Kongoerinnerungen : Zwölf Jahre Arbeit und Abenteuer im Innern Afrikas

By Landbeck

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Title: Kongoerinnerungen
        Zwölf Jahre Arbeit und Abenteuer im Innern Afrikas

Author: Paul Landbeck

Illustrator: Richard Duscheck

Release date: March 26, 2025 [eBook #75721]

Language: German

Original publication: Berlin: August Scherl G. m. b. H, 1923

Credits: Peter Becker, Hans Theyer and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK KONGOERINNERUNGEN ***



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                     Anmerkungen zur Transkription.

Das Original ist in Fraktur gesetzt. Schreibweise und Interpunktion des
Originaltextes wurde übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler
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Worte in Antiqua sind so +gekennzeichnet+; gesperrte so: ~gesperrt~

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                              Paul Landbeck

                           Kongoerinnerungen

                             [Illustration]


                      Einband und Schutzumschlag
                               zeichnete
                      ~Richard Duscheck~, Berlin


                     [Illustration: _Landbeck P._]


          Alle Rechte, auch das der Übersetzung, vorbehalten.
        =Copyright 1923 by August Scherl G. m. b. H., Berlin.=
           Druck von August Scherl G. m. b. H., Berlin SW68.




                           Kongoerinnerungen

                   Zwölf Jahre Arbeit und Abenteuer
                           im Innern Afrikas

                                  Von

                         Konsul Paul Landbeck

                            [Illustration]

                August Scherl G. m. b. H., Berlin SW68




                              +Vorwort.+


Dies Buch widme ich allen Lesern, die die Sehnsucht in die Ferne,
diesen Grundzug deutschen Wesens, in sich fühlen. Möge es insbesondere
mit dazu beitragen, dieses Gefühl im Herzen der deutschen Jugend, denen
die heute verschlossene Welt einst wieder offenstehen wird, zu wecken
und wachzuhalten.

Mich selbst, der ich nun schon seit Jahren jener wilden,
abenteuerlichen Umwelt entrückt bin, die während des besten Teiles
meiner Jugend mir Heimat war, hat bei der Niederschrift meiner
Erinnerung oft so etwas wie Heimweh erfaßt.

Wenn sich auch mein Buch in erster Linie an einen weiteren Leserkreis
wendet, so darf ich mir wohl schmeicheln, daß auch der Kaufmann, ja
auch der Forscher manches Wissenswerte meinen Berichten entnehmen wird.
Ist doch jede Zeile auf eigener Anschauung, eigenem Erleben gegründet.

An dieser Stelle sei auch Herrn =Dr.= Karl Soll, der sich mit
regem Eifer und eingehender Sachkenntnis der Durchsicht meines Werkes
unterzogen hat, mein herzlicher Dank für seine mühevolle Mitarbeit zum
Ausdruck gebracht.


                                                       +Der Verfasser.+




                                Inhalt.


                                                                  Seite

    Vorwort                                                           7

    Einleitung                                                       11

    An Bord des Dampfers »Albertville«                               13

    Auf hoher See. Die Kanarischen Inseln                            15

    Freetown. Äquatortaufe                                           21

    Ankunft in Banana                                                27

    Meine erste Beschäftigung. Ein Jagdausflug                       30

    Die Fahrt nach Fuca-Fuca. Faktoreibeamter                        33

    In Boma. Eine Nilpferdjagd                                       51

    Produktenhandel mit den Eingeborenen                             57

    Die Fahrt zum Stanley-Pool. Leopoldville. Brazzaville            65

    Die Fahrt zum oberen Kongo. Die Faktorei Stanleyville            77

    Erste Besuche bei den Araberhäuptlingen                          95

    Das Leben auf der Faktorei. Zwei Leopardenbesuche               108

    Eine Fahrt zum ersten Stanleyfall. Fieberkrank                  128

    Faktoreichef. Reisen ins Innere des Landes                      138

    Einiges über die Gewinnung des Kautschuks                       174

    Faktoreichef. Tausend gefährliche Seuchen. Heimreise            179

    Abergläubische Vorstellungen der Neger                          186

    Negermärchen                                                    191

    Nachwort                                                        195




                              Einleitung.


Es wird manche Leser, insbesondere solche, die selbst eine koloniale
Laufbahn anstreben, interessieren, welche Vorbildung der Verfasser
dieser Erinnerungen genossen hat.

In Wien im Jahre 1877 geboren, absolvierte ich dort die Volks- und
ersten Realschulklassen. Da ich von Kind auf ein äußerst lebhaftes
Temperament hatte und viel mehr zu allen möglichen tollen Streichen
als zum ernsten Studium aufgelegt war, wurde ich als Unruhestifter
von zwei Realschulen weggewiesen, was meinen Vater veranlaßte, mich
im Alter von zwölf Jahren in stramme »deutsche Zucht«nach Deutschland
zu einem Professor in Pension zu geben. Unter strenger Aufsicht
absolvierte ich in Halle meine Einjährigen-Prüfung, ging von dort
für eineinhalb Jahre in die französische Schweiz, um mich in der
französischen und englischen Sprache gründlich auszubilden, und
kehrte dann nach Wien zurück, wo ich meine kaufmännische Laufbahn
bei einer großen Kaffee-Importfirma begann. Lange hielt es mich
hier nicht. Der Trieb nach Übersee war stärker als das Gefühl des
Wohlbehagens im Familienkreise. Nach kaum einjähriger Lehrzeit bot
sich mir Gelegenheit, unter günstigen Bedingungen meine Laufbahn bei
einer großen Firma der gleichen Branche in Amsterdam mit der Aussicht
fortzusetzen, nach ein- bis zweijähriger Vorbereitung auf eine der
Kaffeeplantagen, die mein Chef in Holländisch-Indien besaß, als
Verwalter hinauszukommen. Doch das Schicksal wollte es anders.

Im Jahre 1896/97 trat eine große Kaffeekrise ein, bei welcher viele
bedeutende Unternehmen -- darunter auch die Firma, bei der ich in
Stellung war -- binnen wenigen Monaten zugrunde gerichtet wurden.
Die Kaffeeplantagen auf Java gingen in andere Hände über oder wurden
ganz aufgelassen und zu anderen Kulturen, z. B. Kautschukplantagen,
umgearbeitet. Eine Annonce der holländischen Gesellschaft N. A. H. V.
(=Nieuwe Afrikaansche Handels Vennootschap=) und die zufällige
persönliche Bekanntschaft mit einem ihrer früheren Direktoren, dessen
Erzählungen meine jugendliche Phantasie gefangennahmen, brachten mich
auf den Gedanken, mein Glück im Innern Afrikas zu versuchen und mich um
die ausgeschriebene Stelle zu bewerben.

Meine Bemühungen waren von Erfolg gekrönt, und nun begann für mich
ein Leben voll von harten Prüfungen, von Entsagungen jeglicher Art,
von Kämpfen gegen heimtückische Seuchen, Gefahren des Urwaldes, aber
auch von Stunden der höchsten Befriedigung. Kann es etwas Schöneres
geben als den Gedanken, Vorkämpfer und Träger der Zivilisation in
Gegenden gewesen zu sein, in welchen bis zum heutigen Tage der
Kannibalismus herrscht, als Pionier der friedlichen Arbeit und des
Fortschritts aufklärend gewirkt zu haben unter Völkern, die -- auf der
tiefsten Kulturstufe stehend -- von ihren Medizinmännern zu Tausenden
hingemordet und im Schreckenswahn der Abhängigkeit von bösen Geistern
gehalten werden?




                  An Bord des Dampfers »Albertville«.


Der Hafen von Antwerpen feierte am 5. Juli 1897 einen Festtag. Die
schmalen, zumeist nur zwei Stock hohen charakteristisch flandrischen
Giebelhäuschen entlang der Schelde prangten in herrlichstem
Flaggenschmuck. Lustig flatterten die Fahnen sämtlicher Nationen der
Welt aus den Dachluken der Häuser und von den Masten der an den Kais
verankerten Ozeanriesen und verliehen dem Hafen durch ihre leuchtenden
Farben ein anmutiges Gepräge.

Eine Fahne vor allem fesselte sofort die Aufmerksamkeit des Fremden:
ein leuchtend gelber fünfzackiger Stern auf himmelblauem Untergrund,
die Fahne des belgischen Kongostaates. Sie war neben den belgischen
Nationalfarben am häufigsten vertreten, und ihr zu Ehren galt auch
die heutige Festtagsstimmung, veranlaßt durch die Abreise des
Passagierdampfers »Albertville« nach dem zweiten Belgien am Äquator,
dem Kongostaate, dieser Perle Zentralafrikas.

Auf der breiten Straße entlang den Kais, die sonst, von Lastfuhrwerken
und der Hafenbevölkerung abgesehen, ziemlich vereinsamt und abseits
vom großen Verkehr liegt, herrschte ein lebhaftes Treiben. Automobile,
Straßenbahnen und Droschken, vollgepfropft mit Menschen und beladen mit
Gepäckstücken aller Art, füllten den Straßendamm und kamen infolge des
großen Verkehrsandranges und der sorglos dem gleichen Ziel zustrebenden
Menschenmassen nur langsam vorwärts.

Vor dem Schiff, das am Kai Plantin vertaut lag, nahm das Gedränge
und Gestoße der unübersehbaren Menge geradezu bedrohliche Formen an.
Ein Trupp berittener Polizei hielt den Zugang zum Schiff besetzt und
bildete Spalier zu beiden Seiten einer Gasse, die nur von Leuten mit
ordnungsmäßigem Passagierschein betreten werden durfte.

Auch an Bord des Dampfers »Albertville« herrschte dichtes
Menschengewühl. Männer, Frauen und Kinder aller Gesellschaftsklassen,
dazwischen bunte Uniformen, stürzten und hasteten durcheinander, große
Gepäckstücke wurden unter dem Kettengerassel der Winden in den Bauch
des zur Abfahrt bereiten, unter Dampf zitternden schwimmenden Kolosses
gebracht.

Während am Kai die Menge dem Treiben, Hasten und Jagen bei den
Klängen einer Regimentskapelle zusah, fanden an Bord herzzerreißende
Abschiedsszenen statt. Hier umarmte eine Mutter, ganz in Tränen
aufgelöst, ihren Sohn, dort, in einer Ecke, weinte ein Greis am Halse
seines einzigen Kindes, weiter drüben, in Trauergewändern, sah man eine
tiefgebeugte Witwe mit zwei Kindern und ihrem Ältesten, der Familie
Hoffnungsstrahl und Ernährer, der seine bescheidene Beamtenstelle in
Belgien mit einem gutdotierten Überseeposten eingetauscht hatte, um
seine Lieben daheim vor Armut und Not zu bewahren.

Die Dampfpfeife ließ in dem Chaos ihre tiefe Baßstimme ertönen und
mahnte zum Aufbruch. Kurze Kommandoworte erklangen; die Laufbrücke
wurde eingezogen, nachdem die letzten Nachzügler, die sich von den
davonreisenden Söhnen, Enkeln oder Neffen absolut nicht trennen
konnten, von den diensthabenden Offizieren höflich, aber bestimmt von
Bord geleitet waren.

Einige schrille Pfiffe, ein leichtes Zittern und Beben unter den
Füßen -- der Herzschlag des schwimmenden Riesen --, und unter dem
Hurrageschrei und Tücherwinken der vieltausendköpfigen Menge, die
das ganze Ufer, die Kais und Hafenanlagen wie eine Ameisenschar
bevölkerten, ging es langsam die Schelde hinab. An der Stelle, an der
der Dampfer gelegen, schwammen Hüte, Kappen und Taschentücher, die
beim stürmischen Abschiednehmen verlorengegangen waren, friedlich
nebeneinander.

Lange noch stand ich, in tiefes Sinnen versunken, an der Bordbrüstung
und blickte hinab auf den träge dahinfließenden Strom. Das Bewußtsein
dessen, was um mich vorging, schwand. Allein, völlig allein, fern von
Familie und jeglichem Schutz, ging ich einem ungewissen Schicksal
entgegen. Grau in grau, gleich jenen Nebelschwaden, die bei Einbrechen
der Dunkelheit sich über den Fluten ausbreiten, lag die Zukunft vor mir.

Während ich, in trübe Gedanken versunken, vor mich hinstarrte, trat
mein Reisegefährte, Herr Lukas, ein alter erfahrener Afrikaner, zu
mir. Gemeinsames Leid bringt die Menschen merkwürdig rasch einander
näher. Auch er kam, wie ich, ohne Eltern an Bord, da er aus dem Norden
Hollands stammte und seine beiden Eltern die weite Reise nicht mehr
machen konnten. Auch ihm waren die Abschiedsszenen, deren Augenzeuge
er gewesen, nahegegangen, und ganz in sich versunken, meinte er: »Wie
viele werden die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen, wie viele gesund
zurückkehren? -- Kaum zehn Prozent!«

Dieser Ausspruch des ernsten, erfahrenen Mannes ließ mich erschauern.
Die Zukunft sollte mich lehren, daß dieser Prozentsatz sogar noch zu
hoch gegriffen war.




                Auf hoher See. Die Kanarischen Inseln.


Wir waren nachmittags 2 Uhr abgefahren. Abends 9 Uhr fuhren wir an
Vlissingen vorbei, und bald darauf war an der scharfen Brise und an dem
Schaukeln des Schiffes zu merken, daß wir uns auf hoher See befanden
und in den Ärmelkanal eingefahren waren.

Die ersten Symptome der Seekrankheit stellten sich ein: Schwindel, ein
unsagbar elendes Gefühl der Verlassenheit, schließlich vollständiges
Erschlaffen jeder Widerstandskraft und das stille Ergeben in das
Schicksal. Auf Anraten meines Reisekollegen hatte ich mich beizeiten
mittschiffs auf dem Promenadendeck in meinen Streckstuhl gelegt und
verbrachte da den größten Teil des Tages mit geschlossenen Augen.
Es war übrigens herrliches Wetter, und eine steife Brise wehte von
Norden her. In der Ferne, zur Rechten, die von der Brandung umspülten
Küsten Englands, zur Linken eine unermeßliche Wasserwüste, von Zeit zu
Zeit von Seglern, Fischerkuttern und Dampfern belebt. Wir passierten
Brighton und liefen in den Golf von Biscaya ein.

Hier begann nun der eigentliche Neptunsreigen. Dieser Teil des Meeres
ist unter den Seeleuten ganz besonders berüchtigt. Lange Wogen
brachen sich am Bug des Dampfers, das ganze Vorderdeck mit Gischt und
Sprühregen überschüttend. Tief tauchte der Bug des Schiffes in die
gähnende Wasserfurche, um von der nächsten Woge haushoch emporgehoben
zu werden. »Stille See« nennen die Seeleute, was wir in den nächsten
acht Stunden durchzuhalten hatten. Eine bleierne Schwere lastete auf
meinem Kopf, und im Innern verspürte ich das Gefühl, als ob sämtliche
Eingeweide durcheinandergeworfen und verdreht worden wären.

Als ich am nächsten Morgen nach langem, tiefem Schlafe erwachte,
hatte ich das unangenehme Gefühl der Seekrankheit völlig abgestreift,
und nach einem erfrischenden Bad genoß ich bei herrlich strahlender
Sonne das vielgepriesene, wonnige Gefühl einer Seereise. Um uns
her nichts als das weite, in Sonne getauchte Weltmeer, über uns
südlicher, wolkenloser Himmel. Auch das störende Schaukeln schien etwas
nachgelassen zu haben, oder wir hatten uns derart daran gewöhnt, daß
wir es nicht mehr merkten. Nach dem Frühstück hielt ich Umschau unter
meinen Mitpassagieren und ließ mich von meinem Reisebegleiter Lukas,
der bereits die Bekanntschaft des Kapitäns, sämtlicher Offiziere und
Notabilitäten gemacht hatte, den Mitreisenden vorstellen. Der Vormittag
verging mit »=Shevel board=«, einer Art Krocketspiel, welches an
Bord von Schiffen allgemein getrieben wird, sowie mit dem »=Jeu de
palais=«[1] um den Cocktail zur Aperitifstunde[2], in welchem Spiel
besonders die Offiziere eine erstaunliche Gewandtheit besitzen.

Nachmittags kamen die Küsten Spaniens in Sicht. Wir passierten das
Kap Ortegal und das Kap Finisterre, und unsere Augen weideten sich
an den majestätischen Felsen, an deren Fuße die wilde Brandung tobt.
Reizende Schlößchen, wie aus Gold ziseliert, von den Sonnenstrahlen
überflutet, stehen trotzig und zugleich zierlich auf ihren Hängen --
=véritables chateaux d'Espagne=. -- Unwillkürlich tauchten Bilder
aus vergangener Zeit vor meinen geistigen Augen auf, wo stolze Ritter
und Knappen diese Burgen belebten und Spaniens Macht sich über die
ganze Welt erstreckte. Bald schwanden auch Spanien und Portugal -- mit
Cap da Roca -- aus unserem Gesichtskreis.

Da, mit einem Male, große Bewegung an Bord! Alles stürzte nach vorne an
die Reling. Eine muntere Schar von Delphinen umtummelte in weitem Bogen
unser Schiff. Wie Pfeile schossen die gewandten, fünf bis sechs Meter
langen Walzen bis zu Meterhöhe über die Wasserfläche, knapp am Bug des
in voller Fahrt befindlichen Schiffes vorbei, gleichsam eine Probe
ihrer Geschicklichkeit und Schnelligkeit abgebend.

Am ersten Sonntag, den wir an Bord feierten, hatte sich sämtlicher
Passagiere eine merkwürdige, weihevolle Stimmung bemächtigt. Um 10
Uhr fand eine Messe statt, an der ich, obgleich ich für gewöhnlich
kein Kirchenbesucher bin, aus Neugierde teilnahm. Alle Passagiere
und Offiziere des Schiffes sowie ein Teil der Mannschaft, soweit sie
der Dienst nicht in Anspruch nahm, waren anwesend, und unter einer
feierlichen Stimmung, wie ich sie am Festlande nie empfunden, ging
die gottesdienstliche Handlung vorüber. Auch nach der Messe gehobene
Sonntagsstimmung. Die Spielplätze für das =Shevel board= und
das =Jeu de palais=, welche bisher stets eine übermütig lustige
Gesellschaft vereinigten, blieben vollständig verwaist; die sonst so
frohsinnigen, lebenslustigen Gesichter zeigten ernste Mienen; man
plauderte im Flüsterton, um diejenigen nicht zu stören, die mit dem
Prayerbook oder Brevier in der Hand, in Gedanken versunken, auf und
ab schritten. Mich als Fremden, der mit den englischen Sitten und
Gebräuchen völlig unbekannt war, mutete all dies sonderbar an. Ich
benutze die Gelegenheit, einiges über unser Schiff zu sagen.

Belgien besitzt keine eigentliche Handelsmarine. Ein großer Teil der
unter belgischer Flagge laufenden Schiffe ist englischen Ursprunges und
von belgischen Reedereien gechartert. Dies traf auch auf unser Schiff
»Albertville« zu. Es war ein modern ausgestattetes Passagierschiff
der »Compagnie Belge Maritime du Congo« für den regelmäßigen Dienst
Antwerpen-Kongo, mit etwa 6700 Tonnen Laderaum. Der Kapitän, sämtliche
Offiziere und ein Teil der Mannschaft waren Engländer, während der
Rest, in Antwerpen angeheuert, zumeist aus Flamen bestand. Der Dampfer
lief durchschnittlich zwölf Seemeilen, besaß zwei übereinandergebaute
Promenadendecks mittschiffs und faßte 48 Kabinen erster und 36 Kabinen
zweiter Klasse. Wenn er auch mit den in der neueren Zeit konstruierten
Ozeanriesen im Verkehr mit Amerika keinen Vergleich aufnehmen konnte,
so enthielt er doch an Komfort alles, was man durchschnittlich bei
nicht allzu unbescheidenen Ansprüchen verlangen konnte.

Nach drei langen Tagen und Nächten, in denen wir nichts als das
unermeßliche Weltmeer um uns und einen wolkenlosen Himmel mit seinem
tiefen, reinen Blau über uns gesehen hatten, näherten wir uns den
Kanarischen Inseln. O Insel der Seligen, Oase in dieser Wasserwüste,
wie schlugen dir alle unsere Gedanken, all unser Sehnen entgegen!

Wir sollten in der Nacht eintreffen; die Aufregung an Bord gegen Abend
wuchs von Minute zu Minute. Das Diner, sonst eine Stunde üppigen
Wohlbehagens, wurde in aller Eile eingenommen, und alles stürmte an
Deck. Die Nacht war inzwischen hereingebrochen, eine milde, tropische
Nacht, der Himmel mit strahlenden Sternen übersät, eine Nacht so recht
geeignet zum Träumen. Ich schob meinen Lehnstuhl ganz nach vorne an
die Brüstung, und mein vereinsamtes Herz hielt Zwiesprache mit den
Gestirnen. Langsam stieg aus dem Meeresspiegel der Vollmond hervor, mit
seinen silbernen Strahlen eine leuchtende Bahn über die Wasserfläche
zu uns herwerfend, und in seinem zarten Schimmer erglänzten die
Mastspitzen unseres Schiffes in mildverklärtem Licht. Allmählich
erschienen am Horizont kleine Wolkengebilde, die langsam sich immer
mehr zu einem Ganzen ballten. Bald unterschied das Auge auf diesen
Lichter, und mit einmal kam die Erkenntnis: dies ungewisse Etwas
sind nicht Wolken, sondern gigantische Felsmassen, die aus dem Meer
emporragen. Wir nahten uns unserem Bestimmungsort; bald kamen wir ganz
nahe heran und konnten die gewaltigen Massive genau unterscheiden, die
sich vor unserem Bug etwas verflachten. Zur Linken, auf einem Abhang,
der sich wie eine Landzunge weit hinaus ins Meer erstreckt, konnten wir
viele Tausende kleiner Lichter wie Leuchtkäfer wahrnehmen.

Ein Klingeln »Stop« von der Kommandobrücke, die Schraube hielt für
einen Augenblick inne; ein Lotse kletterte an Bord, und unter sicherer
Führung fuhren wir in die kleine Bucht ein und warfen Anker. Wir waren
in Las Palmas. Es war inzwischen 12 Uhr nachts geworden, und da keine
Dampfbarkassen zum Ausbooten vorhanden waren, suchten wir unsere
Ruhestätten auf.

Morgens 1/2-5 Uhr erwachte ich vom Lärm und Getrappel an Bord. Ich
begab mich sofort an Deck, und das Panorama, das sich vor meinen
staunenden Augen entrollte, war ein geradezu überwältigendes. Hinter
den ersten Felspartien, deren Umrisse bereits in der Nacht sichtbar
waren, erhob sich Spitze auf Spitze, Gebirge auf Gebirge, die höchsten
Spitzen teils noch von Wolken eingehüllt. Arenenartig sind auf den
verschiedenen Kuppen und Höhen kleine Forts errichtet, deren Kanonen
in der aufgehenden Sonne blinkten. Bald erschien eine Unmenge kleiner
Boote, deren braune Insassen wie Affen zu uns an Bord kletterten; und
nun begann ein Schnattern und Feilschen dieser kleinen Gesellen, um
uns in ihren Nußschalen an Land zu bringen. Da wir bis 1 Uhr mittags
hier liegenblieben, um Kohlen einzunehmen, begab ich mich mit drei
Reisegefährten, einem schwedischen Hauptmann, meinem holländischen
Afrikaner Lukas und Baron Misco, einem Italiener -- in späteren Jahren
Staatsprokurator des Kongostaates -- in einem dieser kleinen Boote an
Land.

[Illustration: Las Palmas.]

Am Hafen erwartete uns bereits ein vierspänniger Wagen, der uns in
die Stadt hineinbringen wollte. Mißtrauisch musterten meine Gefährten
das Vehikel, dem wir unser Leben anvertrauen sollten: eine elende,
wacklige Kutsche, aus dem vorigen Jahrhundert stammend, vernachlässigt
und zusammengeflickt, gezogen von vier staubigen, verhungert
aussehenden Rosinanten und geführt von einem fortwährend fluchenden,
verlotterten Spanier mit einem riesigen Manilahut, unter dem der Kopf
fast vollständig verschwand. So ungefähr sah die Equipage aus, in der
wir scharf an den Klippen und Felsen entlang wie vom Teufel besessen
dahinsausten, bei jedem Anprall an einen größeren Stein uns gegenseitig
um den Hals fallend.

Bald erreichten wir die Stadt, ein winkeliges Gewirr von Straßen und
niederen, nach orientalischer Art in hellen Farbentönen gehaltenen
Häusern. Wir passierten ein bis zwei verlassene »Plazzas«, ein
ausgetrocknetes Flußbett, an dem gearbeitet wurde, und landeten
schließlich in einem der englischen Hotels. Nach kurzem Imbiß bummelten
wir in Begleitung des belgischen Konsuls durch die Stadt.

Diese besteht aus der sogenannten Altstadt und dem Fremden- und
Geschäftsviertel. Die Altstadt ist entschieden der interessantere Teil,
und diesem wandten sich unsere Schritte zu. Die in amphitheatralischer
Anordnung in die Felsen gehauenen Wohnstätten der Ureinwohner haben
sich als solche bis heute erhalten. Als einzige Errungenschaft der
Neuzeit ist eine Art Vorbau aus Lehm und Erde, mit grellen Farben
angetüncht, hinzugekommen, um zu verhüten, daß Wind und Regen direkt
in die Behausung hineinschlagen. In diesen Höhlen, die aus einem oder
höchstens zwei Räumen bestehen, wohnen ganze Familien. Die Kinder,
zum Teil völlig unbekleidet, spielen vor den Eingängen oder laufen
bettelnd auf den Straßen den Fremden nach. Diese terrassenförmig
übereinanderliegenden Höhlen sehen aus der Ferne höchst pittoresk aus;
wenn man sie aus der Nähe betrachtet, bemerkt man, das sie von Schmutz
und Unrat starren und von Ungeziefer wimmeln.

Das Geschäfts- und Fremdenviertel ist ein Gewirr von kleinen, flachen,
anspruchslosen Häuschen, die sich um die Kathedrale, das Rathaus
und die Garnisonkaserne planlos herumgruppieren und ohne jegliches
Interesse sind. Als Sehenswürdigkeit hervorzuheben ist einzig und
allein die Kathedrale, ein aus dem Mittelalter stammender Bau mit
reichgeschnitzter Kanzel und alten Meisterwerken im Innern.

Wir besuchten den Fruchtmarkt, wo tausende Bushels Bananen, Ananas,
grüne Feigen, Kürbisse, Melonen und Mangos, die die Landbevölkerung aus
dem Innern auf Mauleseln und Tragtieren herangebracht, von europäischen
Händlern aufgekauft werden, um mit dem nächsten Dampfer über England
nach dem Kontinent weiterzuwandern. Hinter den zu Bergen aufgehäuften
Früchten stehen die Verkäuferinnen, ganz nach orientalischer Art
in wallende weiße Tücher gehüllt, und bieten ihre Waren mit lautem
Geschrei aus.

Wenn auch im allgemeinen die Züge, vor allem der Frauen, sehr rasch
verblühen und verrohen, findet man doch auch mitunter Mädchen
darunter, die geradezu ein Schönheitsideal darstellen. Üppiges
schwarzes Haar, feurige dunkle Augensterne mit blendend weißem
Augapfel, stolz und edel geformte Gesichtszüge, zierlich kleine
Hände und Füße und eine leicht gebräunte Haut sind die Kennzeichen
des Schönheits-Typus der Inselbewohner, ganz im Gegensatz zu den
eingewanderten Spanierinnen, welche sich durch die auffallend weiße
Gesichtsfarbe von ihnen unterscheiden.

Ehe wir an Bord zurückkehrten, besorgten wir noch einige Einkäufe,
und ich hatte dabei oftmals Gelegenheit zu bemerken, daß die Leute,
die trotz des großen Fremdenverkehrs in bezug auf Sprachkenntnisse
geistesfaul sind, doch ganz genau verstehen, ihren Vorteil zum Schaden
der Fremden zu wahren und sie tüchtig übers Ohr zu hauen.

Unser Dampfer war bis zum Augenblick der Abfahrt von einem Schwarm
kleiner Boote belagert, deren Insassen verzweifelte Anstrengungen
machten, uns Passagieren Tabak und Zigarren, Kanarienvögel und
Madeirahündchen aufzuschwatzen oder nach den ihnen zugeworfenen
Münzen zu tauchen. Ganz erstaunlich war die Gewandtheit und Ausdauer,
mit welcher diese kleinen, braunen Gesellen aus beträchtlicher Höhe
kopfüber ins Wasser sprangen und die blitzenden Geldstücke aus
ansehnlicher Tiefe herausholten.


Fußnoten:

[1] Ein Wurfspiel mit Bleischeiben.

[2] Eine halbe Stunde vor der Mahlzeit wird ein Appetit anregendes
Getränk verabfolgt.




                        Freetown. Äquatortaufe.


In den nächsten Tagen umfing uns tropische Hitze, die die meisten
Passagiere zwang, ihr europäisches Kostüm gegen die schmucke weiße
Tropentracht zu vertauschen. Fliegende Fische kamen nunmehr in ganzen
Scharen vor. Sie flohen entsetzt vor unserem Dampfer und strichen
tänzelnd über die Wasserfläche. Des Nachts wurden sie durch unsere
Lichter angelockt und fielen dann an Deck. Am 16. Juli früh erschien
zum ersten Male die Küste Afrikas, das felsige Kap Verde und in der
Ferne eine der Kapverdischen Inseln. Die Gegend schien trostlos öde
und sandig zu sein und war nur mit spärlichen Kokos- und Dattelpalmen
bedeckt.

Am 18. Juli betraten wir -- in der Sierra Leone -- zum ersten Male
afrikanischen Boden, und mein Herz hüpfte und jauchzte im Vorgefühl
herrlicher Stunden. Doch das afrikanische Klima, die feuchte, heiße
Luft, die ungewohnte Ausdünstung der vielen nackten Negerleiber hatten
eine derart erschlaffende Wirkung auf mich Neuling, daß es schwer
hielt, die Unmasse neuer Eindrücke festzuhalten.

Während in Las Palmas ungeheure Felsenmassen unbewaldet gen Himmel
ragen, scheint hier die Natur ihr möglichstes in der Vegetation getan
zu haben. Stufenweise ragen mächtige Berge mit üppigem Grün in allen
Schattierungen aus dem in der Sonne leuchtenden Meeresspiegel empor.
Unser Auge labte sich nach dem Anblick der glitzernden Wasserflächen an
dem saftigen Grün der Palmen und des Urwaldes. Einen echt tropischen
Anblick gewährt das an einer Berglehne im Schatten schlanker Dattel-
und Kokospalmen liegende Freetown, dessen Häuser mit den weißen, unter
dem Grün hervorleuchtenden Dächern einzelner Faktoreien untermischt
sind. Mein erster Eindruck beim Betreten dieses Landes war: Hier ist
das Paradies auf Erden -- hier laßt uns Hütten bauen. Die Flora steht
auf höchster Stufe. Aus dem saftigen Grün der schattigen Mangos,
Goyaven und Alven schießen, gleich mächtigen Feuergarben »Flamboyants«,
Jasmin, Goldregen und Lilas sowie eine Menge mir unbekannter exotischer
Pflanzen in leuchtenden Farben empor. Die Luft ist erfüllt von dem Duft
tropischer Blüten, die, von Menschenhand aus dem Urwald herbeigeholt,
in verschwenderischer Pracht, sowohl im Park des Regierungsgebäudes
als in den vielen kleinen Gärten und Anlagen angepflanzt sind. Auf den
Häusern und im Schatten der Palmen sitzen melancholisch große Adler
und eine kleine Art Kondor mit braunem Gefieder, weißer Halskrause und
weißem Hals und Kopf, die -- wie die Hunde Konstantinopels -- für die
Reinlichkeit der Straßen sorgen. Sie gehören dort ebenso wie zahme
Affen und Papageien, die sich auf den Palmen und den Schlingpflanzen
schaukeln und klettern, zu den Haustieren.

Doch bald nach Betreten des Landes, vor allem, wenn um die Mittagszeit
die sengenden Sonnenstrahlen die Glieder erschlaffen, und die
feuchtheiße, von fremdartigen Gerüchen durchschwängerte Luft einem den
Atem benimmt, merkt man, daß dieses von der Natur so herrlich bedachte
Land giftige Keime für den Fremden in sich birgt.

Die Stadt besteht aus einem Kunterbunt von kleinen ebenerdigen
Lehmhäuschen in allen möglichen Stilarten, vorwiegend »=à la
marocaine=« gebaut, sowie Hütten, aus alten Kisten errichtet, an
deren Außenseite noch die Bestimmungsadresse ersichtlich ist, mit
Dächern aus getrockneten Palmblättern. Ich bemerkte außerdem noch das
Garnisongebäude, drei kleine Forts und eine Anzahl Kirchen, in denen
gesungen und gepredigt wurde. Das Volk spricht durchweg außer der
Eingeborenensprache ein fürchterliches »Pidgin-Englisch«.

[Illustration: Freetown.]

Der Tag unserer Ankunft war ein Sonntag, und der Anblick der in
Festtagsgewänder gehüllten Bevölkerung war ein unbeschreiblich
komischer -- der reinste Fastnachtstaumel. Was da an Phantasietoiletten
in den schreiendsten, grellsten Farben geboten wurde -- vom
Talmi-Gentleman in Frack, grauem Zylinder, roter Krawatte und
hellgelben Schuhen, bis zum halbnackten Baby mit überhängendem Bauch
und grellen Strümpfen und Schuhen -- davon läßt sich eine Beschreibung
überhaupt nicht geben. Die Neger dieser Küste, sowohl Männer wie
Frauen, sind überaus putzsüchtig und eitel; sie geben den letzten
Groschen ihres Verdienstes hin, um sich gegenseitig auszustechen. Bei
ihrer Vorliebe für leuchtende Farben kommen dabei die unmöglichsten
Toiletten heraus. Derart in Festtagsgewänder gehüllt, tragen sie eine
gemessene Miene zur Schau und sind tiefgekränkt, wenn sie nicht
vollwertig als Gentleman und Lady genommen werden.

Wir nahmen hier etwa 70 dieser Gentlemen als Arbeiter zum Aus- und
Einladen des Dampfers bei der Ankunft im Kongostaate an Bord. In den
modernsten nagelneuen Kostümen, mit Lackschuhen, weißer Weste, weißen
oder feuerroten Glacéhandschuhen kamen sie an Bord, hinter sich einen
Boy mit leerem Schiffskoffer. In diesen wanderten eine halbe Stunde
nach ihrer Ankunft all die Herrlichkeiten des äußeren Menschen,
mit ihnen aber auch der Gentleman, und an seine Stelle trat, teils
halbnackt, teils in alte zerrissene Fetzen gehüllt, der Neger.

Doch zurück nach Freetown. In unseren neuen Tropenkostümen wanderten
wir durch das Gewirr von Gäßchen. Es ist geradezu unglaublich, in
welchem Elend, Schmutz und Unrat diese Talmi-Gentlemen leben. Vor
den Häusern, auf den Straßen, überall liegen die Abfälle, und wären
nicht die »Charognards« (Aasgeier), die morgens und abends darunter
aufräumen, so würden unbedingt Seuchen entstehen.

Nur allzubald ertönte die Schiffskanone als Zeichen der Abfahrt, und
wir mußten an Bord zurück. Hier fanden wir das ganze Zwischendeck von
den Gentlemen in Beschlag genommen, die, wilde Grimassen schneidend,
zankten und quakten, wie ein Heer schnatternder Gänse. Gegen 7 Uhr
abends, kurz nach Sonnenuntergang, legte sich der allgemeine Lärm, und
beim Klang von Gitarren und Ziehharmonikas begann ein aus der Mitte der
Neger entstandener Chor allerhand schwermütige Weisen zu singen, die
mir bei diesen herrlichen Tropennächten sehr zu Herzen gingen.

Der 23. Juli war einer der heitersten und gemütlichsten Tage, die ich
während dieser Fahrt verbracht habe, und wenn auch der gute Neptun so
manchen Kopf und Magen, darunter auch den meinen, arg zugerichtet hat,
so kam ich doch als einer der ersten ziemlich glimpflich davon und
konnte mit Schadenfreude wahrnehmen, daß es den »Nichtfreiwilligen«
bedeutend schlechter ergangen war. Am Abend vorher, um 8 Uhr -- wir
saßen gerade beim Diner -- erdröhnte plötzlich ein Kanonenschuß. Die
Schiffsschraube hielt für kurze Zeit, und bald darauf erschien ein
Meerungeheuer als Abgesandter Neptuns, ließ sich beim Kapitän melden
und überreichte ihm ein Protokoll, in welchem Neptun seiner Freude
darüber Ausdruck gab, daß wir diese Breiten, die die Weltkugel in 2
Teile zerlegen, besuchten. Zugleich kündete er für den folgenden
Tag seine Ankunft nebst Gattin und Gefolge an und empfahl inzwischen
Fasten und Beichten, damit wir, aller Sünden rein, die Taufe glücklich
bestehen würden. Nach dem ersten Schreck war alles in hellster
Aufregung, denn die meisten Passagiere faßten diese Zeremonie, von der
sie bereits vorher gehört hatten, als eine höchst unangenehme Prozedur
auf. Schaudergeschichten, die dem Neuling die Haare zu Berge stehen
lassen, wurden bei dieser Gelegenheit von den alten Afrikanern erzählt.

Der schicksalsschwere Tag brach an. Gegen 10 Uhr passierten wir San
Thomé. Der Äquator berührt die Insel, die eine der schönsten und
fruchtbarsten Afrikas sein soll. Da der Nebel sie völlig einhüllte, war
leider nur die höchste Spitze, »=La Dent du Chien=«, sichtbar.
Während der Kapitän den Neulingen den Äquator durch ein eigens zu
diesem Zweck eingestelltes Fernrohr zeigte, auf welchen Spaß auch
richtig Verschiedene hineinfielen, traf die Mannschaft heimlich
alle erdenklichen Vorbereitungen zum würdigen Empfange Neptuns. Das
Vorderdeck des Schiffes wurde mittels wasserdichten Segelleinens zu
einem Bassin umgewandelt und angefüllt. Um 3 Uhr nachmittags erdröhnte
wieder ein Kanonenschuß; der feierliche Moment nahte; bang klopften
alle Herzen; Neptun mit dem Dreizink -- ein ehrwürdiger Meergreis --
mit Gemahlin, Doktor, Einseifer und Barbier sowie einem großen Gefolge
von Soldaten erschien am Schiff, besichtigte dasselbe und begrüßte
den Kapitän. Unter ohrenbetäubendem Tamtam aus allen möglichen und
unmöglichen Blechgefäßen und Trommeln wurden sämtliche Passagiere
mit Namen aufgerufen und im Halbkreis um das Bassin aufgestellt.
Mit Ausnahme der Damen, denen man gestattete, sich in ihre Kabinen
einzuschließen, wurde niemand verschont. Die Soldaten durchsuchten
das ganze Schiff und brachten alle Neulinge, die sich angsterfüllt
verkriechen wollten, auf Deck.

Auf Anraten meines afrikanischen Freundes hatte ich mich freiwillig
als erster gemeldet. Nachdem Neptun eine feierliche Anrede an mich
gehalten hatte, deren Sinn ich in der ungeheuren Aufregung, die sich
meiner bemächtigte, nicht begriff, bekam ich vom Doktor, der mich auf
meine Widerstandsfähigkeit untersucht hatte, eine Pechpille in den Mund
geschoben. Als nächste Prozedur schmierte mir der Barbier mit einem
riesigen Pinsel eine übelriechende, klebrige Masse im Gesicht, auf Kopf
und Nacken herum, die er mit einem großen, aus Holz hergestellten
Rasiermesser zum Teil abscheuerte. Im nächsten Moment fühlte ich mich
von kräftigen Händen mit einem Ruck ins Wasser gestürzt, daß mir Hören
und Sehen verging, und ich glaubte, meine letzte Stunde sei gekommen.
Ich wurde 5- bis 6mal untergetaucht, dann hinausgehoben, und ehe ich
noch recht gewahr wurde, wo ich war, steckte ich in einem etwa 6 Meter
langen Schlauch, gerade groß genug, um dem Körper zu gestatten, sich
wie eine Schlange hindurchzuwinden. Hier hineingestopft, wurde ich
mit der Wasserspritze von hinten so lange unerbittlich bespritzt,
bis es mir gelang, zum anderen Ende wieder herauszukommen. Ich begab
mich sofort in eines der Badezimmer, das glücklicherweise noch nicht
besetzt war. Mit großer Mühe nur vermochte ich die pechartige, ölige
Flüssigkeit vom Leibe zu bringen, wobei natürlich mit Seife und Bürste
nicht gespart werden durfte. Sodann begab ich mich wieder an Bord, um
dem Schluß der Feierlichkeiten beizuwohnen.

Es ereignete sich nun ein kleiner Zwischenfall, der viel Spaß
erregte, jedoch von bösen Folgen hätte begleitet werden können.
Einige erbitterte Passagiere näherten sich von rückwärts dem dicken,
ahnungslosen Neptun, und ehe dieser es sich versah, wurde er von
kräftigen Fäusten hochgehoben und kopfüber ins Bassin gestürzt.
Triefend vor Nässe, prustend und nach Atem ringend, tauchte der
Riesenschädel, dem die Krone infolge des Sturzes bis über die Ohren
gesunken war, empor. Der Greisenbart hing wirr in langen Fäden auf
die Brust herunter, und seiner Pracht war ein jämmerliches Ende
bereitet. Ein Glück, daß die Krone umfangreich und über die Ohren
hinuntergerutscht war, da ihm das scharfe Messingblech sonst böse
Verwundungen hätte beibringen können. Dies bildete den Schlußakt der
Taufe der Passagiere. Nun kamen die Neger an die Reihe. Dieselben
wurden zu Dutzenden in das Wasser geworfen und purzelten in höchst
komischer Weise durcheinander.

Am Abend fand zu Ehren der Taufe ein Konzert statt. Die künstlerisch
ausgestatteten Programme wurden versteigert und brachten ein namhaftes
Erträgnis, welches zum Teil der beim Neptunsreigen mitwirkenden
Mannschaft, zum Teil für das »Seemannsheim für verlassene Witwen und
Waisen« gespendet wurde. Der Abend verlief äußerst gemütlich und
artete schließlich, wie bei solchen Gelegenheiten üblich, in ein
Champagnergelage aus.




                          Ankunft in Banana.


Am Morgen des 25. Juli bemerkten wir auf der sonst dunkelblauen
Wasserfläche allenthalben gelbe Flecken, die auf die Mündung des
Kongoflusses schließen ließen. Gegen 10 Uhr kam dieser selbst in Sicht,
und längs herrlicher Urwälder und Mangroven fuhren wir Mittag in Banana
ein. Der Hafen ist durch die Landzunge, deren größter Teil Besitz der
holländischen Gesellschaft »N. A. H. V.« ist, vom Meere getrennt. Ein
ungemein liebliches Bild bot sich von Bord aus unseren Augen dar. Die
ganze Landzunge bildet eine Art Naturpark, der von Menschenhänden
sorgfältig gepflegt wird. Neben mächtigen Mangobäumen finden sich
überwiegend die mit Nüssen reich beladenen Kokospalmen, unter deren
Schatten die blendend weißen Dächer der Faktoreigebäude und die sie
verbindenden, mit weißem Kies bestreuten und zu beiden Seiten mit
schneeweißen Muscheln eingefaßten Fußwege hervorleuchten. Zur Linken
die Dockanlagen und Schiffsreparaturwerften der Gesellschaft, auf deren
Hellingen gerade verschiedene Dampfer ausgebessert wurden. Trotz der
Mittagshitze herrschte überall, wahrscheinlich infolge der Ankunft
unseres Dampfers, fieberhafte Tätigkeit.

Eine Dampfbarkasse, mit der holländischen Fahne und dem holländischen
Wappen geschmückt -- denn der jeweilige Direktor der »N. A. H. V.« ist
gleichzeitig holländischer Konsul -- löste sich vom Ufer und brachte
diesen sowie einen Sanitäts-Offizier an Bord, der die Schiffspapiere
untersuchte, um zu konstatieren, ob wir keinen verseuchten Hafen
angelaufen waren. Ihnen folgte eine ganze Anzahl kleiner, schmaler, von
den Eingeborenen gelenkter Kanus, die ich hier zum ersten Male in ihrem
schlanken Bau und in ihrer einfachen Konstruktion bewundern konnte.
Diese aus einem ausgehöhlten Baumstamme bestehenden Boote sind schon so
oft beschrieben, daß ich hier nicht weiter darauf eingehe. Mehr noch
als die Boote bewundere ich die außerordentliche Geschicklichkeit der
Neger im Rudern, denn diese schwankenden Kanus stehend im Gleichgewicht
zu halten, ist wahrhaftig keine Kleinigkeit. Hier wiederholt sich
ungefähr das gleiche Bild wie in Las Palmas, mit dem Unterschied, daß
die Eingeborenen in ihren Nußschalen an Stelle von Tabak und Zigarren
graue Kongopapageien, rote, reich ornamentierte Tongefäße, die als
Wasserkaraffen verwendbar sind, Kürbisflaschen, in allen möglichen
Größen und Formen und mit weißen Ornamenten versehen, sowie Ananas,
Mangos und Papaifrüchte in schlechtem Portugiesisch zum Kaufe anbieten.

Ich verabschiedete mich hier von meinem Reisegefährten, Herrn Lukas,
welchem als altem Afrikaner die Ehre zuteil wurde, von unserem
Generaldirektor persönlich bewillkommt und an Bord seiner Dampfbarkasse
an Land gebracht zu werden. Ich dagegen erhielt Order, an Bord des
Dampfers meine Instruktionen abzuwarten.

An Bord herrschte Tag und Nacht fieberhafte Tätigkeit. Leichterboote
zu beiden Seiten des Schiffes, die leer ankamen und vollbeladen mit
Waren an Land zurückkehrten; ein ständiges Gerassel und Fauchen der
Maschinen, die die großen Dampfwinden bedienten und schwere Lasten aus
den Eingeweiden unseres schwimmenden Riesen auf den Dampfer »Prins
Hendrik« überluden.

Da der Wasserstand des Kongoflusses 8 Stunden stromaufwärts an der
großen Sandbank ziemlich niedrig ist, mußte ein großer Teil der
zu befördernden Waren ausgeladen werden, um den Dampfer derart zu
entlasten, daß er die Barriere passieren konnte. Drei Tage lang harrte
ich an Bord der in Aussicht gestellten Instruktionen, während meine
Mitpassagiere vergnügt an Land gingen und mir immer wieder Neues von
den Herrlichkeiten und Wundern dieses Kontinents berichteten.

Wie ganz anders hatte ich mir in meiner jugendlichen Phantasie meine
Ankunft und meinen Empfang auf afrikanischem Boden vorgestellt. Ich
hatte erwartet, mit offenen Armen aufgenommen zu werden, und mußte
nun das Gegenteil erleben. Dies war die erste einer ganzen Reihe von
Enttäuschungen und Lehren, die meiner harrten, und sie war vielleicht
gerade als erste die allerschwerste. Von Hause aus verwöhnt, waren
mir meine früheren Chefs in Holland mit der größten Liebenswürdigkeit
entgegengekommen und hatten mich in ihren Familienkreis eingeführt.
Infolge meines kühnen Entschlusses, nach Afrika zu gehen, war ich
gewissermaßen unter meinen Bekannten als Held gefeiert worden; und nun
diese Ernüchterung!

Endlich erhielt ich ein paar Zeilen mit der Aufforderung, mit meinem
Gepäck an Land zu kommen. Ein junger Faktoreibeamter erwartete mich
hier und wies mir in einem der Gebäude ein luftiges, auf der Seeseite
gelegenes ebenerdiges Zimmer an. Dieses war innen weiß getüncht,
der Lehmboden war von einer Strohmatte teilweise bedeckt und das
ganze Mobiliar bestand aus einem Bett, einem Waschbecken und einem
Stuhl, alles hier an Ort und Stelle von Zimmerleuten roh angefertigt.
Fenster sind hier ein unbekannter Luxus, an deren Stelle einfache
Holzläden treten. Im ersten Augenblick war ich starr vor Erstaunen und
Enttäuschung, da das schlanke Faktoreigebäude, von außen gesehen, den
Eindruck des behaglichen Komforts machte.

[Illustration: Rückentätowierung einer Frau.]

Noch ehe ich mich von meiner Überraschung vollständig erholt hatte,
war der Angestellte verschwunden, und an seiner Stelle verblieb ein
kleiner, schmutziger Negerjunge, mein »Boy«, in weißem Hemd und
farbigem Lendentuch, der in einem Kauderwelsch von Portugiesisch sich
nach meinen Wünschen erkundigte. Da meine Toilette beim Ausbooten etwas
gelitten hatte, bedeutete ich ihm, der Sprache nicht mächtig, durch
Gebärden so gut wie möglich, mir Waschwasser zu bringen und zog mich um.

Um 6 Uhr abends erscholl ein Gongschlag, und von den Hauptgebäuden
begaben sich die verschiedenen Angestellten, die tagsüber darin
beschäftigt waren, in ihre Wohnhäuser. In den Zimmern nebenan wurde es
lebendig. Ich stellte mich selbst meinen Nachbarn vor und erfuhr, daß
dies das Passagiergebäude und sie, gerade so wie ich, nur Passagiere
seien -- allerdings Passagiere, die bereits drei Jahre in Afrika
zugebracht hatten und nun auf der Rückkehr in die Heimat den Dampfer
hier erwarteten.

Ein zweites Gongzeichen ertönte, und mit meinen neuen Bekannten
begab ich mich in die Vorhalle des Hauptgebäudes, wo inzwischen die
Aperitif- und Bitter-Tafel gedeckt war. Hier stellte ich mich dem
Bureauchef vor und wurde von diesem allen ankommenden Herren, im ganzen
vielleicht 30 Personen einschließlich des Direktors, vorgestellt. Es
ging bei dieser Bitter-Tafel gewissermaßen kameradschaftlich zu, doch
mit einem Unterton, wie etwa in einer Offiziersmesse, wenn höhere und
höchste Offiziere zugegen sind. Jeder hatte seinen Rang und danach auch
seine Stimme, und nachdem der Direktor sich höflichkeitshalber nach dem
Verlauf meiner Reise erkundigt hatte, war vorläufig die Anteilnahme für
mein Schicksal erloschen.

Ich habe absichtlich den Tag meiner Ankunft etwas ausführlich
geschildert, um meinen Lesern damit ein Beispiel dafür zu geben, wie
wenig Bedeutung das eigene »Ich«, losgelöst von der heimatlichen
Scholle, im Weltgetriebe draußen hat.




              Meine erste Beschäftigung. Ein Jagdausflug.


Früh 1/2-6 Uhr erschien mit dem ersten Gongzeichen mein kleiner
Boy, öffnete Tür- und Fensterläden und ermahnte mich durch Gebärden
zum Aufstehen. Die Nacht war kühl, draußen herrschte noch leichte
Dämmerung, als ich mich von meinem harten Lager erhob und von meiner
Veranda aus Umschau hielt. Punkt 6 Uhr waren alle Beamten und
Arbeiter in Reih und Glied vor dem Hauptgebäude aufgestellt, und den
verschiedenen Sektionen wurde ihre Tagesarbeit unter Aufsicht der
Beamten zugeteilt. Ich wurde vorläufig zur Disposition des Bürochefs
gestellt, der mir verschiedene Bureauarbeiten, wie Kontrolle der
Bilanzen der Faktoreien, anvertraute. Zur Abwechslung wurde ich vom
Faktoreichef zuweilen zur Revision der vom Oberkongo hereinkommenden
Transitladungen von Elfenbeinzähnen herangezogen, welche Arbeit mein
Interesse besonders fesselte, da unter den Zähnen solche bis zu 70 und
76 Kilogramm Gewicht vorkamen.

Ich hatte mich in mein neues Leben sehr bald eingewöhnt und mir durch
mein Klavierspiel auch die Zuneigung des Direktors erworben. An Arbeit
und neuen Eindrücken fehlte es nicht, denn von 6 Uhr früh bis 6 Uhr
abends, und an Posttagen sogar oft bis 8 und 10 Uhr nachts wurde mit
einer kurzen Mittagspause von einer Stunde ununterbrochen gearbeitet.
Gegen 6 Uhr abends fanden sich immer einige Bekannte, mit denen ich
gemeinsam an einer seichten Stelle des Meeres ein Bad nahm, während
eine Schildwache mit geladenem Gewehr dabei beständig Ausschau hielt,
um etwa allzu vorwitzige Haifische, die sich zu nahe heranwagen
sollten, sofort anzuschießen. Längs der Küste kommen diese unheimlichen
Gesellen in beträchtlicher Anzahl vor, und die über die Wasserfläche
hinausragenden Schwanz- und Rückenflossen sind mit bloßem Auge bei
einiger Aufmerksamkeit leicht zu erkennen.

Unsere Erholungszeit fiel also hauptsächlich in die Abendstunden
nach dem Abendmahl, welche uns alle im Billard- und Musikzimmer
vereinigte, um die allabendliche Kriegspartie, bei der eine
beliebige Anzahl Spieler teilnehmen kann, auszutragen. Als beliebte
Abwechslung waren die Passagierboote der »Messagerie Maritime« sowie
der »Woerman-Linie« sehr willkommen, bei deren Ankunft wir entweder
Besuche an Bord der Schiffe abstatteten oder an Land Feste zu Ehren
der befreundeten Kapitäne abhielten. Ganz besonders in Erinnerung
ist mir ein Fest anläßlich der Ankunft des Gouverneurs von Kamerun,
Exzellenz von Puttkamer, der uns an Bord des deutschen Kriegsschiffes
»Habicht« besuchte, und bei welcher Gelegenheit olympische Spiele der
Neger-Segelregatta und sogar ein Theaterstück aufgeführt wurden. Da
gerade Vollmondnacht war, veranstalteten die Eingeborenen ihren ganz
eigenartigen Mondtanz, in welchem die Tanzenden als einzige Bekleidung
um die Lenden in der Art unserer Ballettänzerinnen einen Gürtel aus
Strohgeflecht und als Kopfbedeckung eine Maske aus demselben Material
trugen.

Den ersten freien Sonntag benutzte ich zu einem Jagdausflug auf eine
der gegenüberliegenden Inseln. Der Kongo hat an seiner Mündung eine
Breite von mehr als 15 Kilometern und bildet mit seinen unzähligen
toten Armen -- sogenannten Creeks -- eine Unmenge größerer und kleiner
Inseln, die nur zum Teil von einer friedlichen Bevölkerung bewohnt,
im übrigen aber vollkommen unkultiviert und von undurchdringlichem
Mangrovendickicht und Urwald bewachsen sind. Der Zutritt zu einer
solchen Insel ist durchaus keine leichte Sache und nur an solchen
Stellen möglich, wo irgendein Dickhäuter, z. B. ein Nilpferd, sich
einen Weg zum Wasser gebahnt hat. Anderwärts starrt dem Eindringling
aus Morast und Sumpfgelände ein Gewirr von drei bis vier Meter hohen
Luftwurzeln der Mangroven als unüberbrückbarer Wall entgegen.

Es war gegen 3 Uhr nachmittags; die größte Hitze war vorüber, als ich
in Begleitung eines älteren Faktoreibeamten, gefolgt von zwei Dienern,
mit scharfen Haumessern, die dazu dienen sollten, uns nötigenfalls
einen Weg durch das Dickicht zu bahnen, bewaffnet, in einem kleinen
Ruderboot in das Labyrinth von Inseln und totem Wasser eindrang. Eine
leichte Brise von der Seeseite her milderte die drückende Schwüle, die
auf der Wasserfläche lastete. Tiefes, fast übernatürliches Schweigen
der Natur, das unwillkürlich zur Andacht stimmte, herrschte um uns.
Das Lockrufen und Zwitschern der Vögel am frühen Morgen und gegen
Abend, das Kreischen der Papageien und Krächzen der Nashornvögel,
das Zirpen, Pfeifen und Surren der Zikaden, Baumgrillen und Myriaden
anderer Insekten ist um diese Zeit verstummt. Die Natur lag in tiefem
Mittagsschlaf. Fast war man geneigt, das Plätschern unserer Ruder als
brutale Störung dieser Waldandacht zu empfinden.

Träge glitt unser Boot an einem undurchdringlichen grünen Wall von
Schlingpflanzen, Mangrovendickicht und Urwald, eng miteinander
verschlungen und verwachsen und dem Eindringling den Zugang zum festen
Lande verwehrend, vorüber. Vom Wasser aus gesehen, hat dieser lebende
Schutzwall geradezu etwas Märchenhaftes. In zarten Fäden, gleich
Spinnweben, hängen die Ausläufer von den höchsten Spitzen der Mangroven
und Bäume bis zum Wasser herab und bilden, mit den gleichfalls aus dem
Laubdach herabfallenden Lianen dicht verschlungen, reizende Grotten und
Höhlen. Dem Neuling erschließt sich hier ein Reich der Wunder, welches
Herz und Sinne völlig in seinen Bann schlägt.

Wir landeten an einem ausgetretenen Nilpferdpfad, und mein Herz
pochte mächtig bei dem Gedanken, das ungeschlachte Ungeheuer könnte
uns aus dem undurchdringlichen Dickicht entgegentreten. Doch nichts
dergleichen geschah, und mit ein paar Sprüngen über Morast standen
wir auf festem Boden. Beim Eintreten in das Walddickicht konnte ich
mich eines gewissen Gefühles der Beklemmung nicht erwehren. War es das
mächtige Walten und Schaffen der Natur, das mich Neuling niederdrückte?
Meine Augen schweiften unruhig umher und bemerkten, daß der Grund und
Boden, auf dem wir standen, von mir unbekannten Geschöpfen wimmelte.
Das Gelände war sumpfig und allenthalben von Löchern unterhöhlt. Vor
diesen saßen prachtvoll vom hellsten Rot bis zum tiefsten Violett
gefärbte Krabben von der Größe unserer heimischen Art bis zu den
Maßen eines Hummers. Sowie wir uns auf ein paar Schritte näherten,
verschwanden sie, um sofort, wenn wir den Rücken gekehrt hatten,
wieder aus den Löchern hervorzukommen. Viele Stunden habe ich diese
Tiere in ihrem Leben und Treiben belauscht und oftmals mittels eines
Netzes versucht, ihrer habhaft zu werden; es ist mir aber nie gelungen.
Diese Krabben, ebenso wie die Baumechsen in allen möglichen Größen
und Formen, welche beim geringsten Geräusch mit einer unglaublichen
Gewandtheit den nächsten Baum erklettern, bildeten während meines
kurzen Aufenthaltes in Banana einen Gegenstand beständigen Interesses
und Studiums. Beide Tierarten habe ich auf meinem weiteren Vordringen
nach dem Innern Afrikas nirgends mehr angetroffen.

Auf diesem ersten Jagdausflug erlegte ich eine kleine Wildkatze,
meine erste Beute auf afrikanischem Boden, deren Fell ich abzog und
präparierte. Leider übersah ich bei dieser Prozedur den langen,
buschigen Schwanz, so daß derselbe die Haare verlor.




              Die Fahrt nach Fuca-Fuca. Faktoreibeamter.


