührige Gewerbigkeit, wie nicht leicht anderswo. Alle
Häuser sind voll von den verschiedensten Werkstätten. Längs den Ufern
lärmen die Dampfmaschinen, welche eine Menge Mehl-, Säge-, Papier-, Oel-
und Loh-Mühlen, Gerbereien und Färbereien, Glashütten und Eisenschmelzen
u. s. w. in ununterbrochener Bewegung halten. Den westlichen Staaten um
hundert und mehr Stunden näher als Philadelphia und Baltimore,
versorgt Pittsburg die Pflanzorte in jenen vorzugsweise mit seinen
Kunsterzeugnissen. Die Flüsse wimmeln von Fahrzeugen, die Waaren bringen
oder fortführen. Mit Ausnahme der Monate August, September und Oktober,
kommen täglich Dampfboote an. Von Neu-Orleans, den Missisippi und Ohio
herauf, legt ein solches Boot den Weg von mehr denn siebenhundert Stunden
binnen achtzehn Tagen zurück; stromabwärts ist die Fahrt in zwölf Tagen
vollbracht. Und doch wird unterwegs, mit dem Ausschiffen und Aufnehmen
von Waaren und Reisenden in allen Städten längs den Ufern, noch Zeit
verbraucht. Die Reise den Strom herauf, von Neu-Orleans bis Pittsburg,
kostet 50 Dollars, stromab nur 40. Man hat dafür, wie immer auf
amerikanischen Dampfbooten, gute Tafel und sehr saubere Betten.

Bisher hatte mich auf meinen Lustwanderungen durch die neue Welt der
freundlichste Himmel begleitet, was von nicht geringem Einfluß auf meine
gute Laune und vielleicht auf meine Ansichten und Urtheile gewesen sein
konnte. Denn, wir wollen uns nicht täuschen, das Universum sieht an einem
sonnenreichen Tage ganz anders aus, als an einem Regentage. Nicht nur Erd'
und Himmel ändern bei böser Witterung ihre Physiognomie, sondern auch Thier
und Mensch.

Es kam mir daher zur Berichtigung meines Urtheils und meiner Stimmung,
die ich vielleicht nur der Heiterkeit der Sommertage zu danken hatte, ganz
gelegen, daß bei meiner Abreise aus Pittsburg rauhes, regnerisches Wetter
eintrat. Ich hüllte mich ein, setzte mich in einen Vaggon und fuhr dem
Ohiostrom entgegen. Indessen lernt' ich dabei nichts Anderes, als daß das
Reisen beim schlechten Wetter in Amerika ungefähr eben so langweilig ist,
als bei uns. Denn durch den grauen Schleier des Regens sah und erkannt'
ich draussen nichts; drinnen im Vaggon hört' ich und lernt' ich nichts
Merkwürdiges. Nachts schlief ich in dem kleinen Ort _Washington_; folgenden
Vormittags kam ich zeitig in der kleinen Stadt _Wheling_ an, die am linken
Ufer des Ohio, etwa hundert Stunden von Baltimore, liegt.

Das eben genannte Washington ist nicht jene neue, im großen Styl entworfene
Hauptstadt der Vereinstaaten, Sitz der höchsten Bundesbehörden. Es gibt
der Ortschaften viel, die mit den Namen eines _Washington_, _Franklin_,
_Lafayette_ u. s. w. geschmückt sind. Man unterscheidet sie dann nach ihren
verschiedenen Provinzen und Flüssen durch Beinamen. Die alten und neuen
Republiken wußten ihre großen Männer immer auf eine eigenthümliche, aus
Geist und Art des Volks hervorgegangene Weise zu ehren. Das kunstsinnige
Griechenland errichtete ihnen _Bildsäulen_. Rom äffte später darin, wie in
vielem Andern, nur nach. Die frommen Schweizer stifteten ihnen kirchliche
Schlachttagsfeier und _Kapellen_. Die gewerbigen, im Schirm der errungenen
Freiheit sich über einem jungfräulichen Boden ausbreitenden Amerikaner
bauen _Städte_ und schmücken sie mit den unsterblichen Namen der
Freiheitsstifter.

Das Städtchen Wheling liegt schon im Staat Virginien, in einer angenehmen
Gegend und unter einem milden Himmel. Es hat etwa 2000 Einwohner. Wie ich
durch die Straßen umherschlenderte, ward ich auf eine sonderbare Weise
überrascht. Ich sah da eine Menge Leute, Männer, Weiber, Kinder, alle in
Schweizer- und deutscher Bauerntracht. Als ich näher trat, erkannte ich
dieselbe Auswanderungs-Karavane wieder, die ich, bei meiner Abreise von
Europa, in _Havre_ gesehen hatte. Die ehrlichen Anabaptisten waren nicht
wenig erstaunt, als ich sie deutsch anredete. Einige erinnerten sich meiner
sogleich wieder. Sie hatten wegen ihrer endlichen Niederlassung noch keine
Wahl getroffen, und die Absicht, den Ohio hundert bis zweihundert Stunden
weiter abwärts zu gehen. Es waren zusammen alt und jung 119 Personen.

Ich habe schon gesagt, daß auf dem Ohio im Monat August, September und
Oktober kein Dampfboot, wegen zu niedrigen Wasserstandes, fährt. Ich
miethete also, um rascher fortzukommen, ein sogenanntes _Keelboot_. Das
ist eine Art bedeckten und geschlossenen Fahrzeugs, nur zum Waarentransport
bestimmt, welches man den Fluß abwärts sendet, aber nie wieder zurückfährt,
weil es für dies Wasser zu groß und schwerfällig ist. Ein kleiner, leichter
Nachen mit zwei Rudern ist dem Schiffe angehängt. Dieses Nachens bediente
ich mich, zur Verminderung der langen Weile, fleißig. Denn weil ich
für meine Beköstigung selbst sorgen mußte, fuhren wir an keinem artigen
Bauernhof, an keinem niedlichen Landhause vorüber, wo ich nicht sogleich
einkehrte, besonders wenn ich Obstbäume und vor allen Dingen Pfirsiche
da erblickte. Die letztern sind ungemein saftig, groß und vom feinsten
Geschmack. Oft glich Alles einem kleinen Pfirsichwald, was die ländlichen
Wohnungen umgab. Die Eigenthümer bepflanzen damit der Länge nach jeden
Bach und Weg und Steg, und nennen sie, recht die amerikanische
Gastfreundlichkeit bezeichnend, _Pfirsiche für die Reisenden_
(=Traveller-peaches=).

Die Ufer des Ohio sind, von Wheling hinweg, sehr stark bewohnt. Das rechte
Ufer gehört zum Ohiostaat, das linke zu Virginien. Kein einziger von allen
Pflanzern, bei denen ich einkehrte, war im Lande selbst geboren, insgesammt
stammten sie frisch aus Deutschland, England, Irland, Holland. Die für
Europa so traurigen Noth- und Hungerjahre 1816 und 1817 waren für die
hiesigen Ansiedler das wahrhaft goldene Zeitalter gewesen. Nun aber
beklagten sie sich bei der wohlfeilen Zeit sehr. Sie wußten nicht, wohin
die Früchte ihres Feldes absetzen. Ich tröstete sie mit dem nämlichen
Loose der europäischen Landleute, die noch dazu bei dem niedrigen Stand der
Getraidepreise oft schwere Abgaben zu zahlen hätten.

Wir kamen am 4. September, an einem Sonnabend, nach _Mariette_, ohne
besondere Abentheuer erlebt zu haben, als etwa, daß wir unterwegs einen
schönen Hirsch, der über den Ohio schwimmen wollte, mit Ruderstangen
todtschlugen und uns ihn schmecken liessen. Mariette ist eine der ältesten
Städte im Ohiostaat. Sie ward gleich, nachdem den Indianern das Gebiet
abgekauft war, gegründet. Die Fruchtbarkeit und Wohlfeilheit des Bodens
lockte viel Volks her. Die Stadt zählte bald 1200 Einwohner; aber -- sie
zählt auch jetzt noch nicht mehr. Denn die Luft ist fieberhaft, ungesund,
und die Sterblichkeit in manchen Jahrgängen groß. Das schreckt viele
Ansiedler ab, während diese sonst vorzugsweise gern den Ohiostaat wählen,
weil er einen angenehmen, milden Himmelsstrich, sehr gesunde Luft, äusserst
fruchtbaren Boden und vielleicht die beste Landesverfassung von allen
Vereinstaaten hat.

In der Umgegend von Mariette sind die zahlreichen alten Befestigungswerke
und Gräber der Indianer sehr merkwürdig. Die Ueberbleibsel der
Befestigungen, zwar nur von Erde aufgeworfen, dehnen sich zusammenhängend
Viertelstunden weit und mehr aus. Die Gräber, oder »_Maun's_«, wie sie es
in der Sprache der Wilden heißen und noch jetzt genannt werden, sind in
großer Menge umher zerstreut zu sehen; nicht nur aber bei Mariette,
sondern auch in andern Gegenden der Republik Ohio und westlich gelegener
Landschaften. Es sind zuckerhutförmige, oben abgestumpfte Hügel, meistens
zwölf bis zwanzig Schuh hoch, die unten einen Umfang von dreißig bis
sechszig Fuß haben. Noch jetzt haben die Stämme aller Indianer für ihre
Todten eine heilige, oder abergläubige Ehrfurcht, wie sonst. Hier pflegten
sie die Leichname, in Felle gehüllt, flach auf den Erdboden zu legen, dann
dieselben mit einem solchen Erdhügel zu bedecken, daß sie weder durch wilde
Thiere, noch Menschen leicht ausgescharrt werden konnten. Die Mauns der
Häuptlinge sind höher und breiter. Ich sah deren bei Mariette, welche einen
Umfang von hundert Fuß und eine Höhe von dreißig Fuß haben.




22.

Ein paar Wochen auf dem Lande im Ohiostaate.

(4. bis 20. Sept.)


Die Witterung war wieder lieblich. Ich hätte mich auch gern unter den
Pflanzern dieses Freistaats umgesehen, um bei ihnen etwas zu lernen. Dazu
bot sich hier die vortheilhafteste Gelegenheit. Ich konnte eine Familie,
die eine Stunde von _Pointharms_ wohnte, mit Grüßen und Nachrichten aus
Europa besuchen. So begab ich mich über den Muskingum nach Pointharms, und
von da zur mir bezeichneten Kolonie, um meine Aufträge auszurichten. Zwei
Tage später begleitete ich von hier die Familie zu ihren Aeltern, auf einer
Niederlassung, die noch zwölf bis vierzehn Stunden weiter landeinwärts lag.
So kam ich von Pflanzung zu Pflanzung.

Die Familie machte die Reise zum Vaterhause in einem Wäglein. Mir gab man
ein Reitpferd. Jede Art zu reisen hatte mir bisher wohlbehagt; nur mit den
Pferden in Amerika hatte ich ganz eigenes Mißgeschick. Als zwei Stunden
lang Alles in guter Ordnung gegangen war, wurde der Weg so schlecht, daß
das Fuhrwerk meiner Freunde mehrmals umzuwerfen drohte, und endlich, über
einem Graben hangend, in die gefährlichste Schwebe kam. Ich sprang noch
im rechten Augenblick vom Rosse, um den Wagen etwas zu halten und größeres
Unheil zu verhüten. Als dieser wieder aufgerichtet stand und ich meine
Rosinante suchte, war sie davon und waldeinwärts gelaufen. Nun mußte ich
ihr nachsetzen, und sie narrte mich zwei volle Stunden herum. Ich hätte die
Bestie ihrem Verhängniß überlassen, wärs mir nicht um meinen Mantel auf dem
Sattel leid gewesen. Zum Glück kam mir ein Pflanzer zu Hilfe, der das Roß
fing. Als ich aufsitzen wollte, ward es stätisch, wollte nicht mit mir
umkehren; alle Beredsamkeit meines Mundes und meiner Peitsche blieben gegen
diesen Eigensinn fruchtlos. Um nicht noch mehr Zeit einzubüßen, gab ich
dem braven Landmann ein Trinkgeld, ließ ihn den Gaul heimführen, hing den
zusammengelegten Mantel an einem Stecken über die Schulter, und wanderte
sechs Stunden Wegs zu Fuß, bis zu dem Ort, wo meine Reisegefährten
übernachten wollten. Den andern Tag erreichten wir endlich Nachmittags das
ersehnte Vaterhaus.

Herr Hauptmann **, Eigenthümer dieser Niederlassung, empfing mich mit
zuvorkommender Güte und Gastfreundlichkeit. Ich ward zuletzt bei ihm
ganz heimisch. Wir besuchten die Umgegenden, musterten seine
landwirthschaftlichen Anstalten, oder gingen mit einander auf die Jagd, die
hier sehr reich und mannichfaltig ist, besonders an Truthühnern. Im Winter
kann man sie mit Stecken todtschlagen. Der Hauptmann erzählte, er habe
bei seiner Wohnung in einem Winter ein ganzes Dutzend getödtet, das Stück
achtzehn bis zwanzig Pfund schwer. Noch häufiger ist, und eine wahre
Landplage, in diesen Gegenden eine Art Eichhörnchen, die aber viermal
größer sind, als die unsrigen in Europa. In einem einzigen Tage können sie
mehrere Acker Mais vollkommen verwüsten. Daher wird unaufhörliche Jagd auf
sie gemacht; aber sie sind schwer auszurotten, vermehren sich schnell und
haben so zähes Leben, daß, wenn man sie nicht beim Schuß durch Herz oder
Kopf trifft, sie mit zerschmetterten Gliedmaßen von Ast zu Ast, von Baum zu
Baum springen und entwischen. Man ißt ihr Fleisch; es ist angenehm, kräftig
und zart. -- Man jagt auch Dammhirsche, Fischottern, Opossums, Raukuns und
anderes Gewild dieser Art.

Von zahmem Vieh züchtet man vorzüglich Pferde, die 30 bis 40 Dollars
kosten; Ochsen, das Paar 30 bis 36 Dollars im Preise; Schweine in
Ueberfluß, davon man den Zentner mit 1 bis 1½ Dollars zahlt. Viehhändler,
die das Land alle Jahr durchziehen, kaufen ganze Heerden zusammen
und führen sie ostwärts den großen Städten, hundert, auch zwei- und
dritthalbhundert Stunden weit, zu.

Die Staaten von Ohio, Indiana und Ober-Kentuky bieten dem Auge weder den
Anblick hoher Gebirge, noch großer Ebenen dar. Es ist ein hügeliges Land,
welches, von der Höhe übersehen, einem grünenden, wogenden Meer ähnlich
sehen mag. Der Landwirth unterscheidet hier gern dreierlei Erdreich. Das
beste ist das schwarze. Es befindet sich am meisten in den Niederungen,
und vor seinem Anbau immer mit Wäldern bedeckt, besonders von ungeheuern
Kastanien- und Nußbäumen, die zwar nur kleine, aber sehr süße Früchte
tragen. Die zweite Gattung Erdreichs ist die rothe; es trägt gern
verschiedene Arten schöner Eichen, steht aber im Feldbau an Güte dem
schwarzen Grunde nach. Die dritte Gattung Bodens ist gelb, die am mindesten
fruchtbare. Im Ohiostaat baut man am meisten Mais, Frucht, Waizen, Gerste,
Haber, Erdäpfel u. s. w. an. Die Aernten sind immer äusserst ergiebig. Es
ist in diesem Boden eine Fülle üppiger Lebenskraft.

Man darf nur die Wälder betrachten. Sie sind eine Zusammenschaarung von
Riesenstämmen, davon man in Europa kaum Aehnliches erblickt. Glatt, ohne
Moos und Flechten, kerzengerade schiessen die Stämme auf, die erst an den
Gipfeln Zweige und Aeste tragen. Unter denselben ist der Boden mit grünem
Rasen bedeckt, ohne jene Menge niedern Strauchwerks, welches in unsern
europäischen Forsten zu wuchern pflegt. Weiden längs Bachufern sieht man
eben so wenig. -- Unter allen Bäumen aber ist der Sycomorenbaum durch seine
Dickstämmigkeit am ausgezeichnetsten. Man erzählte mir davon Unglaubliches.
Ich aber sah selbst einen, in dessen Innern ein Spezerei-, Material-
und Liqueur-Laden gehalten ward, mit Thür und Fenster versehen. Wenn ein
Sycomorenbaum anfängt, die Stammdicke von einem Schuh im Durchmesser zu
erhalten, beginnt er schon von innen hohl zu werden. Daher macht man auch
auf leichte Weise Tonnen daraus. Man durchsägt nur die Stämme, und versieht
sie auf zwei Seiten mit einem Boden. Die Sycomoren gedeihen am besten auf
dem fetten, frischen Grunde der feuchten Niederungen.

Das Verfahren bei Bereitung des Ahornzuckers ist bekannt genug. Die
Pflanzer in den westlichen Staaten bereiten sich von Mitte Märzes bis Mitte
Aprils auf diese Art ihren Zuckervorrath. Ein Kind, mit Pferd und
Schlitten und Faß darauf, sammelt täglich das aus den angebohrten
Bäumen abgeträufelte Wasser und führts nach Hause. Ein Baum mag binnen
vierundzwanzig Stunden, unter begünstigender, sonnenheller, kalter
Witterung, bis auf zwölf Maas Wasser geben, ohne Schaden für ihn. Ein
Pflanzer macht sich für den Jahresbedarf seines Hauses gewöhnlich 150-200
Pfund solches rohen oder Staubzuckers. Andere, die damit Handel treiben,
bereiten bei zwanzig Zentner desselben. Der Zentner gilt drei Dollars (das
Pfund einen Batzen).

Hier kann's keinem Landmann übel gehen, der fleißig ist, und nur so viel
Vermögen hat, sich ein freies Eigenthum zu kaufen, nebst Vieh, Saat und
Lebensbedürfnissen für das erste und zweite Jahr. Von da an baut und
erzieht er sich alles selbst, was er nöthig hat, und verkauft, gut oder
schlecht, noch vom Ueberfluß. Unmerklich wächst mit der Bevölkerung umher,
ohne sein Zuthun, der Werth seines Grundeigenthums.

