Aus der Geschichte der menschlichen Dummheit

By Max Kemmerich

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Title: Aus der Geschichte der menschlichen Dummheit

Author: Max Kemmerich

Release date: May 31, 2025 [eBook #76196]

Language: German

Original publication: München: Albert Langen, 1912

Credits: Iris Schröder-Gehring, Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK AUS DER GESCHICHTE DER MENSCHLICHEN DUMMHEIT ***





  Aus der Geschichte der menschlichen Dummheit


  Von Dr. _Max Kemmerich_ erschien im Verlage von
  _Albert Langen_:

  Kultur-Kuriosa Erster Band Zehntes Tausend

  Kultur-Kuriosa Zweiter Band Sechstes Tausend

  Dinge, die man nicht sagt Siebentes Tausend

  Prophezeiungen Alter Aberglaube oder neue
  Wahrheit? Viertes Tausend




  Aus der Geschichte

  der

  menschlichen Dummheit


  Von


  Dr. Max Kemmerich


  [Illustration: Dekoration]


  Albert Langen
  Verlag für Literatur und Kunst
  _München_




  Copyright 1912 by Albert Langen, Munich




          Inhaltsverzeichnis


                                                                 Seite
  Vorwort                                                        VII

  1. Kapitel: Die Bibel als Maßstab der Wahrheit                   1

  2. Kapitel: Die Askese                                          43

  3. Kapitel: Der Hexen- und Teufelswahn in der
     mittelalterlichen Kirche                                     72

  4. Kapitel: Der Kampf um die religiöse Dummheit                111

  5. Kapitel: Religiöse Zwangserziehung                          154

  6. Kapitel: Der Teufel in der jüngsten Vergangenheit und
     Gegenwart                                                   192

  7. Kapitel: Die heilige Garderobe und ähnliches                211

  8. Kapitel: Die Dummheit der Massen                            234

  Literaturnachweis                                              286




Vorwort


Eine Geschichte der menschlichen Dummheit zu schreiben überstiege
meine Kräfte: sie müßte umfangreicher werden, als die chinesische
Enzyklopädie. Darum begnüge ich mich mit diesem Streifzuge, der einem
ganz bestimmten Gebiete gilt. Der Zufall war es nicht, der mich
leitete.

Nicht nur dem Vorwurfe der Unvollständigkeit sehe ich mit Gemütsruhe
entgegen. Auch auf den andern bin ich gefaßt: was mir dumm erschiene,
sei so fabelhaft gescheit, daß ich es nur nicht verstünde.

Nun -- jedem Narren gefällt seine Kappe.

  _München_, im Mai 1912

                                                      _Der Verfasser_




I. Kapitel

Die Bibel als Maßstab der Wahrheit


Jede Offenbarungsreligion lehrt, daß Gott in eigener Person
übernatürliche Wahrheiten oder zum mindesten Wahrheiten von
absolutem Werte den Menschen zukommen läßt. Für die Christen sind
diese göttlichen Willensäußerungen im Alten und Neuen Testament
niedergelegt. Da nun in früheren Zeiten und teilweise auch heute noch
die Theologen des frommen Glaubens sind, daß Gott, wenn auch nicht
persönlich die Schriften abgefaßt, so doch jedenfalls die Autoren
inspiriert habe, ihnen gleichsam in die Feder diktierte, so ist es
klar, daß jedem Worte der Bibel die denkbar größte Bedeutung von
dieser Seite beigelegt wird.

Der Glaube an Gott, sowie der an Offenbarung -- denn wenn Gott
existiert, ist nichts näherliegend, als die Annahme, daß er auch mit
der Menschheit in Kontakt bleibt, ihr Winke oder Befehle zukommen
läßt, sie belohnt und straft, kurz sich ihr oder ihren auserlesensten
Vertretern gegenüber irgendwie äußert -- mag irrig sein. Daß er
nicht töricht ist, bedarf keines Beweises. Und die Annahme, daß
die höchsten iten nicht etwa in der Zendavesta, den vier Veden,
dem Alten Testament oder dem Koran niedergelegt sind, sondern in
den Schriften des Neuen Testamentes, versteht sich beim gläubigen
Christen von selbst. Denn würde er der Offenbarung einer anderen
Religion größeren Wahrheitsgehalt beimessen, dann hätte er aufgehört
ein gläubiger Christ zu sein.

Liegt es uns also auch völlig fern den Offenbarungsglauben --
ohne ihn zu teilen -- für dumm zu halten, so ist der Umfang, in
dem der Bibel absolute Autorität in Fragen der Weltanschauung
und Lebensführung eingeräumt wird, allerdings ein Gradmesser der
Intelligenz.

Wenn frühere Jahrhunderte, unkundig der Natur und ihrer Gesetze,
die biblische Kosmologie als lautere Wahrheit hinnahmen, so ist
das verständlich. Wenn sie aber auch festgehalten wurde, nachdem
unwiderleglich ihre Irrtümlichkeit nachgewiesen war, so läßt uns das
hinsichtlich der Bibel nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten.
Entweder beweist die Unstimmigkeit zwischen der Heiligen Schrift
und der Wahrheit, daß die ganze Bibel _keine_ Offenbarung ist, wenn
wir nämlich annehmen, daß der allwissende, unfehlbare Gott sie
quasi diktiert hat, daß es sich also um eine Fälschung handelt, --
oder daß Gott zwar die frommen Verfasser der einzelnen Schriften
mit seinem Geist erfüllt hat, daß er ihnen aber die Form überließ,
beziehungsweise sie als Menschen ihrer Zeit sich auch nur gemäß dem
damaligen Wissen ausdrücken konnten. Letztere Annahme hat aber die
Konsequenz eines Verzichtes auf die Verbalinspiration der Bibel. Daß
Gottes Diktat keine Fehler enthalten kann, ist ebenso klar, wie
daß die Schriften selbst der hervorragendsten Männer der Vorzeit
nicht dem heutigen Wissen in allen Punkten entsprechen können. Daß
Jesus von Nazareth, nach dem Evangelium, das schöne Wort sprach:
»der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig«, gibt jenen einen
autoritativen Helfer, die ihrer eigenen Vernunft nicht vertrauen.

Wer also in Fragen der Kosmologie, Geologie, Biologie, Geschichte und
vieler anderer Gebiete eine Inkongruenz zwischen Bibel einerseits,
Vernunft und Erfahrung anderseits erkennt und daraus weder folgert,
daß die Bibel als Ganzes keine geoffenbarte Wahrheit sei oder aber,
daß er den Umfang der Offenbarung zu weit ausdehnt, der begeht einen
Denkfehler.

Wer nun weiterhin aus solchen der Vernunft und Erfahrung
widersprechenden Bibelstellen oder gar aus einzelnen Worten
weitgehende Schlüsse irgendwelcher Art zieht, sein Leben danach
modelt, auf den Gebrauch seines Verstandes verzichtet, sich um sein
gutes Recht bringen läßt oder gar sein Leben opfert, der handelt dumm.

Diese Dummheit werden wir nun nicht etwa nur in alter Zeit finden,
in der wir sie ja kaum so bezeichnen können, sondern auch noch
in der jüngsten Vergangenheit, ja in der Gegenwart. Gibt es doch
eine mächtige Richtung, die den durch Fragen der Weltanschauung
nicht minder als solche des Wirtschaftslebens hervorgerufenen
Kämpfen unserer Zeit dadurch begegnen zu können vermeint, daß sie
den biblischen Buchstabenglauben als Panazee anrufen! Wenn diese
Männer so handeln gegen besseres Wissen, dann ie nicht anständig.
Handeln sie so aus Überzeugung, so sind sie dumm. Zudem erzielen sie
naturgemäß bei der Intelligenz, auf die es doch allein ankommt, das
Gegenteil dessen, was sie bezwecken.

Bekanntlich folgert das Papsttum seine auf Allmacht hinauslaufenden
Ansprüche aus der Bibelstelle »Du bist Petrus und auf diesen Felsen
will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen
sie nicht überwältigen. Und will dir des Himmelreichs Schlüssel
geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel
gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch
im Himmel los sein.« (Matth. 16, 18-19.) Ergänzt wird diese Stelle
durch das Wort Christi an den gleichen Apostel »Weide meine Schafe«
(Ev. Joh. 21, 16). Zu diesem Mandat des Stifters unserer Religion
tritt noch nach kirchlicher Lehre eine historische Begründung des
Rechtsanspruches hinzu: Petrus sei der erste Bischof von Rom, der
erste Papst, gewesen; sein Geist aber habe sich durch Tradition
ungeschwächt erhalten.

Nachdem die Bischöfe von Rom es verstanden haben durch anderthalb
Jahrtausende in immer steigendem Maße ihre Ansprüche durchzusetzen,
muß man ihrer Intelligenz und ihrer politischen Genialität die
größte Bewunderung zollen. Anders aber steht es um die Klugheit der
beherrschten Völker.

Lassen wir es ganz dahingestellt sein, ob es nicht für eine Kirche
wünschenswert ist eine Spitze zu besitzen, so daß praktische
Motive die Errichtung des Papsttums hinlänglich rechtfertigen
würden, so scheint es desto wichtiger die römische _Begründung_ des
Machtanspruches zu prüfen, bzw. die _Bereitwilligkeit, mit der
diese Begründung hingenommen wurde_, zu beleuchten. Wir lassen dabei
auch die Frage offen, ob nicht die angeführten Evangelienstellen
Interpolationen sind, die das Papsttum vornahm, um die tatsächliche
Machtstellung durch die höchste Autorität zu legitimieren.

Man stelle sich vor: Ein armer Zimmermannssohn verleiht einem armen
und nahezu gänzlich ungebildeten Fischer ein Recht, das er selbst
nicht besitzt. Denn wenn der Stifter einer Religion denen, die an ihn
glauben, auch gewiß für die Ewigkeit, für das Himmelreich, bindende
Vorschriften machen kann, es ihnen öffnen oder verschließen darf,
da er sich ja hier mit einem gewissen Recht als Herr fühlen kann,
so gilt das doch ganz gewiß nicht für die reale, materielle Welt.
Daß das Papsttum aber die Herrschaft über diese beansprucht, sich
ausdrücklich höher einschätzt, als alle Könige der Erde, ist jedem
Geschichtskundigen bekannt.

Also; Jemand verleiht angeblich einem andern ein Recht, das er nicht
besitzt. Der andere (Petrus) übt es auch gar nicht aus, ist es doch
sehr zweifelhaft, ob er je Bischof von Rom war und wenn, dann war
er Oberhaupt einer kleinen und damals noch ganz bedeutungslosen
Gemeinde. Und dieser Mann vererbt sein »Recht« auf ewige Zeiten! Man
glaubt seinen Nachfolgern -- angenommen, die Bischöfe von Rom wären
das wirklich -- und Könige und Kaiser beugen sich ihnen!

Welche Fülle von Klugheit auf päpstlicher Seite! Welche Dummheit auf
weltlicher!

Dieser Fiktion fügen sich die mächtigsten Herrscher, desgleichen
ihre Völker. So wird England päpstliches Lehen, Heinrich IV.
erscheint als Büßer vor dem Papst, ein Friedrich Barbarossa hält ihm
den Steigbügel, er greift in die Wahl der deutschen Könige ein und
vernichtet ganze Geschlechter, er verteilt gar die neue Welt als
anerkannte höchste irdische Instanz! Diese wenigen, ins Unendliche zu
vermehrenden Beispiele sind eines der grandiosesten Beweise für den
Sieg der überlegenen Intelligenz über die stultitia hominum.

Die notwendige Voraussetzung dieser über ein Jahrtausend die
Weltgeschichte bestimmenden Fiktion, deren praktische Verwirklichung
Könige und Völker nur zu sehr am eigenen Leibe erfahren mußten, war
aber ein _blinder Bibelglaube_.

Und wenn es heute noch Leute gibt, die die päpstlichen Ansprüche mit
päpstlicher Begründung verteidigen, wenn es den Anschein hat, daß
diese Leute sogar Boden gewinnen, dann möchte man an der Zukunft der
Menschheit verzweifeln.

Dieser blinde Bibelglaube oder Glaube an die geistliche Autorität
kommt auch den Lehrmeinungen und Dogmen zugute. Man interessierte
sich infolgedessen in früheren Zeiten für die entlegensten Dinge,
soweit sie mit dem Glauben im Zusammenhang standen. Hätte man
den gleichen Scharfsinn für Nützliches verwandt, man würde um
Jahrhunderte früher die jetzige Kulturhöhe erklommen haben.

Die Wurzel des Übels war und ist zum Teil heute noch die
_Todesfurcht_ bzw. die _Sorge um das jenseitige Leben der Seele_.
Daß es eine Unsterblichkeit gibt, kann mit ebenso triftigen Gründen
behauptet, wie bestritten werden; aber angenommen sie existiert,
so ist doch soviel gewiß, daß wir von ihrer Beschaffenheit nichts
Näheres wissen, noch wissen können. Gerade diese Frage aber
beschäftigte und beschäftigt gläubige Gemüter zum Übermaß. Und da
man es verstanden hatte dieser Form der Feigheit -- denn schließlich
läuft die ganze Sorge um das Fortleben der Seele auf die Furcht
vor dem Nichts hinaus oder auf die noch jämmerlichere in einem
vorausgesetzten Jenseits die Verantwortung für seine diesseitigen
Handlungen tragen zu müssen -- durch Erhebung zur »Religiosität«
oder »Frömmigkeit« das Mäntelchen der Tugend umzuhängen, so galt
es auch noch für verdienstvoll sich über die größten das Jenseits
betreffenden Nichtigkeiten den Kopf zu zerbrechen. Hier stets im
Rahmen des Dogmas und der Bibel zu bleiben, Erfahrung und Vernunft
nicht allzusehr zu verletzen, war gewiß nicht immer leicht.

Ist es schon eine Dummheit auf unlösliche Fragen Zeit und Energie zu
verwenden, so wird sie dadurch gewiß nicht geringer, daß Jahrhunderte
ihr huldigten. Die Zeit der Scholastik aber hatte es sich zur Aufgabe
gestellt Glauben und Vernunft in Einklang zu bringen. Was nicht
erreichbar war -- und das war sehr vieles, etwa die Dreiheit des
Monotheismus, die unbefleckte Empfängnis, die leibliche Auferstehung
und Himmelfahrt Christi, die Verwandlung von Wein in Blut, von
Brot in den Leib des Heilandes u. a. m. -- das wurde als »Wunder«
angestaunt. Und das geschieht auch heute noch von ungezählten
Millionen.

Gewiß hat die Scholastik auch das Denkvermögen verfeinert, aber sie
schliff eine Waffe, nicht um sie im Kampfe gegen die Rätsel der Natur
zu verwenden, sondern um damit Haare zu spalten.

Als einst vor König Philipp von Makedonien ein Jongleur seine Kunst
produzierte, darin bestehend, daß er in die Luft geworfene Erbsen
mit einer Nadel auffing, da verweigerte ihm der kluge König eine
Belohnung. Er ließ ihm lediglich einen Scheffel Erbsen übergeben.
Wäre ein kluger Papst beim Aufwerfen der ersten Spitzfindigkeiten
mit der ganzen scholastischen Richtung ebenso verfahren, dann hätte
die gelehrte und fromme Dummheit niemals solche Dimensionen annehmen
können.

Solche scholastische Fragen sind etwa folgende:

Steht oder liegt Gott Vater?

Kann er ein Kind schaffen ohne Vater? Einen Berg ohne Tal, eine Hure
wieder zur Jungfrau machen?

Tanzen die Engel Menuett oder Langaus?

War es Lucifer, der den ersten Purzelbaum schlug?

Ist eine Entweihung der Sakristei auf einem Ziegelstein Entheiligung
der ganzen Kirche, oder nur der Sakristei?

Geht das »Vater unser« Gott allein an, oder auch die Heiligen?
Prinzipaliter (in der Hauptsache) Gott, minus prinzipaliter (in der
minderen Hauptsache) auch die Heiligen?

Am Hof zu Konstantinopel stritt sich im 14. Jahrhundert nicht nur die
Geistlichkeit, sondern auch der Hof und die ganze Nation über die
Frage, ob das Licht auf Tabor ein erschaffenes oder unerschaffenes
Licht gewesen sei.

Besonders fein sind die Fragen über die Sakramente; namentlich die
Taufe: Ist ihr Wesen das Wort oder das Wasser? Ersteres, denn sonst
könnten ja Fische in der Taufe leben, und ein Esel, der Taufwasser
saufe, ein getaufter Christ sein wollen. Ob man auch mit Erde, Luft,
Feuer, Wein, Bier usw. taufen dürfe? Einige waren für das Bier, wenn
es so hell wie Wasser von der Wand fließe. Ob man in jeder Sprache
taufen dürfe? Ob eine bedingte Taufe, z. B. »wenn du kein Bastard
bist« oder eine unterbrochene Taufe, wenn ein Balken herabfiele und
der Priester im Schrecken ausrufe: »Sakrament! was ist das!« gültig
sei? Ob Engel oder Teufel gültig taufen können und was zu tun sei,
wenn sich das Kind gar ungebührlich aufgeführt habe? Man war sich
darin doch ziemlich einig, daß der Prophet Ezechiel reines Wasser
verlangt.

Die berühmten Scholastiker _Scotus_, _Lombardus_, _Thomas von
Aquino_, _Occam_, _Bonaventura_, _Albertus Magnus_ usw. prüften die
Fragen: ob Gottes Sohn sich auch in einen Ochsen, Esel, Kürbis oder
Teufel verwandeln könne.

Wieviele Chöre der Engel es gäbe, wie sie sitzen und was für
Instrumente sie spielen.

Was man in der Hölle treibe und wie hoch die Hitze steige?

Wohin sich der transsubstanziierte Leib begäbe, wenn etwa eine Maus
oder ein Wurm ins Ciborium gerate? Ob der Mund dieser Tiere so unrein
sei, wie der des Sünders?

Ob auch das mit dem Wein im Kelch etwa vermischte Wasser sich in Wein
oder Blut verwandle und ob man mit Bier, Apfelmost, Branntwein und
Essig nicht ebensogut kommunizieren könne, als mit Wein?

Die Lächerlichkeit der Scholastik wird glänzend illustriert durch
folgendes Gespräch dreier Oxforder Mönche, die den König baten ein
Türchen durch die Stadtmauer brechen zu dürfen und die uns Ant.
_Wood_ in seiner Historia et Antiquitates Universitas Oxoniensis
(Oxford 1674) überliefert hat:

»Erleuchtetster Herr König!« -- »Wer seid ihr denn?« -- »Wir sind
Magister in Euren Diensten.« -- »Was für Magister?« -- »Magister
vom ehrwürdigen Haus der Kongregation.« -- »Was für ein Haus ist
denn das?« -- »Habt ihr die Materie im Auge _woraus_: aus Kalk und
Steinen; habt ihr die Materie im Aug' _wofür_: für die Erteilung der
göttlichen Gnade; -- habt ihr die Materie im Aug' _worauf_: auf dem
Gottesacker der heiligen Jungfrau.« -- »Was ist euer Begehren?« --
»Wir wollen eine Türe gemacht haben,« sprach der erste Mönch. Der
zweite sagte: »wir wollen nicht eine gemachte Tür, sondern daß eine
gemacht werde.« Und der dritte sagte: »Wir wollen nicht, daß eine
Türe gemacht werde, sondern daß eine gemachte Tür vorhanden sei.«

Hierauf erwiderte der König: »Vortreffliche Herrn Magister, tretet ab
und werdet einig untereinander und dann sollt ihr die Türe haben[1].«

Die scholastischen Spitzfindigkeiten haben ihre Vorläufer im
Judentum, das ja nicht geringeren Wert auf die geschriebene Autorität
legte, als unser Mittelalter. Die Kasuisten der Israeliten konnten
besonders an der Sabbatfeier ihren Scharfsinn nicht genug üben. So
war es am Sabbat verboten, einen Knoten zu machen oder aufzulösen.
Da diese Bestimmung aber viel zu allgemein schien, entschied man:
»Folgendes sind die Knoten, über deren Anfertigung man schuldig
wird: der Knoten der Kameltreiber und der der Schiffer; und so wie
man schuldig ist wegen deren Schürzung, so ist man auch schuldig
wegen deren Lösung. R. Meir sagt: Wegen eines Knotens, den man mit
der einen Hand lösen kann, ist man nicht schuldig. Es gibt Knoten,
wegen welcher man nicht wie bei dem Kameltreiber- und Schifferknoten
schuldig wird. Ein Frauenzimmer darf den Schlitz ihres Hemdes
zuknüpfen, so auch die Bänder der Haube, die einer Leibbinde, die
Riemen der Schuhe und Sandalen, Schläuche mit Wein und Öl, einen
Topf mit Fleisch.« Da der Knoten an der Leibbinde gestattet war, so
wurde festgesetzt, daß man auch einen Eimer über den Brunnen mit der
Leibbinde festknüpfen dürfe, nur nicht mit einem Stricke.

Das Schreiben am Sabbat war verboten, und wenn es auch nur zwei
Buchstaben gewesen wären. Aber nicht ohne Einschränkung: »Schreibt
einer in dunkle Flüssigkeiten, in Fruchtsaft, oder in Wegestaub,
in Streusand oder überhaupt in etwas, worin die Schrift nicht
bleibt, so ist er frei. Schreibt einer mit verkehrter Hand, mit dem
Fuße, mit dem Munde, mit dem Ellenbogen ... oder wenn jemand einen
Buchstaben auf die Erde und einen an die Wand schreibt, oder auf
zwei Wände des Hauses, oder auf zwei Blätter des Buches, so daß sie
nicht miteinander gelesen werden können, so ist er frei. Wenn er
in zweienmalen vergessend zwei Buchstaben schrieb, etwa einen des
Morgens und den andern gegen Abend, so erklärt ihn R. Gamaliel für
schuldig; die Gelehrten sprechen ihn frei.«

Am Sabbat war es nicht nur verboten Feuer anzuzünden, sondern auch
es zu löschen, selbstverständlich unter Ausdehnung auf Lichter und
Lampen: »Wer ein Licht auslöscht, weil er sich fürchtet vor Heiden,
vor Räubern, vor bösem Geist, oder um eines Kranken willen, damit
er einschlafe, ist frei. Geschieht es aber, um die Lampe, das Öl
oder den Docht zu schonen, so ist er schuldig. R. Jose spricht ihn
in jedem Falle frei, außer in betreff des Dochtes, weil er dadurch
gleichsam eine Kohle bereitet.« »Man darf ein Gefäß zum Auffangen der
Funken unter die Lampe setzen, aber nicht Wasser hineintun, weil man
dadurch löscht.« Daß man eine Feuersbrunst am Sabbat nicht löschen
durfte, versteht sich von selbst.

Die Gesetzeshüter dehnten ihre Verbote auch auf Handlungen aus,
die nur möglicherweise eine Sabbatverletzung herbeiführen konnten.
Demnach eine Analogie zum berühmten dolus eventualis unserer Richter:
»Der Schneider gehe bei einbrechender Dunkelheit nicht mit einer
Nadel aus; denn er könnte vergessen und (nach Eintritt des Sabbat)
damit ausgehen. Auch nicht der Schreiber mit einem Rohre.« Ferner
ist es am Sabbat verboten, bei Lampenlicht zu lesen, oder Kleider
von Ungeziefer zu reinigen. Beides sind nämlich Handlungen, bei
denen helles Licht besonders nötig ist, daher liegt die Versuchung
besonders nahe, die Lampe zu neigen, um ihr mehr Öl zuzuführen.
Das wäre aber ein Verstoß gegen das Verbot des Feueranzündens. Dem
Schullehrer ist zwar gestattet zuzusehen, wie Kinder bei Licht
lesen, er selbst darf es aber nicht.

Ein Arzt darf am Sabbat einem Kranken nur Beistand leisten, wenn
Lebensgefahr vorhanden ist. R. Matthija ben Charasch erlaubt sogar
einem an Halsschmerzen Leidenden am Sabbat Heilmittel in den Mund
zu tun, weil es vielleicht lebensgefährlich sein könnte. Dies
wird jedoch nur als Ansicht dieses einen Gelehrten und keineswegs
als allgemein gültig angeführt. Jedenfalls darf der Arzt nur bei
Lebensgefahr helfen: »Man darf nicht einen Bruch (eines Gliedes)
wieder einrichten. Wer sich die Hand oder den Fuß verrenkt hat, darf
sich nicht mit kaltem Wasser begießen.« Daher auch die Anfeindungen
Jesu durch die Pharisäer wegen seiner Krankenheilungen am Sabbat!

Auch die jüdischen Soldaten beobachteten die Sabbatruhe gewissenhaft.
So ließ sich am Anfang der makkabäischen Erhebung eine Schar von
Gesetzestreuen lieber bis auf den letzten Mann niedermachen, als
daß sie zum Schwert gegriffen hätte. Von da an beschloß man auch am
Sabbat das Schwert zu gebrauchen, jedoch nicht zum Angriff, sondern
nur zur Verteidigung.

Daß die Gesetze über Reinheit und Unreinheit mindestens ebenso
sophistisch waren, wie die über die Sabbatruhe, ist hinlänglich
bekannt. Uns genügen die mitgeteilten Beispiele[2].

Doch zurück zur Scholastik!

Man wird zur Entschuldigung dieses Unsinns ins Treffen führen, daß
nur wenige Jahrhunderte, besonders die zweite Hälfte des 11., das 12.
und 13., ihn kultivierten. Nun wäre es ja an sich schon hinlänglich
betrübend, wenn zweieinhalb Jahrhunderte lang -- tatsächlich
herrschte die Scholastik ja die doppelte Zeitdauer, wenn auch nicht
so absolut, wie von etwa 1050 bis 1300 -- die fähigsten Köpfe der
Christenheit nichts besseres zu tun gehabt hätten, als leeres Stroh
zu dreschen. Aber selbst diese lahme Entschuldigung ist nicht
stichhaltig. Denn wie man bereits im 5. Jahrhundert in Konstantinopel
an allen Straßenecken über Dogmatik, über Gottähnlichkeit und
Gottgleichheit disputiert hatte (vgl. Kultur-Kuriosa I, S. 180), so
hatte man auch schon Jahrhunderte früher im Abendlande diesem müßigen
Sport gehuldigt.

So zerbrechen sich im 9. Jahrhundert -- um nur ein Beispiel zu
nennen -- Nonnen den Kopf darüber, ob Maria geboren habe, wie andere
Frauen. Die Frage wurde in allen Details behandelt, was der Ausmalung
geschlechtlicher Dinge den weitesten Spielraum ließ. Als nun nach
Alt-Corvey die Kunde kam, gewisse Leute wagten zu lehren, Maria
habe trotz der übernatürlichen Empfängnis Jesus ebenso geboren, wie
andere Frauen ihre Kinder, erhob sich das lauteste und heftigste
Geschrei über diese Häresie. _Paschasius Radbertus_ und _Ratramnus_,
beides Autoritäten, widersprachen mit leidenschaftlichem Eifer.
Man schuf eine Physiologie des Irrsinns, um die Jungfrauschaft der
Gottesgebärerin aufrecht erhalten zu können[3].

Das war im finstersten Mittelalter! wird man einwenden. Nun, gar so
finster war in mancher Hinsicht das 9. Jahrhundert gar nicht, wie
die Entscheidung Karls des Großen gegen den Bilderdienst oder die
Schriften des Erzbischofs _Agobard von Lyon_[4] beweisen, der sich
gegen das Wettermachen der Hexen u. a. wendet. Aber immerhin sei
zugegeben, daß die Menschen von damals noch sehr barbarisch dachten,
ihre Kenntnisse gering waren, ihre Frömmigkeit kindlich.

Die Scholastik verbunden mit widerlicher Frömmelei, saß unsern
Altvordern noch Jahrhunderte lang so tief in den Knochen, daß
sich auch die Poesie von ihr nicht freimachen konnte. Der neue
Meistergesang des ausgehenden 15. Jahrhunderts, der in Nürnberg seine
Wiege hatte, schuf nicht nur eigene Töne mit eigenen Namen, sondern
war auch anscheinend bestrebt, den Gesängen einen neuen Inhalt zu
geben. Aber das war nicht so einfach, denn die älteren Meister zum
mindesten konnten auf die scholastischen Grübeleien und auf die
Metaphysik nicht verzichten. Besonders wurden kirchliche Dogmen und
kirchliche Traditionen als Gegenstand der Poeterei erkoren.

Was dabei herauskam, läßt sich denken. Sang man doch in
scholastischer Weise mit allen Künsten der Dialektik, aber natürlich
mit steter Unterordnung unter die kirchliche Lehre, über so
hochpoetische Themen wie: Wo Gott gewesen, ehe die Welt geschaffen
war. Wie das Verhältnis der drei Personen in der Trinität beschaffen
sei. Wie sich die Gottheit von ihrem eigenen Geschöpf habe gebären
lassen können. Wie es möglich gewesen, daß die Geburt Gottes des
Sohnes mit der Unbeflecktheit der Jungfrau sich habe vereinigen
lassen. Wie die Ubiquität Gottes des Sohnes im Sakrament des
Altars zu fassen sei. Selbst Hans _Folz_, der ja als Neuerer des
Meistergesanges auftrat, beschäftigte sich in vielen Gedichten
ganz in althergebrachter Weise mit diesen Dingen. Von den übrigen
Meistern der Schule aber, soweit ihre Gedichte mit Wahrscheinlichkeit
ermittelt werden können, hat sich kaum einer mit einem andern
Gegenstande befaßt[5].

So weit kann also eine gelehrte Dummheit von ihrer Zeit Besitz
ergreifen, daß selbst die Poesie keinen andern Stoff findet, als
diesen schon für prosaische Behandlung zu langweiligen, und daß die
Rechtgläubigkeit und dogmatische Korrektheit höher gewertet wird, als
freischaffende Phantasie!

Doch das ist ja alles noch Mittelalter, wird man einwenden.

Was aber sagt der unverbesserliche Lobredner menschlicher Intelligenz
zu Schriften, die vor wenigen Jahrhunderten, ja noch an der Schwelle
der Gegenwart im gleichen Geiste abgefaßt wurden? Was dazu, wenn er
erfährt, daß es sich um _protestantische_ Theologen handelt, denen
man ja geneigt ist gegenüber ihren katholischen Amtsbrüdern eine
gewisse geistige »Freiheit«, ein größeres Anpassungsvermögen an die
realen Bedürfnisse des Lebens, an den Zeitgeist, nachzurühmen? Sehen
wir uns diese Literatur einmal an!

»Schriftmäßige Abhandlung von dem _Dienste der Engel bey den
Eheverbindungen der Frommen_, über Gen. XXIV, 7 und 40 ...« heißt
eine Broschüre, die im Jahre 1753 in Altenburg aus der Feder des
Gymnasialprofessors Salomon _Ranisch_ erschien. Er beweist nicht
nur aus der Bibel sein Thema für die Vergangenheit, sondern spricht
auch die Meinung aus, daß noch heute Engel als Heiratsvermittler
fungieren. Allerdings nur bei Frommen.

Dieses Thema schien den Theologen so bedeutend, daß der gräflich
Schönbornsche Konsistorialprofessor Christoph _Haymann_ im gleichen
Jahre in Waldenburg eine Abhandlung erscheinen ließ, von deren schier
endlosem Titel wir den Anfang zitieren »Zufällige Gedanken über
des Hochedlen und hochgel. M. Salomon Ranischens, des Hochfürstl.
Sächsis. Gymnasii illustris in Altenburg hochverordneten Professors
...« Hier wird der Abhandlung zwar Beifall gezollt, jedoch
bezweifelt, ob der Beweis zwingend dafür erbracht sei, daß der
Engel, der Elieser auf seiner Reise unterstützte auch den gemessenen
Befehl gehabt hätte ihm beim Vermählungsgeschäft behilflich zu sein.
Er glaubt vielmehr, daß Gott selbst die Umstände und Herzen der in
Frage kommenden Personen nach dem Wunsche Eliesers gelenkt habe. Auch
fehle der zwingende Beweis dafür, daß Isaak durch eine Erscheinung,
Botschaft oder Anzeige des Engels bestimmt worden sei der Rebekka
entgegenzugehen.

Der Fall wird mit größtem Scharfsinn und natürlich auch unter
Zurückgreifen auf den hebräischen Urtext geprüft. Das war aber auch
nötig, denn Salomon Ranisch antwortete in einem »_Sendschreiben_
an den Hochehrwürdigen, hochachtbaren und hochgelahrten Herrn M.
Christoph Heymann (sic!) usw.« Altenburg 1754.

Er meint es trage die »Schwäche des menschlichen Verstandes« Schuld
an der Gleichgültigkeit der Ausleger, die der Tätigkeit des Engels
bei der Vermählung Isaaks nicht die nötige Beachtung geschenkt
hätten. Vielleicht hätten sie unter dem Engel den unerschaffenen
Engel des Bundes verstanden, vielleicht auch sich den Schein der
Gelehrsamkeit beigelegt, als ob die Interpretation der Tätigkeit des
Engels so leicht sei, daß man stillschweigend darüber hinweggehen
könne. Ihm aber sei ein Licht aufgegangen durch die Vorlesungen des
Professor _Crusius_, der dozierte, daß Gott die Welt regiere teils
durch den Lauf der Natur, teils durch die Hilfe der Wunder, teils
aber auch durch den Dienst der Engel. Wenn es ihm auch ferne läge
zu bestreiten, daß der Engel die Aufgabe hatte Elieser auf seiner
Reise zu beschützen, so seien wir doch auch gezwungen, ihn als »einen
Beystand der gestifteten Ehe« anzusehen. Das beweist er denn auch
philologisch. Ja, der Engel sei sogar mit dem Messias identisch. Weit
entfernt sich widerlegen zu lassen, ist Ranisch der Ansicht, daß
gerade diese Ehegeschichte ein wunderschönes Beispiel dafür sei, daß
_Gott durch den Dienst der Engel die Ehen der Frommen stifte_[6].

       *       *       *       *       *

In der Abhandlung »_Adam der erste Vasall_« erbringt Joh. Dan. _von
Hoven_ (Lingen 1753) den Beweis, daß das _Paradies ein Lehen war_,
mit dem _Gott als Lehnsherr Adam als ersten Vasall_ belehnt hatte.

Der Lehnsherr Gott, zugleich unumschränkter Landesherr, führt einen
doppelten Namen im Hebräischen in diesen seinen beiden Eigenschaften.
Der Lehnsherr wird eigentlich Herr genannt, nicht sowohl weil er
die Oberherrschaft sich vorbehalten wollte, als wegen der Treue und
Pflichten, die der Vasall ihm zu leisten schuldig ist. Der an einen
Lehnsherrn zu stellenden Forderung, daß er freie Verfügung über die
zu vergebenden Güter habe, entspricht Gott durchaus. Er handelte
jedoch weniger als kontrahierende Partei, denn aus freiem und
unumschränkten Wohlgefallen.

Was nun Adam betrifft, so ist er namentlich benannt. Er ist als
Vasallus capitaneus zu betrachten, das Weib aber nur als Valvasor.

Das Lehensgut ist ein unbewegliches Grundstück, das aus besonderer
Gnade verliehen wird und eigentlich weder ge- noch verkauft werden
darf. Ein solches beneficium war der Garten Eden: a) er war ein
unbewegliches Grundstück, b) der Mensch hatte aus sich selbst kein
Recht darauf, sondern c) es lediglich aus Gnade erhalten und zwar
d) für sich und seine Leibeserben e) mit allen Regalien, f) sowohl
geistlichen als weltlichen. Zwar hatte Gott dem Menschen erlaubt sich
die Erde untertan zu machen, dabei aber den Garten Eden ausdrücklich
abgesondert und für sich selbst vorbehalten. Es handelt sich hier
also um ein Lehn in curte oder territorio des Landesherren und damit
zugleich ein feudum ligium.

Die Belohnung geschieht durch Einräumung, tätliche Einführung und
Übergebung des Grundstückes vom Herrn an seinen Vasallen im Beisein
wenigstens zweier Zeugen, wogegen sich der Vasall durch den Lehnseid
seinem Herrn verpflichtet, was jedoch auch erlassen werden kann. Die
Einsetzung erfolgt nach Gen. II, 8 und 15 ordnungsgemäß vermutlich in
Gegenwart einiger Engel, da diese auch bei der Austreibung anwesend
waren. Fehlte auch der Lehnseid, wie ja zulässig, so empfing Adam
doch Instruktionen bezüglich seiner Dienstpflichten, nämlich den
Garten zu bebauen und zu bewahren. Auch war das Servitut auferlegt
vom Baum der Erkenntnis nichts zu essen bei Verlust des Lehens.
Dieser erfolgte ganz rechtmäßig wegen eines crimen feloniae -- das
unerlaubte Essen und Verhandlungen mit der Schlange als Feindin
des Lehnsherren -- und crimen lesae majestatis, da er bei der
Untersuchung den Lehnsherren selbst beschuldigte[7].

       *       *       *       *       *

Im Jahre 1756 erschien in Jena »Johann Georg _Walchs D. Abhandlung
vom Glauben der Kinder im Mutterleibe_, aus dem lat. ins deutsche
übersetzet und mit Anmerckungen erläutert von M. Adam Lebrecht
Müller« in zweiter Auflage!

Diese wenn auch nicht lesenswerte, so doch sicherlich gelesene
Untersuchung stellt fest, daß gar kein Zweifel darüber bestehe, daß
getaufte, in zarter Kindheit sterbende Kinder des ewigen Lebens
teilhaftig werden. Wie aber, wenn Kinder sterben, deren Eltern
keine Christen sind? Die Ansichten über das Schicksal ihrer Seelen
weichen voneinander ab. Der Verfasser hält dafür, daß sie infolge
der Erbsünde der ewigen Seligkeit verlustig gehen. Kinder aber von
christlichen Eltern erlangen die ewige Seligkeit auch wenn sie
ungetauft sterben, wofern die Taufe unmöglich war. Aber wie läßt sich
das begründen? Höchst einfach! Da es unmöglich wäre ihnen das ewige
Leben zu verleihen ohne Glauben, aber unbillig sie unverschuldet der
Verdammnis zu überliefern, so folgt daraus, daß »_Gott den Glauben in
den Kindern, da sie noch im Mutterleibe sind bewirkt_!« Er kann das
nach Matth. XIX, 26 und Luk. I, 37 tun. Von Johannes wird Luk. I, 15
sogar ausdrücklich erzählt, daß er noch im Mutterleibe vom heiligen
Geist erfüllt wurde. »Wir finden Exempel solcher Kinder, welche Gott
bereits im Mutterleibe zu heiligen Ämtern ausersehen hat. Jer. I, 5.
Gal. I, 15 sqq. Also kann Gott im Mutterleibe heiligen[8].«

       *       *       *       *       *

Ein Thema, dessen Aufwerfung nicht geringere Intelligenz erfordert,
als seine Beantwortung, behandelt der Prediger Johann Friedrich
_Wachsmann_ in seiner 1751 zu Helmstedt erschienenen Schrift betitelt
»Untersuchung der Frage, _warum Gott den gefallenen Engeln keinen
Erlöser gegeben habe_?«

Er geht mit bewundernswertem Scharfsinn zu Werke, wenn er nach
der Feststellung, daß viele Engel durch eigene Schuld in Sünde
fielen, im Gegensatz zu den verführten Menschen, schließt, daß es
also keineswegs unmöglich wäre, sie durch einen Erlöser daraus zu
befreien. Und zwar weder unmöglich bei Gott, da dieser ja allmächtig,
noch beim Erlöser. Denn diese Unmöglichkeit müßte entweder darin
bestehen, 1. daß der Sohn Gottes, ob er sich gleich mit der
menschlichen Natur habe vereinigen können, doch unvermögend gewesen,
die Natur der Engel anzunehmen und sie zu erlösen. Oder 2. daß,
weil die englische Natur trefflicher sei, als die menschliche der
Sohn Gottes eine Unmöglichkeit gefunden habe, die englische Natur
anzunehmen; oder 3. daß, weil die Sünde der gefallenen Engel größer,
als die Sünden der Menschen gewesen, es dem Sohne Gottes unmöglich
gefallen, für ihre Sünde eine vollkommene Genugtuung zu leisten, wenn
er auch ihre Natur angenommen hätte; oder 4. daß außer der Annahme
der englischen Natur, wenn sie unmöglich gewesen wäre, sonst kein
anderer Weg auf seiten des Erlösers habe sein können, die gefallenen
Engel aus ihrem kläglichen Elende zu erlösen.

Nun ist es klar, daß sowohl Gott, als auch dem Erlöser das alles sehr
wohl möglich gewesen wäre. Gab also Gott den gefallenen Engeln keinen
Erlöser, so kann nur sein Wille, nicht sein fehlendes Können, daran
schuld gewesen sein.

Aber warum wollte Gott nicht?

Die Antwort würde uns sehr schwer fallen, uns schlaflose Nächte
verursachen, vielleicht uns ein Gemütsleiden zuziehen, hätte nicht
Herr Pastor Wachsmann auch sie richtig gefunden.

Ja, warum wollte Gott nicht? Er wollte nicht entweder aus Güte, oder
aus Gerechtigkeit, oder aus Heiligkeit! Der Verfasser entscheidet
sich für die letztere. Und er hat mit seiner Motivierung recht:
Eigentlich wollte er ja den gefallenen Engeln einen Erlöser geben,
unter der Bedingung, daß sie glaubten. Aber er sah bei seiner
Allwissenheit vorher, daß sie das ganz und gar nicht tun würden, und
deshalb unterließ er es.

Zu dieser hochaktuellen Untersuchung von unabsehbarer praktischer
Bedeutung hat der hochwürdige Herr Abt _Schubert_ eine Vorrede
geschrieben, die zugleich eine kritische Würdigung ist.

Zwar ist er der Ansicht, daß es zur Seligkeit nicht nötig sei zu
wissen, warum Gott den bösen Engeln keinen Erlöser sandte, nachdem
aber der Rostocker Gottesgelahrte D. Johann _Fecht_ in seinen
Noctibus Christianis p. 359-887(!!!) weitläufig untersucht habe,
_ob Christus unter allen Menschen die schönste Gestalt habe_?,
billigt er die Frage. Hat doch schon der hl. Augustinus (Enchirid
c. 29. Opp. Tom. VI. p. 207) die Ansicht ausgesprochen, Gott habe
deshalb den gefallenen Engeln keinen Erlöser gesandt, weil das ganze
Menschengeschlecht, aber nur ein Teil der Engel gefallen sei, ein
Verlust, der durch die Anzahl der erlösten und auserwählten Menschen
wieder habe ersetzt werden müssen! Auch der hl. Gregorius (Lib. IX
Moral c. 28) hat sich zu dieser wichtigen Frage geäußert, desgleichen
Bernhard (in Tr. de grad. hum. p. 975). Wenn auch Wachsmanns
Ausführungen im allgemeinen zuzustimmen sei, so müsse doch bedacht
werden, daß die gefallenen Engel nur deshalb so verstockt seien und
an den Erlöser nicht glauben würden, weil sie wüßten, daß sie auf
ewig verdammt sind. Trotzdem wäre Gott auch die Erlösung dieser
hartgesottenen Sünder möglich gewesen, jedoch nur durch unendliche
Leiden seines Sohnes. Und da Christus sich dazu nicht freiwillig
erbot, wollte Gott ihn nicht zwingen. Zudem wäre ihre Erlösung »ein
unnützes und überflüssiges Werk« gewesen. Und so etwas macht Gott
nicht.

Der Herr Abt schließt sein Gutachten mit der Hoffnung, es mögen sich
noch viele »geschickte und gelehrte Männer« dadurch veranlaßt sehen,
»solche Fragen in der Theologie zu untersuchen, die bisher noch nicht
hinlänglich entschieden worden, damit das Licht unserer Erkenntnis
zum Preis der göttlichen Majestät immer klarer und heller gemacht
werde«[9].

       *       *       *       *       *

Die _Gründe, aus denen Kain von Abel erschlagen wurde_, ließen die
Theologen nicht schlafen. Doch die Erleuchtung blieb nicht aus. Man
fand, daß _religiöse Differenzen_ den Brudermord verursacht hätten.
Kain hätte behauptet, daß es weder ein ewiges Leben, noch Belohnung
für die guten und Bestrafung für die bösen Taten gäbe, daß die Welt
nicht durch Gottes Barmherzigkeit erschaffen worden sei usw. Abel
widersprach und da ihm bessere Argumente fehlten, tat er, was man in
solchen Fällen noch heute den Freidenkern gegenüber gern tun würde,
er erschlug den gläubigen Bruder[10]!

       *       *       *       *       *

M. Joh. Jacob _Plitts_ »Vernunft und Schriftmäßige Gedanken über
_diejenigen Menschen, welche bald nach ihrem Tode wieder auferwecket
und größtentheils zweymahl gestorben sind_«, Marburg 1752,
repräsentieren vielleicht einen noch höheren Grad gelehrter Dummheit.

Diese schon durch ihren Titel -- man beachte das »größtenteils
zweimal gestorben!« -- beachtenswerte Untersuchung befaßt sich
auch mit der hochwichtigen Frage, _wo die Seelen der Auferweckten
gewesen sind_. »Die Gottesgelahrten haben es vor die schwerste Frage
dieser Sache gehalten, wo denn die Seelen dieser Verstorbenen bis zu
der Zeit, da sie wieder auferwecket sind, geblieben wären? Die hl.
Schrift redet von zwei Orten nach dem Tode, und versichert, daß aus
der Hölle keine Erlösung sey, und wer einmahl in dem Himmel ist, auch
ewig darinne bleibe ... Die Schwierigkeiten werden am glücklichsten
gehoben, wenn man annimmt, daß diese Seelen bis zur Auferweckung in
ihren Leibern geblieben, ob sie gleich keine weitere Gemeinschaft mit
denselben gehabt haben. 1. Diese Meynung hat nichts widersprechendes,
und ist also möglich: denn die räumliche Trennung der Seele von dem
Leibe gehöret nicht zu dem Wesen des Todes nothwendig; 2. es stimmt
weit besser mit den göttlichen Vollkommenheiten, wenn die Seelen, die
bald wieder mit ihrem Cörper haben sollen vereiniget werden, nicht
an einem besonderen Ort versetzet worden. Die Ursachen, warum die
Seelen gleich nach der Trennung von ihren Leibern an einen gewissen
Ort versetzet werden, fielen weg, und den Menschen würde es schwer
werden, eine Ursache zu entdecken, warum Gott die Seelen der zweymahl
Verstorbenen auf eine so kurtze Zeit aus ihrem bisherigen Orte in
einen andern sollte versetzet haben, in welchem sie natürlicher Weise
nach dem Tode des Leibes geblieben wären. Ueberdies häuffet Gott
die Wunder nicht ohne Noth, sondern wählet immer den kürtzten Weg,
einen gewissen Endzweck zu erreichen. Es war also ein kürtzer Weg,
wenn die Seelen in ihren Cörpern blieben, als wenn sie in den Himmel
versetzet, und kurtz hernach wieder mit dem vorigen Leibe vereiniget
würden«[11].

       *       *       *       *       *

Welcher fromme Christ fürchtet nicht das jüngste Gericht, das Ende
aller Dinge? Vor allem, daß es ihn nicht wachend und betend ereilt?
Da ist es natürlich von ungeheurem praktischen Werte, annähernd zu
wissen, wann dieses schreckliche Ereignis eintrifft. Bekanntlich
glaubte man im Jahre Tausend unserer Zeitrechnung nunmehr sei alles
aus, und in diesem Glauben wanderte der fromme Kaiser Otto III.,
das Weltwunder, nach Gnesen. Die Adventisten leben in unseren Tagen
noch der Meinung, daß die Katastrophe plötzlich hereinbrechen könne.
Wie töricht! Hat doch schon längst M. Gottfried _Büchner_ die Frage
in durchaus befriedigender Weise gelöst und dadurch jeden wahrhaft
Frommen von einem schweren Alb befreit.

Zu Jena erschien im Jahre 1751 die Abhandlung »_Daß der jüngste Tag
und das Ende der Welt gewiß aber noch lange nicht komme_, suchet aus
der Schrift und Vernunft zu beweisen M. Gottfried Büchner«.

Die Beweisführung ist durchaus zwingend. Wenn auch der gelehrte
Verfasser sich nicht getraut, das Jahr oder gar Tag und Stunde des
jüngsten Tages genau anzugeben, so weist er doch mit Recht auf
Habakuk III, 2 hin, wo es heißt »Herr ich habe dein Gerücht gehöret,
daß ich mich entsetze; Herr du machest dein Wort lebendig mitten in
den Jahren und lässest es kund werden mitten in den Jahren.« Nun
ist es ja evident, daß das lebendig gewordene Wort Gottes Christus
ist. Da es mitten in den Jahren kommt, d. h. in der Mitte zwischen
Schaffung und Untergang der Welt, so ist es nicht allzuschwer, den
letzteren Termin zu bestimmen. Wissen wir doch, daß Christus etwa im
Jahre 4000 nach der Schöpfung auftrat. Wir können daraus folgern, daß
der jüngste Tag 4000 Jahre nach ihm eintritt, haben also noch über
2000 Jahre Zeit, uns unseres Lebens und unserer Sünden zu freuen. Und
das wollen wir hiermit auch tun[12]!

       *       *       *       *       *

Die für das Seelenheil nicht minder wertvolle, als für jene wahre
Wissenschaft, die wir alle erstreben, notwendige Frage, ob die _Erde
im Herbst oder im Frühjahr geschaffen wurde_, ließ begreiflicherweise
die Theologen nicht zur Ruhe kommen. Schon die alte Kirche hatte
sich mit ihr befaßt. Nach der großen Glaubensspaltung lieferten
orthodoxe Katholiken, Lutheraner und Calvinisten etwa in gleicher
Stärke Verteidiger der einen, wie der anderen Meinung. Die meisten
Katholiken treten zwar für die Erschaffung im Frühjahr ein, so auch
_Cajetan_, _Molina_, _Valentia_, _a Lapide_, _Tornielli_ usw.,
aber auch große Autoritäten, wie _Arias_, _Montanus_, _Pererius_,
_Mesenne_ und _Petavius_ entscheiden sich für den Herbst. Von
lutherischen Theologen sind sich _Luther_, _Melanchthon_, _Agid.
Hunnius_, _Joh. Gerhard_, _Somson_, _Gottfried Wegner_ u. a. darin
einig, daß die Erschaffung der Welt nur im Frühjahr stattfinden
konnte, während der berühmte Leipziger Chronologe _Calvisius_ ([+]
1617), _Abrah. Calov_, _Strauch_, _Runge_, _Walther_ usw. gute
Gründe für die andere Jahreszeit hatten. Auch unter den Reformierten
gab es bedauerlicherweise zwei Lager: _Alsted_, _Polanus_, _L.
Capellus_, _G. J. Vossius_, _Jul. Caesar Scaliger_ und _Pareus_
brachen für den Frühling Lanzen, während _Danäus_, _Zanchius_,
_Piscator_, _Voetius_, _Maresius_, _Burmann_, _Heidegger_,
_Turretin_ usw. die Ehre des Herbstes als Weltschöpfungstermin
verteidigten. Es war ein harter Kampf, um so mehr, als der berühmte
Kartograph _Mercator_ ([+] 1594) berechnet hatte, daß die Welt nur
im _Hochsommer_ entstanden sein konnte. Natürlich fand auch diese
wissenschaftliche Erkenntnis ihre Anhänger, wenn auch nicht viele.
Noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts hatten sich die Gemüter nicht
beruhigt, wie die damals erschienene Schrift des Geraer Rektors
_Hogel_ beweist, der herausgerechnet hatte, daß _Gott am 26. Oktober
abends zu schaffen angefangen hatte_[13].

Hauptsächlich in reformierten Kreisen herrschte
Meinungsverschiedenheit darüber, ob der Schöpfungsakt Gottes jedesmal
den ganzen _Zeitraum von 24 Stunden_ einnahm oder ob er in kürzerer
Zeit fertig wurde oder ob er -- wozu besonders die strenge Orthodoxie
neigte -- mit einem Schlage und ohne jeden Zeitaufwand erfolgte.
Zwischen den Lutheranern aber gab es Differenzen über den Zeitpunkt,
in denen _die Engel erschaffen_ wurden: ob er auf den _ersten oder
zweiten Schöpfungstag_ zu legen sei oder ob man ihn ganz unbestimmt
lassen müsse[14].

       *       *       *       *       *

Der Lübecker Generalsuperintendent August _Pfeiffer_ ([+] 1698),
ein durch seine wissenschaftlichen Arbeiten bekannter Theologe,
ließ unter dem Titel »Pansophia Mosaica e Genesi delineata,
d. i. _Grundriß aller Weisheit darinnen aus dem 1. B. Mosis alle
Glaubensartikul; die Widerlegung der Atheisten, Heiden, Juden,
Türcken, und aller Ketzer; alle Disciplinen in allen Facultäten;
der Ursprung aller Sprachen; der Extract von allen Historien,
Antiquitäten und Curiositäten; alle Professiones, Handwerke und
Handthierungen; alle Tugenden und alle Laster; aller Trost kurz und
deutlich gewiesen werden_« (Leipzig 1685), ein Werkchen in Duodez
erscheinen, das selbst unter den an Albernheit gewiß den höchsten
Ansprüchen genügenden theologischen Untersuchungen noch einen
Ehrenplatz einnimmt. Er führt den Nachweis, daß das 1. Buch Mosis
der Inbegriff aller göttlichen und menschlichen Weisheit ist und
findet darin u. a. sogar die sämtlichen 28 Artikel der Augsburger
Konfession. Auch alle Rechtswissenschaft, Medizin, Philosophie,
Redekunst haben hier ihre Wiege.

Pfeiffer ist ganz und gar nicht verwaist unter den gelehrten
Dummköpfen. So schrieb _Dorsch_ eine Theologia Zachariana
(1637), _Majus_ eine Theologia Jeremiana (1696), _Bebel_ eine
Daniel-Theologie und _Hinckelmann_ vier Jahre später (1687) eine
Hiob-Theologie. Den Vogel aber schießt _J. Deutschmann_ ab mit der
Schrift »_Theologie Adams, des ersten wahren Lutheraners_« (Theologia
primi theologi Adami vere Lutherani, Wittenberg 1689)[15].

       *       *       *       *       *

Wenn Naturvölker, Zeiten, die vom Naturgeschehen noch keine richtige
Vorstellung haben im Erdbeben mit seinen Schrecken einen Eingriff
Gottes in den Lauf der Natur erblicken, daraus sein Grollen entnehmen
wollen, so werden wir das für Unwissenheit, nicht aber für Dummheit
halten können. Wie aber, wenn im aufgeklärten 18. Jahrhundert in
einer Abhandlung, die die natürlichen Ursachen der Erdbeben durchaus
nicht bestreitet, ein Diakon Johann Christian _Leo_ in seiner Predigt
»_Die Offenbahrungen Gottes im Erdbeben_«, Weißenfels 1757, darlegt,
daß _Gott im Erdbeben seine Gerechtigkeit und Güte offenbart_! Wie
völlig alles Verstandes beraubt muß eine Konfession oder Zeit sein,
die nach der schrecklichen Katastrophe von Lissabon und unter deren
unmittelbarem Eindruck solche Folgerungen ziehen kann[16]!

Wenn irgend etwas den Beweis zu liefern vermag, daß der blinde
Bibelglaube die Vernunft lähmt und dadurch verdummt, so ist es
zweifellos ein Symptom wie dieses: unter allen Umständen ist ein
Eingriff Gottes in das Naturgeschehen eine gute Handlung. Wir sehen
zwar das genaue Gegenteil, aber da Gott alle guten Eigenschaften hat
und Vater der Menschen ist, so trügen uns eben Augen und Verstand!
Betrachten wir nun des Näheren die lähmende Rolle, die dieser
Bibelglaube spielt, zumal, wenn er noch durch den an die unfehlbaren
Interprätationen der Autoritäten gestützt wird!

       *       *       *       *       *

Die Frage von der Existenz der _Antipoden_ gehört zu den wenigen
wissenschaftlicher Art, die die alte Kirche beschäftigten. Da
die Manichäer zufällig das Richtige trafen, widersetzen sich die
Kirchenväter ihrer Ansicht, waren doch die Manichäer als Ketzer
verdammt. Der Mönch _Cosmas_, der zu Beginn des 6. Jahrhunderts in
Alexandrien lebte, hatte in seiner »Topographia Christiana«[A] die
Resultate seiner weiten Reisen niedergelegt, sowie eingehend Stellung
genommen zum Verhältnis der Wissenschaft zur Bibel. Er bestreitet die
Existenz der Antipoden, und zwar aus folgenden zwingenden Gründen:

Da der Schöpfungsbericht der sechs Tage mit den Worten schließt
»Dies ist das Buch des Ursprungs von Himmel und Erde« (Genesis 2,
4) meint Cosmas, wenn die Lehre von den Antipoden richtig wäre,
dann würde der Himmel die Erde umschließen und es hätte daher nur
zu heißen brauchen: »Dies ist das Buch des Ursprungs des Himmels.«
Da es nun kaum einen biblischen Schriftsteller gibt, der sich nicht
des Ausdruckes »Himmel und Erde« zur Bezeichnung des Universums
bedient, so war das von Cosmas angeführte Argument von größter
Beweiskraft. Setzte es ihn doch in die Lage, als Gewährsmänner gegen
die Existenz der Antipoden _Abraham_, _David_, _Hosea_, _Jesaja_,
_Sacharia_, _Melchisedek_ usw. anzuführen. Autoritäten beweisen aber
ja bekanntlich noch heute und besonders war das damals der Fall.

Aber Cosmas hat damit seine Beweismittel noch keineswegs erschöpft.
Da es in der Bibel heißt, die Erde stehe auf ihren Pfeilern fest,
was zum mindesten schließen lasse, daß sie nicht in der Luft schwebe,
da ferner Paulus sagt (wenigstens wie Cosmas aus den phantastischen
Erklärungen von Hebr. VIII, 1, 2, IX, 1, 2, 11, 12, 24 folgert), alle
Menschen seien geschaffen, um auf dem Antlitz der Erde zu leben,
woraus deutlich hervorgeht, daß sie nicht auf mehr als einem Antlitz
oder gar auf ihrem Rücken leben, so müsse ein Christ »nicht einmal
von Antipoden sprechen«.

Daß die Beweise des Cosmas, gestützt auf Bibel und Autoritäten, nicht
minder auch durch den Antagonismus gegen die Manichäer, allgemeine
Anerkennung finden mußten, ist selbstverständlich. Selbst ein
_Bonifacius_, ermutigt vom Papst _Zacharias_, fand es nicht unter
seiner Würde, in dieser Sache die Sturmfahne gegen den Irländer _St.
Virgilius_ zu führen, als dieser es gewagt hatte, um die Mitte des
8. Jahrhunderts in Bayern die Existenz der Antipoden zu behaupten.
Man bannte 748 diesen später heilig gesprochenen Abt von St. Peter in
Salzburg, späteren Bischof, der trotz seiner Irrlehre dazu berufen
war, Kärnten und Steiermark zu christianisieren. Übrigens wurden
auch noch in späteren Jahrhunderten Verteidiger der Antipodenthese
von päpstlicher Seite verdammt, während _Albertus Magnus_, _Dante_
und andere ungestraft die gleiche Ansicht vertreten durften. Im 14.
Jahrhundert wurden wegen der Antipodenlehre noch _Pietro d'Abano_
bestraft, _Cecco d'Ascoli_ als Greis verbrannt. Aber selbst noch
zur Zeit Heinrichs des Seefahrers, als die großen atlantischen
Entdeckungen doch schon begonnen hatten, konnten sich noch Männer wie
der Kardinal _d'Ailly_ auf Grund der Bibel gegen Antipoden erklären,
ja ein _Columbus_ mußte sich von den Theologen Salamancas darüber
belehren lassen, daß die Annahme bewohnter Länder auf der anderen
Erdhälfte gegen Schrift und Kirchenväter verstoße[17].

       *       *       *       *       *

Unter dem Titel »Systema Theologicum ex Prae-Adamitarum Hypothesi«
erschien im Jahre 1655 von dem französischen Protestanten _La
Peyrère_ ein Werk, das verdienstvoll genannt werden muß durch
die Kritik, die es an der biblischen Geschichte übt und mit der
es versucht Widersprüche zwischen Wissenschaft und Bibel dadurch
aufzuklären, daß es die ganze vorsintflutliche Geschichte lediglich
auf das jüdische Volk beschränkt wissen will. Sehr merkwürdig sind
nun einzelne Fragen, die er in diesem Bestreben aufwirft: Warum
hütete Abel die Schafe, da es doch keine Diebe gab? Wo nahm Kain die
Waffe her, mit der er seinen Bruder tötete?

Daß in der Bibel zwei Schöpfungsgeschichten miteinander verquickt
sind, was zu Widersprüchen führt, war ihm nicht entgangen und kommt
ja auch z. B. klar in Kains Furcht weiter zu wandern zum Ausdruck, da
er nicht von jemand getötet zu werden Gefahr laufen wollte.

Nun ist es gewiß kein Wunderwerk der Intelligenz, daß noch am Ende
des 18. Jahrhunderts gestützt auf diese aus der Bibel zu folgernde
Schöpfung anderer Menschen unabhängig von der Adams das irländische
Parlamentsmitglied _Dobbs_ die Existenz einer nicht von Adam
stammenden Menschenrasse nachdrücklich verteidigt und die _Neger
auf eine Ehe Evas mit dem Teufel zurückführt_! In Amerika geschah
dasselbe zur Verteidigung der Negersklaverei[18].

       *       *       *       *       *

Im Jahre 1752 erschien in Nordhausen eine 9 Bogen starke Schrift des
Konrektors des dortigen Gymnasiums Joh. Friedrich _Albert_ mit dem
Titel »Versuch eines neuen Beweises, daß die _Sündfluth allgemein
gewesen, und über die gantze Erde ergangen sey_; wobey zugleich noch
andere dahin gehörige Sachen und seltene Nachrichten ausgeführet
worden.«

Das Buch, das natürlich jedes Bibelwort für bare Münze nimmt und
in naivster Weise u. a. beweist, daß die Schrift bereits vor der
Sintflut erfunden war, wirft auch die Frage auf, ob _genug Wasser
zur Überschwemmung der ganzen Erde vorhanden gewesen sei_. »Einige
Meßkünstler sagen, daß zur gäntzlichen Bedeckung der Oberfläche
unmöglich, so viel Wasser vorhanden seyn könne: zumahl Moses anführe,
daß das Gewässer 15 Ellen hoch über die höchsten Berge gestiegen sey.
Aber es hat noch Niemand unter allen Meßverständigen eine so genaue
Ausrechnung des Meeres Breite und Tiefe geliefert, daß man sagen
könnte, wie viel Lasten Wasser in dieser oder jener See sey. Wer
misset die Erde mit einem Dreyangel? ist ein Ausdruck der Heiligen
Schrift. Wer weiß, wie viel Wasser in den unterirdischen Gängen der
Erde, und in ihren Hölen eingeschlossen sey. Moses sagt ausdrücklich:
alle Brunnen der großen Tieffen brechen auf, d. i. alles Wasser, das
in den tiefsten Gründen der Erde befindlich war, stieg auf Gottes
Befehl herauf. Wie gieng das zu? Gott brachte durch Hülfe der Winde
die Wasser weg, also ist es ihm auch möglich gewesen durch dieselben
die Wässer über der Erde zusammen zu treiben. Man stelle sich nur
einen Seesturm vor. Wäre dieses Wasser auch nicht genug gewesen, so
kam doch das Wasser aus den Wolcken darzu.« In dieser Tonart geht es
weiter[19].

Es ist wirklich höchste Zeit, daß Gelehrte mit Rücksicht auf die
Möglichkeit einer totalen Sintflut den Wasservorrat auf den Liter
berechnen. Das wäre auch eine dankbare Aufgabe für eine Akademie der
Wissenschaften!

Welche Unsumme von pfäffischer Borniertheit und Dummpfiffigkeit ist
zur Prüfung einer solchen Frage erforderlich! Und das in der Zeit der
Aufklärung!

Der Leipziger Anti-Wolfianer _Crusius_ ([+] 1775), faßte die
»oberhimmlischen Wasser« als eine _wirkliche Wassersphäre_ auf, die
die ganze Welt umgebe und _durch Widerspiegelung der Gestirne den
Schein der Milchstraße erzeuge_[20]!

       *       *       *       *       *

Der Kampf der freien Forschung, der Astronomie, Geologie,
Anthropologie, ja der ganzen Naturwissenschaft gegen die Bibel bzw.
gegen die erdrückende Mehrheit der Theologen, die auf sie gegen
gesunden Menschenverstand und Erfahrung schworen, ist voller Tragik.

Daß sich frühere Jahrhunderte an den Wortlaut der Bibel hielten und
auch die Schöpfungsgeschichte buchstäblich auffaßten, ist allgemein
bekannt. Weniger schon, daß noch in einer 1789 erschienenen Dogmatik
des Freiburger katholischen Exegeten und Apologeten Engelbert
_Klüpfel_ ([+] 1811) die _sechs_ Tage der Schöpfung als _24stündige
Zeiträume_ aufgefaßt werden. Er wies alle Versuche zur Ausgleichung
der geologischen Lehren mit der Bibel zurück und behauptete, daß
die Raschheit des Schöpfungsverlaufes im Interesse der Wahrung von
Gottes unbeschränkter Allmacht betont werden müsse. Sogar _Augustins_
Simultanschöpfungslehre ließ er als plausibel, weil durch die
bedingte Zustimmung so großer Kirchenlehrer wie den hl. _Thomas
von Aquino_ gedeckt, zu. Er verteidigte ferner die Geschichte des
Sündenfalls und des Paradieses als _streng historisch aufzufassende
Urkunden_.

Ähnlich faßt auch das 1796 erschienene Bibelwerk von
_Brentano-Dereser_ im 1. von Brentano bearbeiteten Teil den
Schöpfungsbericht, die Tagewerke und alles andere buchstäblich und
streng historisch auf.

Noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts gab es eine Reihe bedeutender
protestantischer Theologen, so _Buddeus_, Joh. Jak. _Rambach_ usw.,
die noch _zwischen Helio- und Geozentrismus schwanken_, natürlich
aus _biblischen Gründen_. So schrieb noch 1717 S. H. _Klausing_
in Wittenberg De Scriptura Sacra non Copernizante. Um dieselbe
Zeit verfaßte Sam. Chr. _Hollmann_ ebenda die Dissertation »_Vom
Gebundensein des christlichen Astronomen durch die hl. Schrift_«
(De obligatione astronomi christiani erga Scr. S.), und Nikol.
_Möller_ in Kiel eine Abhandlung »Von der _unzweifelhaften Bewegung
der Sonne und Ruhe der Erde_« (De indubio solis motu immotaque
telluris quiete) 1724. Er verwarf darin _Kopernikus_, _Tycho Brahe_,
_Cartesius_, _Huyghens_, _Newton_ samt und sonders und beschwor
ihre Anhänger: sie möchten doch »jene höchst gottlose, von gewissen
heidnischen Philosophen des Altertums auf des Erzfeindes Satan
Antrieb ausgesonnene, dann von Kopernikus wieder aufgewärmte und von
Cartesius und dessen Anhängern vergeblich in Schutz genommene Meinung
fahren lassen, weil sie damit doch nur dem _Atheismus, Deismus,
Naturalismus und Indifferentismus Vorschub leisteten_!«

Fromme Protestanten haben ja noch im 19. Jahrhundert gegen den
Heliozentrismus geeifert, nachdem schon (!) 1822 Papst _Pius_ VII.
offiziell erklärt hatte, »daß die Drucklegung und Publikation von
Werken, welche über die Bewegung der Erde und das Stillestehen der
Sonne nach der gemeinsamen Meinung der modernen Astronomen handeln,
in Rom gestattet sei.« Allerdings ließ erst der Neudruck des Index
von 1835 die Verbote gegen _Kopernikus_, _Stunica_, _Foscarini_,
_Galilei_ und _Kepler_ fallen. Schon achtzig Jahre vorher hatte
_Benedikt_ XIV. für einen einzigen Fall die Weglassung gestattet[21].

