The Project Gutenberg EBook of Die Mumie von Rotterdam, by Georg Döring This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. Title: Die Mumie von Rotterdam Erster Theil Author: Georg Döring Release Date: August 22, 2014 [EBook #46657] Language: German *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE MUMIE VON ROTTERDAM *** Produced by Martin Oswald and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Print project.) Anmerkungen zur Transkription: Die Rechtschreibung und Zeichensetzung des Originals wurde weitgehend übernommen. Lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert; Wörter, die in voneinander abweichenden Schreibweisen auftraten, wurden an die in überwiegender Mehrheit verwendete Schreibweise angeglichen. Eine Liste vorgenommener Korrekturen befindet sich am Ende des Textes. Die Originalvorlage ist in Fraktur gedruckt; davon abweichende, in Antiqua gedruckte Textstellen sind in der vorliegenden Textdatei _so_ markiert; gesperrt gedruckter Text ist =so= markiert. Die Mumie von Rotterdam. =Novelle= =in zwei Theilen= =von= =Georg Döring.= =Erster Theil.= =Frankfurt= am Main. Gedruckt und verlegt von Johann David Sauerländer. 1829. Seinem verehrten Freunde =Friedrich Mosengeil= =der Verfasser.= Ich habe Dich gefunden Im stillen Friedensthal: Wir waren längst verbunden, Wir wurden's noch einmal. So fügt sich Ring dem Ringe Zur Blumenkette an, Daß sie uns sanft umschlinge Und unsern Lebenskahn. Er zieht den Strom danieder -- Wann ruft der Schiffer: =Land=? Wir reichen uns dann wieder Am Ufer dort die Hand. Die Mumie von Rotterdam. Erster Theil. 1. Am Haven von =Rotterdam= herrschte ein buntes Gewimmel von Geschäftigen und Müßiggängern. Einige von jenen, mit schweren Lasten beladen, schoben langsam aber nachdrücklich diese, die eitle Neugierde oder Langeweile hierher geführt hatte, zur Seite; andere, Papiere in der Hand tragend, Schiffsconsignationen oder Frachtbriefe, drängten sich rasch und lebendig durch die Menge, um die Zeit der Ankerlichtung irgend eines Fahrzeuges nicht zu versäumen. Eben stimmten die Glockenspiele der Stadt ein Liedchen an, das die sechste Abendstunde bezeichnete, als zwei Männer, denen die Meisten der Anwesenden mit allen Beweisen von Hochachtung und Ehrfurcht auswichen, am Ufer der =Maas= erschienen. Es waren die zwei Handelsherrn =Tobias van Vlieten= und =Jan van Daalen=. Beide wurden für die reichsten Leute der Stadt gehalten, beide wußten das und fanden deshalb nicht für nöthig, die zahlreichen, an sie gerichteten Begrüßungen zu erwiedern. Am Starrsten und Unbeweglichsten schritt Herr =Tobias van Vlieten= durch die Raum gebende Menge hin. Seine hagere Gestalt ragte fast um Kopfeshöhe über die Nebenstehenden empor und sein braungelbes Angesicht, mit der scharf hervorstehenden Nase und den großen, todten grauen Augen, bot, unter der umfangreichen, weißgepuderten Perücke, einen abschreckenden Anblick. Er trug einen langen, zimmetfarbenen Tuchrock, der trotz des sehr warmen Abends vom Kopf bis auf die Füße zugeknöpft war. Die Knöpfe aber bestanden aus Doppelducaten und erregten, indem sie im Abendsonnenstrahle weithin glänzten, die Begehrlichkeit manches armen Taglöhners, der hier mit schwerer Arbeit wenige Stüber erwarb. Herr =Tobias= hatte viele Jahre seines Lebens in =Ostindien= zugebracht. Aber diese Zeit war für ihn keine verlorene gewesen. In dem Handel mit feinen Spezereien hatte er Millionen gewonnen und während die ungesunde Luft =Batavia's= seine besten Kräfte aufzehrte und ihn zu einer lebendigen Mumie ausdörrte, vermehrte sich die Zahl seiner Geldsäcke im wohlverwahrten Gewölbe auf das Ansehnlichste, stiegen von Posttag zu Posttag die Summen, die er nach dem Vaterlande übermachte, daß sie dort sicher und gute Zinsen tragend, angelegt würden. Er hatte auch in =Batavia= geliebt und in einem kurzen Ehestande gelebt. Die Liebe überschlich ihn, als er vernahm, daß die bleiche alternde Jungfrau =Cypriana Hoogendöbel=, welche ihm in einer Theegesellschaft gegenüber saß, seit gestern die Erbin von hunderttausend Stück Dukaten geworden sey und ganz allein und verlassen in der Welt stehe, ohne Brüder und Schwestern, ohne Vettern und Basen, die an dem reichen Erbe mitzehren könnten. Es war ihm zu Muthe, als habe er von der berauschenden Wurzel Bang gegessen, da er dieses vernahm. »=Cypriana Hoogendöbel= muß die Meine werden!« gelobte er sich selbst mit heißem Schwure. Er näherte sich; er wurde freundlich angesehen und aufgenommen. Besaß denn =Tobias= nicht auch schon ein Vermögen von mehr als hunderttausend Dukaten? Und hatte denn =Cypriana= seit gestern nicht das Ansehen und die Bedeutung, welche ein solcher Besitz gab, gehörig schätzen und würdigen gelernt? Der Wunsch, sie nach dem Theeschmause in seinem Wagen nach ihrer Wohnung zu bringen, wurde dem glücklichen =Tobias= gewährt. Auf diesem Wege sprengte die neu erwachte Leidenschaft ihre Fesseln. Er erklärte sich und ward verstanden, er warb um =Cypriana's= diamantenfunkelnde Hand und sie ward ihm gewährt. Wie nun Herr =Tobias van Vlieten= einen jahrelangen, glücklichen Ehestand mit seiner Hausfrau verlebt, indem er während dieser Zeit fast immer auf Handelsreisen von ihr fern gewesen, das sey hier nur flüchtig berührt. Am Ende dieses Jahres schenkte ihm =Cypriana= ein Töchterlein; sie selbst aber starb wenige Tage nach der Geburt des Kindes. Ganz =Batavia= bewunderte die Standhaftigkeit des jungen Wittwers bei diesem Trauerfalle. Niemand sah ihn eine Thräne vergießen. Er verbarg den Gram so tief in seiner Brust, daß seine Freunde ihn nicht einmal ahneten, er besaß Selbstbeherrschung genug, statt der Falten des Kummers, eine zufriedene Heiterkeit auf seiner Stirne zu zeigen. Nur sein schwarzer Anzug, die Trauerflöre, mit denen er reichlich umhangen war, verriethen sein Leid. Die Neugeborene ward nach dem Willen der verewigten =Cypriana=, die in den letzten Monaten ihres Lebens einige nach Ostindien verirrte französische Schäferromane mit großem Interesse gelesen hatte, =Clelia= genannt. =Clelia= hatte eben das achte Jahr zurückgelegt, als ihr Vater, den das Clima zu einer Leiche auszudörren drohete, sich entschloß, nach Europa zurückzukehren. Die liebe Geburtsstadt =Rotterdam=, mit dem buntbemalten Standbilde des =Erasmus= auf dem großen Markte, stieg plötzlich in einem Zauberglanze in der sonst öden Phantasie des Herrn =van Vlieten= empor. Er sah sich selbst, der als ein armer Jüngling die Heimath verlassen, nun als den reichsten ihrer Bürger in den breiten Straßen der =Buitenstad= auf- und niederwandeln, im vornehmen Dukaten-beknöpften Rocke, mit stattlichem spanischem Rohre, begrüßt und geehrt von jedermänniglich; er sah sich am =Nieuwe-= und =Leuwen-Haven=, am =Blaak= und am =Boompjes=, am =Wynkracht= und am =Haringvliet=, und an allen Orten flüsterte es um ihn: »Seht, das ist =Myn Heer Tobias van Vlieten=, der =dickste= Mann von =Rotterdam=!« Und wie er es prophetisch vorausgesehen im Geist, so geschah es auch. Er wandelte nun schon seit acht Jahren in den Straßen und in den Havenplätzen der Heimathstadt in derselben Weise, die ihm die Ahnung gezeigt, auf seinen Wegen blieben die Leute stehen und raunten denjenigen, die es noch nicht wußten, mit wichtiger Gebehrde ins Ohr, dieses sey der dickste -- nämlich der reichste -- Mann der Stadt. Wenn dann ein Fremder, dem es unbekannt war, wie bei den Holländern =dick= mit =reich= gleichbedeutend sey, die Mumiengestalt des Herrn =Tobias van Vlieten= mit erstaunten Blicken maß und ungläubig lächelnd den Kopf schüttelte, so konnte wohl sein von Natur phlegmatischer holländischer Freund in Feuer gerathen und Hab und Gut zur Wette anbieten: daß dieses die Wahrheit sey. So war es denn nach und nach gekommen, daß man Herrn =Tobias= nur schlechtweg und vorzugsweise den =Dicksten= nannte. Sein Töchterlein =Clelia= war indessen zu einer anmuthigen und begehrenswerthen Jungfrau herangewachsen. Der Mann, in dessen Geleit uns Herr =van Vlieten= zum erstenmale am Ufer der =Maas= begegnet, war in seinem ganzen Aeußeren der lebendigste Gegensatz zu dem Wesen des erstern. Herr =Jan van Daalen= maß wenig über vier Fuß, hatte durch die sorglichste Pflege seines Leibes nach und nach einen körperlichen Umfang gewonnen, der ihm, nächst seinen Geldsäcken einen doppelten Anspruch auf die Ehrenbenennung eines =Dicken= gab, und sah aus dem immer lächelnden runden, weißen und rothen Antlitze jeden mit den nichtssagenden Blicken der gläsernen Augen so geringschätzig an, als seyen alle übrigen Menschen Nullen, er aber und sein Begleiter vielleicht nur allein Zähler in der Seelenliste der Einwohnerschaft von =Rotterdam=. Seine Kleidung war schlichter und geschmackvoller, als die des Herrn =van Vlieten=; aber das ächte spanische Rohr, mit dem großen porzellanenen Knopfe oben, prangte auch in seiner Rechten und die stattliche Perücke umgab, wie eine Wolke, die obere Hälfte seiner gedrängten Gestalt. Sein Fuß hatte nie das Weichbild von =Rotterdam= überschritten. Er hatte das ansehnliche Vermögen, das er von seinem Vater ererbt, durch kluge, wenn gleich geheimnißvolle Speculationen, so bedeutend vermehrt, daß er unter den =dicken= Leuten der Generalstaaten einen der ersten Plätze einnahm. Immer aber blieb die Art, wie er dazu gekommen, jedermann ein Räthsel. Er hielt keine Schreibstube und keine Gehülfen. Alle Schreibereien machte er selbst hinter verschlossenen Thüren ab. Niemand, sein einziger Sohn =Cornelius= nicht ausgenommen, durfte sein Schreibgemach betreten. Nur ein alter Buchhalter, den Herr =van Daalen= als ein Erbstück mit von seinem Vater übernommen hatte und der schon seit vierzig Jahren in die Geschäfte des Hauses eingeweiht war, schien das Vertrauen seines Prinzipals zu besitzen. Der alte Herr =Hoontschoten= war aber fast immer abwesend, niemand wußte, wo? Oft ließ er sich in Jahresfrist und manchmal auch in noch größeren Zwischenräumen in =Rotterdam= nicht sehen. Erschien er dann endlich, so strahlte Herrn =Jan's= Antlitz in unverkennbarer Freude und immer wurden, wenige Tage nach seiner Ankunft, große und gewichtige Geldsäcke in das =van Daalen=sche Haus geschafft. An seinem Sohne =Cornelius= hatte der alte Herr bisher wenig Freude erlebt. Statt frühe die Feder zu gebrauchen, um im Rechnen und Copieren sich zu dem höheren Wirken im Handelstreiben vorzubereiten, hatte =Cornelius= das Schwerdt ergriffen und war, allen Abmahnungen des Vaters zum Trotz, unter König =Wilhelm= gegen die Franzosen zu Felde gezogen. Herr =Jan= zürnte ihm lange und wollte nichts von ihm wissen. Als er aber einige Jahre nach dem geschlossenen Frieden in das väterliche Haus trat, zu einem kräftigen, blühenden Manne geworden, bekleidet mit der Würde eines Hauptmannes, da erfreuete sich doch des Vaters Auge an ihm; als er aber gar nach einiger Zeit erklärte, daß er dem Kriegshandwerk gänzlich entsagen, um als ein guter Ehemann und Hausvater daheim zu leben, und daß die holdselige Jungfrau =Clelia van Vlieten= es sey, die er zum Gattengespons erwählet, da schloß ihn Herr =Jan= gerührt in die Vaterarme und meinte in seinem Innern, der Apfel falle doch nicht weit vom Stamme und die Speculation auf das liebliche Töchterlein des =Dicksten= sey in der That eines =van Daalen= würdig. =Cornelius= konnte versichern, daß =Clelia= ihn mit Blicken betrachte, die keinesweges gleichgültig zu nennen waren. Er verschwieg, daß er bei günstiger Gelegenheit schon das Geständniß seiner Liebe gegen sie gewagt habe, daß dieses nicht allein gütig aufgenommen, sondern sogar mit jungfräulicher Schüchternheit erwiedert worden sey. Die Aussicht, das ungeheuere Vermögen des Herrn =Tobias= mit dem seinigen zu vereinen, den Vater =Clelias= vielleicht zu einer Compagniehandlung zu bewegen, war für den alten =van Daalen= schon höchst lockend; die Hoffnung aber, daß nun =Cornelius= auch Neigung zu kaufmännischen Geschäften fassen und dereinst auf dem geheimnißvollen Wege, den er mit Glück gewandelt, weiter schreiten werde, erfreuete ihn fast eben so sehr. Er äußerte das auch seinem Sohne. Dieser aber versicherte ihn ganz trocken: daran denke er nicht, es sey ihm im Gegentheile nichts in einem so hohen Grade zuwider, als Schreiberei und Handelschaft und er trage nichts anders im Sinne, als mit seiner künftigen Ehefrau =Clelia= dermaleinst in Fülle und Wohlleben von den Zinsen der Capitale zu leben, die ja die beiden Väter in Ueberfluß für ihre Kinder zusammengebracht und gespart. Herr =Jan= sah ihn auf diese Rede mit den gläsernen Augen starr und schweigend wohl eine Viertelstunde lang an; dann wandte er sich mit einem schweren Seufzer von ihm ab und begab sich zu Herrn =van Vlieten=, um mit diesem die Freierei-Unterhandlungen zu eröffnen, die nun mit aller Bedächtlichkeit und Vorsicht, welche zwei so kundigen Geschäftsmännern zugetraut werden konnten, betrieben wurden. Dieses war der Stand der zwischen den beiden Handelsherrn obwaltenden Angelegenheiten, als wir sie zum erstenmale stolz und im Bewußtseyn ihres Metallwerthes durch die treibende Menge im Haven von =Rotterdam= hinschreiten sahen. »Ihr wißt meinen Entschluß, Myn Heer van Daalen,« sagte Herr =Tobias= in einem herben und strengen Tone, indem er bedeutungsvolle Blicke auf einige ihm zugehörende, in der =Maas= ankernde Schiffe warf und dann ebenso bedeutungsvoll auf einige andere zurücksah, die im Canale, zunächst seiner Wohnung, lagen. »Fünfmalhunderttausend Stück Dukaten ist ein artiges Sümmchen, aber siebenmalhunderttausend ist noch artiger. Wir sind beide dick, aber Ihr seyd nicht der dickste! Nur gleich und gleich gesellt sich gut und erst, wenn Euer =Cornelius= so schwer geworden, wie meine =Clelia=, so können die Glockenspiele der =Binnen-= und =Buytenstad= ein lustiges Stückchen zu ihrer Hochzeit aufspielen. Schade, daß wir nicht in =Batavia= sind! Da hat mich's bei solcherlei Festen am Meisten ergötzt, die schwarzen Sklaven und Sklavinnen, Abends, wenn sie des Tages Last und Arbeit hinter sich hatten, einen lustigen Tanz aufführen zu lassen. Sanken sie dann wohl vor Müdigkeit oder Trägheit zu Boden, so war gleich des Aufsehers Peitsche bei der Hand, die sie wieder in die Höhe zum Tanzen trieb und der Hauptspaß war es nun, sie mit verzerrten Gesichtern, heulend und schreiend, springen und hüpfen zu sehen. Dergleichen Vergnügungen giebt es nicht in Europa, Myn Heer =van Daalen=!« In diesem Augenblicke hemmte =Tobias= plötzlich seinen Schritt. Seine Blicke waren starr auf einen Punkt gerichtet. Es schien, als mache irgend ein Gegenstand ihn stutzig, als sey er über irgend eine sonderbare Begegnung betroffen und unwillig. Zwei junge Leute in Studententracht waren aus einer landenden Barke ans Ufer gesprungen. Ihre ersten Blicke fielen auf die hagere und ausgetrocknete Gestalt des Herrn =Tobias van Vlieten=, der in seinem canelfarbigen Rocke und mit dem zusammengedörrten bräunlichen Antlitz, laut und lachend von ihnen der ungeheuerste Zimmetstengel genannt wurde, der jemals aus Ostindien herübergekommen sey. Ganz im Gegensatze zu ihnen stand ein ältlicher Mann, der zwischen beide getreten war, dessen Blicke mit einem Ausdrucke der Verzückung auf Herrn =van Vlieten= ruheten und der nun mit hohem Ernst in seinen Mienen, mit schnarrender Stimme und in der die Worte abwägenden Weise eines Pedanten rief: »Ruhig, meine Söhne! Ruhig, ihr Kindlein der Musen! Habt Ihr je ein so herrliches Exemplar einer egyptischen Mumie gesehen, wie das hier im zimmetfarbenem Rocke und mit spanischem Rohre umherwandelnde? Schweigt von Eurem schnöden Zimmetstengel! Ein Sproße aus pharaonischem Geschlechte, ein königlicher Bewohner der Pyramiden zeigt sich Euerm erstaunten Blicke. Er wandelt hier am Ufer der =Maas=, er schnupft Tabak und trägt Dukaten auf dem Rocke! O wie köstlich, wenn wir ihn hätten im _theatro anatomico_ zu =Leyden=, schön eingepackt im egyptischen Sarge, den wunderdeutsamen Ibis zu seinen Füßen, ihn selbst eingehüllet in balsamische Stoffe, hieroglyphisch übermalet -- o =Isis= und =Osiris=! die Begeisterung reißt mich fort und verleitet mich, würdige Handelsherrn der Gegenwart für Gestalten einer heiligen Vorzeit zu halten! Verzeihet, Myn Heer,« wandte er sich nun zu dem immer finsterer blickenden =Tobias=, »wenn Euch diese junge Leute durch unziemlichen Scherz beleidigt! Meine Bewunderung wird Euch hoffentlich zu einigem Ersatz dienen und solltet ihr jemals nach =Leyden= kommen, so seyd höflich eingeladen, in dem Hause des Professor =Eobanus Hazenbrook= einzusprechen.« Mit diesen Worten nahm der Professor seine zwei jungen Leute, die nun etwas ernster geworden, unter den Arm und schlenderte ruhig weiter, indem er jedoch dann und wann einen gleichsam verliebten Blick nach Herrn =van Vlieten= zurücksandte. Dieser murmelte einige unverständliche Laute für sich hin, welche eben nicht die freundlichste Begrüßung aussprechen mochten. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Herrn =Van Daalen=, der von dem Professor und seinen Zöglingen nichts gewahr geworden war und schon ein Weilchen ohne Antwort zu erhalten, auf seinen Begleiter eingeredet hatte. »Alles wird sich zu Euerer Zufriedenheit ausgleichen,« fuhr Herr =Jan= fort, »und ich kann Euch die feste Zusicherung geben, daß vielleicht schon morgen oder übermorgen mein =Cornelius= so schwer oder auch noch schwerer ist, wie Euere =Clelia=. Heute schreiben wir den achtundzwanzigsten Oktober 1702. Jeder Augenblick kann mir die frohe Nachricht bringen. Wo ich gehe und stehe ist es mir, als hätte ich glühende Kohlen unter den Füßen und denke ich einmal zu ruhen im gemächlichen Großvatersessel, so treibt mich's in die Höhe, als prickelten mich tausend Stecknadeln. O Myn Heer, Ihr seyd glücklich mit Euern Speculationen auf Zucker und Caffee! Aber unser eins -- die Sorgen -- die ängstlichen Nachtwachen -- die Zweifel -- die Erwartungen.« -- »Was treibt Ihr denn eigentlich?« unterbrach ihn neugierig sein Begleiter, indem er stehen blieb und die todten grauen Augen forschend auf Herrn =van Daalen= heftete. »Ihr seyd reich geworden, man weiß nicht wie, Ihr vermehrt Euere Capitalien von Jahr zu Jahr, man weiß nicht woher! Myn Heer, es gehen allerlei seltsame Gerüchte von Euch, denen ich keinen Glauben beimessen mag. Viele sprechen, Ihr hättet einen Bund mit dem Bösen, der Euch das liebe Geld und Gut zutrüge in der Sylvesternacht, aber darüber lache ich, denn ich bin aufgeklärt. Andere meinen wieder, Ihr säßet Nachts im geheimen Kämmerlein und kochtet Gold, wie Ihr es aus einem zufälliger Weise aufgefundenen Recepte des berühmten Paracelsus erlernt, doch auch das scheint mir nicht glaubwürdig, denn hätte der berühmte Paracelsus die Goldmacherkunst verstanden, so wäre er nicht elend und jämmerlich durch vieler Herrn Länder gezogen, als ein Pillendoctor und Wurmsamenhändler. Was aber, Myn Heer =van Daalen=, möchte wohl von den Gedanken derjenigen zu halten seyn, bei denen Ihr in dem Verdachte steht, Ihr wäret ein allzu guter Freund der Feinde Eures Vaterlandes, Ihr wüßtet denjenigen, die es bekriegen, den Franzosen und Spaniern, auf geheimen Wegen Pulver und Blei, Waffen und Mundvorrath zuzuführen? He! Myn Heer, was sagt Ihr dazu?« Herr =Tobias= hatte bei diesen Worten die dürren Knochenfinger seiner Rechten um den Arm des Herrn =van Daalen= gekrallt. Dieser konnte während der bedeutungsvollen Rede seines Nebenmannes seine Verlegenheit nur schlecht verbergen. Er hielt den Porzellanknopf des spanischen Rohres bald gedankenbrütend an die Nase, bald versuchte er, gleichsam um die innere Angst zu bewältigen, die Knöpfe seines Kleides zu zählen, bald lachte er dumm und nichtssagend den Herrn =van Vlieten= an. »Schufte und Neider sind es,« brach er endlich mit mühsam errungener Fassung los, »die mir so niederträchtige Dinge nachsagen! Ich bin ein so guter Patriot, wie Hugo Grotius, und würde gegen die Feinde ebensowohl zu Felde ziehn, wie Oranien und Horn, wenn ich anders die Courage dazu hätte. Wenn Ihr dermaleinst meinen Handel kennen lernt, Myn Heer, und das sollt Ihr, sobald das Geschäft mit der Heirath zu Stande gebracht worden -- dann werdet Ihr sagen, der =Jan van Daalen= ist ein schlauer Kauz und ein Vaterlandsfreund, wie es wenige gibt. Ihr werdet bekennen müssen, daß er vom Feinde, wenn auch keine Schlachten und Festungen, dennoch werthvolle Dinge genommen, daß er ihm Abbruch in seinem Besten gethan und die Grundfesten seines ganzen Staatsbaues erschüttert hat.« »Große Worte, schöne Sentenzen!« erwiederte ungläubig Herr =van Vlieten=. »Ueber die Sache müssen wir im Reinen seyn, ehe wir weiter etwas abschließen. Gebt mir ein vernünftiges Journal, ein aufrichtiges Cassabuch in Händen: das ist mir lieber, als die wohlklingendste Redensart! Ich muß wissen, was Euer =Cornelius= in Handelsdingen von Euch zu erwarten hat, ehe ich nur ein Härchen von dem Haupte meiner =Clelia= in die Heirathslotterie mit ihm setze. Ich will Euch in meine Keller und Gewölbe führen. Ihr sollt die Menge von Zuckerhüten und Caffeeballen, die Hügel von feinen Gewürzen, die wundersamen Gebäude von Theekisten dort bewundern. Dann will ich Euch die Geheimnisse meines Comptoirs erschließen, Ihr sollt sehen, was in Cassa befindlich und was auf gute Zinsen ausgeliehen ist, Ihr sollt Euch aus den Büchern, die ich vertrauungsvoll vor Euch aufschlagen werde, überzeugen, daß ich meine Zeit in Europa und Asia wohl angewandt habe. Aber Alles unter der Bedingung, daß Ihr Tags darauf ein Gleiches thut, ohne allen Vorbehalt und Hinterlist!« Herr =Jan van Daalen= hätte in diesem Augenblicke lieber an jedem andern Orte der Welt, als in =Rotterdam=, an der Seite des =Dicksten= und daher angesehensten Mannes daselbst, seyn mögen. Er bewegte unruhig die Füße, er warf das spanische Rohr bald unter den rechten, bald unter den linken Arm, er steckte beide Hände in die Taschen, er wußte nicht was er sagen sollte. Da erschien zu seinem großen Troste ein Befreier aus dieser Bedrängniß in der Person des Leydenschen Professors, =Eobanus Hazenbrook=. Dieser trat, sich verlegen die Hände reibend, wiederum gerade auf Herrn =Tobias= zu. Die beiden Studenten folgten ihm in einiger Entfernung, kicherten und flüsterten unter einander. »O Myn Heer,« schnarrte der Professor, »ich muß Euch anreden im Namen der Musen und als ein Vormund der Wissenschaften in den vereinigten Niederlanden. Freilich werde ich Euch von Dingen sprechen, die gewöhnlichen Menschen nicht angenehm sind, aber Ihr, Myn Heer, seyd kein gewöhnlicher Mensch, Ihr tragt das Gepräge des Außerordentlichen in Euerm Antlitze, wie in Euerer Figura, und deshalb darf ich schon wagen, zum Nutzen und Frommen der Wissenschaft eine Frage an Euch zu richten. Habt Ihr bereits Euer Testament gemacht, Myn Heer?« =Tobias= blickte den seltsamen Frager mit einer Mischung von Zorn und Erstaunen an. Mechanisch hob sich das spanische Rohr in seiner Hand und es gewann für einige Augenblicke das Ansehn, als sey Herr =van Vlieten= gesonnen, die Antwort auf eine so unverschämte Frage, auf eine nachdrücklichere Weise, als die gebräuchliche, zu erwiedern. Da naheten sich aber mit drohender Miene die zwei Begleiter des Professors, Herrn =Tobias= Rohr neigte sich zur Erde und er begnügte sich, in einem heftigen Tone zu antworten: »Ihr seyd ein Unverschämter oder ein Wahnsinniger! Für beide Fälle rathe ich Euch, diesen Platz schleunigen Schrittes zu verlassen. Es giebt hier der Leute genug, die auf einen Wink von mir, Euch packen und Euere Unverschämtheit im kalten Bade der =Maas= von Euch abwaschen oder, wie ich es ihnen gebiete, Euch, wohl gebunden und bewacht, in's Narrenhaus abführen. Trollt Euch Euerer Wege und reizt mich nicht ferner! Ihr müßt wissen: ich bin Heer =Tobias van Vlieten=, der dickste Mann in =Rotterdam=!« Die beiden Studenten, junge Franzosen, die auf der damals weitberühmten Universität =Leyden= den Wissenschaften oblagen, schlugen ein schallendes Gelächter auf. »_Que dites vous de cet embonpoint?_« fragte der eine den andern, indem er mit einer spöttischen Gebehrde sein Schnupftuch zur Hand nahm und Miene machte, den Umfang des Herrn =van Vlieten= zu messen. »_Morgué!_« erwiederte der andere; »_il l'a volé à une squelette et il tâche à le vendre. C'est pour cela qu'il s'en vante._« Der Professor aber trat dem zurückweichenden =Tobias= noch einige Schritte näher, und sagte mit großer Kaltblütigkeit: »Ich könnte Euch _injuriarum_ belangen, Myn Heer, darüber, daß Ihr Euch ermesset, einen _professorem ordinarium_ der illustern Academie von =Leyden= als einen unverschämten Gesellen oder gar als einen sinnverwirrten Menschen zu erklären. Aber Ihr habt mir mein Herz gestohlen durch Euere absonderliche Liebenswürdigkeit und eine Sehnsucht in meiner Brust erweckt, die jahrelang darin geschlummert. Ja, Myn Heer, ich liebe Euch! Und wenn das ein junger Fant mit tausend Schwüren seiner Liebsten versichert, so will das bei Weitem nicht soviel heißen, als mein einfaches, unumwundenes Geständniß. Ich liebe Euch wissenschaftlich. Und deshalb wünschte ich: Ihr machtet Euer Testament!« Den Herrn =Tobias van Vlieten= überflog es bald heiß, bald kalt. Es war menschenleer auf dem Platze geworden und er sah sich vergebens nach einigen Leuten in der Nähe um, die ihn aus den Händen des Wahnsinnigen, für den er jetzt im Ernst den Professor zu halten begann, hätten befreien können. Von Herrn =Jan= durfte er wenig Beistand erwarten, denn dieser sah sich auch bereits nach der Flucht um und hatte nicht den Muth, ein Wörtchen zu verlieren, das den zwei jungen Franzosen, die sich trotzig auf ihre langen Stoßdegen stützten, hätte unangenehm seyn können. Er wagte einen großen Schritt um sich aus der Nähe des Professors zu entfernen, aber dieser folgte ihm mit einem noch weit größern und die Studenten vertraten ihm den Weg. »Hört mich doch nur an!« begann auf's Neue =Eobanus Hazenbrook=. »Ich will Euch weder kränken, noch beleidigen; ich will Euch nur einen Vorschlag machen, den Ihr als ein Mann von Einsicht, als ein Verehrer der Musen, gewißlich eingehen werdet. Ich, der hier vor Euch stehende =Eobanus Hazenbrook=, bin von den edlen großmögenden Heern schon vor vielen Jahren als Professor _historiae naturalis_ und Custos _theatri anatomici_ der erlauchten Lugduner Academie ernannt und bestallt worden. Was könnt Ihr Uebles fürchten von einem Manne in solchem Amte? Von einem Manne, dem irgend ein anderer nur unter einem wissenschaftlichen Rapporte wichtig seyn kann? Doch tretet einige Augenblicke mit mir zur Seite! Das was ich Euch zu sagen habe, muß Euch erfreuen, da es Euch eine höhere Achtung von Euch selbst einflöst, aber nur vier Ohren dürfen es hören und nur unter der dichten Hülle des Geheimnisses kann dieses Werk zum Ruhme der Universität -- was sage ich? zur Glorie gesammter Generalstaaten gelingen!« =Tobias= gewann bei dieser milden und schmeichelhaften Rede des Professors einigen Muth. Er überließ ihm ruhig seine Rechte, nach der jener gegriffen, und folgte ihm einige Schritte zur Seite. »Wenn ich Euch, Myn Heer, ersuchte, Euer Testament zu machen,« hob nun der Professor in einem leisen, sehr freundlichen Ton an, »so sollte das nur eine Einleitung zu dem eigentlichen Gegenstande meiner Bitte seyn. Diese besteht nämlich darin: Ihr möchtet der illustern Universität =Leyden= und namentlich dem _theatro anatomico_ daselbst ein Legat vermachen, das einem längst schmerzlich empfundenen Mangel abhelfen dürfte. Dieses Legat ist aber kein anderes, als das Euerer eigenen, hochwerthen Person!« Wüthend wollte sich Herr =van Vlieten= von dem Professor losreißen, dieser aber hielt ihn fest und sah mit mildem Lächeln in das verzerrte Antlitz. »Wie,« zürnte =Tobias=, dem die heftige Aufwallung des Unwillens die Sprache zu ersticken drohete, so daß er, statt zu schreien, wie er gern gewollt hätte, nur mit gepreßter Stimme reden konnte, »Ihr wagt es, mir dergleichen vorzuschlagen? Mir, der dem Doctor jährlich hundert Dukaten zahlt, daß er ihn durch Purganzen, Mixturen und Elixire noch lange am Leben erhält, sprecht Ihr von Testament und Tod? Wißt Ihr, daß dergleichen Redensarten ein Gift sind, das sich auf die edelsten Theile wirft und so den wirklichen, leibhaftigen Tod herbeiführen kann? Und dann -- Ihr Schinder und Leichendieb untersteht Euch, mich für Euere Sägen und Messer zu verlangen, um mich nach meinem, will's Gott! noch weit entfernten Hintritte, zu zerschneiden und zu zerarbeiten, wie einen Selbstmörder oder armen Sünder, mich, einen Mann, der im Rathe von Indien gesessen hat und Euresgleichen durch ein einziges Wort an den Galgen bringen konnte. Euch soll ja --« »Ihr ereifert Euch umsonst, Myn Heer!« unterbrach mit unerschütterlicher Kaltblütigkeit =Eobanus Hazenbrook= den Zürnenden. »Ihr befindet Euch in einem böslichen Irrthum und legt mir Absichten unter, die ich keinesweges hege. Man merkt Euch aber an, daß Ihr kein großer Philosophus seyd! Hättet Ihr dem Sprüchlein des alten Weisen: kenne dich selbst! Eingang in Euere Seele verstattet und danach Euere Gedanken geregelt, so müßte es Euch klar seyn, daß eine Figura, wie die Eurige, bei einer in _usum juventutis_ unternommenen Section eine gar erbärmliche Rolle spielen würde. Nein, Myn Heer! Wir wollen höher mit Euch hinaus. Wir wollen Euch nicht zerstören, wir wollen Euch erhalten auf Jahrhunderte -- was sage ich? -- auf Jahrtausende hinaus!« =Tobias= machte große Augen. Er schloß sich wieder enger an den Professor, eine schöne Hoffnung senkte sich in seine Brust, er lächelte freundlich und sagte im gefälligsten Tone: »Wenn ich Euch jetzt recht verstehe, so habe ich Euch früher entsetzlich mißverstanden. Ihr hättet Gutes mit mir im Sinne, Ihr wolltet mich erhalten in _saecula saeculorum_, wie ihr Lateiner sagt? O, Myn Heer! Es kommt mir auf eine Metze voll Dukaten nicht an, wenn es ein so theueres Gut, wie das Leben gilt! Besäßet Ihr wirklich den Stein der Weisen, das Lebenselixir, das gegen den Tod stich-, hieb-, schuß- und krankheitsfest macht?« »Allerdings,« versetzte sehr ernsthaft =Eobanus=, »besitze ich die Wissenschaft, Euern Körper vor den gewöhnlichen Zerstörungen, welche im Gange der Natur liegen, zu bewahren; doch erst nachdem der verehrungswürdige Geist die schlechte Hülle verlassen und sich in höhere Regionen aufgeschwungen hat. Sehet nicht finster drein, Myn Heer! Es ist auch etwas Seltenes, fortzuleben rein leiblich auf Erden, zur Bewunderung der Nachwelt. Diesen Vorzug will Euch =Eobanus Hazenbrook= bereiten. Höret mich noch einen Augenblick geduldig an und Alles soll Euch klar seyn. Unser _museum rerum naturalium_ zu =Leyden=, dessen Custos ich zu seyn die Ehre habe, ist in allen Dingen wohl versehen und kann den ersten Sammlungen dieser Art in ganz Europa an die Seite gestellt werden. Es ist mein Alles, dieses Museum: meine Frau, mein Kind, mein Vater und Mutter, mein eigenes Ich! Nun denkt Euch meinen Schmerz, edler Herr, als vor einigen Jahren ein fremder Doctor darin erscheint, über Alles vornehm und wegwerfend hinblickt und zuletzt mit verächtlichem Tone erklärt: es sey doch Alles nur jämmerliche Rumpelwaare, da sich nicht einmal eine egyptische Mumie darunter befinde. Ich hätte dem Bösewichte einen vergifteten Pfeil von der Insel =Java=, den ich gerade in Händen hielt, ins Herz stoßen mögen. Aber ich bewältigte meinen Zorn, ich verschloß meinen Schmerz in diese Brust. Er hatte leider nur zu wahr gesprochen! Schon längst hatte ich den schmachvollen Mangel erkannt, aber ich gestand ihn nie und bemühete mich selbst, jeden Gedanken daran zu verbannen. Das war nun vorbei! Die Sehnsucht nach einer egyptischen Mumie nagte mir fort und fort am Herzen, ließ mir Tag und Nacht keine Ruhe und verzehrte mich, wie einen schwächlichen Jüngling die erste, unerwiederte Liebe. O, Myn Heer, was liegt nicht Alles in einer egyptischen Mumie: Poesie und Geschichte in der wunderbarsten Hieroglyphik, Naturkunde einer fernen Vorzeit in köstlichen Spezereien und Balsamen, Wissenschaftslehre in deren chimischer Vereinigung und künstlicher Anwendung, Industrie eines fernen Jahrtausends in den umwickelten Webestoffen und noch so vieles Andere, das hier anzuführen die Zeit nicht erlaubt! Doch dieses Wenige, was ich hier angeführt, wird hinreichen, Euch mit hoher Achtung vor einer solchen Mumie zu erfüllen und Euch den Schmerz zu erklären, den ich empfinden mußte, als der malitiose Doctor bemerkte, ohne ein Mumienexemplar sey mein Museum eine Rumpelkammer. Mein ganzes Tichten und Trachten ging nun dahin, die gerügte, schmähliche Lücke auszufüllen. Ich schrieb Briefe, ich gab Aufträge, ich verschwendete Geld über Geld, ich schickte sogar einen eigenen Reisenden nach Egypten, daß er mir eine Mumie aus den Pyramiden verschaffen, im schlimmsten Falle stehlen sollte. Alles vergebens! Die Aufträge blieben unerfüllt, der Reisende wurde von räuberischen Arabern aufgefangen, ausgeplündert, mit Gewalt zum Islam bekehrt und dann in die Wüste geschleppt. Ich war der Verzweiflung nahe. Trostlos ging ich an den ersten Merkwürdigkeiten meines Musei vorüber, deren Anblick mich sonst in Entzücken versetzt hatte, ohne sie einer Beachtung zu würdigen. Die herrliche _boa constrictor_, die ich einst als meine theuerste Freundin, im süßen Wonnetaumel ans Herz gedrückt, das liebenswürdige Nilkrokodill, das ich oft durch Freudenthränen angelächelt hatte, waren jetzt für mich nicht mehr vorhanden. Ich trug nur =eine= Liebe, =eine= Sehnsucht im Herzen: die zu einer egyptischen Mumie. Da kam mir eines Abends, als ich traurig und sinnend auf dem Fußgestelle eines mir ehedem auch sehr werthen Elephantenskelett's saß, der Gedanke, daß es wohl möglich sey, eine solche egyptische Mumie in vollkommener Aehnlichkeit, den Kennern selbst zur Täuschung, nachzumachen. Mein Herz flammte empor in neuer hoffnungsvoller Liebesgluth! Von den Flügeln der Sehnsucht und Hoffnung getragen eilte ich ins _theatrum anatomicum_. Hier hatte ich gerade einige der reizendsten Cadaver vorräthig, die noch je unter die Hände eines Prosectors gerathen. Ich ging ans Werk. Ich arbeitete viele Tage und Nächte, ich brachte endlich im tiefsten Geheimnisse eine Mumie zu Stande, die man keck aus dem Geschlechte der Pharaonen herdatiren konnte. Wer war glücklicher, als ich! Mit Begeisterung sah ich auf das gelungene Werk meines Fleißes. Mein Hoffen war erfüllt, mein Sehnen gestillt, das Ideal meiner Liebe war Wirklichkeit geworden. Aber, o Jammer! Nur wenige Tage währte mein süßer Traum, nur zu schnell verflog mein seliger Liebesrausch! Wie es schöne Weiber gibt, die unter der anmuthstrahlenden Hülle ein falsches, tückisches Innere verbergen, so war es auch mit meiner Geliebten der Fall. Noch entzückte mich die holdselige Gestalt, als schon die Furien von ihrem Innern Besitz genommen hatten. Die Theuere wurde mir ungetreu: sie gab sich der Verwesung hin. Ich beweinte sie lange und schmerzlich; aber ich verlor den Muth nicht. Bald erstand unter meinen Händen eine zweite Geliebte; doch ach! sie hatte dasselbe Schicksal, wie die frühere. Neue Versuche, neues Mißgeschick! Zuletzt erkannte ich mit bitterm Schmerze, daß das Wohlleben in unserm Lande, daß das Clima und noch viele andere Ursachen sich feindlich und zerstörend meinem Liebesglücke entgegensetzten. Jene heißen Winde, die in Egypten wehen, die Mäßigkeit der Einwohner, tausend andere Umstände, welche dort die Menschen schon als halbe Mumien sterben lassen, begünstigen das hohe Werk der Leibeserhaltung auf Jahrtausende hinaus. Nun sah ich mich allenthalben nach einem Menschenexemplare um, das alle Eigenschaften, alle Ansprüche, sterbend den uralten egyptischen Königsthron zu besteigen, besäße. Mein Streben, mein Wünschen, mein Sehnen waren bis heute vergebens. Aber, Myn Heer, wie wurde mir, als ich dieses gesegnete Ufer betrat, als Ihr der erste Gegenstand waret, den mein Auge traf, als ich in Euch Alles fand, was meinem liebebestürmten Herzen den alten Frieden wieder geben könnte? _Per aspera ad astra!_ Ja, Myn Heer, Ihr seyd berufen, ein Enkel der Pharaonen zu werden und deshalb sollt Ihr Euch als Legat der illustern Lugduner Academie vermachen, daß Ihr durch meine Liebe, durch meine Kunst noch Jahrhunderte hindurch ein Gegenstand der Bewunderung und Verehrung seyd, nicht unter dem schnöden Namen eines =Tobias van Vlieten=, nein! unter einem erhabenen, welthistorischen, den Ihr selbst nach Belieben wählen könnt, =Amenophis= etwa, =Tethmosis=, =Pherun=, =Cheops=, =Amasis=, oder gar =Sesostris=« -- »Hol Euch der Teufel mit Euern Muhmen und Königen!« brach jetzt =Tobias= in überschäumender Wuth aus, indem er gewaltsam seine Hand der des Professors entriß. »Jetzt habe ich genug Eueres wahnwitzigen Geschwätzes, Euerer tolldreisten Zudringlichkeit und unverschämten Anträge. Ward dergleichen je erlebt in Europa, Asia, Africa oder in der neuen Welt? Ein Mann wie ich, ein Rath aus Indien, ein Bewindhebber in =Rotterdam= soll einem tollen Professor zu gefallen, nach seinem Tode eine egyptische Muhme werden? Jetzt trollt Euch Eueres Weges, Myn Heer =Eobanus Hazenbrook=, und wagt es nicht, Euch ferner freventlich an mich zu drängen! Dort kommt die Havenwacht und =die= soll mich von Euerer Gegenwart befreien, so wahr ich meinen ehrlichen Namen =van Vlieten= gegen keinen Amenophel, Seestritz oder Theemops vertausche!« In der That nahete jetzt die Havenwache, die hier ein lautes Gespräch vernahm, mit schnellen Schritten. Der Professor fand nicht für gut, ihre Ankunft abzuwarten. Mit einem schweren Seufzer und den Worten: »So lebe denn wohl, Grausamer, der ein liebevolles Herz so unempfindlich zurück stößt!« verschwand er, von seinen zwei Begleitern gefolgt, raschen Schrittes in die Abenddämmerung, die sich während seiner verunglückten Unterhandlung auf Stadt und Haven gesenkt hatte. In seinem Innern aber kam der Vorsatz zur Reife, den ersehnten =Tobias= immer unter geheimer Aufsicht zu halten und im erwünschten Falle seines etwaigen Ablebens, um jeden Preis und auf jeglichem Wege in seine Gewalt zu bringen. Herr =Tobias= war erschöpft von dem unerwarteten, seltsamen Angriffe auf seine Person. Er nahm den Arm des Herrn =van Daalen=, welcher nur die Rolle eines stummen, aber verwunderungsvollen Zeugen gespielt hatte, um sich auf ihn zu stützen. »Wenn das nicht mein Tod ist,« sagte er matt, »so bin ich von Stahl und Eisen. Ich verabschiede jeden Dienstboten, dem einmal durch Unvorsichtigkeit das Wörtchen »sterben« über die Lippe geht und wo ich einem Leichenbegängniß begegne, mache ich, wenn es seyn muß, einen halbstündigen Umweg, um nicht in seine Nähe zu kommen. O, Myn Heer =van Daalen=, Geld und Gut hat nur die Erde, das Himmelreich ist der Armen, wie in der Schrift steht, und in Armuth mag ich nun und nimmermehr verfallen! Führet mich nach Haus, Myn Heer! Zum erstenmale seit vielen Jahren kann ich heute die Abendgesellschaft im Prinzencollegium nicht besuchen. Was wird man dort denken von mir? Sie werden mich für krank oder gar für -- schon gestorben halten!« Er sprach diese Worte mit wehmüthigem, weinerlichem Tone. Dann fügte er hinzu: »ja, kommt mit mir! Wir wollen daheim eine Schale Thee selbander trinken. Meine =Clelia= soll ihn bereiten. Das wird mich beruhigen, das wird mir meine Kräfte wiedergeben.