Etwa sieben Wochen waren seit meiner Ankunft in Banana verstrichen. Ich
hatte in dieser Zeit gründlich Gelegenheit gehabt zu überlegen, daß das
ruhige Bureauleben auf einer großen Station, soviel Angenehmes es auch
für den Durchschnittsmenschen haben mag, für meine abenteuerhungrige
und nach freier Betätigung verlangende Natur nicht taugte. Lieber die
Strapazen beschwerlicher Karawanenreisen, lieber Hungersnöte und Kämpfe
mit den Eingeborenen ertragen, als hier von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr
abends bei sengender Sonnenhitze hinter Büchern vergraben zu sein.

Mein erster Versuch fortzukommen, wurde vom Konsul unter Hinweis
auf die großen Vorzüge, die ich hier an Ort und Stelle in Form
eines behaglichen Heimes, der Gesellschaft von Europäern, eines
reich besetzten Tisches und schließlich einer voraussichtlich
schnellen Karriere -- da er mir persönlich sehr zugetan sei --
schlankweg abgewiesen. Tatsächlich waren in der letzten Zeit einige
unserer Agenten in abgemagertem, elendem Zustande vom oberen Ubangi
eingetroffen, die von unsagbaren Leiden und Hungersnöten in diesen
Gebieten infolge eines Negeraufstandes berichteten. Doch ihre
Erzählungen hatten auf mich gerade den gegenteiligen Einfluß und
bestärkten mich eher in meinem Beschlusse, von Banana fortzukommen.
Da mündliche Anträge nichts halfen, beschloß ich schriftlich, sowohl
hier als auch bei der Zentrale in Europa anzusuchen. Diese Schritte
geben mir Gelegenheit, einige Worte über die Organisation unseres
geschäftlichen Unternehmens einzuflechten.

Die Holländer waren neben den Portugiesen die ersten, die viele Jahre
vor Zustandekommen der »Association Internationale«, aus der der
heutige Kongostaat hervorgegangen ist, von der Kongomündung Besitz
ergriffen hatten. Während die Portugiesen am linken Ufer des Stromes
Fuß faßten, gründeten die Holländer Banana, errichteten daselbst
eine eigene Schiffswerft und befuhren mit ihren Handelsdampfern den
gesamten Unterlauf des Kongo bis nach Vivi, ungefähr auf der Höhe des
heutigen Matadi gelegen, sowie die ganze portugiesische Küste nördlich
und südlich der Kongomündung -- heute Angola und Portugiesisch-Kongo
genannt --, in deren wichtigsten Plätzen sie Faktoreien anlegten.
Beim weiteren Vordringen ins Innere des Landes bis zum Stanley-Pool,
im Gefolge von Stanley, waren wieder die Holländer die ersten, die in
Brazzaville am Stanley-Pool die erste Handelsniederlassung gründeten
und von dort aus mit ihren eigenen Dampfern den ganzen Oberlauf des
Kongoflusses befuhren und daselbst Stationen errichteten. Die großen
Entfernungen, die beide Stützpunkte räumlich voneinander trennen -- die
Eisenbahn Matadi-Stanley-Pool wurde erst Jahrzehnte später in Angriff
genommen -- nötigte die Gesellschaft, zwei vollständig voneinander
getrennte Abteilungen mit je einem Direktor an der Spitze -- die
Unterkongo- und Oberkongo-Abteilung -- einzurichten.

Ich war von Europa aus ursprünglich auf mein Ansuchen hin für die
Oberkongo-Abteilung bestimmt und vom Konsul gegen einen anderen Agenten
eingetauscht worden. Meinem nochmaligen, schriftlichen Ansuchen konnte
dieser sich daher nicht gut widersetzen, und er erfüllte meinen Wunsch
wenigstens soweit, daß er mich nach der durch ihr ungesundes Klima
berüchtigten Faktorei Fuca Fuca versetzte.

Mit gemischten Gefühlen verließ ich am 27. September Banana, einesteils
erfreut, meinen Wunsch erreicht zu haben, doch auch wieder besorgt,
wie meine weitere Zukunft sich gestalten werde, da Fuca Fuca im
Rufe einer verseuchten Faktorei stand, auf der ihrer ungesunden
Lage wegen kein Europäer es länger als zwölf Monate aushält und die
meisten von ihnen sterben. Doch der herrliche Sonnentag, die heitere
Gesellschaft an Bord und vor allem das Vertrauen auf meinen Glücksstern
verscheuchten bald alle trüben Gedanken. Bald tauchte auf der linken
Seite des Flusses, mitten im Palmenwald gelegen, Kisanga auf. Von
der Flaggenstange vor dem Hauptfaktoreigebäude flatterte lustig die
holländische Fahne in der leichten Brise. Das Gebäude selbst sah viel
mehr einem modernen Jagdschlößchen als einer Faktorei ähnlich. Wege und
Anlagen waren tadellos gepflegt und rein gehalten -- ein europäisches
in die Tropen versetztes Schmuckkästchen. Wir waren nachmittags gegen
2 Uhr von Banana ausgefahren und verbrachten hier die Nacht, da wir
noch einen Teil der Ladung löschen sollten. Ich begab mich mit dem
Kapitän und dem Lotsen an Land und wurde vom Chef der Faktorei nach
Besichtigung derselben zu einer Partie Billard eingeladen.

Kisanga gehört noch zu Portugiesisch-Angola und bestand damals außer
der portugiesischen Zollstation und dem holländischen Hause nur noch
aus einer kleinen portugiesischen Faktorei. Während der Dämmerung
ertönte plötzlich von der Flußseite her lebhaftes Geschrei. Eine
Cabindafrau war beim Waschen von einem Krokodil durch einen Schlag
seines mächtigen Schwanzes ins Wasser geschleudert und vor den Augen
der entsetzten Gefährtinnen in Stücke zerrissen und in die Tiefe
gezerrt worden. Der Vorfall versetzte mich begreiflicherweise in die
höchste Aufregung, während die Holländer und Portugiesen die Sache ganz
kühlen Blutes als etwas hinnahmen, was sich öfters ereignet. Es war den
Eingeborenen untersagt, bei Einbrechen der Dämmerung an das Flußufer,
noch dazu an tiefe Stellen, zu gehen, wo ein Krokodil sich ganz
unbemerkt an sie heranmachen konnte. Beim ersten Morgengrauen verließen
wir Kisanga, und in voller Fahrt ging es stromaufwärts nach der Haupt-
und Regierungsstadt Boma, die wir gegen 1/2-12 Uhr -- falls wir
glücklich, ohne hängen zu bleiben, die große Sandbarriere überschreiten
würden -- erreichen sollten. An Stelle der dicht bewaldeten Inseln und
des verhältnismäßig ziemlich hoch gelegenen und mit üppiger Vegetation
bedeckten linken Flußufers stießen wir, je weiter wir ins Innere
kamen, auf große Weide- und Schilfgebiete. Die Inseln verflachen
sich und sind mit hohem Schilfgras bewachsen, und die bewaldeten,
hohen Ufer entschwinden allmählich aus dem Gesichtskreis. Wir näherten
uns der großen Sandbank, welche alljährlich durch die Strömung hier
angeschwemmt wird und, vor allem gegen Ende der Trockenperiode, wenn
der Wasserstand am niedrigsten ist, die Schiffahrt ernstlich gefährdet.

Ein Heer von Piloten ist beständig mit dem Sondieren der Wassertiefe
und dem Suchen nach einem Durchgangswege für die Schiffe betraut, da
Menschenhände bisher die Macht des Flusses infolge der eigenartigen
geologischen Beschaffenheit des Terrains nicht zu bändigen vermochten
und die Sandbänke im beständigen Abbau und in Neubildung begriffen
sind. Das Flußbett, welches auf der Höhe von Kisanga z. B. eine Breite
von zirka 1500 bis 2000 Meter haben mag, umfaßt hier wohl das Zehnfache
und bildet mit den vielen Inseln, toten Armen und Sandbänken eine Art
Binnensee, in welchem die Strömung kaum bemerkbar ist.

An der eigentlichen Barriere bleibt dem Dampfer manchmal kein anderer
Ausweg, als sich mit aller Maschinenkraft über das letzte Hindernis
hinwegzuarbeiten. Gelingt das nicht, dann bleibt er oft zwei bis drei
Wochen auf dem Sande sitzen, bis er soweit entladen ist, daß er sich
herausarbeiten kann. Auch wir waren verschiedene Male an Sandbänke
angefahren und gelangten schließlich nach einer Reihe von Stößen,
die das Schiff bis in die Grundfesten erschütterten, über die große
Barriere nach Boma.

Boma ist die malerisch auf einer Anhöhe gelegene Haupt- und
Residenzstadt des Gouverneurs des Kongostaates und zählte damals
gegen 300 Europäer aller Nationen. Die Stadt ist von dem gleichfalls
auf einem Hügel gelegenen Fort Shinkakassa vor feindlichen Angriffen
sowohl von der Landseite aus als auch gegen den Fluß hin geschützt und
besitzt eine kleine Lokalbahn, die das Ufer mit dem Fort verbindet
und die Stadt durchquert. Boma ist überdies der Ausgangspunkt einer
Eisenbahnlinie, die nach dem reichen und für Plantagenbau besonders
geeigneten Hinterlande Mayumbe führt und von dort die Kolonialprodukte
an Kautschuk, Kakao, Kaffee, Tee, Palmöl, Nutzhölzern aller Art usw.
vom Innern an das Flußufer bringt. Von der Landungsbrücke gelangt man
auf einen schattigen großen Platz mit einem Musikpavillon, =Place
de la Marine= genannt, auf welchem an Sonntagen die Kapelle der
»Katholischen Missionskinder« spielt. Von hier führt eine Straße den
Fluß entlang ins sogenannte Faktoreiviertel, d. h. die Niederlassungen
der holländischen, portugiesischen, englischen und französischen
Kaufleute, während eine zweite schattige Allee von Mangobäumen den
Hügel erklimmt und nach dem »Boma-Plateau« führt, auf welchem die
meisten Verwaltungsgebäude der Regierung, die Katholische Mission
nebst kleiner Missionskapelle sowie das Gouvernementsgebäude liegen.
Die einzelnen Häuser sind von schönen Gärten umgeben und stehen
ziemlich weit auseinander, so daß Boma auf den ersten Anblick viel
größer erscheint, als es tatsächlich ist. Vom Plateau aus genießt
man einen prächtigen Rundblick auf den majestätisch dahinziehenden
Strom, der nach dem Unterlaufe zu mit einer in das Bett hineinragenden
Felsengruppe, dem sogenannten »Fetish-Rock« abschließt, während nach
seinem Oberlauf die Ufer zu beiden Seiten ihn immer mehr einschließen.
Zur Rechten erblickt man das Fort Shinkakassa, und zu Füßen, hinter
Palmenanlagen, leuchten die weißen Dächer der Faktoreigebäude aus dem
saftigen Grün hervor. Das wellenförmige Hügelgelände der Umgebung ist
eine ausgedehnte unfruchtbare Grassteppe, deren Eintönigkeit hie und
da durch einen mächtigen »Baobab« (Affenbrotbaum) oder »Wurstbaum«,
nach den wurstartigen Früchten so benannt, belebt wird. Das Gelände
durchschneidet ein kleiner Bach, der in einer Lagune in den Fluß
einmündet und »Krokodilfluß« heißt. Vor Jahrzehnten soll das Gewässer
eine Brutstätte für Krokodile gewesen sein.

[Illustration: Palmenstraße in Boma]

Was die einheimische Bevölkerung anbelangt, so ist Boma das moderne
Babel der Negerrassen Innerafrikas. Als größere Garnisonstadt finden
sich unter den Soldaten, die übrigens in ihrer dunkelblauen Uniform
mit Pumphosen, roter Schärpe und dunkelrotem Fes höchst schmuck
aussehen, Vertreter sämtlicher Rassen. Allerdings fallen bei ihnen
die Stammesmerkmale nicht so sehr in die Augen, da sie meistenteils
frühzeitig von ihrer Heimat weg Dienste beim Europäer angenommen und
infolgedessen die Tätowierung vernachlässigt haben.

Von Boma stromaufwärts verengt sich, wie gesagt, der Lauf des Stromes,
und die Ufer zu beiden Seiten nehmen gebirgigen Charakter an. Die
Fahrt wird immer genußreicher, und bei jeder Krümmung bietet sich dem
entzückten Auge des Reisenden eine neue Offenbarung des mächtigen
Waltens der Natur. Steile Felsen senken sich von beträchtlicher
Höhe fast senkrecht zum Wasserspiegel hinab und schließen jede
weitere Aussicht derart ab, daß das vor uns liegende Wasserbecken
einem von allen Seiten eingeschlossenen Hochgebirgssee gleicht.
Dies Bild wiederholt sich in immer anderer Gestalt fortwährend. Ein
Landschaftsmaler könnte hier Motive für unzählige Bilder finden.
Kommt man näher an die Ufer heran, so ist man erstaunt, zu sehen, wie
hier die Natur vorgesorgt hat, die Öde und Eintönigkeit der Gegend
zu verdecken und zu beleben, denn im Grunde genommen ist es doch
ein trostloses Bild, das sich dem Auge bietet. Nichts als dürres
Gras gedeiht auf diesen Steinfelsen und in der Tiefe, aus welcher
befruchtende Quellen aus dem Gebirge kommen, einiges Laubwerk.

Auf das lebhafteste wurde meine Phantasie angezogen durch die
Riesenbrände, die gegen Ende der Trockenperiode allenthalben
wahrzunehmen sind und gierig den letzten Rest der Vegetation
verschlingen. Wir kamen an mehreren solchen Brandstellen vorüber. Auf
meilenweite Entfernung stand das etwa zwei Meter hohe, trockene Gras
in Flammen. So großartig dies Schauspiel auch ist, so grauenhaft ist
es, mitanzusehen, wie der lechzende Dämon alles Lebende vernichtet.
Wehe der Karawane, die ahnungslos in den Bereich eines solchen
Brandes gelangt. Da hilft keine Flucht; denn wie ein Orkan fegt die
Feuersbrunst daher. Ein paar Häuflein verkohlter Skelette sind alles,
was binnen wenigen Minuten übrigbleibt. Diese Riesenbrände entstehen
übrigens nicht von selbst, sondern werden von den Eingeborenen zu
Jagdzwecken angefacht.

[Illustration: Arbeiterdorf Boma.]

Im Verlaufe unserer Reise kamen wir öfters an schwimmenden Inseln,
Fetzen festen Landes von 30 bis 40 Meter Umfang, mit Bäumen und
Gestrüpp bewachsen, vorbei. Auf einem derselben lagerte ein
Riesenexemplar von Krokodil, das bei unserem Nahen schwerfällig ins
Wasser glitt.

Wir passierten auf unserer Fahrt, ohne anzuhalten, die malerisch in
kleinen Ausbuchtungen, gleich Oasen in dieser Steinwüste, gelegenen
holländischen Faktoreien Binda, Musuko, danach Muckula und zuletzt
Noki. Alle diese Faktoreien liegen noch auf portugiesischem Gebiet.
Kurz vor unserer Ankunft in Matadi hatte der Dampfer ein schweres
Hindernis, den »=Chaudron d'Enfer=«, zu überwinden. Infolge einer
quer durch das Flußbett laufenden Niveausenkung sowie der Anhäufung
großer Felsmassen unter Wasser erreicht hier die Strömung eine
außerordentliche Schnelligkeit und bildet Stromschnellen und Trichter,
die kleinere Boote und Gegenstände, die in ihren Bereich kommen, in
die Tiefe ziehen und zerschellen. Nur Schiffe, die über zwölf Knoten
Geschwindigkeit laufen, können diese Stromschnellen passieren. Die
Fahrt durch den Höllenschlund ist für jedes Schiff ein Ereignis; selbst
mit großen Ozeandampfern haben sich hier bereits mehrfach Unglücksfälle
ereignet.

Unser Dampfer hielt einige Zeit unterhalb dieser Stelle, gleichsam
um Kraft und Atem zur Bewältigung dieses letzten Hindernisses zu
schöpfen. Der Dampf wurde auf höchstmöglichen Druck gebracht, so daß
die Kessel zu explodieren drohten, und nun ging es vorwärts, an den
großen Höllentrichtern vorbei. Wir sahen, wie vorbeischwimmende Balken
und Gestrüpp in kreiselförmiger Bewegung von ihnen in die Tiefe gezogen
wurden. Unserem Ozeanriesen konnten sie allerdings nichts anhaben,
-- der Boden unter unseren Füßen zitterte und bebte --, langsam,
fast unmerkbar, kamen wir trotz erhöhter Schraubengeschwindigkeit
Schritt für Schritt durch Stromschnellen und den verderbenbringenden
Trichter vorwärts, bis wir, um die Flußecke biegend, in der Ferne das
an Felsenwänden erbaute Matadi, die Endstation der Flußschiffahrt
am unteren Kongo, erkannten und binnen einer kleinen Viertelstunde
erreichten.

Matadi ist die inländische Bezeichnung, welche die Eingeborenen der
Stadt gegeben haben, für »Fels« oder »Gestein«. Tatsächlich ist die
Stadt in die Felsen hineingebaut, und Straßen und Anlagen mußten
ursprünglich aus den Felsen mittels Dynamit herausgesprengt werden.
Die Riesenarbeit, die seinerzeit bei Anlage der Stadt durch Sappeure
und Genie-Truppen geleistet wurde, hat auf die leicht erregbare
Phantasie der Eingeborenen einen derartigen Eindruck gemacht, daß sie
von da an den neuen Staat mit »=m'bula matadi=« (Felsensprenger)
betitelten, welche Bezeichnung ihm bis auf den heutigen Tag als Zeichen
der Höchstleistung an übernatürlicher Kraft und Energie für die
Eingeborenen geblieben ist.

Matadi ist Ausgangspunkt der 500 Kilometer langen Eisenbahn nach dem
Stanley-Pool und steht heute an Bedeutung und Einwohnerzahl als große
Zwischenverkehrs-Station Boma kaum nach. Bei meinem ersten Besuch 1897
war die Bahnlinie erst bis Kilometer 360 fertiggestellt und in Betrieb,
und Matadi bestand nur aus ein paar Häusern, dem Betriebsgebäude
der »=Compagnie du Chemin de Fer=«, unserer Faktorei Fuca
Fuca und dem »Englischen Hause« in Chikenge. Inzwischen wurden
Kaianlagen errichtet, um die Schienenstränge vor den alljährlichen
Überschwemmungen zu schützen. Die Regierung verlegte einen Teil ihrer
Verwaltung nach hier, die Eisenbahnverwaltung errichtete luftige, von
kleinen Gärten umgebene »=Chalets=« für ihren Beamtenstab, große,
mehrstöckige Faktoreigebäude eröffneten an einer Hauptstraße entlang
ihre Stores, kurzum, die Stadt hat innerhalb eines Jahrzehntes großen
Aufschwung genommen.

[Illustration: Landungsbrücke und Eisenbahn von Matadi.]

Selbstverständlich war Matadi damals, wo weder Baum noch Strauch auf
den kahlen Felsen gedeihen konnte, zur Zeit der heißen Regenperiode
eine wahre Hölle auf Erden. Die Rückwirkung der Sonnenstrahlen von
den glühenden Granitfelsen und weißen Dächern der Gebäude um die
Mittagszeit war derart, daß man kaum die Augen zu öffnen wagte und
das Gefühl hatte, mitten in einer Feuersbrunst zu stehen. Die Hitze
des Gesteins durchbrannte die Sohlen der Schuhe, und die Augenlider
waren trotz schwarzer Augenbrillen und Tropenhelm angeschwollen. Um
die Mittagszeit stockte daher jeder Verkehr, und wer irgend konnte,
verschloß sich in die halbwegs kühlen inneren Faktoreiräume.

Fuca Fuca war der Name der holländischen Faktorei und diese vorläufig
das Endziel meiner Reise. Auch diese Bezeichnung stammt von der
hiesigen eingeborenen, zum großen Teil Portugiesisch sprechenden
Bevölkerung und heißt »Feuer Feuer«. Man sieht aus den beiden
Beispielen, daß die Eingeborenen in ihren Bezeichnungen den Nagel auf
den Kopf treffen.

~Das Märchen von Fuca Fuca.~ Tief im Innern, in Angola, in
einem Urwalde, abgeschnitten von der übrigen Welt, liegt ein kleines
Negerdorf, aus nur wenigen Hütten bestehend. Hier herrschte Mukenge als
unumstrittener Gebieter über das Häuflein der Treuen, die das große
Sterben, das vor Jahren die Blüte und Auslese seines Stammes mit rauher
Todessichel hinwegraffte, übriggelassen hatte. Nur einen seiner Söhne,
Kalamba, hatten die bösen »Nkichi«-Geister verschont, und dieser war
die Stütze und der Stolz seines alten Vaters.

Fortuna hieß die Tochter des mächtigen Häuptlings Jongo Jongo, der in
der großen Grassteppe, zwei Tagereisen gegen Sonnenaufgang, Gebieter
über ein kriegerisches Volk war. Sie war eine Königstochter im wahren
Sinne des Wortes; ihre Augen leuchteten wie die Sterne der Nacht; ihre
Füße und Hände waren zart und klein, ihr Wuchs schlank wie der einer
Gazelle.

An einem der jeden Neumond inmitten des großen Urwaldes stattfindenden
Markttage hatte Kalamba Fortuna zum ersten Male gesehen, und ihre
strahlenden Augensterne hatten sofort das Feuer der Liebe in
seinem Busen entfacht. Auch er war der schönen Königstochter nicht
gleichgültig geblieben; denn Kalamba war ein junger, kräftiger, stolzer
Mann.

Monate vergingen, und bald entstand ein Gemurmel und Geflüster im
Urwalde. Die Wipfel der Bäume und die Vögel des Waldes flüsterten
das große Geheimnis einander zu, und eines Tages erschien Kalamba im
Dorfe des Jongo Jongo an der Spitze einer großen, mit Geschenken reich
beladenen Karawane, um die Königstochter zu freien.

Der alte Jongo war ein schlauer und wegen seiner Zauberkünste
gefürchteter Mann. Mit heuchlerischer Güte empfing er seinen künftigen
Schwiegersohn und nahm die Hochzeitsgeschenke entgegen. Bevor er seine
Einwilligung zur Ehe gab, meinte er, er müsse den Segen Zambis, des
höchsten Gottes, erflehen und dessen Orakel befragen und bat Kalamba,
einstweilen mit seiner Gastfreundschaft vorlieb zu nehmen. In Wahrheit
aber sann er darüber nach, wie er sich des unerwünschten Freiers am
besten entledigen könnte.

[Illustration: Bangala-Mädchen im Tanzkostüm.]

Am nächsten Morgen versammelte er sein ganzes Dorf um sich, um den
Orakelspruch, der ihm in der Nacht geworden, feierlich zu verkünden. Am
vorhergehenden Tage hatte man eine der als Hochzeitsgeschenk gebrachten
Ziegen geschlachtet und von ihr verschiedene Teile Zambi als Opfer
dargebracht. Jongo Jongo hatte die ganze Nacht im Gebet gelegen, und
gerade um die Zeit, als »Ngondo«, der Mond, am höchsten stand, sei
Zambi ihm in der Gestalt von »Djakombo« (Fetisch) erschienen und habe
ihm folgendes verkündet:

»Weit über Steppe und Urwald, dort, wo die Sonne in dem großen Wasser
verschwindet, sei ein mächtiger Gott in der Gestalt eines weißen
Mannes aus den Fluten des Meeres emporgestiegen. Im Bauche eines
feuerspeienden Riesenfisches sei er auf der Oberfläche des Wassers
aufgetaucht und an Land gekommen, eine Menge fremdartiger Gegenstände
vom Grunde des Meeres mitbringend. Dieser fremde Gott habe Donner und
Blitz in seiner Gewalt. Zu ihm solle Jongo Jongo seinen Schwiegersohn
senden, und dieser solle ihm Donner und Blitz bringen, dann würde er
der mächtigste Gebieter über sämtliche Stämme werden.«

Mit Staunen und Entsetzen vernahmen alle Anwesenden die Stimme des
Orakels, und Furcht und Schrecken bemächtigte sich ihrer. Doch
Kalamba war ein mutiger Mann; Fortuna hatte sein Herz völlig in Bann
geschlagen, und er erklärte sich sofort bereit, das Geheiß des Orakels
zu befolgen. Vor seiner Abreise aber mußte Fortuna einen heiligen
Schwur leisten, keinem anderen Manne zu folgen und seine Rückkehr,
sollte sie auch viele Monde dauern, abzuwarten. Und Fortuna schwur
bei der Frucht ihres Leibes. Mond um Mond verging, und Kalamba, der
sich mit zwei Waffengefährten auf den Weg gemacht hatte, kehrte nicht
zurück. Durch Urwald und Steppe, über heißen Wüstensand, war er immer
dem Laufe der Sonne nachgewandert. Der eine Gefährte war dem Biß
einer Sandviper erlegen, während der andere beim Durchschwimmen eines
größeren Flusses von einem Krokodil von seiner Seite gerissen wurde.
Endlich, nach langem Herumirren und Wandern, stieß er auf menschliche
Spuren und, diesen folgend, schließlich auf das Lager des weißen
Mannes, genannt »Nfumu Ntanga« (Herr der Sonne).

Unbeschreiblich war das Erstaunen und der Schrecken Kalambas, als er
zum ersten Male der Karawane des gefürchteten weißen Gottes ansichtig
wurde. Vor Angst warf er sich zu Boden, wurde aber von den prächtig
gekleideten Dienern vor Nfuma Ntanga geführt. Dieser sah ihn eine
Zeitlang durchbohrend mit seinen blauen Augen an und redete dann mit
ihm in einer Sprache, die er nicht verstand. Kalamba war, vor Schreck
gelähmt, auf die Knie gesunken und erwartete jeden Augenblick, daß
Donner und Blitz seinem Leben ein Ende bereiten würden. Als nichts
dergleichen geschah, wagte er es, zuerst schüchtern und dann immer
kühner, den neuen Gott und dessen Diener, die alle in kostbare, ihm
unbekannte Gewebe gehüllt waren und glitzernde Ringe an Armen und Füßen
trugen, zu betrachten.

Langsam nur fand er die Sprache wieder und erzählte nunmehr seine
Leidensgeschichte. Einer der Leute, die auch schwarz waren, wie
er, verstand seine Sprache und verdolmetschte, was er erzählte.
Dieser wurde sein Freund und beruhigte ihn darüber, daß er für
sein Leben nichts zu fürchten habe. Er bestätigte ihm, daß Nfuma
Ntanga tatsächlich mit einem »Machoa«-Schiff aus dem großen Weltmeer
aufgetaucht sei und alle die wunderbaren Gegenstände, die Kalamba hier
sah, mitgebracht habe. Diese Auseinandersetzungen wurden plötzlich
durch einen donnerartigen Knall unterbrochen, der das Blut Kalambas zum
Erstarren brachte. Hatte da nicht plötzlich bei hellem Sonnenschein der
gefürchtete Feuergott gesprochen, der Bäume fällte und Hütten in Feuer
und Flammen aufgehen ließ? Sein neuer Freund belehrte ihn, dies sei
der Fetisch des Sonnengottes »Bunduki« (Gewehr) genannt, der demselben
Macht über Tod und Leben aller Geschöpfe verleihe. Am nächsten Morgen
nahm Kalamba all seinen Mut zusammen, trat vor Nfuma Ntanga hin und bat
ihn, sein Diener werden zu dürfen.

Monde und Monde vergingen. Kalamba hatte seinem neuen Herrn treue
Dienste geleistet und bat ihn, von seinem Heimatdorf Fortuna, die
Königstochter, als Gefährtin holen zu dürfen. Mit einem »Bunduki« und
Pulver, prächtigen Armringen und Geweben aller Art beladen, zog er in
die Heimat, um die Königsbraut zur Gattin zu machen.

In seinem Heimatdorfe angelangt, fand er seinen Vater sterbend vor und
erfuhr daselbst, daß Fortuna, seines Herzens Hoffnungsstrahl und Sonne,
Fortuna, für die er sein Leben dahingegeben hätte und lange Monate in
der Fremde Sklavenarbeit verrichtete, seiner vergessen hatte und dem
Häuptling eines Nachbardorfes gefolgt war.

In Kalambas Herzen wohnten, im beständigen Kampfe miteinander, zwei
Dämonen, ein guter und ein böser. Bisher hatte der gute Dämon stets die
Oberhand behalten. Von der Wucht der Nachricht aber war er vollständig
niedergeschlagen, alle seine Hoffnungen waren zertrümmert. Dagegen
wuchs sein Widersacher ins Riesenhafte. Rasender Schmerz und Zorn über
die angetane Schmach übermannte Kalamba, das Blut kochte und wallte
in seinem Herzen. Feuer sprühte ihm aus den Augen; nur durch den Tod
konnte Sühne gefunden werden.

Und in der folgenden Nacht raste der Todesengel durch den Urwald.
Mit schrecklichem Vorgefühl sahen die Wipfel der Bäume und die Vögel
des Waldes Kalamba an der Spitze seines Stammes lautlos, gleich
einer Geisterschar, daherschreiten. Ihnen ahnte Schreckliches; denn
aus seinen Augen glühten rote Blitze, zu seinen Häupten kreiste der
Todesadler in den Lüften.

Mit dem ersten Strahl der Morgensonne fuhr der Tod mit der Sichel über
das schlafende Dorf und hielt reiche Ernte. Ein Morden und Würgen von
Frauen, Männern, Kindern und Greisen begann, von dem die stärkste
Phantasie sich kein Bild machen kann. Der gefürchtete Feuergott selbst
war gekommen, um Rechenschaft in Blitz und Donner zu fordern. Der Wald
hallte wider vom Todesächzen und Stöhnen zuckender und verstümmelter
Menschenleiber. Fortuna war es in der ersten Verwirrung gelungen,
unbemerkt das Freie zu erreichen. Da, wie aus dem Boden gewachsen,
von oben bis unten in Blut gebadet, mit wutverzerrten Zügen, stand
Kalamba als Rächer seiner Ehre vor ihr. Mit flehender Gebärde, die
Arme emporstreckend, sank die stolze Königstochter, um Gnade flehend,
in die Knie. Doch eher hätte ihr Schicksal einen Stein zu erweichen
als das nach Blut lechzende Herz Kalambas zu rühren vermocht. Der böse
Dämon forderte gebieterisch sein Opfer, und zu Tode getroffen, sank die
Königsblume zu Boden. Der erste Sonnenstrahl brach durch die Wipfel der
Bäume, küßte die an den Blättern hängenden Tautropfen und spiegelte
sich in den brechenden Augen der Königstochter. Noch einmal flackerten
diese auf, im Schwur hoben sich die Finger zum Sonnengestirn, gleichsam
den Fluch desselben auf den Schuldigen herabbeschwörend, und Fortunas
Seele hatte die sterbliche Hülle des Körpers verlassen und war auf den
Sonnenstrahlen in das unbekannte Land ihrer Vorfahren entflohen.

Während die Gefährten jubelnd Siegesorgien auf den Leibern der
Gefallenen feierten, kehrte Kalamba einsam und finster in sein Heim
zurück. Der Dämon im Innern war verstummt; er hatte seinen Willen
erreicht, dafür meldete sich ein anderer Widersacher.

Mörder der Geliebten! Mörder deiner eigenen Stammesverwandten!
flüsterten die Bäume und zwitscherten die Vögel des Waldes ihm zu.
Wie von Furien besessen, trieb es ihn durch Wald und Feld, von Heim
und Hof. Weder bei Tage noch bei Nacht konnte er Ruhe finden. Sein
Inneres war von dem beständigen Kampf zwischen befriedigter Rache und
niederdrückendem Schuldbewußtsein zerfleischt. Der Sonne Strahlen,
die alles Lebende befruchten und erfreuen, wurden ihm zum Rächer. Ein
großes, glühendes Auge starrte rachedürstend in sein tiefstes Innere
und lastete wie Blei auf seinem Kopfe.

[Illustration: Fuca Fuca.]

Nicht länger konnte er das Leben in der Heimat, bei den Freunden der
Kindheit ertragen. Als einsamer, verlassener Wanderer gelangte er
schließlich nach langen Irrfahrten, körperlich ein Greis, bei Nfuma
Ntanga an. Aus Mitleid gab man ihm Arbeit und Feuerwasser, um seinen
Kummer zu stillen. Noch gab es ein Mittel, um all die Stimmen im
Innern, ja selbst die Sonne, zu bezwingen, und dies letzte Mittel mußte
er versuchen.

=Aguardente= (Feuerwasser) nennen die Eingeborenen die große
Medizin, die dem weißen Gott Nfuma Ntanga die übernatürliche Kraft
verleiht. Wenn die Seelen der Verstorbenen und böse Götter aller Art
den Körper heimsuchen und das Gemüt bedrücken, wenn am frühen Morgen
das Tier im Magen, das den Hunger hervorruft, knurrt, dann genügen
einige Schluck dieses Zaubertrankes, um Geister, Sorgen und Hunger zu
vertreiben. »Matabiche« (=mata bichu=, töte das Tier im Innern)
beschwöre die Geister und treibe die Seelen der Verstorbenen aus! Dies
war die mächtige Medizin, die immer noch geholfen hatte und die auch
jetzt helfen sollte.

Und am nächsten Tag, als zu den Foltergeistern im Innern sich noch das
ungeheure Sonnenauge Fortunas gesellte und Kalambas Hirn durchbohrte
und marterte, da spottete er hohnlachend seiner Peiniger. Stand er
nicht unter dem Schutze des Gebieters der Sonne? Hatte er nicht die
Macht in Händen, alle Geister zu bannen? Mit einem Ruck verschlang er
die kostbare Medizin im Angesicht der glühenden Sonne.

Taumelnd war Kalamba infolge allzu reichlichen Alkoholgenusses und der
Einwirkung der Sonnenstrahlen zusammengebrochen. Ah! Wie das wärmte
und brannte, wie das die Lebensgeister entfachte, und wie es in seinem
Hirn wirbelte und tollte! Wo war das feindselig blutleuchtende Auge
der Fortuna? Endlich war es versöhnt und seine Macht gebrochen. Nicht
mehr drohend, sondern verheißend winkte es vom blauen Äther; gleich
einer heißen Blutwelle senkte es sich auf den Sterbenden herab, dessen
Körper in Liebe und Leidenschaft mit sich emporziehend; wildes Feuer
durchtobte den Körper und drohte die Brust zu zersprengen. Während die
Seele auf Schwingen der Liebe dem strahlenden Tagesgestirn zuschwebte,
entrangen sich der keuchenden Brust die Worte: »O Fortuna!« Dann: »Fuca
Fuca« (Feuer Feuer).

Arbeiter, die den Sterbenden auffanden, hatten zufällig nur die letzten
Worte gehört. Auf der Stelle, wo der Tote gefunden wurde, erhebt sich
die heutige Faktorei, welche vom Volksmunde fortan »Fuca Fuca« genannt
wurde.

                   *       *       *       *       *

Fuca Fuca liegt am Fuße des Felsens, auf dem Matadi erbaut ist. Es
besteht vollständig aus Pfahlbauten und wird alljährlich während der
Regenzeit vom Strom überflutet. Obwohl die Faktorei als heißester
und ungesundester Platz im ganzen Kongostaate berüchtigt ist, ist
sie doch wegen ihrer Lage und infolge der Eisenbahnverbindung ein
wichtiger Knotenpunkt und Transitposten. Seit Erbauung der Kaianlagen,
die es ermöglichen, die Durchfuhrgüter direkt vom Dampfer in die
Waggons und umgekehrt zu verladen, hat auch sie von ihrer früheren
Bedeutung viel verloren. Zur Zeit meiner Ankunft war Fuca Fuca sowohl
Produktenfaktorei als Haupttransit-Station für Waren, die nach dem
Oberlauf des Kongo bestimmt waren, und wurde von einem Faktorei-Chef,
zwei europäischen Beamten und einem Stab schwarzer Schreiber von
der Küste verwaltet. Mein Vorgänger war einer derjenigen, die es am
längsten -- nämlich 18 Monate -- hier ausgehalten hatten. Er war an
Schwarzwasserfieber verschieden.

[Illustration: Baobab-Baum bei Boma.]

Fuca-Fuca war der Prüfstein meines Lebens. Wenige Menschen sind
imstande, die nötige Energie und Aufopferung der eigenen Person
aufzubringen, um alle die Krankheiten und Leiden, die mir die nächsten
sechs Monate bringen sollten, zu überwinden.

Zuerst wurde ich mit dem Ein- und Ausladen der Dampfer und Waggons
sowie mit der Abwicklung des Transitverkehrs nach dem Oberkongo
betraut. Mit kurzer Unterbrechung mittags war ich von sechs Uhr
früh bis sechs Uhr abends fortwährend bei glühender Sonnenhitze auf
den Beinen, bald ankommende Waggons von der Eisenbahngesellschaft
anfordernd, bald Elfenbein und Kautschuk auf die Ozeandampfer
verladend. -- Meine Natur war der Sonnenhitze und dem angestrengten
Dienst schließlich nicht mehr gewachsen, und die ersten Fieber stellten
sich ein. Diese waren meist sehr heftig, von Schüttelfrost begleitet,
jedoch nur von kurzer Dauer.

Die Trockenperiode, welche in diesen Breiten von April bis Anfang
Oktober dauert, näherte sich ihrem Ende, und der Sommer hielt langsam
unter unaufhörlichen feuchtheißen Regengüssen seinen Einzug. Der
Sommer oder, besser gesagt, die Regenzeit währt hier von Mitte
Oktober bis Ende März und zerfällt in zwei Perioden, die eigentliche
Regenperiode zur Übergangszeit, also November und Februar, März, und
dazwischenliegend »=la petite saison sèche=«, d. h. die kleine
Trockenperiode.

Gleich bei den ersten Regengüssen, die von ungemein heftigen
Gewitterstürmen, sogenannten Tornados, begleitet waren, trat der
Kongostrom aus seinen Ufern und überschwemmte einen Teil der Faktorei.
Da sämtliche Gebäude, wie bereits erwähnt, Pfahlbauten sind, hinderte
dies vorderhand am Betriebe nichts. Doch mußte ich, da auch die
Schienenstränge überschwemmt waren, bei der Arbeit fortwährend im
Wasser stehen. Das Bild des Bahnhofes von Matadi gewährte damals einen
eigenartigen Anblick, da der ganze Bahnkörper oft einen Fuß hoch unter
Wasser stand.

Bald stellten sich die Folgen dieser ungesunden Tätigkeit bei den
Arbeitern in Form von »Beri-Beri« -- eine Art Wassersucht --, bei mir
in heftigen Gallfiebern ein, die mich wochenlang aufs Krankenbett
warfen. Die Wasserhöhe war inzwischen beständig gestiegen, sie hatte
in der Faktorei gegen 1-1/2 Meter erreicht. Das feuchte Element begann
die Fußböden der Zimmer zu lockern und zu überfluten. Des Nachts kamen
Krokodile in die Faktorei hereingeschwommen, die nach lebenden Wesen
suchten und sich dann auf den Veranden breitmachten. Im Vorjahre war
einer der Arbeiter von ihnen in Stücke zerrissen worden. Wenn auch
die Türen von innen verriegelt und verschlossen waren, so war es
doch kein angenehmes Gefühl, nur durch eine dünne Holzwand von den
furchtbaren, heimtückischen Tieren getrennt zu sein. Endlich, als der
Kongofluß auch das Hauptgebäude bis über den Flur überschwemmte, wurde
mit der Übersiedlung in eine an der Berglehne aus Bambus errichtete
primitive Baracke begonnen. Der Faktoreichef übersiedelte gleichzeitig
mit uns beiden, da er nachts nicht allein unten bleiben wollte.
Mein Krankheitszustand hatte inzwischen immer bedenklichere Formen
angenommen, ich kam aus den Fiebern -- Wechselfieber, Gallfieber
-- überhaupt nicht mehr heraus. Mein Kollege, Herr Hosemans, ein
Holländer, lag an Rheumatismus, vollständig an allen Gliedern gelähmt,
danieder und mußte an Bord des nächsten Europadampfers gebracht werden.
Mein Chef, Bertoen, war an Schwarzwasserfieber erkrankt und lag im
Sterben.

Eben wieder von einem schweren Gallfieber hergestellt, ließ ich mir vom
Stabsarzt ein Zeugnis ausstellen, wonach ein längerer Aufenthalt in
dieser verseuchten Faktorei für mich eine Katastrophe bedeuten würde,
und mit diesem Dokument in der Hand ersuchte ich um meine sofortige
Versetzung oder um meine Entlassung. Mit dem nächsten Dampfer traf mein
Nachfolger und gleichzeitig ein Schreiben aus Banana ein, worin mein
Gesuch bewilligt wurde.




                      In Boma. Eine Nilpferdjagd.


Kurz vor meiner definitiven Abreise nach dem Oberkongo wurde ich
noch auf zwei Monate nach Boma gerufen, um dort einen schwerkranken
Kameraden zu vertreten. Während meines kurzen Aufenthaltes daselbst
hatte ich Gelegenheit, eine Nilpferdjagd mitzumachen, die mir
unvergeßlich bleiben wird. Nichts in meinem bisherigen Leben läßt sich
mit den Eindrücken vergleichen, welche dies Erlebnis auf mein Gemüt
ausübte. Endlich einmal, nach vielen Monaten, ein echt afrikanisches
Abenteuer, wie es mir in der Phantasie in Europa vorgeschwebt hatte.

Allerdings bildete ich nach diesem Ereignis eine Jammerfigur, von oben
bis unten von ungezählten Moskitos zerstochen, Augenlider, Lippen und
Hände bis zur Unkenntlichkeit angeschwollen. Meine Füße, die beim Waten
im Sand den ganzen Tag über den sengenden Sonnenstrahlen ausgesetzt
waren, verloren nachher die Haut in Fetzen, wobei ich wahnsinnige
Schmerzen aufzustehen hatte.

Doch was hatte all dies zu bedeuten gegenüber jenem Hochgefühl
im Augenblick der Gefahr, wenn der Mensch diesem Zyklopen eines
vergangenen Jahrtausends gegenübertritt, wenn der mächtige Koloß
unter lautem Gebrüll mit geöffnetem Rachen sich auf das schmächtige
Boot stürzt, alle Insassen mit sicherem Tod und Verderben bedrohend,
gegenüber jenem Jubelschrei, der sich der Brust entringt, wenn die
Intelligenz in diesem ungleichen Kampf der Kräfte Sieger geblieben ist
und das mächtige Tier, zu Tode getroffen, verendet?

Magalhaes und Pereira, zwei Portugiesen, die den Fleischbedarf Bomas
seinerzeit fast ausschließlich deckten, waren die ersten, die das
Züchten von Nutz- und Schlachtvieh auf einer Insel unterhalb »Punta de
Lenha« in großem Stil versuchten. In Sportkreisen waren sie als die
erfolgreichsten Nilpferd- und Büffeljäger allgemein bekannt, und ich
war daher hocherfreut, von Pereira gelegentlich zu einer solchen Jagd
eingeladen zu werden.

Es war gegen 2 Uhr früh und noch finstere Nacht, als wir in einem
Eingeborenen-Kanu, das mit zehn Ruderern bemannt war, langsam
stromabwärts fuhren. Die Neger waren hübsche, kräftig gebaute, mit den
Gefahren dieser Jagd völlig vertraute Leute. Bei ihrem Gesange und
dem gleichmäßigen Ruderschlag glitten wir fast ohne jede schaukelnde
Bewegung des Bootes dahin. Meine Augen, geblendet von den Hafenlichtern
von Boma, gewöhnten sich nach und nach an die Dunkelheit und suchten
sich zu orientieren. Die Lichter Bomas verschwanden langsam; dafür
glitzerten zur Rechten die Feuer von »Shinkakassa« und ganz in der
Ferne ein großes Signalfeuer am Fetish-Rock, »=Pedro feitice=«
genannt. Mit dem Felsen verknüpft sich eine ähnliche Sage wie mit
dem Loreleifelsen am Rhein. Auf ihm sitzt, nach dem Glauben der
Eingeborenen, ein Dämon, der alle vorbeifahrenden Boote in die Tiefe
zieht. Selbst große Ozeanschiffe arbeiten stromaufwärts an dieser
Stelle oft eine Stunde, um durch die Strudel und Stromschnellen
hindurchzukommen. Je mehr wir uns ihr näherten, um so mächtiger und
unheilverkündender wurde ein dumpfes Brausen, das vom Brechen der
Strömung an den Felsmassen herrührte, vernehmlich. Diese selbst
riß uns bald in rasender Fahrt mit sich. Bald kam uns eine heftige
Gegenströmung entgegen, die mit aller Kraftanstrengung überwunden
werden mußte, damit wir von ihr nicht in die alles vernichtenden
Strudel und Trichter gezogen wurden. Wir passierten die gefährliche
Stelle, indem wir uns ganz knapp am gegenüberliegenden Ufer hielten.
Unterhalb des Fetish-Rock verbreitert sich der Strom und umfaßt
zahlreiche Inseln, die mit hohem Schilfgras bewachsen sind. Wir waren
in unserem Jagdrevier angelangt und wurden sofort von einem Heer von
Moskitos überfallen, die uns buchstäblich aussaugten. Niemand, der
nicht selbst einmal das Opfer dieses blutdürstigsten aller Insekten
gewesen ist, kann sich eine Vorstellung von den Qualen machen, die wir
bis Sonnenaufgang zu erdulden hatten.

Unsere Ruderer hatten auf ein Geheiß Pereiras ihre Tätigkeit
eingestellt, um das Erwachen des Tages abzuwarten. Klatschend fielen
ihre Hände auf die nackten Körper, um ihre Peiniger zu töten. Hier und
da plätscherte ein Ruder im Wasser, fremdartige Laute verkündeten den
anbrechenden Tag, junge Wildgänse flogen mit hellem Gekreisch aus dem
Schilf, während das eintönige Quaken der Frösche, dem sich der Ruf
der Unken als beständiger Begleitton beimischte, die Sinne in Schlaf
wiegten. Allmählich kam Leben in unsere Umgebung. Große Raubfische
sprangen mit lautem Geplätscher aus dem Wasser; Enten, Reiher und das
zahlreiche gefiederte Volk dieser Inseln stimmten ihr Morgenlied an.
Lockrufe des Bulikoko und anderer großer Vögel ertönten dazwischen,
und schließlich formte sich das Ganze zu einem Jubelchor der
erwachenden Natur.

Meine Sinne waren von diesen starken Eindrücken noch ganz befangen,
als von ferne plötzlich zweimal ein tiefes Brüllen mächtig und drohend
über die stille Wasserfläche zu uns herüberdrang. Wie ein Blitz
aus heiterem Himmel fuhr es uns in die Glieder; wir waren alle wie
elektrisiert. Ohne ein Kommando abzuwarten, ergriff jeder Mann sein
Ruder, und aufrechtstehend, jeden Nerv und jede Muskel angespannt, mit
leuchtenden Augen und pochenden Herzen, zog er es im gleichen Takt
lautlos durch die spiegelglatte Wasserfläche, so daß das Kanu wie ein
Pfeil dahinglitt. Vorsichtig, möglichst jedes plätschernde Geräusch
vermeidend, fuhren wir an Einbuchtungen, Inseln und Sandbänken vorbei,
aus welchen graue und weiße Fischreiher, Pelikane, Regenpfeifer,
Störche, Gänse und Enten überrascht aufflogen.

Bei jeder neuen Ausbuchtung vermeinten wir der Tiere ansichtig zu
werden. Doch wir hatten uns in der Entfernung getäuscht und mußten
noch etwa eine halbe Stunde rudern, eine halbe Stunde -- eine Ewigkeit
für unsere fieberhaft gespannten Nerven. Schließlich gelangten wir
wieder zu einer tiefen Einbuchtung, die einen Ausblick in einen kleinen
Binnensee bot, ein Motiv, das in allen afrikanischen Landschafts-
und Flußbildern so oftmals wiederkehrt. Vor uns, kaum 200 Schritte
entfernt, den Kopf uns abgewandt, schwamm ruhig ein anscheinend älteres
Hippopotamus. Es hatte uns nicht bemerkt und tauchte von Zeit zu Zeit
in unserer Fahrtrichtung unter. Diese Zwischenpause benutzten wir, um
mit Leibeskräften vorwärts zu rudern. Tauchte das Tier wieder auf, so
legten wir uns platt in das Kanu. Auf diese Weise kamen wir dem Tier
schnell näher, ohne von ihm bemerkt zu werden. Schon fürchtete ich,
daß wir es überholt hätten und daß das Tier sich unter uns befinden
müsse, als es plötzlich dicht vor unserem Bug auftauchte. Ein scharfer
Knall -- und das Tier verschwand wieder, diesmal allerdings in rasender
Flucht, daß das Wasser nur so schäumte. Um so deutlicher zeigte sich
die Spur auf dem Wasser, und dieser folgten unsere Neger, nun wieder
mit höchster Anspannung der Kräfte rudernd. Wir mochten unserem
Leittier so etwa 50 Meter gefolgt sein, als plötzlich zu unserer
Rechten, auf kaum zehn Meter Entfernung, eine ganze Herde von acht
bis zehn Nilpferden in wilder Flucht auf- und übereinander stürzten.
So plötzlich und unerwartet sich dieses Schauspiel vor unseren Augen
abspielte, waren wir doch alle gewissermaßen darauf vorbereitet, und
pang, pang krachten von unseren drei Büchsen fortwährend Schüsse. Ein
Jubelgeschrei unserer Ruderer, und wir sahen eine schwere, graue Masse
die Beine teilweise aus dem Wasser strecken. Dies alles war das Werk
weniger Sekunden. Die nicht getroffenen Tiere stürzten rechts und
links von unserem Boote in Riesensätzen ins tiefe Wasser, während ein
junges Exemplar, von Angst gepeitscht, im Schilf verschwand. Unsere
Ruderer hatten indessen alle Mühe, unser Boot aus dem Bereiche der
sich überstürzenden Kolosse zu bringen, um das Vollschlagen mit Wasser
zu verhindern. Beim Absuchen des Terrains ergab sich, daß zwei Tiere
verendet waren. Man kann sich schwerlich einen Begriff von unserer
Freude machen, noch weniger aber von dem Taumel der Neger, die sich wie
Wahnsinnige gebärdeten, den aufgedunsenen Körper betasteten, an den
beiden Saugzapfen der Weibchen sogen oder durch den Exkrementenkanal
mit dem ganzen Arm in dem noch warmen Körper wühlten. Die beiden Tiere
waren Weibchen von mittlerer Große und wogen etwa 3000 Kilogramm.

Nachdem der erste Freudentaumel verflogen war, wurden beide Weibchen
von sämtlichen Ruderern, die sich ihrer Lendentücher entledigt
hatten, auf eine nahegelegene Sandbank gewälzt und die Bauchhöhlen
mit Faschinenmessern aufgehackt. Beim Entfernen der Eingeweide wurden
unsere Leute in völligen Blutrausch versetzt. Nacheinander sprang jeder
einzelne in die Bauchhöhle und badete sich in dem noch rauchenden Blut
der Tiere. Auch Magalhaes und Pereira hatten sich inzwischen ihrer
Kleider entledigt, um die auf der unter Wasser stehenden Sandbank
stattfindende Arbeit zu leiten. Ich folgte ihrem Beispiel. Es mochte
gegen 6 Uhr morgens sein, und ein Fußbad konnte unseren zerstochenen
Füßen nur guttun.

In einiger Entfernung hielten sich respektvoll einige Krokodile,
die durch den Fleischgeruch, die abtreibenden Abfälle und das Blut
angelockt waren. Doch keines dieser bei Tag äußerst scheuen Tiere wagte
sich so weit in die Nähe, um uns einen guten Schuß zu ermöglichen.

Gegen 11 Uhr vormittags waren die beiden Nilpferde mittels schwerer
Holzhacken so weit zerlegt, daß der größte Teil in das Boot verladen
werden konnte. Da die einzelnen Teile immer noch zu schwer zum Heben
waren, wurde das Boot zum Sinken gebracht. Das durch die Tragfähigkeit
des Wassers verminderte Gewicht des Fleisches erlaubte jetzt, die
Stücke ohne weiteres im Innern des Kanus zu verstauen. Zum Schluß
kam über das Ganze, gleichsam als Schutzdach gegen die sengenden
Sonnenstrahlen, der ausgeweidete Körper des einen Nilpferdes. Der Rest
des anderen Tieres wurde inmitten einer Insel derart untergebracht, daß
die Krokodile es nicht leicht wegschleppen konnten. Hierauf wurde das
Wasser aus dem Kanu ausgeschöpft, und wir nahmen wieder darin Platz.
Das Boot war nunmehr so stark beladen, daß sein Rand nur um halbe
Handbreite aus dem Wasser herausragte. Nachdem wir uns an gebackenen
Fischen, einer Mettwurst, Kieler Sprotten, Schinken und Hühnern in
Dosen sowie einigen Flaschen Rotwein herrlich delektiert hatten, begann
die Heimfahrt. Ich saß mit Magalhaes rittlings auf dem Rücken des einen
Nilpferdkadavers und mußte in dieser schwierigen Stellung bis 1 Uhr
nachts, also gegen zwölf Stunden, aushalten. Rühren durfte ich mich
nicht, da bei der geringsten Bewegung sofort Wasser ins Boot schlug.

[Illustration: Erlegtes Nilpferd.]

Während die Fahrt frühmorgens mit der Strömung ein wahrer Genuß war,
kann ich von der Rückkehr nur das Gegenteil sagen. Das schwerbeladene
Boot kämpfte sich wie ein Bleiklotz Schritt für Schritt, immer dicht am
Ufer und am Schilf entlang, stromauf vorwärts. Um die Hauptströmung zu
vermeiden, mußte ein Riesenumweg in kleinen, seichten Kanälen gewählt
werden. Langsam verschwand die Sonne am Firmament als leuchtender,
roter Feuerball; die Dämmerung rückte heran; es wurde dunkler und
dunkler und die Ausdünstung des Nilpferdfleisches immer unerträglicher.
Mit anbrechender Dunkelheit fielen wieder Schwärme von Moskitos über
uns her und peinigten uns auf das furchtbarste. Hände, Kopf und Füße
waren von den Blutflecken der erschlagenen Insekten wie tätowiert.
Meine Kräfte erlahmten, und im Sitzen ließ mich die Müdigkeit in
eine Art Halbschlummer fallen, als ich von meinem Nachbar Magalhaes
plötzlich unsanft wachgerüttelt wurde. Dicht vor uns, auf kaum zwanzig
Schritte Entfernung, trat ein mächtiger Hippopotamus aus dem Schilf und
kreuzte, gemächlich durch das seichte Wasser watend, unseren Weg.

Die Dämmerung ließ die Umrisse des ungeschlachten Tieres noch über
seine normale Größe hinauswachsen. Unwillkürlich kamen mir bei seinem
Anblick die Riesen der Vorzeit, die Ichtiosaurier und Dynosaurier, in
den Sinn. Niemals später im Leben habe ich einen ähnlichen Schrecken
und -- ich sage es aufrichtig -- eine solche Angst empfunden. Unser
Boot näherte sich inzwischen immer mehr dem Kreuzungspunkt, wo es mit
dem Flußpferd zusammenstoßen mußte. Mir sträubten sich die Haare bei
dem Gedanken, daß das Tier unser schwer lenkbares Boot angreifen würde;
doch kümmerte es sich merkwürdigerweise gar nicht um uns. Vorher auf
der Jagd hatte ich nur einen Teil des Oberkörpers sowie den ungeheueren
Kopf der Bestie gesehen; dies Tier aber ragte in seiner vollen Größe
aus dem Wasser und schien in der Dämmerung ins Ungeheuere zu wachsen.
Pereira, der die Eigenschaften des Flußpferdes kannte und es offenbar
darauf ankommen lassen wollte, wer von beiden den kürzeren zog, gab
schließlich einen kurzen Befehl; die Ruderer bremsten das vorwärts
treibende Boot mit aller Macht und ließen das Tier vorbei. Pereira,
den Finger am Drücker seines Gewehres, rührte sich nicht in seinem
Stuhl. Langsam, Schritt für Schritt, tief im Sande versinkend, zog das
Flußpferd etwa zwei bis drei Meter vor unserer Bootsspitze vorüber,
zeitweilig stehenbleibend und uns herausfordernd anbrüllend. Weit riß
es den ungeheueren Rachen auf, tief und drohend hallte das Brüllen
ins Land hinein, bis es in weiter Ferne von irgendeinem Kampfbullen,
der es als eine Herausforderung betrachtete, gleichsam als Echo
wiedergegeben wurde.

Ich saß wie versteinert auf meinem unsicheren Sitz. Die gespenstischen
Schatten der Dämmerung, die unermeßliche Macht der schaffenden Natur,
welche sich in dem drohenden Ungeheuer da vor uns kundgab, hatten mich
vollständig gelähmt. Ich fühlte plötzlich die unsichtbaren Gewalten und
tausenderlei Gefahren, denen wir ahnungslos in diesem wilden Kontinent
entgegentreten.

Doch auch diese Gefahr ging glücklich an uns vorüber, und unsere
mühsame Weiterfahrt stromaufwärts verlief ohne jeden weiteren Unfall.
Gegen ein Uhr nachts langten wir nach vollbrachter Riesenarbeit unserer
Ruderer -- die armen Teufel hatten zwölf Stunden ohne Unterbrechung das
schwerbeladene Boot gegen die Strömung hinaufgerudert -- in Boma an, wo
ich nach Verschlucken einer Doppelration von Chinin, an allen Gliedern
wie gelähmt, sofort in tiefen Schlaf verfiel. Leider blieb dies die
einzige Jagd auf Nilpferde, die ich am Unterkongo mitmachte.

Etwa vier Wochen später wurde Magalhaes bei einer Jagd auf ein
Nilpferdjunges von der Mutter, die er nicht bemerkt hatte, angegriffen.
Das alte Tier warf das Kanu um, zertrümmerte einem Neger mit einem
Hufschlag die Hirnschale und stürzte sich auf den des Schwimmens nicht
kundigen und infolgedessen nach Hilfe rufenden Magalhaes, den es am
Oberschenkel erwischte, mehrmals biß und in die Luft schleuderte, bis
Magalhaes besinnungslos zwischen Schilfgras zu liegen kam. Die Neger
hatten inzwischen das Boot gedreht und brachten den Besinnungslosen
nach Boma, wo er infolge mehrfacher Brüche und Zerschmetterung des
Oberschenkels und eines Armes sowie innerer Verletzungen binnen wenigen
Stunden verschied.




                 Produktenhandel mit den Eingeborenen.


Doch nicht zum Vergnügen der Nilpferdjagd hatte die Direktion mich
von Matadi nach Boma auf die Produktenfaktorei herunterkommen
lassen. Wie bereits erwähnt, hatte ich hier Herrn Bürbank, Chef
der Produktenfaktorei -- einen liebenswürdigen Holländer, der an
Schwarzwasserfieber erkrankt war --, zu vertreten. Als abgehärmtes
Skelett fand ich den lebensfrohen Mann ans Bett gefesselt und von
der Wucht der schrecklichen Krankheit, die mit der Dysenterie die
meisten Todesopfer fordert, vollständig niedergeworfen vor. Drei
lange Tage hatte er in beständiger Lebensgefahr geschwebt und große
Mengen Galle gebrochen, bis Podiferin -- =Pillules Antibilieuses=
-- und wiederholte kräftige Einläufe den Körper so weit von allen
Krankheitsstoffen befreit hatten, daß der versiegende Lebensfunken
wieder langsam aufflackern konnte.