       *       *       *       *       *

Doch was will das alles gegen folgende Zeugnisse protestantischer
Beschränktheit bedeuten? Ihnen kann man weder den Stand des Wissens
ihrer Zeit als mildernden Umstand anrechnen, noch die Intoleranz
einer höchsten kirchlichen Instanz, die mit Exkommunikation
und Scheiterhaufen drohte, und sie dadurch zum Verschweigen
der eigenen Meinung zwang, noch gibt es sonstwo irgendwelche
Entschuldigungsgründe. Vielmehr handeln alle diese Autoren aus
reiner, lauterer Dummheit.

Der alttestamentliche Exeget C. Fr. _Keil_ in Dorpat trat seit
1860 als Gegner der Geologen und _Verteidiger einer buchstäblichen
Geltung der sechs Schöpfungstage auf_. Seine triftigsten Gründe zur
Widerlegung der Geologen nimmt er aus der _Bibel_. Sie berichtet
»von zwei Ereignissen der Urzeit, deren Einfluß auf die Gestaltung
des Erdbodens und die Entwicklung der Pflanzen- und Tierwelt keine
Naturwissenschaft ermessen kann. Wir meinen 1. den _Fluch_, der
infolge des Falles der Stammeltern unseres Geschlechtes von Gott
über die Erde ausgesprochen und durch den auch die Tierwelt dem
Verderben unterworfen wurde (Gen. 3, 17; Röm. 8, 20), und 2. die
_Sintflut_, durch welche der Erdboden bis zu den höchsten Bergen
unter Wasser gesetzt wurde und alle lebendigen Wesen auf dem trocknen
Lande bis auf die von Noah in der Arche geborgenen Tiergeschlechter
untergingen.« Die _Sintflut verursachte die Gebirgsbildung, Wirkung
des göttlichen Fluches aber sind die in der gegenwärtigen Tierwelt
verbreiteten Phänomene des Raubens, Zerreißens, Verzehrens_ usw.[22]!

Einen Vorgänger von ähnlicher Glaubensstärke und Verstandesschwäche
-- es hat da oft den Anschein, als könnten sich Glaube und Verstand
nicht vertragen, so daß derselbe Mensch entweder nur gläubig oder
nur verständig sein kann, oder doch, als ob zu gewissen Zeiten beim
gleichen Individuum bald der Glaube herrscht, bald der Intellekt --
hatte Keil allerdings im orthodoxen Protestanten Joh. _Richers_.
Dieser gab unter dem Titel »Natur und Geist« im Jahre 1850 ein
dreibändiges gelehrtes Werk heraus, in dem er, gleich wie in seiner
»Zeitschrift für heilige Naturforschung« (1860) der gesamten
physikalischen Wissenschaft vom Standpunkt einer theosophischen
Spekulation den Krieg erklärte. Er _griff die Lehren von der
Schwerkraft, der Anziehungskraft, Elektrizität, Wärme, Licht,
Galvanismus und Magnetismus_ an. Übrigens blieb dieser bibelfeste
Mann keineswegs vereinzelt. Karl _Schöppfer_ schrieb »_Die Erde
steht fest_«, Berlin 1854 (5 Auflagen!), ferner »_Die Bibel lügt
nicht_« (Nordhausen 1854), und »_Die Widersprüche in der Astronomie_«
(1869). Der Superintendent A. _Frantz_ in Sangershausen wurde sich
gefährlich durch sein Buch »Andeutungen über die Pseudodoxie der
Naturwissenschaft« (Magdeburg 1867). Der Engländer _Morrison_ ließ
im gleichen Jahre »New Principia or True System of the Astronomy, in
which the Earth is proved to be the Stationary Centre of the Solar
System« erscheinen.

Noch im Jahre 1876 konnte von protestantischer Seite in Frankfurt ein
Werk verbrochen werden, das im wesentlichen auf gleichem Standpunkte
steht. _Anton Ziegler_ vertritt in seinem Buche »Die Nachtseite
der evangelischen Glaubenswissenschaft« den stumpfsinnigsten
Bibelglauben. »In sechs gewöhnlichen Tagen, d. h. _in 6 mal 24
Stunden_, hat Gott die rohe Weltsubstanz zum Kosmos verklärt.«
»Gott hat, nachdem er gleichsam das Gröbste auf einmal vollbracht
und die Weltmaterie, wie ein Bildhauer seinen Marmorblock, außer
sich hingestellt hatte, sich bei der ... Formierung des Marmorblocks
geradeso wie ein Mensch an die _Abwechslung von Tag und Nacht
gehalten_, so daß also die materielle Substanz der Schöpfung, wenn
auch nur um ein Weniges, älter ist als ihre Ordnung und Schönheit.«
Der geniale Verfasser erblickt ein eklatantes historisches Zeugnis
für diese Wahrheit, in den zwar nicht die Erdensubstanz selbst, aber
doch deren Gestalt und Ordnung teilweise ändernden Wirkungen der
Sintflut, die man jetzt gewöhnlich viel zu gering anschlage, nachdem
man sie in früheren Jahrhunderten ungebührlich überschätzt habe.

Die Engländer hatten übrigens den Naturwissenschaften gegenüber sich
nicht minder rabiat benommen. So konnten zwei glaubensstarke Männer,
_Fairholm_ und _George Young_, der profanen die »_Schriftgeologie_«
(Geol. of Scripture, Scriptural Geology 1833) entgegenstellen.
Im Jahre 1844 eiferte _Dean Cockburn_ in einem Vortrage vor der
britischen Naturforscherversammlung, einmal sogar speziell gegen
die Physische Geographie der _Lady Somerville_ in einer Predigt,
die er in der Kathedrale von York hielt, gegen die Irrlehren der
Geologie. Der anonyme Verfasser der 1853 erschienenen Schrift »A
brief and complete refutation of the anti-scriptural theory of
Geologists« behauptete, die Versteinerungen seien bloße Naturspiele.
Selbst die _Mammute_ Sibiriens seien niemals lebende Tiere gewesen,
_sondern als leblose Fleisch- und Knochenklumpen unter dem Eise
erschaffen_. Ein umgeknickter Baumstamm, den man versteinert in einem
Steinkohlenlager gefunden hatte, sei nur geschaffen worden, »um
die _schrecklichen Gotteslästerungen der Geologen zum Schweigen zu
bringen_[23].«

Doch genug des Blödsinns! Wer es nicht gelernt hat seiner Vernunft
und Erfahrung zu vertrauen, wer Autoritäten bedarf, um sich von der
Wahrheit irgendeiner Sache überzeugen lassen zu müssen, der ist
auf der schiefen Ebene. Wie weit ihn seine Dummheit forttreibt,
das ist mehr oder weniger Frage des Zufalls. Der schlimmste
Förderer der Dummheit war zweifellos der Bibelglaube bzw. der an
die Unfehlbarkeit der Bibel in allen Fragen. Ferner der an die
Unfehlbarkeit irgendeiner kirchlichen Instanz, der Dogmen, Konzilien,
des Papstes oder irgend eines Bekenntnisses, weil diesen Autoritäten
die Macht zur Verfügung stand eventuell mit Gewalt ihre Ansicht
aufzuzwingen. Zudem hatten sie die Heiligung durch die Länge der
Zeit für sich und die Resonnanz der Massen. Aber auch andere Mächte
sind nicht ungefährlich, auch wenn sie nicht mit dem Bannstrahl der
Amtsentsetzung, von Folter und Gefängnis ganz zu schweigen, auftreten
können.

Doch wir wollen das Kapitel nicht schließen, ohne ein reizendes
Pröbchen von Verquickung der Naturwissenschaft mit dem Bibelglauben
mitzuteilen:

Der französische Botaniker _Naudin_ entwickelt in seiner Abhandlung
»Die verwandten Spezies und die Entwicklungslehre« (im Bulletin der
französischen botanischen Gesellschaft 1874) folgende Gedanken:
Adam, der erste Mensch, der sich aus dem Urblastem oder aus dem
Erdkloße loslöste, besaß vorerst nur einen temporären Organismus,
einen androgynen Larvenleib ohne geschlechtliche Differenzierung.«
Aus diesem _Larvenzustande_ trat dann durch jene entwickelnde Kraft
der volle Mensch heraus. Um dieses große Werk zu ermöglichen, mußte
Adam in einen erzeugungslosen und bewußtlosen Schlaf versetzt werden,
welcher mit dem Larvenzustande der Tiere, die einer Metamorphose
unterliegen, Ähnlichkeit hat.« Während dieses Schlafes erfolgte
nach der Bibel die Hervorbildung des Weibes aus dem Manne. Man hat
sich nach Naudin diesen Vorgang als ein ähnliches _Knospentreiben_
zu denken, _wie es bei den Medusen und Ascidien stattfindet_. Der
auf diese Weise physiologisch fertig ausgebildete Mensch konnte
fortan, ähnlich wie die Pflanzen- und Tierarten, zwar noch zahlreiche
Rassen oder Spielarten als Produkte des ihm noch innewohnenden Rests
von Entwicklungskraft hervorbringen, jedoch keine neue organische
Spezies[24].


Fußnote:

[A] In der Vorrede der Benediktiner-Ausgabe der griechischen
Kirchenväter -- Paris 1706 -- Tom. II. hat Montfaucon viele Stimmen
von Kirchenvätern gesammelt, die die Antipoden leugnen.




II. Kapitel

Die Askese


Sahen wir im vorigen Kapitel, wie der Geist durch die Autorität
der Bibel und Kirche geknechtet wurde, so wenden wir uns nun der
Mißhandlung des Körpers unter dem Einfluß der gleichen Faktoren zu.

Daß die sinnlichen Begierden viel Unheil in der Welt anrichten
und ihre Zügelung eine der wichtigsten Aufgaben der sittlichen
Persönlichkeit sei, ist ganz zweifellos richtig. Jeder strebende
Mensch wird danach trachten, sich von den Ketten der Sinnenlust zu
befreien, seinen Verstand und Willen über das Triebhafte in ihm Herr
werden zu lassen.

Dieser durchaus gesunde Gedanke, den alle hochstehenden Religionen
mehr oder minder klar aussprechen, bedarf aber, wie jeder, zur
Durchführung der Intelligenz. Wo diese fehlt, wird ein teils
widerliches, teils komisches Zerrbild daraus. Aus dem berechtigten
Bestreben, seine Sinne zu zügeln, wird das törichte sie überhaupt zum
Schweigen bringen. Hat eine verständige Selbstzucht das Ziel durch
Beherrschung der Sinne, Kräfte für höhere Zwecke frei zu machen,
wird in den Händen der Dummen die Ertötung des Fleisches Selbstzweck,
sie führen einen Kampf, in dem sie ihre gesamte Kraft absorbieren.
Sollen wir durch Abhärtung, Bedürfnislosigkeit, Erlangung einer
gleichmäßigen Heiterkeit der Seele uns widerstandsfähiger machen
gegen die nur allzugroßen und allzuvielen Leiden, die uns das Leben
bringt, es erreichen, daß nicht jede bagatellmäßige Unbequemlichkeit
uns derart stört, daß wir zu ernster Arbeit oder verständiger
Lebensfreude unfähig werden, so bereitet der Asket sich absichtlich
größere Leiden, als sie normalerweise je das Leben ihm bringen wird.

Gewiß gibt es eine Weltanschauung des traurigsten Pessimismus, die
das ganze Leben als eine ununterbrochene Leidenskette betrachtet.
Niemand hat sie in eine tiefere Lehre gebracht, als Buddha. Aber
selbst dieser erhabene indische Weise ist weit davon entfernt, Askese
zu fordern. Mögen wir aus den vielen Unzulänglichkeiten des Daseins
folgern, daß es höhere Werte gibt, als Sinnengenuß, daß es nicht
ratsam ist, sein Herz allzusehr an Vergängliches zu hängen, darum
auf die ohnehin bescheiden zugemessenen Freuden zu verzichten, ist
etwa geradeso töricht, als wollte der Frierende noch seine letzten
Kleidungsstücke abwerfen, statt die wenigen, die er hat, desto fester
um sich zu nehmen.

Zweck der Askese, der Genügsamkeit und Bedürfnislosigkeit kann doch
nur sein dadurch _glücklicher_ oder besser zu werden, höhere oder
dauerhaftere oder leichter zu beschaffende oder auch unschädlichere
Genüsse an die Stelle der gegenteiligen zu setzen. Der Soldat, der
Hochtourist, der Nordpolfahrer, werden gut tun, sich an Entbehrungen
zu gewöhnen, um auch ohne schwer zu beschaffende materielle Genüsse
zufrieden sein zu können. Der Seemann wird versuchen müssen, das
Heimweh zu bekämpfen, der körperlich Leidende wird seine Freuden
vornehmlich auf dem Gebiete des Gemütes und Geistes suchen, statt
seinen Schmerzen nachzugeben. Nicht der ist weise, der aus Furcht
ein Glied verlieren zu können, sich selbst verstümmelt, aus Angst
vor dem Tode Hand an sich legt, sondern die starke Seele, die beim
Verlust der Augen froh ist, noch das Gehör zu besitzen, die sich mit
der linken Hand begnügt, wenn die rechte verloren ging, die überhaupt
nicht das Fehlende, sondern das _Vorhandene_ betrachtet und mit
diesen Mitteln das Möglichste zu erreichen versucht.

Besonders einfältig aber sind Menschen, die auf den Gebrauch
irgendeines Gutes verzichten, weil sie sich nicht die Willensstärke
zutrauen, es mäßig und eines Gebildeten würdig zu verwenden. Dazu
gehört etwa die Abstinenzbewegung unserer Tage. Es ist die gleiche
Barbarei auf den Alkohol zu verzichten, weil man sonst unmäßig sein
würde, als sich zu betrinken, während es klug wäre eine Dosis zu
ermitteln, die angenehme Wirkungen hervorruft, ohne dem Körper zu
schaden und willensstark -- wenn wir dieses hochtrabende Wort auf
eine so selbstverständliche Sache anwenden dürfen -- dieses zulässige
Quantum nicht zu überschreiten, wenn das Verlangen danach auch noch
so groß sein mag.

Ein Blick auf die Geschichte des Christentums -- allerdings auch auf
die anderer Religionen -- lehrt uns, wie weit Theorie und Praxis vom
Vernünftigen abwichen. Um die Skylla zu vermeiden fiel man allgemein
in die Charybdis.

Betrachten wir zunächst die Askese des Fastens und des Speiseverbotes.

Im 4. und 5. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung gab es
Asketen, die gekochte Speisen verabscheuten und lange Zeit oder gar
ihr Leben lang sich ausschließlich von Gras, Kräutern, Baumfrüchten,
rohen Getreidekörnern usw. ernährten. _Jakob von Nisibis_ war einer
dieser »Omophagen«. Eine andere Spezies dieser Narretei wurde
von den »Krithophagen« repräsentiert, sonderbaren Heiligen, die
nur von in Wasser aufgeweichter Gerste oder, wie _Eusebius_, von
entsprechend präparierten Bohnen oder Kichererbsen lebten. In diese
Kategorie gehört auch die Linsenesserin _Domnina_. Noch weiter in
der Frömmigkeit des Magens bzw. im »Vergnügen, an Dingen, welche wir
nicht kriegen«, um mit Busch zu sprechen, gingen die Hungerkünstler
_Markianos_, der das ganze Jahr hindurch nur einmal täglich aß,
oder _Symeon Stylites_ der Ältere (bevor er seine Säule bestieg)
und die Beröenserinnen _Marana_ und _Kyra_, die bald das 40tägige
Fasten Christi nachahmten, bald das dreiwöchige Daniels. Den Rekord
aber stellt _Elpidius_ auf, der 25 Jahre hindurch nur an Samstagen
und Sonntagen aß oder gar der fromme _Johannes_ der -- wer's nicht
glaubt, bezahlt 'nen Taler -- eine Reihe von Jahren nur von der
Eucharistie lebte. Allerdings verwandte man damals zu diesem Zweck
Brot statt Oblaten.

       *       *       *       *       *

Daß ein solches Leben nicht gerade die Disposition zu den Freuden der
Liebe steigert, ließe sich eigentlich annehmen. Das Verhalten der
Einsiedler widerspricht dem aber. Wie ließe es sich sonst verstehen,
daß _Evagrius_ nicht nur auf geistige Getränke verzichtet, sondern
sogar seine Schüler _vor dem Wassertrinken warnt_, da es »majores
phantasias generat et largiora daemonibus receptacula praebet«. Als
diesen Asketen einst der Dämon der Unkeuschheit peinigte, sprang er
zur Winterszeit in einen Brunnen und mußte zur Kühlung seiner Glut
dort die ganze Nacht zubringen. Was diesen Frommen an Intelligenz
gebrach, scheint demnach durch ihre »Männlichkeit« reichlich
wettgemacht worden zu sein[1]!

       *       *       *       *       *

Die Askese der esoterischen Manichäergemeinde, des Ordens der
»Wahrhaftigen« oder »Erwählten«, bestand nach den übereinstimmenden
Angaben der Kirchenväter, wie der orientalischen Quellen vor
allem in der Übernahme der »drei Siegel« (signacula). Das sind:
1. die Enthaltung des Mundes von jeder Art unreiner Speise und
unreiner Worte (signaculum oris). 2. Die Enthaltung der Hände von
jedweder die Lichtwelt schädigenden Beschäftigung, namentlich
vom Abbrechen von Baumfrüchten usw. (signaculum manum), 3. Die
Enthaltung des Busens von aller sinnlichen Unlauterkeit, besonders
allem Geschlechtsverkehr, auch der Ehe (signaculum sinus). Die
Mundversiegelung verpflichtete den vollkommenen Manichäer zur
Vermeidung nicht nur jeglichen Fleischgenusses, sondern auch aller
nicht reiner Vegetabilien. Nur »reine« Pflanzenkost bestehend aus
Melonen, Öl und anderen (angeblich an Lichtbestandteilen besonders
reichen) Baumfrüchten war gestattet. Getreideprodukte, namentlich
Brot, durfte von ihnen nur ausnahmsweise genossen werden und auch
dann war es keinesfalls zulässig, daß sie es selbst zubereiteten
oder brachen. Die manichäischen Laien hatten keine so strengen
Kostgesetze, immerhin mußten sie durch die Fürsprache eines
»Elektus« göttliche Verzeihung erwirken. Der Elektus redete das
ihm überreichte Brot, um seine Unschuld an dessen Zubereitung zu
beteuern, folgendermaßen an: »Ich habe dich nicht geschnitten, nicht
gemahlen, nicht geknetet, nicht in den Backofen gelegt, sondern ein
anderer hat das getan; ich esse dich ohne Schuld usw.« Übrigens galt
ihnen die Tötung von Tieren als noch schlimmeres Vergehen, als diese
Pflanzenverletzungen, weil die Tiere dämonischer Abkunft seien, ihre
Schlachtung also einen Eingriff ins Reich der Dämonen bedeute. Auch
die Bereitung und der Genuß von Wein war ein Kapitalverbrechen, denn
der Wein sei die Galle des Fürsten der Finsternis.

Die Beschränkungen des »Händesiegels« fallen weniger unter den
asketischen Gesichtspunkt, als unter den einer abergläubigen
Reinlichkeitsobservanz. Die Busenversiegelung aber war eine Maßnahme,
die die »Erwählten« zwar in den Augen derer, die nicht alle werden,
zu höheren Wesen stempelten, im übrigen aber keine größere Torheit
forderte, als die Mönchs- und Nonnenorden bis zum heutigen Tage, ja
als die Kirche von ihrem gesamten Klerus[2].

Das Fastenverbot, das ja bekanntlich im ganzen Mittelalter und
zum Teil heute noch bestand, wurde besonders in Frankreich mit
außerordentlicher Strenge gehandhabt. Wie Bodin erzählt (Démon des
sorciers, p. 216), ließen die Zivilgerichte von Angers im Jahre 1539
diejenigen, die des Fleischgenusses am Freitag überführt waren,
_lebendig verbrennen_, wenn sie ohne Reue blieben, aber aufhängen,
wenn sie bereuten[3].

Diese Zwangsmaßregeln beweisen zur Genüge, wie wenig bereitwillig
man es handhabte. Auf die einfältigen Spitzfindigkeiten es zu
umgehen -- daß man etwa den Biber zu den Fischen rechnete -- sei nur
andeutungsweise hingewiesen.

Die Fastenaskese wird noch heute in alter Stärke in der
griechisch-orthodoxen Kirche gehandhabt. Einige an der Sonne gedörrte
Baumfrüchte mit etwas Brot und Wasser bilden die einzige Kost für
die strenger lebenden Athos-Asketen. Dabei wohnen sie in finsteren
Schluchten unter elenden Obdächern von Lehm, Baumzweigen usw. Ein
gewissenhafter anatolischer Christ hat sich im Jahre mindestens
an 180 Tagen des Fleischgenusses zu enthalten, ja an ungefähr 140
Tagen darf er auch keine Fische genießen. Im orthodoxen Rußland
aber hat für die strengeren Fastenzeiten das Priestertum eine Art
Überwachungsrecht sogar über die Ärzte. Nur auf Grund besonderer
vom Popen ausgestellter Erlaubnisscheine dürfen den Kranken dann
kräftigere Speisen, wie Fleisch, Fleischbrühe, Eier, Butter usw.
ärztlich verordnet werden[4].

       *       *       *       *       *

Geradezu wahnwitzig ist der Kampf, den der Gläubige gegen die
Sinnenlust führen muß. Zugegeben, daß sie da und dort die Gedanken
von Wichtigerem und Höherem ablenken mag, so lehrt doch gerade die
Geschichte der Asketen die Unmöglichkeit oder doch Unzweckmäßigkeit
dieses Ringens mit einer Naturgewalt. Mit etwas mehr Intelligenz
begabt, hätte der Asket hie und da der Natur nachgegeben, statt vor
unbefriedigter Sinnlichkeit keinen anderen Gedanken fassen zu können.

_Makarius_, der Lehrer des Evagrius, wurde einst derart vom Dämon
der Wollust geplagt, daß er sich nur durch eine ganz erleuchtete
Kriegslist helfen konnte: er hielt sich sechs volle Monate hindurch
splitternackt in einer Sumpfgegend seiner Wüste auf, _bis die
Stechmücken seinen Körper bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet hatten_
und man ihn, über und über verschwollen und wie ein Aussätziger
aussehend, nur mehr an seiner Stimme erkannte.

_Ammonios_ mußte auch zu einer Gewaltkur greifen, um seiner Sinne
Herr zu werden. Sobald er ein menschliches Rühren verspürte,
_verbrannte er sich_ bald an diesem, bald an jenem Gliede. Daß sein
Körper mit Brandmalen über und über bedeckt war, läßt Schlüsse auf
sein Innenleben zu.

Kein Wunder, daß diese Männer im wahrsten Sinne des Wortes -- hatten
sie doch schon in der Einsamkeit ihrer Einsiedelei genug auszustehen
-- den Anblick eines weiblichen Wesens nicht ertragen konnten. So
riß einer der Altväter Cassians, _Paulus_ mit Namen, beim Anblick
einer Frau plötzlich aus, als würde er von einem Löwen verfolgt. Die
Beschaffenheit der Frau spielte gar keine Rolle. Diese armen, an
Satyriasis leidenden Trottel -- denn wie ließe sich ihr Verhalten
anders als durch diese Krankheit erklären? -- wurden sogar durch _den
Anblick der eigenen Schwester in Wallung versetzt_. Ein gewisser
_Pior_ mußte erst von seinem Bischof den strikten Befehl erhalten,
seine Schwester aufzusuchen. Er kürzte aber den Besuch möglichst ab,
betrat nicht einmal ihr Haus, sondern stellte sich ihr nur auf der
Türschwelle zu kurzer Betrachtung vor. Dann kehrte er spornstreichs
in seine Zelle zurück.

Wie doch nichts erfunden wird, bevor sich das Bedürfnis dazu
einstellt! Was hätte man damals mit Yohimbin angefangen!

Die weiblichen Reize wirkten ja sogar noch im Grabe! Wenigstens
existiert eine Legende vom keuschen Abte _Thomas_ -- wie der gute
Mann zu dem Epitheton ornans keusch kommt, wird ihm wohl selbst ein
Rätsel sein! -- dessen Gebeine noch im Grabe keine weibliche Leiche
neben sich dulden konnten[5]!

Der Geist dieser Heiligen muß auch in den frommen Leuten in Schweden
gewirkt haben, als sie die Unterdrückung von Linnés System forderten,
weil es sich auf die Entdeckung der Geschlechter der Pflanzen gründe
und demnach darauf berechnet sei, die _Einbildung der Jugend zu
erhitzen_[6]!

Gegenüber den oben genannten, recht unbequemen Gewaltkuren, ist
entschieden die folgende Form der Askese geschmackvoller oder doch
amüsanter.

_Evagrius_ schildert sie mit Bewunderung: gewisse Mönche in Palästina
seien durch »ein ganz vortreffliches und göttliches Leben« so sehr
Herr ihrer Leidenschaften geworden, daß sie gewöhnt waren, mit den
Frauen zusammen zu baden. Denn weder der Blick, noch die Berührung,
noch die Umarmung einer Frau konnte sie in ihren natürlichen Zustand
wieder zurückfallen lassen. »Unter Männern wollten sie Männer, unter
Frauen Frauen sein« (Hist. Eccl. I, 21).

Damals wohnten auch Jungfrauen und Mönche oft in demselben Hause
beisammen und erklärten mit einer Heuchelei von seltener Kühnheit,
sie hätten ihre natürlichen Leidenschaften so beherrscht, daß sie _in
Keuschheit dasselbe Bett teilten_[7].

       *       *       *       *       *

Die, eingangs erwähnte, an sich sicherlich ganz berechtigte Lehre,
daß man sich nicht durch persönliche kleinliche Rücksichten,
vermeidbare Schwächen, dazu verleiten lassen darf, große Ziele
aufzugeben, daß man nicht früh genug die jugendliche Sentimentalität
abstreifen soll und, ohne sich über das Notwendige hinaus zu
verhärten, gegen Heimweh und Trennungsschmerz schon deshalb ankämpfen
muß, weil es unvermeidliche Übel sind, Tatsachen, mit denen der Weise
fertig werden muß, führten zu recht widerlichen Konsequenzen bei
unseren Asketen. Hartherzigkeit, Unempfindlichkeit gegen menschliche
Leiden, Undankbarkeit gegen erwiesene Wohltaten gehören wohl
sicherlich zu den abstoßendsten menschlichen Fehlern. Gewiß muß der
Feldherr, ohne sich durch das Jammern der Verwundeten, das Röcheln
der Sterbenden erweichen zu lassen, unter Umständen Tausende opfern.
Er hat das größere Ziel, die Erhaltung des Vaterlandes, im Auge.
Weichen Regungen hier nachzugeben, die Schonung von Tausenden auf
dem Schlachtfelde mit der Auslieferung von Hunderttausenden daheim an
einen siegreichen Gegner zu erkaufen, wäre eine Pflichtwidrigkeit.
Sicherlich muß der Operateur ohne Rücksicht auf die Schmerzen des
Patienten seine blutige Kunst ausüben, wenn es Höheres gilt, die
Erhaltung des Lebens. Der Missionar darf nicht an die Lieben daheim
denken, so wenig wie der Forschungsreisende, wenn er in die Ferne
zieht zur Ausübung seines schweren und entsagungsvollen Berufes.
Höhere Rücksichten müssen eben immer und überall den minder hohen
vorangestellt werden. Zu den schwierigsten im Leben zu erlernenden
Künsten gehört sicherlich, sich jederzeit über das, worauf es
ankommt, über das Essentielle, klar zu sein.

Sonach kann man es auch gewiss verstehen und gutheißen, wenn Christus
seinen Jüngern anbefiehlt, ihre Familien zu verlassen, um ihm in
die Fremde zu folgen. Zu Hause sitzend, hätten sie eben die Lehre
unmöglich verbreiten können. Was aber wurde aus diesem in der Natur
der Sache liegenden Gebot?

Was macht die Dummheit aus ihm?

Wer zweifeln sollte, daß die Hartherzigkeit kirchliches Gebot war,
wird eines Besseren belehrt durch die Geschichte, die _Gregor
der Große_ (Dial. II, 24) erzählt: Ein Knabe war in ein Kloster
eingetreten. Die Liebe zu seinen Eltern übermannte ihn aber derart,
daß er eines Nachts sie heimlich besuchte. Er starb jedoch am Tage
seiner Rückkehr, und als er begraben wurde, weigerte sich die Erde,
einen so schändlichen Verbrecher aufzunehmen. _Seine Leiche wurde
wiederholt aus dem Grabe geschleudert_ und konnte erst in Frieden
ruhen, als der heilige _Benedikt_ ihr das Sakrament auf die Brust
gelegt hatte[8].

Das ist ja natürlich nur eine Legende, aber eine mit recht trauriger
Moral! Welche Unsumme von Herzensroheit steckt in ihr! Aber diese
Roheit ist lediglich eine Ausgeburt der Dummheit. Als ob die
kindliche Pietät des Knaben ein dauerndes Hindernis seines neuen
Berufes gewesen wäre! Und wie mußte diese brutale Dummheit auf das
Volk wirken!

Doch wir brauchen uns keineswegs an Legenden zu halten. Die
Geschichte der »Heiligen« bietet genug Material. Und das Traurige
ist, daß es sich nicht etwa um menschliche Schwächen handelt, die
einfach registriert werden, sondern um _vorbildliche Taten_!

Das möge aus folgendem hervorgehen:

Der uns schon bekannte Wüsteneinsiedler _Evagrius_ erhielt nach
geraumer Zeit Briefe von seinen Eltern. Da er es aber nicht ertragen
konnte, daß seine Gedanken durch Erinnerung an diejenigen, die ihn
liebten, gestört wurden, warf er die Briefe ungelesen ins Feuer.

Der heilige _Pömen_ und seine sechs Brüder hatten ihre Mutter
verlassen, um ein asketisches Leben zu führen. Die alte, durch
Krankheit gebeugte Mutter ging nun, uneingedenk des Undankes ihrer
Söhne, allein in die Wüste, um die zärtlichgeliebten Kinder noch
einmal zu sehen. Sie erblickte sie gerade, als sie aus ihrer Zelle
in die Kirche gehen wollten. Sie liefen aber sofort in die Zelle
zurück und einer der Söhne warf die Türe vor ihr zu, so daß sie
draußen bleiben mußte und bitterlich weinte. Pömen kam nun an die
Türe, öffnete sie aber nicht und sprach: »Warum weinst und schreist
du so sehr, bist du nicht schon genug vom Alter geplagt?« Als sie die
Stimme ihres Sohnes erkannte, antwortete sie: »Es geschieht, weil ich
euch, meine Söhne, zu sehen verlange. Was könnte es euch schaden,
wenn ich euch sehen würde? Bin ich nicht eure Mutter? Säugte ich
euch nicht? Ich bin jetzt eine alte und verwelkte Frau, aber der Ton
deiner Stimme hat mein Herz so erregt, daß ich mein Verlangen, euch
zu sehen, nicht bewältigen kann.« Die heiligen Brüder weigerten sich
trotzdem, die Türe zu öffnen. Sie sagten der Mutter, sie würde sie
nach dem Tode sehen, und der Lebensbeschreiber erzählt, sie sei dann
fortgegangen, zufrieden mit dieser Aussicht[9].

So ehrt man seine Eltern.

       *       *       *       *       *

Ein gewisser _Mutius_ verließ einst in Begleitung seines einzigen
Kindes, eines achtjährigen Knaben, sein Besitztum und bat um Aufnahme
in ein Kloster. Die Mönche willfahrten seiner Bitte und begannen
damit sein _Herz zu disziplinieren_. »Er hatte bereits vergessen,
daß er reich war; er mußte nunmehr vergessen lernen, daß er Vater
war,« sagt _Cassian_, der uns die erbauliche Geschichte überliefert.
Man trennte also das Kind von ihm, hüllte es in schmutzige Lumpen,
schlug es, trat es mit Füßen und mißhandelte es auf jede Art. Tag um
Tag mußte der Vater sehen, wie das Kind sich vor Kummer verzehrte.
»Aber,« sagt der bewundernde Biograph, »obgleich er dies Tag für Tag
sah, war doch die _Liebe zu Christus und zur Tugend des Gehorsams so
groß, daß das Vaterherz starr und unbewegt blieb_.« »Er dachte wenig
an die Tränen seines Kindes, er war einzig um seine eigene Demut und
Vollkommenheit in der Tugend bekümmert.« Endlich befahl ihm der Abt,
das Kind zu nehmen und in den _Fluß zu werfen_. Er ging ohne Murren
und ohne sichtbaren Schmerz, das Gebot zu vollziehen. Erst im letzten
Augenblicke traten die Mönche dazwischen und retteten das Kind am
Rand des Flusses. Mutius erlangte später eine hohe Stellung unter den
Asketen und wurde mit Recht als einer betrachtet, der das Gemüt eines
Heiligen zu großer Vollkommenheit entfaltet hatte.

Ob die Geschichte wahr ist oder nicht, ist wie bei fast allen
Heiligengeschichten recht gleichgültig und von minimaler Bedeutung
gegenüber der Tatsache, daß die damalige Kirche diese Herzlosigkeit
und alles menschliche Gefühl mit Füßen tretende Verhalten lobte. Was
hat doch die Dummheit der Askese und die um jeden Preis Gehorsam
fordernde klerikale Herrschsucht aus dem einfachen »Liebe deinen
Nächsten wie dich selbst« gemacht!

Daß jemand aus Gehorsam um ein Haar zum Mörder wird, was nicht zum
mindesten die spätere Heiligsprechung veranlaßt, ist durchaus kein
vereinzelter Fall.

Einst kam ein Thebaner zum Abte _Sisös_ und bat ihn Mönch zu werden.
Der Abt fragte ihn, ob er Angehörige hätte. Auf die Antwort »einen
Sohn« entgegnete der Abt, »_Nimm deinen Sohn und wirf ihn in den
Fluß_ und dann kannst du ein Mönch werden«. Der Vater hätte den
Befehl vollzogen, wenn nicht im letzten Augenblicke ein von Sisös
abgesandter Bote ihn widerrufen hätte[10].

Die Beispiele ließen sich ins Unendliche vermehren. Verlassen wir
aber lieber diese häßlichen Bilder, jedoch nicht ohne noch eines
hinzuzufügen, das Zeugnis ablegt von der Skrupellosigkeit der Mittel,
deren sich »Christen« zur Erreichung ihrer Zwecke bedienten und von
der Herzensroheit, die sich dabei offenbart.

Der fromme Kirchenvater _Tertullian_ verbot den Gläubigen den Besuch
der Theater, dafür stellte er ihnen aber ein desto herrlicheres
Schauspiel in Aussicht, nämlich -- die _Todesqualen der Sünder in der
Hölle_. »Von welcher Größe wird dieses Schauspiel sein? Wie werde
ich es bewundern? Wie werde ich lachen? Wie werde ich mich freuen?
Wie werde ich frohlocken, wenn ich so viele und so große Könige,
von denen es heißt, sie seien in den Himmel aufgenommen worden, mit
Jupiter in eigener Person und denen, die für ihn zeugten, in der
tiefsten Finsternis werde jammern sehen! Dann werden die Verfolger
des Namens unseres Herrn in einem grausameren Feuer schmelzen, als
das war, das sie angezündet hatten für die Christen ... Dann werden
die Tragödienspieler in ihrem eigenen Schmerz größere Weherufe
ausstoßen, als einst auf der Bühne. Dann werden die Schauspieler erst
richtig geschätzt werden können dank der größeren Geschmeidigkeit,
die ihnen das Feuer verleiht. Dann wird man den Wagenlenker
erblicken ganz feuerrot in feurigem Wagen; dann werden die Athleten
ein Schauspiel bieten, aber nicht wie sie gymnastischen Übungen,
sondern dem Feuer erliegen usw.« Der Mann, der ein solch glänzendes
Zeugnis seiner Menschenliebe ablegt, schließt das 30. Kapitel seiner
Schrift de Spectaculis mit den Worten: »Wenn du solche Schauspiele
betrachtest, darüber in _ausgelassene Freude_ gerätst, was kann dir
dagegen ein Prätor oder Konsul, ein Quästor oder hoher Priester bei
all seiner Freigebigkeit bieten[11]?«

       *       *       *       *       *

Welch ein Geist, der daraus atmet! Und auf diese Weise wollte
Tertullian zur Religion der Nächstenliebe erziehen!

Gegen diese häßlichen Bilder von mit Dummheit gepaarter Roheit wirken
körperliche Peinigungen noch harmlos.

In ihnen war man recht erfinderisch. Die Übungen hatten keineswegs
nur den Zweck, den Leib abzutöten, als vielmehr dazu nach den höheren
durch Nachahmung der Leiden Christi zur Entsühnung der Menschheit
beizutragen.

Die ganze Lehre vom Sühnetode Christi ist ja merkwürdig genug. Daß
Christus sterben mußte, wenn seine Religion nachhaltig auf die
Gemüter wirken sollte, ist klar. Die tiefe Tragik seines Martyriums
war eine Voraussetzung der weltgeschichtlichen Bedeutung seines
ganzen Auftretens. Das hat aber nur sehr wenig mit der kirchlichen
Sühnelehre zu tun, in der Gott-Vater eine merkwürdige Rolle
zugewiesen ist. Machen wir uns die alte Opferlehre zu eigen, daß man
das Beste seiner Herde, seines Besitzes dem Gotte opfert, um ihn
günstig zu stimmen, so können wir ja schließlich auch verstehen, daß
der Asket das Beste was er hat diesem Zwecke widmet, bzw. das tut,
was ihm am meisten Mühe macht oder am schmerzlichsten ist. Nur was an
dieser Ansicht christlich ist -- von der Naivität des Glaubens ganz
abgesehen -- will nicht recht einleuchten.

Gottes Hinopferung seines Sohnes ist entschieden schwieriger zu
begreifen. Ein Vater ist beleidigt worden, was Gottes Kränkung durch
die sündige Menschheit entspricht. Um nun an den Beleidigern eine
edle Rache zu nehmen, bringt der Vater seinen Sohn um, bzw. -- was
bei Gottes Allmacht auf das Gleiche hinaus läuft -- er duldet, wie
sein Sohn, noch dazu der einzige, umgebracht wird. Dadurch ist das
Verbrechen der Beleidiger gesühnt. Gewiß, eine merkwürdige Logik, die
wohl niemand ins Praktische umsetzen möchte.

Doch sei dem wie ihm wolle: die Asketen glaubten -- und in den
Mönchsorden glaubt man es heute noch -- daß die Selbstpeinigung nicht
nur Wert habe als Disziplinierungsmittel, sondern auch dazu beitrage,
den kirchlichen Gnadenschatz zu vermehren. Je mehr Übles sich also
ein solcher Heiliger zufügt, desto größere Verdienste erwirbt er sich
um die Christenheit. Wir können diese Anschauung nicht gerade als ein
Wunder der Intelligenz betrachten. Wenn wir aber in einem späteren
Kapitel sehen werden, welches Unheil sie im Volke anrichtete, dann
werden wir sie sicherlich nicht glimpflicher beurteilen.

Da man sich nun auf normale Weise die nötige Pein nicht beibringen
kann, verfielen ingenieuse Köpfe auf die Ausbildung einer besonderen
Technik, und man muß ihnen lassen, daß sie dabei Erfolg hatten. Wer
wird das bestreiten wollen, wenn er folgende erbauliche Geschichte
hört?!

Ein gewisser _Dominicus Loricatus_ hatte die Spezialität, als
Stellvertreter von anderen gewisse Bußzeiten durch von Geißelschlägen
begleitetes Psalmensingen zu absolvieren. So absolvierte er
beispielsweise hundert Bußjahre, indem er zwanzig von der
entsprechenden Zahl Geißelhieben begleitete Psalter rezitierte.
Auf diese 20 Psalter kamen 300000 Geißelhiebe, die er sich während
der sechs Tage, die diese Prozedur dauerte, beizubringen hatte.
_Damiani_, der uns von diesem sonderbaren Heiligen berichtet,
erläutert den Vorgang folgendermaßen: »Da 3000 Geißelschläge nach
unserer Regel ein Bußjahr ausmachen, und, wie es oft erprobt ist,
beim Hersingen von 10 Psalmen 1000 Hiebe stattfinden, so ergeben sich
für die Disziplin eines Psalters (also für 150 Psalmen begleitet von
15000 Hieben) fünf Jahre Buße; und wer 20 Psalter mit der Disziplin
hersingt, kann überzeugt sein, 100 Bußjahre vollgemacht zu haben«
(20mal 15000=300000). Welche Mathematik der Buße! Loricatus konnte
es aber auch schneller, als in sechs Tagen. Er soll einmal binnen
24 Stunden über 12 Psalter mit den obligaten Hieben erledigt und
damit den Beweis geliefert haben, daß er die 20 Psalter nötigenfalls
schon binnen zwei Tagen zu absolvieren imstande war. Einst erledigte
er während einer einzigen Quadragesima, ohne die 40 Tage ganz zu
gebrauchen, das Zehnfache des obigen Betrages, also 1000 Bußjahre,
mittels Absingen von 200 Psaltern, und indem er sich _drei Millionen
Geißelhiebe_ eigenhändig versetzte. Hierbei pflegte er den ganzen
Körper zu geißeln mittels einer Vereinigung der disciplina sursum
(betreffend Kopf und Rücken) und der disciplina deorsum (betreffend
Hüften und Beine). Weil die anfänglich von ihm viele Jahre lang
benutzten Ruten nicht genug Blut fließen ließen, ließ er gegen sein
Lebensende an deren Stelle die stärker schmerzenden und verwundenden
Geißelriemen oder Peitschen treten[12].

Wie sein leuchtendes Vorbild auf die, welche nicht alle werden,
wirkte, werden wir in anderem Zusammenhange kennen lernen.

       *       *       *       *       *

Doch die Selbstgeißelung wollte anderen Frommen nicht genügen. Sie
zerbrachen sich den Kopf, wie sie sich auf noch wirksamere Weise
Unannehmlichkeiten zur höheren Ehre Gottes zufügen und damit der
Menschheit noch dienlicher sein könnten. Und siehe da: ihr Eifer
wurde von Erfolg gekrönt! Da war besonders einer, der es auf diese
Weise zu einer gewissen Unsterblichkeit in der Geschichte der
menschlichen Narrheit bringen durfte. Denn seiner Askese, deren
Neuheit, wenigstens für das Abendland, noch ein gewisser Einschlag
von Sensation eine pikante Note verlieh, blieb die Nachahmung ähnlich
hochstrebender Seelen nicht versagt.

Der Eremit _Symeon_ war selbst für seine Zeit ein wunderlicher
Heiliger. Als frommer Hirtenknabe war er fürs Mönchleben erzogen
worden und hatte bereits während eines dreijährigen Einsiedlerlebens
zu Telanissos beispiellose Proben von Selbstkasteiungen abgelegt,
mit Stricken um den Leib, mit Ketten, Fasten bis zu 40 Tagen und
anderem. Aber das alles genügte ihm nicht. Er wollte dem verhaßten
Getriebe dieser sündigen Welt möglichst fern bleiben und erreichte
diesen seinen Zweck auf die einfachste und genialste Weise: Zuerst
stellte er sich auf eine _Säule_ von 6 Ellen Höhe, dann wählte er
eine doppelt so hohe, später eine von 18 Ellen um endlich eine von
fast 40 Ellen zu dauerndem Wohnsitz zu erküren. Hier führte er 36
Jahre lang ein luftiges Andachtsleben, um es um das Jahr 460 zu
beschließen. Sein Leben machte Schule und es soll noch gar nicht so
lange her sein, daß der letzte dieser Säulenheiligen seine Seele --
Geist hatte er vermutlich nie besessen -- aushauchte[13].

Ein Nachahmer dieses Säulenasketen, _Symeon der Jüngere_ ([+] 596)
soll gar 68 Jahre in der Höhe zugebracht haben. Tatsächlich konnten
solche Drohnen mit sich auch gar nichts Besseres anfangen, als sich
möglichst aus jeder menschlichen Gemeinschaft auszuschließen.

       *       *       *       *       *

Betrachten wir noch einige Formen dieser erfindungsreichen Männer
Gottes! Da war das _ewige Schweigen_, heute noch von den Trapisten
geübt, jeglicher _Verzicht auf Körperpflege_ und _Waschwasser_,
_Schlafentziehung_ usw.

Merkwürdiger als dauerndes Schweigen -- schließlich das klügste, was
diese Geisteshelden tun konnten -- und als die anderen Formen der
Selbstpeinigung ist die Askese des _ewigen Weinens_, die seit den
Zeiten Justinians modern wird. Reichlichstes Tränenvergießen schien
diesen Männern -- einem _Isidor von Melitene_, _Paul von Anarzarbus_,
_Georg von Skythopolis_ u. a. -- zum höchsten geistlichen
Lebensbedürfnis unerläßlich. Köstliches wird da vom _Abte Joseph von
Bêth Abhê_ berichtet: so oft er Gras und Blumen sah, konnte er seinen
Tränenstrom kaum zurückhalten, weil ihm Jesaj. 40, 6 und 1. Pet. 1,
24 in den Sinn kamen[14]!

Übrigens war die Kunst, immer weinen zu können, wann man wollte, die
gratia lacrimarum, das ganze Mittelalter hindurch hoch geschätzt.

Wohl die armseligste Art der Askese ist die, welche die Freude an der
Natur in Acht und Bann tut. So wird von einem Mönch in den ersten
christlichen Jahrhunderten erzählt, _daß er sich, sooft er in den
Garten ging, das Gesicht verhüllte, damit der Anblick der Bäume nicht
seinen Geist störe_[15]!

Welch trauriger Tropf!

Aber gerne geben wir zu, daß jeder Grashalm, jedes Sandkörnchen
mehr Reiz bietet, als die damalige Art über religiöse Gegenstände
nachzudenken. Wem das vorige Kapitel diese Erkenntnis nicht
beigebracht hat, dem ist nicht zu helfen.

Übrigens ist man noch im 16. Jahrhundert auf den Pfaden des obigen
idiotenhaften Mönches gewandelt, wie ja die Dummheit mit der Wahrheit
das gemeinsam zu haben scheint, daß beide unsterblich sind.

Der Jesuit _Petrus Canisius_ warnte davor, die Schönheit einer
Gegend zu bewundern, da aus zu großer Freiheit der Seele Gefahren
entstehen. Das Leben ist ein Kampf; bestehen kann ihn nur, wer
mit scheuem und gesenktem Blick, unter Abtötung und Kasteiung, auf
dieser Erde wandelt. Der gefährlichste Gegner der Seele ist der
Leib, an den sie gekettet. Das vornehmste Werkzeug des Teufels das
Weib, die personifizierte Verführung, gegen die nur die äußerste
Vorsicht schützen kann. »O wie große Narren sind diejenigen, die aus
diesem Jammertal ein Paradies machen wollen!« _Der Mensch darf sich
an nichts freuen und ergötzen, da alles ein Werk des Teufels sein
könnte_[16].

Hier sehen wir noch einmal in der einfachsten Formel dieselben
Gedankengänge, die zu Resultaten führten, wie wir sie oben kennen
lernten! So wenig vermag die Dummheit Mittel und Absicht zu
unterscheiden! Aus dem berechtigten Bestreben durch Bekämpfung
der Sinnenlust Kräfte für höhere Aufgaben freizumachen, wird ein
unausgesetztes Ringen mit der Sinnlichkeit, ein Kampf, der für nichts
anderes mehr Kräfte frei läßt. Aus dem Wunsche, sich abzuhärten, an
Entbehrungen und Schmerzen zu gewöhnen, um dadurch nicht durch kleine
Unbequemlichkeiten sich ständig den Lebensgenuß zu trüben, also
aus der Absicht einer _Steigerung_ des Lebensgenusses, wird dessen
völlige Unterdrückung. Und endlich führte Christi Lehre, die durch
den Auferstehungsglauben die Todesfurcht bekämpfen sollte, also im
eminentesten Sinne dazu bestimmt war, das Leben _freudig_ zu machen,
da es den Gedanken an dessen Ende, das ja manchem Hasenfuß jedes Mahl
gleich dem Schwerte des Damokles vergällen mag, fortnahm, dazu, daß
die Menschen ein solches Dasein führten, daß sie den Tod nur als
willkommene Erlösung betrachten konnten.

So gewaltig ist die Macht der Dummheit!

Nun wollen wir noch zum Schlusse dieses Abschnittes an einer
Klosterregel zeigen, wie alle die oben angeführten Torheiten zu
einem System vereint mit Hinzunahme der blödesten Gebetsaskese dazu
bestimmt waren, das ganze Leben auszufüllen und dadurch zu zerstören.
Wie diese Denkweise aus Leuten, die vielleicht Brauchbares hätten
leisten können und jedenfalls hinter dem Pflug oder in der Spinnstube
auch geleistet hätten, Drohnen erzog, denen als besonderes göttliches
Gnadengeschenk eine so groteske Dummheit verliehen war, daß sie nicht
nur meinten ein Gott wohlgefälliges Werk zu tun, ihre Seele auf
unermeßliche himmlische Freuden vorzubereiten, sondern auch noch die
Sünden der Menschheit abzubüßen sich berufen fühlten.

Bei Aufhebung der Klöster, und vielleicht da und dort noch heute,
war der Tageslauf einer Nonne, wenigstens bei den Klarissinnen in
München, folgender:

Nachts um 1/2-12 Uhr wird die Nonne geweckt, punkt 12 Uhr beginnt
die Matutin, die fünfviertel Stunden, an Festtagen aber volle zwei
Stunden dauert, weil dann die Laudes und das Te Deum gesungen werden.
Nach 2 Uhr müssen alle Nonnen wieder in ihren Betten liegen und zwar
bis 5-1/4 Uhr. Dann werden alle geweckt und müssen das hochwürdigste
Gut besuchen.

Um 3/4-6 Uhr gibt die Priorin das Zeichen zur Meditation
(Betrachtung). Sie geht sogleich von Zelle zu Zelle um nachzusehen,
ob jede Nonne vor ihrem Altärchen kniet und ihren Betrachtungen
obliegt. Diese dauern eine halbe Stunde, an Feiertagen aber eine
viertel Stunde, weil die Prim um 6 Uhr beginnt.

Die Prim fängt täglich um ein Viertel nach 6 Uhr an, an Sonn- und
Feiertagen aber pünktlich um 6 Uhr. Nach derselben wird in das
Kapitel gegangen, wo die Abgestorbenen vorgelesen und für sie das
Seelen-Offizium (Officium de profundis) gebetet wird.

Die Kapiteltage sind Montag, Mittwoch und Freitag, ferner Samstag,
falls an diesem Tage nicht gebeichtet wird.

Das Zeichen zur ersten heiligen Messe wird mit der Glocke um Viertel
nach 7 Uhr gegeben, an Sonn- und Feiertagen aber pünktlich um 7 Uhr.

Um 8 Uhr ist die Terz, die während des ganzen Jahres gesungen wird,
darauf folgt die zweite heilige Messe und darauf werden die Sext und
die Non psalliert. Hierauf kann jede Nonne bis um 10-1/4 Uhr ihrem
Amt oder Arbeit nachgehen oder in ihrer Zelle arbeiten.

An Sonn- und Feiertagen tritt insofern eine Änderung ein, als nach
der Terz eine Predigt mit Hochamt gehalten wird. An den Ordensfesten
wird nach dem Gottesdienst eine Exhortation im Speisesaal vom
Beichtvater gehalten. An den Festtagen werden die Laudes, Prim,
Vesper und Komplet gesungen, während an den Werktagen die Äbtissin
oder Priorin das Recht hat von einer gesungenen Vesper zu
dispensieren und sie nur beten zu lassen.

Um ein Viertel nach 10 Uhr wird das erste Glockenzeichen zu Tisch
gegeben, worauf jede Nonne in ihrer Zelle das »Partikular-Examen«
macht, das die Priorin, wie bei der Meditation, von Zelle zu Zelle
wandernd kontrolliert. Nach Beendigung dieses Examen besuchen alle
das hochwürdigste Gut und begeben sich dann in den Speisesaal.

Um 1/2-11 Uhr setzen sich alle an die Tische und bleiben dort eine
oder höchstens fünfviertel Stunden lang. Während des Mittagsmahles
werden die Ordensregeln, die Lebensgeschichten der Heiligen und auch
Predigten gelesen.

Wird nicht vom Lesen dispensiert, was einmal die Woche geschieht,
dann muß eine Frau bei Tisch bedienen. In letzterem Falle darf nur
eine Viertelstunde lang gelesen werden und die bei Tisch bedienende
Frau wird von einer Schwester abgelöst.

Nach beendetem Mittagsmahl wird wieder das hochwürdigste Gut besucht
und dann geht jede Nonne an ihr Amt oder ihre Arbeit.

An Fasttagen wird unter dem Beten des Psalmes Miserere nach dem Chor
gegangen und dort das Tischgebet vollendet. Nach demselben nehmen
die Nonnen ihr Tischzeug weg und verwahren es, während die jüngeren
Frauen abnehmen und alles in Ordnung bringen.

Wenn eine lange Vigil gehalten wird, so fängt sie um 2 Uhr an, worauf
die Laudes gesungen werden, die Vesper aber nur psalliert wird.

Alle Tage ist die Vesper gewöhnlich um 3 Uhr nachmittags.

An Sprechtagen dürfen die Klosterfrauen ohne besondere Anfrage bei
der Priorin im Garten spazieren gehen, sooft sie Zeit haben, auch
dürfen sie im Winter im Winterrefektorium (Speisesaal) und im
Sommer im Sommerrefektorium sich zur Arbeit versammeln und erhalten
dann ihren Abendtrunk. An Fasttagen aber darf keine Frau im Garten
spazieren gehen ohne besondere Erlaubnis der Priorin. Das gleiche
gilt auch von der Versammlung im Refektorium. Eine solche Versammlung
findet nachmittags von halb drei bis 3 Uhr statt, wenn die Äbtissin
einen Abendtrunk bewilligt.

An den Muttergottestagen findet um 1/2-3 Uhr Prozession statt, danach
musikalische Vesper nebst Litanei. Nach deren Beendigung ist bis halb
5 Uhr Gebetstunde.

Wird nur eine kurze Vigil gehalten, dann wird sie nach der Vesper
psalliert. An allen Schweigetagen wird die Gebetstunde von 3/4-4 Uhr
bis 1/2-5 Uhr gehalten und zwar von jeder Klosterfrau in ihrer Zelle.
Die Priorin gibt hierzu das Zeichen und sieht in den Zellen nach. Im
Winter, sowie an Beicht- und Kommuniontagen wird diese Gebetstunde im
Chor gehalten.

Um 1/2-5 Uhr wird das erste Zeichen zum Nachtmahl gegeben, worauf das
hochwürdigste Gut wieder besucht wird. An Schweigetagen wird um 3/4-5
Uhr, an den Sprechtagen um 5 Uhr zu Tisch gegangen.

An den Schweigetagen wird zweimal zu den besonderen Schweigestunden
geläutet. Diese Stunden sind von 1-2 Uhr nachmittags und vom Abend
6 Uhr bis zum anderen Morgen nach der Prim. Binnen dieser Zeit darf
niemand etwas sprechen.

An allen Beichttagen, dann an Sonn- und Feierabenden, ist die
Gebetstunde zum zweiten Mal bis 1/2-7 Uhr auf dem Chor und dann die
Lektion im Konvent. Diese dauert eine halbe Stunde und auf sie folgt
die Komplet.

Alle Nonnen müssen wöchentlich einmal beichten und kommunizieren,
falls aber in eine Woche ein Feiertag fällt, so auch an diesem.
Abwechslungsweise müssen aber alle Tage drei Nonnen beichten und die
Kommunion empfangen.

Nach beendetem Komplet wird das nächtliche Examen eine Viertelstunde
lang gehalten und zwar in der Zelle einer jeden Klosterfrau und unter
der Kontrolle der Priorin. Hierauf wird das höchste Gut zum letzten
Male besucht.

Um 8 Uhr abends müssen alle Nonnen in ihren Betten ruhen, was
ebenfalls die Priorin kontrolliert. Sie sieht auch manchmal während
des Schlafens nach und weckt diejenigen liebreich aus dem Schlafe,
die allenfalls unanständig in ihren Betten liegen. Geschieht das bei
einer oder der anderen Nonne öfters, so wird sie gebüßt.

Es war verboten im Bett auf dem Rücken zu liegen, vielmehr sollte die
Nonne auf der rechten oder auf der linken Seite schlafen.

Der Gebrauch des Papiers auf dem Abort ist nicht erlaubt[17].

An Strafen gab es zur Ertötung der Fleischeslust -- die schon
dadurch bekämpft wurde, daß die Klarissinnen niemals Fleisch aßen
-- die große Disziplin, bestehend in 300 Geißelhieben und die
kleine Disziplin mit 36 Geißelhieben. Außerdem wurde der stachliche
Bußgürtel auf den bloßen Leib gelegt.

Außer den anbefohlenen Bußen war jede Nonne gehalten bei
Jahresanfang der Äbtissin schriftlich anzuzeigen, welche Bußen und
guten Werke sie noch freiwillig auf sich nehmen wolle. Zur Einhaltung
der freiwillig übernommenen Verpflichtungen war sie bei schwerer
Sünde in ihrem Gewissen verpflichtet.

Das Formular einer solchen Anzeige lautete:

Ich nehme mir mit der Gnade Gottes vor, nebst der Verrichtung der
sonst alle Jahre gewöhnlichen Gebete, Klosterandachten, Abstinenzen
und Bußwerke in den Fasten

1. wöchentlich einmal die Bußpsalmen und die Litanei von allen
Heiligen, auch einmal den Kreuzweg zu beten,

2. alle Mittwoch, Freitag und Samstag des Salates mich zu enthalten,
wie auch mir einen kleinen Abbruch im Essen zu machen,

3. in jeder Woche an einem Tage den Bußgürtel zu tragen, alle 14 Tage
die kleine, am heiligen Karfreitag aber die große Disziplin zu machen
usw.

Außer den Fasten

1. inner- und äußerliche kleine Abtötungen,

2. alle 14 Tage einmal den Bußgürtel ein oder zwei Stunden lang zu
tragen,

3. an gewöhnlichen Festtagen und jenen meiner besonderen Patrone die
kleine Disziplin vorzunehmen usw.[18]

       *       *       *       *       *

Übrigens leistete auch der Protestantismus bisweilen Erkleckliches
auf dem Gebiete der künstlichen Lebensverschandelung.

So gab es Pietisten, die nicht nur Theaterbesuch, weltliche Spiele
und regelmäßigen Besuch von Wirtshäusern verboten, sondern auch
das Tabakrauchen, den fröhlichen Trunk im Freundeskreise, ja man
focht das Lachen und das Spazierengehen als mit dem christlichen
Lebensernst unverträglich an. _A. H. Francke_ aber verbot den Kindern
sogar das Spielen, wenigstens in den Räumen des Schulgebäudes[19].




III. Kapitel

Der Hexen- und Teufelswahn in der Mittelalterlichen Kirche


Die moderne Weltanschauung betrachtet alles Geschehen als
Naturgesetzen unterworfen. Überall herrscht die lückenlose
Kausalität. Keine Ursache ohne Wirkung, keine Wirkung ohne Ursache
und zwar eine Ursache, die natürlich ist und unter sonst gleichen
Umständen genau dieselbe Wirkung hervorruft. Das Experiment
des Naturforschers hat diese Weltanschauung zur notwendigen
Voraussetzung. Denn welchen Wert hätte alles Experimentieren, wenn
die Möglichkeit bestände, daß trotz genau gleicher Bedingungen die
Wiederholung einer Untersuchung ein anderes Resultat lieferte? Kommt
bei verschiedenen Versuchen nicht jedesmal genau dasselbe Ergebnis
heraus, dann ist nach unserer Weltanschauung der einzig zulässige
Schluß der, daß die Versuchsbedingungen eben doch nicht genau gleich
waren, daß das Material geringe Differenzen aufwies, die Wärme
verschieden war, die Versuchsdauer variierte und was noch dergleichen
Möglichkeiten mehr sein mögen.

Was für den Physiker, Chemiker, Elektriker gilt, hat auch seine
Gültigkeit in allen anderen Naturwissenschaften, nur daß in
einigen von ihnen -- etwa in der Medizin -- die Vorbedingungen
des Experimentes nie mit der absolut erforderlichen Genauigkeit
herstellbar sind, weil es sich eben um lebende Wesen handelt, die
immer mehr oder minder voneinander abweichen. Sieht der Arzt einen
Fall von Geisteskrankheit, so wird er keinen Augenblick zögern, die
Ursache dafür im Inneren des Patienten, in seinem Gehirn zu suchen.
Die krankhafte Störung des Gehirnes aber, deren Folge eben die
Wahnerscheinungen sind, wird er je nachdem auf Alkoholmißbrauch,
Lues, Verkalkung der Arterien oder sonst eine natürliche Ursache
zurückführen. Was dem wissenschaftlichen Menschen als Ursache völlig
fern liegt, was er als unmöglich abweist, ist das Wunder, d. h. die
Durchbrechung der naturgesetzlichen Kausalität durch eine außer- oder
übernatürliche Kraft, mögen wir sie nun Gott, Teufel oder Dämonen
nennen.

Primitive Zeiten dachten anders und mußten auch anders denken. Gewiß
hatte man in so und so vielen Fällen die regelmäßige Aufeinanderfolge
bestimmter Vorgänge beobachtet und dies in einen Kausalzusammenhang
gebracht; etwa die zunehmende Wärme im Frühling und die darauf
zurückzuführende Entfaltung der Vegetation, oder die Einwirkung der
Wärme auf den Aggregatzustand der meisten Stoffe u. a. m. Aber diese
Beobachtungen waren nicht sehr zahlreich und die Interpretation
sehr häufig irrig. Sah man z. B. den Mond in einer klaren kalten
Winternacht, so folgerte man die Kälte aus seiner Einwirkung,
während umgekehrt eine Folge der Kälte und der dadurch verhinderten
Nebelbildung seine größere Sichtbarkeit ist. Oder sah ein Naturvolk
die Schmetterlinge in der größten Tageshitze am zahlreichsten
fliegen, so folgerte es daraus, daß der Flug dieser Insekten die
Hitze hervorrufe, um so mehr, als sie gegen Abend zugleich mit der
Sonne verschwinden. So wurde der Schmetterling Herr des Tages und ihm
eine wunderbare Macht beigelegt.

Die Folge der geringen Kenntnisse der Naturgesetze mußte sein,
daß man überall, wo etwas nicht sofort erklärlich war, nicht nach
ihnen suchte, da sie ja doch nur in den seltensten Fällen genügende
Auskunft hätten geben können, sondern nach _übersinnlichen Ursachen_.
Bald war es das unmittelbare Eingreifen Gottes, bald das des Teufels,
seines Gegners, der in einer Welt, die lediglich nach gut und böse
gewertet wurde, Urheber des letzteren sein mußte. Dazu kamen Zauberer
und Hexen.

Das alles ist durchaus nicht dumm, sondern nur unwissend. Und es wird
desto entschuldbarer, als die höchste Instanz, die Bibel, sowohl
im Alten, als im Neuen Testament soundsooft von einem leibhaftigen
Teufel spricht, wie von Dämonen, Engeln und Hexen.

Anders müssen wir diese naive Denkweise beurteilen zu einer Zeit,
wo die Naturwissenschaften bereits so fortgeschritten sind, daß sie
in den meisten Fällen eine zureichende Erklärung der Erscheinungen
bieten können.

Das war aber bereits im 16. Jahrhundert bei uns der Fall. Hatte sich
doch gegenüber der äußerst dürftigen Kenntnis der Natur im frühen
Mittelalter, im 16. und besonders noch im 17. Jahrhundert das Wissen
von ihr ganz außerordentlich vermehrt. Wir können es verstehen,
wenn das Volk, das doch von den Forschungsergebnissen der Gelehrten
nur eine sehr verschwommene Kenntnis besitzt, am Aberglauben
festhält, dazu neigt Natürliches, dessen Kausalität es nicht kennt,
übernatürlich zu erklären. Dafür müssen wir jedoch erwarten, daß die
intellektuellen Instanzen, die Kirche, die Obrigkeit, die Theologen,
die ganze Gelehrtenwelt alles aufbietet, um nach der Richtung der
natürlichen Erklärung des Weltgeschehens zu wirken.

Gerade diese sind dazu berufen in Fällen, die an sich vielleicht die
Wahl zwischen den Möglichkeiten der natürlichen und übernatürlichen
Erklärung zuließen, alles daranzusetzen, der ersteren Vorschub
zu leisten, im Sinne der Aufklärung und Befreiung vom Alb des
Aberglaubens. Selbst wenn sie von der Existenz der Hexen und Zauberer
theoretisch überzeugt wären, so müßten sie bestrebt sein, in der
Praxis deren Wirkungsbereich nach Tunlichkeit einzuschränken und
damit den Weg verfolgen, den vor ihren Augen die Wissenschaft seit
Jahrhunderten eingeschlagen hat. Wir sehen aber das Gegenteil! Gerade
in dieser Zeit wurde die Hexentheorie am wahnwitzigsten ausgebildet
und mit Gewalt verbreitet.

Die Dummheit besteht also in erster Linie darin, daß wir die
Autoritäten in kulturhemmender Weise und dem Fortschritt der
Naturwissenschaften entgegen arbeitend, am Werke sehen. Statt die
natürliche Deutung zu fördern, selbst auf die Gefahr hin, eine
Hypothese aufzustellen, die ihrem Bereich weitere Grenzen steckt,
als der damalige Zustand der exakten Wissenschaft gestattete, wird
sie bekämpft. Aber selbst wenn es wirklich Zauberei je gegeben hätte,
wäre es weit klüger gewesen, diese Tatsache zu ignorieren, als durch
Aufwerfung der Frage neuerdings Unruhe in ein sich beruhigendes Volk
zu tragen und zahlreiche Menschen Qualen und dem Tode auszuliefern.

Um es nochmals mit allem Nachdruck zu betonen: der Glaube an Teufel
und Zauberei ist allen primitiven Völkern gemeinsam. Er schwindet
erst mit dem Fortschritt der Naturwissenschaften. Auch die Antike
war von diesem Wahn nicht frei und Christus teilte ihn gleichfalls.
Während er aber im Neuen Testament einen winzigen Raum einnimmt,
während wir genötigt sind, die bescheidenen naturwissenschaftlichen
Kenntnisse der Antike und der ersten Hälfte des Mittelalters als
hinreichende Entschuldigung anzuführen, fällt dies für die neuere
Zeit fort. Da ist es die _Autorität des Papsttums und die der Bibel,
die ihn festhalten_, während die Erleuchtetsten der Zeit ihn längst
innerlich überwunden hatten, ja, während das niedere Volk ihn, wie
die Prozeßakten lehren, bereits anfängt aufzugeben. Da ist es das
Kirchenregiment, das ihn mit Gewalt einem sich von mittelalterlichem
Aberwitz befreienden Volke aufzwingt, ungezählte Tausende ihm zuliebe
auf die grausamste Weise hinschlachtet.

