Die deutsche Dampfer-Expedition zum Nyassa-See.

By Max Prager

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Title: Die deutsche Dampfer-Expedition zum Nyassa-See.

Author: Max Prager

Release date: March 31, 2025 [eBook #75762]

Language: German

Original publication: Kiel: Verlag von Karl Jansen, 1901

Credits: Peter Becker, Hans Theyer and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (The digitized holdings of the Staatsbibliothek zu Berlin are available to all interested parties worldwide free of charge for non-commercial use.)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE DEUTSCHE DAMPFER-EXPEDITION ZUM NYASSA-SEE. ***



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                     Anmerkungen zur Transkription.

Das Original ist in Fraktur gesetzt. Die Schreibweise und Interpunktion
des Originaltextes wurden übernommen; offensichtliche Druckfehler
sind stillschweigend korrigiert worden.

Wörter in Antiqua sind so +gekennzeichnet+.

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                             Die deutsche

                          Dampfer-Expedition

                                  zum

                              Nyassa-See.

                        Von M. Prager, Kapitän.

                            [Illustration]

                                 Kiel.

                       Verlag von ~Karl Jansen~.

     Kommissions-Verlag für den Buchhandel: ~Robert Cordes~, Kiel.




                      Seinem hochgeehrten Führer

                                  dem

               Kaiserl. Gouverneur von Deutsch-Ostafrika

                        Herrn Major von Wißmann

                               gewidmet

                                                         vom Verfasser.




                         Inhalts-Verzeichniß.


           Vorwort.                                           Seite

           Einleitung                                             1

       1. Aufbruch der Expedition                                15

       2. Bis zum Lager von Ntoboa und die Erbauung desselben    31

       3. Im Lager von Ntoboa                                    39

       4. Bis zum Lager von Port Herald                          63

       5. Ein Eilmarsch von Port Herald nach Chilomo             81

       6. Der Eisenbahn-Transport. Das Lager bei Umpassa         93

       7. Im Lager von Umpassa bis Katunga                      110

       8. Von Katunga bis Blantyre                              130

       9. Von Blantyre nach Mpimbi                              148

      10. Von Mpimbi nach Fort Johnston am Nyassa-See           166

      11. Von Fort Johnston nach Mpimbi                         193

      12. Der Aufstand                                          211

      13. Der Kampf                                             229

      14. Die Erbauung der Werft                                254

      15. Der Ausbau des Dampfers »Hermann v. Wißmann«          278

      16. Im Urwald                                             296

      17. Der Stapellauf des »H. v. Wißmann« und
          dessen Vollendung                                     320

      18. Die Fahrten auf dem See und die Ankunft
          in Langenburg                                         335

      19. Die Küste und das deutsche Gebiet am Nyassa-See       359

      20. Der Nyassa-See                                        386

      21. Schluß                                                411

      Druckfehler-Verzeichniß.




                                Vorwort.


In dem vorliegenden auf Grund genau geführter Tagebücher ausgeführten
Werke habe ich versucht in schlichter Weise das zusammen zu fassen und
wieder zu geben, was auf die große Wißmann Dampfer-Expedition Bezug
haben konnte, besonders was den praktischen Theil, den Transport und
Bau des Schiffes anbelangt.

Des Weiteren versuchte ich dem geneigten Leser ein anschauliches
Bild über wenig bekannte Länder und namentlich über den Nyassa-See
vorzuführen; die Thier- und Pflanzenwelt, die eigenartige Natur
Central-Afrikas, schloß ich in diesen Rahmen ein, soweit wenigstens wie
ich aus persönlicher Anschauung und Erfahrung mir ein Urtheil gestatten
kann.

Neben der großen Aufgabe, die mir zugefallen, die Erbauung des
Dampfers »Hermann von Wißmann« zu leiten, habe ich jede freie Zeit
benutzt um mich über Land und Völker zu orientiren, Aufzeichnungen und
Beobachtungen zu machen, die in sich ein Ganzes, nur einer eingehenden
Bearbeitung bedurften.

Möge der Inhalt dieses Werkes für sich selber sprechen für die
Theilnehmer an dieser großen Expedition aber würde geschenkte Beachtung
ein schöner Lohn sein für alle ausgestandenen Mühen, Gefahren und
Entbehrungen.

Ich möchte noch erwähnen, daß ich einer der Offiziere dieser Expedition
(5 Offiziere, 30 Europäer) war, dem zum großen Theil die praktische
Arbeit des Transportes und Baues und dann die Führung des Schiffes in
seinem Elemente, auf dem Nyassa-See, zufiel.

Da dieses Werk ein Separat-Abdruck aus der »Deutschen Marine-Zeitung«
ist, der ca. 1-1/2 Jahr in Anspruch nahm, haben sich eine Anzahl
Druckfehler eingeschlichen und bitte ich das Verzeichniß derselben am
Schlusse dieser Arbeit zu berücksichtigen.

                                                     M. Prager, Kapitän




                              Einleitung.


Um nicht zu weit zurück zu greifen, wenigstens nicht eingehend die
Gründe zu beleuchten, die für die Entstehung und Ausführung des
Planes, einen Dampfer nach dem Seeengebiet Inner-Afrikas zu schaffen,
maßgebend gewesen sind, will ich mich vorerst nur auf das beschränken,
was mir zum Verständniß für die Allgemeinheit werthvoll erscheint. Wer
in kolonialen Kreisen mit den Einzelheiten vertraut ist, kann sich
leicht die Vorgänge ins Gedächtniß zurückrufen -- im Uebrigen haben
ja die Tagesblätter seiner Zeit dem großartigen Unternehmen des Herrn
Major von Wißmann genügende Beachtung geschenkt, so daß wohl eine
kurzgefaßte sachliche Darstellung der Thatsachen genügen dürfte. Es
war am 27. Mai 1890, nachdem im raschen Siegeslauf auch der Süden der
deutschen Besitzungen in Ostafrika, von Kilva-Kivindji bis Mikindani
zurückerobert worden war, als Major von Wißmann, sein Adjutant
+Dr.+ Bumiller, begleitet von der Gesandtschaft des Seliman
ben Nasr und meiner Wenigkeit, auf dem englischen Dampfer »Etiopia«
Sansibar verließen, um auf Urlaub in die Heimath zurückzukehren.

Herzlich war der Abschied von den tapferen Kameraden, welche dem Major
das Geleit bis an Bord gegeben hatten, und alle beseelte der Wunsch,
ihren großen Führer in der Eigenschaft als Kaiserlichen Gouverneur
bald wieder auf afrikanischem Boden begrüßen zu können. War doch kein
Name von seiten der Araber gefürchteter als der des +bwana mkubwa
sana+, unter den Deutschen aber Niemand beliebter, als Wißmann. Wohl
bei uns allen hatten die großen Erfolge, welche die Deutschen unter
der Führung Wißmanns errungen, Hoffnungen erweckt, deren Erfüllung die
nächste Zukunft sicher bringen mußte, sollten die Früchte, die mit Blut
und Eisen erkämpft waren, dauernd uns verbleiben.

Die Thatsache, daß mit der Eroberung der ostafrikanischen Küste und der
wiederhergestellten Ruhe die deutsche Arbeit erst begonnen, die Kultur
den ersten großen Anlauf genommen hatte, stellte auch an die Leiter
der kolonialen Bewegung gewiß ernste Aufgaben und es galt aus einer
kleinen Zahl die richtigen Männer zu finden, die solch ein wichtiges
und umfassendes Werk fortsetzen konnten. Am nächsten lag es wohl, daß
der beste Kenner Afrikas, der so ruhmvoll den gewaltigen Kampf zur
deutschen Ehre beendet hatte, auch zu diesem verantwortlichen Amte
berufen werden würde, denn der Klang seines Namens bis weit in das
Innere des dunklen Erdtheils war Bürgschaft genug und leicht würde
durch ihn jeder fernere Widerstand unbotmäßiger Stämme nach kurzer Zeit
gebrochen worden sein.

Mit weitschauendem Blick erkannte Major von Wißmann, daß es mit der
Unterwerfung des Araberthums an der Küste nicht gethan ist, sondern
wie nöthig es sei, auch an den Ufern der gewaltigen Binnenseen Afrikas
diesem Feinde entgegen zu treten, der weit über ein ungeheures
Territorium verzweigt, nicht durch seine Zahl, vielmehr durch seine
geistige Herrschaft über die Stämme ein furchtbarer Gegner werden
konnte, sofern ihm die Zeit zum Sammeln gelassen wurde.

So lag denn nichts näher, um ein beständiges Machtobjekt im Innern zu
haben, als ein Schiff nach dem Innern zu schaffen, das nicht allein
ein weites Gebiet beherrschen konnte, sondern auch den Handel zu
fördern das geeignetste Mittel war, und dieses Werk mit ernstem Willen
durchzuführen, war des Majors fester Entschluß.

Indes lag es in der Natur der Sache, daß die Kühnheit solcher Idee
ein so großartiges Werk zur Ausführung zu bringen, in antikolonialen
Kreisen, die ein ziel- und zweckloses Wüthen gegen die Kolonialpolitik
des Deutschen Reiches in Scene gesetzt hatten, als für mindestens
unausführbar angesehen wurde, aber mit der Zeit und namentlich als
Major von Wißmann erst persönlich für seine Idee eintreten konnte,
war der Umschwung der Ansichten so groß, daß die Möglichkeit der
Ausführung nicht mehr in Zweifel gezogen ward, ja selbst diese Idee
sich so verallgemeinerte, daß nicht nur das Projekt des Majors, einen
großen Dampfer zuerst nach dem Viktoria-Nyanza-See zu schaffen, einzig
und allein maßgebend blieb, sondern auch von anderer Seite (Dr. C.
Peters) ein gleiches zur Ausführung gebracht werden sollte mit der
zweifelhaften Begründung, der Wißmann-Dampfer sei wegen seines zu
großen Tiefganges für den Viktoria-See ungeeignet. Natürlich wurden
hierdurch Parteispaltungen hervorgerufen, die der Sache nur schädlich
sein konnten, wozu der Kampfruf im kolonialen Lager »Hie Wißmann, Hie
Peters« das Seine beitrug und Unentschlossenheit sowie Verwirrung
hervorrief, wo doch nur absolute Einigkeit gegenüber einer mächtigen
antikolonialen Bewegung zum Ziele führen konnte.

Indes so nachtheilig dieser Umstand auch war, insofern als für ein
Ziel zwei Dampfer in Aussicht genommen wurden und naturgemäß die
freiwilligen Geldspenden Einbuße erleiden mußten, so war er doch
dem Projekte des Majors wesentlich nicht hinderlich, zumal in den
kaufmännischen Kreisen unserer großen Seestädte, als Hamburg, Lübeck,
Bremen das Verständniß für die große Sache ein allgemeines war, und
namentlich aus diesen, sowie aus den weitesten Kreisen im deutschen
Reiche, unter denen die Missionen besonders zu erwähnen sind, gingen
wenigstens die Mittel zum Bau des Dampfers reichlich ein. Daß die
Ueberführung des Dampfers von der Küste bis zum See außerdem ganz
beträchtliche Mittel erfordern würde, die vorhandenen bei Weitem nicht
ausreichten, war selbstverständlich und daher solche zu beschaffen das
ernstlichste Bestreben des Komitees, das sich in Köln zur Förderung
der Dampferangelegenheit gebildet hatte. So wie dieses widmete sich
auch, neben vielen anderen hochgestellten Personen, Herr Dr. Thimotheus
Fabri in Hamburg der Sache, um den Major, der längst wieder auf seinem
Posten in Afrika weilte, nach Möglichkeit zu unterstützen und alles
aufzubieten, was dessen großes Unternehmen fördern konnte.

Nach mehrfachem Aufruf zur Unterstützung der Sache stellte es sich
aber heraus, daß die eingehenden Geldspenden (es waren zusammen etwa
300000 Mk.) der Erwartung nicht entsprechen würden und es daher
gerathen erschien, die Hilfe der Regierung anzurufen. Die angesehensten
Männer Hamburgs unterzeichneten auch ein dahin zielendes Gesuch an
den Reichskanzler, das aber leider abschlägig beschieden wurde mit
dem Bemerken: die Dampferangelegenheit sei als eine Privatsache zu
betrachten und die Regierung daher nicht in der Lage, dem Unternehmen
pekuniäre Unterstützung zu gewähren oder gar selbst die Ausführung des
Transportes in die Hand zu nehmen, jedoch sei das Schiff erst nach dem
Viktoria-Nyanza geschafft und dort erbaut, würde es sich empfehlen,
dasselbe Reichssache werden zu lassen und die fernere Unterhaltung des
Dampfers würde sodann dem Reiche obliegen.

Es war somit ein mißglückter Versuch; dieses Versagen einer kräftigen
Unterstützung im gedachten Sinne konnte man der Regierung eigentlich
nicht verdenken, denn es wurden die, welche für die große Sache
eingetreten waren, damals noch von vielen Seiten Kolonialschwärmer
genannt und die weit verbreitete Ansicht unter der Gegenpartei, daß das
ganze Projekt sich schließlich als eine Unmöglichkeit ausweisen würde,
ließ mit Sicherheit voraussetzen, der Reichstag werde keine Mittel
dafür bewilligen; hielten doch genug Volksvertreter die koloniale
Bewegung überhaupt als für verfehlt.

Alle diese Fehlschläge hielten indes den Fortschritt im Bau des
Dampfers »Hermann von Wißmann« nicht auf, über den ich auf der
bekannten Schiffswerft von Janssen und Schmilinsky die Aufsicht
führte, auch sollte das Schiff bis zum 29. April 1891 vollendet
sein. Eine von mir aufgestellte Berichterstattung, Seine Excellenz
dem Reichskanzler eingereicht, möge hier eine Uebersicht von der
Zusammensetzung und den Größenverhältnissen des Schiffes wiedergeben.

Das aus deutschem Stahl angefertigte Schiff, welches allen gestellten
Anforderungen an ein seetüchtiges Fahrzeug entsprechen muß, hat eine
Länge von 26 und eine Breite von 5,078 Meter, seine Tiefe vom Deck
bis zum Kiel beträgt 8,5, der Tiefgang 6-7 Fuß. Der Schiffsraum ist
durch eiserne Schotten in 6 verschiedene Theile abgetheilt, wovon
der mittlere als Maschinen- und Kesselraum dient. Zwei Abtheilungen
sind zur Aufnahme von Feuerungsmaterial, event. Ladung bestimmt; eine
dritte im Vorderraum, als Kajüte eingerichtet, dient dem dienstthuenden
Personal, zwei oder drei Europäern zum Aufenthalt, die hinterste und
vorderste zur Aufbewahrung von Inventarien, Ketten, Tauwerk etc.

Das aus Teakholz hergestellte Deck bleibt möglichst frei, bis auf
das Deckhaus, dem Maschinenoberlicht und den Niedergängen zu den
Räumen. Das Deckhaus, für 2 Mann eingerichtet, nimmt einen Raum von 10
Quadratmeter ein, über diesem erhebt sich die 16 Quadratmeter fassende
von Bord zu Bord gehende Kommandobrücke, die mit Steuerung, Telegraphen
etc. versehen ist. Ueber das ganze Schiff werden Sonnensegel gespannt,
die an eisernen Stützen, in einer Höhe von 6 Fuß ausgebreitet werden
können. Die Kommandobrücke, mit eben solchem Sonnendach versehen,
kann nach allen Seiten eingeschlossen werden, so daß im Bedarfsfalle
die Brücke zum nächtlichen Aufenthalt geeignet ist. Vorgesehen sind
3 zerlegbare Stahlboote, jedes in vier Sektionen getheilt und leicht
mittelst Schrauben zusammen zu stellen; zwei haben eine Länge von 17,
das dritte von 12-1/2 Fuß. Die Takellage des Dampfers besteht aus zwei
Pfahlmasten mit vollständiger Segelvorrichtung und ist gewählt worden,
um das Schiff bei einem Versagen der Maschine nicht hülflos werden
zu lassen. Die Zwei-Cylinder-Hochdruckmaschine von 120 indizirten
Pferdekräften ist der Einfachheit und Solidität wegen bevorzugt worden
und kann mit derselben eine Fahrgeschwindigkeit von 8-1/2 Knoten pro
Stunde erzielt werden. Ebenso sind zwei horizontal liegende Dampfkessel
vorgesehen, deren Mantel, jeder in 8 Theile, ohne die Kesselböden, des
leichteren Transportes halber, zerlegt wurden.

Was nun das Gesammtgewicht des ganzen Körpers mit allem Zubehör
anbetrifft, so beläuft sich dieses auf ca. 80 Tonnen = 160000 Pfund.
Die schwersten Theile, als Cylinder, Hintersteven, Sternwelle wiegen
jedes nahezu 800 Pfund, jeder andere Theil des Schiffes und der
Maschine, als Kiel, Wellentheile, Kesselplatten etc., der über 350
Pfund Gewicht hat, ist zu den schwereren gerechnet worden und werden
deren ca. 20 sein. Da diese Theile wegen ihrer Konstruktion nicht mehr
haben verkleinert werden dürfen, so sind zu deren Transport geeignete
zweirädige Wagen konstruirt worden mit tiefliegenden Achsen. Alle
anderen Theile, als Schiffsplatten, Kisten etc., zu deren Transport
mehr als zwei Mann nöthig werden, sind so eingerichtet, daß sie an
Stangen getragen werden können.

Die Verpackung empfindlicher Gegenstände wird mit großem Vorbedacht
ausgeführt, um solche gegen Nässe zu schützen. Im Uebrigen werden
alle zur Expedition gehörenden Stücke so leicht als möglich gemacht
und wenn irgend angängig, darf das Gewicht eines einzelnen Theiles
nicht 60 Pfund überschreiten. -- Obgleich nun auch die Bestellung
der hundertfachen Sachen für Dampfer und Expeditionen des öfteren
eine unliebsame Beschränkung erhielt aus Gründen, welche durch den
Geldmangel hervorgerufen wurden, so konnte doch alles Nöthige in dem
Maße beschafft werden, daß mit Recht wohl keine andere Expedition so
vollständig und reichlich ausgerüstet worden ist wie diese. Ich ließ es
mir wenigstens angelegen sein für Jahre im voraus zu sorgen, damit an
Material kein Mangel eintreten konnte.

Wohl war beabsichtigt, den Akt der Schiffstaufe (nachdem der Dampfer
auf der Werft vollendet worden), um noch einmal das allgemeine
Interesse für die Expedition zu erwecken, mit besonderer Feierlichkeit
vorzunehmen und gab sich der kaufmännische Vertreter des Herrn Major
von Wißmann, Herr Ottens, dieserhalb die größte Mühe. Allein Bedenken
mancher Art machten den Plan zunichte, von der Taufe mußte gänzlich
Abstand genommen werden und ohne Sang und Klang, ausgenommen die kleine
Festlichkeit, welche der Leiter der Werft, Herr Janssen, veranstaltet
hatte, wurde der »Hermann von Wißmann« am 13. April 1891 übergeben.
Darauf das Schiff auseinander genommen, begann die Verpackung der
einzelnen Theile; die Einschiffung aber am 4. Mai auf dem neu erbauten
Dampfer »Emin«, der mit dem ganzen Transport und einem Theil der
Mannschaft am 9. Mai den Hamburger Hafen verließ.

Als Frachtdampfer für die Küstenfahrt in den ostafrikanischen
Gewässern bestimmt, war der »Emin« wenig geeignet, eine größere Anzahl
Passagiere aufzunehmen, deshalb hatte der größte Theil der Handwerker
unter Aufsicht des Obersteuermanns Bergest schon früher auf dem
Reichspostdampfer »Bundesrat« eingeschifft werden müssen und längere
Zeit vorher die Reise nach Sansibar angetreten, während ich erst,
nachdem der Transport verschifft war, von Neapel aus die Reise antrat.
Direkt für den Dampfer, dessen Transport und Aufbau, waren folgende
engagirt worden: 2 Steuerleute, 2 Maschinisten, 2 Zimmerleute, 4
Kesselschmiede.

Am 3. Juni erreichte der »Bundesrat« den Hafen von Tanga und von hier
beorderte der Vertreter des Majors, der inzwischen nach Deutschland
zurückgekehrt war, ohne seine hinausgehende Expedition irgendwo
angetroffen zu haben, Herr von Eltz, die Mannschaft zunächst nach
Bagamojo, von wo nach Eintreffen des »Emin« truppweise der Marsch in
das Innere angetreten werden sollte.

Aber als selbst die Entlöschung des »Emin« vermittelst arabischer Dhaus
beendet war, in rastloser Thätigkeit alles zum Abmarsch vorbereitet
wurde, wollte es Herrn von Eltz noch immer nicht gelingen, aus Mangel
an Trägern, die erste Abtheilung unter de la Fremoire absenden zu
können und die Hoffnung, wenigstens von der Küste fortzukommen, wurde
immer wieder vereitelt.

Wie es schien, verschlechterten sich die Aussichten in Bagamojo,
noch genügend Träger zu erhalten mehr und mehr, denn es war von
seiten der Europäer wie auch der Araber und Hindu (Indier) in der
That ein Reißen um Träger und kein Ausweg bot sich, die benöthigten
Tausende zu erlangen. Doppelt freudig wurde daher die Nachricht
begrüßt, der Irländer Stokes sei mit annähernd 5000 Trägern in Saadani
eingetroffen, die der Expedition zur Verfügung gestellt werden sollen.
Und bestimmt sahen wir den baldigen Abmarsch voraus, als der Befehl
eintraf, das gesammte Material nach Saadani überzuführen, von wo
des günstigeren Terrains halber die einzelnen Kolonnen aufbrechen
sollten. Die Ueberführung des gewaltigen Transportes mittelst Dhaus
begann am 1. Juli und war trotz der äußerst schwierigen Verschiffung
nach Verlauf einer Woche beendet. Verhältnißmäßig schnell gelangten
wir nach Saadani, wo inzwischen de la Fremoire hinter dem Fort
auf freiem Felde ein Lager errichtet hatte, das vorläufig nur aus
Zelten und den nothwendigsten Grasschuppen bestand, unter denen alle
Schiffsgegenstände von den zur Verfügung stehenden Wanjamwesi (Stokes
Leute) untergebracht wurden. Das Lager, das sich anfänglich noch
in einem primitiven Zustand befand, wurde allmählich erweitert und
ausgebaut, so daß Grashäuser, Schuppen und Zelte schließlich den Umfang
eines kleinen Dorfes ausmachten, auch wurde es nothwendig, die Zugänge
zu beschränken, damit nicht jeder nach Belieben Zutritt hatte, denn
unsere Diener und Köche liebten es sehr ihrerseits extra Diener sich zu
halten, welche die eigentliche Arbeit gegen sehr geringes Entgelt zu
machen hatten.

Der Suaheli nämlich spielt sich gegenüber seinen schwarzen Brüdern,
namentlich denen aus dem Innern, nur zu gerne als Herr auf und wird
sie nie für voll ansehen; diesem Unwesen nun mußte gesteuert werden,
auch deswegen schon, weil zu befürchten stand, daß trotz strenger
Aufsicht minderwerthige Gegenstände den Weg des Nimmerwiedersehens
gehen konnten. Aber hatten wir in der ersten Zeit gehofft, der Aufbruch
der Expedition würde endlich zur Ausführung kommen, zumal Stokes, dem
die Unterhaltung seiner Wanjamwesi Beträchtliches kostete, ernstlich
zur Entscheidung drängte, so schwand vorläufig jede Aussicht, als Herr
von Eltz den Befehl zum Abwarten überbrachte, der auch Stokes zwang nun
seine Träger anderweitig zu verwenden.

Der so oft verschobene Aufbruch fand darin seine Erklärung, daß Herr
Major von Wißmann nicht persönlich die Leitung übernehmen konnte,
auch den Aufschub anordnete, weil er erst mit einer Feldbahn von
Europa eintreffen wollte, mit welcher er den Gesammttransport leicht
und bequem zu befördern gedachte, und was das Schwerwiegendste,
höchstens 1000 Mann, anstatt früher 5000 und mehr, dazu bedurfte. Am
25. August traf denn auch der Major mit dem in Tanga eingelaufenen
Reichspostdampfer »Kanzler« wieder an der ostafrikanischen Küste ein
und ernstlich ging es nun an die Ausführung der noch nothwendigen
Arbeiten, unter denen die Ueberführung der Feldbahn von Sansibar nach
Saadani, die mir übertragen wurde, die nächste war. Die Aussicht,
endlich von der fieberreichen Küste fortzukommen, belebte den
gesunkenen Muth, freudig regten sich viele hundert Hände, die Feldbahn
zusammen zu stellen und entsprechend den Anordnungen des Majors zu
beladen.

Das Schienengeleise der Feldbahn, dessen Länge 400 Meter betrug,
bestand in seinen einzelnen Theilen aus 1-1/2 Meter langen Jochen,
die mittelst Haken schnell und bequem mit einander verbunden werden
konnten. Jedes dieser 266 Joche sollte von je einem Mann mit
Schulterriemen getragen werden; würde diese Arbeit aber dem Einzelnen
auf die Dauer zu schwer geworden sein, so waren, wenn nöthig, höchstens
die doppelte Zahl Leute, 532, dafür anzustellen, die zu zwei jedem Joch
zugetheilt, diese leicht und ohne Anstrengung transportiren konnten.
Von hinten nach vorne, eine Länge von 400 Meter, war jedes Joch zu
tragen, bei dem die Träger verblieben bis der letzte Wagen passirt,
war, um dann erst aufs Neue nach vorne aufzurücken.

Die Wagen, ein jeder mit guter Bremse versehen, waren so eingerichtet,
daß an jeder Seite 8 Mann mittelst in Ringe zu hakende Schulterriemen
diese bequem ziehen konnten, was auf ebenen Terrain verhältnißmäßig
leicht war. Es würden für die vorhandenen 32 Wagen demnach 512 Mann, im
Ganzen also 1044 nöthig gewesen sein; mit solcher Anzahl konnten wir
es unternehmen, selbst sehr schwieriges Terrain zu überwinden, und was
der größte Vortheil, alles Material war stets beisammen, ein Verlust
also, wie solcher bei Trägerkolonnen wahrscheinlich gewesen wäre,
ausgeschlossen.

Zwar sehr schwierig und zeitraubend wäre der lange Weg bis zum
Viktoria-Nyanza-See geworden, aber hätte nicht ein unerwarteter Schlag,
die zum Abmarsch bereite Expedition an der Ausführung gehindert, unter
der Leitung des Majors von Wißmann würde das Schwierigste vollbracht
worden sein und wir hätten den See sicher erreicht.

Noch in rastloser Arbeit mit dem Aufbau der Bahn beschäftigt, im
Vertrauen auf die vom Major abgegebene Zusicherung, wir würden bald
nach der Vollendung aufbrechen können, traf am 12. September in Saadani
die unglaubliche Nachricht ein, es sei die Kerntruppe, das zelefkische
Korps, von den Wahehe vollständig vernichtet worden; die besten
Kolonialtruppen, die tüchtigsten Offiziere, die unter Major von Wißmann
so rühmlich gekämpft hatten, mitsammt ihrem erfahrenen Führer waren der
Uebermacht erbitterter Feinde erlegen. Als kein Zweifel mehr blieb und
diese traurige Nachricht durch immer genauere Angaben bestätigt wurde,
da war es kein Wunder, daß die Annahme, diese große Niederlage könnte
noch Schlimmeres im Gefolge haben, die weiteste Verbreitung fand und
daß zunächst die zum Aufbruch bereite Dampfer-Expedition auf ihrem Wege
zum Innern ernstlich gefährdet sein würde. Bedenken schwerwiegender Art
mußten die Entschlüsse des Majors beeinflussen oder zu nichte machen,
wenn ihm die Sicherung seiner Expedition nicht durch eine genügende
Schutztruppe garantirt werden konnte und daß dies unmöglich war, lag
auf der Hand, da dem Gouverneur von Soden unter solchen Verhältnissen
eine Schwächung der Küstenbesatzung nicht zuzumuthen war. Hätte es
indeß sein können, so würden den übermüthigen Wahehe sehr bald die
Früchte ihres Sieges entrissen, unter Führung Wißmanns die Niederlage
gerächt und die aufständigen Häuptlinge zur Unterwerfung gezwungen
worden sein.

Leider nur zu bald sollten die schlimmen Folgen für die Expedition sich
bemerkbar machen, denn Major von Wißmann stellte die Wahrscheinlichkeit
in Aussicht, er würde jedenfalls sich genöthigt sehen müssen,
seine Expedition aufzulösen und solche zu einer ruhigeren Zeit zur
Durchführung zu bringen. Da indes noch nicht all und jede Aussicht
geschwunden sei, die Möglichkeit, vielleicht doch noch aufbrechen
zu können, vorhanden wäre, so ermahnte der Major das Personal, die
Arbeiten an der Feldbahn völlig zu beenden; liege es im Bereiche seiner
Macht, brechen wir unter allen Umständen auf. So ging denn alles seinen
ruhigen Gang bis plötzlich am 23. September vom Major der Befehl
aus Sansibar einlief, die Expedition sei aufgelöst! Es haben sich
demzufolge sämmtliche zum Schiffspersonal gehörende Mitglieder am 25.
September nach Sansibar zu begeben, um mit dem nächsten Dampfer in die
Heimath befördert zu werden. Das war das Ende der stolzen Expedition,
auf die die Welt mit Erwartung gesehen hatte, und das große Werk blieb
unvollendet. Noch hatte kein Einziger bewiesen, was er zu leisten
fähig ist, würde es auch fernerhin nicht können, da das Aufgeben der
Expedition für fast alle die Möglichkeit ausschloß, sich dem großen
Unternehmen zu widmen, wenn es durch die Energie des Majors v. Wißmann
später doch noch zur Ausführung kommen sollte.