« Langsam und schweigend entfernten sich die beiden Handelsherrn vom Ufer der Maas. Herr =van Vlieten= mußte öfters stehen bleiben, um sich zur Fortsetzung des Weges zu stärken. So langten sie erst nach einer halben Stunde vor seiner Wohnung an, obschon diese nur in einer kleinen Entfernung vom Haven lag. 2. In der stattlichen Wohnstube des =van Vlieten'schen= Hauses saß Jungfrau =van Vlieten= allein und suchte sich, wie es gehen wollte, die Langeweile zu vertreiben. Sie zählte bald die Fensterscheiben, sie ließ einen flüchtigen Blick über die tausendmal gesehenen Figuren des chinesischen Wandgetäfels hingleiten, sie betrachtete dann auch wohl einige Momente lang die beiden Pagoden, die nickend in den Ecken des Zimmers standen, oder das große, seltsam gestaltete ostindische Götzenbild, das ihr Vater, aus einer besonderen Liebhaberei, aus Asien mitgebracht und im Hintergrunde des Gemaches aufgestellt hatte. Es begann ihr unheimlich zu werden in der wunderlichen Umgebung. Sie glaubte, das Dämmerlicht der wenigen Kerzen, die in dem Zimmer brannten, ließ ihr heute besonders die sonst gewohnten Gegenstände in neuer beunruhigender Weise erscheinen. Sie zündete noch mehr Kerzen an, sie umstellte das Götzenbild, das ihr so grauenhaft noch nie vorgekommen war, mit vielen brennenden Lichtern, sie zwang sich zu dem Muthe, in das Innere des hohlen Bildes hineinzuleuchten, um sich zu überzeugen, daß hier niemand verborgen sey. Aber weder die vermehrte Erhellung, noch die erkünstelte Verwegenheit, reichten hin, sie nur auf die kurze Dauer einer Viertelstunde gegen die furchterweckenden Eindrücke der einmal bedeutungsvoll gewordenen Gegenstände zu wappnen. Die gläsernen Augen des Schiwa oder Brama schienen drohend aus dem widrigen Menschenhaupte, das auf einem Thierrumpfe saß, auf sie herabzublicken; der Götze schien die erhabenen Arme mit den kralligen Tatzen nach ihr auszustrecken. =Clelia= mußte die Blicke von ihm abwenden. Zitternd schwankte sie ans Fenster und sah in den dämmernden Abend hinaus. Ein Seufzer hob ihre schöne Brust. Sie war nicht groß, aber schlank und zart gewachsen. Sie besaß eine Leichtigkeit der Bewegungen, die in einem Lande, wo sie beim schönen Geschlechte ebenso selten ist, wie beim starken, um so mehr auffallen mußte. Ihr Angesicht war regelmäßig und fein gebildet, ihre Augen waren groß und schmachtend, ihr Haar von seltener Schönheit und die rothen Rosen auf den südlich dunkeln Wangen gaben ihr einen ganz eigenthümlichen Reiz. Sie schien jemand zu erwarten: Bei jedem Geräusche, das auf den Gängen vor dem Zimmer entstand, horchte sie aufmerksam hin. Oft wurde ihre Erwartung getäuscht. Dann zeigte sich neben dem Ausdrucke der Furcht, noch der des Unmuths in den Zügen des lieblichen Antlitzes. Endlich nahm sie ihren Platz vor dem zierlich aus Rosenholz gearbeiteten Spinnrade ein, einem Werkzeuge, das in jener Zeit, statt der bisher gebräuchlichen Spindel, bei den Damen sehr in Aufnahme gekommen war und durch sein tacktmäßiges Schnurren in der That die etwa lästig erregte Aufmerksamkeit zerstreuen und die Gedankenlosigkeit befördern konnte. Aber aus dem Angesichte der schönen =Clelia= wollte ein Zug, der Unruhe und Verlegenheit ausdrückte, nicht verschwinden. Sie lauschte noch immer unter dem Spinnen auf, sie schrack bei einem kleinen Geräusche zusammen, sie sah sich ängstlich um. Da hörte sie mit einemmale einen leisen aber raschen Fußtritt auf dem Gange. Sie ließ die Hand sinken, sie blickte voll Spannung nach der Thüre. Die Rosen auf ihren Wangen wurden so glühend, daß ihr Roth das ganze Antlitz einnahm; das ungestümer schlagende Herz hob in unruhigen Bewegungen die jugendliche Brust. Der Kommende mußte mit Hoffen und Zagen, mit Wünschen und Bangen erwartet worden seyn! »=Clelia!=« flüsterte eine gedämpfte Stimme durch die Thürspalte. »Darf ich eintreten?« Das Mädchen war nicht im Stande zu antworten. Sie that schwankend einige Schritte nach der Thüre hin, ein tiefer Seufzer entrang sich der beengten Brust. Ihre Augen hafteten ängstlich an dem Eingange, in welchem jetzt mit leisem schwebendem Schritte und vorsichtig spähendem Blicke, ein schlank gewachsener junger Mann erschien, der so geschmackvoll und anständig gekleidet war, als es sich nur mit der Sitte der damaligen Zeit vertragen wollte. »Herr =Cornelius=,« hatte jetzt =Clelia= Kraft zu stammeln. »Ihr wagt es dennoch -- trotz meiner Bitte -- wenn der Vater --« »Beruhigt Euch, theuere Jungfrau,« erwiederte schnellzüngig der junge =van Daalen=, indem er mit einer leichten und anmuthigen Bewegung vor ihr stand. »Der werthe Vater steigt in diesem Augenblicke mit dem meinigen am Haven umher und höchst wahrscheinlich sind beide in sehr tiefsinnige Gespräche, die unser beiderseitiges Glück betreffen, verflochten. Von da spazieren die zwei wohlmögenden Handelsheern, wie es ihre auf viele Jahre hin gestellte Lebensuhr will, in's Prinzencollegium, um dort bei einem Dutzend oder noch mehr Tassen Thee, die Franzosen zu Land und die Spanier zur See zu schlagen. Mögen Sie es thun! Mögen sie tausend Kanonen und hundert Linienschiffe erobern, ohne einen Tropfen Blutes zu vergießen, ich entsage gern dem wilden Waffenwerke, der Fahne des unruhigen Kriegsgottes, um mich zu beugen unter die Macht Amors, des freundlichen Liebesgottes. Ja, holdselige =Clelia=! Als ich zum erstenmale Eure anmuthige Gestalt sah, da hatte ich in einem Augenblicke alle Gedanken an Waffenruhm, an Ehre im Felde, an Lust und Jubel im Kriegslager rein vergessen. Wenn ich sonst nur immer von erschlagenen Franzosen, von angesehenen Gefangenen, von Lobeserhebungen meiner Vorgesetzten träumte, so sah ich jetzt im Traume nur Euer liebliches Bild, nur Euch, wie ich Euch aus der Kirche heimführte, als meine wohlleibliche Ehefrau, ich hörte nur Euere Stimme, die mich mit süßen, wohlklingenden Namen nannte. Aber, Ihr sagt nichts, mein theueres Bräutlein? Keine Silbe geht über Eueren Purpurmund und ich hoffe und harre vergebens eines freundlichen Grußes, eines gütigen Willkommen!« »Kann man denn zu Wort kommen vor Euch, Herr =Cornelius=?« versetzte lächelnd, aber dennoch schüchtern =Clelia=. »Und überdem bin ich auch böse auf Euch, denn Ihr habt meinem Wunsche, =nicht= hierher zu kommen zu dieser Stunde, entgegen gehandelt.« »Bei allem Glücke Oraniens!« rief mit Lebhaftigkeit der junge Mann. »Ich verehre Euch zu sehr, um selbst Euerer Rede zu trauen, wenn sie in derselben Viertelstunde das zurücknehmen will, was sie kurz zuvor gestattet. Nein, verehrte Jungfrau! Ihr könnt nicht von sträflichem Wankelmuth, von unbeständigem Leichtsinn regiert werden. Ihr sprecht wenig, aber Ihr denkt desto mehr und was Ihr einmal bedacht und überlegt habt, das ist gewißlich das Rechte und ich leiste ihm Folge, ob auch tausend Gegenbefehle kämen! Wer flüsterte mir ein trauliches =Ja= zu, als ich Sonntags Nachmittag an der Kirchthüre um die Erlaubniß zu diesem Besuche bat? Ihr waret es, Holdseligste! Was Ihr später, als ich Euch einige Schritte weit begleitete, gesagt habt, mag ich gar nicht gehört haben und lasse es in der Nacht der Vergessenheit begraben seyn. Ich habe mir nur einen Vorwurf zu machen. Es ist =der=, zu spät gekommen zu seyn. Aber da muß mein böses Schicksal, gerade als ich das Haus verlassen will, unsern Buchhalter, den alten =Hoontschoten=, von weiter Reise zurückführen, da nimmt mich der alte Mensch beim Kragen, jammert und heult mir Dinge vor, von denen ich kein Wort begreife, bis ich ihm endlich verständlich mache, daß mein Vater im Prinzencollegium ist, daß er dorthin gehn und seinen Jammer anbringen soll, wo er ohne Zweifel mehr Aufmerksamkeit und Begriffähigkeit dafür finden würde. Der seltsame Kauz war ganz außer sich. Ich habe ihn noch nie so gesehen und ich fürchte sehr, er wird mit seinen Litaneyen meinem Vater den beliebten Thee in betrübten Wermuthtrank verwandeln. Ach, =Clelia=,« fuhr der Gesprächige mit einem Seufzer fort, der ernsthaft seyn sollte, aber, indem er seinen Ursprung aus einem heitern Character nicht verleugnen konnte, eher komisch ausfiel: »welche Leiden hat doch die Liebe in ihrem Gefolge! Da ist die gespenstige Eifersucht, da ist Zweifelsucht, da ist die übele Nachrede anderer. Ja, liebwertheste Jungfrau, es giebt Leute, welche behaupten, wir paßten nicht für einander, weil Ihr viel denkt und wenig sprecht, und ich gerade das Gegentheil von diesen beiden Dingen thue. Welche Thorheit, oder gar welche Bosheit aus schwarzem Neide entsproßen! Eben um dieser Ursachen willen sind wir ganz für einander geboren. Ihr denkt für mich und ich spreche für Euch. So wandeln wir vereinigt durch's Leben und jeder sorgt und handelt für den andern, lebt nur in diesem, vergißt sich selbst und ist so in der einzigen und wahren Liebe, welche allein die Sterblichen beglücken kann! Ach, wie viele unglückliche Ehen gäbe es weniger in der Welt, wenn jedermann in der Wahl des zu liebenden Gegenstandes so vernünftig zu Werke ginge, wie wir!« Langsam und unter dem Scheine der Unabsichtlichkeit war indessen =Clelia= mit ihrem Verehrer zu der Fensternische geschritten, in der zwei Sessel standen, auf denen sie nun einander gegenüber Platz nahmen. »Es ist wahr, Herr =Cornelius=,« begann jetzt =Clelia= in einem ruhigen und gemessenen Tone, »daß mein Vater von der Möglichkeit einer Verbindung zwischen uns beiden mit mir gesprochen hat, aber er hat mir auch nicht verhehlt, daß erst gewisse Bedingungen, die er mir nicht nennen wollte, erfüllt seyn müßten, ehe er sein Jawort in einer bestimmten Weise geben könne. Ich bin Euch von Herzen gewogen, Ihr habt ein gutes Herz, ein treues und offenes Gemüth. Ich glaube, daß ich glücklich mit Euch werden kann. Aber Ihr müßt immer bedenken, daß wir noch nicht am Ziele stehen, daß Alles noch sehr ungewiß ist. Deshalb müßt Ihr auch meinen Ruf schonen, nicht so oft an unserm Hause vorübergehn und heraufschauen, mich nicht an der Kirchthüre erwarten, auf der Straße mir nicht auflauern und geheimnißvoll zu mir flüstern. Euch recht dringend darum zu ersuchen, war allein die Ursache, daß ich Euere Gegenwart verlangte, was ich gleich nachher bereuete, da es doch auch zu übelm Leumund Anlaß geben kann. Aber ich bitte Euch recht sehr Herr =Cornelius=, bedenkt was ich Euch gesagt habe!« »O, das abscheuliche Denken!« rief =Cornelius=, indem er sich mit einer Gebehrde des Unmuths durch das krause Lockenhaar fuhr. »Fordert Alles von mir, vieltheuere =Clelia=, nur das nicht! Soll ich Euch irgend einen französischen Oberoffizier mitten aus seinen Leuten herausholen, mit Roß und Waffen? Bei dem Glücke Oraniens, Ihr sollt ihn haben! Befehlt sonst ein Wagstück, ein Unternehmen, bei dem es Blut und Leben gilt: =Cornelius van Daalen=, gewesener Hauptmann König =Wilhelms=, wird keinen Augenblick zaudern. Aber =Denken=? Das scheint mir gerade so schwer, wie =Sprechen= leicht! Auch ist es sicherlich in den weisen Einrichtungen der Natur nicht so begründet, wie das Sprechen. Gibt es doch unvernünftige Vögel, welche zum Sprechen abgerichtet werden können, ohne daß es noch je möglich gewesen wäre, sie auf einen gescheidten Gedanken zu bringen. Wenn ich mir einmal ein Herz fasse und mich bemühe zu denken, dann geht's mir, wie den Krebsen, und ich schreite mit meinen Gedanken rückwärts in die Vergangenheit, statt vorwärts in die Zukunft hinein, in die ich eigentlich wollte. Dann fallen mir tausend dumme Streiche ein, die ich begangen habe, und noch mehr übereilte, zu denen ich mich in der Gutmüthigkeit meines Herzens hinreißen ließ und die meinen Vater Geld genug kosten. Dann ärgere ich mich und verschwöre das Denken auf lange hin. Glaubt mir, sehr theuere Jungfrau, es ist höchst weise von unsern Vätern gethan, daß sie für uns Geld und Gut in Fülle zusammengescharrt und gespart haben; denn, wenn wir von dem zehren sollten, was ich durch Denken und Speculiren aufzubringen vermöchte, als ein wohl ehrsamer Handels-Patron, so würde nicht allein das Salz auf dem Brode, sondern auch das Brod unter dem Salze fehlen. Aber Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß ich mich, Euerm Wunsche zu Folge, in meinem Betragen ändern werde, bis die gestrengen Väter das Facit des Rechenexempels, das sie mit uns beiden anstellen, gezogen haben. Ihr werdet mich nicht mehr in der Kirchenthüre sehn, sondern in der Kirche selbst, wohin mich die christliche Pflicht ruft; ich werde Euch nicht mehr auf offener Straße anreden, sondern höchstens in einem verborgenen Gäßchen; ich werde bei der Fensterpromenade nicht mehr gerade zu Euern Fenstern hinaufschauen, sondern höchstens nur etwas Weniges hinaufblinzeln.« »Eine schöne Besserung!« lächelte =Clelia=. »Ich aber werde dazuthun, sie zu einer wirklichen zu machen. In der Kirche gibt es auch vergitterte Betstühle, verborgene Gäßchen werde ich zu vermeiden wissen, und meinen Sitz am Fenster werde ich in die Mitte des Zimmers verlegen.« »Welche strafbare Vorsätze!« rief =Cornelius=, indem er von seinem Sitze aufsprang. »Insubordination und Rebellion! Bei dem Degen des großen =Marlborough=! indem Ihr Euch zu meiner Liebsten bekannt, habt Ihr zu meiner Fahne geschworen und der dürft Ihr nicht untreu werden durch kaltes Zurückziehn, listige Winkelzüge und muthlose Flucht. Ich werde nach Kriegsgebrauch mit Euch verfahren. Ich werde Euch vor ein Gericht stellen, dessen Präsident, Beisitzer und Ankläger ich in einer Person seyn werde. Alles geht rasch nach Kriegsmanier. Ihr werdet verurtheilt, arquebusirt zu werden und das geschähe ohne Gnade und Barmherzigkeit, wenn ich mich nicht im letzten Augenblicke, da Ihr schon auf dem Sandhügel knieet, um den tödlichen Schuß zu empfangen, bereit erklärte, Euch zu heirathen, was bekanntlich ebenfalls nach einem alten Soldatenherkommen, den armen Sünder von der Todesstrafe retten kann. Doch Holland und Oranien! was höre ich?« unterbrach er plötzlich aufhorchend sich selbst. »Das ist Eueres Vaters Stimme, das ist die des meinigen, oder ich habe nie Pulver gerochen! Sie sind schon auf der Treppe, gleich wird sich die Thüre öffnen und wir werden die wohlmögenden Heern erscheinen sehen.« Während =Cornelius= noch sprach, waren seine Blicke im Zimmer nach einem Verstecke umhergeflogen. =Clelia= war keines Wortes mächtig, sie zitterte und mußte sich an der Fensterbank halten. Schon scharrte es vor der Zimmerthüre, schon wurde die Klinke ergriffen und man vernahm deutlich die beiden Herren, wie einer den andern zum Voranschreiten nöthigte. Es war kein Augenblick zu verlieren. Mit einem raschen Sprunge flog jetzt =Cornelius= zu dem Götzenbilde; indem die Thüre aufging und die kleine, runde Gestalt des Herrn =van Daalen= sich hereinschob, schlüpfte dessen liebe- und lebenslustiger Sohn in das Innere des indischen Heiligthums. Herr =Jan= ließ einige forschende und befremdete Blicke im Zimmer umherschweifen. Er besaß ein sehr scharfes Gehör und hatte vor der Thüre deutlich die Stimme seines Sohnes im Innern des Gemaches vernommen. Er kannte ihn hinlänglich, um ihm den verwegenen Versuch eines Stelldicheins mit Jungfrau =Clelia van Vlieten= zuzutrauen. Er sah auf das Mädchen, er gewahrte ihre Verlegenheit, er war seiner Sache gewiß. Aber wo war =Cornelius= hingekommen? Das Zimmer besaß nur die eine Thüre, durch welche die Väter es betreten hatten. Nirgends war ein Behältniß, eine verhängte Stelle zu bemerken, wo =Cornelius= ein Versteck gefunden haben konnte. Da fielen Herrn =Jan's= Blicke auf das Götzenbild, da sah er hinter dessen gläsernen Augen etwas Bewegliches und nun wußte er auch, welche Kriegslist der theuere =Cornelius= angewandt habe, sich dem unerwarteten Rencontre mit dem Gegner zu entziehn. Bedeutungsvoll lächelnd näherte sich der alte Herr =van Daalen= der zagenden Jungfrau, bedauerte sehr, wenn sein, zu dieser Stunde ungewöhnlicher Besuch sie in irgend einer angenehmen Beschäftigung gestört habe und sprach die Hoffnung aus, daß sie wohl Zeit und Gelegenheit finden werde, solche verlorene Augenblicke wieder einzuholen. =Clelia= erröthete über und über. Sie sah sich verrathen; sie vermochte kein Wort zu erwiedern. Mit einem sehr jammervollen Gesichte trat jetzt ihr Vater zu ihr heran. »=Clötje=,« -- so pflegte Herr =Tobias= den Namen =Clelia= zu verniedlichen -- sagte er weinerlich, »besorge uns Thee: viel und stark! Thue auch Zimmet und Gewürznelken hinein, damit er mich erwärme, denn es schüttelt ein Fieberfrost meine Glieder und eine wunderliche Sehnsucht, wie ich noch nie empfunden, wandelt mich an, um die Mittagsstunde in heißer Sonnenhitze auf dem Plätzchen vor meiner Plantage am Fluße Jakkatarg, wo ich ungehorsame Sklaven oft zur Strafe den glühenden Mittagsstrahlen preißgab, zu liegen, ohne ein schattendes Obdach, einschlürfend und gierig einsaugend jeden senkrecht niederfallenden Sonnenstrahl.« Langsam entfernte sich die Tochter. Es war ihr lieb, sich unter einem guten Vorwande der drückenden Gegenwart der beiden Männer entziehen zu können, aber sie fühlte sich auch zugleich von Besorgnissen um den versteckten =Cornelius=, den leicht ein Zufall verrathen konnte, bewegt. Sie warf, als sie schon an der Thüre stand, einen ängstlichen Blick auf das Götzenbild. Da lächelte ihr Herr =van Daalen= freundlich zu und machte, während der Vater seine Augen nachdenklich zu Boden geschlagen hatte, eine beruhigende Bewegung mit der Rechten, die dem Mädchen sagte: daß er mit im Einverständnisse sey und schon sorgen wolle für eine sichere Bewahrung des Geheimnisses. Dennoch verließ sie mit schwerem Herzen das Gemach. »Dieser entsetzliche Professor =Eobanus Hazenbrook=!« hob Herr =van Vlieten= in einem sehr wehemüthigen Tone an, nachdem er sich mit seinem alten Freunde an einem chinesischen Tischchen in der Mitte des Zimmers niedergelassen hatte. »Womit habe ich ihn gekränkt, daß er Gift und Galle in mein Herz schüttet, daß er mit boshaften, tückischen Worten mich an das schauderhafte Ende alles Zeitlichen mahnt und mit einemmale alle Standhaftigkeit meiner Seele niederwirft und da, wo Aufklärung und Muth herrschten, Grauen und Furcht säet? Ach, =Myn Heer van Daalen=, seit vielen Jahren habe ich kein Wörtchen von Tod und Sterben gehört, ich habe jeden Gedanken daran sorglich fern gehalten, und war in den schönen Traum eingewiegt, ich könne gar nie sterben und würde mich ewiglich des Lebens und seiner Güter erfreuen! Dies herrliche Gebäude der leiblichen Unsterblichkeit ist nun wie weggeblasen durch den mörderischen Odem des schauderhaften =Hazenbrook=. Er hat mir es angethan, ich bin wie umgewandelt, Todesfurcht liegt mir in allen Gliedern und wohin ich sehe, erblicke ich Gespenster. Ach, Myn Heer und Freund, habt die Gefälligkeit und nehmt meinen Platz ein! Ich kann es nicht ertragen, wie mich das häßliche Götzenbild, mir gerade gegenüber, mit starren Blicken anglotzt. Das ist das erstemal in meinem Leben, daß ich mich davor fürchte, aber es ist auch heute, als stäke etwas Besonderes drin und manchmal dünkt es mich, als gewönnen die Glasaugen Leben und schleuderten Blitze in mein bebendes Herz herab!« Herr =van Daalen= war gleich erbötig, mit =Tobias= den Platz zu wechseln. Er hatte schon Anfangs, als sie sich niederließen, sich bemüht an diese Stelle zu kommen, damit das Versteck des Sohnes nicht zu sehr den Blicken des Herrn =van Vlieten= ausgesetzt sey; aber der alte Herr hatte so fest Posto gefaßt, daß es jenem nicht gelang, ihn vom Flecke zu mannoeuvriren. Jetzt änderte sich Alles von selbst, wie Herr =Jan= es wünschte, und von seinem Vater hatte der verborgene Bewohner des Bildes nichts zu fürchten. »Schon oft,« sagte =Tobias= jetzt in dem kleinlauten Tone, zu dem ihn der Antrag des Professors herabgestimmt hatte, »sind mir von dem Domine unseres Kirchsprengels Vorwürfe gemacht worden, daß ich, als ein christlicher Kauf- und Handelsheer, den heidnischen =Brama=, =Schiwa=, =Vischnu=, oder wie sonst die Teufelsfratze heißen mag, innerhalb meiner vier Wände aufgestellt habe. Ich lachte darüber und versicherte den Domine, ich sähe das seltsame Götzenbildniß nicht anders an, als eine Curiosität, wie etwa die chinesischen Pagoden dort im Winkel, oder ein Gemälde von einem unserer berühmten Maler, welche die Kirmessen so getreulich dargestellt haben. Ich achtete nicht auf das Kopfschütteln des geistlichen Heern, was er sagte, schien mir eitel Thorheit und Aberglaube. Aber Uebermuth bestraft sich selbst! Ich sehe die Sache jetzt ganz anders an, wie früher. Man soll den Bösen nicht an die Wand malen! Daß ich dem ehrenwerthen Domine so schnöde begegnen konnte, war sicherlich schon eine Eingebung des Satans mit den glotzenden Glasaugen, der dort hinten auf dem Piedestale steht. Wißt Ihr was, Myn Heer =van Daalen=? Ich habe große Lust, meinen Gewissensbissen wegen dieser Sache mit einemmale ein Ende zu machen. Ich werde meinen Leuten rufen, daß sie den =Vischnu= in tausend Stücke zerhauen und ihn ökonomisch verwenden auf dem Heerde, um eine christliche Suppe daran zu kochen.« Er war schon im Begriff aufzustehen, als Herr =van Daalen=, rasch den kurzen Arm über den Tisch streckend, ihn zurückhielt. »Um Gotteswillen, thut das nicht!« rief dieser mit ungewöhnlicher Lebhaftigkeit. »Wer weiß, ob so ein Ding, aus Zorn über ein solches Unterfangen, die Macht, die es in Indien exerciert, dann nicht einmal auch hier üben möchte, so daß Euch und Euerem Hause entsetzliches Unglück daraus entstünde. Wahrhaftig! mir kommt es schon vor, als verdrehe es die Augen und richte sie mit drohendem Ausdrucke auf uns. Myn Heer =van Vlieten=, gebt der Vernunft Gehör! Laßt heute das garstige Bild in Ruhe. Ein anderes Mal, wenn der Domine dabei ist, um durch geistliches Wort und Gebet den Höllenhund zu bändigen, mögt Ihr's versuchen; uns zwei armen Sündern, die immer mehr dem Weltlichen, wie dem Geistlichen ergeben gewesen, dürfte er übermächtig seyn. Er ist ein häßlicher Kerl, der =Schiwa= oder wie Ihr ihn nennt. Er verdreht schon wieder die Augen, er bewegt den Mund --« In diesem Augenblicke ließ sich in der That ein tiefer Seufzer aus dem Innern des Götzenbildes vernehmen. =Cornelius= fühlte seine Brust beklemmt in dem engen Behältnisse; es ward ihm schwer, Odem zu schöpfen. Die Anstrengung, welche er hierzu verwenden mußte, brachte jenen Ton hervor, den sein Vater bemerkte und der Herrn =Tobias= schnell von seinem Sitze auf und in einem weiten Sprunge nach der Thüre hintrieb. »Der Teufel ist los und wird uns gleich am Kragen haben!« schrie er entsetzt. »Gleich steigt er herab von seinem Postamente, auf das ich Unglücklicher ihn erhoben habe. Ich sehe ihn schon durch das Zimmer schreiten, ich höre sein furchtbares Trappeln hinter mir her, Trepp' auf, Trepp' ab, durch alle Gänge des Hauses, wenn ich ihm zu entrinnen suche -- ich bin ein verlorener Mann, denn er =hat= mich! Der Domine muß herbei, =der= allein kann helfen.« =Cornelius= erstickte beinahe vor unterdrücktem Lachen in seiner dunkeln Verborgenheit. Er konnte nicht so sehr Herr seiner einmal erregten Lachlust werden, daß nicht wiederum sein Kichern vernommen worden wäre. Herr =Tobias= glaubte in diesen Tönen die Vorboten von dem ausbrechenden Zorne des Heidengötzen zu erkennen. Er achtete nicht auf Herrn =van Daalen=, der mit beruhigender Gebehrde ihm nachschritt, er sah nicht das Lächeln, das sich wider dessen Willen, auf seinem runden Angesichte zeigte. »Fort, fort!« war der einzige Gedanke, dessen er fähig war. Er riß die Thüre auf, er wollte hinausstürzen; da stürmte ihm von außen herein eine fremde Gestalt entgegen, von neuem Entsetzen ergriffen prallte er zurück, in die Arme des hinter ihm stehenden Handelsherrn. »Der Satan hat Genossen!« stammelte er. »Der Rückzug ist uns abgeschnitten.« Aber Herr =Jan= wurde in diesem Augenblicke bleicher, als =Tobias=. Seine Augen starrten mit Blicken des Schreckens und der ängstlichsten Erwartung den Hereintretenden an. Jeder Zug des heimlichen Spottes, jedes Lächeln war aus seinem Antlitze verschwunden. Angst, Verzweiflung und Entsetzen sprachen aus seinem ganzen Aeußeren. Er hatte den sogenannten Genossen des Satans erkannt: es war sein alter Buchhalter, =Jeremias Hoontschoten=, der mit dem kläglichsten Jammergesichte von der Welt vor ihm stand. »Ich bin da, gestrenger Patron!« wimmerte =Jeremias=. »Aber meine werthe Person und die wenigen Fetzen, welche ich auf dem Leibe trage, sind auch Alles, was ich mitbringe aus Mexiko. Die reichste Silberflotte, die je über den Ocean gekommen, ist gekapert worden im Haven von =Vigos= und zweimalhunderttausend Stück Dukaten, die meinem hochedeln Heern angehört, sind in die schmutzigen Hände der Matrosen gefallen. Sie fanden ebenso guten Cours bei den Engländern, wie bei unsern eigenen Leuten und wenn ich diesen versicherte, sie seyen das Eigenthum meines wohlmögenden Prinzipals, des Herrn =Jan van Daalen= in =Rotterdam=, so behaupteten sie dagegen mit einem wahrhaft teuflischen Gelächter: das sey erlogen, die Dukaten gehörten ihnen und wenn der Herr =van Daalen= sie haben wolle, so solle er sie nur von ihnen abfordern. O, mein hochedler Patron, ich habe mich ihnen zu Füßen geworfen, ich habe geheult, wie ein altes Weib, für die Dukaten! Aber die Tigerherzen waren nicht zu rühren. Sie spotteten meiner und schimpften mich einen spanischen Holländer, den man von Rechtswegen aufknüpfen müsse.« Herr =Jan= blieb stumm. Er konnte die Größe der Schreckenspost, die ihm gebracht wurde, nicht fassen. =Tobias= war dagegen ganz Ohr geworden. Bei dem Blicke, den er mit einemmale in das Handelsgeheimniß des Herrn =van Daalen= warf, hatte er den Domine, den Götzen sammt dem Gottseybeiuns vergessen. So war denn endlich entschleiert, was der geheimnißvolle Patron im Stillen getrieben, so wußte man denn nun, nach so vielem vergeblichen Sinnen und Rathen, wodurch er Geld und Gut gewonnen! Er war, wie viele andere niederländische Kaufleute, bei den spanischen Gold- und Silberflotten interessirt gewesen, indessen war der Krieg zwischen Spanien und Holland ausgebrochen, die vereinigten Holländer und Engländer nahmen die spanischen Schiffe, wo sie sie fanden, und durch einen besonders glücklichen Zufall gerieth ihnen auch die im Haven von =Vigos= liegende reich beladene Flotte in die Hände. »Also von dort her erwartetet Ihr die zweimalhunderttausend Dukaten, welche die Differenz in der Mitgift ausgleichen sollten?« sagte jetzt mit finsterem Angesichte und in einem sehr gedehnten Tone Herr =van Vlieten=. »Und sie sind nun hin und fort und werden eingehen am Nimmerstage, wo alle insolvente Gläubiger ihre Wechsel bezahlen? Lasset zu Euch reden, Myn Heer =van Daalen=, wie es mir ums Herz ist in dieser Sache! Euere ganze Handelschaft ist eitel Schwindelwesen und Ihr habt mehr Glück als Verstand gehabt, daß Ihr nicht schon längst zu Grunde gegangen seyd. Zucker und Kaffee, das ist solid, aber Schmuggelei mit dem spanischen Erbfeinde kann nicht Segen haben auf die Dauer! Freilich ist es Euch noch gut genug gegangen, daß Ihr durch die Kriegsjahre und Kriegstroublen glücklich hindurch gesegelt seyd mit Euern Silberschiffen; allein der Krug geht so lange zu Wasser bis er bricht, und Ihr gemahnt mich jetzt gerade, wie so ein zerbrochener Krug, der keinen Henkel mehr hat, an dem ihn unsereins anfassen mag, und dem der Boden ausgefallen ist, auf dem der Inhalt geruhet.« Der Handelsherr, an welchen diese Worte gerichtet waren, hatte indessen einigermaßen die verlorene Fassung wiedergewonnen. Er sah ein, daß er noch ohne die zweimalhunderttausend Stück Dukaten ein reicher Mann blieb, er ahnete aber auch zugleich, daß diese unausgefüllte Lücke in seiner Casse eine Kluft bilden könnte, welche sich störend zwischen die Verbindung der Häuser =van Vlieten= und =van Daalen= drängen dürfte. In dieser schlimmen Ahnung wurde er durch die Reden des Herrn =Tobias= noch bestärkt. Er warf einen zornigen Blick auf den Buchhalter: »=Hoontschoten=, Er ist ein Esel!« sagte er ingrimmig. »Wäre Er nicht so alt, daß Ihm die Natur bald den Abschied aus dem Leben geben dürfte, so gäb ich Ihm den Abschied aus dem Dienste.« »Mein Gott und Heer!« versetzte bebend =Jeremias=: »worin habe ich denn gefehlt? Gebot es nicht Pflicht und Gewissen, meinen wohlmögenden Patron sogleich in Kenntniß zu setzen von einem solchen Unglücksfalle? Und darin habe ich nicht gesäumt, nach den schwachen Kräften, welche mir mein Alter vergönnt. Ich habe Euch gesucht wie eine Stecknadel, im Hause und am Haven, im Prinzencollegium und am Boompjes, bis mich endlich ein scharmanter Herr, ein Professor aus Leyden, dem ich Euere und Herrn =van Vlietens= Personen weitläufig beschreiben mußte, hierher verwieß.« »Verdammter =Hazenbrook=!« schalt Herr =Tobias= für sich hin, und die große Ader auf seiner Stirn schwoll in zorniger Erinnerung höher an: »Das Gespenst des verruchten Professors verfolgt mich allenthalben und wenn ich mir ihn einmal aus dem Sinne geschlagen habe, so bringt ihn mir ein verwünschter Zufall wieder in den Wurf.« »Ich hätte Ihn nicht für so dumm gehalten, =Hoontschoten=!« zürnte indessen der alte =van Daalen= zu seinem Untergebenen. »Er meint noch Wunder wie gut er's gemacht hat und wäre am Ende im Stande gewesen, die Sache auf dem großen Markte auszuschreien! Myn Heer =van Vlieten=,« wandte er sich jetzt gänzlich umgewandelt, mit sanfter Stimme und lächelndem Angesichte, zu diesem: »der Verlust einer solchen Kleinigkeit wird keinen Einfluß auf Euere gütigen Gesinnungen für mich und meinen =Cornelius= haben, wir bleiben die besten Freunde, wie bisher, und =Clötje= wird meine Tochter und =Cornel= Euer Sohn.« »Prosit!« versetzte mit einem herben Gesichte Herr =Tobias=. »Aus der Heirath kann ein für allemal nichts werden, wenn die Gelder nicht bis auf einen Deut _al pari_ stehen, und dazu ist, unter den gegenwärtigen Auspicien, auf lange hin kein Anschein. Lebt wohl, Myn Heer =van Daalen=! Siebenmalhunderttausend ist das Wort. Ohne das geht die Braut nicht fort. Da habt Ihr in Reimen meine Meinung. Gott befohlen, Heer =Jan=! Ich kann meinen Thee allein trinken. Besucht mich über's Jahr wieder!« »Wie?« rief der Fortgewiesene mit einer Miene, in der sich Staunen und Unwille aussprachen: »Ihr wollt das alte Freundschaftsband zerreißen; Ihr könntet um des lumpigen Geldes Willen die edlern Gefühle des Herzens verleugnen? Thut das nicht, Myn Heer =Tobias=! Fürchtet die Rache Schiwa's, unter dessen Augen Ihr diesen Frevel begeht!« In seiner Herzensangst griff Herr =van Daalen= zu diesem letzten Mittel, die Furcht des Widerwilligen auf's Neue zu erregen und sie zum Hülfsweg bei dem Sturme auf =Tobias= Herz anzuwenden. Dieser aber hatte, unter den neu eingetretenen Umständen, das Entsetzen, welches ihm der Götze früher eingeflößt, rein vergessen und rief im Fortgehen: »Was Schiwa, was Brama! Geld ist die Bank. Morgen brennt der Schiwa im Ofen und auf dem Herde und der Kaffee, der an dem Satan gekocht wird, soll mir wohl schmecken. Trag den Thee in mein Zimmer, =Clötje=!« herrschte er der entgegentretenden Tochter zu, die mit großem Schrecken den Zorn des Vaters wahrnahm und im ersten Augenblicke sich und den Geliebten verrathen glaubte. »Herr =van Daalen= wird uns ein anderes Mal die Ehre schenken, heute trinke ich allein.« Er schritt so rasch nach seinem Zimmer, daß ihm die gehorchende =Clelia= kaum folgen konnte. Herrn =van Daalens= Geduld war nun auch erschöpft. Ohne weiter des Sohnes im Schiwa zu gedenken, stürmte er die Treppe hinab und zum Hause hinaus. Aengstlich und sehr gedrückt trippelte der Buchhalter hinter ihm her. »Er ist an Allem schuld, =Tölpel=!« schrie ihn noch auf der Straße Herr =Jan= an. »Warum hat Er erstlich die entsetzliche Dummheit begangen, sich die zweimalhunderttausend Dukaten nehmen zu lassen, warum begeht Er zweitens die noch entsetzlichere, die ganze Geschichte im Beiseyn des unersättlichen =van Vlieten= auszuplaudern?« Jetzt erst ging dem armen =Jeremias Hoontschoten= ein Licht auf. Er hatte bisher nicht einmal geahnt, warum sein hochedler Prinzipal ihm zürne. Nun sah er es ein und es kam auch zugleich eine solche Reue über ihn, daß er anfing zu weinen und laut zu schluchzen. Er machte sich selbst im jämmerlichsten Tone die heftigsten Vorwürfe über seine unzeitige Schwatzhaftigkeit. Er gerieth nach und nach in eine so verzweiflungsvolle Stimmung, daß Herr =van Daalen=, der im Grunde ein sehr gutes Herz besaß, bald sehr gerührt wurde und in der Furcht, der alte Mann könne sich ein Leid thun, ihn zu trösten begann. Es fruchtete aber Alles nichts. =Jeremias= gebehrdete sich immer kläglicher, das mitfühlende Herz seines Patrons wurde immer weicher, er mußte am Ende auch weinen und als Beiden der Hausknecht die Thüre des =van Daalenschen= Hauses auf ihr Klopfen öffnete, war dieser nicht wenig erstaunt, seinen Gebieter und den alten Buchhalter in Thränen auf der Straße zu finden. 3. =Clelia van Vlieten= war ein Mädchen von einigem Verstand und einiger Ueberlegungskraft, aber nur für die gewöhnlichen Fälle ihrer sehr beschränkten Lebensweise. Wenn Junker =Cornelius= ihr darüber etwas Schmeichelhaftes sagte, so lag der Grund dazu theils in seiner eigenen, einem liebenden Herzen entsprossenen Ueberzeugung, theils in dem allgemeinen Glauben der Rotterdammer, des reichen =van Vlietens Clötje= müsse, so wie ein Wunder an Schönheit, auch eins an Verstand seyn. =Clelia= hatte selbst, da man sie sehr oft in dieser Beziehung ins Gesicht gelobt und niemand in ihrem Hause und in dem Kreise ihrer Bekanntinnen ihr entgegenstand, den sie übersehen hätte, eine nicht geringe Meinung von ihren geistigen Fähigkeiten in sich aufgenommen. Diese reichten auch völlig für die häuslichen Geschäfte, für den Umgang mit dem Vater und den Freundinnen aus; trug sich aber etwas Außerordentliches zu, wurde sie von einem unerwarteten Ereignisse beängstigender oder erschreckender Art überrascht, so war es in einem Augenblicke vorbei mit ihrer Gedankenfähigkeit, sie war dann willenlos, Alles wurde ihr zu einem Gegenstande unklarer Besorgniß und sie folgte dann, ohne nachsinnen, ohne überlegen zu können, jedem Rathe, der ihr eben gegeben wurde und den sie vielleicht in einer andern ruhigen Stunde unbedingt verworfen haben würde. Die Ursache dieses Mangels an Selbstständigkeit war ohne Zweifel ihre beschränkte Erziehung und der einförmige Gang ihres Lebens, in dem ein Tag wie der andere, ohne die mindeste Abweichung von der einmal eingeführten Ordnung, verstrich. Der lebhafte =Cornelius= zeichnete sich durch seine körperlichen Vorzüge und durch die Gewandtheit seines Betragens zu sehr von den wenigen übrigen jungen Männern ihrer Bekanntschaft aus, um nicht, da er ihr auch sonst in Hinsicht auf die Glücksumstände seines Vaters am Nächsten stand, von ihr mit günstigen Blicken betrachtet zu werden. Die kecke Art und Weise, mit der er sich ihr näherte, seine heitere Laune und die leichte, aber doch zarte Anknüpfung eines innigeren Verhältnisses von seiner Seite, hatten ihr ganz und gar nicht mißfallen. Nur als er nach und nach anfing sich zu vergessen, als er länger bei ihr auf der Straße und in der Kirchthüre verweilte, als früher, und sein trauliches Flüstern zu =van Vlietens Clötje'n= die Aufmerksamkeit der Leute erregte, da begann das Mädchen nachzudenken und zu überlegen, und kam zu jenem Resultate, das den leichtgestimmten und auch ziemlich leichtsinnigen =Cornelius= in die chinesische Stube ihres Vaterhauses, in den Leib des =Schiwa= führte und sie selbst in eine Bestürzung brachte, die von dem eben beschriebenen Zustande der Gedankenunfähigkeit begleitet war. Sie saß wie auf Kohlen ihrem Vater gegenüber im kleinen Gemache, das fern von dem Zimmer war, in dem sie den Geliebten zurückgelassen hatte. Ihre Hand zitterte, als sie dem alten Herrn den Thee kredenzte. Sie hatte den Zucker vergessen und er trank in seiner Aufgeregtheit den Thee hinunter, ohne das zu bemerken. =Clelia= sah bei aller Betretenheit wohl ein, daß ihr Vater einen gewaltigen Groll gegen die =van Daalen= im Herzen berge, aber sie wußte die Ursache nicht und vermochte jetzt auch nicht darüber nachzusinnen. Einzelne Ausrufungen, die er unter dem Theetrinken ausstieß, gaben ebensowenig einen weitern Aufschluß. Dieser Ausrufungen waren ohnehin nur drei, und so kräftig sie sich vernehmen ließen, so wenig klärten sie die Sache selbst auf. Als Herr =Tobias= die erste Tasse getrunken hatte, stieß er die chinesische Porzellanschale klirrend auf den Tisch und sagte im Tone heftiger Erbitterung: »Der Windmacher!« Bei der zweiten rief er ingrimmig: »Der Schwindelkrämer!« Die dritte ließ er unberührt stehn, indem er wild schrie: »Der Lump!« und dann hastig, ohne =Clelia= die gewöhnliche gute Nacht zu wünschen, in sein Schlafzimmer eilte, das er hinter sich verschloß. In dumpfer, unklarer Erstarrung sah die Tochter ihm nach. Das hatte sie noch nie erlebt. Um zweier Tassen Thee willen, hatte es ihr Vater noch nie der Mühe werth gefunden, sich niederzusetzen; nur wenn er sein volles Dutzend genossen, bedurfte es einiger Ueberredung, ihn noch zu etlichen Schalen zu bewegen. Selten aber widerstand er einer solchen Ueberredung, oft wartete er sie kaum ab. Heute war das nun ganz anders gewesen, heute hatte Herr =van Vlieten=, zum erstenmale seit der Tochter Gedenken, das Prinzencollegium versäumt, nur wenigen Thee getrunken und seiner =Clötje= keine gute Nacht gegeben! Schreckliche Dinge mußten vorgegangen seyn, die den pünktlichen Mann aus seinem gewöhnlichen Lebensgleise rissen! Schreckliches erwartete gewiß die Tochter, wenn =Tobias= erst zur Besonnenheit, zu einem Entschlusse gekommen war! Sie schlich schwankend aus dem Zimmer, wo die unterbrochene Theepartie statt gefunden hatte. In den Gängen des Hauses war es still und einsam. Das Gesinde befand sich in den Gemächern des Erdgeschosses. Wenn Herr =Tobias= sich einmal in seine Zimmer zurückgezogen hatte, so durften in der Regel die Diener keine Störung von seiner Seite mehr erwarten. =Clelia= war in einer Sinnenbetäubung, in der sie nur mit Mühe =einen= Gedanken, den an den versteckten =Cornelius=, festhalten konnte. Das Licht, das sie in der Hand trug, erschien ihr wie ein ferner, dämmernder Schein. Die Schläge ihres Herzens waren so stark, daß sie ihre Brust beengten und das geängstigte Mädchen einigemale stehen bleiben mußte, um Odem zu schöpfen. Endlich hatte sie die Thüre des großen Gemaches, das mit dem =Schiwa= und den chinesischen Wackelköpfen auch den gewesenen Kriegshauptmann =Cornelius= mit seinem unbesonnenen Feuerkopfe beherrbergte, erreicht. Ihre Hand fiel mechanisch auf den Griff der Thüre und diese öffnete sich. Da zeigte sich ihrem ersten Blicke, der besorgt in das kerzenerhellte Zimmer fiel, der stillgeliebte Freund ihrer Seele. Er saß in einer sehr tiefsinnigen Haltung auf dem Postamente des Götzenbildes, mit untergeschlagenen Armen, mit niedergesenktem Haupte. Bei dem Eintritte =Clelia's= machte er eine geringe Bewegung, die aber nur andeutete, daß er sie bemerkt habe. Er ließ die Zitternde auf sich losschreiten, er sagte kein Wort und verließ seinen Platz nicht. Als sie endlich mit dem blaßen, zerstörten Antlitze vor ihm stand, sah er die schweigende Jungfrau ebenfalls schweigend einige Augenblicke lang an, schüttelte dann mit dem Haupte und ließ aus tiefster Brust einen laut durch das Gemach klagenden Seufzer vernehmen. Sein Angesicht war dabei in ernste Falten verzogen, eine Wolke des Unmuths schwebte auf seiner Stirne, seine Augen, seine ganze Gebehrde, strebten Kummer und Wehmuth auszusprechen; allein ein anderer, der nicht so befangen und fassungslos, wie =Clelia=, gewesen wäre, hätte dieses ganze Aeußere als eine Larve und den Schalk hinter ihr erkannt. »Um Gott, was fehlt Euch, Junker =Cornelius=?« fragte zitternd und zagend das Mädchen. »Wenn unsereins seufzt, so geschieht es gar vielemale nur zum Zeitvertreibe, wenn Ihr aber anfangt, so jämmerlich zu thun und zu stöhnen, so muß der Welt Untergang nahe seyn!« »Er ist nahe;« versetzte dumpf und eintönig der junge Mann. »Ist unsere Liebe nicht unsere Welt? Bei dem Marschallsstabe des Prinzen =Eugenius=! so ist es und man hat unserer Liebe den Untergang geschworen. Ohne Liebe kann die Welt nicht bestehen. Sie geht unter: die Sonne erlischt, die Sterne sind ausgebrannt, die Erde fällt in Stücken.« Er hatte diese letzten Worte mit einem mächtigen Pathos ausgesprochen und beobachtete nun die Wirkung, welche sie auf =Clelia= hervorbrachten. Sie war noch bleicher geworden, sie zitterte noch mehr. =Cornelius= sah ein, daß sie sich jetzt in jenem Zustand befand, wo sie keiner Ueberlegung fähig sey und den er zur Ausführung eines unbesonnen und leichtsinnig von ihm entworfenen Planes gerade geeignet fand. »Ja, theuere =Clelia=,« fuhr er in einem Tone der Rührung und Weichheit fort, der ihm sehr schwer fiel, »man will uns trennen. Nicht für Tage, für Monden, für Jahre, nein! für das ganze Leben. Und um welcher nichtswürdigen Ursachen willen? Um welches elenden Dinges willen, das nicht einmal wagt, sich am Lichte des Tages zu zeigen, das mit Gewalt erst aus seiner dunkeln Verborgenheit hervorgerissen, gewaschen und geschlagen, zur Ehrlichkeit geprägt und gestempelt werden muß, damit es in der honetten Welt erscheinen kann? O, Gold, Gold, wie kann doch deine Macht die edelsten Herzen tirannisch und hart machen, die trefflichsten Gemüther, wahre Lammesnaturen, in grausame Tigerseelen verwandeln! Ja, =Clelia=, wir sollen getrennt werden. Als ich verborgen stand im Leibe des =Schiwa=, als ich durch seine großen Glasaugen, wie durch Fenster hinabsah in dieses Gemach, als ich unsere Väter hier erblickte, als der alte würdige =Jeremias Hoontschoten= zu ihnen getreten war, um ihnen eine Hiobspost zu verkündigen, als da im Ueberdrange der Leidenschaften ihre Seelen auf ihre Lippen traten -- da, =Clelia=, liebwertheste Jungfrau -- da habe ich schauderhafte Dinge gehört!