_Gerade in dem Augenblick, in dem die Naturwissenschaften diese
Irrlehre überwunden haben, wird sie päpstlicherseits neuerdings in
ein System gebracht_ und mit einem Eifer verfochten, wie ihn die
Kirche für eine gute Sache kaum je aufzubringen vermocht hatte.

Ein Analogon finden wir in der Anti-Modernistenbewegung der
Gegenwart. Es ist ganz sonnenklar, daß die Kirche in ihrer
gegenwärtigen Verfassung und mit starrem Festhalten an längst
veralteten Glaubenslehren dem Untergange in dem Sinne verfallen ist,
daß sie aufhören wird, die geistig Reifen zu befriedigen. Um das
gänzliche Hinabsinken in den Paganismus zu verhüten, der alten Form
neues Leben einzuflößen, nicht auf Schritt und Tritt die Inferiorität
der christlichen gegenüber den profanen Wissenschaften merken zu
lassen, haben gläubige und kluge Männer versucht, dem modernen
Geist bei aller Wahrung des prinzipiellen katholischen Standpunktes
die nötigen Konzessionen zu machen. Sie revidierten den Glauben
an die Verbalinspiration der Bibel, legten die kritische Sonde an
ihre historischen Berichte an, leuchteten in die Geschichte der
kirchlichen Dogmen und Institutionen hinein, kurz begannen jene
Modernisierungsarbeiten, die bei einer so uralten Organisation, wie
die Kirche ist, sicherlich ebenso notwendig ist, wie die Restauration
eines alten Domes.

Das wäre in früheren Jahrhunderten kaum erforderlich gewesen, da
damals die historische Textkritik noch nicht einmal in ihren Anfängen
existierte, die profanen Wissenschaften noch wenig entwickelt waren
und das Volk gläubig hinnahm, was ihm die kirchliche und weltliche
Obrigkeit hinzunehmen befahl. Das lehrt etwa die Geschichte der
sogenannten Konstantinischen Schenkung, die erst Laurentius Valla
als Fälschung nachwies, ohne damit eine tiefe Wirkung zu erzielen.
Jetzt aber ist bei dem völlig veränderten Zeitgeist die Notwendigkeit
zwingend und alle Verständigen sehen sie auch ein.

Dies ist nun, wie im Falle des Hexen- und Teufelsglaubens, der
Augenblick, in dem das Papsttum mit seinem unheilvollen, im
eminentesten Sinne kulturfeindlichen Einfluß einsetzt. Und zwar durch
die verschiedenen Motu proprios gegen die »Modernismus« genannte,
oben gekennzeichnete Bewegung, die zwar nirgends so existiert, wie
der Papst sie sich vorstellt, immerhin aber ähnliche Tendenzen
verfolgt.

Da wir auch in diesem Falle dem »Statthalter Christi« keine
gemeine, auf den Untergang der Kirche und die Schädigung der Kultur
hinauslaufende Gesinnung zuschreiben können und dürfen, sind wir
gezwungen, die Dummheit in höchster Potenz als Milderungsgrund
anzuführen.

Eigentlich brauchte niemand die Kirche anzugreifen, solange ein
Pius X. an ihrer Spitze steht. Schädigt dieser Papst sie doch viel
nachdrücklicher, als es der fanatischste Kirchengegner je vermöchte.

Sehen wir uns nun einmal den Teufels- und Hexenglauben an, wie ihn
die Kirche ausbildete und lehrte und zum Teil heute noch, wie das
Nachstehende beweisen wird, vertritt!

Wenn _Gregor_ IX., der leidenschaftliche Feind des
Hohenstaufengeschlechtes, in seiner Bulle Vox in Rama vom 13.
Juni 1233 den Tod derer fordert, die sich mit dem »_Frosch- und
Kater-Teufel so groß wie ein Backofen_« eingelassen haben, dann
werden wir diese Dummheit zwar belächeln, aber mit der Zeit
entschuldigen.

Das kann man vielleicht noch für den Aberglauben Papst _Johann_
XXII. (1316-1334) anführen, der in seiner Bulle Super specula
in hochtönenden Worten den größten Blödsinn offenbart. Dieser
Statthalter Christi überbot sich selbst an tollem Aberglauben. Man
hatte ihm weisgemacht, es gäbe ein Schlagenhorn (cornu serpentinum),
mittels dessen Gift entdeckt werden könne. Er läßt es sofort kommen
und verpfändet für diesen unschätzbaren Wertgegenstand seiner
Besitzerin alle seine bewegliche und unbewegliche Habe. Zugleich
bedroht er jeden mit dem Banne, der sich dieses Schlagenhorn
widerrechtlich aneignen will. Im Jahre 1317 schreibt er: »Gottes
Barmherzigkeit habe in seine Hände _drei Zauberbilder_ gelangen
lassen, _durch deren Durchstechung diejenigen Personen, auf deren
Namen diese Bilder getauft seien, getötet wurden_.« Er hatte
folgerichtig für sich selbst auch immer die größte Angst vor jemand,
der die Wachsbilder mit seinem Bildnis durchstechen würde, so daß
er stürbe. Übrigens hielt sich dieser Glaube in Italien noch im 18.
Jahrhundert, wie aus Casanovas Mailänder Erlebnis hervorgeht.

Daß dieser Wahn praktisch die übelsten Folgen haben konnte, lehrt
das Beispiel des _Magister Gerardi_, Bischofs von Cahors. Weil er
auf diese Weise dem Papst nach dem Leben getrachtet haben soll,
wird er nach Avignon zitiert, für schuldig befunden, degradiert und
_verbrannt_. Es ist kein Wunder, daß mancher es versuchte, seinen
Gegner auf so einfache Weise zu beseitigen und verschiedene derartige
Fälle sind aus der politischen Geschichte bekannt. Sicherlich muß
die böse Absicht scharf bestraft werden. Sie wäre so schwer zu
beurteilen, wie etwa ein Mordanschlag mit einem Revolver, dessen
Patrone ohne Wissen des Attentäters entfernt wurde. Wir können es
daher dem Papst gewiß nicht verübeln, daß er ein strenges Gericht
hielt, denn wenn der Bischof Gerardi wirklich solche Absicht gehegt
hatte, war er ein Verbrecher. Wohl aber nehmen wir mit Befremden
Kenntnis vom Irrwahn des Hauptes der Christenheit.

In einer Bulle vom 4. November 1330 spricht _Innozenz_ XXII. von
_schriftlichen Verträgen mit dem Teufel_, von Teufelsanbetung,
sowie von Zauberbildern, durch die der Teufel herbeigerufen werden
könne. Auf dem gleichen Standpunkt steht auch _Eugen_ IV. in einem
Rundschreiben an die Inquisitoren vom Jahre 1437.

Mittelalter! wird man sagen. Gut.

Statt nun aber eine Abnahme des Wahnes zu beobachten, müssen wir
dessen _Steigerung_ konstatieren, ja einem _Innozenz_ VIII. --
welcher Hohn liegt in diesem Namen! -- blieb es vorbehalten, in
den religiösen Teufelsspuk auch noch das _geschlechtliche Moment_
einzuflechten und damit an Blödsinn und Ekelhaftigkeit etwas zu
erzeugen, was länger fortleben sollte, als seine 16 unehelichen
Kinder[1].

Im Jahre 1484 erschien die Hexenbulle, also zu einer Zeit, als
Leonardo da Vinci und Regiomontanus wirkten, Kopernikus schon geboren
war.

Die Hexenbulle (Summis desiderantes), eines der fluchwürdigsten
Erzeugnisse der Menschheitsgeschichte, lautet:

»Mit glühendem Verlangen, wie es die oberhirtliche Sorge erfordert,
wünschen wir, daß der katholische Glaube wachse und die ketzerische
Bosheit ausgerottet werde. Deshalb verordnen wir gerne und aufs
neue, was diese unsere Wünsche zum ersehnten Ziele bringt. Nicht
ohne ungeheuren Schmerz ist jüngst zu unserer Kenntnis gekommen, daß
in einigen Teilen Deutschlands, besonders in der Mainzer, Kölner,
Trierer, Salzburger und Bremer Gegend sehr viele Personen beiderlei
Geschlechts, uneingedenk ihres eigenen Heils und abirrend vom
katholischen Glauben, sich _mit Teufeln in Manns- oder Weibsgestalt_
(cum daemonibus incubis et succubis), _geschlechtlich versündigen
und mit ihren Bezauberungen, Liedern, Beschwörungen und anderm
abscheulichen Aberglauben und zauberischen Ausschreitungen, Lastern
und Verbrechen die Niederkünfte der Weiber, die Leibesfrucht der
Tiere, die Früchte der Erde, die Weintrauben und die Baumfrüchte,
wie auch die Männer, die Frauen, die Haustiere und andere Arten
von Tieren, auch die Weinberge, die Obstgärten, die Wiesen, die
Weiden, das Getreide und andere Erdfrüchte verderben und umkommen
machen, auch peinigen sie die Männer, die Weiber, die Zug-, Last-
und Haustiere mit fürchterlichen inneren und äußeren Schmerzen und
verhindern die Männer, daß sie zeugen, die Weiber, daß sie gebären,
und die Männer, daß sie den Weibern, und die Weiber, daß sie den
Männern die eheliche Pflicht leisten können_. Auch verleugnen sie
den Glauben, den sie in der Taufe empfangen haben, mit meineidigem
Munde. Ferner begehen sie überaus viele schändliche Verbrechen,
Sünden und Laster auf Anstiften des Feindes des Menschengeschlechtes,
zum Schaden ihrer Seelen, zur Beleidigung der göttlichen Majestät,
zum Ärgernis vieler. Und das geschieht, obwohl unsere geliebten
Söhne, _Heinrich Institoris_ für die obengenannten Teile Deutschlands
und _Jakob Sprenger_ für gewisse Striche am Rhein, beide Mitglieder
des Predigerordens und Professoren der Theologie, durch apostolische
Briefe zu Inquisitoren bestellt worden sind und noch sind. Dennoch
scheuen sich einige Geistliche und Laien jener Länder nicht, da sie
mehr verstehen wollen, als nötig ist, halsstarrig zu behaupten, weil
in den Bestallungsbriefen (dieser Inquisitoren) einige Diözesen,
Städte und Orte, auch einige Personen und ihre Ausschweifungen und
Laster nicht namentlich genannt sind, diese auch nicht inbegriffen
seien, so daß diese Städte und Orte den genannten Inquisitoren
auch nicht unterständen, so daß sie dort ihr Amt nicht ausüben
und dort ihre Strafen nicht verhängen könnten. So bleiben denn
zum augenfälligen Schaden der Seelen und _zur Gefahr des ewigen
Seelenheils_ in diesen Gegenden solche Verbrechen straflos. Wir aber,
indem wir alle und jede Hindernisse, durch welche die Ausübung des
Inquisitorenamtes auf irgendeine Weise verzögert werden könnte, aus
dem Wege räumen, damit die Seuche der Ketzerei und anderer solcher
Verbrechen ihr Gift zum Verderben der Unschuldigen nicht ausbreiten
könne, wollen, wie es unser Amt erfordert, taugliche Hilfsmittel
anwenden, _da der Glaubenseifer uns dazu antreibt_. Damit sich nun
nicht ereigne, daß die obengenannten Länder ohne das notwendige
Inquisitionsamt seien, so setzen wir aus apostolischer Vollmacht
fest, daß den genannten Inquisitoren gestattet sei, ihr Amt dort
auszuüben, und daß sie die Bestrafung dieser Verbrechen vornehmen
können, als ob diese Länder, Städte, Orte namentlich aufgeführt
wären. Und indem wir aus größerer Sorgfalt diese Bestallung auf die
genannten Länder ausdehnen, gestatten wir den genannten Inquisitoren,
daß sie und jeder von ihnen, unter Zuziehung unseres geliebten
Sohnes _Johann Gremper_, Magister aus der Konstanzer Diözese, in
den genannten Länderstrichen Alle, die sie der genannten Verbrechen
schuldig befunden haben, nach ihren Verbrechen züchtigen, einkerkern
und am Leib und Vermögen strafen können; auch gewähren wir diesen
Inquisitoren freie Vollmacht in allen Kirchen, sooft es ihnen gut
scheint, das Wort Gottes zu predigen und Alles und Jedes, was
dazu nützlich erscheint, zu tun. Wir befahlen durch apostolische
Schreiben dem Bischof von Straßburg, daß er, sooft er von diesen
Inquisitoren ersucht wird, es öffentlich kund tun soll, daß sie in
nichts und von niemand beeinträchtigt und gehindert werden. Alle
aber, die sie hindern, weß Amtes sie auch seien, sollen von ihm
durch Exkommunikation, Suspension und Interdikt und andere noch
schrecklichere Strafen, ohne jede Berufung, gebändigt werden, und,
wenn nötig, soll gegen sie der weltliche Arm angerufen werden:
Keinem Menschen soll es erlaubt sein, dies unser Schriftstück zu
verletzen oder in frevelhaftem Wagnis diesem entgegen zu handeln.
Wenn aber jemand dies versuchen sollte, so wisse er, daß er den
_Zorn des allmächtigen Gottes und der Apostel Petrus und Paulus
auf sich geladen hat_. Gegeben zu Rom bei St. Peter, im Jahre der
Menschwerdung des Herrn 1484, im ersten unseres Pontifikats am 5.
Dezember«[2].

Dieses Schriftstück hat in seinen Konsequenzen wohl mehr Kummer und
Not über die Christenheit gebracht, als irgend ein Krieg oder die
schlimmste Seuche.

Deutlich geht aus ihm hervor, daß man mit der Inquisition mancherorts
keineswegs einverstanden war, _daß sich also bereits im Volke Kräfte
regten, die diesen Unsinn abschütteln wollten und daß der Papst es
war, der mit seiner ungeheuren Autorität für diese Dummheit eintreten
mußte um zu verhüten, daß die Vernunft damals schon siegte_.

Übrigens war die Erfindung des Mann-Teufels und Weib-Teufels schon
dem grüblerischen Geiste des gefeierten und für seine Zeit auch
gewiß feiernswerten _Thomas von Aquino_ gelungen. Daß das Papsttum
für diese Ausgeburt einer verderbten mönchischen Phantasie die volle
Verantwortung übernahm, geht klar aus obiger Bulle hervor.

Doch fortzeugend sollte sie Böses stiften, praktisch und theoretisch.
Wir können auf eine Schilderung der Greuel des Hexenprozesses, der
unermeßlichen Leiden, die dieser Wahn über die Menschheit brachte,
umso eher hier verzichten, als wir an anderer Stelle[3] die Materie
eingehend behandelten. Zudem war die Art der Verfolgung nichts
weniger als dumm, sondern im Gegenteil sehr raffiniert. Dumm waren
die Voraussetzungen, die zur Hexenverfolgung führten, brutal und
jeder Menschlichkeit Hohn sprechend aber die Art der Durchführung.

Wenden wir uns nunmehr der theoretischen Ausbildung zu, die diese
Lehre unter dem mächtigen Schutz des Papsttums finden sollte.

_Institoris_ und _Sprenger_, »unsere geliebten Söhne«, wie sie der
Papst nennt, die fluchwürdigsten Scheusale und wahnwitzigsten Narren,
wie wir sie heißen möchten, haben ihre Namen für ewige Zeiten mit der
Teufels- und Hexenlehre unlöslich verbunden. Gegen sie müssen ein
Dschingis Chan, ein Timur, ein Alba und Caligula geradezu harmlos
genannt werden, hörte doch mit deren Tode auch ihr Treiben auf,
während dem »Hexenhammer« der Hydra gleich stets neue Köpfe wuchsen.

Die beiden Dominikanermönche könnten selbst uns zum Teufelsglauben
bekehren. Denn die Hochachtung vor der Menschheit sträubt sich
gegen die Annahme, daß ohne höllische Einflüsse ein Werk wie ihr
»_Hexenhammer_« (Malleus maleficarum) das Licht des Tages erblicken
konnte. Fast alles, was seit Erscheinen dieses wahrhaft teuflischen
Buches über die Materie geäußert wurde, geht direkt oder indirekt auf
diese Quelle zurück. Seiner verpestenden Wirkung können sich selbst
Geister wie _Pico della Mirandola_, der in seiner Rede von der Würde
des Menschen so wundervolle Gedanken entwickelt[4], nicht entziehen.
Der Dichter _Fischart_, ein Protestant, gibt das Buch neu heraus,
_Albrecht Dürer_ und _Hans Baldung Grien_ widmen ihre unsterbliche
Kunst diesem Vorstellungskreise. Noch auf den bayerischen Kodex
Maximilianeus von 1751 erstreckt sich die unheilvolle Wirkung dieses
grausigen Werkes.

Betrachten wir den Inhalt, wie ihn Hoensbroech in bisher nicht
erreichter Vollständigkeit übermittelt[5].

Das Buch bejaht die Frage, daß es eine Schwarzkunst gibt, und der
Teufel mit dem Schwarzkünstler zusammen wirke. Daß es sich nicht um
Einbildung handelt, beweist nach der Ansicht der Verfasser die Bulle
Summis desiderantes. Hier ist also mit wünschenswerter Deutlichkeit
der Papst, der ja auch das Werk selbst approbierte, als Quelle und
Eideshelfer angeführt.

Die dritte Frage lautet: _Können durch Inkubi und Sukkubi Menschen
erzeugt werden?_ Hierbei ist erklärend zu bemerken, daß die Daemones
incubi in der bis heute gültigen katholischen Terminologie jene
Teufel sind, die sich in menschlicher Gestalt mit anderen Menschen
fleischlich vergehen, indem sie als Männer mit Frauen (»Drauflieger«)
Unzucht treiben, während die succubi beim Geschlechtsakt die
weibliche Rolle spielen.

Natürlich wird die Frage bejaht. »Die Behauptung, durch Inkubi und
Sukkubi können Menschen erzeugt werden, ist _so katholisch, daß ihre
Leugnung den Aussprüchen der Heiligen, der Überlieferung und der
hl. Schrift widerstreitet_«. Und zwar übt der Teufel nicht um der
fleischlichen Ergötzung willen die Unzucht aus, sondern um dadurch
die menschliche Natur in ihren beiden Bestandteilen, Mann und
Weib, am schwersten zu schädigen. Der _hl. Thomas_ lehrt, daß der
männliche Teufel (incubus) unter Gottes Zulassung den nötigen Samen
von einem Manne entnehmen kann, um ihn im Beischlaf zu übertragen!
Gewisse Teufel schrecken wegen der Vornehmheit ihrer Natur vor
gewissen unzüchtigen Handlungen zurück! Vielmehr werden diese von den
untersten Teufeln ausgeführt. Genealogisch gehen diese Teufel auf die
untersten Engel zurück. Der oberste Teufel heißt _Asmodeus_.

In der sechsten Frage, warum die Schwarzkunst bei den Frauen
verbreiteter sei als bei den Männern, wozu bemerkt wird, daß sich
_dieser Gegenstand gut für Predigten an die Frauen eignet_, wird über
die Frauen folgendes Urteil gefällt: »_Was ist denn auch das Weib
anders, als eine Vernichtung der Freundschaft, eine unentfliehbare
Strafe, ein notwendiges Übel, eine natürliche Versuchung, ein
begehrenswertes Unheil, eine häusliche Gefahr, ein reizvoller
Schädling, ein Naturübel mit schöner Farbe bestrichen?_«

Wurde je niedriger über das Weib geurteilt, als hier von einer
durch die höchste kirchliche Autorität sowie die Approbation der
theologischen Fakultät in Köln gestützten Stelle?

Auf den Blödsinn, der hier über die Minderwertigkeit der Frauen
vorgebracht wird, näher einzugehen, verlohnt sich nicht. Um aber
das Niveau der Beweisführung zu kennzeichnen, sei nur folgender
ethymologischer Scherz angeführt: Das Wort Femina (Frau) ist aus fe
(fides, Glaube, Treue) und minus (weniger) zusammengesetzt, denn
das Weib hat stets weniger Glauben und wahrt weniger die Treue, als
der Mann! Solche Ethymologien finden sich im »Hexenhammer« noch
mehrere. So versichern die Verfasser an anderer Stelle (p. 65), daß
maleficiendo aus male de fide sentiendo herzuleiten sei. Das beweist
natürlich die Synonymik bzw. Idendität des Mannes, der über den
Glauben schlecht urteilt, des Ketzers, mit dem Übeltäter schlechthin!

Es wird dann weiter gefragt und bejaht, daß die Schwarzkünstler
Menschen zu Liebe oder Haß bewegen können, daß sie den ehelichen Akt
verhindern, die Kriterien werden untersucht, aus denen zu entnehmen
ist, ob das geschlechtliche Unvermögen auf Schwarzkunst oder
natürlichen Mangel zurückzuführen ist.

Die neunte Frage: Können Hexen das männliche Glied durch Zauberei so
behandeln, als sei es vom Leibe getrennt? sei auch als Schulbeispiel
der Dummheit in ihrer Beantwortung mitgeteilt: Die Hexen können in
Wirklichkeit und Wahrheit das männliche Glied vom Körper trennen.
Dafür lautet ein Beweis: Die Verwandlung der Frau des Loth in eine
Salzsäule ist mehr, als die Trennung des männlichen Gliedes vom
Körper. Nun ist aber jene wirklich geschehen, also kann auch diese
geschehen. Aber diese wirkliche Trennung ist doch nur subjektiv
wirklich, nicht objektiv, d. h. das Glied bleibt am Körper, aber für
die Sinne (Auge, Hände) ist es nicht mehr vorhanden. Durch Zauberei
kann ein flacher, fleischfarbener Körper vorgeschoben werden, der
für Hand und Auge nur mehr eine Fläche darstellt, ohne Unterbrechung
durch das männliche Glied.

Ferner wird konstatiert, daß die Hexen Menschen in Tierleiber
verwandeln können, daß schwarzkünstlerische Hebammen häufig die
Kinder im Mutterleibe töten, Fehlgeburten verursachen und neugeborene
Kinder dem Teufel opfern.

Ein päpstlicher Inquisitor von Como hat aus diesem Grunde -- in einer
nächtlichen Hexenversammlung soll ein Kind aufgegessen worden sein --
im Jahre 1487 _einundvierzig Hexen verbrennen lassen_.

Diese Proben des theoretischen Teiles dürften wohl genügen. Nunmehr
wollen wir noch einige Beispiele aus dem zweiten Teil des Werkes, in
dem die Äußerungen der Hexerei niedergelegt sind, anführen.

Zunächst wird die Frage beantwortet, wem der Zauberer nicht schaden
kann, und dabei auf Weihwasser, geweihte Kerzen und geweihte
Kräuter, die man verbrennt, als Abwehrmittel verwiesen. Als jemand
in Ravensburg von einem Teufel in Weibsgestalt zur Unzucht angereizt
wurde, fiel ihm ein, in der Predigt gehört zu haben, daß geweihtes
Salz ein gutes Mittel dagegen sei. So nahm er denn beim Eintritt
in die Kammer von dem Salz; das vermeintliche Weib verzerrte das
Gesicht und verschwand plötzlich. Ferner werden die Worte der
Kreuzesaufschrift Christi an den vier Wänden in Form eines Kreuzes
angebracht, empfohlen. Äußerst wirksam ist der _Schutz himmlischer
Geister, die den Gestirnen die Bewegung verleihen_. Das bewährt
sich besonders bei Behexung der Zeugungsfähigkeit. So kam einst ein
Engel zum hl. Serenus, öffnete ihm den Leib und entfernte aus seinen
Eingeweiden ein feuriges Stück Fleisch. Dadurch erlangte der Heilige
eine solche Keuschheit, daß er niemals mehr irgendwelche sinnliche
Regungen, wie sie selbst bei Kindern und Säuglingen vorkommen,
verspürte.

Im I. Hauptstück wird von den Arten erzählt, durch welche die Teufel
Unvorsichtige mittels Behexungen zur Gottlosigkeit verleiten, im
II. von der Hexerei als Beruf. Es gibt drei Arten von Hexen: einige
erregen Hagel, Gewitter, Stürme; bewirken Unfruchtbarkeit bei
Menschen und Tieren; verzehren Kinder und opfern sie dem Teufel;
machen Pferde scheu; fliegen körperlich durch die Luft; töten durch
bloßen Blick. _Allen drei Arten von Hexen ist gemeinsam, daß sie mit
dem Teufel Unzucht treiben._

Die Hexen weihen sich entweder auf feierliche Art dem Teufel, indem
sie ihm, der in Menschengestalt erscheint, Treue in die Hand geloben,
oder auf unfeierliche Art. Sie sehen es besonders auf _ungetaufte
Kinder ab, aus deren Fleisch und Knochen sie eine Salbe bereiten, aus
den flüssigeren Bestandteilen aber ein Getränk_. Wer es trinkt, ist
sofort ein Meister in der teuflischen Kunst. Bei dieser Gelegenheit
verraten die Herren Inquisitoren so ganz nebenbei, daß alle, die
sie einäschern ließen, in bezug auf die Schwarzkunst _unfreiwillig_
waren! Da die »Hexen« unter der Folter natürlich aussagten, was man
ihnen in den Mund legte, so gibt es keine Zeile dieses Buches, die
nicht durch eidliche Aussagen der armen Opfer erhärtet wäre. Z. B.
gestand eine Hexe, die dann natürlich, wie _alle ohne Ausnahme,
eingeäschert_ wurde, sie habe sechs Jahre mit dem Teufel Unzucht
getrieben und zwar im Bett und an der Seite ihres Mannes.

Das III. Hauptstück führt aus, wie die _Hexen von Ort zu Ort
geführt werden_. Bald tut das der Teufel in eigener Person, jedoch
in Pferdegestalt. Auch das wurde natürlich gesehen. Bald geschieht
es auf einem Stück Holz, das mit der aus Kindern gewonnenen Salbe
bestrichen wird.

Das IV. Hauptstück handelt von der Art, _in der sich die Hexen den
Teufeln in Mannsgestalt hingeben_. Die Teufel bedienen sich dabei
eines Leibes aus Luft, den sie durch Dämpfe verdichten. Mit diesem
Körper können sie sprechen, sehen, hören, essen und zeugen. Die durch
den Beischlaf mit dem Teufel Gezeugten sind sehr stark und kräftig.
Die Sache geht so vor sich: Ein Teufel in Weibsgestalt (succubus),
der sich mit einem Manne abgegeben hat, nimmt den Samen von diesem
Manne auf, er macht sich dann mit diesem Samen einem Weibe gegenüber
zu einem Teufel in Mannsgestalt (incubus). Die Hexe ist entweder alt
und unfruchtbar oder nicht. Im ersteren Falle gibt sich der Teufel
mit ihr ohne männlichen Samen ab; denn auch der Teufel vermeidet
Überflüssigkeiten. Ist sie aber der Schwangerschaft fähig, dann
vermischt er sich mit ihr, wenn er irgendwoher männlichen Samen
erhalten kann, zum Zwecke der Kindererzeugung. Gewiß ist, daß eine
Ehefrau, wenn sie Hexe ist, und durch ihren Mann schwanger wird,
ihre Schwangerschaft verstärken kann durch anderen Samen, den sie im
Beischlaf mit dem Teufel erhält. Bei solchen Vermischungsakten sind
die Hexen zwar immer sichtbar, die Erfahrung der Verfasser hat aber
ergeben, daß die Teufel es nicht immer sind.

Das V. Hauptstück handelt von der _Art, wie die Hexen ihre Künste
durch die Sakramente der Kirche ausüben_, das VI. von der _Art, wie
sie die Zeugungsfähigkeit_ hindern, das VII. _wie die Hexen das
männliche Glied entfernen_.

Wo gibt es eine gleich höllische Ausgeburt von haarsträubendstem
Blödsinn und abstoßendster ekelhaftester Schweinerei?

Ein Jüngling hatte sein Glied durch Zauberei verloren, »_da ich es
nicht glauben wollte, entblößte er sich, so daß ich die Wahrheit
seiner Aussage sah_. Er hatte eine Hexe in Worms in Verdacht. Ich
trug ihm auf, zu ihr zu gehen. Nach einigen Tagen kam er wieder
zurück, und _ich überzeugte mich durch den Augenschein, daß er sein
Glied wieder hatte_. Die Glieder werden übrigens nicht ausgerissen,
sondern nur verborgen.« Was ist aber darüber zu sagen, daß _einige
Hexen solche männliche Glieder in großer Zahl, bis zu zwanzig und
dreißig, in einem Schranke aufbewahren, und daß die Glieder dort
lebendig zu sein scheinen, wie dies viele gesehen haben_? Es ist
zu sagen, daß dies durch teuflische Vorspiegelungen geschieht. Es
hat uns jemand erzählt, daß er, um sein verlorenes Glied wieder zu
gewinnen, sich an eine Hexe gewandt habe. Sie hieß ihn einen Baum
besteigen, auf dem er ein Nest fand, in dem mehrere männliche Glieder
waren. Als er ein _großes_ nehmen wollte, rief die Hexe: nein, das
nicht, denn _das gehört einem Geistlichen_.«

An der Tatsächlichkeit dieses von den Hexen begangenen Verbrechens
bzw. daran zu zweifeln, daß sie mit Impotenz schlagen können, ist
völlig ausgeschlossen. Haben doch die Provinzialsynoden oder gar
Konzilien von Troyes, Lyon, Mailand, Tours, Bourgos, Narbonne,
Ferrara, St. Malo, Monte Cassino, Orleans und Grenoble, sowie die
Rituale von Autun, Chartres, Perigueux, Evreux, Paris, Angers, Arras,
Chalons, Bologna, Troyes, Bourges, Alet, Beauvais, Meaux, Reims usw.,
sowie die Dekrete unzähliger Bischöfe, die Hexen eben wegen dieses
Deliktes in Bann taten. Wer würde es wagen der Autorität aller dieser
Instanzen zu widersprechen[6]?!

Das VIII. Hauptstück setzt auseinander, wie _Menschen in Tiere
verwandelt werden_, das IX. wie _sich die Teufel in menschlichen
Leibern aufhalten können_. Dazu wird folgende erbauliche Geschichte
u. a. berichtet: »Ein heiliger Mann erkannte einst durch den Geist
Gottes, daß ein in einer Kirche sehr gut und fromm predigender
Priester der Teufel sei. Nach der Predigt frug er ihn, warum er
predige und erhielt zur Antwort: weil ich weiß, daß die Leute die
Predigt nur hören, aber nicht befolgen, so wird Gott nur noch mehr
beleidigt.«

Das X. Hauptstück führt aus, wie _die Teufel mit Hilfe der Hexen in
den Menschen wohnen_, das XI. wie _die Teufel Krankheiten, besonders
schwere, verursachen können_. Das geschieht z. B. durch verzauberte
Wachs- oder Bleibilder. Durch Verwünschung oder Anhauchen kann die
Hexe aussätzig machen.

Die fallende Krankheit rufen Hexen hervor durch Eier, die sie in
Gräbern vergruben. Auch das XII. Hauptstück behandelt diese Materie.
Das XIII. Hauptstück beantwortet die Frage, wie _Hebammen als Hexen
schweren Schaden zufügen, indem sie Kinder töten oder dem Teufel
opfern_. So hexte eine Person einer frommen Frau alle möglichen Dinge
in den Leib, die furchtbare Schmerzen verursachten. Als sie ein
natürliches Bedürfnis befriedigen mußte, kamen alle zum Vorschein:
Holz, Knochen und handgroße Dornen. Einige Hebammen, die eingeäschert
wurden, haben noch schlimmere Sachen gestanden. Der theologische
Grund, weshalb die Hexen auf Anstiften des Teufels so viele
ungetaufte Kinder töten, ist: _Der Teufel weiß, daß die ungetauften
Kinder nicht in den Himmel eingelassen werden. Das Reich Gottes aber,
nach dessen Beginn er mit noch größerer Pein gestraft wird, bricht
erst an, wenn eine ganz bestimmte Zahl von Menschen in den Himmel
eingelassen ist. Die Erreichung dieser Zahl wird nun durch die Tötung
von ungetauften Kindern hinausgeschoben. Deshalb werden sie vom
Teufel besonders aufs Korn genommen._ Kinder von acht Jahren, die dem
Teufel geweiht worden sind, können schon Gewitter und Hagelschlag
erzeugen.

Das XIV. Hauptstück behandelt die Frage, _wie Hexen den Tieren
schaden können_. Am häufigsten werden die Kühe durch die Hexen der
Milch beraubt und zwar folgendermaßen: Die Hexe stößt ein Messer in
die Wand, ruft ihren Teufel und trägt ihm auf, diese oder jene Kuh
trocken zu machen. Dann fängt sie an dem Messer zu melken an, worauf
die Milch der betreffenden Kuh aus ihm herausfließt. _Solches soll
gepredigt werden, um Abscheu zu erregen._ Man kann durch zauberische
Künste auch vorzügliche Maibutter und Wein machen. Doch begnügen
sich die Hexen oft nicht mit solchem Schabernack, sondern töten auch
Tiere, wie zwei Hexen, die in Ravensburg _eingeäschert_ wurden, von
sich bekannten.

Das XV. Hauptstück beschreibt die _Erzeugung von Gewitter und Hagel_,
das XVI., _wie auf drei Arten Männer Schwarzkunst treiben_. Besonders
die schwarzkünstlerischen Pfeilschützen sind schlimm. Sie durchbohren
am Karfreitag das Bild des Gekreuzigten mit ihren Pfeilen. Sie sind
so sichere Schützen, daß sie einen Pfennig vom Kopf eines Menschen
herabschießen können, ohne ihn zu verletzen. Der Herzog Eberhard
mit dem Barte von Württemberg hatte einen solchen Schützen in
seinem Gefolge. Er konnte täglich mit drei Pfeilschüssen jemand mit
unfehlbarer Sicherheit töten, weil er täglich drei Pfeile in ein
Kruzifix schoß. Auch der Tellschuß auf den Apfel geschah aus Zauberei.

Nunmehr geht das Buch auf die verschiedenen Arten, den Zauber zu
beseitigen ein, um im dritten Teil ausführlich die richterliche
Tätigkeit gegen Ketzer und Hexen zu behandeln.

Uns genügt das Mitgeteilte vollauf. Resümieren wir: Die Kirche --
denn da die höchsten kirchlichen Autoritäten das Buch approbierten
und jahrhundertelang als Leitfaden Kat' exochen für die Inquisition
benutzten, so identifizierte sie sich mit den hier wiedergegebenen
Ansichten -- also: die Kirche bringt den haarsträubendsten Blödsinn,
den je die Menschheit ersonnen hat, in ein System. Keiner der
Fälle existiert in diesem teuflischen Buche, der nicht von »Hexen«
unter der Folter bezeugt worden wäre, _keiner, für den nicht so
und so viele Unschuldige verbrannt wurden_. Man stelle sich vor --
nachdem doch überall der Unsinn gepredigt werden mußte, nachdem die
Hinrichtungen in aller Öffentlichkeit stattfanden und jedermann
ihren Grund kannte, nachdem ferner an allen Orten der Christenheit
nach solchen Zauberern und Hexen gesucht wurde -- welche furchtbare,
mit nichts zu vergleichende Wirkung auf das Volk durch das alles
hervorgerufen werden mußte. Verdummung und Verrohung _mußte_ die
Folge sein, zumal bei der ungeheuren Verbreitung dieses Schandbuches,
das noch 1669 in neuer Auflage erscheinen konnte.

Wir werden in späteren Kapiteln sehen, wie dieser künstlich von der
Kirche erzeugte Irrsinn Jahrhunderte im Volke fortwirkte und heute
noch nicht erstorben ist. Wen wird das verwundern, da ja die Kirche
bekanntlich unfehlbar ist, da sie sich gerade in dieser Frage,
wenigstens im Kernpunkt, auf die unwiderlegliche Autorität des Neuen
Testaments -- vom Alten ganz zu schweigen -- stützen kann?

Wann hat die Dummheit je größere Orgien gefeiert? Welchem Moloch sind
mehr Hekatomben geschlachtet worden?

War der »Hexenhammer« auch das schlimmste Buch seiner Art, insofern
es bei weitem die größte Autorität besaß, so war es keineswegs das
einzige. Im Gegenteil ist die Literatur über diese blöde Materie
erschreckend reich. Indem wir Interessenten auf die eingehende
Untersuchung Hoensbroechs verweisen[7], begnügen wir uns, einige der
wichtigsten Werke anzuführen.

Im Jahre 1522 veröffentlichte der Dominikaner _Bartholomäus Spina_
eine »_Abhandlung über die Hexen_« (Quaestio de strigibus), in der
er als Beweis für die Realität des Hexenglaubens die zahlreichen
Bestrafungen und Todesurteile anführt. Gäbe es keine Zauberei, dann
wären ja die Inquisitoren und die diese ernennende Kirche ungerecht,
was ja unmöglich wäre. Um nur einige Perlen aus diesem Buche
herauszufischen: Die Aussage der Hexen, daß sie _vom Teufel durch die
Luft entführt werden, ist durchaus glaubwürdig. Wenn trotzdem die
gleiche Hexe von andern schlafend gesehen werde, so erklärt sich das
daraus, daß ein Teufel ihre Gestalt angenommen hat._

Ein weiterer Beweis für die Wahrheit des Hexenglaubens ist seine
allgemeine Verbreitung. Diese aber geht aus der großen Menge von
Hexen hervor, die alljährlich von den Inquisitoren abgeurteilt werden!

Ein junges Mädchen, das in Bergamo wohnt, wurde -- wenigstens
berichtet Spina so -- plötzlich eines Nachts nackt im Bett einer
Verwandten in Venedig aufgefunden. Sie erzählte weinend folgendes:
Als ich diese Nacht wach wurde, sah ich meine Mutter, die mich
schlafend glaubte, aufstehen, ihr Hemd ausziehen und sich mit einer
Salbe salben; dann ergriff sie einen Stock, setzte sich rittlings
darauf und fuhr durch das Fenster. Ich stand auf, bestrich mich auch
mit der Salbe und fuhr dann auch hinaus und kam hier in dies Zimmer,
wo ich sah, daß meine Mutter ein Kind töten wollte. Als meine Mutter
mich sah und ich den Namen Jesu und Maria aussprach, verschwand sie
und ich blieb nackt zurück. Die Mutter hat dann auf der Folter dem
Inquisitor von Bergamo alles gestanden.

Die Hexen töten unzählige Kinder und bereiten aus ihren Leichen eine
Zaubersalbe. Gott läßt dies zur Strafe der Eltern zu, _weil diese es
vielleicht einige Male unterließen, die Kinder morgens und abends mit
dem Zeichen des Kreuzes zu zeichnen_!

Einer der berühmtesten Kanonisten des 16. Jahrhunderts, _Paulus
Grilandi_, Auditor des päpstlichen Generalvikars für die Stadt
Rom, ließ eine oft aufgelegte Schrift _Tractatus de sortilegiis_
erscheinen. Natürlich trug sie die Druckerlaubnis und zwar hier des
Magisters sacri apostolici Palatii, d. h. des unmittelbar unter dem
Papste stehenden Bücherzensors. Er behandelt den gleichen Blödsinn
wie die vorgenannten Bücher, führt aber als Novum an,. daß die
_Kirche die Lösung einer behexten Ehe_, d. h. einer, in der Mann oder
Weib verhindert sind, den Beischlaf auszuführen, _gestatte und daß
die Betreffenden eine andere Ehe eingehen können_.

Folgende erbauliche Geschichte findet sich in diesem geistreichen
Werke unter anderen ebenbürtigen. Mir hat ein geachteter und
gebildeter Mann erzählt: kurz vor seiner Heirat wurde er von einer
bekannten Hexe so behext, daß er in der Brautnacht und noch lange
nachher die Ehe nicht vollziehen konnte, obwohl er den fleischlichen
Akt früher sehr gut und mit größter Lust vollzogen hatte. Endlich
ließ er einen berühmten Schwarzkünstler aus dem Sabinergebirge
kommen, der gab ihm und seiner Frau einen Trank zu trinken. Auch
befahl er ihnen, sich in der nächsten Nacht mit dem Zeichen des
Kreuzes zu schützen, dann brauchten sie nicht zu fürchten, was
auch geschehe. Gegen 10 Uhr nachts entstand um das Haus herum ein
gewaltiges Unwetter mit Donner, Blitz und Erdbeben; dann drang
eine ganze Schar von Hexen, darunter das Weib eines Nachbarn, in
das Schlafzimmer und vollführte einen Höllenlärm. Der Bräutigam
sah alles, seine Braut deckte er aber mit den Bettdecken zu. Eine
halbe Stunde ungefähr dauerte der Lärm, dann trat plötzlich der
Schwarzkünstler ein und die Hexen verschwanden. Der Schwarzkünstler
rieb den Bräutigam an der Schulter und ging dann auch. Da fühlte der
Bräutigam allmählich eine Wärme seinen Körper durchströmen und er
konnte den ehelichen Akt vollziehen.

Im Jahre 1669 erschienen zu Lyon in der berühmten Druckerei von
Bourgeat mit königlichem Privileg drei starke Quartbände, die sich
ausschließlich mit Hexerei und Teufelei befassen. Der Gesamttitel
dieses Sammelwerkes, das ausschließlich von bedeutenden Theologen und
Kanonisten verfaßt ist, lautet: _Daemonastrix seu adversus Daemones
et Maleficos universi operis ad usum praesertim Exorcistarum_.
Es handelt sich also um ein Handbuch für Exorzisten. Eine dieser
Abhandlungen von Pater _Hieronymus Mengo_ »_Strick für den Teufel_«
(Fustis Daemonorum) betitelt, behandelt die Besessenheit: Die Teufel
verlassen den Menschen teils durch den Mund als Flamme, oder als
kalter Wind, teils durch die Ohren als Ameisen, teils durch den
After als Kot oder als Frösche oder Schlangen, teils als Blutstropfen
aus der Nase.

»Als ich im Jahre 1575 in Reims war, geschah folgendes: eine Witwe
war mit einer schweren Krankheit behext worden. Ich ging mit ihrem
Arzt zu ihr und wir fanden in ihrem Bett ein aus Federn gefertigtes
Bild in Menschengestalt; als das Bild verbrannt war, war die Frau
geheilt.« Die teuflischen Zaubermittel werden meistens in den Betten
versteckt. Ein gutes Mittel dagegen ist, in den vier Ecken des Bettes
Weihrauch, Myrrhe, geweihtes Salz, geweihte Oliven und geweihtes
Wachs niederzulegen.

Den Höhepunkt des Teufelwahns bilden neben dem »Hexenhammer«
die _Disquisitiones magicae_ des Jesuiten _Delrio_[8], eines
Theologieprofessors an den Universitäten von Graz und Salamanca.
Es umfaßt sechs Bücher auf über 1200 Druckseiten und trägt das
Imprimatur des Jesuitenordens, sowie je eines päpstlichen und
eines bischöflichen Zensors. Die Gutachten sind interessant genug,
um wiedergegeben zu werden. Das des _Oliverius Manaräus_, eines
der bedeutendsten Jesuiten des 16. und 17. Jahrhunderts vom 6.
Juli 1598 betont ausdrücklich, daß die »sechs Bücher zauberischer
Untersuchungen« durch das »Urteil gewichtiger und gelehrter
Theologen« (des Jesuitenordens) gutgeheißen werden.

Die beiden anderen, nicht jesuitischen Zensoren schreiben: »Die zwei
ersten Bücher der zauberischen Untersuchungen, verfaßt von Pater
Martin Delrio, Theologen der Gesellschaft Jesu, halte ich, da sie
_vielseitige Gelehrsamkeit und nichts dem katholischen Glauben
Widersprechendes_ enthalten, für wert, daß sie veröffentlicht
werden. Gegeben zu Löwen, am 8. Februar 1599. _Wilhelm Fabricius_,
Apostolischer und Königlicher Bücherzensor.«

Das andere lautet: »Die drei letzten Bücher der zauberischen
Untersuchungen, verfaßt vom gelehrten Pater Martin Delrio,
Priester der Gesellschaft Jesu halte ich wegen ihrer vielseitigen
Gelehrsamkeit und _wegen der Gediegenheit ihrer Lehre für sehr
nützlich_, besonders in unseren Zeiten. Ich halte dafür, daß sie _zum
großen Vorteil der Kirche_ veröffentlicht werden sollen. Gegeben zu
Antwerpen, am 1. April 1599. _Silvester Pardo_, Licentiat der hl.
Theologie, Domherr der Kathedralkirche und Bücherzensor.«

Das Buch tritt »wissenschaftlich« und »theologisch« im Namen Christi
und seines »Statthalters« für das fernere Abschlachten der »Hexen«
in einer Zeit ein, in der Denker und Forscher wie _Kopernikus_ ([+]
1543), _Kepler_ (1631), _Giordano Bruno_ ([+] 1600), _Montaigne_ ([+]
1592) und andere teils schon gewirkt hatten, teils noch wirkten. Die
_profane_ Wissenschaft, das ist zu betonen sehr wichtig, war also
keineswegs mehr im finsteren Aberglauben des Mittelalters befangen,
vielmehr waren es die Theologen, die diese Dummheit künstlich
aufrecht erhielten durch ihre »Wissenschaft« und das Beweismittel des
Scheiterhaufens.

Delrio ist der Ansicht, daß die Schwarzkunst ständige Begleiterin und
notwendige Folge der »Ketzerei« sei. In Deutschland sei ihr Bollwerk
das Luthertum, in Frankreich, England, Schottland und Belgien aber
sei die Hexerei durch den Kalvinismus rasch ausgebreitet worden.
Die Gründe dafür liegen nach Delrio klar zutage: »Die Teufel haben
in den Ketzern, wie einst in den Götzenbildern, ihre Wohnstätten;
aus den Götzenbildern sind sie vertrieben worden, so haben sie sich
in den Ketzern neue Wohnungen gesucht; auch die Teufel, die Christus
austrieb, fuhren in die Schweine. Wie die Pest der Hungersnot folgt,
so folgt die Hexerei der Ketzerei. Die Teufel bedienen sich der
Ketzer ähnlich wie schöner Huren, um die Menschen zu betrügen.«

Während das I. Buch von der Zauberei im allgemeinen handelt,
beleuchtet das zweite die teuflische Zauberei und ihre Wirksamkeit.
Ihre Grundlage ist der _Vertrag mit dem Teufel_. Daß dieser in
Wirklichkeit existiert, beweist Delrio aus der Übereinstimmung aller
Theologen alter und neuer Zeit.

Wir machen hier wiederum die gleiche Erfahrung: weil eine Dummheit
viele Verteidiger hat und sich Jahrhunderte in Kraft erhält, darum
ist sie keine Dummheit. Sie wird aber zur höchsten Weisheit, wenn
sich unter den für sie eintretenden Eideshelfern »Autoritäten«
befinden, oder wenn sie gar durch Bibel und Dogma gestützt wird.

Die feierliche Zeremonie des _Vertrages mit dem Teufel_ besteht,
nach Verleugnung des Glaubens und der Jungfrau Maria, darin, daß
der Teufel die Stirn der Vertragschließer mit seiner Kralle berührt
und sie auf seine Art tauft. Sie erhalten andere Namen; innerhalb
eines auf die Erde gezeichneten Kreises wird ein furchtbarer Eid
geschworen; man verspricht dem Teufel monatlich durch Blutaussagen
ein Kind zu töten; irgendeiner Stelle des Körpers, gewöhnlich
einer geheimen, drückt der Teufel ein Zeichen auf, wodurch dieser
Körperteil unempfindlich wird. Dann wird erzählt von Erregung
von Unwettern, Vernichtung von Viehherden, Hervorrufung von
Heuschreckenschwärmen durch ein teuflisches Pulver, das in die Luft
gestreut wird usw. »_Solche Geschehnisse sind alltäglich, ihre
Wahrheit wird bezeugt durch das Ansehen der Päpste und ihre Bullen
darüber; so die Bullen Innozenz VIII., Julius III., Hadrian VI._«

Auch Ungeheuer bringen die Teufel hervor. Es ist möglich, durch
Vermischung zwischen Mensch und Tier solche Unholde zu erzeugen.
Zehn Seiten widmet Delrio der Frage, ob sich die Teufel mit Menschen
fleischlich vermischen. Die Tatsache bezweifelt er natürlich nicht:
»Es ist dies die gemeinsame Ansicht der h. Väter, der Theologen und
Philosophen, durch die Erfahrung vieler Jahrhunderte bestätigt. Von
_dieser Ansicht abzuweichen, ist ein Zeichen von Starrköpfigkeit und
Verwegenheit_.«

Aus dem geschlechtlichen Umgang zwischen Mensch und Teufel kann
Nachkommenschaft entstehen. Die Schwierigkeit der Erklärung dieser
Tatsache wird behoben, wenn man sich klar macht, daß der Teufel
zwar keinen eigenen Samen hat, wohl aber ihn sich von einem Manne
verschaffen kann. Weil er nun sehr rasch und geschickt ist, so
kann er dem Samen die nötige Wärme erhalten und ihn im geeigneten
Augenblick dem Weibe eingießen. Vater des entstehenden Kindes ist
dann aber nicht der Teufel, sondern der Mann, der den Samen lieferte.
Die Hexen gestehen, daß der Samen, den ihnen der Teufel eingießt,
kalt sei und kein Lustgefühl hervorrufe.

Ketzer, wie _Luther_ und _Melanchthon_ behaupten, daß die
Hexenfahrten nicht wirklich, sondern nur eingebildet seien.
_Die wahre Ansicht ist aber, daß die Hexen auf Ziegenböcken
oder Besenstielen zu ihren Zusammenkünften reiten._ Bei den
Hexenzusammenkünften tanzt jeder Teufel mit dem ihm anvertrauten
Weibe, und zwar lehnen die Tanzenden ihre Rücken gegeneinander. Nach
dem Tanze wird Unzucht getrieben. »Wer behauptet, diese Dinge seien
Träume und Phantasien, _verfehlt sich zweifellos gegen die Ehrfurcht,
die wir unserer Mutter, der Kirche, schulden_. Denn die katholische
Kirche bestraft keine Verbrechen, außer sie seien gewiß und offenbar,
noch auch erklärt sie jemand für einen Ketzer, der nicht wirklich
in Ketzerei verstrickt ist. Seit vielen Jahren hält aber die Kirche
die Hexen für Ketzer und befiehlt, sie durch die Inquisitoren zu
bestrafen und dem weltlichen Arm zu übergeben. _Also entweder irrt
die Kirche, oder ihre Gegner. Wer aber behaupten wollte, die Kirche
irre in einer zum Glauben gehörigen Sache, der sei verflucht._«

Das zweite Buch behandelt dann weiterhin die _Verwandlung der Hexen
mit teuflischer Hilfe in Katzen_, ob die Teufel bewirken können,
daß die Seelen Abgestorbener den Lebenden erscheinen, über die
Gespenster, von denen achtzehn verschiedene Arten unterschieden
werden und führt endlich eine Fülle »Beweismaterial« an, eine
Blütenlese von Blödsinn.

Das III. Buch, das u. a. ausführlich vom Liebeszauber handelt,
enthält folgende schöne Geschichte, die sich »kürzlich« in Flandern,
an einem Ort und in einem Orden, die Delrio _bekannt_ sind, die er
aber beide -- wohl aus Schonung -- verschweigt, zutrug: Drei Mönche
eines Klosters lebten sehr ausschweifend. Eines Abends zechten sie
lange, als sie nun endlich genug hatten, sagte der eine: Gott sei
gedankt! Der andere aber sagte: Dem Teufel sei gedankt! Dann legten
sie sich jeder mit einem Mädchen zu Bett. Plötzlich geht die Tür auf
und ein Teufel in Gestalt eines Jägers von schrecklichem Äußeren
kommt herein, begleitet von zwei anderen Teufeln in Gestalt von
Köchen. Mit furchtbarer Stimme fragte er: wo ist der, der mir gedankt
hat? Er zieht den zu Tode Erschrockenen aus dem Bett und befiehlt
seinen Begleitern ihn am Feuer zu rösten. Das geschieht und das
Zimmer wird mit dem Gestank des verbrannten Menschenfleisches erfüllt.

Während das IV. Buch über Wahrsagerei handelt, erörtert Delrio im V.
die _Obliegenheiten des Richters_ und das _Prozeßverfahren den Hexen
gegenüber_.

Die brutale Grausamkeit des Verfahrens, das fast ausnahmslos
mit dem Tode auf dem Scheiterhaufen endete -- die Bußfertigen
wurden vorher erdrosselt -- gehört nicht hierher, wohl aber die
theoretische Begründung: _Wer die Schandtaten der Hexen, besonders
ihre nächtlichen Zusammenkünfte, leugnet, huldigt dem Atheismus und
widersetzt sich der Kirche. Denn das Haupt der Kirche, ihre Zunge
und ihr Mund ist der Papst. Viele römische Päpste haben aber die
Inquisitoren ermahnt, eifrig und streng gegen die Hexen vorzugehen
und diese Pest auszurotten. Offen bekennen die Päpste, daß sie
die Verbrechen der Hexen nicht für Wahnvorstellungen, sondern für
tatsächliche Schandtaten halten._

Das geht nach Delrio nicht nur aus den päpstlichen Bullen hervor,
sondern auch aus dem übereinstimmenden Urteil aller kirchlichen
Gerichtshöfe in Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland. Da die
Kirche definiert hat, Hexen seien als wirkliche Verbrecherinnen zu
bestrafen, so kann kein weltlicher Richter dieses Urteil aufheben
und sagen, eine Hexe, die sich als solche bekannt habe, habe sich
getäuscht, _sondern er hat sie einfach zu verurteilen. Die Kirche,
welche die Säule der Wahrheit ist, und der römische Papst, der die
Zunge und der Mund der Kirche ist, und auf dem das Versprechen ruht:
dein Glaube wird nicht wanken, erklären sich für die Tatsächlichkeit
der von den Hexen begangenen Verbrechen._

Das VI. und letzte Buch handelt vom Amte und Pflichten des
_Beichtvaters_ bei den Hexenprozessen. Seine Aufgabe ist es, sich
genau über den Teufelsvertrag zu erkundigen. Da kann er dann
allerdings mancherlei erfahren: Ein junges Mädchen hat im Jahre 1594
in Südfrankreich ausgesagt: sie sei früh von einem Italiener verführt
worden. Ihr Verführer habe sie am Vorabend des Festes Johannis des
Täufers zur Mitternachtszeit auf das Feld geführt, dort habe er mit
einem Stabe einen Kreis gezogen und gewisse Worte aus einem schwarzen
Buche gelesen. Da sei plötzlich ein großer schwarzer Ziegenbock
erschienen, der gefragt habe, was sie hier wolle. Ihr Verführer
habe geantwortet, sie wolle sich seinen Getreuen anschließen. Darauf
mußte sie den Ziegenbock unter den Schwanz küssen. Später führte
sie der Bock in ein benachbartes Gebüsch und vermischte sich mit
ihr geschlechtlich. Bei diesem Akt habe sie keine Lust, sondern nur
Schrecken gefühlt; die Samenergießung des Bocks habe in ihr eine
eisige Empfindung erregt. Auch eine Messe sei in Gegenwart des Bocks
gelesen worden. _Über solche Einzelheiten des Verkehrs mit dem Teufel
sind die Hexen vom Beichtvater zu befragen!_

Es erfordert schon eine alles Menschliche übersteigende Portion von
Verblendung nicht einzusehen, daß die Antworten durch Suggestion
und Folter aus den Hexen herausgeholt wurden, nachdem die frommen
Glaubensrichter den in ihrem eigenen Gehirn brodelnden Blödsinn _in
die armen Opfer hineingelegt hatten_. Aber jahrhundertelang wollten
die Inquisitoren und mit ihnen ihre Auftraggeberin, die Kirche, das
nicht einsehen, sondern nahmen alles, was den armen Opfern erpreßt
wurde, für bare Münze. Widerriefen aber die »Hexen« in den kurzen
Zwischenpausen der Folter, dann war ihnen das nur ein erneuter Beweis
für ihre Halsstarrigkeit und ihre Verbindung mit dem Satan!

Als Mittel gegen gewisse Zaubereien werden empfohlen: das
vierblätterige Kleeblatt, das Blut eines schwarzen Hundes, das rechte
Auge eines Wolfes, das Herz eines Hasen. Der Magnetstein versöhnt
Mann und Weib usw. Ein natürliches Mittel gegen das durch Zauberei
bewirkte geschlechtliche Unvermögen der Ehegatten ist nach Delrio:
sie sollen vor dem Schlafengehen im Schlafzimmer die Galle eines
Fisches auf glühenden Kohlen verbrennen.

In der Abhandlung »_von den kirchlichen Heilmitteln gegen Behexung_«
entwickelt Delrio, daß sie von Christus, den Aposteln und ihren
Nachfolgern eingesetzt seien, den Teufel peinigten und häufig zum
Bekenntnis der Wahrheit zwängen. In der Jesuitenmission von Peru
wollte sich ein Indianer taufen lassen. Teufel in Gestalt von Vögeln
und niederfallenden Steinen hinderten ihn daran, ja noch in der
Kirche zeigten sich Teufel auf dem Kopfe stehend, die Beine in der
Luft und schreckliche Huhurufe ausstoßend. Als aber die Messe anfing,
hörte das alles auf und nach der Taufe war der Indianer von den
teuflischen Anfechtungen ganz befreit. Solche »wahre« Geschichten
werden in Fülle mitgeteilt.

Der Bischof von Brescia, _Guido von Lacha_, war im Rufe der
Heiligkeit gestorben. Die päpstlichen Inquisitoren erkannten aber
aus gewissen Anzeichen, daß er ein Ketzer gewesen sei. Daher ließen
sie, überfließend vom Geiste wahren Christentums und treu den
Gepflogenheiten ihrer Kirche, _den Leichnam ausgraben, um ihn zu
verbrennen_. Aber vom Scheiterhaufen weg hoben die Teufel -- die
jedoch niemand sehen konnte -- den Körper in die Luft, so daß das
Volk dies als ein Zeichen der Heiligkeit des Verstorbenen auffaßte.
Doch die Inquisitoren ließen sich nicht beirren. Man ließt die Messe
zu Ehren der hl. Jungfrau. Bis zur Wandlung schwebt der Leichnam noch
immer in der Luft, da rufen plötzlich die Teufel: O Guido von Lacha,
solange haben wir dich verteidigen können, jetzt ist ein Stärkerer
da als wir. Und sogleich fiel der Körper auf den Scheiterhaufen
zurück und verbrannte ohne weitere Schwierigkeiten.

Zum Schlusse wollen wir noch eine dieser erbaulichen Geschichten
anführen: Im Jesuitenkollegium zu Graz trug sich folgendes zu: Am 22.
März 1600 kam dorthin ein 22jähriger Jüngling, um einem der Patres zu
gestehen, er habe sich vertraglich dem Teufel ergeben. Da er aber den
Vertrag nicht gehalten habe, sei es ihm schlecht ergangen. Der Teufel
erschien ihm darauf in Breslau wieder und versprach ihm 12 Jahre des
größten Genusses, wenn er sich nach Ablauf dieser Zeit ihm mit Leib
und Seele ergeben wolle. Der Jüngling schrieb darauf den Vertrag mit
seinem eigenen Blut, das der Teufel ihm aus den Fingerspitzen preßte.
Später erneuerte er den Vertrag wieder. Der Teufel schärfte dem
Jüngling ein, besonders nie zu den Jesuiten zu gehen und schalt ihn,
als er es doch getan hatte. Er versprach ihm sogar ein Buch, in dem
die Namen aller Teufel eingetragen seien und die Art, jeden einzelnen
herbeizurufen. Vom April bis Mitte Juni dauert nun der schreckliche
Kampf der Jesuiten gegen den Teufel um den Jüngling, ein Kampf, in
dem Erscheinungen und greuliche Unwetter miteinander abwechselten.
Schließlich siegen aber die Jesuiten doch. Auf Befehl des _Erzherzogs
Ferdinand_, nachmaligen Kaiser Ferdinand II. und des _Bischofs von
Sekau_, wird am 18. Juni über die ganze Geschichte eine _Predigt_
gehalten und der mit Blut geschriebene Teufelsvertrag öffentlich in
der Jesuitenkirche verbrannt.

Ein andermal zwingt Maria auf eindringliche Gebete des Bekehrten hin,
dem Teufel einen solchen Vertrag wieder auszuliefern. Er erscheint in
schrecklicher Gestalt und tut es unter Fluchen und Heulen.

Recht instruktiv ist das lange Kapitel, in dem Delrio _gegen
die Gegner des Hexen- und Teufelsglaubens_ vom Leder zieht. Wir
erfahren daraus, daß es zumeist »anmaßende« Ärzte, Philologen und
streitsüchtige Rechtsverdreher sind, die von Theologie keine Ahnung
haben und lügen, wenn sie den Eifer der katholischen Kirche nach
dieser Richtung hin bekritteln. Stützt sich doch dieser Eifer auf
Gottes Gebot und auf das Wort des Apostels. Sie lügen, wenn sie die
kirchlichen Exorzismen abergläubisch nennen.

Der Wert dieser Konstatierung liegt in der einwandfreien
Feststellung, daß auch hier nicht etwa Fachkreise aus sich heraus
eine verhängnisvolle Dummheit ablegten, sondern daß _Outsider,
Naturforscher und Denker, nötig waren, einen Irrwahn zu beseitigen,
der sich ohne diese Hilfe von außen in alter Kraft bis heute erhalten
hätte_. Ist es doch eine Tatsache, daß Delrios Werk nicht minder
als das von Institoris und Sprenger, das eine drei, das andere vier
Jahrhunderte in Geltung sein konnten, in ungezählten Auf lagen neu
gedruckt wurden -- Delrio erlebte deren zwanzig -- _ohne daß die
»heilige apostolische, katholische und römische Kirche« auch nur ein
Wort des Tadels gefunden hätte_.




IV. Kapitel

Der Kampf um die religiöse Dummheit


Es leuchtet ein, daß nur ein Volk, solange es auf recht primitiver
kultureller Höhe steht, all den Blödsinn gläubig hinnimmt, den wir
bisher kennen lernten. Gewiß wird das Beispiel der Theologen, in
denen es die Intelligenz, die Männer verehrt, die die es in ihrer
Hand haben, ewige Strafen oder ewigen Lohn zu verleihen, geraume
Zeit alle Auflehnungsversuche des gesunden Menschenverstandes
niederzuhalten wissen. Früher oder später wird aber zuerst bei
einzelnen, dann bei breiteren Volksschichten der Augenblick
eintreten, wo man die Ketten versuchen wird abzuschütteln.

Das war natürlich auch in unserer Geschichte der Fall. Wir meinen
hier weniger die Reformation, die gewiß viel Gutes brachte, aber
aus anderen Gründen entsprang und die schlimmsten Verstöße gegen
den gesunden Menschenverstand zum guten Teile beließ. Wenn sie
auch Dogmen und Priesterherrschaft verwarf, so richtete sie dafür
doch desto höher das Regiment der Bibel auf. Da mag wohl die Frage
erlaubt sein, ob es an sich als ein so großer Sieg der Vernunft zu
begrüßen ist, wenn der Papst, der doch als höchste Glaubensinstanz
die Möglichkeit hat -- ob er im guten Sinne von ihr Gebrauch machte,
ist eine andere Frage -- die Glaubenslehren an die Zeitforderungen
anzupassen, beseitigt wird, damit der kalte Buchstabe einer zwei
Jahrtausende zurückliegenden Zeit unbeugsam herrscht.

Wir haben zunächst den Kampf der Vertreter des Fortschrittes gegen
die überzeugten Verfechter der mittelalterlichen Anschauung im
Auge und werden mit Staunen sehen, daß selbst Männer, die sonst
verdienstlich wirkten und an deren Intelligenz kein Makel ist, für
den kindischsten Aberglauben eintraten. Die suggestive Macht der
altehrwürdigen Tradition, großer Namen, einer gewaltigen Organisation
ist so ungeheuer, daß nur sie es begreiflich erscheinen läßt, wie der
scharfe Verstand gelehrter Männer völlig stumpf wird in dieser Frage.

Als die fürchterliche Epidemie des Hexenwahnes, von Kirche und Papst
gefördert und noch zu einer Zeit künstlich und mit den scheußlichsten
Gewaltmitteln aufrecht erhalten, wo der Aberglaube, wie die im
vorigen Kapitel angeführten Klagen darüber hinlänglich beweisen, im
Volke längst im Schwinden begriffen war, ihren Höhepunkt erreicht
hatte, ließ _Johann Weier_ im Jahre 1563 sein Buch »_De Praestigiis
Daemonorum_« erscheinen.

Dieser gelehrte Arzt aus Kleve hatte den Mut des gesunden
Menschenverstandes, den seltensten und verdienstlichsten, den es
gibt. Wenn er auch noch den Glauben an Hexerei mit der Mehrzahl
seiner Zeitgenossen teilte, so betonte er doch, daß viele der Opfer
kirchlicher Verfolgung lediglich Wahnsinnige seien, also unschuldig
hingerichtet würden. Ferner erklärte er, daß alle Hexen vom Teufel
getäuscht würden, wenn sie behaupteten, durch die Luft zu fahren,
mit ihm geschlechtlich zu verkehren usw. Der Teufel rede ihnen nur
ein, daß sie das alles getan hätten. Damit trat ganz von selbst
der Begriff der Besessenheit an Stelle der Hexerei. Wenn Weier nun
weiterhin behauptete, daß der Teufel die Besessenen direkt und nicht
durch Vermittlung einer Hexe plage, vielmehr aus Bosheit nur ein
armes altes Weib in diesen scheußlichen Verdacht bringe, sowie, daß
besonders Kranke und durch Gemütsleiden Geschwächte den Verführungen
des Teufels zugänglich seien, und mit einem Appell an die Fürsten
Europas schloß, dem Vergießen unschuldigen Blutes Einhalt zu tun, so
ist ohne weiteres klar, daß sein Werk höchsten Lobes würdig ist. Mag
er auch theoretisch noch auf irrigem Standpunkte stehen, so macht er
doch praktisch der Menschlichkeit und Vernunft solche Konzessionen,
daß die notwendige Folge des Buches eine bedeutende Abnahme, wo nicht
ein Aufhören der Hexenprozesse sein mußte.

Wenn wir an dem Werke irgend etwas auszusetzen haben, so ist es die
naive Anschauung vom Wirken des Teufels. Schließlich ist das nur eine
dem Kausalitätsbedürfnis gemachte Konzession. Wir registrieren eben
die Phänomene der Hysterie und Besessenheit, deren Ursachen wir oft
nicht kennen, ohne sie auf den Teufel oder Dämonen zurückzuführen,
verzichten dafür aber auf eine kausale Begründung.

Auf alle Fälle tut Weier einen energischen Schritt auf der Bahn der
natürlichen Erklärung und der Humanität nach vorwärts und es wäre
sehr zweifelhaft, ob er klüger gehandelt und der Sache mehr genützt
hätte, wenn er Dämonen und Teufel negiert hätte. Wahrscheinlich hätte
dann das Buch, weil von den Zeitgenossen noch nicht verstanden,
gar keine weitere Wirkung ausgeübt, als die, den Autor auf den
Scheiterhaufen zu bringen.

Nun lebte damals in Frankreich _Jean Bodin_ (c. 1530-1596), den
seine Zeitgenossen für den bedeutendsten Mann seines Volkes hielten
und der zweifellos ein ausgezeichneter Philosoph war. Sein Werk »De
la république« (Paris 1577) legt dafür Zeugnis ab. Dieser kluge und
tolerante Mann, der in seinem »Colloquium Heptaplomeres de rerum
sublimium arcanis abditis« einen Standpunkt über den Religionen
einnimmt und -- damals etwas Unerhörtes -- die Meinung äußert, daß
jede ein Recht auf Anerkennung habe, wofern sie nicht gegen Staat,
Sittlichkeit oder Gottesfurcht gerichtet sei, griff Weiers Buch
heftig an! In seiner »_Démonomanie des sorcières_« beruft er sich
auf die _Autoritäten_, die so einmütig und entscheidend über diesen
Gegenstand seien, daß es keinem vernünftigen Menschen möglich wäre zu
widerstehen. Er beruft sich ferner auf den Volksglauben aller Länder,
aller Zeiten und aller Religionen, auf Aussprüche einer ungeheuren
Anzahl von heidnischen Schriftstellern und Kirchenvätern, auf Gesetze
gegen die Hexerei und auf Hunderte von Fällen, die französische und
andere Gerichte untersucht hätten. War er doch selbst soundsooft als
Richter Vorsitzender bei solchen Prozessen gewesen!

