Project Gutenberg's Die Mumie von Rotterdam, Zweiter Theil, by Georg Döring This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. Title: Die Mumie von Rotterdam, Zweiter Theil Author: Georg Döring Release Date: September 6, 2014 [EBook #46778] Language: German *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE MUMIE VON ROTTERDAM *** Produced by Martin Oswald and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Print project.) Anmerkungen zur Transkription: Die Rechtschreibung und Zeichensetzung des Originals wurde weitgehend übernommen. Lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert; Wörter, die in voneinander abweichenden Schreibweisen auftraten, wurden an die in überwiegender Mehrheit oder im ersten Teil verwendete Schreibweise angeglichen. Eine Liste vorgenommener Korrekturen befindet sich am Ende des Textes. Die Originalvorlage ist in Fraktur gedruckt; davon abweichende, in Antiqua gedruckte Textstellen sind in der vorliegenden Textdatei _so_ markiert; gesperrt gedruckter Text ist =so= markiert. =Die Mumie von Rotterdam.= =Novelle= =in zwei Theilen= =von= =Georg Döring.= =Zweiter Theil.= =Frankfurt= am Main. Gedruckt und verlegt von Johann David Sauerländer. 1829. 1. Die zwei hoffnungsvollen Schüler des Leydener Professors =Eobanus Hazenbrook= hatten, als sie ihn am heutigen Morgen verließen, ihre Schritte zum Haven von =Rotterdam= gelenkt. Es dünkte ihnen wahrscheinlich, daß =Clelia van Vlieten= mit ihrem Herzallerliebsten zu Wasser entflohen sey, indem sie hier nicht so leicht eine Entdeckung und Verfolgung zu fürchten hatten, als auf einem Landwege. »_Sandis!_« sagte =Le Vaillant=, als sie an der vorüberströmenden =Maas= standen und zahllose Schiffe ab- und zufahren sahen, »wir sind ein Paar irrende Ritter geworden aus den Zeiten der Tafelrunde und ziehen auf Abentheuer, wie die Helden =Lancelot= und =Parcival=. Aber wo ist unsere =Dame vom See=, wo ist das =heilige Graal=? -- Da fahren Schiffe nach Ost- und Westindien, nach =Constantinopel= und =Copenhagen=, sie alle wissen das Ziel ihrer Reise, den Weg, den sie zu nehmen haben, aber wir stehen schon hier, wie vor einem bezauberten Schlosse, das uns hundert Pforten zeigt, aber keine vor uns aufthut, weil wir den Talisman nicht kennen, der sie eröffnet.« »Es wird sich Alles finden!« erwiederte der ruhige =La Paix=. »Nur nichts übereilt, nur nicht Sturm gelaufen am unrechten Orte. _Festina lente!_ sagen die Alten und der Professor, und ein Sprüchlein, das sich seit tausend Jahren bewährt hat, kann uns wohl auch zum Frommen gereichen. Haben wir doch jetzt Ferienzeit, Geld im Sacke und sind der Aufsicht des lästigen Professors entledigt. Mag er seine egyptische Gelehrsamkeit auskramen, wo er will, uns soll das freie Leben behagen und wenn wir in dieser Zeit den Musen opfern, so müssen es holländische seyn im Spitzenhäubchen und Silbermieder!« »_Cadédis!_« rief sein Freund. »Das heißt weise gesprochen. Wir wollen deine Lebensphilosophie so lange in's Praktische übersetzen, wie es unsere Gelder aushalten. Aber die Hauptsache ist, daß wir erst wissen, wo der Wind die =Amasia= hingeweht hat, die wir aufsuchen sollen. Ist es zu Lande, so führen wir in unsern Börsen Alles, was wir bedürfen; ist es aber zu Wasser, so müssen wir reichlich für die nothwendigsten Lebensmittel sorgen: als da sind geräucherte Würste, Wildpret, Austern, Mandeln, Rosinen und Zucker; dann jene Getränke, deren wir durchaus bedürfen, um Jugend und Leben zu conserviren: den belebenden Genever, den kräftigen Rhum, den beruhigenden Burgunder und das treffliche Bier aus Löwen, dem man mit Recht den königlichen Namen des Pharao gegeben hat.« »Nimm dich in Acht!« ermahnte =La Paix= und zeigte mit der erhobenen Hand nach einem Manne in der Kleidung eines gemeinen Schiffers, der schlafend so hart am Rande des Havenbassins lag, daß er bei der geringsten Bewegung hinabfallen konnte. »Nimm dir ein Beispiel an dem Burschen! Der scheint auch dem hold belebenden Genever so lange zugesprochen zu haben, bis er den Gang am Havenbassin für seine Hangematte angesehen und sich unbekümmert hingelegt hat zum Schlafe, aus dem ihn ein unruhiger Traum in den ewigen befördern kann. Komm her, =Le Vaillant=! Wir wollen ein gutes Werk thun! Nimm du den Schläfer bei den Schultern, ich nehme ihn an den Füßen. Da legen wir ihn zur Seite, mit dem Kopfe auf die Wollsäcke dort, und wir können so uns einbilden, ein Menschenleben gerettet zu haben.« =Le Vaillant= griff sogleich zu. Aber er that dieses so derb, daß der Seemann, während sie ihn nach dem von =La Paix= bezeichneten Platze trugen, halb erwachte und, ihr Benehmen mißverstehend, heftig mit den Fäusten um sich schlug. »Seyd Ihr es, Myn Heer =Cornelius van Daalen=?« rief er, ohne die Augen zu öffnen, mit lallender Zunge und noch von der Macht des betäubenden Wachholderrausches befangen. »Soll ich Euch noch einmal an Bord der =Syrene= führen, wie ich in dieser Nacht gethan, mit der schönen Jungfer, die sich so gar innig an Euch schmiegte! Kommt nur her! Die Brücke liegt. Gleich sind wir drüben, wo Capitän =Jansen= Euch erwartet.« »Bei allen Reichthümern der Gascogne!« rief =Le Vaillant=, indem er den verstummenden Trunkenbold ziemlich unsanft auf die Wollsäcke hinwarf. »Jetzt wirst du dich doch überzeugen, daß der Wachholder gar kein zu verachtendes Getränk ist, denn er lös't die Zungen und öffnet die Herzen. Er ist uns der Compaß geworden, nach dem wir unsere Fahrt regeln können. Aber der Bursch muß noch mehr reden! Ich will ihn mit meiner Degenspitze kitzeln, bis er munter genug geworden ist, um die ganze Entführungsgeschichte ausführlich zu erzählen.« »Bist du rasend?« sagte =La Paix= und hielt den Unbesonnenen zurück, der schon den Degen halb entblößt hatte. »Siehst du dort die stämmigen Bursche herumschlendern, seine Freunde und Cameraden, die jetzt gerade ein müßiges Stündchen hätten, um es bei der geringsten Gewaltthätigkeit gegen ihn, mit einer gymnastischen Uebung auszufüllen, die uns übel bekommen dürfte? Sieh, wie sie schon argwöhnisch ihre Blicke auf uns richten! Wir müssen die Sache anders anfangen. Wir wissen nun schon genug, um in wenigen Augenblicken ganz im Reinen seyn zu können. Laß mich nur machen! Jene selbst sollen uns das Uebrige sagen, aber dazu müssen wir ihr Vertrauen gewinnen.« Er beugte sich nun zu dem Schlafenden herab. Er faßte ihn so sanft und zart an, wie er nur vermochte, legte ihn möglichst bequem auf die Wollsäcke und steckte ihm, so daß es die näher tretenden und neugierig gaffenden Seeleute deutlich bemerken konnten, ein Stück Geld in die halbgeöffnete Hand. »Richtig!« sagte jetzt einer von diesen, der ganz nahe herangekommen war. »Es ist =Peter Trip= von der Barke =Syrene=, Capitän =Jansen=. Er kann das Trinken nicht lassen, bis ihn der Verstand verläßt und, ich wette zehn holländische Dreidecker gegen eine spanische Galliotte, daß er sich an derselben Stelle benebelt hat, wo Ihr ihn fandet. Aber woher mag er das Geld bekommen haben? Niemand borgt ihm mehr und sein Capitän hebt ihm schon seit lang den Sold auf, damit er in seinen alten Tagen etwas hat.« Indem die Schiffleute sich über diesen wichtigen Gegenstand in die scharfsinnigsten Vermuthungen verloren, zeigte sich =La Paix= noch immer thätig, dem Schlafenden eine recht bequeme Lage zu verschaffen. Er zupfte bald an den Wollsäcken, auf welchen er hingestreckt lag, bald suchte er ihn mit den in Unordnung gerathenen Kleidern gegen die kühle Luft zu verwahren, bald rückte er ihm den schweren sinkenden Kopf zurecht. »Bemühet Euch nicht so sehr um ihn!« hob jetzt wieder der Mann an, der vorher gesprochen hatte. »Er schläft jetzt sein Stück weg, bis der Wachholder all verdampft ist, der ihm den Kopf einnimmt. Er fühlt auch nicht, ob er weich oder hart liegt, denn seine Knochen sind die Steine mehr gewohnt, als ein Bett oder die Hangematte. Sein Herr ist heute Morgen in aller Frühe nach =Antwerpen= unter Segel gegangen. Der =Peter= thut nicht mehr gut auf dem Schiffe. Er ist zu steif und zu faul. Deshalb läßt ihn der Capitän immer daheim, damit er im Gewölbe die Kisten und Ballen verwahre, die für die nächste Fahrt eingebracht werden.« »Nach =Antwerpen=? _Morgué!_ dahin müssen wir auch,« fuhr =Le Vaillant= unbesonnen heraus, »und noch in dieser Stunde.« Der französische Schwur, der übereilt seinen Lippen entflohen, machte sogleich die Matrosen stutzig. Sie sahen ihn finster an. Sie flüsterten einander ihre Vermuthungen zu und einige ballten schon drohend die kräftigen Fäuste, um sie im nächsten Augenblicke vielleicht den Feind des Vaterlandes empfinden zu lassen. Da trat der besonnene =La Paix= dem leichtsinnigen Freunde ebenso heftig, wie bedeutsam, auf den Fuß und sagte zu den Umstehenden mit seiner sanften, fast mädchenhaften Stimme: »Wir sind Wallonen, liebe Leute. Wir kommen von =Leyden= und wollen in die Heimath, um unsere Eltern zu besuchen. Aber wir haben Eile. Wir wären heute Morgen schon gern mit der =Syrene= abgefahren, doch sind wir zu spät gekommen und wir sahen die Barke schon in weiter Ferne, als wir am Haven anlangten. Da, Freunde, trinkt einmal auf unsere Gesundheit! Sagt mir aber auch, ob wir nicht gleich Gelegenheit finden können, auf irgend einem schnellen Fahrzeuge der =Syrene= nachzusegeln und sie noch während ihrer Fahrt zu erreichen?« »Nichts leichter, als das!« erwiederte sehr freundlich der Seemann, der sich selbst zum Sprecher aufgeworfen und das Geld genommen hatte. »Seht Ihr dort den Kutter, der eben anfängt sich zu bewegen und hin und her zu schaukeln auf den Wellen? Die Leute drauf sind im Begriff, die Anker zu lichten und in Zeit von fünf Minuten sind alle Segel aufgespannt und er tritt seine Fahrt durch den =Biesbosch= und das =Hollands-Diep= nach =Middelburg= an, um die Binnengewässer von den kreuzenden Dons rein zu fegen und zu kehren. =Der= holt die =Syrene= noch vor Abends ein. Kommt in meinen Nachen! In zwei Minuten bring' ich Euch an Bord. Der Capitän ist ein Seehund, der ein Dutzend Spagnols zum Frühstück aufzehrt. Aber er liebt auch das Geld und wenn Ihr nicht karg seyd, so nimmt er Euch gern mit. Es giebt dann auch wohl Gelegenheit, Euere Bratspieße auf die Dons zu versuchen, denn, wie es heißt, so treiben sie die Frechheit so weit, ihre Flagge im =Biesbosch= und im =Diep= blicken zu lassen.« »Das könnte mir gefallen!« sagte mit einem behaglichen Lächeln =Le Vaillant= zu =La Paix= in lateinischer Sprache, während beide dem Schiffer zu seinem Kahne folgten. »Wenn ich meinen Degen einmal an einem andern wetzen kann, so gilt mir's gleichviel, ob's an einem englischen oder an einem spanischen geschieht. Ich kann so die Hidalgo's nicht leiden wegen ihres Hochmuths und das Bündniß, das sie mit unserm allergnädigsten =Ludwig= geschlossen, ist ganz und gar nicht nach meinem Sinne.« Mit der Schnelligkeit eines Pfeiles durchschnitt das kleine Fahrzeug, in dem sie sich befanden, die Wellen. Es wurde von acht kräftigen und geübten Armen fortbewegt. Sie erreichten den Kutter gerade in dem Augenblicke, als der letzte Anker gehoben werden sollte. Ihrer Aufnahme stellte sich keine Schwierigkeit entgegen und, von günstigen Winden fortgetrieben, hatten sie bald die gute Stadt =Rotterdam= aus den Augen verloren. =La Paix= grollte mit seinem Freunde, der unbesonnen und voreilig wie er einmal war, die unmäßige Forderung des Capitäns sogleich bewilligt hatte, ohne weiter zu handeln. Er ging auf der einen Seite des Verdeckes mit untergeschlagenen Armen auf und nieder, während jener, trotzig den Groll erwiedernd, auf der anderen Seite, nur mit schnelleren und unruhigeren Schritten dasselbe that. =La Paix= war im Grunde ebenso reizbar wie =Le Vaillant=, nur hatte er sich gewöhnt eine Sanftmuth und Ruhe zu affectiren, die viele für eine wirkliche Eigenthümlichkeit seines Characters hielten. Aber manche seiner Mitstudenten in =Leyden= mußten sich schon überzeugen, daß er ebenso leicht zu beleidigen und ebenso bereit sey, jede Beleidigung zu rächen, wie sein Landsmann aus der Gascogne. Dabei war sein Groll tiefer und dauernder. Was =Le Vaillant= in einer Viertelstunde längst wieder vergessen hatte, das nagte noch lange an der Seele seines Freundes und konnte durch den geringsten Anstoß zu einem Ausbruche des Unwillens angeregt werden, der sich nur schlecht unter der Maske eines kalten und ruhigen Spottes verbarg. In den Anblick der vorübereilenden Ufer verloren, die der lebhaften Empfänglichkeit =Le Vaillant's= manchen Anziehungspunkt boten, dachte dieser bald nicht mehr an den unbedeutenden Zwiespalt und dessen Gegenstand. Erst, als er dem Freunde am Vordertheile des Schiffes begegnete und die spöttische Miene bemerkte, mit der ihn dieser betrachtete, kam ihm die Sache wieder in's Gedächtniß. Von jeher war ihm nichts so verhaßt gewesen, als der kalte Hohn, in den =La Paix= bei solchen Gelegenheiten sich wappnete. Auch in ihm wurde die Galle jetzt wieder rege und er sagte, indem er, die Hand an das Gefäß seines langen Raufdegens legend, vor dem Cameraden stehen blieb: »_Corbleu_, Sire =La Paix=, Ihr macht ein Gesicht, als suchtet Ihr Händel! Uebrigens ist Euch bekannt, daß der Mann, der einem Waffengang nie aus dem Wege geht, nicht fern ist und ich muß Euch ersuchen, Euere spöttischen Blicke nicht auf ihn, sondern nach einer andern Seite zu richten, wohin es Euch sonst belieben mag.« »Ich sehe hin, wohin ich will und ob ich spöttisch oder zärtlich blicken mag, das liegt ebensowohl ganz in meinem Willen;« erwiederte mit erkünstelter Kälte =La Paix=. »Im Uebrigen beruhige dich, guter =Le Vaillant=!« fuhr er in einem Tone des Hohns fort, der seinem Freunde über Alles verhaßt und unerträglich war. »Wir wollen uns nicht entzweien! Ich habe mir im Gegentheile vorgenommen, für dich die Wohlthätigkeit fremder Leute anzusprechen, wenn du unser sämmtliches Reisegeld großmüthig verschleudert haben wirst, damit es dir wenigstens nicht an einem Diner de Gascogne, an einer Zwiebel und einem Stück Brod fehlt!« »_Cadédis!_« fuhr =Le Vaillant= auf: »ich glaube gar, du willst meines Vaterlandes spotten? Laß dir das vergehen oder es ist aus mit unserer Freundschaft! Freilich speist man gern Zwiebeln an den Ufern der =Garonne=, aber wenn das geschieht, so kommt es daher, weil eine gascognische Zwiebel delikater ist, als Alles, was das Raffinement Euerer Pariser Küche ersinnen kann. _Sandis!_ du solltest Zwiebeln mit mir gefrühstückt haben im Garten meines Vaters, als ich manchmal, da ich noch ein Knabe war, gegen sein Verbot hinein schlich und naschte und nicht aufhören konnte zu naschen. Ich habe köstliche Dinge später kennen gelernt in =Frankreich= und im Auslande, aber aller Wohlgeschmack der Südfrüchte, der Seefische und der Austern ist nur ein Schatten gegen die Delicatesse einer Zwiebel in meiner Heimath.« =Le Vaillant= war bei dem Lobe seines Vaterlandes wieder in seinen gutmüthigen Ton gerathen und es wäre Alles freundlich zwischen den beiden jungen Leuten abgethan worden, wenn der Andere ebenso schnell seinen Groll vergessen und seine Neckereien hätte lassen können. =La Paix= aber begann aufs Neue in jenem kalten spöttischen Tone: »So lange du deine Gasconaden nur auf die Zwiebeln beschränkst, kann ich sie mir wohl gefallen lassen. Willst du sie aber auf meinen Beutel erstrecken, so muß ich sie mir verbitten. Schon zu oft haben deine Sottisen ihn in einen Zustand der Schwindsucht versetzt und mein Vater dürfte endlich müde werden, an einem unheilbaren Kranken immerfort zu curiren.« »Sottisen?« entgegnete ernst und gesetzt =Le Vaillant=, indem er mit dem Anstande eines Mannes, der wohl weiß, daß bei einer Ehrensache kein Punkt ritterlicher Courtoisie aus den Augen gesetzt werden darf, einen Schritt zurückthat. »Das ist eine Beleidigung, wie Ihr wißt, die nur mit dem Degen in der Hand wieder gut gemacht werden kann, Sire =La Paix=. So es Euch beliebt, wollen wir gleich einen Gang mit einander machen und ich hoffe, da ich bis jetzt noch keinen Mangel an Muth bei Euch wahrgenommen, Euch dazu bereit zu finden.« »Gewiß, Sire =Le Vaillant=!« versetzte der Aufgeforderte, dessen natürlichem Muthe jetzt die erkünstelte Ruhe wich. »Noch nie habe ich eine Einladung dieser Art ausgeschlagen, besonders wenn sie von den Ufern der Garonne kam, wo der Muth mehr auf der Zunge, als an der Degenspitze sitzt.« »Zieh!« rief durch diesen neuen Spott zum Uebermaße gereizt, der Gegner mit ausbrechender Wuth. »Deinesgleichen habe ich schon ein Dutzend vor meiner Degenspitze hergetrieben. _Sandis!_ Ich will deine Klinge zerbrechen und hinwegschleudern, daß du sie in den Fluthen der Nordsee wieder suchen sollst!« Bei allem Ernste der Sache mußte =La Paix= laut auflachen über diese ungeheuere Gasconade. =Le Vaillant= wurde nun noch wüthender. In einem Augenblicke waren beide mit den gewaltigen, den ganzen Vorderarm bedeckenden Stulpenhandschuhen bekleidet, die sie im Gürtel bei sich führten. »_En garde!_« schrie der junge Gascogner, mit dem Degen in der Hand zum Ausfalle gerüstet. =La Paix= stand ihm ruhig gegenüber. Auch er hatte den Degen gezogen und schien den Angriff des Freundes, den er, wie er jetzt wohl einsah, muthwillig selbst zu seinem Gegner gemacht hatte, zu erwarten. Sein sanftes Angesicht, seine schlanke Gestalt, die sich in der zierlichen Fechterstellung auf das Vortheilhafteste zeigte, gaben ihm das Ansehen einer Amazone, deren Muth dem Vertrauen auf ihre Kunstfertigkeit gleich ist. Aber es sollte kein Blut vergossen werden zwischen den beiden Freunden! =Le Vaillant= hatte zweimal den drohenden Appell, wie ihn die französische Fechtersitte vorschreibt, durch Stampfen mit dem Fuße gegeben, er war eben im Begriffe, beim drittenmale auf die Brust des Freundes auszufallen; als plötzlich hart an seiner Seite eine tiefe Baßstimme laut ward und zugleich ein schwirrender Ton über ihren Häuptern erklang. »Halt da!« gebot die Baßstimme mit dem Ausdrucke einer Bestimmtheit, der die Arme der Kampflustigen lähmte. »Wer es wagt und den Degen zückt auf den andern, dem zerschmettere ich im Augenblick das Gehirn. Rauferei, Meuterei auf meinem Schiffe? Seh doch einer die Gelbschnäbel! Habe ich Euch den Platz auf dem Kutter vermiethet, daß Ihr hier Lärm anfangt und mir das Verdeck mit Euerem Blute besudelt? Hier bin ich Herr: Capitän =Jonas=! Hinein mit den Klingen in die Scheiden oder Ihr sollt lernen, was es heißt, gekielholt werden!« Die beiden unbesonnenen jungen Leute sahen sich umringt. Mehrere Matrosen hatten einen Kreis um sie geschlossen. Der Capitän und seine Leute schwangen mit drohenden Gebehrden schwere Ruder über ihren Häuptern und ein Wort, ein Wink des Capitäns, so fielen diese nieder zu zermalmenden Schlägen. Die Blicke, mit denen =Le Vaillant= und =La Paix= diese rasch und in aller Stille getroffenen Anstalten musterten, sprachen deutlich ihre Betroffenheit und die Erkenntniß aus, daß eben hier kein anderes Heil, als in unbedingter Unterwerfung zu finden sey. Unter dem hoch gehobenen rechten Arme des Capitäns blickte das lächelnde Antlitz eines schönen, etwa zwanzigjährigen Mädchens hervor. Sie schien sich an der Verlegenheit der zwei Jünglinge zu weiden. Das halb verbissene Lachen gab ihren Zügen etwas sehr Schalkhaftes und Reizendes. =La Paix= bemerkte sie zuerst und sein leicht entzündbares Herz fing sogleich Feuer an den lebhaften Augen des schönen Mädchens. Wie sein Freund übereilt und vorschnell in allen Dingen war, so war es =La Paix= allein in der Liebe, aber hier auch in einem solchen Uebermaße, daß er, wenn er verliebt war, leicht zu allen übrigen Fehlern verleitet werden konnte, von denen er sonst mit allem Aufwande von Beredsamkeit seinen Cameraden abzuhalten suchte. Glücklicherweise war seine Liebe ebenso flüchtig, wie stark. Der Anblick des reizenden Wesens gab ihm seine Fassung zurück. Mit einem lauten Gelächter und indem er den Degen rasch in die Scheide schob, ging er auf =Le Vaillant= zu, bot diesem freundlich die Hand und sagte in französischer Sprache, von der er voraussetzte, daß sie keiner der Anwesenden verstünde: »_Soyons amis, Cinna!_ Wir waren nahe daran, einen dummen Streich zu machen und ich war daran Schuld. Gieb mir die Hand, =Le Vaillant=! Ich habe dich gekränkt, mein Freund, aber du hast nun einige Grobheiten voraus, die du mir bei Gelegenheit mit Interessen wiedergeben darfst!« Der leidenschaftliche, aber dabei gutmüthige Gascogner schlug ein. »_Sandis!_« sagte er. »Du mußt es auch nicht gar zu grob machen. Wo soll ich sonst die Interessen herausbringen, ohne wieder den Degen zur Hand zu nehmen?« Jetzt trat =La Paix= zu dem =Capitän=. Dieser blickte ihn aus dem einen Auge, das ihm bei einem mißlungenen Versuche, ein englisches Linienschiff durch einen Brander in die Luft zu sprengen, übrig geblieben war, finster und argwöhnisch an. Seine Leute hatten zwar die Ruder sinken lassen, aber in ihren Gebehrden lag noch so viel Drohendes, daß der Jüngling wohl einsah, er müsse alle seine Gewandtheit aufbieten, um das bisherige gute Vernehmen wieder herzustellen. Besonders fürchtete er, daß man sie als Franzosen erkennen möchte und dann war's vorbei mit allen schönen Plänen, mit allen zu erwartenden Abentheuern. Capitän =Jonas=, eine kurze stämmige Gestalt, war schon ein Fünfziger. Sein Kopf zeigte einen nackten Scheitel, von einem schwarzen Sammetkäppchen leicht bedeckt. Auf der Stelle, wo sein rechtes Auge gesessen, lag ein Pflaster, das linke schien die beiden Jünglinge zu durchbohren. Er stand da, wie ein Richter, der das Bekenntniß eines Schuldigen erwartet. Neben ihm war seine Tochter hervorgetreten, die reizende =Juliane=, in deren anmuthigen Gesichtszügen ein Ausdruck von Leichtsinn, der dem Menschenkenner unangenehm auffallen mußte, überwiegend hervortrat. Sie hatte seit früher Kindheit alle Kreuz- und Querzüge des Vaters auf Flüssen und Meeren mitgemacht, hatte immer unter Männern gelebt und war von dem Alten, der Alles, außer dem Dienste und der Schiffsordnung, gleichgültig ansah, ganz ihren Neigungen überlassen worden. Indem der zierliche =La Paix= sich beiden näherte, wendete sich seine Verbeugung mehr nach der Tochter, wie nach dem Vater hin. »Verzeiht, wohlmögender Heer,« sagte er in gutem Holländisch und mit einem feinen Lächeln auf den Lippen, zu diesem, »wenn ich Euch bemerken muß, daß Ihr von einem Irrthume befangen, mich und meinen Freund in einem ernstlichen Handgemenge wähntet. Wie kämen wir dazu: Stuben- und Schlafgenossen seit langer Zeit? Wir wollten uns die Zeit vertreiben mit einem leichten Fechterspiele, mit einer Uebung, wie wir sie Morgens gewöhnlich unternehmen. Freilich hatten wir Unrecht, Euch nicht zuvor davon in Kenntniß zu setzen und ich würde untröstlich seyn, wenn unsere Unbesonnenheit vielleicht diese zarte Jungfrau erschreckt hätte!« »Nein, nein!« entgegnete lachend =Juliane=. »Ich bin nicht so schreckhaft, wie Ihr Euch einbildet, und habe schon ganz andere Dinge gesehen, als ein Paar junge Leute, die mit ihren Degen ein zweckloses Spiel trieben. Auch erkannte ich gleich,« setzte sie mit einem listigen Blicke hinzu, »daß das Ganze nur auf einen Scherz abgesehen war. Deshalb wird's auch der Vater nicht so genau nehmen, denn ein Scherz ist kein unerlaubtes Ding an Bord des =lustigen Freiers von Rotterdam=.« Der Capitän schien zwar mit dieser Erklärung nicht ganz zufrieden, aber sey es, daß er dem Rathe seiner Tochter zu folgen gewohnt war, oder daß er die reich scheinenden jungen Leute nicht weiter bedrängen mochte: genug! er gab den Matrosen einen Wink, sich wieder an ihre angewiesene Plätze zu begeben und zog sich selbst brummend in die Gegend des Steuerruders zurück. Der =lustige Freier von Rotterdam= segelte so schnell, daß sie bald den Haven und die weißen, glänzenden Häuser von =Dortrecht= zur Seite hatten. =La Paix= stand neben =Julianen= und schien bereits in ein sehr vertrauliches Gespräch mit dem Mädchen verflochten, das ihm offenbar eine große Freundlichkeit und Gefälligkeit zeigte. Sein nicht so glücklicher Freund lag auf eine Bank hingestreckt und bemühete sich, seine Aufmerksamkeit dem vierten Buche der Aeneide zu widmen, die er zu seiner Unterhaltung auf die Reise mitgenommen hatte. Aber weder =Aeneas= noch =Dido= wollten ihn heute ansprechen. Statt mit beiden in die verhängnißvolle Höhle zu wandern und sie dort zu belauschen, flogen seine Blicke oft neidisch nach dem kosenden Paare hin und als sich dieses endlich gar von dem Verdecke in das Innere des Schiffes zurückzog, warf er das Buch unwillig zur Seite und trat an das Hinterdeck, um hier seine heiße Brust durch die anströmende scharfe Herbstluft kühlen zu lassen. »Kommt mit in meine Cajüte!« sagte =Juliane=, indem sie den entzückten =La Paix= die dunkele Treppe hinabzog. »=Die= hat der Vater für mich besonders einrichten lassen und wir sind da ungestörter und traulicher, als in dem großen Zimmer, wo bald den Bootsmann, bald den Vater, bald einen anderen irgend ein Geschäft hinführt. Ihr sollt sehen, wie hübsch und glänzend Alles bei mir aufgeputzt ist. Das ist so recht ein Staatszimmerchen für einen jungen Mann von nobler Herkunft, wie Ihr zu seyn scheint, Myn Heer!« In der That schimmerten und blinkten auch die Mahagoniwände des artigen Kabinets, wie venetianische Spiegel. Allenthalben sah dem Jünglinge, neben dem seinigen, das anmuthige, schalkhafte Gesicht seiner freundlichen Begleiterin entgegen. Er hatte noch nie ein weibliches Wesen gefunden, das, nach einer so kurzen Bekanntschaft, sich ihm so zuvorkommend genähert hätte, und gewiß war unter diesen Umständen der Gedanke, daß er, wie =Cäsar= gekommen sey, um zu sehen und zu siegen, bei einem jungen, leicht anregbaren Franzosen sehr verzeihlich. Eine Laute lag auf dem Seidenpolster, das längs der einen Seitenwand hinlief. =Juliane= schob das Instrument bei Seite und, nachdem sie schäkernd den jungen Mann zum Sitzen genöthigt, öffnete sie ein Schränkchen und holte ein versiegeltes Fläschchen und einen Teller mit köstlich duftenden Zimmetschnitten hervor. »Wir wollen frühstücken!« sagte sie, indem sie Beides auf das Tischchen vor dem Polster stellte und sich neben =La Paix= niederließ. »Hier ist köstlicher =Rosoli=, den mir mein Oheim aus =Schidam= verehrt, und diese Zimmetschnitten habe ich selbst gebacken. Laßt Euch Beides munden! Wir haben noch einige Stunden, bis wir die =Syrene= erreichen, und die müssen wir so gut, als möglich auszufüllen suchen.« =La Paix= war überselig. Er ergriff ihre Hand und zog sie an seine Lippen. Sie aber entwand sie ihm lachend, um von einem nahe befindlichen Gestelle ein Paar zierliche silberne Becher herbeizureichen, die sie mit dem süßen geistigen Getränk bis zum Rande füllte. »Auf gut Glück in unserm Vorhaben!« sagte sie und stieß mit einem Feuerblicke, der dem Leydener Studenten tief in die Seele drang, an den Becher, den dieser ergriffen hatte. Er wurde doch ein wenig betroffen, als er =Julianen= den nicht gar kleinen Pokal auf einen Zug leeren sah; folgte aber, um nicht zurück zu bleiben, ihrem Beispiele und verstieß so, von seiner Verliebtheit irre geführt, schon zum erstenmale gegen seine Gewohnheit, von gebrannten Wassern nur zu nippen. Das Getränk war sehr stark. Dem zarten =La Paix= drängte es Thränen in die Augen, während =Juliane= nicht anders that, als habe sie ein Glas Wasser getrunken. Sie lachte ihn aus und schenkte von Neuem ein. »Ihr seyd ein Student und könnt nicht trinken?