« Hier machte =Cornelius= wiederum eine Effectpause, die ganz seiner Absicht entsprach. =Clelia= sank wie erschöpft in einen Sessel. Dumpf lag es in ihrem Kopfe, ihre Erkenntniß war unklar, sie glaubte jetzt Alles, womit =Cornelius= drohen konnte, sie empfand nur die Furcht vor den schrecklichen Eröffnungen, die sie von ihrem Freunde zu erwarten hatte. »Sagt mir Alles!« bebte es endlich über ihre Lippen. »Wenn der Vater sich von mir oder gar gegen mich wendet, so habe ich ja keinen andern Beistand auf der Welt, als Euch!« »Leider ist es so;« versetzte mit großem Ernste, zu dem der schalkhafte Ausdruck der Augen gar nicht einstimmen wollte, der junge =van Daalen=. »Aber was auch geschehe, was auch Euch Schweres auferlegt werde, verlaßt Euch auf meine Hülfe, auf meine Liebe! Ja, wenn es selbst Euer grausamer Vater so weit triebe, seine entsetzliche Drohung wahr zu machen, Euch von der Gemeinschaft derjenigen zu entfernen, mit denen Ihr einen und denselben beruhigenden Glauben getheilt, wenn er Euch hinter Mauern, hinter Riegel, hinter Eisenstäbe verwahrt hielte, selbst dann soll mein Beistand Euch nicht fern bleiben. Ich werde Eueren Kerker aufzufinden wissen, und wäre er in der ödesten Einsamkeit, wohin nie eines Menschenfuß sich verirrt, ich werde die Mauern stürzen, die Riegel zertrümmern, die Eisenstäbe brechen und Euch als Preis, als überschwenglichen Lohn meiner thätigen, unerschrocknen Liebe davon tragen!« »Aber, mein Gott!« fragte in der höchsten Beängstigung, und die schreckenvollen Blicke auf =Cornelius= heftend, das Mädchen: »Trägt denn der Vater wirklich so Arges gegen mich im Sinne? Will er mich einsperren in ein gräßliches Gefängniß, wo ich verlassen und ganz allein bin mit meinem Jammer und meiner Verzweiflung? Was habe ich denn verbrochen, das eine so entsetzliche Strafe verdiente?« »Fragt danach die Tirannei?« deklamirte pathetisch =Cornelius=. Dann stieg er von seinem erhabenen Platze herab, setzte sich neben =Clelia= nieder und fuhr im zärtlichsten Tone fort. »Theure =Clelia=! der einzige Freund, den Du auf Erden besitzest, spricht jetzt zu Dir und wird Dir ein Geheimniß entdecken, das Dich geistig und leiblich mit einem Verderben bedroht, dem Du nur durch =ein= Mittel, auf =einem= Wege entgehn kannst. Du liebst Deinen Vater, Du achtest ihn, aber -- erschrick nicht -- er ist ein geheimer Catholik.« »Entsetzlich!« rief =van Vlietens= Tochter, die in diesen Augenblicken die Leichtgläubigkeit selbst war. »Und davon habe ich nie etwas bemerkt, nie etwas geahnt.« »Er wußte es klug zu verbergen;« sagte =Cornelius= mit einiger Verlegenheit. »Aber oft, meine Geliebte, warest Du doch Zeuge, wenn der ehrwürdige Domine unserer Gemeinde ihn ermahnte, nicht von der rechten Lehre abzuweichen, wenn er in leichtverständlichen Andeutungen ihm Lauheit und Gleichgültigkeit vorwarf. Glaube mir: der Mann hat einen scharfen Blick und sah durch das Geheimniß. Ich weiß es erst seit diesem Abende. Während seines Aufenthaltes in Indien muß Dein Vater in irgend einer portugiesischen Niederlassung, vielleicht in =Goa=, seinen Uebertritt bewerkstelligt haben. Er verrieth sich, als =Hoontschoten= die Unglücksnachricht brachte, daß mein Vater ein Paar tausend Dukaten weniger in seiner Casse zähle, als Heer =Tobias=. Zum größten Unglück schien er auch mich in meinem Verstecke wahrzunehmen. Da brach er los in unbändiger Wuth. Er schwur, daß Du nimmer die Meinige werden solltest, daß er Mittel in Händen habe, unsere Hoffnungen für immer zu vereiteln, daß er beim heiligen =Franz von Assisi= -- merke wohl auf, Theuerste, er schwor bei einem katholischen Heiligen -- Dich nach Brabant bringen, dort Dich zwingen wolle, ebenfalls katholisch zu werden, damit er Dich in ein Kloster stecken könne, wo Du dann in einem langen, einsamen und von allen Weltfreuden abgeschlossenen Leben von meinen Zudringlichkeiten nichts mehr zu befürchten haben würdest. So sprach der Schreckliche! Eine Nonne sollst Du werden, Holdseligste. Eine =Nonne=! Bedenke wohl, was alles Entsetzliches in der Bedeutung dieses Wortes liegt!« »Es ist nicht möglich!« stöhnte =Clelia=, starr vor sich hin brütend. »O mein Kopf, mein armer Kopf! Das ist Alles so wild und verwirrt auf mich eingestürmt, daß ich ganz betäubt, ganz wüst im Gehirn bin. Ich kann nicht bedenken, warum diese Dinge so sind, ich höre nur das Entsetzliche und ich muß es glauben, ich muß es in mich aufnehmen, ich muß es schrecklich empfinden, ohne es prüfen, ohne ihm einen Widerstand entgegensetzen zu können. Verlaßt mich nicht, Junker =Cornelius=! Gebt mir Rath, leistet mir Beistand. Eher den Tod, als von meinem Glauben lassen! Meinem Vater habe ich Pflichten, aber meinem Schöpfer auch, und, wo es das bessere himmlische Theil gilt, da muß das irdische nachstehn.« »Das ist auch meine Meinung;« stimmte der junge Mann in einem unsichern Tone ein. Er fühlte sich durch =Clelias= Zustand gerührt. Er machte sich Vorwürfe über den Leichtsinn, mit dem er an ein in der That strafbares Unternehmen gegangen war, er war nahe daran, sich zu verrathen. Da aber führte die Einbildungskraft ihm ein lockendes Gemälde der Zukunft vor: er sah sich als den Gatten des geliebten Mädchens im beglückten Hausstande, in dem Fluge eines Augenblickes gingen alle Reize, alles Wünschenswerthe des Gattenlebens mit =Clelia= an seiner Seele vorüber, und -- jetzt sank mit einemmale dieses schöne Bild, das allein der wohlausgesonnene Plan verwirklichen konnte, in seine Nichtigkeit zurück, wie ein grausam täuschender Traum, und er mußte des geldgierigen =Tobias= gedenken, der dem minder Reichen nimmer die Tochter vergönnen, sie vielleicht dem ersten besten Bewindhebber aus =Amsterdam= oder einem nach Indien gehenden =Rathe= hingeboten würde! Alle Zweifel, alle Bedenklichkeiten verschwanden. Er beschloß, das einmal begonnene Unternehmen standhaft zu Ende zu bringen und fuhr nun, indem er die Larve des Mitleidens und der liebevollen Theilnahme fester vornahm, zu =Clelia= herabgebeugt fort: »Du befindest Dich in einer entsetzlichen Lage, Theuerste, aber sie ist doch nicht so verzweifelt, daß wir ringsum forschten und kein Rettungsmittel erspähen könnten. Bei dem Seeruhme =Ruyter's= und =de Tromp's=! =Cornelius van Daalen= ist der Mann, der hier zu helfen weiß und helfen wird. Im Hause Deines Vaters darfst Du nicht bleiben. Er selbst hat Dir Thüre und Thore geöffnet mit seinem Abfalle vom rechten Glauben, mit seiner mehr als schrecklichen Drohung, Dich zu einer Nonne zu machen. Deine Pflicht erfordert, daß Du Dein Seelenheil rettest. Hier ist nichts zu bedenken, nichts zu überlegen. Nur eins thut noth: Entziehung aus tyrannischer Gewalt. Höre meinen Plan, Geliebte! Höre was Dein =Cornelius= ersonnen hat, Dir zu helfen! Nahe bei der guten Stadt =Mastricht= wohnt die einzige noch lebende Verwandte Deines Vaters, Deine Muhme, die ehrenwerthe Jungfrau =Jacobea van Vlieten=. Ich lag bei ihr im Quartiere in Kriegszeiten. Sie ist ein vortreffliches Frauenzimmer, von den festesten Religionsbegriffen, und wie sehr sie Dich liebt, wie sehr sie wünscht, Dich zum Besuche bei sich zu sehen, das weißt Du am Besten aus ihren Briefen. Zu ihr lasse Dich führen von mir. Hier droht Dir geistiges und leibliches Verderben, dort wartet Dein himmlischer und irdischer Friede. Die Barke eines meiner Freunde liegt gerüstet und segelfertig im Haven. Mit dem ersten Strahle der Sonne ist sie bestimmt, nach Antwerpen abzugehn. Er nimmt uns freudig auf, ein günstiger Wind führt uns an ein Ufer, wo Du nichts mehr von der Grausamkeit eines Mannes zu befürchten hast, der den von seinen Vätern ererbten heiligen Glauben verleugnen konnte und auch Dir die Seligkeit rauben will, die er für sich selbst nicht mehr hoffen darf.« =Clelia= begriff von Allem, was =Cornelius= sagte, Nichts, als daß die Reise zu der Muhme sie von dem schrecklichen, gefürchteten Abfalle von der rechten Lehre erretten, vor dem ihr durch tausend schauderhafte Erzählungen furchtbar gemachten Klosterzwange schützen solle. Sie dachte nicht an =Cornelius=, nicht an ihre Liebe. Sie war in der strengsten Gottesfurcht, in der beschränktesten Ansicht der Religion, wie sie damals in den Niederlanden nach den schärfsten Grundsätzen der reformirten Lehre geübt wurde, auferzogen. Ihr Glaube galt ihr mehr, als ihr Leben, mehr als Vater und Geliebter. »Ja, ich muß fort, ich muß zu der Muhme!« stammelte sie, indem sie beide Hände des jungen Mannes, wie ein Schiffbrüchiger das letzte Rettungswerkzeug, ergriff. »Ich will Euch für meinen guten Engel ansehen, wenn Ihr mich dorthin führt, Junker =Cornelius=. Aber allein -- nein! ich darf nicht allein gehn. =Philippintje=, die Hausjungfer, muß mit. Sie ist eine gute, gottesfürchtige Person und ging mir zu Liebe, wer weiß, wohin! Kommt, lieber Junker! Wir wollen =Philippintje= aufsuchen.« Das war nun freilich eine Aenderung in dem Plane des jungen Mannes, auf die er nicht gerechnet hatte. Dennoch hoffte er, daß auch die Verflechtung dieser dritten Person in das unbesonnene Unternehmen glücklich von statten gehen werde. =Philippintje= war eine alte Jungfer, die keine Predigt und keine Betstunde versäumte. Jedesmal wenn sie in das Zimmer trat, wo das Götzenbild stand, gerieth sie in einen heiligen Eifer. Sie disputirte heftig mit Herrn =Tobias=, sie verlangte, daß das unchristliche Bild fortgeschafft würde aus dem christlichen Hause, aber Herr =Tobias= steigerte dann gewöhnlich noch ihren Zorn, indem er sie auslachte und um, wie es früher seine Lust war, sich recht aufgeklärt zu zeigen, die Meinung aussprach: alle Religionen seyen gut und der Anbeter des Brama wie der des Mahomet, käme so gut in seinen Himmel, wie der Christ in den seinigen, wenn er es anders verdiene. Diese oft aufgestellte Behauptung hatte zuletzt die starkgläubige Wallonin erbittert, sie sagte gar nichts mehr über den Schiwa, aber sie lebte nun in der festen Ueberzeugung, daß, was Religionsangelegenheiten betreffe, =Herr van Vlieten=, zu Allem fähig sey. =Clelia= zog den etwas bedenklich gewordenen =Cornelius= mit sich nach dem Schlafzimmer =Philippintje's= fort. Der Weg führte sie durch das Gemach, wo früher =Clelia= ihrem Vater den Thee kredenzt hatte, wo noch dessen dritte Tasse unberührt auf dem Tische stand. Das Mädchen riß sich mit einem Seufzer von ihrem Führer los. Sie schwankte an die Thüre des väterlichen Schlafzimmers, sie lauschte, sie vernahm die Odemzüge des Schlafenden. »Er kann schlafen und trägt so arge Gedanken im Herzen!« stöhnte =Clelia=. Da erklang des Vaters Stimme im Nebengemache und er sprach mit dumpfem Tone im Traume: »Ja, ja, er soll und muß verbrannt werden, der Störer meines Hausfriedens! Wie will ich mich ergötzen, wenn ich ihn aufflammen sehe in lichter Lohe!« »Im Traume ist Wahrheit;« flüsterte =Cornelius=, der hinter =Clelia= getreten war, dieser zu. »Er spricht von mir. Mir gilt die Drohung mit dem entsetzlichen Autodafé. Er möchte gern die Inquisition in unserm Lande eingeführt wissen. Das muß Euch die Wahrheit meiner Behauptung verbürgen.« Der junge Mann hielt für gut die Sprache der Leidenschaft, in der er bisher die betäubte =Clelia= bestürmt, jetzt, da er sie für seine Absicht gewonnen, herabzustimmen und zugleich das vertrauliche =Du= wieder in das ehrerbietigere =Ihr= zu verwandeln. Er fürchtete =Philippintje's= Scharfblick. Sie hätte leicht entdecken können, daß die Liebe mehr Theil an seinen Rathschlägen und seinem Verfahren habe, als Noth thue, und dann wäre sie wohl auch ebenso leicht auf die Vermuthung gekommen, das Ganze sey nur eine eitle Vorspieglung gewesen, um ihre jugendliche Gebieterin dem väterlichen Hause zu entführen. Zeigte er sich aber immer innerhalb den Schranken der Ehrerbietung, brachte er nur seinen Abscheu vor der schrecklichen Glaubensverläugnung, vor der beabsichtigten Gewaltthat des Vaters gegen die Tochter in Anschlag; so konnte er überzeugt seyn, in =Philippintje= eine ebenso treue Helferin zu finden, als sie ein gutes und strengrechtgläubiges Mitglied der reformirten Kirche war. =Philippintje= hatte sich noch nicht zur Ruhe begeben, als ihr liebes =Clötje=, bleich und mit allen Zeichen großer Beängstigung, zu ihr in das Schlafgemach trat. Vor der Thüre harrte =Cornelius= mit pochendem Herzen auf den Erfolg der gewiß überraschenden Mittheilung. Von diesem Augenblicke hing Alles ab. Sah =Philippintje= hell genug, um sein dreistes Lügengewebe zu durchdringen, wurde sie nicht gleich Anfangs durch die Entdeckung, daß sie bisher einem heimlichen Katholiken ihre Dienste gewidmet, in ihren reizbarsten Empfindungen berührt und mit Blindheit geschlagen, so war nicht allein Alles vergebens gewesen, so mußte =Cornelius= selbst fürchten, seiner unbesonnenen Täuschung wegen, =Clelia's= Gunst für immer verscherzt zu haben und nie wieder auf eine Hand Anspruch machen zu dürfen, deren Besitz, hätte sie auch nicht einen Goldschatz von siebenmalhunderttausend Dukaten gehalten, ihm den höchsten Zweck seines Lebens galt. »Bei dem letzten Kanonenschusse, der einst in der Welt gethan werden wird!« sagte er, indem er sein Ohr zum Schlüßelloche neigte. »Ich will lieber vor einer geöffneten Batterie stehen, als in einer solchen Lage vor der Schlafkammerthüre einer alten Jungfer. Was ist es doch für eine schöne Sache um ein gutes Gewissen! Stehe ich nicht hier, wie ein armer Sünder, der den Beilschlag von Meister Kopfab erwartet auf dem Hochgerichte? Und woher kommt das ganze Unglück? Vom =Denken=, vom verwünschten bösartigen =Denken=! Da vergeß ich unglücklicherweise nur einen Augenblick meiner guten Gewohnheit, auch wenn ich allein bin, mir nur vorzuschwatzen, und das fatale =Denken= erwischt mich beim Kragen und flüstert mir tolles Zeug ein und treibt es zur Ausführung, ich mag wollen oder nicht. Und nun steht mir eben das =Denken= wieder als mein schlimmster Feind gegenüber, denn wenn die holdselige =Philippintje= anfängt zu =denken=, so ist's aus mit meinen schönen Entwürfen, und meine blühenden Hoffnungen sterben ab im Nachtfroste.« Aber in diesem Augenblicke erhob sich im Innern des Schlafgemachs heftig und schneidend die Stimme der Hausjungfer: »Der Nebukadnezar, der Antichrist, der Rebell gegen Gottes Wort! O ich habe es längst gewußt, daß er den rechten Glauben abgeschworen hat, denn er zählt Sonntags lieber die Zuckerhüte, die im Gewölbe liegen, als die Zuckersprüche, die der hochwürdige Domine spendet! Hast Du es je erlebt, daß er zur Kirche gegangen wäre, meine =Clötje=? Hält er christliche Betstunde Abends im Hause, wie es sich geziemt für einen rechtgläubigen Patron und Handelsmann? Aber ich glaubte immer, er sey nur ein Heide, ein Götzenanbeter, so ein Chinese oder Kamschadale, nun ist er gar das Allerschlimmste, ein Römischer, ein Belialskind, der Antichrist selbst! Keinen Augenblick bleibe ich länger in dem verruchten Hause. Und du, =Clötje=, du bist sein Kind nicht mehr. Er hat sich losgesagt von dir, als er sich der entsetzlichen Babel hingegeben, er ist dein ärgster Feind geworden, da er im Sinne trägt, dich zu verderben an deinem himmlischen Seelenheil. Eine Nonne! Kind, weißt du, was das sagen will? Nein, du kannst es nicht wissen, aber ich sage dir, die Qualen, welche die Verdammten in der Hölle leiden, sind köstlich, wie Zucker und Milchcaffee, gegen das Leben im Kloster.« Jetzt sprach wieder =Clelia= mit ihrer furchtsamen und weichen Stimme. =Cornelius= konnte nicht verstehen, was sie sagte, aber es dauerte nicht lange, so wurde =Philippintje's= Redeton wieder hörbar, und der Lauscher vernahm Alles so deutlich, als wenn er der ehrbaren Jungfrau gegenüberstünde: »Wie, verbrennen will er den Junker =Cornelius=, den schmucken, braven Menschen, der mir jeden Sonntag in der Kirchthüre den freundlichsten und höflichsten Gruß bietet, wie ihn ein sittsames Mädchen annehmen darf? Dafür wollen wir thun. Gewiß trägt der Pontius Pilatus im Sinn, ihn in das hintere Magazin zu verlocken, wo Pech und Schwefel in Haufen liegt, dann heimlich die ganze Geschichte in Brand zu setzen und den lieben Jungen, der an nichts Arges denkt, einzusperren und so seinem Höllenglauben zum Opfer zu bringen! Ja, mein =Clötje=, du hast an Junker =Cornelius= einen wahren Freund! Er hat dir gut, er hat dir recht gerathen. Wir wollen fort, wir wollen zur frommen Muhme in die Fremde! Besser, daß der sterbliche Leib in Gefahren und Beschwerden komme, als die unsterbliche Seele! Gehe, mein =Clötje=, mit dem guten Junker! Ich will indessen das Nothwendigste einpacken: Erbstücke von deiner Mutter selig und meine geringe Habe. Am Haven finde ich euch wieder. Der Judas Ischarioth soll dich nicht verrathen, mein Herzenskind, und den schmucken =Cornelius=! Wir wollen auch nichts mitnehmen von seinem Eigenthum. Es soll ihm Alles verbleiben -- dem Belial!« =Cornelius= richtete sich schnell auf aus seiner lauschenden Stellung, denn in jedem Augenblicke konnte jetzt die ehrbare Jungfrau =Philippintje= hervortreten. Er hörte weinen. =Clelia= war es, der die Trennung aus dem väterlichen Hause Thränen erpreßte. Sie hatte ihr Angesicht an die Brust der treuen Alten gelegt, die sie noch als Kind gekannt und liebevoll verpflegt. =Philippintje= aber tröstete sie mit frommen Bibelsprüchen, meinte, es sey einmal nicht anders und sie müsse nun den lieben Gott als Vater annehmen, da Herr =Tobias= sich dem Bösen verschrieben habe. Sie trieb dann das geängstigte Mädchen zum Fortgehen und öffnete selbst rasch die Thüre, vor der, mit einer tiefen Verbeugung ihr zugewandt, der junge =van Daalen= stand. »Da habt Ihr sie, hochedler Junker!« redete ihn =Philippintje= an. »Gott hat Euch wunderbar zu ihrem Schutzengel erwählt. Führet sie aus dem Hause der Sünde an Bord der Arche Noah, welche die Auserwählten trägt. In wenigen Augenblicken folge ich Euch nach. Mein Himmel, wer hätte das gedacht, daß wir einmal bei Nacht und Nebel aus dem väterlichen Hause, aus der guten Stadt =Rotterdam= entfliehen müßten!« Nachdem =Philippintje= noch ein Weilchen mit Jammern und Schelten ihr Herz erleichtert hatte, hüllte sie ihr liebes =Clötje= in einen warmen Mantel und brachte die beiden jungen Leute vorsichtig und leise an eine Hinterthüre des Hauses, die sie mit dem Hauptschlüssel öffnete. Hier wurden die nöthigen Verabredungen genommen, =Philippintje= erfuhr den Namen des Schiffes und =Cornelius= erklärte ihr auf's Genaueste, wo es liege. »Ich will Euch schon finden!« sagte sie. »Hat sich doch Alles so wunderbar und sichtlich unter der Führung des Himmels gefügt, daß wir in kleinen Dingen nicht furchtsam seyn dürfen. Wir ziehen aus Egypten in's Land Gosen. Unser Pharao aber ist mit Blindheit geschlagen und es bedarf der Zeichen und Wunder nicht, ihn zu bändigen. Sei getrost, mein =Clötje=! hebe dein Haupt empor, mit dem lieblichen Antlitze, dessen du dich nicht zu schämen brauchst. Es wird Alles gut gehen. Die wohledle =Jacobea= ist fromm und gottesfürchtig. Sie ist deine nahe Blutsverwandte, ihr Haus und ihre Arme stehen dir offen. Weine nicht, zittre nicht und suche dich zu erheitern. Da, hochverehrter Junker, leihet Ihr Euern Arm, unterstützt sie hülfreich, damit ihr in ihrer gegenwärtigen Schwäche der Rettungsgang nicht so schwer falle.« »Ach, =Philippintje=,« seufzte =Clelia=, »ich vermag jetzt nichts zu denken und über nichts nachzusinnen! Aber wenn auch meine Religion mich forttreibt aus der Heimathsstätte und es fest in mir steht, daß ich meinem Herrgott nicht untreu werden darf in irgend einer Weise, so schießt oft wie ein Blitz ein Gefühl in mein Herz, als begehe ich ein großes Unrecht in dieser Stunde!« »Behüte, behüte!« versicherte, zu des betroffenen =Cornelius= großer Beruhigung, =Philippintje=. »Tritt in Frieden und Ruhe den Weg zur Rettung deiner Seele an. Du weißt, Herzenskind, wie gut ich's mit dir meine. Sind wir erst bei der Muhme, dann wollen wir dem =Baalspriester= schon die Bedingungen stellen, unter denen wir wieder zurückkehren. Dann muß der Schiwa aus dem Hause und der Domine muß jeden Mittag mit uns essen und christliche Gebete halten zur Besserung des alten Heiden. Fort, nur fort, mein Kind! Die Bösen haben keine Ruhe im Gewissen, Tag und Nacht. Wer weiß, ob =ihn= nicht der innere Unfriede hertreibt und dann ist die Nonnenschaft gewiß und das Brandopfer in Pech und Schwefel.« =Cornelius= war in seinem Leichtsinne nahe daran, sich durch ein kaum unterdrücktes Kichern zu verrathen. Fast mit Gewalt von =Philippintje= fortgedrängt, die sogleich die Hausthüre hinter den Beiden verschloß, schwankte =Clelia=, auf den Arm des Geliebten gestützt, durch die einsame, dunkle Straße. Das Glockenspiel vom nahen Thurme zeigte die Mitternachtsstunde an. Ein Schauer ergriff das Mädchen und sie schloß sich näher an ihren Begleiter, der so rasch als möglich sie mit sich fortführte. Vom Himmel leuchteten weder Mond noch Sterne. Ein dichter Nebel, wie diese in Holland häufig sind, umgab die nächtlichen Wanderer. =Cornelius= hielt sich immer nah an den Häusern, denn auf der andern Seite befand sich der Canal, der dem Unvorsichtigen gefährlich werden konnte. Als er vernahm, wie =Clelia= leise weinte und mehreremale das Wort: »Vater,« in wehmüthigem, bebenden Tone über ihre Lippen ging, da wollte sich Reue in seiner Seele regen und er mußte sich wieder alle Bedrängniß der Gegenwart, alle süßen Träume der Zukunft verlebendigen, um standhaft zu bleiben und nicht in die offenbarenden Worte auszubrechen: »Es ist Alles nicht wahr, Geliebte, sondern erdichtet und erlogen. Ich habe eine tolle, unsinnige Geschichte erfunden, um dich in Furcht zu setzen und aus dem Vaterhause zu locken in meine Gewalt und du hast sie geglaubt, weil du sehr betreten und deiner Sinne nicht mächtig warest. Kehre wieder zurück in die alte Wohnung. Dein Vater ist gegen nichts aufgebracht, als gegen den Manco von zweimalhunderttausend Dukaten und gegen den Schiwa, an dem er Caffee kochen will, aber nicht an mir, deinem =Cornelius=, Theuere!« So ungefähr würde der ehemalige Kriegsheld gesprochen haben, wenn er dem augenblicklichen Sturme der Empfindungen erlegen wäre. Er wußte sich aber gegen diesen Sturm zu vertheidigen und als er sich nun am Ausgange des Canals im Haven befand und das Licht der befreundeten Barke durch den Nebel herüberschimmern sah, da erwachte sein ganzer Muth und der letzte Versuch, den die heranstürmenden Gefühle machten, wurde ganz und gar zurückgeschlagen. Er gab mit leisem, zischendem Pfeifen ein Zeichen nach der Barke hin, das nach einigen Augenblicken beantwortet wurde. Der Capitän der Barke war einer seiner Jugendfreunde, der seinen Besuch zu jeder Stunde des Tages und der Nacht erwarten konnte und mit dem er für einen solchen Fall ein besonderes Zeichen verabredet hatte. =Clelia= sah in ängstlicher Erwartung nach dem Lichte, das am Bord des Fahrzeuges schimmerte. Sie standen hart am Canale, in dessen Mitte die Barke lag. Jetzt wurde von dieser herüber ein Brett auf das Ufer geschoben und durch den Nebel bewegte sich rasch eine Mannsgestalt heran, mit einer Leuchte in der Hand zur Erhellung des schmalen Steges, den die Nachtwanderer zu betreten hatten. »Ich werde Euch für meine Schwester ausgeben!« flüsterte =Cornelius= dem Mädchen zu. »Die Muhme =Jacobea= kann für unsere beiderseitige Verwandte gelten, zu der wir reisen, um ihrer dringenden Einladung zu genügen. In der Frau des Capitäns, meines wackern Freundes =Jansen= von Harlem, werdet Ihr ein gutmüthiges, heiteres Wesen kennen lernen, das Euch sicherlich gefällt.« =Clelia= konnte nichts antworten. Sie war zu sehr in den Schmerz vertieft, den die grausame Täuschung, in der sie sich befand, mit sich führen mußte. Sie starrte den Geliebten an, ohne ihn zu sehen, sie machte eine bejahende Bewegung, ohne es zu wissen. Der Mann von der Barke war indessen näher getreten und erwartete =Cornelius= Befehle. Mit seiner Hülfe brachte der unbesonnene Jüngling, der jetzt bei der zunehmenden Schwäche, die sich in =Clelia's= ganzem Wesen an den Tag legte, von der größten Besorgniß ergriffen wurde, die fast Besinnungslose an Bord. Sie hatten kaum die abgesonderte Cajüte erreicht, in der Capitän =Jansens= Frau den unerwarteten Besuch mit einiger Befremdung empfing, als =Clelia=, von Allem, was ihr am Abende und in der Nacht begegnet war, im tief Innersten bedrängt und gedrückt, auf ein Ruhebett niedersank und von einer schweren Ohnmacht ergriffen, alles Bewußtseyn verlor. 4. Es war sieben Uhr Morgens. Von allen Kirchthürmen der reichen Havenstadt =Rotterdam= vereinigten sich die Glockenspiele zu einem musikalischen Durcheinander, das in der That nur für die Ohren der damit vertrauten Einwohner nicht beleidigend seyn konnte. Der Nebel, welcher während der Nacht auf Stadt und Haven gelegen hatte, war verschwunden und die Morgensonne spiegelte sich freundlich im Fluße, in den Canälen und an den glänzenden Fensterscheiben der Häuser. Die Reinlichkeit, die allenthalben herrschte, an den Außenseiten der Gebäude, in den Straßen und an den Fahrzeugen, welche in den Canälen lagen, machte das freundliche Bild noch freundlicher und das jetzt sich entspinnende rege Leben auf den Schiffen, Barken und Booten, auf den Plätzen und Straßen, gab ihm erst seine Bedeutung, indem es die Handelswichtigkeit des Ortes, den Reichthum und die Thätigkeit seiner Einwohner an das Licht stellte. Hier wurden Schiffe, die am vorigen Abende noch spät eingelaufen waren, ausgeladen, die Matrosen lachten, lärmten und schimpften, während sie die Fässer und Ballen in die geöffneten Gewölbe schleppten, in deren Eingang mit hochwichtiger Miene der Handelsherr stand, der den Gegenstand so vieler Sorgen, die Ursache so mancher schlaflosen Nächte nun endlich glücklich in seinem Besitze sah. Dort wurden andere Schiffe zum Auslaufen gerüstet. Die lebendigste Thätigkeit zeigte sich auf den Verdecken. Ein günstiger Wind erhob sich, das »Halli, halloh!« der Bootsleute ertönte, in einem Augenblicke waren die Taue mit kletternden Jungen und Matrosen angefüllt, die Segel wurden aufgehißt, sie schwollen an und das Schiff zog stolz, wie ein Besieger der Wogen, über die Wasserfläche hin, seiner unbekannten Bestimmung entgegen. An einem andern Orte lagen zierliche, offene Barken, in denen reinlich gekleidete und oft auch recht anmuthig gebildete Landmädchen die Gartenerzeugnisse des Landes feil hielten, die damals in der reichen Ueppigkeit, wie sie hier den Augen begegnete, nur von der kunstverständigen Betriebsamkeit der holländischen Gärtner hervorgebracht werden konnte. Aehnliche Fahrzeuge schwebten, im bunten Gewühle mit andern, über die Spiegelfläche der Canäle hin, gelenkt von den gewandten Mädchen, die an den Hausthüren ihrer täglichen Kunden den bestellten Bedarf absetzten. Näher am Haven befanden sich die Marktboote der aus der Ferne zurückkehrenden Schiffe, mit glänzenden Südfrüchten, Orangen und Sina-Aepfeln, beladen; ihnen gegenüber die flachen Fahrzeuge mit gedörrten und gesalzenen Fischen. Auf dieses regsame Treiben sah aus einem Fenster des berühmten Gasthofes =zum Wappen von Rotterdam=, mit einem sehr ernsthaften Gesichte, der Professor =Eobanus Hazenbrook= herab. Es hatte ihm vom gestrigen, reich aufgetragenen und köstlichen Nachtessen kein Bissen munden wollen, die ganze Nacht hindurch hatte der Schlaf sein Lager gemieden und das treffliche Frühstück, aus Fleischschnitten, gedörrtem Lachse, Edamer Käse und dunkelbraunem Thee bestehend, war noch unberührt auf dem Tische an seiner Seite zu erblicken. Er hatte keinen andern Gedanken, als nur an den halsstarrigen =Tobias van Vlieten=, der, allen Sinn für die Erweiterung der Kunst und Wissenschaft, für den Ruhm seines Vaterlandes verleugnend, sich nicht zur Mumie machen lassen wollte. Immer stand die hagere, ausgedörrte Gestalt des Handelsherrn, die für ihn alle ersinnlichen Reize besaß, vor seinen Augen. Je mehr seine Phantasie sich damit beschäftigte, von um so höherer Sehnsucht nach dem geliebten Gegenstande wurde er ergriffen. Er hatte mehrere vergebliche Versuche gemacht, die Sache, die ja doch unerreichbar schien, sich aus dem Sinne zu schlagen. Er war schon in aller Frühe zu einem Antiquarius gegangen, um bei diesem durch den Anblick von allerlei Curiositäten zerstreut zu werden; aber eine elfenbeinerne, zum Stockknopfe sehr zierlich gearbeitete Sphinx, welche ihm der Mann zum Verkaufe antrug, führte seine Gedanken sogleich wieder nach =Egypten=, zu den Pyramiden und dem unseligen Gegenstande seiner hoffnungslosen Liebe, zu der Mumie. Er entfernte sich seufzend aus dem Laden des kopfschüttelnden Antiquarius, der da bei sich selbst meinte: der Professor =Eobanus Hazenbrook= sey nun endlich wirklich übergeschnappt, was man seiner tiefsinnigen Studien wegen schon längst befürchtet. =Eobanus= schritt indessen trauerig weiter dem Haven zu. Er mochte sonst wohl sein Auge gern ergötzen an den füllereichen Gestalten der Obstverkäuferinnen, die in den anliegenden Nachen aus dem rothwangigen Antlitze mit schalkhaften Blicken die Vorübergehenden zum Kaufe anlockten. Er stellte sich auch heute in gespreizter Haltung vor die Reihe der untereinander kichernden Mädchen, er richtete seine Augen auf sie, aber er sah nicht die apfelrunden Gesichter, die blitzenden Augen, die wohlgefälligen Gestalten; denn immer schwebte, von dem sehnsüchtigen Gemüthe hervorgerufen, vor seinen Blicken das unter den Sonnenstrahlen Indiens zusammengedörrte Antlitz des Herrn =Tobias van Vlieten= und dessen eckige Knochengestalt, dem Professor jetzt anlockender und reizender erscheinend, als der vatikanische Apoll oder die Mediceische Venus, von denen ihm reisende Künstler so vieles erzählt. An sich und seinem Glückssterne verzweifelnd floh =Eobanus= in das Gasthaus zurück. Er bestellte das beste Frühstück von der Welt. Die alten Wunderkräfte aber hatten ihren Zauber auf ihn verloren. Wir fanden ihn, noch immer grübelnd, noch immer sehnend neben dem unberührten Frühstücke. Jetzt tobten seine Begleiter, die zwei jungen Franzosen herein. Sie hatten kaum den wohlbesetzten Tisch erblickt, als sie sich daran niederwarfen und mit einem wahren Löwenhunger über die aufgetragenen Speisen herfielen. Die Fleischschnitten verschwanden bald bis auf wenige, der Edammer drohete in's Nichts zurückzukehren. Dieser Anblick brach die harte Rinde der Verzweiflung, die sich um das Herz des Professors gelegt hatte. Wie ein Strom, der gewaltsam zurückgehalten, endlich seine Dämme niederstürzt, so schleuderte jetzt der mächtig erwachende Appetit die Gestalt des Herrn =van Vlieten= aus der Erinnerung des =Eobanus= hinweg, und nur die Gegenwart behauptete ihr Recht durch die zauberische Gewalt des Edammer und der Fleischschnitten. Eine Bärin stürzt zur Vertheidigung ihrer Jungen nicht so wüthend herbei, wie =Eobanus=, um sich die Ueberbleibsel des Frühmahls zu sichern. Die jungen Leute sahen ihn erstaunt an. Er aber sprach mit vollen Backen und arbeitenden Kinnladen: »Entartete Musenkindlein! Muß das Euer ehrwürdiger Lehrer, der weltberühmte =Hazenbrook=, an Euch erleben, daß Ihr seinen gerechten Schmerz mißbraucht, um ihn Hungers sterben zu lassen? Habe ich nicht Euch ernähret mit dem Honig der Kunst, mit der Kraftbrühe der Wissenschaft? O, Ihr Undankbaren! Wer erschloß Euch das Mysterium der Natur, wer ließ Euch in die Tiefen der Schöpfung blicken, wer führte Euch in das Innere des menschlichen Leibes, daß Ihr Euch dort lustiglich umschautet, und fröhlicher Dinge die Wunder seines Baues erkanntet? Ist das nun das Honorarium, welches Ihr mir spendet, daß Ihr mir Alles wegspeiset vor dem Munde und einen meuchelmörderischen Anschlag schmiedet auf mein Leben durch die grausamste Todesart?« Während der Professor auf diese Weise, halb im Scherze, halb im Ernste zürnte und ganz entsetzlich drauf loskauete, verschwanden unter seiner Thätigkeit sämtliche Reste von Speisen, die sich noch auf dem Tische vorgefunden hatten, so wunderbar geschwind, als wenn sie der geschickteste Taschenspieler hinweggezaubert hätte. Dann nahm er ruhig einen Platz zwischen den beiden Jünglingen ein und fuhr, indem er nach der japanischen Theekanne griff, mit milder Stimme fort: »Wo kommt man her? Wie hat man die Morgenstunden zugebracht? Ist das Sprüchlein: _aurora musis amica_, nicht gänzlich außer Acht gelassen worden? Die Pflicht gebeut mir, auf Euere Handlungen und Gänge ein wachsames Auge zu haben, damit Ihr mir in _moribus_ nicht dahinten bleibt, während Ihr in _literis_ vorschreitet.« »Wir suchten Euch bei den schönen Obstverkäuferinnen,« versetzte mit einem schalkhaften Lächeln der eine der beiden jungen Leute. »Wir wissen, daß Ihr Euch ein Lieblingsgeschäft daraus macht, an diesen wohlgebaueten Demoisellen die Muskellehre zu studiren.« »_Recte dixisti!_« erwiederte der Professor, indem er das rechte Auge schloß und mit dem linken blinzelnd nach dem Studenten hinsah. »Dem Reinen ist Alles rein!« fuhr er fort. »Und Euch, mein lieber Monsieur, wäre zu wünschen, daß Ihr immer auch nur in einer solchen wissenschaftlichen Absicht das weibliche Geschlecht anschauen möchtet.« »Ich lege mich stark drauf,« versicherte der junge Mann. »Euer Beispiel spornt mich an.« »Das kann ich ihm bezeugen;« fügte der andere hinzu. »_Morgué!_ Er hat auch hier schon in dieser Beziehung das Terrain recognoscirt, wie es uns Franzosen im Feindeslande geziemt --« »Still, still!« unterbrach ihn bedeutungsvoll der Professor, indem er auf die übrigen, im Hintergrunde des Theezimmers versammelten Gäste deutete. »In diesen bedenklichen Kriegszeiten werdet Ihr wohlthun, Euch nicht allzulaut als Feinde der hochmögenden Heern Generalstaaten zu bekennen. Was Franzosen? Ihr seyd wallonische Musenkindlein und als solche inscribirt in das große Buch der Academie.« »Ich bin ein Franzos und sage es laut!« rief jener und schlug, kühn um sich schauend, mit der geballten Faust auf den Tisch, daß das japanische Porcellan zusammenklirrte. »Meint Ihr, ich heiße umsonst =Le Vaillant= und sey aus der herrlichen Gascogne in Euer miserables Land gekommen, um mein Vaterland und meinen Namen zu verleugnen? _Cadédis!_ Se. Majestät, der allerchristlichste König, wird dieses Krämervolk nach seiner Pfeife tanzen lehren, wie es ihm gefällt!« Er warf einen trotzigen Blick auf die Bürgersleute und Seemänner, die nur durch das laute Wesen des vorwitzigen Jünglings aufmerksam gemacht wurden, aber zu seinem Glücke seine Sprache nicht verstanden. Man war gewohnt, an öffentlichen Orten französisch reden zu hören, ohne gleich deshalb die Anwesenheit von Franzosen anzunehmen, da ja auch die befreundeten Flammländer, Brabançons und Wallonen sich meistens dieser Sprache bedienten. »Wenn du deinen kriegerischen Namen =Le Vaillant= geltend machen willst,« nahm jetzt der andere Student das Wort, »so werde ich nicht minder das Ansehen des meinigen zu behaupten suchen. =La Paix= klingt wenigstens eben so gut wie =Le Vaillant=, und ist sicher im Allgemeinen mehr beliebt. Ich bin der Balsam auf die Wunden, die Du schlägst. Du bist der Dorn und ich die Rose, und wenn ich meine Stimme gebieterisch erhebe, so müssen deinesgleichen schweigen und vom Schauplatze abtreten. Doch genug der Scherze! Ich sehe Du willst dich ereifern, mein theuerer =Le Vaillant=, und aller Eifer ist meiner friedfertigen Natur zuwider. Wir haben wichtigere Dinge zu machen, als läppische Namenwitze. Wir haben die wissenschaftlichen Anstrengungen unseres ehrwürdigen Lehrers zu unterstützen, als Söhne der erlauchten Lugduner Academia müssen wir der herrlichen Mutter zu Allem behülflich seyn, was ihren Glanz erheben kann?« Der Professor war ganz Ohr geworden. Er vernahm nur die lieblich lautenden Worte, er sah nicht den Schalk, der in dem Auge des muthwilligen =La Paix= lauerte. »Was meinst du, Söhnlein?« schmunzelte er über den Tisch herüber. »Hast Du ein seltsames Thier aufgefunden, ein Curiosum, vielleicht gar irgend ein liebenswürdiges Monstrum, das noch in unserm _museo rerum naturalium_ nicht vorhanden?« »Noch weit mehr, als das;« erwiederte mit großer Ernsthaftigkeit =La Paix=. »Wir haben den =Dicksten= wiedergesehen, und haben seine Wohnung ausfindig gemacht.« »Wie?« rief =Eobanus= in neu erwachender Begeisterung. »Meine Mumie, meinen =Amenophis=, den grausamen, unbeugsamen Pharao Egyptens --« »Ihn selbst;« versetzte der junge Mann. »Man hat uns auch allerlei erzählt von ihm auf unsere Erkundigungen. Seine Tochter =Clelia=, die er schnöder Weise =Clötje= nennt, soll das schönste Mädchen in =Rotterdam= seyn. Er selbst mag wunderliche Grillen im Kopfe tragen, denn die Leute sagen, er spotte des Christenthums und verehrte ein heidnisches Götzenbild des =Schiwa= oder =Brama=, das in seinem Staatszimmer auf einem hohen Piedestal stehe.« »=Brama= und =Schiwa=, =Osiris= und =Serapis=!« jauchzte der Professor, einer Verzückung nahe. »Welche Verwandtschaft, welche Analogie! O Gott! Der Mann ist zur Mumie geboren und hat den verbrecherischen Eigensinn, seine Bestimmung verleugnen zu wollen.« »_Sandis!_« hob jetzt verdrießlich =Le Vaillant= an, und schlug bei diesen Worten ein Schnippchen. »Ich gebe nicht so Viel für das Mumientalent des dünnen Dicken. Aber die schöne Tochter entflammt mich, und ihr zu Gefallen habe ich Fensterwanderung gemacht vor seinem Hause.« »_Paix!_« rief =La Paix= sich selbst aus und warf seinem Gefährten einen bedeutungsvollen, verweisenden Blick zu. »Ich leugne nicht, daß die Grazien auch für mich ihre Annehmlichkeit haben, allein wo die Uebermacht der Musen erscheint, da müssen sie billig in's Dunkel treten. Wie können sich diese eines Zaubers rühmen, wie jene ihn geltend machen? Es ist keine Kunst schön zu erscheinen, wenn man es ist. Aber die Wundermacht der Wissenschaft verleiht auch solchen Körpern unwiderstehliche Reize, die deren gar keine besitzen. Sie kann eine Kreuzspinne zum Gegenstande inniger Liebe, eine Kröte zu dem der tiefsten Verehrung machen und in der That, ist denn nicht jene Sage von der Spinne, die sie nach hundert Jahren zu einem Demant verhärten läßt, nicht fast gleich mit dem egyptischen Glauben von der Lotosblume, hat nicht die tausendjährige Kröte, die im Innern eines Steins gefunden wird --« Länger konnte sich der Professor nicht halten. Er fiel zur großen Befremdung aller Anwesenden dem Jüngling um den Hals und sagte: »Herzenssöhnlein! Laß Dich küssen. Du mußt dermaleinst meinen Lehrstuhl besteigen, wenn ich diese hieroglyphische Unterwelt verlassen habe, aber dann mußt Du mir versprechen, mich einzubalsamiren, nach der Art und Kunst, die ich in meinem Testamente berichten werde. Aber fahre fort, Du mein _successor in spe_! Was hast Du Weiteres zu erzählen von unserer Mumie, die noch in der chaotischen Verwirrung des Lebens der Stunde ihrer Wiedergeburt, der beglückenden Rückkehr in die egyptische Vergangenheit harret?« Der lebhafte =Le Vaillant= rückte ungeduldig auf seinem Sitze hin und her. =La Paix= aber gab ihm aufs Neue einen Wink, der ihn wiederum zur Uebung einiger Selbstbeherrschung veranlaßte. Dann befriedigte jener das Verlangen des Professors, indem er antwortete: »Euer Gedanke, hochverehrter Lehrer, den dicksten Mann der guten Stadt Rotterdam für die Nachwelt einzumachen, indem ihr ihn zugleich der Vorwelt als eines ihrer wunderbarsten Geheimnisse in den Schooß legen wollt, hatte so viel Reizendes, ich kann sagen, Begeisterungsvolles für mich, daß ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte. Schon in der ersten Frühe des Tages machte ich mich mit =Le Vaillant= auf den Weg, zog Erkundigungen über den wohlmögenden Herrn =Tobias van Vlieten= ein und ließ mir sein Haus zeigen. Dann begaben wir uns zu diesem. Noch war Alles verschlossen. Wir hatten aber nur wenige Minuten davor gestanden und das stattliche Gebäude aufmerksam betrachtet, als plötzlich dessen Thüre aufgerissen wurde und der Gegenstand Euerer Freude, Euerer Hoffnung und Euerer Sehnsucht darin erschien. Aber -- _Cadédis_ würde =Le Vaillant= ausrufen: wie war der Mann entstellt! das anmuthige Braun seines Angesichtes, das Euch so sehr entzückte, als Ihr ihn zum erstenmale sahet, hatte sich in ein dunkles Roth verwandelt, seine Blicke schossen Blitze, seine langen Arme fuhren wild in der Luft umher. Irgend etwas Ungeheures mußte ihm begegnet seyn! Er schrie und tobte mit dem hintenstehenden Hausgesinde, er that mit einemmale einen gewaltigen Sprung mitten in die Straße, sah sich nach allen Seiten forschend um, und fuhr eben so schnell wieder in's Haus zurück. Die entsetzliche Alteration muß eine unglückliche Folge für ihn haben. Ich wette darauf: der Schlag rührt ihn noch heute und er fährt hin, ohne ein Testament gemacht zu haben.