The Project Gutenberg eBook of Die deutsche Dampfer-Expedition zum Nyassa-See. This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Die deutsche Dampfer-Expedition zum Nyassa-See. Author: Max Prager Release date: March 31, 2025 [eBook #75762] Language: German Original publication: Kiel: Verlag von Karl Jansen, 1901 Credits: Peter Becker, Hans Theyer and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (The digitized holdings of the Staatsbibliothek zu Berlin are available to all interested parties worldwide free of charge for non-commercial use.) *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE DEUTSCHE DAMPFER-EXPEDITION ZUM NYASSA-SEE. *** ======================================================================= Anmerkungen zur Transkription. Das Original ist in Fraktur gesetzt. Die Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen; offensichtliche Druckfehler sind stillschweigend korrigiert worden. Wörter in Antiqua sind so +gekennzeichnet+. ======================================================================= Die deutsche Dampfer-Expedition zum Nyassa-See. Von M. Prager, Kapitän. [Illustration] Kiel. Verlag von ~Karl Jansen~. Kommissions-Verlag für den Buchhandel: ~Robert Cordes~, Kiel. Seinem hochgeehrten Führer dem Kaiserl. Gouverneur von Deutsch-Ostafrika Herrn Major von Wißmann gewidmet vom Verfasser. Inhalts-Verzeichniß. Vorwort. Seite Einleitung 1 1. Aufbruch der Expedition 15 2. Bis zum Lager von Ntoboa und die Erbauung desselben 31 3. Im Lager von Ntoboa 39 4. Bis zum Lager von Port Herald 63 5. Ein Eilmarsch von Port Herald nach Chilomo 81 6. Der Eisenbahn-Transport. Das Lager bei Umpassa 93 7. Im Lager von Umpassa bis Katunga 110 8. Von Katunga bis Blantyre 130 9. Von Blantyre nach Mpimbi 148 10. Von Mpimbi nach Fort Johnston am Nyassa-See 166 11. Von Fort Johnston nach Mpimbi 193 12. Der Aufstand 211 13. Der Kampf 229 14. Die Erbauung der Werft 254 15. Der Ausbau des Dampfers »Hermann v. Wißmann« 278 16. Im Urwald 296 17. Der Stapellauf des »H. v. Wißmann« und dessen Vollendung 320 18. Die Fahrten auf dem See und die Ankunft in Langenburg 335 19. Die Küste und das deutsche Gebiet am Nyassa-See 359 20. Der Nyassa-See 386 21. Schluß 411 Druckfehler-Verzeichniß. Vorwort. In dem vorliegenden auf Grund genau geführter Tagebücher ausgeführten Werke habe ich versucht in schlichter Weise das zusammen zu fassen und wieder zu geben, was auf die große Wißmann Dampfer-Expedition Bezug haben konnte, besonders was den praktischen Theil, den Transport und Bau des Schiffes anbelangt. Des Weiteren versuchte ich dem geneigten Leser ein anschauliches Bild über wenig bekannte Länder und namentlich über den Nyassa-See vorzuführen; die Thier- und Pflanzenwelt, die eigenartige Natur Central-Afrikas, schloß ich in diesen Rahmen ein, soweit wenigstens wie ich aus persönlicher Anschauung und Erfahrung mir ein Urtheil gestatten kann. Neben der großen Aufgabe, die mir zugefallen, die Erbauung des Dampfers »Hermann von Wißmann« zu leiten, habe ich jede freie Zeit benutzt um mich über Land und Völker zu orientiren, Aufzeichnungen und Beobachtungen zu machen, die in sich ein Ganzes, nur einer eingehenden Bearbeitung bedurften. Möge der Inhalt dieses Werkes für sich selber sprechen für die Theilnehmer an dieser großen Expedition aber würde geschenkte Beachtung ein schöner Lohn sein für alle ausgestandenen Mühen, Gefahren und Entbehrungen. Ich möchte noch erwähnen, daß ich einer der Offiziere dieser Expedition (5 Offiziere, 30 Europäer) war, dem zum großen Theil die praktische Arbeit des Transportes und Baues und dann die Führung des Schiffes in seinem Elemente, auf dem Nyassa-See, zufiel. Da dieses Werk ein Separat-Abdruck aus der »Deutschen Marine-Zeitung« ist, der ca. 1-1/2 Jahr in Anspruch nahm, haben sich eine Anzahl Druckfehler eingeschlichen und bitte ich das Verzeichniß derselben am Schlusse dieser Arbeit zu berücksichtigen. M. Prager, Kapitän Einleitung. Um nicht zu weit zurück zu greifen, wenigstens nicht eingehend die Gründe zu beleuchten, die für die Entstehung und Ausführung des Planes, einen Dampfer nach dem Seeengebiet Inner-Afrikas zu schaffen, maßgebend gewesen sind, will ich mich vorerst nur auf das beschränken, was mir zum Verständniß für die Allgemeinheit werthvoll erscheint. Wer in kolonialen Kreisen mit den Einzelheiten vertraut ist, kann sich leicht die Vorgänge ins Gedächtniß zurückrufen -- im Uebrigen haben ja die Tagesblätter seiner Zeit dem großartigen Unternehmen des Herrn Major von Wißmann genügende Beachtung geschenkt, so daß wohl eine kurzgefaßte sachliche Darstellung der Thatsachen genügen dürfte. Es war am 27. Mai 1890, nachdem im raschen Siegeslauf auch der Süden der deutschen Besitzungen in Ostafrika, von Kilva-Kivindji bis Mikindani zurückerobert worden war, als Major von Wißmann, sein Adjutant +Dr.+ Bumiller, begleitet von der Gesandtschaft des Seliman ben Nasr und meiner Wenigkeit, auf dem englischen Dampfer »Etiopia« Sansibar verließen, um auf Urlaub in die Heimath zurückzukehren. Herzlich war der Abschied von den tapferen Kameraden, welche dem Major das Geleit bis an Bord gegeben hatten, und alle beseelte der Wunsch, ihren großen Führer in der Eigenschaft als Kaiserlichen Gouverneur bald wieder auf afrikanischem Boden begrüßen zu können. War doch kein Name von seiten der Araber gefürchteter als der des +bwana mkubwa sana+, unter den Deutschen aber Niemand beliebter, als Wißmann. Wohl bei uns allen hatten die großen Erfolge, welche die Deutschen unter der Führung Wißmanns errungen, Hoffnungen erweckt, deren Erfüllung die nächste Zukunft sicher bringen mußte, sollten die Früchte, die mit Blut und Eisen erkämpft waren, dauernd uns verbleiben. Die Thatsache, daß mit der Eroberung der ostafrikanischen Küste und der wiederhergestellten Ruhe die deutsche Arbeit erst begonnen, die Kultur den ersten großen Anlauf genommen hatte, stellte auch an die Leiter der kolonialen Bewegung gewiß ernste Aufgaben und es galt aus einer kleinen Zahl die richtigen Männer zu finden, die solch ein wichtiges und umfassendes Werk fortsetzen konnten. Am nächsten lag es wohl, daß der beste Kenner Afrikas, der so ruhmvoll den gewaltigen Kampf zur deutschen Ehre beendet hatte, auch zu diesem verantwortlichen Amte berufen werden würde, denn der Klang seines Namens bis weit in das Innere des dunklen Erdtheils war Bürgschaft genug und leicht würde durch ihn jeder fernere Widerstand unbotmäßiger Stämme nach kurzer Zeit gebrochen worden sein. Mit weitschauendem Blick erkannte Major von Wißmann, daß es mit der Unterwerfung des Araberthums an der Küste nicht gethan ist, sondern wie nöthig es sei, auch an den Ufern der gewaltigen Binnenseen Afrikas diesem Feinde entgegen zu treten, der weit über ein ungeheures Territorium verzweigt, nicht durch seine Zahl, vielmehr durch seine geistige Herrschaft über die Stämme ein furchtbarer Gegner werden konnte, sofern ihm die Zeit zum Sammeln gelassen wurde. So lag denn nichts näher, um ein beständiges Machtobjekt im Innern zu haben, als ein Schiff nach dem Innern zu schaffen, das nicht allein ein weites Gebiet beherrschen konnte, sondern auch den Handel zu fördern das geeignetste Mittel war, und dieses Werk mit ernstem Willen durchzuführen, war des Majors fester Entschluß. Indes lag es in der Natur der Sache, daß die Kühnheit solcher Idee ein so großartiges Werk zur Ausführung zu bringen, in antikolonialen Kreisen, die ein ziel- und zweckloses Wüthen gegen die Kolonialpolitik des Deutschen Reiches in Scene gesetzt hatten, als für mindestens unausführbar angesehen wurde, aber mit der Zeit und namentlich als Major von Wißmann erst persönlich für seine Idee eintreten konnte, war der Umschwung der Ansichten so groß, daß die Möglichkeit der Ausführung nicht mehr in Zweifel gezogen ward, ja selbst diese Idee sich so verallgemeinerte, daß nicht nur das Projekt des Majors, einen großen Dampfer zuerst nach dem Viktoria-Nyanza-See zu schaffen, einzig und allein maßgebend blieb, sondern auch von anderer Seite (Dr. C. Peters) ein gleiches zur Ausführung gebracht werden sollte mit der zweifelhaften Begründung, der Wißmann-Dampfer sei wegen seines zu großen Tiefganges für den Viktoria-See ungeeignet. Natürlich wurden hierdurch Parteispaltungen hervorgerufen, die der Sache nur schädlich sein konnten, wozu der Kampfruf im kolonialen Lager »Hie Wißmann, Hie Peters« das Seine beitrug und Unentschlossenheit sowie Verwirrung hervorrief, wo doch nur absolute Einigkeit gegenüber einer mächtigen antikolonialen Bewegung zum Ziele führen konnte. Indes so nachtheilig dieser Umstand auch war, insofern als für ein Ziel zwei Dampfer in Aussicht genommen wurden und naturgemäß die freiwilligen Geldspenden Einbuße erleiden mußten, so war er doch dem Projekte des Majors wesentlich nicht hinderlich, zumal in den kaufmännischen Kreisen unserer großen Seestädte, als Hamburg, Lübeck, Bremen das Verständniß für die große Sache ein allgemeines war, und namentlich aus diesen, sowie aus den weitesten Kreisen im deutschen Reiche, unter denen die Missionen besonders zu erwähnen sind, gingen wenigstens die Mittel zum Bau des Dampfers reichlich ein. Daß die Ueberführung des Dampfers von der Küste bis zum See außerdem ganz beträchtliche Mittel erfordern würde, die vorhandenen bei Weitem nicht ausreichten, war selbstverständlich und daher solche zu beschaffen das ernstlichste Bestreben des Komitees, das sich in Köln zur Förderung der Dampferangelegenheit gebildet hatte. So wie dieses widmete sich auch, neben vielen anderen hochgestellten Personen, Herr Dr. Thimotheus Fabri in Hamburg der Sache, um den Major, der längst wieder auf seinem Posten in Afrika weilte, nach Möglichkeit zu unterstützen und alles aufzubieten, was dessen großes Unternehmen fördern konnte. Nach mehrfachem Aufruf zur Unterstützung der Sache stellte es sich aber heraus, daß die eingehenden Geldspenden (es waren zusammen etwa 300000 Mk.) der Erwartung nicht entsprechen würden und es daher gerathen erschien, die Hilfe der Regierung anzurufen. Die angesehensten Männer Hamburgs unterzeichneten auch ein dahin zielendes Gesuch an den Reichskanzler, das aber leider abschlägig beschieden wurde mit dem Bemerken: die Dampferangelegenheit sei als eine Privatsache zu betrachten und die Regierung daher nicht in der Lage, dem Unternehmen pekuniäre Unterstützung zu gewähren oder gar selbst die Ausführung des Transportes in die Hand zu nehmen, jedoch sei das Schiff erst nach dem Viktoria-Nyanza geschafft und dort erbaut, würde es sich empfehlen, dasselbe Reichssache werden zu lassen und die fernere Unterhaltung des Dampfers würde sodann dem Reiche obliegen. Es war somit ein mißglückter Versuch; dieses Versagen einer kräftigen Unterstützung im gedachten Sinne konnte man der Regierung eigentlich nicht verdenken, denn es wurden die, welche für die große Sache eingetreten waren, damals noch von vielen Seiten Kolonialschwärmer genannt und die weit verbreitete Ansicht unter der Gegenpartei, daß das ganze Projekt sich schließlich als eine Unmöglichkeit ausweisen würde, ließ mit Sicherheit voraussetzen, der Reichstag werde keine Mittel dafür bewilligen; hielten doch genug Volksvertreter die koloniale Bewegung überhaupt als für verfehlt. Alle diese Fehlschläge hielten indes den Fortschritt im Bau des Dampfers »Hermann von Wißmann« nicht auf, über den ich auf der bekannten Schiffswerft von Janssen und Schmilinsky die Aufsicht führte, auch sollte das Schiff bis zum 29. April 1891 vollendet sein. Eine von mir aufgestellte Berichterstattung, Seine Excellenz dem Reichskanzler eingereicht, möge hier eine Uebersicht von der Zusammensetzung und den Größenverhältnissen des Schiffes wiedergeben. Das aus deutschem Stahl angefertigte Schiff, welches allen gestellten Anforderungen an ein seetüchtiges Fahrzeug entsprechen muß, hat eine Länge von 26 und eine Breite von 5,078 Meter, seine Tiefe vom Deck bis zum Kiel beträgt 8,5, der Tiefgang 6-7 Fuß. Der Schiffsraum ist durch eiserne Schotten in 6 verschiedene Theile abgetheilt, wovon der mittlere als Maschinen- und Kesselraum dient. Zwei Abtheilungen sind zur Aufnahme von Feuerungsmaterial, event. Ladung bestimmt; eine dritte im Vorderraum, als Kajüte eingerichtet, dient dem dienstthuenden Personal, zwei oder drei Europäern zum Aufenthalt, die hinterste und vorderste zur Aufbewahrung von Inventarien, Ketten, Tauwerk etc. Das aus Teakholz hergestellte Deck bleibt möglichst frei, bis auf das Deckhaus, dem Maschinenoberlicht und den Niedergängen zu den Räumen. Das Deckhaus, für 2 Mann eingerichtet, nimmt einen Raum von 10 Quadratmeter ein, über diesem erhebt sich die 16 Quadratmeter fassende von Bord zu Bord gehende Kommandobrücke, die mit Steuerung, Telegraphen etc. versehen ist. Ueber das ganze Schiff werden Sonnensegel gespannt, die an eisernen Stützen, in einer Höhe von 6 Fuß ausgebreitet werden können. Die Kommandobrücke, mit eben solchem Sonnendach versehen, kann nach allen Seiten eingeschlossen werden, so daß im Bedarfsfalle die Brücke zum nächtlichen Aufenthalt geeignet ist. Vorgesehen sind 3 zerlegbare Stahlboote, jedes in vier Sektionen getheilt und leicht mittelst Schrauben zusammen zu stellen; zwei haben eine Länge von 17, das dritte von 12-1/2 Fuß. Die Takellage des Dampfers besteht aus zwei Pfahlmasten mit vollständiger Segelvorrichtung und ist gewählt worden, um das Schiff bei einem Versagen der Maschine nicht hülflos werden zu lassen. Die Zwei-Cylinder-Hochdruckmaschine von 120 indizirten Pferdekräften ist der Einfachheit und Solidität wegen bevorzugt worden und kann mit derselben eine Fahrgeschwindigkeit von 8-1/2 Knoten pro Stunde erzielt werden. Ebenso sind zwei horizontal liegende Dampfkessel vorgesehen, deren Mantel, jeder in 8 Theile, ohne die Kesselböden, des leichteren Transportes halber, zerlegt wurden. Was nun das Gesammtgewicht des ganzen Körpers mit allem Zubehör anbetrifft, so beläuft sich dieses auf ca. 80 Tonnen = 160000 Pfund. Die schwersten Theile, als Cylinder, Hintersteven, Sternwelle wiegen jedes nahezu 800 Pfund, jeder andere Theil des Schiffes und der Maschine, als Kiel, Wellentheile, Kesselplatten etc., der über 350 Pfund Gewicht hat, ist zu den schwereren gerechnet worden und werden deren ca. 20 sein. Da diese Theile wegen ihrer Konstruktion nicht mehr haben verkleinert werden dürfen, so sind zu deren Transport geeignete zweirädige Wagen konstruirt worden mit tiefliegenden Achsen. Alle anderen Theile, als Schiffsplatten, Kisten etc., zu deren Transport mehr als zwei Mann nöthig werden, sind so eingerichtet, daß sie an Stangen getragen werden können. Die Verpackung empfindlicher Gegenstände wird mit großem Vorbedacht ausgeführt, um solche gegen Nässe zu schützen. Im Uebrigen werden alle zur Expedition gehörenden Stücke so leicht als möglich gemacht und wenn irgend angängig, darf das Gewicht eines einzelnen Theiles nicht 60 Pfund überschreiten. -- Obgleich nun auch die Bestellung der hundertfachen Sachen für Dampfer und Expeditionen des öfteren eine unliebsame Beschränkung erhielt aus Gründen, welche durch den Geldmangel hervorgerufen wurden, so konnte doch alles Nöthige in dem Maße beschafft werden, daß mit Recht wohl keine andere Expedition so vollständig und reichlich ausgerüstet worden ist wie diese. Ich ließ es mir wenigstens angelegen sein für Jahre im voraus zu sorgen, damit an Material kein Mangel eintreten konnte. Wohl war beabsichtigt, den Akt der Schiffstaufe (nachdem der Dampfer auf der Werft vollendet worden), um noch einmal das allgemeine Interesse für die Expedition zu erwecken, mit besonderer Feierlichkeit vorzunehmen und gab sich der kaufmännische Vertreter des Herrn Major von Wißmann, Herr Ottens, dieserhalb die größte Mühe. Allein Bedenken mancher Art machten den Plan zunichte, von der Taufe mußte gänzlich Abstand genommen werden und ohne Sang und Klang, ausgenommen die kleine Festlichkeit, welche der Leiter der Werft, Herr Janssen, veranstaltet hatte, wurde der »Hermann von Wißmann« am 13. April 1891 übergeben. Darauf das Schiff auseinander genommen, begann die Verpackung der einzelnen Theile; die Einschiffung aber am 4. Mai auf dem neu erbauten Dampfer »Emin«, der mit dem ganzen Transport und einem Theil der Mannschaft am 9. Mai den Hamburger Hafen verließ. Als Frachtdampfer für die Küstenfahrt in den ostafrikanischen Gewässern bestimmt, war der »Emin« wenig geeignet, eine größere Anzahl Passagiere aufzunehmen, deshalb hatte der größte Theil der Handwerker unter Aufsicht des Obersteuermanns Bergest schon früher auf dem Reichspostdampfer »Bundesrat« eingeschifft werden müssen und längere Zeit vorher die Reise nach Sansibar angetreten, während ich erst, nachdem der Transport verschifft war, von Neapel aus die Reise antrat. Direkt für den Dampfer, dessen Transport und Aufbau, waren folgende engagirt worden: 2 Steuerleute, 2 Maschinisten, 2 Zimmerleute, 4 Kesselschmiede. Am 3. Juni erreichte der »Bundesrat« den Hafen von Tanga und von hier beorderte der Vertreter des Majors, der inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt war, ohne seine hinausgehende Expedition irgendwo angetroffen zu haben, Herr von Eltz, die Mannschaft zunächst nach Bagamojo, von wo nach Eintreffen des »Emin« truppweise der Marsch in das Innere angetreten werden sollte. Aber als selbst die Entlöschung des »Emin« vermittelst arabischer Dhaus beendet war, in rastloser Thätigkeit alles zum Abmarsch vorbereitet wurde, wollte es Herrn von Eltz noch immer nicht gelingen, aus Mangel an Trägern, die erste Abtheilung unter de la Fremoire absenden zu können und die Hoffnung, wenigstens von der Küste fortzukommen, wurde immer wieder vereitelt. Wie es schien, verschlechterten sich die Aussichten in Bagamojo, noch genügend Träger zu erhalten mehr und mehr, denn es war von seiten der Europäer wie auch der Araber und Hindu (Indier) in der That ein Reißen um Träger und kein Ausweg bot sich, die benöthigten Tausende zu erlangen. Doppelt freudig wurde daher die Nachricht begrüßt, der Irländer Stokes sei mit annähernd 5000 Trägern in Saadani eingetroffen, die der Expedition zur Verfügung gestellt werden sollen. Und bestimmt sahen wir den baldigen Abmarsch voraus, als der Befehl eintraf, das gesammte Material nach Saadani überzuführen, von wo des günstigeren Terrains halber die einzelnen Kolonnen aufbrechen sollten. Die Ueberführung des gewaltigen Transportes mittelst Dhaus begann am 1. Juli und war trotz der äußerst schwierigen Verschiffung nach Verlauf einer Woche beendet. Verhältnißmäßig schnell gelangten wir nach Saadani, wo inzwischen de la Fremoire hinter dem Fort auf freiem Felde ein Lager errichtet hatte, das vorläufig nur aus Zelten und den nothwendigsten Grasschuppen bestand, unter denen alle Schiffsgegenstände von den zur Verfügung stehenden Wanjamwesi (Stokes Leute) untergebracht wurden. Das Lager, das sich anfänglich noch in einem primitiven Zustand befand, wurde allmählich erweitert und ausgebaut, so daß Grashäuser, Schuppen und Zelte schließlich den Umfang eines kleinen Dorfes ausmachten, auch wurde es nothwendig, die Zugänge zu beschränken, damit nicht jeder nach Belieben Zutritt hatte, denn unsere Diener und Köche liebten es sehr ihrerseits extra Diener sich zu halten, welche die eigentliche Arbeit gegen sehr geringes Entgelt zu machen hatten. Der Suaheli nämlich spielt sich gegenüber seinen schwarzen Brüdern, namentlich denen aus dem Innern, nur zu gerne als Herr auf und wird sie nie für voll ansehen; diesem Unwesen nun mußte gesteuert werden, auch deswegen schon, weil zu befürchten stand, daß trotz strenger Aufsicht minderwerthige Gegenstände den Weg des Nimmerwiedersehens gehen konnten. Aber hatten wir in der ersten Zeit gehofft, der Aufbruch der Expedition würde endlich zur Ausführung kommen, zumal Stokes, dem die Unterhaltung seiner Wanjamwesi Beträchtliches kostete, ernstlich zur Entscheidung drängte, so schwand vorläufig jede Aussicht, als Herr von Eltz den Befehl zum Abwarten überbrachte, der auch Stokes zwang nun seine Träger anderweitig zu verwenden. Der so oft verschobene Aufbruch fand darin seine Erklärung, daß Herr Major von Wißmann nicht persönlich die Leitung übernehmen konnte, auch den Aufschub anordnete, weil er erst mit einer Feldbahn von Europa eintreffen wollte, mit welcher er den Gesammttransport leicht und bequem zu befördern gedachte, und was das Schwerwiegendste, höchstens 1000 Mann, anstatt früher 5000 und mehr, dazu bedurfte. Am 25. August traf denn auch der Major mit dem in Tanga eingelaufenen Reichspostdampfer »Kanzler« wieder an der ostafrikanischen Küste ein und ernstlich ging es nun an die Ausführung der noch nothwendigen Arbeiten, unter denen die Ueberführung der Feldbahn von Sansibar nach Saadani, die mir übertragen wurde, die nächste war. Die Aussicht, endlich von der fieberreichen Küste fortzukommen, belebte den gesunkenen Muth, freudig regten sich viele hundert Hände, die Feldbahn zusammen zu stellen und entsprechend den Anordnungen des Majors zu beladen. Das Schienengeleise der Feldbahn, dessen Länge 400 Meter betrug, bestand in seinen einzelnen Theilen aus 1-1/2 Meter langen Jochen, die mittelst Haken schnell und bequem mit einander verbunden werden konnten. Jedes dieser 266 Joche sollte von je einem Mann mit Schulterriemen getragen werden; würde diese Arbeit aber dem Einzelnen auf die Dauer zu schwer geworden sein, so waren, wenn nöthig, höchstens die doppelte Zahl Leute, 532, dafür anzustellen, die zu zwei jedem Joch zugetheilt, diese leicht und ohne Anstrengung transportiren konnten. Von hinten nach vorne, eine Länge von 400 Meter, war jedes Joch zu tragen, bei dem die Träger verblieben bis der letzte Wagen passirt, war, um dann erst aufs Neue nach vorne aufzurücken. Die Wagen, ein jeder mit guter Bremse versehen, waren so eingerichtet, daß an jeder Seite 8 Mann mittelst in Ringe zu hakende Schulterriemen diese bequem ziehen konnten, was auf ebenen Terrain verhältnißmäßig leicht war. Es würden für die vorhandenen 32 Wagen demnach 512 Mann, im Ganzen also 1044 nöthig gewesen sein; mit solcher Anzahl konnten wir es unternehmen, selbst sehr schwieriges Terrain zu überwinden, und was der größte Vortheil, alles Material war stets beisammen, ein Verlust also, wie solcher bei Trägerkolonnen wahrscheinlich gewesen wäre, ausgeschlossen. Zwar sehr schwierig und zeitraubend wäre der lange Weg bis zum Viktoria-Nyanza-See geworden, aber hätte nicht ein unerwarteter Schlag, die zum Abmarsch bereite Expedition an der Ausführung gehindert, unter der Leitung des Majors von Wißmann würde das Schwierigste vollbracht worden sein und wir hätten den See sicher erreicht. Noch in rastloser Arbeit mit dem Aufbau der Bahn beschäftigt, im Vertrauen auf die vom Major abgegebene Zusicherung, wir würden bald nach der Vollendung aufbrechen können, traf am 12. September in Saadani die unglaubliche Nachricht ein, es sei die Kerntruppe, das zelefkische Korps, von den Wahehe vollständig vernichtet worden; die besten Kolonialtruppen, die tüchtigsten Offiziere, die unter Major von Wißmann so rühmlich gekämpft hatten, mitsammt ihrem erfahrenen Führer waren der Uebermacht erbitterter Feinde erlegen. Als kein Zweifel mehr blieb und diese traurige Nachricht durch immer genauere Angaben bestätigt wurde, da war es kein Wunder, daß die Annahme, diese große Niederlage könnte noch Schlimmeres im Gefolge haben, die weiteste Verbreitung fand und daß zunächst die zum Aufbruch bereite Dampfer-Expedition auf ihrem Wege zum Innern ernstlich gefährdet sein würde. Bedenken schwerwiegender Art mußten die Entschlüsse des Majors beeinflussen oder zu nichte machen, wenn ihm die Sicherung seiner Expedition nicht durch eine genügende Schutztruppe garantirt werden konnte und daß dies unmöglich war, lag auf der Hand, da dem Gouverneur von Soden unter solchen Verhältnissen eine Schwächung der Küstenbesatzung nicht zuzumuthen war. Hätte es indeß sein können, so würden den übermüthigen Wahehe sehr bald die Früchte ihres Sieges entrissen, unter Führung Wißmanns die Niederlage gerächt und die aufständigen Häuptlinge zur Unterwerfung gezwungen worden sein. Leider nur zu bald sollten die schlimmen Folgen für die Expedition sich bemerkbar machen, denn Major von Wißmann stellte die Wahrscheinlichkeit in Aussicht, er würde jedenfalls sich genöthigt sehen müssen, seine Expedition aufzulösen und solche zu einer ruhigeren Zeit zur Durchführung zu bringen. Da indes noch nicht all und jede Aussicht geschwunden sei, die Möglichkeit, vielleicht doch noch aufbrechen zu können, vorhanden wäre, so ermahnte der Major das Personal, die Arbeiten an der Feldbahn völlig zu beenden; liege es im Bereiche seiner Macht, brechen wir unter allen Umständen auf. So ging denn alles seinen ruhigen Gang bis plötzlich am 23. September vom Major der Befehl aus Sansibar einlief, die Expedition sei aufgelöst! Es haben sich demzufolge sämmtliche zum Schiffspersonal gehörende Mitglieder am 25. September nach Sansibar zu begeben, um mit dem nächsten Dampfer in die Heimath befördert zu werden. Das war das Ende der stolzen Expedition, auf die die Welt mit Erwartung gesehen hatte, und das große Werk blieb unvollendet. Noch hatte kein Einziger bewiesen, was er zu leisten fähig ist, würde es auch fernerhin nicht können, da das Aufgeben der Expedition für fast alle die Möglichkeit ausschloß, sich dem großen Unternehmen zu widmen, wenn es durch die Energie des Majors v. Wißmann später doch noch zur Ausführung kommen sollte. Die eigentliche Lage, in welcher die junge deutsche Kolonie durch die schwer zu verwindende Niederlage versetzt worden war, hatte also zunächst die Auflösung der Wißmann-Expedition zur Folge und konnte man auch erwarten, Major von Wißmann werde trotz aller