Ich hatte in der relativ kurzen Zeit meines Aufenthaltes in Banana und
Fuca-Fuca von der meist portugiesischen Dienerschaft und Bevölkerung
so viel von der Sprache gelernt, um ohne weiteres mit den Eingeborenen
ohne Dolmetscher Handel treiben zu können. Der Produkteneintausch mit
den Eingeborenen spielt sich ungefähr folgendermaßen ab:

Frühmorgens werden die Linguister (Eingeborene, die die Karawanen durch
Versprechungen in die Faktorei locken sollen) mit Alkohol und allerlei
Zierat, als Geschenke bestimmt, in die verschiedenen Richtungen,
die ins Innere des Landes führen, ausgesandt. Schlaue Portugiesen
hatten diesen Modus des Handels wegen der immer heftigeren Konkurrenz
ausgedacht, und wir anderen mußten folgen, wollten wir nicht alle
Karawanen zur Konkurrenz ziehen sehen. Von der Tüchtigkeit dieser
Linguister im Lügen und Vorschwindeln, von der Stärke des Alkohols (die
Portugiesen hatten allerhand Kniffe, um den Geschmack desselben durch
Beimischen von Gewürznelken oder auch Cayenne-Pfeffer noch zu erhöhen)
und schließlich auch von dem Ansehen, den dieser bei ihnen genoß,
hingen dann hauptsächlich die Geschäftsresultate ab. Hatten unsere
Linguister durch irgendeinen neuen Kniff die Leute betört, dann kamen
in langen Reihen die Karawanen, jeder Mann seinen »Kisako«, eine Art
Tragkorb, auf dem Kopf, der mit Kautschuk, Palmnüssen, Palmöl oder auch
Elfenbein gefüllt war, in die Faktorei hereinspaziert.

Doch damit ist der Handel noch lange nicht erledigt. Die Konkurrenz
hat mit scheelen Augen die Karawane vorüberziehen sehen und dabei
nochmals durch ganz besonders gewandte Neger den Leuten »das Blaue vom
Himmel versprechen lassen«. Gewöhnlich begleitet der eine oder andere
Konkurrenzbote die Leute bis in die eigene Faktorei. Dazu werden von
den Portugiesen wieder Eingeborene aus solchen Dörfern verwendet,
die uns zumeist unbekannt sind. Werden sie ausfindig gemacht, dann
verlassen sie hinkend die Faktorei und kehren bestimmt nicht wieder.

[Illustration: Produktenhandel.]

Jetzt beginnt ein Feilschen und Schachern, wovon ein europäischer
Kaufmann sich schwer einen Begriff machen kann. Alkohol wird bei diesen
Unterhandlungen im Überfluß gespendet. Mata biche (töte das Tier im
Magen -- den Hunger --) ist das erste Wort und auch das letzte bei
jeder Verhandlung. Im Halbkreis um die Wage herum sitzen die Neger
und packen mit einer Umständlichkeit ihre Siebensachen aus ihren
Körben heraus, die uns Europäern ein Lächeln entlockt. Gewöhnlich ist
der Häuptling der Erste und Anspruchsvollste, der mit einigen Kilo
Kautschuk an die Wage tritt. Der Preis, den er zuerst dafür fordert,
ist das Dreifache des eigentlichen Wertes. Wer ärgerlich davonläuft,
wird von einem Bakongo niemals ein Lot Kautschuk kaufen. Am meisten
Erfolg wird stets der haben, der als Philosoph ruhig lächelt und das
Ganze als lustigen Scherz auffaßt. Denn die Leute wissen ganz gut, daß
das, was sie fordern, unmöglich ist, und grinsen ganz vergnügt, wenn
der weiße Chef sie auslacht. Inzwischen werden bedächtig die kleinen,
kunstvoll gearbeiteten Tonpfeifen in Brand gesetzt, die Alkoholflasche
geht von Hand zu Hand, und die Kerls setzen sich gemächlich, als ob
sie die ganze nächste Woche verhandeln wollen. Die Leute haben Zeit,
Zeit, riesig viel Zeit. Sie kommen acht bis zehn Tagereisen aus dem
Innern und wollen nun alles Neue, was um sie vorgeht, in Gemütsruhe
auffassen und genießen. Darum »Eile mit Weile«!

Ganz gemütlich kehre ich nach der ersten Begrüßung an meinen
Frühstückstisch zurück. Ist der mitgekommene Häuptling eine gewichtige
Persönlichkeit oder mir von früher her bekannt, so lasse ich ihm
durch einen Moleque -- portugiesische Bezeichnung für Diener --
eine dampfende Tasse schwarzen Kaffee bringen. Dies schmeichelt
seiner Eitelkeit ganz besonders und macht ihn um einen großen Grad
entgegenkommender. Inzwischen kommen immer neue Karawanen herein, die
dem ersten Beispiel folgen.

Nach dem ersten Frühstück kehre ich abermals zur Wage zurück. Die Leute
sind inzwischen im Preise heruntergegangen, verlangen aber immer noch
zu viel. Ich erkenne, daß eine Einigung vorläufig unmöglich ist, und
wende mich den Neuangekommenen zu. Bei ihnen gewöhnlich Wiederholung
ungefähr der gleichen Prozedur.

Unter die zuerst Angekommenen habe ich inzwischen einige Ringe
Lukolela-Tabak verteilen lassen. Diese Gratisverteilung imponiert ihnen
offenbar sehr; sie ziehen mit Behagen den Duft des bei ihnen ganz
besonders beliebten Krautes ein und überlegen im stillen, wie viele
solcher Ringe sie sich als »Matabiche« mitnehmen werden. Inzwischen
sind die Türen des Faktoreigebäudes geöffnet worden, wo Reihe an Reihe
große Mengen von Tüchern, Baumwollstoffen aller Art, kurz ein ganzes
Arsenal von begehrenswerten Dingen aufgestapelt liegen. Der Wunsch, all
dies zu besitzen, stimmt sie nachgiebiger. Den Anführer oder Häuptling
habe ich beiseite genommen und ihm außer den gewöhnlichen Draufgaben
noch ein Extra-Matabiche versprochen, wenn er mir beim Kauf zur Seite
steht. Kurzum, wir einigen uns auf einen Preis, der vorläufig mein
Kauflimit noch überschreitet. Gestreifte und geblümte Baumwollstoffe
in allen möglichen grellen Farben, Faschinenmesser, Hauen, Arm- und
Beinringe aus Messing, Perlen, einige Säcke Salz usw. haben ihren
Besitzer gewechselt und werden nun mit kritischen Augen betrachtet. Hat
der Anführer nun erst einmal gekauft, so folgen alle anderen, wie eine
Herde Schafe ihrem Leithammel. Diese sind bei weitem nicht so gerieben
und verwöhnt wie der erste und nehmen, was man ihnen gibt. An ihnen
muß die erste Differenz sowie das Extrageschenk dazu verdient werden.
Schließlich wird der ganze Kauf noch in einer Runde Alkohol sowie
verschiedenen Runden Schnupftabak gewissermaßen besiegelt. Ich habe
inzwischen schnell die Gesamtbilanz gezogen und den Häuptling allein
zu mir ins Magazin gebeten. Unsere weiteren Verhandlungen bleiben für
alle, selbst für meine Leser, ein Geheimnis.

Es kommt aber auch vor, daß man von den Eingeborenen hineingelegt wird.
Davon nur ein tragikomisches Beispiel. Eines Tages erhielt ich den
Besuch eines großen Häuptlings »Nfuma mafuta mingi« der Mayumbe-Region.
Er sah außerordentlich vornehm aus. Die dünnen, langen, mit schwarzem
gekrullten Haar bedeckten Beine staken in einer Pumphose, die vor
Jahren einmal weiß gewesen war; um den knochigen Körper schlotterte ein
Gehrock, in den an verschiedenen Stellen mittels weißen Zwirns Flicken
eingesetzt waren. Die mit Amuletten aller Art verzierte Brust schmückte
stolz die Nickelmedaille, das Abzeichen der vom Staat anerkannten
Häuptlinge. Mit dem Gruße »Mbote Nfuma« trat der Mann, gefolgt von zwei
Eingeborenen seines Dorfes, zu mir auf die Veranda, nahm aus den Händen
seiner Diener zwei große fette Hühner sowie eine Kalebasse mit süßem
Palmwein und legte sie mit hoheitsvoller Würde zu meinen Füßen nieder.
Das mindeste, was man in solchen Fällen tun kann, noch dazu, wenn man
ein Geschenk erhält, ist, seinem Gast einen Stuhl anzubieten. Dies tat
ich, und Nfuma mafuta mingi drehte zuerst das eine Bein einwärts, dann
das zweite und setzte sich darauf mit sehr viel Würde mir gegenüber
nieder.

Behaglich lehnte ich mich inzwischen in meinen Stuhl zurück und
harrte der Dinge, die da kommen sollten. Einige Minuten völligen
Stillschweigens vergingen, dann begann Mafuta mingi:

»Ich komme von meinem Dorf.«

»Gut, das freut mich,« erwiderte ich und überlegte im stillen:
Sicherlich will der Mann irgendeinen Dienst von mir, daher die
Geschenke.

Wir sahen einander einige Minuten schweigend, prüfend an.

Dann fuhr er fort: »Um dir guten Morgen zu sagen.«

Ich bin von jeher ein höflicher Mann gewesen und erwiderte nun
meinerseits den Gruß, gespannt, was darauf folgen sollte. Wieder langes
Stillschweigen -- endlich:

»Ich bringe dir hier dieses Geschenk.« Ah, denke ich, jetzt kommt
es. Doch wieder hatte ich mich getäuscht. Nach weiteren fünf Minuten
Stillschweigens fing ich an ungeduldig zu werden und fragte mich
vergeblich, was der gute Mann eigentlich von mir wollte. »Ist das
alles, und bist du darum aus dem Dorfe gekommen, um mir nur guten Tag
zu sagen und ein Geschenk zu bringen?«

Diese Frage verwirrte ihn offenbar noch mehr, und er antwortete: »Ich
habe dir dieses Geschenk gebracht, weil du mein Chef und ein guter Chef
bist und weil ich dich lieb habe.«

»Ah, sehr brav, sehr brav, mein lieber Freund«, antworte ich
darauf, innerlich tief beschämt und erstaunt über so viel Liebe und
Aufmerksamkeit von seiten eines Mannes, den ich bisher höchstens
dreimal gesehen.

Wieder hüllten wir uns in tiefes Stillschweigen. Die Idee, daß der gute
Mann eigens mir zuliebe die weite Reise gemacht haben sollte, wollte
mir doch nicht so recht in den Kopf. Wäre ich ein abergläubischer
Mensch gewesen, so hätte ich jetzt ernstlich Furcht vor irgendeiner
Hexerei empfunden, die der Häuptling mit mir vorhatte, so unverwandt
und durchdringend blickten seine Augen mich an. Doch da ich als guter
Mensch von meinen Nächsten stets das Beste denke, so hatte ich keine
Furcht, sondern fühlte nur ein leises Unbehagen, zumal ich nicht recht
wußte, auf welche Weise ich mich für so viel Güte revanchieren sollte.
Ich verließ also meinen Lehnstuhl und machte einen kleinen Rundgang in
der Faktorei, um die verschiedenen Arbeiten zu inspizieren. Das war
gegen 9 Uhr morgens. Etwa eine Stunde später kehrte ich auf die Veranda
zurück und fand den guten Mann, den ich völlig vergessen hatte, mit
seinen beiden Dienern auf der gleichen Stelle hockend vor.

»Mfumu, seit etwa vierzehn Tagen habe ich hier« -- dabei deutete er in
die Magengegend -- »ein Tier, welches auf und ab geht und mir meinen
Schlaf raubt.«

Da haben wir die Bescherung, dachte ich, sicherlich wünscht der Brave
ein Medikament. Mit ernsthafter Miene ließ ich mir die Örtlichkeit
seiner Schmerzen von ihm näher erklären. Diesmal lamentierte er
fließend weiter:

»Und da ich weiß, daß du ein guter Chef und großer Medizinmann bist,
der alle Teufel zu bezwingen vermag, bin ich zu dir gekommen, dich zu
bitten, das Tier im Magen zu töten.«

Unwillkürlich setzte ich eine wichtige Miene auf -- ein Beweis, daß
eine Schmeichelei, selbst von einem Negerhäuptling, niemals ihre
Wirkung verfehlt -- und stellte die bei derartigen Anlässen üblichen
Fragen.

»Laß die Zunge sehen -- gut. Bist du bei gutem Appetit?«

»Nein.«

»Gehst du regelmäßig ins Grüne?«

»Seit einer Woche nicht.«

»Ah, ah« -- schließe ich meine Diagnose, »der Fall ist schwer, sehr
schwer.« Gewichtig schreite ich ein paarmal auf und ab, die Stirne in
krause Falten ziehend. Für mich, der ich niemals einen pharmazeutischen
Kursus zu absolvieren Gelegenheit hatte, bedeutete dies einen ganz
komplizierten Fall. Meine Wissenschaft in derartigen Dingen reichte
gerade so weit, um sofort mit klarem Blick zu erkennen, daß hier nur
ein kräftiges Purgativ, wie =Magnesium sulfuricum= (Bittersalz)
helfen konnte. Ich entnahm daher meinem Arzneikasten eine Flasche,
welche das Heilmittel für den Patienten enthielt. Dieser war mir
auf den Fersen gefolgt und hatte mißtrauisch jede meiner Bewegungen
beobachtet. Ich füllte einen Löffel bis zum Rand und leerte ihn in
ein Glas. Dies genügt für gewöhnlich, doch, teils aus Mitleid für die
Qualen, welche der Bedauernswerte bisher erduldet hatte, teils aus
Vorsicht, weil Negermagen stets die doppelte Dosis vertragen können,
leerte ich einen zweiten vollen Suppenlöffel mit der gebührenden
Feierlichkeit in das Glas.

Die Zubereitung einer Medizin, die den »bösen Geist im Körper töten
sollte«, mußte natürlich im mystischen Dunkel erfolgen, damit mein
Ruf als Medizinmann nicht vom Erstbesten vernichtet werden konnte.
Ich trat daher in meine Dunkelkammer, in welcher mein Boy vorher das
rote Licht angezündet hatte, und in deren geheimnisvollem roten Schein
füllte ich das Glas bis zum Rande mit »=aqua destillata=«. Hierauf
reichte ich dem Häuptling, der von der Veranda aus den ganzen Vorgang
beobachtet hatte, das Glas mit gebieterischer Gebärde. »Trinke!«

Dieselbe Gebärde und Haltung mir gegenüber einnehmend, erwiderte dieser:

»Trinke du zuerst!«

Mit einem Schlag stürzte ich aus meinen mystischen Höhen, in die mich
die Zubereitung der Medizin versetzt hatte. Ich glaubte meinen Ohren
nicht trauen zu dürfen. Doch ein Blick auf den Patienten genügte, um zu
sehen, daß ich recht gehört hatte und daß dies sein bitterer Ernst war.

»Aber ich bin doch nicht krank!« erklärte ich.

»Wenn du nicht krank bist, dann wird es dir nicht schaden«, war die
Antwort.

»Aber ich gehe doch regelmäßig, jeden Tag ... ins Grüne!«

»So wirst du eben noch regelmäßiger gehen.«

»Ah, geh zum Teufel, wenn du nicht trinken willst, dann schau, daß du
weiterkommst!«

»Aber ich will ja trinken, nur mußt du zuerst die Hälfte trinken!«

»Wenn du nur die Hälfte trinkst, dann nützt die Medizin nichts, du mußt
alles trinken.«

»Gut, dann trinke du das ganze Glas und bereite mir die gleiche Medizin
nochmals!«

»Der Teufel soll dich holen -- Kaluka -- schau, daß du fortkommst!«

Bis zu diesem Augenblick hatte ich die Angelegenheit von der komischen
Seite betrachtet. Nun fing ich wirklich an, ärgerlich zu werden. Mein
Patient ließ sich durch meinen Zorn durchaus nicht aus dem Gleichmut
bringen. Langsam erhob er sich, setzte die Füße einwärts, schüttelte
das greise Haupt:

»Wa--wa--wa--was? Du willst nicht trinken? Dann hast du mich vergiften
wollen!«

Und seine beiden Diener nickten zustimmend mit den Köpfen und
wiederholten: »-- vergiften -- vergiften wollen.«

Ich erstickte vor Wut und mußte mich zusammennehmen, um ihnen nicht das
Glas an den Kopf zu werfen.

»Und wir gehen jetzt zum Richter, um dich anzuzeigen!«

Mir wurde es schwarz vor den Augen; ich fühlte, wie mir eine Blutwelle
zu Kopf stieg. Da hatte ich mir eine schöne Suppe eingebrockt! Hin
und her überlegend, rannte ich wie ein wildes Tier auf der Veranda
auf und ab. Der Satz: »dann wolltest du mich vergiften« ging mir im
Kopf herum. Ich konnte den Esel doch nicht im Glauben lassen, daß ich
es wirklich auf sein Leben abgesehen hatte. Der Kerl wäre imstande,
die Geschichte in ganz Boma und Umgebung zu verbreiten. Er hatte zwei
Zeugen, die offenbar ganz der gleichen Meinung waren. In Gedanken
sah ich mich schon vor das Schwurgericht gestellt! Ich würde ja
sicherlich freigesprochen werden, aber ein Makel würde ebenso sicher
auf meinem Namen bleiben, und ich sah schon in Gedanken die englischen
Missionare in ihren Journalen der Welt verkünden: Mißglückter Versuch
eines Händlers, einen bedeutenden Eingeborenenhäuptling zu ermorden!
Aussagen von zwei Zeugen, die zugegen waren. Urteil der Kongogerichte.
Freispruch des Mörders mangels genügender Beweise!

Eine unbeschreibliche Wut erfaßte mich bei diesem Dilemma. Am
liebsten hätte ich dem Kerl von meinem Capita[3] 25 Hiebe mit der
Nilpferdpeitsche aufzählen lassen. Doch nein -- rechtzeitig hielt ich
inne! -- Mißglückter Vergiftungsversuch -- dann Prügel -- vielleicht
gar Totschlag -- mir wurde es schwarz vor den Augen! »Ah, wenn ich
wenigstens noch Bittersalz vertragen könnte! Doch ich versichere,
nicht einmal riechen, geschweige denn trinken konnte ich bisher das
abscheuliche Zeug. Ach, in welches Wespennest hatte ich da die Hand
hineingesteckt! -- Es sollte mir nichts übrigbleiben -- ihr werdet
sehen!« --

Mafuta mingi stand noch immer vor mir, das Glas mit meiner Medizin in
der Hand. Plötzlich reifte ein heroischer Entschluß in mir, ich nahm
das Glas und leerte es auf einen Zug!

Mafuta mingis Gesicht verzerrte sich zu einem behaglichen Grinsen;
ich aber rannte zu meiner Flasche, schüttete vor seinen Augen drei
große Löffel in das Glas und füllte dieses bis zum Rand mit =aqua
destillata=.

»So, jetzt trinke, sonst erschlage ich dich auf der Stelle.« -- -- --

Eine Woche später erschien Mafuta mingi wieder, um mir für den Erfolg
meiner Behandlung zu danken; er war zwei Tage lang fortwährend -- ins
Grüne gegangen. Und ich armer Teufel -- --?!

Ich habe in meinem späteren Leben niemals mehr einem Häuptling eine
Medizin gegeben.




        Die Fahrt zum Stanley-Pool. Leopoldville. Brazzaville.


Von Matadi stromaufwärts bis zum Stanley-Pool bildet der Kongofluß
eine Reihe von Katarakten, Stromschnellen und Strudeln, die für
Dampfer völlig unpassierbar sind, so daß diese Strecke in früheren
Jahren mit Karawane zu Fuß zurückgelegt werden mußte. Im März 1890
wurde mit dem Bau der 500 Kilometer langen Eisenbahn begonnen, und
im Jahre 1898 wurde diese offiziell dem Verkehr übergeben. Wer sein
ganzes Leben in der Heimat hinterm Bureautisch in beschaulicher Ruhe
zugebracht hat, wer als Weltbummler, dank seines Goldes, in bequeme
Sessel zurückgelehnt, eine Vergnügungsreise über die Kristallberge nach
dem Stanley-Pool macht, der wird keine Ahnung von der Riesenarbeit
haben, die durch menschliche Intelligenz hier geschaffen, von dem Kampf
zweier Welten, der hier ausgefochten worden ist und Tausende von Opfern
durch Seuchen aller Art gefordert hat. Niemals wird er sich davon
Rechenschaft ablegen, wieviel menschliches Blut hier an jedem Schritt
Landes haftet, und wie viele vor ihm ihre Gesundheit, ihren Verstand
und ihr Leben bei dieser mörderischen Arbeit lassen mußten. Der aber,
der mehr als einmal unter viel kleineren Aufgaben zusammengebrochen
ist, der am eigenen Körper die erschlaffende Wirkung der Sonnenstrahlen
empfunden hat, kann sich eine Vorstellung davon machen, was es heißt,
dieses Riesenwerk in den Granitfelsen in schwindelnder Höhe entstehen
zu lassen.

Hinaus aus der Station eilt der Zug -- zur Linken, fast senkrecht in
der Tiefe, winkt der Kongofluß mit den bekannten Jellala-Katarakten
und Strudeln. Gleich einem Band schmiegt sich der schmale Bahnkörper
an die mächtige überhängende Felswand. Ein Lockern der Schienen an
irgendeiner Stelle würde den Zug 300 Fuß senkrecht in die Tiefe stürzen
lassen, wie dies beim Bau der Bahn wiederholt vorgekommen sein soll.
Wir wagten gar nicht daran zu denken. Bei der nächsten Biegung bot
sich unseren Augen der Ausblick auf einen schäumenden Wasserkessel.
Vor uns, gleich zwei Dolomitentürmen, ragten zwei Felskegel, rings
von rötlichem Gestein und vereinzeltem Strauchwerk umgeben, senkrecht
empor. An dieser Stelle mündet der Pozo, ein kleiner Gebirgsfluß,
der über große Granitblöcke, wie Champagner perlend, in die Tiefe
stürzt, in den Kongo ein. Wir folgten dem Laufe dieses Wildbaches
etwa eine halbe Stunde stromaufwärts. Zu beiden Seiten genossen wir
einen Ausblick, wie er nirgends auf der Welt schöner zu finden ist.
Phantastisch zerklüftetes Felsengebirge, von den ersten Sonnenstrahlen
mit zartem Rosahauch übergossen, formt bald große Dome, bald trägt es
wieder den Charakter der Dolomiten. In der Tiefe rauscht der tosende
Wildbach zwischen Felsblöcken dahin, bald einen Wasserfall, bald ein
großes Sammelbecken bildend. Kaleidoskopartig ziehen alle diese
Bilder an unseren Augen vorbei. In raschem Lauf erklomm der Zug, von
zwei kräftigen Bergmaschinen getrieben, in langen Spiralen das vor uns
liegende Hochgebirge.

Behaglich in einem drehbaren, federnden Madeirafauteuil sitzend,
wandte ich mich meinem Gegenüber, dem Kommandanten der französischen
Tschadsee-Expedition, Gentil, zu, der mir in den nächsten Tagen
viel Interessantes über seine Feldzüge in Tongking und gegen die
chinesischen Piraten erzählte. Wir teilten den Waggon nur noch mit
zwei Missionaren der Missionsstation »Kimuenza«, mit denen wir uns im
weiteren Verlaufe der Reise noch anfreundeten. Vorläufig waren sie noch
mit ihrem Frühstück aus der mitgebrachten Proviantkiste beschäftigt.
Moderne Speisewagen und Restaurants gab es auf dieser Linie noch nicht.
Jeder Reisende hatte Proviant für zwei Tage, also für die Reisedauer,
mitzunehmen.

[Illustration: Eine Kurve der Kongobahn.]

Nach einiger Zeit hatten wir den höchsten Punkt der Trasse erreicht
und warfen noch einen Blick zurück. Der Pozo schlängelte sich einige
tausend Fuß unter uns gleich einem Faden dahin. Wir hatten nunmehr eine
Art Hochplateau erreicht und eilten bald an kahlem Felsgestein, bald
an Sümpfen, an kleinen Wäldern und Morast vorbei. Jede Viertelstunde
hielt der Zug still, um die Wasserkessel neu zu füllen, da der
Dampfverbrauch bei der großen Steigung sehr groß ist. Gegen Mittag
erreichten wir die Waldzone.

Von der Glut der Sonne zu grenzenloser Kraftentfaltung getrieben,
reckt der Urwald überall, wo Gewässer durch den stehenden Schlamm der
dunklen, schattigen Moräste rieseln, ein Blätterdach von unendlicher
Mannigfaltigkeit gegen den Himmel. In dem dunklen, rätselhaften
Schatten dieser Vegetation wogt ein beständiger unerbittlicher Kampf um
die Lebenskraft, um das Licht. Stahlharte Kautschukmuskeln in Gestalt
einer rankenden Liane, aus einem schwanken Reis im Laufe der Zeit
zum furchtbarsten Gegner emporgewachsen, umklammern den Körper der
Urwaldriesen, um in unaufhörlichem Durst deren Herzblut auszusaugen und
sie schließlich zu Boden zu zwingen.

Unser Zug raste mit Windeseile dahin, vorbei an kolossalen, aus Lianen
aller Art bestehenden Triumphbogen, vorbei an Lichtungen, wo Bananen,
Palmen und tausenderlei Blattpflanzen eine Welt für sich bilden.
Unser Auge weidete sich freudetrunken an den herrlichen Schätzen, die
uns die Natur enthüllte und in der Phantasie ahnen ließ. Gegen 6 Uhr
abends kamen wir in Thysville an und unterbrachen hier die Fahrt, da
die Strecke nachts nicht befahren werden kann. Wir fanden hier in den
verschiedenen Faktoreien behaglich eingerichtete Zimmer vor und nahmen
sofort ein erfrischendes Bad, um uns von den Strapazen der Reise zu
erholen.

Am folgenden Morgen, gegen 8 Uhr, setzten wir die Reise fort. Diese
führte wieder größtenteils durch herrlichen Urwald. Wir waren in
der sogenannten Waldzone angelangt, und das Zirpen der Baumgrillen,
das Kreischen der Papageien und Lockrufen einer Menge anderer Vögel
übertönte das Getöse des dahineilenden Zuges.

Ein Ruf höchster Bewunderung entrang sich unser aller Lippen, als
nachmittags, nach einer kurzen Steigung plötzlich zu unseren Füßen
der Stanley-Pool in silbernem Blau erglänzte. Gleich einem Binnensee
glitzert und spiegelt die unermeßliche Wasserfläche, soweit das
Auge reicht, in allen Tönungen, vom zartesten Grün bis zum tiefsten
Dunkelblau, während in weiter Ferne, ganz am Horizont, Kreidefelsen
-- auch Dover Cliffs genannt -- das Panorama wie eine Gletscherkette
abschließen.

Nach einer kleinen Viertelstunde Fahrt am Ufer des Pools entlang
erreichten wir Kinschassa, das vorläufige Ziel meiner Reise, während
der Zug noch ein kurzes Stückchen weiter bis nach Leopoldville, im
Volksmund kurz »Leo« oder auch »Kintambo« genannt, ging.

[Illustration: Faktoreigebäude Kinschassa.]

Hier wurde ich von Herrn Tours, dem Chef der holländischen Faktorei,
welcher von meiner Ankunft bereits telegraphisch verständigt war,
empfangen und auf das liebenswürdigste bewillkommt.

Der Stanley-Pool ist gewissermaßen das Tor Innerafrikas, der
Ausgangspunkt der Schiffahrt nach dem oberen Kongo und seiner
zahlreichen Nebenflüsse. Um voll zu verstehen, was der Kongo, dieser
mächtigste Fluß Zentralafrikas, als natürliche Verkehrsader für die
Nutzbarmachung des Riesenreiches mit einem Flächeninhalt von rund
2260000 Quadratkilometer bedeutet, muß man sich vergegenwärtigen, daß
etwa 14200 Kilometer des Flußsystems schiffbar sind, was, auf unsere
europäischen Verhältnisse übertragen, ungefähr der Gesamtausdehnung der
Küsten des Mittelmeeres (etwa 14500 Kilometer) gleichkommt.

Infolge seiner zentralen Lage als Endpunkt der 500 Kilometer langen
Eisenbahn und als Stapelplatz des Verkehrs nach dem Inlande ist
Leopoldville dazu berufen, dereinst die Hauptstadt des Kongostaates
zu werden. Kinschassa, unweit Leopoldville am Stanley-Pool inmitten
hundertjähriger Baobabriesen anmutig gelegen, bildet eine Art Vorstadt,
das Faktorei-Viertel der Metropole. Mit Leopoldville ist es durch eine
breite Allee verbunden, welche dem Pool entlang durch Ansiedlungen der
Eingeborenen der Umgebung führt und zu beiden Seiten mit Mangobäumen
und Baobabs bepflanzt ist.

Gleich nach unserer Ankunft in Kinschassa gingen wir zu Fuß nach
Leopoldville. Von der einsamen langen Wanderung sahen wir uns mitten
in das Großgetriebe eines afrikanischen Hafenplatzes versetzt. Lange
Kolonnen von Trägern mit ihren Lasten von Ballen, Kisten oder Koffern
auf dem Kopf treffen von den verschiedenen Richtungen her am Hafen ein
und bringen die Landesprodukte entweder sofort an Bord der verankerten
Schiffe oder reihen sie am Quai unter Aufsicht von europäischen Beamten
ein. Andere Gruppen wieder laden die kostbare Ladung von Rohgummi
und Elfenbeinzähnen aus den Dampfern direkt in die bis an die Quais
heranfahrenden Eisenbahnwaggons um. Das Getriebe am Hafen läßt sich
am besten mit einem Ameisenhaufen vergleichen. Der erste Eindruck
des oberflächlichen Beschauers ist der eines wirren Durcheinanders,
eines widersinnigen Hin- und Herlaufens. In Wirklichkeit aber herrscht
musterhafte Ordnung, strenge Aufsicht und Zucht. Jede der hier
arbeitenden Kolonnen steht unter Kontrolle eines europäischen Beamten.
Alle die Fäden dieses komplizierten Betriebes, der viel Umsicht
erheischt und von dessen tadellosem Funktionieren das Schicksal von
Menschenleben tief im Innern des Landes abhängt, vereinigen sich in der
Hand des Distrikts-Kommissars, des Allgewaltigen von Leopoldville, der
über das Ganze gebietet, und ohne dessen Einwilligung kein Dampfer den
Hafen verlassen darf.

Was jeden Neuling am Hafen in erster Linie fesselt und seine
Aufmerksamkeit an sich zieht, ist die ganz eigenartige Bauart der
Dampfer. Der Kongo verbreitert sich in seinem Oberlauf, an der
sogenannten Äquatorialkurve, zu einem unendlich langen Binnensee.
Stellenweise ist der Fluß bis zu 18 Kilometer breit. Ausgedehnte
Inseln und Sandbänke verlegen das Flußbett und hemmen die Schiffahrt.
Der Verkehr ist zu normalen Zeiten schwierig, besonders aber zu
Zeiten der Trockenperiode, bei niederem Wasserstand, wo einzelne
Durchfahrtsstellen kaum fünf bis sechs Fuß, d. h. 1,50 bis 1,80 Meter
tief sind. Diesem Umstand mußte nun bei der Konstruktion der Schiffe
Rechnung getragen werden. Es entstand ein ganz eigenartiger Typ von
Raddampfern -- sogenannte Flachboote -- die im Verhältnis zur Länge
sehr breit sind, geringen Tiefgang besitzen und von einem großen
Schaufelrad, das am Hinterteil des Schiffes, ähnlich einem Mühlenrad,
angebracht ist, getrieben werden. Maschinen, Heizanlagen und Kessel
sind im Unterdeck eingebaut, und auch ein Teil der Ladung, der auf
Deck nicht untergebracht werden kann, und Brennholz zur Speisung der
Maschine, muß daselbst verstaut werden. Darüber befinden sich die
Kabinen des Kapitäns und der Passagiere sowie die Kommandobrücke.
Zur Zeit meiner ersten Reise galten 50 Tonnen Laderaum schon als
respektabel; späterhin wurden von der Regierung Dampfer in Dienst
gestellt, die bis zu 250 Tonnen Ladung fassen konnten.

[Illustration: Kongodampfer.]

Eine breite Allee führt an Ziergärten und reizenden Villen mit
breiten Veranden vorbei zur »Grande Place«, wo sich auf einem Sockel
mit dem Bildnis König Leopold =I.= eine prachtvolle weibliche
Figur als Sinnbild der »Zivilisation«, die Schöpfung eines dänischen
Offiziers, erhebt. Von hier aus führen mehrere mit Ananas-, Mango- und
Papaibäumen bepflanzte Alleen in alle vier Windrichtungen. Wir folgten
einer derselben und gelangten auf eine Anhöhe, von der aus wir einen
prächtigen Rundblick genossen.

Zu unseren Füßen, lieblich am Gestade des Pools inmitten von
Palmenhainen und kleinen Ziergärten gelegen, schmiegt sich die
Villenkolonie von Leopoldville an das sanft ansteigende Gelände. Die
kleinen Einfamilienhäuschen mit den luftigen Veranden und weißen
Dächern lugen anmutig aus dem Grün hervor und machen den Eindruck
behaglichen Komforts.

In leuchtender Apotheose versank der Sonnenball gleich einer
Feuerkugel am Horizont, flammende Strahlenbündel vom hellsten Rot
bis zum zartesten Smaragdgrün in allen Regenbogennuancen zum Äther
emporsendend. Der Stanley-Pool erschien in flammende Lohe getaucht;
auf seiner spiegelnden Wasserfläche schimmerten Myriaden leuchtender
Blutstropfen; die in weiter Ferne, am Nordende des Pools gelegenen
Kreidefelsen erstrahlten im magischen Alpenglühen. Doch nur kurze Zeit
wahrte die prächtige Farbensinfonie; die hellen Akkorde verklangen und
gingen in Moll-Tönungen, die bis zum tiefsten Violett hinunterreichten,
über. Bald schwanden auch diese dahin, und die weichen Konturen der von
der Sonne bestrahlten Landschaft nahmen plötzlich härtere Linien an.
Ein tiefer Ernst war über die Natur gekommen; ein leichtes Frösteln
durchschauerte den Körper und mahnte zur Heimkehr.

Das Angesicht des Stanley-Pools hatte sich völlig verändert.
Schwarze Felsmassen und unwirtliche Inseln ragten tückisch über den
Wasserspiegel empor und zauberten unheimliche Trugbilder vor die Sinne.
Hier und dort stiegen Myriaden giftiger Keime aus ihren feuchten
Brutstätten empor und ballten sich zu bläulichen Nebelschwaden,
die im nächtlichen Reigen auf und nieder wallten. Diese in Europa
als Bodennebel bezeichneten Dunstmassen bergen in den Tropen die
heimtückischen Malariaträger, die für den eingewanderten Europäer
entweder den Tod oder lebenslängliches Siechtum bedeuten. Eine innere
Stimme warnte uns, nicht länger hier draußen zu verweilen, sondern
ungesäumt das schützende Heim aufzusuchen. Wir wurden uns bewußt, daß
unsichtbare, feindliche Mächte uns umlauerten, daß in den Tiefen des
Stanley-Pools, der tagsüber, solange er von der Sonne beleuchtet ist,
dem friedlichen Himmel gleicht, das raubgierige, gefräßige Krokodil auf
den Einbruch der Nacht wartet, um unter dem Schutz der Dunkelheit sein
nasses Reich zu verlassen und die ahnungslose Beute zu überfallen.

Nach dem Glauben der Neger Innerafrikas gehört die Nacht den bösen
Geistern und verfluchten Seelen, die bald in der Gestalt eines
Leoparden, Krokodils oder einer giftigen Schlange alle diejenigen, die
das schützende Dach verlassen, dahinmorden.

[Illustration: Häuptling mit Familie im Festschmuck.]

Welche Gründe eigentlich dafür maßgebend waren, daß die Direktion
der N. A. H. V.-Oberkongo-Abteilung auf französisches Gebiet, nach
Brazzaville auf dem gegenüberliegenden Ufer des Stanley-Pools, verlegt
wurde, ist mir stets ein Rätsel geblieben. Die Meinungen darüber sind
geteilt. Die einen sprechen von Divergenzen mit den Machthabern des
neuerstandenen belgischen Kongostaates, die anderen leiten die Tatsache
aus dem Umstande ab, daß ein Großteil der Faktoreien im Gebiete des
französischen Kongo liegt. Vielleicht waren auch die Eingeborenen am
jenseitigen Ufer friedlicherer Natur. Ich überlasse dem geneigten
Leser die Wahl einer der drei angeführten Gründe. Tatsache ist, daß
Brazzaville zum Sitze des Direktors der Oberkongo-Abteilung auserkoren
wurde und es bis zum heutigen Tage geblieben ist.

Meine Ankunft in Kinschassa war in Brazzaville bereits bekannt, und am
nächsten Morgen holte mich unser kleiner Schraubendampfer »Wendeline«
zu einem Besuch daselbst ab.

Noch lagerten dichte Nebelschwaden über der Fläche des Stanley-Pools,
als wir ins Ungewisse hinausfuhren. Doch unser Kapitän kannte die Route
ganz genau; er hatte sie von seinen täglichen Reisen gewissermaßen in
der Hand, und sicher führte sein Steuer uns an großen Felsblöcken oder
Teilen einer Insel, die plötzlich in gespensterhafter Größe aus dem
Nebelmeer hervortraten, vorbei. Spukgestalten gleich, von der Brandung
umtost, schwanden sie dahin, als bestünden sie in Wirklichkeit gar
nicht, sondern wären nur Ausgeburten einer geängstigten Phantasie.
Ein unheimliches Gefühl überkam mich bei dieser Fahrt ins Ungewisse.
Der kühle, feuchte Nebel drang durch das leichte Tropenkostüm, legte
sich wie ein Alp auf die Brust und machte einen vor Kälte erschauern.
Trompetensignale, Trommelwirbel und das Tuten von Dampfpfeifen deuteten
auf die unmittelbare Nähe von Leopoldville hin, doch weder Ufer noch
Stadt waren sichtbar.

Der Dampfer machte jetzt eine scharfe Wendung nach Steuerbord. Aus
dem Nebelmeer vor uns stieg eine größere Sandbank mit bewaldetem
Hintergrund gespenstisch empor. Der Kapitän bezeichnete mir diese
Insel als die »Insel der dem Tode Geweihten«. Eine elende Baracke --
das Infektionsspital -- erhebt sich einige Schritte vom Ufer. In ihr
kampieren Pockenkranke im vorgeschrittenen, unheilbaren Stadium. Diese
Bedauernswerten, die eine beständige Gefahr für ihre Umgebung bilden
und nicht mehr zu retten sind, werden auf die völlig abgeschiedene
Insel gebracht, um hier ihr jämmerliches Dasein zu beschließen.
Allwöchentlich einmal bringt ihnen eine Barkasse aus Leopoldsville das
Nötigste an Nahrungsmitteln. Stirbt einer dieser Unglücklichen, so
wirft man ihn ins Wasser, den Krokodilen und Fischen zum Fraß!

Weiter ging unsere Fahrt in raschem Tempo.

Als feuerroter Glutball war die Sonne inzwischen aus den Nebelschwaden
emporgestiegen. Noch besaßen ihre Strahlen nicht die Kraft, die Macht
der Finsternis zu bannen und die dichten Nebelschleier zu durchdringen.
Gelang es dennoch hier oder dort ihren milden Strahlen, siegreich
eine Bresche in die wallenden Dunstmassen zu schlagen, dann trieb ein
Lufthauch sofort neue Nebelmassen heran. Kurze Zeit nur währte der
ungleiche Kampf mit dem Tagesgestirn um die Vorherrschaft. Königin
Sonne, mit dem flammenden Schwert umgürtet und dem leuchtenden
Prunkgewande der Morgenröte angetan, blieb Siegerin, vor deren
wärmespendenden Strahlen der Nebel schließlich zerriß und verschwand.

Wir waren allmählich in die Mitte des Stanley-Pools auf halbem Wege
zwischen Leopoldville und Brazzaville gelangt; die Trompetensignale
und Trommelwirbel von beiden Ufern drangen wie aus weiter Ferne zu
uns. Dagegen zog ein zunehmender Schall, wie das Tosen von über
Felsen stürzenden Wassermassen oder das Brechen der Brandung, meine
Aufmerksamkeit auf sich. Über die Ursache dieses Getöses befragt,
erklärte der Kapitän kaltblütig, daß er infolge des Nebels und der
Gefahr von Kollisionen mit den von Leopoldville ausfahrenden Dampfern
genötigt war, eine Route zu nehmen, die knapp oberhalb der berüchtigten
Stromschnellen, die der Kongofluß beim Austritt aus dem Stanley-Pool
bildet, führte. Wir überquerten demnach den südwestlichen Teil des
Pools, der wegen der Nähe der Katarakte und der Gefahr, von der
reißenden Strömung mitgerissen zu werden, im allgemeinen gemieden wird.

Wie ich später in Brazzaville erfuhr, war unser Kapitän für seine
tollkühnen Fahrten allgemein bekannt. Er galt als einer der
verwegensten Fahrer, und in Marinekreisen zirkulierte der Ausspruch,
daß er seine Seele dem Teufel verschrieben habe. Gleichmütig zählte
er mir die verschiedenen Dampfer auf, die der tosende Katarakt mit
Mann und Maus verschlungen, und bezeichnete mir die Stellen, wo sie
verschwunden waren, um nie wieder an der Wasseroberfläche zu erscheinen.

Unwillkürlich hingen meine Blicke gebannt am Manometer. In Gedanken
legte ich mir zurecht, was ich zu meiner Rettung versuchen würde, falls
aus irgendeinem Grunde der Druck nachlassen oder die Maschine versagen
sollte. Nach einigen Minuten banger Erwartung überwogen die Gedanken
der Zuversicht -- unser kleiner Dampfer »Wendeline« hielt sich tapfer
und überwand ohne nennenswerte Anstrengung die starke Strömung. Eine
Viertelstunde später landeten wir in unserer Zentrale inmitten einer
ganz stattlichen Anzahl von Schiffen. Die Flottille der N. A. H. V.
im Oberkongo umfaßte derzeit 16 Dampfer verschiedener Größe, nicht
miteingerechnet die vielen eisernen Baleinieren -- Barkassen, wie sie
zum Walfischfang verwendet werden.

Eine schattige Allee von Mangobäumen, der Stolz von Brazzaville, führt
vom Landungssteg an verschiedenen Wohngebäuden entlang zum Sitz des
Direktors.

Unter den afrikanischen Leckerbissen nimmt -- neben der Ananas -- die
Mangofrucht unstreitig den ersten Platz ein. Feinschmecker behaupten
sogar, daß die Ananas an die Mangofrucht bei weitem nicht heranreiche.
In der Größe und ungefähren Form einer Kaiserbirne hat sie einen
leichten Anflug terpentinartigen Geschmacks. Der Mangobaum selbst ist
ein vorzüglicher Schattenspender. Man kann zum Beispiel in der Allee
von Brazzaville bei der stärksten Sonnenhitze ohne Kopfbedeckung gehen,
was, einen Schritt außerhalb derselben, schnellen Tod durch Sonnenstich
zur Folge hätte.

Rings um das Wohngebäude des Direktors war ein Ziergarten angelegt,
in dem inmitten von wundervollen Orchideen und afrikanischen
Blumen und Blattpflanzen auch herrliche Rosen blühten. Gehege von
Äffchen und Papageien waren harmonisch darin angebracht. An das
große Empfangszimmer, im Mitteltrakt des Gebäudes gelegen, war ein
Vogelhaus mit Zierbäumen und einem Springbrunnen angebaut, in dem
Blaumeisen, Kanarienvögel, Kolibris verschiedener Größen und Kardinäle
mit leuchtend rotem Gefieder fröhlich trillerten und zwitscherten.
Sie wurden vom Direktor, der ein großer Tierfreund ist, alle Tage
selbst gefüttert. Die Innenausstattung der Räume war für afrikanische
Verhältnisse fürstlich. Beim Eintritt fiel der erste Blick auf ein
lebensgroßes Gemälde der Königin Wilhelmine -- ein Meisterwerk in
schwerem Rahmen -- dessen Transport hierher zu Zeiten, als noch keine
Bahn bestand und alles auf Negerschultern getragen werden mußte,
jedenfalls ungeheure Mühe und Arbeit gekostet haben muß. Der Raum
war mit schweren Teppichen und kunstvollen inländischen Geweben ganz
auf europäische Art eingerichtet. Auf Tischchen und am Schreibtisch
standen Photographien und Nippes -- kurzum allerhand Kram, der ein
europäisches Heim gemütlich macht und für gewöhnlich in den Tropen
entbehrt werden muß. Telephon, elektrisches Licht, Klingelleitung --
alles war vorhanden.

In der Gartenanlage fanden wir sämtliche Früchte Innerafrikas, wie
Coeur de Boeuf, Banane, Papaye, Goyaven, Ananas, Advokat usw.,
angepflanzt und in den Lichtungen zwischen Palmen alle Arten
Nutzpflanzen, wie Pataten (süße Kartoffel), Kürbis, Maniok und Ignam
(Knollenfrucht bis zu fünf Kilo Schwere, im Geschmack ähnlich unserer
Kartoffel), die im Laufe der Jahrhunderte ihren zielbewußten Weg von
den Küsten Afrikas her über endlose Prärien nach diesem fruchtbaren
Boden gefunden hatten.

Nachdem ich Brazzaville, tagsüber als Gast des Direktors, bis ins
letzte besichtigt und auch dem übrigen Personal vorgestellt worden
war, verließ ich gegen Abend mit dem gleichen Dampfer unsere Zentrale,
ohne irgend etwas Näheres über meine zukünftige Bestimmung erfahren zu
haben. Voraussichtlich würde ich nach dem oberen Sangaflusse kommen,
wo in letzter Zeit infolge eines Negeraufstandes verschiedene Beamte
getötet worden seien.


Fußnote:

[3] Arbeiter-Aufseher.




        Die Fahrt zum oberen Kongo. Die Faktorei Stanleyville.


Am 29. März traf in Brazzaville die Nachricht ein, daß Herr Kiel,
der Chef der holländischen Faktorei in Stanleyville, an Dysenterie
erkrankt und unterwegs sei. Noch am gleichen Nachmittag erhielt ich
Order, mich für den folgenden Morgen reisefertig zu halten. Ich war
über die unerwartet günstige Wendung, die die Dinge für mich genommen
hatten, natürlich hocherfreut, denn Stanleyville galt allgemein als das
Paradies auf Erden und als eine der schönsten und gesündesten Gegenden
Innerafrikas. Dazu kam noch, daß unser Direktor seinerzeit die Station
persönlich gegründet hatte und eine gewisse Vorliebe für sie besaß.

Meine Freude erfuhr allerdings einen Dämpfer, als ich vernahm, daß
mein zukünftiger Chef Janssen hieß; denn ein Mann gleichen Namens war
mir von einem Streit, den er auf der Durchreise nach Fuca Fuca mit
Kameraden hatte und in dessen Verlauf von Schußwaffen Gebrauch gemacht
worden war, in unliebsamer Erinnerung. Umfragen bei den Kollegen in
Kinschassa ergaben, daß Janssen, der gegenwärtig die Faktorei Upoto
leitete, tatsächlich mit dem Angeführten identisch war. So wenig
verlockend die Aussicht war, mit einem jähzornigen Menschen zusammen
leben zu müssen, tröstete ich mich schließlich damit, daß ich, vor
die Alternative gestellt, entweder in das Aufruhrgebiet des oberen
Sanga zu gehen und von den Negern aufgefressen zu werden oder mit
einem voraussichtlich brutalen Vorgesetzten nach dem vielgepriesenen
Stanleyville zu reisen, immer noch das bessere Teil erwählt hatte.

Die Freude über die bevorstehende herrliche Reise und das Gefühl der
Befriedigung, nach Tagen planloser Zeitvergeudung und Umherirrens
endlich wieder in die Bahn zielbewußter Tätigkeit geleitet zu werden,
überwogen schließlich alle Bedenken, und mit glücklich pochendem Herzen
sah ich der Ankunft des Dampfers »Nfuma Ntangu« auf Deutsch: »Gebieter
der Sonne«, der mich als Passagier aufnehmen sollte, entgegen. Das
Schiff langte noch am selben Tage an und ging vor Kinschassa, wo es den
Rest der Ladung einzunehmen hatte, vor Anker. Mir wurde vom Kapitän
eine geräumige Kabine auf dem Oberdeck zugewiesen, die ich sofort
bezog, da der Dampfer beim ersten Morgengrauen aufbrechen sollte. Das
ungewohnte Leben und Treiben an Bord, alle die neuen Eindrücke, die auf
mich einstürmten, brachten es mit sich, daß ich die ersten Tage wie im
Traum lebte.

Unser Dampfer »Nfuma Ntangu« war ein Flußboot, wie sie auf dem
Oberkongo, überhaupt auf allen seichten Flüssen, hier im Gebrauch
stehen. Vorn, am Bug, saßen zwei Lotsen, welche während der ganzen
Dauer der Reise abwechselnd drei Meter lange Stöcke in der Art
einer Fischangel, auf der das englische Fußmaß eingekerbt ist,
ins Wasser tauchten und eintönig die Wassertiefe: =tanu=
(fünf), =samboanu= (sechs) ausriefen. Am rückwärtigen Teil des
Schiffes, gleich dem Rad einer Kornmühle, befand sich über der ganzen
Schiffsbreite das große Schaufelrad. Der Dampfer war bei der Ausfahrt
derart voll geladen, daß das Niveau des Unterdecks auf der gleichen
Höhe mit dem Wasserspiegel stand. Bei Stromschnellen, scharfen Kurven
usw., bei welchen das Boot in eine schiefe Lage kam, stand die eine
Seite des Unterdecks ganz unter Wasser -- eine Wahrnehmung, die mir
anfangs großen Schrecken einflößte, an die ich mich aber mit der Zeit
gewöhnte.

Frühmorgens wurde ich durch das Zischen des Dampfers, das Gejohle und
Geschnatter der Leute, die Kisten und Ballen durcheinanderwarfen,
aufgeweckt. Nach dem Frühstück mit dem Kapitän auf der Kommandobrücke
begab ich mich an Unterdeck, um dort Umschau zu halten. Unser Dampfer
war nämlich ein wahres Babel in bezug auf die verschiedenartigen
Negerstämme, die der blinde Zufall zusammengewürfelt hatte. Vom
zivilisierten Küstenneger in Hemd, Hosen und Schuhen, der entweder
aus Senegambien, Sierra Leone, Akkra oder dem Portugiesischen Kongo
stammt und die etwas mehr Intelligenz verlangenden Arbeiten eines
Maschinisten, Kochs oder Lavadeiro (Waschmann) verrichtet, bis zum
Bangala mit spitz zugefeilten Zähnen und Hahnenkamm auf der Stirne
waren alle Rassen Innerafrikas, selbst Kannibalen, vertreten. Ihr
fortwährendes Schnattern, Quaken und Schnalzen, ihr ärgerliches
Zanken und Streiten muteten ganz sonderbar an. Auf Holzkisten, Körben
und Bündeln jeder Größe, in denen ihre Habseligkeiten untergebracht
waren, hatten sie sich's bequem gemacht und ihr Lager, bestehend aus
einer einfachen Strohmatte, das bei den Vermögenderen durch ein paar
Decken vervollständigt wurde, aufgeschlagen. Darauf lagen sie nun
träge und faul über- und aufeinander, ein Wirrwarr von Füßen, Armen
und Leibern. Der eine war damit beschäftigt, direkt unter der Nase
des zweiten aus seinen Zehen Sandflöhe herauszuoperieren, ein anderer
ließ sich von seiner Frau die Haare scheren, unbekümmert darum, ob
dieselben in den Topf des Nachbars fielen, in welchem eben ein von
Verwesung grün gewordenes und das ganze Unterdeck mit seinem Gestank
verpestendes Stück Hippopotamusfleisch brodelte. Während ich noch
eben den Topf auf seinen Inhalt kritisch musterte, bemerkte ich, wie
einer der herumhockenden Neger seinen Koffer ausleerte. Mit einer
Anzahl schmutziger Kleidungsstücke flogen zugleich Spinnen, Kakerlaken
(große afrikanische schwarze Schaben), Russen und kleine Mistkäfer
heraus, ein Teil davon direkt in den brodelnden Topf. Die auf den
Boden geschleuderten Insekten hüpften und zappelten erschreckt, so
plötzlich aus ihrem dunklen Versteck gezerrt zu sein, dem erstbesten
Schlupfwinkel zu. Diesmal hatte jedoch der Koch die neue Würze und
den unerwünschten Zusatz zu seiner Speise bemerkt. Wutschnaubend
fuhr er den Unvorsichtigen an, und eine Flut von Verwünschungen und
kannibalischen Kraftausdrücken, wie =katuka bushman -- nyama=[4],
quollen aus seinen wulstigen Lippen hervor, während er sich bemühte,
die größeren Schaben mit dem einzigen Kochlöffel, den er besaß,
herauszufischen und zu zerdrücken; die kleineren blieben drinnen, da
es ihm ob solcher Bagatellen offenbar nicht der Mühe lohnte. Der Rest
des Ungeziefers hatte seinen Weg über Gesichter, Leiber und Beine der
auf dem Boden Liegenden hinweg in irgendeine Ritze gefunden, soweit sie
nicht durch die kleinen Jungen am Körper der Schlafenden zerdrückt und
zerschlagen worden waren. Eine der großen Spinnen fand auch durch den
Hosenschlitz Einlaß zu ganz empfindlichen Teilen eines Schlafenden.
Beim Freudengeheul der ganzen kleinen Bande, die dies besonders
unterhielt, wachte der Betreffende auf, warf wütende Blicke um sich
und suchte -- =sans gêne= -- in der Tiefe nach der Ursache des
Juckens! -- =Honni soit qui mal y pense!.=

Trotz der fortwährend wechselnden Szenerie, trotz all des Ungewohnten
und vollständig Neuen, was seit acht Tagen um mich vorging, trotz
aller unvorhergesehenen Ereignisse, die bei der Navigation in dem
gefährlichsten aller Flüsse, der unter seiner Wasserfläche bald
Sandbänke, bald Felsriffe und bald treibende Baumstämme trügerisch
birgt, vorkommen, konnte der Fahrt nach Befriedigung der ersten
Neugierde eine gewisse Eintönigkeit nicht abgesprochen werden. Hatten
die sengenden Sonnenstrahlen und die überstandenen Krankheiten den
Körper und das Gehirn bereits derart geschwächt, daß ich nicht mehr
so aufnahmsfähig war? Mir war oft, als lebte ich in einem beständigen
Traum, läge meine Kindheit wie ein Märchen, von einem Wolkenschleier
verhüllt, weit, weit hinter mir. Meine Erinnerung an die Lieben in der
Heimat schwand -- losgelöst von allen Fesseln, die mich bisher an die
Menschheit ketteten, wandelte ich wie im Traum dahin.

Ich saß oft stundenlang am Steven des Dampfbootes, und eine eigenartige
Musik, die nichts mit dem Irdischen gemein hat, klang mir beim
gleichmäßigen Takt der Schaufel, die das Wasser aufpeitschte, in den
Ohren. Bald wild und mächtig, bald als sanfte Liebkosung klang die
Melodie in mir ... Ich träume ... Es ist Abend. Tiefe Schatten lagern
zu beiden Seiten des Stromes. Die Dämmerung hat ihr dunkles Kleid über
die vor Sonnenglut schmachtende Erde gelegt und wirft fahle Schatten
über die Wasserfläche. Irgendwo aus dem rätselhaften Dunkel des Urwalds
klingt klagend ein langgezogener Schrei. Unheimlich hallt er über das
weite Land, wie von einer Seele in höchster Not und Pein. Und vor
mein geistiges Auge tritt der Herrscher dieser Gebiete, der Bayansi,
wie er im Schatten des Waldes sich eben anschickt, sein Opfer mit
bestialischer Grausamkeit hinzuschlachten. Noch einmal, diesmal jedoch
wie aus weiter Ferne und wie gebrochen, hallt der Schrei an mein Ohr --
-- --

[Illustration: Holzposten am Kongo.]

Unser Kapitän van den Andel, allgemein der »fliegende Holländer«
genannt, war ein Original seiner Art und vereinigte alle
Eigenschaften, sowohl die guten als auch die bösen, die den Flußfahrer
Innerafrikas kennzeichnen. Von Natur aus schweigsam und gutmütig
veranlagt, stand er oft den ganzen Tag auf der Kommandobrücke und zog
den Rauch aus der kurzen Pfeife, ohne den Mund aufzutun. Der Dienst an
Bord klappte aufs Haar; denn alle Leute, vom Steuermann angefangen bis
zum jüngsten Schiffsjungen, wußten genau, daß mit dem Kapitän nicht gut
Kirschen essen war. Hatte er doch erst kurz vorher einen baumlangen
Senegalesen, den stärksten Mann der Besatzung, der widerspenstig werden
wollte, mit einem wuchtigen Faustschlag zu Boden gestreckt.

Doch van den Andel hatte einen großen Fehler, nein, eine Leidenschaft,
die ihm zum Verhängnis wurde, da er ohne sie gewiß bereits »=Chef
de marine=« geworden wäre. Seine Leidenschaft, die Trösterin
verbitterter, einsamer Stunden, war der Alkohol. Des Abends, wenn er
zur Flasche griff und einige Gläschen »Schiedam« zur Stärkung der
verbrauchten Kräfte zu sich genommen hatte, wurde er gesprächig. Dann
erzählte er mir von all den Kollegen, die weit im Innern des Landes auf
einsamen, verlassenen Faktoreien saßen. Er kannte jeden einzelnen von
seinen jahrelangen Reisen. Er war es, der sie, wenn sie als Neuling von
Europa kamen, zu ihren Stationen brachte, durch ihn erhielten sie stets
die neuesten Nachrichten vom Unterkongo und ihren Kollegen im ganzen
Stromgebiet.

Je mehr die Literflasche »Schiedam« zur Neige ging, desto gesprächiger
wurde der Kapitän. Wehe dem Faktoreichef, der das Unglück hatte,
aus irgendeinem Grunde van den Andels Rachsucht auf sich zu ziehen.
An diesem blieb kein gutes Haar mehr, von diesem konnte er wahre
Schaudergeschichten erzählen. Jede Reise bot ihm Anlaß, durch seine
Vertrauten unter den Arbeitern allerhand Begebenheiten aufzuschnüffeln,
die dann in völlig entstellter Form bald hier, bald dort als Gerüchte
auftauchten und von Mund zu Mund weitergetragen und aufgebauscht
wurden. Aus oft ganz harmlosen Anlässen entstanden dann durch
phantastische Schilderungen haarsträubende Mißverständnisse, deren
Verbreitung im weiten Stromgebiet ihm allmählich zur zweiten Natur
geworden war, je mehr Krankheiten und Ärger aller Art sein stets
arbeitendes Hirn verwirrten. Tags über der gutmütigste Mensch, war
mit van den Andel abends, wenn er die Flasche neben sich hatte, nicht
zu spaßen. Geradezu gefährlich konnte er werden, wenn man seinen
Schaudermären nicht unbedingt Glauben schenkte.

[Illustration: Eingeborene bringen Lebensmittel.]

Ich entsinne mich noch ganz genau, daß er gegen Ende eines Abendessens,
anläßlich eines ganz harmlosen Widerspruchs eines der Gäste,
urplötzlich aufsprang, die Tischdecke mitsamt den Schüsseln auf den
Boden warf, sich auf seinen Gast stürzte und ihn im nächsten Moment von
der Kommandobrücke in den Fluß warf. Es hätte nicht viel gefehlt, und
der Fürwitzige hätte seine Unbedachtsamkeit mit dem Leben gebüßt.