« »Das kann, das darf er nicht!« rief entschlossen =Hazenbrook= und sprang von seinem Sitze auf. »Ich nehme die Obrigkeit zu Hülfe, ich appellire im Namen der Universität, er muß, will er nicht im Guten, mit Gewalt genöthigt werden, seinen schätzbaren Leichnam unserer Musenstätte zu testiren. Auf, Ihr Jünger der Wissenschaft! Wir wollen hin, wir wollen in das Innere seines Domicil's dringen. Ich muß ihm noch einmal in's Gewissen reden. Ist die schöne Hoffnung, daß er bald das Zeitliche mit dem Ewigen wechselt, keine grausame Täuschung, könnte ein schnell Ruhe bringender Schlagfluß der von ihm schmählich beleidigten Wissenschaft zu Hülfe kommen, dann soll und muß er vorher sein Testament machen, wie ich es wünsche, oder ich -- halt! Was ich sonst im Sinne trage, will ich nicht verrathen. Erst Frieden, dann Krieg auf List und Gewalt!« Die beiden jungen Leute hatten keine andere Absicht gehabt, als ihren Mentor zu einem neuen Versuche auf Herrn =Tobias van Vlieten= zu bewegen, indem sie hofften bei einem Besuche in dessen Hause, die gerühmte Schönheit der Tochter bewundern zu können. Während sie dem Professor auf die Straße folgten, gaben sie sich hinter seinem Rücken allerlei Zeichen, die ihre Zufriedenheit über die gelungene List aussprachen. =Eobanus= ging mit großen Schritten vorwärts. Er trug seine amtliche Kleidung, die in einem weiten, schwarzen Talar und einem rothen Barette bestand. Die Bürger, welche ihm begegneten, grüßten ihn ehrerbietig. Es fiel ihm ein, daß es nicht wohl gethan seyn würde, den Herrn =van Vlieten= gleich wieder mit dem Verlangen zu bestürmen, das dieser gestern mit so großem Unwillen zurückgewiesen hatte. Er beschloß, auf Umwegen sich dem Ziele zu nähern, um so mehr, da dem Gegner in seiner eigenen Wohnung hinlängliche Mittel zu Gebote standen, die etwa überlästigen Gäste zu entfernen. Er legte sein Gesicht in die freundlichsten Falten, er besann sich auf anmuthige und gewinnende Redensarten, die den Handelsherrn kirren möchten, er rechnete Viel auf die Wirkung seiner Amtstracht, die ihm, wie er glaubte, ein ehrwürdigeres Ansehen gab, als das schlichte Reisekleid am gestrigen Abend. Als seine Begleiter ihm in der Ferne das =van Vlietensche= Haus zeigten, ermahnte er sie, in aller geziemenden Höflichkeit einzutreten und während des Besuches sich im Allgemeinen ganz nach seinem Beispiele zu richten. Je mehr er sich dem Hause näherte, desto heiterer wurde seine Miene, sein Schritt wurde hüpfend und mit höflich vorgebogenem Oberleibe stand er endlich vor dem Eingange. Dieser war gegen die herrschende Sitte weit geöffnet. Man sah im Hintergrunde des geräumigen Vorplatzes mehrere Leute ängstlich hin- und herrennen. Die Thüren der Schreibstuben standen offen. Eine große Verwirrung schien zu herrschen. Aus dem obern Stocke herab vernahmen die drei Eintretenden eine scharfe belfernde Stimme, in der =Hazenbrook= die des Gegenstandes seiner Wünsche und seines Sehnens zu erkennen glaubte. Er schritt kühn die Treppe hinauf, ihm folgte, nach allen Seiten mit scharfen Blicken die schöne =Clelia= suchend, das Studentenpaar. Sie hatten ungefähr die Hälfte der Stufen zurückgelegt, als ihnen von oben herab ein Mann rasch entgegenkam, der eine Art Uniform trug und sich durch den weißen Stab in seiner Hand als einen Gerichtsdiener der guten Stadt =Rotterdam= auswies. Er warf argwöhnische Blicke auf die Besuchenden. Der Trotz aber, mit welchem =Le Vaillant= ihn ansah und ins Besondere die stattliche Professortracht =Hazenbrooks= flös'ten ihm Respect ein, so daß er ehrerbietig bei Seite trat und den Hut abzog. Sie hatten jetzt einen Gang im obern Stocke des Hauses erreicht. Durch eine offenstehnde Thüre überblickten sie einen Theil des vor ihnen liegenden Zimmers. Da sahen sie das scheußliche Fratzenbild des Götzen und die wackelnden Pagoden; aus einem Winkel des Gemaches aber, der ihren Blicken verborgen lag, ertönte eine klagende Stimme: »O =Clötje=, =Clötje=, warum hast du mir das gethan? Was hat dich herausgetrieben aus dem Hause des Ueberflusses in eine Welt der Entbehrung, wo du jedes Loth Thee unmäßig bezahlen, den Zucker dir sparsam zumessen, den kleinsten Zimmetstengel mit Gold aufwiegen mußt? Hattest du denn nicht den Schlüssel zu den Gewölben in jeder Stunde des Tages, daß du Rosinen und Mandeln naschen konntest nach Belieben? War dir der Keller, wo der kostbare Muscat- und Canariensect liegt, jemals verschlossen? O =Clötje=, du brichst mir das Herz und, ich glaube, ich sterbe noch in diesem Augenblicke!« »Das wollen wir uns verbeten haben!« sprach =Eobanus= hastig in sich hinein und schritt mit Eil in das Zimmer. In diesem befand sich niemand als Herr =Tobias van Vlieten=. Er saß in einer Fenstervertiefung auf einem niedern Sessel, die Ellenbogen auf die Kniee, den Kopf in die Hände gestützt. Er schien das Geräusch gar nicht wahrzunehmen, das der Eintritt des Professors und seiner Begleiter verursachte. Wie diese gemeldet hatten, war in der That die dem =Eobanus= so wohlgefällige, braungelbe Farbe seines Angesichtes in ein dunkles Roth übergegangen, die Adern an der Stirn waren mächtig angeschwollen und sein Kopf war in einer beständigen zitternden Bewegung. »Ja!« sagte =Hazenbrook=, als er ihn erblickte, leise für sich hin. »Er ist ein _Candidatus mortis_. Der Schlagfluß rückt heran. Wir müssen sanft und freundlich mit ihm zu Werke gehen, um den kritischen Moment hinzuhalten, bis er testirt hat.« Erst als der Professor dicht vor ihm stand und durch ein halblautes Räuspern sich bemerkbar zu machen suchte, blickte =Tobias= auf. Die Anwesenheit der Fremden schien ihm nicht unangenehm zu seyn. Im Gegentheile erheiterte sich sein Angesicht und er begrüßte, indem er sich erhob, den =Eobanus= mit einer ehrerbietigen Verbeugung. »Wie, hochmögender Herr Bürgermeister,« hob er, von einer Täuschung befangen, an, die des Professors stattliche und ihn unkenntlich machende Amtstracht veranlaßte, »Ihr selbst habt die Gewogenheit, Euch zu mir zu bemühen, um mir Trost und Beruhigung zu bringen in meinem großen Kummer, um mir Hülfe und Unterstützung zuzusichern für eine Angelegenheit, die jeden ehrsamen Bürger von Rotterdam, der eine mannbare Tochter im Hause hat, mit Angst und Besorgniß erfüllen muß? Ja, verehrungswürdiger Vorstand unserer guten Stadt, meine =Clötje= ist mir geraubt worden nächtlicher Weile und mit ihr die tugendsame Jungfrau =Philippintje=! Niemand anders ist der Räuber als der Sohn des verrätherischen =van Daalen=, der seine Seele den Spaniern verkauft für schnödes Gold, aber von dem gerechten Schicksal geprellt worden ist um den Sündenlohn. Hochmögender, ich klage den gewesenen Kriegshauptmann =Cornelius van Daalen= des Verbrechens einer doppelten Jungfrauenentführung an, ich verlange, daß die alte Strafe des Säckens wieder erneuert und auf ihn angewendet werde. Schon hat sich der Polizeimeister in das Haus des Verbrechers begeben, um Alles genau zu durchsuchen, um das _corpus delicti_, wie die Gelehrten sagen und welches bei dieser Gelegenheit leider meine eigene eheleibliche Tochter ist, aufzufinden. Lasset, =Myn= hochmögender =Heer=, in dieser Sache allein das Recht walten und nicht die Gnade, lasset das Schwerdt der Strafe niederfallen auf das Haupt des Verbrechers, wie er es verdient. O, daß mir Dieses nicht in =Batavia= begegnet ist, als ich noch daselbst im hohen Rathe von Indien saß! Da hätte ich nach eigenem Urtheilsspruche den Majestätsbeleidiger spießen, rösten oder von Elephanten zertrampeln lassen können. Hier aber -- ach! ich fürchte sehr, daß ich es nicht einmal bis zum Säcken bringe.« Der Professor wußte nicht, wie er sich bei dieser seltsamen Verwechslung benehmen sollte. Er stand noch immer mit tief gebeugtem Haupte, so daß dem Herrn =van Vlieten= sein Angesicht verborgen war. Während er darüber nachsann, wie er der Sache eine andere Wendung geben könne, ohne den Handelsherrn zu sehr zu alteriren und die tödliche Catastrophe zu beschleunigen, theilten sich flüsternd die beiden Studenten ihre Bemerkungen über das Gehörte mit, aus dem sie erkannten, daß der Anblick der schönen =Clelia= ihnen für diesesmal entzogen bleiben würde. Das Abentheuerliche ihres Verschwindens erregte die ganze Theilnahme der jungen Leute. Die Entführung eines Mädchens war in ihren Augen eine Heldenthat, der sie nur eine vorziehen konnten, nämlich =die=, dem Entführer die Entführte wieder abzujagen. Sie brannten vor Begierde, Näheres zu erfahren, sie waren im Drange der Erwartung dicht hinter den Professor getreten! Dieser hatte indessen einen Plan gemacht, von dem er sich für seine wissenschaftliche Herzensangelegenheit den günstigsten Erfolg versprach. Eben wollte er sich demaskiren, eben wollte er die nöthigen Einleitungen zu seinem Vorschlage, bei dessen Verwirklichung er viel auf den Unternehmungsgeist seiner zwei jungen Freunde rechnete, anspinnen, als sich plötzlich die Szene veränderte und aus dem bisherigen Frieden in einen tumultuarischen Zustand überging. Es trappelte auf der Treppe, es stürmte herauf in wilder Eile und mit verwirrtem Getöse. Mehrere Stimmen wurden laut, aber man konnte nicht unterscheiden, was sie sprachen. Der Professor und die Studenten traten zur Seite, =Tobias= schritt bebend vor. »Sie bringen meine =Clötje=,« stammelte er kaum vernehmlich. »Man hat sie gefunden, man führt sie her: sie und =Philippintje= und den schändlichen Jungfrauenräuber!« Aller Blicke waren nach dem Eingange gerichtet; aber nicht die reizende =Clelia=, nicht die ehrbare =Philippintje=, nicht Junker =Cornelius=, der kecke Kriegsmann, traten herein, sondern vielmehr Herr =van Daalen= selbst, von einem ganzen Häuflein Polizeitrabanten begleitet, und in heftiger zorniger Bewegung. Das fette Antlitz des kleinen Mannes wetteiferte mit dem hagern des Herrn =Tobias= in dunkelglühender Röthe, die gläsernen Augen funkelten mächtig und das spanische Rohr war hoch in der Rechten erhoben, wie zum Angriffe und Ausschlagen. »Gebt mir meinen =Cornelius= heraus;« brüllte er mit Löwenstimme, »schafft ihn sogleich herbei, Ihr Menschendieb und Seelenkooper, oder man wird Euch peinlich befragen, was Ihr mit dem edeln Jungen angefangen habt?« Einige Polizeitrabanten hatten sogleich den Eingang besetzt, andere näherten sich dem Götzenbilde und umzingelten dieses. Herr =van= =Vlieten= starrte einige Augenblicke lang den frechen Eindringling und seine Begleiter in verstummendem Erstaunen an. Dann brach er los: »Ist denn der Bösewicht nicht durchgegangen in dieser Nacht mit meiner =Clötje= und hat noch die tugendbelobte =Philippintje= als Dreingabe mitgenommen, wer weiß wohin? Und seyd Ihr nicht der Hehler dieses Verbrechens, das zu gelinde noch mit einfacher Säckung bestraft werden wird?« Da erschallte aus dem Munde des Herrn =van Daalen=, der jetzt den Zusammenhang des Ganzen einzusehn begann, ein unauslöschliches Gelächter. Er winkte die Polizeimänner zu sich heran, er ließ den Stock sinken, er nahm den Hut ab, den er bisher aufbehalten hatte. »Nun wenn es so ist, so ist Alles gut!« sagte er in einem Tone, den das fortdauernde Lachen zu ersticken drohete. »Auf und davon also sind die Kinder, der tolle =Cornelius= und Euer liebliches =Clötje=? Lasset keine Sorge in Euerm Gemüthe erwachen deshalb: er thut ihr nichts zu Leid und der ehrbaren Jungfrau =Philippintje= ebenso wenig, wenn ich ihn recht kenne. Aber, Herzensfreund, nun sind ja plötzlich alle Differenzen verschwunden! Was wir Jahrelang in süßer Hoffnung auf unsere Kinder verhandelt, ist mit einemmale geschlichtet: sie sind ein Paar geworden und es kommt auf die zweimalhunderttausend Dukaten mehr oder weniger nicht an. Gebt mir die Hand und laßt uns treu zusammenhalten als freundliche Schwäher!« Zitternd und mit einer gewaltsamen Bewegung stieß Herr =van Vlieten= die dargebotene Rechte des Herrn =Jan= zurück. »Nimmermehr!« rief er aus. »Ihr meint, Ihr habet mich gefangen und geprellt und ich müsse nun des Schimpfs halber meine Einwilligung geben zum schmählichen Ehebündniß! Aber, prosit! Noch gibt es Gesetze gegen Jungfrauenraub und Betrug. Die ungehorsame Tochter werde ich zu bestrafen wissen und auch Euch, den Mitwisser des schändlichen Frevels, den Handlanger des verruchten Sohnes, wird das Gericht ereilen.« »Pah!« erwiederte ruhig der Bedrohete, indem er seinen Hut wieder aufsetzte. »Ich weiß von der ganzen Sache weiter nichts, als daß mein =Cornelius= gestern Abend bei Euerer =Clötje= war zum Stelldichein und daß er dort im =Schiwa= steckte, als der alberne =Hoontschoten= seinen Unglücksbericht brachte. Ihr hättet das ebenso gut sehen können wie ich, wenn Euch nicht die abergläubische Furcht verblendet gehalten oder wenn Ihr den Muth gehabt hättet, die Augen aufzuschlagen. Hat nicht das Götzenbild ein Paar fenstergroße Glasaugen und flackerte nicht hinter diesen der orangefarbene Kragen von meines Sohnes Kriegsrocke immer hin und her, so daß man bei der hellen Beleuchtung, die Nähte daran erkennen konnte? Und dann Euerer Tochter Verlegenheit bei unserem Eintritte? Bei dem Degen des Herzogs von =Marlborough=! wie mein =Cornelius= zu sagen pflegt, es war keine Kunst, die Sache zu entdecken, aber daß der tolle Bursche einen so klugen Streich machen würde, hätte ich ihm nimmer zugetraut. Ergebt Euch drein, Myn Heer =van Vlieten=! Denkt, daß es einmal so ist, und nicht anders. Sucht Euere Seele zum Frieden geneigt zu machen. Nachmittags komme ich wieder vor und hoffe dann das Geschäft in aller Eintracht mit Euch abzuschließen.« Nach diesen Worten entfernte er sich, und die Polizeitrabanten, deren Anführer er Einiges zuflüsterte, folgten ihm auf dem Fuße. Herr =Tobias= war nicht im Stande, ihm noch vor seinem Abgange eine Antwort zu geben, denn die immer mehr im Innern aufkochende Wuth erstickte seine Stimme. Er mußte sich auf einen Stuhl stützen, der in seiner Nähe stand. Erst als sein Gegner schon die Hausthüre hinter sich haben mochte, erholte er sich einigermaßen und gewann die Sprache wieder. Rasch wendete er sich gegen den Professor, den er noch immer für den Bürgermeister hielt und sagte: »Ihr habt es vernommen, hochmögender Heer! Er selbst hat gestanden, daß er mit im Complott war --« Da sah =Tobias= plötzlich in das Antlitz =Hazenbrooks=, der sich in diesem Augenblicke lang aufrichtete, da erkannte er den gefürchteten Mumien-Professor, da erstarb ihm das Wort auf der Zunge. Aber =Eobanus= grinsete ihn freundlich an, haschte nach seiner Hand und sprach: »_Pax vobiscum!_ Wir kommen im Frieden und nicht zum Streite. Die Lage der Dinge hat sich wunderbarlich verändert und wir könnten uns wohl zu einem Vergleiche vereinigen, der beiden Partheien, der illustern Lugdunenser Musenstadt und dem wohlmögenden Handelspatron, Herrn =Tobias van Vlieten=, zum Nutzen und Frommen gereichte. Ihr sehnt Euch nach einem Töchterlein, wir sehnen uns nach einer Mumie. Euch ist das Töchterlein verloren gegangen; denselben Possen hat uns schon manche Egyptierin aus meiner Fabrik gespielt. Gleiches Leid, gleiche Wünsche! Erinnert Euch ohne Groll meines Vorschlags vom gestrigen Abende. Jetzt kann ich Euch einen Tausch bieten. Wir haben viele Bekanntschaften, weitläufige Verbindungen, allenthalben unsere Commissionare und Agenten. Wir verschaffen Euch das Töchterlein wieder, Ihr dagegen testiret Eueren schätzbaren Körper, nachdem solchem das innenwohnende Leben entflohen, mir zur eigenmächtigen Verfügung. Bedenket, edler =Myn Heer=, daß der Vortheil ganz auf Euerer Seite ist. Eine reizende, blühende Jungfrau, voll Geist und Leben, im Schmucke der Jugend, ein Wesen, in dessen Adern Euer eigenes Blut rinnt -- und was ist der Preis dieses Meisterstückes der Schöpfung, das jeder fühlenden Seele wünschenswerth erscheinen muß? Ein Gegenstand, der aus den Wohnungen der Menschen mit Abscheu hinweggewiesen wird, ein leeres Gefäß, dem der geistige Gehalt entflohen, ein Ding, das den Würmern zur Speise dient, wenn es eigensinnig die Wissenschaft zurückweis't, die es auf den Thron der Pharaonen erheben will. O Myn Heer, wie könnt Ihr nur zaudern, wie könnt Ihr den glücklichen Moment Euch entgehen lassen? _Eheu fugaces_ --« Aber schon hatte die Beredsamkeit =Hazenbrooks=, von dem Drange der Umstände unterstützt, gesiegt. »Es sey!« sagte der Handelsherr mit entschlossener Stimme. »Ich wage mich dran, um mein =Clötje= wieder zu haben, um den schändlichen =Cornelius= seines Frevels überführen zu können, damit ihm die wohlverdiente Säckung werde im Armensünder-Canale und dem alten Bösewicht obendrein, der ihn im =Schiwa= gesehen, ohne mir's zu offenbaren. -- Kommt her, Myn Heer Professor, wir wollen es schriftlich miteinander machen und die Scheine austauschen, wie es sich unter rechtlichen Geschäftsmännern geziemt!« Nichts konnte dem Professor erwünschter seyn, als diese Aufforderung. Auf dem Fußgestelle des Götzenbildes befand sich Papier und Schreibzeug. Nach wenigen Augenblicken hatte =Eobanus= die Contracte aufgesetzt, sie wurden unterzeichnet und ausgewechselt. =Hazenbrook= betrachtete seinen künftigen Egyptier mit Blicken der Freude und Liebe. Es fiel ihm schwer, sich von dem Gegenstande seiner Hoffnungen zu trennen, aber er mußte sich dem Gebote der Nothwendigkeit unterwerfen. »Lebt wohl, theuerer Myn Heer!« sagte er, indem er =van Vlietens= Hand nahm und unbemerkt den Schlag des Pulses untersuchte. »Seyd heiter und guter Dinge! Lasset Euch nichts abgehn an leiblicher Ergötzlichkeit. Ihr habt eine gute Natur, die schon ein Gläschen Canariensect mehr vertragen kann, wie eine andere. Ich wünsche Euch Methusalems Alter, denn Gott behüte! daß ich selbst um der heiligen Wissenschaft Willen eines Menschen Tod ersehnen möchte. Solltet Ihr aber dennoch wider Verhoffen in eine schwere Krankheit verfallen, so bitte ich, mich sogleich davon zu benachrichtigen. Jetzt geht's der Tochter nach! Finden wir sie, so wird sie Euch und Ihr werdet mir; finden wir sie nicht, so haben wir alle beide nichts. _Cura ut valeas, amice dilectissime!_« Er ließ ihn los, er wandte sich zur Thüre. Ehe er aber diese erreichte, kam er, von einem glücklichen Gedanken ergriffen, noch einmal zurück. »Noch Eins, _Amice_!« sagte er. »Zwei oder drei Zeilen an die Tochter, streng, ermahnend, väterlich! Ein Beglaubigungsschreiben für mich oder meine Commissarii!« Der Alte sah sogleich ein, daß dieses Verlangen nicht anders, als billig und vernünftig sey. Er schrieb und übergab dem Professor den Zettel, in welchem er der Tochter mit Fluch und Enterbung drohete, wenn sie nicht sogleich zurückkehre in das väterliche Haus. Kaum hatte =Hazenbrook= das Papier in Händen, so verließ er in großer Eile das Gemach, in dem Herr =Tobias=, von Zorn und Betrübniß erfüllt, zurück blieb. =La Paix= und =Le Vaillant= folgten dem Professor, während sie über diese Wendung der Angelegenheit, die sie zu Rittern und Beschützern der schönen =Clelia= zu bestimmen schien, einander ihre Freude und ihre vorläufig gefaßten Vorsätze mittheilten. »Kinder!« sagte der Professor, als er mit ihnen unter den Bäumen am Canal hinstürmte, und jetzt eine der schönen, weißbemalten Zugbrücken überschritt: »wir müssen uns trennen. Ihr müßt der Jungfrau =Clötje=, oder wie sie sonst heißt, nachsetzen, sie schleunig inhaftiren und zur Stelle bringen. Der Alte macht es nicht lange mehr. Sein Puls trommelt zum Abmarsche und ich muß das Frauenbild beibringen, ehe er abfährt. Im Nothfall aber habe ich auch dafür Rath, doch darf ich nicht weichen noch wanken vom Platze und muß ihn bewachen mit Argusaugen. Ihr aber müßt seyn, wie die heilige =Isis=, als sie den verlorenen Gatten =Osiris= suchte; klug, wachsam, forschend und muthig. Gehet hin, Kindlein, Ihr Stützen der Wissenschaft! Wohl sollet Ihr die Musen lieben und ihnen dienen, aber hütet Euch, alle Weiber für Musen anzusehen. Da ist das Creditiv von Myn Heer =van Vlieten=! Geld tragt Ihr hinlänglich im Sack, denn Ihr habt erst gestern die Quartalwechsel erhoben. Fort, Söhne! Erobert Troja und bringt die Prinzessin Helena nach Griechenland zurück!« »_Sandis!_« erwiederte =Le Vaillant=, indem er auf seinen langen Raufdegen schlug. »Das soll ein Seelengaudium seyn für unser einen und den Sire =Cornelius= wollen wir schon coramiren.« »Alles in Höflichkeit und Frieden,« fügte =La Paix= sanft hinzu, »aber wir bringen Euch das Mädchen oder Ihr sollt uns nicht für würdig halten, dereinst den Doctorhut der Weltweisheit zu tragen, die ja auch mit der Weltklugheit nahe verwandt ist.« Die Jünglinge flogen dem Haven zu. =Hazenbrook= eilte in den Gasthof =zum Wappen von Rotterdam= zurück, verließ ihn aber, in einen weiten Mantel verhüllt, nach kurzer Zeit wieder, um still und verborgen eine neue Wohnung in einer kleinen Matrosenherberge zu beziehen, die dem Hause des Herrn =van Vlieten= in schräger Richtung gegenüber lag. 5. Es war ein sehr heiterer Herbstmorgen, an welchem die zierliche =Syrene=, Capitän =Jansen=, die =Maas= hinauffuhr. Der Wind wehete so günstig, daß die aufgesetzten Segel schon hinreichten, das leichte Fahrzeug, selbst den Wellen entgegen, rasch fortzubringen und deshalb der gewöhnliche Vorspann von Pferden entbehrt werden konnte. Die Barke selbst bot jedem, der solchen Dingen gern seine Aufmerksamkeit schenkt, besonders den Seemännern und Schiffbauleuten, einen sehr erfreulichen Anblick. Ihre Seitenwände von starkem Eichenholze waren lichtbraun lakirt und von den sorglichen Matrosen in einer Sauberkeit erhalten, die ihnen den Glanz eines Spiegels gab. An dem weißen, mit einer Malerei von grünem Laube gezierten Vordertheile, prangte in kunstvoller Bildhauerarbeit die =Syrene=, von der das Fahrzeug den Namen hatte, und sie glich so einem weiblichen Wesen, das eben im Begriff ist, mit dem Oberleib aus einem grünenden Gesträuche sich emporzurichten. Die niedlichen Fenster der Cajüten waren mit grünseidenen Vorhängen geziert. Der schlanke Mast warf in seiner glänzenden Politur die Strahlen der Morgensonne tausendfältig zurück, und auf den frisch gebleichten Segeln war kein Fleckchen zu sehen. Auch für die Sicherheit des Fahrzeuges, die in diesen kriegerischen Zeiten leicht gefährdet werden konnte, war gesorgt, denn auf dem Verdecke standen mehrere nicht unansehnliche Böller und in einigen offenstehenden Kisten waren Schießgewehre und Säbel aufgeschichtet. Schon vor einigen Stunden hatte das Schiff die Anker gelichtet, und noch immer war dem jungen =van Daalen=, der die bald nach ihm und =Clelien= eintreffende =Philippintje= bei dem ohnmächtigen Mädchen zur Pflege zurückgelassen, keine Nachricht von dem Zustande der Letzteren geworden. Er selbst war mehreremale hinabgeschlichen, um sich Kunde zu verschaffen, aber er hatte die Thüre der Cajüte von Innen verschlossen gefunden. Er hatte gelauscht, aber nichts vernommen. Er hatte leise =Philippintje= bei Namen gerufen; Alles war still und stumm geblieben. Er stand jetzt auf dem Vordertheile des Schiffes, lehnte sich nachlässig an das Geländer und hatte den Arm um den schlanken Leib der =Syrene= geschlungen. Aber nicht lange blieb er in dieser Stellung. Die Unruhe seines Innern trieb ihn fort. Er war besorgt um die Geliebte, dann regte sich auch wohl von Zeit zu Zeit in ihm das böse Gewissen, mehr aber bei seinem Leichtsinne die Furcht, wie =Clelia= das Geschehene aufnehmen werde, wenn sie erst wieder zur völligen Besonnenheit gekommen sey. Hätte er nur =Philippintje= sprechen können! Sie besaß einen großen Einfluß auf das Mädchen, und mit ihrer Hülfe durft er hoffen, dem drohend heranziehenden Unwetter eher zu entgehen. Er war, solchen beunruhigenden Gedanken hingegeben, bis zu der Schiffsöffnung fortgeschritten, durch die er jetzt in das Innere der Küche blicken konnte, in der seines Freundes =Jansen= junge Frau mit Zubereitung der Mittagsmahlzeit beschäftigt war. Der Glanz des Feuers röthete das runde Angesicht der artigen Frau auf eine anmuthige Weise, ihre ganze füllereiche Gestalt, so wie alle Gegenstände in der kleinen, höchst reinlichen Küche zeigten sich in einer so zauberischen Beleuchtung, daß =Cornelius= einige Augenblicke lang versucht war zu glauben, er sehe eins jener Gemälde von =Schalkens= vor sich, die sich durch eine unübertreffliche Anwendung des Helldunkels auszeichnen. Bald aber wurde er durch die Stimme der heraufblickenden jungen Frau, die ihn bemerkte, in diesem Wahne gestört. »Ei, Junker,« sagte sie lachend, »wo habt Ihr denn die Topfguckerei gelernt? Waret Ihr etwa, da Ihr im Felde standet gegen die Franzosen, mehr bei den Kasserollen und den Bratspießen beschäftigt, als bei den Kanonen und dem Blutvergießen, mehr bei den Feldhühnern als bei den Feldstücken, mehr beim Trinken und Kauen, als beim Stoßen und Hauen --« Frau =Jansens= Zünglein war im guten Zuge; =Cornelius= aber unterbrach den Strom ihrer Beredsamkeit, indem er mit kläglicher Stimme einfiel: »Ach, Frau =Beckje=,« -- so wurde die junge Frau gewöhnlich statt =Rebekka= genannt -- »ich bin nicht zum Scherzen aufgelegt! Ein andermal stehe ich Eueren Angriffen gern zu Dienst mit billiger Erwiederung. Sagt mir lieber, wie es meinem Schwesterlein geht? Ich hör' und sehe nichts von ihr und habe sie doch in einem gar beunruhigenden Zustande verlassen.« »Thut der Mensch doch um das Schwesterlein, als wenn es ein Bräutlein wäre!« versetzte etwas schnippisch die Capitänsfrau. »Unterbricht mich da in meiner besten Rede, aus der er ohnehin, wenn er nicht seinen ganzen Verstand in meine Kochtöpfe versenkt hat, schon abnehmen muß, daß Alles rein und gut steht auf der =Syrene=, daß kein Kranker an Bord ist und über dem Fahrzeuge das Fähnlein der Gesundheit lustig flattert und flaggt! Ihr seyd mir ein rechter Kriegsheld, bei dem die Courage theuere Waare wird, wenn er ein Frauenbild in Ohnmacht fallen sieht! Da müßt Ihr Euch an ganz andere Dinge gewöhnen, wenn Ihr einmal heirathet.« »Die Schwäche ist also vorüber und sie befindet sich wohl?« fragte hastig =Cornelius=. »Sie ist wieder bei Besinnung und hat wohl schon nach mir gefragt?« »Keins von Beiden!« antwortete Frau =Jansen=, indem sie sich bückte und das Feuer anblies. Der junge Mann wurde von heftiger Ungeduld ergriffen, aber er mußte warten, bis das dringende Geschäft gethan war und die sorgsame Schiffsherrin fortfuhr. »Aus der Ohnmacht ist ein gesunder Schlaf geworden und die Jungfrau liegt auf dem Ruhebette mit zwei rothen Bäcklein, so frisch und gesund, wie Granatäpfel. Sie athmet sanft und leicht und Alles zeigt an, daß sie bald neu belebt und gestärkt an Leib und Seele erwachen wird!« »Nassau und Oranien!« sagte der junge Mann leise zu sich selbst. »Wie wird's mir dann ergehen, wenn sie wieder bei lichten Sinnen ist und mit ihrem verzweifelten Nachdenken mein ganzes schönes Luftgebäude von Autodafé und Klosterzwang über den Haufen stößt? Ade, fein's Liebchen, Ade, wird's heißen, wie im deutschen Liede, aber man wird mir kein goldenes Ringlein schenken auf den Weg, sondern manches Scheltwort auf den Rücken. Frau Beckje,« wandte er sich entschlossen zu der Capitänsfrau, »ich muß =Philippintje= sprechen, ehe meine Schwester erwacht. Sucht es einzurichten, wie Ihr wollt, aber verschafft mir einige Augenblicke ungestörter Unterredung mit der Alten! Mein Glück hängt davon ab, und Ihr als meine Freundin werdet mir nicht entgegen seyn in einer wichtigen Sache!« »Hört, junger Herr!« sagte die Frau und erhob drohend den Zeigefinger der rechten Hand. »Ich bin sehr geneigt zu glauben, daß es mit der Schwesterschaft nicht ganz richtig ist und daß allerlei Kriegslisten dahinter stecken. Bei Nacht und Nebel braucht man keine Schwester an Bord zu bringen; das kann bei hellem Tage geschehen. Aber ich weiß recht wohl, daß Jugend nicht Tugend hat und Ihr am allerwenigsten. Ich drücke =ein= Auge zu, allein das andere bleibt desto weiter offen und siehet um so schärfer darauf, daß Alles in Ehren zugeht auf der =Syrene=. Das laßt Euch gesagt seyn ein für allemal. Ihr seyd ein guter Freund zu meinem Manne, aber Recht geht über Freundschaft. Sonst diene ich Euch gern, und da bei der verlangten Zusammenkunft mit der holdseligen =Philippintje=,« fügte sie lachend hinzu, »hoffentlich nur die tugendhaftesten Absichten zum Grunde liegen, so will ich Euch das Kind heraufschicken. Ihr müßt aber, während ich sie rufe, meinen Platz am Heerde einnehmen, das Backobst fleißig umschütteln, daß es nicht anbrennt, und das Feuer unter dem Pökelfleisch unterhalten. Kommt herab, daß ich sehe, wie Euch der Küchenschürz ansteht!« =Cornelius= ging gern auf einen Scherz ein, der für seine mißliche und verwickelte Angelegenheit eine günstige Wendung herbeiführen konnte. Mit einem kühnen Sprunge war er unten bei Frau =Beckje=. Das muntere Weibchen band ihm lachend und schäkernd eine blendend weiße Schürze vor, gab ihm den Kochlöffel in die Hand und sagte: »Da habt ihr Eueren Commandostab! Haltet Ihr gute Ordnung in meinem Feldlager, so werde ich's zu rühmen wissen, denn das zeigt von guter Anlage zum Ehemanne und Hausvater. Zerfällt mir aber das Fleisch, wird das Backobst schwarz und rauchig, so müßt Ihr eben ein Junggeselle bleiben Euer Lebelang, denn es fehlt Euch an der nothwendigsten Sache für den Hausstand, an der lieben Ordnung.« =Beckje= legte rasch ihr Küchencostüm ab und sprang die kleine Treppe hinauf, um sich nach der Cajüte zu begeben, in der =Clelia= mit =Philippintje= eingeschlossen war. Indessen wachte der gewesene Kriegshauptmann =Cornelius= so aufmerksam und sorgfältig bei den Kochtöpfen, wie er früher als Soldat auf nächtlichen Posten dem Feinde gegenüber gewacht hatte. Er hielt den Kochlöffel mit militärischem Anstande in der Rechten, als wäre es der Degen, mit dem er eben das Zeichen zum Angriffe geben wolle. Sein Auge beobachtete mit ängstlicher Aufmerksamkeit die Flamme, als aber die Fleischbrühe plötzlich überkochte und zischend in die Gluth floß, so daß diese zu verlöschen drohete, da wußte er weder Rath noch Hülfe, sondern brach in den Schreckensruf: »Frau =Beckje=, Frau =Beckje=!« aus. Wer aber nicht hörte, war Frau =Beckje=. »Potz Raa und Backbord!« ließ sich dagegen Capitän =Jansens= Stimme von oben herab vernehmen. »Was fällt dir ein, =Cornelius=, daß du meine Frau vorstellen willst am Heerde und die Suppe ins Feuer anrichtest, statt auf den Tisch? Du solltest dich nur sehen und das arme Sündergesicht, das du schneidest in diesem Augenblicke und du müßtest laut auflachen über dich selbst! Komm herauf! Der Schiffsjunge mag so lange die Töpfe hüten, bis =Beckje= wiederkommt. =Der= versteht das Ding besser, als du.« Der muntere Knabe, der auf des Capitäns Wink herbei sprang, war auch gleich unten und hatte rasch und umsichtig das von =Cornelius= angestiftete Unglück bald wieder gut gemacht. Dieser warf ihm ein Paar Stüber zu und erschien nun mit einem verdrießlichen Gesichte auf dem Verdeck. Das Lachen, in welches Capitän =Jansen=, gleich nachdem er jene Worte gesprochen, ausgebrochen war, wurde jetzt lautschallend und unmäßig. Er deutete auf =Cornelius= Antlitz, er wies auf den Küchenschürz, den dieser noch nicht abgelegt hatte. Den Schürz schleuderte der junge Mann ärgerlich hinweg, als ihm aber sein Freund erklärte: Die Kochtöpfe hätten schwarze Spuren seiner Vertraulichkeit mit ihnen auf Nase und Wange zurückgelassen und diese gäben ihm ein so furchtbar komisches Ansehen, daß keiner, der ihn sähe, sich des Lachens erwehren könne, trat er kaltblütig an das Wasserbecken und sagte, indem er sich reinigte, mit großer Ruhe: »Das kommt nicht von den Kochtöpfen, lieber =Jansen=! Das kommt von Deiner lieben Frau, die mich herzend und küssend empfangen, als ich ihr Besuch abstattete im unterirdischen Reich.« »Da müßte sie einen schlechten Geschmack haben!« erwiederte selbstgefällig der Capitän, und dehnte die mächtigen Glieder seiner riesigen Gestalt. Er war um Kopfshöhe größer, als der Junker =van Daalen=, und sah in diesem Augenblicke auf ihn herab, wie auf ein Kind. Bei seiner Größe gab ihm die fleischige Fülle seines Körpers ein wahrhaft herkulisches Ansehen. Sein wohlgebildetes Antlitz trug den Ausdruck der Offenheit, der frohen Laune und einer kräftigen Derbheit. Seine Bewegungen waren langsam und nachlässig, wie man sie oft bei sehr starken Menschen findet, denen sich in Unternehmungen, welche Körperkraft erheischen, selten anreizende und zu rascher Thätigkeit auffordernde Hindernisse in den Weg stellen. »Was sollte sie mit einem Knäbchen anfangen, wie du bist? Sie ist einmal geboren eines Schiffcapitäns Frau zu seyn und du magst wohl zur Noth mit dem Messer, das du an der Seite trägst, handthieren können, wenn es aber darauf ankommt, ein Schiff lufwärts oder leewärts zu halten, das Raasegel aufzuhißen, den Anker zur rechten Zeit schießen zu lassen und die tollen Jungen, die beim Sturm in den Tauen herumtanzen, wieder nach der Commandopfeife tanzen zu lassen, da bist du ein verlorener Mann, da hat dein Compaß die Richtung verloren, da steuerst du frisch auf die Sandbank los, bis du strandest und dein leckes Boot untergeht mit Mann und Maus. Dort blick hin aufs Backbord! Da steht eine in einer Takellage, die für dich paßt. Das ist ein Schätzlein für meinen =Cornelius=, das ihm auch so leicht keiner abspenstig macht.« Bei diesen Worten ergriff er seinen jungen Freund bei den Schultern und drehete ihn rasch um, so daß =Cornelius= nun die Aussicht nach dem vordern Theile des Schiffes hatte. Da fielen seine Blicke sogleich auf Jungfrau =Philippintje=, die vor der =Syrene= stand und ihn mit heftigen Bewegungen zu sich heranwinkte. Er gönnte seinem Freunde kein weiteres Wort, er ließ ihn stehen und war in drei Sprüngen bei der Alten. =Jansen= schickte ihm ein schallendes Gelächter nach, er aber überhörte es und sprach mit ungemeiner Freundlichkeit zu der Jungfrau: »Wie geht es Euerer schönen Schutzbefohlenen? Gewißlich recht gut, denn unter einer solchen mütterlichen Pflege kann die zarte Pflanze nur gedeihen und in frischer Gesundheit emporblühen!« »Ja, mein hochwerther Junker,« versetzte =Philippintje=, die sich sehr geschmeichelt fühlte, »das muß wahr seyn, ich bin dem Mädchen immer gut gewesen, wie eine leibliche Mutter und ohne mich, die sie stets auf dem Wege zum wahren Christenthume gehalten, wäre sie nach dem Beispiele des sündigen Vaters, eine Heidin geworden und so eine =Schiwa=-Verehrerin, die ein Stück Holz für den lieben Herrgott ansieht. Aber da habe ich sie seit ihrem siebenten Jahre täglich zum Domine geführt in die Glaubenslehre, wenn der Patron in der Schreibstube oder den Gewölben sein Wesen trieb, da habe ich sie Abends bei mir im still heimlichen Kämmerlein wiederholen lassen, was sie in Sprüchen und biblischen Erzählungen bei dem Domine gelernt, und deshalb ist sie fromm und schön geworden, denn wer dem Herrn mit wahrhaftiger Liebe zugethan, den schmückt er auch mit lieblicher Gestalt und freundlichem Wesen. Alles, was sie ist, hat sie mir zu danken, die =Clötje=: das gute Gemüth und die Schönheit, und das lasse ich mir nicht bestreiten.« »Wer wollte auch das thun?« fiel =Cornelius= ein, der Mühe hatte seine Ungeduld zu bewältigen. Die Lust an dem Weihrauche, den =Philippintje= sich selbst streuete, hatte sie ganz von der Beantwortung seiner Frage abgeführt. Er wiederholte sie jetzt dringender und fügte hinzu, er fürchte sehr für =Clelias= Gesundheit, der doch leicht der Schreck, wie die feuchte Nachtluft, nachtheilig gewesen seyn könne. »Nichts von allen Dem!« entgegnete kopfschüttelnd die Hausjungfer. »Sie liegt im besten Schlafe von der Welt und ihre Wänglein blühen, wie die schönsten Tulipanen in Heern =van Vlietens= Blumengarten, wie der =Duc van Doll=, oder der Admiral =Enkhuysen=. Wer ein gutes Gewissen hat, dem kann der Böse nicht so leicht etwas anhaben in Weh und Krankheit! Ich freue mich nur darauf, wenn sie ausgeschlafen hat und sich nun frei sieht in der weiten Gotteswelt, der schrecklichen Gefahr, ihrem Glauben entsagen und eine Nonne werden zu müssen, entgangen.« Herr =Cornelius van Daalen= konnte diese Freude nicht theilen. Vor seinen Geist trat in diesem Augenblicke Alles, was er bei =Clelias= Erwachen zu erwarten, was er von ihrer wiederkehrenden Besinnung und Erkenntniß zu fürchten hatte. Vorwürfe, einige Kälte und etwas Jammer nach dem Vater -- auf diese Dinge war er gefaßt. Wenn aber =Clelia= ihm vielleicht ihre Liebe entziehn, wenn sie seine Unbesonnenheit so entsetzlich bestrafen wollte, ihn aus ihrem Angesichte zu verbannen, dann war das Aergste geschehen, dann blieb er ewiger Reue über ein Unternehmen hingegeben, das statt ihm die Geliebte zu sichern, sie ihm geraubt hatte. =Philippintje= näher mit sich zu verbinden, schien ihm durchaus nothwendig. Er nahm einen gehenkelten Doppeldukaten aus seinem wohlgefüllten Ledergürtel, hielt ihn zwischen zwei Fingern, so daß er lockend im Sonnenlichte erglänzte, und sagte im schmeichelhaftesten Tone, den er aufzubringen vermochte: »Wir Beide sind vom Schicksale erkoren, über die Lebenspfade der lieben =Clelia= zu wachen. Wir müssen gleich seyn in Gesinnungen und Handlungen, aber auch sonst im Aeußeren vor den Leuten. Deshalb verlange ich es als eine Gunst von Euch, daß Ihr dieses Goldstück annehmet und in Antwerpen, wo Ihr dergleichen leicht haben könnt, Euch mit einem stattlichen Reiseanzug bekleidet. Nicht wahr, gute =Philippintje=, Ihr schlagt es mir nicht ab?« »Behüte Gott!« antwortete =Philippintje=, indem sie mit großer Gelassenheit den Doppeldukaten annahm und rasch in ihren ansehnlichen Tragsack gleiten ließ. »Soll ich =Clötje's= Mutter vorstellen und =Clötje= Euere Schwester, so seyd Ihr ja nichts anders, als mein leiblicher Sohn, und von =dem= kann ich dergleichen wohl annehmen. Es ist mir auch daran gelegen, daß ich vor der Muhme =Jacobea= nach Stand und Würden erscheine: das gibt Euch und der ganzen Sache ein Ansehn. Aber, junger Herr,« fuhr sie mit einem verschmitzten Blicke fort, »Ihr habt mir noch ein Räthsel zu lösen, das mir schon lange Nachdenken macht. Wie kamet Ihr denn in den =Schiwa= und überhaupt, durch welche Veranstaltung gelang es Euch, Eingang in das verschlossene Haus zu finden?« »Ach!« entgegnete =Cornelius= und nahm mit einer schwermüthigen Miene auch einen sehr schwermüthigen Ton an: »kennt Ihr die Macht der Liebe nicht, Jungfrau =Philippintje=? =Sie=, welche auf dem Throne herrscht, wie in der Hütte des Armen, =sie=, die den Bettelstab zum Zauberstabe =Fortunens= macht, die den Hülflosen auf einmal auf den Gipfel des Reichthums und der Freuden erhebt, und den Mächtigen und Reichen niederwirft zu den Füßen der Niedrigkeit und Armuth? Beim Waffenruhme des Prinzen Eugenius! Ihr hättet mehr als zwanzig Jahre hinter Euch und die Liebe wäre Euch unbekannt geblieben?« »Nein, nein!« sagte fast weinend =Philippintje=. »Ich kenne sie nur zu gut. Sie hat mich glücklich und unglücklich gemacht, sie hat mir Freuden gegeben, wie sonst nichts mehr, aber auch Leiden, wie sonst nichts mehr! O mein =Balthasar=, mein =Balthasar=! Es war gerade in der Zeit, wo die Gebrüder =De Witt= ermordet wurden, als ich ihn zum erstenmale sah, es mag nun schon ein Paar Jährchen her seyn --« »Verzeiht, edle Jungfrau,« unterbrach sie mit schonungslosem Muthwillen =Cornelius=, »seit jener Zeit sind nun schon über dreißig Jahre vergangen. Aber das thut nichts zur Sache. Ich glaube Euch Alles gern, was Ihr gesagt habt und noch sagen wollt; aber hört nun auch mich an. Vernehmt ein Geständniß, das Euch nicht befremden kann, da Euch die Liebe nicht fremd, sondern im Gegentheile nur zu gut bekannt ist. Ich liebe Euch, holdselige =Philippintje=.« »Wie, mich?« rief =Philippintje= im Tone der außerordentlichsten Verwunderung aus und trat einen Schritt zurück. »Ich hoffe, in allen Ehren!« fügte sie, als sie keinen Zug des Scherzes oder Spottes in =Cornelius= Zügen zu entdecken glaubte, hinzu. »Freilich!« versicherte dieser. »So sehr in allen Ehren, daß ich auch nicht die mindesten Absichten auf Euch habe. Ueberhaupt werdet Ihr die Ehrlichkeit meiner Gesinnung schon daraus erkennen, wenn ich Euch offenbare, daß ich Euch nur als die Erzieherin und Freundin =Clelia's= liebe, die ich zu meinem eigentlichen Herzensgespons erkoren habe.« »Ah, =so= meint Ihr es!« erwiederte gedehnt das ältliche Mädchen. »Ihr müßt nur nicht glauben, daß Ihr mir da etwas Neues sagt,« fuhr sie, indem die Spur eines Unwillens über getäuschte Erwartung im Tone der Rede und in ihrem Antlitze zurückblieb, fort: »ich habe Euere Fensterpromenaden am Canale auf und nieder, die verliebten Blicke, die Ihr nach =Clötje's= Fenster schicktet, wohl bemerkt. Aber was hat das mit Euerm Logement im Schiwa gemein, was mit Euerm Eindringen in des Patrons Haus?