Auffallend war mir hingegen, daß von großen Kolonialanlagen, die man
in Europa schon aufs vollkommenste entworfen hatte, in der Wirklichkeit
nachher wenige zu dem gediehen, was sie hätten werden sollen. Doch muß ich
allerdings die des Hrn. _Rapp_ ausnehmen, welche großentheils aus Deutschen
besteht und zehn Stunden von Pittsburg liegt. Hr. Rapp gab ihr den schönen
Namen _Harmonie_.

Nach zwanzig Jahren Arbeit daselbst wurde alles Land als Eigenthum
verkauft, und die Kolonie, die ein ganzes Dorf mit mehr als tausend Seelen
ausmacht, wohlversehen mit allem, was zur Landwirthschaft gehört, baut nun,
übereinstimmend nach dem nämlichen einmal angenommenen Plan, die prächtigen
Fluren von _Wabasch_, auf der äussersten Grenze des Indianastaats. Rapps
Söhne, ihres Vaters Nachfolger, sind ausschließlich mit Ankauf und Verkauf
alles dessen beauftragt, was für das Bedürfniß der Gemeinde erforderlich
ist. Die Kinder müssen bis zum sechszehnten Jahre die Schule besuchen;
dann werden sie zur Feldarbeit, zum Handwerk u. s. f. angehalten. Die
Niederlassung hat ihre eigene Kirche und Schule; eigene Gemeindsverfassung
und Gesetze, welche von den erwählten Aeltesten der Gemeinde vollstreckt
werden.




23.

Von Ansiedlern und Reisebeschreibern.


Von allen Auswanderern, die aus Europa kommen, um sich in den Vereinstaaten
mit ihren Familien niederzulassen, stehen sich offenbar wohlhabende
Ländereikäufer und Handwerker oder Künstler am vortheilhaftesten, weil
_jene_ gewiß sind, ihre Kapitalien von Jahrzehend zu Jahrzehend im Werth
anschwellen zu sehen; und _diese_, wenn sie geschickt und fleißig
sind, ihre Waare ums Doppelte besser, als in Europa, bezahlt erhalten.
Demungeachtet wird es gemeiniglich ankommenden Handwerkern und Künstlern
anfangs sehr schwer, sich durchzubringen, und zwar aus ganz einfachen
Gründen. Wenige verstehen die englische Sprache, und sind daher dem Zufall
überlassen, wo sie Leute finden, um sich mit ihnen zu verständigen. Wenige
kennen Einrichtungen, Verhältnisse, Bedürfnisse und Oertlichkeiten des
Landes, um sich den für sie tauglichsten Platz zur Ansetzung auszuwählen.
Wenige haben Geld genug mitgebracht, um aus eigener Kraft und mit aller
Freiheit sich, wo und wie sie wollen, festzusetzen und Werkstätten zu
eröffnen.

Alle diese Schwierigkeiten für den Künstler und Handwerker sind es weniger
für den bloßen Feldarbeiter. Gewöhnt an Entbehrungen, seiner Leibeskraft
und Arbeitslust vertrauend, schließt er sich denen an, die seine
Muttersprache verstehen; kauft soviel Land und Wald, als er bedarf und mag,
um wenig Geld, in leichten Zahlungsterminen; rodet den Wald aus, spielt
ein paar Jahre den Robinson Crusoe in der Einöde, und hat dann ein großes
Bauerngut, das ihn und die Seinigen reichlich erhält. Oder er tritt ein
schon vorhandenes nur als Pächter an; oder hat er gar kein Vermögen, so
dient er als Knecht, und spart seinen Verdienst zusammen.

Am übelsten fahren spekulirende Kaufleute, wenn sie mit europäischen Waaren
nach Amerika kommen. Denn die Regierung, um die Gewerbe des Landes
zu begünstigen, erhebt von fremden Gewerbsartikeln eine beträchtliche
Eingangsgebühr. Ich selbst sah, daß man hier Waaren aus europäischen
Manufakturen um dreißig und fünfzig Prozent unter ihrem wahren Werth
losschlagen mußte.

Ich habe bei dem Allem unter den Ansiedlern Kaufleute, Künstler, Handwerker
und Landleute in Menge gefunden, die sich eines Wohlstandes freuten, dessen
sie in der alten Welt nie theilhaft zu werden hoffen konnten. Ich habe
keinen im eigentlichen Elend gefunden, und der, wenn er auch keinen Pfennig
baar Geld in der Tasche trug, gesagt hätte, er habe Hunger gelitten oder
keine Kleider mehr gehabt.

Das Volk der Reisebeschreiber, zu dem ich jetzt, was anfangs gar nicht
mein Plan war, selbst gehöre, streut über Zustand, Treiben und Wesen
der nordamerikanischen Vereinstaaten die verworrensten, oft geradezu die
falschesten Vorstellungen in Europa aus. Ich habe deren viele vor meiner
Reise und nachher gelesen. Die meisten beschreiben weniger Amerika,
als vielmehr _sich selbst in Amerika_, woran am Ende wenig gelegen ist.
Vielleicht begegnet mir dasselbe, ohne daß ichs weiß und will; aber ich
weiß und will auch keine Beschreibung vom jetzigen Zustand jener Gegenden
geben, sondern nur guten Freunden erzählen, was ich auf einer Lustfahrt sah
und hörte, und bilde mir wenigstens ein, ziemlich unbefangen zu sein.

Unter den Reisebeschreibern mögt' ich den Preis der vollen Unbefangenheit
noch immer dem weisen, gründlichen _Rochefoucauld-Liancourt_ geben. Er
liefert ein recht treues Bild von dem Amerika seiner Zeit. Aber _seine_
Zeit war beinahe vor dreißig Jahren. Und in Amerika sind, was Fortschritte
des Anbaues und der Gesittung betrifft, dreißig Jahre so viel, als in
Europa drei halbe Jahrhunderte. Könnte er die Gegenden, die er einst sah,
jetzt wieder sehen, er würde die wenigsten wieder erkennen.

Den Preis, welchen er verdient, möchte ich am allerwenigsten einem andern
Reisenden ertheilen, von dessen Irrfahrten mir zwei dicke Bände in die
Hände gefallen sind. Ich las sie um so neugieriger, weil ich von dem Manne,
er heißt _Gall_, schon an einigen Orten in Amerika wunderliche Sachen
gehört hatte. Man lachte da über ihn. Er hatte überall Händel gehabt. Er
zankte sich mir den Kaufleuten, wegen Bestellungen; mit den Schiffern,
wegen Fuhrlohns; mit den Wirthen, wegen der Zeche; mit den Lastträgern,
wegen seines Gepäcks; -- beinahe aller Orten, wohin er kam, hatte er
Geschäfte vor den Scherifs und Richtern. Und das verschweigt er selbst in
seinen zwei Bänden nicht. Er zankt auch da noch fort. Am unanständigsten
fällt er gegen das achtbare Haus _Le Roy Bayard u. Komp._ in New-York aus,
womit er freilich dem guten Namen desselben weniger, als seinem eigenen
geschadet haben mag. Denn wer glaubt einem solchen Allerweltsmißvergnügten?
Ihm gefiel in Amerika wenig oder gar nichts.

Solcher gallsüchtigen Reisenden gibts nun freilich wenige in Amerika; desto
mehr gibts der entzückten Lobredner. Ich will diesen zwar ihr Entzücken
gönnen; ich kann es mir aus dem grellen Abstich, welchen sie zwischen
diesen wahrhaft freien Staaten und ihren europäischen Heimathen fanden, gar
leicht erklären und entschuldigen.

_Europa_ ist schon eine ältliche, ehrbare, an ihr Herkommen gewöhnte
Matrone; alte Damen machen nicht gern neue Moden mit, wenn sie auch
bequemer, einfacher und geschmackvoller sind. Ihre junge Tochter _Amerika_
ist im aufknospenden Blüthenalter des Mädchens. Laßt diese Schöne nur so
alt werden, wie ihre Mutter, und sich dann wieder im Spiegel sehen. Ich
wette, sie hängt dann auch an verderblichen Gewohnheiten und verrosteten
Moden, und beneidet die junge _Australia_. Schöner, daran zweifle ich
nicht, wird sie, als die Mama Europa, denn diese hat auch noch gar zuviel
von den barbarischen Zügen ihrer Frau Mutter _Asia_.

_Europa_ erhielt von ihrer orientalischen Mutter eine gar kärgliche
Aussteuer, als sie ihr eigenes Haus zu machen anfing. Späterhin freilich
wohl noch einige ehrenwerthe Geschenke, z. B. das Christenthum und den
Handelsverkehr. Allein was sie Gutes haben wollte, mußte sie selbst
erwerben, erarbeiten, ersinnen. _Amerika_ hingegen ward von dem ganzen
Schatz ihres Wissens und Könnens ausgesteuert, und würde des Vorwurfs aller
Weltalter werth sein, wenn es sein Hauswesen nicht vernünftiger, bequemer
und freier eingerichtet hätte.

Wir wollen, um gerecht gegen die neue Welt zu sein, nicht ungerecht gegen
unsere liebe, mürrische Alte werden. Es ist wahr, dort zahlt man keine
Abgaben, von denen die europäischen Unterthanen stets niedergedrückt sind;
man zahlt keine Zehnten, keine Bodenzinse u. s. w., sondern nur von jedem
Acker einen Sol. -- Allein man muß nicht vergessen, daß die amerikanische
Regierung auch im Besitz von Geldquellen ist, deren in Europa wenige sind.
Denn ausser den Zöllen von fremden Waaren, dem Ertrag der Posten und
dem Tonnengelde der Schiffsfrachten, treibt sie Handel mit verkaufbaren
Ländereien in den unermeßlichen Gebieten. Da hat sie noch auf lange Zeit
Waarenvorrath, der ihr ein Jahr ins andere sechs bis sieben Millionen
Dollars abwirft.

Ja, rufen die Entzückten, in Amerika sind keine kostspielige Hofhaltungen,
keine übermäßig besoldete Minister und Beamte. Da erhält ein Präsident
der vereinigten Staaten, der vier Jahre lang in höherer Macht, als ein
europäischer Premierminister dasteht, jährlich 25,000 Dollars (125,000
Francs) und muß damit noch alle Ehrenausgaben während der Kongresse gegen
die Gesandten der ersten Mächte, alle Gastereien u. s. w. bestreiten.
Der Staatssekretair, wie der Schatzkammersekretair hat jährlich nur 4000
Dollars (20,000 Fr.), die amerikanischen Gesandten in Europa haben jeder
1800 Pf. Sterl., mehr nicht. -- Wenn man nun damit die europäischen
Besoldungen ähnlicher Stellen vergleicht, und gar noch die von England!

Vollkommen richtig. Allein auch mit dem ehrlichsten Willen läßt sich das in
Europa nicht so leicht bestellen. In Europa lebt man _wie in einer großen
Stadt_, wo ein gewisser Ton nun einmal herrscht, den Einer allein nicht
abschaffen kann; wo man Manches, auch wider Willen, ehrenhalber mitmachen
muß. Auf dem Lande lebt man eben, wie man will; kann sparen, ohne sich
darum anderer Vortheile zu begeben; legt sich keinen Zwang an. -- Nun denn,
in Amerika lebt man _wie auf dem Lande_. Zieht einer in die Stadt Europa,
behält er seine Einfachheit ohne Schaden bei, weil man's an ihm einmal
gewohnt ist, und weil er -- mehr Geld nicht hat.

In Amerika ist freier Handelsverkehr. In Europa wird aller Gewerbsfleiß
und Waarenvertrieb im Netz von Mauthen, Zöllen, und Handelsabgaben gelähmt,
verstrickt und erwürgt. -- Ich gebe es zu, die europäischen Regierungen
thun aber in der That nicht anders, als die amerikanische. Auch diese
beschwert Einfuhr fremder Artikel mit Abgaben, um den inländischen
Gewerbsfleiß zu erhöhen. Der Unterschied ist nur, daß in Europa die
selbstherrlichen Gebiete gar zu kleine Landstückchen sind, während der
amerikanische Bundesstaat _eins_ ist. In Europa sorgt jeder König und Fürst
für sein Ländchen, dessen Interessen verschieden von dem der Nachbarn sind.
Daher das heillose Zoll- und Mauth-Netz, welches über den ganzen Welttheil
ausgespannt ist. Europa, ein großer, einziger Bundesstaat mit vollkommener
Handelsfreiheit, würde ein blühender Welttheil werden. Aber die Aufgabe ist
etwas schwer zu lösen, wie man wohl begreifen wird.

Eben so ist's mit den kostspieligen, stehenden Heeren. Die Amerikaner haben
nur 6000 Mann stehenden Kriegsvolks zu besolden; aber ausserdem ist jeder
Bürger Krieger, wenn Krieg ist; und die Zahl dieser in Waffen geübten
Milizen beträgt gegenwärtig volle 900,000 Mann. Wenn nicht alle
europäischen Mächte einstimmig und alle zu gleicher Zeit ihre Armeen
auflösen und das amerikanische System annehmen, möchte der Versuch dazu
wahrlich keiner _einzelnen Macht_ für sich allein zu rathen sein, wenn
sie nicht Gefahr laufen wollte, von einem der christlichen Nachbarn ganz
unerwartet, mit Mann und Roß, verschlungen zu werden.

Wie in diesen Stücken, so in vielen, wenn auch nicht allen. Wer in Europa
die unläugbaren Vortheile Amerika's einführen will, muß vor allen Dingen
erst dafür sorgen, daß er die Verhältnisse der Natur, Oertlichkeit und
staatsthümlichen Lage aus den Vereinstaaten über das Weltmeer nach unserm
Welttheil bringe. Dann wird sich alles leichter machen. Vor der Hand
wollen wir zufrieden sein, wenn man sich nur dem möglichen Bessern allmälig
nähert; den Kastenunterschied mildert; den Volksunterricht allgemeiner
macht und bessert; im Zoll- und Mauth-Netz einige Maschen erweitert;
die Ministerialwillkühr durch gesetzgebende Kammern beschränkt; und den
allbelebenden, alles erhebenden, freien Verkehr in der geistigen Welt,
nicht durch Posten- und Stämpel-Abgaben der Finanzspekulation und durch
Zensur- und Preßzwangsgesetze blödsichtiger, oder furchtsamer Finsterlinge
lähme oder tödte.




24.

Ritt nach Cincinnati.

(19. bis 28. September.)


Fast zu lange schon für den Ueberrest meiner Zeit hatte ich mich in der
Kolonie des wackern Hauptmanns verweilt. Ich mußte endlich aufbrechen. Sein
trefflicher Sohn wollte mich, was mir sehr angenehm war, noch bis zur Stadt
Cincinnati begleiten. Ich miethete ein gutes Pferd, und schon nach zwei
Stunden waren wir zu _Athen im Ohiostaat_.

Dies _amerikanische Athens_ ist eine ganz junge _achtjährige_ Stadt von
ohngefähr hundert Häusern. Ich war schon einige Tage früher daselbst zum
Besuch gewesen und in einige angenehme Bekanntschaften eingeführt worden.
Das Beste hier, und was des Namens der Stadt das Würdigste sein muß,
ist die höhere Lehranstalt, oder das Kollegium des Ohiostaates. Das dazu
bestimmte große Gebäude ist in einem edeln Styl aufgeführt, und die Zahl
der Studirenden schon beträchtlich, so daß dies Athen das Ansehen einer
kleinen Universität gewinnt.

Die Regierung der Vereinstaaten, und so hinwieder die Regierungen der
einzelnen Freistaaten Nordamerika's, sparen keine Kosten für Erweiterung
und Erhebung des öffentlichen Unterrichts. Denn ihnen ist klar, daß, wie
der einzelne Mensch sich nur durch höhere Einsicht und Geschicklichkeit
gegen Andere in ein Uebergewicht zu setzen im Stande ist, auch nur eine
Nation durch allgemeine Bildung und höhere Geistesentwickelung andern
Nationen überlegen werden kann, wie es Griechenland einst gegen den Orient,
Rom gegen Europa und Afrika war, England jetzt, und noch Frankreich, gegen
die neuern Völker ist. Man hat in Amerika nicht blos die gemeinen Anfangs-
und Bürgerschulen, oder dann Gymnasien und Universitäten für die, welche
sich blos dem gelehrten Stande widmen, sondern eben so viele polytechnische
Institute für die, welche sich den Künsten, Gewerben und Fabriken weihen.
Denn ein Staat, der leidlich organisirt heißen will, bedarf im Verhältniß
seiner Volksmenge bei weitem nicht so viel Juristen, Mediciner, Theologen
und Philologen, als Handwerker, Mechaniker, Chemiker, wissenschaftlicher
Landökonomen, Fabrikanten, Kaufleute u. s. w.

Auch bemerkt man in Amerika deutlich, daß das Streben nach Bildung,
Aufklärung und Kenntnissen im Volk ohne Unterschied der Kirchparteien
allgemein ist, und die Katholiken darin den Evangelischen nicht nachstehen,
weder von ihren Geistlichen zurückgehalten werden, noch sich zurückhalten
lassen. Dadurch wird jener auffallende Unterschied der öffentlichen Bildung
und des Wohlstandes zwischen katholischen und evangelischen Gemeinden,
Provinzen und Staaten, der in Europa bemerkt wird, in Amerika verhindert.
Es ist allgemein bekannt, wie weit in unserm Welttheil, und zwar in dieser
Hinsicht, Spanien, Portugal, Sicilien, Irland, und selbst der Großtheil der
österreichischen Länder den evangelischen Staaten nachstehen. Man könnte
ähnliche Demarkationslinien in Deutschland und der Schweiz ziehen;
und Frankreich dankt den ganzen Ruhm seiner Ueberlegenheit nur seiner
nordöstlichen Hälfte, die von jeher dem priesterlichen und mönchischen
Einfluß mehr, als die südliche Hälfte widerstand.

