Die Ratten: Berliner Tragikomödie

By Gerhart Hauptmann

The Project Gutenberg EBook of Die Ratten, by Gerhart Hauptmann

This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
whatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms of
the Project Gutenberg License included with this eBook or online at
www.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll have
to check the laws of the country where you are located before using this ebook.

Title: Die Ratten
       Berliner Tragikomödie

Author: Gerhart Hauptmann

Release Date: September 1, 2016 [EBook #52952]

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE RATTEN ***




Produced by Peter Becker, Jens Sadowski, and the Online
Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This
file was produced from images generously made available
by The Internet Archive.









                                  Die
                                 Ratten


                         Berliner Tragikomödie

                                  von
                           Gerhart Hauptmann




                          S. Fischer / Verlag
                                 Berlin
                                  1911




                           Siebente Auflage.

      Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.
             Den Bühnen und Vereinen gegenüber Manuskript.
               Copyright 1911 S. Fischer, Verlag, Berlin.




                               Personen:


   Harro Hassenreuter, ehemaliger Theaterdirektor
   Seine Frau
   Walburga, seine Tochter
   Pastor Spitta
   Erich Spitta, Kandidat der Theologie, sein Sohn
   Alice Rütterbusch, Schauspielerin
   Nathanael Jettel, Hofschauspieler
   Käferstein, Schüler Hassenreuters
   Dr. Kegel, Schüler Hassenreuters
   John, Maurerpolier
   Frau John
   Bruno Mechelke, ihr Bruder
   Pauline Piperkarcka, Dienstmädchen
   Frau Sidonie Knobbe
   Selma, ihre Tochter
   Quaquaro, Hausmeister
   Frau Kielbacke
   Schutzmann Schierke
   Zwei Säuglinge




                               Erster Akt


   Im Dachgeschoß einer ehemaligen Kavalleriekaserne zu Berlin. Ein
   fensterloses Zimmer, das sein Licht von einer brennenden Lampe
   erhält, die von der Mitte der Decke über einen runden Tisch
   herunterhängt. In die Hinterwand mündet ein gerader Gang, der den
   Raum mit der Entreetür verbindet: einer eisenbeschlagenen Tür mit
   einer primitiven Schelle, die der Eintritt Begehrende von außen
   durch einen Drahtzug in Bewegung setzt. Eine Tür in der Wand links
   schließt ein Nebengemach ab. An der Wand rechts führt eine Treppe
   auf den Dachboden.

   Auf diesem Dachboden, sowie in den sichtbaren Räumlichkeiten, hat
   der _Ex-Theaterdirektor Harro Hassenreuter_ seinen Theaterfundus
   untergebracht.

   Man kann, bei dem ungewissen Licht, in Zweifel sein, ob man sich in
   der Rüstkammer eines alten Schlosses, in einem Antiquitätenmagazin
   oder bei einem Maskenverleiher befindet.

   Zu beiden Seiten des Ganges sind auf Ständern Helme und
   Brustharnische Pappenheimscher Kürassiere aufgestellt, ebenso in je
   einer Reihe an der rechten und linken Wand des vorderen Raums. Die
   Dachbodentreppe steht zwischen zwei Geharnischten. Die Decke darüber
   schließt die übliche Bodenklappe ab.

   Ein Stehpult ist vorn links an die Wand gerückt. Tinte, Federn, alte
   Geschäftsbücher und ein Kontorbock, sowie einige Stühle mit hohen
   Lehnen um den runden Mitteltisch lassen erkennen, daß der Raum zu
   Bureauzwecken dienen muß. Wasserflasche mit Gläsern auf dem Tisch
   und einige Photographien über dem Stehpult. Die Photographien zeigen
   Direktor Hassenreuter als Karl Moor, sowie in verschiedenen anderen
   Rollen.

   Einer der Pappenheimschen Kürassiere trägt einen ungeheuren
   Lorbeerkranz um den Nacken gehängt, mit einer Schleife, deren Enden
   in goldenen Lettern die Worte tragen: »Unserem genialen Direktor
   Hassenreuter! Die dankbaren Mitglieder.« Eine Serie mächtiger, roter
   Schleifen trägt nur die Aufschrift: »Dem genialen Karl Moor ... Dem
   unvergleichlichen, unvergeßlichen Karl Moor ... usw. usw.

   Der Raum ist nach Möglichkeit zu Magazinzwecken ausgenutzt. Wo
   irgend angängig, hängen an Kleiderhaken deutsche, spanische und
   englische Kostümstücke aus verschiedenen Jahrhunderten. Man sieht
   schwedische Reiterstiefel, spanische Degen und deutsche Flamberge.

   Die Tür links hat die Aufschrift: »Bibliothek.«

   Das ganze Gemach zeigt eine malerische Unordnung. Alte Scharteken
   und Waffen, Pokale, Becher usw. liegen umher.

   Es ist eines Sonntags, Ende Mai.

                   *       *       *       *       *

   Frau John, über Mitte der Dreißig hinaus, und das blutjunge
   Dienstmädchen Piperkarcka sitzen am Mitteltisch. Die John, den
   Oberkörper weit über den Tisch gelehnt, redet lebhaft auf das
   Dienstmädchen ein. Die Piperkarcka, dienstmädchenhaft aufgedonnert,
   mit Jackett, Hut und Schirm, sitzt aufrecht. Ihr hübsches, rundes
   Lärvchen ist verweint. Ihre Gestalt zeigt Spuren noch nicht
   vollendeter Mutterschaft. Sie malt mit der Schirmspitze auf der
   Diele.

                               Frau John

Na ja doch! Freilich! Ick sag't ja, Pauline.

                            Die Piperkarcka

Nu ja. Ick will nu also Schlachtensee oder Halensee. Muß jehn un muß
nachsehn, ob ick ihm treffe! --

   Sie trocknet ihre Tränen und will sich erheben.

                               Frau John
                verhindert die Piperkarcka am Aufstehen.

Pauline! Um Jottes Willen, bloß det nich! Det nich, um keenen Preis von
de Welt. Det macht Skandal, kost Jeld und bringt nischt. Wat woll'n Se
woll, und wo Se noch in den Zustande sind! dem schlechten Halunken noch
weiter nachlofen!?

                            Die Piperkarcka

Denn soll meine Wirtin heute soll warten umsonst verjeblich auf mir. Ick
spring im Landwehrkanal und versaufe.

                               Frau John

Pauline! Warum denn? warum denn, Pauline? Jeben Se Obacht, heren Se
jetzt bloß um Jotteswillen 'n janz'n eenziges ... bloß ma 'n janzen
kleenen Ochenblick uf mir, und passen Se dadruf uf, wat ick Ihn
vorstelle! Det wissen Se doch, ick hab et Ihn doch bei de Normaluhr, wo
ick an Alexanderplatz aus de Marchthalle bin jekomm, jleich anjesehn und
hab et Ihn uf'n Kopp druf jesacht. Wat hab ick jesacht? Jeld, hab ick
Ihn uf'n Kopp druf jefragt, jeld, kleenet Aas, er will nischt von
wissen! -- Det jeht hier vielen, det jeht hier allen, det jeht hier
vielen Millionen Mächens so! Und denn hab ick jesacht ... wat hab ick
jesacht? komm, hab ick jesacht, ick will dir helfen.

                            Die Piperkarcka

Zu Hause darf ick mir nu janz natürlich nich blicken lassen, wie ick
verändert bin. Mutter schreit doch auf's ersten Blick! Vater haut mir
Kopf an die Wand und schmeißt mir Straße. Jeld hab ick nu ebenfalls och
weiter nu weiter keens nich! als wie Stücker zwei Joldstücke, was ick
mich Jackettfutter einjenäht. Hätte mich, schlechter Mensch nich Mark
nich Pfennig übrig gelassen.

                               Frau John

Freilein, mein Mann ist Mauerpolier. Freilein: wenn Se bloß wollten
Obacht jebn ... jebn Se doch um Jotteswillen Obacht, wat ick Ihn for
Vorschläge unterbreiten tu. Freilein, denn is doch uns beede jeholfen.
Ihn is jeholfen und so desselbijen jleichen och mir. Außerden is Pauln,
wat mein Mann is, jeholfen, wo sterbensjerne een Kindeken will, weil det
uns doch unser eenziget, unser Adelbertchen, an de Bräune jestorben is.
Ihr Kind hat et jut wie'n eechnet Kind. Denn kenn Se jehn Ihrem Schatz
wieder ufsuchen, kenn wieder in'n Dienst, kenn wieder bei Ihre Eltern
jehn, det Kind hat et jut und keen Mensch uf die janze Welt nich braucht
wat von wissen.

                            Die Piperkarcka

I jrade! Ick stürze mir Landwehrkanal! -- (sie steht auf.) -- Ick
schreibe Zettel, ick lasse Zettel in mein Jackett zurück: du hast mit
deine verfluchte Schlechtigkeit deine Pauline im Wasser jetrieben! dann
setze vollen Namen Alois Theophil Brunner, Instrumentenmacher zu. Denn
soll er sehn, wie er mit sein Mord auf Jewissen man meinswegen fertig
wird.

                               Frau John

Warten Se, Freilein, ick muß erst ufschließen.

   Frau John stellt sich, als wolle sie die Piperkarcka
   hinausbegleiten.

   Noch bevor beide Frauen den Gang erreichen, tritt Bruno Mechelke
   langsam forschend aus der Tür links und bleibt stehen. Bruno
   Mechelke ist eher klein, als groß, hat einen kurzen Stiernacken und
   athletische Schultern. Niedrige, weichende Stirn, bürstenförmiges
   Haar, kleiner runder Schädel, brutales Gesicht mit eingerissenem und
   vernarbtem linken Nasenflügel. Die Haltung des etwa neunzehnjährigen
   Menschen ist vornübergebeugt. Große, plumpe Hände hängen an langen,
   muskulösen Armen. Die Pupillen seiner Augen sind schwarz, klein und
   stechend. Er bastelt an einer Mausefalle herum.

                                 Bruno
                pfeift seiner Schwester wie einem Hunde.

                               Frau John

Ick komme jleich, Bruno. Wat wiste denn?

                                 Bruno
                    scheinbar in die Falle vertieft.

Ick denke, ick soll hier Fallen ufstellen.

                               Frau John

Haste dem Speck denn rinjemacht? -- (zur Piperkarcka) -- 'T is bloß mein
Bruder. Erschrecken sich nicht, Freilein.

                                 Bruno
                              wie vorher.

Ick ha heute dem Kaisa Wilhem jesehn, Jette. Ick war mit de Wachparade
jejang.

                               Frau John
    zur Piperkarcka, die durch Brunos Erscheinung angstvoll gebannt
                                  ist.

Et is bloß mein Bruder, bleiben Se man. -- (zu Bruno) -- Junge, wie
siehst du bloß wieder aus? Det Freilein muß sich ja von dich Angst
kriejen.

                                 Bruno
                     wie vorher. Ohne aufzublicken.

Schuberle buberle, ick bin 'n Jespenst.

                               Frau John

Mach uf'n Boden und stell deine Mausefallen.

                                 Bruno
                wie vorher. Tritt langsam an den Tisch.

Jawoll, det is och man wieder so'n Jeschäft zum Vahungern. Wenn ick mit
Streichhölzer handeln du, denn ha ick wahrhaftig mehr Pinke von.

                            Die Piperkarcka

Atje, Frau John.

                               Frau John
                       wütend auf den Bruder los.

Wiste woll jehn und wist mir in Frieden lassen.

                                 Bruno
                                geduckt.

Hab dir man nich. Ick jeh ja schonn.

   Er zieht sich folgsam wieder in das anstoßende Zimmer zurück, dessen
   Tür Frau John resolut hinter ihm schließt.

                            Die Piperkarcka

Den mecht ick Tierjarten Jrunewald nich bejejnen. Bei Nacht nich und
nich ma bei Dage nich.

                               Frau John

Jnade Jott, wo ick Brunon hetze und der ma hinter een hinter is.

                            Die Piperkarcka

Atje. Hier jefällt mir nich. Wenn mich wieder sprechen wollen, lieber
Bank bei Wasserkunst Kreuzberg, Frau John.

                               Frau John

Pauline, ick ha Brunon mit Sorje un Kummer Tag un Nacht jroßjebracht.
Ihr Kindeken hat et noch zwanzigmal besser. Also Pauline, wenn et
jeboren is, nehm ick det Kind un, bei meine in Jott vastorbene Eltern,
wo ick an Totensonntag immer noch und keen Mensch mich zurückhält nach
Rüdersdorf jeh und Lichter uf beede Jräber ansteche: det kleene Wurm
soll et madich jut habn, wie et besser keen jeborener Prinz und keene
jeborene Prinzessin haben tut.

                            Die Piperkarcka

Ick jeh, mit meine letzten Pfennig kaufen mir Vitriol -- trefft wen
trefft! -- un jießen dem Weibsbild, wo mit ihm jeht -- trefft wen
trefft! ... mitten in Jesicht! trefft wen trefft! brennt ihm janze
verfluchte hübsche Visage kaput! Mir jleich! Brennt ihm Bart kaput!
Brennt ihm Augen kaput! wenn er mit andres Frauenzimmer jeht. Trefft wen
trefft! Hat mir betrogen! zu Jrunde jerichtet! hat mir Jeld jeraubt! hat
mich Ehre jeraubt! hat mich verfluchtiger Hund verführt, verlassen,
belogen, betrogen, in Elend jestoßen! Trefft wen trefft! Soll blind
sein! Nase soll wegjefressen sein! soll jar nich mehr überhaupt auf Erde
sein!

                               Frau John

Freilein Pauline, bei meine ewige Seligkeit, von Stund an, wo det kleene
Wurm erstma uf de Welt is ... von den Augenblick an! ... det soll et
haben, als wenn et, ick weeß nich wo! in Samt und Seide jeboren wär.
Bloß jutes Zutrauen! und, det Se »ja« sachen! -- Ick habe mir allens
ausjedacht. Et jeht zu machen, Pauline, et jeht, et jeht sach ick Ihn!
Und weder 'n Dokter, noch Polizei, noch Ihre Wirtin merkt wat von. --
Und denn kriegen Se erst ma hundertunddreiundzwanzig Mark, wat ick mir
von det Reinmachen hier beim Direkter Hassenreuter abjespart habe,
ausjezahlt.

                            Die Piperkarcka

Denn lieber bei die Jeburt erwürgen! verkaufen nich!

                               Frau John

Wer redet denn von verkofen, Pauline?

                            Die Piperkarcka

Wat hab ick Oktober vorijen Jahr bis heutijen Tag for Himmelsangst
ausjestanden. Bräutijam steßt mir fort! Mietsfrau steßt mir fort.
Schlafbodenstelle is mich jekindigt. Wat du ick denn, daß man mir so
verachtet und von die Leute verflucht un ausstoßen muß?

                               Frau John

Det sach ick ja, det kommt, weil der Deibel unsern Herrn Christus
Heiland noch immer ieber is.

   Ohne bemerkt zu werden ist, bastelnd wie vorher, Bruno geräuschlos
   wiederum in die Tür getreten.

                                 Bruno
        sagt in eigentümlicher Weise, scharf, aber wie nebenbei.

Lampen!

                            Die Piperkarcka

Der Mensch erschrickt mir. Lassen mir fort.

                               Frau John
                       geht heftig auf Bruno los.

Willst du woll jehn wo de hinjeherst! Ick ha dir jesacht, ick wer' dir
rufen.

                                 Bruno
                              wie vorher.

Na Jette, ick ha doch bloß Lampen jesacht.

                               Frau John

Biste verrickt? Wat heest denn det: Lampen? --

                                 Bruno

Na, klinkt et denn nich an de Einjangstir?

                               Frau John
    erschrickt, horcht, hält die Piperkarcka zurück, die im Begriff
                          ist, davon zu gehen.

Pst, Freilein! Halt! Warten Se man noch 'n Ogenblick.

   Bruno schnitzelt weiter. Die beiden Frauen horchen.

                               Frau John
                      leise, angstvoll, zu Bruno.

Ick her nischt.

                                 Bruno

Du ollet vatrockentes Kichenspinde, denn schaff da man bessare Lauscha
an.

                               Frau John

Det wär in det janze Vierteljahr det erstema, det der Direkter kommt,
wenn Sonntag is.

                                 Bruno

Wenn der Theatafritze kommt, kann a mir meinswejen jleich angaschieren.

                               Frau John
                                heftig.

Quatsch nich!

                                 Bruno
                       grinsend zur Piperkarcka.

Jlobens et, Freilein, ick ha bei Zirkus Schumann 'n dummen Aujust sein
Esel dreimal rum die Manesche jebracht. Det mach ick allens! Ick wer'
mir woll furchten.

                            Die Piperkarcka
    scheint die phantastische Sonderbarkeit der Umgebung erst jetzt
              zu bemerken, erschrocken, stark beunruhigt.

Josef Maria, wo bin ick denn?

                               Frau John

Wer kann denn det sind?

                                 Bruno

Da Direkta nich, Jette. Det is eha 'ne Tülle, wo elejante Trittlinge
hat.

                               Frau John

Freilein, jehn Se man zwee Minuten, sein so jut, hier uf 'n Oberboden.
'S kommt eener, kann sind, der bloß wat wissen will.

   In ihrer zunehmenden Angst tut die Piperkarcka das Verlangte. Sie
   klettert über die Treppe auf den Oberboden, dessen Klappe geöffnet
   ist. Frau John hat sich so gestellt, daß im Notfalle die Piperkarcka
   gegen die Entreetür gedeckt ist. Die Piperkarcka verschwindet. Frau
   John und Bruno bleiben allein.

                                 Bruno

Wat wiste denn mit die barmherzige Schwester?

                               Frau John

Det jeht dir nischt an, verstehste mich.

                                 Bruno

Ick frage ja man, weil det de vor det Mächen so ängstlich 'ne Wand
machen dust. Sonst is et mich doch wahaftig Pomade.

                               Frau John

Det soll dir och immer Pomade sind.

                                 Bruno

Danke Komma, denn kann ick woll abtippeln.

                               Frau John

Lump, weest du woll, wat du mir schuldig bist?

                                 Bruno
                                pomadig.

Wat regste dir denn uf? Wo stoß ick dir denn? Wat wiste? Ick muß jetzt
zu meine Braut. Mir schläfert. Vorichte Nacht hab ick unter Sträucher in
Tierjarten platt jemacht. Und juterletzt is Kohlmarcht bei mich. -- (Er
kehrt seine Hosentaschen um.) -- Foljedessen muß ick jehn 'n Stück Brod
verdienen.

                               Frau John

Hier jeblieben! -- und nich von de Stelle! -- oder du krist und wenn det
de jaulst wie 'n kleener Hund, kriste nimmermehr wenn't bloß 'n Pfennich
is, krist de von mich! Bruno, du jehst uf schlechte Weche.

                                 Bruno

Ick wer' woll immer jejen de janze Welt ... noch wat! ... wer' ick der
Potsdammer sind. Soll ick etwa nich jehn, wo ick scheen bei Hulda'n zu
leben kriege? -- (Er zieht eine schmutzige Brieftasche.) -- Nich ma 'n
dreckigen Pfandschein ha ick mehr in de Plattmullje drin. Wat wiste von
mich, un denn laß mir abschrenken.

                               Frau John

Von dir? Wat ick will? For wat wärst du woll nitze? Du bist zu nischt
weiter nitze, als det eene Schwester, wo nich richtig in Koppe is, mit
so'n Lump un Tagedieb Mitleid hat.

                                 Bruno

Kann sind, det de in Koppe manchmal nich richtig bist.

                               Frau John

Unser Vater hat oft zu mich jesacht, wo du schonn mit fünf, sechs Jahre
alt schlechte Dinge jetrieben hast, det mit dir in Leben keen Staat
weiter nich zu machen is un det ick dir sollte lofen lassen. Un mein
Mann, wo richtig un orntlich is ... vor so'n juten Mann: du darfst dir
nich blicken lassen.

                                 Bruno

Jewiß doch, det weeß ick ja allens, Jette! Aber so eenfach schiebt sich
det nu eemal nu eben nich. Wat wiste? Ick weeß, ick bin mit 'n Ast uf'n
Puckel, wenn det'n och det'n keener sieht, un nich in Zangzuzih uf de
Welt jekomm. Ick muß sehn un mir mit mein Ast mang mang helfen. Na jut
so! wat wiste? von wechen de Ratten brauchst du mir nich. Du wist bloß
wat mit die Dohle vertussen.

                               Frau John
                  die Faust drohend unter Brunos Nase.

Verrat du een eenziget kleenet Sterbenswort: denn mach ick dir kalt.
Denn bist du 'ne Leiche!

                                 Bruno

Na weeßte, vastehste, ick mache mir dinne. -- (Er steigt die Treppe
hinauf.) -- Womeglich komm ick, mir nischt dir nischt, noch ma in
Schokoladenkasten rin. --

   Er verschwindet durch die Bodenklappe. Frau John löscht eilig die
   Lampe und tappt sich zur Bibliothekstür. Sie geht in die Bibliothek,
   schließt aber die Tür hinter sich nicht ganz.

   Die Geräusche eines verrosteten Schlosses und Schlüssels, der darin
   umgedreht wurde, sind vernehmlich gewesen. Ein leichter Schritt
   kommt nun den Gang herauf. Vorübergehend war der Berliner
   Straßenlärm, auch Kindergeschrei aus den Hausfluren vernehmlich
   geworben. Leierkastenmusik vom Hof herauf.

   Mit scheuen Bewegungen erscheint Walburga Hassenreuter. Das Mädchen
   ist noch nicht sechzehn Jahre alt und sieht hübsch und unschuldig
   aus. Sonnenschirm, fußfreies helles Sommerkleidchen.

                                Walburga
                  stutzt, horcht, sagt dann ängstlich.

Papa! -- Ist schon jemand hier oben? -- Papa! Papa! -- (Sie horcht lange
gespannt und sagt dann): -- Es riecht ja hier so nach Petroleum! -- (Sie
findet Streichhölzer, entzündet eines davon, will die Lampe anstecken
und verbrennt sich an dem noch heißen Zylinder.) -- Au! -- Donnerwetter,
wer ist denn hier? --

   Sie hat aufgeschrien und will fortlaufen.

   Frau John erscheint wieder.

                               Frau John

I, Freilein Walburga, wer wird denn jleich Lärm machen! Sein Se man
friedlich! Det bin ja bloß ick.

                                Walburga

Gott, hab ich aber einen ganz entsetzlichen Schreck bekommen, Frau John.

                               Frau John

Weshalb denn, Freilein? Wat suchen Se denn heit an Sonntag hier?

                                Walburga
                          Hand auf dem Herzen.

Mir steht noch immer das Herz ganz still, Frau John.

                               Frau John

Wat hat's denn, Freilein Walburga? Wer ängstigt Se denn? Sie missen det
doch von Ihren Herrn Vater wissen, det ick Sonntag und Wochentag hier
oben mang die Kisten und Kasten zu tun habe, mit Staub abbürsten und
Motten auskloppen. In drei, vier Wochen, wenn ick jlicklich mit die
zwölf- oder achtzehnhundert Theaterlumpen eemal 'rum bin und fertig bin,
fängt et doch immer wieder von frischen an.

                                Walburga

Ich hab' mich erschrocken, weil sich der Lampenzylinder noch ganz heiß
anfaßte, Frau John.

                               Frau John

Nu ja, de Lampe hat ebent jebrannt un ick hab se vor eene halbe Minute
ausjepustet. -- (Sie hebt den Zylinder ab.) -- Mir brennt et nich! Ick
hab harte Hände! -- (Sie zündet das Docht auf.) -- Na, nu wird Licht! Nu
hab ick se wieder anjestochen. Wat is nu Jefährliches los? Ick sehe
nischt.

                                Walburga

Hu, Sie sehen ja aus wie ein Geist, Frau John.

                               Frau John

Wie soll ick aussehn?

                                Walburga

Das ist, wenn man so aus der prallen Sonne ins Finstere kommt ... in
diese muffigen Kammern hinein, da ist man wie von Gespenstern umgeben.

                               Frau John

Na, kleenet Jespenst, weshalb kommen Se denn? -- Sind Se alleene oder is
noch jemand? -- Kommt am Ende Papa noch nach?

                                Walburga

Nein! Papa ist heute zu einer wichtigen Audienz nach Potsdam hinaus.

                               Frau John

Und wat suchen denn also Sie nu woll hier?

                                Walburga

Ich? Ich bin einfach spazieren gewesen.

                               Frau John

Na, denn sehn Se man wieder, det Se fortkomm. In Papa'n seine
Rumpelkammer scheint keene Pfingstsonne nich.

                                Walburga

Sie sollten auch, so grau wie Sie aussehen, mal lieber 'raus an die
Sonne gehn.

                               Frau John

I, Sonne is bloß for feine Leite! Wenn ick man alle Tache meine paar
Pfund Staub und Dreck uf de Lunge krieje. -- Jeh man, Kindken, ick muß
an de Arbeet! -- mehr brauch ick nich: ick lebe von Müllstob und
Mottenpulver. --

   Sie hustet.

                                Walburga
                               ängstlich.

Sie brauchen Papa nicht sagen, daß ich hier oben gewesen bin.

                               Frau John

Ick? Ick habe woll sonst nischt besseret zu tun.

                                Walburga
                          scheinbar leichthin.

Und sollte Herr Spitta nach mir fragen ...

                               Frau John

Wer?

                                Walburga

Der junge Herr, der bei uns im Hause Privatstunde gibt ...

                               Frau John

Na, und?

                                Walburga

Sind Sie so freundlich und sagen Sie ihm, daß ich hier gewesen aber
gleich wieder gegangen bin.

                               Frau John

Also Herrn Spitta soll ick et sagen, Papa'n nich?

                                Walburga
                             unwillkürlich.

Um Gottes willen nicht, liebste Frau John.

                               Frau John

Na wacht du, wacht! Jib du bloß man Obacht. Manch eene hat ausjesehn,
wie du, und is aus die Jejend jekomm wie du, wo nachher in de
Drajonerstraße in Rinnsteen oder jar in de Barnimstraße hinter
schwedsche Jardinen zujrunde jejangen is.

                                Walburga

Sie werden doch damit nicht sagen wollen, Frau John, oder glauben
wollen, daß in meiner Beziehung zu Herrn Spitta etwas Unerlaubtes oder
Ungehöriges ist?

                               Frau John
                          in höchstem Schreck.

Mund zu! -- Et hat jemand dem Schlüssel im Schloß jestochen.

                                Walburga

Auslöschen!

                               Frau John
                      bläst schnell die Lampe aus.

                                Walburga

Papa!

                               Frau John

-- Freilein, ruf uf'n Oberboden.

   Sie und Walburga verschwinden über die Treppe durch den
   Bodenverschlag, der verschlossen wird.

   Zwei Herren, der Direktor Harro Hassenreuter und der Hofschauspieler
   Nathanael Jettel, erscheinen durch die Flurtür im Gange. Der
   Direktor ist mittelgroß, glattrasiert, fünfzig Jahre alt. Er pflegt
   große Schritte zu nehmen und bekundet ein lebhaftes Temperament.
   Sein Gesichtsschnitt ist edel, das Auge von kühnem Ausdruck. Sein
   Betragen ist laut. Sein Wesen überhaupt durchaus feurig. Er trägt
   einen hellen Sommerüberzieher, den Zylinder nach hinten gerückt und
   übrigens Frackanzug und Lackschuhe. Der leger geöffnete Paletot
   enthüllt eine mit Ordensternen überdeckte Brust. -- Hofschauspieler
   Jettel trägt unter dem leichtesten Sommerüberzieher einen weißen
   Flanellanzug. Er hat einen Strohhut nebst elegantem Stock in der
   linken Hand, gelbe Schuhe an den Füßen. Er ist ebenfalls
   glattrasiert und über die fünfzig alt.

                         Direktor Hassenreuter
                                 ruft.

John! -- Frau John! -- Ja, das sind nun hier meine Katakomben, lieber
Jettel! _Sic transit gloria mundi!_ Hier hab ich nun alles, _mutatis
mutandis_, untergebracht, was von meiner ganzen Theaterherrlichkeit
übrig geblieben ist: alte Scharteken! alte Lappen und Lumpen! -- John!
John! Sie ist hier gewesen, denn der Lampenzylinder ist heiß! -- (Er
zündet mit einem Streichholz die Lampe an.) -- _Fiat lux pereat mundus!_
So! Jetzt können Sie mein Motten-, Ratten- und Flohparadies bei Lichte
besehen.

                            Nathanael Jettel

Haben Sie also meine Karte bekommen, bester Direktor?

                         Direktor Hassenreuter

Frau John! -- Ich werde mal sehn, ob sie auf dem Boden ist. -- (Er
steigt sehr gewandt die Treppe hinauf und rüttelt an der Bodenklappe.)
-- Verschlossen! Den Schlüssel hat die Kanaille natürlich am
Schürzenband. -- (Er pocht wütend mit der Faust gegen die Klappe.) --
John! John!

                            Nathanael Jettel
                           etwas ungeduldig.

Direktor, geht es nicht ohne die John?

                         Direktor Hassenreuter

Was? Glauben Sie, daß ich Ihnen den miserablen Lappen, den Sie gerade da
für Ihr Gastspiel brauchen, aus meinen dreihundert Kisten und Kasten,
ohne die John, im Frack und mit sämtlichen Orden, so wie ich vom Prinzen
komme, selber heraussuchen kann.

                            Nathanael Jettel

Erlauben Sie mal! In Lappen absolviere ich meine Gastreisen nicht.

                         Direktor Hassenreuter

Mensch, spielen Sie doch in Unterhosen! meinethalben! Mich stört das
nicht! Nur vergessen Sie nicht, wer vor Ihnen steht. Deshalb, wenn der
Hofschauspieler Jettel -- na wenn schon! -- gnädigst zu pfeifen geruhen,
springt der Direktor Harro Hassenreuter noch lange nicht. _Sapristi!_
wenn irgendein Komödiant einen schäbigen Turban oder zwei alte
Transtiefel braucht, muß sich ein _pater familias_, ein Familienvater
den einzigen Sonntagnachmittag unter den Seinen abknapsen? Soll
womöglich wie 'n Tackel auf allen Vieren in alle Bodenwinkel hinein?
Nein, Freundchen, da müßt Ihr Euch andere aussuchen.

                            Nathanael Jettel
                              sehr ruhig.

Könnten Sie mir nicht sagen, Direktor, wer Ihnen in Gottes Namen auf die
Krawatte getreten hat?

                         Direktor Hassenreuter

Mein Junge, ich habe noch vor kaum einer Stunde die Beine unterm Tisch
eines Prinzen gehabt: _post hoc, ergo propter hoc!_ -- Ich setze mich
Ihretwegen in einen verfluchten Omnibus und kutsche in diese verfluchte
Gegend ... wenn Sie meine Gefälligkeit nicht zu würdigen wissen: scheren
Sie sich!

                            Nathanael Jettel

Sie haben mich auf vier Uhr hierher bestellt. Sie haben mich eine volle
geschlagene Stunde in dieser entsetzlichen Mietskaserne, auf diesem
lieblichen Korridore unter dem Kinderpöbel warten lassen ... Ich habe
gewartet, Ihnen nicht den geringsten Vorwurf gemacht! und jetzt sind Sie
geschmackvoll genug, mich als eine Art Spucknapf zu betrachten ...

                         Direktor Hassenreuter

Mein Junge ...

                            Nathanael Jettel

In's Teufels Namen, der bin ich nicht! Eher mache ich Sie zu meinem
Hanswurst und lasse Sie für sechs Groschen Purzelbaum schießen!

   Er nimmt entrüstet Hut und Stock und geht.

                         Direktor Hassenreuter
      stutzt, bricht dann in ein tolles Gelächter aus und schreit
                           hinter Jettel her:

Machen Sie sich nicht lächerlich! -- Und übrigens bin ich kein
Maskenverleiher.

   Man hört die Flurtür ins Schloß knallen.

                         Direktor Hassenreuter
                             zieht die Uhr.

-- Rindvieh verdammtes! -- Schafskopf verfluchter! -- Ein Segen, daß das
Rindvieh, verdammte, gegangen ist!

   Er steckt die Uhr ein, zieht sie gleich darauf wiederum und lauscht.
   Hierauf geht er unruhig hin und her, bleibt stehen, blickt in den
   Zylinderhut, dessen Inneres einen Spiegel enthält, und kämmt sich
   sorgfältig. Er tritt an den Mitteltisch und öffnet einige von den
   Briefschaften, die dort gehäuft liegen. Dazu singt er trällernd:

      »O Straßburg, o Straßburg,
      du wunderschöne Stadt.«

   Abermals sieht er nach der Uhr. Plötzlich geht die Türschelle über
   seinem Kopf.

                         Direktor Hassenreuter

Auf die Minute! Was doch die Dinger, wenn es drauf ankommt, pünktlich
sind!

   Er eilt und öffnet die Flurtür, jemand laut und fröhlich begrüßend.
   Die Trompetentöne seiner Stimme werden bald von glöckchenartigem
   Lachen einer weiblichen akkompagniert. Sehr bald erscheint der
   Direktor wieder, von einer eleganten jungen Dame begleitet, Alice
   Rütterbusch.

                         Direktor Hassenreuter

Alice! Kleine Alice! Komm erst mal näher, kleine Alice! Komm mal ans
Licht! Ich muß doch sehen, ob du noch dieselbe kleine, schockscharmante,
tolle Alice aus den besten Tagen meiner reichsländischen
Direktionsperiode bist!? Mädel, ich hab' dich ja gehen gelehrt! ich hab
deine ersten Schritte gegängelt ... das Sprechen! Du sagtest ja immer
Cheef statt Chef! Ha ha ha! Hoffentlich hast du das nicht vergessen.

                           Alice Rütterbusch

Schaun's Direktor, Sie glauben doch net, daß i undankbar bin?