« »Herzliebste =Philippintje=,« lenkte =Cornelius= mit möglichster Freundlichkeit wieder ein, »Ihr habt ja auch schon der Beispiele erlebt, daß Frauenzimmer sich in diejenigen wieder verliebt haben, die ihnen durch Fensterpromenaden und dergleichen Dinge ihre Neigung bezeigt. So ist es auch der liebenswürdigen =Clelia= mit meiner geringen Person ergangen.« Er fuhr nun fort, ziemlich der Wahrheit gemäß, zu berichten, was beide Väter oft von einer Verbindung der Kinder gesprochen, wie diese dann erst beim Kirchgang und andern Gelegenheiten sich einander genähert, wie endlich am gestrigen Abende, auf sein vielfaches Zureden, =Clelia= ihm den heimlichen Eintritt in das Haus bewilligt und verschafft, wie er, durch des Herrn =Tobias= unerwartete Rückkehr, nothgedrungen in den Leib des =Schiwa= kriechen müssen und dort, ohne es zu wollen, Zeuge der Entzweiung beider Väter geworden und die schrecklichen Anschläge vernommen, welche der alte =van Vlieten= gegen ihn und die Tochter im Sinne trage, indem dieser zugleich seines geheimen Uebertrittes zu einem andern Religionsglauben gedacht. Bei dieser Abweichung von der Wahrheit zur Lüge mußte =Cornelius= zu seinem großen Erstaunen und zu seinem noch größern Verdrusse die Bemerkung machen, daß =Philippintje= mit einem ungläubigen Lächeln zu ihm aufsah, eine sehr listig seyn sollende Miene annahm und bedenklich den Kopf schüttelte. Das kam ihm durchaus unerwartet. Der Eifer, den die Hausjungfer bei der ersten Entdeckung an den Tag gelegt hatte, schien ihm ein hinlänglicher Bürge ihrer Leichtgläubigkeit zu seyn; aber, wie es jetzt das Ansehn gewann, hatte er sich getäuscht und wurde von ihr in seinem, freilich nicht allzu fein angelegten Betruge durchschaut. Er war nun bemüht, sie von weitern Gedanken und Ueberlegungen, die diesen Punkt betrafen, abzuziehn. Er sprach von seiner großen Liebe zu =Clelia=, von der gerechten Verzweiflung, die ihn ergriffen, da er Herrn =Tobias= plötzlich entstandenen Widerwillen gegen die schon so gut als abgeschlossene Verbindung erkannt, von dem beispiellosen Glücke, das er =Clelien= als zärtlicher Gatte zu bereiten gedenke, von seiner Dankbarkeit gegen =Philippintje=, die ein solches Kleinod gebildet, und von den reichen Geschenken, von der Hochachtung bis ins späteste Alter, mit denen er jene Dankbarkeit bethätigen wolle. »Hochedler Junker,« sagte =Philippintje=, nachdem er geendigt und zwischen beiden Personen eine erwartungsvolle Stille geherrscht hatte, bedächtig, »es gibt Dinge, die ich am Tage anders ansehe, als in der Nacht. So geht es mir mit Euerer Geschichte von des Patrons Glaubensveränderung, von =Clötjes= Nonnenschaft, von Euerer Verbrennung; sie kommt mir vor wie ein Traum, und: Träume sind Schäume, sagt ein altes Sprüchwort. Ich habe schwer und böse geträumt, aber ich bin nun erwacht. Der alte =Tobias= mag wohl ein schlechter Christ seyn und mehr am heidnischen Schiwa, als an der christlichen Liebe hängen, aber so arg treibt er's doch nicht, daß er ein Catholik geworden wäre und den Herzog von =Alba= wieder aus dem Grabe erwecken möchte, sammt der Inquisition und ihren Blutgräueln. Davon hat mir mein =Balthasar= selig erzählt, der die Geschichte auf ein Haar wußte. Nein! der gestrenge Patron verabscheut vielmehr die Spagnolen, schon des Zuckers und Caffees, der Muskaten und des Caneels halber, mit denen sie gern allein handeln wollen. Ihr habt uns diese Nacht in der ersten Bestürzung einen mächtigen Bären aufgebunden, mir und meiner =Clötje=: so groß, daß sie ihn gleich erkennen wird, wenn sie nur ihre Aeuglein aufthut!« »Holland und England!« fuhr =Cornelius= unbedacht heraus. »Das ist ja mein einziger Kummer. Glaubt Ihr, ich kenne =Clelia= nicht genug, um das vorauszusehn?« »Sündenlohn ist der Sünden Schuld!« versetzte das Mädchen, indem sie mit großer Selbstzufriedenheit über den bewiesenen Scharfsinn den Kopf mit der langgeöhrten Spitzenhaube hin und herwiegte. »Ihr hättet Euch auch selbst verrathen, wenn ich Euch nicht errathen hätte. Ihr könnt dergleichen Streiche im ersten Augenblick wohl unternehmen, aber Ihr seyd nicht schlimm genug, sie durchzuführen. Ich war eine rechte Thörin, Euren Spiegelfechtereien Glauben beizumessen; allein es reuet mich nicht, denn es ist schon seit lange einer meiner innigsten Wünsche, einmal in der Welt herumzufahren, und allerlei Schicksale und Begebenheiten zu erleben. Aber =Clötje=? =Die= denkt nicht so, die wird ein andres Stücklein anstimmen, das Euch widrig in die Ohren gellen und Euer Müthchen gewaltig herabstimmen dürfte!« »Unvergleichliches =Philippintje=, da müßt Ihr helfen!« bat dringend =Cornelius=. »Euch verdankt sie das edle Gemüth, die Schönheit und den Verstand. Ihr vermögt Alles über sie. Sucht sie bei dem Glauben an Herrn =Tobias= tyrannische Absicht zu erhalten, malt ihr das Nonnenleben noch weit entsetzlicher, als Ihr schon gethan habt, stellt ihr die Qual der Verdammniß vor --« »Das thue ich nicht!« entgegnete mit einem bösen Gesichte und entschlossener Stimme =Philippintje=. »Ueberhaupt, wenn Ihr auf dem Lügenpfade fortschreiten wollt, so dürft Ihr nicht darauf rechnen, mich zur Reisegefährtin zu besitzen.« »Nicht böse, Engels-=Philippintje=, nicht böse!« versetzte höchst kläglich der muthlos werdende Kriegsmann. »Wenn Ihr mich verlaßt, so bin ich ja von Allem verlassen, selbst von dem letzten Troste des armen Sünders, von der Hoffnung. Helft mir und rathet mir in dieser Sache und ich schwöre Euch, wenn Ihr es dahin bringt, daß =Clelia= die meinige wird, so soll es Euch nie fehlen an irgend Etwas Euer Lebelang, wir wollen Euch hegen und pflegen, wie eine Mutter und Ihr sollt jährlich hundert Dukaten blos für Euere Nebenausgaben haben.« Das war eine starke Versuchung für =Philippintje=. Sie hatte im Hause des Herrn =Tobias= Gelegenheit gehabt zu bemerken, daß der geizige Herr, seitdem sie in die Jahre getreten, wo ihr die häuslichen Geschäfte nicht mehr so flink von der Hand gingen, wie früher, sie mit scheelem Auge ansah, oft um Geringfügigkeiten Willen Ursache zum Streit mit ihr suchte und sie in einer Weise ausschalt, aus der sie ersah, daß sie ihm lästig falle, sie hatte sogar aus seinem Munde hören müssen, daß, wer nicht arbeite, auch nicht des Brodes werth sey, das er esse. Diese Hartherzigkeit, diese Undankbarkeit des alten =van Vlieten= erbitterte sie auf's Aeußerste; sie sah von diesem Augenblicke Alles, was er that, in einem schwarzen Lichte an. Seine Abgeneigtheit, den Domine zu bewirthen, galt ihr für Mangel an Christenthum, seine Liebhaberei am Schiwa war ihr ein Beweis, daß er im Heidenlande, wie sie Ostindien nannte, auch heidnische Gesinnungen angenommen habe. Sie war in ihrer durch =Tobias= selbst fortgenährten Erbitterung geneigt geworden, das Entsetzlichste von ihm zu glauben. Deshalb ging sie so leicht in die von =Cornelius= gestellte Falle, deshalb wirkte sie übereilt zu einem Unternehmen mit, dessen Bewegungsgründe ihr, sobald ihr Gemüth Zeit zu Ruhe und Nachdenken fand, als Täuschungen, als Ausgeburten der Unbesonnenheit und des Leichtsinnes erscheinen mußten. Sie durfte nicht hoffen, bei einer etwaigen Rückkehr in =Cleliens= Vaterhaus, von dem Prinzipal entschuldigt und wieder in Gnaden angenommen zu werden. Im Gegentheile stand zu erwarten, daß Herr =Tobias= in ihr die Verbündete des Junkers =Cornelius= sehen, seinem langgenährten Grolle Luft machen und ihr den oft in unzweideutigen Ausdrücken gedroheten Abschied ertheilen würde. Nun kam des jungen =van Daalen=, gegen jede Noth des Alters schützender Antrag und mit ihm eine Gelegenheit, deren Frauenzimmer in =Philippintje's= Jahren sich so gern bemächtigen, nämlich =die=, eine Heirath stiften zu können, und dabei noch die Aussicht, an dem filzigen =Tobias= Rache zu nehmen -- =Philippintje= widerstand nicht länger, aber sicher wollte sie sich setzen und nicht einem bloßen Versprechen das Glück ihrer Zukunft, das vielleicht nie wieder so lockend sich bieten würde anheimstellen. »Was Ihr mir da sagt, ist wohl recht schön und gut, hochedler Junker!« hob sie mit angenommener Gleichgültigkeit an, »aber nehmt mir's nicht übel, wer kann Euch trauen? Habt Ihr Euch kein Gewissen daraus gemacht, mich und auch gar Euere Herzliebste bei Nacht hinter der Wahrheit herumzuführen, so werdet Ihr es bei Tage ebensowenig thun. Ich weiß recht gut, Ihr seyd ein reicher Erbe, Euer Vater ist ein dicker Herr in der guten Stadt =Rotterdam= und es wird dermaleinst nicht viel für Euch seyn, jährlich einhundert Dukaten einem armen Mädchen hinzuwerfen, das sie wohl durch vielfache Sorgen und Nachtwachen bei dem lieben =Clötje= verdient hat. Aber wer verbürgt mir Euer Wort? Wißt Ihr was, Herr =Cornelius=, gebt mir's schriftlich und dann will ich sehn, was ich bei =Clötje= thun kann. Mit einem solchen Papier in der Tasche hat man gleich mehr Muth, der Verstand schärft sich und man weiß für jeden Nothfall eine gute Aushülfe!« »Nassau und Oranien, Ihr traut meinem Worte nicht?« entgegnete mit einiger Heftigkeit =Cornelius=. Dann aber fuhr er lachend und indem er sich eines Gefühles von Beschämung nicht ganz erwehren konnte, fort. »Aber ich kann es Euch nicht verdenken. Ich habe es danach getrieben, daß Ihr mich mehr für einen Wortmacher, als einen Worthalter ansehn müßt. Ich will Euere gute Meinung wieder gewinnen. Gleich stelle ich Euch die Schrift aus, die Ihr verlangt, aber, sowahr ich =Clelia= mehr als Alles liebe, für diesen Fall hättet Ihr keiner anderen Versicherung bedurft, als meines Wortes.« »Besser ist besser!« sagte =Philippintje= mit zweifelhaftem Kopfschütteln für sich, während =Cornelius= hastig nach dem Tische des Steuermannes schritt, auf dem sich Papier und Schreibzeug befand. Von diesem Augenblicke sah die Hausjungfer des jungen Mannes Angelegenheit für ihre eigene an. Sie überlegte hin und her, auf welchem Wege sie am besten ihr =Clötje= zu milden Gesinnungen für den unbesonnenen Kriegsmann aus dem Unwillen überleiten könne, der das liebe Kind sicherlich beim Erwachen ergreifen würde, wie sie die Besänftigte dann weiter zur Fortsetzung der Reise, zu dem Besuche bei der Muhme =Jacobea= bewegen möge, damit der alte =Tobias= nicht, noch etwa vor dem geschlossenen Bunde, seine scheidende Vaterhand zwischen den Junker und =Clötje= hinstrecken könne. Eben als =Cornelius= herbeitrat und ihr das gewünschte Papier überreichte, glaubte sie die rechte Art und Weise gefunden zu haben. »Laßt mich nur machen!« sprach sie in dem Tone des nun herrschenden traulichen Einverständnisses. »Der alte Heide =Tobias= soll Euern Herzenswünschen nicht entgegentreten und =Clötje= selbst wird gern =ja= sagen, wenn ich mit ihr geredet habe. Hütet Euch nur vor ihr Angesicht zu treten, bis ich Euch einen Wink gebe. Beruhigt Euch: Es wird Alles gut gehn.« =Philippintje= verbarg die erhaltene Verschreibung im tiefsten Grunde der großen Ledertasche, die sie unter der Schürze, an ihrem Leibe trug. Dann trippelte sie fort, die kleine Treppe hinab, welche zu =Cleliens= Aufenthalte führte. Die Ufer des Flußes, den die =Syrene=, von schwellenden Segeln rasch fortbewegt, hinauffuhr, erweiterten sich. Die zierlichen, roth und weiß gemalten Landhäuser mit den freundlichen, hellgrünen Laden und Thüren, wurden seltener und sahen nur noch aus der Ferne herüber. Man näherte sich der Gegend, wo die =Maas=, mit einem Arme der =Schelde= und mehrern andern Gewässern vereinigt, eine Art von See bildet, in dessen Mittelpunkt man, wie auf offenem Meere, keine Küste mehr erblickt. Die Barke kam jetzt, obgleich die Zugpferde ausgespannt wurden, noch schneller vorwärts, als bisher, da der Richtung ihres Laufes die eintretenden Strömungen anderer Gewässer Hülfe leisteten. Die Schiffenden sahen bald den weiten Spiegel vor sich liegen. Viele Segel waren in der Nähe und Ferne zu erblicken. Da trat mit einer ernstern Miene, als gewöhnlich, der Capitän zu seinem Freunde: »Höre einmal, Landläufer,« sagte er, »du hast oft genug zu thun gehabt mit den Franzosen auf festem Grunde und Boden, jetzt kann dir desgleichen mit ihnen oder den Spagnolen auf dem beweglichen Wasser begegnen. Die welschen Seehunde sind frech und übermüthig geworden. Sie wagen sich in Schaluppen und selbst in Schoonern in die Flußmündungen hinein, um im Innern des Landes den Handel zu stören und Beute zu machen. Ich stehe dir nicht dafür, daß so ein naseweiser Franzose oder ein hochmüthiger =Don= uns nicht in den Weg kommt und wir einen Strauß mit ihm auszufechten haben, den man hören wird von =Dortrecht= bis =Antwerpen=. Dafür ist meine sonst friedfertige =Syrene= mit Böllern gerüstet, mit Schießgewehr und Pulver wohl versehen. Sie sollen nur kommen! Capitän =Jansen= hat nicht umsonst unter =Ruyter= und =de Witte= seine Lehrjahre gemacht.« »Mein Degen soll an den Galgen gehängt werden, wenn er ihnen nicht die Wege weist auf gut oranisch!« rief sehr lebhaft =Cornelius=, indem die Aussicht auf ein kriegerisches Unternehmen ihn einige Augenblicke die Sorge für =Clelien= vergessen ließ. Gleich darauf setzte er jedoch bedächtig hinzu, »aber meine Schwester -- wie wird es ihr ergehen, welche Lage für das Mädchen --« »Pah!« fiel =Jansen= mit einem rauhen Gelächter ein. »Wenn du besorgt bist um ihretwillen, so wirst du nur desto besser fechten, und was sie betrifft, so mag sie's mit meiner Frau halten, die bei solchen Tänzen nicht auf dem Verdeck fehlt und ihren Böller so schußgerecht abfeuert, wie ein gelernter Canonier. Potz Bramsegel und Fockmast! Es ist nicht das erstemal, daß sie dabei ist. Du solltest sie nur sehen, mit welcher Geschwindigkeit sie ladet, zielt, die Lunte einschlägt und immer dem Schiff in die Weichen trifft, daß es eine Freude ist. Ja, sie ist geboren zu eines Seemanns Frau, die =Beckje=! Und wie es auch drunter und drüber geht, wie die Kugeln über das Schiff schwirren und die Enterhaken der Feinde durch den Dampf herüberglänzen, so schweigt keinen Augenblick ihr Spottlied: »Die Geusen wollen jagen Auf den hispan'schen Don, Doch wo sie nach ihm fragen, Lief er schon längst davon!« »Das ist ganz vortrefflich von der =Beckje=,« erwiederte gedehnt der Junker =van Daalen=, »und es würde =mir= allerdings eine große Freude seyn, sie in ihrer kriegerischen Thätigkeit zu bewundern, aber meiner Schwester wegen, die keine solche Heldin ist, wäre es mir doch lieber, du setztest uns in =Dortrecht= oder, wo es sich sonst gut thun läßt, an's Land!« »Ich glaube gar, du fürchtest dich?« versetzte mit einem Anfluge von Spott der Schiffscapitän. »Du mußt aber nun schon aushalten, bis wir in den Haven von =Antwerpen= einlaufen, denn gerade an den Küsten wimmelt es von feindlichen Kreuzern in einer Menge, der ich nicht gewachsen bin. Halte dich nur ruhig im untern Raum, wenn's drauf und dran geht, =Beckje= wird dich schützen.« »Hölle und =Marlborough!=« fuhr =Cornelius= wild auf und eine dunkele Gluth überzog sein Antlitz. »Hätte mir ein anderer, als du das gesagt, =Jansen=, so müßte er den Schandflecken mit seinem Blute mir abwaschen. So aber weiß ich, daß du nur scherzest, denn du kennst recht wohl die Bedeutung dieser goldenen Ehrenkette, die mir der ruhmwürdige König =Wilhelm= eigenhändig angelegt. Ich habe die Sache nun auch schon besser überlegt und denke nicht mehr daran, mich mit den Weibern auszuschiffen. Laß sie nur kommen und du sollst sehen, daß ein Landläufer, wie du mich zu nennen beliebst, mit Geschoß und Degen so gut umzugehen versteht, wie eine Wassermaus!« =Jansen= schüttelte lächelnd seinem Freunde die Hand. »Nimm's nicht übel, Bruderherz!« sagte er gutmüthig. »Aber, du mußt uns Seeleuten schon die Eigenheit hingehen lassen, daß wir gern Euch Landhelden ein Wenig aufziehn. Die Geusen haben Holland frei gemacht und deshalb steht ihnen auch wohl eher ein Wort frei, als andern. Unsere =Tromp=, =Ruyter= und =de Witte= beherrschten das weite Weltmeer, während ihr Mühe hattet, die Grenze zu behaupten.« »Freilich,« entgegnete =Cornelius= in einem angenommenen Tone eben solcher Gutmüthigkeit, »haben die =Wilhelme= und =Moritz von Oranien= nichts gethan, dem alten =Ouwerkerk= ist der Degen in der Scheide festgefroren und ihr habt den Franzosen =Jean de Baert= allenthalben geschlagen, wo er euch aufgestoßen.« Der letzte Scherz war zu beißend, als daß =Jansen= ihn ruhig ertragen konnte. Er schleuderte die Hand des Freundes, die er ergriffen hatte, fort und ging, ein Wort des Unwillens in sich hineinmurmelnd, nach dem hintern Verdeck. Die Barke schwebte jetzt zwischen zwei der Inseln hin, die da, wo =Maas= und =Waal= unter dem Namen der =Merwe= vereinigt fließen, sich bilden. Die Ufer der Inseln bestanden aus hohen Bollwerken von Pfählen und Zweiggeflechten, die den sandigen Boden gegen den Andrang der Wellen schützten. Fernher sah aus Wiesen und Gebüschen ein freundliches Bauernhaus oder eine strohbedeckte Fischerhütte. Noch einmal stieg in =Cornelius= Seele der Gedanke auf, ob nicht Pflicht und Gewissen von ihm forderten, die Tochter des Herrn =van Vlieten= zu einem Orte zu führen, wo sie den Beunruhigungen des Krieges nicht ausgesetzt war, aber auch nur zu leicht wieder sich aus seiner Nähe entfernen und ins Vaterhaus zurückkehren konnte. »Nein, nein!« rief da mit Allgewalt die Stimme der Leidenschaft in der Brust des jungen Abentheurers. »So verliere ich sie gewiß, und auf dem Wege, der durch Kampf und Gefahren führt, kann ich sie mir gewinnen. Wenn sie mich als Sieger, als den Retter ihres Lebens vor sich sieht, wenn sie erkennt, daß niemand sie treuer und muthiger zu schützen vermag ihr Lebelang, als =Cornelius van Daalen=; dann muß sie mir die thörigte Uebereilung verzeihen, dann muß sie die Meinige werden, dann wird sie auch der fürsprechenden =Philippintje= nicht widerstehn!« Seine ganze Phantasie erfüllte sich jetzt mit Bildern des Kriegs und blutiger Kämpfe. Er schritt das Verdeck auf und nieder, musterte die vorhandenen Waffen und den Munitionsvorrath. Die Barke war ungewöhnlich stark bemannt, wahrscheinlich um den drohenden Kriegsgefahren im Nothfalle begegnen zu können! =Cornelius= zählte an zwanzig Männer, alle von kräftigem Körperbau, mit verwegenen Gesichtern, die da sagten, daß sie nicht allein mit Segel- und Tauwerk, sondern auch, wenn es gelte, mit Feuergewehr und Säbel, mit Enterbeil und Enterhaken umzugehen verständen. Viele von ihnen trugen in tiefen, vernarbten Einschnitten die Bilder von Galgen und Rad auf dem gebräunten Antlitze, Spuren von Zwistigkeiten, die sie mit ihren Cameraden gehabt hatten und die, nach der unter dem holländischen gemeinen Volke beliebten Weise mit der Spitze des Messers ausgemacht worden waren. Dennoch herrschte unter dem rohen Haufen die größte Ruhe und Ordnung, der strengste Gehorsam. =Jansens= riesenkräftige Gestalt, die Bestimmtheit und der Ernst, mit denen er seine Befehle ertheilte, schienen den besten Eindruck zu machen und jeden Ausbruch roher Heftigkeit in den nöthigen Schranken zu halten. Indessen war =Philippintje= voll zweifelhafter Erwartung auf den Ausgang des Unternehmens, dessen Mitgenossin sie geworden, in das Innere der Cajüte getreten. Hier saß =Clelia= schon erwacht und aufrecht auf dem Ruhebette, sie sah still und ernst vor sich hin, sie schien in einer wichtigen Ueberlegung begriffen. »=Philippintje=,« redete sie die Eintretende mit größerer Fassung an, als diese vermuthete, »wir sind beide grausam getäuscht worden. Man hat meine Unerfahrenheit, man hat eine Schwachheit von mir benutzt, mich zu einem großen Vergehen gegen meinen Vater zu verleiten. Als ich erwachte, wußte ich nicht, wo ich mich befand und es war mir Alles wie im Traume. Jetzt aber ist meine Besinnung zurückgekehrt, ich kenne die Schlingen, in welche man dich und mich verlockt hat, und die kindliche Pflicht erfordert von mir, mich ihnen zu entreißen.« »Gewißlich sind wir übel daran,« erwiederte die Hausjungfer, welche für diese Anrede schon ihre Antwort in Bereitschaft hatte, »aber was können wir Anderes, was können wir Besseres thun, als uns vor der Hand in unser Schicksal ergeben und die Muhme =Jacobea= besuchen, wo wir Rath, Hülfe und Fürsprache bei dem Vater hoffen dürfen?« »Nimmermehr!« versetzte eifrig =Clelia=. »Wir müssen umkehren mit der ersten Gelegenheit, wir müssen in's Vaterhaus zurück, dort Alles gestehen und die Verzeihung des schwer beleidigten Mannes erflehen. Oder, =Philippintje=, ahnest du vielleicht noch nicht einmal, welches ruchlose Spiel man mit uns getrieben hat, muß ich dir erst Alles erzählen und erklären, meine eigene Thorheit und unglückliche Geistesschwachheit --« »Nein, nein!« unterbrach sie im kläglichen Tone =Philippintje=. »Ich weiß Alles, der unglückliche junge Mann hat mir Alles entdeckt. Ach, es steht übel mit ihm! Er ist sehr zu beklagen. Ich fürchte für sein Leben, für sein irdisches und sein himmlisches Heil.« Diese räthselhaften, auf irgend ein dem Junker =van Daalen= bevorstehendes Unglück deutenden Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. =Clelia= erblaßte. Die Liebe, die sie für den unbesonnenen Jüngling empfand, überwog in diesem Augenblicke ihren Unwillen. Sie war in Verlegenheit, sie wußte nicht, wie sie, ohne ihre gütigeren Gesinnungen zu verrathen, eine weitere Erkundigung einleiten sollte. Endlich, nach einer ziemlich langen Pause, die =Philippintje= ruhig abwartete, sagte sie mit erkünstelter Kälte: »Von wem sprichst du, =Philippintje=? Wer ist der Unglückliche, für dessen Leben du fürchtest?« »Wer anders, als Junker =Cornelius van Daalen=;« antwortete tief aufseufzend des jungen Mannes Verbündete. »Du kannst dir nicht denken, Kind,« fuhr sie fort, »in welchem entsetzlichen Zustande er heute Morgens zu mir kam! >=Philippintje=,< sagte er zu mir, und die Thränen standen ihm dabei in den schönen blauen Augen, >um mein Glück ist's geschehen! Die himmlische =Clötje= habe ich zu schwer beleidigt und sie kann mir nicht verzeihen. Ich war verblendet, ich war außer mir, als ich ihr Dinge vorschwatzte, die sie, sobald sie erwacht, für thörigte und strafbare Vorspiegelungen erkennen muß. Sie wird mich einen Betrüger schelten, sie wird den heftigsten Unwillen auf mich werfen, mir ihre Liebe entziehen und das überlebe ich nicht.< Bei diesen Worten sah er mit einem so sonderbaren Ausdruck in seinen Gesichtszügen hinab in die Wellen, die an die Seitenwand des Schiffes schlugen, daß mir angst und bange wurde, er wolle sich im Augenblicke ins Wasser stürzen. Ich hielt ihn mit beiden Händen fest, ich ermahnte ihn sein Seelenheil zu bedenken, als ein guter wallonischer Christ. >Was hilft mir Alles,< rief er da mit einer wahrhaft verzweiflungsvollen Stimme aus, >wenn =Clötje= nicht die Meinige wird, in deren Besitz ich allein mein Heil suche? Die Liebe zu ihr macht mich unglücklich, denn ich habe sie nicht aus Bosheit, sondern aus übergroßer Liebe beleidigt. Als ich in dem =Schiwa= steckte und des alten Herrn =Tobias= Schreckensworte hörte, mit denen er meinem Vater erklärte, daß ich nun und nimmermehr mir Rechnung auf die Hand seiner Tochter machen dürfte, da war es, als ergriff mich ein höllischer Geist und umnebelte meine Sinne. Der Gedanke sie zu verlieren, erfüllte mich mit Verzweiflung. Ich wußte nicht, was ich sagte. Nur Eins stand fest vor meiner Seele, daß ich ohne =Clötje= nicht leben könne, daß ich sie mir erringen müsse auf jeglichem Wege und um jeglichen Preis. Ach, wie täuschte ich mich, indem ich auch sie täuschte! Ich dachte nur an den nächsten Augenblick, nicht an die fernere Zukunft. Erst als der Morgen kam, als die Vaterstadt schon weit hinter uns lag, als ich ruhiger ward, sah ich mein Vergehen ein, überzeugte ich mich, daß sie die Täuschung erkennen und mich dann --< er wurde ganz blaß bei den Worten -- >aus ihrer Nähe verbannen würde. Das ertrage ich nicht, =Philippintje=! Wo das Wasser am Tiefsten ist, da ist es nicht zu tief für die verzweifelte Liebe.< Er machte wieder eine heftige Bewegung nach den unten strömenden Wellen hin. Als ich ihm nun aber recht freundlich zusprach und ihm die Versicherung gab, daß du, mein =Clötje=, nicht unversöhnlich seyn, daß du gewiß verzeihen würdest in einer Sache, von der du selbst die Hauptschuld trügest, da verminderte sich sein entsetzliches Jammern und er überließ sich nur noch einem stillen ruhigen Schmerze. Er sitzt da, wie ein blaßes Bild der Reue und des Kummers. Er spricht nichts und bewegt sich nicht. Sein Freund, der Capitän, weiß nicht, was er aus ihm machen soll, und selbst die rohen Matrosen betrachten ihn mit Bedauern. Du solltest ihn nur sehen, =Clötje=! Sein betrüblicher Anblick würde dir gewiß zu Herzen gehen, besonders da du die einzige Ursache seines Unglücks bist.« »Wie kannst du nur so sprechen?« versetzte mit einem Tone, in den sich Theilnahme und Unwille mischten, =Clelia=. »Habe ich ihn durch irgend Etwas zu der Meinung berechtigt, ich würde mich aus freien Stücken einer Betrügerei hingeben, die mich aus dem Vaterhause entfernt? Sage selbst, =Philippintje=, hat er nicht ganz abscheulich an mir gehandelt, indem er mich durch eine Unwahrheit dazu brachte, gleich einer verlaufenen Dirne mit ihm in die Welt zu gehen?« »Ewiger Herr!« entgegnete die Hausjungfer und verdrehete die kleinen grauen Augen: »wie kann man nur so scharfsichtig und dabei so ganz entsetzlich blöd seyn, daß man das Staubsplitterchen im Auge des Nächsten und den baumlangen Balken im eigenen nicht bemerkt? O, =Clötje=, meinst du denn, man könne Unkraut säen und Waizen erndten? Hast du der Lehre des Domine vergessen, die da sagt: thuet Gutes Denen, die Euch Uebles gethan haben, denn die Rache ist mein, spricht der Herr! Und =Clötje=, wie kannst du dich nur rein waschen in dieser Sache? Wer ließ den Junker bei Nacht und Nebel ein durch die Hinterthüre des Hauses zur heimlichen Zusammenkunft? Hierin liegt der Grund alles Uebels. Ein Mädchen, das ein Mannsbild und noch dazu einen gewesenen Kriegsmann auf solche Weise bei sich sieht, ist an Allem schuld, was ihr nachher begegnen kann, und darf sich über nichts beklagen. Das muß ich besser wissen, wie du, denn ich bin ein Paar Jahre älter und habe auch meine Erfahrungen. Durch dich ist der Junker in's Haus gekommen, durch dich in den =Schiwa=, durch dich ist er Zeuge geworden von dem Streite der beiden Väter. So warst du die Ursache, daß er in Verzweiflung über deinen bevorstehenden Verlust gerieth, daß er in seiner entsetzlichen Lage nach dem einzigen Mittel griff, das ihm sein =Clötje= zu erhalten schien, daß er in seiner Verblendung blieb bis an den heutigen Morgen, wo ihn nun die Reue und die Furcht ergriffen haben und er nahe daran steht, sich ein Leids zu thun. Der arme Mensch! Er wird sicherlich das Opfer seiner Liebe, wenn du ihm nicht durch einen freundlichen Blick neue Hoffnung und neue Lust am Leben einflößest.« Wir sehen, daß =Cornelius= an =Philippintje= eine ebenso treue, als eifrige Bundesgenossin gewonnen hatte. Je länger das alternde Mädchen die Aussicht auf die jährliche Pension von einhundert Dukaten betrachtete, desto gerechter schien ihr des Junkers Sache. Sie fing erst an, mit allem ihr zu Gebote stehenden Scharfsinne Entschuldigungsgründe für sein Verfahren aufzusuchen. Kaum hatte sie einige derselben, mochten sie auch noch so unhaltbar seyn, gefunden, so glaubte sie auch schon daran und war bereit, ihre Aechtheit und Wahrheit gegen jedermänniglich in Schutz zu nehmen. In der Weise, von der wir ein Pröbchen gehört haben, sprach sie noch lange auf =Clötje= ein und es gelang ihr wirklich, dieser einen Theil ihrer Ansichten aufzudringen. Wie gern nimmt die Liebe selbst das Unwahrscheinlichste an, was den geliebten Gegenstand von Vorwürfen zu reinigen vermag, deren Begründetheit sich trennend zwischen die zwei Herzen stellen müßte! Als =Philippintje= bemerkte, daß ihr =Clötje= sich immer mehr der Neigung zum Verzeihen überlasse und nur noch durch die Gedanken an den Zorn des Vaters und an das Gerede unter den Verwandten und Bekannten daheim zu =Rotterdam=, hauptsächlich beunruhigt werde, ging sie in einen andern Ton über und sagte scherzhaft: »Was ist es denn auch Schlimmes um eine Spazierfahrt mit einer ältern Freundin und dem Bräutigam, der schon vor aller Welt als solcher genannt und bekannt ist? Wer weiß, daß die Väter sich entzweit haben am Abend vor der Abreise? Jetzt nach der Abreise werden die beiden Alten wohl so gescheut seyn, und Niemanden etwas davon sagen! Und ein Mittelchen gibt es, das macht Alles wieder gut, Herzenskind. Laß den Brautstand aufhören und den Hausstand anfangen! Bei der Muhme =Jacobea= ist gut seyn und des Vaters Schwester kann wohl Vaters Stelle vertreten und an seiner Statt das Jawort geben, wenn der Domine es verlangt, um Euere Hände segnend in einander zu fügen!« »Nimmermehr!« fiel =Clelia= heftig und erröthend ein. »Ohne des Vaters Einwilligung, ohne seine Verzeihung thue ich nie diesen Schritt, und ich kann nicht begreifen, wie du, die immer von ihrer mütterlichen Liebe zu mir spricht, mir dazu rathen kannst?« »Recht, Kind, ganz Recht!« versetzte einlenkend =Philippintje=, die noch zur rechten Zeit einsah, daß sie zu weit gegangen war. »Ich wollte dich nur auf die Probe stellen. Ohne des Vaters Jawort dürfen wir freilich den Domine nicht kommen lassen. Aber das wird sich Alles zusammenfinden ohne Anstand und Hinderniß, wenn wir einmal bei der Muhme sind. Jungfrau =Jacobea= muß dem wohledeln Herrn einen rührenden Brief schreiben, Junker =Cornelius= einen noch rührendern und du machst auch deinen kindlichen Schnörkel dran. =Dem= kann der Alte nicht widerstehn und wenn ihm der =Schiwa= auch noch so heidnische und gottlose Gedanken eingäbe! Und was kann er denn Besseres verlangen für seine =Clötje=, als den Sohn des Mannes, der nächst ihm der dickste ist im guten =Rotterdam=? Mein Himmel, auf zwei Finger breit dicker oder dünner kommt es nicht an vor dem Auge unseres Herrgottes und wenn er recht drein sieht, so sind wir Erdenwürmer alle so dick oder so dünn, einer wie der andere. Das sage ich dir, =Clötje=, unter die Haube mußt du mir, ehe wir wieder nach =Rotterdam= hineinkommen, als Frau =van Daalen= mußt du in den Haven einlaufen, oder sonst thue ich =mir= ein Leids an, denn das Gerede, was außerdem entstünde, brächte mich doch ums Leben in den ersten vierundzwanzig Stunden. Das Entsetzlichste aber ist dir noch gar nicht eingefallen: die Kirchenbuße an der Kirchthüre, die der Domine zu deiner ewigen Schande über dich verhängen wird.« Dieser Schlag traf. =Clelia= erwiederte nichts. Sie seufzte und stand auf. Die Besorgnisse, welche ihr =Philippintje's= Bericht von dem verzweiflungsvollen Zustande ihres Geliebten, beigebracht hatte, ließen ihr keine Ruhe. Sie stieg die Treppe hinauf, die nach dem Verdecke führte. Hier wollte sie, wenn =Cornelius= nun als ein rechtes Bild des Jammers und der Reue vor ihr stünde, durch einen tröstlichen Blick, durch ein friedliches, wenn auch nicht freundliches Wort ihn erheben. =Philippintje= folgte ihr. Auf dem kurzen Wege, den sie zu machen hatte, stellten sich ihrer einmal aufgeregten Einbildungskraft alle schrecklichen Entschlüsse in ihrer Ausführung dar, zu denen die Verzweiflung den beklagenswerthen Jüngling bewegen könne. Sie betrat in großer Beängstigung das Verdeck. Ihre Blicke flogen nach allen Seiten hin, um sich zu überzeugen, daß er noch da, daß er noch am Leben sey und nicht bereits nach dem letzten Hülfsmittel der Verzweiflung gegriffen habe. Siehe! da stand er frisch und fröhlich an der rauchenden Oeffnung, die der Küche zum Schornsteine diente und rief eben mit heller, heitrer Stimme hinab: »Macht, daß bald angerichtet wird, Frau =Beckje=, denn ich habe ganz entsetzlichen Hunger!« Ein bitteres Lächeln zeigte sich in =Clelia's= Antlitz. Sie wandte sich mit einer Gebehrde des Unwillens ab und schritt nach dem Vordertheile hin. »Er redet irre, der arme Mensch!« sagte =Philippintje= in tödlicher Verlegenheit. =Clelia= fühlte sich tief gekränkt. Sie ließ die herben Empfindungen, welche ihre Seele ergriffen hatten, nicht laut werden; aber um Thränen zu verbergen, die in ihr Auge aufstiegen, trat sie dicht an das Bordgeländer und sah hinab in die treibenden Wellen. Wie ganz anders hatte sie erwartet den Geliebten zu finden! Er konnte scherzen, er konnte, was noch weit schlimmer war, einen gewöhnlichen, gemeinen Hunger empfinden, während sie aus Liebe zu ihm, aus quälender Angst um sein Wohlergehn, um sein Leben, die Mahnungen der Kindespflicht, den gerechten Unwillen über seine Täuschung, bekämpft und zurückgewiesen hatte. Das war zu arg! Einem solchen Leichtsinne konnte keine wahre Reue zugetraut werden. =Clelia= stand auf dem Punkte, wieder zu allen Ansichten und Vorsätzen zurückzukehren, die sie vor =Philippintje's= wirkungsreichen Ermahnungen gehegt hatte. Da fühlte sie sich leise am Kleide gezupft. Sie sah sich um und erblickte =Philippintje=, neben dieser mit einem wahren armen Sündergesichte den Junker =Cornelius=. So wie er jetzt vor ihr dastand, schien er nichts weniger, als von einem unwiderstehlichen, nagenden Appetit gequält zu werden, und wirklich hatte er auch, sobald die Hausjungfer ihn auf die Gegenwart der Geliebten aufmerksam gemacht, sobald er diese in nachdenklicher Stellung, mit allen ersichtlichen Zeichen des Unwillens, am Vorsteven erblickt, in einem Augenblicke alle Sehnsucht nach Backobst und Pökelfleisch verloren, seine ganze Sündenschuld war ihm schwer auf das Gewissen gefallen und er trat nun vor =Clelia= mit den Gefühlen eines Delinquenten hin, der vor dem peinlichen Halsrichter erscheint, um den Ausspruch über Leben oder Tod zu vernehmen. Er stand in erwartungsvollem Schweigen. Er wagte nicht, die Blicke zu der schwer Beleidigten zu erheben. Alle Zeichen, die =Philippintje= gab, er möge die drückende Stille unterbrechen, gingen an ihm verloren. =Clelia= aber wurde durch den Zustand, in dem sie ihn jetzt sah, um Vieles besänftigt. Die Nachtwache, die peinigenden Zweifel über die Art und Weise, wie die Geliebte ihm nach ihrem Erwachen begegnen würde, hatten seinem Angesichte ihre Spuren eingeprägt, so daß es eine ungewöhnliche Blässe und Eingefallenheit zeigte. =Clelia= konnte sich, als sie dieses bemerkte, einer mitleidigen Regung nicht erwehren. =Philippintje's= Hindeutungen, daß sie doch eigentlich die Schuld des ganzen seltsamen Verhältnisses trage, indem sie die Hand zu der heimlichen Zusammenkunft geboten, kamen ihr wieder in den Sinn und stellten sich ihr als wohlbegründete Vorwürfe dar. Sie wurde jetzt beinahe ebenso verlegen, wie =Cornelius=. Sie hätte gern das Gespräch eröffnet, aber sie vermochte, wie sehr sie auch darauf sann, keinen schicklichen Eingang zu finden. Die ältere Freundin ahnete jetzt, welche Veränderung in den letzten Augenblicken in ihr vorgegangen sey und beschloß die günstige Gelegenheit nicht ungenutzt vorbeigehn zu lassen. Sie ergriff des Mädchens Hand und sagte in einem Tone, dem sie die möglichste Feierlichkeit zu geben suchte: »=Clötje, Clötje!= Blick um dich! Nichts wie Himmel und Wasser und das letzte Stückchen Landes verschwindet eben dort hinten, wie ein grauer Flor. Das Wasser unter uns ist der Tod, der uns in jedem Augenblicke verschlingen kann; im Himmel über uns aber ist Einer, der da gebietet, daß wir den Zorn nicht in uns aufkommen lassen, den Haß nicht in uns nähren sollen. Wenn nun jetzt die Wellen, die gierig nach uns heraufschnappen, plötzlich das Schiff hinunterschlucken mit Mann und Maus und du im Unfrieden stürbest, mit einem unversöhnlichen Gemüthe gegen den Junker, der es doch wahrlich nicht böse gemeint? Oder willst du warten bis zum letzten Augenblicke und meinst du, daß dann noch Zeit genug übrig wäre, ein Wörtchen der Verzeihung auszusprechen, mit welchem auf der Lippe man ruhig von hinnen fahren könne aus diesem irdischen Jammerthale? Glaube Das nicht, =Clötje=! Noth und Todt liegen so nahe zusammen, daß sie mit einander wechseln können, ehe die Hand sich wendet und wenn du dann denjenigen, dem du hartnäckig die Versöhnung versagt, vor dir erblicken müßtest bleich und leblos, mit gebrochenen Augen, die dich nie mehr liebevoll anschauen, mit blassen Lippen, die nimmer mehr ein freundliches Wort zu dir sprechen könnten, dann wäre es zu spät, dann würde sich die Reue vergebens in deinem Herzen erheben, dann würdest du umsonst den armen Junker =Cornelius= zurückrufen, ihn trösten, ihm verzeihen wollen --« Jetzt hatte Jungfrau =Philippintje= den Höhepunkt ihrer Beredsamkeit erreicht. Weiter konnte sie nicht. Sie fing an sich zu verwirren, zu stottern; aber sie durfte sich auch bereits des glänzendsten Erfolgs erfreuen. =Clelia= reichte in Thränen schwimmend dem entzückten =Cornelius= die Versöhnungshand. Ihre Einbildungskraft hatte ihr Alles in täuschenden Vorspieglungen gezeigt, was =Philippintje= mit Worten dargestellt. Sie sah =Cornelius= als eine Leiche im Sarge liegen, mit dem weißen Todtentalare bekleidet, wie sie bei der Leichenausstellung des letztverstorbenen hochmögenden Herrn Bürgermeisters von =Rotterdam= diesen gesehen; auf dem Sarge fand sich eine Inschrift in großen silbernen Buchstaben, die den Namen, Stand und Alter des Todten besagte. Ihre Phantasie ging noch weiter, als =Philippintje's= Darstellung. Sie sah, wie der Todte sich im Sarge aufrichtete, wie die Augenlieder sich öffneten, die gebrochenen Blicke sie vorwurfsvoll anstarrten, plötzlich die rechte Hand sich drohend erhob -- da war es um ihren Trotz geschehen, sie mußte in Thränen zerfließen, sie mußte verzeihend dem nächsten Augenblicke zuvorkommen, der ja das Entsetzlichste bringen konnte. Nach diesem ersten versöhnenden Schritte, hatte die weitere Verständigung zwischen den Liebenden ihren ungestörten Fortgang. =Cornelius= war außer sich vor Freude. Er bauete tausend Luftschlößer in die Zukunft hinein, von denen immer eins unhaltbarer war, als das andere. =Clelia= aber gefiel sich sehr darin, sein Feuer durch altkluge Ermahnungen zu dämpfen, indem sie ihm auseinandersetzte, auf welche Weise sie, nachdem sie bei der Muhme glücklich angekommen wären, sich um die Einwilligung des Vaters bemühen müßten, ohne welche sie durchaus nicht die seinige werden könne. So machte sie den von =Philippintje= ausgedachten Plan zu dem ihrigen, während die Hausjungfer seelenvergnügt über die günstigen Aussichten, die sich ihrer Zukunft eröffneten, nach dem Steuerbord trippelte, damit die beiden jungen Leute sich selbst überlassen blieben und auch noch den letzten Groll vom Herzen kosen möchten. Sie war so froh bewegt, daß sie ein Glas Genever, welches ihr der Bootsmann zutrank, dankbar annahm und indem sie auf gutes Gedeihen des begonnenen Werkes nur nippen wollte, zum Erstaunen des Darbringenden auf einen Zug leerte. Dann setzte sie sich still auf die Schiffsbank und fiel bald in einen sanften Schlummer. Die Barke wurde auf dem weiten Wasserspiegel von günstigen Winden so rasch vorwärts getragen, als schwebe sie auf offener See. Der Himmel blieb heiter, kein Wölkchen zeigte sich und die Strahlen der Mittagssonne fielen so erwärmend nieder, daß man darüber die vorgerückte Jahreszeit vergaß, in der man sich befand. Das Ufer im Hintergrunde war verschwunden. Dagegen zeigte sich in weiter Ferne vor den Schiffenden ein schwarzer Punkt, der sich, je näher man kam, vergrößerte. Er wurde bald für eine Insel von bedeutendem Umfange erkannt. Rechts von einem aus der Wasserfläche auftauchenden Ufer zeigten sich weiß herüberglänzend die Gebäude von =Dortrecht=. Links in der Ferne wurden neben jener großen Insel noch einige kleinere sichtbar. =Jansen= war selbst zum Steuerruder getreten. Er lenkte weit ab von dem Dortrechter Ufer. Er wußte, daß dieser Haven mit seinen Umgebungen besonders von den feindlichen Kreuzern zum Schauplatze ihrer oft sehr verwegenen Unternehmungen auserkoren war. Der Lauf, den das Fahrzeug jetzt beschrieb, schien zu seinem Richtpunkte die Durchfahrt zwischen zwei der kleinern Inseln bestimmt zu haben. Mit großer Aufmerksamkeit und einiger Unruhe in seinem ganzen Wesen untersuchte der Capitän durch das Fernrohr den Gesichtskreis, den er überblicken konnte. Er bemerkte nichts, was ihm hätte Besorgniß erwecken können. Nach dem Gestade von =Dortrecht= hin war Alles ruhig, zwischen der Stelle, wo sich jetzt die Barke befand, und den vornliegenden Inseln, waren nur einige Fischernachen sichtbar und ein in weiter Entfernung hinter der =Syrene= erscheinendes größeres Fahrzeug, kam, wie seine Laufbahn erkennen ließ, ebenfalls die =Maas= herauf und mußte demnach von friedlicher Bedeutung seyn. Des Capitäns Antlitz erheiterte sich bei diesen Wahrnehmungen. Er hatte eine reiche Ladung von =Utrechter= Sammet und Seide an Bord. Die Kaufleute, denen die Sendung angehörte, hatten in den gegenwärtigen kriegerischen Zeitläufen damit gezögert und waren erst dann, als der kecke =Jansen= sie auf seine eigene Gefahr übernommen, zur Ausführung geschritten. =Jansen= setzte in dieser Sache sein ganzes bedeutendes Vermögen auf das Spiel; aber er fand eine eigene Lust, sich an Wagestücken zu versuchen, von denen andere Schiffsführer sich gern zurückzogen. Als er noch Bootsmann auf einem Kriegsschiffe der holländischen Flotte gewesen, hatte er in vielen Gefechten einen Muth bewiesen, der an Tollkühnheit grenzte und seinen Namen unter den Seeleuten seiner Nation bekannt und in einem gewissen Grade berühmt machte. Die Matrosen und Bootsmänner nannten ihn nur den =tollen Jansen= und nebenbei stand er auch seiner ungeheuern Körperstärke wegen unter ihnen in großem Ansehn. Später hatte er die muntere =Beckje= kennen gelernt, die einiges Vermögen besaß. Beide Leutchen gefielen einander, sie heiratheten sich und von =Beckje's= Geld und =Jansen's= Ersparnissen wurde nun die Barke angeschafft, der sich der Junker =van Daalen= mit seiner Herzliebsten anvertraut hatte. In dem süßen Liebesgespräch, das sich zwischen =Cornelius= und der verführten =Clelia= entsponnen hatte, wurden sie durch das Läuten der Mittagsglocke und durch die Anrede =Jansens=, der freundlich lachend zu ihnen trat, gestört: »Deine Sehnsucht wird nun gestillt werden, =Cornelius=;« sagte er. »Frau =Beckje= hat aufgetragen und du, der ihr treulich beigestanden bei den Kochtöpfen, wirst gewiß die besten Bissen erhalten. Ob aber die Jungfrau Schwester mit der groben Schiffmannskost zufrieden seyn wird, bezweifle ich sehr!