« spottete sie. »Ihr sollt es von mir lernen, daß Ihr Euch nicht wieder vor einem holländischen Mädchen zu schämen braucht! Freilich sind sie nicht alle, wie ich, auf den Schiffen groß gewachsen, wo die Seeluft eine kräftige Nahrung und ein starkes Getränk erheischt; aber eine Stadtjungfer aus =Amsterdam= oder dem =Haag= verschmäht doch auch ein Gläschen =Rosoli= nicht, denn es reinigt die Haut und belebt das Blut. Trinkt noch einmal! Ihr sollt eine gute Lehrmeisterin an mir finden. Stoßt an! Auf das Wohl derer, die Ihr liebt!« =La Paix= sah voraus, daß der Uebergenuß des ungewohnten Getränks ihm einen Rausch zuziehen würde; aber er konnte diese Gesundheit nicht ausschlagen. »Auf Euer Wohl!« entgegnete er und zwang sich noch einmal den Becher zu leeren. Während =Juliane= rasch den Inhalt des ihrigen hinabstürzte, warf sie einen forschenden Blick auf ihren Gesellschafter. Sie sah ein, daß sie ihm, zu Erreichung ihrer Absicht, nicht weiter mit Trinken zusetzen dürfe. Sie schob lachend die Gläser bei Seite, drang ihm einige Schnitte des Zimmetgebäckes auf und sagte: »Ich wette, Euer Freund _Cadédis_ ist mehr vertraut mit der Rosoliflasche, als Ihr! An den Ufern der Garonne gebraucht man nicht blos den Zwiebelsaft zur Stärkung der Kräfte, man kennt auch recht gut die hülfreichen Geisterchen, die in einer solchen Phiole verstöpselt und verborgen stecken.« Diese Anspielung auf sein früheres Gespräch mit =Le Vaillant=, verrieth dem Studenten, daß =Juliane= sie belauscht hatte, daß sie ihre Sprache verstehe und, was noch schlimmer war, ohne Zweifel sie auch als Franzosen erkenne. Dennoch besaß er noch Herrschaft genug über sich, um sich nicht weiter zu verrathen. Wie hätte er auch in einem solchen Augenblicke mehr an andere Dinge denken können, als an das reizende Wesen an seiner Seite? Sie hatte ihm jetzt ihre Hand überlassen, er durfte diese an seine Lippen drücken. Sein ganzes Innere war erregt, sein Herz klopfte ungestüm, er sah mit schmachtenden Blicken die holde =Juliane= an, ohne den spöttischen Zug, der bei aller Freundlichkeit in ihrer Miene lag, zu bemerken. »Himmlische =Juliane=!« rief er im Tone der Begeisterung. »Ihr macht mich zum Glücklichsten aller Sterblichen, indem Ihr mir erlaubt, diese schönste Stunde meines Lebens an Euerer Seite hinzubringen. O, wer immer so fort schiffen könnte, immer fort -- bis an der Welt Ende!« »Das würde sehr langweilig seyn!« lachte das Mädchen hell auf. »Hört lieber zu! Ich will Euch ein französisches Liedchen singen. Ihr liebt ja die französische Sprache!« setzte sie scharf betonend hinzu, »und vielleicht behagt Euch mein Lied besser, als mein Rosoli, und meine Zimmetschnitten.« Sie ergriff die Laute und stimmte ein leichtsinniges Lied an. Ihre liebliche Stimme steigerte das Entzücken des schwärmerischen Jünglings zu einem hohen Grade; seine Augen hafteten an den zierlichen Fingern, die leicht und gewandt über die Saiten flogen. Aus ihren Blicken sprüheten Blitze auf ihn, die Worte des Liedes sagten noch mehr: um keine Schätze der Welt hätte =La Paix= diese Augenblicke hingegeben! Das Lied war erst zur Hälfte, als =Juliane= plötzlich die Laute auf's Polster warf, ihr hübsches Gesichtchen in verdrießliche Falten legte und mit dem Ausdrucke der Ungeduld ausrief: »Mein Himmel, auch der Gesang langweilt mich! Wir müssen etwas Anderes vornehmen. Wir sind noch nicht im =Biesbosch=,« fuhr sie fort, indem sie durch's Fenster sah, »wir müssen Alles aufbieten, die langweilige Fahrt erträglich zu machen. Da habt Ihr ein Andenken an diese Stunde, lieber Junker! Es ist ein Riechfläschlein mit köstlichem Balsam, das mir wiederum der gute Oheim in =Schidam= verehrt. Denkt dabei manchmal an die fröhliche =Juliane=, die es so gar gut mit Euch gemeint!« Bei diesen Worten zog sie ein Schublädchen aus dem Tischchen und nahm, während =La Paix= mit wonnetrunkener Miene das süße Aroma des Büchschens in sich sog, Würfel und Karten hervor. Der Student achtete nicht darauf. Er war, nachdem er das Geschenk in der Nähe des Herzens wohl verwahrt hatte, beschäftigt, ein goldenes Kettchen von seinem Halse loszumachen, an dem sich eine werthvolle Schaumünze von demselben Metall befand. Beides hatte er in der Abschiedsstunde von seiner Mutter erhalten, und er achtete es über Alles hoch. Aber der Sinnentaumel riß ihn fort. Was er in einem Zustande ruhiger Besonnenheit um keinen Preis hingegeben haben würde, fiel jetzt der listigen =Juliane= als eine willkommene Beute zu. Sie hielt die glänzende Gabe ans Licht, betrachtete sie mit lüsternen Blicken und fragte endlich im Tone des Zweifels: »Ist's gut Gold, lieber Junker? Man muß doch wissen, was man trägt von so werther Hand.« »Gewiß!« betheuerte =La Paix=. »Aecht Peruanisches! Mein Großvater hat es selbst aus Amerika mitgebracht. O, glaubt mir, himmlische =Juliane=, so lauter und stark, wie dieses Metall, ist die Liebe, die ich zu Euch im Herzen trage!« »Charmant!« versetzte die himmlische =Juliane=, indem sie die schöne Kette mit dem Schaustück behaglich in ihr Mieder schob. »Aber laßt uns Eins würfeln, Herzensjunker! Blos zum Scherz, einen Gulden den Einsatz und wer zuletzt gewonnen hat, der lacht den andern aus! Ich würfle für mein Leben gern. Die Stunden verfliegen, wie Minuten, und das Spiel versetzt in eine so angenehme Spannung, die ich mit Nichts in der Welt vergleichen kann. Kommt her! Da ist mein Satz. Die Sache wird bald abgethan seyn, denn viel darf ich nicht wagen, weil mich der Vater sehr knapp hält im Gelde.« Sie schüttete ihr kleines Börs'chen auf dem Tische aus. Was hätte =La Paix= in dem Zustande der Liebe und halber Trunkenheit, in dem er sich befand, dem verführerischen Mädchen abschlagen können? Er setzte und verlor rasch hintereinander. Sie neckte ihn mit seinem Verluste und meinte, er sey nicht stärker im Spielen, wie im Trinken. Diese Neckerei reizte den jungen Mann, der ganz aus seinem gewöhnlichen Geleis gekommen war, immer mehr. Die Sätze wurden verdoppelt, das Glück blieb =Julianen= getreu. Während des Spiels unterhielt sie ihn mit kurzweiligen Reden, nannte ihn bald ihren Herzensjunker, bald ihr liebstes Studentchen, und ihre freundlichen Blicke verwirrten ihn noch überdem so sehr, daß er gar nicht bemerkte, wie ihr kleiner Finger oft auf den Tisch huschte, einen ihr ungünstigen Wurf in einen günstigen verwandelnd, und wie sie zuletzt sogar ganz andere Würfel unter dem Tischchen hervorbrachte und mit diesen gegen ihn und die schon vorhandenen spielte. Es war noch keine halbe Stunde vergangen, als der letzte Gulden aus des Studenten Börse zu ihr hinüberflog und dieser den leeren Beutel verlegen vor sich hinhielt. Aber das laute Gelächter, das =Juliane=, indem sie aufstand, erschallen ließ, brachte ihn einigermaßen zur Besinnung. Der dumme Streich, den er gemacht hatte, wurde ihm klar; allein noch ließ ihn die Liebe nicht aus ihren Schlingen. »Herrliches Mädchen!« rief er aus und schritt ihr mit geöffneten Armen nach: »Alles was ich besitze gehört Euch, aber nehmt auch mein Herz an und laßt unsere Lippen diesen süßen Bund besiegeln!« Da veränderte sich mit einemmale =Julianens= ganzes Wesen. Ihre Blicke wurden finster, ihre Züge streng und ernst, sie sah den Jüngling von oben bis unten mit einer geringschätzigen Miene an und sagte wegwerfend: »Was fällt Euch ein, Junker? Ihr müßt wohl wenig mit ehrsamen Jungfrauen umgegangen seyn, daß Ihr eine Freundlichkeit, wie sie das gesellige Leben mit sich bringt, für eine Aufmunterung zu unanständiger Aufdringlichkeit nehmt. Ich habe Euch Höflichkeit erwiesen und dafür gebt Ihr mir Schimpf zurück. Ich dürfte das meinem Vater entdecken und er würde diese Beleidigung auf eine Weise bestrafen, die Euer unerlaubtes Liebesfeuer wohl abkühlen sollte! Doch ich will großmüthig seyn. Ich verzeihe Euch, Euere große Jugend mag Euch entschuldigen! Wenn Ihr einmal aus den Knabenjahren heraus seyd, dann wird ein tugendhaftes Mädchen wohl eher, ohne Gefahr für ihre Ehre, bei Euch verweilen können.« Die himmlische =Juliane= warf noch einen durchbohrenden Blick auf den betretenen =La Paix=. Dann rauschte sie schnellen Schrittes aus dem Closett, die Treppe hinauf nach dem Verdeck hin. Der Student sah ihr dumm nach. Endlich erst begriff er -- zu spät -- die ganze Größe seiner Albernheit. Er sah ein, daß er in das Netz einer listigen Betrügerin gefallen sey, daß er, der sonst so weise und besonnene =La Paix= -- einen Gimpelstreich begangen habe, vor dem sich selbst der so oft getadelte =Le Vaillant= zu hüten gewußt haben würde. Er hatte Alles verspielt bis auf den letzten Heller, das immer so treu bewahrte Angedenken seiner Mutter war auch dahin und -- was hatte er dafür? Ein hölzernes Büchschen, das stark nach Moschus und Wachholder roch. Ingrimmig riß er es hervor, schleuderte es zu Boden und zertrat es. »Mußte ich darum Latein und Griechisch lernen, Philologie und Physiologie studiren, Anatomie und Medecin treiben, um mich auf eine so bejammernswürdige Weise anführen zu lassen?« rief er gegen sich selbst erbittert aus. »Wenn =Le Vaillant= die Sache merkt, wie wird er triumphiren! Doch Ruhe, =La Paix=, Fassung, Frieden! Es ist nicht das erstemal, daß dir die Moneten ausgingen. Ein braver Bursch verzagt nicht!« Der Rausch von Liebe und Rosoli war verflogen. Er ging gefaßt auf das Verdeck. Sein Antlitz zeigte Ruhe und Heiterkeit. Er warf nur einen Seitenblick auf =Juliane=, die jetzt neben =Le Vaillant= am Vordertheile des Schiffes stand und diesen ebenso freundlich anlockend beäugelte und besprach, wie sie es früher ihm selbst gemacht hatte. =Le Vaillant= aber blickte noch immer verdrießlich und gab ihr kurze Antworten. »=Den= will sie auch kirren!« sagte =La Paix= zu sich selbst. »Ich werde ihr aber den Spaß verderben. Französisch versteht die Schlange, aber jetzt soll mir mein Latein helfen, wenn es mir auch gegen ihre Künste nichts genützt hat.« Der =lustige Freier von Rotterdam= befand sich jetzt zwischen den Inseln des =Biesbosches= und Capitän =Jonas= hatte mit dem Auswerfen des Senkbleies, mit mancherlei Wendungen des Schiffes, um den Untiefen zu entgehen, so Viel zu thun, daß er nicht auf das Töchterlein achten konnte, wenn er es überhaupt auch für Noth gehalten hätte. Mit freiem Anstande und ungetrübter Stirn trat =La Paix= zu seinem Freunde, der eben anfing durch =Julianens= fortgesetzte Freundlichkeit erwärmt zu werden und seine auf dem Geländer ruhende Hand dicht neben die ihrige gerückt hatte. Die listige Gaunerin schien betroffen über seine Gegenwart und sein unbefangenes Wesen. Nach einem Augenblicke aber lächelte sie zu ihm hin, als wenn nichts vorgefallen wäre. Die goldene Kette prangte an ihrem Halse und =La Paix= mußte einen Seufzer über seine Thorheit, dieses Kleinod an eine Unwürdige verschleudert zu haben, unterdrücken. Mit wenigen Worten hatte er dem staunenden =Le Vaillant= seine Abentheuer berichtet. Dieser verschluckte ein _Cadédis_, das ihm auf der Zunge schwebte. Dann besann er sich einen Moment, sah bedeutungsvoll nach seinem Cameraden und wandte sich nun mit einer sehr höflichen Gebehrde zu =Julianen=, die vergebens bemüht gewesen, etwas von der französisch klingenden Mittheilung zu verstehen. »Prangende Schönheit, deren Reize des Aeußern noch weit übertroffen werden von denen des Innern,« begann er in einem ernsten und ehrerbietigen Tone, hinter dem sich aber der Spott schlecht versteckte: »wie ich so eben vernehme, so liebt Ihr ein kurzweiliges Spiel und seyd auch nebenbei dem Rosoli nicht abhold! _Sandis!_ Das sind auch eben meine Passionen und ich habe bis jetzt vergebens versucht, sie auch meinem Freunde da werth und theuer zu machen. Der Rosoli bringt ihn herunter, aber er nicht jenen. Das Spiel kann ihn nur ergötzen, wenn er verliert, weil er so gar mildthätig ist und lieber gibt, denn nimmt. Ihr seht, wie ihm die Freude über seinen Verlust die Wange geröthet hat, wie er noch einmal so heiter in die Welt blickt, als früher, da er noch nicht verloren hatte! Ihr habt ihn glücklich gemacht, aber mich unglücklich! Nach jenem Kettlein mit der Schaumünze, die nur eine schlechte Zierde Euerer vortrefflichen Person ist, stand schon lange mein Gelüst. _Cadédis!_ Ich habe ihm Geld, ich habe Alles geboten für dieses Kleinod. Jetzt besitzt Ihr es. Aber hört noch, Dame sonder Gleichen! Seht diesen Diamant an meinem Finger! Ich setze ihn gegen die Kette mit dem Schaustück, wir spielen d'rum und wem Fortuna wohl will, dem wird Beides!« Die Blicke der Dame sonder Gleichen ruheten mit großer Begehrlichkeit auf dem köstlichen Ringe. Die Strahlen des Diamants drangen bis in ihr Herz: er hatte gewiß den vierfachen Werth der Kette und des Schaustücks. Wie herrlich mußte er sich nicht an =Julianens= zarter Hand ausnehmen? Ein solches Kleinod besaß sie noch gar nicht. Sie konnte dem lockenden Vorschlag nicht widerstehen. »Gern, edler Junker!« erwiederte sie. »Harret nur einen Augenblick, bis ich die Würfel heraufhole!« »Was Würfel!« entgegnete =Le Vaillant=, sie zurückhaltend. »Wir thun es kürzer ab. Hier ist mein Ring, Ihr legt das Kettlein daneben. Diesen Reichsthaler werf ich in die Höhe: _rex_ oder Schrift! Auf was haltet Ihr?« Die Begierde, den schönen Ring zu besitzen, überwog bei der edeln =Juliane= jede Bedenklichkeit. »_Rex!_« rief sie, die diese Spielweise recht wohl verstand, mit zitternder Stimme und glühenden Blicken. Der Thaler flog in die Höhe und wieder zur Erde. Schon glaubte sie gewonnen zu haben, schon streckte sie die Hand nach beiden Kleinoden aus. -- »=Schrift!=« sagte da stark und kaltblütig =Le Vaillant=, indem er auf das liegende Silberstück wies. Die Kette war sein, er gab sie mit einem triumphirenden Lächeln seinem Freunde zurück. »Ihr müßt weiter mit mir spielen!« eiferte die treffliche Jungfrau. Ihre Wangen färbten sich dunkelroth, ihre Augen blitzten. »Ihr müßt mir Revange geben,« fuhr sie fort, »Ihr müßt mir einen Satz halten im Würfelspiele, das auch weit unterhaltender ist, als Euer erbärmlicher _Rex_, mit dem ich nichts zu thun haben mag!« »Ein andresmal, hochedle Jungfrau!« versetzte mit einer tiefen Verbeugung der Gascogner: »wenn wir uns einmal wieder treffen in der Welt!« Bei diesen Worten nahm er =La Paix= unter den Arm und zog ihn nach einem anderen Theile des Schiffes. »Das vergesse ich dir nicht, =Le Vaillant=!« sagte dieser, indem er dem Freunde herzlich die Hand drückte. »Du hast nun viel zu gut bei mir: einige Grobheiten und einen unbezahlbaren Freundschaftsdienst.« =Juliane= aber sah den zwei jungen Männern mit boshaften Blicken nach. Sie bedachte sich ein Wenig. Dann wurde ihre Miene wieder heiter und lachend und singend hüpfte sie nach dem Vater zum Steuerruder hin. Sie sprach mit diesem eifrig und bedeutungsvoll, das eine Auge des Alten richtete sich oft nach den Studenten, er lächelte hämisch und gab der Tochter eine kurze Antwort, die diese jedoch ganz zufrieden zu stellen schien. Noch immer schwebte der Kutter in den Gewässern des =Biesbosches=. Bald aber mußten sie ins Offene kommen und die =Syrene=, die unmöglich einen großen Vorsprung haben konnte, mußte sich ihnen zeigen. Da rollte es mit einemmale, wie Kanonendonner über die Wellen heran, die durch einen Wind, der sich erhoben hatte, bewegt wurden, da folgten dem ersten Schuße in geringer Entfernung mehrere andere, ein dunkler Rauch stieg hinter einer Insel, dem Kutter zur Rechten, auf, der Himmel hatte sich verdunkelt und eine schwarze Wolke hing drohend herab. »Alle Segel auf!« befahl des Capitäns Stimme. »Das ist ein Tanz zwischen Geusen und Spaniern oder Franzosen. Wir müssen auch dabei seyn. Frisch, ihr Jungen! Das kann gute Beute geben, wenn wir noch bei Zeiten anlangen!« Schreiend flog =Juliane=, die nur Muth hinter'm Würfelbecher besaß, in die Cajüte hinab. In wenigen Minuten hatte sich eine stolze Wucht von Segeln über dem Kutter entfaltet. Er schoß wie ein Pfeil über die Wogen hin. Schuß folgte jetzt auf Schuß, das Gefecht konnte keine halbe Meile entfernt seyn. »_Morgué._« sagte =Le Vaillant= zu =La Paix=, indem er seinen Degen in der Scheide lüpfte. »Es wird etwas Warmes setzen! Sind es Spanier, so mache ich gemeinschaftliche Sache mit dem =lustigen Freier von Rotterdam=; sind es aber Landsleute, so falle ich ihm in den Rücken.« Man kam dem Orte des Gefechtes immer näher. Jetzt schwieg das Feuer des groben Geschützes, aber deutlich wurden die Schüße der Hakenbüchsen, das Geschrei der Kämpfenden vernommen. »Leewärts!« commandirte =Jonas= nach dem Steuermanne hin. Die Bewegung wurde vollzogen, das Fahrzeug schoß nur noch einige Schiffslängen weit vor sich hin, die Spitze der Insel war erreicht, der überraschten Mannschaft des Kutters zeigte sich die spanische Schebecke in Flammen und =Jansen's= wohlbekannte Barke, die in einer Stellung, welche sie als Siegerin verkündete, dem brennenden Fahrzeug gegenüber hielt. »Victoria!« jubelten Alle und die zwei lebhaften Jünglinge von =Leyden= konnten sich nicht enthalten miteinzustimmen. Da erblickte =Le Vaillant=, der ein sehr scharfes Auge besaß und mit großer Aufmerksamkeit das ihm neue Schauspiel betrachtete, durch den heranziehenden Rauch hindurch einen kleinen Nachen, der gerade auf den Kutter zuruderte. Er kam näher. Er schwankte hin und her auf den Wellen, er schien beschädigt und dem Untersinken nahe. Der Gascogner unterschied fünf Menschen in dem kleinen Fahrzeuge, von denen zwei emsig die Ruder bearbeiteten, die andern drei ebenso eifrig den Nachen von dem Wasser zu entleeren suchten, das durch alle Fugen eindrang. »_Sandis!_« rief er dem Capitän zu, indem er ihn auf die Gefahr der Menschen im Nachen aufmerksam machte. »=Die= gehen unter, wenn ihnen nicht bald geholfen wird.« Der Kutter war dem Nachen jetzt so nahe, daß man die herbeirudernden Leute erkennen konnte. Einer von ihnen schwang ein weißes Tuch nach dem =lustigen Freier von Rotterdam= hin. »Ich will mit dem Spagnol in die Luft fahren,« brach =Jonas= in wilder Heftigkeit aus, »wenn das nicht =Herrmanneke= von =Jansens= Barke ist und neben ihm -- wahrhaftig -- das ist mein alter Freund, Heer =Cornelius van Daalen=, des dicksten Mannes Sohn in =Rotterdam=! Wie kommt der Landläufer in das Seehundsgebiet, was hat er zu fischen im =Biesbosch=?« Die Jölle lag am Kutter, aber sie war auch im Begriff unterzugehen. Taue und Leitern flogen nach den befreundeten Männern herab. Sie kletterten an Bord, während ihr Fahrzeug versank. Die Gesichter von Pulverdampf geschwärzt, die Kleider halb verbrannt, von Wasser triefend, standen sie, munter um sich blickend, vor dem staunenden Capitän des Kutters. Auch =Le Vaillant= und =La Paix= hatten sich herbeigedrängt. Mit Blicken der Neugierde sahen sie auf =Cornelius=, der sich durch seinen Anstand und seine Kleidung vor den übrigen auszeichnete. Sie erblickten ihren Feind in ihm, den Gegner, dem sie eine kostbare Beute abnehmen wollten; aber sie konnten zugleich nicht umhin, seine kriegerische Haltung, den Muth, den er eben bei einem wahrscheinlich sehr gefährlichen Unternehmen bewiesen, zu bewundern. =Herrmanneke= war der erste an Bord Gekommene, welcher die Stille unterbrach. »Gebt mir ein Glas Brandwein!« sagte er. »Wir haben es wohl verdient. Aber dem Heern =Cornelius= gebt zwei, denn er hat mehr gethan, als wir andern alle.« Er erhielt was er verlangte. Zu =Cornelius= war schon Capitän =Jonas= getreten. Er wollte eben sprechen, da flog die Schebecke in die Luft, und in starrem Verstummen stand Alles auf dem Kutter. Das Wasser wogte ungestüm. Aus der verdunkelten Luft flogen einzelne Trümmer der zerschmetterten =Schebecke= herab. Den zwei Studenten von =Leyden=, die dergleichen noch nie gesehen, trat das Blut zum Herzen. »Das haben =wir= gethan!« hob mit stolzem Selbstbewußtseyn der Bootsmann der =Syrene= an. »Oder,« setzte er verdrießlich hinzu, »Junker =Cornelius= hat eigentlich dem Don den rothen Hahn aufgesteckt und wir haben nur die Jölle unter seinem Spiegel gehalten, damit der verwegenste Streich, der je in diesen Gewässern erlebt worden, ausgeführt werden konnte!« »Ihr, Myn Heer =van Daalen=?« sagte im Tone zweifelhaften Erstaunens Capitän =Jonas=. »Ihr habt Euch auf das Element gewagt, das keine Balken hat? Ihr habt dem Spagnol ein Autodafé angezündet auf seinem eigenen Schiffe, so daß er als ein geläuterter Christ gen Himmel gefahren? Auf Seemannsehre, dann muß nächstens der Landheld =Marlborough= die Flotte kommandiren und Prinz =Eugenius= ihm als Vice-Admiral beigegeben werden!« »Nassau und Oranien!« erwiederte lachend =Cornelius=, indem er sich von einem Matrosen seinen Uniformrock säubern ließ. »Ihr macht viel Aufhebens um nichts! Die spanischen Butterschläuche waren alle am Vorsteven mit Entern beschäftigt, da kletterte ich ungesehen im Pulverdampfe auf ihr Schiff, schlich in die Nähe der Pulverkammer und machte das glimmende Brandwerk fest -- das ist Alles! Dergleichen Dinge kommen uns Landsoldaten zu hunderten vor, aber wir halten sie für nichts Besonderes und reden nicht viel davon.« =Jonas= schwieg verblüfft, aber durch die Reihen seiner Leute lief ein Gemurmel des Beifalls. =Le Vaillant= drückte dem =La Paix= die Hand. Beide verstanden sich. Sie theilten das Gefühl der Achtung vor dem jungen Helden, aber sie dachten auch daran, daß es ihnen um so größere Ehre bringen würde, dem kühnen =Cornelius= die entführte =Clelia= wieder abzunehmen. »_Sandis!_« flüsterte der Gascogner seinem Freunde zu. »Das ist ein wackerer Bursche, allein eben darum müssen wir unserm Plane getreu bleiben und ohne Furcht auf das Ziel los gehen.« »Gewiß!« entgegnete =La Paix=. »Wir haben unser Wort gegeben.« In diesem Augenblicke kehrte der erste Gedanke an die Geliebte in =Cornelius= Seele zurück. Es gewährte ihm eine süße Empfindung, auch ihr, durch den kühnen Streich, der ihm gelungen, Freiheit, Ehre und wahrscheinlich das Leben selbst gerettet zu haben. Aber in welcher Sorge, in welcher entsetzlichen Beängstigung um ihn konnte sie schweben, während er ruhig und sicher hier verweilte und die Zeit mit unnützen Dingen hinbrachte! »Schafft mich schnell zurück auf die Barke!« sagte er hastig zu dem Kutter-Capitän. »Verliert keinen Augenblick! Jeder kann dem theuersten Leben Gefahr bringen!« =Jonas= sah ihn erstaunt an, aber auf seinen Wink ward sogleich ein Boot in's Wasser gelassen. »Und wohin führt Euch Euer Weg weiter von Antwerpen?« rief er dem Forteilenden nach. »Nach =Mastricht=, Capitän!« erwiederte =Cornelius= hinabspringend. Die vier Matrosen von der =Syrene= und einige Leute des Kutters folgten ihm. »Jetzt ist es Zeit!« sagte =La Paix= zu seinem Freunde und Beide drängten sich vor, um auch das nach der Barke abgehende Boot zu besteigen. »Halt da!« donnerte die Stimme des Kutter-Capitäns sie an, indem er ihnen in den Weg trat. »Ihr bleibt zurück! Ihr seyd Franzosen, ihr seyd meine Gefangene!« Wüthend griffen die zwei Studenten nach den Degen, um sich mit Gewalt freie Bahn zu machen; aber im nämlichen Augenblicke schon sahen sie sich ihrer Waffen beraubt. Einige Matrosen hatten sie von hinten ergriffen, kein Widerstand war möglich. Das Boot stieß ab. Mit einem schallenden Gelächter ließ =Jonas= die entwaffneten Jünglinge stehen. Der laute Spott der Matrosen verwundete sie bis in das tief Innerste. »Das ist =Julianens= Werk!« knirschte =Le Vaillant= im verbissenen Ingrimm. »_Corbleu!_ Ich werde mich an ihr rächen.« »Nur ruhig!« ermahnte =La Paix=. »Mit Gewalt ist hier nichts zu thun.« Der Kutter zog stolz an der Barke vorüber. Die Capitäne begrüßten sich. Auf der Bank am Steuerborde lag bleich und, wie es schien, in tiefer Ohnmacht eine weiß gekleidete Frauengestalt. Man war so nahe, daß man ihre schönen, regelmäßigen Züge erkennen konnte. =Le Vaillant= und =La Paix= mußten sehen, wie =Cornelius= hastig an Bord der =Syrene= stieg, wie er sich in unruhiger Bewegung der Ohnmächtigen näherte und sie mit dem Feuer, mit der Besorgniß eines Liebenden an seine Brust schloß. »Das ist =Clelia van Vlieten=!« sprach mit einiger Erbitterung =La Paix=. »Sie sind glücklich vereint und wir --« »_Sandis!_« unterbrach ihn der Gascogner mit dem Fuße aufstampfend. »Ich gönne ihm das Mädchen, aber unsere Ehre gebietet uns, sie ihm zu entreißen.« »Wenn wir uns erst selbst dem Capitän =Jonas= und seiner verschmitzten =Juliane= entrissen haben werden!« setzte =La Paix= kaltblütig hinzu. »=Mastricht= heißt die Losung: dort finden wir sie wieder!« Von günstigen Winden getragen, schwebte der =lustige Freier von Rotterdam= dem =Hollands-Diep= zu. Bald sah man die Barke nur noch wie einen kleinen schwarzen Punkt, in weiter Entfernung hinter sich. Noch einige Minuten lang konnten die scharfsichtigen Blicke der Leydener Studenten sie erreichen. Dann war sie ganz verschwunden. 2. In =Cornelius= Armen erwachte Jungfrau =Clelia van Vlieten= aus tiefer Bewußtlosigkeit. Noch war sein Gesicht von Pulverdampf geschwärzt, versengte Haare hingen auf die Stirn herab. Als sie ihn erkannte, fuhr sie erschrocken zurück. Die Erinnerung des Geschehenen erwachte in ihrer Seele. Welchen schrecklichen Gefahren hatte sich nicht der Geliebte blos gestellt, wie leicht konnte er nicht von den ergrimmten Feinden bemerkt, von ihnen auf das Grausamste behandelt, wie leicht konnte er nicht selbst in das Verderben mit hineingerissen worden seyn, das er jenen durch seine verwegene That bereitet! Aber war diese denn nicht auch um ihretwillen unternommen worden? Ach, aus der Tiefe ihres Herzens erklang eine Stimme, die ihr die Versicherung gab, daß nur die Liebe zu ihr den jungen Mann zu einem so kühnen Werke habe begeistern können! Sie sah =Jansen= in ihrer Nähe, sie sah sich und den Geliebten von Seeleuten umgeben, die neugierig auf Beide blickten. Ihre ganze Lage wurde ihr jetzt deutlich. Schüchtern schlug sie die Blicke nieder. »Führt mich in die Cajüte!« sagte sie leise zu =Cornelius=, aber in einem so zärtlichen Tone, wie sie noch nie zu ihm gesprochen hatte. Entzücken ergriff seine Seele. Er sah ein, daß jetzt erst =Clelia's= Liebe zu ihm ihre ganze Stärke gewonnen habe, daß sie in ihrer ganzen Macht ihr selbst klar geworden sey. Bisher war das Mädchen noch mehr Kind als Jungfrau gewesen, sie hatte mit den Gefühlen ein leichtes, ihr wohlgefälliges Spiel getrieben, sie hatte den beschränkten Blick nicht über den Kreis ihres Hauses erstreckt. Der heutige Tag mit seinen vielfachen, wunderlich verschlungenen Begebenheiten hatte sie gereift. Sie erkannte die Kraft der Liebe, sie fühlte sich ihr unterthan, sie wußte nun, daß die Empfindungen, die ihr früher ein Spiel gewesen, ihre Beherrscher geworden waren. »Nehmt mir das Schwesterlein wohl in acht!« rief Frau =Beckje=, die eben vom Cajütendache herab, nach ihrem Manne hinsprang, ihm zu. »Ihr habt doch kein Feuerwerk mehr bei Euch, womit Ihr dem Kinde Schaden thun könntet, etwa unter'm Kleide in der Gegend des Herzens?