Die eigentliche Lage, in welcher die junge deutsche Kolonie durch
die schwer zu verwindende Niederlage versetzt worden war, hatte also
zunächst die Auflösung der Wißmann-Expedition zur Folge und konnte man
auch erwarten, Major von Wißmann werde trotz aller Widerwärtigkeiten
sie zur Durchführung bringen, so war doch eine Unterbrechung von 8-9
Monaten durch die bald eintretende große Regenzeit geboten. Hätte
selbst die Anwerbung einer genügenden Militärmacht sofort ausgeführt
werden können, wäre dennoch viel Zeit verloren gegangen, die schweren
Regengüsse und die schlechten Wege hätten die Ausführung verhindert.

Die Dampfer-Expedition des Major von Wißmann, das sich der Vollendung
nähernde Projekt des Dr. Peters, hatten sehr bald gezeigt, daß zur
Durchführung so gewaltiger Aufgaben die vorhandenen Geldsummen bei
weitem nicht ausreichten, und während wir eigentlich thatenlos an
der ostafrikanischen Küste gelegen, hatte sich zur Beschaffung so
bedeutender Mittel im deutschen Reiche das Anti-Sklaverei-Komitee
gebildet, zu dem Zwecke, durch eine große Lotterie die benöthigten
Summen zu erlangen. Die Unterdrückung der Sklaverei an der Küste
sowohl, wie im Innern Afrikas, war der Grundgedanke und das nächste
dazu, die Ueberführung der beiden Dampfer nach dem großen Seengebiet,
deren Bestimmung es sein sollte, dem schmachvollen Gewerbe der Araber
Einhalt zu thun.

Von der Ansicht ausgehend, die beiden Dampfer nun nicht, wie anfänglich
geplant, nach dem Viktoria-Nyanza zu schaffen, weil ~ein~ solches
Machtobjekt auf diesem See vollständig genügte, wurde mit Major von
Wißmann, der in Egypten weilte, in Unterhandlung getreten, ob er nicht
sein Fahrzeug nach dem Nyassa- resp. Tanganjika-See bringen wolle,
während der Peters-Dampfer seiner anfänglichen Bestimmung zugeführt
werden sollte. Dies schien um so eher geboten, als dann auf zwei
Punkten im deutschen Gebiet dem Unwesen der Araber entgegen getreten
werden konnte.

Major von Wißmann erklärte sich auch mit diesem Projekt einverstanden
und wählte den ihm bekannten Wasserweg Zambesi-Schire, mit der festen
Absicht, seinen Dampfer nach dem Tanganjika-See zu bringen und dort zu
erbauen.

Man konnte um so mehr dieser praktischen Idee, nach Möglichkeit den
Wasserweg zu benutzen, zustimmen, als sicher zu erwarten war, daß mit
geeigneten Mitteln der große Schiffstransport leichter und schneller
gefördert werden würde, allerdings müßte dann auch die geeignete
Zeit, in welcher diese Flüsse genügende Wassertiefe hatten, nicht
versäumt werden. Zur erfolgreichen Durchführung waren, neben den
zwei der Expedition zugehörenden großen Sektionsboote, noch vier
Stahlleichter und ein Schleppdampfer als für nöthig erachtet worden,
deren Fertigstellung sich leider verzögerte, was für den Fortgang der
Expedition später recht nachtheilige Folgen hatte.

Seit der Zeit, als ich die in Ostafrika weilenden Mitglieder der
Expedition im Auftrage des Majors nach Deutschland zurückgeführt hatte,
waren etwas mehr als sechs Monate hingegangen, in diesem Zeitraum also
vollzog sich die Durchführung des neuen Planes, die Wißmann-Expedition
jetzt zum Tanganjika-See zu leiten. Am 11. April 1892 erging an
mich die Ordre, mich unverzüglich Herrn Dr. Bumiller in Hamburg zur
Verfügung zu stellen und die Anwerbung einer neuen Mannschaft, nach
Uebereinkommen in Stettin vorzunehmen. Da zur Auswahl geeigneter
Leute mir nur eine beschränkte Zeit gegeben wurde, so war es um so
schwieriger, praktische Leute zu finden, denn außer der Fachkenntniß,
mußte vor allem die Körperkonstitution des Einzelnen in Betracht
gezogen werden; die Garantie mußte vorhanden sein, daß der Ausgewählte,
zum Mindesten unter normalen Verhältnissen, allen Strapazen und dem
Klima Afrikas gewachsen sei. Die Anwerbung beruhte im Grunde genommen
mehr auf Menschenkenntniß, deshalb zog ich sympathische Erscheinungen
vor, sofern sie nur den gestellten Bedingungen gerecht werden konnten,
mußte ich doch die Thatsache im Auge behalten, daß für lange Zeit
gemeinsame ernste Arbeit alle vereinigen und unliebsame Charaktere
nur ein störendes Element abgeben würden. Meistens gediente Soldaten,
schreckte keiner vor Gefahr und Schwierigkeiten zurück und die
Folgezeit hat gezeigt, daß zum großen Theil tüchtige und zuverlässige
Leute dieser Expedition sich angeschlossen haben.

Zur festgesetzten Zeit, am 27. April 1892, verließ der Postdampfer
»Kaiser« mit den Mitgliedern der Expedition, den in einzelne Theile
zerlegten Leichtern, sowie dem Schleppdampfer »Pfeil«, der vollständig
ausgerüstet an Deck gehißt worden war, Hamburg, und über Amsterdam,
Lissabon und Neapel verlief die Reise nach Sansibar schnell und gut.

Major von Wißmann, der schon längere Zeit vor Ankunft des Postdampfers
in Ostafrika weilte, hatte für ein schnelles Vorgehen seiner
Expedition Sorge getragen, sodaß nach unserer Ankunft in Sansibar
der Küstendampfer »Peters« schon bereit lag, alle Gegenstände
überzunehmen, auch war derselbe bestimmt worden, das ganze Schiff-
und Eisenbahnmaterial, welches seiner Zeit in Saadani untergebracht
wurde, abzuholen und nach Chinde zu bringen. Die Verladung des
Materials von Land in die am Strande liegenden Dhaus leitete Herr von
Eltz und Illich, während ich beauftragt worden war, die Entlöschung
der Dhaus und die Verstauung aller Sachen in den »Peters« vorzunehmen
und zu beaufsichtigen. Kaum vorher ist solche Thätigkeit bei der
Expedition entfaltet worden wie in diesen Tagen und als die Arbeit
vollendet war, wußte ein Jeder, daß er sein Möglichstes gethan hatte,
die endlich vorwärts gehende Expedition zu fördern. Die Abfahrt des
Dampfers »Peters« erfolgte am 12. resp. 13. Juni von Saadani-Sansibar,
die Ankunft in Quilimane, welchen Ort der Major anfänglich als den
Ausgangspunkt der Expedition bestimmt hatte, neun Tage später, am 22.
Juni.

Major von Wißmann, der mit dem Postdampfer »Kaiser« die Reise
nach Mozambique fortsetzte, war bestrebt, hier an der
portugiesisch-ostafrikanischen Küste seiner Expedition die Wege
zu ebnen und suchte namentlich das Wohlwollen der maßgebenden
Behörden sich zu sichern, was unerläßlich war, da der untergeordnete
portugiesische Beamte genug Schwierigkeiten zu bereiten weiß. Ebenso
sollte von hier aus der kleine Schleppdampfer »Pfeil« in Begleitung
eines größeren Seedampfers nach Chinde übergeführt werden, was bei
der hohen Dünung, die hier unter dieser Küste auch bei schönem Wetter
beständig läuft, nicht ganz ungefährlich war und wirklich für die
kleine Besatzung eine gefahrvolle, höchst ungemüthliche Reise geworden
ist.

Nach Aeußerungen des Majors von Wißmann hat die portugiesische
Regierung seiner Expedition die größtmöglichste Unterstützung zugesagt,
und offen gestanden, harmonirten wir wohl mehr mit den Portugiesen als
mit den Engländern, war doch deren letzthin vollführter Gewaltakt gegen
die schwache portugiesische Kolonie keine besondere Empfehlung. Allein,
waren portugiesische Versprechungen nur ausgetauschte Höflichkeiten,
oder die Absicht thatkräftige Unterstützung nie auszuführen vorweg
vorhanden, genug, die Zusicherung blieb höheren Orts nur eine
persönlich ausgesprochene Gefälligkeit, weiter nichts, die Organe,
denen eine Anweisung darüber hätte zugehen müssen, wußten nie etwas
davon und mehr als ein freundliches Entgegenkommen haben wir von
portugiesischen Beamten nicht erlangt.

Wollte man sich über Portugiesisch-Ostafrika im Allgemeinen ein
Urtheil bilden, würde ein solches schon ohne eingehende Beleuchtung
interner Zustände, kein Loblied werden, im Gegentheil, zieht man den
Jahrhunderte langen Besitz in Betracht, müßte eine ganz andere Kultur
und eine andere Entwicklung dieser Kolonie vorausgesetzt werden,
deshalb kann man auch nur den Portugiesen als Kolonisten ein höchst
mittelmäßiges Zeugniß ausstellen. Ein kultureller Aufschwung im Innern
des Landes hätte zwar ein großes Kapital, mehr aber noch Verständniß
und unbeugsame Energie erfordert, über beides jedoch verfügte Portugal
nicht in solchem Maaße, um die Kolonie dem Mutterlande werthvoll zu
machen. Somit unterblieb eine durchgreifende Kulturarbeit, und ob auch
die Portugiesen einen ungeheuren Bezirk im Besitz haben, sind der
eigentliche Ertrag nur die den Eingeborenen auferlegten Steuern und
sonstigen Zölle; ob die dadurch erzielten Summen aber genügen, die
Beamten und das Militär zu befriedigen, ist eine Frage. Trotz alledem,
daß von seiten der Portugiesen während eines so großen Zeitraumes in
Handelsbeziehungen kaum Nennenswerthes geschehen ist, haben sich doch
lohnende Ausfuhrartikel gefunden und der ganze Handel ist fast im
alleinigen Besitz der ansässigen Deutschen, derselbe verspricht eine
Steigerung von ungeahnter Größe, wenn, was nicht denkbar ist, Portugal
verständige Kolonisirung treibt, oder eine andere Nation die Nachfolge
übernimmt.

Die Frage nun, welche Nation vielleicht den berechtigsten Anspruch
darauf hätte, wenn Portugal seine Kolonie mal veräußern muß, würde
zwischen Deutschland und England entschieden werden müssen. Eins nur
ist sicher, deutsches Kapital bahnt sich dort immer mehr den Weg und
wächst zu einer Macht empor, welches die deutsche Politik gegebenen
Falls mit allem Nachdruck zu schützen haben wird, die Sicherstellung
desselben in kommender kritischer Zeit bedeutet »Besitz«, dagegen sucht
England den schwachen Portugiesen unter dem Scheine eines Rechtes und
seiner gewaltigen Geldmittel immer mehr zurückzudrängen und zweifelhaft
ist der Besitztitel der Portugiesen auf der Hauptader des ganzen
Landes, den Zambesi-Schireflüssen, trotz ihrer daselbst stationirten
Flotte.

Die Bedeutung des Wortes »Handel ist Macht« hat Portugal für seine
Kolonien nie begriffen; zwar im Konkurrenzkampf der Nationen sieht es
heute für sich die gewisse Niederlage kommen und unternimmt noch einen
Anlauf, um sein gefährdetes Gebiet zu halten, allein ob dieses nicht
das letzte Athemholen vor dem Falle ist? -- Kennzeichnend für die
Zustände in der portugisischen Kolonie sind auch die häufigen Aufstände
der Eingebornen, die, wenn es ihnen nicht an Entschlossenheit und guter
Bewaffnung fehlen würde, mit ihrer Uebermacht gar leicht die schwachen
Besatzungen zu Paaren treiben könnten, zumal der Makua-Krieger durchaus
nicht zu verachten ist. Unter den jetzigen Verhältnissen hat Portugal
genug zu thun die Küste zu sichern und das Innere der Kolonie bis zum
Nyassa-See ist, wie seit jeher, ein +terra incognita+ geblieben.

Von Quilimane, wo der Dampfer »Peters« einige Tage Aufenthalt gemacht
hatte, wurde er nach Chinde beordert, weil von dort der besseren
Wasserverhältnisse wegen, die Expedition aufbrechen sollte. Auch hatte
Major von Wißmann, nachdem er Quilimane als Ausgangsstation aufgegeben
hatte, sofort eine Abtheilung Soldaten unter Befehl des Sergeanten
Bauer dorthin entsandt, die nahe dem Flußufer an passender Stelle
ein provisorisches Lager erbauen sollten, und so fanden wir, als das
Expeditionsmaterial mit dem Dampfer »Peters« anlangte, schon einen
einigermaßen gesicherten Platz vor, der gesäubert und mit dornigen
Gesträuch eingefaßt worden war. Ein sehr reges Leben entfaltete sich
nun am Strande, hunderte Hände schleppten die entlöschten Gegenstände
in das Lager, andere brachten wieder von weither Baumaterial, Gras
und Baumstämme, zum Schuppen und Häuserbau heran, dazu wurden Zelte
errichtet, Dornhecken gelegt und um das Bild afrikanischen Lagerlebens
zu vervollständigen, exerzierten Soldaten, ertönten Hornsignale.

Ein Chaos von Unordnung bot sowohl der Strand als auch das Lager,
Eisentheile, Kisten, Kasten, Tauwerk etc. etc. lagerten überall
her im Sande und es schien in der That schwer zu sein, aus solchem
Wirrwarr klug zu werden, indeß nur vorübergehend, bald reihten sich die
Arbeiterkolonnen Mann an Mann, die dirigirt von Europäern, jedes Stück
an seinen Platz hinschafften. Der kleine »Pfeil« leistete uns beim An-
und Abschleppen der Leichterfahrzeuge wesentliche Dienste, namentlich
bei stark laufender Ebbe und Fluth, denn die reißende Strömung
erschwerte die Arbeit des Entlöschens ungemein.

Sobald das benöthigte Material an Land geschafft worden war, wurde
unverzüglich mit der Aufstellung und Zusammensetzung unserer
zerlegbaren Boote und Leichter begonnen und unter den geschickten
Händen der Handwerker wuchs das Werk zusehends, so daß schon nach
Verlauf von acht Tagen einige Boote und ein Leichter zu Wasser gebracht
werden konnten.

Bald lag denn auch die kleine Flotille mit voller Segelvorrichtung
versehen zum Aufbruch bereit und nur die sehnsüchtig erwartete Post
verzögerte die Abfahrt; war es doch eines jeden Wunsch, ehe er dem
Weltmeer und der Civilisation valet sagen mußte, noch einen letzten
Heimathsgruß zu erhalten! Leider aber vergeblich war das Hoffen; nach
wochenlanger Rast in Chinde zogen wir hinaus in die Wildniß zu wagen
und zu kämpfen. --

Ehe ich nun in den folgenden Kapiteln die Schicksale der Expedition
etwas eingehender aufzuzählen mich bemühe, will ich noch diejenigen
Mitglieder, Charge und Namen, anführen, die ihr ganzes Können an die
Ausführung der großen Aufgabe gesetzt haben.

Führer der Expedition: Major von Wißmann, sein Adjutant Dr. Bumiller;
Transportführer: Herr v. Eltz; Offizier: Leutnant Bronsart von
Schellendorf; Arzt: Dr. Röver; Proviantmeister: de la Fremoire,
Illich; Herr Franke, Maler. Sergeanten: Bauer, Eben, Krause. Zum
Schiffspersonal gehörten: Kapitän Prager; die Steuerleute Gerloff,
Wissemann; die Maschinisten Spenker, Engelke; die Zimmerleute Riemer,
Ottlich; Schiffsbauer und Kesselschmiede Zander, Brückner, Eickershoff,
Wedler, Knuth, Grünhagel und Domann.

Mit anwesend in Chinde waren noch: Herr Regierungsrath Edler von Grunow
und Herr von Tippelskirch.




                      1. Aufbruch der Expedition.


In dem nach der Chinde-Mündung zu liegenden Gebüsch konnte nur noch
dürftiges Brennholz gefunden werden und häufig in Ermanglung desselben
schleppten die Soldaten trockenes Rohr heran, um damit ihre Mahlzeiten
zu kochen. Mit der Zeit aber wurden wir genöthigt, alle paar Tage ein
Boot mit Mannschaften oberhalb Chinde in dem dort weit ausgedehnten
Gebüsch zu senden, die Holz zu schlagen hatten, und als die Zeit
herannahte, daß wir uns zum Aufbruche rüsteten, gingen täglich in aller
Frühe Boote ab, die Abends beladen zurückkehrten. Oft genug erzählten
dann die Leute, was sie an Flußpferden, Krokodilen und Schlangen
gesehen hätten und wie namentlich Krokodile, von Kugeln getroffen,
durch Ueberschlagen versucht haben, vom Ufer fort in ihr Element zu
gelangen. Abends an den Wachtfeuern wurde das Mögliche und Unmögliche
erzählt; indeß jeder war zufrieden, wenn es am Morgen bei der
Arbeitsvertheilung hieß, die oder die Abtheilung ist zum Holzschlagen
kommandirt, anstatt zu exerzieren, dann hatten doch die Betreffenden
Gelegenheit, aus eigener Anschauung die Wahrheitsliebe ihrer Gefährten
zu beurtheilen. Ueberdem ließ die Gewißheit, daß an den Ufern des
Zambesi-Flusses kein Holz zu erhalten ist, es nothwendig erscheinen,
möglichst viel Brennholz für unsern Dampfer »Pfeil« mitzunehmen,
wenigstens so viel, um Schupanga zu erreichen, wo solches wieder in
größeren Mengen vorhanden sein sollte.

Wie unter den Europäern das Fieber allmählig die Reihen lichtete, d.
h. sie für einige Zeit arbeitsunfähig machte, so kamen nicht minder
unter den Soldaten Krankheiten zum Ausbruch, die in einzelnen Fällen
tödtlich endeten; womit besonders nicht zu spaßen, war der Ausbruch
der Pocken unter den Suaheli. Diese Krankheit, in den Distrikten
Ost- und Central-Afrikas weit verbreitet, fordert jährlich viele
Opfer, und obgleich im Lager sofort eine Absonderung der Erkrankten
vorgenommen wurde, starben dennoch mehrere. Indeß die getroffenen
Vorsichtsmaßregeln verhinderten wenigstens eine Verbreitung der Seuche,
obwohl sie trotzdem immer wieder zum Ausbruch kam und Opfer forderte.

Wie erwähnt, warteten wir vergeblich auf die Ankunft des deutschen
Küstendampfers »Wißmann« (dessenwegen vom Major der Aufbruch der
Expedition um Tage verschoben worden war), der noch nothwendige Sachen
bringen sollte, die namentlich für den ersten Transport werthvoll
waren. Die Verzögerung war durch den Totalverlust des deutschen
Dampfers »Emin«, der auf offener See gesunken war, hervorgerufen;
erst als diese traurige Kunde zu uns gedrungen war, gab der Major
das nutzlose Warten auf und bestimmte den 14. Juli als den Tag des
Aufbruchs.

Ein reges Leben entfaltete sich in den Morgenstunden dieses Tages
im Lager -- Zelte wurden niedergelegt, Kisten und Kasten gepackt --
und als die Einschiffung auf Leichter und Boote begann, flog manches
Kommandowort hin und her, ehe jeder seinen Platz gefunden hatte;
namentlich die Ruderer und Soldaten mußten sich mit sehr geringem Raum
behelfen, was bei der großen Anzahl Menschen gewiß nicht angenehm war.

Kurz vor 3 Uhr Nachmittags rief die Trompete zum Sammeln und als die
Zurückbleibenden in Reih und Glied angetreten waren, hielt der Major
noch eine letzte Musterung ab; ein schnelles Abschiednehmen, ein
flüchtiger Händedruck, dann verließ mit dreimaligem Hurrah die kleine
Flotille den gastlichen Strand und ging einem ungewissen Schicksal
entgegen. Mancher sah an diesem Tage das blaue Meer zum letzten Male,
hörte das Brausen der Brandung deren Donnern wie Grüße aus der fernen,
fernen Heimath herüberklangen -- sollte doch die leichte Barke viele
nicht zurückführen zum unendlichen Ozean, sondern ihnen, fern im
Innern Afrikas, von Feindeshand gefallen oder vom tückischen Fieber
hingerafft, ein stilles vergessenes Grab bereitet werden, das keine
treue Hand je pflegen kann. Wohl keiner von allen, außer dem Major,
empfand die Bedeutung dieser Stunde so wie ich, war doch endlich das
Kommandowort »Vorwärts« gegeben, auf welches diese Expedition so oft
gewartet hatte, der, ebenso marschbereit wie heute, das Schicksal schon
zweimal ein »Zurück« zugerufen hatte.

Nun endlich das Vorwärts erklungen, wußte ich auch, daß, mochten die
Hindernisse noch so groß, die Mühen schwer sein, das angefangene Werk
unter Führung des Majors von Wißmann, vollendet werden würde.

Solange die Boote im Schlepptau des »Pfeil« mit halber Kraft gegen den
starken Strom vorwärts gezogen wurden (die Flotille bestand aus einem
Leichter, den beiden großen Sektionsbooten und einem Stahlboot des »H.
v. Wißmann«), ging die Fahrt leidlich gut von statten, als es aber
Volldampf vorwärts ging, war der Leichter mit dem provisorischen Steuer
nicht mehr zu regieren. Das Fahrzeug schoß bald rechts, bald links quer
durch den Strom, und jedesmal mußte die Fahrt des »Pfeil« vermindert
werden, um ein Kentern zu verhüten. Im engeren Fahrwasser, wo die
Ufer mit hohem Schilfgrase eingefaßt waren, fuhr der Leichter öfters
mit solcher Wucht in dieses hinein, daß es nur mit großer Anstrengung
gelang, ihn wieder frei zu machen.

Vorläufig freilich mußte an der einmal eingeführten Schleppmethode
festgehalten werden, zumal keine Zeit zu verlieren war, wenn wir noch
bis Abend die portugisische Hauptstation Sombo erreichen wollten.

Zu unserer linken Seite waren die Ufer steil und hoch, bis zum Rande
mit Bäumen und Gebüsch bewachsen, wo hindurch kleine Oeffnungen
zuweilen einen kurzen Blick auf halb verborgen liegende Ansiedelungen
der Eingebornen gestatteten. Noch mehr bekundeten Bananenpflanzungen
die Nähe eines Dorfes, und fast immer liefen auf das keuchende Geräusch
des Dampfers die halbnackten Bewohner herbei und steckten neugierig
ihre Köpfe durch die grünen Büsche, oder sammelten sich in kleiner
Anzahl auf der Uferböschung, um uns mit Händeklatschen zu begrüßen.
Solchen Gruß unterließen unsere Soldaten nicht zu erwidern; war das
Ufer nahe genug, flogen Zurufe hin und herüber, die meistens zur Folge
hatten, daß die Frauen bald aus dem Gesichtskreise verschwanden, die
derben Soldatenspässe schienen für die zarten Ohren der schwarzen Damen
selbst hier im Urbusch nicht passend zu sein. Zur rechten Seite hatten
wir dagegen dichtes Mangrovengebüsch, durchflochten mit Lianen, deren
schillernde Blüthen sich tief über das dahinrauschende Wasser neigten.
Verborgen im Schatten des Blätterdaches aber warteten der schwarze und
weiße Reiher, der rosasarbene Flamingo und andere Vogelarten ihrer
Beute. Zuweilen, als wären sie aus ihrer Ruhe gestört worden, sprangen
kleine Affenarten neugierig im Gezweige der Bäume hin und her, die
durch schallende Laute Erstaunen oder Furcht bekundeten, kamen wir
aber dem Ufer so nahe, daß die überhängenden Zweige Boot oder Leichter
streiften, dann flatterten erst die furchtlosen Vögel davon, um wenige
Schritte weiter dem ungewohnten Treiben wieder zuzuschauen.

Vor oder hinter uns tauchte auch bisweilen der Kopf eines oder mehrerer
Flußpferde auf, deren Prusten weithin hörbar, am nächsten mit dem
dumpfen Gegrunze eines Schweines zu vergleichen ist, auch berechtigt
höchstens der Kopf eines solchen plumpen Thieres die Bezeichnung
»Flußpferd«, sonst an Gestalt kommt es keineswegs dem Pferde nahe. Nach
kurzer Umschau verschwanden die Thiere meistens sehr bald, um plötzlich
an irgend einer anderen Stelle wieder hoch zu kommen, sie machten sich
auch stets durch das erwähnte Grunzen bemerkbar.

Auch Krokodile, verborgen im Schilf oder im Blattgewirr der Lianen, die
in träger Ruhe dicht am Ufer sich sonnten, wurden durch die Annäherung
der Boote aufgescheucht; oft machte uns erst der Ruf unserer Leute
»mamba« auf solchen gefährlichen Gesellen aufmerksam, der schnell die
Wasserfluth durchschnitt und in die Tiefe verschwand.

Die Schatten der Nacht begannen schon kurz nach Sonnenuntergang sich
über diese Urnatur auszubreiten, als vor uns in einer Biegung des
Chindearmes das portugiesische Settlement sichtbar wurde. Weit von der
Mündung des Zambesi, war hier eine verhältnißmäßig großartige Anlage
geschaffen worden, deren Hauptzweck die Erbauung von Kriegsfahrzeugen
ist, von denen eine Anzahl vor dieser Niederlassung zu Anker lag. (Es
ist bekannt, daß die beständig wechselnden Wasserverhältnisse des
Zambesi eine eigenartige Schiffskonstruktion bedingen, um auch bei
niedrigstem Wasserstande noch den Fluß befahren zu können und daher hat
man das Pontonsystem als das praktischste in Anwendung gebracht.)

Man könnte sagen, eine ansehnliche Flotte repräsentirt hier die
portugiesische Macht, indeß von einer Aktivität derselben haben wir
später auf unserem beschwerlichen Vordringen nichts bemerkt. Wüßte man
nicht, daß noch weit den Schirefluß hinauf, ja bis zu den Ufern des
Nyassa-Sees selbst, viel von diesem ungeheuren Gebiet in Portugals
Besitz wäre, so könnte man fast meinen, Englands weitreichender Arm
hätte auch hier schon die Herrschaft an sich gerissen, da nur Dampfer
unter englischer Flagge diese Flüsse beherrschen.

Zwar entwickelte sich zu jener Zeit der Verkehr auf diesen
Wasserstraßen erst allmählich; was aber die Entfaltung des Handels
gezeitigt, war englische Energie und englisches Kapital, und
ausnahmslos beherrscht heute in dieser Beziehung die englische Flagge
das weite Flußgebiet. Thatenlos sehen die Portugiesen dem Gebahren der
Engländer zu, denen sie in ihrem Besitz am Chindearm eine Freistatt
gewährt haben; Vortheil um Vortheil, den sie freilich in all den
Jahrzehnten ihrer Herrschaft nicht zu verwerthen verstanden haben, wird
ihnen aus den Händen gewunden, und fast scheint es, als können sie
sich nicht mehr aus ihrem Phlegma aufraffen, um der Gefahr entgegen
zu treten. Was aber wohl das Hinderlichste, das ist der eingewurzelte
Bureaukratengeist, der über seine Pflicht hinaus, für Fragen von so
weitgehender Bedeutung, als eine Handelspolitik sie mit sich bringt,
kein Verständniß hat.

Ein Beispiel reger Thatkraft, wagenden Unternehmungsgeistes, haben
die Engländer hier abermals aufgestellt, sie folgten den vom
Forschungsmissionar Lévingston vorgezeichneten Bahnen und faßten
allmählich festen Fuß. Ihr schneller Erfolg hat auch die Thatsache
bestätigt, daß, wenn erst Central-Afrika unter Kultur genommen ist, dem
jungfräulichen Boden noch große Reichthümer entnommen werden können.
Dieser internationalen Wasserstraße (Zambesi-Schire) aber sollten
deutsches Kapital und deutsches Unternehmen nicht zu ferne bleiben; das
mächtig sich entwickelnde weite Gebiet verspricht einem Konkurrenten
Englands noch große Vortheile, in Handelsbeziehungen sowohl, als auch
in politischer Hinsicht. Wird einst Englands starker Arm dem schwachen
Portugiesen zu mächtig, wäre es gut, unserm Vetter ein Halt gebieten
zu können; als berufener Konkurrent sollten wir je eher, je lieber den
nothwendigen Kampf aufnehmen! Dem Portugiesen bieten wir dadurch einen
starken Stützpunkt, denn sicherlich stellen sich Portugals Sympathien
auf unsere Seite, und daraus ergeben sich Vortheile von selbst. Der
englische Leu hält fest was er gepackt hat und seine Krallen sind
scharf; vergeblich sucht sich Portugal dieses Feindes zu erwehren
und dieser wird auch Portugals letzte Kolonie verschlingen, hebt
Deutschland nicht den Arm zum Schutz des Schwachen. Für diese erste
Nacht blieben wir vor Sombo vor Anker liegen.

Am nächsten Morgen, als zur frühen Stunde die Trompete wieder zum
Aufbruch rief, ließ der Major beim Schleppen der Boote insoweit eine
Aenderung nun eintreten, als letztere dicht am Heck des »Pfeil«
befestigt wurden und auch der Leichter an einem kürzeren Schlepptau
genommen wurde. Das gefährliche Ausgieren fand allerdings dadurch
eine bedeutende Einschränkung, indeß der Arbeit am Steuer war immer
noch nicht viel abgeholfen. Die Strömung, die Fluth also, zu unseren
Gunsten, brachte uns schnell vorwärts und eher als wir gedacht, war der
eigentliche Zambesi-Strom erreicht.

Hatte oberhalb Sombo urwaldartiger Baumwuchs beide Ufer des
Chinde-Armes eingefaßt, Dorf und Hütten der Eingebornen im dunklen
Grün verbergend, traten jetzt die Ufer weit zurück, bedeckt nur mit
dichtem Rohrgebüsch und hohem Gras; selten nur ragte an höher liegenden
Stellen die Fächerpalme über die weite Ebene hin. Ein Bild trostloser
Eintönigkeit gewährt der Anblick der gelben Fluthen, die sich dem Ozean
entgegenwälzen, und über welche die heiße Sonne brütete. Auf den träge
dahinziehenden Wassermassen schwammen Grasinseln und Baumsträucher;
den Wasservögeln ein willkommener Aufenthalt, trieben solche dem nahen
Meere zu, um in der tobenden Brandung oder in der endlosen Wasserwüste
zu verschwinden.