« =Clelia= versicherte, sie werde der Tafel alle Ehre anthun, zu der sie ein langes Fasten und die zehrende Herbstluft fähig mache, und folgte, von schönen Hoffnungen belebt und erhoben, am Arme des Geliebten dem voranschreitenden Capitän nach der Cajüte. Vergebens suchten sie im Vorübergehen =Philippintje= zu erwecken, die noch immer auf der Schiffsbank im tiefen, todtähnlichen Schlaf lag. Der Nektar, von dem sie allzureichlich genippt, hielt sie in seinen Zauberbanden gefangen. Sie blieb taub gegen alle Aufforderungen und das junge Liebespaar mußte sich entschließen, sie auf dem harten Lager, das sie sich selbst erwählt hatte, ihren beseligenden Träumen zu überlassen. Daß sie von solchen heimgesucht werde, verrieth ein lächelnder Zug in ihrem Antlitze und der Name: =Balthasar=, der im schmachtendsten Tone über ihre Lippen glitt. Im Innern der sehr reinlich und zierlich gehaltenen Cajüte empfing Frau =Beckje= ihre Gäste. Sie hatte, um nicht zu sehr in ihrem Aeußeren gegen die Begleiterin des Junker =Cornelius= abzustechen, ihren besten Staat angelegt. Das knapp anliegende Kleid von schönem schwarzen Utrechter Sammet stand ihr recht wohl und das rothbäckige, volle Schelmengesicht sah unter dem Spitzenhäubchen, so freundlich und anmuthig hervor, daß =Clelia=, durch den lieblichen Anblick überrascht, für einige Momente ihre gewöhnliche Gravität ablegte, erst die dargebotene Hand des lächelnden Weibchens annahm und dann auf die frischen Lippen, die ihr entgegenkamen, einen herzlichen Kuß drückte. »Nun ist die Freundschaft gemacht,« sagte =Beckje=, »und« setzte sie schalkhaft hinzu, »der Junker da kann Euch kein besserer Bruder seyn, als ich Euch eine Freundin bin!« =Clelia= erröthete. Nur daß sie eine Unwahrheit behaupten helfen sollte, trieb das Blut auf ihre Wangen; sie ahnete nicht, daß die Capitänsfrau auf eine Vermuthung der Wahrheit, ja, daß diese schon zu der Ueberzeugung ihrer Nicht-Blutverwandtschaft mit =Cornelius= gekommen sey! »Wir machen gerade einen hübschen Tisch voll!« fuhr indessen =Beckje= fort, indem sie =Clelien= gegenüber, ihren Platz zwischen den beiden Männern einnahm. »Es ist nur Schade, daß Ihr zwei Schwester und Bruder und nicht auch Mann und Frau, oder doch wenigstens Bräutigam und Braut seyd! Es ginge dann noch weit lustiger her, denn es mag mir einer sagen, was er will, die Liebe ist doch eigentlich =Das=, was dem Leben erst seine wahre Freude, seine rechte Lust gibt!« =Cornelius= vermochte kaum seinen Unwillen zu bekämpfen, daß =Beckje Clelien= gegenüber in ihrem Scherze so weit ging. Er warf ihr einige sehr ernste und finstere Blicke zu, die den guten Erfolg hatten, daß sie ihr stets fertiges Zünglein ein wenig im Zaume hielt. Das Gespräch wandte sich auf andere Gegenstände und =Jansen= trug nun in den Zwischenräumen, die ihm die Befriedigung seines sehr guten Appetits ließ, die Kosten der Unterhaltung, indem er mit vieler Laune und Lebendigkeit manches Abentheuer erzählte, das ihm in seinem vieljährigen Seeleben begegnet war. Gegen das Ende der Tafel, bei der er mehr dem Genever, als dem spanischen Weine, dem =Cornelius= den Vorzug gab, zusprach, wurde er sehr lustig und rief: »Nun muß ich Euch doch noch die wunderliche Geschichte erzählen, wie ich zu dem Ballaste da« -- hier wieß er auf =Beckje= -- »in meinem Lebensschifflein gekommen bin! So wie Ihr mich hier sehet, bin ich ein Bursche, der schon seine vierzig hinter sich hat, aber die frische Seeluft hat mich =frisch= erhalten und ich wette drauf, mein =Beckje= vertauscht mich gegen keinen Hasenfuß von zwanzig Jahren! Ich hatte schon meine sechs Fahrten nach =Batavia= gemacht, hatte unter =Ruyter= gedient, ihm zur Seite gestanden, als er siegreich an der Küste von Sicilien seinen Tod fand, war mit Oraniens Glück nach England hinübergegangen und kam eben von einem Kreuzzuge unter =Wassenaar= zurück, als ich mich entschloß, meine armen Verwandten in =Amsterdam= einmal zu besuchen, ihrer Noth nach Kräften abzuhelfen und nebenbei die große Stadt zu sehen, von der ich so Vieles gehört hatte und die ich noch nicht kannte. Die Flotte lag gerade zu der Zeit im Texel und wurde ausgebessert. Es fiel mir deshalb nicht schwer, einen Urlaub von einigen Wochen zu erhalten. Ich hatte mir etwas zusammen gespart. Ich kann Euch sagen, ich trat ans Land, aufgetakelt wie ein Kirmesbaum, und mit dem besten Willen, meine Jahreslöhnung, die ich eben erhalten, an allerlei Narrenspossen zu verthun. Mehr aber keinen Stüber, denn das Uebrige war für die Verwandten und für den Sparpfennig bestimmt, an dem ich seit meiner frühen Jugend gesammelt. Wenn ich Euch erzählen wollte, wie es zuging, daß ich schon am ersten Tage in =Harlem= fünfzig Gulden für eine garstige braune Zwiebel wegwarf, blos aus Respect, weil man sie den Admiral =Enkhuysen= nannte, wie ich dann die Zwiebel wieder gegen eine Flasche ächten Genever aus =Schidam= vertauschte, wie ich für andere fünfzig Gulden fünfzig hübsche Mädchen bei einer Kirmes auf einem Dorfe in der Nähe von =Harlem= mit bunten Halstüchern beschenkte und mich hernach mit ihren Liebhabern herumschlagen mußte, -- ja! wenn ich Euch das Alles genau berichten wollte, so hätte ich viel zu thun und =Beckje= würde es vielleicht nicht einmal gern hören --« »Meinethalben magst du reden, was du willst!« fiel schnippisch =Beckje= ein. »Mir sind auch bunte Halstücher geschenkt worden, ehe ich dich gekannt habe, und ich bin keinem ein Geschenk schuldig geblieben.« »Deshalb passen wir auch so gut zusammen,« lachte =Jansen= und leerte ein großes Glas Genever mit einem Zuge, »denn wir haben einander nichts vorzuwerfen. Uebrigens,« fuhr er in seiner Erzählung fort, »sind das nicht die einzigen tollen Streiche, die ich damals gemacht habe. Genug! Als ich nur noch eine Stunde von Amsterdam entfernt war, hatte ich auch nur noch einen Gulden in der Tasche, mein Hauptcapital aber in guten Wechseln auf der Brust eingenäht. Es war gerade Abend. Ich sah durch die Dämmerung schon die Thurmspitzen der Stadt, auf dem Canale, neben dem ich doch ein Bischen bedenklich über die Magerkeit meines Geldbeutels hinschlenderte, waren zahllose Barken und Nachen in lebendiger und fröhlicher Beweglichkeit. Ich blieb stehen und ergötzte mich an dem bunten Treiben. So vergaß ich einigermaßen meine üble Lage und gewann nach und nach, von dem Frohsinne, der unter den Menschen auf dem Canale herrschte, angesteckt, einen Theil meiner guten Laune wieder. Es war indessen ziemlich dunkel geworden. Ich sah ein, daß ich dran denken müsse, das Ziel meiner Reise zu erreichen. Wußte ich doch nicht, wohin ich in der großen Stadt meine Fahrt richten sollte, da ich nur die Namen, aber nicht die Wohnung meiner Verwandten kannte, und also, ohne Lootsen und Compaß, auf gut Glück in den fremden Haven einlaufen mußte! Ich setzte alle Segel bei und kam rasch vorwärts. Auf dem Canale hatte das Treiben und Lärmen fast gänzlich aufgehört; nur einzelne Fahrzeuge schwammen noch manchmal geräuschlos vorüber. Ich überließ mich wieder ganz meinen Betrachtungen und fing an, mich über mich selbst und meine begangenen Dummheiten zu erboßen. Ich konnte aus meinen eigenen Gedanken, so lästig sie mir waren, nicht herauskommen, wie ein Ostindienfahrer, den in der Straße von =Sumatra= die entsetzliche Windstille fest legt. Da wurde ich plötzlich durch einen lauten Lärm, der sich heranwälzte, durch ein wildes tobendes Gelächter und ein dazwischen tönendes Jammergeschrei aus diesem widerwärtigen Gemüthszustande gerissen. Ich horchte auf. Ich hörte schelten und lärmen, dann wieder lachen und einen kläglichen Ruf nach Hülfe. Nun flog ich über's Land hin, wie eine wilde Gans über's Wasser, der Stelle zu, wo das Getöse statt fand. Der Mond war aufgegangen und ich konnte Alles sehen, was nicht in einer allzugroßen Entfernung vor mir lag. Da gewahrte ich denn bald einen Haufen von etwa einem Dutzend böser Buben von fünfzehn bis achtzehn Jahren, die einen einzelnen Mann vor sich hatten und diesem gewaltig zusetzten, indem sie ihn immer nach dem Canale hindrängten. »Was treibt ihr hier?« rief ich und trat unter sie: »Wollt ihr Krabben wohl in euere Hangematten und euch nicht zu zwölf über Einen hermachen! Gelt, da habt ihr Courage, wenn sich einer auf den andern verlassen kann und wo vierundzwanzig Arme sich gegen zwei erheben? Aber noch einmal! Macht, daß ihr heimkommt oder es sollen euch ein Paar Arme heimführen, die wohl so viel werth sind, als euere zwei Dutzend!« -- Die Buben sahen mich groß an. Einer von ihnen aber trat bald vor und sagte in einem frechen Tone: »Kümmert euch um euch und nicht um Händel, die euch nichts angehen! Wir thun ein gutes Werk. Wir haben einen Juden gefangen, =der= soll getauft werden und dann Schweinefleisch fressen, damit er ein Christ wird. =Jeremias= hat seiner Mutter expreß ein Stück Schinken gestohlen für ihn und das darf nicht umkommen!« Die Cameraden des frechen Menschen stimmten ein höhnisches Gelächter an. Dabei drängten sich die Rangen hart um mich her, als gedächten sie auch mir irgend einen schlimmen Streich zu spielen. Aber der Mann, den noch einige von ihnen hielten, streckte die Arme nach mir hin und rief, so laut er konnte: »Ach, hochmögender Heer, errettet mich aus der Gewalt der Rotte Korah, und der Gott Abrahams wird Euch vergelten! Ich bin ruhig meiner Straße gewandelt, da haben mich die Kinder der Goi's festgepackt und wollen mir's anthun mit verfluchtem Wasser und Fleisch von dem unreinen Thiere, in das der Teufel gefahren ist. Ich bin ein armer Jüd, aber ein rechtschaffener Jüd, und habe noch nie einen Goi betorkelt im Schacher. Ach, hochmögender Heer, nehmet Euch meiner an, befreiet mich, damit ich in Frieden heimkehre in die gute Stadt =Amsterdam= und in meine Behausung auf der =Jüdenkracht= daselbst!« Ich mußte lachen über die Hochmögenschaft, zu der mich die Angst des Juden mit einemmale erhoben hatte. Während er sprach, hatte ich Zeit ihn genau zu betrachten. Es war ein alter Mann, der vielleicht schon seine sechszig Jahre zählte. Er trug einen langen Bart, sein Angesicht schien durch die Furcht verzerrt und entstellt. Seine Gestalt war klein und schmächtig. Die wenigen Kräfte, welche ihm vielleicht die Verzweiflung gab, konnten gegen die vereinigten Bemühungen dieser Heerde wilder Rangen wenig ausrichten. Er schien der ärmern Classe seiner Nation anzugehören, denn seine ganze Takellage war erbärmlich und sein Rücken gekrümmt, als verbeuge er sich zum Betteln um ein Almosen. Mein unwillkührliches Lachen schien den Krabben ein Signal, daß ich ihre Corsarenjagd auf den armen Juden billige, und sie machten auf's Neue Anstalt, den alten Mann zu entern und zu kielholen. »Hinunter mit ihm zur Taufe!« schrieen sie. »Frisch, Jude! Erst Wasser und dann Schweinefleisch, hernach mußt du das Glaubensbekenntniß auswendig lernen.« Mit wildem Toben warfen sie sich alle auf den jammernden Israeliten, der sich schon fast heiser geschrieen hatte. Da verlor ich die Geduld. »Bramsegel und Backbord!« rief ich, »nun ist es genug. Ich will euch einen Lappen aufhißen, der euch in einem Augenblick aus der offenen See in den Winterhaven führt!« Bei diesen Worten hatte ich die nächststehenden ergriffen und sie um halbe Kabeltau-Länge fortgeschleudert. Die Rippen im Leibe mochten ihnen krachen, denn sie erhoben ein erbärmliches Geheul und hatten nichts Eiligeres zu thun, als so schnell, wie es gehen mochte, fortzuhinken. Einem Paar Anderen, welche die größten und kräftigsten waren, und mir trotzig entgegentraten, ging es nicht besser. Die übrigen flogen auseinander, wie ein Heer wilder Gänse, das der Sturm zerstreut. Der Jude stand nur noch allein vor mir und zitterte am ganzen Leibe. Es währte eine gute Zeit, ehe er sich fassen konnte. Dann warf er sich mir zu Füßen und sagte, noch zähneklappernd vor Furcht: »Der =Simson= ist wiedergekommen und hat die Philister geschlagen. Der weise =Salomo= ist aufgelebt und hat die Ungerechten bestraft. Der gnädige =Ahasverus= hat den armen =Mardochai= befreiet und der gottlose =Haman= ist geklopft worden, wie's ihm gehört.« Ich hob den Alten auf. Ich hatte Mühe das Lachen zu verbeißen, zu dem mich seine Rede antrieb: aber ich bedachte sein Alter und die Schändlichkeit der Buben, die ihn in die Enge getrieben, und da wurde mir es ganz ernsthaft zu Muthe. »O, verlaßt mich nicht und gebt mir das Geleit bis an die Thore der guten Stadt =Amsterdam=, hochedler Herr!« sprach er weiter: »Ihr seyd die Palme aus dem Lande =Gosen=, unter deren Schutz ich sicher wandeln kann, geht Ihr aber von mir, so kehren die Philister zurück und ich bin ein verlorener Mensch.« Ich sagte ihm, er könne mit mir gehen, er möge aber frisch mit dem Winde segeln, da ich keine Zeit zu verlieren hätte. Auf dem kurzen Wege, den wir nun zusammen zurücklegten, erzählte mir der Jude, daß er in =Amsterdam= wohne, in der Regel aber in der umliegenden Gegend einen kleinen Handel mit alten Kleidungsstücken und sonstiger Trödelwaare treibe. Er sprach dabei soviel und in so übertriebenen Ausdrücken von seiner großen Armuth und Dürftigkeit, daß er zuletzt den Verdacht in mir erweckte, er sey im Gegentheile ein ganz wohlhabender Mann und stelle sich nur arm, um mir nicht etwa eine Belohnung anbieten zu müssen, zu der er sich vielleicht verpflichtet glaubte. Als wir in die Stadt eingewandert waren und eben im Begriffe standen uns zu trennen, ergriff er noch einmal meine Hand und sagte: »Der Gott meiner Väter möge Euch belohnen, für das, was Ihr an mir gethan, hochmögender Heer! Solltet Ihr aber jemals den armen Jüden =Abraham Eleazar= in seiner geringen Behausung aufsuchen wollen, so erinnert Euch, daß diese auf der =Jüdenkracht= liegt, zunächst der Schule, wo unsere Leute hin beten gehen.« Er entfernte sich und ich vergaß bald, während ich in den Straßen der großen Stadt ohne Steuer und Compaß umherirrte, das Abentheuer, das mich mit ihm zusammengeführt hatte. Ich sah jetzt ein, daß ich unbesonnen gehandelt hatte, mich in ein unbekanntes Gewässer zu begeben, ohne vorher über steile Klippen und Sandbänke, durch die ich meine Fahrt lenken mußte, eine genaue Kenntniß eingezogen zu haben. Meine Verwandten jetzt noch bei eintretender Nacht aufzufinden, schien eine Unmöglichkeit. Ich beschloß also, meinen letzten Gulden an baarem Geld für ein Nachtquartier und ein Abendessen, so gut sich Beides dafür finden wolle, aufzuopfern. Ich kam an verschiedenen Häusern vorüber, wo der einladende Strohkranz heraushing, in denen es noch lustig herging und viel Licht brannte. Sie schienen mir aber alle zu vornehm für meinen demüthigen Geldbeutel. Um ein geringeres Wirthshaus aufzusuchen, wo ich kleines Wasser für mein leckes Schiff finden durfte, verließ ich die großen, breiten Straßen und steuerte auf gutes Glück in enge winklige Gäßchen, in denen es so dunkel war, daß ich mich oft mit den Händen weiter fühlen mußte. Da sah ich am Ende eines Winkelgäßchens, das hier wie ein Sack verschlossen war, hinter einem kleinen Fenster ein düsteres Licht brennen. Ich hörte rauhe Stimmen, ich vernahm Gläserklirren, ich erkannte, als ich nahe trat, den bedeutungsvollen Strohwisch über der niedrigen Hausthüre und glaubte nun den Haven gefunden zu haben, wo ich sicher vor Anker gehen könnte. Einige kräftige Seemannsworte, die aus dem niedrigen Hause klangen, ließen mich hoffen, hier Cameraden zu finden. Ich nahm mir aber vor, mich nicht als einen Mann zu erkennen zu geben, der schon in den Meeren Ost- und Westindiens seine Flagge aufgezogen hatte. Ich schämte mich meiner geringen Baarschaft, die mir nicht erlaubte, bei der Heimkehr auf das feste Land ein Paar Flaschen Genever zur Bewirthung einiger fröhlichen Wassergesellen springen zu lassen. Lieber wollte ich für eine Landratte angesehen werden, als für einen Seehund, der keine Haare auf dem Felle mit heimbrächte. Als ich die Thüre des Häuschens öffnen wollte, fand ich sie verschlossen. Auf mein Klopfen aber ward sogleich aufgethan. Wer glaubt Ihr wohl, Jungfer =Clelia=, sey mir da entgegen getreten, um mich einzulassen und mir in dem engen, dunkeln Hausgange zu leuchten? Niemand anders als =Beckje=, die Ihr da seht und die jetzt mit mir auf dem Fahrwasser des Lebens gemeinschaftlich hinsegelt. Sie schien ordentlich vor mir zu erschrecken, als sie mich erblickte, sie stieß ein lautes: Ach! aus und ließ die Lampe fallen, die sie in der Hand trug.« »Wahrscheinlich warst du damals nicht hübscher, als du jetzt bist?« fiel in dem neckenden Tone, der zwischen den beiden Freunden gebräuchlich war, =Cornelius= ein. »Nun,« entgegnete mit einigem Eifer Frau =Beckje=, »er sah wenigstens ebenso gut aus, als irgend ein Offizier von den Landgeusen, der hundertmal unter König =Wilhelm= vor dem Marschall von =Luxemburg= davon gelaufen ist.« »Ihr seyd gut bewandert in den Kriegshändeln,« erwiederte lächelnd der junge =van Daalen=: »Euer Zünglein ist in jedem Falle schärfer, als der Degen Eueres Marschalls und Ihr wißt es gut zu führen, wenn Ihr Euern Mann zu vertheidigen habt. Aber sagt mir, wie lange ist es schon her, daß Ihr an seiner Statt kommandirt auf der =Syrene=?« =Beckje= hob drohend die kleine Hand und wollte etwas Beißendes erwiedern, aber =Jansen= schnitt ihr die Rede ab, indem er sagte: »Laßt die Possen und stört mich nicht in meiner Geschichte! Ich weiß sonst nicht, wie weit ich bin, und stelle Euch ein Schiff hin mit Vordersteven und Steuerbord, an dem aber das Backbord und Hauptverdeck fehlt. Meint Ihr, ich wäre =Domine= auf einem Kauffahrer gewesen und könne die Reden nur aus den Aermeln schütteln? Nein, nein, Ihr müßt mir Ruhe lassen, wenn ich erzählen soll! Das hübsche Mädchen also, das vor mir stand,« fuhr er fort, »ließ in einer Anwandlung von Schreck oder Ueberraschung die Lampe fallen, die sogleich verlosch, so daß wir uns in eine völlige Dunkelheit versetzt sahen. »Um Gotteswillen, geht« -- bebte es kaum vernehmlich über ihre Lippen. Da öffnete sich eine Seitenthüre und bei dem herausdämmernden Lichte erschien in ihr ein ältlicher Mann in Hemdärmeln, dessen finsteres Gesicht durch einen Wust von rothen Haaren, der es umgab, noch abschreckender gemacht wurde. »Nicht eine Lampe könnt Ihr festhalten in den Pfoten!« fuhr er das Mädchen an. »Ihr seyd das Brod nicht werth, das Ihr eßt. Tretet herein, Herr!« wandte er sich jetzt zu mir, indem er sein widriges Gesicht zu einem freundlichen Lächeln zu zwingen suchte, das wie ein höhnisches Grinsen anzusehen war. »Ihr findet hier den besten Wachholder im ganzen Quartier und eine Gesellschaft, die nicht schlechter ist.« Unter diesen Worten hatte er sich zwischen mich und die Hausthüre gedrängt und diese wieder verschlossen und verriegelt. Ich sah hierin nichts Verdächtiges, ich ahnete nicht, daß der alte Corsar eine falsche Flagge aufgezogen habe. Die Worte des Mädchens waren mir kaum verständlich geworden, so leise und bebend war ihre Stimme gewesen. Sie schlich eingeschüchtert in das Zimmer zurück, während ich und der Alte ihr folgten. Bei meinem Eintritte fielen die Blicke von einem Dutzend wilder Bursche auf mich, die auf langen Wandbänken an einem schmalen Tische saßen, große Gläser mit Brandwein vor sich stehn hatten und sich am Würfelspiele ergötzten. Ich setzte mich weitabwärts von ihnen, in einem Winkel nieder. Nicht weil mir das Spielen durchaus zuwider gewesen wäre, sondern weil meine Ladung am Baaren so leicht war, daß ich nicht wagen konnte, die Flagge Fortunens vor den Spielenden, die zu meiner Verwunderung mit Gulden um sich warfen, als wären es Stüber gewesen, sehen zu lassen. Sie bekümmerten sich weiter nicht um mich und fuhren im Würfeln fort. Ihre Flüche und Schwüre, so wie manche grobe Späße bestätigten meine frühere Vermuthung, daß es Matrosen seyen. Das Glas Genever, den Edammer und das Brod, welche ich gleich beim Eintritte bestellt hatte, wollte mir das Mädchen, von dem auch die übrigen Gäste bedient wurden, bringen. Der Rothkopf aber riß es ihr aus der Hand und ich glaubte zu bemerken, daß sie mit einem Seufzer und einem theilnehmenden Blick auf mich, sich abwandte und wieder in ihre Ecke schlich, wo sie am Spinnrade beschäftigt war.« »Es ist ganz wahr, wie er's erzählt!« unterbrach, trotz der vorhergegangenen Mahnung ihres Mannes, =Beckje= diesen, indem sie im Tone eiferiger Betheuerung zu =Clelia= sprach: »Der Spitzbube hatte mir's angethan im ersten Augenblicke mit seinem ehrlichen und treuherzigen Gesichte.« =Jansen= ließ die Unterbrechung ungerügt hingehn und fuhr fort: »Mit dem Wunsche, mir es wohl bekommen zu lassen und der Aufforderung, tüchtig zuzulangen, da noch hinlänglicher Vorrath in Küche und Keller sey, stellte mir der Wirth das Verlangte vor. Er trat dann hinter die Spielenden, ging von einem zum andern und flüsterte ihnen Worte zu, die mir unverständlich blieben. Ich achtete auch in der ersten Zeit wenig auf ihn und die übrigen Gäste. Das hübsche Mädchen hatte meine Aufmerksamkeit erregt und es war mir gar nicht recht, daß sie so entfernt von mir, in einem düstern Winkel ihren Platz genommen hatte, wo ich sie nur undeutlich sehen konnte. Lange Zeit gab ich mir vergebliche Mühe, ihre Gesichtszüge aus der Dunkelheit hervorzusuchen. Ich ließ endlich davon ab und fing an, meinen Appetit zu stillen, der nicht gering war. Der Genever, den man mir vorgesetzt hatte, schien mir ungewöhnlich stark. Das war aber eben kein Umstand, der einem Seemanne, welcher so oft, wie ich, die Linie passirt hatte, vom Trinken zurückhalten konnte. Das Gelärm am andern Tische ward indessen immer toller. Flüche, Verwünschungen von der einen Seite, höhnisches, lautes Gelächter von der andern, vermischten sich zu einem wilden Getöse. Die Bursche, die es so arg trieben, zogen endlich meine Aufmerksamkeit auf sich. Es waren lauter Gesichter, auf denen Zügellosigkeit, Verwegenheit und eine Tücke, die sonst einem ordentlichen Seehunde fremd ist, eingegraben standen. Sie sind gewiß von irgend einem Kauffahrer, dessen Capitän ein Lump ohne Verstand und Respect ist: dachte ich bei mir. Sie hatten alle ihre krummen Messer vor sich auf dem Tische liegen, als wollten sie gegen einen Angriff, der unerwartet und plötzlich von einem auf den andern erfolgen könne, bereit seyn. Besonders fiel mir einer unter ihnen auf, der sehr listig aussah, ruhiger wie die andern sich verhielt und, er mochte mit günstigem oder ungünstigem Winde fahren, lustig und guter Dinge blieb. Erfolgte bei einem seiner Cameraden ein Ausbruch des Unwillens über eine getäuschte Hoffnung, einen erlittenen Verlust, so brachte er gleich einen Scherz vor, einen lustigen Schwank, der das drohende Unwetter zerstreuete und statt des Messerkampfs, zu dem es leicht hätte kommen können, ein allgemeines wildes Lachen, in das selbst der eben noch Erboste einstimmte, hervorbrachte. Er schien älter als die übrigen. In seinen gebräunten Zügen lag ein Ausdruck von Erfahrung und Klugheit, der ihm selbst bei seinen rohen Genossen eine Art von Ansehn zu Wege brachte. Ich bemerkte, daß sein listiger Blick oft nach mir hinflog, auf mir forschend ruhete, wenn er aber wahrnahm, daß ich auf ihn achtete, sogleich sich nach einer andern Seite wandte. Die Art, wie er sich gegen die andern benahm, gefiel mir. »Der Bursche hat mehr gesehn, als jene!« sagte ich zu mir selbst. »Er weiß mit dem Winde zu segeln, zu laviren und die Lappen einzuziehn, wenn es Zeit ist.« Seine Späße und Schwänke machten mich selbst einigemale laut auflachen. Er hörte es und es schien mir, als wenn sich bei dieser Bemerkung ein gewisses Wohlbehagen auf seinem Angesichte zeigte. Der Wirth trat jetzt zu meinem Tische und sagte: »Gelt, das sind lustige Bursche? Ihr müßt Euch an ihren heftigen Manieren nicht stoßen. Die Seeleute sind einmal nicht anders, wenn sie auf's Land kommen. Da muß Jubel, Trinken und Spielen sie entschädigen für die Entbehrung und strenge Observanz auf dem Schiffe. Euch mag das Ding freilich sonderbar vorkommen. Ihr scheint mir auf dem Lande geboren und erzogen, und habt wohl niemals andern Theer gerochen, als im Laden des Krämers?« Sein Gesicht verzog sich hämisch bei diesen Worten. Ich hielt es nicht der Mühe werth und hatte auch, wie schon gesagt, keine besondere Lust, meine wahre Farbe zu zeigen. Ich durfte ja nur in die Brusttasche greifen und meine Bestallung als Hochbootsmann auf dem Linienschiffe =Medusa= hervorholen, um den Wirth und die Bursche alle, wie sie da waren, in Respect zu setzen. Ich ließ es aber bleiben und lachte still in mich hinein über die Tölpelhaftigkeit und Dummheit des Kerls, der einen Delphin für ein Murmelthier ansah. Er wandte sich wieder von mir ab und trat jenem Matrosen mit dem listigen Gesichte gerade gegenüber, so daß er mir den Rücken zukehrte. Der Matrose warf einen fragenden Blick auf ihn -- erst später sah ich ein, daß dieses ganze Benehmen seine besondere Bedeutung hatte -- dann stand er plötzlich auf und sagte, indem er sein Messer einsteckte, zu seiner Gesellschaft: »ich habe genug gespielt. Seht meine leeren Taschen an. Wer noch einen Gulden an das wagen will, was drin ist, dem stehe ich zu Dienst, sonst niemand!« Mit einem wilden Gelächter und einigen groben Späßen wurde das Anerbieten beantwortet. Der Mann zündete seine Pfeife an dem einzigen Lichte, das sich in der Stube befand, an und näherte sich dann langsam meinem Tische. Er forderte noch ein großes Glas Brandwein und setzte sich dann mir gegenüber. Es war mir ganz angenehm, Gesellschaft zu bekommen, die mir eine muntere Unterhaltung versprach. Ich beschloß aber nichts destoweniger auf meinem Vorsatze zu beharren, und mich nicht als Seemann zu erkennen zu geben. Freilich war das eine schwierige Sache, denn schon damals hatte ich die Gewohnheit, die gebräuchlichen Schiffsredensarten in das gewöhnliche Gespräch zu mischen; aber ich dachte, eine rechte Aufmerksamkeit auf mich selbst könne mich wohl davon abhalten und mich unerkannt unter fremder Flagge segeln lassen. Meine Mahlzeit war verzehrt und mein Glas geleert. Ich hätte wohl noch gern getrunken, aber ich durfte auf meinen Gulden los nicht zu durstig seyn. Der Seemann saß einige Minuten lang mir gegenüber, ohne Anstalt zu machen, mich zu entern. Er brummte ein Liedchen vor sich hin, trank dazwischen und ließ dem bald geleerten Glase ein anderes folgen. »Ihr scheint kein Freund vom Würfeln, Landsmann!« redete er mich endlich an. »Ich kann's Euch nicht verdenken. Das verdammte Knöcheln kostet mich schon manchen schönen Gulden und wenn ich den guten Humor nicht hätte, so hätte ich mir aus Zorn über mein ewiges Unglück schon einmal ein Leid angethan. Aber der gute Humor muß immer obenaufschwimmen, wie der Kork an der Loglinie, und wenn auch einmal der Böse sein Spiel hat und bei dem letzten Deut im Beutel nach der armen Seele angelt, so muß ihn doch der gute Humor gleich vertreiben. Der Humor soll leben!« rief er, indem er sein Glas erhob und nach mir hinhielt. »Aber, Blixen und Mordblei! Ihr habt ja keinen nassen Tropfen mehr im Glase? Wirth,« schrie er diesem zu: »noch ein Glas Genever für den Landsmann! Es geht auf meine Rechnung. Wir müssen zusammen trinken.« Ich wollte seine Einladung ablehnen, aber er ließ mir keine Ruhe, bis ich mit ihm anstieß und trank. An dem andern Tische wurde es jetzt sehr laut. »Das sind rechte Tölpel und einfältige Gierhälse,« sagte mein Mann, »die sich in die Launen des Spiels gar nicht finden können! Sie meinen, sie müßten Alle gewinnen und denken nicht daran, wer dann verlieren sollte. Blixen und Mordblei! Ihr werdet gleich sehen, daß einer von ihnen nach dem Krummmesser greift, um dem andern Galgen und Rad ins Gesicht zu zeichnen. Meiner Seel! der tolle =Hann= ist schon dran. Hat dich denn der Schwarze einmal wieder am Kabeltau --« Mit diesen Worten sprang er auf und in das Getümmel hinein. Es ging auch wirklich jetzt an dem Tische drunter und drüber, wie auf einem geenterten Schiffe. Fluchen und Schreien, Schimpfreden und Drohungen mischten sich durcheinander. Alle waren aufgesprungen, ihre Messer blitzten bei dem matten Lampenscheine in den hoch erhobenen Händen und es schien, als ob es auf Schlimmeres, als auf bloßen Schnittkampf abgesehen sey. Ich überlegte eben noch, ob ich mich in das tolle Treiben hineinmengen solle, um ein Unglück zu verhüten und Ruhe und Frieden herzustellen, als mein Trinkgenosse, ein untersetzter starker Bursche, schon mitten unter ihnen war, den Unheilsstifter zu Boden geworfen hatte und mit einer wahren Commandostimme rief: »Hinaus mit dem Stänker! Er mag seine Hitze in der Gosse abkühlen, oder, wenn ihn seine Besoffenheit in den Canal führt, so ist's ihm auch gesund und das ungewaschene Maul wird ihm dann einmal gewaschen!« -- »Richtig!« schrieen die andern. »Er muß hinaus: In den Canal! Er hat so nichts, als Meuterei und Schlechtigkeit im Kopfe!« In der Luft schwebend wurde mit Sturmeseile der brüllende =Hann= durch das Zimmer, nach dem Ausgange getragen. Alle drängten sich nach der Hausflur, auch der Wirth, der am Aergsten auf den Friedensstörer schimpfte. Während sie den Rasenden aus dem Hause schafften, blieb ich einige Augenblicke allein bei dem Mädchen, das bis jetzt seinen düstern Winkel nicht verlassen hatte. Kaum war der lärmende Haufen draußen, so kam das Mädchen in rascher und ängstlicher Bewegung aus der Ecke an meinen Tisch hervor und flüsterte schnell und mit zitternder Stimme: »Ihr habt meiner Warnung nicht geachtet oder sie überhört! Das Schlimmste steht Euch bevor, wenn Euch nicht ein besonderer Glücksfall rettet. Verrathet nichts, zeigt keinen Verdacht! Ihr befindet Euch unter --« »Was hat die freche Dirne mit den Gästen heimlich zu verkehren?« unterbrach sie plötzlich die Donnerstimme des rothhaarigen Wirthes, der unter der Thüre erschien und rasch vortrat. »Deine Unverschämtheit wird dich noch ins Spinnhaus bringen, alle Ermahnungen sind umsonst und bei deiner Mutter Bruder hat sich das Unglück ins Haus geladen, als er dich aufnahm.« Das Mädchen schlich still nach seinem Winkel zurück. »Ihr verfahrt zu hart mit dem Kinde!« sagte ich, so ruhig ich vermochte. »Sie war blos für die Wirthschaft bedacht und fragte mich, ob ich nichts bedürfe?« -- »Ei, was!« entgegnete mürrisch der Rothkopf. »Ich bin des Mädchens Vormund und muß wissen, was an ihr ist und wie ich mit ihr umzugehen habe. Hinauf mit dir, auf deine Kammer!« rief er ihr jetzt heftig und befehlend zu: »Ich kann jetzt meine Gäste schon selbst versehen und bedarf deiner nicht mehr.« Das Mädchen schritt zögernd nach einer Hinterthür des Zimmers. »Soll ich der Dirne Beine machen?« schrie der erboßte Corsar jetzt voll Wuth und warf ein Glas nach ihr, das dicht neben ihrem Kopfe vorbei an die Wand fuhr und in tausend Stücke zersplitterte. Sie entfloh so schnell sie konnte, durch die Hinterthüre. Ich war aufgesprungen und wollte eben dem alten Bösewicht an den Kragen, als lärmend und lachend die wilde Rotte ins Zimmer zurückstürmte. Ich bedachte, daß er unter ihnen gewiß Beistand und Hülfe finden würde, daß ein einzelnes Schiff, wenn es auch noch so gut getakelt und bewaffnet sey, nichts gegen eine ganze Flotte vermöge, und verbiß meinen Grimm. Die Worte des Mädchens und ihr wunderlicher Sinn gingen mir im Kopfe herum. Dennoch dachte ich mehr an das hübsche Ding selbst, als an ihre Rede. Ich hatte mir aus vielen schlimmen Lagen meines Lebens immer so glücklich herausgeholfen, und war mir denn doch auch meiner Kraft hinlänglich bewußt, daß mich die Ahnung einer Gefahr, die ich nicht einmal einsah und erkannte, nicht so leicht in Schreck versetzen konnte. Ich nahm mir nur fester vor, meinen Stand und meinen Namen nicht zu verrathen. Mochte auch irgend ein Bedrängniß für mich entstehen, so, glaubte ich, müsse am Ende meine Bestallung als Hochbootsmann auf der Flotte der hochmögenden Heern Generalstaaten mich aus jeder Verlegenheit reißen können. So vergaß ich bald der Warnung des Mädchens; aber ihr Bild blieb in meiner Seele und ich konnte nicht müde werden, da das hübsche Affengesicht zu beschauen.« »Grober Mann!« rief =Beckje= mit zorniger Miene, indem sie das Glas, das vor ihm stand, wegnahm. »Zur Strafe dafür sollst du auch keinen Tropfen Genever mehr bekommen. Ihr werdet schon sehen,« fuhr sie dann, zu =Clelia= und =Cornelius= gewendet, voll Eifer fort, »wozu das Affengesicht nütze war. =Er= säße nicht hier vor Euch, als Capitän der =Syrene= und als ein gemachter Mann, wenn das Affengesicht ihm nicht aus der Patsche, in die er sich thörigt hineinbegeben, geholfen hätte!« »Ruhig, =Beckje=!« erwiederte lachend der Capitän und reichte der Grollenden treuherzig die Hand. »Es war nicht böse gemeint und was ich unter dem hübschen Affengesicht verstanden habe, das machte wahrlich der heidnischen Schönheitsgöttin =Venus= keine Schande. Doch weiter im Text, sagt der Domine; ich sage: weiter in der Fahrt! Es wurde wieder ruhiger im Zimmer. Wenige setzten sich auf's Neue nieder. Die meisten legten sich auf den Bänken und auf den Fußboden vor Anker, um hier nach wenigen Augenblicken in einen tiefen Schlaf zu fallen. Der Seemann, der vor dem Tumulte mir gegenüber gesessen, nahm seinen Platz wieder ein. »Sie haben den wilden =Hann= gekielholt im Canale!« sagte er lachend. »Es war dem Burschen gesund. Das Wasser machte ihn in einem Augenblicke wieder nüchtern; er schwamm durch, wie ein Delphin, und schickte uns von der andern Seite eine volle Lage von Verwünschungen zu. Aber, Blixen!« fuhr er auf: »wir sitzen wieder fest auf der Sandbank im leeren Glase. Schenk ein, Wirth! Mir und dem Landsmanne! Ich hoffe, du hast noch ein tüchtiges Stück Kreide für den =Claas=!« Mit großer Geschäftigkeit war der Rothkopf bei der Hand und füllte unsere Gläser. Ich ließ es geschehen, denn der Trunk fing an mir zu munden und ich dachte: morgen, wenn du dein Papier zu Geld gemacht hast, kannst du es dem lockern Seehunde zehnfach wiedergeben. Er trank mir zu auf das Wohlergehn aller Seeleute, und ich that ihm mit so vieler Lust und Fröhlichkeit Bescheid, daß er mich mit den listigen Augen groß ansah und ich wohl merkte, er wittere Seeluft. Bald aber schien dieser Gedanke wieder ganz von ihm gewichen, er behandelte mich als eine Landratte, spottete über das ewige, langweilige Werkeltagsleben in Städten und Dörfern und fing nun an, auf eine vertrauliche Weise mir von dem Treiben auf der See zu sprechen, mir die Lust und das Wohlergehn auf den Schiffen gar herrlich auszumalen, die Merkwürdigkeiten von Ost- und Westindien zu preisen, mit solcher Uebertreibung und Unwahrheit, daß ich, der das Alles vielleicht besser kannte, als er, unwillkührlich vor mich hinlachen mußte. Ich merkte nun, daß er mich anwerben, daß er einen Rekruten für irgend einen Ost- oder Westindienfahrer aus mir machen wollte. Jetzt glaubte ich auch die Warnung des Mädchens zu verstehen. »Damit hat es gute Wege!« dachte ich: »der =Jansen= weiß auch, wie das Salzwasser in der Bay von =Batavia= schmeckt und sieht keine Piratenflagge für die Farbe der Ehrlichkeit an.« Mein lächelndes Gesicht mochte den Burschen glauben machen, daß mir seine Reden gefielen und ich blindlings in das Netz segle, das er so lockend vor mir ausgebreitet hatte. Er rückte zutraulich näher. Seine Zunge wurde noch geschwätziger. Er plapperte, wie es die Werber zu machen pflegen, gleich einem Papagey in einem fort. Hundert lustige Seemannsstückchen kamen an den Tag, dazwischen manche Geschichte von einem und dem andern, der als bloßer Matrose nach den Indien gegangen und als ein reicher Bewindhebber zurückgekehrt sey. Alle diese Künste waren mir bekannt und belustigten mich sehr. Er ließ noch mehreremale einschenken und ich trank mit ihm, denn vor seinem Genever brauchte ich mich nicht zu fürchten, das wußte ich aus vielfältigen Erfahrungen, in denen ich auf ganz andere Proben gesetzt worden war und See gehalten hatte. »Gelt!« sagte endlich, nachdem er eine gar lustige Geschichte erzählt, über die ich sehr lachen mußte, der Bursche mit einer verschmitzten Miene zu mir: »Das Leben gefällt Euch und Ihr möchtet es auch gern so haben? Nun das kann geschehen und an einem hübschen Handgeld soll es auch nicht fehlen! So ein zwanzig Gulden etwa, dächte ich, wären Euere Sache?« Jetzt stieg mir der Aerger in den Hals. Einem Kerl, wie mir, lumpige zwanzig Gulden zu bieten! Ich vergaß meinen Vorsatz, ich nahm die falsche Flagge ab, ließ lustig das Seemannswimpel wehen und rief: »Halsen und Schoten, was bildet Ihr Euch ein? Der Sturm aus dem Brandweinglase hat Euch das Takelwerk verwirrt, daß Ihr einem Manne, der schon als zwölfjähriger Junge die blauen Berge von =Sumatra= gesehen und in den Riffen von =Ceilan= Schiffbruch gelitten hat, einen so niederträchtigen Vorschlag macht. Geht in Euere Hangematte und schlaft den Rausch aus! Morgen könnt Ihr mit mir trinken zur Revange, aber bringt gescheidtere Gedanken mit.« Ich stand auf und sah auf meinen Mann, der auch aufgesprungen war, herab wie der Goliath auf den David. Er sagte nichts. Seine Blicke flogen aber unruhig über seine Cameraden hin, als wolle er untersuchen, ob im Falle der Noth ihr Beistand ihn unterstützen werde. Sie lagen jetzt sämmtlich in einem so tiefen Brandweinschlafe, daß ich bei der geringsten verdächtigen Bewegung des Meisters =Claas=, ihn zehnmal hätte kalt machen können, ehe sie einmal zur Besinnung gekommen wären. Er mochte das selbst einsehen und setzte sich ruhig wieder an seinen Platz. Ich rief jetzt dem Wirthe, daß er mir mein Schlafzimmer zeigen solle. »Ey, Ihr wollt allein schlafen?« sagte er gedehnt. »Nun dann müßt Ihr auch vorlieb nehmen mit dem, was Ihr bekommt, denn auf Schlafgäste bin ich gerade nicht eingerichtet.« Der Rothkopf zündete eine Lampe an, ich wünschte dem Meister =Claas= lachend eine gute Nacht, die er nicht erwiederte, und folgte dann meinem Führer über einen langen Hof, zu einem düstern Hintergebäude. Auf diesem Wege bemerkte ich zu meinem Erstaunen, daß ich nicht ganz fest auf den Beinen sey. Eine wunderliche Müdigkeit, wie ich sie noch nie empfunden, lag lähmend in allen meinen Gliedern. Wie betäubt stieg ich hinter dem Wirthe, der sich öfter nach mir umsah, eine schmale Treppe hinauf, die kein Ende nehmen wollte. »Sind wir bald an Bord?