Er berichtet dann mit den kleinsten und umständlichsten Details und
mit unerschütterlicher Zuversicht alle Vorgänge beim Hexensabbat, die
von den Hexen zur Luftfahrt angewandten Methoden, ihre Verwandlungen,
ihren fleischlichen Verkehr mit dem Teufel, ihre verschiedenen
Mittel, den Feinden zu schaden, die Zeichen, die zu ihrer Entdeckung
führen, ihre Geständnisse nach der Verurteilung und ihr Benehmen auf
dem Scheiterhaufen.

Was nun Weiers Buch betrifft, so kann Bodin kaum Worte finden,
um sein Erstaunen und Mißfallen darüber auszudrücken, _daß ein
unbedeutender Doktor es gewagt haben sollte, sich der Autorität aller
Zeitalter zu widersetzen_. Daß dieser Mann ein solch unbegrenztes
Vertrauen auf seine eigenen Ansichten und eine so übermäßige
Mißachtung für die weisesten Menschen gehabt haben sollte, um
mit skeptischem Geist die Wirklichkeit einer der bekanntesten
vorhandenen Tatsachen zu tadeln und zu bekritteln, das wäre in der
Tat das Übermaß menschlicher Anmaßung, der _Höhepunkt menschlicher
Beschränktheit_. Aber die _Gottlosigkeit_ sei noch größer, wie diese
Vermessenheit, Weier hätte »sich gegen Gott gerüstet«, sein Buch sei
ein Gewebe »schrecklicher Gotteslästerungen«. »Keiner, der noch so
wenig von der Ehre Gottes berührt ist, könnte ohne gerechten Zorn
derartige Lästerungen lesen.«

Weier hätte es nicht nur gewagt die Urteile so vieler gewissenhafter
Richter anzufechten, er hätte es versucht, jene, die die Heilige
Schrift und die Stimme der Kirche als die schlimmsten Verbrecher
brandmarkte, zu retten. Er hätte sich's sogar herausgenommen, die
Zaubersprüche und Beschwörungsformeln, die er von einem berüchtigten
Zauberer erlernt hatte, der Welt kundzumachen.

Mit diesem berüchtigten Zauberer meint Bodin den _Cornelius Agrippa_,
Lehrer Weiers, der sich durch seine Bemühungen die Verfolgungen wegen
Hexerei zu verhindern, sowie dadurch, daß er das Leben einer Bäuerin,
die der Inquisitor Savon verbrennen wollte, rettete, ausgezeichnet
hatte. Daher glaubte man allgemein, er sei mit dem Teufel im Bunde.
Wegen Magie, die er mit dem Resultate studiert hatte, daß sie
_entweder auf Betrug oder einer höheren Kenntnis der Naturgesetze_
beruhe, war er ein Jahr eingesperrt gewesen. Agrippa hatte also dafür
gebüßt, daß er in diesen Fragen seiner Zeit um Jahrhunderte voraus
war.

Doch kehren wir zu Bodins Entrüstung über Weier zurück!

Wer könnte -- meinte er -- nach solchen furchtbaren Enthüllungen,
wie sie Weiers Buch enthalte, _ohne Bestürzung an die Zukunft der
Christenheit glauben_? Wer könnte in Frage stellen, daß die derartig
verbreitete Wissenschaft die Zahl der Hexen ungeheuer vermehre, die
Gewalt des Satans unendlich steigere und den Unschuldigen zahllose
Leiden bringen werde? Niemand könnte nun mit mehr Recht ob seiner
Gesinnung beargwöhnt werden, wie Weier, der ein so gottloses Buch
geschrieben habe und eine solche Vertrautheit mit den Geheimnissen
eines so gottlosen Gewerbes gezeigt habe.

Denen zu verzeihen, die Gottes Gesetz zum Tode verdamme, läge
außerhalb der Kompetenzen der Fürsten. Wer sich solcher Handlungen
schuldig mache, hätte die Majestät des Himmels beleidigt. So sei der
frühe Tod Karls IX. von Frankreich darauf zurückzuführen, daß er
das Leben des berüchtigten Zauberers Trois-Echelles geschont habe
unter der Bedingung, daß er seine Mitschuldigen nenne. »Denn das
Wort Gottes lautet sehr bestimmt, daß derjenige, der einen des Todes
Schuldigen entrinnen läßt, die Strafe auf sich selbst zieht, wie der
Prophet zum König Ahab sagte, er müsse sterben, weil er einem Manne
verziehen, der des Todes schuldig war. Denn niemand hätte jemals
gehört, daß Zauberern Gnade widerfahren wäre[1].«

Wie kam nun einer der gebildetsten Geister Europas gegen Ende des 16.
Jahrhunderts -- die »Démonomanie des Sorciers« erschien 1581 -- dazu
einen Irrwahn, den sämtliche Zeitgenossen, wenigstens so weit sie
sich literarisch zu äußern wagten, teilten, noch durch das Gewicht
seines Namens zu stützen?

Da ist zunächst zu berücksichtigen, daß die Kirche, wie wir sehen,
eine bis in alle Einzelheiten ausgebaute Lehre von Hexerei und
Zauberei besaß. Doch das allein genügt nicht. Bodin hatte als Richter
ja selbst die Geständnisse der Angeschuldigten gehört. Der Irrtum,
daß die Tortur die Wahrheit enthülle, statt der richtigen Ansicht,
daß ihre Qualen fast jeden zu jeder gewollten Aussage bewogen, spielt
weiter eine große Rolle. Dazu kommt, daß _viele der sogenannten
Hexen selbst fest davon überzeugt waren, daß sie der inkriminierten
Handlungen sich schuldig gemacht hatten_, weil der von der Kirche,
wo nicht erzeugte, so doch sicherlich gepflegte Wahn allen ins Blut
übergegangen war. Und endlich -- und das ist die letzte Wurzel --
weil die Autorität der Kirche immer noch unumstößlich feststand,
selbst bei einem Manne, wie Bodin, der wegen seiner Toleranz gegen
die Protestanten fast ein Opfer der Bartholomäusnacht geworden wäre.

Die Dummheit Bodins bestand im wesentlichen eben in seinem
_Autoritätsglauben_. Autoritätsglauben in Fragen der Wissenschaft ist
eine der verhängnisvollsten, den Fortschritt am meisten hemmenden
Dummheiten.

Die Hexenverfolgungen nahmen in Frankreich unter dem Einflusse
_Voltaires_ und seines Spottes immer mehr ab, um schließlich ganz
aufzuhören, nachdem noch im Jahre 1718 das Parlament von Bordeaux
einen Mann als Zauberer verbrennen ließ. Daß trotzdem die Geister-
und Teufelsbannformeln in der römisch-katholischen Kirche bis auf
den heutigen Tag im Rituale blieben und das ganze 18. Jahrhundert
hindurch angewandt wurden, ist allerdings richtig, ebenso, daß
mancherlei Versuche von geistlicher Seite, die alte Praxis wieder
einzuführen, gemacht wurden.

Als diese erfolglos blieben, da gab zu Anfang des 19. Jahrhunderts
der _Abbé Fiard_ ein diese beklagenswerte Tatsache erklärendes
Werk heraus. Er wies darin nach, daß die _Philosophen_ und die
Revolutionäre des 18. Jahrhunderts die _Repräsentanten der alten
Zauberer wären_, daß sie unter der unmittelbaren Eingebung des
Satans handelten und daß ihr Erfolg ganz und gar der Satansgewalt
zuzuschreiben sei. In gläubigen Kreisen hatte man sich nämlich gar
nicht daran gewöhnen können, daß der Satan, der bisher eine solche
Rolle gespielt hatte, daß man seine höllischen Komplizen, die Hexen
und Zauberer, mit Feuer und Schwert, durch Kirchen- und Staatsgewalt
kaum hatte unterdrücken können, so plötzlich seine Gewalt hätte
verloren haben sollen.

Fiard bewies seine immerhin nicht alltägliche These durch den
Hinweis, daß viele große und erschreckende Wunder die philosophische
Bewegung begleitet und daß diese Wunder noch jetzt nicht aufgehört
hätten. Die Kuren Mesmers so gut wie die Prophezeiungen Cagliostros
müßten der übernatürlichen Wirksamkeit zugeschrieben werden. Das
schrecklichste aber von allen Zeichen der teuflischen Gegenwart sei
das immer mehr zunehmende Vorkommen der _Bauchrednerei_! Gottlob
sind wir über diesen Gegenstand nicht auf unsere eigenen Vermutungen
angewiesen, da ja einige der gelehrtesten Geistlichen des 14.
Jahrhunderts feierlich erklärt hätten, daß der Mensch angewiesen sei
mit dem Munde zu sprechen und daß, so oft er in irgendeiner anderen
Weise spräche, er es mit Hilfe des Teufels täte[2].

Im protestantischen England stand es um diesen Wahnwitz nicht viel
besser, als bei uns oder in Frankreich.

Während unter _Heinrich VIII._ von England nur sehr wenige
Hinrichtungen von Hexen und Zauberern stattgefunden hatten und das
Hexengesetz unter seinem Nachfolger überhaupt aufgehoben wurde,
führte die »jungfräuliche Königin« _Elisabeth_ es wieder ein und zwar
schon bei ihrer Thronbesteigung. Als der Bischof _Jewel_ vor der
Königin predigte und auf die Vermehrung der Hexen zu sprechen kam,
drückte er die Hoffnung aus, daß die Strafen noch mehr verschärft
würden, wiewohl Elisabeth neue Gesetze, die mit Strenge vollzogen
wurden, gemacht hatte.

Der Streiter Gottes sagte zur Königin: »Mögen Eure Gnaden geruhen,
sich von der wunderbaren Vermehrung zu überzeugen, die Zauberer und
Hexen in den letzten Jahren in Ihrem Königreiche genommen haben.
Euer Gnaden Untertanen schwinden dahin bis zum Tode, ihre Farbe
verbleicht, ihr Fleisch modert, ihre Sprache wird dumpf, ihr Sinn
betäubt. Ich bitte Gott, daß die Zauberer ihre Kraft niemals weiter
anwenden mögen, als an den Untertanen.«

Trotz dieser Scharfmacherei blieben die Gesetze weit milder, als
auf dem Festlande, da die Hexen, denen man nicht nachweisen konnte
jemandem durch ihre Zauberformeln geschadet zu haben, beim erstenmal
nur mit Pranger oder Gefängnis bestraft wurden, während die zum Tode
verurteilten am Galgen und nicht auf dem Scheiterhaufen sterben
mußten. Ferner wurde gegen sie keine Tortur angewandt, sondern nur
die Nadelprobe, bei der die Opfer über den ganzen Körper gestochen
wurden, um das unempfindliche Mal (stigma diabolicum) zu finden
-- daß es sich hier um hysterische Anästhesie handelt, liegt auf
der Hand! -- oder man unterzog sie dem Hexenbad. Hier galt das
Schwimmen auf dem Wasser als Zeichen von Schuld, da das reine Element
eine Hexe nicht aufnahm, Untersinken aber war ein Beweis für die
Unschuld. Endlich störte man mehrere Nächte hindurch den Schlaf der
Angeklagten, um so ein Geständnis zu erpressen, ein heute noch in
Amerika bei Strafverhören als »dritter Grad« übliches Verfahren, das
allerdings wenig humaner ist, als die Folter.

Gegen diese grausamen oder einfältigen Methoden schrieb im Jahre 1584
ein Laie (natürlich!) namens _Reginald Scott_ seine »_Enthüllungen
der Hexerei_« (Discovery of Witchcraft) und bewies mit größter
Geschicklichkeit die Grausamkeit und Torheit der Verfolgung und die
Einfältigkeit des ganzen Hexenwahns. Wiewohl dieser Angriff der
denkbar geschickteste war, im volkstümlichen Stile geschrieben, jeden
Denkenden überzeugen mußte, verfehlte er seine Wirkung. Das wird den
Kenner der menschlichen Dummheit in keiner Weise verwundern, denn
was will Logik, gesunder Menschenverstand, Gelehrsamkeit oder gar
Humanität ausrichten, wenn es sich um Dummheiten handelt, die die
Religion als Mutter verehren!

_Jakob_ I., weit entfernt sich überzeugen zu lassen, verfolgte nur
desto heftiger, war er doch überzeugt, daß die stürmische Seefahrt
bei seiner Rückkehr von Dänemark, ein Werk der Hexen gewesen sei,
und daß der Teufel ihn für seinen fürchterlichsten Gegner ansehe. Er
ließ hinfort die Hexen schon bei der ersten Übertretung töten, selbst
wenn sie ihren Nächsten keinen Schaden zugefügt hätten. Dieses Gesetz
trat in Kraft, als _Coke_ Kronanwalt und _Bacon_ Parlamentsmitglied
war und zwölf Bischöfe in der Kommission saßen, der es überwiesen
war. Die Verfolgungen wurden heftiger, zugleich drang der Aberglaube
tiefer in die Literatur und in das Volk ein. Denn die Dummheiten, die
oben gemacht werden, verbinden mit dem Zauber, der jeder Dummheit
schon von Natur eigen ist, noch den Nymbus der Majestät.

Damals konnte _Sir Thomas Browne_ erklären, daß diejenigen, die das
Vorhandensein der Hexerei leugneten, nicht bloß Ungläubige, sondern
mittelbar auch _Gottesleugner_ wären. Übrigens glaubte er selbst
weder an Incubi, noch an Lykanthropie.

_Bacon_ konnte in einem seiner wichtigsten Werke als die drei
»Abweichungen von der Religion« _Ketzerei, Abgötterei und Hexerei
bezeichnen_. Daß _Shakespeare_ an die Wirklichkeit der Hexerei
glaubte, beweisen seine Hexen im Macbeth nicht minder, wie das
entstellte Bild, das er von der Jungfrau von Orleans zeichnet.

So wirkte in einem protestantischen Lande -- das ist zu beachten! --
die obrigkeitliche Dummheit Tod und Verderben bringend fort! Aber es
wurde noch schlimmer[3].

Die _Puritaner_, die mit _Cromwell_ die Gewalt erlangten, waren
geneigt in allem, was ihnen nicht paßte, satanischen Einfluß zu
erblicken. Als Unruhen in der Grafschaft Suffolk entstanden,
erklärte der berüchtigte Hexenfinder _Matthew Hopkins_ sie von
Hexen verpestet. Eine Kommission, begleitet von zwei vom Parlament
ausgewählten ausgezeichneten presbyterianischen Geistlichen,
leitete dort die Untersuchung, und in einem Jahre mußten in der
einen Grafschaft 60 Personen als Zauberer für die Dummheit ihrer
Zeitgenossen am Galgen büßen. Während der wenigen Jahre der Republik
wurden mehr Personen wegen Hexerei und Zauberei zu Tode befördert,
als in der ganzen Periode vor und nachher.

Doch von langer Dauer war der Wahn in dem so nüchternen und
klugen England nicht und sein letztes Stündlein hätte noch eher
geschlagen, würde er nicht in der Person des _Joseph Glanvil_ einen
eifrigen Verteidiger gefunden haben. Dieser zu seiner Zeit berühmte
Geistliche, in dessen Händen siebzehn Jahre lang die Verteidigung des
sterbenden Glaubens gelegen hatte, ein relativ aufgeklärter und sogar
skeptischer Kopf, Freund der induktiven Methode, die in erster Linie
dazu berufen war, der mittelalterlichen Spekulation den Todesstoß zu
versetzen, sollte zum Hexenanwalt werden.

In seinem »_Sadducismus Triumphatus_« schrieb _Glanvil_ eines der
geschicktesten Bücher, die je zur _Verteidigung_ des Aberglaubens
verfaßt worden sind. Zunächst klagt er über den raschen Fortschritt
des Skeptizismus in England, in dessen Folge es in den oberen Klassen
Mode geworden sei, nicht mehr an Hexerei zu glauben. Wir machen hier
wieder die interessante Beobachtung, daß, wie einst die katholische
Kirche im 16. Jahrhundert über das rasche Schwinden des Hexenglaubens
im Volke klagte und deshalb mit Gewalt die entweichende Dummheit
festhalten wollte, so im protestantischen England ebenfalls die
Geistlichkeit in sich den Beruf fühlte, sich gegen die Aufklärung
des Volkes zu stemmen. Übrigens ist sie sich in diesem Punkte, dem
Festhalten an alter Torheit, bis zur Stunde treu geblieben, wenn auch
Verteidiger des Inkubus sich in der Regel nicht mehr ins dichteste
Gewühl wagen.

Glanvil sucht vor allem zu beweisen, daß die Annahme, Hexerei sei
abgeschmackt, lächerlich oder unwahrscheinlich sei. Mit Recht
konstatiert er, daß es eine Leichtgläubigkeit des Unglaubens gäbe,
er irrt eben nur in der Annahme, daß ein solcher Fall der Hexerei
gegenüber vorliegt. Sein Buch, mit Logik und großem Wissen, mit
einem Schein von Skeptizismus und viel Material aus der Bibel so
gut wie aus der Praxis der Gerichtshöfe ausgestattet, hatte einen
außerordentlichen Erfolg.

Der berühmte Philosoph _Henry More_ schrieb eine Lobrede auf Glanvil
und unterstützte seine Beweisführung durch neues Material. Die
Gegner des Hexenglaubens nannte er »_Gaukler, die lediglich von
Unwissenheit, Eitelkeit und dummen Unglauben aufgeblasen seien_«.
_Casaubonus_, der gelehrte Dekan von Canterbury, schrieb im gleichen
Sinne. _Cudworth_, wohl der tiefste Denker der englischen Kirche,
meinte, der Skeptizismus gegen den Hexenglauben sei hauptsächlich
eine Folge des Einflusses von _Hobbes_ und fügte hinzu, daß
diejenigen, die dem Skeptizismus huldigten, mit Recht des Atheismus
verdächtigt werden könnten.

Die Gegner des Aberglaubens konnten dem allen keinen Autor von Namen,
kein Buch von Erfolg entgegensetzen, was aber keineswegs hinderte,
daß der Skeptizismus und damit die Vernunft ständig zunahmen.

Nun wird man mit vollem Rechte sagen können, daß Hexen und Teufel
ebenso _möglich_ sind, wie Gott und Engel. Denn wie können wir
mit unserer geringen Kenntnis vom Weltganzen die Unmöglichkeit
irgendeiner Erscheinung genügend beweisen? Um wie viel weniger
konnten es frühere Jahrhunderte, die noch viel weniger Naturgesetze
erkannt hatten und deshalb viel häufiger zu Hilfshypothesen, wie
sie ihnen Engel und Teufel boten, greifen mußten? War aber die
Möglichkeit eines solchen Glaubens gegeben, dann handelte es sich
nur darum, die Wirklichkeit zu beweisen, und dafür standen Bibel
und Autoritäten, Kirche und Gerichtsprotokolle, ja die Aussagen der
Beschuldigten selbst zu Gebote. Die Dummheit eines Bodin, eines
Glanvil und wie sie alle heißen, bestand also viel weniger in der Art
der Beantwortung der Frage, sondern vielmehr in deren _Stellung_.
Denn daß die Hexenverfolgungen nirgends Gutes gestiftet hatten, also
praktisch wertlos waren, selbst wenn sie theoretisch berechtigt
gewesen wären, müßte doch jedermann klar sein.

Auch die _Neue Welt_, die so mancher Auswanderer aus keinem anderen
Grunde aufgesucht hatte, als um dort unter selbstgegebenen Gesetzen
ledig jedes Glaubenszwanges zu leben, wurde von der Seuche ergriffen.
Daß das gerade in eine Zeit der größten naturwissenschaftlichen
Entdeckungen fällt, ist gewiß beachtenswert.

Einer von _Cotton Mather_ geschriebenen Geschichte der ältesten
Hexenprozesse und einem Werke des _Richard Baxter_ über »Die
Gewißheit der Geisterwelt«, das im Jahre 1691 erschien, war es
zuzuschreiben, daß auch in Nordamerika die Hexenverfolgung durch
die Geistlichkeit mit Eifer betrieben wurde. Die Grausamkeit, mit
der sie auch hier vorging, erhellt daraus, daß ein achtzigjähriger
Mann zu Tode gequetscht wurde, 27 Personen wurden in Massachusetts
hingerichtet. Auch hier wurde von der Geistlichkeit, von gebildeten
Männern, ein törichter und grausamer Aberglaube neuerdings erzeugt,
nachdem der gesunde Menschenverstand der Laien ihn bereits abgelegt
hatte.

Übrigens wurde in England, wo im Gegensatz zu Amerika der
Skeptizismus sehr schnell die Oberhand bekam und wo die anglikanische
Kirche im Gegensatz zum Katholizismus und zum Puritanismus nie viel
Unheil angerichtet hatte, der letzte Prozeß dieser Art gegen _Johanna
Wenham_ in Herfordshire im Jahre 1712 geführt. Gegen den Willen
des Richters verurteilte eine stumpfsinnige Geschworenenbank die
Angeklagte zum Tode, doch war es dem Richter nicht schwer, das durch
geistlichen Einfluß zustande gekommene Urteil zu mildern. Im Jahre
1736 wurden in England die Hexengesetze ohne Schwierigkeiten oder
Agitation aufgehoben[4].

Wo der _Puritanismus_ herrschte, da sah es allerdings schlimm um die
Beseitigung des Aberglaubens aus. Das arme _Schottland_ kann ein Lied
singen von den Zuständen unter der Herrschaft einer Geistlichkeit,
der kein gebildetes Laienpublikum ein Gegengewicht bietet. Die dort
herrschenden Puritaner hielten das Volk in willenloser Sklaverei,
verstanden es durch unerbittliche barbarische Tyrannei jeden
Widerstand zu brechen, alles in Furcht zu erhalten, das ganze Volk
durch ihre düstern und törichten Lehren zu verseuchen und jedermann
zur unbedingten Vollstreckung ihrer kirchlichen Anordnungen zu
zwingen. Von dem System religiösen Terrorismus, das die puritanische
Geistlichkeit ausarbeitete, um sich den Volksgeist völlig untertan zu
machen, können wir uns kaum mehr eine Vorstellung bilden.

Die schauderhaftesten Gestalten menschlichen Leidens wurden als
schwache Abbilder der ewigen Verdammnis zusammengehäuft, nicht
ohne liebevoll zu betonen, daß die Mehrzahl der Menschheit diesem
Lose verfallen sei. Man erzählte zahllose schreckliche Wunder,
die im Lande passiert sein sollten. Krankheit, Sturm, Hungersnot,
jeder Unfall, der Menschen, Vieh oder Feldfrüchte traf, wurde
der unmittelbaren Einwirkung der Geister zugeschrieben. Daß der
Satan beständig in sichtbarer Gestalt auf Erden wandle, war eine
ausgemachte Sache.

Nun mag es ja ganz klug von der Geistlichkeit gewesen sein, durch
die spukhaftesten Schreckgestalten sich die Herrschaft über ein
unwissendes Volk zu sichern und so im Trüben zu fischen. Aber wie
unsagbar dumm von den Regierten, sich diesen blauen Dunst vormachen
zu lassen! Ihm zuliebe auf Lebensfreude, auf Wissen, auf Freiheit zu
verzichten!

Natürlich breitete sich unter diesen Seelenhirten der Hexenglaube
in erschreckender Weise aus und nahm den düstersten Charakter an.
Während er in andern Ländern wenigstens mit viel Betrug gemischt war,
scheint er in Schottland ganz unverfälscht gewesen zu sein. Buckle
weist wenigstens darauf hin, daß im Gegensatz zu andern Ländern
in schottischen Hexenprozessen keine Fälle von Betrug entdeckt
werden könnten. Die frommen Schotten nahmen also alles für bare
Münze. Und doch gab es in Schottland vor 1563 überhaupt kein Gesetz
gegen Hexerei. Die Hexenverfolgung und die Hexenprozesse sind also
ausschließliches Verdienst des Puritanismus.

Die Grausamkeit der Verfolgung stand auf gleicher Höhe wie die
Dummheit des Wahnes, der, dank der rastlosen Geistlichkeit, dem Volke
mehr und mehr in Fleisch und Blut überging. Es war es ganz zufrieden,
daß es von der Geistlichkeit zur Schlachtbank geführt wurde noch
zu einer Zeit, wo anderwärts -- außer natürlich in fanatisch
katholischen Ländern -- unter dem Einflusse der Wissenschaft und
der Aufklärung der gesunde Menschenverstand zu Worte kam und die
Ausgeburten einer überhitzten pfäffischen Phantasie in die dunkelsten
Höhlen verscheuchte.

Man stellte in den Kirchen Kasten mit Spalten im Deckel auf, um durch
Anonymität die Anschuldigungen auf Hexerei zu erleichtern. Sobald
eine Frau verdächtigt wurde, klagte sie der Geistliche von der Kanzel
mit Nennung ihres Namens an, ermahnte seine Pfarrkinder gegen sie
Zeugnis abzulegen und verbot jedem, ihr Schutz angedeihen zu lassen.
Die Geistlichkeit hatte sich eine Parochialverfassung gegeben, die
ihr die Hexenfälle ganz in die Hände legte. Sie wer es, die die
Kommissionen leitete, vor ihr wurden die Geständnisse abgelegt, sie
stellte die entscheidenden Zeugen oder die Leiter der Tortur zur
Erpressung von Geständnissen. Und welche Martern wandte man an zur
Erreichung dieses fluchwürdigen Zwecks!

An Grausamkeit ist die Geistlichkeit ja stets eine Meisterin
gewesen und es fragt sich nur, ob man mit mehr Recht dieser,
der Herrschsucht, Borniertheit oder heimtückischer Falschheit
den Gegnern gegenüber die Palme zuerkennen muß. Die katholischen
Hexenverfolgungen nach den Anweisungen eines Sprengers wurden von
denen der Puritaner kaum überboten.

So wurden in Schottland im Jahre 1662 mehr als 150 Personen der
Hexerei angeklagt. Ein Reisender sah 1664 in Leith neun Frauen
zusammen verbrennen, im Jahre 1678 wurden neun andere an einem
einzigen Tage verurteilt. War es in katholischen Ländern wohl so und
so oft vorgekommen, daß die Kirche sich über die weltliche Obrigkeit
beklagen mußte, weil sie sich weigerte, ein Urteil zu vollstrecken,
so scheinen solche lichte Augenblicke bei Schottlands Regierung nicht
eingetreten zu sein. Die Allmacht der geistlichen Dummheit und das
Raffinement des pfäffischen Verdummungssystems hatten sie völlig
bezwungen. Richtete man doch -- im Gegensatz zu katholischen Ländern
-- sogar solche »Hexen« hin, die ihre Kunst nur zum Heilen der
Kranken anwendeten!

Wurde noch im Jahre 1727 dort eine Frau verbrannt, so erließen
noch im Jahre 1773 die »Geistlichen des vereinigten Presbyteriums«
_eine Resolution, in der sie ihren Glauben an die Hexerei erklärten
und den allgemein gewordenen Skeptizismus beklagten_. Intoleranz
und Aberglaube bis in die Gegenwart waren die Folge dieser
seelenhirtlichen Verdummung. In Irland wurde das letzte Hexengesetz
gar erst 1821 aufgehoben[5].

Dafür zeichnet sich das kalvinistische _Genf_ vor den anderen
katholischen und protestantischen Staaten durch frühzeitige
Abschaffung der Hexenprozesse aus, »dergestalt, daß in Genève seit
dem Jahre 1652 niemand mehr wegen solches beschuldigten Verbrechens
verbrannt worden, und man auch nichts von vielen solchen Fabeln,
womit noch manche andere Länder angefüllet sind, allhier höret oder
weiß.« Für _Keyßler_ aber, dem wir diese Notiz entnehmen, zeugt, daß
er in einer Anmerkung die Vermutung ausspricht, die Nachwelt werde
den Greuel, des zu seiner Zeit geführten Würzburger Hexenprozesses
nicht Glauben schenken[6]. Und zwar besuchte Keyßler Genf schon 1729.
Es gab also auch in Deutschland selbständige, aufgeklärte Köpfe, die
den Hexenunfug verabscheuten. Allerdings fast nur in Laienkreisen.

Daß man auf Seiten unserer Theologen nicht minder fest am alten
Blödsinn festhielt, wie in andern Ländern, wird niemand wundernehmen.

Als _Thomasius_, der erfolgreiche Bekämpfer der Hexenprozesse, daran
ging, die sinnliche Vorstellung vom Teufel zu zerstören, wobei er
aber ausdrücklich betont, »daß zwar ein Teufel außer dem Menschen
sei, und daß derselbe gleichsam von außen, jedoch auf innerliche
und unsichtbare Weise in den Gottlosen sein Wesen treibe«, erregte
er einen _Sturm der Entrüstung_. Nicht nur die Theologen, auch die
Juristen nahmen gegen ihn Partei; allerdings hatte er beide scharf
angegriffen. Eine dieser Gegenschriften führte folgenden Titel:
»_Petri Goldschmidts Huso-Cimbri_ p. t. Pastor Sterup. Verworffener
Hexen und Zauberer Advokat. Das ist: Wolgegründete Vernichtung
des thörichten Vorhabens Hn. Christiani Thomasii J. U. D. et
Professoris Hallensis und aller derer, welche durch ihre superkluge
Phantasie-Grillen dem teufflischen Hexengeschmeiß das Wort reden
wollen. Indem gegen dieselben aus dem unwiedersprechlichen göttlichen
Worte und der täglich lehrenden Erfahrung das Gegentheil zur Genüge
angewiesen und bestättiget wird, daß in der That eine teufflische
Hexerey und Zauberey sey etc.« -- Hamburg 1705.

Der Verfasser führt die Beweiskraft der Bibel an, in der der Teufel
vorkomme, ferner die tägliche Erfahrung. In der »Zuschrift«, die an
Friedrich IV. von Dänemark gerichtet ist, behauptet der Verfasser,
durch sein Buch werde »die Wahrheit der göttlichen Schrift betreffend
das Zauber- und Hexenwesen gegen einen _frechredenden Philosophaster
und Gottes-Wort-Schänder_ vertheidiget«. Er behauptet über Thomasius,
»daß alle seine Reden nichtig, betrieglich und die göttliche Schrifft
und gesunde Vernunfft äffende seyn« und spricht von »närrischen
Vernunft-Grillen«.

Und doch war das Wesen und -- in unseren Augen -- das Verdienst
von Thomasius Auftreten nur die Leugnung der _Körperlichkeit_ des
Teufels, was dann mit Notwendigkeit einen fleischlichen Umgang mit
den »Hexen« ausschloß. Der Verfasser -- notabene nur einer von
einer Anzahl gleichdenkender fanatischer Verteidiger altehrwürdiger
Dummheit und darum Geistesverwandter gar manches Zeitgenossen --
versichert, daß »nichts auf der Welt zu ersinnen (sei), welches
der Göttlichen Schrifft mehr Verachtung, Spott, Hohn und Gelächter
verursachen und den subtilen Atheismum in die Gemüther der Menschen
hinein flößen kann, wodurch bey ihnen das Fundament des Glaubens in
Zweiffel gezogen und die göttliche Schrifft ihrer Autorität gäntzlich
mag beraubet werden, als daß man für gewiß hält, daß die Engel und
Teuffel anders nicht seyn, als Schwärmereyen unsrer Phantasie und
närrische Gebuhrten des Temperaments.« Daß Thomasius ein Atheist war,
ist in des Angreifers Augen ausgemachte Sache[7].

       *       *       *       *       *

Dieser kurze Streifzug durch die Geschichte des Kampfes zwischen
dem erwachenden gesunden Menschenverstand und der hinter festen
Bollwerken gut verschanzt liegenden Dummheit möge genügen.

Wir gehen nun zu der Frage über, wie es möglich war, das Volk in
seiner überwiegenden Mehrheit in der Geistesverfassung von Anno
dazumal festzuhalten. Dazu gab es außer der suggestiven Wirkung der
Hexen- und Teufelslehre, sowie der Prozesse, noch ein vortreffliches
Mittel, die _Bücherzensur_, die nicht nur verhütete, daß ketzerische
Gedanken von Landeskindern durch den Druck Verbreitung fanden,
sondern auch die Einfuhr solcher Erzeugnisse unterband. Gelang es
so, das Land gegen alle fremden Gedanken hermetrisch abzuschließen,
autochthone aber nicht aufkommen zu lassen, dann, sollte man meinen,
müßte das Regiment der Dummheit für ewige Zeiten garantiert sein.

Die Zensur war gleich dem Buchhandel im alten Reiche durch eine Reihe
von Reichsabschieden eingeführt und geregelt. Schon der vom Jahre
1524 machte es jeder Obrigkeit zur Pflicht, bei ihren Druckereien
und sonst überall zu kontrollieren, daß Schmähschriften und Gemälde
gänzlich beseitigt würden. Zugleich sei aber darauf zu halten, daß
nicht Gutes zugleich mit dem Bösen unterdrückt würde.

Diese zweifellos sehr verständige Verfügung -- wofern wir überhaupt
irgendwelche Zensur für verständig halten können -- wurde in der
Folgezeit ergänzt, aber gewiß nicht zu ihrem Besten. So lautet der
Speirer Reichsabschied von 1529 schon wesentlich strenger:

»Es soll in allen Druckereien und bei allen Buchführern Vorsehung
getan werden, daß weiter nichts Neues und sonderlich keine
Schmähschriften gedruckt und zu Kauf getragen werden, sondern was
gedichtet, gedruckt und feilgehalten wird, soll zuvor von jeder
Obrigkeit dazu verordneten, verständigen Personen besichtigt, und so
Mangel daran befunden zu drucken und feil zu haben bei großer Strafe
der Dichter, Drucker und Verkäufer verboten werden.«

Die Angst vor den Schmähschriften entsprang selbstverständlich nicht
der Sorge um das Wohl bzw. die Ehre der Untertanen, sondern vielmehr
der Angst vor Kritik der Kirche, Obrigkeit und ihrer geheiligten
Institutionen.

Das geht schon ganz klar aus dem Augsburger Reichsabschied von 1548
hervor, der den Druck von Büchern verbietet, die schmählich und
aufrührerisch befunden würden und den Lehren der christlichen Kirchen
und den Reichstagabschieden nicht gemäß seien, oder »zu Unruh und
Weiterung« Ursache gäben.

Daß diese albernen Verfügungen nicht viel nützten geht daraus
hervor, daß schon der Reichstag von 1577 sich nicht damit begnügt,
die früheren Verbote mit Ausdehnung auf Verleger und Buchhändler
zu wiederholen, sondern noch hinzufügt, »daß künftighin im ganzen
römischen Reiche die Buchdruckereien nur in Residenz, Universitäts-
und Reichsstädten geduldet werden, alle Winkeldruckereien aber
stracks abgeschafft werden sollen. Auch soll kein Buchdrucker
zugelassen werden, der nicht seine Ansässigkeit, Ehrbarkeit und
Tauglichkeit nachgewiesen und die Beobachtung dieser Satzungen
beschworen hat. »Es wurden auch die Verträge verboten, die --
höchst bezeichnend für den mittelalterlichen Geist -- die Klausel
enthielten, daß der Schuldner dem Gläubiger für den Fall des
Nichtbezahlens die Erlaubnis einräumte, ihn mit Schmähschriften zu
verfolgen.

Wie die Schlinge, die dazu angetan war, allmählich jegliche
Gedankenfreiheit zu erdrosseln, immer enger gezogen werden sollte und
auch wurde, geht aus dem Reichstagsschluß von 1715 deutlich hervor.
Dieser bestätigt die früheren Verordnungen und fügt erläuternd
hinzu: »daß alle Prediger, Gelehrte, Buchdrucker, Verleger,
Buchführer, Bücherkommissionen sich in Beziehung auf alle Glaubens-
und Staatssachen betreffende Schriften genau an diese Satzungen zu
halten haben, auch bei allen Buchdruckereien verständige Censores
anzustellen seien, welche auf genaue Durchsehung dieser Schriften,
sowie auf strenge Wachsamkeit gegen das Einführen schädlicher Bücher
aus fremden Ländern zu verflichten sind. Gegen alle diejenigen aber,
die sich gegen diese Reichssatzungen verfehlen, soll mit Verhaftung,
Untersuchung und Strafe am Vermögen, und nach Umständen an Ehre,
Leib, Gut und Blut eingeschritten werden.«

Das kaiserliche Bücherpatent von 1746 verordnet gar, daß jeder
Drucker oder Buchhändler fortan eine vollständige und aufrichtige
Designation aller seiner zum Verkaufe habender Druckschriften dem
Bücherkommissariate in den ersten Meßwochen vorzulegen und dem
gewöhnlichen Catalogo nundinarum einzuverleiben habe[8].

Diese reichsgesetzlichen Bestimmungen, die doch gewiß knebelnd genug
waren, wurden von der Landesgesetzgebung noch teilweise überboten.

Wenn es mit Berücksichtigung der damaligen Borniertheit in
konfessionellen Fragen auch nicht verwundern wird, daß man in
protestantischen Ländern katholische, in katholischen Ländern aber
protestantische Glaubensbücher zurückwies, so begnügte man sich
doch keineswegs hiermit. Das Beispiel der bayerischen Gesetzgebung
in dieser Frage möge darüber informieren, wie weit man sich in
systematischer Volksverdummung vorwagen kann. Den Jesuiten, den
Vorkämpfern gegen jegliche Geistesfreiheit, gebührt hier die Palme.

Daß man es in erster Linie auf die Jugend abgesehen hatte, um so die
kommende Generation für sich zu haben, ist einleuchtend.

Die Schulordnung für Ober- und Niederbayern, die im Jahre 1569 in
München erschien, enthält neben manchem verständigen Wort, folgenden
köstlichen Passus:

»Bei allen lateinischen Schulen sind verboten: die Schriften aller
derjenigen, die sich von der alten Religion abgesondert haben, und
zwar nicht allein ihre theologischen Werke, sondern auch die über
_Grammatik_, _Dialektik_, _Rhetorik_, _Physik_, die bisher in den
Schulen umhergezogen wurden. Denn _obgleich die Lehrmethode dieser
Leute anmutig und leichter als die ist, welche in den Schulen
gebräuchlich gewesen_, fehlt es doch jetzt auch bei den Katholiken
nicht mehr an solchen Werken.«

Dieselbe Schulordnung _verbot, daß in den Klöstern irgendwelche alte
Autoren, besonders in der Poesie gelesen würden_. Denn da es sich
doch nur um das gute Latein handle, dieses aber bei den christlichen
Autoren ebenso gut sei, so seien letztere vorzuziehen[9].

Ein bayerisches Gesetz vom 6. Juli 1616, das strenge Verfügungen über
den Buchdruck und Handel enthält, verbietet alle Bücher, von den in
den namentlich aufgeführten Städten Ingolstadt, München, Dillingen,
Mainz, Köln, Freiburg i. Br., Innsbruck, Löwen, Lion, Rom, Venedig,
Florenz, Bologna oder in Spanien gedruckten Werken abgesehen:
»_Alle übrigen sowohl in Teutschland als Italien, in Frankreich
und Engelland gedruckten Bücher sind abgeschafft und das Hausiren
derselben den Buchhändlern bey schwerer Strafe und Confiscation
untersagt._«

Schon bei seinem Regierungsantritt hatte der Kurfürst Maximilian I.
folgendes verordnet:

»Da sich noch immer bey den Untertanen ketzerische Bücher vorfinden,
und solche von den Hausierern eingeschwärzt werden, und in Bedenkung,
daß der Abfall von der katholischen Religion fast allein durch die
verbotenen, falschen ketzerischen Bücher, Tractätchen und Schriften
entsprungen, wird befohlen, daß die Untertanen alle der katholischen
Religion zuwiderlaufenden Bücher, soviel sie derer bei Handen haben,
den Obrigkeiten unverzüglich zustellen. Würde jemand eines von
solchen verbotener Büchern sträflicher Weise verhalten (woraus eines
jeden verstocktes und halsstarriges Gemüt unfehlbar abzunehmen),
soll an selben ein solches Beispiel aufgestellt werden, daß andere
sich vor ähnlichen Vergehen hüten werden.« Zugleich wurden eigene
Kommissäre mit der _Haussuchung_ nach derlei Büchern beauftragt.
Diese hatten den Befehl, die Bücher zu konfiszieren und die Besitzer
zur Bestrafung anzuzeigen.

Selbst bei Verstorbenen sollte man nach solchen Büchern fahnden und
wenn man sie fand eine Geldstrafe aus der Verlassenschaft erheben.

Im Jahre 1609 wurde festgesetzt, daß zur Zensur jedesmal einige
aus den geistlichen Räten zu deputieren seien. »Wenn aber solche
Traktötl und Sachen, zum Druck bestimmt, vorgelegt werden, die etwas
wichtig und disputierlich sind«, sollen auch andere Geistliche und
gelehrte Personen beigezogen werden. Der Dechant der Frauenkirche
mußte überdies jedes Attest über ein begutachtetes Buch mit Vor- und
Familiennamen unterschreiben und diese Attestierung mußte bei Strafe
in jedem Buche gedruckt werden[10].

In Ingolstadt wurde besonderes Augenmerk auf die Buchdrucker
gerichtet, die Universitätsangehörige waren. Schon 1555, also
im gleichen Jahre, in das der Einzug der Jesuiten fällt, wurde
angeordnet, daß nichts gedruckt werden dürfe, was nicht vom
einschlägigen Fakultätsdekan und außerdem noch vom Dekan der
theologischen Fakultät approbiert sei. Außerdem mußte das Verzeichnis
aller aus Frankfurt bezogenen Bücher diesen Zensoren vorgelegt
werden. Um die Kontrolle noch mehr zu erleichtern, wurde im Jahre
1579 angeordnet, daß die Einfuhr auswärtiger Bücher überhaupt nur
zweimal im Jahre während zweier Wochen stattfinden dürfe. Daß die
Geschäfte der Buchdrucker bzw. Händler einer ständigen Kontrolle
unterstanden, versteht sich von selbst. Und zwar wurden die
Buchhändler vom Dekan mit einem der zwei Stadtpfarrer visitiert[11].

Da es ein seit langem von der theologischen Fakultät der Universität
Ingolstadt geübtes Recht war, die Zensur über alle Fakultäten
auszuüben, _so gab es weder in der philosophischen noch in der
juristischen Fakultät akatholische Bücher von akatholischen
Verfassern_. Der »Geist«, mit dem die Zensur ausgeübt wurde,
erhellt unter anderem daraus, daß die Schriften des Rektors der
Universität, Freiherrn _von Ickstatt_, nur nach hartem Kampfe von
der Zensurbehörde genehmigt wurden, darunter wurden sogar solche
zurückgewiesen, die das Imprimatur katholischer Bischöfe trugen!
Als nun Ickstatt einem oder zwei Schülern der juristischen Fakultät
»verdächtige« Bücher, nämlich Köhlers Kompendium der Reichshistorie
-- noch dazu mit ausdrücklicher Warnung vor dem akatholischen
Standpunkte des Verfassers! -- empfahl und _Lori_ sich Reinhards
Reichshistorie verschafft hatte, da wurde _von den Kanzeln aus gegen
ihn im Jahre 1752 eine furchtbare Hetze inszeniert_. Doch Ickstatt
erwirkte im gleichen Jahre vom Kurfürsten Max Joseph die Erlaubnis,
daß akatholische juristische und staatswissenschaftliche Werke
gebraucht würden, solange die Ingolstädter Professoren nicht selbst
Kompendien verfaßt hätten. Das kam allerdings einer Vertagung ad
Calendas graecas so ziemlich gleich.

Das war spanischer Geist!

Wer noch am Ende des 18. Jahrhunderts in Spanien oder Portugal im
Besitze einer hebräischen Bibel war, machte sich des Judentums
verdächtig. Viele und nicht die schlechtesten Ausgaben der
Kirchenväter waren verboten, wenn ihre Herausgeber »Ketzer« waren.
Wenigstens mußten Einleitung, Kommentar und Anmerkungen fortgelassen
werden. Ein Kind durfte nicht einmal seinem Vater seine religiösen
Zweifel vortragen, weil der Vater durch die Inquisitionsgesetze
verpflichtet war, das den Inquisitoren anzuzeigen. Nach der Meinung
einiger spanischer Theologen waren sogar die Beichtväter vom
Beichtsiegel entbunden, wenn ihnen das Beichtkind seine Zweifel
entdeckte und nicht sofort ihren Vorstellungen Gehör gab. Man sagte:
Haeresis est crimen, quod nec confession celat.

Wenn in Gedichten, Komödien, Opern, Ausdrücke wie Numen, Dei usw.
vorkamen, so mußte der Autor eine Protestation beidrucken, daß sie
nur aus poetischen Gründen gebraucht würden und nicht etwa aus
Opposition gegen die wahre, allein seligmachende römische Kirche.
Kamoens ließ seiner Lusiade folgendes Glaubensbekenntnis in Versen
folgen:

  A catholica May romana Igreja
  Quanto digo, e disser, sujeito seja[12].

An der Universität Ingolstadt wurde erst im Jahre 1727 nach
anfänglichem Widerstreben Geschichte in den Lehrplan aufgenommen.
Der gelehrte Professor kam aber in seinem Diktat im Laufe eines
ganzen Jahres nie über einen oder zwei Kaiser hinaus. Da war es dann
gewiß kein Wunder, wenn eifrige Studenten das Bedürfnis hatten, sich
durch Bücher weiter zu bilden. Wohlgemerkt handelt es sich hier um
Juristen, nicht etwa um Theologen, denen die Scheuklappen ja nie fest
genug gebunden werden können, da tatsächlich jedes verständige Buch
sie in die Gefahr bringt, ihren Glauben zu verlieren.

In der Philosophie war es ebenso bestellt wie in Geschichte und
Jurisprudenz. Da sich die Philosophen aber zu schwach fühlten, um
aus eigener Kraft ihrer kläglich darnieder liegenden Wissenschaft
aufzuhelfen, überdies trotz des obligatorischen philosophischen
Bienniums vor leeren Bänken dozierten, erbaten sie zu ihren Gunsten
kurfürstliche Mandate. Aber der Nutzen blieb aus.

Vom wissenschaftlichen Geiste, der auf der ultrakatholischen
Universität Ingolstadt noch in der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts herrschte, legt allein die Tatsache Zeugnis ab,
daß der Oberstadtpfarrer und Professor der Theologie _Eckler_
sich 1772 rühmen konnte, er sei seit Dr. Eck (1527!) der erste
Oberstadtpfarrer und Professor in Ingolstadt, der »etwas zum
Druck geschrieben«. Ist das auch nur so aufzufassen, daß keiner
seiner Vorgänger im Stadtpfarramt, die allerdings auch häufig
zugleich Professoren waren, literarisch tätig war, so beweisen
die zweiundeinhalb Jahrhunderte beharrlichen Schweigens immerhin
keinen allzu großen wissenschaftlichen Tatendurst. Übrigens hatte
die Universitätsdruckerei trotz ihres dreihundertjährigen Bestandes
_keine hebräischen Lettern_, so daß man beim Drucken der Festschrift
in die größte Verlegenheit kam[13].

       *       *       *       *       *

Dafür sprach man an dieser Musteruniversität von einer _katholischen
Medizin_. Man verstand darunter die ältere, auf der arabischen
und griechischen Tradition beruhende, »solidere« Wissenschaft im
Gegensatz sowohl zu den verkehrten Meinungen des Pöbels, als zu den
Grundsätzen der parazelsianischen Neuerer[14].

       *       *       *       *       *

Die Münchner Akademie der Wissenschaften, deren Schriften der Zensur
unterstanden, und die keineswegs antikatholisch oder freigeistig war,
wenn sie auch einigermaßen dem aufgeklärten Zeitgeist gegenüber der
kirchlichen Versumpfung Bayerns Rechnung trug, wurde aufs heftigste
von den Jesuiten bekämpft. So dichtete ein P. Joseph _Pemble_ ein
eigenes Schauspiel gegen die Akademie, das unter dem Titel »Der
Bücherbrand zu Ephesus« im großen Kongregationssaale aufgeführt
wurde. _In den Zwischenakten erschien der Teufel als Verleger der
neuen Schriften._

Die Jesuiten wußten eben sehr wohl, daß sie durch die geringste
Aufklärung ihrer verdummten Herde von anderer Seite ihr Ansehen
verlieren würden und kämpften deshalb wie die Verzweifelten um
Aufrechterhaltung des Vorrechtes, ihre Schafe auch weiterhin zu
verblöden. Dabei verstanden sie es, die Kanzelredner Bayerns auf ihre
Seite zu bringen. Diese verkündeten denn auch, daß die Akademie die
Religion unterdrücke, ein Akademiker ein »Neuling«, ein »Freigeist«
sei, den man mehr fürchten müsse, als den Teufel. Das niedrige
Volk wurde dadurch derart voreingenommen, daß es sich beim Anblick
eines Akademikers _bekreuzigte_. Daß man nicht nur jede mißliebige
Regierungshandlung, sondern auch elementare Unglücke den »gott-
und religionslosen Freigeistern« aufs Konto setze, wird hiernach
niemanden verwundern.

Ein Franziskanermönch _P. Leo_ überhäufte die Akademie in seinen
Predigten mit den gemeinsten Beschimpfungen und forderte seine
Zuhörer auf, _die Freigeister mit dem Schwerte auszurotten_.
Das aufgestachelte Volk revoltierte, kündigte den Gesellen der
akademischen Buchdruckerei das Quartier und der Magistrat forderte
Aufhebung der Presse. Bedenkt man, daß sich das in München, vor
den Augen des Kurfürsten, der die Akademie liebte und beschützte,
zutragen konnte, so hat man eine Vorstellung von der selbst zum
Märtyrertum begeisternden Allmacht der Dummheit[15].

Nur dank den Bemühungen Loris, eines Schülers und Gesinnungsgenossen
von Ickstatt, entging die Akademie dem Lose, ihre Werke der Zensur
der Ingolstädter Theologen unterwerfen zu müssen. Der von dieser
Seite gegen sie entfesselte Sturm der Entrüstung wurde besonders
schlimm, als der Theatiner Ferdinand _Sterzinger_ am 13. Oktober
1766 eine akademische Rede _gegen den Hexenglauben_ hielt. Es brach
eine Flut von Streitschriften über ihn herein, die unter Berufung
auf die heilige Schrift, die Erblehre der Kirche, die Aussprüche
der Päpste _die Bestreitung des Hexenglaubens geradezu für eine
Ketzerei erklärten_. Allerdings war noch im Jahre 1701 in München ein
siebzehnjähriges Mädchen als Hexe hingerichtet worden[16].

Im benachbarten, von jesuitischem Geiste durchtränkten Österreich,
war es natürlich nicht anders.

In einem Schreiben vom 24. Oktober 1791, das gegen Josephs II.
Reformen protestiert, wird vor allem der _schädliche Einfluß_ des
bei der Jugend genährten Hanges zur _Belletristik_ geschildert:
»Sie erweicht zu sehr die Gemüter, vertilgt die Vernunft und läßt
nichts als Empfindung übrig. Sie verdirbt sogar die Beredsamkeit
und erstickt alle männlichen Gedanken. Seit langem ist der Mangel
an Kandidaten der Theologie immer fühlbarer geworden; die neue
Erziehungsweise erzeugt nämlich einen Haß gegen das Zölibat, der von
oben herab genährt wird, schon deshalb höchst unklugerweise, weil,
je mehr jener steigt, _desto mehr notwendig auch die Anzahl der
Staatsdienst und Heiratsaspiranten und hiermit auch die Staatslasten
zunehmen müssen_[17]«.

Doch zurück nach Bayern. Als _Maximilian IV. Joseph_ von Bayern
die kirchliche Bücherzensur in seinen Staaten aufgehoben hatte,
erhielt er vom Papst unterm 19. November 1803 eine Antwort, die aus
der Freiheit von Buchhandel und Presse den _Untergang der Kirche_
befürchtet. »Du siehst demnach, wie notwendig es ist, daß von
den Bischöfen und ebenso von den übrigen Geistlichen das heilige
Amt, welches ihnen zur Erbauung der Kirche übergeben ist, frei
ausgeübt werde, da den Aposteln und Jüngern und ihren rechtmäßigen
Nachfolgern, nicht aber andern von Christus dem Herren gesagt wurde:
Gehet hin und predigt das Evangelium aller Creatur, lehrt alle
Völker, und da die Bischöfe, nicht aber andere nach dem Zeugnis des
Apostels Paulus der heilige Geist gesetzt hat, die Kirche Gottes zu
regieren[18]«.

Der Papst versuchte hier also nicht mehr und nicht weniger, als die
bischöfliche Bücherzensur auf die heilige Schrift zu gründen! Der
Kurfürst würdigte erfreulicherweise dieses Kulturdokument keiner
Antwort.

       *       *       *       *       *

Es liegt auf der Hand, daß die Bücherzensur allein nicht genügt, wenn
nicht auch für die entsprechende _Lehre in Schule und Universität_
gesorgt wird. Daß das geschah, ergibt sich zwar schon aus einigen
oben angeführten Daten. Um aber die Organisation der Dummheit,
wenigstens an _einem_ Beispiel in ihrer ganzen Glorie zu zeigen,
wollen wir auf das Unterrichtswesen noch einen Blick werfen. Daß auch
hier die Jesuiten, die Hopliten Roms, in vorderster Reihe den Kampf
führten, versteht sich von selbst. Ihrem Wirken auf dem Gebiete der
Zensur entspricht völlig das im Lehrfach, was gewiß nicht ausschloß,
daß sie da und dort auch Tüchtiges leisteten und in der Methode,
_ihrer_ Methode natürlich, deren Geist zu kennzeichnen überflüssig
sein dürfte, glänzten.

Seit dem Jahre 1585 brach, wie sich Prantl, der Geschichtschreiber
der Ludwig-Maximilianuniversität äußert, das »jesuitische
Verderben« mit Entschiedenheit über die philosophische Fakultät der
Universität Ingolstadt, damals bekanntlich der einzigen bayerischen
Universität, herein. Die Jesuiten versuchten durch eine Schrift
»Bedenken die Schulsachen zu Ingolstadt betreffend«, die sie dem
Herzog unterbreiteten, den weltlichen Professoren den Todesstoß zu
versetzen. Sie schlugen vor, die Vorlesungen über _Dialektik, Poesie,
Humaniora und Griechisch_, die -- man höre und staune -- ohnedies
viele Jahre nicht vertreten waren, _ganz abzuschaffen_, da sie ja
mit Ausnahme der Dialektik nur in das Pädagogium gehörten. Dialektik
aber werde von den Jesuiten in zehn Wochen besser gelesen, wie an
der Universität in einem ganzen Jahre. Auch Rhetorik sollte ihnen
übertragen werden, desgleichen _Mathematik_ und _Ethik_. Das alles
geschähe, um den Ruhm der Universität zu steigern! Das beste sei ja
überhaupt, dem Orden die ganze philosophische Fakultät einzuräumen.

Wiewohl nun Ingolstadt niemals eine reine Jesuiten-Universität
war, wie etwa Dillingen oder Graz, benahmen sie sich doch derart
herrisch, daß sie z. B. ihren Zuhörern _verboten, in den Mußestunden
anderweitige Vorlesungen zu hören_, ebenso Institutionen zu
belegen und absichtlich ihre Vorlesungen ausdehnten um die Hörer
zu verhindern, eine andere Lehrstunde zu besuchen. Sie verboten
in Ingolstadt bei den Franziskanern zu beichten und exkludierten
1610 einige Adelige, weil sie es gewagt hatten, der Vesper und der
Prozession bei den Franziskanern beizuwohnen! Schon damals war man
sich in Universitäts- und Studentenkreisen darüber klar, daß der
Verfall der Universität bei diesem Verhalten unvermeidlich sei[19].

Damals wurde unter jesuitischem Einfluß auch verordnet, daß die
Jugend hinfort in Deutschland nur noch die Universitäten Ingolstadt,
Freiburg i. Br., Köln, Dillingen, in den Niederlanden Löwen und Douay
besuchen dürfe, außerdem noch die Jesuitenkollegien und katholischen
Partikularschulen. Wer schon an einem anderen Orte studierte, sollte
schleunigst abgerufen werden.

Noch strenger ist das Mandat von 1598: »Junge Leute, welchen Standes
sie immer seien, dürfen des Studierens wegen _außerhalb des deutschen
Reiches nirgends hin_, auch nicht auf katholische Universitäten
und Partikularschulen geschickt werden. Wer im Auslande Sprachen
oder Gewerbe erlernen will, muß die Erlaubnis der Obrigkeit vorher
einholen, die gute Ermahnungen gibt, beim katholischen Glauben zu
bleiben und die Sakramente nur bei Katholiken zu empfangen. Wer den
Glauben wechselt, dem wird der Aufenthalt in Bayern verboten[20].«

So hoffte man die Seelen keimfrei erhalten zu können!

Als der greise Freiherr _von Ickstatt_, der Reformator des
Unterrichtswesens Bayerns, das bisher, wie sich zur Evidenz aus
dem Mitgeteilten ergibt, unter klerikalem Regiment geistig völlig
versumpft war, in der Münchener Akademie der Wissenschaften seine
Gedanken über Reform des Schulwesens vortrug, wurde die Rede von
der Akademie übergangen. Sie hielt es nicht für ihre Aufgabe, sich
um das Schulwesen zu kümmern! Die Rede erschien noch nicht einmal
im Verlag der akademischen Schriften. Ickstatt hatte beantragt, den
naturwissenschaftlichen und mathematischen Studien weit größeren
Platz einzuräumen. Deshalb war aber der Klerus gegen die Reform, da
er mit einigem Recht für den Glauben fürchtete, da doch jeder Blick
in die Natur ihn ins Wanken bringen mußte. Tatsächlich erhoben die
Ordinariate von Freising, Regensburg und Eichstädt Klage.

Vor der Zeit von Ickstatt und Lori, sagt der Verfasser einer 1788
erschienenen Schrift, hätte niemand in Ingolstadt das Wort Disziplin
nennen dürfen, ohne verprügelt zu werden. Ingolstadt war wegen der
Verkommenheit der wissenschaftlichen Zustände nicht minder aber
wegen des zügellosen Treibens der Studenten derart verschrien, daß
katholische Eltern aus Bayern ihre Söhne lieber außer Landes nach
Salzburg oder Innsbruck schickten[21]. Also selbst die vielgerühmte
jesuitische Zucht versagte völlig!

Als noch im Jahre 1791 ein Student der Jurisprudenz in Ingolstadt
eine Rede hielt, in der er auf Grund des wissenschaftlichen
Materiales, das er von Prof. _Aschenbrenner_ erhalten hatte, den
Satz verfocht, daß man alle Religionen dulden solle, wurde gegen ihn
eine _Untersuchung eingeleitet_. Der Kurfürst erteilte schließlich
Aschenbrenner einen scharfen Verweis, desgleichen dem Dekan der
juristischen Fakultät, da »nach den angenommenen Grundsätzen
keine andere, als die katholische Religion zu gedulden ist«. Der
Regierung war augenscheinlich die Erinnerung an den westfälischen
Frieden abhanden gekommen. Immerhin war ein begrüßenswerter
Fortschritt in freiheitlicher Richtung, daß im Jahre 1782 den
Professoren erlaubt wurde, ihre Schriften auch bei ausländischen
-- d. h. außerbayerischen -- Verlegern erscheinen zu lassen. Von
großem praktischen Werte dürfte diese Erlaubnis allerdings kaum
gewesen sein, denn bis zur Mitte des Jahrhunderts hatte, von
einigen Fachgelehrten abgesehen, ganz Deutschland keinen einzigen
katholischen Schriftsteller hervorgebracht[22].

Die neue Universität von Innsbruck war von ganz gleichen Grundsätzen
infiziert; man klagte, daß daselbst die schlechtesten Studenten
seien und doch zogen rechtschaffene Männer diesen Ort noch anderen,
z. B. Dillingen, vor, wo »unter den Theologen gar keine Wissenschaft
herrschte, das Brevierbeten und der Glaube an die Mutter Gottes ab,
das höchste Verderben der Sitten aufkam[23].«

Das Bild, das _Küchelbecker_ zu Beginn des 18. Jahrhunderts von der
unter jesuitischem Einfluß stehenden Wiener Universität entwirft,
wird von ihm durch folgendes Resümee, das für _alle_ jesuitischen
Universitäten paßt, ergänzt:

»Gleichwie es nun allhier mündlich keinesweges erlaubet ist, von
denen alten und einfältigen Praejudiciis abzugehen, und auf eine
vernünftige Art und Weiße zu raisonniren, und die Wahrheit zu
untersuchen; also ist solches noch viel weniger in Schrifften
zu thun vergönnet. Denn weil die Jesuiten die Aufsicht über die
Buchdruckereyen haben, und alles dasjenige, so gedruckt werden
soll, ihre Censur passiren muß, so kann man leicht erachten, daß
sie dasjenige, was ihnen zuwider, oder nicht in ihren Kram dienet,
ausstreichen, und den Auctorem wohl gar in die Inquisition bringen.
Dahero ist kein Wunder, wenn in diesen Landen wenig an das Licht
kommet, so die Approbation der gelehrten Welt findet; da man hingegen
in Franckreich die gelehrtesten Sachen von Catholischen Auctoribus
hat[24].«

Als nun der Jesuitenorden durch Papst Clemens XIV. in der Bulle
»Dominus ac redemptor noster« unterm 21. Juli 1773 aufgehoben wurde,
geriet das bayerische Volk in den mittleren und niederen Klassen,
wo die Jesuiten viele Verehrer und Anhänger hatten, in die größte
Aufregung. Die Magistrate von Ingolstadt und Straubing übersandten
dem Kurfürsten Max III. Joseph Klageschriften und bedauerten die
Vernichtung des Ordens, der sich um die Jugendbildung so große
Verdienste erworben habe[25]. Das war ja für das 16. und teilweise
für das 17. Jahrhundert richtig gewesen. Wie es in der Folgezeit
um die Verdienste der Jesuiten, um Wissenschaft und Volksbildung
bestellt war, sahen wir bereits.

Das Volk war eben an das Verdummungssystem schon so gewöhnt, daß
es voraussah, es würde sich in einer anderen Atmosphäre nicht wohl
fühlen.

Begreiflicher als das Jammern des Volkes nach den Jesuiten, ist die
Klage der Kurie über den modernen Geist. Sie wehrt sich schließlich
nur ihrer Haut.

In einer großen Beschwerdeschrift, datiert vom 30. September 1805,
erhob die Kurie gegen die bayerische Regierung den Vorwurf, die
Religion anzugreifen, weil sie der sorglosen und unkundigen Jugend
die Freiheit eingeräumt habe, die _Vorlesungen über protestantische
Theologie zu besuchen_ und in philosophischen Disziplinen sogar die
Notwendigkeit auferlegte, die Vorträge protestantischer Lehrer zu
hören!

Ein protestantischer Professor der Mathematik! Man denke!

Gegen diese Ausgeburt pfäffischer Anmaßung und Spekulation auf die
Dummheit der Herde scheint es harmlos, wenn die Kurie im gleichen
Schriftstück einen weiteren Angriff gegen die Religion darin
erblickt, daß der Staat den katholischen Untertanen gemischte
Ehen erlaubt, den Eltern gestattet die religiöse Erziehung der
Kinder vertraglich zu bestimmen oder apostasierte und verheiratete
Priester unter offenbarer Mißachtung der Strafbestimmungen des
kanonischen Rechts zu öffentlichen Ämtern an den Universitäten oder
im Staatsdienst beförderte[26].

Übrigens hat das Wettern der katholischen Kirche gegen gemischte
Ehen ein Analogon in der Gesetzgebung des kalvinistischen Genf,
das wir weiter oben als aufgeklärten Staat kennen lernten. Keyßler
schreibt: »Keine Trauung wird verstattet, wo nicht beyde Theile
der protestantischen Religion zugethan sind. Alle vorhergegangenen
Verbindungen und Verlöbnisse einer reformirten Person mit einer
römisch-katholischen werden null und nichtig erkläret, auch die
Mittelspersonen und diejenigen, welche ihre Einwilligung dazu geben,
nach Beschaffenheit der Umstände, zur Strafe gezogen[27].«

Die Gerechtigkeit erfordert auch einen Blick auf den Protestantismus
zu werfen. Wurden protestantische Universitäten auch natürlich nicht
in jesuitischem Geiste geleitet, so herrschte doch insofern dasselbe
System, als alles abgelehnt wurde, was irgendwie durch seine Neuheit
verdächtig sein konnte. Das war aber außerordentlich viel. Denn die
Dummheit ist stets durch ein schlechtes Gewissen ausgezeichnet. Sie
wittert überall Gefahr und ist nie skrupelhaft in den Mitteln, diese
zu beseitigen.

So hatte die reformierte Geistlichkeit gegen _Descartes_, als er
sich in Holland aufhielt, in begreiflicher Furcht vor der Macht
seiner Gedanken, eine Anklage wegen Atheismus gerichtet. Um diese
ganze Geistestat würdigen zu können, muß man sich erinnern, daß von
Descartes derjenige Gottesbeweis stammt, der am meisten die Vernunft
befriedigt und -- soweit das Dasein Gottes überhaupt beweisbar ist
-- es noch am ehesten beweist. Descartes schließt nämlich: Gewiß ist
alles, was ich klar und deutlich erkenne. Unter unseren Ideen finden
wir die Gottes vor, die nicht durch Abstraktion von anderen Dingen
gewonnen sein kann, da sie an Großartigkeit weit über sie hinausgeht.
Daher kann sie uns nur von einem vollkommenen Wesen, d. h. einem
wirklich existierenden Gott eingepflanzt sein. Würde Gott nicht in
Wahrheit existieren, dann wäre er ein Betrüger, da er uns die Idee
von sich einpflanzte.

Die Dummheit der holländischen Geistlichkeit wird vielleicht
verständlicher, wenn man bedenkt, daß noch im Jahre 1690 die
Synode von Amsterdam, die sich aus holländischen, englischen und
französischen calvanistischen Priestern zusammensetzte, die Lehre,
daß der Obrigkeit kein Recht zustehe, Ketzerei und Abgötterei durch
weltliche Gewalt zu unterdrücken, einstimmig als »irrig, anstößig und
verderblich« erklärte[28].

Eine hierher gehörige Tatsache, die jeden, der über den Geist der
offiziellen Wissenschaft zu allen Zeiten mangelhaft informiert ist,
in Erstaunen setzen muß, dem Kenner aber nur eine neue Bestätigung
für seine Ansicht bedeuten kann, ist das Verhalten der Universität
Oxford allen großen Neuerungen, die sich in England vollzogen,
gegenüber. Das gilt vor allem dann, wenn theologische Gesichtspunkte
in Frage kommen. Als um die Mitte des 18. Jahrhunderts _Middleton_
die Glaubwürdigkeit der Kirchenväter anzweifelte und ihre
Leichtgläubigkeit bewies, kurz mit triftigen Argumenten ihre
Autorität erschütterte und über diese Frage in England jahrelang die
größten Kontroversen hervorrief, da war es natürlich die Universität
Oxford, die sich an die Spitze der Opposition stellte. Allerdings
waren die Streiter, die sie gegen den kühnen Skeptiker Middleton
ins Feld führten, so schlecht gewappnet, daß damit der neuen Sache
sicherlich kein Abbruch getan werden konnte.

