Die Osternacht. Erste Abtheilung

By Leopold Schefer

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Title: Die Osternacht
       Erste Abtheilung

Author: Leopold Schefer

Release Date: August 18, 2012 [EBook #40523]

Language: German


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Produced by Jens Sadowski








Leopold Schefer




Die Osternacht




Die Osternacht.


Erste Abtheilung.




Sinnwort:

   Erdennoth
   Keine Noth!
   Nur vom Herzen
   Kommen Leiden,
   Leben, Freuden,
   Tod und Schmerzen.





1.


Wer machte denn die Thür auf, Johannes? -- Johannes, hörst Du! schlafe nur
nicht so fest. Es weht die Kinder kalt in ihren Bettchen an. Geh', mache
sie zu! ich fürchte mich. Sieh', guckt es nicht dort mit funkelnden Augen
herein? hat es nicht Hörner? --

Christel fuhr unter die Bettdecke. Du bist ein furchtsames Kind, sprach
Johannes; und das kommt daher, daß Deine Mutter Dich zehn Jahre nach ihrem
vorletzten Kinde getragen und sich vor den Leuten geschämt und nur im
Dunkel ausgegangen. War sie denn nicht eine eheliche Frau, noch ein Weib in
ihren besten Jahren? Nun hab' ich mein Leiden mit Deiner Furcht, und auch
der ganz kleine Junge alterirt sich schon, wenn man ihn nur mit einem
Hasenfuß anrührt. -- Geh'; Daniel, stehe Du auf und mache die Thür zu und
sperre die Ziege ein.

Der kleine Daniel sprang mit bloßen Füßen aus dem Bett, um zu gehen.

Vater, rief er, es ist Wasser in der Stube! Bis über die Kniee! Mutter, die
Wiege ist schon zum Fenster geschwommen.

Du bist noch im Traume! Daniel, sprach die Mutter.

Nein, Mutter! wahrhaftig Wasser. Hörst Du? -- Und nun rauschte er mit den
Füßen darin.

Auch die Ziege kam gewatet. Die Mutter sprang aus dem Bett und eilte zum
Kleinen in der Wiege. Der Vater sah zum Fenster hinaus.

Um des Himmels willen, was ist denn? fragte Christel. Hu, wie kalt ist das
Wasser! --

Johannes antwortete nicht. Er hörte nur scharfes Läuten vom Kirchthurm, ein
dumpfes Rauschen, ängstliche Stimmen im Dorfe, gerufene Namen, Geschrei der
Kinder und hohles gedämpftes Gebrüll des Viehes. Männer und Weiber und
Kinder fuhren wie im Schattenspiel in der Nacht, selbst wie Schatten in
Kähnen vor dem Hause vorüber, wo Abends noch trockene Straße war. Ein Mann
führte seine Kühe watend nahe am Zaune des Gärtchens vor seinem Fenster
hin. -- Was ist das? fragte er ihn. Keine Antwort. Ein Anderer ritt auf dem
Pferde, einen Knaben vor sich. Ist denn das der Rhein hier? fragte er
diesen. -- Das Wasser hier im Hause der Rhein! wiederholte Christel. --

_Das Mal_ ist er es! antwortete Jener draußen vom Pferde, vorüber eilend;
macht, daß Ihr fort kommt, Johannes! der Damm ist gebrochen! --

Das hier der Rhein? das Wasser hier! Hat davon jemals im Dorfe ein alter
Mann erzählt? fragte Christel.

_Das Mal_ ist das der Rhein! Wir stehen hier im Rhein in der Stube! sagte
Johannes. -- Horch, wieder die Sturmglocke vom Thurm! das klingt ängstlich!
Nimm die Kinder, die Kinder, und fort, fort!

Laß Dich nicht übereilen, Johannes! sagte Christel gefaßt. Einen Augenblick
überlegt, was wir thun, was wir nehmen und lassen. _Der_ Augenblick kommt
nicht wieder! Das hat Dir Gott eingegeben, den Kahn noch gestern im Hofe
fertig zu machen, selber die Ruder hab' ich hineingelegt. -- Das Erste ist
die Nürnberger Bibel von meinem Vater, dann die Kinder und die
Sonntagskleider! Weißt Du noch Etwas?

Geld haben wir nicht! seufzte Johannes mit gefalteten Händen. Unser Haus
war das Beste -- und der Garten. Die Fische werden doch leben bleiben! So
bleiben wir Fischer! --

Nun in Gottes Namen! ich bin angezogen; trieb Christel.

So nahm sie denn das Kind in seinem Bettchen aus der Wiege, der kleine
Daniel rief seinen Staar vom Ofen: du Dieb! du Dieb! dann nahm er den
Vogel, der Vater den Daniel auf einen Arm, auf den andern das Mädchen, sein
Sophiechen, und so wateten sie zum Kahn, der schon flott war. Christel
stieg ein und blieb bei den Kindern. Der Vater holte noch die Nürnberger
Bibel und die Federgebette und die Sonntagskleider aus der Lade, legte auch
das hinein und fragte: haben wir sonst etwas Wichtiges vergessen? Daß ich
nicht weiß! sagte Christel; ich habe Alles! Da sprang noch die Ziege in den
Kahn, die Kuh war nicht mehr zu retten. Nun walte Gott! sprach Christel;
und so fuhr denn Johannes sachte und vorsichtig über die niedrige, schon
überschwemmte Mauer des Gehöftes mit dem Kahn voll seiner besten Habe
hinüber nach den Bergen, über welchen ruhig, sicher und fern der Komet mit
langem, weißem Schweife stand, der wie ein langes hinaufgestrecktes
Schneckenhorn des Berges zum Himmel reichte und geisterhaft und doch gütig
und freundlich den Menschen leuchtete.

Du hast gut da im Trocknen scheinen und steuern! sagte Johannes. Du bist an
Allem schuld!

Spotte nicht! verwies ihm Christel; es ist ein Bote des Herrn mit seinem
Stabe.

Es ward plötzlich still auf den verworrenen Lärm im Dorfe. Das Schreckliche
war geschehen. Die sich retten konnten, waren gerettet und waren nun still,
auch wo sie flohen; und die sich nicht gerettet; waren auch still; nur
manchmal erscholl noch Hundegebell, oder Geschrei der Hähne, die den Morgen
anriefen, oder Geläut aus benachbarten Dörfern, auch wohl ferner Schüsse
Hall das Thal hinab und hinauf, und ein lauer Thauwind fiel in zuckenden
Stößen vom Himmel.

So fuhr denn auch Johannes still an Mauern dahin, über Gärten und Wiesen,
die zum See geworden. Nur zuweilen kam es ihnen vor, als hörten sie rufen:
»Johannes!« und dann wieder schwächer: »Johannes!« aber es fiel ihnen nicht
ein, daß sie ihre _Dorothee_ vergessen, die auf dem Boden geschlafen. Sie
waren froh, daß ein Kahn sie einholte. »Guten Morgen!« grüßte es beklommen
herüber. »Guten Morgen!« dankten sie wehmüthig hinüber, und schweigend
gelangten sie ans Ufer.




2.


Da! nimm mir das Kind ab, Dorothee! sagte Christel und hielt es ihr aus dem
Kahn hin. Denn sie glaubte, das flinke Mädchen sei zuerst ans Ufer
gesprungen. Dorothee! wo bist Du denn? rief sie noch einmal. Sie sahe sich
um, sie überblickte den Kahn, da war keine Dorothee, und vor Schrecken
hätte sie bald das Kind von den ausgestreckten Armen ins Wasser fallen
lassen. Sie setzte sich aber und beugte sich über das Kind. --

Ich frug Dich ja noch, liebes Weib, sprach Johannes, ob wir Etwas
vergessen.

Etwas ist kein Mensch, erwiederte sie.

Du sagtest, ich habe Alles! sprach er. --

Ach, ich habe Alles, das sagt' ich, weil ich meine Kinder hatte! den
Daniel, das Sophiechen und den kleinen Gotthelf. Kehre um, Johannes, das
Mädchen ist Dir ja so lieb, wie ich und die Kinder! Sie hat Niemanden als
Uns, wer denkt an sie? so ist sie denn Uns auf die Seele gebunden. Kehr'
um! Soll sie so mißlich umkommen? Wie viel Häuser sind schon eingestürzt.
Johannes kehre um. »Johannes!« rief sie, »Johannes!« jetzt weiß ich, wer
rief, und wen sie meinte -- Dich, mein Johannes! --

Ich will! tröstete sie Johannes; nur wärmt Euch erst. So stiegen sie aus
und richteten sich ein. Die Ziege weidete unbekümmert; Daniel las Holz
zusammen, Johannes brachte einen Feuerbrand von dem Feuer des nächsten
Unglücksgenossen, und während dessen erschien der Purpurstreif der
Morgenröthe und beschimmerte das Thal und den Strom, und zuletzt kam auch
die Sonne und schien sich umzusehen. Von Zeit zu Zeit läutete es noch im
Dorfe vom Thurme. -- Wer muß das sein? sagte der junge Prediger, der
herzugetreten, denn dort steht der alte Küster mit allen den Seinigen. Die
Kirche liegt tief, und dem wir die Rettung, nächst Gott, am meisten
verdanken, der steht nun selber in Noth. Seht, ist nicht Jemand dort im
geöffneten Kirchthurmfenster? -- Es ist ein Mann! sagte Johannes, und
keiner aus dem Dorfe; ich dächte, er trüge einen andern Rock, als wir Leute
hier, jetzt weht er auch mit einem weißen Tuche. Nun geht er wieder läuten,
horch!

Das ist gewiß der Reisende, der gestern bei mir war und mich nicht zu Hause
fand. Er wollte heute wieder zu mir kommen, bemerkte der Prediger.

Ja, sagte der alte Küster. Als ich den Thurm aufschließen ließ, war er
schon da und riß mir die Schlüssel aus der Hand, trieb mich fort und sprang
selber zu läuten. Er ließ sich's nicht nehmen. Ich sah ihn gestern Abend im
Wirthshaus. Er hat auch ein Pferd.

Gehabt! sagte der Prediger; denn das ist nun ertrunken. Wir wohnen Alle
dort tief.

Das war wohl ein Schreckliches!

Ach, es ist noch ein Schreckliches! seufzte Christel und deutete stumm und
die Augen voll Thränen nach ihrem Hause, auf dessen Dache eine weiße
Gestalt saß neben der Leiter.

Wer von Euch ist das? fragte der Prediger.

Unsere Dorothee, die meine Frau mit aus dem Vaterhause geerbt, sagte
Johannes ihm leiser. Jetzt will ich hin. Das Dach hat sich schon gewandt,
denn die Morgensonne bescheint den Giebel, was sie in ihrem Leben nicht
gethan! --

Fahrt mit Gott! sagte der Prediger. Aber wer wird Euch begleiten außer ihm?
Die Männer sind fort nach allerhand Hülfe, oder retten noch; ich verstehe
es nicht, das Ruderscheit zu führen, und gehe denn lieber aus nach Zufuhr
ins nächste Dorf, daß Ihr wenigstens Brot und Wein bekommt. So ging er.

Christel küßte ihren Johannes; er küßte die Kinder, dann fuhr er allein
zurück. Er mußte zuerst an der Kirche vorüber, worauf der Fremde jetzt
stärker geläutet und nun hinab in das Fenster getreten. Johannes hätte
müssen kein Herz haben, wenn er ihn nicht zuerst in den Kahn genommen. Und
nach einigen kurzen Worten des Dankes half er nun selber hinüber rudern zum
Hause, von dem das Mädchen ihn mehr geängstet als er sich selbst über seine
Lage. -- So oft sie die Arme ausstreckte, riß ich wieder an der Glocke!
erzählte er Johannes. Sie legten an das Dach an, aber sie mußten ihr laut
zurufen, herabzusteigen, so erstarrt und versonnen saß sie da oben. Ja es
erschien dann, als sie gleichgültig die Männer ansah, sogar ein Trotz, eine
Rache, eine wehmüthige Lust, umzukommen, in ihrem Gesicht. Sie ward über
und über roth. Sie wähnte sich _vernachlässigt_, als eine arme vater- und
mutterlose Waise! nicht vergessen vor Angst; und auch jetzt hatte Johannes
_zuerst_ den Fremden eingenommen, und nicht erst auf der Rückfahrt! So
blieb sie, und auf wiederholten Zuruf schluchzte sie vollends vor Thränen
und kehrte sich ab. -- Laßt das arme Mädchen erst ausweinen und sich die
Thränen trocknen, damit sie die Sprossen der Leiter nicht fehlt, sagte der
Fremde mitleidsvoll. Sie hat nicht mehr an das Leben geglaubt; und nun
schlägt ihr das Herz auf einmal zu voll.

Und so stieg er selbst hinauf und geleitete Dorotheen hinab. Sie schwieg
während der Fahrt nach den Bergen und sahe zurück auf die Fläche des
Wassers, während die Männer hinüber ruderten. Sie brach voll brauner
Knospen schimmernde Zweige von den Obstbäumen, an denen sie hinfuhren, und
warf sie in das Wasser, ohne sie anzusehen.

Am Ufer warf sie sich der weinenden Christel an die Brust und sagte: Nun
seid Ihr so arm als ich!

Ist _das_ Dir ein Trost! erwiederte Christel.

_Nun_ werdet Ihr mich lieber haben! seufzte Dorothee. Ach, wie war mir
diese zwei Jahre her zu Muthe, seit der Prediger gestorben; und auch bei
ihm, wie oft hab' ich geweint!

Was kannst Du für Deine betrogene Mutter! sprach Christel. Es hat ihr auch
das Leben gekostet. Sei ruhig. Wir waren nicht reich, aber wir liebten
Dich! wir lieben Dich und sind nun arm.

Gott sei Dank! seufzte Dorothee leise, nun ist mir wohl.

Der Fremde hatte das schöne, sechzehnjährige Mädchen mit Verwunderung
betrachtet. Ihr habt da ein eigenes Kind! sagt' er. Schöne Mädchen müssen
nicht so stolz, so eigensinnig sein! drohte er ihr sanft mit dem Finger.
Dorothee wollte ihn böse ansehen; aber es gelang ihr nicht: denn von einem
freundlichen Blick getroffen, mußte sie endlich sogar auch lächeln, wie er
lächelte.

_Mir_ ist nicht wohl, sagte er, daß ich _jetzt_ arm bin. Ich kann nicht
einmal meinem Freunde hier anders als mit Worten danken!

Das ist nicht nöthig! sagte Dorothee. Er hat ja eigentlich mich geholt, wie
er spricht. Oder nicht?

Freilich! sagte Johannes.

So schenkte der Fremde nur einige kleine Stücke Geld an die Kinder, schrieb
sich Johannes Namen in seine Schreibtafel, drückte ihm die Hand,
versicherte ihm, daß er sich werde vernehmen lassen, schnitt einen Stock
aus dem Haselgesträuch, ließ sich den Weg nach Groß-Breitenthal weisen und
wanderte in die Berge.

Während dessen hatte sich die Schlinge, womit Johannes den Kahn an einen
Stein in der Eile und der Freude befestigt, abgezogen durch das Wiegen auf
den Wellen -- und jetzt war der Kahn schon unerreichbar, wandte in eine
Strömung und schwamm fort. Daniel schrie; Johannes sah ihm nach und sagte
dann: nun bin ich ein Fischer gewesen! nun ertrinken mir die Fische! --
Christel schwieg; Dorothee lächelte verstohlen, rief die Ziege, setzte sich
auf den Stein und melkte Milch zum Frühstück für die Kinder.




3.


Nun was sagt denn Deine Bibel? fragte Johannes nach Mittag seine Christel,
die darin las; welches Winzerhäuschen in den Weinbergen ist denn noch leer?
oder wohin sollen wir wandern? und was sollen wir anfangen?

Christel machte gelassen die Bibel zu, drückte die Schlösser fest, und eine
Hand auf den Deckel gestützt, sah sie ihn ruhig an. Siehst Du nicht, fragte
sie ihn, was darin steht? wenn Du auch die Schrift nicht lesen kannst: so
kannst Du doch in meinem Gesicht lesen, was darin steht: Zufriedenheit und
Vertrauen!

Aber können wir darin wohnen, wie in einer Hütte? können wir sie den
Kindern geben als Brot?

Du bist wunderlich, lieber Johannes, erwiederte Christel. Dir muß man das
anders sagen. Siehst Du, -- zu _deinem_ armen Vater Frommholz können wir
einmal nicht, da fern auch über den angeschwollenen Main, aber unter dem
Lesen ist mir nun eingekommen, daß mein Vater dem Herrn von Borromäus in
guten Zeiten auf inständiges Bitten 1000 Gulden geliehen hat. Er war ein
schwacher Mann und dachte, der Hase habe ihn geleckt, wenn ihm ein »Herr
von« die Hand gedrückt und sein erspartes Geld in eigner hoher Tasche nach
Hause getragen. Doch _das_ Geld hab' ich ihm mit dem Voigt selber hinauf
nach Breitenthal getragen, und ich bekam einen Dukaten Botenlohn, den unser
Sophiechen da noch am Halse trägt, und einen Kuß, den ich mir hundert Mal
abgewaschen. Ach, ich weiß noch wie heute, ich brach in seinen Armen vor
Scham und Schande und Jammer, und wer weiß vor was allem in Thränen aus und
war gar nicht zufrieden zu stellen. Ich kam mir vor, wie gestorben,
verdorben, entweiht und entehrt auf immer. Das war eine Noth! Der alte Herr
sogar war selber betreten und schrieb mir die Quittung. Und die 1000 Gulden
gehören von Gott und Recht laut Testament nun mir. Darum wollen wir hinauf;
denn unser Haus, das siehst Du, ist zerstört, und von dem Gelde bauen wir
es neu auf.

Der Edelmann hat ja niemals nur einen Kreuzer Interessen entrichtet und
behauptet, er hätt' es dem Vater schon wieder bezahlt! lächelte Johannes.

Leider hat es der arme verschuldete Herr gethan -- als wir noch Etwas
hatten und ohne ihn lebten; aber, Johannes, _nun_ wird er es nicht leugnen,
nun wird er es gewiß bezahlen, gewiß! nun wir verarmt sind.

Du hast einen guten Glauben! meine Christel, sagte Johannes fast unmuthig.

Die Mutter aber rief ihr Sophiechen herbei, nahm sie auf dem Schooß in die
Arme, wiegte sie und fragte sie liebkosend: Sage Du mir, Sophiechen, werden
wir das Geld bekommen? Nein? oder Ja! Nicht wahr Sophiechen, sag'! werden
wir das Geld bekommen?

Ja! sagte Sophiechen, mit der Post! --

Da hörst Du, Johannes! sagte die Mutter. Das Kind hat es gesagt.

Du hättest nur noch deutlicher zu ihr sprechen sollen: Sage ja! -- Ist denn
das Kind eine kluge Frau? oder bist Du eine kluge Frau? Du wirst schon
abergläubisch; das macht das Unglück! meine gute Christel.

Du wirst sehen, Johannes! was die unschuldigen Kinder sagen, ist wahr.

Wenigstens unschuldig. Was wollen wir Anderes machen als hoffen. Im Dorfe
kann uns Niemand helfen, Jeder braucht selber Hülfe. Es ist nicht zu weit
hinauf, darum wollen wir noch vor Abend hinüber! hier haben wir uns satt
gesehen an der lieben Gottesgabe, dem Wasser! Er wird doch irgend ein
Häuschen, oder ein Stübchen haben der Borromäus. Es sind auch Wagen von
Breitenthal da; Alles ist ausgetheilt, und sie fahren nun leer zurück, die
nehmen die Kinder mit, und wir gehen.

Das war bald geordnet, und so zogen sie in die Berge hinauf durch den
Fichtenwald. Johannes sah noch manchmal zurück und weinte dann, wenn er die
Kinder auf dem Wagen fröhlich darüber sah, daß sie fuhren, und Daniel, daß
er das Ende der Zügel halten durfte.

An der Waldkapelle mit dem Marienbilde aber war Christel heimlich zurück
geblieben, hingekniet und dankte für die glückliche Rettung und betete für
die Zukunft. Johannes hatte es gesehen, schlich hinzu und zog sie hinweg.

Ist das _unsre_ Heilige! fragte er sie strafend.

-- _Auch unsre!_ sprach Christel gelassen. Sie stellt die Mutter des
Heilandes vor, der doch _unser_ Heiland ist, und sie bleibt ja auch seine
_Mutter_. Ich bin auch eine Mutter, darum lasse mich nur! Mir war das Herz
zu weich, und das Auge zu voll, ich dachte nur an den himmlischen Vater,
das kann ich Dir sagen -- und das Herz ist mir ganz leicht geworden, das
kannst Du mir glauben.

Du bist ein Kind! sagte Johannes beruhigt. Aber er führte sie fort, und
nach kurzer Zeit sahen sie halb im Gebüsch einen Jäger stehen, der dem
Wagen nachsah.

Waren das Eure Kinder? fragte er sie, als sie ihm nahe gekommen.

Sie sind noch unser! Gott sei Dank! antwortete Johannes.

Ihr seid also mit verunglückt, sagte der Jäger mit halbem Frageton! und mit
stillen Blicken auf dem hübschen jungen Weibe, den braunen Augen, den
rothen Wangen, den vollen Armen ruhend, und dann in sich lächelnd, fragte
er Johannes: Wo gedenkt Ihr denn hin? --

Christel entdeckte ihm nun ihr Vorhaben, sogar von wem sie Geld zu erwarten
hätten.

Da kann ich Euch rathen! sagte der Jäger; ich heiße Niklas und bin in
Diensten auf dem Edelhofe. Von Eurem Gelde weiß ich nun freilich nichts;
aber daß der alte Herr Schulden hat, viele, was man sagt: Gläubiger, die an
ihn geglaubt haben, das singen die Sperlinge auf dem Kirchdache, wie das
eine und dasselbe Präludium des Schulmeisters Wecker, das sie alle Sonntage
auf der Orgel hören. Was soll ich es Euch verschweigen! Ich habe selber
einmal hinten auf dem Wagen, als wir zur Jagd fuhren, mit angehört, daß er
zu seinem Herrn Sohne, dem gnädigen Gottlieb -- denn so heißt er -- und das
ist er auch wirklich, einst sagte: Mein Sohn, lerne von mir! Ich spiele das
chinesische Sackspiel, wo zehn, ja zwanzig mit Sand gefüllte Säcke im
Zimmer von der Decke hängen, und der Spieler stellt sich mitten in die
Säcke, setzt sie in Bewegung, daß sie alle gehen, wie geläutete Glocken:
bim baum, bim baum! und nun besteht die ganze Kunst darin: jeden Sack, der
ihn stoßen will, selber zuerst fortzustoßen, und weder von den groben
Säcken allen zur Seite noch von vorn und von hinten tüchtig getroffen zu
werden! Freilich bricht mir der Angstschweiß aus, von der unaufhörlichen
Arbeit mit meinen sackgroben Gläubigern! aber ich stehe doch noch fest,
wenn auch mit tüchtigen blauen Flecken, woher ich sie gar nicht vermuthet.
-- Doch ich bin Kreisrath! und halte den Gerichtshalter warm, mich kümmert
nur das Proxeneticum! -- so sagt' er und lachte. -- Aber laßt das nur gut
sein, lieben Leutchen! Er hat jetzt eine furchtbare Brennerei angelegt, da
das Getreide gar nicht gilt, und wenn er an den vielen Stückfässern sich
nicht die Seligkeit an den Hals trinkt, weswegen er in seinem ewigen Taumel
schon bei lebendigem Leibe nur der _selige Herr_ im Dorfe heißt -- und eine
rothe Nase hat er sich auch schon bloß angekostet, und statt der Gradewage
braucht er nur die Zunge, so ein Kenner ist er -- wenn er noch lange der
selige Herr bleibt: so hat er, wie er sagt, in wenigen Jahren alle seine
Gläubiger sich vom Halse gebrannt und wegdestillirt! Darum habt nicht
gerade die größte Sorge, aber desto größere Geduld. --

Wenn er das Sackspiel so gut spielt, meinte Johannes --

-- so wird er Euch auch für einen ansehen, glaubt Ihr? Gedanken sind
zollfrei. Aber dafür ist der gnädige Gottlieb; das ist ein prachtvoller
Mann! dabei blickte er wieder auf Christel -- und daß er eine Frau hat, das
schadet nichts.

Das sollte ihm schaden? fragte Johannes.

Nun wie ich das meine! versetzt' er. Die Frau ist so schön und brav, daß
sie mir manchmal leid thut, aber auch wieder nicht, eben wenn ich bedenke,
daß sie gar so brav ist! Da kommt es auf Eins hinaus. --

_Diese_ Aeußerung des rohen Niklas bewog Christel, den Jäger das erste Mal
freundlich anzusehen. --

Nun kommt nur, kommt! ermuntert' er sie. Bei uns ist kein Raum, auch im
Dorfe wüßt' ich eben keinen. Aber ich getraue mich bei dem gnädigen
Gottlieb es zu verantworten, wenn ich Euch in ein leeres Häuschen weise.
Bewohnt ist es nie gewesen, aber es ist zu bewohnen. Denn in dem einen
Stübchen ist auch ein Ofen, daß wir es aushalten konnten, wenn wir früh an
kalten Wintermorgen auf die Vögel lauerten, und daß die Locken für den
Heerd des Nachts nicht erfroren. Es fließt ein muntrer Bach dabei vorüber
in den Main hinab. Aber jetzt kommt Niemand hin; die Vögel haben einen
andern Strich genommen, das junge Holz ist zu hoch geworden, und auch der
gnädige Gottlieb ist groß und hat nun andre Gedanken. Seht Ihr, dort drüben
stehen noch die Krakelstangen für die Vögel, wo sonst in der Mitte der
Heerd war; der Platz ist freilich mit Disteln besamt, aber er gäbe bald ein
hübsches Gärtchen, und Ihr sitzt im Holze, und anstatt der Miethe thut Ihr
ein paar Erntedienste mit der Hand, und ein paar Jagddienste mit den Füßen.