« =Cornelius= befand sich nicht in der Stimmung, diese Neckerei zu beantworten. Hätte er aber auch gewollt, so würde seine Rede nur vergebens gewesen seyn, denn =Beckje= war rasch wie der Wind an ihm vorübergeflogen, um ihrem lieben =Jansen= ihre Freude über den Sieg und sein Wohlergehen an den Tag zu legen. In der Cajüte fand Junker =van Daalen= und seine schöne Begleiterin die beängstigte =Philippintje= auf den Knieen liegend und sinnlose Gebete vor sich hin plappernd. Sie hatte nicht den Muth sich umzuwenden, um die Eintretenden zu betrachten und ihre guten Freunde in ihnen zu erkennen. »Sie kommen, sie kommen!« zeterte sie im Tone des Entsetzens. »Sie sind da die spanischen Belialssöhne und wollen mich und mein himmlisches Theil. Warum habe ich doch immer auf den =Schiwa= geschimpft und ihm nicht Ehre erwiesen, wie der hochmögende Heer =van Vlieten= gethan aus guten Gründen und in weiser Absicht! Jetzt könnte mir der Heidengott beistehen gegen die satanischen Spagnols, die kein Erbarmen haben und alle Ketzer brennen, wie wir daheim in =Rotterdam= die liebliche Caffeebohne --« »Ruhig, ruhig, Jungfrau =Philippintje=!« unterbrach sie =Cornelius=. »Wir sind es ja: =Clelia= und ich!« Die Knieende starrte betäubt zu ihnen auf. Sie schien jetzt zu wissen, wer vor ihr stand, aber ihre Angst wollte nicht weichen, ebensowenig wie der Irrthum, der sich ihrer bemächtigt hatte. Sie betastete mit zitternder Hand =Cornelius= verbrannte Kleider. Dann sagte sie gepreßt: »=Er= hat uns, das ist gewiß! Den edeln Junker hat er schon angefangen zu braten und dann mit Wasser wieder das Feuer gelöscht, damit die Qual desto länger dauere, da sind die deutlichsten Spuren: die verbrannte Krause, die geschwärzte Stickerei am Rocke, die Wasserflecken am ganzen Leibe. Die Männer werden gebraten, die Frauen in's Kloster gesteckt. Ach, =Clötje=, mein Kind, du siehst schon aus, wie eine unglückliche Nonne, bleich und abgezehrt, schmachtend und verschmachtend! Wir werden nimmermehr den würdigen Domine schauen, nie mehr den süßen Ton seiner Rede hören: ein Mönch, ein entsetzlicher Mönch mit Kutte und Strick angethan, wird an unserer unsterblichen Seele zerren, bis er sie hinabgezerrt hat in den höllischen Schwefelpfuhl --« »Holland und England!« fiel jetzt der ungeduldig werdende Junker mit rauhem, lautem Tone ein! »So nehmt doch nur Vernunft an! Der Spagnol kann uns nichts mehr thun, er wird uns weder braten noch sieden, im Gegentheile ist er halbgebraten auf gen Himmel und wieder hinab in die Wogen gefahren. Wir haben ihn in die Luft gesprengt.« »In die Luft,« -- sagte die staunende =Philippintje=, indem einige Röthe auf die gefurchten Wangen zurückkehrte und sie sich halb vom Boden erhob. »Ihr habt ihn gesprengt,« fuhr sie zweifelnd fort, »ganz auseinander gesprengt, den Spagnol, so daß nichts mehr von ihm da ist, auch nicht ein Stückchen, ein Arm oder ein Bein, mit dem er uns ein Uebles thun könnte?« »Weder Arm, noch Bein, noch Fuß und Hand!« versetzte lachend der junge Kriegsmann. »Die Winde haben sich in ihn getheilt, und jeder hat seinen Antheil mit sich geführt.« »Das vergelte Euch Gott!« stöhnte, wie sich von einer schweren Last erleichtert fühlend, aus tiefer Brust die Hausjungfer und stand ganz auf. »Ihr habt ein gutes Werk gethan, indem Ihr einen Spagnol gesprengt. O, ich hätte wohl sehen mögen, wie der gottlose Dieb, der uns das Bischen Caffee und Zucker nicht gönnt und in seiner Bosheit den edeln Thee vertheuert, auseinander gefahren ist! Ich habe wohl Thüren und Schlösser sprengen sehen, aber einen Spanier noch nicht. =Clötje=, wie sah er denn aus? Hat er Hörner und Bocksfüße gehabt, wie der Leibhaftige? Sind ihm Flammen aus dem Rachen hervorgegangen, blauer Dunst und übelriechender Rauch?« »Besinne dich doch, =Philippintje=!« ermahnte =Clelia= und ließ sich bei diesen Worten erschöpft nieder. »Wir haben ein Seegefecht bestanden und das ist siegreich zu Ende gebracht worden durch den Muth des Junker =van Daalen=, der das feindliche Schiff in Brand gesteckt.« »Richtig, =Clötje=, richtig!« erwiederte zu sich kommend das Mädchen. »Ich besinne mich darauf. Also angesteckt hat er den Spagnol, wie ein Schwefelhölzchen? Das war ein gescheidter Streich. Ja, ja, sie brennen gut die Spagnols, denn sie sind fett von vielem Oeltrinken und Butteressen! Aber hatte ich nun Unrecht, als ich dir den hochedlen Junker anrühmte als einen, dem man wohl sein Schicksal vertrauen dürfe? Wer kann in diesen wilden, kriegerischen Zeiten ein schwaches Frauenbild besser beschirmen, als er, der zu Lande Admiral und auf der See General seyn könnte? Ja, lacht nur, aber =Philippintje= hat doch recht! Es ist keine Kleinigkeit, einem Spagnol so nahe zu kommen, daß man ihm den brennenden Zunder an den fetten Leib halten kann, besonders wenn er sich widersetzt, wie das so in seiner Art liegt. Meine Großmutter selig hat mir erzählt, daß so ein Don von der ganzen Stadt =Leyden= belagert und beschossen worden ist, daß er sich durch Zauberspruch und Amulett feuerfest gemacht habe und zuletzt unter Wasser gesetzt werden mußte, vor dem die Hexenkünste nicht bestehen können. Das war die berühmte Belagerung von =Leyden=. Und mein =Balthasar= -- was ist nicht meinem =Balthasar= Alles begegnet mit ihnen --« »Erzählt uns das ein andermal, gute =Philippintje=!« fiel ihr =Cornelius= in die Rede. »Geht lieber hinauf zu Frau =Beckje= und laßt Euch eine Stärkung geben. Ihr scheint derer zu bedürfen.« »Ihr habt Recht!« antwortete =Philippintje=, indem sie der Thüre zuwankte. »Es ist mir schwach um's Herz und auf der Brust. Der Bootsmann besitzt ein treffliches, stärkendes Elixir. =Den= will ich um einige Tröpflein ansprechen. Halte dich wacker, mein =Clötje=! Denk' an den gesprengten Spagnol und an die treue Liebe des hochedlen Junkers!« Sie schlich seufzend und stöhnend die Treppe nach dem Verdecke hinauf. =Cornelius= setzte sich an =Clelia's= Seite, nahm ihre Hand und sagte mit zärtlichen Blicken: »Habt Ihr Euch erholt von Euerem Schrecken, von der mir so theuern Besorgniß um mich? O =Clelia=, könnt Ihr mir verzeihen, daß ich aus Euerm stillen freundlichen Leben Euch herausgerissen habe in dieses unruhige gefährliche Welttreiben? Wenn Ihr meine Liebe billigt, so könnt Ihr mir nicht zürnen, denn =sie= hat mich zu Thorheit und Unbesonnenheit fortgerissen, und -- ich muß es voll Scham gestehen -- zu Lüge und Betrug. Ich will mich nicht entschuldigen. Ihr mögt mich richten, wie Ihr wollt. Gebietet mir, Euch zurückzuführen, Euch nie wieder zu sehen, Euch auf ewig zu entsagen -- ich werde diese Strafe nicht ertragen, aber ich werde mich ihr unterwerfen ohne Murren.« »Ihr kennt meinen Entschluß, Junker =Cornelius=!« antwortete mit einem sanften Lächeln =Clelia= und er glaubte einen leisen Druck ihrer Hand wahrzunehmen. »Ihr kennt auch meine Gesinnungen. Ich weiß nicht, ob mein Vater unter den eingetretenen Umständen je das Bündniß zwischen uns billigen wird, aber das weiß ich, daß ich nie einem anderen Manne, als Euch, meine Hand reichen werde. Ja, lieber =Cornelius=, ich gelobe Euch das! Ihr habt freilich auf eine unbesonnene Weise mich thörigtes Mädchen verleitet, allein Ihr habt auch wiederum Euer Leben gewagt um meinetwillen und eine Heldenthat vollbracht, von der man erzählen wird im Vaterlande. Noch gestern war ich ein blödes Kind von geringer Einsicht, fremd in Welt- und Kriegshändeln, glaubend einem jeden Worte und fügsam in Alles, was man mir vorschlug. Ich bin eine andere geworden seitdem. Ich überlege, ich handle selbst. Ich habe nicht allein meinen Vater, ich habe auch meine Ehre zu bedenken. Wir gehen nach =Mastricht= zur Muhme. Wie wir es schon verabredet, suchen wir von dort aus um des Vaters Einwilligung nach. Ach, =Cornelius=, das werden lange Tage der Erwartung seyn, bis wir seine Antwort erhalten! So stark ich mich auch zu machen suche, so bin ich doch nur ein schwaches Mädchen, das in ängstlichen Zweifeln fürchten und schwanken wird. Welches Glück, wenn ich als Euere Braut, von unsern Vätern willkommen geheißen, nach =Rotterdam= zurückkehren dürfte! Nur =so= oder nimmer sieht mich die Vaterstadt wieder. Wird mir des Vaters Verzeihung nicht, versagt er seine Erlaubniß zu unserm Glücke, in seinem leider gerechten Zorne, dann bleibe ich ganz bei der Muhme und bringe meine Tage einsam und verlassen hin, von jeder Weltfreude geschieden, zur Buße meines kindischen Leichtsinns.« »=Clelia=, ich verdiene Euch nicht;« sagte erbittert auf sich selbst der Junker, stand auf und ging bewegt im Zimmer auf und nieder. »Ihr seyd wahrhaftig zu gut für einen tollen Jungen, der sich arg an Euch versündigt. Nicht genug, daß Ihr mir verzeiht, daß Ihr mir Euere Liebe schenkt -- Ihr wollt auch duldsam und ergeben büßen für meine Thorheiten, für Sünden, die ich, die aber nicht Ihr begangen habt. O, ich erkenne Eueren ganzen Werth und meinen eigenen Unwerth! Aber ich will auch ein anderer werden, als ich bisher war. Ihr sollt sehen, daß ich den Leichtsinn hinter mir lasse und wenigstens =strebe= Euerer würdig zu werden.« Der Entschluß, den er in diesem Augenblicke faßte, war in der That der erste Schritt zu seiner Besserung. Er wollte nicht nur =Clelia= während der Reise für seine Schwester gelten lassen, er wollte sie auch als eine solche halten, doch ohne die Vertraulichkeit eines Bruders gegen sie zu üben, immer in den Schranken der Ehrerbietung, die ihre Gesinnung ihm einflöste. Mit diesem Vorsatze reifte auch der Gedanke in seiner Seele, daß es unrecht von ihm gehandelt sey, =Clelien= noch länger auf dem trügerischen Elemente den Gefahren auszusetzen, welche dieses selbst und der lebhaft auf ihm geführte Krieg bot. Zu Land schien ihm die Reise weit sicherer. Waren auch an manchen Stellen feindliche Haufen vorgedrungen, so konnte man ja das voraus erfahren und seine Maßregeln darnach treffen. =Cornelius= kannte aus seinen früheren Feldzügen alle Wege und Stege. Er war mit allen Kriegslisten vertraut, er konnte darauf rechnen, an den meisten Orten, die der Landweg berührte, Bekannte zu finden. Aber auf dem Schiffe? Hier war ringsum eine Schranke gezogen, die niemand überschreiten konnte. Wer einmal in diesen Kreis gebannt war, der mußte jedem Geschicke stehen, das sich in seine Bahn warf. War es der entsetzliche Sturm, der verwüstend heranstürzt und Alles vernichtet, was sich ihm entgegenstellt, war es die furchtbare Wasserhose, die in ihren Wirbel Segel, Masten und Schiffe wüthend hineinreißt, war es ein übermächtiger Feind, der das unbedeutende Fahrzeug unter der Last seines Gewichtes verächtlich in die Nacht der Wogen hinabdrücken konnte! Freilich hätte der verwegene Muth des jungen Kriegsmannes allen diesen Dingen Hohn gesprochen, aber =Clelia= -- Nein! Nein! Ihr Leben, ihre Ehre durfte nicht länger diesen Gefahren ausgesetzt bleiben. Die Abenddämmerung fing schon an, das kleine Gemach in Schatten zu hüllen. Sie befanden sich nicht weit von der Festung =Willemstadt=. Wie =Jansen= schon früher geäußert hatte, sollte die Barke bei einigen einsam stehenden Häusern in der Nähe dieses Ortes anlegen und es stand dann einem jeden frei, die Nacht am Lande, oder an Bord des Fahrzeuges zuzubringen. =Cornelius= eröffnete =Clelien= seine Absicht. Er that dieses auf eine zarte und ehrerbietige Weise, die von ihr sehr wohl aufgenommen wurde und welche ihn selbst in einem vortheilhaften Lichte erscheinen ließ. »Wie Ihr es für gut findet, lieber Junker!« entgegnete traulich und ungezwungen das Mädchen. »Ich habe immer nur still in meinem väterlichen Hause gelebt und bin unbekannt mit den Regeln der Vorsicht, die man auf Reisen beobachten muß. Ich verlasse mich ganz auf Euch in dieser Angelegenheit und ich glaube, ich kann es auch jetzt.« Ein freundlicher und liebevoller Blick begleitete diese Worte. »Bei dem Degen des großen =Marlborough=!« rief feuerig der junge Mann: »ich wäre nicht werth, unter König =Wilhelm= gefochten zu haben, wenn ich jemals Euer Vertrauen wieder zu täuschen vermöchte. Ihr habt ganz über mich zu gebieten, wie über einen Diener, der Euch den vollkommensten Gehorsam schuldig ist. Ja, =Clelia=, ich will Euch durch meine Ehrfurcht, durch Gehorsam und Treue dahin bringen, daß Ihr vergessen sollt, wie ich einmal diese Gefühle außer Augen gesetzt und Euch tief gekränkt habe durch schmählichen Betrug! Ihr sollt in =Cornelius van Daalen= einen neuen Menschen kennen lernen, der von dem alten nichts übrig behalten hat, als eben das wenige Gute, was an ihm war. Ich glaubte glücklich zu werden durch jenen unbesonnenen Streich, aber wie sehr habe ich mich geirrt! Es gibt kein entsetzlicheres Gefühl, als das des eigenen Unwerths, das fort und fort am Herzen nagt.« »Ihr müßt nicht so Viel =denken=!« tröstete gutmüthig lächelnd =Clelia=. »Sonst war ja das =Denken= Euch zuwider, wie unserer =Philippintje= der =Schiwa=; warum wollt Ihr Euch jetzt in quälende Gedanken versenken, die doch nichts bessern können?« »Mich können und sollen sie bessern;« entgegnete =Cornelius= mit einem Ernst, der ihm seltsam anstand. »Ich habe ihnen nur zu oft und zu lange meine Seele verschlossen, ich habe die köstlichsten Gaben des Menschen von mir verbannt, um ganz den Thorheiten zu leben, die ich aus dem wilden Kriegstreiben mitheimgebracht.« »Nein, nein!« bat =Clelia=. »Ihr dürft Euere heitere Laune nicht verbannen, sie muß uns die Beschwerden der Reise erleichtern, sie wird uns unvermerkt und freundlich an den Ort unserer Bestimmung führen. Und weil Ihr mich doch einmal zu Euerer Gebieterin erkoren habt,« setzte sie schalkhaft und bedeutungsvoll hinzu, »so befehle ich Euch hiermit, jeden düsteren, unangenehmen Gedanken von Euch fern zu halten und fortan als ein freundlicher Gesellschafter mir zur Seiten zu bleiben!« Sie stand auf und näherte sich der Thüre. =Cornelius= betrachtete sie mit Blicken voll Entzücken. Das war dieselbe =Clelia= nicht mehr, die mit kindischer Blödigkeit durch die Straßen von =Rotterdam= zur Kirche geschritten, die, wie einem Bibelspruche, den Worten Glauben geschenkt, welche der Leichtsinn ihr vorgeplaudert, die nichts kannte als den engen Raum des Hauses, als den Weg zur Kirche und wieder zurück, die mit großer Wichtigkeit jede Kleinigkeit behandelt, ohne der Dinge eigentliche Bedeutung zu erkennen. Wie verständig, wie schonend, wie zart und liebevoll zugleich begegnete sie nicht ihm, der doch so schwer gegen sie gefehlt! Welche Selbstbeherrschung wußte sie über sich zu üben, mit welcher Güte suchte sie ihn zu trösten und zu erheben und wie schön, wie unvergleichlich und reizend stand ihr nicht Alles an, was sie sagte und that! »Sie ist ein Engel!« rief er aus, als sie durch die Thüre verschwunden war. »Und ich -- ich -- o! ich will den Himmel zu erringen suchen, den sie nur allein bereiten kann!« Er eilte ihr nach und erreichte sie noch, ehe sie das Verdeck betrat. Auf diesem hatte indessen Alles eine andere Gestalt gewonnen. Die kriegerischen Rüstungen waren verschwunden, das Bord war von Waffentrümmern und Blut gesäubert worden, die Verwundeten befanden sich unter sorgsamer Pflege im Raume: Alles hatte ein friedliches Ansehen, nur der drohende Besen prangte noch an der Spitze des Mastes. Auf dem Vorder- und Hinterverdecke erblickte man Gruppen fröhlicher Seeleute. =Jansen= war ein strenger, aber dabei auch ein gutmüthiger und jovialer Befehlshaber. Seine Leute hatten sich gut gehalten, sie hatten ihm einen großen Dienst geleistet, indem die reiche, von ihm verbürgte Ladung vor dem Spanier gerettet worden war. Er wollte ihnen nun auch vergelten, er wollte ihnen einen lustigen Abend machen. Ein Fäßchen Genever ward ihnen preißgegeben, die Mundrationen an Käse und Häring wurden verdoppelt und Tabak erhielt ein jeder soviel, daß er auf mehrere Wochen hin genug hatte. Was konnte das Herz eines holländischen Matrosen mehr begehren? Die Seeleute überließen sich auch einer Freude, die sie ganz aus der Ruhe und Stille, welche auf holländischen Schiffen gewöhnlich herrscht, herausriß. Sie scherzten und lachten, sie sangen allerlei Spottlieder auf die spanischen Dons, Volksgesänge, die damals im Gebrauche und in den Niederlanden allgemein verbreitet waren. Als =Cornelius= auf dem Verdeck erschien, ward ihm von den Matrosen, die in einem Kreise am Vordertheile versammelt waren, ein lautes Vivat gebracht. Alle stürmten auf ihn zu. Er mußte mit jedem trinken, aber er nippte von dem Inhalte der dargebotenen Gläser nur zum Scheine und um keinen der fröhlichen Seeleute durch eine Weigerung zu kränken. »Ein wackerer Junge!« rief der eine. »Er hat die =Syrene= gerettet. Ohne ihn hingen wir dem Spagnol im Schlepptau!« »Schade, daß er kein Seehund ist!« schrie ein anderer. »Er würde das Meer rein halten von spanischen Don's und französischen Mosje's!« »Er ist so tapfer, wie seine Schwester schön ist;« jubelte ein dritter, der dem Genever etwas mehr zugesprochen hatte, als seine Cameraden. »Auch seine Schwester soll leben!« »Hoch!« stimmten die Uebrigen ein. =Clelia= wandte sich erröthend ab und ging mit dem Junker nach dem Platz am Steuerruder, wohin =Jansens= mächtige Stimme sie rief. »Backbord und Bramsegel! Da ist unser unzertrennliches Geschwisterpaar;« empfing er sie in spöttischem Tone. »Der Held des Tages erscheint und die Heldin, denn ich wette zehn holländische Linienschiffe gegen ein Treekschujt, ohne die Schwester hätten wir uns noch mit dem Hidalgo herumbalgen können, bis mit Gotteshülfe der Kutter herbeigekommen wäre, um uns Beistand zu bringen! Kommt! Setzt Euch zu uns! =Beckje= hat einen warmen Würzwein gebraut, der sich wohl trinken läßt auf solche Arbeit und an Neuigkeiten zur Unterhaltung wird's auch nicht fehlen.« =Clelia= war in einem so hohen Grade betroffen über den Anblick, den die hier befindliche Gesellschaft gewährte, daß sie von =Jansens= Rede wenig vernahm. =Beckje= saß recht behaglich auf der Bank neben ihrem Manne und -- rauchte ihr Pfeifchen mit dem Anstande einer Raucherin, die längst die ersten Beschwerden dieses Vergnügens überwunden und das Lehrgeld der edeln Kunst abgetragen hat, nun aber sie in ihrem ganzen Umfange, in allen ihren Feinheiten zu würdigen und zu genießen versteht. Sie dampfte mit =Jansen= und dem Bootsmanne =Herrmanneke=, der auf der anderen Seite neben ihr saß, um die Wette. So wenig Jungfrau =van Vlieten= diesen Genuß dem zarten Geschlechte angemessen hielt, so war ihr doch recht wohl bekannt, daß viele Frauen in =Holland=, die durch ihren Beruf meistens im Freien beschäftigt sind, sich so an ihr Pfeifchen gewöhnen, daß es ihnen oft werther ist, als selbst der sonst so sehr beliebte Thee. Deshalb mochte sie auch der Frau des Capitäns nicht grollen über die Uebung einer Neigung, die ihr auch gut anstand und die sie mit vieler Zierlichkeit zu treiben wußte. Aber =Clelia= traute kaum ihren Augen, als sie auch =Philippintje= in einer recht traulichen und hingebenden Stellung neben dem Bootsmanne erblickte, ein großes Glas mit dampfendem Würzwein vor sich und zwischen den ängstlich zusammengekniffenen Lippen -- ein dampfendes Stummelchen. Sie hatte das Gesicht widerwärtig verzogen, als kämpfe sie zwischen ihrem Willen und dem Uebelgeschmack der ungewohnten Sache. Sie wollte diesen aber mit Gewalt verbergen und der Zwang, den sie sich anthat, eine Behaglichkeit zu zeigen, die in diesen Augenblicken ihr ganz fremd war, gab ihr ein höchst lächerliches Ansehen. Sie schien übrigens gar nicht bestürzt, von ihrer jungen Gebieterin in dieser Beschäftigung betroffen zu werden. Sie sah sie so keck und sicher an, daß =Clelia= wohl ahnete, es müsse hinter dieser Gemüthsruhe noch etwas anderes stecken, als der bloße Weinmuth. »Holland und England!« rief mit einem lauten Gelächter Junker =Cornelius=, indem er zu =Philippintje= trat. »Ihr raucht ja wie die spanische Schebecke, ehe sie gen Himmel fuhr! Nehmt Euch in acht! Wer das Kräutlein noch nicht kennt, soll nicht mit ihm scherzen. Die erste Bekanntschaft führt immer ihr Unangenehmes mit sich.« »Stört mir das liebe Kind nicht!« legte sich =Beckje= eifrig dazwischen. »Sie weiß wohl, was sie thut und warum sie es thut. Auch hat sie schon treffliche Anlagen gezeigt und bis morgen -- dafür ist mir gar nicht bange -- hält sie mit =Herrmanneke= gleichen Schritt, der den ganzen Tag über an seinem Stummel kauet und den Schlaf nur deshalb nicht leiden kann, weil er sich mit dem Rauchen nicht verträgt.« »Man muß sich an Alles gewöhnen!« sagte mit erzwungener Ruhe =Philippintje=, während eine leichte Blässe über ihre gefurchten Wangen flog. »Man weiß nicht, wo man es nöthig hat und wenn man es einmal kann, so braucht man wenigstens nicht zurückzustehen in einer guten Gesellschaft, wie die hier gegenwärtige.« Mit einem tüchtigen Schlucke des dampfenden Getränkes suchte sie alle häßlichen Empfindungen, die sich ihr vorübergehend aufdrängten, hinabzuspülen. Der Bootsmann nickte ihr vertraulich und ermunternd zu. Es schien sich zwischen beiden ein Verständniß entsponnen zu haben, das =Clelien= neu war und das sie sich noch nicht erklären konnte. »Du wirst dich krank machen, =Philippintje=;« sagte in gutmüthig ermahnendem Tone die Jungfrau. »Leg' die Pfeife weg! Für dich ist das Rauchen eine überflüßige Sache und im Hause meines Vaters würde dir es auf keine Weise gestattet werden.« »Versuche es nur selbst einmal, =Clötje=!« erwiederte =Philippintje= und bot der abwehrenden Herrin die Pfeife dar. »Es ist etwas Köstliches. Es prickelt und pizgelt so angenehm auf der Zunge, daß ich es mit nichts vergleichen kann. Nur einen Zug, =Clötje=, und du wirst ganz anders sprechen.« =Clelia= wandte sich mit Widerwillen zur Seite. »Du magst nicht?« fuhr =Philippintje= fort. »Auch gut! Ich will dich nicht zwingen. Wenn du aber meinst, daß ich das Rauchen nicht nöthig hätte, so lebst du in einem großen Irrthume. Auch ist es ein löblicher und christlicher Gebrauch, denn unser Domine in =Rotterdam= raucht auch und noch dazu aus einer Pfeife, so groß wie eine Theekanne. Freilich würde in deines Vaters Hause der Tabaksrauch die Vorhänge schwärzen, die schöne weiße Wäsche verderben und dem hochmögenden Heern selbst wohl zur Last fallen; aber mein Haus wird in Zukunft ein anderes seyn. In freier Luft, zwischen Himmel und Wasser werde ich leben, das Steuerbord wird meine Küche, das Backbord mein Kämmerlein seyn. Ich werde keinen Caffee mehr brennen, keinen Zucker mehr stoßen, keine Rosinen mehr belesen. Alle diese Kleinigkeiten bleiben mir fern; nur die herrlichen Meereswogen werden mich umrauschen, der Sturm wird über mein Haupt hintoben -- aber das ist mir Alles nur Spaß, das gilt mir jetzt nicht mehr, wie das Gebroddel im Theekessel, wenn das Wasser kocht. Vivat das Seeleben!« =Clelia= stand erstarrt. Die Begeisterung, zu der =Philippintje= erhoben war, konnte nichts anderes, als eine Folge des reichlichen Genusses von =Beckje's= geistigem Getränk seyn. Sie entwickelte Ansichten und eine Lebendigkeit, die bisher bei ihr geschlummert hatten. =Jansens= und seiner Frau heimliches und bedeutungsvolles Lachen ließen =Cornelius= vermuthen, daß irgend ein seltsames Geheimniß hinter der ganzen Sache verborgen sey. Nur =Herrmanneke= bewahrte seinen Gleichmuth, sah ernsthaft vor sich hin und ließ im Uebrigen seinem Glase Gerechtigkeit widerfahren. »Rauchen muß sie, wenn ich sie heirathen soll!« begann jetzt der Bootsmann mit fester und ruhiger Stimme. »Was hilft mir aller Caffee, aller Zucker, aller Thee und selbst die Fäßlein Genever, die sie, wie sie sagt, ihrem Heern verschlampt hat, wenn sie nicht mit mir eine Pfeife rauchen kann und wenn ich sie nicht vom Dampfe verschönert sehe, der wie ein Schleier um ihr Antlitz schwebt und die Runzeln unkenntlich macht. Ja, sie muß rauchen! Hundert Dukaten jährlichen Einkommens fallen ihr einmal heim, wie sie versichert, aber an dem Gelde ist mir nichts gelegen, denn ich lebe und sterbe am Borde der =Syrene= mit dem Stummel im Munde. Mann und Weib sind ein Leib; deshalb muß sie rauchen. Ich habe ihr die Ehe versprochen und ihr einen halben Ruyter auf die Hand gegeben gegen einen silbernen Reif, den sie mir verehrt; aber Alles unter der Bedingung, daß sie Tabak raucht und gleich im Augenblicke anfängt zur Probe. Sie hat es rechtschaffen gethan und Blixen! es soll ihr gut gehen, als eines Bootsmanns Frau, wenn sie gut raucht.« »So ist es, mein =Clötje=!« bestätigte die liebenswürdige Braut =Herrmanneke's=, indem sie von Neuem die Pfeife zu den bleichen, zuckenden Lippen führte, die sie einige Augenblicke lang hatte ruhen lassen. »Ich bin noch früher in den lieben Brautstand gekommen, als du, Kind, und das ist nicht mehr als recht und billig, da ich einige Jahre älter bin. Aber sey nicht traurig deshalb, =Clötje=! Auch dich wird die Reihe treffen und wir Beide werden dann glücklich seyn, du zu Land und ich zu Wasser. Habe ich ihm denn widerstehen können, dem Schalk von Bootsmann, wie Ihr ihn da seht? O, er besitzt Ueberredungskünste, mit denen er nur zu leicht ein unerfahrenes Mädchenherz bezwingt! Und dann -- ach, =Clötje=! Gott hat ihn gezeichnet, aber nicht zum Bösen sondern zum Guten. Er hat ihn gezeichnet mit der Gestalt, mit den Gebehrden und den Gesichtszügen meines seligen =Balthasar=! Es war mir als kehre dieser aus dem Grabe zurück und begehre die Liebe, die ich ihm gelobt. Und das Rauchen! Hat denn nicht der liebe =Balthasar= auch seine Pfeife geliebt und den amerikanischen Canaster, den ich ihm aus des Heern Gewölbe oft zugesteckt, wie sein Leben? Wer kann für sein Herz, Seelen-=Clötje=? Es ist ein schwaches und wankelmüthiges Ding, wie schon die Schrift sagt und die Schrift Lügen strafen, wäre sündlich! Habe ich nun die ersten Tage meiner Jugend als Jungfrau =Philippintje= in Ehren verlebt, so will ich nun die schönste Zeit meines Lebens als Frau Bootsmann auf der =Syrene= genießen.« »Aber =Philippintje=,« flüsterte =Clelia=, die hinter sie getreten war, ihr in's Ohr, »denkst du denn gar nicht mehr an mich, an meine Lage, an mein Verhältniß mit Junker =Cornelius=, an dein Versprechen uns zu begleiten zu der Muhme und dort das Weitere zu erwarten?« »Ja, ja! Ich erinnere mich wohl!« entgegnete die glückliche Braut und blies eine dicke Dampfwolke vor sich hin. »Umstände verändern die Sache. Ich hatte Unrecht, so etwas zu versprechen, denn der Mensch steht in Gottes Hand und soll nicht eigenmächtig über sich verfügen; ich würde noch größeres Unrecht haben, wenn ich ein so sündiges Versprechen halten wollte. Führe mich nicht in Versuchung, =Clötje=! Du warst sonst immer ein frommes Kind und wirst deiner Herzensfreundin nichts Schlechtes zumuthen wollen. Weißt du was, Kind? Heirathe du deinen Bruder, den Junker =Cornelius=: dann ist uns allen geholfen!« Erglühend trat =Clelia= zurück und wandte ihr Gesicht ab, indem sie auf das Ufer mit den gastlichen Wohnungen blickte, dem sich die Barke näherte. =Beckje= und =Jansen= hatten sich bei =Philippintje's= unbedachtsamer Aeußerung bedeutungsvolle Blicke zugeworfen, als sähen sie nun bestätigt, was sie bereits geahnt. »=Philippintje=,« sagte jetzt =Cornelius=, der =Clelias= Stelle hinter dem Sitze der schmauchenden Hausjungfer eingenommen hatte, mit erbittertem und verbissenem Tone: »Ihr kennt unsern Vertrag. Hundert Dukaten jährlich auf Lebenslang, wenn Ihr bei uns bleibt, bis alles geschlichtet ist, zwischen uns und Heern =Tobias=; keinen Deut, wenn Ihr früher uns verlaßt!