Ebenso war die Theorie der bürgerlichen Freiheit im Gegensatz zur
Theorie vom leidenden Gehorsam, desgleichen die Verteidigung der
Duldung gegenüber der Verfolgung von Oxford aus am heftigsten und
gewandtesten bekämpft worden. Noch im 19. Jahrhundert sehen wir diese
Universität ganz auf der Seite der Tradition. Es handelte sich um die
Testakte und die Emanzipation der Katholiken, kurz um die politische
Gleichberechtigung der Konfessionen und damit um Beseitigung
mittelalterlicher Reste durch die Fluten der neuen Zivilisation.
Noch im Jahre 1833 wurde Oxford die Wiege einer großen reaktionären
Bewegung gegen die neue Art des religiösen Denkens, die als durchaus
falsch gebrandmarkt wurde. Nach Ansicht der Hochgelahrten war die
Geschichte der englischen Theologie seit anderthalb Jahrhunderten
eine Geschichte des ununterbrochenen Verfalls[29].

Es ist eben immer dieselbe Sache: Jedes Fünkchen gesunden
Menschenverstandes und Kritik wird in der Theologie als Fremdkörper
betrachtet und paßt ja wohl auch nicht recht in dieses Kabinett von
Geistespetrefakten. Da nun naturgemäß der Mensch das Maß aller Dinge
ist, also auch der Theologe, sein Wohlergehen, seine Gewalt über die
Seelen der Maßstab, so ist es nicht verwunderlich, wenn er deren
Abnahme bei gleichzeitiger Zunahme der bürgerlichen Intelligenz als
Verfall bezeichnet.




V. Kapitel

Religiöse Zwangserziehung


Wir lernten in den vorigen Kapiteln eine Reihe von Dummheiten
schlimmster Art kennen. Wir sahen, wie man emsig bemüht war durch
Zensur und hermetische Absperrung gegen neue Gedanken diesen
Dummheiten, die man mit der Religion identifizierte oder doch
wenigstens zu ihrem wichtigsten Bestandteile erklärte, Dauer und
Alleinherrschaft zu sichern.

Irgend jemand sagte einmal etwa folgendes: Die Religion fordert
Glauben; wer viel glaubt, weiß wenig; wer wenig weiß, ist dumm; je
dümmer einer ist, desto leichter ist er zu regieren.

So anfechtbar dieser Satz ist, so enthält er doch zweifellos die
Quintessenz der Regierungsweisheit früherer Zeiten. Ja, man munkelt,
daß es heute noch Länder und Völker gibt, deren Regierungen noch
nicht jede Erinnerung daran geschwunden sein soll.

Doch wie dem auch sein mag: Die Vergangenheit konnte sich
Friede und Ordnung in einem Lande ohne Religiosität, die jedoch
mit Kirchlichkeit gleichgesetzt wurde, nicht denken. Diese
zu unterstützen, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln alles
fernzuhalten, was in den Busen der frommen Herde irgendwelchen
Zweifel zu tragen vermocht hätte, vor allem jede Glaubensspaltung zu
hintertreiben, hielt jede Landesregierung, die es mit sich und den
Untertanen gut meinte, für ihre dringendste Aufgabe. Sie zu erfüllen,
war ihre Pflicht; Mittel zur Durchführung zu ersinnen und anzuwenden
ihr gutes Recht.

Betrachten wir zunächst einmal am Beispiel Bayerns, welche Blüten
dieses System trieb. Daß wir gerade Bayern wählen hat gute Gründe,
geht doch dieses Land neuerdings den gleichen Weg, den es erst seit
einem Jahrhundert verlassen hat. Daß er zum Ziele führen wird, läßt
sich kaum bezweifeln bei den guten Relationen, die das Ministerium
Hertling zum lieben Gott hat. Wenige Wochen nach dessen Amtsantritt
_verfinsterte_ sich die Sonne am hellen Tage (17. April 1912). Heißt
das nicht: sub hoc signo vinces?

Unterm 30. April 1599 verordnet Kurfürst _Maximilian I._ von
Bayern: »An hohen Festtagen, dann beim Allerseelen-Gottesdienste
für Gestorbene haben Vizedome, Präsidenten, Räte, Sekretäre und
Kanzellisten, dann die landesherrlichen und ständischen Beamten
_nebst ihren Frauen und Kindern_, nach dem ihnen gebührenden
Range die Opfergänge mitzumachen, auch jene Stühle in den Kirchen
einzunehmen, welche denselben angewiesen oder anzuweisen sind.«

Mit dieser Zwangsmaßregel, die augenscheinlich, wie der heutige
Kirchenbesuch unserer Schuljugend, die Liebe zu Religion und
Kirche stärken sollte, war der Einmischung des Staates in das
Privatleben noch keineswegs genüge getan. So erhielt die Regierung
in Landshut 1597 den speziellen Auftrag: »sorgfältig zu wachen,
daß die Untertanen nicht in Gefahr kommen, vom katholischen Glauben
abzufallen und bei allen Gelegenheiten besondere Aufmerksamkeit
darauf zu verwenden, um sich die genauesten Notizen über alle
religiösen Verhältnisse der Einzelnen zu verschaffen.«

Schon am 15. März 1598 waren die Geistlichen angewiesen worden,
das Volk zu sittsamem und religiösem Leben zu ermahnen, die
weltliche Obrigkeit aber mit gutem Beispiel voranzugehen. Gewiß sehr
verständig! Doch die Kralle fehlt natürlich nicht, wenn es weiter
heißt: »Wer sich aber während des Gottesdienstes auf den Kirchhöfen,
Märkten, Plätzen und anderen Schwätzorten, oder gar in Wirts- und
Winkelhäusern finden läßt, ist entweder um Geld oder mit dem Brechen,
die solcher Leute halber bereits bei allen Kirchen aufgerichtet sind,
zu bestrafen. Während des Läutens um 12 Uhr, als Zeichen zu dem
täglichen Gebete wider die Türken, soll jedermann, er sei _zu Hause
oder auf der Gasse, solange mit entblößtem Haupte niederknien, bis er
wenigstens ein Vaterunser und ein Ave andächtig gebetet hat_.«

»Wer überwiesen wird, daß er aus Zorn, Trunkenheit und verdammlicher
Gewohnheit des Lasters des Fluchens sich schuldig gemacht hat,
soll nicht nur mit hartem Gefängnis und namhaften Geldstrafen,
mit Landesverweisung, Ausstellung auf dem Pranger, Ausreißung und
Durchbrennung der Zunge, sondern wohl auch mit dem Leben bestraft
werden.«

Im Jahre 1601 verfällt Maximilian auf das glaubensfördernde
Mittel, Räten, die bei den Prozessionen nicht erscheinen, ein 8-
oder 14-tägiges Ratum an ihrer Besoldung abzuziehen. Dabei ist zu
berücksichtigen, daß die Prozessionen wöchentlich abgehalten wurden!

Vier Jahre später ergeht eine Anweisung an die Pfarrer, diejenigen
ihrer Herde, die nicht zur Kommunion gingen, der weltlichen Obrigkeit
behufs Bestrafung anzuzeigen. Wer verreiste, mußte vorher oder
nachher die Kommunion empfangen, und zwar -- von spezieller Erlaubnis
abgesehen -- nur bei _ihrem_ Pfarrer.

Das Reisen der Landeskinder machte dem frommen Fürsten überhaupt
Sorge. So verfügte er 1606 und 1607, daß niemand ohne Vorwissen
der Obrigkeit an außerbayerische Orte reisen darf. Wer aber seine
Kinder an solchen Orten, wo die katholische Religion nicht in freier
Übung ist, hat, muß sie _binnen 2 Monaten zurückrufen oder bei
Bestrafung an andere Orte schicken_. Das galt natürlich auch für
Erwachsene: »Landskinder, die sich auswärts an Orten in Kondition
befinden, wo neben der katholischen Religion die protestantische
Lehre exerziert wird, sollen binnen Monatsfrist Zeugnis beibringen,
daß sie in katholische Dienste treten, oder ihnen doch in Übung ihrer
Religion kein Hindernis gemacht werde. Die außer Land reisenden
sollen ermahnt werden, sich an katholische Orte zu wenden.« Es hatte
also Schwierigkeiten von München nach Augsburg oder Regensburg zu
reisen, da an diesen Orten beide Religionen nebeneinander bestanden!
Wer dorthin wollte, mußte sich unter die Aufsicht der dortigen
herzoglichen Agenten begeben!

Im Jahre 1608 wird der geistliche Rat ausdrücklich angewiesen, keinem
Fremden oder Ausländer zu gestatten, sich im Lande zu verheiraten und
häuslich niederzulassen oder auch nur eine Zeitlang in Bayern seinen
Beruf auszuüben, es sei denn, er wäre katholisch[1].

Von erstaunlichem Verständnis für das Wesen der Religion als
Gemütsbedürfnis zeugt auch die Instruktion Maximilians I. vom Jahre
1629 an seinen geistlichen Rat. Hier wird u. a. bestimmt, daß
Landeskinder, die sich aus Gründen des Dienstes oder in Ausübung
eines Handwerks an unkatholischen Orten aufhalten, jährlich die
österlichen Beicht- und Kommunionsscheine entweder an die bayerischen
Agenten in Augsburg, Memmingen usw. oder an ihre Geburtsorte senden,
widrigenfalls sie gewärtigen müßten, »daß sie bei Verlust ihres
dermaligen und künftigen Vermögens nach Hause berufen, und eher
nicht von der Stelle gelassen werden, bis sie nicht ihre Beichte
und Kommunion verrichtet, und versprochen haben, daß sie entweder
dergleichen unkatholische Orte gar nicht mehr besuchen, oder obiger
Verordnung Genüge leisten wollen«. Der geistliche Rat hatte auch
dafür zu sorgen, daß an Feiertagen kein Fleisch gegessen würde.

Der Güterkauf durch Akatholiken wurde in Bayern 1608 ausdrücklich
und unbedingt verboten, was 1619 wiederholt wurde mit der neuen
Bestimmung, alle in Bayern wohnenden begüterten Akatholiken zu
beschreiben.

Schon im Jahre 1616 war verordnet worden, daß jedermann, der beim
Läuten des Abendgebetes und der »Schiedung« das Haupt nicht
entblößte, ebenso bestraft werden solle, wie das beim Türkengebet
schon früher angeordnet worden war.

Von besonderer Humanität zeugt auch folgendes Dekret von 1618:
»Akatholische Landsassen, welche _im Lande Güter haben_, sollen
_nicht für beständig darauf wohnen_, und im Falle sie nachsehen
wollen, sich _über einige Tage nicht aufhalten_, auch keine
ketzerischen Bücher nicht mit sich hereinehmen, noch weniger gegen
den katholischen Glauben sprechen; sie sollen an verbotenen Tagen
sich des Fleischessens enthalten, niemand zu sich außer Landes ziehen
usw.«

Noch radikaler war das Dekret vom 30. November 1629, das dem
kurfürstlichen Hofrat den Befehl erteilt, sich zu erkundigen, was
für akatholische Landsassen sich im Lande befinden und -- falls noch
solche vorhanden sein sollten, was man also doch nach der ihnen
zugemuteten Behandlung nicht für sehr wahrscheinlich hielt, -- ihnen
zum Verkauf ihrer Güter einen gewissen Termin zu bestimmen und ihnen
vor allem keinen weiteren Güterkauf zu gestatten.

Den Handwerksburschen war, bevor sie auf die Wanderschaft gingen,
auferlegt -- wiederholt im Jahre 1658 -- nicht nur sich vorher in
Glaubenssachen wohl unterrichten zu lassen, sondern auch ein Attest
von der weltlichen und geistlichen Obrigkeit darüber mit sich zu
führen. Sie und andere, die längere Zeit außer Landes zubrachten,
dürfen sich bei ihrer Rückkehr nicht eher häuslich niederlassen, bis
sie nicht bei ihrem Seelsorger wegen ihrer Religion Rechenschaft
abgelegt haben. Noch im Jahre 1739 wurde diese Bestimmung neuerdings
eingeschärft[2].

Die bayerischen Gesetze verboten während des Gottesdienstes, und zwar
vormittags so gut wie nachmittags, Spazierfahrten zu unternehmen. Die
Wirtshäuser, Wein- und Bierschänken, Kaffee- und Branntweinhäuser
usw. mußten geschlossen sein, und in ihnen war weder Zechen, Spielen,
Tanzmusik, noch andere Lustbarkeit gestattet. Nur ankommenden
Fremden, die ihre Reise gleich wieder fortsetzen mußten, durfte
etwas verabreicht werden. Während es auch verboten war, das Vieh vor
Beendigung des Gottesdienstes auf die Weide zu treiben, war hier
ausnahmsweise gestattet, die Pferde zu füttern und umzuspannen[3].

Das Köstlichste ist nun, daß trotz aller dieser schikanösen
Bestimmungen, wie eine Reihe von Dekreten beklagen, durchaus _kein_
religiöser oder sittlicher Geist in Bayern herrschte. Nicht nur, daß
auch ältere Leute infolge der Pflichtvergessenheit der Geistlichkeit
weder das Vaterunser, noch das Ave Maria, die zehn Gebote oder gar
die geringsten Grundlehren des katholischen Glaubens auswendig
wußten, man machte die Beobachtung, die bis heute noch in ähnlichen
Fällen stets gemacht wurde, daß, je mehr Religionsbefehle erlassen
wurden, sie desto mangelhafter befolgt wurden.

Man arbeitete trotz aller Verbote an Sonn- und Feiertagen genau
so wie an Werktagen, ging während der Messe spazieren oder in
Wirtshäuser und trieb allerlei Unfug. Es wird ausdrücklich
konstatiert, daß an akatholischen Orten weit mehr Zucht und Sitte
herrsche, als an katholischen. Statt nun daraus den Schluß zu ziehen,
daß sich Andacht schlechthin nicht befehlen lasse, daß zu viel
befehlen, auf welchem Gebiete es auch sei, abstumpfe, daß die Kirche
oder gar die Religion dadurch nur verhaßt gemacht werde, schärfte man
der Obrigkeit vielmehr strenge Befolgung der alten Verordnungen ein
und erließ neue[4].

An der katholischen Universität Ingolstadt, an der die Professoren
mit den Studenten im häufigen Kirchenbesuch, Einhaltung der
Fastengebote, Bittgänger usw. usw. wetteiferten, herrschte ein Ton,
der den erzieherischen Einfluß dieser Sorte von Religion nicht eben
hoch einschätzen läßt. Schon um 1554 konnte ein Student in einem an
das Georgianum gehefteten Blatte es aussprechen, daß die Ingolstädter
Studierenden von den Wittenbergern, Leipzigern und Tübingern wegen
ihrer Unwissenheit verspottet würden. Und dabei war das noch nicht
einmal in der jesuitischen Ära! Das Hauptübel war Trunksucht und,
meist als deren Folge, wüste Rauferei. Es wimmelte trotz scharfer
Ermahnungen von seiten der akademischen Behörden und des Herzogs von
nächtlichen Tumulten und tödlichen Raufereien, auch Wilddieberei war
an der Tagesordnung[5].

Wie man noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts über die religiöse
Erziehung dachte, erhellt aus nachstehendem:

»Ist eine Religion einmal in einem Staate eingeführt, vom Volke
genehmigt, und hat sie noch dazu -- wie Portalis spricht -- die
Achtung und den Nutzen mehrerer Jahrhunderte für sich, so ist ihre
Vortrefflichkeit, ihre Erhabenheit über alle menschliche Philosophie
unwidersprechlich und ihre Göttlichkeit unverkennbar, und das ist der
Fall bei der katholischen Religion. Solch eine Religion verächtlich
zu machen, wohl gar stürzen zu wollen, ist daher ein Verbrechen,
das der Staat, auf dessen Schutz sie alle gegründeten Ansprüche hat,
bestrafen muß, zumal mit dem Sturze der Religion auch sein Verfall,
oder doch eine große Zerrüttung verbunden ist.«

Von diesem Standpunkt aus, den Bayern jahrhundertelang einnahm,
wurden die Gesetze erlassen und ihn teilt völlig der Verfasser von
»Baierns Kirchen- und Sitten-Polizey unter seinen Herzogen und
Churfürsten«, der Reichsarchivar Felix _Lipowsky_, dem wir obigen
Passus entnehmen.

Zu welchen Konsequenzen diese Denkweise führt, wie sie als ehernes
Joch auf den Untertanen lasten muß und die gewaltsamsten Eingriffe in
das Privatleben hervorruft und billigt, möge aus folgenden Gesetzen
hervorgehen:

»Sämtliche Untertanen, wessen Standes und Würde dieselben immer
wären, sind daher verpflichtet, der allein seligmachenden
katholischen Religion nach dem erhabenen Beispiele ihrer Beherrscher
und ihrer Voreltern hold und treu zu verbleiben, dem heiligen
apostolischen Stuhl zu Rom gebührende Ehrfurcht und schuldigen
Gehorsam zu bezeigen und ihre Religion nicht nur im Innern zu
bekennen, sondern auch durch äußere Zeichen und Merkmale öffentlich
zu beweisen. Sie haben daher an den Sonntagen und sonst von der
Kirche gebotenen Feiertagen Vormittags den ordentlichen in den
Pfarrkirchen gehaltenen Gottesdiensten, sie mögen in einem Hochamte
nebst Predigt, oder in einer heiligen Messe nebst einer geistlichen
Ermahnungsrede bestehen, mit _Erbauung und Andacht_ beizuwohnen.«

Nur in seltenen Ausnahmefällen war es gestattet, statt der
Pfarrkirche eine andere, näher gelegene zu besuchen. So die
Dienerschaft auf einer Einöde, die sich aus Sicherheitsgründen nicht
weit entfernen darf, oder Rekonvaleszenten. Zur Osterzeit mußte aber
unbedingt zwecks Beichte und Kommunion die Pfarrkirche aufgesucht
werden.

Eltern, Vormünder und Hausväter haben ihre Kinder und Dienstboten an
Sonn- und Feiertagen nicht nur vormittags, sondern auch nachmittags
in Amt und Predigt zu schicken; dasselbe haben die Handwerksmeister
bei ihren Lehrjungen zu beobachten. Die gleichen Eltern, Dienstherren
usw. haben auch darauf zu achten, daß der Unterricht im katholischen
Glauben von ihren Kindern usw. in entsprechender Weise besucht wird;
selbstverständlich werden sie bei Saumseligkeit bestraft.

Es ist »Pflicht der landesherrlichen Beamten, der ständischen
Verwalter, Hofmarks- und Klosterrichter, dann der Magistratspersonen,
daß sie nicht nur dem Gottesdienste in den Pfarrkirchen an Sonn-
und Feiertagen mit Erbauung beiwohnen (die »_Erbauung_« _wird_ im
Mandat vom 5. März 1701, § 6 _ausdrücklich befohlen_!), sondern
auch die Fronleichnams-Prozessionen und, soviel möglich, ihnen
ihre Amtsgeschäfte gestatten, diejenigen Prozessionen, welche alle
Donnerstage in den Pfarrkirchen gehalten werden, begleiten und
hierbei darauf sehen, daß die Zünfte mit ihren Lichtstäben nach
althergebrachter Sitte mitgehen.

Werden öffentliche Gebete in der Pfarrkirche, oder sonst besondere
große Feste gehalten, so haben die landesfürstlichen und ständischen
Beamten und Magistrate auch hierbei unfehlbar zu erscheinen und
ihre Gebetstunden zu halten. Gleiche Pflichten haben die Vicedomen,
Präsidenten, Kanzler, Direktoren und Räte der Kollegien in jenen
Städten, wo sie bestehen, zu beobachten und daß ein gleiches vom
Kanzleipersonale geschehe, zu veranstalten.«

An hohen Festtagen und beim Allerseelengottesdienste für Verstorbene,
haben die genannten Beamten mit Frauen und Kindern die Opfergänge
mitzumachen und ihre Kirchenstühle einzunehmen[6].

Selbstverständlich war die _katholische Religion_ noch bis zu Beginn
des 19. Jahrhunderts die _notwendige Bedingung für die Erlangung
öffentlicher Ämter_. Alle Offiziere, Beamte, bürgerliche Obrigkeiten
und deren Untergebene waren ebenso wie die Schulmeister zur Ablegung
des katholischen Glaubensbekenntnisses verpflichtet. Selbst die
_Zulassung zur Erlernung eines Gewerbes_, die _Erlaubnis zur
Wanderschaft_, sowie zur _Ansässigmachung nach der Rückkehr_ waren an
die gleichen Bedingungen geknüpft[7].

Nun mag sich ja ein gutmütiges Volk das alles gefallen lassen,
wenigstens geraume Zeit, wenn die Geistlichkeit, der es diese
Segnungen verdankt, nach jeder Richtung einwandfrei ist. Wie stand es
nun damit in Bayern?

       *       *       *       *       *

Noch unter der Regierung Max III. Josephs herrschten im bayerischen
Klerus unerhörte Zustände. Und wiewohl der Kurfürst eingriff,
änderte sich in den folgenden Jahrzehnten nur sehr wenig. Erst seit
der Säkularisation, seitdem die Kirche um ihre Existenz kämpfen
mußte, besserten sich ihre inneren Verhältnisse. Nicht die Kirche
reformierte sich, sie sank vielmehr immer tiefer, sondern sie
wurde widerstrebend reformiert durch Staat und Gesellschaft, durch
unmittelbare staatliche Verfügungen und Gesetze und durch den Zwang
der Tatsachen.

Damals fiel es den bischöflichen Ordinariaten gar nicht ein, sich
um die Seelsorge zu kümmern. Sie richteten vielmehr ihr Augenmerk
so gut wie ausschließlich auf die Vergrößerung ihrer Einkünfte.
Den Mitgliedern fehlten gründliche theologische Kenntnisse; man
berief am liebsten solche Geistliche in die Ordinariate, die
über eine gewandte Suada verfügten und mit hohlen Worten gegen
die bayerische Staatsregierung kämpften. Sie besteuerten gegen
die Konkordatsbestimmungen von 1583 die Hinterlassenschaft der
Geistlichen, zerstückelten eigenmächtig die Patronatspfarreien,
schufen mehrere Pfarreien in sogenannte »Tafelpfarreien« um, d. h.
sie vergaben sie simonistisch an solche Priester, die sich zur
Leistung von Pensionen verpflichteten. Allen Pfarramtskandidaten
fertigten die Ordinariate für alle Fälle immer dieselben lobreichen
Atteste aus, um die Taxen zu vermehren. In gleicher Absicht wurden
die Prozesse und Untersuchungen gegen Geistliche endlos hinausgezogen.

Bei Disziplinaruntersuchungen gegen Pfarrer und Kooperatoren wurde
die Wahrheit nie festgestellt, da der beauftragte Dekan seinen
Kollegen möglichst gegen die reichbepfründeten adeligen Domherren in
Schutz nahm. Deshalb ernannten die geistlichen Oberbehörden in den
Städten und Märkten »Denunziatoren«, die das ehrenvolle Amt hatten,
Verfehlungen von Priestern geheim anzuzeigen. Dafür wurden die
Denunziatoren wieder bei der Staatsregierung angeschwärzt. Da diese
aber ihre Untersuchungen wenigstens unparteiisch führte, war sie im
niederen Klerus ebenso beliebt, wie die Ordinariate verhaßt waren.
Eine Wiederauferstehung feierten ja die »Denunziatoren« durch den
Modernistenerlaß Pius X.!

Die Bischöfe hatten nur unter den adeligen, in einträglichen Pfründen
sitzenden Pfarrern Anhänger, natürlich auch nur deshalb, weil diese
Herren sich Hoffnung auf den violetten Talar machten. Im übrigen
taten sie nichts, d. h. sie jagden, überließen aber ihre kirchlichen
und pfarrlichen Verpflichtungen zum Vollzuge herumwandernden
Supernumeraren.

Die Folge dieser Zustände war tiefe Versunkenheit des Volkes in
Aberglauben und Dummheit. Zauberer, Wahrsager und Wundermänner
hatten gute Zeiten. Man durchwühlte Gräber, verbrannte die geraubten
Gebeine der Toten und machte aus ihnen Zauberpulver. Ließ das
Ungeziefer die Menschen nicht schlafen, nagten Ratten und Mäuse
die Vorräte an oder ließ sich gar eine harmlose Natter blicken, so
rief man nach den zahlreichen Hexenmeistern oder Teufelsbannern.
Desgleichen wenn eine schwarze Wetterwolke am Himmel stand. Denn daß
Hexen und Unholde das Gewitter angezettelt hatten, stand fest. So
nachhaltig war die Wirkung der kirchlichen Lehren der vorangehenden
Jahrhunderte! Ehe das Unwetter vorbei war, hatte der Magier seinen
Hexenlohn eingesackt. Wollte sich jemand vor Schwindsucht sichern,
so ließ er sich von einem Barbier oder Wundarzt, der im Geruch der
Zauberei stand, einige Tropfen Blut abzapfen, in einen angebohrten
Baum gießen und mit einem hölzernen Zapfen verwahren. Das kostete
natürlich schweres Geld. Man kaufte und verkaufte Krankheiten,
besonders Fieber. Leidenschaftlich wurden Ketten, Stricke oder
Kleidungsstücke von auf dem Schafott gestorbenen Verbrechern begehrt;
die unbrauchbar gewordenen Schwerter der Scharfrichter erstand man
um hohe Summen. Um die Felder gegen Hagel zu schützen, raufte sich
das Volk am Pfingsttage während der Vesperandacht um die Stückchen,
die von der brennenden Figur des hl. Geistes vom Plafond der Kirche
herabfielen, um sie auf die Äcker zu stecken. Am Karfreitag eilten
die Bauernweiber in die Kirche, beschmierten das zur Verehrung
ausgestellte Kruzifix mit Eiern, Brot und Schmalz in Kreuzesform und
waren nun sicher, daß das ganze Jahr hindurch diese Nahrungsmittel
gedeihen würden.

Dies sind einige Beispiele des damaligen Aberglaubens, der sich
keineswegs auf die Bauern beschränkte, sondern auch gebildete
Bürgersfrauen und die Angehörigen höherer Stände ergriffen hatte.

Selbstverständlich fiel es den Predigern und Beichtvätern gar nicht
ein, hier Wandel zu schaffen. Die Regierung mußte vielmehr mit
strengen Strafen gegen Zauberer und solche, die sich ihrer bedienten,
einschreiten[8].

Daß es im benachbarten Tirol noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts um
nichts besser war, ist nicht verwunderlich, da die blutigen Kriege
ja sicherlich den Aberglauben beförderten. Ein Zeitgenosse berichtet
darüber:

»Im Jahre 1811 erhitzten tausend Erzählungen von Zeichen und
Wundertaten in Tirol die ohnehin aufgeregte Einbildungskraft der
unerschütterlichen Bewohner.

Heiligenbilder sollen geweint, Kruzifixe an Kreuzwegen mit den Augen
gewinkt haben. Abgeblühte Lilien und Sträuße erhoben frisch ihre
Kelche, wenn Waisen und Witwen auf dem Schlachtfelde entschlummerter
Landesverteidiger sich inbrünstig vor den Madonnen niederwarfen,
denen die Blumen zum Schmuck gedient hatten. Auf unzugänglichen
Felsen versicherte man Gewieher gehört zu haben. Aus Moosen und
Heiden streckten zerfleischte Arme und krallenartige Finger sich
dem schaudernden Wanderer entgegen. Mehr als einmal sahen die
bayerischen Wachen den alten Kaiserturm zu Kufstein nachts in hellen
Flammen stehen, die der tiefsten Dunkelheit Platz machten, wenn man
hinzueilte. Die Ruinen der Burgen der Vorzeit sprühten rote Funken in
Kränzen, daß es am Firmamente gleich Nordlichten widerglänzte.

In Meran wie im Pustertal erblickten Bauern, die um die Geisterstunde
nach den Wiesen gegangen waren, sie zu bewässern, auf den Bergjochen
lange Züge österreichischer Soldaten, mit Kanonen und Geschütz, und
sie vernahmen, wenn sie das Ohr dem Boden näherten, das Getöse eines
Heeres, den Hufschlag der Pferde, das Lachen unbändiger Krieger;
jedoch alles zerfloß in Dunst, sobald sie auf Nebenpfaden hinzu
schlichen, sich an dem Anblicke zu weiden.

Auf dem blutgetränkten Friedhofe bei Wilten aber schwärmten, gleich
Irrwischen, jeden Abend nach der Dämmerung blaue Flämmchen auf den
Gräbern der erschlagenen Tiroler und luden die Trauernden ein,
für die Seelen ihrer Abgeschiedenen zu beten und ihrer in Liebe zu
gedenken[9].«

In Innsbruck sah damals das Volk an mehreren Fenstern das blutende
Haupt Christi[10].

Wie hätte auch die Geistlichkeit dem entgegen treten können, wenn
sie nur einigermaßen einem Bericht aus dem Beginn des vorigen
Jahrhunderts entsprach. Da heißt es:

»Es läßt sich leicht denken, was die meistens unwissenden Mönche
für erbärmlichen Unsinn auf den Kanzeln auskramen. Nur immer die
schlechtesten von unseren Studenten treten -- aus Verzweiflung
irgendwo Brot zu finden -- in den Kapuzinerorden. Das Noviziat und
die zwei nächst darauf folgenden Jahre _dürfen sie kein Buch, außer
ein Gebetbuch ansehen_. Ihre Philosophie ist ebenso elend, als ihre
Kasuistik. Und solche Ignoranten stehen auf öffentlichen Kanzeln
als Volkslehrer auf! -- Ein äußerst unangenehmer, brüllender, stets
einförmiger Ton -- eine höchst fehlerhafte Mundart -- eine wüste
Aussprache -- bootsknechtmäßige Gebärden, unbändiges Schlagen mit
Händen und Füßen, bierschenkenartiges Schimpfen und Toben auf ihre
Zeitgenossen -- grobe Ausfälle auf gewisse Personen und ihnen
nicht behagende obrigkeitliche Anstalten usw. sind die äußerlichen
Zieraten der Bettelmönchspredigten. Die Komposition selbst gleicht
einer Hanswurst-Jacke, aus buntscheckigen Lappen zusammengesetzt,
und meistens aus einem alten lateinischen Prediger ins Undeutsche
versetzt.«

Diese generelle Zeichnung wird nett beleuchtet durch folgendes
Geschichtchen, das wir an gleicher Stelle finden: Der
Karmeliter-Prediger in München sagte einst auf der Kanzel: »Liebe
Christen! Morgen gehen wir öffentlich mit der Prozession. Ihr werdet
-- wenn ihr Acht habet -- Freymaurer und Freydenker an vielen
Fenstern der Stadt sehen. Unchristen, die über unsere Andacht, wo
nicht laut, doch wenigstens im Stillen spotten. Waffnet Euch denn
mit dem Eifer des Herrn, _greifet nach Steinen, und werfet sie nach
ihnen_!«

Zur Belohnung für diese liebevolle Ermahnung sandte der Exjesuit
_Pater Frank_ dem Redner sechs Krüge Wein und einen Eierkuchen. Aber
nicht genug damit, ließ der Kurfürst Karl Theodor den Prediger seiner
höchsten Gnade und seines Wohlgefallens versichern mit dem Zusatz:
»er möchte unermüdet in seinen _christlichen_ Bemühungen fortfahren!«

Der tolerante Geist des Vorganges wirkte im Volke noch heftig
beim Regierungsantritte Max IV. Josephs, der bekanntlich eine
protestantische Prinzessin zur Gemahlin hatte, nach. Als sie
guter Hoffnung war und nach altem Herkommen in landesherrlichen
Bekanntmachungen das Volk aufgefordert wurde für eine glückliche
Entbindung zu beten, stieß das christkatholische Volk Münchens laute
Verwünschungen gegen die vortreffliche Frau aus, lediglich weil sie
Protestantin war und die Geistlichkeit gegen sie hetzte. Es hätte
damals auch fast eine Pöbelrevolte gegeben, als der Kurfürst für
seine Gemahlin ein protestantisches Bethaus in Nymphenburg errichten
ließ und hier ein protestantischer Geistlicher angestellt wurde. Man
war desto empörter, als dieser ketzerische Prediger so ausgezeichnet
sprach, daß selbst viele Katholiken seinen Predigten beiwohnten und
sie gegenüber denen der Bettelmönche als Muster hinstellten.

Was die Geistlichkeit an Qualität vermissen ließ, ersetzte sie durch
Quantität, und was an der Güte des in der Kirche Gebotenen fehlte,
wurde reichlich wettgemacht durch die Zahl der Gotteshäuser.

Damals gab es nämlich in München acht Männerklöster und neun
Nonnenklöster. Wundertätige Bilder wurden siebzehn gezählt,
dank einer neuen Augenwendung eines dieser Gemälde in der
St.-Peters-Pfarrkirche erhöhte sich diese Zahl im Jahre 1801 auf
achtzehn. Aber in nächster Umgebung der Stadt gab es noch mehr. Die
Reliquien und heiligen Leiber waren unzählbar. Kongregationen oder
Brüderschaften zu gewissen Andachtsübungen gab es 27[11].

Unter Max III. Joseph erreichte der weltliche Klerus in Bayern eine
Kopfzahl von 10800 Mann, Kirchen gab es 28709. Außerdem wohnten
noch 5400 Ordensmönche in 180 Klöstern. Von der Staatsregierung,
den Ständen und Städten wurden jährlich über hundert Freitische
an die Theologen der Universitäten und Lyzeen, besonders an die
Söhne der Bediensteten verteilt. Jeder Kandidat der Theologie, der
über einen solchen Tischtitel verfügte, wurde vom Weihbischof zum
Priester ordiniert _ohne jede Rücksicht auf geistige und moralische
Befähigung_. Da Hunderte von Geistlichen überzählig waren und keine
Anstellung fanden, so zogen sie von einem Pflegegericht bettelnd und
schmutzig, mit zerrissenen Kleidern ins andere, von Dorf zu Dorf. Zur
Osterzeit und an den Feiertagen von den Pfarrern gedungen, ergaben
sie sich nachher wieder der _Bettelei und_ dem _Vagieren_. Es war
vorwiegend ein Klerus ohne Bildung, Gesittung und Unterhalt.

Da die Pfarrer auf dem Lande größtenteils in ihren Einkünften von der
Landwirtschaft abhingen, so forderten sie Kooperatoren, die in der
Landwirtschaft bewandert waren. Darauf mußten sie begreiflicherweise
größeres Gewicht als auf wissenschaftliche Bildung legen. Viele
Pfarrwohnungen wurden in schmutzige Bauernstuben umgewandelt, wo
verschiedenerlei Haustieren ein warmes Winterquartier eingeräumt
wurde. Die Einkünfte waren auch deshalb so dürftig, weil sich die
Landbevölkerung ihre Messen um wenige Kreuzer in den Klöstern lesen
ließ.

In den Städten ahmten die Geistlichen ihre Domherren nach und
vertrieben sich die Zeit durch die Jagd. Im malerischen Gewande,
mit aufgestülptem Hute, mit goldenen und silbernen Schnüren daran,
mit gepudertem Haar, weithin flatternder Halsbinde, gefärbten
Strümpfen und tressiertem Leibrock gingen sie zum Weidwerk. Da sie
aber nicht jagdberechtigt waren, so machten sie mit den Wilddieben
gemeinsame Sache. Diejenigen Geistlichen, die die Jagd nicht liebten,
zogen in die Gasthäuser, wo sie sich mit Gesang, Spiel, Tanz und
leichtfertigen Weibern ergötzten.

Der hohe Klerus, die bayerischen Bischöfe von Salzburg, Freising,
Passau, Regensburg, Bamberg, Eichstädt und Augsburg, sämtlich
Fürstenhäusern oder ersten Adelsfamilien entstammend, waren durch
Staatsgeschäfte ihrem geistlichen Amt entzogen, verwalteten ihre
Domänen und zogen von einer Villa zur anderen.

Von der Anmaßung der Domherren zeugt etwa das Verhalten der
Freisinger gegen ihren Bischof, den bayerischen Herzog Johann
Theodor, Onkel des Kurfürsten Max Joseph. Bei der Wahlkapitulation
forderten sie außer anderem auch Jagd in den bischöflichen Waldungen,
und an hohen Festtagen für jeden Domkapitular einen Hirsch. Nicht
genug damit, daß diese Herren ihrem Bischof das schönste Wild
abschossen, sie vergeudeten auch noch die Einkünfte und machten
überdies jährlich für über 47000 Gulden Schulden. Allerdings konnte
sich der Bischof wenig um Freising kümmern, denn er bekleidete noch
nebenher die Würden eines Bischofs von Regensburg und Lüttich. Läßt
sich denken, wie gewissenhaft er seiner seelenhirtlichen Tätigkeit
obliegen konnte und wie viel die fromme Herde ihren Bischof zu sehen
bekam! Übrigens hinderte das keineswegs, daß Papst Benedikt XIV.
Johann Theodor zum Kardinal ernannte, »in Rücksicht auf die großen
Verdienste, welche sich das bayerische Haus um die katholische
Religion erworben«.

Die Armut des niederen Klerus stand überhaupt im schärfsten Gegensatz
zu Üppigkeit und Reichtum des hohen. So war der Erzbischof von
Salzburg und Fürstprimas von Deutschland, Reichsgraf Sigismund _von
Schrattenbach_, ein gar prunkliebender Herr. Bei Konferenzen war er
von seinen 8 Suffraganbischöfen umgeben, in seinem Domkapitel saßen
7 Reichsfürsten und 17 Reichsgrafen, ihn bedienten 73 Kammerdiener,
18 Hoflakaien und 7 Heiducken; 55 Hofmusiker verscheuchten ihm die
Regierungssorgen und 21 Köche sorgten für des Leibes Wohlfahrt. 12
Edelknaben servierten ihm in prunkendem Gold.

Wie der Erzbischof, so besaßen seine Suffragane Erblandmarschalle,
Erbkämmerer, Erbschenken, Erbtruchsessen, Universitäten mit
theologischen, juristischen und philosophischen Fakultäten, einen
Hofrat, Sanitätskommission, Oberhofmarschallamt, Oberjägermeisteramt.
Die meisten Ämter waren unter die Domherren verteilt, unter denen
ein jeder den vierten Grad adeliger Abkunft in väterlicher und
mütterlicher Linie aus deutschem Geblüt nachzuweisen hatte. Schon in
der Wiege wurde der adelige Knabe als Domherrnaspirant vorgemerkt, um
mit 14 Jahren tonsuriert und mit dem geistlichen Violett bekleidet zu
werden. Als niedersten Gehalt bezog der junge Domherr 1500 Gulden,
wofür er von 12 Uhr nachts an im ersten Jahre innerhalb der Mauern
der Bischofsstadt weilen mußte. Um später eventuell eine gute Partie
machen zu können, ließen sich viele dieser Domherren nur die niedere
Weihe erteilen.

Das Volk aber ließ sich in unergründlicher Dummheit solche
Seelenhirten gefallen!

Was den _Jesuitenorden_ betrifft, so hatte er es immer verstanden,
über seine religiösen, ewigen Zwecke das zeitliche Wohl nicht zu
vergessen. Die ersten Jesuiten waren im Jahre 1555 zu Fuß nach
Ingolstadt gekommen. Sie waren so arm gewesen, daß Herzog Albrecht
V. ihnen das Reisegeld nach Rom hatte schicken müssen. In ihrer
Gründungsbulle von 1540 waren sie an das Gelübde der evangelischen
Armut gebunden worden, doch hatten sie das Privileg zur Förderung
der Wissenschaft und Studien Eigentum zu erwerben. Wie gut ihnen
das gelungen war, lehrt ihr Besitzstand im Jahre der Aufhebung.
Damals gab es in Bayern 546 Ordensangehörige. Deren Gesamtvermögen,
das sich aus alten Klöstern, Kammergütern, Stiftungen, Erbschaften
der Novizen, unbeweglichen Gütern, angelegten Kapitalien, Mobilien
und vorhandener Barschaft zusammensetzte, belief sich auf die Höhe
von 7382500 Gulden. Das war für die damalige Zeit eine ungeheure
Summe, die an Kaufkraft etwas 40-50 Millionen Mark heute entsprechen
dürfte[12].

       *       *       *       *       *

Eine Folge des klerikalen Verdummungssystems in Bayern war ein
_fanatischer Haß alles Fremden, besonders alles Norddeutschen_.

Die von Max I. Joseph nach München berufenen Gelehrten wurden als
halbe Landstreicher betrachtet, denn die Bayern, die wenig reisten,
konnten sich gar nicht vorstellen, daß einer seine Heimat freiwillig
verließ, um zu ihnen zu kommen. Norddeutsch und protestantisch waren
identisch. Die Württemberger wurden deshalb mit den Norddeutschen in
einen Topf geworfen.

Man schilderte diese fremden Völkerschaften in den öffentlichen
Blättern etwa so, wie man heute von den Patagoniern dem Volke
erzählen würde. Der »Morgenbote«, Jahrgang 1809, S. 277, schreibt
z. B.: »Der Grundzug des süddeutschen Charakters ist Kraft, der des
norddeutschen Schwäche. Daher bei jenen Ausschweifung im Genuß der
Liebe und anderer sinnlicher Vergnügungen, kriegerischer Geist,
Herzensgüte, Offenheit. Bei diesen Hypochondrie, Falschheit,
Feigheit, Ränkesucht. Schon im Wuchs und in der Sprache hat die Natur
diese Charakterverschiedenheit klar ausgedrückt[13].«

Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts weigerte sich der Münchener
Stadtmagistrat den ersten protestantischen Bürger aufzunehmen. Man
unterbreitete die Frage dem landständischen Ausschuß. Dieser geriet
aber in »durchdringende Bestürzung«, als der Kurfürst Maximilian
IV. Joseph die Toleranz erzwang und wandte ein, daß die bayerischen
Fürsten durch Hausvertrag von 1771 gehalten seien, keine andere
Religion als die katholische selbst zu bekennen und in Bayern
einzuführen. Die landesherrlichen Verordnungen vom 10. November 1800
und vom 26. August 1801, die erklärten, daß die katholische Religion
weder nach der Reichsverfassung, noch nach der Landesverfassung als
ein Erfordernis für die Ansässigmachung in Bayern zu betrachten und
demnach andern Religionsangehörigen wegen dieser (akatholischen)
Eigenschaft die Ansässigmachung nicht fernerhin in Bayern zu versagen
sei, wurden vom landständischen Ausschuß in ihrer Rechtskraft
bestritten. Dazu kommen folgende Vernunftgründe!!!

Die Religionseinheit ist das beste Mittel zur Erhaltung der
öffentlichen Ruhe und Ordnung. »Bayern genoß diese Einheit in Ruhe;
mit der Vervielfältigung jetzt Trennung einzuführen, kann keine
überwiegenden Vorteile gewähren. Diese uneingeschränkte Aufnahme
fremder Religionsverwandten ist eine Quelle gefährlicher Spaltungen,
die Grundursache einer fortwährenden Entstehung entgegengesetzter
Parteien; Einheit der Religion hingegen ist ein geheiligtes Band,
welches alle Staatsbürger am Fuße des nämlichen Altars vereinigt,
welches in brüderlicher Eintracht alle an die nämlichen Pflichten
hinweist, welches also durch die Identität der Gesinnungen und die
Übereinstimmung der religiösen Handlungen mehr denn irgendein anderes
Mittel die Ordnung und Ruhe im Staate befestigen kann.«

Der aufgeklärte Kurfürst und sein vortrefflicher Minister _Graf
Montgelas_ trat dieser Anschauung natürlich mit Nachdruck und Erfolg
entgegen[14].

Die Meinung, daß der Staat sich nicht um die Kirche zu kümmern
habe oder, richtiger ausgedrückt, nur insofern, als er für sie
Schergendienste verrichte, ihr Ausführungsorgan sei, war und ist auch
heute noch die der Kirche. Das kommt deutlich in der Stellungnahme
gegen die Toleranzbewegung vom Ende des 18. und Beginn des 19.
Jahrhunderts zum Ausdruck.

An den letzten Reichstag, der im Jahre 1806 in Regensburg tagte,
sandte der Bischof von Trient, Graf _Thun_, im Einverständnis
mit den Bischöfen von Augsburg, Chur und Brixen, zu Händen des
päpstlichen Nuntius Della Genza »Gravamina«, eine Beschwerdeschrift.
Sie klagten über weltliche Willkür der Kirche gegenüber und »_jenen
unerträglichen Gewissenszwang, der unter dem Vorwande allgemeiner
Toleranz und_ des jus circa sacra gegen diejenige Anstalt _geübt
wurde_, die von dem Heilande selbst nicht zu passiver Duldung,
sondern zur Leitung aller Völker, Fürsten und Staaten auf dem Wege
des Heiles eingesetzt worden ist.«

In dieser Beschwerdeschrift findet sich auch folgender Passus: Durch
das Toleranzedikt Kaiser Josephs II. sei in denjenigen Ländern, wo
die Häresie sich festsetzte, durch öffentliche Verträge bewilligt
worden, daß die Akatholiken geduldet würden und sich friedlich des
Bürgerrechts erfreuen könnten. Durch das Toleranzedikt sei aber diese
Duldung auch über diejenigen Länder ausgedehnt worden, welche sich
bis dahin von aller Häresie rein erhalten hätten, so daß, wenn die
Irrgläubigen in diesen Gegenden eine bestimmte Anzahl von Personen
oder Familien bildeten, sie akatholische Pastoren, einen solchen
Gottesdienst, solche Kirchen und Schulen haben könnten, woraus den
Katholiken wegen des Umganges mit solchen große Gefahr der Verführung
erwachse. Es wäre daher sehr zu wünschen, daß das Toleranzedikt in
allen reinkatholischen Ländern zurückgenommen werde. Anstatt aber
selbst die natürliche Toleranz zu üben und den Katholiken ihre Rechte
zu lassen, mische sich der Staat in alle Verhältnisse ein. _Vor allem
müsse die Kantische Philosophie von ihrem Throne gestoßen werden_, da
deren Grundsätze folgerichtig eine allgemeine Anarchie hervorbringen
müßten[15].

Zu welch völliger Verdrehung der Meinung und Verkennung der Tatsachen
es infolge der Sklavendienste, die der Staat jahrhundertelang der
Kirche erwiesen hatte, gekommen war, lehrt die Stellungnahme, die
etwa _Besnard_ der Denk- und Gewissensfreiheit gegenüber einnimmt.
Er meint: Sie gewähre jeder Gesinnung genug Freiheit, nur nicht der
christlichen!

»Mit dieser Freiheit hielt man es aber nicht für unvereinbar,
Gesetze in Vorschlag zu bringen, die die Rechte und Freiheiten
der Katholiken, älter als die Rechte aller Throne der Welt, im
höchsten Grade gefährdeten, wie eine gemessene Regulierung des
Aufwandes der Kirche und der Geistlichkeit nach dem Verhältnisse der
Staatsrevenuen, Belebung toter Kirchenschätze durch willkürliche
Verwendung von Stiftungen usw.«

Der Verfasser entrüstet sich auch über die Verminderung der
Prozessionen, Feiertage und der Ehehindernisse. Er meint, man hätte
lediglich deshalb auf eine Aufhebung des Zölibats verzichtet, weil
dadurch die staatliche Witwenkasse mehr in Anspruch genommen worden
wäre.

Man empörte sich darüber, daß Protestanten sich in der Hauptstadt
München selbst ansässig machten, ja, daß es einer gewagt hatte, das
aufgehobene Kloster der Karmeliterinnen »zum allgemeinen Ärgernisse
der Katholiken« anzukaufen. »Wahrhaften _Schrecken_« aber bereitete
es, als etwas später (als 1803) die Nachricht kam, daß _Akatholiken
zum Unterrichte der Katholiken in das Land gerufen_, ihnen die
Erziehung der Jugend anvertraut, selbst auf der katholischen
Hochschule, einst das Bollwerk des wahren Glaubens in Süddeutschland,
ihnen Katheder eingeräumt worden. »Man konnte sich das alles nicht im
Einklang denken mit den Pflichten, die ein katholischer Fürst seinen
katholischen Untertanen gegenüber übernommen hatte[16].«

So weit hatte es kommen können nur deshalb, weil ursprünglich die
Fürsten aus Angst für ihr Seelenheil sich verpflichtet gefühlt
hatten, so gut wie alle kirchlichen Forderungen zu erfüllen. Das
Beispiel Heinrichs IV. mag gar manchen davor gewarnt haben, sich
gegen kirchliche Machtansprüche, so unbegründet sie waren, mit
Energie aufzulehnen. Ein Brauch aber, der Jahrhunderte besteht,
wird in den Augen der Urteilslosen geheiligt, und sei es der größte
Mißbrauch. So war die Folge, daß man nicht etwa jeden Versuch des
angeblichen Nachfolgers Petri sich um weltliche Angelegenheiten
zu kümmern, als Anmaßung zurückwies, sondern daß man im Gegenteil
die Bemühungen der weltlichen Gewalten um Rückerlangung der durch
Dummheit ihrerseits und raffinierte Schlauheit auf der andern Seite
verlorenen Rechte als Sakrileg betrachten konnte.

Man hatte es dank der menschlichen Dummheit dahin gebracht, daß das
Monopol der kirchlichen Lehre, deren Beschaffenheit wir ja weiter
oben zur Genüge kennen lernten, allseitig anerkannt wurde. Man hatte
das Volk daran gewöhnt, den Staat nur als Ausführungsorgan der
Kirche zu betrachten und hatte den gesunden Menschenverstand, jedes
Billigkeitsgefühl so weit eingebüßt, daß man sich in diesem Pfuhle
wohl fühlte und den angriff, der es wagte, das verblendete Volk
daraus zu befreien, ja, der ihm die Möglichkeit gewährte, auch nur
andere Meinungen kennen zu lernen.

Das war der Segen einer Zeit, die mit Staatsgewalt Frömmigkeit zu
erzwingen versucht hatte.

       *       *       *       *       *

Aus Billigkeitsgründen wollen wir nun auch auf protestantische
Länder einen Blick werfen. Daß man hier im wesentlichen die gleichen
Prinzipien hatte, leuchtet ein.

Die Zwickauer Ratsschulbibliothek verwahrt ein Exemplar
der Originalausgabe des am 25. Juni 1580 in Dresden
erschienenen Konkordienbuches. In diesem dicken Folioband sind
Bekenntnisschriften, die drei ökumenischen Symbole, die Sondersymbole
der evangelisch lutherischen Kirche und endlich die Konkordienformel
von 1577 vereinigt. Vorbesitzer dieses Buches war der Pastor
_Wenzeslaus Altwasser_ aus Oels, der in Bergreichenstein wirkte, dann
aber nach der Schlacht am Weißen Berge und den nunmehr einsetzenden
Bekehrungsversuchen der Jesuiten und Mißhandlungen katholischerseits
zum Wanderstabe griff.

Von seiner Hand befinden sich auf dem Vorsatzpapier folgende
Eintragungen:

Anno Domini 1629. 20. Julij. Nach vollendeter fünffacher ordentlicher
Außlegung mit den Summarien Herrn Viti Dieterichs der H. Bibel von
Meinen zwayen Kindern alß Matthia Altwasser, von Prag auß Böhmen,
eilf järgen vndt numehr inß zwölffte gehenden Knaben, vndt Anna Maria
Altwasserin der Jungern, in das zehende Jahr gehenden Mägdlein, auch
auß Böhmen, in der Königlich Freyen Berg Stadt Bergreichenstein
gebohren, geschehen, ist ihnen beyden gegenwertiges Buch Formula
concordiae auch vnder die Hende ordentlich vndt verstendlich
außzulesen von Mir gegeben worden, Gott verleihe vnd gebe ihnen
seinen heiligen Geist, daß die nach ihrem Kindlichen Alter so viel
drauß fassen vndt Behalten mögen, das ihnen die zeit ihres Lebenß zu
ihrem Besten gedeyen möge etc.

Den 6. Septemb. gleich auf den Abendt ist es mit lesen ordentlich
zuendt gebracht worden.

Den 10. Septemb. ist es Widterumb von Neuem Angefangen worden vndt
die woche furm Advent noch desselben Jares absolviret worden.

Anno Domini 1630. den 22. May Stylo Veteri. Nachdem gedachte meine
zwey Kinder, Matthiaß vndt Anna Maria, die H. Bibel (Gott sey lob
vndt danck dafur gesagt) nu _zum sechsten mahl mit ordentlichem Lesen
zu ende bracht_ vndt numehr daß Jüngste Kind Wenzeßlauß Johanneß
Altwasser auch darzu angewiesen worden. Alß habe ich ihnen eben
desselben tags, Welcheß Vigilia SS. Trinitatis gewesen, das Buch
Formula Concordiae _zum dritten mahl vnter die Hände gegeben_, daß
eß also diese 3 Meine Kinder Matthiaß, Anna Maria vndt Johannes
Wenzeßlauß ordentlich Morgenß, Mittagß vndt Abendß durchlesen sollen.
Gott wolle seinen heiligen Geist ihnen verleihen, darmit eß auch
in ihren vnmundigen Jahren nicht ohne frucht wolle abgehn vndt auf
dieser Lehr vndt Bekentnuß biß an ihr ende ... bestendig verharren
vnd seliglich ihr Leben beschließen. Amen, Amen, in deinem Namen,
Herr J. C. Amen.

Den 23. Junij ist dieses Buch Formulae concordiae mit ordentlichem
durch lesen Morgenß früe zu ende bracht worden. Gott dem Herrn sey
dafür lob vndt danck gesagt, der wolle geben vndt verleihen, daß es
nicht ohne Nutz möge abgegangen sein[17]«.

Ein Kommentar erübrigt sich!

       *       *       *       *       *

Eine Analogie zur katholischen Intoleranz und Beschränktheit bietet
der Kampf zwischen den einzelnen protestantischen Konfessionen.

Bekanntlich bekämpften sich in früheren Jahrhunderten die
Lutheraner und Reformierten mit der größten Leidenschaft, ja
man paktierte lieber mit dem Katholizismus, als daß man sich zu
Konzessionen innerhalb der protestantischen Glaubensgemeinschaften
herbeiließ. Da dieser Zustand sehr viele Unzuträglichkeiten im
Gefolge hatte und naturgemäß lediglich dem Katholizismus dienlich
war, da überdies die Unterschiede der Glaubenslehre zwischen den
protestantischen Konfessionen kaum in die Wagschale fielen gegenüber
den Gemeinsamkeiten, war nichts näher liegend, als der Versuch einer
Verschmelzung, einer Union. Sparte sie doch nicht nur Kräfte, um
sie für wichtigere Aufgaben freizumachen. Vor allem ermöglichte
erst sie der Disziplin und Geschlossenheit des Katholizismus in
einer Erfolg versprechenden Weise entgegenzutreten. So ist es nicht
verwunderlich, daß von Zeit zu Zeit immer wieder Versuche nach dieser
Richtung unternommen wurden, nachdem Luthers Starrsinn in Fragen der
Abendmahlslehre auf dem Religionsgespräch zu Marburg (1529) eine
Verständigung mit Zwingli verhindert hatte.

Endlich sollte das 19. Jahrhundert die längst gehegten Wünsche
verwirklichen, als Friedrich Wilhelm III. von Preußen 1817 in
seinen Staaten die Union vollzog. Nassau, Rheinbayern, Baden,
Darmstadt schlossen sich im gleichen und den folgenden Jahren
an. So wäre alles in schönster Ordnung gewesen, hätte nicht die
Geistlichkeit beider protestantischer Konfessionen da und dort zu
stören versucht, was die Regierungen mit großer Mühe geeint hatten.
Der sogenannte Positivismus, die Richtung, die einen Ruhm darin
findet, den Zeitbedürfnissen und Fortschritten der Wissenschaft
möglichst gar keine Konzessionen zu machen und im Buchstabenglauben
und Konservierung des größten Unsinns, wofern er nur alt genug
ist, sich nicht genug tun kann, gewann nun in den fünfziger Jahren
die Oberhand. Damit wurde die Rückbildung des gesamten kirchlichen
Lebens im Sinne des 16. und 17. Jahrhunderts eingeleitet, alle freie
Forschung und Wissenschaft wurde geächtet.

Laut Ausschreibung vom 26. Januar 1854 sollten in Kurhessen zu
Kirchenältesten nur die Erleuchtetsten gewählt werden und diese
mußten _wöchentlich einmal in den Hauptstücken des Katechismus und
den Bußpsalmen überhört werden_! In Mecklenburg wurde die Bilderbibel
von Schnorr verboten »wegen erheblicher in der christlichen Lehre
begründeter Bedenken die bildlichen Darstellungen Gottvaters
betreffend!«

In diesem heute noch gottgesegneten Lande hatte -- wie sich aus
obigem schon schließen läßt -- die Volks- und Schulbildung einen
wunderbaren Grad der Vollkommenheit erreicht: von 822 Rekruten des
Jahrganges 1855 konnten nur 361 Gedrucktes lesen, 405 schwankten
zwischen Lesen und Buchstabieren und bloß 118 konnten fertig
schreiben. In 79 Ortschaften waren in einem der letzten Jahre
sämtliche Geburten unehelich und in 100 Ortschaften die Hälfte.

Ist es doch eine bekannte Erfahrungstatsache, daß jede
Priesterschaft, sobald sie die Gewalt erlangt, weit größeren Wert auf
unbedingte Unterordnung und blinde Anerkennung ihrer Lehren legt, als
auf sittliche Lebensführung; freie Forschung aber und unabhängiges
Streben nach Wahrheit in Acht und Bann tut.

Im Musterlande Mecklenburg wurde unterm 6. Juni 1858 dem _positiv_
gesinnten Professor Dr. _Baumgarten_ von Rostock das Recht,
Vorlesungen zu halten, entzogen, »weil seine Häresien den ganzen
Bestand der kirchlichen Lehre zu zersetzen und auch die faktischen
Bestände der kirchlichen Ordnung aufzulösen drohen«.

In einer am 18. und 19. August auf dem Gute des Freiherrn von
_Maltzan_ abgehaltenen Konferenz wurde über die Frage »Wer ist ein
Ketzer?« verhandelt. Man bewies aus der Konkordienformel, _daß es mit
einem Reformierten, der die reformierte Lehre aufrecht erhalte, keine
Gebetsgemeinschaft gäbe_! Als der Abgeordnete _Manecke-Duggenkoppel_
diese Unduldsamkeit im Landtag zur Sprache brachte, forderte ihn der
Vizelandmarschall von Maltzan, ein Sohn des Vorgenannten.

In Reuß-Greiz wurde auf Betreiben des lutherischen Agitators _Löhe_
unterm 11. Dezember 1856 die Teilnahme der Reformierten am Abendmahl,
wiewohl die Fürstin dazu gehörte, verboten, »weil die gemischte
Abendmahlsgemeinschaft Sünde sei«.

Der bayerische Pfarrer _Wucherer_ erklärte es in seinem kirchlichen
Wochenblatt sogar für bedenklich, daß lutherische Pfarrer mit
reformierten Frauen in gemischter Ehe lebten!

Am tollsten und unionsfeindlichsten gebärdeten sich die lutherischen
Pfarrer in Preußen. Die Intoleranz und Verfolgungssucht dieser
Richtung fand ihren klassischen Ausdruck in der Rede des Justizrates
und Oberkirchenrates Dr. _Stahl_ vom 29. März 1855. Er sprach in
Berlin »Über die christliche Toleranz« und erklärte die Toleranz
als Kind des Unglaubens. »Die Forderung der Gewissensfreiheit als
Recht gesetzlicher Staaten und verfassungsmäßig regierter Völker
ist ein Teil jenes Werkes der Zerstörung und Umwälzung, welche die
moderne Wissenschaft bezeichnet und die Ruhe Europas bedroht.« Er
erklärte -- allerdings mit einigem Recht! -- das Christentum für
seinem Wesen nach intolerant. Sein Keim ist die Exklusivität, seine
Wirkungsart ist die Aggression gegen alle anderen Religionen, die
Propaganda unter allen Völkern. »Der einzelne Mensch könne für seine
Person denken und, soweit es die polizeiliche Fürsorge für Presse
und Buchhandel zuläßt, auch sogar schreiben, nur darf er hiernach
nicht Gott mit Gleichgesinnten verehren wollen.« Stahl wendet sich
ausdrücklich an die christliche Obrigkeit, die »zur Vermeidung von
Ärgernis und öffentlicher Verführung über die Freiheit der religiösen
Vereinigung wachen müsse, auch hinsichtlich positiv gläubiger
Konfessionen und Sekten der Christenheit gehe ihre rechtliche
Verbürgung der Religionsübung über die Grenze der christlichen
Toleranz hinaus[18].«

Noch heute ist ein preußischer Erlaß vom 30. Januar 1851 in
Gültigkeit, nach dem ausländische Juden zur Bewilligung eines
längeren Aufenthaltes der Genehmigung des Ministers des Innern
bedürften. Gegenwärtig sind für die Genehmigung nachgeordnete
Behörden zuständig[19].

       *       *       *       *       *

Die Verfolgungen Andersdenkender in den Grenzen des deutschen
Reiches muß als höchst maßvoll bezeichnet werden gegenüber der
im kalvinistisch-puritanischen Schottland. Zweifellos waren die
protestantischen Verfolgungen in allen Ländern weit weniger
blutig, als die katholischen. Das hängt aber viel weniger mit der
toleranteren Gesinnung, als mit der geringeren Macht zusammen, die
in der Regel der Protestantismus über die Seelen und die Regierungen
ihrer Länder ausübte. Immerhin wurde an Intoleranz auch anderwärts
erkleckliches geleistet.

In England wurde 1562 ein Gesetz erlassen, wonach alle, die jemals
einen Ehrengrad an den Universitäten erlangt hatten oder ordiniert
worden waren, alle Rechtsanwälte, alle Magistratsmitglieder bei
Gefängnisstrafe den Supremateneid leisten mußten. Weigerten sie sich
nach drei Monaten, den ihnen wieder zugemuteten Eid zu leisten, so
wurden sie als Hochverräter _mit dem Tode bestraft_.

Das war insofern berechtigt, als die Katholiken sehr unsichere
Untertanen waren. Die Regierung hätte unter diesen Umständen ganz
recht gehabt, sie durch diesen Eid in Zukunft von solchen Ämtern
auszuschließen. Aber ein rückwirkendes Gesetz zu erlassen, das
beinahe jeden gebildeten römischen Katholiken, der sich weigerte,
den mit den Lehren seiner Kirche zugestandenermaßen unvereinbaren
Eid zu leisten, der Todesstrafe schuldig machte, war sowohl eine
unerhörte Grausamkeit, als eine haarsträubende Dummheit. Denn
selbstverständlich schworen ihn nur die schlechten Charaktere,
die darum doch innerlich ihrer Kirche treu blieben und kaum einer
Regierung geneigter wurden, die sie zu solcher Heuchelei zwang.
Übrigens wurde dieses Gesetz lange vor der Bulle erlassen, die
Elisabeth des Trones verlustig erklärte.

Fast noch dümmer als das Gesetz, sind die zu seiner Rechtfertigung
angeführten Gründe. Bischof _Bilson_ sprach in seinem Werke
»Christian Subjection« (1585) von der _absoluten Sündhaftigkeit der
Toleranz_. Nicht bloß das öffentliche Bekenntnis des Katholizismus
sei darum verwerflich, sondern auch die geheime Gesinnung. Er ruft
den Katholiken zu, »kein Winkel ist so geheim, kein Gefängnis so
fest, um zu gestatten, daß eure Ruchlosigkeit dort Gott schände,
andere anstecke und euren Trotz befestige ... Ein christlicher Fürst
darf keine Verzeihung und Nachsicht gegen eure Falschheit haben« (p.
26).

Bei der Thronbesteigung Elisabeths wurde ein Gesetz erlassen,
das jeden Gottesdienst der Katholiken -- die sich bis dahin noch
vollkommen ruhig verhalten hatten -- außer nach dem Prayer Book
verbot. Die Strafe für die dritte Übertretung war _Einkerkerung
auf Lebenszeit_. Ein anderes Gesetz legte jedem, der sich vom
anglikanischen Gottesdienst fern hielt, eine Geldbuße auf. Die
Presbyterianer wurden während einer langen Reihe von Herrschern
eingekerkert, gebrandmarkt, verstümmelt, gegeißelt und an den Pranger
gestellt. Viele Katholiken wurden unter falschen Vorwänden gefoltert
und gehängt, die Wiedertäufer und Arianer aber lebendig verbrannt.

       *       *       *       *       *

In Schottland war es am schlimmsten. Dort wurde fast während der
ganzen Zeit, die die Stuarts auf dem Trone Englands saßen, von der
englischen Regierung auf Anstiften der schottischen Bischöfe und mit
Billigung der englischen Kirche eine Verfolgung gegen alle, die die
bischöfliche Verfassung verwarfen, mit einer Grausamkeit geführt, die
mit fast allen, die uns überliefert sind, wetteifern kann.

Wenn ein Konventikel in einem Hause gehalten wurde, war der
Priester der _Todesstrafe_ verfallen. Wurde es unter freiem Himmel
abgehalten, verfielen Prediger und Gläubige demselben Schicksal.
Die Presbyterianer wurden wie Verbrecher über die Berge gejagt, man
riß ihnen die Ohren vom Kopf, brandmarkte sie mit glühenden Eisen,
riß ihnen die Finger mit Daumenschrauben auseinander, zerquetschte
die Knochen ihrer Beine in spanischen Stiefeln, peitschte Frauen
öffentlich durch die Straßen, exportierte unzählige nach Barbados,
hetzte wütend gemachte Soldaten auf sie und feuerte sie an, ihre
Geschicklichkeit im Foltern zu zeigen.

Als die Reformation in Schottland siegte, war eine ihrer ersten
Handlungen ein Gesetz, das jedem Priester die Zelebrierung und jedem
Laien das Hören der Messe verbot bei Strafe der Vermögensentziehung
bei der ersten, der Verbannung bei der zweiten und des Todes bei der
dritten Übertretung. Man bezeichnete es öffentlich als unerträgliches
Übel, daß der Königin von Schottland gestattet sein sollte, in ihrer
eigenen Privatkapelle die Messe zu hören. Daß noch heute in England
die Katholiken einige Rechte _nicht_ besitzen, ist ja allgemein
bekannt.

Als in Frankreich die Verwaltung gewisser Städte den Protestanten
eingeräumt wurde, unterdrückten sie sofort gewaltsam den katholischen
Gottesdienst unbedingt, verboten jedem Protestanten einer Hochzeit
oder einem Leichenbegängnis beizuwohnen, wobei ein katholischer
Priester fungierte, hoben alle gemischten Ehen auf und verfolgten
mit Aufbietung all ihrer Macht diejenigen, die von ihrem Glauben
abgefallen waren.

In Schweden wurden alle, die in irgendeinem Artikel von der
Augsburger Konfession abwichen, sofort verbannt[20].

Es war eben in allen Ländern, bei allen Konfessionen der gleiche
Geist der Intoleranz lebendig. Mit den gleichen Mitteln der
Absperrung gegen Gedanken, die von den eigenen abwichen, der
Zwangserziehung zu einer äußerlichen Kirchlichkeit, der Verfolgung
Andersdenkender wurde gewirkt. Überall machte sich der Staat zum
Büttel der Kirchen. Und doch hätte jedem Verständigen klar sein
sollen, daß man mit Gewaltmitteln Gedanken nicht besiegen kann und
daß es doch wohl an der Beschaffenheit der kirchlichen Lehren liegen
müsse, wenn sie sich nicht anders, als durch solche Zwangsmaßnahmen
aufrecht erhalten ließen.