« fragte ich endlich, als wir unter dem Dache angekommen waren, das, schräg und niedrig ablaufend, mich am Geradestehn verhinderte. »Hier ist es;« antwortete der Rothkopf. Er stieß zugleich eine Thüre auf, durch die ich mich gebückt in eine kleine Kammer hineinbugsierte. Ich konnte nichts mehr sehen, ich konnte das Gemach nicht untersuchen; meine Augen fielen zu und ich sank angekleidet, wie ich war, indem das letzte Restchen von Bewußtseyn schwand und ich noch, wie aus weiter Ferne, das höhnische Gelächter des Rothkopfs zu vernehmen glaubte, auf die Lagerstatt nieder. Wie lange ich so, gleichsam in der Windstille des Todes als ein unbrauchbares Wrak, gelegen, weiß ich nicht. Als ich anfing, wieder zu mir zu kommen, fühlte ich einen heftigen Schmerz am Munde, an den Händen und den Füßen. Es war mir noch so wüst im Mastkorbe, daß ich mich mit Gewalt zusammen nehmen mußte, um einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Sturm und Wetter! Denkt Euch, was die Hunde gethan hatten? Ein scharfer Knebel saß mir im Munde, meine Hände waren mit einschneidenden Stricken auf den Rücken gebunden, meine Füße ebenso an die Pfeiler der Bettstelle befestigt, meine Brust mit einem ledernen Riemen an diese festgeschnürt. Ich war keiner Bewegung mächtig. Nur den Kopf konnte ich mit Mühe etwas heben und ihn vorwärts beugen. Das konnte mir nicht während eines gewöhnlichen Schlafes, nicht einmal in einem tüchtigen Rausche geschehen seyn, ohne daß ich erwacht wäre. Man mußte mir etwas Giftiges, Betäubendes in den Brandwein gethan haben. Durch eine Dachluke hoch über mir fiel ein Lichtstrahl herein. Indem ich den Kopf mühesam vordrückte, sah ich bei dem matten Dämmerlichte, das in der Spelunke herrschte, daß man mir meine guten Kleider ausgezogen und mich mit Lumpen bedeckt hatte. Mein Kopf that mir wehe. Vergebens strengte ich mich an, noch mehr über meinen Zustand nachzudenken, über die Veranlassungen dazu, über den gestrigen Abend, über die Menschen, die mich in diese Lage versetzt, und über die Absicht, die sie mit mir haben möchten. Es legte sich wieder, wie Blei, auf meine Glieder, im Kopfe wurde es mir ganz dumm und ohne einzuschlafen, die offenen Augen immer nach der Luke im Dache gerichtet, war es mir doch immer, als läge ich in einem schweren Traume. Da hörte ich plötzlich ein Geräusch, das mit einemmale, wie ein Blitz, in mein Gehirn fiel und dieses erhellte. Es war ein heiseres, höhnisches Gelächter aus einem Winkel der Kammer. Es schien mir nicht unbekannt, ich mußte ein ähnliches schon gehört haben. Ich versuchte zu sprechen, aber ich brachte nur einen kaum hörbaren, dumpfen Laut hervor. Da wurde das Lachen lauter und derjenige, von dem es kam, trat so dicht an mich heran, daß ich ihn sehen konnte. Klippen und Sandbank! Es war kein anderer, als Meister =Claas=, der mit untergeschlagenen Armen neben mir stand, mit den scharf blickenden Augen mich von oben bis unten maß und spöttisch grinsend sagte: »Warum habt Ihr doch die zwanzig Gulden Handgeld nicht genommen? Es wäre immer eine gute Ladung gewesen für Euere Tasche, die nun leer ist und wenig Hoffnung hat, bald wieder befrachtet zu werden. Jetzt liegt Ihr hier so lange fest, bis ich Euch flott mache zur lustigen Fahrt. Oder habt Ihr Euch vielleicht besonnen, sind Euch bessere Gedanken im Schlafe gekommen, als im Wachen? Ich will's einmal darauf wagen und Euch das Zungenband lösen. Aber das sage ich Euch, kommt ein lauter Ruf, ein Schrei, ein Wort über Euere Lippen, das man auch außerhalb dieser Coje vernehmen könnte, so ist's um Euer Leben geschehen, und Ihr athmet nie wieder weder See- noch Landluft!« Bei diesen Worten schwang er drohend in der einen Hand sein Krummmesser, während die andere den Knebel lös'te. Ich mußte mit mir geschehen lassen, was er thun wollte, ich lag da, wie ein Stück Holz. »Nun sprecht, bester Freund und Landsmann! Wollt Ihr jetzt freiwillig die Flagge streichen und mein lieber Camerad seyn auf dem Schiffe, zu dem ich Euch führe, so soll's immer noch auf die zwanzig Gulden nicht ankommen; besteht Ihr aber auf Euerem halsstarrigen Sinn, so bekommt Ihr keinen rothen Deut und bleibt angeschnürt und geknebelt, bis wir die Anker lichten und Ihr eingepökelt werdet in den untern Raum, den Ihr dann erst auf offener See verlaßt.« Meine Zunge klebte vor innerer Hitze am Gaumen fest und war durch den Zwang, den man ihr angethan, wie gelähmt. Der Bösewicht bemerkte das. Er langte einen Krug Wasser herbei, hielt ihn mir an die Lippen und sagte: »Trinkt einmal! das soll nicht gesagt seyn, daß =Claas= seinen künftigen Cameraden verdursten lasse. Ich weiß es aus hundert Erfahrungen mit hundert ähnlichen Thoren, wie Ihr! Das Opiumgebräu macht verdammt trocken im Halse.« Ich trank in langen, durstigen Zügen. Es war, als brenne ein höllisches, unauslöschliches Feuer in mir. Endlich gewann ich die Rede wieder. Die Wuth lag glühend in meiner Brust, wie die Lunte an einem Vierundzwanzigpfünder, und ich konnte sie kaum zurückhalten vom heftigsten Ausbruche. Aber ich mäßigte mich, denn ich sah ein, daß ich in der Gewalt des Schurken und ihm auf Gnade und Ungnade preißgegeben war. »Ihr mögt Euch freilich einbilden,« sagte ich, »daß Ihr ein rechtes Kunststück begangen habt mit Euerer gewaltthätigen Werbung; aber es nutzt Euch nichts, denn Ihr müßt wissen, daß ich schon seit mehreren Jahren Hochbootsmann bin auf dem Linienschiffe der hochmögenden Herrn Generalstaaten, auf der =Medusa=. Darum gebt mich nur wieder los und ich verspreche Euch, von der ganzen Geschichte nichts verlautbaren zu lassen!« -- »Wir wissen Alles, Freundchen!« erwiederte der Bube und lächelte noch hämischer, als bisher. »Wir haben ja deine Bestallung und deine Wechselbriefe gefunden in dem Landratzenfelle, das uns zur guten Prise geworden. Die Bestallung habe ich ins Feuer geworfen und die Wechsel werde ich einlösen, wenn du sie unterschrieben haben wirst, wozu du seiner Zeit schon genöthigt werden sollst. Sieh, Brüderchen, solche Leute, wie dich, können die Herrn Bewindhebber auf den Kapern gerade brauchen. Was kümmert es uns, ob du auf der =Medusa= für einen Deserteur und Schuft gehalten wirst? ob dein Bild am Galgen neben den Landstraßen mit einer verständlichen Unterschrift den Vorübergehenden sagt: das ist der entlaufene Hochbootsmann =Jansen=; wer ihn wieder einbringt, erhält eine gute Belohnung? Die Hauptsache ist: du kennst den Dienst, es fehlt dir nicht an Kraft und Gewandtheit und, wenn du deine Schuldigkeit thust gegen die spanischen =Don's= und französischen =Mosje's=, so kannst du es über Jahr und Tag wieder zum Hochbootsmann auf einem ehrbaren Kaperschiffe bringen. Gelt, Brüderchen, die Aussicht ist so übel nicht und wenn wir brav spanische Gallionen aufbringen, so bekommt auch die Mannschaft ihr gutes Theil davon. Sprich dein freiwilliges =Ja=, bester Camerad; mache dich los von dem lecken Schiffe, das doch die See nicht mehr halten kann! Lichte die Anker mit deinem Herzensfreunde =Claas=, der es am Besten mit dir meint auf der ganzen Welt und dich liebt, wie einen spanischen Brasilienfahrer, dem er gut Gold abzuzwicken gedenkt, oder einen vollen Geldbeutel, der immer sein bester Helfer in der Noth war.« -- Der Hohn und die Niederträchtigkeit des Buben brachten mich auf's Aeußerste. Ich konnte mich nicht mehr halten. Indem ich vergebens mit einer heftigen Bewegung mich von meinen Banden loszureißen suchte, rief ich: »Verdammter Schurke und --« »=Seelenkoper=!« fiel der Kerl mit der größten Kaltblütigkeit ein, während er mir den scharfen Knebel so heftig in den Mund zurückstieß, daß mir das Blut aus Lippen und Zunge drang. »Ich sehe wohl,« fuhr er eben so gelassen fort, »daß noch kein vernünftiges Wort mit Euch zu sprechen ist. Ich hoffe aber, daß Euch die Einsamkeit, Euere angenehme Lage, und Hunger und Durst bis heute Abend geschmeidiger machen werden. Wir haben sonst auch noch andere Mittelchen im Rückhalte, denen die Halsstarrigsten nicht widerstehen konnten. Was haltet Ihr von der Peitsche? Ich kann Euch auf Seemannsparole versichern, daß einer, der sie gut zu führen versteht, in Zeit von einer Viertelstunde einem Andern die Schreibkunst beibrachte, so daß dieser schön und deutlich seinen Namen unterzeichnete, wohin man wollte und was er bisher allen freundlichen Bitten und Ermahnungen verweigert. Merkt Euch das, Meister =Jansen=! Ich könnte der eine und Ihr könntet der andere seyn, wenn Ihr nicht heute Abends Euern Trotz in den untern Raum einsperrt. Bis dahin gehabt Euch wohl!« -- Der Kerl ging und ich hörte, wie er von Außen einen schweren Riegel vor die Thüre schob. Ich schäumte vor Wuth. Jetzt erst waren die Reden und Signale des Mädchens mir verständlich geworden, die ich früher viel zu leichthin gedeutet hatte. Die =Seelenverkäufer= und unter diesen die schändlichsten und grausamsten, die Mäkler der Kaperschiffe, hielten mich in ihren Klauen. Ich wußte, daß die Obrigkeiten bei diesem abscheulichen Menschenhandel ein Auge zudrückten, wenn er auf Rechnung der ostindischen Compagnie geführt wurde. Dieser hätte es sonst an Rekruten für ihre Flotten, für die Besatzungen in =Batavia= und den übrigen Colonieen gefehlt. Der große Vortheil, den die Compagnie dem Staate brachte, verpflichtete diesen, sie auf alle Weise zu unterstützen, wenn es auch oft wider Recht und Billigkeit war. Desto strenger wurde die =Seelenkoperei= der Privatleute, derjenigen, die sich einen Kaperbrief auf eigenen Gewinn und Verlust gelös't hatten, bestraft. Am Galgen fanden sie gewöhnlich den Lohn ihrer Verwegenheit, mit den Werbern der Compagnieherrn nach derselben Richtung des Compasses steuern zu wollen. Deshalb trieben sie ihr Geschäft immer in der tiefsten Verborgenheit, in Schenken, die außer ihren Handlangern niemand besuchte und in denen oft, wie man sich erzählte, diejenigen, die sich allzustarrköpfig gezeigt, einen gewaltsamen Tod gefunden hatten, damit sie nie zu Verräthern an ihren bübischen Bedrängern werden möchten. Das Alles wußte ich. Mit hundert Geschichten aus solchen Häusern, eine immer schrecklicher, als die andere, hatten wir uns oft während der Abende auf den Schiffen unterhalten. Wen einmal sein Unglück in eine solche Mordhöle geführt hatte, der kam nur als ein Sklav des Kapercapitäns oder als eine Leiche wieder heraus. Eins dieser zwei Loose erwartete nun auch mich und dabei die quälende Aussicht, von meinen Vorgesetzten, von meinen Cameraden auf der =Medusa= für einen Ausreißer gehalten, für ehrlos erklärt zu werden. -- Mein Kopf brannte mir wie im hitzigen Fieber. Ich wußte mir nicht zu rathen und zu helfen. So lag ich mehrere Stunden lang in einem dumpfen Hinbrüten, in dem Zustande eines Schiffes, das zwischen Klippen und Sandbänke gerathen ist und weder vor noch hinter sich kann. Dennoch brannte, wie eine Kohle unter der Asche, der Entschluß im tiefsten Grunde meiner Seele, lieber den Tod zu leiden, als meine Schande zu überleben und den Schurken zu Willen zu seyn. Hunger und Durst fingen an, sich zu melden. Bald mußten sie zu peinigenden Gefühlen werden und ich nahm mir fest vor, diesen zu trotzen, wie allen Drohungen, allen Grausamkeiten der nichtswürdigen Seelenkoper. Mein einziger Trost war die Helligkeit, die durch die Dachlucke in meinen Raum fiel. Ich konnte ein Stückchen blauen Himmel sehen, ich konnte den Zug der Wölkchen erkennen, die in weißen Nebelflocken drüber hin flogen. Gedankenlos starrte ich immer nach diesem einen Punkte. Da verdunkelte sich zu meinem Schrecken plötzlich auch dieser; aber eine Stimme, in der ich den Laut eines Engels zu vernehmen glaubte, rief mich nun bei Namen und mein Schreck verwandelte sich mit einemmale in die lebhafteste Freude, denn wer, meint Ihr, sah aus der Lucke mitleidig und freundlich auf mich herab, wie ein Sternlein vom Himmel? Wiederum niemand anders, als eben das Affengesichtchen da!« »Das ist zu arg!« rief jetzt =Beckje= ernstlich böse werdend, sprang auf und lief nach der Thüre hin. Aber mit drei mächtigen Schritten hatte sie =Jansen= wieder eingeholt, drückte ihr einen derben Kuß auf die vollen Purpurlippen und führte sie zu ihrem Sitze zurück, indem er schmeichelnd sprach: »Habe ich dich denn nicht einen Engel genannt und ist denn ein Engel, ernst und wohl gemeint, nicht weit mehr, als ein Affengesichtchen, das ich dir im Scherz auf deinen lieben Hals lüge? Ich will dich aber gern auch die Wahrheit hören lassen und da bist du, so gewiß ein Orlogschiff keine Calebasse ist! mein Schutzengel, meine Retterin aus Schimpf und Schande und Todesgefahr gewesen.« Befriedigt nahm die Capitänsfrau ihren Platz am Tische wieder ein und =Jansen= fuhr, während der Cojenbub Orangen und andere Früchte aufstellte, folgender Gestalt in seiner Erzählung fort: »Das liebe Gesichtchen da -- ich will sie durch keinen Beisatz weder ärgern, noch stolz machen -- trug nicht die Wimpel der Ruhe und Freude so in seinen Zügen, wie jetzt. Es schien ein ganz anderes =Beckje=, von Furcht, Angst und Kummer bewegt und entstellt. »Ach, Ihr armer Mann,« flüsterte sie herab, doch deutlich genug, daß ich es vernehmen konnte, »warum habt Ihr nicht meiner Warnung geachtet und seyd nicht bei dem ersten Schritte in dieses Haus des Verbrechens wieder umgewendet und geflohen, so schnell Euch Euere Füße tragen mochten? Aber das ist nun zu spät, der Jammer ist unnütz und wir müssen darauf sinnen, ob Hülfe möglich und wie sie zu bewerkstelligen ist? Ich bin aus meinem Kämmerlein über das Dach herübergeklettert, denn ich ahnete wohl, daß sie Euch in diese Mordkammer geschleppt hätten, wo schon manches Herzblut geflossen seyn mag, denn ich sah den abscheulichen =Claas= herabsteigen. O, wie haben sie Euch gebunden und geknebelt, die Schändlichen! Jetzt sehe ich's erst, da mein Auge sich an die Dämmerung gewöhnt hat. Doch wartet einen Augenblick. Ich komme gleich wieder und, ist meine Hand nicht ganz ungeschickt, so sollen Euere Bande bald gelös't seyn.« Sie verschwand und es war mir, als erlösche das Sanct Elmo's-Feuer auf der Mastspitze meiner Lebensfregatte. Ich sah wieder in den blauen Himmel. Ich grübelte vergebens darüber nach, wie sie es anfangen wolle, aus dieser Höhe und Entfernung meinen Mund von dem Knebel, die Brust von dem pressenden Riemen, Hände und Füße, von den Stricken zu befreien. Nach einigen Minuten, die mich eine Ewigkeit dünkten, zeigte sich wieder das liebe Gesicht in der Lucke. Ich athmete neu, ein Vorgefühl der Freiheit durchströmte mich schon erquickend. Das herrliche Mädchen streckte einen Arm durch die Oeffnung. Sie hielt in der Hand ein weißes Papier, das mir in jenem Augenblicke wie eine Freuden- und Friedensflagge vorkam. »Gebt Acht!« sagte sie. »In dieses Papier habe ich ein Messer gewickelt. Wenn es mir nur gelingt, es so auf Euer Lager zu werfen, daß Ihr es mit den Fingern greifen könnt, so ist Euch vor der Hand geholfen und wir wollen dann das Weitere bereden.« Sie hob den Arm zum Wurfe. Ich betete so inbrünstig, als wäre ich auf einem Schiffe, das eben der Sturm in den Abgrund schleudern wolle. Das Messer entfuhr ihrer Hand und Derjenige, der im Sturm und Wetter die Schiffe über der Tiefe erhält und die Wogen wieder ebnet, lenkte den Wurf: es fiel in die Bettstelle, dicht neben meinem Leibe nieder.« =Jansen= schwieg einige Augenblicke. Man sah, daß diese Erinnerung ihn mit einem feierlichen Ernste erfüllte. Die Thränen standen ihm in den Augen. Niemand störte die Stille. =Clelia= war blaß geworden und ihr ganzes Wesen zeigte, wie sehr sie im Innern bewegt sey. Nach einer Pause reichte der Capitän seiner Frau treuherzig die Rechte über den Tisch hinüber, die sie, ihn offen und freudig anblickend, nahm. Dann sprach er weiter: »Lag auch das Messer, das mich von der Klippe, auf der ich fest saß, los machen konnte, an meiner Seite, so kostete es doch unsägliche Mühe, unsägliche Anstrengungen des hart zusammengeschnürten und gebundenen Körpers, ehe es mir gelang, erst mit der Spitze eines Fingers es näher zu bringen, dann es mit mehreren zu fassen und endlich mit der ganzen Hand zu ergreifen. Jetzt fühlte ich erst, daß die Hände von dem starken Zusammenschnüren, dicht über den Gelenken, wie taub und empfindungslos geworden waren. Nach und nach wurden sie durch die fortgesetzten Bewegungen der Finger, die erst matt, dann immer kräftiger an der Trennung des nächsten Strickes arbeiteten, wieder belebt. Ich kann Euch sagen, es war die härteste Arbeit meines Lebens. Ich habe in den wildesten Stürmen der indischen Meere das oberste Segel gehißt und wieder gelöst, in der größten Noth Raan und Maste gekappt, und wer die Sache kennt, weiß, daß sie kein Kinderspiel ist, daß in solchen Augenblicken das Leben nicht einen Deut gilt und der Tod schon den Anker nach der armen Seele auswirft! Aber ich habe in diesen Stürmen nicht die quälende Angst empfunden, wie unter dem Sägen an dem Stricke. Wenn die Worte, welche das Mädchen von oben herab zu mir sprach, mich nicht ermuntert und gestärkt hätten, ich hätte vielleicht der Abspannung, die sich meiner zu bemächtigen drohete, erlegen und -- die Bluthunde hätten zu ihrer eigenen Sicherheit ihr mörderisches Werk zu Ende bringen müssen. Aber endlich, endlich -- es war, als bräche die Sonne im Sturme hervor -- endlich sprang das hartgespannte Band mit einem Geräusch, das selbst das Mädchen vernahm, und ein: »=Gottlob!=« in das ich von Herzen einstimmte, bebte über ihre Lippen. Nun ich einmal die eine Hand los hatte, war das Befreiungswerk bald vollendet. Stricke, Riemen und der schändliche Knebel lagen neben mir am Boden. Ich sprang auf, ich dehnte die entfesselten Glieder, ein lautes langes: »=Ach!=« in dem sich die gepreßte Brust Luft machte, war der erste Ton, der aus meinem Munde drang. Ich empfand Schmerzen und Abspannung in allen Theilen meines Körpers. Die gepeinigte Lage, in der ich mehrere Stunden lang verweilen müssen, hatte vielleicht ebenso viel Theil daran, als das betäubende Getränk, das mich meiner Besinnung beraubt und fühllos hingestreckt hatte, wie einen Klotz. Ich schritt, so rasch ich konnte, einigemale in dem kleinen Gemache auf und nieder, um mich in dem Gebrauche meiner Glieder zu üben. Dann blieb ich stehen, sah zu dem Mädchen hinauf und sagte: »Ich weiß Euch nicht groß mit Worten zu danken, aber man soll mich wie einen schäbigen Hund an der Raa-Noke aufhängen, wenn's mir nicht jetzt in der Seele ist, wie an dem Tage, wo ich meinem Vater selig die Augen zudrückte und sie ihn dann hinabließen in das weite Grab des Meeres, aber diesesmal nicht vor innerem Jammer, sondern vor Dankbarkeit! Jungfer, ich will nicht viel sprechen, aber bin ich glücklich heraus aus diesem Teufelsloche, so müßt Ihr meine Frau werden oder ich thue mir ein Leid an.« -- So unbehaglich der Sitz des Mädchens auf dem schrägablaufenden Dache seyn, so sehr ihr meine noch immer nicht überstandene Gefahr am Herzen liegen mochte, so mußte sie doch laut auflachen bei dieser seltsamen Werbung. »Ach, denkt an andere Dinge!« sagte sie dann wiederum in einem ängstlichen Tone! »Es liegt noch Viel zwischen diesem Augenblicke und dem, wo Ihr wieder frei in Gottes freier Luft wandelt und Euere Schritte hinlenken könnt, wohin Ihr wollt. Auf Nahrungsmittel und eine Stärkung, die Ihr ohne Besorgniß genießen könnt, habe ich mich vorgesehen. Es ist freilich nichts Besonderes, aber ich bringe, was ich heimlich bei Seite schaffen konnte.« Ein Paket fiel von oben herab; ich fing es mit meinen Händen auf. Meinen Dank glaubte ich der Geberin nicht besser beweisen zu können, als durch die schleunigste Untersuchung und Verwendung seines Inhalts. Die guten Nahrungsmittel und vor Allem ein reiner unverfälschter Genever, gaben mir meine Kräfte zurück. Während ich noch mit Essen und Trinken beschäftigt war, rief ich wiederum frohen Muthes zu dem Mädchen hinauf: »Jetzt laß sie kommen! Sie sollen fühlen, daß der Hochbootsmann der =Medusa= wieder von Stapel gelassen ist und mit gutem Winde fährt. Ihrer sechs fürchte ich nicht.« -- »Vertraut nicht zu Viel auf Euere Kraft!« wandte das Mädchen im Tone der Besorgniß ein. »Gelänge es Euch auch die Treppe hinab, über den Hof und in den Vorplatz des Hauses zu kommen, so würdet Ihr doch da immer eine Menge entschlossener und bewaffneter Bösewichter finden, deren vereinten Anstrengungen Ihr unterliegen müßtet. Nennt mir lieber irgend einen Bekannten, den Ihr in der Stadt habt und der leicht und gleich zu finden ist, denn jeder Augenblick Verzugs kann Euch Gefahr bringen. Ich will Alles thun, Euch zu retten. Ich will -- doch Ihr werdet schon sehen, was zu Euerer Befreiung geschieht, wenn mir nur irgend Jemand beisteht, der hier bekannt ist in der Stadt, denn ich selbst bin gänzlich fremd. Aber zögert nicht: nennt mir Euern Freund!« -- Ich mußte mir gestehen, daß das Mädchen Recht hatte. Ich besann mich hin und her. Meine Verwandten konnten mir zu nichts dienen, denn ich wußte ja kaum mehr von ihnen, als ihre Namen: nicht einmal ihre Wohnung. Da fiel mir der Jude =Abraham Eleazar=, auf der Jüdenkracht zunächst der Synagoge, ein. Ihn nannte ich dem Mädchen, sagte ihr zugleich, welchen Dienst ich ihm am gestrigen Abende geleistet hätte und daß er die einzige Person in der großen Stadt =Amsterdam= sey, von der ich, wenn auch nur mit weniger Wahrscheinlichkeit, einen Beistand in diesem Nothfalle erwarten könne. »Er ist ein Jude,« versetzte das Mädchen, »aber er ist auch ein Mensch. Kann ich nur glücklich aus dem Sünderhause entwischen, so bin ich in einer Viertelstunde bei ihm und ich lasse ihm keine Ruhe, bis er mitkommt zur Hülfe. Lebt wohl bis dahin, aber unternehmt nichts, als im dringendsten Falle zu Euerer Vertheidigung!« Ich hörte sie am Dache hinabklettern. Ich lauschte auf das Geräusch, so lange es zu vernehmen war und als es nun gänzlich verhallte, kam ich mir vor, wie ein Ausgesetzter auf einer wüsten Insel. Ich fühlte mich in einer großen Aufregung, aber ich erkannte auch, daß ich aller meiner Kräfte wieder mächtig sey und nahm mir vor, sie, wenn es Noth thue, mit Aufsetzung aller Segel zu gebrauchen. Meine Blicke fielen auf das Messer, das noch auf dem Bette lag. Ich nahm es in die Hand: es hatte eine gute scharfe Klinge. »Messer gegen Messer,« dachte ich, »wenn es so kommt!« und steckte es in den Gürtel, zu dem ich einen der Stricke machte, indem ich mir ihn um den Leib knüpfte. Die Schändlichkeit des rothköpfigen Wirthes und des heuchlerischen =Claas= ging mir in einemfort im Kopfe herum und erfüllte mich mit Ingrimm. Ich war auf ihren Eintritt gefaßt, ich wollte über sie herfallen, wie der Sturm nach der Windstille, sie unschädlich machen und mein Heil weiter suchen, wenn nicht schon früher meine Befreiung durch das Mädchen erfolgen würde. Wie das Alles geschehen sollte, mußte ich dem Augenblicke überlassen. Ich schritt in unruhiger Erwartung das kleine Gemach auf und nieder. Ich untersuchte auch die Thüre und die Seitenwände; jene bestand aus starkem, unerschütterlichem Eichenholze, diese waren gemauert und hielten das Dach in einer Höhe, die ich nicht erreichen konnte. Die Bettstelle brach unter meinem Versuche, sie von der Stelle zu rücken, zusammen. Sie war in dem Boden befestigt gewesen und mit ihr wurde meine Hoffnung, sie als Werkzeug zu einer möglichen Flucht durch eine Oeffnung in dem Dache, die ich freilich erst hätte brechen müssen, zu gebrauchen, vernichtet. Ich blieb also der Erwartung auf meine Freunde oder meine Feinde überlassen. Die Spannung, in der ich wiederum einige Stunden hinbrachte, kann ich Euch nicht beschreiben. Der Abend kam; von dem Mädchen hörte und sah ich nichts. Kein Signal, kein Geräusch, das Hülfe verkündigte! Jeden Augenblick konnte ich jetzt die verdammten Seelenkoper eintreten sehen. Ich befand mich in einer Aufregung meiner Kräfte, wie ich sie noch nie empfunden hatte, und nur meine innere Wuth konnte ihr gleichen. Ich wünschte fast, daß jetzt die Bösewichter erschienen, um mit eigener Hand Rache an ihnen nehmen zu können. Da hörte ich ein Getrappel auf der Treppe, das immer näher kam, da vernahm ich Stimmen -- ich erkannte die Sprechenden: es waren die beiden Menschenhändler, der Rothkopf und sein Geselle =Claas=. Sie lachten und schienen guter Dinge. Ich habe einmal in =Bengalen= ein Tigerthier gesehen, das auf seine Beute lauerte. So muß ich damals in dem Winkel neben der Thüre meines Kerkers gestanden haben, um über den ersten Eintretenden herzustürzen. Dennoch beschloß ich in dieser ungeheuren Empörung meines ganzen Wesens, kein Blut zu vergießen, wenn es möglich wäre. Da rasselten die Schlüssel an der Thüre, da klirrte der Riegel, da nannte =Claas= mit höhnischer Stimme meinen Namen -- aber zugleich hatten ihn auch meine Fäuste an der Kehle ergriffen, ich drang, ihn schwebend haltend, hinaus, er würgte vergebens nach einem Hülferuf, mit einer Kraft, die ich mir selbst nicht zugetraut hätte, schleuderte ich ihn in einen Winkel, daß er besinnungslos da lag, keines Wortes, keiner Bewegung mächtig. Heulend flog der Wirth die Treppe hinab, ich mit Riesenschritten hinter ihm her. So ging es über den Hof, nach dem Vorplatze. »Der Teufel hat ihm geholfen! Herbei, ihr Freunde! Er bringt mich um! Er schlägt mich todt!« rief der Schurke im Fliehen. Auf dem Vorplatze, vor der Thüre des Gastzimmers, in das er eben stürzen wollte, erwischte ich ihn am Genicke. Aber schon hatte sein Geheul seine Helfershelfer herbeigerufen. Wohl an zwanzig Kerle, denen Mord und Todschlag aus den Augen blitzten, drangen aus der Thüre. »Er hat den =Claas= ermordet! Haltet ihn fest, macht ihn kalt!« stöhnte der Rothkopf. Ich warf ihn zu Boden. Wohin ich blickte, glänzten mir Messer entgegen, Mordgebrüll stürmte auf mich ein. Ich drängte mich an die Wand, entschlossen mein Leben theuer zu verkaufen. Noch trennte mich der am Boden liegende, ohnmächtige Wirth von dem Gesindel. Da nahmen ihn einige auf, um ihn bei Seite zu bringen. Ich sah den Augenblick vor mir, in dem nun Alle über mich herstürzen würden. »Blut um Blut!« dachte ich und griff nach dem Messer in meinem Gürtel. Ehe ich es noch zog, ehe ich meinen Gegnern noch zeigen konnte, daß auch ich nicht waffenlos sey, erklang plötzlich ein heftiger Lärm vor der Thüre des Hauses, der den im Innern noch übertönte. »Im Namen der Obrigkeit!« riefen viele Stimmen von Außen. Ein schneidender Pfiff schallte aus der Mitte des mich umgebenden Haufens. Die Kerle stiebten auseinander, wie Staub vom Wirbelwinde getroffen. Viele eilten in das Zimmer zurück; andere flohen über den Hof nach dem Hinterhause. Aber schon war die Thüre des Hauses unter den Schlägen der Häscher zusammengebrochen. Sie drangen ein, sie stürmten in das Zimmer, sie fanden hier die Seelenverkäufer im Streite mit einer Anzahl ihrer Cameraden, die durch die Fenster eingestiegen waren. Ich hatte mich ruhig von einigen der Häscher, die sich gleich Anfangs meiner bemächtigten, ergreifen lassen und wartete den Augenblick ab, wo ich meine Flagge aufziehen und mich zu erkennen geben konnte. Indessen ging es wild im Zimmer und im Hinterhause her, wo sich die verwegenen Schurken gegen die Uebermacht der anstürmenden Häscher zu vertheidigen suchten. Ein großer Haufen Volks hatte sich vor dem Hause versammelt und vermehrte, durch seine gegen die Seelenkoper ausgestoßenen Flüche und Verwünschungen, das Getöse. Den Eingang hielt ein Polizeibeamter besetzt und verwieß mit seinem Stabe diejenigen, die sich zu nahe herbeidrängten, zur Ruhe. Ich war bei meiner früheren Bemühung die Thüre zu erreichen, an eine Stelle gelangt, wo ich, immer von den Häschern bewacht und gehalten, dem Beamten ganz nahe stand. Ein Laut, so lieblich, wie das Wort: »=Land!=« nach einer langen und unglücklichen Seefahrt traf plötzlich durch den gewaltigen Lärm mein Ohr. »Das ist er! das ist er!« rief eine zarte Stimme in meiner Nähe. »Wir sind noch zur rechten Zeit gekommen. Sie haben ihn nicht umgebracht! Er ist gerettet!« Ich blickte auf. Neben dem Polizeibeamten stand in der Thür das Mädchen, dem ich meine Freiheit und mein Leben verdankte. Ihr Angesicht strahlte wie die glänzende See bei heiterem Himmel. Ueber ihre Schulter sah der Jude =Abraham Eleazar= herein. »Der Gott Abrahams und Jacobs sey gepriesen,« sagte er, »der unser Werk gelingen ließ! Eine Hand wäscht die andere im Leben und so mir der Christ nicht hätte geholfen von dem Schmaddern und von der Speise vom unreinen Thier, so hätte ich ihm nicht können wiederhelfen aus der egyptischen Gefangenschaft, von dem Verrathe der bösen Rotte =Korah=.« Ich nickte Beiden zu. Der Polizeibeamte mochte nun einsehen, daß ich nicht zu den Seelenkopern gehörte, er gab seinen Untergebenen Befehl, mich frei zu lassen, und rief mich in seine Nähe. Er wußte meinen Stand und meinen Namen. Er sagte, daß ich es für ein großes Glück halten könne, lebendig dieser Mordhöle entkommen zu seyn, daß sie schon lange Nachricht von ihrem Daseyn gehabt, aber immer vergebens ihr nachgespürt, bis jetzt endlich die Entdeckungen des Mädchens und des Juden sie zur rechten Zeit an den rechten Ort geführt hätten. Ich berichtete ihm in wenigen Worten, woher der Wind in den letzten Stunden geblasen habe und wie es mir gelungen sey, aus meinem Gefängnisse zu brechen. Der Jude und das Mädchen hörten aufmerksam zu. Es war jetzt stiller geworden im Zimmer. Die Seelenkoper hatten der Uebermacht unterlegen, man brachte sie gebunden und geknebelt heraus. Mehrere von ihnen bluteten stark, auch einige der Häscher waren verwundet. Jene wurden sogleich weiter, mitten durch die tobende Volksmenge, die nur mit großer Mühe von Mißhandlungen zurückgehalten werden konnte, ins Gefängniß geschafft. Auch die Schurken, die in den obern Raum des Hinterhauses geflüchtet waren, erschienen jetzt, von den Häschern herbeigeschleppt: unter ihnen, ächzend und stöhnend, der elende =Claas=. Er warf mir einen grimmigen Blick zu, aber auch er wurde mit seinen Genossen ohne Aufenthalt den übrigen nachgetrieben. Ganz zuletzt fand man, unter einem leeren Fasse versteckt, den rothköpfigen Wirth. Er mußte sich während des Getümmels erholt haben und dorthin gekrochen seyn. Er konnte oder wollte nicht gehen. Man warf ihn auf einen Karren, der zufällig in der Nähe hielt. Der Pöbel begleitete ihn spottend und verwünschend nach dem Stadthause. Ich will es nun so kurz wie möglich machen und mit vollen Segeln ans Ziel steuern! =Beckje= rückt schon ungeduldig den Stuhl und möchte gern den Caffee kochen, der ihr fast ebensosehr am Herzen liegt, wie mir der Genever. Genug! Das Sündenhaus wurde von dem Polizeibeamten in allen Räumen und Verdecken durchsucht. -- Er witterte glücklich meine Kleider und Papiere aus. Ich erhielt sie zurück und zugleich die Weisung, daß ich nun hingehen könne, wohin ich wolle. Aber ich blieb dennoch. Das Mädchen, dem ich so Viel schuldig war, sah ängstlich dem Treiben des Beamten zu, der Alles verschloß und versiegelte. Sie befand sich, allem Anscheine nach, in großer Verlegenheit. Als endlich der Beamte auch die Hausthüre sperrte und mit dem obrigkeitlichen Siegel versah, gestand sie, daß sie nun nicht wisse, wohin sie sich wenden solle, daß ihr ganzes elterliches Erbe, dessen sich der Rothkopf, als Stiefbruder ihrer verstorbenen Mutter und ihr Vormund, bemächtigt habe, in dem Hause befindlich sey und sie niemanden kenne, der in der großen Stadt sich ihrer annehmen würde. Der Polizeibeamte hörte das gleichgültig an, meinte, er könne da nicht helfen, aber sie solle am nächsten Tage vor der Obrigkeit erscheinen und dort ihre Ansprüche geltend machen. »Kommt mit mir!« sagte der Jude. »Ich will Euch führen in mein Haus, aber ich kann Euch nicht behalten über Nacht, als das Kind eines Goi. Wir müssen Rath schaffen, wir müssen eine Schlafstelle für Euch suchen bei Euern Leuten.« Da fiel mir zum Glücke ein, den Polizeimann, der eben fortgehen wollte, nach meinen Verwandten zu fragen. Er kannte sie, er wußte ihre Wohnung. Nun war uns geholfen. Ich dankte dem Juden für Alles, was er zu meiner Rettung gethan, ich versprach nochmals ihn zu besuchen, ich sagte ihm unbedachtsam, daß er als ein guter Christ an mir gehandelt habe. »Als ein guter Jüd!« versetzte er eifrig und mit einem saueren Gesichte: »denn auch unser Gesetz sagt: du sollst den Nächsten lieben, als dich selbst.« Er entfernte sich in großer Eile. Während ich nun in der Dämmerung mit dem Mädchen nach der Gegend hinschritt, wo meine Verwandten hausen mußten, nannte sie mir ihren Namen und erzählte mir, daß sie von =Alkmaar= gebürtig sey, vor einigen Wochen ihre Eltern kurz nach einander verloren habe, dann von dem Wirthe des Werbhauses, ihrem einzigen noch lebenden Verwandten, von dessen Geschäft und Handthierung sie nichts geahnt, samt ihrem elterlichen Erbe nach Amsterdam abgeholt worden und hier nun bald mit Entsetzen wahrgenommen habe, daß der Mann, der sich Vaterrechte über sie angemaßt, ein verabscheuungswürdiger Bösewicht, daß Seelenverkäuferei sein Handwerk, daß es seine Absicht sey, sich ihres Vermögens zu bemächtigen. Sie war auf das Strengste gehalten, wie eine Magd zu den geringsten Arbeiten genöthigt, selbst thätlich mißhandelt worden. Was sie sehen und hören mußte in der kurzen Zeit ihres Aufenthaltes in dem Werbhause, hatte sie mit Abscheu erfüllt. Sie wäre so gern entflohen, aber sie wußte nicht wohin. Sie war der Verzweiflung nahe, als ich die Schwelle des Hauses betrat. Ich habe Euch gesagt, was der Antheil, den sie an mir nahm, bewirkte. Sie war als ich ihr den Juden =Eleazar= genannt, sogleich aus dem Hause entwischt und zu jenem geeilt. Es dauerte lange, ehe sie dem Juden die ganze Geschichte begreiflich machen konnte. Endlich wurde sie ihm klar und er nahm nun sogleich Mantel und Schabbesdeckel, um mit =Beckje= zum Polizeimeister zu gehen. »Soll mir Gott, dem Goi muß geholfen werden!« Hatte er gesagt: »Der =Eleazar= leidet keine Schulden und will bezahlen auf den letzten Deut, das Capital samt den Procentje.« Zum Glück war der Polizeimeister der nahe Verwandte eines ostindischen Compagnieherrn. Er gerieth, als er die Sache vernahm, in den größten Zorn und schickte sogleich die Wache ab, die gerade ankam, als ich nicht weit davon war, wider meinen Willen hinauf in die himmlische Ewigkeit gehißt zu werden. Bramsegel und Backbord! ich bin wieder so weitläufig geworden, wie ein altes Weib beim Caffeegeschwätz. Aber nun soll's auch im Sturmwinde ans Ende gehen! Meine Verwandten nahmen uns freundlich auf, nach vier Wochen voll Laufereien und Hin- und Her-Geschreib erhielt =Beckje= ihr Vermögen heraus, ich selbst am Morgen des nämlichen Tages den verlangten, ehrenvollen Abschied und am Nachmittage gab uns der Domine für die Lebensfahrt zusammen. Als wir nach einigen Tagen Amsterdam verließen, um nach Rotterdam zu ziehen, traten uns von der Schanze am Thore, ein Paar Elende an und bettelten um ein Almosen. Sie waren mit Lumpen bedeckt, sie schleppten an Ketten schwere eiserne Kugeln nach und wurden von einem Schergen bewacht. Das wulstige rothe Haar des einen schob sich zur Seite: wir erkannten den Wirth. Der andere sah auf, es war =Claas=. Ich warf ihnen, was ich von Silbergeld in der Tasche trug, hin. Sie rafften es gierig auf, sie wollten danken -- da erkannten sie uns, ein wüstes Geheul, Flüche und Verwünschungen strömten über ihre Lippen. =Beckje= drängte mich nach der Barke hin, die im Canale unserer wartete, während jene sich selbst und ihre Ketten auf die Bastion zurückschleppten.« =Jansen= schwieg. Niemand hatte seiner Erzählung mit größerer Aufmerksamkeit zugehört, als =Clelia=. Das vielbewegte Leben, das sich hier vor ihrer Erkenntniß entrollte, contrastirte zu sehr mit dem, welches sie bisher geführt hatte, um nicht durch seine Neuheit und Frische sie zu reizen und über ihren gewöhnlichen Gesichtskreis zu erheben. Es schien ihr selbst angenehm, dergleichen erfahren zu haben und in einer späteren, ruhigen Zeit, in einem beglückenden Gefühle der Gegenwart, die Erinnerungen daran zu verjüngen. Wie wenig Bemerkenswerthes und Wichtiges hatte doch ihre Vergangenheit aufzuweisen? Die unerwartete Entfernung aus dem Vaterhause, die plötzliche Reise, welche sie schon in ein vertrauliches Verhältniß mit zwei ihr vorher gänzlich unbekannten Personen, =Jansen= und =Beckje=, gesetzt hatte, der Wechsel der Umgebungen, selbst das Geheimniß der vorgeblichen Geschwisterschaft mit =Cornelius=, waren die ersten Dinge, die, wie es ihr jetzt dünkte, ihrem Leben einen Reiz verliehen, dessen es bisher entbehrt hatte. Ihre, unter dem Drucke der Alltäglichkeit schlummernde und unthätig gewordene Phantasie war mit einemmale, durch die Begegnisse eines Tages, durch die Mittheilung der wunderlichen Verheirathungsgeschichte eines Paares, das sie vor Augen hatte, zu der regsamsten Thätigkeit belebt worden. Sie sah ein, daß sie in der Lage, in die sie gerathen, auf ihre eigene Selbstständigkeit rechnen müsse, sie fühlte, daß sie diese aufrecht erhalten könne, wenn sie gegen die Rückkehr ihrer alten Gemüthsträgheit, die man ihr fälschlich für Gedankentiefe angepriesen hatte, auf der Hut sey, wenn sie sich im Voraus auf alle noch so abentheuerliche und gefahrvolle Begebenheiten gefaßt halte. =Clelia= war einer von denjenigen Characteren, die erst sehr großer, ganz aus dem gewöhnlichen Geleise sie führender Erschütterungen bedürfen, um ihre innere Kraft und Wahrheit in das äußere Leben treten zu lassen. Während der Wechsel der Ansichten und Empfindungen, den wir so eben zu schildern versucht haben, mit Blitzesschnelle in ihr vorging, hatte =Jansen= das volle Glas ergriffen, das ihm die wieder freundlich gewordene =Beckje= hingeschoben, und sagte mit einer Rührung, die man dem rauhen und jovialen Seemanne nicht zugetraut hätte: »Ja, ihr Freunde! So ist es gekommen, daß =Beckje= und ich jetzt an einem Steuerruder sitzen. Was ich dachte und sprach, als ich fest geschnürt und geknebelt auf dem Marterlager des Rothkopfs ausgestreckt lag, als mein Schutzgeist, durch die Dachluke zu mir herabsah und mir Hoffnung und Erquickung spendete, als ich ihn wieder erblickte, Freiheit und Erlösung aus der Gewalt der verdammten Piraten bringend, das ist nun Alles wahr geworden und ich habe es in den fünf Jahren, daß wir nun zusammen segeln, keinen Augenblick bereut. Stoßt an! Sie soll leben. Vivat mein Affengesicht!« setzte er, rasch in einen fröhlichen Ton übergehend, hinzu. Die Gläser waren gehoben, die Männer wollten in Genever, die Frauen in feinem Muscatwein Bescheid thun, da erhob sich unerwartet ein wilder Lärm auf dem Verdecke, die Mannschaft lief unruhig hin und her und eine Alles übertönende Stimme rief hastig und rauh: »Ein Segel auf der Lufseite! Nur zwanzig Schiffslängen weit! Es tritt hinter der Insel hervor, es steuert auf uns zu -- Hölle und Teufel! Es ist ein Spagnol! Eine Schebecke von zehn Canonen!« =Jansen= stürzte den Inhalt seines Glases hinab und warf dieses zu Boden, daß es in unzähliche Splitter zertrümmerte. »Der verdammte =Biesbosch=!«[A] sagte er. »Zwischen seinen tausend Inseln und Inselchen verkriegen sich die feigen Don's und warten es ab, bis sie ein Fahrzeug erlauern, das sie unbewaffnet oder dem sie sich überlegen glauben. Aber Bramsegel und Backbord! Capitän =Jansen= wird ihnen das Fahrwasser weisen. Meine Böller sollen ihnen auf keine Frage die Antwort schuldig bleiben!« [A] So heißt eine Art von See zwischen den Grenzen von Holland und Brabant, der sich erst im Jahre 1421 durch Ueberschwemmung gebildet hat. Er stürmte hinaus und hinauf; =Beckje=, im ganzen Gesichte erglühend, ihm nach. =Cornelius= war bei dem ersten Rufe aufgesprungen und hatte, von kriegerischem Ungestüm belebt, nach seinem Degen und seinen Pistolen gegriffen. Jetzt dachte er an =Clelia=, jetzt fiel ihm bei, wie er durch seine Unbesonnenheit die Geliebte in eine Gefahr gebracht habe, in der ihre Freiheit, ihr Leben, ihre ganze Zukunft bedroht erschienen. Ein Kleinmuth, wie er ihn noch nie empfunden, bemächtigte sich seiner. Er wagte nicht, das Mädchen anzusehen. Mit niedergeschlagenen Blicken näherte er sich ihr, die auch ihren Sitz verlassen hatte, und sprach in ängstlich gepreßtem Tone: »Bei allen Waffenthaten =Wilhelms von Oranien= schwöre ich Euch, hochwerthe =Clelia=, daß mich der Gedanke, Euch in diese Lage versetzt zu haben, trostlos macht. Ich bin außer mir, ich kenne mich selbst nicht mehr. Sonst jubelte und jauchzte es in mir, wenn ich hörte, der Feind sey nahe, und noch vor einer Stunde dachte ich es mir als das Herrlichste und Größte, für Euch zu kämpfen, vielleicht Euer Leben zu erhalten durch irgend eine kriegerische That. Aber das ist nun mit einemmale vorbei, da die Wirklichkeit eintritt. Das Gefühl meiner Schuld liegt mir lastend in der Brust und mein ganzer Muth ist niedergedrückt unter seiner Schwere.« »Schämt Euch, Junker =Cornelius=, und ruft nur immer den ersten Gedanken zurück, der Euch und der Liebe, die Ihr mir so oft gelobtet, Ehre bringt!