« »Was frag' ich viel nach Geld und Gut, wenn ich zufrieden bin!« erwiederte das Mädchen und trank einmal dazu. »Behaltet Euere Dukaten und ich behalte meinen Bootsmann. =Herrmanneke= macht sich nichts aus dem Gelde, wie Ihr selbst gehört habt, und mir geht jetzt seine Liebe über Alles. Ja, das eigentliche Leben soll nun erst recht anfangen! In der Küche und in der Rauchkammer ist meines Bleibens nicht mehr, ich muß hinaus in die frohe, weite Welt. Niemand soll mich davon abhalten und gegen Gewalt wird mich mein Bootsmann schützen.« »Das wird er!« versicherte =Herrmanneke=, indem er die geballte Rechte drohend vor sich hinstreckte und mit der Linken an das Messer in seinem Gürtel griff. »Wenn sie raucht und mich haben will, so sollen sie tausend Teufel nicht von mir losreißen. Galgen und Rad schneide ich =dem= ins Gesicht, der sich dagegen auflehnt und trüge er einen Bratspieß an der Seite, so lang wie die große Raa eines Dreideckers, und wäre er noch dazu der beste Freund meines Capitäns! Abspenstig lasse ich mir meine Braut nicht machen, notabene: wenn sie raucht.« In diesem Augenblicke stieß die Barke an's Land. Es war völlig dämmerig geworden. Aus den Häusern am Ufer schimmerten freundliche Lichter herüber. Auch schien es ziemlich lustig dort herzugehen. In einer der Wohnungen, die am Hellsten erleuchtet war, ertönte Musik: eine Sackpfeife und eine Geige, die sich in den schreiendsten Mißlauten zu überbieten suchten. Am Strande war Niemand zu sehen. Irgend ein Ereigniß im Innern ihrer Häuser mochte den Bewohnern in diesem Augenblicke wichtiger erscheinen, als die Ankunft eines Fahrzeuges, das sie schon oft bei sich gesehen hatten und dessen Mannschaft ihnen genau bekannt war. Jenes Haus, aus welchem die Musik herüberschallte, wurde dem fragenden =Cornelius= von =Jansen= als das bezeichnet, wo er Bewirthung und Nachtlager finden könne. »=Beckje=, ich und meine Leute, wir bleiben an Bord,« setzte der Capitän hinzu. »Wir sind das so gewohnt und überdem müssen wir jetzt noch besonders auf unserer Hut seyn. Morgen früh um sechs Uhr werden die Anker gelichtet, die Böller geben das Zeichen und wer dann nicht an Bord ist, der bleibt am Lande: so will es die Schiffsregel. Gute Nacht, =Cornelius=.« Dieser war schon =Clelien= nachgeeilt. Das Mädchen empfand eine besondere Sehnsucht, den festen Boden zu betreten und in der gewohnten Umgebung häuslicher Gegenstände sich von den Abentheuern des Tages zu sammeln und zu erholen. Sie stand dicht am Rande des Schiffes, der das Ufer berührte. =Cornelius= hatte sie erreicht und ergriff ihren Arm, um ihr an's Land zu helfen. »Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!« rief da =Philippintje's= Jammerstimme. »Ist das recht und fromm von dir gehandelt, =Clötje=, daß du Diejenige, die Mutterstelle bei dir vertreten hat, zurücklassen willst, wenn du zu Musik und Freude gehest? Warte nur, Kind! Ich komme schon, ich komme.« Sie warf dem überraschten Bootsmann die Pfeife hin und stand eilig auf. Aber das Schiff, Himmel, Wasser und Land dreheten sich um sie in wirbelnden Kreisen. Vor ihren Augen flammten Blitze auf, sie durchzuckten schmerzhaft ihr Haupt, sie verwirrten sie, so daß sie kaum wußte, wohin sie ihre Schritte richten sollte. Wie das Hohngelächter höllischer Geister tönte ihr dazwischen der Spott =Jansens= und =Beckje's= in die Ohren, die ihren Zustand erkannten und eine Lust daran fanden, die bei Leuten ihres Gewerbes wohl zu entschuldigen war. Dem entsetzlichen Schiwa gleich starrte =Herrmanneke's= Angesicht aus einer dicken Rauchwolke ihr entgegen. Taumelnd entfloh sie. Sie griff sich an dem Schiffsgeländer fort bis zu dem Junker =van Daalen= hin. Diesem, der eben =Clelien= an's Land gehoben hatte, sank sie in die Arme. »Die nehme ich nicht!« sprach ganz ruhig der Bootsmann hinter ihr her. »Sie lernt das Rauchen nimmermehr. Der Tabak verträgt sich nicht mit ihrer Natur und eine so bejahrte Natur läßt sich nicht zwingen.« Indessen hatte sich =Philippintje=, von tödtlicher Beängstigung ergriffen, fest an =Cornelius= geklammert. Ihr Antlitz brannte in Fiebergluth, sie zitterte an allen Gliedern. »O nehmt mich mit, Herzensjunker!« flehete sie. »Ich bin elend, ich bin krank, der Tod sitzt mir schon auf der Zunge und ich fühle es, ich überlebe die Nacht nicht! Ihr habt mich fortgelockt aus dem Hause, wo alle Herrlichkeiten der Welt, Caffee, Zucker, Thee und Rosinen mir im Ueberflusse zu Gebote standen, Ihr müßt nun auch für mich sorgen und mir ein ruhiges Sterbestündlein bereiten, mit dem Siechentröster, und ein ehrliches Begräbniß mit dem schwarzbeflorten Ansprecher[A] und dem stattlichen Leichenkonducte. Auf einmal ist mir's an's Herz geschossen eiskalt und in den Kopf siedend heiß und ich weiß nun, daß es aus ist und ich bald Rechenschaft geben muß von jedem Stückchen Canel, von jedem Loth Zucker, von allen Dingen, die ich dem hochmögenden Heern =Tobias van Vlieten= ungetreu vertragen. Und wie wird's mir gehen, wenn die Rede kommt auf den gottlosen Schiwa, daß ich ihn alle Sonnabende gewaschen und gebürstet habe? Aber, nein! Das fällt mir nicht zur Last, das war im Herrendienste und =der= geht vor Gottesdienst.« [A] =Aanspreeker=. Dieser ladet die Gäste zum Leichenbegängnisse ein und führt den feierlichen Zug an. =Cornelius= sah ein, daß =Philippintje= auf dem Wege war, in einer freilich schmerzhaften und quälenden Weise, von ihrer Verirrung geheilt zu werden. Es mußte ihm viel daran gelegen seyn, sie als =Cleliens= Gesellschafterin beizubehalten. Er war überzeugt, daß sie, wenn sie wieder völlig Herrin ihrer Besinnung geworden, ihren Vortheil zu sehr in Anschlag bringen werde, um noch weiter an die tolle Heirath mit =Herrmanneke= zu denken. Rasch schwang er die Jammernde auf seinen Arm und schritt, von der unbedeutenden Last wenig gehemmt, =Clelien= nach, die indessen sich den hell erleuchteten Häusern genähert hatte. »Sie ist krank,« sagte er in gedämpftem Tone zu der erschreckenden Geliebten: »aber es wird vorübergehen und keine schlimmen, sondern für uns die besten Folgen haben.« »Ja, =Clötje=, mein Kind, ich bin elend zum Sterben;« wimmerte =Philippintje= von =Cornelius= Schulter herab. »Die Strafe folgt der Sünde auf dem Fuße und ich muß nun sterben an der Pfeife Tabak, die ich dem verführerischen Bootsmann zu Gefallen geraucht. Aber verlaß mich nicht in meiner letzten Stunde! Denke daran zurück, wie ich deiner gepflegt, als du im Scharlachfieber und in den Blattern lagst, wie ich Tag und Nacht bei dir hingebracht und jeder Bissen, den du genossest, jeder Trunk, der dir Kühlung brachte, durch meine Hand gegangen ist. Gehe auch mit zu meiner Leiche, Kind! Lege mir einen Kranz von weißen Blumen auf das Grab, wie er mir gebührt, als einer heimgegangenen Jungfrau.« =Clelia=, in deren Seele sich mitleidige Theilnahme in einem hohen Grade regte, wollte die Bedrängte trösten, aber diese hörte nicht darauf. Ihre Klage verlor sich in ein unartikulirtes Weinen, das nur durch einzelne Ausrufungen ohne besondere Bedeutung gestört wurde. Sie rührte sich nicht, sie schien aller Herrschaft über ihre Glieder beraubt. Als die Reisenden das Haus betraten, nach dem sie =Jansen= hingewiesen hatte, fanden sie den Hausflur festlich geschmückt. Es glänzte Alles von Reinlichkeit, der rothe Backsteinboden war mit farbigem Sand in allerlei zierlichen Figuren bestreut, an den Wänden hingen Kränze von künstlichen Blumen aus buntem Papier geschnitten, zwischen diesen Schildereien von unterschiedenem Werthe. Die Musik tönte aus der Küche, die in vielen Häusern auf dem Lande auch zugleich das Prunkgemach ist, in dem man die Gäste empfängt. =Cornelius= und =Clelia= waren zu vertraut mit den Gewohnheiten ihres Vaterlandes, um nicht sogleich den Zweck der nahe an der Hausthüre aufgestellten großen Filzschuhe zu erkennen und sie über die ihrigen zu ziehen, damit der saubere Hausgang und der Porzellanboden der Küche, in der sie nun die Hausfrau aufsuchen mußten, nicht befleckt würden. Es ging sehr lustig her in der Küche, nämlich in so weit es die holländischen Anstandsregeln erlaubten. Vor dem blankstrahlenden Heerdte thronte auf einem erhabenem Sitze die Wirthin des Hauses, eine Frau von mittlerem Alter, die mit unerschütterlicher Gemüthsruhe in die Tasse Thee blickte, die eben die eine Hand zum Munde führte, während die andere eine Butterschnitte mit geräuchertem Stockfisch hielt. Ihre Stirn wurde von einer ungeheueren Spitzenhaube beschattet, bis zum Halse steckte sie in der reichbeblumten Calamankjacke, deren mächtige Schöße weit über die Kniee hinabreichten. In ähnlicher Beschäftigung und Haltung saßen in einem Halbkreise ihre Freundinnen und Nachbarinnen ihr zur Seite. Alle sahen starr in die dampfenden Theetassen und auf den duftenden Stockfisch des Butterbrotes. Nur zeichneten sich die Gäste von der Hausfrau dadurch aus, daß sie sämmtlich die großen schwarzen Regentücher, deren Zipfel den Boden berührten, um den Kopf geschlungen hatten, welche die Holländerinnen auf dem Lande, sobald sie nur die Schwelle ihrer Wohnungen übertreten, bei Sonnenschein und Schneegestöber, bei Windstille und Sturm, nicht verlassen. Im Uebrigen schien sich die ganze Gesellschaft sehr behaglich zu fühlen. Keiner der Theetrinkenden fehlte das beliebte, sanft von unten erwärmende =Feuerstövchen= und jede hatte zu gelegentlicher Dienstleistung das zierliche =Quispeldöschen= neben sich. Es war eine Gesellschaft von Freundinnen im höchsten Grade der geselligen Freude: keine sprach ein Wort, aber alle Bedürfnisse holländischer Bequemlichkeit waren befriedigt und das blank gescheuerte, funkelnde und strahlende Messing- und Kupfergeschirr, der glänzende Reichthum des englischen Zinns, des japanischen Porzellans in den gebohnten Glasschränken erquickte noch überdem die Augen der versammelten Frauen, wenn sie diese einmal von der Theetasse und vom Stockfische aufschlugen. Je weniger aber die Gesellschaft sich laut machte, desto mehr glaubten die zwei Musikanten für eine lärmende Unterhaltung sorgen zu müssen. Der Dudelsackbläser, eine hagere bleiche Figur, schien die letzten Odemzüge aufwenden zu wollen, um durch seine melodischen Töne über die schwer zu erschütternden Herzen seiner Zuhörerinnen zu siegen. Der Geiger, noch kleiner und hagerer, rang mit ihm um den Preis des Sieges. Beide saßen in einem Winkel der Küche auf einer umgestürzten Tonne und hatten einen ungeheueren Bierkrug zwischen sich. Wenn der Zweck, der diese muntere Gesellschaft hier vereinigt hatte, nicht durch sie selbst und ihre Aeusserungen klar wurde, so befand sich doch =ein= Gegenstand in der Küche, der jedem Eingebornen sogleich einen vollständigen Aufschluß gab. Es war nämlich =Kuh-Visite= bei der gastfreien Wirthin und die geschlachtete, ausgeweidete, zierlich mit Bändern und goldpapiernen Blumen geschmückte Dulderin, die den Bedürfnissen des nahenden Winters zum Opfer gefallen war, hing an einem eigenen Gestelle von hell polirtem Nußbaumholz der Hausfrau gerade gegenüber, so daß sie von allen Anwesenden fortwährend angeschaut und bewundert werden konnte. Sie hatte das treue Haupt nach ihrer ehemaligen Herrin hingewendet und sah diese aus den lichtlosen Augenhöhlen ebenso geistreich an, wie sie wiederum von ihr in einzelnen Augenblicken der Trennung von Thee und Stockfisch, angeblickt wurde. Es lag wirklich etwas Rührendes in dem Umtausche dieser Blicke. Beide waren gewiß Herzensfreundinnen gewesen, aber das unerbittliche Schicksal hatte geboten und die eine mußte fallen, wenn auch nicht unter der Hand der Freundin, doch unter ihren Augen und auf ihr Geheiß. Kaum hatte =Cornelius= einen Blick in die hell erleuchtete Küche geworfen, so sah er auch gleich die Bedeutung des Festes ein und daß er dieses nicht durch einen Aufruf der Wirthin stören dürfe. »=Janneke!=« rief er zurücktretend, und sogleich haspelte sich hinter der Tonne, auf welcher die Musikanten ihr entsetzliches Gelärm trieben, der Hausknecht hervor, der gewöhnlich in Holland bei diesem Namen gerufen wird. Dem kleinen kugelrunden Burschen fiel es schwer, sich zwischen den trinkenden Frauen hindurch zu winden, ohne eine von diesen, was ein unverzeihliches Verbrechen gewesen wäre, durch Berührung zu stören. Er begann auf verschiedenen Seiten seine Versuche, aber hier traten ihm die ungeheueren Schöße einer Calamankjacke, dort die langen Zipfel eines Regentuches in den Weg. Gerade gehend hindurchzukommen, war eine reine Unmöglichkeit, denn die Ellnbogen der Damen hielten so eng zusammen, daß bei dem taktmäßigen Theetrinken, zu dem die Hausfrau immer das Zeichen gab, eine allgemeine geräuschvolle Reibung entstand. Endlich faßte =Janneke= einen raschen Entschluß zu einer kühnen That. Er warf sich nahe an der Küchenwand glatt auf den Leib nieder und kroch nun zwischen dieser und dem eher zu berührenden Feuerstövchen, das die Füße der hier sitzenden trug, hervor, um das Verlangen des angekommenen Gastes zu vernehmen. Er stand odemlos vor dem Reisenden und sah mit Blicken dummen Erstaunens auf =Philippintje=, die noch immer seufzend und stöhnend auf =Cornelius= Schultern ruhete und seinen Hals so ängstlich umklammert hielt, als wolle sie ihn nicht lassen ihr Lebelang. Des Junkers Gebot trieb den Hausknecht, sie in das Gastzimmer des obern Stocks zu führen, wo der Kriegsmann sich sogleich seiner süßen Last entledigte und sie auf ein Ruhebett niederließ. »Das ist mein letztes Lager!« sagte mit sehr schwacher Stimme =Philippintje=, die nur Leiden, aber nicht Freuden des Brautstandes kennen lernen sollte. »Ich war des ledigen Standes müde und wollte nun selbander das Glück der Jugend genießen, denn: >es ist nicht gut, daß du allein seyst,< und: >Er schuf ein Männlein und ein Fräulein;< sagt die Schrift. Aber es soll nicht seyn! Das Beißen und Prickeln auf der Zunge und in den Augen hätte ich wohl ertragen dem Bootsmanne zu Liebe, aber der Qualm ist mir in's Herz gedrungen und will nun heraus und wird es zersprengen zur Strafe meiner Sünden. Ach, wer nur ein reines Gewissen hätte in dieser Stunde!« fuhr sie jammernd fort. »Aber was liegt nicht Alles darauf und drückt es schwer hinab, so daß es sich nicht erheben kann von der Erde? =Clötje=, wenn du je wieder heim kommest in die fromme Stadt =Rotterdam=, so sprich deinen Vater an um Verzeihung für die arme Sünderin, die dann nicht mehr lebt und gestraft worden ist durch das, woran sie gesündigt. Entdecke ihm, daß der kostbare Canaster, den er so oft im Gewölbe vermißt, durch mich dem Domine zugetragen worden, daß ich glaubte mir mit dem Tabak ein Stühlchen im Himmel zu erbauen, das aber, wie ich nun wohl einsehe, ein rauchender, quälender Sitz in der Hölle geworden ist. Ich kann nicht mehr, lebe wohl, =Clötje=! Haltet sie gut, Junker =Cornelius=!« Sie schwieg und kehrte sich tief aufseufzend nach der Wandseite. So große Unbequemlichkeit dieser Zustand ihr auch erregen mußte, so hatte er doch nichts, was ernstliche Besorgnisse hätte verursachen können. Bis zum Morgen war gewiß Alles vorüber und =Philippintje= war um eine gute Lehre und eine nützliche Erfahrung reicher! »Laßt mich allein mit ihr, Junker =Cornelius=!« bat =Clelia=. »Sie wird sich eher beruhigen und alle Pflege, deren sie bedarf, kann sie von mir erhalten. Sendet mir nur Thee. =Der= wird die beste Arznei für sie seyn.« =Cornelius= schob den Hausknecht, der noch immer das ihm unbegreifliche Schauspiel anglotzte, vor sich her zur Thüre hinaus. Er sorgte dafür, daß der verlangte Trank in das Krankenzimmer gebracht wurde und überließ sich dem Nachdenken über seine tollen Streiche und die Begebenheiten des heutigen Tages, indem er, bei dem Klange der schreienden Instrumente, vor dem Hause auf und nieder ging. Es war ein sternenheller Abend. Für einen der letzten Tage des Oktobers wehete die Luft ziemlich lau. In den leicht bewegten Wellen schwankte das Spiegelbild des Mondes lieblich hin und her. Von der Barke schwammen einzelne laute Worte, munteres Gelächter und der Gesang =Beckje's= herüber. =Cornelius= empfand einen Augenblick Lust, seinem Freunde =Jansen= noch einen späten Besuch zu machen; allein diese Anwandlung verlor sich bald in ernste Betrachtungen über seine Lage, über die Zukunft, der er =Clelien= ausgesetzt. Eine finstere Stimmung, wie er sie früher nie gekannt, bemächtigte sich seiner. Es war Unzufriedenheit mit sich selbst, mit dem Schicksale, das ihn, wie er meinte, dahin getrieben, dumme Streiche zu machen. Er war wohl über eine Stunde in solche Gedanken versunken am Strande hin und her gewandelt, als die Musik im Innern des Hauses verstummte. Schweigend und geisterartig schlichen die schwarz verhüllten Frauen von der Kuhvisite nach Hause. Sie waren selig in ihrem Innern. Sie hatten ja Thee getrunken und Butterbrod mit Stockfisch gespeist! Welcher Wunsch, welche Sehnsucht wäre noch in ihren Herzen zurückgeblieben? Auf die Ermahnung =Janneke's=, der die Hausthüre verschließen wollte, begab sich =Cornelius= in die gastliche Wohnung zurück und suchte sein Zimmer. Er gedachte einige Stunden zu ruhen, aber die Schwermuth, die über ihn gekommen war, verscheuchte den Schlaf von seinen Augen. Er fühlte, daß er in einem Wendepunkte seines Lebens stehe. Die tausendfarbigen Bilder, die der Leichtsinn erschaffen, die seine Phantasie genährt hatte, waren in dunkele Nacht untergegangen. Die Zukunft starrte ihm mit einem finstern, drohenden Antlitze entgegen; aber er beschloß gegen alles Ueble, das sie bringen könne, zu kämpfen, wie ein Mann, =Clelien= als unerschütterlicher Beschützer redlich zur Seite zu stehen und sich das geliebte Mädchen, das seine Unbesonnenheit aus dem ruhigen Geleise ihres häuslichen Lebens gerissen, durch ein edles Benehmen zu gewinnen. -- Wir müßten den Pinsel und den Sinn eines niederländischen Malers für solche Dinge besitzen, wollten wir -- wenn es auch der Leser vergönnte -- alle Qualen und Uebel, die =Philippintje= im Laufe dieser Nacht überstand, zu schildern versuchen. Es war schon nahe gegen Morgen, als Junker =van Daalen= durch den Hausknecht in das Krankenzimmer beschieden wurde, wo man seiner begehre. In einem Augenblicke war er drüben. Die Gepeinigte saß halbaufrecht und reichte ihm sehnsuchtsvoll beide Arme entgegen. =Clelia= stand an einem Tische und bereitete frischen Thee, während sie ihn aus dem bleichen, überwachten Angesichte freundlich anlächelte. »Ach, es ist gut, daß Ihr kommt, hochedler Junker!« sagte =Philippintje= mit gepreßter, aber doch erkräftigter Stimme. »Ich kann nicht leben und nicht sterben. Das Goldstück, das mir =Herrmanneke= für das Verlöbniß auf die Hand gegeben, brennt mir auf dem Herzen und läßt mich nicht von dannen fahren. Erzeigt mir noch einen Dienst auf der Welt, den letzten Liebesdienst. Nehmt das Goldstück, gebt es ihm zurück und bringt mir den Ring wieder, den ich treuer hätte bewahren sollen, da er noch von =Balthasar= selig stammt. Ich habe furchtbare Dinge gesehen in dieser Nacht. Auf der einen Seite stand =Balthasar=, auf der anderen, mit dem Stummel im Munde, =Herrmanneke=, und beide rissen sich um mich, wie die höllischen Geister um eine arme Seele. Das Gezerre wollte kein Ende nehmen. Da trat aus dem schrecklichen Tabaksqualm, den der Bootsmann verbreitete, Heern =Tobias van Vlieten's= lange hagere Gestalt hervor und schrie mit Donnerstimme: Hebt Euch weg von ihr, denn sie ist mein, weil sie mir ihre Seele dahingegeben hat für Caffee und Zucker, so sie mir gestohlen! =Balthasar= und =Herrmanneke= verschwanden und ich glaubte nun nicht anders, als der hochmögende =Heer= werde mir den Hals umdrehen, so daß ich mit dem schwarzangelaufenen Gesichte hinter mich sehen müßte, allem Gebrauche und aller Schicklichkeit zuwider. Aber =Clötje's= liebe Stimme, die tröstlich dazwischen klang, verscheuchte die entsetzlichen Bilder und der Zuckerthee, den sie mir einflöste, trieb den kalten Schauer fort, der mir durch alle Glieder rann. Geht, hochedler Junker, geht: ich beschwöre Euch! Die Seele will sich vom Leibe lösen, aber sie vermag es nicht, denn das Goldstück und der Ring hält sie am Irdischen fest. Da ist der halbe =Ruyter= des Bootsmannes. Holt mir meinen Ring und bringt mir gleich auch den Siechentröster und den Ansprecher mit!« Aus =Philippintje's= überströmender Redseligkeit erkannte der Junker, daß ihr Uebel bereits im Abnehmen sey und nur die erregte Einbildungskraft ihr noch immer den Tod als eine nahe, unvermeidliche Sache vorspiegle. Ein Wink =Clelia's= bestimmte ihn, das Goldstück aus =Philippintje's= bebender Hand anzunehmen. »Nun eilt, eilt, hochmögender Heer =Cornelius=!« flehete sie von Neuem. »Laßt die arme Seele nicht zu lange kämpfen und nach Erlösung schmachten! Sagt dem Bootsmann, daß wir geschieden seyen für die irdische Zeitlichkeit und die himmlische Ewigkeit! Er hat mich ums Leben gebracht mit seiner Pfeife, aber ich verzeihe es ihm auf dem Sterbebett, als eine gute Christin, die keinen Groll mit hinübernimmt ins Himmelreich. Eilt, lieber Junker! Erlöset die arme Seele!« Sie sank in die Kissen zurück. Ehe noch =Cornelius= die Thüre erreichte, verriethen schon laute unmelodische Töne, die ihren Lippen entschwebten, daß sie in einen tiefen, ihr wahrscheinlich höchst wohlthätigen Schlaf gefallen sey. Es war ein kühler, feuchter Morgen. Dicke Nebel lagen auf dem Hollands-Diep und dem flachen Küstenlande. Wie durch einen grauen Flor schimmerte die Leuchte von der Barke herüber. Noch fand =Cornelius= niemand ermuntert, als den Bootsmann, den er suchte und der am Steuer Wacht hielt. Die glimmende Pfeife in =Herrmanneke's= Munde zeigte dem Junker den Weg. Es hielt nicht schwer, jenen zu bewegen den leichten silbernen Ring, den er von =Philippintje= als Liebeszeichen empfangen hatte, gegen das werthvollere Goldstück herauszugeben. »Ich möchte sie nicht, und wenn sie in Zucker und Caffee eingepökelt wäre!« sagte der unfeine Seemann. »Was thäte ich mit einer Frau, der eine halbe Pfeife Tabak den Kopf verdreht und die den Wachholder wohl gern haben mag, aber keine Natur, ihn zu vertragen? Es ist auch besser, ich bleibe ledig. Capitän =Jansen= zahlt mir doch nicht mehr, wenn ich auch eine Frau nehme und da meine Frau durchaus Tabak rauchen muß, so gäbe das eine doppelte Ausgabe, die ich am Ende nicht bestreiten könnte. Sie hatte mich beschwatzt, die Jungfrau! Sie sprach mir so viel vor von meiner Aehnlichkeit mit ihrem lieben seligen =Balthasar=, von ihrem Reichthum an Zucker, Caffee und selbst Canaster, daß es mir am Ende in den Sinn kam: Blixen! das wäre eine Frau für dich. Ich platzte heraus mit dem Antrag und sie hielt mich fest an meinen Worten, wie die Harpune den Wallfisch. Und als sie sich gar eine Pfeife stopfte und anfing zu dampfen, wie ein Alter, da ging mir das Herz auf, als wäre ich erst zwanzig Jahre alt und sie wäre ein Mädchen von siebzehn. Ich sah sie nicht hinter der Rauchwolke und machte mir weiß, sie wäre entsetzlich schön. Doch genug von dem Schatze! Es ist vorbei und ich will sie mir aus dem Sinn schlagen.« Er stieg auf und machte einen Gang nach dem Vorderkastelle hin. =Cornelius= suchte indessen =Clelia's= Gepäck zusammen und rief den Schiffsjungen, der in der Küche schlummerte, herbei, damit er es an's Land trage. =Jansen= war nirgends zu sehen. Der Junker ließ ihn und =Beckje= durch =Herrmanneke= grüßen und von der Veränderung seines Reiseplans benachrichtigen. Als =Cornelius= wieder leise in das Frauengemach trat, um den Erfolg seiner Sendung zu melden, lag =Philippintje= noch in tiefem Schlafe. Auch =Clelia= war auf ihrem Sitze in einen leichten Schlummer gefallen. Er näherte sich ihr vorsichtig. Er konnte sich das Vergnügen nicht versagen, die reizende Geliebte, deren Wangen mit lieblichen Rosen prangten, einige Augenblicke zu betrachten. Ihre Odemzüge waren sanft; leicht hob sich die Brust, in der alles Glück seiner Zukunft ruhete. Die geschlossenen Wimpern zuckten, um die Purpurlippen begann ein freundliches Lächeln zu spielen. »=Cornelius!=« bebte es von dem halbgeöffneten Munde. Sein Entzücken war vollkommen. Er mußte sich bezwingen, nicht laut den Namen der Geliebten zu rufen, nicht den süßen Traum zu stören, dessen glücklicher Gegenstand =er= war. Kaum konnten sich seine Blicke von ihr trennen. Wie schön war sie doch! Der Engel seines Lebens, von dem er nicht allein ein glückliches, auch ein edleres Daseyn erwarten konnte, lag da in sanfter Ruhe, den Himmel im schönen Antlitze, der im Herzen heimisch war. Von einem Gefühle der Ehrfurcht ergriffen, trat er zurück. Es that ihm leid, schon so lange verweilt zu haben, es war ihm, als habe er einen Verrath an dem herrlichen Mädchen begangen. Auch er genoß jetzt einiger Stunden ruhigen Schlummers. Als er erwachte und durch's Fenster sah auf den Spiegel des Hollands-Diep, war es hell geworden, die Sonne stand schon ziemlich hoch, von der =Syrene= war nichts mehr zu erblicken. Die Heiterkeit, die auf Land und Wasser ruhete, fand er auch in seinem Gemüthe wieder. Der Anblick der ruhig schlummernden =Clelia= hatte einen unbeschreiblichen Eindruck auf ihn gemacht, und sich so fest in seine Seele geprägt, daß er das liebliche Bild fortwährend vor sich zu sehen wähnte. Seine guten Vorsätze gaben ihm die Zufriedenheit mit sich selbst zurück. Er nannte den frohen Sinn, der ihn immer belebt hatte, wieder sein Eigenthum, aber er war nun auch überzeugt, Festigkeit und Willen zu besitzen, ihn zu zügeln, daß er nicht wieder seine Dämme durchbreche und in unbesonnenen, tollen Streichen ausströme. Erst gegen Mittag fand er Einlaß bei =Clelien=. =Philippintje= war, wie er vorausgesehen hatte, frisch und gesund, fuhr geschäftig im Zimmer umher und suchte seine Blicke zu vermeiden. Als er ihr den silbernen Ring zurückgab, trat eine Thräne in ihr Auge. »Hat es ihm nicht sehr wehe gethan, dem =Herrmanneke=?« fragte sie. »Um Gotteswillen! Er hat sich doch nicht etwa ein Leid zugefügt?« »Das ich nicht wüßte!« versetzte kaltblütig Junker =Cornelius=. »Er schien im Gegentheile ganz zufrieden mit dieser Wendung der Sache. Eine Frau, die das Rauchen nicht ertragen könne, wäre ein für allemal nichts für ihn, meinte er.« »Der Bösewicht!« grollte =Philippintje=. »Er hätte es doch noch einmal probiren können! Aber ich verliere nichts an ihm. Frau Bootsmann kann ich immer noch werden.