Es war um die neunte Morgenstunde, als wir den Zambesi erreicht
hatten, und sofort versuchten die durch Sandbänke eingeengte Einfahrt
zu passiren. Indeß alle Anstrengung war vergeblich. Der starke Strom,
noch verstärkt durch die bereits eingetretene Ebbe, konnte in der
schmalen Durchfahrt nicht überwunden werden und nach vergeblichen
Versuchen waren wir genöthigt, an der steilen Uferwand halt zu machen.
Der Aufenthalt war uns auch insofern willkommen, als wir ein wenig für
Leibesnothdurft sorgen und uns Essen kochen konnten, denn vom »Pfeil«
war während der Fahrt nichts zu erhalten gewesen, deshalb machten sich
unsere Leute mit den Bewohnern des nächsten Dorfes schnell bekannt und
veranlaßten sie, Hühner, Eier, Bataten etc. herbeizubringen. Uebrigens
die strenge Manneszucht, die unter den Soldaten aufrecht erhalten
wurde, war im weiteren Verlauf der Expedition ein großer Vortheil für
uns; keiner wagte dem Eingebornen etwas zu nehmen, was dieser nicht
freiwillig verkaufen wollte, und schon um des geringen Vortheils halber
brachten die Bewohner überall, wo wir mit denselben in Verbindung
traten, gerne Lebensmittel heran; denn schneller als wir vordrangen
lief das Gerücht von Dorf zu Dorf, daß die fremde Expedition nicht
marodire. Es scheinen also von portugiesischen Schiffsbesatzungen des
öfteren Anschauungen über das Mein und Dein vorgeherrscht zu haben,
die sich mit der Meinung der Eingebornen nicht in Einklang bringen
ließen, daher war die Ueberraschung bei den Uferbewohnern groß, weil
so viele Soldaten dem armen Neger sein geringes Hab und Gut nicht mal
anrührten, viel weniger wegnahmen. Kamen wirklich Streitigkeiten vor
und der Eingeborne beschwerte sich, oder ein Europäer sah, daß Unrecht
geschah, so wurde allemal zu Gunsten des Negers entschieden, ja selbst
bei schwereren Vergehen der Thäter hart gestraft.

Während des mehrstündigen Aufenthalts an diesem Orte machte ich auch
eine Streife durch das Dorf und fand Weiber und Kinder aufs eifrigste
beschäftigt, Mais und Mtamamehl herzustellen, und solches in möglichst
großen Mengen gegen ein paar Kupferstücke an unsere Soldaten zu
verkaufen. Was mich aber nach kurzer Umschau zu einer eingehenderen
Untersuchung verleitete, waren die bekannten Töne eines grunzenden
Borstenviehs. Selbstverständlich hegte ich den Wunsch, mir den Ort, von
wo die verlockenden Töne herkamen, sowie die Gesellen darin etwas näher
anzusehen. Verargen kann es mir wohl niemand, wenn die Hoffnung nach
dem Besitze eines Schweines sich in mir regte und ich schon mit der
Gewißheit rechnete, heute Abend am Lagerfeuer einen saftigen Braten für
uns zubereitet zu sehen, war es doch ziemlich lange her, seit wir uns
zum letzten Male an solchen Leckerbissen erfreut hatten.

Allein ich hatte mich gewaltig getäuscht und die Rechnung ohne den
Besitzer vorschnell aufgestellt. Zwischen den Hütten schließlich zum
primitiven Stall angelangt, der das Gesuchte enthielt, präsentirten
sich mir ein großes und zwei kleine Schweine, unter welchen ich mir
mit kundigem Blick, das Beste schnell aussuchte. Ahnungsvoll und um
seinen seltenen Reichthum besorgt, war der Eigenthümer mir auf dem Fuße
gefolgt und trat aus der Reihe der Neugierigen sofort hervor, als ich
den Nächststehenden zu verstehen gab, daß ich mir eines dieser Thiere
gerne mitnehmen möchte.

Der Besitzer nun, nachdem er seine Reverenz durch einen tiefen Bückling
und Kratzfuß gemacht hatte (diese äußere Ergebenheit haben die
Portugiesen den Eingebornen beigebracht, viel mehr nicht), erklärte,
daß er keines seiner Lieblinge verkaufen wolle, es seien die einzigen
im Orte und er will sie zur Zucht groß ziehen. Ich gab mir Mühe, seinen
etwaigen Irrthum, er könnte bei dem Handel zu kurz kommen und darum
nicht zuschlagen wolle, zu zerstreuen, ließ auch einen Dolmetscher
rufen und ihm einen verlockenden Preis bieten, Zeug oder Geld,
gleichviel; aber der Kunde blieb fest, obwohl er kaum jemals soviel
Geld sein eigen genannt hat, als ich ihm für den Handel bot.

Die Schweinchen mußten ihm wirklich ans Herz gewachsen sein, sonst
ist der Neger nicht so hartnäckig, wenn er auch lange feilscht, giebt
er schließlich für einen guten Preis doch sein Eigenthum fort. Genug,
ich war um einen saftigen Braten gekommen, den ich so gerne mit den
Gefährten getheilt hätte.

Bis 1-1/2 Uhr Nachmittags rasteten wir an der Einfahrt zum Zambesi
und versuchten darauf aufs Neue den zwar noch starken aber nicht mehr
so reißenden Strom zu passiren, was uns auch nach vieler Mühe gelang.
Nun zogen wir durch die schmutzig gelben Fluthen des breiten Stromes
hin und sahen hinter uns für kurze Zeit noch einmal den unbegrenzten
Horizont, von ferne klang es wie Wogenrauschen an unser Ohr, ein
letztes Grüßen vom ewigen Meer!

Bald traten die Ufer weiter zurück; namentlich zur Linken schienen sie
sich kaum merklich von der gelben Wasserfläche abzuheben und nur Schilf
und mächtige Rohrgebüsche bezeichneten die Grenze. Sandbänke, die wie
Inseln zerstreut lagen, engten die Fahrstraße ein, was zur Folge hatte,
daß wir zeitweise gegen starken Strom und Strudel ankämpfen mußten. Es
erforderte eine besondere Kenntniß, zwischen den Untiefen hindurch den
richtigen Weg zu finden, war doch auf der weiten Wasserfläche nichts,
was einen Anhalt gab, und meinte man, wo schnell fließender Strom sei
auch genügende Tiefe zu finden, war das Gegentheil der Fall. So lange
wir den Anweisungen unseres Lootsen folgten, hatten wir nur einige Male
uns durch Rückwärtsgehen von Wellsand frei zu machen oder mit voller
Dampfkraft hindurch zu arbeiten; indeß als einmal ein größerer Umweg
erspart werden sollte, den der Lootse für rathsam hielt doch zu machen,
hatten wir unser Besserwissen fast theuer zu zahlen.

Wir hatten nämlich den Leichter dicht hinter dem »Pfeil« an zwei Leinen
so befestigt, daß dieser nicht ausgieren, aber auch nicht ausweichen
konnte, als nun der Dampfer mit voller Kraft auf eine Untiefe auffuhr,
schossen alle Boote so aufeinander, daß das Vordertheil des Leichters
in das Heck des Dampfers fuhr und eine starke Verbiegung die Folge
war, das große Stahlboot dagegen dem Leichter ins Hintertheil lief und
diesem eine nicht geringe Beschädigung beibrachte. Zum Glück waren die
Eisenplatten so elastisch und die Verschraubung so gut, daß unter der
Wasserlinie keine Leckage entstanden war und wir nach halbstündiger
Arbeit unsern Weg fortzusetzen vermochten. Je weiter wir vordrangen, je
belebter wurde ringsum die Wasserfläche; auf stromabwärts treibenden
Sträuchern oder Grasflächen saßen weiße und schwarze Fischreiher
verborgen, die mit scharfem Auge nach Beute spähten. Fast nie von
Menschen gejagt oder belästigt, kennen diese Thiere keine Furcht, kaum
daß der Knall des Gewehres sie aus ihrer Ruhe aufscheuchte.

Fast auf jeder Sandbank, möglichst nahe dem Wasser, konnten wir
vereinzelte Krokodile in träger Ruhe liegen sehen, die bei der
Annäherung unserer Boote langsam in das nasse Element verschwanden.
Auffällig aber war, daß diese Thiere, wenn sie sich in der Mitte einer
Sandbank befanden, vorsichtig zum Wasser krochen, um, sobald sie Gefahr
witterten, oder eine Kugel in ihrer Nähe einschlug, sich mit der Kraft
ihres Schwanzes in das Wasser zu schleudern; und stets entgeht das
Thier dem Jäger, sofern es nicht zum Tode getroffen auf dem Flecke
liegen bleibt.

Nicht minder suchen die kolossalen Flußpferde die trockenen Stellen im
Strombette auf, um sich im heißen Sande der süßen ungestörten Ruhe zu
überlassen, bis die Nacht herniedersinkt und sie die Wanderung in die
weiten Grasgefilde antreten, wo sie große Massen des saftigen Grüns
verzehren. Sehr gesellig, lieben es die Flußpferde sich in größerer
Zahl, meistens in Familien getheilt, bei einander aufzuhalten. Mit
großer Sorgfalt hegt auch die Mutter das Junge, auf deren Rücken dieses
seinen ständigen Aufenthalt hat; ob im Wasser schwimmend oder in der
Nacht zur Weide trabend, immer wird das Kleine mit den verhältnißmäßig
sehr kurzen und plumpen Beinen am Halse der Mutter sitzen, die
ihr Junges stets gegen jeden Feind mit großem Muth vertheidigt.
Ernste Renkontre mit den Flußpferden haben mich die Eigenart dieser
Thiergattung kennen gelehrt, und im Laufe der Erzählung werde ich
verschiedentlich darauf zurückkommen.

Zuweilen führte uns unser Weg nahe dem Ufer zur linken Seite; und
hatten wir hin und wieder schon einzelne Schaaren großer Vögel passirt,
so nahmen solche an Orten, wo das Ufer ganz flach auch zum Theil
mit Wasser ganz bedeckt war, beträchtlich zu. Man könnte sagen, wie
aufmarschirte Bataillone standen langbeinige Reiher, weiß und schwarz,
rosa Flamingos, Kranicharten, unbeweglich am Rande des tieferen Wassers
und warteten mit stoischer Ruhe auf ihre Beute. Näherten wir uns den
Schaaren, stimmen diese ein lebhaftes Konzert an, und die meisten der
Thiere erhoben die gewaltigen Flügel, um solche durch Flattern mit
Luft zu füllen. Aber erst einschlagende Kugeln zwangen sie, sich in
die Lüfte zu erheben und einer schwarzen Wolke gleich, flatterten die
Hunderte mächtiger Vögel empor. Jede Art für sich, kreisten sie dann
kurze Zeit, um sich am selben Orte, oder, wenn das Ufer ober- und
unterhalb gleich günstig war, in kurzer Entfernung wieder nieder zu
lassen.

Mit Schrot waren der zu großen Entfernung halber die eßbaren
Vogelarten, als Gänse, Enten nicht erreichbar; eine Kugel in solche
Schaaren geschossen, meist zwecklos; wollten wir aber, wenn sich
eine günstige Gelegenheit bot, den Thieren nahe genug kommen, um
einige zu erlegen, so hätte es größeren Aufenthalt erfordert, wozu
uns die eigenartige Beschaffenheit des Flusses, dem wir unsere ganze
Aufmerksamkeit zuwenden mußten, keine Zeit ließ. Ist hinter Berg und
Wald der letzte Strahl der scheidenden Sonne entschwunden, kommt in
den Tropen schnell die Nacht herauf, daher hatten wir auch bei Zeiten
uns nach einer günstigen Anlegestelle umzusehen, und an einer öden
Grasfläche des niedrigeren Ufers zu unserer Rechten gelang es, die
Boote anzulegen.

Nach gethaner Arbeit entfaltete sich darauf am Ufer ein bunt bewegtes
Leben; Zelte wurden aufgerichtet, Grasflächen mit Faschinenmesser
niedergemäht, alles Nothwendige für die Nacht aus den Booten
herbeigeschafft, und nicht eher hatte das Hin- und Herrennen ein Ende,
als bis die Lagerfeuer angezündet und jeder mit der Zubereitung des
frugalen Abendessens beschäftigt war.

Meistens, um den unvermeidlichen Trubel zu entgehen, zog der Major
späterhin es vor, sofort nach erfolgter Landung eine Jagdstreife zu
unternehmen; kehrte er zurück, mußte inzwischen das Lager für die Nacht
hergerichtet, Posten ausgestellt und das Abendessen bereitet sein.

Der Umstand, daß hier noch starke Ebbe und Fluth bemerkbar war,
erforderte in dieser Nacht strenge Aufsicht bei dem Leichter und
den Booten, damit diese sich nicht bei fallendem Wasser auf dem
abschüssigen Grunde auffingen. Aber so klar und deutlich auch die
Posten instruirt worden waren, so saßen die Boote gegen Mitternacht
doch alle fest, und was bei geringer Achtsamkeit mit wenigen Leuten
hätte ausgeführt werden können, durch Abschieben vom Ufer mittelst
Stangen die Fahrzeuge frei zu halten, erforderte nun, nachdem ich
mich bei einem Rundgange von der Unachtsamkeit überzeugt hatte, die
Anstrengung aller unserer Bacharias. Die Leute mußten schließlich in
das Wasser und so, gegen Grund und Bord sich stemmend, die Boote wieder
flott machen.

Das rapide ablaufende Wasser machte es nöthig, daß während des Restes
dieser Nacht Europäer die Wache übernahmen und auf ein fortwährendes
Abbäumen vom Ufer acht geben mußten.

Die frühe Morgenstunde, als die Trompete zum Aufbruch rief, fand
fast alle müde und ermattet; nach solcher Nacht war es kein Wunder,
daß wir uns abgespannt und marode fühlten, konnte doch keiner sagen
von denen, die im Freien hatten wachen müssen, ihm wäre behaglich zu
Muthe gewesen. Empfindlicher noch war das Entbehrenmüssen des warmen
Kaffees, der wenigstens die Lebensgeister etwas aufgefrischt hätte,
aber Gras und Holz vom starken Regen durchnäßt, wollten absolut nicht
brennen und Zeit zu neuen Versuchen hatten unsere Diener nicht, denn
sobald das Zelt des Majors zusammengelegt worden war, mußte auch alles
zur Abfahrt bereit sein.

Die schlechten Wasserverhältnisse auf dem Zambesi hatten uns
gelehrt, vorsichtig zu sein, und um nicht wieder durch plötzliches
Aufgrundfahren unsere Boote zu gefährden, wurden sie nun dicht am
Hintertheil des »Pfeil« befestigt; ebenso um ein Zusammengieren der
Fahrzeuge zu verhindern, wurden sie mittelst starker Ruder in einem
bestimmten Abstand von einander gehalten.

Auf dem Flusse lagerten anfänglich leichte Nebel, die zwar nicht dicht
genug, um uns an der Weiterfahrt zu hindern, aber doch die Fernsicht
beschränkten, und mit größerer Vorsicht suchten wir zwischen Sandbänken
oder längs dem Ufer uns den Weg. Mühselig war das Vordringen; bald saß
der »Pfeil« auf einer Bank fest und arbeitete sich Volldampf rück-
oder vorwärts darüber hinweg, bald fuhr er dicht unter dem steilen
Ufer gegen eine starke Strömung mit seiner Last, und unausgesetzt war
die größte Achtsamkeit erforderlich. Die hohen Ufer boten in ihrer
Eintönigkeit nichts besonderes dar, nur hohes Rohr und Gras, seltener
Baum und Strauch unterbrachen das Einerlei der öden Landstrecken,
dafür aber war diese Oede desto belebter durch die verschiedensten
Thierarten, und je weiter wir vordrangen, desto mannigfaltiger
entfaltete sich die überreiche Fauna Central-Afrikas.

Es war um die Mittagsstunde des 16. Juli, als wir von ferne auf einer
größeren Sandbank im Flusse eine beträchtliche Anzahl Flußpferde
erblickten, die trotz unserer Annäherung keine Anstalten trafen, ihren
bequemen Ruheplatz zu verlassen, ebenso lagerten große Krokodile in
friedlicher Gemeinschaft mit diesen Kolossen am Rande des Wassers
und schienen ebensowenig Lust zu haben, den wohlthuenden heißen
Sonnenstrahl mit dem kälteren Wasser zu vertauschen.

Die Ruhe dieser Thiere bewog den Major, in der Nähe der Sandbank
halten zu lassen und eine Art Kesseltreiben zu veranstalten; denn
soweit vorauszusehen war, konnten wenigstens die Flußpferde nur über
flacheres Wasser entkommen und waren vorerst den sicheren Kugeln
preisgegeben. Mit dem kleinen Stahlboot landete der Major und begann
ein wirkungsvolles Feuer auf jedes der Thiere, das seinen Kopf, vor
Wuth brüllend, über dem Wasser erhob.

Allein die Klugheit dieser Flußpferde hatten wir doch unterschätzt;
einen tieferen, wenn auch nur schmalen Ausgang hatten sie sich zum
Entkommen freigehalten, und unter dem Boote weg, entzogen sie sich
der Verfolgung. Zwar war der Major überzeugt, daß mindestens eins
der Thiere nach kurzer Zeit eingehen würde, dann aber hätten wir im
leichten Boot der Heerde flußabwärts folgen und drei Stunden warten
müssen, um des nach dieser Zeit an die Oberfläche kommende Flußpferd
habhaft zu werden.

Die Hoffnung, durch Erlangung eines der Kolosse, dem gänzlichen Mangel
an Fleisch, namentlich zu Gunsten unserer Leute, abzuhelfen, war eine
irrige gewesen, selbst wir Europäer würden schwerlich ein saftiges
Stück verschmäht haben. Solch ein Kiboko ist für den Neger eine
besondere Delikatesse, und würden in Gegenden, wo diese Flußpferde für
die Ansiedelungen der Einwohner eine große Plage sind, den Eingebornen
gute Waffen zur Verfügung stehen, die Verminderung dieser Thiergattung
würde schnell vor sich gehen.

Sehr gerne würden die Soldaten mit einem »Mamba« (Krokodil) vorlieb
genommen haben, wenn sie ein solches am Lagerfeuer unter sich hätten
vertheilen können, und wo immer die Möglichkeit vorlag, eines dieser
Unholde zur Strecke zu bringen, wurde dem geäußerten Wunsche der
Leute entsprochen, allein es wollte nicht gelingen, selbst durch
vortreffliche Kopfschüsse diese gewaltigen Thiere auf der Stelle
zu tödten. Uebrigens ist dem Krokodil von der Vorsehung auch ein
bestimmter Posten angewiesen worden, nämlich insofern, als es als
Revierpolizei die Flüsse von allem Unrath reinigt; seine Gefräßigkeit
ist derart, daß es mit allem vorlieb nimmt, todtes oder lebendes
Gethier, namentlich den Fischen ist es ein gefährlicher Gegner und man
kann stets auf Fischreichthum schließen, wo das Krokodil in größerer
Anzahl sich aufhält.

Suchte das oft 5 bis 6 Meter große Thier seine Nahrung nur in den
Flüssen, würde es nicht so gefürchtet sein; es weiß indeß mit Arglist
das harmlose zur Tränke kommende Wild, sowie sehr häufig den Menschen
zu beschleichen. Häufig, wenn das Krokodil seine Beute nicht mit den
Zähnen fassen kann, was der Fall ist, wenn das Wasser am Ufer zu tief,
so daß es mit den Füßen keinen Stützpunkt finden kann, schlägt es
unerwartet mit dem Schwanze Mensch oder Thier vom Ufer und verschwindet
mit ihm in die Tiefe. Welch ein Kampf um solche Beute dann zwischen den
Räubern vor sich geht, kann man wohl kaum ahnen.

Noch hatten wir zwar keine trüben Erfahrungen gemacht, jedoch sollten
uns solche im Laufe der Zeit auch nicht erspart bleiben; Ursache genug,
diesem gefährlichen Räuber nach Möglichkeit den Krieg zu erklären,
hatten wir, ohne auch daß ein direkter Verlust uns betroffen hätte.
Wer einmal das Jammergeschrei der Eingebornen, denen der Unhold ein
Kind oder Angehörige weggeraubt, mit angehört hat, legt mit besonderer
Genugthuung die Büchse an, um einem solchen das Lebenslicht
auszublasen.

Die Wahrnehmung, daß wir aus dem Bereich der Ebbe und Fluth gekommen
waren, ließ uns der nächsten Nacht zufriedener entgegensehen und, als
wir bis Nachmittag 4-1/2 Uhr, nach manchem unliebsamen Aufenthalt,
gedampft, legten wir oberhalb vom Orte Inhamcombe (wie der Lootse
diese Gegend bezeichnete) an. Bisher hatten wir nur öde von der heißen
Sonne ausgedörrte Gras- und Rohrflächen passirt, nun aber schien es,
als sollten wir bald wieder Dörfer und Menschen ansichtig werden;
wenigstens sicherte uns der kundige Lootse die Erlangung von frischem
Proviant zu, wenn er zum Einkauf ausgesandten Leuten als Führer dienen
würde.

Recht wohlthuend und allen willkommen war die erste angenehme
Nachtruhe, welche uns seit der Abreise von Chinde beschieden war,
desto mehr nutzte sie ein Jeder aus, hatten doch alle bereits die
Ueberzeugung gewonnen, daß wir die Fahrt auf dem Zambesi auch fernerhin
nicht als eine Lusttour würden betrachten können, sondern ernste
Arbeit, die viel Geduld und Aufopferung erforderte, unser beständiges
Loos sein würde.

Fraglos war die feste Energie unseres Führers, der nur ein Vorwärts
kannte, der beste Stützpunkt, lehrte er uns doch im Kampfe mit den
Widerwärtigkeiten und Hindernissen durch sein Beispiel fest auf die
eigene Kraft zu vertrauen; Besonnenheit und schneller Entschluß im
Handeln wurden die Triebfeder zur großen That.

Ehe noch am frühen Sonntagsmorgen die goldene Sonne über dem Horizont
emporgestiegen war, leichte Nebel über den unabsehbaren Grasflächen
noch gespenstig hin und her wogten, hatte der Ruf der Trompete, deren
Klang schmetternd in die Weite getragen wurde, die Schläfer aus süßer
Ruh' geweckt; Früh auf war die Parole und Vorwärts das Kommando. Auf
der Weiterfahrt näherten sich die Ufer des Zambesi zuweilen bis auf 200
Meter, dann aber waren sie steil und hoch, zwischen denen der Strom
mit tieferem Wasser mächtig dahinschoß; schwer kämpfte der »Pfeil« mit
seiner Last gegen die wirbelnden Fluthen, und ehe solche Verengung
des Flußbettes durchfahren war, vergingen Stunden. Traten die Ufer
aber wieder zurück und verflachten, begann aufs Neue das mühselige
Hindurchwinden zwischen Sandbänken und Untiefen.

An diesem Tage sahen wir zuerst wieder zwischen kleinen Bananenwäldchen
verdeckt liegende Hütten der Eingebornen; neugierig lugten die
schwarzbraunen Gesichter durch das schützende Grün, bis sie zu Haufen
eilend, mit Rufen und Händeklatschen uns ihren Gruß entboten. Fremd war
ihnen die Flagge, welche von den Masten unserer Boote wehte, fremd das
Schauspiel, soviel uniformirte Soldaten zu sehen, deren Sprache sie
nicht verstanden, und waren wir in Rufweite forderten sie Aufklärung
von ihrem Landsmann, dem Lootsen; was dieser ihnen aber auch in wenig
Worten erklären mochte, das Verständniß fehlte ihnen doch dafür. Zur
Aufmunterung ließ der Major zuweilen Hornist und Trommler eingeübte
einfache Weisen spielen; mehr noch als uns schien die Musik die
Eingebornen zu erfreuen und weit stromaufwärts folgten die jungen Leute
solchen nie gehörten Klängen, während altersschwache Greise und junge
Kinder sehnsüchtigen Blickes den Fremdlingen nachschauten, bis die
Klänge verhallt oder die Flottille ihren Augen durch eine Krümmung im
Flusse entschwunden war.

Wie erwähnt, hatten wir uns zur Vorsorge in Chinde reichlich mit
Brennholz für den »Pfeil« versehen, allein damals ahnten wir nicht,
wie groß die Hindernisse und mit welchen Mühen ein Vordringen auf
dem Zambesi verbunden sein würde, nun der Mangel eintrat (wir aber
noch fern von der Station Schupanga), waren wir gezwungen, nach neuem
Brennmaterial Umschau zu halten. In früher Nachmittagsstunde legten
wir daher an einer Stelle des hier flacheren, aber mit Baumwuchs
reichlicher bestandenen Ufers fest und sofort, mit Aexten und Beilen
versehen, zogen die Soldaten truppweise unter Führung ihrer Schauchs
(Unteroffiziere) aus, um nach Möglichkeit Holz herbeizuschaffen. Nach
der Quantität war der Ertrag ein guter, allein die Qualität ließ viel
zu wünschen übrig; indeß konnten wir noch zufrieden sein, wenigstens
die Aussicht auf ein Vorwärtskommen nicht eingeschränkt zu sehen.

Es war bisher jeden Abend eine Musterung unserer Leute vorgenommen
worden, theils zum Zweck, ob auch alle vorhanden, theils ob sich nicht
Gebrechen oder Krankheiten unter den Leuten entwickelt hätten; war
doch eine Befürchtung, daß die Pockenepidemie abermals zum Ausbruch
kommen könnte nicht unbegründet, daher wurde auf den Gesundheitszustand
besonders acht gegeben. Ueberrascht und mehr noch erschreckt wurden
wir, als an diesem Abend es sich herausstellte, daß einige Suaheli, die
nicht zur Arbeit angetreten waren, sich auch der Beachtung entzogen
hatten, im Leichter krank am Fieber darnieder lagen. Eine sofort
angestellte Untersuchung ergab, daß vier Mann bereits schwer an den
Pocken erkrankt waren. Sofort wurde von Seiten des Majors eine große
Reinigung angeordnet, das Zeug der Kranken verbrannt und diese selbst
nach Möglichkeit von allen ihren Kameraden isolirt.

Empfänglich für die verheerende Krankheit waren vor allen die
Sansibariten, und als ein besonderes Glück konnten wir es betrachten,
diese Seuche keine weitere Ausbreitung annehmen zu sehen, als nur unter
den Suaheli. Der Grund dafür war wohl in der strengen Abgeschiedenheit
zu suchen, welche die Somali, Sudanesen, Abessinier untereinander
beobachteten, die namentlich keine gemeinsamen Mahlzeiten und
Lagerstätten theilten. Die Gefahr war indeß nicht zu unterschätzen,
vielmehr konnte der schlimmen Seuche, trotz großer Vorsicht, eine
größere Verbreitung zugemuthet werden, was aber menschliches Können
unter solchen Verhältnissen vollbringen konnte, geschah, um nach
Möglichkeit der Verbreitung entgegen zu treten.

Eine Aussetzung der Erkrankten, welche unter diesen Umständen das
Richtigste gewesen wäre, lag leider nicht im Bereich des Möglichen,
denn unzweifelhaft wären sie mit der umwohnenden Bevölkerung doch
in Verbindung getreten, die Folgen dann aber unabsehbar, hätte die
Epidemie zahllose Opfer gefordert und wer konnte die Betroffenen
retten! waren wir doch selbst machtlos dagegen.

Regenschwere Wolken verhüllten uns am nächsten Morgen des Himmels
Angesicht, ein trüber regnerischer Tag mit all dem Unangenehmen,
welches ein solcher im Gefolge hat, lag vor uns, naß und kalt,
konnten wir fast unsere Stimmung mit dem höchst unfreundlichen
Wetter vergleichen. Nach einer nicht minder schwierigen Weiterfahrt,
voll Hemmungen und Widerwärtigkeiten, legten wir schließlich, als
der Tag zur Neige ging, an einer öden Uferstelle fest; vergeblich
hatten wir nach Bäumen Umschau gehalten, und da unser Holzvorrath
längst verbrannt, war ein Vorwärtskommen nur noch mit unserm kleinen
Kohlenbestand möglich gewesen.

So glücklich wie am Tage vorher waren wir nicht; nur die trockenen
Blätter der Fächerpalmen schleppten die Leute herbei, welche zur Suche
in die weite Grasebene ausgesandt worden waren. Zwar geben die Blätter
einen vorzüglichen Brennstoff und entwickelten eine große Hitze, jedoch
wie bedeutend auch der Vorrath, in dem glühenden Feuerschlund des
Dampfkessels zehrte die Flamme diesen nur zu gierig auf.

So unfreundlich wie der Tag, so ungemüthlich war die Nacht, aber nicht
bloß der Mensch allein empfand die Unbill der Witterung und fühlte sich
unbehaglich, auch den wilden Thieren, welche nächtlicher Weile ihrer
Beute nachgehen, schien das vom Regen triefende Gras nicht sonderlich
zu behagen. Stimmen, die wir bisher nicht gehört, hallten durch die
Stille, das Lachen der Hyäne nahe und deutlich vernehmbar, gab uns die
Gewißheit, daß dieser unheimliche Gast das Lager umkreise, hingegen das
dumpfe Bellen in der Ferne ließ uns die Anwesenheit des gefährlicheren
Leoparden vermuthen.

Indeß der etwas freundlicher anbrechende Tag machte uns bald das
schlechte Quartier vergessen und froher gestimmt begann in aller Frühe
das Tagewerk. Wir hofften, heute, am 19. Juli, die Station Vicente noch
erreichen zu können, sofern unser gesammeltes Brennmaterial und unsere
wenigen Kohlen ausreichen sollten; wir fuhren durchschnittlich mit 10
bis 12 Atmosphären Druck, welch' hohe Dampfspannung oftmals nöthig
wurde, um den »Pfeil« mit seiner Last durch die reißende Strömung
hindurch zu bringen.