Ist das ein Vogelheerd, Vater? fragte Daniel; Vater, da wollen wir hin!

Der Jäger ging dem Wagen voraus, und so folgten sie ihm zu dem Heerde vom
Wege ab.




4.


Das Häuschen war nett. Christel öffnete die Thür, stieß die Fensterladen
auf, musterte es und sahe, was daraus zu machen sei, und wie Alles
eingerichtet werden müsse. Daniel brachte einiges bestaubte Werkzeug
hervor, eine Axt, ein Schnittmesser und Stricke und Breter. Johannes stand
mit gefalteten Händen noch draußen und hatte den Kopf gesenkt. Christel
küßte ihn, lachte und sagte: Vater, mache einen Tisch; und Du, Dorothee,
was sitzest Du auf der Schwelle und getraust Dich nicht hinein, oder
schämst Du dich! rühre dich, Mädchen, und hole Wasser aus dem Bach, daß
Alles wird, wie es soll. Ein Bett ist das Erste! Worin man beinahe das
halbe Leben zubringt, das muß bequem und weich und immer gut gemacht sein.

Auch die Ziege bekam ihr Cabinet. Der Staar hatte wieder seinen Sitz auf
dem Ofen erwählt. Der ausgetheilte Wein und das Brot langten noch morgen.
Und als die Kinder, zeitig zu Bett gegangen, schliefen, als das Feuer auf
dem Kamin loderte und in das Stübchen leuchtete, kniete Christel vor
Johannes hin, stützte sich auf seine Kniee und sah ihm in die Augen. Bist
Du mir gut? fragte sie ihn. -- Du armer Schelm! sagte er und hielt die Hand
auf ihrem Kopfe. Nun bin ich wieder froh, ich habe Alles! sagte sie fast
weichmüthig. Sieh' nur, wie herrlich die Kinder schlafen! und hast Du
gehört, wie sie gebetet haben? so fromm wie immer. Nur Daniel weinte still
und kehrte sich von mir, als er betete: »unser täglich Brot gieb uns
heut'.« _Der_ fängt schon an zu verstehen, wie den Aeltern um's Herz ist!
Morgen haben sie Alles vergessen! Und wenn die Kinder dann fröhlich sind,
was fehlt uns denn? Wir sind jung und gesund, und Arbeit ist hier überall;
in den Weinbergen ist Plage vom Frühling bis Herbst, und die Ernte will
auch geschnitten sein, und der Acker wieder bestellt. Das hört nicht auf,
das heilige Jahr! und die Jahre hören nicht auf! Das geht so fort wie eine
Mühle. Und muß denn die Mühle _unser_ sein? Den meisten Menschen gehört sie
ja nicht, sie gehört nur Einem, der Alle aufschütten läßt, was sie eben
bringen. In der Welt nährt eigentlich doch nur die Arbeit mit Ehren, und
_Andern_ arbeiten, ist ja auch eigene Arbeit und bringt uns _eigenes_ Brot.
Nicht wahr, mein Johannes?

Johannes antwortete nicht, sondern hatte die Augen geschlossen, und so
ruhte sie ein Weilchen mit dem Gesicht auf seinem Schooß. Und -- fuhr sie
dann lächelnd fort -- wenn das Wasser verlaufen ist, gehen wir hinab und
sehen, was uns noch etwa geblieben, und was für Fische auf unsern Bäumen
hängen!

Du willst mich munter reden, Du armer Schelm, sagte Johannes; aber es ist
Dir selber nicht recht um das Herz, sonst würdest Du mich nicht trösten.
Das hast Du nicht gewußt. Nun geh' nur auch zu Bett! sieh', Dorothee hat
sich schon fortgeschlichen. Die Zeit wird ihr lang bei uns, und nun erst
recht lang werden.

Sie weiß, was sich _schickt_, lächelte Christel. Wir sind ja Eheleute! --

Versteh' ich Dich recht, so bist Du ein Schelm! sagte Johannes. -- Und Du
mein _lieber_ Schelm, flüsterte Christel. -- Jugend ist doch Goldes werth!
meinte Johannes; wer im Alter arm ist, der ist wirklich arm! Lege an,
Christel! -- Der Kien ist alle; meinte sie lächelnd. -- Du bist mein gutes
Weib, sagte er; denn Du meinst es nur gut mit mir, weil Du weißt, daß ich
Dich lieb habe von Herzen.

Wie ich Dich! sagte Christel.




5.


Am nächsten Sonntage gingen sie schon früh hinab in das Dorf. Dorothee
blieb bei den Kindern. Sie nahten sich mit klopfendem Herzen; aber ihr
eigenes Leid ward gemäßigt, ja überwogen durch das Mitleid mit vielen,
vielen Menschen! Sie hörten schon von Weitem Gesang vom Kirchhofe und
Geläut von Begräbnissen, die fast kein Ende nahmen. Sie sahen kaum, daß
ihre Obstbäume im Garten bis an die Kronen mit Erd' und Sand verschwemmt
waren, daß Stroh und Holz in den Aesten hing; sie bedauerten kaum, daß ihr
Häuschen eingestürzt und der Boden ausgewühlt war, denn sie lebten, und
ihre Kinder lebten alle! und drüben segnete der Pfarrer einen Todten nach
dem Andern ein, um in geweihter Erde zu ruhen. Sie traten dann unter die
Menge der Betrübten, Neugierigen und Weinenden und begrüßten sich still
durch Kopfnicken und Lächeln mit ihren Bekannten. Dann hörten sie die
Predigt unter freiem Himmel mit an. Aber Christel getraute sich kaum, ein
Kind anzusehen, das seine Mutter verloren; und sie bejammerte nur still im
Geiste den Schmerz ihrer Kinder um sie; -- oder eine Mutter anzusehen, die
ein Kind verloren, oder den Mann, oder Kind und Mann! und sie lächelte
ihrem Johannes zu, erkannte ihn kaum und mußte ihn ordentlich bewundern,
wie er so in der Sonne stand! Sie getraute sich kaum Gott zu danken, so
bescheiden und gönnend schlug ihr das Herz. Und so war sie doppelt reich
und beglückt.

Als sie Nachmittags nach Hause gehen wollten, suchten sie noch zuvor auf
der Stätte ihrer Wohnung, und die Mutter las ein Körbchen voll allerhand
Kleinigkeiten zusammen, die noch zu brauchen waren. Ihre Katze stellte sich
ein, die Christel mitnahm, und Johannes fand ein kleines schwarzfleckiges
Schweinchen auf, das sein gehörte. Auch von Sophiechens Puppen waren zwei
in den Zweigen des großen Birnbaums hängen geblieben, ihr Gottlob und ihr
Annaröschen; und die Mutter weinte fast vor Freuden. So gingen sie gestärkt
durch die Ueberzeugung wieder heim, daß hier nichts mehr zu suchen sei, daß
sie nicht _das Beste_ verloren hätten.

Als sie nach Hause gekommen, fanden sie Dorotheen artig geputzt, die Haare
geflochten, und Christel bemerkte auch ein kleines weißes Bündel, das
Dorothee nun unter den Arm nahm, welche sie nur schien noch erwartet zu
haben.

Du willst uns wohl verlassen, liebes Mädchen? fragte Christel betreten.

Ich bin Euch jetzt zur Last, antwortete Dorothee; und ich will sie Euch
erleichtern.

Du erschwerst sie uns, wenn Du gehst, gute Dorothee, das glaube gewiß! Was
Viele mit Geduld und Lust ertragen, das ist kaum ein Unglück, so schwer es
zu sein scheint, und so schwer es den Einsamen drückt. Mit wem soll ich
mich nun ausreden, wenn Du gingest, wenn Du selbst nicht einmal mehr Ja!
sagtest, oder Nein! nach Deiner Art, oder gar nicht mehr zuhörtest! Und wie
werd' ich mich erst fürchten hier allein in der unheimlichen, schweigenden
Mittagsstunde, und in der Dämmerung, ehe Johannes von der Arbeit kommt? Du
meinst es nicht gut mit uns, nicht mit mir, noch den Kindern, Dorothee!
sagte sie halb bittend.

Dorothee schwieg und wollte ihr zum Abschied die Hand reichen, ja sie
küssen, um die feuchten Augen nicht erst sehen zu lassen.

Wo willst Du denn hin? Du thörichtes Kind, fragte Johannes. Muß es denn
sein? -- _Uns_ gehst Du nichts an, wenn wir Dich nichts angehen, Dorothee!

Dorothee sah ihn an, wandte sich dann zu Christel und sagte: daß Niklas
hier gewesen; daß die junge gnädige Frau eine Jungfer brauche, und so wolle
sie bei ihr Jungfer werden im Schlosse.

Jungfer werden im Schlosse? fragte Johannes mit sonderbarem Lächeln und
meinte: So ein Schloß, wo das einträte, wär' heut zu Tage was werth! und
kein _verwünschtes!_ Ich weiß des Niklas Worte noch wohl. Ich seh' nicht so
dumm aus, als ich bin!

Auch nicht so böse, Johannes! verwies ihm Christel. Man muß keinem Mädchen
und keiner Frau Furcht machen vor einem Manne! das ist der verkehrte Weg,
kann ich Dir sagen; in der Furcht regt sich das Böse und wächst wie die
stachlige Wassernuß im Teiche. -- Will sie ziehen, so laß sie ziehen. Sie
hat kein schwaches Gemüth, und was sie thut, das wird sie _wollen_. Darauf
kenn' ich sie.

Wird ihr das helfen? fragte Johannes.

Jetzt gerade will ich ziehen, sagte Dorothee entrüstet.

-- Im Grunde betrachtet, thut sie so übel nicht, nahm Christel wieder das
Wort. Bei uns hat sie nur Arbeit gehabt, selbst in guten Tagen; jetzt hat
sie noch schlechte Tage dazu und kann eher bei uns nun das Essen verlernen,
als Nähen lernen. Beim Prediger, der sie erzogen, hat sie Alles genug
gehabt, Alles bequem, ja nett und schön, bis auf die Handschuh; mein Vater,
der sie gleichsam von ihm geerbt, hat sie gehalten besser als mich, da ich
in den Jahren war. Nun haben wir sie geerbt, und sie will vielleicht ihr
eigen sein, da Niemand Anspruch an sie macht, und wir jetzt scheinen ihrer
zu bedürfen. Und sie hat doch Anspruch vielleicht auf ein so schönes Glück
als ihr Gesicht, wie irgend sonst ein Mädchen. Denn nicht die Reichen
werden immer die Glücklichsten! selten! ja selten nur glücklich. Und Vieles
braucht ein Mädchen einst zu wissen, was sie bei uns, bei mir nicht lernt.

Aber zu _dienen_ hätte sie nicht nöthig! murrte Johannes. Im eignen Hause
die Tochter auferzogen, und aus der Mutter Hand dem Manne anvertraut, das
ist das Beste. -- Ich habe keine Mutter und keinen Vater, sagte Dorothee
und sahe Johannes dabei an.

Ist denn zu Dienste ziehen so etwas Schlimmes? meinte Christel. Niemand
dient ja um das liebe Brot und die Schuh' und die Kleider! Sondern ein
Mädchen sieht in fremden Häusern besser als in dem eignen, und mehr und
anderes, wie die Wirthschaft geht. Sie sieht und lernt die wichtigen und
kleinen Geschäfte einer Hausfrau, sie lernt am Kinderzeug _ihr_ Kinderzeug
einst nähen, was zu Hause kaum mehr vorkommt; sie lernt Brot backen oder
Kuchen zu kleinen Festen einst bei sich; sie lernt aufmerksam sein und
denken, sich loben und sich tadeln lassen, sie lernt einem fremden Willen
folgen, nicht bloß Speisen bereiten, die _sie_ gern äße, nicht _so_
zugerichtet, wie sie wollte, nicht sich kleiden, wie sie wünschte -- früh
aufstehen, spät zu Bette gehen, vertreten, wenn ein Topf zerbrochen wird,
und nicht entgegen reden, wenn sie ein Versehen gemacht, und es
entschuldigen will und könnte. Sie lernt schweigen, hören, sie lernt
_lernen_, selbst Unrecht erdulden und sich auch für Böses bedanken; kurz
sie lernt eine _Frau_, eine _Mutter_ werden.

_Das_ kann kommen! meinte Johannes. Ich bin arm, recht arm, und werde bei
diesen Anstalten Gottes im Leben nicht reich; aber eh ich mein Kind von
fremden Leuten -- denn die eignen schämen sich -- nur scheel ansehen,
geschweige -- -- lieber noch schlagen und mit Füßen treten ließe, lieber
soll sie ihren Vater nicht vor Gram in das Grab bringen, wie Deine
Schwester Martha Deinen Vater. Von Grund' aus muß man reden! Das Drüberhin
ist Sünde, wenn man die Wahrheit im Herzen behält.

Christel wendete sich ab und weinte!

Johannes nahm Sophiechen auf den Arm und fragte sie: hast Du mich lieb? wie
lieb denn? meine kleine Tochter! Und das Kind schlang die Händchen um
seinen Hals und drückte ihn, daß es zitterte und keinen Athem hatte. -- Der
Vater weinte.

Da Niemand sprach, sagte Dorothee: So lebt denn wohl! ich gehe. Ich danke
Euch für Alles, auch für das!

Christel aber sagte: komm her, noch einmal, meine Dorothee! sieh', hier
schlag' ich Dir die Bibel auf, hier lies den Vers mir laut und ohne Beben
mit der Stimme; und zu deinem Zeugniß sollst Du mir ihn immer lesen, wenn
Du wieder zu uns kommst. Du kommst doch manchmal und siehst, ob wir noch
leben?

Dorothee war weich; aber sie las ohne Beben mit der Stimme und laut den
Vers:

   »Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen!«

Dann machte sie sich von den Kindern los, die sich an sie gehangen, und
ging, ihr kleines Bündel unter dem Arm.




6.


Auf dem Hofe war Alles in Thätigkeit, große Anstalten wurden gemacht, denn
das Landesväterchen, oder der Ländchenvater sollte durch Breitenthal kommen
und auf dem Schlosse übernachten. Niklas nämlich kam und nannte ihn so,
weil ein Wolkenschatten sein Land schon überdecken konnte, und ladete
Johannes ein, Theil an den Arbeiten zu nehmen und sich ein Stück Geld
zusammen zu verdienen. Der selige Herr, sagte er, rechnet sich großen
Vortheil von einem solchen Besuch, wenigstens eine nachgelassene
schriftliche Sauve-garde gegen seine Ungläubigen, die Gläubiger. Das
Memorial ist schon aufgesetzt. Er verschreibt den Juden, so viel Procent
sie begehren; denn Alles soll kostbar sein, und das Bett ist auch ein
Prachtstück, so daß dem Prinzen schaudern wird, sich hinein zu legen! Da
sind goldne Fransen von massivem Holz an den Vorhängen, Quasten, Spiegel,
kurz Alles im Zimmer, was ein Mensch gar nicht zu brauchen im Stande ist.
Was aber die Zurüstungen zum Empfange betrifft, da sagt er: mit nichts
Ernsthaftem kann man einem Großen das Herz rühren; die Thränen lieben sie
nicht, lachen müssen sie! Lachen müssen wir! Wer sie zum Lachen bringt, der
hat einen Stein in ihrem Brete. Und so hat Er mit dem gnädigen Gottlieb hin
und her gesonnen, bis er eine Hauptwache nebst Nobelgarde sich ausgedacht,
die dem Gefeierten an der Grenze das Gewehr und sich selbst präsentiren
soll, wie noch keine andre Garde in der Welt. Wir haben ein Fichtenwäldchen
niedergeschlagen bis auf 24 Stämme am Wege; je zwei und zwei, die dicht
neben einander stehen, wie zwei Beine, bilden einen Mann, der ausgestopft
wird; oben werden bloß die Wipfel abgeschlagen, die Aeste vom Stamm
geputzt, und nun werden die Kerls in mannshohe Stiefeln gesteckt, ihnen
Hosen und Westen und Röcke angezogen, Masken vor, und Halsbinden
umgebunden, und große Chakos aufgesetzt, ein Seitengewehr umgeschnallt, und
losbrennbare Flinten in die ungeheuern Bärentatzen gegeben. Im Rücken aber
wird eine Leiter angesetzt, ein natürlicher Mensch steigt in den Corpus und
exercirt, wie ein hineingefahrner Geist, den hohen Besessenen. Auch der
Tambour darf nicht fehlen und das furchtbare Schilderhaus, wie ein
separates Glockenthürmchen, noch der entsetzliche Flügelmann. Die
rothbäckigen Masken dazu liegen schon im Tanzsaal; Tuch, Leder, Leinwand,
Pappen, Alles ist da, und der Heuwagen voll Schneidergesellen ist gestern
Abend, in zwei Etagen sitzend, ins Dorf gejubelt, welche die großen
Christophe ausmeubliren und uniformiren sollen. Zum großen Glück haben wir
einen wandernden Schuhmachergesellen, den _Ronneburger_, aufgegabelt, der
die Stiefeln nach dem großen Stiefel machen soll, welcher, wenn die
Gesellen in Ronneburg zampern zu Fastnacht, auf den Straßen wandert wie von
sich selbst, einen Sporn am Absatz wie ein Steuerruder; der Wein trinkt,
und die Gläser oben zum Schafte hinauswirft, wie ein Stiefel aus einer
bessern Welt! Ich habe den lustigen Bruder arbeiten sehen, und so oft er
Eins trinkt mit dem seligen Herrn, singt er auf den Helden und
Schutz-Patron aller Herrnschuh-Macher und Flicker, den braven Hans von
Sagan, den Ehrenvers:

   Unserm Hans von Sagan zu Ehren
   Laßt die klingende Musicam hören!

Ihr müßt Euch einmal die Geschichte von dem Schutzpatron vom Ronneburger
erzählen lassen, wenn Ihr bei ihm arbeiten wollt; wie der Hans von Sagan,
ein Schuhmachergesell, in Königsberg, das belagert war, in der höchsten
Noth einen Ausfall gethan mit seinem Gewerk, die Fahne getragen und als ihm
das Eine Bein abgeschossen, noch auf dem andern mit fliegender Fahne unter
klingender Musika in den Feind gehopst. Seit der Nacht führen die
Herrnschuh-Macher seinen Fuß oder Stiefel beständig im Schilde. -- Und auch
eine neue Chaussee wird gemacht, ein gerader Weg durch Dick und Dünn, auf
jeder Seite ein Graben gezogen, und der Sand und die Steine auf den Fahrweg
geworfen. Wäre die Arbeit Euch nicht recht, so könnt' Ihr mit an der
Pyramide von Reisig mitten im Dorfe arbeiten, wozu der Schulmeister Wecker
die Inschriften macht, und der Gärtner die großen Buchstaben darauf aus
Blumen. Der Daniel kann schon Kränze winden, und wenn Eure Christel nähen
will, so kann sie mit helfen Westen, Hosen und Röcke für die Mannschaft da
draußen machen. Es ist nur ein wahres Glück, daß die Kerls nicht essen und
trinken und nicht einmal einrücken, sonst äßen sie ganz Breitenthal auf und
tränken die Keller des seligen Herrn bei einigen Frühstückchen aus.

Nun was Ihr wollt, Johannes! ich muß Alles anwerben, was Hände und Beine
hat. Kommt mit, kommt nach, und leset Euch Arbeit aus, ich habe nicht Zeit
dazu -- Gott sei Dank!

So ging er. --

Siehst Du, mein Johannes, Gott schickt uns Arbeit! sagte Christel fröhlich,
als Niklas fort war.

Aber was für welche! sagte Johannes halb lachend, halb erboßt. Ist das
Arbeit? schickt die Gott? verdient man das Geld nicht mit Sünden? Und
_dazu_ lassen vernünftige Menschen sich brauchen und singen und jubeln
dabei wie die Schneidergesellen und der Hans von Sagan! _Dazu_ müssen die
Pferde sich fast um das Leben ziehen und sich mißhandeln lassen, als
retteten sie Israel. Ja ich konnte es gar nicht ansehen, wenn mein Pathe,
der Leinweber, ein alter, sonst ehrwürdiger Mann, 6 bis 7, ja 8 Stunden
lang bei der Sonntagstanzmusik im Weinhaus hinter der Baßgeige steht, und
immer streicht »G. D.! -- D. G.! -- G. D.!« denn so viel hab' ich davon
gelernt, und ernsthaft bleibt, wie der Baßgeigenkopf, dem er seine Perücke
aufgesetzt, während die jungen Burschen um die Säule toben, daß man sein G.
D.! -- D. G.! kaum hört. Ei, so wollt' ich die Baßgeige! Manchmal ward er
aber auch selber wild und strich mit dem Bogen ganz unbarmherzig darein,
daß es ein Grausen war. Das freute mich von ihm! Da ist nun gar keine
Frage, daß die alte Baßgeige glücklicher ist als der arme Mann, und die
hölzerne Säule fast verehrungswürdig gegen die Bürschlein, die mit den
Mädchen darum tanzen, ja selber der Branntwein ist nobler, als wer ihn
trinkt, und ist es der selige Herr von Borromäus! -- Ich lerne die Welt
ganz anders ansehen, viel geringer und schlechter, das will ich Dir nur
sagen, Christel! Aber das seh' ich auch, wenn sie denn gar so thöricht ist
und alles Närrische in ihren Schutz nimmt, wie ein Kind die Puppen: so
kommt keiner um, am wenigsten ein Thor und ein Hasenfuß, eher wir, und am
liebsten -- ich. Den Pathen mit der Baßgeige vergess' ich in meinem Leben
nicht, und nun soll ich gar gehen: pappene Stiefel machen! Näh' Du, was Du
willst, Christel, wenn Dich's nicht erbarmt, das edle Tuch so zu verwüsten
zu einer Weste, wovon wir Alle Rock, Hosen und Westen hätten, Jahre lang --
ich bleibe zu Hause und warte auf den Rebenschnitt! --

Du bist ein Kind! sagte Christel. Aus aller Mühe und Arbeit wird ja die
Freude! Im Weinberg -- was wird denn aus den mühselig bestellten Reben?
Nicht wahr Trauben! süße Trauben; und was wird aus den mühsam gelesenen,
mühsam gekelterten Trauben? Nicht wahr Wein! lieblicher Wein! -- Da hast
Du's! Nun schweig' und besinne Dich. Denk' an die Kinder, wenn Du am Wege
schaufelst, denke, Du worfelst Korn für uns, flugs wird der Sand Dir von
Golde sein! Die Großen verthun ihr Geld, wie sie nur können, und wie sie
wollen, wenn sie es nur verthun. Aber das ist weislich schon so geordnet,
sie können es nicht da droben halten, wie die Wolke den Regen nicht, und
wir Armen fangen es auf mit der Schaufel, mit dem Hute, mit dem Pfriem, mit
der Nadel, mit Säge und Hammer -- was Jedem Gott in die Hände gegeben hat.
Marsch, mache, daß Du zur _Arbeit_ kommst! Willst Du fort! lachte sie und
ergriff im Scherz die frischgemachte Kinderruthe.




7.


Sophiechens Dukaten war verwechselt, und bei der Sparsamkeit der lieben
häuslichen Frau langte er glücklich bis zum Feste, nach welchem das Lohn
zusammen ausgezahlt werden sollte. An dem Morgen selbst mußte Christel mit
helfen Blumen winden. Johannes arbeitete an der Pyramide und befestigte die
bunten duftenden Buchstaben, die an den vier Seiten derselben auf dem
grünen Rasen geordnet lagen. Der Schulmeister _Wecker_ hatte die Aufsicht.
Als er aber sein Werk so prangen sah, war er überglücklich, und wie ein
junger Schriftsteller in dem ersten Probebogen seines, so Gott will
berühmten, Werks keinen Druckfehler sieht vor Hast und Entzücken: so sah er
auch die Fehler des Blumensetzers Johannes nicht, sondern lobte ihn sehr
und war ganz begnügt, als er nur erst den Anfang der Schrift der ersten
Seite, das SALU -- -- -- gesehen. Richtig! sagt' er, das wollt' ich nur
wissen! nun könnt' Ihr gar nicht mehr fehlen, Johannes! Setzt nur die
Buchstaben, wie sie geordnet liegen. Ich muß zu Hause nachsehen, mein Fritz
schreibt das Carmina. Es ist in rothen Manschester gebunden, den ich aus
Anstand von meiner Seligen Muffe auf dem Altar des Vaterlandes geopfert --
der Mann bin ich! Denn werde ich auch nicht General-Schulmeister für die
bedungene öffentliche Erwähnung, so wirft mir der selige Herr bei
erwünschtem Resultate doch eine Klafter raupenfräßiges Schuldeputatholz an
den Kopf, daß meine armen Herren Jungen im Winter -- als wo sie bloß in die
Schule gehen -- nicht so klappern und summen vor Frost wie die Bienen im
Stocke. Mit blauen Nägeln schreibt man schlecht, das muß ich wissen! und
von zu vielen Knipseln oder Handschmissen, um die Hände zu wärmen, aus
Liebe zu sauberer Schrift gegeben, laufen am Ende die Finger auf! bei
Manchen gleich zu Anfang! Nun setzt nur Eure Buchstaben ohne Conrector.

Ich will redlich helfen, Euch warm zu machen! versicherte ihn Johannes.