                         Direktor Hassenreuter
                       nimmt ihr den Schleier ab.

Mädel, du bist ja noch jünger geworden!

                           Alice Rütterbusch
                           hochrot, beglückt.

Da müßt einer auch gehörig daher lügen, wenn einer behaupten wollt, daß
du dich zum Nachteil verändert hast. Aber weißt, arg finster hast's bei
dir oben und a bissel -- Harro, wenns d' mechst a Fenster aufmachen! --
so a bissel a schwere Luft.

                         Direktor Hassenreuter

Pillycock saß auf Pillycocks Berg!

   »Doch Mäus' und Ratten und solch Getier
   Aß Thoms sieben Jahr lang für und für.«

Im Ernst, ich hab' finstere und schwere Zeiten durchgemacht! Du wirst ja
schließlich, trotzdem ich dir lieber nichts geschrieben habe, liebe
Alice, davon unterrichtet sein.

                           Alice Rütterbusch

Das war aber net grad, weißt, sehr freindschaftlich, daß d' mir auf alle
die sauberen und langen Brief kein Wörtel geantwort' hast.

                         Direktor Hassenreuter

Wozu, ha ha ha, einem kleinen Mädchen antworten, wenn man genug mit sich
selber zu tun hat und in keiner Beziehung was nützen kann? Sessa! _E
nihilo nihil fit!_ Das heißt auf Deutsch: aus nichts kann nichts werden!
Motten und Staub! Staub und Motten! ha ha ha! Das ist alles, was ich von
meiner deutschen Kulturarbeit an der westlichen Grenze geerntet habe.

                           Alice Rütterbusch

Du hast also den Fundus net an den Direktor Kurz abgetreten.

                         Direktor Hassenreuter

»O Straßburg, o Straßburg, du wunderschöne Stadt.« Nein, meine Kleine,
ich habe den Fundus nicht in Straßburg gelassen! Dieser ehemalige
Kellner, Kneipwirt und Pächter von anrüchigen Tanzlokalen, der mein
Nachfolger wurde ... dieser Kretin, dieser _bête imbécil_, wollte den
Fundus nicht! -- Sessa, den Fundus hab' ich nicht dort gelassen: dafür
aber vierzigtausend Mark sauerverdientes Geld, von Gastspielreisen aus
meiner Mimenzeit! außerdem fünfzigtausend Mark zugebrachtes Vermögen
meiner braven Frau. Sessa! -- Übrigens, daß ich den Fundus behielt, war
ein Glück für mich. -- Da! -- Ha ha ha! Diese Kerle hier ... -- (er
berührt einige der Geharnischten) -- du kennst sie doch? ...

                           Alice Rütterbusch

I kenn' doch meine Pappenheimer.

                         Direktor Hassenreuter

Nun also: diese Pappenheimschen Kerle hier, und was drum und dran
baumelt, haben den alten Lumpensammler und Maskenverleiher Harro
Eberhard Hassenreuter nach seiner Hedschra tatsächlich über Wasser
gehalten! -- Aber reden wir lieber von heiteren Dingen: ich habe mit
Vergnügen aus der Zeitung ersehen, daß du von Exzellenz für Berlin
engagiert werden wirst.

                           Alice Rütterbusch

I mach mir nix draus! I möcht lieber bei dir spielen, und das mußt mir
versprechen, wanns du wieder eine Direktion ibernehmen tust ... das
versprichst mir, daß i augenblickli kontraktbrüchig werden kann! -- (Der
Direktor bricht in Lachen aus.) -- I hab mi drei Jahre lang gnua auf die
Provinzschmieren rumgeärgert. Berlin mag i net! und a Hoftheater schon
lang net. Jessas die Leit! das Komödiespielen! -- Weißt, i g'hör zum
Fundus, i hab immer bloß daher g'hört! --

   Sie nimmt unter den Pappenheimern Aufstellung.

                         Direktor Hassenreuter

Ha ha ha ha! Also komm, du getreuer Pappenheimer.

   Er öffnet die Arme weit, sie fliegt hinein, und beide begrüßen
   einander mit einigen lange anhaltenden Küssen.

                           Alice Rütterbusch

Geh Harro, jetzt sagst mir: was macht deine Frau?

                         Direktor Hassenreuter

Therese geht's gut, außer daß sie trotz Kummer und Sorgen von Tag zu Tag
dicker wird. -- Mädel, Mädel, wie du duftest! -- (Er drückt sie an
sich.) -- Weißt du auch, daß du teufelsmäßig gefährlich bist?

                           Alice Rütterbusch

Meinst, daß i blöd bin? Freili bin i gefährlich.

                         Direktor Hassenreuter

Sakra!

                           Alice Rütterbusch

Meinst, i sollt mir in der schönen Gegend, drei Stiegen hoch, unter an
muffigen Dach, mit dir a Rendezvous geben, wann ich net wißt, daß das
für uns zwei, ans wie's andere, gefährlich is. Ibrigens hab' i ja, Gott
sei Dank, weil i halt immer a Glück haben muß, wann i schon amal auf
Schleichwegen geh, auf der Treppen den Nathanael Jettel troffen, bin dem
Herrn Hofschauspieler bei ei'm Haar direkt in die Arme g'rannt. Wird
schon sorgen, daß das nicht unter uns bleibt, daß i di b'sucht hab.

                         Direktor Hassenreuter

Ich muß das Datum verschrieben haben: der Mensch behauptet, ha ha ha,
ich hätte ihn ganz ausdrücklich für heut nachmittag herbestellt.

                           Alice Rütterbusch

Das war aber net etwa die einzige Bassermannsche Gestalt, der i auf die
sechs Treppenabsätz begegnet bin, und was mir die lieben kleinen
Kinderln, die auf die Stufen rumkugeln, nachgeschrien haben, das is
dermaßen unparlamentarisch, das is von solche Kröten, noch net drei Käs'
hoch sind, schon die allergrößte Gemeinheit, die mir noch vorkommen is.

                         Direktor Hassenreuter
                        lacht, wird dann ernst.

Ja, siehst du: daran gewöhnt man sich: was so hier in diesem alten
Kasten mit schmutzigen Unterröcken die Treppe fegt und überhaupt
schleicht, kriecht, ächzt, seufzt, schwitzt, schreit, flucht, lallt,
hämmert, hobelt, stichelt, stiehlt, treppauf treppab allerhand dunkle
Gewerbe treibt, was hier an lichtscheuem Volke nistet, Zither klimpert,
Harmonika spielt -- was hier an Not, Hunger, Elend existiert und an
lasterhaftem Lebenswandel geleistet wird, das ist auf keine Kuhhaut zu
schreiben. Und dein alter Direktor, _last not least_, rennt, ächzt,
seufzt, schwitzt, schreit und flucht, ha ha ha, wie der Berliner sagt,
immer mitten mang mit. Ha ha ha, Mädel, mir ist es recht dreckig
gegangen.

                           Alice Rütterbusch

Weißt ibrigens, wen i, wie i grad auf den Bahnhof Zoologischer Garten
zusteuer, troffen hab? Den alten guten Fürst Statthalter hab i troffen.
Und sixt, unverfroren wie i amal bin, bin i zwanzig Minuten lang neben
ihm hergschwenkt und hab ihn in an langen Diskurs verwickelt und, auf
Ehre, Harro, wie ich dir sag, so is es buchstäblich tatsächlich
g'schegn. Auf'n Reitweg is plötzlich Majestät mit großer Suite
vorübergritten. I denk, i versink! Und hat übers ganze Gesicht gelacht
und Durchlaucht so mit dem Finger gedroht. Aber g'freit hab i mi, das
kannst mir glauben. Aber jetzt kommt d'Hauptsach. Jetzt paß auf. -- Ob i
mi freun tät, hat mi Durchlaucht plötzli g'fragt, und ob i wieder nach
Straßburg mecht, wann der Direkter Hassenreuter das Theater tät wieder
übernehmen. Na weißt: beinah hab i an Sprung getan!

                         Direktor Hassenreuter
      Er wirft seinen Überzieher ab und steht in seinen Orden da.

Du hast wahrscheinlich bemerken müssen, daß die kleine Durchlaucht
vorzüglich gefrühstückt hat. Sessa! Wir haben zusammen gefrühstückt. Wir
haben ein exquisites kleines Herrenfrühstück beim Prinzen Ruprecht
draußen in Potsdam gehabt. Ich leugne nicht, daß sich vielleicht eine
Wendung zum Guten im miserablen Geschicke deines Freundes vorbereitet.

                           Alice Rütterbusch

Liebster, wie a Staatsmann, wie a Gesandter, siehst du ja aus.

                         Direktor Hassenreuter

Ah, du kennst diese Brust voll hoher und höchster Orden noch nicht!?
Klärchen und Egmont! Hier magst du dich satt trinken! --

   Neue Umarmung.

_Carpe diem!_ genieße den Tag! Sekt, kleine Naive, steht allerdings auf
dem jetzigen Repertoire deines alten Direktors, Erweckers und Freundes
nicht! -- (Er öffnet eine Truhe und entnimmt ihr eine Flasche Wein.) --
Aber dieser Stiftswein ist auch nicht von Pappe! -- (Er zieht den
Korken. Die Türschelle geht.) -- Was? -- Pst! -- Wer hat denn die
ungeheure Dreistigkeit, am Sonntag nachmittag hier anzuklingeln? -- (Es
klingelt stärker.) -- Kleine, zieh dich doch mal in die Bibliothek
zurück. -- (Alice eilt in die Bibliothek ab. Es klingelt wieder.) --
Donnerwetter noch mal, der Kerl ist ja irrsinnig. -- (Er eilt nach der
Tür.) -- Gedulden Sie sich oder scheren Sie sich! -- (Man hört ihn die
Tür öffnen.) -- Wer? Wie? »Ich bin's, Fräulein Walburga?« Was? Fräulein
Walburga bin ich nicht. Ich bin nicht die Tochter! Ich bin der Vater!
Ach, Sie sind's, Herr Spitta! Gehorsamer Diener, ich bin der Vater! Ich
bin der Vater! Was wünschen Sie denn?

   Im Gange erscheint wiederum der Direktor, geleitet von Erich Spitta,
   einem einundzwanzigjährigen jungen Menschen, der Brille und Zwicker
   trägt und übrigens scharfe und nicht unbedeutende Züge hat. Spitta
   gilt als Kandidat der Theologie und ist entsprechend gekleidet. Er
   hält sich nicht gerade, und seiner Körperentwicklung ist die
   Studierstube und mangelhafte Ernährung anzumerken.

                         Direktor Hassenreuter

Wollten Sie meiner Tochter Walburga hier auf dem Speicher Privatstunde
geben?

                                 Spitta

Ich fuhr im Pferdebahnwagen vorüber und glaubte wirklich, ich hätte
Fräulein Walburga unten durch das Portal in's Haus eilen sehen.

                         Direktor Hassenreuter

Gar keine Ahnung, mein lieber Spitta. Meine Tochter Walburga ist
augenblicklich mit ihrer Mutter in der englischen Kirche, ich glaube, zu
einem liturgischen Gottesdienst.

                                 Spitta

Dann verzeihen Sie vielmals, wenn ich gestört habe. Ich nahm mir die
Freiheit, heraufzukommen, weil ich mir sagte: eine Begleitung in dieser
Gegend, vielleicht auf dem Rückwege nach dem Westen, wäre Fräulein
Walburga am Ende nicht unangenehm.

                         Direktor Hassenreuter

Wohl, wohl, aber sie ist nicht hier, bester Spitta. Ich bedauere sehr.
Ich selber bin nur zufällig hier: der Post wegen! und ich habe auch
leider andere dringende Sachen vor. -- Wünschen Sie sonst was, mein
guter Spitta?

   Spitta putzt seinen Kneifer und gibt Zeichen von Verlegenheit.

                                 Spitta

Man gewöhnt sich nicht gleich an die Dunkelheit.

                         Direktor Hassenreuter

Sie benötigen vielleicht Ihr Stundengeld. Schade: ich habe leider die
Gewohnheit, nur mit einem Notpfennig in der Westentasche auf die Straße
zu gehn. Ich muß Sie schon bitten, sich zu gedulden, bis ich wieder in
meiner Wohnung bin.

                                 Spitta

Hat durchaus keine Eile, Herr Direktor.

                         Direktor Hassenreuter

Ja, das sagen Sie so: aber ich bin ein gehetztes Wild, guter Spitta ...

                                 Spitta

Und doch möchte ich, da ich dieses Zusammentreffen wirklich als eine Art
höherer Fügung ansehen muß, um eine Minute Ihrer kostbaren Zeit bitten.
Dürfte ich, kurz, eine Frage tun?

                         Direktor Hassenreuter
             mit den Augen auf der Uhr, die er gezogen hat.

Genau eine Minute. Die Uhr in der Hand, bester Spitta.

                                 Spitta

Frage und Antwort wird, denk' ich, kaum von so langer Dauer sein.

                         Direktor Hassenreuter

Also los!

                                 Spitta

Habe ich wohl Talent zum Schauspieler?

                         Direktor Hassenreuter

Um Gottes willen, Mensch, sind Sie denn irrsinnig? -- Verzeihen Sie,
bester Herr Kandidat, wenn ich in einem solchen Fall bis zur
Unhöflichkeit außer dem Häuschen bin. Es heißt zwar _natura non facit
saltus_, aber Sie haben da einen unnatürlichen Sprung gemacht. Da muß
ich mal erst zu Atem kommen. Und nun Schluß davon! Denn glauben Sie mir,
wenn wir beide jetzt über diese Frage zu diskutieren anfangen, so würden
wir in drei bis vier Wochen, sagen wir Jahren, darüber noch nicht zum
Schluß gekommen sein.

Sie sind doch Theologe, mein Bester, und stammen aus einem Pastorhaus:
wie kommen Sie denn auf solche Gedanken? wo Sie doch Konnexionen haben
und Ihnen die Wege zu einer behaglichen Existenz geebnet sind.

                                 Spitta

Ja, das ist eine lange innere Geschichte, eine lange Geschichte schwerer
innerer Kämpfe, Herr Direktor, die allerdings bis zu dieser Stunde nur
mir bekannt und also absolutes Geheimnis gewesen sind. Da hat mich das
Glück in Ihr Haus geführt und von diesem Augenblick an fühlte ich, wie
ich dem wahren Ziel meines Lebens näher und näher kam.

                         Direktor Hassenreuter
                        mit peinlicher Ungeduld.

Das ehrt mich. Das ehrt mich und meine Familie! -- (Er legt ihm die
Hände auf die Schulter.) -- Dennoch muß ich Ihnen jetzt die ganz
inständige Bitte vortragen, von der Erörterung dieser Angelegenheit im
Augenblicke abzusehen. Meine Geschäfte sind unaufschieblich.

                                 Spitta

Dann möchte ich nur noch so viel hinzusetzen, damit Sie wissen, daß ich
absolut fest entschlossen bin.

                         Direktor Hassenreuter

Aber mein lieber Herr Kandidat: wer hat Ihnen denn diese Raupen in den
Kopf gesetzt? Ich habe mich über Sie gefreut. Habe Sie schon im Geist
Ihres friedlichen Pfarrhauses wegen beneidet. Gewissen literarischen
Ambitionen, die einem hier in der Großstadt anfliegen, habe ich keinen
Wert beigelegt. Das ist nur so nebenbei und verliert sich zweifellos
wieder bei ihm, dachte ich mir! -- Mensch, und nun wollen Sie Komödiant
werden? Kurz: Gnade Gott, wenn ich Ihr Vater wär! Ich würde Sie bei
Wasser und Brot einsperren und Sie nicht eher herauslassen, als bis
Ihnen jede Erinnerung an diese Torheit entschwunden wäre. _Dixi!_ und
nun adieu, guter Spitta.

                                 Spitta

Einsperren oder irgendeine andere Gewaltmaßregel würde bei mir durchaus
nichts helfen, fürcht ich.

                         Direktor Hassenreuter

Aber Mensch: Sie wollen Schauspieler werden? Mit Ihrer schiefen Haltung,
mit Ihrer Brille und vor allem mit Ihrem heiseren und scharfen Organ
geht das doch nicht.

                                 Spitta

Wenn es im Leben solche Käuze gibt, wie ich, warum soll es
nicht auch auf der Bühne solche Käuze geben? Und ich bin der
Ansicht, ein wohlklingendes Organ, womöglich verbunden mit der
Schiller-Goethisch-Weimarischen Schule der Unnatur, ist eher schädlich,
als förderlich. Die Frage ist nur: würden Sie mich, wie ich nun einmal
bin, als Schüler annehmen?

                         Direktor Hassenreuter
                zieht hastig seinen Sommerpaletot über.

Nein! denn erstens ist meine Schule auch nur eine Schule
Schillerisch-Goethisch-Weimarischer Unnatur! Zweitens könnte ich es vor
Ihrem Herrn Vater nicht verantworten! Und drittens zanken wir uns so
schon genug, jedesmal nach den Privatstunden, die Sie in meinem Hause
geben, beim Abendbrot. Das würde dann bis zur Prügelei ausarten. Und nun
Spitta: ich muß auf die Pferdebahn.

                                 Spitta

Mein Vater ist bereits informiert. Ich habe ihm in einem zwölf Seiten
langen Brief Punkt für Punkt die Geschichte meiner inneren Wandlung
eröffnet ...

                         Direktor Hassenreuter

Sicherlich wird der alte Herr äußerst davon geschmeichelt sein! Mensch
und nun kommen Sie mit mir, ich werde sonst wahnsinnig.

   Der Direktor zieht Spitta gewaltsam mit sich fort und hinaus. Man
   hört die Tür ins Schloß fallen.

   Es wird still bis auf das ununterbrochene Rauschen Berlins, das nun
   lauter hervortritt. Nun wird die Bodenklappe geöffnet und Walburga
   Hassenreuter steigt in wahnsinniger Hast, gefolgt von Frau John, die
   Treppe herunter.

                               Frau John
                           flüsternd, heftig.

Wat is denn? Et is doch jar nischt jeschehn.

                                Walburga

Frau John, ich schreie! Ich muß gleich losschreien! -- Um Gottes willen,
ich kann gar nicht an mich halten, Frau John.

                               Frau John

Taschentuch mang die Zähne, Mächen! -- Et is ja jar nischt! Wat haste
dir denn?

                                Walburga
           zähneklappernd, ihr Röcheln gewaltsam bezwingend.

Ich bin ja des Todes ... ich bin ja des Todes erschrocken, Frau John!

                               Frau John

Wenn ick man wißte, for wat du erschrocken bist?

                                Walburga

Haben Sie nicht diesen schrecklichen Menschen gesehn?

                               Frau John

Wat is denn da schrecklich? Det is doch mein Bruder! wo mich manchmal
bei Papans seine Sachen auskloppen helfen dut.

                                Walburga

Und das Mädchen, was mit dem Rücken am Schornstein sitzt und wimmert.

                               Frau John

Det is deine Mutter nich anders jejangen, eh det du zur Welt jekommen
bist.

                                Walburga

Ich bin hin. Ich bin tot, wenn Papa wiederkommt.

                               Frau John

Na denn sieh, det de fortkommst, und fackel nich lange.

   Frau John begleitet die entsetzte Walburga den Gang hinunter und
   läßt sie hinaus. Dann kommt sie wieder.

                               Frau John

Det Mächen weeß, Jott sei Dank, von hellichten Dache nischt.

   Sie nimmt die entkorkte Weinflasche, gießt einen der Römer voll und
   nimmt ihn mit auf den Boden, wo sie verschwindet. Kaum ist das
   Zimmer leer, so erscheint der Direktor wieder.

                         Direktor Hassenreuter
                       noch an der Tür, singend.

»Komm herab, o Madonna Theresa!« -- (Er ruft.) -- Alice! -- (Noch immer
an der Tür.) -- Komm mal! Hilf mir mal die eiserne Stange mit dem
doppelten Schloß vor die Tür legen. -- Alice! -- (Er kommt nach vorn.)
-- Wer jetzt noch unsere Sonntagsruhe zu stören wagt: _anathema sit!_ --
Heda! Kobold! Wo steckst du, Alice? -- (Er wird auf die Weinflasche
aufmerksam und hebt sie in die Höhe.) -- Was? -- Halb leer? --
Schlingel! -- (Man hört eine hübsche weibliche Singstimme hinter der
Bibliothekstür sich in Koloraturen ergehen.) -- Ha ha ha ha! Himmel! sie
hat sich schon einen Schwips angetrunken.




                              Zweiter Akt


   Die Wohnung der Frau John im zweiten Stock des gleichen Hauses, in
   dessen Dachgeschoß der Fundus des Direktors Hassenreuter
   untergebracht ist: ein weitläufiges, ziemlich hohes, graugetünchtes
   Zimmer, das seine frühere Bestimmung als Kasernenraum verrät. Die
   Hinterwand enthält eine zweiflügelige Tür nach dem Flur. Über ihr
   ist eine Schelle angebracht, die von außen an einem Draht gezogen
   werden kann. Rechts von der Tür beginnt eine etwas mehr als
   mannshohe Tapetenwand, die geradlinig nach vorn geht, hier einen
   rechten Winkel macht und wiederum geradlinig mit der rechten
   Seitenwand verbunden ist. So ist eine Art von Verschlag abgeteilt,
   über den einige Schrankgesimse hervorragen, und der das Schlafzimmer
   der Familie ist.

   Tritt man durch die Flurtüre ein, so hat man zur Linken ein Sofa,
   überzogen mit Wachsleinwand. Es ist mit der Rücklehne an die
   Tapetenwand geschoben. Diese ist über dem Sofa mit kleinen
   Familienbildchen geschmückt. Maurerpolier John als Soldat, John und
   Frau als Brautpaar usw. Vor dem Sofa steht ein ovaler Tisch, mit
   einer verblichenen Baumwolldecke. Man muß von der Tür aus an Tisch
   und Sofa vorübergehen, um den Zugang zum Schlafraum zu erreichen.
   Dieser ist mit dem Sofa an einer Wand und mit einem Vorhang aus
   buntem Kattun verschlossen.

   An der nach vorn gekehrten Schmalwand des Verschlages steht ein
   freundlich ausgestatteter Küchenschrank. Rechts davon, an der
   wirklichen Wand, der Herd. Wie denn der hier verfügbare kleine Raum
   vornehmlich zu Küchen- und Wirtschaftszwecken dienen muß.

   Ein etwa auf dem Sofa Sitzender blickt gerade gegen die linke
   Zimmerwand und zu den beiden großen Fenstern hinaus. Am vorderen
   Fenster ist ein saubergehobeltes Brett als eine Art Arbeitstisch
   angebracht. Hier liegen zusammengerollte Kartons (Baupläne), Pausen,
   Zollstock, Zirkel, Winkelmaß usw. Am hinteren Fenster ein
   Fenstertritt, darauf ein Stuhl und ein Tischchen mit Gläsern. Die
   Fenster haben keine Gardinen, sind aber einige Fuß hoch mit buntem
   Kattun bespannt.

   Das ganze Gelaß, dessen dürftige Einrichtung ein alter Lehnstuhl aus
   Rohr und eine Anzahl von Holzstühlen vervollständigt, macht übrigens
   einen sauberen und gepflegten Eindruck, wie man es bei kinderlosen
   Ehepaaren des öfteren trifft.

   Es ist gegen fünf Uhr am Nachmittag, Ende Mai. Die warme Sonne
   scheint durch die Fenster.

   Maurerpolier John, ein vierzigjähriger, bärtiger, gutmütig
   aussehender Mann, steht behaglich am vorderen Fenstertisch und macht
   sich Notizen aus den Bauplänen.

   Frau John sitzt mit einer Näharbeit auf dem Fenstertritt des anderen
   Fensters. Sie ist sehr bleich, hat etwas Weiches und Leidendes an
   sich, zugleich aber einen Ausdruck tiefer Zufriedenheit, der nur
   zuweilen von einem flüchtigen Blick der Unruhe und der lauernden
   Angst unterbrochen wird. An ihrer Seite steht ein Kinderwagen
   (sauber, neu und nett), darin ein Säugling gebettet ist.

                                  John
                              bescheiden.

Mutter, wie wär det, wenn ick det Fenster 'n Ritzen ufmachen däte und
ick machte mir dann 'n bißken de Pipe an?

                               Frau John

Mußte denn rauchen? sonst laß et man lieber.

                                  John

I, ick muß ja nich, Mutter! Ick mechte bloß jern! Aber laß man! 'N
Priem, Mutter, tut et am Ende in selbijenjleichen och.

   Er präpariert sich mit behaglicher Umständlichkeit einen neuen
   Priem.

                               Frau John
                      nach einigem Stillschweigen.

Wat? Du mußt noch ma hin uft Standesamt?

                                  John

Det hat er jesacht, det ick noch ma hin müßte und janz jenau anjeben ...
det ick det müßte janz jenau anjeben Ort und Stunde, wo det Kindchen
jeboren is.

                               Frau John
                             Nadel am Mund.

Warum haste denn det nich anjejeben?

                                  John

Weeß ick et denn? Ick weeß et doch nich.

                               Frau John

Det weeßte nich?

                                  John

Bin ick dabei jewesen?

                               Frau John

Na, wenn de mir hier in meine Berliner Wohnung sitzen läßt und lichst
det janze jeschlagene Jahr in Altona, kommst hechstens ma monatlich mir
besuchen: wat wiste denn wissen, wat in deine Behausung vorjehn dut.

                                  John

Wo soll ick nich jehn, wo der Meester de mehrschte Arbeet hat? Ick jeh
dorthin, wo ick schen verdiene.

                               Frau John

Ick ha et dir doch in Briefe jeschrieben, det unser Jungeken hier in de
Wohnung jeboren is.

                                  John

Det weeß ick. Det hab ick ihm och jesacht! Det is doch janz natierlich,
hab ick jesacht, det et in meine Wohnung jeboren is. Da hat er jesacht:
det is jar nich natierlich! Na denn, sach ick, mag et meinswegen uf'n
Oberboden bei de Ratten und Mäuse jewesen sind! So kreppte ick mir, weil
er doch sachte, det et womeglich jar nich sollte in meine eijene Wohnung
sind jewesen. Denn schrie er: wat sind det for Redensarten! Wat? sag
ick: ick bin for Lohn un Brot! for Redensarten Herr Standesbeamter bin
ick nich! un nu sollte ick Tag und Stunde anjeben ...

                               Frau John

Ick hab et dir doch sojar jenau uf'n Zettel jeschrieben, Paul.

                                  John

Wenn eener jekreppt is, denn is er verjeßlich. Ick jloobe, wenn er mir
hätte jefracht: sind Sie Paul John, der Mauerpolier? ick hätte
jeantwort: ick weeß et nich. Na, nu war ick doch 'n bißken verjnügt
jewesen un hatte mit Fritzen eenen jekippt! denn war noch Schubert und
Schindlerkarl zujekomm! denn hieß et: ick muß nun 'ne Lage jeben, weil
ick doch Vater jeworden bin! -- Na! un die Brieder wollten mir och nich
loslassen un warteten unten an de Tür von't Standesamt. Un nu dachte
ick, det se unten stehen! und wo er mir frachte an welchen Dache det
meine Frau entbunden is, denn wußte ick nischt un mußte laut loslachen.

                               Frau John

Häste man nachher jetrunken, Paul, un häste vorher besorcht, wat netig
is.

                                  John

Det sachste so? Aber wenn du uf deine ollen Dache noch so 'ne Zicken
machst! denn wa ick verjnügt! denn freut ick mir, Mutter.

                               Frau John

Nu jehste und sachst bein Standesamt, det dein Kindeken an
fünfundzwanzigsten Mai von deine Ehefrau in deine Wohnung jeboren is.

                                  John

War et denn nich an sechsundzwanzigsten? Ick ha nämlich schlankweg dem
sechsundzwanzigsten Mai jesacht! denn hieß et, weil er doch merkte, det
ick an Ende nich so janz sicher war: stimmt's denn is jut! sonst komm Se
wieder.

                               Frau John

I, denn laß et man wie et is.

   Die Tür wird geöffnet und Selma Knobbe schiebt einen elenden
   Kinderwagen herein, der im traurigsten Gegensatz zu dem der Frau
   John steht, darin liegt, in jämmerlichsten Lumpen, ebenfalls ein
   Säugling.

                               Frau John

Nee nee Selma, mit det kranke Kind bei uns in de Stube rieber, det jing
woll vordem, nu jeht det nich.

                                 Selma

Et keucht so ville mit sein Husten. Drieben bei uns wird zu ville
jeroocht, Frau John.

                               Frau John

Ick ha dir jesacht, Selma, du kannst immer komm, ma Milch un ma Brot
holen. Aber wo hier mein Adelbertchen womechlich mit Auszehrung oder
derjleichen anfliejen dut, laß du det arme Wurm drieben bei seine feine
Mama drieben.

                                 Selma
                              weinerlich.

Mutter is jestern und heut nich zu Hause jekomm. Ick kann nachts nich
schlafen mit det Kind. Helfjottchen quarrt de janze Nacht iber. Ick muß
doch ma schlafen. Ick spring zum Fenster 'raus, oder ick laß
Helfjottchen mitten uf de Straße und nehme Reißaus, det mir keen
Polizist nich mehr finden kann.

                                  John
                      betrachtet das fremde Kind.

Sieht bese aus! Mutter nimm dich ma mit det Häufchen Unglick 'n bißken
an.

                               Frau John
           resolut, drängt Selma mit dem Kinderwagen hinaus.

Marsch, fort aus der Stube. Det jeht nich, Paul. Wer Eegnet hat, kann
sich mit Fremde nich abjeben. Soll de Knobben sehn, wo se bleiben dut.
Wat anders is Selma! Du kannst immer rieber komm. Du kannst dir hier och
hernach 'n bißken uf's Ohr lechen.

   Selma mit dem Kinderwagen ab. Frau John verschließt die Tür hinter
   ihr.

                                  John

Hast dir doch frieher mit die Knobbeschen Rotznäsen immer bekümmert!

                               Frau John

Det vastehste nich. Det sich Adelbertchen womechlich mit schlimme Ochen
un Krämpfe von een andret anstecken dut.

                                  John

Det mag sind. Bloß nenn ihm nich Adelbertchen, Mutter. Det dut nich jut,
'n Kind 'n selbichten Namen zu jeben, wie een andret, det mit acht
Dache, unjedoft, mit Dot abjejang'n is. Det laß man! davon ha' ick
Manschetten, Mutter.

   Es wird an die Tür geklopft. John will öffnen.

                               Frau John

Wat denn?

                                  John

Na, Jette, 't will eener rin.

                               Frau John
                   dreht hastig den Schlüssel herum.

Ick wer' mir woll, wo ick marode bin, von alle Welt ieberlofen lassen.
-- (Sie horcht und ruft dann): -- Ick kann nich ufmachen: wat wollen Se
denn?

                           Eine Frauenstimme
                        aber tief und männlich.

Ich bin Frau Direktor Hassenreuter.

                               Frau John
                              überrascht.

Ach Jott nee! -- (Sie öffnet die Tür.) -- Nehm Se 't nich iebel, Frau
Direkter! Ick ha ja nich ma jewußt, wer 't is.

   Frau Direktor Hassenreuter ist nun, gefolgt von Walburga,
   eingetreten. Sie ist eine kolossale, asthmatische Dame, älter als
   fünfzig. Walburga ist ein wenig unscheinbarer gekleidet als im
   ersten Akt. Sie trägt ein ziemlich umfangreiches Paket.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Guten Tag, Frau John! Ich wollte doch nun -- obgleich mir das
Treppensteigen schwer wird ... wollte doch nun mal sehen, wie's nach dem
frohen Ereignis ... ja ... Ereignis mit Ihnen beschaffen ist.

                               Frau John

Et jeht mir, Jott sei Dank, wieder so hallweche, Frau Direkter.

                       Frau Direktor Hassenreuter

-- Das ist doch wahrscheinlich Ihr Mann, Frau John? Das muß man sagen
... muß man sagen -- daß Ihre liebe Frau -- sich in der langen Wartezeit
niemals beklagt und immer ... immer fröhlich und guter Dinge -- ihre
Arbeit oben bei meinem Mann im Theatermagazin verrichtet hat.

                                  John

Det is och. Se hat ihr mächtig jefreit, Frau Direkter.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Nun, da wird man wohl auch ... da wird Ihre Frau wohl die Freude haben
-- Sie öfters ... öfters als wie bisher -- zu Hause zu sehn.

                               Frau John

Ick ha'n juten Mann, Frau Direkter, wo sorjen dut und solide is. Und
deshalb, weil Paul auswärts uf Arbeet jeht, denn hat er mir längst nich
sitzen lassen. Aber for so 'n Mann, wo 'n Bruder schon 'n Jungen von
zwölf in de Unteroffiziersschule hat ... det is och keen Leben, ohne
Kinder! denn kricht er Jedanken! denn macht er in Hamburg schenet Jeld!
denn is alle Dache Jelejenheet, un denn will er fort nach Amerika
auswandern.

                                  John

I, Jette, det war ja man bloß so 'n Jedanke.

                               Frau John

Sehn Se, det is mit uns kleene Leite ... det is 'n sauer verdientes
Durchkommen, wo unsereens hat, aber jedennoch ... -- (Sie fährt John
schnell mit der Hand durchs Haar.) -- Wenn och eener mehr is un Sorchen
mehr sin -- sehn Se, det Wasser läuft ihm de Backen runter! -- denn
freut er sich.

                                  John

Det is, wir haben schon vor drei Jahre 'n Jungchen jehabt, und det is
mit acht Dache einjejang.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Das hat mir mein Mann ... mein Mann bereits ... hat mir mein Mann
bereits gesagt -- wie sehr Sie sich -- um den Sohn gegrämt haben. Sie
wissen ja ... wissen ja, wie mein braver Mann -- Aug' und Herz ... Herz
und Auge für alles hat. Und wenn es sich gar ... gar um Leute handelt --
die um ihn sind und ihm Dienste leisten -- da ist alles Gute ... und
Schlimme ... alles Gute und Schlimme ... was ihnen zustößt ... zustößt,
so, als wär' es ihm selbst passiert.