Wir ritten längs dem linken Ufer des _Hokaking_ hinauf, der von Norden
kömmt, und sich bei _Troy_ unterhalb _Belpré_ in den Ohio ergießt. Durch
das Städtchen _Nelsonville_ kamen wir von Wald in Wald. Es ward Abend. Wir
sahen uns gezwungen, mitten in den Wäldern, in einer einsamen Hütte,
ein Nachtlager zu suchen. Dies Bauerhaus, wie es da so vor uns lag, aus
übereinander gelegten, unbehauenen Holzstämmen zusammengefugt, deren
Zwischenräume, um Luftzug zu meiden, mit Erde und Moos ausgestopft waren,
-- machte einen traurigen Anblick und unbehaglichen Eindruck. Indessen wir
kehrten ein.

Man kann sich mein Erstaunen leicht denken, als ich in's Haus trat, und
den Fußboden der Stube mit einem sehr schönen türkischen Teppich bedeckt,
Tisch, Stühle und anderes Zimmergeräth von Akajuholz, und uns nachher in
Porzellan- und Silbergeschirr bei Tisch bedient sah. Mehr, als das Alles,
erregte aber die sehr saubere Kleidung, die Liebenswürdigkeit und Bildung
dieser einsamen Pflanzerfamilie meine Theilnahme. Wir hatten einen
genußreichen Abend.

Früh andern Morgens machten wir uns auf, um Mittags in _Neu-Landcaster_ zu
sein. Es ist dies eine zehnjährige Stadt, von 2000 Einw., die von meistens
Deutschen gegründet worden ist, welche sich aus _Lancaster in Pensylvanien_
größern Vortheils willen hierher begeben hatten. Wir machten von hier aus
einen Abstecher zu einem Pflanzer, zwei Stunden von da, der schweizerischer
Abkunft war, und bei dem wir übernachteten. Dann gingen wir Tags nachher
nach Landcaster zurück, und, um es kurz zumachen, über _Chilicothe_,
_Bainbridge_, _Hillsborough_, _Williamsborough_ und _Batavia_ nach
Cincinnati.

Dies alles sind ganz neue Städte, die höchstens 3000, wenigstens 1200
Einwohner haben. In _Chilicothe_, am ziemlich beträchtlichen Scioto-Strom,
befremdete uns, mehrere Häuser und Kaufläden gänzlich geschlossen zu sehen.
Wir erfuhren, daß eben ein bösartiges Fieber herrschte, welches schon viele
Leute weggerafft habe. Mit Ausnahme von Neu-Orleans, welches alljährlich
zur Zeit der Hitze, im Juli, August, September seine regelmäßige Fieberzeit
hat, ist Chilicothe der einzige Ort in den Vereinstaaten gewesen, wo dies
Jahr die bleiche Noth eingekehrt ist.

Eine Stadt von der andern, unter den obengenannten, ist acht bis sechszehn
Stunden entlegen. Von einer zur andern führt eine äusserst mittelmäßige
Landstraße, fast durch immerwährende Waldungen. Nur in Zwischenräumen von
vier, fünf, sechs Stunden erblickt man etwa eine einzelne Pflanzerhütte.
Und auch diese ärmlichen Hütten sind noch ganz neu, erst von angekommenen
Ansiedlern aufgeschlagen, zwischen Wäldern und wilden Wiesen.

Diese Wiesen sind große Savannen; man heißt sie jetzt noch in Amerika
_Büffel-Wiesen_, weil hier die Büffel ehemals ganz einheimisch waren. Nun
aber sind diese Thiere seit zehn Jahren aus den Staaten Ohio und Indiana
beinahe gänzlich verschwunden. Auf den Wiesen, obgleich sie mit den Wäldern
in gleicher Ebene liegen, wächst kein einziger Baum, kein Gebüsch und
Gesträuch. Alles ist mit hohem Grase und Kraut dick überwachsen.

Wohldurchnäßt, bei tüchtigem Regenwetter, kamen wir endlich nach
_Cincinnati_, wo wir im zierlichen Gasthof Washington-Hall ohngefähr
dreißig Reisende beim Nachtessen fanden, und uns erquickten.

_Cincinnati_ im Ohiostaat, liegt an der Südgrenze von Kentuky, an der
Westgrenze von Indiana, sehr vortheilhaft auf dem rechten Ufer des Ohio.
Die Stadt wurde im Jahr 1790 gegründet; hatte noch im Jahr 1798 nur
hölzerne, grobgezimmerte Häuser, ist jetzt aber sehr hübsch, und nach
dem Plan von Philadelphia gebaut, und zählt 14,000 Einwohner. Sie steht
75 Schuh höher, als der mittlere Stand des Ohio. Denn dieser Fluß steigt,
wenn der Schnee schmilzt, oder nach starken Regengüssen, über 45 Schuh
hoch, und bespült dann sogar den Fuß der ihm nächstgelegenen Häuser. Von
solchen ungeheuern Anschwellungen eines Stroms kennt man in Europa nichts
Aehnliches.

Eben diese anmuthige und bequeme Lage Cincinnati's bewirkt schnelle
Vergrößerung und lebhaften Verkehr der Stadt. Täglich kommen Dampfboote
an, oder gehen ab. Es sind von hier bis Neu-Orleans noch 540 Stunden. Ein
Dampfboot fährt stromab in acht Tagen dahin. Hingegen von Cincinnati weg
stromauf nach Pittsburg sind nur 280 Stunden; das Dampfboot braucht aber
zehn Tage dazu.

Man weiß, am Ohio war in der Urwelt eine recht eigentliche Heimath jener
verschwundenen riesenhaften Thierart, die den Namen der Mammuth trägt, und
_Cuviers_ Forscherblick und Fleiß schon in mehrere Arten getheilt hat.
Ich sah zu Cincinnati eine ganz kostbare Sammlung von Ueberresten dieser
ungeheuern Gerippe. Ein Zahn, von der Gestalt eines Elephantenzahns, hat
die Länge von 6 Schuh, und ist 150 Pfund schwer. Diese Sammlung ist im
hiesigen Museum, wo man auch andere Natur- und Kunstseltenheiten Amerika's,
eine lebendige Klapperschlange in einem eisernen Käfig, Mineralien,
Kleider, Schmuckwerk und Waffen der Indianer, die noch vor einigen Jahren
nicht weit von der Stadt wohnten, schöne Oelgemälde von amerikanischen
Künstlern u. s. w. aufgestellt findet. In einem anstoßenden Saale
versammelt sich täglich Abends sehr zahlreiche Gesellschaft, um die
Zeitschriften und Blätter aus allen Gegenden der Vereinstaaten zu lesen.
Viermal wöchentlich hält hier Herr _Dorfeuil_, der die Güte hatte, mich ins
Museum einzuführen, ein gelehrter, liebenswürdiger Canadier, öffentliche
Vorlesungen über wissenschaftliche Gegenstände. Die andern Tage sind
Konzerte im Musiksaal, dessen Hintergrund eine sehr reichgebaute Orgel
ziert, auf welcher Herr Dorfeuil meisterhaft spielt.

An der Gewerbigkeit einer solchen Stadt wird wohl Niemand zweifeln. Da
wohnt ein geselliges Mirmidonenvolk, wovon wenigstens die Hälfte aus
Engländern, Deutschen, Italienern, Schweizern und Franzosen besteht, die
alle mit Freuden ihren alten Vaterlanden entsagt haben. Fast bei allen
Gewerben verrichten Dampfmaschinen ihren Dienst, die auch die Brunnen
sämmtlicher Stadtviertel mit Wasser versehen müssen. Die größte
Dampfmaschine, deren künstlicher Bau bewundernswürdig, ja einzig in seiner
Art gewesen sein soll, war wenige Wochen vor unserer Ankunft abgebrannt.
Sie hatte zu gleicher Zeit mehrere Mahl- und Sägemühlen, dann
ein Distillirwerk, eine Baumwollenspinnerei und endlich noch eine
Wollkrämpelmaschine getrieben.




25.

Besuch von Neu-Vevay.

(28. Sept. bis 4. Okt.)


Mein junger Begleiter und Freund verließ mich in Cincinnati und kehrte zur
Kolonie seines Vaters zurück. Ich gab ihm mein Pferd mit, und bestieg ein
Dampfboot, den Spartaner, das nach _Madison_, einem Städtchen in Indiana,
ohngefähr fünfunddreißig Stunden zu Wasser von Cincinnati, abfuhr. Ich
wollte eigentlich nach _Neu-Vevay_, das zehn Stunden näher liegt, um dort
einige alte, europäische Bekannte und Freunde zu besuchen. Der kleine Umweg
verschlug mir nichts. Auf dem Spartaner fand ich ein Dutzend Reisende, die
bei meinem Eintritt ins Zimmer alle mit Lesen oder Schreiben beschäftigt
waren.

Das Boot flog schwalbenschnell längs den hohen, schroffen Waldufern des
Ohio dahin. Von Zeit zu Zeit gingen flüchtig, wie Zauberlaternenbilder,
schöne Landhäuser und malerische Pflanzer-Einsiedeleien an uns vorbei. Die
Dampfboote auf dem Ohio, obgleich die Bedienung der Gäste, wie überall,
vortrefflich ist, sind doch minder groß, als auf dem Hudson, und platter,
daher auch in ihrer Mechanik anders eingerichtet. Der Grund davon liegt
darin, daß sie beim niedrigen Wasserstande, vom Juli bis November, leichter
über die zahlreichen Sandbänke hingleiten können.

Wir waren Mittags von Cincinnati abgefahren, den andern Morgen um sechs Uhr
befand ich mich in einer der fruchtbarsten Landschaften am Ohio zu Madison.
Nachts ging ein Dampfboot stromauf nach Vevay, das ich benutzte.

Bekanntlich wurde _Neu-Vevay_ im Ohiostaate von den drei Brüdern _Dufour_,
aus dem Kanton Waat, im Jahr 1802 gegründet. Diesen Schweizern folgten
noch in demselben Jahr, und in den folgenden, mehrere ihrer arbeits- und
freiheitslustigen Landsleute. Anfangs legten sie sich besonders auf den
Weinbau, wozu sie die Pflanzen aus ihrem Vaterlande mitgebracht hatten.
Diese Reben trieben sogleich ausserordentlich, waren sehr saftvoll, aber
plötzlich im August starben sie ab. Eben so fruchtlos blieben spätere
Versuche mit den Pflanzen vom Ufer des Genfersees. Jetzt aber haben sie,
und mit besserm Erfolg, Reben vom Kap der guten Hoffnung und von der Insel
Madera angepflanzt. Sie gedeihen gut, und bei achtzig Jucharten Landes
sind schon damit bedeckt. Die Rebstöcke sind in lange Reihen, spalierartig
gesetzt, und eine Reihe von der andern ist so weit, daß der Pflug zwischen
durch kann, weil man sich dessen hier bedient. Ich fand die Trauben damals
schon reif. Die Beeren sind von einer dunkeln Schwärze, groß wie Pflaumen,
und haben eine dicke Haut. Ihr Geschmack ist himbeerenartig, ziemlich
angenehm. Auch der Wein behält diesen Himbeergeschmack lange. Doch trank
ich auch einen hellrothen, sehr alten, der wenig vom rothen Neuenburger in
der Schweiz verschieden war.

Jetzt wohnen in Vevay ohngefähr hundert Familien aus der Schweiz, und eben
so viele amerikanische. Da die Lage des Orts gewiß angenehm, der Boden
ergiebig, das Klima mild ist, sollte er wohl bevölkert sein. Denn weit
umher und ringsum ist eine Menge von Landhäusern und Pflanzungen. Man sagte
mir aber, die Herrn _Dufour_, die das Land alles von der Regierung an sich
gekauft hatten, wären anfangs, mit dem Preis der Grundstücke, bei deren
Wiederverkauf zu theuer gewesen. Sie hätten sogleich daran ein Gutes
gewinnen wollen, und blos davon meistens an Amerikaner verkaufen können,
von denen nachher die wenigsten im Stand gewesen seien, zu zahlen. Viele
Schweizer setzten sich daher in der Nachbarschaft an, wo sie eben so gutes
und wohlfeiles Land fanden und sich gegenwärtig sehr gut stehen. Wären
alle Höfe derselben in Vevay vereint, würde dies eine der beträchtlichsten
Kolonien sein.

Trotz dem, daß Vevay nur aus zwei oder drei leidlichen Straßen besteht,
führt es doch den Namen einer _Stadt_. Die Gassen, die noch künftig werden
sollen oder können, die einstigen öffentlichen Plätze, Märkte u. s. w. sind
schon vorgezeichnet und vorbehalten.

Denn, wie ich's schon gesagt habe, hier zu Lande entstehen die Städte
nicht, wie in der alten Welt, durch eine Reihe von Zufälligkeiten im
langsamen Gang der Jahrhunderte, sondern durch einen Regierungsbeschluß,
ehe sie noch da sind. Die Regierung der Vereinstaaten läßt nämlich die
weitläuftigen Landstriche, welche sie durch Eroberung oder Kaufverträge
von den Stämmen der Indianer erworben hat, durch angestellte
Sachkundige untersuchen, vermessen und chartiren. Dann wird das Ganze in
»_Stadtschaften_« oder, weil man dies deutsche Wort nicht gebraucht, in
Stadtgebiete (=Town-Ships=) eingetheilt. Jede Stadtschaft besteht aus
fünfunddreißig Abschnitten; ein Abschnitt enthält 640 Jucharten Landes, die
Juchart zu 36,000 Geviertschuh. Einen oder zwei von den in allen Hinsichten
am vortheilhaftesten gelegenen Abschnitten, in der Nähe eines Flusses oder
Sees, in angemessener Entfernung von bestehenden Städten, liest man zur
Gründung der dereinstigen Stadt aus; entwirft dazu die Anlage der Straßen
und öffentlichen Plätze; bestimmt die Stellen, wo die öffentlichen Gebäude
stehen sollen, und läßt den übrigen Stadtraum frei, sich zur Anlegung von
Wohngebäuden u. dergl. zu verkaufen.

Die dem Stadtraume zunächst gelegenen vier Landabschnitte bleiben jedesmal
Staatsgut. Es sind diese drittehalbtausend Juchart von der Regierung zur
Unterhaltung einer höhern Schulanstalt, eines Kollegiums, oder anderer
Staatseinrichtungen für das Gemeinwesen geweiht.

Die noch übrig gebliebenen andern neunundzwanzig oder dreißig
Landabschnitte, die zusammen über 19,000 Jucharten betragen, werden vom
Staat an die, welche sich ansiedeln wollen, verkauft, die Juchart zu ein
bis fünf Dollars, je nach der Güte des Bodens, oder der Nähe einer Stadt,
eines Flusses u. s. w. In _Indiana_, auch in _Illinois_, wo die Bevölkerung
bis jetzt noch schwach ist, kauft man auch die Juchart sehr gut gelegenen
Landes um einen _halben_ Dollar. Die halbe Zahlung wird baar geleistet, die
andere Hälfte in langen Fristen.

Seit dem Eintritt der fruchtbaren Jahrgänge nach 1817 ist der Werth der
Grundstücke, wie in Europa, auch in Amerika beträchtlich gesunken. Bei
_Athen_ z. B. ward noch vor fünf Jahren die Juchart mit fünf Dollars
bezahlt; gegenwärtig sind ein und zwei Dollars der laufende Preis. Man bot
mir in Vevay ein Landgut an; es hatte zwei Häuser von gezimmertem Holz;
beim Wohnhaus einen Garten mit 500 reichtragenden Obstbäumen; 192 Juchart
Land, davon sechszig urbar gemacht und zwei Rebland waren. Das Alles bot
man mir für 1000 Dollars (225 Luisd'ors) baare Zahlung an. Für eben dies
Bauergut zahlte die Familie Gaulay vor zehn Jahren 3000 Dollars, wiewohl
davon noch nicht halb so viel Boden zum Anbau aufgebrochen war.

So sind die neuern Staaten des Bundes alle in Stadtschaften oder Townships
eingetheilt. Jede Stadtschaft mag also ohngefähr zehn Geviertstunden
Flächenraums betragen.

Der Grund und Boden bei _Vevay_, so wie im größern Theil des benachbarten
Indiana, ist sehr fruchtbar. Die Rebengelände liegen alle in der Ebene,
nirgends an Hügeln. Zwar eine Viertelstunde von der Stadt erhebt sich der
Boden hügelartig; er ist aber leicht und sandig, und der Regen, welcher,
wenn er hier fällt, stromweis niederrauscht, würde das gute Erdreich bald
hinwegwaschen. Man baut hier übrigens alle Getreidearten, wie in Europa;
das Obst gedeiht herrlich, besonders sind die Aepfel von ungemeiner Größe,
saftreich und kräftig. Man bereitet deswegen viel Aepfelwein, den man mit
Whisky (Branntewein), ein Maß auf zwanzig Maß Cidre, versetzt. Es ist ein
vortreffliches Getränk und hat daher sehr großen Absatz. Der hiesige Whisky
wird aus Korn und Mais gebrannt. Mais gedeiht im Uebermaß. Ich sah Felder,
deren Maispflanzen eine Höhe von fünfzehn bis zwanzig Fuß hatten, jede mit
dicken, schuhlangen Aehren belastet.

Alle diese ländlichen Erzeugnisse finden aber ihren besten Preis und Absatz
nur in Neu-Orleans. Darum gehen mehrere Einwohner von Vevay regelmäßig alle
Winter mit großen Schiffsladungen ihrer Aernten dahin. Gewöhnlich fahren
sie Ende Oktobers ab und sind sechs Wochen unterwegs. Der Preis ihrer
Waaren wechselt, je nachdem viele oder wenig Fahrzeuge aus dem Innern des
Landes in gleicher Absicht angekommen, oder viele oder wenig Schiffe
von Mexico und Südamerika erschienen sind, um Einkäufe zu machen. Die
_Natches-Zeitung_ gab die Zahl der aus dem Innern nach Neu-Orleans
gekommenen, mit Feldfrüchten beladenen Fahrzeuge, während des Winters von
1823 auf 1824, zu 12,400 an. Man kann sich daraus einen Begriff von der
Masse der ausserordentlichen Aernten machen, die noch im Lande selbst
verbraucht wird.