Aber die lustige Dorfjugend buchstabirte darin umher mit Augen und Händen
und Füßen. Die Kinder suchten sich den schönen großen wohlriechenden
Anfangsbuchstaben ihres Namens; Einer hob ein V auf, ein Andrer ein H. Ein
Mädchen hatte ein E und ein M in den Händen, ein andres ein E und ein R,
und sie spiegelten damit in der Sonne, ließen sich an die Blumen riechen,
ja sie neckten und haschten sich zuletzt um die Pyramide damit umher.
Wollt' Ihr die Buchstaben liegen lassen, Kinder, sagte Johannes, ich
verschreibe mich ja sonst! Seht der gnädige Gottlieb kommt dort geritten!
-- So blieben denn plötzlich die Kinder stehen auf der Seite, wo jedes eben
mit seinen Buchstaben war, legten sie still in die Reihe und die Lücken,
wie es eben kam, und schlichen sich fort.

Der gnädige Gottlieb kam aber wirklich, um dem Prinzen entgegen zu reiten,
und hinter ihm ritt Niklas und sein Jägerbursche in Galla, mit aufgesetzten
Büchsen. Ein Blick von Niklas auf seinen Herrn, und dieser hielt vor
Christel, die vor ihm auf dem Rasen saß und ganz rothgeworden war. Sie
erhub sich aber nicht und sahe nicht auf. Der junge Herr lächelte nur, und
sie ritten vorüber. Dann kam auch Dorothee, sehr lieblich gekleidet in
ländlicher Tracht, das seidene Kissen für das Gedicht auf den Händen, und
andere Mädchen begleiteten sie. Auch Clementine, die junge gnädige Frau,
kam ein Augenblickchen, zu sehen, seufzte und schlich sich dann mit
gesenktem Köpfchen hinweg. Dorothee aber grüßte kaum ihre Christel, ja es
schien sie zu verdrießen, daß Johannes sie Du nannte, und sie fragte, wie
es gehe?

Laß sie nur heut', sagte Christel, sie kommt wohl wieder zu uns und spricht
mit uns darüber im Hause, wenn sie den Vers liest.

Der Ronneburger und die Schneider schwärmten herbei, standen und gingen
dann, ihrer Hände Arbeit in völligem Glanze en parade zu sehen.

Der Prinz kam erst spät gegen Abend. Er hatte befohlen, Schritt vor Schritt
auf der neuen Chaussee zu fahren, denn die Pferde schwitzten wie aus dem
Wasser gezogen. Der Wirbel der großen Trommel, aus einem Orhoft erdacht,
war bis ins Dorf zu hören, die Wache hatte vortrefflich gefeuert und dem
Ländchenvater glücklich ein Lächeln abgewonnen. Jetzt hielt er vor der
Pyramide.

Aber der Kindertanz mit den Buchstaben hatte die auffallendsten Setzfehler
bei Johannes veranlaßt, der nicht lesen und schreiben konnte. Er hatte, wie
er angewiesen, die Buchstaben zwar pünktlich befestigt, auf jede Seite der
Pyramide, was auf jeder Seite derselben gelegen; aber ein Durchreisender
hatte auf schelmische Art die letzte Correctur gemacht und Niemand hatte
hier die Schrift nachcensirt. Die zwei anzüglichsten Seiten waren zum Glück
dem im Wagen haltenden Prinzen verborgen: nämlich, daß aus dem höflichen
»SALUTEM« ein im Zusammenhange mit dem folgenden Worte recht grobes
»SALUTATE« geworden, und daß das E M davon an das Ende des BOV gewandert
war. Aus dem ursprünglichen BONO. A. H. war aber vollends das N in das EX
VOTO hinum, und das V dafür herum gewandert mit den Kinderfüßen, und das
zweite O darin mit dem H vertauscht worden, so daß den guten Herrn nun
rührend anschimmerte: »EX NOTH.« -- Das letzte O aus dem »Bono,« das nun
abscheulich lautete, war aber durch denselben Tanz oder Corrector in das
verwirrte »G Breitenthal« gemischt, so viel davon noch übrig gewesen, und
so flehte ihn nun hier auf dieser Seite an: O GIB THALER. Ja die mit
römischen Buchstaben ausgedrückte Jahrzahl 1811, die durch das übrige M mit
Tausend multiplicirt worden, gab sogar dem mitleidigen Herzen desselben die
_Summe_ von wenigstens Einer Million und achtmalhundert tausend Thalern an.
--

Der Prinz ward roth, befahl auf die Pfarre zu fahren und hinterließ am
andern Morgen ein gnädiges Handschreiben an den seligen Herrn, das er offen
in die offenen Hände seines Wirthes gegeben, folgenden Inhalts:

Mein Herr Kreisrath von Borromäus! Ich habe Ihr papiernes und pyramidales
Memorial gelesen. Resolution: »Abgeschlagen.«

Gründe:

Tausend, außer diesem!

Ich kenne keine _bessern_ Zeiten, als die _schlechten_. Was kein
ohnmächtiger Fürst thun kann, das thun schlechte Zeiten mit Macht: Sie
machen dem Volke die Augen auf! über sich, den Luxus und die Unzahl
eingeschlichner unmenschlicher Bedürfnisse. Sie setzen das Volk in den
wahren menschlichen, so genannten _vorigen_ Stand zurück und, gebe Gott,
wieder ein, und in integrum! Ich sage es offen, und mein Abgabensystem,
alle meine Handlungen beweisen es klar: Ich bin ein Feind der Reichen! der
Reichen, die man durch Majorate und Maximats-Herrn wieder zu begründen
vermeint, anstatt durch selbstständige Minorate und ignoble
Minimats-Bauern; versteht sich bis zum Minimum, das Ein Hauswesen
erklecklich nährt. Die Rechnungen nachgesehen -- Wer hat in den
verhängnißvollen Jahren verhältnißmäßig, ja unverhältnißmäßig _weniger_
gegeben als die Reichen? Wer _mehr_ gegeben als die Armen? Vom _Thun_
wollen Wir gar nicht reden! -- Nicht Sonntags ein Huhn in den Topf --
sondern: Jeder Mann ein Haus, ein Weib, ein Feld um das Haus -- versteht
sich Alles nicht in den Topf -- und dann die Hände gerührt! So soll es
sein, und _so_ muß es werden, so _wird_ es, o Gott, durch die himmlischen
-- schlechten Zeiten. Ich bin außer mir, vor wahrer menschlicher Freude.
»Honni soit qui mal y pense!« Sind die schlechten Zeiten nicht die besten?
-- Resolution: Ja! -- Und Sie, lieber von Borromäus, nähern sich laut
Memorial, das die Sache ganz falsch ansieht und vorträgt, mit großen
Schritten auch diesem allervortrefflichsten Zustande, und Sie sind mir erst
doppelt lieb und schätzbar! Ich will Sie umarmen als nun ganz den
_Meinigen_, der Mich und Meine Intentionen verstanden und sie praktisch
ausgeführt! Mir zur Freude und Andern zum Exempel, das Belohnung, Erhebung
verdient, nämlich nach unserm System: _Nichts_, und daß ich Sie ganz
_fallen_ lasse, bis in Ihr Häuschen. Ich komme selbst, neben Ihnen zu
wohnen, wenn Sie nur _ein_ Haus, ein Weib, ein Feld um das Haus haben und
die Hände rühren -- und weiter nichts (scilicet haben)! Das wünsche Ich und
flehe Ich vom Himmel tagtäglich jedem Reichen _nur!_ jedem Armen _auch!_ So
hebt sich der alte Mißstand. Meine Herren Brüder arbeiten alle an diesem
frommen Plan für das große Reich, und ich treffe dazu alle möglichen
Einleitungen und Vorkehrungen unerbittlich aus -- Armen-Liebe. _Jetzt:_
Armen-Liebe, aber dann: _Menschen_-Liebe. Das sind die glücklichen Männer,
die eine Frau nicht zum Staate brauchen, sondern in deren Hause sie die
Hausfrau ist und alle Hände vollauf mit Tisch, Wäsche, Küche, Keller,
Garten und Kindern zu thun hat, und Alles allein thun muß. Das sind auch
die glücklichen Weiber! Denn anordnen, müßig bereiten sehen, nachsehen,
_ob_ etwas -- und tadeln, _wie_ etwas gemacht ist, das heißt _bei Gott_
nicht Wirthschaft führen! das macht nicht glücklich, wie ein braves Weib
ist, sondern unglücklich, wie der Ueberfluß macht, die Unsitte und das
Wohlgefallen an den unmenschlichen Dingen und Sachen! Jetzt träumen die
Menschen alles Andere zu sein: Fürsten, Grafen, Ritter, Nobles, Kreisräthe,
kurz geradezu Alles -- nur nicht Menschen! Alles haben zu wollen -- nur
nicht das Menschliche! Wann wird doch _die_ Phantasie einmal das Volk
anwandeln: Menschen zu sein? Indessen der Komet! der Komet! guten Wein wird
er machen, sprechen die Weinhändler, theuern, raren Wein! Ich sage: gute
Menschen, rare Menschen! Es wird Krieg, geben Sie Acht, 1812. Also zu
Jahre. Ich kann es Ihnen sagen, denn ich komme von Adam her, nämlich von
dem neuen prophetischen Bauer, der mich ganz beruhigt hat und mir die
schlechtesten Zeiten verheißen. Er ist der Schlüssel zu mir. Ihm folg' ich,
und ihn befolg' ich. Das zu _Ihnen_ gesagt.

P. S.

Ihre Hauptwache hat Wunder gethan; sie hat mich entschieden -- meine
Hauptwache zu entlassen. Mehr ist sie ja pro tempore doch nichts. Diese
Revue hat mir _meine_ erspart! Man kann nicht Soldaten _machen_, nicht
_ansäen_ wie Fichten und _einhegen_ -- _das_ haben Sie Mir gezeigt, und
verdienen eine Bürger-, ja eine Bauer-Krone! Mein Armeechen kann
fortlaufen, übergehen, sich schlecht schlagen -- aber hab' ich die
_Meinung_ für mich, besonders diese, daß ich alle Welt gern arm haben will:
so läuft mir jeder Knabe zu, sogar aus fremden Staaten, und meine Leute
lassen sich geradezu todtschlagen für mich. Was will ich mehr? sagen Sie
selbst, von Borromäus! Ich danke also nochmals von ganzem Herzen, Sie haben
meinem Ländchen Millionen erspart und tausend Hände und Beine geschenkt,
ditto viel Tausend Chakos, Säbel, Flinten. Trommeln, Röcke, Tornister,
Westen, Mäntel -- die Knöpfe nicht zu vergessen!

An der Inschrift sind Sie unschuldig, das weiß ich, und es sagt es Ihnen
gern

Ihr

in Affect gerathener Hannes Manu propria.

Die erste Folge davon für den armen Johannes war, daß er vor dem
Gerichtshalter ein Examen rigorosissimum auszustehen hatte und den Beweis
führen sollte, daß er _nicht_ lesen und _nicht_ schreiben könne! Der
außerordentlich gewandte Mann wußte in diesem Fall selber einmal nicht, wie
er ihm das Lesen und Schreiben beweisen könne, wie Johannes mit Augen und
Buch und Feder und Hand das _nicht_ zu beweisen vermöge. Seine Praxis war
hier aus, und er bedauerte laut die Abschaffung der Folter, worauf man
jeden Unschuldigen schuldig finden konnte -- ad Collubitum. Aus Desperation
ward also der Schulmeister Wecker suspendirt »wegen ermangelnder Absicht«;
wie statt Obsicht im Urtheil stand.

Aber die zweite Folge war: Johannes bekam zur -- Strafe -- kein Lohn für
alle wochenlange Arbeit. Das war das Schlimmste für ihn, seine Christel und
die Kinder, und ein wahrer Schlag in den Vogelheerd.




8.


Johannes war nun sehr betreten und muthlos. Meine gute Christel, sagt' er,
Du bist schlecht bei mir angekommen! es thut mir leid, daß Du mich
geheirathet hast, daß Du des Wochentags in Sonntagskleidern gehen sollst,
Du armer Schelm! Unsere Retter sind nun noch die Weinberge, und die Stöcke,
die da zu stecken sind; da geh' ich nun hin und muß Dich die ganze Woche
über verlassen, und sehe Dich nicht und die Kinder! Aber wenn ich Reben
schneide, und sie weinen und tröpfeln, da kann ich mir denken, wie es
daheim um Deine Augen aussieht! Du armer Schelm! --

Wein' ich denn? fragte ihn Christel und sah ihn mit ihren großen braunen
Augen an, die sich regten und feucht glänzten.

Dir sind die Augen naß, meine Christel, sagt' er.

Nun ja, über Dich! daß Du so traurig bist, daß Du sprichst, es thue Dir
leid, daß Du mich geheirathet hast.

Sie weinte nun wirklich sanft.

Deinetwegen nur thut mir es leid, sagte Johannes.

Ich bin ja munter und vergnügt, sagte sie, so sei Du nur ruhig.

Wir können fast nicht unglücklicher werden, als wir schon sind, seufzte
Johannes. Da, verschneide mir meinen Kirchrock zu einer Arbeitsjacke, ich
schäme mich sonst so im Staate.

Gieb ihn mir, ich will es gleich machen; aber von den Schößeln bekommt der
kleine Gotthelf ein Käppchen, nicht wahr? Aber, daß Du sprichst, wir
könnten nicht unglücklicher werden -- das sage nicht! Da hätte der Himmel
noch viel! Bitte lieber, daß wir so glücklich bleiben!

So ward denn die Jacke und das Käppchen gemacht, das dem Kinde nur bis an
die Kniee ging, und Johannes war nun die ganze Zeit in den Weinbergen und
kam nur Sonnabend nach Hause. Das wußte nun Niklas.

Aber der gnädige Gottlieb hatte Christel gesehen, als er mit dem Pferde vor
ihr gehalten, sie nicht vergessen, sondern in einiger Zeit erst, hatt' er
sich vorgenommen, mit der größten Gelassenheit und anscheinenden
Ehrlichkeit das junge liebliche Weib zu sehen und ihr nahe zu kommen und
ihr einige Wörtchen aus seinem bedeutenden Munde zu sagen. Jetzt auf das
Häuschen von einer verborgenen Seite zu wandelnd, wollte er leise und
ungesehen nahen, ohne anzuklopfen plötzlich die Stubenthür öffnen und im
saubersten Anzuge still eintreten und ihr wie ein Halbgott erscheinen. Sie
sollte vor ihm erschrecken, ihn anblicken und auf einmal die ganze Gewalt
seiner Zaubererscheinung empfinden! Er reichte ihr schon in Gedanken die
Hand hin, die sie ihm küssen würde -- er würd' es verweigern. -- Sie sollte
in höchster Verlegenheit sein, einen hölzernen Schemel abwischen, vielmal
den Wirrwarr der Kinder entschuldigen, vor die papierne Fensterscheibe im
Fenster treten, in die Kammer gehen, mit einer bessern Schürze, mit weißen
feinern Strümpfen wieder hervorkommen und sich gar nicht über die
Erniedrigung und hohe Gnade zu gute geben können, daß der gnädige Gottlieb
ihre -- seine -- niedrige Hütte mit seiner hohen Person beehrt zum
unvergeßlichen Angedenken, zum Traum in der Nacht. Dann sollten die Kinder
ihm mit Gewalt ihre Diener machen, die sich ungeschickt stellten; darauf
sollten sie aus dem Zimmer hinaus spedirt werden; dann wollt' er ihre Hand
fassen, sie drücken, sie halten und sagen: So ein schönes Weib ist der
alberne Johannes gar nicht werth! Wie glücklich würd' ich sein, an seiner
Stelle! -- Dann wollt' er seufzen, ihr in die Augen schmachten und sagen:
Wir müssen zusammen näher bekannt werden! Nicht? Du hast mich bezaubert!
Ich hatte keine Ruhe mehr Tag und Nacht, seit ich Dich gesehen, die Blumen
im Schooß. -- Dann wand er einen Arm leise und vorsichtig um ihren
schlanken Leib -- sie bebte, sie zitterte mit den Knieen. Dann küßte er
sie, ein Mal, zwei Mal, drei Mal -- dann fühlte er leise einen nur
angedeuteten Kuß wieder, dann küßte sie deutlicher, länger -- dann sog er
an ihren Lippen -- dann fragte er nur flüsternd: sind wir allein? -- Aber
sie wand sich los, stand glühend und wagte kaum zu sagen: ich bin ja nur
ein schlechtes gemeines Weib, und Sie so ein großer, vornehmer Herr, Sie
werden sich ja nicht zu mir herablassen. -- Du bist ein Närrchen! sagt' er.
Deinetwegen bin ich allein gekommen! Bin ich nicht hier? Hast Du mich
nicht? -- Aber Sie haben ja so ein schönes, junges, gutes Weib! -- Und Du
einen grämlichen, einfältigen Mann! -- Und nun schämte sich Christel,
fühlte sich ohne Willen, ohne Kraft, ohne Worte und erstaunte über die
Kühnheit, daß sie ihn geküßt, über das Glück, daß er sie geküßt, und
glaubte, er habe nur gescherzt! und sie sah ihm zweifelnd, beklommen und
bewundernd in die Augen, als seine ganz unterthänige Magd, der geschehe,
wie er gesagt hat. --

Oder:

War sie nur angestochen von seinem Blick, sahe sie ihn, wenn er _kam_, nur
an, und dann nicht, und nur wieder, wenn er fortging, und sah' sie ihm nach
-- bat sie ihn wieder zu kommen -- sah er sich genöthigt, die Schule mit
ihr durch zu machen, so gab er große Lectionen auf einmal, und die
Schülerin schritt mit großen Schritten vorwärts. Denn aller Feinheiten,
aller Mitteltinten der Liebe war er bei ihr überhoben. Und wie er als Knabe
hier auf dem Heerde immer mit _denselben_ Disteln hundert schöne Stieglitze
nach einander gefangen, hundert Rothkehlchen immer nur mit frisch
eingebeerten rothen Ebereschbeeren: so war er überzeugt, daß dieselben
Liebesmittel seine alte Liebeskrankheit auch dieß Mal heilen würden.

Er lächelte nur -- auch über das Weib, sah, ob er Gold in der Weste habe,
fühlte _seinen getreuen_ Dukaten, den Armerleuts-Augenblender, erst richtig
darin, und ging nun sicher die letzten Schritte fast zu rasch.

So öffnet' er denn, so trat er ein. Sein Auge suchte das junge Weib --
Niemand zu sehen! Ein Tisch in der Mitte, trockenes Brot darauf, und ein
blankes Salzfaß, kaum ein Stuhl; ein Stück zerbrochenen Spiegels auf dem
Fenster, in der Wiege am Bett ein schlafendes Kind. Der Staar vom Ofen rief
ihn an: »Du Dieb! Du Dieb!« Mit dem Fuße, den er in die Stube setzte, trat
er das andere kleine Kind auf sein Händchen, das er ganz übersehen. Das
Kind schrie. Sein Solofänger fuhr hinein und fiel über ein irdenes Näpfchen
mit Milch für die Kinder her. Der Staar flog auf den Rücken des Windspiels
und pickte in ihn hinein. Es wandte sich, schnappte nach ihm, und der Staar
fiel todt auf die Erde. Daniel kam hereingesprungen, sahe den todten armen
Dieb, brach in Thränen und Klagen aus, und so trat denn auch Christel aus
der Kammer herein, die Gelte in der Hand.

Sie nahm das getretene Kind auf den Arm, begütigte es erst und schalt dann
Daniel, daß er darauf nicht Acht gegeben, während sie gemolken, und das
Alles, als wenn der gnädige Herr gar nicht zugegen wäre. Dann ging sie und
reichte ihm die Hand und fragte, was er bringe? -- denn zu holen ist bei
uns nichts, wie Sie sehen, sagte sie lächelnd.

Er wollte den Gang nicht umsonst gegangen sein, leitete das Gespräch, und
so wiederholte er nach und nach jene Worte, jene Reden, die er vorher in
seinem Herzen gehalten. Und das Alles sehr allmälig und langsam, oft inne
haltend und mit den Augen forschend, bis er Johannes albern genannt. --
Aber da brach Christel in Thränen aus und schluchzte vor Wehmuth und Scham,
und wie sie weinte, weinten die Kinder, und so wenig, als Christel zuvor,
mochten auch sie den Dukaten nicht, den er Einem nach dem Andern bot und
zuletzt auf das Brot legte.

Wenn Du so bist, Du Engel, dann komm' ich nicht wieder! versetzt' er im
Gehen mit Drohen und Lächeln.

Ja! machen Sie mir die Schande nicht! flehte ihn Christel und drückte und
küßte ihm nun die Hände, aber anders, wie er zuvor im Geiste gesehen. Mein
Johannes könnte wieder nicht zu Hause sein -- Sie sind verrufen, und wenn
mich Jemand aus dem Dorfe anlachte: so nähm' ich mir gleich das Leben!
Dabei drückte sie das Kind an ihr Herz, als wenn sie schon von ihm scheiden
solle.

Das war zu natürlich, ja schön und bezaubernd, nur nicht für ihn, daß er
ihr glaubte; denn er wußte, wie leidend, wie krank seine Gemahlin sei, aus
stillem Gram über ihn. Es ward ihm schwül unter dem Dache, er sah von
Weitem den handfesten Johannes munter und rasch nach Hause schreiten, denn
es war Sonnabend, und so legt' er den Finger auf den Mund und ging ohn' ein
Wort, und der Hund boll um ihn her.

Johannes trat ein. Er sah, daß die Frau sich die Thränen trocknete und ihn
wehmüthig lächelnd ansah, und doch eine selige, unergründliche Heiterkeit
aus ihrem Gesicht wie leuchtete. Dann sah er das Gold auf dem Brote,
glaubte zu verstehen und sagte: der Niklas hat doch vielleicht recht, der
gnädige Gottlieb ist doch gut! Aber Almosen -- Almosen, auch von Golde,
verzeih' mir Gott! ich mag sie nicht. Was meinst Du, Christel? Oder denkst
Du anders? --

Freilich denk' ich anders, sagte sie; ich hab' es gar nicht gesehen! Mein
Johannes, das wäre theures Gold für Dich! nicht wahr, so wohlfeil
verkaufest Du mich nicht? und ich Dich nicht; um gar keins! die Kinder
nicht, die dann nicht mehr mein wären, und das gute Gewissen, und die
Seligkeit.

Das ist mir lieb, Christel, sagte Johannes ruhig; ich verstehe Dich, ich
hab' ihn sehen gehen, den gnädigen Gottlieb. Du bist eine brave Frau, daß
Du mir das sagst; denn eine brave Frau muß nicht solche schändliche Dinge
dem Manne verschweigen, aus Scham oder Furcht oder um ihm einen Gram zu
ersparen. Was sie ihm sagt von solcher Art, das macht ihm Freude. Es ist
nur gut, daß wir Armen noch Ehre im Leibe haben, wir haben ja sonst nichts.

Ich bleibe nicht hier im Hause! sagte Christel, auf seinem Heerde nicht,
und nirgend auf seinem Grund und Boden. Das ist mir hier gar nicht wie die
Erde mehr unter meinen Füßen.

Ich ärgere mich nicht, sagte Johannes. Sondern in allen bösen Dingen ist
das Beste, das zu thun, was dem Dinge abhilft. Wir ziehen fort, ins Dorf!
Ich will noch heute gehen! und dem Niklas will ich es sagen warum, wenn er
mich fragt, sonst auch nicht.

Aber, mein Johannes, geh' nur nicht zu einem Wohlhabenden ins Haus! bat sie
ihn. Siehst Du, der Schwan läßt keine Ente neben sich brüten; die Sperlinge
beißen die Schwalbe aus ihrem Neste; große Bäume ersticken die kleinen
darunter, aber das schüchterne Reh nimmt das kranke Reh in sein Dickicht,
und der Arme theilt sein Lager mit dem Armen. Bei ihm ist kein Sparen der
paar Kreuzer; zum Sammeln kommt es bei ihm ja doch nicht; er hat immer,
weil er weiß, daß er niemals mehr erwirbt, sondern auf den Herrn vertraut,
der ihm das gegeben, und so hat er auch in der Noth für einen Andern. Und
wer uns nur manchmal bis zum Sonnabend jetzt einen Groschen leiht, der
verdient sich ein Gotteslohn. Geh zu der alten Frau Redemehr am Teiche, wo
die zwei Tannen stehen! Ich bin ihr manchmal begegnet.

Und Johannes ging. Daniel aber machte einen Sarg aus Baumrinde für seinen
armen Dieb, die Kinder sangen und trugen ihn zu Grabe, machten ein kleines
Grab von Rasen, setzten ihm ein Kreuz und hingen einen kleinen Kranz von
Vergißmeinnicht daran und weinten sich satt.

Aber damit war es nicht genug. Der Dieb fehlte beim Frühstück, er sang
nicht nach dem Essen, sein Brot lag des Abends noch da. Und so nahmen ihn
die Kinder wieder aus seiner kleinen Gruft, sahen ihn wieder an, sangen und
begruben ihn wieder, alle Abende, bis er nicht mehr zu begraben war, die
Mutter ihm wo anders ein Ruheplätzchen gab und den Kindern, die ihn
suchten, zum Troste sagte: Dieb ist im Himmel.




9.


Im Häuschen der armen Frau lebten sie nun zufrieden, ja sie wären glücklich
gewesen, wenn sie nicht Geld zu hoffen gehabt, oder gehofft hätten! So
gefährlich für die Ruhe des Herzens ist das Gold, und die Armuth nur
drückend, wenn man reicher sein will. Der Zwiespalt im Innern befängt den
Menschen, und er machte auch Johannes blind über das Glück, das er hatte,
und er konnte nicht Freude aus der Armuth schöpfen, wie die Biene Honig aus
der einfachen, aber wunderschönen Fichtenblüthe vor seinen Fenstern.