                               Frau John
                     klopft John auf die Schulter.

Ick seh ihm noch, wie er mit det kleene Kindersärgiken uf beede Knie
dazumal in Kinderleichenwachen jesessen hat. Det durfte d'r Dotenjräber
nich anrihren.

                                  John
                   wischt sich Wasser aus den Augen.

Det war och so. Det jing och nich.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Denken Sie ... denken Sie, heute mittag bei Tisch -- mußten wir ...
mußten wir plötzlich Wein trinken. Wein! wo Leitungswasser in den
letzten Jahren ... Karaffen mit Leitungswasser -- unser einziges ...
einziges Getränk bei Tische ist. Liebe Kinder, sagte mein Mann. -- Er
ist, wie Sie wissen, elf oder zwölf Tage in den Elsaß verreist gewesen!
... Also ich trinke, sagte mein Mann, auf meine gute, brave Frau John,
weil ... rief er mit seiner schönen Stimme! ... weil sie ein sichtbares
Zeichen dafür ist, daß unserem Herrgott ... Herrgott der Schrei eines
Mutterherzens nicht gleichgültig ist. -- Und da haben wir auf Sie
angestoßen! -- So! -- und nun bringe ich ... bringe ich Ihnen hier im
ganz besonderen ... ganz besonderen Auftrage meines Mannes einen
sogenannten Soxhlet-Kinder-Milchapparat. -- Walburga, du magst den
Kessel mal auspacken.

   Direktor Hassenreuter tritt ohne Umstände durch die nur angelehnte
   Flurtür herein. Er trägt Zylinder, Sommerpaletot, Handschuhe,
   spanisches Rohr mit Silbergriff, im ganzen die etwas abgeschabte
   Garnitur des Wochentags. Er spricht hastig und fast ohne Pausen.

                         Direktor Hassenreuter
                sich den Schweiß von der Stirn wischend.

Heiß! Berlin macht heiß, meine Herrschaften! In Petersburg ist die
Cholera! Sie haben meinen Schülern Spitta und Käferstein gegenüber
geklagt, daß Ihr Kindchen nicht zunehmen will, Frau John. Eigentlich ist
es ja ein Verfallssymptom unserer Zeit, daß die meisten Mütter ihre
Kinder selber zu nähren nicht mehr fähig oder nicht willens sind. Sie
haben schon einmal einen Jungen am Brechdurchfall eingebüßt, Mutter
John. Hilft alles nichts: wir müssen hier deutsch reden! Damit Sie nun
diesmal nicht wieder Pech haben und nicht etwa gar in die Scheren von
allerlei alten Basen fallen, deren gute Ratschläge meistens für
Säuglinge tödlich sind, hat Ihnen meine Frau auf meine Veranlassung
diesen Milchkochapparat mitgebracht. Ich habe damit meine ganze kleine
Gesellschaft, auch die Walburga, großgezogen ... Sapristi! da sieht man
ja auch mal wieder den Herrn John! Bravo! der Kaiser braucht Soldaten!
und Sie hatten einen Stammhalter nötig, Herr John! Gratuliere Ihnen von
ganzem Herzen.

   Er schüttelt John kräftig die Hand.

                       Frau Direktor Hassenreuter
                            am Kinderwagen.

Wieviel ... wieviel hat es gewogen bei der Geburt?

                               Frau John

Et hat jenau acht Pfund und zehn Jramm jewogen.

                         Direktor Hassenreuter
                        jovial, laut und lärmig.

Ha ha ha, strammes Produkt! Acht Pfund zehn Gramm frisches
deutschnationales Menschenfleisch.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Die Augen! das Näschen! der ganze Vater! -- Das Kerlchen ist Ihnen
wirklich ... wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten, Herr John.

                         Direktor Hassenreuter

Sie werden den Bengel doch hoffentlich in die Gemeinschaft der
christlichen Kirche aufnehmen lassen.

                               Frau John
                        glücklich und gewichtig.

Det wird richtig in de Parochialkirche, richtig am Taufstein, richtig
von Jeistlichen wird et jetauft.

                         Direktor Hassenreuter

Sessa! Und welche sind seine Taufnamen?

                               Frau John

Det hat natierlich, wie Männer nu eemal sind, 'n langet Jerede
abjesetzt. Ick dachte »Bruno«! Det will er nich.

                         Direktor Hassenreuter

Aber Bruno ist doch kein übler Name.

                                  John

Det mag immer sind, det Bruno weiter keen iebler Name is. Da will ick
mir weiter drieber nich ausdricken.

                               Frau John

Wat sachste nich, det ick 'n Bruder habe, wo Bruno heest und wo zwölf
Jahre jinger is: und jeht manchmal 'n bißken uf leichte Weche. Det is
bloß de Verführung! Der Junge is jut! Det jloobste nich!

                                  John
                       bekommt einen roten Kopf.

Jette ... Du weeßt, wat det mit Brunon for 'n Kreuz jewesen is! -- Wat
wiste?! Soll unser Jungeken so 'n Patron krichen? -- Et is 'n Patron!
Aber eener, ick kann et nich ändern ... eener, wo unter polizeiliche
Ufsicht is.

                         Direktor Hassenreuter
                                lachend.

Um's Himmels willen, dann suchen Sie ihm einen anderen Patron!

                                  John

Jott soll mir bewahren ... ick ha mir bei Brunon anjenommen, in de
Maschinschlosserei Stellung verschafft, nischt davon jehat, als Ärjer un
Schande! Jott soll bewahren, det er womeglich kommt un mein Jungeken
anfassen dut! -- (Er krampft die Faust.) -- denn Jette ... denn kennt
ick nich for mir jut sachen.

                               Frau John

Immerzu doch, Paul. Bruno kommt ja nich! -- So viel kann ick dir aber
jewißlich sachen, det mein Bruder mich in die schweren Stunden redlich
beiseite jewesen is.

                                  John

Warum haste mir nich lassen kommen, Jette?

                               Frau John

So 'n Mann, wo Angst hat, mocht ick nich.

                         Direktor Hassenreuter

Sind Sie nicht Bismarckverehrer, John?

                                  John
                     kratzt sich hinter den Ohren.

Det kann ick nu so jenau nich sachen: aber, wat meine Jenossen in't
Mauerjewerbe sind, die sind et nich.

                         Direktor Hassenreuter

Dann habt Ihr kein deutsches Herz im Leibe! Ich habe meinen ältesten
Sohn, der bei der Kaiserlichen Marine ist, Otto genannt! Und glauben Sie
mir, -- (er weist auf das Kindchen) -- diese neue künftige Generation
wird wissen, was sie dem Schmiede der deutschen Einheit, dem gewaltigen
Heros, schuldig ist. -- (Er nimmt den Blechkessel des Milchapparates,
den Walburga ausgepackt hat, in die Hände und hebt ihn hoch.) -- Also,
die ganze Geschichte mit diesem Milchapparat ist kinderleicht: das ganze
Gestell mit sämtlichen Flaschen -- jede Flasche zunächst ein Drittel mit
Milch und zwei Drittel mit Wasser gefüllt! -- wird in diesen Kessel mit
kochendem Wasser gestellt. Auf diese Weise, wenn man das Wasser im
Kessel anderthalb Stunde lang auf dem Siedegrade hält, wird der Inhalt
der Flaschen keimfrei gemacht: die Chemiker nennen das sterilisieren.

                                  John

Jette, bei de Frau Mauermeester ihre Milch, womit sie die Zwillinge
ufziehen dut, wird et och sterilililililisiert.

   Die Schüler des Direktors Hassenreuter, Käferstein und Dr. Kegel,
   zwei junge Leute im Alter zwischen zwanzig und fünfundzwanzig, haben
   angeklopft und die Tür geöffnet.

                         Direktor Hassenreuter
                     der seine Schüler bemerkt hat.

Geduld, meine Herren, ich komme gleich. Ich arbeite hier einstweilen
noch im Fache der Säuglingsernährung und Kinderfürsorge.

                               Käferstein
   ausgesprochener Kopf, große Nase, bleich, ernster Gesichtsausdruck,
          bartlos, ein immer schalkhafter Zug um den Mund. Mit
                  Grabesstimme, weich, zurückhaltend.

Wir sind nämlich die drei Könige aus dem Morgenlande.

                         Direktor Hassenreuter
      der noch immer den Milchkochapparat hoch in den Händen hält.

Was sind Sie?

                               Käferstein
                              wie vorher.

Wir wollen das Kindelein grüßen.

                         Direktor Hassenreuter

Ha ha ha ha! Wenn Sie schon Könige aus dem Morgenlande sind, meine
Herren, dann fehlt doch, soweit ich sehn kann, der dritte.

                               Käferstein

Der dritte ist unser neuer Mitschüler auf dem Felde dramaturgischer
Tätigkeit, Kandidat der Theologie Erich Spitta, der durch einen
gesellschaftspsychologischen Zwischenfall einstweilen noch Ecke Blumen-
und Wallnertheaterstraße festgehalten ist.

                               Dr. Kegel

Wir machten uns eiligst aus dem Staube.

                         Direktor Hassenreuter

Sehen Sie, es steht ein Stern über Ihrem Hause, Frau John! -- Aber sagen
Sie mal, hat sich etwa unser braver Kurpfuscher Spitta wieder mal
öffentlich an die Heilung sogenannter sozialer Schäden gemacht? Ha ha ha
ha! _Semper idem!_ das ist ja ein wahres Kreuz mit dem Menschen.

                               Käferstein

Es war ein Auflauf, und da hat er wohl, wie es scheint, in der
Volksmenge eine Freundin wieder erkannt.

                         Direktor Hassenreuter

Meiner unmaßgeblichen Meinung nach würde der junge Spitta viel besser
zum Sanitätsgehilfen oder zum Heilsarmeeoffizier geeignet sein. Aber so
ist es: der Mensch wird Schauspieler.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Der Lehrer der Kinder, Herr Spitta, wird Schauspieler?

                         Direktor Hassenreuter

Wenn du erlaubst, Mama, hat er mir die Eröffnung gemacht. -- Aber nun,
wenn Sie Weihrauch und Myrrhen bringen, packen Sie aus, lieber
Käferstein. Sie sehen, Ihr Direktor ist vielseitig. Bald verhelfe ich
meinen Schülern, die ihr nach dem Inhalt der Brüste der Musen durstig
seid, zu geistiger Nahrung, _nutrimentum spiritus!_ bald ...

                               Käferstein
                     klappert mit einer Sparkasse.

Nun, ich stelle also das Ding, es ist eine feuersichere Sparkasse, hier
neben die Equipage des jungen Herrn Maurerpolier, mit dem Wunsche, daß
er es mindestens mal bis zum Regierungsbaumeister bringen möge.

                                  John
     hat Schnapsgläschen auf den Tisch gestellt, nimmt und entkorkt
                   eine unangebrochene Likörflasche.

Na, nu muß ick det Danziger Joldwasser ufmachen.

                         Direktor Hassenreuter

Wer da hat, Sie sehen, dem wird gegeben, Frau John.

                                  John
                          während er eingießt.

Det is nich jesacht, det for Mauerpolier John sein Kind nich jesorcht
wäre, meine Herrn! Aber ick rechen et mir an, meine Herrn. -- (Frau
Direktor und Walburga ausgenommen, ergreifen alle die Gläser.) --
Wohlsein! -- Mutter, nu komm, wir wolln och ma anstoßen.

   Es geschieht, sie trinken.

                         Direktor Hassenreuter
                            im Ton der Rüge.

Mama, du mußt selbstverständlich mittrinken.

                                  John
                 nachdem er getrunken hat, aufgeräumt.

Ick jeh nu och nich mehr nach Hamburg hin. D'r Meester mag ma 'n andern
hinschicken. Ick zerjle mir schonn mit 'n Meester deswechen drei Dache
rum. Ick muß mir nu wieder jleich mein Hut nehmen, hat mir wieder ma
jejen sechs uf's Büro bestellt! Wenn er nich will, denn laßt er't
bleiben: det jeht nich, det 'n Familienvater immer un ewich wech von
seine Familie is. Ick ha 'n Kollegen ... et kost mir een Wort, da wer'
ick, wo se de Fundamente lechen, bei't neue Reichstagsjebäude
einjestellt. Zwölf Jahre bin ick bei meinen Meester! Et kann ja och ma
wo anders sind.

                         Direktor Hassenreuter
                klopft John ebenfalls auf die Schulter.

Sessa! ganz Ihrer Ansicht, Herr Maurerpolier. Unser Familienleben ist
eine Sache, die man uns mit Geld und guten Worten nicht abkaufen kann.

   Kandidat Erich Spitta tritt ein. Sein Hut ist beschmutzt, sein Anzug
   trägt Schmutzflecken. Er ist ohne Schlips. Er sieht bleich und
   erregt aus und säubert mit dem Taschentuch seine Hände.

                                 Spitta

Verzeihung. Könnte ich mich bei Ihnen mal eben 'n bißchen säubern, Frau
John?

                         Direktor Hassenreuter

Ha ha ha! Um Gottes willen, was haben Sie denn angebahnt, guter Spitta?

                                 Spitta

Ich habe nur eine Dame nach Hause begleitet, Herr Direktor, weiter
nichts.

                         Direktor Hassenreuter
       der an einem allgemeinen Lachausbruch ob der Worte Spittas
                           teilgenommen hat.

Na hören Sie mal an! Und da setzen Sie noch hinzu: weiter nichts? Und
verkünden es offen vor allen Leuten?

                                 Spitta
                               verblüfft.

Wieso nicht? Es handelte sich um eine gutgekleidete Dame, die ich hier
im Hause auf der Treppe schon öfters gesehen hatte, und die leider auf
der Straße verunglückt ist.

                         Direktor Hassenreuter

Ach, was Sie sagen: erzählen Sie mal, bester Spitta. Augenscheinlich hat
die Dame Ihnen Flecke auf den Anzug und Schrammen auf die Hände gemacht.

                                 Spitta

Ach nein. Das war wohl höchstens der Janhagel. Die Dame erlitt einen
Anfall. Ein Schutzmann griff sie dabei so ungeschickt, daß sie auf den
Straßendamm, und zwar dicht vor einem Paar Omnibuspferde niederfiel. Ich
konnte das absolut nicht mit ansehen, obgleich der Samariterdienst auf
der Straße im allgemeinen, wie ich zugebe, unter der Würde
gutgekleideter Leute ist.

   Frau John schiebt den Kinderwagen hinter den Verschlag und kommt
   wieder mit einem Waschbecken voll Wasser, das sie auf einen Stuhl
   setzt.

                         Direktor Hassenreuter

Gehörte die Dame vielleicht jener internationalen guten Gesellschaft an,
die man je nachdem nur reglementiert oder auch kaserniert.

                                 Spitta

Das war mir in diesem Falle ebenso gleichgültig, wie ich sagen muß, Herr
Direktor, wie dem Omnibusgaul, der seinen linken Vorderhuf geschlagene
fünf, sechs oder acht Minuten lang, um die Frau nicht zu treten, die
unter ihm lag, in der Schwebe gehalten hat. -- (Spitta erhält eine
Lachsalve zur Antwort.) -- Sie lachen! Für mich ist das Verhalten des
Gauls nicht lächerlich. Ich konnte ganz gut verstehen, daß einige Leute
ihm Bravo zuriefen, Beifall klatschten, andre eine Bäckerei stürmten und
Semmeln herausholten, womit sie ihn fütterten.

                               Frau John
                               fanatisch.

I, hätt' er man feste zujetreten! -- (Die Bemerkung der John löst wieder
allgemeines Gelächter aus.) -- Und ieberhaupt, wat die Knobben is: die
jehört öffentlich uf 'n Schandarmenmarkt, öffentlich uf de Bank
jeschnallt und jehörig mit Riemen durchjefuchtelt! Stockhiebe det det
Blut man so spritzt.

                                 Spitta

Ich habe mir niemals eingebildet, daß das sogenannte Mittelalter eine
überwundene Sache ist. Es ist noch nicht lange her. Man hat eine Witwe
Mayer noch im Jahre achtzehnhundertundsiebenunddreißig hier in Berlin,
auf dem Hausvogteiplatz, von untenherauf geradebrecht. -- (Er zieht
Scherben einer Brille hervor.) -- Übrigens muß ich sofort zum Optiker.

                                  John
                               zu Spitta.

Entschuldijen Se man. Se haben die feine Dame doch hier am Flur
jejenieber rinjebracht? Na ja! Det hat Mutter ja jleich jemerkt, det det
keen andrer Mensch wie de Knobben jewesen is, wo bekannt for is, det se
Mädel mit zwölf uf de Jasse schickt, selber fortbleibt, trinkt und
allerhand Kundschaft hat, um Kinder nich kümmert und wo berauscht is und
ufwachen dut, allens mit Fäuste und Schirme durchprijelt.

                         Direktor Hassenreuter
                      sich raffend und besinnend.

Allons, meine Herren, wir müssen zum Unterricht. Es fehlt uns schon eine
Viertelstunde. Meine Zeit ist gemessen. Unser Stundenschluß muß leider
heute ganz pünktlich sein. Komm Mama. Auf Wiedersehn, meine
Herrschaften.

   Der Direktor gibt seiner Frau den Arm und geht, gefolgt von
   Käferstein, und Dr. Kegel ab. Auch John nimmt seinen Kalabreser.

                                  John
                            zu seiner Frau.

Adje, ick muß och zum Meester hin.

   Auch John geht.

                                 Spitta

Könnten Sie mir mal einen Schlips leihen?

                               Frau John

Ick will mal sehn, wat sich bei Paul in de Schublade vorfinden duht. --
(Sie öffnet den Tischschub und verfärbt sich.) -- Jesus! -- (Sie nimmt
ein durch ein buntes Band zusammengehaltenes Büschelchen Kinderhaar aus
der Schublade.) -- Da hab ick ja 'n Büschelschen Haar jefunden, wo mein
Jungeken, wo mein Adelbertchen schon in Sarch mit Vaters Papierschere
abjeschnitten is. -- (Tiefe, kummervolle Traurigkeit zieht plötzlich
über ihr Gesicht, das sich aber ebenso plötzlich wieder aufhellt.) -- Un
nu liecht et doch wieder in Kinderwagen! -- (Sie geht mit eigentümlicher
Fröhlichkeit, das Haarbüschel in der Hand, den jungen Leuten vorweisend,
zur Tür des Verschlages, wo der Kinderwagen, zwei Drittel sichtbar, sich
befindet. Dort angelangt, hält sie das Haarbüschel an das
Kinderköpfchen.) -- Na nu kommt mal, kommt mal! -- (Sie winkt mit
seltsamer Heimlichkeit Walburga und Spitta, die auch neben sie an den
Kinderwagen treten.) -- Seht mal det Häarchen und det! --? ob det nich
detselbiche ... ob det nich janz und jänzlich een und datselbiche
Häarchen is.

                                 Spitta

Richtig! Bis auf die kleinste Nuance, Frau John.

                               Frau John

Jut so! jut so! mehr wollt ick nich!

   Sie, mit dem Kinde, verschwindet hinter dem Verschlag.

                                Walburga

Findest du nicht, Erich, daß das Betragen der John eigentümlich ist?

                                 Spitta
        faßt Walburgas Hände und küßt sie scheu und inbrünstig.

Ich weiß nicht, weiß nicht -- ... oder ich zähle heut nicht mit, weil
ich alles von vornherein subjektiv düster gefärbt sehe. Hast du den
Brief bekommen?

                                Walburga

Jawohl. Aber ich konnte nicht herausfinden, warum du so lange nicht bei
uns gewesen bist.

                                 Spitta

Verzeih, Walburga, ich konnte nicht kommen.

                                Walburga

Warum nicht?

                                 Spitta

Weil ich innerlich zu zerrissen bin.

                                Walburga

Du willst Schauspieler werden? Ist's wahr? Du willst umsatteln?

                                 Spitta

Was schließlich noch mal aus mir wird, steht bei Gott! Nur niemals ein
Pastor! niemals ein Landpfarrer!

                                Walburga

Du, ich habe mir lassen die Karten legen.

                                 Spitta

Das ist Unsinn, Walburga. Das sollst du nicht.

                                Walburga

Ich schwöre dir, Erich, es ist kein Unsinn. Sie hat mir gesagt, ich
hätte einen heimlichen Bräutigam, und der sei Schauspieler. Natürlich
hab' ich sie ausgelacht und gleich darauf sagt Mama, du wirst
Schauspieler.

                                 Spitta

Tatsächlich?

                                Walburga

Tatsächlich! Und dann hat mir die Kartenlegerin noch gesagt, wir würden
durch einen Besuch viel Not haben.

                                 Spitta

Mein Vater kommt nach Berlin, Walburga, und das ist allerdings wahr, daß
uns der alte Herr etwas zu schaffen machen wird. -- Vater weiß das
nicht, aber ich bin mit ihm innerlich längst zerfallen, auch ohne diese
Briefe, die mir hier in der Tasche brennen und mit denen er meine
Beichte beantwortet hat.

                                Walburga

Über unserm verunglückten Rendezvous hat wirklich ein böser, neidischer,
giftiger Stern geschwebt. Wie habe ich meinen Papa bewundert! Aber seit
jenem Sonntag werde ich aller Augenblick rot für ihn, und so sehr ich
mir Mühe gebe, ich kann ihm seitdem nicht mehr gerade und frei ins Auge
sehn.

                                 Spitta

Hast du mit deinem Papa auch Differenzen gehabt?

                                Walburga

Ach, wenn es bloß das wäre! Ich war stolz auf Papa! Und jetzt muß ich
zittern, wenn du es wüßtest, ob du uns überhaupt noch achten kannst.

                                 Spitta

Ich und verachten! Ich wüßte nicht, was mir weniger zukäme, gutes Kind.
Sieh mal: ich will mit Offenheit gleich mal vorangehn. Eine sechs Jahr
ältere Schwester von mir war Erzieherin, und zwar in einem adligen
Hause. Da ist etwas passiert ... und als sie im Elternhaus Zuflucht
suchte, stieß mein christlicher Vater sie vor die Tür. Er dachte wohl:
Jesus hätte nicht anders gehandelt! Da ist meine Schwester allmählich
gesunken, und nächstens werden wir beide mal nach dem kleinen
sogenannten Selbstmörderfriedhof bei Schildhorn gehn, wo sie schließlich
gelandet ist.

                                Walburga
                             umarmt Spitta.

Armer Erich, davon hast du ja nie ein Wort gesagt.

                                 Spitta

Das ist eben nun anders: ich spreche davon. Ich werde auch hier mit Papa
davon sprechen und wenn es darüber zum Bruche kommt. -- Du wunderst dich
immer, wenn ich erregt werde, und wenn ich mich manchmal nicht halten
kann, wo ich sehe, wie irgendein armer Schlucker mit Füßen gestoßen
wird, oder wenn der Mob etwa eine arme Dirne mißhandelt. Ich habe dann
manchmal Halluzinationen und glaube am hellichten Tage Gespenster, ja
meine leibhaftige Schwester wiederzusehn.

   Pauline Piperkarcka, ebenso wie früher gekleidet, tritt ein. Ihr
   Gesichtchen erscheint bleicher und hübscher geworden.

                            Die Piperkarcka

Jun Morchen.

                               Frau John
                         hinter dem Verschlage.

Wer ist denn da?

                            Die Piperkarcka

Pauline, Frau John.

                               Frau John

Pauline? -- Ick kenne keene Pauline.

                            Die Piperkarcka

Pauline Piperkarcka, Frau John.

                               Frau John

Wer? -- Denn wachten Se man 'ne Minute, Pauline.

                                Walburga

Adieu, Frau John.

                               Frau John
     erscheint vor dem Verschlage, schließt sorgfältig den Vorhang
                              hinter sich.

Jawoll! Ick ha mit det Freilein wat zu verabreden. Seht ma, det ihr
'naus uf de Straße kommt.

   Spitta und Walburga schnell ab. Frau John schließt die Tür hinter
   beiden.

                               Frau John

Sie sind et, Pauline? Wat wollen Se denn?

                            Die Piperkarcka

Wat werde wollen? Et hat mir herjetrieben. Habe nich länger warten
können. Muß sehn, wie steht.

                               Frau John

Wat denn? Wat soll denn stehn, Pauline?

                            Die Piperkarcka
                     mit etwas schlechtem Gewissen.

Na, ob jesund is, ob jut in Stand.

                               Frau John

Wat soll denn jesund? wat soll denn in Stande sind?

                            Die Piperkarcka

Dat sollen woll wissen von janz alleine.

                               Frau John

Wat soll ick denn von alleene wissen?

                            Die Piperkarcka

Ob Kind auch nich zujestoßen is.

                               Frau John

Wat for'n Kind? un wat zujestoßen? Reden Se deitsch! Se blubbern ja man
keen eenziget richtiget deitsches Wort aus de Fresse raus.

                            Die Piperkarcka

Wenn ick nur sagen, was wahr is, Frau John.

                               Frau John

Na wat denn?

                            Die Piperkarcka

Mein Kind ...

                               Frau John
                  haut ihr eine gewaltige Backpfeife.

... Det sache nochmal, un denn kriste so lange den Schuh um de Ohren,
bis et dir vorkommt, det du 'ne Mutter von Drillinge bist. Nu raus! Un
nu laß dir nich wieder blicken!

                            Die Piperkarcka
       will fort. Rüttelt an der Tür, die aber verschlossen ist.

Hat mir jeschlagen, zu Hilfe, zu Hilfe! Brauche mir nich jefallen zu
lassen! -- (weinend) -- Aufmachen! Hat mir mißhandelt, Frau John!

                               Frau John
     vollkommen umgewandelt, umarmt Pauline, sie so zurückhaltend.

Pauline, um Jottet willen, Pauline! Ick weeß nich, wat in mir jefahren
hat! Sein Se man jut, ick leiste ja Abbitte! Wat soll ick tun? Pauline,
soll ick fußfällig uf de Knie, Pauline, Pauline! Abbitte tun?

                            Die Piperkarcka

Was haben mir ins Jesicht jeschlagen? Ick jehe zu Wache und zeigen an,
det mir hier ins Jesicht jeschlagen hat. Ick zeigen an, ick gehen zu
Wache.

                               Frau John
                         hält ihr Gesicht hin.

Da! hauste mir wieder in't Jesicht! denn is et jut! denn is er
verjlichen.

                            Die Piperkarcka

Ick jehe zu Wache ...

                               Frau John

Denn is et verjlichen. Ick sache, Mächen, denn is et, Mächen, sag ick,
akkurat mit de Wage verjlichen! Wat wiste nu, Mächen? Nu jeradezu.

                            Die Piperkarcka

Wat soll mich nützen, wenn Backe jeschwollen is.

                               Frau John
                  haut sich selbst ein Backenstreich.

Da! Meine Backe is och jeschwollen. Mächen, hau zu, und jeniere dir
nich. -- Un denn komm, denn raus, watte uf 'n Herzen hast. Ick will
mittlerweile ... ick koche inzwischen for Sie und for mir, Freilein
Pauline, 'n rechten juten Bohnenkaffee, Jott weeß et, und keene
Zichorientunke.

                            Die Piperkarcka
                                weicher.

Warum sin denn auf einmal so niederträchtig und jrob zu mich armes
Mächen, Frau John?

                               Frau John

Det is et! det mecht ick alleene wissen! Komm Se, Pauline, setzen sich.
So! Scheenecken sag ick! Setzen sich! Scheen, det Se mich ma besuchen
komm! Wat ha ick von meine Mutter deswechen schon for Schmisse jekricht,
ick bin doch aus Brickenberch jebürtig! weil ick mir manchmal ja nich
jekannt habe. Die hat mehr wie eemal zu mich jesacht: Mädel paß uf: du
machst dir ma unglücklich. Det kann och sin, det se recht haben dut. Wie
jeht's, Pauline, wat machen Se denn?

                            Die Piperkarcka
     legt Scheine und Silbergeld, die Handvoll, ohne zu zählen, auf
                               den Tisch.

Hier is det Jeld: ick brauchen ihm nicht.

                               Frau John

Ick weeß doch von keenen Jelde, Pauline.

                            Die Piperkarcka

Oh, werden woll janz jut wissen von Jeld! Et hat mir jebrannt. Et war
mich wie Schlange unter Kopfkissen ...

                               Frau John

I wo denn ...?

                            Die Piperkarcka

Is vorjekrochen, wo ick müde bin einjeschlafen. Hat mir jepeinigt, hat
mir umringt! hat mir jequetscht, wo ick habe laut aufjeschrien und meine
Wirtin hat mir jefunden, wo ick fast abjestorben, längelang auf Diele
jelegen bin.

                               Frau John

Lassen Se det man jut sind, Pauline! -- Trinken Se erst ma 'n kleenen
Schnaps! -- (Sie gießt ihr Kognak ein.) -- Un dann essen Se erst ma 'n
Happen-Pappen: mein Mann hat jestern Jeburtstag jehat.

   Sie holt einen Streußelkuchen, von dem sie Streifen schneidet.

                            Die Piperkarcka

I wo denn, ick mag nich essen, Frau John.

                               Frau John

Det stärkt, det dut jut, det mussen Se essen! Aber ick muß mir doch
freuen, Pauline, det Se doch wieder mit Ihre jute Natur bei Ihre Kräfte
jekommen sin.

                            Die Piperkarcka

Nu will ick et aber mal sehn, Frau John.

                               Frau John

Wat denn, Pauline? Wat woll'n Se denn sehn?

                            Die Piperkarcka

Hätt' ick laufen jekonnt, wär' ick früher jekomm. Das will jetzt sehn,
warum jekommen bin.

   Frau John, deren fast kriechende Freundlichkeiten von angstvoll
   bebenden Lippen gekommen sind, erbleicht auf eine unheilverkündende
   Weise und schweigt. Sie geht nach dem Küchenschrank, reißt die
   Kaffeemühle heraus und schüttet heftig Kaffeebohnen hinein. Sie
   setzt sich, quetscht die Kaffeemühle energisch zwischen die Knie,
   faßt die Kurbel und starrt mit einem verzehrenden Ausdruck
   namenlosen Hasses zur Piperkarcka hinüber.

                               Frau John

So? -- Ach! -- Wat wißte sehen? -- Wat wißte nu jetzt uf eemal sehn? --
Det, det wat te hast mit deine zwee Hände erwürchen jewollt.

                            Die Piperkarcka

Ick? --

                               Frau John

Wißte noch liechen? Ick werde dir anzeigen.

                            Die Piperkarcka

Nu haben mir aber jenug jequält und bis auf't Blut jemartert, Frau John.
Mir nachjestellt! mir Schritt und Tritt nich Ruhe jelassen. Bis haben
Kind auf Oberboden auf Haufen alter Lumpen zu Welt jebracht. Mich
Hoffnung jemacht, mich schlechten Spitzbubenjungen Angst jemacht. Mich
Karten jelegt von wegen mein Bräutigam un weiterjehetzt, bis bin wie
verrückt jeworden.

                               Frau John

Det bist du och noch! Jawoll: du bist janz und jar verrückt! Wat, ick
hab dir jequält? Wat hab ick? Ick habe dir aus 'n Rinnstein jelesen! Ick
hab dir jeholt bei Schneejestöber, bei de Normaluhr, wo de hast mit
verzweifelte Ochen -- un wie de hast ausjesehen! -- hintern
Lanternanzünder herjestarrt. Jawoll: denn ha ick dir nachjestellt, det
dir der Schutzmann, det dir der jrüne Wagen, det dir der Deibel nich hat
holen jekonnt! Ick habe dir keene Ruhe jelassen, ick ha dir jemartert,
bis det de nich sollst mit dein Kind unterm Herzen in't Wasser jehn. --
(Äfft ihr nach.) -- Ick jeh im Landwehrkanal, Mutter John! Ick erwürche
det Kind! Ick ersteche det Wurm mit meine Hutnadel! Ick jeh, ick lauf,
wo der Lump von Vater sitzen un Zither spielen dut, mitten in't Lokal,
und schmeiß ihn det tote Kind vor die Fiße. Det haße jesacht, so haste
jesprochen, so jing et den lieben langen Dach, un manchmal de halbe
Nacht noch dazu, bis ick dir hab hier ins Bette jebracht un so lange
jestreichelt, det de bist endlich einjeschlafen un bist mittags um
zwölf, wie die Glocken von alle Kirchen jeläut't haben, an andern Dache
erst wieder ufjewacht. Jawoll, so ha ick dir angst jemacht, wieder
Hoffnung jemacht, so ha ick dir keene Ruhe jelassen! Haste det allens
verjessen! wat?

                            Die Piperkarcka

Aber et is doch mein Kind, Mutter John ...

                               Frau John
                                schreit.

Denn hol et dir aus'n Landwehrkanale!

   Sie springt auf, läuft umher und nimmt bald diesen, bald jenen
   Gegenstand in die Hand, um ihn sogleich wieder wegzuwerfen.

                            Die Piperkarcka

Soll ick mein Kind nich ma sehen dürfen?

                               Frau John

Spring in't Wasser un such et! denn haste et! Weeß Jott, ick halte dir
nu weiter nich.

                            Die Piperkarcka

Jut! Mejen mich schlajen, mejen mir prügeln, mejen mir schmeißen
Wasserflasche an Kopp: eh' nich weiß wo Kind is, eh' nich haben mit
Augen jesehn, bringen mich keiner und niemand von Stelle fort.

                               Frau John
                              einlenkend.

Pauline, ick ha et in Flege jejeben!

                            Die Piperkarcka

Lieche! Ick hör et doch schmatzen, wo et janz jenau hintern Vorhang is!
-- (Das Kind hinter dem Tapetenverschlag beginnt zu schreien. Die
Piperkarcka eilt auf den Vorhang zu, dabei nicht ohne falsche Note, ein
wenig pathetisch weinerlich rufend): -- Weine nicht, armes, armes
Jungchen, jutes Mutterchen kommen schon!