Wie immer, bot sich auch heute günstige Gelegenheit, den träge auf
den Sandbänken liegenden Flußpferden und Krokodilen wohlgezielte
Kugeln zuzusenden, allein der Jagdeifer hatte sich durch die bisherige
Erfolglosigkeit gewaltig abgekühlt, und verlockte nicht ein zu
sorgloses Thier, das in nächster Nähe neugierig den Kopf über Wasser
hob, den Major einen Schuß zu wagen, unterblieb das Feuern meistens
ganz. Erst als der Major mit einem Kleinkalibergewehr, dem Sergeanten
Bauer gehörig, ein großes Krokodil aufs Korn genommen hatte, blieb das
Thier unter Feuer liegen. Das Rückgrad durchschossen, hatte das Thier
nicht mehr die Kraft, seinen schweren Körper zum schützenden Wasser
zu schleppen, nur mit dem Schwanze peitschte es den Sand und riß den
gewaltigen Rachen weit auf.

Ein Jubelschrei ertönte aus vielen Kehlen, als endlich die Aussicht
vorhanden war, frisches Fleisch zu erhalten; schneller wie gewöhnlich,
war das kleine Stahlboot längsseit, bemannt, und fort ging es die
willkommene Beute zu sichern. Drei wohlgezielte Kopfschüsse waren
indeß noch nöthig, ehe das mächtige Thier sein zähes Leben endete,
das alsdann in das Boot geschleift wurde. Nun konnten wir uns den
gefährlichen Räuber aus nächster Nähe betrachten, dessen furchtbares
Gebiß namentlich allen Respekt einflößte. Und zieht man den Muskelbau
des festumpanzerten Thieres in Betracht, kann man wohl voraussetzen,
daß solche Kinnladen, mit über vier Centimeter langen Zähnen bewaffnet,
alles zermalmen was dazwischen geräth.

Es mochte etwa drei Uhr Nachmittags geworden sein, als wir in einem
rechts abbiegenden Flußarm die Station Vicente vor uns liegen sahen.
Der kleine Häuserkomplex, der diesen Namen trug, bestand nur aus
zwei nach afrikanischer Art errichteten Wohnhäusern und mehreren aus
Thon und Gras erbauten Nebengebäuden, sonst ließe sich eher auf das
nebenliegende Dorf dieser Name anwenden, obwohl in diesem unkultivirten
Lande jede Niederlassung eines Europäers die Bezeichnung Station zu
tragen pflegt.

Wie so häufig, hatte auch hier der Zambesi-Fluß, wenn in der Regenzeit
seine Fluthen kein Hinderniß kennen, sich vor längerer Zeit ein neues
Bette gegraben und dadurch eine Insel gebildet, an derem steilen Ufer,
nahe der Mündung des alten Fahrwassers, wir eine Anlegestelle suchten.
Die Station, an dem alten jetzt nicht schiffbaren Strombette gelegen,
war nur mittelst Boote zu erreichen. Deshalb holten wir die Fahrzeuge
möglichst in stilleres Wasser, und zwar an eine Stelle, wo die 15
Fuß hohe Uferbank nicht allzu senkrecht abfiel, auch ein Erklimmen
derselben noch möglich war.

Der Umstand, daß nun gänzlicher Mangel an Brennmaterial eingetreten
war, machte es schon zur Nothwendigkeit, hier wenigstens einen
Tag Rast zu halten, weil eine schnelle Ergänzung wohl nicht gut
angängig sein würde. Einen Tag der Ruhe konnten wir aber als eine
willkommene Gunst betrachten, nöthig that es sehr mal wieder
gründliche Reinlichkeit und Ordnung auf den Booten herzustellen,
um so mehr, da der Major die Absicht hatte, so weit wie möglich
vorzudringen; wenigstens den Wunsch äußerte, die in der Ferne gesehenen
Moramballa-Berge im Schirefluß, noch zu erreichen, ehe ein Hauptlager
und Depot errichtet würde.

Sein Befehl lautete denn auch dahin, ehe er den in Vicente ansässigen
Portugiesen seinen Besuch machte, daß das Lager für einen längeren
Aufenthalt hergerichtet würde. Und als der nächste im Kommando,
schaffte ich im Leichter, der speziell unter meiner Aufsicht stand, in
welchem auch alle Soldaten Unterkunft gefunden, gründliche Ordnung.
Wie an jedem Tage, wenn wir Rast gemacht hatten, so war es auch hier
nöthig, erst mit dem Faschinenmesser das hohe Gras nieder zu hauen, um
Platz für die Zelte zu schaffen, die auch mit einer kleinen Furche im
Erdboden umgeben werden mußten, damit bei etwaigem Regen das Wasser am
Eindringen verhindert werde.

Das Nothwendigste indes war, sobald die Soldatenzelte herausgeschafft
worden waren, entfernt vom Lager einen Platz zu suchen, wo ein solches
für Pockenkranke aufgerichtet werden konnte; sollten doch laut
Bestimmung des Majors die Kranken unter Aufsicht eines Suaheli, der
früher schon diese Krankheit überstanden und somit keine Ansteckung zu
befürchten hatte, auf dieser gänzlich unbewohnten Insel zurückgelassen
werden. Ein günstigerer Ort konnte so leicht nicht gefunden werden, und
siegte die Natur überhaupt über diese den Körper verheerende Seuche, so
waren derselben hier die beste Unterstützung, kühle frische Luft und
unbedingte Ruhe, gegeben. Meines Wissens kehrte aber nach Wochen, von
einem späteren Transport abgeholt, der Wächter allein zurück, nachdem
er seinen Kameraden dort ein einsames Grab gegraben hatte.

Nachdem den Soldaten freie Zeit zum Abkochen gegeben war, holten sich
die Sudanesen das vom Major am Morgen erlegte Krokodil und begannen mit
der Zerlegung des über drei Meter langen Thieres. Jedoch als es zur
Vertheilung kam, wollten auch Suaheli und andere ihren Antheil haben
und, um den entstandenen Streitigkeiten ein Ende zu machen, mußte ich
jeder Abtheilung das Ihrige zuweisen. Besonders schienen die Sudanesen
die Eier, von denen eine beträchtliche Anzahl im Körper des Thieres
vorhanden waren, zu schätzen, denn eher ließen sie ein gutes Stück
Fleisch fahren, als daß sie in eine Vertheilung derselben einwilligten,
auch sprach ich sie ihnen um so eher zu, da sie doch die Arbeit der
Zerlegung sich unterzogen hatten.

Die Gewohnheit des Negers von einem Thiere absolut nichts weiter
übrig zu lassen als Haut und Knochen, bewog auch Einzelne den Magen
des Krokodils einer näheren Besichtigung zu unterziehen. Kleine
und größere, fast unledirte Fische, war das erste Ergebniß dieser
Untersuchung, dann kamen noch haselnuß-große Steine, Glasperlen und
messinge Armringe zum Vorschein. Diese letzten Funde machten es zur
Gewißheit, daß dieses Thier vor längerer Zeit ein argloses junges
Mädchen oder Weib vom Ufer geraubt hatte und mit seiner kostbaren Beute
sich jeder Verfolgung zu entziehen gewußt hat.

Die Eingebornen sind gegenüber diesem schlimmen Feinde in der That
vollständig machtlos. Ihre scharfen Pfeile vom straffen Bogen
geschnellt, die jede Haut eines anderen Wildes durchdringen würden,
prallen auf dem festen Panzer des Krokodil machtlos ab; selbst wo
ihnen Feuerwaffen zur Verfügung stehen sind diese doch von solcher
Beschaffenheit, daß die Kugel nur im glücklichsten Falle dem
Menschenräuber eine Wunde beizubringen vermag.

Die Entdeckung, daß das Krokodil besonders wählerisch in Betreff
seiner Nahrung gewesen war, hielt die Leute nicht weiter ab, das
Fleisch des Thieres nach ihrer Methode sorgfältig zuzubereiten, was
gewöhnlich in der Weise geschieht, daß es am Feuer oder in der heißen
Asche geröstet wird. Soviel war gewiß, der größte Theil unserer Leute
erfreute sich eines delikaten Abendessens, »geräuchertes und gekochtes
Krokodilfleisch«, während wir Europäer mit Conserven vorlieb nahmen,
die unserm verfeinerten Geschmack besser mundeten.




        2. Bis zum Lager von Ntoboa und die Erbauung desselben.


Die Entdeckung und der befundene Beweis, daß die gepanzerten Unholde
so kühne Menschenräuber sind, sollte manchem der Krokodile von unserer
Seite Verderben bringen, und als ein Gaudium betrachteten wir es, wenn
durch einen guten Schuß solch ein mächtiges Thier todeswund sein Heil
in der Flucht suchte, oder auch auf der Stelle getödtet, als Trophäe in
das Lager geschleppt wurde. Viel Unheil haben sie auch uns zugefügt,
mancher unserer Leute wurde ein Opfer eigener Unachtsamkeit und eine
Beute der gefrässigen Räuber, indes abgesehen von denen die ich selbst
geschossen, hat jedes Mitglied der Expedition mehr oder weniger den
Krokodilen nachgestellt und jeder Menschenraub ist an ihnen furchtbar
gerächt worden.

Die Bemühungen des Majors in Vicente Proviant und Holz zu erhalten,
waren von gutem Erfolg gekrönt; schon am nächsten Morgen brachten
Eingeborne Canoes mit Brennmaterial und schließlich lebendes Vieh,
als Schafe und Ziegen. Aus den Aeußerungen des Majors aber war zu
entnehmen, daß die Portugiesen die Gelegenheit beim Schopf genommen
und sozusagen mit Gold sich ihre Gefälligkeit hatten aufwiegen lassen.
Am 21. früh, nachdem noch großer Apell angesagt und abgehalten, die
zurückbleibenden Kranken und ihr Wärter genügend mit Proviant versehen
worden waren, setzten wir unsere Fahrt flußaufwärts mit frischem Muthe
fort.

Voraussichtlich, wenn nicht zu große Hindernisse zu überwinden waren,
konnten wir an diesem Tage noch Schupanga erreichen. So weit wie der
Fluß für den vier Fuß tiefgehenden »Pfeil« befahrbar war, ging es denn
auch Volldampf vorwärts; wir konnten rechnen, als um 3 Uhr Nachmittags
die Häuser der portugiesischen Station in Sicht gekommen waren, nach
kurzer Zeit diesen Ort zu erreichen. Ein Creek, der zur Rechten in den
Fluß mündete und ein Arm des Hauptstromes war, (hier ebenfalls wie bei
Vicente unter denselben Verhältnissen ein Inselgebilde hat) hatte aber
durch vorgeschobene Sandbänke, welche durch die Kreuzung der beiden
Strömungen entstanden waren, in dem über tausend Meter breiten Flußbett
nur eine sehr schmale Wasserstraße freigelassen, durch deren Windungen
der »Pfeil« mühsam geleitet werden mußte.

Immer noch war es uns bisher gelungen, unter anscheinend ebenso
schlechten Verhältnissen den »Pfeil« und die Boote hindurch zu bringen,
hier jedoch schien jeglicher Versuch vergeblich zu sein; wieder und
wieder rück- und vorwärts arbeitete die Maschine mit aller Kraft, nach
Stunden hatten wir kaum einige hundert Meter gewonnen. Endlich, nachdem
wir bis oberhalb der Mündung des Creeks gelangt waren, und unmittelbar
unter der hohen steilen Uferbank der erwähnten Insel tieferes Wasser
gefunden hatten, glaubten wir das Schlimmste überwunden zu haben; indes
war die schmale Fahrstraße auch tief, so konzentrirte sich hier die
ganze Kraft der Strömung und unser Dampfer, gehemmt durch seine Last,
war nicht im Stande diese zu überwinden.

Wie oft wir auch die Versuche erneuerten, mit der zulässig höchsten
Dampfspannung die Maschine arbeiten ließen, kamen wir doch nur bis zu
einem bestimmten Punkt, an welchem der Wirbelstrom so rasend war, daß
er Dampfer und Boote im Kreise drehend, augenblicklich aus dem Kurse
schleuderte und mit sich hinweg riß; erst in ruhigem Wasser gelang es,
Dampfer und Boote wieder gegen den Strom zu richten. Schon zogen die
Schatten der Nacht herauf und mahnten uns bedacht darauf zu sein, ein
Nachtquartier zu suchen; aber vor uns die wilde Strömung, hinter uns
Sandbänke und flaches Wasser, war es unmöglich das Land zu erreichen.
Aufs Neue ging es vorwärts, wir sollten und mußten hindurch; mit langen
Bambusstangen stand die Mannschaft auf allen Booten zum Schieben bereit
und auf ein gegebenes Zeichen tauchten die Stangen in die Tiefe,
Menschenkraft vereint mit Dampfkraft suchte Herr der rasenden Strömung
zu werden! Alles vergeblich, aus dem Kurse gedrängt lagen Dampfer und
Fahrzeuge im Augenblick breitseits im Strome, jeder verzweifelten
Anstrengung spottend und trieben machtlos den Sandbänken zu.

Was bei früheren Versuchen uns dieser Gefahr entgehen ließ, war der
Umstand, daß jedes Mal die Strömung den Dampfer nach der offenen
Wasserseite zu abgedrängt hatte und mit vorwärts arbeitender Schraube
konnten wir so den Untiefen entgehen. Dieses Mal jedoch riß der
Wirbelstrom die Fahrzeuge rechts herum; das Vordertheil des Leichters
nun an das Ufer gedrängt, verursachte eine große Hemmung, und da die
rückwärts arbeitende Maschine nicht im Stande war, diese zu überwinden,
so lagen wir in wenig Minuten auf einer Untiefe in der Mündung des
Creeks so fest, daß ein Abbringen der Boote die größten Schwierigkeiten
machen mußte. Langes Besinnen in dieser schlimmen Lage konnte
verhängnißvoll werden, auch befürchtete ich, sollten wir den Leichter
nicht mehr frei bekommen, während der Nacht ein Versanden desselben,
was bei den losen vom Strome leicht angehäuften Sandmassen immerhin
möglich war.

Schnell wurde der »Pfeil« von seiner Last befreit, und nachdem der
Dampfer wieder freieres Wasser gewonnen, mit dem Ausbringen eines
schweren Ankers begonnen, was uns nach vieler Mühe denn auch gelang.
Wie aber vorauszusehen war, konnte der Anker in dem losen Grund keinen
Halt gewinnen, denn fünfzig Mann holten diesen durch den Sand, ohne
auch nur den Leichter etwas aus seiner Lage zu bringen. Ein zweiter
Versuch ergab dasselbe Resultat, und schon sollte eine Schlepptrosse
zum »Pfeil« gebracht werden, um mittelst der Dampfkraft einen Erfolg
zu erzielen, als plötzlich hinter der nächsten Biegung die beiden
englischen Kanonenboote »Herald« und »Mosquito« in Sicht kamen, die
unsere Lage bemerkend, so nahe als möglich zu uns hinüber steuerten und
zu Anker gingen.

Da die Führer beider Schiffe dem Major persönlich bekannt waren, war
wohl anzunehmen, daß ein Ersuchen um Hülfeleistung nicht abgeschlagen
werden würde. Bald wurde denn auch vom »Herald«, Kapitän Robertson,
ein Boot abgesandt, das Erkundigungen einziehen und den Major zwecks
näherer Rücksprache an Bord bitten sollte. Im Kommando der Erste, wies
Kapitän Robertson bald darauf den »Mosquito« an, querab unserer Boote
sich gut zu verankern und den Versuch zu machen, zuerst den Leichter
mittelst Ankerwinde frei zu bringen.

Doch die beträchtliche Entfernung zwischen Schiff und Leichter, dazu
der starke Strom, machten das Herüberbringen einer langen starken
Leine sehr schwierig. In weitem Bogen wurde diese von der Strömung
fortgeführt, sodaß, als endlich der Leichter erreicht war und ich das
Tau gut befestigt hatte, die Kraft und die Spannung desselben beim
Einholen so gewaltig wurde, daß es entzwei riß und die Arbeit nochmals
von vorne begonnen werden mußte. Beim zweiten Versuch wurde das Tau
nicht mehr direkt durch die Strömung zum Leichter geführt, sondern erst
eine Strecke geradeaus stromaufwärts gefahren und dann mit aller Kraft
die Strömung durchrudert. Auf diese Weise wurde nicht zu viel Leine
von den Wassermassen weggeführt, und es gelang, als die Ankerwinde in
Thätigkeit gesetzt worden war, das Tau durch die aufgewendete Kraft
über Wasser zu bringen. Es bedurfte zwar einer bedeutenden Anstrengung,
den Leichter wieder frei zu machen, jedoch, als derselbe erst nur
wenig vom Grunde gelöst war, machte es weiter keine Schwierigkeit, ihn
gänzlich abzuholen und längsseit des »Mosquito« zu bringen. Ebenso
machten wir auch die Sektionsboote frei, von welchen der »Herald« je
eins an jeder Seite nahm und darauf über die Untiefen weiter dampfte,
gefolgt vom »Mosquito«. So gering war die Entfernung von dem Orte, zu
dem wir zu gelangen getrachtet hatten, noch gewesen, daß nach etwa 10
Minuten schon alle Fahrzeuge an einer gut geschützten Stelle anlegen
konnten.

Wie schon erwähnt worden, ist die Konstruktion der »Stern-wealer«
(Hinterraddampfer) für solche Flüsse, von so ungleicher Tiefe wie der
Zambesi, die beste, die des »Pfeil« dagegen, so kräftig das kleine
Schiff auch war, bewährte sich nicht, einzig allein dadurch, weil der
Tiefgang von vier Fuß ein zu großer, freilich nach Art der Konstruktion
auch nicht viel verringert werden konnte.

All die Hemmungen im Vordringen und der Zeitverlust wurden durch diesen
Uebelstand hervorgerufen, wäre hingegen der Tiefgang des »Pfeil« nur
2-2-1/2 Fuß gewesen, dann hätte ein wesentlich anderes Resultat erzielt
werden können, wenigstens wäre ein Uebereinkommen unterblieben, das
uns in der momentanen Nothlage zwar von großem Nutzen, allein den
Engländern einen unschätzbaren Vortheil sicherte.

Kurze Zeit nach unserer Ankunft gelangte auch der »Pfeil« zum
Anlegeplatz, der, nun ledig seiner Last, mit besserem Erfolg die
tiefe, reißende Strömung zu überwinden im Stande gewesen war. Sehr
bald loderten die Wachtfeuer im weiten Kreise auf, an welchen die
ermüdete und hungrige Mannschaft noch um 10 Uhr das einzige warme Essen
an diesem Tage sich bereitete; auch wir Europäer, auf dem Sandboden
hockend, ließen uns die karge Mahlzeit, gebratene Süßkartoffeln und
aufgewärmte Wiener, gut schmecken, welche unsere Diener noch in Eile
hergerichtet hatten. Es bedurfte aber beständiger Aufsicht und häufig
selbstthätiges Eingreifen unserseits, wenn wir unsere Speisen reinlich
und nach Umständen sauber zubereitet wissen wollten, denn der Neger
kann es nicht recht einsehen, warum der weiße Mann in Betreff der
Reinlichkeit so penibel ist und er so oft bei ertappter Unsauberkeit
gescholten wird.

Wie friedlich auch die Nacht ringsum war, in der wir Stärkung zur
neuen Thätigkeit und Arbeit zu finden hofften, so war doch der kleine
blutdürstige Quälgeist, der »Mosquito«, hier in unheimlicher Anzahl
vertreten und ein böser Störenfried. Zu jeder Abendstunde und in
jeder Nacht waren diese Mückenschwärme unsere schlimmen Feinde, die
uns die nothdürftige Ruhe raubten und deren empfindliche Stiche noch
obendrein schmerzhaft waren. Das einzige Mittel gegen diese unglaublich
zudringlichen Peiniger ist das dichtgewebte Mosquitonetz, das freilich
diese kleinen Thierchen von einer direkten Belästigung abhält, indes
ist ihr scharfes Summen nicht minder unangenehm und wer sich nicht
eines festen Schlafes erfreuen konnte, dem hielt das singende Schwirren
wach, bis trotzdem die Natur ihr Recht forderte.

Die Erfahrung, und namentlich das Festkommen der Fahrzeuge, hatte
gelehrt, daß unser »Pfeil« trotz seiner starken Maschine und
sonstiger guter Eigenschaften, für die Folge der Expedition keine
sehr wesentlichen Dienste werde leisten können, nur soweit, als die
Wasserverhältnisse es gestatteten, war er uns von großem Nutzen; der
stromaufwärts immer flacher werdende Fluß setzte selber diese Grenze
fest. Dieser Umstand bewog wohl hauptsächlich Major von Wißmann, den
gemachten Anerbietungen der Engländer zuzustimmen, und nach den später
in Kraft getretenen Abmachungen sollten diese in folgender Weise zur
Ausführung gelangen.

Die beiden englischen Schiffe haben der deutschen Expedition ihre
Unterstützung zu gewähren und diese zunächst bis Misongwe, dem größten
Handelsorte am unteren Zambesi zu bringen. Von dort setzen die
Kanonenboote ihre angefangene Reise den Schire aufwärts fort, kehren
später zurück und bringen das gesammte Material der Expedition bis nach
Port Herald, bis wohin der Schire in dieser Jahreszeit noch befahrbar
sein würde. Major von Wißmann schafft in der Zwischenzeit seine
Expedition mit Hülfe des »Pfeil« von Chinde nach Misongwe resp. dem
Orte, wo die Nothwendigkeit gebietet, ein Lager zu beziehen. Ist nun
nach einigen Monaten diese Arbeit vollendet und bis nach Port Herald
alles hinaufgeschafft worden, erhalten die Engländer zwei unserer
großen Leichter zur freien Verfügung, vermittelst welcher sie das
Material für ihre Kanonenboote bis Katunga schaffen können.

Mit dem Grauen des nächsten Tages, sobald alles wieder eingeschifft
worden war, holten wir die Leichter und Boote über die den ganzen Fluß
sperrende Untiefe bis zum Ankerplatz der englischen Schiffe; eine
mühevolle Arbeit aber war es, denn oft saßen die Fahrzeuge fest und
es gelang erst diese vorwärts zu bringen, wenn Anker an langen Tauen
aufgebracht worden waren; wollte auch dieses nichts helfen, mußten alle
Mann in das zwei Fuß tiefe Wasser, um zu schieben, gleicherzeit aber
auch, um die Last des Bootes zu vermindern.

Als der Leichter längsseit der »Herald« gebracht war, suchte das Schiff
tieferes Wasser zu gewinnen, aber, abgedrängt durch die Strömung, saß
es bald auf Grund und hatte, nachdem der Leichter wieder freigegeben
war, Mühe genug, selbst flott zu werden. Dem »Mosquito« gelang es
besser, an jeder Seite ein Sektionsboot, wurde die Steuerfähigkeit
dieses Schiffes nicht so beeinträchtigt, deshalb gaben wir das kleinere
unserer Boote an den »Herald« ab und der »Mosquito« nahm den Leichter
auf; endlich nach vielen Windungen, bald rechts, bald links tiefere
Stellen suchend, gelangten wir in freieres Wasser.

Oberhalb Schupanga dehnen sich weite Waldflächen aus, die bis zum
Ufer herantreten und dem weiten Gebiete einen freundlicheren Anblick
gewähren, als wie die bisher durchzogenen trostlosen Einöden, die nur
mit Rohr und Gras, seltener Busch und Baum, bewachsen waren. Man darf
sich unter der Bezeichnung Wald hier noch nicht eine Vergleichung
mit den Forsten der Heimath vorstellen, denn, verwachsene Baumarten,
untermischt mit schlanken Stämmen, nehmen die Beschaffenheit eines
Urbusches an; keine Hand verhindert das Emporschießen des Unkrauts, der
Schlingpflanzen etc., und in wilder Ueppigkeit sprießt die Vegetation
empor, oft für Mensch und Thier undurchdringlich.

Etwa zwei Stunden oberhalb Schupanga, unter einem steilen bewaldeten
Ufer, fanden wir die Holzstation. Hier sind jederzeit wenigstens einige
Stapel Holz zu erhalten, die ein Halbportugiese verkauft, der den
Ertrag dem Gouvernement einzuliefern hat.

Diese Mischlinge, dunkler fast als die Eingebornen selbst, kaum daß
noch europäisches Blut in ihren Adern nachweisbar wäre, sind furchtbar
stolz auf ihre Abstammung, und würde man versucht sein, sie mit dem
Neger auf derselben Stufe stellen zu wollen, die bloße Andeutung nur
wäre schon eine schwere Beleidigung und ihr Haß nicht ganz gefahrlos.
An Gestalt sind sie fast klein und schmächtig, sie haben aber im Laufe
der Jahrzehnte unter den Bewohnern des weiten Gebietes großen Einfluß
erlangt, und, da vornehmlich das Beamtenthum durch sie vertreten wird,
sind sie die besten Kenner der Verhältnisse, aber auch nicht minder
schlimme Schatzmeister, die vom Eingebornen nehmen, was erhältlich
ist. Da der Holzvorrath hier nicht beträchtlich war, bei weitem nicht
den Bedarf der drei Dampfer deckte, so hatte ich gemäß der vom Major
erhaltenen Ordre, sämmtliche Leute nach unserer Ankunft mit Aexten und
Sägen ausgesandt, um Holz herbeizuschaffen. War bis dorthin, wo das
Fällen abgestorbener Bäume sich lohnte, auch eine Strecke zu gehen,
hatten wir doch nach einigen Stunden schon einen beträchtlichen Haufen
Brennholz zum Ufer geschafft.

Inzwischen, um die Mittagsstunde, war auch der »Pfeil« mit dem Major
von Wißmann angelangt, dieser hatte, da er absolut die Bank bei
Schupanga nicht passiren konnte, einen weiten Umweg machen müssen,
und in dem erwähnten Creek, der auch mit dem Hauptstrom in Verbindung
stand, eine schmale, aber tiefere Fahrrinne gefunden. Uebrigens ist
gerade an diesem Orte, wo der Fluß sich in drei Arme theilt, eine
schlechte von vielen Untiefen verlegte Passage; das Fahrwasser ändert
sich unausgesetzt. Nach Wochen findet man eine früher passirbare Stelle
ganz versandet vor, ohne daß stärkere Strömungen Einfluß gehabt hatten,
der lose Sand wird eben bald hier, bald dort abgelagert.

Ich war der Ansicht, daß wir uns tüchtig mit Holz für eine größere Tour
versehen müßten, weil bis Misongwe kein Holzplatz weiter vorhanden
ist; allein die Engländer, die das vorräthige Holz vom Portugiesen
aufgekauft, hatten bald ihren Bedarf gedeckt und wünschten, um nicht
Zeit zu verlieren, nun ihre Fahrt fortzusetzen. Daraufhin gab der
Major Befehl, mit dem Heranschleppen von Holz aufzuhören und mit
soviel Aexten als vorhanden wären sofort das Zerspalten und Zersägen
vorzunehmen. Hätten wir ahnen können, wie schwierig das weitere
Vordringen werden sollte, wie nach kurzer Distanz unüberwindliche
Hindernisse sich uns in den Weg stellen würden, ein solches Hasten und
Eilen wäre unnöthig gewesen. Wohl wußten die Engländer, daß voraus noch
die schwierigste Stelle im ganzen Fluß zu passiren sei, hofften jedoch,
die Boote über die Untiefen bringen zu können, sofern nur der »Pfeil«
im Stande sein würde, allein hinüberzukommen.

Um 2-1/2 Uhr Nachmittags, nachdem die englischen Schiffe die Boote,
der »Pfeil« den Leichter längsseit genommen, setzten wir unsere
Fahrt flußaufwärts fort. Im Kielwasser des leitenden »Herald«
folgend, ging anfänglich alles gut von Statten, bis nach etwa ein und
einhalbstündiger Fahrt das erste Hinderniß uns entgegentrat. Eine
schmale tiefere Rinne, welche den breiten Fluß quer durchschnitt,
gebildet durch angeschwemmte mächtige Bäume, deren Gezweig noch
hoch über Wasser emporragte, konnten wir wegen der sich kreuzenden
Strömung nicht schnell genug passiren, und seitwärts abgedrängt, kam
der Leichter auf Grund, und ehe noch die Taue gelöst werden konnten,
auch der »Pfeil«. Während dessen wir nun uns aus der unangenehmen
Lage mittelst Anker und Leinen zu befreien suchten, dampften die
Kanonenboote voraus, kamen ihnen aber, als wir nach einer Stunde
etwa folgen konnten, wieder näher. Der Grund dieser Verzögerung war
bald ersichtlich, die beiden Schiffe, trotz 2-1/4 Fuß betragenden
Tiefganges, waren nicht im Stande gewesen, eine über die ganze
Wasserfläche sich ausdehnende Untiefe zu passiren und hatten sich nach
vergeblichen Versuchen so fest gesetzt, daß sie nicht mehr rück- noch
vorwärts konnten.

Für uns war diese Wahrnehmung eine schlechte Aussicht, den vier Fuß
tiefgehenden »Pfeil« hinüberzubringen, denn was die flachgehenden
Schiffe nicht vollbringen konnten, mußte für den »Pfeil« eine
Unmöglichkeit werden.

Indes so leicht ließ sich Major von Wißmann durch entgegentretende
Hindernisse nicht abschrecken; ehe das Unmöglich von ihm anerkannt
wurde, mußte auch der ernstlichste Versuch gescheitert sein. Das Wollen
und Müssen, gepaart mit Energie, war eine mächtige Triebfeder, die das
ferne Ziel durch feste Willenskraft immer erreichbar scheinen ließ,
so viele und große Hemmungen natürlicher oder anderer Art sich auch
entgegenstellen mochten.