So sprachen denn Christel und Johannes kein Wort, als der Gerichtsbote zu
ihnen trat, als sie fast ihr ganzes, sauer erspartes Geld für Kosten
bezahlen mußten, und Christel das Siegel der Zufertigung erbrach und las:
daß der selige Herr _geschworen!_ Christel hatte nicht schwören wollen, da
ihr der Gerichtshalter in der sogenannten Vermahnung den Eid als ein so
heiliges, schreckliches Unterfangen vorgestellt, daß das arme junge Weib
vor demselben, als vor der Entweihung göttlicher Majestät, geschaudert. Der
Voigt war todt; und wohin der Vater den Empfangschein gelegt, oder wo
verborgen und aufgehoben, das wußte sie nicht. --

Sie ging des Sonntags in die Kirche, zu unserm Herrgott, wie sie sagte,
_dem_ ihre Noth zu klagen.

Aber die Ernte kam, Christel ging Getreide schneiden, und die geborgte
Sichel war bald ihr eigen. Sie ward lieblich gebräunt in der Sonne, da sie
keinen Strohhut hatte, sie war noch einmal so hübsch. -- Wenn Du noch lange
Weizen schneidest, sagte Johannes, so verlieb' ich mich noch ein Mal in
Dich! -- Ich will recht fleißig schneiden! sagte Christel. Aber wie lange
wird es dauern, so ist die Weinlese, dann kommt der Winter, der Winter!
mein Johannes. Johannes seufzte wie sie, aber sie waren nun ruhig: das Geld
war verloren -- das Haus war gebaut! die Hoffnung quälte sie nicht mehr.
Sie waren kleine Leute, arme Leute, wie Viele, Viele, die kein Haus hatten,
und das gemiethete Stübchen war nun _ihre Heimath_, und Johannes setzte
Alles darin in den Stand. So sollte es nun bleiben, lange, auf immer, bis
zum Tode. Selbst sein dürftiges, sonst nur bemitleidetes Hausgeräth war
_nun erst_ wie sein eigen und ward ihm theuer und werth, die Jacke bekam
ihm einen ordentlichen Glanz -- und einen bessern Ort; und wo er ging und
stand, da war er nun auch mit seinen Gedanken. Aber indem er seine Lage,
die neue Gegenwart mit ganzer Seele ergriff, umfaßt' er zugleich auch den
Mangel.

Christel hatte schon lange ihrem Vater, dem Pächter, der auch Johannes
hieß, und ihrer bei ihm gestorbenen Schwester Marthe bei dem Steinmetz ein
einfaches Denkmal bestellt und vorausbezahlt. Der Mann wohnte in
Breitenthal und kam eines Tages, um ihnen zu sagen, daß es fertig stehe,
und daß es ihr eigen sei, wenn sie noch den Gulden für die Vergoldung der
Namen bezahlte.

Sie hatten das Geld nicht, und Daniel erinnerte an den Ducaten vom gnädigen
Gottlieb. Aber der lag da, bis Dorothee käme, um ihn mitzunehmen. Dennoch
ging Johannes mit Daniel in die Werkstatt, sahe, daß der Stein fertig war,
und Daniel las ihm die Schrift des vom Großvater erwählten Textes:

   Halt fest an Gottes Wort,
   Es ist dein Glück auf Erden
   Und wird, so wahr Gott lebt,
   Dein Glück im Himmel werden.

Der Mann putzte Alles rein vom Staube und hielt die Hand zum Gelde hin.

Ich werde wiederkommen! sagte Johannes. Er ging aber mit thränenden Augen,
und Daniel sprang heute nicht an seiner Hand.

Sie begegneten Niklas, der stehen blieb und mit barscher Stimme sagte:
Johannes, Ihr fürchtet Euch wohl? -- Freilich! erwiederte er; aber nur vor
der Unverschämtheit! die muß man vermeiden.

Niklas hörte das nicht und sprach: Ihr seid für Eure Miethe im Vogelheerd
noch Jagddienste schuldig. Morgen ist Jagd. Früh um 6 Uhr an der
Waldkapelle!

Ich will nichts schuldig bleiben! sagte Johannes. So schieden sie.

Am Morgen ging er als Treiber zur Waldkapelle. Christel ging mit. Aber sie
ging weiter mit einem Korbe ins Dorf hinab, um die Früchte von den
Obstbäumen in ihrem Garten zu holen. Aber sie sah schon von Weitem nichts
leuchten, nicht roth, nicht gelb! Denn da die Bäume bis an die Kronen
verschlemmt waren, so hatten gewiß die Kinder sie sich zu Nutze gemacht.

So ging sie betrübt zum Leinweber und Contrabassisten, auch ihres Mannes
besonders guten Pathen und ihren Gevatter und darum sogenannten Herrn
Gevatter-Pathen »_Krieg_.« --

Gut, daß Ihr kommt, Christel! sagte er fröhlich. Ihr erspart mir einen Gang
zu Euch hinauf. Hat der Pathe nicht Numero 96, und Numero 15,000? von der
Frankfurter?

Warum denn? fragte Christel. Johannes hat sie an die Stubenthür geklebt,
daß sie nicht verloren gingen.

Da bringt mir das Feld aus der Stubenthür! oder sägt sie aus mit der
Lochsäge. Ich möchte die Nummern doch einschicken. Es ist zwar hierbei zu
gering, aber Ordnung ist doch gut. Bringt mir sie nur, mein Pathchen. Warum
denn? fragte Christel leiser und war ganz roth geworden.

Nun erschreckt nur nicht, Pathchen! setzt Euch nieder und hört mich an! Die
96 hat 300 Gulden. -- Ja, ja! seht mich nur an! hier ist die Liste, hier
hab' ich's roth gezeichnet. Die 15,000 hat meine Auslage gerade gedeckt,
und hier sind die 300! Ein Stück wie das Andere, blank und neu! -- Dann
setzt' er sich wieder an den Weberstuhl. --

Christel saß ruhig, aber sie hatte die Augen zu und wand die Hände wie
jemand, der sich wäscht, um nicht vor den Leuten sehen zu lassen, daß sie
bete und danke. --

Und dort ist ein Fäßchen Most, Kometenmost, wie er heißt, das nehmt Euch im
Körbchen mit hinauf und trinkt ihn auf meine Gesundheit! sagte der Pathe.
Nun, es ist mir lieb, von Herzen lieb, ja noch lieber, als wenn mir Jemand
eine neue Perücke und einen nagelneuen echten cremoneser Contrabaß aus Prag
oder Mittenwalde geschenkt hätte, mit silberbesponnenem E, und Schrauben!
Meine alte Rumpel-Mama ist im Wasser zerfallen, da steht noch der Hals.
Mein Brot ist verdient! --

Christel schüttelte ihm von dem Gelde ein gutes Theil auf die Leinwand,
aber er fing an, den Stuhl zu rühren, das Schiffchen zu werfen und trat und
dichtete mit dem Zeug, daß die Leinwand schütterte, und tanzend alles Geld
hinunter fiel.

Da habt Ihr etwas für Eure Mühe, mein curioses Pathchen! lacht' er. Nun
leset es auf, aber laßt mir nichts liegen! So war es nicht gemeint! Ich
meinte: mein Brot mit der Baßgeige wäre verdient, aber nicht das mit dem
Schiffe! In dem Weberstuhl stecken noch mehr Brote als in hundert Backöfen
-- ja, ja! guckt nur hinein, curioses Pathchen, duftet das Brot nicht gar?

Christel war böse.

Nun danken will ich Euch schon, das ist billig für Euern guten Willen! da
nehmt den Kindern die Schlinge Leinwand mit! Nun aber macht, daß Ihr
fortkommt, sonst seh' ich die Faden nicht! Und nun trat er wieder frisch
und schlug und warf das Schiffchen, daß er keine Hand frei und ruhig hatte,
die ihm Christel hätte drücken oder gar küssen können. Und als sie draußen
war und noch ein Weilchen stand, sang der alte Mann sogar.




10.


So schnell war Christel das erste Mal nicht hinaufgeeilt, als dieß Mal. Sie
dachte sich nur die Freude, die ihr Johannes haben würde, wenn er nach
Hause käme. Als sie in die Stube trat, küßte sie die Kinder erst, die sich
an sie hingen, alle nach der Reihe, und die Geküßten drängten sich wieder
an sie, und sie glaubte in ihrer Freude, sie habe noch zwei und drei Mal so
viel Kinder als sonst! Dann sah sie nach den Nummern an der Stubenthür --
sie waren weg! sie lief hinzu -- die Thür stand nur weit offen -- sie waren
noch da! Es waren richtig Nr. 96! und 15,000! die ein schwarzes Kreuz
hatte. Darauf zählte sie das Geld weitläufig auf, daß der ganze Tisch davon
voll ward.

Nun ging sie ans Fenster, um zu sehen, ob Johannes käme, und sahe nun erst
den Leichenstein, den der Steinmetz gebracht und in die Stube gestellt,
damit er vielleicht nicht draußen beschädigt werde, und las den vergoldeten
Namen »Johannes« und »Martha« und das: Halt' fest an Gottes Wort.

Wer hat denn bezahlt? fragte sie den Daniel.

Er hat ihn so gebracht, antwortete er und ward roth.

Du lügst! sagte die Mutter, sieh', wie Du roth bist! Nun weine nur nicht,
mein Kind. Wer hat denn bezahlt?

Mutter! bat Daniel.

Daniel! drohte ihm die Mutter!

Ich wollte dem Vater zu einem heiligen Christe sparen.

Wovon denn? fragte sie.

Du hast mir ja immer gebracht -- Du weißt schon was! sagt' er.

Guter Junge, rief die Mutter sich besinnend. Ja! die Wirthin hat mir
gesagt, Du verkauftest die Weintrauben und Pfirsiche, die ich Dir aus den
Weinbergen Abends immer mitgebracht, und lauertest auf der Schwelle auf
jeden Fremden und Reisenden, ob er nicht zu Deinem Schemel, zu Deinem
Schüsselchen komme? -- Und Du hast keine gegessen?

Mutter! sagte Daniel.

Christel beugte sich zu ihm, und Daniel war still an ihrem Halse.

Da hielt ein Wagen vor dem Hause, Stimmen riefen: heraus!

Christel sprang hinaus an den Wagen.

Johannes reichte ihr die linke Hand über die Leiter, das Stroh war blutig.
-- Das Volk schießt auch gegen die Treiber, anstatt dem Wilde nach, wie
blind und rasend! sagte der Fuhrmann; als ob gar Niemand mehr in der Welt
und im Dickicht wäre als ein lumpiger Hase! oder noch weniger bedeute! Aber
das muß geschossen sein, wenn auch gefehlt und dennoch getroffen. Hier kann
er nicht bleiben. Faßt nur an! Zum Klagen ist danach schon Zeit! --

Als Christel ihren Johannes hineintragen half, konnte sie ihm nicht in das
blasse Gesicht sehen, sie blickte seitwärts, und ihr wehmüthiger Blick fiel
gerade auf den bereitstehenden wie wartenden Leichenstein und den goldenen
Namen: Johannes! -- Sie schrie laut und brauchte nun selber Beistand.

Als sie wieder zu sich kam, setzte sie sich im Bette auf und sah sich um
nach Johannes und horchte. Er war in guten Händen; er war schon verbunden
und lag ruhig. Die gnädige Frau hatte den Arzt in das Haus gesandt, der
zwar aus der Stadt war, aber sie selbst öfter und tagelang besuchen mußte.

Sie stand auf, sie kniete zu seinem Bett, sie weinte erst auf seine Hand
und küßte ihn dann auf die kalte Stirn. Sie hatte vergessen, und wenn sie
auch noch daran dachte, so konnte sie ihm nicht sagen: Johannes, sieh'
doch, da ist das Geld! sieh' doch, da ist der Leichenstein! --

-- Er schlief. --




11.


Am andern Morgen erwachte Johannes zeitig, so still auch die Kinder saßen
und auf seine geöffneten Augen, sein erstes Wort harrten, so leise auch
Christel auf Socken im Stübchen umher ging, und nur die nothwendigste
Arbeit verrichtete. Aber er glaubte, er träume noch, oder er sei gestorben,
da er den Denkstein sah.

Bist _Du_ denn hier? Christel, fragte er.

Ist das Sophiechen, die hier zu meinen Füßen im Bette sitzt? Ja, das ist ja
ein Bett, ich habe geschlafen. Er wollte sich wenden, vielleicht aufstehen,
und fühlte dadurch erst seine Schmerzen.

Ja so! -- jammerte er für sich. Es hat nicht eben Noth, ich vergaß mich
nur; sagte er zu Christel. Wenn ich nur wüßte, wer geschossen hätte?

Laß das gut sein! und werde nur wieder bald gesund; sprach Christel weich
und besorgt.

Daniel hat mir ja gestern gelesen, was auf dem Steine steht: Halt' fest an
Gottes Wort! --

Da brachte sie ihm das Geld auf das Bett, und Daniel lachte ihn an.

Er hielt es eine Zeit lang in der Hand und fragte dann sich besinnend:
Christel, weißt Du nicht, welches Loos hat denn gewonnen?

Das ist ja nun einerlei, lächelte sie. _Wir_ haben gewonnen! Nun kann ich
Dich pflegen! --

Das ist nicht einerlei! sagte Johannes. Du redest, wie Du es weist, und ich
denke, wie ich es weiß. _Welches_ hat denn gewonnen?

Je nun, die 96! lächelte Christel.

Was weiß ich von 96! fuhr Johannes fort. Du mußt mir sagen, ob das mit dem
schwarzen Kreuze -- so Gott will, wenn er gewollt hat, oder das reine? Sieh
doch einmal hin!

Das mit dem schwarzen Kreuze, sagte Christel an der Thür stehend, lauter:
ist No. 15,000.

Nun das ist unser! sagte Johannes.

Und das andre, 96, das reine, hat eben gewonnen! bemerkte ihm Christel. So
sagt der Pathe Leinweber. Da sind auch die Listen. Es ist roth
unterstrichen.

Was weiß Der! seufzte Johannes und schwieg sehr lange.

Nun was ist Dir denn? freue Dich doch! -- Freilich Du bist krank! setzte
Christel zu ihrer Frage bedenkend hinzu.

Er nahm sie bei der Hand und sagte: sieh', meine Christel, das Loos, die 96
ist unser.

Nun so ist ja Alles gut! unterbrach sie ihn.

Recht gut! sagt' er. Aber das Geld ist nicht unser.

Du bist ein Kind! lachte sie. Da ist es ja! --

_Schicke_ es nur der Dorothee! sagte er, da sie uns ganz vergessen hat und
keinen Fuß zu uns armen Leuten setzt, die ihr Schande machen.

Der Dorothee? das Geld? fragte sie ihn betroffen, etwas blässer und
gespannt. --

Siehst Du, liebe Christel, das Loos habe ich in _Gedanken_ auf die Dorothee
genommen. Sie hat es auch gezogen, und auf das unsere hab' ich zum Zeichen
und Unterschied für mich ein schwarzes Kreuz aus Daniel's Tintenfasse
gemacht.

Das ist freilich etwas Anderes, seufzte Christel. Konntest Du nicht das
schwarze Kreuz auf das andre machen? Das war recht thöricht!

Du seufzest, Du siehst böse aus; ich will doch nicht hoffen, Christel,
meine gute ehrliche Frau! Verspricht man denn mit Worten? oder mit Herz und
Gedanken?

Freilich mit Herz und Gedanken, meinte Christel.

Nun siehst Du, so muß man auch die Gedanken halten. »Gedacht ist gethan!«
sagte meine Mutter immer. Und Du, meine gute junge Mutter, laß das
Gewinnloos aussägen, wir setzen ein Glasscheibchen in die Oeffnung und
haben zu unserm Lohn und Angedenken ein Fensterchen ins Haus. Geh, schicke
die Wirthin und den Daniel. Das Mädchen hat ja gar Nichts! Nun kann sie vom
Schlosse, wenn sie will. -- Daniel fiel der Mutter um den Hals, sprang
eilig davon und brachte die alte Frau Redemehr.

Was hattest Du denn? Daniel! frug ihn die Mutter. Dauert Dich das Geld um
uns, Du guter Junge!

Ach Mutter, nun will ich Dir's sagen! sprach Daniel froh.

Nun was denn? mein Daniel; frug ihn Christel.

Aber Du wirst böse sein auf Dich, und danach auf mich! sprach Daniel leiser
und wollte nicht reden.

Ich weiß schon, was er sagen will, sprach Frau Redemehr. Ich habe einmal 6
Gulden gewonnen und war froh! und als ich das Geld sah und in die Hand
nahm, überfiel mich ein Schreck und ein Zittern, als hätt' ich's entwendet.
Wem? -- wußte ich nicht mit Namen. Aber ich hatte nur 10 Kreuzer gegeben!
und nun bekam ich 6 Gulden so ohne alle Mühe und Arbeit! Und wenn ich einen
ganzen Tag auf die Arbeit gehe, bekomme ich nur 10 Kreuzer. Woher war nun
das Geld? von armen Leuten, von unzufriedenen unglücklichen Leuten, die
sich selber darum betrogen, und deren Betrogenes ich nun einsteckte, als
hätt' ich es sauer verdient! Ich that die erste Nacht kein Auge zu, und die
andern Nächte wachte ich auf aus schweren Träumen, worin die Kobolde mich
vor den König Salomo führten, als eine heimliche Diebin und unehrliche
Frau, die anderer Leute Gut besitzt. Die Armen und Betrogenen weinten,
verwünschten und verklagten mich! und Salomo sahe mich starr an und sprach,
daß sie mein Geld hätten gewinnen wollen, das machte meinen Gewinn nicht
gerechter »Frau Redemehr« -- sprach er -- »Euer Sinn ist schlecht! Ihr
wollt dem lieben Gott das Leben abstehlen!« und spuckte vor mir aus. Und so
geschahe mir alle Nächte, bis ich das Geld in die Kirche schenkte, zu einem
neuen heiligen Geiste über die Kanzel. Da hatte ich Ruhe! Denn _gewonnenes_
Geld bringt Niemandem Segen. Fragt nur im Lande! Wie gewonnen, so
zerronnen. Und noch ein schlechtes schweres Herz sich gemacht. Verdientes
aber -- das hab' ich _verdient_, mit meiner Müdigkeit und meinem Tage, den
mir der liebe Gott gegeben. -- Nun das hab' ich dem Daniel gestern erzählt,
als Ihr das Geld gewonnen, und es hat ihm bald das Herz abgedrückt, daß
seine Mutter und sein Vater nun sollten unverdientes und ungesegnetes Geld
besitzen und Nachts vor dem Könige Salomo erscheinen. Darum freut er sich
so, nun Ihr das Geld fortschickt, meine liebe Christel!

Christel ward feuerroth bei der Rede der alten Frau Redemehr, gab ihr das
Geld für die Dorothee, und sagte nur: Es war ja so nicht unser! Und als sie
fort waren, setzte sie sich zu Johannes aufs Bett, und wand ihre Arme unter
seinem Kopfe durch, neigte sich zu ihm und weinte.

Jetzt hätten wir können arm werden! meinte Johannes. --

Freilich _ganz anders_ arm! Wenn ich mich nur nicht gefreut hätte! das
kränkt mich; wenn Du nur nicht krank wärst, nicht stürbest! -- Nun wirst Du
mir traurig! versteh' mich nicht unrecht, Johannes, mir ist es nur um Dich!
Nur um die Kinder!

So mein ich's auch; seufzte Johannes.

Nein! ich nicht so. Daß sie _Dich_ nicht sollen haben! das thut mir leid!
und Du _mich_ nicht! --

Mir aber, daß die Kinder sollen betteln gehen, wenn ich sterbe! oder Du
stirbst dann auch -- ich und Du.

Lieber Johannes, tröstete ihn Christel, hast Du nicht gesehen, daß das
viele Vermögen dem alten Pachter vor unserem Vater nicht genutzt, daß er
die Kinder ganz verwöhnt und verzogen, und daß sie es durchgebracht haben!
Was hilft also Reichthum _ohne_ Gottes Segen? Nichts! denn der Herr kann
nehmen, wie und wo und wenn er will. Und so kann er auch geben! Siehst Du
denn nicht, wie des Predigers Kinder, die er mit der Witwe verlassen, Alle
wohlerzogen, wohlgerathen in der Welt ihr Brot mit Ehren gefunden, und
wieder Weib und Kinder haben, und Jedes doch ein Häuschen und ein Gärtchen,
so viel ihrer sind! Was schadet denn also die Armuth mit Gottes Segen? --
Nichts! Er nimmt den Reichen selbst durch Ueberfluß und _gesegnete_ Ernten
und _gute_ Zeiten, und giebt dem Armen selber durch Mißwachs, Krieg und
Noth. Da ist Arbeit, da gelten Hände, da erwirbt, wer fleißig und klug ist!
Siehe, Adam verließ seinen Kindern auch nichts, als die ganze leere Welt,
und siehe, wir, seine tausendsten Enkel, leben auch noch.

Freilich nicht im Paradiese! seufzte Johannes.

Du hast keine Liebe zu Gott! Heißt nur Dein Vater Fommholz? Und gar erst,
-- Du solltest doch denken, _wessen_ Namen Du trägst, Johannes; ach, Du
hast Ihm nicht an der Brust gelegen, klagte Christel fast mit Thränen und
Vorwurf.

Es mag ihnen auch manchmal kümmerlich genug gegangen sein, als sie auf
Erden pilgerten und bloß vom _Säen_ lebten! sagte mitleidig Johannes.

Und dennoch hatten sie Liebe und thaten etwas, das sie nicht ließ an Noth
und Mangel denken, belehrte ihn Christel. Bleibe uns nur gut, weil wir arm
sind, weil ich arm bin, und verachte Dich selber nicht, weil Du uns nur so
viel geben kannst, womit wir ja doch von Herzen zufrieden sind! Beten die
Kinder nicht alle Morgen und Abende? Danken sie nicht bei Tische ihrem
Herrgott für die empfangene Wohlthat? --

Und Du trocknest Dir die Augen mit der Schürze dazu und siehst mich nicht
an. Du denkst, ich bin taub und blind, daß ich nicht sehe, wie die Kinder
so bescheiden aussehen! wie Du immer sprichst: Ich bin satt! da, meine
Kinder! wie Du dich grämst um sie und nicht wagst, mich anzusehen, wenn ich
auf einmal in ihr Gebet mit einfalle und _laut_ Gott danke für Alles, was
wir empfangen haben, und Du mir mit dem Finger drohst und mich dann
strafst: Johannes! das ist kein Dank! -- Wohl dem, der seinen Kindern geben
kann, was sie bedürfen! und reichlich, daß sie freudig sind! Wohl dem, und
wohl ihnen, daß sie nicht gleich die Erde betrachten wie ein Armenhaus,
worin nichts ist für sie, als was sie durch Mildthat empfangen, wo die
Kirschbäume _ihnen_ keine Kirschen tragen, das Feld keinen Lein, der
Weinstock keine Traube, keinen Tropfen Wein! Wo sie an die vollen lachenden
Körbe mit Pfirsichen treten und sich wundern, daß die Gottesgabe nicht
_umsonst_ gegeben wird, sich wundern, daß man sie mit einem Kreuzer
_bezahlen_ kann, dann die Hände auf den Rücken legen und traurig fortgehen,
daß sie den Kreuzer nicht haben! Und vollends _jetzt! jetzt!_ meine
Christel. Es ist gut! sagte er, und kehrte sich von ihr weg, mit dem
Gesichte an die Wand.

Soll ich denn Alles sagen, weinte Christel. Ich habe den Vater im Sarge
gesehen. Wie lag er doch so ruhig da! ja wie lächelte sein Gesicht! Und
doch hatten wir sieben unerzogene Kinder an seinem Sterbebette gekniet und
geweint, und doch entschlief er ohne Kummer, ohne ein Wort der Klage. Hat
er nun nicht gewußt, daß wir ohne ihn verlassen sein würden? O ja, er hat
es gewußt. Aber er hat auch in jener bittern Stunde, wo ihm _kein Mensch_
helfen konnte, kein Mensch etwas geben und sein, da hat er im _Herzen
empfunden_, daß er selbst Nichts sei ohne den Vater im Himmel. So ist sein
Zutrauen _zu sich_ verschwunden mit der Rathlosigkeit und Hülflosigkeit, in
die er versunken war. So sah er uns zwar liebevoll Alle noch ein Mal an,
zog uns Alle noch ein Mal an sein Herz und ließ uns die Hände, darauf zu
weinen; aber er lächelte nur in unsere Thränengesichter und verwunderte
sich; und so schloß er die Augen gelassen, und auf seinem Antlitz schwebte
die _Gleichgültigkeit_ der Todten gegen Alles, was Welt heißt -- und die
stille Furcht, zu Gott zu nahen, und die feste Zuversicht, ihn zu finden!
Ach, wir waren ihm nicht _geringer_ geworden, als etwas so Vergängliches,
wie Menschen sind. Nein! -- Gott war ihm als sein Vater und unser Vater
erschienen, in seinem Glanz, seiner Macht und Liebe hervorgetreten. Er war
auch nur wieder sein Kind geworden, und so waren wir auch nicht mehr nur
seine, sondern auch seines Vaters Kinder. Das bedeutete sein letzter Blick
zum Himmel, das sagte die stille Hoffnung auf seinem Gesicht im Sarge, sein
stummes Scheiden aus dem Hause, und dort sein Text auf dem Steine! Sieh'
nur hin, es glänzt Dich doch an! O eine Krankheit ist ein großes Glück für
den leichtsinnigsten Menschen, geschweige für den Frommen. Und wir, die wir
es sehen, wie die Sterbenden lächeln, wie sie still dahin ziehen, wir
sollten sie nicht verstehen? Wir könnten mit offenen Augen, mit klopfendem
Herzen wenigstens nicht nachempfinden, was ein Sterbender einzig und allein
nur sieht? Ach, wir Gesunden, wir Lebenden sehen _zu viel!_ uns verwirrt
die Arbeit und Sorge und Mühe, daß Gott auch um uns ist; wenn wir das reife
Getreide schneiden, empfinden wir nur die Hitze des Tages, und legen uns,
müde von Arbeit, zu schlafen, und denken, morgen einzualtern, oder an das
Mahlen und Backen und das liebe Brot, das wir bedürfen.