Während der ersten Tage als einziger Passagier an Bord, glaubte ich
natürlich alle Geschichten aufs Wort und war ein aufmerksamer Zuhörer;
ich stand daher in besonderer Gunst bei ihm.

Nach achttägiger Fahrt, auf der wir die Posten Kimpoko, Kwamuth,
an der Mündung des Kasai-Flusses gelegen, die Mission Berghe Ste.
Marie, Bolobo, den Militärposten Yumbi und Lukolela berührt hatten,
näherten wir uns dem Äquator. Die Fahrt war reich an Abwechslung und
bot uns wiederholt Gelegenheit, auf Nilpferde, Krokodile, Reiher,
Gänse und Enten zu schießen. Einmal stießen wir auf eine Sandbank,
die von einer Herde Krokodile bedeckt war. Es mochten gegen zwanzig
Tiere sein, große und kleine, die bei unserer Ankunft, in Reih und
Glied marschierend, ins tiefe Wasser zogen. Es machte den Eindruck,
als ob die ganze Sandbank im Laufen wäre. Dann wieder eine Tagereise
stromaufwärts ragte eines Morgens eine etwa sechs bis acht Meter breite
und ebenso hohe graue Felswand aus dem Strom, die Kapitän van den
Andel nicht auf seiner Karte verzeichnet fand. Bei unserer Annäherung
veränderte sich das Bild, so daß wir mit unseren Gewehren hinfeuerten.
Nun geriet die Wand in stärkere Bewegung, und es zeigte sich, daß sie
aus etwa zehn bis fünfzehn Hippopotamus gebildet war, die durch- und
übereinanderlagen und schleunigst das tiefe Wasser aufsuchten.

Längs des Kongoflusses sind vom Staat etappenweise Holzposten
eingerichtet, die die Dampfer gegen eine geringe Entschädigung an
Stoffen und »Mitakos« mit Brennmaterial versehen. Der Mitako ist
ein zwölf bis fünfzehn Zentimeter langer, drei Millimeter starker
Messingstab, welcher an Geldes Statt einen bestimmten Wert, und zwar
je nach der Länge fünf bis zehn Centimes, repräsentiert. Ich vergaß
zu erwähnen, daß Geld vom Stanley-Pool ab als Verkehrsmünze nicht
gangbar ist. An dessen Stelle tritt der Mitako und am Oberlauf die
=Nsoka=, ein spatenförmiges Stück Eisen, aus dem die Eingeborenen
ihre Pfeilspitzen verfertigen.

Das Erscheinen des Dampfers ist für die Eingeborenen allemal ein
aufregendes Ereignis. Da der »Nfumu ntanga« im ganzen Stromgebiet als
guter Zahler bekannt war, eilte die Bevölkerung auf das dreimalige
Ertönen der Dampfpfeife, zum Zeichen, daß das Schiff anlegen möchte,
ans Flußufer. Oft schon binnen weniger Minuten waren die sonst
verlassenen Ufer schwarz von Menschen. Männer, Frauen und Kinder eilten
herbei, in ihren »Kisakos« (Tragkörbe) schnell alles herantragend,
dessen sie habhaft werden konnten.

=Nsusu= (Hühner), =mpata= (Enten), =njama= (Ziegen), =maki na nsusu=
(Eier), =nanasi= (Ananas), Palmöl in großen Steinkrügen, aber auch
=Mbidia=, eine Art Polenta, =matadi=, das Blatt der Maniokstaude als
Gemüse bereitet, geräucherte Heuschrecken, Termiten und ähnliche
Leckereien für die besonderen Feinschmecker wurden, sauber in Blätter
eingewickelt, von den Eingeborenen zum Kaufe angeboten.

Eines Tages sah ich wieder belustigt dem mir neuen, ungewohnten Leben
und Treiben am Ufer zu. Aus dem Handeln, Feilschen, Schnattern tönte
das Kreischen und Schelten alter Frauen, die stets sehr anspruchsvoll
sind und sich von ihren Sachen nicht trennen wollen, heraus. Da
bemerkte ich in der Ferne eine ältere Kokette, die offenbar bei ihrer
Morgentoilette überrascht worden war und nun, von der Angst, zu spät
zu kommen, getrieben, pustend, schwitzend und schnaubend dahergelaufen
kam. Ein Teil der Haare war in kleinen Zöpfchen und Strähnen, reichlich
mit rotem Tukulapulver und Palmöl vermischt, gedreht, während die
übrigen, wie beim Struwwelpeter, ihr wirr um den Kopf hingen. Zwei
enorme Brüste, die bis an den Nabel herunterreichten, baumelten beim
raschen Laufen klatschend gegen den aufgedunsenen, herabhängenden Leib,
der in der rückwärtigen Partie sein Gegenstück in einer unförmigen
Rundung fand. Keuchend vor Aufregung, die Schweißtropfen in langen,
roten Linien über Gesicht und Brust herabrinnend, hatte sie endlich
ihren schweren Korb zwischen die der anderen Megären niedergestellt und
stürzte sich sofort, wie das Raubtier auf seine Beute, auf ein paar
schwarze Arbeiter des Dampfers, die unschlüssig mit ihren Mitakos in
der Hand dastanden und offenbar nicht wußten, was sie unter all den
dargebotenen Schätzen kaufen sollten. Mit einer Selbstverständlichkeit,
die ihnen absolut keine Zeit zum Überlegen ließ, nahm sie ihnen die
Mitakos aus der Hand, klemmte sie zwischen die Oberschenkel unter
dem etwa fünf Zentimeter breiten »Schamfleck«, der ihr einziges
Kleidungsstück bildete, und gab jedem dafür eine gewisse Anzahl
»Chikoange« (gestampfte Maniokwurzel in Blätter gehüllt, an Stelle
unseres Brotes von den Eingeborenen verzehrt).

Dieselbe Prozedur wiederholte sie zu meinem Erstaunen soundso oft
mit dem gleichen Erfolg, noch ehe ihre Opfer aus ihrer Verblüffung
herausgekommen waren. Wagte ein besonders Mutiger eine Einwendung
gegen dieses summarische Verfahren, dann schleuderte sie ihm durch
ihre wulstigen Lippen eine derartige Flut von Verwünschungen und
Drohungen entgegen, stemmte ihre Arme in die Seiten und erhob ein
solches Geschrei, daß der Tapfere schleunigst das Feld räumte. Denn in
ihrem Zorn, der wie ein Blitz aus ihren Augen sprühte, war sie geradezu
furchtbar anzusehen, und jeder fürchtete offenbar, zur Schadenfreude
der anderen, noch eine Tracht Prügel obendrein zu erhalten. Als letzte
unter allen Frauen war sie gekommen -- als erste hatte sie ihren Stand
vollkommen ausverkauft. Dann nahm sie, ihre Umgebung mit mißtrauischen,
giftigen Blicken musternd, all die glänzenden Mitakos hinter ihrem
Schamschurz hervor und legte sie in Bündeln von je zehn vor sich hin.

Beim Durchmustern all der Frauen am Ufer bemerkte ich nicht ein
einziges junges Geschöpf. Die Männer halten die jungen Schönen im
Dorfe zurück, aus Angst, daß sie mit einem der Arbeiter auf dem Dampfer
entwischen könnten. Dies soll übrigens oftmals vorkommen, besonders
dann, wenn der Dampfer an solch einem Holzposten übernachtet.

An diesen Anlegestellen wurden vom Kapitän Hühner, Enten und Ziegen,
Eier, Ananas und andere Lebensmittel für die Schiffstafel gegen
=Chilulu mufike, Indigo blùe drill= -- Stücke =à= 4 Bras,
jede Bras 2 Yards -- Mitakos, Salz, Haumesser usw. eingetauscht.
Auffällig ist, wie mißtrauisch und habsüchtig die Eingeborenen sind.
Sie geben ihre Waren nicht eher aus den Händen, als bis sie die
volle Bezahlung dafür erhalten haben. Es liegt selbstverständlich im
Interesse jedes passierenden Kapitäns, streng darauf zu achten, daß
sowohl Brennholz als auch alle Lebensmittel gebührend bezahlt werden,
da er sonst bei seiner Rückkehr weder das eine noch das andere, wohl
aber dafür Pfeile für die Besatzung vorfinden würde.

Als warnendes Zeichen geben allenthalben abgebrannte Posten beredtes
Zeugnis von früheren Vorfällen. Die vom Staat hingesetzten Wärter
wurden von den Eingeborenen ermordet, und da die meisten Stämme dieser
Gebiete, wie Bayansi, Bambala usw., Kannibalen sind, aufgefressen.
Die Leute trugen ihre Hütten einfach einige Stunden weiter ins Innere
in unzugängliche Moräste und den Urwald, wo sie vor der Rache des
Europäers vollkommen sicher waren.

Wir berührten im Verlaufe der Reise auch hie und da Dörfer, die von
der Schlafkrankheit, jener furchtbaren Seuche, heimgesucht wurden,
die alljährlich Hunderttausende an Opfern fordert, ohne daß es damals
bereits trotz mannigfacher Versuche gelungen wäre, ein wirksames
Heilmittel zu ihrer Bekämpfung zu finden. Ehemals blühende Dörfer in
der Umgebung von Berghe Ste. Marie glichen einer vollkommenen Wildnis,
die Wege waren verwachsen, die Hütten zum Teil verfallen. Vor ihnen
hockten und kauerten auf zerrissenen Matten in der Sonne lebende
Skelette, grau von Schmutz und Schuppen, die knöchernen Arme flehend
erhoben, den Tod in den fahlen, tiefgeränderten, völlig glanzlosen
Augen. Hie und da wankte eines dieser entsetzlichen Gerippe ins Innere
des Hauses, um Nahrung für die anderen zu holen.

Weder alt noch jung, weder Mann noch Frau verschonte diese verheerende
Seuche. Sie alle waren dem Tode verfallen. Was im Bereiche des Dorfes
lag und weit darüber hinaus raffte er alles mit seiner unbarmherzigen
Sichel dahin. Ich sah einen Säugling an der vollkommen versiegten
Mutterbrust, aus der mangels Milch ihr rotes Herzblut floß. Kinder
streckten ihre knochigen Arme mir entgegen. Erheben konnten sie sich
nicht mehr, sondern nur auf allen vieren kriechen. Diese geisterhaften
Kinder sahen so still und allwissend aus, das Unerforschliche, der Tod,
hatte sich ihnen bereits offenbart. Herzerschütternd wirkte solch ein
Anblick, und tief niedergedrückt verließ ich die traurige Stätte.

Wir passierten Irebu, eine größere Garnisonstadt, in der die neu
eingereihten Rekruten ausgebildet werden, hierauf Equateurville,
die ehemalige Hauptstation des Oberkongo, und eine Stunde später
Coquilhatville, unmittelbar am Äquator gelegen. Schräg gegenüber Irebu
mündet der Ubangi, einer der bedeutendsten Nebenflüsse des Kongo.
Dieser selbst gleicht im oberen Lauf einem Binnensee, dessen Breite
zwischen 18 und 25 Kilometer wechselt.

Coquilhatville liegt auf einer Anhöhe am linken Flußufer und ist eine
der größten und schönsten Stationen am Kongo. Freilich auf den Neuling,
der unmittelbar aus Europa kommt, und vielleicht erwartet, zwischen
Palmen moderne städtische Wohnhäuser zu finden, wird Coquilhatville,
wenn der Dampfer um die Waldspitze unterhalb der Station biegt, keinen
besonders imposanten Eindruck machen. Wer aber selbst nach drei-,
vierjähriger Dienstzeit Gelegenheit gehabt hat, eine Station in
irgendeinem Winkel des großen Urwaldes zu erbauen und händeringend vor
dem ersten eigenen, windschiefen, architektonischen Erzeugnis gestanden
hat, der weiß zu ermessen, welch ungeheure Arbeit Menschenhände hier
geleistet haben. Der Weg führte auf eine terrassenförmig aufgebaute
Anhöhe, auf der stolz am hohen Flaggenmast die blaue Fahne mit dem
gelben Stern im Felde im Winde weht, und verzweigt sich von hier
aus über das Plateau in verschiedene Mangoalleen, die auf eine
Kaffeeplantage führen. Im Schatten der Bäume, von kleinen Ziergärten
umgeben, lugen die europäischen, in roten Ziegeln aufgeführten
Gebäude mit drei Meter breiten, luftigen Veranden äußerst lieblich
und einladend hervor. Inmitten der Station vor dem Gebäude des
Distriktskommissars befindet sich ein großer, freier Platz, der als
allgemeiner Sammelplatz morgens beim Appell für Europäer und Mannschaft
dient. Die Anlagen, welche auf tausend Meter im Umkreis bis in die
Felder der Eingeborenen führen, sind mit Flamboyants, Bananen, Papay-
und Goyavenbäumen bepflanzt. Ananasstauden säumen sie ein. Hinter
der Station befindet sich ebenfalls eine Kaffeeplantage, die bei
unserer Ankunft in voller Blüte stand. Die samtartigen, schneeweißen
Sternblüten erfüllten die Luft mit aromatischem, süßem Duft. Ich habe
Coquilhatville als größere Station absichtlich etwas näher beschrieben,
weil alle anderen Staatsposten am Flusse mehr oder weniger dasselbe
Gepräge tragen.

Wie bereits erwähnt, gleicht der Kongo hier einem Binnensee. Unser
Dampfer bahnte sich mühsam zwischen Sandbänken und Inseln seinen Weg.
Mehrmals fuhren wir auf Sandbänke auf. In den meisten Fällen kamen
wir aber nach kurzer Anstrengung, und nachdem sämtliche Arbeiter ins
Wasser gesprungen waren und mitgeholfen hatten, wieder los. Lulanga und
Nouvelle Anvers passierten wir ohne Unfall.

Am 15. April mittags brach ein Tornado über uns herein, der uns mitten
auf dem Strome überraschte und uns allen fast zum Verhängnis wurde.
Der Morgen begann mit feinem Regen, später wurde es empfindlich kalt,
tiefer Nebel legte sich im Laufe des Vormittags auf die Wasserfläche,
so daß die Orientierung ziemlich schwer wurde. Gegen Mittag vernahmen
wir in der Ferne ein Rauschen und Brausen in den Wipfeln der Bäume, das
immer tosender wurde und sich mit rasender Geschwindigkeit uns näherte.
Van den Andel versuchte sofort, das Schiff durch die in der Fahrtrinne
unter Wasser liegenden Sandbänke in die Nähe des Ufers in Sicherheit zu
bringen, doch der herannahende Orkan überholte uns. Unter Heulen und
Sausen fegte der Sturm über uns her, und der Donner krachte. Prasselnd
zog eine undurchdringliche Regenwand über das Wasser her und ging
wie eine wahre Sintflut über uns nieder, alles, was nicht niet- und
nagelfest an Bord verstaut war, mit sich in den Strom reißend. Mächtige
Orkanstöße trafen das Schiff von einer Seite, so daß es zu kentern
drohte. Unwillkürlich flüchtete alles vor der Wucht der Regenmassen
auf die andere Seite des Dampfers. Der Kapitän stürzte, in der Rechten
die Nilpferdpeitsche, in der Linken den Revolver, ins Unterdeck und
peitschte unbarmherzig auf die nackten Leiber der vor Todesangst
heulenden und »Kilima«, ihren Gott, anrufenden Neger, um sie auf die
andere Seite zu treiben, welche unbedingt belastet werden mußte,
wollten wir nicht alle eine Beute der Krokodile werden. Inzwischen
zuckten Blitze und krachte der Donner unaufhörlich. Unser Dampfer war
»mit höchster Geschwindigkeit« auf eine Sandbank aufgefahren, wurde vom
Wirbelwind erfaßt, wie ein Kreisel um sich gedreht und, ein Spielball
von Wind und Wetter, stromabwärts getrieben. Die Stahltrossen beider
Anker, die wir bei der ersten Sandbank ausgeworfen hatten, waren von
der Wucht des Sturmes wie Zwirn zerrissen worden. Die überirdischen
Mächte hatten ihren Riesenmund aufgetan und zu reden begonnen, die
gewaltigen Urwaldstämme wurden vom Sturm mit mächtigen Fäusten gepackt
und inmitten von Feuer und Flammen der niedersplitternden Blitze mit
donnerartigem Krach zu Boden geschleudert. Himmel und Erde berührten
sich in den herabstürzenden Wassermassen, die Hölle schien ihren
Schlund geöffnet zu haben.

Völlig machtlos, wie eine Nußschale, war unser Dampfer einige hundert
Meter stromabwärts gegen eine breite, unter Wasser liegende Sandbank
getrieben, die seinem weiteren Lauf glücklicherweise ein Ziel setzte.
Hier blieb er festsitzen -- wir waren gerettet. Wohl eine halbe
Stunde mochte der Himmel all seine Schleusen über uns geöffnet haben,
ehe wir wagten, wieder freier aufzuatmen und die Schäden, die der
Tornado angerichtet hatte, näher zu betrachten. Wir saßen zwar auf der
Sandbank fest, doch der Dampfer hatte mit Ausnahme der zwei gesprengten
Stahltrossen und Anker, die sich übrigens bald wieder vorfanden,
keinerlei Schaden genommen. Dagegen hatten wir zwei Ziegen, sämtliche
Hühner und Enten sowie einen Teil der kleinen Bagage unserer Mannschaft
eingebüßt, ein Verlust, der in Anbetracht der schweren Gefahr, in der
wir alle geschwebt hatten, nicht bedeutend war. Unser Glück wollte, daß
gerade der Dampfer »Schattenstroem« gesichtet wurde, der auf unsere
Notsignale hin uns Hilfe brachte, so daß wir binnen drei Stunden von
der Sandbank loskamen.

Wir passierten Mobeka und gelangten schließlich nach Irengi und Upoto,
der Stätte der Sehnsucht so mancher Europäer, da hier die Mädchen
und Frauen, gleich Eva vor dem Sündenfall, in anmutiger Unschuld
ihren Körper vollständig nackt dem Auge darbieten. Je weiter man sich
vom Stanley-Pool entfernt, desto mehr verkürzt sich der kunstvolle
Faltenüberwurf der Negerinnen von oben als auch von unten, bis hier
in Upoto auch die letzte Hülle fällt und dem anfänglich erstaunten
Auge gleich einer antiken Statue den ebenmäßig schöngeformten Körper
enthüllt. Weder Mieder noch Schuh entstellt die schlanke Gestalt,
keinerlei Modekünste verunstalten den zierlichen Fuß. In harmonischer
Linie, ein einheitliches Ganzes bildend, erweckt das entblößte Weib
dem Beschauer nur Bewunderung für das Herrliche, was die Natur im
Frauenkörper geschaffen hat. Unbefangen gehen Frauen und Mädchen im
Evakostüm ihrer Arbeit nach, unbefangen sind ihre Bewegungen und Mienen.

So eigenartig es uns auch im ersten Augenblick anmutet, alle unsere
europäischen Anschauungen und Begriffe von Schamgefühl hier umgeworfen
zu finden, merken wir nach kurzer Zeit mit Erstaunen, daß der
unbekleidete, lebenskräftige Körper uns gar nicht erotisch berührt.
Ist es in Europa der ungewohnte Anblick eines Körpers, der gewöhnlich
sorgsam vor unserem Auge gehütet wurde? Liegt es in unserer Erziehung
oder anderer Lebensauffassung, oder nimmt der zufällig bloße Körper
einer Frau infolge des verletzten Schamgefühls Stellungen ein, die
unwillkürlich beim Betrachten erotische Gefühle hervorrufen? Kurzum
-- ich habe nichts dergleichen beim Anblick dieser Frauen gefühlt,
und nicht etwa aus dem Grunde, daß sie nach europäischen Begriffen
unschön wären. Der Europäer ist im allgemeinen geneigt, alle Neger und
Negerinnen häßlich zu finden. Auch hierin begeht er einen Irrtum. Wenn
man viele Jahre zwischen ihnen gelebt hat, bemerkt man, daß es zwischen
ihnen ebensowohl schöne als häßliche Menschen gibt, geradeso wie bei
uns Europäern. Ich habe im Laufe meiner vielen Reisen Negerinnen
gesehen, die es an Grazie, Wuchs und Gestalt mit jeder Europäerin
aufnehmen konnten.

Nicht unerwähnt möchte ich lassen, daß alte sowie schwangere Frauen die
Blößen ihres Körpers verdecken, nur Kinder, junge, gesunde Mädchen und
Frauen sind unbekleidet. Der Mangel einer Kleidung soll nicht bedeuten,
daß die Mädchen und Frauen Upotos verhältnismäßig nicht ebenso eitel
wie ihre Schwestern in Europa wären. Ihre Eitelkeit ist nur anderer
Art und besteht darin, unförmige Bündel von Perlen sich um den Hals zu
hängen oder schwere Messingringe (oft zwei bis drei Kilogramm schwer)
um Füße, Hals oder Hände schmieden zu lassen. Doch damit noch nicht
genug verunstaltet, werden Arme und Gesicht zu einer greulichen Maske
tätowiert.

In Upoto kam Janssen, mein zukünftiger Chef, an Bord und schlug mir
gegenüber gleich einen so kameradschaftlichen Ton an, daß wir sofort
gute Freunde wurden. Er hatte keinerlei Geheimnisse vor mir, zeigte mir
sämtliche Briefe und Instruktionen aus Brazzaville, und die nächsten
Tage vergingen wie im Fluge mit Plänen und Besprechungen.

[Illustration: Der Kongo bei Upoto.]

Wir passierten auf unserer weiteren Reise Basoko, an der Mündung
des Aruwimi, und Isangi, an der Mündung des Lomamiflusses gelegen,
und trafen nach 24tägiger Flußfahrt in Stanleyville, dem Endziele
unserer Reise, ein. Ich betrachtete Stanleyville eigentlich erst als
Ausgangspunkt meiner afrikanischen Laufbahn und das vorher Erlebte
gewissermaßen als eine Art Übergangsstadium.

Stanleyville liegt am rechten Ufer des Flusses unmittelbar unterhalb
des ersten der sieben verschiedenen Fälle und Katarakte, die
insgesamt unter dem Namen »Stanleyfalls« bekannt sind und der
Schiffahrt am Oberkongo vorläufig ein Ende setzen. Als Endstation
der Dampferlinien und Ausgangspunkt der Truppen, die nach dem Osten
gegen die revoltierenden Soldaten der Expedition Baron Dhanis und zur
Unterdrückung der Araberaufstände entsandt wurden, war Stanleyville
bereits Beginn 1899 eine ansehnliche Station und zählte gegen 42
europäische Beamte und Offiziere unter der Leitung eines =Commissaire
général=.

Unsere Ankunft fiel in eine kritische Periode. Stanleyville war vor
kurzem anläßlich der Kämpfe mit den Arabern und Suaheli der Schauplatz
blutiger Ereignisse gewesen. Gegen 35000 Suaheli (berüchtigte
Sklavenjäger und Mischvolk aus Arabern und den verschiedenen
Negerstämmen), die das Nutzlose weiterer Kämpfe eingesehen und sich
ergeben hatten, waren zwangsweise in der Umgebung von Stanleyville und
den Strom entlang, bis La Romée, angesiedelt worden. Diese unbotmäßigen
Horden zu regieren und ihrem Morden und Plündern Einhalt zu gebieten,
war keineswegs eine leichte Sache. Reibungen entstanden oftmals aus
geringfügigen Anlässen, und das Bewußtsein von der Übermacht dieser
Fanatiker gegenüber dem Häuflein von Europäern erweckte in uns das
Gefühl, auf einem Pulverfaß zu sitzen.

Kommandant Verdonk, der damalige Distrikts-, später Generalkommissar,
empfing uns auf das liebenswürdigste und händigte uns die Schlüssel der
Faktorei, die Herr Kiel ihm vor seiner Abreise übergeben hatte, aus.

Nach all den herrlichen Staatsposten, die wir im Laufe unserer Reise
besuchten, hatte ich mich natürlich in Gedanken oftmals gefragt, wie
wohl meine zukünftige Faktorei aussehen möge, und da der Kapitän
keine befriedigende Auskunft zu geben vermochte, mir in meiner regen
Phantasie ein kleines Schmuckkästchen, unter lauschigen Palmen oder
Mangobäumen hervorlugend, vorgestellt. Unsere aufs höchste gespannten
Erwartungen machten daher einer tiefen Niedergeschlagenheit Platz beim
Anblick der inmitten eines vollständig kahlen, zum Fluß abfallenden
Geländes gelegenen armseligen paar Gebäude, die unsere Faktorei
vorstellen sollten. Die ehemals diesseits des Flusses am Ufer entlang
liegende Kaffeeplantage war von unserem Vorgänger mit Stumpf und
Stiel ausgerottet und an deren Stelle auch nicht der leiseste Versuch
unternommen worden, das nunmehr vollständig kahle Terrain mit Nutz- und
Zierbäumen zu bepflanzen. An Baulichkeiten bestand vorläufig nichts als
ein kleines unansehnliches, provisorisches Haus mit zwei Räumen, dessen
einer als Schlafzimmer, der zweite als Waren- und Produktenmagazin
diente. Außer diesem provisorischen Gebäude hatte Kiel mit dem Bau
eines Magazins begonnen, von dessen einen Hälfte man hoffen konnte, daß
sie in den nächsten Tagen vollendet sein würde. Die ganze Einrichtung
war den Verhältnissen entsprechend höchst primitiv und nur für eine
Person berechnet, so daß es, vom Bett angefangen, am Nötigsten für mich
mangelte. Offenbar hatte unser Vorgänger seine ganze Aufmerksamkeit und
Energie einzig und allein dem Handel mit den Arabern und Eingeborenen
zugewendet und darüber seine eigene Bequemlichkeit vollständig außer
acht gelassen.

[Illustration: Mustapha mit Familie.]

Hier gab es Arbeit für uns beide in Hülle und Fülle. Ein komfortables
Wohnhaus, Bett, Tisch, Stühle, Schränke, kurzum, alles fehlte und mußte
geschaffen werden. Wir richteten uns also vorläufig so gut wie möglich
in den beiden Räumen ein und brachten die aus dem Dampfer entladenen
Waren und Lebensmittel mangels eines Magazins auf den Veranden und
in dem unvollendeten Bau unter. Am folgenden Morgen bei Tagesanbruch
verließ uns der »Nfuma ntanga«, und wir hatten nunmehr Gelegenheit,
unser Personal etwas näher zu inspizieren.

Laut Angabe der Direktion sollte dasselbe aus dem schwarzen Schreiber,
der die Arbeiten eines europäischen Beamten verrichtete, und zwanzig
ausgewählten Männern von der Küste, darunter Schreiner und Schlosser,
bestehen. Die meisten dieser Leute, vor allem die Handwerker, hatten
jedoch die Faktorei gleichzeitig mit Kiel verlassen und waren an die
Küste zurückgekehrt. Zurückgeblieben waren nur fünf Mann, und diese
gehörten zu jener Kategorie von Leuten, die sich schnell irgendwo
eingewöhnen und dann auch dableiben. Sie hatten sich, wie wir bald
bemerkten, einen vollständigen Harem von Boys und Frauen zugelegt,
steckten mit den Arabern unter einer Decke und waren mit der Zeit träge
und faul geworden. Außer diesen sechs Mann von der Küste waren je nach
Bedarf zwanzig bis dreißig Suaheli unter der Leitung eines Chef-Capitas
mit Namen Mustapha auf der Faktorei, Sklaven des arabischen Oberhauptes
Shibu, die monatlich ausbezahlt wurden. In Mustapha hatte unser
Vorgänger entschieden eine glückliche Wahl getroffen. Er war von
zierlicher Gestalt, hellbrauner Farbe und gewinnendem Wesen. Seine
Gesichtszüge trugen arabischen Charakter und waren unstreitig
intelligent. Lippen und Nase waren im Gegensatz zu den Eingeborenen
schmal und edel geformt, Hände und Füße zart und sorgfältig gepflegt.
Die etwas hervortretenden Backenknochen und flammenden Augen gaben dem
Gesicht ein energisches Gepräge. Den europäischen Beamten und höheren
Sultans und Scheikhs gegenüber stets bescheiden und zuvorkommend, war
er gegenüber den Arbeitern und Negern stets der befehlende Gebieter,
dem sie unbedingt gehorchten. Dies ist in kurzen Umrissen das
Charakterbild des Mannes, der als Dolmetscher und im Umgang mit den
Arabern unser hauptsächlichster Führer und Berater wurde. In allem war
er versiert, in allem wußte er Bescheid.

Am Tage nach unserer Ankunft, und noch ehe wir Gelegenheit gehabt
hatten, uns völlig einzurichten, war Mustapha mit den arabischen
Häuptlingen der Umgebung, wie Habibu Ben Salim (der später vom König
Leopold in Brüssel in Audienz empfangen wurde), und Shibu, erschienen,
um uns zu begrüßen. Beide, imposante Greise mit herrlichen schneeweißen
Bärten, in golddurchwirkte, mit kostbaren Handarbeiten besetzte
Gewänder gehüllt, gefolgt von zahlreichem, vom Kopf bis zu den Füßen in
blendend weiße Hemden gekleidetem Volk, machten auf uns, die wir bisher
nur mit halb oder ganz nackten Wilden Handel getrieben hatten, einen
imposanten Eindruck. Da die gläubigen Araber, wenigstens öffentlich,
keinen Alkohol, auch keinen Champagner trinken, ließen wir ihnen
schwarzen Kaffee mit englischen Cakes vorsetzen. Mustapha vermittelte
das Gespräch als Dolmetscher, und wir erfuhren bei dieser Gelegenheit,
daß unser Vorgänger es verstanden hatte, sich ihre Freundschaft zu
erwerben. Mit der beiderseitigen Zusicherung, es auch fernerhin so
zu halten, versprachen sie, uns ausgiebig mit Elfenbein und Reis zu
versorgen.


Fußnote:

[4] =Katuka= -- schau, daß du fortkommst, =nyama= -- gleichbedeutend
mit »Vieh«.




               Erste Besuche bei den Araberhäuptlingen.


Kiel hatte auf seiner Rückkehr nach dem »Pool« zirka 4000 Kilogramm
Reis von den Arabern mitgenommen, die er mangels genügender
Warenvorräte nicht hatte bezahlen können und schuldig geblieben war.
Diese Schulden zu begleichen, erachteten wir als unsere erste Pflicht.
Unser Hauptgläubiger residierte in Romée, und da unser Dampfer uns
bereits verlassen hatte, beschlossen wir kurz, sofort mit unserm
großen Kanu, das etwa 2000 Kilogramm an Waren sowie zwanzig Ruderer
bequem fassen konnte, dort hinzufahren. Das Boot hatte eine Länge von
etwa acht Meter und eine durchschnittliche Breite und Tiefe von 120
respektive 75 Zentimeter. In der Mitte befand sich ein Aufbau, eine
Art Blätterdach zum Schutz gegen Sonne und Regen, groß genug, um uns
beide in unseren Stühlen und sämtliche Waren unterzubringen. Dahinter
war aus Lehm eine Art Feuerstelle hergerichtet, worauf unser Koch
auch während der Fahrt unser Essen zubereitete. Ganz vorn und hinten
standen, gleichmäßig verteilt, zwanzig bis dreißig Ruderer, die, im
Takte singend, mit ihren lanzenförmigen Rudern das Boot vorwärtstrieben.

Wer die primitiven Werkzeuge der Neger aus Museen kennt, wird es
für ganz und gar ausgeschlossen halten, daß Negerhände damit den
langwierigen, viel Geschicklichkeit erfordernden Bau eines derartigen
Kanus ausführen konnten. Wenn man bedenkt, welche ungeheure Mühe es
erfordert, solch einen Urwaldriesen zu fällen, zu entrinden und mittels
Feuer und Hacken Splitter für Splitter auszuhöhlen, dann wird man einen
hohen Respekt vor der Arbeitskraft dieser Eingeborenen bekommen. Zu
berücksichtigen dabei ist noch, daß sich nur das härteste Holz und nur
Stämme dazu eignen, die ohne Äste und Fehler sind.

Als wir endlich alle im Boote untergebracht waren und unter dem
gleichmäßigen Takt eines Gongs und dem Jubelgesang der Ruderer, die
stromabwärts leichte Arbeit hatten, wie ein Pfeil über die Wasserfläche
dahinflogen, da pochte mein Herz laut im stolzen Hochgefühl und
der Gewißheit, endlich meine Träume erfüllt zu sehen. An einer
Anzahl Dörfer vorüber, deren Einwohner beim Passieren unseres Kanus
neugierig ans Ufer eilten, gelangten wir nach etwa zweistündiger
Fahrt zur Mission St. Gabriel de Sacré Coeur, deren Patres uns aufs
liebenswürdigste bewillkommneten und über Mittag zu Gast baten.

Der Pater Gabriel war ein äußerst jovialer Franzose, der uns über
die Anfänge seiner Mission und die tausenderlei Gefahren und
Schwierigkeiten, unter denen er zu leiden hatte, berichtete. Sein
Gefährte Pater van Dussen hatte uns an der Landungsstelle empfangen
und durch sein gespenstisches Aussehen einen für immer unvergeßlichen
Eindruck auf mich gemacht. Man stelle sich ein weit über das normale
Maß hinausreichendes Skelett in einer ebenso langen weißen Soutane
vor, darüber einen Bart, der nach allen Seiten in noch nie gesehener
Üppigkeit wucherte, und zwei kolossale, schwarze Augengläser, die den
Rest des gerunzelten, bis zu den Knochen abgemagerten, fahlen Gesichtes
völlig dem Beschauer entzog, da der übrige Teil desselben durch den
großen, breitrandigen Tropenhut vollkommen verdeckt wurde. Er war schon
sehr alt, der ehrwürdige Pater, und wußte viel Interessantes über
seine Erlebnisse in Südamerika, wo er viele Jahre bis zur Verstoßung
der katholischen Mission geweilt hatte, zu berichten. Still ergeben
in sein Schicksal, hatte er hier kurz vor seinem Lebensabend einen
neuen Wirkungskreis gefunden. Im übrigen waren beide äußerst vergnügt,
Gesellschaft auf ihrer einsamen Station zu erhalten, und überboten
sich trotz der bescheidenen Mittel, die ihnen zur Verfügung standen,
in ihrer Gastfreundschaft. Aus ihren Erzählungen erfuhren wir, daß vor
einigen Tagen zwei Missionsmädchen von großen Affen, die alljährlich
aus dem Innern an die Flußufer kommen, geraubt worden waren. Nach den
Schilderungen dürften es Gorillas oder Schimpansen gewesen sein. Als
Pater Gabriel sich mit einigen Soldaten auf die Verfolgung machte und
auf eines der Tiere schoß, ließ es das Mädchen von der Höhe fallen.
Dieses lebte noch, hatte jedoch infolge des Sturzes derartige innere
Verletzungen davongetragen, daß es binnen einigen Stunden starb. Die
anderen hatten mit dem zweiten Mädchen unter furchtbarem Brüllen das
Weite gesucht und konnten in dem tiefen Morast nicht weiter verfolgt
werden.

Nach herzlichem Abschied verließen wir gegen drei Uhr nachmittags Le
Sacré Coeur und fuhren weiter stromabwärts. An den Flußufern fanden
wir keine weiteren Dörfer vor. Dagegen wurden aus dem grünen Vorhang
des Waldes, der alles Lebende dahinter unserem Auge verhüllte,
langgezogene Töne und Ausrufe hörbar, die von Mustapha beantwortet
wurden. Eingeborene boten uns alle möglichen Gegenstände, darunter auch
Sklaven und Sklavinnen, zum Kaufe an. Der Sklavenhandel ist hier unter
den Suaheli noch in vollem Betrieb. Sklaven bilden den eigentlichen
Reichtum der Neger und werden gerade so wie andere verkäufliche
Gegenstände verhandelt.

Meine Unterhaltung mit Janssen verstummte allmählich, und ich gab mich
ganz der weihevollen Stimmung hin, die am Spätnachmittag über dem
Strom lag. Meine Sinne öffneten sich all dem Neuen, das sich mir hier
erschloß. Meine Blicke schweiften von dem vor mir trommelnden Mustapha,
dessen Wiege wahrscheinlich im fernen Osten in Sansibar gestanden
hat, und der so wie ich durch Schicksalsfügung mitten unter die
raubgierigsten aller Völker Innerafrikas verschlagen war, hinüber zu
den muskulösen, schweißtriefenden Gestalten unserer Ruderer. Das Auge
weidete sich an dem prächtigen Anblick dieser jungen lebenstrotzenden,
braunen Körper, die die Ruder mit taktmäßigem, wuchtigem Schlag durch
das glitzernde Wasser führten. Unwillkürlich blieb mein Blick an einer
der schmalen, feingeformten Hände hängen, dieser Rassenhand, die
ebensogut das Messer zückt, um das ungetreue Weib zu töten, als den
meuchlings niedergestreckten Feind in Stücke zu teilen, um ihn tief im
Innern der Urwälder, bis wohin die Gesetze der Europäer nicht reichen,
mit den Gefährten aufzufressen.

Wohin das Auge blickt, überall spielt sich der gleiche Kampf des
Schwachen mit dem Mächtigeren ab; es ist ein beständiger Streit
zwischen Sein und Nichtsein. Tief aus dem Gewirr von Bäumen und
stacheligen Pflanzen tritt unbemerkt ein kleines, schmächtiges
Keimchen hervor. Gleich einer Schlange schmiegt und ringelt es sich am
gewaltigen Stamme hinauf dem Licht der Sonne zu, die es zu neuem Leben
entfacht und ihm Kraft verleiht. Bald streckt es tausend Fühler aus,
die gleich Parasiten ihren Ernährer umarmen und von dessen Herzblut
leben. Einmal ans volle Licht gelangt, entwickelt das Pflänzchen ein
riesiges Laubgewinde und stößt Tausende von neuen Trieben aus, die
von den Baumkronen der höchsten Riesen bis zur Erde reichen. Mit
den Jahren werden sie so mächtig, daß sie ihren Ernährer in ihren
kraftvollen Armen ersticken und durch ihre eigenen Blätterranken des
notwendigen Lichtes berauben, bis ein Tornado Sieger und Besiegten zu
Boden schleudert.

[Illustration: Budjas-Frau.]

An schlanken ~Elais~palmen, an herrlichem Urwald vorüber, aus
dessen Tiefen uns ein aromatischer, die Sinne bestrickender Duft
entgegenströmte, glitt unser Boot. Hier flogen unter lautem Geschnatter
ein paar Enten auf, dort stürzte ein Fischadler auf seine Beute, wieder
kamen wir an Scharen schlafender Fledermäuse vorbei, die in Klumpen wie
reife Früchte an irgendeinem vollständig kahlen Baume hingen. Alles war
meinem freudetrunkenen Auge so neu und ungewohnt und versetzte mich in
einen völligen Taumel von Entzücken.

Bei einbrechender Dunkelheit erreichten wir unsere erste Etappe,
die englische Mission in Jakussi, und wurden daselbst von Sir Roger
und Mr. Williams auf das liebenswürdigste aufgenommen. Besonders
freudig überraschte es uns, in der Gattin unseres Gastgebers eine
reizende, anmutige Engländerin in dieser unwirtlichen Gegend
Innerafrikas kennenzulernen. Da wir der englischen Sprache mächtig
waren, verging der Abend in sehr vergnügter und angenehmer
Unterhaltung. Die Missionare erzählten von den Leiden und Freuden ihres
weltabgeschiedenen Lebens, während Mrs. Roger fünf bis sechs reizende
Mulattinnen im Alter von acht bis zwölf Jahren um sich versammelt
hatte und in die Geheimnisse der Näharbeit einweihte. Nach langer
Zeit schlief ich wieder einmal in weichen Federbetten in einem mit
europäischem Komfort eingerichteten Zimmer. Am anderen Morgen war alles
in großer Aufregung; ein Leopard war in der Station gewesen und hatte
einen der großen Hunde weggeholt.

[Illustration: Bambala-Mann.]

Frühmorgens verließen wir Jakussi, um unsere Reise stromabwärts
fortzusetzen. Nach dreistündiger Fahrt gelangten wir am rechten Ufer an
die erste arabische Niederlassung des Häuptlings Rumbee, der nach den
Aufzeichnungen unseres Vorgängers unser Hauptreislieferant war und für
uns 200 Sack auf Lager haben sollte. Dieser hatte, des langen Wartens
überdrüssig, seinen ganzen Vorrat bereits an den Staat abgegeben, so
daß wir das Nachsehen hatten. Wir bezahlten unsere alten Schulden und
erreichten endlich nach vielem Hin- und Herparlamentieren, daß er uns
versprach, Ende des nächsten Monates 200 Sack Reis nachzuliefern. Da
sich nach Mustaphas Aussagen auf dieser Seite des Stromes noch mehrere
Araberansiedlungen vorfanden, sandten wir unser Boot stromabwärts
voraus und gingen selbst zu Fuß durch die bald größeren, bald kleineren
Reisplantagen. Die Ansiedlungen der Suaheli zeichnen sich durch ihre
großzügige Anlage und ihre Reinlichkeit aus. Die Bauten sind in Pise
(Gerippe aus Holz, Aufbau aus einem Gemisch von Lehm und Termitenerde)
ausgeführt und gewöhnlich weiß, hellblau oder auch rosa getüncht.
Solch ein Gebäude besteht aus dem Frontbau mit Vorhallen und den
Schlafgemächern, an welche sich eine Hecke anschließt, die den Hof
und die Wirtschaftsgebäude umzäunt. In dem letzteren befinden sich
die Küche, Vorratskammer sowie Schlafgemächer für die unmittelbare
Hausdienerschaft. Der dazwischenliegende Hof dient zum Aufenthalt der
Frauen und des Geflügels. Die Wohnungen der Häuptlinge sind ebenso
gehalten, nur entsprechend größer und besitzen als besondere Merkmale
eine Säulenhalle oder eine schwere, mit eingeschnitzten Schriftzeichen
verzierte Tür. Bei wundervoll schönem Wetter machten wir einen
Spaziergang durch die verschiedenen Plantagen von Mais, Maniok,
Bananen, Yam, Bohnen und Reis, die die Suaheli am Flußufer entlang
angelegt hatten. Aus allen Türspalten, Nischen und über Hecken hinweg
lugten kleine Hausfrauen.

[Illustration: Wabongo-Mann.]

Beim letzten dieser Dörfer bestiegen wir wieder unser Boot und ließen
uns auf das linke Flußufer übersetzen, um dem Oberhäuptling von
~Romée~ Mansuri Ben Said, der über 15000 Suaheli gebietet, einen
Besuch abzustatten. Der alte Häuptling war vor kurzem gestorben, und
wir wurden daher von seiner ehemaligen Favoritin und ihrem Sohne,
seinem Nachfolger, empfangen. Wir zahlten auch hier alte Schulden
ab, hatten aber Mühe, ihn zu neuen Geschäften zu bewegen, da er mit
den Abgaben an den Staat im Rückstand war und fürchtete, seine Waren
würden in Stanleyville beschlagnahmt werden. Schließlich versprach er
uns für den nächsten Monat 500 Sack Reis und stellte uns auch einige
schwere Elfenbeinzähne in Aussicht. Wir hatten nunmehr unsere Arbeiten
erledigt und traten die Heimreise an. Jetzt lernten wir die Kehrseite
einer Kanufahrt kennen. Solange das Boot mit der Strömung fährt, geht
die Sache vorzüglich, stromaufwärts jedoch ist es eine andere Sache.
Schritt für Schritt, träge und faul schleicht das Boot trotz vermehrter
Arbeitskraft am Ufer entlang, jeder Meter vorwärts wird der Strömung
unter Aufbietung aller Kräfte abgerungen. Unsere Ruderer waren in
Schweiß gebadet, das fröhliche Singen hatte einer unwilligen und
mürrischen Stimmung Platz gemacht.

Langsam versank die Sonne als leuchtender Feuerball am Firmament. Große
Fledermäuse, Vampire und anderes nächtliches Getier huschte mit dunklen
Schwingen über die Wasserfläche, irgendwo in der Ferne heulte ein
Schakal jämmerlich. Zum Quaken der Frösche gesellte sich ein Orchester
von Baumgrillen und hundert anderen Insekten, die an dem nächtlichen
Konzert teilnahmen. Die Dunkelheit brach herein, und es begann langsam
zu regnen, so daß wir froh waren, endlich beim Häuptling Rumbee noch
kurz vor Ausbruch eines Orkans Unterschlupf zu finden. Meine Leute
hatten kaum genügend Zeit, den erstbesten Negerchimbeque (Hütte)
für Janssen und mich mit Beschlag zu belegen und dessen Einwohner,
primitive Bassengi, hinauszutreiben, als auch bereits ein wahrer
Wolkenbruch über uns niederging. Dazu war die armselige, niedrige
Hütte noch derartig mit Rauch angefüllt, daß wir uns trotz des Feuers
kaum sehen konnten. Unsere Boys hatten jedoch inzwischen alle unsere
Siebensachen aus dem Boote hierher ins Trockene gebracht, und es blieb
uns nichts übrig, als hier zu übernachten.

[Illustration: Wabongo-Frau.]

Rumbee war inzwischen von Mustapha von unserer Ankunft benachrichtigt
worden und ließ uns nach Ablauf des ersten Regenschauers zu sich
entbieten. In der großen Empfangshalle seines Palastes waren zwei
mit Leopardenfellen behangene Lehnstühle für uns beide hergerichtet
worden, während Rumbee mit dem Kreis der Seinen auf Matten und kleinen
Bambusschemeln lagerte. Im Hintergrunde spielte eine aus Sansibar
stammende Hauskapelle, bestehend aus drei Mann, die verschiedenartig
gestimmte Tamtams schlugen und wirbelten, und zwei Frauen, die als
Sängerinnen fungierten. Außer diesen trat noch ein Bauchpfeifer als
Sonderkünstler auf, der bald eine Kriegstrompete nachahmte, bald wie
eine wütende Bestie fauchte, zischte und die unglaublichsten Töne
hervorbrachte. Diese kleine Künstlerschar spielte und sang während
einiger Stunden eine ganze Reihe von Kampf- und Schlachtliedern, unter
anderen auch den berühmten »Unsterblichkeitsgesang« der Mohammedaner,
den Rumbee für gewöhnlich den »Ungläubigen« nicht vorzuführen pflegte.
Ich glaube gern, daß die Araber, durch den Sirenengesang schöner
Frauen und die Verheißungen eines paradiesischen Lebens im Jenseits
angefeuert, mit Todesverachtung in den Kampf ziehen.

Dieses nächtliche Konzert inmitten einer fanatischen Bevölkerung auf
der durch Pechfackeln nur spärlich beleuchteten »Barza« (eine Art
Vorhof oder überdeckte Veranda) machte auf uns beide einen sehr starken
Eindruck. Um uns für die liebenswürdige Überraschung erkenntlich zu
zeigen, ließ Janssen aus unseren Vorräten eine Anzahl Perlenschnüre,
Ringe, Armbänder und allerlei Zierat durch Mustapha dem Häuptling
überreichen. Dieser erhob sich nunmehr und, in rhythmischen Bewegungen
der Musik folgend, die von kreischendem »Allah«-Geschrei der ganzen
Menge begleitet wurde, überreichte unsere Geschenke den Spielern.
Das uns zu Ehren gegebene Fest hatte seinen Höhepunkt erreicht;
einige weitere Gongschläger und Sängerinnen hatten sich der Gruppe
angeschlossen und vollführten einen infernalischen Spektakel.

Janssen hatte durch Mustapha verschiedene Male andeuten lassen, daß
wir gerne Haremsfrauen tanzen sehen möchten. Anfänglich weigerte
sich Rumbee sehr entschieden, doch gegen Mitternacht konnte er sich
unseren Bitten nicht länger verschließen und ließ uns durch Mustapha
bedeuten, wir möchten uns verabschieden. Sobald wir uns erhoben hatten,
zerstreute sich die versammelte Menge und begab sich zur Ruhe. Wir aber
wurden nach kurzer Zeit von Mustapha durch eine kleine Seitenpforte in
eine geschlossene Halle geführt, in die man unsere Stühle sowie Matten
und Felle für Rumbee und einige seiner ganz Intimen hinübergebracht
hatte.

War vorher vor dem Gefolge nur Tee und feiner englischer Biskuit
herumgereicht worden, so bedeutete Mustapha uns jetzt, daß wir uns
ohne weiteres Champagner und Liköre servieren lassen könnten. Rumbee
gab einem seiner Diener ein Zeichen, und dieser kehrte kurz darauf mit
einer versiegelten Flasche Ananaslikör zurück.

Die Sansibariten hatten ihre großen Gongs mit Saiteninstrumenten
und einem kleinen Gong vertauscht, und kurz darauf erschienen sechs
blühende junge Haremsfrauen, über und über mit Zierat behangen, der wie
ein Schuppenpanzer vom Hals bis zum Busen reichte und diesen teilweise
bedeckte. Hüfte und Leib waren vollständig entblößt und wiegten und
wanden sich in rhythmischen Bewegungen in vollendeter Grazie nach dem
Takte der Musik, bald in tollem, sinnenberückendem Wirbel, bald in
vornehmer majestätischer Ruhe. Auch hier verabreichten wir Geschenke
in Form von allerlei Zierat und golddurchwirkten »=Pagnes=«
(Schürzen), welche die reizenden Geschöpfe in sichtlich kindlicher
Freude aus den Händen Rumbees entgegennahmen. Meine entzückten Augen
konnten sich nicht sattsehen an dem wundervollen Glanz der lachenden
Kinderaugen, deren Ausdruck durch die langen Wimpern und schwarzen
Brauen nur noch mehr gehoben wurde, an den blendend weißen Zähnen, die
wie Perlenreihen aus den halb geöffneten Lippen hervorlugten, an den
feingeschwungenen Lippen und Gesichtszügen, an den zarten, schmalen,
rassigen Händen und Füßen und endlich an dem jungfräulichen und doch
wieder kräftigen Körper, der berückend schön in jeder Bewegung uns
seine Reize offenbarte. Nachdem wir zum Schlusse noch den üblichen
Bauchtänzen beigewohnt hatten, schieden wir von Rumbee und begaben uns
in unsere primitive Behausung, wo ich mich auf das harte Bambuslager
legte und von dem Harem träumte, während Janssen noch lange vor der
Tür lauerte, da er behauptete, eines der jungen Mädchen habe ihn
bedeutungsvoll angeblinzelt und mit der Hand zugewinkt.

Ich mochte kaum eine Stunde geschlafen haben, als mir plötzlich etwas
über den bloßen Arm und das Gesicht hinweglief. Mit einem Satz war
ich aufgesprungen und lauschte ins Dunkel hinein. In der Hütte um
mich herum ertönten unheimliche Laute wie das Gepiepse von Ratten und
Mäusen, die erschreckt die Flucht ergriffen. Ein fernes Brausen drang
vom Fluß herauf, in wilder Jagd sausten unbekannte Geschöpfe über
Geräte hinweg, die Wand der Hütte hinauf und wieder hinab. Über mir
mußte irgendeine große Fledermaus umherfliegen, denn ganz deutlich
konnte ich das Klappen der Flügel hören und den leichten Luftzug, den
das Tier hervorbrachte, wenn es sich mir näherte, fühlen. Ich wollte
Licht machen, doch versagten die Zündhölzer, die durch den Regen naß
geworden waren. Nun suchte ich, mit der Hand vorsichtig tastend, in der
Dunkelheit nach einem Prügel und erwischte schließlich einen Knochen,
der meinen Zwecken dienlich schien. Nicht ahnend, welche Art Knochen
ich da erfaßt hatte, schlug ich damit an die Bettkante und verschaffte
mir so wenigstens für einige Minuten Ruhe. Ich ergriff mit der anderen
Hand das Oberende, und ein Grauen überfiel mich. Der Knochen, den
ich in der Hand hielt, stammte vom Oberschenkel eines Menschen. Eine
Täuschung war unmöglich, kein Tier hat derartig geformte Knochen. Ein
eiskalter Schauer fuhr mir den Rücken hinab, der Angstschweiß stand mir
auf der Stirn. Bei diesem Zeugnis von Kannibalenmahlzeiten wurde mir
klar, warum die beiden Bassengi vorhin wie aufgescheuchte Bestien aus
der Hütte geflüchtet waren und sich nicht mehr blicken ließen.

Raschelnd kam über die trockenen Blätterwände der Hütte wieder allerlei
Getier angelaufen. Ratten und Mäuse stöberten unter altem Hausgerät
nach Speiseresten. Aus unmittelbarer Nähe ertönten schaurige Rufe und
Schreie in die stockfinstere Nacht, wie von einem Kind herrührend,
das man langsam hinmordet und an dessen Qualen sich jemand weidet.
Dazwischen vermeinte ich wieder flüsternde Stimmen zu vernehmen. Die
Nacht war lebendig um mich, ich war von einer Schar unsichtbarer Feinde
umgeben. Ganz deutlich fühlte ich etwas an dem Bambus unter meinem Kopf
heraufkriechen. Sollte es eine jener gehörnten Vipern sein, die nachts
in die Hütten der Eingeborenen kommen und Jagd auf Ratten und Mäuse
machen? Man hatte mich vor dieser furchtbarsten aller Schlangen, deren
Biß qualvolle Schmerzen verursacht und unbedingt tödlich ist, gewarnt.
Die Beine hochgezogen, die schützende Decke gleichsam als Schild vor
dem vor Grauen in Schweiß gebadeten Körper haltend, kauerte ich auf
meiner Pritsche und starrte in das unheimliche Dunkel, in der Rechten
den Menschenknochen haltend und bereit, mit ihm alles zu erschlagen,
was in meine Nähe kam.

[Illustration: Baluba-Frau.]

Mein erstes am folgenden Morgen war, nach den beiden Bassengi zu
forschen. Diese hatten Reißaus genommen und blieben unauffindbar.
Mustapha bestätigte mir, daß der gefundene Knochen ein Menschenknochen
sei. Beim Durchstöbern der Hütte fand sich noch eine ganze Anzahl
vor, eine Tatsache, die ihn nicht im geringsten wunderte, da die
Eingeborenen im Innern, am Fluß Lindi entlang, bekanntlich Kannibalen
sind.

[Illustration: Upoto-Mann.]

Bei Tagesanbruch setzten wir unsere Reise stromaufwärts fort, um
eine möglichst lange Strecke vor Beginn der großen Sonnenhitze
zurückzulegen. Wir mochten ungefähr drei Stunden unterwegs sein, ohne
daß sich irgend etwas Nennenswertes ereignet hatte, als plötzlich in
unmittelbarer Nähe eine Leiche vorbeitrieb. Beine und Hüften ragten
aus dem Wasser, waren vollständig weiß und zeigten bläuliche Tupfen.
Mustapha erklärte, daß dies die Leiche eines Negers sei, die nach
längerem Liegen im Wasser die Hautfarbe verändert. Ungläubig und
mißtrauisch diskutierte ich mit Janssen die Frage, als plötzlich
in kurzer Reihenfolge hintereinander fünf bis sechs Leichen gerade
in unserer Fahrtrichtung angeschwommen kamen. Nunmehr ernstlich
beunruhigt, was dies zu bedeuten habe, ließen wir einen dieser
Leichname mit dem Bootshaken drehen und überzeugten uns nun an den
wulstigen Lippen und überhaupt an dem Gesichtsausdruck, daß der Tote
tatsächlich ein Neger war. Wir hatten bereits gefürchtet, daß während
unserer Abwesenheit in Stanleyville die Soldaten oder Araber gemeutert
und sämtliche Europäer ins Wasser geworfen hätten. Mustapha erklärte
das Vorkommen der vielen Leichen damit, daß die Eingeborenen der
Fischerdörfer stromaufwärts ihre Toten nicht begraben, sondern sie
einfach dem Flusse anvertrauen. Gegen drei Uhr nachmittags kamen wir,
immer stromaufwärts fahrend, an die Mündung des Lindiflusses, welches
Gebiet uns kurz vorher vom Distriktskommissar als Arbeitsfeld für die
Gewinnung von Kautschuk freigegeben war.

Laut Bericht von Mustapha hatten weder die »S. A. B.« (=Société
Anonyme Belge=, kurz S. A. B. genannt), noch die »Belgika«, unsere
beiden Konkurrenten, es bisher gewagt, dieses Gebiet zu betreten, da
erst kürzlich zwei staatliche Offiziere, die die Eingeborenen zwingen
wollten, Elfenbein vom Innern an das Flußufer zu bringen, von ihnen
erschlagen und die im Schlafe überfallenen Begleitsoldaten aufgefressen
worden waren. Eine sofort entsandte Expedition hatte zwar ein
furchtbares Blutbad unter den Kannibalen angerichtet und die Stämme,
die nunmehr versprachen, Kautschuk zu liefern, völlig unterworfen, doch
traute keiner einstweilen den friedlichen Gesinnungen der Bevölkerung.

Wir rekognoszierten nun ein wenig das Terrain an der Mündung des
Flusses und liefen eine Landungsstelle, an der wir einige verlassene
Boote sahen, an. Einige im Gebüsch verborgene Eingeborene kamen auf
wiederholtes Anrufen herbei und erboten sich, uns nach dem einige
Stunden im Innern entfernt gelegenen Dorfe zu führen. Da aus ihren
Gesprächen hervorging, daß die Eingeborenen friedlich waren und bisher
Kautschuk als Steuer an den Staat geliefert hatten, beschloß Janssen
sofort, womöglich schon im Laufe der Woche eine Erkundigungsreise von
diesem Dorfe aus nach dem oberen Laufe des Lindis zu unternehmen.

Gegen sechs Uhr abends, bei einbrechender Dunkelheit, kamen wir bei
der katholischen Mission St. Gabriel an, und ich schlug Janssen vor,
hier zu übernachten, da der Himmel im Verlaufe des Nachmittags sich
immer mehr umwölkt hatte und jetzt ein drohendes Aussehen erhielt.
Janssen wollte jedoch um jeden Preis nach Stanleyville zurückkehren,
und wir fuhren weiter. Stunde um Stunde verging, leichte Windstöße
kamen von allen Seiten und kündeten das Nahen des Tornados an. Die
Dunkelheit war inzwischen völlig hereingebrochen. Alle Augenblicke
fuhr unser Kanu auf unter dem Wasserspiegel treibende Baumstämme auf
und konnte nur mit Mühe losgemacht werden. Als das Sausen und Krachen
kolossaler Bäume über uns immer heftiger wurde, ersuchte ich Janssen
bei der nächsten Strombiegung, ungefähr eine Stunde unterhalb unserer
Faktorei, den Strom zu überqueren, da dies vielleicht später nicht
mehr möglich sei. Wir hatten noch kaum die Mitte des hier ungefähr
800 Meter breiten Stromes erreicht, als plötzlich der Tornado mit
voller Wucht über uns hereinbrach. Ein Regenschauer, von Windstößen
zu ungeheurer Wucht angefacht, zerschmetterte das Schutzdach über
unseren Köpfen und begrub uns unter den Trümmern. Mustapha und der Boy
hieben mit ihren langen Haumessern über unseren Köpfen die Stützen
nieder, und unseren vereinten Bemühungen gelang es, das Dach, das dem
Orkan eine Angriffsfläche bot und unser Verderben hätte werden können,
über Bord zu werfen. Da stürzte einer der Ruderer über den Rand des
schwankenden Bootes. Gellend hallten die Hilferufe in die schaurige,
von grellen Blitzen durchzuckte Nacht hinein, übertönt vom Höllenlärm,
in dem sich der Schlag auf Schlag herniederdröhnende Donner mit dem
Tosen des Sturmes und dem Prasseln der herabfallenden Wassermassen
mischten. An Rettung war nicht zu denken. Ein Drehen des Bootes wäre
gleichbedeutend mit unser aller Untergang gewesen. Also vorwärts, mit
allen Kräften vorwärts, dem schützenden Ufer zu. Die Ruderer, die im
ersten Augenblick der Überraschung völlig den Kopf verloren zu haben
schienen und die Befehle Mustaphas nicht beachteten, erkannten jetzt
die ungeheure Gefahr, in der wir uns alle befanden, und ruderten für
ihr Leben.