Die Staaten _Ohio_, _Indiana_, _Illinois_, _Virginien_ und _Kentuky_
insgesammt bringen auf den Markt von Neu-Orleans ohngefähr dieselben
Erzeugnisse, nämlich Getraide, Semmelmehl, Whisky, Aepfelwein, gemeine
und süße Erdäpfel, eingesalzenes Rind- und Schweinefleisch, gedörrte und
gegerbte Häute, Potasche, Fett, lebende Schweine, Schafe und Geflügel.
-- Die Staaten _Tennesee_ und _Alabama_ hingegen liefern Baumwolle; der
_Missisippi-_ und _Misouri-_Staat Ahorn- und Rohr-Zucker.

Die zahlreichen Wasserstraßen Nordamerika's erleichtern die Verbindung und
den Verkehr der entlegenen Gegenden ungemein. Und doch sehe ich, was da
ist, nur noch als natürliche, rohe Anfänge an, welche, mit Ausnahme der
Dampfboote, die Hand der Kunst bisher noch nicht berührt hat. Es sind nur
erst ein Paar Hauptkanäle geschnitten; Spielraum bleibt noch für andere
übrig. Eine Menge kleinerer Gewässer lassen sich noch zum Verkehr in Werth
setzen. Die vornehmsten, das heißt _schiffbaren_ Ströme, welche sich alle
in den Ohio und Missisippi werfen, sind der Kanhaway, der Scioto, der
Miami, der Kentuky, der Wabash, der Illinois, der Tennesee, der Cumberland,
der Missouri, der Acansas und der rothe Strom.

Alle westlichen Staaten haben demnach nur einen einzigen Hauptmarkt,
Neu-Orleans, dem sie ihre Waaren zuführen können. Es geschieht dies auf
Fahrzeugen, die alle von gleicher Bauart, achtzig Schuh lang, sechszehn
breit, und mit zwei Verdecken versehen sind. Man heißt sie _Flatboats_
(Flachboote). Beladen gehen sie 3½ Schuh tief in's Wasser, und ragen eben
so weit hervor. Ein Mann mit dem Ruder am Vordertheil, ein anderer hinten
am Steuer, lenken das Schiff beständig in die Mitte der Flußströmung. Wo
die letztere stark ist, legt man in einer Stunde anderthalb Wegstunden
zurück, wo sie gering ist, nur die Hälfte. Nachts wird das Flatboat irgend
an einen Baum festgebunden, und stillgehalten. Flußaufwärts wird es nie
wieder gebracht, sondern, angelangt an seinem Bestimmungsort, verkauft
mans um Spottgeld. Was auf dem Bauplatz 100 bis 120 Dollars gekostet hat,
schlägt man um zehn Dollars mit Vergnügen los; die mit solchen Schiffen
gekommenen Personen kehren dann auf Dampfbooten wieder in ihre Heimathen
zurück.

Leider erfährt man noch jedes Jahr von Unglücksfällen auf diesen gewaltigen
Flüssen. Alle Schifffahrtskunst hilft dagegen nicht. Die Strombetten ändern
häufig; entwurzelte, riesenartige Bäume lagern sich quer ein. Sandbänke und
selbst Inseln treten hervor, wo sonst keine waren. Ein Schweizer, der auf
die Art in einem Jahr zwei befrachtete Fahrzeuge verloren hatte, erzählte
mir, daß er, nach seinem Unglück, erst vernommen, es hätten wenige Tage
zuvor zwölf Fahrzeuge das nämliche Schicksal in der nämlichen Gegend
erfahren.

Herr _Morero_ in Neu-Vevay erzählte mir, er sei im Februar 1823 auf
dem damals größten Dampfschiff, genannt der »Tennesee«, den Missisippi
heraufgefahren. Wie das Fahrzeug in der Höhe der Natches war, schoß es
gegen einen Baum, der noch fest an den Wurzeln hangend, mitten im Wasser
lag, und mit seinem Wipfelende den Kiel des Schiffs durchbohrte. Es war
neun Uhr Abends, finstre Nacht, bei kaltem Regenwetter. Die Piloten und
Mechaniker machten sogleich Lärmen. Die Reisenden auf dem Verdeck, ihrer
ohngefähr neunzig Personen, hatten den Stoß gespürt und die Gefahr blieb
ihnen kein Geheimniß. Der Kapitain, schon im Bett, sprang auf, lief umher
zu den Reisenden, die zum Theil auch schon in den Betten im Zwischenverdeck
waren, kündigte ihnen die Gefahr an und mahnte sie, an ihre Rettung zu
denken. Während er noch redete, ging er zur Thür, die zur Dampfmaschine
führt; indem er sie öffnete, um hineinzutreten, stürzte durch die
Erschütterung des Fahrzeugs eine Holzbiege in der Nähe zusammen und
verrammelte die Thür. In demselben Augenblick ging auch das Schiff unter,
um nie wieder zu erscheinen. Alle spätere Nachforschungen, es zu finden,
sind fruchtlos geblieben. Die Personen, die zwischen den Verdecken waren,
hatten indessen das, was sie in ihren Reisekisten vom Besten besaßen,
genommen und sich damit ins Wasser gestürzt, um schwimmend ein Ufer zu
erreichen. Da blieben sie, ungewiß ihres Looses, die lange, finstere,
regnerische Winternacht, vor sich die brüllende Fluth, hinter sich Felsen,
mit den Füßen noch tief im Wasser. Von etwa 150 Personen, die überhaupt auf
dem Dampfboot gewesen waren, hatten nur achtzig das Leben davon gebracht.
Der junge _Morin_, der nun seine Reise zu Lande fortsetzte, kam erst Ende
Aprils in Vevay an, wo man ihn schon zu den Todten gerechnet hatte.

Auch in Vevay wird die englische Sprache, wie überall in den Vereinstaaten,
nach und nach die herrschende Landessprache werden, obgleich mehr als
die Hälfte der Einwohner nur die deutsche und französische aus Europa
mitbrachten. Schon jetzt werden die Sitzungen des Gerichts, in denen ein
Herr Dufour erster Richter ist, in englischer Sprache gehalten. Derselbe
Fall ist in den öffentlichen Schulen und bei den gottesdienstlichen
Versammlungen. Diese Uebung waltet in allen Umgegenden von Vevay, tief ins
Gebiet von Kentuky hinein, obgleich auch dort die Hälfte der Bevölkerung
aus Deutschen und Franzosen zusammengesetzt ist. Man findet da nicht einen
einzigen Geistlichen, der in diesen beiden Sprachen predigt.

Man läßt sich diese anfangs peinliche Unbequemlichkeit, eine neue Sprache
zu lernen, gern gefallen, weil sie zweckmäßig ist. Zudem sind die Vortheile
zu groß, Bürger dieses neuen und väterlichen Vaterlandes zu sein. Bürger
ist man nach fünfjährigem Aufenthalt in demselben, wenn man den Eid der
Treue geleistet und geschworen hat, nicht in Dienst, Amt, Gehalt irgend
einer europäischen Regierung zu stehen. Dann hat man an allen Rechten des
Staatsbürgers Theil, wählt in den Versammlungen die Obrigkeiten und läßt
sich wählen, sei es unmittelbar durchs Volk oder von den durchs Volk
ernannten Wahlherrn. Dabei ist jeder waffenfähige junge Mann von zwanzig
Jahren, zur Zeit des Kriegs, Streiter fürs Vaterland. Er übt sich in
Waffen. Jährlich etwa ein dutzendmal werden Kriegsübungen vorgenommen.

Als sich die Schweizer von Vevay das erstemal zu diesen Waffenübungen
stellen mußten, es war einige Tage vor dem »_vierten Juli_«, dem
Denktag und Fest der amerikanischen Unabhängigkeit, verlangten sie dem
Artillerie-Corps einverleibt zu werden, weil ihrer die meisten schon in
der Schweiz in dieser Waffengattung gedient hatten. Die Regierung schickte
ihnen darauf sogleich eine Achtpfünderkanone zu, die von einer Feste des
Illinois-Staates genommen war. Dies Geschütz, nebst allem Zubehör, ward
den amerikanischen Schweizern mit Feierlichkeit und ermunternden Wünschen
übergeben. Sie übten sich sogleich wieder freudig ein, und zehn Tage
nachher erschienen mit ihrer Kanone, zum mächtigen Erstaunen der
Altamerikaner, die in ihrem Leben keine Uniformen gesehen hatten,
fünfundzwanzig Mann in blauer Kriegstracht mit rothen Aufschlägen und
Bärenmützen. Noch mehr verwunderte man sich über die Gewandtheit dieser
Schützen, und über die Schnelligkeit ihrer hintereinander folgenden
Schüsse. Beim Gastmahl, das dem Waffenfeste den Schluß gab, erhielten alle
diese Schweizer Offiziersrang.




26.

Einsame Wanderung in der Wildniß.

(4. bis 7. Oktober.)


Noch hatte ich einen ansehnlichen Reisestrich vor mir durch die stillen,
unbevölkerten Wildnisse von Kentuky und Virginien, um wieder in die
angebautern Landschaften der östlichen Staaten zu gelangen. Die Jahreszeit
war vorgerückt, die Witterung schon unzuverlässig. Ich wünschte, der weite
Raum von Wäldern, Strömen, Ebenen und Hügeln zwischen dem Ohio und dem
freundlichen Baltimore läge schon hinter mir.

Darum zauderte ich nicht länger, überwand mich, sagte meinen lieben
Bekannten im amerikanischen Vevay Lebewohl, und setzte in einer Fähre
(Ferryboat) über den Fluß, die da immer zur Ueberfahrt von Menschen und
Vieh bereit liegt. Jetzt stand ich auf dem Boden des Kentukygebiets. In
einer Stunde war ich zu _Gand_, einem kleinen Flecken, der gegen Vevay über
liegt. Ich hatte versprochen, hier noch den Herrn _Agnel_ zu besuchen, der
auf seiner Niederlassung eine schöne Weinrebenpflanzung unter Aufsicht des
Herrn _Oboussier_ von Lausanne hat.

Da und in den Umgebungen sah ich zum erstenmale _Neger-Sklaven_ auf dem
Felde arbeiten. Der Anblick war mir widerlich. Noch inmitten der großen,
schönen Freistätten des Menschenrechts auf Erden Sauerteig aus dem
zivilisirten Europa! -- O dies gelehrte, feinsittige, philosophische,
glaubensstrenge, schönrednerische, bücherreiche, heldenmüthige, christliche
Europa, wie ist es doch mit seinen Verfassungen, Gesetzen, Kasten, mit
seinen Timurlengs und Dschengiskhanen, mit seinen Confutsen und Zoroastern,
Sadi's und Bidhay's, mit seinen Lama's, Braminen und Suder's so auffallend
der Großmutter Asia Zug um Zug verwandt!

Indessen die Negersklaverei wird nun in Nordamerika gänzlich abgethan; und
schon gegenwärtig ist das Loos der Schwarzen sehr mild.

Den Sonntag vor meiner Ankunft hatte eine Negerin des Herrn Agnel Hochzeit
mit einem Schwarzen aus einer andern Niederlassung gehabt. Das ist ein
hoher Tag für diese Kinder Afrika's, denn, ausser allen andern Genüssen,
wird ihnen auch für diesen Tag, aber nur für diesen, die Freiheit, wie ein
flüchtiges, süßes Naschwerk, gelassen. Es ist Sitte, daß an solchem Tage
der Herr der Pflanzung und seine Familie das Haus verlassen. Die verlobte
Negerin ladet aus der Nachbarschaft so viele ihrer Freundinnen ein, als sie
will; der schwarze Bräutigam thut desgleichen.

Zeitig erscheinen die Gäste insgesammt Morgens, aufs Beste ausgeschmückt,
größtentheils zu Pferde oder in leichten Reisewagen. Eine kleine Negerin an
der Hausthür meldet die Ankommenden, wie sie nacheinander erscheinen, mit
ihrem Namen (am meisten sind Dschin und Jak) und dem Familiennamen des
Pflanzers, welchem sie angehören. Sie legen nun in ihre Begrüßungen, in
ihre Gespräche und Unterhaltungen die möglichste Artigkeit. Alles nennt
einander Herr, Frau, Fräulein (Gentleman, Lady etc.). Da ist nicht das
Rohe, Plumpe, Steife, wie allenfalls bei _Leibeigenen_ in Europa oder an
Bauernhochzeiten. -- Die Mahlzeit, die im Einzelnen und Ganzen wohlgewählt
und wohlgeordnet ist, dauert gemeinlich bis gegen Abend, dann beginnt die
Lust der Tänze durch die Nacht bis zum Morgen, wo jeder in seine Pflanzung
heimkehrt, um im Schlaf die Maske der Freiheit wieder abzulegen, die er für
einen Tag getragen hatte.

Die Pflanzer begünstigen dergleichen Heirathen gern. Verheirathete Neger,
weil sie einander anhangen, arbeiten fleißiger, betragen sich anständiger,
aus Furcht, von ihren Herren verkauft und von der Geliebten getrennt zu
werden. Der verheirathete Neger wohnt oft drei bis vier Stunden Wegs von
seiner Frau. Alle Woche einmal besucht er sie und seine Kinder, denen er
mit voller Seele gehört.

Es gilt, wie bei den Sklaven oder Leibeigenen Europens, auch hier die
Uebung des barbarischen Mittelalters: =partus sequitur ventrem=. Nämlich
die Kinder aus diesen Ehen gehören demjenigen Pflanzer, dem die Mutter
angehört. Und sind die Kinder erwachsen, hat er für seinen Bedarf zu
viel Neger, kann er sie anderswohin verkaufen. Nicht nur _Neger_, auch
_Mulatten_ (von Europäern und Negerinnen), und _Quarterons_ (von Europäern
und Mulattinnen oder Mestizinnen, Töchtern eines Europäers und einer
Indianerin) sind unter den Sklaven.

Drittehalb Stunden Wegs von der Niederlassung des Hrn. Agnel, nicht weit
von _Frederiksburg_, fand ich mitten in Wildniß und Wald vier einsame
Schweizerfamilien aus dem Neuenburgerlande angesiedelt. Sie wohnten hier
ganz behaglich nun schon seit sechs Jahren, aber im vollsten Sinn des
Wortes, geschieden von der übrigen Welt der Lebendigen, sich selbst ihre
Welt bildend. Es waren die Familien _Guinand_, Vater und Sohn, _Persot_
und _Rochat_. Sie hatten keine Sehnsucht nach dem Treiben draussen. Sie
schienen in ihrer Einsiedelei ganz zufrieden. Warum hätten sie es nicht
sein sollen? Der dankbare Boden, den sie bauten, die kleinen Heerden ihres
Hausviehs, die nahe Jagd umher, stillten ihre einfachen Bedürfnisse im
Ueberfluß, und ihre Wohnungen gewährten ihnen jede Bequemlichkeit, die sie
fordern mochten. Sie nahmen mich mit Herzlichkeit bei sich auf.

Ich aber wollte eigentlich noch die Gruben von _Bigbone_ sehen, die nicht
gar entfernt sein sollten, und wo die vielen Mammuthsgebeine gefunden
werden. Ich machte den Weg zu Fuß, weil ich nur dem Ufer des Flusses
nachzugehen hatte, um eins der Dampfboote ansichtig zu werden, die
alltäglich den Ohio herauffahren.

Indem ich also durch Wald und Wilde sinnend hinwanderte, mit den Gedanken
noch die Einsiedelei der vier Familien umschwebend, sah ich plötzlich,
zwischen den Bäumen hervor, als wäre ein Umhang weggezogen, eine
unerwartete Erscheinung. Auf einem prächtigen Rosse saß in fremder
aber kostbarer Tracht ein junges, schöngewachsenes Frauenzimmer, mir
entgegenreitend, und von zwei andern, ebenfalls zu Pferde, gefolgt, als
wären es Dienerinnen. Die eine von diesen schien hiesigen Landes zu sein.
Die reizende Gebieterin voran trug ein bläuliches, nettes Jagdkleid,
reichverziert, zu schmuckvoll für diese Einöden; dazu einen feinen, breiten
Strohhut, von welchem seitwärts ein grüner Schleier herabfloß.

In _Wielands_, _Ariostos_ und _Tassos_ Gedichten kann man wohl solchen
Feengestalten oder irrenden Damen mitten in unbekannten Wildnissen
begegnen. Aber in einem der amerikanischen Urwälder, wo kaum der Weg
recht erkennbar war, wo weit umher Todesschweigen herrschte, welches das
Wellengeräusch des Ohio nur feierlicher machte, wo ich für solche Tracht
und Pracht kein Schloß, keine große Stadt in der Nähe wußte, glaubte ich
dergleichen nie erwarten zu können. Ich war auch in der That so überrascht,
ich muß sagen, verblüfft, daß ich, ohne an diese neue Diana ein Wort zu
richten, sie nur anstaunte. Ich konnte mich nicht erwehren, sogar meinen
Hut, ganz gegen Landessitte, höflich vor ihr abzuziehen. Sie erwiederte mit
einem artigen Gegengruß und verschwand hinter mir zwischen den Bäumen.
Es verdrießt mich noch jetzt, daß ich die Geistesgegenwart in dem Grade
verlor, sie nicht einmal anzureden.

Ich wanderte weiter. Der Weg war übel. Von Zeit zu Zeit ging er mir unter
den Füßen gänzlich aus, und ich behielt nur die Sonne zur Gehülfin, meine
Richtung zu wählen. Länger, als ich vermuthet hatte, mußte ich in der
Einöde dahin pilgern. Nach viertehalb Stunden kam ich endlich zu einem
einsamen Weiler, der _Sugarcreek_ hieß. Meine Ermüdung machte mich
zufrieden, nur ein Obdach und Menschen zu sehen.

Freundlich ward ich von den gutmüthigen Pflanzern in ihrer saubern Wohnung
empfangen. Es war ein junges Ehepaar, welches aus Massachusets sich hierher
begeben und angesiedelt hatte. Die Leutchen wohnten erst seit zwei
Jahren in Sugarcreek und schienen mit ihrem Aufenthalt wohl vergnügt.
Ich verlangte etwas zu essen. Man bediente mich nicht nur sehr reinlich,
sondern auch mit ausgewählten, wohlbereiteten Speisen, wie ich gerade hier
nicht zu erblicken gedacht hatte.