                               Frau John
      fast von Sinnen, ist vor den Eingang gesprungen, den sie der
                         Piperkarcka verstellt.

                            Die Piperkarcka
              ohnmächtig wimmernd, mit geballten Fäusten.

Soll mir jetzt zu mein Kinde reinlassen.

                               Frau John
                          furchtbar verändert.

Sieh mir ma an, Mächen! Mächen, sieh mir ma in't Jesicht! -- Jlobst du,
det mit eene, die aussieht wie ich ... det mit mir noch zu spaßen is? --
(Die Piperkarcka hat wimmernd Platz genommen.) -- Setz dir! flenne!
wimmere! bis dir, ick weß nich wat ... jammere, bis det dir die Jurjel
verschwollen is! det, wenn de hier rin willst -- denn bist du tot oder
ick bin tot -- un denn is och det Jungchen nich mehr am Leben!

                            Die Piperkarcka
                       erhebt sich entschlossen.

Denn jeben acht, was jeschehen, Frau John.

                               Frau John
                          wiederum einlenkend.

Pauline, die Sache is zwischen uns richtig un abjemacht. Wat wollen Se
sich mit det Kindchen behängen, wo jetzt mein Kindeken und in beste
Hände jeborjen is? Wat wollen Se denn mit det Kindeken ufstellen? Jehn
Se zu Ihren Breitijan! da sollen Se woll mit den Besseres zu tun haben
als Kinderjeschrei, Kindersorchen und Kimmernis.

                            Die Piperkarcka

Erst recht! Nu jerade! Nu muß er mir heiraten! -- Haben alle ... hat
Frau Kielbacke, als ick mir mussen haben behandeln lassen, zu mich
jesacht. Soll nich nachjeben! Muß mir heiraten. Auch Standesbeamte gab
mich Rat. Hat jesacht, janz wütend, als ick haben erzählt, wohin
jekrochen un habe Kind auf Dachboden Welt jebracht ... schreit janz
wütend: ick muß nich nachlassen. Hat jesacht: arme jeschundene Kreatur
zu mich, Tasche jejriffen, Taler zwei Jroschen Jeld jeschenkt. Jut!
lasse mir weiter nich ein, Frau John. Adje! Bin bloß jekommen, sowieso,
daß morjen nachmittag fünf zu Hause sind. Warum? weil morjen
einjesetzter Pfleger von Jemeinde nachsehn kommt. Ick werde mir weiter
hier noch rumärgern.

                               Frau John
                          starr, entgeistert.

Wat? du hast et jemeld uf't Standesamt?

                            Die Piperkarcka

Etwa nich? Ick soll woll Jefängnis komm?

                               Frau John

Wat hast du jemeldet beim Standesbeamten?

                            Die Piperkarcka

Sonst janischt, als det mit Knaben niederjekommen bin. Ick hab mir
jeschämt, o Jott! bin über un über rot jeworden! Mir is, ick sink jleich
in de Erde rin.

                               Frau John

So! -- Wenn de dir so jeschämt hast, Mächen, warum haste's denn aber
anjezeigt?

                            Die Piperkarcka

Weil mich meine Wirtin und och Frau Kielbacke, wo mich hinjeführt hat,
mich partout nich Ruhe jejeben.

                               Frau John

So! -- Denn wissen se't also uf't Standesamt?

                            Die Piperkarcka

Na ja, det mussen se wissen, Frau John.

                               Frau John

... Aber ha ick dir dat nich einjeschärft ...? ...

                            Die Piperkarcka

Det muß man melden! Soll ick denn abjeführt Untersuchung und Plötzensee
gesteckt?

                               Frau John

Ick ha doch jesacht: ick jeh et anmelden.

                            Die Piperkarcka

Habe jleich bei Standesbeamte jefracht. Is keene jekommen hat anjemeldt.

                               Frau John

Un wat haste nu also anjejeben?

                            Die Piperkarcka

Daß Aloisius Theophil heißen soll un daß bei Sie, Frau John, in Pflege
is.

                               Frau John

Un morjen will eener nachsehn komm?

                            Die Piperkarcka

Det is een Herr von de Vormundschaft. Was is denn weiter? Nun sin doch
ruhig un sin vernünftig. Haben mich wirklich vorher Schrecken in alle
Jlieder jejagt.

                               Frau John
                               abwesend.

Nu freilich: det is nu nich mehr zu ändern. Det is ja nu och in
Jottesnamen nu jroß weiter nischt.

                            Die Piperkarcka

Gelt, un kann nu mein Kindchen auch sehn, Frau John.

                               Frau John

Heute nich! Morjen, morjen, Pauline.

                            Die Piperkarcka

Warum nich heut?

                               Frau John

Weil det det Beschreien nich jut dut, Pauline! Also morjen, um Uhre
fünfen nachmittag?

                            Die Piperkarcka

Steht jeschrieben, sagt mir Wirtin, daß Herr von die Stadt, Uhren fünfen
morjen nachsehn kommt.

                               Frau John
   indem sie die Piperkarcka hinausschiebt und selbst mit hinausgeht,
                        im Tone der Abwesenheit.

Jut so. Laß er man kommen, Mächen.

   Frau John ist einen Augenblick auf den Flur hinausgetreten und kommt
   ohne die Piperkarcka wieder herein. Sie ist seltsam verändert und
   geistesabwesend. Sie tut einige hastige Schritte gegen die
   Verschlagstür, steht jedoch plötzlich wieder still mit einem
   Gesichtsausdruck vergeblichen Nachsinnens. Dieses Grübeln
   unterbricht sie, heftig gegen das Fenster zu eilend. Hier wendet sie
   sich und wieder erscheint der hilflose Ausdruck schwerer
   Bewußtlosigkeit. Langsam, wie eine Nachtwandlerin, tritt sie an den
   Tisch und läßt sich daran nieder, das Kinn in die Hand stützend. Nun
   erscheint Selma Knobbe in der Tür.

                                 Selma

Mutter schläft, Frau John. Ick ha solchen Hunger. Kann ick 'n Happen
Brot kriejen?

   Frau John erhebt sich mechanisch und schneidet ein Stück von einem
   Laib Brot, wie unter dem Einfluß einer Suggestion.

                                 Selma
                 der die Verfassung der Frau auffällt.

Ick bin's! -- Wat is denn? -- Schneiden sich man bloß nich etwa mit
Brotmesser.

                               Frau John
    mit trockenem Röcheln, das sie mehr und mehr überwältigt, indem
     sie Brot und Brotmesser willenlos auf den Tisch gleiten läßt.

Angst! -- Sorje! -- Da wißt Ihr nischt von!

   Sie zittert und sucht einen Halt, um nicht umzusinken.




                              Dritter Akt


   Alles wie im ersten Akt. Die Lampe brennt. Auf dem Gange schwaches
   Ampellicht.

   Direktor Hassenreuter gibt seinen drei Schülern, Spitta, Dr. Kegel
   und Käferstein, dramatischen Unterricht. Er selbst sitzt am Tisch,
   öffnet fortgesetzt Briefe und schlägt skandierend mit dem Falzbein
   auf den Tisch. Vorn stehen auf der einen Seite Kegel und Käferstein,
   auf der anderen Spitta einander als beide Chöre der Braut von
   Messina gegenüber. Ihre Füße befinden sich innerhalb eines Schemas
   aufgestellt, das mit Kreide auf den Fußboden gezeichnet ist und
   diesen in die vierundsechzig Felder des Schachbretts einteilt. Auf
   dem Kontorbock am Stehpult sitzt Walburga, in ein großes Kontobuch
   eintragend. Im Hintergrund, wartend, steht der Vizewirt oder
   Hausmeister Quaquaro, ein vierzigjähriger, vierschrötiger Mensch,
   der Inhaber eines wandernden Zirkus und, als Athlet, Hauptmitglied
   desselben sein könnte. Seine Sprache ist tenorhaft guttural. Er
   trägt Schlafschuhe. Die Beinkleider durch einen gestickten Gürtel
   gehalten. Ein offenes Hemd, nicht unsauber, ein leichtes Jackett und
   die Mütze in der Hand.

                        Dr. Kegel und Käferstein
                        mit gewaltiger Pathetik.

   »Dich begrüß ich in Ehrfurcht,
   Prangende Halle,
   Dich, meiner Herrscher
   Fürstliche Wiege,
   Säulengetragenes herrliches Dach.
   Tief in der Scheide« ...

                         Direktor Hassenreuter
                            schreit wütend.

Pause! Punkt! Punkt! Pause! Punkt! Sie drehen doch keinen Leierkasten!
Der Chor aus der Braut von Messina ist doch kein Leierkastenstück! »Dich
begrüß ich in Ehrfurcht« nochmal von Anfang an, meine Herren! »Dich
begrüß ich in Ehrfurcht, prangende Halle!« Etwa so, meine Herren! »Tief
in der Scheide ruhe das Schwert.« Punktum! »Herrliches Dach« wollt' ich
sagen: punktum! Meinethalben fahren Sie fort.

                        Dr. Kegel und Käferstein

   »Tief in der Scheide
   Ruhe das Schwert,
   Vor den Toren gefesselt
   Liege des Streits schlangenhaarigtes Scheusal.
   Denn ...

                         Direktor Hassenreuter
                              wie vorher.

Halt! Wissen Sie nicht, was ein Punkt bedeutet, meine Herren? Haben Sie
denn keine Elementarkenntnisse? »Schlangenhaarigtes Scheusal.« Punkt!
Denken Sie sich einen Pfahl eingerammt: halt! Punkt! Alles ist
totenstille! als wenn Sie gar nicht mehr in der Welt wären, Käferstein!
Und dann raus mit der Posaunenstimme aus der Brust! Halt! Um Gottes
willen nicht lispeln! -- »Denn ...« weiter! los!

                        Dr. Kegel und Käferstein

   »Denn des gastlichen Hauses
   Unverletzliche Schwelle
   Hütet der Eid, der Erinnyen Sohn ...«

                         Direktor Hassenreuter
                   springt auf, brüllt, läuft umher.

Eid, Eid, Eid, Eid!! Halt! Wissen Sie nicht, was ein Eid ist,
Käferstein? »Hütet der Eid!! -- der Erinnyen Sohn.« Der Eid ist der
Erinnyen Sohn, Dr. Kegel! Stimme heben! Tot! Das Publikum, bis zum
letzten Logenschließer, ist eine einzige Gänsehaut! Schauer durchrieselt
alle Gebeine! Passen Sie auf: »Denn des Hauses Schwelle hütet der Eid!!!
-- der Erinnyen Sohn, der furchtbarste unter den Göttern der Hölle!« --
-- Nicht wiederholen, weiter im Text! Sie können sich aber jedenfalls
merken, daß ein Eid und ein Münchner Bierrettich zwei verschiedene Dinge
sind.

                                 Spitta
                              deklamiert.

   »Zürnend ergrimmt mir das Herz im Busen ...«

                         Direktor Hassenreuter

Halt! -- (Er läuft zu Spitta und biegt an seinen Armen und Beinen herum,
um eine gewünschte tragische Pose zu erzielen.) -- Erstlich fehlt die
statuarische Haltung, mein lieber Spitta. Die Würde einer tragischen
Person ist bei Ihnen auf keine Weise ausgedrückt. Dann sind Sie nicht,
wie ich ausdrücklich verlangt habe, von Feld I D mit dem rechten Fuß auf
II C getreten! Endlich wartet Herr Quaquaro: unterbrechen wir einen
Augenblick! -- (Er wendet sich an Quaquaro.) -- So, jetzt steh' ich zu
Diensten, Herr Vizewirt! das heißt, ich habe Sie bitten lassen, weil mir
leider, wie sich bei der Inventur herausstellt, mehrere Kisten mit
Kostümen abhanden gekommen, mit andern Worten gestohlen sind. Bevor ich
nun meine Anzeige mache, wozu ich natürlich entschlossen bin, wollte ich
erst mal Ihren Rat hören. Um so mehr, da sich auch sonst noch etwas, wie
soll ich sagen, eine sonderbare Bescherung, statt der verlornen
Kleiderkisten, in einem Winkel des Bodens angefunden hat: ein Fund, um
Virchow zu benachrichtigen. Erstlich ein blaukariertes Plumeau, wahrhaft
prähistorisch, und eine unaussprechliche Scherbe, deren Bestimmung im
ganzen harmlos, aber ebenfalls unaussprechlich ist.

                                Quaquaro

Herr Direkter, ick kann ja ma oben steigen.

                         Direktor Hassenreuter

Tun Sie das. Sie finden oben Frau John, die durch den Fund eigentlich
noch mehr wie ich selbst beunruhigt ist. Diese drei Herren, die meine
Schüler sind, lassen es sich partout nicht ausreden, daß da oben etwas
wie eine Mordgeschichte vorgefallen ist. Aber bitte: wir wollen keinen
Skandal schlagen.

                               Käferstein

Wenn bei meiner Mutter in Schneidemühl im Laden irgend etwas abhanden
kam, hieß es immer, das hätten die Ratten gefressen. Und wirklich, was
man in diesem Hause von Ratten und Mäusen sieht -- auf der Treppe hätt'
ich beinahe eine totgetreten! -- warum sollten Kisten und
Theatergarderobe, Seide schmeckt süß! nicht ebenfalls von ihnen vertilgt
worden sein?

                         Direktor Hassenreuter

Geschenkt, geschenkt! Alle weiteren Schnittwarenladen-Phantasien, ha ha
ha ha! sind Ihnen geschenkt, bester Käferstein. Es fehlt nur noch, daß
Sie uns Ihre Gespenstergeschichten nochmals auftischen, vom
Kavalleristen Sorgenfrei, der sich nach Ihrer Behauptung seinerzeit, als
das Haus noch Reiterkaserne war, mit Sporen und Schleppsäbel auf meinem
Boden erhangen hat. Und daß Sie den noch in Verdacht nehmen.

                               Käferstein

Sie können den Nagel noch sehn, Herr Direktor.

                                Quaquaro

Det wird in janzen Hause rum erzählt von den Soldat, namens Sorjenfrei,
der sich irgendwo hier oben in Dachstuhl mit 'ne Schlinge jeendigt hat.

                               Käferstein

Die Tischlersfrau auf dem Hof und eine Mäntelnäherin aus dem zweiten
Stock haben ihn wiederholt bei hellichtem Tage aus dem Dachfenster
nicken und militärisch stramm heruntergrüßen gesehn.

                                Quaquaro

Een Unteroffizier hat dem Soldaten Sorjenfrei ja woll eene Dunstkiepe
jenannt und 'n aus Feez eene 'rinjelangt. Det hat sich der Dämlack zu
Herzen jenomm.

                         Direktor Hassenreuter

Ha ha ha! Militärmißhandlungen und Geistergeschichten! Diese Verquickung
ist originell, aber zur Sache gehört sie nicht. Ich nehme an, der
Diebstahl oder was sonst in Frage kommt, ist während jener elf oder
zwölf Tage vor sich gegangen, als ich in Geschäften im Elsaß gewesen
bin. Also sehen Sie sich die Geschichte mal an und, bitte, Sie werden
mir nachher Bescheid sagen!

   Der Direktor wendet sich seinen Schülern zu. Quaquaro steigt über
   die Bodentreppe und verschwindet in der Bodenluke.

                         Direktor Hassenreuter

Allright, bester Spitta: schießen Sie los.

                                 Spitta
                rezitiert nur sinngemäß und ohne Pathos.

   »Zürnend ergrimmt mir das Herz im Busen,
   Zu dem Kampf ist die Faust geballt,
   Denn ich sehe das Haupt der Medusen,
   Meines Feindes verhaßte Gestalt.
   Kaum gebiet' ich dem kochenden Blute
   Gönn' ich ihm die Ehre des Worts?
   Oder gehorch' ich dem zürnenden Mute?
   Aber mich schreckt die Eumenide,
   Die Beschirmerin dieses Orts,
   Und der waltende Gottesfriede.«

                         Direktor Hassenreuter
       hat sich niedergelassen und lauscht, den Kopf in die Hand
    gestützt, voll Ergebenheit. Erst einige Sekunden, nachdem Spitta
            geendet hat, blickt er wie zu sich kommend auf.

Sind Sie fertig, Spitta?! -- Ich danke sehr! --

Sehen Sie, lieber Spitta, ich bin nun Ihnen gegenüber wieder mal in die
allerverzwickteste Lage geraten: entweder, ich sage Ihnen frech ins
Gesicht, daß ich Ihre Vortragsart schön finde -- und dann habe ich mich
der allerniederträchtigsten Lüge schuldig gemacht! oder ich sage, ich
finde sie scheußlich, und dann haben wir wieder den schönsten Krach.

                                 Spitta
                              erbleichend.

Ja, alles Gestelzte, alles Rhetorische liegt mir nicht. Deshalb bin ich
ja von der Theologie abgesprungen, weil mir der Predigerton zuwider ist.

                         Direktor Hassenreuter

Da wollen Sie wohl die tragischen Chöre wie der Gerichtsschreiber ein
Gerichtsprotokoll oder wie der Kellner die Speisekarte herunterhaspeln?

                                 Spitta

Ich liebe überhaupt den ganzen sonoren Bombast der Braut von Messina
nicht.

                         Direktor Hassenreuter

Sagen Sie das nochmal, lieber Spitta.

                                 Spitta

Es ist nicht zu ändern, Herr Direktor: unsre Begriffe von dramatischer
Kunst divergieren in mancher Beziehung total.

                         Direktor Hassenreuter

Mensch, Ihr Gesicht in diesem Augenblick ist ja geradezu ein Monogramm
des Größenwahns und der Dreistigkeit. Pardon! aber jetzt sind Sie mein
Schüler und nicht mehr mein Hauslehrer! Ich! und Sie!? Sie blutiger
Anfänger! Sie und Schiller! Friedrich Schiller! Ich habe Ihnen schon
zehnmal gesagt, daß Ihr pueriles bißchen Kunstanschauung nichts weiter
als eine Paraphrase des Willens zum Blödsinn ist.

                                 Spitta

Das müßte mir erst bewiesen werden.

                         Direktor Hassenreuter

Sie beweisen es selbst, wenn Sie den Mund auftun! -- Sie leugnen die
Kunst des Sprechens, das Organ, und wollen die Kunst des organlosen
Quäkens dafür einsetzen! Sie leugnen die Handlung im Drama und
behaupten, daß sie ein wertloses Akzidenz, eine Sache für Gründlinge
ist. Sie negieren die poetische Gerechtigkeit, Schuld und Sühne, die Sie
als pöbelhafte Erfindung bezeichnen: eine Tatsache, wodurch die
sittliche Weltordnung durch Euer Hochwohlgeboren gelehrten und
verkehrten Verstand aufgehoben ist. Von den Höhen der Menschheit wissen
Sie nichts. Sie haben neulich behauptet, daß unter Umständen ein Barbier
oder eine Reinmachefrau aus der Mulackstraße ebensogut ein Objekt der
Tragödie sein könnte als Lady Macbeth und König Lear.

                                 Spitta
                      bleich, putzt seine Brille.

Vor der Kunst wie vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich, Herr
Direktor.

                         Direktor Hassenreuter

So? Ach!? Wo haben Sie diesen hübschen Gemeinplatz her?

                                 Spitta
                               unbeirrt.

Dieser Satz ist mir zur zweiten Natur geworden. Ich befinde mich dabei
vielleicht mit Schiller und Gustav Freytag, aber keinesfalls mit Lessing
und Diderot im Gegensatz. Ich habe die letzten zwei Semester mit dem
Studium dieser wahrhaft großen Dramaturgen zugebracht, und der gestelzte
französische Pseudoklassizismus bleibt mir durch sie endgültig
totgeschlagen, sowohl in der Dichtkunst als in den grenzenlos läppischen
späteren Goetheschen Schauspielervorschriften, die durch und durch
mumifizierter Unsinn sind.

                         Direktor Hassenreuter

So!

                                 Spitta

Und wenn sich das deutsche Theater erholen will, so muß es auf den
jungen Schiller, den jungen Goethe des Götz und immer wieder auf
Gotthold Ephraim Lessing zurückgreifen: dort stehen Sätze, die der Fülle
der Kunst und dem Reichtum des Lebens angepaßt, die der Natur gewachsen
sind.

                         Direktor Hassenreuter

Walburga! Ich glaube, Herr Spitta verwechselt mich. Herr Spitta, Sie
wollen Privatstunden halten. Bitte, zieh dich doch mit Herrn Spitta zur
Privatstunde in die Bibliothek zurück! -- Wenn die menschliche Arroganz
und besonders die der jungen Leute kristallisiert werden könnte, die
Menschheit würde darunter wie eine Ameise unter den Granitmassen eines
Urgebirges begraben sein.

                                 Spitta

Ich würde dadurch aber nicht widerlegt werden.

                         Direktor Hassenreuter

Mensch! Ich habe nicht nur zwei Semester königliche Bibliothek hinter
mir, sondern ich bin ein ergrauter Praktiker und ich sage Ihnen, daß der
Goethesche Schauspielerkatechismus A und O meiner künstlerischen
Überzeugung ist. Paßt Ihnen das nicht, so suchen Sie sich einen anderen
Lehrmeister.

                                 Spitta
                               unbeirrt.

Goethe setzte sich mit seinen senilen Schauspielerregeln, meiner Ansicht
nach, zu sich selbst und zu seiner eigenen Natur in kleinlichsten
Gegensatz. Und was soll man sagen, wenn er dekretiert: jede spielende
Person, gleichviel welchen Charakter sie darstellen soll -- wörtlich! --
müsse etwas Menschenfresserartiges in der Physiognomie zeigen --
wörtlich! -- wodurch man sogleich an ein hohes Trauerspiel erinnert
werde. --

   Käferstein und Kegel versuchen Menschenfresserphysiognomien.

                         Direktor Hassenreuter

Ziehen Sie doch das Notizbuch, mein guter Spitta, und schreiben Sie,
bitte, hinein, daß Direktor Hassenreuter ein Esel ist! Schiller ein
Esel! Goethe ein Esel! natürlich auch Aristoteles -- (er fängt plötzlich
wie toll zu lachen an) -- und, ha ha ha! ein gewisser Spitta ein
Nachtwächter!

                                 Spitta

Es freut mich, Herr Direktor, daß Sie doch wenigstens wieder bei guter
Laune sind.

                         Direktor Hassenreuter

Nein, Teufel, ich bin bei sehr schlechter Laune! Sie sind ein Symptom.
Also nehmen Sie sich nicht etwa wichtig! -- Sie sind eine Ratte! aber
diese Ratten fangen auf dem Gebiete der Politik -- Rattenplage! -- unser
herrliches neues geeinigtes Deutsches Reich zu unterminieren an. Sie
betrügen uns um den Lohn unserer Mühe! und im Garten der deutschen Kunst
-- Rattenplage! -- fressen sie die Wurzeln des Baumes des Idealismus ab:
sie wollen die Krone durchaus in den Dreck reißen. -- In den Staub, in
den Staub, in den Staub mit euch!

   Käferstein und Dr. Kegel wollen ernst bleiben, brechen indessen bald
   in lautes Gelächter aus, in das der Direktor hineingerissen wird.
   Walburga macht große Augen. Spitta behält seinen Ernst.

   Nun steigt Frau John über die Leiter vom Boden herunter, nach
   einiger Zeit folgt ihr Quaquaro, der Vizewirt.

                         Direktor Hassenreuter
     bemerkt Frau John, weist heftig mit beiden Armen auf sie, wie
                 wenn er eine Entdeckung gemacht hätte.

Da kommt Ihre tragische Muse, Spitta.

                               Frau John
         die sich unter dem Gelächter des Direktors, Kegels und
                  Käfersteins genähert hat, verdutzt.

Wat ha ick denn an mir, Herr Direkter?

                         Direktor Hassenreuter

Alles Gute und Schöne, beste Frau John! Danken Sie Gott, wenn Ihr
stilles, eingezogenes, friedliches Leben Sie zur tragischen Heldin
ungeeignet macht. -- Aber sagen Sie, haben Sie etwa Gespenster gesehen?

                               Frau John
                       mit unnatürlicher Blässe.

I, weshalb denn nu det?

                         Direktor Hassenreuter

Etwa gar wieder den famosen Soldaten Sorgenfrei, der dort oben als
Deserteur ins bessere Jenseits seine Militärkarriere beschlossen hat?

                               Frau John

I, wenn't 'n lebendicher Mensch wär, det kennte sind: vor tote Jeister
furcht ick mir nich.

                         Direktor Hassenreuter

Na, wie war's, Herr Quaquaro, unter den Bleidächern?

                                Quaquaro
            der einen schwedischen Reiterstiefel mitbringt.

Ick habe mir allens jut umjesehen un bin zur Iberzeijung jekomm, det
mindestens obdachloses Jesindel oben, durch wat for'n Zujang weeß ick
noch nich, jenächtigt hat. Un denn hab ick det hier in Stiefel jefunden.
--

   Er zieht aus dem Reiterstiefel ein Kinderfläschchen mit
   Gummipfropfen, halb mit Milch gefüllt.

                               Frau John

Det erklärt sich: ick ha oben zu'n rechten jesehn und ha Adelbertchen
bei mich jehat. -- Ick bin an die janze Jeschichte unschuldig!

                         Direktor Hassenreuter

Das Gegenteil hat wohl auch niemand behauptet, Frau John.

                               Frau John

Wo Adelbertchen zur Welt kam ... wo Adelbertchen jestorben war ... der
soll ma komm und soll mir sachen, wat eene richtiche Mutter is ... aber
nu muß ick fort, Herr Direkter ... Nu kann ick zweer Tage och drei nich
oben komm. Atje! ick muß ma bißken mit Adelbertchen bei meine Schwächern
zeichen uf Sommerfrische. --

   Sie trottet durch die Flurtür ab.

                         Direktor Hassenreuter

Was hat sie da durcheinander gefaselt?

                                Quaquaro

Schon wo se det erste Kindeken hatte, nu jar nachdem, wie et jestorben
is, wa eene Schraube los bei die John. Seit se nu jar det Zweete hat,
wackeln zweee. Hinjejen, deswechen, rechnen kann se. Die hat manchen
juten Jroschen bei schene Prozente uf Fänder ausjeborcht.

                         Direktor Hassenreuter

Was soll ich nun als Bestohlener tun?

                                Quaquaro

Det kommt druf an, wo Verdacht hin is.

                         Direktor Hassenreuter

In diesem Hause? -- Sagen Sie selbst, Herr Quaquaro ...

                                Quaquaro

Det is ja nu wahr, aber et is nu doch och so weit, det nächstens bißken
jesäubert wird. De Witwe Knobbe mit ihren Anhang wird rausjeschmissen!
Und denn is eene Blase uf Flijel B, wo Schutzmann Schierke mir hat
jesacht, det sich schwere Jungen mang mang befinden: wo de Polizei
nächstens ausheben wird.

                         Direktor Hassenreuter

Irgendwo hier im Hause ist doch ein Gesangverein. Ich höre wenigstens
manchmal wirklich hübsche Männerstimmen »Deutschland, Deutschland über
alles«, »Wer hat dich, du schöner Wald«, »In einem kühlen Grunde« und
dergleichen absingen.

                                Quaquaro

Det sind se! det sind se! die singen so jut wie de blaue Zwiebel! det
sind se, jewiß! Wo man singt, da laß dir jeruhig nieder, heeßt et zwar,
aber det wollt ick keenen raten ... Ick wage mir och man mit mein Prinz,
wat meine Bulldogge is, mang die feine Jesellschaft rin. Immer
anzeichen, anzeichen, Herr Direkter.

   Quaquaro geht ab.

                         Direktor Hassenreuter

Sein Auge blitzt Kaution. Sein Wort heischt Preußisch-Kurant. Seine
Faust bedeutet Kündigung. Wer um Ultimo nicht von ihm träumt, kann von
Glück sagen. Wer von ihm träumt, der brüllt nach Hilfe. Ein
scheußlicher, schmalziger Kerl! aber ohne ihn bekämen die Pächter dieser
Staatsbaracke die Miete nicht, und der Militärfiskus könnte die Pacht in
den Rauchfang schreiben. -- (Die Türschelle geht.) -- Das ist Fräulein
Alice Rütterbusch! die junge Naive, die ich leider bei dem Hangen und
Bangen auf die Entscheidung der Straßburger Stadtväter mir noch immer
kontraktlich nicht sichern kann. Nach meiner Ernennung, zu der Gott mir
helfe, wird ihr Engagement meine erste direktoriale Handlung sein. --
Walburga und Spitta, marsch auf den Oberboden. Zählt die sechs Kisten
durch, wo der Vermerk Journalisten steht, daß wir im geeigneten
Augenblick mit der Inventur fertig sind. -- (Zu Käferstein und Dr.
Kegel) -- Sie mögen derweil in die Bibliothek treten.

   Er geht, um die Flurtür zu öffnen.

   Walburga und Spitta verschwinden eilig und sehr bereitwillig auf den
   Oberboden. Käferstein und Kegel gehen in die Bibliothek.

                         Direktor Hassenreuter
                            im Hintergrund.

Bitte, kommen Sie nur herein, meine Gnädige! Pardon! Bitte sehr um
Pardon, mein Herr! Ich erwartete eine Dame ... ich erwartete eine junge
Dame ... Aber bitte, treten Sie doch herein.

   Der Direktor kommt mit Pastor Spitta wieder nach vorn. Pastor
   Spitta, sechzig Jahre alt, ist ein etwas verbauerter kleiner
   Landpfarrer. Man könnte ihn ebensogut für einen Feldmesser oder
   kleinen Gutsbesitzer nehmen. Er ist von kräftiger Erscheinung,
   kurznackig, wohlgenährt und hat ein etwas zusammengequetschtes,
   breites Luthergesicht. Er trägt Schlapphut, Brille, Stock, einen
   Lodenmantel überm Arm; ungeschlachte Stiefel und die Verfassung
   seiner übrigen Kleidung zeigt, daß sie an Wetter und Wind schon seit
   lange gewöhnt sind.

                             Pastor Spitta

Wissen Sie, wer ich bin, Herr Direktor?

                         Direktor Hassenreuter

Nicht durchaus bestimmt, aber ...

                             Pastor Spitta

Wagen Sie's nur daraufhin, Herr Direktor: nennen Sie mich bis auf
weiteres Pastor Spitta aus Schwoiz in der Uckermark, dessen Sohn Erich
Spitta, jawohl, in Ihrer Familie als Hauslehrer oder so ähnlich, tätig
gewesen ist. Erich Spitta: das ist mein Sohn. Das sag' ich mit schwerer
Bekümmernis.

                         Direktor Hassenreuter

Zunächst freue ich mich, Sie begrüßen zu können. Ich möchte Sie aber im
gleichen Atem bitten, Herr Pastor, des bewußten Seitensprunges wegen,
den Ihr Sohn Erich sich leistet, nicht allzu bekümmert, nicht allzu
besorgt zu sein.

                             Pastor Spitta

O ich bin sehr besorgt. Ich bin sehr bekümmert! -- (Er sieht sich mit
großem Interesse, auf einem Stuhl sitzend, in dem seltsamen Raume um.)
-- Es ist schwer zu sagen, äußerst schwer begreiflich zu machen, bis zu
welchem hohen Grade ich bekümmert bin. Aber verzeihen Sie eine Frage,
Verehrtester: ich war im Zeughaus. -- (Er berührt mit dem Stock einen
der Pappenheimschen Kürassiere.) -- Was sind das für Rüstungen?

                         Direktor Hassenreuter

Das sind Pappenheimsche Kürassiere.

                             Pastor Spitta

Ah ah, ich stellte mir Schiller ganz anders vor! -- (Sich sammelnd.) --
O dieses Berlin! Es verwirrt mich ganz! Sie sehen in mir einen Mann,
Herr Direktor, der nicht nur bekümmert, nicht nur durch dieses Sodom
Berlin im Innersten aufgewühlt, sondern geradezu durch die Tat seines
Sohnes gebrochen ist.

                         Direktor Hassenreuter

Eine Tat? Welche Tat?

                             Pastor Spitta

Das fragen Sie noch? Der Sohn eines redlichen Mannes und ... und ...
Schauspieler.

                         Direktor Hassenreuter
                         gereckt, mit Haltung.

Mein Herr, ich billige den Entschluß Ihres Sohnes nicht. Aber ich
selbst, der ich, _hony soit qui mal y pense_, der Sohn eines redlichen
Mannes und selber, will ich hoffen, ein Mann von Ehre bin, ich, wie ich
hier stehe, ich war selbst Schauspieler und habe noch vor kaum sechs
Wochen bei einem Lutherfestspiel in Merseburg .... ich bin
Kulturkämpfer! nicht nur als Regisseur, sondern auch als Schauspieler
meinen Fuß auf die weltbedeutenden Bretter gestellt. In bezug auf
bürgerliche Ehre und vom Standpunkt der allgemeinen Ehrenhaftigkeit
dürfte also, nach meinen Begriffen wenigstens, der Entschluß Ihres Herrn
Sohnes nicht zu beanstanden sein. Aber es ist ein schwerer Beruf, und
man muß auch außerdem dazu sehr viel Talent haben. Auch geb' ich zu: für
schwache Charaktere ist es ein Beruf, der besonders gefährlich ist. Und
schließlich habe ich selbst die ungeheure Mühsal meines Standes so bis
auf die Nagelprobe kennen gelernt, daß ich jeden davor behüten möchte.
Deshalb gebe ich meinen Töchtern Ohrfeigen, sobald auch nur der leiseste
Gedanke zur Bühne zu gehen sich geltend macht, und eh' ich sie an einen
Mimen verheiratete, würde ich jeder von ihnen einen Stein um den Hals
hängen und sie ertränken im Meer, wo es am tiefsten ist.