Widerwärtigkeiten sie zur Durchführung bringen, so war doch eine Unterbrechung von 8-9 Monaten durch die bald eintretende große Regenzeit geboten. Hätte selbst die Anwerbung einer genügenden Militärmacht sofort ausgeführt werden können, wäre dennoch viel Zeit verloren gegangen, die schweren Regengüsse und die schlechten Wege hätten die Ausführung verhindert. Die Dampfer-Expedition des Major von Wißmann, das sich der Vollendung nähernde Projekt des Dr. Peters, hatten sehr bald gezeigt, daß zur Durchführung so gewaltiger Aufgaben die vorhandenen Geldsummen bei weitem nicht ausreichten, und während wir eigentlich thatenlos an der ostafrikanischen Küste gelegen, hatte sich zur Beschaffung so bedeutender Mittel im deutschen Reiche das Anti-Sklaverei-Komitee gebildet, zu dem Zwecke, durch eine große Lotterie die benöthigten Summen zu erlangen. Die Unterdrückung der Sklaverei an der Küste sowohl, wie im Innern Afrikas, war der Grundgedanke und das nächste dazu, die Ueberführung der beiden Dampfer nach dem großen Seengebiet, deren Bestimmung es sein sollte, dem schmachvollen Gewerbe der Araber Einhalt zu thun. Von der Ansicht ausgehend, die beiden Dampfer nun nicht, wie anfänglich geplant, nach dem Viktoria-Nyanza zu schaffen, weil ~ein~ solches Machtobjekt auf diesem See vollständig genügte, wurde mit Major von Wißmann, der in Egypten weilte, in Unterhandlung getreten, ob er nicht sein Fahrzeug nach dem Nyassa- resp. Tanganjika-See bringen wolle, während der Peters-Dampfer seiner anfänglichen Bestimmung zugeführt werden sollte. Dies schien um so eher geboten, als dann auf zwei Punkten im deutschen Gebiet dem Unwesen der Araber entgegen getreten werden konnte. Major von Wißmann erklärte sich auch mit diesem Projekt einverstanden und wählte den ihm bekannten Wasserweg Zambesi-Schire, mit der festen Absicht, seinen Dampfer nach dem Tanganjika-See zu bringen und dort zu erbauen. Man konnte um so mehr dieser praktischen Idee, nach Möglichkeit den Wasserweg zu benutzen, zustimmen, als sicher zu erwarten war, daß mit geeigneten Mitteln der große Schiffstransport leichter und schneller gefördert werden würde, allerdings müßte dann auch die geeignete Zeit, in welcher diese Flüsse genügende Wassertiefe hatten, nicht versäumt werden. Zur erfolgreichen Durchführung waren, neben den zwei der Expedition zugehörenden großen Sektionsboote, noch vier Stahlleichter und ein Schleppdampfer als für nöthig erachtet worden, deren Fertigstellung sich leider verzögerte, was für den Fortgang der Expedition später recht nachtheilige Folgen hatte. Seit der Zeit, als ich die in Ostafrika weilenden Mitglieder der Expedition im Auftrage des Majors nach Deutschland zurückgeführt hatte, waren etwas mehr als sechs Monate hingegangen, in diesem Zeitraum also vollzog sich die Durchführung des neuen Planes, die Wißmann-Expedition jetzt zum Tanganjika-See zu leiten. Am 11. April 1892 erging an mich die Ordre, mich unverzüglich Herrn Dr. Bumiller in Hamburg zur Verfügung zu stellen und die Anwerbung einer neuen Mannschaft, nach Uebereinkommen in Stettin vorzunehmen. Da zur Auswahl geeigneter Leute mir nur eine beschränkte Zeit gegeben wurde, so war es um so schwieriger, praktische Leute zu finden, denn außer der Fachkenntniß, mußte vor allem die Körperkonstitution des Einzelnen in Betracht gezogen werden; die Garantie mußte vorhanden sein, daß der Ausgewählte, zum Mindesten unter normalen Verhältnissen, allen Strapazen und dem Klima Afrikas gewachsen sei. Die Anwerbung beruhte im Grunde genommen mehr auf Menschenkenntniß, deshalb zog ich sympathische Erscheinungen vor, sofern sie nur den gestellten Bedingungen gerecht werden konnten, mußte ich doch die Thatsache im Auge behalten, daß für lange Zeit gemeinsame ernste Arbeit alle vereinigen und unliebsame Charaktere nur ein störendes Element abgeben würden. Meistens gediente Soldaten, schreckte keiner vor Gefahr und Schwierigkeiten zurück und die Folgezeit hat gezeigt, daß zum großen Theil tüchtige und zuverlässige Leute dieser Expedition sich angeschlossen haben. Zur festgesetzten Zeit, am 27. April 1892, verließ der Postdampfer »Kaiser« mit den Mitgliedern der Expedition, den in einzelne Theile zerlegten Leichtern, sowie dem Schleppdampfer »Pfeil«, der vollständig ausgerüstet an Deck gehißt worden war, Hamburg, und über Amsterdam, Lissabon und Neapel verlief die Reise nach Sansibar schnell und gut. Major von Wißmann, der schon längere Zeit vor Ankunft des Postdampfers in Ostafrika weilte, hatte für ein schnelles Vorgehen seiner Expedition Sorge getragen, sodaß nach unserer Ankunft in Sansibar der Küstendampfer »Peters« schon bereit lag, alle Gegenstände überzunehmen, auch war derselbe bestimmt worden, das ganze Schiff- und Eisenbahnmaterial, welches seiner Zeit in Saadani untergebracht wurde, abzuholen und nach Chinde zu bringen. Die Verladung des Materials von Land in die am Strande liegenden Dhaus leitete Herr von Eltz und Illich, während ich beauftragt worden war, die Entlöschung der Dhaus und die Verstauung aller Sachen in den »Peters« vorzunehmen und zu beaufsichtigen. Kaum vorher ist solche Thätigkeit bei der Expedition entfaltet worden wie in diesen Tagen und als die Arbeit vollendet war, wußte ein Jeder, daß er sein Möglichstes gethan hatte, die endlich vorwärts gehende Expedition zu fördern. Die Abfahrt des Dampfers »Peters« erfolgte am 12. resp. 13. Juni von Saadani-Sansibar, die Ankunft in Quilimane, welchen Ort der Major anfänglich als den Ausgangspunkt der Expedition bestimmt hatte, neun Tage später, am 22. Juni. Major von Wißmann, der mit dem Postdampfer »Kaiser« die Reise nach Mozambique fortsetzte, war bestrebt, hier an der portugiesisch-ostafrikanischen Küste seiner Expedition die Wege zu ebnen und suchte namentlich das Wohlwollen der maßgebenden Behörden sich zu sichern, was unerläßlich war, da der untergeordnete portugiesische Beamte genug Schwierigkeiten zu bereiten weiß. Ebenso sollte von hier aus der kleine Schleppdampfer »Pfeil« in Begleitung eines größeren Seedampfers nach Chinde übergeführt werden, was bei der hohen Dünung, die hier unter dieser Küste auch bei schönem Wetter beständig läuft, nicht ganz ungefährlich war und wirklich für die kleine Besatzung eine gefahrvolle, höchst ungemüthliche Reise geworden ist. Nach Aeußerungen des Majors von Wißmann hat die portugiesische Regierung seiner Expedition die größtmöglichste Unterstützung zugesagt, und offen gestanden, harmonirten wir wohl mehr mit den Portugiesen als mit den Engländern, war doch deren letzthin vollführter Gewaltakt gegen die schwache portugiesische Kolonie keine besondere Empfehlung. Allein, waren portugiesische Versprechungen nur ausgetauschte Höflichkeiten, oder die Absicht thatkräftige Unterstützung nie auszuführen vorweg vorhanden, genug, die Zusicherung blieb höheren Orts nur eine persönlich ausgesprochene Gefälligkeit, weiter nichts, die Organe, denen eine Anweisung darüber hätte zugehen müssen, wußten nie etwas davon und mehr als ein freundliches Entgegenkommen haben wir von portugiesischen Beamten nicht erlangt. Wollte man sich über Portugiesisch-Ostafrika im Allgemeinen ein Urtheil bilden, würde ein solches schon ohne eingehende Beleuchtung interner Zustände, kein Loblied werden, im Gegentheil, zieht man den Jahrhunderte langen Besitz in Betracht, müßte eine ganz andere Kultur und eine andere Entwicklung dieser Kolonie vorausgesetzt werden, deshalb kann man auch nur den Portugiesen als Kolonisten ein höchst mittelmäßiges Zeugniß ausstellen. Ein kultureller Aufschwung im Innern des Landes hätte zwar ein großes Kapital, mehr aber noch Verständniß und unbeugsame Energie erfordert, über beides jedoch verfügte Portugal nicht in solchem Maaße, um die Kolonie dem Mutterlande werthvoll zu machen. Somit unterblieb eine durchgreifende Kulturarbeit, und ob auch die Portugiesen einen ungeheuren Bezirk im Besitz haben, sind der eigentliche Ertrag nur die den Eingeborenen auferlegten Steuern und sonstigen Zölle; ob die dadurch erzielten Summen aber genügen, die Beamten und das Militär zu befriedigen, ist eine Frage. Trotz alledem, daß von seiten der Portugiesen während eines so großen Zeitraumes in Handelsbeziehungen kaum Nennenswerthes geschehen ist, haben sich doch lohnende Ausfuhrartikel gefunden und der ganze Handel ist fast im alleinigen Besitz der ansässigen Deutschen, derselbe verspricht eine Steigerung von ungeahnter Größe, wenn, was nicht denkbar ist, Portugal verständige Kolonisirung treibt, oder eine andere Nation die Nachfolge übernimmt. Die Frage nun, welche Nation vielleicht den berechtigsten Anspruch darauf hätte, wenn Portugal seine Kolonie mal veräußern muß, würde zwischen Deutschland und England entschieden werden müssen. Eins nur ist sicher, deutsches Kapital bahnt sich dort immer mehr den Weg und wächst zu einer Macht empor, welches die deutsche Politik gegebenen Falls mit allem Nachdruck zu schützen haben wird, die Sicherstellung desselben in kommender kritischer Zeit bedeutet »Besitz«, dagegen sucht England den schwachen Portugiesen unter dem Scheine eines Rechtes und seiner gewaltigen Geldmittel immer mehr zurückzudrängen und zweifelhaft ist der Besitztitel der Portugiesen auf der Hauptader des ganzen Landes, den Zambesi-Schireflüssen, trotz ihrer daselbst stationirten Flotte. Die Bedeutung des Wortes »Handel ist Macht« hat Portugal für seine Kolonien nie begriffen; zwar im Konkurrenzkampf der Nationen sieht es heute für sich die gewisse Niederlage kommen und unternimmt noch einen Anlauf, um sein gefährdetes Gebiet zu halten, allein ob dieses nicht das letzte Athemholen vor dem Falle ist? -- Kennzeichnend für die Zustände in der portugisischen Kolonie sind auch die häufigen Aufstände der Eingebornen, die, wenn es ihnen nicht an Entschlossenheit und guter Bewaffnung fehlen würde, mit ihrer Uebermacht gar leicht die schwachen Besatzungen zu Paaren treiben könnten, zumal der Makua-Krieger durchaus nicht zu verachten ist. Unter den jetzigen Verhältnissen hat Portugal genug zu thun die Küste zu sichern und das Innere der Kolonie bis zum Nyassa-See ist, wie seit jeher, ein +terra incognita+ geblieben. Von Quilimane, wo der Dampfer »Peters« einige Tage Aufenthalt gemacht hatte, wurde er nach Chinde beordert, weil von dort der besseren Wasserverhältnisse wegen, die Expedition aufbrechen sollte. Auch hatte Major von Wißmann, nachdem er Quilimane als Ausgangsstation aufgegeben hatte, sofort eine Abtheilung Soldaten unter Befehl des Sergeanten Bauer dorthin entsandt, die nahe dem Flußufer an passender Stelle ein provisorisches Lager erbauen sollten, und so fanden wir, als das Expeditionsmaterial mit dem Dampfer »Peters« anlangte, schon einen einigermaßen gesicherten Platz vor, der gesäubert und mit dornigen Gesträuch eingefaßt worden war. Ein sehr reges Leben entfaltete sich nun am Strande, hunderte Hände schleppten die entlöschten Gegenstände in das Lager, andere brachten wieder von weither Baumaterial, Gras und Baumstämme, zum Schuppen und Häuserbau heran, dazu wurden Zelte errichtet, Dornhecken gelegt und um das Bild afrikanischen Lagerlebens zu vervollständigen, exerzierten Soldaten, ertönten Hornsignale. Ein Chaos von Unordnung bot sowohl der Strand als auch das Lager, Eisentheile, Kisten, Kasten, Tauwerk etc. etc. lagerten überall her im Sande und es schien in der That schwer zu sein, aus solchem Wirrwarr klug zu werden, indeß nur vorübergehend, bald reihten sich die Arbeiterkolonnen Mann an Mann, die dirigirt von Europäern, jedes Stück an seinen Platz hinschafften. Der kleine »Pfeil« leistete uns beim An- und Abschleppen der Leichterfahrzeuge wesentliche Dienste, namentlich bei stark laufender Ebbe und Fluth, denn die reißende Strömung erschwerte die Arbeit des Entlöschens ungemein. Sobald das benöthigte Material an Land geschafft worden war, wurde unverzüglich mit der Aufstellung und Zusammensetzung unserer zerlegbaren Boote und Leichter begonnen und unter den geschickten Händen der Handwerker wuchs das Werk zusehends, so daß schon nach Verlauf von acht Tagen einige Boote und ein Leichter zu Wasser gebracht werden konnten. Bald lag denn auch die kleine Flotille mit voller Segelvorrichtung versehen zum Aufbruch bereit und nur die sehnsüchtig erwartete Post verzögerte die Abfahrt; war es doch eines jeden Wunsch, ehe er dem Weltmeer und der Civilisation valet sagen mußte, noch einen letzten Heimathsgruß zu erhalten! Leider aber vergeblich war das Hoffen; nach wochenlanger Rast in Chinde zogen wir hinaus in die Wildniß zu wagen und zu kämpfen. -- Ehe ich nun in den folgenden Kapiteln die Schicksale der Expedition etwas eingehender aufzuzählen mich bemühe, will ich noch diejenigen Mitglieder, Charge und Namen, anführen, die ihr ganzes Können an die Ausführung der großen Aufgabe gesetzt haben. Führer der Expedition: Major von Wißmann, sein Adjutant Dr. Bumiller; Transportführer: Herr v. Eltz; Offizier: Leutnant Bronsart von Schellendorf; Arzt: Dr. Röver; Proviantmeister: de la Fremoire, Illich; Herr Franke, Maler. Sergeanten: Bauer, Eben, Krause. Zum Schiffspersonal gehörten: Kapitän Prager; die Steuerleute Gerloff, Wissemann; die Maschinisten Spenker, Engelke; die Zimmerleute Riemer, Ottlich; Schiffsbauer und Kesselschmiede Zander, Brückner, Eickershoff, Wedler, Knuth, Grünhagel und Domann. Mit anwesend in Chinde waren noch: Herr Regierungsrath Edler von Grunow und Herr von Tippelskirch. 1. Aufbruch der Expedition. In dem nach der Chinde-Mündung zu liegenden Gebüsch konnte nur noch dürftiges Brennholz gefunden werden und häufig in Ermanglung desselben schleppten die Soldaten trockenes Rohr heran, um damit ihre Mahlzeiten zu kochen. Mit der Zeit aber wurden wir genöthigt, alle paar Tage ein Boot mit Mannschaften oberhalb Chinde in dem dort weit ausgedehnten Gebüsch zu senden, die Holz zu schlagen hatten, und als die Zeit herannahte, daß wir uns zum Aufbruche rüsteten, gingen täglich in aller Frühe Boote ab, die Abends beladen zurückkehrten. Oft genug erzählten dann die Leute, was sie an Flußpferden, Krokodilen und Schlangen gesehen hätten und wie namentlich Krokodile, von Kugeln getroffen, durch Ueberschlagen versucht haben, vom Ufer fort in ihr Element zu gelangen. Abends an den Wachtfeuern wurde das Mögliche und Unmögliche erzählt; indeß jeder war zufrieden, wenn es am Morgen bei der Arbeitsvertheilung hieß, die oder die Abtheilung ist zum Holzschlagen kommandirt, anstatt zu exerzieren, dann hatten doch die Betreffenden Gelegenheit, aus eigener Anschauung die Wahrheitsliebe ihrer Gefährten zu beurtheilen. Ueberdem ließ die Gewißheit, daß an den Ufern des Zambesi-Flusses kein Holz zu erhalten ist, es nothwendig erscheinen, möglichst viel Brennholz für unsern Dampfer »Pfeil« mitzunehmen, wenigstens so viel, um Schupanga zu erreichen, wo solches wieder in größeren Mengen vorhanden sein sollte. Wie unter den Europäern das Fieber allmählig die Reihen lichtete, d. h. sie für einige Zeit arbeitsunfähig machte, so kamen nicht minder unter den Soldaten Krankheiten zum Ausbruch, die in einzelnen Fällen tödtlich endeten; womit besonders nicht zu spaßen, war der Ausbruch der Pocken unter den Suaheli. Diese Krankheit, in den Distrikten Ost- und Central-Afrikas weit verbreitet, fordert jährlich viele Opfer, und obgleich im Lager sofort eine Absonderung der Erkrankten vorgenommen wurde, starben dennoch mehrere. Indeß die getroffenen Vorsichtsmaßregeln verhinderten wenigstens eine Verbreitung der Seuche, obwohl sie trotzdem immer wieder zum Ausbruch kam und Opfer forderte. Wie erwähnt, warteten wir vergeblich auf die Ankunft des deutschen Küstendampfers »Wißmann« (dessenwegen vom Major der Aufbruch der Expedition um Tage verschoben worden war), der noch nothwendige Sachen bringen sollte, die namentlich für den ersten Transport werthvoll waren. Die Verzögerung war durch den Totalverlust des deutschen Dampfers »Emin«, der auf offener See gesunken war, hervorgerufen; erst als diese traurige Kunde zu uns gedrungen war, gab der Major das nutzlose Warten auf und bestimmte den 14. Juli als den Tag des Aufbruchs. Ein reges Leben entfaltete sich in den Morgenstunden dieses Tages im Lager -- Zelte wurden niedergelegt, Kisten und Kasten gepackt -- und als die Einschiffung auf Leichter und Boote begann, flog manches Kommandowort hin und her, ehe jeder seinen Platz gefunden hatte; namentlich die Ruderer und Soldaten mußten sich mit sehr geringem Raum behelfen, was bei der großen Anzahl Menschen gewiß nicht angenehm war. Kurz vor 3 Uhr Nachmittags rief die Trompete zum Sammeln und als die Zurückbleibenden in Reih und Glied angetreten waren, hielt der Major noch eine letzte Musterung ab; ein schnelles Abschiednehmen, ein flüchtiger Händedruck, dann verließ mit dreimaligem Hurrah die kleine Flotille den gastlichen Strand und ging einem ungewissen Schicksal entgegen. Mancher sah an diesem Tage das blaue Meer zum letzten Male, hörte das Brausen der Brandung deren Donnern wie Grüße aus der fernen, fernen Heimath herüberklangen -- sollte doch die leichte Barke viele nicht zurückführen zum unendlichen Ozean, sondern ihnen, fern im Innern Afrikas, von Feindeshand gefallen oder vom tückischen Fieber hingerafft, ein stilles vergessenes Grab bereitet werden, das keine treue Hand je pflegen kann. Wohl keiner von allen, außer dem Major, empfand die Bedeutung dieser Stunde so wie ich, war doch endlich das Kommandowort »Vorwärts« gegeben, auf welches diese Expedition so oft gewartet hatte, der, ebenso marschbereit wie heute, das Schicksal schon zweimal ein »Zurück« zugerufen hatte. Nun endlich das Vorwärts erklungen, wußte ich auch, daß, mochten die Hindernisse noch so groß, die Mühen schwer sein, das angefangene Werk unter Führung des Majors von Wißmann, vollendet werden würde. Solange die Boote im Schlepptau des »Pfeil« mit halber Kraft gegen den starken Strom vorwärts gezogen wurden (die Flotille bestand aus einem Leichter, den beiden großen Sektionsbooten und einem Stahlboot des »H. v. Wißmann«), ging die Fahrt leidlich gut von statten, als es aber Volldampf vorwärts ging, war der Leichter mit dem provisorischen Steuer nicht mehr zu regieren. Das Fahrzeug schoß bald rechts, bald links quer durch den Strom, und jedesmal mußte die Fahrt des »Pfeil« vermindert werden, um ein Kentern zu verhüten. Im engeren Fahrwasser, wo die Ufer mit hohem Schilfgrase eingefaßt waren, fuhr der Leichter öfters mit solcher Wucht in dieses hinein, daß es nur mit großer Anstrengung gelang, ihn wieder frei zu machen. Vorläufig freilich mußte an der einmal eingeführten Schleppmethode festgehalten werden, zumal keine Zeit zu verlieren war, wenn wir noch bis Abend die portugisische Hauptstation Sombo erreichen wollten. Zu unserer linken Seite waren die Ufer steil und hoch, bis zum Rande mit Bäumen und Gebüsch bewachsen, wo hindurch kleine Oeffnungen zuweilen einen kurzen Blick auf halb verborgen liegende Ansiedelungen der Eingebornen gestatteten. Noch mehr bekundeten Bananenpflanzungen die Nähe eines Dorfes, und fast immer liefen auf das keuchende Geräusch des Dampfers die halbnackten Bewohner herbei und steckten neugierig ihre Köpfe durch die grünen Büsche, oder sammelten sich in kleiner Anzahl auf der Uferböschung, um uns mit Händeklatschen zu begrüßen. Solchen Gruß unterließen unsere Soldaten nicht zu erwidern; war das Ufer nahe genug, flogen Zurufe hin und herüber, die meistens zur Folge hatten, daß die Frauen bald aus dem Gesichtskreise verschwanden, die derben Soldatenspässe schienen für die zarten Ohren der schwarzen Damen selbst hier im Urbusch nicht passend zu sein. Zur rechten Seite hatten wir dagegen dichtes Mangrovengebüsch, durchflochten mit Lianen, deren schillernde Blüthen sich tief über das dahinrauschende Wasser neigten. Verborgen im Schatten des Blätterdaches aber warteten der schwarze und weiße Reiher, der rosasarbene Flamingo und andere Vogelarten ihrer Beute. Zuweilen, als wären sie aus ihrer Ruhe gestört worden, sprangen kleine Affenarten neugierig im Gezweige der Bäume hin und her, die durch schallende Laute Erstaunen oder Furcht bekundeten, kamen wir aber dem Ufer so nahe, daß die überhängenden Zweige Boot oder Leichter streiften, dann flatterten erst die furchtlosen Vögel davon, um wenige Schritte weiter dem ungewohnten Treiben wieder zuzuschauen. Vor oder hinter uns tauchte auch bisweilen der Kopf eines oder mehrerer Flußpferde auf, deren Prusten weithin hörbar, am nächsten mit dem dumpfen Gegrunze eines Schweines zu vergleichen ist, auch berechtigt höchstens der Kopf eines solchen plumpen Thieres die Bezeichnung »Flußpferd«, sonst an Gestalt kommt es keineswegs dem Pferde nahe. Nach kurzer Umschau verschwanden die Thiere meistens sehr bald, um plötzlich an irgend einer anderen Stelle wieder hoch zu kommen, sie machten sich auch stets durch das erwähnte Grunzen bemerkbar. Auch Krokodile, verborgen im Schilf oder im Blattgewirr der Lianen, die in träger Ruhe dicht am Ufer sich sonnten, wurden durch die Annäherung der Boote aufgescheucht; oft machte uns erst der Ruf unserer Leute »mamba« auf solchen gefährlichen Gesellen aufmerksam, der schnell die Wasserfluth durchschnitt und in die Tiefe verschwand. Die Schatten der Nacht begannen schon kurz nach Sonnenuntergang sich über diese Urnatur auszubreiten, als vor uns in einer Biegung des Chindearmes das portugiesische Settlement sichtbar wurde. Weit von der Mündung des Zambesi, war hier eine verhältnißmäßig großartige Anlage geschaffen worden, deren Hauptzweck die Erbauung von Kriegsfahrzeugen ist, von denen eine Anzahl vor dieser Niederlassung zu Anker lag. (Es ist bekannt, daß die beständig wechselnden Wasserverhältnisse des Zambesi eine eigenartige Schiffskonstruktion bedingen, um auch bei niedrigstem Wasserstande noch den Fluß befahren zu können und daher hat man das Pontonsystem als das praktischste in Anwendung gebracht.) Man könnte sagen, eine ansehnliche Flotte repräsentirt hier die portugiesische Macht, indeß von einer Aktivität derselben haben wir später auf unserem beschwerlichen Vordringen nichts bemerkt. Wüßte man nicht, daß noch weit den Schirefluß hinauf, ja bis zu den Ufern des Nyassa-Sees selbst, viel von diesem ungeheuren Gebiet in Portugals Besitz wäre, so könnte man fast meinen, Englands weitreichender Arm hätte auch hier schon die Herrschaft an sich gerissen, da nur Dampfer unter englischer Flagge diese Flüsse beherrschen. Zwar entwickelte sich zu jener Zeit der Verkehr auf diesen Wasserstraßen erst allmählich; was aber die Entfaltung des Handels gezeitigt, war englische Energie und englisches Kapital, und ausnahmslos beherrscht heute in dieser Beziehung die englische Flagge das weite Flußgebiet. Thatenlos sehen die Portugiesen dem Gebahren der Engländer zu, denen sie in ihrem Besitz am Chindearm eine Freistatt gewährt haben; Vortheil um Vortheil, den sie freilich in all den Jahrzehnten ihrer Herrschaft nicht zu verwerthen verstanden haben, wird ihnen aus den Händen gewunden, und fast scheint es, als können sie sich nicht mehr aus ihrem Phlegma aufraffen, um der Gefahr entgegen zu treten. Was aber wohl das Hinderlichste, das ist der eingewurzelte Bureaukratengeist, der über seine Pflicht hinaus, für Fragen von so weitgehender Bedeutung, als eine Handelspolitik sie mit sich bringt, kein Verständniß hat. Ein Beispiel reger Thatkraft, wagenden Unternehmungsgeistes, haben die Engländer hier abermals aufgestellt, sie folgten den vom Forschungsmissionar Lévingston vorgezeichneten Bahnen und faßten allmählich festen Fuß. Ihr schneller Erfolg hat auch die Thatsache bestätigt, daß, wenn erst Central-Afrika unter Kultur genommen ist, dem jungfräulichen Boden noch große Reichthümer entnommen werden können. Dieser internationalen Wasserstraße (Zambesi-Schire) aber sollten deutsches Kapital und deutsches Unternehmen nicht zu ferne bleiben; das mächtig sich entwickelnde weite Gebiet verspricht einem Konkurrenten Englands noch große Vortheile, in Handelsbeziehungen sowohl, als auch in politischer Hinsicht. Wird einst Englands starker Arm dem schwachen Portugiesen zu mächtig, wäre es gut, unserm Vetter ein Halt gebieten zu können; als berufener Konkurrent sollten wir je eher, je lieber den nothwendigen Kampf aufnehmen! Dem Portugiesen bieten wir dadurch einen starken Stützpunkt, denn sicherlich stellen sich Portugals Sympathien auf unsere Seite, und daraus ergeben sich Vortheile von selbst. Der englische Leu hält fest was er gepackt hat und seine Krallen sind scharf; vergeblich sucht sich Portugal dieses Feindes zu erwehren und dieser wird auch Portugals letzte Kolonie verschlingen, hebt Deutschland nicht den Arm zum Schutz des Schwachen. Für diese erste Nacht blieben wir vor Sombo vor Anker liegen. Am nächsten Morgen, als zur frühen Stunde die Trompete wieder zum Aufbruch rief, ließ der Major beim Schleppen der Boote insoweit eine Aenderung nun eintreten, als letztere dicht am Heck des »Pfeil« befestigt wurden und auch der Leichter an einem kürzeren Schlepptau genommen wurde. Das gefährliche Ausgieren fand allerdings dadurch eine bedeutende Einschränkung, indeß der Arbeit am Steuer war immer noch nicht viel abgeholfen. Die Strömung, die Fluth also, zu unseren Gunsten, brachte uns schnell vorwärts und eher als wir gedacht, war der eigentliche Zambesi-Strom erreicht. Hatte oberhalb Sombo urwaldartiger Baumwuchs beide Ufer des Chinde-Armes eingefaßt, Dorf und Hütten der Eingebornen im dunklen Grün verbergend, traten jetzt die Ufer weit zurück, bedeckt nur mit dichtem Rohrgebüsch und hohem Gras; selten nur ragte an höher liegenden Stellen die Fächerpalme über die weite Ebene hin. Ein Bild trostloser Eintönigkeit gewährt der Anblick der gelben Fluthen, die sich dem Ozean entgegenwälzen, und über welche die