Jetzt erfuhr ich, daß ich bis nach Bigbone noch sieben Stunden Wegs zu
machen habe, und mich ohne Pferd und ohne Wegweiser kaum dahin finden
würde. Da sagte ich in meinem Herzen den Mammuths-Gräbern Valet, und
beschloß, bei meinen freundlichen Wirthen zu übernachten, um von da auf
einem Dampfboot geradeswegs nach Cincinnati zurückzukehren. -- Schon Abends
hörte man zwei Kanonenschüsse vom Ohio, die von den weiten Wäldern umher
den Gegengruß in sekundenlangem Wiederhall zurück empfingen. Die Zeichen
kamen von zwei Dampfbooten, General _Pike_ und _Ostrich_, welche den Fluß
hinab gen Laurencebourg fuhren, und in der Morgenfrühe wiederkehren mußten.

Der Abend verfloß in traulicher Unterhaltung. Wie viel läßt sich aus den
Gesprächen einfacher Menschen lernen, die in gleichweiter Entfernung
von der Thierheit des Wildenthums und der Thierheit des verkünstelten,
überfeinen Städterwesens, groß, bescheiden, frei und wahrhaft, wie die
Natur sind! Als ich zu meinem Nachtlager ging, war der reine Himmel schwer
von Sternen. Der aufgegangene Mond zitterte hinter den Wipfeln riesenhafter
Bäume, die er schon seit Jahrhunderten beschienen. Ein weites Schweigen
waltete um die Pflanzerwohnung in den Wäldern und längs dem Ufer des Ohio.
Es war aber das alte Schweigen der Einöden, welches auch der Tag selbst
nicht stört, es sei denn, daß ein Sturm durch die endlosen Forsten zieht.

Morgens sechs Uhr kam das Dampfboot General Pike schon wieder den Fluß
aufwärts. Ich hörte das Zischen der Dämpfe schon aus der Ferne. Auf ein
Zeichen, das ich vom Ufer gab, erschien ein Kanot, das mich zum Schiffe
brachte. Abends fünf Uhr stieg ich schon in _Cincinnati_ ans Land. Einer
meiner neuerworbenen Freunde, Herr Perret, nahm mich sogleich mit sich in
ein Konzert, das zu Ehren Lafayettes gegeben wurde. Dieser Anlaß, diese
Töne, und die Gesänge hatten auf mein Gemüth tiefen Eindruck. Es wurden die
Namen _Wilhelm Tells_ und _Lafayettes_ und _Washingtons_ gefeiert. Es ist
doch das Göttliche in der Brust der Sterblichen, zu allen Zeiten, unter
allen Himmelsstrichen, das hoch Vorwaltende, und das, was immerdar am
innigsten ergreift. Die Welttheile und die Jahrtausende erkennen keine
andere Heroen, als die Heroen der Menschheit und ihres ewigen Rechts. Was
weiß man doch nach Jahrtausenden von unsern Tags- und Schlachthelden,
den Massenas und Moreaus, den Wellingtons und Blüchers und wie sie
heißen mögen? Höchstens beschäftigt sich mit ihnen ein müßiger
Geschichtsklitterer, oder der Knabe schleppt sie mit hundert ähnlichen im
dürren Kompendium zur Schule, um sie wieder zu vergessen.




27.

Fortsetzung des Wegs in der Wildniß.

(8. bis 12. Oktober.)


Es war mir darum zu thun, die französische Kolonie _Gallipolis_ zu sehen.
Man rieth mir, das linke Ufer des Ohio zu verfolgen bis ins Gebiet von
Virginien, und dann bei Bigsandi wieder über den Fluß zurückzugehen, um
nach Gallipolis zu kommen. Ich kaufte mir zu dem Ende ein braves Reitpferd,
ließ mich damit von Cincinnati auf einer Fähre nach _Neu-Port_ im Staat
Kentuky über den Ohio setzen, und reisete so dem linken Stromufer nach,
ohne besondern Merkwürdigkeiten oder Abentheuern zu begegnen. Am dritten
Tag Abends war ich neunundzwanzig Stunden von Cincinnati in einem geringen
Städtchen, Namens _Washington_.

Hier vernahm ich vom Wirth, der von Straßburg gebürtig war, aber nicht drei
Worte mehr deutsch verstand, daß ich ganz irre gefahren sei. Ich gerieth
in nicht geringe aber keineswegs angenehme Verwunderung, als ich hörte, ich
müsse wieder eine gute Strecke zurück, und habe einen Umweg von zwölf bis
dreizehn Stunden gemacht. Man muß es gar nicht übel deuten, wenn die Leute
in diesem neuen Lande die vaterländische Geographie schlecht inne
haben. Sie lernen sie nur aus dem Munde der Reisenden, und pflanzen sie
überlieferungsweise fort.

Also kehrte ich den andern Tag, in mein Schicksal ergeben, geduldig um,
wandte mich gerade gegen den Ohio, setzte zu _Maysville_, vier Stunden
oberhalb Augusta, über den Fluß, und kam dann, nach sechs Wegstunden, in
_West-Union_, auf der Landstraße nach Cincinnati gelegen, an.

In den meisten Pflanzungen und Niederlassungen, durch die ich während der
letzten vier Tage im Gebiet von _Kentuky_ gekommen war, wurden zahlreiche
Sklaven gehalten, welche zur schweren Landarbeit gebraucht werden. Der
Anblick dieser Unglücklichen, in welchem Menschen, die sich veredelter
halten, die heilige Würde, die ewigen Rechtsame der menschlichen Natur
entweihen und verletzen, gab mir jedesmal eine üble Stimmung. Saß ich zu
Tisch, stand beständig eine Negerin hinter mir, um mich zu bedienen; etwas
Unbehagliches für den, der nicht gewohnt ist, sich von Sklaven aufwarten
zu lassen. Die Negerinnen verrichten die häuslichen Dienste. Immer auf
jede Bewegung des Herrn oder der Gebieterin aufmerksam, können diese keinen
Blick thun, den die Negerin nicht versteht, und augenblicklich als Befehl
betrachtet und vollstreckt.

Was müssen sich die armen Geschöpfe doch Alles gefallen lassen! Die
amerikanischen Zeitungen vom vergangenen Monat erzählten, die Gemahlin
des _Augustin Iturbide_, des bekannten Kaisers von Mexico, sei so
kaiserlich-vornehm oder bequem gewesen, daß wenn eine Mücke auf ihrer Hand
saß, sie eine ihrer Sklavinnen rief, sie fortzublasen. In mehreren Häusern
hörte ich die Hausfrauen stets über ihre Negerinnen klagen, wenn etwas im
Hause nicht war, wie es sein sollte. Fehlte etwas an der rechten Bereitung
der Speisen, hatte das Linnenzeug nicht die gehörige Weiße u. s. w. --
immer waren die Negerinnen schuld. Nicht nur die Kaiserinnen, sondern
selbst die gemeinen Pflanzerinnen werden durch das Sklavenbesitzen
unglaublich bequem.

In den Ansiedelungen von Kentuky gehen die Kinder der Sklaven ganz nackt,
bis zum zehnten Jahr, ohne Unterschied des Geschlechts. Es ist oft ein
possirliches Schauspiel, vor einer Hütte ein ganzes Nest voll Negerchen
spielen und sich im Staube herumrollen zu sehen. Die Erwachsenen, alle
barfuß, haben keine andere Bekleidung, als ein sehr grobes, um den Leib
zusammengebundenes Hemd.

Ich blieb nicht in _West-Union_, sondern übernachtete zwei Stunden Wegs von
da, in einem Bauernhause. Als ich meinen Bewirther fragte, wes Landes
er sei, antwortete er gar treuherzig: »=I have the misfortune to be an
Irishman.=« (Ich bin so unglücklich, Irländer zu sein.) Die Irländer sind
nämlich in den Vereinstaaten am wenigsten geachtet. Unter sämmtlichen
Ankömmlingen aus Europa gelten sie für die verderbtesten. Schweizer
und Deutsche sind in Nordamerika, als gute Landarbeiter, zum Sprüchwort
geworden; der Engländer gilt als Spekulant; der Franzose macht sich zum
Jäger und klagt über Langeweile. Der Irländer aber, erstaunt über die
Wohlfeilheit des Whisky, ergibt sich dem Trunk und den Folgen desselben.

Ueber meinen Irländer hatte ich, soviel mich betraf, keine Klage zu
führen. Er war eine gute Haut. Mein Roß hingegen hätte mehr Grund zur
Unzufriedenheit gehabt, denn es mußte die ganze Nacht, da der Himmel den
Regen stromweis herabschüttete, im Freien stehen. Obwohl mein Wirth ein
Dutzend Kühe, fünf bis sechs Pferde, über hundert Schafe und eine Heerde
von Gänsen, Welschhühnern, Enten und Hühnern besaß, hatte er doch keinen
Stall. Indeß schien das Pferd dieser amerikanischen Sitteneinfalt ganz
gewohnt zu sein; denn ich fand es am Morgen ganz frisch und lustig.

Die aufeinanderfolgenden Regenschauer erlaubten mir erst gegen Mittag, mich
auf den Weg zu machen. Ich hatte noch vierzehn Wegstunden bis _Portsmouth_
zurückzulegen. Ein kleiner Strom, Namens _Turkycreek_, mußte mir anfangs
lange Zeit als Führer dienen. Mehrmals war ich genöthigt, durch ihn bald an
sein linkes bald an sein rechtes Ufer zu reiten, um vorwärts zu kommen. Er
war vom anhaltenden Regen mächtig angeschwollen. Das Pferd verlor oft den
Grund unter seinen Füßen, und wir mußten es beide mit Schwimmen versuchen.
Ich bewunderte die Geduld des guten Thiers, das sich gar nicht abschrecken
ließ, aus einem Schlammloch ins andere, und von einer Seite des Wassers zur
andern überzusetzen.

Es ist, bei naßkaltem, trübem Wetter, selbst im Paradiese kein anmuthiges
Reisen; um so weniger, wenn man ohne Weg und Steg durch ein unbekanntes,
einsames Land hinabentheuert. Ich machte mich immer dabei noch auf das
Zusammentreffen mit einem Bären gefaßt; denn mein irländischer Wirth hatte
mir des Morgens den Rath gegeben, meine Pistolen gut zu laden, weil
sich mir vielleicht dergleichen Reisegefährten durch den Wald aufdringen
könnten. Sie seien gar nicht selten. Allein es zeigte sich keiner. Doch
am Aussenende des wilden Forstes sah ich wenigstens eine frische, blutige
Bärenhaut. Ein Jäger spannte sie zum Trocknen auf.

Noch ziemlich zeitig traf ich endlich in _Portsmouth_ ein, von Müdigkeit
und Hunger erschöpft. Zwei Aepfel waren binnen vierundzwanzig Stunden
meine Nahrung gewesen. Aber ein artiges Wirthshaus, gefällige Wirthe, ein
treffliches Nachtmahl, ein gutes Bett ließen mich bald alle Entbehrungen
wieder vergessen.

Ich hatte jetzt noch bis Gallipolis vierundzwanzig Wegstunden vor mir, und
nur bis zum nächsten Ort, wo ich übernachten konnte, vierzehn Stunden.
Drum begab ich mich andern Morgens früh genug auf die Reise. In einem
Bauernhause, vier Stunden von Portsmouth, hielt ich an, um mich und mein
Pferd gehörig vorzubereiten, zehn Stunden lang keine menschliche Wohnung zu
erblicken.

Wirklich gings von da ununterbrochen durch ewigen Wald, so hoch, so dicht,
daß auch die Sonnenstrahlen nur selten durch die verwachsenen Wipfel der
Bäume brachen. Landstraße war keine, man mußte auf die halbverwischten
Tapsen der Vorgänger genau achten. Hinwieder nahm ich Schnitte und
Einkerbungen in den Stämmen links und rechts wahr, die dem Wanderer eine
Richtung andeuteten, welche er zu nehmen hatte.

So verging der Tag in steter Beschäftigung, die Spuren der Vorangegangenen
oder die Zeichen an Bäumen zu entdecken und zu verfolgen, um mir als
Wegweiser zu dienen. Das brave Roß lief beständig seinen Trab, als wüßte
es, wie weit noch seine Krippe wäre. Aber Abends, schon war es fünf Uhr,
stieß ich plötzlich auf zwei Fußwege, von denen einer links, der andere
rechts zog. Ich zauderte lange unentschlossen, wog alle Für und Wider gegen
einander ab, und schlug zuletzt rechts ein.

Ich war kaum eine Viertelstunde fortgetrottet, sah ich plötzlich, nur noch
fünf Schritte von mir, eine dicke Schlange am Boden liegen. Sie hatte sich
kreisförmig zusammengerollt, und streckte den Kopf auf, mit der Zunge
mir entgegenspielend. Es war, der Farbe nach, die hier Landes bekannte
»Coppersnake« oder Kupferschlange. Sie hatte die Dicke eines mittelmäßigen
Mannsarmes und eine Leibeslänge von ohngefähr fünf bis sechs Schuh. Sie
richtete sich im gleichen Augenblick weiter auf. Die Bewegungen ihres
Kopfes und Halses dabei waren sehr schnell.

Unangenehm überrascht gab ich meinem Pferd den Sporn in die Rippen,
seitwärts lenkend. Das Roß aber, erschrockener noch als ich, nahm einen
gewaltigen Satz und jagte davon. Ich behielt immer das Gesicht, wie
_Bürgers_ wilder Jäger, im Nacken, um zu gewahren, ob uns das Unthier
verfolge. Ich verlor es aber bald aus den Augen.

Man erzählte mir nachher, daß die Kupferschlange, an ihrer Dicke und
grünröthlichen Farbe leicht kennbar, das gefährlichste Thier in diesen
Gegenden sei. Sie ist sehr gefräßig und nimmt es mit den größten Thieren
auf. Ihr giftiger Biß wird nach einigen Stunden tödtlich, nachdem der
Körper vorher zu einer ungeheuern Dicke angeschwollen ist. Indeß vermindert
sich diese wüste Brut überall in gleichem Verhältniß, wie sich die
Ansiedelungen der Menschen vermehren. Am meisten wirkt dazu das Halten der
Schweine. Es gibt keinen Pflanzer, der nicht eine Zucht dieser nützlichen
Hausthiere hätte, die sich ohne seine Sorge vermehren und beköstigen. Ein
einziger besitzt deren oft hundert und zweihundert Stück. Sie laufen
fast beständig im Wald umher und nähren sich da von Pflanzen, Wurzeln und
Gewürmen aller Art. Sie greifen sowohl die Kupfer- als die Klapperschlangen
an, und verschmausen dieselben, ohne von deren giftigem Biß Schaden zu
leiden. Denn weil der nie tief geht, dringt er nur in den Speck und trifft
wohl nur selten ein Blutgefäß.

Unterdessen nahte sich die Nacht. Es wurde um mich her immer dunkler
und der Wald immer dichter. Mein Fußweg lief noch immer in seiner alten
Richtung rechts, abweichend von meiner frühern. Ich tröstete mich damit,
daß ich auf die Art dem Ohio aufwärts gelangte. Denn wieder umzukehren
spürte ich in mir auch nicht die mindeste Lust.

Weil mir aber mit dem erlöschenden Tageslicht auch die Hoffnung erlosch,
irgend eine Menschenwohnung zu erreichen, und mir es schien, daß ich schon
eine lange Strecke Wegs mehr gemacht hätte, als erforderlich gewesen, um
der mir zum Uebernachten bestimmte Pflanzerei zu begegnen, fügte ich
mich in mein Verhängniß. Ich musterte im Vorbereiten links und rechts die
Plätze, wo ich Nachtherberge nehmen könnte. Ich besaß allenfalls gegen
Kälte einen guten Mantel; konnte auch Feuer anschlagen und hatte meine
geladene Doppelpistole bei mir. Nur mit der Küche zum Nachtessen bliebs
übel bestellt. Ich hatte Dammhirsche, Welschhühner und anderes Geflügel
unterwegs erblickt, aber weder Jagd darauf machen wollen, noch mit meinem
kurzen Feuergewehr machen können.

In diesen trübseligen Ueberlegungen einer verzweifelnden Verzichtung auf
alles Heil, verdünnerte und öffnete sich mit einemmale vor mir der Wald,
und vor meinen Augen lag ein Bauerhof. Freudiger, als ein abentheuernder
Ritter nach langen Irrfahrten einem Feenschlosse, trabte ich dem
bescheidenen Holzpalaste entgegen und hielt vor demselben, als mein eigener
Herold, mit lauter Stimme rufend: »Holla! kann hier ein Reisender über
Nacht bleiben?«

Eine ältliche Frau, begleitet von zwei jungen Frauen, trat hervor. Sie
bedauerten, mich nicht empfangen zu können, weil sie allein, und ihre
Männer abwesend wären. Sie beruhigten mich inzwischen damit, daß ich, den
Weg fortsetzend, in einer guten halben Stunde eine andere Pflanzerwohnung
antreffen würde. Nebenbei erfuhr ich auch noch, daß ich wirklich irre
geritten sei, und beinahe zwei Stunden lang einen Querweg durch die Waldung
verfolgt habe.

Wie unlieb mir auch alle diese Erklärungen, Fingerzeige und Nachrichten
lauteten, wollte ich doch nicht zudringlich werden. Ich trabte also
frischerdings wieder in die Nacht der vor mir gelegenen Wälder hinein, auf
einem Pfad, den mir die Frauen angewiesen hatten. Im schlimmsten Fall blieb
mir doch das nun einmal gesehene Haus und die Rückkehr dahin.