                             Pastor Spitta

Ich wollte niemand zu nahe treten. Ich gebe auch zu, ich habe als
schlichter Landpfarrer von alledem keine Vorstellung. Aber denken Sie
sich einen Vater an, eben einen solchen armen Landpfarrer, der seine
Pfennige mühsam zusammenkratzt, um seinem Sohne das Studium zu
ermöglichen. Denken Sie, daß dieser Sohn kurz vor seinem Examen steht
und daß Vater und Mutter -- ich hab eine kranke Frau zu Haus! -- mit
Schmerzen oder mit Sehnsucht, wie Sie wollen, auf den Augenblick warten,
jawohl, wo er in irgendeiner Pfarre seiner Bestimmung von der Kanzel die
Probepredigt halten wird. Und nun kommt dieser Brief! der Junge ist
wahnsinnig. --

   Die Erregung des Pastors ist nicht gerade gespielt, aber beherrscht.
   Das Zittern, womit er nach seinem Briefe in die Brusttasche greift
   und ihn dem Direktor hinhält, ist nicht ganz überzeugend.

                         Direktor Hassenreuter

Junge Leute suchen. Allzusehr dürfen wir uns nicht wundern, wenn eine
Krise im Leben eines jungen Mannes zuweilen nicht zu vermeiden ist.

                             Pastor Spitta

Nun, diese Krise war zu vermeiden. Sie werden aus diesem Briefe unschwer
erkennen, wer verantwortlich für den verderblichen Umschwung in der
Seele eines so jungen, braven und immer durchaus gehorsamen Menschen zu
machen ist. Ich hätte ihn nie sollen nach Berlin schicken. Jawohl: die
sogenannte wissenschaftliche Theologie, die mit allen heidnischen
Philosophen liebäugelt, und die uns den lieben Herrgott in Rauch, den
Herrn und Heiland in Luft verwandeln will, die mache ich für den
schweren Fehltritt meines Kindes verantwortlich. Und nun kommen dazu die
anderen Verführungen: Herr Direktor, ich habe Dinge gesehen, wovon zu
sprechen mir ganz unmöglich ist! Hier habe ich Zettel in allen Taschen:
Elite-Ball! Fesche Damenbedienung! und so fort. Ich gehe halb ein Uhr
nachts ganz ruhig durch die Passage zwischen Linden und Friedrichstraße,
schmeißt sich ein scheußlicher Kerl an mich an, halbwüchsig und fragt
mit einer schmierigen, scheuen Dreistigkeit: ob der Herr vielleicht
etwas Pikantes will? Und nun diese Schaufenster, wo neben den Bildern
der hohen und Allerhöchsten Herrschaften nackte Schauspielerinnen,
Tänzerinnen, kurz die anstößigsten Nuditäten zu sehen sind! Und dann
dieser Korso, dieser Korso! wo die geschminkte, aufgedonnerte Sünde die
Bürgersfrau vom Bürgersteig auf die Straße drängt! Das ist einfach
Weltuntergang, Herr Direktor!

                         Direktor Hassenreuter

Ach Herr Pastor, die Welt! die geht nicht unter! nicht wegen der
Nuditäten und ebensowenig der heimlichen Sünde wegen, die Nachts durch
die Straßen schleicht. Sie wird mich und wahrscheinlich das ganz skurile
Menschheitsintermezzo noch überleben.

                             Pastor Spitta

Was diese jungen Leute vom rechten Wege ablenkt, ist das böse Beispiel,
ist die Gelegenheit.

                         Direktor Hassenreuter

Mit Erlaubnis, Herr Pastor: ich habe eigentlich eine Neigung zum
Leichtsinn in Ihrem Sohne niemals bemerkt. Er hat einen Zug zur
Literatur, und er ist nicht der erste Pastorensohn -- Lessing, Herder
_etcetera_, der in den Weg der Literatur und Poeterei eingebogen ist.
Möglicherweise hat er schon Stücke im Schubfach liegen. Allerdings muß
ich sagen: die Ansichten, die Ihr Herr Sohn auch auf dem Felde der
Literatur vertritt, sind selbst für mich mitunter beängstigend.

                             Pastor Spitta

Das ist ja furchtbar! das ist ja entsetzlich! und geht über meine
schlimmsten Befürchtungen weit hinaus. Und so sind mir die Augen denn
aufgegangen. -- Mein Herr, ich habe acht Kinder gehabt, von denen Erich
unsre schönste Hoffnung, seine nächstälteste Schwester unsre schwerste
Prüfung von Gott bedeutete und die nun, dem Anschein nach, beide von der
gleichen verruchten Stadt als Opfer gefordert worden sind. Das Mädchen
war früh entwickelt, war schön! -- doch -- Jetzt muß ich zu etwas
anderem kommen. -- Ich bin seit drei Tagen in Berlin und habe Erich noch
nicht gesehen. Als ich ihn heute aufsuchen wollte, war er in seiner
Wohnung nicht anwesend. Ich habe eine Weile gewartet und mich natürlich
dabei in seiner Behausung umgesehen. Nun: betrachten Sie dieses Bild,
Herr Direktor!

   Er hat eine kleine Photographie, indem er Erichs Brief zurücklegt,
   aus der Brieftasche genommen und hält sie dem Direktor unter die
   Augen.

                         Direktor Hassenreuter
    nimmt und betrachtet das Bild, bald wie ein Kurzsichtiger, bald
                     wie ein Weitsichtiger, stutzt.

Wieso?

                             Pastor Spitta

An dem albernen Lärvchen liegt weiter nichts. Aber lesen Sie bitte die
Unterschrift.

                         Direktor Hassenreuter

Wo?

                             Pastor Spitta
                                 liest.

»Ihrem einzigen Liebsten, seine Walburga.«

                         Direktor Hassenreuter

Erlauben Sie mal! -- Was heißt das, Herr Pastor?

                             Pastor Spitta

Irgendein Nähmädchen heißt das! Wenn nicht gar irgendeine obskure
Kellnerin!

                         Direktor Hassenreuter
                              sehr bleich.

Hm. -- (Steckt das Bild ein.) -- Ich werde das Bild behalten, Herr
Pastor.

                             Pastor Spitta

In solchem Schmutz wälzt sich dieser Sohn. Und nun denken Sie sich in
meine Lage: mit welchen Gefühlen, mit welcher Stirn soll ich künftig vor
meiner Gemeinde auf der Kanzel stehn ......?

                         Direktor Hassenreuter

Donnerwetter, was geht mich das an, Herr Pastor! Was habe ich mit Ihrem
Sprengel, mit Ihren verlorenen Söhnen und Töchtern und dergleichen zu
tun? (Er zieht wieder die Photographie.) -- Und übrigens, was dieses
kernige, tüchtige Mädchen betrifft, »Kellnerin und dergleichen«, so
irren Sie sich! Weiter sage ich nichts! Alles weitere wird sich finden,
Herr Pastor. Adieu.

                             Pastor Spitta

Ich gestehe frei, ich begreife Sie nicht. Wahrscheinlich ist das der
Ton, der in Ihren Kreisen der übliche ist. Ich gehe und werde Sie nicht
mehr belästigen. Aber ich habe als Vater das Recht vor Gott, Sie, Herr
Direktor, zu verpflichten: verweigern Sie künftig, oder ich werde Mittel
und Wege zu finden wissen, meinem verblendeten Sohne diesen sogenannten
dramatischen Unterricht!

                         Direktor Hassenreuter

Nicht nur das, Herr Pastor: sondern ich werde ihm ganz direkt den Stuhl
vor die Tür setzen.

   Er geleitet den Pastor hinaus, schlägt die Tür zu und kommt ohne ihn
   wieder.

                         Direktor Hassenreuter
                    schleudert die Arme in die Luft.

Hier kann man nur sagen: Neandertaler! -- (Er stürmt die Bodentreppe
hinauf.) -- Spitta, Walburga, kommt mal herab.

   Walburga und Spitta kommen.

                         Direktor Hassenreuter
                 zu Walburga, die ihn fragend ansieht.

Geh auf deinen Kontorbock. Setz dich auf deinen humoristischen
Körperteil! -- Na, und Sie, lieber Spitta, was wollen Sie noch?

                                 Spitta

Sie hatten gerufen, Herr Direktor.

                         Direktor Hassenreuter

Gut. Sehen Sie mir ins Angesicht!

                                 Spitta

Bitte.

   Er tut es.

                         Direktor Hassenreuter

Ihr macht einen dumm! Aber mich sollt ihr nicht dumm machen! Still! --
Kein Wort! Ich hätte mich von Ihnen eines anderen versehen, als eines so
exemplarischen Beweises von Undankbarkeit! -- Still! -- Im übrigen war
ein Herr hier! er fürchtet sich! Vorwärts! Gehen Sie ihm nach! --
Begleiten Sie ihn auf die Straße hinunter. Suchen Sie ihm begreiflich zu
machen, daß ich nicht Euer Schuhputzer bin.

                                 Spitta
             zuckt die Achseln, nimmt seinen Hut, geht ab.

                         Direktor Hassenreuter
       schreitet energisch auf Walburga zu und zieht sie am Ohr.

Und du meine Liebe, du bekommst Ohrfeigen, wenn du mit diesem Schlingel
von verkrachtem Theologen noch jemals ohne meine Erlaubnis zwei Worte
sprichst.

                                Walburga

Au au, Papa.

                         Direktor Hassenreuter

Dieser Wicht, der mit Vorliebe schafsdumme Gesichter macht, als ob er
kein Wässerchen trüben könnte, und dem ich den Zutritt in mein Haus zu
eröffnen so unvorsichtig war, ist leider ein Mensch, hinter dessen Maske
die unverschämteste Frechheit lauert. Ich und mein Haus, wir dienen dem
Geiste der Wohlanständigkeit. Willst du den Schild unserer Ehre
beflecken, etwa wie die Schwester von diesem Burschen, die zur Schande
ihrer Eltern, wie es scheint, in Gasse und Gosse geendigt ist?

                                Walburga

Über Erich bin ich nicht deiner Ansicht, Papa.

                         Direktor Hassenreuter

Was?! Nun jedenfalls kennst du meine Ansicht! und weißt, einen Appell
gegen meine Ansichten gibt es nicht! Du gibst ihm den Laufpaß oder
siehst selber zu, wo du außerhalb deines Elternhauses mit deinem ehr-
und pflichtvergessenen lockeren Lebenswandel durchkommen wirst! Dann
fort mit dir! von solchen Töchtern mag ich nichts wissen!

                                Walburga
                            bleich, finster.

Du sagst ja immer Papa, du hast dir deinen Weg auch ohne deine Eltern
selbständig suchen müssen.

                         Direktor Hassenreuter

Du bist kein Mann.

                                Walburga

Gewiß nicht. Aber denke doch mal an Alice Rütterbusch.

   Vater und Tochter sehen einander fest in die Augen.

                         Direktor Hassenreuter

Wieso? -- Bist du heiß? was? oder bist du irrsinnig? -- (Er lenkt ab,
merklich aus dem Konzept und pocht an die Bibliothek.) -- Wo blieben wir
stehen? Setzen Sie ein.

   Kegel und Käferstein erscheinen.

                           Kegel, Käferstein
                              deklamieren.

   »Weisere Fassung
   ziemet dem Alter.
   Ich, der Vernünftige
   grüße zuerst.«

   Geführt von Spitta erscheint die Piperkarcka, straßenmäßig
   gekleidet, und Frau Kielbacke, die einen Säugling im Steckkissen
   trägt.

                         Direktor Hassenreuter

Was wollen Sie? Mit was für Weibsleuten überlaufen Sie mich?

                                 Spitta

Es ist nicht meine Schuld, Herr Direktor, die Frauen wollten zu Ihnen
hinein.

                             Frau Kielbacke

Nee. Wir wollen man bloß Frau Mauerpolier John sprechen.

                            Die Piperkarcka

Ist doch immer bei Sie hier oben, Frau John?!

                         Direktor Hassenreuter

Ja! Aber ich fange an zu bedauern, daß das so ist, und wünschte
jedenfalls, daß sie ihre privaten Empfänge nicht hier bei mir, sondern
unten bei sich erledigt. Sonst richte ich nächstens vor der Tür
Selbstschüsse oder Fußangeln ein. -- Wo fehlt's Ihnen eigentlich, bester
Spitta? Sie müssen jetzt schon die Gnade haben und diese Damen nach
unten zurechtweisen.

                            Die Piperkarcka

Unten in ihre Wohnung war nich zu finden, Frau John.

                         Direktor Hassenreuter

Hier oben bei uns ist sie auch nicht zu finden.

                             Frau Kielbacke

Det junge Freilein hat nämlich ihr Söhneken bei die Frau Mauerpolier
John in Flege jehat.

                         Direktor Hassenreuter

Freut mich! Ohne Umstände los! Retten Sie mich, Käferstein.

                             Frau Kielbacke

Nun is 'n Herr von de Stadt als wie vormundschaftswechen, nachsehn
jekomm: wie't steht mit det Kind und det jut versorcht und in Stande is.
Und denn is er, denn sind wir bei Frau John mitsamt den Herrn sind wir
rinjejang. Denn stand det Kind und 'n Zettel bei, det Frau John hier
oben uf Arbeet is.

                         Direktor Hassenreuter

Wo ist das Kind in Pflege gewesen?

                             Frau Kielbacke

Bei de Frau Mauerpolier John.

                         Direktor Hassenreuter
                              ungeduldig.

Das ist vollkommen blödsinnig! Das ist unrichtig! -- Hätten Sie doch
lieber den alten humorvollen Herrn begleitet, dem ich Sie nachgesendet
habe, Spitta, statt mir diese Damen hier auf den Hals zu ziehn.

                                 Spitta

Ich suchte den Herrn, aber er war schon verschwunden.

                         Direktor Hassenreuter

Die Damen scheinen mir nicht zu trauen. Sagen Sie ihnen doch, meine
Herren, daß Frau John kein Kind in Pflege hat, und daß sie also
bezüglich des Namens im Irrtum sind.

                               Käferstein

Ich soll Ihnen sagen, meine Damen, daß Sie wahrscheinlich bezüglich des
Namens im Irrtum sind.

                            Die Piperkarcka
                           heftig, verweint.

Hat Kindchen in Flege! Hat mein Kindchen in Flege jehabt. Is Herr von
die Stadt jekommen, hat jesacht, daß Kindchen in schlechte Hände,
verwahrlost is. Hat mich mein Kindeken zujrunde jerichtet.

                         Direktor Hassenreuter

Sie müssen unbedingt, meine Damen, bezüglich des Namens der Frau, von
der Sie reden, im Irrtum sein. Frau Maurerpolier John hat kein Kind in
Pflege.

                            Die Piperkarcka

Hat mein Kindchen in Klauen jehabt, hat verhungern lassen, zujrunde
jerichtet! Will sehn Frau John. Will auf Kopf draufsagen! Soll mich
jesund machen kleinet Kind! Muß vor Jericht! Herr hat jesacht, mussen
jehn an Jerichtstelle anzeichen.

                         Direktor Hassenreuter

Ich bitte Sie, sich nicht aufzuregen. Tatsache ist: Sie irren sich! Wie
kommen Sie nur auf den Gedanken, meine Damen, daß Frau John ein Kindchen
in Pflege hat?

                            Die Piperkarcka

Weil ick ihr selbst überjeben habe.

                         Direktor Hassenreuter

Frau John hat aber doch ihr eigenes Kind, mit dem sie, wie mir jetzt
einfällt, auf Besuch zu der Schwester ihres Gatten zu gehen
beabsichtigte.

                            Die Piperkarcka

Hat kein Kind. Janz und jar nich, Frau John. Ick jeh unten auf
Polizeibureau. Hat jelogen, betrogen. Hat kein Kind. Hat mich mein
Aloischen zujrunde jerichtet.

                         Direktor Hassenreuter

Bei Gott, meine Damen, Sie irren sich.

                            Die Piperkarcka

Glaubt mich kein Mensch, daß ich Kindchen jehabt habe. Hat mich mein
Bräutijam Brief jeschrieben, daß nich wahr is, daß schlechtes,
verlogenes Frauenzimmer bin. -- (Sie berührt das Tragbettchen.) -- Is
mein! will nachweisen vor Jericht! Will schwören bei heilige Mutter
Jottes.

                         Direktor Hassenreuter

Decken Sie doch mal auf, das Kind. -- (Es geschieht. Direktor
Hassenreuter betrachtet den Säugling aufmerksam.) -- Hm! Die Sache wird
sich bald aufklären, sicherlich! -- Erstens ... ich kenne Frau John! --
hätte Frau John diesen Säugling in Pflege gehabt, er könnte ganz
unmöglich so aussehn! ganz einfach, weil Frau John, soweit Kinder in
Frage kommen, das Herz auf dem rechten Flecke hat.

                            Die Piperkarcka

Will sprechen Frau John. Weiter sagen nichts. Brauche mir nicht vor alle
Welt aufdecken. Alles will haarklein vor Jericht will aussagen, Tag,
Stunde, auch janz jenau Ort, wo jeboren is! Jlauben mir: sollten wohl
Augen aufreißen.

                         Direktor Hassenreuter

Sie meinen also, mein Fräulein, wenn ich Sie recht verstehe, die Frau
John besitze kein eigenes Kind, und das, was dafür gegolten hat, wäre
das Ihre.

                            Die Piperkarcka

Schlag Blitz mich nieder, wenn nich so is.

                         Direktor Hassenreuter

Und dies hier sei eben das strittige Kind? Gott möge Sie diesmal nicht
beim Wort nehmen! -- Nämlich, wie Sie mich sehen, ich bin der Direktor
Hassenreuter, und ich habe persönlich das Kind meiner Aufwartefrau, der
Frau John, drei- oder viermal in Händen gehabt. Ich hab' es sogar auf
der Wage gewogen. Es wiegt über acht Pfund. Dieses arme Wurm hier dürfte
noch nicht zwei Kilo wiegen. Auf Grund dieses Umstandes versichere ich
Ihnen, dies hier ist in der Tat nicht das Kind der Frau John. Es mag
richtig sein, daß es das Ihre ist. Ich könnte das schlechterdings nicht
bezweifeln. Das Kind der Frau John aber kenne ich und bin sicher, daß es
mit diesem durchaus nicht identisch ist.

                             Frau Kielbacke
                              respektvoll.

Nee nee, det muß wahr sind: et is nich identisch.

                            Die Piperkarcka

Det Kindken is janz jenug identisch, wenn och bißchen schlecht jenährt
und schwächlich is. Det is janz richtig hier mit det Kind! Will Eid
schwören, daß richtig identisch is.

                         Direktor Hassenreuter

Ich bin sprachlos. -- (Zu den Schülern.) -- Unser Unterricht steht heute
unter einem feindlichen Stern, werte Jünglinge! Ich weiß nicht wieso,
aber der Irrtum der Damen beschäftigt mich. -- (Zu den Frauen.) -- Sie
werden sich in der Tür geirrt haben.

                             Frau Kielbacke

Ick ha selbst mit det Freilein und mit den Herrn von die Vormundschaft
det Kindeken aus die Stube mit Schild Frau Mauerpolier John uf'n
Hausflur jeholt. Frau John war nich da und Mauerpolier John ist in
Altona abwesend.

   Schutzmann Schierke kommt, behäbig und gemütlich.

                         Direktor Hassenreuter

Ah, da ist ja Herr Schierke! Was wünschen Sie denn?

                                Schierke

Herr Direkter, ick habe erfahren, det zwee Frauensleute hier oben
jeflichtet sind.

                         Direktor Hassenreuter

Zwei Frauen sind hier. Aber wieso denn geflüchtet?

                             Frau Kielbacke

Wir sind nich jeflichtet.

                         Direktor Hassenreuter

Sie fragten nach meiner Aufwärterin.

                                Schierke

Erlauben Se, det ich se och mal wat frache.

                         Direktor Hassenreuter

Bitte.

                            Die Piperkarcka

Laß er man frachen. Deswechen kann ruhig sind.

                                Schierke
                          zur Frau Kielbacke.

Wie heißen Sie?

                             Frau Kielbacke

Ick bin Frau Kielbacke.

                                Schierke

Woll von det Landeskindererziehungsheim. Wo wohnen Sie?

                             Frau Kielbacke

In de Linienstraße neun.

                                Schierke

Ist das Ihr Kind, was Sie bei sich haben?

                             Frau Kielbacke

Det is Freilein von Piperkarcka ihr Kind.

                                Schierke
                            zur Piperkarcka.

Ihr Name?

                            Die Piperkarcka

Paula von Piperkarcka aus Skorzenin.

                                Schierke

Die Frau will behaupten, das wäre Ihr Kind. Wollen Sie das also auch
behaupten?

                            Die Piperkarcka

Herr Schutzmann, ick muß erjebenst um Schutz bitten, weil hier
unrechtmäßigerweise verdächtigt bin. Is Herr von die Stadt mit mich hier
jewesen. Haben mein Kind aus Stube Frau John, wo in Flege jewesen,
rausjeholt ...

                                Schierke
                       mit durchbohrendem Blick.

Et kann och die Tire jejenüber bei de Restaurateurswitwe Knobbe jewesen
sind. Wer weeß, wat Sie mit det Kindeken vorhaben, wovon Sie abjesandt
und bestochen sind. 'N jutes Jewissen haben Se nich. Jenommen un denn
hier rufjeschlichen, weil det die rechtmäßige Mutter, Witwe Knobbe, wo
bestohlen is, Treppen und Jänge absuchen, und weil schräg jejenüber
Polizeiwache is.

                            Die Piperkarcka

Is mich janz jleichgiltig Polizeiwache, bin ...

                         Direktor Hassenreuter

Sie sind widerlegt, meine beste Person! Wollen Sie denn das gar nicht
begreifen? Sie sagen, unsere John hätte kein Kind. Sie sagen, wollen Sie
bitte gefälligst aufpassen, Sie hätten Ihr Kind, das angeblich für das
von Frau John gegolten habe, aus Frau Johns Zimmer herausgeholt! Nun
also: wir alle hier kennen Frau Johns Kind und das, was Sie da haben,
ist ein anderes! Verstanden?! Was Sie behaupten also, kann, nach Adam
Riese unter gar keinen Umständen zutreffend sein! -- Übrigens wär mir's
jetzt lieb, Herr Schierke, Sie nehmen die Damen mit sich fort, und ich
könnte hier meinen Unterricht fortsetzen.

                                Schierke

Ja, denn kommen wir bloß mang die Knobben mit ihren Anhang rin. Nämlich
das Kind ist jestohlen worden.

                            Die Piperkarcka

Aber nich von mich. Is jeraubt von Frau John.

                                Schierke

Schon jut! -- (Unbeirrt zum Direktor.) -- Und es soll ja, wie't heeßt,
von Vaters Seite, blaublütig sind. Die Knobbe meent ja, et is 'n
Komplott von Feinde, weil man ihr die Rente un womeglich
Kadettenerziehung in 'ne jewisse Jejend nich jennen dut. -- (Es wird mit
Fäusten an die Tür geschlagen.) -- Det is de Knobbe. Da is se schonn.

                         Direktor Hassenreuter

Herr Schierke, Sie sind mir verantwortlich: dringen die Leute bei mir
ein und erleide ich eine Schädigung, so wende ich mich an den
Polizeipräsidenten: ich bin mit Herrn Maddei gut bekannt. Keine Furcht,
liebe Kinder, ihr seid meine Kronzeugen.

                                Schierke
                              an der Tür.

Draußen jeblieben! Hier rin kommen Se nich.

   Ein kleiner Janhagel heult auf.

                            Die Piperkarcka

Soll schreien, was will, bloß mein Kindchen nich nah kommen.

                         Direktor Hassenreuter

Es ist besser so. Treten Sie einstweilen hier in die Bibliothek hinein.
-- (Er bringt die Piperkarcka, die Kielbacke und das Kind in die
Bibliothek.) -- Und jetzt, Herr Schierke, wollen wir meinethalben diese
Megäre da draußen herein lassen.

                                Schierke
                     der die Tür ein wenig öffnet.

So! Aber bloß de Knobben! Komm Se mal rin.

   Frau Sidonie Knobbe erscheint. Sie ist eine hohe, abgezehrte
   Erscheinung mit stark ramponierter modischer Sommertoilette. Ihr
   Gesicht trägt die Stigmata der Straße, zeugt aber übrigens nicht von
   schlechter Abkunft. Ihre Allüren sind merkwürdig damenhaft. Sie
   redet mit Affektation, ihre Augen deuten auf Alkohol und Morphium.

                              Frau Knobbe
                    indem sie hereingesegelt kommt.

Es ist keine Ursache zur Besorgnis, Herr Direktor. Vorwiegend sind es
kleine Jungens und kleine Mädchen, da ich kinderlieb bin, wie Sie
wissen, die mit mir gekommen sind. Verzeihen Sie gütigst, wenn ich hier
eindringe. Eines der Kinder sagte mir, es hätten sich zwei Frauen mit
meinem Söhnchen zu Ihnen heraufgeschlichen. Ich suche mein Söhnchen,
genannt Helfgott Gundofried, da es tatsächlich aus meiner Wohnung
verschwunden ist. Ich möchte Sie aber nicht inkommodieren.

                                Schierke

Darum wollt' ick och janz jehorsamst bitten, verstehn Se mich.

                              Frau Knobbe
          diese Worte mit hochmütiger Kopfbewegung übergehend.

Ich habe unten im Hof zu meinem Leidwesen einen gewissen Lärm erregt.
Man überblickt von da aus die Fenster, und ich habe mich bei den Leuten
erkundigt, bei der armen Zigarrenarbeiterin im zweiten Stock, bei der
kleinen schwindsüchtigen Näherin am Fenster im dritten Stock, ob meine
Selma mit meinem Söhnchen etwa bei ihnen ist. Es liegt mir fern, Skandal
zu erregen. -- Sie müssen wissen, Herr Direktor -- ich weiß sehr wohl,
daß ich hier unter den Augen eines Mannes von Bedeutung, ja, eines
berühmten Mannes bin! -- Sie müssen wissen, ich bin, was Helfgott
Gundofried angeht, gezwungen, auf meiner Hut zu sein! -- (Mit
schwankender Stimme, das Taschentuch zuweilen an die Augen führend.) --
Ich bin eine arme, vom Schicksal verfolgte Frau, mein Herr, die gesunken
ist und die bessere Tage gesehen hat. Aber ich will Sie damit nicht
langweilen. Ich werde verfolgt! man will mir die letzte Hoffnung nun
auch rauben.

                                Schierke

Sagen Se kurz, wat Se wünschen. Sputen Se sich.

                              Frau Knobbe
                              wie vorher.

Nicht genug: man hat mich veranlaßt, hat mich gezwungen, meinen
ehrlichen Namen abzulegen. Ich habe dann in Paris gelebt und schließlich
einen brutalen Menschen geheiratet, den Pächter von einem süddeutschen
Schützenhaus, weil ich den blöden Gedanken hatte, in meinen
Angelegenheiten dadurch gebessert zu sein. O diese Schurken von Männern,
Herr Direktor!!

                                Schierke

Det fihrt zu weit. Menagieren Se sich.

                              Frau Knobbe

Es freut mich, daß ich Gelegenheit finde, endlich mal wieder einem Manne
von Bildung und Geist in die Augen zu sehn. Mein Herr, ich könnte Ihnen
eine Geschichte vortragen ... im Volksmund heiße ich hier die »Gräfin«,
und Gott ist mein Zeuge, in meiner frühen Jugend war ich nicht weit
entfernt davon! Eine Zeitlang war ich auch Schauspielerin! Wie sagte
ich: eine Geschichte vortragen aus meinem Leben, aus meiner
Vergangenheit, die den Vorzug hat, nicht erfunden zu sein.

                                Schierke

Na wer weeß och.

                              Frau Knobbe
                              mit Emphase.

Mein Elend ist nicht erfunden. Trotzdem es erfunden klingt, wenn ich
sage, wie ich eines Nachts im tiefsten Abgrunde meiner Schande einen
Vetter, einen Jugendgespielen, der jetzt Garderittmeister ist, nachts
auf der Straße traf. Er lebt oberirdisch, ich unterirdisch, seit mich
mein adelstolzer Herr Vater verstieß, nachdem ich als junges Ding einen
Fall getan hatte. O Sie ahnen nicht, welcher Stumpfsinn, welche Roheit,
welche Gemeinheit in meinen Kreisen üblich ist. Ich bin ein zertretener
Wurm, Herr Direktor, und doch, dorthin, nach diesem glänzenden Elend,
sehne ich mich nicht eine Sekunde zurück.

                                Schierke

Nun woll'n wir jefälligst zur Sache kommen.

                         Direktor Hassenreuter

Bitte, Herr Schierke, mich interessiert das! unterbrechen Sie zunächst
mal die Dame nicht -- (zur Knobbe) -- Sie hatten von Ihrem Vetter
gesprochen. Sagten Sie nicht, daß er Garderittmeister ist?

                              Frau Knobbe

Er war in Zivil. Er ist Garderittmeister. Er erkannte mich, und wir
feierten schmerzlich selige Stunden alter Erinnerung. In seiner
Begleitung befand sich -- ich nenne den Namen nicht! -- ein blutjunger
Leutnant. Kerlchen wie Milch und Blut, aber zart und schwermütig. Herr
Direktor, ich habe die Scham verlernt! man hat mich neulich sogar aus
einer Kirche herausgewiesen: warum soll eine so zertretene, entehrte,
verlassene, mehrmals vorbestrafte Person vor Ihnen nicht offen bekennen,
daß er der Vater meines Helfgott Gundofried geworden ist.

                         Direktor Hassenreuter

Des Kindes, das Ihnen entwendet wurde?

                              Frau Knobbe

Wie die Leute sagen. Es kann ja sein! ich selbst, obgleich meine Feinde
mächtig sind und jedwedes Mittel in der Hand haben, ich bin noch nicht
ganz überzeugt davon. Vielleicht ist es aber doch ein Komplott, von den
Eltern des Vaters angezettelt, Menschen, die, Sie würden erstaunen,
Träger eines der ältesten und berühmtesten Namens und Geschlechtes sind.
Adieu! Herr Direktor, was Sie auch von mir hören sollten, denken Sie
nicht, mein besseres Fühlen ist in dem Sumpfe total erstickt, in den ich
mich stürzen muß. Ich brauche den Sumpf, wo ich gleich und gleich mit
dem Abschaum der Menschheit bin. Da, hier -- (sie weist ihren nackten
Arm vor) -- vergessen! Betäubung! Ich verschaffe es mir mittels Chloral,
mittels Morphium! Ich finde es in den menschlichen Abgründen. Warum
nicht? wem bin ich verantwortlich? Einst wurde meine geliebte Mama
meinetwegen von meinem Vater heruntergemacht! Die Bonne bekam
meinetwegen Krampfanfälle! Mademoiselle und eine englische Miß rissen
sich, weil jede behauptete, daß ich sie mehr liebte, in der Wut
gegenseitig die Chignons vom Kopf. Jetzt ...

                                Schierke

Sage ick Ihnen, jetzt hören Se uf: wir kenn hier Leute nich Freiheit
berauben. -- (Er öffnet die Bibliothekstür.) -- Jetzt sagen Se, ob det
hier Ihr Kindeken is.

   Zuerst tritt die Piperkarcka mit haßerfüllten Augen, Frau Knobbe
   anstarrend, aus der Tür. Die Kielbacke mit dem Kinde folgt. Schierke
   nimmt das Tuch von dem Kindchen.

                            Die Piperkarcka

Was wollen von mich? Was kommen mir nachsetzen? Bin ick Zijeuner? Sollen
wohl Kinder stehlen in Häuser jehn? Was? Sind nich gescheit! Werden mich
schön hüten! Hab' selber für mich und mein Kind kaum Essen jenug! Wer
'rumjehn, wer fremde Kinder auflesen und jroß füttern, wo eijnes mir
schon jenug Kummer und Ärjer macht.

                              Frau Knobbe
       glotzt, sieht sich fragend und hilfesuchend um. Holt dann
     schnell ein Flakon aus der Tasche und gießt den Inhalt auf ihr
    Schnupftuch. Das Schnupftuch führt sie dann an Mund und Nase und
       saugt den Duft des Parfüms, um nicht ohnmächtig zu werden.
                     Hierauf glotzt sie wie vorher.

                         Direktor Hassenreuter

Ja warum sprechen Sie nicht, Frau Knobbe? Das Mädchen behauptet, daß sie
selbst und nicht Sie, Frau Knobbe, Mutter des kleinen Kindes ist.

                              Frau Knobbe
     erhebt den Schirm, um damit zu schlagen. Man fällt ihr in den
                                  Arm.

                                Schierke

Det jibt's nich! Det is hier nich Kindererziehung! Det machen Se, wenn
Se unter sich in de Kinderstube alleene sind! -- Die Hauptsache bleibt,
wen jehert hier det Kind? -- Und nu ... und jetzt ... Frau verwitwete
Knobbe, ieberlechen Se sich, det Se hier reenste Wahrheit sachen! So! Is
et Ihret? oder 'n fremdet Kind?

                              Frau Knobbe
                              bricht los.

Ich schwöre bei der heiligen Mutter Gottes, bei Jesus Christus, Vater,
Sohn und heiliger Geist, daß ich Mutter von diesem Kinde bin.

                            Die Piperkarcka

Und ick schwöre bei heilije Mutter Jottes ...

                         Direktor Hassenreuter

Halt, Fräulein, retten Sie Ihre Seele! -- Es mag meinethalben ein Fall
von den allerverwickeltsten Umständen sein! Sie schwören dabei
vielleicht vollständig gutgläubig, aber Sie werden mir das gewiß
zugeben: jede von Ihnen könnte zwar die Mutter von Zwillingen sein --
ein Kind mit zwei Müttern ist nicht zu denken!

                                Walburga
     die unverwandt und starr, gleich Frau Knobbe, aus der Nähe das
                            Kind betrachtet.