Ja wohl! Du hast schon Recht; Gott wird schon Recht behalten! sagte
Johannes.

Das soll er auch! eiferte Christel. Was hilft es denn mehr, als daß wir
_das Unsere_ gethan, wenn wir für unsere Kinder sorgen. Aber wie weit
reichen wir! Denn siehe doch an: Wer sorgt denn nur einst für die Kinder
von unsern Kindern? Sind die nicht unsere? Gelten die Nichts? Und müssen
wir diese nicht schon doch Gott und der Welt überlassen? Und warum denn
nicht auch schon unsere Kinder, wenn wir das Unsere _gethan_, wenn es auch
nur in Liebe und Wünschen bestand! Und hast Du die Kinder nicht lieb?
Antwort: Ja! Und wünschest Du etwa uns Allen nicht ewige gute Tage?
Antworte doch: Nein! Du verwunderst Dich! -- Du wirst schon besser werden,
besonders wenn Du _besser_ wirst. Ich bin nicht furchtsam, sondern Du! Du
bist der Hasenfuß -- nicht der kleine Junge!

Johannes lächelte -- Christel lachte vor Freuden, und die mühsam
verhaltenen Thränen kamen ihr nun erst hervor, -- wie es noch regnet, wenn
vom seitwärts klar gewordenen Himmel die Sonne schon wieder scheint. Und so
blieben sie Beide, zufrieden neben einander ruhend, lange Zeit.




12.


Erst am andern Abend kam Dorothee in einem schwarz-seidenen Mantel. Sie gab
Johannes die Hand, setzte sich und schwieg. Nur manchmal seufzte sie.
Christel erwartete in Gedanken, daß sie Etwas von dem Gelde vielleicht ihr
bringen, nur leihen sollte. Aber Dorothee langte aus dem Mantel ein
besiegeltes Document, gab es Christel, und sagte: Hebt mir es auf, ich kann
es vielleicht brauchen. Der Herr hat das Geld. Ich mußte --

Christel lächelte und hob das Papier auf.

Dorothee schien hier keine Ruhe zu haben und ging umher.

Geht Dir es nicht wohl? fragte sie Christel.

Daß ich nicht wüßte! versetzte Dorothee.

Nun ich will Dich nicht aufhalten! Johannes verlangt keinen Dank, wenn Dich
das etwa beklemmt.

Aber noch Eins, eh' Du gehst, hier ist die Bibel, und hier ist der Vers.
Wir haben um Dich verdient, daß wir Dich bei Gutem erhalten. Ich habe meine
Ursachen dazu.

Sie schlug die Bibel auf, zündete einen Span an und leuchtete. Dorothee sah
lang auf die Blätter. Nun? fragte Christel. Und so las denn Dorothee die
Worte: Selig sind, die reines Herzens sind -- aber sie seufzte unmerklich,
dann sah sie auf Johannes, um ihren feuchten Augen eine Ursache zu geben.

Nun gehe mit Gott! Dorothee; sprach Christel.

Aber da ist noch das Goldstück; gut, daß es mir einfällt! So holte sie es,
wickelte es aus dem Papier und legte es auf die Bibel ihr hin. Kennst Du
solches Geld? fragte sie. O ja, antwortete Dorothee erröthend. Nun so nimm
es Deinem gnädigen Herrn mit! Dem gehört es.

_Meinem?_ erschrak Dorothee, und wagte doch nicht in Christels Augen zu
sehen, ob und was sie meine.

Nun ja: Deinem, versetzte Christel.

Ich bin ja Jungfer bei der gnädigen Frau; erwiederte Dorothee.

Sie soll eine gute gnädige Frau sein; sagte Christel. Geh' nur mit Gott! --
Und so ging sie, und sie sahen dann erst, daß sie das Goldstück dagelassen.

_Das_ Geld will sie nicht! meinte Christel zu Johannes.

Du bist brav, meine Christel, dachte Johannes, ohn' es zu sagen; um
Deinetwillen muß ich besser werden!




13.


Christel that es nur leid, daß sie den vortrefflichen Kometen-Most allein
trinken sollte, denn ihrem Johannes war er schädlich und vom Lizentiat
verboten. Sie setzte sich aber jedes Mal aufs Bett zu ihm, wenn sie davon
trank, sahe ihn dabei an, und so bildete sie sich ein, _er_ genieße seine
Süßigkeit mit. Die alte Wirthin ward nicht vergessen, und auch der alte
Schulmeister Wecker bekam, so viel er wollte. Denn der gute Mann hatte sich
seine Suspension zu Gemüthe gezogen, besonders das Wort des
Gerichtshalters: daß es ihm leid thue, daß suspendiren nicht »aufhängen«
bedeute. So war er denn übergeschnappt, zuletzt sogar und dieß Mal nicht
ohne Grund -- da er Alles verkehrt gelehrt und an den Kindern seinen
Verdruß über den Tanz mit den Buchstaben alle Morgen aufs Neue unbarmherzig
vermerken lassen, und zwar an der ganzen Schule durch die Bank, um die
Schuldigen unfehlbar mit zu treffen -- wirklich abgesetzt, dispensirt
worden, und der arme, irre Mann übersetzte das Wort nun: _zweimal
gehangen_, weil durch einen Schreibfehler des Amtscopisten _bispensirt_ in
seiner Entlassung stand, die er immer zu seiner Legitimation als
abgesetzter Schulmeister bei sich trug. Das Schulhaus war, wie gewöhnlich,
nicht sein, er lebte nun von seinen verkauften armseligen Sachen, die
allgemach von ihm Abschied nahmen; und als er das erste Mal zu Christel
eintrat, frug er, wie ihm sein alter Brotschrank um den Hals stehe? und das
Butterfaß auf dem Kopfe? --

Christel aber sahe mit feuchten Augen, daß er eine neue Wintermütze auf dem
Kopfe und ein neues Halstuch umhatte. --

Sehr schön! Herr Wecker; antwortete sie ihm. --

Nun das wollt ich nur wissen! versetzt' er. Nur der alte Seiger mit dem
Kuckuck auf den Füßen ist mir zu enge! Das ist der Kuckuck! sagte er. --

Auch neue Schuhe! erstaunte Christel.

Das wollt' ich nur wissen! sagt' er. Ich komme eigentlich, versetzt' er, um
zu beweisen, daß ich auf Euren Johannes nicht böse bin, daß er mich um mein
Amt buchstabirt hat. Das kommt aber daher, daß ihn seine lieben Aeltern
nicht das heilige A. B. C. haben lehren lassen. Und ich bin der Mann, die
Scharte auszuwetzen! Aber tüchtige Hiebe wird es setzen! Aber seht, ich
habe eine tüchtige Ruthe, die wird schon aushalten bis zum O! oder W! -- es
kommt auf sein Genie an. Ja! seht mich nur an, sagt' er! Ich bin der Mann!
Denn wie mein Halstuch ein Brotschrank ist, so bin ich das leibhaftige
Schulhaus nebst allem Zubehör, und was darum und daran hängt, wie an meinem
alten Rocke. Unser Herrgott ist auch nicht die Welt, sondern ganz separat,
und wenn er die Sonne ausbläst wie ein Licht: so sitzt er drum noch nicht
im Finstern. Heut zu Tage ist Alles ambulant! ja sogar fliegend! selber das
Lazareth! Ich aber schleiche ja nur ganz sacht auf meinem Kuckuck, als die
sichtbare und wahre Schule. So wollen Wir denn in Gottes Namen anfangen!

Darauf erhob er seine Stimme, ging in der Stube mit halb zugemachten Augen
auf und ab und sang, wie er immer vor Anfang der Schule gewohnt war, den
Vers:

   Erhalt' uns in der Wahrheit!
   Gieb ewigliche Freiheit,
   Zu preisen deinen Namen
   Durch Jesum Christum. Amen!

Nun wie weit waren wir denn in der letzten Stunde? fragte er und setzte
sich an das Bett, langte das A. B. C. Buch aus der Tasche und legte die
Ruthe neben sich hin.

Und so mußte denn Johannes das A. B. C. lernen, welches er ihm zu Gefallen
that, um dem armen Mann seine Freude zu lassen. Dann ging er in andre
Häuser lehren, und man hörte sein: »Erhalt' uns in der Wahrheit.« Manche
behielten den als A. B. C. Lehrer immer noch brauchbaren Mann zum Danke zum
Essen, oder steckten ihm Brot in seinen ambulanten und fliegenden
Brotschrank, die großen Taschen, das er ruhig geschehen ließ, als wenn er
nichts merkte, und während dessen die Kinder ermahnte, oder noch den Vers
zum Schlusse der Schule sang und dann mit schlauem Blicke sich für das
reichliche, wohlgebackene _Schulgeld_ bedankte. Er schlief des Nachts, wo
es ihm gefiel, auf der Ofenbank, oder bei wem er gerade des Abends zuletzt
war. Er hatte Niemand, denn sein Fritz war eigentlich schon ein großer
Friedrich und bei durchziehenden Soldaten Tambour geworden. Da aber der
alte Mann Wecker hieß, wie ihn jetzt Alle, statt Schulmeister nannten: so
hatte er einen Haß gegen die Hähne bekommen und führte Krieg mit ihnen, wo
er einen sah und krähen hörte, und sagte ihm: Mein Freund, _Ich_ bin
Wecker! und so fing er an, früh die Menschen selber zu wecken ohne
Unterschied, am liebsten jedoch mit inniger Freude die evangelischen
Geistlichen in der Gegend nach der Reihe, ja er krähte zuletzt dabei auf
einem Grashalm. Wie eigens nur dazu bestallte Männer in dem Pallaste der
Könige von England krähten, zur Warnung: nicht den Herrn zu verrathen, wie
-- Petrus.

Das war seine ganze Verrücktheit und sein ganzes Unglück. Uebrigens war er
glücklich, besonders wenn er des Sonntags Orgel spielen durfte, worauf der
neue Schulmeister kein _Schneider_ war und nicht exschellirte, wie er
sagte. Am liebsten war Wecker bei Johannes und hatte sich zuletzt fast
eingenistet bei ihnen, ob es gleich mit dem reichlichen, wohlgebackenen
lieben -- Schulgelde nicht immer ganz richtig aussah. Johannes, oft auf die
Kinder blickend, oder auf Christel, die nun spinnen saß, machte oft grobe
Fehler, die Wecker sonst mit Knien, Handschmissen oder dergleichen bestraft
hatte. Da nun der kranke Johannes jetzt nicht die Strafe abthun konnte: so
legte Wecker ein Schuldregister mit Kreide an der Kammerthür an, und es
standen nach und nach mehr als ein alt Schock Sünden angeschrieben, jede
nach ihrer Art mit besondern Zeichen, und Daniel kniete manchmal heimlich
und löschte dann einen Sündenbock an der Thür hinweg. Denn er selber ließ
sich nichts zu Schulden kommen und half dem Vater heimlich ein, oder
überhörte ihn.

Der Most nun langte zwar zu den Gesundheiten, die Wecker auf Johannes
Herstellung trank und sich alle Mühe gab, ihm durch einen guten Zug zu
beweisen, wie redlich er es meine; aber er langte bei Weitem nicht bis zu
seiner Wiederherstellung selbst, die erst nach mehreren Wochen erfolgte.
Der Lizentiat, ein geschickter Arzt, hatte sich alle Mühe bei ihm gegeben,
_um der gnädigen Frau gefällig zu sein_, von der er wahrscheinlich schon
die Curkosten bezahlt erhalten. Denn als er einst vom Edelhofe mit der Frau
Lizentiatin im Wagen nach Hause fuhr, hielt er vor Johannes Thür, ließ ihn
heraus kommen, und -- gab ihm eine sehr billige Rechnung.

Der Apotheker ist auch dabei! den vertret' ich! bemerkte er ihm.

Christel sagte aufrichtig: Beste Frau Lizentiatin, wir haben nur Nichts an
Gelde!

Auch Nichts an Geldeswerth? fragte die Frau Lizentiatin lächelnd.

Die Ziege meckerte sehr zur Unzeit.

Da ist ja eine Ziege! meinte sie etwas erheitert aus ihrer verdrießlichen
Miene.

Ja wohl! seufzte Christel, aber die brauch' ich für die Kinder!

Ich habe keine Kinder! bemerkte die Frau Lizentiatin spitz.

Wir haben auch ein Schwein! sagte Sophiechen hinter der Mutter Schürze
hervor.

So? mein Kind! -- Das ist ja ein recht liebes Kind! Laßt uns doch sehen!
sagte die Frau Lizentiatin.

So wurde denn aufgeriegelt, und Frau Lizentiatin bemühten sich, es in
Augenschein zu nehmen und zu befühlen. Das ist gutes Essefleisch! freilich
nicht in die Esse. Aber liebe arme Leutchen, man muß _von_ Euch nehmen, was
Ihr habt! Es thut mir recht leid.

Johannes und Christel sahen sich an. Johannes, sprach sie, Du bist ja
wieder gesund! Nur nichts schuldig bleiben! Die Kinder leben auch ohne
Wurst.

Man hat jetzt Beispiele, daß Menschen daran gestorben sind! Wurstgift --
das ist ein ganz neues Gift! bemerkte der Lizentiat, eine Prise nehmend,
und dachte: Du hast das Memento Doctoris hier vergessen: »Nimm! _wann_ es
schmerzt« -- so nimm nur noch jetzt: _wenn_ es auch schmerzt! Das kleine
Verbindungswörtchen »auch« ist ja keine Grausamkeit! -- Nur aufgeladen und
festgebunden auf den Bedientensitz!

Das geschah. Aber das giftige Schweinchen schrie so unbarmherzig, daß es
wieder abgebunden werden mußte. Die Gans im Wagen schrie auch.

Johannes! sagte der Lizentiat, ich gebe euch nun die Erlaubniß, zu gehen
und wieder Eure Geschäfte zu verrichten, nach wie vor. Ihr werdet fühlen,
daß Ihr gesund seid; Ihr seid lange nicht aus der dumpfen Stube gekommen --
die Stadt ist nicht weit -- Abends seid Ihr wieder da, macht Euch einen Weg
mit dem kleinen guten Dinge.

Die Frau Lizentiatin aber wußte sich noch hin und her zu beschäftigen und
ließ sich ein Langes und Breites mit dem Herrn Schulmeister ein, und sie
fuhren erst fort, als Johannes schon längst einen tüchtigen Stock genommen
und schon weit mit dem guten Essefleisch voraus auf der Straße war.

Christel und Wecker sahen nach.

Die Liquidation schrie wie schon dem Tode nah'! sprach er.

Das Schweinchen? sprach Christel.

Wessen ist denn nun das Schweinchen? frug Wecker.

Ihr seht ja: des Doctors! erwiederte Christel.

Aber wessen ist das Himmelreich! fragte der Schulmeister.

Ich denke: der Armen; erwiederte Christel. --

Das wollt' ich nur wissen! lächelte Wecker.




14.


Johannes kam Abends im Mondenschein nach Hause, ging und zerhackte erboßt
den Treibestock, legte dann einen blanken Zehnkreuzer, sein empfangenes
Trinkgeld, auf den Tisch und warf sich auf's Bett.

Ist Dir der Gang nicht wohl bekommen, mein Johannes? fragte ihn Christel.

Recht schlecht! sagt' er.

Bist Du müde? bist Du krank? forschte sie mitleidig.

Nein! sagt' er; aber erbittert!

Es war auch ein schwerer Gang! seufzte sie; ich will Dir es glauben. So
drang sie nicht weiter in ihn.

Johannes verschwieg ihr aber sein neues Unglück, das aus dem alten
entstanden war, von der Hasenjagd. Denn als er schon nach Sonnenuntergang
auf dem Rückwege von dem Lizentiat an das Feldgärtchen der alten Frau,
seiner Wirthin, gekommen war, sah er einen Hasen, der ein Loch durch den
Zaun gefunden und sich der Kohlstauden bediente, welche noch standen, um zu
frieren, mürbe zu werden und der alten guten Seele besser zu schmecken. Er
sprang über den Zaun und verscheuchte den Hasen. Dieser nun klemmte sich
ein, indem er hinaus strebte, und Johannes erreichte ihn mit dem
unbarmherzigen Stocke, mit dem er gleichsam meinte, in dem Hasen sein
ganzes erduldetes Unheil, bis auf das heutige mit dem Essefleisch, todt zu
schlagen. Dann zog er den Hasen hervor und warf ihn über den Zaun ins Feld.
Als er aber, durch den Fall wieder zu sich gebracht, noch kläglich quäkte
wie ein Kind, ging er aus Erbarmen und schlug ihn völlig todt.

In diesem Augenblicke kam der gnädige Gottlieb geritten, von einem Fremden
und Niklas begleitet.

So? sagte er. Seid Ihr der Hasendieb? Da habt Ihr gewiß auch die Rebhühner
und Fasanen, die nach und nach fehlen. Ein Faden Schwefel ist nicht theuer,
und wovon lebt Ihr denn sonst, Ihr Ungeziefer!

Johannes erzählte den Fall.

Ihr steht hier auf meinem Grund und Boden. Hier liegt der Hase, hier habt
ihr ihn erschlagen, hier stehen die Zeugen!

Johannes mochte nicht bitten.

Der _einzige_ Fall ist auch genug! sagte der junge Herr. Es soll so einmal
ein Exempel statuirt werden; es ist mir lieb, daß es Euch trifft. Die
Gesetze gegen Wilddiebe sind, Gott sei Dank! scharf und in Ehren, weil sie
_vornehmer_ und reicher Leute Rechte schützen. Auf den Sonnabend ist
Gerichtstag! der Gerichtshalter wird sich freuen, Euch wieder zu sehen und
Euch zu _beweisen_, daß Ihr Hasen todt schlagen könnt. Stellt Euch also nur
dann zu rechter früher Tageszeit von selber ein. Die Vorladungskosten will
ich Euch sparen aus Gnaden.

So war die Gesellschaft lachend von dannen geritten.

Johannes ging in der Stille an dem bestimmten Tage, unter dem Vorwande, wo
anders hin zu gehen, und empfing seinen Bescheid und sein Urtheil, das auf
dreimonatliche Gefängnißstrafe lautete, da er kein Geld habe. Er hörte das
ruhig an und bat nur, daß er erst zu Weihnachten sich einzustellen brauche,
weil jetzt noch Verdienst sei, aber im völligen Winter nur wenig. Und er
hatte große Freude, daß ihm das zugestanden ward, in der Kälte gefangen zu
sitzen. -- Eingeheizt wird Euch nicht! lächelte der Herr Gerichtshalter.
Dann bat Johannes nur noch, daß seine Strafe verschwiegen bliebe, bis er
wieder entlassen sei. -- Das ist wider die Lehre von der Besserung durch
das Beispiel! erhielt er zur Antwort. Er bat aber sehr und weinte im Herzen
über die Angst seiner Christel und ließ nicht ab, bis er auch das erlangte.

Versprechen ist ja nicht Halten! bemerkte der Gerichtshalter leiser zum
gnädigen Gottlieb; ich kann das Bitten nicht ausstehen, es erinnert mich
immer unangenehm an den Menschen in mir, und ich bin nur der leibhaftige
Justinia-si-nus! Denn unsere Last ist schwer! schon die treuherzige Miene
zu machen, die Rolle durchzuführen und immer gleichgültig -- grau
auszusehen und uns sicher zu stellen, daß man _uns_ nicht auf das Pergament
klopft, mein Hohlwohlgeborner! Doch wir können das Sackspiel! und besser!
_Ruhig_ sie -- hängen lassen, so spielen es die Meister. -- Nun können Sie
die Schule mit ihr anfangen!

Mit _ihr_ ist nichts! das Volk hält gar nichts mehr auf angethane Ehre! ich
habe nun andere Sorgen! bemerkte der Herr.

Bedauere! -- _Ich_ habe meine Schuldigkeit gethan! neigte sich der
Justini--anus.

Johannes aber ging und sprach in Zeiten von einer Reise zu einem entfernten
Anverwandten, der ihnen helfen solle. Er war fleißig bis zum
Weihnachtsfest, um sein Weib und seine Kinder zur Noth zu versorgen, denn
ihre Zahl sollte gegen Ostern noch um Eins vermehrt werden, wenn nicht
durch Zwei, wie Gott nun segnete.




15.


So kam Weihnachten heran, und am Tage vor der -- Abreise saß Johannes in
trüben Gedanken und Kummer, die Seinen zu verlassen. Ach, sprach er bei
sich -- die Strafe hab' ich verdient, die Welt ist einmal so, und was die
Großen verbieten oder gebieten, das müssen wir kleinen Leute schon meiden
oder thun, das wird uns mehr wie ein Kirchengebot, davon ist keine Erlösung
auf Erden, wohin auch ein Armer geht; aber es scheint mir doch zweierlei,
die hohe Stadttaxe auf die Landschaft anzuwenden, wie der Apotheker und der
Lizentiat, -- der Schulmeister hat mir das wohl erklärt -- und einen armen
Mann wie mich zu bestrafen, wie einen Reichen. Wer gesund ist, und fest
steht im Zimmer, der verträgt einen derben Stoß; ein alter kranker
Bettelmann, dem man mit einem Finger nachhilft, indem er die Treppe
hinunter schleicht, der thut einen Fall, von dem er nicht mehr aufkommt.
Aber davon wissen die Gesetze nichts, und _die_ nichts, die sie
unterschrieben. Die Gerichten, ach, die Gerichten, das sind die wahren
Herrn im Lande! die Gesetzanwender! wie Wecker sagt; und ein Gerichtshalter
ist auf dem Dorfe geradezu mehr als alle seine stummen Gesetzbücher, die
ihm der Herr Amtsschreiber nachträgt! pro firma, wie Wecker sagt; ja,
dieser Herr Amtsschreiber schon ist mehr als selber der Landesherr! ein
wahrer Pilatus, der züchtigt und losläßt, wie es ihm gefällt, wie er die
Sache dem Principal vorträgt -- um ein Paar Eier. Gut, daß mir das Beispiel
einfällt! was will ich armer Johannes da klagen! da ein ganz andrer
Johannes ganz Anderes litt!

Christel sah, daß er traurig war, und sprach: ich halte es selber für
rahtschaffen, daß Du die Wanderung machst, daß wir einmal aus der Noth
kommen! Ich kann Dich nicht länger so sehen, Du grämst Dich mir ordentlich
ab, und die Jacke ist Dir so weit, daß mir die Thränen in die Augen treten.

Wenn wir nur nicht die Kinder hätten! Du allein kämst indessen schon durch,
seufzte Johannes.

Lieber Mann, sprach Christel, wirst Du noch immer nicht klug, siehst Du
noch immer nicht, was wir haben, und wie mich die Kinder erfreuen werden,
wenn Du weg bist. Ich -- ich stelle mir tagtäglich vor: _das_ ist ein
großes Glück, zu besitzen, was ein großes Unglück wäre zu verlieren. Da
hast Du's! Sag' einmal, würdest Du lieber reich sein, und die lieben Kinder
_nicht_ haben wollen? Oder uns haben wollen -- und arm sein, wie wir sind,
und doch nicht sind! --

Curioses Pathchen, würde der Pathe Leinweber sagen, kann man denn nicht die
Kinder haben, und noch Etwas für die Kinder dazu? sprach Johannes. --

Also bist Du mit mir und den Kindern nicht _ganz_ zufrieden? erschrak fast
Christel. Laß uns doch! Siehe, Du wirst es jetzt eine Zeit lang besser
haben als wir, Du wirst Dein gutes Essen haben, die Beine unter anderleuts
Tisch stecken, ich will Dir's ja nicht beneiden -- komme nur wieder! wenn
Du auch lange bleibst, und laß einmal schreiben! --

Johannes schwieg. Sie weinte und legte sich mit dem Kopf auf den Tisch. Der
Vater aber sahe durch das Fenster, wie der erste Schnee herabtaumelte, wie
er aus dem ganz gesenkten flirrenden Himmel sich hinab in den Teich
stürzte, und wie aus dem Spiegel des Teiches zugleich die stürmenden
Flocken aus der Tiefe herauf kamen, und Schnee von oben und Bild von unten
sich auf der Fläche des Wassers ereilten, zerschmolzen und verschwanden,
verfolgt von dem unendlichen Rieseln der Flocken. Er sah, wie die Kinder
barfuß im Schnee fröhlich umher sprangen und Schneebälle wälzten, auf
einander setzten, einen Stock durchsteckten und die Arme mit Schnee
bekleideten und dem Schulmeister eine Ruthe in die Hand gaben und ihm Augen
und Nase und Mund von Kohlen in den aufgesetzten Kopf steckten; wie sie
dann umher tanzten und gar nicht daran dachten, daß sie überhaupt nur
Kleider auf dem Leibe trügen, geschweige überall geflickte scheckige
Jäckchen, und keine Hüte auf dem Kopfe. Denn sie froren nicht in den
dürftigen Kleidern, nur der ganz kleine Junge, sein Gotthelfchen, stand
dabei und fror, und doch _warm_ angezogen, und den einzigen großen Hut im
Hause auf dem Kopfe, der ihm bis auf die Achseln ging, daß er kaum
hervorsehen konnte; er fror, und doch freute er sich und zitterte, weil er
noch nicht mitspielen konnte.

Johannes konnte sich nicht genug verwundern und sprach bei sich: -- und sie
nennen mich doch Alle: lieber Vater! ich muß ihnen doch lieb sein! und
Christel nennt mich: lieber Mann! ich muß ihr doch lieb sein, -- ich muß
ihr doch gut sein, und wenn mir das Herz springt. Wenn ich nur auch sagen
könnte -- lieber Vater! wenn ich mir nur auch gut sein könnte!