Nicht lange erst die Zeit durch Ueberlegen verschwendend, wurde nach
Angabe des Lootsen die Fahrrinne aufgesucht und dann Versuch auf
Versuch gemacht, um diese Untiefe zu passiren. Bald rechts, bald links
von dieser, wo immer nur der Peilstock einige Zoll Wasser mehr ergab,
arbeitete der »Pfeil« mit vollster Dampfkraft vorwärts; allein alles
Mühen war vergeblich. Darauf wurden viele unserer Leute nach allen
Seiten ausgesandt, um die Tiefe des Flußbettes zu untersuchen, und,
als nahe einer großen Sandbank eine etwas tiefere Stelle gefunden
wurde, ging es nochmals vor. Plötzlich aber saß der Leichter fest,
durch die Maschinenkraft vorne auf den Grund hoch geschoben, brachen
die Befestigungen; der »Pfeil«, ebenfalls gehemmt, erlitt durch den
erschütternden Ruck am Inventar Beschädigungen; alles, was nicht
fest versichert war, fiel an Deck, die starken Regelingstangen und
Sonnensegelstützen brachen oder wurden stark verbogen.

So ging es also nicht; der Leichter wurde losgelöst und mir fiel die
Ausgabe zu, denselben wieder flott zu machen. Der Major aber versuchte
aufs Neue, mit dem »Pfeil« allein durchzukommen.

Gewaltige Anstrengungen wurden noch gemacht, nichts unversucht
gelassen, um trotz alledem eine Durchfahrt zu erzwingen; hier aber
scheiterte die größte Energie und Willenskraft an einem natürlichen
Hinderniß, dem gegenüber der Wille machtlos war. Brachten wir nicht den
»Pfeil« hinüber, war ein weiteres Vordringen, wenigstens bis Misongwe,
wohin schließlich die englischen Schiffe, nachdem sie diese Untiefe
nach angestrengster Arbeit überwunden hatten, unsere Boote gebracht
hätten, zwecklos. Schließlich, als das Unmögliche nicht möglich gemacht
werden konnte, gab der Major weitere Anstrengungen auf und kehrte zum
Leichter zurück.

Was nun? Auf ein Steigen des Flußes in dieser Jahreszeit war nicht zu
rechnen, im Gegentheil, derselbe konnte leicht noch mehr fallen. Der
praktische Gedanke, den »Pfeil« zwischen Leichter und Boot zu heben,
war ausführbar, indes, da es sich um mehr als einen Fuß handelte, so
konnten wir das schwere Schiff mit unsern einfachen Mitteln nicht hoch
winden, es blieb also nicht anderes übrig, als den Rückzug anzutreten,
oder zu bleiben wo wir waren.

Das nahe, etwa fünfzehn Fuß hohe und steile Ufer, unter welchem eine
Strecke weit tieferes Wasser gefunden wurde, eignete sich nicht
besonders zum Lagerplatz; bis zu der vor wenigen Stunden verlassenen
Holzstation zurückzukehren, wo die Uferbeschaffenheit fast dieselbe
war, schien, nach den schon überwundenen Schwierigkeiten, noch weniger
rathsam, so, kurz entschlossen, wählte der Major von zwei Uebeln das
kleinere.

Weitere Schwierigkeiten, den »Pfeil« und Leichter unter Land zu
bringen, boten sich nicht mehr; bald lagen auch die Fahrzeuge durch
ihre Anker wohl befestigt am Ufer. Nachdem wir darauf die steile
Uferwand erklommen hatten, suchten wir uns oben einen Platz zum
Nachtquartier. Eine weite Grasfläche, im Hintergrunde Busch und Baum
und 6-8 Fuß hohe Termitenhügel, war das einzige was sich unsern Blicken
darbot, sonst kein lebendes Wesen im weiten Umkreise sichtbar. Das etwa
mannshohe Gras verhinderte auch, genügende Umschau zu halten, und erst
am nächsten Tage erfuhren wir, daß eine kleine Strecke flußaufwärts,
verdeckt durch den nächsten Urbusch, das Dorf Ntoboa liege.

Es war in der glühenden Sonne eine heiße Tagesarbeit gewesen, die
hinter uns lag, dennoch, bis zur sinkenden Nacht, mußten die von den
englischen Schiffen weit über die Untiefe geschleppten Sektionsboote
herangeschleppt werden, und die Bootsführer, Proviantmeister Illich und
Sergeant Bauer, hatten vollauf zu thun, den ihnen zugegangenen Befehl,
die Boote zum Lagerplatz zu bringen, auszuführen.

Die Erbauung eines großen Lagers an diesem Orte wollte Major Wißmann
den Umständen anheim stellen und erst nach Rücksprache mit den
englischen Schiffsführern eine Rekognoszirungstour bis Misongwe
unternehmen, die ihm über die Wasserverhältnisse des Flusses weiter
oberhalb Aufschluß geben sollte. Auch sollte der nächste Tag
erst entscheiden, was gethan werden müßte, nachdem nochmals ein
letzter Versuch gemacht wäre, und ob wir denn wirklich vor diesem
Hinderniß Halt machen müßten und es absolut keine Möglichkeit gäbe,
durchzudringen. Wie vorauszusehen, mißlang ein erneuter Versuch
abermals; die unternommene Tour flußaufwärts ergab ebenfalls ein
negatives Resultat -- so den Verhältnissen Rechnung tragend, beschloß
der Major nach seiner Rückkehr, diesen Ort, den ich inzwischen hatte
säubern lassen, als Stapelplatz beizubehalten.

Die Leitung und Aufsicht der hier vorzunehmenden Arbeiten sowie der
Befehl über die ganze Mannschaft wurde mir übertragen, weil der Major
beabsichtigte, nach Chinde zurückzukehren und den nächsten Transport
abermals zu leiten. Seine Anwesenheit war dort auch nothwendiger als
hier, da in Chinde fast das ganze Personal der Expedition noch des
Aufbruchs harrte.

Zunächst nun galt es, da wir die schwere Ladung des Leichters,
bestehend zum Theil aus der zerlegten Feldbahn, nicht den steilen
Abhang hinauf schaffen konnten, das Ufer abzutragen und etwa 5 Fuß über
der Wasserlinie eine Art Plattform herzurichten, worauf das Material
gelagert werden konnte; Sachen, als Proviant und Schiffsinventar,
wurden ganz hinaufgeschafft, um sie besser unter Aufsicht zu haben.
Bei den sofort in Angriff genommenen Erdarbeiten stießen unsere Leute
unvermuthet auf gefährliche Schlangen, die unter den Wurzeln kleiner
Sträucher oder in Löchern ihren Aufenthalt hatten. Es stellte sich
heraus, daß wir es mit einer Art der sehr giftigen Kreuzotter zu thun
haben und mehrfach wurden 60-70 +cm+ lange Thiere getödtet; war
diesen Schlangen wegen ihrer Gefährlichkeit nicht anders beizukommen,
wurde dem Reptil durch einen Schrotschuß der Kopf zerschmettert.
Kleinere, d. h. junge Schlangen dieser Art, fast immer in Gemeinschaft
mit den Alten aufgefunden, konnten wir mit Spaten und Hacken leichter
erlegen. Uebrigens war gegen den gefährlichen und nicht selten
tödtlichen Biß dieser Kreuzottern große Vorsicht von Nöthen, daher ließ
ich es nie zu, daß die zu Erdarbeiten kommandirten Leute mit bloßen
Füßen umherliefen; die Gefahr, gebissen zu werden, war zu groß und
ärztliche Hülfe unerreichbar.

Als einen sehr günstigen Umstand konnten wir die Zutraulichkeit der
Eingebornen betrachten, selbst die Häuptlinge erschienen im Lager und
wurden stets reichlich beschenkt entlassen. Der Vortheil lag dabei
auf unserer Seite; denn wie kostspielig hätte die Heranschaffung von
Proviant für so viele Leute wohl werden müssen, wenn wir nicht gegen
Zeug und Perlen hätten Lebensmittel eintauschen können. Als später
die ganze Expedition hier versammelt war, kamen sogar weit im Inlande
ansässige Portugiesen, angelockt durch eventuellen Verdienst, um mit
uns Handelsgeschäfte zu machen.

Während der beiden Tage, an welchen in rastloser Arbeit das Entlöschen
der Fahrzeuge bewerkstelligt wurde, konnte an dem Ausbau des Lagers
nicht gedacht werden, und, um nur Schutz zu finden, hatten die Soldaten
sich, zu je zwei, aus Baumzweigen und Gras provisorische Hütten
erbaut; auf beschränktem Raum vertheilt, boten diese den Anblick eines
Karawanendorfes.

Die Abreise des Majors war auf Sonntag, den 24. in der Frühe,
festgesetzt, indes das geplante Heben des »Pfeil« zwischen Leichter
und Boot verzögerte diese bedeutend; es gelang auch den Dampfer um 6
Zoll höher zu winden, was zwar ein Passiren der Untiefe bei Schupanga
möglich machte, sonst aber von keinem wesentlichen Vortheil gewesen
ist.

Im Vergleich zu dem mühsamen Vordringen gegen Strom und Hindernisse,
ging die Rückfahrt sehr schnell von statten, bald waren Dampfer und
Boote unsern Blicken entschwunden, da die Windungen des Flußes jede
Fernsicht raubten.

Zurückgekehrt zum Lager trat nun an mich die ernste Pflicht heran, nach
bestem Wissen und Können, wie der mir gewordene Befehl lautete, ein
Lager zu erbauen, speziell aber darauf zu achten, daß die täglichen
Exerzitien, wie sie das Reglement vorschrieb, ausgeführt werden;
die Handhabung strenger Disziplin ist die Garantie des Erfolges.
Unter meinem Befehl waren 67 Mann und drei Europäer gestellt, eine
beträchtliche Zahl, wenn diese in ihrer Gesammtheit als Arbeitskraft
hätte Verwendung finden können; allein Hauptzweck waren militärische
Uebungen, nach diesen kamen erst täglich einige Stunden Arbeitszeit
in Frage. Und zieht man die glühend heiße Sonne in Betracht, die vom
wolkenlosen Himmel sengend niederbrennt, Körper und Geist erschlafft,
mußte die Zeit ausgenutzt werden, sollte das Werk gethan sein.

Die nächste Aufgabe war, Stellen, wo ich Wohn- und Wachhäuser zu bauen
gedachte, von dem hohen schilfartigen Grase reinigen zu lassen, auch
mußte schleunigst ein Exerzierplatz geschaffen werden, der den übenden
Soldaten freie Bewegung gestattete; denn es war in der That in weitem
Umkreis nichts als Baum, Busch und Gras. Diese Grasmassen übrigens
auszuroden, war keine Kleinigkeit, als mir indes diese Arbeit zu
langsam von statten ging, ließ ich mit Faschinenmesser große Flächen
niederhauen, dann das in glühender Sonne bald getrocknete Gras in Brand
setzen und die Feuersgluth vernichtete unglaublich schnell, wozu sonst
viele fleißige Hände Tage lang gebraucht hätten. Oefter zwar vom Winde
angefacht, waren wir nicht im Stande, der Feuersgluth eine Grenze zu
setzen, trockene Halme und Laub, welches in Massen unter den Bäumen
angehäuft lag, wurde ein Raub der Flammen. Soviel Vortheil hatten
wir aber doch davon, hatten wir im Busch mit Messer und Axt nicht
vordringen können, konnten wir es nach solchem Brande weit bequemer,
und wurden auch längst abgeerntete Mtamafelder mit vernichtet, so
konnten wir es leider nicht ändern; der Schaden war auf unserer Seite,
insofern wir das benöthigte Rohr aus größerer Entfernung herholen
mußten.

Mit dem Niederbrennen des Grases im Lager und nächster Nähe war die
Arbeit nicht gethan, im Gegentheil, die Vernichtung schaffte dem jungen
Nachwuchs nur Luft und überaus reichlich sproßen, namentlich nach
einem Regenschauer, die neuen Keime empor. Es mußten daher die tief im
Boden sitzenden Graswurzeln ausgerodet werden, um dem Wachsthum Einhalt
zu thun. Da ich nun nicht die Zeit, sowie ausreichende Kräfte zur
Verfügung hatte, erbat ich mir von einem Häuptling eine Anzahl Frauen,
die mit ihren Feldhacken das Terrain schnell und geschickt reinigten.
Wie bei den meisten afrikanischen Völkern auf den Schultern des Weibes
alle schwere und unbequeme Arbeit ruht, so war auch hier keiner der in
der Nähe des Lagers träge herumliegenden Eingebornen zu dieser Arbeit
trotz reichlicher Bezahlung zu bewegen.

Mir lag viel daran, bis zur Rückkehr des Majors, möglichst alle
nothwendigen Häuser und Schuppen fertig gestellt zu sehen, waren
doch noch reichlich über 200 Soldaten, außer den hier anwesenden,
unterzubringen; jedoch, überschritt ich auch zuweilen das
vorgeschriebene Reglement und sandte Abtheilungen unter Aufsicht
bis weit in das Land hinein, um zum Häuserbau passende Baumstämme
heranzuschaffen, so war der Ertrag doch so ungenügend, daß ich mich
schließlich genöthigt sah, das hier verbliebene zweite Stationsboot
auszurüsten und in die Wälder oberhalb Schupangas zu senden. Ein Arm
des Zambesi, in früherer Zeit, nach den Aussagen der Eingebornen zu
urtheilen, der eigentliche Fluß, führte auf der gegenüberliegenden
Seite weit in das Land hinein, und für Boote noch befahrbar, konnte der
große Waldbestand leicht erreicht werden.

Zur Abschließung und Einfriedigung des Lagers benutzte ich das
bereits erwähnte Mtamarohr; dasselbe wurde in Furchen aufrechtstehend
eingegraben, durch querliegende Stengel dann verbunden, erlangte
solcher Zaun genügende Festigkeit; nur einen Eingang ließ ich, der von
einem Posten unter Gewehr bewacht wurde, so war eine Kontrolle der
ein- und auspassirenden Leute möglich. Die nächste Umgebung des Lagers
wurde, so weit es angängig, so rasirt, daß ungesehen sich schwerlich
jemand dem Lager nähern konnte.

Die Aktivität der Soldaten wurde des öfteren durch nächtlichen Alarm
geprüft, was hier freilich nur eine Uebung war; wie oft aber mußten
sie später unter Major von Wißmanns Führung ernste, schwere Kämpfe
durchmachen. Auch ein Theil der jetzt unter meinem Kommando stehenden
mußten in schwerer Zeit mit mir ausharren und blutigen Kampf bestehen,
namentlich die Sudanesen.

Gelang es mir auch nicht ganz, in der gedachten Weise das Lager fertig
zu stellen, was einzig seine Schwierigkeit in der Heranschaffung
des benöthigten Bauholzes hatte, so war doch alles zur Aufnahme und
Unterbringung des nächsten Transportes bereit. Eine regelrechte Treppe
zum Fluße gebaut, erleichterte den Aufstieg, in der Front am Ufer
fanden Zelte und Proviantschuppen ihren Platz und im Hintergrunde lagen
die langen Wohnhäuser der Soldaten. In der Mitte war ein großer freier
Platz geblieben, der zunächst als Exerzierplatz Anwendung fand, bis
später außerhalb des Lagers ein besserer geschaffen wurde.

Die Termitenhügel, von denen im Lager sechs vorhanden waren, hatte
ich vorläufig noch unberührt gelassen, einestheils weil sich der
Bau dieser kleinen Thierchen, aus einer festen, harten Thonmasse
bestehend, für Hacke und Pickaxt zu fest erwiesen hatte, anderntheils
weil alle Hügel, entsprechend ihrer Höhe, in der Basis den gleichen
Durchmesser hatten, woraus man schließen kann, daß es angestrengter
Arbeit bedurft hätte, solch einen Bau dem Erdboden gleich zu machen.
Um das wunderbare Treiben dieser etwa einen Zentimeter langen Ameisen
besser zu beobachten, deckte ich die Kuppe eines oder mehrerer Hügel
mit Axtschlägen so ab, daß alle bis in die Spitze führenden Gänge frei
lagen, während aber die Thonmasse selbst hart und fest blieb, waren die
Wandungen der Gänge feucht und weich. Sobald Licht und Luft zum Bau
Zutritt fanden, zogen sich die in den Gängen arbeitenden Thiere zurück;
war durch das Freilegen eine Brutkammer geöffnet worden, scheuten die
Arbeiter keine Gefahr, sondern waren nur darauf bedacht, die jungen
Ameisen oder Eier schleunigst in Sicherheit zu bringen.

Da diese Thierchen in völliger Dunkelheit leben, so habe ich sie am
Tage keine Arbeit verrichten sehen, denn die geschlagenen Oeffnungen
blieben frei, sobald aber, was bei allen dieser Art der Fall, die
Nacht hereinbrach, begann eine rastlose Thätigkeit und ausnahmslos war
jeden Morgen auch die kleinste Oeffnung mit noch weichen Thonmassen
vermauert. Am Fuße eines Hügels, wo auch die Wandungen entsprechend
stärker sind, ergaben geöffnete Stellen wunderbare Gänge. Die
Kommunikation war der Art, daß die fingerdicken Wandelgänge nach allen
Richtungen hinführten; ein Labyrinth von Röhren, worin nur ein solches
Thier, durch seinen Instinkt geleitet, sich zurecht zu finden im
Stande ist. Eigenthümliche Erscheinungen waren die Zellen, eigentlich
faustgroße Höhlungen, zu und von denen eine beträchtliche Anzahl Wege
führten, in denen die Arbeiterameise sehr geschäftig hin und her lief.
Erklärlich ist diese Regsamkeit, wenn man bedenkt, wie sorgfältig die
Ameisen ihre Nachkommenschaft bewachen und erziehen, und ausschließlich
gilt diese Thätigkeit den in den Zellen angehäuften Eiern, die in
morschem Holzmehl gebettet liegen, gleichsam als sollte beim Eintritt
in das Leben der jungen Brut durch vorwaltende Sorgfalt reichliche
Nahrung geboten werden.

Wohl kaum denkbar ist es, daß diese abertausend Eier (wo immer auch
der Bau geöffnet wurde, fanden sich solche in großer Menge vor) von
einer Königin herstammen sollten, im Gegentheil, dazu müssen eine ganze
Anzahl fortpflanzungsfähiger Thierchen existirt haben, wenn man auch
zugeben kann, daß in solchem Arbeiterstaat nur einer die Königinwürde
zuerkannt wird.

Die Lebensbedingung der Termiten beruht auf dem Vorhandensein von Holz,
das ausschließlich ihnen zur Nahrung dient, darum, wo immer ein Hügel
von diesen Thieren gebildet worden, ist vorauszusetzen, daß ein halb
oder ganz abgestorbener Baum an jenem Orte gestanden hat; der umbaute
Stamm und die Wurzeln dienen dann für lange Zeit als Nahrung.

Der größte in einer Ecke des Lagers befindliche Hügel von 17 Fuß Höhe,
der in der Basis etwa 60 Fuß Umfang hatte, war in der erwähnten Weise
um einen mächtigen zum Theil noch grünenden Baum aufgeführt worden.
Es ist wohl anzunehmen, da die Erdmassen körnchenweise aus der Tiefe
heraus aufgeführt worden sind, daß es eines langen Zeitraumes bedurfte,
solche Hügel aufzuthürmen, und wie ausgedehnt müssen die Gänge und der
Bau unter der Erdoberfläche noch sein, wenn man bedenkt, was für ein
Volumen solch ein großer Hügel ausfüllt.

Bis zur Spitze dieses erwähnten Hügels ließ ich später noch eine
Treppe führen und, die Kuppel etwas abflachend, einen Ruhesitz dort
oben herrichten, das mächtige schattige Gezweige des Baumes bot einen
angenehmen Aufenthalt, und höher im Geäst bot sich eine vorzügliche
Aussicht auf die Umgebung dar.

Die Beschaffenheit der obern Erdschicht scheint für die Ansiedelung
der Termiten eine Hauptbedingung zu sein, denn nirgend wo anders als
im Lehm oder thonhaltigen Boden fand ich sie vertreten, dort aber
auch in solcher Anzahl, daß man der vielen Bauten wegen diesen die
Bezeichnung Termitendorf beilegen könnte; öfter liegen diese Hügel so
nahe zusammen, daß zwei oder mehrere in eins vereinigt schienen; hatte
dazu die Vegetation auf solchen Hügeln Fuß gefaßt, ließ ihre Ueppigkeit
kaum noch die Einzelheit derselben hervortreten. An anderen Orten und
zu anderer Zeit, wenn wir an das flüchtige Wild uns heranzupürschen
suchten, boten diese Hügel in den Grasgefilden oder an der Waldlisiere
gute Aussichtspunkte und Deckung.

Das Dorf Ntoboa, von unserem Lager durch einen ausgedehnten Busch
getrennt, hatte ich öfter Gelegenheit zu betreten, namentlich, wenn
ich die ausgesandten Soldaten bei ihrer Arbeit zu kontrolliren
oder anzuweisen ging. In der weiten, das ganze Dorf umschließenden
Umzäunung, waren auch die einzelnen Gehöfte, aus Häuser oder Hütten
bestehend, mit einem Rohrzaun umschlossen, so daß die einzelnen
Familien von einander völlig getrennt, jede ihren besonderen Besitz
inne hatte. Ein Anwachsen solcher geschlossener Familien geschieht auf
folgende Weise: ein sich verheirathender junger Mann hat fortan sich
der Familie seines Schwiegervaters eng anzuschließen und muß seine
Hütte in dessen Gehöft erbauen oder aus Mangel an Platz dicht daneben;
die Interessen sind hinfort die gleichen, gemeinsames Ackerland,
gemeinsame Jagd und Arbeit, soweit von letzterer bei den Männern
überhaupt die Rede sein kann.

Die ungewöhnliche Erscheinung, peinliche Reinlichkeit in einem
Negerdorfe vorzufinden, überraschte mich hier sehr, in der That waren
die freien Plätze im Dorfe rein und sauber, wie eine Tenne fest und
glatt und gereichten den Bewohnern zur besonderen Zierde. Ernst und
zurückhaltend, wie die Bewohner dieses Dorfes waren, kann ich kaum
behaupten, daß wir in näherer Beziehung zu ihnen getreten sind; mit
weiser Bedachtsamkeit hielten sie sich von uns fern, wiesen auch den
sonst unverfrorenen Suaheli in seine Schranken zurück. Traf ich aber
auf meinen Gängen Faulenzer im Dorfe herumliegend an, kamen solche
öfters nicht ohne handgreifliche Verwarnung weg, was äußerst nothwendig
war, um das vorherrschende gute Einvernehmen der Einwohner mit uns
aufrecht zu erhalten.

Erwähnenswerth sind die wenigen Häuser im Dorfe, welche von einer
besonderen Kunstfertigkeit und Geschmack Zeugniß ablegen. Die Art der
Herstellung erinnerte mich an die Wohnhäuser der Marschall-Insulaner im
fernen stillen Ocean und sind, im Gegensatz zu den runden Hütten mit
aufgesetztem Grasdach, eine besondere Erscheinung. Fast überall dort,
wo Termitenhügel in der Nähe, bekleiden die Eingebornen die Wände ihrer
Hütten innen und außen mit dieser vorzüglichen Thonmasse, diese gewährt
hinreichenden Schutz gegen die kalte Nachtluft, die im Verhältniß zur
heißen Tagesgluth recht empfindlich sein kann.

An Abwechslung, soweit es Gäste betraf, die im deutschen Lager kurze
Rast hielten, fehlte es nicht, Engländer, Portugiesen, selbst ein
Deutscher, Herr +Dr.+ Merensky, vom Nyassa-See zurückkehrend,
nahmen die gebotene Gastfreundschaft dankend an; konnten wir doch jetzt
noch, im Beginn unserer Expedition, die Gäste angemessen bewirthen.
Von dem Kommen des letzteren Herrn unterrichtet, hatte schon Major
von Wißmann mir den Auftrag ertheilt, denselben nicht vorüberziehen
zu lassen ohne wenigstens mit ihm gewisse Punkte besprochen zu
haben, sollte sich aber Herr +Dr.+ Merensky bewegen lassen,
des Majors Rückkehr im Lager abzuwarten, würde er dieses als eine
besondere Gefälligkeit zu schätzen wissen. Aber so gerne +Dr.+
Merensky seine lange Reise auch unterbrochen hätte, gestattete die
Nothwendigkeit ihm nur einen kurzen Aufenthalt zu nehmen, und ich,
meinerseits wissend, der Major könne nicht mehr allzufern sein,
ersuchte ihn, auf seiner Weiterreise, wenn angängig, dem Wunsche des
Majors zu entsprechen und eine Unterredung herbeizuführen.

Das Lagerleben in den Grassteppen und Waldungen Afrikas besitzt,
abgesehen von gewissen Entbehrungen, einen eignen Reiz. Es lassen sich
aber doch, selbst in einer so unwirthlichen Gegend, diesem angenehme
Seiten abgewinnen. Das halbe Kriegerleben, das wir führten, bedingte
schon, daß die Waffe unser beständiger Begleiter war, diese daher zu
gebrauchen und ihrer sicher zu sein, lag in dem Bestreben aller, und
ich meinerseits suchte dieses dadurch zu fördern, daß, sofern Zeit und
Umstände es gestatteten, Preisschießen abgehalten wurden.

War der Gewinn, etwa eine Flasche Cognac, als Preis auch gerin, so war
es mehr die Ehre, gelegentlich der beste Schütze zu sein, als daß der
ausgesetzte Preis des Siegers ausschließliches Eigenthum geblieben
wäre, vielmehr war eine kameradschaftliche Vertheilung allgemeiner
Gebrauch. Anregender als Scheiben und Flaschen abschießen war es für
uns, wenn ein Krokodil das Zielobjekt abgeben konnte.

Es muß für diese Thiere ein wonniges Behagen sein, sich von der
glühenden Sonne den Körper durchwärmen zu lassen und sich dem sorglosen
Schlafe hinzugeben, dazu von Vögeln, die stets am Ruheort des Thieres
sich aufhalten, die Parasiten absuchen, ja selbst am Gaumen des
mächtigen Rachens die Ueberreste einer Mahlzeit herauspicken zu lassen,
und ob diese kleine behende weißgraue Vogelart auf dem Rücken oder
Kopf des Krokodil herumläuft und Nahrung sucht, nie wird das mächtige
Thier seinen gefiederten Pflegern etwas zu Leide thun; vielmehr scheint
das Geschrei, welches dieser Vogel erhebt, sobald etwas Auffallendes
sich zeigt, ein Warnungsruf zu sein, um seinem Freunde eine Gefahr
rechtzeitig anzuzeigen.

Flußpferde sahen wir hier nur vereinzelt auf den entfernteren
Sandbänken sich tummeln, selten, daß eines sich so weit vorwagte, um
von unsern weittragenden Kugeln erreicht zu werden, aber das Grunzen
dieser Kolosse tönte durch die Stille der Nacht und weckte im Verein
mit der Hyäne, die ihr Lachen bald hier bald dort erschallen ließ, uns
aus dem Schlummer.

Bemerkenswerth ist eine hier schon vorkommende Adlerart, ein
schwarzbrauner, kräftiger Vogel mit scharfen großen Fängen, hoch in
den Lüften kreisend, erspäht sein scharfes Auge die Beute, und sieht
er sich unbeachtet, schießt er pfeilgeschwind aus der Höhe nieder, und
mit den Krallen ein Huhn, Ratte oder sonstigen Abfall fassend, eilt
er schnellen Fluges davon. Anfänglich hielt ich diese Vogelart für
schädlich und schoß sie aus den Lüften oder von den Baumästen nieder,
allein bald erkannte ich die Nützlichkeit dieser Thiere und schonte sie
hinfort. Ein Beispiel davon, daß die Natur nichts Unnützes geschaffen,
hatte ich in dieser Vogelart wieder vor mir; wir Menschen sehen nur
leider die Schädlichkeit gewisser Thiere, nicht ihren Nutzen und führen
gegen solche Geschöpfe einen ungerechten Krieg, forschen und suchen
nicht zu ergründen, was die ewige Weisheit vorbedacht hat. Nicht nur,
daß dieser Vogel den schlimmen Nagern, von welchen wir in der Folge
viel zu leiden hatten, ein grimmiger Feind war, bewährte er sich
vielmehr als eine Art Polizei, die auf Reinlichkeit äußerst bedacht
war; denn alle Abfälle, welche achtlos fortgeworfen wurden, den Ratten
und Mäusen ein willkommenes Futter, wurden von diesem im und außerhalb
das Lagers aufgesucht, und wurde auch ein Hühnchen, das zuweilen
achtlos herumlief, mit aufgegriffen, war doch der Verlust im Gegensatz
zum Vortheil nur ein geringer.

Der Ricinuspflanze, die in dieser Gegend stark vertreten ist,
begegneten wir überall, meistens in Form eines kleinen Bäumchens
oder einer Staude mit lappigen Blättern; die Früchte rundlich, an
ihrer äußeren Schale mit weichen Dornen besetzt, enthalten in den
bohnengroßen Samen das so viel benutzte Oel. Die Nützlichkeit dieser
Pflanze scheint den Eingebornen hier nicht sonderlich bekannt zu sein,
wenigstens konnte ich solches aus meinen Erkundigungen schließen, eine
Verwerthung indes mußten sie aber doch dafür haben, wenn auch nicht
in dem Sinne wie wir; es ist jedoch schwer, dieses zu erfahren. Die
Geheimnisse kennt der gewöhnliche Neger nicht und die klugen, also z.
B. die Medizinmänner, verrathen sie nicht.

In diesem Monat Juli trat schon ein merklicher Unterschied zwischen
der heißen Tagesgluth und den kühlen Nächten ein, solche Abkühlung
hatte häufig dichte Nebel zur Folge, die erst am frühen Morgen der
mächtiger durchdringenden Sonne zu weichen begannen. Am Abend, nach
des Tages Mühe, saßen wir oft am Ufer des Zambesi und schauten auf die
murmelnden Gewässer und die weite Wildniß hinaus, unter dem glänzenden
Sternenhimmel in solcher Tropennacht gedachten wir der fernen Heimath,
bis der Trompeter Ruhe im Lager blies und Jeder in Zelt oder Hütte
den erquickenden Schlummer suchte. Nichts als der Schritt des Postens
unterbrach die Stille der Nacht; nur zuweilen wurde die Hyäne der
Störenfried, aber man gewöhnt sich an die Stimmen der Natur und achtet
schließlich nicht mehr so sehr darauf.