Papa! Papa! So sieh doch mal erst das Kind.

                             Frau Kielbacke
                         weinerlich, entsetzt.

Ja, det Kindeken stirbt schon jlob ick, seit ick hier drin im Zimmer
jewesen bin.

                                Schierke

Wat?

                         Direktor Hassenreuter

Wie? -- (Er tritt energisch näher und betrachtet einige Zeit ebenfalls
das Kind.) -- Das Kindchen ist tot! Das ist ohne Frage! -- Hier ist ohne
Zweifel einer gewesen, unsichtbar, der über das unbeteiligte arme,
kleine Streitobjekt ein wahrhaft salomonisches Urteil gesprochen hat.

                            Die Piperkarcka
                            versteht nicht.

Wat jiebt denn?

                                Schierke

Ruhe! -- Komm Sie mit.

   Frau Knobbe scheint die Sprache verloren zu haben. Sie steckt ihr
   Taschentuch in den Mund. Tief in ihrer Brust röchelt es. Schierke,
   die Kielbacke mit dem toten Kinde, gefolgt von Frau Knobbe und der
   Piperkarcka ab. Man hört Gemurmel auf dem Flur.

   Der Direktor kommt wieder, nachdem er hinter den Abgehenden die Tür
   verschlossen hat.

                         Direktor Hassenreuter

_Sic eunt fata hominum._ Erfinden Sie so was mal, guter Spitta.




                              Vierter Akt


   Die Wohnung des Maurerpoliers John, wie im zweiten Akt. Es ist früh
   gegen acht Uhr Sonntags.

   Maurerpolier John befindet sich unsichtbar hinter dem Verschlage.
   Man kann aus seinem Planschen und Prusten entnehmen, daß er bei der
   Morgenwäsche ist. Quaquaro ist eben eingetreten und hat die Klinke
   der Flurtür in der Hand.

                                Quaquaro

Sache ma, is deine Frau zu Hause, Paul?

                                  John
                           hinterm Verschlag.

Noch nich, Emil. Meine Frau is mit den Jungen bei meine verheirate
Schwester in Hangelsberg. Will aber heut morchen noch wiederkomm. --
(John erscheint, sich abtrocknend, in der Tür des Verschlages.) Schen
juten Morchen, Emil.

                                Quaquaro

Morchen, Paul.

                                  John

Na wat jibt et Neies? Ick bin vor 'ne halbe Stunde erst von de Bahn aus
Hamburch jekomm.

                                Quaquaro

Ick sah dir ins Haus jehn un Treppe rufsteichen.

                                  John
                              aufgeräumt.

Na ja, Emil, du bist eben so 'n richticher Zerberus.

                                Quaquaro

Sache ma, Paul: wie lange is deine Frau mit det Kleene in Hangelsberg?

                                  John

I, det muß so um die acht Dache so rum sind, Emil. Wiste wat von ehr?
Miete hat se doch woll richtich abjeführt. Ibrigens kann ick jleich
kindigen, Emil. Denn et is nu so weit: wir ziehn an erschten Oktober.
Ick ha Muttern nu endlich breit jekricht, det wir aus det olle wacklige
Staatsjebäude raus und in 'ne beßre Jejend ziehn.

                                Quaquaro

Nach Altona wiste nu nich mehr zurick?

                                  John

Nee! bleibe in Lande und nähre dir redlich! Ick jeh nich mehr auswärts!
Nich in die Hand! -- Schon erstlich: immer uf Schlafstelle rumdricken!
und denn och: jinger wird eener nich! De Mächens wolln och all nich mehr
recht mehr so anbeißen ... Nee nee, et is jut so, det ma det ewiche
Wanderleben zu Ende is.

                                Quaquaro

Deine Frau hat et jut anjeschlachen, Paul.

                                  John
                              gut gelaunt.

Na, junge Ehe, wo ebent erst Kindchen jekomm is!? Ick ha zum Meester
jesacht: ick bin jung verheirat! Denn hat er jefracht, ob meine erschte
Frau jestorben is? O konträr! Janz in't Jejenteil, hab' ick jeantwort:
die is so lebendig und quietschfidel, die hat sojar noch 'ne
quietschfidelen kleenen Berliner zujekricht! -- Wie ick heute Morchen,
Berlin--Hamburg--Stendal--Ültzen zum letztenmal uf'n Lehrter Bahnhof mit
mein janzes Zeug aus de vierte Klasse jestiegen bin, hab' ick 'n lieben
Jott, der Deibel hol mir! so alt wie ick bin, mit een Seufzer jedankt.
Er wird ihm wohl bei den Lärm uf'n Lehrter nich jehert haben.

                                Quaquaro

Haste jehert, Paul, det drieben de Knobbe ihr Jüngstes och wieder mit
Dot abjejang is?

                                  John

Nee! Wie soll ick da von wat jehert haben. Aber wenn et dot is, denn is
et doch jut, Emil. Als ick det Wurm vor acht Dache jesehn habe, wo
Krämpfe hatte und Selma jekomm is und ick und Mutter haben ihm noch'n
Löffel Zuckerwasser injejossen, da war et doch schon reichlich reif
for't Himmelreich.

                                Quaquaro

Sache ma, haste denn von die Umstände jar nich jehert, wie und wo det
Kindchen zu Dode jekomm is?

                                  John

Nee! -- (Er zieht eine lange Tabakspfeife hinter dem Sofa hervor.) --
Wart ma! ick brenne mir erst ma 'ne Pipe an. Nee! wo soll ick da von wat
jehert haben.

                                Quaquaro

Ick verwunder mir aber doch, det deine Frau dir nischt von jeschrieben
hat.

                                  John

I, mit Jette und mit die Knobbekinder is det, seit det mir 'n eegnet
Kind haben, bei Muttern uf eema wie abjeschnappt.

                                Quaquaro
                                lauernd.

Deine Frau wollte ja doch immer brennend jerne 'n Sohn haben.

                                  John

Na det is och! Meenste woll etwa, ick nich? For wat rackert eens denn?
For wat schind ick mir denn? Det is doch wat anders, wenn 'n scheenet
rundet Stück Jeld for'n eijnen Sohn oder for Schwesterkinder ufjespart
bleiben dut.

                                Quaquaro

Weeste denn nich, det 'n fremdet Mächen jekomm is, Paul, und hat
behauptet, det det Kind von de Knobbe jar nich ihr eechnet, sondern det
Kind von det fremde Mächen jewesen is?

                                  John

Nanu? De Knobben und Kinderstehlen? Wenn't Mutter wär! aber de Knobben
doch nich. Sach ma, Emil, wat is denn det for 'ne Jeschichte.

                                Quaquaro

Na, nu, d'r eene sagt so, d'r andre sagt so. De Knobben sagt, det von
een Komplott mit Detektivs aus jewisse Kreise det kleene Balch
nachjestellt worden is. Un det is nu ja och richtig janz festjestellt:
et war det Kind von de Knobben jewesen! -- Kannst du mich irgendeenen
Wink jeben, wo de letzten Dache dein Schwager is?

                                  John

Meenste dem Schlachtermeester in Hangelsberg?

                                Quaquaro

I nee, durchaus nich wat der Mann von deine Schwester, sondern von deine
Frau der Bruder is.

                                  John

Da meenst du Brunon?

                                Quaquaro

Jewiß doch.

                                  John

Na, noch wat, da kimmere ick mir noch wat eher drum, ob de Hunde noch
immer bei Prellsteine jehn. Von Brunon will ick weiter nischt wissen.

                                Quaquaro

Her mich ma zu, Paul. Ärjer dir nich. Nämlich uf Polizeistelle is
bekannt, det Bruno mit det polnische Mächen, wo uf det Kindeken Anspruch
machen wollte, jleich neulich hier vor de Haustür und dann och an eene
jewisse Stelle von de Uferstraße, wo de Jerber de Felle wegschwimmen,
jemeinsam jesichtet is. Nu is det Mächen janz jänzlich verschwunden.
Weiter wat Näheres weeß ick nu freilich nich! Bloß det se von Polizei
wechen det Mächen suchen.

                                  John
    stellt entschlossen die lange Pfeife weg, die er sich angesteckt
                                 hatte.

Ick weeß nich, ick ha keen Justo heut morchen! -- Ick weeß nich, wat in
mir jefahren hat, ick war so verjnügt wie'n Eckensteher. Uf eemal is
mich so kodderig zumut, det ick an liebsten jleich wieder nach Hamburg
mechte un jar nischt weiter heren und sehn! -- Wat kommst de denn mir,
Emil, mit so 'ne Jeschichten?

                                Quaquaro

Ick wollte dir man bloß bißken ufklären, wat inzwischen, wo ja du un
wohl ja och deine Frau auswärts jewesen is, in deine Behausung jeschehn
is.

                                  John

In meine Behausung?

                                Quaquaro

Det is ja! Jawoll! Selma hatte ja, heeßt et, det Knobbesche Jungchen in
Kinderwachen hier rieberjeschoben, wo et det fremde Frauenzimmer mit
ihre Begleitung aus deine Wohnung jenommen und wechjetragen hat. Oben
bei de Kammedienspieler is se ja dann noch jlicklich jestellt worden.

                                  John

Wat is se?

                                Quaquaro

Und da haben sich och de Knobbe un det fremde Mächen ieber det dote Kind
bei de Haare jekricht.

                                  John

Wenn ick man wißte, wat mir det soll, Emil, wo doch alle Ochenblicke
hier mit Frauenzimmer een Jewürge is. Laß se man kampeln! Mir is det
jleichjiltig! Nämlich, Emil, wenn da nich sonst wat dahinter is!?

                                Quaquaro

Deshalb komm ick ja, Paul! Et is wat dahinter! Det Mächen hat nämlich
mehrmals vor Zeuchen ausjesacht: erstlich, det Wurm von de Knobbe, det
wär ihr Kind und det hätt' se ausdricklich bei deine Frau, Paul, in de
Flege jejeben.

                                  John
                         stutzt, lacht befreit.

Der pickt et! der is woll ma nich janz unwohl jeworden!

   Erich Spitta kommt.

                                 Spitta

Guten Morgen, Herr John.

                                  John

Juten Morchen, Herr Spitta. -- (Zu Quaquaro, der noch in der geöffneten
Tür steht.) -- 'S jut, Emil! Ick wer mir wissen zu richten nach.

   Quaquaro ab.

                                  John
                              fährt fort.

Nu sehn Se ma so 'n Männeken, Herr Spitta! Mit een Fuß steht er in't
Jefängnis, mit 'n andern is er Liebkind beim Bezirkskommissar uf't
Polizeibüro! un denn jeht er bei ehrliche Leute rumschnüffeln.

                                 Spitta

Hat Fräulein Walburga Hassenreuter nach mir gefragt, Herr John?

                                  John

Bis jetzt noch nich. Nee, det ick nich wißte! -- (Er öffnet die
Flurtür.) -- Selma! -- Entschuldjen Se mir ma 'n Ojenblick. -- Selma! --
Ick muß ma det Mächen wat aushorchen.

   Selma Knobbe kommt.

                                 Selma
                            noch in der Tür.

Wat is?

                                  John

Mach ma de Tir zu, komm ma 'n bißken 'rin! Un nu sach mal, Mächen, wat
det hier in de Stube mit dein kleenet verstorbenet Briderchen und mit
det fremde Weibsbild jewesen is.

                                 Selma
   die, mit merkbar schlechtem Gewissen, lauernd näher getreten ist,
                        jetzt sehr wortgewandt.

Ick hatte den Kinderwachen hier rieber jeschoben. Ihre Frau war nicht da
und da dacht ick, det hier drieben, wo doch det Briderken sowieso krank
war und immer schrie, det hier drieben bei Sie mehr Ruhe is. Nu kam een
Herr un kam eene Dame un noch 'ne Frau kam uf eemal hier rin. Und denn
ha'm se det Kindeken hier aus 'n Wachen raus, frische Wäsche jewickelt
un mit fortjenomm.

                                  John

Und denn hat die Dame jesacht, et wär ihr Kind und se hätt' et bei
Muttern, als wie det meine Olle is, hätt' se's, sagt se, in Flege
jejeben?

                                 Selma
                                 lügt.

I, jar keene Ahnung, da wißt ick wat von.

                                  John
                         schlägt auf den Tisch.

Na zum Kreuzdonnerwetter, det wär ja och bledsinnig.

                                 Spitta

Erlauben Sie mal, das hat sie gesagt: wenn nämlich von dem Vorfall
zwischen den beiden Frauen oben bei Direktor Hassenreuter die Rede ist.

                                  John

Det haben Se mit anjesehn, Herr Spitta, wo de Knobben und de andere um
det Würmchen jezerjelt hat?

                                 Spitta

Allerdings. Das hab' ich mit angesehn.

                                 Selma

Weiter kann ick nischt sachen, und wenn mir och Schutzmann Schierke und
meinswechen der lange Polizeileitnam janzem zwee Stunden und länger
verhören dut. Ick weeß eben nischt. Ick kann eben nischt sachen.

                                  John

'N Polizeileitnam hat dir ausjefracht?

                                 Selma
                               knutscht.

Se wollen doch Maman in Kasten bringen, weil et Leute anjezeicht un
jelogen haben, det unser Kindeken vahungert is.

                                  John

Ach! so! -- Na Selma, jeh, laß ma 'n Kaffee durchlofen.

   Selma begibt sich an den Herd, wo sie den Kaffee für John
   zubereitet. John selbst geht an den Arbeitstisch, nimmt den Zirkel
   und zieht dann mit der Schiene einige Linien.

                                 Spitta
                            mit Überwindung.

Eigentlich hoffte ich Ihre Frau hier zu treffen, Herr John. Mir hat
jemand gesagt, Ihre Frau hätte gegen Sicherheit mitunter kleine Beträge
an Studenten geliehen. Ich bin nämlich in Verlegenheit.

                                  John

Det mag sind. Aber det is Mutterns Sache, Herr Spitta.

                                 Spitta

Ganz offen gesagt, wenn ich bis heute abend kein Geld schaffe, werden
meine paar Bücher und Habseligkeiten von meiner Zimmerwirtin mit
Beschlag belegt und man setzt mich eigentlich auf die Straße.

                                  John

Ick denke Ihr Vater ist Paster, Herr Spitta.

                                 Spitta

Das ist er. Aber gerade deshalb, und weil ich selber nicht Pastor werden
mag, habe ich gestern abend einen furchtbaren Krach mit meinem Vater
gehabt. Ich werde von ihm keinen Pfennig mehr annehmen.

                                  John
                               arbeitend.

Det jeschieht Vatern recht, wenn ick verhungern tu oder 'n Hals breche.

                                 Spitta

Ein Mensch wie ich, wird nicht verhungern, Herr John. Geh ich aber
zugrunde, so ist mir's auch gleichgültig.

                                  John

Det jlobt eener nich, wat unter euch Studenten for ausjehungerte arme
Ludersch sind. Aber keener will wat Reelles anfassen. -- (Ferner Donner.
John blickt durchs Fenster.) -- Heute wird schwule. Et donnert schon.

                                 Spitta

Von mir dürfen Sie das nicht sagen, Herr John, daß ich etwas Reelles
nicht anfassen möchte: Stunden geben! für Geschäfte Adressen schreiben!
Ich habe das alles schon durchgemacht und damit, wie mit manchem anderen
Versuch, nicht nur Tage sondern auch Nächte um die Ohren geschlagen.
Dabei hab' ich gebüffelt und Bücher gewälzt.

                                  John

Mensch, jeh nach Hamburg und laß dir als Maurer instellen! Wie ick so
alt war wie Sie, ha ick in Altona in Akkord schon bis zwelf Mark täglich
verdient.

                                 Spitta

Das mag sein. Aber ich bin Geistesarbeiter.

                                  John

Det kennt man.

                                 Spitta

So?! Mir scheint nicht, daß Sie das kennen, Herr John. Vergessen Sie
aber bitte nicht: Ihre Herrn Bebel und Liebknecht sind auch
Geistesarbeiter.

                                  John

Na jut! Denn komm Se! denn wollen wir man wenigstens frühstücken. Allens
sieht sich janz andersch an, wenn det eener 'n Happenpappen jefrühstückt
hat. Se haben woll noch nich jefrühstückt, Herr Spitta?

                                 Spitta

Nein, offen gestanden, heute noch nicht.

                                  John

Na denn machen Se man det Se wat Warmes in Leib kriechen.

                                 Spitta

Das hat Zeit.

                                  John

I nee, Se sehen sehr vakatert aus. Und ick ha och die Nacht uf de Bahn
jelejen. -- (Zu Selma, die ein Leinwandsäckchen mit Semmeln hereingeholt
hat.) -- Bring ma schnell noch 'ne Tasse ran.

   Er hat breit auf dem Sofa Platz genommen, tunkt Semmel ein und
   trinkt Kaffee.

                                 Spitta
                      der noch nicht Platz nimmt.

Eine Sommernacht bringt man doch lieber im Freien zu, wenn man im
übrigen doch nicht schlafen kann. Und ich habe nicht eine Minute
geschlafen.

                                  John

Dem wollt ick ma sehn, der in Dalles is und jut schlafen kann! Wer in
Dalles is, hat och in Freien de meeste Jesellschaft. -- (Er vergißt
plötzlich zu kauen.) -- Komm ma her, Selma, sache nochma janz jenau, wie
det mit det fremde Mächen und det fremde Kind, det se hier aus de Stube
jeholt hat, jewesen is.

                                 Selma

Ick weeß nich, det frächt mich 'n jeder, frächt mir Mama jetzt 'n lieben
langen Dach! ob ick Brunon Mechelke jesehn habe! ob ick wissen soll, wer
oben uf'n Boden bei de Kammedienspieler Kleider jestohlen hat! Wenn det
so fortjeht ...

                                  John
                               energisch.

Mächen, wat haste nich Lärm jeschlagen, wie der Herr und det Freilein
dir dein Brüderken aus'n Wachen jenommen hat?

                                 Selma

Jeschieht ihm ja nischt, dacht ick! krist ma reene Wäsche.

                                  John
                      faßt Selma beim Handgelenk.

Na nu komm ma mit, wollen ma rieber bei deine Mutter jehn.

   John mit Selma an der Hand ab.

   Sobald John verschwunden ist, fällt Spitta über das Frühstück her.
   Bald darauf erscheint Walburga. Sie ist in großer Eile und sehr
   aufgeregt.

                                Walburga

Bist du allein?

                                 Spitta

Augenblicklich ja. Guten Morgen, Walburga.

                                Walburga

Komm ich zu spät? Ich habe mich ja nur mit der allergrößten Schlauheit,
mit der allergrößten Entschlossenheit, mit der allergrößten
Rücksichtslosigkeit, komme was wolle, von Hause losgemacht. Meine
jüngere Schwester hat mir die Tür vertreten. Das Dienstmädchen! Ich
sagte aber zu Mama, wenn sie mich nicht durch das Entree hinausließen,
so möchten sie nur die Fenster vergittern: sonst würde ich drei Stock
hoch durchs Fenster direkt auf die Straße gehn. Ich fliege. Ich bin mehr
tot wie lebendig. Aber ich bin zum letzten bereit. Wie war es mit deinem
Vater, Erich?

                                 Spitta

Wir sind auseinander. Er meinte, ich würde Treber fressen wie weiland
der verlorene Sohn, und ich möchte mir ja nicht einfallen lassen, als
Luftspringer oder Kunstreiter, wie er sich auszudrücken beliebt, jemals
wieder die Schwelle des Vaterhauses betreten zu wollen. Für Gesindel
öffne sich seine Haustür nicht. Ich werd's verwinden! Nur meine arme
gute Mutter bedaure ich. -- Du kannst dir nicht denken, mit welchem
abgrundtiefen Haß ein solcher Mann gegen alles und alles, was mit dem
Theater zusammenhängt, geladen ist! Der schrecklichste Fluch ist ihm
nicht stark genug. Ein Schauspieler ist in seinen Augen von vornherein
der allerverächtlichste, schlechteste Lumpenhund, der sich denken läßt.

                                Walburga

Ich habe auch nun herausgekriegt, wie Papa dahintergekommen ist.

                                 Spitta

Mein Vater hat ihm dein Bild gegeben.

                                Walburga

Erich, Erich, wenn du wüßtest, mit welchen schrecklichen, mit welchen
grauenvollen Ausdrücken mich Papa in der Wut überschüttet hat, und ich
mußte zu allem stillschweigen. Ich hätte ihm etwas sagen können, das
hätte ihn vielleicht mit seinen Tiraden von hoher Moral stumm und
hilflos vor mir gemacht. Beinahe wollt' ich es auch: doch ich schämte
mich so entsetzlich für ihn! Meine Zunge versagte! Ich konnte nicht,
Erich! Mama mußte schließlich dazwischentreten. Er hat mich geschlagen.
Er hat mich acht oder neun Stunden lang in den finsteren Alkoven
eingesperrt, um meinen Trotz zu brechen, wie er sagt, Erich. Nun, das
gelingt ihm nicht, Erich! Er bricht ihn nicht.

                                 Spitta
                       nimmt Walburga in den Arm.

Du Brave! du Tapfere! Siehst du, jetzt weiß ich erst, was ich an dir
besitze! weiß ich erst, was für ein Schatz du eigentlich bist. -- (heiß)
-- Und wie schön du aussiehst, Walburga.

                                Walburga

Nicht! Nicht! -- Ich vertraue dir, Erich, weiter ist es doch nichts.

                                 Spitta

Und du sollst dich nicht täuschen, süße Walburga. Sieh mal, ein Mensch
wie ich, in dem es gärt und der was Besonderes, Dunkles, Großes will,
was er einstweilen noch nicht recht deutlich machen kann, hat mit
zwanzig Jahren die ganze Welt gegen sich und ist aller Welt lästig und
lächerlich. Aber glaub' mir: einst wird das anders werden. In uns liegen
die Keime. Der Boden lockert sich schon! Wir sind, wenn auch noch
unterirdisch, die künftige Ernte! Wir sind die Zukunft! Die Zeit muß
kommen, da wird die ganze weite, schöne Welt unser sein.

                                Walburga

Sprich weiter, Erich, das ist mir so wohltätig.

                                 Spitta

Walburga, ich habe gestern abend meinem Vater auch von der Leber weg die
Anklage des Verbrechens an meiner Schwester ins Gesicht geschleudert.
Das hat den Bruch unheilbar gemacht. Er sagte verstockt: von einer
Tochter, wie der von mir geschilderten, wisse er nichts. Sie existiere
in seiner Seele nicht und, wie es den Anschein habe, werde auch bald
sein Sohn dort nicht mehr existieren. O diese Christen! O diese Diener
des guten Hirten, der das verlorene Schaf doppelt zärtlich in seine Arme
nahm! O du lieber Heiland, wie sind deine Worte verkehrt, deine ewigen
Lehren in ihr Gegenteil umgefälscht worden. Aber als ich heut nacht bei
Donnerrollen und Wetterleuchten auf einer Bank im Tiergarten saß und
gewisse Berliner Hyänen um mich herumschlichen, da fühlte ich die
ruhelose und zertretene Seele meiner Schwester neben mir. Wie oft mag
sie selbst im Leben Nächte hindurch obdachlos auf solchen Bänken und
vielleicht auf derselben Tiergartenbank gesessen haben, um in ihrer
Verlassenheit, Ausgestoßenheit und Entwürdigung darüber nachzudenken,
wie triefend von Menschenliebe, triefend von Christentum zweitausend
Jahre nach Christi Geburt diese allerchristlichste Welt sich
manifestiert. Aber was sie auch dachte, ich denke so: Die arme Dirne,
die Sünderin, die vor neunundneunzig Gerechten geht, die von dem Drucke
der Sünde der Welt belastet ist, die arme Aussätzige und ihre
fürchterliche Anklage soll in meinem Inneren lebendig sein! Und alles
Elend, allen Jammer der Gemißhandelten und Entrechteten werfen wir mit
in die Flamme hinein! Und so soll die Schwester leben, Walburga, und
soll Herrlicheres wirken vor Gott durch das Ethos, das meine Seele
beflügelt, als die ganze kalte, herzlos böse Moralpfafferei der Welt
nicht vermag.

                                Walburga

Du warst die Nacht im Tiergarten, Erich? Deshalb sind deine Finger noch
so eiskalt, und du siehst so entsetzlich müde aus. Erich, du mußt mein
Portemonnaie nehmen! Erich! nein bitte, du mußt! Ich versichere dich!
Was mein ist, ist dein! Sonst liebst du mich nicht, Erich! Erich, du
darbst! Wenn du meine paar Groschen nicht nimmst, verweigere ich zu
Hause jede Nahrung! bei Gott, ich tu's! bis du vernünftig wirst.

                                 Spitta
                würgt Tränen hinunter. Muß sich setzen.

Ich bin nur nervös. Ich bin abgespannt.

                                Walburga
             steckt ihr Portemonnaie in seine Hosentasche.

Nun sieh mal, Erich, deshalb habe ich dich eigentlich hier zu Frau John
bestellt. Zu allem Unglück bekomme ich gestern noch hier diese
gerichtliche Vorladung.

                                 Spitta
         betrachtet ein Schriftstück, das sie ihm gereicht hat.

Du? Und weshalb denn das, sag' mal, Walburga.

                                Walburga

Ich bin mir sicher, daß es mit den gestohlenen Sachen auf dem Oberboden
zusammenhängt. Aber es macht mich furchtbar unruhig. Wenn Papa das
erfährt ... ja, was tu ich dann?

   Frau John, das Kind auf dem Arm, straßenmäßig angezogen, sehr
   gehetzt, sehr verstaubt, kommt herein.

                               Frau John
                  erschrocken, mißtrauisch, halblaut.

Nu? Wat wollt ihr hier? Is Paul schon zu Hause? Ick war eben ma 'n
bißken mit det Kindken uf de Jasse jejangn.

   Sie trägt das Kind hinter den Verschlag.

                                Walburga

Bitte, Erich, sprich doch mal über meine Vorladung mit Frau John.

                               Frau John

Paul is ja zu Hause, da liejen ja seine Sachen.

                                 Spitta

Fräulein Hassenreuter wollte Sie gern mal sprechen. Sie hat nämlich,
wahrscheinlich wegen der gestohlenen Sachen, Sie wissen ja, auf dem
Oberboden, eine gerichtliche Vorladung.

                               Frau John
                       tritt aus dem Verschlage.

Wat? Eene Vorladung ham Sie jekricht, Freulein Walburga? Na, denn nehm
sich in Obacht! Ick spaße nich! un phantasieren Se womeglich von
schwarzen Mann.

                                 Spitta

Was Sie da sagen, Frau John, ist unverständlich.

                               Frau John
                zur häuslichen Beschäftigung übergehend.

Habt ihr jehert, det draußen in eene Laubenkolonie vor't Hallesche Tor
der Blitz heute morchen Mann, Frau und 'n Mächen von sieben unter eene
hohe Pappel erschlagen hat?

                                 Spitta

Nein, Frau John.

                               Frau John

Et pladdert schon wieder.

   Man hört, wie ein Regenschauer niedergeht.

                                Walburga
                               ängstlich.

Komm Erich, wir wollen trotzdem ins Freie gehn.

                               Frau John
                       lauter und lauter werdend.

Und wissen Se wat: ick habe die Frau kurz vorher noch jesprochen, wo
nachher von Blitze erschlachen is. Die hat jesacht -- nu hern Se ma zu,
Herr Spitta .... een dotet Kindeken, det man in Kinderwachen legt und
raus in die warme Sonne rickt -- det muß aber Sommersonne und
Mittagssonne sind, Herr Spitta! -- det zieht Atem! det schreit! det is
wieder lebendig! -- Det jloben Se nich? wat? det ha ick mit meine Ochen
jesehn.

   Sie geht in eigentümlicher Weise im Kreise herum, ohne scheinbar
   mehr etwas von der Gegenwart der beiden jungen Leute zu wissen.

                                Walburga

Du, die John ist unheimlich, komm!

                               Frau John
                              noch lauter.

Det jloben Se nich, det det wieder lebendig is? Denn kann Mutter kommen
und nehmen. Denn muß et jleich Brust kriejen.

                                 Spitta

Adieu, Frau John.

                               Frau John
                              noch lauter.

   Bringt, seltsam aufgeregt, die beiden jungen Leute bis zur Tür.

Sie jloben det nich! Det is aber heilig so, Herr Spitta.

   Spitta und Walburga ab.

                               Frau John
        hält die Tür in der Hand, ruft noch auf den Flur hinaus.

Wer det nich jlobt, der weeß von det janze Jeheimnis, wo ick entdeckt
habe, nischt.

   Maurerpolier John steht in der Tür und tritt gleich darauf ein.

                                  John

I, da bist du ja, Mutter! Schen willkomm! Von wat for'n Jeheimnis
sprichst du denn?

                               Frau John
                 wie aufwachend, faßt sich an den Kopf.

Ick? -- Ha ick denn von 'n Jeheimnis jesprochen?

                                  John

Na ick denke doch, wenn ick nich schwerherig bin. Biste nu 'n Jeist oder
bistes wirklich?

                               Frau John
                         befremdet, ängstlich.

Woso soll ick 'n Jeist sind?

                                  John
              schlägt seine Frau gutmütig auf den Rücken.

Jette, beiß mir man nich. Ick freu mir ja reichlich deswechen, det de nu
wieder mit dein Patenjeschenk bei mich bist! -- (Er geht hinter den
Verschlag.) -- Et sieht aber 'n bißken miserich aus, Jette.

                               Frau John

Et vertrug de Milch nich. Det kommt, weil draußen uf'n Lande de Kühe
schon jrienet Futter kriejen. Hier von de vereinichte Molkerei ha ick
wieder welche, wo trocken jefüttert is.

                                  John
                           erscheint wieder.

Ick sag's ja, was biste erst mit det Kind uf de Bahn und raus aus de
Stadt jeturnt! Ick spreche, die Stadt is an allerjesindsten.

                               Frau John

Nu bleib ick och wieder zu Hause, Paul.

                                  John

In Altona, Jette, is och nu allet in't reene jebracht. Jejen Mittag
treff' ick mit Karln zusamm, und denn will er mir sachen, wenn ick beim
neuen Meester antreten kann! -- Hör ma: ick ha och wat mitjebracht.

   Er schüttelt eine kleine Kinderklapper, die er aus der Hosentasche
   nimmt.

                               Frau John

Wat denn?

                                  John

Det Leben wird in de Kinderstube, weil et doch in Berlin manchma immer
'n bißken zu stille is! -- Horch ma, wie't kräht. -- (Man hört das
Kindchen allerlei vergnügte Geräusche machen.) -- Nee Mutter, wenn so 'n
Kindeken kräht, dafor jeb ick Amerika.

                               Frau John

Haste schonn jemand jesprochen, Paul?

                                  John

Nee! -- Ick ha hechstens heut morchen Quaquaron jesprochen.

                               Frau John
                            scheu, gespannt.

Nu? und?

                                  John

I, laß man, jar nischt, et war weiter nischt.

                               Frau John
                              wie vorher.

Wat hat er jesacht?

                                  John

Wat soll er jesacht haben? -- Na, wenn de schon keene Ruhe jeben dust --
wat soll det nitzen an Sonntag morchen? -- er hat mir ma wieder nach
Brunon jefracht.

                               Frau John
                            hastig, bleich.

Wat soll denn Bruno wieder jemacht haben?

                                  John

Jar nischt! -- Hier, komm und trink 'n Schluck Kaffee, Jette, und ärjer
dir nich! -- Wat kannst de dafür, wenn eener so 'n sauberet Brüderken
hat? -- Wat brauchen wir uns um andre bekimmern?

                               Frau John

Det mecht ick wissen, wat so 'ne olle dußliche Dromlade, wo 'n janzen
Tag spionieren dut, immer von Brunon zu quasseln hat.

                                  John

Jette, mit Brunon laß mir in Frieden! -- -- -- Sieh ma ... i wat denn?
... lieber nich! ... Aber wenn ick da wieder wat sollte von sachen: det
soll mir nich wundern, wo mit Bruno ma jelejentlich in Jefängnishof,
haste nich jesehn! ma'n schnellet Ende is. -- (Frau John läßt sich am
Tisch nieder, wird grau im Gesicht, stützt sich auf beide Ellenbogen und
atmet schwer.) -- Vielleicht och nich! nimm et dir man nich jleich so zu
Herzen! -- -- Wat macht denn de Schwester?

                               Frau John

Ick weeß et nich.

                                  John

Na ick denke, de bist bei se draußen jewesen.

                               Frau John
                     sieht ihn geistesabwesend an.

Wo bin ick jewesen?

                                  John

Siehste woll, Jette, det is mit euch Weiber! de schudderst ja! bein Arzt
und bein Doktor wiste nich hinjehn! womeglich det de noch nachträglich
zum Liechen kommst. Det is wenn eens die Natur vernachlässigt.

                               Frau John
                     fällt ihrem Mann um den Hals.

Paul, du wist mir verlassen! Jott in Himmel, Paul, sach et! sach et
bloß, tu mir nich hinters Licht fihren! Sach et! Fihr mir nich hinters
Licht.

                                  John

Wat is mit dich heute los, Henerjette?

                               Frau John
                          plötzlich verändert.

Hör man nich druf, Paul, wat ick so herschwatze. Ick ha wieder die Nacht
keene Ruhe jehat! Und denn war ick früh uf, und denn is et nich anders,
als wie det ick 'n bißken von Kräfte bin.

                                  John

Denn leg dir man lang und ruh dir 'n bißken. -- (Frau John wirft sich
lang auf das Sofa und starrt gegen die Decke.) -- Kannst dir dann och ma
'n bißken kämmen, Jette! -- -- Uf de Bahn war et wohl sehr staubig
jewesen, det de so ieber und ieber mit Sand injepulvert bist? -- -- --
(Frau John antwortet nicht, sie starrt gegen die Decke.) -- Ick muß ma
det Bengelchen 'n bißken an't Licht holen.