Es ward mir jedoch mit jedem Augenblick unheimlicher, je tiefer ich ins
Gehölz eindrang und je stärker die Finsterniß wurde. Ich mußte vom Pferde
steigen, und von Baum zu Baum die Einkerbungen der Stämme mit den Fingern
ertasten. -- Welche Seligkeit aber, als mir nach einer halben Stunde,
durch die Säulen der Waldung spielend, röthliches Licht entgegenschien.
Ich verdoppelte den Schritt, und stand bald vor der roh aus Baumstämmen
gezimmerten Hütte eines Pflanzers. Auf meinen Anruf erschien ein Mann. Auf
die gewöhnliche Anfrage öffnete er mit dem freundlichen Wort: =Walk in,
Sir!= (treten Sie ein, Herr!) den Pfahlhag, mit dem jede Hütte eines
amerikanischen Ansiedlers umgürtet zu sein pflegt. Ich trat ein. Beim Feuer
saß eine Frau. Sie stand auf, bot mir ihren Sessel und sagte: =Sit down,
Sir!= (setzen Sie sich, Herr.) Diese beiden Redensarten, =Walk in= und
=Sit down=, sind in Amerika beim Empfang eines Fremden, ohne alle andere
Höflichkeitsbezeugungen, die gebräuchlichen, man mag zum schlichten Bauer
oder zum reichsten und vornehmsten Manne der Vereinstaaten kommen.

Ich habe meinen Ritt durch die Wildniß etwas umständlich erzählt, nicht
eben weil er so gar merkwürdig wäre, sondern um doch eine Vorstellung
zu geben, wie man in unangebauten Gegenden des Innern dieses Welttheils
reiset, wo ohne Zweifel, bevor ein Jahrhundert verfließt, Städte, Dörfer,
Paläste und Landgüter durch die besten Kunststraßen verbunden sein und die
Erzählungen von heut fast mährchenhaft scheinen werden.




28.

Nach Gallipolis und Point Pleasant.

(12. bis 14. Oktober.)


Man muß mehrere Tage sich selbst überlassen, ich möchte sagen, verlassen,
durch unwirthbare Einöden, in Unruhe für das Entkommen aus verirrlichen
Waldlabyrinthen, oft nicht ohne Sorge für das arme Leben selbst, die Reise
gemacht haben, um die Wollust zu verstehen, die man fühlt, wenn man sich
endlich in einer engen, sichern Hütte unter freundlichen Menschengesichtern
erblickt.

Wie ich mich recht umsah und mit der Familie nähere Bekanntschaft machte,
zählte ich zehn Kinder; das älteste mochte fünfzehn Jahre haben, das
jüngste lag am Busen der Mutter. Die gute Frau fragte mich, ob ich zum
Nachtessen Kaffee oder Thee verlange und welche Gattung Geflügels? Sie
machte kleine Brödchen in einer Tortenpfanne, kochte feine Schinkenschnitte
und röstete sie in heißzerlassener Butter. Es gab dazu Fricassee von
Geflügel, rothe Rüben als Salat, frische Butter, eingemachte Pfirsiche
und statt des Brodes -- Hoekake. Ich schildere die Bestandtheile meines
Abendmahls nicht darum, damit man wisse, was eine einsame Pflanzerhütte dem
unverhofften Gaste leisten könne, sondern um zu sagen, daß dies ohngefähr
die Gerichte sind, mit denen man überall im Innern der Vereinstaaten
Abends bewirthet zu werden pflegt. Das Frühstück ist meistens aus denselben
Platten zusammengesetzt.

Das Tischzeug bestand auch hier, wie immer, aus sauberm Linnen; das
Tafelgeschirr, Teller, Schüsseln, aus englischer Erde. Nur die Hausfrau,
sehr reinlich gekleidet, sitzt mit zu Tisch, um den Gast bedienen zu
können. Sie beginnt ganz gewöhnlich mit der Frage: »Lieben Sie Milch und
Zucker zum Thee?« damit ist die Mahlzeit eröffnet. Von den Speisen nimmt
sich nachher der Gast nach Belieben selber. Die Wirthin aber ermuntert
fleißig mit dem Zuspruch: =Help your self!= (bedienen Sie sich selbst.)
Erst wenn der Fremde gegessen hat, sitzen Vater und Kinder zu Tisch. Die
Kinder betiteln ihre Aeltern aber nicht mit Vater- und Mutternamen, sondern
auch in der Bauerhütte mit Sir und Maam.

Das Zimmer, welches erst Küche, dann Speisesaal geworden, ward dann
Unterhaltungszimmer. Es überraschte mich jedesmal in den Vereinstaaten
und auch diesmal, einen schlichten Landmann über die Politik, über die
Staatsverfassungen und Nationalverschiedenheiten Europens so unterrichtet
und verständig reden zu hören. Viel trägt zu diesen Kenntnissen, die in
Amerika eine Hauptstütze der Vaterlandsliebe werden, ohne Zweifel das
allgemein verbreitete Lesen der öffentlichen Blätter und Zeitschriften
bei. In Europa, wo der Landmann, oft der Städter, wenig vom Ausland, noch
weniger vom Inland erfahren darf, weil man es zu hindern wünscht und zu
hindern weiß, wo sich die Regierungen durch besoldete Schreiber und durch
Zensoren die Vormundschaft über den Volksverstand anmaßen, erzeugt sich
eine stinkende Selbstsucht, die nur für das eigene Haus, nicht für das
Allgemeine, nicht für Thron und Vaterland, Interesse hat, und, wie das
Thier, nur sein Futter und seinen Stall kennt. Es ist wahr, bei der in
Amerika bestehenden Preßfreiheit wird auch das unsinnigste Zeug, das
leidenschaftlichste, gehässigste Geschwätz gedruckt und verbreitet. Die
Feinheit und Artigkeit der Amerikaner im persönlichen Umgang wird häufig in
ihren Zeitschriften durch ekelhafte Derbheit, Rohheit und Gemeinheit ganz
verdrängt. Aber gerade die unter dem Segen der Preßfreiheit mannigfaltiger
gewordene Kenntniß der Menschen, ihrer Leidenschaften und Umtriebe, und
die reifere Entwickelung der Verstandesthätigkeit macht die Versuche der
schriftstellerischen Bosheit, Unvernunft und Parteisucht kraftlos, die
Plumpheit der Blättchenschmierer verächtlich; -- während der in kindische
Unmündigkeit ängstlich zurückgehaltene Verstand des gemeinen Mannes in
Europa sich an Geschmacklosigkeiten am innigsten ergötzt, das Alberne
und Unglaubliche am leichtgläubigsten aufnimmt, und der verleumderischen
Bosheit in seiner Unerfahrenheit das Ohr am liebsten entgegenspitzt.

Nachdem ich mit meinem Pflanzer einige Stunden in die Nacht hinein
geplaudert hatte, verwandelte sich das Sprachzimmer in das allgemeine
Schlafgemach. Wir waren unserer vierzehn Personen. Es wurden drei Betten
gemacht; das beste mir mit den reinlichsten Ueberzügen. Den Kindern
breitete man baumwollene Decken am Boden aus. Die offenen Fugen der Balken
von den Zimmerwänden liessen der frischen Luft freien Umlauf.

Ich verließ die zahlreiche Familie schon vor Sonnenaufgang. Der Pflanzer
gab mir noch Empfehlung an einen andern Pflanzer mit, bei dem ich unterwegs
einkehren konnte. Es war dies ein Herr _Thevenot_, der fünf Stunden von da
entfernt und nur noch zwei Stunden von Gallipolis wohnte. Ich fand ihn und
nahm mein Frühstück bei ihm.

Dieser Mann war aus Frankreich, mit einigen tausend seiner Landsleute,
zur Zeit der Revolution nach Amerika ausgewandert. Er gehörte ehemals zur
französischen Niederlassung von Gallipolis, wo man Land mit Geldtiteln und
Schriften kaufte, die nachher in Frankreich allen Werth verloren, als man
sie in Münze umsetzen wollte. Man bezahlte die Juchart zu jener Zeit mit
fünf Dollars. Gleich zu Anfang ihrer Ansiedelung hatten die Franzosen da
mit den Indianern einen Krieg zu bestehen, der ihnen mehrerer Menschen
Leben kostete. Zehn Jahre später fing man gegen sie einen Rechtsstreit
über ihr Eigenthum an, weil die Titel, womit sie gezahlt hatten,
meistens ungültig geworden waren und sie auch selbst noch nicht über ihre
Grundstücke die Kaufbriefe urkundlich in Händen hatten. Sie mußten oder
sollten zum Theil noch einmal Zahlung leisten. Die Regierung aber nahm doch
Rücksicht auf ihren unverschuldeten Verlust, und bewilligte denen, welche
nicht kaufen konnten, einen Landstrich, etwa dreizehn Stunden Weges
von Gallipolis entlegen, unter dem Namen »_French-grant_« (französische
Einräumung). Auch die Franzosen, welche einst den Unabhängigkeitskrieg
mitgemacht, und seitdem kein Glück gehabt hatten, erhielten dort
Ländereien. Aber diese Niederlassungen wollten nicht gedeihen.

Auch _Gallipolis_, wohin ich zeitig ankam, obgleich gar vortheilhaft am
rechten Ufer des Ohio hingebaut, ist nur eine kleine Stadt von höchstens
hundert Häusern. Die einzigen öffentlichen Gebäude sind ein Kollegium, ein
Mettinghouse (Versammlungshaus zum Gottesdienst) und ein Gemeinds- oder
Rathhaus. Dampfboote und andere Schiffe halten hier regelmäßig an. Ich
hatte mehr von dem Ort erwartet, machte zwar einige werthe Bekanntschaften
mit Hrn. Monod, Burcau etc., denen ich empfohlen worden, hielt mich aber
doch nicht auf, sondern setzte, eine Stunde weiter aufwärts am Fluß,
in einer Fähre über den Ohio und übernachtete zu _Point-Pleasant_
in Virginien. Der Ort liegt am Zusammenfluß des Kanhaway, eines
beträchtlichen, schiffbaren Stroms, mit dem Ohio. Große Fahrzeuge gehen
noch den Kanhaway hinauf bis zu den Salzwerken von _Charlestown_, ohngefähr
zweiundzwanzig Stunden von Point-Pleasant.

Der Menge von Schiffen nach zu urtheilen, die man, mit Salzfässern
befrachtet, überall auf den Flüssen sieht, müssen die Charlestowner
Salzwerke sehr ergiebig sein. Der Zentner Salz kostet einen halben Dollar.
In den Kaufläden, wo man damit Kleinhandel treibt, zahlt man fürs
Pfund zwei Kreuzer. In den Vereinstaaten sind alle und jede Salzwerke
Partikulareigenthum, und Staat und Volk stehen sich ganz natürlich besser
dabei, als wenn sie Monopol, das heißt, Auflage fürs Volk, in den Händen
der Regierung gewesen wären, wie bei den Europäern. Partikularen beuten
sorgfältiger aus, und liefern, um gegen die Nebenbuhler zu bestehen,
bessere Waare und in wohlfeilerm Preis, als Regierungen; können auch
wohlfeiler liefern, weil sie dafür keine Schaar von Intendanten,
Direktoren, Ober- und Unterspektoren, Faktoren, Auswägern u. s. w. zu
besolden und wohl gar zu pensioniren haben. Es sind in Europa wenig Völker,
die nicht unter der Last von Abgaben seufzen, während doch die Regierungen
davon nur einen sehr mäßigen Theil empfangen und ihrerseits ebenfalls in
beständiger Geldverlegenheit seufzen. Der Schwarm der Beamten, die Summe
der Erhebungs- und Einzugskosten verschlingt den vierten oder dritten
Theil der gesammten Abgaben. Trotz unserer gelehrten Professoren und
dicken Bücher über Finanzwesen, herrschen bei uns daheim noch unglaubliche,
starrsinnige Vorurtheile. Man künstelt und vermindert das Naturgemäße,
nämlich die höchste Vereinfachung der Geschäfte. Aber man will diese
nicht, um immer Gelegenheit zu behalten, guten Freunden oder Verwandten
ein Aemtchen zu verschaffen, oder sich einen Troß abhängiger Kreaturen zu
machen, oder auch, weil man nicht weiß, was mit der Schaar dadurch brodlos
werdender Angestellten zu beginnen sei? Am bequemsten, man läßt diese Leute
vom Schweiß des fleißigen Volks mitzehren.




29.

Auf der Turnpikeroad nach Geneva und Baltimore.

(18. Okt. bis 4. Nov.)


Ich verweilte gern ein paar Tage in Point-Pleasant. Ein Hr. _Smith_
daselbst, dem ich Briefe vom Hause Bruen in New-York brachte, hatte viele
Güte für mich. Ich mußte auch einen Theil der weitläuftigen Besitzungen
des Hrn. Bruen in jenen Gegenden sehen. Mit seinem Sohn und einem seiner
Nachbarn fuhr ich folgenden Tags den Kanhaway zehn Stunden weit aufwärts,
wo wir ohnweit _Potalia_ übernachteten, dann andern Morgens ans linke
Ufer des Kanhaway überstießen. Wir durchirrten hier die großen, meist
noch unurbaren Ländereien des Hrn. Bruen, für welche er sich Ankäufer und
Ansiedler wünscht. Erst einen Tag später kamen wir nach Point-Pleasant
zurück.

Noch war der ganze weitläuftige Landstrich, den ich jetzt gesehen hatte,
Wald und Wildniß, von einzelnen Bauernhöfen unterbrochen. Der Boden, wenn
gleich nicht von erster Güte, ist im Durchschnitt doch nicht schlecht, oder
ganz mittelmäßig, und natürlich längs Flußufern am vortheilhaftesten.

Die Zeit, welche ich der Besichtigung dieser Landschaft gegeben, sparte
ich in den nächsten Tagen wieder ein. Ich reisete den 18. Oktober an einem
Montag von Point-Pleasant ab, und eilte in vier Tagen über _Mariette_,
_Newport_, _Fischingcreek_, _Elisabethtown_ nach _Whelling_, eine Strecke
von dreiundfünfzig Stunden Wegs, bald am linken, bald am rechten Ufer des
Ohio. Die Amerikaner setzen, bei niedrigem Wasserstande, häufig zu Pferde
über diesen Fluß, wenn sie sich auf des Rosses Gebein verlassen können.

Man hatte mir unterwegs an vielen Orten von einer Ansiedelung gesprochen,
die man für eine der schönsten des Landes hielt, und durch welche mich der
Weg führen würde. Als ich mich derselben wirklich endlich näherte, sah
ich innerhalb einer wahrhaften Waldung von üppigen und reichtragenden
Fruchtbäumen einige Wohnhäuser von sehr gefälligem Aeussern. Vor einem
derselben stand ein großer, starker Mann mit langem, grauen Bart, der ein
Schurzfell vor hatte. Der Beschreibung nach, die man mir gegeben, konnte
dies kein anderer, als der Eigenthümer des Gebäudes, Master _Homelong_, der
Wiedertäufer, sein.

Also fragte ich ihn auf deutsch, ob er mir ein wenig Haber für das Pferd
spenden könne. Da verklärte sich sein ganzes Antlitz: »Grüß Gott,« rief er,
»bist du a Landsmann?« Und ohne meine Antwort setzte er hinzu: »=Walk in,
Sir!=« holte seinen Sohn, der das Roß nehmen mußte, führte mich ins Haus,
und richtete nun in seiner Sprache, halb englisch halb deutsch, wie die
Deutschen Amerika's immer zu reden pflegen, tausend Fragen an mich. Ich
mußte diesem guten Einsiedler von Allem erzählen, von der alten Welt, von
meiner Fahrt übers Meer, von der Reise durch die Vereinstaaten u. s. w.
Sein Erstaunen war so groß, daß ich mehrmals wiederholen mußte, was ich
schon gesagt hatte, und was er mir kaum glauben konnte. »Min Gott, ist denn
das möglich! =to be shure that's wonderfull journey!=« schrie er einmal ums
andere. Er setzte mir Kuchen und den köstlichsten Aepfelwein vor, den ich
in Amerika getrunken; ich mußte bei ihm zu Mittag speisen. Er war seines
Gewerbes ein Schuhmacher, baute daneben seine herrliche Pflanzung mit
Einsicht und Fleiß und galt bei seiner Kirchparthei als ein guter Prediger.
Als ein kleiner Knabe war er mit seinen Aeltern vor sechszig Jahren von den
Ufern des Rheines zu den Ufern des Ohio gekommen, wo man wegen kirchlicher
Ansichten, Lehren und Gebräuche keine Mitchristen und redliche, arbeitsame
Leute gehässig verfolgt. Die Schnelligkeit meines Reisens erregte seine
Verwunderung mehr denn alles Uebrige. Denn er und seine Aeltern hatten zur
Ueberfahrt von Europa auf dem Meere fünf Monate zugebracht, und ein Jahr
gebraucht, um von der Küste bis zu diesem Platz ihrer Niederlassung zu
gelangen.

In einer andern Ansiedelung, wo ich übernachtete, wohnte eine erst vor
Kurzem aus England hier ansäßig gewordene Familie. Das Haus war von
Backsteinen erbaut; das Innere köstlich, mit zierlichem Haus- und
Zimmergeräth versehen. Zwei hölzerne Hütten neben den Stallungen waren der
Aufenthalt zahlreicher Negersklaven. Ohnweit dieser Pflanzung war es,
wo mir die unheilbringende Paradiesesfrucht einen übeln Streich spielte.
Aepfel, von ungeheurer Größe in einem Baumgarten hinter einem Pfahlhag,
verlockten mich zur Neugier und Lüsternheit. Durch einen Fall gewann ich
dabei eine schmerzvolle Verrenkung, von deren Plage ich erst nach fünf
Monaten in Europa durch Mitleid und Kenntniß einer liebenswürdigen Person
vollständig befreit werden konnte. Das mag meinen Lesern sehr gleichgültig
sein, aber ein wenig dankbar zu sein, ist mir nicht gleichgültig.