Da brachte Daniel einen Goldammer, den Wecker unter dem Siebe gefangen, und
es war Jubel im Hause, daß die Mutter Ruhe gebieten mußte, weil die alte
Frau Redemehr, die Wirthin, schlief und krank war.

Ich mache ein Hirtenhäuschen auf den heiligen Christ! vertraute ihm Wecker,
ein ganzes Wachslicht von vor Jahre Weihnachten vom Orgelpult hab' ich
noch. Man wird wieder ein Narr mit den Kindern! sagt' er, die Hände
reibend.

Ihr seid ein braver Mann! lächelte Christel auf Johannes.

Das wollt' ich nur wissen! versetzte der Alte.

Damit hatten sie ihren, im Scheiden nach dem feuchten finstern, kalten
Stockhause begriffenen Johannes an den Weihnachtsheiligenabend erinnert --
er dachte, wie die Kinder in der dunklen Stube sitzen und sich fürchten und
freuen, daß das Christkind doch im Dorfe sei; wie die Mutter ihnen zum
Troste sagen würde: zu Jahre wird Euch der Vater bescheren! und Sophiechen
früge: ob ein Jahr lange sei? Dann dacht' er, daß Daniel ihm schon beschert
-- den Leichenstein, und so ging er am andern Tage schon fort. Die Kinder
baten ihn, was mitzubringen vom Vetter, und Christel hatte ihn mit einem
kleinen Päcktchen beschwert; aber er mußte es nehmen, die Kinder und sie
darum berauben, um sie glauben zu lassen, er gehe einen freien, guten Gang.
Das Herz pochte ihm laut, und seine Thränen entschuldigte der Abschied. Und
er mochte wohl oder übel, so mußte er auch vom Schulmeister die Wintermütze
-- sein verwandeltes Butterfaß, sich auf den Kopf drücken lassen und hören,
wie Christel ihm nachrief: Sorge nur nicht um uns! der Herr ist ja bei uns!
-- und Wecker ihr sagte: das wollt' ich nur wissen!




16.


Weihnachten aber saßen sie, um das Lämpchen zu sparen, still in der
finstern Stube; der Kleine fürchtete sich vor der Mutter auf ihrem Schooße,
weil er sie mit dem, in der düstern Verschattung schwarzen Gesicht nicht
kannte; denn die Sterne am Himmel und der Schnee draußen dämmerten wohl
herein, aber ihr Glanz fiel auf das Kleine, das vor ihr stand und nach ihr
selber rief. Denn sie sprach nicht und dachte vor sich an Johannes.

Da macht' es die Hausthür auf, ein leises Geräusch auf dem Flur, dann ging
sie leise wieder zu. Von der Frau Redemehr drüben kam Wecker mit dem
Hirtenhäuschen, das hell schimmerte wie eine große Laterne. Christel war
ihm aufmachen gegangen, auch die Alte, bei der es gemacht und jetzt
angezündet, hatte noch die Thür in der Hand und wollte nachfolgen. Da stieß
Wecker an einen kleinen verdeckten Korb. Noch eine Christbescherung? fragte
Frau Redemehr. Aber er steht nicht auf meiner Grenze, er wird wohl Euer
sein, für die Kinder, Christel! Wer weiß, wer sich die unschuldige Freude
gemacht!

Christel dachte an Dorothee, nahm das Körbchen und setzte es auf den Tisch,
das Hirtenhäuschen leuchtete dazu, und Wecker war fast böse, daß seine
Freude nicht die einzige sein sollte, denn die Kinder umstanden den Tisch,
und die Mutter fragte sie, was darin sein sollte? was Jedes am liebsten
hätte? Daniel rieth ein Christbrot; Sophiechen ein Pischkind, und Gotthelf
Aepfel und Nüsse und einen Zappelmann.

Die Mutter öffnete nun, während die Schatten der ausgeschnittenen Bilder
aus dem Hirtenhäuschen über den Korb liefen, von der Hitze des Lichtes
darin im Kreise getrieben, und Jäger und Hunde und Hirsche sich einander
friedlich verfolgten, ohne sich je zu erreichen.

»Ein Pischkind!« schrie Sophiechen; das ist mein, Mutter gieb es mir her!

Das ist recht künstlich gemacht! als wenn es natürlich wäre, sagte die
Alte, die ihre Brille vermißte; und das Häubchen! die Wickelschnuren! nur
geradezu Alles! Was doch die Menschen jetzt Alles machen! Nein Dergleichen!

Aber Christel hatte die Augen voll Thränen, denn das Pischkind schlug die
Aeuglein auf, und eine kleine Miene, wie zum Weinen, flog über sein
Gesichtchen. Die Alte erschrak erst, trat dann näher und hielt ihm den
kleinen Finger an den Mund.

Das Kindchen ist hungrig! sagte sie. Aber aber -- _Euch_ das zu bringen,
das scheint mir doch Sünde, wer so was gethan hat, der muß Euch nicht
kennen! Ich setzt' es einem Reichen hin!

Wecker aber sagte: Höchstens geben _die_ das Körbchen wieder auf die Ziehe!
und Wer bekommt es dann? Es heißen nicht alle Weiber Christel, meine Frau
Redemehr! Ich dächte, Sie redete nicht mehr! Das heilige Christkind wird
Christel schon gekannt haben! Nicht wahr, Ihr Kinder? Wollt' Ihr es haben?
--

-- Ich will mir den Segen verdienen! sagte Christel. So eine heilige
Gottesgabe von sich zu stoßen, wie die Mutter! Ich danke meinem Gott für
das gnädige Zutrauen zu uns Armen!

Das wollt' ich nur wissen! sagt' Wecker.

Nun sagt Sie noch was, meine Frau Redemehr?

Ja! sagte die Alte, ich muß noch reden! Das Kindchen ist sicherlich nicht
getauft! das macht wieder Kosten!

Was Kosten! sagte Wecker; ich bin der Mann! wenn der Pastor nicht will. Die
Nothtaufe ist jedem erlaubt, wenn das Kind in Noth ist, geschweige die
Aeltern. Noth ist Noth, das weiß Ich! --

Ich backe einen Kuchen! Morgen des Tags! sagte Christel froh, daß sie eine
herzliche Gelegenheit hatte, einmal wieder was Gutes zu kosten und den
Kindern geben zu können.

Nun in Gottes Namen! sagte Frau Redemehr, da steh' ich Gevatter.

Mutter, fragte Sophiechen, was ist denn das Pischkind? ein Gottlob oder ein
Annaröschen?

Und nun ward das Kind erst herausgenommen, das alle mit Verwunderung
indessen bestaunt; die alte Frau Redemehr nahm ihre Brille ab und sagte
Sophiechen: Sophiechen, es ist ein richtiges Gottlobchen. Die Kinder
kramten im Grunde des Körbchens und fanden kleine Hemdchen, Häubchen und
mehrere Silbergulden.

Die Mutter schlief vor zärtlichen Sorgen die ganze Nacht nicht, die Kinder
kaum vor Freuden. Das lange starke Wachslicht im Hirtenhäuschen brannte,
lieblichen Dämmer und eine stille Jagd an den Wänden verbreitend, bis zum
Morgen.

Wecker hielt im Traume Schule und weckte bei Zeiten, _zum Kuchenbacken_,
wie er fröhlich sagte: -- _den_ Kuchen zu backen, der uns schmecken soll!
Kein Grammaticus kann sich unterstehen zu sagen: ich wecke zu »_den_ Kuchen
backen!« ergo heißt _Einen_ Kuchen backen auch »Kuchenbacken.« Und dazu
gehört ein ganzer Backofen, so gut wie zum »Schulmeisterabsetzen« _ein
ganzer Schulmeister_, ein ganz liebedienerisches Consistorium und das ganze
Kirchspiel zum Bettelngehen. Ich wiege indessen die sogenannte namenlose
_Anonyma_. Der Mann bin ich. --

Am Vormittag aber fehlte der Kreuzer zu einem Bogen Papier unter den guten
großen Kindtaufenkuchen; denn Christel versprach sich selber, die wenigen
Gulden auch in der größten eigenen Noth nicht anzugreifen, sondern bloß für
das Kind zu verwenden, damit es an nichts ihm mangle, von dem Wenigen, was
es noch bedurfte. Daher machte Wecker die Siegel inwendig vom Deckel der
großen Bibel los, womit der Umschlagbogen befestigt war, und Christel kam
nach dem Papier. Aber was ist denn das? fragte Wecker, die Papiere hier?
und der versiegelte Brief? Christel nahm das Eine nach dem Andern und fand
mit bangem Erschrecken die Schuldverschreibung vom seligen Herrn, die in
der Bibel verborgen gewesen.

Nun seid Ihr auf einmal reich! sagte der Alte. Wenn nur Borromäus was
hätte! Der ist nicht der Mann!

Ach, wenn er nur nicht geschworen hätte! seufzte Christel. Nun soll mich
mein Gott bewahren, ihm das anzuthun.

Er verdient' es um mich! sagte der Schulmeister. Ich bin der Mann! ich geh'
mit dem falschen Eide ins Oberconsistorium -- oder kurzen geraden Wegs zum
seligen Herrn, da werd' ich wieder eingesetzt, und wenn ich noch so
närrisch soll sein -- was kümmern ihn die lieben Kinder!

Thut das nicht! Wecker, bat ihn Christel; Gott wird uns die Armuth
vergelten.

Das wollt' ich nur wissen! sagt' er gerührt. Aber der alte Mann weinte zum
ersten Male, ja er schlief nach und nach ein, mit dem Kopf auf die Bibel
gelehnt, und die Sonne schimmerte in seine weißen Haare und sah ihn mild
und lächelnd an; und als der Kuchen fertig war, legte Christel ein großes
Stück vor ihm hin, daß er Freude habe, wenn er erwache.

Christel aber hatte Verdacht auf Dorothee, daß sie das Körbchen beschert.
Sie hatte im Dorfe umsonst umher gerathen. Wer hatte so weiße feine
Leinwand? Wer konnte das Alles so sauber machen, wenn nicht des Predigers
Töchter, die aber die liebe Unschuld waren. Das war nur vom Edelhofe! und
dort nur von Dorothee! Denn dort war nur die Mutter der gnädigen
Clementine, und eine alte Köchin. Sie hatte des Nachts schon geweint über
das verführte Mädchen, das ihr nichts anging, als daß sie es liebte, weil
ihm der Vater gut gewesen war.

Jetzt aber öffnete sie auch noch den Brief vom verstorbenen Pastor an ihren
Vater; das Recht sprach sie sich zu. Wie erschrak sie nun erst, als sie
las, daß der Pastor bei seinem Sterben nun ihm das Kind anvertraute, da
Jahre lang niemand nach ihm gefragt. Er habe sonst immer das Geld für die
Pflege der Dorothee richtig erhalten, seinen eigenen Kindern könn' er, nun
er scheide, nicht zutrauen, daß sie das Mädchen erziehen würden, und da es
die Tochter von seiner Martha sei, so stehe ihm als Großvater zu, sich das
Gotteslohn zu verdienen. In inliegendem Briefe, schrieb er, werden Sie den
Namen des Vaters der Dorothee finden. Es ist derselbe reiche junge Herr aus
Frankfurt, der, um Wein im Großen einzukaufen, sich oft Wochen lang in
Ihrem Hause aufgehalten.

Die Inlage aber hatte der Pastor wieder versiegelt dem Großvater zugesandt,
der Brief war an den Pastor überschrieben, der Großvater hatte ihn nicht
aufgemacht, sie getraute sich es noch weniger, zu thun, und was half auch
der Name nun ihr? was Dorotheen? da sie sich so sündlich vergangen? Und so
beweinte Christel aufs Neue ihre arme Schwester Martha, sie _freute_ sich
jetzt, daß Johannes nicht da war bei der Taufe und hatte das Knäbchen noch
lieber. War es doch so beklagenswerth wie unschuldig, ob es gleich
_Gottliebchen_ hieß, als wahrhaftes Derivativum und richtiggebildetes
Diminutivum von -- Gottlieb, wie Wecker es nannte.




17.


Viele schwere Wintertage überwand nun Christel mit Hoffnung, Liebe und
herzinniger Zufriedenheit. So nahte der März schon heran, und an einem
heitern Nachmittage war Clementine, von Dorothee begleitet, vor das Dorf
und an Frau Redemehr's Häuschen vorüber gegangen, der wärmenden Sonne
entgegen. Auf dem Heimwege wollte Dorothee sie vorüber führen; aber die
arme junge Frau war krank, ihre Kräfte dahin, und sie wünschte zu ruhen.
Das traf sich eben vor Christel's Fenster. So ging sie denn hinaus, und bat
sie freundlich, einzukehren! Clementine lächelte und nahm es an. Dorothee
folgte stumm. In dem freundlichen Stübchen saß Clementine lange still, sah
sich Alles mit wehmüthigem Lächeln an, was es enthielt, und war dann lange
ernst und in sich gekehrt. Und da sie auch Weckern ein Mittagsschläfchen
halten sah, so sprach sie endlich leise zu Christel und hielt sie an der
Hand: Hätt' ich hier in dem kleinen Stübchen gelebt, so lebt' ich noch!

Christel verwunderte sich über das Wort. Aber sie sagte freundlich: Ich
lebe nicht mehr -- ich sterbe nur, so langsam, wie ich gehe. Die Lerche
wird mich nicht mehr finden. Wie gern hätt' ich mit Dir getauscht, mein
Kind!

Wir haben auch alle Tage unsere Noth, meine gute gnädige Frau, sagte
Christel ihr zum Troste; von früh bis Abend wird man gar nicht fertig! ich
lege mich so müde hin, zu schlafen, daß mich das arme Kind kaum weckt.

Glückliche Leutchen, seufzte Clementine, zeigt mir doch Eure Kinder.

Und so kam auch die Reihe zuletzt an das Kleine, das Gottliebchen.
Clementine schien zu wissen, daß es ihr eigen nicht sei, oder sah' es ja
deutlich an Christel vor Augen, daß sie vor den wenigen Wochen des Kindes
seine Mutter nicht könne gewesen sein. Sie wiegte es still auf ihren
Knieen, war abwesend mit den Gedanken, und die Augen, die auf ihm geruht,
waren ihr zuletzt vergangen und gaben der blassen schönen Frau mit ihrem
sanften lächelnden Gesicht etwas Geisterhaftes, ja Engelhaftes; denn so
lieblich saß sie da, so innerer Würde und Reinheit voll, daß Christel kaum
sich getraute, Athem zu holen, oder das Kind nun wieder von ihr zu nehmen.

Dann lächelte sie Dorothee an, die mit zugeschlossenen Augen Thränen
vergoß, es nicht sah, wie Jene lächelte, und nur den schwachen Druck an
ihrer Hand fühlte, die sie ihr zuckend entzog.

Der Gang schien nicht vorbereitet zu sein; denn sie beschenkte die Kinder
Alle, auch das Kleine in seinem Bettchen, aber mit so Wenigem, daß ihre
Worte Wahrheit schienen, als sie sagte: Ich habe nicht viel! und brauche
nicht mehr viel. Zu meinem Begräbnis wird es langen.

Wecker erwachte jetzt, richtete sich auf, blieb eine Zeit lang ganz im
Traume noch auf der Ofenbank sitzen, stand dann plötzlich auf und machte
der fremden vornehmen Frau alle seine besten Diener.

Das ist ja unsere liebe gnädige Frau! sagte ihm Christel. -- Da besann sich
Wecker, setzte seine weiße Nachtmütze wieder auf, erkannte auch Dorotheen
und ging erbittert hinaus.

Das verdien' ich nicht! lächelte Clementine; an allen solchen Thaten bin
ich unschuldig, aber wer braucht das noch auf der Welt zu wissen? Gott weiß
es ja.

Christel versuchte Dorothee, um in ihren Gedanken über sie gewiß zu werden.
Sie gab ihr das Kind zu nehmen, und -- sie nahm es und wiegte es, zwar mit
Verdruß; sie nahm es ihr ab, und sie gab es -- ohne Verdruß.

Und während Clementine wie eingeschlummert da saß und Sophiechen neben sich
im Arme hielt, die sich an sie geschmiegt, nahm Christel auch den Brief vom
alten Prediger an ihren Vater und gab ihr ihn zu lesen.

Dorothee weinte nicht; sie fiel ihr nicht um den Hals, als wenn sie ihr
eine Schuld abbitten wollte! und dennoch, als Wecker draußen ein kleines
Strohkränzchen geflochten und den Daniel hereingeschickt, vor Dorotheen es
hinzulegen, gab sie dem armen unwissenden Boten eine derbe Ohrfeige, setzte
es sich auf, besah sich in dem kleinen Spiegel und weinte dann
unaufhörlich, aber still.

Jetzt schien ihr das Herz getroffen und erweicht; Christel tröstete sie.
Dorothee fiel vor ihr auf die Kniee und beschwor sie: Christel! meiner
Mutter Schwester! schont die arme junge Frau dort! Pflegt das Kindchen
wohl! Das wird Euch Gott vergelten. -- Gebt Ihr das Goldstück nicht! --

Christel war böse. Wecker trat ein und sagte: als er Dorotheen geschwind
aufstehen und sich die Thränen trocknen sah; das wollt' ich nur wissen! und
behielt seine Mütze auf.

Clementine erhob sich und nahm von Christel Abschied. Wenn Euch Gott lieb
hat, sagte sie weich, so läßt er Euch arm. Der Arme, oder der Geringe, den
die Welt nicht kümmert, der hat die besten Güter, mit welchen sich
Reichthum gar nicht, oder doch nicht lange verträgt und zuletzt sie
heimlich aufhebt und zu Grabe trägt -- und sei's des Reichen eigne, reiche,
unglücksel'ge Frau! --

Liebe gnädige Frau, sagte Christel, das thut ja der Reiche nicht, nur der
Schlimme. Wir halten auch auf die paar Kreuzer!

Nun also, fuhr Clementine fort, wenn es nicht der Reiche thut -- so wird
der _Fromme_ die Armuth vorziehen, gern ertragen, segnen -- oder, ohne es
zu wissen, unschuldig mit ihr glücklich sein, wie Ihr, mein gutes Kind. --

Das heißt ja nur: halt' fest an Gottes Wort! weiter nichts.

Weiter nichts! wiederholte Jene und nickte freundlich und schied von ihr.

Wecker aber sagte: Die lob' ich mir! sie ist nicht stolz; doch wenn der
gnädige Gottlieb mich ein Mal vor die Schule fordern ließ in die kalte
Zugluft, ruckt' er und stieß er mit seinem in Händen habenden Stöckchen,
wegen ermangelnden Respekts, so lange an meiner Mütze, bis ich mit bloßem
Kopfe da stand! Aber ich schämte mich nur vor ihm, so ein alter Mensch zu
sein, dem der Kopf durch die Haare wächst! Jetzt nehm' ich meine Mütze
_tief_ vor ihm ab, wenn ich ihn sehe, denn ich schäme mich nicht mehr vor
ihm, sondern er vor mir. Der Mann bin ich!




18.


Bis jetzt war Christel ruhig gewesen. Als es aber gegen Ostern kam, und die
Zeit schon Wochen vorüber war, in welcher ihr Johannes zurück sein konnte,
da ward ihr bang und bänger um ihn, und Kummer um sein Außenbleiben
übermannte sie manchmal, daß sie im Stillen weinte. Wird er wiederkommen?
getraute sie sich dann kaum sich selber zu fragen; wenn er wie Dorothee
ist, die von uns schied, als sie glaubte, uns zur Last zu sein! Dann
schämte sie sich ihrer argen Gedanken, sah auf die Kinder und empfand, daß
es ja gar nicht möglich sei, die lieben Gottesgeschenke bei klarem
Verstande nur kurze Zeit freiwillig je zu verlassen, geschweige für immer.
An sich selber dachte sie kaum.

Einst begegnete ihr Niklas, als sie Garn zum Weber trug zum Verkauf von
ihrem Gespinnst. Sie blieb stehen vor Rührung, als sie ihn sah: denn sie
getraute sich nicht über den Steg zu gehen, so verdunkelten Thränen ihre
Augen.

Beruhigt Euch! Frau Christel; sagt' er ihr mit trockenen Worten: Euer Mann
ist in gutem Gewahrsam, es stiehlt ihn Euch Niemand -- er sitzt nur den
Hasen ab, den er erschlagen, und sitzt nun schon auf der Blume! Er ist bald
drüber hinweg. Seid nur ruhig.

So blieb sie denn voll Wehmuth stehen, als er längst schon vorüber war. Sie
ging nach Hause, das Garn in der Hand. Nun erst hatte sie keine Ruhe, nun
verstand sie Johannes Reden, seinen stillen Unmuth; und die Worte, die sie
ihm alle zum Abschied gesagt, fielen ihr schwer aufs Herz.

Um nun ihren Johannes zu erlösen, er sei, wo er sei, beschloß sie, den
Herrn von Borromäus anzugehen, die alte Schuldverschreibung in der Hand.
Denn der Gerichtshalter wohnte in der Stadt, und so weit konnte sie sich
nicht mehr entfernen.

Der Schulmeister aber brachte ihr Nachricht, daß es mit dem seligen Herrn
zu Ende gehe, daß ein neuer Gutsherr komme, der Breitenthal auf Schuld
übernehme, ein reicher Kauf- und Handelsherr aus Frankfurt. Alle
»exigibilen« Reste wären im »Transsubstantiations« Verkauf mit angenommen;
die »inexigibilen« aber wollte der selige Herr noch für sich eintreiben zu
einem Ausgedinge, und es würden schon Ziegeln angefahren auf den
Vogelheerd. Geld also bekommt Ihr nicht mehr, gute Christel, sagte er; ein
Sterbender hat keine Furcht mehr, besonders wenn der Gerichtshalter die
Schwuracten nicht aufgehoben haben -- sollte! Wer hat danach zu fragen? --
Das sahe Christel ein. Sie sah auch, daß sich Wecker zusammennahm, so
verständig als möglich zu reden und zu sein; denn es war ihm eine
Freistelle in einem ganz närrischen Hause versprochen worden, wie er
umschrieb, die erst noch ausgewirkt werden sollte, damit das Dorf und der
arme Mann zur Ruhe komme. Er durfte nicht mehr umherlaufen, singen und
Schule halten; das Wecken besonders hatte der immer gern, aber Morgens am
süßesten schlafende Pastor sehr übel genommen; desgleichen hatten es die
anderen Herren Pastoren im Umkreis als eine vorwurfsschwere Anspielung sich
verbeten; und so mußte der alte Mann in die weiteren Dörfer wandern, sein
tägliches -- Schulgeld holen, das er mit Thränen aß, und dabei Christel mit
Stellen aus der Bibel bat, ihn nicht zu verstoßen in der Kälte.

Denn so lau und öfter lieblich es die wahren Wintermonate gewesen, ihrem
Johannes im Kerker zu Liebe, dachte nun Christel -- so stürmisch und kalt
winterte es jetzt gegen Ostern nach, als wenn der Himmel den Menschen seine
mährchenhaften Einfälle: von langsam rauchendem Dampf wie heimlich
brennende Flüsse -- hoch beschneite Berge -- lange Eiszapfen an den
Weinstöcken statt der Trauben -- wie mit weißen Blüthen beschüttete Bäume
im Walde -- eingefrorene Fische -- weißbereifte Bärte und Blumen an den
Fensterscheiben zum ersten Male in aller Pracht und Schönheit zeigen und
recht lange den Wintergarten sie genießen lassen wolle, damit sie sich satt
daran sähen und wieder einmal merkten, daß die Erde allein des Herrn sei.
Denn alle Raine, Zäune, Grenzen und Werke der Menschen in seiner Natur
waren hoch mit Schnee bedeckt und trugen nur seine Farbe, als wäre das
große alte Lehn erloschen; und so weit das Auge reichte, erschien nur
_eine_ weiße flimmernde Decke, und _ein_ blauer feiernder Himmel, mit
seiner Sonne; zum Zeichen, daß Alles nur Einem Herrn gehöre.

Daß Wecker wahr geredet, erfuhr Christel zu ihrem großen Leid. Denn die
alte Frau im Hause, die wie Christel, so lange sie selbst es vor andern
_kleinen_ Arbeiten konnte, und ihre Umstände es erlaubten, von Spinnen
lebte, hatte ihr die letzten Monate her nach und nach drei Thaler geliehen.
Nun aber wurden die »inexigibilen« Reste eingetrieben, wo freilich kein
Ansehen der Person mehr galt; die Alte sollte also für ihren vor 20 Jahren
schon begrabenen Mann 5 Thaler für Birkenruthen zu Besen entrichten, und
das nun leider bei Todesstrafe der armen Ziege der Christel, die zur
Ernährung der Kinder das Beste beitrug. Denn Christel mußte statt der
geliehenen drei Thaler die gute Ziege geben, die Ziege mußte nun fort _auf
das Schloß_ geführt und geschlachtet werden, und dennoch langte das dafür
_gelöschte_ Geld nur hin, daß _Christel_ die große Schuld abzahlte, wenn
auch die alte Frau noch um Gnade bitten mußte. Aber selbst die Ziege
stemmte sich zu gehen, und Christel und die Kinder weinten der alten Frau
nach, die ihrer kaum Herr ward.