« Alles war zur Fortsetzung der Reise auf dem Landwege bereit. Sie hatten einen weiten, ziemlich unbebaueten Landstrich zu durchziehen. Mancherlei Beschwerlichkeiten stellten sich ihnen in den Weg, aber sie durften auch hoffen, hier nicht so leicht auf feindliche Streifpartheien zu stoßen, die sich mehr in jenen Gegenden hielten, wo sie erwarten konnten, ihre Raub- und Plünderungssucht befriedigt zu sehen. =Cornelius= hatte, vermittelst guter Bezahlung -- er war gewohnt, immer eine ansehnliche Summe in Gold bei sich zu führen -- von der Wirthin des Hauses einen Wagen, mit vier starken ostfriesischen Pferden, für die nächsten Tage gemiethet. =Janneke=, der Hausknecht, sollte den Kutscher machen und für die richtige Rückkehr des Fuhrwerks sorgen. Freilich war dieses weit entfernt, die Bequemlichkeiten zu bieten, welche in unseren Zeiten von einem wohleingerichteten Reisewagen gefordert werden. Es war ein einfacher Leiterwagen, mit einem Dache von Wachstuch versehen, das man öffnen und verschließen konnte, wie es der Wechsel der Witterung gebot. Aber das Innere hatte =Cornelius= mit aller Sorgfalt eines Liebenden so behaglich eingerichtet, wie es die Umstände zuließen. Die Seiten waren mit warmhaltendem Tuche beschlagen, der Boden mit Kissen belegt und zu dem Sitze für =Clelia= hatte er den prächtigen und höchst bequemen Lehnstuhl der Wirthin theuer erkauft und schaukelnd in starke Riemen eingehängt. Nach damaligen Begriffen war dieses schon ein sehr stattliches Fuhrwerk, das die Tochter des dicksten Mannes in =Rotterdam= sich nicht schämen durfte zu besteigen. Bald war man freundlich eingerichtet in der kleinen beweglichen Wohnung. Auch für Proviant, für Leckerbissen, so gut sie das Gasthaus geboten, hatte der Junker gesorgt. Rasch trabten die vier muthigen Rosse landeinwärts von dannen. =Clelia= saß voll stillen Seelenfriedens dem glücklichen =Cornelius= gegenüber. =Philippintje= schien sehr in sich gekehrt. Von einer kleinen Anhöhe warf sie noch einmal einen Blick hinab auf das silberglänzende Hollands-Diep, dessen Wellen sie gestern noch als eine hoffnungsvolle Braut geschaukelt hatten. »Der Treulose! Der Tabakstyrann!« murmelte sie in sich hinein, dann verschloß sie die Augen und stellte sich, um allen beschämenden Fragen auszuweichen, als ob sie schliefe. 3. Der Kutter, den Capitän =Jonas= befehligte, hatte indessen, durch seine leichte Bauart und den besten Wind begünstigt, mit der Eile eines die Lüfte durchschneidenden Vogels, seine Fahrt durch das =Hollands-Diep= nach dem =Kramer= fortgesetzt. So sehr auch die zwei jungen Leute, die dem Professor =Hazenbrook= durch die Zurückführung der schönen =Clelia= die Aussicht auf den Besitz des Mumienkörpers von Heer =Tobias van Vlieten= sichern wollten, sich früher der Flüchtigkeit des =lustigen Freiers von Rotterdam= erfreut hatten, so lästig fiel sie ihnen jetzt, da eben sie es war, die sie immer weiter von dem Gegenstande ihres Forschens und ihres Verlangens entfernte. Sie sahen auch wenig Hoffnung vor sich, bald von ihrer unerwarteten Haft befreit zu werden. Capitän =Jonas= ging finster und schweigend auf dem Verdecke auf und nieder, würdigte sie keines Blickes und die Mannschaft folgte seinem Beispiele. Die schöne =Juliane= war auch, nachdem sie vernommen, daß die spanische Schebecke in die Luft geflogen und nach dieser Himmelfahrt, keine weitere Gefahr vorhanden sey, wieder erschienen und tanzte und sang leichtfertig am Bord umher. Dann und wann sah sie wohl nach den Gefangenen hin, aber in ihren Augen zeigte sich so viel Hohn und Schadenfreude, daß selbst =La Paix=, der bisher nur sich selbst Vorwürfe über seine vorschnelle Verliebtheit und die in dieser begangenen Thorheiten gemacht hatte, sich gestand, es müsse ein süßes Gefühl seyn, an dieser Sünderin Rache zu nehmen. Sie schien mit allen Personen der Mannschaft genau befreundet. Sie plauderte so vertraut mit dem Schiffsjungen und mit den Matrosen, wie mit dem Steuermann und dem Bootsführer. Alle nannten sie =du= und manche Freiheiten, welche sich die jungen Männer nahmen, wurden von ihr mehr muthwillig und auffordernd, als ernst und zurückweisend, abgelehnt. »=La Paix!=« sagte =Le Vaillant=, indem er mit dem Freunde zur Seite trat und einen verächtlichen Blick auf das Mädchen warf. »=Die= hätte mich zu keinem dummen Streiche verleiten können! _Cadédis!_ In dem Lande, wo die herrliche Garonne strömt, hätte sie, nach altem Gebrauche, einen gelben Kittel tragen müssen, um ein Abzeichen zu haben vor andern ehrbaren Frauen. Ich will ihr nur rathen, mir nicht zu nahe zu kommen, sie möchte sonst Dinge hören, die ihr nicht lieb wären und ich wollte ihr einen Spiegel vorhalten mit ihrem ganzen vortrefflichen Wesen und Wandel, vor dem sie zurückprallen sollte, als hätte sie einen Drachen erblickt.« »Sey ruhig und verstelle dich!« ermahnte =La Paix=. »Ich habe wohl größere Ursache, sie zu hassen, als du, aber ich sehe ein, daß wir doch nur durch sie allein unsere Freiheit erlangen können. Wir dürfen es nicht noch mehr mit ihr verderben, als es schon geschehen ist. Sie ist listig und boshaft, aber sie ist auch habgierig. Gieb Acht! Sie kommt von selbst, um als eine gute Seelenverkäuferin mit uns zu handeln über unser Lösegeld. Sie sieht uns für Citronen an, die man so lange auspressen muß, als nur noch der Gewinn eines Tropfens zu erwarten ist.« »_Sandis!_« fuhr der junge Gascogner fort, ohne seines Gefährten Rede zu beachten. »Der werthe Professor hat uns da in eine schöne Patsche gebracht, aus der wir uns nun selbst herausarbeiten können. Was hat der Mann auch für tolle Gedanken! Welcher Mensch, außer ihm, käme in der weiten Welt auf die wunderbare Idee, aus einem Rotterdammer Theekaufmann eine egyptische Mumie, einen Pharao und Sesostris zu machen? _Morgué!_ Wenn ich die Geschichte einmal in meinen alten Tagen meinen Kindern und Kindeskindern erzähle, so werden sie behaupten, ich binde ihnen etwas auf oder der Professor sey wahnwitzig gewesen.« »Ist er es denn etwa nicht?« entgegnete kaltblütig der andere. »Er ist sonst ein gescheidter und gelehrter Mann, von dem wir Mancherlei lernen können, aber er hat einen Tick und dieser Tick besteht eben in seinem unsinnigen Gelüst nach einem viertausendjährigen Bewohner der Nilufer, mit dem er sein Schooßkind, das Naturalienkabinet, putzen will. Hat es denn nicht Leute gegeben, mit denen man die anmuthigste Unterhaltung von der Welt führen konnte, die man als Wunder von Verstand anstaunte, bis zufällig die Rede auf Macedonien oder Jerusalem kam, und dann der eine ganz ernsthaft versicherte, er sey =Alexander der Große= und habe den =Darius= besiegt, oder der andere in aller Ruhe hinwarf, =er=, als der =weise Salomo=, müsse am Besten wissen, wie es beim Tempelbaue von Jerusalem hergegangen sey? Gerade ein solcher Thor ist unser Professor. Er ist belehrend, vernünftig, geistreich, bis ihm etwas aufstößt, das seine egyptische Narrheit aufrührt. Dann sind aber auch von ihr mit einemmale alle Dämme, die sein Verstand ihr entgegenstellen kann, überschwemmt, er wird fortgerissen zu den köstlichsten Tollheiten und wir -- nun wir haben dann einen Gegenstand zum Lachen, wir sind seiner lästigen Aufsicht entledigt und können dann unserer Freiheit genießen -- wie wir es zum Beispiel jetzt thun.« »Eine schöne Freiheit, das!« brummte =Le Vaillant=. »Eingeschränkt auf das Verdeck eines kleinen Schiffes, ohne Waffen, bewacht von fünfzig Augen --« »Du irrst!« wandte mit stoischer Ruhe =La Paix= ein. »Es sind neunundvierzig oder einundfünfzig, denn unser edler Capitän zählt nur eins. Ach, =Le Vaillant=, was mich weit mehr betrübt,« fuhr er in schwermüthigem Tone fort, »ist, daß auch wir zwei, jeder in seiner besonderen Weise, einen solchen wahnwitzigen Tick haben!« »_Corbleu!_« fuhr sein Freund auf. »Ich ersuche dich, in solchen Ausdrücken von dir allein zu sprechen. Ich, Gottlob! habe mir meinen gesunden Verstand bewahrt und hoffe, daß ich dermaleinst in dem Schlosse meiner edeln Eltern, an dem die herrliche Garonne vorüberfließt, weder als =Alexander der Große=, noch als =weiser Salomo= auftreten werde.« »In welchem schmählichen Irrthume lebst du doch, bester Freund!« sprach sehr sanft =La Paix= weiter. »Ist denn das nicht schon ein Tick, daß du dich für so ganz erstaunlich gescheidt hältst, und wie weit ist denn der Sprung von diesem Wahne der Gescheidtheit bis zum Wahne der Weisheit, der dich im nächsten Augenblicke in deinen eigenen Begriffen zum weisen =Salomo= erhebt? Und daß du mit deinen Gedanken nur immer in der Gascogne, deren Vorzüge ich übrigens nicht bestreiten will, lebst, daß du die Zwiebel von der Garonne höher schätzest, als die köstliche Ananas von Amboina, daß du gar nicht herauskommen kannst aus den Kraftwörtern, die in deiner Heimath beliebt sind, ist denn das nicht ein arger Tick? Und ich? Ach, theuerer =Le Vaillant=, mit mir steht es noch weit schlimmer! Ich sehe jedes hübsche Mädchen mit Blicken an, wie =Hazenbrook= die egyptischen Mumien. Habe ich nicht ein schauderhaftes Beispiel meines Wahnwitzes im Laufe des heutigen Tages gegeben? Hätte mir ein geringfügiges Mädchen, wie die =Juliane=, mein sämmtliches Geld, nebst der sonst so werthgehaltenen goldenen Kette, dem theueren Angedenken meiner Mutter, abnehmen können, wenn ich nicht von einem entsetzlichen Tick befallen wäre? Und noch einmal von dir zu sprechen, Liebster! Womit willst du deine Rauflust bei jeder unbedeutenden Gelegenheit, die Wuth, dein Blut oder das eines andern zu vergießen, dein Leben um einer Lumperei willen auf's Spiel zu setzen, anders entschuldigen, als mit dem Wahnwitze, der heimlich in deinem Innern wohnt, den aber die geringste Kleinigkeit ins Daseyn ruft? Glaube mir, Bester! Wir sind sehr zu beklagen.« »Du magst wohl recht haben!« versetzte im Tone einer bei ihm seltenen Niedergeschlagenheit =Le Vaillant=, auf den die schwermüthige Stimmung, in die sich sein Freund hineingeredet, ansteckend gewirkt hatte. »Wir sind übel dran! Wir treiben wahnwitziges Zeug, _ergo_: sind wir wahnwitzig.« Sie gingen schweigend und in sich gekehrt auf dem Verdecke hin und her. Ihre Blicke waren zur Erde gerichtet, in ihren Zügen lag der Ausdruck eines Kummers, der schwer auf ihrem Herzen zu lasten schien. Aller Muth war, ihrem Aeußern nach, von ihnen gewichen. Was würden ihre Mitschüler in =Leyden= gesagt haben, wenn sie die zwei sonst so lebensfrohen Franzosen, den kecken =Le Vaillant=, der mit den verwegenen Blicken die Welt erobern zu wollen schien, den milden =La Paix=, dessen immerwährende Freundlichkeit sprüchwörtlich geworden war, in diesem Zustande erblickt hätten? =Juliane=, die sie heimlich, aber sehr aufmerksam beobachtete, holte ihre Laute hervor, ließ ein Paar Griffe durch die Saiten rauschen und sang ein munteres französisches Liedchen, das zu Freude und Frohsinn aufforderte. Die Studenten hatten das Ansehen, es nicht zu hören. Die Falten von ihrer Stirn wichen nicht, der Ausdruck tiefen Grams beharrte in ihren Mienen. Da legte =Juliane= das Instrument weg und näherte sich ihnen mit theilnehmender Gebehrde. Sie glaubte den Augenblick günstig, wieder eine Art von Vertraulichkeit mit ihnen anzuknüpfen, die ihr zur Ausführung ihrer still entworfenen Plane behülflich seyn sollte. Der Schwermüthige ist nicht grob, dachte sie, er giebt im schlimmsten Falle keine Antwort und darauf hin kann ich's wagen. »Verbannt Euern Kummer, Messieurs!« sagte sie, indem sie den Studenten in den Weg trat. »Heute mir, morgen dir! sagt das Sprüchwort, und alle Dinge in der Welt sind veränderlich, wie Ihr wißt. Was habt Ihr auch groß zu klagen? Ihr seyd hier in so guter Gesellschaft, als sich nur auf irgend einem holländischen Schiffe findet, Ihr werdet anständig behandelt, als Kriegsgefangene, und Ihr dürft nur wollen, so werde ich selbst gern mich bemühen, Euch die Zeit auf eine angenehme Weise zu verkürzen. Habt Ihr noch sonst ein Begehren? Entdeckt Euch mir. =Juliane= ist gewiß Euere Freundin und wird Alles thun, Euere Wünsche zu befriedigen. Sprecht! Fehlt Euch etwas?« »Eine Kleinigkeit, Mademoiselle,« versetzte, nachdem er einen langen starren Blick auf sie gerichtet hatte, in dumpfem Tone =La Paix=. »Wir sind wahnwitzig: weiter nichts!« =Juliane= bebte zurück. Die beiden jungen Leute hatten in der That Etwas in ihrem Wesen, das den Worten desjenigen, der zu ihr gesprochen hatte, Bestätigung zu verleihen schien. Sie sah sich furchtsam um, ob auch Leute in der Nähe seyen, die ihr im Falle der Noth Beistand leisten könnten. Zu ihrem Troste stand ihr Vater nicht weit und einige Matrosen, die ihr Ruf sogleich erreichen konnte, waren in der Nähe beschäftigt. Ihre Bestürzung wurde sogleich von =La Paix= bemerkt. Er trat rasch auf sie zu, ergriff stark die Hand der sich Sträubenden und hielt sie, trotz aller Versuche von ihrer Seite, sie ihm zu entziehen, fest in der seinigen. »Ja, Mademoiselle, wir sind wahnwitzig und ich sage dieses, nicht etwa um Euch zu täuschen, sondern im vollen Ernste,« fuhr =La Paix= in einem noch hohleren Tone, als er vorher angenommen hatte, fort. »Es ist ein Familienfehler bei meinem Freunde und mir. Wenn unser Uebel zum Ausbruche kommt, kann uns niemand widerstehen. Menschenhände sind nicht fähig uns zu greifen, Menschenkraft vermag nicht uns zu bewältigen. Wir zertrümmern Alles, wir vernichten Alles, was sich in unserer Nähe befindet. Nichts was nied- und nagelfest, ist vor uns sicher und -- ich muß das Aergste gestehen! -- wir sehen in unserer Verblendung Alle, die dem weiblichen Geschlechte angehören, für Raubthiere an, die wir von der Erde vertilgen müssen und kostete es unser eigenes Leben. So ist es, unvergleichliche =Juliane=! Einem solchen Ausbruche geht dann immer ein Zustand der Schwermuth, der Beängstigung, einer kaum zu ertragenden Niedergeschlagenheit voran, wie ungefähr Derjenige, in dem wir uns jetzt befinden. Wir sehen dann allerlei Phantome, ganz gewöhnliche Dinge und Menschen erscheinen uns wunderbar und seltsam, ganz anders, wie sie in der Wirklichkeit sich verhalten. So kommt Ihr zum Beispiel, treffliche Mademoiselle, mir in diesem Augenblicke einigermaßen wie die heidnische Zauberin =Circe= vor. Es ist mir, als hättet Ihr wie jene gewaltige Dame des Alterthums die Passion, Menschen in Thiere zu verwandeln, und es fehlte Euch nichts dazu, als die Macht. Aber meine Einbildungskraft stürmt dann, ohne daß ich sie zu zügeln vermag, immer weiter. Ihr verwandelt Euch vor meinen sichtlichen Augen. Jetzt, Mademoiselle, sehe ich Euch mit einemmale ganz anders, als vorher. Bei allen Stürmen des Hollands-Diep und des Biesbosches, Ihr seyd der Drache, der das goldene Vließ bewacht, und ich bin =Jason=, der Held der Argo, der gekommen ist, Euch zu ermorden! =Medea=, die Hexe, steht mir bei, ich vergifte Euch, ich verbrenne Euch in feueriger Lohe -- Beruhigt Euch, holdselige =Juliane=!« sprach er weiter und verwandelte den wilden schreienden Ton, durch den er sie entsetzt und fast zu dem Entschlusse, nach Hülfe zu rufen, gebracht hatte, in den Laut sanfter Schwermuth. »Seyd ohne Furcht, Allerliebenswürdigste! Dergleichen Anwandlungen sind nur vorübergehend, wie Wetterleuchten vor dem Ausbruche des Gewitters. Für heute habt Ihr nichts zu besorgen. =Le Vaillant= und ich, wir halten uns noch bis morgen. Es können noch einzelne Zufälle sich zeigen, aber die sind unschädlich. Ihr werdet uns in eine immer tiefer werdende Schwermuth versinken, vielleicht Ströme von Thränen vergießen sehen, eine seltsame Einbildung wird die andere jagen -- das darf Euch nicht kümmern, das ist nur noch der leichte unschuldige Zeitvertreib des Wahnwitzes. Aber morgen, morgen --« setzte er, mit einem tiefen Seufzer, bedeutungsvoll hinzu, »morgen erscheint der Tag des Kampfes, der Vernichtung, des blutigen Verderbens. Dann stehe ich für nichts. Dann vermögen keine Stricke, keine Banden, keine Ketten uns zu halten!« »Ihr wollt nur scherzen!« sagte =Juliane= mit einem erzwungenen Lächeln, indem sie sich fort und fort bemühete, ihre Hand aus des jungen Mannes pressender Rechten loszuwinden. »Ihr und Euer Freund habt zwar ein betrübtes Ansehen, aber keineswegs das von tollen Leuten. Der Rosoli meines Oheims spukt Euch wohl noch im Kopfe und wenn der verflogen ist, werden auch wohl die Wahnbilder aus Eurem Gehirne entweichen.« »O daß es so wäre!« erwiederte =La Paix= mit gedämpfter Stimme und zum Himmel gerichteten Blicken. »Aber ich kenne uns: den schrecklichen =Le Vaillant=, wenn sein Unstern über ihn aufgeht, und mich, der sich selbst in den Augenblicken der Wuth verschlingen möchte. In =Leyden=, der herrlichen Universitätsstadt, nennt man uns nur den Löwen und den Tiger; denn man hat uns gesehen in dem furchtbaren Zustande, der die Welt zu vernichten droht, man verschloß alle Thore, man ließ Regimenter gegen uns marschiren -- Alles vergebens! Die Wuth mußte sich in sich selbst verzehren. Dann waren wir wieder die besten Bursche von der Welt und tranken Brüderschaft mit den Soldaten und den Commilitonen, die wir vorher angefallen hatten wie reißende Thiere. Ihr wißt nun Alles. Ihr seyd gewarnt. Laßt jetzt ab von mir, denn ich fühle, daß meine Einbildungskraft wieder anfängt sich zu regen! Es könnten sich Gestalten zeigen, ich könnte Dinge sprechen -- Ja, ja, trefflichste =Juliane=! Es ist besser, wir brechen jetzt ab. Erwägt Alles wohl, was ich Euch entdeckt habe. Morgen, morgen wird Blut fließen in Strömen, vielleicht das Euerige, das noch heute Euere Wangen röthet, das noch heute Euer edles Herz hebt zu gefühlvollen Schlägen für die halbe Menschheit!« =Juliane= wußte noch immer nicht, ob das was sie hörte, Scherz oder Ernst sey. Dennoch ließ ihre natürliche Furchtsamkeit, die sie auch jetzt, nach ihrer sonstigen Gewohnheit, unter muthig klingenden Worten zu verstecken strebte, sie das Schlimmste erwarten. »O ich habe ganz andere Dinge gesehen!« versetzte sie, aber nicht in jenem muthwilligen Tone, wie sie dieselbe Redensart bei dem übereilten Zweikampfe zwischen den beiden Studenten vorgebracht hatte. »Ich fürchte mich nicht. Mein Vater ist da, der Bootsmann ist ein starker Mann und von den übrigen Leuten steht einer immer für zwei.« =La Paix= antwortete nichts. Mit einem großen, bedauernden Blicke betrachtete er das Mädchen von oben bis unten, schüttelte traurig den Kopf und preßte aus tiefer Brust einen so klagenden Seufzer, daß er =Julianen= durch Mark und Bein ging. »Schade um das reizende Wesen!« sprach er dann, sie mit gläsernen Augen anstarrend, dumpf in sich hinein. »Heute noch so schön und morgen -- Tod -- Blut -- Asche!« Er wandte sich mit seinem Freunde ab und ging nach einer andern Seite. =Juliane= sah ihnen zitternd nach. Ein Frösteln zog durch ihre Glieder. Sie versuchte zu lächeln; sie mußte mit den Zähnen klappern und Thränen traten ihr in die Augen. Es war bereits dämmerig geworden. Die Düsterheit, die auf den Wellen und auf dem Schiffe lag, erhöhete das unheimliche Gefühl, von dem sie sich ergriffen fand, um Vieles. »Es ist Alles Lüge, es ist Alles lächerlich!« sagte sie sich selbst. »Wie können denn zwei Menschen den vereinten Anstrengungen so vieler andern widerstehen, wenn diese sich ihnen entgegenwerfen im Ausbruche ihrer Tollheit, um sie zu bändigen und zu knebeln? Pah! ich glaube nichts von dem ganzen Geschwätz. Das ist Prahlerei, blauer Dunst!« Aber in ihrem Innern sprach eine Stimme, die den gewaltsam aufgebotenen Muth zu Schanden machte. Sie war in früheren Jahren einmal bei einer Verwandten in =Friesland= zu Besuch gewesen. Dort brachte es die Sitte mit sich, daß Frauen und Jungfrauen sich öfters zu Abendversammlungen zusammenfanden, in denen alte seltsame Geschichten erzählt wurden, deren Inhalt gewöhnlich die Herzen mit Schauder erfüllte, und die Gemüther zu Bangigkeit und Zagen stimmte. Dort war auch von den ehemaligen friesischen Königen erzählt worden, von gewaltigen Seehelden, die weit vom Norden herabgekommen waren und Wunder der Kraft und der Tapferkeit verrichteten. Wenn diese nun in Zorn geriethen, so waren sie in eine Wuth verfallen, deren Aeußerungen keine Gewalt, keine Uebermacht zu hemmen vermocht. Es war über sie gekommen, wie eine Krankheit. Nicht alle waren ihr unterworfen gewesen, nur einzelne, und man hatte dieses Uebel die Berserkerwuth genannt. =Juliane= dachte in ihrer Aufregung nicht daran, daß die zwei jungen Leute nichts weniger, als Nordlands-Reken seyen. Die Stimme aus ihrem Innern rief ihr nur immer zu: »=Juliane=, =Juliane=, dein letztes Stündlein ist nahe! Du hast dich des Lebens erfreuet, aber du wirst nun bald starr, blutig und kalt daliegen.« Sie konnte mit allem Aufgebote ihrer Besonnenheit diese Stimme nicht zum Schweigen bringen. In diesem Kampfe widriger Zweifel zog sie sich an das Steuerruder neben ihren Vater zurück und verfiel hier in ein tiefes Nachdenken. Von Zeit zu Zeit warf sie aber doch einen und den andern verstohlenen Blick auf die beiden Studenten, deren dunkele Gestalten sich in der Dämmerung schattenartig am Vordertheile des Fahrzeuges hin und her bewegten. »_Cadédis!_« sagte =Le Vaillant=, als er sich mit seinem Freunde allein und unbelauscht sah, zu diesem. »Du treibst es zu weit. Einen kleinen Tick ließ ich mir schon gefallen, aber du machst uns ganz und gar zu Narren und ich will es loben, wenn man nicht hinterrücks über uns herfällt, um uns gebunden an einen sicheren Ort zu bringen.« »Der Spaß war köstlich!« versetzte leise der Angeredete. »Er hat mich aus meiner trübseligen Stimmung herausgerissen, er hat mir meine Ruhe wiedergegeben. Wie die schöne Sünderin zitterte um das Bischen Leben, das sie so übel anwendet, wie sie ihre Hand so gern losgerungen hätte, aus der des Wahnwitzigen, wie ihre Seele gepeinigt und geprickelt wurde zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Grauen und dem lächerlichsten Wahne! =Le Vaillant=, du thust mir leid, denn bei deiner Denkart, bei deinen Gefühlen, die nur rasch und heftig, aber nicht tief und ergreifend sind, konntest du unmöglich den Genuß haben, den mir die Folterqual der listigen Gaunerin gewährte. Deine Besorgniß ist thöricht. Sie wagt nichts gegen uns, sie fürchtet den Alles vernichtenden Ausbruch unserer Wuth zu beschleunigen. Ich ahne, daß noch ganz andere Dinge sich aus meinem glücklichen Einfalle entspinnen werden. Halte dich nur immer hübsch ruhig an meiner Seite. Schlage die Arme unter, wie ich, hefte die Blicke auf den Boden, nimm einen langsamen abgemessenen Schritt an, bleibe stehen, wenn ich stehen bleibe, stöhne kläglich, wenn ich es thue, genug, folge in Allem meinem Beispiele und du wirst sehen -- es ist unser Schade nicht!« Trotz der einbrechenden Nacht schwebte der Kutter noch immer mit ausgespannten Segeln über die Wellenfläche hin. Laternen waren ausgehängt worden, die Strahlen des Mondes zitterten auf dem bewegten Wasser und ließen nach der linken Seite hin einen dunkeln Streif sehen, der das Uferland bezeichnete. Bei der milden Luft, welche Abends der frischen Kühle des Tages gefolgt war, blieben die meisten der Leute auf dem Verdecke, wo sie sich mit Segelflicken, Netzausbessern und dergleichen beschäftigten. Nur Capitän =Jonas=, der den Abend gern ruhig in seiner Cajüte bei der Madeiraflasche zubrachte und diejenigen der Matrosen, denen die heutige Nachtwache zufiel, hatten sich zurückgezogen. =Juliane= saß noch immer in Sinnen verloren an einer Stelle, wo sie durch die arbeitenden Matrosen von den Gefahr drohenden Gefangenen geschieden war. Diese beharrten in ihrer Theilnahmlosigkeit, in ihrem düstern Hinbrüten. Mit untergeschlagenen Armen wandelten sie auf und nieder, kein Wort ging über ihre Lippen, nur tiefe, lauthallende Seufzer, die selbst bis zu der fernen =Juliane= herüberdrangen, entquollen von Zeit zu Zeit ihrer Brust. Es mochte gegen die zehente Abendstunde seyn, als auf des Steuermanns Geheiß, der im Auftrage seines Capitäns befehligte, nicht weit vom Lande die Anker ausgeworfen wurden. Einige Matrosen lagen schon schlafend auf den Bänken des Verdeckes, andere rüsteten sich, ebenfalls zur Ruhe zu gehen. Niemand schien sich um die Kriegsgefangenen zu kümmern. »Kannst du schwimmen, =La Paix=?« raunte diesem sein Freund zu. »Was mich betrifft, so getraue ich mich wohl, diese Handvoll Wasser zu durchschneiden, wie ein Delphin, und in zehn Minuten spätestens am Lande zu seyn. _Morgué!_ ich habe dir ganz andere Kunststücke gemacht in dieser Gattung. Die Garonne ist Zeuge meiner Thaten gewesen und man gab mir wegen meiner Schwimmfertigkeit den Namen des =Fisches=, wie jenem Sizilianer, der einen goldenen Becher aus dem Schlunde der Charybdis holte.« »Ich kann nicht schwimmen!« gab =La Paix= trocken zur Antwort. »Es ist auch gar nicht nöthig, daß du deine Fischnatur zu besonderen Anstrengungen in diesen Gewässern aufbietest, die vielleicht nicht so freundlich seyn dürften, wie deine heimathliche Garonne. Gedulde dich nur eine ganz kurze Zeit und ich verspreche dir, man wird uns auf die höflichste Weise einladen, ein Boot zu besteigen, das uns frei und ledig an's Land bringt, die vortreffliche =Juliane= selbst wird sich alle Mühe geben, uns -- vielleicht noch mit einiger Berücksichtigung ihres zeitlichen Vortheils -- von dem =lustigen Freier von Rotterdam= wegzuschaffen und dann -- nun dann können wir ja, wenn es uns beliebt, die Barke des Sire =Jansen= erwarten und unsern Plan auf die schöne =Clelia= verfolgen.« Früher, als =La Paix= selbst erwartet hatte, ging seine Prophezeiung in Erfüllung. Das letzte Wort war kaum seinen Lippen entschwebt, so fühlte er sich an seinem Kleide gezupft. Um nicht aus seiner Rolle zu fallen, wandte er sich mit einem schweren Seufzer um. Einer der Schiffsjungen stand vor ihm, aber mit so gerader und argloser Miene, daß der Student wohl einsah, diesem ahne nichts von den entsetzlichen Dingen, welche =Juliane= befürchtete. »Die Schiffsjungfer läßt Euch grüßen!« sagte vertraulich und leise der Knabe, so daß es nur die beiden Jünglinge hören konnten. »Sie hat Mitleid mit Euch und sähe es nicht gern, wenn Ihr in's Unglück geriethet. Sie will suchen, einige Matrosen zu gewinnen, die Euch heimlich, während der Capitän bei'm Weine sitzt, an's Ufer bugsiren. Aber dazu braucht sie Geld oder Geldeswerth. Sie meint, der Ring, den der Junker am Finger trägt, wäre wie dazu gemacht, die Leute zu verblenden. Er soll ihr ein Zeichen seyn, daß Ihr den Vorschlag annehmt. Gebt ihn! Im Augenblicke hat ihn die Schiffsjungfer, in einer Viertelstunde seyd Ihr am Lande!« »_Sandis!_ Wenn es nur daran liegt!« fuhr =Le Vaillant= heraus und gab ihm den Ring. »Jetzt geh, schaffe die Leute und das Boot. Ich wußte doch, daß die listige Hexe mich noch um den Ring bringen würde! Aber es geht nichts über die Freiheit und lieber frei bei einem Stücke Haferbrot und einem Glase Wasser, als gefangen bei Rehbraten und Champagnerwein.« »Unbesonnener!« zürnte =La Paix= halblaut zu ihm hin. »Wir wären auch ohne dieses Opfer zum Ziele gekommen! Geh, mein Sohn,« wandte er sich dann in einem hohlen dumpfen Tone, der den Knaben wirklich stutzen machte, zu diesem: »sage deiner Jungfer, wir sendeten ihr den Ring, weil in unserem Zustande nichts Irdisches mehr einen Werth für uns hätte. Im Uebrigen möge sie thun was sie wolle, sie möge uns an Bord behalten oder ans Land bringen lassen: morgen breche der Tag der Schrecken an, die sie kenne, die keine Gewalt der Erde abzuwenden vermöge!