Wir haben gar keine Veranlassung, hoheitsvoll auf jene Zeiten
herabzublicken. Es wäre heute noch ebenso, wenn der Laienverstand
nicht über die Weisheit der Theologen und ihrer Werkzeuge gesiegt
hätte. Die Gefahr eines Rückfalles besteht aber so lange, bis
nicht die Trennung von Kirche und Staat durchgeführt ist. Denn
auch heute noch muß der freie Denker, jeder, dessen Gewissen sich
nicht in die Schablone irgendeiner polizeilich konzessionierten
Lehrmeinung einzwängen läßt, um sein Dasein kämpfen. Die Mittel sind
ja minder barbarisch, aber der Geist, in dem sie angewandt werden,
unterscheidet sich nur unwesentlich von dem der Vorzeit.

Und fragen wir uns, welche hohen Glaubensgüter denn heute noch
mit Gewaltmitteln, als da sind Kirchenzwang, Boykott gegen
Andersdenkende, Schwierigkeiten bei Staatsanstellungen usw. usw.
verteidigt und propagiert werden, so finden wir, daß darunter gar
manche sind, die alles andere eher als Schutz verdienen. Sehr
häufig wird die Dummheit gegen Aufklärung und Intelligenz in Schutz
genommen, und wenn das nicht schon immer so gewesen wäre, dann
hätten wir es in der Kultur unendlich viel weiter gebracht. Dem
Laienverstand gehört und gehörte stets die Zukunft. Er brachte immer
und überall den Fortschritt, führte der Wahrheit näher und darum
wurde er auch immer bekriegt.

Die folgenden Kapitel werden keinen Zweifel darüber lassen können,
daß noch in der Gegenwart von Faktoren, die sich für Hüter der
Wahrheit und Volkserzieher halten, und die durch die staatliche
Autorität in diesem Wahn bestärkt werden, ja denen geradezu ein
Monopol verliehen wurde, Lehren verbreitet und Anschauungen vertreten
werden, die wir nur als hohes Lied der Dummheit bezeichnen können.




VI. Kapitel

Der Teufel in der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart


Die Leidenschaft mit der die spätmittelalterliche Kirche für den
Teufels- und Hexenglauben eintrat, die Gewaltmittel, mit der sie
das Volk, das sich zum guten Teil gegen diesen Blödsinn sträubte,
zu seiner Anerkennung zwang, haben wir kennen gelernt. Desgleichen
die literarischen Don Quichote, die auf die Bibel und sonstige
Autoritäten gestützt, dem Fortschritt der Vernunft Knüppel in den
Weg warfen. Endlich siegte diese doch mit der Aufklärung im 18.
Jahrhundert. Aber dieser Sieg war keineswegs vollständig.

Die Kirche hielt und hält auch heute noch an der Teufelslehre
fest, nur daß sie sie aus guten Gründen nicht mehr in allzugroßen
Buchstaben auf ihre Fahne schreibt. Heute noch wagt sich da und
dort ein kühner Streiter Gottes mit einer Dissertation zu Ehren des
höllischen Fürsten vor, ohne daß die kirchlichen Oberen es wagen
würden, ihn zu verleugnen. Ob sie gerade ihre besondere Freude an
solchen Arbeiten haben, ist ja eine andere Frage.

Am bekanntesten sind auf katholischer Seite die Untersuchungen des
Höllentopographen und Professors in Münster, Dr. Joseph _Bautz_ (vgl.
Kultur-Kuriosa I, S. 232 ff.), sowie des Professors in Dillingen,
David _Leistle_ (vgl. Kultur-Kuriosa II, S. 35 ff.), über diese
Materie. Sie beweisen, daß man heute noch in diesen Kreisen der
Frommen um kein Haar anders denkt, als vor einem halben Jahrtausend.
Denn es handelt sich keineswegs um einzelne Entgleisungen wie
die _Leo Taxil_-Affäre zum Gelächter der ganzen gebildeten Welt
hinreichend bewiesen hat. (Vgl. Kultur-Kuriosa I, S. 236 ff.)

Noch im Jahre des Heils 1912, konnte der württembergische Pfarrer
_Zisterer_ in Eriskirchen am Bodensee in der Zeitschrift »Der
Katholik« die _Verfassung der Hölle_ zu seinem Spezialstudium
erwählen. Er führt in dem Aufsatz aus, daß es falsch sei von Teufeln
in der Mehrzahl zu reden, denn der Teufel, Satan oder Luzifer sei
der einzige souveräne Fürst und unbeschränkte Monarch im höllischen
Reiche. Die bösen Geister seien seinem Willen als untertänige Diener
und persönliche Hilfskräfte unbedingt unterworfen. Daher ist es
klar, daß man wohl von bösen Geistern, nicht aber von Teufeln reden
darf. Das unterirdische Reich ist einheitlich, seine Bewohner sind
durch den Geist der Solidarität miteinander verbunden. Sie dürfen
ohne persönliche Teilnahme ihres Herrn und Meisters auf der Erde
Streifzüge ausführen und Mensch und Vieh Schaden bringen.

Also selbst an einem theoretischen Ausbau der Lehre fehlt es nicht!

So war das rücksichtslose Eintreten der alten Kirche für den alten
Teufelsglauben doch nicht umsonst. Die Dummheit hat eben nicht
weniger Ewigkeitsdauer, als die Wahrheit, nur daß sich beider
Machtsphären, was das Menschenmaterial betrifft, nicht decken.

       *       *       *       *       *

Doch nicht allein die römisch-katholische Kirche, die ja als Lehrerin
ewiger Wahrheiten ihrem prinzipiellen Standpunkte nach eine einst
gültige Lehre, möge sie auch noch so töricht sein, nicht aufgeben
darf, hält am Teufel fest. Auch der Protestantismus, der sich so gern
als Träger des religiösen Fortschrittes feiern läßt und keinesfalls
dogmatisch festgelegt ist, zählt in seinen Reihen mannhafte
Verfechter des Teufelsglaubens.

Daß er sich auf die Bibel stützt, die soundso oft vom persönlichen
Teufel spricht, will ihn nicht entlasten. Denn im Kampfe zwischen
Bibel und Vernunft siegte letztere doch im Laufe der Zeit und trotz
aller dem Fortschritt bereiteten Schwierigkeiten stets. Das müßte
längst bei denkenden Menschen zur Erkenntnis geführt haben, daß nicht
die Bibel oder irgendeine Glaubenslehre als Maßstab der Vernunft in
Frage kommen kann, sondern lediglich die Vernunft als Maßstab der
ersteren.

Doch sehen wir uns nunmehr einmal im höllischen Reiche, das noch bis
auf den heutigen Tag in den Köpfen protestantischer Gottesgelahrter
sein petrifiziertes Dasein fristet, näher um!

In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, jener berüchtigten
Reaktionszeit auf allen Gebieten, sollte auch der Teufelsglauben,
den man wenigstens im Protestantismus seit den Jahren der Aufklärung
für endgültig überwunden halten durfte, selige Urstände feiern.
Jedenfalls waren Kräfte am Werke, ihm zu neuem Leben zu verhelfen.

August Friedrich Chr. _Vilmar_, in weitesten Kreisen als Verfasser
der Literaturgeschichte bekannt, ließ unter dem Titel »Die Theologie
der Tatsachen wider die Theologie der Rhetorik« (Marburg 1856, 4.
Aufl. Gütersloh 1876) eine Schrift erscheinen, die nicht mehr und
nicht weniger, als die Wiedereinführung des Teufelsglaubens bezweckt.

Er führte (S. 38f.) u. a. folgendes aus: »Unsere Rhetoriker
lachen zwar nicht mehr über den Teufel, wie die Vokabulisten
und Grammatisten vor vierzig Jahren taten und so weit sie noch
vorhanden sind, auch jetzt, gleich den Naturweisen, noch immer tun.
Die Rhetoriker und Dogmatiker unter ihnen zum voraus, besitzen
allerdings nicht die aller Belehrung unzugängliche Dummdreistigkeit
der Vokabulisten, denen ihre Vokabeln die Welt sind ... Also die
Existenz des Teufels kommt wieder zum Vorschein, aber nur als eine
Existenz der Floskel, der Phrase; käme die Existenz des Teufels
wirklich wieder in der christlichen Lehrunterweisung der Hirten und
Lehrer zum Vorschein, so müßte sie als eine Existenz des Schreckens
und Entsetzens zum Vorschein kommen; denn, beiläufig gesagt, _die
Lehre vom Teufel_ ist wie die von der ewigen Verdammnis nicht ein
Artikel des Glaubens und des Trostes, sondern des _Wissens und der
Furcht_. ... Es kommt hier darauf an, wenn man recht lehren und
die Seelen recht behüten will, des Teufels Zähnefletschen aus
der Tiefe _gesehen_ (mit leiblichen Augen gesehen; ich meine das
ganz unfigürlich), und seine Kraft an einer armen Seele empfunden,
sein Lästern, insbesondere sein Hohnlachen aus dem Abgrund gehört
zu haben. Wer kann nun hiervon zeugen? Wer kann mit einer solchen
Erfahrung, zugleich den Sieg des Gekreuzigten auf den Lippen und in
den Augen, als rechter Lehrer an Christi Statt, auftreten? Wer lehrt
mit dem Teufel kämpfen? Wer lehrt, sich gegen ihn zu verwahren? Ihn
zu überwinden? Davon schweigt die heutige Dogmatik, dieser Tatsachen
gänzlich entleert, durchaus ...

Ich habe einmal, schon vor Jahren, von der Kanzel mit mißtönender
aber aus tiefstem Herzen kommenden Stimme die laute Apostrophe
gehört: >Könnt ihr denn beten, beten von selbst und wann ihr wollt?
Ihr könnt's nicht, nein! Warum könnt ihr's denn nicht? Der _Satan_
leidet's nicht, ja der _Satan_; der _Teufel_ verwehrt's euch!<
... Mir jedoch klang jene mißtönende Stimme damals und klingt mir
nachhallend noch jetzt gleich der Stimme der Harfen, die da ist wie
die Stimme starker Donner und wie die Stimme großer Wasser.«

Vilmar will in diesem IV. Abschnitt nicht mehr und nicht weniger, als
den Teufelsglauben wieder in die Theologie einführen.

Zur Lehre vom geistlichen Amt bekennt Vilmar, der als vortragender
Rat im Ministerium gewirkt hatte, bevor er in Marburg Professor
der Theologie wurde, daß es nicht aus der Gemeinde, sondern direkt
von Christus stamme, »welcher unmittelbar hinter der Ausübung
desselben steht.« Er führt u. a. als Begründung an: »Zumal vermag
sie (die Gemeinde) nicht in des Teufels zornige Augen zu sehen,
denn was von den letzten Zeiten geweissagt ist, daß wo es möglich
wäre, die Auserwählten verführt würden, das gilt mit weit schärferem
Nachdrucke von der einzelnen Erscheinung des Teufels in dieser Welt:
vor ihr stiebt die Gemeinde auseinander wie Schneeflocken, nicht
verführt, aber erschreckt bis in den Tod. Nur wir erschrecken nicht
und fürchten uns nicht, denn der, welcher den Fürsten dieser Welt
ausgestoßen hat, hat uns vor des Teufels ödes Schlangenauge, vor
seinen lästernden und hohnlachenden Mund und vor sein im Höllenzorn
zuckendes Angesicht gestellt.« (S. 85 f.)

Der gleiche Gelehrte, der nur das Unglück hatte, um einige
Jahrhunderte zu spät das Licht der Welt zu erblicken, äußert sich
auch über den Hexenglauben und Teufelslug, als dessen Verteidiger er
sich aufwirft. Er schreibt:

»So beruht das _Hexenwesen_ seinem Ursprunge nach keineswegs auf
leeren Einbildungen, törichten Träumen und kindischen Märchen,
sondern _auf wirklichen Verhältnissen und handgreiflichen Zuständen_,
welche wie die Versammlungstage und Versammlungsplätze noch in der
Gegenwart vollkommen deutlich erkennbar sind.« »Der Kampf gegen das
Hexenwesen und die Hexen ist kein anderer, als derselbe, welcher
heute noch die Welt bewegt, der Streit zwischen dem Glauben und dem
Unglauben, zwischen dem Bekenntnis Christi und dessen Verleugnung.«

Die Pièce de résistance ist entschieden folgender Satz, in dem
Vilmar sich mit nicht mißzuverstehender Klarheit auf den Standpunkt
des Hexenglaubens stellt: »Vielleicht zur größern Hälfte waren die
Bündnisse mit dem Teufel, diese Zauberkünste, Einbildung, aus der zum
Abfall geneigten Zeitrichtung gezogene Einbildung, niemals jedoch
Einbildung eines einzelnen; zur kleineren, indes bedeutenderen
Hälfte, waren sie, wie die Giftmischerkünste, _Wahrheit_[1].«

Da hier Vilmar zweifellos nicht sagen will, daß die »Hexen«
gewisse hypnotische oder ähnliche Kräfte besaßen, sondern _auf dem
Standpunkte des von der Kirche gelehrten Teufelsbündnisses_ steht, so
redet er natürlich hellen Unsinn. Und doch handelt es sich keineswegs
um die Entgleisung eines einzelnen, vielmehr _stand die Regierung
hinter ihm_.

Das geht mit größter Deutlichkeit aus der Tatsache hervor, der
Pfarrer _Ewald_, der in einer Predigt im Jahre 1858 Vilmar, der über
die Versuchungen des Teufels einen Vortrag gehalten hatte, bekämpfte,
vom hessischen Konsistorium _einen Verweis erhielt_. Ewald vertrat
den Standpunkt, daß Jesus nichts weniger als verlieren könne, wenn
man seine Versuchung als _innerlichen_ Vorgang auslege[2].

Wie weit die kirchliche Reaktion sich vorwagte, lehrt vor allem der
protestantische Hannoversche Katechismus. Dieser führte im ersten
Teile die fünf Hauptstücke auf, dann folgt die Erklärung nach Luther.
Hier werden die Gläubigen ermahnt: »des Morgens, so du aus dem Bette
fährst oder des Abends, wenn du zu Bette gehst, sollst du dich segnen
mit dem heiligen Kreuz.« Im dritten Buche folgt eine »ausführliche
Erklärung des lutherischen Katechismus.« Hier wird in Frage 45, 46
und 47 der förmliche Bund mit dem Teufel gelehrt. Frage 45 lautet:
»_Zaubern heißt übernatürliche Kräfte und wunderbare Aushilfe wider
Gottes Ordnung und ohne Gottes Verheißung suchen._« Frage 46: »Wie
geschieht solches? Durch allerlei Aberglauben mit Besprechen und
Wahrsagen, Zeichendeuten, Geisterbannen und dergleichen, da man das
Heilige mißbraucht und die hochgelobte Dreieinigkeit, Gottes Wort,
Sakrament und Kreuz lästert und sonst vorwitzige Kunst treibt.«
Frage 47: »Warum ist dies eine schwere Sünde? Die solches selber
tun, oder durch andere tun lassen, verleugnen den Glauben und treten
wissentlich oder unwissentlich _mit dem Teufel in Verbindung_.« Frage
56 lautet: »Wie versucht uns der Teufel? Wenn er uns durch innerliche
Anreizung oder äußerliches Blendwerk zur Sünde locket und dränget
oder nach geschehener Sünde in Mißglauben und Verzweiflung treibt.«

Dieser Katechismus vertrat nicht nur antediluvianische Anschauungen,
sondern kam auch dem Katholizismus entgegen, wie etwa die Frage 139
beweist: »Was ist die ewige Verdammnis? Es ist die unaufhörliche
Verwerfung von dem fröhlichen Angesicht Gottes zu unaussprechlicher
Pein und Qual an Leib und Seele unter der schrecklichen Gesellschaft
der bösen Geister in der Hölle.«

Gottlob bewies das Publikum auch hier wieder mehr Verständnis für den
Zeitgeist und den gesunden Menschenverstand als die Gottesgelahrten.
Am 14. April 1862 sollte dieser wundervolle Katechismus dem Lande
»zum Geschenk gemacht« und in die »evangelisch-lutherischen Kirchen
und Schulen« des Königreichs Hannover eingeführt werden, um -- wie
die königliche Verfügung sich ausdrückt -- bei den Untertanen die
rechte Erkenntnis und den wahren Dienst Gottes fördern zu helfen.
Doch es erhob sich dagegen im Volke ein solcher Entrüstungssturm, daß
unterm 19. August das Gebot der allgemeinen Einführung zurückgenommen
wurde[3].

In den Zeiten des Rationalismus war die Abrenuntiationsformel:
»Entsagst du dem Teufel und allen seinen Werken?« aus den Agenden
ausgeschieden worden. Die lutherische Reaktion hatte in ihren
Verdummungsplan auch ihre Wiederaufnahme als wesentlichen Bestandteil
der Taufe aufgenommen und auf der vom 16.-24. Mai 1854 tagenden
Kirchenkonferenz dies empfohlen. Von den Vertretern Sachsens,
Bayerns, Hannovers, Mecklenburgs und Württembergs hatten außer denen
des letztgenannten Landes alle dem dahingehenden Antrage _Kliefoths_
zugestimmt! Dieser Kliefoth hatte in Mecklenburg schon im Jahre
vorher den Prediger _Bartholdi_ seines Amtes entsetzt, weil er sich
an der Teufelsentsagung Änderungen erlaubt hatte!

Weil sich in Sachsen der Pastor _Siedel_ aus Tharand nicht damit
begnügte, bei der Taufe die Teufelsentsagung im allgemeinen
auszusprechen, sondern die Frage jedem einzelnen Paten vorlegte, war
es zu ärgerlichen Szenen gekommen. Er hatte von dem Kaufmann _Decker_
keine Antwort erhalten. Als er die Frage wiederholte, entgegnete
dieser: ich glaube an Gott, aber an keinen Teufel. Wegen dieser
Erklärung wurde er nicht nur von der Patenstelle ausgeschlossen,
sondern auch _in eine Kriminaluntersuchung wegen Störung des
Gottesdienstes verwickelt_! Die Sache führte sogar im Landtage zu
einer aufregenden Szene.

Als in Bayern im Jahre 1854 ein sogenannter Agendenkern als Anhang
zum neuen Gesangbuch empfohlen wurde, worin die Teufelsentsagung
enthalten war, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen, die
damit endeten, daß König Max unterm 27. November 1854 erklärte,
es sollten ohne Zustimmung der Gemeinden keine Veränderungen in
der Gottesdienstordnung getroffen werden. Endgültig wurde diese
Teufelsangelegenheit erst im Jahre 1879 entschieden und zwar dadurch,
daß nach den Beschlüssen der Generalsynode Parallel-Formulare zu
freiem Gebrauch mit und ohne Entsagungsformel aufgenommen wurden. Wen
also Herz und Geist dazu treiben, der kann noch heute in feierlicher
Weise seinen Teufelsglauben bekennen!

Übrigens war auch in der badischen Generalsynode im Jahre 1855 über
die Wiedereinführung des Teufels lebhaft debattiert worden. Es ist ja
bewundernswert, mit welcher Harmonie und Gleichzeitigkeit in allen
deutschen Staaten der Verdummungsprozeß eingeleitet wurde. Wiewohl
in Baden das ans Ruder gekommene orthodoxe Kirchenregiment mit einem
Schlage den bisherigen Katechismus, Gottesdienstordnung, biblische
Geschichte usw. abgeschafft hatte, so wagte man es doch nicht recht,
den Teufel bzw. die Teufelsentsagung in die Agenden so glatt wieder
einzuführen. Wohl aber figurierte er wieder in den neuverfaßten
Katechismen, den biblischen Geschichten und in den neuen Gebeten[4].

Bekanntlich spielt für die Geschichte der Hexenprozesse die Stelle
1. Mosis 6, 1-4 eine traurige Rolle. Hier wird erzählt, daß die
Göttersöhne mit den Menschentöchtern Verbindungen eingingen, aus
denen »Gewaltige in der Welt und berühmte Leute« entsproßten. Der
Professor _Heinrich_ gab nun 1857 in Berlin unter dem hochaktuellen
Titel »Die Ehen der Söhne Gottes mit den Töchtern der Menschen« ein
Buch heraus, in dem er vor allem betont, daß die Bibel »göttlich und
inspiriert« ist. Daher kann sich in ihr keine Mythe finden, sondern
alles in ihr sei reell und wirklich »nirgends menschliche Fabeln
und Phantastereien, sondern überall Geschichte und göttliche Lehre«
(S. 1). Es handelt sich also um einen wirklichen Vorgang. Durch den
Fall der Engel mit den Menschenweibern sei ein wildes Geschlecht
entstanden, das Gottes ganzen Weltplan zerstört hätte, wenn er es
nicht vertilgt haben würde. Er entwickelt, wie es den Engeln möglich
war, physisch diese Ehen zu vollziehen, »warum die Engel allein in
die männliche und nicht auch in die weibliche Geschlechtsform sich
metamorphosierten« (S. 94), und daß das tierische Gesetz, wonach
Tiere verschiedener Gattung keine Jungen hervorbringen, hier nicht
gelte usw. usw. Daß diese geistreiche Untersuchung ganz auf den
Standpunkt des Hexenhammers hinausläuft, ist klar.

Merkwürdig ist keineswegs, daß ein Theologe so etwas produzieren
konnte, wohl aber, daß es ein protestantischer war und im Jahre
1857[5].

Noch im Jahre 1859 konnten in der evangelischen Kirchenzeitung
(Nr. 8 und 9) ähnliche Gedanken geäußert werden. Der Verfasser,
der bescheidenerweise nur E. M. zeichnet, veröffentlichte hier
»Zeitbetrachtungen über die christliche Lehre vom Teufel«. Nach
seiner Überzeugung kann »die Zugehörigkeit der Lehre vom Satan zu
dem Ganzen der kirchlichen, speziell der evangelisch-kirchlichen
Glaubenslehre nicht in Frage gestellt werden«. Er findet »die
Gegenwart merkwürdig durch den Widerspruch, welchen sie der Annahme
eines persönlichen Teufels entgegensetzt« und charakterisiert »unsere
Zeit der christlichen Lehre vom Teufel gegenüber« sehr richtig mit
den Worten »es ist die allererklärteste Antipathie«. Er beklagt, daß
»das Verhalten der großen Masse des Volkes und zumeist der Gebildeten
unter demselben, auch das eines nicht geringen Teils der Vertreter
heutiger, selbst wohl der sich gläubig nennenden Theologie »_noch
immer_ richtig durch den Ausspruch von Klaus Harms aus dem Jahre 1817
gekennzeichnet werde«. »Den Teufel hat man totgeschlagen und die
Hölle zugedämmt[6].«

Wenn es allerdings nach solchen frommen Glaubensstreitern auf
protestantischer oder katholischer Seite ginge, dann würde der
Teufelsglaube heute noch so lebendig sein, als je zuvor und man
würde auch weiterhin das bequeme Verfahren befolgen für Vergehen und
Verschuldungen nicht selbst die Verantwortung zu übernehmen, sondern
sie einem Außenstehenden, eben dem Fürsten der Finsternis, aufs Konto
zu setzen.

Doch noch ein Menschenalter später begegnen wir derselben Sorte
Literatur.

_Ernst Mühe_, Pfarrer in Derben in Pommern, ließ 1884 in Leipzig
seine Predigten erscheinen unter dem Titel »Die Leidensgeschichte
Jesu Christi, sowie seine Höllenfahrt und glorreiche Auferstehung«.
Wundervoll schildert er hier die Höllenfahrt, die er natürlich für
eine historische Tatsache hält und so eingehend beschreibt, als wäre
er dabei gewesen. Er kennt auch genauestens die Wirkung der Predigt
Jesu bei den »Geistern der Vorwelt«. »Seht, wie sie aufhorchen, wie
sie die Epiphanie des Herren anstaunen. Die Millionen scharen sich
um den einst Verachteten ... Millionen fallen nieder, bekennen und
bereuen ihren Unglauben und beten ihn an ... und der Held führt das
ganze Gefängnis im Triumphe gefangen und führt alle die, welche sich
retten lassen wollen, als den ersten Lohn seiner Todesschmerzen,
hinüber in das selige Paradies« (S. 121).

Mühe weiß es ganz genau, wie lange Christus in der Unterwelt war:
drei Stunden. Da er um 3 Uhr nachmittags starb, und zum Schächer
gesagt hatte, »heute noch sollst du mit mir im Paradiese sein», »so
kann er nach irdischer Zeitrechnung nicht ganz drei Stunden in der
Unterwelt verweilt haben, denn der Tag ging um sechs Uhr zu Ende und
er mußte Wort halten« (S. 123).

»Da nun aber bald die Zeit herannahte, da Jesus auferstehen mußte,
so kam er wieder aus dem Paradies hinauf, begab sich in seine
Grabeshöhle und _nahm seinen Leib wieder an_, und seine Gottheit
durchleuchtete und verklärte ihn. Nur seine Wundenmale behielt er
_freiwillig_, als Beglaubigungs- und Erkennungszeichen und als
ehrenvollen Siegesschmuck. Bald darauf kam ein Engel vom Himmel
herab und wälzte den Stein von des Grabes Tür. Die Erde aber
erbebte vor Freuden über ihren auferstandenen Schöpfer. So ist die
Auferstehung in Wahrheit geschehen; nur blinder Unglaube kann daran
zweifeln.«

So geht es weiter. Herrlich ist auch die Predigt Mühes über die
unbefleckte Empfängnis. Dieser Protestant sagt: »O selige Stunde
der unbefleckten Empfängnis! Maria wird Mutter ohne Zutun eines
Mannes.« »Ein geistgesalbter Prediger der Neuzeit sagt: Gott hat Adam
geschaffen nicht bloß ohne Zutun des Mannes, sondern auch ohne Zutun
einer Frau. Er hat Eva geschaffen mit Zutun eines Mannes und ohne
Zutun einer Frau; nun schafft er Jesum ohne Zutun eines Mannes mit
Zutun einer Frau.«[7]

Dieser würdige und völlig ebenbürtige Geistesgenosse seines
katholischen Kollegen Bautz, erzählt in seinen »Biblischen
Merkwürdigkeiten« und der »Neuen Folge biblischer Merkwürdigkeiten«
(Leipzig 1886) folgende erbauliche und seinem Scharfsinn Ehre
machenden Geschichten:

In der Arche Noah waren alle Tiere in Winterschlaf verfallen.
Infolgedessen brauchten sie nicht ernährt zu werden (Vorwort).

Die Mauern Jerichos sind mit Hilfe der Engel eingefallen (I, 80).

Die Sonne Josuas stand still, indem »Gott den Umschwung der Erde
um ihre Achse und infolgedessen auch den Lauf des Mondes plötzlich
aufgehalten hat« (I, 95).

Der Teufel vollbrachte sein erstes teuflisches Wunder, indem er der
Schlange Sprache verlieh, Gott sein erstes göttliches, indem er die
Schlange umbildete, daß sie auf dem Bauche kriechen mußte (II, 17-19).

Dieser unerschrockene Streiter Gottes ist auch in der beneidenswerten
Lage, über die Werke des Teufels und sein Treiben genau Auskunft
geben zu können. In seiner Predigt »Alttestamentliches Exempel aus
Moses Leben« (Leipzig 1883) hat er die glorreiche Entdeckung gemacht,
daß die Wunder der ägyptischen Zauberer keineswegs Blendwerk waren,
sondern »nach der einzig richtigen Auslegung« vollbrachten sie ihre
Wunder »_mit Hilfe des Satans und der bösen Geister, mit denen sie
im Bunde standen_« (S. 77). Wie der fromme Verfasser in seinen
»Biblischen Merkwürdigkeiten« feststellt, unterliegt »es keinem
Zweifel, daß _der Teufel in Menschengestalt oder sonstwie erscheinen
und sichtbar werden kann_«, denn in der Versuchungsgeschichte (Matth.
4) »faßte er Christus an und führte ihn im Fluge mit sich durch die
Luft«. -- »Es ist ganz verkehrt, wenn die Weltmenschen den Teufel
immer als eine Spukgestalt mit Hörnern und Pferdefuß lächerlich
machen. Er kann in tausenderlei Gestalt die Menschen betrügen. Am
meisten Macht übt er dadurch, daß er den Menschen einredet, es gäbe
gar keinen Teufel.« Aus Hiob geht hervor, daß Unglücksfälle, Sturm,
Hagel, Krieg, leibliche Krankheit und geistliche Anfechtungen nur
vom Satan über uns gebracht werden, freilich dürfen wir damit nicht
sagen, daß jede Krankheit geradezu vom Teufel komme, aber mittelbar
kommt doch alles von ihm.

Der gleiche Gottesmann setzt in seinem Buche »Der Aberglaube. Eine
biblische Beleuchtung der finstern Gebiete der Sympathie, Zauberei,
Geisterbeschwörung usw.« (2. Aufl., Leipzig 1886) auseinander, wie
sich der Teufel bei Bündnissen mit ihm benimmt. Diese Greuel haben
auch in unserer aufgeklärten Zeit nicht aufgehört, nur daß der Teufel
jetzt »manierlicher auftrete und sich der Mode und Zeitrichtung
schlau zu akkomodieren wisse«. »Alles Unheimliche fasse der Glaube
an Zauberer und Hexen in sich.« Die Zauberei ist der Höhepunkt
menschlicher Teufelei. Nach dem abschließenden Gesamturteil Mühes
ist der _Aberglaube ein Eintreten in die Gemeinschaft mit dem Reich
der Finsternis_ und in höchster Linie eine Auflehnung gegen Gott.
Darum gebühre ihm die Strafe der Gotteslästerung, die Gott im Alten
und Neuen Testament hundertfach angedroht habe (3. Mos. 20, 27,
Offenb. 22, 15): _Hinrichtung und Steinigung_. Doch will Herr Mühe
ihn zunächst mit Predigt und Belehrung bekämpfen, »_da leider die
neue Gesetzgebung den Obrigkeiten keine genügende Handhabe bietet, um
diesem Frevel wirksam zu steuern_«[8].

In dieselbe Kategorie von Wahrheitssuchern scheint sich auch der
evangelische Pfarrer _Ewald Dresbach_ stellen zu wollen, wenn er in
seinem Buche »Die protestantischen Sekten der Gegenwart im Lichte der
heiligen Schrift« (Barmen 1888) schreibt; wir sprechen es »als unsere
wohlerwogene Überzeugung aus, daß _im Sektentum sich der Antichrist
offenbart_«. Auf den Einwurf, daß sich doch auch in ihnen fromme
Leute finden, antwortet er: »Was die Frömmigkeit betrifft, so wissen
wir es auf Grund der apostolischen Aussage, daß auch der Satan
hin und wieder das Lichtgewand des Engels tragen kann«, das gehört
zuweilen zu seinen Manieren; im übrigen reden wir ja nicht von einem
einzelnen, auch nicht von einer schnell vorübergehenden Erscheinung:
sondern tiefer schauend haben wir das Allgemeine im Auge, die Dinge
betrachten wir im »Lichte der Ewigkeit« -- und eben da besteht die
Behauptung zu Recht: im Sektenwesen äußert sich der »Widerchrist« (S.
19).

Daß sich in den Sekten außerordentlich viel Fanatismus und Dummheit
jeder Art findet, ist ja zweifellos richtig. Aber etwa in den großen
Kirchen nicht? Mit welchem Recht bestreiten wir der Minderheit eine
Meinung, die die Mehrheit haben darf?

Am deprimierendsten aber wirkt es, wenn ein Mann, der sich zur
Aufgabe stellte, die Sekten und ihre Torheiten und Schattenseiten zu
beleuchten, keine schärfere Angriffswaffe findet, als die aus dem
Arsenal des finstersten Mittelalters entnommene des Antichrists und
Satans!

Wen wird es, wenn Männer mit solch finsterem, stupidestem
mittelalterlichen Aberglauben auf das Volk losgelassen werden,
wundern, wenn sich nachstehende Geschichte ereignen kann?

Im Dezember 1910 erschien bei der Polizeiverwaltung Cöpenick eine
Arbeiterfrau namens K. und wünschte den Polizeiinspektor in einer
dringenden Angelegenheit zu sprechen. Sie stellte allen Ernstes
das Verlangen, ihrer Nachbarin, einer 70jährigen Frau, den Prozeß
zu machen, denn sie sei -- eine Hexe! Die alte Frau habe schon
viele Leute behext, lasse alte Hexenbücher im Zimmer herumtanzen
usw. Das schlimmste aber sei, daß sie das neugeborene Kind der
Beschwerdeführerin, das bis zum dritten Tage ganz gesund gewesen
sei, behext habe, so daß es seitdem immer schreie. Auch ihr Mann war
überzeugt, daß das Kind behext sei. Da die Frau durchaus nicht den
Eindruck einer Geisteskranken machte, versuchte der Polizeiinspektor
ihr durch Vernunftgründe den Aberglauben auszureden. Natürlich nützte
es nichts. Sie entfernte sich mit den Worten: »Sie mögen noch so
schlau sein, Herr Inspektor, aber die Hexe ist doch noch schlauer.
Sie hat ihre alten Bücher, die Sie nicht haben[9].«

Das Verfahren der oben gekennzeichneten Theologen wirkt umso
grotesker, je mehr wir die Forderungen des Tages auf den
verschiedensten Gebieten betrachten. Wenn wir einen Blick werfen auf
die Fortschritte der Naturwissenschaften, die uns zur Stellung immer
größerer Fragen zwingen, auf die sich auf ihrer Grundlage bildende
neue Weltanschauung, auf den Siegeslauf der Technik, der Medizin
und so und so vieler anderer Wissenszweige. Wenn wir die gewaltigen
Aufgaben ins Auge fassen, die das Wirtschaftsleben an uns stellt, der
Übergang des Agrarstaates in den reinen Industriestaat mit seinen
unabsehbaren Folgen. Wenn wir in die Rechtspflege, Wohnungsfrage und
tausend andere Probleme hineinleuchten, Probleme, die die Zukunft zu
lösen haben wird, aber nicht lösen kann, ohne die regste Mitarbeit
jedes einzelnen von uns.

Und in solchen Zeiten, wo letzten Endes die Fortexistenz des
Vaterlandes als Weltmacht auf dem Spiele steht, wo das Europäertum
gegen das erstarkte Amerika und das neu erwachte Asien kämpfend
seine Kräfte sammeln muß, da treten Männer auf, angeblich Verkünder
der Religion der Liebe, Bringer der Wahrheit, und schüren
konfessionelle Zwietracht, wenn sie nicht einer längst endgültig
abgetanen Weltanschauung neues Leben einzuhauchen versuchen.

Gäbe es einen Teufel, selbst dann wäre es eine Dummheit kostbare
Zeit durch Nachdenken über ihn zu verlieren. Unser harren wichtigere
Aufgaben!




VII. Kapitel

Die heilige Garderobe und ähnliches


So ungefähr alles das, was wir bisher an Dummheiten kennen lernten,
was naive Zeiten, eine irregeleitete Phantasie auf diesem Gebiete
ersannen, finden wir zu einem blühenden Strauß gebunden in einer
gewissen Literatur vereint, in die sich hineinzuwagen, nicht geringe
Überwindung kostet. Es handelt sich nicht etwa um Hintertreppenromane
oder Detektivgeschichten, mit denen die hungernde Phantasie unserer
Jugend verdorben wird. Für _Erwachsene_ ist sie geschrieben, für _das
unwissende Volk_, das in Büchern Belehrung sucht, seine kärglichen
Mußestunden dazu benutzen will, den Geist zu bilden, der Wahrheit
näherzukommen.

Und wo könnte es das mit größerer Zuversicht tun, als in Schriften
seiner geistlichen Hirten? In Büchlein, für deren Inhalt die höchste
Autorität eintritt. Soll es _hier_ nicht Belehrung und Erbauung
finden, wo wäre sie dann zu suchen?

Folgen wir also dem gläubigen Leser in seine Erbauungslektüre! Wenn
wir dabei kirchlichen Lehren begegnen, deren Ersetzung durch bessere
wir für kein unerreichbares Ideal menschlicher Geistesarbeit halten
können, so mag auch das nicht ohne Nutzen sein.

Mit bischöflicher Approbation erscheinen eine große Reihe von
Schriften, die sich mit den kirchlichen Gnadenmitteln befassen und
deren billiger Preis keinen Zweifel darüber aufkommen lassen kann,
daß sie für Verbreitung in die Volksmassen bestimmt sind. Sie sollen
der frommen Herde Fingerzeige geben für die zur Erlangung der ewigen
Seligkeit erforderlichen Schritte.

Besonders handelt es sich hier darum, den Gläubigen das Tragen von
gewissen Kleidungsstücken, deren hohe Bedeutung für das Seelenheil
wir gleich kennen lernen werden, ans Herz zu legen.

Wir meinen die _Skapuliere_.

Unter Skapulare versteht die Ordensregel des h. Benediktus ein
Kleidungsstück, das die Mönche bei der Handarbeit über der
Ordenskleidung trugen. Es bedeckte die Schultern und hatte das eine
Ende vorn, das andere hinten herabhängen. Manche Ordensleute tragen
dieses Skapulier als Teil ihrer Ordenskleidung in der Form eines etwa
einen Fuß breiten, vorn und hinten bis auf die Füße herabhängenden
Stückes Zeug.

Dieses Skapulier nun, in verschiedenen Farben getragen, hat eine gar
wunderbare Kraft!

Da ist zunächst das _braune_ der Karmeliter. Dem h. _Simon Stock_,
Generalobern dieses Ordens, erschien die heilige Jungfrau und gab
ihm ein braunes Skapulier mit dem Auftrage, die Mitglieder seines
Ordens und der mit diesem verbundenen Bruderschaften sollten ein
solches tragen als Zeichen ihrer besonderen Verehrung gegen die
heilige Jungfrau und als Unterpfand ihres besonderen Schutzes. Um an
den gewährten Gnaden und Ablässen Anteil zu haben, muß das Skapulier
beständig, auch zur Nachtzeit, getragen werden, desgleichen in
Krankheiten. Legt man es ohne Not ab, dann hat man während dieser
Zeit keinen Anspruch auf Ablässe. Allerdings darf man es auch unter
der Kleidung tragen.

Die kleine Mühe des Tragens lohnt dieses Skapulier allerdings
reichlich. Hat doch die Madonna dem h. Simon Stock verheißen, daß
»wer in dem braunen Skapulier sterbe, das ewige Feuer nicht erleiden
werde.« Wenn es sich nun auch allerdings nach katholischer Lehre
von selbst versteht, daß der Träger des Skapuliers nicht darauf
sündigend ein ruchloser Mensch sein darf, so ist es doch offenkundig,
»daß gar manche durch Bekleidung mit dem Skapulier noch auf dem
Todbette die Gnade der Bekehrung und Rettung ihrer Seele erlangt
haben, ebenso liegen auch Beispiele vor, wo Vermessentlichen und
Unbußfertigen auf auffallende Weise noch vor ihrem Tode das Skapulier
entrissen wurde und abhanden kam.« So schreibt wenigstens der Jesuit
_Maurel_ in seinem mit Genehmigung der Oberen in sechster Auflage
1878 in Paderborn erschienenen Buche »Die Ablässe, ihr Wesen und ihr
Gebrauch« (S. 379).

Besonders günstig gestellt sind die Träger des Skapuliers, der
an einem Samstag das Zeitliche segnen: die Jungfrau Maria wird
in höchsteigener Person zu diesen »hinabsteigen und jene, welche
ich im Fegefeuer finde, befreien und zum Berge des ewigen Lebens
führen.« Allerdings muß der Skapulierträger auch einige »gute Werke«
verrichten, aber von ihnen allen, vom Fastengebot, täglichen Gebeten
usw. usw. kann er befreit werden -- so entschied noch Papst Paul V.
unterm 15. Februar 1613 -- nur das Tragen des Skapuliers ist eine
unerläßliche Bedingung.

Die Länge des Aufenthaltes im Fegefeuer hängt also nicht etwa von
der persönlichen Würdigkeit des armen Sünders ab, sondern vom
Skapuliertragen und vom _Wochentage, an dem er stirbt_!

Doch diese Vergünstigungen scheinen dem Papst Clemens X. noch nicht
ausreichend gewesen zu sein, sonst hätte er nicht unterm 8. Mai 1673
verordnet, daß die mit dem Skapulier der Karmeliter Bekleideten »von
der Mutter Gottes auf ganz besondere Weise an Kindesstatt angenommen«
sind und »einen größeren Anteil von all dem Guten, was in der
gesamten katholischen Kirche geschieht«, erhalten.

Dazu bemerkt der Karmeliter-Pater _Grassi_: »Ordensleute, Mitglieder
der Bruderschaft und andere, die zu diesem Skapulier Andacht hegen,
entgehen vermöge eines ungewöhnlichen Beistandes der Mutter Gott
zahllosen Gefahren. Die Gewehre, welche nicht losgegangen oder deren
Kugeln matt und ohne zu verwunden zu Boden gefallen, die Ketten,
welche zerbrochen, die Dolche, die sich gekrümmt, die Bedrängnisse,
von welchen man befreit, die Abgründe, in die man gefallen und aus
denen man unbeschädigt hervorgekommen, die Feuersbrünste, welche
gelöscht, die Krankheiten, welche gehoben, die verzweifelten Lagen,
denen man glücklich entronnen, wie auf so vielen Gemälden dargestellt
wird, die unzähligen Gedenktafeln, welche an den Altären der h.
Jungfrau Maria vom Berge Karmel aufgehängt sind, -- verkündigen alle
der Welt, mit wie großem Rechte dem _Karmeliter-Skapuliere_ der Titel
»_Rettung in Gefahren_« zukommt, welchen ihm die h. Jungfrau gegeben
hat. Man sah sogar viele von diesen Wundern sich ereignen, wenn man
dieses Skapulier anderen Gläubigen, die in Gefahren des Leibes oder
der Seele waren, auflegte, Beängstigten, Verwundeten, Besessenen
usw. oder wenn man es in anderen Notfällen anwandte, z. B. es mit
lebhaftem Vertrauen in die Flammen warf, um eine Feuersbrunst zu
löschen, oder in die Luft, in das Meer, um einen Sturm zu stillen[1]!

Ein anderes Skapulier ist das _weiße_, das der »allerheiligsten
Dreifaltigkeit«, bestehend aus zwei Zeugstücken aus weißer Farbe mit
eingenähten Kreuzchen von roter und blauer Wolle. Die weiße Farbe
weist auf die Herrlichkeit des Vaters, die blaue auf das Leiden
des Sohnes, die rote auf die Liebe des heiligen Geistes hin. »Das
Skapulier verleiht die Gemeinschaft der guten Werke und Verdienste
sowohl mit dem Orden der heiligen Dreifaltigkeit als auch mit der
Bruderschaft gleichen Namens, in welche man durch Annahme dieses
Skapuliers eintritt.«

Ein drittes Skapulier ist das _blaue_, das der »unbefleckten
Empfängnis der heiligen Jungfrau Maria«. Es hatte einst die
ehrwürdige _Ursula Benincasa_, die in Neapel im Rufe der Heiligkeit
starb, vom Jesuskind erbeten, das ihr mit der unbefleckten Jungfrau
selbst erschienen war. Durch Tragen dieses Skapuliers erhält man
nicht nur die besondere Gunst der Madonna, sondern auch noch
Anteil an den Gebeten und guten Werken der Theatiner. Wer es trägt,
gewinnt »so oft er, es sei an welchem Orte es wolle, zu Ehren der
heiligen Dreifaltigkeit und der allerseligsten, ohne Erbsünde
empfangenen Jungfrau sechs Vaterunser mit ebenso vielen Ave Maria
und Ehre sei dem Vater usw. nach der Meinung des Papstes spricht,
alle Ablässe, welche für den Besuch der sieben Hauptkirchen Roms,
der Portiuncula-Kirche zu Assisi, sowie für den Besuch Jerusalems
und des Gnadenortes des heiligen Apostels Jacobus zu Compostella in
Spanien bewilligt sind, und ist hierzu ausnahmsweise keine Beichte
und Kommunion und auch kein weiteres Ablaßgebet erforderlich.«

Wer sich über dieses geheimnisvolle Skapulier näher informieren
will -- und wer wollte das nicht, nachdem man auf bequemere Weise
kaum seiner Sünden ledig werden kann -- lese »_Andachten und
Satzungen der Bruderschaft zu Ehren der unbefleckten Empfängnis
Mariä mit dem himmelblauen Skapulier_« (Regensburg, Verlag Pustet)
oder »_Kurze Erklärung über das kleine himmelblaue Skapulier zu
Ehren der allerseligsten unbefleckten Jungfrau Maria_, das von den
Skapulierklerikern der Theatiner-Kongregation geweiht wird, samt
einem Verzeichnis der Ablässe. Getreue Übersetzung des römischen
approbierten Textes« (Mainz, bei Kirchheim).

Ferner gibt es das »_rote Skapulier_ des Leidens des heiligsten
Herzens Jesu, sowie des liebreichsten und mitleidigen Herzens der
seligsten unbefleckten Jungfrau Maria« über das ein bei Pustet in
Regensburg mit Genehmigung des dortigen bischöflichen Ordinariats
erschienenes Schriftchen »_Herz-Jesu oder rotes Passions-Skapulier_«
näheren Aufschluß gibt. Wir verdanken es einer barmherzigen Schwester
in Paris, der im Jahre 1846 »der Heiland wiederholt mit einem solchen
Skapulier in der Hand erschien«.

Das Skapulier der sieben Schmerzen Marias oder das _schwarze_ ist
von den sieben Stiftern des Servitenordens eingeführt. »Man wird
durch Anlegung dieses Skapuliers der Bruderschaft der schmerzhaften
Mutter Gottes einverleibt und erhält sowohl an den Verdiensten aller
Bruderschaftsmitglieder wie des Ordens der Serviten Anteil. Außerdem
hat der Herr, wie nach dem heiligen Alphons der heiligen Elisabeth
geoffenbart worden ist, auf die Bitte seiner Mutter den Verehrern
ihrer Schmerzen u. a. die Gnade verheißen, daß, wer die göttliche
Mutter durch ihre Schmerzen anruft, vor seinem Tode wahre Buße über
alle seine Sünden tun wird.«

Nun ist es klar, daß dem wahrhaft Frommen die Qual der Wahl
zwischen so viel Glücksspendern äußerst wehe tun muß. Doch es ist
in anerkennenswerter Milde dafür gesorgt, sie zu lindern. Man
kann nämlich ein »_fünffaches Skapulier_« tragen, indem man alle
aufeinander heftet. Dadurch wird man »aller Gnaden und Ablässe«
teilhaftig. Und das ist doch was wert! Allerdings kann jedes
Skapulier nur von einem dazu bevollmächtigten Priester angelegt
werden, doch haben die Redemptoristen-Patres die Vollmacht mit einem
vierfachen Skapulier, bestehend aus allen, mit Ausnahme des roten,
zu bekleiden[2]. Sie können, wie Pater M. _Ulrich_ in seiner Schrift
»_Die geistliche Schatzkammer, oder kurzgefaßter Unterricht über das
vierfache Skapulier, die geweihten Kreuze_ usw.« (Passau, Bucher, 5.
Aufl., 1874) S. 24 sagt: Durch eine einzige Weihe und Auflegung in
alle vier Bruderschaften zugleich aufnehmen.

Was der fromme Skapulierträger für einen Profit macht, ist allerdings
fabelhaft. Wer das fünffache Skapulier trägt, gewinnt »am Tage
der Aufnahme fünf vollkommene Ablässe; täglich, sooft er sechs
Vaterunser, Ave Maria und Ehre sei usw. betet, jedesmal die mit dem
Besuche verschiedener heiligen Orte verbundenen Ablässe (vgl. oben);
in jeder Woche Mittwochs und Freitags je einen vollkommenen Ablaß
usw.; ferner: in der Todesstunde vier General-Absolutionen und fünf
vollkommene Ablässe; nach dem Tode bei jeder für ihn gelesenen Messe
wenigstens einen vollkommenen Ablaß; das samstägliche Privilegium.«
Nach dem von Ulrich gegebenen Verzeichnis (S. 41 ff.) der Ablässe,
kann man an einigen Tagen« etliche Jahrhunderte Ablaß gewinnen;
erhält man doch schon 60 Jahre, »sooft man durch eine halbe Stunde
das innerliche Gebet übt oder eine fromme Betrachtung anstellt«.

       *       *       *       *       *

Das Skapulier, von dem übrigens auch die Franziskaner eines besitzen,
ist nicht das einzige Kleidungsstück der frommen Garderobe.
Verfügt doch der gleiche Orden in seinem »_seraphischen Gürtel_«
über ein nicht minder seelenrettendes Instrument. Darüber belehrt
das Schriftchen »_Der Seraphische Gürtel und dessen wunderbare
Reichtümer._ Nach dem Französischen des hochw. Herrn von _Segur_«,
das mit bischöflicher Erlaubnis 1877 in erster, im folgenden Jahre
in zweiter Auflage erschien.

Sixtus V. errichtete im Jahre 1585 eine »Erzbruderschaft des Gürtels
des heiligen Franziskus«, deren Mitglied man werden kann, wenn man
aus der Hand eines Franziskaner-Oberen oder eines anderen dazu
bestellten Priesters den Gürtel empfängt und denselben Tag und Nacht
trägt. »Es ist Gebrauch, aber nicht Pflicht, jeden Tag zum Andenken
an die fünf Wunden des Erlösers und des heiligen Franziskus sowie
auch für die Bedürfnisse der Kirche nach der Meinung des heiligen
Vaters sechs Vaterunser usw. zu beten. Man kann den Gürtel auf
dem Hemde tragen. Er mag von Wolle oder Baumwolle sein, von Garn
oder Hanf, von weißer oder Naturfarbe. Man soll ihn nur ablegen im
Falle der Not, um ihn so bald als möglich wieder anzulegen. Ist er
zerrissen oder sonst nicht mehr tauglich, so kann man ihn verbrennen
und ganz einfach durch einen anderen ersetzen. Eine kleine Schnur
wäre nicht hinreichend, doch muß es auch kein dicker Strang sein.«

Es lohnt sich wirklich, diesen Gürtel zu tragen, denn er spendet
geradezu fabelhaften Segen. Segur schreibt darüber: »Die mit dem
seraphischen Gürtel verbundenen geistlichen Vorteile enthalten
den unvergleichlichen Schatz der Ablässe, welche aus der
Franziskaner-Familie ein Wunderding machen, einzig in seiner Art. Die
Träger des seraphischen Gürtels haben Anspruch auf alle diese Gnaden«
(S. 6). »So oft sie die sechs Vaterunser usw. beten, gewinnen sie
alle Ablässe des h. Landes, der sämtlichen Basiliken und Heiligtümer
von Rom, der Heiligtümer von Assisi usw., das heißt _Tausende
vollkommener Ablässe und sicher mehr als 100000 Jahre teilweiser
Ablässe_. Ist das nicht gleichsam ein unvergeßlicher Ozean von
Erbarmungen? Kann man da nicht täglich Tausende armer Seelen aus dem
Fegfeuer erlösen? Und diese Ablässe kann man gewinnen, so vielmal des
Tages, als man will; es ist nicht notwendig, morgens kommuniziert zu
haben, man darf sich nur im Stande der Gnade befinden, seine Sünden
bereuen und fest entschlossen sein, Gott dem Herren treu zu bleiben.
Wo ist ein Christ, der dies nicht tun könnte und gern tun sollte?«
(S. 7).

Aber das ist noch nicht alles: Wenn die Gürtelträger nach der
Kommunion den Psalm Exaudiat usw. beten, können sie alle Ablässe
gewinnen, die je allen Heiligtümern der ganzen Welt verliehen worden
sind (S. 8) und 36mal im Jahre die »große Franziskaner-Absolution«
empfangen.

Die »Monatsrosen« vom Februar 1874 berichten noch von einem anderen
Gürtel, dem _Sankt-Josephs-Gürtel_, durch den schon 1657 eine Nonne
in Antwerpen »von grausamen Schmerzen« wunderbar geheilt wurde. Als
Pius IX. ihn auf Ersuchen des Bischofs von Verona 1859 nebst der
Weiheformel bestätigt und mit Ablässen begnadigt hatte, kam sein
Gebrauch erst recht in Aufnahme. Der Gürtel besteht aus einer Schnur
von Baumwolle, Wolle oder Leinen mit »sieben Knoten als sieben
Schmerzen und sieben Freuden des h. Josephs«. Man trägt ihn unter der
Kleidung, »um durch die Fürbitte des h. Joseph wirksame Hilfsmittel
zur Bewahrung der Reinigkeit und zur Enthaltsamkeit, die in jedem
Stande notwendig ist, zu erlangen oder sie wieder zu erringen, wenn
sie verloren ist«.

Doch das ist keineswegs die einzige Wirkung dieses Wundergürtels.
Im Märzheft 1878 der »Monatsrosen« ermahnt der Herausgeber die
Gläubigen, sich mit dem Gürtel des h. Joseph zu umgürten und macht
darauf aufmerksam, daß in der Servitenkirche zu Innsbruck ein
Filialbündnis der Umgürteten des h. Josephs bestehe. Man könne sich
um Gürtel und Büchlein an die Redaktion der Monatrosen wenden. Das
kann auch tatsächlich nur jedem angeraten werden, ist doch auch die
Wirkung dieses Kleidungsstückes nach der gleichen Quelle geradezu
verblüffend. »Ein siebenjähriges Kind, welches an Lungen- und
Brustentzündung erkrankt und von drei Ärzten aufgegeben war, wurde
in den Gebetsverein eingeschrieben, eine heilige Messe für dasselbe
gelesen, ihm einige Tropfen Lourdes-Wasser eingegeben und ein
Josephsgürtel umgelegt, und die Krankheit wendete sich zum Bessern«
(S. 247). Ein anderer Fall betrifft »ein großes Übel«, das nach
Auflegung des h. Joseph-Gürtels plötzlich behoben wurde (S. 343).

Daß solche Mittel bei Krankheiten auf nervöser Basis wirksam
sein können, wird niemand bestreiten wollen, der den gewaltigen
Einfluß der Suggestion auf den Körper kennt. Die Gürtel aber bei
Lungenentzündungen und ähnlichen Infektionskrankheiten empfehlen,
heißt in gewissenloser Weise mit dem Leben derer, die nicht alle
werden, spielen.

Der heiligen Garderobe gehört endlich noch ein dritter Gürtel an,
über den der Spitalbenefiziat Joseph _Löcherer_ unter dem Titel
»Vollständiger Inbegriff der Gnaden und Ablässe der ehrwürdigen
Erzbruderschaft Maria vom Troste, oder der _schwarzlederne Gürtel der
h. Mutter Monica_, des heiligen Vaters Augustin und des h. Nicolaus
von Tolentin, zum Gebrauche der Vorstände und aller einverleibten der
Bruderschaft, getreulichst nach dem von P. Clemens X. herausgegebenen
und für ewige Zeiten bestätigten Breve und Ablaß-Summarium Ex
injuncto nobis vom 27. März 1675 und dem neuesten, von der h.
Kongregation der Ablässe durch Urkunde vom 7. März 1863 ausdrücklich
gutgeheißenen Bruderschaftsbüchlein bearbeitet« ein Büchlein schrieb,
das bei Manz in Regensburg im Jahre 1878 in achter Auflage erschien.

Der Gürtel hat natürlich auch seine historische Berechtigung: Der
h. Monica, die auch in der Kleidung der Jungfrau Maria ähnlich sein
wollte, ist diese mit dem schwarzledernen Gürtel erschienen und sagte
ihr, daß sie ihn seit dem Tode Christi getragen habe. Natürlich legte
ihn nun die h. Monica, die Mutter Augustins, auch an.

Auch diese Gürtel-Bruderschaft ist, wie das ja nur recht und billig
ist, an Ablässen außerordentlich reich[3].

Es leuchtet jedem denkenden Menschen ohne weiteres ein, daß die
himmlischen Heerscharen, Gottvater, Sohn, heiliger Geist, kurz das
ganze Weltregiment eine närrische Freude darüber haben muß, wenn
christkatholische Menschen mit Skapulieren und Gürteln herumwandeln.
Wenn es eine genaue Bekleidungsvorschrift für das Militär oder den
hoffähigen Adel gibt, warum braucht nur gerade der Himmel keine zu
haben? Sollte hier etwa auf passenden Anzug weniger Gewicht gelegt
werden? Das wäre eine geradezu beleidigende Annahme.

Wie oberflächlich, wie weltlich klingt doch der Satz »Kleider
machen Leute«. Der wahrhaft Fromme sagt, »Kleidungsstücke machen
himmelsfähig«, oder »Bekleidungsstücke machen Seelen«.

       *       *       *       *       *

Doch nicht nur auf Skapuliere und Gürtel beschränkt sich die
wunderbare Kraft für Lebzeiten und im Tode, sondern sie erstreckt
sich auch auf Medaillen. Die Benediktiner sind im Besitze der
sogenannten _Benediktus-Medaille_. Über sie schrieb Dom Prosper
_Gueranger_, Abt des Benediktiner-Klosters Solesmes in Frankreich,
»_Bedeutung, Ursprung und Privilegien der Medaille oder des Kreuzes
des hl. Benedikt_«, bearbeitet von P. _Laurenz Hecht_, Benediktiner
des Stiftes Einsiedeln. 2. Auflage, mit Approbation des Bischofs von
Chur-Einsiedeln 1871. Ferner existiert über diese wichtige Materie
das »St. _Benediktus-Büchlein_ oder die Medaille des hl. Benedikt«
von einem Priester der Diözese Münster, mit Erlaubnis der geistlichen
Obrigkeit, Münster 1876.

Es ist aber auch wirklich der Mühe wert, um dieser Medaille willen
zur Feder zu greifen, denn, wie Pater Hecht aus einer zu Rom 1857
mit kirchlicher Approbation erschienenen Schrift mitzuteilen
in der glücklichen Lage ist, wurde sie wirksam angewendet: »1)
um _Zaubereien_ und alle anderen _teuflischen Einwirkungen_ zu
zerstören; 2) um die _Zauberei_ vom Orte abzuhalten; 3) um die
_Tiere_, welche von der Pest oder Seuche angesteckt oder von
_Zauberei_ befallen sind, zu _heilen_ und gesund zu machen; 4) um
jeden Menschen, der vom bösen Feinde versucht, getäuscht oder geplagt
wird, den notwendigen Schutz zu gewähren; 5) um die _Bekehrung_
irgendeines Sünders, insbesondere wenn er in Todesgefahr ist, zu
erlangen. Der vertrauensvolle Gebrauch dieser Medaille ist überdies
wirksam: 1) zur _Zerstörung des Giftes_; 2) zur _Vertreibung der
Pest_; 3) zur _Wiederherstellung der Gesundheit_ für diejenigen,
welche von _Steinkrankheiten_, _Seitenstechen_, _fallender Sucht_,
_Blutüberfüllung_ oder _Blutspeien_ befallen sind; 4) für die
_Mütter_, damit durch den geistlichen Beistand die Kinder zur rechten
Zeit und gesund _geboren werden_; 5) zum Schutze der Menschen vor
dem _Blitze_; 6) zum Schutze derjenigen, welche von _Ungewittern_
hart bedrängt sind; 7) was aber mehr als alles andere geschätzt
werden muß, dient diese geweihte Medaille, fromm gebraucht, dazu alle
Versuchungen gegen die leibliche Tugend der Reinigkeit zu überwinden
und durch Gottes Gnade die Menschen heilig an Seele und Leib zu
bewahren.«

Daß diese theoretischen Wirkungen auf voller Wahrheit beruhen,
bezeugt uns Abt Gueranger. In einem Kapitel »Wunderbare Wirkungen
der Medaille des h. Benedikt im 19. Jahrhundert« überschrieben
(Übersetzung von Hecht, S. 64 ff.), werden u. a. einige körperliche
Heilungen mitgeteilt:

»Eine Dame wurde plötzlich von _starkem Nasenbluten_ befallen; die
Mittel, welche der Arzt verordnete, schienen den Blutfluß eher
zu fördern, als zu hemmen; so war der Abend des dritten Tages
herangekommen; da empfängt die Kranke, eine Person voll lebendigen
Glaubens, die Medaille des h. Benedikt, und sogleich hört das Bluten
auf.«

Ein anderer Fall: »Eine Ordensschwester wurde von einem _Augenleiden_
befallen; nachdem sie sich die Augen mit Wasser gewaschen, in das sie
die Medaille des h. Benedikt getaucht hatte, erlangte ihr Gesicht
bald seine frühere Kraft wieder.«

Ferner: »Eine Frau, deren Tochter von einer heftigen _Entzündung des
Kehlkopfes_ befallen wurde, kam auf den Einfall, die Medaille in ein
Glas voll Wasser zu tauchen und es dem Kinde zu trinken zu geben.
Sogleich führt sie ihren frommen Einfall aus. Das Kind trinkt das
Wasser; am anderen Tage ist es außer aller Gefahr. -- Eine Frau,
die an heftigem _Ohrenweh_ litt und der von Zeit zu Zeit Klumpen
geronnenen Blutes und Eiterstoff aus den Ohren kamen, legte eine
Medaille in das Ohr und betete mit Vertrauen ein Vaterunser und
ein Gegrüßt zu Ehren des h. Benedikt. Eine Minute nachher war sie
gänzlich geheilt.«

Die geistige Wirkung steht ganz auf der Höhe der körperlichen.
Davon mögen folgende Beispiele aus dem 2. Abschnitt, überschrieben
»Geistige Gnaden. Plötzliche Bekehrungen« (S. 76 ff.) überzeugen.

»Eine Frau berührte mit einer Medaille die Weinflasche ihres dem
Trunke ergebenen Mannes; dieser fand den Wein abscheulich und ging in
eine benachbarte Schenke, kam aber nach einer Viertelstunde zurück
und sagte, der Wein sei dort noch schlechter. In den nächsten Tagen
trank er nur Wasser, und die Frau benutzte dies, um die Zusage von
ihm zu erlangen, daß er hinfort seine religiösen Pflichten erfüllen
wolle.«

Ein anglikanischer Geistlicher disputierte neun Tage lang mit drei
Konvertiten; einer von diesen begleitete ihn, als er am zehnten
Tage zurückkehrte, und disputierte noch mit ihm bis zum Abend. Der
Anglikaner brach endlich die Unterredung mit Worten ab, welche gar
keiner Hoffnung zu seiner Rückkehr in die katholische Kirche Raum
gaben. Da bat ihn der Katholik, die Medaille des h. Benedikt, die
er bei sich trug, anzunehmen. Er tat es, und nach einigen Minuten,
während deren der Katholik betete, erklärte er: »Das Licht strahlt
vor meinen Augen, und ich habe an nichts mehr zu denken, als an
die Abschwörung meiner Irrtümer.« Fünf Tage nachher erfolgte diese
Abschwörung.

Daß die Benediktus-Medaille auch gegen böse Geister hilft, wissen
wir schon. Nachstehend sei eine dieser erbaulichen Geschichten
wiedergegeben: In einem Hause in Rennes trieben »böse Ceister« ihr
Wesen: man hörte Lärmen und Stimmen, das Hausgeräte veränderte seinen
Platz, ohne daß jemand es berührte usw.

»Die Hausbewohner ließen viele Messen für die Verstorbenen lesen,
für den Fall, daß eine verstorbene Person durch solche Zeichen ihren
Wunsch um Befreiung von den Schmerzen des Fegfeuers hätte kund
geben können und wollen; nebst dem riefen sie auch den Priester
herbei, damit er die Gebete verrichte, welche von der h. Kirche
gegen vom bösen Feinde belästigte Häuser angeordnet sind. Allein
die unheimliche Plage wollte nicht weichen. Da begann man damit, an
den Türen eine Medaille des h. Benedikt aufzuhängen, und alsbald
erfolgte die gänzliche Befreiung. Aber man hatte vergessen, eine
Medaille an der Türe des Kellers zu befestigen; die ganze Bosheit
der höllischen Geister schien sich dort vereinigt zu haben; so groß
war dort der Lärm und die Unordnung. Nun befestigte man auch dort
eine Medaille, und siehe, die teuflische Bosheit verließ endlich das
Haus, jedoch nicht ohne Rache zu nehmen; denn die Person, welche (den
Rat erteilt hatte und) uns diese Tatsachen berichtete, wurde alsbald
vom bösen Geiste sehr grausam an Leib und Seele geplagt. In diesem
Leiden erhielt sie endlich Erleichterung durch genaue Befolgung der
Ratschläge ihres Beichtvaters, der ihr empfohlen hatte, kühn und
mutig gegen den bösen Feind aufzutreten und öfters die h. Namen
Jesus, Mariä und Joseph gegen ihn auszusprechen.«

Mehr hätte es uns ja imponiert, wenn es ohne den Beichtvater allein
durch die Medaille gegangen wäre. Immerhin war auch so die Wirkung
recht zufriedenstellend.

Hausfrauen! Schafft euch die Benediktus-Medaille an! Oder wer
fühlt sich nicht durch folgende schöne Geschichte dazu geradezu
verpflichtet? Das »St.-Benediktus-Büchlein« erzählt (S. 63): »Im
Jahre 1863 zerbrachen täglich in einem Kloster mehrere Lampen und
Trinkgläser auf eine ganz unerklärliche Weise. Mehrere Wochen hatte
dies gedauert, da verfielen die Schwestern auf den Gedanken, die
Benediktus-Medaille anzuwenden, und fortan blieb alles in bester
Ordnung.«

In einer Stadt wollte der Gemeinderat die Straße breiter machen
lassen und zu diesem Zwecke einen bedeutenden Teil einer von
Wallfahrern stark besuchten Kirche der h. Jungfrau abbrechen lassen.
Man befestigte die Medaille des h. Benedikt am Fuße des Standbildes
der h. Jungfrau und »wenige Tage nachher wurde der Baumeister,
welcher den unglücklichen Gedanken gehabt hatte, das Haus Gottes zu
verstümmeln, plötzlich krank und starb. Seinem Nachfolger leuchtete
es gleich ein, wie unnütz die Verstümmelung der Kirche sei«, und auf
seinen Antrag hin wurde der Verbreiterungsplan geändert (Hecht, S.
93).

»Zu T. in Frankreich wurde durch Aufhängung einer Medaille des
h. Benediktus im Hühnerstalle den Hühnern die Fruchtbarkeit
zurückgegeben.«

Hecht folgert daraus die »Wahrheit, daß es dem Herren in seiner
Weisheit gefallen, einen kleinen, materiellen, zu seiner Ehre
geweihten Gegenstand als Werkzeug für Zernichtung aller teuflischen
Gewalt und für das Wohl der Menschen und Tiere zu bestimmen« (S. 120).

Diese und viele andere ähnliche, erbauliche und wunderschöne
Geschichten werden in jedem intelligenten Leser -- und wer wäre das
in den Augen eines Autors, dessen Bücher er auszeichnet, nicht? --
den brennenden Wunsch wecken die Medaille zu besitzen. Damit er sie
auch richtig anwendet, geben wir die wörtlich übereinstimmenden
Anweisungen Guerangers (S. 161) und des Priesters von Münster (S. 95)
wieder:

»Diese Medaille wird bei ansteckenden Krankheiten an den Wänden
und Pforten der Häuser, bei Viehseuchen an den Wänden der Ställe
befestigt, damit bei dem Anblicke des darauf befindlichen Zeichen
des h. Kreuzes die bösen Geister fliehen. Sie wird bei Aufführung
von Gebäuden in das Fundament eingesenkt ... Ferner pflegt sie
gegen Ungeziefer auf den Wiesen in die Erde gegraben zu werden.
Auch ist es üblich, daß die Gläubigen sie in ein Wassergefäß legen,
damit Menschen und Tiere, wenn sie von diesem Wasser trinken, die
Gesundheit erlangen. Die Art und Weise, die Benediktus-Medaille
zu gebrauchen, wird durch das Ansehen der h. Kirche und durch die
glücklichsten Erfolge empfohlen.« Allerdings sind die Wirkungen nur
insofern unfehlbar, »als sie von Gott für das Heil der Gläubigen
zuträglich erkannt werden«.