                        3. Im Lager von Ntoboa.


Am Sonntag, den 7. August, wurde von dem zur Ausguck aufgestellten
Posten in früher Stunde der zurückkehrende Transport gemeldet und nach
wenigen Stunden traf Major von Wißmann im Lager ein, mit ihm die Hälfte
des Expeditions-Personals. Nach kurzer Besichtigung der vollendeten
Arbeiten und Inspizirung der unter Gewehr aufmarschirten Soldaten,
traten bald darauf sämmtliche Mannschaften an, und das Entlöschen der
Leichter wurde mit möglichster Eile ausgeführt, denn Herr von Eltz
sollte schon am nächsten Morgen mit den leeren Fahrzeugen nach Chinde
zurückkehren.

So groß und den Verhältnissen entsprechend ich auch das Lager angelegt
hatte, war es doch bei so bedeutendem Material und der nun an Zahl
beträchtlichen Mannschaften etwas beschränkt, namentlich mußte der
Exerzierplatz außerhalb desselben verlegt werden, da zum Aufstapeln und
Hantiren des Proviantes hinreichender Raum geschaffen werden mußte. Die
Vertheilung und Zusammenstellung desselben leitete +Dr.+ Bumiller;
mußte doch eine große Sorgfalt auf unsere Vorräthe angewendet werden,
um nach Jahr und Tag, so gut wie im Anfang, mit allem versehen zu sein.
Namentlich waren es sogenannte Wochenkisten, die aus dem Nothwendigsten
zusammengestellt wurden, und die später, wenn erst die Expedition weit
vertheilt sein würde, jedem Mangel vorbeugen sollten.

Was die noch auszuführenden Arbeiten anbetraf, welche der Major
vor seinem Auszuge zu einer Jagd-Expedition, die er bald darauf in
Begleitung des Sergeanten Bauer und einer genügenden Anzahl Soldaten
unternahm, bestimmt hatte auszuführen, so leitete ich diese nach wie
vor. Bedenkt man aber, mit welchem Zeitaufwand und Schwierigkeiten das
Baumaterial herangeschafft werden mußte, so kann man sagen, daß rege
Thätigkeit gewaltet haben mußte, um in solch kurzer Zeit, auf solchem
Terrain, ein kleines Dorf, wie es unser Lager im Anblick darbot,
entstehen zu lassen.

Mit dem größeren Bedarf an Lebensmitteln wuchs auch der Verkehr mit den
Eingebornen, und hatten wir bisher nur die nähere Bekanntschaft der am
Fluße selbst lebenden Eingebornen gemacht, so lernten wir nun auch weit
im Inlande wohnende Stämme kennen. Auffällig war die vorherrschende
Unreinlichkeit bei diesen Leuten, was wohl daraus zurückzuführen ist,
daß vielfach Mangel an Wasser sie die Wohlthat des Waschens entbehren
läßt. Bei den Frauen und Mädchen tritt diese Nachlässigkeit um so
eher hervor, als namentlich ihre Kopffrisur meistens mit Asche und
Sand bedeckt ist. Sie besitzen einen gewissen Stolz darin, diese nach
eigenartiger Methode aufzuputzen, nämlich das kurze krause Haar wird
in möglichst langen Strähnen geflochten, wozu, nebenbei gesagt, schon
eine Art Kunstfertigkeit gehört, dieses fertig zu bringen, und damit
diese herunter hängen bleiben, bedienen sie sich daran gehängter
Gewichte, verfertigt aus der Masse, welche die Termiten aus der Erde
heraufschaffen.

Es macht einen eigenthümlichen Eindruck, fünfzig und mehr solcher
Strähnen an den Schläfen, Vorder- und Hinterkopf herumbaumeln zu sehen,
und, da solche Frisur nicht alle Tage vorgenommen werden kann, vielmehr
wohl recht lange vorhalten muß, so ist es erklärlich, daß man, wie wir
zu Lande sagen würden, Petersilie auf der Kopffläche säen könnte.

Jener Jagdausflug, von welchem der Major nach sechs Tagen zurückkehrte,
war ein überaus ergiebiger gewesen. Die Theilnehmer berichteten von
Schaaren edlen Wildes, das sich sorglos in den weiten Grassavannen
und lichten Wäldern aufhält, und einem guten Schützen es leicht
sei, an die Beute heranzukommen. Büffel, Kudus, Zebras, Wasser- und
Riedböcke, ja selbst der Elephant wäre beschlichen worden. An Beweisen
für die Eifrigkeit der Jäger fehlte es auch nicht, eine Anzahl großer
Antilopen, stattlicher als unsere Hirsche, brachten sie noch mit, und
so lange der Vorrath reichte, hatten wir im Lager für mehrere Tage
Fleisch, vor allen war den Soldaten solche Abwechslung hoch willkommen.

Hatten wir bisher nur erst wenige Strapazen durchgemacht, welche ich
als gering bezeichnen kann im Verhältniß zu denen, die unser warteten,
so äußerte das Klima sich doch in der Weise, daß es allmählig die
Widerstandsfähigkeit des Körpers untergrub und Fieberanfälle waren
selbst unter unsern Soldaten keine seltene Erscheinung. So ergab es
auch die Nothwendigkeit, daß ich, weil selbst Major von Wißmann und
+Dr.+ Bumiller erkrankt waren, das Kommando im Lager für längere
Zeit zu übernehmen hatte.

Wie bereits vorher erwähnt, hatten wir viel von den Nagethieren und
Ameisen zu leiden, und, was Vernichtungswuth anbetrifft, muß ich den
unscheinbaren Thierchen den Hauptantheil zusprechen, denn jede Kiste,
jedes Stückchen Holz, das unvorsichtiger Weise auch nur für eine Nacht
ohne Unterlage auf den Erdboden gestellt worden war, wurde angefressen
und sie waren im Stande, dreiviertelzöllige Bretter in wenig Tagen
zu zerstören. Selbst der Inhalt der Kisten, sofern Holztheile darin
enthalten waren, blieb nicht verschont.

Es ist unglaublich, aber thatsächlich wachsen die weißen Ameisen aus
dem Erdboden hervor. Z. B. der Boden, worauf eine Kiste gestellt
wurde, ist fest und hart; kein Anzeichen eines Lebewesens läßt sich
auch nur voraussetzen, und doch, in einer Nacht wimmelt es schon von
abertausend kleiner weißer Wesen, die in dem Holze lange Furchen
gezogen haben, worin man einen Finger hineinlegen könnte. Der Boden
ist von einer von diesen Thierchen abgesonderten Substanz feucht und
lehmhaltig, geeignet, an dem Holze zu haften und gar bald bauen sie
verdeckte Gänge aus diesem Stoffe außerhalb auf, um so von allen Seiten
einen Gegenstand, der ihren scharfen Nagewerkzeugen verfallen ist, zu
umschließen. Die Vermehrung dieser Ameisen muß in das Unglaubliche
gehen, wo ihnen die Vorbedingungen zur Existenz geboten sind, sonst
ist es nicht zu verstehen, wie sie so zahlreich in solch kurzer Zeit
auftreten können; ich habe oft den Erdboden untersucht und nichts
gefunden und doch waren diese schlimmen, unvertilgbaren Thiere
vorhanden.

Was nun noch Ratten und Mäuse anbetrifft, so hatte hier eine förmliche
Einwanderung stattgefunden, denn, angelockt durch reiche Vorräthe, wie
solche im Lager an Mais und Mtama aufgestapelt lagen, waren diese
Nager, die im weiten Umkreise auf den Feldern der Eingebornen ihren
Wohnort hatten, herbeigeströmt, und bald in Schuppen und Hütte, Zelt
und Lagerräumen eingenistet, so daß an ein Austreiben nicht mehr zu
denken war.

In den Grasdächern und Wänden war ihnen nicht beizukommen, wir mußten
wider Willen den unliebsamen Gästen Freiquartier geben und es geduldig
uns gefallen lassen, wenn es Nachts einzelnen beliebte, über Gesicht,
Brust und Füße Spaziergänge zu unternehmen; mit Geschicklichkeit
sprangen sie von den Dachsparren herunter auf das Bett, und,
aufgeschreckt aus dem Schlafe, schlug man wohl nach jener Stelle,
allein die gewandten Vierfüßler waren weit hinweg. Unangenehmer schon
wurde es, wenn sie an den Nägeln der Fußzehen ihre scharfen Zähne
probirten, wobei sie es nicht so genau nahmen und etwas Haut mitfaßten,
was für den Schläfer dann eine etwas unangenehme Empfindung war.
Diese hier ziemlich furchtlose, man könnte fast sagen unverschämte
Gesellschaft, zwang uns, die hier weniger benutzten Mosquitonetze
wieder auszuspannen, um so vor den nächtlichen Besuchern einigermaßen
geschützt zu sein.

Gestattete es mitunter meine Zeit, daß ich mit den Leuten die
Proviantsäcke, zwischen denen die Ratten namentlich Standquartier
genommen hatten, auseinanderwerfen konnte, dann ging es vielen an das
Leben. Ein doppelter Cordon von mit Stöcken etc. bewaffneten Leuten
umstand den Lagerplatz und jedes Thier, das diesen zu durchbrechen
suchte, wurde erschlagen; der Vernichtung entgingen nur solche, die
sich in den Erdlöchern oder in den Säcken selbst geflüchtet hatten. Es
war nichts Seltenes, daß auf solcher Jagd 70 und mehr Ratten getödtet
wurden.

Köstliche Scenen mit Halloh und Geschrei gab es bei solcher
Gelegenheit stets von seiten der Soldaten; gelang es einer Ratte,
die nicht entweichen konnte, Zuflucht in das Hosenbein eines Mannes
zu finden und am nackten Körper hinaufzulaufen, dann sprang dieser
wie besessen umher, bis einer seiner Kameraden die Ratte erfaßt und
ihr durch kräftigen Druck das Lebenslicht ausgeblasen hatte. Konnten
die gejagten Thiere nicht mehr am Boden entschlüpfen, versuchten sie
oben hinauszukommen. Wahre Kraftproduktionen führten sie aus, indem
sie auf die Schultern eines gebückten Mannes sprangen und von hier,
sobald dieser durch die Berührung emporschnellte auf den Kopf oder
Rücken des nächsten, und solchen kühnen Springern gelang es öfter, zu
entkommen. Während solcher Jagd kreisten hoch in den Lüften die Adler
und erspähten scharfen Auges die Beute; eine ermattete Ratte, wenn sie
es wagte, über eine freie Stelle zu laufen, um eine Zuflucht zu finden,
war bald in den Fängen der pfeilgeschwind niederschießenden Vögel;
selbst so weit ging der Jagdeifer dieser Polizisten, daß sie sich
nicht scheuten, ihre Beute selbst in der Nähe des Menschen zu erfassen
und solche in die Lüfte zu entführen.

Am Abend des 18. August, als in dunkler Abendstunde von Schupanga
Signalraketen die Ankunft des neuen Transportes anzeigten (welches
Signal wir vom Lager aus durch helles Feuer beantworteten), brachten
gleichzeitig Boten von Misongwe die Nachricht, daß die beiden
englischen Kanonenboote »Herald« und »Mosquito« dort eingetroffen
seien, auch zufolge wichtiger Nachrichten die Gegenwart des Majors
von Wißmann dort erwünscht erscheine. Daraufhin, sobald am nächsten
Morgen der Transport das Lager erreicht hatte und mit dem sofortigen
Entlöschen begonnen worden war, versuchte der Major mit dem »Pfeil«
die Untiefe vor Ntoboa zu passiren, was auch, da vom »Pfeil« alles
überflüssige Inventar an Land gebracht war, dieses Mal gelang.

An dem bereits erwähnten Vertrage, der uns die Unterstützung der
Engländer sicherte, wurde nichts geändert, vielmehr nun zur sofortigen
Ausführung geschritten. Zurückgekehrt von Misongwe am 19., sollte der
»Pfeil« im Verein mit den Kanonenbooten am 20. früh flußabwärts nach
Schupanga gehen, wo nach Ausschiffung einer Kompagnie Soldaten für
alle Schiffe Brennholz zu schlagen sei; inzwischen sind beim Lager
zwei Leichter und die großen Sektionsboote zu beladen, mit welchen
die Kanonenboote dann flußaufwärts den Schire zu gewinnen suchen und
so weit vordringen würden, als es die Wasserverhältnisse irgend nur
gestatten sollten. So lautete der Tagesbefehl!

Ueberraschend für mich aber war die mir vom Major gemachte Eröffnung,
daß ich mit dem »Pfeil« flußabwärts zu gehen und den letzten Transport
von Chinde heraufzuführen habe; nicht als scheute ich mich, diese
Aufgabe zu übernehmen, sondern der hierdurch vereitelte Wunsch, mit
vorwärts gehen zu können, war eine unerwartete Ueberraschung. Im
Uebrigen, da ich wußte, daß dieser letzte auch der schwerste Transport
sein würde, dessen Führung der Major dem in Chinde noch weilenden
Obersteuermann nicht anvertrauen mochte, sonst nur als Führer Herrn von
Eltz übrig hatte, über dessen Person er aber bereits anders verfügt,
konnte ich es nur zur Ehre anrechnen, das Schwerste ausführen zu
sollen.

Sobald der »Pfeil« zur Abfahrt bereit und ich mich vom Major
verabschiedet hatte, dampften wir flußabwärts zunächst nach Schupanga,
um uns dort mit genügend Brennholz zu versehen. Schnell, mit Hülfe der
zur Verfügung stehenden Kräfte, war diese Arbeit gethan und sodann
die Thalfahrt antretend, kamen wir, unbehindert durch Leichter oder
Boote, sehr rasch vorwärts. Einige Male nur nahmen wir uns die Zeit,
auf Sandbänken liegenden Krokodilen wohlgezielte Kugeln zuzusenden;
zwei dieser mächtigen Unthiere fielen uns denn auch dadurch zur Beute,
daß es ihnen nicht gelang, das schützende Wasser zu erreichen, wir
nahmen das größte mit nach Chinde, wo wir am nächsten Nachmittag
anlangten, um solches den noch dort weilenden Sudanesen als willkommene
Abwechslung ihrer Mahlzeiten, zu überlassen.

Ich fand die beiden letzten Leichter nahezu beladen vor, sah aber ein,
daß, wenn, wie der Befehl lautete, alles mitgenommen werden sollte,
ein Ueberfüllen der Fahrzeuge die Folge sein würde, dazu mußte so viel
Brennholz, als nur irgend unterzubringen war, eingeschifft werden,
um nicht wieder durch Mangel daran am Vorwärtskommen behindert zu
sein. Deshalb, während des zweitägigen Aufenthalts, ließ ich alle
entbehrlichen Kräfte noch von +Dr.+ Bumiller herangeschafftes Holz
zersägen, selbst die Häuser und Hütten niederreißen und die Stämme
auf den Fahrzeugen unterbringen. Obschon vom Fieber schwer geplagt,
das während einiger Tage im Körper wühlte, hatte ich doch die mir
gewordenen Aufträge nach bestem Können auszuführen, namentlich forderte
die Unterbringung und sichere Heimbeförderung eines entlassenen Mannes
mit einem englischen Schiffe, viel Aufwand an Zeit. Nach Einschiffung
der gesammten Mannschaft aber und Verabschiedung vom portugiesischen
Kommandanten zögerte ich mit der Abreise nicht mehr, setzte auch im
letzten Augenblick die Ueberreste des großen Lagers in Brand, so daß
nur Staub und Asche an der Stelle zurückblieb, wo lange Zeit eine
gewaltige Expedition Rast gehalten hatte.

Ich hatte des Oefteren schon bemerkt, wie jähzornig veranlagte Naturen
leicht sich fortreißen ließen wegen geringfügiger Dinge die Leute
zu strafen, wozu ihnen Niemand ein Recht noch Gewalt gegeben hatte;
ihren Jähzorn an dem Einzelnen, der das Mißfallen erregt, aber dann
nur freien Lauf ließen, wenn sie sich unbeobachtet glaubten. Dieses
zügellose Sichgehenlassen dem Schwächeren gegenüber war ein Beweis,
wie gering der Neger in der Achtung solcher Europäer steht, daß er
zum Prügelknaben ihrer Launen dienen mußte. Ich erwähne dieses hier
nicht, um einzelne Fälle, die sehr selten nur bei uns vorgekommen
sind, besonders zu markiren, sondern will im Allgemeinen nur darauf
hinweisen, daß man einen großen Fehler begeht, wenn das Bewußtsein der
Menschenwürde, das auch den auf der untersten Kulturstufe stehenden
Wesen innewohnt, mit Füßen getreten wird. Der Neger, soll er aus
seiner stoischen Ruhe aufgerüttelt und als ein thätiges Glied in der
großen Völkerfamilie gerechnet werden, bedarf der Erziehung; er ist
ein Naturkind, das nicht willig den Segnungen der fortschreitenden
Zivilisation die Arme öffnet, sondern eher gesonnen ist, gewaltthätig
ihr entgegenzutreten. Solcher Widerstand nun, sobald er in Form einer
offenen Empörung auftritt, muß, selbst mit Gewalt, niedergehalten
werden, dem Unterliegenden aber dann auch die Erkenntniß, daß er im
Unrecht gewesen, zum Bewußtsein kommen und nicht der Uebermacht und
egoistischen Zwecken hat weichen müssen.

Vornehmlich fällt heute noch die größte Aufgabe den vordringenden
Pionieren zu; sie als Träger der Zivilisation sind berufen, die Saat
zu säen, die zu der Erkenntniß führen soll, daß der mächtige weiße
Mann gekommen ist, nur ein Helfer und ein Freund, nicht aber ein
Unterdrücker zu sein.

Stellen wir uns auf den Standpunkt des Negers, so erscheint auch uns
alles Fremde als ein Eindringling in liebgewordene Gewohnheiten und
Rechte, und unwillig werden wir fragen, mit welcher Berechtigung
zwingt uns der Mächtigere davon zu lassen? Darum, solchen natürlichen
Widerstand allmählich zu brechen, bedarf es diesen Naturkindern
gegenüber eines freundlichen Entgegenkommens, ohne dabei im geringsten
der Ueberlegenheit des Europäers etwas zu vergeben. Strenge und
Gerechtigkeit müssen jeder Handlung zur Richtschnur dienen, sollen
einestheils dem Naturell der schwarzen Rasse, das bei vielen Stämmen
sehr üble Gewohnheiten aufweist, Zügel angelegt, im anderen Falle aber
das empfindliche Rechtsgefühl nicht verletzt werden. Der Neger wird
willig eine ihm zudiktirte Strafe auf sich nehmen, wenn er gethanen
Unrechtes sich bewußt ist.

Ueberall, nicht blos gegen die schwarze Rasse allein, wird gegen diese
Hauptbedingungen einer Kulturaufgabe arg verstoßen und hauptsächlich
von solchen Elementen, hervorgegangen aus europäischen Nationen,
denen Recht und Unrecht ein zweifelhafter Begriff ist. Aus eigener
Anschauung kann ich aber die Behauptung aufstellen, daß die Deutschen
unter allen andern Völkern Europas, welche eine Kolonisirung anderer
Erdtheile übernommen haben, die humansten sind; brachte doch deutsche
Arbeit und Ausdauer fremde Kolonien zu hoher Entwickelung und Blüthe;
hoffentlich werden Humanität und Gerechtigkeit auf Gebieten, wo die
deutsche Nation nun ihre Aufgabe zu erfüllen hat, reiche Früchte
tragen: bei der Erziehung noch tiefstehender Völkerstämme werden diese
zur unerlässlichen Bedingung.

Mit der einlaufenden Fluth, die weit hinauf im Zambesifluß ihren
Einfluß geltend macht, brach ich in den frühen Nachmittagsstunden des
24. August von Chinde auf. Schnell zogen wir mit der günstigen Strömung
die bekannte Straße und erst am eigentlichen Flusse, an jener Stelle,
wo wir früher mit dem Major Rast gehalten, wurde Nachtquartier genommen.

Mit dem Anbruch des neuen Tages, nachdem die leichten Nebel zerstreut
und glitzernd die Sonnenstrahlen auf den Fluthen Silberfäden woben,
zogen wir weiter, und mit Geschick die Untiefen meidend, kamen wir
trotz der schweren Last, welche der »Pfeil« mit sich schleppte, schnell
vorwärts. Meine Absicht, uns mit frischem Proviant zu versehen, der
in Chinde nicht zu erschwingen gewesen war, wollte ich nun in einer
bewohnten Gegend ausführen, allein wir sahen am rechten Flußufer
keine Dörfer, und schließlich dem Rathe des Lootsen folgend, der uns
sichere Aussicht auf Wildpret gemacht hatte, legten wir am nächsten
Tage frühzeitig genug an einer steilen Uferwand fest, um dann auf gut
Glück die Umgegend zu durchstreifen. Nur in Begleitung des Maschinisten
drangen wir geraden Weges, so gut als Busch und Gras es zuließen,
landeinwärts und gelangten zum Bette eines in dieser Jahreszeit
trockenen Flusses. Dieses, tief in das Gelände eingeschnitten,
zeugten Wurzeln und Baumreste davon, mit welcher Gewalt die Fluthen
in der Regenzeit hier ihre verheerende Wirkung auszuüben im Stande
sind. Wildromantisch, eine Urlandschaft im wahren Sinne des Wortes,
fanden wir im Flußbette, den Spuren von Büffel, Zebra und Antilopen
folgend, zu beiden Seiten desselben undurchdringliches Gebüsch und
Rohr; schließlich, als keine Aussicht sich bot, in kurzer Zeit eine
Grassavanne zu erreichen und die Spuren des Wildes immerfort noch den
in der Ferne sichtbaren Höhenzügen zuzustreben schienen, zeitweilig
durchkreuzt von Panther- und Löwenspuren, bogen wir, als wir im
Urdickicht zur Linken Gänge von Flußpferden bemerkten, seitwärts in
diese ab, in der Hoffnung, wenn wir ins Freie gelangt wären, auf
ersehntes Wild zu stoßen.

War anfänglich das Vordringen in den sehr dunklen Gängen noch
einigermaßen angängig, so lange niedergetretenes Rohr das Ausschreiten
nicht sehr behinderte, wurde dieses fast zur Unmöglichkeit, als tiefe
Löcher, Wurzeln und Schlingpflanzen fortwährend den Füßen Hindernisse
entgegensetzen. Gebückt unter Strauchwerk und Aeste, die unvermuthet in
das Gesicht schlugen, oft auf allen Vieren vorkrauchend, drangen wir
vor und fast that es uns schon leid, solchen äußerst beschwerlichen Weg
gewählt zu haben.

An einem Kreuzweg angelangt, der fast rechtwinkelig den Wildpfad, auf
welchem wir bisher gegangen waren, durchschnitt, überlegten wir, ob
eine Umkehr nicht besser sein möchte, denn noch wußten wir den Weg
zurückzufinden; mußten auch bedenken, daß bald der Tag zur Neige ging
und wir in einer Wildniß uns befanden, die während der Nacht sicherlich
manch Unangenehmes bieten konnte.

Unser Jagdeifer hatte eine beträchtliche Abkühlung durch die
aufsteigenden Bedenken erfahren, und sicherlich hätten wir den
zurückgelegten weiten Weg nochmals gemacht, auf einen zweifelhaften
Erfolg verzichtet, wenn nicht auf dem erwähnten Kreuzweg in unserer
Nähe ein Warzenschwein plötzlich ausgebrochen wäre und grunzend in
demselben das Weite gesucht hätte. Das Thier hören und sehen machte
alle Bedenken schwinden, so schnell als es der nun bessere Weg
gestatten wollte, ging es hinter dem Wilde her; aber ob es uns auch
nahe kommen ließ und dann erst immer wieder durch das Gebüsch brach,
gelang es doch keinem von uns, zum Schuß zu kommen.

Einsehend, daß solches Jagen ziel- und zwecklos war, stand ich,
als das Thier in einem dichten Rohrgebüsch verschwand, davon ab und
überlegte, wo wir uns nun eigentlich befanden; da wir vom Kreuzwege im
Jagdeifer abgekommen, stiegen Zweifel auf, ob wir nach solchem Hin- und
Herjagen den verlassenen Weg wiederfinden würden. Bedenklich schnell
ging der Tag zur Neige, das erkannte ich an den Schatten, welche am
Himmelsgewölbe heraufzogen, sobald der dichte Busch, unter welchem wir
noch immer wanderten, einen Ausblick gestattete. Die Ueberzeugung, daß
wir uns gründlich verirrt hatten, gewannen wir bald, und die ernste
Frage, was nun thun, wo jede Aussicht auf Orientirung uns genommen,
war schwer zu beantworten. Soviel aber ließ eine kurze Ueberlegung uns
rathsam erscheinen, daß nur schnelles entschlossenes Handeln uns aus
dieser bedenklichen Lage befreien konnte; denn das wußten wir, die
nahezu zweistündige Wanderung im Urdickicht und auf Wildpfaden hatte
uns weit vom Lagerplatz entfernt. Das Beste war, nach Möglichkeit eine
bestimmte Richtung inne zu halten und im lichteren Gehölz schnell
fortzukommen suchen, wenigstens irgendwo hinaus hofften wir noch vor
Einbruch der Dunkelheit zu kommen, und, als hätte uns ein guter Stern
geführt, sahen wir endlich wieder Sonnenschein durch das Dunkel der
Blättermassen blinken. Mit frischeren Kräften drangen wir durch das
Gehölz und standen bald am Saume einer großen Grasebene, die sich wie
ein Keil zwischen dem Urwald, der links und rechts sich unabsehbar
hinzog, hineingeschoben hatte. Wären wir vom Ausgangspunkte nur
etwas nördlicher oder südlicher gegangen, an diesem Abend hätten wir
schwerlich das Sonnenlicht wiedergesehen.

Weiteres als längs der Waldlisière den Weg uns zu bahnen, blieb nicht
übrig und berechnend, daß wir vom Flusse aus immer eine nördlichere
Richtung innegehalten hatten, hielten wir für rathsam, links zu gehen.
Goldener Abendsonnenschein lag über Wald und Busch, doppelt das Herz
erfreuend, zumal das düstere Waldesdunkel schon eine trübe Stimmung
hervorgerufen hatte, und so lange uns das Tagesgestirn noch Licht
spendete, hegten wir die Hoffnung, noch eine menschliche Wohnstätte zu
erreichen. Müde und namentlich von Durst gequält, eilten wir vorwärts
und, wenn ich mich nicht allzusehr täusche, hätten wir ganz links
abbrechen müssen, um wieder zum Flusse zu gelangen. Aber nochmals in
das Waldesdunkel uns hineinzuwagen, obwohl den Weg dadrin zu suchen
uns nicht viel schwerer gefallen wäre als außerhalb, hielten wir doch
für bedenklich. Wo ein erhöhter Punkt in dem unebenen welligen Terrain
eine freiere Aussicht gestattete, machten wir kurze Rast; bei solcher
Gelegenheit nun erblickten wir eine Heerde stattlicher Wasserböcke,
die zu uns herüberäugten, sonst bei unserm Anblick weiter keine
Unruhe zeigten, und wohl wäre es möglich gewesen uns im hohen Grase
heranzupürschen, wenn die Jagdlust nicht gänzlich geschwunden wäre.

So begnügten wir uns damit, beide Gewehre ziellos auf die etwa 500
Meter entfernt stehenden Thiere abzufeuern, was sie zwar erschreckte,
jedoch keineswegs in die Flucht jagte. Weithin durch die Stille des
Waldes brauste ein mächtiges Echo, erschreckt flatterten größere
und kleinere Vogelarten aus den Zweigen der Bäume auf, und als wäre
verborgenes Leben geweckt, so lebhaft kreischten und zwitscherten
Vogelstimmen durcheinander.

Durch all diesem Geräusch aber hatten wir einen uns vertraulichen Ton
vernommen, der dem lauschenden Ohr wie Musik erklang und in uns die
Zuversicht erweckte, doch heute noch Menschen auffinden zu können. Das
Bellen eines Hundes, ganz schwach vernehmbar (soviel ich unterscheiden
konnte, von der linken Seite kommend), machte alle Bedenken, fortan
noch das tiefe Walddunkel zu meiden, hinfällig und nochmals die Gewehre
abfeuernd, tauchten wir in das Dickicht, bahnten uns hierin den Weg
so gut es eben gehen wollte und suchten in der Dunkelheit vorwärts zu
kommen.

Die Gewißheit, doch noch eine menschliche Niederlassung zu finden, ließ
uns im Vordringen nicht der verwobenen Schlingpflanzen, Sträucher und
Dornen achten; wollte es absolut nicht mehr gehen, bahnte das Messer
den Weg. Nach halbstündiger Wanderung wurde es lichter um uns, bis
endlich, als schon längst die Sonne zur Rüste gegangen, eine offene
weite Grasfläche uns freie Aussicht gestattete. Die Vermuthung, daß,
wenn wir wiederum unsere Gewehre abfeuern würden, das Bellen eines
Hundes uns die einzuschlagende Richtung angeben würde, erwies sich als
richtig; dieser folgend, führte uns der Weg durch bebautes Ackerland,
über Wassergräben und durch Buschwerk und schließlich in ein an einer
Sumpfniederung liegendes kleines Dorf.

Ein sehr seltener Gast schien hier der weiße Mann zu sein, wenigstens
machte unser Erscheinen auf den Bewohnern den Eindruck von Furcht und
Besorgniß; niemand war zu sehen, nur einige weißbärtige alte Männer
erwarteten uns in der Nähe der ersten Hütten und erkundigten sich
nach unserm Begehr. Soviel ich mit Hilfe der Suahelisprache mich
verständlich machen konnte, erklärte ich unsere Lage und ersuchte
die Dorfältesten uns Führer zum Zambesifluß zu geben, damit wir zu
unserm Lagerplatz (worüber sie schon Kunde erhalten) in dunkler Nacht
zurückkehren könnten. Ob unserem Wunsche willfahrt werden würde, konnte
ich aus den Unterhandlungen nicht entnehmen, der Einladung aber, in der
Hütte des Häuptlings uns niederzulassen, leisteten wir um so lieber
Folge, als wir herzlich müde und abgespannt waren. Nackte Kinder, ihre
Neugierde nicht bezwingend, kamen aus den Hütten hervorgekrochen, bald
folgten die Mütter und nicht lange dauerte es, so waren wir von Jung
und Alt umlagert, selbst die Dorfschönen in der denkbar primitivsten
Kleidung brachten uns auf geäußertem Wunsche Wasser und Maiskolben.