« Verblüfft schlich sich der Junge fort. Während =Le Vaillant= seinen Gefährten noch mit Vorwürfen bestürmte, daß er =Julianen= eine Antwort ertheilt, die sie leicht in ihren günstigen Gesinnungen schwankend machen könne, hörten sie plötzlich zu ihrer Seite ein Plätschern im Wasser. Ein Blick über den Schiffsrand belehrte sie, daß ein Boot schon losgemacht sey, daß mehrere Matrosen im Begriffe waren, leise hinabzusteigen, daß =Juliane= auf diese Weise ihr Wort lösen und, wie =La Paix= einsah, sich von den Gegenständen ihrer Furcht befreien wollte. »Kommt mit mir!« flüsterte ihnen der Junge zu, der vom Steuerborde zurückgekehrt war. In wenigen Augenblicken saßen sie in dem Boote, die Ruderer rührten emsig die Arme, weder über ihre Lippen, noch über die der jungen Leute ging eine Silbe. Der dunkle Streif, der vor ihren Blicken lag, kam ihnen immer näher, die höher gehenden Wellen, die sich an den Faschinendämmen des Ufers brachen, erhielten das kleine Fahrzeug in heftiger schaukelnder Bewegung. Fern herüber leuchteten die Laternen des Kutters. In ängstlicher Spannung sahen die Studenten auf diesen. Bald schien es ihnen, als erblickten sie viele dunkle Gestalten, die sich in unruhigem Treiben vor den Lichtern hin und her bewegten, es war ihnen, als vernähmen sie verworrene Stimmen vom Schiffe herüber, sie glaubten ihre Flucht entdeckt, vielleicht von der treulosen =Juliane= selbst verrathen; dann dünkte sie es gar, der Kutter rücke von seiner Stelle, ihnen nach und seine Gestalt vergrößerte an dem Dämmerglanze des Horizonts sich zu einem furchtbaren, gigantischen Schiffsungeheuer. Aber sie erkannten leicht die Bilder des Wahns, welche die erregte Phantasie ihnen vorführte. Keine Verfolgung bedrohete sie mit neuer Gefangenschaft, kein Hinderniß trat ihnen in den Weg. Die kundigen Matrosen fanden einen Platz, welcher zum Landen geeignet war. =La Paix= und =Le Vaillant= sprangen, ohne eine Einladung hiezu abzuwarten, an's Ufer. Sie vernahmen, daß man ihnen etwas nachwarf. Es waren ihre Degen, die sie freudig aufrafften, um sich sogleich damit zu umgürten. Das Boot stieß ab. Sie standen allein an einer flachen öden Küste, in einem unbekannten Lande, ohne Freund, ohne Führer. Nirgends war ein Strauch oder ein Baum zu erblicken, kein gastliches Obdach zeigte sich, wohin sie die Augen auch richteten. »Was nun?« sagte =La Paix=, indem er sich vergebens nach einem betretenen Pfade umsah. »In diesem verwünschten Sumpflande, zwischen den labyrinthisch verschlungenen Canälen ist es gefährlich, Nachts umherzuirren. Hier am Ufer in der Nähe des Kutters den Tag abzuwarten, möchte ich ebensowenig rathen --« »Alberne Bedenklichkeiten!« rief sein Freund. »Vorwärts, immer vorwärts, das ist der Wahlspruch meines Hauses, seitdem einer meiner Ahnherrn die eisernen Reihen der Schweizer in der Schlacht bei Marignano durchbrach! _Cadédis!_ Wir wollen dieses Land im Sturm erobern, du und ich, und wenn es von unzählichen Morästen und Canälen geschützt wäre. Vorwärts, =La Paix=! Unser gutes Glück wird uns führen.« »Meinetwegen!« antwortete sein Gefährte. Ihre Leitung dem Zufalle überlassend, schritten sie rasch am Ufer hin in die von Mond- und Sternenlicht sanft erhellte Nacht. 4. Der Professor =Eobanus Hazenbrook=, den wir vielleicht schon zu lange aus den Augen verloren, hatte, nachdem er die kleine Schenke, dem =van Vlietenschen= Hause gegenüber bezogen, den ganzen Tag über, wie ein Fuchs vor dem verschlossenen Taubenschlage, hinter dem Schiebfensterchen seines Zimmers sehnsuchtsvoll geharrt, ob nicht wenigstens ein Theil von dem Gegenstande seiner wissenschaftlichen Liebe, das hoch gehaltene Antlitz des Herrn =Tobias=, sich zeigen werde. Vergebliche Hoffnung! Alle Vorhänge hinter den Fenstern waren niedergelassen, die Hausthüre öffnete sich selten und dann war es immer nur eine untergeordnete Person, eine Magd, oder ein Knecht, die schnell heraushuschte und bei der Rückkehr ebenso rasch wieder durch den Eingang verschwand. =Eobanus= befand sich in einer Unruhe, wie er sie noch nie empfunden hatte. Dem lange nachgerungenen Ziele seiner Wünsche, das ihn so oft getäuscht, stand er jetzt so nahe und dennoch -- so fern. Konnte der reiche Handelsherr, wenn er malitiös war, sich nicht in der Verzweiflung all zu stark aufs Trinken legen, vielleicht gar auf den Genuß nährenden Bieres, das dann gedeihlich auf seine Fettzellen wirkte, indem es alle schöne Hoffnungen =Hazenbrooks= untergrub? Konnte er nicht -- quälte sich der Professor weiter -- überdrüßig der gegenwärtigen Einsamkeit seines Hauses, sich in Zerstreuungen stürzen, die sonst der Holländer nur vor dem dreißigsten Jahre sich gestattet, und, wie der Beispiele ja so viele vorkamen, eben durch diese Zerstreuungen, indem sie nur unbedeutend an seinen gewaltigen Geldsäcken zehrten, jugendlich wieder aufblühen und -- was bei allen Vermuthungen, denen sich =Eobanus= überließ, ihm als das Aergste erschien -- wiederum Fett ansetzen? »O Fett, Fett!« rief der Professor, indem er wie verzweifelt durch sein kleines, von einer Lampe nur düster beleuchtetes Gemach hinstürmte. »Du nagst an meinem Leben, du nagst an der Blüthe der Wissenschaft, die sich eben entfalten will und gedeihen zur köstlichen reifen Frucht. Deine feindselige Gegenwart droht der hieroglyphischen Vorwelt, ihrer Wiedergeburt in reizender Mumiengestalt, schmähliches Verderben. Wie oft hast du, ob ich dich gleich immer in Ehren gehalten und nicht ein elendes halbes Pfund deines Eigenthums dir für meinen Leib entwandt, nicht schon meine trefflichsten Plane, meine herrlichsten Werke, Meisterstücke, die für eine tausendjährige Dauer bestimmt waren, boshaft zerstört in einer warmen Frühlingsnacht? Ja, Schändliches, das hast du gethan und gerade in der schönen jugendlichen Zeit des Jahres, wo in dem Wurme, wie im Nilpferde, in der Kröte, wie im Crocodille, in der Rose, wie in der Camillenblume, sich frische Lebenskräfte regen, in dieser von der Natur geheiligten Zeit hast du heimtückisch gemordet, was ich mit unsäglicher Mühe und einer Kunst, die nirgends ihres Gleichen hat, in's wissenschaftliche Leben gerufen! Ich sehe sie noch vor mir, alle die Geliebten, die ich mir selbst bereitet und die ich großmüthig als Eigenthum der erlauchten Lugduner Akademie überlassen wollte. Glaubst du, ich hätte dich vergessen, schalkhafte Artemisia, mit dem Grübchen in der goldbelegten Wange, mit der sanftgewölbten Brust, im Glanze deiner dunkelbraunen Schönheit? Und du, majestätischer Memnon, einst ein stattlicher Grenadier im Leibregimente König =Wilhelms=, du, dessen Mumienhülle sieben Fuß maß und dessen Adlernase sich erhaben aufdrängte unter der sinnvollsten Hieroglyphenschrift, mußtest auch du zu einem jammervollen Nichts werden im flüchtigen Laufe eines warmen Lenzmorgens? _Vanitas Vanitatum, omnia Vanitas!_ Alles ist vergänglich auf dieser Erde!« =Hazenbrook= war nahe daran Thränen zu vergießen. Er warf sich trostlos in einen Sessel, die schmerzlichen Erinnerungen, welche er wieder aufgefrischt hatte, nagten an seinem Herzen. Unten in der Schenke ertönte Musik. Sie schien ihm ein schreiender Mißlaut in seinen Kummer. Er hörte das Geräusch der Tanzenden, er vernahm einzelne jubelnde Stimmen. »Das ist dämonischer Hohn,« dachte er, »der dich neckt und deiner spottet in deiner Verzweiflung.« Um Mitternacht war es still geworden im Hause; auf den Straßen aber wisperte und regte es sich seltsam. Dieses Geräusch und Geraschel beachtete der Professor nicht, nur der nahe Lärm hatte ihn in seinen schwermüthigen Betrachtungen gestört. Er war nicht zu Bette gegangen. Noch unberührt stand sein Abendbrot auf dem Tische. Das Blut kochte in seinen Adern, sein Herz klopfte ungestüm, sein Kopf brannte fieberhaft. Er sprang auf und trat an's Fenster. Gegenüber in =van Vlietens= Hause dämmerte ein mattes Licht, wie dem Erlöschen nahe, hinter einem der Vorhänge. Er öffnete das Fenster. Seine sehnsüchtigen Blicke hingen an dem flackernden Lichte. Das wunderliche Gewisper und Rauschen in den Straßen drang vernehmlicher herauf, aber wie hätte =Eobanus= jetzt für etwas Anderes Sinn gehabt, als für seinen =Tobias=, der ohne Zweifel hinter dem matt glänzenden Vorhange weilte? »O wer jetzt ein Rabe wäre oder ein Engelein!« seufzte =Eobanus=. »Wer sich nur so hoch zu schwingen vermöchte, wie der fabelhafte =Icarus=! Die Strahlen der Sonne könnten mir nicht schaden in dieser Stunde und =Luna= ist ja Verliebten günstig. Nur einen Blick möchte ich werfen durch die Spalte des Vorhangs, nur ein Weniges sehen von den lieblichen Knochenspitzen seines Antlitzes, von den langgereckten Gliedern seiner holdseligen Hände. Grausames Schicksal, das mich ihm nicht näher gestellt, das mich nicht zu seiner Tochter oder seiner Schwester gemacht hat! Wie wollte ich mich stets seines Anblicks erfreuen, wie ihn schützen und bewahren vor Allem, was in das Zellgewebe häßliche fette Massen werfen könnte? Und wenn ein plötzlicher, schneller Tod -- das glücklichste was nach einem Ausspruche des delphischen Gottes dem Menschen begegnen kann -- ihn träfe, wenn ein schmerzloser Schlagfluß dem kummervollen sublunaren Leben ein Ende machte, wenn ich dann in dem reizenden Cadaver den Erben des pharaonischen Königsthrones vor meinen leiblichen Augen sähe, wie wollte ich dann erst ihn lieben, wie alle Mittel der Kunst aufbieten auch die irdische Gestalt zu erhalten mir zur Erquickung und _in usum_ der Musen! Er erkennt meine Liebe nicht, er versteht nicht sie zu würdigen, er duldet sie blos gegen schnöde Vergeltung. Aber Ihr, meine wackern _famuli_, =La Paix= und =Le Vaillant=, Ihr werdet die geraubte =Helena= zurückbringen, mir verschreibt sich der Liebliche im Testamente als Legat und dann, =Tobias=, dann wird auch die glückliche Zeit nicht fern seyn, in der du mir als Eigenthum heimfällst.« Er hatte in hoffnungsvoller Verzückung die Arme zum Fenster hinausgebreitet, das glühende Antlitz war nach dem erleuchteten Fenster im van Vlietenschen Hause aufgerichtet, seine Augen hingen mit dem Vorgefühle süßer Wonne an dem Dämmerlichte hinter dem Vorhange: da bewegte es sich lauter dicht unter ihm in der Straße, da schoß es rauschend empor und ein mächtiger Wasserstrahl, der heftig und kältend ihm gerade ins Gesicht fuhr, warf ihn mit unwiderstehlicher Gewalt auf den Boden des Zimmers nieder. Ehe er sich besinnen konnte, drang noch ein Strom von Wasser nach, durchnäßte ihn gänzlich und überschwemmte den Boden. Sein wissenschaftliches Liebesfeuer war in einem Augenblicke abgekühlt. Er sprang auf und verschloß instinktmäßig das Fenster. Aber wohin sollte er sich flüchten in dieser unerwarteten Noth? Er selbst durchnäßt, keine trockene Stelle am Boden, wohin er seinen Fuß setzen konnte! Und immer rauschte und strömte es draußen fort an den Wänden und Fenstern des Hauses, als wenn eine Sündfluth einbräche, als ob Wasserfluthen gegen ein brennendes Haus geschleudert würden, und es war doch Alles dunkel draußen und friedlich, wie in einer gewöhnlichen Nacht! Aber =Eobanus= sah schon klar den Grund seines Mißgeschicks, er erkannte, daß seine eigene Vergessenheit ihn in die unangenehme Lage gebracht hatte, in der er sich befand. War denn der vergangene Tag nicht ein Sonnabend gewesen und war es denn in den gesammten Generalstaaten nicht löblicher Gebrauch, daß in der Nacht vom Sonnabend auf den Sonntag die Außenseite aller Häuser, vermittelst gewöhnlicher Feuerspritzen, von oben bis unten mit Wasser gereinigt wurde? Daran hatte, von seiner Leidenschaft verblendet, =Hazenbrook= nicht gedacht, er hatte das Geräusch in den Straßen nicht vernommen und also auch nicht gedeutet, er hatte die Gefahr, in der er schwebte, erst erkannt, als sie wirklich einbrach und plötzlich seinen süßen Schwärmereien ein schmähliches Ende machte. Er war auf einen Stuhl gesprungen. Zähneklappernd stand er hier und bemühete sich, von einem Nagel in der Wand einen alten Pelz herbeizulangen, den er als Schlafrock zu benutzen pflegte. Das Unternehmen war mißlich, er konnte einen gefährlichen Fall auf den nassen Boden thun. Aber er brachte es glücklich zu Stande, schnell kleidete er sich um und erreichte dann mit einem verwegenen Sprunge das Bett, unter dessen thurmhoher Federdecke er seine bebenden Glieder vergrub. Früher, als er gehofft hatte, fand sich der Schlummer zu ihm. Die Natur übte ihr Recht und die erschöpften Kräfte des Professors ließen, nach dem überstandenen kalten Bade, sich leicht von der Macht des Schlafes bezwingen, ohne wieder durch erregende Phantasiegebilde zu neuen Anstrengungen veranlaßt werden zu können. Wie dieser Tag dem unglücklichen, sehnsüchtigen =Hazenbrook= langsam verstrichen war, so gingen noch mehrere vorüber. Auch die Nächte glichen jener ersten Nacht, die er in dürstender, wehmüthiger Leidenschaft am Fenster verweilt; nur war er jetzt auf acht Tage hinaus gegen jeden Angriff von unten gesichert und konnte seine Mondscheinklagen ungestört gegen den erleuchteten Fenstervorhang, die Lichthülle des Gegenstandes seiner Liebe, wie er ihn nannte, ausströmen. Er wurde von Stunde zu Stunde melancholischer. Speise und Trank, welche er sonst eben nicht verachtete, waren ihm jetzt gleichgültig. Die reizendsten Mädchen aus der Stadt und vom Lande, an denen er in früheren Zeiten so gern die Muskellehre studirt hatte, konnten jetzt dicht unter seinem Fenster vorübergehen und er würdigte sie keines Blickes. Immer nur hing sein Auge an dem geheimnißvollen Vorhange, dem Isisschleier, der sich für ihn nicht heben wollte. Nur Abends betrat er auf ein flüchtiges Stündchen die Straße, aber nicht um etwa lustzuwandeln und sich zu entschädigen für die selbst auferlegte Gefangenschaft im engen Zimmerchen; nein! er nahm dann einen Platz im Schatten eines Baumes, dicht neben der Thüre des =van Vlietenschen= Hauses ein. Hier lauschte er in ängstlicher Spannung auf jedes Geräusch, auf jeden Laut, der sich im Innern vernehmen ließ, er hoffte einen Aufschluß, eine Kunde von seinem =Tobias= zu erhorchen, aber Alles, was er vernahm, beschränkte sich auf fern her tönendes Geklapper mit Töpfen und Schüsseln aus der Küche, auf ein zärtliches Gespräch des Hausknechtes mit der Stubenjungfer hinter der Thüre. Er war untröstlich. Verließ in dieser Abendstunde einer von den Leuten des Herrn =van Vlieten= das Haus, so befand er sich mit einem mächtigen Sprunge sogleich an dessen Seite, suchte mit ungemeiner Höflichkeit eine Unterhaltung anzuspinnen und eine oder die andere Mittheilung über des Patrons Wohlbefinden und seinen Gemüthszustand herauszulocken; die Dienerschaft des dicksten Mannes war aber so wortkarg und wurde bald so grob gegen den zudringlichen Fremden, daß =Eobanus= gänzlich von diesen Entdeckungsversuchen abstand. Seine Leidenschaft quälte ihn unsäglich. »Ich muß etwas Außerordentliches wagen;« sagte er eines Abends zu sich selbst, als er wiederum vergebens den trotzigen Hausknecht auf einem Gange über die Straße angeredet hatte. »_Aut Cesar aut nihil!_ Wie jener Römer dem Staate zu Liebe, stürze ich mich zur Ehre der Wissenschaft und des erlauchten _Lugdunum_ in den feuerigen Schlund. Wagen gewinnt. Der Lohn ist der That werth.« Er stand zum Sprunge gerüstet auf seiner Stelle. Da kam der Diener von seinem Gange zurück, schloß arglos die Thüre auf und trat in's Haus. Ihm auf dem Fuße sprang =Hazenbrook= nach. Aber auch dieses kühne Unternehmen fiel zu seinem Unheile aus. Ehe er noch durch die Thüre gelangte, schlug der Hausknecht diese so gewaltig zu, daß des Professors Fuß entsetzlich gequetscht wurde und er selbst mit einem Wehelaute auf das Pflaster niedersank. Unter den heftigsten Schmerzen und mit der größten Anstrengung hinkte er in seine Wohnung zurück. Der Seelenqual hatte sich nun auch körperliches Leiden gesellt; er mußte mehrere Tage das Zimmer hüten. Es war ein heiterer Morgen, als er zum erstenmale wieder die im Erdgeschoße liegende Schenkstube betrat, um hier sein Frühstück einzunehmen. Er war sehr trauerig gestimmt. Er hoffte das laute Treiben, das hier um diese Stunde herrschte, werde ihn zerstreuen. Neben seiner Hauptsorge um die Erhaltung des Herrn =van Vlieten=, bis die rechte Zeit gekommen, um dessen mögliche Hinneigung zu etwaiger Corpulenz, hatten sich nun auch Bedenklichkeiten über das Schicksal der zwei jungen Leute in ihm erhoben, die er zur Verfolgung des Herrn =Cornelius van Daalen= und der schönen =Clelia= abgesendet. Er hörte und sah nichts von ihnen. Täglich hatte er in's =Wappen von Rotterdam= geschickt und nach Briefen fragen lassen, aber immer war der Bote leer zurückgekommen. In welche tödtliche Verlegenheit brachte nicht seine unglückliche Liebe den Professor? Wo war sein frischer Lebensmuth, wo war seine Freude an der Wissenschaft, die ihm sonst in so vielfacher Gestalt willkommen gewesen, hin? Ach, Alles weilte hinter dem neidischen Vorhange des Herrn =van Vlieten=! Sein besseres geistiges Selbst war dort und er mußte, getrennt von diesem, in einer schnöden Kneipe hausen, gemeinen Wachholder trinken und mit einem Heringe seinen geschwächten Appetit zu reizen suchen. Und die jungen Leute? Waren sie nicht seiner väterlichen Aufsicht anvertraut worden von den Eltern? Hatte er sich nicht verpflichtet, sie in _literis et moribus_ zu bilden und wie hatte er dieser Verpflichtung Genüge geleistet, indem er sie von seiner Person, in deren Umgang ihnen die Wissenschaften beigebracht werden sollten, entfernt und indem er sie auf's Geradewohl zu Jungfernraub und Entführung ermuntert? Nur der Gedanke an =Tobias=, an die Zukunft, die seinen lang gehegten, so oft verfehlten Wunsch endlich erfüllen werde, konnte ihn einigermaßen erheben. Er rief den schönen Augenblick wieder in seine Erinnerung zurück, wo er zum Erstenmale den würdigen Handelsherrn am Haven von =Rotterdam= erblickt, wo er trunken vor Entzücken sogleich alle Keime einer trefflichen Mumie, die seine Kunst zur Entwicklung und Reife bringen könne, in ihm erkannt, wo das süße Feuer der jugendlichen Liebe ihn wonniglich durchströmt und er selbst sich gleich mit hoher Betheuerung gelobt: »=Den= mußt du haben, um jeden Preis, =der= muß dein =Amenophis=, dein =Sesostris= werden, =der= muß die Ehre deines Kunst- und Naturalienkabinets retten und behaupten vor aller Welt!« Begeistert von diesem reizenden Bilde der Vergangenheit, genoß =Eobanus= etwas mehr Wachholder, als gewöhnlich. Im Stillen trank er auf das Wohl seines theueren =Tobias=, aber er war besonnen genug, diesen Wunsch nicht weiter, als bis zu der Zeit auszudehnen, wo =La Paix= und =Le Vaillant= die entflohene =Clelia= zurückgebracht haben und die Testamentsclauseln, zu denen sich der Vater anheischig gemacht, fest und unwiderruflich niedergeschrieben seyn würden. »Der Himmel schenke ihm ein langes Leben bis dahin und behüte ihn vor Fett!« setzte er vergnügt hinzu. An den übrigen Tischen wurde indessen sehr lebhaft gesprochen. Die Gesellschaft bestand hier aus Matrosen, aus Lastträgern und andern Leuten, die in großen Handelsstädten ihren Erwerb auf freier Straße finden. Man unterhielt sich über die neuesten Kriegs- und Welthändel, über den Untergang der spanischen Silberflotte im Haven von =Vigo=, über die jüngsten Waffenthaten des Herzogs von =Marlborough=. =Hazenbrook= hatte bis jetzt auf das Gespräch dieser Leute, das von manchem derben Schiffmannsfluche, von mancher kräftigen Bemerkung der Lastträger gewürzt wurde, nicht geachtet. Erst als der Name =Cornelius van Daalen= genannt wurde, horchte er hoch auf und näherte sich auf eine unscheinbare Weise den Lärmenden. »Die Landratze!« fuhr einer von den Matrosen im Tone der Verwunderung auf. »Wer hätte ihr das zugetrauet? Der Bursche ging immer so steif und vornehm in seinem Tressenrock an unser einem vorüber, daß man ihn eher für eine geputzte Segelstange, als für einen kühnen Jungen, der seinen Hals einmal an ein Wagstück setzt, gehalten hätte. Und er selbst hat die Schebecke in Brand gesteckt, eigenhändig sagst du?« »So wahr ich =Peter Trip= heiße und ihr mich frei haltet am heutigen Morgen!« erwiederte mit schwerer Zunge der Angeredete und leerte ein großes Glas. »Freilich, müßte ich nicht immer wichtiger Geschäfte halber im Haven bleiben, hätte ich können auf der =Syrene= seyn, als es drunter und drüber ging mit dem überlegenen Spagnol, so hätte es eines solchen Naseweis von Landjunker nicht bedurft, um den Feind in die Luft zu sprengen!« »Wenn sich das mit Saufen thun ließe, so wärest du gewiß der erste gewesen!« bemerkte, unter dem schallenden Gelächter seiner Genossen, ein Anderer. »Das ist dein wichtigstes Geschäft zu Land und zur See.« »Laßt ihn weiter erzählen!« rief der erste. »Ihr werdet ihn böse machen mit Eueren aufgewärmten Witzen und dann erfahren wir nichts. Daß =Peter Trip= gern trinkt ist eine alte Geschichte hier in =Rotterdam= und wir wollen Neues hören von Draußen herein!« »Er möchte nur gern allen Wachholder in der Welt für sich allein haben,« sagte =Trip= mit einem giftigen Blick auf den Spötter. »Aber ich lasse mich nicht irre machen, der Ruhm des Schiffes, dem ich angehöre, soll so laut werden, wie ihn =Peters= Mund nur auszubringen vermag und ihr alle da, die ihr auf Linienschiffen und Fregatten dient, sollt Respect bekommen vor der Barke =Syrene=, Capitän =Jansen=!« »Erzähle nur, lieber =Trip=!« bat sein Freund. »Trink erst noch einmal! Das macht die Zunge geläufig.« Weder zu dem einen, noch zu dem andern ließ sich =Peter= lange nöthigen. Der lauschende =Hazenbrook= erfuhr nun das kriegerische Abentheuer im Biesbosch, das unsern Lesern bereits bekannt ist. Der Erzählende selbst war von dem Bootsmanne eines Schiffes, welches der =Syrene= am Tage nach dem Gefechte begegnete, davon unterrichtet worden. Aber =Eobanus= erfuhr noch mehr. Er hörte, daß eine wunderschöne Jungfer mit =Cornelius= an Bord der Barke gewesen, daß beide schon am Abende des ersten Tages die =Syrene= verlassen, um ihre Reise nach =Mastricht= zu Lande fortzusetzen, er vernahm auch von zwei jungen Leuten, die auf dem nachfolgenden =lustigen Freier von Rotterdam= sich eingeschifft hatten und, der genauen Beschreibung zu Folge keine andern seyn konnten, als die Leydener Studenten =Le Vaillant= und =La Paix=. Er sah seine Angelegenheit in schönster Blüthe stehen, der gedeihlichen Frucht entgegenreifend. Nichts schien ihm gewisser, als daß die zwei Jünglinge die Spur der Entflohenen gefunden haben mußten, daß entweder =La Paix= durch List oder =Le Vaillant=, der ein vortrefflicher Fechter war, durch Gewalt sich in den Besitz der Jungfrau =van Vlieten= setzen würde, um sie ihm zurückzubringen, als Pfand für des Vaters testamentarische Verfügung. Er war seelenvergnügt und stimmte, ohne an den Ort zu denken, wo er sich befand, zum Erstaunen aller Anwesenden das lateinische Lied an: _Ecce quam bonum, Bonum et jucundum etc._ Das tobende Gelächter der Matrosen riß ihn aus seiner Zerstreuung empor. Von ihren Spottreden verfolgt, floh er auf sein Zimmer, aber indem er die Treppe zu diesem hinaufrannte, kam ihm noch ein sehr glücklicher Gedanke in den Sinn. Konnte er denn die Nachrichten, die er aus dem Munde des wachholderdurstigen =Peter Trip= gesammelt, nicht zum Vorwande eines Besuchs bei Herrn =van Vlieten= benutzen? Gab ihm nicht der glücklichste Zufall Mittel und Wege an die Hand, den Isisschleier, der sich vor ihm nicht lüften wollte, zu umgehen und hinter ihn zu blicken nach demjenigen, der seiner Sinne und Gefühle Meister geworden? Er kleidete sich rasch an. Der beste Rock und die Sonntagsweste wurden hervorgeholt, ein kleiner zierlicher Stahldegen an die Seite gesteckt und das Seidenhütchen mit der rothen Besetzung, das seine akademische Würde bezeichnete, unter den Arm genommen. Er betrachtete sich, nachdem Alles zu Stande gebracht, wohlgefällig im Spiegel. »Du siehst ja aus, wie ein Bräutigam, =Eobanus=?« schmunzelte er sich selbst an. »Und bin ich es denn etwa nicht?« erwiederte er. »Bin ich nicht ein Bräutigam der Musen und will eben hingehen, ein neues Verlöbniß mit ihnen zu feiern _per procurationem_ durch einen ihrer Stellvertreter?« Er mußte, um das Haus zu verlassen, seinen Weg durch die Schenkstube nehmen. Hier war es indessen still geworden. Die Leute waren ihren Geschäften nachgegangen und nur die aufräumende Wirthin erblickte zu ihrer nicht geringen Verwunderung ihren Miethsmann im Glanze eines Feiertagsstaates, wie ihn in der guten Stadt =Rotterdam= nur die hochmögenden Herrn Bürgermeister bei festlichen Gelegenheiten zu tragen pflegten. =Hazenbrook= grüßte mit einem gnädigen Lächeln. Zufällig warf er einen Blick durch's Fenster nach dem gegenüberliegenden =van Vlietenschen= Hause. Eben schritt, von dem Hausknechte, dessen Derbheit =Eobanus= zum Oeftern empfunden hatte, begleitet, ein ansehnlicher, sehr wohlbeleibter Mann, den großen Klappenhut tief auf die borstigen Augenbrauen gedrückt, die starkgliederige Gestalt in einen schwarzen Talar gehüllt, auf den Eingang los. =Hazenbrook= wurde bei dem Anblicke des Mannes -- er wußte nicht warum, -- von einem unangenehmen Gefühle ergriffen. »O weh!« rief die Wirthin, indem sie ihrer Geschäftigkeit Einhalt that. »Es muß ein gefährlicher Kranker drüben im Hause seyn. Das ist der Doctor =Mauritius=, den man gewöhnlich nur den Leichendoctor nennt, da er immer erst gerufen wird, wenn die Kranken schon dem Tode nahe sind und die meisten ihm dann wegsterben unter der Hand. Er ist der geschickteste in der Stadt, aber er ist auch so reich, wie geschickt, und geht deshalb nur zu solchen, die von den andern Doctoren schon aufgegeben worden sind. Gewißlich ist Heer =van Vlieten= selbst der Kranke, denn man hat ihn schon seit vielen Tagen nicht außer dem Hause gesehen und von Jungfer =Clötje= und =Philippintje= wird Allerlei gemunkelt, das dem Alten wohl schwer aufs Herz und in die Glieder gefallen seyn mag. Aber nun ist's vorbei mit Reichthum und Herrlichkeit -- ich gebe keine Caffeebohne dafür, daß der =Myn Heer= nicht in einer halben Stunde kalt und todt auf seinem Damastbette liegt; der Doctor =Mauritius= läßt nicht mit sich spaßen!« »Da muß ich auch dabei seyn!