Indessen führten die losgelassenen Elemente einen wahren Hexentanz
um uns auf, alle Dämonen der Hölle schienen entfesselt und sich
mit den wilden Göttern »Kilimas«, des Urwaldes, zu schlagen. Das
Ächzen und Stöhnen der vom Wirbelwind erfaßten tausendjährigen
Baumriesen, das Krachen und Splittern der zu Tode getroffenen und
übereinanderstürzenden Laub- und Holzmassen fand in unserem Gemüt
hundertfachen Widerhall und brachte uns zum Bewußtsein, wie unendlich
wenig unser jämmerliches Leben zu bedeuten hat.

Janssen stöhnte, jammerte und schrie erbärmlich. Die Hände vor das
Gesicht geschlagen, heulend, Gott und alle Heiligen zum Schutze
anrufend, kniete er vor mir, ein Bild des Elends, eine Jammergestalt.
Den Tod beständig vor Augen, die Beine bis zu den Knien im Wasser,
saß ich neben ihm, meine innere Erregung gewaltsam beherrschend und
kein Wort der Klage über die Lippen bringend. Dem Beispiel Mustaphas
folgend, ergriff ich meinen Tropenhelm und schöpfte mit ihm das Wasser
mechanisch aus dem Boote. Ein kräftiger Stoß vorn am Bug, durch den
zwei Ruderer, die das Gleichgewicht verloren hatten, ins Wasser
geschleudert wurden, zeigte uns an, daß wir endlich das andere Ufer
erreicht hatten, und alle Mann klammerten sich mit Leibeskräften
an Äste, Zweige und Büsche. Erschlug uns jetzt nicht einer der
niederstürzenden Baumriesen, dann waren wir gerettet, da die Wucht des
Orkans uns unter dem schützenden Laubdache nicht mehr viel anhaben
konnte. Hier lagen wir wohl eine Stunde, die für uns alle, die wir
vom Kopf bis zu den Füßen durchnäßt waren, zu einer Ewigkeit wurde.
Gegen Mitternacht langten wir in unserer Faktorei, von den durchlebten
Strapazen völlig erschöpft, an und ließen uns sofort heißen Tee und
Chinin geben, um schweren Krankheiten vorzubeugen.




          Das Leben auf der Faktorei. Zwei Leopardenbesuche.


Die Bevölkerung des Distrikts, mit dem wir in Handelsverbindung
standen, bildet drei ganz verschiedene Gruppen: die Araber und
deren Abkömmlinge, die Suaheli, aus Kreuzungen der ersteren mit den
Eingeborenen hervorgegangen, die Bakeniens, ein Fischervolk, das
seine Dörfer unmittelbar am Kongofluß hat und sich ausschließlich dem
Fischfang widmet und uns zeitweise Ruderer zur Verfügung stellte, und
die Bakumu, von unseren Leuten Bassengi genannt, deren Dörfer im
Innern des Landes liegen und die Hauptproduzenten von Kautschuk sind.

Die meisten hier ansässigen Araber stammen aus Sansibar. Sie sind
Kaufleute großen Stils und haben den Elfenbeinhandel geradezu
monopolisiert. Die Bemittelten unter ihnen, die über eine größere
Anzahl Sklaven verfügen, sind vornehmlich Pflanzer von Reis, Tabak,
Maniok, Zwiebeln, Kaffee sowie allen anbaufähigen Nahrungsmitteln.
Diese Pflanzungen repräsentieren bereits nach verhältnismäßig kurzer
Zeit einen großen Wert.

Die zwangsweise angesiedelten Araber sind zumeist Kriegsgefangene oder
Leute, die dem Staate bei der Okkupation am oberen Nilflusse mit der
Zeit lästig und infolgedessen einfach nach hier deportiert wurden. Die
Terrains für Ansiedlungen und Plantagen wurden ihnen frei zur Verfügung
gestellt. Dafür haben sie monatlich gewisse Abgaben an die Station in
Form von Naturalprodukten oder Baumaterialien zu entrichten. Die Leute
handeln mit allem -- vom Ei angefangen bis zu den Sklaven.

Die Araber stehen als Kulturvolk inmitten der wilden Völkerschaften
Zentralafrikas unstreitig auf der höchsten Stufe, und ihr moralischer
sowohl als ihr physischer Einfluß auf die umgebenden Völkerschaften
reicht unendlich viel weiter als der des europäischen Eroberers.
Während der Europäer bisher in egoistischer Selbstherrlichkeit in
erster Linie nur den eigenen Komfort und die rücksichtslose Ausbeutung
der eingeborenen Bevölkerung im Auge hat, wirkt der Araber als wahrer
Kulturfaktor unter ihnen. Um eine Stufe tiefer stehend als der
Europäer, siedelt er sich mitten unter der Bevölkerung an. Die sauberen
kleinen Gebäude aus Lehm sind leichter von den Eingeborenen nachzuahmen
als die solideren Wohnhäuser der Europäer. Das blendend weiße Hemd,
das fast bis auf den Boden reicht, und der weiße Turban auf dem Kopf,
die Bekleidung der Araber und Suaheli ist weniger kompliziert als die
Tracht der Europäer und überdies viel praktischer für diese heißen
Gebiete. Die Anschaffung beider Kleidungsstücke ist zudem bedeutend
billiger als die von uns eingeführten gelb und dunkel karierten Hosen.
Es nimmt mich daher nicht wunder, daß selbst die Boys der Europäer, die
überall sonst im Kongo den Europäer in der Kleidung nachahmen, hier in
Stanleyville mit Vorliebe die Suaheli-Tracht annehmen.

Ein Umstand, der mir nach Berührung mit all den vielen heidnischen
Negervölkern beim Verkehr mit den Suaheli ganz besonders ins Auge
fiel, war ihre Frömmigkeit: sie sind Mohammedaner. Bei Sonnenuntergang
verlassen die Gläubigen ihre Arbeit, waschen Hände und Füße und knien
dann vor ihren Häusern auf Matten und Teppichen, das Angesicht gen
Osten gewendet, um ihr Gebet zu verrichten, wobei sie sich soundso
oftmals bis auf den Boden verneigen.

Die Bakeniens sind ein robustes Fischervolk, das unsere Tafel
regelmäßig mit Fischen aller Art sowie kleinen Krabben, nach unseren
europäischen Begriffen zu spottbilligen Preisen, versorgte. Als ganz
besondere Delikatesse bleibt mir die Fisch-Moambe, eine Art Fischpökel,
aus Kongosalm und Palmenkernen hergestellt, in Erinnerung, ein Gericht,
an das unser feinstes Fischpökel bei weitem nicht heranreicht.

Die Bakumu oder Bassengi gehören zu den primitivsten Stämmen
Zentralafrikas. Ihre Dörfer liegen tief versteckt inmitten des großen
Urwaldes und sind von hohen Palisaden umgeben, an deren Spitzen die
Schädel der von ihnen getöteten und aufgefressenen Feinde stecken. Von
Kind auf an den beständigen Kampf mit dem Nächsten und den Raubtieren
des Waldes gewöhnt, ist der Bakumu ein moralisch unentwickeltes
Geschöpf, das einzig und allein das Recht und die Macht des Stärkeren
anerkennt. Ganz unverständlich sind ihm Gesetze, die ihm verbieten, das
ungetreue Weib mit eigener Hand zu töten oder den niedergeschlagenen
Feind zu verzehren. Wie ein Kind schmückt er sich mit Perlen und
Zierat oder ergibt sich dem Tanze, um im nächsten Augenblick den
vermeintlichen Nebenbuhler hinterrücks zu erschlagen. Er kennt keinen
Unterschied zwischen Leben und Tod, zwischen Gutem und Bösem, und seine
Blutgier ist unersättlich.

Langer Jahre Arbeit und verschiedener blutiger Kämpfe bedurfte es, um
diese Völker zur Einsicht zu bringen, daß der Europäer ihr Gebieter
ist. Zur Zeit meines Aufenthalts war die Region so weit befriedet, daß
wir bis zu fünfzig Kilometer zu beiden Seiten des Flusses ins Innere
unseren Geschäften nachgehen konnten. --

Während der nächsten Zeit wurden wir vom Bau unserer Faktorei und dem
Handel mit den aus dem Innern herbeieilenden Karawanen vollständig in
Anspruch genommen. Unsere schwarzen Schreiber sandten wir mit einem
kleinen Kanu stromabwärts, um die in den Dörfern stationierten Capitas
einzuberufen.

Aus Brazzaville hatten wir keinerlei Instruktionen mitbekommen.
Entweder glaubte man, daß unser Vorgänger alle Arbeit ordnungsgemäß
erledigt hatte, oder man vertraute unserer Findigkeit, selbst das
Richtige zu treffen. Hacken, Haumesser, Nägel und eine große Säge waren
vorhanden, und mit diesen primitiven Behelfen machten wir uns sofort an
die Arbeit, um uns die mangelnde Wohnung und Einrichtung zu schaffen,
wenn es mir auch vorderhand noch ein Rätsel blieb, wie wir uns die
fehlenden Türangeln und Fensterscharniere herstellen sollten.

All das Neue um uns her, die Sprache, Sitten und Gebräuche der fremden
Völkerstämme, die hunderterlei Probleme, die der Bau einer Faktorei uns
zu lösen gab, nahmen all unser Sinnen und Denken derart in Anspruch,
daß wir keine Zeit hatten, an unser früheres Leben, das hinter einem
dichten Schleier in unerreichbarer Ferne lag, zu denken. Frühmorgens
1/2-6 Uhr mit der »Reveille«, die am gegenüberliegenden Ufer geblasen
wurde und durch die stille Nacht über das Wasser so klar zu uns
herübertönte, als stamme sie von unserer eigenen Schildwache innerhalb
der Faktorei, erschien mein verschlafener Boy Mossamba, um Tür und
Läden zu öffnen und mir das Waschwasser in einem Emailgeschirr auf
eine umgestülpte Kiste zu stellen. Während ich mich wusch und anzog,
verschwand er, um seinerseits unten am Flußufer Toilette zu machen.
Punkt 6 Uhr wurde durch dreimaliges Trompetensignal »Appell« geblasen,
worauf auf unserer Seite das Dröhnen und Wirbeln des Gongs antwortete
und bekanntgab, daß auch wir mit der Arbeit begannen. Anfangs kamen
unsere Arbeiter träge und mißmutig, in ihrem Schlafe gestört zu sein,
in langen Abständen daher. Der Schreiber hatte offenbar in Abwesenheit
unseres Vorgängers die Disziplin nicht strenge gehandhabt und die Zeit
nicht genau eingehalten. Dies mußte sofort anders werden. Janssen nahm
die Zügel kräftig in die Hand und hielt an die Leute eine Ansprache,
deren Sinn Mustapha in Form kurzer Befehle den Suaheli mitteilte.

[Illustration: Arbeitsappell.]

Als vornehmste Verhaltungsmaßregel des Europäers dem Personal und
überhaupt dem Neger gegenüber gilt, daß er vom ersten Augenblick an
den Leuten mit aller Energie und Entschiedenheit entgegenzutreten hat.
Der Neger beugt seinen Nacken und erkennt nur denjenigen als seinen
Herrn an, den er fürchtet und der imstande ist, jede aufkommende
Neigung zur Auflehnung, angeborene Trägheit und Neigung zum Widerspruch
sofort im Keime zu ersticken und mit unerbittlicher Strenge zu ahnden.
Sogenannte »gute Menschen«, die Fehler verzeihen und zur Nachgiebigkeit
neigen, werden nie die Achtung des Negers und nennenswerte Resultate
erzielen. Sie werden stets den Spott und den Hohn des Personals und
der Eingeborenen ernten und von diesen von vorne und hinten belogen
werden. Energisches, zielbewußtes Auftreten bei jeder Art Auflehnung
gegen die Disziplin, unerbittliche Strenge und sofortige Ahndung aller
Vorkommnisse, die gegen Gesetz und Ordnung verstoßen, sowie gerechte
Bestrafung solcher Vorfälle sind die Waffen, die dem Europäer dem
einzelnen sowohl wie der Masse gegenüber unbedingt Achtung verschaffen.
Von Natur aus träge und faul veranlagt, versucht der Neger auf jede
Weise sich einer ihm unbequemen Arbeit zu entziehen. »=Mimi kosaba
vae=« (»das kann ich nicht«) ist seine beliebte Ausrede, wenn ihm
eine Arbeit nicht paßt. Oftmals kommt es auch vor, daß er irgendeine
Krankheit beim Appell vorspiegelt, um sein bequemes Lager am Feuer
wieder aufsuchen zu können.

Unser Personal war durch einige Suaheli des Häuptlings Shibu auf
dreißig Mann gebracht worden, die in Reih und Glied Aufstellung
genommen hatten. Die Arbeiter wurden nunmehr in verschiedene Gruppen
eingeteilt, deren jede eine andere Arbeit zu leisten hatte. Während z.
B. eine Gruppe mit Haumessern in den nahen Urwald ging, um Träger für
ein neues Gebäude zu holen, machte sich eine andere auf, um Bambus für
den Dachstuhl zu schneiden. Eine dritte Abteilung mußte in dem bereits
fertiggestellten Magazin Tag und Nacht große Feuer zum Austrocknen der
Mauern unterhalten. Wieder ein anderer Trupp ging auf die Suche nach
»=koddi=« (Lianen) zum Anfertigen von Kautschukkörben.

Einzelne Arbeiter, die sich krank gemeldet hatten, wurden nun der Reihe
nach vorgenommen. Zumeist handelte es sich um Risse und Geschwüre, die
sie sich im Walde zugezogen hatten, und die nun mit Salben, Höllenstein
und Sublimat antiseptisch behandelt wurden, oder auch um vorübergehende
Magen- und Darmverstimmungen, die mit Hilfe eines Purgativs leicht
behoben werden konnten.

Auf der freien, inmitten des provisorischen Wohngebäudes gelegenen
Barza hatten inzwischen die Boys unsern Frühstückstisch gedeckt.
Bestand das Gedeck auch nicht aus reinstem Porzellan und das Tischtuch
statt aus feinem Leinen nur aus »=white domestic=«, so mundete
das Frühstück auch aus Emailgeschirr nach vollbrachter Arbeit ganz
ausgezeichnet.

Zuweilen, an besonders herrlichen Morgen, ließen wir die
Frühstückstafel auch vor das Haus stellen. Wenn wir dann so inmitten
der Morgenpracht bei dem Gezwitscher der Vögel und den ersten Strahlen
der Sonne, die die Tautropfen auf Blättern und Blüten gleich Myriaden
Diamanten erglänzen ließen, unser Frühstück einnahmen und dabei an
die finstern kalten Morgennebel, die in dieser Zeit in der Heimat
vorzukommen pflegen, dachten, fühlten wir uns doppelt glücklich in dem
Bewußtsein, das weitaus schönere Teil erwählt zu haben.

[Illustration: Trägerkolonne.]

Nach dem Frühstück nahmen wir beide die Arbeit wieder auf. Dann kam
etwa ein Capita mit einer Karawane von Kautschukträgern herein. Die
Ware mußte ausgewogen und übernommen werden, dagegen im Austausch eine
Menge neuer Stoffe, Salz, Haumesser, Mitakos, Perlen und dergleichen
mehr gegeben und die Träger für ihre Mühe entlohnt werden. Eingeborene
kamen mit Hühnern, Enten, Eiern, Palmöl, kurz allen möglichen
Nahrungsmitteln, um sie gegen europäische Waren einzutauschen.

Dazwischen erschien meistens der Koch, dem man besonders gut auf
die Finger sehen mußte, und holte sich seine Instruktionen für den
Mittagstisch. Eines Tages hatte Janssen mich ersucht, den Speisezettel
für den Mittagstisch zusammenzustellen. Der Koch schlug vor: =Suppo
na lozo=, Reissuppe -- gut -- =maki na sosse= =mutake=, harte
Eier in Mayonnaise als Zwischenspeise -- auch gut. -- Jetzt das
schwerste, die Fleischspeise: »=Nsussu=«, Huhn, meinte endlich
der Koch. Ich überlegte, daß wir gerade zwölf Hühner gekauft hatten,
und daß es infolgedessen das einfachste sein würde, ein bis zwei
Hühner zum Mittagsmahl zubereiten zu lassen. In Gedanken schwebte
mir eine fette, zarte Poularde vor, deren Fleisch wie Butter auf
der Zunge zerfließt. Ich nickte daher, der Sprache nicht mächtig,
zustimmend mit dem Kopfe. Der Koch schlug weiter vor: »=Bifiteki
na sussu=.« »Hei! Was? Hühner-Beefsteak?« Niemals in meinem Leben
hatte ich derartiges gegessen. Was mochte das wohl sein? -- Der Koch
fuhr fort: »=Nsussu na sosse mufike=«, Hühner in schwarzer Sauce.
Ganz erstaunt, was das wieder zu bedeuten hatte, und ungläubig sah
ich den Koch an. Wollte dieser sich am Ende gar einen Scherz mit mir
erlauben? Meine Stirn verfinsterte sich. Der Koch begriff, daß ich
ihn nicht verstanden hatte, ging in mein Zimmer, wisperte mit meinem
Boy und kehrte triumphierend mit einer Nähnadel und schwarzem Zwirn
zurück. Mit Gebärden deutete er mir an, daß er das Huhn nähen wolle.
Immer mehr überrascht, bekam ich nun doch einen großen Respekt vor
meinem Koch. Zu meiner Beschämung muß ich nämlich gestehen, daß ich
mit Ausnahme dessen, was ich zu Hause hie und da von der Zubereitung
meiner Leibspeisen in der Küche erfahren hatte, von der höheren
Kochkunst keine Ahnung habe. Hühner-Beefsteak und Hühner in schwarzer
Madeira-Sauce gab es bei uns zu Hause nicht. Zustimmend nickte ich
daher mit dem Kopfe. Solch eine Gelegenheit, meine Kenntnisse zu
bereichern, durfte ich nicht vorübergehen lassen. Der Koch fuhr fort
»Panekiki«. Erfreut horchte ich auf. Das Wort schlug mir bekannt und
sympathisch ans Ohr. Das mußten unbedingt unsere Pfannkuchen sein. Ich
nickte wieder zustimmend und kehrte nun, hoch erfreut, zum erstenmal
die schwierige Aufgabe der Aufstellung des »Speisezettels« so glänzend
gelöst zu haben, an meine Arbeit zurück.

Ein Gegacker und Gekreisch im Hühnerhof zeigte bald darauf an, daß
Kalamba seine Auswahl traf. Einige Minuten später erschien er, in der
Linken sechs geschlachtete Hühner haltend, und ersuchte um die Hergabe
von Salz. Ja, um des Himmels willen! Wozu denn die vielen Hühner? Damit
konnten wir ja drei Tage ausreichen!

Entsetzt über eine derartige Verschwendung rief ich Mustapha herbei und
ließ mir von dem unverfrorenen Koch erklären: zwei Hühner als Zugabe
zur Suppe, zwei Hühner für Bifiteki, zwei weitere Hühner zur =Nsussu
na sosse mufiki=. Doch damit nicht genug, brauche er noch 24 Eier,
zehn zum Hartsieden, vier zur Mayonnaise, zwei für die Bifiteki, vier
für =Nsussu mufike= und weitere vier für Panekiki.

[Illustration: Faktoreigebäude Stanleyville.]

Waren auch die Anschaffungskosten für Hühner und Eier nach europäischen
Begriffen nicht hoch, so fragte ich mich doch entsetzt, was mein
Chef Janssen zu dieser Verschwendung sagen würde. Nach langem Hin-
und Herparlamentieren, und nachdem ich vergeblich versucht hatte,
wenigstens vier Eier aus dem Programm zu streichen, händigte ich ihm
nunmehr auch die 24 Eier aus. Kaum hatte ich meine Arbeit wieder
aufgenommen, da erschien Kalamba neuerdings auf der Bildfläche. Diesmal
brauchte er Butter. Ich wurde ernstlich böse, fortwährend bei der
Arbeit gestört zu werden, und fing an, zu begreifen, warum Janssen mich
mit der schwierigen Aufgabe des Speisezettels betraut hatte.

Wieder mußte ich ins Magazin. In gereizter Stimmung konstatierte ich,
daß von den drei Dosen Butter, die für uns jeden monatlich bestimmt
waren, nach einer Woche bereits mehr als die Hälfte fehlte. Ich
beschloß, sparsam zu sein, und gab dem Koch daher den Inhalt eines
vollen Suppenlöffels. Als er mich daraufhin starr vor Erstaunen ansah,
schob ich ihn einfach zur Tür hinaus. Später sagte ich mir allerdings,
daß ein Löffel Butter zur Zubereitung von sechs Hühnern etwas wenig
war. Doch was kann ein geschickter Koch unter Zufügung von etwas Wasser
nicht alles daraus machen. Mit diesem Gedanken tröstete ich mich und
ging wieder an die Arbeit. Man kann in Afrika schließlich nicht wie bei
»Lukullus« kochen. --

Das von Kiel begonnene Magazin war inzwischen vollständig
fertiggestellt worden. Der eine Raum diente als Verkaufsladen, der
zweite als Warenmagazin. Längs den Innenwänden waren aus Bambus hohe,
mit rotem Tuch bekleidete Stellagen errichtet worden, und auf ihnen
prangten -- ähnlich wie bei den Kaufleuten in kleineren Orten --
aufgestapelt all die hunderterlei Gegenstände, die als Austauschobjekte
in unserer Gegend gehandelt wurden! Reihen von farbigen und bedruckten
Baumwollgeweben, zu Stücken =à= acht Yard aufgemacht, Schals,
Tücher, einfarbige und gestreifte Decken, weiße, graue und blaue
Drills, Khaki, fertige Anzüge, leinene und baumwollene Araberhemden
usw.; ferner Emailgeschirr, Hauen, Spaten, Dolch- und Haumesser,
Messingringe, Kurzwaren, Perlen und Gablonzer Galanteriewaren aller Art
lockten den Beschauer zum Kaufen an.

Die Stützen der Stellagen waren an ihrer Basis sorgfältig verkohlt und
der Lehmboden an ihrer Basis mit Asche bestreut worden, um die weißen
Termiten, diese gefährlichsten Feinde eines Warenlagers, fernzuhalten.
Dieses Insekt, von der Größe einer Waldameise, vernichtet alles,
was ihm in den Weg kommt. Es sucht mit Vorliebe die Wohnstätten von
Menschen auf, in denen es allerlei Leckerbissen vermutet. Kaum ist ein
Gebäude unter Dach, da tauchen die kleinen Zerstörer bereits aus dem
Schoße der Erde auf, um Träger, Balken und Gerüste mit unglaublicher
Freßgier anzufallen. Winzige, kleine Erdhäufchen zeigen zuerst
ihre Anwesenheit an. In unglaublich kurzer Zeit schlängeln sich an
der Außenseite der Balken und Wände Tausende röhrenartige Tunnels
aufwärts, die sich wie das Gerinsel von Quellen nach allen Richtungen
hin verzweigen und binnen wenigen Tagen das ganze Gebäude überziehen.
Woher kommen und wohin ziehen diese Myriaden Zerstörer? Sie kommen aus
dem ungeheuren Urwald, der in seinem rätselhaften Schoße unzählige
tierische Wesen entstehen läßt und zur Vermehrung treibt, um zu
vernichten, was Menschenhand geschaffen. Nichts verschonen sie, durch
Ballen und Kisten, über Stahl und Eisen bauen sie ihre Röhrengewinde.
Wehe dem Lager, in das sie unbemerkt gelangen. In wenigen Tagen, ja
wenigen Stunden sind sämtliche Vorräte zerstört. Die Beobachtung, daß
Termiten einzig und allein das Feuer fürchten und verkohlte Bäume mit
ihren Angriffen verschonen, hat sich der Mensch zunutze gemacht und
Stützen und Träger, soweit sie im Boden versenkt sind, angeglüht.

Unser Wohnhaus hatte dank der aufgewendeten Verbesserungen ein
anderes Aussehen erhalten. Die Veranden waren ringsherum auf drei
Meter verbreitert, die Räume innen und außen mit »Pembe« (Kreide)
weiß getüncht und mit einer blauen Bordüre eingefaßt worden. Zwischen
den Pfosten war ein Geländer aus Bambus hergestellt worden, und
darüber prangten in schwarzen Tontöpfen allerhand Schlingpflanzen und
Orchideen. Die Veranda war gegen die Front zu mittels Jalousien aus
feinen, gesplißten Bambusstäbchen zu schließen, die Lehmböden waren mit
feinen Palmmatten bedeckt.

Das Innere der Barza sowie unsere beiden Schlafräume hatten wir
so komfortabel eingerichtet, wie die Verhältnisse es erlaubten.
Reproduktionen von Gemälden und Porträte schöner Frauen, die ich aus
Europa mitgebracht hatte, zierten in polierten, schweren Bambusrahmen
die Wände. Mitten in der Barza stand ein großer Tisch mit einer
mattroten, gefransten Decke. Diese sowohl wie vier Lehnstühle und die
Kredenz waren aus rotem Akajouholz angefertigt worden.

Mit Hilfe der Mission in Jakussi, von der uns ein vorzüglicher Tischler
für einige Zeit zur Verfügung gestellt worden war, hatten wir eine
Werkstatt eingerichtet, in der alle zu unserem Behagen noch fehlenden
Möbelstücke angefertigt wurden. Fensterscharniere und Türangeln ließen
wir in einer arabischen Schmiede aus Bandeisen, das zum Verschnüren von
Ballen dient, anfertigen. Türschlösser besaßen wir zunächst noch nicht.
An ihre Stelle traten schwere Hängeschlösser und Holzriegel, die den
gleichen Zweck erfüllten.

Eines Nachts, es mochte gegen zwei Uhr früh sein, wurde ich plötzlich
durch Schläge mit dem Gewehrkolben der Schildwache gegen meine Tür aus
dem Schlafe geschreckt. Gleichzeitig vernahm ich aus dem Arbeiterdorf
lautes Gemurmel, dazwischen gellende Schreie, Rufe und das Herbeieilen
vieler Menschen. Etwas Ungewöhnliches hatte sich zugetragen, und in
aller Eile schlüpfte ich in meine Kleider und begab mich in das
Arbeiterdorf, wo ich Janssen bereits antraf. Hier erfuhr ich mit
Bestürzung, daß ein Leopard soeben unseren Boy »Moko«, einen Jungen
von acht bis zehn Jahren, der beim Essen servierte, davongetragen
hatte. Aus den Erzählungen des Schreibers ging folgendes hervor:
Das Haus unseres schwarzen Schreibers enthielt zwei durch Verschluß
abgeteilte Räume und eine Art Vorraum, der in einen durch eine Hecke
aus Palmenblättern nach allen Seiten hin abgeschlossenen Hof ausging.
In diesem Vorraum nun schliefen ein kleines Mädchen, das Dienste als
Mädchen für alles verrichtete, und der geraubte Boy »Moko«. Beide
hatten ihr Lager inmitten des Raumes und lagen dicht beieinander auf
einer Matte. Mitten in der Nacht erwachte das Mädchen plötzlich, durch
eine leichte Bewegung ihres Freundes aufgeschreckt. Sie hörte ganz
deutlich, wie jemand sich entfernte, und in der Vermutung, daß ihr
Kamerad eine Notdurft zu verrichten beabsichtigte, rief sie ihn an.
Die Nacht war stockfinster und ... die Antwort blieb aus. Sie tastete
mit der Hand um sich, der Platz neben ihr war leer, und sie hörte
ganz deutlich, wie jemand sich durch die Hofhecke zwängte. Sie rief
nochmals ihren Freund bei seinem Namen und beschwor ihn, zu antworten,
da sie sich fürchtete. Einige bange Minuten vergingen, und wieder
erhielt sie keine Antwort. Dadurch ernstlich beunruhigt und vielleicht
auch mit angeborenem Instinkt die Gefahr witternd, rief sie nunmehr
den Schreiber und bat um Licht. Dieser, nicht sehr erfreut, wegen
einer bloßen Einbildung der Dienerin das warme Lager verlassen zu
müssen, suchte sie zu beruhigen ... Der Boy müsse sofort zurückkehren
und habe sich nur einen Scherz erlaubt, um sie zu erschrecken. Kurze
Zeit herrschte Ruhe. Plötzlich hörte das wachliegende Mädchen wieder
das Knistern der trockenen Palmblätter an der Hecke, als ob jemand
durchschlüpfte, und rief. »Boy Moko!« ... Wieder keine Antwort ... Sie
begann zu weinen und zu flehen. Diesmal war der Schreiber wachgeblieben
und forderte nun Moko auf, solche Scherze zu unterlassen ... wieder
keine Antwort ... jedes Geräusch war verstummt. Jetzt erst machte
der Schreiber Licht, öffnete den Türverschluß, um die vermeintlichen
Störenfriede zu züchtigen, und -- hielt nach den ersten Schritten
bestürzt inne.

Dicht vor ihm, neben der Matte, auf der die beiden geschlafen hatten,
zeichneten sich auf dem festgestampften Lehmboden deutlich die Krallen
eines großen Raubtieres ab. Den Spuren nach zu urteilen, konnte es nur
ein Leopard sein, da Löwen in der Gegend nicht vorkommen. An dem festen
Einsetzen der Krallen des Tieres in den Boden war deutlich zu erkennen,
daß es schwer belastet wegging. Das eine Bein seines Opfers mußte am
Boden geschleift haben, da es eine leicht erkenntliche Spur zurückließ.
Dagegen war nirgends ein Tropfen Blut zu sehen, und es blieb ein
Rätsel, auf welche Weise das Tier den kräftigen Jungen getötet haben
konnte, ohne daß dieser einen Laut von sich gab oder mit den Armen um
sich schlug oder daß endlich eine Blutspur zu finden war. Die Matte,
auf der die beiden lagen, war höchstens 125 Zentimeter breit, so daß
die Schlafenden sich berührt haben mußten. Die geringste Bewegung, das
kleinste Geräusch hätte das Mädchen und endlich auch den Schreiber und
dessen Frau, deren Zimmer nur durch eine dünne Blätterwand von ungefähr
zwei Meter Höhe vom Vorraum getrennt waren, aufwecken müssen.

[Illustration: Errichtung eines Dachfirstes.]

Man kann sich unser Entsetzen vorstellen. Mit der Fackel in der Hand
verfolgten wir die nur allzu deutliche Spur des Raubtieres bis zur
Hecke, wo es eine kleine Öffnung, die ursprünglich zum Einlaß für die
Hühner in den Hof bestimmt war, derart erweitert hatte, daß sie ihm mit
seiner Last Durchlaß gewährte. Tief erschüttert von dem schrecklichen
Vorfall suchten wir unser Lager auf, nicht ohne Fensterladen und Tür
tüchtig gerüttelt und auf den Verschluß untersucht zu haben. Kurz
darauf -- ich war gerade im Begriff, wieder einzuschlafen -- wurde ich
durch ein Gekreisch und Geheul und durch zwei Schüsse im Arbeiterdorf
nochmals geweckt. Der Leopard war über eine Hecke hinweg direkt in
einen Negerchimbeque hineingesprungen, in der einige Arbeiter um ein
verglimmendes Feuer auf Matten lagen. Vor Furcht und Aufregung waren
zwei der Leute wachgeblieben und machten nun mit den anderen einen
derartigen Lärm, daß das Tier schleunigst wieder verschwand.

Diesmal ließ Janssen fünf Mann mit aufgepflanztem Bajonett und
geladenem Gewehr Wache stehen. Einer der Leute mußte jede Minute,
zum Zeichen, daß die Posten wach waren, auf einen Gong schlagen.
Dies verjagte das beutegierige Tier von unserem Terrain. Am Morgen
erfuhr ich, daß der gleiche Leopard beim Morgengrauen im benachbarten
Gebiet der »S. A. B.« eingefallen und einen großen, europäischen Hund
weggeschleppt hatte.

All unser Sinnen und Trachten ging nun dahin, den Tod unseres braven
Jungen zu rächen und des verwegenen Raubtieres habhaft zu werden.
Die Spur führte geradeswegs in das dichte Gestrüpp und Unterholz des
Urwaldes, so daß es ohne Hund ausgeschlossen war, ihr zu folgen.
Da Mustapha versicherte, daß kein eingeborener Hund die Spur des
Raubtieres aufnehmen würde, sandten wir unser Kanu nach Stanleyville
zu dem Büchsenmacher Vandyk, um dessen großen europäischen Jagdhund zu
holen. Der Besitzer erschien persönlich nach kurzer Zeit mit dem Hund
und bat, an der Jagd teilnehmen zu dürfen. Da Janssen kein Jäger war,
machte ich mich mit Vandyk, Mustapha und zwei Eingeborenen, die uns mit
Haumessern einen Weg durch das Dickicht bahnen sollten, auf den Weg.

Der Hund nahm anfangs die Spur ohne Zögern auf und zog uns durch
Dickicht und Gestrüpp etwa 800 Schritt tief in den Urwald hinein.
Hier hatte das Tier mit dem Jungen gerastet. Der Boden war im weiten
Umkreis voll von Spuren, und hier fand sich auch der Pagne vor, ein
Lendentuch von vier Yards Länge und 120 Zentimeter Breite, in dem Boy
Moko eingerollt geschlafen hatte. War bis hierher die Verfolgung trotz
dichten Dornengestrüpps und des Unterholzes verhältnismäßig leicht
gegangen, so stellten sich jetzt einer weiteren Verfolgung plötzlich
unüberwindliche Hindernisse entgegen. Das Terrain ging hier in ein
Sumpfgelände über. Der Hund war nicht mehr von der Stelle zu bekommen.
Aufgeregt lief er im Kreise umher, an allen vieren zitternd. Alle
Bemühungen, ihn vom Fleck wegzubringen, waren vergeblich, weder Locken
noch Ziehen an der Schnur half. Wir suchten vorsichtig die ganze
Gegend im Umkreis ab und hielten gleichfalls Ausschau nach den Bäumen.
Unmöglich konnte das Tier mit dem schweren Körper auf einen Baum
geklettert sein. Nach stundenlangem Absuchen, und nachdem die beiden
Eingeborenen sich darüber einig geworden waren, daß nicht ein Leopard,
sondern ein Dämon in Gestalt eines Leoparden mit seinem Opfer hier
spurlos verschwunden war, kehrten wir unverrichteter Dinge zur Faktorei
zurück.

Ich beschloß, noch am gleichen Tage mit dem Bau einer Falle zu beginnen
und ihm bei Mondnächten mit lebendem Köder aufzulauern. Doch erschien
der Räuber nicht wieder. Überhaupt hatten wir seit diesem grausigen
Ereignis lange Zeit Ruhe vor den Leoparden. Einige Monate später hatte
ich jedoch Gelegenheit, eines dieser gefährlichen Tiere innerhalb der
Faktorei zur Strecke zu bringen. Eines Nachts wurde ich plötzlich
durch Gewehrkolbenschläge an meine Zimmertür unsanft aus dem Schlafe
aufgeweckt. Aus den hastig hervorgestoßenen Reden der Wache entnahm
ich, daß irgendein reißendes Tier in den Ziegenstall eingebrochen
sein mußte. In einigen Sekunden war ich in Rock und Hose geschlüpft,
hatte meine Sturmlaterne angezündet, meinen Mauser, der stets geladen
in einer Zimmerecke stand, ergriffen und eilte nun, gefolgt von der
Wache, nach dem Ziegenstall, aus dem ein wildes Durcheinanderstampfen
und Meckern der verängstigten Ziegen ertönte. Einige Ziegen waren
durch eine Türspalte, die zweifellos durch den eindringenden Räuber
erweitert worden war, entwichen und irrten nun verzweifelt meckernd in
der Dunkelheit umher, um unter den Veranden der Magazine und Wohnhäuser
Schutz zu suchen.

Ein Blick auf die Zugangstür zum Ziegenstall klärte mich über das,
was vermutlich vorgefallen war, auf. Die primitive Schiebetür war
nachlässig geschlossen worden, so daß ein Spalt offen geblieben war.
Irgendein reißendes Tier, wahrscheinlich ein Leopard, hatte mit
der Tatze den Spalt erweitert und schließlich den schlanken Körper
durchgezwängt. Die herausstürzenden Ziegen hatten die Tür noch weiter
zur Seite geschoben, so daß ich annehmen mußte, daß der Räuber mit
seiner Beute bereits das Weite gesucht hatte. Dem war glücklicherweise
nicht so, denn bei dem ersten Lichtstrahl, der in den Raum fiel,
sprang tatsächlich ein Leopard, der über dem Meckern der Ziegen
und dem Zerfleischen seiner Opfer offenbar unser Herannahen nicht
bemerkt hatte, auf und suchte sich im dunkelsten Winkel des Raumes
zu verbergen, während die übrigen noch lebenden Tiere in sinnloser
Angst auf den Ausgang und uns zustürzten. Da ein Schießen unter diesen
Umständen ausgeschlossen war, ließen wir die fliehenden Tiere, in der
Voraussetzung, daß der Leopard das Licht meiden würde, zuerst sämtlich
herauslaufen. Nun ließ ich durch die Wache die Sturmlaterne an das
Bajonett hängen und mit einem Ruck mitten in den Raum stellen. Dadurch
war der langgestreckte Raum, wenn auch spärlich, so doch genügend
erleuchtet.

Ich selbst trat nun mit dem schußbereiten Gewehr so weit in den Stall,
als nötig war, um unbehindert schießen zu können. Im entlegensten
Winkel erkannte ich sofort das offenbar auf äußerste erschrockene Tier,
das am Boden kauerte und mir den Kopf mit den phosphoreszierenden
Lichtern voll zuwandte. Regungslos, wie zum Sprunge geduckt, lag die
gelbe Katze pfauchend und zähnefletschend auf kaum zwanzig Schritt
Entfernung vor mir. Langsam, um sie nicht durch eine allzu rasche
Bewegung zum Sprung zu reizen, hob ich das Gewehr an die Backe, zielte
zwischen die zwei Lichter und drückte los. Ein scharfer Knall, und das
geduckte Haupt fiel leicht zur Seite, während die Hintertatzen kratzend
den Boden aufwühlten. Der Leopard war, mitten durch den Schädel
geschossen, wie vom Blitz erschlagen, in der gleichen Stellung tot
liegengeblieben.

Einige bange Minuten vergingen, während welcher wir unverwandt das Tier
beobachteten, ob es noch ein Lebenszeichen von sich gäbe. Ich erinnerte
mich sehr wohl warnender Beispiele, wonach mancher erfahrene Jäger
durch allzu schnelle Annäherung an die totgeglaubte Beute sein eigenes
Leben einbüßte. Als auch das Scharren der Hintertatzen aufgehört hatte,
traten wir an das tote Tier heran, und die Wache zog es in die Mitte
des Raumes, damit wir es besser betrachten konnten. Welche Genugtuung
wäre es für mich gewesen, wenn ich in diesem Leoparden den Mörder
unseres getöteten Boys gefällt hätte, doch war es offenbar nicht der
gefährliche Räuber, der seit langer Zeit die Gegend unsicher gemacht
und auch in den Dörfern der Umgebung bereits so viele Menschenopfer
gefordert hatte. An der ganzen Art und Weise, wie der Leopard den
Überfall bewerkstelligt hatte, konnte man erkennen, daß er sicherlich
noch ein Neuling in dieser Art Sport war. Durch den Schuß und wohl auch
durch das Blöken der Ziegen war das Arbeiterdorf alarmiert worden,
und eine Menge Leute eilte herbei, um ihren gefürchteten Todfeind in
Augenschein zu nehmen.

Woche auf Woche, Monat auf Monat vergingen in rühriger Tätigkeit, die
in ihren vielen Einzelheiten und in der Fülle der neuen Probleme,
die sie jeden Tag zu lösen gab, so viel der Abwechslung und des
Interessanten für mich hatte, daß ich sie eigentlich gar nicht als
Arbeit empfand. Hatte die bisherige regelmäßige Beschäftigung im
Bureau vom frühen Morgen bis zum späten Abend auf meine nach freier
Tätigkeit lechzende Natur wie Frondienst gelastet, so hatte ich jetzt
die Freude, die in mir schlummernden Talente sich bis an die Grenzen
meiner Fähigkeiten entfalten zu sehen. Die Umwelt erhielt ein neues
Aussehen für mich, seit ich gezwungen war, mich allein mit allen
Schwierigkeiten der Existenz in primitiven Verhältnissen abzufinden.
Als ich erst mit der fremden Sprache und der Nutzbarmachung der reichen
Produkte des Urwaldes, die der Erschließung harren, vertraut geworden
war, gewährte es mir die größte Befriedigung, Häuser zu bauen, einen
Gemüsegarten anzulegen, aus welchem wir bereits nach kurzer Zeit dank
dem fruchtbaren Urwaldboden reiche Früchte ernteten, sowie den Verkehr
mit dem Inlande und den täglichen Dienst der Faktorei zu organisieren.

[Illustration: Beim Hausbau.]

Nirgends in der Welt werden an die Schaffenskraft und Intelligenz
des einzelnen solche Anforderungen gestellt wie zwischen völlig
unzivilisierten Negerstämmen Innerafrikas. Alles, vom einfachsten
Haushaltungsgerät bis zum vollständigen Wohnhause -- Dinge, die in
Europa einen Stab verschiedener Arbeiter voraussetzen -- muß hier vom
einzelnen durchdacht und vollbracht werden. Bald Baumeister, bald
Maurer, bald Tischler, bald Schmied, bald Arzt, bald Schiedsrichter,
muß er die nötige Initiative und den Mut besitzen, an jede Aufgabe
ohne Zaudern heranzugehen. Ich bin einer der Glücklichen dieser
Erde, die sich mit jeder Situation abzufinden wissen. Ich hatte
einen Chef, mit dem ich mich ausgezeichnet vertrug, der mir über
die Anfangsschwierigkeiten hinweghalf -- und den ich gewissermaßen
ergänzte. Janssen hatte eine Vorliebe für Reisen und das Leben im
Busch. Er war meistens unterwegs und ließ mich den Bau der Faktorei
und die schriftlichen Arbeiten besorgen. Wenig der französischen und
englischen Sprache mächtig, legte er die Vertretung nach außen und
den Verkehr mit dem Staat fast ausschließlich in meine Hände. So kam
es, daß ich besonders in der ersten Zeit, bis ich die Suaheli-Sprache
erlernt hatte, mit Mustapha viel auf der Faktorei verblieb. Später
unternahm ich dann auch selbständige Reisen ins Innere und fand an der
damit verbundenen Abwechslung großen Gefallen. Erst viele Jahre später
lernte ich erkennen, wie gut es mir in Stanleyville ergangen war, denn
nur wenigen Auserwählten ist das Glück beschieden, Verhältnisse wie die
geschilderten zu Beginn ihrer kolonialen Laufbahn anzutreffen.

Man machte damals mit jungen Leuten nicht viel Umstände. Nach kurzer,
vierwöchiger Vorbereitung in der Faktorei, der er zugeteilt war,
sandte man den Neuling nach irgendeinem verlorenen, oft vier bis
fünf Tagereisen vom Hauptposten entfernten Negerdorfe inmitten der
ungeheuren Wildnis und überließ es einfach seiner Initiative, sich dort
eine menschenwürdige Behausung zu schaffen oder aber in irgendeiner
Negerhütte zu wohnen. War der Hauptposten mit Geräten aller Art gut
versehen -- ein Fall, der höchst selten zutraf -- und hatte der Neuling
es verstanden, sich das Wohlwollen seines Chefs zu erwerben, so bekam
er wohl außer einem Feldbett auch Säge, Hammer, Zange, Hacke und ein
paar Nägel mit auf den Weg, womit er wenigstens seine Kisten und Ballen
selbst öffnen konnte. Traf dieser äußerst seltene Fall nicht zu, dann
mußte er sich eben ohne diese Geräte behelfen. War er so vorsichtig,
vor seiner Abreise von Europa sich bei der Generaldirektion nach einem
Zelt, tragbarem Feldbett, Klapptisch und -stuhl -- alles Dinge, die auf
beständigen Reisen wenn nicht unentbehrlich, so doch von großem Nutzen
sind -- zu erkundigen, so gab man ihm mit schmunzelndem Lächeln zur
Antwort, daß alle diese Dinge drüben auf den Faktoreien in genügender
Menge vorhanden seien. Dafür händigte man ihm als persönliches Eigentum
eine Kantine (tragbare Feldküche), enthaltend Kochtopf, Bratpfanne,
Teller, Besteck, kurzum, das Allernotwendigste zur Herstellung einer
Speise -- sowie einen kleinen tragbaren Arzneikasten ein, der mit
seinem reichlichen Inhalt an Flaschen, allen möglichen Mixturen und
Pillen, die er nie vorher im Leben gesehen, das Entzücken jedes
Neulings bildet. Kaum kann er den Moment erwarten, um den Inhalt an
sich selbst zu erproben. An die fürchterlichen Krankheiten in den
Tropen denkt dabei meist keiner. Ich habe öfters Neulinge gesehen, die
nach der ersten Seekrankheit die Hälfte ihres Arzneikastens zu sich
genommen hatten, merkwürdigerweise übrigens ohne beträchtlichen Schaden
zu nehmen.

Während der ersten Nacht, die er auf einer von Rauch und den
Negerleibern infolge des langen Gebrauches schwarz gewordenen
Pritsche inmitten einer von Ratten und Mäusen und anderem Ungeziefer
heimgesuchten Negerhütte zubringen muß, hat der unerfahrene Angestellte
dann reichlich Zeit, über das Lächeln des Direktors, dessen
Verschlagenheit er erst jetzt ganz versteht, nachzudenken. Hat er dann,
von der Sonnenglut und den Strapazen der Reise völlig erschöpft, das
Ziel seiner Reise erreicht und seine Wut über die leere Kiste, die den
Stuhl ersetzen muß, und das harte Nachtlager ausgetobt, dann steigt
er wohl von seiner Höhe herunter und arbeitet, um das Fehlende zu
ersetzen. Nach kurzer Zeit macht er eine ganz sonderbare Wahrnehmung.
Etwas ihm bisher völlig Fremdes, ein anderes kraftvolles und mächtiges
Wesen, der Wille den Kampf mit dem Dasein aufzunehmen, quillt aus
seinem Innersten hervor und durchbricht kraftvoll alle Schranken, die
Trägheit und Gewohnheit ihr in den Weg legen. Von diesem Augenblick
an tritt er in die Reihe jener Pioniere, die im Laufe der Jahre im
Schweiße ihres Angesichts aus den kahlen Grassteppen und den Urwäldern
Afrikas blühende Posten -- Stätten der Zivilisation -- und herrliche
Plantagen hervorgezaubert haben, während jene, die in dieser schweren
Schicksalsstunde verzagend den Kopf hängen lassen, körperlich und
geistig zugrunde gehen. Das Kräftige und Starke im Menschen behält auch
hier die Oberhand, das Schwache geht unter.

Seit einiger Zeit machte sich ein regelmäßiger Abgang von Hühnern
fühlbar, dessen Ursache wir uns lange nicht zu erklären vermochten.
Eines Morgens bemerkte ich endlich den vermeintlichen Hühnerdieb in
der Gestalt eines Leguans von der Größe eines kleinen Krokodils, der
auf einem Baumriesen von etwa 40 Meter Höhe neben dem Hühnerhof,
unmittelbar unter einem Loch saß. Da Janssen sich mein Schrotgewehr
für die Reise ausgeliehen hatte, holte ich meinen Kugelstutzen und
verwundete das Tier durch einen wohlgezielten Schuß derart, daß es nur
mit Mühe zu seinem Unterschlupfloch gelangen konnte. Hier verschwand
es, und da ich befürchtete, daß das Tier dort verenden könnte, ließ ich
in einer kleinen tiefer liegenden Öffnung einige Späne anzünden, um
es durch die Rauchentwicklung herauszutreiben. Keiner von uns ahnte,
daß das Innere des Stammes wie ein Kamin vollständig hohl war und die
Krone sich einzig und allein durch eine starke Liane, die sich um den
Baum in die Höhe schlängelte, erhielt. Ein Knistern und Knattern, wie
das Abbrennen eines Feuerwerks, eine kräftige Flamme schlug durch
das Innere des trockenen Stammes empor, und noch ehe wir uns von dem
ersten Schrecken erholt hatten, brannte der ganze Baum lichterloh.
Gleichzeitig schossen zwei Tiere in der Größe von Affen wie der Blitz
aus einem der vielen Löcher heraus, erkletterten das schützende
Laubdach und flogen von dort zu unserem Erstaunen von Baum zu Baum. Es
gelang, eines der Tiere zu erlegen, und es stellte sich später heraus,
daß ich damit einen äußerst seltenen Fang getan hatte. Es war ein
fliegender Hund, ein Mittelding zwischen einem Affen, einem Nagetier
und einer großen Fledermaus.

Ein Blick auf den brennenden Baumriesen ließ mich erkennen, daß
Löscharbeit vollständig nutzlos war, und man mußte damit rechnen,
daß er in kurzer Zeit zusammenbrechen würde. Auf der einen Seite in
unmittelbarer Nähe lag das vor kurzem vollendete Warenmagazin, auf
der anderen die Wohnungen der Arbeiter. Ein unglücklicher Zufall, und
das Magazin mit dem Werte von vielen Tausenden, die Frucht mühseliger
Arbeit, drohte vernichtet zu werden. Damit -- dies fühlte ich ganz
genau -- war auch meine afrikanische Laufbahn besiegelt, da ich nicht
die Mittel besaß, den Schaden wieder gutzumachen. Bitter mußte ich
meine jugendliche Unvorsichtigkeit [Illustration: Wohnhaus im Urwalde.]

büßen. Wie ein Wahnsinniger lief ich völlig ratlos umher, um an dem
Überneigen der Baumkrone nach der einen oder der anderen Seite hin die
vermutliche Fallrichtung festzustellen. Doch das Geäst war ziemlich
gleichmäßig verteilt, und der Sturz hing daher völlig von irgendeinem
Zufall ab. Ein Fällen des Baumes von irgendeiner Seite war wegen der
Glutwelle, die von ihm ausging, ganz ausgeschlossen. Zudem hätte es
wochenlanger Arbeit bedurft, um das eisenharte Holz an der Basis zu
durchschlagen. Stunde auf Stunde verging unter Hangen und Bangen; das
Magazin und die Arbeiterhütten waren vollständig ausgeräumt worden.
Brennende Äste waren zu wiederholten Malen gestürzt; da plötzlich,
gegen Sonnenuntergang, drang aus dem Baume ein Ächzen und Stöhnen,
der Riese bäumte sich in einer letzten Anstrengung gegen die alles
verheerende Macht des Feuers auf -- dann schwebte die ausgebreitete
Krone in der Luft und fiel in gerader Richtung auf das Magazin zu.
Schon glaubte ich alles verloren, als die starke Liane, die anscheinend
nicht durchgebrannt war, die fallende Krone im letzten Augenblick
etwas zur Seite lenkte, so daß der Koloß hart neben der Faktorei mit
explosionsartigem, dumpfem Knall, der den Erdboden erschütterte,
gerade mitten zwischen den Hütten und dem Magazin niederstürzte. Hier
lag nun der mächtige Stamm in der Kaffeeplantage -- eine Zentnerlast
war mir vom Herzen gefallen.

Mit Ausnahme einer leichten Beschädigung einer Negerhütte, die
innerhalb einer Woche wiederhergestellt werden konnte, und der
Zerstörung einiger Kaffeebäume war nichts geschehen. Wie durch ein
Wunder war ich einer großen Gefahr entgangen, und die Leute meinten,
daß ein mächtiger »Fetisch« Magazin und ihre Hütten vor sicherer
Zerstörung bewahrt hätte.

Der Knall und der aufsteigende Rauch beim Fall des Riesen war derartig
stark, daß Stanleyville -- eine Pulverexplosion vermutend -- uns
sofort ein Boot mit =Dr.= Bellis zur Hilfeleistung über den Strom
sandte. Von dem Leguan war keine Spur mehr aufzufinden, er war offenbar
vollständig zu Asche verbrannt worden.




            Eine Fahrt zum ersten Stanleyfall. Fieberkrank.


Der Bau der Faktorei hatte bereits große Fortschritte gemacht, die
Gerüste zweier weiterer Magazine, eins zum Trocknen für Kautschuk und
eins für Elfenbein und Kautschuk, waren fertiggestellt und harrten
nur noch der Vollendung des Dachstuhles, damit die Mauern, vor Regen
geschützt, aufgeführt werden konnten.

Da die Suaheli aus den Dörfern oberhalb der Stanleyfälle, die das
Bedeckungsmaterial aus Palmblättern anfertigen, in den letzten Wochen
ausgeblieben waren, beschloß ich, ein großes Boot über den Fall
hinaufzubringen und von meinen eigenen Arbeitern das Material schneiden
zu lassen. Dadurch ersparte ich die hohen Anschaffungskosten und wurde
auch von der Trägheit der Suaheli unabhängig.

Unser letzter Dampfer »Henriette« hatte gegen zwanzig Yambinga-Arbeiter
aus Upoto-Irengi heraufgebracht, und mit diesen machte ich mich eines
Nachmittags auf den Weg. An Stromschnellen und Wirbeln vorbei, über
Hindernisse aller Art ging die an Aufregungen reiche Fahrt. Mit Hilfe
langer Stangen und Bootshaken halfen wir an besonders reißenden und
gefährlichen Stellen nach, wo die Ruderer versagten, bis wir nach
einstündiger, harter Arbeit in die unmittelbare Nähe des Falles, dessen
Lärm und Getöse bei einbrechender Nacht in Stanleyville jedes andere
Geräusch übertönt, gelangten.

[Illustration: Fischereianlagen im Kongo.]

Hatte unser Boot bis dahin brav standgehalten, obwohl es mehrmals von
der Wucht der Strömung gegen die Felsmassen geschleudert worden war
und dabei viel Wasser bekommen hatte, so entschloß ich mich jetzt,
das Vergebliche und Gefahrvolle weiterer Versuche einsehend, hier am
Fall mit der Mehrzahl meiner Leute zu Lande weiter vorzudringen. Nur
zwei Mann, einer vorne am Bug und ein zweiter am Hinterteil, beide
vollständig nackt, verblieben, um das Boot mit Stangen und Bootshaken
durch die unzähligen Felsblöcke hindurchzusteuern, während der Rest der
Leute unter meiner Führung, von Fels zu Fels springend, das Kanu an
einem langen Tau stromaufwärts zogen.

Dicht vor dem Fall, auf der linken Seite des Flusses, liegt eine
kleine Insel, die die Aussicht versperrt. Hier begann, am Flußufer
entlang, eine äußerst gefährliche Kletterei, eine halsbrecherische
Tour über aufeinander getürmte Granitblöcke, die der Strom hier im
Laufe von Jahrtausenden gleich einer Lawine angeschwemmt hat. Diese
Granitblöcke haben oftmals einen Durchmesser von fünf bis sechs Meter.
Sie sind glatt und durch das Wasser abgerundet und bilden große Lücken
und Spalten, zwischen denen ein kleiner Seitenarm des Stromes in der
Tiefe durchschießt. Wehe demjenigen, der von der Höhe eines solchen
Granitblocks beim Klettern abstürzt und in die Lücke gleitet. Von
den tosenden Wassermassen würde er sofort in die Tiefe gezogen und
vernichtet werden. Bei Hochwasser ist diese ganze Region in wilder
Bewegung und bildet ein Chaos von Gischt, Schaum und Wirbeln.

Auf einer Anhöhe liegt das Hauptdorf der Bakenien, Peneka Tango,
dessen Einwohner fast ausschließlich vom Fischfang leben. Das äußerst
zahlreiche junge Volk spielte am Wasser und eilte, sowie es unser
ansichtig wurde, ganz ohne Scheu herbei, ein Zeichen, daß Europäer
hier beständig durchkommen und die Eingeborenen die ihnen sonst
eigentümliche Angst vollständig überwunden hatten.

Wir passierten die Stellen, an denen bei Hochwasser gefischt wird,
und die nun verlassen waren. Zwischen einem Gewirr von kolossalen
Baumstämmen, die in Löchern zwischen den Granitblöcken geschickt
versenkt und an der Spitze mit Querbalken versehen sind, auf denen die
Fischer zu ihren Reusen gelangen, bahnte ich mir einen Weg, wobei zwei
meiner Leute mir beim Sprung über Wassergerinnsel als Stütze dienten.

Auf den Felsen im Umkreis lagen Fischkörbe und Reusen in den
verschiedensten Ausmaßen. Die größten hatten an der Mündung zwei bis
drei Meter im Durchmesser und eine Länge bis zu fünf Meter. Diese
Reusen sind aus starken Lianen wie Korbwerk geflochten und werden
von den Balken aus, an denen sie mittels Lianen befestigt sind, in
den Strudel versenkt. Sind diese Körbe auch nicht so solide wie die
eisernen Reusen, die bei der Flußfischerei in Europa, z. B. bei
Lauffenberg am Rhein beim Lachsfang, zur Verwendung gelangen, so
übertreffen sie diese an Umfang und leisten sicherlich die gleichen
Dienste, da in ihnen Fische bis zu sechzig Kilogramm Gewicht gefangen
werden.

Über die ganze Breite des Stromes, die hier gegen 1300 Meter
betragen dürfte, haben die Bakeniens unmittelbar vor dem Absturz der
Wassermassen große Balken und Bäume auf fast unerklärliche Weise in
den Strom versenkt und untereinander durch ein Gerüst von Querbalken
verbunden. Von weitem gleicht die Anlage einer Palisadenwand. Nun wurde
mir auch klar, warum in letzter Zeit verschiedene umgeschlagene Kanus
mit Frauen und Männern an unserer Faktorei vorbeistrichen. Alle paar
Tage mußte ich durch meine Arbeiter solche Leute auffischen lassen.

Der Strom stürzt hier in seiner ganzen Breite über Felsen hinweg auf
etwa drei Meter in die Tiefe. Über einzelne tiefere Stellen, an denen
das Wasser das Bett etwas mehr ausgehöhlt hat, gehen die verwegenen
Kerle mit ihren Kanus durch den Katarakt: ein unglücklicher Zufall,
eine ungeschickte Bewegung, und das Kanu zerschellt an den Felsen. Die
Insassen, zumeist gute Schwimmer, werden von der Strömung fortgerissen;
keiner ihrer Konkurrenten denkt daran, ihnen nachzueilen.

Bei unserer Ankunft war gerade eine Anzahl Eingeborener damit
beschäftigt, die Reusen und Körbe im Strudel zu heben. Der Mut und
die Gewandtheit dieser Leute sind geradezu verblüffend. Wie Affen
springen und klettern sie an dem infolge des Anpralls der Strömung
stets schwankenden Gerüst ganz weit in den Strom hinaus, um unmittelbar
oberhalb der sich überströmenden Wassermassen ihre halsbrecherische
Arbeit zu versehen. Nach dem, was ich hier gesehen, würde es mich nicht
wundern, Neger zu sehen, die imstande wären, Affen auf den Bäumen
nachzueilen und sie zu fangen.