Von Whelling hinweg kam ich zum erstenmal auf einen sogenannten
»_Turnpikeroad_« oder Meilenstein-Weg. Eine kunstmäßige Hochstraße ist für
den Wanderer das erste Zeichen von der Zivilisation, die in einem Staate
herrscht, und der Maßstab ihrer Stufe. Nach wochenlangem Umherfahren in
Wäldern und Wildnissen that mir dies sich freundliche Verkünden einer
bewohnten und angebauten Welt unendlich wohl. Es gibt dieser Turnpikeroads
jetzt mehrere mir bekannt gewordene. Die drei vorzüglichsten sind die von
Philadelphia, die von Baltimore und die von New-York. Alle drei gehen in
der Richtung von Osten nach Westen, und laufen also über die weitläuftige
Verkettung der Alleghanygebirge hin.

Jede dieser Hochstraßen hat fünfundzwanzig Schuh Breite, und die Länge von
100 bis 130 Wegstunden. Von einer Drittelstunde (=mile=) zur andern ist ein
Meilenstein, der die Entfernung desselben von den beiden Städten anzeigt,
welche an den Aussenenden der Hochstraßen liegen.

Auch das ist eine mir bemerkenswerth scheinende Eigenthümlichkeit der
Vereinstaaten, daß der Bau der Hochstraßen, schiffbaren Kanäle und der
Brücken keine Regierungsangelegenheit ist. Unsere europäischen Staatsmänner
mögen dazu lächelnd den Kopf schütteln. Aber das Volk des amerikanischen
Freilandes befindet sich dabei gar wohl. Es empfängt sehr gute Straßen; die
Gemeinden haben darum keine Plagerei von fetten oder fettwerdenwollenden
Beamten, von Frohndiensten u. s. w. zu erdulden, und was die Hauptsache
ist, die Kosten sind ungleich geringer, schon auch weil kein Brücken-,
Straßen- und Bau-Departement, mit seinen Inspektoren, Kommissären,
Kassaführern, Controlleurs, Archivaren, Sekretären und Kopisten zu besolden
ist.

Es bildet sich für jede Unternehmung eines Brücken- oder Straßen- oder
Kanalbaus eine Gesellschaft von Aktienbesitzern. Diese setzt einen Preis
für den besten Plan zu ihrem Werk aus. Gewöhnlich sind die Eigenthümer
der Güter und Ländereien, welche dem künftigen Kanal, oder der künftigen
Hochstraße zunächst wohnen, meistens selbst Annehmer von Aktien, weil die
Erleichterung des Waarenverkehrs den Werth ihrer landwirthschaftlichen
Erzeugnisse im Preise steigen muß und somit auch den Werth ihrer
Grundstücke. -- Nach Vollendung der Arbeit wird die ausführliche Rechnung
nebst allen Belegen, über die gehabten Unkosten, der Regierung vorgelegt,
und diese bewilligt dann, nach einer annähernden Berechnung, den
Aktien-Inhabern die Erhebung eines Weggeldes, gemeinlich streckenweis von
ohngefähr drei Stunden zu drei Stunden des Wegs.

Die Kosten der Straße von Whelling nach Baltimore sollen ausserordentlich
groß gewesen sein. Aber man sieht da auch eine Menge sehr schöner, starker,
steinerner Brücken, und der Straßenzug über die Gebirge ist meisterhaft.
Dieser läßt sich etwa mit der schönen Simplonstraße in Europa vergleichen,
nur daß in den Alleghanybergen die durch Felsen gehauenen Gewölbwege nicht
vorhanden sind.

Ueber _Braunville_, einer Stadt mit zahlreichen Fabriken am
Manongehalaflusse, und durch _Uniontown_ kam ich, auf einer Nebenstraße, in
vier Stunden nach _Geneva_.




30.

In Geneva.

(25. Okt. bis 4. Nov.)


Das Städtchen Geneva gehört zum Theil noch dem Herrn _Gallatin_, demselben,
der, nach der Wiederkehr der Bourbonen auf den französischen Thron, als
Gesandter Nordamerika's acht Jahre lang in Paris lebte.

Ich fand den Herrn Gallatin und seine Familie auf seinem Landgute, eine
volle halbe Stunde von der Stadt entfernt. Seine Wohnung, einfach und
geschmackvoll, hat in der Bauart etwas Großartiges. Ich wurde bei ihm auf
gewohnte, amerikanische Weise eingeführt; er empfing mich mit vieler
Güte. Er saß eben bei einem guten Kaminfeuer. Um ihn her lag ein Haufe
amerikanischer, englischer und französischer Zeitungen. Unser Gespräch
gewann bald eine anziehende Richtung. Seine Gemahlin, eine sehr gebildete
und liebenswürdige Frau, setzte sich zu uns an die wohlthuenden, zur
Geselligkeit lockenden Flammen und nahm an der Unterhaltung Theil.

Herr von Gallatin ist, wie ich erfuhr, ursprünglich ein Genfer. Er erzählte
mir, wie er dazu gekommen, sich dem Handel zu widmen, den er nachher
siebenundzwanzig Jahre lang mit gutem Erfolg betrieb. Anfangs in Boston
sich aufhaltend, um dort seinen gewerbigen Verkehr mit neuer Kraft zu
beginnen, ließ er sich nachher in New York nieder. Hier brachte ihn der
Zufall mit zwei Deutschen in Bekanntschaft, die ihn versicherten, sie
hätten jenseits der Alleghanyberge alle Materialien entdeckt, um große
Glashütten anzulegen, und Glas von jeder Art zu liefern. Er reisete mit
ihnen dahin und fand Alles, wie sie gesagt hatten. Der Ort war damals ganz
unbewohnt, inmitten einer weiten Wildniß und Oede. Der Plan ward entworfen.
Er bildete mit den beiden Deutschen eine Gesellschaft, kaufte das Land an,
und gab die nöthigen Gelder her. Die Unternehmung glückte vollkommen.
Das Glas stand damals noch in sehr hohem Preise. Man hatte noch keine
Glasfabriken in den Vereinstaaten, und mußte die Waaren dieser Gattung aus
Europa kommen lassen. Der Absatz vermehrte sich von Jahr zu Jahr zugleich
mit der Güte der Artikel und in gleichem Verhältniß wuchs der Gewinn.
Als sich Herr Gallatin endlich von dieser Fabrikation zurückzog und seine
Rechnung abschloß, ergab sich für ihn ein durchschnittlicher reiner Nutzen
von 8000 Dollars alle Jahre. Er hatte sich in die öffentlichen Geschäfte
ziehen lassen, und späterhin die Gesandtschaft in Paris am Hofe Ludwigs
=XVIII= angenommen. Nach achtjährigem Aufenthalt in Europa kehrte er in
sein freies, beglücktes Vaterland zurück. Hier wählte er die anmuthige
Stille seines Landgutes bei Geneva, wo er noch jetzt lebt.

Ich darf nicht erst sagen, wie unterrichtend die Gespräche mit einem so
welterfahrnen Manne für mich waren. Er kannte Europa, die Höfe, die am
Ruder stehenden Männer, und sah die verderbenschwere Rückwirkung unfreier,
Geist, Leben und Gewerbsfleiß der Völker dämpfenden, mönchshaften
Bestrebungen der Machthaber voraus. Er ist in Amerika durchgängig geschätzt
und geliebt. Er ward auch, gerade in diesem Jahr, da es um die Wahl eines
neuen Präsidenten der Vereinstaaten zu thun war, neben den Herren _Jakson_,
_Clay_, _Crawfort_ und _Quincy-Adams_ mit in die Wahl gezogen. Er aber,
vielleicht weil er bemerkte, daß sich die Mehrheit der Stimmen nicht für
ihn vereinigen würde, verbat sich in einem Marylander Blatte öffentlich,
und mit Dank gegen seine Freunde, die Ehre, in die Wahl gebracht zu werden.
Bekanntlich wurde Quincy-Adams nachher zum Präsidenten ernannt.

Herr Gallatin ist jetzt ein Mann von ohngefähr sechszig Jahren, von
mittlerer Größe, und geistvollem, ausdruckreichem Gesicht. Wie gerne wäre
ich länger in dieser trefflichen Familie verweilt (sein Sohn _Albert_ ist
ein hoffnungsvoller Jüngling); allein für mich war kein Rastens mehr in
Amerika, der Wintermond schon vorhanden, und die Weihnachten wollte ich ja
in der europäischen Heimath feiern.

Selbst die Einladung, nur bis zum folgenden Tage zu bleiben, mußte ich
ablehnen. Nach dem Mittagsessen beurlaubte ich mich, schlief Nachts
schon zu _Smithfield_ und erreichte folgendes Tages die Gebirgshöhe
der Alleghanykette, über die ich ging. Hier, auf dem _Laurel-Hill_, dem
erhabensten Uebergangspunkt, hat man freilich bei gutem Wetter eine weite
Aussicht. Allein mir ward der frostige Genuß zu Theil, ein paar Stunden
lang beschneit zu werden.

Ich eilte durch das Fort _Cumberland_, im Marylander Staat, nach _Oldtown_
oder Cumberland, einer artigen Stadt am Ufer des Potomak; von da nach
_Hamsktown_, _Midletown_ und _Frederiktown_. Alle diese letztern Städte
sind größtentheils von Deutschen bevölkert, ziemlich ansehnlich, und dem
Anschein nach wohlhabend.

Am 4. November war ich wieder in _Baltimore_. An Unterhaltung hätte es mir
auf der langen Meilenstraße, die ich von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende
zurückgelegt hatte, durchaus nicht fehlen können, wenn ich zuletzt auch
nur die Menge der Wagen zum Zeitvertreib gezählt hätte, die mir entweder
begegneten, oder die ich einholte und hinter mir ließ. Diese Fuhrwerke, wie
Frachtwagen, mit Tuch überspannt, und von vier bis sechs Rossen gezogen,
waren häufig mit Ankömmlingen aus Europa und ihrem Gepäck beladen, die
insgesammt dem milden Himmelsstrich des Ohiolandes entgegenzogen. Andere
dieser Wagen, die in derselben Richtung von Osten her kamen, führten dem
Innern des Freilandes die Fabrikate und Waaren der Küstenstädte in
Fülle zu; so wie hingegen die, welche von Westen her den Meeresgestaden
entgegenreiseten, mit Getreide und andern Erzeugnissen des fruchtbaren
Bodens der westlichen Staaten befrachtet erschienen.

Wohl über tausend solcher Karren zählte ich auf der hundert Stunden langen
Strecke Wegs. Auch haben sich längs der Straße die Gasthöfe und Herbergen
sehr vervielfältigt und sie sind insgesammt stark besucht. Eben so sieht
man von Zeit zu Zeit ungeheure Heerden von Rindvieh und Schweinen auf
dieser Straße, die ostwärts den großen Küstenstädten zugetrieben werden, um
sowohl diese als die Schiffe mit Fleisch zu versorgen. Eine solche Heerde
gebraucht zwei Monate Zeit, um aus der Mitte des Ohiolandes bis Baltimore
zu kommen. Und hier wird dann das Vieh lebendig zu vier bis fünf Dollars
der Zentner verkauft, was im Ankauf ein bis zwei Dollar gekostet hatte.




31.

Die Heimkehr.

(4. Nov. bis 11. Dez.)


Um Abschied zu nehmen bei meinen Bekannten, ihre Bestellungen und Aufträge
nach Europa zu empfangen, blieb ich zwei Tage in _Baltimore_, dann eben so
lange in _Philadelphia_ und auch in _New-York_. Hier erfuhr ich, daß das
amerikanische Paketboot »_Desdemona_«, ein Dreimaster von 400 Tonnen, ganz
neu gebaut, am 15. Nov. nach Europa und zwar nach Havre absegeln würde.
Mir konnte nichts willkommener sein. Ich ward mit dem Kapitän alsbald des
Preises einig, obwohl ich dem Schiffe gern einen glückweissagendern Namen
gewünscht hätte, als den der beklagenswürdigen Gemahlin von Shakespears
Othello.

Freunde begleiteten mich noch bis zum Hafen. Ich schied mit verhehlter
Trauer von dem Lande, das mir lieb geworden war. »Auf Wiedersehen!« rief
ich. Mein Fuß riß sich vom Boden der neuen Welt los. Ich stand im Nachen
und fuhr der schönen Desdemona und der alten Welt entgegen. Bald nach mir
kam auch der Befehliger des Schiffs, Kapitän _Naghel_, an Bord.

Ich saß auf einer der äussern Bänke der Kajüte und sah dem gefährlichen
Treiben der Matrosen zu, welche an Seilen und Masten umherkletterten,
Stangen und Segel und Tauwerke zu ordnen und zu ändern. Es wandelte mich
ein Grausen an bei diesem Schauspiel, wo die Menschen, gleich Spinnen, auf
Fäden liefen. In demselben Augenblick fiel einer der Matrosen, der sich
droben nicht fest genug gehalten haben mochte, aus der Höhe herab. Doch
durch die Bewegung, welche eben vom Schiff gemacht ward, glaubte ich
ihn gerettet; denn er fiel nicht ins Fahrzeug, sondern ins Meer.
Unglücklicherweise aber befand sich da noch das Kanot, auf dem der Kapitän
gekommen war. Der Matrose stürzte hinein, durchbrach den Boden. Zwei andere
Matrosen mit Seilen stürzten sich ihm sogleich ins Wasser nach und
brachten ihn endlich aufs Verdeck. Er war ohne Bewußtsein und schien ganz
zerschmettert.

Ein Gegenwind, der jede Minute an Stärke wuchs, machte die Ausfahrt vom
New-Yorker Hafen schwierig. Der Kapitän fürchtete die Untiefen, Sandbänke
und Klippen, und ließ umwenden. Wir kehrten in den Hafen zurück und warfen
Anker. Unterdessen war der unglückliche Matrose wieder zu sich selbst
gekommen. Er jammerte und schrie erbärmlich. Der Kapitän ließ ihn auf einem
Nachen zur Stadt und dann ins Hospital bringen. Ja, weil der Gegenwind
nicht aufhörte, ging Hr. Naghel selbst in die Stadt, den bedauernswerthen
Kranken zu versorgen und dessen Stelle durch einen andern zu ersetzen.

Als er folgendes Morgens wieder aufs Schiff kam, vernahm ich, daß der
Matrose eine sehr böse Nacht gehabt habe. Der Kapitän meinte, das sei ein
übles Vorzeichen für unsere Reise. Der Name der schönen Desdemona deutete
auch auf nichts Besseres.

Aber das focht mich wenig an. Ich befand mich hier auf dem Paketboot weit
bequemer, als auf dem Hyperion, mit dem ich nach Amerika gekommen war. Bei
den besten Einrichtungen der Desdemona für ihre Reisenden waren wir doch
nur unserer zwei Reisende, um acht Zimmer mit zwei Betten einzunehmen. Dazu
kam mir freilich die Jahreszeit zu statten. In jeder andern Zeit sind bei
vierzig Personen an der ersten Tafel, für die der unveränderliche Preis auf
dreißig Louisd'or festgesetzt ist; so wie fünfzehn Louisd'or für Reisende
am zweiten Tisch, mit Wohnung im Zwischenverdeck; und sieben Louisd'or für
Tisch und Wohnung gemein mit den Matrosen.

Die Bemannung der Desdemona bestand aus dem Kapitän, zwei Lieutenants,
vierzehn Matrosen, zwei Stewards und einem Koch. Der Grund einer so
zahlreichen Schiffsmannschaft, während nur zwei Reisende waren, lag
ebenfalls wieder in der Jahreszeit, welche die reichste an Stürmen zu sein
pflegt. Das Schiff bedarf größerer Sorgfalt und die Reisenden scheuen sich,
mit einem schlechtbemannten Fahrzeug zu gehen. Auch steht um solche Zeit
die Prime der Schiffsversicherung, wegen möglicher Unfälle in Orkanen,
beträchtlich höher. Die diesmalige Ladung der Desdemona übrigens bestand
aus Kolonialwaaren, besonders Tabak.

Die Paketboote haben ihren regelmäßigen Dienst zwischen Amerika und Europa,
der von Jahr zu Jahr bestimmt wird. Zwischen New-York und Havre waren in
jenem Jahr zwölf dergleichen Fahrzeuge thätig, nämlich: Cadmus, Eduard
Quesnel, Lewis, Desdemona, Eduard Bonaffe, die Königin Mab, Don Quixotte,
Howard, Heinrich, Montano und Stephania.

Der Herbst ist eigentlich für Amerika die schöne Jahreszeit. Die Amerikaner
nennen ihn daher den »_Indianer-Sommer_«, oft auch nur den »_Blätterfall_.«
In der That, bis zum 15. Nov. lachte über uns herab der herrlichste Himmel;
aber am 16. Nov., eben am Tag unserer Abreise von New-York, überzog er sich
mit Gewölken; das Wetter wurde unangenehm und drohend. Wir gebrauchten
vier Stunden, um aus dem Hafen zu kommen; mußten beim Gegenwind uns langsam
drehen und wenden, um Sandbänken und Klippen auszuweichen, und traten erst
zu Mittag ins offene Meer.

In den ersten paar Tagen war der Wind uns ziemlich günstig und erträglich;
dann aber wuchs seine Gewalt; jeden Tag, jede Stunde kam ein anderer Stoß
und Luftstrom. Wir machten dabei viel Weg in kurzer Zeit, aber nicht auf
die angenehmste Art. Das Meer gewährte einen finstern, wilden, gährenden
Anblick mit seinen lärmenden Wogen.

Das erste Unwetter, das wir zu bestehen hatten, kam uns aus Norden her, und
daher also, rücksichtlich unserer Fahrt und Richtung, gar nicht ungelegen.
Der Sturm dauerte zwölf Stunden. Alle Segel waren beigelegt, bis auf zwei,
die man auch nur zur Hälfte öffnete. In einer Stunde flogen wir über drei
Wegstunden oder zehn Seemeilen. Mich unterhielt das Gewirr und Spiel der
gewaltigen Wellen, wie sie sich, weiß, wie Schnee, aufbäumten in langen
Reihen, und weite, dunkle Furchen zwischen sich ließen. Es waren bewegliche
Gletscherketten durch finstere, lange Thäler geschieden. Wenn das Schiff
an einem Wasserberg aufstieg, dann und weit hastiger in ein Wellenthal
niederfuhr und einer neu heranrauschenden, sich thürmenden Wassermasse mit
mächtigem Stoß begegnete, schien das erbitterte Meer wüthend aufzufahren,
um das gebrechliche Fahrzeug zu verschlucken. Es war ein prachtreiches,
aber zugleich grausenhaftes Schauspiel.