   Er begibt sich hinter den Verschlag.

                               Frau John

Wie lange sind wir verheirat, Paul?

                                  John
            Die Kinderklapper geht hinterm Verschlag, dann:

Det war achtzehnhundertundzweeundsiebzig, jleich wie ick bin aus'n
Kriege jekomm.

                               Frau John

Nich, denn kamst de zu Vater hin? -- und denn hast de in Positur
jestanden? -- und denn hast de't eiserne Kreuz an de linke Brust jehat.

                                  John
   erscheint, das Kind im Steckkissen auf dem Arme, die Kinderklapper
                      schwingend. Er sagt lustig:

Jawoll! det ha ick och heute noch, Mutter! Und wenn de't sehn willst,
denn stech ick's mir an.

                               Frau John
                     noch immer lang ausgestreckt.

Und denn kamst de zu mich, und denn hast de jesacht: ick sollte nich
immer so fleißig ... nich immer so hin und her, treppuf, treppab ... ick
sollte ma 'n bißken pomadich sind.

                                  John

Det sach ick so jut och heute noch, Jette.

                               Frau John

Und denn haste mir mit dein Schnurrbart jekitzelt und hast mir links
hinter't Ohr jeküßt! -- Und denn ...

                                  John

Denn sind wir wohl einig jeworden? --

                               Frau John

Denn ha ick jelacht und ha mir nach und nach, apee apee von oben bis
unten in alle Uniformknöppe abjespiejelt. Und da ha ick noch anders
ausjesehn! -- Und denn haste jesacht ...

                                  John

I Mutter, de kannst dir wahrhaftig sehn lassen, det jlobt eener nich,
wat du for'n Jedächtnis hast.

                               Frau John

Und denn haste jesacht: wenn ick nu bald 'n Jungen krieje, der soll och
ma »mit Jott für Kenig und Vaterland« und »Wacht am Rhein« hinter de
Fahne her zu Felde ziehn.

                                  John
                 singt, über das Kindchen, zur Klapper.

   »Er blickt hinauf in Himmels Aun
   wo Heldenväter niederschaun:
   zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein!« ...

Nu ha ick so'n Kerlchen, und nu bin ick wahrhaftig jar nich so wilde
druf, det ick ihm mechte womeglich als Kanonenfutter in Krieg schicken.

   Er geht mit dem Kindchen in den Verschlag.

                               Frau John
                              wie vorher.

Paulicken, Paulicken, det allens is hundert Jahre her!

                                  John
            kommt, ohne das Kind, wieder aus dem Verschlag.

Janz so lange woll doch nich, Jette.

                               Frau John

Sach ma, wie wär det? du nähmst mir mit und jingst mit mich und mein
Kindeken jingst du fort nach Amerika?

                                  John

Na nu her ma, Jette: wat is mit dich? Wat is det? Bin ick denn hier von
Jespenster umjeben? Du weeßt, det ick uf'n Bau, und wenn de Arbeeter mit
Klamotten ibereinander her sind, ieberhaupt mir nich ufrege und, wat se
mir nennen, Paul is immer jemitlich, bin! Aber nu: wat is det? De Sonne
scheint! et is hellichter Tag! ick weeß nich: sehen kann ick et nich!
Det kichert, det wispert, det kommt jeschlichen! und wenn ick nach
jreife, denn is et nischt. Nu will ick ma wissen, wat an die Jeschichte
mit det fremde Mächen hier in de Stube Wahret is.

                               Frau John

Paul, du hast jehert, det Freilein is ieberhaupt jar nich mehr
wiederjekomm. Da draus kannst de sehn ...

                                  John

Det sachst de zu mich mit blaue Lippen und machst Augen, wie wennste
jerädert bist.

                               Frau John
                               verändert.

Jawoll! Wat läßte mir jahrelang alleene, Paul? wo ick in mein Käfiche
sitzen muß und keen Mensch nich is, mir ma auszusprechen. Manch liebet
Mal hab' ick hier jesessen und jefracht, warum det ick immer rackern du?
warum det mir abdarbe, Jroschens mühsam zusammenscharre, dein Verdienst
jut anleche und wie ick uf jede Art wat zuzuverdien mir abjrübeln du.
Warum denn? Det soll allens for fremde Leite sind? Paul, du hast mir
zujrunde jerichtet!

   Sie legt den Kopf auf den Tisch und bricht in Schluchzen aus.

   In diesem Augenblick ist, katzenartig leise, Bruno Mechelke
   eingetreten. Er hat seine Sonntagskluft an, hat Flieder an der Mütze
   und einen großen Fliederzweig in der Hand. John trommelt ans Fenster
   und bemerkt ihn nicht.

                               Frau John
      hat Bruno wie eine Geistererscheinung nach und nach ins Auge
                                gefaßt.

Bruno, bist du's?

                                 Bruno
         der blitzschnell den Maurerpolier erkannt hat, leise.

Na jewiß doch, Jette.

                               Frau John

Wo kommst de denn her? Wat wiste denn?

                                 Bruno

Na, ick habe de Nacht durchjescherbelt, Jette. Det siehste doch, det ick
bei jute Laune bin.

                                  John
    hat Bruno bis jetzt unverwandt angesehen, wobei eine gefährliche
   Blässe sein Gesicht überzogen hat. Jetzt geht er langsam zu einem
    kleinen Schrank und zieht einen alten Kommißrevolver hervor, den
          er ladet. Dies wird von Frau John nicht beobachtet.

Du! -- Hör ma! -- Nu will ick dir ma wat sachen! -- Wat, wat de
vielleicht verjessen hast -- det de weiter nu keene Ausrede hast, wenn
ick det Dinges hier uf dir abdricke! -- Du Lump! Unter Menschen jeherst
du nich! Ick ha dir jesacht, det ick dir niederknalle, det war vorichten
Herbst, wo du mich jemals wieder uf meine Schwelle unter de Auchen
trittst -- Nu jeh! sonst kracht et! -- Hast de verstanden?

                                 Bruno

Vor deine Musspritze furcht ick mir nich.

                               Frau John
    die bemerkt, daß John, seiner selbst nicht mächtig, den Revolver
                      langsam gegen Bruno erhebt.

Denn mach mir dot, Paul! Et is mein Bruder!

   Sie ist John in den Arm gefallen, so daß sein Revolver gegen sie
   gerichtet ist.

                                  John
     sieht sie lange an, scheint zu erwachen, wird anderen Sinnes.

Jut! -- (Er legt den Revolver wieder sorgfältig in das Schränkchen.) --
Hast och recht, Jette! -- Pfui Deibel, Jette, det dein Name och in de
Fresse von so 'n Schubiack is! -- Jut! -- Det Pulver wär och zu schade!
-- Det Dinges hat Blut von zwee franzesche Reiter jekost! Zwee Helden!
-- Nu soll et am Ende Dreck saufen.

                                 Bruno

Det kann immer sind, det Dreck ... in dein Schädel ist! Und wenn du nich
jerade, det de bei meine Schwester uf Schlafstelle wärscht, denn hätt'
ick dir woll ma wat Luft jemacht, Rotzjunge, det de häst vierzehn Dache
't Loofen jekricht.

                                  John
                            gewaltsam ruhig.

Sach noch ma, Jette, det det dein Bruder is.

                               Frau John

Paul, jeh man, ick wer' ihm schon wieder fortschaffen! Det weeßt de
doch, det ick et nu ma doch nich ändern kann, det Bruno von mich der
Bruder is.

                                  John

Na, denn bin ick hier iebrig, denn schnäbelt euch man. -- (Er ist fertig
gekleidet und schickt sich zum Gehen an. Dicht bei Bruno steht er
still.) -- Schuft! du hast deinem Vater im Jrabe jeärgert! Deine
Schwester hätte dir sollen hinterm Zaune in Jraben verhungern lassen,
statt jroßjezogen, und det eenen Lumpenkanaille mehr uf de Erde is. In
eene halbe Stunde komm ick zurück! aber nich alleene! Ick komm mit'n
Wachmeester!

   John geht durch die Flurtür ab, seinen Kalabreser aufstülpend.

   Bruno wendet sich, sowie John hinaus ist, und spuckt ihm nach, gegen
   die Eingangstür.

                                 Bruno

Wenn ick dir ma in de Wuhlheide hätte.

                               Frau John

Woso kommste nu, Bruno? Sache, wat is!

                                 Bruno

Pinke mußte mich jeben, sonst jeh ick verschütt, Jette.

                               Frau John
                verschließt und verriegelt die Flurtür.

Wacht ma, ick schließe die Diere zu! -- Nanu, wat is? -- Wo kommste her?
Wo biste jewesen?

                                 Bruno

Jetanzt ha ick, Jette, de halbe Nacht, und denn wa' ick 'n bißken jejen
Morchenjrauen in't Jrüne jejang.

                               Frau John

Hat dir Quaquaro sehn reinkomm, Bruno? Denn nimm dir in Obacht, det de
nich in de Falle sitzt.

                                 Bruno

I Jott bewahre. Ick bin ieber'n Hof, denn bei mein Freind durch'n
Knochenkeller und hernach ieber'n Oberboden rinjekomm.

                               Frau John

Na? Und wat is nu jewesen, Bruno?

                                 Bruno

Wuddel nich, Jette. Jieb Reisejeld! Ick jeh verschütt, oder ick muß
abtippeln.

                               Frau John

Und wat haste nu mit det Mächen jemacht?

                                 Bruno

I, et hat Rat jejeben, Jette!

                               Frau John

Wat heeßt det?

                                 Bruno

Ick ha ihr soweit wenigstens bißken jefiege jemacht.

                               Frau John

Und det se nich wiederkommt is nu sicher!

                                 Bruno

Jawoll! Det se nu nochma kommt, jlob ick nich! Aber det wa keen leichtet
Stick Arbeet, Jette. Du hast mich mit deine verdammte Pillenkrajerei --
ick ha Durscht, Jette, jieb mich zu saufen, Jette! ... hast du mir
kochend heeß jemacht.

   Er trinkt eine Wasserflasche leer.

                               Frau John

Se haben dir vor de Diere jesehn mit det Mächen.

                                 Bruno

Ick ha mir mit Artur verabred, Jette. Von mich wollt se nischt wissen.
Denn is Artur in feine Kluft anjetänzelt jekomm und hat ihr och richtig
verschleppt in Bolljongeller. Det hat se jejlobt, uf dem Leim is se
jekrochen, det ihr Breitjam dort warten tut!

   Er trällert und tänzelt krampfhaft.

   Unser janzet Leben lang
   von det eene Ristorang
   in det andre Ristorang

                               Frau John

Na und denn?

                                 Bruno

Denn wollt se fort, weil Adolf jesacht hat, det ihr Breitjam jejangen
is! Denn ha ick wollen ihr noch 'n Stickchen bejleiten, Artur und Adolf
sind mitjejang. Denn sind wir bei Kalinich in de Hinterstube injefallen,
und denn is se ja och von den vielen Nippen an Groch und Schnäpse molum
jeworn. Und denn hat se in'n Bullenwinkel bei eene jenächtigt, wo Arturn
seine Jeliebte is. Den nächsten Dach sind wir immer zwee drei Jungs
hinterher jewesen, nich losjelassen, immer von frischen Quinten jemacht,
und in de Schublade is et ja nu och lustig zujejang.

   Die Kirchenglocken des Sonntagmorgens beginnen zu läuten.

                                 Bruno
                              fährt fort.

Aber 't Jeld is futsch. Ick brauche Märker und Pfenniche, Jette.

                               Frau John
                            kramt nach Geld.

Wieviel mußte haben?

                                 Bruno
                          lauscht den Glocken.

Wat denn?

                               Frau John

Jeld!

                                 Bruno

Der olle Verkümmler unten in Knochenkeller meent, det ick an liebsten
muß ieber de russische Jrenze jehn! -- Her ma, Jette, de Jlocken läuten.

                               Frau John

Weshalb mußte denn ieber de Jrenze jehn?

                                 Bruno

Nimm ma 'n nasses Handtuch, Jette, un du och 'n bißken Essig druf. Ick
weeß nich, wat mich det Nasenbluten janze Nacht schon jeärjert hat.

   Er drückt sein Taschentuch an die Nase.

                               Frau John
                  holt ein Handtuch, atmet krampfhaft.

Wer hat dir an Handjelenk so 'ne Striemen jekratzt, Bruno?

                                 Bruno
                          lauscht den Glocken.

Heute morchen halb viere hätt' se det Jlockenläuten noch heren jekonnt.

                               Frau John

O Jesus, mein Heiland, det is ja nich wahr! det kann ja nich
menschenmeglich sein! Det ha ick dir nich jeheeßen, Bruno! Bruno! ick
muß mir setzen, Bruno. -- (Sie tut es.) -- Det hat ja Vater noch uf'n
Sterbebette zu mich vorausjesacht.

                                 Bruno

Mit Brunon is nich zu spaßen, Jette. Wenn de zu Minnan hinjehst, denn
sache, det ick ma och uf sowat vastehe und det mit Karln und Fritzen det
Jehänsel 'n Ende hat.

                               Frau John

Bruno, wenn se dir aber festsetzen.

                                 Bruno

Na jut, denn mache ick Bammelmann, und denn ha'm se uf Charité wieder ma
wat zum Sezieren.

                               Frau John
                             gibt ihm Geld.

Det is ja nich wahr! Wat hast du jetan, Bruno?

                                 Bruno

Du bist 'ne olle vadrehte Person, Jette. -- (Er faßt sie nicht ohne
Gemütsanwandlung.) -- Ihr sagt immer, det ick zu jar nischt nitze bin,
aber wenn't jar nich mehr jeht, denn braucht ihr mir, Jette.

                               Frau John

Na und wie denn? Haste den Mächen jedroht, det se soll nich mehr blicken
lassen? -- Det haste jesollt, Bruno. Haste det nich?

                                 Bruno

De halbe Nacht hab' ick mit ihr jetanzt. Nu sind wir uf de Straße
jejang. Denn war 'n Herr mitjekomm, vastehste! Und wie det ick jesacht
habe, det ick von meinswechen mit die Dame 'n Hihnchen zu pflicken habe
und 'n Schneiderring aus de Bucksen jezogen, hat er natierlich Reißaus
jenomm. -- Nu ha ick zu ihr jesacht: ängsten sich nich, Freilein! wo
jutwillig sind und wo keen Lärm schlachen, und nie nich mehr bei meine
Schwester nachfrachen nach ihr Kind, soll allet janz jitlich in juten
vereinigt sind! und denn is se mit mich jejondelt 'n Sticksken.

                               Frau John

Na und?

                                 Bruno

Na und? -- Und da wollte se nich! -- Und da fuhr se mit eemal nach meine
Jurjel, det ick denke ... wie 'n Beller, der toll jeworden is! und hat
noch Saft in de Knochen jehabt ... det ick jleich denke, det ick soll
alle werden! Na, und da ... da war ick nu och 'n bißken frisch -- und
denn war et -- denn war et halt so jekomm.

                               Frau John
                          in Grauen versunken.

Um welche Zeit war et?

                                 Bruno

So 'rum zwischen vier und drei. Der Mond hat 'n jroßen Hof jehat. Uf'n
Zimmerplatz hinter de Planken is een Luder von Hund immer rufjesprung
und anjeschlagen. Denn dreppelte et und denn is 'n Jewitter
niederjejang.

                               Frau John
                           verändert, gefaßt.

'S jut! Nu jeh! Die verdient et nich besser.

                                 Bruno

Atje! Na nu sehn wa uns ville Jahre nich.

                               Frau John

Wo wiste denn hin?

                                 Bruno

Erst muß ick ma Stunde zweee längelang uf'n Ricken liechen. Ick och! Ick
jeh zu Fritzen, wo eene Kammer in't olle Polizeijefängnis jejenieber de
Fischerbrücke zu Miete hat. Dort bin ick sicher. Wo Ufstoß is, kannste
mich Nachrich zukomm lassen.

                               Frau John

Wiste det Kindeken nochma ankieken?

                                 Bruno
                                zittert.

Nee.

                               Frau John

Warum nich?

                                 Bruno

Nee Jette, in diesen Leben nich! Atje Jette! -- Wacht ma Jette: hier is
noch 'n Hufeisen! -- (Er legt ein Hufeisen auf den Tisch.) -- Det ha ick
jefunden! Det bringt Glick! Ick brauche ihm nich.

   Bruno Mechelke, katzenartig, wie er gekommen, ab. Frau John blickt
   mit entsetzt aufgerissenen Augen nach der Stelle, wo er verschwunden
   ist, wankt dann einige Schritte zurück, preßt die wie zum Gebet
   verkrampften Hände gegen den Mund und sinkt in sich zusammen, immer
   mit dem vergeblichen Versuch, Gebetsworte gegen den Himmel zu
   richten.

                               Frau John

Ick bin keen Merder! ick bin keen Merder! det wollt ick nich!




                              Fünfter Akt


   Zimmer bei Johns. Frau John liegt schlafend auf dem Sofa. Walburga
   und Spitta treten vom Flur her ein. Man vernimmt von der Straße
   herauf laute Militärmusik.

                                 Spitta

Es ist niemand hier.

                                Walburga

Frau John! Doch Erich! Hier liegt ja Frau John.

                                 Spitta
                   mit Walburga an das Sofa tretend.

Schläft sie? Wahrhaftig. Das begreife einer, wie man bei diesem Lärm
schlafen kann. --

   Die Militärmusik ist verklungen.

                                Walburga

Ach Erich, pst! diese Frau ist mir grausenvoll. Verstehst du denn
übrigens, weshalb unten am Eingang Polizeiposten stehn und weshalb sie
uns nicht auf die Straße lassen? Ich hab' eine solche furchtbare Angst,
daß man womöglich arretiert wird und mit zur Wache muß.

                                 Spitta

Aber gar keine Idee! Du siehst ja Gespenster, Walburga.

                                Walburga

Als der Mann in Zivil auf dich zutrat und uns anblickte und du ihn
fragtest, wer er sei und er seine Legitimationsmarke aus der Tasche
nahm, wahrhaftig, da fing sich Treppe und Flur auf einmal um mich im
Kreise zu drehen an.

                                 Spitta

Sie suchen einen Verbrecher, Walburga. Das ist eben eine sogenannte
Razzia, eine Art Kesseltreiben auf Menschen, wie die Kriminalpolizei sie
zuweilen veranstalten muß.

                                Walburga

Und außerdem kannst du mir glauben, Erich, ich habe Papa'ns Stimme
gehört, der laut mit jemand geredet hat.

                                 Spitta

Du bist nervös. Du kannst dich getäuscht haben.

                                Walburga
            die John spricht im Schlaf, Walburga erschrickt.

Horch mal, die John.

                                 Spitta

Große Schweißtropfen stehen ihr auf der Stirn. Komm mal, sieh mal das
alte rostige Hufeisen, das sie mit beiden Händen umklammert hat.

                                Walburga
                     horcht und erschrickt wieder.

Papa!

                                 Spitta

Ich verstehe dich nicht. Laß ihn doch kommen, Walburga. Die Hauptsache
ist, daß man weiß, was man will und daß man ein reines Gewissen hat. Ich
bin bereit. Ich ersehne die Aussprache.

   Es wird laut an die Tür geklopft.

                                 Spitta
                                 fest.

Herein!

   Frau Direktor Hassenreuter erscheint, mehr als sonst außer Atem.
   Über ihr Gesicht geht ein Ausdruck der Befreiung, als sie ihrer
   Tochter ansichtig wird.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Gott sei gelobt! Da seid ihr ja, Kinder. -- (Walburga fliegt zitternd in
ihre Arme.) -- Mädel, wie du deine alte Mutter geängstet hast! --

   Längeres Atmen und Stillschweigen.

                                Walburga

Verzeih, Mama: ich konnte nicht anders.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Nein! Solche Briefe mit solchen Gedanken schreibt man an eine Mutter
nicht. Besonders an eine Mutter wie mich nicht, Walburga! Hast du
Seelensnöte, so weißt du auch, daß du mich noch immer mit Rat und Tat
dir zur Seite hast. Ich bin kein Unmensch und auch früher mal jung
gewesen. Aber ins Wasser springen ... ins Wasser springen und so
dergleichen, mit solchen Drohungen spielt man nicht. Ich habe doch
hoffentlich recht, Herr Spitta. Und nun auf der Stelle ... wie seht ihr
denn aus? -- auf der Stelle kommt mit mir beide nach Hause mit! -- Was
hat denn Frau John?

                                Walburga

Ja hilf uns! steh uns bei! nimm uns mit, Mama! Ich bin so froh, daß du
da bist. Ich hab' plötzlich eine so lähmende Angst gehabt.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Also kommt, das wäre noch schöner, daß man sich von Ihnen, Herr Spitta,
und diesem Kinde solcher verzweifelter Torheiten zu gewärtigen hat. Man
hat Mut in Ihren Jahren! Man verfällt nicht auf Ausflüchte, wenn alles
nicht gleich nach dem Schnürchen geht, bei denen man nur -- man lebt ja
nur einmal! -- zu verlieren und nichts zu gewinnen hat.

                                 Spitta

O ich habe Mut! Ich denke auch nicht daran, etwa als Lebensmüder feige
zu endigen! außer wenn mir Walburga verweigert wird. Dann freilich ist
mein Entschluß gefaßt! Daß ich vorläufig arm bin und meine Suppe hie und
da in der Volksküche essen muß, untergräbt meinen Glauben an mich und
eine bessere Zukunft nicht. Auch Walburga ist sicherlich überzeugt, es
muß ein Tag kommen, der uns für alle trüben und schweren Stunden
entschädigt.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Das Leben ist lang. Und ihr seid heut noch Kinder. Es ist vielleicht
nicht so schlimm, wenn ein Student oder Kandidat in der Volksküche essen
muß. Für Walburga als Ehefrau wäre das ärger. Und ich möchte doch für
euch beide hoffen, daß da erst etwas vorher wie ein eigner Herd mit dem
nötigen Holz und der nötigen Kohle und so weiter geschaffen wird. Im
übrigen habe ich bei Papa eine Art Waffenstillstand für euch ausgewirkt.
Es war nicht leicht und wäre vielleicht unmöglich gewesen, wenn nicht
die Morgenpost seine definitive Ernennung und Wahl zum Direktor in
Straßburg gebracht hätte.

                                Walburga
                                freudig.

Mama! ach Mama! das ist ja ein Sonnenblick.

                               Frau John
                hat sich mit einem Ruck emporgerichtet.

Bruno!

                       Frau Direktor Hassenreuter
                            entschuldigend.

Wir haben Sie aufgeweckt, Frau John.

                               Frau John

Is Bruno wech?

                       Frau Direktor Hassenreuter

Wer? Welcher Bruno?

                               Frau John

Na Bruno! Kenn Se denn Brunon nich?

                       Frau Direktor Hassenreuter

Richtig, so heißt ja Ihr jüngerer Bruder.

                               Frau John

Ha ick jeschlafen?

                                 Spitta

Fest! Aber Sie haben eben im Schlaf laut aufgeschrien, Frau John.

                               Frau John

Ham Se jesehn, Herr Spitta, wo Jungs in Hof ... ham Se jesehn, wo Jungs
in Hof Adelbertchen sein Jräbken jesteenicht ham? Aber ick war zwischen,
wat? und ha rechts und links jar nich schlecht Maulschellen ausjeteilt.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Demnach haben Sie also von Ihrem ersten verstorbenen Kindchen geträumt,
Frau John?

                               Frau John

Nee nee, det war wahr, ick ha nich jetraumt, Frau Direktor. Und denn
jing ick mit Adelbertchen, jing ick bein Standesbeamten hin.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Aber wenn Adelbertchen nicht mehr am Leben ist ... wie können Sie denn
...

                               Frau John

I, wenn een Kindchen meinswechen jeboren is, denn is et jedennoch noch
in de Mutter, und wenn es meinswechen jestorben is, denn is et immer
noch in de Mutter. Ham Se den Hund jehert hintern Plankenzaun? Der Mond
hat'n jroßen Hof jehat! Bruno, du jehst uf schlechte Weche.

                       Frau Direktor Hassenreuter
                           rüttelt Frau John.

Wachen Sie auf, gute Frau! Frau John! Frau John! Sie sind krank! Ihr
Mann soll mit Ihnen zum Arzte gehen.

                               Frau John

Bruno, du jehst uf schlechte Weche. -- (Die Glocken beginnen wieder zu
läuten.) -- Sind det de Jlocken? --

                       Frau Direktor Hassenreuter

Der Gottesdienst ist zu Ende, Frau John.

                               Frau John
                    erwacht völlig, starrt um sich.

Warum wach ick denn uf? Warum habt ihr mir denn in Schlaf nich mit de
Axt iebern Kopp jehaut? -- -- -- -- -- -- Wat ha ick jesacht? Pst! Bloß
zu niemand een Sterbenswort, Frau Direktor. --

   Sie ist aufgesprungen und ordnet ihr Haar mit vielen Haarnadeln.

   Der Direktor erscheint durch die Flurtür.

                         Direktor Hassenreuter
                   stutzt beim Anblick der Seinigen.

Sieh da, sieh da Timotheus, die Kraniche des Ibikus! -- Sagten Sie
nicht, es wohne hier ganz in der Nähe ein Spediteur, Frau John? -- (zu
Walburga.) -- Jawohl, mein Kind: während du in deinem jugendlichen
Leichtsinn auf dein Vergnügen und wieder auf dein Vergnügen denkst, ist
dein Papa schon wieder drei Stunden lang in Geschäften herumgelaufen. --
(zu Spitta.) -- Sie würden es nicht so eilig haben, junger Mann, eine
Familie zu begründen, wenn Sie auch nur die geringste Ahnung davon
hätten, wie schwer es ist, es durchzusetzen, von Tag zu Tag mit Weib und
Kind wenigstens nicht ohne das elende und verschimmelte bißchen
täglichen Brotes dazustehn. Möge das Schicksal jeden davor bewahren,
sich eines Tages mittellos in die Suburra Berlins geschleudert zu
finden, um mit andern Verzweifelten, Brust an Brust, in unterirdischen
Löchern und Röhren, um das nackte Leben für sich und die Seinen zu
ringen. Gratuliert mir! In acht Tagen sind wir in Straßburg. -- (Frau
Direktor, Walburga und Spitta drücken ihm die Hand.) -- Alles übrige
findet sich.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Papa, du hast wirklich für uns, und zwar ohne dir etwas zu vergeben, die
Jahre einen heroischen Kampf gekämpft.

                         Direktor Hassenreuter

Wie bei Schiffbruch, wenn der Kampf um die Balken im Wasser beginnt.
Meine edlen Kostüme, gemacht, um die Träume der Dichter zu
veranschaulichen, in welchen Lasterhöhlen, auf welchen schwitzenden
Leibern haben sie nicht, _odi profanum vulgus!_ damit nur der Groschen
Leihgebühr im Kasten klang, ihre Nächte zugebracht. Sessa! Wenden wir
uns zu heiteren Bildern. Der Rollwagen, alias Thespiskarren ist schon
angeschirrt, um den Transport unsrer Penaten in hoffentlich glücklichere
Gefilde zu bewerkstelligen. -- (plötzlich zu Spitta.) -- Und daß ihr
beide nicht etwa aus sogenannter Verzweiflung irreparable Dummheiten
macht, darauf verlang ich Ihr Ehrenwort, werter Herr Spitta. Zur
Kompensation verspreche ich Ihnen jeder wirklich vernünftigen Äußerung
Ihrerseits gegenüber nicht taub zu sein. -- Im übrigen komme ich zu Frau
John: erstlich weil Schutzleute in den Eingängen niemanden auf die
Straße lassen, ferner, weil ich gerne von Ihnen wissen will, weshalb ein
Mann wie ich, gerade in diesem Augenblick, wo seine Wimpel wieder
flattern, Gegenstand einer niederträchtigen Zeitungskampagne geworden
ist.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Lieber Harro, Frau John versteht dich nicht.

                         Direktor Hassenreuter

Dann wollen wir also _ab ovo_ anfangen. Hier habe ich Briefe, -- (er
zeigt einen Stoß Briefschaften) -- eins, zwei, drei, fünf, zirka ein
Dutzend Stück! Darin wird mir in boshafter Weise von Unbekannten zu
einem Ereignis gratuliert, das angeblich oben auf meinem Magazinboden
vor sich gegangen ist. Ich würde die Sache nicht beachten, wenn nicht
gleichzeitig diese Lokalnotiz, wonach in der Bodenkammer eines
Maskenverleihers, _sic!_ ... eines Maskenverleihers in der Vorstadt ein
neugeborenes Kindchen gefunden worden ist! ... Ich sage, wenn diese
Lokalnotiz mich nicht stutzig machte. Zweifellos handelt sich's hier um
eine Verwechselung. Dennoch mag ich die Sache nicht auf mir sitzen
lassen. Besonders da dieser Lümmel von einem Reporter von dem Herrn
Maskenverleiher auch noch als einem verkrachten Schmierendirektor
spricht. Lies Mama: Adebar beim Maskenverleiher. Der Kerl bekommt
Ohrfeigen! Heut abend soll meine Ernennung in Straßburg durch die
Zeitungen gehn und gleichzeitig werde ich _urbi et orbi_ als
humoristischer Bissen ausgeliefert. Als ob man nicht wüßte, daß von
allen Flüchen der Fluch der Lächerlichkeit der schlimmste ist.

                               Frau John

An Hauseingang stehn Schutzleute, Herr Direktor?

                         Direktor Hassenreuter

Ja! Und zwar so, daß sogar das Kinderbegräbnis der Witfrau Knobbe ins
Stocken gekommen ist. Man läßt sogar den kleinen Sarg mit dem greulichen
Kerl von der Pietät, der ihn trägt, nicht in den Wagen hinaus.

                               Frau John

Wat wär' denn det for'n Kinderbejängnis?

                         Direktor Hassenreuter

Wissen Sie das nicht? Das Söhnchen der Knobbe, das auf eine mysteriöse
Weise von zwei fremden Weibsbildern zu mir heraufgebracht wurde und
förmlich unter meinen Augen, wahrscheinlich an Entkräftung gestorben
ist. A propos ...

                               Frau John

Det Kind von de Knobbe is jestorben?

                         Direktor Hassenreuter

A propos, Frau John, wollt' ich sagen, Sie sollten doch eigentlich
wissen, wie die Sache mit den beiden übergeschnappten Frauenspersonen,
die sich des Kindchens bemächtigt hatten, schließlich verlaufen ist?

                               Frau John

Nu sachen Se, is det nich Jottes Finger, det se womöglich nich
Adelbertchen erwischt haben und det nich mein Adelbertchen mit Dot
abjejang is?

                         Direktor Hassenreuter

Wieso? Diese Logik verstehe ich nicht. Dagegen habe ich mich schon
gefragt, ob nicht die wirren Reden des polnischen Mädchens, der
Kleiderdiebstahl auf meinem Boden und das Milchfläschchen, das Quaquaro
im Stiefel herunterbrachte, irgendwie mit der Zeitungsnotiz
zusammenzubringen sind.

                               Frau John

Da mang, Herr Direkter, is jar keen Zusammenhang. Haben Se Pauln jesehn,
Herr Direkter?

                         Direktor Hassenreuter

Paul? Ach so: Ihren Mann! jawohl! und zwar, wenn ich recht gesehen habe,
im Gespräch mit dem fetten Kriminalinspektor Puppe, der wegen des
Diebstahls auch schon mal bei mir gewesen ist.

   Maurerpolier John tritt ein.

                                  John

Na Jette, ha ick nu recht? Det is schnell jekomm.

                               Frau John

Wat denn?

                                  John

Soll ick mich tausend Marcht verdien, wo mit Anschläche von
Polizeipräsidium an de Litfaßsäulen als Belohnung for Denungsiation is
bekannt jejeben?

                               Frau John

Woso denn?

                                  John

Weeßte denn nich, det det janze Manöver mit Schutzleute und
Jeheimpolizisten Brunos wechen in Jange is?

                               Frau John

Wie denn? Wo denn? Wat denn? Warum denn in Jange?

                                  John

Det Kinderbejängnis is sistiert und zwee Burschen von de Leidtrajenden,
wat richtig dufte Kunden sind, festjenomm! jawoll! Det is nu so weit,
Herr Direktor! Ick bin nu'n Mann, wo mit eene Frau verkuppelt is, wo een
Bruder hat, wo hinterher sind, mit Rejierungsräte und Mordkommission,
weil er draußen, nich weit von de Spree unter een Fliederstrauch eene
hat umjebracht.

                         Direktor Hassenreuter

Aber werter Herr John: das mag Gott verhüten.

                               Frau John

Det is jelochen! Mein Bruder tut so wat nich.

                                  John

I, det is det Neieste, Jette. Herr Direkter, ick ha neilich schonn
jesacht, wat det for'ne Sorte Bruder is. -- (Er bemerkt und nimmt einen
Fliederstrauch vom Tisch.) -- Sehen Se ma det hier! Det Unjeheuer is
hier jewesen. Wo wiederkommt, bin ick der erschte, wo ihm, Hände und
Füße jebunden, an der Jerechtigkeet ausliefern dut.

   Er sucht den Raum ab.

                               Frau John

Mach du Rotznäsen wat weeß von Jerechtigkeet. Jerechtigkeet is noch nich
ma oben in Himmel. Keen Mensch nich war hier! Und det bisken Flieder ha
ick von Hangelsberg mitjebracht, wo'n jroßer Strauch hinter'n Hause bei
deine Schwester is.

                                  John

Du warst ja jar nich bei meine Schwester, Jette. Det hat mich Quaquaro
ja ebent jesacht! det ham se uf Polizei ja festjestellt. Se ham dir
jesehn bei de Spree in de Anlachen ...

                               Frau John

Lieche!

                                  John

Und och in de Laubenkolonie wo du in 'ne Laube jenächtigt hast.