heiße Sonne brütete. Auf den träge dahinziehenden Wassermassen schwammen Grasinseln und Baumsträucher; den Wasservögeln ein willkommener Aufenthalt, trieben solche dem nahen Meere zu, um in der tobenden Brandung oder in der endlosen Wasserwüste zu verschwinden. Es war um die neunte Morgenstunde, als wir den Zambesi erreicht hatten, und sofort versuchten die durch Sandbänke eingeengte Einfahrt zu passiren. Indeß alle Anstrengung war vergeblich. Der starke Strom, noch verstärkt durch die bereits eingetretene Ebbe, konnte in der schmalen Durchfahrt nicht überwunden werden und nach vergeblichen Versuchen waren wir genöthigt, an der steilen Uferwand halt zu machen. Der Aufenthalt war uns auch insofern willkommen, als wir ein wenig für Leibesnothdurft sorgen und uns Essen kochen konnten, denn vom »Pfeil« war während der Fahrt nichts zu erhalten gewesen, deshalb machten sich unsere Leute mit den Bewohnern des nächsten Dorfes schnell bekannt und veranlaßten sie, Hühner, Eier, Bataten etc. herbeizubringen. Uebrigens die strenge Manneszucht, die unter den Soldaten aufrecht erhalten wurde, war im weiteren Verlauf der Expedition ein großer Vortheil für uns; keiner wagte dem Eingebornen etwas zu nehmen, was dieser nicht freiwillig verkaufen wollte, und schon um des geringen Vortheils halber brachten die Bewohner überall, wo wir mit denselben in Verbindung traten, gerne Lebensmittel heran; denn schneller als wir vordrangen lief das Gerücht von Dorf zu Dorf, daß die fremde Expedition nicht marodire. Es scheinen also von portugiesischen Schiffsbesatzungen des öfteren Anschauungen über das Mein und Dein vorgeherrscht zu haben, die sich mit der Meinung der Eingebornen nicht in Einklang bringen ließen, daher war die Ueberraschung bei den Uferbewohnern groß, weil so viele Soldaten dem armen Neger sein geringes Hab und Gut nicht mal anrührten, viel weniger wegnahmen. Kamen wirklich Streitigkeiten vor und der Eingeborne beschwerte sich, oder ein Europäer sah, daß Unrecht geschah, so wurde allemal zu Gunsten des Negers entschieden, ja selbst bei schwereren Vergehen der Thäter hart gestraft. Während des mehrstündigen Aufenthalts an diesem Orte machte ich auch eine Streife durch das Dorf und fand Weiber und Kinder aufs eifrigste beschäftigt, Mais und Mtamamehl herzustellen, und solches in möglichst großen Mengen gegen ein paar Kupferstücke an unsere Soldaten zu verkaufen. Was mich aber nach kurzer Umschau zu einer eingehenderen Untersuchung verleitete, waren die bekannten Töne eines grunzenden Borstenviehs. Selbstverständlich hegte ich den Wunsch, mir den Ort, von wo die verlockenden Töne herkamen, sowie die Gesellen darin etwas näher anzusehen. Verargen kann es mir wohl niemand, wenn die Hoffnung nach dem Besitze eines Schweines sich in mir regte und ich schon mit der Gewißheit rechnete, heute Abend am Lagerfeuer einen saftigen Braten für uns zubereitet zu sehen, war es doch ziemlich lange her, seit wir uns zum letzten Male an solchen Leckerbissen erfreut hatten. Allein ich hatte mich gewaltig getäuscht und die Rechnung ohne den Besitzer vorschnell aufgestellt. Zwischen den Hütten schließlich zum primitiven Stall angelangt, der das Gesuchte enthielt, präsentirten sich mir ein großes und zwei kleine Schweine, unter welchen ich mir mit kundigem Blick, das Beste schnell aussuchte. Ahnungsvoll und um seinen seltenen Reichthum besorgt, war der Eigenthümer mir auf dem Fuße gefolgt und trat aus der Reihe der Neugierigen sofort hervor, als ich den Nächststehenden zu verstehen gab, daß ich mir eines dieser Thiere gerne mitnehmen möchte. Der Besitzer nun, nachdem er seine Reverenz durch einen tiefen Bückling und Kratzfuß gemacht hatte (diese äußere Ergebenheit haben die Portugiesen den Eingebornen beigebracht, viel mehr nicht), erklärte, daß er keines seiner Lieblinge verkaufen wolle, es seien die einzigen im Orte und er will sie zur Zucht groß ziehen. Ich gab mir Mühe, seinen etwaigen Irrthum, er könnte bei dem Handel zu kurz kommen und darum nicht zuschlagen wolle, zu zerstreuen, ließ auch einen Dolmetscher rufen und ihm einen verlockenden Preis bieten, Zeug oder Geld, gleichviel; aber der Kunde blieb fest, obwohl er kaum jemals soviel Geld sein eigen genannt hat, als ich ihm für den Handel bot. Die Schweinchen mußten ihm wirklich ans Herz gewachsen sein, sonst ist der Neger nicht so hartnäckig, wenn er auch lange feilscht, giebt er schließlich für einen guten Preis doch sein Eigenthum fort. Genug, ich war um einen saftigen Braten gekommen, den ich so gerne mit den Gefährten getheilt hätte. Bis 1-1/2 Uhr Nachmittags rasteten wir an der Einfahrt zum Zambesi und versuchten darauf aufs Neue den zwar noch starken aber nicht mehr so reißenden Strom zu passiren, was uns auch nach vieler Mühe gelang. Nun zogen wir durch die schmutzig gelben Fluthen des breiten Stromes hin und sahen hinter uns für kurze Zeit noch einmal den unbegrenzten Horizont, von ferne klang es wie Wogenrauschen an unser Ohr, ein letztes Grüßen vom ewigen Meer! Bald traten die Ufer weiter zurück; namentlich zur Linken schienen sie sich kaum merklich von der gelben Wasserfläche abzuheben und nur Schilf und mächtige Rohrgebüsche bezeichneten die Grenze. Sandbänke, die wie Inseln zerstreut lagen, engten die Fahrstraße ein, was zur Folge hatte, daß wir zeitweise gegen starken Strom und Strudel ankämpfen mußten. Es erforderte eine besondere Kenntniß, zwischen den Untiefen hindurch den richtigen Weg zu finden, war doch auf der weiten Wasserfläche nichts, was einen Anhalt gab, und meinte man, wo schnell fließender Strom sei auch genügende Tiefe zu finden, war das Gegentheil der Fall. So lange wir den Anweisungen unseres Lootsen folgten, hatten wir nur einige Male uns durch Rückwärtsgehen von Wellsand frei zu machen oder mit voller Dampfkraft hindurch zu arbeiten; indeß als einmal ein größerer Umweg erspart werden sollte, den der Lootse für rathsam hielt doch zu machen, hatten wir unser Besserwissen fast theuer zu zahlen. Wir hatten nämlich den Leichter dicht hinter dem »Pfeil« an zwei Leinen so befestigt, daß dieser nicht ausgieren, aber auch nicht ausweichen konnte, als nun der Dampfer mit voller Kraft auf eine Untiefe auffuhr, schossen alle Boote so aufeinander, daß das Vordertheil des Leichters in das Heck des Dampfers fuhr und eine starke Verbiegung die Folge war, das große Stahlboot dagegen dem Leichter ins Hintertheil lief und diesem eine nicht geringe Beschädigung beibrachte. Zum Glück waren die Eisenplatten so elastisch und die Verschraubung so gut, daß unter der Wasserlinie keine Leckage entstanden war und wir nach halbstündiger Arbeit unsern Weg fortzusetzen vermochten. Je weiter wir vordrangen, je belebter wurde ringsum die Wasserfläche; auf stromabwärts treibenden Sträuchern oder Grasflächen saßen weiße und schwarze Fischreiher verborgen, die mit scharfem Auge nach Beute spähten. Fast nie von Menschen gejagt oder belästigt, kennen diese Thiere keine Furcht, kaum daß der Knall des Gewehres sie aus ihrer Ruhe aufscheuchte. Fast auf jeder Sandbank, möglichst nahe dem Wasser, konnten wir vereinzelte Krokodile in träger Ruhe liegen sehen, die bei der Annäherung unserer Boote langsam in das nasse Element verschwanden. Auffällig aber war, daß diese Thiere, wenn sie sich in der Mitte einer Sandbank befanden, vorsichtig zum Wasser krochen, um, sobald sie Gefahr witterten, oder eine Kugel in ihrer Nähe einschlug, sich mit der Kraft ihres Schwanzes in das Wasser zu schleudern; und stets entgeht das Thier dem Jäger, sofern es nicht zum Tode getroffen auf dem Flecke liegen bleibt. Nicht minder suchen die kolossalen Flußpferde die trockenen Stellen im Strombette auf, um sich im heißen Sande der süßen ungestörten Ruhe zu überlassen, bis die Nacht herniedersinkt und sie die Wanderung in die weiten Grasgefilde antreten, wo sie große Massen des saftigen Grüns verzehren. Sehr gesellig, lieben es die Flußpferde sich in größerer Zahl, meistens in Familien getheilt, bei einander aufzuhalten. Mit großer Sorgfalt hegt auch die Mutter das Junge, auf deren Rücken dieses seinen ständigen Aufenthalt hat; ob im Wasser schwimmend oder in der Nacht zur Weide trabend, immer wird das Kleine mit den verhältnißmäßig sehr kurzen und plumpen Beinen am Halse der Mutter sitzen, die ihr Junges stets gegen jeden Feind mit großem Muth vertheidigt. Ernste Renkontre mit den Flußpferden haben mich die Eigenart dieser Thiergattung kennen gelehrt, und im Laufe der Erzählung werde ich verschiedentlich darauf zurückkommen. Zuweilen führte uns unser Weg nahe dem Ufer zur linken Seite; und hatten wir hin und wieder schon einzelne Schaaren großer Vögel passirt, so nahmen solche an Orten, wo das Ufer ganz flach auch zum Theil mit Wasser ganz bedeckt war, beträchtlich zu. Man könnte sagen, wie aufmarschirte Bataillone standen langbeinige Reiher, weiß und schwarz, rosa Flamingos, Kranicharten, unbeweglich am Rande des tieferen Wassers und warteten mit stoischer Ruhe auf ihre Beute. Näherten wir uns den Schaaren, stimmen diese ein lebhaftes Konzert an, und die meisten der Thiere erhoben die gewaltigen Flügel, um solche durch Flattern mit Luft zu füllen. Aber erst einschlagende Kugeln zwangen sie, sich in die Lüfte zu erheben und einer schwarzen Wolke gleich, flatterten die Hunderte mächtiger Vögel empor. Jede Art für sich, kreisten sie dann kurze Zeit, um sich am selben Orte, oder, wenn das Ufer ober- und unterhalb gleich günstig war, in kurzer Entfernung wieder nieder zu lassen. Mit Schrot waren der zu großen Entfernung halber die eßbaren Vogelarten, als Gänse, Enten nicht erreichbar; eine Kugel in solche Schaaren geschossen, meist zwecklos; wollten wir aber, wenn sich eine günstige Gelegenheit bot, den Thieren nahe genug kommen, um einige zu erlegen, so hätte es größeren Aufenthalt erfordert, wozu uns die eigenartige Beschaffenheit des Flusses, dem wir unsere ganze Aufmerksamkeit zuwenden mußten, keine Zeit ließ. Ist hinter Berg und Wald der letzte Strahl der scheidenden Sonne entschwunden, kommt in den Tropen schnell die Nacht herauf, daher hatten wir auch bei Zeiten uns nach einer günstigen Anlegestelle umzusehen, und an einer öden Grasfläche des niedrigeren Ufers zu unserer Rechten gelang es, die Boote anzulegen. Nach gethaner Arbeit entfaltete sich darauf am Ufer ein bunt bewegtes Leben; Zelte wurden aufgerichtet, Grasflächen mit Faschinenmesser niedergemäht, alles Nothwendige für die Nacht aus den Booten herbeigeschafft, und nicht eher hatte das Hin- und Herrennen ein Ende, als bis die Lagerfeuer angezündet und jeder mit der Zubereitung des frugalen Abendessens beschäftigt war. Meistens, um den unvermeidlichen Trubel zu entgehen, zog der Major späterhin es vor, sofort nach erfolgter Landung eine Jagdstreife zu unternehmen; kehrte er zurück, mußte inzwischen das Lager für die Nacht hergerichtet, Posten ausgestellt und das Abendessen bereitet sein. Der Umstand, daß hier noch starke Ebbe und Fluth bemerkbar war, erforderte in dieser Nacht strenge Aufsicht bei dem Leichter und den Booten, damit diese sich nicht bei fallendem Wasser auf dem abschüssigen Grunde auffingen. Aber so klar und deutlich auch die Posten instruirt worden waren, so saßen die Boote gegen Mitternacht doch alle fest, und was bei geringer Achtsamkeit mit wenigen Leuten hätte ausgeführt werden können, durch Abschieben vom Ufer mittelst Stangen die Fahrzeuge frei zu halten, erforderte nun, nachdem ich mich bei einem Rundgange von der Unachtsamkeit überzeugt hatte, die Anstrengung aller unserer Bacharias. Die Leute mußten schließlich in das Wasser und so, gegen Grund und Bord sich stemmend, die Boote wieder flott machen. Das rapide ablaufende Wasser machte es nöthig, daß während des Restes dieser Nacht Europäer die Wache übernahmen und auf ein fortwährendes Abbäumen vom Ufer acht geben mußten. Die frühe Morgenstunde, als die Trompete zum Aufbruch rief, fand fast alle müde und ermattet; nach solcher Nacht war es kein Wunder, daß wir uns abgespannt und marode fühlten, konnte doch keiner sagen von denen, die im Freien hatten wachen müssen, ihm wäre behaglich zu Muthe gewesen. Empfindlicher noch war das Entbehrenmüssen des warmen Kaffees, der wenigstens die Lebensgeister etwas aufgefrischt hätte, aber Gras und Holz vom starken Regen durchnäßt, wollten absolut nicht brennen und Zeit zu neuen Versuchen hatten unsere Diener nicht, denn sobald das Zelt des Majors zusammengelegt worden war, mußte auch alles zur Abfahrt bereit sein. Die schlechten Wasserverhältnisse auf dem Zambesi hatten uns gelehrt, vorsichtig zu sein, und um nicht wieder durch plötzliches Aufgrundfahren unsere Boote zu gefährden, wurden sie nun dicht am Hintertheil des »Pfeil« befestigt; ebenso um ein Zusammengieren der Fahrzeuge zu verhindern, wurden sie mittelst starker Ruder in einem bestimmten Abstand von einander gehalten. Auf dem Flusse lagerten anfänglich leichte Nebel, die zwar nicht dicht genug, um uns an der Weiterfahrt zu hindern, aber doch die Fernsicht beschränkten, und mit größerer Vorsicht suchten wir zwischen Sandbänken oder längs dem Ufer uns den Weg. Mühselig war das Vordringen; bald saß der »Pfeil« auf einer Bank fest und arbeitete sich Volldampf rück- oder vorwärts darüber hinweg, bald fuhr er dicht unter dem steilen Ufer gegen eine starke Strömung mit seiner Last, und unausgesetzt war die größte Achtsamkeit erforderlich. Die hohen Ufer boten in ihrer Eintönigkeit nichts besonderes dar, nur hohes Rohr und Gras, seltener Baum und Strauch unterbrachen das Einerlei der öden Landstrecken, dafür aber war diese Oede desto belebter durch die verschiedensten Thierarten, und je weiter wir vordrangen, desto mannigfaltiger entfaltete sich die überreiche Fauna Central-Afrikas. Es war um die Mittagsstunde des 16. Juli, als wir von ferne auf einer größeren Sandbank im Flusse eine beträchtliche Anzahl Flußpferde erblickten, die trotz unserer Annäherung keine Anstalten trafen, ihren bequemen Ruheplatz zu verlassen, ebenso lagerten große Krokodile in friedlicher Gemeinschaft mit diesen Kolossen am Rande des Wassers und schienen ebensowenig Lust zu haben, den wohlthuenden heißen Sonnenstrahl mit dem kälteren Wasser zu vertauschen. Die Ruhe dieser Thiere bewog den Major, in der Nähe der Sandbank halten zu lassen und eine Art Kesseltreiben zu veranstalten; denn soweit vorauszusehen war, konnten wenigstens die Flußpferde nur über flacheres Wasser entkommen und waren vorerst den sicheren Kugeln preisgegeben. Mit dem kleinen Stahlboot landete der Major und begann ein wirkungsvolles Feuer auf jedes der Thiere, das seinen Kopf, vor Wuth brüllend, über dem Wasser erhob. Allein die Klugheit dieser Flußpferde hatten wir doch unterschätzt; einen tieferen, wenn auch nur schmalen Ausgang hatten sie sich zum Entkommen freigehalten, und unter dem Boote weg, entzogen sie sich der Verfolgung. Zwar war der Major überzeugt, daß mindestens eins der Thiere nach kurzer Zeit eingehen würde, dann aber hätten wir im leichten Boot der Heerde flußabwärts folgen und drei Stunden warten müssen, um des nach dieser Zeit an die Oberfläche kommende Flußpferd habhaft zu werden. Die Hoffnung, durch Erlangung eines der Kolosse, dem gänzlichen Mangel an Fleisch, namentlich zu Gunsten unserer Leute, abzuhelfen, war eine irrige gewesen, selbst wir Europäer würden schwerlich ein saftiges Stück verschmäht haben. Solch ein Kiboko ist für den Neger eine besondere Delikatesse, und würden in Gegenden, wo diese Flußpferde für die Ansiedelungen der Einwohner eine große Plage sind, den Eingebornen gute Waffen zur Verfügung stehen, die Verminderung dieser Thiergattung würde schnell vor sich gehen. Sehr gerne würden die Soldaten mit einem »Mamba« (Krokodil) vorlieb genommen haben, wenn sie ein solches am Lagerfeuer unter sich hätten vertheilen können, und wo immer die Möglichkeit vorlag, eines dieser Unholde zur Strecke zu bringen, wurde dem geäußerten Wunsche der Leute entsprochen, allein es wollte nicht gelingen, selbst durch vortreffliche Kopfschüsse diese gewaltigen Thiere auf der Stelle zu tödten. Uebrigens ist dem Krokodil von der Vorsehung auch ein bestimmter Posten angewiesen worden, nämlich insofern, als es als Revierpolizei die Flüsse von allem Unrath reinigt; seine Gefräßigkeit ist derart, daß es mit allem vorlieb nimmt, todtes oder lebendes Gethier, namentlich den Fischen ist es ein gefährlicher Gegner und man kann stets auf Fischreichthum schließen, wo das Krokodil in größerer Anzahl sich aufhält. Suchte das oft 5 bis 6 Meter große Thier seine Nahrung nur in den Flüssen, würde es nicht so gefürchtet sein; es weiß indeß mit Arglist das harmlose zur Tränke kommende Wild, sowie sehr häufig den Menschen zu beschleichen. Häufig, wenn das Krokodil seine Beute nicht mit den Zähnen fassen kann, was der Fall ist, wenn das Wasser am Ufer zu tief, so daß es mit den Füßen keinen Stützpunkt finden kann, schlägt es unerwartet mit dem Schwanze Mensch oder Thier vom Ufer und verschwindet mit ihm in die Tiefe. Welch ein Kampf um solche Beute dann zwischen den Räubern vor sich geht, kann man wohl kaum ahnen. Noch hatten wir zwar keine trüben Erfahrungen gemacht, jedoch sollten uns solche im Laufe der Zeit auch nicht erspart bleiben; Ursache genug, diesem gefährlichen Räuber nach Möglichkeit den Krieg zu erklären, hatten wir, ohne auch daß ein direkter Verlust uns betroffen hätte. Wer einmal das Jammergeschrei der Eingebornen, denen der Unhold ein Kind oder Angehörige weggeraubt, mit angehört hat, legt mit besonderer Genugthuung die Büchse an, um einem solchen das Lebenslicht auszublasen. Die Wahrnehmung, daß wir aus dem Bereich der Ebbe und Fluth gekommen waren, ließ uns der nächsten Nacht zufriedener entgegensehen und, als wir bis Nachmittag 4-1/2 Uhr, nach manchem unliebsamen Aufenthalt, gedampft, legten wir oberhalb vom Orte Inhamcombe (wie der Lootse diese Gegend bezeichnete) an. Bisher hatten wir nur öde von der heißen Sonne ausgedörrte Gras- und Rohrflächen passirt, nun aber schien es, als sollten wir bald wieder Dörfer und Menschen ansichtig werden; wenigstens sicherte uns der kundige Lootse die Erlangung von frischem Proviant zu, wenn er zum Einkauf ausgesandten Leuten als Führer dienen würde. Recht wohlthuend und allen willkommen war die erste angenehme Nachtruhe, welche uns seit der Abreise von Chinde beschieden war, desto mehr nutzte sie ein Jeder aus, hatten doch alle bereits die Ueberzeugung gewonnen, daß wir die Fahrt auf dem Zambesi auch fernerhin nicht als eine Lusttour würden betrachten können, sondern ernste Arbeit, die viel Geduld und Aufopferung erforderte, unser beständiges Loos sein würde. Fraglos war die feste Energie unseres Führers, der nur ein Vorwärts kannte, der beste Stützpunkt, lehrte er uns doch im Kampfe mit den Widerwärtigkeiten und Hindernissen durch sein Beispiel fest auf die eigene Kraft zu vertrauen; Besonnenheit und schneller Entschluß im Handeln wurden die Triebfeder zur großen That. Ehe noch am frühen Sonntagsmorgen die goldene Sonne über dem Horizont emporgestiegen war, leichte Nebel über den unabsehbaren Grasflächen noch gespenstig hin und her wogten, hatte der Ruf der Trompete, deren Klang schmetternd in die Weite getragen wurde, die Schläfer aus süßer Ruh' geweckt; Früh auf war die Parole und Vorwärts das Kommando. Auf der Weiterfahrt näherten sich die Ufer des Zambesi zuweilen bis auf 200 Meter, dann aber waren sie steil und hoch, zwischen denen der Strom mit tieferem Wasser mächtig dahinschoß; schwer kämpfte der »Pfeil« mit seiner Last gegen die wirbelnden Fluthen, und ehe solche Verengung des Flußbettes durchfahren war, vergingen Stunden. Traten die Ufer aber wieder zurück und verflachten, begann aufs Neue das mühselige Hindurchwinden zwischen Sandbänken und Untiefen. An diesem Tage sahen wir zuerst wieder zwischen kleinen Bananenwäldchen verdeckt liegende Hütten der Eingebornen; neugierig lugten die schwarzbraunen Gesichter durch das schützende Grün, bis sie zu Haufen eilend, mit Rufen und Händeklatschen uns ihren Gruß entboten. Fremd war ihnen die Flagge, welche von den Masten unserer Boote wehte, fremd das Schauspiel, soviel uniformirte Soldaten zu sehen, deren Sprache sie nicht verstanden, und waren wir in Rufweite forderten sie Aufklärung von ihrem Landsmann, dem Lootsen; was dieser ihnen aber auch in wenig Worten erklären mochte, das Verständniß fehlte ihnen doch dafür. Zur Aufmunterung ließ der Major zuweilen Hornist und Trommler eingeübte einfache Weisen spielen; mehr noch als uns schien die Musik die Eingebornen zu erfreuen und weit stromaufwärts folgten die jungen Leute solchen nie gehörten Klängen, während altersschwache Greise und junge Kinder sehnsüchtigen Blickes den Fremdlingen nachschauten, bis die Klänge verhallt oder die Flottille ihren Augen durch eine Krümmung im Flusse entschwunden war. Wie erwähnt, hatten wir uns zur Vorsorge in Chinde reichlich mit Brennholz für den »Pfeil« versehen, allein damals ahnten wir nicht, wie groß die Hindernisse und mit welchen Mühen ein Vordringen auf dem Zambesi verbunden sein würde, nun der Mangel eintrat (wir aber noch fern von der Station Schupanga), waren wir gezwungen, nach neuem Brennmaterial Umschau zu halten. In früher Nachmittagsstunde legten wir daher an einer Stelle des hier flacheren, aber mit Baumwuchs reichlicher bestandenen Ufers fest und sofort, mit Aexten und Beilen versehen, zogen die Soldaten truppweise unter Führung ihrer Schauchs (Unteroffiziere) aus, um nach Möglichkeit Holz herbeizuschaffen. Nach der Quantität war der Ertrag ein guter, allein die Qualität ließ viel zu wünschen übrig; indeß konnten wir noch zufrieden sein, wenigstens die Aussicht auf ein Vorwärtskommen nicht eingeschränkt zu sehen. Es war bisher jeden Abend eine Musterung unserer Leute vorgenommen worden, theils zum Zweck, ob auch alle vorhanden, theils ob sich nicht Gebrechen oder Krankheiten unter den Leuten entwickelt hätten; war doch eine Befürchtung, daß die Pockenepidemie abermals zum Ausbruch kommen könnte nicht unbegründet, daher wurde auf den Gesundheitszustand besonders acht gegeben. Ueberrascht und mehr noch erschreckt wurden wir, als an diesem Abend es sich herausstellte, daß einige Suaheli, die nicht zur Arbeit angetreten waren, sich auch der Beachtung entzogen hatten, im Leichter krank am Fieber darnieder lagen. Eine sofort angestellte Untersuchung ergab, daß vier Mann bereits schwer an den Pocken erkrankt waren. Sofort wurde von Seiten des Majors eine große Reinigung angeordnet, das Zeug der Kranken verbrannt und diese selbst nach Möglichkeit von allen ihren Kameraden isolirt. Empfänglich für die verheerende Krankheit waren vor allen die Sansibariten, und als ein besonderes Glück konnten wir es betrachten, diese Seuche keine weitere Ausbreitung annehmen zu sehen, als nur unter den Suaheli. Der Grund dafür war wohl in der strengen Abgeschiedenheit zu suchen, welche die Somali, Sudanesen, Abessinier untereinander beobachteten, die namentlich keine gemeinsamen Mahlzeiten und Lagerstätten theilten. Die Gefahr war indeß nicht zu unterschätzen, vielmehr konnte der schlimmen Seuche, trotz großer Vorsicht, eine größere Verbreitung zugemuthet werden, was aber menschliches Können unter solchen Verhältnissen vollbringen konnte, geschah, um nach Möglichkeit der Verbreitung entgegen zu treten. Eine Aussetzung der Erkrankten, welche unter diesen Umständen das Richtigste gewesen wäre, lag leider nicht im Bereich des Möglichen, denn unzweifelhaft wären sie mit der umwohnenden Bevölkerung doch in Verbindung getreten, die Folgen dann aber unabsehbar, hätte die Epidemie zahllose Opfer gefordert und wer konnte die Betroffenen retten! waren wir doch selbst machtlos dagegen. Regenschwere Wolken verhüllten uns am nächsten Morgen des Himmels Angesicht, ein trüber regnerischer Tag mit all dem Unangenehmen, welches ein solcher im Gefolge hat, lag vor uns, naß und kalt, konnten wir fast unsere Stimmung mit dem höchst unfreundlichen Wetter vergleichen. Nach einer nicht minder schwierigen Weiterfahrt, voll Hemmungen und Widerwärtigkeiten, legten wir schließlich, als der Tag zur Neige ging, an einer öden Uferstelle fest; vergeblich hatten wir nach Bäumen Umschau gehalten, und da unser Holzvorrath längst verbrannt, war ein Vorwärtskommen nur noch mit unserm kleinen Kohlenbestand möglich gewesen. So glücklich wie am Tage vorher waren wir nicht; nur die trockenen Blätter der Fächerpalmen schleppten die Leute herbei, welche zur Suche in die weite Grasebene ausgesandt worden waren. Zwar geben die Blätter einen vorzüglichen Brennstoff und entwickelten eine große Hitze, jedoch wie bedeutend auch der Vorrath, in dem glühenden Feuerschlund des Dampfkessels zehrte die Flamme diesen nur zu gierig auf. So unfreundlich wie der Tag, so ungemüthlich war die Nacht, aber nicht bloß der Mensch allein empfand die Unbill der Witterung und fühlte sich unbehaglich, auch den wilden Thieren, welche nächtlicher Weile ihrer Beute nachgehen, schien das vom Regen triefende Gras nicht sonderlich zu behagen. Stimmen, die wir bisher nicht gehört, hallten durch die Stille, das Lachen der Hyäne nahe und deutlich vernehmbar, gab uns die Gewißheit, daß dieser unheimliche Gast das Lager umkreise, hingegen das dumpfe Bellen in der Ferne ließ uns die Anwesenheit des gefährlicheren Leoparden vermuthen. Indeß der etwas freundlicher anbrechende Tag machte uns bald das schlechte Quartier vergessen und froher gestimmt begann in aller Frühe das Tagewerk. Wir hofften, heute, am 19. Juli, die Station Vicente noch erreichen zu können, sofern unser gesammeltes Brennmaterial und unsere wenigen Kohlen ausreichen sollten; wir fuhren durchschnittlich mit 10 bis 12 Atmosphären Druck, welch' hohe Dampfspannung oftmals nöthig wurde, um