Dafür erhielt aber Christel zum Palmensonntag einen kleinen Braten von der
jungen Ziege. Die Kinder wußten nicht, was sie aßen, Christel war in der
That nicht wohl, schob den Teller hin, stand auf und Wecker ließ sich den
»alten Rest von den Besen« schmecken. Von der _Ziege_ äße ich auch nicht,
sagt' er; aber welcher große Herr weiß denn immer, _was_ er ißt? Was würden
da manchmal, d. h. so manches _liebes_ Mal und Mahl für Dinge auf dem
Tische stehen! _was_ für Getränke würde man auf den Inhaltszetteln an den
_Wein_flaschen lesen! Von _was_ würden die Braten und Torten sein, wenn
Alles in rerum natura zu sehen wäre! -- Hu! Phantasmata! daß mir die Haut
schauert -- wenn es nur schmeckt! Ein Schulmeister braucht es auch nicht zu
wissen, was er ißt, geschweige wenn er keiner ist, wie ich. Birkenruthen
sind bitter; nicht wahr, ihr Kinder? -- und er lachte mit nassen Augen, als
sie sagten: Ja! Herr Wecker -- -- und sein: »Das wollt' ich nur wissen,«
konnte er das _Mal_ vor Jammer nicht sagen. Aber er lehrte dafür: Es hat
einmal einen uralten Weltweisen gegeben, -- als welche auch
Unterschiedliches gegessen haben sollen und müssen, wie Paulus Alles ohne
Unterschied, was nur vom Himmel gehangen, -- _der_ hat in seinem
unchristlichen Gedicht den Magen ein _Unthier_ genannt. Das ist so wahr wie
das heilige A. B. C.! Der Mann hat den Magen so gut gekannt als ich. Das
will viel sagen, Kinder! Ein wirklich armer, wirklicher Schulmeister muß
sich das von mir erst sagen lassen, der Gelbschnabel!

Die Kinder standen nun auf. Da Wecker aber noch nicht satt war, fing er
statt des Dankgebetes mit lauter Stimme noch ein Mal sein Gebet um Speise,
das: »Herr Gott, himmlischer Vater« an, schämte sich wie ein Nachtwächter,
der, wenn er den Tag abrufen und singen soll: Der Tag vertreibt die finstre
Nacht -- aber noch einmal abruft: Ruhet in dem Herrn! -- legte sich hin und
_schlief_ sich wenigstens _satt_, wie ein armer Tagelöhner in der
Mittagsstunde. Aber er schlief nicht so ruhig wie dieser im Schatten der
Bäume, sondern er träumte; und so hörte Christel mit Furcht die Worte:
»Blutbesudeltes Fleisch nun schmausten sie« -- -- und wieder: »die
Sonnenrinder brüllten an den Spießen -- -- und die Häute krochen umher« --
-- -- -- -- und mir -- mir meckert die Ziege im Leibe -- -- sie will mir
das Herz abstoßen, mein ehrliches Herz? Oder stößt sie nur mein Unthier,
den Magen, der sie mitgegessen hat, ja, fast allein. Fort! hebe dich weg!
-- Hilf mir doch, hilf, Friedrich, mein Sohn! Friedrich, mein Sohn!

Er setzte sich vor Furcht im Schlafe auf. Auch die Kinder fürchteten sich
und liefen zur Mutter, die ihnen sagte: Kinder, er schwatzt ja nur aus der
Schule! und hat nur den Schlucken! ach im Traume gedenkt er seines Sohnes,
der unter den Soldaten ist, wie mein armer Bruder _Stephan_. Ach! -- Sie
rief ihn erst leise, dann laut und lauter bei seinem Namen: Wecker! --
Wecker! -- Wecker! -- wacht doch auf! Ihr träumt zum Fürchten und wißt es
nicht! --




19.


Christel war in der Dämmerung im Dorfe gewesen, um die junge, arme, liebe,
schöne, gnädige Frau noch ein Mal -- auf ihrem Castrum doloris zu sehen und
sich satt zu weinen, und kam jetzt heim. Die Stube war kalt, die Nacht war
lang, die Kinder fror. Aber sie hatte das letzte Holz heut' angelegt und
verbraten, und dennoch ging sie hinaus, noch Etwas zu suchen. Es war
Mondschein, und sie erblickte eine Menge schon kleingespaltenes Holz vor
der Thür liegen. Das war nicht ihres. Aber sie bedurfte sein. Banden die
Jünger den Esel nicht los? sprach sie bei sich; aß David nicht die
Schaubrote? Das ist ja wirkliches Holz! und dennoch ging sie erst an der
Stube der alten Frau Redemehr horchen. Alles still, doch die Kinder
weinten! Sie eilte, sie drückte die Augen fest zu und ladete schnell einen
Arm sich voll. Aber das trockene Fichtenholz klang doch, wenn sie Scheit
auf Scheit legte, wie eine Strohfiedel; denn in der Angst zitterte sie, und
es fiel ihr aus der wie brennenden Hand. Als sie die Augen aufschlug,
hinein zu eilen ungesehen, erblickte sie die Alte, die zu ihr sagte: Wollt'
Ihr nicht lieber gleich Alles hinein tragen! Man ist doch niemals vor
Dieben sicher in der Kälte! Ich will Euch helfen! --

So ertappt als Diebin erreichte sie nur mit Mühe und Noth die Stubenthür;
aber niedergedrückt von der ersten Schuld in ihrem Leben und von der
ängstlichen Last, sank sie zu Boden und hätte noch lange gelegen, wenn ihr
nicht Daniel beigestanden.

Das ist brav! sagte Wecker und legte ohne Weiteres an von dem Holze.

Christel aber saß auf dem Bett wie erstarrt, und noch ganz erstaunt über
sich selbst, und darüber, daß das Holz brannte! die Flamme sie anschien und
wärmte! -- Johannes hat Recht! sagte sie für sich. Aber es wird den Kindern
wohlthun und dem alten Manne! und daß mich die Alte gesehen, das ist meine
Strafe auf Lebenszeit. Sie wollte in der Bibel lesen; aber es ging nicht.

Da trat die Alte ein und sagte ihr: Laßt das Holz doch nicht liegen! ich
helfe Euch, oder trag' es mit Weckern ins Haus. Die liebe gnädige Frau hat
es Euch geschickt; sie hat noch an alle Armen gedacht, selbst auf dem
letzten Lager. Ihr waret nicht da. Meins ist schon verwahrt. -- So ging
sie, Wecker und Daniel.

Aber Christel war darum nicht erheitert. Ihr war die Last nicht vom Herzen.
Desto schlimmer! seufzte sie. Wer oft nur einen Augenblick warten, nur
etwas Geringes entbehren will -- dem giebt der Herr ja Alles mit Freuden zu
seiner Freude. Außerdem aber zu seiner Qual! Doch ich will mich mit meinem
Gott versöhnen, daß ich das Kind nicht verwahrlose, es ist ja so die letzte
Zeit, und gut für jedes Weib, das, wie ich, mit einem Fuße im Grabe steht.

So war sie noch fleißig bis zum Charfreitag früh. Dann wickelte sie das
Goldstück, um auch das los zu werden, zum Beichtpfennig für den Prediger
ein und ging in die Kirche. Zuvor bat sie Weckern, der Alten und den
Kindern ab, wenn sie sie ja mit Worten oder Werken beleidigt, und im Geiste
bat sie es auch ihrem Johannes ab, den sie ordentlich vor sich stehen sah,
wie sonst an solchen Tagen, und hörte, wie sonst, wenn er ihr sagte: Du
hast mich nicht beleidigt, meine Christel, vergieb nur mir! Und das that
sie nun von Herzen.

In der Halle der Kirche hörte sie schon den Tremulanten, der heute zum
Todestage des Herrn gezogen war, und seine dumpfen Schläge schlugen an ihre
Brust, und sie bebte mit, wie die Töne bebten, daß sie hinknien mußte, vor
eigenem Elend, weit übertroffen von dem schönsten aber schmählichsten Tode.
Die Orgel führte die Melodie des wunderlichen alten Kirchenliedes: O
Traurigkeit! o Herzeleid! -- Der erste Vers war geendet, die langsam
schwebenden Töne klangen allein, und nun fiel die ganze Gemeinde dumpf, und
doch durch die Menge der Stimmen mit erschütternder Macht in die Worte ein:

   O große Noth:
   Gott selbst ist todt! --

Sie wußte nicht mehr, wo sie war, sie betete nur, und auch das nicht mehr;
so ergriffen, ja entsetzt war sie von diesen Worten, die ihr so wahr, so
traurig und fürchterlich erklangen. Und nun erst, als das Beben und Brausen
schwieg, zitterte ihr Herz nicht mehr so ängstlich über das furchtbare
Bild, das sie durch die Worte wie durch ein Feuer gehört und gesehen, aber
es klang ihr selbst am Altar noch immer vor den Ohren, ihr war, als raunte
eine tiefe Stimme zu ihrem Herzen:

   O große Noth:
   Gott selbst ist todt! --

Und wie das arme verlassene Weib durch die Noth aller dieser Tage zuletzt
selbst in ihrem Muthe gebeugt war, wie ihr das große Wasser und Dorothee,
der Leinweber und Wecker einfiel, die gnädige Frau, ja selbst die Ziege,
und jene Reden im Traum, wie sie die Kinder vor Augen sah, Johannes vor
Augen sah und bedachte, welche neue Angst ihr bevorstehe, die sie
vielleicht den Kindern raube und in das Grab stürze; so brach ihr das Herz;
und nun wiederholte sie selbst mit Grausen die Worte in ihrem verworrenen
Geiste: Gott selbst ist todt.

Dann opferte sie das Gold, wartete den Segen ab und ging ganz unter den
Letzten aus dem Gotteshause.

Wie aber die Geistlichen während des Opfers auf dem Altare stehen, ohne
noch zu fungiren, und wie dabei doch auch von dem Würdigsten zu Zeiten ein
Blick zur Seite nach dem Gelde fällt: so war besonders das Goldstück dem
Herrn Prediger in die Augen geblinkt, und er hatte die Geberin gemerkt,
sich sagen lassen, wer sie sei, und von dem neuen Schulmeister -- des alten
wegen -- nichts eben Besonderes erfahren, auch daß ihr Mann im Stockhause
sitze, und daß sie leben, ohne Jemand zur Last zu fallen. So winkte er ihr
dann auf dem Nachhausegange. Sie beantwortete seine Frage, wie sie zu dem
Golde komme, nicht unbefangen, noch wahrhaft; aber sie hörte kaum mehr, als
er sagte: vielleicht ist es nicht wohlverdient, wohl gar entwandt! und es
reut Euch, weil Ihr es opfert? Oder liegen da mehr wo Eins liegt? -- Sie
lispelte nur »o große Noth!« und als er fortfuhr, ihr das Herz zu zerreißen
und sprach: Man wird Euch streng beobachten! Daß Ihr nicht etwa entlauft!
-- pfui schämt Euch, eine Frau, die mit einem Fuße im Grabe steht! nach den
Feiertagen will ich die Sache untersuchen -- -- da weinte sie sogar nicht,
sondern sie war todtenblaß, schlich dahin, im Finstern, denn sie sah die
helle Mittagssonne nicht, und sie bebte und hörte wieder das bange Wort:
Gott selbst ist todt. --

Daß das kleine Kind, ihr Liebchen, wie sie aus Gottliebchen mit
mütterlicher Zärtlichkeit gebildet, nämlich das Weihnachtskind indessen
verschwunden war, daß weder die Alte und Wecker, die auch in der Kirche
gewesen, noch die Kinder, die Verstecken gespielt, deßgleichen nichts davon
wußten, das rührte sie kaum. Sie glühte, sie war krank über Nachmittag; sie
sah sich die untergehende Sonne noch einmal an, empfahl sich Gott und ging
dann, als es Dunkel geworden, zu Bette, und sahe noch, mit Thränen in ihr
Stübchen blickend, wie Fackeln vorüber zogen, wie Clementine, die gestorben
war, nach ihres Vaters Gut, nach ihrem Willen, nicht in Breitenthal zu
ruhen, mit schwarz behangenen Pferden langsam fortgeführt ward; hörte, wie
die Glocken ihr nachriefen, ängstlich, ängstlich! und der Mond in den
Fackelglanz schien -- bis Alles verschwand, bis sie die Augen schloß.

In der Nacht nun träumte ihr der Traum: Unser Herr-Gott sei gestorben.
Engel, blaß wie der Tod, hatten es ausgerufen, mit Stimmen, die bebten vor
Wehmuth. Thränen fielen wie Thau und warmer Regen vom wolkenlosen Himmel,
und die Kinder standen mit ausgestreckten Händen und fingen die Tropfen in
ihrer Hand auf und staunten sie an und zeigten sie den Menschen, die sich
lautlos und entgeistert einander ansahen. Ein unaufhörliches Lauten, wie
von großen silbernen, aber gedämpften Glocken, summte in der Luft, und Alle
sahen und hörten hinauf, und Niemand wußte, woher das feierliche Lauten
scholl. Die Sonne stand verfinstert; ängstliche Düsternheit ward auf der
Erde, die innerlich bebte. Die Eulen kamen aus ihren Höhlen, die
Johanniswürmchen flogen und schimmerten sichtbar wie Funken, die Hähne
krähten und gingen zu Bette, die Blumen schlossen sich zu und senkten ihr
Haupt, die Vögel schwiegen, und die Krähen zogen zu Walde. Die
verschatteten Gewölke erschienen wie schwarze herabgeworfene Flore, die
Nachtigall brach in einzelne Klagetöne aus und verstummte plötzlich, und
die Gestirne traten am Himmel bei Tage heraus, und eine Verwirrung war in
der Natur voll Angst und Zagen und Hast und Bestürzung, und aus der
äußersten Ferne des Himmels erdröhnte es dumpf, als stürzte sein altes
Gewölbe zusammen und würde verschüttet, und das Dröhnen scholl immer näher,
hörbarer, herzbeklemmender, und Niemand wußte Rettung. Und die Erde
schwebte mit der Träumenden empor, und ihre Schwester Martha raunte ihr ins
Ohr: Ich bin todt, und Du bist todt! Nichts lebt mehr, wenn der Vater todt
ist. Unser Herz hat ausgeschlagen, unsere Augen sehen ungeblendet selbst in
den Blitz -- komm! komm! komm -- ich will Dir den Heiligen zeigen in seinem
Sarge. Und sie klopften an die Thür des Himmels, und Weihrauchduft quoll
ihnen entgegen, und sie sahe in dem wie Herbstnebel wallenden silbernen,
Alles verhüllenden Duft hohe, diamantene Leuchter stehen, aber keine Kerzen
darauf, sondern ruhig um dieselben im Kreise sich drehend, schimmerten
Lichtkugeln wie Gestirne und Sonnen, und kleinere Lichter wieder um sie.
Und so standen unzählige Leuchter auf den Stufen eines himmelblauen
Katafalks, von unten bis oben hinauf um das Castrum doloris, und oben
darauf stand ein krystallener Sarg, und Engel hielten Wache um den wie
schlafenden Vater und hatten vor Schmerz sich eingehüllt in ihre Flügel. --
Niemand wagte hinzuschauen. Eine feierliche, tödtliche Stille wie
Gewitterschwüle. Nur leise Donner murmelten dumpf in der Ferne, weit, weit,
wie Sterbegeseufz der Natur, und Flügelschlag der Winde sauste vorüber, und
das veilchenblaue Gewand des Schlummernden, sanft davon bestreift, duftete
lieblich wie ewiger Frühling, und die damit getränkte Luft verhauchte den
Wohlgeruch, köstlich duftend, und hin und her ein Engel nur seufzte aus
tiefer Brust: O große Noth! Und aus allen Regionen der Welt stürzten
athemlos und verblaßt, Angst im Antlitz, auf ihren Flügeln, wie vor dem
Sturm heimeilende Tauben, Engel herzu und sahen und blieben stehen, zu
Bildern erstarrt mit gehobener Hand, oder sanken auf ihr Gesicht.

Siehe da trat Einer mit gescheiteltem, goldenem Haar vor den Sarg und las
mir weicher Stimme: Er, Er, der allein ist, der _allein_ sein wird, Er
wollte die Welt nicht wieder zerstören, seiner Hände Werk; sie war ihm zu
schön, zu geliebt -- aber zu sündhaft. Niemand sah _Ihn_ durch sein Werk,
über ihm, in ihm, mit ihm, Sie lebten wie _ohne_ Ihn! -- Wehe! nicht das
einzige Verbot: Du sollst nicht tödten! dieß grellklingende, leichte Verbot
an die rohen Pilger in der Wüste, das Er auf den harten Stein mit dem
Finger geschrieben, vermochten Weisere, Glücklichere, Spätere seiner Kinder
zu halten! geschweige das ewige einzige Gebot, das im Blute der Natur wie
Balsam zu allen Herzen drängt, das Sterne und Sonnen voll Milde und
Schweigen _laut_ in Strahlen verkünden, das die Erden _blühen_ mit tausend
Blumen, das auf dem Antlitz der Neugebornen als Lächeln steht, das Gebot:
liebe Gott über Alles, und Deinen Nächsten als Dich selbst. -- So ist er
gestorben, wie Er sterben kann; so ist er todt, wie _Jemand_ todt sein
kann: -- Er schweigt und ruht in seiner eignen stillen Seligkeit, um der
Welt zu zeigen, was sie ohne ihn sei, ohne die Liebe, die Er ist. Ihr
Heiligen aber, verzaget nicht! Ihr wohnt, wie zuvor schon auf der Welt,
auch jetzt in seinem schlummernden Geiste. --

Und eine Geisterstimme rief:

   Zur Gruft! zur Gruft! zur Gruft!
   Komme hinaus, mein König![A]

[Fußnote A: [Greek: `Exelthe, `ô basileu]! rief die Stimme eines zum Engel
verkleideten Menschen die griechischen Kaiser, wenn sie erhoben wurden, um
in die Gruft getragen zu werden -- in das Heroon. Im _Europalata_.]

Nun, sahen sie, nun erhoben ihn schauernd die Engel und trugen ihn zur
Gruft und versenkten ihn. Auch Moses war unter den Begrabenden, und streute
sein abgeschnittenes Silberhaar mit den Blumen Streuenden zuletzt in das
offene Grab. -- Da fielen die Sterne vom Himmel, der Welt entging die
Kraft, und sie zog zurück in sein Herz, wie eine leuchtende Wolke, die ihn
umwob, und ein Strahl daraus wie ein Abendsonnenstrahl aus Gewölk glänzte
und senkte sich, glühend und rege fließend, auf seine Brust. Finsterniß
ward! Oede! Schweigen! Keine Wolke zog, kein Lüftchen wehte; die Flüsse
versiegten, die Blumen verwelkten, alle Pulse stockten, keine Thräne hatte
selbst ein Auge mehr; kein Ach! eine Stimme; keine Hände hatten die Kraft,
zum Gebet sich zu falten; keinen Gedanken jetzt mehr: »Wir wollen uns
lieben,« irgend ein Herz. Alle Propheten, alle Gesandten, alle Söhne Gottes
von allen Sternen herbeigeschwirrt wie weiße Schatten, hauchten Gott den
Geist Gottes aus, waren todt und nichts, von seiner zurückgenommenen
geliehenen Kraft verlassen. Selbst die Engel sanken zuletzt am Grabe, von
seiner Kraft verlassen, dahin; ein unermeßlicher weißer Regenbogen, wie
eine unendliche, breite Milchstraße, zog sich aus allen den zerschollenen
und zerstäubten flirrenden Massen von Leben und Licht über dem Grabe
zusammen, aus welchem Glanz hervorbrach, warm und sanft und rosig, wie eine
Rose schimmert im Mondschein. -- Sie nahte mit heiligem Schauder, sie
beugte sich zitternd über, sein Antlitz -- Gottes Antlitz zu sehen -- aber
sie sah nur zwei Thränen blinken wie Thau an seinen leicht geschlossenen
Augenwimpern, und nur ein unaussprechliches Lächeln, ein wie sichtbares
Lieben, das sie unwiderstehlich näher und näher, hinab, und zuletzt ihm
fest an die Brust zog, unabtrennlich-fest, und selig-süß. Und die letzten
leisen Stimmen der sterbenden Engel ächzten: Gott selbst ist todt! -- Und
auch sie war gestorben -- ein Säuseln strich noch einmal verlöschend über
die Gruft, und die Welt war verklungen. Aber sie fühlte auch todt noch ein
warmes Herz in dem liebenden Busen des Vaters schlagen -- und sie verging.
-- -- --

Wem sie aber am Herzen erwachte, das war ihr Johannes. Er war
wiedergekehrt. Sie setzte sich auf, sie sah ihn an und erkannte ihn nicht.
Ihr Geist war noch nicht zurückgekehrt, in diese Welt, wo so eben das
schwere Geschütz vorüber in den Krieg rasselte, noch nicht wieder
eingewohnt in ihrer Hütte, herabgestimmt zu ihren Kindern, zu ihrem
Johannes, der vor Freuden weinte. Bis er sie munter küßte, bis sie ihm
leise und schüchtern erzählte, was sie geträumt.

Ich bin verwandelt, meine Christel, sagt' er ernst. Gott hat Dir den Traum
zum Troste gesandt, daß Du für eine kurze Stunde heiliger Angst zeitlebens
nun gedenken sollst: Gott lebt! Gott kann nicht sterben. So lebt er auch
uns -- Du hast den Traum für mich geträumt, und nicht für Dich, Du gute
Seele, für alle Armen und wer ihn hört. Wer reines Herzens ist, der soll
Ihn schauen, und Du hast Ihn gesehen, Er lebt! Sieh' auf, dort scheint ja
die Sonne!




20.


Noch in der düstern Morgendämmerung des Ostersonnabendes, ehe der Vater
nach Hause gekommen, war aber der kleine Daniel schon mit Wecker in ein
anderes Dorf gegangen. Sie hatten sich Abends heimlich beredet, Daniel
hatte sich ein kleines Säckchen geborgt und umgehangen; denn er sahe, wie
nöthig das Nöthigste im Hause sei, was die Kleinen vergebens von der Mutter
verlangt, nur er nicht. Er hatte die Jacke des Vaters an, die ihm in der
Kälte ein kleiner Mantel war.

Das hatte die Alte gesehen. Heut' ist ja heiliger Abend, sagte sie zu
Johannes, da wird der Weg nicht leer von Dorf zu Dorf, wo nur Essen
rauchen; da macht sich ja mancher auf und wird _darum_ nicht übler
angesehen, weil er auch sonst das ganze Jahr nicht kommt! Mir ist nur der
Schnee zu hoch, sonst ist es ja eine wahre Labung und Stärkung, gerade an
solchem heiligen Tage betteln zu gehen. Die Wehmuth hat mir Gott schon
geschenkt! Man wird so reich, so reich -- Ihr wißt das gar nicht, mein
Johannes. Gönnt das dem Kinde und dem Alten!

Doch war es schon Abend, ja Nacht geworden, und Beide kamen nicht wieder.
Die Mutter hatte aber Manches in der Stille zurecht gelegt und besorgt, was
sie genäht, und was so klein, so lieblich anzusehen war! Sie lächelte nur
Johannes an, saß oft lange still, schlummerte wieder und bat ihn endlich
nach Mitternacht, »mit dem blauen und rothen Strumpfe zu laufen,« wie es
heißt, und den Storch zu holen.

Er lief mit freudiger Hast. Er pochte. Ein junges Mädchen kam ans Fenster,
nicht die Kindelfrau. -- Die Mutter ist drüben im andern Dorfe bei der
reichen Müllerin, sagte sie ihm; schon drei Tage. -- Er zündete sich eine
Kienfackel an und eilte, durch das feine Schneegestöber sich leuchtend, und
geblendet, in einen engen Lichtkreis eingeschlossen. So kam er, weit außer
dem Dorfe, vom Wege ab, in Windwehen, machte sich Bahn hindurch und stand
auf einmal in dem Kalksteinbruch. Er leuchtete an dem bunten marmoradrigen
Gestein umher, den Ausweg zu finden. Da sah er auf einer natürlichen
Marmorbank, wie in einer Grotte die außer dem Winde und ohne Schnee war,
eine kleine ruhige Gestalt sitzen, sanft hingelehnt. Er nahte mit
Herzpochen; Knöpfe blitzten ihn an, das Tuch war blau -- es war sein
gewesener Kirchrock; ein kleines blasses Gesicht lächelte ihn an -- es war
sein gewesenes Kind, der Daniel, ein volles Täschchen auf seinem Schooße,
einen Schnitt Brotes in seiner steif gefrornen Hand. Er leuchtete das an,
er sah es und sah es nicht, er hielt die Hände fest vor die Augen, es nicht
zu sehen. So stand er lange. Und als er wieder aufsah, mit Wehmuth
hinblickte, war Alles verschwunden, wie ein Traum, keine röthliche
grellerleuchtete Grotte, kein Kind, nur Nacht und Stille. Hast Du das auch
geträumt? fragt' er sich froh und bestürzt. -- Er sahe zu Boden. Der
Kienbrand, den er vor Schrecken fallen lassen, zischte im Schnee mit dem
letzten Funken und war verloschen. -- So sagte er nichts und dachte
Verwirrendes. Er fühlte sich zu dem Kinde, er umfaßt' es und küßte ihm die
Hand, und das Brot. -- Du bist hin! sagt' er weich. So warte denn hier,
mein liebes Kind! Die Mutter bedarf es. Nicht wahr, Du bist es zufrieden,
daß ich gehe! -- und Dich, bis ich wiederkomme, Dich hier allein verlasse?
-- Gewiß! Du bist es zufrieden. Du gingst ja schon um der Mutter willen,
und um die Geschwister! Heiße mich gehen! mein Kind! und ich möchte doch
bei Dir bleiben! Fürchte Dich nicht! ich komme ja wieder! Bald, geschwind!
--

So redet' er mit dem erfrornen Kinde, das ermüdet und von Kälte ergriffen,
ausruhen und essen wollen, zum Botenlohn, und süß und immer süßer
eingeschlafen war, und das der unerbittliche Tod, der auch des Nachts
überall umherschleicht, der weder Vater noch Mutter, Brüder und Schwestern
hat, auch hier gefunden und ohne Herz und Mitleid nicht verschont. -- Das
dachte Johannes im Weitereilen und sprach vor sich: Ich möchte doch der Tod
nicht sein! Das ist das schrecklichste Amt in der Welt. Wie gern doch bin
ich dagegen der arme Johannes! Und doch muß ich das sehen und dulden! Das
Kind ist glücklich. Wie konnt' ich besser sehen, wie gut es ist, wie
glücklich ich war, _als so!_ -- Heut' in der heiligen Osternacht hab' ich's
gesehen und erfahren: Kein Mensch ist so unglücklich, daß er nicht noch
weit unglücklicher werden kann! Ach, du lebendiger Vater im Himmel, sei
doch auch Keiner so elend, der nicht wieder glücklich werden könnte. --
Gewiß, der Gute kann immer wieder glücklich werden! -- sprach eine innere
Stimme in ihm. Gott ist nicht todt. -- Du _warst_ ein Thor und bist
vielleicht noch einer. -- Wer das wüßte! seufzt' er. Wer weiß, wo Wecker
sitzt! --

Er beeilte nun seinen Vatergang. Die Mühle stand. Die Räder waren
eingefroren und wunderlich anzusehen. Aber die Müllerin ließ die Kindelfrau
nicht fort, und sie selbst versprach sich keinen Lohn und tröstete ihn mit
Gott und Gottes Hülfe.