Übrigens macht bisweilen nicht nur die Benediktus-Medaille den Arzt
überflüssig. So wird im »Sendboten« (1871, S. 302) berichtet: »Ein
Mann, der infolge eines Beinbruchs an sehr heftigen Schmerzen litt,
band eine _Herz-Jesu-Medaille_ an den Fuß, versprach eine neuntägige
Andacht zum Herzen Jesu, und nach kurzer Zeit verließ ihn der
Schmerz. Einer protestantischen Frau wurde geraten, ihrem kränklichen
Kinde, das katholisch getauft war, etwas Geweihtes beizulegen, und
ihr eine Herz-Jesu-Medaille gegeben. In wenigen Tagen besserte sich
das Kind. Die Frau wurde katholisch[4].«

       *       *       *       *       *

Die Jesuiten haben zwar weder ein besonderes Skapulier, noch
einen Gürtel, noch eine Medaille, dafür aber ein Wasser, _das
Ignatiuswasser_. Und wenn man ihnen glauben darf -- und wer
wird einem Jesuiten nicht glauben? -- dann macht die wunderbare
Flüssigkeit die anderen Mittel auch entbehrlich. Der belgische
Jünger Loyolas Eduard _Terwekoren_ hat darüber eine Schrift verfaßt,
die 1867 bei Mayer & Comp. in Wien unter dem Titel »_Das Weihwasser
des h. Ignatius von Loyola für alle Leiden der Seele und des Leibes_«
in Übersetzung erschien. Aus unbekannten Gründen ist diese Ausgabe
nicht mehr im Buchhandel, was wir noch lebhafter beklagen würden,
wenn mit ihr auch das Wasser verschwunden wäre. Das ist aber zum
Heile aller frommen Seelen und deren beglückwünschenswerten Körper
nicht der Fall. Vielmehr wird nach wie vor das Wasser geweiht und wir
haben keinen Grund zur beleidigenden Annahme, daß es heute weniger
wirksam sein sollte, als vor 45 Jahren.

Übergehen wir die wunderbaren Heilungen früherer Jahrhunderte, um uns
auf die jüngere Vergangenheit zu beschränken: »Der im Jahre 1860 zu
Alost im Geruche der Heiligkeit verstorbene Pater _Bernhard_ erwarb
sich gerade durch die Verteilung des Ignatius-Wassers und durch
seine Unermüdlichkeit im Beichtstuhle ungeheure Popularität. Die
Vorsehung hatte ihn auserwählt, um in der Gegend von Alost diese alte
und mächtige Andacht zum Weihwasser des h. Ignatius zu erwecken (S.
22, 24). Bei einer _Viehseuche_ gebrauchte man das Wasser auf einem
Bauernhofe, und von 15 Pferden ging kein einziges zugrunde (S. 25).
Als den Pater Bernhard seine Krankheiten verhinderten, die Kranken
zu besuchen und eine Schwerhörigkeit ihn nötigte, das Beichthören
aufzugeben, fuhr er doch fort, das Ignatius-Wasser auszuteilen. Er
zeichnete Tag für Tag die Zahl der Personen auf, welche solches von
ihm erhielten. Als nach seinem Tode sein Leichnam ausgesetzt war,
brachten viele Leute die Fläschchen, welche das Weihwasser des Paters
enthalten hatten, in der Meinung, dadurch daß sie dieselben an seinen
Händen und an seinem Munde anrührten, ihnen die Weihe zu erhalten.«
(S. 27.)

Wie wenig doch oft dazu gehört, um im Geruch der Heiligkeit zu
sterben!

»Im Jahre 1859 wurde zu Antwerpen eine Frau, welche beinahe blind
geworden war, geheilt. Ihr Vertrauen wurde glücklicherweise
ansteckend: noch an demselben Vormittage holten 5 oder 6 Personen
dieses Wasser, um sich gegen die Cholera zu schützen. Am Nachmittage
zählte man bereits etliche 30 Begehrer, und wenige Tage später war
ein solcher Andrang um das Ignatius-Wasser, daß 4-5 Personen kaum
hinreichten, es auszuteilen.« (S. 29.) Im Jahre 1839 hörte die
_Choleraepidemie_ in der Straße auf, in der ein Mann das Wasser
brauchte! Daß Sünder nach dem Trinken des Wunderwassers sich
bekehrten, ist klar. Kann es bei dieser Wirkung wundernehmen, daß das
Wasser wie frische Semmel abgeht? Verlangte man doch in Gent binnen
zweier Monate 100000 Flaschen und mehr als 50000 Personen aus Stadt
und Umgebung bedienten sich seiner.

Am verdienstlichsten ist aber folgende Wirkung: »Außerdem gibt es
noch zwei Umstände, in welchen man früher seine Zuflucht zum h.
Ignatius nahm, und das scheint heute aufs neue in Schwung zu kommen.
Nämlich bei Frauen, welche das Herannahen des Augenblicks fürchten,
wo sie ein Kind zur Welt bringen sollen, und bei solchen, welche
sich darüber betrüben, daß sie _keine Hoffnung haben, eines Tages
mit dem süßen Namen >Mutter< benannt zu werden_. In diesen beiden
Umständen hat die Fürbitte des h. Ignatius viele Tränen getrocknet,
viele Ängsten beseitigt« (S. 68). »Man gebraucht das Ignatius-Wasser
gar oft bei Frauen, welche in Gefahr einer _Schwergeburt_ sind, und
man erzielt damit die glücklichsten Erfolge« (S. 73)[5].

Der »Sendbote des göttlichen Herzens Jesu«, der mit »Genehmigung der
geistlichen Oberen« von Malfatti als Monatsschrift herausgegeben
wird, besonders zur Förderung der Andacht zum Herzen Jesu, die in den
letzten Jahrzehnten eifrig kultiviert wird, erzählt außer unzählbaren
ähnlichen Geschichten, folgende zwei, die wir als besonders
leuchtende Perlen herausgreifen möchten.

Im Jahrgang 1871 (S. 184) finden wir folgenden Bericht: »Im Dekanat
Bozen wurde ein _totes Mädchen_ geboren, in dessen mißgestaltetem
Gesichte weder Augen noch Nase zu sehen waren. Zwei Personen trugen
das tote Kind zur wundertätigen Mutter Gottes nach Riffian mit der
festesten Hoffnung, in der dortigen Wallfahrtskirche Lebenszeichen
zu erbitten, um dasselbe mindestens bedingungsweise taufen zu
können. Sie kamen am 13. Januar spät abends in Riffian an und
trugen am folgenden Tage das Kind in die Kirche.« Es zeigten sich
Lebenszeichen. Sie trugen darauf das Kind zum Pfarrer, um es taufen
zu lassen, konnten aber kein _Lebenszeichen_ mehr wahrnehmen. Es
wurde am gleichen Tage wiederholt und auch beim dritten Gebete zeigte
sich kein Lebenszeichen. Nunmehr begrub man das Kind. Sie ließen
es aber am 18. _wieder ausgraben, bemerkten während ihres Gebetes
Lebenszeichen_ und ließen das Kind durch den gerade anwesenden Meßner
taufen. Die Lebenszeichen wurden nach der Taufe immer noch schöner
und verschwanden erst allmählich wieder.

Eine ähnliche Geschichte steht im gleichen Jahrgang (S. 268):

»In Stilfs ertrank am 3. Juli eine schwangere Frau; die Leiche wurde
erst am 5. untersucht und geöffnet, und das Kind als tot gefunden.
Abends kamen viele Personen bei der Leiche zusammen, um durch die
Fürbitte Marias die Taufgnade zu erbitten; sie nahmen ihre Zuflucht
besonders zur schmerzhaften Mutter von Stilfs. _Wie sie beteten,
sahen sie, daß das Gesicht des Kindes Lebensfarbe erhielt_, daß
Lippen und Wangen sich röteten und der Mund sich öffnete; einige
Weiber wollten auch den Pulsschlag des Herzens gesehen haben. Das
Kind wurde bedingungsweise getauft; bald nach dem Taufakte schloß es
den Mund und wurde bleich wie Wachs.«

In früheren Jahrhunderten waren solche schönen Geschichten ja
nichts Seltenes. Friedrich berichtet in seinen Beiträgen zur
Kirchengeschichte des 18. Jahrhunderts (München 1876, S. 8) ähnliche
Fälle. Damals aber schritt die römische Inquisition gegen diese
Volksverdummung ein. Heute wird dieser Blödsinn von Kreisen, die Rom
sehr nahe stehen, zu neuem Leben erweckt[6].




VIII. Kapitel

Die Dummheit der Massen


Jahrtausende alte Erfahrung erbringt den unwiderleglichen Beweis
dafür, daß ein großer und weiser Gedanke sehr lange braucht, um
vom Volke angenommen zu werden. Ja, die größten Gedanken dringen
überhaupt nicht in die Menge oder doch nur in einer Form, die
wenig mehr vom Geiste ihres Schöpfers verrät. So wurde etwa aus
den erhabenen Lehren Christi der Paganismus der römisch- und
griechisch-katholischen Kirche. Die edle Weisheit eines Buddha konnte
zum Lamaismus Tibets entarten; während die weltumstürzende Entdeckung
eines Kopernikus Jahrhunderte brauchte, bis sie sich allseitig
durchzusetzen vermochte.

Man wird das ganz natürlich finden und mit der mangelnden
Bildung, dem Mangel an Intellekt, dem Trägheitsbedürfnis breiter
Volksschichten motivieren.

Wie aber, wenn ein Gedanke absurd ist? Wenn der Wahnwitz ihm aus den
Augen grinst? Wenn er jeder Vernunft, jeder Erfahrung widerspricht,
seinen Anhängern die größten Mühen, Opfer und Gefahren an Gut
und Blut auferlegt? -- Dann wird er in zahllosen Fällen fanatisch
aufgegriffen werden und mit elementarer Gewalt sich durchzusetzen
versuchen. Der Träge wird zum Tatenmenschen, der Zauderer kühn, der
Geizhalz verschwenderisch, der Feigling ein Held werden. Es ist
nur nötig, daß der Gedanke einen Herold findet, der, selbst von
ihm erfüllt, die Gewalt des Beispiels oder der Rede besitzt, mit
möglichst überspannten Bildern und Zukunftshoffnungen nicht spart,
der den mystischen Schleier des Geheimnisvollen zu weben versteht
und alles wird ihm folgen, wie einst die Kinder dem Rattenfänger von
Hameln.

Das war zu allen Zeiten so, es ist so und wird so bleiben. Heute
nennen wir die Kraft, die jene wunderbare Wirkung hervorruft:
Suggestion; früher hatte sie keinen Namen. Man reihte sie in
das große Gebiet der Magie oder Zauberei ein. Uns genügt die
Feststellung, daß sie wirken kann, einen Fieberwahn hervorzurufen
vermag, wenn sie -- auf Dumme stößt. _Diese Dummen aber findet sie
immer und überall._

Hier bewährt sich die Allmacht der Dummheit in unheimlichster Weise:
sie steckt an. Dieselben Leute, die unter normalen Umständen die
Torheiten verlachen würden, machen sie mit, wenn sie andere sehen,
die sie vormachen. Das Geheimnis der Massenpsyche, der die Hemmungen
fehlt, ist nahezu unergründlich. Unergründlicher aber noch ist die
Tiefe der Dummheit, die in solchen Momenten einem Vulkan gleich zur
Oberfläche drängt, sich nun erst zeigt, während sie immer gegenwärtig
ist. Und wie die glühenden Lavamassen eines Ätna, die sonst in den
Eingeweiden der Erde schlummern, hier und da durch ein schwaches
Rauchwölkchen ihr Dasein verratend, plötzlich zu neuem Leben
erwachen, wie sie mit ihrer feurigen Flut blühende Landschaften,
betriebsame Städte in Wüsten und Trümmerhaufen verwandeln, so sehen
wir es auch hier.

Wehe, wenn die Dummheit, sonst mit möglichster Diskretion unsern
Augen verborgen -- etwa wie die Senkgruben der Häuser -- die so
heilsame Hülle der Scham abwirft, wenn sie die Lächerlichkeit nicht
mehr fürchtet, auf die Stimmen der Warner nicht mehr hört. Dann
richtet sie furchtbareres Unheil an, als alle Vulkane der Erde. Gewiß
nicht immer. Bisweilen bleibt es bei harmlosen Versuchen, über die
man bald wehmütig lächeln, bald laut lachen möchte, aber oft, nur
allzuoft bahnt sie sich über Leichen ihren Weg.

Was etwa denken wir von den _Kreuzzügen_, die mindestens zwei
Millionen wehrhafte Männer, die Blüte der Christenheit, mit
unwiderstehlicher Gewalt in den Hades führten? Gewiß, die Folgen
waren vielfach segensreich. Die Berührung mit fremden Völkern und
Zonen erweiterte den Horizont, gab dem glücklich Heimkehrenden
manch fruchtbares Samenkorn in die Hand, das im Heimatlande üppig
erblühen sollte. Aber die Idee selbst? Die Art der Verwirklichung?
Wie müssen wir den _Kinderkreuzzug_ des Jahres 1212 beurteilen, als
Tausende und Abertausende, den Ruf des Heilands »Lasset die Kindlein
zu mir kommen« mißverstehend, auszogen, um im fremden Lande elend
unterzugehen? Reiners Annalen vom Jahre 1212 berichten dazu, daß
»ex arte magica« dieses Phänomen bewirkt worden sei. Wir aber sagen:
es war die gewissenlose Dummheit der Eltern und Seelsorger, die
namenloses Leid über unzählige Familien brachte.

Stehen hier gleich am Anfange klassische Beispiele für den Heroismus,
die Todesverachtung, zu der die Dummheit die Massen fortzureißen
vermag, so werden wir im bunten Wechsel einer Fülle von Gesichten
begegnen, die kaleidoskopisch an unserm Auge vorbeiziehend, neben den
edelsten Regungen des Menschenherzens auch dessen gemeinste enthüllen.

Wie die gewaltige Autorität der Kirche die treibende Kraft der
Kreuzzüge war, so werden wir finden, daß sie fast ausnahmslos auch
die anderen Dummheiten bewußt oder unbewußt veranlaßte. Fast immer
aber sind es religiöse Motive, die den grandiosesten Erscheinungen
der Massendummheit als Triebfedern zugrunde liegen.

Wir sahen, daß die Kirche seit je der Askese das Wort geredet hat.
Während im allgemeinen der Mensch es sich lieber gut sein läßt, die
Feste feiert, wie sie fallen, gibt es auch Zeiten großer Erregung,
in denen die unvermeidlichen Übel nicht zu genügen scheinen, in
denen man danach trachtet, sich »zur Buße« für etwas, was man
meistens weder direkt noch indirekt verschuldete, noch andere Leiden
freiwillig zuzufügen.

Hierher gehören die _Geißelfahrten des Mittelalters_.

Die Kirche hat es von je gern gesehen, wenn Büßer sich mit eigener
Hand geißelten. Gab es Virtuosen dieser Art der Askese, so fehlte es
auch nicht an gekrönten Häuptern, die ihnen nur wenig nachstanden.
Daß selbst Kaiser und Könige, ein Otto III., Heinrich II. von
England, Otto IV., Ludwig IX. von Frankreich, ja noch ein Maximilian
I. von Bayern sich mit eigener Hand züchtigten, ist hinlänglich
bekannt. Besonders abschreckend -- nach unsern Begriffen -- ist
das Verfahren Otto IV., der an den Folgen eines in zu großer Dosis
genommenen Abführmittels starb. Am 18. Mai 1218 hatte der erst
36jährige Fürst aus dem alten Welfenhause gebeichtet. Doch das
genügte ihm nicht. An seinem siechen Körper wollte er abbüßen, was
seine Seele gesündigt hatte. So ließ er denn Ruten herbeischaffen
und unter den Klängen des Miserere sich von den Geistlichen damit
schlagen. Die Streiche schienen ihm zu milde. Bis aufs Blut sollte
man ihn peitschen. Endlich wurde er erschöpft in sein Bett getragen,
in dem er andern Tags seine Seele aushauchte[1].

Wo das Volk solches bei seinen Führern sah, ist es nicht so
wunderlich, daß es in schweren Zeiten an Nachahmung dachte. So
entwickelte sich denn die _Geißelwut_ zu einer _Massenepidemie_, die
riesige Dimensionen annahm.

Das kam so: Aus dem I. Kapitel des Neuen Testamentes ließ sich
berechnen, daß das große Jahr des Gerichtes 1260 eintreten würde.
Denn die 42 Geschlechter von Abraham bis Jesus Christus, jedes zu 30
Jahren berechnet, ergaben in Anwendung auf die Zukunft der Menschheit
die Zahl 1260. Ein Irrtum war völlig ausgeschlossen, da ja das große
Sterben des Jahres 1259, das Italien heimsuchte, deutlich auf das
Ende aller Dinge hinwies. Ein gewaltiger Bußeifer, geschürt durch das
Tertiariertum des Ordens vom hl. Franz, ergriff die weitesten Kreise.
Ein alter Einsiedler, _Rainerio Fasani_ genannt, trat in der Nähe von
Assisi als einer der ersten Führer von größeren Bußbrüderschaften,
die sich öffentlich geißelten, auf. Von Perugia aus, wo er die
Genossenschaft von »Geißlern Jesu Christi« gründete, verbreitete
sich die Seuche weiter nordwärts. Halbnackt zogen die Büßer, von
fanatischen Mönchen geführt, von Stadt zu Stadt, im Takt der
gesungenen Bußpsalmen die Geißeln auf ihre Körper fallen lassend und
ihre Wege mit Blutspuren bezeichnend. In die Gegend von Modena und
Parma fällt der Hauptschauplatz dieses Treibens. Man wäre über den
Po vordringend bis in die Lombardei gezogen, hätte nicht der Tyrann
Pallavicini von Cremona Verstand genug besessen, dieses Korps der
Rache von seinem Gebiete fernzuhalten. So bewirkte sein Eingreifen
das baldige Abflauen der Bewegung. Schon mit dem Ende des Jahres 1260
hörten die Geißelfahrten auf, um sich für viele Jahrzehnte nicht zu
wiederholen.

Übrigens betrugen sich die frommen Büßer nichts weniger als gesittet.
Ihr wüstes Geheul, ihr Benehmen fremdem Eigentum gegenüber -- wo
ihren Betteleien kein geneigtes Ohr geschenkt wurde, scheuten sie
auch vor Gewalttaten nicht zurück -- heilte manchen der Bewegung
sonst freundlich gegenüberstehenden Christen. So auch _Salimbene_,
den Augenzeugen und Berichterstatter der merkwürdigen Epidemie.

Erst das furchtbare Pest- und Hungerjahr 1348/49 ließ wieder
Geißelfahrten im großen Stile aufkommen. Nicht mehr Prozessionen,
sondern Wallfahrten großer Massen zogen im Lande herum, nicht mehr
auf Italien beschränkte sich die Epidemie, wenn sie auch wieder von
dessen Norden ausging, sondern Ungarn und Polen, Österreich, Böhmen,
Sachsen, Thüringen, die Gegenden des Ober- und Niederrheins, die
Niederlande, ja England und Jütland samt den dänischen Inseln wurden
zum Schauplatz dieses Völkerwahns. Frankreich wurde nur mit Mühe
freigehalten.

Die Wallfahrer gaben sich durch Bezeichnung ihrer Mäntel und Hüte
mit roten Kreuzen, sowie durch Vorantragen von Fahnen und Kreuzen
als eine Art von Kreuzfahrern aus und behaupteten durch einen von
Christus selbst geschriebenen und von einem Engel dem Patriarchen von
Jerusalem überbrachten Brief zu ihren Bußübungen aufgefordert zu sein.

Als Geißelwerkzeug bedienten sich die sonderbaren Heiligen kurzer
Stöcke, mit je drei Strängen daran, durch deren dicke Endknoten je
zwei scharfe Stacheln kreuzweise hindurchgetrieben waren. Auch mit
ihrer Körperhaltung und ihren Manipulationen ahmten sie das Kreuz
nach, indem sie sich bei Absingung des Bußliedes an den drei Stellen,
wo der Refrain wiederkehrte:

  »Jesus der wart gelabt mit gallen
  des süllen wir an ein criuze vallen«

mit kreuzweise ausgestreckten Armen zu Boden warfen und für die Dauer
von fünf Paternostern liegen blieben. Am Schluß des Gesanges schlugen
sie sich mit kreuzweise ausgebreiteten Armen an die Brust.

       *       *       *       *       *

War Frankreich von der großen Geißelbewegung von 1348/49 verschont
geblieben, so holte es das damals Versäumte doch später nach. Wo
hätte je das zündende Beispiel der Dummheit nicht epochemachend
gewirkt?! In Südfrankreich und Spanien trat unter Führung des
gewaltigen Bußpredigers _Vincentius Ferrer_ ([+] 1419) im Jahre 1399
die Bewegung mit größter Kraft auf. Es sollen sich um ihn 80000 Büßer
gesammelt haben, die unter den Rufen »(dies geschieht) zu Ehren des
Leidens Jesu Christi!« oder »Zur Erlangung der Vergebung meiner
Sünden« oder »Herr Gott habe Erbarmen« barfüßig einherzogen und sich
öffentlich geißelten. Übrigens wurde die Kirche, die hier im großen
und ganzen den kühlen Kopf behielt, den sie der privaten Geißelung
gegenüber verloren hatte, dieser Bewegung gleichfalls Herr, wenn auch
nach nicht geringem Kraftaufwande[2].

Dieser Wahn hat sich in scheußlichster Form sogar bis in unsere Zeit
erhalten!

Unweit Messina geißelten sich im Jahre 1891 bei einer Prozession am
Feste »U. L. Frau in Ketten« die Büßer mit Eisenketten so grausam an
Brust, Schultern, Schenkeln und Waden, daß im Volke eine lebhafte
Erregung entstand. Von Bußschmerz und Bewunderung ergriffen, leckten
Weiber den blutbesprengten Boden der Kirche, in der die Prozession
zum Hochaltar zog, ab! Zwei Männer sollen damals an ihren Wunden
gestorben sein.

Eine Fraternidad piedosa in Neu-Mexiko vereint in der Karwoche
Geißelungen mit Schaustellungen der Kreuzigung. Einzelne ihrer Büßer
schleppen schwere Holzkreuze auf den Knien über steinigen Boden
hinrutschend einen steilen Hügel hinauf. Einer derselben ließ sich
-- um das Jahr 1870 -- in Puerto de Luna _ans Kreuz nageln_, was
seinen Tod verursachte. In Santa Rita in Südkalifornien sind ähnliche
Aufführungen auch heute noch im Schwange, doch lassen sich die Büßer
vorsichtshalber nur anbinden[3].

Auf die grausigste Form dieser Raserei, die Kreuzigung, werden wir
weiter unten noch zurückkommen.

       *       *       *       *       *

Ein anderes Gebiet der Dummheit betreten wir mit folgenden Berichten:

Im _Findelhaus zu Amsterdam_ trat im Jahre 1566 eine psychische
Massenerkrankung unter den Pfleglingen auf, die auch heute noch unter
dem Namen Chorea magna bei hysterischen Kindern beobachtet wird.
Bei der Mehrzahl der Insassen des Findelhauses, etwa 30-60 Kindern
beiderlei Geschlechts, sah man damals eigenartige Konvulsionen mit
Grimassenschneiden, wütendem Herumklettern auf Möbeln, Dächern
und Bäumen, Blöken wie die Schafe und Verschlucken einer Menge
von unverdaulichen Dingen, wie Nadeln, Wolle, Glasscherben und
Lederstücken, die nachher wieder erbrochen wurden.

Ferner zeigte sich in dem _Kloster Uvertet_ (Grafschaft Hoorn) nach
Ablauf eines sinnlosen Fastens von 50 Tagen in den Jahren 1550-1565
eine merkwürdige Epidemie unter den Nonnen. Nachdem sie sich
während des Fastens nur von Rübensaft ernährt hatten und beinahe
alle an einer schweren Stomatitis mit fauliger Zersetzung im Munde
erkrankt waren, stellte sich zunächst bei einer der Klosterfrauen
die Halluzination von nächtlichem Stöhnen ein. Bald folgten bei
ihr und dann bei einer Anzahl anderer Lachkrämpfe. Dann verdrehten
sie auf alle möglichen Weisen den Körper, fielen in kataleptische
Starre, die mit grotesken Sprüngen abwechselte, und mißhandelten sich
selbst, schrieben aber die Peinigungen einem zornigen Teufel zu. Die
Nonnen rutschten ferner auf den Knien durch weite Räume und selbst
die Treppen herab, ja sie kletterten auf Bäume und ließen sich, den
Kopf nach unten, herabhängen. In den Intervallen waren sie häufig
sprachlos geworden. Hervortretend war auch die Sucht, andere zu
beißen, wie überhaupt die Angriffe auf Zuschauer. Beten in Gegenwart
der Nonnen und Widerstand steigerte ihr Gebaren zu Wutparoxysmen. Zu
den sonderbarsten Bewegungen gehörte auch das Hinunterrollen eine
ganze Treppe hinab um die eigene Längsachse. Als Sündenbock mußten
die unglückliche, selbst mitergriffene Köchin des Klosters und ihre
alte Mutter herhalten. Die Nonnen verklagten sie stürmisch als
Satansanbeterinnen und Urheberinnen der Seuche, was zur Folge hatte,
daß beide Frauen _verbrannt_ wurden. Darnach steigerte sich jedoch
noch die Seuche und erlosch erst nach drei Jahren[4].

Im Jahre 1609 trat in der Landschaft _Labourd_ in den französischen
Pyrenäen gleichfalls eine schreckliche Epidemie auf: Die Frauen
der armen, ungebildeten, ein rauhes Leben führenden baskischen
Fischer wurden nachts massenhaft von Träumen und Teufelsvisionen
heimgesucht. Meistens glaubten sie mit einem _Incubus-Teufel
geschlechtlich zu verkehren_. Man schickte besondere Kommissäre, die
den hervortretenden Zug der Nymphomanie in erster Linie erkundeten
und hunderte von Frauen alsbald _hinrichten_ ließen. Auf der Folter
sollen verschiedene »unsagbare Genüsse« erlebt haben. Nun ergriff
dieser Zustand aber _auch die Kinder_ zu Tausenden: beinahe alle
gaben an von schwarzen Katzen, den Seelen der hingerichteten Mütter,
nachts zu den Hexensabbaten entführt zu werden. Man versammelte sie,
um sie zu behüten, scharenweise nachts in den Kirchen. Trotzdem
dauerte es noch Monate, bis die Epidemie erlosch[5].

Es ist klar, daß in beiden Fällen die kirchliche Lehre von Hexen
und Teufel das Unheil angestiftet hatte. Das gemeine Volk ist ja
meistens zu unproduktiv, um auch nur eine Dummheit aus sich selbst zu
erzeugen. Selbst dazu braucht es eine höhere Instanz, die sich ihm im
vorliegenden Falle in der Kirche in wünschenswerter Vollendung bot.

Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi!

Die stärkste und tragischste aller so zahlreicher ähnlicher
Klosterepidemien war die der Ursulinerinnen des _Klosters bei
Loudun_, einer Stadt im Departement Vienne, in den Jahren 1632-1637
resp. 1642. In diesem erst vor sechs Jahren begründeten Kloster waren
viele Töchter vornehmer Familien, auch eine Verwandte Richelieus.
Durch ein gegenseitiges maßloses Überbieten in asketischen Übungen
wohl verursacht, brach der merkwürdige Wahn plötzlich bei 16
Nonnen, darunter der Oberin, aus. Zuerst traten zahlreiche Visionen
und Halluzinationen erst schreckhaft von Gespenstern (darunter
bezeichnenderweise des verstorbenen Beichtvaters) auf, dann wurden
die Visionen lasziv.

Man sah Dämonen, die durch die verschlossene Tür, öfter in der
Gestalt des derzeitigen Beichtvaters, eindrangen und unter tausend
Überredungskünsten obszöne Anträge stellten. Die Nonnen liefen aus
ihren Zellen, kletterten sogar auf den Dächern herum und wurden bei
ihrem Widerstande gegen die Verlockung der Dämonen »von diesen«
furchtbar mißhandelt, so daß die Spuren noch tagelang sichtbar
waren. Leichname im Fegefeuer erschienen, die bei Bespritzen mit
Weihwasser laut aufzischten. Bald fühlten die Nonnen die Macht der
Dämonen, die durch Mund und Genitalien einzudringen pflegten, oft
mehrere, 3-5 gleichzeitig. Sie werden in die tollsten Verdrehungen
geworfen. Besonders oft kommt es zu dem sogenannten »arc de cercle«,
so daß der Kopf weit hinten übergebogen die Zehen berührt. In dieser
Position laufen sie mit verblüffender Schnelligkeit durch die Zimmer.
Dann schreien und brüllen sie laut in tierischen Tönen oder lassen
die Zunge schwarz und borkig weit zum Munde heraushängen. Dann
kommen wieder laszive Stellungen, Beckenbewegungen und schamlose
Entblößungen sehr oft vor. Sie schließen dabei die Augen und scheinen
die Halluzination sexuellen Verkehrs zu erleben. Dazwischen schütteln
sie blitzschnell den Kopf, werden von hystero-epileptischen Krämpfen
befallen mit Schaum vor dem Mund und folgender kataleptischer
regungsloser Starre oder flexibilis cerea mit automatischem Einhalten
der eigenartigsten Stellungen.

Am meisten bestürzte das Verhalten der Besessenen bei den
Exorzismen, in der Kirche oder überhaupt in Gegenwart heiliger,
gottesdienstlicher Übungen. Während die Frauen in den Zwischenzeiten
normal schienen, ihren Verrichtungen nachgingen und tiefe
Verzweiflung über ihren Zustand an den Tag legten, brach, sobald der
Exorzismus begann, der Paroxysmus mit voller Macht aus. Die vorher
gesitteten Mädchen benahmen sich nun wie die Furien.

Mit wüsten Schimpfworten, wie sie dem Pöbel eigen sind und von denen
man nicht wissen konnte, wie sie die Nonnen kennen gelernt hatten,
zogen sie gegen alles Heilige los. Sie schalten über die wütenden
Schmerzen, die ihnen der Anblick der heiligen Kultobjekte verursache
und verlachten die Ohnmacht des beschwörenden Priesters. Dann wanden
sie sich wieder -- meist unter lasziven Reden -- unter Krämpfen und
Verdrehungen am Boden.

Da die Nonnen den Priester Urbain Grandier als Veranlasser ihrer
Besessenheit nannten und dieser beim Versuch sie zu beschwören fast
in Stücke gerissen worden wäre, wurde er grausam gefoltert und dann
hingerichtet. Nachdem sich dieser Wahnsinn auch auf die städtische
und ländliche Umgebung des Klosters ausgebreitet hatte, erlosch er
erst nach 9 Jahren[6].

       *       *       *       *       *

Ein Wahnsinn, der der Großartigkeit nicht ermangelt, befiel die
_Hugenotten_ nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes durch Ludwig
XIV. im Jahre 1685. Diese Handlung des alternden Sonnenkönigs,
bei der man zweifeln kann, ob sie mehr ein Akt der Dummheit
oder der Niedertracht war, hatte der allliebenden Kirche, die
ihren Grundsätzen damals so getreu blieb, wie in den Zeiten der
Albigenser oder Stedinger, das Schwert in die Hand gedrückt. In
den Landschaften Dauphiné, Vivarais und in den Cevennen wurde jede
kalvinistisch-protestantische Religionsübung mit den grausamsten
Maßregeln unterdrückt, Geistliche hingerichtet, Güter konfisziert
und dennoch die Auswanderung aufs härteste bestraft. In dieser Not
ergriff die einfachen Bauern, zunächst der Dauphiné, das Feuer
göttlicher Inspiration. Sie sahen die Wiederkunft Christi nahe und
erklärten sich selbst für den auferstandenen Heiland. Sie versprachen
die Truppen der Regierung durch den heiligen Geist selbst in die
Flucht zu schlagen, ja buchstäblich »_wegzublasen_«.

Um das zu beweisen, gingen die frommen Bauern scharenweise und ohne
Furcht den Regierungstruppen entgegen. Zunächst teilte man sich
gegenseitig durch Anblasen den heiligen Geist mit, dann begann
man mit voller Lungenkraft gegen den Feind zu _hauchen_, und zwar
taten sich hier vornehmlich die Frauen hervor, die mit hellster
Stimme »Taratara« schrien, um dadurch die Trompetenstöße Jerichos
nachzuahmen. Natürlich wurden die armen, unwissenden, frommen
Landleute wie die Schafe von den Regierungstruppen niedergemetzelt.
Erst nachdem sich diese Vorgänge so und so oft wiederholt hatten,
flohen sie und in der Dauphiné und Vivarais wurde der Widerstand
endlich im Blut erstickt.

Übrigens entspricht dem Blasen eine ähnliche Tollheit in grauer
Vorzeit.

Die Messalianer, eine häretische Sekte des 4. Jahrhunderts, machten
das _Ausspucken_ zur religiösen Handlung, in der Hoffnung, sich auf
diese Weise der Teufel zu entledigen[7].

In den _Cevennen_ jedoch ward der Widerstand weit hartnäckiger.
Nachdem die Erwachsenen schließlich der schonungslosen Gewalt
gewichen waren, begann der Geist die zarten Kinder zu erfassen,
wiewohl man Sorge getragen hatte, sie gut katholisch zu erziehen. Die
Dörfer vereinigten sich zu gemeinsamen Betversammlungen, in denen
gewöhnlich ein als Prophet anerkannter Mann den Vorsitz führte.
Zunächst kamen feurige Ermahnungen zum Ausharren, dann Absingen von
Psalmen und daraufhin einstimmig der Ruf »Erbarmen«. Hierauf stürzt
plötzlich der Vorsitzende mit einigen aus der Versammlung nieder,
entweder in vollen Konvulsionen mit schäumendem Mund oder nur unter
starkem Zittern am ganzen Körper oder klonischem Zucken von Kopf und
Schultern (daher rührt der Name _Trembleurs des Cévennes_). Die Leute
schilderten dabei das Gefühl, als ob im Hinstürzen ein Hammerschlag
sie getroffen hätte. Nach dem Erwachen beginnt sofort einer in
erhobenem Ton und pathetisch zu prophezeien, vom Untergang des großen
Babylons, d. h. der katholischen Kirche, dem Siege ihrer Sache, der
Erscheinung Gottes mit allen Engeln voll Glorie, feurigen Ermahnungen
zum Ausharren usw. Ferner reden sie oft stundenlang in einer fremden
Sprache mit sonderbaren Wortbildungen, das frühere »in Zungen reden«.
Verstummte der eine, so wurde durch Anblasen der Geist auf einen
anderen übertragen, dieser fiel sofort nieder, wand sich in Krämpfen,
prophezeite darnach und so ging es fort. Viele hatten allerdings
nur die Krämpfe, ohne dann zu prophezeien. An diesen merkwürdigen
Andachten beteiligten sich viele Tausende mit dem größten Eifer, mit
Extasen und Krämpfen. Für einen, der hingerichtet wurde, standen zehn
neue auf, wie die Schergen des Königs klagten.

Schließlich kamen die Kinder an die Reihe. Man schätzt sie auf
8000! Darunter waren ganz junge im Alter von 3-5 Jahren. Wenn den
Kindern auch die Krämpfe fehlten, so hatten sie dafür doch um so
glänzendere Visionen und besonders die göttliche Inspiration, die
sich in einem ganz ähnlichen pathetischen Redestrom äußerte, wie bei
den Erwachsenen. Der Eindruck dieser Versammlungen war so stark,
daß frühere Gegner und Katholiken mit vom Geist ergriffen wurden,
ebenfalls zu prophezeien begannen und sich den Hugenotten anschlossen.

Die Gesamtdauer dieser Bewegung ist auf 20 Jahre anzusetzen. Am
heftigsten war sie um 1689. Sie erlosch selbst bei den vielen, die
nach England ausgewandert waren, nicht vor Ablauf von Jahren.

Übrigens waren die gleichen Personen außerhalb ihrer Paroxysmen
todesmutige und äußerst unerschrockene Verteidiger ihrer Sache auf
dem Schlachtfelde[8].

       *       *       *       *       *

Daß die katholische Kirche durch ihre wahnwitzige Teufels- und
Hexentheorie, sowie durch ihre Verfolgung der Hexen und Hexenmeister
diesen fürchterlichen Blödsinn noch gewaltsam zu einer Zeit aufrecht
erhielt, wo das Volk schon längst angefangen hatte ihn abzulegen
-- nicht die einzige Dummheit, die durch die kirchliche Autorität
aufrecht erhalten wurde und wird -- ist eine schon häufig betonte
Tatsache. Aber auch eine andere merkwürdige Erscheinung, die
_Lykanthropie_, ist auf die Einwirkung der alleinseligmachenden
Kirche zurückzuführen.

Diese Lykanthropie besteht in dem Wahn oder namentlich in der Furcht,
daß Menschen zu reißenden Tieren werden, oder daß Kinder durch Hexen
in »Werwölfe« verwandelt werden können. Eine solche merkwürdige
Epidemie kam in den Jahren 1598-1600 im _schweizerischen Jura_ zu St.
Claude bei Freiburg vor. Einige Frauen bildeten sich ein, sie seien
_Werwölfe_, und eine fiel auch wirklich Kinder an und tötete sie.
Die Untersuchung wurde mit christlicher oder doch kirchlicher Milde
geführt. Da es ganz klar auf der Hand lag, daß es sich hier um einen
Satansbund handelte, so ließ der Richter Bouquet 600 Personen aus der
Jura Landschaft _hinrichten_.

Harmloser war die sogenannte _Laira-Krankheit_, die im Jahre 1613
die Gemeinde Amon bei Dax in Südfrankreich ergriff. Mehr als
hundertundzwanzig Frauen, sicher ein sehr hoher Prozentsatz der
weiblichen Bevölkerung der Ortschaft, wurde von dem merkwürdigen
Drange ergriffen, laut und andauernd ein _heulendes Bellen_, so wie
die den Vollmond anbellenden Hunde, auszustoßen. Ferner wälzten sie
sich wütend am Boden herum, schlugen um sich, bissen und benahmen
sich wie wilde Tiere. Am heftigsten wurde das Bellen, wenn die
Frauen zum Gottesdienst versammelt waren. Natürlich waren auch
hier wieder Hexen schuldig, die sich deutlich dadurch verrieten,
daß die Besessenen die Nähe einer solchen durchs Gefühl merkten und
sofort einen heftigen Anfall bekamen. Allein die Hexen waren so
zahlreich, da außer den Richtern und den Besessenen die Mehrzahl der
Ortsbewohner verdächtigt worden waren, daß man sich damit begnügte,
nur eine beschränkte Anzahl hinzurichten, darunter allerdings einige,
die selbst von dem Wahne befallen waren. Das störte die Richter aber
in keiner Weise, da ja der Teufel, wie sie meinten, den Hexen die
List eingeflößt habe, die Krankheit nur vorzutäuschen[9].

       *       *       *       *       *

Bei den französischen Jansenisten grassierte von 1728-1739 ein
äußerst absonderlicher Massenwahn. Ein sehr gutmütiger und
asketischer Almosenpfleger namens _François de Paris_ war 1727
gestorben und hatte sich im Testament als geheimen Jansenisten
bekannt. Er wurde auf dem kleinen Pariser _St. Medardus-Friedhof_
begraben, aber später vom Papste wegen seines Bekenntnisses
verleugnet. Sofort nach seinem Tode begannen suggestive
Wunderheilungen von oft zwanzigjährigen hysterischen Lähmungen und
sonstigen hysterischen Symptomen. Das erregte das größte Aufsehen,
eine Völkerwanderung auf den Friedhof begann und bald waren dort
hysterische Krämpfe und Extasen an der Tagesordnung. Bald kam eine
ganze Tanzseuche auf nach Art des »großen Veitstanzes«.

Männer und Frauen hüpften unter allen möglichen Verdrehungen umher,
die Frauen besonders liebten es ohne Rücksicht auf das Schamgefühl,
auf dem Kopf zu tanzen. Alles wirbelte durcheinander, man verschlang
Kieselsteine und glühende Kohlen, Frauen ließen sich von Männern den
aufgetriebenen Leib eindrücken (vgl. Kultur-Kuriosa I, S. 178f.)
usw. Besonders auffällig war ein hinkender Abbé, der auf dem Grabmal
selbst stehend, als Virtuosenstück den »Karpfensprung« unermüdlich
ausführte und behauptete, daß dadurch sein kurzes Bein sich
verlängere. In dem allgemeinen Tanze hörte man ein »Seufzen, Heulen,
Deklamieren, Prophezeien und Miauen«.

Als der Unfug zu stark wurde, ließ König Ludwig XV. den Kirchhof
schließen und den Eingang bewachen, woher das witzige Epigramm stammt:

  De par le roi défense à Dieu
  De faire miracles en ce lieu.

Statt nun dadurch ein Aufhören der Seuche zu erzielen, brach sie
im Gegenteil jetzt allenthalben in mitten von Paris aus. Man sah
die Konvulsionäre in den Höfen und auf den Straßen, bis man sie
einsperrte, was in wenig Tagen 60 Geistliche ereilte.

Hierauf trat eine neue Form der merkwürdigen Seuche auf, indem die
Askese überhand nahm. Einige ältere Männer fasteten bis zu 40 Tagen,
davon 18 Tage absolut. Einer hatte sich einen Drehkrampf angewöhnt.
Auf dem einen Absatz drehte er sich während 1-1/2-2 Stunden täglich
blitzschnell herum -- bis zu 60 Touren in der Minute -- und las dabei
noch laut aus einem Erbauungsbuche. Eine Frau ließ sich über offenem
Feuer einige Minuten rösten, andere saugten die übelriechenden
gangränösen Geschwüre aus. Dann gab es wieder alle erdenklichen
Konvulsionen: Emporschnellen aus liegender Position, Krähen wie
Hähne, Bellen wie Hunde, unanständige Purzelbäume, auch Visionen,
Prophezeiungen und Wunderheilungen durch Händeauflegen kamen vor.

Die extravagantesten Formen nahm die Seuche gegen ihren Schluß
an. Da gab es sogenannte »Secours«, die die Frauen angeblich zur
Erleichterung mit sich vornehmen ließen und die darin bestanden, daß
der Leib mit Latten, bis zu 3000 mal, geschlagen wurde, daß der Kopf
in einer starken Schlinge eingeschnürt wurde, die mehrere Männer
zogen. Man warf ferner Personen in Tüchern in die Höhe, ließ Kopf und
Beine auseinander ziehen usw. usw. Und zwar nahmen jeweils mehrere
Männer zugleich diese Prozeduren an den Mädchen, ihren bizarren
Wünschen folgend, vor[10].

Nunmehr entstand eine _Manie, sich kreuzigen zu lassen_. Unter der
geistlichen Führung eines Herren De la Barre wurden vier Närrinnen
derart suggeriert, daß sie sich jeweils am Karfreitag vor einem
gewählten Publikum _ans Kreuz schlagen ließen_, wo sie eine Stunde
und darüber blieben. Dann zog man die Nägel heraus und die Wunden
hatten Zeit bis zur nächsten Prozedur zu verheilen. Das wichtigste
Suggestivmittel waren auch die oben schon kurz erwähnten »Secours«.
Sie bestanden in gewaltsamen Zerrungen des Körpers, Fausthieben auf
die Brust, taktmäßigem Dreschen des Kopfes mit den Fäusten (faire
le moulinet), das von vier bis fünf Personen an der Konvulsionärin
vorgenommen wurde, Pressen von Kopf und Bauch usw. Herr _de la Barre_
ließ seine Opfer auch mit Holzklötzen auf die Brust schlagen und
behauptete, daß sie _dadurch nicht verletzt wurden, um anzudeuten,
daß auch die Kirche aus allen Verfolgungen unberührt hervorgehe_.
Barre erzählte einem Augenzeugen von den Kreuzigungen: »Gott befiehlt
zuweilen zwei oder drei derselben (nämlich der Ekstatikerinnen),
eine zu Füßen der anderen zu kreuzigen. Man kann nicht umhin, davon
gerührt zu werden, denn es gewährt einen _wirklich recht hübschen
Anblick_.«

Aus dieser Äußerung geht sehr klar hervor, daß es dem geistlichen
Herren weniger um eine fromme Handlung, als um Befriedigung einer
perversen Wollust zu tun war. Seine Opfer aber handelten aus reiner
Dummheit.

Eine andere Gruppe von Närrinnen stand unter Geistlichen, deren
Anführer ein P. Cottu war. Sie wurden für die Kreuzigung am
Karfreitag ebenfalls durch »secours« präpariert, außerdem versuchte
man die von den Nägeln zu durchbohrenden Stellen durch Waschen mit
dem Wasser vom Grabe des heiligen Paris unempfindlich zu machen.
Merkwürdig ist, daß die Gekreuzigten angaben, keinen Schmerz zu
empfinden. Die soeur Françoise starb 1760, wie es scheint wesentlich
infolge der erlittenen »secours«. Auf dem Sterbebett wollte der
Pater Cottu ihr noch mit einigen secours-Hieben zu Hilfe kommen. Der
anwesende Arzt hinderte ihn daran. Eine Viertelstunde später war sie
eine Leiche[11].

Noch im Jahre 1823 trug sich etwas Ähnliches in _Wildensbuch_, einem
kleinen Weiler im Norden des Kantons Zürich zu. Die Hauptheldin war
_Margarete Peter von Wildensbuch_, ein junges Bauernmädchen. Sie
verstand es, ihrer Umgebung ihre religiösen Phantasien einzuflößen
und führte mit ihnen, bewaffnet mit allen möglichen Instrumenten,
Kämpfe gegen den Teufel und Dämonen auf. Als »heilige Gret« verehrten
sie die Landleute, wiewohl ihrem Seelenbunde mit einem ähnlich
veranlagten Schuster ein Kindlein entsprossen war.

Nach mancherlei tumultuarischen Szenen eröffnete Margarete am 15.
März 1823 den Ihrigen: Wenn Christus siegen und der Satan völlig
überwunden werden müsse, dann sei es notwendig, daß Blut fließe.
Zudem habe Gott ihr in der letzten Nacht große Dinge offenbart,
die heute zustande kommen müßten. Sie habe sich für viele Seelen
verbürgt, besonders für die ihres Vaters und ihres Bruders Kaspar.
Niemand dürfe sich jetzt weigern, sein Leben für Christus zu lassen.

Sie ließ nun in ihre Kammer ihre Anhänger und Anhängerinnen kommen,
zwölf an der Zahl, und das widerliche Schauspiel begann.

Zunächst machte sie der Umgebung klar, daß nunmehr Blut fließen
müsse, damit viele tausend Seelen gerettet würden. Sie befahl allen,
sich auf Brust und Stirn zu schlagen, damit dem Teufel die Gewalt
über sie genommen würde. Dann versetzte sie ihrem Bruder Kaspar mit
einem eisernen Keile so heftige Hiebe auf Kopf und Brust, daß er
ohnmächtig zu werden begann. Es fiel dem Dummkopf aber keineswegs
ein, sich zu wehren. Während sie losschlug, rief sie: »Sehet, wie
der Teufel die Hörner aus dem Kopfe des Kaspar hervordrängen will, --
sehet, wie sie aus der Brust herauskommen!« Und die fromme Gemeinde
sah es auch wirklich!

Sie ließ dann von ihrem übel zugerichteten Bruder ab, und behandelte
andere mit einem hölzernen Hammer. Das war aber nicht ausreichend.
Auf ihre Frage, ob die Anwesenden für die armen Seelen sterben
wollten, erhielt sie ein einstimmiges »Ja« zur Antwort. Sie begnügte
sich aber vorerst mit ihrer Schwester Elisabetha.

Diese schlug sich zunächst selbst mit einem hölzernen Schlägel
auf den Kopf, dann legte sie sich quer über das Bett und forderte
Margarete auf, sie sofort totzuschlagen. Sie wurde dann auch
erschlagen, nachdem die »heilige Gret« versprochen hatte, _sie am
dritten Tage wieder auferstehen zu lassen_. Sie ließ sich ohne einen
Laut des Schmerzes mit einem eisernen Keil den _Kopf zerschmettern_
und sagte noch unter den Todesstreichen: »Ich lasse mein Leben für
Christus.«

Grausiger war das Ende der »Heiligen« selbst. Neben der Leiche ihrer
Schwester auf dem Bette sitzend, schlug sie sich den Kopf blutig und
befahl ihrer Anhängerin Kündig, die auch beim Tode der Schwester
mitgewirkt hatte, ihr noch weitere Wunden beizubringen, denn
»Christus in ihr habe gegen seinen Vater für so viele tausend Seelen
Bürgschaft versprochen; erst jetzt müsse noch mehr Blut fließen;
sie müsse sterben und sich selbst opfern.« »Schlag zu, Gott stärke
deinen Arm!« rief sie der zögernden Freundin zu. Sie ließ sich dann,
ohne die geringste Äußerung von Schmerz, von der Kündig mit einem
Schermesser einen Kreisschnitt um den Hals und einen Kreuzschnitt
auf die Stirne machen.

Hierauf mußte die Kündig auf ihren Befehl, damit die Seelen erlöst
und der Satan überwunden werde, die _Kreuzigung_ an ihr vornehmen.
Sie legte sich auf Holzstücke und ließ sich von der Freundin, die sie
mit »Gott stärke deinen Arm« und der Verheißung nicht nur die tote
Schwester aufzuerwecken, sondern auch selbst nach drei Tagen wieder
aufzuerstehen, anfeuerte, Nägel durch Füße und Hände, durch jedes
Ellbogengelenk und durch die beiden Brüste schlagen. Eine andere
Närrin half dabei. Während der Kreuzigung rief sie unaufhörlich:
»Gott stärke deinen Arm! Ich fühle keinen Schmerz! Es ist mir
unaussprechlich wohl! Sei du nur stark, damit Christus überwinde.«

Als sie nun, ohne jegliche Schmerzäußerung, gekreuzigt war, forderte
sie, man solle ihr einen Nagel ins Herz schlagen, oder ihr den Kopf
spalten. Die Kündig versuchte ihr demgemäß ein Messer in den Kopf zu
treiben. Da es sich krümmte und sie gleich darauf begehrte, man solle
ihr den _Kopf einschlagen_, taten es die Kündig und ein weiterer
Anhänger mit einem Stemmeisen[12].

Wenige Jahre vorher, 1817, war in dem österreichischen Dorfe
_Ampfelwang_ etwas Ähnliches passiert. Veranlaßt war die fanatische
Bewegung durch den dortigen katholischen Pfarrer _Pöschl_, der
die Köpfe seiner Gemeinde mit närrischen Ideen von einer nahen
Judenbekehrung, dem bevorstehenden Ende der Welt und ähnlichem
füllte. Da er durch die Regierung versetzt wurde, sah sich die
Gemeinde, in der dieser Blödsinn Wurzel gefaßt hatte, gezwungen,
sich ein neues Haupt zu geben. Sie wählte sich also den Bauern
_Joseph Haas_, einen leidenschaftlichen Anhänger Pöschls, zum
geistlichen Führer. Dieser gewann in Kürze die ganze Gemeinde mit
Ausnahme einer einzigen Familie für seine Ideen.

Die Pöschelianer waren sich bald darüber klar, daß in dieser
Familie der Antichrist stecken müßte, weigerte sie sich doch den
gemeinschaftlichen Andachtsübungen beizuwohnen. Daß man sie deshalb
_umbringen mußte_, war selbstverständlich und es geschah auch unter
dem Zauberworte »der Herr will es«.

Doch man sann auf neue fromme Taten, wozu gerade die Karwoche die
beste Gelegenheit bot. Die Frage wurde aufgeworfen, ob Gott, da ihm
doch der für die Brüder erfolgte Tod Christi angenehm war, wohl auch
Gefallen daran finden würde, wenn ein Mitglied der Gemeinde für die
andern Brüder und Schwestern den Opfertod erlitte. Natürlich bejahte
man sie und beschloß durch das Los eines der Gemeindemitglieder
als Opfer zu bestimmen. Da zuerst der Führer Haas gezogen wurde,
man ihn aber für unentbehrlich hielt, warf man das Los zum zweiten
Male mit dem Erfolg, daß es auf ein 17- bis 18jähriges Mädchen
fiel. Es jubelte laut über die Gnade, für die Brüder und Schwestern
wie Christus sterben zu dürfen, nur _bat sie, ihr auch die Martern
Christi zuzufügen_. Man schneidet ihr den Kopf bis aufs Gehirn
auf, als sie aber, bisher jubelnd, nun zu wimmern begann, wurde
sie _völlig erschlagen_. Nun erwartete ihre Gemeinde betend ihre
Auferstehung gleich der Christi, da sie doch wie dieser gestorben
war. Vorher schnitt man ihr noch das Herz auf, um darin mystische
Figuren zu finden. Während die Gläubigen die Auferstehung erwarteten,
wurden sie verhaftet[13].

       *       *       *       *       *

Zu den grausigsten Äußerungen der Dummheit gehört wohl unzweifelhaft
in neuerer Zeit die russische Sekte der _Skopzen_, d. h. der
Selbstverstümmler. Sie zählt mehrere tausend Anhänger, meistens
aus dem niederen Volke, besonders Soldaten, aber auch sehr reiche
Kaufleute, die große Geldsummen dafür, früher namentlich zur
Bestechung der Obrigkeit, hingeben. Sie berufen sich für ihren
Wahnwitz auf zwei Bibelstellen (Matth. 19, 12 und Luk. 23, 29),
wiewohl in der ersteren nur von Verschnittenen die Rede ist, ohne
jede Nutzanwendung, es in der zweiten aber heißt: »Die Zeit wird
kommen, wo man sagen wird: selig sind die Unfruchtbaren, die Leiber,
die nicht geboren, die Brüste, die nicht gesäugt haben.« Das ist
aber völlig genügend, und vielleicht noch weniger wäre es, denn die
Dummheit stellt sehr bescheidene Ansprüche an das Material, aus dem
sie ihre Schlüsse zieht.

Die eigentliche Lehre der Sekte nimmt an, daß der Sündenfall Adams
die geschlechtliche Vermischung gewesen sei, denn die Menschen
sollten sich nur durch »heilige Küsse« fortpflanzen. Aus dieser
ersten Sünde seien alle übrigen gekommen und die Welt sei jetzt sehr
verderbt. Die Hauptlehre Christi, die Erlösung, bestehe aber in
nichts anderem, als der »Feuertaufe«, d. h. der _Entmannung durch
glühendes Eisen_. Diese, jetzt durchs Messer ausgeführt, besteht
entweder in vollständiger Entfernung oder in Kastration, das »große
und kleine Siegel«. Damit verbinden sich chiliastische Ideen. Im
Anfange des 19. Jahrhunderts war ein gewöhnlicher Bauer Seliwanoff
der inkarnierte Christus und auch zugleich der Zar Peter III., der
nicht wirklich getötet worden sein soll. Dagegen ist der herrschende
Zar der Antichrist. Ferner fordern die Skopzen geheime Versammlungen,
in denen wildes Tanzen und Singen, inspiriertes, sinnloses Predigen
und wohl auch wirklich ekstatische Zustände die Hauptsache sind.
Die Neubekehrten werden dabei in narkotischen Schlaf versetzt und
dann entmannt, die Weiber verschneiden ihre Brüste. Geschlechtlicher
Verkehr ist die größte Sünde. Deshalb fluchen die Skopzen ihren
eigenen Eltern. Trotz aller Verfolgungen besteht die Sekte noch heute.

Eine sicherlich nicht minder furchtbare Sekte, wie die Skopzen, ist
in Rußland die der _Teufelsanbeter_, die dem Satan Opfer darbieten.
Ferner gibt es in Sibirien die _Morelschiki_, die es für ihre Pflicht
halten, sich »Gott ganz darzubieten« und sich in _ganzen Scharen
gegenseitig niederstechen und verbrennen_. Das taten im Jahre 1868
auf dem Gute eines Herrn von Gurieff an der Wolga 47 Männer und
Frauen gleichzeitig. Um 1870 sollen hundert, ja Hunderte auf diese
Weise zugleich gestorben sein.

Die Geißlersekte der _Chlysten_, die stündlich den Weltuntergang
erwartet, sowie das Reich des Antichrist, gerät unter wilden Tänzen
und Sängen in eine ekstatische Wut, wobei sie sich nicht nur selbst
furchtbar mißhandeln und durchpeitschen, sondern im Jahre 1869 sich
einmal auf die harmlosen Zuschauer stürzten und einige totprügelten.

Im Gouvernement Kiew bei Tiraspol weihten sich 25 Sektierer, beinahe
alle Bewohner eines Gehöftes, freiwillig dem Opfertod, indem sie
sich auf Anstiften einer Frau den Tod durch _Einmauernlassen_ und
_Verhungern_ gaben[14].

Noch am Ende des 19. Jahrhunderts bestand in unserem so gesitteten
und aufgeklärten Europa, nämlich in _Appelteren bei Amsterdam_ eine
Sekte, die mehrfach zu religiösen Zwecken geheime Morde begangen
haben soll. Gerichtlich konnten etwa 40 Mitglieder ermittelt werden.
Sicher ist, daß der Knecht Brinkman, in Diensten bei einem Bauern
Scherf, bei einer »Teufelsaustreibung« ums Leben kam. Man sprach
bei einer Versammlung dieser ultraorthodoxen Protestanten im Hause
Scherfs die Überzeugung aus, der Teufel sei im Hause und habe
speziell von Brinkman Besitz ergriffen. Zunächst soll Scherf nach dem
Beispiel Abrahams seine eigenen 5 Kinder als Opfer angeboten haben.
Da man sie aber nicht im Hause fand, so ging man um 1 Uhr nachts,
sofort nach Schluß der Sitzung, zu Brinkman, den man aus dem Schlafe
weckte. Scherf begann die _Teufelsbeschwörung_, worauf der Knecht mit
Stangen und Stöcken von allen _totgeschlagen wurde_. Am nächsten Tage
richtete man für die »Brüder und Schwestern« ein festliches Mahl her
und sang dabei zahlreiche religiöse Lieder. Bei der bald folgenden
Verhaftung gab der _Gemeindevorsteher_ Spiering an, _er habe die
feste Absicht gehabt, auch noch eines seiner Kinder zu opfern_[15].

Wer an den heute noch in der protestantischen theologischen Literatur
spukenden Teufelsglauben sich erinnert, wird sich nicht im mindesten
darüber wundern, daß Bauern das praktisch üben, was ihre Seelenhirten
theoretisch begründen.

Es läßt sich ja überhaupt nicht in Abrede stellen, daß _alle
diese Massendummheiten auf kirchliche oder biblische Einflüsse
zurückgehen_. Entweder wird eine kirchliche theoretische Forderung
praktisch und im großen Stile geübt, wie wir es bei den verschiedenen
Formen der Askese sahen. Oder es wird ein Beispiel aus der Geschichte
unserer Religion nachgeahmt, wie etwa die Kreuzigung Christi, oder
aber eine in den Evangelien enthaltene, oder auch nur angedeutete
Lehre wird weiter entwickelt. Dahin gehört der kirchlich -- vom
Katholizismus so gut wie vom Protestantismus -- sanktionierte und
in ein System gebrachte Hexen- und Teufelsglaube. Oder man beruft
sich, wie etwa die Skopzen, auf teils mißverstandene, teils isoliert
betrachtete und ganz einseitig, monomanisch, zur Lebensrichtschnur
gemachte Bibelstellen. Schließlich können die Skopzen sich mit dem
gleichen dogmatischen Recht auf ein Bibelwort hin verstümmeln, wie
das Papsttum auf ein anderes, seine Macht des Bindens und Lösens
aufbaut.

Es ist eben immer eine ungeheure Dummheit sich irgendeinem Ausspruch,
irgendeiner Autorität mit Kadavergehorsam zu unterwerfen, auf
Buchstaben und Worte zu schwören. Damit soll natürlich nicht gesagt
sein, daß es nicht auch sehr klug sein kann, sich die Weisheit und
Lebenserfahrung anderer zunutze zu machen. Aber maßgebend soll eben
doch stets die Art der Interpretation, die Kritik, die Beurteilung
des Falles, kurz der eigene gesunde Menschenverstand bleiben.

       *       *       *       *       *

Ein anderer religiöser Gedanke, der auch auf die Bibel zurückgeht,
ist der des _tausendjährigen Reiches_. Ja, für die Wiederkehr
Christi können sich Gläubige sogar auf seine eigenen Worte berufen.
Da ist es nur natürlich, wenn sie für ihr Leben die Konsequenzen
daraus ziehen. Die Dummheit besteht eben auch hier wieder in der
willenlosen Unterordnung unter eine fremde Autorität. Aber auch diese
Willenlosigkeit, dieser freiwillige Verzicht auf Kritik, ist von den
Kirchen mit Feuer und Schwert gezüchtet worden, wie die Geschichte
der Glaubensverfolgungen lehrt. Ist aber einmal das eigene Urteil zum
Schweigen gebracht, ist der Fromme gezwungen mancherlei, was Vernunft
und Erfahrung widerspricht, unter dem Drucke kirchlicher Autorität
bedingungslos zu glauben, dann ist der Geist für die gläubige
Hinnahme _jeder_ Ungeheuerlichkeit entsprechend präpariert.

Übrigens hat die gewissenhafte Befolgung des »Wachet und betet« auch
manches Gute im Gefolge und die Verirrungen der Chiliasten sind im
Vergleich mit jenen, die wir oben kennen lernten, recht harmloser
Natur.

Einer solchen Form der Narretei huldigt eine Sekte in Amerika,
die sich _Shaker_ nennt und Mitte vorigen Jahrhunderts etwa 4000
Mitglieder zählte. Auch sie sind Chiliasten, unterscheiden sich aber
nicht unwesentlich von zahlreichen Glaubensgenossenschaften, die
gleichfalls an die Wiederkehr des Messias glauben, dadurch, daß sie
vom bereits erfolgten Eintritt dieses Zustandes fest überzeugt sind.
Und zwar war es ein weiblicher Messias, namens _Ann Lee_, in der
die Wiederverkörperung Christi zu erblicken ist. Diese Ann Lee, die
zu Bolton in Lancashire 1758 einer kleinen Gemeinde von Mystikern
beitrat und durch mancherlei Verfolgungen sich genötigt sah, im Jahre
1772 nach Amerika auszuwandern, ist als »Schwester und Braut Christi«
die einzige Heilige, die die Shaker verehren.

Die Lehre ist sehr einfach: Im Jahre 452 begann mit der Begründung
der päpstlichen Macht das Reich des Antichrists, das nach der
Offenbarung Johannis dem zweiten irdischen Auftreten des Heilandes
vorangehen soll. Seit der Reformation, die den »großen Drachen«
nicht tötete, sondern nur in zwei Teile zerriß, nahm dieses Reich
allmählich wieder ab. Während dieser Herrschaft des Antichrists war
der göttliche Geist Christi in den Himmel zurückgekehrt, um dort
seine »Wiederkunft in und mit der heiligen Braut, welche die Tochter
der ewigen Weisheit ist«, vorzubereiten. Anno 1747 ließ er sich auf
Ann Lee herab, um durch eine zweite Erlösung der Menschheit sein
tausendjähriges Reich zu gründen, in dem die Sünde keine Stätte hat.

Die friedliche, arbeitsame und überhaupt brave Gemeinde scheut vor
allem jeden geschlechtlichen Verkehr. Gott feiert sie durch tägliche
Tänze, nach flotten Melodien. Warum sollten allein die Beine den
Schöpfer nicht loben dürfen[16]?

Schlimmer war die _Millermanie_ in Amerika, die verursacht wurde
durch die Prophezeiungen eines gewissen _William Miller_ (geb. 1772,
[+] 1849) aus dem Staate Neu-York. Seit dem Jahre 1831 kündigte er
das Erscheinen des Herrn am Himmel an, sowie das Ende aller Dinge
für den März 1843. In Neu-York, Maine, Massachusetts und anderwärts
scharten sich Leute, denen er seine Wahnideen zu suggerieren
verstand, um ihn. Als _Adventisten_, wie sie sich im Glauben an
die Wiederkehr Christi in sichtbarer Gestalt nannten, verloren sie
alles Interesse an irdischen Dingen. Sie gaben ihre Geschäfte auf,
überließen zum Teil ihre Familien dem Elend, um in Versammlungen
zu beten und zu predigen und sich auf diese Weise für den großen
Tag vorzubereiten. Als dieser aber nicht eintraf, tröstete man
sich mit der Annahme, daß die Berechnung des Datums falsch sei und
die Prophezeiung sich am 22. November 1844 nach jüdischem Kalender
erfüllen müsse.

Manche Anhänger der Millersekte verfielen infolge der andauernden
religiösen Exaltation in unheilbare Geisteskrankheit, wähnten
sich im Himmel oder verzichteten auf Nahrung, weil sie nurnoch
die Kost der Engel benötigten. Als nun auch das zweite Datum
sich als falsch herausstellte, genügte selbst diese Enttäuschung
nicht, die Adventisten von ihrer Torheit zu heilen. Vielmehr war
die einzig bedeutsame Folge lediglich die, daß die Anhängerschaft
sich in mehrere Sekten spaltete. Noch heute gibt es in Amerika
gegen 65000 solcher sonderbarer Heiliger, während die europäische
Generalkonferenz im Jahre 1901 mit Stolz auf eine Gemeinde von 7700
Seelen blicken konnte[17].

Eine ebenbürtige Sekte gründete der gänzlich ungebildete Rademacher
_Kondrat Maljòwanni_ in Südrußland. Die Eltern dieses Analphabeten
waren Potatoren und er selbst bis zum 40. Lebensjahre dem Trunk
ergeben. Trotz oder wegen aller dieser Umstände gelang es ihm
in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine große und
begeisterte Gemeinde um sich zu versammeln. Auch er predigte den
nahen Weltuntergang und verstand es denen, die nicht alle werden,
klarzumachen, daß dieses Ereignis auf ihr Schicksal von günstigem
Einfluß sei. Sie gaben ihre Arbeit auf und verkauften oder
verschenkten ihr Eigentum.

Bei den gemeinsamen Andachtsübungen der Maljòwannisten kommt es unter
den Versammelten häufig zu hysterischen Anfällen. »Unter allgemeinem
Lärm, Geschrei und Durcheinander sieht man die einen hinstürzen wie
vom Blitze getroffen, andere entzückt oder kläglich schreien, weinen,
springen, in die Hände klatschen, sich selbst gegen die Stirn oder
vor die Brust schlagen, an den Haaren reißen, mit den Füßen stampfen,
tanzen, alle möglichen Töne und Rufe von sich geben, entsprechend
den verschiedenen Emotionszuständen wie Freude, Glück, Verzweiflung,
Furcht, Entsetzen, Erstaunen, Andacht, dem Ausdrucke psychischen
Schmerzes, der Geruchs- oder Geschmackswahrnehmung usw. Noch andere
ahmen Hundegebell, Pferdewiehern und sonstige Tiere nach[18].«

Besonders merkwürdig war bei dieser Erscheinung, daß Maljòwanni
es verstand, bei seinen Anhängern fast genau dieselben Wahnideen
hervorzurufen, die ihn selbst erfüllten. Er suggerierte zunächst
Personen aus seiner Umgebung, die eine gewisse Neigung zu religiöser
Exaltation besaßen, seine Wahnideen, und diese sorgten dann
ihrerseits für deren Weiterverbreitung. Diese psychopathische
Epidemie nahm schließlich einen so bedrohlichen Umfang an, daß nur
durch die Einmischung der russischen Regierung Einhalt getan werden
konnte.