Freundlicher noch gestaltete sich das Verhältniß, als ich einige
portugiesische Kupfermünzen unter die Kinder zu vertheilen begann; auch
abgeschossene Patronenhülsen waren ein begehrter Artikel und, um dem
Drängen nachzugeben, feuerten wir einige Schüsse noch ab, wenigstens
einige Alte damit erfreuend, die solche Hülsen als Schnupftabackdosen
benutzen wollten. Hühner, Eier, Bohnen, Erbsen und Mais brachten die
Frauen herbei und bezeugten dadurch ein großes Zutrauen zu uns, daß sie
solche gekauften Dinge den bestellten Führern übergaben, die ihnen das
als Kaufpreis ausbedungene Stückchen Zeug am anderen Tage mitbringen
sollten.

Ohne unsererseits noch irgendwelche Lust zu bezeigen, nochmals einen
Jagdzug zu unternehmen, erboten sich die Jüngeren wiederholt, uns
in dieser Nacht nach einer Gegend zu führen, wo wir allerlei Wild
in Schaaren sehen würden; namentlich, wenn wir uns geduldeten, den
Morgen auf dem Anstand abzuwarten, könnten wir die von der Tränke
zurückkehrenden Thiere sehr leicht erlegen; auch seien Elephanten noch
am vorhergehenden Tage gesehen worden, mächtige Thiere mit großen
Zähnen. Auf meine Frage, warum sie selber nicht jagen gingen, brachten
sie Pfeil und Bogen herbei. Mit diesen ihren Waffen, meinten sie,
verwunden sie wohl ein Thier, aber so weit es auch verfolgt würde,
gelänge es ihnen nur sehr selten, desselben habhaft zu werden.

Dem Umstande, daß die Pflicht uns rief, mußten wir alle Lockungen, die
zu neuer Jagdlust reizten, hinten ansetzen und uns von den freundlichen
Dorfbewohnern verabschiedend, folgten wir bald darauf den mit Proviant
bepackten Führern in das nächtliche Dunkel hinaus.

Sonst wohl erglänzte vom Himmelszelt das Sternenheer in leuchtender
Pracht und der Schimmer des Lichts erhellte die einsamen Pfade, heute
aber, nach Sonnenuntergang, hatte regenschwangeres Gewölk allmählich
tiefe Finsterniß über die Erde gebreitet, durch welche wir mühsam den
schnell voranschreitenden schwarzbraunen Männern zu folgen suchten.
Nach zweistündiger Wanderung durch Gras und Busch wurden wir durch das
zum Ausbruch gekommene Gewitter gezwungen, naß und müde, unter Bäumen
Schutz zu suchen, und als aufs Neue auf schlüpfrigen Wegen in der
rabenschwarzen Dunkelheit eine Stunde marschirt worden war, hörten wir,
am hohen Uferrand des Zambesi stehend, unter uns die murmelnden Wasser
des Flusses.

Sicher hatten bis hierher die Führer den Weg zu finden gewußt, nun aber
fragte es sich, hatten wir uns flußauf- oder -abwärts zu wenden, um
wieder zu den Fahrzeugen zu gelangen! Gewehrschüsse, die schon mal den
Ausschlag gegeben hatten, thaten wiederum ihre Schuldigkeit; bald kam
die Antwort, und dem Schalle nach uns stromaufwärts wendend, mußten wir
mit großer Vorsicht durch unwegsames Gestrüpp einen Weg uns bahnen.
Mehrmals noch beantworteten wir die abgegebenen Signale einer uns
entgegengesandten Patrouille und herzlich froh waren wir, nach beinahe
siebenstündiger Abwesenheit, nach einem überaus beschwerlichen Marsche,
die müden Glieder auf den Feldbetten ausstrecken zu können. Der
Obersteuermann hatte, durch unsere lange Abwesenheit besorgt geworden,
schon nach eingebrochener Dunkelheit in verschiedenen Richtungen
Leute ausgesandt, um uns aufzusuchen; alle aber, bis zum trockenen
Flußbett gelangt, hatten erklärt, daß es kein Weiterkommen gebe, ihre
Signalschüsse wären auch nicht beantwortet worden und sie hätten ein
weiteres Suchen aufgeben müssen.

Nachdem am nächsten Morgen die Führer für ihre Dienste reichlich
entschädigt worden waren, zogen wir weiter in den goldenen Morgen
hinein, mit Muße die wildromantische Scenerie bewundernd, die in immer
neuen Bildern vor uns auftauchte.

Noch keinem der vorhergegangenen Transporte war es gelungen, so schnell
und ohne ernste Hindernisse zu überwinden, solche Tour zurückzulegen,
deshalb konnten wir von Glück sagen, mit unserer schweren Last, nach
kaum nennenswerthen Aufenthalt, schon am vierten Tage in die Nähe von
Schupanga gekommen zu sein, und hätte das stark versandete Flußbett
hier nicht zu einem unfreiwilligen Aufenthalt uns gezwungen, hätte ich
mit Sicherheit voraussetzen können, bis zum Abend des 28. August Ntoboa
noch zu erreichen. Wünschend, zu der vor uns liegenden schweren Arbeit
einen ganzen Tag vor mir zu haben, unterbrach ich die Weiterfahrt an
diesem Sonntag Nachmittag, und nach genügender Orientirung, wo wohl am
besten durchzukommen wäre, vergnügten wir uns während des Restes dieses
Tages, auf Krokodilen und Wasservögeln Jagd zu machen.

In der Frühe des nächsten Morgens, als alles zur Weiterfahrt
vorbereitet war, unternahmen wir die schwere Aufgabe, den »Pfeil« und
die Leichter über die sich weit erstreckende Untiefe hinüberzubringen.
Aber schon nach kurzer Zeit wurde der durch den losen Sand sich
wühlende »Pfeil«, so mächtig auch die Maschine arbeitete, steuerlos
und, einmal von der starken Strömung seitwärts abgelenkt, war kein
Halten mehr; selbst alle Anker wurden durch die Kraft der Strömung
fortgerissen bis im tieferen Wasser die Steuerfähigkeit erst wieder
hergestellt werden konnte. Immer wieder ging ich zum neuen Versuch
vor und achtete nur darauf, wenn solcher mißlang, daß die Fahrzeuge
zur linken Seite vom Strome abgelenkt wurden, um eine rechtsliegende
flachere Stelle zu vermeiden. Indes beim vierten Versuch anstatt das
Kommando »voll Dampf voraus« auszuführen, fühlte der Maschinist sich
veranlaßt, die Maschine rückwärts schlagen zu lassen und ehe noch das
richtige Kommando zur Ausführung kam, hatte die Strömung die Fahrzeuge
an der unrechten Seite gefaßt; kein Anker noch Maschinenkraft konnte
das Verhängniß ablenken, nach Sekunden schon saß ein Leichter auf
Grund, mit gewaltigem Druck schoben die Wassermassen alles höher und
höher hinauf, bis im Sande festgewühlt, an ein Freikommen nicht mehr zu
denken war.

Mühselig war die Arbeit, welche nun begann. Hätten die Anker in dem
Wellsand nur Halt finden können, wäre solche in etwas uns erleichtert
worden, aber alle Versuche schlugen fehl. Nach Stunden waren wir erst
soweit, den »Pfeil« von den an seinen Seiten liegenden Leichtern
zu befreien. Bis zum späten Nachmittag wühlten alle Mann unter dem
Schiffsboden den Sand hinweg, bis schließlich ein Bett gegraben war,
in welchem der Dampfer sich etwas bewegen und sich darauf, ehe noch
die Dunkelheit hereinbrach, aus der schlimmen Lage befreien konnte.
Trotz der herrschenden Abspannung brachte ich noch lange Leinen vom
nun freiliegenden »Pfeil« bis zu den Leichtern, um ohne Aufenthalt am
nächsten Morgen mit dem Abschleppen beginnen zu können.

Diese Ausführung meiner Absicht vereitelte aber nochmals der starke
Strom, indem, als wir im besten Zuge, einen Leichter bereits
freigeschleppt hatten, dieser das Fahrzeug so hin- und hergieren
machte, daß kein Halten war und die Fahrstraße, an und für sich eng,
bedingte bald ein Berühren des Grundes, so daß die Leine brach, und,
ohne es verhindern zu können, der Leichter in einer noch schlechteren
Lage zu liegen kam. Beim angestellten Versuche, diesen aus solcher zu
befreien, gerieth auch der »Pfeil«, weil dessen Anker nicht halten
wollten, mit auf Grund und die schwere Arbeit begann von Neuem.

Von der Holzstation oberhalb Schupanga, wo der »Herald« nach seiner
Rückkehr von der ersten Tour Station gemacht, hatte Kapt. Robertson
unsere angestellten Versuche, über die Untiefe hinwegzukommen, bemerkt,
er sandte auch am anderen Tage ein Boot und ließ bedauern, uns keine
Unterstützung bringen zu können, da er in Folge einer Havarie in der
Stromschnelle des Ziu-Ziu seine Maschine hatte auseinandernehmen müssen.

In den Vormittagsstunden dieses Tages, als wir bereits einen Leichter
wieder frei gemacht hatten, kam auf eine Nachricht hin, die vom
»Herald« nach Ntoboa gesandt worden war, Dr. Bumiller mit Unterstützung
an; diese frischen Kräfte, der Mannschaft auf den Fahrzeugen an Zahl
noch überlegen, förderten das Werk ungemein, und ehe noch am Horizont
die Sonne entschwunden, hatten wir wohlbehalten unser Lager erreicht.

Während der Dauer unserer Abwesenheit hatte sich in der Nähe des Lagers
ein Vorfall ereignet, der die ganze umwohnende Bevölkerung in Aufregung
gebracht hatte. Nämlich das seltene Erscheinen der Krokodile, die von
unserer Seite arg verfolgt worden waren, hatte die Eingebornen ihre
sonst beobachtete Vorsicht vergessen lassen und sorglos, wie diese
Naturkinder sind, hatten sich wieder junge Mädchen beim Wasserholen
bis in den Fluß hineingewagt. Diese Unvorsichtigkeit, der so oft schon
junge Menschenleben zum Opfer gefallen, wurde hier wieder die Ursache
eines Unglücks.

Die Menschenräuber, die mit zäher Ausdauer auf ihre Beute warten,
wählen sich so gute Verstecke, daß selbst das scharfe Auge des Negers
diese nicht entdeckt und nur dadurch, wenn ein Krokodil zum Athemholen
die Nase über Wasser hält, dieses leicht bewegt oder auch ein sehr
geringes Geräusch durch Lufteinholen verursacht, wird der Bewohner
dieser Flußufer stutzig gemacht, er weiß dann, daß der grimme Feind in
der Nähe ist und er meidet solchen Ort, wo das Verderben lauert, dem er
machtlos gegenübersteht.

In diesem Falle nun war ein junges Mädchen einem solchen Unthier
zur Beute gefallen; kein Jammer half von Seiten der Angehörigen.
Mochten auch noch so viele Männer mit Pfeil und Bogen oder alten
fast unbrauchbaren Feuerbüchsen dem Unholde auflauern, dieser blieb
verschwunden, wenigstens aus dem Bereiche der für ihn eigentlich
unschädlichen Waffen. Einen andern Eindruck hatte dieser Vorfall aber
auf die im Lager anwesenden Europäer gemacht, fast als wäre die Parole
»Tod und Verderben dem Krokodil« ausgegeben worden, so schonungslos
wurden diese Thiere zusammengeschossen und namentlich von Seiten des
Leutnants Bronsardt von Schellendorf manches getödtete Krokodil ins
Lager gebracht.

Wie es der Zufall wollte, schoß auch der Sergeant Eben auf einer
Sandbank, unterhalb Ntoboa ein gewaltiges Krokodil, das von den
bei solchen Jagden nun stets anwesenden Eingebornen, die stets ein
Jubelgeschrei anstimmten, wenn ein Räuber sein Leben lassen mußte,
geöffnet wurde und wider Erwarten als das Thier erkannten, welches das
junge Mädchen geraubt hatte. Die Beweise dafür waren leicht an den im
Magen des Krokodils gefundenen Schmuckstücken, welche das unglückliche
Opfer getragen, erbracht. Der glückliche Schütze, konnte sich nun den
Dankesbezeugungen der Bewohner kaum entziehen, sie brachten ihm von
ihrer geringen Habe alles mögliche zum Geschenk, meistens Eßwaaren,
denn wenig mehr haben diese einfachen Kinder der Natur zu geben.
Wenigstens wird für lange Zeit die Erinnerung an die hier rastende
deutsche Expedition, die einen wahren Vernichtungskrieg gegen den
furchtbaren Feind eröffnet hatte, in den Eingebornen lebendig bleiben.

Laut Bestimmung des Majors, der schon am 22. August mit dem ersten
Transport, bestehend aus zwei Leichtern und den Stationsbooten,
geschleppt vom »Herald« und »Mosquito«, nach dem Schirefluß
aufgebrochen war, hatte ich abermals das Kommando im Lager zu
übernehmen, sobald auch +Dr.+ Bumiller abgereist sein wird, was am
Freitag, den 2. September mit dem von mir heraufgeführten Transport
geschehen soll. Der Dampfer »Pfeil« aber unter Kommando von Eltz sollte
versuchen, so gut oder schlecht es gehen wollte, der Expedition zu
folgen, um später vielleicht noch im tieferen Schirefluß von Diensten
sein zu können. Major von Wißmann hatte die Absicht, den vollständig
zusammengesetzten Dampfer, trotz aller Schwierigkeiten noch nach
einem der Seen zu bringen, nicht aufgegeben und wäre nur, was leider
nicht der Fall, das Fahrzeug zerlegbar gewesen, d. h. die Platten mit
Schrauben anstatt Nieten aneinander befestigt worden, so hätte diese
mit Leichtigkeit ausgeführt werden können und großen Nutzen hätte uns
der »Pfeil« gebracht.

Es war am 4. September, dem Geburtstage des Majors, kurz nachdem ich
im Lager Apell abgehalten und meine Mannschaft auf 5 Europäer, 42
Soldaten, 21 Bacharias sowie einige Diener festgestellt hatte, als von
Misongwe die Nachricht eintraf, daß der »Pfeil« nur mit der größten
Schwierigkeit bis zu diesem Orte habe gebracht werden können und in
Folge der schweren Anforderungen, welche an die Besatzung gestellt
werden mußten, sei diese weggelaufen.

Mich überraschte diese Thatsache nicht, denn so weit ich die
Eingebornen beurtheilen konnte, wurden ihnen übermäßig an sie
gestellten Anforderungen leicht überdrüssig und sie ließen lieber
ihren Lohn im Stich, als dem Europäer noch weiter zu folgen, der
sie, ihrer Meinung nach, schlecht behandelte. Einen Ersatz aus den
hier vorhandenen Bacharias sollte ich nun stellen -- zwar mußten
die abgetheilten Leute dem Befehle Folge leisten und nach Misongwe
marschiren, aber höchst ungern nur mochten sie gerade an Bord dieses
Fahrzeuges Dienste thun.

Es ist eigentlich zu verwundern, daß trotz des in den Dörfern so
massenhaft angehäuften feuergefährlichen Materials so selten große
Brände entstehen, schon deshalb, da doch in jeder Hütte fast Tag und
Nacht Feuer glimmen, die so leicht dazu Anlaß geben könnten. Im Lager
war gerade tags zuvor durch die Unvorsichtigkeit der Köche Feuer
entstanden, das durch den herrschenden Wind schnell zur wilden Gluth
angefacht, die Küche, den angrenzenden Zaun und das Wohnhaus der Diener
augenblicklich in Asche gelegt hatte, auch das Dach meines Wohnhauses
wurde in Brand gesetzt. Es gelang aber den vereinten Anstrengungen, des
Feuers noch Herr zu werden, ehe große persönliche Verluste an Eigenthum
entstanden waren.

Ich will hier noch die meteorologischen Verhältnisse dieser Gegend,
die gleichzeitig für das weite Zambesibecken Geltung haben können, in
ein Gesammtbild zusammenfassen. Die Temperatur in den Monaten Juli
bis Oktober ist eine wechselvolle, die Nächte sind empfindlich kalt
und der stark fallende Thau, durch eine bedeutende Abkühlung erzeugt,
trägt viel zu dieser Kälte mit bei. Bis 12° auch 7° Reaumur fiel das
Thermometer, wogegen es in der Tagesgluth bis über 38° Reaumur im
Schatten stieg, so daß der starke Wechsel körperlich sehr empfunden
wurde und auch gesundheitlich nachtheilige Folgen hatte. Die starken
Nebelgebilde steigen erst in den frühen Morgenstunden auf, hüllen alles
in einen undurchsichtigen Schleier, bis die Sonnenstrahlen mächtig
genug geworden sind, diese Wasserdünste aufzusaugen, dafür aber die
Millionen Thautropfen, an den erfrischten Grashalmen, Blüthen und
Blätter hängend, wie ebensoviele Diamanten glitzern machen.

Leichte Wolkenbildungen am Horizonte lassen auf die erwähnten
Dunstgebilde zurückführen, denn ausnahmslos verschwanden sie
wieder, sobald das Tagesgestirn am Himmelsgewölbe seine Strahlen
mächtiger entsendete, und im tiefen Azurblau, von Licht durchfluthet,
erschien die Atmosphäre. Von Anfang August stellten sich in den
Nachmittagsstunden starke südwestliche Winde ein, die durch ihre
Stärke, namentlich durch die mitgeführten Staub- und Aschentheile, von
Savannenbränden herrührend, höchst unangenehm wurden. Oftmals nahm die
Sonne durch die in der Luft schwebenden feinen Staubtheilchen eine
gelbe Färbung an, die schon lange vor Untergang in eine blutrothe
überging; aber bald vor bald nach dem Sinken der Sonne legte sich auch
der Wind und in den ersten Abendstunden herrschte darauf eine überaus
wohlthuende Ruhe in der ermatteten Natur.

Die Savannenbrände, von den Eingebornen entzündet, verursachen am Tage
mächtige Rauchwolken, die zuweilen die Sonne selbst verdunkeln, am
Abend aber zu einem Flammenmeer anwachsen, das Lawinen gleich seine
Feuerwogen fortwälzte und für den entfernt stehenden Beobachter zu
einer großartigen Erscheinung wird. Wie gewaltige Wachtfeuer ringsum
lodert die Gluth, alles vernichtend, was durch die Sonnenhitze
ausgedörrt oder abgestorben ist; selbst ausgedehnte Waldbestände
fallen der Vernichtung anheim und was schlimmer, der junge Baumwuchs,
in seiner Entwickelung gestört, geht ein, sobald nicht ganz besondere
Terrainverhältnisse ihn schützen, darum sind auch die weiten Steppen so
häufig mit nur verkrüppelten Bäumen hin und wieder bestanden, wo sonst
die Bodenverhältnisse doch günstig genug für einen Waldbestand sind.

Auch, was höchst bedauerlich, die Bewohner in der Nähe einer
baumreichen Gegend vernichten durch Feuer allmählich ganze Bestände,
nur um den ertragreicheren Boden, der von der Sonnengluth noch nicht
ausgedörrt worden ist, für ihre Saaten benutzen zu können.

Die so überreiche Üppigkeit der Tropenländer, gefördert durch die
regengleichen Niederschläge während der Nächte, bedingt auch, daß
schon nach wenig Tagen die Flächen, worüber die Feuerwogen vernichtend
hingeeilt sind, in einem neuen grünen Kleid erscheinen und für die
Wildheerden deckt die Natur aufs Neue den Tisch. Angelockt durch das
schmackhafte junge Grün wagen sich denn auch Büffel und Antilopen in
die Nähe menschlicher Wohnungen, und zu solchen Zeiten gelingt es dem
Neger häufiger, mehr durch List als durch seine Waffen, der gestellten
Thiere habhaft zu werden.

Die Abendstunden im Lager, wenn kühl und erfrischend die Nacht
herniedersank, waren häufig der stillen Betrachtung geweiht; oftmals
lauschte das Ohr dem Konzert, das die Frösche fern und nah anstimmten
und erwachten in späterer Stunde die Stimmen der Natur, dann klangen
die Worte des Forschers J. Thomson durch den Sinn, der im Einklang
alles gebracht, was an Empfindung die Natur in der Menschenbrust
geweckt hat, er sagt: Wenngleich unser Ideal von den Tropenländern
in Betreff der allgemeinen Charakterbilder durch weniger glänzendere
Ansichten herabgestimmt wird, so wird doch unsere Erwartung in einer
Beziehung schier übertroffen. Mögen die Dichter mit Vorliebe bei dem
sommerlichen Zwielicht und dem sanftdämmernden Abend der gemäßigten
Klimate verweilen und mit Entzücken die wechselnden Farbentöne und die
sich leise entfaltenden Reize besingen, so gebe ich doch nach Allem
der Dämmerung der Tropenländer den Vorzug mit ihrer unvergleichlichen
klaren Atmosphäre und ihrer überaus lieblichen und erfrischenden
Kühle, deren wohlthuender Eindruck durch die brennende Hitze und den
blendenden Glanz des vorausgegangenen Tages noch erhöht wird.

Das tropische Zwielicht ist allerdings kurz, aber um so reizender.
Die längere Wohlthat des Zwielichts der gemäßigten Zone ist hier
zusammengedrängt und verstärkt, so daß jeder Sinn entzückt wird. Zu
dieser Zeit ertönt die sanfte Stimme des Tepe-Tepe aus den benachbarten
Gebüschen, die dumpfe Stimme der Eule und des Frosches dringt an unser
Ohr, die Cikaden blasen in ihre hellen Pfeifen zu dem nächtlichen
Konzert, wozu das Johanniswürmchen und der kometenartige Leuchtkäfer
die Scene erleuchten. Alles dieses fand ich bestätigt auf allen Wegen
-- sieht man aber das Absterben der Natur und ihr Wiedererwachen, wenn
Ströme des Regens nach sengender Gluth auf die Erde niederfließen
und neues Leben wie mit einem Zauberschlage wecken, dann wird die
Ueberzeugung wachgerufen, daß der jungfräuliche Boden noch für
abertausend Wesen Raum und Nahrung hat und jede Arbeit mit reichem
Segen lohnen wird.




                   4. Bis zum Lager von Port Herald.


Die Räumung des Lagers von Ntoboa ging schnell vor sich, nun am
zweiten September, Sedanstag, schon der zweite Transport flußaufwärts
abgegangen war, auch bestand meine Hauptaufgabe darin, alles bereits
zu halten, um bei der Rückkehr des »Herald« ohne Aufenthalt die
Leichter beladen zu können. Den Engländern lag nicht minder viel
daran, das Lager von Ntoboa aufgebrochen zu sehen, da sie, sobald der
letzte Transport bis Pinda gebracht sein würde, nach einer späteren
Verfügung des Majors, dort schon zwei Leichter erhalten sollten, mit
welchen sie ihre im Anfang Oktober in Chinde eintreffenden Kanonenboote
für den Nyassa-See, flußaufwärts zu schaffen gedachten. Aus diesem
Grunde schon beschleunigte der »Herald« seine Auf- und Niederfahrt
nach Möglichkeit und, als das Schiff am 7. unerwartet zurückkam, wurde
alles daran gesetzt, in einigen Tagen zur Abreise fertig zu sein. Nach
einem mir gewordenen Befehl sollte ich versuchen, alles noch vorräthige
Material zu expediren und das Lager aufzugeben; es sollte hierdurch
den Engländern entgegengekommen werden und dieser Transport nach ihrem
Wunsch der letzte sein.

Zwar versuchte ich es, Befehl und Wunsch zur Ausführung zu bringen, was
bei der Tragfähigkeit der Fahrzeuge nicht schwer war, allein nahm auch
der englische Kapitän die sehr tief beladenen Leichter an, so war es
doch nicht rathsam, nach den gemachten Erfahrungen damit eine so weite
Tour zu unternehmen; bei einem Unfall, der sehr leicht auf solchen
unsicheren flachen Flüssen, wo Baumstämme und auch Steine gefährlich
werden konnten, passiren konnte, würde mich die Verantwortung getroffen
haben, und wäre uns ein Fahrzeug gesunken, der Verlust an Material etc.
wäre kaum zu ersetzen gewesen.

Darum ging ich nicht weiter, als die Sicherheit gebot; es war besser,
der »Herald« machte noch eine Fahrt, als daß wir durch Uebereilung
uns schweren Schaden zufügten, den zu ersetzen die Engländer sich
sicherlich nicht verpflichtet gefühlt hätten.

Am 10. früh verließen wir das Lager, wo ich zwei Europäer und zehn
Soldaten zur Bewachung zurückgelassen hatte. Unter der kundigen Leitung
des englischen Führers, der lange schon mit den Verhältnissen des
Flusses vertraut war, erreichten wir noch gegen Abend Misongwe, nach
einer mühevollen Fahrt, insofern mühevoll, als verschiedene Male, um
über Untiefen hinwegzukommen, alle Mann, ca. 70, in das Wasser und
Anker ausbringen mußten, mit deren und des Dampfes Hülfe dann das
Hinderniß überwunden wurde.

Misongwe, als Hauptstapelplatz des unteren Zambesi, war zu dieser
Zeit nur von einigen holländischen, portugiesischen, vor allem
indischen Händlern bewohnt, die ausschließlich mit dem Hinterlande
Handelsgeschäfte betrieben und namentlich eingetauschte Erdnüsse, etwas
Elfenbein etc. als Ausfuhrartikel zur Küste beförderten; im Uebrigen
verspricht dieser Platz für die Zukunft an Bedeutung zu gewinnen, als
die fortschreitende Entwickelung des internationalen Handels auf dem
Zambesi-Schire, Misongwe zu einem Knotenpunkt erheben wird.

Die Beschaffenheit der Ufer bis zur Mündung des Schire zeigt keine
besondere Abweichung, nur daß das Flußbett durch seine Breite eine
größere Anhäufung von Sandbänken gestattete und dadurch die Schifffahrt
bedeutend behindert wird, auch, namentlich wo enge Fahrstraßen,
besonders unter den steilen hohen Ufern, macht der starke Strom ein
Vorwärtskommen recht beschwerlich. des Moramballa-Gebirgstocks näher
zum Flusse heran, hingegen zur Linken verlieren die Höhenzüge sich in
die Ferne, da sie vom Oberlauf des Zambesi an, dessen Ufer sie dort
bilden, allmählich zurücktreten.

Der tiefere Schirefluß verursacht an seiner Mündung in den Zambesi eine
Anstauung der Sandmassen, so daß es schien, ein Vordringen den Zambesi
höher hinauf wäre unmöglich, und thatsächlich können auch in dieser
Jahreszeit nur Boote noch die vielen schmalen Fahrrinnen zwischen den
Sandbänken passiren. Sicher ist, wäre die Strömung des Schire nicht
stark genug, in diesem weiten Gebiet eine Fahrstraße offen zu halten,
daß wohl kaum in der regenarmen Zeit ein Dampfer bis hierher vordringen
würde.

An der Mündung des Schire liegt die portugiesische Station Schamo;
eigentlich nur eine Telegraphenstation und von Bedeutung insofern, als
sie den Knotenpunkt zwischen der Drahtlinie Chilomo-Quilimane bildet.

Die Hoffnung, beim Eintritt in den Schire einen besseren Fahrweg
zu finden, erwies sich anfänglich als irrig, vielmehr wurde durch
zerstreutliegende Felsmassen im Flußbett das Fortkommen erschwert. Es
wurde daher vorgezogen, lieber über eine Untiefe von Sand den Weg zu
nehmen, als Gefahr zu laufen, an den harten Steinen die Böden unserer
Leichter zu durchstoßen, hatten doch die englischen Dampfer gerade hier
des öfteren nicht unerhebliche Leckagen erhalten. Das Hinüberwarpen
über solche Untiefen verursachte mehrmals längeren Aufenthalt, und
wurde es dabei nöthig, daß alle Leute in das Wasser mußten, hatte ich
immer aufzupassen, damit keiner zurückblieb, denn in tieferes Wasser
gerathen, hätte der starke Strom einen schlechten Schwimmer bald
hinweggeführt. Die Verengung der Fahrstraße weiter hinauf bedingte auch
eine größere Tiefe und am Fuße der Moramballa-Berge, die bisweilen das
Ufer einfaßten, traten uns keine Hindernisse mehr entgegen.

Hier, wo der Fluß zwischen hohen Ufern sich hindurchzwängt, sein Bett
rein und tief ist, ging auch die Fahrt schnell von statten; was aber
nebenbei einen überaus wohlthuenden Eindruck machte, war die großartige
wilde Natur in ihrer imposanten Schönheit, die zur Zeit, wenn die
Regengüsse neues Leben gezaubert haben, wahrhaft erhebend wirken
muß. Baum und Strauch verdeckt bis zu den Gipfeln der Berge hinauf
das zerklüftete Gestein und diese, von Schlingpflanzen durchwoben,
lassen schon jetzt erkennen, welch ein Reichthum an Blüthenpracht die
Frühlingszeit entfalten wird, auch die tausendfältigen Glockenblumen
der Lianen im hohen Ufergebüsch müssen einen herrlichen Anblick abgeben.