den »Pfeil« mit seiner Last durch die reißende Strömung hindurch zu bringen. Wie immer, bot sich auch heute günstige Gelegenheit, den träge auf den Sandbänken liegenden Flußpferden und Krokodilen wohlgezielte Kugeln zuzusenden, allein der Jagdeifer hatte sich durch die bisherige Erfolglosigkeit gewaltig abgekühlt, und verlockte nicht ein zu sorgloses Thier, das in nächster Nähe neugierig den Kopf über Wasser hob, den Major einen Schuß zu wagen, unterblieb das Feuern meistens ganz. Erst als der Major mit einem Kleinkalibergewehr, dem Sergeanten Bauer gehörig, ein großes Krokodil aufs Korn genommen hatte, blieb das Thier unter Feuer liegen. Das Rückgrad durchschossen, hatte das Thier nicht mehr die Kraft, seinen schweren Körper zum schützenden Wasser zu schleppen, nur mit dem Schwanze peitschte es den Sand und riß den gewaltigen Rachen weit auf. Ein Jubelschrei ertönte aus vielen Kehlen, als endlich die Aussicht vorhanden war, frisches Fleisch zu erhalten; schneller wie gewöhnlich, war das kleine Stahlboot längsseit, bemannt, und fort ging es die willkommene Beute zu sichern. Drei wohlgezielte Kopfschüsse waren indeß noch nöthig, ehe das mächtige Thier sein zähes Leben endete, das alsdann in das Boot geschleift wurde. Nun konnten wir uns den gefährlichen Räuber aus nächster Nähe betrachten, dessen furchtbares Gebiß namentlich allen Respekt einflößte. Und zieht man den Muskelbau des festumpanzerten Thieres in Betracht, kann man wohl voraussetzen, daß solche Kinnladen, mit über vier Centimeter langen Zähnen bewaffnet, alles zermalmen was dazwischen geräth. Es mochte etwa drei Uhr Nachmittags geworden sein, als wir in einem rechts abbiegenden Flußarm die Station Vicente vor uns liegen sahen. Der kleine Häuserkomplex, der diesen Namen trug, bestand nur aus zwei nach afrikanischer Art errichteten Wohnhäusern und mehreren aus Thon und Gras erbauten Nebengebäuden, sonst ließe sich eher auf das nebenliegende Dorf dieser Name anwenden, obwohl in diesem unkultivirten Lande jede Niederlassung eines Europäers die Bezeichnung Station zu tragen pflegt. Wie so häufig, hatte auch hier der Zambesi-Fluß, wenn in der Regenzeit seine Fluthen kein Hinderniß kennen, sich vor längerer Zeit ein neues Bette gegraben und dadurch eine Insel gebildet, an derem steilen Ufer, nahe der Mündung des alten Fahrwassers, wir eine Anlegestelle suchten. Die Station, an dem alten jetzt nicht schiffbaren Strombette gelegen, war nur mittelst Boote zu erreichen. Deshalb holten wir die Fahrzeuge möglichst in stilleres Wasser, und zwar an eine Stelle, wo die 15 Fuß hohe Uferbank nicht allzu senkrecht abfiel, auch ein Erklimmen derselben noch möglich war. Der Umstand, daß nun gänzlicher Mangel an Brennmaterial eingetreten war, machte es schon zur Nothwendigkeit, hier wenigstens einen Tag Rast zu halten, weil eine schnelle Ergänzung wohl nicht gut angängig sein würde. Einen Tag der Ruhe konnten wir aber als eine willkommene Gunst betrachten, nöthig that es sehr mal wieder gründliche Reinlichkeit und Ordnung auf den Booten herzustellen, um so mehr, da der Major die Absicht hatte, so weit wie möglich vorzudringen; wenigstens den Wunsch äußerte, die in der Ferne gesehenen Moramballa-Berge im Schirefluß, noch zu erreichen, ehe ein Hauptlager und Depot errichtet würde. Sein Befehl lautete denn auch dahin, ehe er den in Vicente ansässigen Portugiesen seinen Besuch machte, daß das Lager für einen längeren Aufenthalt hergerichtet würde. Und als der nächste im Kommando, schaffte ich im Leichter, der speziell unter meiner Aufsicht stand, in welchem auch alle Soldaten Unterkunft gefunden, gründliche Ordnung. Wie an jedem Tage, wenn wir Rast gemacht hatten, so war es auch hier nöthig, erst mit dem Faschinenmesser das hohe Gras nieder zu hauen, um Platz für die Zelte zu schaffen, die auch mit einer kleinen Furche im Erdboden umgeben werden mußten, damit bei etwaigem Regen das Wasser am Eindringen verhindert werde. Das Nothwendigste indes war, sobald die Soldatenzelte herausgeschafft worden waren, entfernt vom Lager einen Platz zu suchen, wo ein solches für Pockenkranke aufgerichtet werden konnte; sollten doch laut Bestimmung des Majors die Kranken unter Aufsicht eines Suaheli, der früher schon diese Krankheit überstanden und somit keine Ansteckung zu befürchten hatte, auf dieser gänzlich unbewohnten Insel zurückgelassen werden. Ein günstigerer Ort konnte so leicht nicht gefunden werden, und siegte die Natur überhaupt über diese den Körper verheerende Seuche, so waren derselben hier die beste Unterstützung, kühle frische Luft und unbedingte Ruhe, gegeben. Meines Wissens kehrte aber nach Wochen, von einem späteren Transport abgeholt, der Wächter allein zurück, nachdem er seinen Kameraden dort ein einsames Grab gegraben hatte. Nachdem den Soldaten freie Zeit zum Abkochen gegeben war, holten sich die Sudanesen das vom Major am Morgen erlegte Krokodil und begannen mit der Zerlegung des über drei Meter langen Thieres. Jedoch als es zur Vertheilung kam, wollten auch Suaheli und andere ihren Antheil haben und, um den entstandenen Streitigkeiten ein Ende zu machen, mußte ich jeder Abtheilung das Ihrige zuweisen. Besonders schienen die Sudanesen die Eier, von denen eine beträchtliche Anzahl im Körper des Thieres vorhanden waren, zu schätzen, denn eher ließen sie ein gutes Stück Fleisch fahren, als daß sie in eine Vertheilung derselben einwilligten, auch sprach ich sie ihnen um so eher zu, da sie doch die Arbeit der Zerlegung sich unterzogen hatten. Die Gewohnheit des Negers von einem Thiere absolut nichts weiter übrig zu lassen als Haut und Knochen, bewog auch Einzelne den Magen des Krokodils einer näheren Besichtigung zu unterziehen. Kleine und größere, fast unledirte Fische, war das erste Ergebniß dieser Untersuchung, dann kamen noch haselnuß-große Steine, Glasperlen und messinge Armringe zum Vorschein. Diese letzten Funde machten es zur Gewißheit, daß dieses Thier vor längerer Zeit ein argloses junges Mädchen oder Weib vom Ufer geraubt hatte und mit seiner kostbaren Beute sich jeder Verfolgung zu entziehen gewußt hat. Die Eingebornen sind gegenüber diesem schlimmen Feinde in der That vollständig machtlos. Ihre scharfen Pfeile vom straffen Bogen geschnellt, die jede Haut eines anderen Wildes durchdringen würden, prallen auf dem festen Panzer des Krokodil machtlos ab; selbst wo ihnen Feuerwaffen zur Verfügung stehen sind diese doch von solcher Beschaffenheit, daß die Kugel nur im glücklichsten Falle dem Menschenräuber eine Wunde beizubringen vermag. Die Entdeckung, daß das Krokodil besonders wählerisch in Betreff seiner Nahrung gewesen war, hielt die Leute nicht weiter ab, das Fleisch des Thieres nach ihrer Methode sorgfältig zuzubereiten, was gewöhnlich in der Weise geschieht, daß es am Feuer oder in der heißen Asche geröstet wird. Soviel war gewiß, der größte Theil unserer Leute erfreute sich eines delikaten Abendessens, »geräuchertes und gekochtes Krokodilfleisch«, während wir Europäer mit Conserven vorlieb nahmen, die unserm verfeinerten Geschmack besser mundeten. 2. Bis zum Lager von Ntoboa und die Erbauung desselben. Die Entdeckung und der befundene Beweis, daß die gepanzerten Unholde so kühne Menschenräuber sind, sollte manchem der Krokodile von unserer Seite Verderben bringen, und als ein Gaudium betrachteten wir es, wenn durch einen guten Schuß solch ein mächtiges Thier todeswund sein Heil in der Flucht suchte, oder auch auf der Stelle getödtet, als Trophäe in das Lager geschleppt wurde. Viel Unheil haben sie auch uns zugefügt, mancher unserer Leute wurde ein Opfer eigener Unachtsamkeit und eine Beute der gefrässigen Räuber, indes abgesehen von denen die ich selbst geschossen, hat jedes Mitglied der Expedition mehr oder weniger den Krokodilen nachgestellt und jeder Menschenraub ist an ihnen furchtbar gerächt worden. Die Bemühungen des Majors in Vicente Proviant und Holz zu erhalten, waren von gutem Erfolg gekrönt; schon am nächsten Morgen brachten Eingeborne Canoes mit Brennmaterial und schließlich lebendes Vieh, als Schafe und Ziegen. Aus den Aeußerungen des Majors aber war zu entnehmen, daß die Portugiesen die Gelegenheit beim Schopf genommen und sozusagen mit Gold sich ihre Gefälligkeit hatten aufwiegen lassen. Am 21. früh, nachdem noch großer Apell angesagt und abgehalten, die zurückbleibenden Kranken und ihr Wärter genügend mit Proviant versehen worden waren, setzten wir unsere Fahrt flußaufwärts mit frischem Muthe fort. Voraussichtlich, wenn nicht zu große Hindernisse zu überwinden waren, konnten wir an diesem Tage noch Schupanga erreichen. So weit wie der Fluß für den vier Fuß tiefgehenden »Pfeil« befahrbar war, ging es denn auch Volldampf vorwärts; wir konnten rechnen, als um 3 Uhr Nachmittags die Häuser der portugiesischen Station in Sicht gekommen waren, nach kurzer Zeit diesen Ort zu erreichen. Ein Creek, der zur Rechten in den Fluß mündete und ein Arm des Hauptstromes war, (hier ebenfalls wie bei Vicente unter denselben Verhältnissen ein Inselgebilde hat) hatte aber durch vorgeschobene Sandbänke, welche durch die Kreuzung der beiden Strömungen entstanden waren, in dem über tausend Meter breiten Flußbett nur eine sehr schmale Wasserstraße freigelassen, durch deren Windungen der »Pfeil« mühsam geleitet werden mußte. Immer noch war es uns bisher gelungen, unter anscheinend ebenso schlechten Verhältnissen den »Pfeil« und die Boote hindurch zu bringen, hier jedoch schien jeglicher Versuch vergeblich zu sein; wieder und wieder rück- und vorwärts arbeitete die Maschine mit aller Kraft, nach Stunden hatten wir kaum einige hundert Meter gewonnen. Endlich, nachdem wir bis oberhalb der Mündung des Creeks gelangt waren, und unmittelbar unter der hohen steilen Uferbank der erwähnten Insel tieferes Wasser gefunden hatten, glaubten wir das Schlimmste überwunden zu haben; indes war die schmale Fahrstraße auch tief, so konzentrirte sich hier die ganze Kraft der Strömung und unser Dampfer, gehemmt durch seine Last, war nicht im Stande diese zu überwinden. Wie oft wir auch die Versuche erneuerten, mit der zulässig höchsten Dampfspannung die Maschine arbeiten ließen, kamen wir doch nur bis zu einem bestimmten Punkt, an welchem der Wirbelstrom so rasend war, daß er Dampfer und Boote im Kreise drehend, augenblicklich aus dem Kurse schleuderte und mit sich hinweg riß; erst in ruhigem Wasser gelang es, Dampfer und Boote wieder gegen den Strom zu richten. Schon zogen die Schatten der Nacht herauf und mahnten uns bedacht darauf zu sein, ein Nachtquartier zu suchen; aber vor uns die wilde Strömung, hinter uns Sandbänke und flaches Wasser, war es unmöglich das Land zu erreichen. Aufs Neue ging es vorwärts, wir sollten und mußten hindurch; mit langen Bambusstangen stand die Mannschaft auf allen Booten zum Schieben bereit und auf ein gegebenes Zeichen tauchten die Stangen in die Tiefe, Menschenkraft vereint mit Dampfkraft suchte Herr der rasenden Strömung zu werden! Alles vergeblich, aus dem Kurse gedrängt lagen Dampfer und Fahrzeuge im Augenblick breitseits im Strome, jeder verzweifelten Anstrengung spottend und trieben machtlos den Sandbänken zu. Was bei früheren Versuchen uns dieser Gefahr entgehen ließ, war der Umstand, daß jedes Mal die Strömung den Dampfer nach der offenen Wasserseite zu abgedrängt hatte und mit vorwärts arbeitender Schraube konnten wir so den Untiefen entgehen. Dieses Mal jedoch riß der Wirbelstrom die Fahrzeuge rechts herum; das Vordertheil des Leichters nun an das Ufer gedrängt, verursachte eine große Hemmung, und da die rückwärts arbeitende Maschine nicht im Stande war, diese zu überwinden, so lagen wir in wenig Minuten auf einer Untiefe in der Mündung des Creeks so fest, daß ein Abbringen der Boote die größten Schwierigkeiten machen mußte. Langes Besinnen in dieser schlimmen Lage konnte verhängnißvoll werden, auch befürchtete ich, sollten wir den Leichter nicht mehr frei bekommen, während der Nacht ein Versanden desselben, was bei den losen vom Strome leicht angehäuften Sandmassen immerhin möglich war. Schnell wurde der »Pfeil« von seiner Last befreit, und nachdem der Dampfer wieder freieres Wasser gewonnen, mit dem Ausbringen eines schweren Ankers begonnen, was uns nach vieler Mühe denn auch gelang. Wie aber vorauszusehen war, konnte der Anker in dem losen Grund keinen Halt gewinnen, denn fünfzig Mann holten diesen durch den Sand, ohne auch nur den Leichter etwas aus seiner Lage zu bringen. Ein zweiter Versuch ergab dasselbe Resultat, und schon sollte eine Schlepptrosse zum »Pfeil« gebracht werden, um mittelst der Dampfkraft einen Erfolg zu erzielen, als plötzlich hinter der nächsten Biegung die beiden englischen Kanonenboote »Herald« und »Mosquito« in Sicht kamen, die unsere Lage bemerkend, so nahe als möglich zu uns hinüber steuerten und zu Anker gingen. Da die Führer beider Schiffe dem Major persönlich bekannt waren, war wohl anzunehmen, daß ein Ersuchen um Hülfeleistung nicht abgeschlagen werden würde. Bald wurde denn auch vom »Herald«, Kapitän Robertson, ein Boot abgesandt, das Erkundigungen einziehen und den Major zwecks näherer Rücksprache an Bord bitten sollte. Im Kommando der Erste, wies Kapitän Robertson bald darauf den »Mosquito« an, querab unserer Boote sich gut zu verankern und den Versuch zu machen, zuerst den Leichter mittelst Ankerwinde frei zu bringen. Doch die beträchtliche Entfernung zwischen Schiff und Leichter, dazu der starke Strom, machten das Herüberbringen einer langen starken Leine sehr schwierig. In weitem Bogen wurde diese von der Strömung fortgeführt, sodaß, als endlich der Leichter erreicht war und ich das Tau gut befestigt hatte, die Kraft und die Spannung desselben beim Einholen so gewaltig wurde, daß es entzwei riß und die Arbeit nochmals von vorne begonnen werden mußte. Beim zweiten Versuch wurde das Tau nicht mehr direkt durch die Strömung zum Leichter geführt, sondern erst eine Strecke geradeaus stromaufwärts gefahren und dann mit aller Kraft die Strömung durchrudert. Auf diese Weise wurde nicht zu viel Leine von den Wassermassen weggeführt, und es gelang, als die Ankerwinde in Thätigkeit gesetzt worden war, das Tau durch die aufgewendete Kraft über Wasser zu bringen. Es bedurfte zwar einer bedeutenden Anstrengung, den Leichter wieder frei zu machen, jedoch, als derselbe erst nur wenig vom Grunde gelöst war, machte es weiter keine Schwierigkeit, ihn gänzlich abzuholen und längsseit des »Mosquito« zu bringen. Ebenso machten wir auch die Sektionsboote frei, von welchen der »Herald« je eins an jeder Seite nahm und darauf über die Untiefen weiter dampfte, gefolgt vom »Mosquito«. So gering war die Entfernung von dem Orte, zu dem wir zu gelangen getrachtet hatten, noch gewesen, daß nach etwa 10 Minuten schon alle Fahrzeuge an einer gut geschützten Stelle anlegen konnten. Wie schon erwähnt worden, ist die Konstruktion der »Stern-wealer« (Hinterraddampfer) für solche Flüsse, von so ungleicher Tiefe wie der Zambesi, die beste, die des »Pfeil« dagegen, so kräftig das kleine Schiff auch war, bewährte sich nicht, einzig allein dadurch, weil der Tiefgang von vier Fuß ein zu großer, freilich nach Art der Konstruktion auch nicht viel verringert werden konnte. All die Hemmungen im Vordringen und der Zeitverlust wurden durch diesen Uebelstand hervorgerufen, wäre hingegen der Tiefgang des »Pfeil« nur 2-2-1/2 Fuß gewesen, dann hätte ein wesentlich anderes Resultat erzielt werden können, wenigstens wäre ein Uebereinkommen unterblieben, das uns in der momentanen Nothlage zwar von großem Nutzen, allein den Engländern einen unschätzbaren Vortheil sicherte. Kurze Zeit nach unserer Ankunft gelangte auch der »Pfeil« zum Anlegeplatz, der, nun ledig seiner Last, mit besserem Erfolg die tiefe, reißende Strömung zu überwinden im Stande gewesen war. Sehr bald loderten die Wachtfeuer im weiten Kreise auf, an welchen die ermüdete und hungrige Mannschaft noch um 10 Uhr das einzige warme Essen an diesem Tage sich bereitete; auch wir Europäer, auf dem Sandboden hockend, ließen uns die karge Mahlzeit, gebratene Süßkartoffeln und aufgewärmte Wiener, gut schmecken, welche unsere Diener noch in Eile hergerichtet hatten. Es bedurfte aber beständiger Aufsicht und häufig selbstthätiges Eingreifen unserseits, wenn wir unsere Speisen reinlich und nach Umständen sauber zubereitet wissen wollten, denn der Neger kann es nicht recht einsehen, warum der weiße Mann in Betreff der Reinlichkeit so penibel ist und er so oft bei ertappter Unsauberkeit gescholten wird. Wie friedlich auch die Nacht ringsum war, in der wir Stärkung zur neuen Thätigkeit und Arbeit zu finden hofften, so war doch der kleine blutdürstige Quälgeist, der »Mosquito«, hier in unheimlicher Anzahl vertreten und ein böser Störenfried. Zu jeder Abendstunde und in jeder Nacht waren diese Mückenschwärme unsere schlimmen Feinde, die uns die nothdürftige Ruhe raubten und deren empfindliche Stiche noch obendrein schmerzhaft waren. Das einzige Mittel gegen diese unglaublich zudringlichen Peiniger ist das dichtgewebte Mosquitonetz, das freilich diese kleinen Thierchen von einer direkten Belästigung abhält, indes ist ihr scharfes Summen nicht minder unangenehm und wer sich nicht eines festen Schlafes erfreuen konnte, dem hielt das singende Schwirren wach, bis trotzdem die Natur ihr Recht forderte. Die Erfahrung, und namentlich das Festkommen der Fahrzeuge, hatte gelehrt, daß unser »Pfeil« trotz seiner starken Maschine und sonstiger guter Eigenschaften, für die Folge der Expedition keine sehr wesentlichen Dienste werde leisten können, nur soweit, als die Wasserverhältnisse es gestatteten, war er uns von großem Nutzen; der stromaufwärts immer flacher werdende Fluß setzte selber diese Grenze fest. Dieser Umstand bewog wohl hauptsächlich Major von Wißmann, den gemachten Anerbietungen der Engländer zuzustimmen, und nach den später in Kraft getretenen Abmachungen sollten diese in folgender Weise zur Ausführung gelangen. Die beiden englischen Schiffe haben der deutschen Expedition ihre Unterstützung zu gewähren und diese zunächst bis Misongwe, dem größten Handelsorte am unteren Zambesi zu bringen. Von dort setzen die Kanonenboote ihre angefangene Reise den Schire aufwärts fort, kehren später zurück und bringen das gesammte Material der Expedition bis nach Port Herald, bis wohin der Schire in dieser Jahreszeit noch befahrbar sein würde. Major von Wißmann schafft in der Zwischenzeit seine Expedition mit Hülfe des »Pfeil« von Chinde nach Misongwe resp. dem Orte, wo die Nothwendigkeit gebietet, ein Lager zu beziehen. Ist nun nach einigen Monaten diese Arbeit vollendet und bis nach Port Herald alles hinaufgeschafft worden, erhalten die Engländer zwei unserer großen Leichter zur freien Verfügung, vermittelst welcher sie das Material für ihre Kanonenboote bis Katunga schaffen können. Mit dem Grauen des nächsten Tages, sobald alles wieder eingeschifft worden war, holten wir die Leichter und Boote über die den ganzen Fluß sperrende Untiefe bis zum Ankerplatz der englischen Schiffe; eine mühevolle Arbeit aber war es, denn oft saßen die Fahrzeuge fest und es gelang erst diese vorwärts zu bringen, wenn Anker an langen Tauen aufgebracht worden waren; wollte auch dieses nichts helfen, mußten alle Mann in das zwei Fuß tiefe Wasser, um zu schieben, gleicherzeit aber auch, um die Last des Bootes zu vermindern. Als der Leichter längsseit der »Herald« gebracht war, suchte das Schiff tieferes Wasser zu gewinnen, aber, abgedrängt durch die Strömung, saß es bald auf Grund und hatte, nachdem der Leichter wieder freigegeben war, Mühe genug, selbst flott zu werden. Dem »Mosquito« gelang es besser, an jeder Seite ein Sektionsboot, wurde die Steuerfähigkeit dieses Schiffes nicht so beeinträchtigt, deshalb gaben wir das kleinere unserer Boote an den »Herald« ab und der »Mosquito« nahm den Leichter auf; endlich nach vielen Windungen, bald rechts, bald links tiefere Stellen suchend, gelangten wir in freieres Wasser. Oberhalb Schupanga dehnen sich weite Waldflächen aus, die bis zum Ufer herantreten und dem weiten Gebiete einen freundlicheren Anblick gewähren, als wie die bisher durchzogenen trostlosen Einöden, die nur mit Rohr und Gras, seltener Busch und Baum, bewachsen waren. Man darf sich unter der Bezeichnung Wald hier noch nicht eine Vergleichung mit den Forsten der Heimath vorstellen, denn, verwachsene Baumarten, untermischt mit schlanken Stämmen, nehmen die Beschaffenheit eines Urbusches an; keine Hand verhindert das Emporschießen des Unkrauts, der Schlingpflanzen etc., und in wilder Ueppigkeit sprießt die Vegetation empor, oft für Mensch und Thier undurchdringlich. Etwa zwei Stunden oberhalb Schupanga, unter einem steilen bewaldeten Ufer, fanden wir die Holzstation. Hier sind jederzeit wenigstens einige Stapel Holz zu erhalten, die ein Halbportugiese verkauft, der den Ertrag dem Gouvernement einzuliefern hat. Diese Mischlinge, dunkler fast als die Eingebornen selbst, kaum daß noch europäisches Blut in ihren Adern nachweisbar wäre, sind furchtbar stolz auf ihre Abstammung, und würde man versucht sein, sie mit dem Neger auf derselben Stufe stellen zu wollen, die bloße Andeutung nur wäre schon eine schwere Beleidigung und ihr Haß nicht ganz gefahrlos. An Gestalt sind sie fast klein und schmächtig, sie haben aber im Laufe der Jahrzehnte unter den Bewohnern des weiten Gebietes großen Einfluß erlangt, und, da vornehmlich das Beamtenthum durch sie vertreten wird, sind sie die besten Kenner der Verhältnisse, aber auch nicht minder schlimme Schatzmeister, die vom Eingebornen nehmen, was erhältlich ist. Da der Holzvorrath hier nicht beträchtlich war, bei weitem nicht den Bedarf der drei Dampfer deckte, so hatte ich gemäß der vom Major erhaltenen Ordre, sämmtliche Leute nach unserer Ankunft mit Aexten und Sägen ausgesandt, um Holz herbeizuschaffen. War bis dorthin, wo das Fällen abgestorbener Bäume sich lohnte, auch eine Strecke zu gehen, hatten wir doch nach einigen Stunden schon einen beträchtlichen Haufen Brennholz zum Ufer geschafft. Inzwischen, um die Mittagsstunde, war auch der »Pfeil« mit dem Major von Wißmann angelangt, dieser hatte, da er absolut die Bank bei Schupanga nicht passiren konnte, einen weiten Umweg machen müssen, und in dem erwähnten Creek, der auch mit dem Hauptstrom in Verbindung stand, eine schmale, aber tiefere Fahrrinne gefunden. Uebrigens ist gerade an diesem Orte, wo der Fluß sich in drei Arme theilt, eine schlechte von vielen Untiefen verlegte Passage; das Fahrwasser ändert sich unausgesetzt. Nach Wochen findet man eine früher passirbare Stelle ganz versandet vor, ohne daß stärkere Strömungen Einfluß gehabt hatten, der lose Sand wird eben bald hier, bald dort abgelagert. Ich war der Ansicht, daß wir uns tüchtig mit Holz für eine größere Tour versehen müßten, weil bis Misongwe kein Holzplatz weiter vorhanden ist; allein die Engländer, die das vorräthige Holz vom Portugiesen aufgekauft, hatten bald ihren Bedarf gedeckt und wünschten, um nicht Zeit zu verlieren, nun ihre Fahrt fortzusetzen. Daraufhin gab der Major Befehl, mit dem Heranschleppen von Holz aufzuhören und mit soviel Aexten als vorhanden wären sofort das Zerspalten und Zersägen vorzunehmen. Hätten wir ahnen können, wie schwierig das weitere Vordringen werden sollte, wie nach kurzer Distanz unüberwindliche Hindernisse sich uns in den Weg stellen würden, ein solches Hasten und Eilen wäre unnöthig gewesen. Wohl wußten die Engländer, daß voraus noch die schwierigste Stelle im ganzen Fluß zu passiren sei, hofften jedoch, die Boote über die Untiefen bringen zu können, sofern nur der »Pfeil« im Stande sein würde, allein hinüberzukommen. Um 2-1/2 Uhr Nachmittags, nachdem die englischen Schiffe die Boote, der »Pfeil« den Leichter längsseit genommen, setzten wir unsere Fahrt flußaufwärts fort. Im Kielwasser des leitenden »Herald« folgend, ging anfänglich alles gut von Statten, bis nach etwa ein und einhalbstündiger Fahrt das erste Hinderniß uns entgegentrat. Eine schmale tiefere Rinne, welche den breiten Fluß quer durchschnitt, gebildet durch angeschwemmte mächtige Bäume, deren Gezweig noch hoch über Wasser emporragte, konnten wir wegen der sich kreuzenden Strömung nicht schnell genug passiren, und seitwärts abgedrängt, kam der Leichter auf Grund, und ehe noch die Taue gelöst werden konnten, auch der »Pfeil«. Während dessen wir nun uns aus der unangenehmen Lage mittelst Anker und Leinen zu befreien suchten, dampften die Kanonenboote voraus, kamen ihnen aber, als wir nach einer Stunde etwa folgen konnten, wieder näher. Der Grund dieser Verzögerung war bald ersichtlich, die beiden Schiffe, trotz 2-1/4 Fuß betragenden Tiefganges, waren nicht im Stande gewesen, eine über die ganze Wasserfläche sich ausdehnende Untiefe zu passiren und hatten sich nach vergeblichen Versuchen so fest gesetzt, daß sie nicht mehr rück- noch vorwärts konnten. Für uns war diese Wahrnehmung eine schlechte Aussicht, den vier Fuß tiefgehenden »Pfeil« hinüberzubringen, denn was die flachgehenden Schiffe nicht vollbringen konnten, mußte für den »Pfeil« eine Unmöglichkeit werden. Indes so leicht ließ sich Major von Wißmann durch entgegentretende Hindernisse nicht abschrecken; ehe das Unmöglich von ihm anerkannt wurde, mußte auch der ernstlichste Versuch gescheitert sein. Das Wollen und Müssen, gepaart mit Energie, war eine mächtige Triebfeder, die das ferne Ziel durch feste Willenskraft immer erreichbar scheinen ließ, so viele und große Hemmungen natürlicher oder anderer Art sich auch entgegenstellen mochten. Nicht lange erst die Zeit durch Ueberlegen verschwendend, wurde nach Angabe des Lootsen die Fahrrinne aufgesucht und dann Versuch auf Versuch gemacht, um diese Untiefe zu passiren. Bald rechts, bald links von