« versetzte das Mädchen in einem so festen und aufmunternden Tone, daß der gewesene Kriegshauptmann ein anderes, fremdes Wesen zu hören glaubte und überrascht aufblickte. =Clelia= stand in ruhiger Haltung vor ihm. Sie war sehr blaß, aber ein Feuer der Begeisterung und der Seelenstärke glänzte aus ihren Augen, das den jungen Mann irre in seiner eigenen Wahrnehmung machte. »Warum sollte mich entsetzen,« fuhr sie fast heiter fort, »was Viele meines Geschlechtes schon vor mir erfahren haben? Kommt, Junker! Zeigt Euch des Ruhmes würdig, den Ihr schon in Kriegswerken erworben habt. Ein muthiger Mann mehr im Streite vermag Viel. Kommt! Auch ich will sehen, wie es oben steht. Ich muß den Feind erkennen, mit dem wir um Freiheit und Leben streiten werden. Habe ich auch nicht den verwegenen Sinn und die männliche Keckheit von =Jansens= Frau, die sie treibt, an dem Kampfe Theil zu nehmen, so will ich doch auch nicht feiern. Schickt mir die Verwundeten herab, an denen es nicht fehlen wird. Ich will sie verbinden und ihrer pflegen, wie ich es vermag.« »=Clelia!=« erwiederte, von Bewunderung erhoben, =Cornelius=. »Ihr habt Euch in kurzer Zeit wunderbar verändert. Ich stehe beschämt vor Euch, wie eine Memme vor einem Helden. Jetzt erst fühle ich die ganze Unwürdigkeit meines Betragens, aber -- beim Schwerdte des großen =Marlborough=! -- ich will Euerer würdig werden, oder untergehen in diesem Kampfe, dessen Schrecknissen Ihr mit dem Muthe eines alten Kriegers entgegen seht.« Das Mädchen drängte ihn fort. Sie waren im Begriff die Cajüte zu verlassen, als heulend und schreiend =Philippintje= hereinstürzte und mit den Gebehrden einer Wahnsinnigen ihre Gebieterin umklammerte. »Wir sind verloren, wir werden erschossen und erstochen, wir werden, wie die Schiffsleute sagen, geentert werden!« jammerte sie. »Du, =Clötje=, und ich, und wenn sie uns geentert haben, die Satanskinder aus Hispania, so machen sie uns katholisch und wir kommen in das Unglück, vor dem wir, wie vor einem Höllenspuk davon gelaufen sind. Was helfen mir alle Dukaten, wenn mich der Spanier hat, mich und meine unsterbliche Seele? O wäre ich wieder daheim bei Herrn =Tobias= und bei dem Schiwa, bei den gefüllten Caffeeschachteln, bei den chinesischen Theebüchsen und den kanarischen Zuckerhüten! Ich wollte ja nimmer wieder, wie ich bisher gethan, manches Pfund der edeln Waare heimlich mitgehen heißen und es dem Domine zutragen. Vergieb mir meine Sünden, Herr, und führe mich glücklich wieder heim zu den Theebüchsen und dem Schiwa!« Sie wußte nicht mehr was sie sprach. Sie sank mit gefalteten Händen auf das Polster der Cajütenbank zurück und betete in unverständlichen Tönen fort. »Alle zu Hauf!« erklang in diesem Augenblicke =Jansens= Stentorstimme auf dem Verdecke. »Zeigt ihnen die Geusenflagge, damit die spanischen Hunde sehen, mit wem sie es zu thun haben!« Dieser Ruf bewog =Clelia=, sogleich die Cajüte zu verlassen und auf das Verdeck zu eilen. =Cornelius= wollte sie unterstützen; sie lehnte es ab und stieg rasch und ohne alle Hülfe, die Treppe hinauf. Während =Cornelius= zu seinem Freunde flog, um diesen zu befragen, wie er ihm auf die beste Weise nützen könne, blieb =Clelia= in der Cajütenthüre stehen und sah mit ruhigem, unerschrockenem Blicke auf die Umgebungen. Sie fühlte sich über sich selbst erhoben, es dünkte ihr, sie sey jetzt edler und besser, als früher. Die Blässe, die auf dem schönen, ruhigen Antlitz lag, gab ihr etwas Ueberirdisches. Alles um sie herum war in der lebendigsten Bewegung. Schießbedarf wurde herbeigetragen, Gewehre wurden ausgetheilt, =Beckje= ging zu jedem Einzelnen der Schiffsbemannung, schenkte ihm ein Glas Genever ein und ermunterte die Leute. Die Gestalt des Mädchens, die sich in der Cajütenthüre so ruhig und furchtlos zeigte, machte einen besondern Eindruck auf die rohen Männer. Sie betrachteten sie mit Bewunderung, sie machten einander auf die liebliche Erscheinung aufmerksam und wenn die kühne Todesverachtung noch durch irgend Etwas hätte erhöht werden können, so wäre es durch den Gedanken gewesen, daß sie, indem sie für Freiheit und Vaterland kämpften, auch zugleich eine so wunderbare weibliche Schönheit zu beschützen hatten. Indessen suchten =Clelia's= Blicke das feindliche Schiff und fanden es. Still und drohend lag es in einer geringen Entfernung. Es schien sehr leicht gebaut, die Segel waren eingerefft, die Stückpforten noch verschlossen. Man mochte auch dort durch die plötzliche Begegnung der bewaffneten Barke überrascht worden seyn und noch in Zweifeln schweben, mit wem man es eigentlich zu thun habe. Ein verwirrtes Gedränge war auf dem Verdecke zu bemerken. Es unterlag keinem Zweifel, daß die Schebecke an Bemannung und Streitkräften der =Syrene= überlegen sey. Auch war sie gewiß ein schnellerer Segler, als diese. Die spanische Flagge wehete lustig am Vordertheile und diese Verwegenheit in einem Binnenwasser der vereinigten Generalstaaten, erfüllte =Jansens= Leute mit Wuth. »Das Geusenzeichen auf! Laßt den Besen sehen, der die Meere fegt von den spanischen Don's!« riefen mehrere ungeduldige Stimmen dem Bootsmanne zu, der fluchend umherrannte und im Eifer keinen Besen finden konnte. »Da habt Ihr die Flagge!« schrie =Beckje's= feine Stimme dazwischen, indem sie aus der Küche einen alten Borstenbesen heraufreichen ließ. »Laßt sie rasch auffliegen! Wir wollen, denk' ich, diesen Schebecken-Caper damit hinwegfegen, daß ihm die Lust vergehen soll, jemals wieder den =Biesbosch= zu befahren.« Die gefürchtete Geusenflagge, wie spottweise von den Holländern selbst der Besen genannt wurde, flog klappernd am Maste empor und schwebte nach wenigen Augenblicken fest an dessen Spitze. In gespannter Erwartung, welchen Eindruck diese Erscheinung auf dem feindlichen Fahrzeuge hervorbringen würde, vergingen mehrere Minuten. Mit gedämpfter Stimme sagte während dieser Zeit =Jansen= zu seinem Freunde: »Es steht uns ein harter Kampf bevor! Die Schebecke ist stärker, wie wir, sie hält mehr aus und ihre Mannschaft zählt wohl das Doppelte der meinigen. Ich mag nicht Reißaus vor ihr nehmen und könnte es nicht, wenn ich auch wollte. Ihre Segel überholen die unserigen, ihr ganzer Bau ist auf Geschwindigkeit eingerichtet. Wenn das Schiff, das wir vor dem Essen, als einen schwarzen Punkt weit hinter uns sahen, noch zeitig herankommt, so haben wir gewonnen Spiel und der Don muß streichen und sich ergeben auf Gnade und Ungnade. Aber der Teufel weiß, wo es steckt! Im Biesbosch kann man keine Viertelstunde weit sehen vor lauter Inseln und Inselchen.« »Besinne dich, =Jansen=!« versetzte in großer Aufregung =Cornelius=. »Giebt es nicht irgend eine Kriegslist, ein kühnes Wagstück, wodurch wir die Uebermacht des Feindes zu Schanden machen könnten? Uebertrag es mir! Bei der Asche Oraniens! Es soll dich nicht gereuen.« »Wenn es Abend wäre,« erwiederte nachdenklich der Capitän der =Syrene=, »dann wäre etwas zu thun, dann wollten wir den Don anbrennen und braten in seinem eigenen Fette. Ich habe griechisches Feuer, Petarden und Brandkränze, die kein Wasser löscht -- aber es ist nichts! Am hellen Tage können sie uns nichts helfen.« Jetzt blitzte es auf aus einer der Stückpforten der =Schebecke=. Eine Kanonenkugel tanzte über die Wellen hin und flog dicht am Vordertheile der Barke vorbei. Der dumpfe Schall des Geschoßes donnerte durch die Lüfte. »Der Don ist aus seiner Trägheit erwacht;« rief =Jansen=: »gebt Acht, er wird uns gleich noch mehr zu hören geben.« Und so geschah es auch. Mitten aus dem Getümmel, das auf dem feindlichen Schiffe herrschte, während nun die übrigen Stückpforten sich aufthaten und blitzende Gewehre sich am Bord zeigten, schallten in gebrochenem Holländisch, durch das Sprachrohr, die Worte herüber: »Ergebt Euch, Ihr Lumpen! Streicht Eueren Besen, daß wir ihn zu Ruthen für Euch gebrauchen oder wir bohren Euch in den Grund, wo Ihr die Fische aus ihren Schlupfwinkeln fegen könnt!« »Soll ich antworten?« fragte der Bootsmann, ein kleiner untersetzter Bursche, mit einer ungeheuren Schmarre im Gesichte, die von der Stirn dicht neben dem schielenden linken Auge hinweg bis zum Kinne lief, seinen Capitän. =Jansen= machte nur eine bejahende Bewegung mit der Hand und sogleich lag der Bootsmann mit halbem Leibe auf dem größten der Böller, richtete ihn und stand dann rasch auf, um die brennende Lunte zur Hand zu nehmen. »Das soll ihm wohl bekommen!« sagte er grimmig in sich hineinlachend. »Wie die Frage, so die Antwort.« Er hieb auf, der Böller entladet sich mit einem Getöse, das dem einer Canone gleich kam. Noch verbarg der aufsteigende Dampf die Wirkung des Schußes, als er sich aber zerstreut hatte, sah man, daß der wackere Schütz die Seitenwand des feindlichen Schiffes, gerade auf der Spitze ihrer Wölbung getroffen hatte. Loßgerißene Planken trieben in den Wellen, ein verwirrter Menschentumult an einem Punkte, auf dem Verdeck der Schebecke, ließ vermuthen, daß die Kugel weiter gedrungen sey und auch unter der Mannschaft Tod und Verwüstung verbreitet habe. »Backbord und Fockmast!« jubelte =Jansen=. »Noch vier solcher Pillen dem Don in das Unterdeck geworfen und er muß daran glauben. Aber er kommt näher, er will sich die heißen Brocken mit den Fingern aus der Suppe holen, die wir ihm kochen.« Wirklich hatte der Spanier seine Stellung verlassen und rückte über Schußweite vor. Dann erfolgte eine volle Lage seines Geschützes, dicker Rauch umgab beide Fahrzeuge und als dieser von einem Lüftchen, das sich eben erhob, langsam zur Seite getrieben war, sah man die Schebecke im Begriffe sich zu wenden, um auch aus den Stücken des anderen Bordes Verderben auf ihren Gegner zu schleudern. »Er meint es gut mit uns!« rief der Capitän der =Syrene=. »Aber wendet auch! Zeigt ihm die Spitze, daß seine Kugeln in die leere Luft fahren!« Während dieses Mannoeuver rasch und pünktlich vollzogen wurde, warf =Jansen= einen forschenden Blick auf sein Schiff. Zu seiner Beruhigung fand er, daß die erste Begrüßung des Feindes diesem durchaus keinen Schaden zugefügt hatte. Es schien ihm gleich Anfangs, als gingen die Schüße der Schebecke zu hoch und er wußte aus Erfahrung, daß die Spanier in der Regel schlecht trafen, weil sie zu bequem waren, genau zu zielen. Indessen hatte sich ein dunkles Gewölk über den zwei streitenden Schiffen zusammengezogen. Dem Lüftchen, das eben noch leicht geweht, folgten einige heftige Windstöße, in gleicher Richtung wurden die Fahrzeuge von den höher schwellenden Wogen aus der Nähe der Inseln auf die freie Wasserfläche getrieben. =Cornelius= flog auf dem Verdecke hin und her, vertheilte Geld unter die Leute und befeuerte ihre Kampflust. Da fiel sein Auge auf die Thüre, die zu der Cajüte führte. Noch immer stand hier in ruhiger Haltung =Clelia= und hatte die Blicke auf die Bewegung des feindlichen Schiffes gerichtet. »Ich beschwöre Euch, geht hinab!« sagte er drängend zu der Geliebten. »Euere Gegenwart lähmt meinen Muth, Euer Anblick macht mich erbeben; dagegen wird der bloße Gedanke, Euch in der Nähe zu wissen, für Euch zu kämpfen, mich begeistern und unüberwindlich machen. Noch einmal, geht hinab! Ihr seyd ein lockendes Ziel für das Geschoß des Feindes, Ihr könnt ja doch hier nicht nützen, Ihr könnt nur hindern.« »Gut!« erwiederte =Clelia=, dieses einsehend. »Ich gehe hinab, aber nur in der Erwartung, daß mir die Verwundeten zur Pflege nachgesendet werden.« »Die ganze Affaire hat wahrscheinlich nicht viel zu bedeuten;« sprach =Cornelius=, mehr um jede etwa erwachende Besorgniß der Geliebten zu zerstreuen, als weil er selbst daran geglaubt hätte. »Das befreundete Fahrzeug, das wir in der Ferne uns folgen sahen, kann mit jedem Augenblicke eintreffen und dann wird der Spanier alle Segel aufsetzen und so rasch, als möglich das Weite suchen.« »Das ist zweifelhaft;« antwortete sehr ruhig =Clelia=. »Wir haben nur auf den Augenblick zu denken und müssen der Gegenwart dienen, jeder nach seinen Kräften.« Mit diesen Worten wandte sie sich von dem Junker und stieg langsam die enge Treppe hinab. »Herrliches Mädchen!« sagte dieser für sich, indem er ihr entzückt nachsah. »Wie sehr habe ich dich verkannt! Wie sehr habe ich gegen dich gesündigt! Mußte denn erst mein Vergehen die tief liegende Stärke deines Characters, deine Geisteskraft, vor der ich mich gern beuge, hervorrufen?« Diese Betrachtungen wurden durch die Kanonenschüße der Schebecke, die jetzt schnell aufeinanderfolgten, unterbrochen. Sie war durch ihre wohlausgeführte Wendung der =Syrene= näher gekommen. Als aber die Spanier bemerkten, daß diese ihnen jetzt nur den Vorsteven zur Zielscheibe ihrer Geschoße darbot, gaben sie ihr nicht die beabsichtigte ganze Lage, sondern bestrichen sie mit einzelnen Schüßen, die aber, wenn sie trafen, unschädlich an den starken eichenholzenen Seitenwänden hinschwirrten. »Auf die Leeseite!« erklang jetzt des holländischen Capitäns Commandoruf. »Wir wollen ihnen eine Anzahl eiserner Erbsen zuschicken, die ihnen den Appetit verderben soll. =Herrmanneke=,« schrie er nach dem Bootsmann hin, »richte schnell die Stücke. Dein Auge ist fest und wohin es sieht, ist's schon so gut, als wenn getroffen wäre!« Während das finstere Gewölk, das sich vor einigen Minuten erst über den Häuptern der Streitenden gezeigt hatte, nach und nach den ganzen Horizont einnahm und die Tageshelle in beginnende Dämmerung verwandelte, wurde den Befehlen =Jansens= eilige Folge geleistet. =Beckje=, die zwar diesesmal keinen thätlichen Antheil am Kampfe nahm, trug doch durch ihre Scherze, durch ihre immerwährend heitere Miene und durch Erquickungen, welche sie vertheilte, Viel zur Erhaltung und Belebung der allgemeinen Kampflust bei. Sie begann jetzt mit heller, klingender Stimme, die auf dem ganzen Verdeck vernommen wurde, das Lied zu singen: »Die Geusen wollen jagen auf den hispanschen Don, doch wo sie nach ihm fragen, lief er schon längst davon!« =Jansen= und die Schiffsleute wiederholten die zwei letzten Zeilen im Chor. Eben als sie die zweite Strophe begonnen hatte: »Der Spanier kann fischen, doch fangen kann er nichts,« lag die =Syrene= mit der Länge ihres Bordes der =Schebecke= gegenüber, flammende Blitze fuhren aus den donnernden Böllern und über den Dampf hinweg, den die Dicke der Atmosphäre auf die Wellen niederdrückte, sah man Spieren und Segelwerk der =Schebecke= zerrißen in den Lüften flattern. Ein allgemeines Jubelgeschrei erklang auf dem holländischen Fahrzeuge. »Zurück!« donnerte =Jansens= Stimme dazwischen. »Wir sind ihnen zu nahe gekommen. Geben sie uns jetzt eine Lage, so sind wir verloren.« Als wolle die Natur der =Syrene= zu Hülfe kommen, wälzte sich jetzt eine große Welle zwischen sie und den Spanier, und warf sie weit von dem Gegner ab. »Es gibt Sturm!« sagte =Cornelius=, der neben =Jansen= stand, zu diesem. »Der Himmel will nicht haben, daß wir den =Don= nehmen oder =er= uns.« »Nein, nein!« antwortete der Capitän. »Das ist nur vorübergehend. Hier halten sich die Wetter nicht. Sie eilen der offenen See zu.« Während =Jansen= sprach, wendeten sich seine Blicke nicht von dem Gegner ab. Es war ziemlich düster geworden, aber das scharfe Auge eines Seemanns konnte doch erkennen, daß die feindliche Schebecke bedeutend gelitten hatte. Zu seinem Erstaunen vergingen einige Minuten, ohne daß sie aufs Neue anfing zu feuern. Als aber jetzt plötzlich eins, zwei Segel zwischen ihrem Tauwerk sich entrollten, vom Winde gefaßt wurden und das leichte Fahrzeug blitzschnell in gerader Richtung auf die =Syrene= zustürmte, erkannte er mit einemmale ihre drohende Absicht. »Alle zu Hauf'!« gebot seine gewaltige Stimme. »Die Schurken wollen entern. Sie sehen, daß sie an unsern Nüssen sich die Zähne ausbeißen, während wir die ihrigen mit leichter Mühe knacken. Büchsen und Piken herbei! Alles zum Vorsteven! Das Steuer scharf gehalten, daß sie nur an der Spitze fassen können! Backbord und Bramsegel!« sagte er mit gedämpfter Stimme zu =Cornelius=. »Die Geschichte kann arg werden! Ihrer sind mehr, als wir, und Mann gegen Mann sind die Spagnols bissige Hunde.« »Höre =Jansen=!« versetzte, von einem kühnen Gedanken ergriffen, =Cornelius=. »Jetzt lass' mich ein Stückchen nach meiner Art versuchen. Gib mir die =Jölle=, die am Steuerbord anhängt, vier kühne Bursche und dein Brandwerk. Es ist dunkel genug zu einem Handstreiche. Während der Don anlegt und alle seine Leute auf einem Punkte zum Entern herbeidrängen, fahre ich unbemerkt auf seine andere Seite und heize ihm ein, daß er seine Schebecke bald für einen Backofen ansehen soll.« »Respect!« erwiederte =Jansen=, indem er mit großen Augen auf ihn herabblickte. »Du verdientest ein Seemann zu seyn! Wenn dir der Streich gelingt, =Cornelius=, so ziehe ich meine Mütze vor dir und will nie mehr spotten über die Landkrebse.« Er rief, während die angeordnete Haltung der =Syrene= mit der größten Pünktlichkeit bewerkstelligt wurde und sie der herannahenden Schebecke immer das Vordertheil zukehrte, =Herrmanneke=, den verwegenen Bootsmann, herbei und noch drei andere Matrosen, die er als die tollkühnsten der Mannschaft kannte. Piken und scharfgeladene Hakenbüchsen wurden von den übrigen in wilder Eil herbeigeschleppt. Nur wenige Worte flüsterte =Jansen= dem Bootsmanne und seinen Cameraden zu. Dann eilten diese, die gebräunten Gesichter zu einem grimmigen Lächeln verziehend, mit =Cornelius= an der Spitze nach dem Steuerborde. Niemand, als der Mann am Ruder bemerkte, wie sie leise an den Borden des Schiffes in die =Jölle= hinabglitten, wie der letzte von ihnen einen großen Kasten, mit einem Deckel von Eisenblech verwahrt, hinabschaffte und dann mit einer raschen Bewegung nachfolgte. Die =Jölle= stieß ab und näherte sich, indem die flachgehaltenen Ruder kaum hörbar über die Wellen hinschlugen, und ihr eigenes Schiff sie den Augen der Feinde verbarg, der Schebecke, die nun in wenigen Augenblicken die Enterhaken nach der =Syrene= auswerfen konnte. Das schwarze Gewölk am Himmel senkte sich drohender herab, es ward in diesem Augenblicke düsterer, als bisher, die gespannteste Erwartung verkündete sich in der allgemeinen Stille auf beiden Schiffen. =Jansens= scharfes Auge bewachte jede Bewegung der Gegner. Er sah, wie ihre Absicht einzig und allein darauf gerichtet war, an Bord seines Fahrzeuges zu gelangen, um hier durch ihre Uebergewalt den Sieg zu erringen. Er erkannte, daß der entscheidende Augenblick gekommen sey. »Feuer!« gebot seine Donnerstimme und die wohlbedienten Hakenbüchsen trafen in dieser Nähe so sicher, daß in der vordern Reihe der Spanier mehrere todt oder verwundet niederstürzten. Aber dieses Mißgeschick vermehrte nur die Wuth der andern. Mit fürchterlichem Gebrüll warfen sie die Enterhaken in den Vordertheil der =Syrene=; die Schiffe hingen aneinander, ein Haufe grimmiger Gestalten drang mit gehobenen Aexten und Säbeln von der Schebecke an Bord des holländischen Fahrzeugs. Der kräftige =Jansen= und seine kühnen Leute setzten ihnen den entschlossensten Widerstand entgegen. »Hinab mit den Schurken! In die Wellen mit den Don's!« schrie er und sein Arm schleuderte jeden, der sich ihm näherte, unwiderstehlich in die Flut. Aber immer stürmten neue Haufen heran und er sah nun ein, daß er die Anzahl der Gegner zu gering geschätzt hatte. Schon mußten die Holländer vor der drängenden Menge weichen, schon waren einige von ihnen gefallen und =Jansen= erkannte, daß er mit seinen Leuten unmöglich das Schiff halten könne -- da stieg plötzlich ein weißlicher Dampf von dem Mittelborde der Schebecke auf und wurde im Fluge weniger Secunden zum dicken schwarzen Rauche, dem sogleich die ausbrechende Flamme folgte. Die Anzahl der angreifenden Feinde verminderte sich. Viele von ihnen eilten hin, um das Feuer zu dämpfen. =Jansen= und die seinigen drangen wieder vor. »Sieg! Sieg! Oranien hoch! Die Geusen hoch!« jubelte =Beckje=, von der Höhe des Cajüten-Verdecks, die sie, um das Ganze überblicken zu können, eingenommen hatte. Die Mannschaft der =Syrene= stimmte ein. Vor ihrem neubelebten Muthe flohen die Gegner auf ihr brennendes Schiff zurück. =Jansen= packte mit Riesenkraft den letzten Spanier, der fliehend die =Syrene= verlassen wollte, und schleuderte ihn hinter sich auf das Verdeck. »=Den= behalten wir zum Andenken an diesen Tag!« rief er. »Jetzt die Enterhaken weg, die Schiffe von einander! Der Spagnol mag allein zur Hölle fahren!« Im Fluge des Augenblicks wurden seine Befehle ausgeführt. Alles griff zu den Rudern. Mit einer Schnelligkeit, als hätte sie Flügel, entfernte sich die =Syrene= aus der gefahrdrohenden Nähe der aufflammenden Schebecke. Aller Blicke hingen an dem Schiffe, dessen entsetzliche Lage das Angstgeschrei der Mannschaft verkündigte. In diesem Momente brachen sich die Wolken, die Sonne strahlte vom Himmel herab. =Jansen= sah, wie die Schaluppe der Schebecke ausgesetzt wurde, um wahrscheinlich die Bemannung aufzunehmen. Das Feuer griff weiter um sich, es wüthete schon in dem Tauwerk und den Masten. »Möchten sie sich retten!« wünschte =Jansen=, dessen Mitleidsgefühl größer war, als der Haß, den er auf die Spanier geworfen hatte. Aber er mußte sehen, wie die Schaluppe, als sie die Oberfläche des Wassers berührte, umschlug und von den Wellen fortgerissen wurde. Ein herzzerreißender Schrei der Verzweiflung klang von dem spanischen Schiffe herüber. Zu gleicher Zeit wurde aber =Jansens= Aufmerksamkeit von einem andern Gegenstande gefesselt. Hinter der nächsten Insel bewegte sich mit schwellenden Segeln und die Flagge der vereinigten General-Staaten entfaltend, ein stattlicher Kutter hervor. »Zu spät!« sagte =Jansen= unwillig für sich. »Eine Viertelstunde früher und Alles wäre anders gekommen!« Eine zarte Hand faßte die seinige. Er wandte sich um. Zwischen zwei schwer verwundeten, am Boden liegenden Matrosen, stand =Clelia=. Ihre Gesichtszüge waren verstört, ihre Blicke irrten unruhig umher, ihre Hand bebte. Sie holte schwer Odem, sie schien mit Gewalt die Kraft der Rede aufbieten zu müssen. »Wo ist =Cornelius=?« stöhnte sie aus tiefer Brust. »Ich suche ihn allenthalben; ich finde ihn nirgends!« »Sturm und Windstille!« rief außer sich =Jansen=, der in dem Drange der Ereignisse seines Freundes vergessen hatte. »Ihm verdanken wir unsere Rettung. Er hat die Schebecke angezündet. Er war darauf oder -- er ist noch dort!« Seine Blicke flogen wild über die Wasserfläche. Nirgends war die Jölle zu sehen. Einen Augenblick lang trieb der Wind die Rauchwolke zur Seite, welche die Schebecke umgab. Die Aussicht hinter ihr wurde frei, auch dort keine Spur des Nachens, der das Verderben zu dem feindlichen Fahrzeuge getragen hatte! Todtenbleich stand =Clelia=, mit schlaff herabhängenden Armen, die großen trockenen Augen starr auf das brennende Schiff geheftet. Ihre Hände und Arme zitterten, sonst schien die ganze Gestalt starr, regungslos erhalten durch die allgewaltige Spannung, die sich ihres Innern bemächtigt hatte. »Wir müssen es wagen, wir müssen ihn retten!« schrie =Jansen= mit einer Stimme, die Alle ergriff. »Die Ruder bewegt! Noch einmal an die Schebecke!« Da flammte von der Oberfläche des Wassers ein ungeheurer Blitz empor zum heiter gewordenen Himmel. Eine schwarze, breite Rauchwolke stieg rasch auf von der Stelle, wo man so eben die Schebecke gesehen hatte. Dann folgte ein entsetzliches Krachen, der Himmel verdunkelte sich, die Wellen geriethen in Gährung, Todtenstille herrschte auf der Syrene. Als die finstere Rauchwolke sich vertheilt hatte, waren nur noch einzelne Trümmer des spanischen Schiffes zu erblicken, mit denen die Wellen spielten. Das Jammergeschrei derer, die noch vor einer Stunde lebensfroh und kräftig auf ihr gewaltet, war im Todeskampfe verstummt, des Schiffes stolzer Bau vernichtet. In tiefer Ohnmacht lag =Clelia= neben dem erstarrten =Jansen=. Ruhig und majestätisch zog der Kutter über den bewegten Wellenspiegel heran. In demselben Verlage sind folgende empfehlenswerthe Bücher erschienen: =Döring=, Georg, =Sonnenberg=. Eine Novelle in drei Theilen. 12. Geheftet Rthlr. 4. 20 ggr. oder fl. 8. 24 kr. Wir dürfen dieses neue Produkt des beliebten Verfassers, mit um so größerem Rechte der Theilnahme des Publikums empfehlen, da hier das Interesse der Dichtung selbst und zugleich die Wahl des historischen Hintergrundes, auf welchem jene erscheint, von hoher Bedeutung für den =deutschen= Leser sind. Wenn =Walter Scott= mit vorziehender Liebe die frühere Geschichte seiner Heimath benutzte, um sie mit seinen Dichtungen zu verschmelzen und in diesen zu verlebendigen, so ist dasselbe in Hinsicht auf die Geschichte unseres Vaterlandes gewiß mit nicht weniger Liebe von unserm Verfasser in der gegenwärtigen Novelle geschehen. Uns scheint das Zeitalter, der Kampf und Untergang Adolphs von Nassau mit lebendiger Erkenntniß aufgefaßt und dargestellt, die handelnden Personen scharf und anziehend gezeichnet, die Hauptgeschichte -- der rein romantische Theil des Werkes -- von außerordentlichem, fortwährend spannendem Interesse, und die Darstellung des Ganzen so blühend und ansprechend, wie sie die Lesewelt von dem Verfasser zu erwarten berechtigt ist. Wir erwähnen nur noch, daß dieses -- nach den seit Walter Scott angenommenen Bestimmungen -- die erste historische Novelle seyn dürfte, die, indem die reizendsten Gegenden unseres Vaterlandes ihr zur Scene dienen, einen allgemein wichtigen Zeitabschnitt umfaßt, da =Hauffs Lichtenstein= sein Interesse nur aus der würtembergischen Geschichte schöpft und =Spindlers Jude= überhaupt mehr in den Sittenzustand, als in die Geschichte Deutschlands selbst eingreift. =Döring=, Georg, =Phantasiegemälde= für 1829. 8. Gebunden, mit einem Kupfer von =Fleischmann=. Rthlr. 1. 12 ggr. oder fl. 2. 45 kr. Dieses Werk erfreut sich schon seit einer Reihe von Jahren einer so ausgezeichneten Gunst des Publikums, daß es überflüssig scheinen dürfte, diesen neuesten Jahrgang noch besonders zu empfehlen. Dennoch halten wir es für unsere Pflicht, darauf aufmerksam zu machen, daß die reiche Phantasie des Verfassers sich hier in einer Fülle entfaltet, wie noch in keinem der früheren Jahrgänge, indem sie, bald das Meer, bald England und Frankreich, bald selbst das üppig herrliche Ostindien zum Schauplatze ihrer höchstanziehenden Darstellungen macht. =König=, H., die =Wallfahrt=. Eine Novelle. 12. Geh. Rthlr. 1. 8 ggr. oder fl. 2. 24 kr. Aus der Niederung eines geheimen Vergehens führt uns die anmuthige Erzählung zur Höhe eines Hülfsberges und zum Ueberblick alles Wallfahrenden auf Erden. -- Einheit der Idee in ihrer verschiedenen Lichtbrechung, heitre Darstellung bei tiefer Bedeutsamkeit und die dem Verf. eigne Ironie zeichnen dieses Büchlein aus, das der Leser nicht ohne Erquickung durch guten Humor und erfreuliche Ansichten des Lebens weglegen wird. Der verkappte Jesuit knüpft die Fabel an die jüngste Zeit an. Liste der vorgenommenen Korrekturen Seite 15, "pflegmatischer" durch "phlegmatischer" ersetzt (... so konnte wohl sein von Natur phlegmatischer holländischer Freund in Feuer gerathen ...) Seite 16, "Spekulationen" durch "Speculationen" ersetzt (Er hatte das ansehnliche Vermögen, das er von seinem Vater ererbt, durch kluge, wenn gleich geheimnißvolle Speculationen, so bedeutend vermehrt, ...) Seite 24, "Großvaterseßel" durch "Großvatersessel" ersetzt (... und denke ich einmal zu ruhen im gemächlichen Großvatersessel, so treibt mich's in die Höhe, ...) Seite 30, "sey" durch "seyd" ersetzt (Ihr seyd ein Unverschämter oder ein Wahnsinniger!) Seite 32, "tausen" durch "tausend" ersetzt (Und wenn das ein junger Fant mit tausend Schwüren seiner Liebsten versichert, ...) Seite 33, "lugduner" durch "Lugduner" ersetzt (... als Professor _historiae naturalis_ und Custos _theatri anatomici_ der erlauchten Lugduner Academie ernannt und bestallt worden.) Seite 33, "kannn" durch "kann" ersetzt (Von einem Manne, dem irgend ein anderer nur unter einem wissenschaftlichen Rapporte wichtig seyn kann?) Seite 35, "meinen" durch "meinem" ersetzt (..., um mich nach meinem, will's Gott! noch weit entfernten Hintritte, ...) Seite 36, Doppelpunkt vor der wörtlichen Rede ergänzt (... er lächelte freundlich und sagte im gefälligsten Tone:) Seite 37, "hieb,-" durch "hieb-," ersetzt (... das Lebenselixir, das gegen den Tod stich-, hieb-, schuß- und krankheitsfest macht?) Seite 40, "hoffunngsvoller" durch "hoffnungsvoller" ersetzt (Mein Herz flammte empor in neuer hoffnungsvoller Liebesgluth!) Seite 46, "eiuer" durch "einer" ersetzt (So langten sie erst nach einer halben Stunde vor seiner Wohnung an, ...) Seite 47, "Lichter" durch "Lichtern" ersetzt (..., sie umstellte das Götzenbild, das ihr so grauenhaft noch nie vorgekommen war, mit vielen brennenden Lichtern, ...) Seite 53, "ausser" durch "außer" ersetzt (Der seltsame Kauz war ganz außer sich.) Seite 56, "Fodert" durch "Fordert" ersetzt (Fordert Alles von mir, vieltheuere =Clelia=, nur das nicht!) Seite 61, "unwarteten" durch "unerwarteten" ersetzt (..., welche Kriegslist der theuere =Cornelius= angewandt habe, sich dem unerwarteten Rencontre mit dem Gegner zu entziehn.) Seite 66, "myn Heer" durch "Myn Heer" ersetzt (Wißt Ihr was, Myn Heer =van Daalen=?) Seite 72, "nnd" durch "und" ersetzt ( sagte jetzt mit finsterem Angesichte und in einem sehr gedehnten Tone Herr =van Vlieten=.) Seite 73, "ingrimmeg" durch "ingrimmig" ersetzt (»=Hoontschoten=, Er ist ein Esel!« sagte er ingrimmig.) Seite 74, "weitläuftig" durch "weitläufig" ersetzt (... ein Professor aus Leyden, dem ich Euere und Herrn =van Vlietens= Personen weitläuftig beschreiben mußte, hierher verwieß.) Seite 75, "myn Heer" durch "Myn Heer" ersetzt (Lebt wohl, Myn Heer =van Daalen=!) Seite 76, "verläugnen" durch "verleugnen" ersetzt (...; Ihr könntet um des lumpigen Geldes Willen die edlern Gefühle des Herzens verleugnen?) Seite 83, "Prinzenkollegium" durch "Prinzencollegium" ersetzt (..., heute hatte Herr =van Vlieten=, zum erstenmale seit der Tochter Gedenken, das Prinzencollegium versäumt, ...) Seite 95, "erreten" durch "erretten" ersetzt (..., als daß die Reise zu der Muhme sie von dem schrecklichen, gefürchteten Abfalle von der rechten Lehre erretten, ...) Seite 97, "fester" durch "festen" ersetzt (... aber sie lebte nun in der festen Ueberzeugung, ...) Seite 101, "uud" durch "und" ersetzt (... wie es sich geziemt für einen rechtgläubigen Patron und Handelsmann?) Seite 105, "Ihrem" durch "ihrem" ersetzt (Gott hat Euch wunderbar zu ihrem Schutzengel erwählt.) Seite 106, "Relegion" durch "Religion" ersetzt (Aber wenn auch meine Religion mich forttreibt aus der Heimathsstätte ...) Seite 110, "Kapitäns" durch "Capitäns" ersetzt (In der Frau des Capitäns, meines wackern Freundes =Jansen= von Harlem, werdet Ihr ein gutmüthiges, heiteres Wesen kennen lernen, ...) Seite 114, "Marktbööte" durch "Marktboote" ersetzt (Näher am Haven befanden sich die Marktboote der aus der Ferne zurückkehrenden Schiffe, ...) Seite 119, "Morgenstuuden" durch "Morgenstunden" ersetzt (Wie hat man die Morgenstunden zugebracht?) Seite 121, "Sr. Majestät" ersetzt durch "Se. Majestät" (Se. Majestät, der allerchristlichste König, wird dieses Krämervolk nach seiner Pfeife tanzen lehren, wie es ihm gefällt!) Seite 123, "Eobanaus" durch "Eobanus" ersetzt (»Wie?« rief =Eobanus= in neu erwachender Begeisterung.) Seite 126, "mir" durch "wir" ersetzt (Dann begaben wir uns zu diesem.) Seite 133, "Burgermeister" durch "Bürgermeister" ersetzt (»Wie, hochmögender Herr Bürgermeister,« hob er, von einer Täuschung befangen, an, ...) Seite 135, "noch" durch "nach" ersetzt (Da hätte ich nach eigenem Urtheilsspruche ...) Seite 139, "schmälichen" durch "schmählichen" ersetzt (... und ich müsse nun des Schimpfs halber meine Einwilligung geben zum schmählichen Ehebündniß!) Seite 139, "Handlager" durch "Handlanger" ersetzt (..., den Handlanger des verruchten Sohnes, wird das Gericht ereilen.) Seite 145, "ich," hinter "bitte" eingefügt (Solltet Ihr aber dennoch wider Verhoffen in eine schwere Krankheit verfallen, so bitte ich, mich sogleich davon zu benachrichtigen.) Seite 153, "das" durch "daß" ersetzt (... schon abnehmen muß, daß Alles rein und gut steht auf der =Syrene=, ...) Seite 160, "Backbort" durch "Backbord" ersetzt (Dort blick hin aufs Backbord! Da steht eine in einer Takellage, die für dich paßt.) Seite 167, "gauben" durch "glauben" ersetzt (Ihr müßt nur nicht glauben, daß Ihr mir da etwas Neues sagt) Seite 170, Komma eingefügt (von dem beispiellosen Glücke, das er =Clelien= als zärtlicher Gatte zu bereiten gedenke ...) Seite 173, "ihr" durch "Ihr" ersetzt (Wenn Ihr mich verlaßt, so bin ich ja von Allem verlassen, ...) Seite 175, "=Philippinje's=" durch "=Philippintje's"= ersetzt (... eine Gelegenheit, deren Frauenzimmer in =Philippintje's= Jahren sich so gern bemächtigen, ...) Seite 177, "Angeleheit" durch "Angelegenheit" ersetzt (Von diesem Augenblicke sah die Hausjungfer des jungen Mannes Angelegenheit für ihre eigene an.) Seite 180, "weißt" durch "weist" ersetzt (»Mein Degen soll an den Galgen gehängt werden, wenn er ihnen nicht die Wege weist auf gut oranisch!«) Seite 182, Fehlendes einleitendes Anführungszeichen ergänzt (... erwiederte gedehnt der Junker =van Daalen=, »und es würde =mir= allerdings eine große Freude seyn, ...) Seite 182, "Malborough" durch "Marlborough" ersetzt (»Hölle und =Marlborough!=« fuhr =Cornelius= wild auf ...) Seite 185, "Kämpfen" durch "Kämpfe" ersetzt (Seine ganze Phantasie erfüllte sich jetzt mit Bildern des Kriegs und blutiger Kämpfe.) Seite 189, Komma hinter "Unglück" entfernt (Diese räthselhaften, auf irgend ein dem Junker =van Daalen= bevorstehendes Unglück deutenden Worte verfehlten ihre Wirkung nicht.) Seiten 189 bis 191, die im Originaltext zur Markierung geschachtelter wörtlicher Rede verwendeten »»verdoppelten Anführungszeichen«« wurden durch >halbe Guillemets< ersetzt. Seite 198, "ausserdem" durch "außerdem" ersetzt (..., denn das Gerede, was außerdem entstünde, brächte mich doch ums Leben in den ersten vierundzwanzig Stunden.) Seite 203, "Umfrieden" durch "Unfrieden" sowie "warlich" durch "wahrlich" ersetzt (Wenn nun jetzt die Wellen, die gierig nach uns heraufschnappen, plötzlich das Schiff hinunterschlucken mit Mann und Maus und du im Unfrieden stürbest, mit einem unversöhnlichen Gemüthe gegen den Junker, der es doch wahrlich nicht böse gemeint?) Seite 205, "ausser" durch "außer" ersetzt (=Cornelius= war außer sich vor Freude.) Seite 205, "Einwillung" durch "Einwilligung" ersetzt (... auf welche Weise sie, nachdem sie bei der Muhme glücklich angekommen wären, sich um die Einwilligung des Vaters bemühen müßten, ...) Seite 220, "kielhohlen" durch "kielholen" ersetzt (..., und sie machten auf's Neue Anstalt, den alten Mann zu entern und zu kielholen.) Seite 226, "sey" durch "seyd" ersetzt (»Ihr seyd gut bewandert in den Kriegshändeln,« erwiederte lächelnd der junge =van Daalen=:) Seite 228, "Brandtwein" durch "Brandwein" ersetzt (..., die auf langen Wandbänken an einem schmalen Tische saßen, große Gläser mit Brandwein vor sich stehn hatten ...) Seite 246, "gedehnt.« Nun" geändert in "gedehnt. »Nun" (»Ey, Ihr wollt allein schlafen?« sagte er gedehnt. »Nun dann müßt Ihr auch vorlieb nehmen mit dem, was Ihr bekommt, ...) Seite 252, "gewatlthätigen" ersetzt durch "gewaltthätigen" (... daß Ihr ein rechtes Kunststück begangen habt mit Euerer gewaltthätigen Werbung; ...) Seite 267, "Judenkracht" ersetzt durch "Jüdenkracht" (Da fiel mir der Jude =Abraham Eleazar=, auf der Jüdenkracht zunächst der Synagoge, ein.) Seite 267, "viertel Stunde" durch "Viertelstunde" ersetzt (Kann ich nur glücklich aus dem Sünderhause entwischen, so bin ich in einer Viertelstunde bei ihm und ich lasse ihm keine Ruhe, bis er mitkommt zur Hülfe.) Seite 269, "gleicheu" durch "gleichen" ersetzt (..., und nur meine innere Wuth konnte ihr gleichen.) Seite 274, Semikolon hinter "Worten" durch Komma ersetzt (Ich berichtete ihm in wenigen Worten, woher der Wind in den letzten Stunden geblasen habe ...) Seite 275, "geschaft" durch "geschafft" ersetzt (Jene wurden sogleich weiter, mitten durch die tobende Volksmenge, die nur mit großer Mühe von Mißhandlungen zurückgehalten werden konnte, ins Gefängniß geschafft.) Seite 279, "begreiftich" durch "begreiflich" ersetzt (Es dauerte lange, ehe sie dem Juden die ganze Geschichte begreiflich machen konnte.) Seite 285, "uud" durch "und" ersetzt (... noch vor einer Stunde dachte ich es mir als das Herrlichste und Größte, für Euch zu kämpfen, ...) Seite 295, "mir" durch "wir" ersetzt (Aber er kommt näher, er will sich die heißen Brocken mit den Fingern aus der Suppe holen, die wir ihm kochen.) Seite 301, "wie" durch "wir" ersetzt (»Der Himmel will nicht haben, daß wir den =Don= nehmen oder =er= uns.«) Seite 301, Fehlendes öffnendes Anführungszeichen vor "Das" ergänzt (»Nein, nein!« antwortete der Capitän. »Das ist nur vorübergehend. Hier halten sich die Wetter nicht. Sie eilen der offenen See zu.«) End of the Project Gutenberg EBook of Die Mumie von Rotterdam, by Georg Döring *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE MUMIE VON ROTTERDAM *** ***** This file should be named 46657-8.txt or 46657-8.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/4/6/6/5/46657/ Produced by Martin Oswald and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Print project.) Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution. *** START: FULL LICENSE *** THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase "Project Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg-tm License available with this file or online at www.gutenberg.org/license. Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8. 1.B. "Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be used on or associated in any way with an electronic work by people who agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works even without complying with the full terms of this agreement. See paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic works. See paragraph 1.E below. 1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation" or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project Gutenberg-tm electronic works. Nearly all the individual works in the collection are in the public domain in the United States. If an individual work is in the public domain in the United States and you are located in the United States, we do not claim a right to prevent you from copying, distributing, performing, displaying or creating derivative works based on the work as long as all references to Project Gutenberg are removed. 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The Foundation makes no representations concerning the copyright status of any work in any country outside the United States. 1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg: 1.E.1. The following sentence, with active links to, or other immediate access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, copied or distributed: This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org 1.E.2. 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Additional terms will be linked to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the permission of the copyright holder found at the beginning of this work. 1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm License terms from this work, or any files containing a part of this work or any other work associated with Project Gutenberg-tm. 1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this electronic work, or any part of this electronic work, without prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with active links or immediate access to the full terms of the Project Gutenberg-tm License. 1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary, compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any word processing or hypertext form. 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If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm electronic work or group of works on different terms than are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing from both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark. Contact the Foundation as set forth in Section 3 below. 1.F. 1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread public domain works in creating the Project Gutenberg-tm collection. 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Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director [email protected] Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. 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Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For forty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.