Während ich nun so in Betrachtungen der kochenden, stürzenden
Wassermassen dasaß, kamen von oberhalb des Falles zwei gut bemannte
Kanus direkt auf den Fall zugerudert. Ich traute kaum meinen Augen, als
etwa fünf bis zehn Meter oberhalb des Falles die Hälfte der Mannschaft
in den Strom sprang und mit Leibeskräften auf die Balken im Falle
selbst zuschwamm. Die übrige Besatzung hatte mit ein paar Ruderschlägen
das Boot nun derart gedreht, daß es mit der Breitseite gegen die Balken
antrieb, wo es, von der inzwischen dort postierten Gruppe, unterstützt
von den Leuten im Kanu, die sich mit aller Gewalt mit langen Stöcken
gegen die Felsen anstemmten, in Empfang genommen wurde. Die Wucht des
Anpralls wurde durch die vereinten Kräfte vollständig gebrochen. Hier
lag nun das Boot infolge der starken Strömung wie festgenagelt an den
Balken, während die Insassen an den Bäumen emporkletterten und auf
diesem halsbrecherischen Gerüst herumsprangen und -kletterten, als ob
sie auf allen Vieren geboren wären. Um die in die Tiefe stürzenden
Wassermassen, die jeden Herabfallenden zermalmen und zerschmettern
würden, kümmerten sie sich nur soweit, als es ihre Fischapparate
anging. Ebenso wie sie gekommen, gelang es beiden Kanus auch wieder,
mit Hilfe der langen Stangen aus dem Bereich des Falles stromaufwärts
zu entkommen.

Nach den Quantitäten an Fischen zu urteilen, die das Dorf
allwöchentlich an die Station Stanleyville für die Tafel der
Staatsangestellten und zur Ernährung der schwarzen Arbeiter abzuliefern
hatte, mußte die Ausbeute eine ganz gewaltige sein. Es kommen
verschiedene große Arten von Wels vor, die oft ein Gewicht von 60 und
80 Kilogramm erreichen und auch Leichen anfressen sollen. Außer diesen
finden sich unzählige Arten, vom Catfisch angefangen, bis zum Kongosalm
-- Rüsselfische, Hundefische (nach ihrem scharfen Gebiß so benannt),
Fische in der Art unserer Barben, Karpfen, Schleie, Barsche usw.

Unser eigenes Kanu hatten wir inzwischen, es immer dicht am Ufer
entlang ziehend, mit Hilfe von ein paar Bakeniens, die für Geld
und gute Worte herbeigeeilt waren, über die Felsen emporgezogen
und oberhalb des Falls verankert. Nachdem ich mich bis gegen
Sonnenuntergang an dem gewaltigen Naturschauspiel, das der Fall uns
bot, geweidet hatte, sandte ich das schwarze Personal zu Fuß nach der
Faktorei zurück, während ich mich mit Mustapha oberhalb des Falles auf
das rechte Ufer übersetzen ließ, von wo aus ein bequemer Promenadenweg
durch die Araberniederlassungen nach Stanleyville führt. Auf unserem
Weg wurden wir wiederholt von Händlern angehalten, die uns Sklaven und
Sklavinnen zum Kaufe oder besser gesagt zum Freikaufe -- wie der Staat
dies diplomatisch ausdrückt -- anboten.

Am nächsten Morgen bei Tagesanbruch machte ich mich, von zwölf
Arbeitern begleitet, auf den Weg nach Peneka Tango und schiffte mich
auf unserem Kanu ein. Wir fuhren eine kleine Strecke stromaufwärts,
um bei Überquerung des Flusses nicht in die Fälle hineingetrieben zu
werden und gingen dann auf die andere Seite über, wo wir in einen
Seitenarm des Kongos einbogen. Zur Rechten dichtbelaubte Inseln,
zur Linken das nach der Tiefe zu sich abstufende Laub des Urwaldes,
über uns die Sonne eines herrlichen Frühlingsmorgens, auf Blättern
und Blüten gleich Myriaden Diamanten große, in den Sonnenstrahlen
funkelnde Tautropfen: wie in einem Märchenlande glitt unser Boot über
die spiegelglatte Wasserfläche dahin. Tiefer, weihevoller Frieden lag
auf der Wasserfläche. Das Leben und Treiben von Stanleyville drang
nicht bis hierher, selbst das dumpfe Brausen des unweit hinter Inseln
und Bäumen befindlichen Falles ertönte wie aus weiter Ferne. Nur das
Trillern, Gezwitscher und Lockrufen der Vögel, die den herrlichen
Morgen mit ihrem Jubellied feierten, war hörbar und stimmte das Herz
unsagbar glücklich.

[Illustration: Häuptling mit Gefolge.]

Nach dreistündiger, genußreicher Wasserfahrt gelangten wir an
unser Reiseziel. Ich ging mit den Leuten durch den Urwald bis an
Sumpfniederungen, wo Riesenpalmblätter und Bambus in Unmengen
wucherten. Das Terrain war zum Teil stark versumpft, und meine Leute
arbeiteten bis zu den Knien im Morast, um das zum Dachdecken nötige
Material zu gewinnen. Während dieser Zeit machte ich einen kleinen
Streifzug in die nächste Umgebung und hatte Gelegenheit, einen
»=Bulikoko=« (blauer Fasan) und zwei Affen zur Strecke zu bringen.

Dieser Ausflug in das Morastgebiet sollte mir teuer zu stehen kommen
und hatte für mich böse Folgen. Als ich am folgenden Morgen erwachte,
fühlte ich eine unbegreifliche Schwäche in mir. Abgespannt und müde
erhob ich mich vom Lager, entschlossen, dem unsichtbaren Feind,
dem Fieber, welches mich unvermutet in der Nacht überfallen hatte,
zu trotzen und es durch Arbeit niederzukämpfen. Da Janssen verreist
war, hatte ich alle Hände voll zu tun und ging wie gewöhnlich meiner
Beschäftigung nach. Gegen 9 Uhr wurde ich plötzlich von heftigem
Schüttelfrost befallen. Ich ließ mir eine Tasse heißen Tee machen und
nahm gleichzeitig ein halbes Gramm Antipyrin. Auch jetzt noch war ich
fest entschlossen, der wachsenden Schwäche und inneren Erregung zu
widerstehen. Ich hatte jedoch kaum die ersten paar Schlucke heißen Tees
im Magen, als sich die Reaktion mit elementarer Gewalt einstellte.
Unter Erbrechen von großen Brocken Galle brach ich zusammen. Ein
Schüttelfrost überfiel mich mit solcher Heftigkeit, daß ich vor dem
Klappern der Zähne kaum imstande war, mich mit meinem Boy und dem
schnell herbeigeeilten Mustapha verständlich zu machen. Sie brachten
mich zu Bett, und als alle im Hause verfügbaren Decken nicht genügten,
bei mir ein Wärmegefühl aufkommen zu lassen, eilte Mustapha ins Magazin
und ließ auch von unserem dortigen Vorrat noch weitere dazu holen.
Immer und immer wieder versuchte ich, heißen Tee, als einziges und
bestes Mittel, den kalten Todesschauer loszuwerden, zu mir zu nehmen,
doch jeder Versuch verursachte erneutes Erbrechen von Galle. Es ist
geradezu ungeheuerlich, welche Quantitäten davon der menschliche Körper
bei Gallfieber von sich gibt.

Hatte ich bisher tapfer standgehalten, so brach ich nun völlig nieder,
jede Energie und Widerstandskraft war dahin. Eine dumpfe Resignation
bemächtigte sich meiner. Nach dem Schüttelfrost kam plötzlich ein
heißer Schauer über mich. Ich hatte das Gefühl, als ob eine Blutwelle
durch den ganzen Körper dem Kopfe zujagte und auf ihrem Weg dahin
alle Adern zum Bersten bringen müßte. Kopf und Stirne waren glühend
heiß; das Thermometer stieg von 38,7 auf 39,5, 40,2, um schließlich
bei 41 Grad haltzumachen. Das Hirn arbeitete ruhelos, die Pulse flogen
und trommelten im Schnelltempo. Ich fühlte, wie mir das Bewußtsein
entschwand, und hatte das Empfinden, als ob ich durch das Bett immer
tiefer und tiefer in die Erde, in mein Grab sänke. Das Bett und meine
Umgebung wankte und schaukelte wie auf hoher See. Gleichzeitig fühlte
ich im Kopfe ein Sausen und Brausen wie die Brandung des Meeres. Das
Chinin tat offenbar bereits seine Wirkung.

Das Nächste, woran ich mich zurückerinnern kann, war, daß mich
plötzlich ein wohliges, warmes Gefühl überkam. Irgend etwas in meinem
Hirn schien gerissen zu sein. Ich hatte keinen eigenen Willen mehr,
sondern befand mich in einer Art hochgradigen Fiebertraumes, der
fremdartige Phantasiegebilde, in denen ich den Mittelpunkt bildete,
gleich den Bildern eines Kaleidoskops in wilder Jagd an meinem
geistigen Auge vorüberziehen ließ. Von unsichtbarer Gewalt getrieben,
eilte ich in wilder Hast über seltsame Landschaften mit Palmenhainen
und mit Blumen übersäten Wiesen, die von der aufgehenden Sonne
hell beleuchtet waren, meiner entflohenen Seele nach, die wie ein
Schatten vor mir herschwebte und die ich unter Aufbietung aller Kräfte
wiederzuerlangen suchte.

Unterwegs begegneten mir eine Menge bekannter Gestalten, die ich im
Leben niemals gesehen, die mir jedoch im Verlaufe der Jahre wiederholt
im Traum erschienen waren und die mich jetzt verwundert und entsetzt
betrachteten, um gleich darauf wieder wesenlos zu verschwinden.
Plötzlich kam ich an ein hohes Felsengebirge, das ich im rasenden
Laufe erkletterte. Ein dunkler Abgrund -- unermeßlich tief --, aus
welchem gleich Nebelschwaden Rauch aufstieg, lag zu meinen Füßen. Vor
mir tat sich die Hölle auf, und in sie hinein entschwand meine Seele.
Von Grauen gepackt, wollte ich einhalten im rasenden Lauf. Unmöglich
-- ein unsichtbares Etwas trieb mich unaufhaltsam dem Abgrunde zu. Ich
fühlte, wie ich durch die Luft schwebte und in die Tiefe sauste. Immer
tiefer durch Feuerwolken und giftige Gase, in ein Flammenmeer, das mir
den Atem raubte und mir die Sinne nahm. Dann wieder stand ich inmitten
hellen Sonnenscheins, von allen Seiten eingeschlossen, in einer
Bodensenkung. Oben auf einer Anhöhe standen meine Eltern und winkten
mir, heraufzukommen. Ich hatte sie viele Jahre nicht gesehen und als
tot beweint, und mein Herz sehnte sich danach, sie in die Arme zu
schließen. Im Begriffe, zu ihnen zu eilen, bemerkte ich mit Entsetzen,
daß ich inmitten tausender Schlangen stand, die von allen Seiten aus
Erdlöchern herausschlüpften, um sich zu sonnen. Zu Ringen und Klumpen
geballt, lag das giftige Gewürm über- und aufeinander. Die einen fraßen
die anderen auf. Ich hatte ein Schwert in der Hand und versuchte, von
Grauen gepackt, mich der Schlangen zu erwehren. Ich zerspaltete und
durchschnitt die ekelhafte Brut. Doch es wuchsen den einzelnen Teilen
neue Köpfe, die sich nun mit ihren giftigen Fängen an meinem ganzen
Körper festbissen. Ganz genau empfand ich, wie die Nattern sich trotz
meiner verzweifelten Gegenwehr um Füße, Arme und Beine hinaufringelten
und mir schließlich die Kehle durchbissen. In wahnsinniger Angst eilte
ich mit geflügelten Schritten weiter -- meine Eltern waren meinen
Blicken entschwunden.

Dann wieder sah ich mich inmitten von Totenschädeln als Leiche
aufgebahrt. Ein Kreis der nächsten Verwandten saß fröhlich plaudernd
neben dem Totenlager, während sich meine Mutter, ihr Herz vom wilden
Schmerze zerrissen, über den Toten warf. Ich aber stand daneben, und
das Weinen und Wehklagen der Mutter, die mich, ihren totgeglaubten
Sohn, betrauerte, schnitt mir tief ins Herz hinein. Ich wollte mich
ihr zu Füßen stürzen, ihr zurufen, doch die Glieder und die Stimme
versagten ihren Dienst, und jetzt wurde ich plötzlich mit Erstaunen
gewahr, daß kein Ton, kein Laut eines lebenden Wesens meinem Ohr
vernehmbar war. Grabesstille herrschte in diesem Weltall der Toten, das
doch wieder voll Leben war. Ganz deutlich sah ich mit den Augen die
geschilderten Vorgänge -- das Ohr jedoch vernahm nichts davon.

Dann wieder eilte ich an der Spitze einer Karawane durch dichten Urwald
und weite Grassteppen mit Palmenhainen, aus deren Wedeln große Affen
mit Menschenfratzen höhnisch auf uns herabblickten. Meine Karawane war
kunterbunt aus Negern von der Küste und Traumgestalten von Leuten,
denen ich im Leben einmal begegnet sein mochte, zusammengestellt.
Stunden über Stunden waren wir unter sengender Sonnenhitze über
Steppen und Wiesen dahingeeilt, ohne einen Tropfen Wasser oder etwas
Nahrung zu uns genommen zu haben. Die Zunge klebte am Gaumen, die Füße
versagten ihren Dienst. Da sahen wir plötzlich aus einem Bananenwald
liebliche Hütten auftauchen und einladend winken. Und von allen Hütten
näherten sich uns Negerfrauen und -mädchen, die uns in scheuer Furcht
betrachteten und wieder verschwanden. Wohl fiel mir auf, daß wir nur
weibliche Personen zu Gesicht bekamen, doch der Gedanke, ins Reich der
Amazonen zu kommen, hatte nichts Schreckliches an sich.

Im Dorfe um uns schien sich etwas Geheimnisvolles vorzubereiten. Seit
Menschengedenken war in diese Gegend kein männliches Wesen gekommen,
und uns drohte ein fürchterliches Unheil. Mein Blick, der durch
die Wände der Hütte ins Innere hineinzudringen vermochte, sah alte
Weiber mit zornverzerrten Mienen um die Feuer hocken. Ich sah, wie
sie untereinander tuschelten, die Köpfe zusammensteckten und in den
Mondschein hinausstarrten, als erwarteten sie etwas Furchtbares zu
hören. Ein Orakel hatte den Weibern den Untergang des Dorfes verkündet,
sobald der Fuß eines Mannes das Gebiet betreten würde.

Die Sitte wollte es, daß, sobald eines der jungen Mädchen das
heiratsfähige Alter erreicht hatte, es mit großem Pomp dem Bräutigam,
der Sonne, zugeführt wurde. Die Glut der heißen Strahlen mit der ihnen
innewohnenden Kraft, die stets neues Leben erweckt, befruchtete den
jugendlichen, jungfräulichen Körper, der bis zur Geburt des Kindes
alltäglich ein Gegenstand sorgfältigen Sonnenkultus bildete. Gebar
die junge Frau ein Mädchen, dann wurde dieses Mädchen mit Prunk und
Festlichkeit in die Gemeinde aufgenommen -- kam ein Junge zur Welt, so
wurde er der Sonne geopfert.

Die finstere Nacht nahte heran. In schlauer Zärtlichkeit führten die
schönen, bronzenen jungen Mädchen des Dorfes Freudentänze vor unseren
Augen auf. Sie schmiegten sich völlig unbekleidet an uns und umfingen
uns mit den Armen. In höchstem Wonnegefühl ließ ein dunkles Ahnen mein
Blut in den Adern erstarren, ganz deutlich erkannte ich plötzlich
in den liebevollen Augen meiner Gefährtinnen den giftigen Blick der
Schlangen, die ihr Opfer suchten.

Ich wollte meine Leute warnen, wollte rufen, vermochte aber keinen
Laut hervorzubringen. Ich wollte mich der fürchterlichen Umarmung
erwehren, doch wie eiserne Ketten umschlossen die bloßen Arme und Füße
meinen Körper. Mit Grauen bemerkte ich, wie die Frauen mit wollüstiger
Grausamkeit einem Gefährten nach dem anderen die Kehle durchschnitten
-- das entströmende Blut versetzte sie in einen Freudentaumel. Um mich
her, toll vom Blutrausch, in den Händen die blutigen Messer und Fackeln
schwingend, tanzte im Reigen eine Legion der wilden Amazonen.

Vergeblich versuchte ich, mich der von allen Seiten auf mich
einstürmenden Frauenkörper, ihrem sinnlichen Begehren und der
Glutwelle, die von ihren Leibern ausging, zu erwehren. Von ihnen in die
Mitte des Dorfes vor ihren Götzen geschleppt, wurde ich an Händen und
Füßen gefesselt. Ich hatte das Vorgefühl eines schauerlichen Todes, dem
qualvolle Martern vorhergehen sollten. Eine Horde besessener Teufel mit
herrlichen Frauenleibern umtanzte mich im tollen Bacchanal und weidete
sich an dem Grauen, das sie mir mit ihrer Wollust einflößten. Mit
scharfen Messern bezeichnete eine nach der anderen in blutigen Ringen
auf meiner weißen Haut das Stück, das ihr nach meinem Tode angehören
sollte. Die Vorkehrungen zum Opfer waren beendet. Ich sollte am Spieße
gebraten werden. Ganz deutlich fühlte ich das kalte Eisen, das mich von
unten nach oben durchbohrte, und die ungeheure Hitze der Flammen.

Ein Schmerz durchzuckte meinen Körper. Ich öffnete die Augen und
erkannte in tiefer Erregung den über mich gebeugten Dr. Bellis, mit
der Pravazschen Spritze in der Hand, mittels der er gerade noch
rechtzeitig durch Chinin und Koffein-Einspritzungen unter die Haut die
entfliehenden Lebensgeister gebannt hatte. Dank seiner Hilfe war ich
für diesmal gerettet.

Janssen, durch Eilboten vom Arzt aus Romée zurückberufen, kehrte nach
vier Tagen heim. Acht qualvolle Tage und Nächte fesselte mich der
beständige Kampf mit dem Fieber und der sich immer wieder von neuem
ansammelnden Galle ans Krankenbett. Als einzige Nahrung während der
ganzen Zeit erhielt ich etwas mit Wasser zu gleichen Teilen flüssig
gemachte kondensierte Milch. Kein Wunder, daß ich mich nach neun Tagen
völlig entkräftet, ein schwankendes Rohr, von meinem Lager erhob. Von
Mustapha und meinem Boy unterstützt, ließ ich mich für einige Stunden
im Lehnstuhl hinaus ins Freie tragen, von wo auch ich einen freien
Überblick über den Strom und das Leben um mich genießen konnte. Die
muntere Arbeit und das frohe Leben und Treiben um mich her erweckten
in mir bald die schlummernden Lebenskräfte, und in zwei weiteren Tagen
war ich bereits so weit hergestellt, um die Arbeit wieder aufnehmen zu
können.




              Faktoreichef. Reisen ins Innere des Landes.


Eines Tages kam Janongo, der Häuptling eines Dorfes, das bisher die
Hälfte unserer monatlichen Kautschukproduktion lieferte, mit unserem
im Dorfe installierten Capita zurück. Gewöhnlich nehmen Dörfer
die Namen von Häuptlingen an, die sich durch persönlichen Mut und
Unerschrockenheit besonders hervorgetan haben. Der Häuptling war übel
zugerichtet. Das rechte Auge und die Nase waren unförmig angeschwollen
und der übrige Teil des Gesichtes und die Brust mit gestocktem
Blute bis zur Unkenntlichkeit besudelt. Vom Rücken und den Lenden
abwärts zeigte die Haut blutige Striemen und entsetzliche Wunden und
Geschwüre. Der Mann war offenbar mißhandelt worden und hatte dabei
reichlich Blut verloren. Was hatte sich zugetragen?

[Illustration: Ankauf von Kautschuk.]

Die Dörfer Janongos, zum Rayon der Stanleyfälle gehörend, liegen
in unmittelbarer Nähe der Grenze, welche den anschließenden
Aruwimi-Distrikt von der »=Province Orientale=« scheidet.

Zwischen dem ehemaligen Staatsangestellten, der den einige Stunden
stromabwärts gelegenen Staatsposten kommandierte, und unserer Faktorei
bestanden bisher freundschaftlich nachbarliche Beziehungen. Seit
kurzem war der Beamte auf Urlaub nach Europa zurückgekehrt, und sein
Nachfolger P..... hatte Janssen bei seiner letzten Reise ziemlich kühl
aufgenommen, so daß dieser, ganz gegen seine bisherige Gewohnheit,
gar nicht dort übernachtet hatte, sondern nach kurzem Aufenthalt
weitergereist war. P....., von den Eingeborenen »=Malu Malu=«
(»Schnell schnell«) genannt, war nun vor einigen Tagen mit fünfzig
Soldaten im Dorfe erschienen und hatte von Janongo eine monatliche
Steuer von hundert Säcken Kautschuk verlangt. Aus die Erklärung
Janongos, daß sein Dorf seit Jahren Kautschuk an die Stanleyfälle
liefere, und seine Weigerung, dem Befehl nachzukommen, ließ P.....
ihn in Ketten legen und befahl seinen Soldaten, in den Hütten der
Eingeborenen nach Kautschuk zu suchen. Einer der Soldaten schnüffelte
im Hause unseres Capitas den bereits fertiggestellten Kautschuk auf.
Unser Capita, nichts Gutes ahnend, hatte wahrscheinlich Reißaus
genommen, obgleich er natürlich steif und fest behauptete, zur
Zeit nicht im Dorfe gewesen zu sein. P..... ließ nun den gesamten
Kautschukvorrat mit Beschlag belegen und dem Häuptling Janongo, weil
dieser ihn belogen hatte, fünfzig Hiebe mit der Nilpferdpeitsche
geben. Überdies traktierte er den am Boden Liegenden in schamlosester
Weise mit seinen Stiefelabsätzen. Noch in der gleichen Nacht hatten
Janongo und der inzwischen zurückgekehrte Capita das Dorf verlassen, um
Klage bei uns zu führen. Janssen war durch die geschilderten Vorgänge
in eine nicht wiederzugebende Aufregung und Wut versetzt worden.
Abgesehen davon, daß Janongo stets einer der verläßlichsten Häuptlinge
gewesen war und wir durch die Beschlagnahme des bereits bezahlten
Kautschuks einen enormen finanziellen Schaden erlitten hatten,
erregte es ihn besonders, daß unser Prestige bei den Eingeborenen
infolge der Mißhandlungen des Häuptlings durch einen Staatsbeamten
stark erschüttert worden war. Er betraute mich mit der Klage beim
Distrikts-Kommissar, da er fürchtete, nicht Herr seiner Erregung
bleiben zu können. Ich begab mich sofort mit den beiden Zeugen auf
das Kommissariat und ließ den ganzen Sachverhalt zu Protokoll nehmen,
worauf der Distrikts-Kommissar uns volle Entschädigung und Bestrafung
des Schuldigen in Aussicht stellte und sofort einen der hiesigen
Offiziere mit der Untersuchung an Ort und Stelle betraute.

Bei meiner Rückkehr fand ich Janssen mit hochgradigem Fieber infolge
der Aufregung im Bette vor. Gegen Mitternacht ließ er mich zu sich
rufen. Sein Zustand hatte sich bedeutend verschlimmert, es erwies
sich, daß er an Schwarzwasserfieber erkrankt war. Ich gab ihm sofort
heißen Tee und eine reichliche Dosis Antipyrin. Der Harn, welcher
vorher schwarzrot war, bekam daraufhin wieder seine natürliche Farbe.
Da das Fieber während der Nacht absolut nicht weichen wollte, ließ
ich am folgenden Morgen =Dr.= Bellis von der Station kommen.
Merkwürdigerweise ließ das Fieber plötzlich ganz nach, so daß der Arzt
nun nicht recht wußte, was er von der Veränderung halten sollte.
Vorsichtigerweise verordnete er Janssen ein Purgativ, völlige Ruhe und
Diät. Gegen 11 Uhr früh fühlte Janssen sich wieder vollständig wohl und
erhob sich trotz aller Abmahnungen. Die Geschichte mit Janongo wollte
ihm nicht aus dem Kopf.

Meine Abreise in Begleitung des befreundeten Offiziers mit einer
Eskorte von zehn Soldaten war für den nächsten Morgen in Aussicht
genommen, und Janssen gab mir eine Menge Ratschläge, wie ich mich bei
der Sache zu verhalten habe.

Gegen Abend begann das Fieber von neuem, um Mitternacht traten wieder
die einwandfreien Zeichen von Schwarzwasserfieber auf. Ernstlich
beunruhigt, ließ ich diesmal trotz der späten Stunde =Dr.= Bellis
rufen. Dieser kam gegen 1 Uhr und bestätigte unsere Vermutung. Er
ließ sofort einen Einlauf von zwei Liter Seifenwasser machen, gab dem
Patienten ein Gramm Chinin und viel heißen Tee und meinte, daß die
Krankheit bis spätestens am nächsten Tage behoben wäre. Unter diesen
Umständen wollte ich meine Reise nach Janongo unbedingt um einige Tage
verschieben, um Janssen zu pflegen. Doch diesem ging die Angelegenheit
fortwährend derart im Kopfe herum, daß =Dr.= Bellis, um ihn
nicht unnötig noch mehr aufzuregen, mich bat, wegzufahren. Janssens
Abschiedsworte waren: »Tu dein möglichstes, um die Sache glücklich zu
Ende zu führen, dann werde ich sicherlich vor Freude genesen.« Dies
waren die letzten Worte, die er an mich richtete. Das Schicksal hatte
gewollt, daß wir uns nie wiedersähen. Der Tod hatte während meiner
kurzen Abwesenheit Einkehr in unserer kleinen Faktorei gehalten und ein
junges Menschenopfer gefordert.

Auf meiner Reise nach Janongo ließ ich unser Kanu vorsichtshalber noch
in der Mission St. Gabriel anlaufen und Pater Willibrord, der Janssen
persönlich sehr zugetan war, bitten, ihn während meiner Abwesenheit zu
pflegen.

Während der nächsten Tage besuchte ich mit meinem Begleiter die
Dörfer von Janongo und stellte an Ort und Stelle an der Hand von
Zeugenaussagen der Eingeborenen den Tatbestand fest. Meine Capitas
waren auf die Nachricht unserer Ankunft hin wieder zur Stelle. Der
schuldtragende Beamte wurde einige Zeit danach vom Distrikts-Kommissar
abberufen und anderswohin versetzt -- der leidtragende Häuptling
Janongo hingegen für die erlittene Unbill von mir reichlich mit
Geschenken bedacht.

Vier Tage später kehrte ich gegen 10 Uhr nachts ahnungslos von meiner
Reise zurück. Wir waren im Begriffe, die Mission St. Gabriel zu
passieren, als unser Boot von dorther angerufen wurde. Durch den Gesang
der Ruderer war die Annäherung unseres Bootes schon bemerkt worden.
Beim Überqueren des Flußufers erkannte ich mehrere vom Fackelschein
beleuchtete Männer, darunter den Leiter der Mission Pater Vitus und
=Dr.= Bellis, die am Anlegeplatz standen.

»=Vous avez reçu la nouvelle?=« war die erste Frage. Ich ganz
erstaunt: »=Mais quelle nouvelle, mon reverend Père?=«

Ich ließ anhalten und erfuhr nun vom Pater Gabriel, daß mein Chef
Janssen am Morgen gestorben und nachmittags in der Mission begraben
worden war.

Der Schlag traf mich gänzlich unerwartet. Nach den letzten Äußerungen
von =Dr.= Bellis hatte ich an die Krankheit gar nicht mehr
gedacht, sondern geglaubt, daß Janssens gesunde, kräftige Konstitution
diese zweite Attacke ebenso leicht überwinden würde wie die erste.
Den ganzen Nachmittag hatte ich im Hochgefühl einer für uns äußerst
günstigen Abwicklung geschwelgt und mich auf den Moment gefreut, wo
ich Janssen die erfreuliche Nachricht überbringen würde und nun ...
Ein Bote war mir am frühen Morgen nachgesandt worden, der mich aber
verfehlt haben mußte. Infolge meiner Abwesenheit waren an sämtliche
Magazine und Gebäude vom Gerichtsschreiber Siegel angelegt worden. Ein
Justizoffizier und Pater Willibrord waren auf der Faktorei verblieben.
Tief niedergeschlagen traf ich gegen Mitternacht in Stanleyville an,
wo mich de Koning, der vom Distrikts-Kommissar mit der Überwachung der
Faktorei beauftragt war, empfing.

Am folgenden Morgen wurden die Siegel gelöst, und ich machte mich an
die äußerst langwierige Arbeit, ein vollständiges Inventar von dem
gegenwärtigen Stand der Faktorei und allen Janssen gehörenden Effekten
aufzustellen. Mein langersehnter Wunsch, Faktoreichef zu werden, war
erfüllt, allerdings auf eine Art, die mir jede Freude daran benahm. Ich
hatte Janssen eigentlich nie als meinen Chef, sondern vielmehr stets
als guten Kameraden betrachtet, und seine Stütze ging mir in der ersten
Zeit sehr ab.

Die unmittelbare Folge dieses Todesfalles war, daß die Konkurrenz, die
mit wachsendem Mißmut das Anschwellen unserer Kautschukproduktion in
den letzten Monaten -- eine Folge der fortwährenden Bemühungen und
Reisen von Janssen ins Innere des Landes -- beobachtet hatte, sich
sofort ans Werk machte, um die Dörfer, die bisher Kautschuk für uns
anfertigten, uns abspenstig zu machen und zu sich hinüberzuholen.
Laut übereinstimmenden Berichten glaubwürdiger Vertrauensmänner
ergab sich, daß die Chefs der »SAB« und der »Belgika« überall in den
Dörfern die Todesnachricht verbreiteten und unsere Capitas auffordern
ließen, in ihre Dienste überzutreten. Hier galt es rasch handeln,
wollte ich diese Absicht vereiteln und nicht die Früchte monatelanger
Organisationsarbeit verlieren.

Zwei Tage und Nächte arbeitete ich am Inventar und den schriftlichen
Berichten an die Direktion in Brazzaville, die ich gleichzeitig auch um
einen neuen Beamten ersuchte. Am dritten Tag übergab ich die Station
meinem schwarzen Schreiber und brach mit 40 Mann, 20 Gewehren und
einer reichlichen Auswahl an Waren und Geschenken aller Art, die für
die Häuptlinge bestimmt waren, in zwei Kanus auf, um sämtliche Dörfer,
die bisher Kautschuk für uns geliefert hatten, zu besuchen und zur
Weiterarbeit anzufeuern. Gleichzeitig wollte ich noch versuchen, einige
weitere Dörfer zur Kautschukproduktion heranzuziehen.

Trotz wenig günstiger Witterung fuhren wir gegen 9 Uhr früh ab. Meine
Leute, froh, die eintönige Faktoreiarbeit für wenigstens eine Woche
zu verlassen, stimmten jubelnd ein melodisches Ruderlied in ihrer
Yambingasprache an, und von kräftigen Ruderschlägen getrieben, schoß
das Boot wie ein Pfeil mit der Strömung dahin. Gegen Mittag begann es
zu regnen. Mein Kanu besaß ein kleines Dach, gerade groß genug, um mich
und meine Effekten zu decken, während die Waren in dem zweiten Kanu
dem Regen preisgegeben waren. Einer meiner Leute entdeckte auf der
Fahrt ein Fischerkanu, das mit Schilfdächern beladen war. Ich forderte
die Fischer auf, mir zwei davon zu verkaufen. In unbegreiflicher
Verstocktheit wollten die Leute von ihrem Vorrat nichts abgeben, so
daß ich gezwungen war, das Gewünschte einfach »requirieren« zu lassen,
worauf die Leute dann gerne die Bezahlung annahmen. Da der Regen an
Heftigkeit zunahm, beschloß ich, über Mittag in der Mission St. Gabriel
zu bleiben.

Nirgends in der Welt herrscht größere Gastfreundschaft als in den
spärlich besiedelten Teilen Zentralafrikas, wo der Gast zu jeder
Tageszeit willkommen ist. Ist er doch gewöhnlich Träger interessanter
Neuigkeiten aus der Außenwelt, von der man vollständig abgeschlossen
ist, und bringt ein neues Element der Fröhlichkeit und des belebenden
Gedankenaustausches mit sich. In vielen Stationen würde es dem Europäer
geradezu verübelt werden, wollte er auf der Durchreise sich nicht
aufhalten.

Gegen Nachmittag ließ der Regen nach, und ich fuhr weiter stromabwärts
nach dem Dorfe Kilomani. Hier war Janssen eine Woche vor seinem Ableben
von den Eingeborenen mit Speeren und Pfeilen empfangen worden. Ein
Korporal mit zehn Soldaten hatte nachts Streit mit den Eingeborenen
angefangen, und im Verlaufe desselben waren mehrere Leute verwundet
worden. Seither fürchteten sie eine Strafexpedition und flohen, sobald
sie eines Europäers ansichtig wurden. Auch mir erging es nicht besser.
Das ganze Dorf war bei Ankunft meiner bewaffneten Macht auf einen
hochtönenden, trillernden Schrei hin verschwunden. Ringsum war keine
Menschenseele zu erblicken. Vor den Hütten brodelten in Töpfen über dem
Feuer alle möglichen Nahrungsmittel, und ich hatte Mühe, meine Leute
vom Plündern abzuhalten. Zwischen den Hütten krähte ein naseweiser
Hahn, eine Henne lief gackernd mit den Jungen davon, um sich vor der
Gefahr in Sicherheit zu bringen.

Eine unheimliche Stille lastete bei unserer Ankunft über dem
verlassenen Dorf, in den niedrigen Plantagen und dem undurchdringlichen
Blätterdach des Urwaldes. Wir hatten das Gefühl, daß jeder Baum und
jeder Strauch einen unsichtbaren Feind verbarg und daß hunderte
Augenpaare jede unserer Bewegungen scharf beobachtete, um im geeigneten
Moment auf ein gegebenes Zeichen uns mit einem Hagel von Pfeilen und
Speeren zu überschütten. Es ist für den Neuling ein ganz eigenartiges
Gefühl, so inmitten eines verlassenen afrikanischen Dorfes, das
allenthalben deutliche Spuren der anwesenden Einwohnerschaft zeigt, zu
stehen und dabei im unklaren zu sein, ob nicht in der nächsten Minute
ein gefiederter Schaft mit fünf Zentimeter langer Eisenspitze einem
durch die Rippen fährt.

Am Hauptplatz, vor der Hütte des Häuptlings machten wir halt.
Gewöhnlich unterscheidet sich diese von den niedrigen aus
Palmenblättern bestehenden Hütten der übrigen Eingeborenen durch ihre
massive, geräumige Struktur. Sie ist meistens doppelt so groß wie die
anderen und manchmal von einer Palisadenwand umgeben. Vor der Hütte
befindet sich stets ein großer freier Platz, der Versammlungsplatz des
Dorfes, und rings herum im Kreise, je nach dessen Größe, ein zwei- bis
dreifacher Kranz von Hütten. Unmittelbar vor der Hütte des Häuptlings
steht der »Medizinbaum«, ein kahler Strauch, auf dessen Zweige kleine
Götzen und Fetische, kleine Beutel aus Antilopenfell, worin sich eine
Medizin befindet, die Schädel von Affen und allen möglichen kleinen
Tieren, aber auch von Leoparden, Büffeln usw. befestigt sind. Daneben
steht, gegen Regen durch ein Dach geschützt, der große Gong des Dorfes,
welcher gleich unseren Telegraphen den benachbarten Dörfern Kunde von
allen Vorfällen und Beschlüssen des Häuptlings geben soll. Mittels
desselben ließ ich durch einen meiner der »Gong-Sprache« kundigen Leute
den Eingeborenen mitteilen, daß ich in friedlicher Absicht zu ihnen
käme, um Tauschhandel mit ihnen zu treiben und daß ich mit dem Streit,
den sie mit den Soldaten hatten, nichts zu tun hätte.

Einige Minuten herrschte tiefes Stillschweigen, dann erscholl aus der
Tiefe des Waldes eine Stimme, die den Eingeborenen befahl, auf den
weißen Mann nicht zu schießen. Hierauf kamen zögernd hinter Büschen
und Sträuchern einige unbewaffnete Männer hervor. Die Kameraden, noch
immer mißtrauisch, beobachteten von ihren Verstecken aus, was weiter
geschah. Um die Leute zu beruhigen, hatte ich meinerseits Anweisung
gegeben, die Gewehre zu Pyramiden zusammenzustellen. Endlich, nach
wiederholter Aufforderung kam auch der Häuptling Monkwojama und mit ihm
ein Teil der Dorfjugend hervor, und nunmehr konnten wir mit den äußerst
mißtrauischen Eingeborenen in Verhandlung treten.

Gegen 20 »=dottis=« (etwa 70 Meter verschieden gefärbter
Baumwollstoffe), einen langen Gehrock samt grauem, breitrandigem
Touristenhut für den Häuptling sowie einem entsprechenden Geschenk an
Spiegeln, Perlen, Zündhölzern, hohlen Arm- und Beinringen aus Messing,
kleinen Schellen und Glöckchen, Löffeln und Messern, alles blinkende
Herrlichkeiten für die entzückten Dorfschönen, wurden wir schließlich
handelseinig, und das Dorf versprach, das von mir angesetzte Quantum
Kautschuk anzufertigen.

Vor meiner Abreise mußte ich Monkwojama noch versprechen, seine Sache
beim Kommandanten von Stanleyville zu vertreten. Dies konnte ich um so
eher zusagen, als sich herausstellte, daß keiner der Soldaten verwundet
oder getötet worden war und, wie ich aus Erfahrung wußte, diese sich
hüten würden, von ihrem nächtlichen Raubzug etwas verlauten zu lassen.
Zum Schutze des Dorfes vor ähnlichen Vorkommnissen, und um auch dafür
zu sorgen, daß der Kautschuk zustande kam, ließ ich hier einen meiner
Leute mit einem Perkussionsgewehr zurück. Als vermeintlicher Feind war
ich ins Dorf gekommen, als Freund verließ ich dasselbe eine Stunde
später, von der freudig erregten Menge begleitet, die im Tanzschritt
unter dem ohrenbetäubenden »Yolah«-Geschrei und Tuten von Hörnern
ihrer kindlichen Freude Ausdruck verlieh, ein Zeichen, wie schnell
Volksstimmungen umschlagen.

Weiter stromabwärts eilten meine beiden Kanus in wilder Wettfahrt, um
noch vor Einbruch der Nacht die »Baptist-Mission Yakussi« zu erreichen,
wo wir freundliche Aufnahme vorfanden und übernachteten.

Am folgenden Morgen bei Tagesanbruch machten wir uns auf den Weg
nach dem unweit der Mission im Urwald gelegenen Dorfe Yakussi. Die
ganze Nacht durch hatte es geregnet, und die schmalen, lehmigen
Fußpfade standen unter Wasser. Auf Schritt und Tritt streifte ich von
dem dichten Unterholz große Regentropfen ab, so daß meine Kleidung
binnen wenigen Minuten vom Kopf bis zu den Füßen völlig durchnäßt,
und ich wohl oder übel gezwungen war, ein unfreiwilliges Kneippbad zu
nehmen. Denkt sich der Leser hierzu noch rote, braune und schmutzige
Flecken infolge Abstreifens des roten Tukula-Pulvers, womit Männer
und Frauen sich den Körper beschmieren, dann kann er sich ungefähr
eine Vorstellung davon machen, in welchem Aufzug ich eine halbe
Stunde später nach forciertem Marsche im Dorfe ankam. Ich benützte
die erste freie Hütte, um mich vollständig umzukleiden und hatte eben
meine rasche Toilette beendigt, als der »Tambu Tambu« -- Neger-Sultan
Yakussi -- mit großem Gefolge und tanzenden Frauen, die mich mit lautem
Händeklatschen begrüßten, eintraf, um mich zum Hauptdorfe zu geleiten.

Das Dorf Yakussi, ursprünglich aus einem paar halbverfallener, im
Urwald versteckter Negerhütten bestehend, hatte sich im Laufe der Jahre
unter dem Schutze der Mission zu einer langgestreckten Ansammlung
von Negerhütten und zu einem bedeutenden Markte entwickelt. Der alte
Häuptling hatte wahrscheinlich mit schwerem Herzen von der Sitte seiner
Vorväter und dem Genuß delikater Menschenkotelettchen Abstand genommen,
seinen Lendenschurz mit dem Prunkgewand eines Negersultans vertauscht
und dazu im Laufe der Zeit den Titel angenommen.

[Illustration: Marktbild.]

Dank dem unermüdlichen Eifer der Missionare, dem unzivilisierten
Negervolke ein menschenwürdiges Dasein aufzudrängen, dank ihrer nah
und fern gerührten Werbetrommel, um alle mit ihrem Lose Unzufriedenen
um sich zu versammeln und zum Heil »Zambis«, des einzigen, wahrhaften
Gottes zu bekehren, hat Yakussi sein Dorf Monat für Monat sich
vergrößern und die Anzahl der Einwohner vermehren sehen. War seine
eigentliche Macht über Leben und Eigentum seiner Untergebenen auch
nur mehr ein Schein, so tröstete er sich offenbar damit, daß es den
Häuptlingen in den von »Felsenbrecher«, wie die Eingeborenen den
Kongostaat nennen, okkupierten Gebieten auch nicht besser ging und
die Häuptlinge der umliegenden Dörfer ihm gewissermaßen unterstanden.
Denn Yakussi war ein mächtiger Sultan geworden, der hoch in der Gunst
des weißen Eroberers stand und dessen Ohr stets auf seiner Seite
hatte. Alle Häuptlinge der umliegenden Dörfer erkannten dies willig
an und bedienten sich unter Zuhilfenahme reicher Geschenke stets
seiner Vermittlung, wenn es galt, ihr Dorf vor drückenden Steuern zu
bewahren, oder aber Streitigkeiten unter einander auszutragen. Auf
diese Weise war Yakussi im Laufe der Zeit reich geworden.

Auch die Einwohner des Dorfes erfreuten sich einer gewissen
Wohlhabenheit und hatten ihre ursprüngliche Scheu im Verkehr mit den
Europäern vollständig abgestreift. Die Frauen saßen größtenteils
in Kleidern um die Feuer und nickten uns einen freundlichen Gruß
zu, während die Kleinen und Allerkleinsten, die wir in anderen
Dörfern überhaupt nicht zu Gesicht bekamen, sich mir ganz zutraulich
näherten, ihre Pfötchen gaben und sich mit Perlen, Spiegeln und
Löffeln beschenken ließen. Auf dem Weg durch das langgestreckte
Dorf schlossen sich uns immer mehr Eingeborene an, so daß uns,
als wir am Versammlungsort angelangt waren, ein großer Wall von
Eingeborenen umgab. Nachdem ich nun den Leuten den Zweck meines Kommens
auseinandergesetzt hatte, teilte mir Yakussi mit, daß das Dorf zwar
bereits für »=Talla Talla=«, d. h. Augengläser (womit der Chef der
SAB, der Augengläser trug, bezeichnet wurde), Kautschuk anfertige, daß
er jedoch gerne bereit sei, das gleiche auch für mich zu tun.

Nicht sonderlich erbaut über den gemachten Vorschlag, willigte ich
schließlich ein und ließ die von Yakussi selbst ausgewählten Waren,
wofür er ein gewisses Quantum Kautschuk innerhalb eines Monats zu
liefern versprach, zurück. Meine Boys hatten inzwischen meinen
transportablen Tisch aufgestellt, ein nagelneues Tischtuch darüber
ausgebreitet und erschienen nunmehr mit dem Frühstück, bestehend aus
Omelett, geräuchertem Schinken, Sardinen und Kaffee. Während ich
inmitten der neugierigen Menge frühstückte, die jede Handbewegung,
das Öffnen der Sardinenbüchse usw. mit großem Interesse beobachtete,
brachten gegen dreißig Frauen aus Kürbis hergestellte Gefäße mit
»=Bidia=«, einer aus Mais und Maniokmehl hergestellten Polenta,
sowie allerlei Gemüse, geräucherte kleine Fische, Heuschrecken und
ähnliche Delikatessen zum Kaufe für mein Personal. Ich bezahlte das
gerne und ließ die Herrlichkeiten unter meine Träger verteilen, die mit
Heißhunger darüber herfielen.

Nachdem Sultan Yakussi mir im Laufe des Gespräches noch angeboten
hatte, durch einen seiner Leute mir den Weg zu drei Dörfern in der Nähe
des Lindiflusses zeigen zu lassen, die möglicherweise auch Kautschuk
für mich sammeln würden, brach ich nach einstündigem Aufenthalt auf.

Wer da glaubt, Yakussi hätte mich in selbstloser Weise zu drei Dörfern
gewiesen, um meine Zwecke zu unterstützen, täuscht sich gewaltig. Von
dem Sultan und einer Menge Eingeborener, die auf Pfeifen und kleinen
Holzgongs, hölzernen und elfenbeinernen Hörnern einen ohrenbetäubenden
Spektakel aufführten, begleitet, erfuhr ich kurz vor dem Abschied am
Flußufer, daß ein am Unterlauf des Lindis gelegenes Fischerdorf drei
Frauen des Dorfes geraubt hätte. Yakussi bat mich, ihm die drei Frauen
gelegentlich meines Besuches der Dörfer wiederzubringen.

Wir verließen Yakussi und schifften uns auf unseren Kanus wieder ein.
Der Weg von Yakussi bis zur Mündung des Lindiflusses in den Kongo
war, da es mit der Strömung ging, unter begeistertem Jubelgesang der
Ruderer bald erreicht. Hier stellten sich mir Schwierigkeiten in
den Weg, meine abergläubischen Leute dahinzubringen, in das bisher
völlig unbekannte Lindistromgebiet einzufahren. Geschichten, die
in Stanleyville unter den Eingeborenen umgehen, und die von einem
Fabeltier erzählen, das bald in Gestalt eines ungeheuren Krokodils,
bald als Riesen-Wasserschlange aus den Tiefen des Lindiflusses
auftaucht und jedes Boot vernichtet, hatten die Leute verängstigt.
Wir waren etwa eine Stunde weit den Fluß hinaufgefahren, ohne auf
menschliche Spuren gestoßen zu sein, als wir mit einem Male bei einer
Biegung des Flusses zu einem großen Fischerdorf kamen. Schätzungsweise
mochte dasselbe gegen 2000 Einwohner zählen. Die Leute waren gerade
im Begriffe, einen riesigen Gong, der auf vier Holzfüßen inmitten des
geräumigen Versammlungsplatzes stand, einzuweihen. Von oben bis unten
mit rotem Sandelholzpulver zur Feier des Tages beschmiert, tanzten
Männer und Frauen unter wilden Kontorsionen der Bauchmuskeln und unter
lautem Freudengeheul wie Besessene um den Gong, den zwei Mann mit
Kautschuk-Keulen mit aller Gewalt bearbeiteten.

In dem allgemeinen Taumel war unsere Ankunft kaum bemerkt worden.
Sowie der Häuptling uns bemerkte, gab er ein Zeichen, das Fest zu
unterbrechen, und kam, umringt von den Seinen, auf uns zu. In wenigen
Sekunden war unser kleines Häufchen von einer tobenden Menschenmenge
umringt. Die tiefliegenden, verschleierten Augen und die starke
Erregung, die sich auf allen Mienen kundgab, verriet mir auf den ersten
Blick, daß die Leute viel Hanf geraucht hatten, und daß äußerste
Vorsicht am Platze war, wollten wir nicht den zündenden Funken in
das Pulverfaß werfen. Die getrockneten Blätter der Hanfstaude, dem
Tabak beigemengt, haben berauschende Wirkung und versetzen den Neger
bei reichlichem Genuß in eine tobsuchtsartige, blutdürstige Stimmung,
in welcher er weder Feind noch Freund kennt, beim geringsten Anlaß
blindlings darauflosschlägt und alles niedermacht, was sich ihm in
den Weg stellt. Diese Unsitte fordert alljährlich unzählige Opfer und
nötigt die Regierung, die Hanfstauden in den Dörfern vernichten zu
lassen.

Mit einer mir später selbst fast unerklärlichen Ruhe ließ ich mir
von meinen Boys inmitten des Kreises, der sich in immer weiterem
Umfange um uns schloß, meinen Streckstuhl bringen und setzte mich
nieder. Dem Häuptling bedeutete ich, dasselbe zu tun. Tausende
Augenpaare beobachteten jede meiner Bewegungen. Hier galt es mit voller
Unerschrockenheit auftreten, sonst waren wir in die Hände der Leute
gegeben, die nach Belieben mit uns verfahren konnten.

Ich ließ den Mann aus Yakussi vortreten und forderte den Häuptling auf,
die widerrechtlich weggeschleppten drei Frauen, die sich in seinem
Dorfe aufhielten, sofort herauszugeben. Ohne ein Wort der Widerrede gab
der Häuptling einem Manne ein Zeichen, die Frauen zu holen. Hierauf
verständigte ich ihn vom Zwecke meines Kommens, daß ich Tauschhandel
mit den Leuten seines Dorfes pflegen wolle, daß ich Geschenke für
Kautschuk mitgebracht habe usw.

Hatte der Häuptling meinem ersten Verlangen ohne weiteres Folge
geleistet, so erklärte er jetzt, dabei die Volksmenge mit jedem Satz
apostrophierend, ungefähr folgendes: »Der weiße Häuptling =Nfuma
Ntanga= ist in unser Dorf gekommen -- =ayoki= (hört), um
drei Frauen aus Yakussi zurückzufordern -- =ayoki=. Wir wollen
keinen Krieg mit dem weißen Häuptling -- =ayoki=. Darum geben
wir die Frauen zurück -- =ayoki=. =Nfuma Ntanga= bringt Stoffe
und »=Shokkas=« (große Stücke Eisen, welche an Geldes Statt
zirkulieren) und will, daß wir Kautschuk sammeln gehen -- =ayoki=.
Kautschuk sammeln ist Sklavenarbeit -- =ayoki=. Wir aber sind
freie Männer und wollen keinen Kautschuk machen.«

Nach jedem Satze wiederholte die Menge wie aus einem Munde
»=ayoki=«, was ungefähr »wir hören« heißt. Nach den letzten
Worten des Häuptlings brach ein tausendstimmiges Jubelgeheul aus,
das von der grünen Mauer des Urwaldes jenseits des Wasserspiegels
widerhallte. Darin kennzeichnete sich das stolze Bewußtsein und
der unerschütterliche Wille eines freien Volkes, das Sklavenarbeit
verachtete und bereit war, für seine Gesinnung sein Leben einzusetzen.

Diese einzigartige Kundgabe des Volkswillens machte auf mich einen
großen Eindruck. Zum erstenmal stand hier in Gestalt des Wilden ein
Mann vor mir, dem die Natur den Stempel des Herrschers aufgedrückt
hatte. Von Wuchs ein über das Mittelmaß reichender, herkulisch gebauter
Mann, in Miene und Gebärden jeder Zoll ein König, die Gesichtszüge von
tiefem, feierlichem Ernst durchdrungen, das stolz erhobene Haupt mit
Adlerfedern geschmückt, um die gewölbte, sehnige Brust ein Diadem von
Leopardenzähnen, um die Hüften ein kunstvolles faltenreiches Gewebe
aus Raphiafasern: so stand der Mann vor mir, mit tieftönender, voller
Stimme zu seinem Volke redend. Diese Szene hat sich unauslöschlich
meinem Gedächtnis eingeprägt. Der Wille und die Kraft, die von dieser
Herrschernatur ausgingen, waren derart, daß sie geradezu hypnotische
Wirkung auf das Volk ausüben mußten. Ohne ein Wort weiter zu verlieren,
erhoben sich alle, die mit dem Häuptling gekommen waren, und verließen
den Versammlungsplatz, mich in ziemlicher Bestürzung zurücklassend.

Was hatte dies alles zu bedeuten? Warum war der Häuptling mit seinen
Leuten so unvermittelt verschwunden? Hatten sie etwa die Absicht, über
uns herzufallen? Diese Fragen und viele ähnliche bestürmten mich im
nächsten Augenblick. Mechanisch griff ich nach einer illustrierten
Zeitschrift, die ich immer bei mir zu tragen pflegte, da ich aus
Erfahrung wußte, daß die Illustrationen und das gedruckte Papier für
die Eingeborenen als »schwarzer Zauber« gelten und sie davor einen
großen Respekt haben. Während ich mechanisch in der Zeitschrift
blätterte, arbeitete mein Gehirn fieberhaft. Ich beobachtete genau,
was um mich vorging und ob nicht irgend etwas in dem Gebaren der
Eingeborenen auf feindliche Absicht schließen ließ. Doch nichts
dergleichen geschah -- langsam fand ich das seelische Gleichgewicht
wieder.

Eine Viertelstunde mochte etwa vergangen sein, da tauchte plötzlich der
Häuptling wieder mit seinem Gefolge auf, das zwei große Ziegen hinter
sich herzog und sie mir als Geschenk übergab. Ein Stein fiel mir vom
Herzen. Nach dieser Gabe konnten wir über die friedlichen Absichten der
Leute nicht länger im Zweifel sein, und ich ließ nun meinerseits durch
Mustapha dem Häuptling ein den Wert der beiden Ziegen übertreffendes
Geschenk überreichen. Im Verlaufe des sich daran anknüpfenden
Gespräches stellte es sich heraus, daß die drei von Yakussi
bezeichneten Dörfer in unmittelbarer Nähe lagen. Ich beschloß daher,
mich sofort auf den Weg zu machen und brachte gleichzeitig meinen Koch
in einer der mir freiwillig geräumten Hütten unter, um einstweilen eine
Mahlzeit für mich vorbereiten zu lassen.

Von unserem Führer aus Yakussi geleitet, folgten wir einem der vielen
sich kreuzenden Fußpfade, die von dem Dorfe aus durch Maniok- und
Maisanpflanzungen in den Schatten des Urwaldes führten. In brennender
Sonnenhitze durchquerten wir einen frischen Ausschlag aus dem
Walde. Quer über dem Wege lagen die tausendjährigen, umgestürzten
Urwaldriesen, über die wir bald hinwegkletterten, dann wieder unter
ihnen durchschlüpfen mußten. Allenthalben waren die ungeheuren Stämme
angekohlt, und große Feuer brannten, um die von der Sonne verdorrten
Äste und Zweige aus dem Wege zu räumen und in befruchtende Asche
umzuwandeln. In sengender Gluthitze bahnten wir uns mühsam über
all diese Hindernisse hinweg einen Weg zu dem kühlen Schatten des
Waldes. Unterwegs kamen wir am Grabe eines Häuptlings vorbei. Eine
Binsenmatte, von vier Stöcken unterstützt, bildete das Dach dieses
innerafrikanischen Mausoleums, unter dem auf einem Bäumchen ein dicker,
weiß und schwarz gefleckter Baumbast zusammengerollt lag. Dieser war
so täuschend einer riesigen Schlange nachgebildet, daß ich beim ersten
Anblick unwillkürlich einen Schritt nach rückwärts machte. Einige
Tongefäße und kleine Götzen vervollständigten diese äußerst sonderbare
Begräbnisstätte.

Nach längerem Marsch deutete endlich entferntes Stampfen eines
Maniokmehl-Mörsers sowie eine allmähliche Verbreiterung des Fußpfades
an, daß wir uns in der Nähe eines Dorfes befanden. Einige hundert Meter
vor dem Dorfe bildete der Fußpfad eine Biegung und bot einen Ausblick,
durch welche die Einwohner, die in steter Furcht vor feindlichen
Überfällen leben, unsere Karawane herannahen sahen. Ich hörte einen
schrillen, trillernden Schrei, dann Rufen und Trappeln vieler nackter
Füße. Als ich endlich im Dorfe anlangte, war die gesamte Bevölkerung
geflohen. Das Dorf machte einen äußerst reinlichen und respektablen
Eindruck. Zwei Reihen spitzzulaufender, kegelförmiger Hütten standen
inmitten von Bananenhainen, Tabak- und Hanfanpflanzungen. Es war bisher
das einzige Dorf mit Hütten dieser Konstruktion hier in der Umgebung,
wo alle Eingeborenen mehr oder minder runde Hütten bauen oder sich
die arabischen Häuser als Modell nehmen. Ich verharrte nahezu eine
halbe Stunde im Dorfe und machte vermittels der Gongsprache alle
möglichen Anstrengungen, um die Leute zurückzurufen. Es war leider
vergebliche Mühe, nichts rührte sich in dem umliegenden Urwalde. Es
war eine starke Enttäuschung für mich, nach langem, mühseligem Marsch
unverrichteterdinge weiterziehen zu müssen.

Beim zweiten Dorfe Alelo hatten wir nicht mehr Glück. Ich hatte dieses
Mal meinen Führer aus Yakussi vorausgesandt, um die Leute auf die
Ankunft meiner Karawane vorzubereiten. Hatte dieser nun die übertragene
Mission nicht richtig erfüllt oder hatten die Leute ein Verbrechen auf
dem Gewissen, kurzum, als sie vom Herannahen eines Europäers hörten,
waren sie, so schnell ihre Füße sie zu tragen vermochten, im Urwalde
verschwunden. Trotz aller Versprechungen waren die Leute auch dann
nicht zu bewegen, zurückzukehren.

[Illustration: Stampfen von Maniokmehl.]

Mißmutig zogen wir durch den Urwald weiter. Einmal passierten wir eine
Ameisenkarawane, die auf einige hundert Schritt den schmalen Fußpfad
und die Büsche zu beiden Seiten desselben vollständig mit Beschlag
belegte. Ein seltsames Knistern und Zirpen hätte uns aufmerksam machen
sollen, doch achtlos liefen wir weiter, bis ein kräftiges Zwicken im
Gesicht, am Hals und an den Händen mich veranlaßte, gleich meinen
Trägern aus Leibeskräften zu laufen, um den Bissen dieser kleinen
Insekten, die alles Strauchwerk um uns belebten, zu entrinnen. Die
Zangen zum Angriff weit geöffnet, den Schlachtruf in Form eines
eigenartigen Knisterns und Zirpens ausstoßend, waren Legionen dieser
kleinen Soldaten bereit, alles, was in den Bereich ihrer Zangen
geriet, sofort wütend anzufallen. Ihr Biß ist derart kräftig, daß
die Scheren aus der Wunde meist nicht wieder herauszubekommen sind,
sondern auseitern müssen. Eine kurze Rast mitten im Urwalde gab uns
Gelegenheit, uns unserer Kleidung zu entledigen und uns von den kleinen
Peinigern zu befreien. Hierauf setzten wir unseren Marsch durch das
Dickicht, über Morast und kleine Flüsse hinweg, fort.