dieser, wo immer nur der Peilstock einige Zoll Wasser mehr ergab, arbeitete der »Pfeil« mit vollster Dampfkraft vorwärts; allein alles Mühen war vergeblich. Darauf wurden viele unserer Leute nach allen Seiten ausgesandt, um die Tiefe des Flußbettes zu untersuchen, und, als nahe einer großen Sandbank eine etwas tiefere Stelle gefunden wurde, ging es nochmals vor. Plötzlich aber saß der Leichter fest, durch die Maschinenkraft vorne auf den Grund hoch geschoben, brachen die Befestigungen; der »Pfeil«, ebenfalls gehemmt, erlitt durch den erschütternden Ruck am Inventar Beschädigungen; alles, was nicht fest versichert war, fiel an Deck, die starken Regelingstangen und Sonnensegelstützen brachen oder wurden stark verbogen. So ging es also nicht; der Leichter wurde losgelöst und mir fiel die Ausgabe zu, denselben wieder flott zu machen. Der Major aber versuchte aufs Neue, mit dem »Pfeil« allein durchzukommen. Gewaltige Anstrengungen wurden noch gemacht, nichts unversucht gelassen, um trotz alledem eine Durchfahrt zu erzwingen; hier aber scheiterte die größte Energie und Willenskraft an einem natürlichen Hinderniß, dem gegenüber der Wille machtlos war. Brachten wir nicht den »Pfeil« hinüber, war ein weiteres Vordringen, wenigstens bis Misongwe, wohin schließlich die englischen Schiffe, nachdem sie diese Untiefe nach angestrengster Arbeit überwunden hatten, unsere Boote gebracht hätten, zwecklos. Schließlich, als das Unmögliche nicht möglich gemacht werden konnte, gab der Major weitere Anstrengungen auf und kehrte zum Leichter zurück. Was nun? Auf ein Steigen des Flußes in dieser Jahreszeit war nicht zu rechnen, im Gegentheil, derselbe konnte leicht noch mehr fallen. Der praktische Gedanke, den »Pfeil« zwischen Leichter und Boot zu heben, war ausführbar, indes, da es sich um mehr als einen Fuß handelte, so konnten wir das schwere Schiff mit unsern einfachen Mitteln nicht hoch winden, es blieb also nicht anderes übrig, als den Rückzug anzutreten, oder zu bleiben wo wir waren. Das nahe, etwa fünfzehn Fuß hohe und steile Ufer, unter welchem eine Strecke weit tieferes Wasser gefunden wurde, eignete sich nicht besonders zum Lagerplatz; bis zu der vor wenigen Stunden verlassenen Holzstation zurückzukehren, wo die Uferbeschaffenheit fast dieselbe war, schien, nach den schon überwundenen Schwierigkeiten, noch weniger rathsam, so, kurz entschlossen, wählte der Major von zwei Uebeln das kleinere. Weitere Schwierigkeiten, den »Pfeil« und Leichter unter Land zu bringen, boten sich nicht mehr; bald lagen auch die Fahrzeuge durch ihre Anker wohl befestigt am Ufer. Nachdem wir darauf die steile Uferwand erklommen hatten, suchten wir uns oben einen Platz zum Nachtquartier. Eine weite Grasfläche, im Hintergrunde Busch und Baum und 6-8 Fuß hohe Termitenhügel, war das einzige was sich unsern Blicken darbot, sonst kein lebendes Wesen im weiten Umkreise sichtbar. Das etwa mannshohe Gras verhinderte auch, genügende Umschau zu halten, und erst am nächsten Tage erfuhren wir, daß eine kleine Strecke flußaufwärts, verdeckt durch den nächsten Urbusch, das Dorf Ntoboa liege. Es war in der glühenden Sonne eine heiße Tagesarbeit gewesen, die hinter uns lag, dennoch, bis zur sinkenden Nacht, mußten die von den englischen Schiffen weit über die Untiefe geschleppten Sektionsboote herangeschleppt werden, und die Bootsführer, Proviantmeister Illich und Sergeant Bauer, hatten vollauf zu thun, den ihnen zugegangenen Befehl, die Boote zum Lagerplatz zu bringen, auszuführen. Die Erbauung eines großen Lagers an diesem Orte wollte Major Wißmann den Umständen anheim stellen und erst nach Rücksprache mit den englischen Schiffsführern eine Rekognoszirungstour bis Misongwe unternehmen, die ihm über die Wasserverhältnisse des Flusses weiter oberhalb Aufschluß geben sollte. Auch sollte der nächste Tag erst entscheiden, was gethan werden müßte, nachdem nochmals ein letzter Versuch gemacht wäre, und ob wir denn wirklich vor diesem Hinderniß Halt machen müßten und es absolut keine Möglichkeit gäbe, durchzudringen. Wie vorauszusehen, mißlang ein erneuter Versuch abermals; die unternommene Tour flußaufwärts ergab ebenfalls ein negatives Resultat -- so den Verhältnissen Rechnung tragend, beschloß der Major nach seiner Rückkehr, diesen Ort, den ich inzwischen hatte säubern lassen, als Stapelplatz beizubehalten. Die Leitung und Aufsicht der hier vorzunehmenden Arbeiten sowie der Befehl über die ganze Mannschaft wurde mir übertragen, weil der Major beabsichtigte, nach Chinde zurückzukehren und den nächsten Transport abermals zu leiten. Seine Anwesenheit war dort auch nothwendiger als hier, da in Chinde fast das ganze Personal der Expedition noch des Aufbruchs harrte. Zunächst nun galt es, da wir die schwere Ladung des Leichters, bestehend zum Theil aus der zerlegten Feldbahn, nicht den steilen Abhang hinauf schaffen konnten, das Ufer abzutragen und etwa 5 Fuß über der Wasserlinie eine Art Plattform herzurichten, worauf das Material gelagert werden konnte; Sachen, als Proviant und Schiffsinventar, wurden ganz hinaufgeschafft, um sie besser unter Aufsicht zu haben. Bei den sofort in Angriff genommenen Erdarbeiten stießen unsere Leute unvermuthet auf gefährliche Schlangen, die unter den Wurzeln kleiner Sträucher oder in Löchern ihren Aufenthalt hatten. Es stellte sich heraus, daß wir es mit einer Art der sehr giftigen Kreuzotter zu thun haben und mehrfach wurden 60-70 +cm+ lange Thiere getödtet; war diesen Schlangen wegen ihrer Gefährlichkeit nicht anders beizukommen, wurde dem Reptil durch einen Schrotschuß der Kopf zerschmettert. Kleinere, d. h. junge Schlangen dieser Art, fast immer in Gemeinschaft mit den Alten aufgefunden, konnten wir mit Spaten und Hacken leichter erlegen. Uebrigens war gegen den gefährlichen und nicht selten tödtlichen Biß dieser Kreuzottern große Vorsicht von Nöthen, daher ließ ich es nie zu, daß die zu Erdarbeiten kommandirten Leute mit bloßen Füßen umherliefen; die Gefahr, gebissen zu werden, war zu groß und ärztliche Hülfe unerreichbar. Als einen sehr günstigen Umstand konnten wir die Zutraulichkeit der Eingebornen betrachten, selbst die Häuptlinge erschienen im Lager und wurden stets reichlich beschenkt entlassen. Der Vortheil lag dabei auf unserer Seite; denn wie kostspielig hätte die Heranschaffung von Proviant für so viele Leute wohl werden müssen, wenn wir nicht gegen Zeug und Perlen hätten Lebensmittel eintauschen können. Als später die ganze Expedition hier versammelt war, kamen sogar weit im Inlande ansässige Portugiesen, angelockt durch eventuellen Verdienst, um mit uns Handelsgeschäfte zu machen. Während der beiden Tage, an welchen in rastloser Arbeit das Entlöschen der Fahrzeuge bewerkstelligt wurde, konnte an dem Ausbau des Lagers nicht gedacht werden, und, um nur Schutz zu finden, hatten die Soldaten sich, zu je zwei, aus Baumzweigen und Gras provisorische Hütten erbaut; auf beschränktem Raum vertheilt, boten diese den Anblick eines Karawanendorfes. Die Abreise des Majors war auf Sonntag, den 24. in der Frühe, festgesetzt, indes das geplante Heben des »Pfeil« zwischen Leichter und Boot verzögerte diese bedeutend; es gelang auch den Dampfer um 6 Zoll höher zu winden, was zwar ein Passiren der Untiefe bei Schupanga möglich machte, sonst aber von keinem wesentlichen Vortheil gewesen ist. Im Vergleich zu dem mühsamen Vordringen gegen Strom und Hindernisse, ging die Rückfahrt sehr schnell von statten, bald waren Dampfer und Boote unsern Blicken entschwunden, da die Windungen des Flußes jede Fernsicht raubten. Zurückgekehrt zum Lager trat nun an mich die ernste Pflicht heran, nach bestem Wissen und Können, wie der mir gewordene Befehl lautete, ein Lager zu erbauen, speziell aber darauf zu achten, daß die täglichen Exerzitien, wie sie das Reglement vorschrieb, ausgeführt werden; die Handhabung strenger Disziplin ist die Garantie des Erfolges. Unter meinem Befehl waren 67 Mann und drei Europäer gestellt, eine beträchtliche Zahl, wenn diese in ihrer Gesammtheit als Arbeitskraft hätte Verwendung finden können; allein Hauptzweck waren militärische Uebungen, nach diesen kamen erst täglich einige Stunden Arbeitszeit in Frage. Und zieht man die glühend heiße Sonne in Betracht, die vom wolkenlosen Himmel sengend niederbrennt, Körper und Geist erschlafft, mußte die Zeit ausgenutzt werden, sollte das Werk gethan sein. Die nächste Aufgabe war, Stellen, wo ich Wohn- und Wachhäuser zu bauen gedachte, von dem hohen schilfartigen Grase reinigen zu lassen, auch mußte schleunigst ein Exerzierplatz geschaffen werden, der den übenden Soldaten freie Bewegung gestattete; denn es war in der That in weitem Umkreis nichts als Baum, Busch und Gras. Diese Grasmassen übrigens auszuroden, war keine Kleinigkeit, als mir indes diese Arbeit zu langsam von statten ging, ließ ich mit Faschinenmesser große Flächen niederhauen, dann das in glühender Sonne bald getrocknete Gras in Brand setzen und die Feuersgluth vernichtete unglaublich schnell, wozu sonst viele fleißige Hände Tage lang gebraucht hätten. Oefter zwar vom Winde angefacht, waren wir nicht im Stande, der Feuersgluth eine Grenze zu setzen, trockene Halme und Laub, welches in Massen unter den Bäumen angehäuft lag, wurde ein Raub der Flammen. Soviel Vortheil hatten wir aber doch davon, hatten wir im Busch mit Messer und Axt nicht vordringen können, konnten wir es nach solchem Brande weit bequemer, und wurden auch längst abgeerntete Mtamafelder mit vernichtet, so konnten wir es leider nicht ändern; der Schaden war auf unserer Seite, insofern wir das benöthigte Rohr aus größerer Entfernung herholen mußten. Mit dem Niederbrennen des Grases im Lager und nächster Nähe war die Arbeit nicht gethan, im Gegentheil, die Vernichtung schaffte dem jungen Nachwuchs nur Luft und überaus reichlich sproßen, namentlich nach einem Regenschauer, die neuen Keime empor. Es mußten daher die tief im Boden sitzenden Graswurzeln ausgerodet werden, um dem Wachsthum Einhalt zu thun. Da ich nun nicht die Zeit, sowie ausreichende Kräfte zur Verfügung hatte, erbat ich mir von einem Häuptling eine Anzahl Frauen, die mit ihren Feldhacken das Terrain schnell und geschickt reinigten. Wie bei den meisten afrikanischen Völkern auf den Schultern des Weibes alle schwere und unbequeme Arbeit ruht, so war auch hier keiner der in der Nähe des Lagers träge herumliegenden Eingebornen zu dieser Arbeit trotz reichlicher Bezahlung zu bewegen. Mir lag viel daran, bis zur Rückkehr des Majors, möglichst alle nothwendigen Häuser und Schuppen fertig gestellt zu sehen, waren doch noch reichlich über 200 Soldaten, außer den hier anwesenden, unterzubringen; jedoch, überschritt ich auch zuweilen das vorgeschriebene Reglement und sandte Abtheilungen unter Aufsicht bis weit in das Land hinein, um zum Häuserbau passende Baumstämme heranzuschaffen, so war der Ertrag doch so ungenügend, daß ich mich schließlich genöthigt sah, das hier verbliebene zweite Stationsboot auszurüsten und in die Wälder oberhalb Schupangas zu senden. Ein Arm des Zambesi, in früherer Zeit, nach den Aussagen der Eingebornen zu urtheilen, der eigentliche Fluß, führte auf der gegenüberliegenden Seite weit in das Land hinein, und für Boote noch befahrbar, konnte der große Waldbestand leicht erreicht werden. Zur Abschließung und Einfriedigung des Lagers benutzte ich das bereits erwähnte Mtamarohr; dasselbe wurde in Furchen aufrechtstehend eingegraben, durch querliegende Stengel dann verbunden, erlangte solcher Zaun genügende Festigkeit; nur einen Eingang ließ ich, der von einem Posten unter Gewehr bewacht wurde, so war eine Kontrolle der ein- und auspassirenden Leute möglich. Die nächste Umgebung des Lagers wurde, so weit es angängig, so rasirt, daß ungesehen sich schwerlich jemand dem Lager nähern konnte. Die Aktivität der Soldaten wurde des öfteren durch nächtlichen Alarm geprüft, was hier freilich nur eine Uebung war; wie oft aber mußten sie später unter Major von Wißmanns Führung ernste, schwere Kämpfe durchmachen. Auch ein Theil der jetzt unter meinem Kommando stehenden mußten in schwerer Zeit mit mir ausharren und blutigen Kampf bestehen, namentlich die Sudanesen. Gelang es mir auch nicht ganz, in der gedachten Weise das Lager fertig zu stellen, was einzig seine Schwierigkeit in der Heranschaffung des benöthigten Bauholzes hatte, so war doch alles zur Aufnahme und Unterbringung des nächsten Transportes bereit. Eine regelrechte Treppe zum Fluße gebaut, erleichterte den Aufstieg, in der Front am Ufer fanden Zelte und Proviantschuppen ihren Platz und im Hintergrunde lagen die langen Wohnhäuser der Soldaten. In der Mitte war ein großer freier Platz geblieben, der zunächst als Exerzierplatz Anwendung fand, bis später außerhalb des Lagers ein besserer geschaffen wurde. Die Termitenhügel, von denen im Lager sechs vorhanden waren, hatte ich vorläufig noch unberührt gelassen, einestheils weil sich der Bau dieser kleinen Thierchen, aus einer festen, harten Thonmasse bestehend, für Hacke und Pickaxt zu fest erwiesen hatte, anderntheils weil alle Hügel, entsprechend ihrer Höhe, in der Basis den gleichen Durchmesser hatten, woraus man schließen kann, daß es angestrengter Arbeit bedurft hätte, solch einen Bau dem Erdboden gleich zu machen. Um das wunderbare Treiben dieser etwa einen Zentimeter langen Ameisen besser zu beobachten, deckte ich die Kuppe eines oder mehrerer Hügel mit Axtschlägen so ab, daß alle bis in die Spitze führenden Gänge frei lagen, während aber die Thonmasse selbst hart und fest blieb, waren die Wandungen der Gänge feucht und weich. Sobald Licht und Luft zum Bau Zutritt fanden, zogen sich die in den Gängen arbeitenden Thiere zurück; war durch das Freilegen eine Brutkammer geöffnet worden, scheuten die Arbeiter keine Gefahr, sondern waren nur darauf bedacht, die jungen Ameisen oder Eier schleunigst in Sicherheit zu bringen. Da diese Thierchen in völliger Dunkelheit leben, so habe ich sie am Tage keine Arbeit verrichten sehen, denn die geschlagenen Oeffnungen blieben frei, sobald aber, was bei allen dieser Art der Fall, die Nacht hereinbrach, begann eine rastlose Thätigkeit und ausnahmslos war jeden Morgen auch die kleinste Oeffnung mit noch weichen Thonmassen vermauert. Am Fuße eines Hügels, wo auch die Wandungen entsprechend stärker sind, ergaben geöffnete Stellen wunderbare Gänge. Die Kommunikation war der Art, daß die fingerdicken Wandelgänge nach allen Richtungen hinführten; ein Labyrinth von Röhren, worin nur ein solches Thier, durch seinen Instinkt geleitet, sich zurecht zu finden im Stande ist. Eigenthümliche Erscheinungen waren die Zellen, eigentlich faustgroße Höhlungen, zu und von denen eine beträchtliche Anzahl Wege führten, in denen die Arbeiterameise sehr geschäftig hin und her lief. Erklärlich ist diese Regsamkeit, wenn man bedenkt, wie sorgfältig die Ameisen ihre Nachkommenschaft bewachen und erziehen, und ausschließlich gilt diese Thätigkeit den in den Zellen angehäuften Eiern, die in morschem Holzmehl gebettet liegen, gleichsam als sollte beim Eintritt in das Leben der jungen Brut durch vorwaltende Sorgfalt reichliche Nahrung geboten werden. Wohl kaum denkbar ist es, daß diese abertausend Eier (wo immer auch der Bau geöffnet wurde, fanden sich solche in großer Menge vor) von einer Königin herstammen sollten, im Gegentheil, dazu müssen eine ganze Anzahl fortpflanzungsfähiger Thierchen existirt haben, wenn man auch zugeben kann, daß in solchem Arbeiterstaat nur einer die Königinwürde zuerkannt wird. Die Lebensbedingung der Termiten beruht auf dem Vorhandensein von Holz, das ausschließlich ihnen zur Nahrung dient, darum, wo immer ein Hügel von diesen Thieren gebildet worden, ist vorauszusetzen, daß ein halb oder ganz abgestorbener Baum an jenem Orte gestanden hat; der umbaute Stamm und die Wurzeln dienen dann für lange Zeit als Nahrung. Der größte in einer Ecke des Lagers befindliche Hügel von 17 Fuß Höhe, der in der Basis etwa 60 Fuß Umfang hatte, war in der erwähnten Weise um einen mächtigen zum Theil noch grünenden Baum aufgeführt worden. Es ist wohl anzunehmen, da die Erdmassen körnchenweise aus der Tiefe heraus aufgeführt worden sind, daß es eines langen Zeitraumes bedurfte, solche Hügel aufzuthürmen, und wie ausgedehnt müssen die Gänge und der Bau unter der Erdoberfläche noch sein, wenn man bedenkt, was für ein Volumen solch ein großer Hügel ausfüllt. Bis zur Spitze dieses erwähnten Hügels ließ ich später noch eine Treppe führen und, die Kuppel etwas abflachend, einen Ruhesitz dort oben herrichten, das mächtige schattige Gezweige des Baumes bot einen angenehmen Aufenthalt, und höher im Geäst bot sich eine vorzügliche Aussicht auf die Umgebung dar. Die Beschaffenheit der obern Erdschicht scheint für die Ansiedelung der Termiten eine Hauptbedingung zu sein, denn nirgend wo anders als im Lehm oder thonhaltigen Boden fand ich sie vertreten, dort aber auch in solcher Anzahl, daß man der vielen Bauten wegen diesen die Bezeichnung Termitendorf beilegen könnte; öfter liegen diese Hügel so nahe zusammen, daß zwei oder mehrere in eins vereinigt schienen; hatte dazu die Vegetation auf solchen Hügeln Fuß gefaßt, ließ ihre Ueppigkeit kaum noch die Einzelheit derselben hervortreten. An anderen Orten und zu anderer Zeit, wenn wir an das flüchtige Wild uns heranzupürschen suchten, boten diese Hügel in den Grasgefilden oder an der Waldlisiere gute Aussichtspunkte und Deckung. Das Dorf Ntoboa, von unserem Lager durch einen ausgedehnten Busch getrennt, hatte ich öfter Gelegenheit zu betreten, namentlich, wenn ich die ausgesandten Soldaten bei ihrer Arbeit zu kontrolliren oder anzuweisen ging. In der weiten, das ganze Dorf umschließenden Umzäunung, waren auch die einzelnen Gehöfte, aus Häuser oder Hütten bestehend, mit einem Rohrzaun umschlossen, so daß die einzelnen Familien von einander völlig getrennt, jede ihren besonderen Besitz inne hatte. Ein Anwachsen solcher geschlossener Familien geschieht auf folgende Weise: ein sich verheirathender junger Mann hat fortan sich der Familie seines Schwiegervaters eng anzuschließen und muß seine Hütte in dessen Gehöft erbauen oder aus Mangel an Platz dicht daneben; die Interessen sind hinfort die gleichen, gemeinsames Ackerland, gemeinsame Jagd und Arbeit, soweit von letzterer bei den Männern überhaupt die Rede sein kann. Die ungewöhnliche Erscheinung, peinliche Reinlichkeit in einem Negerdorfe vorzufinden, überraschte mich hier sehr, in der That waren die freien Plätze im Dorfe rein und sauber, wie eine Tenne fest und glatt und gereichten den Bewohnern zur besonderen Zierde. Ernst und zurückhaltend, wie die Bewohner dieses Dorfes waren, kann ich kaum behaupten, daß wir in näherer Beziehung zu ihnen getreten sind; mit weiser Bedachtsamkeit hielten sie sich von uns fern, wiesen auch den sonst unverfrorenen Suaheli in seine Schranken zurück. Traf ich aber auf meinen Gängen Faulenzer im Dorfe herumliegend an, kamen solche öfters nicht ohne handgreifliche Verwarnung weg, was äußerst nothwendig war, um das vorherrschende gute Einvernehmen der Einwohner mit uns aufrecht zu erhalten. Erwähnenswerth sind die wenigen Häuser im Dorfe, welche von einer besonderen Kunstfertigkeit und Geschmack Zeugniß ablegen. Die Art der Herstellung erinnerte mich an die Wohnhäuser der Marschall-Insulaner im fernen stillen Ocean und sind, im Gegensatz zu den runden Hütten mit aufgesetztem Grasdach, eine besondere Erscheinung. Fast überall dort, wo Termitenhügel in der Nähe, bekleiden die Eingebornen die Wände ihrer Hütten innen und außen mit dieser vorzüglichen Thonmasse, diese gewährt hinreichenden Schutz gegen die kalte Nachtluft, die im Verhältniß zur heißen Tagesgluth recht empfindlich sein kann. An Abwechslung, soweit es Gäste betraf, die im deutschen Lager kurze Rast hielten, fehlte es nicht, Engländer, Portugiesen, selbst ein Deutscher, Herr +Dr.+ Merensky, vom Nyassa-See zurückkehrend, nahmen die gebotene Gastfreundschaft dankend an; konnten wir doch jetzt noch, im Beginn unserer Expedition, die Gäste angemessen bewirthen. Von dem Kommen des letzteren Herrn unterrichtet, hatte schon Major von Wißmann mir den Auftrag ertheilt, denselben nicht vorüberziehen zu lassen ohne wenigstens mit ihm gewisse Punkte besprochen zu haben, sollte sich aber Herr +Dr.+ Merensky bewegen lassen, des Majors Rückkehr im Lager abzuwarten, würde er dieses als eine besondere Gefälligkeit zu schätzen wissen. Aber so gerne +Dr.+ Merensky seine lange Reise auch unterbrochen hätte, gestattete die Nothwendigkeit ihm nur einen kurzen Aufenthalt zu nehmen, und ich, meinerseits wissend, der Major könne nicht mehr allzufern sein, ersuchte ihn, auf seiner Weiterreise, wenn angängig, dem Wunsche des Majors zu entsprechen und eine Unterredung herbeizuführen. Das Lagerleben in den Grassteppen und Waldungen Afrikas besitzt, abgesehen von gewissen Entbehrungen, einen eignen Reiz. Es lassen sich aber doch, selbst in einer so unwirthlichen Gegend, diesem angenehme Seiten abgewinnen. Das halbe Kriegerleben, das wir führten, bedingte schon, daß die Waffe unser beständiger Begleiter war, diese daher zu gebrauchen und ihrer sicher zu sein, lag in dem Bestreben aller, und ich meinerseits suchte dieses dadurch zu fördern, daß, sofern Zeit und Umstände es gestatteten, Preisschießen abgehalten wurden. War der Gewinn, etwa eine Flasche Cognac, als Preis auch gerin, so war es mehr die Ehre, gelegentlich der beste Schütze zu sein, als daß der ausgesetzte Preis des Siegers ausschließliches Eigenthum geblieben wäre, vielmehr war eine kameradschaftliche Vertheilung allgemeiner Gebrauch. Anregender als Scheiben und Flaschen abschießen war es für uns, wenn ein Krokodil das Zielobjekt abgeben konnte. Es muß für diese Thiere ein wonniges Behagen sein, sich von der glühenden Sonne den Körper durchwärmen zu lassen und sich dem sorglosen Schlafe hinzugeben, dazu von Vögeln, die stets am Ruheort des Thieres sich aufhalten, die Parasiten absuchen, ja selbst am Gaumen des mächtigen Rachens die Ueberreste einer Mahlzeit herauspicken zu lassen, und ob diese kleine behende weißgraue Vogelart auf dem Rücken oder Kopf des Krokodil herumläuft und Nahrung sucht, nie wird das mächtige Thier seinen gefiederten Pflegern etwas zu Leide thun; vielmehr scheint das Geschrei, welches dieser Vogel erhebt, sobald etwas Auffallendes sich zeigt, ein Warnungsruf zu sein, um seinem Freunde eine Gefahr rechtzeitig anzuzeigen. Flußpferde sahen wir hier nur vereinzelt auf den entfernteren Sandbänken sich tummeln, selten, daß eines sich so weit vorwagte, um von unsern weittragenden Kugeln erreicht zu werden, aber das Grunzen dieser Kolosse tönte durch die Stille der Nacht und weckte im Verein mit der Hyäne, die ihr Lachen bald hier bald dort erschallen ließ, uns aus dem Schlummer. Bemerkenswerth ist eine hier schon vorkommende Adlerart, ein schwarzbrauner, kräftiger Vogel mit scharfen großen Fängen, hoch in den Lüften kreisend, erspäht sein scharfes Auge die Beute, und sieht er sich unbeachtet, schießt er pfeilgeschwind aus der Höhe nieder, und mit den Krallen ein Huhn, Ratte oder sonstigen Abfall fassend, eilt er schnellen Fluges davon. Anfänglich hielt ich diese Vogelart für schädlich und schoß sie aus den Lüften oder von den Baumästen nieder, allein bald erkannte ich die Nützlichkeit dieser Thiere und schonte sie hinfort. Ein Beispiel davon, daß die Natur nichts Unnützes geschaffen, hatte ich in dieser Vogelart wieder vor mir; wir Menschen sehen nur leider die Schädlichkeit gewisser Thiere, nicht ihren Nutzen und führen gegen solche Geschöpfe einen ungerechten Krieg, forschen und suchen nicht zu ergründen, was die ewige Weisheit vorbedacht hat. Nicht nur, daß dieser Vogel den schlimmen Nagern, von welchen wir in der Folge viel zu leiden hatten, ein grimmiger Feind war, bewährte er sich vielmehr als eine Art Polizei, die auf Reinlichkeit äußerst bedacht war; denn alle Abfälle, welche achtlos fortgeworfen wurden, den Ratten und Mäusen ein willkommenes Futter, wurden von diesem im und außerhalb das Lagers aufgesucht, und wurde auch ein Hühnchen, das zuweilen achtlos herumlief, mit aufgegriffen, war doch der Verlust im Gegensatz zum Vortheil nur ein geringer. Der Ricinuspflanze, die in dieser Gegend stark vertreten ist, begegneten wir überall, meistens in Form eines kleinen Bäumchens oder einer Staude mit lappigen Blättern; die Früchte rundlich, an ihrer äußeren Schale mit weichen Dornen besetzt, enthalten in den bohnengroßen Samen das so viel benutzte Oel. Die Nützlichkeit dieser Pflanze scheint den Eingebornen hier nicht sonderlich bekannt zu sein, wenigstens konnte ich solches aus meinen Erkundigungen schließen, eine Verwerthung indes mußten sie aber doch dafür haben, wenn auch nicht in dem Sinne wie wir; es ist jedoch schwer, dieses zu erfahren. Die Geheimnisse kennt der gewöhnliche Neger nicht und die klugen, also z. B. die Medizinmänner, verrathen sie nicht. In diesem Monat Juli trat schon ein merklicher Unterschied zwischen der heißen Tagesgluth und den kühlen Nächten ein, solche Abkühlung hatte häufig dichte Nebel zur Folge, die erst am frühen Morgen der mächtiger durchdringenden Sonne zu weichen begannen. Am Abend, nach des Tages Mühe, saßen wir oft am Ufer des Zambesi und schauten auf die murmelnden Gewässer und die weite Wildniß hinaus, unter dem glänzenden Sternenhimmel in solcher Tropennacht gedachten wir der fernen Heimath, bis der Trompeter Ruhe im Lager blies und Jeder in Zelt oder Hütte den erquickenden Schlummer suchte. Nichts als der Schritt des Postens unterbrach die Stille der Nacht; nur zuweilen wurde die Hyäne der Störenfried, aber man gewöhnt sich an die Stimmen der Natur und achtet schließlich nicht mehr so sehr darauf. 