« rief =Hazenbrook=, dem der kalte Angstschweiß in dicken Tropfen auf Stirn und Wange getreten war. Wie ein Pfeil, schoß er aus dem Zimmer, über die Straße hinter dem Doctor her. Er fand die Thüre nur angelehnt, man hatte in der dringenden Eile und in der Besorgniß um den Kranken, der in der That den Besuch des verrufenen Leichendoctors veranlaßt, vergessen sie zu verschließen. =Eobanus= flog, ohne einem der Hausbewohner zu begegnen, die Treppe hinauf, nach dem Zimmer, in welchem er jene merkwürdige Uebereinkunft mit Herrn =Tobias= geschlossen. Es war leer. Nur das Fratzenbild des =Schiwa= grins'te ihn grauenvoll an, und die Pagoden wackelten, wie zum Gruße, mit den widrigen Kahlköpfen. Er fuhr zurück. Er lauschte ängstlich in den Gängen, ob er nicht irgendwo ein Geräusch vernähme, das ihm den Aufenthalt des Ersehnten anzeige. Da hörte er in seiner Nähe Stimmen: eine schwache, klagende, eine andere, die sich laut und ermahnend erhob. Nur eine Thüre trennte ihn von dem Gemache, in dem gesprochen wurde. Er legte das Ohr an und horchte. Kein Zweifel! Das war Herrn =van Vlietens=, ihm so lieblich klingender, heiserer Ton und die andere Stimme konnte keinem anderen angehören, als dem Leichendoctor. =Tobias= sprach so leise, daß =Hazenbrook= sich vergeblich bemühete, die Worte zu unterscheiden. Bald aber wurde jener von dem Doctor =Mauritius= unterbrochen, der sich sehr verständlich in folgender Weise vernehmen ließ: »Ihr selbst tragt die Schuld Eueres Uebels, =Myn Heer van Vlieten=! Das heiße Clima Indiens hat Euere besten Kräfte aufgezehrt und Ihr thut nichts, sie zu ersetzen, Euch wieder ein Wenig in's Fleisch zu werfen, das Euch, wie Figura zeigt, an allen Orten und Enden abgeht. Sehet mich an, =Myn Heer=! Ich bin gesund, weil ich wohl beleibt bin, ich bin wohlbeleibt, weil ich kräftige, nahrhafte Speisen genieße. Was soll aus Euch werden, wenn Ihr hier fortlebt in derselben Art, wie Ihr in Batavia existirt? Die scharfen Gewürze, die Liköre, das leider allgemein gewordene Theetrinken, werden Euch nach und nach ganz aufzehren von innen heraus, so daß Ihr vergeht, wie eine Lampe, der das Oel fehlt. Von dieser Stunde an müßt Ihr Euere Diät ändern oder Ihr seyd in den nächsten acht Tagen dem Schooße der Erde wiedergegeben. Ich werde zuvörderst für Euer Mittagsmahl sorgen. Ich schicke Euch Rindfleisch und Kartoffeln, eine Schöpsenkeule mit Gurken, einen Puterbraten mit Reis und einen Mehlbrei, der Euch, wenn Ihr ihn ein viertel Jahr lang täglich genossen habt, gewißlich das Zellgewebe ausfüllen soll mit schöner, spiegelblanker Corpulenz. Dazu eine Flasche alten Rheinwein, die Ihr leeren müßt bis auf den letzten Tropfen. Ladet Euch heitere theilnehmende Gäste ein. Auch ich werde zum Oeftern an Euerer Tafel erscheinen, um darauf zu sehen, daß Ihr mir tüchtig esset. Die häßliche Zimmetfarbe Eueres Antlitzes, das Gelb in Eurem Auge -- sie müssen fort, denn sie sind widerwärtige Zeichen innerlicher Destruction. Essen müßt Ihr, essen -- so viel als möglich, damit Ihr fett, das heißt gesund und glücklich werdet. Sagt es denn nicht schon die Stimme des Volks, die einen reichen, glücklichen Mann =dick= nennt, daß nur in der Corpulenz das einzige irdische Heil liegt? Und _vox populi vox Dei_: das lasse ich mir nicht wegläugnen!« Dem lauschenden =Hazenbrook= sträubte sich das Haupthaar bei diesen entsetzlichen Rathschlägen, die seinen theuersten Hoffnungen Verderben droheten. Er konnte nicht länger ein gleichgültiger, unthätiger Zuhörer bleiben. Doch besaß er Geistesgegenwart genug, um einzusehen, daß es gerathen seyn dürfte, den innerlich kochenden Zorn unter äußere Milde und Freundlichkeit zu verbergen. Er öffnete leise die Thüre und trat ein. Das Zimmer war nicht groß, er stand gleich vor dem Lager, auf welchem der Kranke ruhete, zwischen diesem und dem Doctor =Mauritius=. »Der Herr Collega verzeihen,« redete er mit sanfter einschmeichelnder Stimme, die sich aber bald in den Ton der gereizten Leidenschaftlichkeit verwandelte, den Doctor an, »aber ich kann unmöglich, was die Diät des Patienten betrifft, der gleichen Meinung seyn, die ich zufällig vor der Thüre vernommen! Was ist Gesundheit? Körperliches Wohlbefinden: der Körper mag nun dick oder dünn seyn! Im Gegentheil ist eine edle Hagerkeit, welche die ursprünglichen Formen der menschlichen Leibesgestalt rein hervortreten läßt, weit vorzuziehen jener schwammigen Beleibtheit, die allenthalben, statt schöner, wohl und weise von dem Schöpfer berechneter Form, nur monströse Auswüchse, häßliche Balggeschwulste zeigt. Nichts ist auch dem irdischen Leben nachtheiliger, als wenn die besten Kräfte sich im unseligen Fette, dieser Schmachgeburt der Schlemmerei und Völlerei, verlieren. Wie kann das Blut belebend die Adern durchströmen, wenn immer der Schwamm des Zellgewebes an ihm saugt? Wohin kann die Spannkraft der Nerven noch wirken, wenn Alles erschlafft ist unter gemeinen sinnlichen Reizen? Habt Ihr je vernommen, bester Heer Collega, daß =Methusalem= Corpulenz besessen habe? Ist nicht Fettleibigkeit der sichere Vorbote der Schlag- und Steckflüsse, der Gicht und Wassersucht? Hinweg mit ihr! Hager, fettlos muß die Welt werden, um sich einer dauerhaften Gesundheit zu erfreuen.« Herr =Tobias= sah ängstlich zu dem Doctor hinauf. Er bemerkte, daß sich auf dessen Stirn eine dunkele Wolke zusammenzog, er wollte sie durch einige entschuldigende Worte zerstreuen, aber ehe er zum Sprechen kommen konnte, brach das drohende Wetter schon los. »Wer sagt das, wer wagt mir zu opponiren?« donnerte =Mauritius= im Tone der höchsten Erbitterung, den der Angriff auf seine eigene Persönlichkeit mit sich brachte, den Professor an. »Ich habe noch nie eine _Disputationem_ über die Kunst des Hypocrates und Galenus ausgeschlagen, aber, ehe ich mich darauf einlasse, muß ich erst wissen, ob ich mit einem Manne vom Fache oder einem Ignoranten zu thun habe, als welchen Euch Euere bisher ausgesprochenen Grundsätze darstellen. Sagt Euern Namen, ich bin der Doctor =Mauritius=, wohlbekannt in den gesammten Generalstaaten!« »Und ich bin =Eobanus Hazenbrook=,« erwiederte mit Würde der Aufgeforderte, »Professor ordinarius der weltberühmten Lugduner Academie, Custos _theatri anatomici_ daselbst und ein Freund und College des großen =Boerhaave=.« »Des großen =Boerhaave=!« spottete =Mauritius=. »O, ich habe ihn noch sehr klein gesehen, diesen großen =Boerhaave=, ehe er das theologische Barett gegen den medicinischen Doctorhut vertauscht. Damals schrieb er Predigten statt Recepte und es wäre gut, wenn er dabei geblieben wäre, denn seine tolle Neuerungssucht wird die edle Kunst bald in einen blauen Dunst verwandeln. Ihr also, =Myn Heer=,« fuhr der Doctor mit grinsendem Hohne fort, »seyd der Professor =Hazenbrook=, von dem ich schon so vieles Merkwürdige gehört? Nun es ist mir in Wahrheit eine unerwartete Annehmlichkeit, ein so seltsames Exemplar wissenschaftlicher Monstruosität, wie Ihr dem Rufe nach seyn sollt, in dieser Stunde kennen zu lernen.« »Ein seltsames Exemplar -- eine wissenschaftliche Monstruosität?« fragte erstaunt =Eobanus=. »Was wollt Ihr damit sagen?« »Also den berüchtigten Mumienprofessor sehe ich vor mir, in wahrhafter leiblicher Gestalt!« sprach, ohne sich stören zu lassen, mit beißendem Spott der Doctor weiter. »Da wundert's mich freilich nicht, daß Ihr die Hagerkeit in Schutz nehmt, denn Ihr möchtet gern die gesamte Menschheit zu =einem= Stockfische ausdörren und sie dann einbalsamiren für Euere Naturalienkammer. Der edelste, höchste Zweck der ärztlichen Wissenschaft, Menschenwohl zu erhalten und zu befördern, ist Euch fremd geblieben, da er keinen Werth für Euch hat und Ihr den Menschen erst anfangt hoch zu achten, wenn er im Begriff ist, seinen letzten Seufzer auszuhauchen. O, ich kenne Euch wohl und Euer Treiben! Man weiß, welche Versuche Ihr daheim angestellt, man weiß aber auch, wie sie Euch vereitelt worden sind durch die Natur selbst, der Ihr Gewalt anthun wolltet. Mit Euch consultire ich nicht! Einer von uns beiden ist zu viel hier,« wandte er sich jetzt zu =Tobias=, dem das ruhige Lager indessen zum glühenden Laurentiusroste geworden war: »soll =er= gehen oder =ich=?« »Um Gotteswillen,« stöhnte =van Vlieten=, während =Hazenbrook= bei der unerwarteten Entdeckung seiner, wie er wähnte, im tiefsten Geheimnisse betriebenen Einbalsamirungs-Versuche, stumm und starr seinem Feinde gegenüber stand: »ich will ja gern Rindfleisch essen und Brei schlucken und fett werden, wenn es nur anschlägt! Aber verlaßt mich nicht, Myn Heer Doctor! Auf Euch setze ich meine einzige Hoffnung und in dieser Stunde schwöre ich den Gewürzen, dem Liköre und dem Thee ab. Schickt mir für heute Etwas aus Euerer vortrefflichen Küche, morgen will ich schon selbst sorgen und es soll braten, sieden und broddeln in meinem Hause, wohin man nur blickt.« »So ist es recht!« sagte belobend =Mauritius= und trat auf die eine Seite des Bettes, um dem Kranken nochmals den Puls zu fühlen. In seiner Verzweiflung stürzte =Hazenbrook= auf die andere und raunte dem Patienten in die Ohren: »Gedenkt unseres Vertrags! Ich habe schon Nachricht von der Tochter. Sie hat den Weg nach =Mastricht= genommen, meine Leute setzen ihr nach.« »Laßt mich in Frieden!« entgegnete unwillig =Tobias=. »Was habe ich von der =Clötje= und was hat sie von mir, wenn ich todt bin? Erst muß ich gesund werden, fett muß ich werden, um Vaterfreuden zu genießen, dann mag sie wieder kommen und dann mögt auch Ihr Euch wieder einfinden zu weiterer Besprechung. Bis dahin Gott befohlen!« »Ihr habt es vernommen!« sagte =Mauritius= gebieterisch, indem er in triumphirender Haltung vor den Professor trat. »Euere Gegenwart ist dem Patienten lästig, sie kann ihm sogar zu großem Nachtheile gereichen. Wollt Ihr hartnäckig erwarten, daß man Euch mit Gewalt entferne? Wollt Ihr es auf Euer Gewissen laden, daß Ihr meinem Kranken durch Euern Trotz den Appetit verderbt und er dann weder Mehlbrei noch Puterbraten, noch Rheinwein zu sich nehmen mag, die ihn allein erretten können vom nahen Tode? Fort mit Euch, Heer Mumienprofessor, oder ich rufe das Hausgesinde!« »Alles ist verloren!« jammerte aus dem Zimmer stürzend =Eobanus=. »Er wird fett oder er stirbt vor der Zeit. Ich bin geprellt, ich bin schändlich betrogen!« Erst in der stillen Umgebung seines Zimmers fand er die verlorene Besinnung wieder, aber sein Leben schien ihm öde und werthlos. Er wünschte, er hoffte nichts mehr. 5. Gegen den Mittag eines ziemlich kalten Novembertages hielt vor einem einsamen Bauernhofe, nur etwa eine halbe Tagereise von =Mastricht= entfernt, ein ländliches Fuhrwerk, wie es, sobald es die kalte Jahreszeit erlaubt, in jenen Gegenden gebräuchlich ist. Es hatte die Nacht gefroren, Kanäle und Teiche waren mit einer festen Eishülle bedeckt, nur die größeren Flüsse hatten der Gewalt des früh einfallenden Frostes nicht unterlegen. Das Fuhrwerk, dessen wir gedachten, bestand aus dem oberen Theile eines Leiterwagens, das auf einer Schleife befestigt war und mit dieser einen leicht über die Schneeflur und den Eisspiegel hingleitenden Schlitten bildete. Die beeis'te Leinwandhülle über den Wagen ließ nicht entdecken, ob jemand sich im Innern desselben befand. Den zwei magern Pferden, welche ihn zogen, sah man die Ermüdung und das Bedürfniß, bei gutem Futter im warmen Stalle die verlorenen Kräfte wiederzuersetzen, an. Ihre Glieder zitterten, ihre Köpfe waren tief zur Erde herabgesenkt. Demungeachtet schien der Führer, der in diesem Augenblicke von seinem hölzernen Sitze herabsprang, keinen längeren Aufenthalt an diesem Orte zu beabsichtigen. Er rief einen Knaben aus dem Hause und nachdem er diesem bedeutet, den Thieren Brot und Wasser zu geben, trat er zu dem Fuhrwerke, lös'te die obere Decke und unterstützte zwei heraussteigende Frauen mit einer Leichtigkeit und einem Anstande, die mit dem groben Kittel, der ihn verhüllte, im Widerspruche waren. Die Frauen schienen, wie er selbst, der Umgegend anzugehören. Ihre Kleidung war ländlich, wohl verwahrend gegen die Kälte, und sie hatten sich so sehr in das weite schwarze Regentuch verhüllt, daß man Gestalt und Antlitz nicht zu erkennen vermochte. Die eine nahm, während sie dem Hause zuschritt, den Arm des Mannes, die andere folgte langsamer nach, indem sie einen Pack trug, dessen äußere Hülle aus der feinsten holländischen Leinwand bestand. Im Kamine der Küche glühete ein freundliches Torffeuer. An diesem nahmen sogleich die Frauen Platz, ohne jedoch noch ein Wort gegen den Landmann gesprochen zu haben, der ihnen mit freundlicher Einladung bis zur Hausthüre entgegen gekommen war. Indessen schritt ihr Begleiter unruhig in der Küche auf und nieder. Er trat bald an's Fenster, an das die immer dichter fallenden Schneeflocken schlugen, und trommelte an den Scheiben; bald that er einige hastige Schritte nach dem Hauseigenthümer hin, als wollte er eine Frage an diesen richten, die ihm sehr wichtig sey, aber ehe er sie noch vorbrachte, schien er sich eines anderen zu besinnen, und kehrte wieder zum Fenster zurück. Der Besitzer des Hofes hatte sich, nachdem er eine Zeitlang vergebens auf die Anrede seiner Gäste gewartet, behaglich in einen weiten Lehnsessel niedergelassen. Von hier aus beobachtete er ruhig die Bewegungen und das Benehmen der schweigenden Gesellschaft. Endlich zeigte sich ein Lächeln auf seinem Angesichte, er stand auf, ging zu dem Manne hin und sagte mit gutmüthiger Freundlichkeit: »Ich errathe, was Euch im Kopfe herumgeht! Ihr seyd ein guter Niederländer und möchtet nicht gern mit dem Franzosengesindel, das hier in der Gegend schwärmt, zusammenkommen. Ich kann Euch das nicht verdenken, es ist auch nicht meine Liebhaberei. Warum wollt Ihr aber Euch nicht einem Landsmanne vertrauen? In den ganzen Generalitätslanden ist keiner, der einen wackeren Oranier an den Feind verriethe!« »Holland und England!« rief der andere, in welchem wir nun den Junker =van Daalen=, so wie in seinen Gesellschafterinnen =Clelien= und =Philippintje= erkennen, in einem Tone, als wälze sich eine Last von seiner Brust: »Du hast recht! Kein rechtschaffener Niederländer verräth den andern. Die Künste und Schliche, die ich in den letzten Tagen anwenden mußte, um den Streifpartheien zu entgehen, haben mir den Kopf ganz verwirrt. Dann verließ uns auch, wo die Gefahr am dringendsten war, der feige Bursche, der uns zum Führer diente, mit Wagen und Pferden, ich mußte die elenden Thiere mit dem zerbrechlichen Fuhrwerke kaufen und, da ich die Wege nicht kannte, oft auf's Geradewohl umherirren.« »Sprecht nicht so laut!« ermahnte mit warnender Gebehrde der Landmann. »Vor mir seyd Ihr sicher, aber nicht vor anderen, die sich mit halber Gewalt in mein Haus gedrängt haben.« »O, ich bin bewaffnet und habe wohl schon eher die Herren Franzosen meinen Degen empfinden lassen!« antwortete =Cornelius=, indem er seinen Kittel aufschlug, unter dem sich Pistolen und ein kurzes Schwerdt zeigten. »Sagt schnell, wer ist es und wie viele sind ihrer?« In dem ersten Schrecken über die Entdeckung, welche sie aus dem Munde ihres gutmüthigen Wirthes vernahmen, hatte eine der Frauen sich rasch umgewendet und das Regentuch, das beinahe zur Hälfte ihr Gesicht verhüllte, war auf die Schulter niedergefallen. Der für weibliche Schönheit keinesweges unempfindliche Landmann sah mit Bewunderung in =Cleliens= reizendes, durch die freie Luft, der sie einige Tage lang sich ausgesetzt hatte, in blühender Frische glänzendes Angesicht. Tief erröthend bemerkte sie es und zog langsam wieder das Tuch hinauf. »Auch ohne die Waffen hättet Ihr den Kriegsmann nicht verleugnen können!« sagte der ehrliche Niederländer, nachdem er seine freundlichen Blicke zur Genüge auf =Clelien= hatte ruhen lassen, wieder zu =Cornelius= gewandt, »Euer ganzes Wesen verräth Euch. Schon als Ihr ankamet und Euere Pferde halten machtet, sah ich Euch an, daß Ihr nicht gewohnt seyd, die Handthierung eines Fuhrmanns zu treiben. Ihr hieltet die Peitsche, wie einen Degen, Ihr schwanget sie, als wolltet Ihr auf den Feind einhauen. Als Ihr an den Wagen tratet, um die Frauen herabzuheben, standet Ihr kerzengrade und sahet so kühn um Euch, wie ein Feldhauptmann an der Spitze seines Häufleins. Die Jungfer da,« fuhr er auf =Clelien= deutend fort, »ist auch nicht bei uns auf dem Lande gewachsen und ich wette, es ist dieselbe, der von den wilden Gesellen, vor denen ich Euch warnte, nachgespürt wird.« »Nachgespürt -- =ihr=?« fuhr der Junker, von Zorn und Befremden ergriffen auf, während die zwei Frauen ängstliche Blicke auf den Hausbesitzer richteten. »Es ist nicht möglich, niemand kann wissen --« »Ihr könnt Euch darauf verlassen!« unterbrach ihn mit leiser, behutsamer Stimme der Landmann. »Ihr seyd Herr =Cornelius van Daalen= und das ist Jungfrau =Clelia van Vlieten=. Man kennt Euch, man hat Euch genannt und ich bin überzeugt, daß diejenigen, welche Euch nachsetzen, nichts Gutes gegen Euch im Schilde führen.« Die drei Reisenden waren im höchsten Grade betreten über diese Entdeckung. Jeder Gedanke an einen Irrthum mußte verschwinden, als ihr wohlmeinender Wirth die Namen der zwei Hauptpersonen aussprach. Aber wer konnten diese Verfolger seyn, die eine so genaue Kenntniß des Weges besaßen, den das flüchtige Paar eingeschlagen hatte? Sie mußten, so dachte =Cornelius=, nothwendig im Auftrage des Herrn =van Vlieten= handeln, sie waren, wie es ihm bald nicht mehr zu bezweifeln schien, abgesandte Gerichtspersonen von =Rotterdam=, die sich wenigstens der Geliebten bemächtigen wollten, um sie in das väterliche Haus zurückzuführen. »Die Wege der Vorsehung sind wunderlich!« jammerte indessen =Philippintje=. »Um ein gottgefälliges Werk zu thun, dem entsetzlichen =Schiwa= auszuweichen und der noch entsetzlicheren Nonnenschaft, sind wir ausgezogen, gleich dem Volke Israels aus dem Lande Egypten, aber auch uns verfolgt der grimmige Pharao und ich sehe noch kein rothes Meer, das uns den Gefallen thun will, ihn zu verschlingen!« »Still!« gebot, durch den Drang der Umstände beunruhigt und gereizt, =Cornelius= nach ihr hin. »Seyd so gut,« wandte er sich dann zu dem Hausbesitzer, »und gebt mir eine nähere Kunde von den Leuten, die Ihr meint. Beschreibt mir ihre Personen, nennt mir ihre Anzahl und sagt mir, ob Ihr sie für Niederländer oder für Fremde haltet?« »Einen Augenblick!« erwiederte der Landmann, ging hierauf zur Thüre und fuhr, nachdem er diese sorgfältig verschlossen und verriegelt, in jenem gedämpften Tone, den er bisher beobachtet hatte, fort. »Es sind ihrer vier. Aber nur zwei von ihnen scheinen eigentlich Absichten auf Euch und Euere Reisegefährtin zu haben. Die anderen beiden kommen mir vor, wie ein Paar verlaufene Gesellen, die sich gegen Bezahlung zu jedem Streiche hergeben und wenn ich nicht irre, so habe ich ihre Galgengesichter schon am Haven von =Antwerpen= gesehen, wenn ich Viktualien zum Verkaufe dorthin gebracht. Sie mengen sich auch wenig in das Gespräch jener zwei, unterhalten sich meist in flämischer Mundart und von niedrigen, nichtswürdigen Dingen. Jene aber sind ein Paar junge Leute von hübschem, munterem Ansehen. Sie sagen, sie wären Studenten von =Leyden=, aber ich halte sie für verkappte Franzosen, denn, wenn sie auch mit mir holländisch reden, so sprechen sie doch unter sich in französischer Zunge, von der ich bei dem Getreidehandel über die Grenze Manches verstehen gelernt habe.« »Und diese sollten uns nachforschen, uns verfolgen?« fiel der Junker im Tone des Unglaubens und Zweifels ein. »Unmöglich!« setzte er versichernd zu. »Ich kenne diese Leute nicht, ihr Unternehmen ist gewiß gegen einen anderen gerichtet!« »Nein, nein!« versetzte der redliche Warner ärgerlich und kopfschüttelnd. »Ihr seyd es und noch mehr die liebliche Jungfrau da, auf welche sie einen Streich abgesehen haben. Meinen Augen und Ohren kann ich trauen und woher sollte ich denn Euch, die ich in dieser Stunde zum erstenmale sehe, bei Namen zu nennen wissen, wenn ich diese Namen nicht von andern erfahren hätte, welchen an den Personen ungemein viel gelegen ist? Genug! Es war in der Dämmerung des heutigen Morgens, als mit einemmale Pferdegestampf die Straße herab klang, die Reiter vor meiner Wohnung hielten und mit heftigem Klopfen und unter wilden Drohungen Einlaß verlangten. Ich überzeugte mich bald, daß ich mit meinem fünfzehnjährigen Knaben den Stürmenden einen vergeblichen Widerstand leisten würde. Ich öffnete also freiwillig und fragte ruhig nach ihrem Begehren. Sie aber eilten an mir vorüber, gleich die Treppe hinauf in die besten Zimmer. Hier empfingen mich, der wohl ein ziemlich saueres Gesicht zeigen mochte, die jungen Leute lachend, versicherten, ich könne ganz ruhig seyn bei ihrem Besuche, sie stünden für Alles und würden, was ihnen an Speise und Trank nöthig sey, bei Gulden und Stüber bezahlen. Zur Bekräftigung ihrer Worte händigten sie mir ein Stück Geld ein. Dann aber fingen sie sogleich an, sich sehr genau nach einem Manne und zwei Frauen zu erkundigen, die am gestrigen Tage hier vorübergekommen seyn möchten. Sie beschrieben Euch und Euere Reisegefährtinnen auf das Deutlichste, sie nannten, indem sie in dem Wahne, ich verstehe sie nicht, französisch mit einander sprachen, Euere Namen und einer von ihnen schwur, er müsse Euch die Tochter des Herrn =van Vlieten= abjagen und solle er Euch bis an's Ende der Welt verfolgen! Sie sagten, wenn Ihr noch nicht vorübergezogen wäret, so müßtet Ihr heute durchaus ankommen, sie hätten die sichere Spur. Jetzt habt Ihr Alles vernommen, was ich weiß. Ihr seyd ein guter Holländer, deswegen halte ich zu Euch. Wären nur noch ein Paar Männer, wie wir im Hause, so wollten wir schon fertig werden mit den fremden Schelmen -- und doch, wenn ich's bedenke --« setzte er unruhig die Mütze rückend hinzu -- »ich könnte Euch nicht öffentlich beistehen, denn hier an dem abgelegenen Orte muß ich jeder Parthei Freund scheinen. Aber Ihr selbst werdet jetzt am Besten wissen, was Ihr zu thun habt, um in Frieden Alles auszugleichen, denn gewißlich sind Euch die Leute bekannt und Ihr durchschaut den Grund Ihres Betragens.« »Ich will ein Franzose werden, wenn ich sie kenne und mehr von ihnen weiß, als was Ihr mir gesagt habt!« betheuerte =Cornelius= und ging bewegt im Zimmer auf und nieder. »O ich fürchte sie nicht,« fuhr er zu sich selbst sprechend fort, »und wollte ihnen wohl den Weg zeigen, aber -- =Clelia=! Nein, nein! Sie darf keine Gefahr mehr laufen. Der Mann hat Recht. Wir müssen dem seltsamen Handel auf friedlichem Wege auszuweichen suchen!« In diesem Augenblicke rief ihn das geliebte Mädchen mit sanfter Stimme zu sich heran. »Ich weiß, Ihr seyd kühn und muthig, Junker =Cornelius=,« sagte sie, »aber bezwingt diesesmal jede Aufwallung, die uns Allen Nachtheil und mir vielleicht um Euretwillen schweren Kummer bringen dürfte. Ja, =Cornelius=, Ihr seyd mir theuer und jede Gefahr, die Euerem Leben droht, jeder Tropfe Eueres Blutes, der in einem solchen Streite vergossen werden könnte, würde mich unglücklich und elend machen. Laßt uns still wieder den Wagen besteigen und unseren Weg fortsetzen. So gelingt es uns vielleicht, diesen unbekannten, räthselhaften Verfolgern zu entgehen.« »=Clötje=, du sprichst wie ein Buch!« stimmte ängstlich =Philippintje= ein. »Ja! Wir wollen wieder in den Wagen, wir wollen fort.« Der Landmann aber trat kopfschüttelnd zu ihnen heran und sagte: »Ihr irrt, wenn Ihr glaubt, daß Ihr nicht bemerkt und erkannt worden seyd! Die zwei jungen Leute haben Falkenaugen und seit dem frühen Morgen liegen sie schon hinter den Fenstern, um zu spioniren. Kein Hofknecht im schlechten Kittel, kein Butterweib im Regentuche ist vorübergegangen, ohne daß nicht einer von ihnen herabgeschossen wäre, wie der Blitz, um sie näher zu untersuchen. Bei Euch verhalten sie sich still. Das kommt daher, weil sie ihrer Sache gewiß sind. Aber sie schmieden gewiß einen Anschlag, wie sie Euch am Sichersten angreifen, wenn Ihr an nichts denkt. Laßt mich einmal hinauf! Ich will in dem dunkeln Kämmerchen, das an ihr Zimmer stößt, einmal lauern und lauschen. Da ist jedes Wort zu vernehmen, da kann ich durch eine Spalte in der Bretterwand selbst jede ihrer Bewegungen beobachten.« »Unbegreiflich!« sprach der Junker, der sich einem vergeblichen Nachsinnen über die wunderliche Angelegenheit hingegeben hatte. »Aber, wißt Ihr was? Nehmt mich mit! Nichts soll meine Gegenwart verrathen, das gelobe ich Euch. Vielleicht klärt sich, wenn ich die unbekannten Gegner sehe, in einem Augenblicke Alles auf, ein unschädlicher Irrthum enträthselt sich und wir können in aller Sicherheit einige Stunden der Ruhe bei Euch zubringen, deren die Frauen so sehr benöthigt sind.« Nach einem kurzen Bedenken willigte der Hausbesitzer ein. Während =Philippintje=, am Feuer sitzen bleibend, trüben Gedanken nachhing und =Clelia= durch das Fenster auf die weiten Schneegefilde blickte, begaben sich die zwei Männer, durch eine Hinterthüre der Küche ein schmales, düsteres Treppchen hinauf, zu dem Orte, der ihren Absichten in jeder Beziehung entsprach. In dem finsteren Kämmerchen hörten sie jedes Wort, das in dem benachbarten Zimmer laut wurde, durch die Wandritze sah =Cornelius= ganz deutlich diejenigen, die aus einer unerklärlichen Ursache die Geliebte ihm entreißen wollten. Seine Blicke verweilten nicht lange bei den unbedeutenden Gestalten der zwei schmutzigen Bursche, die in einem Winkel saßen und in dummer Erwartung vor sich hinsahen. Sie richteten sich sogleich auf die wohlgekleideten Jünglinge, die in unruhiger Bewegung auf und niederschritten und in einem Wortstreite begriffen schienen. =Cornelius= hatte sie schon gesehen. Ein augenblickliches Nachdenken belehrte ihn, daß dieses am Bord des =lustigen Freiers von Rotterdam= geschehen sey, er ahnete zugleich, daß sie damals schon in dem Unternehmen begriffen gewesen, das sie jetzt wiederum in seinen Weg führte. »_Cadédis!_« rief der eine von ihnen mit Heftigkeit. »Die Gelegenheit ist da, so gut wir sie nur wünschen können. In fünf Minuten ist Alles abgethan. Wir rücken dem Sire =Cornelius= mit dem Degen auf den Leib, er muß das Mädchen herausgeben und wir führen sie auf demselben Wagen, der sie hierher gebracht, im Triumphe zurück nach =Rotterdam= zum Professor =Hazenbrook=. Er harrt unserer gewiß noch im Gasthofe und finden wir ihn da nicht mehr, so muß die Schöne mit nach =Leyden= wandern, wo dann der Professor das Weitere verfügen wird.« »Es ist nicht möglich, dich zu Ruhe und Besonnenheit zu bringen!« versetzte mit einer Sanftmuth, die sehr gegen die Heftigkeit seines Gefährten abstach, der andere. »Es würde an Tolldreistigkeit grenzen, wenn wir hier, wo der Wirth es sicherlich mit ihm hielte, wo in den Ställen und Scheunen ein Anzahl Knechte versteckt seyn kann, die auf den ersten Wink gegen uns stünde, einen Angriff auf den muthigen Kriegsmann wagen wollten, der gewiß gut mit Waffen versehen ist und sie auch zu gebrauchen versteht. Nein, =Le Vaillant=, das ist nichts! Wir bleiben hübsch ruhig und still hier oben. Wir beobachten mit Luchsaugen Alles, was bei dem Wagen vorgeht. Ungehindert lassen wir sie einsteigen und abfahren. Sind sie aber ein Paar hundert Schritte entfernt von diesem Hause, dann auf unsere Pferde, ihnen nach in gestrecktem Gallopp, dem Junker =Cornelius= die Pistole unter die Nase, ehe er sich dessen versieht, er herunter vom Bocke, wir hinauf, unsere vier Pferde noch vorgespannt -- und querfeldein fort über Stock und Stein!« Der Erstere machte keine weitere Einwendung. Er schien sich schweigend der besseren Ansicht seines Cameraden zu unterwerfen. =Cornelius= hatte genug gesehen, genug gehört. Die Namen =Hazenbrook= und =Le Vaillant= klangen ihm wie Arabisch. Alles war ihm noch unbegreiflich, nur war er jetzt völlig von den feindlichen Absichten, welche die, wie Studenten gekleideten, zwei jungen Leute gegen ihn und =Clelien= hegten, überzeugt. Nichts anderes, als eine Kriegslist konnte aus dieser kritischen Lage helfen, wenn es nicht zu einem Handgemenge kommen sollte, dessen Ausgang sehr zweifelhaft war. Indem er seinen Führer die dunkele Treppe hinabzog, strengte er vergebens seine Gedanken an, irgend ein Rettungsmittel zu ersinnen. Er sah sehr verstört aus, als er zu den Frauen in die Küche zurückkehrte. =Clelia= trat ihm mit forschenden Blicken entgegen. Sie schien ruhig, aber ihr Inneres war in großer Bewegung. =Philippintje= warf nun einen Blick auf den Junker. Sie glaubte ihr Todesurtheil in seinen Zügen zu lesen, sie brach in lautes Weinen aus. »Ich habe Diejenigen gesehen,« hob =Cornelius= an, »die sich, aus einer mir unbegreiflichen Ursache, ein Geschäft daraus machen, uns in einer feindlichen Absicht zu verfolgen. Sie wollen Euch mir entreißen, Euch einem gewissen =Hazenbrook= zuführen, von dem ich nie etwas gehört habe. Bei dem Degen des großen Marlborough! Ich fürchte sie alle Vier nicht und gedächte es mit ihnen aufzunehmen, oder würde gern untergehen im Kampfe für Euch; aber was sollte dann aus Euch werden, ohne Freund, ohne Beschützer hier im fremden Lande?