In die Nähe des dritten Dorfes gelangt, ließ ich haltmachen und sandte
jetzt Mustapha mit dem Führer aus Yakussi voraus. Diesmal verschwanden
nur die Frauen und Kinder und zogen sich nach den entlegeneren Hütten
des Dorfes zurück. Der Häuptling Monganga und die Männer erwarteten
uns. Ein Blick auf sie belehrte mich übrigens sofort, daß ich es hier
mit reinen Urwaldbewohnern zu tun hatte, mit Leuten, die ihren Fuß
sicherlich noch nicht außerhalb der unmittelbaren Nähe des Dorfes
gesetzt und niemals zuvor einen Europäer von Angesicht zu Angesicht
gesehen hatten. Durch die bisherigen Erfahrungen gewitzigt, hatte ich
angeordnet, daß die begleitende Eskorte sowie der größte Teil des
Personals zurückbleiben und erst allmählich Mann für Mann nachkommen
sollte. Ich selbst folgte Mustapha in einiger Entfernung, nur von
einem Gewehrträger begleitet. Bloß diesen Vorsichtsmaßregeln hatte
ich es zu verdanken, daß die Leute nicht auch hier das Weite suchten.
Der Häuptling schlotterte an allen Gliedern, als ich mich ihm näherte
und ihn ansprach. Um ihn nicht unnötig zu erregen, setzte ich mich
sofort in meinen inzwischen angekommenen Streckstuhl und befahl den
herbeikommenden Trägern, sich gleichfalls zu setzen.

Je mehr von meinen Leuten herankamen, um so ängstlicher wurden
die Mienen der Eingeborenen. Ich hatte das Gefühl, daß nur die
Furcht, niedergeschossen zu werden, sie auf dem Platze festhielt.
Meine friedliche Absicht, Tauschhandel zu treiben, durch unseren
Yakussi-Führer in die Sprache der Eingeborenen übersetzt, wurde
beifällig aufgenommen. Die Leute erklärten sich gern bereit, für uns
Kautschuk im Walde zu sammeln.

Bei Abschluß der Verhandlung ergab sich aber eine Schwierigkeit. Keiner
meiner Leute wollte als Capita im Dorfe zurückbleiben. Andererseits
getraute sich auch niemand, vom Dorfe den fertigen Kautschuk per Boot
nach Stanleyville zu bringen. Die Leute trugen so sehr den Stempel
tiefster Verrohung an sich, daß mein mutigster Capita sich weigerte im
Dorf zu bleiben und offen erklärte, er sei überzeugt, daß die Leute ihn
abschlachten würden, noch ehe ich außer Rufweite des Dorfes gelangt
sein würde. Unter diesen Umständen blieb mir nichts übrig, als vorerst
abzuwarten, bis durch wiederholten Besuch des Dorfes meine Capitas
mehr Vertrauen zu den Eingeborenen gefaßt haben würden und diesen
einstweilen ein kleines Quantum Waren anzuvertrauen. Erwiesen die Leute
sich innerhalb eines Monats des Vertrauens würdig, dann konnte ein
Versuch im größeren Stil unternommen werden. Im anderen Falle war damit
nicht viel verloren.

Ich ließ den Häuptling unter den mitgebrachten Waren seine
Auswahl treffen. Dann gab ich ihm als Geschenk eine weiß und rot
gestreifte Decke, ein großes Dolchmesser mit einer Scheide und einen
breitkantigen, schwarzen Hut, der ihm ein behagliches Grinsen abnötigte
und ihn geradezu grotesk kleidete. Dagegen gelobte Monganga, Ende des
nächsten Monats acht Körbe Kautschuk bereitzuhalten, die entweder ich
oder meine Leute vom Dorfe abzuholen hätten.

Nicht besonders erbaut über das Resultat des Tages, kehrte ich bei
einbrechender Nacht nach dem Fischerdorfe zurück und verzehrte in
aller Eile das von meinem Koch inzwischen zubereitete Essen, wobei ein
andächtiger Kreis von Kindern, Frauen und Männern mir zusah. Bildete
doch von der Petroleumlampe angefangen bis zum Salzstreuer jeder
Gegenstand ein bisher nie gesehenes Wunder, von welchem man Wochen lang
noch sprechen würde. Zum Schluß servierte mein Koch eine »=Omelette
soufflée=«, die ich reichlich überzuckerte. Als ich nun noch den
darübergegossenen Rum angezündet hatte, war mein Ruf als Feuerfresser
und großer Medizinmann für alle Zeit gesichert. Die Nacht verbrachte
ich in einer der größeren Negerhütten, nachdem ich sie vorher,
eingedenk früherer Erlebnisse, von meinen Leuten völlig hatte ausräumen
lassen.

Meinem Personal waren vom Häuptling fünf weitere Hütten zur Verfügung
gestellt worden, und ich hatte den Wachen strikten Befehl erteilt,
darauf zu achten, daß keiner der Leute nachts auf Abenteuer ausging.
Die Nacht verlief ruhig. Ich war dank den anstrengenden Märschen des
Tages in tiefen Schlummer gefallen, aus dem weder Ratten, Mäuse noch
sonstiges Ungeziefer mich wecken konnten.

Am nächsten Morgen fuhr ich mit beiden Kanus ein gutes Stück
stromaufwärts, um die berühmten »Tschoppa-Fälle« auf dem Lindifluß
zu besuchen. Diese gelten weit und breit als die herrlichsten Fälle
der Region und werden mit Vorliebe von Stanleyville aus besucht. Kurz
vor dem eigentlichen Fall verließen wir die Kanus, da die Strömung
zu heftig wurde. Dem Flusse entlang bahnten mir ein paar Arbeiter
mit Haumessern einen Weg durch den Urwald, um zum eigentlichen Fall
zu gelangen. Der Fluß stürzt hier in seiner ganzen Breite aus etwa
20 Meter Höhe in die Tiefe. Die Gewalt der fallenden Wassermassen
übertrifft alles, was ich bisher in dieser Art gesehen habe. Mit
Recht wird der Fall als herrlichstes Naturschauspiel Zentralafrikas
bezeichnet.

Über Granitblöcke emporkletternd bahnten wir uns einen Weg zu einem
Felsblock, von dem aus wir einen Blick in den tobenden Hexenkessel
unter uns werfen konnten, ohne von dem aufwirbelnden Wasserstaub
durchnäßt zu werden. Schräg fielen die ersten Strahlen der Morgensonne
auf die aufsteigenden Gischtschwaden. Über der geheimnisvollen,
grausigen Tiefe wölbte sich ein Regenbogen in leuchtenden Farben.
In den zartesten Tönen vom hellsten Blau bis zum feurigsten Rot
schillernd, formten sich die Wassertropfen zu funkelnden Diamanten,
Saphiren und Rubinen. Das Auge konnte sich nimmer satt sehen an all
der Pracht, die die Natur auf diesem weltentlegenen Fleckchen Erde
inmitten des großen Urwaldes, fernab vom Weltgetriebe, aufgespeichert
hatte. Eine Beschreibung dieses Naturschauspiels, die einigermaßen der
Wirklichkeit gleichkommen könnte, zu geben, liegt völlig außer dem
Bereich meiner Kräfte. Nicht Worte vermögen zu schildern, was ich bei
seinem Anblick fühlte. Stumm stand ich vor dieser Offenbarung einer
höheren Gewalt, deren Macht unsere menschlichen Begriffe übersteigt.

Wohl eine Stunde mochte im Anblick dieses überwältigenden
Naturschauspiels vergangen sein, als der hohe Stand der Sonne zur
Abreise mahnte. Wir schifften uns in unsere beiden Kanus ein und fuhren
diesmal mit der Strömung der Mündung des Lindiflusses zu, durchquerten
den Kongostrom und legten bald bei einem kleinen Fußpfade, der in den
Urwald führte, an. Vier Mann ließ ich zur Bewachung der Boote zurück.
Mit dem übrigen Personal, das mit Waren und meinen Reiserequisiten
beladen war, machte ich mich auf den Weg nach dem Dorfe Kisui, zwei
Marschstunden weit im Innern des Landes gelegen.

Der erste Teil des Fußpfades führte durch hochstämmigen Urwald, in dem
wir bald auf allen Vieren, meistens aber nur in gebückter Stellung
vordringen konnten. Jeden Augenblick lagen Baumstämme quer über dem
Weg, die ein Durchkommen behinderten. Bald kamen wir an einen breiten
Bach, über den ein umgehauener Baum als Brücke diente. Der Stamm ohne
Rinde war vom Morgentau und dem Passieren vieler bloßer Negerfüße glatt
wie mit Seife beschmiert, so daß ich gleich nach den ersten Schritten
ausglitt. Glücklicherweise fiel ich in die Hocke und konnte mich mit
den Händen noch festhalten, andernfalls wäre ich in den reißenden, über
Mannshöhe tiefen Bach gestürzt. Tausend Ängste hatte ich auszustehen,
bis ich mit Hilfe meiner Leute endlich über die gefährliche Stelle
hinwegkam. Der Neger, von Jugend auf gewöhnt, wie ein Eichhörnchen
auf den Bäumen herumzuklettern und derartige Brücken zu passieren,
balanciert auf bloßen Füßen auch mit schweren Lasten mit Leichtigkeit
darüber hin. Wahrlich, man muß Seiltänzer und Akrobat sein, um im
Urwald zu reisen. Über Untiefen, Schluchten und Morast hinweg hatten
die Eingeborenen einfach Bäume gestürzt, deren im Schlamm versenkte
Äste den schwankenden Brücken zur Stütze dienen. Je nach dem Fall der
Bäume führte der auf diese Art improvisierte Steg bald bis zu sechs
Meter ragender Höhe über den übelriechenden Schlamm, dann wieder in die
Tiefe. Manchmal waren zwei Stämme so weit von einander entfernt, daß
man nur im Sprung von einem zum anderen gelangen konnte, was für mich
immer einen großen Zeitverlust und eine wahnsinnige Angst, das Ziel
zu verfehlen und in den Morast zu stürzen, zur Folge hatte. Endlich
hatten wir wieder festen Boden unter den Füßen. Durch Maniok-, Reis-
und Maispflanzungen führte unser Pfad ins Dorf Kisui, das ganz von
Palisaden zum Schutze gegen räuberische Überfälle umgeben war.

Die Nachricht von unserer Ankunft hatte sich im Dorfe bereits
verbreitet, und der Sultan Kisui mit seinen Unterhäuptlingen und einer
großen Anzahl von Leuten, die auf Blasinstrumenten, Pauken und Gongs
ein ohrenbetäubendes Konzert veranstalteten, kamen uns entgegen, um
mich im Triumphzug durch das ganze Dorf zu geleiten. Wir brauchten wohl
eine halbe Stunde, um zum Hause meines Capitas, das in unmittelbarer
Nähe des »Sultanpalastes« lag, zu gelangen. Auf dem Weg dahin hatten
sich viele Männer, Frauen und Kinder angeschlossen, so daß ich bald den
Mittelpunkt einer ungeheuren Menschenmenge bildete, die alle den neuen
»Nfuma Ntanga« von Angesicht sehen wollten. Während ich den Kautschuk
übernahm, die darauf entfallenden Auszahlungen veranlaßte und neue
Abschlüsse für den nächsten Monat machte, hatte der Koch mein etwas
verspätetes, jedoch um so reichlicheres Frühstück zubereitet, das ich
jetzt in aller Eile verzehrte, da ich noch ein Dorf, zwei Marschstunden
entfernt, zu besuchen hatte. Unter die Zuschauer warf ich, von dem
Quantum des gelieferten Kautschuks befriedigt, eine Menge kleiner
Metallspiegel, Schellen, Arm- und Beinringe, Zündhölzchen, Perlen,
Metallöffel usw., worüber ungeheurer Jubel ausbrach.

Gestärkt durch die Rastpause, brach ich gegen Mittag wieder auf. In
der Nähe des Dorfes hatten die Eingeborenen den Wald gefällt, um für
neue Pflanzungen Raum zu gewinnen. Auf tausend Meter im Umkreis lag im
wilden Chaos alles Strauchwerk auf- und übereinander. Von Weg oder Steg
war keine Spur zu sehen, die umgestürzten Stämme und das niedergelegte
Unterholz hatten alle Anzeichen davon unter sich begraben. Aufs
geratewohl liefen und kletterten wir in der bisherigen Marschrichtung
über Äste und Zweige weiter, über tausendjährige Baumriesen, deren
Stamm oft einen Durchmesser bis zu zwei Meter hatte, dahin. Dabei
brannten die Sonnenstrahlen unbarmherzig auf uns herab, als wollten
sie sich durch den Tropenhelm bis ins Hirn bohren. Ein Marsch unter
diesen Verhältnissen ist wie geschaffen, um den stärksten Mann zu
erschöpfen und ins Grab zu bringen. Immer und immer wieder drohten
die Kräfte, in der ungeheuren Sonnenglut zu versagen. Wenn ich aber
verzagend innehalten wollte, fiel mein Blick auf die Träger, die trotz
ihrer schweren, sie in ihren Bewegungen hindernden Last von Baum zu
Baum mühsam weiterkletterten, und eine innere Stimme spornte mich immer
wieder zu neuen Kraftanstrengungen an. Ich durfte nicht schwach werden,
ich mußte vorwärts eilen -- was würde sonst mein Personal von mir
denken? Also vorwärts zum schützenden Laubdach. Völlig erschöpft von
den Strapazen langten wir endlich im Walde an. Wie wohl tat die kühle
Luft im Schatten der Baumriesen. Mechanisch ging ich weiter. Diese
kurze Kletterei in glühender Sonnenhitze hatte mich derart mitgenommen,
daß ich den ganzen Rest des Weges wie im Schlafe hinter Mustapha
herlief. Von Zeit zu Zeit stolperte ich über etwas und fiel der Länge
nach zu Boden, wodurch ich immer wieder für einige Minuten wach wurde.
Mustapha war auf meinen Zustand aufmerksam geworden und blieb bei jedem
Hindernis stehen, um mich sorgsam hinüberzuleiten.

Dem Zusammenbruch nahe, kam ich gegen 2 Uhr nachmittags in Tombako an.
Mustapha hatte für mich einen kleinen Bach entdeckt, in dem ich den
erschlafften Körper durch ein Bad erfrischen konnte. Was kümmerten mich
die vielen Augenpaare, die hinter jedem Busch neugierig hervorlugten,
um sich an dem ungewohnten Anblick meiner weißen Haut zu ergötzen.
Nachdem meine beiden Boys mich von Kopf bis zu den Füßen in dem
Lebensquell gewaschen, geduscht und wieder angekleidet hatten, war ich
wieder so weit hergestellt, um an die Arbeit gehen zu können.

[Illustration: Dorfbild.]

Wie in Kisui nahm ich auch hier den gesammelten Kautschuk entgegen
und wechselte den Capita aus. Vor dessen Haus hatten die Dorfbewohner
in Ermangelung von Schattenbäumen ein durch vier Pfosten gestütztes
Dach zum Schutz gegen Sonne und Regen hergerichtet. Darunter fand
ich, vom Bade zurückgekehrt, bereits einen gedeckten Tisch und meinen
Streckstuhl vor. Der Raum ringsumher war mit erregt gestikulierenden
und schreienden Bassengis beiderlei Geschlechts angefüllt, deren mit
Palmöl und Rotholzpulver beschmierte Körper eine schweißdurchtränkte,
übelriechende Atmosphäre verbreiteten. Nachdem die Unterhandlungen mit
dem Häuptling zu befriedigendem Abschluß gebracht waren, ließ ich von
meiner Eskorte den Platz von den vielen Menschen säubern, um für kurze
Zeit Ruhe zu haben. Vorher verteilte ich unter mein Personal noch eine
Extrafleischration von zwei Ziegen, Geschenk des Häuptlings, die sofort
geschlachtet worden waren, etwa fünf Liter frischen Palmweines und
reichlich »Bidia-Polenta«, die das Dorf gespendet hatte.

Gegen vier Uhr nachmittags konnte ich mein Mittagmahl, aus gebackenen
kleinen Fischen, einer Dose Hummer und einem gebratenen Huhn bestehend,
einnehmen und mußte jetzt an die Rückkehr denken, um vor Anbruch
der Nacht ans Flußufer zu gelangen. Der Häuptling des Dorfes gab
uns ein Stück Weges das Geleit und führte uns an Stellen vorbei,
wo im vergangenen Kriege zwischen Kisui und Tombako die früheren
Häuptlinge der beiden Dörfer gefallen waren. An diesen Stellen haben
die Eingeborenen eine Lanze in die Erde gesteckt. Jeder Vorbeigehende
nimmt ein Blatt, bläst es an, um den bösen Geist, der darauf sitzt, zu
vertreiben, und steckt es auf die Lanze oder wirft es auf ein Häufchen
daneben. Begräbnisstellen, selbst für die Häuptlinge, existieren in
dieser Gegend nicht, da die Eingeborenen ihre Leichen in den Fluß
werfen.

Zum Rückweg benutzten wir einen Richtweg, der etwas unterhalb des
Morastes an das Flußufer führt. Auf dem ursprünglichen Weg hatte ich
einen Eilboten mit dem Befehl an die beiden zurückgebliebenen Kanus
gesandt, weiter stromabwärts bis zur Einmündung des Fußpfades zu
rudern. Bei Anbruch der Nacht gelangten wir an das Flußufer, und da
weit und breit kein Fischerdorf vorhanden war und der dichte Urwald
nirgends eine Lagerstelle zum Übernachten bot, ließ ich die beiden
Boote auf eine inmitten des Stromes gelegene Sandbank hinüberrudern, um
dort zu übernachten.

Der dichte Sternenhimmel über uns ließ eine schöne, windstille Nacht
erhoffen, zumal Sandbänke bekanntlich von Moskitos, die mit Vorliebe
Grasflächen und das Laubwerk des Flußufers aufsuchen, verschont bleiben
und wir die Gefahr eines Überfalls von Leoparden nicht zu fürchten
hatten. Der untere Teil der Insel war zwar bewaldet, doch meidet der
Leopard, wie alle Katzenarten, das Wasser, und es war nicht anzunehmen,
daß die kleine Insel derartiges Raubzeug ernähren konnte.

Während ein Teil des Personals mit Haumessern in das kleine Wäldchen
eindrang, um trockenes Holz für die Lagerfeuer heranzubringen,
hatten die Boys aus dem Kanu meinen tragbaren Feldtisch, Streck-
und Klappstuhl auf die Sandbank gebracht, so daß ich eine halbe
Stunde später bereits vor meinem gewohnten Aperitif, meist bestehend
entweder aus Portwein, Amer-Pikon, Absinth oder einer halben Flasche
Champagner, saß. Es ist überflüssig zu erwähnen, daß nach derartigen
Gewaltmärschen stets die Unterwäsche und Kleidung, die völlig durchnäßt
ist, gewechselt werden muß. Abends empfiehlt es sich überdies, einen
leichten Überrock umzunehmen, da die Nächte kühl und der Körper infolge
der großen Hitze tagsüber empfindlich geworden ist.

Die Nacht war inzwischen völlig hereingebrochen, eine ideale tropische
Nacht, hell erleuchtet von dem langsam am Horizont aufsteigenden
Vollmond und Tausenden von Sternen, die in der klaren Luft einen
strahlenden Glanz entfalten, wie wir ihn in unserer durch Rauch und
Ruß geschwärzten Großstadtatmosphäre niemals sehen. Infolge der
reinen Luft scheint uns der Himmel viel näher gerückt zu sein, und
unwillkürlich spannen sich die Fäden meiner Gedanken hinauf zu jenen
leuchtenden Gestirnen am Firmament, die in unberechenbaren Abständen
im ungeheuren Weltall gleich unserer Erde ihre eigenen Bahnen ziehen.
Und ich versank in Sinnen über das ungelöste Problem, wie wohl jene
Macht beschaffen sein könnte, die dem Weltall ihre Gesetze diktiert.
In diesen Stunden des In-mich-Gehens lernte ich erkennen, wie
hinfällig alle jene Ansprüche sind, die der Mensch im egoistischen
Selbstherrlichkeitsgefühl für sich aufstellt und die er ohne weiteres
ungezählten Lebewesen abspricht, deren Lebensbedingungen genau dem
gleichen Ursprung entstammen und den gleichen Gesetzen unterworfen sind.

Meine Leute hatten unweit der Landungsstelle große Feuer angezündet, an
denen sie, in Gruppen auf Matten, die ihnen als Schlafstätte dienten,
lagen und die Tagesereignisse diskutierten. In Ermangelung eines Zeltes
zum Schutze gegen den bei Morgengrauen fallenden Tau hatten meine
Diener mein Feldbett im Kanu unter dem Schutzdach aufgeschlagen, und,
ermüdet von den Anstrengungen des Tages, begab ich mich alsbald zur
Ruhe.

Ich mochte ein paar Stunden in tiefem Schlummer gelegen haben, als
ich plötzlich durch einen ungeheuren Schlag, der das Boot fast zum
Umschlagen brachte, aus dem Schlaf geschreckt wurde. Das Nächste,
was mein entsetztes Auge wahrnehmen konnte, waren der Riesenleib und
der ungeschlachte Kopf eines kolossalen Nilpferdes, das am Fußende
meines Bootes, über das Boot gebeugt, stand und neugierig alles
beschnüffelte. Ich war vor Schrecken an allen Gliedern gelähmt -- der
Angstschweiß perlte mir von der Stirn.

Hatte ich beim jähen Erwachen irgendeine brüske Bewegung gemacht,
die das Tier erschreckte, oder hatte es den Menschen -- seinen Feind
-- gewittert, kurzum, es wandte mir den unförmlichen Riesenschädel
zu, blies ärgerlich durch die ungeheuren Nüstern einen gewaltigen
Sprühregen von Schleim, öffnete den riesigen Rachen und stieß ein
tiefdröhnendes Gebrüll aus, so daß mir das Blut in den Adern erstarrte.
In diesem Moment wurde es lebendig auf der Sandbank. Die Wachen, aus
dem Schlaf geschreckt, eilten herbei -- und pang, pang, pang, erfolgte
Schuß auf Schuß, wodurch sich meine Situation nur noch unbehaglicher
gestaltete, da die Leute im ersten Schrecken erfahrungsgemäß nie etwas
zu treffen pflegen und ich Gefahr lief, von der einen oder anderen
Kugel getroffen zu werden.

Das Nilpferd war über diesen unerwarteten Empfang wahrscheinlich
ebensosehr erschrocken wie ich kurz zuvor. Mit einem Satz verschwand
es in das tiefe Wasser, und ich beeilte mich, sobald die Schießerei
aufgehört hatte, mit einem Sprung auf die Sandbank zu gelangen. Konnten
wir wissen, ob das vielleicht verwundete Tier nicht in rasendem Schmerz
sich auf das Boot stürzen und es zermalmen würde? Einige Sekunden
bangen Wartens, während der ich der zunächststehenden Wache das Gewehr
entrissen und mich feuerbereit gemacht hatte, vergingen, dann tauchte
das Tier auf etwa zehn Meter Distanz für einen Augenblick auf. Gleich
krachten unsere Gewehre, und sofort verschwand es wieder. War auch die
Nacht so klar, daß man auf der Sandbank jeden Menschen auf hundert
Meter Entfernung hätte aufs Korn nehmen können, so konnte von einem
regelrechten Ziel auf der dunkeln oder vom Mondschein glitzernden
Wasserfläche keine Rede sein. Wir gaben daher das Schießen bald als
unnütze Munitionsverschwendung auf.

Nach diesem aufregenden Erlebnis hatte ich natürlich keine Lust mehr,
meine unterbrochene Nachtruhe im Boote fortzusetzen, obgleich ich mir
sagen mußte, daß uns nach der vielen Schießerei sicherlich nichts
mehr behelligen würde. Ich ließ daher mein Bett auf die Sandbank
bringen. Dieser nächtliche Besuch war für uns alle eine um so größere
Überraschung, als wir bisher angenommen hatten, daß in diesem Teil
des Flusses überhaupt keine Nilpferde vorkamen. Am folgenden Morgen
bei Tagesanbruch hielten wir scharfe Umschau an allen Plätzen und
Sandbänken, die Nilpferde mit Vorliebe aufzusuchen pflegen, doch das
Tier war und blieb verschwunden. Sicherlich hatten wir es mit einem
alten, erfahrenen Einsiedler zu tun gehabt, der tagsüber das befahrene
Fahrwasser meidet und an einer abseits gelegenen, völlig unzugänglichen
Flußstelle ein beschauliches Dasein führte.

Wieder fuhren wir eine Strecke stromabwärts, bis wir an einen
kleinen Flußpfad kamen, der zu den im Innern des Landes gelegenen
Dörfern führte. Diese Pfade sind derart angelegt, daß sie von den
vorbeifahrenden Dampfern und Booten aus völlig unsichtbar sind und nur
dank der Lokalkenntnis meiner Capitas, die zu wiederholten Malen die
Dörfer besucht haben, entdeckt werden konnten.

[Illustration: Arbeiterfrauen vor einer Hütte.]

Wie schon aus meinen früheren Schilderungen ersichtlich, sind die
scheuen Eingeborenen stets darauf bedacht, ihre Dörfer derart im
Urwald anzulegen, daß sie alle Vorgänge durch Späher aus der Ferne
beobachten, selbst jedoch nicht entdeckt werden können. Hat ein Dorf
sich irgend etwas zuschulden kommen lassen und fürchtet es die Rache
seiner Nachbarn oder der Europäer, dann übersiedelt es einfach mit den
tragbaren Hütten einige Stunden landeinwärts an völlig unzugängliche
Stellen und sucht den Gegner durch Irrwege, die in den Morast führen
oder plötzlich im Urwalde aufhören, irrezuführen.

Wie am vorhergehenden Tag hatten wir auch heute wieder während des
Marsches mit Widerwärtigkeiten aller Art zu kämpfen. Ein tiefer Morast
hemmte bald unseren Vormarsch in den Urwald. Zu seiner Durchquerung
hatten die leichtfüßigen Eingeborenen überall dünne Bäume umgeschlagen,
um einen gangbaren Weg zu schaffen. Die Stämmchen erwiesen sich aber
für das Gewicht einer Last, d. h. einer Kiste, die von zwei Mann an
einer Stange auf den Schultern getragen wird, also etwa für 180 bis
200 Kilogramm, als zu schwach. Die Folge davon war, daß verschiedene
meiner Leute mit der Traglast zusammenbrachen und sich beim Sturze
Verletzungen an den Füßen und bloßen Körperteilen zuzogen, die dann
schwer zuheilten. Überdies verloren wir viel Zeit mit der Anbahnung
einer neuen Marschroute. Was wir an diesem Tage an Strapazen
durchzumachen hatten, läßt sich in Worten nicht wiedergeben. Durch dick
und dünn, bald auf allen vieren, dann wieder gebückt, durch niederes
Gestrüpp von Pandanus (einer Art Stachelpalme, die im Morast oder an
Flußläufen wächst) führte ein kaum erkennbarer Fußpfad zu dem ungefähr
eine Wegstunde vom früheren Standplatz des Dorfes gelegenen neuen Dorfe
Lungulungu. Angeblich mußte der alte Ort wegen zunehmender Verseuchung
im Stich gelassen werden.

Hier, wie in den früheren Dörfern, nahm ich den gesammelten Kautschuk
in Empfang, wechselte den Capita aus und ließ, nachdem ich an den
Häuptling Lungulungu und die im Kreise versammelten Eingeborenen
reichliche Geschenke ausgeteilt hatte, einen neuen Vorrat an Waren
zurück.

Ich hatte soeben mein Mittagsmahl vollendet, als der frühere Capita
zwei Unterhäuptlinge des Dorfes vor mich brachte, die Streit
miteinander führten und sich dem Urteil Lungulungus nicht unterwerfen
wollten. Da dieser Streit zweier ebenbürtiger Gegner, von denen jeder
einen mächtigen Anhang hinter sich hatte, zu einer Spaltung des Dorfes
und zu Blutvergießen führen konnte, nahm ich das verantwortungsvolle
Amt eines Schiedsrichters erst an, nachdem beide vorher feierlich
erklärt hatten, sich meinem Schiedspruch fügen zu wollen. Mabruki
und Alsala entstammten einer weitverzweigten Patrizierfamilie, die
seit Menschengedenken viele tapfere Krieger hervorgebracht und dank
mutiger, räuberischer Überfälle auf schwächere Nachbardörfer ihre Macht
durch erbeutete Sklaven immer mehr vergrößert hatte. Beide verfügten
im Rat des Dorfes, teils durch Überlieferung, teils durch ihren
Anhang, über eine einflußreiche Stimme. Bis vor kurzem waren Mabruki
und Alsala innige Freunde, so daß Alsala bei der Verheiratung seiner
Schwester mit Mabruki ihr zwei Sklavinnen mit in die Ehe gab. Nun war
die Schwester einige Monate nach der Heirat plötzlich aus unbekannten
Gründen verschieden, und Alsala behauptete, Mabruki hätte sie verhext
und wäre an ihrem Tode schuld. Alsala fürchtete auch, daß Mabruki die
beiden Sklavinnen ebenfalls verhexen würde, und forderte diese zurück.
Nun hatten letztere sich vor einiger Zeit beim Holzsuchen im Walde zu
weit entfernt und waren dabei in die Gefangenschaft eines am Flußufer
gelegenen Fischerdorfes geraten. Mabruki mußte für deren Auslieferung
sechzig Shokkas (Eisenstücke, die zu Pfeilspitzen verarbeitet werden)
bezahlen, was ungefähr den Wert von dreißig Frank repräsentiert. Alsala
wollte diesen Preis nicht zahlen, sondern forderte die unverzügliche
Rückgabe der beiden, seiner Schwester freiwillig überlassenen
Sklavinnen, worüber sich heftiger Streit und Feindschaft auf Leben und
Tod zwischen den beiden Parteien entwickelt hatte.

Man würde allgemein annehmen, daß der auf das Recht des Stärkeren
pochende unzivilisierte Wilde nicht imstande sei, einen Prozeß klar
durchzuführen und nachzuweisen, daß das Recht auf seiner Seite ist.
Dem ist nicht so -- gerade das Gegenteil trifft zu. Die meisten Neger
sind hervorragende Redner und sowohl im Angriff als in der Abwehr
äußerst findige Advokaten, die es glänzend verstehen, durch geschickte
Argumente den Schein des Rechtes auf ihre Seite zu bringen.

Gewöhnlich beginnt das Plädoyer damit, daß der Redner die Ruhmestaten
oder die soziale Stellung seiner Vorväter hervorhebt und dann
die Lichtpunkte seiner eigenen Vergangenheit zur Geltung bringt,
gewissermaßen, um den Richter für sich einzunehmen. Einmal im
Redeschwall, gefällt er sich sichtlich darin, das Zentrum gespannter
Aufmerksamkeit zu sein, und seine lebhafte Phantasie führt alles
mögliche aus dem Vorleben des Gegners an, was diesen im öffentlichen
Ansehen schädigen könnte. Sein Hauptbestreben geht dahin, Sensation zu
machen und den Widersacher durch erfundene Geschichten bloßzustellen.
Kommt er endlich nach mancherlei Abschweifungen an die eigentliche
Streitfrage, dann beleuchtet er aufs genaueste alle Einzelheiten, die
für ihn sprechen. Solche Prozesse sind immer langwierig und dauern,
wenn man den Gegenstand nicht gewaltsam abkürzt, oft tagelang. Kaum
hat der eine der beiden Gegner geendet, so beginnt der andere bereits
wieder.

Nach zweistündigem Palaver gelang es mir, die vorliegende Streitfrage
in einem den Sitten und Rechtsanschauungen der Eingeborenen
entsprechenden Sinne zu erledigen. Alsala mußte die sechzig Shokkas
zahlen und erhielt dagegen die zwei Frauen zurück. Auch suchte ich ihm
plausibel zu machen, daß Mabruki die Frau nicht verhext habe, da aus
den Zeugenaussagen der beiden Sklavinnen und der anderen Einwohner
hervorging, daß die Eheleute im besten Einvernehmen miteinander gelebt
hätten. Die Frau war irgendeiner Krankheit zum Opfer gefallen. Es ist
unnötig, zu erwähnen, daß ich mit diesem Argument keinen Erfolg hatte.
Alsala war nach wie vor überzeugt, daß ein »=Nkischi=« seiner
Schwester das Lebenslicht ausgeblasen hatte.

Ein beschwerlicher Marsch brachte uns an das Flußufer zurück, von wo
aus wir uns direkt nach dem Staatsposten »Romée« einschifften. Ich war
glücklich, nach zweimaligem Übernachten im Busch endlich wieder ein
komfortables Zimmer und die Gesellschaft von Europäern vorzufinden.
Seit zwei Tagen hatte ich mich oftmals fragen müssen, ob ich eigentlich
zu den Vierfüßlern oder zu den Menschen gehöre. Romée wird von zwei
Ökonomiebeamten verwaltet und umfaßt ausgedehnte Plantagen von
Kaffee-, Kakao-, Kautschukbäumen und Lianen. Als Arbeiter werden die
Sträflingskolonnen der =Province orientale= herangezogen.

Körperlich und geistig neugestärkt verließ ich am folgenden Morgen die
Station, um meine Werbetätigkeit in den Negerdörfern fortzusetzen. Ich
besuchte die Dörfer Turumbo, Mokotantefu und Lulanga, in welchen ich
wie bisher Waren, Geschenke und Capitas zurückließ, und übernachtete am
folgenden Tage in einem am Flusse gelegenen kleinen Staatsposten, der
von einem schwarzen Korporal kommandiert wurde.

Unsere Reiseroute weiter stromabwärts verfolgend, gelangten wir endlich
nach Janongo, welches Dorf die unschuldige Veranlassung zu Janssens
Tod gewesen ist. Der Häuptling Janongo war von seinen Wunden völlig
wiederhergestellt, und die Kunde von der gerichtlichen Untersuchung
war bis zu dem unweit gelegenen Staatsposten durchgedrungen, so daß
das Dorf von weiteren Besuchen verschont blieb. Von Janongo geleitet,
besuchte ich fünf Dörfer, die unter seiner Herrschaft standen, und
nahm einen der Unterhäuptlinge, dessen Dorf sich gegen Janongo
aufgelehnt und das versprochene Quantum Kautschuk nicht angefertigt
hatte, gefangen mit mir. Ich ließ ihn in Ketten legen und den daraufhin
geflüchteten Einwohnern mitteilen, daß ihr Häuptling so lange in
Stanleyville in der Gefangenschaft bliebe, bis sie sich Janongo
unterworfen und den Kautschuk abgeliefert hätten. Beim Besuch der
Dörfer hatte ich Gelegenheit, zu konstatieren, daß dank unserem raschen
Vorgehen und dem sofortigen Eingreifen des Distriktskommissars unser
Ansehen in Janongo nicht nur nicht gelitten, sondern sogar bedeutend
gestärkt worden war. Überdies benutzte ich die Gelegenheit, um
Janongo ein Geschenk zu überreichen, welches ihn für alle erlittenen
Demütigungen aufs reichlichste entschädigte.

Bei einbrechender Nacht an das Flußufer zurückgekehrt, ließ ich meine
Leute bis zum nächstgelegenen Fischerdorf rudern, um daselbst zu
übernachten. Eine größere Hütte, groß genug, um mein Feldbett darin
unterzubringen, war bald gefunden. Beim Ausräumen derselben stürzten
plötzlich meine Leute mit dem Schrei »=Nioka=« heraus, und
Mustapha erklärte mir, daß man auf eine armdicke gehörnte Viper, eine
der schönsten und giftigsten Schlangen Zentralafrikas, gestoßen sei.
Da es schon lange mein Wunsch war, ein tadelloses Exemplar dieser
Schlangenart zu konservieren, verbot ich meinen Leuten, sie zu töten
und begab mich selbst mit einem in aller Eile herbeigeschafften
Bambusstock, an dessen oberem Ende mittels »=Koddi=« (Liane)
eine Schlinge befestigt war, die sich zuziehen ließ, in die Hütte.
Meine Befürchtung, daß das Tier inzwischen entwichen oder in eines
der Rattenlöcher verschwunden war, erwies sich glücklicherweise als
grundlos, die Schlange lag zusammengerollt in einem Winkel der Hütte.
Mein Bambusstock war lang genug, um mich selbst im ungünstigsten Falle
vor einem direkten Angriff des Tieres zu schützen. Mit pochendem Herzen
näherte ich jetzt die Stockspitze dem Kopfe der Schlange, als diese
sich plötzlich unter Pfauchen wie eine Katze blitzschnell erhob und
ihre giftigen Fänge mehrmals schnell hintereinander mit hörbarem Ticken
in das Holz einschlug. Als sie sich schließlich, die Nutzlosigkeit
weiterer Bisse einsehend, einen Augenblick ruhig verhielt, gelang es
mir, ihr die Schlinge um den Hals zu werfen und diese mit kräftigem
Ruck zuzuziehen. Mit großer Gewalt ringelte das gefangene Tier sich nun
um den weit vorgehaltenen Stock und versuchte sich loszureißen, so daß
die kurze Schwanzspitze bis nahe zu den Händen herunterreichte. Doch
die Liane war kräftig, und die Schlinge zog sich immer enger um den
zusammengeschnürten Hals. Ich war mit der gefährlichen, kostbaren Last
schleunigst aus der Hütte geeilt, um im Falle eines Loskommens oder
Durchbeißens der Liane meine volle Bewegungsfreiheit zu haben.

Meine Boys hatten einstweilen eine entleerte Mehlbüchse aus Blech
zur Hälfte mit Alkohol, Formalin und etwas Wasser gefüllt. In diese
konservierende Flüssigkeit warfen wir nun die halberwürgte Schlange und
schlossen den Deckel, nachdem wir noch eben vorher die um den Hals des
Tieres liegende Schlinge durchschnitten hatten.

Durch dieses Ereignis wurde mein Nachtmahl verzögert, so daß ich
ziemlich spät mein Lager aufsuchte. Ich mochte bereits einige Stunden
geschlafen haben, als ich plötzlich gegen Mitternacht durch das Dröhnen
eines Gongs und ein markerschütterndes Geschrei geweckt wurde. Im
ersten Moment glaubte ich an den Überfall eines benachbarten Dorfes.
Schon wollte ich mich erheben, als eine der Wachen mir den Vorfall
erzählte. Ein Eilbote von »Mbula Matadi«, der Soldat Fundi, war in
einem Kanu angekommen und wollte neue Ruderer haben. Natürlich wollte
keiner der Eingeborenen sein warmes Lager verlassen und für einen
Schwarzen bei stockfinsterer Nacht weiß Gott wohin rudern. Doch der
Kerl hatte den Häuptling gepackt, aus der Hütte gezerrt und brüllte wie
ein Besessener, daß er das ganze Dorf in Brand stecken würde. Der Lärm
hielt eine halbe Stunde an, bis der Soldat die nötige Anzahl Ruderer
beisammen hatte. Verschiedentlich kam die Versuchung über mich, dem
Spektakel ein Ende zu machen, indem ich den schwarzen Soldaten wegen
nächtlicher Ruhestörung einfach in Ketten legen ließ. Doch der Gedanke,
daß der Mann vielleicht Träger wichtiger Briefe war, hielt mich
glücklicherweise davon zurück. Wer weiß, was für Unannehmlichkeiten für
mich daraus hätten erwachsen können.

Einmal durch den Lärm geweckt, konnte ich sobald nicht wieder
einschlafen. Ratten und Mäuse hetzten in wilder Hast am Boden der Hütte
umher und nagten und spielten mit meinen Schuhen. Dann wieder erklang
das langgezogene Geheul einer Hyäne durch die tiefe Stille der Nacht.
Meine Gedanken schweiften unwillkürlich nach Stanleyville zurück. In
welchem Zustande würde ich die Faktorei bei meiner Rückkehr vorfinden?

Bei Tagesanbruch, noch vor dem ersten Hahnenschrei, ließ ich das Dorf
und meine Arbeiter durch den Gong alarmieren. Eine nervöse Unruhe war
über mich gekommen. Ich wollte die restlichen Dörfer Jasuko, Komango
und Yombo in aller Eile noch besuchen und dann sofort die Heimkehr
antreten. Unter dem gleichmäßigen Schlag der Ruderer ging unsere Fahrt
weiter stromabwärts dem Endziel unserer Reise zu. Als nach einer
Stunde die Sonne ihre ersten Strahlen schräg über die Baumwipfel auf
die Wasserfläche sandte und ich in kurzer Reihenfolge einen großen
grauen Reiher und zwei Wildgänse erlegt hatte, da legte sich die innere
Unruhe. Schließlich bog unser Kanu in eine kleine Ausbuchtung des
Flusses ein und war kurz darauf unter dem Schatten des überhängenden
Laubdaches, vom Strom aus völlig unsichtbar, an der Mündung eines
kleinen Baches gelandet.

Nichts deutete darauf hin, daß irgendein Fußpfad hier ins Innere des
Landes führte. Von einem meiner kräftigsten Männer auf den Rücken
genommen, wurde ich im Bach wohl eine Viertelstunde lang getragen, bis
endlich ein kleiner Pfad zum Vorschein kam und ich auf trockenen Boden
gesetzt wurde. Eine Stunde später waren wir im Dorfe Jasuko angelangt,
und ich hielt hier kurze Rast, um zu frühstücken und meinen Leuten
Gelegenheit zu geben, das gleiche zu tun. Der Häuptling war soeben für
einige Minuten verschwunden, als plötzlich im Dorfe ein ungeheurer
Tumult entstand. Die Eingeborenen in der Nähe stürzten in ihre Hütten
und kamen, mit Pfeil und Bogen bewaffnet, wieder heraus. Das Schreien
und Rufen, das Durcheinanderlaufen von bewaffneten Männern, die alle in
der gleichen Richtung verschwanden, verbreitete sofort eine wilde Panik
um mich her.

Ein Teil meiner Träger ergriff die Flucht, die Traglasten mitten im
Wege liegen lassend. Ich aber stürzte zu meinem Gewehr, meine Boys
und die Eskorte taten dasselbe. Wir waren entschlossen, unser Leben
so teuer wie möglich zu verkaufen. Was war geschehen? Hatte ein Teil
meiner Arbeiter mit den Eingeborenen Streit angefangen, und war es
zum Schlagen gekommen? So schnell uns unsere Füße tragen konnten,
eilten wir den davonstürzenden Eingeborenen nach, um womöglich noch
rechtzeitig einzuschreiten und unnützes Blutvergießen zu vermeiden.
Am Ende des Dorfes angelangt, erblickten wir eine erregte Volksmenge,
darunter einige meiner Arbeiter, unschlüssig um den Häuptling gruppiert.

Was war der Grund der allgemeinen Aufregung? Ein Leopard hatte
wenige Minuten vorher einen erwachsenen Mann des Dorfes in dessen
unmittelbarer Nähe und vor den Augen seiner Begleiter weggezerrt
und war mit ihm im Walde verschwunden. Das Rufen und Klagegeheul des
Überfallenen war noch eine Zeitlang hörbar gewesen -- dann war alles
verstummt. Unschlüssig berieten nun die feigen Kerle, wer von ihnen der
Erste sein sollte, dem Tier zu folgen und ihm womöglich die Beute zu
entreißen.

Hier war für mich eine glänzende Gelegenheit zu einer Leopardenjagd
gegeben. Mein dunkler Khakianzug war wie geschaffen dafür. Von den
Leuten erfuhr ich, daß ein Prachtexemplar eines Leoparden seit
etwa einem Monat ihr Dorf heimsuchte und regelmäßig jeden Tag ein
Menschenopfer, bald eine Frau, bald einen Mann oder ein Kind, manchmal
mitten im Dorfe, anfalle und wegschleppe. Die verfolgenden Leute sei er
einmal aus dem Dickicht heraus angesprungen, habe einem Manne mit den
Pranken den Bauch aufgerissen und sei darauf verschwunden, noch ehe die
bestürzten Begleiter Zeit gehabt hätten, auf ihn zu schießen. Daher ihr
Zaudern.

Ich versprach dem Häuptling zu bleiben und den Leoparden zu töten.
Dagegen mußte mir das Dorf geloben, den ganzen Tag über ruhig zu
bleiben und den Teil des Waldes nicht zu betreten, in welchen der
Leopard sein Opfer geschleppt hatte. Von einem verläßlichen Mann
meiner Eskorte begleitet, machte ich mich sogleich an die Verfolgung
des Raubtieres. Die Spur, die der Leopard hinterließ, war deutlich
an geknickten Zweigen und der Blutspur seines Opfers auf dem Boden
und den Blättern der Sträucher erkennbar. Wir eilten, so schnell
wir den Umständen nach laufen konnten, in der Hoffnung, vielleicht
den Mann noch retten zu können, dem frechen Räuber nach. Doch
alle Mühe war vergeblich. Wir fanden nur mehr eine Leiche vor.
Die linke Halsschlagader, ein Teil des Halses und die linke Brust
waren vom Leoparden herausgerissen und gefressen worden. Das Zucken
der Eingeweide und der noch warme Körper deuteten auf den kaum
eingetretenen gewaltsamen Tod hin.

Wir ließen den Toten in der gleichen Lage liegen, wie wir ihn
vorgefunden hatten und erkletterten in der Annahme, daß das furchtlose
Tier unbedingt zu seinem Opfer zurückkehren würde, einen in nächster
Nähe befindlichen Baum. Dies geschah hauptsächlich, um dem Tier die
Witterung zu benehmen. Aus demselben Grunde vermieden wir auch, den
unteren Stamm des Baumes, auf dem wir uns befanden, zu berühren. Von
der Schulter meines Begleiters aus konnte ich mich auf einen dicken Ast
emporschwingen und den Mann nachziehen. Wir befanden uns etwa fünf
Meter über dem Erdboden und waren durch das Laubdach des Unterholzes
derart gedeckt, daß das anschleichende Tier uns unbedingt nicht sehen
konnte. Mit der Flinte im Anschlag verhielten wir uns mäuschenstill und
starrten bald auf den Leichnam unter uns, bald auf das undurchsichtige
Unterholz, das uns mit seinem grünen Schutzwall umgab. Die ersten
zwei Stunden verliefen verhältnismäßig erträglich. Ich war durch die
Vorgänge furchtbar aufgebracht und mußte immer an meinen kleinen Boy
denken, den ein gleiches Schicksal erreicht hatte, und dessen Rächer
ich voraussichtlich werden würde. Denn das stand fest für mich, ich
würde meinen Posten vor einbrechender Nacht, das heißt, solange
genügend Licht zum Schießen vorhanden war, nicht verlassen, mochte
kommen, was da wollte. Außer meinem fünfschüssigen Mauser, der mit
Dum-Dum-Kugeln geladen war, trug ich meinen sechsschüssigen, schweren
Armeerevolver im Gürtel. Damit war ich jedem Feind gewachsen, und meine
Eskorte Mukenge verließ mich nicht, dessen war ich ganz sicher.

Es wurde 1 Uhr mittag, es wurde 2 Uhr, und immer rührte sich noch
nichts. Die Glieder fingen an, vom Sitzen auf demselben Fleck zu
schmerzen. Der Magen forderte sein Recht. Der Leichnam unter uns, auf
den die Sonnenstrahlen herabbrannten, begann in Verwesung überzugehen
und die ganze Umgebung zu verpesten. Tausende von Schmeißfliegen saßen
in der geöffneten Brusthöhle und an den heraushängenden Därmen, sogen
und fraßen sich voll und setzten sich dann auf uns, um den Schweiß
von Stirne, Nacken und Armen gierig aufzusaugen. Unter möglichster
Vermeidung jeglichen Geräusches veränderten wir unsere sitzende
Position derart, daß wir es wieder einige Zeit aushalten konnten. Die
Zeit der schwersten Prüfung, die Mittagshitze, wo Minuten wie nie
endenwollende Stunden erscheinen, war herangekommen. Welcher Aufwand
an Kraft und Energie, welche Willensstärke nötig sind, um in einer
solchen Lage auszuhalten, davon kann nur der sich einen Begriff machen,
der selbst ähnliches durchgemacht hat. Um meinen Geist gewaltsam
mit irgend etwas zu beschäftigen, damit er nicht fortwährend an den
knurrenden Magen und die schmerzenden Glieder dachte, zwang ich mich,
alle heranfliegenden großen und kleinen Mistkäfer zu zählen, die sich
auf den Leichnam setzten und nach einigem Herumwühlen im Innern der
Bauchhöhle verschwanden. Ich glaube, es waren im ganzen elf große
schwarze und siebzehn kleine farbige und schwarze Skarabäen, die sich
bekanntlich als Totengräber an Leichen heranmachen und sie verzehren.

Sooft ein Vogel im nahen Gebüsch sich regte, beim leisesten Windhauch,
der durch die Blätter fuhr, vermeinten wir stets, des elenden Räubers
ansichtig zu werden. Minute auf Minute bei drückender Schwüle
vergingen. Es wurde 3 Uhr, es wurde 4 Uhr. Die Sonnenstrahlen fielen
nunmehr schräg auf den in Fäulnis übergehenden Leichnam, dessen
Verwesungsgeruch meine Geruchs- und Geschmacksnerven bis zur Übelkeit
erregten. Bald würde der langersehnte Moment, die Dämmerung, eintreten,
die das gefräßige Tier unbedingt zu seinem Opfer zurückbringen würde.
Die Fliegenplage ließ merklich nach. Faul und dickgefressen, zu schwer,
um bis zu uns emporzufliegen, blieben sie am Kadaver sitzen und
stimmten ihr Summ- und Brummlied an.

Langsam erwachte der Wald um uns aus seinem lethargischen
Mittagsschlaf. Vögel hüpften von Ast zu Ast und betrachteten ganz
zutraulich uns fremdartige Gäste. Eine Schar grauer Papageien hatte
sich ganz in der Nähe auf einem Baum niedergelassen und pfiff und
krächzte fröhlich mit den anderen Vögeln um die Wette. Mit Ausnahme
des Leichnams unter uns deutete nichts auf die entsetzliche Tragödie
hin, die sich hier am frühen Morgen abgespielt hatte. Von dem
fürchterlichen Räuber war nichts vernehmbar; der Wald hatte sein
friedliches, alltägliches Aussehen. Von der Seite her passierte eine
Karawane zierlicher Äffchen in den Wipfeln der Bäume über uns. Mein
Auge ergötzte sich an den possierlichen Tierchen, die gleich unseren
europäischen Eichkätzchen gewandt von Ast zu Ast springen.

Meine Glieder waren vom gebeugten Sitzen bereits derart erlahmt, daß
sie mich kaum noch schmerzten. Mit der untergehenden Sonne und dem
näherrückenden Zeitpunkt, an dem ich endlich den verhaßten Leopard vor
dem Laufe meiner Flinte sehen würde, begann auch wieder eine gewisse
Jagdleidenschaft in mir rege zu werden. Das bange und gleichzeitig
freudige Gefühl der herannahenden Entscheidung ließ mich alle anderen
Schmerzen, meinen hungernden Magen miteinbegriffen, vergessen.

Langsam verschwand die Sonne als rotleuchtender Feuerball zwischen den
Wipfeln der Bäume, die Dämmerung rückte heran. Angestrengt lauschten
wir auf jedes verdächtige Geräusch. Da, unvermittelt das leichte
Zurückschnellen eines Astes in einiger Entfernung -- darauf lange
Minuten lautloser Stille. Dann wieder das Knistern eines kleinen
Ästchens aus derselben Richtung -- wieder vergingen einige Minuten.
Die Sonne war bereits ganz am Firmament verschwunden. Dann wieder das
Zurückschnellen eines Zweiges. Jetzt konnten wir genau die Richtung
bestimmen, aus der der Räuber auftauchen würde. Gewisse Anzeichen,
wie das Innehalten der Lockrufe der Vögel aus der gleichen Richtung
deuteten darauf hin, daß die große Katze im Anzug war. Mein Herz
klopfte zum Zerspringen -- -- jetzt war der Moment gekommen, auf den
wir den ganzen Tag geharrt hatten. Unwillkürlich reichte ich Mukenge
bedeutungsvoll die Hand.

Doch was war das? -- Plötzlich hörten wir von der entgegengesetzten
Richtung gleichfalls ein Geräusch wie von einem anschleichenden
Wesen. Sollten etwa zwei Räuber von entgegengesetzter Seite auf uns
zukommen? Aus unserer ersten Schallrichtung vernahmen wir nichts mehr.
Offenbar traute das Tier dem Frieden nicht recht, oder es hatte etwas
gehört und wartete vorsichtig ab. Das Geräusch von der anderen, dem
Dorfe zugekehrten Seite, wurde immer vernehmlicher. Zweige schnellten
zurück, unaufhaltsam drang ein unbestimmtes Etwas in unserer Richtung
vor. Immer näher kam das Verhängnis. Den Finger am Drücker, beide die
Gewehre an der Backe, lauerten wir auf den Moment, wo der Kopf des
Leoparden ansichtig wurde, um sofort Feuer zu geben. Zweige schlugen
unter uns auseinander, ein Gemurmel wurde hörbar, und -- -- -- im
Gänsemarsch, einer hinter dem anderen, tauchten fünf Eingeborene unter
der Führung ihres Häuptlings auf, um -- den Toten wegzuholen.

Meine Bestürzung und Enttäuschung wiederzugeben, ist unmöglich. Also
deshalb hatte ich den ganzen Tag gehungert, die unglaublichsten
Schmerzen ausgehalten und den Verwesungsgeruch eingeatmet, damit
im entscheidenden Moment mir der Preis verlorengehen sollte. Eine
furchtbare Wut überfiel mich, und ich machte mir Luft, indem ich den
verdutzten Negern von meinem Baum herunter eine Flut von Schimpfwörtern
zudonnerte. Abgesehen davon, daß die Leute darauf bestanden, den
Leichnam mitzunehmen, mußte ich wohl oder übel einsehen, daß nach den
so unerwartet eingetretenen Ereignissen absolut keine Aussicht auf die
Wiederkehr des Leoparden bestand. Der Abend und die Nacht, die ich im
Dorfe zubrachte, waren mir gründlich verleidet.

Am folgenden Morgen besuchte ich die letzten beiden Dörfer Yobi und
Komango, teilte Stoffe und Geschenke wie in allen übrigen Dörfern
aus und ließ auch hier einen Capita zurück. Dann trat ich endlich
die Rückreise an, die ohne nennenswerte Begebenheit verlief und mich
nach vierzehntägiger Abwesenheit gesund und trotz der überstandenen
Strapazen gekräftigt nach Stanleyville in meine Faktorei zurückbrachte.




              Einiges über die Gewinnung des Kautschuks.


Es wird den Leser, der dem Verfasser bis hierher auf seinen
abenteuerlichen Wegen durch den Urwald und bis in die entferntesten
Negerdörfer gefolgt ist und das im Kongo übliche »System« des
Kautschuksammelns kennengelernt hat, gewiß interessieren, etwas Näheres
über die Gewinnung dieses wertvollen Naturproduktes zu erfahren.

Bis vor wenigen Jahren galt als Hauptreichtum des Kongostaates die
Ergiebigkeit seiner ungeheuren Wälder und Prärien an Kautschuk, jenem
kostbaren Material, das bisher chemisch nicht zu ersetzen und für
das mit der zunehmenden Verwendung zu technischen Zwecken ein kaum
zu befriedigender Markt entstanden war. Mit dem Bau der Eisenbahn
Matadi-Stanley-Pool, mit der fortschreitenden Erschließung des Landes,
der Unterwerfung der blutdürstigen, wilden Negerstämme, die bisher
ausschließlich vom Morden und Plündern der schwächeren Nachbarn gelebt
hatten, mit ihrer Heranziehung zu friedlicher Feldarbeit und Ausbeutung
der reichen Lianenbestände der Urwälder, die von der Kongomündung
quer durch ganz Zentralafrika bis zum Indischen Ozean reichen, wurde
von Belgiens größtem Herrscher, dem König Leopold, mit sicherem,
zielbewußtem Blick ein Kulturwerk geschaffen, so groß und mächtig,
wie er selbst es ursprünglich kaum geahnt hatte. Schwere finanzielle
Opfer hat es erfordert, viel Blut ist auf beiden Seiten geflossen,
bis der neugeschaffene Staat die sengend und plündernd herumziehenden
unbotmäßigen Horden bezwingen und seine Grenzen gegen räuberische
Einfälle mächtiger Sklavenjäger zu schützen vermochte.

Der Lohn hierfür blieb nicht aus. Bald war bis in die entferntesten
Dörfer des Urwaldes die Kunde gedrungen, daß der weiße Gott, der
auf einem Feuerroß aus dem Meere aufgetaucht war und den Strom
heraufgefahren kam, gegen den bisher nur zu »Gongschlägern«
verfertigten Kautschuk prachtvolle Gewebe, glänzende Arm- und
Beinspangen aus Messing, kurzum eine Menge nie gesehener Herrlichkeiten
eintauschte, als sich alsobald hunderttausende fleißiger Hände an die
Arbeit machten, den milchigen Saft der Lianen zu sammeln, zu Kugeln
oder Platten zu formen und in die Stationen am großen Fluß zu bringen.
Aus allen Teilen des Landes kam das kostbare, aber für die Eingeborenen
fast wertlose Material. Immer mehr häuften sich die Vorräte, gleich
dem Anschwellen einer Lawine. Die reiche Fracht füllte die Dampfer bis
an Deck, wurde nach Antwerpen dirigiert und machte diesen Hafen bald
zum zweitgrößten Kautschukmarkt der Welt. Dank der weisen Politik des
klugen Königs, der durch Gewährung von Konzessionen Kapital ins Land
zu bringen wußte, um all die ungeheuren Produktionsquellen voll zur
Entfaltung bringen zu können, gediehen die unter Aufwand von vielen
Millionen gegründeten Unternehmungen prächtig und entwickelten sich mit
der Zeit zu großen Aktiengesellschaften, die ihren Gründern und ihrem
Schöpfer alljährlich goldenen Gewinn eintrugen.

[Illustration: Eingeborene bringen Kautschuk.]

Kehren wir zurück zum Ursprung des Kautschuks und zu dessen Gewinnung.
Im Gegensatz zum Plantagenkautschuk, der auf großen Anpflanzungen, z.
B. in Brasilien, durch rationelle Ausbeutung gewonnen wird, stammte
noch während meines Aufenthaltes am Kongo neun Zehntel der dortigen
Gesamtproduktion aus sogenanntem »Raubbau«. Die Eingeborenen, die den
Wert der Lianen nicht erkennen, haben, sobald sie eine solche finden,
das natürliche Bestreben, möglichst viel Kautschuk aus ihr zu gewinnen,
ohne Rücksicht darauf, daß die Pflanze bei einem solchen Verfahren
eingeht. Der Rest verdankte seinen Ursprung gleichfalls rationeller
Plantagenausbeutung.

Um dem Raubbau zu steuern und zu verhüten, daß die kostbaren
Kautschukbestände eine Verminderung erfahren, werden sämtliche
Gesellschaften seit dem Jahre 1900 durch königliche Verordnung dazu
angehalten, alljährlich für je 1000 Kilogramm angekauften Kautschuk
500 neue Kautschuklianen anzupflanzen. Jede Gesellschaft besitzt daher
heute geeignete ausgedehnte Terrains, die vom Staat unter gewissen
Modalitäten kostenlos zur Verfügung gestellt wurden, auf welchen die
Kautschukkulturen rationell betrieben werden. Diese Pflanzungen werden
alljährlich von eigens dazu bestellten Inspektoren kontrolliert.

Der Kautschukbaum kommt in den Urwäldern Afrikas nicht vor. Aller
geerntete Kautschuk rührt von wild wachsenden Lianen her. Man
unterscheidet unter ihnen folgende Arten, die hauptsächlich für die
Kautschukgewinnung in Betracht kommen: =Landolphia Ovariensis=,
=Landolphia Droogmansia=, =Landolphia Klainei=, =Clitandra
Arnoldiana=, =Clitandra Nzunde=. Die ersten drei Arten ergeben
einen rötlichen, durchsichtigen Kautschuk, während die zuletzt
genannten den schwarzen Kautschuk liefern. Alle diese Lianen erreichen
einen Durchmesser bis zu Armstärke, ranken an hohen Bäumen als Parasit
empor und erreichen eine Länge bis zu 25 bis 30 Metern.