3. Im Lager von Ntoboa. Am Sonntag, den 7. August, wurde von dem zur Ausguck aufgestellten Posten in früher Stunde der zurückkehrende Transport gemeldet und nach wenigen Stunden traf Major von Wißmann im Lager ein, mit ihm die Hälfte des Expeditions-Personals. Nach kurzer Besichtigung der vollendeten Arbeiten und Inspizirung der unter Gewehr aufmarschirten Soldaten, traten bald darauf sämmtliche Mannschaften an, und das Entlöschen der Leichter wurde mit möglichster Eile ausgeführt, denn Herr von Eltz sollte schon am nächsten Morgen mit den leeren Fahrzeugen nach Chinde zurückkehren. So groß und den Verhältnissen entsprechend ich auch das Lager angelegt hatte, war es doch bei so bedeutendem Material und der nun an Zahl beträchtlichen Mannschaften etwas beschränkt, namentlich mußte der Exerzierplatz außerhalb desselben verlegt werden, da zum Aufstapeln und Hantiren des Proviantes hinreichender Raum geschaffen werden mußte. Die Vertheilung und Zusammenstellung desselben leitete +Dr.+ Bumiller; mußte doch eine große Sorgfalt auf unsere Vorräthe angewendet werden, um nach Jahr und Tag, so gut wie im Anfang, mit allem versehen zu sein. Namentlich waren es sogenannte Wochenkisten, die aus dem Nothwendigsten zusammengestellt wurden, und die später, wenn erst die Expedition weit vertheilt sein würde, jedem Mangel vorbeugen sollten. Was die noch auszuführenden Arbeiten anbetraf, welche der Major vor seinem Auszuge zu einer Jagd-Expedition, die er bald darauf in Begleitung des Sergeanten Bauer und einer genügenden Anzahl Soldaten unternahm, bestimmt hatte auszuführen, so leitete ich diese nach wie vor. Bedenkt man aber, mit welchem Zeitaufwand und Schwierigkeiten das Baumaterial herangeschafft werden mußte, so kann man sagen, daß rege Thätigkeit gewaltet haben mußte, um in solch kurzer Zeit, auf solchem Terrain, ein kleines Dorf, wie es unser Lager im Anblick darbot, entstehen zu lassen. Mit dem größeren Bedarf an Lebensmitteln wuchs auch der Verkehr mit den Eingebornen, und hatten wir bisher nur die nähere Bekanntschaft der am Fluße selbst lebenden Eingebornen gemacht, so lernten wir nun auch weit im Inlande wohnende Stämme kennen. Auffällig war die vorherrschende Unreinlichkeit bei diesen Leuten, was wohl daraus zurückzuführen ist, daß vielfach Mangel an Wasser sie die Wohlthat des Waschens entbehren läßt. Bei den Frauen und Mädchen tritt diese Nachlässigkeit um so eher hervor, als namentlich ihre Kopffrisur meistens mit Asche und Sand bedeckt ist. Sie besitzen einen gewissen Stolz darin, diese nach eigenartiger Methode aufzuputzen, nämlich das kurze krause Haar wird in möglichst langen Strähnen geflochten, wozu, nebenbei gesagt, schon eine Art Kunstfertigkeit gehört, dieses fertig zu bringen, und damit diese herunter hängen bleiben, bedienen sie sich daran gehängter Gewichte, verfertigt aus der Masse, welche die Termiten aus der Erde heraufschaffen. Es macht einen eigenthümlichen Eindruck, fünfzig und mehr solcher Strähnen an den Schläfen, Vorder- und Hinterkopf herumbaumeln zu sehen, und, da solche Frisur nicht alle Tage vorgenommen werden kann, vielmehr wohl recht lange vorhalten muß, so ist es erklärlich, daß man, wie wir zu Lande sagen würden, Petersilie auf der Kopffläche säen könnte. Jener Jagdausflug, von welchem der Major nach sechs Tagen zurückkehrte, war ein überaus ergiebiger gewesen. Die Theilnehmer berichteten von Schaaren edlen Wildes, das sich sorglos in den weiten Grassavannen und lichten Wäldern aufhält, und einem guten Schützen es leicht sei, an die Beute heranzukommen. Büffel, Kudus, Zebras, Wasser- und Riedböcke, ja selbst der Elephant wäre beschlichen worden. An Beweisen für die Eifrigkeit der Jäger fehlte es auch nicht, eine Anzahl großer Antilopen, stattlicher als unsere Hirsche, brachten sie noch mit, und so lange der Vorrath reichte, hatten wir im Lager für mehrere Tage Fleisch, vor allen war den Soldaten solche Abwechslung hoch willkommen. Hatten wir bisher nur erst wenige Strapazen durchgemacht, welche ich als gering bezeichnen kann im Verhältniß zu denen, die unser warteten, so äußerte das Klima sich doch in der Weise, daß es allmählig die Widerstandsfähigkeit des Körpers untergrub und Fieberanfälle waren selbst unter unsern Soldaten keine seltene Erscheinung. So ergab es auch die Nothwendigkeit, daß ich, weil selbst Major von Wißmann und +Dr.+ Bumiller erkrankt waren, das Kommando im Lager für längere Zeit zu übernehmen hatte. Wie bereits vorher erwähnt, hatten wir viel von den Nagethieren und Ameisen zu leiden, und, was Vernichtungswuth anbetrifft, muß ich den unscheinbaren Thierchen den Hauptantheil zusprechen, denn jede Kiste, jedes Stückchen Holz, das unvorsichtiger Weise auch nur für eine Nacht ohne Unterlage auf den Erdboden gestellt worden war, wurde angefressen und sie waren im Stande, dreiviertelzöllige Bretter in wenig Tagen zu zerstören. Selbst der Inhalt der Kisten, sofern Holztheile darin enthalten waren, blieb nicht verschont. Es ist unglaublich, aber thatsächlich wachsen die weißen Ameisen aus dem Erdboden hervor. Z. B. der Boden, worauf eine Kiste gestellt wurde, ist fest und hart; kein Anzeichen eines Lebewesens läßt sich auch nur voraussetzen, und doch, in einer Nacht wimmelt es schon von abertausend kleiner weißer Wesen, die in dem Holze lange Furchen gezogen haben, worin man einen Finger hineinlegen könnte. Der Boden ist von einer von diesen Thierchen abgesonderten Substanz feucht und lehmhaltig, geeignet, an dem Holze zu haften und gar bald bauen sie verdeckte Gänge aus diesem Stoffe außerhalb auf, um so von allen Seiten einen Gegenstand, der ihren scharfen Nagewerkzeugen verfallen ist, zu umschließen. Die Vermehrung dieser Ameisen muß in das Unglaubliche gehen, wo ihnen die Vorbedingungen zur Existenz geboten sind, sonst ist es nicht zu verstehen, wie sie so zahlreich in solch kurzer Zeit auftreten können; ich habe oft den Erdboden untersucht und nichts gefunden und doch waren diese schlimmen, unvertilgbaren Thiere vorhanden. Was nun noch Ratten und Mäuse anbetrifft, so hatte hier eine förmliche Einwanderung stattgefunden, denn, angelockt durch reiche Vorräthe, wie solche im Lager an Mais und Mtama aufgestapelt lagen, waren diese Nager, die im weiten Umkreise auf den Feldern der Eingebornen ihren Wohnort hatten, herbeigeströmt, und bald in Schuppen und Hütte, Zelt und Lagerräumen eingenistet, so daß an ein Austreiben nicht mehr zu denken war. In den Grasdächern und Wänden war ihnen nicht beizukommen, wir mußten wider Willen den unliebsamen Gästen Freiquartier geben und es geduldig uns gefallen lassen, wenn es Nachts einzelnen beliebte, über Gesicht, Brust und Füße Spaziergänge zu unternehmen; mit Geschicklichkeit sprangen sie von den Dachsparren herunter auf das Bett, und, aufgeschreckt aus dem Schlafe, schlug man wohl nach jener Stelle, allein die gewandten Vierfüßler waren weit hinweg. Unangenehmer schon wurde es, wenn sie an den Nägeln der Fußzehen ihre scharfen Zähne probirten, wobei sie es nicht so genau nahmen und etwas Haut mitfaßten, was für den Schläfer dann eine etwas unangenehme Empfindung war. Diese hier ziemlich furchtlose, man könnte fast sagen unverschämte Gesellschaft, zwang uns, die hier weniger benutzten Mosquitonetze wieder auszuspannen, um so vor den nächtlichen Besuchern einigermaßen geschützt zu sein. Gestattete es mitunter meine Zeit, daß ich mit den Leuten die Proviantsäcke, zwischen denen die Ratten namentlich Standquartier genommen hatten, auseinanderwerfen konnte, dann ging es vielen an das Leben. Ein doppelter Cordon von mit Stöcken etc. bewaffneten Leuten umstand den Lagerplatz und jedes Thier, das diesen zu durchbrechen suchte, wurde erschlagen; der Vernichtung entgingen nur solche, die sich in den Erdlöchern oder in den Säcken selbst geflüchtet hatten. Es war nichts Seltenes, daß auf solcher Jagd 70 und mehr Ratten getödtet wurden. Köstliche Scenen mit Halloh und Geschrei gab es bei solcher Gelegenheit stets von seiten der Soldaten; gelang es einer Ratte, die nicht entweichen konnte, Zuflucht in das Hosenbein eines Mannes zu finden und am nackten Körper hinaufzulaufen, dann sprang dieser wie besessen umher, bis einer seiner Kameraden die Ratte erfaßt und ihr durch kräftigen Druck das Lebenslicht ausgeblasen hatte. Konnten die gejagten Thiere nicht mehr am Boden entschlüpfen, versuchten sie oben hinauszukommen. Wahre Kraftproduktionen führten sie aus, indem sie auf die Schultern eines gebückten Mannes sprangen und von hier, sobald dieser durch die Berührung emporschnellte auf den Kopf oder Rücken des nächsten, und solchen kühnen Springern gelang es öfter, zu entkommen. Während solcher Jagd kreisten hoch in den Lüften die Adler und erspähten scharfen Auges die Beute; eine ermattete Ratte, wenn sie es wagte, über eine freie Stelle zu laufen, um eine Zuflucht zu finden, war bald in den Fängen der pfeilgeschwind niederschießenden Vögel; selbst so weit ging der Jagdeifer dieser Polizisten, daß sie sich nicht scheuten, ihre Beute selbst in der Nähe des Menschen zu erfassen und solche in die Lüfte zu entführen. Am Abend des 18. August, als in dunkler Abendstunde von Schupanga Signalraketen die Ankunft des neuen Transportes anzeigten (welches Signal wir vom Lager aus durch helles Feuer beantworteten), brachten gleichzeitig Boten von Misongwe die Nachricht, daß die beiden englischen Kanonenboote »Herald« und »Mosquito« dort eingetroffen seien, auch zufolge wichtiger Nachrichten die Gegenwart des Majors von Wißmann dort erwünscht erscheine. Daraufhin, sobald am nächsten Morgen der Transport das Lager erreicht hatte und mit dem sofortigen Entlöschen begonnen worden war, versuchte der Major mit dem »Pfeil« die Untiefe vor Ntoboa zu passiren, was auch, da vom »Pfeil« alles überflüssige Inventar an Land gebracht war, dieses Mal gelang. An dem bereits erwähnten Vertrage, der uns die Unterstützung der Engländer sicherte, wurde nichts geändert, vielmehr nun zur sofortigen Ausführung geschritten. Zurückgekehrt von Misongwe am 19., sollte der »Pfeil« im Verein mit den Kanonenbooten am 20. früh flußabwärts nach Schupanga gehen, wo nach Ausschiffung einer Kompagnie Soldaten für alle Schiffe Brennholz zu schlagen sei; inzwischen sind beim Lager zwei Leichter und die großen Sektionsboote zu beladen, mit welchen die Kanonenboote dann flußaufwärts den Schire zu gewinnen suchen und so weit vordringen würden, als es die Wasserverhältnisse irgend nur gestatten sollten. So lautete der Tagesbefehl! Ueberraschend für mich aber war die mir vom Major gemachte Eröffnung, daß ich mit dem »Pfeil« flußabwärts zu gehen und den letzten Transport von Chinde heraufzuführen habe; nicht als scheute ich mich, diese Aufgabe zu übernehmen, sondern der hierdurch vereitelte Wunsch, mit vorwärts gehen zu können, war eine unerwartete Ueberraschung. Im Uebrigen, da ich wußte, daß dieser letzte auch der schwerste Transport sein würde, dessen Führung der Major dem in Chinde noch weilenden Obersteuermann nicht anvertrauen mochte, sonst nur als Führer Herrn von Eltz übrig hatte, über dessen Person er aber bereits anders verfügt, konnte ich es nur zur Ehre anrechnen, das Schwerste ausführen zu sollen. Sobald der »Pfeil« zur Abfahrt bereit und ich mich vom Major verabschiedet hatte, dampften wir flußabwärts zunächst nach Schupanga, um uns dort mit genügend Brennholz zu versehen. Schnell, mit Hülfe der zur Verfügung stehenden Kräfte, war diese Arbeit gethan und sodann die Thalfahrt antretend, kamen wir, unbehindert durch Leichter oder Boote, sehr rasch vorwärts. Einige Male nur nahmen wir uns die Zeit, auf Sandbänken liegenden Krokodilen wohlgezielte Kugeln zuzusenden; zwei dieser mächtigen Unthiere fielen uns denn auch dadurch zur Beute, daß es ihnen nicht gelang, das schützende Wasser zu erreichen, wir nahmen das größte mit nach Chinde, wo wir am nächsten Nachmittag anlangten, um solches den noch dort weilenden Sudanesen als willkommene Abwechslung ihrer Mahlzeiten, zu überlassen. Ich fand die beiden letzten Leichter nahezu beladen vor, sah aber ein, daß, wenn, wie der Befehl lautete, alles mitgenommen werden sollte, ein Ueberfüllen der Fahrzeuge die Folge sein würde, dazu mußte so viel Brennholz, als nur irgend unterzubringen war, eingeschifft werden, um nicht wieder durch Mangel daran am Vorwärtskommen behindert zu sein. Deshalb, während des zweitägigen Aufenthalts, ließ ich alle entbehrlichen Kräfte noch von +Dr.+ Bumiller herangeschafftes Holz zersägen, selbst die Häuser und Hütten niederreißen und die Stämme auf den Fahrzeugen unterbringen. Obschon vom Fieber schwer geplagt, das während einiger Tage im Körper wühlte, hatte ich doch die mir gewordenen Aufträge nach bestem Können auszuführen, namentlich forderte die Unterbringung und sichere Heimbeförderung eines entlassenen Mannes mit einem englischen Schiffe, viel Aufwand an Zeit. Nach Einschiffung der gesammten Mannschaft aber und Verabschiedung vom portugiesischen Kommandanten zögerte ich mit der Abreise nicht mehr, setzte auch im letzten Augenblick die Ueberreste des großen Lagers in Brand, so daß nur Staub und Asche an der Stelle zurückblieb, wo lange Zeit eine gewaltige Expedition Rast gehalten hatte. Ich hatte des Oefteren schon bemerkt, wie jähzornig veranlagte Naturen leicht sich fortreißen ließen wegen geringfügiger Dinge die Leute zu strafen, wozu ihnen Niemand ein Recht noch Gewalt gegeben hatte; ihren Jähzorn an dem Einzelnen, der das Mißfallen erregt, aber dann nur freien Lauf ließen, wenn sie sich unbeobachtet glaubten. Dieses zügellose Sichgehenlassen dem Schwächeren gegenüber war ein Beweis, wie gering der Neger in der Achtung solcher Europäer steht, daß er zum Prügelknaben ihrer Launen dienen mußte. Ich erwähne dieses hier nicht, um einzelne Fälle, die sehr selten nur bei uns vorgekommen sind, besonders zu markiren, sondern will im Allgemeinen nur darauf hinweisen, daß man einen großen Fehler begeht, wenn das Bewußtsein der Menschenwürde, das auch den auf der untersten Kulturstufe stehenden Wesen innewohnt, mit Füßen getreten wird. Der Neger, soll er aus seiner stoischen Ruhe aufgerüttelt und als ein thätiges Glied in der großen Völkerfamilie gerechnet werden, bedarf der Erziehung; er ist ein Naturkind, das nicht willig den Segnungen der fortschreitenden Zivilisation die Arme öffnet, sondern eher gesonnen ist, gewaltthätig ihr entgegenzutreten. Solcher Widerstand nun, sobald er in Form einer offenen Empörung auftritt, muß, selbst mit Gewalt, niedergehalten werden, dem Unterliegenden aber dann auch die Erkenntniß, daß er im Unrecht gewesen, zum Bewußtsein kommen und nicht der Uebermacht und egoistischen Zwecken hat weichen müssen. Vornehmlich fällt heute noch die größte Aufgabe den vordringenden Pionieren zu; sie als Träger der Zivilisation sind berufen, die Saat zu säen, die zu der Erkenntniß führen soll, daß der mächtige weiße Mann gekommen ist, nur ein Helfer und ein Freund, nicht aber ein Unterdrücker zu sein. Stellen wir uns auf den Standpunkt des Negers, so erscheint auch uns alles Fremde als ein Eindringling in liebgewordene Gewohnheiten und Rechte, und unwillig werden wir fragen, mit welcher Berechtigung zwingt uns der Mächtigere davon zu lassen? Darum, solchen natürlichen Widerstand allmählich zu brechen, bedarf es diesen Naturkindern gegenüber eines freundlichen Entgegenkommens, ohne dabei im geringsten der Ueberlegenheit des Europäers etwas zu vergeben. Strenge und Gerechtigkeit müssen jeder Handlung zur Richtschnur dienen, sollen einestheils dem Naturell der schwarzen Rasse, das bei vielen Stämmen sehr üble Gewohnheiten aufweist, Zügel angelegt, im anderen Falle aber das empfindliche Rechtsgefühl nicht verletzt werden. Der Neger wird willig eine ihm zudiktirte Strafe auf sich nehmen, wenn er gethanen Unrechtes sich bewußt ist. Ueberall, nicht blos gegen die schwarze Rasse allein, wird gegen diese Hauptbedingungen einer Kulturaufgabe arg verstoßen und hauptsächlich von solchen Elementen, hervorgegangen aus europäischen Nationen, denen Recht und Unrecht ein zweifelhafter Begriff ist. Aus eigener Anschauung kann ich aber die Behauptung aufstellen, daß die Deutschen unter allen andern Völkern Europas, welche eine Kolonisirung anderer Erdtheile übernommen haben, die humansten sind; brachte doch deutsche Arbeit und Ausdauer fremde Kolonien zu hoher Entwickelung und Blüthe; hoffentlich werden Humanität und Gerechtigkeit auf Gebieten, wo die deutsche Nation nun ihre Aufgabe zu erfüllen hat, reiche Früchte tragen: bei der Erziehung noch tiefstehender Völkerstämme werden diese zur unerlässlichen Bedingung. Mit der einlaufenden Fluth, die weit hinauf im Zambesifluß ihren Einfluß geltend macht, brach ich in den frühen Nachmittagsstunden des 24. August von Chinde auf. Schnell zogen wir mit der günstigen Strömung die bekannte Straße und erst am eigentlichen Flusse, an jener Stelle, wo wir früher mit dem Major Rast gehalten, wurde Nachtquartier genommen. Mit dem Anbruch des neuen Tages, nachdem die leichten Nebel zerstreut und glitzernd die Sonnenstrahlen auf den Fluthen Silberfäden woben, zogen wir weiter, und mit Geschick die Untiefen meidend, kamen wir trotz der schweren Last, welche der »Pfeil« mit sich schleppte, schnell vorwärts. Meine Absicht, uns mit frischem Proviant zu versehen, der in Chinde nicht zu erschwingen gewesen war, wollte ich nun in einer bewohnten Gegend ausführen, allein wir sahen am rechten Flußufer keine Dörfer, und schließlich dem Rathe des Lootsen folgend, der uns sichere Aussicht auf Wildpret gemacht hatte, legten wir am nächsten Tage frühzeitig genug an einer steilen Uferwand fest, um dann auf gut Glück die Umgegend zu durchstreifen. Nur in Begleitung des Maschinisten drangen wir geraden Weges, so gut als Busch und Gras es zuließen, landeinwärts und gelangten zum Bette eines in dieser Jahreszeit trockenen Flusses. Dieses, tief in das Gelände eingeschnitten, zeugten Wurzeln und Baumreste davon, mit welcher Gewalt die Fluthen in der Regenzeit hier ihre verheerende Wirkung auszuüben im Stande sind. Wildromantisch, eine Urlandschaft im wahren Sinne des Wortes, fanden wir im Flußbette, den Spuren von Büffel, Zebra und Antilopen folgend, zu beiden Seiten desselben undurchdringliches Gebüsch und Rohr; schließlich, als keine Aussicht sich bot, in kurzer Zeit eine Grassavanne zu erreichen und die Spuren des Wildes immerfort noch den in der Ferne sichtbaren Höhenzügen zuzustreben schienen, zeitweilig durchkreuzt von Panther- und Löwenspuren, bogen wir, als wir im Urdickicht zur Linken Gänge von Flußpferden bemerkten, seitwärts in diese ab, in der Hoffnung, wenn wir ins Freie gelangt wären, auf ersehntes Wild zu stoßen. War anfänglich das Vordringen in den sehr dunklen Gängen noch einigermaßen angängig, so lange niedergetretenes Rohr das Ausschreiten nicht sehr behinderte, wurde dieses fast zur Unmöglichkeit, als tiefe Löcher, Wurzeln und Schlingpflanzen fortwährend den Füßen Hindernisse entgegensetzen. Gebückt unter Strauchwerk und Aeste, die unvermuthet in das Gesicht schlugen, oft auf allen Vieren vorkrauchend, drangen wir vor und fast that es uns schon leid, solchen äußerst beschwerlichen Weg gewählt zu haben. An einem Kreuzweg angelangt, der fast rechtwinkelig den Wildpfad, auf welchem wir bisher gegangen waren, durchschnitt, überlegten wir, ob eine Umkehr nicht besser sein möchte, denn noch wußten wir den Weg zurückzufinden; mußten auch bedenken, daß bald der Tag zur Neige ging und wir in einer Wildniß uns befanden, die während der Nacht sicherlich manch Unangenehmes bieten konnte. Unser Jagdeifer hatte eine beträchtliche Abkühlung durch die aufsteigenden Bedenken erfahren, und sicherlich hätten wir den zurückgelegten weiten Weg nochmals gemacht, auf einen zweifelhaften Erfolg verzichtet, wenn nicht auf dem erwähnten Kreuzweg in unserer Nähe ein Warzenschwein plötzlich ausgebrochen wäre und grunzend in demselben das Weite gesucht hätte. Das Thier hören und sehen machte alle Bedenken schwinden, so schnell als es der nun bessere Weg gestatten wollte, ging es hinter dem Wilde her; aber ob es uns auch nahe kommen ließ und dann erst immer wieder durch das Gebüsch brach, gelang es doch keinem von uns, zum Schuß zu kommen. Einsehend, daß solches Jagen ziel- und zwecklos war, stand ich, als das Thier in einem dichten Rohrgebüsch verschwand, davon ab und überlegte, wo wir uns nun eigentlich befanden; da wir vom Kreuzwege im Jagdeifer abgekommen, stiegen Zweifel auf, ob wir nach solchem Hin- und Herjagen den verlassenen Weg wiederfinden würden. Bedenklich schnell ging der Tag zur Neige, das erkannte ich an den Schatten, welche am Himmelsgewölbe heraufzogen, sobald der dichte Busch, unter welchem wir noch immer wanderten, einen Ausblick gestattete. Die Ueberzeugung, daß wir uns gründlich verirrt hatten, gewannen wir bald, und die ernste Frage, was nun thun, wo jede Aussicht auf Orientirung uns genommen, war schwer zu beantworten. Soviel aber ließ eine kurze Ueberlegung uns rathsam erscheinen, daß nur schnelles entschlossenes Handeln uns aus dieser bedenklichen Lage befreien konnte; denn das wußten wir, die nahezu zweistündige Wanderung im Urdickicht und auf Wildpfaden hatte uns weit vom Lagerplatz entfernt. Das Beste war, nach Möglichkeit eine bestimmte Richtung inne zu halten und im lichteren Gehölz schnell fortzukommen suchen, wenigstens irgendwo hinaus hofften wir noch vor Einbruch der Dunkelheit zu kommen, und, als hätte uns ein guter Stern geführt, sahen wir endlich wieder Sonnenschein durch das Dunkel der Blättermassen blinken. Mit frischeren Kräften drangen wir durch das Gehölz und standen bald am Saume einer großen Grasebene, die sich wie ein Keil zwischen dem Urwald, der links und rechts sich unabsehbar hinzog, hineingeschoben hatte. Wären wir vom Ausgangspunkte nur etwas nördlicher oder südlicher gegangen, an diesem Abend hätten wir schwerlich das Sonnenlicht wiedergesehen. Weiteres als längs der Waldlisière den Weg uns zu bahnen, blieb nicht übrig und berechnend, daß wir vom Flusse aus immer eine nördlichere Richtung innegehalten hatten, hielten wir für rathsam, links zu gehen. Goldener Abendsonnenschein lag über Wald und Busch, doppelt das Herz erfreuend, zumal das düstere Waldesdunkel schon eine trübe Stimmung hervorgerufen hatte, und so lange uns das Tagesgestirn noch Licht spendete, hegten wir die Hoffnung, noch eine menschliche Wohnstätte zu erreichen. Müde und namentlich von Durst gequält, eilten wir vorwärts und, wenn ich mich nicht allzusehr täusche, hätten wir ganz links abbrechen müssen, um wieder zum Flusse zu gelangen. Aber nochmals in das Waldesdunkel uns hineinzuwagen, obwohl den Weg dadrin zu suchen uns nicht viel schwerer gefallen wäre als außerhalb, hielten wir doch für bedenklich. Wo ein erhöhter Punkt in dem unebenen welligen Terrain eine freiere Aussicht gestattete, machten wir kurze Rast; bei solcher Gelegenheit nun erblickten wir eine Heerde stattlicher Wasserböcke, die zu uns herüberäugten, sonst bei unserm Anblick weiter keine Unruhe zeigten, und wohl wäre es möglich gewesen uns im hohen Grase heranzupürschen, wenn die Jagdlust nicht gänzlich geschwunden wäre. So begnügten wir uns damit, beide Gewehre ziellos auf die etwa 500 Meter entfernt stehenden Thiere abzufeuern, was sie zwar erschreckte, jedoch keineswegs in die Flucht jagte. Weithin durch die Stille des Waldes brauste ein mächtiges Echo, erschreckt flatterten größere und kleinere Vogelarten aus den Zweigen der Bäume auf, und als wäre verborgenes Leben geweckt, so lebhaft kreischten und zwitscherten Vogelstimmen durcheinander. Durch all diesem Geräusch aber hatten wir einen uns vertraulichen Ton vernommen, der dem lauschenden Ohr wie Musik erklang und in uns die Zuversicht erweckte, doch heute noch Menschen auffinden zu können. Das Bellen eines Hundes, ganz schwach vernehmbar (soviel ich unterscheiden konnte, von der linken Seite kommend), machte alle Bedenken, fortan noch das tiefe Walddunkel zu meiden, hinfällig und nochmals die Gewehre abfeuernd, tauchten wir in das Dickicht, bahnten uns hierin den Weg so gut es eben gehen wollte und suchten in der Dunkelheit vorwärts zu kommen. Die Gewißheit, doch noch eine menschliche Niederlassung zu finden, ließ uns im Vordringen nicht der verwobenen Schlingpflanzen, Sträucher und Dornen achten; wollte es absolut nicht mehr gehen, bahnte das Messer den Weg. Nach halbstündiger Wanderung wurde es lichter um uns, bis endlich, als schon längst die Sonne zur Rüste gegangen, eine offene weite Grasfläche uns freie Aussicht gestattete. Die Vermuthung, daß, wenn wir wiederum unsere Gewehre abfeuern würden, das Bellen eines Hundes uns die einzuschlagende Richtung angeben würde, erwies sich als richtig; dieser folgend, führte uns der Weg durch bebautes Ackerland, über Wassergräben und durch Buschwerk und schließlich in ein an einer Sumpfniederung liegendes kleines Dorf. Ein sehr seltener Gast schien hier der weiße Mann zu sein, wenigstens machte unser Erscheinen auf den Bewohnern den Eindruck von Furcht und Besorgniß; niemand war zu sehen, nur einige weißbärtige alte Männer erwarteten uns in der Nähe der ersten Hütten und erkundigten sich nach unserm Begehr. Soviel ich mit Hilfe der Suahelisprache mich verständlich machen konnte, erklärte ich unsere Lage und ersuchte die Dorfältesten uns Führer zum Zambesifluß zu geben, damit wir zu unserm Lagerplatz (worüber sie schon Kunde erhalten) in dunkler Nacht zurückkehren könnten. Ob unserem Wunsche willfahrt werden würde, konnte ich aus den Unterhandlungen nicht entnehmen, der Einladung aber, in der Hütte des Häuptlings uns niederzulassen, leisteten wir um so lieber Folge, als wir herzlich müde und abgespannt waren. Nackte Kinder, ihre Neugierde nicht bezwingend, kamen aus den