Eine ganz analoge Bewegung haben wir im _Lazarettismus_ zu sehen.

Er ist als Erscheinung deshalb so interessant, weil er beweist, daß
noch heute, genau wie vor Jahrtausenden, ein religiöser Fanatiker
sein Publikum findet. Die Bewegung gewinnt an Bedeutung, wenn
man berücksichtigt, mit welcher Energie die katholische Kirche
Sonderbestrebungen zu bekämpfen weiß und nicht minder durch ihr
Auftreten auf dem uralten Kulturboden Italiens.

Der Vater der zu betrachtenden Sekte war _David Lazaretti_, 1834 in
Arcidosso geboren, seines Zeichens Karrenführer (barocciaio). Er
stammte aus einer Familie, in der religiöser Wahnsinn vorgekommen
war, besaß Intelligenz und war ein schöner, stattlicher Mann. Auf
eine Erscheinung der Madonna im Jahre 1866 hin, brachte er einige
Monate bei einem Einsiedler in Montorio Romano zu. Das Resultat
dieser frommen Zurückgezogenheit war ein Stigma an der Stirn,
bestehend in dem von Strahlen und Dornen umgebenen Herzen Jesu. War
er auch nicht gerade auf sehr wunderbare Weise zu diesem Zeichen
gekommen -- er hatte es durch Glüheisen und Tätowierung hervorgerufen
-- so läßt sich denken, daß es im gegebenen Moment seine Wirkung
nicht verfehlte.

Aus dem früheren Trinker und Flucher wurde durch religiöse
Halluzinationen ein Asket und Schwärmer, der zum Volke predigte und
durch Prophezeiungen, Versprechungen und Drohungen auf die ländliche
Bevölkerung großen Einfluß zu gewinnen verstand. So konnte er,
gefördert durch großes Selbstgefühl, zunächst die »Gesellschaft der
christlichen Familien«, die 80 Familien umfaßte, aus der Bevölkerung
von Monte Amiata gründen. Die Kolonie lebte unter Führung ihres
Propheten, für den sie sogar Frondienste tat, um ihn der profanen
Feldarbeit zu entheben, mehrere Jahre lang in genossenschaftlichem
Kommunismus.

Lazaretti begnügte sich nicht damit, immer geheimnisvoller zu
prophezeien und heftig auf alle Andersgläubigen, besonders die
Protestanten, zu fluchen, sondern ordnete auf dem Monte Labbro, den
er sich zum Sitze seines geistlichen Fürstentums erkor, den Bau eines
Turmes an. Seine Gemeinde widmete sich dieser Arbeit mit Feuereifer,
vom frühen Morgen bis zum späten Abend in Wind und glühender Sonne
Steine tragend. Übrigens wurde der Turm nicht vollendet.

Der religiöse Wahnsinn zeigte bei Lazaretti immer groteskere Formen.
Er schrieb an den König von Italien, an die Fürsten der Christenheit,
umgab sich mit »Aposteln« und suchte in Äußerlichkeiten, so weit es
eben ging, Christus nachzuahmen. So hatte er seinem Apostel Petrus
als Symbol seines Amtes zwei Schlüssel aus Pappdeckel kreuzweise auf
die Brust geheftet.

Für den 18. August 1878 hatte Lazaretti ein Erdbeben vorherverkündet,
das alle, die nicht an ihn glaubten, verschlingen würde. Natürlich
sah seine Gemeinde mit Furcht und Hoffnung diesem Tage entgegen,
hatte er doch versprochen, sich um Mitternacht ihr in anderer Gestalt
zu zeigen. Immerhin war auch seine jetzige Erscheinung, wenigstens
in seinen und der Gläubigen Augen, ganz respektabel, denn er
beanspruchte »Symbol der neuen Reform des heiligen Geistes« zu sein.

Die Tragödie -- oder sollte es keine sein, wenn wir viele Hunderte
von Menschen einem Wahnsinnigen folgen sehen? -- ging ihrer
Katastrophe entgegen. Sprach er von sich als »Anführer und Richter
Christus in der wahren und lebendigen Gestalt der Wiederkunft unseres
Herrn Jesu Christi in diese Welt«, so war das natürlich Irrwahn.
Recht aber sollte er mit seiner düsteren Prophezeiung erhalten, er
sei das »Opfer, das für die Erlösung der Welt hingeschlachtet werden
mußte«.

Für die Mitte des August 1878 bereitete Lazaretti einen großartigen
Auszug vom Monte Labbro vor. Die Tage vom 14.-18. August wurden
mit Gebet, Predigt und Gottesdienst zugebracht und in ungezählten
Tausenden war die Umgebung herbeigeströmt, harrend der Dinge, die
da kommen sollten. Am Morgen des 18. August kam Lazaretti in die
Kirche, das rote Futter seines Mantels nach außen. Mit leiser und
feierlicher Stimme sagte er: »Dies ist ein Blutzeichen. Mein Blut,
das Blut des neuen Abel wird, ihr werdet es sehen, binnen kurzem
vergossen werden und wird sich mit dem heiligen Blut, das dort in
jenem Kelch ist, vermischen«. Als er an der Spitze des grotesken
Zuges aufbrach, trat ihm die Behörde mit der Aufforderung, sich
zurückzuziehen, entgegen. Er leistete keine Folge. Ein Steinhagel
überschüttete die Beamten und Karabinieri. Sie gaben Feuer. Als eines
der ersten Opfer fiel der Prophet.

Noch 1883 gab es Leute, die an die Wiederkunft des »heiligen David«
glaubten[19].

Einwohner des Ortes Korano bei Neapel sahen noch im Cholerajahr
1885 auf einem benachbarten Hügel, auf dem eine Kapelle stand,
die _Madonna_ in schwarze Gewänder gehüllt, für die Errettung
der Menschheit betend. Die Kunde von diesem Ereignis zog alsbald
solche Menschenmassen nach Korano, daß sich die italienische
Regierung veranlaßt sah, zur Verhütung weiterer Ausbreitung der
Halluzinationsepidemie den Hügel polizeilich abzusperren, und die
Kapelle zu beseitigen. Natürlich könnte sich jeden Tag wieder etwas
Ähnliches ereignen[20].

       *       *       *       *       *

Daß die Dummheit auch in den gebildeten Kreisen Masseninfektionen
ermöglicht, lehrt die Geschichte der »_Königsberger Mucker_«.

In den ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts erregte in Königsberg,
ausgerechnet in Königsberg, der Stadt Kants, eine Sekte berechtigtes
Aufsehen. Zwei Geistliche, der Archidiakon _Ebel_ von der
Altstädter Kirche, und der Prediger _Diestel_ von der Haberger
Kirche hatten sie ins Leben gerufen, und zwar ausschließlich aus den
höchsten Gesellschaftsschichten. Grafen und Barone, Gräfinnen und
Geheimrätinnen, Offiziere und ein jüdischer Professor hatten sich zu
Ebels Gemeinde die Bruderhand gereicht, und tatsächlich hatte dieser
dafür Sorge getragen, daß man auf seine Kosten kam.

Das Zeremoniell interessiert uns am meisten, denn die Lehre war
schließlich auch nicht viel dümmer, als manche offiziell vertretene,
und wenn sich Ebel als »_des Menschen Sohn_« feiern ließ, so will das
alles noch gar nichts besagen gegen die Art, in der dies geschah.

Es handelte sich natürlich um eine Geheimlehre. Da war vor allem die
Rangordnung wichtig, die Ebel in seinem Reiche einführte. Hinter
ihm, als Spitze, folgten drei Frauen, die Gräfin v. d. G. als Ebels
erste Frau im Geiste als »Lichtnatur«, Emilie v. S. als seine zweite
Frau im Geiste in der Eigenschaft als »Finsternisnatur« und endlich
seine angetraute Gattin als dritte Frau im Geist. Sie repräsentierte
die »Umfassung«. In psychischer und physischer Hinsicht stand
sie dem heiligen Ebel weit weniger nah, als seine vornehmen und
schönen Seelenbräute. Auf diese drei Frauen folgte dann in genauer
Rangordnung die übrige fromme Gemeinde.

Wo so viel vom Geist die Rede ist, darf natürlich der Körper
nicht darben. Und daß er das nicht tat, dafür hatte Ebel in
bewundernswerter Weise gesorgt. Da war zunächst die _Beichte_.

Die Angehörigen der engeren Gemeinde hatten von Zeit zu Zeit
zu beichten, und zwar nicht etwa Ebel selbst, sondern den drei
»Frauen im Geiste«. Worauf es hier besonders ankam, waren natürlich
geschlechtliche Sünden mit inbegriffen die einfache Gedankenunzucht.
»Je überströmender man in dieser Hinsicht war, je empörenderer
Ausdrücke man sich bediente,« so erzählt Professor _Sachs_ als
Eingeweihter, »desto höher wurde man gestellt, desto mehr als im
wahren Ernst der Heilung stehend, wurde man betrachtet. Schien
das Bekannte nicht wichtig, d. h. nicht arg genug, so erregte das
Unzufriedenheit und wurde ein Festhalten am Argen, ein Unterhandeln
mit dem Teufel, Lauheit, ärger als kalt und warm genannt, und nun
begann das heftigste und andringlichste Pressen auf andere und
geschärftere Bekenntnisse. Kamen solche hervor, so wurde Gott
gepriesen, der das Herz eines Verstockten erweicht hatte.«

Im Zeremoniell der Ebelschen Mysterien spielte der »_Seraphinenkuß_«
eine große Rolle. Er bestand darin, daß sich die Gläubigen
verschiedenen Geschlechts mit den Zungenspitzen berührten.

Doch gab es noch eine weit vollkommenere Methode zur stufenweisen
Läuterung und fortschreitenden Heiligung der Mitglieder dieser
frommen Gemeinde. Im wesentlichen bestand diese heilige Prozedur
darin, daß in den Versammlungen Frauen irgendwelche, für gewöhnlich
dem männlichen Anblick entzogene _Teile ihres Körpers entblößten_.
Die Männer hatten dabei die ihnen sicherlich nicht wenig sauer
fallende Aufgabe, die ganze Herrlichkeit ohne Empfindung von
Sinnenlust zu betrachten. Da das natürlich nicht so einfach war,
wurde eifrig geübt. Übrigens hat auch diese Art der Abtötung, wie
wir an anderer Stelle ausführten, in der von der Kirche gebilligten
»Askese« ihr Vorbild.

Die Erfolge der Methode waren, wie ja vorauszusetzen, glänzend. Sachs
schreibt darüber:

»Schon das unaufhörliche starke Küssen und Umarmen, das gang und
gäbe war, die ungenierte Art der körperlichen Annäherung auch da, wo
von geschlechtlichen Übungen zur Heilung keine Rede war, sondern die
zur gewöhnlichen Art des Zusammenseins gehörte (denn in Gegenwart
irgendeines Fremden, draußen Stehenden, trat das förmlichste und
zierlichste Zeremoniell ein), schon dies konnte nicht verfehlen, jene
Wirkung sinnlicher Erregung auszuüben, zumal viele der Frauen mit
vielen Reizen des Äußeren, wie des Geistes ausgestattet waren. Wer
etwa sagen wollte, es sei ihm hierin anders ergangen, von dem scheint
es mir, daß er sich belüge oder wenigstens täusche.«

Wir brauchen nicht die Versicherung des Mediziners Sachs, der in der
ganzen frommen Geschichte keine rühmliche Rolle spielte, um an der
Wirkung der Übungen nicht zu zweifeln.

Ebel hatte sich selbst eine besonders schwere Form des Gottesdienstes
vorbehalten: Zur Herstellung von einer Hautkrankheit besuchte er das
Seebad Tenkitten bei Fischhausen, wo ihn ein Teil seiner weiblichen
Gemeinde pflegte. Als ihn einst der behandelnde Arzt besuchen
wollte, wie er gerade im Bade saß, bemerkte er schon von weitem, daß
in dem nahe gelegenen Damenbad gebadet wurde. Kaum hatte man von
dort seine Annäherung wahrgenommen, als eine halb entkleidete Dame
ihm entgegenrannte und ihn beschwor, fern zu bleiben, weil _Ebel
gerade von den Damen gewaschen und gebadet würde_! Zehn bis zwölf
jüngere und ältere Damen standen entkleidet halb im Wasser um ihren
Oberpriester herum, um ihm »voll Eifer Hilfsleistungen zu tun, von
denen das Schamgefühl mit Unwillen sich abwendet«.

Daß Ebel sich auf so angenehme und billige Weise mit einem Harem zu
versorgen wußte, mag für seine Sittlichkeit nicht eben rühmlich sein,
jedenfalls macht es aber seiner Intelligenz alle Ehre. Was aber soll
man von den Damen seiner Gemeinde denken, die ohne Rücksicht auf
Schamgefühl und Standesbewußtsein sich bereitwillig seinen Wünschen
fügten!? Was von der Gräfin Ida v. d. G., einer jungen Witwe, die
durch Geburt, Charakter und Schönheit gleich ausgezeichnet war? Und
doch glaubte sie, ungeachtet ihrer hohen Bildung, in Ebel Gottes Sohn
verehren zu müssen. Sie glaubte es auch noch, als das Gericht über
die »Mucker von Königsberg« sein Urteil gefällt, Ebel seines Amtes
entsetzt und als sittlich verworfenen Menschen gebrandmarkt hatte.
Sie verließ ihn auch dann nicht und opferte ihm Stellung, Familie,
Vermögen, ja pflegte ihn bis an sein Ende (1861). Und zwar darf man
nicht annehmen, daß sie mit ihm im Konkubinat lebte, wenn auch eine
unbewußte Erotik sie sicherlich zu dem schönen Manne hinzog. Es war
pure Dummheit[21].

Ganz gewiß nicht intelligenter war die Gemeinde, die sich um den
_Henry James Prince_ in England scharte. Er hatte seinen weiblichen
Anhang so betört, daß er sich eines Tages folgendes leisten konnte:
in offener Versammlung kündete er an, »in der Kraft Gottes werde er
eine Jungfrau sozusagen zum Weibe nehmen, nicht mit Fürchten und
Schämen an geheimer Stelle und bei verschlossenen Türen, sondern
offen im Lichte des Tages und in Gegenwart aller Heiligen beiderlei
Geschlechtes. Gottes Wille sei es, daß er sie nehme und er werde
niemanden fragen, am wenigsten die Erwählte selbst. Welche er nehmen
würde, sagte er nicht. Die Jungfrauen sollten sich also bereit
halten, da niemand wissen könne, wann der Bräutigam käme. Zuerst
wollte er sie besiegeln mit einem Kuß, dann sie herzen und an sich
halten, so daß der himmlische Geist und das Ding von Erde miteinander
verwüchsen und fortan eins seien an Leib und Seele.«

Tatsächlich passierte das Unerhörte. An der von ihm gegründeten
»Stätte der Liebe« (Agapemone) _deflorierte er in offener Versammlung
der Gläubigen ein schönes Mädchen_ namens Miß Paterson!

Die Folge davon war, daß allerdings einige Mitglieder der Gemeinde
sich von Prince lossagten, _die Mehrzahl scharte sich aber um so
dichter um den Heiligen_!

       *       *       *       *       *

Übrigens hatte er in Norddeutschland einen Vorläufer gehabt in der
Person des Johann Paul Philipp _Rosenfeld_ (geb. 1731). Wiewohl aus
guter Familie stammend, trieb er sich in bettelhafter Kleidung
als Vagant herum, da seine Faulheit ihn an der Ausübung eines
Berufes hinderte. Da kam er auf den Gedanken, die Dummheit als
unerschöpfliche Goldader auszubeuten, und er sollte glänzenden
Erfolg haben. Durch geheimnisvolle Andeutungen über seine Person,
Prophezeiungen, Angriffe auf Geistlichkeit, Taufe, Kirchenbesuch,
weltliche Obrigkeit usw. usw. verstand er es, sich in bengalische
Beleuchtung zu setzen und den Landleuten den Glauben beizubringen,
er sei der wahre Messias und Gottessohn. Er stellte ihnen das ewige
Leben schon auf Erden in Aussicht, doch war daran eine Bedingung
geknüpft. Er erklärte, die Schlüssel zum verschlossenen Paradies zu
besitzen, sowie das »Buch des Lebens, das nach der Beschreibung in
der Offenbarung Johannis mit sieben Siegeln versiegelt sei. Um das
Erlösungswerk zu vollenden, müsse er die Siegel öffnen und dazu müsse
er sieben Jungfrauen haben«.

Seine Anhänger, höchst ehrbare, wenn auch, im Gegensatz zum
Königsberger Fall, ungebildete Leute, waren gern bereit, ihm diesen
bescheidenen Wunsch zu erfüllen, doch waren unter der damaligen
Gemeinde in Prenzlow (Brandenburg) keine sieben Jungfrauen
aufzutreiben und so mußte die Zeremonie verschoben werden.

Daß Rosenfeld im Jahre 1769 ins Irrenhaus, ein Teil seiner Gemeinde
nach Spandau gebracht wurde, schürte den Glaubenseifer nur an und
trug zur Vermehrung der Anhängerschaft bei. Er hatte nunmehr den
Hauptsitz seiner Tätigkeit nach Biesental verlegt und bewirkt,
daß die Rosenfeldianer aus friedlichen Bürgern zu Fanatikern
und Radaubrüdern geworden waren. Sie bedrohten ihren Pfarrer und
veranstalteten 1770 einen förmlichen Tumult.

Rosenfeld hatte im Irrenhaus seinen Plan der Siegeleröffnung
keineswegs aufgegeben. Unter seinen getreuesten Anhängern befand
sich auch der Schäfer Gumto aus Mecklenburg-Schwerin. Ihm gegenüber
hatte er sein Inkognito gelüftet und sich Gumto und dessen Frau als
_wahrer Heiland_ vorgestellt, dem zur Öffnung des Buches mit sieben
Siegeln nur eine Kleinigkeit, nämlich die besagten sieben Jungfrauen,
fehlten. Da Gumto drei Töchter hatte, so machte ihm Rosenfeld klar,
daß unter den von Anbeginn der Welt zur Entsiegelung bestimmten
Jungfrauen auch sie sich befänden. Würde der Schäfer sie ihm nicht
ausliefern, dann würden alle Seelen über ihn »Ach« schreien.

Die Vorstellung der über ihn »Ach« schreienden Seelen machte
begreiflicherweise auf den Schäfer den tiefsten Eindruck. Er wollte
durch seine Weigerung nicht eine schreckliche Schuld auf sich laden
und war bereit die drei Töchter auszuliefern. Aber sie waren leider
noch zu jung! Doch die Zeit verging schnell und Rosenfeld befahl aus
dem Irrenhaus -- das man sich darnach als ein recht fideles Gefängnis
vorstellen muß -- dem Ehepaar Gumto, die älteste 15jährige Tochter
ihm zuzuführen.

Die Frau übernahm die Überbringung und schärfte der Tochter unterwegs
ein, den Befehlen des Propheten ja genau zu folgen, sonst wäre sie
ewig verflucht, da sie ja schon von Geburt an zu einer der sieben
Jungfrauen erkoren sei. Unterwegs nahm man noch einen Mann und eine
Frau, ebenfalls Rosenfeldianer, mit, um der bevorstehenden Zeremonie
mehr Weihe zu verleihen.

»In der Dämmerung kamen die vier Personen im Irrenhaus an und wurden
vom Türhüter in eine besondere Stube gewiesen. Rosenfeld, von ihrer
Ankunft benachrichtigt, erschien. Er fragte das Mädchen, ob sie eine
_Braut Christi_ werden wolle? Sie antwortete: Ja! Er fuhr fort:
So müsse sie auch alles tun, was er von ihr verlange. Ob sie das
aufrichtig wolle? Als das Kind auch hierauf ja antwortete, _legte er
sie auf ein dastehendes Bett und vollzog den Beischlaf mit ihm im
Angesicht der gegenwärtigen Personen_, nämlich der _eigenen Mutter_,
ihres nachmaligen Schwagers Lüdemann und einer Frau Naumann.«

Auf Grund günstiger Berichte über seine Aufführung(!) im Irrenhaus
wurde Rosenfeld im März 1771 aus der Irrenanstalt entlassen und
ließ sich 1775 dauernd in Berlin nieder. Hier verlangte er nun zum
Erlösungswerke von seinen Anhängern die sieben Jungfrauen. Man fand
das ganz selbstverständlich und außer den drei Töchtern Gumtos
lieferte ihm noch der Weber Glanz aus Biesental zwei und ein anderer
Anhänger, namens Meyer die beiden letzten.

Die armen Kinder behandelte er nun wie Sklavinnen, die er nach Laune
rief und fortschickte und im übrigen vom Morgen bis zum Abend für
ihn arbeiten ließ. Während er eine der sieben liebte und mit ihr
drei Kinder erzeugte, verhütete er Nachkommenschaft bei den sechs
anderen, die diesen faulen Wollüstling durch ihrer Hände Arbeit
ernähren mußten. Als eine der armen geplagten und halb verhungerten
Geschöpfe aus Hunger und Kummer zu ihrer Mutter floh, genügte die
Drohung Rosenfelds, wenn sie nicht zurückkehre, gehöre sie nicht zu
den sieben glücklichen Jungfrauen, sondern sei ewig verdammt und
verloren, um die Mutter zu veranlassen, die Tochter zur Rückkehr zu
zwingen. Zwei der Jungfrauen starben, zwei Töchter Gumtos heirateten
Rosenfeldianer. Niemand beschwerte sich.

Endlich im Jahre 1780 leitete Gumto eine Klage gegen Rosenfeld ein,
da er seine messianischen Verheißungen nicht erfüllt habe, wiewohl
der Kläger 15 Jahre sein treuer Anhänger war, ihm drei Töchter
auslieferte und in Armut, Spott und Verachtung gefallen sei. Er
bat Friedrich den Großen, Rosenfeld zu prüfen, ob er wirklich der
rechte Messias sei. Gumto erklärte aber in der Eingabe, »daß, was
an ihm sei, er sich nach der Schrift und nach der Vernunft _völlig
überzeugt habe, daß Rosenfeld wirklich der sei, für den er sich
ausgebe_, nämlich _der gerechte und lebendige Gott_!« Natürlich hatte
der Schwindler jetzt ausgespielt und mußte mit Staupenschlag und
lebenslänglicher Festungshaft seine Verfehlungen büßen[22].

       *       *       *       *       *

Eine einfache, aber raffinierte Schuhmachersfrau namens _Ulbricht_
gründete in einem Dorfe in der Nähe Dresdens eine religiöse Sekte,
die 1887 70 Mitglieder zählte. Sie verbreitete den Grundsatz des
Kommunismus und das Gebot der geschlechtlichen Abstinenz, auch bei
Verheirateten. Sie gab vor »Sendbotin Christi« zu sein, hatte öfter
göttliche Inspirationen, in welchen sie mit geschlossenen Augen (die
aber dann mit blauer Brille verdeckt waren), sich in einer Art länger
dauernder ekstatischer Hypnose zu befinden schien und erteilte in
diesem Zustande der Gemeinde detaillierte Weisungen über die Art, in
der sie ihr, der Prophetin, _ihr Vermögen anzuvertrauen hätten_. Das
geschah auch wirklich und einzelne lieferten ihr den ganzen Besitz,
bis zu 30000 Mark aus. Von den Mitgliedern der Sekte reisten mehrere
im Lande herum und heilten Kranke durch Händeauflegen.

Endlich wurde ein Bauer mißtrauisch, zeigte die Frau an und führte
ihre Verhaftung herbei. Die Ulbricht legte ein volles Geständnis
ab und bekannte, daß sie als ehemaliges spiritistisches Medium die
Praktiken zur Täuschung der Bauern erlernt habe. Wegen Betruges wurde
sie zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Merkwürdig und für die unüberwindliche Macht der Dummheit Zeugnis
ablegend ist nun die Tatsache, daß sie nach ihrer Rückkehr aus der
Strafhaft _von der Mehrzahl ihrer Gläubigen wieder als Prophetin
anerkannt wurde_ und daß die Sekte noch 1898, vielleicht auch heute
noch, fortbestehen konnte[23].

       *       *       *       *       *

Wohl die harmloseste Form, in der die religiöse Dummheit sich der
Massen bemächtigen kann, ist die der Wut zu predigen.

In Schweden trat in den Jahren 1840 und 1841 diese merkwürdige
religiöse Volkskrankheit auf und verbreitete sich über _mehrere
tausend Personen_. Bei jeder kleinen Aufregung begannen lokalisierte
Zuckungen im Körper oder Gesicht und es folgte der unwiderstehliche
_Drang zu predigen_, d. h. von den Visionen, die die guten Leute
erfüllten, zu berichten, vor Laster, Trunk und Lüge usw. zu
warnen. Das Volk nannte daher diese hystero-epileptische Seuche
»_Predigerkrankheit_«[24].

Nach dem Vorangehenden wird niemand mehr bezweifeln, daß auch
heute noch, trotz aller Aufklärung, Bildung und »Kultur« ähnliche
Vorkommnisse möglich sind. Ja, vor wenigen Jahren erst, 1907, hat
sich eine derartige _Schwärmerbewegung_ gezeigt und zwar _in Hessen_.

In Kassel und dessen weiterer Umgebung versammelten sich religiös
erregte Volksmassen, um zwei Norwegerinnen, die behaupteten, die Gabe
des Zungenredens von Gott zu besitzen und vom Evangelisten _Heinrich
Dallmayer_ nach Kassel gebracht worden waren, zu lauschen. Die beiden
Damen schrien zwar nur in unverständlichen Tönen und gaben vor, daß
es der Geist Gottes sei, der aus ihnen rede. Das genügte aber der
frommen Gemeinde, die sich zuerst im »Blauen Kreuz« zusammenfand,
vollständig als Befähigungsnachweis. Man feierte sie also als
Prophetinnen. Aber das Zungenreden wirkt ansteckend. Kaum hört die
Versammlung die mit wildem Enthusiasmus hervorgestoßenen Worte,
als sich auch schon neue Zungenredner melden. Die Norwegerinnen
verschwinden von der Bühne und der Hexensabbat beginnt.

Als Großalmerode, das von dieser heiligen Sekte hörte, eine
Deputation in die Kasseler Versammlung geschickt hatte, kann sie
sich, in die Heimat zurückgekehrt, eines Zungenredners rühmen. Auch
dieser wirkte Wunder, denn nach wenigen Tagen gab es in Großalmerode
ein halbes Dutzend, ja Dutzende, die diese Gabe zu besitzen
behaupteten, und in Bälde galt es sogar als höchst auffallend, wenn
ein junges Mädchen, ein halbwüchsiger Bursche, nicht ebenfalls
zungenredeten.

Die Symptome nun, die sich überall, denn Großalmerode war keineswegs
der einzige Schauplatz dieses Blödsinns, gleichmäßig zeigten, waren
folgende: Wenn die Stunde gekommen ist, verfällt der Zungenredner
in einen regelrechten Krampf. Mit leichten Zuckungen beginnend,
endet er mit den wildesten Gliederverrenkungen. Die Gesichter sind
verzerrt, die Augen starr, die Arme werden wild und sinnlos durch
die Luft gewirbelt und der ganze Körper schüttelt sich rhythmisch,
wie in furchtbaren Wehen. Das Knacken der Glieder und ein wüstes,
schauerliches Zähneklappern bildet die Begleitmusik. Dann hört man
wieder jammervolles Stöhnen, Seufzen und Schluchzen, das nur von
einzelnen mehr geheulten, als gesprochenen Gebetsrufen unterbrochen
wird.

Das ist der Auftakt. Nunmehr beginnt plötzlich und gewaltsam
das eigentliche Zungenreden. Eine Anzahl unverständlicher Laute
wird ungestüm in die Versammlung geschleudert. Meistens sind es
komplizierte und verworrene Orakelsprüche. Ein Ohrenzeuge hat
einen der einfachsten Sätze festgehalten. Er lautet: »Schallo mo,
dall badbad wotschikrei.« Die meisten lassen sich aber in unserer
Buchstabenschrift gar nicht wiedergeben.

Ein Mädchen hatte es sich bequemer gemacht, indem es in seiner
Besessenheit immer »toje, toje, toje ... to« schrie. Das genügte aber
auch vollständig den Offenbarungssuchern und ließ sich als höhere
Weisheit unschwer interpretieren.

Denn das Zungenreden allein tut es nicht. Die goldenen Sprüche
müssen erst durch einen Ausleger der misera plebs verdeutlicht und
verdeutscht werden. Daß dieser Interpret sich nicht viel anders
benimmt, als die Zungenredner, ist sicher eher dazu angetan seine
Autorität zu erhöhen, als zu vermindern.

Übrigens setzte sich die Versammlung ganz systematisch durch
stundenlanges Knien verbunden mit der Monotonie des ewigen Betens,
Seufzens und Jammerns, die dann plötzlich durch die tollen Ausbrüche
der Zungenredner unterbrochen wurde, in eine seltsame, für alles
Mystische empfängliche Stimmung. Dazu kam die von Augenblick zu
Augenblick geschickt gesteigerte Erwartung, daß nunmehr etwas
besonders Großartiges sich ereignen müsse.

Daß keineswegs nur Ungebildete sich an diesem Wahn, dem nach geraumer
Zeit die Regierung ein Ende bereitete, beteiligten, geht schon daraus
hervor, daß der _Pfarrer des Ortes sich an die Spitze der Bewegung
stellte_[25].

       *       *       *       *       *

Wenn wir im Kometenjahre 1910 soundsooft in den Zeitungen von Leuten
lesen mußten, die aus Furcht vor dem Weltuntergang selbst Hand an
sich legten, so waren das ja alles gewiß keine Beweise von hoher
Intelligenz. Immerhin ist der Gedanke, durch Zusammenstoß mit einem
Himmelskörper vernichtet zu werden, vielleicht falsch, aber an sich
keineswegs dumm. Der Halleysche Komet stand ja am Himmel, er näherte
sich mit unheimlicher Geschwindigkeit; daß die Erde in seine Nähe
kommen würde, war gewiß; also war doch zweifellos eine Ursache der
Furcht vorhanden, wenn auch nicht für Naturkundige. Zudem handelte
es sich wohl ausnahmslos um Landleute, die ein sicheres Ende einem
möglichen vorzogen, und ferner betreffen die Fälle meist Ungarn und
weniger zivilisierte Länder.

Was aber sagen wir dazu, wenn im aufgeklärten Deutschland im
Jahre 1912 sich in Bad Godesberg, in nächster Nachbarschaft der
Universitätsstadt Bonn eine Sekte bildet, die den Weltuntergang
prophezeit und zwar ausgerechnet auf den 21. März 1912 und wenn diese
Sekte Gläubige in gebildeten Kreisen findet?

Ein wahnwitziger Schwärmer hatte aus der Bibel den untrüglichen
Beweis für seine Prophezeiung erbracht. Seine Weisheit hatte er in
einem Schauertraktätchen unter die Leute verteilt. Natürlich fand er
Gläubige, die sich auf diesen großen Tag entsprechend vorbereiten
wollten. Unter ihnen befand sich auch eine Dame besten Standes, die
»um ganz rein vor dem Heiland zu erscheinen«, sich einer radikalen
Leibesreinigung unterzog. Ein einfaches Bad genügte ihr nicht in
ihrem frommen Sinne und so schüttete sie denn in das Badewasser ein
_großes Quantum Salzsäure_. Die Folge blieb nicht aus: beim Verlassen
des Wassers löste sich die Haut vom ganzen Körper ab, so daß die
Unglückliche in die Klinik verbracht werden mußte, wo sie wohl
inzwischen ihren Leiden erlegen ist[26].

       *       *       *       *       *

Wir sind am Ende!

Wer bezweifelt noch, daß es ausnahmslos die Autoritäten und zwar
fast ausschließlich die religiösen Autoritäten waren und sind,
die durch törichte Lehren der Dummheit oft in ihren furchtbarsten
Formen Anregung boten und Vorschub leisteten, ja noch leisten? Die
Dummheit aber gehört zum kostbar gehüteten, unverlierbaren Besitz der
Menschheit.




Literaturnachweis


I. Kapitel

[1] Vorstehende Beispiele nach Carl Julius Weber, Demokritos, Ausg.
bei C. H. Otto, Berlin, III. Bd., S. 216 f.

[2] Vgl. Emil Schürer, Gesch. d. jüdischen Volkes im Zeitalter
Jesu Christi, 2. Bd., 4. Aufl., Leipzig 1907, S. 553 ff. Die
Reinlichkeitsgesetze ebenda, S. 560 ff.

[3] Hermann Reuter, Gesch. d. religiösen Aufklärung im Mittelalter,
I, S. 41 ff.

[4] Über Agobards Schriften vgl. W. Wattenbach, Deutschlands
Geschichtsquellen, I. Bd., 6. Aufl., S. 211, Anm. 3.

[5] Karl Goedeke, Dichtungen von Hans Sachs, I. Teil (Deutsche
Dichter des XVI. Jahrhunderts, IV, 1), Leipzig 1870, S. XXII der
Vorrede.

[6] Vgl. Das Merckwürdige aus den kleinen deutschen theologischen,
philosophischen und philologischen Schriften, welche vor kurtzen an
das Licht getreten, II. Bd., Leipzig 1756, S. 469 ff., 519 ff. und
529 ff.

[7] Ebenda, II. Bd., S. 170 ff.

[8] Ebenda, II. Bd., S. 1049 ff.

[9] Ebenda, I, Leipzig 1753, S. 65 ff.

[10] Bayle, Dictionnaire historique et critique, Rotterdam 1698, I.
Bd., p. 21, Artikel Abel.

[11] Das Merckwürdige etc., I, S. 445 f.

[12] Ebenda, I, S. 143 ff.

[13] O. Zöckler, Geschichte der Beziehungen zwischen Theologie und
Naturwissenschaft, I. Bd., S. 628.

[14] Ebenda, I, S. 629.

[15] Ebenda, I, S. 689.

[16] Vgl. W. E. Hartpole Lecky, Geschichte des Ursprung und
Einflusses der Aufklärung in Europa. Übers. von H. Jolowicz, Leipzig
und Heidelberg 1868. I. Bd., S. 209 ff. und Zöckler, Theologie und
Naturwissenschaft, I, S. 338 ff.

[17] Vgl. W. E. Hartpole Lecky, Geschichte des Ursprung und
Einflusses der Aufklärung in Europa. Übers. von H. Jolowicz, Leipzig
und Heidelberg 1868. I. Bd., S. 209 ff. und Zöckler, Theologie und
Naturwissenschaft, I, S. 338 ff.

[18] Lecky, Gesch. d. Aufklärung, I, S. 230, Anm. 2.

[19] Das Merckwürdige etc., I, S. 614 f.

[20] Zöckler, Theologie und Naturwissenschaft, II, S. 47.

[21] Ebenda, II, S. 44 f., 351 und 471 ff.

[22] Vgl. C. Fr. Keil, Die biblische Schöpfungsgeschichte und
die geologischen Erdbildungstheorien in Kliefoths Kirchlicher
Zeitschrift, 1860, S. 479 ff. (nach Zöckler).

[23] Zöckler, II. Bd., S. 471-475, S. 558, Anm. 41 und S. 353.

[24] Ebenda, II. Bd., S. 703.


II. Kapitel

[1] O. Zöckler, Askese und Mönchtum, I. Bd., 2. Aufl., 1897, S. 237 f.

[2] Ebenda, I. Bd., S. 171 ff. und 177 ff.

[3] Lecky, Gesch. d. Aufklärung, I, S. 241, Anm.

[4] Zöckler, Askese und Mönchtum, I, S. 300, Anm. 2 und S. 302 f.

[5] Ebenda, I, S. 238 f.

[6] Gioja, Philosophia della Statistica tom, II, p. 389 zitiert nach
Lecky, Gesch. d. Aufklärung, II, S. 34.

[7] Lecky, Sittengeschichte Europas, II. Bd., S. 121.

[8] Ebenda, II, S. 107.

[9] Ebenda, II, S. 99 und 103.

[10] Ebenda, II. Bd., S. 100.

[11] Zitiert nach Lecky.

[12] O. Zöckler, Askese und Mönchtum, S. 529, Anm.

[13] Ebenda, I, S. 265 und 267.

[14] Ebenda, I, S. 279 f.

[15] Lecky, Sittengeschichte Europas, II. Bd., S. 99.

[16] Rieß, P. Canisius, S. 514, zitiert nach S. Riezler, Gesch.
Baierns, VI, S. 252. Die Puritaner Schottlands forderten dasselbe.
Vgl. H. Th. Buckle, Gesch. der Civilisation in England, übers. von A.
Ruge, 7. Aufl., Leipzig 1901, II. Bd., S. 376 ff.

[17] (Lipowsky) Gemälde aus dem Nonnenleben, München 1808, S. 65-77.

[18] Ebenda, S. 89 f.

[19] O. Zöckler, Askese und Mönchtum, I. Bd., S. 579 f.


III. Kapitel

[1] Graf von Hoensbroech, Das Papsttum in seiner sozialkulturellen
Wirksamkeit, I. Bd., 5. Aufl., 1905, S. 215-220.

[2] Ebenda, I. Bd., S. 384 ff.

[3] Kemmerich, Kultur-Kuriosa I, 10. Tausend, S. 242 ff. Teilweise
einschlägig auch S. 53 ff.

[4] Jakob Burckhardt, Die Cultur der Renaissance in Italien, 7.
Aufl., II. Bd., S. 73 und Exkurs LXXVII.

[5] Hoensbroech, Das Papsttum, I. Bd., S. 387 ff.

[6] Lecky, Gesch. der Aufklärung in Europa, I. Bd., S. 61, Anm. 3.

[7] Hoensbroech, 1. Bd., S. 428 ff.

[8] Ebenda, I, S. 442 ff.


IV. Kapitel

[1] Lecky, Gesch. der Aufklärung in Europa, I, S. 66 ff.

[2] Garinet, Histoire de la magie en France, p. 280, zitiert nach
Lecky.

[3] Lecky, Gesch. d. Aufklärung, I, S. 79-82.

[4] Lecky, I, S. 83-95.

[5] Ebenda, I, S. 98 f., 101 ff., 105 und 36. Über die Zustände in
Schottland vgl. ferner Buckle, Gesch. der Civilisation in England,
II. Bd., 5. Kapitel.

[6] Keyßlers »Reisen«, Hannover 1776, S. 150.

[7] Gustav Roskoff, Geschichte des Teufels, 2. Bd., S. 480 ff.

[8] Max Frh. v. Freyberg, Pragmatische Geschichte der bayerischen
Gesetzgebung, II. Bd., Augsburg 1836, S. 194-196.

[9] Ebenda, III. Bd., S. 290 f.

[10] Ebenda, III. Bd., S. 126 f.

[11] Karl Prantl, Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität,
München 1872, S. 299 f. und 303.

[12] Andreas Zaupser, Über den falschen Religionseifer eines
Ungenannten, München 1780, S. 13 f.

[13] August Kluckhohn, Der Freiherr von Ickstatt und das
Unterrichtswesen in Bayern unter dem Churfürsten Maximilian Joseph.
Festreden der bayr. Akad. d. Wiss., München 1869, S. 13-20.

[14] S. Riezler, Geschichte Baierns, VI. Bd., S. 302.

[15] Fr. A. W. Schreiber, Max Joseph III., der Gute, München 1863, S.
230 f.

[16] Hermann von Sicherer, Staat und Kirche in Bayern, München
1874, S. 7. Die von 1766-1775 zur Verteidigung oder Bekämpfung des
Hexenglaubens erschienenen Schriften sind zusammengestellt in den
Annalen der Baierischen Literatur vom Jahre 1781, Nürnberg 1782, II.
Bd., S. 130-134.

[17] F. A. von Besnard, Repertorium für katholisches Leben, Wirken
und Wissen, III. Bd., Landshut 1843, S. 52.

[18] Sicherer, Staat und Kirche, S. 65.

[19] Prantl, Gesch. der Ludwig-Maximilians-Universität, S. 264, 354
und 358 ff.

[20] Freyberg, Pragmatische Gesch., III. Bd., S. 326.

[21] Kluckhohn, Frh. v. Ickstatt, S. 27 f. und S. 15.

[22] Prantl, S. 645 und Schreiber, Max III. Joseph, S. 239.

[23] Besnard, Repertorium, III. Bd., »Denkwürdigkeiten aus der Gesch.
Süddeutschlands im 19. Jahrh.«, S. 57.

[24] Allerneueste Nachrichten, S. 657 f.

[25] Schreiber, Max III. Joseph, S. 211.

[26] Sicherer, Staat und Kirche, S. 101 f.

[27] »Reisen«, 21. Brief, S. 147.

[28] Lecky, Gesch. d. Aufklärung, II, S. 34.

[29] Ebenda, I, S. 122-124.


V. Kapitel

[1] Freyberg, Pragmatische Geschichte der bayerischen Gesetzgebung,
III. Bd., S. 156-165.

[2] Ebenda, III. Bd., S. 165-173.

[3] Felix Lipowski, Baierns Kirchen und Sittenpolizei, München 1819,
S. 12-14.

[4] Freyberg, III. Bd., S. 162, 164, 166 und 230.

[5] Karl Prantl, Gesch. d. Ludwig-Maximilians-Universität, S. 347 f.

[6] Lipowski, S. 1-4.

[7] Sicherer, Staat und Kirche in Bayern, S. 1-3.

[8] Schreiber, Max III. Joseph, S. 205-209.

[9] J. L. S. Bartholdy, Der Krieg der Tyroler Landleute im Jahre
1809, Berlin 1814.

[10] F. A. v. Besnard, Repertorium für katholisches Leben etc., III.
Bd., S. 90.

[11] Beyträge zur Vaterlandskunde Bayerns, I. Heft, 1801, S. 8 f.

[12] Schreiber, S. 202-207 und 211-215.

[13] Christian Meyer, Wie Bayern ein moderner Staat wurde, München
1903, S. 41 f.

[14] Sicherer, Staat und Kirche, S. 24.

[15] Besnard, Repertorium, III. Bd., S. 68.

[16] Ebenda, III, S. 69.

[17] Beilage der Münchener Allgem. Zeitung, 1905, Nr. 34, S. 271.

[18] Georg Längin, Der Wunder- und Dämonenglaube der Gegenwart,
Leipzig 1887, S. 43-46.

[19] Nach Schücking, Türmer XI. 2 (1909), S. 770.

[20] Lecky, Gesch. d. Aufklärung, II. Bd., S. 31 ff.


VI. Kapitel

[1] S. 146-187, zitiert nach Georg Längin, Der Wunder- und
Dämonenglaube der Gegenwart, S. 53. Das Buch heißt »Zur neuesten
Kulturgeschichte Deutschlands«.

[2] Längin, S. 57 f.

[3] Der Titel lautet »Dr. Martin Luthers Kleiner Katechismus
mit Erklärung«, Hannover, Verlag der Calenberg-Grubenhagenschen
Landschaft; ohne Jahreszahl.

[4] Längin, S. 48-51.

[5] Ebenda, S. 61-63.

[6] Roskoff, Gesch. d. Teufels, II. Bd., S. 606 f.

[7] Vgl. Längin, S. 89-91.

[8] Ebenda, S. 92. Anm. und S. 91-93.

[9] Berliner Tageblatt, 21. Dez. 1910, Nr. 647.


VII. Kapitel

[1] Heinrich Reusch, Die deutschen Bischöfe und der Aberglaube, Bonn
1879, S. 33-39.

[2] Ebenda, S. 39-42.

[3] Ebenda, S. 48 f.

[4] Ebenda, S. 61.

[5] Ebenda, S. 62-66.

[6] Ebenda, S. 95 f.


VIII. Kapitel

[1] M. Kemmerich, Lebensdauer und Todesursachen innerhalb der
deutschen Kaiser- und Königsfamilien, Wien 1909, S. 20.

[2] O. Zöckler, Askese und Mönchtum, 2. Aufl., S. 530 ff. u. 535.

[3] Ebenda, S. 611 f.

[4] M. Friedmann, Über Wahnideen im Völkerleben, Grenzfragen des
Nerven- und Seelenlebens, Wiesbaden 1900, S. 289.

[5] Ebenda, S. 249 f.

[6] Ebenda, S. 290 f.

[7] Lecky, Gesch. der Aufklärung in Europa, I. Bd., S. 18, Anm. 3.

[8] Friedmann, S. 293-295.

[9] Ebenda, S. 292 f.

[10] Ebenda, S. 295-297.

[11] O. Stoll, Suggestion und Hypnotismus, 2. Aufl., Leipzig 1904, S.
448 f. und 446.

[12] Nach J. L. Meyer, Schwärmerische Gräuelszenen oder
Kreuzigungsgeschichte einer religiösen Schwärmerin, 2. Aufl., Zürich
1824.

[13] Meyer, S. 327 ff. und J. Salat, Versuche über Supernaturalismus
und Mystizismus, Sulzbach 1823, vgl. Stoll, S. 462 f.

[14] Friedmann, S. 276.

[15] Ebenda, S. 266.

[16] Moritz Busch, Wunderliche Heilige, Leipzig 1879, S. 81 ff.

[17] L. Löwenfeld, Der Hypnotismus, Wiesbaden 1901, S. 480 f. und
Dresbach, Die protestantischen Sekten der Gegenwart, Barmen 1888.

[18] v. Bechterew, der Maljòwanni selbst untersuchte, in »Die
Suggestion und ihre soziale Bedeutung«, Deutsch von Weinberg, Leipzig
1899, nach Löwenfeld, Hypnotismus, S. 481 f.

[19] Stoll, Suggestion und Hypnotismus, 2. Aufl., S. 478-483, nach
Barzellotti, David Lazaretti.

[20] Löwenfeld, Hypnotismus, S. 480.

[21] Stoll, Suggestion und Hypnotismus, S. 504 ff.

[22] Ebenda, S. 509-514.

[23] Friedmann, Wahnideen, S. 267 f.

[24] Ebenda, S. 299.

[25] E. Buchner, Beilage der Münchener Allgem. Ztg., 1907, Nr. 203,
S. 228 ff.

[26] Münchener Neueste Nachrichten, 1912, Nr. 157.




  Dr. Max Kemmerich

  Kultur-Kuriosa

  Erster Band: Zehntes Tausend
  Zweiter Band: Sechstes Tausend
  Jeder Band geheftet 3 Mark 50 Pf., gebunden 5 Mark

    +Münchner Neueste Nachrichten:+ Wenn ich den Verfasser recht
    verstanden habe, so hat er mit dieser Veröffentlichung von
    Kulturdokumenten aller Zeiten und Völker das ethische Ziel
    verfolgt, im Spiegel der Vergangenheit das Bild der Gegenwart
    zu zeigen und dadurch auch seinerseits dazu beizutragen,
    daß Leben, Ehre, Freiheit und fremde Überzeugung jene
    Achtung genieße, die er mit vollem Recht als das wichtigste
    Kulturkriterium betrachtet, wichtiger als alle technischen
    und wissenschaftlichen Fortschritte und alle künstlerischen
    Großtaten.

    +Der Tag, Berlin:+ Ein ganz verflixtes Buch. Vom Standpunkt
    der Orthodoxie aus -- hüben wie drüben -- höchst verwerflich
    nach Tendenz und Inhalt. Und nun gar: wenn man sich
    »Töchterschülerinnen« als seine ungebetenen Leserinnen
    vorstellen wollte -- einfach Pfui Deibel! Und dennoch: recht
    zum Nachdenken bewegend, zur Einkehr stimmend, zur Umschau
    anregend. Notabene: Für solche, die ihr bißchen Spiritus
    gewöhnt sind nicht nach einem irgendwie vorgeschriebenen
    Schema F einzustellen. Bei allem Pessimismus, der daraus
    spricht, eine sinnige Gabe für geborene Optimisten .... Der
    wahre Satiriker will nicht nur bloßstellen, sondern auch
    bessern; so will auch dies Buch bei aller Boshaftigkeit oder
    doch Ungeschminktheit den unserer »Bildung« durchaus nicht
    überall adäquaten Stand unserer sogenannten Kultur heben.
    Möchte es vor allen Dingen unter die Augen der Männer geraten,
    die es namentlich angeht.                (Dr. Hans F. Helmolt)

    +Generalanzeiger Mannheim:+ Solche Bücher sind selten. Denn
    zu gern verschließt sich der Mensch solch krassem Bekenntnis
    der Wahrheit. Aber sie haben eben dadurch doppelten Wert.
    Kemmerichs »Kultur-Kuriosa« sollte jeder besitzen, der Anteil
    nimmt an menschlicher Kultur, und es ist jedem von uns
    heilsam, mitunter in dem Buche zu blättern.

    +Neue Züricher Zeitung:+ Eine Sammlung drastischer Anekdoten
    aus dem weiten Reiche der Kulturgeschichte mit viel Geschick
    ausgewählt zum Behufe des Nachweises, »daß unsere Kultur,
    soweit sie auf Befreiung von Grausamkeit, Intoleranz und
    Borniertheit beruht, noch sehr jungen Datums ist«. In der
    Tat ist es unglaublich, von welcher Barbarei wir herkommen,
    und in welcher Barbarei wir vielfach heute noch stecken,
    auf dem Gebiete des Rechts, der Ehe, der Sittlichkeit, des
    Glaubenslebens usw. Manchmal traut man seinen Augen nicht;
    aber der Verfasser beruft sich in einem überaus reichen
    Literaturnachweis durchgängig auf die besten Quellen.

    +Liberales Wochenblatt Straßburg i. E.:+ So wirkt das
    Büchlein kulturkräftig, als eine Mahnung zur Offenheit und
    Freimütigkeit in dem Eintreten für ein wahrhaft humanes,
    sittliches Kulturideal.

             Albert Langen, Verlag, München




  Dr. Max Kemmerich

  Dinge, die man nicht sagt

  Siebentes Tausend
  Geheftet 3 Mark 50 Pf., gebunden 5 Mark

    +Straßburger Post:+ Mit diesem Bande ist uns ein ganz
    köstliches Buch geschenkt worden. Es handelt von allem, was
    das Leben an Erscheinungen und Fragen bringt, von Schule und
    Universität und von Nationalgefühl und Moral, von Kunst und
    Humanität und von Kritik und Polemik. Es wird keinen einzigen
    Leser finden -- außer den Kritiklosen, die dies Buch nicht
    wert sind --, der mit einem einzigen seiner Aufsätze ganz
    einverstanden wäre. Aber auch keinen, der nicht gerade dort,
    wo er nicht zustimmt, über die rücksichtslose Offenherzigkeit
    und das fröhliche Draufgängertum sich freute, mit dem der
    Verfasser seine Meinung sagt. Dieser Mut zur Wahrhaftigkeit
    macht das Buch anziehend. Allerdings ist aber die besondere
    Gabe des Verfassers auf ein enges Gebiet begrenzt. Er ist ein
    überaus glücklicher Beobachter des bunten Treibens unserer
    »Gesellschaft«, das man in den beteiligten Kreisen als »unsere
    Kultur« bezeichnet. Aber zum tieferen Eindringen in die
    Probleme zeigt er hier entweder keine Lust oder kein Geschick.
    Darum sind die Abschnitte, deren Gegenstände am meisten ein
    Einsetzen der Kritik nicht an den Zweigen, sondern an der
    Wurzel erheischten, die unbefriedigendsten. Aber man soll sich
    durch die Gegenstände, deren Wahl ein Fehlgreifen ist, nicht
    den Genuß an dem andern, glücklich gewählten, verderben lassen.

    +Die Propyläen:+ Die »Kultur-Kuriosa« sind mehr als eine
    bloße Raritätensammlung, sie wollen den Nachweis führen, daß
    auch unser herrliches 20. Jahrhundert das dunkle Mittelalter
    noch immer nicht überwunden hat, während die »Dinge, die man
    nicht sagt« in systematischem Kriegsplan gegen die Gebrechen
    unserer Zeit vorgehen. Beide Bücher, insbesondere das zweite,
    das ich vorziehen möchte, müssen und wollen auf Schritt und
    Tritt anstoßen, aber sie enthalten eben doch einen wahren
    Kern, wie jeder zugeben muß, der sich von den Fesseln der
    Voreingenommenheit und der Phrase freimacht.

    +Niederschlesische Zeitung, Görlitz:+ Vielleicht ist man
    mit der Behandlung des einen oder anderen Themas nicht
    völlig einverstanden, aber in sehr vielen Punkten, ja man
    kann sagen in den meisten, muß man den Verfasser als einen
    grundgescheiten Menschen, der sich unter allen Umständen
    bestrebt, die Dinge ohne alle Schönfärberei zu betrachten,
    oder einfacher gesagt, der den Mut hat, vernünftig zu sein,
    recht geben. Wenn man ihm beispielsweise zuhört, wie er über
    »Wissensdurst und Universität« urteilt, wie er das zopfige
    Gelehrtentum herunterputzt, das an Stelle einer universellen
    lebendigen Darstellung stundenlanges trockenes Aufzählen der
    Quellen, der Werke, die der Darstellung zugrunde liegen,
    für die richtige geistige Kost hält, dann spricht einem der
    Verfasser aus dem Herzen! Nach dieser Richtung hin bietet das
    Buch eine Summe von Beobachtung aus dem täglichen Leben, und
    wenn nur die Hälfte von dem, was er sagt, Nachachtung fände,
    so würde es um vieles besser stehen um unsere Kultur.

             Albert Langen, Verlag, München




  Dr. Max Kemmerich

  Prophezeiungen

  Alter Aberglaube oder neue Wahrheit?

  Viertes Tausend
  Geheftet 5 Mark, gebunden 6 Mark 50 Pf.

    +Psychische Studien:+ Und doch wurde er unter dem Gewicht der
    Tatsachen von einem Saulus zu einem Paulus, _dessen Buch zu
    den besten der ganzen metapsychischen Forschung gehört_....
    Das Buch gehört in die Bibliothek aller, denen das Rätsel der
    Menschenseele und ihrer Fähigkeiten am Herzen liegt. _Es wird
    bahnbrechend wirken für die Seelenforschung._

    +Fränkische Volkszeitung:+ Das Buch wird manches Kopfschütteln
    erregen, manche Polemik hervorrufen. Aber an der Tatsache
    läßt sich nicht rütteln, daß uns sein Verfasser _eines der
    interessantesten und zum Nachdenken anregendsten Werke der
    Gegenwart geschenkt hat_.

    +Zentralblatt für Okkultismus:+ Bücher, wie das vorliegende,
    sind die wertvollsten Mithelfer und wir können es nur
    wärmstens allen Zweiflern empfehlen, allen »exakten
    Forschern«, die hier den geradezu mathematischen Beweis
    für das Vorhandensein der Kraft zeitlichen Fernsehens aus
    der Feder eines Nichtokkultisten erhalten ... sie können
    daraus vor allem lernen, wie man Fragen dieser Art mit
    wissenschaftlichem Rüstzeug Schritt für Schritt an den Leib
    rückt.

             Albert Langen, Verlag, München




Im Verlag von _Klinkhardt & Biermann_, _Leipzig_, erschienen folgende
Bücher von


  Dr. Max Kemmerich:

  Die frühmittelalterliche Porträtplastik in Deutschland
  bis zum Ende des XIII. Jahrhunderts.

  IV, 253 Seiten mit 112 Abbildungen. Geh. M. 11.--, geb. M. 12.50.

    +Kunst für Alle:+ Sehr tüchtig hat Kemmerich alles, was
    vorher an Einzelarbeit auf diesem Gebiete geleistet worden
    ist, benützt, mit kritischem Auge hat er gesondert,
    zusammengeschlossen und aufgebaut. Kunstforscher und
    Historiker auf K.s Porträtwerk hinzuweisen, hieße wohl deren
    literarische Umsicht stark unterschätzen -- aber wie vielen
    Künstlern und Sammlern, die schon immer nach einem derartigen
    Werke verlangten, das ihnen »Porträts« mittelalterlicher
    Persönlichkeiten zeigt, wird man das Werk immer als sicherste
    Quelle für neue künstlerische Werke oder als Quelle der
    Erinnerung und Vorstellung mit der Gewißheit des Dankes
    empfehlen können.


  Die deutschen Kaiser und Könige im Bilde

  Ein Ergänzungsbuch zum deutschen Geschichtsunterricht
  4°. VIII u. 60 Seiten. M. 2.50 kart.

    +Mitteilungen zur Geschichte usw.:+ Das Studium dieses
    trefflichen Werkes wird nicht nur den Historikern von Fach,
    sondern auch allen für die Geschichte Interessierten viel
    Nutzen und Belehrung bringen. Besonders auch für die Schüler
    wird das Werk anregend wirken.




Anmerkungen zur Transkription:


Im Original _gesperrt_ gesetzter Text wurde mit _ markiert.

Im Original +hervorstehende/größere+ Schrift innerhalb des
Anzeigenblockes wird mit + markiert.

Überschriften wurden im Schriftbild vereinheitlicht.

Brüche werden folgendermaßen dargestellt: 1 Viertel = 1/4, 1 Achtel =
1/8 u. s. w., die volle Zahl wird durch - vom Bruch separiert, d. h.
eineinhalb = 1-1/2.

Kreuze für den Todeszeitpunkt werden mit [+] markiert.

Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen;
lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Bis
auf offensichtliche Druckfehler wurde vom Haupttext abweichende
Schreibweise innerhalb der Zitate beibehalten. Die Punktuation in
Referenzen wurde weitestgehend egalisiert. Fußnote 17 zu Kapitel I
fehlt (Seite 286), ich habe die vorherige Fußnote 16 kopiert, da
die Richtung ähnlich ist und es sich sicher auch hier um Zitate aus
Zöckler und evt. Hartpole Lecky handelt. Auf Seite 205 (Kapitel VI)
wurde ein fehlender Fußnotenanker [7] gesetzt, der im Originaltext
nicht erscheint. Die Stellung des Ankers wurde durch Korrelation des
Originaltextes und des Zitates ungefähr ermittelt.


Übernommen wurden:

  Ampfelwang statt Ampflwang im Hausruckwald (Seite 257)

  Biesental statt Biesenthal (Seiten 276 und 278)

  Die Offenbahrungen Gottes im Erdbeben (Seite 30)

  Don Quichote statt Don Quichotte/Quixote (Seite 192)

  Eichstädt statt Eichstätt (Seiten 146 und 172)

  François de Paris statt François de Pâris (Seite 251)

  Gueranger (Seiten 223 und 224) und Guerangers (Seite 228) statt
  Guéranger

  Joseph Glanvil statt Joseph Glanvill (Seiten 123, 124 und 125)

  Kamoens statt Camõen (Seite 139)

  Leo Taxil statt Léo Taxil (Seite 193)

  Lion wahrscheinlich ist Lyon gemeint (Seite 136)

  parazelsianischen statt paracelsianischen (Seite 141)

  Reginald Scott statt Reginald Scot (Seite 121)

  Resonnanz statt Resonanz (Seite 41)

  Schlagenhorn (cornu serpentium) statt möglicherweise
  Schlangenhorn (2x Seite 79)

  stachliche statt stachlige (Seite 69)

  Tharand statt Tharandt (Seite 200)

  Trois-Echelles statt Trois-Échelles (Seite 117)


Einige Ausdrücke wurden in beiden Schreibweisen übernommen:

  anderm (Seite 81) und anderem (Seiten 61, 62, 138, 173 und 259),
  wie auch andern/anderen (verschiedene Textstellen)

  Auf seiten (Seite 22) und auf Seiten (Seite 130)

  Düstern (Seite 126) und düsteren (Seite 269)

  Ebensogut (Seite 10) und ebenso gut (Seite 136)

  Ekstatikerinner (Seite 254), ekstatische/r (Seiten 260, 261 und
  280) und Extasen (Seiten 249 und 251)

  Incubi (Seite 86) und Inkubi (Seite 86)

  Interprätationen (Seite 30) und Interpretation (Seiten 18, 73 und
  263)

  Lucifer (Seite 8) und Luzifer (Seite 193)

  Nurnoch (Seite 265) und nur noch (Seiten 93 und 145)

  Offenbahrungen (Seite 30) und Offenbarung (Seiten 1, 2, 3, 264
  und 276)

  soundsooft (Seiten 74, 115 und 283) und soundso oft (Seite 194)

  succubi (Seite 86) und Sukkubi (Seite 86)

  Tron (Seite 189), Trones (Seite 188), Trone (Seite 189) und
  Thronbesteigung (Seiten 120 und 188), Throne (Seite 178)


Folgende offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert:

  geändert wurde "jedem Narrn gefällt seine Kappe"
              in "jedem Narren gefällt seine Kappe"
              (Seite VII)

  geändert wurde "die Schriften des Erzbischofs _Agobard von Lyon_[3]
                  beweisen,"
              in "die Schriften des Erzbischofs _Agobard von Lyon_[4]
                  beweisen,"
             (Seite 14)

  geändert wurde "ausersehen hat. Jer. I, 5. Gal. 1, 15 sqq. Also kann"
              in "ausersehen hat. Jer. I, 5. Gal. I, 15 sqq. Also kann"
             (Seite 21)

  geändert wurde "Diese schon durch ihren Titel -- man beachte das
                  »größtenteils zweimal gestorben! - beachtenswerte
                  Untersuchung"
               in "Diese schon durch ihren Titel -- man beachte das
                  »größtenteils zweimal gestorben!« -- beachtenswerte
                  Untersuchung"
              (Seite 24)

  geändert wurde "Existenz der Antipoden _Abraham_, _David_, Hosea,
                  _Jesaja_, _Sacharia_,"
              in "Existenz der Antipoden _Abraham_, _David_, _Hosea_,
                  _Jesaja_, _Sacharia_,"
              (Seite 31)

  geändert wurde "da er nich von jemand getötet zu werden Gefahr
                  laufen wollte."
              in "da er nicht von jemand getötet zu werden Gefahr
                  laufen wollte."
              (Seite 33)

  geändert wurde "Pansophia Mosaica e Genesi delineate"
              in "Pansophia Mosaica e Genesi delineata"
              (Seite 29)

  geändert wurde "lassen, unter Umständen Tausende zu opfern."
              in "lassen, unter Umständen Tausende zu opfern."
              (Seite 52)

  geändert wurde "seinen Tränenstrom kaum zurückhalten. weil ihm"
              in "seinen Tränenstrom kaum zurückhalten, weil ihm"
              (Seite 63)

  geändert wurde "bestehend in 300 Geiselhieben und die kleine Disziplin
                  mit 36 Geiselhieben."
              in "bestehend in 300 Geißelhieben und die kleine Disziplin
                  mit 36 Geißelhieben."
              (Seite 69)

  geändert wurde "Der Hexen- und Teufelwahn in der mittelalterlichen
                  Kirche"
              in "Der Hexen- und Teufelswahn in der mittelalterlichen
                  Kirche"
              (Seite 72)

  geändert wurde "Im Jahre 1484 erschien die Hexenbulle, also zu einer
                  Zeit, als Lionardo da Vinci und Regiomontanus wirkten,
                  Kopernikus schon geboren waren."
              in "Im Jahre 1484 erschien die Hexenbulle, also zu einer
                  Zeit, als Leonardo da Vinci und Regiomontanus wirkten,
                  Kopernikus schon geboren war."
              (Seite 80)

  geändert wurde "die höchste kirchliche Autorität sowei die
                  Approbation der"
              in "die höchste kirchliche Autorität sowie die
                  Approbation der"
              (Seite 87)

  geändert wurde "ist, lautet: _Daemonastrix seu adversus Daemones
                  et Maleficos universi operis ad usum_ praesertim
                  Exorcistarum. Es handelt"
               in "ist, lautet: _Daemonastrix seu adversus Daemones et
                   Maleficos universi operis ad usum praesertim
                   Exorcistarum_. Es handelt"
              (Seite 99)

  geändert wurde "einige der gelehrtesten Geistlichen des 14.
                  Jahrhunders feierlich"
              in "einige der gelehrtesten Geistlichen des 14.
                  Jahrhunderts feierlich"
              (Seite 119)

  geändert wurde "27 Personen wurden in Massachusets hingerichtet."
              in "27 Personen wurden in Massachusetts hingerichtet."
              (Seite 126)

  geändert wurde "Fakultät approbiert sei.« Außerdem mußte das"
              in "Fakultät approbiert sei. Außerdem mußte das"
              (Seite 137)

  geändert wurde "Man sagte: Haeresis ist crimen, quod nec confession
                  celat."
              in "Man sagte: Haeresis est crimen, quod nec confession
                  celat."
              (Seite 139)

  geändert wurde "wird der Aufenthalt in Bayern verboten[20]."
              in "wird der Aufenthalt in Bayern verboten[20].«"
              (Seite 146)

  geändert wurde "anzukaufen. »Wahrhaften _Schrecken_ aber bereitete"
              in "anzukaufen. »Wahrhaften _Schrecken_« aber bereitete"
              (Seite 179)

  geändert wurde "Untertanen gegenüber übernommen hatte[16]."
              in "Untertanen gegenüber übernommen hatte[16].«"
              (Seite 179)

  geändert wurde "Fortschritten der Wissenschaft möglicht gar keine
                  Konzessionen"
              in "Fortschritten der Wissenschaft möglichst gar
                  keine Konzessionen"
              (Seite 184)

  geändert wurde "die Ruhe Europas bedroht. »Er erklärte"
              in "die Ruhe Europas bedroht.« Er erklärte"
              (Seite 186)

  geändert wurde "seinem Wesen nach intolerant.« Sein Keim"
              in "seinem Wesen nach intolerant. Sein Keim"
              (Seite 186)

  geändert wurde "mit Gleichgesinnten verehren wollen. Stahl wendet
                  sich"
              in "mit Gleichgesinnten verehren wollen.« Stahl wendet
                  sich"
              (Seite 186)

  geändert wurde "Als die Reformation in Schottland siegte, war einer
                  ihrer ersten Handlungen"
              in "Als die Reformation in Schottland siegte, war eine
                  ihrer ersten Handlungen"
              (Seite 189)

  geändert wurde "bei Staatsanstellungen usw usw. Verteidigt und"
              in "bei Staatsanstellungen usw. usw. Verteidigt und"
              (Seite 191)

  geändert wurde "Durch den Fall der Engel mit dem Menschenweibern sei"
              in "Durch den Fall der Engel mit den Menschenweibern sei"
              (Seite 202)

  geändert wurde "solchen frommen Glaubensstreitern auf protestanischer
                  oder katholischer Seite ginge, dann"
              in "solchen frommen Glaubensstreitern auf protestantischer
                  oder katholischer Seite ginge, dann"
              (Seite 203)

  geändert wurde "menschlicher Teufelei. »Nach dem"
              in "menschlicher Teufelei. Nach dem"
              (Seite 207)

  geändert wurde "im Sektenwesen äußerst sich der"
              in "im Sektenwesen äußert sich der"
             (Seite 208)

  geändert wurde "2) zur _Vertreibung der_ Pest;"
              in "2) zur _Vertreibung der Pest_;"
              (Seite 224)

  geändert wurde "Kinder als Opfer angeboten haben Da man sie"
              in "Kinder als Opfer angeboten haben. Da man sie"
              (Seite 261)

  geändert wurde "die es namentlich angeht]"
              in "die es namentlich angeht."
              (Seite 292 Anzeigenteil)





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK AUS DER GESCHICHTE DER MENSCHLICHEN DUMMHEIT ***


    

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Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™

Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s
goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg™ and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.

Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state’s laws.

The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
and official page at www.gutenberg.org/contact

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread
public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
visit www.gutenberg.org/donate.

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
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International donations are gratefully accepted, but we cannot make
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Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
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ways including checks, online payments and credit card donations. To
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Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of
volunteer support.

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