Hat der kautschuksammelnde Eingeborene eine derartige Liane entdeckt,
dann klettert er am Baum so hoch wie möglich empor und durchschneidet
sie. Die nunmehr zu Boden stürzende Liane wird durch Holzgabeln
gestützt und mit ringartigen Quereinschnitten in ihrer Rinde versehen.
Der an der Schnittfläche herausträufelnde milchige Saft trocknet
entweder sofort am Baum ein oder wird in aus Blättern angefertigten
primitiven Behältern aufgefangen. Im ersten Fall kehrt der Eingeborene
am nächsten Tag zurück, um den trockenen Kautschuk mit einem stumpfen
Messer loszulösen und zu einer Kugel zu formen, deren Größe je nach dem
Distrikt von einer Pflaume bis zu einer Orange wechselt. Im letzten
Fall entleert er die milchige Flüssigkeit in ein zu diesem Zwecke
mitgebrachtes Gefäß und gießt sie zu Hause in kochendes Wasser, worauf
sie sofort hart wird und wie ein flacher Kuchen auf der Oberfläche des
Wassers schwimmt. Der frisch gewonnene Kautschuk ist schneeweiß und
enthält viel Wasser, das ihn, falls man ihn nicht gehörig zerteilt und
im Schatten trocknet, zersetzt und in eine klebrige, unansehnliche
Masse verwandelt.

[Illustration: Verarbeitung von Kautschuk.]

Die gleiche Operation wiederholt der betreffende Eingeborene so oft,
bis die Liane erschöpft ist. In besonders reichen Waldrevieren läßt er
die Liane, nachdem sie ihren Zweck erfüllt hat, liegen und verkommen.
Im Kasai-Gebiet schneidet der Eingeborene sie in Stücke und schleppt
sie in seine Hütte, um mittels Wassers durch Stampfen oder Klopfen der
Rinde den unter derselben fest gewordenen Kautschuk zu extrahieren,
eine Arbeit, die viele Stunden in Anspruch nimmt.

Außer den oben angeführten Lianen, die nur im Urwald gedeihen, wurde
im Jahre 1885 in den ausgedehnten Prärien Afrikas eine neue Art von
Liane entdeckt, die =Landolphia Thollonii Dewevre=, die ungefähr
10 bis 15 Zentimeter unter der Erdoberfläche wächst und ihre Triebe
nach allen Richtungen hin erstreckt. Ihre Wurzeln, die eine Länge bis
zu drei Metern und Fingerdicke erreichen, werden von den Eingeborenen
ausgegraben und, zu Bündeln verschnürt, ins Dorf getragen. Hierauf
weicht man sie die Nacht über ein, damit die Rinde sich leicht vom
Stamm löst, dann trocknet man diese in der Sonne und klopft und stampft
sie mittels Holzknüppel so lange, bis alle Rindenteilchen aus der
Kautschukmasse entfernt sind. Der auf diese Weise gewonnene Kautschuk
ist in Qualität dem durch Rindeneinschnitte erzielten gleichwertig und
auch in seinem Aussehen von diesem nicht zu unterscheiden.

Der Einkaufspreis von einer Tonne -- 1000 Kilogramm -- Kautschuk stellt
sich je nach Qualität im Ursprungslande auf 1500 bis 2000 Frank. Der
erzielte Nettoerlös in Antwerpen schwankt, je nach der Konjunktur,
zwischen 7000 bis 12000 Frank per Tonne. Diese Preise wurden bis kurz
vor Ausbruch des Weltkrieges gezahlt.

Eine Faktorei produzierte damals durchschnittlich monatlich 2000 bis
3000 Kilogramm Kautschuk, so daß sie alljährlich einen Bruttogewinn von
150 bis 200 Mille Frank erzielte.




         Faktoreichef. Tausend gefährliche Seuchen. Heimreise.


Den Gefahren und Anstrengungen der Reise im Urwald folgte eine
mehrwöchige Periode der Ruhe auf der Faktorei. Auch hier harrte
meiner eine Unmenge Arbeit, die sofortiges Zugreifen erheischte.
Die Aufzeichnungen des Schreibers während meiner Abwesenheit, die
Auslieferungen der Warenvorräte und die Eingänge an Kautschuk und
Elfenbein mußten genau kontrolliert und gebucht, der mitgebrachte
Kautschuk von den Arbeitern in kleine Stückchen geschnitten und in das
Trockenmagazin gebracht werden, um ein Zersetzen und Klebrigwerden zu
verhindern.

Mitten in der Arbeit überraschte uns eines schönen Tages unser
Dampfer »Henriette« mit Kapitän Jarigsma, der mir meine Ernennung
zum Faktoreichef und die Mitteilung von einer namhaften Erhöhung
meiner bisherigen Bezüge mit Beteiligung am Reinertrag der Faktorei
überbrachte. Gleichzeitig wurde mir ein Unterbeamter avisiert, der
mit dem nächsten Dampfer heraufkommen sollte. Da das Schiff für
Stanleyville zwanzig Tonnen Laderaum verfügbar hatte und unser Vorrat
an Kautschuk, Elfenbein und Reis nur zirka achtzehn Tonnen ausmachte,
beschloß ich, mit nach Romée hinunterzureisen und dort noch Reis
einnehmen zu lassen.

Die Fahrt nach Romée auf dem prachtvollen Dampfer und der Aufenthalt
bei dem liebenswürdigen Kapitän am Deck boten mir eine willkommene
Zerstreuung. Das Geschäft mit den Arabern in Romée und das Heranbringen
des erforderlichen Quantums Reis an Bord war in einer Stunde erledigt.
Den Rest des Tages verbrachten wir beim stellvertretenden Kommandanten
des Postens in vergnügter Gesellschaft. Die zweitägige Flußreise
stromaufwärts beruhigte meine von den schnell aufeinanderfolgenden
freudigen Ereignissen erregten Nerven wieder. Die ungeheuren Urwälder,
die den Fluß zu beiden Seiten einfassen, die ewig wechselnden
Szenerien, die weite Wasserfläche, die bald gleich einem Binnensee
kaum merklich dahinfließt, dann wieder, eng in das Flußbett gezwängt,
wie eine Lawine sich vorwärts wälzt, bieten dem Naturbeobachter
unvergleichliche Augenweide. Wie oft hatte ich diese Strecke nun
bereits befahren, und doch, wenn ich sie in ihren großen Zügen auch
kannte, jede weitere Reise erschloß mir neue Naturschönheiten und
Reize, an denen ich früher achtlos vorübergefahren war. Es ist, als
ob man in einem großen Weltbuche, dem Buche der Natur, blättert und
jedesmal neue Schätze entdeckt, die in ihm beschrieben sind. Ganz in
Betrachtung versunken, saß ich in meinem Lehnstuhl und sah doch wieder
nichts -- das gleichmäßige Schaukeln des Bootes versetzte mich in
andere Regionen. Ich träumte vor mich hin, bis irgendeine Begebenheit,
wie etwa das plötzliche Ins-Wasser-gleiten eines Krokodils, das ich für
einen Baumstamm gehalten, mich aus meinen Träumen aufschreckte.

Die gewaltigen Natureindrücke dieser tropischen Welt bleiben nicht ohne
starke und dauernde Wirkung auf die Seele. Aus mir, der ich von meiner
Kindheit an äußerst lebhaft und unruhig veranlagt war, hatte Afrika
im Lauf der Zeit einen schwermütigen, ernsten Träumer gemacht. Die
Einwirkungen des Klimas auf den Körper sollten bald für meine Laufbahn
entscheidend werden.

Zwei Tage nach meiner Rückkehr nach Stanleyville fühlte ich
beiderseits der Leistengegend ein starkes Stechen, dem eine von
heftigem Fieber begleitete Drüsenanschwellung folgte. Äußerst bestürzt
begab ich mich sofort zu =Dr.= Bellis, den ich mit denselben
Krankheitserscheinungen, nur in verstärktem Maße, behaftet vorfand.
Wir beide und mit uns ein großer Teil der Europäer und der Schwarzen
der Umgebung waren von einer Art Bubonenpest befallen. Die Krankheit
war wie hergeflogen ganz plötzlich über den Distrikt hereingebrochen,
und niemand wußte ihre Ursache oder ihr Entstehen zu erklären.
=Dr.= Bellis und der Kommandant fuhren mit dem nächsten Dampfer
nach Leopoldville, um sich daselbst einer Operation zu unterziehen. Mir
hatte er zuvor eine Salbe verschrieben, die sich in der Folge nicht nur
als völlig wirkungslos erwies, sondern im Gegenteil die Anschwellungen
und Schmerzen noch vermehrte.

Einige meiner Leute, die unter derselben Krankheit zu leiden hatten
und dank dem Heilmittel einer arabischen Giftmischerin der Genesung
entgegensahen, brachten mich auf den Gedanken, diesmal die Heilkräfte
der Eingeborenen gleichfalls für mich in Anspruch zu nehmen. Ich sandte
daher meinen Capita Mustapha mit entsprechenden Geschenken auf den Weg
zu der Alten. Doch ich hatte mich gründlich getäuscht. Für mich gab es
keine Medizin. Das schlaue, erfahrene Weib wollte ihre Quacksalberei
an mir nicht ausprobieren, da sie offenbar fürchtete, im Falle eines
Mißlingens mit dem Gefängnis von Stanleyville Bekanntschaft machen zu
müssen.

Mein Leiden war inzwischen zur unerträglichen Qual geworden, die mir
weder Schlaf noch Ruhe gönnte. Da griff ich zur List, ließ den ärmsten
meiner Arbeiter, der ein Leidensgefährte war, kommen und versprach
ihm, seine Behandlung zu bezahlen, wenn er die Hälfte der Salbe, die
die Alte ihm gab, mir anvertraute. Den Hokuspokus überließ ich ihm
ganz. Die Wirkung der in Bananenblätter gewickelten, scharf riechenden,
schwarzen Salbe erwies sich als vorzüglich. Die Schmerzen ließen
nach, die Leistenanschwellungen, die ohne sie zum Durchbruch und zu
langwierigen Leiden geführt hätten, waren bald vollständig behoben, so
daß ich in einiger Zeit mein Schmerzenslager verlassen konnte.

Da Unglück selten allein zu kommen pflegt, und Stanleyville, das bisher
im Rufe stand, das gesündeste Klima im ganzen Stromgebiet zu besitzen,
dazu ausersehen schien, in diesem Jahre alle Seuchen Zentralafrikas
mitmachen zu müssen, tauchten nunmehr plötzlich die Blattern in nie
dagewesener Heftigkeit auf. Gerüchte über die am jenseitigen Ufer unter
den Soldaten und Eingeborenen aufgetauchte Seuche, die sofort viele
Menschenleben dahinraffte, veranlaßten uns, jeden Verkehr mit drüben
abzubrechen. Diese Vorsichtsmaßregel blieb leider wirkungslos, da die
gefährliche Seuche einige Tage später auch bei uns ausbrach. Eine
Feldarbeiterin (Sklavin) machte den Anfang, der Boy meines ehemaligen
Chefs folgte. Jeder weitere Tag brachte eine vermehrte Anzahl von
Kranken, so daß bald drei Viertel des ganzen Personals von der
schrecklichen Seuche erfaßt waren.

[Illustration: Anfertigung von Kautschukkörben.]

Zur Isolierung der Kranken ließ ich sofort auf einige hundert Meter
Abstand von der Faktorei Baracken, in denen sie so gut wie möglich
untergebracht wurden, errichten. Impfstoff, das einzige wirksame Mittel
zur Bekämpfung der Seuche, war vorläufig nicht vorhanden, so daß wir
uns auf den Rat der katholischen Mission mit Reiswasser als Nahrung und
zur Regelung der Verdauung begnügen mußten.

Die Sklavin war sofort nach ihrer Erkrankung zu ihrem arabischen
Häuptling gelaufen, der sie vom Kopf bis zu den Füßen mit Kalk
bestreichen ließ. Doch scheint auch diese Behandlungsmethode in den
meisten Fällen versagt zu haben, da die Kranke ebenso wie viele andere
zugrunde ging. Auch bei mir starben trotz sorgfältiger Überwachung
und Pflege verschiedene Leute. Einer der Arbeiter wurde verrückt und
lief den ganzen Tag mit einem dicken Prügel herum, um vermeintliche
Feinde zu töten. Dem Mann war die Krankheit aufs Gehirn geschlagen; er
litt an Verfolgungswahnsinn und schlief nachts auf einem Baum. Einige
Tage später starb er. Ich ging selbst zu den Isolierbaracken, um dem
Begräbnis beizuwohnen und mich vom Schicksal der übrigen Kranken zu
überzeugen. Der Anblick des bis aufs Skelett abgemagerten, am ganzen
Körper mit blutenden Geschwüren bedeckten Toten mit den glasigen Augen
und aus dem Munde heraushängenden Schleimfäden und die von goldigen
Sonnenstrahlen, vom fröhlichen Zwitschern der Vögel erfüllte Welt
bildete einen grausigen Kontrast. Der übelriechende Kadaver war über
und über mit Fliegen bedeckt, die auf den gräßlichen Geschwüren ihr
Mahl hielten. Obwohl ich kaum meines physischen Unbehagens Herr werden
konnte, hielt ich tapfer bis zur Einbettung des in Decken und Matten
gehüllten Toten in die Erde stand, um dem Pflegepersonal damit ein
Beispiel von Unerschrockenheit zu geben.

Unter den übrigen Kranken, die teilweise der Genesung entgegensahen,
befand sich noch ein besonders schwerer Fall, der Boy meines ehemaligen
Chefs, ein braver, treuer Bursche, der seinen Herrn stets aufopfernd
gepflegt hatte und nun, durch die Krankheit bis zur Unkenntlichkeit
entstellt, selbst im Begriffe war, ins Jenseits einzugehen. Schon seit
acht Tagen hatte ich erkannt, daß eine Rettung aussichtslos war. Mit
wimmernder, gebrochener Stimme rief er mich mit Namen, und mit flehend
zu mir erhobenen Augen bat er mich, ihm doch zu helfen und ihm eine
andere Hütte zu geben. Nie in meinem Leben habe ich meine Ohnmacht
mehr empfunden als in diesem Augenblick. Tief zu Herzen ist mir sein
rührendes Flehen gegangen, und gern hätte ich zehn Jahre meines Lebens
hingegeben, um dasjenige des armen Jungen verlängern zu können. Den
letzten Wunsch des Sterbenden wenigstens konnte ich erfüllen. Ich ließ
eine der anderen Hütten sorgfältig reinigen, dem Schwerkranken von
neuen Decken ein weiches Lager darin herrichten und ihn dahin bringen.

Ganz plötzlich, wie der würgende Todesengel erschienen war, verschwand
er auch wieder, in vielen Hütten ein Tag und Nacht andauerndes lautes
Wehklagen zurücklassend. Gar zu viele Menschenleben waren dahingerafft
worden.

[Illustration: Ablieferung von Kautschukkörben.]

Die Totentrauer ist hier eine ganz eigenartige Sitte. Irgendeine nähere
alte Verwandte, manchmal auch die Mutter des Verstorbenen, setzt sich
vor dessen Hütte und stimmt ein tieftrauriges Klagelied an. Bald
schließt sich ihr die nähere Nachbarschaft, junge und alte Weiber,
an, die alle in die gleiche, schaurig tönende Melodie einfallen.
Ich habe oftmals ganz junge Dinger lachend vom anderen Ende des
Dorfes herbeieilen sehen, die, wie von magischen Kräften durch das
Wehklagegeheul angezogen, sich in den Kreis der anderen setzten und
ihrem Beispiel folgten. Je mehr Männer und Weiber dazukommen, um so
schauriger ertönt der Chor. Die ganz alten Weiber singen sich meist in
eine förmliche Ekstase hinein. Die Tränen rinnen ihnen über die Wangen,
mit den knochigen Armen schlagen sie in ihrem Schmerz an ihre dünnen
Gebeine. So ansteckend wirkt diese unmelodiöse, traurige Weise, daß
mich beim Zuhören plötzlich die Lust überkam, mich auch hinzusetzen
und mitzuheulen. Zeitweise steht eine der Frauen auf, holt ihr Kind
oder verrichtet eine ihr nötig erscheinende Arbeit und kehrt ruhig
wieder an ihren Platz zurück, um im Chor weiterzuheulen, gerade so,
als ob sie damit eine gemeinsame Arbeit mit den anderen zu erledigen
habe. Das Klagegeheul für einen Toten dauert manchmal einen ganzen
Tag und wird wahrscheinlich nach einem gewissen Zeremoniell geregelt.
Zu den Mahlzeiten flaut es merklich ab, da die meisten Teilnehmer für
einige Zeit verschwinden, um sofort danach wieder zu der Totentrauer
zurückzukehren. --

Am 15. Mai 1900 kündigte ich meinen auf drei Jahre lautenden Vertrag,
der einen Monat später abgelaufen war. Lange Zeit hatte ich im unklaren
geschwebt, ob ich nicht ein Jahr zugeben sollte. Doch der rasche Tod
Janssens, die fortwährenden Seuchen, die seither über die Region
hereingebrochen waren, und schließlich mein eigener Gesundheitszustand,
der manches zu wünschen übrigließ, veranlaßten mich, darauf zu
verzichten. Gelegentlich der letzten Untersuchung hatte =Dr.=
Bellis starke Milz- und Leberanschwellung bei mir konstatiert, die zu
einem Abszeß führen konnte. Wiederholt hatte ich heftiges Stechen in
der Seite gefühlt, was mich lebhaft beunruhigte. Dazu kam, daß ich das
mir gesteckte Ziel, Faktoreichef zu werden, erreicht und durch eine
Verlängerung des Kontraktes keine besonderen Vorteile zu erwarten hatte.

Eines stand fest bei mir: Ich würde meine Eltern in der Heimat
besuchen und nach kurzer Erholung in Europa unbedingt wieder nach
Afrika zurückkehren. Das abenteuerliche Leben im Innern Afrikas sagte
meiner nach freier Betätigung verlangenden Natur viel mehr zu als das
gesicherte Dahinvegetieren im europäischen Berufsleben. Die große
Abrechnung mit dem Leben mußte einmal erfolgen -- hier oder dort. Wann,
ob früher oder später, das war reine Glückssache. Lieber wollte ich dem
tückischen Klima Afrikas oder dem Pfeil eines Eingeborenen zum Opfer
fallen als mein Leben lang hinter staubigen Büchern in irgendeinem
Kontor sitzen.

Doch sollte es noch mehr als zwei Monate dauern, bis der von mir
erbetene Ersatzmann eintraf. Eine nervöse Unruhe war mit der Kündigung
über mich gekommen. War bisher mein ganzes Denken und Trachten meinem
afrikanischen Lebenswerke gewidmet, so tauchte jetzt wie hinter fernen
Wolkenschleiern eine Welt von Erinnerungen vor meinem geistigen Auge
auf. Der Gedanke, meine Eltern und Lieben in der Heimat wiederzusehen,
ward von Stunde zu Stunde mächtiger, bis er schließlich alle anderen
Rücksichten in den Hintergrund treten ließ.

Endlich erschien mein Stellvertreter mit dem Dampfer »Henriette«,
und nachdem ich ihm die Faktorei in voller Ordnung übergeben hatte,
schiffte ich mich zur Heimreise ein. Jetzt war ich ein freier Mann,
konnte sorgenlos den wohlverdienten Urlaub antreten.

War ich wirklich frei? Oder war es wieder eine Täuschung? Diese Frage
mußte ich mir schon eine Stunde nach meiner Abfahrt stellen, als mir
unwillkürlich beim Andenken an alles, was ich zurücklassen mußte, die
Tränen über die Wangen liefen. Jeder einzelne meines Hausgesindes,
jeder Arbeiter, der Freud und Leid, Gefahren und Sorgen mit mir
geteilt, hing mir am Herzen. Der Gedanke an meine Faktorei, die ich
aus kleinen Anfängen heraus zur großen Station -- meinem zweiten Heim
-- nach eigenem Geschmack ausgebaut hatte und die ich vielleicht
nie wiedersehen sollte, schnürte mir das Herz zusammen. Still und
niedergedrückt eilte ich in meine geräumige Deck-Kabine, damit Kapitän
Jarigsma nicht Zeuge meines Trennungsschmerzes wurde. Jetzt, wo meine
Abreise Tatsache geworden war, trat der umgekehrte Fall ein, und je
weiter ich mich von der Station entfernte, desto mehr bereute ich,
fortgegangen zu sein. Alle Gedanken an Europa waren mit einem Male
erloschen.

Meine Leser werden fragen, ob ich während der langen Zeit niemals
das Bedürfnis nach Gesellschaft und Zerstreuung empfunden habe.
Ich kann hierauf nur mit einem entschiedenen Nein antworten. Die
vielfachen Anforderungen, die das tägliche Leben in den Tropen an jeden
Europäer stellt, die hunderterlei Probleme, die an ihn herantreten
und der Lösung harren, nehmen sein ganzes Denken und Sinnen vollauf
in Anspruch. Wenn er dazu ein verständnisvolles Auge für die Natur
und alles, was um ihn vorgeht, hat, wenn er Sammler von Käfern und
Schmetterlingen, Ethnologe oder Ethnograph ist, dann findet er in
diesen Liebhabereien ein reichliches Feld für seine Mußestunden. Mit
der zunehmenden Kenntnis der Eingeborenensprache lernt er deren Sitten
und Gebräuche und viel Interessantes über sie kennen. Im folgenden
Kapitel will ich einiges über den Aberglauben, der im Leben der Neger
eine so hervorragende Rolle spielt, berichten, und zum Schluß gebe ich
einige Märchen wieder, die ich mir an einsamen Abenden von Eingeborenen
erzählen ließ.




                Abergläubische Vorstellungen der Neger.


Im beständigen Kampf mit Haß, Eifersucht, Blutdurst und tierischer
Brunst der eigenen Rasse, gewohnt, in den Raubtieren und dem giftigen
Gezücht des Urwaldes und auch in dem Nächsten den unerbittlichen
Todfeind zu sehen, kennt der Neger tief drinnen im Urwald keinen
barmherzigen Gott. Er kennt nur unheimliche, tückische Gewalten,
die gleich den Fieberdünsten des Waldes in der Nacht sein Lager
umschleichen und sein Leben, sein Hab und Gut und seine Gesundheit
bedrohen. Diese Götter zu versöhnen, ihren Zorn und Rache von sich
abzuleiten, das ist sein einziges Bestreben.

Wenn Unheil und Krankheit über ihn hereinbrechen, wenn im Getöse des
Tornados, in Blitz und Donner die Hölle ihre Orgien feiert, wenn er,
von Fiebern geschüttelt, in grauenvoller Nacht dem Tode ins Auge
schaut, dann wirft er sich in den Staub vor seinem Götzenbild -- denn
seine Furcht vor »Ilimma«, dem Fabelungeheuer mit dem glühenden Auge
und dem giftigen Odem, ist groß.

Der Einfluß der Fetisch- oder Medizinmänner, welche den Verkehr mit
den Göttern vermitteln, ist im Innern des Landes, bis wohin die
Macht des Europäers nicht reicht, ungeheuer. Sie gebieten über Leben
und Tod ihrer Mitmenschen. Jede Region hat ihre Gottheit in Form
eines hölzernen Götzen irgendwo im düstern Dunkel des Waldes, von
Fetischmännern eifersüchtig bewacht, versteckt. Er ist dem profanen
Auge des Uneingeweihten nicht sichtbar, und jeder Versuch eines
Fremden, in das Geheimnis einzudringen, wird mit dem sofortigen Tode
bestraft.

»Djakombo« und »Zambi« am Unterkongo -- »Ilimma« am Oberkongo genannt,
sind die Herrscher über alles Lebende. Sie suchen die Menschheit mit
Seuchen heim, um sie zu vernichten, sie senden ihnen Hungersnot,
Heuschrecken- und Ameisenplage. Neben ihnen hausen eine Menge anderer
böser Geister, die »Likundu«, die alle möglichen Missetaten verüben.
Bald vernichten sie die Ernte, bald tauchen sie in der Gestalt
irgendeines reißenden Tieres, wie Krokodil und Leopard, auf, um
Menschenleben zu vernichten. Im allgemeinen glauben die verschiedenen
Stämme an ein zukünftiges Leben in irgendeiner Form. Daher rührt
auch ihr Totenkultus. Den Verstorbenen werden bei einzelnen Stämmen
Nahrungsmittel, Haushaltungsgerät, Waffen, sogar Diener mit ins Grab
gegeben.

Von der Geburt des Kindes an bis an sein Ende ist der Fetischmann
eigentlich derjenige, der den Lebenslauf jedes einzelnen regelt. Er
fabriziert die Medizin, um das Kind im Mutterleibe vor den Anschlägen
feindlicher Mächte zu bewahren, er beschwört den bösen Geist, der
bei der Geburt in das neuentstandene Wesen hineinfahren möchte, er
verkauft der Mutter all die Amulette und »Mobangas«[5], um Seuchen und
Krankheiten vom Kinde fernzuhalten. Stirbt ein Kind trotzdem vorzeitig,
dann hat irgendein feindliches Wesen es mit giftigem Atem angehaucht.
Die Familie schwört Rache und verspricht dem Fetischmann reichliche
Geschenke, wenn er ihr den Urheber ausliefert. Dieser beruft das ganze
Dorf und sämtliche Anverwandten für den Abend zur »Moganga« oder zum
Gottesgericht.

Am großen Sammelplatze des Dorfes haben sich im Mondschein sämtliche
Einwohner zusammengefunden. Am großen Feuer sind die Männer versammelt
und harren der Dinge, die da kommen sollen, während ihre Frauen mit den
Kindern in Gruppen zusammenstehen und das kommende Ereignis besprechen.

»Mongoleina«, der mächtige Häuptling der Region, in vollem Ornat, hat
seinen mit Leopardenfellen ausgelegten Sitz eingenommen. Wie er so
majestätisch über den freien Platz dahinschreitet, ist er das Symbol
eines starken, unabhängigen Volkes. Er ist in der Tracht seiner
Vorväter gekleidet, die er nur bei ganz besonderen Anlässen zu tragen
pflegt und die harmonisch wirkt, wenn man nur den rechten Körper dazu
hat und sie mit Verstand anzulegen weiß. Um die Lenden in weiten Falten
ein Schurzfell, aus bunten Bambusfibern hergestellt, um den Hals eine
Schnur mit Leopardenzähnen, zum Zeichen seiner Würde, an den Hand-
und Fußgelenken schwere Messingringe, auf dem Kopfe ein dichter Kranz
von Adlerfedern, kunstvoll mit einem Leopardenfell zu einem Kopfputz
vernäht, in der Hand eine lange schwarze Lanze: so schreitet er
siegesbewußt auf den Ehrenplatz unter den Mondenbäumen zu.

Von ferne her ertönt ein Gemisch von dumpfen und hellen Lauten
von Gongs, Hörnern und Holztrommeln. Der Fetischmann mit seinem
eingeweihten Stab, das große Verhängnis, naht. Gespannt blicken alle
Augen in die Richtung, aus der er kommen muß.

Und schon naht er mit seiner Truppe, die mit ihrem wiegenden
Tanzschritt und ihrer phantastischen Bemalung einen unheimlichen
Eindruck auf die versammelte Menge macht. Ihre Mitglieder sind vom Kopf
bis zu den Füßen mit rotem Tukulapulver beschmiert, so daß sie wie in
Blut getaucht erscheinen. Um die Hüften tragen sie einen kurzen Rock
aus Binsen, der bis zu den Kniegelenken reicht, um die Augen, deren
Lider und Brauen mit Ruß pechschwarz gefärbt sind, um den unheimlichen
Ausdruck zu erhöhen, laufen mit weißer Kreide gemalte Ringe; Wangen,
Brust und Arme sind mit Hieroglyphen bedeckt.

Aus ihrer Mitte löst sich jetzt der Medizinmann, der durch die reiche
Ausstattung, die Schellen und schweren Eisenringe an Armen und Füßen,
die gräßliche Maske auf dem Kopf sowie eine Schnur von Leopardenzähnen
um den Hals als Zeichen seines hohen Ranges, sofort die ganze
Aufmerksamkeit auf sich zieht. Im Kreise herumtanzend, vergewissert er
sich zuerst, ob alle Einwohner des Dorfes anwesend sind. Vielleicht
sucht er sich auch jetzt schon sein Opfer aus.

Dann beginnt der eigentliche Tanz, der sich nur schwer beschreiben
läßt. Unter dem dumpfen Klang des Gongs und den hellen Wirbeln der
Trommeln redet der Medizinmann zur Menge, dabei die Missetaten und
Menschenopfer aufzählend, die der »Likundu« bereits gefordert hat. Ein
vollendeter Bauchredner und Sänger, stößt er unartikulierte Schreie
aus, hält Reden, gibt sich selbst Antwort und führt dabei allerhand
geheimnisvolle Bewegungen aus. Bald tanzt er mit Händen und Füßen,
bald wirbelt er in rasender Ekstase um sich selbst, bald verfällt er
in eine Art zuckender Krämpfe, wobei er mit Armen und Füßen um sich
schlägt wie im Kampf mit Dämonen, die in seinem Innersten wüten. Dann
wieder verschwindet er wie ein Pfeil im Dunkel der Nacht, und gellende,
markerschütternde Schreie widerhallen im schaurigen Echo des Waldes.
Offenbar ruft er ein unsichtbares Wesen, das ihm antwortet, worauf
er plötzlich wieder in der Mitte seiner Leute, die inzwischen Gongs,
große Elfenbeinhörner und Trommeln in rasendem Tempo bearbeitet haben,
auftaucht und die erschreckte Herde Menschen in seinen Bann zieht.

Immer wilder werden Ausdruck und Gebärden des Tanzes, die Augen üben
durch die Maske einen schauerlichen, faszinierenden Eindruck auf die
Umgebung aus. Der Tänzer selbst und seine Begleiter geraten in eine
Art wilder Ekstase, ihre Augen nehmen ein eigenartiges Feuer, einen
starren Blick ins Leere an. Es ist der Blick einer Schlange, der das
Opfer vor Schrecken lähmt. Mit heiseren, unartikulierten Lauten, mit
seinen schlangenartigen Bewegungen, mit der hypnotischen Wirkung seiner
starren Augen zwingt er die unwissende Menge unter seinen Willen.

Stunden vergehen -- in langen Rinnsalen, wie Blut, rieselt der Schweiß
an den Körpern der Mitwirkenden hinab. Die Menge ist aufs höchste
erregt und antwortet auf die hervorgestoßenen Fragen mit drohendem
Gebrüll. Der feierliche Moment naht. Wieder verschwindet der Tänzer,
wie von einer unsichtbaren Macht verschlungen, und sein Wehklagegeheul
ruft im Walde ein lautes Echo hervor. Im nächsten Augenblick erscheint
er mit der gefährlichen Medizin und stürzt sich auf sein Opfer.
Dieses, im Bewußtsein seiner Unschuld, trinkt gewöhnlich sofort die
dargereichte Medizin. Tut es dies nicht, dann ist die Schuld so gut
wie erwiesen, und die durch die nächtlichen Vorgänge und durch das
unausgesetzte Rauchen von Hanf zur höchsten Blutgier aufgestachelte
Menge stürzt sich mit Messern, Hauen und Spaten auf ihr Opfer, um es an
Ort und Stelle zu schlachten und buchstäblich in Stücke zu zerreißen.
Jeder sucht ein Stück desselben zu erwischen.

Hat der Betreffende das Gift getrunken, und ist er imstande, es sofort
wieder zu erbrechen, so ist dies ein Beweis seiner Unschuld, und das
Fest findet seinen Fortgang, indem der Fetischmann ein zweites Opfer,
und so weiter, auskundschaftet, bis das Gift endlich seine Wirkung tut.

Zahllos sind die Fälle, bei denen der Giftbecher als Gottesgericht
entscheidet, und nachgewiesenermaßen hat ein und dasselbe Gift, von
zwei verschiedenen Personen getrunken, ganz verschiedene Wirkung. Auch
die Art der Gifte wechselt bei den verschiedenen Negerstämmen, und
es ist festgestellt worden, daß z. B. bei allen jenen, die ihr Opfer
verzehren, das Gift eine stark berauschende, vorübergehende Wirkung
hat, also eigentlich nicht tödlich wirkt, während in anderen Distrikten
unbedingt tödliche Gifte zur Verwendung gelangen.

Man erkennt am Geschilderten die ungeheuere Macht der Medizinmänner.
Stirbt jemand auf unvorhergesehene Weise oder wird er ermordet, frißt
ein Krokodil oder ein Leopard einen Eingeborenen, kommt eine Seuche
über das Land, werden die Ernten durch Hagel und Unwetter vernichtet,
kurz, bei jedem Unheil, das ein Dorf trifft, hat der Fetischmann
Gelegenheit, sich seiner Feinde zu entledigen. Als Opfer wählt er mit
Vorliebe mißliebige Gegner, ältere Männer und Frauen, alle jene, die
ihm nicht seine Götzen abkaufen, oder auch Frauen, die sich ihm nicht
willfährig zeigen. Kein Eingeborener ist vor der Tücke dieser Räuber
sicher. Sie waren die gefährlichsten Gegner des Europäers bei der
Unterjochung des Landes und haben vielen Expeditionen den Untergang
bereitet. Sie bleiben es heute noch in jenen Gegenden im Innern, wo
die Erschließung nicht durch die Macht der Gewehre, sondern durch den
Handelsverkehr mit den Eingeborenen Schritt für Schritt vor sich geht.

Die Leute setzen unbedingtes Vertrauen in die überirdische Macht ihres
Fetischmannes und in die Kraft seiner Medizinen. Sie glaubten auch an
seine Fähigkeit, die modernen Schußwaffen unwirksam zu machen. Daher
zeigten sie auch vielfach eine unglaubliche Unerschrockenheit im Kampf
mit den Europäern, und die Fetischmänner konnten trotz des mörderischen
Feuers immer und immer wieder neue Scharen von allen Seiten gegen
ihren Gegner heranführen, bis dieser schließlich der Übermacht erlag.
Gelang es, den Medizinmann zu töten, dann war gewöhnlich der Mut der
schwarzen Scharen gebrochen, und in regelloser Flucht verließen sie den
Kampfplatz.


Fußnote:

[5] Medizin in allen möglichen Packungen.




                             Negermärchen.


Meinem Koch war ein kleiner »Yambinga-Boy« als »Tellerlecker«
zugeteilt. Dieser war in einer Mission auferzogen, wurde von den
Arbeitern »=Moanna na Zambi=«, d. h. Gotteskind, genannt und galt
als sehr gottesfürchtig und gelehrig. Eines Abends ließ ich ihn zu mir
kommen und befragte ihn: »Auf welche Weise wurde Christ geboren?«

Offenbar war niemals eine derartige Frage an ihn gestellt worden.
Sie setzte ihn daher sichtlich in Verwirrung. Als ich keine Antwort
erhielt, forschte ich weiter:

»Wurde Christ wie alle Menschen von einer Mutter geboren?«

Antwort: »Nein, Christ ist ein zu großer König, um wie alle
gewöhnlichen Menschen geboren zu werden.«

»Nun, wie wurde er denn geboren? Kam er durch den Mund?«

»O nein, der Mund eines Menschen spricht so viel Unreines, daß ein
König ohne Sünden nicht daraus hervorkommen konnte.«

»Kam er durch das Auge?«

»Nein, das Auge des Menschen sieht so viel Blut und Grausamkeiten, daß
solch ein liebevoller König nicht darin seinen Ursprung finden konnte.«

»Kam er durch die Nase?«

»Diese enthält soviel Unreines, daß Christ nicht daraus hervorkommen
konnte.«

»Kam er durch die Ohren?«

»O nein, der Mensch ist schlecht, und durch die Ohren hört er so
viel Sünde und Schlechtes, daß solch ein reiner König nicht daraus
hervorkommen konnte.«

»Nun endlich, woher kam denn Christ? Aus einem Menschen ist er doch
herausgekommen.«

Plötzlich kam es wie eine Offenbarung über den Jungen. In seinem
Gedächtnis hatte er endlich die richtige Antwort gefunden: »Ach
Mundele, das weißt du doch selbst am besten. Er kam durch den einzig
reinen Teil des Menschen -- er kam durch den kleinen Finger der
Unschuld.«

»Und auf welche Weise?«

»Nun, der kleine Finger wurde dicker und dicker, bis er platzte und
daraus der große König hervorging.«

Man kann aus diesem Beispiel ersehen, welche naive Vorstellung die
jungen Christen noch von der Religion haben; alles, was man ihnen nicht
auf das genaueste erklärt, veranschaulichen sie sich mit den Mitteln
ihrer eigenen, kindlichen Phantasie.


             ~Bangala-Märchen vom Nilpferd und Krokodil.~

Ursprünglich waren Nilpferd und Krokodil die fürchterlichsten Feinde,
die sich einander auf Schritt und Tritt bekriegten. Während das
gefräßige Krokodil die arglos im Ufersande spielenden Nilpferdkinder
angriff, benützte das Nilpferd das Mittagschläfchen seines gefährlichen
Nebenbuhlers, um sich tückisch anzuschleichen und ihm mit seinen
tödlichen Hufen den Garaus zu machen, bis endlich das schlaue Krokodil,
des ewigen Kampfes müde, dem Nilpferd folgenden Vorschlag machte:

»Raum für uns beide hat diese Erde. Ich erkenne deine Oberhoheit als
unumschränkter Herrscher über diese Gewässer an und ziehe mich in
mein Reich auf Sandbänken und in die Moräste zurück. Ich will von nun
an dir und deinen Kindern, wenn ihr Gras und Schilf meiner Domänen
fressen kommt, nichts mehr zuleide tun unter der einen Bedingung, daß
du dafür alle Kanus der Eingeborenen, die dein Reich befahren, zum
Sinken bringst, so daß auch ich mich an Menschenfleisch sättigen kann.
Im Austausch gegen diesen Dienst überlasse ich dir und den Deinen meine
Prärien und Sümpfe, in denen du ungestört weiden und schlafen kannst.«

Das Nilpferd war mit dem Vorschlag wohl zufrieden und ist seither der
erbittertste Feind des Menschen, dem es im Wasser nachstellt und ihn
seinem Freund, dem Krokodil, ausliefert.


                     ~Märchen vom Tanganika-See.~

Vor unzähligen Jahren befand sich an der Stelle des heutigen
Tanganika-Sees ein reichbevölkertes Gebiet, das von einem mächtigen
Volksstamm bewohnt wurde.

Die ungeheure fruchtbare Ebene nährte große Rinder- und Schafherden,
welche den Hauptreichtum des Stammes ausmachten. Inmitten eines großen
Dorfes residierte in seinem von hohen Palisaden umgebenen Palast ein
angesehener Häuptling mit seiner Frau, Besitzer einer tiefen Quelle,
welche von einem unterirdischen Fluß gespeist wurde.

Diese Quelle war seit Jahrhunderten vom Vater auf den Sohn übergegangen
und besaß die merkwürdige Eigenschaft, ihrem jeweiligen Besitzer eine
besonders wohlschmeckende Art von Fischen, wie sie nirgends in der
Umgebung zu finden war, zu spenden. Der Besitz dieses Schatzes war von
seiner absoluten Geheimhaltung abhängig, und die Tradition prophezeite
fürchterliches Unheil für das ganze Land in dem Augenblicke, wo ihre
wunderwirkende Eigenschaft einem Fremden verraten würde.

Das Schicksal wollte, daß die Frau des Häuptlings eines Tages hinter
dem Rücken ihres Gatten in leidenschaftlicher Liebe zu einem jungen
Mann entbrannte und ihm heimlich einige zubereitete Fische der
wunderbaren Quelle zukommen ließ.

Das Fleisch dieser Fische war so vorzüglich und so ganz anders im
Geschmack als alle Fische, die ihr Liebhaber bisher gegessen, daß er
unbedingt wissen wollte, woher diese Fische stammten. Die Frau sträubte
sich aus Furcht vor den Folgen anfangs energisch, das Geheimnis zu
verraten. Als jedoch der Geliebte weiter in sie drang und drohte, er
werde ihren Gatten über deren Herkunft befragen, da sah die Ungetreue
ein, welch fürchterliches Unheil sie angerichtet hatte, und versprach
dem Geliebten, ihm bei ihrer nächsten Zusammenkunft alles zu verraten.

Gelegentlich einer längeren Abwesenheit ihres Gatten rief sie ihren
Liebhaber zu sich, bereitete ihm ein lukullisches Mahl von den Fischen
aus der Quelle und kredenzte ihm Palmwein. Mit aufopfernder Liebe und
mit süßen Schmeicheleien suchte sie ihn zu befriedigen und von seinem
Vorhaben abzubringen. Ihr Inneres warnte sie vor kommendem Unheil. Sie
bat und beschwor ihren Freund nochmals, nicht weiter in sie zu dringen
und nicht etwas von ihr zu verlangen, was sicheres Unglück im Gefolge
hätte. Doch vergeblich. Ihr Freund bestand darauf, das Geheimnis
kennenzulernen, und gelobte, es niemand anzuvertrauen. Da führte sie
ihn in das Allerheiligste, das durch eine besondere Palisadenwand vom
Rest des Hofes abgetrennt war, um es vor den Augen der Dienerschaft zu
verbergen.

Inmitten des kleinen Raumes quoll aus einem kreisrunden Becken aus der
Erde eine klare Quelle hervor, an deren Oberfläche eine Menge kleiner
und großer Fische aus den Tiefen zum hellen Sonnenlicht emportauchten,
um gleich wieder zu verschwinden.

»Sieh, hier ist die wunderbare Quelle mit ihren vorzüglichen Fischen.«

Der Liebhaber, der nie zuvor Ähnliches gesehen hatte, stand sprachlos
vor dem Wunder. Da näherte sich ihm eines der Fischchen -- -- er wollte
es mit der Hand erfassen -- -- das prophezeite Unglück trat ein -- --

Aus der Quelle stieg, flammend vor Zorn, »Muzimu«, der unterirdische
Geist, empor. Sein Gesicht war wutverzerrt, seine Augen sprühten
Blitze. Mit furchtbarer Gebärde schleuderte er einen Höllenfluch auf
die beiden Schuldigen. Die Erde zu ihren Füßen barst, und eine hohe
Wassersäule an Stelle des Muzimu überflutete Land und Auen, soweit das
Auge reicht, alles Lebende vernichtend.

Seitdem bedeckt der tiefe Tanganika-See das Land, und alle Jahre kann
man an einem bestimmten Tage das Stampfen der Mehlmörser und das
verzweifelte Schreien und Rufen der unschuldigen Menschen und Kinder
hören, die das Opfer der Katastrophe geworden waren.




                               Nachwort.


In den vorstehenden Kapiteln habe ich meinen Lesern die Erlebnisse
während meines ersten dreijährigen Aufenthalts in Innerafrika
geschildert.

Nach kurzem Verweilen in der Heimat zog es mich mit unwiderstehlicher
Gewalt wieder nach diesem geheimnisvollen Land zurück, wo ich dann noch
weitere neun Jahre verbrachte. Vom Faktoreichef zum Abteilungs-, dann
zum Revierchef und schließlich zum =Chef de Secteur= befördert,
leitete ich im Kasai-Gebiete große Faktoreien. Während dieser Zeit habe
ich in dem mir unterstellten Gebiet viele Forschungsreisen gemacht und
mich monatelang bei den Patoas (Zwergvölkern) und Kannibalenstämmen
aufgehalten.

Über diesen letzteren größeren Zeitabschnitt beabsichtige ich einen
zweiten Band herauszugeben, der etwa folgenden Inhalt haben wird:

    Stationsleben im Kasai-Gebiet,
    Bei den Patoas-Zwergen,
    Nilpferdjagden,
    Jagden mit den Bena Luluas mittels Präriebränden,
    König Zappo Zapp und seine 120 Frauen,
    Elefantenjagden am Kwilu,
    Innenorganisation eines Distrikts usw. usw.

Auch von diesen Schilderungen hoffe ich, daß sie nicht nur bei
Liebhabern von Reiseschilderungen, sondern speziell auch bei den
jugendlichen Lesern einem Interesse begegnen und bei den letzteren
den Wunsch erwecken werden, die weite Welt aus eigener Anschauung
kennenzulernen, um für ihr späteres Leben reiches Wissen und Erfahren
zu sammeln.

   ~Der Verfasser.~


[Illustration: Der KONGO]




                          Bilderverzeichnis.


                                                                   Seite

    Bildnis des Verfassers                                             4

    Las Palmas                                                        19

    Freetown                                                          23

    Rückentätowierung einer Frau                                      29

    Palmenstraße in Boma                                              37

    Arbeiterdorf Boma                                                 39

    Landungsbrücke und Eisenbahn von Matadi                           41

    Bangala-Mädchen im Tanzkostüm                                     43

    Fuca Fuca                                                         47

    Baobab-Baum bei Boma                                              49

    Erlegtes Nilpferd                                                 55

    Produktenhandel                                                   59

    Eine Kurve der Kongobahn                                          67

    Faktoreigebäude Kinschassa                                        69

    Kongodampfer                                                      71

    Häuptling mit Familie im Festschmuck                              73

    Holzposten am Kongo                                               81

    Eingeborene bringen Lebensmittel                                  83

    Der Kongo bei Upoto                                               91

    Mustapha mit Familie                                              93

    Budjas-Frau                                                       98

    Bambala-Mann                                                      99

    Wabongo-Mann                                                     100

    Wabongo-Frau                                                     101

    Baluba-Frau                                                      104

    Upoto-Mann                                                       105

    Arbeitsappell                                                    111

    Trägerkolonne                                                    113

    Faktoreigebäude Stanleyville                                     115

    Errichtung eines Dachfirstes                                     119

    Beim Hausbau                                                     123

    Wohnhaus im Urwalde                                              127

    Fischereianlagen im Kongo                                        129

    Häuptling mit Gefolge                                            133

    Ankauf von Kautschuk                                             139

    Marktbild                                                        147

    Stampfen von Maniokmehl                                          153

    Dorfbild                                                         159

    Arbeiterfrauen vor einer Hütte                                   163

    Eingeborene bringen Kautschuk                                    175

    Verarbeiten von Kautschuk                                        177

    Anfertigung von Kautschukkörben                                  181

    Ablieferung von Kautschukkörben                                  183




                       Werke zur Zeitgeschichte


  +»A«.+ Zwischen Staatsmännern, Reichstagsabgeordneten und
  Vorbestraften.

                                                Halbleinen geb. 3.50 M.

  In Gestalt von kurzen Skizzen, in denen der Verfasser
  Reichstagssitzungen beschreibt und kritisiert, wirft er grelle,
  eindrucksvolle Schlaglichter auf den Unsinn des Parlamentarismus ....
  Dem Buch ist wegen seiner Eindringlichkeit, Klarheit und Objektivität
  weiteste Verbreitung zu wünschen.

                                         (Der Deutsche Führer, Berlin.)


  +von Eppstein+, Prof. =Dr.= Freih. Fürst Bismarcks Entlassung.
  Nach den hinterlassenen Aufzeichnungen des Staatsministers v.
  Boetticher nebst 19 Faksimilebriefen von Kaiser Wilhelm II.,
  Großherzog Friedrich von Baden, Fürst Bismarck usw.

                         Geh.   4 M., geb. 5.50 M., Halbleder geb. 9 M.


  +Niemann+, Alfred, Oberstleutnant a. D. Kaiser und Revolution.
  Die entscheidenden Ereignisse im Großen Hauptquartier.

                           Halbleinen geb. 3.50 M., Halbleder geb. 8 M.

  Die Schrift Niemanns gehört zu den Geschichtsquellen, die man
  studieren muß, wenn man über die Tage des 9. November sich ein Urteil
  bilden will.

                                              (Bremer Zeitung, Bremen.)


  +=Dr.= Reichert+, M. d. R. Rathenaus Reparationspolitik.
  Eine kritische Studie.

                                     Geh. 2 M., Halbleinen geb. 3.50 M.

  Das Buch enthält eine glänzende Kritik des Gedankens, Reparationen
  durch Sachlieferungen zu leisten, aber auch eine Menge wertvoller
  treffender Bemerkungen zur Erfüllungspolitik.

                                      (Hannoverscher Kurier, Hannover.)


  +Rotheit+, Rudolf. Das Berliner Schloß im Zeichen der
  Novemberrevolution. Mit 8 ganzseitigen Textillustrationen.

                                                          Pappband 2 M.

  Das Buch ist eine Episode, die in 15 feuilletonistischen Kapiteln
  aus dem großen Passionsweg Deutschlands herausgenommen wird. Ihre
  Darstellung ist von hohem bleibenden Wert.

                                           (Vossische Zeitung, Berlin.)


  +Wermuth+, Adolf, Reichsschatzsekretär, dann Oberbürgermeister
  von Berlin. Ein Beamtenleben. Mit dem Bildnis des Verfassers. Geh. 5
  M., Halbleinen geb. 6.50 M., Halbleder geb. 10 M.

  Eine große, glänzende Beamtenkarriere läßt der Autor dieser
  Erinnerungen am Leser vorüberziehen. Der sie durchlaufen, verdiente
  ohne allen Zweifel seinen Erfolg, denn er erscheint uns als der Mann,
  dem fast alle Tugenden des rechten Beamten anhaften, der aber auch ein
  charaktervoller und warm empfindender Mensch, dem man die Sympathie
  nicht versagen kann, war.

                                        (Neue Zürcher Zeitung, Zürich.)


  _Die angegebenen Grundpreise sind mit der jeweiligen Schlüsselzahl
           des Buchhändler-Börsenvereins zu vervielfachen._

              Verlag August Scherl G. m. b. H., Berlin SW




                          Kolonial-Literatur


  +Behrmann+, Prof. =Dr.= Walter. Im Stromgebiet des Sepik.
  Eine deutsche Forschungsreise in Neuguinea. Mit 100 Textabbildungen
  und einer vom Verfasser aufgenommenen Karte. Geh. 5 M., Halbleinen
  geb. 6.75 M., Halbleder geb. 10 M.

  Die humorvolle Schilderung der vielseitigen Forschungstätigkeit und
  des lebhaften Verkehrs mit den Eingeborenen, die Beschreibung und
  Abbildung der wundervollen Urwaldlandschaften lassen ein vollkommen
  plastisches Bild dieser bisher wenig bekannten Welt vor uns entstehen.

                          (Bremer Nachrichten vom Büchermarkt, Bremen.)


  +Deppe+, Ludwig. Mit Lettow-Vorbeck durch Afrika. Mit 143
  Textabbildungen und 4 Karten. Halbleinen geb. 5 M.

  Namentlich die Aufzeichnungen der letzten vier Monate wirken
  erschütternd und offenbaren in ihrer Unmittelbarkeit den Heldenmut,
  das zähe Durchhalten viel stärker, als es noch so schöne Schilderung
  tun könnte.

                                               (Weser-Zeitung, Bremen.)


+de Haas+, Rudolf. Unter australischen Goldgräbern.

                                     Geh. 2 M., Halbleinen geb. 3.50 M.

  Lebendige und farbenprächtige Bilder aus seinem Leben unter den
  Farmern und Goldgräbern zeigt der Verfasser, so daß der Leser einen
  überaus fesselnden und wertvollen Einblick in diesen abseits allen
  Verkehrs liegenden australischen Landstrich mit seinen aus aller
  Herren Ländern zusammengewürfelten Bewohnern erhält.

                                       (Deutsches Lehrerblatt, Berlin.)


  +de Haas+, Rudolf. Im Schatten afrikanischer Jäger. Bilder aus
  den Steppen am Kilimandscharo. Geh. 2 M., geb. 3.25 M.

  Hier kommt ein alter Deutsch-Ostafrikaner zu Wort, der mit Herz und
  Seele an dem Lande hängt, das ihm zur neuen Heimat geworden, in der er
  schwer gearbeitet, gelitten, aber auch genossen hat.

               (Deutsche Wochenzeitung für die Niederlande, Amsterdam.)


  +Poeschel+, =Dr.= Hans. Die Stimme Deutsch-Ostafrikas. Die
  Engländer im Urteil unserer ostafrikanischen Neger. Mit Geleitworten
  von Gouverneur Dr. Schnee und Generalmajor v. Lettow-Vorbeck.

                                                           Geh. 0.50 M.

  Verfasser zeigt, wie das Verhalten der Neger während des Weltkrieges,
  schon allein die Ruhe, die sie im Gegensatz zu den Untertanen
  des britischen Weltreiches bewahrten, mehr noch die von allen
  Bevölkerungsschichten geleistete schwierige Kriegshilfe ein über jeden
  Zweifel erhabenes Zeugnis zugunsten der deutschen Herrschaft
  darstellt.

                          (Die katholischen Missionen, Freiburg i. Br.)


  +Wenig+, Richard, Oberleutnant z. S. Kriegs-Safari. Erlebnisse
  und Eindrücke auf den Zügen Lettow-Vorbecks durch das östliche
  Afrika. Mit zahlreichen Originalphotographien und einer Kartenbeilage.

                                                Geh. 2 M., geb. 3.25 M.

  Wenig bietet hier in impressionistisch hingeschriebenen Aufzeichnungen
  ein berückendes Bild des freien Kriegslebens in den unendlichen
  sonnedurchflimmerten Steppen Afrikas.

                                       (Österreich. Wehrzeitung, Wien.)


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                         Weltkriegs-Literatur


  +von Bülow+, Generalfeldmarschall. Mein Bericht zur
  Marneschlacht. Mit 7 Kartenbeilagen.

                                                           Geb. 1.50 M.

  Die vorliegende Schrift bringt in großen Umrissen eine aktenmäßige
  Darstellung der Vorgänge, die sich im Rahmen der zweiten Armee
  abgespielt haben, und überläßt es dem Leser, sich selbst ein Urteil
  darüber zu bilden.

                                (Artilleristische Monatshefte, Berlin.)


  +von François+, Herrmann, General der Infanterie z. D.
  Marneschlacht und Tannenberg. Betrachtungen zur deutschen
  Kriegführung der ersten sechs Kriegswochen. Mit zahlreichen
  Kartenskizzen im Text und 14 Kartenanlagen.

               Geh. 5 M., Halbleinen geb. 6.50 M., Halbleder geb. 10 M.

  Der Verfasser beleuchtet in kritischer Weise die Marneschlacht klar
  und fesselnd, so daß auch die nichtmilitärischen Kreise seine
  Darlegungen und Schilderungen mit tiefstem Interesse lesen werden.
  Das Werk bildet eine sehr wichtige Bereicherung unserer Literatur
  über den Weltkrieg und wird späteren Geschichtschreibern von großem
  Nutzen sein.

                                     (Allg. Zeitung, Königsberg i. Pr.)


  +von Gleich+, Gerold, Generalmajor z. D. Vom Balkan nach Bagdad.
  Militärisch-politische Erinnerungen an den Orient. Geh. 2.50 M.,
  Halbleinen geb. 4 M. Halbleder geb. 8 M.

  Schonungslos zieht hier ein alter Generalstabsoffizier alle Schleier
  hinweg, die bisher geheimnisvoll die deutsche Expedition ins
  Perser Land umwoben, und zeigt, wie Unzulänglichkeit des Planes,
  Zersplitterung der Kräfte, Eifersüchteleien zwischen deutschen und
  türkischen Befehlshabern, persische Indolenz und Gerissenheit über
  deutschen Willen triumphieren.

                    (Mitteilungen des Bundes der Asienkämpfer, Berlin.)


  +Liman von Sanders+, General der Kavallerie. Fünf Jahre Türkei.
  Mit zahlreichen Textskizzen und 3 Kartenbeilagen. Geh. 5 M.,
  Halbleinen geb. 6.50 M., Halbleder geb. 10 M.

  Es ist das Verdienst des Generals Liman von Sanders, des
  Dardanellensiegers, daß er seine in diesem Buche festgelegten
  Erinnerungen mit ungeschminkter Wahrheit sagt. Seine unerhörten Kämpfe
  an den türkischen Fronten gegen die Feinde des Vierbundes werden in
  diesem Buch trefflich geschildert.

                                        (Altonaer Nachrichten, Altona.)


  +Scheer+, Admiral. Deutschlands Hochseeflotte im Weltkriege.
  Persönliche Erinnerungen. Mit zahlreichen Bildern und Kartenbeilagen.
  Geh. 7 M., Halbln. gb. 9 M., Halbld. gb. 12 M.

  Admiral Scheer hat die Skagerrakschlacht eingehend geschildert. Durch
  zahlreiche Skizzen und Karten wird auch dem Laien ein klares Bild von
  jenem denkwürdigen Geschehnis vermittelt.

                                          (Münchener Zeitung, München.)


  +Spindler+, Karl, Kapitän. Das geheimnisvolle Schiff. Die Fahrt
  der»Libau«zur irischen Revolution.

                                     Geh. 2 M., Halbleinen geb. 3.50 M.

  Das Wirken Sir Roger Casements für den irischen Freiheitskampf, seine
  Unterstützung durch Deutschland und die englandfreundliche Haltung des
  damals noch»neutralen«Präsidenten Wilson werden hier zum ersten Male
  in ihren Zusammenhängen dargestellt.

                                               (Sport im Bild, Berlin.)


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                    Bücher für die männliche Jugend


  +Geucke+, Kurt. Der Steiger vom David-Richtschacht. Mit Bildern
  von Willibald Weingaertner.

                                                   Halbleinen geb. 2 M.


  +Helling+, Viktor. Das Geheimnis der Kazikengräber. Mit vier
  Vollbildern, Streubildern und Buchschmuck von Albert Schaefer.

                                                   Halbleinen geb. 3 M.


  +Helling+, Viktor. Unter Indiens Sonne. Abenteuer zweier
  deutscher Knaben. Mit fünf Vollbildern, Streubildern und Buchschmuck
  von Albert Schaefer.

                                                   Halbleinen geb. 3 M.


  +Helling+, Viktor. Der Jäger von Los Angeles. Abenteuer in den
  Urwäldern Südkaliforniens. Reich illustriert.

                                                   Halbleinen geb. 3 M.


  +Helling+, Viktor. Exotische See- und Reiseerlebnisse. Mit fünf
  Vollbildern, Streubildern und Buchschmuck von Prof. Ludwig Fahrenkrog.

                                                Halbleinen geb. 2.50 M.


  +von Mücke+, Helmuth, Kapitänleutnant. Emden-Ayesha.
  Selbsterlebtes von den sagenhaften Fahrten der ruhmreichen deutschen
  Schiffe»Emden«und»Ayesha«auf hoher See.
                                              Band 1 Ayesha. Geh. 1 M.,
                           geb. 2 M. Band 2 Emden. Geh. 1 M., geb. 2 M.
                                   Beide Bücher in einem Band geb. 3 M.


  +Otto+, Friedrich. Abenteuer aus aller Welt. Mit Bildern und
  Buchschmuck von Albert Schaefer.

                                                   Halbleinen geb. 3 M.


  +Poeck+, Wilhelm. Heino der Klabautermann. Eine
  Schiffsjungengeschichte. Mit zahlreichen Bildern und Buchschmuck von
  Edmund Erpf.

                                              Halbleinen geb. etwa 4 M.


  +Hersen+, E. Die Wikinger von Jomsburg. Zeitbild aus dem
  10. Jahrhundert, nordischen Sagen nacherzählt. Mit Bildern und
  Buchschmuck von Franz Staffen.

                                                   Halbleinen geb. 4 M.


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Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™

Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s
goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg™ and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.

Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state’s laws.

The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
and official page at www.gutenberg.org/contact

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread
public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
visit www.gutenberg.org/donate.

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate.

Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
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