Hütten hervorgekrochen, bald folgten die Mütter und nicht lange dauerte es, so waren wir von Jung und Alt umlagert, selbst die Dorfschönen in der denkbar primitivsten Kleidung brachten uns auf geäußertem Wunsche Wasser und Maiskolben. Freundlicher noch gestaltete sich das Verhältniß, als ich einige portugiesische Kupfermünzen unter die Kinder zu vertheilen begann; auch abgeschossene Patronenhülsen waren ein begehrter Artikel und, um dem Drängen nachzugeben, feuerten wir einige Schüsse noch ab, wenigstens einige Alte damit erfreuend, die solche Hülsen als Schnupftabackdosen benutzen wollten. Hühner, Eier, Bohnen, Erbsen und Mais brachten die Frauen herbei und bezeugten dadurch ein großes Zutrauen zu uns, daß sie solche gekauften Dinge den bestellten Führern übergaben, die ihnen das als Kaufpreis ausbedungene Stückchen Zeug am anderen Tage mitbringen sollten. Ohne unsererseits noch irgendwelche Lust zu bezeigen, nochmals einen Jagdzug zu unternehmen, erboten sich die Jüngeren wiederholt, uns in dieser Nacht nach einer Gegend zu führen, wo wir allerlei Wild in Schaaren sehen würden; namentlich, wenn wir uns geduldeten, den Morgen auf dem Anstand abzuwarten, könnten wir die von der Tränke zurückkehrenden Thiere sehr leicht erlegen; auch seien Elephanten noch am vorhergehenden Tage gesehen worden, mächtige Thiere mit großen Zähnen. Auf meine Frage, warum sie selber nicht jagen gingen, brachten sie Pfeil und Bogen herbei. Mit diesen ihren Waffen, meinten sie, verwunden sie wohl ein Thier, aber so weit es auch verfolgt würde, gelänge es ihnen nur sehr selten, desselben habhaft zu werden. Dem Umstande, daß die Pflicht uns rief, mußten wir alle Lockungen, die zu neuer Jagdlust reizten, hinten ansetzen und uns von den freundlichen Dorfbewohnern verabschiedend, folgten wir bald darauf den mit Proviant bepackten Führern in das nächtliche Dunkel hinaus. Sonst wohl erglänzte vom Himmelszelt das Sternenheer in leuchtender Pracht und der Schimmer des Lichts erhellte die einsamen Pfade, heute aber, nach Sonnenuntergang, hatte regenschwangeres Gewölk allmählich tiefe Finsterniß über die Erde gebreitet, durch welche wir mühsam den schnell voranschreitenden schwarzbraunen Männern zu folgen suchten. Nach zweistündiger Wanderung durch Gras und Busch wurden wir durch das zum Ausbruch gekommene Gewitter gezwungen, naß und müde, unter Bäumen Schutz zu suchen, und als aufs Neue auf schlüpfrigen Wegen in der rabenschwarzen Dunkelheit eine Stunde marschirt worden war, hörten wir, am hohen Uferrand des Zambesi stehend, unter uns die murmelnden Wasser des Flusses. Sicher hatten bis hierher die Führer den Weg zu finden gewußt, nun aber fragte es sich, hatten wir uns flußauf- oder -abwärts zu wenden, um wieder zu den Fahrzeugen zu gelangen! Gewehrschüsse, die schon mal den Ausschlag gegeben hatten, thaten wiederum ihre Schuldigkeit; bald kam die Antwort, und dem Schalle nach uns stromaufwärts wendend, mußten wir mit großer Vorsicht durch unwegsames Gestrüpp einen Weg uns bahnen. Mehrmals noch beantworteten wir die abgegebenen Signale einer uns entgegengesandten Patrouille und herzlich froh waren wir, nach beinahe siebenstündiger Abwesenheit, nach einem überaus beschwerlichen Marsche, die müden Glieder auf den Feldbetten ausstrecken zu können. Der Obersteuermann hatte, durch unsere lange Abwesenheit besorgt geworden, schon nach eingebrochener Dunkelheit in verschiedenen Richtungen Leute ausgesandt, um uns aufzusuchen; alle aber, bis zum trockenen Flußbett gelangt, hatten erklärt, daß es kein Weiterkommen gebe, ihre Signalschüsse wären auch nicht beantwortet worden und sie hätten ein weiteres Suchen aufgeben müssen. Nachdem am nächsten Morgen die Führer für ihre Dienste reichlich entschädigt worden waren, zogen wir weiter in den goldenen Morgen hinein, mit Muße die wildromantische Scenerie bewundernd, die in immer neuen Bildern vor uns auftauchte. Noch keinem der vorhergegangenen Transporte war es gelungen, so schnell und ohne ernste Hindernisse zu überwinden, solche Tour zurückzulegen, deshalb konnten wir von Glück sagen, mit unserer schweren Last, nach kaum nennenswerthen Aufenthalt, schon am vierten Tage in die Nähe von Schupanga gekommen zu sein, und hätte das stark versandete Flußbett hier nicht zu einem unfreiwilligen Aufenthalt uns gezwungen, hätte ich mit Sicherheit voraussetzen können, bis zum Abend des 28. August Ntoboa noch zu erreichen. Wünschend, zu der vor uns liegenden schweren Arbeit einen ganzen Tag vor mir zu haben, unterbrach ich die Weiterfahrt an diesem Sonntag Nachmittag, und nach genügender Orientirung, wo wohl am besten durchzukommen wäre, vergnügten wir uns während des Restes dieses Tages, auf Krokodilen und Wasservögeln Jagd zu machen. In der Frühe des nächsten Morgens, als alles zur Weiterfahrt vorbereitet war, unternahmen wir die schwere Aufgabe, den »Pfeil« und die Leichter über die sich weit erstreckende Untiefe hinüberzubringen. Aber schon nach kurzer Zeit wurde der durch den losen Sand sich wühlende »Pfeil«, so mächtig auch die Maschine arbeitete, steuerlos und, einmal von der starken Strömung seitwärts abgelenkt, war kein Halten mehr; selbst alle Anker wurden durch die Kraft der Strömung fortgerissen bis im tieferen Wasser die Steuerfähigkeit erst wieder hergestellt werden konnte. Immer wieder ging ich zum neuen Versuch vor und achtete nur darauf, wenn solcher mißlang, daß die Fahrzeuge zur linken Seite vom Strome abgelenkt wurden, um eine rechtsliegende flachere Stelle zu vermeiden. Indes beim vierten Versuch anstatt das Kommando »voll Dampf voraus« auszuführen, fühlte der Maschinist sich veranlaßt, die Maschine rückwärts schlagen zu lassen und ehe noch das richtige Kommando zur Ausführung kam, hatte die Strömung die Fahrzeuge an der unrechten Seite gefaßt; kein Anker noch Maschinenkraft konnte das Verhängniß ablenken, nach Sekunden schon saß ein Leichter auf Grund, mit gewaltigem Druck schoben die Wassermassen alles höher und höher hinauf, bis im Sande festgewühlt, an ein Freikommen nicht mehr zu denken war. Mühselig war die Arbeit, welche nun begann. Hätten die Anker in dem Wellsand nur Halt finden können, wäre solche in etwas uns erleichtert worden, aber alle Versuche schlugen fehl. Nach Stunden waren wir erst soweit, den »Pfeil« von den an seinen Seiten liegenden Leichtern zu befreien. Bis zum späten Nachmittag wühlten alle Mann unter dem Schiffsboden den Sand hinweg, bis schließlich ein Bett gegraben war, in welchem der Dampfer sich etwas bewegen und sich darauf, ehe noch die Dunkelheit hereinbrach, aus der schlimmen Lage befreien konnte. Trotz der herrschenden Abspannung brachte ich noch lange Leinen vom nun freiliegenden »Pfeil« bis zu den Leichtern, um ohne Aufenthalt am nächsten Morgen mit dem Abschleppen beginnen zu können. Diese Ausführung meiner Absicht vereitelte aber nochmals der starke Strom, indem, als wir im besten Zuge, einen Leichter bereits freigeschleppt hatten, dieser das Fahrzeug so hin- und hergieren machte, daß kein Halten war und die Fahrstraße, an und für sich eng, bedingte bald ein Berühren des Grundes, so daß die Leine brach, und, ohne es verhindern zu können, der Leichter in einer noch schlechteren Lage zu liegen kam. Beim angestellten Versuche, diesen aus solcher zu befreien, gerieth auch der »Pfeil«, weil dessen Anker nicht halten wollten, mit auf Grund und die schwere Arbeit begann von Neuem. Von der Holzstation oberhalb Schupanga, wo der »Herald« nach seiner Rückkehr von der ersten Tour Station gemacht, hatte Kapt. Robertson unsere angestellten Versuche, über die Untiefe hinwegzukommen, bemerkt, er sandte auch am anderen Tage ein Boot und ließ bedauern, uns keine Unterstützung bringen zu können, da er in Folge einer Havarie in der Stromschnelle des Ziu-Ziu seine Maschine hatte auseinandernehmen müssen. In den Vormittagsstunden dieses Tages, als wir bereits einen Leichter wieder frei gemacht hatten, kam auf eine Nachricht hin, die vom »Herald« nach Ntoboa gesandt worden war, Dr. Bumiller mit Unterstützung an; diese frischen Kräfte, der Mannschaft auf den Fahrzeugen an Zahl noch überlegen, förderten das Werk ungemein, und ehe noch am Horizont die Sonne entschwunden, hatten wir wohlbehalten unser Lager erreicht. Während der Dauer unserer Abwesenheit hatte sich in der Nähe des Lagers ein Vorfall ereignet, der die ganze umwohnende Bevölkerung in Aufregung gebracht hatte. Nämlich das seltene Erscheinen der Krokodile, die von unserer Seite arg verfolgt worden waren, hatte die Eingebornen ihre sonst beobachtete Vorsicht vergessen lassen und sorglos, wie diese Naturkinder sind, hatten sich wieder junge Mädchen beim Wasserholen bis in den Fluß hineingewagt. Diese Unvorsichtigkeit, der so oft schon junge Menschenleben zum Opfer gefallen, wurde hier wieder die Ursache eines Unglücks. Die Menschenräuber, die mit zäher Ausdauer auf ihre Beute warten, wählen sich so gute Verstecke, daß selbst das scharfe Auge des Negers diese nicht entdeckt und nur dadurch, wenn ein Krokodil zum Athemholen die Nase über Wasser hält, dieses leicht bewegt oder auch ein sehr geringes Geräusch durch Lufteinholen verursacht, wird der Bewohner dieser Flußufer stutzig gemacht, er weiß dann, daß der grimme Feind in der Nähe ist und er meidet solchen Ort, wo das Verderben lauert, dem er machtlos gegenübersteht. In diesem Falle nun war ein junges Mädchen einem solchen Unthier zur Beute gefallen; kein Jammer half von Seiten der Angehörigen. Mochten auch noch so viele Männer mit Pfeil und Bogen oder alten fast unbrauchbaren Feuerbüchsen dem Unholde auflauern, dieser blieb verschwunden, wenigstens aus dem Bereiche der für ihn eigentlich unschädlichen Waffen. Einen andern Eindruck hatte dieser Vorfall aber auf die im Lager anwesenden Europäer gemacht, fast als wäre die Parole »Tod und Verderben dem Krokodil« ausgegeben worden, so schonungslos wurden diese Thiere zusammengeschossen und namentlich von Seiten des Leutnants Bronsardt von Schellendorf manches getödtete Krokodil ins Lager gebracht. Wie es der Zufall wollte, schoß auch der Sergeant Eben auf einer Sandbank, unterhalb Ntoboa ein gewaltiges Krokodil, das von den bei solchen Jagden nun stets anwesenden Eingebornen, die stets ein Jubelgeschrei anstimmten, wenn ein Räuber sein Leben lassen mußte, geöffnet wurde und wider Erwarten als das Thier erkannten, welches das junge Mädchen geraubt hatte. Die Beweise dafür waren leicht an den im Magen des Krokodils gefundenen Schmuckstücken, welche das unglückliche Opfer getragen, erbracht. Der glückliche Schütze, konnte sich nun den Dankesbezeugungen der Bewohner kaum entziehen, sie brachten ihm von ihrer geringen Habe alles mögliche zum Geschenk, meistens Eßwaaren, denn wenig mehr haben diese einfachen Kinder der Natur zu geben. Wenigstens wird für lange Zeit die Erinnerung an die hier rastende deutsche Expedition, die einen wahren Vernichtungskrieg gegen den furchtbaren Feind eröffnet hatte, in den Eingebornen lebendig bleiben. Laut Bestimmung des Majors, der schon am 22. August mit dem ersten Transport, bestehend aus zwei Leichtern und den Stationsbooten, geschleppt vom »Herald« und »Mosquito«, nach dem Schirefluß aufgebrochen war, hatte ich abermals das Kommando im Lager zu übernehmen, sobald auch +Dr.+ Bumiller abgereist sein wird, was am Freitag, den 2. September mit dem von mir heraufgeführten Transport geschehen soll. Der Dampfer »Pfeil« aber unter Kommando von Eltz sollte versuchen, so gut oder schlecht es gehen wollte, der Expedition zu folgen, um später vielleicht noch im tieferen Schirefluß von Diensten sein zu können. Major von Wißmann hatte die Absicht, den vollständig zusammengesetzten Dampfer, trotz aller Schwierigkeiten noch nach einem der Seen zu bringen, nicht aufgegeben und wäre nur, was leider nicht der Fall, das Fahrzeug zerlegbar gewesen, d. h. die Platten mit Schrauben anstatt Nieten aneinander befestigt worden, so hätte diese mit Leichtigkeit ausgeführt werden können und großen Nutzen hätte uns der »Pfeil« gebracht. Es war am 4. September, dem Geburtstage des Majors, kurz nachdem ich im Lager Apell abgehalten und meine Mannschaft auf 5 Europäer, 42 Soldaten, 21 Bacharias sowie einige Diener festgestellt hatte, als von Misongwe die Nachricht eintraf, daß der »Pfeil« nur mit der größten Schwierigkeit bis zu diesem Orte habe gebracht werden können und in Folge der schweren Anforderungen, welche an die Besatzung gestellt werden mußten, sei diese weggelaufen. Mich überraschte diese Thatsache nicht, denn so weit ich die Eingebornen beurtheilen konnte, wurden ihnen übermäßig an sie gestellten Anforderungen leicht überdrüssig und sie ließen lieber ihren Lohn im Stich, als dem Europäer noch weiter zu folgen, der sie, ihrer Meinung nach, schlecht behandelte. Einen Ersatz aus den hier vorhandenen Bacharias sollte ich nun stellen -- zwar mußten die abgetheilten Leute dem Befehle Folge leisten und nach Misongwe marschiren, aber höchst ungern nur mochten sie gerade an Bord dieses Fahrzeuges Dienste thun. Es ist eigentlich zu verwundern, daß trotz des in den Dörfern so massenhaft angehäuften feuergefährlichen Materials so selten große Brände entstehen, schon deshalb, da doch in jeder Hütte fast Tag und Nacht Feuer glimmen, die so leicht dazu Anlaß geben könnten. Im Lager war gerade tags zuvor durch die Unvorsichtigkeit der Köche Feuer entstanden, das durch den herrschenden Wind schnell zur wilden Gluth angefacht, die Küche, den angrenzenden Zaun und das Wohnhaus der Diener augenblicklich in Asche gelegt hatte, auch das Dach meines Wohnhauses wurde in Brand gesetzt. Es gelang aber den vereinten Anstrengungen, des Feuers noch Herr zu werden, ehe große persönliche Verluste an Eigenthum entstanden waren. Ich will hier noch die meteorologischen Verhältnisse dieser Gegend, die gleichzeitig für das weite Zambesibecken Geltung haben können, in ein Gesammtbild zusammenfassen. Die Temperatur in den Monaten Juli bis Oktober ist eine wechselvolle, die Nächte sind empfindlich kalt und der stark fallende Thau, durch eine bedeutende Abkühlung erzeugt, trägt viel zu dieser Kälte mit bei. Bis 12° auch 7° Reaumur fiel das Thermometer, wogegen es in der Tagesgluth bis über 38° Reaumur im Schatten stieg, so daß der starke Wechsel körperlich sehr empfunden wurde und auch gesundheitlich nachtheilige Folgen hatte. Die starken Nebelgebilde steigen erst in den frühen Morgenstunden auf, hüllen alles in einen undurchsichtigen Schleier, bis die Sonnenstrahlen mächtig genug geworden sind, diese Wasserdünste aufzusaugen, dafür aber die Millionen Thautropfen, an den erfrischten Grashalmen, Blüthen und Blätter hängend, wie ebensoviele Diamanten glitzern machen. Leichte Wolkenbildungen am Horizonte lassen auf die erwähnten Dunstgebilde zurückführen, denn ausnahmslos verschwanden sie wieder, sobald das Tagesgestirn am Himmelsgewölbe seine Strahlen mächtiger entsendete, und im tiefen Azurblau, von Licht durchfluthet, erschien die Atmosphäre. Von Anfang August stellten sich in den Nachmittagsstunden starke südwestliche Winde ein, die durch ihre Stärke, namentlich durch die mitgeführten Staub- und Aschentheile, von Savannenbränden herrührend, höchst unangenehm wurden. Oftmals nahm die Sonne durch die in der Luft schwebenden feinen Staubtheilchen eine gelbe Färbung an, die schon lange vor Untergang in eine blutrothe überging; aber bald vor bald nach dem Sinken der Sonne legte sich auch der Wind und in den ersten Abendstunden herrschte darauf eine überaus wohlthuende Ruhe in der ermatteten Natur. Die Savannenbrände, von den Eingebornen entzündet, verursachen am Tage mächtige Rauchwolken, die zuweilen die Sonne selbst verdunkeln, am Abend aber zu einem Flammenmeer anwachsen, das Lawinen gleich seine Feuerwogen fortwälzte und für den entfernt stehenden Beobachter zu einer großartigen Erscheinung wird. Wie gewaltige Wachtfeuer ringsum lodert die Gluth, alles vernichtend, was durch die Sonnenhitze ausgedörrt oder abgestorben ist; selbst ausgedehnte Waldbestände fallen der Vernichtung anheim und was schlimmer, der junge Baumwuchs, in seiner Entwickelung gestört, geht ein, sobald nicht ganz besondere Terrainverhältnisse ihn schützen, darum sind auch die weiten Steppen so häufig mit nur verkrüppelten Bäumen hin und wieder bestanden, wo sonst die Bodenverhältnisse doch günstig genug für einen Waldbestand sind. Auch, was höchst bedauerlich, die Bewohner in der Nähe einer baumreichen Gegend vernichten durch Feuer allmählich ganze Bestände, nur um den ertragreicheren Boden, der von der Sonnengluth noch nicht ausgedörrt worden ist, für ihre Saaten benutzen zu können. Die so überreiche Üppigkeit der Tropenländer, gefördert durch die regengleichen Niederschläge während der Nächte, bedingt auch, daß schon nach wenig Tagen die Flächen, worüber die Feuerwogen vernichtend hingeeilt sind, in einem neuen grünen Kleid erscheinen und für die Wildheerden deckt die Natur aufs Neue den Tisch. Angelockt durch das schmackhafte junge Grün wagen sich denn auch Büffel und Antilopen in die Nähe menschlicher Wohnungen, und zu solchen Zeiten gelingt es dem Neger häufiger, mehr durch List als durch seine Waffen, der gestellten Thiere habhaft zu werden. Die Abendstunden im Lager, wenn kühl und erfrischend die Nacht herniedersank, waren häufig der stillen Betrachtung geweiht; oftmals lauschte das Ohr dem Konzert, das die Frösche fern und nah anstimmten und erwachten in späterer Stunde die Stimmen der Natur, dann klangen die Worte des Forschers J. Thomson durch den Sinn, der im Einklang alles gebracht, was an Empfindung die Natur in der Menschenbrust geweckt hat, er sagt: Wenngleich unser Ideal von den Tropenländern in Betreff der allgemeinen Charakterbilder durch weniger glänzendere Ansichten herabgestimmt wird, so wird doch unsere Erwartung in einer Beziehung schier übertroffen. Mögen die Dichter mit Vorliebe bei dem sommerlichen Zwielicht und dem sanftdämmernden Abend der gemäßigten Klimate verweilen und mit Entzücken die wechselnden Farbentöne und die sich leise entfaltenden Reize besingen, so gebe ich doch nach Allem der Dämmerung der Tropenländer den Vorzug mit ihrer unvergleichlichen klaren Atmosphäre und ihrer überaus lieblichen und erfrischenden Kühle, deren wohlthuender Eindruck durch die brennende Hitze und den blendenden Glanz des vorausgegangenen Tages noch erhöht wird. Das tropische Zwielicht ist allerdings kurz, aber um so reizender. Die längere Wohlthat des Zwielichts der gemäßigten Zone ist hier zusammengedrängt und verstärkt, so daß jeder Sinn entzückt wird. Zu dieser Zeit ertönt die sanfte Stimme des Tepe-Tepe aus den benachbarten Gebüschen, die dumpfe Stimme der Eule und des Frosches dringt an unser Ohr, die Cikaden blasen in ihre hellen Pfeifen zu dem nächtlichen Konzert, wozu das Johanniswürmchen und der kometenartige Leuchtkäfer die Scene erleuchten. Alles dieses fand ich bestätigt auf allen Wegen -- sieht man aber das Absterben der Natur und ihr Wiedererwachen, wenn Ströme des Regens nach sengender Gluth auf die Erde niederfließen und neues Leben wie mit einem Zauberschlage wecken, dann wird die Ueberzeugung wachgerufen, daß der jungfräuliche Boden noch für abertausend Wesen Raum und Nahrung hat und jede Arbeit mit reichem Segen lohnen wird. 4. Bis zum Lager von Port Herald. Die Räumung des Lagers von Ntoboa ging schnell vor sich, nun am zweiten September, Sedanstag, schon der zweite Transport flußaufwärts abgegangen war, auch bestand meine Hauptaufgabe darin, alles bereits zu halten, um bei der Rückkehr des »Herald« ohne Aufenthalt die Leichter beladen zu können. Den Engländern lag nicht minder viel daran, das Lager von Ntoboa aufgebrochen zu sehen, da sie, sobald der letzte Transport bis Pinda gebracht sein würde, nach einer späteren Verfügung des Majors, dort schon zwei Leichter erhalten sollten, mit welchen sie ihre im Anfang Oktober in Chinde eintreffenden Kanonenboote für den Nyassa-See, flußaufwärts zu schaffen gedachten. Aus diesem Grunde schon beschleunigte der »Herald« seine Auf- und Niederfahrt nach Möglichkeit und, als das Schiff am 7. unerwartet zurückkam, wurde alles daran gesetzt, in einigen Tagen zur Abreise fertig zu sein. Nach einem mir gewordenen Befehl sollte ich versuchen, alles noch vorräthige Material zu expediren und das Lager aufzugeben; es sollte hierdurch den Engländern entgegengekommen werden und dieser Transport nach ihrem Wunsch der letzte sein. Zwar versuchte ich es, Befehl und Wunsch zur Ausführung zu bringen, was bei der Tragfähigkeit der Fahrzeuge nicht schwer war, allein nahm auch der englische Kapitän die sehr tief beladenen Leichter an, so war es doch nicht rathsam, nach den gemachten Erfahrungen damit eine so weite Tour zu unternehmen; bei einem Unfall, der sehr leicht auf solchen unsicheren flachen Flüssen, wo Baumstämme und auch Steine gefährlich werden konnten, passiren konnte, würde mich die Verantwortung getroffen haben, und wäre uns ein Fahrzeug gesunken, der Verlust an Material etc. wäre kaum zu ersetzen gewesen. Darum ging ich nicht weiter, als die Sicherheit gebot; es war besser, der »Herald« machte noch eine Fahrt, als daß wir durch Uebereilung uns schweren Schaden zufügten, den zu ersetzen die Engländer sich sicherlich nicht verpflichtet gefühlt hätten. Am 10. früh verließen wir das Lager, wo ich zwei Europäer und zehn Soldaten zur Bewachung zurückgelassen hatte. Unter der kundigen Leitung des englischen Führers, der lange schon mit den Verhältnissen des Flusses vertraut war, erreichten wir noch gegen Abend Misongwe, nach einer mühevollen Fahrt, insofern mühevoll, als verschiedene Male, um über Untiefen hinwegzukommen, alle Mann, ca. 70, in das Wasser und Anker ausbringen mußten, mit deren und des Dampfes Hülfe dann das Hinderniß überwunden wurde. Misongwe, als Hauptstapelplatz des unteren Zambesi, war zu dieser Zeit nur von einigen holländischen, portugiesischen, vor allem indischen Händlern bewohnt, die ausschließlich mit dem Hinterlande Handelsgeschäfte betrieben und namentlich eingetauschte Erdnüsse, etwas Elfenbein etc. als Ausfuhrartikel zur Küste beförderten; im Uebrigen verspricht dieser Platz für die Zukunft an Bedeutung zu gewinnen, als die fortschreitende Entwickelung des internationalen Handels auf dem Zambesi-Schire, Misongwe zu einem Knotenpunkt erheben wird. Die Beschaffenheit der Ufer bis zur Mündung des Schire zeigt keine besondere Abweichung, nur daß das Flußbett durch seine Breite eine größere Anhäufung von Sandbänken gestattete und dadurch die Schifffahrt bedeutend behindert wird, auch, namentlich wo enge Fahrstraßen, besonders unter den steilen hohen Ufern, macht der starke Strom ein Vorwärtskommen recht beschwerlich. des Moramballa-Gebirgstocks näher zum Flusse heran, hingegen zur Linken verlieren die Höhenzüge sich in die Ferne, da sie vom Oberlauf des Zambesi an, dessen Ufer sie dort bilden, allmählich zurücktreten. Der tiefere Schirefluß verursacht an seiner Mündung in den Zambesi eine Anstauung der Sandmassen, so daß es schien, ein Vordringen den Zambesi höher hinauf wäre unmöglich, und thatsächlich können auch in dieser Jahreszeit nur Boote noch die vielen schmalen Fahrrinnen zwischen den Sandbänken passiren. Sicher ist, wäre die Strömung des Schire nicht stark genug, in diesem weiten Gebiet eine Fahrstraße offen zu halten, daß wohl kaum in der regenarmen Zeit ein Dampfer bis hierher vordringen würde. An der Mündung des Schire liegt die portugiesische Station Schamo; eigentlich nur eine Telegraphenstation und von Bedeutung insofern, als sie den Knotenpunkt zwischen der Drahtlinie Chilomo-Quilimane bildet. Die Hoffnung, beim Eintritt in den Schire einen besseren Fahrweg zu finden, erwies sich anfänglich als irrig, vielmehr wurde durch zerstreutliegende Felsmassen im Flußbett das Fortkommen erschwert. Es wurde daher vorgezogen, lieber über eine Untiefe von Sand den Weg zu nehmen, als Gefahr zu laufen, an den harten Steinen die Böden unserer Leichter zu durchstoßen, hatten doch die englischen Dampfer gerade hier des öfteren nicht unerhebliche Leckagen erhalten. Das Hinüberwarpen über solche Untiefen verursachte mehrmals längeren Aufenthalt, und wurde es dabei nöthig, daß alle Leute in das Wasser mußten, hatte ich immer aufzupassen, damit keiner zurückblieb, denn in tieferes Wasser gerathen, hätte der starke Strom einen schlechten Schwimmer bald hinweggeführt. Die Verengung der Fahrstraße weiter hinauf bedingte auch eine größere Tiefe und am Fuße der Moramballa-Berge, die bisweilen das Ufer einfaßten, traten uns keine Hindernisse mehr entgegen. Hier, wo der Fluß zwischen hohen Ufern sich hindurchzwängt, sein Bett rein und tief ist, ging auch die Fahrt schnell von statten; was aber nebenbei einen überaus wohlthuenden Eindruck machte, war die großartige wilde Natur in ihrer imposanten Schönheit, die zur Zeit, wenn die Regengüsse neues Leben gezaubert haben, wahrhaft erhebend wirken muß. Baum und Strauch verdeckt bis zu den Gipfeln der Berge hinauf das zerklüftete Gestein und diese, von Schlingpflanzen durchwoben, lassen schon jetzt erkennen, welch ein Reichthum an Blüthenpracht die Frühlingszeit entfalten wird, auch die tausendfältigen Glockenblumen der Lianen im hohen Ufergebüsch müssen einen herrlichen Anblick abgeben. Das gegenüberliegende Ufer, aus hartem Sandboden bestehend, fällt streckenweise steil zum Flusse ab und an solchen Stellen haben viele hundert buntgefiederte Vögel sich tiefe Löcher gegraben zum Aufenthalt und Brutstätte. Das Geräusch, welches der herannahende Dampfer verursachte, scheuchte diese Thiere aus ihrer Ruhe auf und in großen Schwärmen umkreisten sie das Schiff, flatterten ängstlich hin und her und gaben durch kreischende Schreie zu erkennen, daß sie um ihre Heimstätten besorgt