Der zweite Sturm erschien uns wenige Tage nachher, ebenfalls von Norden
her; aber widerwärtig für unsere Richtung. Er drängte uns volle zwei Grad
südwärts. Die Wogen kamen von der Seite, und schlugen so gewaltig gegen die
Rippen des Schiffes, daß sie des Nachts wie Kanonendonner andröhnten. Das
Fahrzeug krachte jedesmal in allen Fugen, als bräche es auseinander. Von
Zeit zu Zeit fuhren die Wellen leckend über das Verdeck hin.

Der dritte und letzte Sturm -- sonst sollen nur der _guten_ Dinge drei sein
-- überfiel uns auf der Höhe vom _Cap Finisterre_, am Eingang der Meerenge
von Calais. Das was mehr als Sturm, es war Orkan. Der grimmige Ozean glich
sich gar nicht mehr; hatte seine ganze Farbe verändert; sah schauderhaft
grauschwarz aus. Ein schmutziges Grauschwarz bedeckte über uns den Himmel,
und ein falbes Wölkchen öffnete sich nur hin und wieder hell, um jene
Grabesfarbe recht deutlich zu zeigen.

Der Kapitän ließ schnell alle Segel einziehen. Aber ehe man noch damit zu
Ende war, fuhren, wie Blitze, Windstöße um Windstöße mit einer Macht daher,
die Alles wegzureissen schienen. Der Wasserstaub hochaufsprudelnder Wogen
wehte über Verdeck und Bord. Das Schiff legte sich taumelnd bald auf die
eine, bald auf die andere Seite. Der Kapitän konnte sich im Geheul und
Gelärm der Wellen, dem Zischen und Pfeifen des Windes in Seilen, Tauen und
Masten, den Matrosen durchaus nicht verständlich machen. Er lief von einem
zum andern, that endlich einen bösen Fall, verlor die Besinnung und mußte
in die Kajüte getragen werden.

Als er wieder einigermaßen zu sich selbst gekommen war, nahm er die Charte
und Magnetnadel. Ich trat zu ihm, als er mit dem Zirkel maß. Ich wagte
nicht, ihm eine Frage zu thun, denn seine Unruhe malte sich zu deutlich im
Gesicht.

Gegen eilf Uhr Nachts meldete der Lieutenant, er habe Licht von den
Leuchtthürmen an der Küste gesehen. Der Wind trieb uns gegen die Küste zu.
Ich ging aufs Verdeck. Nacht, Graus, donnerndes Brüllen der Elemente; unter
uns, über uns, um uns Alles Bewegung; Alles Aufruhr; nichts Festes mehr;
Weltuntergang. -- Nun wußte ich, was Orkan auf dem Meere sei; ich hatte
sonst manchmal davon gelesen. Aber es war und blieb ein großes Schauspiel.
Ich sah in diesen Augenblicken nur die grauenvolle Majestät der mir
unbekannten Erscheinungen; die Furcht ums arme Leben plagte mich nicht,
kam eigentlich erst hintennach, da sie gar nicht mehr nöthig war. Mein Herz
schlug ruhig. Meine Brust ward nur vom Erstaunen bewegt.

Nach Mitternacht, um zwei Uhr, kamen wir der Küste schon so nahe, daß ich
ganz deutlich den rothen Laternenblitz der Leuchtthürme sah. Es donnerten
fort und fort Wind und Wogen; die Menschen aber wurden stumm. Die Matrosen
ließen sich nicht mehr hören. Menschliche Kunst und Kraft standen an den
Grenzen ihres Gebiets. Rettung mußte von der Hand des Weltenregierers
erwartet werden.

Eine hangende Lampe erhellte das Zimmer der Kajüte mit bleichem, ungewissem
Schein. Ich stand da beim Kapitän. Er erzählte mir nun vom Schiffbruch des
amerikanischen Paketboots, »der _Paris_«, Kapitän _Robinson_, das damals
seine zweite Reise machte. Zu allem Ueberfluß holte er noch die Abbildung
von jenem unglücklichen und schönen Fahrzeug hervor, und zeigte mir sie.
Merkwürdiger war mir die Aehnlichkeit aller Umstände zwischen jenem Schiffe
und dem unsrigen; man denke nur, dieselben Stürme von nämlicher Seite her,
und dieselben Küsten, wo es scheiterte.

Ich hörte ihn ruhig erzählen, als gingen uns diese Dinge nichts an. Wir
sind in Gottes Gewalt und Liebe, ob ein Abendlüftchen wollüstig seufze
oder ein Sturm brülle. Hätte ich nur die Zaubermacht des Seemalers _Horaz
Vernet_ gehabt; hätte ich nur die gräuelvolle Weltempörung um mich her, die
sich aufbäumenden Wassermassen, den zischenden Schaumschwall, die schwarzen
Abgründe dazwischen, Flug und Bewegung aller Dinge, die Umwandlung der
schauerlichen Erscheinungen von Augenblick zu Augenblick malen können! Ich
ging um drei Uhr wieder hinaus, die ungeheure Verwirrung der Dinge, der
Auflösung eines Weltballs ähnlich, zu schauen. Ich mochte mir nicht die
Einbildung mit Erzählungen von Noth und Jammer quälen lassen. Der Anblick
der Natur in ihren schreckenvollen Werken ist erhabener, als jedes Bild
der gemärterten Phantasie, und selbst die Gefahr vor dem Auge hat etwas
Feierliches, Edles, was die Furcht, in der Vorstellung von ihr, nicht
wiedergibt.

Immer noch, als ich wieder in die Kajüte zurückkam, stand der Kapitän mit
Zirkel und Charte da und maß und rechnete. Nun erzählte er mir wieder
eine ganze Reihe von Schiffbrüchen seiner zeitgenössischen Kapitäne, seit
ohngefähr fünfzig Jahren.

Plötzlich unterbrach uns ein eigenes Geschrei der Matrosen. Des Kapitäns
Gesicht legte sich sogleich in zufriedenere Falten. Er ging und sagte:
»Jetzt änderts!« -- Die zwei Worte thaten mir, nach der langen Historie von
den gescheiterten Schiffen, herzlich wohl. Ich möchte es nicht läugnen.

Ich ging hinaus, das Rufen und Schreien der Matrosen dauerte fort. Ich sah,
man rollte die Segel auf. Jetzt völlig beruhigt, legte ich mich schlafen.
Bei Tagesanbruch kam der Kapitän und sagte, wir wären in der Nähe von den
Inseln Jersei und Guernesei. -- Ich wollte die Freude auch sehen, und sah
im Wasser umher Trümmer von Schiffen. Wir erfuhren späterhin, es wären zwei
Küstenfahrer untergegangen.

Endlich und endlich Morgens zehn Uhr am 11. Dezember hatten wir einen
Piloten am Bord, und Nachmittags um halb vier Uhr waren wir im Hafen von
_Havre de Grace_.

Was bleibt mir noch zu erzählen? -- Ich war Weihnachten bei meinen Lieben
in der lieben Heimath. Ich hatte Wort gehalten. Meine Reise ging wie ein
Traum aus.

That ich recht, auch Andern, wie meinen Lieben, davon zu erzählen? --
Wahrlich, ich weiß es nicht. Uebrigens kömmt die Frage nun hintennach zu
spät. Ich hätte sie voran thun sollen. Es tröstet mich, daß jeder das Recht
hat, seine Ohren zu schließen, der nicht zuhören mag. So bin ich auf jeden
Fall Niemandem mit meiner Plauderei beschwerlich. -- Mein Besuch der
neuen Welt hat mir hohen Genuß gewährt und freut mich in den Bildern der
Erinnerung noch heut.




Im Verlag von _Heinr. Rem. Sauerländer_ in Aarau erscheinen folgende
neue Schriften:

  Mein _Besuch Amerikas_ im Sommer 1824.            1 fl. 30 kr. -- 1 Thlr.

  _Erheiterungen_, herausgegeben von _H. Zschokke_ für 1827.
                                             8 fl. 15 kr. -- 4 Thlr. 20 gr.

  _Franz_, interessante Züge aus dem Jugendleben u. s. w.
                                                            1 fl. -- 16 gr.

  _Götzinger_, deutsche Sprachlehre für Schulen.           54 kr. -- 14 gr.

  Dessen praktische Aufgaben zur Einübung derselben.       36 kr. -- 10 gr.

  (Beide Abtheilungen zusammen bilden ein Ganzes, und kosten
        1 fl. 30 kr. -- 1 Thlr.)

  _Hirzels_ franz. Grammatik. 4te Aufl.                    54 kr. -- 14 gr.

  Dessen franz. Uebersetzungsbuch.                         45 kr. -- 12 gr.

  Dessen franz. Schulwörterbuch.                     1 fl. 36 kr. -- 22 gr.

  (Diese 3 Schulbücher kosten zusammen 3 fl. 15 kr. -- 2 Thlr.)

  _Lutz_, Beschreibung des Schweizerlandes. 3 Bände. 2te Aufl.
                                                           6 fl. -- 4 Thlr.

  _Schweizerbote_, eine Wochenschrift für 1827.
                                       netto 3 fl. 20 kr. -- 1 Thlr. 21 gr.

  _Stunden der Andacht_, 8 Bde. in großem Druck, 12te Aufl. auf Schreibp.
                                                  16 fl. 30 kr. -- 11 Thlr.

  -- -- auf weiß Druckp.                            11 fl. -- 7 Thlr. 8 gr.

  -- -- auf ord. Druckp.                     8 fl. 15 kr. -- 5 Thlr. 12 gr.

  _Unterhaltungsblätter_ für Welt- und Menschenkunde für 1827.
                                                          12 fl. -- 8 Thlr.




Druckfehler.


  Seite 18 Z.  1 u. 2 v. u. l. »von Charl[e]stown nach Amsterdam«, statt
                               von Amsterdam nach Charl[e]stown.

    --  21 Z. 10 l. »Mittags«, st. Mitternachts.

    --  -- Z.  1 v. u. l. »Queen-Maab«, st. Queen-Maal.

    --  58 Z.  9 l. »=the Maryland=«, st. Lac Maryland.

    --  59 Z.  1 l. »=sweah patatoes=[sic]«, st. Sweat-Patators.

    --  61 Z.  1 v. u. l. »12,508,000 Einwohner«, st. fünfzehn Millionen
                          [Seelen].

    --  71 Z.  1 v. u. l. »Brighton«, st. Bigbone. [Anm.: Namen hier
                          vertauscht]

    --  78 Z. 12 l. »Rariton«, st. Bariton.

    -- 113 Z. 10 l. »Mohawkfluß«, st. Mohanokfluß.

    -- 119 Z. 11 l. »Manlieus«, st. Mansieu.

    --  -- Z. 20 l. »Skenektedes«, st. Kenektedes.

    -- 132 Z.  9 l. »Blackrock«, st. Blakwek.

    -- 176 Z. 10 v. u. l. »Athens«, st. Athen.

    -- 180 Z. 15 l. »Scioto-Strom«, st. Scioko-Strom.

    -- 193 Z. 14 l. »Flatboat«, st. Flazboat. [und Z. 5 v. u.]

    -- 194 Z. 17 l. »Morero«, st. Morin.

    -- 202 Z. 11 l. »aus dem Neuenburgerlande«, st. aus dem Waatlande.

    -- 202 Z. 15 l. »Guinand«, st. Guinaud.

    -- 204 Z.  3 v. u. und Seite 205 [Z. 6] v. o. l.
                    »Sugarcreek«, st. Sugaroreak.

    -- 212 Z.  7 l. »Turkycreek«, st. Turbynek.

    -- 221 Z. 18 l. »=Help your self=«, st. =Help you self=.

    -- 228 Z.  7 l. »Potalia«, st. Potalin.

    -- 230 Z. 13 l. »=wonderfull=«, st. =wondertull=.

    -- 238 Z. 10 l. »Laurel-Hill«, st. Samuel-Hill.




Hinweise zur Transkription

Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt. In dieser Transkription
werden _gesperrt_ gesetzte Schrift sowie Textanteile in =Antiqua-Schrift=
hervorgehoben.

Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, einschließlich
uneinheitlicher Schreibweisen wie beispielsweise "Bai" -- "Bay", "Cajüte"
-- "Kajüte", "Delavare" -- "Delaware", "Feste" (Festung) -- "Veste",
"Getraide" -- "Getreide", "gibt" -- "giebt", "hieher" -- "hierher",
"Kapitain" -- "Kapitän", "New York" -- "New-York" -- "Newyork", "ohngefähr"
-- "ungefähr", "Partei" -- "Parthei", "Tamoak" -- "Tomoak", "Utica" --
"Utika",

mit folgenden Ausnahmen,

  Seite 7:
  "hiel-" geändert in "hielten"
  (Einige von den Pfiffigsten hielten mich offenbar)

  Seite 12:
  "Große" geändert in "Größe"
  (Kisten von aller Form und Größe, Waarenballen)

  Seite 12:
  "Wassenbecken" geändert in "Wasserbecken"
  (Das große Wasserbecken war geschlossen)

  Seite 15:
  "Schiffkapitän" geändert in "Schiffskapitän"
  (mit dem Schiffskapitän, einem Amerikaner)

  Seite 20:
  "nnd" geändert in "und"
  (prellenden und schnellenden Wirthen)

  Seite 29:
  "Gemuth" geändert in "Gemüth"
  (daß sie aus reinem, frommem Gemüth hervorging)

  Seite 47:
  "Meranville" geändert in "Moranville"
  (wegen dem Tode eines Herrn _Moranville_ gehalten)

  Seite 56:
  "Vorträgen" geändert in "Verträgen"
  (wurden von den eingegangenen Verträgen frei gemacht)

  Seite 60:
  "Slops" geändert in "Sloops"
  (Eine Menge Schiffe, Sloops und anderer Fahrzeuge begegneten uns)

  Seite 72:
  Halbsatz ganz gestrichen, weil auf Seite 73 doppelt vorhanden
  (_New-York_ bei damals etwa 120,000 Einw. dreiundfünfzig Kirchen;)

  Seite 80:
  "Bariton-Ufer" geändert in "Rariton-Ufer" entspr. Druckfehler-Verzeichnis
  (Nachdem wir noch am linken Rariton-Ufer)

  Seite 84:
  "Governor-Ellis" geändert in "Governor-, Ellis-"
  (Governor-, Ellis- und Gill-Island, worauf Vesten zur Vertheidigung)

  Seite 100:
  "Bariton" geändert in "Rariton" entspr. Druckfehler-Verzeichnis
  (wohnte auf einem Landgut am Ufer des Rariton)

  Seite 103:
  "Champlansee" geändert in "Champlainsee"
  (den Hudson hinauf durch den Georgs- und Champlainsee)

  Seite 104:
  "Orange-Towa" geändert in "Orange-Town"
  (am Städtchen _Orange-Town_, dreizehn Stunden von Newyork)

  Seite 108:
  "Skenestady" geändert in "Skenectady"
  (nahm einen Reisewagen, übernachtete in Skenectady)

  Seite 112:
  "Skenetady" geändert in "Skenectady"
  (In _Skenectady_, wo ich einen Preussen)

  Seite 114/115:
  "Whisby" geändert in "Whisky"
  (9094 Gallonen Whisky)

  Seite 114/115:
  "Bret-" geändert in "Brett-"
  (Brett- und Zimmerholz)

  Seite 125:
  "Alleghanij" geändert in "Alleghany"
  (von denen die Alleghany-Berge aufgeschichtet sind)

  Seite 138:
  "äugten" geändert in "säugten"
  (zwei andere säugten ihre Kinder)

  Seite 139/140:
  "Whisk" geändert in "Whisky"
  (ihrem Whisky (oder Meth))

  Seite 145:
  "Irokosen" geändert in "Irokesen"
  (sonst allein vom Geheul der Irokesen)

  Seite 146:
  "an- ansiedeln" geändert in "ansiedeln"
  (Wer sich da ansiedeln will, ist gehalten)

  Seite 152:
  "N u-Orleans" geändert in "Neu-Orleans"
  (Von Neu-Orleans, den Missisippi und Ohio herauf)

  Seite 155/156:
  "fahrt" geändert in "fährt"
  (kein Dampfboot, wegen zu niedrigen Wasserstandes, fährt)

  Seite 157:
  "insgsammt" geändert in "insgesammt"
  (insgesammt stammten sie frisch aus Deutschland, England)

  Seite 172:
  "Millonen" geändert in "Millionen"
  (ein Jahr ins andere sechs bis sieben Millionen Dollars abwirft)

  Seite 173:
  "Schazkammersekretair" geändert in "Schatzkammersekretair"
  (der Schatzkammersekretair hat jährlich nur)

  Seite 175:
  "Nachbaren" geändert in "Nachbarn"
  (von einem der christlichen Nachbarn ganz unerwartet)

  Seite 183:
  "pielt" geändert in "spielt"
  (auf welcher Herr Dorfeuil meisterhaft spielt)

  Seite 185:
  "Cicinnati" geändert in "Cincinnati"
  (Wir waren Mittags von Cincinnati abgefahren)

  Seite 193:
  "Flußaufwarts" geändert in "Flußaufwärts"
  (Flußaufwärts wird es nie wieder gebracht)

  Seite 210:
  "." eingefügt
  (immer waren die Negerinnen schuld.)

  Seite 211:
  "Irrländer" geändert in "Irländer"
  (Ueber meinen Irländer hatte ich, soviel mich betraf)

  Seite 212:
  "Portsmuth" geändert in "Portsmouth"
  (noch vierzehn Wegstunden bis _Portsmouth_ zurückzulegen)



***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MEIN BESUCH AMERIKA'S IM SOMMER
1824***


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the second copy is also defective, you may demand a refund in writing
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or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
www.gutenberg.org 

Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary 
Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
volunteers and employees are scattered throughout numerous
locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
date contact information can be found at the Foundation's web site and
official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:

    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    [email protected]

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate

Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

Most people start at our Web site which has the main PG search
facility: www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.