                               Frau John

Wat? Kommst du in dein eechnet Haus allens kurz und kleen demolieren?

                                  John

Jut so! recht so! det so weit jekommen is. Nu is det mit uns weiter keen
Verstecken! Det ha ick allens vorausjewußt.

                         Direktor Hassenreuter
                             mit Spannung.

Hat sich das polnische Mädchen wieder gezeigt, das neulich wie eine
Löwin um das Knobbesche Kindchen gestritten hat?

                                  John

Eben det is et. Det ham se heut morchen dot jefunden. Und det sach ick
so hin, ohne det mir de Zunge in Maule absterben dut: det Mächen hat
Bruno Mechelke ums Leben jebracht.

                         Direktor Hassenreuter
                                schnell.

Dann ist es wohl seine Geliebte gewesen.

                                  John

Fragen Se Muttern! Det weeß ick nich! Det war meine Angst, deshalb bin
ick schonn lieber jar nich zu Hause jekomm, det mein eechnet Weib mit
so'ne Jesellschaft behaftet is und hat keene Kraft nich abzuschütteln.

                         Direktor Hassenreuter

Kommt Kinder!

                                  John

Warum denn? Immer bleiben Se man.

                               Frau John

De brauchst nich jehn und Fenster ufreißen und alle Welt uf de Jasse
schrein! Det is schlimm jenug, wenn uns Schicksal mit so'n Unjlück
jetroffen hat. Plärr! aber dann siehste mir bald nich mehr wieder.

                                  John

Jerade! Nu jerade! Ick rufe wer't wissen will von de Jasse, von Flur,
dem Tischler vom Hof, de Jungs, de Mächens, wo in de Konfirmationsstunde
jehn, die ruf ick rin und erzähle, wie weit eene Frau mit ihre
Affenliebe zu ihren Lump von Bruder jekommen is.

                         Direktor Hassenreuter

Diese hübsche junge Person, die das Kind beanspruchte, ist heute
tatsächlich tot, Herr John?

                                  John

Kann sind, det se hibsch is, ick weeß et nich, ob se hibsch oder häßlich
jewesen is. Aber det se in Schauhaus liecht, det is sicher.

                               Frau John

Ick weeß et, wat se jewesen is! Een schlechtet jemeinet Weibstick is et
jewesen! Wo mit Kerle hat abjejeben und von een Tiroler, der nischt hat
von wissen jewollt, hat Kind jehat! Det hat se an liebsten in
Mutterleibe schon umjebracht. Denn is se 't holen jekomm mit de
Kielbacke, wo als Engelmachersche schon ma anderthalb Jahre Plötzensee
abjesessen hat. Ob se mit Brunon och wat jehabt hat, wo soll ick det
wissen? Kann sind, kann och nich sind! Und wat soll mir det allens
ieberhaupt anjehn, wat Bruno meinswechen verbrochen hat.

                         Direktor Hassenreuter

Also haben Sie doch das Mädchen gekannt, Frau John.

                               Frau John

Woso? ick ha jar nich jekannt, Herr Direkter! Ick sache bloß, wat'n
jeder, wie'n jeder von det Mächen jeäußert hat.

                         Direktor Hassenreuter

Sie sind eine ehrenhafte Frau, Sie ein ehrenhafter Mann, Herr John. Die
Sache mit Ihrem mißratenen Schwager und Bruder ist schließlich etwas,
was meinethalben eine furchtbare Tatsache ist, aber Ihr Familienleben
doch im Grunde nicht ernstlich erschüttert ... aber bleiben Sie ehrlich
...

                                  John

Nich in de Hand! In so'ne Nähe, bei solchet Jesindel bleib ick nich. --
(Er schlägt mit der Faust auf den Tisch, klopft an die Wände, stampft
auf den Fußboden.) -- Horchen Se ma, wie det knackt, wie Putz hinter de
Tapete runterjeschoddert kommt! Allens is hier morsch! Allens faulet
Holz! Allens unterminiert, von Unjeziefer, von Ratten und Mäuse
zerfressen! -- (Er wippt auf der Diele.) -- Allens schwankt! Allens kann
jeden Ojenblick bis in Keller durchbrechen. -- (Er öffnet die Tür.) --
Selma! Selma! -- Hier mach ick mir fort, eh' det allens een Schutthaufen
drunter und drieber zusammenbricht.

                               Frau John

Wat wißte mit Selma?

                                  John

Selma nimmt det Kind und ick reise mit Selman und det Kind und bringe
mein Kind zu meine Schwester.

                               Frau John

Denn soßte Bescheid kriechen! Versuch det man!

                                  John

Soll mein Kind in so'ne Umjebung jroßwachsen, womeglich det ma wie Bruno
ieber Dächer jehetzt und det och ma womeglich in Zuchthaus endet?

                               Frau John
                            schreit ihn an.

Det is jar nich dein Kind! Vastehste mich?

                                  John

So? Det wolln wir ma sehn, ob een rechtlicher Mann nich Herr sollte sind
ieber sein eechnet Kind, wo Mutter nich bei Verstande is und in de Hände
von Mordjesindel. Det will ick ma sehn, wer in Rechte is un wer stärker
is! Selma!

                               Frau John

Ick schrei! ick reiße det Fenster uf! Frau Direkter, se wollen eene
Mutter ihr Kind rauben! Det is mein Recht, det ick Mutter von mein
Kindeken bin! Det is doch mein Recht? Ha ick nich recht, Frau Direkter?
Se umzingeln mir! Se wollen mir mein Recht versetzen! Soll mir det nich
jeheren, wat ick vor Wegwurf ufjelesen, wo vor Tod in Lumpen jelechen
hat und wo ick ha mihsam erscht missen reiben und kneten, bis bisken
Atem jeholt und langsam lebendig geworden is? Wo ick nich war, det wäre
schonn vor drei Wochen längst in de Erde verscharrt jewesen.

                         Direktor Hassenreuter

Herr John, zwischen Eheleuten den Schiedsmann spielen ist meine Sache im
allgemeinen nicht. Dazu ist dies Geschäft zu undankbar und man macht
dabei meistens böse Erfahrungen. Sie sollten aber in Ihrem zweifellos
mit Recht verwundeten Ehrgefühl sich nicht zu Übereilungen hinreißen
lassen. Denn schließlich ist doch Ihre Frau für die Tat ihres Bruders
nicht verantwortlich. Lassen Sie ihr das Kind! Machen Sie nicht das
Unglück schlimmer durch eine überflüssige Härte, die Ihre Frau aufs
empfindlichste kränken muß.

                               Frau John

Paul, det Kind is aus meinen Leibe jeschnitten! Det Kind is mit meinen
Blute erkoft. Nich jenug, alle Welt is hinter mich her und will et mich
abjagen! Nu kommst och du noch und machst et nich anders, det is der
Dank! als wenn det ick ringsum von hungrige Welfe umjeben bin. Mir
kannste dot machen! mein Kindeken soßte nich anfassen.

                                  John

Ick komme zu Hause, Herr Direkter! Ick bin heut morchen erst mit mein
ganzes Zeug quietschverjnügt von de Bahn jekomm! Hamburg, Altona, allens
abjebrochen. Wenn och Verdienst jeringer is, dachte ick, wißt lieber bei
deine Familie sind! Bißken Kind uf'n Arm nehmen! Bißken Kind uf'n Knie
nehmen! Det war unjefähr so meine Inbildung ...

                               Frau John

Paul! Hier Paul! -- (Sie tritt ihm ganz nahe.) -- Reiß mir det Herz
aus'n Leibe! --

   Sie starrt ihn lange an, dann läuft sie in den Verschlag, wo man sie
   laut weinen hört.

   Selma kommt vom Flur. Sie trägt Trauerkleidung und einen kleinen
   Grabkranz in der Hand.

                                 Selma

Wat soll ick? Se ham mir jeruft, Herr John.

                                  John

Zieh dir an, Selma. Frach deine Mutter, ob det de kannst mit mir jehn zu
meine Schwester nach Hangelsberg. Kannst dir'n Jroschen Jeld bei
verdienen. Nimmst mein Kindeken uf'n Arm und bejleitest mir.

                                 Selma

Nee! det Kind faß ick nu nich mehr an, Herr John.

                                  John

Woso nich?

                                 Selma

Nee, ick furcht mir, Herr John. Ick ha so'ne Angst, so hat mir Mama und
Polizeileutnam anjeschrien.

                               Frau John
                               erscheint.

I, weshalb ham se dir anjeschrien?

                                 Selma
                               heult los.

Schutzmann Schierke hat mich sojar eene runterjehaut.

                               Frau John

I, dem wer' ick nochma ... det soll der nochma versuchen.

                                 Selma

Wat soll ick denn wissen, warum mich det polsche Mächen hat mein
Brüderken wegjenomm. Hätt ick jewußt, det mein Brüderken sterben soll,
ick hätt' ihr ja lieber an Hals jesprung. Nu steht Jundofriedchen in
Särjiken uf de Treppe. Ick jlobe, Mama hat Krämpfe jekricht und liecht
bei Quaquaron hinten in Alkoven. Mir wolln se in Firsorche schaffen,
Frau John. --

   Sie flennt.

                               Frau John

Denn freu' dir! Schlimmer kann et nich komm, als et bei dich zu Hause
is.

                                 Selma

Ick komm vor Jericht! womeglich wer' Moabit jeschafft.

                               Frau John

Woso det?

                                 Selma

Weil ick soll haben det Kindeken, wat det polsche Freilein jeboren hat,
von Oberboden runter bei Sie, Frau John, in de Wohnung jetrachen.

                         Direktor Hassenreuter

Also ist tatsächlich oben ein Kindchen geboren worden?

                                 Selma

Jewiß.

                         Direktor Hassenreuter

Auf welchem Boden?

                                 Selma

Na, bei de Kamedienspieler doch! Wat jeht det mich an? Wat soll ick von
wissen? Ick kann bloß sachen ...

                               Frau John

Nu mach det de fortkommst! Selma, du hast'n reenet Jewissen! Wat de
Leute quasseln, kimmert dir nich.

                                 Selma

Ick will ja och nischt verraten, Frau John.

                                  John
          packt Selma, die fortlaufen will, und hält sie fest.

Et wird nich jejang! et wird herjekomm! -- Wahrheet! Ick verrate nischt,
hast du jesacht: det ham Se doch och jehert, Frau Direkter? Hat Herr
Spitta und hat det Freilein jehert! -- Wahrheet! -- Bevor ick nich weeß,
wat mit Bruno und seine Jeliebte is und wo ihr womeglich det Kindchen
habt wechjeschafft, det is mich ejal, kommst du nich von de Stelle!

                               Frau John

Paul, ick schwere vor Jott, wechjeschafft ha ick et nich.

                                  John

Na, und? ... Raus wat du weeßt, Mächen! Det ha ick schon lange jemerkt,
det zwischen dich und meine Frau een jeheimet Jestecke is. Det Zwinkern
und Anplinkern is jetzt verjebliche Mihe. Is det Kind tot oder lebt et
noch?

                                 Selma

Nee, det Kind is lebendich, Herr John.

                         Direktor Hassenreuter

Was du unter deine Schürze oder sonstwie hier hast heruntergebracht?

                                  John

Wenn et dot is, denn rechne druf, denn wirst du wie Bruno een Kopp
kürzer jemacht.

                                 Selma

Ick sach't ja: det Kindeken is lebendich.

                         Direktor Hassenreuter

Ich denke, du hast gar kein Kind vom Boden heruntergebracht?

                                  John

Und von die janze Jeschichte, Mutter, wißt du nischt wissen? -- (Frau
John sieht ihn starr an, Selma blickt hilflos und verwirrt auf Frau
John.) -- Mutter, du hast det Kindchen von Brunon und die polsche Person
beiseite jeschafft und denn wo se jekomm is, haste det Würmiken von de
Knobbe unterjeschoben.

                                Walburga
                     sehr bleich, mit Überwindung.

Sagen Sie mal, Frau John, was ist denn an jenem Tage geschehen, wo ich
dummerweise, als Papa kam, mit Ihnen auf den Boden geflüchtet bin? Ich
will dir das später erklären, Papa. Damals habe ich, wie mir nach und
nach deutlich geworden ist, das polnische Mädchen und zwar erst mit Frau
John und dann mit ihrem Bruder zusammengesehn.

                         Direktor Hassenreuter

Du, Walburga?

                                Walburga

Ja, Papa. Bei dir war damals Alice Rütterbusch und ich hatte mich mit
Erich verabredet, der dann auch, aber ohne mich zu treffen, denn ich
blieb versteckt, zu dir gekommen ist.

                         Direktor Hassenreuter

Ich kann mich dessen nicht mehr erinnern.

                       Frau Direktor Hassenreuter
                             zum Direktor.

Das Mädel hat um dieser Sache willen, Papa, wirklich schon schlaflose
Nächte gehabt.

                         Direktor Hassenreuter

Wenn Ihnen an dem Rate eines ehemaligen Juristen, der durchs
Referendarexamen gepurzelt und dann erst zur Kunst abgesprungen ist ...
wenn Ihnen an dem Rat eines solchen Mannes irgendwie etwas liegt, so
lassen Sie sich jetzt sagen, Frau John, daß in Ihrem Fall ganz
rücksichtslose Offenheit die beste Verteidigung ist.

                                  John

Jette, wo habt ihr dem Kindeken hinjeschafft? Kriminalinspektor hat mich
jesacht, det fällt mir jetzt in, det se nach det Kind von de dote Person
suchen. Jette, um Jottet Himmelswillen! mag sind wat will, bloß det du
dir nich in Verdacht kommen dust, det du um Folchen von Liederlichkeit
von dein Bruder womeglich aus de Welt zu schaffen, dir an det Neujeborne
vergriffen hast.

                               Frau John
                                 lacht.

Ick? und mir an Adelbertchen vergreifen, Paul.

                                  John

Hier redet keener von Adelbertchen -- (zu Selma) -- Ick dreh dir den
Hals um oder du sachst, wo det Kleene von Brunon und det polsche Mächen
-- uf de Stelle! -- jeblieben is.

                                 Selma

Et is doch bei Sie in Verschlage, Herr John.

                                  John

Wo is et, Jette?

                               Frau John

Det sach ick nich. --

   Das Kind beginnt zu schreien.

                                  John
                               zu Selma.

Wahrheet! oder ick iberliefer dir uf de Polizei, vastehst de! siehste
dem Strick! an Hände und Fieße zusammenjebunden.

                                 Selma
                   in höchster Angst, unwillkürlich.

Et schreit doch! Se kenn doch det Kindeken janz jut, Herr John.

                                  John

Ick? --

   Er sieht verständnislos erst Selma, dann den Direktor an. Ihn
   durchblitzt eine Ahnung, als er seine Frau ins Auge faßt. Er glaubt
   zu begreifen und gerät ins Wanken.

                               Frau John

Laß dir von so'ne niederträchtiche Lieche nich umjarnen, Paul. Det is
allens von ihre feine Mutter aus Rache bloß mit det Mächen anjestellt!
Paul, wat dust du mir denn so ankieken?

                                 Selma

Det is Jemeenheet, det Se mich nu och noch wolln schlecht machen, Mutter
John. Dann wer' ick mir hieten, noch Blatt vorn Mund nehmen. Wissen janz
jut, det ick ha det Kindchen von det Freilein runterjetragen und ha bei
Ihn hier in frisch jemachte Bettchen jelegt. Det kann ick beschwören!
det will ick beeidigen!

                               Frau John

Lieche! Du sagst, det mein Kind nich mein Kindeken is?

                                 Selma

Sie haben iberhaupt jar keen Kind nich jehat, Frau John.

                               Frau John
                         umklammert Johns Knie.

Det is ja nich wahr.

                                  John

Laß mich in Ruh! beschmutze mir nich, Henerjette.

                               Frau John

Paul, ick konnte nich anders, ick mußte det tun. Ick war selber
betrochen, denn hat ick dir in Brief nach Hamburg Bescheed jesacht. Denn
warste vajnügt, und denn mocht ick nich mehr zurick und denn dacht ick,
et muß sind! Et kann och uf andere Weise sind, und denn ...

                                  John
                           unheimlich ruhig.

Laß mir man iberlechen, Jette. -- (Er geht an eine Kommode, zieht
einen Schub auf und schleudert allerlei Kinderwäsche und
Kinderkleidungsstücke, die er daraus nimmt, mitten in die Stube.) --
Versteht eener det, wat se Woche um Woche, Monat um Monat, janze Tage
und halbe Nächte lang mit blutige Finger jestichelt hat?

                               Frau John
    sammelt in wahnsinniger Hast die Wäsche und Kleidungsstücke auf
       und versteckt sie sorgfältig im Tischschub oder wo sonst.

Paul det nich! Allens kannste dun! aber reiß mich nich Fetzen von
nackten Leibe!

                                  John
       hält inne, faßt sich an die Stirn, sinkt auf einen Stuhl.

Wenn det wahr is, Mutter, da schäm ick mir ja in Abjrund rin. --

   Er kriecht in sich zusammen, legt die Arme über den Kopf und
   verbirgt sein Gesicht. Es tritt eine Stille ein.

                         Direktor Hassenreuter

Wie konnten Sie sich nur auf einen solchen Weg des Irrtums und des
Betruges drängen lassen, Frau John? Sie haben sich ja verstrickt auf das
allerfurchtbarste! Kommt Kinder! Wir können hier leider nichts weiter
tun.

                                  John
                               steht auf.

Nehm Se mir man mit, Herr Direkter.

                               Frau John

Jeh! immer jeh! ick brauche dir nich!

                                  John
                           wendet sich, kalt.

Also det Kind haste dich beschafft und wie Mutter hat wieder haben
jewollt, hast se lassen von Brunon umbringen?

                               Frau John

Du bist nich mein Mann! Wat soll det heeßen? Du bist von de Polizei
jekoft! Du hast Jeld jekricht, mir an't Messer zu liefern! Jeh Paul! du
bist jar keen Mensch! Du bist eener wo Jift in de Ochen, und Hauer wie
Welfe hat! Immer pfeif, det se kommen und det se mir festnehmen! Immer
zu doch! Nu seh' ick dir, wie det du bist! Ick verachte dir bis zun
Jüngsten Dache.

   Frau John will durch die Tür davonlaufen. Da erscheinen Schutzmann
   Schierke und Quaquaro.

                                Schierke

Halt! Aus die Stube raus kommt keener nich.

                                  John

Immer komm rin, Emil! Herr Schutzmann, immer komm Se ruhig rin. Et is
allens in Ordnung! Allens is richtich.

                                Quaquaro

Reg dir nich uf, Paul, dir betrifft et ja nich.

                                  John
                       mit aufsteigendem Jähzorn.

Hast du jelacht, Emil?

                                Quaquaro

I, Menschenskind! Herr Schierke soll bloß det Kleene per Droschke in't
Waisenhaus wechschaffen.

                                Schierke

Jawoll. So is et. Wo steckt det Kind?

                                  John

Soll ick wissen, wo jedet ausgestoppte Balch von Lumpenspeicher, womit
olle Hexen mit Besen Fets treiben, an Ende hinjekomm is? Paßt ma uf
Schornstein uf, det se nich oben rausfliechen.

                               Frau John

Paul!! -- Nu soll et nich leben! Nu jerade! Nu och nich! Nu brauch et
nich leben! Nu muß et mit mich mit unter de Erde komm.

   Frau John war blitzschnell hinter den Verschlag gelaufen. Sie kommt
   mit dem Kinde wieder und will mit ihm zur Tür hinaus. Der Direktor
   und Spitta werfen sich der Verzweifelten entgegen, in der Absicht,
   das Kind zu retten.

                         Direktor Hassenreuter

Halt! Hier greife ich ein! Hier bin ich zuständig! Wem das Knäblein hier
auch immer gehören mag -- um so schlimmer, wenn seine Mutter ermordet
ist! -- es ist in meinem Fundus geboren! Vorwärts, Spitta! Kämpfen Sie,
Spitta! Hier sind Ihre Eigenschaften am Platz! Vorwärts! Vorsicht! So!
Bravo! Als wär' es das Jesuskind! Bravo! Sie selber sind frei, Frau
John! Wir halten Sie nicht. Sie brauchen uns nur das Jungchen hier
lassen.

   Frau John stürzt hinaus.

                                Schierke

Hier jeblieben!

                       Frau Direktor Hassenreuter

Die Frau ist verzweifelt! Aufhalten! Festhalten!

                                  John
                          plötzlich verändert.

Jebt uf Muttern acht! Mutter! Ufhalten! Festhalten! -- Mutter! Mutter!

   Selma, Schierke und John eilen Frau John nach. Spitta, der Direktor,
   Frau Direktor und Walburga sind um das Kind bemüht, das auf den
   Tisch gebettet wird.

                         Direktor Hassenreuter
             der das Kind sorgfältig auf den Tisch bettet.

Meinethalben mag diese entsetzliche Frau doch verzweifelt sein! Deshalb
braucht sie das Kind nicht zugrunde richten.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Aber liebster Papa, das merkt man doch, daß diese Frau ihre Liebe,
närrisch bis zum Wahnsinn, gerade an diesen Säugling geheftet hat.
Unbedachtsame harte Worte, Papa, können die unglückselige Person in den
Tod treiben.

                         Direktor Hassenreuter

Harte Worte habe ich nicht gebraucht, Mama.

                                 Spitta

Mir sagt ein ganz bestimmtes Gefühl: erst jetzt hat das Kind seine
Mutter verloren.

                                Quaquaro

Det stimmt. Vater is nich, will nischt von wissen, hat jestern in de
Hasenheide mit eene Karussellbesitzerswitwe Hochzeit jemacht! Mutter war
liederlich! Und bei de Kielbacken, wo Kinder in Fleje hat, sterben von's
Dutzend mehrschtens zehn. Nu is et so weit: det jeht jetzt och zujrunde.

                         Direktor Hassenreuter

Sofern es nämlich bei dem Vater dort oben, der alles sieht, nicht anders
beschlossen ist.

                                Quaquaro

Meen Se Pauln? den Mauerpolier! Nu nicht mehr! dem kenn' ick! wo der
uf'n Ehrenpunkt kitzlich is.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Wie das Kindchen da liegt! es ist unbegreiflich. Feine Leinwand! Spitzen
sogar! Schmuck und frisch wie ein Püppchen. Es wendet sich einem das
Herz um, zu denken, wie es so plötzlich zu einer von aller Welt
verlassenen Waise geworden ist.

                                 Spitta

Wäre ich Richter in Israel ...

                         Direktor Hassenreuter

Sie würden der John ein Denkmal setzen! Mag sein, daß in diesen
verkrochenen Kämpfen und Schicksalen manches heroisch und manches
verborgen Verdienstliche ist. Aber Kohlhaas von Kohlhaasenbrück konnte
da mit seinem Gerechtigkeitswahnsinn auch nicht durchkommen. Treiben wir
praktisches Christentum! Vielleicht können wir uns des Kindchens
annehmen.

                                Quaquaro

Lassen Se da bloß de Finger von!

                         Direktor Hassenreuter

Warum?

                                Quaquaro

Außer det Se Jeld wollen los werden und uf de Quengeleien und
Scherereien mit de Armenverwaltung, mit Polizei und Jericht womechlich
happich sind.

                         Direktor Hassenreuter

Dazu hätte ich allerdings keine Zeit übrig.

                                 Spitta

Finden Sie nicht, daß hier ein wahrhaft tragisches Verhängnis wirksam
gewesen ist?

                         Direktor Hassenreuter

Die Tragik ist nicht an Stände gebunden. Ich habe Ihnen das stets
gesagt.

   Selma, atemlos, öffnet die Flurtür.

                                 Selma

Herr John, Herr John, Herr Mauerpolier.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Herr John ist nicht hier. Was willst du denn, Selma?

                                 Selma

Herr John. Se solln uf de Straße kommn.

                         Direktor Hassenreuter

Nur Ruhe, Ruhe. Was gibt's denn, Selma?

                                 Selma
                                atemlos.

Ihre Frau ... Ihre Frau ... Janze Straße steht voll ... Omnibus,
Pferdebahnwagen is jar keen Durchkommen ... Arme ausjestreckt ... Ihre
Frau liecht lang uf Jesichte unten.

                       Frau Direktor Hassenreuter

Was ist denn geschehen?

                                 Selma

Herrjott, Herrjott in Himmel, Mutter John hat sich umjebracht.


                                 Ende.




          Gerhart Hauptmanns Gesammelte Werke in sechs Bänden


   1. Bd.: Soziale Dramen: Einleitung / Vor Sonnenaufgang / Die Weber /
   Der Biberpelz / Der rote Hahn.

   2. Bd.: Soziale Dramen und Prosa: Fuhrmann Henschel / Rose Bernd /
   Bahnwärter Thiel / Der Apostel.

   3. Bd.: Familiendramen: Das Friedensfest / Einsame Menschen /
   Kollege Crampton / Michael Kramer.

   4. Bd.: Märchendramen: Hanneles Himmelfahrt / Die versunkene Glocke
   / Der arme Heinrich.

   5. Bd.: Historische Dramen: Florian Geyer.

   6. Bd.: Märchendramen und Fragmentarisches: Elga / Schluck und Jau /
   Und Pippa tanzt / Helios / Das Hirtenlied.

       In einer alten Frakturschrift auf bestem Papier sorgfältig
     gedruckt. Titel und Einband von E. R. Weiß. Preis geheftet 24
       Mark, in Halbpergament gebunden 30 Mark, in Ganzpergament
                           gebunden 36 Mark.




               Gerhart Hauptmanns Werke in Einzelausgaben


   Vor Sonnenaufgang. Soziales Drama. 13. Auflage.
   Das Friedensfest. Bühnendichtung. 7. Auflage.
   Einsame Menschen. Drama. 24. Auflage.
   De Waber. Schauspiel. (Originalausgabe.) 2. Auflage.
   Die Weber. Schauspiel. (Übertragung.) 40. Auflage.
   Kollege Crampton. Komödie. 8. Auflage.
   Bahnwärter Thiel -- Der Apostel. Novellistische Studien. 8. Auflage.
   Der Biberpelz. Eine Diebskomödie. 14. Auflage.
   Hanneles Himmelfahrt. Eine Traumdichtung. 20. Auflage.
   Florian Geyer. 9. Auflage.
   Die versunkene Glocke. Ein deutsches Märchendrama. 75. Auflage.
   Fuhrmann Henschel. Schauspiel. (Originalausg.) 16. Aufl.
   Fuhrmann Henschel. Schauspiel. (Übertragung.) 16. Aufl.
   Schluck und Jau. Spiel zu Scherz und Schimpf. 10. Auflage.
   Michael Kramer. Drama. 10. Auflage.
   Der rote Hahn. Tragikomödie. 8. Auflage.
   Der arme Heinrich. Eine deutsche Sage. 23. Auflage.
   Rose Bernd. Schauspiel. 16. Auflage.
   Elga. 7. Auflage.
   Und Pippa tanzt! Ein Glashüttenmärchen. 10. Auflage.
   Die Jungfern vom Bischofsberg. Lustspiel. 4. Auflage.
   Kaiser Karls Geisel. Ein Legendenspiel. 6. Auflage.
   Griselda. 6. Auflage.
   Griechischer Frühling. 7. Auflage.
   Der Narr in Christo Emanuel Quint. Roman. 18. Aufl.


                         Druck der Spamerschen
                        Buchdruckerei in Leipzig




Anmerkungen zur Transkription


Die Schreibweise und Zeichensetzung des Originales wurden weitgehend
beibehalten. Nur offensichtliche Fehler wurden korrigiert wie hier
aufgeführt (vorher/nachher):

   [S. 110]:
   ... skurile Menscheitsintermezzo noch überleben. ...
   ... skurile Menschheitsintermezzo noch überleben. ...

   [S. 154]:
   ... würgt Tränen hinuter. Muß sich setzen. ...
   ... würgt Tränen hinunter. Muß sich setzen. ...






End of the Project Gutenberg EBook of Die Ratten, by Gerhart Hauptmann

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE RATTEN ***

***** This file should be named 52952-8.txt or 52952-8.zip *****
This and all associated files of various formats will be found in:
        http://www.gutenberg.org/5/2/9/5/52952/

Produced by Peter Becker, Jens Sadowski, and the Online
Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net. This
file was produced from images generously made available
by The Internet Archive.

Updated editions will replace the previous one--the old editions will
be renamed.

Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright
law means that no one owns a United States copyright in these works,
so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United
States without permission and without paying copyright
royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part
of this license, apply to copying and distributing Project
Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm
concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark,
and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive
specific permission. If you do not charge anything for copies of this
eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook
for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports,
performances and research. They may be modified and printed and given
away--you may do practically ANYTHING in the United States with eBooks
not protected by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the
trademark license, especially commercial redistribution.

START: FULL LICENSE

THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK

To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free
distribution of electronic works, by using or distributing this work
(or any other work associated in any way with the phrase "Project
Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full
Project Gutenberg-tm License available with this file or online at
www.gutenberg.org/license.

Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project
Gutenberg-tm electronic works

1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm
electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
and accept all the terms of this license and intellectual property
(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all
the terms of this agreement, you must cease using and return or
destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your
possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a
Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound
by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the
person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph
1.E.8.

1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be
used on or associated in any way with an electronic work by people who
agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few
things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
even without complying with the full terms of this agreement. See
paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this
agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm
electronic works. See paragraph 1.E below.

1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the
Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection
of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual
works in the collection are in the public domain in the United
States. If an individual work is unprotected by copyright law in the
United States and you are located in the United States, we do not
claim a right to prevent you from copying, distributing, performing,
displaying or creating derivative works based on the work as long as
all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope
that you will support the Project Gutenberg-tm mission of promoting
free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg-tm
works in compliance with the terms of this agreement for keeping the
Project Gutenberg-tm name associated with the work. You can easily
comply with the terms of this agreement by keeping this work in the
same format with its attached full Project Gutenberg-tm License when
you share it without charge with others.

1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern
what you can do with this work. Copyright laws in most countries are
in a constant state of change. If you are outside the United States,
check the laws of your country in addition to the terms of this
agreement before downloading, copying, displaying, performing,
distributing or creating derivative works based on this work or any
other Project Gutenberg-tm work. The Foundation makes no
representations concerning the copyright status of any work in any
country outside the United States.

1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg:

1.E.1. The following sentence, with active links to, or other
immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear
prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work
on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the
phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed,
performed, viewed, copied or distributed:

  This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and
  most other parts of the world at no cost and with almost no
  restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it
  under the terms of the Project Gutenberg License included with this
  eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the
  United States, you'll have to check the laws of the country where you
  are located before using this ebook.

1.E.2. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is
derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not
contain a notice indicating that it is posted with permission of the
copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in
the United States without paying any fees or charges. If you are
redistributing or providing access to a work with the phrase "Project
Gutenberg" associated with or appearing on the work, you must comply
either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or
obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg-tm
trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9.

1.E.3. If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted
with the permission of the copyright holder, your use and distribution
must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any
additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms
will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works
posted with the permission of the copyright holder found at the
beginning of this work.

1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm
License terms from this work, or any files containing a part of this
work or any other work associated with Project Gutenberg-tm.

1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
electronic work, or any part of this electronic work, without
prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with
active links or immediate access to the full terms of the Project
Gutenberg-tm License.

1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary,
compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including
any word processing or hypertext form. However, if you provide access
to or distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format
other than "Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official
version posted on the official Project Gutenberg-tm web site
(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense
to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means
of obtaining a copy upon request, of the work in its original "Plain
Vanilla ASCII" or other form. Any alternate format must include the
full Project Gutenberg-tm License as specified in paragraph 1.E.1.

1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying,
performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works
unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.

1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing
access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works
provided that

* You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
  the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
  you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed
  to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he has
  agreed to donate royalties under this paragraph to the Project
  Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid
  within 60 days following each date on which you prepare (or are
  legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty
  payments should be clearly marked as such and sent to the Project
  Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in
  Section 4, "Information about donations to the Project Gutenberg
  Literary Archive Foundation."

* You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
  you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
  does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
  License. You must require such a user to return or destroy all
  copies of the works possessed in a physical medium and discontinue
  all use of and all access to other copies of Project Gutenberg-tm
  works.

* You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of
  any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
  electronic work is discovered and reported to you within 90 days of
  receipt of the work.

* You comply with all other terms of this agreement for free
  distribution of Project Gutenberg-tm works.

1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project
Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than
are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing
from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and The
Project Gutenberg Trademark LLC, the owner of the Project Gutenberg-tm
trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
works not protected by U.S. copyright law in creating the Project
Gutenberg-tm collection. Despite these efforts, Project Gutenberg-tm
electronic works, and the medium on which they may be stored, may
contain "Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate
or corrupt data, transcription errors, a copyright or other
intellectual property infringement, a defective or damaged disk or
other medium, a computer virus, or computer codes that damage or
cannot be read by your equipment.

1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
liability to you for damages, costs and expenses, including legal
fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
DAMAGE.

1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
written explanation to the person you received the work from. If you
received the work on a physical medium, you must return the medium
with your written explanation. The person or entity that provided you
with the defective work may elect to provide a replacement copy in
lieu of a refund. If you received the work electronically, the person
or entity providing it to you may choose to give you a second
opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If
the second copy is also defective, you may demand a refund in writing
without further opportunities to fix the problem.

1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO
OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT
LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
warranties or the exclusion or limitation of certain types of
damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement
violates the law of the state applicable to this agreement, the
agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or
limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or
unenforceability of any provision of this agreement shall not void the
remaining provisions.

1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in
accordance with this agreement, and any volunteers associated with the
production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm
electronic works, harmless from all liability, costs and expenses,
including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
www.gutenberg.org



Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
volunteers and employees are scattered throughout numerous
locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
date contact information can be found at the Foundation's web site and
official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:

    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    [email protected]

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate

Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

Most people start at our Web site which has the main PG search
facility: www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.