sind, namentlich, wenn wir ganz dicht unter dem Ufer liefen, machte die vermuthete Gefahr die Vögel rein blind. Weiter den Fluß hinauf, nachdem das Gebirgsterrain passirt ist, bieten die Ufer nicht mehr die gleiche Abwechslung, hingegen sahen wir häufiger die schlanken Stämme der Fächerpalmen, deren Kronen sich stolz im Winde wiegten. In der Nähe von Pinda aber krönte ein lichter Wald die hügeligen Ufer und einen herrlichen Anblick boten die schlanken hohen Stämme, als wären es lauter Säulen von einem grünen Dome überdacht. Die Insel Pinda, Station der African-Lakes-Comp., wird durch den eigentlichen, jetzt aber wegen Mangel an Wasser unpassirbaren Schirefluß und einem Arme desselben, den sogenannten Ziu-Ziu, gebildet. Letzterer wälzt seine Wassermassen am Zusammenfluß dieser Arme über ein starkes Gefälle und erzeugt dadurch eine rasende Stromschnelle, deren Kraft, als wir die starke Strömung durchschneiden mußten, so groß war, daß sie Schiff und Leichter einfach aus dem Kurse warf und so gegen das gegenüberliegende Ufer preßte, daß es viele Mühe kostete, frei zu kommen. Beim ersten Versuche, diese Stromschnelle zu passiren, geriethen die beladenen Leichter mitsammt dem »Herald« in große Gefahr, der Wirbelstrom riß alles mit sich weg, und gegen das steinige Ufer geschleudert, verlor der »Herald« sein Boot; von einem Leichter flog einer von unseren Soldaten, durch die gewaltige Erschütterung herabgeschleudert, in die gurgelnden Wasser, die den Unglücklichen in die Tiefe zogen und nicht wieder zurückgaben. Was bei jener ersten Durchfahrt dem »Herald« mißlungen, gelang dem »Mosquito«. So wurde denn beschlossen, daß der »Mosquito« von Pinda bis Port Herald den Transport weiter befördern sollte, hingegen der »Herald« von Ntoboa bis Pinda diese Arbeit vollende. Nach vielen Mühen und Aufwand großer Kräfte hatte der Major es doch durchgesetzt, seine beladenen Leichter durch die wirbelnde Strömung durchzubringen. Dieses große Risiko aber mochte Herr von Eltz, der bis hierher mit dem »Pfeil« gekommen war und wegen dessen zu großen Tiefgang die Stromschnelle nicht passiren konnte, nicht übernehmen und der folgende Transport wurde, etwas oberhalb der Strömung, ausgeladen und die Lasten dann quer durch die ca. 400 Meter breite Insel nach dem Ziu-Ziu-Arm geschafft. Nach erhaltener Kenntniß dieser Vorgänge hatte ich auch keine Lust, einen Kampf mit den tückischen Wassergeistern aufzunehmen und hielt es für besser, die viel schwierigere Arbeit des Hinüberschleppens nach dem Lager ausführen zu lassen, als die Riskanz zu laufen, einen unersetzlichen Schaden zu erleiden. Demgemäß beauftragte ich den Obersteuermann, der hier das Kommando während meiner Abwesenheit führte, die Arbeiten zu leiten und kehrte schon am 13. September mit dem »Herald« und den beiden leeren Leichtern nach Ntoboa zurück. An jener Stelle, nicht fern von der Mündung des Schire, wo Felsen und Steine den Fluß und die Passage beengten, glaubte der Führer des »Herald« mit den nur sechs Zoll tiefgehenden Fahrzeugen durchkommen zu können, er wollte die schwierige Ueberfahrt vermeiden; allein das Fahrwasser war zu eng und der dem Schiffe zur Linken befestigte Leichter wurde mit voller Wucht auf einen unter Wasser liegenden großen Felsblock getrieben und blieb unbeweglich sitzen. Zweistündiger schwerer Arbeit bedurfte es, um den Leichter wieder flott zu machen, und wenn auch der Boden etwas stark verbäult worden war, so hatte doch die Güte des Eisenmaterials einem Durchbrechen widerstanden. Es ist übrigens keine Kleinigkeit, mit dem Strome flußabwärts zu fahren, die Geschwindigkeit wird, namentlich wo Stromschnellen sich gebildet haben, oft so groß, daß es bedeutender Umsicht und Ruhe des Führers bedarf, sein Schiff in der Gewalt zu behalten und den gefährlichen Untiefen rechtzeitig auszuweichen. Ntoboa am 15. erreicht, ließ ich den Rest der Expedition am selben Tage noch verladen und, zur Abreise bereit, erwartete ich die Rückkehr des »Herald« von der Holzstation. In dieser Jahreszeit, in welcher die Wasserverhältnisse des Zambesi so schlecht waren, waren auch die Fahrten der beiden Passagierdampfer der African-Lakes-Comp. eingestellt worden und als Transportmittel wurden nur offene Boote verwendet, die, zum Schutze für Europäer, im Hintertheil mit einer Holzbude versehen, allenfalls sehr beschränkten Aufenthalt boten. Aber auf einer beinahe dreiwöchentlichen Tour bis Katunga dem Reisenden eine Qual wurden insofern, als ein solcher nur in liegender Stellung darin Unterkunft finden konnte. Die Besatzung eines solchen Bootes besteht aus 12-16 Mann, die einem Capitao unterstellt ist, sie sind verpflichtet, für geringes Entgelt solche weiten Touren auszuführen, entziehen sich aber öfters durch Desertiren der vereinbarten Abmachung und lassen den Reisenden, der neben seinen schon gezahlten 400 Mark betragenden Reisegeld solche Unannehmlichkeiten mit in den Kauf nehmen muß, auf dem Trocknen sitzen. Von solcher Mißgunst des Geschickes waren zwei Engländer betroffen worden, die, schon tagelang von ihrer Besatzung verlassen, mit Hülfe ihrer Diener das Boot hatten vorwärts gebracht, bis sie schließlich am 15. das deutsche Lager erreichten und mich dringend um Unterstützung baten. Was die erbetene Hülfe anbetraf, so konnte ich den Engländern nur in der Anwerbung neuer Leute behülflich sein; berief deshalb den Häuptling von Ntoboa in das Lager und ersuchte ihn um Stellung von Leuten, war aber über die überaus hohe Forderung erstaunt, welche der Häuptling, noch dazu zur Hälfte in Baar, sogleich ausgezahlt haben wollte. Einem solchen Ansinnen gegenüber brach ich die Unterhandlung sofort ab, den Engländern rathend, wenn sie nicht ihr Geld wollten los sein, ein gleiches zu thun; die gestellten Leute würden doch nur eine kurze Strecke das Boot flußaufwärts bringen und dann desertiren, vielleicht sie dann in einer noch schlimmeren Lage zurücklassen. Das Natürlichste war nach einem solchen Mißerfolg, ihnen den Vorschlag zu machen, sich an Kapitän Robertson mit der Bitte um Mitnahme zu wenden, wenigstens so weit, bis ihnen Hülfe werden konnte; indes die für mich nicht überraschende Antwort war, daß solches Mühen vergeblich sein würde, aus dem Grunde, weil ein Engländer dem anderen nur selten eine große Gefälligkeit erweisen wird, das +help yourself+ (hilf dir selber), klingt aus jeder selbst höflichen Abweisung heraus, wenn nicht persönliches Interesse dem Gewährenden anderen Sinnes macht, im Allgemeinen ist der krasse Egoismus Ausschlag gebend. Einen Erfolg versprächen sie sich nur, wenn ich ihr Fürsprecher sein wollte, im anderen Falle müßte die unerhörte Forderung des Häuptlings angenommen werden. Ich kannte Kapitän Robertson noch zu wenig, um über seine Gesinnung seinen Landsleuten gegenüber urtheilen zu können, setzte aber voraus, daß er als Offizier, sofern es seinen Instruktionen nicht zuwider, Bedrängten seine Hülfe nicht versagen würde und ich hatte mich nicht getäuscht, was mir aber auffiel, war das geringe Entgegenkommen gegen diese beiden Beamten der African-Lakes-Comp. Der Engländer ist eine schwer zugängliche Natur, von der deutschen Gutmüthigkeit besitzt er herzlich wenig, ist er aber einmal aufgethaut, kann er im Umgang wiederum auch sehr angenehm und gefällig sein. Auf langwierigen und beschwerlichen Expeditionen in das Innere Afrikas hat der Führer immer damit zu rechnen, daß mehr oder weniger die Schaar seiner Gefolgschaft durch Deserteure gelichtet wird, ein Uebelstand, dem er nicht im Stande ist, abzuhelfen und in eine üble Lage gerathen kann, wenn er keinen Ersatz findet. Major von Wißmann hatte sich deshalb, um solcher Eventualität vorzubeugen, von jeher mit ganz fremden Volksstämmen, als Sudanesen, Abessinier, Somali, umgeben, diese fanden von den Eingebornen bei einem Fluchtversuch keine Unterstützung, wurden eher verrathen und setzten sich daher solcher Gefahr schwerlich aus. Anders war es mit der angeworbenen Zulukompagnie, diese Leute, dem Militärdienst abhold, suchten gelegentlich in kleineren Trupps zu entkommen, sie fanden auch überall Stammverwandte (da die Bevölkerung nur eingewanderte Zulustämme), und so blieb eine Verfolgung meistens erfolglos, weil sich kein Verräther fand, den die ausgesetzte Belohnung verlockt hätte. Bei meiner Rückkehr nach Ntoboa wurde mir die Mittheilung gemacht, daß vier Deserteure in Misongwe von einem Europäer aufgegriffen seien, die er einer Eskorte nach Ueberweisung der ausgesetzten Belohnung ausliefern würde. Meine Pflicht war es, die Leute holen zu lassen und, streng bewacht, mit mir zu führen, bis ich sie ausliefern konnte. Am 16. früh kam der »Herald« zurück, und während die Leichter längsseit befestigt wurden, ließ ich noch das ganze Lager in Brand stecken. Hell loderte die Gluth empor im weiten Viereck, dem Ungeziefer, das sich so fest eingenistet hatte, kaum einen Ausweg lassend, als Ratten, Mäuse und Schlangen. Letztere, einzelne Prachtexemplare, kamen zischend aus den brennenden Wohnhäusern der Soldaten, wo sie unter deren Kitandas (primitive Bettgestelle) sichere Zuflucht gefunden hatten, hervor, um blitzschnell wieder hinter einer noch stehenden Wand zu verschwinden, bis auch hier das schnell um sich greifende Element sie abermals verjagte. Die Jagd auf die fliehenden Ratten übernahmen die zahlreich in den Lüften schwebenden Raubvögel, und diese Jäger zu beobachten, wie sie manchen erfolgreichen aber auch manchen vergeblichen Stoß auf die Schutz suchende Beute unternahmen, war ein Vergnügen. Zum Abschied hatte sich fast das ganze Dorf Ntoboa eingefunden. Am hohen Ufer versammelt, sahen die uns vertraut gewordenen Bewohner den Vorbereitungen zu und, als langsam die Fahrzeuge vom Ufer sich lösten, riefen sie uns ihren Abschiedsgruß zu, begleitet von Händeklatschen. Die Stätte aber, jetzt in Feuer und Rauch gehüllt, wo ich so lange gestrebt und gewirkt hatte, wird bald wieder durch das üppig emporschießende Gras und Kraut unkenntlich gemacht sein, die Termieten werden wieder in Frieden ihre Hügel aufbauen können, und sollte nach langer Zeit einer von uns diese Stätte wieder suchen, würde es eines guten Orientirungssinnes bedürfen, sie aufzufinden, sofern sie nicht von der zu Zeiten hochschwellenden Fluth des Zambesi bereits verschlungen ist. Im Verlaufe dieser letzten Reise nach Pinda ist nichts Besonderes zu bemerken; schon aus dem Grunde wurden die bekannten Hindernisse schnell überwunden, als die Fahrzeuge, nur leicht beladen, das Fortkommen des »Herald« wenig behinderten. Weit über Misongwe hinausgekommen, rasteten wir für die erste Nacht an einer öden Stelle des linken Flußufers und, wie immer auf der Fahrt, konnten die Leute erst Abends abkochen; bei dieser Gelegenheit nun, als die Dunkelheit längst hereingebrochen war, gelang es den vier unter Aufsicht eines Postens stehenden Zulus, als dessen Aufmerksamkeit durch eine kleine Streiterei unter den Suaheli für einen Augenblick von ihnen abgelenkt wurde, dem ringsum hohen Grase sich zu nähern und plötzlich darin zu verschwinden. Der gleich darauf fallende Alarmschuß brachte alles in Bewegung und eine wilde Verfolgung begann. Aber sei es, daß die schnellfüßigen Zulus ihre Verfolger in der Dunkelheit zu täuschen wußten oder, schneller als diese, ihnen entgingen, keiner wurde von den Zurückkehrenden eingebracht, sogar Nachzügler mußten erst durch die zum Sammeln blasende Trompete herbeigerufen werden, da solche sich in der weglosen Grassteppe verlaufen hatten. Der Grund zu dieser nochmaligen riskanten Flucht war wohl vornehmlich die Furcht vor der zu erwartenden Strafe, die freilich nun bei einem abermaligen Abfassen nicht allzu gering ausgefallen wäre und wohl haben die Flüchtlinge bis zur gänzlichen Erschöpfung, geschützt durch die Dunkelheit, ihre verzweifelte Flucht fortgesetzt. In Pinda nach einer schnellen Reise angelangt, hatte ich laut Befehl die beiden Leichter, sobald dieselben entlöscht waren, dem Führer des »Herald« zu übergeben, mit welchen derselbe auch nach kurzem Aufenthalt seine Rückreise nach Chinde antrat. Inzwischen waren von Port Herald die ersten vom Major von Wißmann dorthin gebrachten Leichter zurückgekehrt, auch zum Theil vom Obersteuermann schon beladen. Nach dem Herüberschaffen des letzten Transportes vom Anlegeplatz nach unserm provisorischen Lager, wobei zum ersten Male die mitgeführten zweirädigen Karren uns gute Dienste leisteten, ließ ich die Fahrzeuge noch mit den werthvollsten Schiffstheilen fertig laden und führte darauf diesen Transport mit Hülfe von etwa vierzig Eingebornen den Ziu-Ziu-Arm hinauf bis zur nächsten Stromschnelle, oberhalb welcher der »Mosquito« wartete. Des starken Stromes wegen mußten die Leichter von den Leuten an langen Leinen gezogen werden, was durch die vielen Gebüsche, welche die Uferwand krönten, eine langwierige schwere Arbeit war, abgesehen davon, daß flache Stellen im Flusse, deren Umgehung nothwendig, nicht minder zeitraubend und schwierig. Der etwa nur drei Kilometer lange Weg konnte somit erst nach vielen Stunden angestrengtester Thätigkeit zurückgelegt werden. Pinda als Station ist von nur geringer Bedeutung, einzig als ein Uebergangspunkt zu betrachten, welchen hier die Nothwendigkeit errichten ließ, zumal die Stromverhältnisse des Schire in dieser Gegend gerade eine eigenthümliche Beschaffenheit aufweisen. Ein weites Gebiet, von verschiedenen Armen durchzogen, vertheilen die Wassermassen des Flusses, sodaß in der trockenen Jahreszeit von einem eigentlichen Schirefluß hier keine Rede sein kann; die Fahrstraße, welche diese Bezeichnung verdient, war versandet und unpassirbar. So vielen Veränderungen unterworfen, läßt sich kaum mit Bestimmtheit sagen, welchen Weg die nächste Hochwasserfluth einschlagen wird, irgend ein Arm kann durch unbekannte Zufälle von der Fluth gewählt werden, der durch die starke Strömung schnell vertieft, dann als Schirefluß betrachtet werden muß. Illusorisch wird die Pinda-Station, sobald dieser Fall eintritt, ihre Lage aber auch durch das rapide Anwachsen der Wassermassen sehr gefährdet, da nicht selten die ganze Insel überschwemmt und ein rechtzeitiges Verlassen des einsamen Blockhauses für die Bewohner zur Nothwendigkeit wird. Soweit ich gehört, soll die ganze Insel im Januar 1893 von der furchtbaren Strömung weggeschwemmt worden sein und der Fluß ein neues Bett sich gegraben haben, wenigstens fand ich bei meiner Rückkehr eine ganz veränderte Fahrstraße vor; auch nimmt es keinem Wunder, wer die gewaltige Kraft fließender Wassermassen zu beobachten Gelegenheit gehabt hat, daß solche Veränderungen hier in der Wildniß stattfinden können. Um noch einmal unseres Schleppdampfers »Pfeil« hier zu erwähnen, so hatte dessen Thätigkeit für uns bereits in Ntoboa aufgehört; derselbe, bis Pinda gebracht, war für denselben das Passiren der Stromschnelle unmöglich und, nach vergeblichen Versuchen, sich doch noch durch den nächsten flachen Arm des Schire hindurchzuwinden, hatte der Dampfer sich so festgerannt, daß an ein Zurück bis zur nächsten Hochfluth nicht mehr zu denken war. Major von Wißmann, durch triftige Gründe veranlaßt, verzichtete später ganz auf den »Pfeil« und dies um so eher, als sich die Hinüberschaffung des schweren Körpers auf den ausgewaschenen Wegen des Schiregebirges, nach dem oberen Schirefluß, als eine pure Unmöglichkeit erwiesen hatte. War auch die Stromschnelle, bis wohin ich die beiden Leichter am Abend des 20. September hatte schaffen lassen, nicht so gefährlich und reißend wie die untere, machte doch das Hinüberbringen der Fahrzeuge oberhalb der starken Strömung von einem Ufer zum anderen sehr viel Mühe. An langen Leinen von einem Ufer abgefiert, an dem anderen eingeholt, und dieses über eine Flußbreite von etwa 450 Meter, galt es dazu jeden Leichter von den gefährlichen Untiefen fernzuhalten. Als die Ueberführung vollendet, war ich durch das viele Zurufen und Schreien so heiser geworden, daß ich kaum noch ein Wort hervorbringen konnte. Veranlassung dazu gab die stupide Gleichgültigkeit der Eingebornen, die, wenn sie nicht angetrieben wurden, mit größter Seelenruhe zusehen konnten, wie ein Fahrzeug Gefahr lief, verloren zu gehen. Nur je ein Europäer war auf den Leichtern, die dazu sich mit den Leuten nicht verständigen konnten, und ich froh war, als nach vierstündiger Arbeit das englische Schiff erreicht wurde. Für die späteren Transporte hielt es der englische Führer, Kapitän Nuott, auch für angemessen unter dem rechten Ufer sein Schiff hinzulegen, damit wenigstens die Ueberführung der Fahrzeuge oberhalb der gefährlichen Stromschnelle nicht mehr nöthig würde, auch schon aus dem Grunde, als nicht immer eine umsichtige Leitung dabei sein und dadurch einen Verlust verhindern konnte. Die Weiterfahrt des »Mosquito« gegen den starken Strom, in dem zuweilen kanalartigen Flußbette gestaltete sich zu einer überaus schwierigen. Oft, wenn die Strömung zu stark, die gegenarbeitende Maschinenkraft nicht mächtig genug war, diese zu überwinden, wurden die Fahrzeuge vom Strome seitwärts gedrängt und, um dann eine Katastrophe zu verhindern, mußten sofort die Anker fallen gelassen werden, bis dadurch die Steuerfähigkeit wieder hergestellt, schließlich ein Ueberwinden der wirbelnden Wassermassen möglich wurde. Indes im Laufe des ersten Tages waren diese Schwierigkeiten überwunden. Darauf in einem schmaleren, doch von Hindernissen freiem Bette, ging die Fahrt flußaufwärts gut von statten; zwischen ziemlich hohen, häufig steilen Ufern, deren Böschung mit Rohrried und langem Gras bewachsen war, sodaß die üppig emporgeschossenen Pflanzen selten nur einen Einblick in die dahinter liegenden Landflächen gestatteten, hinziehend, erreichten wir eine zu beiden Seiten des Flusses sich ausdehnende Grassteppe. Mit der Bezeichnung Moramballa-Marsch hat man diese weite Ebene, den Tummelplatz fast aller im zentralen Afrika lebenden größeren Thiere, die rechte Benennung gegeben. Nichts als Rohr und Gras, kein Baum noch Strauch bringt irgend welche Abwechslung in diese Einöde, soweit auch das Auge schweifen mag, bis zum Fuße der fernen Berge, dasselbe Einerlei. Zu Zeiten des Hochwassers wird die wenig über dem Niveau des Flusses liegende Grasebene in einen weiten See und Sumpf verwandelt; tiefe Gräben durch die Uferwand gebrochen, leiten als natürliche Kanäle die Wassermassen beim Fallen des Flusses wieder ab, und verjüngt sprießt aus dem fruchtbaren Boden die überreiche Vegetation empor, ein grüner Tisch anfänglich, den die Natur mit vorsorgender Hand für ihre Wesen gedeckt hat. Die Ufer zur Linken, meistens höher gelegen, und mit hohem Gesträuch oft so bedeckt, daß dieses weit überhängend mit seinen Zweigen bis auf den Wasserspiegel reicht und es unmöglich wird, durch die zahllosen Schlingpflanzen, Winden, Lianen etc., die alles wie ein dichtes Gewebe verbinden, hindurchzudringen. Tausende weiße, blaue und rothe Blüthen in reicher Pracht zieren die grüne Wand, zwischen denen an den äußersten Spitzen der ruthenartigen Zweige der goldgelbe Webervogel sein eigenthümliches Nest erbaut hat, das, wie an einem Faden hängend, vom Winde bewegt über dem Wasser schwebt. Durch das Geräusch des vorbeikeuchenden Dampfers werden aus diesem dichten Gebüsch häufig silbergraue Vögel, die in behaglicher Ruhe im kühlen Schatten wahrhaft herrlicher Lauben weilten, erschreckt und aufgescheucht und nur wenige Schritte vom Leichter entfernt, flattern sie auf, kaum wissend, wohin sich wenden, wenn ihnen der Weg zur eiligen Flucht abgeschnitten erscheint. Die Annahme, daß in dieser blühenden Pracht eitel Friede zu herrschen scheint, wird schon widerlegt, wenn man aufmerksam den in hohen Lüften kreisenden Raubvögeln zuschaut. Bald schießt pfeilgeschwind der Beherrscher der Lüfte zur Erde nieder, um sofort sich wieder zu heben und in seinen scharfen Krallen die Beute zu entführen; allein diese wird ihm, weniger von Seinesgleichen, als von einem anderen Feinde, streitig gemacht. Ein heißer Kampf beginnt, kreischende Schreie, niederflatternde Federn, zeugen von der Erbitterung, mit welcher gekämpft wird, und fast immer muß der Jäger seine Beute fahren lassen, um den wüthenden Angriffen des Feindes sich erwehren zu können. Neugierig, welche Waffen dem schwächeren Angreifer von der Natur gegeben sind, womit er im Stande ist, den adlerartigen größeren Raubvogel zu besiegen und in die Flucht zu jagen, schoß ich zwei dieser Kämpfer aus der Luft herunter und fand, daß der Gegner an den Flügelknochen einen etwa 1-1/2 Centimeter langen nadelspitzen Auswuchs hatte, mit welchem er leicht tiefe Wunden dem Stärkeren beibringen konnte. Vom hohen Deck des »Mosquito« zuweilen über die Ufergebüsche wegschauend, erblickten wir mitunter friedlich grasende Wasserböcke und Zebras; furchtlos äugten diese stattlichen Thiere zu uns herüber, und machte sie auch der Knall eines Gewehres stutzen, so wußten sie in ihrer Sicherheit doch noch nicht, wie vernichtend die treffende Kugel wirken konnte. Oberhalb dieser weiten Grassteppe, auf dem nun allmählich ansteigenden Terrain, änderte sich die Scenerie; Baum und Sträucher, untermischt mit menschlichen Wohnstätten, hin und wieder am Ufer kleine Bananenanpflanzungen, gaben der Landschaft einen etwas freundlicheren Anstrich. An dieser Scheidegrenze einer fruchtbareren Gegend und der ungeheuren Steppe, sahen wir auch zu unserer Linken den hier errichteten Grenzpfahl. Die an demselben befestigte Tafel besagt in englischer Sprache, daß flußabwärts portugiesisches, flußaufwärts englisches Gebiet zu finden sei. -- Unauffällig wie dieses einem Beobachter auch erscheinen mag, frägt man sich doch unwillkürlich, was soll wohl Portugal mit der viele Meilen umfassenden Grassteppe machen, die sich fast quer durch das Land bis zum Zambesi-Fluß erstreckt und wie erwähnt, zur Regenzeit nur einen weiten Sumpf bildet; eine Heimstätte wilder Thiere zwar, doch für menschlichen Aufenthalt völlig ungeeignet! -- Englische Politik hat auch hier wieder den Beweis geliefert, daß Nehmen praktischer ist als Geben und das schwache Portugal muß seinem mächtigen Konkurrenten, übertrumpft durch erzwungene Verträge, weite Landstrecken überlassen, auf denen England unbehindert große Thätigkeit entfalten, auch wie überall die Fahrstraßen in seiner Hand behalten kann, die zu entwickelungsfähigen Ländern führen und, wenn es aus politischen Gründen belieben sollte, den internationalen Verkehr verschließen kann. Etwa 500 Meter flußaufwärts von dieser Grenze liegt am anderen Ufer die portugiesische Zollstation. Gleich wie die Grashäuser europäischer Ansiedler in diesem Lande, ist auch diese Station ebenso primitiv erbaut, und bedeutete nicht die wehende Flagge, daß solcher Bau ein Staatsgebäude ist, würde es seines Aussehens halber kaum Beachtung finden. Zwecks einer Zollrevision und Ausfertigung von Papieren hatten wir hier anzulegen. So kurz der Aufenthalt bei dieser Zollstation auch war, bot sich mir doch Gelegenheit, das Fell einer 13 Fuß langen Wasserschlange, die von den Eingebornen erlegt und abgeledert wurde, zu erstehen. Der Umfang dieses höchst gefährlichen Reptils betrug durchschnittlich einen Fuß und, abgesehen von dessen giftigem Biß, soll solch ein Thier die Knochen eines Menschen mit Leichtigkeit zerbrechen können. Das Fell, vollständig mit Fischschuppen besetzt, die auf dem Rücken ganz klein, allmählich bis zum Bauch die Größe eines Fünfpfennigstückes annehmen, haben oben eine schwarzbraune Färbung, wohingegen die Schuppen nach unten ins Gelblich-weiße übergehen. Nur zwei Exemplare gleicher Größe habe ich gesehen, sonst aber dieses Thier in seiner Freiheit zu beobachten weiter keine Gelegenheit gehabt, da es höchst wahrscheinlich nur dort sich aufhält, wo die Wildniß seine Lebensbedürfnisse befriedigen kann und das wäre hier in dem Moramballa-Marsch. Als besonders auffällig war für mich weiter flußaufwärts an der linken Seite die Anlage einer Reihe neuer Dörfer am Flußufer; eine Erklärung dafür kann nur gegeben werden, wenn die Behauptung, daß eine beständige Auswanderung portugiesischer Untertanen nach englischem Gebiet stattfindet, sich als richtig erweist. Ein triftiger Grund dazu wäre die Ausbeutung der Eingebornen durch die portugiesischen Mischlinge, die in der Eigenschaft als Beamte, schlecht oder gar nicht besoldet, diesen Ausfall durch Erhebung doppelter Steuern zu decken suchen; mithin könnte man es den Bewohnern dieses Distrikts nicht verdenken, wenn sie sich auf fremdes Gebiet niederlassen und unter einer geordneteren Verwaltung das ihnen zugewiesene Land bebauen. Eine Kopfsteuer erläßt der Engländer ihnen zwar auch nicht, der Gefahr aber, mehr zahlen zu sollen, sind sie doch überhoben. Etwas höher den Fluß hinauf passirten wir das große Dorf Tomba, das an Ausdehnung das größte, welches ich an den Ufern des Zambesi und Schire, mit Ausnahme vielleicht von Misongwe, gesehen habe. Auch hier bestätigte die Aufführung einer beträchtlichen Anzahl neuer Hütten, daß es an regem Zuzug nicht gefehlt hat. Und nach der Zahl der Bewohner zu urtheilen, die, wie überall, durch eine fremdartige Erscheinung angelockt, zu Haufen an dem Ufer sich versammelten, war die Einwohnerzahl eine sehr beträchtliche. In den Tropenländern veranlaßt die immer üppig blühende Natur den flüchtigen Beobachter zu der Annahme, daß ein Wechsel der Jahreszeiten eigentlich an der Pflanzenwelt spurlos vorübergehe; allein lebt man längere Zeit in den Tropen, wird eine solche hinfällig, da man in sehr vielen Fällen einen Erneuerungsprozeß beobachten und das Absterben der Natur als Winterperiode bezeichnen kann. Es sind nur Schmarotzer und Schlingpflanzen, die ein immergrünes Kleid tragen und durch ihren Blüthenreichthum diese Erscheinung verdecken, darum, so k