Das Wort trieb ihn beruhigt fort. Aber Wecker hatte in der Mühle
geschlafen, war schon munter, hatte vom Schlaf auf dem Stroh keine Federn
in Haaren, wie er vergnügt bemerkte, fragte nach Daniel, der sich nicht
halten lassen, und ging mit Johannes, dem jetzt die Angst entnommen war: er
könne auch den alten Mann so finden wie den Knaben.

Wecker trug eine große Fackel brennend in einer Hand, und eine zum Vorrath
in der andern. Johannes schritt vom Wege ab, in den Steinbruch, und als
Wecker das starre Kind sah, fehlte nicht viel, er hätte die Fackel fallen
lassen. Aber er zitterte nur, daß in den flackernden Lichtern und den
bewegten Schatten das Kind lebendig zu werden schien. --

Der Mann bin ich! sprach er wie ein Sündenbekenntniß, das Johannes wohl
verstand, aber schweigend den Knaben sich auflud und mit ihm fortschritt,
während Wecker heut' im erregten Wahnsinn wunderliche Reden führte, während
er vorn leuchtete.

Das wollt' ich nur noch wissen! sagt' er zuletzt; nun kann ich sterben; die
andre Noth hab' ich alle gelernt, bis auf den Tod. Ich sollte dem kleinen
Betteltäschchen die Freude nicht machen! -- Wecker, du solltest mit heim
gehen! das heißt, wo er zu Hause ist, oder auch heim! wo du heim bist!
Johannes sollte lieber »das alte Schulhaus« schleppen, wie die Engel das
Haus nach Loretto; dann schrie der Kuckuck nicht im Schnee, dann müßte der
Pastor einmal umsonst begraben. Der sollte sich ärgern! -- Aber an einer
oben brennenden Fackel kann man sich unten die Hände erfrieren, Johannes!
Merkt Euch das.

Gott wird der Christel den Schaden ersetzen, sagte Johannes. -- Da will ich
die Wiege sein, die Euch fehlt; der Mann bin ich! freute sich Wecker. --

Aus den Dörfern umher schallte schon Ostergesang und hallte freudig im
Walde nach, wie ein Echo vom Himmel, oder wie sanfte Stimmen unsichtbarer
Engel, die an dem heiligen Morgen um die Menschen wandelten auf Erden.
Alles war angeklungen von dem geweihten Gesang. Der Himmel und vor ihnen
der blinkende große Morgenstern schien nicht _sein eigen_, die Erde nicht
ihr eigen, nicht Wald und Flur, Hütten und Weinberge nicht, auch die
Menschenherzen nicht, sondern der Name: _Christus_, gesungen aus der Brust
der Mädchen, umfing und befing Alles mit sanftem Schall und eignete _Ihm_
es zu; und die Welt war Gottes des Vaters in dieser heiligen Morgenstunde.

Hört ihr die Jungfrau'n, Johannes? wie das erbaulich klingt! sprach Wecker.
Sie haben's heut kalt. Aber sonst wär's auch keine Kunst, zu singen! So
Etwas ist ewig, und verlangt sein Recht zu aller Zeit. Ich mußte auch
lauten, und wenn das Gewitter dicht über mir stand; es hat mich auch einmal
so halb und halb, das heißt aber nicht etwa _ganz_ versengt, so nur
angesengt! Dafür hab' ich auch keine Wetterscheu mehr! denn ein rechtes
Unglück trifft Niemanden zwei Mal, wie das große Loos! Das könnt Ihr Euch
merken! --

Johannes merkte sich das mit Stöhnen. Er blieb ein Weilchen stehen, um
auszuruhen und Athem zu schöpfen, aber er setzte seinen guten Daniel
unterdessen nicht in den Schnee.

Hört nur, fuhr Wecker fort, dort singen sie drüben das Lied:

   Der Tod ist todt,
   Das Leben lebet,
   Das Grab ist selbst begraben! --

Das wäre gut für den Daniel! und gut für den Todtengräber, die Erde ist
jetzt steinhart!

Darauf gingen sie wieder. Als sie aber zum Dorfe kamen, vernahmen sie die
Melodie, ja selbst die Worte:

   Auf, auf, mein Herz mit Freuden,
   Nimm wahr, was heut geschieht!
   Wie kommt nach großen Leiden
   Doch ein so großes Licht!

Johannes stand gerührt.

Nun da kann ich die Fackel auslöschen! meinte Wecker und stieß sie vor dem
Hause in den Schnee.

Der Vater aber trug den Knaben leise ins Haus und hörte mit Freudenthränen
eine zarte Kinderstimme in dem Stübchen, stand und sah durch das kleine
Fenster in der Thür, wie die Alte es schon im Bettchen auf den Armen trug.
So legt' er den Daniel hastig in den Schuppen, damit ihn die Mutter nicht
sähe. Er dachte kaum, daß dieser kein Strohdach hatte, daß es schon tief
hinein geschneit, daß es immerfort noch häufig hinein schneie -- ihm
schadete ja das Alles nichts! Da ruhe in Gottes Namen, mein Kind! sagt' er;
nahm ihm das Täschchen ab und zog sich aus eigner Wehmuth selbst wieder den
alten Sonntagsrock an, sahe noch einmal zurück, ob es gleich noch düster
war, und ging erleichtert hinein zu Christel. Er blieb an der Thür stehen.
Die Alte hatte das Kind der Mutter zum ersten Mal auf die Arme gegeben, und
er hörte, daß Christel leise sprach: Segne dich Gott! mein liebes Kind!
Lebe gesund und werde alt, bis Dir die Tage nicht mehr gefallen! Halte fest
an Gottes Wort. -- Du bist zu _uns_ gekommen -- fuhr sie mit weicher Stimme
fort -- anstatt in eines Reichen Haus? Wir haben Dich! -- und an _Liebe_
soll Dir's nicht fehlen, und an nichts, was ich habe, und was Du noch
brauchst. Sei nur zufrieden und weine mir nicht. Du bist bei mir. --

Nun ward es still. Eine Herzstärkung thät ihr nun wohl! meinte leise die
Alte. Und so öffnete Johannes das Täschchen, legte erst ein rothes Osterei
daraus auf den Tisch und brockte das Brot in das kochende Wasser. Dann ging
er und setzte sich zu Christel auf's Bett.

Sie aß. Er hatte die Augen zu. -- Was weinst Du denn? Vor Freuden? ja wohl!
mein Johannes, sprach sie, siehe nur her! -- Er aber sagte: Weißt Du auch,
was Du issest? -- Ich habe ja meine Besinnung, antwortete sie: Brotsuppe!
die ist mir jetzt am besten und dienlicher als von rüdesheimer
Hinterhäuser.

Aber von was für Brot! meine Christel, nickt' er. -- Bettelbrot von Daniel?
sagte sie heiter; sei doch ruhig, Johannes, das Kind hat es gern gethan.
Alles ist von Gott, auch das Brot, und von dem nehm' ich es an, und von dem
guten Kinde noch einmal so lieb. -- Wo ist denn der Daniel? ruf ihn doch
her. -- Er schläft; sagte Johannes; er war sehr müde, die Augen fielen ihm
immer zu. -- Nun so laß ihn schlafen, lächelte Christel; er hat ein gutes
Werk gethan. -- Der Vater aber ging von ihr, besah das Osterei, brachte
heraus, was darauf gekritzelt war: »Friede sei mit Euch,« schnitt einen
Eierkorb und hing es über dem Eßtisch auf, zu des Kindes Angedenken.




21.


Da erklang ein Posthorn und rufte wie drüben vom zugefrornen und
verschneiten Teiche her. Es ward still; dann ging die Hausthür auf, derbe
Tritte stampften den Schnee von den Füßen, und das kleine, vom Kaminfeuer
erleuchtete Fensterchen in der Thür lockte den Fremden herein.

Bin ich noch weit von Breitenthal? fragt' er; guten Morgen auch! Man sieht
im Schneegeflocke die Hand nicht vor den Augen.

Wir wohnen im letzten Hause von Breitenthal, oder im ersten, wenn man
kommt; sagte Johannes.

An der Stimme, und näher getreten nun auch im Scheine des Feuers, erkannte
der Fremde jetzt Johannes, reicht' ihm die Hand und sagte: Kennt Ihr mich
noch!

Ihr seid wohl der Herr vom Kirchthurm, meinte Johannes.

Nicht allein der Herr vom Kirchthurm, sondern auch jetzt der Herr von
Breitenthal! versetzte der Fremde lächelnd. Ich bin noch in Eurer großen
Schuld! aber ich habe an Euch gedacht; ein kleines Schiff mit Sachen liegt
für Euch schon befrachtet in Frankfurt bei mir auf dem Main; sobald der
Fluß wieder aufgeht, kommt es für Euch, und Schiffchen und Alles ist Euer.
Nehmt damit vor Willen; das macht Paschalis nicht ärmer.

Ihr habt ja gehört -- ich bin nur nach _Dorothee_ gefahren! Ihr sollt mir
ja nicht danken, hat sie gesagt; das ist nicht nöthig; wiederholte
Johannes.

Aber angenehm ist es, entgegnete Jener, und mir Bedürfniß, und, seh' ich
recht, auch Euch.

Da möcht' es nur _bald_ aufthauen! sagte Frau Redemehr.

Aber wo habt Ihr die Dorothee? fragte Paschalis.

Bester Herr, ließ Christel jetzt ihre Stimme vernehmen, fragen sie nicht
nach _der!_ Sie hat uns großes Herzeleid angethan. Weihnachten hat sie mir
ein Kind beschert, das Gottliebchen, und niemand anders als eben auch sie
hat es zu meinem Kummer mir wieder geraubt. Ich habe gehört, die gnädige
Frau hat an ihrem Sterbebette Allen vergeben, auch dem gnädigen Gottlieb,
und Dorothee hat vor Thränen sich nicht fassen können! Nun ist sie
verschwunden, und wer weiß, wo wir Mutter und Kind noch finden, wenn der
Schnee und das Eis vergangen.

Sie hat Dir ein Kind gebracht? fragte Johannes seine Christel verwundert.

Mir thut es leid um das saubere, trotzige Mädchen; sagte Paschalis. Wie man
sich irren kann! Ich glaubte mich schon klug genug, beim ersten Anblick
eines Menschen ihm sein Schicksal aus dem Gesicht zu lesen; wie er war, und
wie er sein kann! Aber seid nicht in Sorgen um sie.

Er wollte zur Thür hinaus gehen; Johannes leuchtete ihm. Da erblickte
Paschalis das steinerne weiße Denkmal, und der vergoldete Namen »Martha«
schimmerte still ihn an.

Martha! sagt' er für sich. Martha? und auch der alte Johannes! Kinder,
fragte er betroffen, wie kommt ihr zu dem Stein?

Er ist für meinen Vater und meine Schwester, antwortete Christel. Der
Kirchhof drunten ist noch nicht in Ordnung.

Deine Schwester, die arme Martha! sagt' er weich. Ich steh' als ein großer
Schuldner an ihr vor Euch, aber verdammt mich nicht. Ich war aus
Leidenschaft fähig, ein Unrecht zu begehen, aber es gut zu machen -- zu
schwach, zu stolz, zu verblendet und fortgerissen von derselben
Leidenschaft, die Liebe heißt und Verderben ist und es bringt! und als mein
Vater gestorben war, als ich aus fremden Städten heim kam -- als ich weiser
war -- da war sie todt. Arme Martha!

Wenn Ihr Euch zu Martha bekennt, sagte Christel niedergeschlagen, so kann
ich Euch noch ein trauriges Geschenk zum heiligen Ostertage machen!
Dorothee ist Martha's Tochter. -- Geh' doch in die große Bibel, Johannes,
und gieb dem Herrn den Brief! Er ist vom alten Pastor an unsern Vater, und
auch den andern, den noch versiegelten! der ist gewiß nun von Euch. Ihr
armer Mann!

Johannes brachte die ganzen Papiere und auch die Schuldverschreibung von
Borromäus, selbst die Letzte an Dorothee.

Paschalis that kaum einen Blick hinein und sprach dann zu Johannes: Geht
und holt doch Dorotheen aus dem Wagen und schickt ihn dann auf das Schloß.
Der allzu gnädige Gottlieb droht' er. --

_Ihr_ bringt uns Dorotheen? fragte ihn Christel mit Freud' und Schmerz
wunderlich gemischt im Klang ihrer Stimme.

-- Ich überholte sie einige Stunden von hier, im Schnee watend, um nach
Hause zu kehren, nahm sie ein und erkannte sie als dasselbe Mädchen, das
ich bei Euch gesehen. --

War sie allein? und hatte kein Kind? fragte Christel hastig.

Allein! kein Kind! versetzte Paschalis.

Mir schauert! äußerte Christel und schwieg, das Gesicht in den Händen
verborgen. Paschalis ging gleichfalls schweigend umher und blieb dann
gedankenvoll vor der Inschrift stehen.

Dorothee trat ein.

Wo hast Du Dein Kind? redete streng sie Paschalis an.

Wer hat danach zu fragen? sprach Dorothee mit düstern Augen ihn messend.

Dein Vater! antwortete Paschalis noch strenger und ergriff sie bei der
Hand.

Wer ist denn hier mein Vater? versetzte Dorothee.

Der sich jetzt schämt, es zu sein! erwiederte Paschalis und kehrte sich von
ihr.

Daran thut er jetzt klug! sagte ihm Dorothee; aber noch klüger hätt' er
gethan: sich erst zu schämen, eh' ich seine Tochter ward -- und so sich von
Martha zu kehren, wie jetzt von Dorothee. Aber die Kunst ist nicht groß --
ich kann es auch. Und nun kehrte sie ihm den Rücken, ganz erhitzt im
Gesicht, und doch blaß und schneller und hörbar athmend.

Eh' wir weiter reden, nahm Paschalis das Wort, wo ist Dein Kind?

Das ist doch zum Lachen! versetzte Dorothee, wenn es sonst nicht zum Weinen
wäre! --

Hätt' ich doch lieber nicht auf dem Thurme gelauten! bedauerte Paschalis.
Ich komme in das Dorf nach meinem Kinde zum Prediger, dem ich sie
anvertraut. Ein junges Weib sitzt da: ich schweige, ich gehe; ich will
morgen wiederkommen, um zu erfahren, wo sie nun ist -- da brechen in der
Nacht die Dämme, da eil' ich hinauf in Todesangst um mein Kind und laute,
daß sie _meine Stimme_ höre! laute, um in der Menge verborgen sie _mit_ zu
retten -- nur _sie_ -- -- hätt' ich doch nicht gelauten! hätt' ich doch
Euch gefragt, wen ich suche, statt Euern Namen mir aufzuschreiben, dann zog
sie nicht auf das Schloß!

Die Alte aber sprach: die gnädige Frau ist todt; nun kann sie ja der
gnädige Gottlieb _auch_ heirathen.

Das ist meine Tochter! würd' ich ihm sagen, trotzte Paschalis und hielt
Dorothee an seiner ausgestreckten Hand.

Das ist nun eben ihm recht! setzte die Alte hinzu; da behält er das Gut.

Ich würde ihm sagen: Sie heißen Gottlieb, aber Ihnen ist weder _Gott_ lieb!
noch sind Sie Gott _lieb!_ wenigstens _mir_ nicht! Zieh' in den Krieg!
rieth ihm Paschalis.

Wenn Ihr mein Vater seid, was ich mir nicht wünsche, so seid Ihr doch
werth, daß ich Euch frage: hatte Clementine nicht eine Mutter? lebte sie
nicht als Wittwe bei ihr und bei _ihm?_ war sie nicht jung noch und üppig
genug? -- _Ihr_ hab' ich _ihr_ Kind jetzt hingetragen! War das nicht werth,
daß eine Tochter vor Gram starb? war das nicht werth, daß eine Mutter vom
Sarge der Tochter entfloh! --

Alle schwiegen mit stummer Scheu. Dorotheens Worte hatten eingeschlagen.
Jeder sah zur Erde, Jedem bebte das Herz.

Paschalis wollte seine reine, unschuldige Dorothee umarmen und rief: Mein
einziges Kind! --

Dorothee trat vor ihm zurück. Nun sind wir geschieden! sprach sie. Das
Schloß ist Euer -- das Schloß betret' ich nimmer wieder! -- Ihr habt die
Schulden zu Euren Schulden gemacht; gebt Eurer Martha Schwester ihre
tausend Gulden, und mir den Lotteriegewinn, daß ich ihn Johannes wieder
erstatte -- dann lebt in Frieden! Bedenkt, daß Martha meine Mutter war, und
daß Ihr mich in ihr gekränkt und erniedrigt, unaufhebbar! Und wollt Ihr so
schenkt dem alten Leinweber einen neuen Baß, so spielt er wieder, und
Johannes befährt den alten Rhein.

Einen großen Haupt-Straduarius soll der Mann bekommen! Du, Breitenthal!
Dorothee, daß Du Dich rein erhalten in solchen Händen! Johannes aber ein
Schiff mit goldenem Boden -- ich will Euch Alle glücklich machen! sagte
Paschalis erregt zu Johannes.

Wenn Ihr gestern kamt! Gestern war es noch möglich! entgegnete ihm
Johannes. So elend war ich da nicht wie heut', und nun immerfort! -- o mein
gutes Weib! -- und doch lebt ja der alte Gott! Du verstehst mich, aber nur
halb!

Ihr seid doch sonderbare Menschen! sprach Paschalis. Wer begreift das
Alles! Doch daß Du mir nicht Schande, nein Ehre gemacht, o Dorothee, das
segnet Dir Gott und mir!

Ihr wundert Euch und seid ein großer Kaufmann, Herr Vater! lächelte
Dorothee. Das jüngste Mädchen ist so klug wie der älteste Kaufmann. --
Nicht wahr, Ihr verliert nur _Eure Schätze_, wenn Jemand fallirt, dem Ihr
sie anvertraut. Aber -- ein _gefallenes_ Haus hat keinen Credit, und ein
Mädchen borgt _Ihm_ nicht einen Finger, geschweige die Lippe! -- Das sag'
ich noch, damit es Euch nicht zu schwer wird, mich zu vermissen.

Gerade nun! Du mußt mein sein! bei mir bleiben! bat sie der Vater.

Das will ich mir funfzig Jahr überlegen! beschied ihn das kecke Mädchen.

Johannes aber hatte schon längst das Zimmer verlassen und wankte hin, um
sich auszuweinen bei seinem Daniel. -- Aber er fand Jemand schon neben ihm.
Wer seid Ihr? fragt' er verwundert. -- Still! Still! ich bin Wecker! der
wahre Wecker? Ich bin der Mann! schon eine halbe Stunde! Hier ist der
Doctor! sprach er und wies ihm den abgeriebenen Strohwisch; er ist
eigentlich nur ein _Lizentiat!_ fuhr er fort. Das Kind, im Schnee und mit
Schnee vom Himmel beschüttet, war erwärmt, und seine Wärme hat sich eine
Höhlung weggethaut, sein Haar ist feucht, und seine Wange glüht. Ex Noth
wird wieder Ex voto! Hört ihr das Osterlied! Nun kommen die heiligen
Frauen.

Johannes aber kniete, betete und konnte vor Zittern der Hände nicht thun,
was ihn Wecker hieß, der das Kind zuletzt auf die Füße stellte und in des
Vaters Arme gab. Der Knabe besann sich endlich langsam wieder, glaubte noch
in dem Steinbruch zu sein, bewegte den Mund, als wenn er wieder äße, hörte
dann des Vaters Zuruf und sagte mit halber Stimme: Bist Du da, Vater? da
hast Du Brot! komm', führe mich heim, der Mutter wird bange sein!

Und so führte Johannes ihn zitternd hinein. Und von der aufgehenden Sonne
Licht und Glanz geblendet, und schwach, schwankte das Kind und stand wie im
Traume und gähnte und strich sich die Haare aus der Stirn.

Nicht wahr, Daniel lebt? er lebt? fragte Johannes die Mutter.

Freilich, da steht er und lächelt ja! sprach Christel, aber allmälig
stammelnd und zögernd, und plötzlich erblaßt vor Ahnung, die aus Johannes
Worten und Wesen sie anschauerte.

Nun -- nun kannst Du auch wissen, daß er todt war! fuhr Johannes leiser
fort und zog ihn der weinenden Mutter nah.

Daniel! -- sprach sie mit versagender Stimme und streckte die Arme nach
ihm.

Mutter! -- sprach er, als bät' er sie um Vergebung, und lag in ihren Armen.

Wecker hat ihn erweckt! meinte Johannes. Aber das hörte sie nicht an
Daniels Halse. Wecker aber stand nur sehr freundlich da und hatte die Augen
zu.

Nun bin ich glücklich, rief Johannes; ich habe den Daniel wieder! und noch
einen kleinen: »Vom Himmel hoch, da komm ich her!« -- Ich habe Alles! --
Dorothee! hörst Du, Dorothee, ergieb Dich Deinem Vater! -- Du weinst, mein
Mädchen?

Da traten die Jungfrau'n der Osternacht auch vor das kleine Haus und
sangen:

   Es gingen drei heilige Frauen
      Alle-alleluja!
   Des Morgens früh im Thauen,
      Alle-alleluja!

Alle erschraken darin und hörten gerührt die hellen Stimmen singen.
Paschalis ließ sie hereintreten. Sie waren verkleidet. Da waren die drei
Frauen, Maria, Martha und Magdelena, verschleiert, und die zwei Engel in
weißen Gewanden. Und sie standen wie Erscheinungen, fuhren fort in dem
Wechselgesang, und es sangen:

         _Die Engel:_

   Erschrecket nicht, und seid All' froh!
      Alle-alleluja!
   Denn, den ihr sucht, der ist nicht da.
      Alle-alleluja!

         _Martha:_

   Ach Engel! lieber Engel fein,
      Alle-alleluja!
   Wo find' ich doch den Herren mein?
      Alle-alleluja!

         _Die Engel:_

   Er ist erstanden aus dem Grab,
      Alle-alleluja!
   Heut' an dem heil'gen Ostertag.
      Alle-alleluja!

         _Maria:_

   Habt Dank, ihr lieben Engel fein.
      Alle-alleluja!
   Nun woll'n wir Alle fröhlich sein!
      Alle-alleluja!

Sie schwiegen nun und lächelten. --

-- Und wir nicht auch? Nun wollen wir Alle fröhlich sein! sagte Paschalis
und zog seine Tochter, die Willige nun, an das Herz.

Und Ihr auch? alter Wecker! sprach mit dankbarem Handschlag Johannes. Ihr
bleibt bei uns und zieht mit hinab, wenn das neue Haus steht.

Das wollt' ich nur wissen! sagte der Alte und sang mit Thränen ein frohes:
Alle-alleluja!

Und Christel betete leise: Habt Dank, ihr lieben Engel! dann rief sie
Sophiechen und sagte: siehe, mein Kind, heut' tanzt die Sonne! denn heut'
ist heiliger Ostertag!

Dorothee nahm sie auf den Arm. Und das Kind sah' in die rothe, große,
zitternde Sonnenscheibe, und die Augen gingen ihm über, und Dorotheen.

Aber Paschalis trat mit wunderlicher Scheu vor Martha, die ihn aus dem
Schleier ansah, und bot _ihr_, wie zur Versöhnung, die Hand und blickte mit
feuchten Augen zum Himmel.

Die Engel aber schieden, küßten die Kinder und grüßten Alle mit
freundlichem Lächeln und sprachen: _Friede sei mit Euch!_






Anmerkungen zur Transkription

Quelle: Leopold Schefer's ausgewählte Werke. Dritter Theil. Veit und
Comp., Berlin, 1845, pp. 1-107.

Im Original g e s p e r r t e Textstellen werden _kursiv_ wiedergegeben.

Offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert.






End of the Project Gutenberg EBook of Die Osternacht, by Leopold Schefer

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     has agreed to donate royalties under this paragraph to the
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     prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax
     returns.  Royalty payments should be clearly marked as such and
     sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the
     address specified in Section 4, "Information about donations to
     the Project Gutenberg Literary Archive Foundation."

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electronic work or group of works on different terms than are set
forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark.  Contact the
Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

1.F.1.  Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
collection.  Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
works, and the medium on which they may be stored, may contain
"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or
corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual
property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a
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1.F.2.  LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
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fees.  YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3.  YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
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LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
DAMAGE.

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providing it to you may choose to give you a second opportunity to
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in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

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law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
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promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
that arise directly or indirectly from any of the following which you do
or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation information page at www.gutenberg.org


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at 809
North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887.  Email
contact links and up to date contact information can be found at the
Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     [email protected]

Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit:  www.gutenberg.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For forty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.

Most people start at our Web site which has the main PG search facility:

     www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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