Das gegenüberliegende Ufer, aus hartem Sandboden bestehend, fällt
streckenweise steil zum Flusse ab und an solchen Stellen haben viele
hundert buntgefiederte Vögel sich tiefe Löcher gegraben zum Aufenthalt
und Brutstätte. Das Geräusch, welches der herannahende Dampfer
verursachte, scheuchte diese Thiere aus ihrer Ruhe auf und in großen
Schwärmen umkreisten sie das Schiff, flatterten ängstlich hin und
her und gaben durch kreischende Schreie zu erkennen, daß sie um ihre
Heimstätten besorgt sind, namentlich, wenn wir ganz dicht unter dem
Ufer liefen, machte die vermuthete Gefahr die Vögel rein blind. Weiter
den Fluß hinauf, nachdem das Gebirgsterrain passirt ist, bieten die
Ufer nicht mehr die gleiche Abwechslung, hingegen sahen wir häufiger
die schlanken Stämme der Fächerpalmen, deren Kronen sich stolz im
Winde wiegten. In der Nähe von Pinda aber krönte ein lichter Wald die
hügeligen Ufer und einen herrlichen Anblick boten die schlanken hohen
Stämme, als wären es lauter Säulen von einem grünen Dome überdacht.

Die Insel Pinda, Station der African-Lakes-Comp., wird durch den
eigentlichen, jetzt aber wegen Mangel an Wasser unpassirbaren
Schirefluß und einem Arme desselben, den sogenannten Ziu-Ziu, gebildet.
Letzterer wälzt seine Wassermassen am Zusammenfluß dieser Arme über
ein starkes Gefälle und erzeugt dadurch eine rasende Stromschnelle,
deren Kraft, als wir die starke Strömung durchschneiden mußten, so
groß war, daß sie Schiff und Leichter einfach aus dem Kurse warf und
so gegen das gegenüberliegende Ufer preßte, daß es viele Mühe kostete,
frei zu kommen. Beim ersten Versuche, diese Stromschnelle zu passiren,
geriethen die beladenen Leichter mitsammt dem »Herald« in große
Gefahr, der Wirbelstrom riß alles mit sich weg, und gegen das steinige
Ufer geschleudert, verlor der »Herald« sein Boot; von einem Leichter
flog einer von unseren Soldaten, durch die gewaltige Erschütterung
herabgeschleudert, in die gurgelnden Wasser, die den Unglücklichen in
die Tiefe zogen und nicht wieder zurückgaben.

Was bei jener ersten Durchfahrt dem »Herald« mißlungen, gelang dem
»Mosquito«. So wurde denn beschlossen, daß der »Mosquito« von Pinda
bis Port Herald den Transport weiter befördern sollte, hingegen der
»Herald« von Ntoboa bis Pinda diese Arbeit vollende.

Nach vielen Mühen und Aufwand großer Kräfte hatte der Major es doch
durchgesetzt, seine beladenen Leichter durch die wirbelnde Strömung
durchzubringen. Dieses große Risiko aber mochte Herr von Eltz, der
bis hierher mit dem »Pfeil« gekommen war und wegen dessen zu großen
Tiefgang die Stromschnelle nicht passiren konnte, nicht übernehmen und
der folgende Transport wurde, etwas oberhalb der Strömung, ausgeladen
und die Lasten dann quer durch die ca. 400 Meter breite Insel nach dem
Ziu-Ziu-Arm geschafft. Nach erhaltener Kenntniß dieser Vorgänge hatte
ich auch keine Lust, einen Kampf mit den tückischen Wassergeistern
aufzunehmen und hielt es für besser, die viel schwierigere Arbeit
des Hinüberschleppens nach dem Lager ausführen zu lassen, als die
Riskanz zu laufen, einen unersetzlichen Schaden zu erleiden. Demgemäß
beauftragte ich den Obersteuermann, der hier das Kommando während
meiner Abwesenheit führte, die Arbeiten zu leiten und kehrte schon am
13. September mit dem »Herald« und den beiden leeren Leichtern nach
Ntoboa zurück.

An jener Stelle, nicht fern von der Mündung des Schire, wo Felsen
und Steine den Fluß und die Passage beengten, glaubte der Führer des
»Herald« mit den nur sechs Zoll tiefgehenden Fahrzeugen durchkommen
zu können, er wollte die schwierige Ueberfahrt vermeiden; allein
das Fahrwasser war zu eng und der dem Schiffe zur Linken befestigte
Leichter wurde mit voller Wucht auf einen unter Wasser liegenden
großen Felsblock getrieben und blieb unbeweglich sitzen. Zweistündiger
schwerer Arbeit bedurfte es, um den Leichter wieder flott zu machen,
und wenn auch der Boden etwas stark verbäult worden war, so hatte doch
die Güte des Eisenmaterials einem Durchbrechen widerstanden.

Es ist übrigens keine Kleinigkeit, mit dem Strome flußabwärts zu
fahren, die Geschwindigkeit wird, namentlich wo Stromschnellen sich
gebildet haben, oft so groß, daß es bedeutender Umsicht und Ruhe
des Führers bedarf, sein Schiff in der Gewalt zu behalten und den
gefährlichen Untiefen rechtzeitig auszuweichen.

Ntoboa am 15. erreicht, ließ ich den Rest der Expedition am selben Tage
noch verladen und, zur Abreise bereit, erwartete ich die Rückkehr des
»Herald« von der Holzstation.

In dieser Jahreszeit, in welcher die Wasserverhältnisse des Zambesi
so schlecht waren, waren auch die Fahrten der beiden Passagierdampfer
der African-Lakes-Comp. eingestellt worden und als Transportmittel
wurden nur offene Boote verwendet, die, zum Schutze für Europäer, im
Hintertheil mit einer Holzbude versehen, allenfalls sehr beschränkten
Aufenthalt boten. Aber auf einer beinahe dreiwöchentlichen Tour bis
Katunga dem Reisenden eine Qual wurden insofern, als ein solcher nur in
liegender Stellung darin Unterkunft finden konnte. Die Besatzung eines
solchen Bootes besteht aus 12-16 Mann, die einem Capitao unterstellt
ist, sie sind verpflichtet, für geringes Entgelt solche weiten
Touren auszuführen, entziehen sich aber öfters durch Desertiren der
vereinbarten Abmachung und lassen den Reisenden, der neben seinen schon
gezahlten 400 Mark betragenden Reisegeld solche Unannehmlichkeiten mit
in den Kauf nehmen muß, auf dem Trocknen sitzen.

Von solcher Mißgunst des Geschickes waren zwei Engländer betroffen
worden, die, schon tagelang von ihrer Besatzung verlassen, mit Hülfe
ihrer Diener das Boot hatten vorwärts gebracht, bis sie schließlich am
15. das deutsche Lager erreichten und mich dringend um Unterstützung
baten. Was die erbetene Hülfe anbetraf, so konnte ich den Engländern
nur in der Anwerbung neuer Leute behülflich sein; berief deshalb den
Häuptling von Ntoboa in das Lager und ersuchte ihn um Stellung von
Leuten, war aber über die überaus hohe Forderung erstaunt, welche der
Häuptling, noch dazu zur Hälfte in Baar, sogleich ausgezahlt haben
wollte. Einem solchen Ansinnen gegenüber brach ich die Unterhandlung
sofort ab, den Engländern rathend, wenn sie nicht ihr Geld wollten
los sein, ein gleiches zu thun; die gestellten Leute würden doch nur
eine kurze Strecke das Boot flußaufwärts bringen und dann desertiren,
vielleicht sie dann in einer noch schlimmeren Lage zurücklassen.

Das Natürlichste war nach einem solchen Mißerfolg, ihnen den Vorschlag
zu machen, sich an Kapitän Robertson mit der Bitte um Mitnahme zu
wenden, wenigstens so weit, bis ihnen Hülfe werden konnte; indes die
für mich nicht überraschende Antwort war, daß solches Mühen vergeblich
sein würde, aus dem Grunde, weil ein Engländer dem anderen nur selten
eine große Gefälligkeit erweisen wird, das +help yourself+ (hilf
dir selber), klingt aus jeder selbst höflichen Abweisung heraus, wenn
nicht persönliches Interesse dem Gewährenden anderen Sinnes macht, im
Allgemeinen ist der krasse Egoismus Ausschlag gebend. Einen Erfolg
versprächen sie sich nur, wenn ich ihr Fürsprecher sein wollte, im
anderen Falle müßte die unerhörte Forderung des Häuptlings angenommen
werden.

Ich kannte Kapitän Robertson noch zu wenig, um über seine Gesinnung
seinen Landsleuten gegenüber urtheilen zu können, setzte aber voraus,
daß er als Offizier, sofern es seinen Instruktionen nicht zuwider,
Bedrängten seine Hülfe nicht versagen würde und ich hatte mich nicht
getäuscht, was mir aber auffiel, war das geringe Entgegenkommen gegen
diese beiden Beamten der African-Lakes-Comp. Der Engländer ist eine
schwer zugängliche Natur, von der deutschen Gutmüthigkeit besitzt
er herzlich wenig, ist er aber einmal aufgethaut, kann er im Umgang
wiederum auch sehr angenehm und gefällig sein.

Auf langwierigen und beschwerlichen Expeditionen in das Innere Afrikas
hat der Führer immer damit zu rechnen, daß mehr oder weniger die Schaar
seiner Gefolgschaft durch Deserteure gelichtet wird, ein Uebelstand,
dem er nicht im Stande ist, abzuhelfen und in eine üble Lage gerathen
kann, wenn er keinen Ersatz findet. Major von Wißmann hatte sich
deshalb, um solcher Eventualität vorzubeugen, von jeher mit ganz
fremden Volksstämmen, als Sudanesen, Abessinier, Somali, umgeben, diese
fanden von den Eingebornen bei einem Fluchtversuch keine Unterstützung,
wurden eher verrathen und setzten sich daher solcher Gefahr schwerlich
aus. Anders war es mit der angeworbenen Zulukompagnie, diese Leute,
dem Militärdienst abhold, suchten gelegentlich in kleineren Trupps zu
entkommen, sie fanden auch überall Stammverwandte (da die Bevölkerung
nur eingewanderte Zulustämme), und so blieb eine Verfolgung meistens
erfolglos, weil sich kein Verräther fand, den die ausgesetzte Belohnung
verlockt hätte.

Bei meiner Rückkehr nach Ntoboa wurde mir die Mittheilung gemacht, daß
vier Deserteure in Misongwe von einem Europäer aufgegriffen seien,
die er einer Eskorte nach Ueberweisung der ausgesetzten Belohnung
ausliefern würde. Meine Pflicht war es, die Leute holen zu lassen und,
streng bewacht, mit mir zu führen, bis ich sie ausliefern konnte.

Am 16. früh kam der »Herald« zurück, und während die Leichter längsseit
befestigt wurden, ließ ich noch das ganze Lager in Brand stecken. Hell
loderte die Gluth empor im weiten Viereck, dem Ungeziefer, das sich so
fest eingenistet hatte, kaum einen Ausweg lassend, als Ratten, Mäuse
und Schlangen. Letztere, einzelne Prachtexemplare, kamen zischend aus
den brennenden Wohnhäusern der Soldaten, wo sie unter deren Kitandas
(primitive Bettgestelle) sichere Zuflucht gefunden hatten, hervor, um
blitzschnell wieder hinter einer noch stehenden Wand zu verschwinden,
bis auch hier das schnell um sich greifende Element sie abermals
verjagte. Die Jagd auf die fliehenden Ratten übernahmen die zahlreich
in den Lüften schwebenden Raubvögel, und diese Jäger zu beobachten, wie
sie manchen erfolgreichen aber auch manchen vergeblichen Stoß auf die
Schutz suchende Beute unternahmen, war ein Vergnügen.

Zum Abschied hatte sich fast das ganze Dorf Ntoboa eingefunden. Am
hohen Ufer versammelt, sahen die uns vertraut gewordenen Bewohner
den Vorbereitungen zu und, als langsam die Fahrzeuge vom Ufer
sich lösten, riefen sie uns ihren Abschiedsgruß zu, begleitet von
Händeklatschen. Die Stätte aber, jetzt in Feuer und Rauch gehüllt, wo
ich so lange gestrebt und gewirkt hatte, wird bald wieder durch das
üppig emporschießende Gras und Kraut unkenntlich gemacht sein, die
Termieten werden wieder in Frieden ihre Hügel aufbauen können, und
sollte nach langer Zeit einer von uns diese Stätte wieder suchen, würde
es eines guten Orientirungssinnes bedürfen, sie aufzufinden, sofern
sie nicht von der zu Zeiten hochschwellenden Fluth des Zambesi bereits
verschlungen ist.

Im Verlaufe dieser letzten Reise nach Pinda ist nichts Besonderes
zu bemerken; schon aus dem Grunde wurden die bekannten Hindernisse
schnell überwunden, als die Fahrzeuge, nur leicht beladen, das
Fortkommen des »Herald« wenig behinderten. Weit über Misongwe
hinausgekommen, rasteten wir für die erste Nacht an einer öden Stelle
des linken Flußufers und, wie immer auf der Fahrt, konnten die Leute
erst Abends abkochen; bei dieser Gelegenheit nun, als die Dunkelheit
längst hereingebrochen war, gelang es den vier unter Aufsicht eines
Postens stehenden Zulus, als dessen Aufmerksamkeit durch eine kleine
Streiterei unter den Suaheli für einen Augenblick von ihnen abgelenkt
wurde, dem ringsum hohen Grase sich zu nähern und plötzlich darin zu
verschwinden. Der gleich darauf fallende Alarmschuß brachte alles
in Bewegung und eine wilde Verfolgung begann. Aber sei es, daß die
schnellfüßigen Zulus ihre Verfolger in der Dunkelheit zu täuschen
wußten oder, schneller als diese, ihnen entgingen, keiner wurde von den
Zurückkehrenden eingebracht, sogar Nachzügler mußten erst durch die zum
Sammeln blasende Trompete herbeigerufen werden, da solche sich in der
weglosen Grassteppe verlaufen hatten.

Der Grund zu dieser nochmaligen riskanten Flucht war wohl vornehmlich
die Furcht vor der zu erwartenden Strafe, die freilich nun bei einem
abermaligen Abfassen nicht allzu gering ausgefallen wäre und wohl haben
die Flüchtlinge bis zur gänzlichen Erschöpfung, geschützt durch die
Dunkelheit, ihre verzweifelte Flucht fortgesetzt.

In Pinda nach einer schnellen Reise angelangt, hatte ich laut Befehl
die beiden Leichter, sobald dieselben entlöscht waren, dem Führer des
»Herald« zu übergeben, mit welchen derselbe auch nach kurzem Aufenthalt
seine Rückreise nach Chinde antrat.

Inzwischen waren von Port Herald die ersten vom Major von Wißmann
dorthin gebrachten Leichter zurückgekehrt, auch zum Theil vom
Obersteuermann schon beladen. Nach dem Herüberschaffen des letzten
Transportes vom Anlegeplatz nach unserm provisorischen Lager,
wobei zum ersten Male die mitgeführten zweirädigen Karren uns gute
Dienste leisteten, ließ ich die Fahrzeuge noch mit den werthvollsten
Schiffstheilen fertig laden und führte darauf diesen Transport mit
Hülfe von etwa vierzig Eingebornen den Ziu-Ziu-Arm hinauf bis zur
nächsten Stromschnelle, oberhalb welcher der »Mosquito« wartete. Des
starken Stromes wegen mußten die Leichter von den Leuten an langen
Leinen gezogen werden, was durch die vielen Gebüsche, welche die
Uferwand krönten, eine langwierige schwere Arbeit war, abgesehen davon,
daß flache Stellen im Flusse, deren Umgehung nothwendig, nicht minder
zeitraubend und schwierig. Der etwa nur drei Kilometer lange Weg konnte
somit erst nach vielen Stunden angestrengtester Thätigkeit zurückgelegt
werden.

Pinda als Station ist von nur geringer Bedeutung, einzig als ein
Uebergangspunkt zu betrachten, welchen hier die Nothwendigkeit
errichten ließ, zumal die Stromverhältnisse des Schire in dieser Gegend
gerade eine eigenthümliche Beschaffenheit aufweisen. Ein weites Gebiet,
von verschiedenen Armen durchzogen, vertheilen die Wassermassen des
Flusses, sodaß in der trockenen Jahreszeit von einem eigentlichen
Schirefluß hier keine Rede sein kann; die Fahrstraße, welche diese
Bezeichnung verdient, war versandet und unpassirbar.

So vielen Veränderungen unterworfen, läßt sich kaum mit Bestimmtheit
sagen, welchen Weg die nächste Hochwasserfluth einschlagen wird, irgend
ein Arm kann durch unbekannte Zufälle von der Fluth gewählt werden,
der durch die starke Strömung schnell vertieft, dann als Schirefluß
betrachtet werden muß. Illusorisch wird die Pinda-Station, sobald
dieser Fall eintritt, ihre Lage aber auch durch das rapide Anwachsen
der Wassermassen sehr gefährdet, da nicht selten die ganze Insel
überschwemmt und ein rechtzeitiges Verlassen des einsamen Blockhauses
für die Bewohner zur Nothwendigkeit wird. Soweit ich gehört, soll die
ganze Insel im Januar 1893 von der furchtbaren Strömung weggeschwemmt
worden sein und der Fluß ein neues Bett sich gegraben haben, wenigstens
fand ich bei meiner Rückkehr eine ganz veränderte Fahrstraße vor; auch
nimmt es keinem Wunder, wer die gewaltige Kraft fließender Wassermassen
zu beobachten Gelegenheit gehabt hat, daß solche Veränderungen hier in
der Wildniß stattfinden können.

Um noch einmal unseres Schleppdampfers »Pfeil« hier zu erwähnen, so
hatte dessen Thätigkeit für uns bereits in Ntoboa aufgehört; derselbe,
bis Pinda gebracht, war für denselben das Passiren der Stromschnelle
unmöglich und, nach vergeblichen Versuchen, sich doch noch durch den
nächsten flachen Arm des Schire hindurchzuwinden, hatte der Dampfer
sich so festgerannt, daß an ein Zurück bis zur nächsten Hochfluth nicht
mehr zu denken war. Major von Wißmann, durch triftige Gründe veranlaßt,
verzichtete später ganz auf den »Pfeil« und dies um so eher, als sich
die Hinüberschaffung des schweren Körpers auf den ausgewaschenen
Wegen des Schiregebirges, nach dem oberen Schirefluß, als eine pure
Unmöglichkeit erwiesen hatte.

War auch die Stromschnelle, bis wohin ich die beiden Leichter am Abend
des 20. September hatte schaffen lassen, nicht so gefährlich und
reißend wie die untere, machte doch das Hinüberbringen der Fahrzeuge
oberhalb der starken Strömung von einem Ufer zum anderen sehr viel
Mühe. An langen Leinen von einem Ufer abgefiert, an dem anderen
eingeholt, und dieses über eine Flußbreite von etwa 450 Meter, galt es
dazu jeden Leichter von den gefährlichen Untiefen fernzuhalten. Als die
Ueberführung vollendet, war ich durch das viele Zurufen und Schreien
so heiser geworden, daß ich kaum noch ein Wort hervorbringen konnte.
Veranlassung dazu gab die stupide Gleichgültigkeit der Eingebornen,
die, wenn sie nicht angetrieben wurden, mit größter Seelenruhe zusehen
konnten, wie ein Fahrzeug Gefahr lief, verloren zu gehen. Nur je ein
Europäer war auf den Leichtern, die dazu sich mit den Leuten nicht
verständigen konnten, und ich froh war, als nach vierstündiger Arbeit
das englische Schiff erreicht wurde.

Für die späteren Transporte hielt es der englische Führer, Kapitän
Nuott, auch für angemessen unter dem rechten Ufer sein Schiff
hinzulegen, damit wenigstens die Ueberführung der Fahrzeuge oberhalb
der gefährlichen Stromschnelle nicht mehr nöthig würde, auch schon aus
dem Grunde, als nicht immer eine umsichtige Leitung dabei sein und
dadurch einen Verlust verhindern konnte.

Die Weiterfahrt des »Mosquito« gegen den starken Strom, in dem zuweilen
kanalartigen Flußbette gestaltete sich zu einer überaus schwierigen.
Oft, wenn die Strömung zu stark, die gegenarbeitende Maschinenkraft
nicht mächtig genug war, diese zu überwinden, wurden die Fahrzeuge vom
Strome seitwärts gedrängt und, um dann eine Katastrophe zu verhindern,
mußten sofort die Anker fallen gelassen werden, bis dadurch die
Steuerfähigkeit wieder hergestellt, schließlich ein Ueberwinden der
wirbelnden Wassermassen möglich wurde. Indes im Laufe des ersten Tages
waren diese Schwierigkeiten überwunden. Darauf in einem schmaleren,
doch von Hindernissen freiem Bette, ging die Fahrt flußaufwärts gut
von statten; zwischen ziemlich hohen, häufig steilen Ufern, deren
Böschung mit Rohrried und langem Gras bewachsen war, sodaß die
üppig emporgeschossenen Pflanzen selten nur einen Einblick in die
dahinter liegenden Landflächen gestatteten, hinziehend, erreichten
wir eine zu beiden Seiten des Flusses sich ausdehnende Grassteppe.
Mit der Bezeichnung Moramballa-Marsch hat man diese weite Ebene, den
Tummelplatz fast aller im zentralen Afrika lebenden größeren Thiere,
die rechte Benennung gegeben. Nichts als Rohr und Gras, kein Baum
noch Strauch bringt irgend welche Abwechslung in diese Einöde, soweit
auch das Auge schweifen mag, bis zum Fuße der fernen Berge, dasselbe
Einerlei.

Zu Zeiten des Hochwassers wird die wenig über dem Niveau des Flusses
liegende Grasebene in einen weiten See und Sumpf verwandelt; tiefe
Gräben durch die Uferwand gebrochen, leiten als natürliche Kanäle die
Wassermassen beim Fallen des Flusses wieder ab, und verjüngt sprießt
aus dem fruchtbaren Boden die überreiche Vegetation empor, ein grüner
Tisch anfänglich, den die Natur mit vorsorgender Hand für ihre Wesen
gedeckt hat.

Die Ufer zur Linken, meistens höher gelegen, und mit hohem Gesträuch
oft so bedeckt, daß dieses weit überhängend mit seinen Zweigen bis auf
den Wasserspiegel reicht und es unmöglich wird, durch die zahllosen
Schlingpflanzen, Winden, Lianen etc., die alles wie ein dichtes
Gewebe verbinden, hindurchzudringen. Tausende weiße, blaue und rothe
Blüthen in reicher Pracht zieren die grüne Wand, zwischen denen an den
äußersten Spitzen der ruthenartigen Zweige der goldgelbe Webervogel
sein eigenthümliches Nest erbaut hat, das, wie an einem Faden hängend,
vom Winde bewegt über dem Wasser schwebt.

Durch das Geräusch des vorbeikeuchenden Dampfers werden aus diesem
dichten Gebüsch häufig silbergraue Vögel, die in behaglicher Ruhe im
kühlen Schatten wahrhaft herrlicher Lauben weilten, erschreckt und
aufgescheucht und nur wenige Schritte vom Leichter entfernt, flattern
sie auf, kaum wissend, wohin sich wenden, wenn ihnen der Weg zur
eiligen Flucht abgeschnitten erscheint.

Die Annahme, daß in dieser blühenden Pracht eitel Friede zu herrschen
scheint, wird schon widerlegt, wenn man aufmerksam den in hohen
Lüften kreisenden Raubvögeln zuschaut. Bald schießt pfeilgeschwind
der Beherrscher der Lüfte zur Erde nieder, um sofort sich wieder zu
heben und in seinen scharfen Krallen die Beute zu entführen; allein
diese wird ihm, weniger von Seinesgleichen, als von einem anderen
Feinde, streitig gemacht. Ein heißer Kampf beginnt, kreischende
Schreie, niederflatternde Federn, zeugen von der Erbitterung, mit
welcher gekämpft wird, und fast immer muß der Jäger seine Beute
fahren lassen, um den wüthenden Angriffen des Feindes sich erwehren
zu können. Neugierig, welche Waffen dem schwächeren Angreifer von der
Natur gegeben sind, womit er im Stande ist, den adlerartigen größeren
Raubvogel zu besiegen und in die Flucht zu jagen, schoß ich zwei
dieser Kämpfer aus der Luft herunter und fand, daß der Gegner an den
Flügelknochen einen etwa 1-1/2 Centimeter langen nadelspitzen Auswuchs
hatte, mit welchem er leicht tiefe Wunden dem Stärkeren beibringen
konnte.

Vom hohen Deck des »Mosquito« zuweilen über die Ufergebüsche
wegschauend, erblickten wir mitunter friedlich grasende Wasserböcke
und Zebras; furchtlos äugten diese stattlichen Thiere zu uns herüber,
und machte sie auch der Knall eines Gewehres stutzen, so wußten sie in
ihrer Sicherheit doch noch nicht, wie vernichtend die treffende Kugel
wirken konnte.

Oberhalb dieser weiten Grassteppe, auf dem nun allmählich ansteigenden
Terrain, änderte sich die Scenerie; Baum und Sträucher, untermischt
mit menschlichen Wohnstätten, hin und wieder am Ufer kleine
Bananenanpflanzungen, gaben der Landschaft einen etwas freundlicheren
Anstrich. An dieser Scheidegrenze einer fruchtbareren Gegend und
der ungeheuren Steppe, sahen wir auch zu unserer Linken den hier
errichteten Grenzpfahl. Die an demselben befestigte Tafel besagt in
englischer Sprache, daß flußabwärts portugiesisches, flußaufwärts
englisches Gebiet zu finden sei. -- Unauffällig wie dieses einem
Beobachter auch erscheinen mag, frägt man sich doch unwillkürlich,
was soll wohl Portugal mit der viele Meilen umfassenden Grassteppe
machen, die sich fast quer durch das Land bis zum Zambesi-Fluß
erstreckt und wie erwähnt, zur Regenzeit nur einen weiten Sumpf
bildet; eine Heimstätte wilder Thiere zwar, doch für menschlichen
Aufenthalt völlig ungeeignet! -- Englische Politik hat auch hier
wieder den Beweis geliefert, daß Nehmen praktischer ist als Geben und
das schwache Portugal muß seinem mächtigen Konkurrenten, übertrumpft
durch erzwungene Verträge, weite Landstrecken überlassen, auf denen
England unbehindert große Thätigkeit entfalten, auch wie überall die
Fahrstraßen in seiner Hand behalten kann, die zu entwickelungsfähigen
Ländern führen und, wenn es aus politischen Gründen belieben sollte,
den internationalen Verkehr verschließen kann.

Etwa 500 Meter flußaufwärts von dieser Grenze liegt am anderen Ufer
die portugiesische Zollstation. Gleich wie die Grashäuser europäischer
Ansiedler in diesem Lande, ist auch diese Station ebenso primitiv
erbaut, und bedeutete nicht die wehende Flagge, daß solcher Bau ein
Staatsgebäude ist, würde es seines Aussehens halber kaum Beachtung
finden. Zwecks einer Zollrevision und Ausfertigung von Papieren hatten
wir hier anzulegen.

So kurz der Aufenthalt bei dieser Zollstation auch war, bot sich mir
doch Gelegenheit, das Fell einer 13 Fuß langen Wasserschlange, die von
den Eingebornen erlegt und abgeledert wurde, zu erstehen. Der Umfang
dieses höchst gefährlichen Reptils betrug durchschnittlich einen Fuß
und, abgesehen von dessen giftigem Biß, soll solch ein Thier die
Knochen eines Menschen mit Leichtigkeit zerbrechen können. Das Fell,
vollständig mit Fischschuppen besetzt, die auf dem Rücken ganz klein,
allmählich bis zum Bauch die Größe eines Fünfpfennigstückes annehmen,
haben oben eine schwarzbraune Färbung, wohingegen die Schuppen nach
unten ins Gelblich-weiße übergehen. Nur zwei Exemplare gleicher Größe
habe ich gesehen, sonst aber dieses Thier in seiner Freiheit zu
beobachten weiter keine Gelegenheit gehabt, da es höchst wahrscheinlich
nur dort sich aufhält, wo die Wildniß seine Lebensbedürfnisse
befriedigen kann und das wäre hier in dem Moramballa-Marsch.

Als besonders auffällig war für mich weiter flußaufwärts an der
linken Seite die Anlage einer Reihe neuer Dörfer am Flußufer; eine
Erklärung dafür kann nur gegeben werden, wenn die Behauptung, daß eine
beständige Auswanderung portugiesischer Untertanen nach englischem
Gebiet stattfindet, sich als richtig erweist. Ein triftiger Grund
dazu wäre die Ausbeutung der Eingebornen durch die portugiesischen
Mischlinge, die in der Eigenschaft als Beamte, schlecht oder gar nicht
besoldet, diesen Ausfall durch Erhebung doppelter Steuern zu decken
suchen; mithin könnte man es den Bewohnern dieses Distrikts nicht
verdenken, wenn sie sich auf fremdes Gebiet niederlassen und unter
einer geordneteren Verwaltung das ihnen zugewiesene Land bebauen. Eine
Kopfsteuer erläßt der Engländer ihnen zwar auch nicht, der Gefahr
aber, mehr zahlen zu sollen, sind sie doch überhoben.

Etwas höher den Fluß hinauf passirten wir das große Dorf Tomba, das
an Ausdehnung das größte, welches ich an den Ufern des Zambesi und
Schire, mit Ausnahme vielleicht von Misongwe, gesehen habe. Auch
hier bestätigte die Aufführung einer beträchtlichen Anzahl neuer
Hütten, daß es an regem Zuzug nicht gefehlt hat. Und nach der Zahl
der Bewohner zu urtheilen, die, wie überall, durch eine fremdartige
Erscheinung angelockt, zu Haufen an dem Ufer sich versammelten, war die
Einwohnerzahl eine sehr beträchtliche.

In den Tropenländern veranlaßt die immer üppig blühende Natur den
flüchtigen Beobachter zu der Annahme, daß ein Wechsel der Jahreszeiten
eigentlich an der Pflanzenwelt spurlos vorübergehe; allein lebt man
längere Zeit in den Tropen, wird eine solche hinfällig, da man in sehr
vielen Fällen einen Erneuerungsprozeß beobachten und das Absterben
der Natur als Winterperiode bezeichnen kann. Es sind nur Schmarotzer
und Schlingpflanzen, die ein immergrünes Kleid tragen und durch ihren
Blüthenreichthum diese Erscheinung verdecken, darum, so k