« »=Hazenbrook?=« wiederholte =Clelia=, in Nachdenken verloren. »Auch ich habe diesen Namen niemals vernommen.« »Er klingt wie Indisch!« versicherte jammernd =Philippintje=. »Gewiß ist es ein Götze, wie der =Schiwa=, und wir als schuldlose Jungfrauen sollen ihm zum Opfer gebracht werden!« »Ich glaube, ich habe das Mittel gefunden, die sauberen Gesellen um die Frucht ihrer Mühen zu bringen und ihnen eine Nase zu drehen, die von hier bis =Mastricht= reicht,« nahm jetzt der Landmann, der bisher in einer nachsinnenden Stellung hinter dem Junker gestanden hatte, das Wort. »Sie wollen sich ruhig halten und warten, bis Ihr Euch in den Wagen zurückbegeben habt und abgefahren seyd? Sie mögen warten! Sie sollen, wenn Ihr anders meinen Rath befolgt, noch stundenlang am Fenster stehen und sich die Augen aus dem Kopfe sehen nach Euerer Abreise, während Ihr schon wenigstens halbweg =Mastricht= seyd und dann von ihnen nichts mehr zu befürchten habt. Hört mich an! Allenthalben ist das Wasser der Teiche ausgetreten auf die Wiesen, dann ist es gefroren und von hier bis zum Ziele Euerer Reise ist die herrlichste Schlittenbahn von der Welt. Ihr seyd ein Holländer. Ein tüchtiger Holländer läuft jedes Pferd zu Schanden, wenn er Schlittschuhe unter den Füßen hat. Ich gebe Euch zwei Stuhlschlitten, in diese packen wir die Frauen, den einen führt Ihr, den andern mein Junge und der Böse müßte sein Spiel haben, wenn Ihr die fünf Stunden bis zur Stadt nicht vor Abend zurücklegtet. Ich lasse Euch zur Hinterthüre hinaus. Die oben warten und warten -- wann die Dämmerung nahet, trete ich ganz gleichmüthig an den Wagen, spanne aus und ziehe die Thiere in den Stall. Dann mögen sie kommen und fragen -- mir soll es nicht an Antworten fehlen! Was sagt Ihr zu dem Anschlage?« »Nassau und Oranien!« rief =Cornelius=, indem er den Mann in der Freude seines Herzens umarmte. »Er ist vortrefflich, er ist nicht mit Geld zu bezahlen!« =Philippintje= aber stand zitternd auf und seufzte: »In einem Schlitten soll ich fahren? Ueber's Eis? Einbrechen, ertrinken?« Niemand hörte auf sie. Während der wackere Hausbesitzer seinem Sohne die nöthigen Eröffnungen machte, Schlitten und Schlittschuhe in den gehörigen Stand setzte, nahmen die Reisenden einige Erfrischungen zu sich, wie sie der ländliche Haushalt ihres Wirthes darbot. =Clelia= war jetzt ruhig und gefaßt. Wo sie eben nur dunkele, räthselhafte Nacht erblickt hatte, erschien ihr tröstlich und freundlich wieder ein Hoffnungsstern. Sie sprach ihrer Gefährtin Muth ein. Sie stimmte einen scherzhaften Ton an und brachte es wirklich bald dahin, daß =Philippintje= anfing, ihre Besorgnisse zu verbannen und sich sogar auf die Lustfahrt im Schlitten freuete. Jetzt kam der Landmann zurück. Alles war fertig, Alles zur Abreise bereit. Sie entfernten sich leise durch die hintere Thüre des Gemaches; sie schlichen durch dunkle Gänge, durch die geräumigen Viehställe, durch den Garten. Das Schneegestöber hatte aufgehört. Nur eine dünne durchsichtige, weiße Flordecke lag auf dem weiten Eisspiegel, der sich, als sie aus dem Garten traten, ihren Blicken bot. Des Wirthes Knabe harrte hier mit Schlittschuhen und Schlitten. Vergebens bemühete sich =Cornelius=, dem Manne eine Belohnung aufzudringen. »Ihr kommt schon einmal wieder!« antwortete er. »Bis dahin hat es Zeit. Euer Fuhrwerk und Euere Pferde bleiben mir ja ohnehin im Versatze,« fügte er lächelnd hinzu. In dem Augenblicke ihrer Abfahrt brach die Sonne durch Wolken. Sie röthete =Clelia's= Wangen und ließ das blühende Mädchen in einem Himmelsglanze erscheinen, der =Cornelius= mit Entzücken und den nachsehenden Landmann mit Bewunderung erfüllte. Mit Windeseile flogen die Schlitten über die silberglänzende Eisdecke hin. =Cornelius= hatte seit seinen Knabenjahren für einen Meister im Schlittschuhlaufen gegolten; aber der Sohn des Wirthes übertraf ihn, wenn auch nicht an Zierlichkeit der Bewegungen, doch in Gewandtheit und Geschwindigkeit bei Weitem. Das mußte =Philippintje= zu ihrem oftmaligen Schrecken und Entsetzen erfahren. Er machte die künstlichsten Drehungen und Schleuderungen mit dem Schlitten, in dem sie saß, er fuhr sie wie toll im wirbelnden Kreise herum, er zog sie lange Strecken hindurch hinterrücks fort und wenn sie dann anfing, zu schreien und zu schelten, so lachte er hell auf, sprach ihr freundlich zu und versicherte, das sey hier zu Lande die Manier, ihre Mädchen und Weiber schrieen auch, aber sie sähen es doch gern und, weil man das wüßte, kehrte man sich nicht daran. Er begann dann von Neuem sein neckendes Spiel, ohne sich jedoch jemals von dem Junker weit zu entfernen, der, seine schöne Last vor sich hin schiebend, alle Kräfte aufbieten mußte, um nicht hinter dem flüchtigen Knaben zurückzubleiben. Der Landmann war in der Gartenthüre stehen geblieben und hatte ihnen so lange nachgesehen, wie seine Blicke sie erreichen konnten. Er wünschte ihnen alles Glück auf den Weg. =Cornelius= offenes treuherziges Wesen hatte ihn angesprochen, und der Eindruck, den =Clelia's= Schönheit auf ihn gemacht hatte, war von jenen Gefühlen des Wohlwollens begleitet, die wir denjenigen, die durch einen persönlichen Vorzug sich in unseren Augen auszeichnen, so gern zu widmen geneigt sind. Er ging in das Haus, in das Gemach zurück, wo noch am Kamine der Stuhl stand, auf dem das schöne Mädchen gesessen hatte. Ein zufriedenes Lächeln schwebte auf seinen Zügen. Er glaubte ein gutes Werk gethan zu haben, er mußte sich im Stillen über die Täuschung der Laurer im ersten Stocke lustig machen. Er horchte nach ihnen hin. Alles war ruhig. Sie standen gewiß in gespannter Erwartung am Fenster und gedachten, in jedem Augenblicke die reizende Beute, die sie schon in ihrem sicheren Besitz sahen, aus dem Hause treten zu sehen, sie standen gewiß bereit, sogleich, wenn es ihr Anschlag mit sich brachte, hinabzustürmen, ihre Pferde zu besteigen und das Werk zu vollführen, das, nach ihrem Wahne, ihnen gar nicht fehlschlagen konnte! Der Landmann mußte laut auflachen, wenn er sich das in seinen Gedanken ausmalte. Um die Täuschung fortzusetzen, ging er hinaus zu den Pferden, gab ihnen zu trinken und warf ihnen Heu vor, als sollten sie sich zu der ferneren Reise vorbereiten und stärken. Ein Blick nach den Fenstern des oberen Stocks belehrte ihn, daß die zwei jungen Leute ihren Lauerposten nicht verlassen hatten. »Ihr steht mir gut dort!« dachte er. »Ergötzt Euch nur noch ein Paar Stunden, an der freien Aussicht, die Ihr oben habt; dann mögt Ihr ausfliegen wohin Ihr wollt, meine Eisvögel holt Ihr doch nicht ein.« =Le Vaillant= und sein Gefährte -- in diesem haben unsere Leser schon längst den Leydener Studenten =La Paix= wiedererkannt -- befanden sich indessen in jenem peinigenden Zustande, den das Gefühl der Erwartung einer nahen Catastrophe, des heranrückenden Momentes, in dem sich der Ausgang eines noch zweifelhaften Unternehmens entscheiden muß, in seinem Gefolge hat. Sie waren in jener Nacht, in der wir sie verließen, glücklich zu einer einsamen Küstenwohnung gelangt, sie hatten die vorüberfahrende Barke =Syrene= bestiegen, allein, indem sie hier gewiß =Clelien= und =Cornelius= zu finden glaubten, sich in ihren Hoffnungen getäuscht gesehen. Aber sie kannten ja das Reiseziel der Flüchtlinge! In =Antwerpen= waren sie an's Land gestiegen. Frische Geldsummen, die sie hier bei einem befreundeten Handelshause aufnahmen, setzten sie in den Stand, Pferde zu kaufen und zwei Diener zu miethen, die sie bei ihrem Unternehmen unterstützen sollten. Sie schlugen den nächsten Weg nach =Mastricht= ein, aber =La Paix= gebrauchte die Vorsicht, seine Leute zum Oefteren seitwärts in's Land zu schicken, um hier nach den Verfolgten zu forschen. So gelang es ihm, die Spur der Flüchtlinge zu finden. Schon früher würde er sie ereilt haben, wäre nicht der Junker =van Daalen= von der rechten Straße ab, auf Seitenwege gerathen, auf welchen die Nachsetzenden ihn nicht vermutheten. Deshalb gewannen sie auch den Vorsprung einer halben Tagereise vor ihm. In dem einsamen Gehöf, zu dem sie am heutigen Morgen gelangt waren, beschlossen sie auf gut Glück hin, einen Tag zu rasten. Sie waren nun überzeugt, daß die Flüchtlinge hier noch nicht vorübergezogen seyn konnten, sie sahen endlich, wie wir wissen, am Mittage dieses Tages eine Hoffnung erfüllt, die ihnen schon so oft fehlgeschlagen war. »_Morbleu!_« sagte =Le Vaillant= zu seinem Freunde, der nur Augen für das unten harrende Fuhrwerk zu haben schien, nachdem beide schon über eine Stunde am Fenster gestanden und nutzlos auf einen Umstand gelauert hatten, der ihnen die baldige Abfahrt der Flüchtlinge anzeigen möchte. »=Die= sitzen fest am Kamin und machen uns wohl die Zeit noch lang, ehe wir uns auf die Klepper werfen können, um ihnen den Spaß zu verderben. _Sandis!_ Du hättest meinen Rath annehmen sollen. Jetzt wäre Alles gethan, wir hätten das Vögelchen im Käficht und wären schon auf dem Rückwege nach der Heimath, wo unser würdiger Professor gewiß mit sehnsüchtig geöffneten Armen den Preis für seinen Amenophis Pharao erwartet. Du wirst es noch erleben, daß wir endlich, wenn wir meinen, die Huldgestalt zu fassen, nur in einen blauen Dunst greifen und daran ist nichts anderes schuld, als deine ewige Bedenklichkeit, dein endloses Zaudern. _Cadédis_ --« »Still, sie kommen!« unterbrach ihn =La Paix= und seine Blicke glänzten. Aber es war nur der Landmann, der wohlgemuth aus dem Hause trat und den Pferden Futter vorwarf. Nichts destoweniger nahmen die Studenten seine Erscheinung als eine günstige Vorbedeutung auf. =Le Vaillant= nahm seinen großen Raufdegen von der Wand und gürtete sich damit, ebenso =La Paix=. Die beiden Gesellen, deren übles Aussehen eher ein Paar Wegelagerer vermuthen ließ, als die Diener zweier Musensöhne, erhoben sich und dehnten, wie zu baldiger Thätigkeit und zum bevorstehenden Handgemenge, die gedrängten starkgliedrigen Gestalten, die ebenfalls mit Pistolen und kurzen Degen wohl versehen waren. =Le Vaillant= rieb sich zufrieden die Hände, während sein Freund wieder ungeduldig zum Fenster trat. Der Landmann war verschwunden. Alles wieder still, wie zuvor. »Die Weiber können nicht aus dem Neste kommen!« grollte =Le Vaillant=, nachdem er an die Seite seines Gefährten getreten war. »_Morbleu!_ Hätten wir es nur mit Männern zu thun, so wären wir längst im freien Felde mit ihnen aneinander und du solltest sehen, daß keiner vermag vor =Le Vaillant's= Schwerdt zu bestehen!« »Die Gelegenheit wird schon kommen, wo du deine Heldenthaten an den Mann bringen kannst;« erwiederte kaltsinnig =La Paix=. »Jetzt richte deinen Muth gegen dich selbst und bekämpfe deine Hitze, deine Ungeduld.« =La Paix= war, durch seines Freundes unaufhörliche Aufforderungen gereizt, nun hartnäckig geworden und bestand fest auf seinem Sinne, obschon sich in einzelnen Augenblicken eine gewisse Besorgniß über die Richtigkeit seiner Ansicht in ihm regte. Immer hatte =Le Vaillant= eine Art von Oberherrschaft von Seiten seines Landsmannes anerkannt. Dieser unterwarf er sich auch jetzt, zwar mit Widerwillen, aber nicht ohne alles Vertrauen, das auf so viele günstige Erfolge des Freundes in ähnlichen Fällen begründet war. Aber noch eine Stunde verging in der Pein des Harrens, eine andere schlich ebenso mit Schneckenschritt vorüber und nichts veränderte sich in der Lage der Verbündeten. Die Abenddämmerung näherte sich. Viele Landleute, Männer und Weiber, kamen aus den benachbarten Städtchen, wo ihr ländlicher Handel sie hingeführt hatte, zurück und kehrten in dem einsamen Hofe ein, um hier, wie sie es gewohnt waren, zu übernachten und morgen in der Frühe des Tages ihren Weg nach der entlegenen Heimath fortzusetzen. Jetzt war der Augenblick der Enttäuschung gekommen. =La Paix= mußte sehen, wie im vollen Gelächter mit anderen Landleuten und mit Gebehrden, die den Studenten und seine Begleiter deutlich genug als den Gegenstand seines Spottes bezeichneten, der Wirth aus dem Hause trat, die Pferde ausspannte und das Fuhrwerk, das die schöne =Clelia= getragen hatte, unter Dach schob. Er biß sich in die Lippen. Er trat hastig vom Fenster zurück und sagte mit ärgerlicher gepreßter Stimme: »Wir sind betrogen! Ich durchschaue die ganze Geschichte, den listigen Streich, den man uns gespielt hat. Der Wirth ist ein Spitzbube. Er hat uns verrathen, er hat die Beute, die uns schon sicher war, längst weiter geschafft, während er uns mit dem ruhig wartenden Fuhrwerke genarrt.« »_Sandis!_ so müssen wir ihm den Hals brechen;« fuhr =Le Vaillant= wild auf und legte die Hand an den Degen. »Versuche es nur!« entgegnete spitz sein Freund. »Die fünfzig rüstigen Bauernhände, die dem Schelm jetzt zu Gebote stehen, werden dir die Lust dazu schon vertreiben. Ehe du ihm an die Gurgel kommst, werden die Dreschflegel so auf deinem Rücken herumtanzen, daß du dein Lebelang nicht wieder gerade gehen kannst. Aber es ist kein Augenblick zu verlieren! Wir müssen ihnen nach. Führt die Pferde vor!« rief er den Dienern zu. »Vielleicht ist uns die Nacht günstiger, als der Tag.« Sie stürmten die Treppe hinab. In der Thüre der Küche stand der Hauseigenthümer, hinter ihm ein Haufe von Bauern, mit feisten, wohlgenährten Gesichtern. Sie hielten die derben Knochenfäuste, wie zum Angriffe gerüstet, empor, sie lachten laut auf, als sie die Herabeilenden erblickten. »Ihr wollt schon fort?« rief der Wirth mit scheinbarem Bedauern, hinter dem der Schalk sich verbarg, ihnen zu: »Gewiß den andern nach? Ja, da müßt Ihr Euch eilen, denn die sind schon vor mehr als drei Stunden abgereis't, so rasch und auf so flüchtigem Fuhrwerk, daß sie in diesem Augenblicke wohl vor den Thoren von =Mastricht= halten können.« Die Studenten würdigten ihn keiner Antwort. =Le Vaillant= schoß einen wüthenden Blick nach ihm hin. Aber außer einem: »_Cadédis!_« das ihm unwillkührlich zwischen den Zähnen hervordrang, ließ er keine Verwünschung, keine Drohung laut werden. In wenigen Augenblicken standen die Pferde bereit. Mit wilder Hast schwangen sich die Jünglinge auf und flogen, wie vom Sturmwinde gejagt, in die winterliche Gegend hin. Die Diener folgten ihnen nach. Bald war das Geräusch ihrer Rosse verhallt. Ein lauer Südwind strich über die Fläche und erweichte und lockerte die Eis- und Schneedecke, die auf den Gewässern und auf dem Lande ruhete. 6. In einem lieblichen Thale, das die Wellen der Maas durchschneiden, liegt die Stadt =Mastricht=. Freilich sah man jetzt nichts von dem Grün der Ufer, das im Frühlinge und Sommer, in weiten blumendurchwirkten Wiesenflächen sich hindehnt, und der Reiz, der dieser Gegend in einem geringeren Grade auch im Winter bleibt, war jetzt von den Schatten der Abenddämmerung verhüllt! Aber dennoch wurde sie von drei Reisenden, die eben einen Hügel erstiegen hatten, auf dem sich ihnen die aus der Stadt herüberglänzenden Lichter wie freundliche Sterne zeigten, als das Ziel einer müheseligen und selbst nicht gefahrlosen Wanderung begrüßt. Die drei Reisenden waren =Cornelius= und seine Begleiterinnen. Sie hatten in einer geringen Entfernung von der Stelle, wo wir sie finden, die Schlitten verlassen müssen, da ihnen der Sohn ihres wohlwollenden Wirthes auf dem einsamen Gehöf erklärte, er müsse bei dem beginnenden Thauwetter nothwendig umkehren, um noch, ehe das Eis auf den Wiesen gänzlich aufgelös't sey, glücklich die Heimath zu erreichen. Der Junker erkannte die Billigkeit dieses Verlangens und man entschloß sich, den etwa noch dreiviertelstündigen Weg bis zur Stadt zu Fuß zurückzulegen. =Cornelius= selbst belastete sich mit =Cleliens= Gepäck, die ruhig und ohne eine Klage über die Beschwerden, welche sie zu ertragen hatte, an seiner Seite hinschritt. Um so lauter ertönte =Philippintje's= unermüdlicher Jammer. »Es geschieht mir schon recht!« keuchte sie, indem sie sich bemühete, mit den andern gleichen Schritt zu halten. »Ich habe mich verblenden lassen von dem Mammon, ich muß zu Grunde gehen, weil ich das goldene Kalb angebetet. Hätte ich nur das Tabakrauchen vertragen können! Jetzt säße ich als eine vergnügte und glückliche Braut in der warmen Cajüte bei Frau =Beckje= und =Herrmanneke=, mein Hochzeiter besuchte mich, wenn es die Arbeit erlaubte, und brächte mir eine Herzenserquickung. Aber was habe ich hier? In Schnee und Eis muß ich waten, Hunger und Kummer leiden und jeder Augenblick kann mein letzter seyn auf diesen schlüpfrigen Wegen, wo des Menschen Fuß nicht haftet und alle Gebete, die ich in der Angst meines Herzens ersinne, den Schritt nicht fester und sicherer machen. Ich weiß wohl, ich habe es verdient, auch um =Herrmanneke= habe ich es verdient. Warum schickte ich ihm sein Goldstück wieder und verlangte meinen Ring zurück? >Du sollst Eltern und Heimath verlassen, du sollst ihm folgen über Land und Meer,< sagt die Schrift. Ach, ich habe schwer gesündigt und ich fürchte, nahe ist das Stündlein des Gerichtes!« Man hatte sich schon so sehr an ihre Klagen gewöhnt, daß man nicht mehr darauf hörte. =Clelia= stand neben =Cornelius= und blickte in's Thal hinab, aus dem die Lichter heraufschimmerten. »Welcher freundliche Anblick!« sagte sie. »Diese glänzenden Punkte verbannen in einem Augenblicke das drückende Gefühl des Fremdartigen, der Verlassenheit aus unserer Seele. Es ist, als spräche uns ein geselliger Geist aus ihnen an, wir fühlen uns den Menschen nahe, deren Treiben sie erhellen. Es dünkt uns, als gewähre schon ihr ferner Schimmer einen Schutz, dessen wir bisher entbehrten, und das Vertrauen in unserer Brust nimmt zu und wir sind fast gewiß, an der Stätte Freunde zu finden, von der uns ein so willkommener Gruß geworden.« »Halt! Was ist das?« sprach =Cornelius= mit gedämpfter, aber bewegter Stimme, indem er die Geliebte, die so eben den Fuß hob, um in's Thal hinabzuschreiten, zurückhielt. »Ich höre Waffengeräusch, ich vernehme schwere Tritte, wie von kriegerisch geordneten Reihen, die im Marsche begriffen sind!« Er hielt den Odem zurück und horchte. =Clelia= schmiegte sich ängstlich an ihn. »Das ist das jüngste Gericht, das heranrückt;« faselte =Philippintje=. »Jetzt werden sie gesondert werden, die Rechten von den Linken, die Lämmer von den Wölfen --« »Still!« gebot der Junker so ernst, daß die Hausjungfer zusammenschreckend die fernere Rede, die noch auf ihren Lippen schwebte, tief in ihr Inneres zurückschluckte. =Cornelius= hatte sich nicht getäuscht. Eine dunkele Masse bewegte sich einen Hohlweg heran, eine andere rückte, tiefer im Thale, am Flußufer nach der ruhig und unbesorgt scheinenden Stadt hin. Sein kriegskundiger Blick ließ ihn sogleich erkennen, daß sie in der Stunde in die Nähe von =Mastricht= gelangt seyen, wo von einem feindlichen Heerhaufen ein Ueberfall der Stadt versucht werden sollte. O was hätte er darum gegeben, wenn er jetzt mit flüchtigen Schritten an den Feinden vorüber eilen, mit lautem Rufe zu den Waffen die Besatzung aus ihrer verderblichen Sicherheit hätte aufschrecken können? Aber ein Gegenstand höherer Besorgniß lag ihm näher. =Clelia's= ängstliche Blicke hafteten an den seinigen. Sie hatte er in diese Verwirrung, in diese Gefahren gerissen; sie mußte er schützen und retten. »Ich kann es Euch nicht verhehlen,« flüsterte er ihr zu: »Die Heranziehenden sind Franzosen. Der Weg nach der Stadt ist uns abgeschnitten. Es kann zu blutigen Auftritten kommen. Wir müssen uns bemühen, ein sicheres Versteck zu finden. Haltet Euch nur stark und aufrecht, theuerste =Clelia=!« »Seyd unbesorgt um meinetwillen!« versetzte =Clelia= mit fester Stimme. »Jetzt kenne ich die Gefahr, jetzt fühle ich mich wieder stark und gefaßt zu jedem Unternehmen. Sagt, was zu thun ist: in bin bereit!« »Verlaßt mich nur nicht!« flehete =Philippintje=, indem sie sich an den einen Arm des jungen Mannes klammerte. »Sind es Franzosen, so bin ich wirklich noch übler dran, als wenn das jüngste Gericht käme, denn ich verstehe kein Französisch und könnte nicht Rede und Antwort geben.« Da stiegen plötzlich zahllose Leuchtkugeln aus der bedroheten Stadt empor in den dunkeln Abendhimmel und breiteten sich hier zu großen feuerigen Garben aus, welche die weite Gegend im hellsten Lichtglanze erscheinen ließen. Man erkannte die Haufen der Feinde, die im Eilschritt an beiden Ufern der Maas heraufrückten, zwischen den Reisenden und der Stadt zeigte sich ein verwirrtes Treiben kriegerischer Gestalten. Der junge Kriegsmann konnte seine Freude nicht unterdrücken. »Hoho, sie schlafen nicht!« jubelte er laut. »Sie haben nur die Augen zugehalten, um den vorwitzigen Feind zu betrügen. Jetzt wird's losgehen, jetzt werden sie gut holländisch mit ihm sprechen.« Auch aus =Cleliens= Blicken strahlte die Begeisterung der Vaterlandsliebe! Sie vergaß ihrer eigenen Gefahr, sie hatte nur Sinn für das große Ereigniß, das sich unter ihren Augen entwickelte. Aber in welchem entsetzlichen Zustande befand sich dagegen =Philippintje=? Auf einer wüsten Insel, selbst ohne die Gesellschaft =Herrmanneke's=, wäre sie in diesem Augenblicke lieber gewesen, als hier, wo mit Feuer und Licht, mit Pulver und Blei, kein Spaß getrieben wurde! Während die Leuchtkugeln aus der Stadt mit Blitzesschnelle einander folgten und das Geschütz von den Wällen Vernichtung in die Reihen der anrückenden Feinde schleuderte, zog der dunkele Haufe, den =Cornelius= zuerst bemerkt hatte, mit so wenigem Geräusche als möglich, immer näher den Hohlweg herauf. Am jenseitigen Flußufer hatten jetzt die Franzosen ebenfalls Geschütze auffahren lassen und beantworteten das Feuer der zu ihrem Empfange gerüsteten Gegner. Mit berechnender Langsamkeit wich der Junker vor Denjenigen, die gerade auf sie zu den Hügel heran rückten, zurück. Er drängte die Frauen seitwärts, um aus der Richtung, die jener dunkele Haufe nahm, zu kommen, und wenn er sich durch diese Bewegung immer weiter von der Stadt entfernte, so sah er auch recht wohl ein, daß unter den gegenwärtigen Umständen nicht daran gedacht werden könne, in diese zu gelangen. Sie wurden immer mehr in schräger Richtung den Hügel hinaufgedrängt. =Clelia= folgte mit Ruhe und Aufmerksamkeit, indem sie leicht ihren Arm auf den seinigen gelegt hatte, seinen Bewegungen; =Philippintje= aber hing wie eine schwere Last an ihm, sie sprach nichts, sie seufzte auch nicht mehr, sie befand sich in einer Geistesstumpfheit, die sie jedes eigenen Entschlusses, des Willens über sich selbst unfähig machte. Der dunkele Haufe, der den Flüchtlingen Gefahr drohete, war indessen aus dem Hohlwege auf ein Terrain gelangt, wo sich seine einzelnen Glieder mehr entwickeln und rascher vorwärts bewegen konnten. Die Verlegenheit des jungen Kriegsmannes stieg von Augenblick zu Augenblick. Er sah ein, daß es die Absicht der Feinde sey, die Spitze der Anhöhe zu gewinnen, um sich hier festzusetzen, indem sie zugleich den unteren Theil zu umzingeln bemüht waren, um die Ausführung ihres Plans zu unterstützen. Immer blieb ihm nur der schmale Weg seitwärts übrig und selbst diesen konnte er nur mit großer Besorgniß für seinen theuern Schützling betreten, da die Geschütze auf den Wällen der Stadt nun auch anfingen ihre Kugeln nach dieser Richtung zu senden, was er, aus dem während seiner kriegerischen Laufbahn oft genug vernommenem Sausen und Schwirren um und über ihm, nur zu gut erkannte. Er drängte jetzt rascher auf seinem Pfade vorwärts; er mußte fürchten durch die Feinde, die sich jetzt nach allen Seiten um den Hügel zerstreueten, abgeschnitten zu werden. Die Erfahrung, die er in früheren Feldzügen gesammelt, kam ihm jetzt sehr zu statten. Indem er sich mit seinen Begleiterinnen im Schatten von Hecken und Buschwerk hinschlich, beobachtete sein scharfes Auge Alles, was vorging, er berechnete voraus, welche Stellen sie den Andrängenden, die ihm der Lichtglanz der Leuchtkugeln zeigte, am Besten verbergen würden, er hoffte schon in kurzer Zeit den Hügel umgangen und das geliebte Mädchen in Sicherheit gebracht zu haben. Aber ein einziger Augenblick sollte mit einemmale seine Hoffnungen vernichten! Er hatte eben im Schatten eines Weidenbaumes Halt gemacht, um seine Gefährtinnen Odem schöpfen zu lassen, als plötzlich eine nahe in seinem Rücken, von dem Gipfel der Anhöhe aufsteigende Masse von Leuchtkugeln den ganzen Hügel mit Tageshelle überglänzte, so daß jeder Baum, jeder Strauch, daß die Uniformen und Waffen der heranziehenden Franzosen zu erkennen waren. Diese sahen ihr bisher verborgen gehaltenes Unternehmen verrathen. Mit wildem Geschrei stürzten sie jetzt den Hügel hinauf, von dessen Spitze der Donner der Kanonen ihr regelloses Gewehrfeuer beantwortete. »Das ist ein Sturm auf die Schanze!« rief =Cornelius=, die ganze Größe der Gefahr einsehend. »Fort! Fort! Wir befinden uns zwischen den Stürmenden und den Vertheidigern. Nur immer links zur Seite! Nur noch hundert Schritte und wir sind glücklich heraus!« In wilder Hast riß er die Frauen mit sich fort. Er warf, um weniger in den eiligen Bewegungen, welche die Umstände erforderten, gehindert zu seyn, =Cleliens= Gepäck, das er bisher noch auf dem Rücken getragen hatte, von sich. =Clelia= flog leicht, wie ein Reh über die schlüpfrige Schneefläche hin, =Philippintje=, von tödtlicher Angst getrieben, bot alle Kräfte auf, um nicht zurückzubleiben. Eine Vertiefung, ein dunkler Einschnitt, der die Anhöhe hinauflief, lag vor ihnen. Diesen suchte der Junker zu erreichen; hier gedachte er mehr Sicherheit und Schutz für die Frauen zu finden. Indessen zischten immer neue Leuchtkugeln von der Stadt und von der Schanze über ihren Häuptern auf. Die Geschütze beider Vertheidigungspunkte donnerten in mächtiger Vereinigung. Die Kanonen der Gegner am Flußufer blieben ihnen keine Antwort schuldig und das Gewehrfeuer wurde ringsum allgemein, so daß =Cornelius= mit kriegskundiger Umsicht erkannte, es müsse ein Ausfall aus der Stadt gemacht worden seyn, dem vielleicht ein ähnlicher Versuch aus der Schanze die Hand bieten werde. Ihre Lage wurde immer mißlicher. Wie ein geheztes Wild flogen sie über den Boden hin, allein die Feinde drängten allenthalben heran, sie schienen der Erde zu entsteigen. Mit einer raschen Bewegung schleuderte =Cornelius= die schwarzen Regentücher von den Schultern seiner Begleiterinnen, die sie auf der glänzenden Schneedecke verrathen konnten. Allein diese Vorsicht kam zu spät. Sie waren schon von einigen feindlichen Soldaten, die hinter einem Busche verborgen gelegen, entdeckt. Sie sahen sich verfolgt. Ausrufungen, sie zum Stehen zu bringen, Flüche und Verwünschungen klangen hinter ihnen her und wurden in Augenblicken, wo der Kanonendonner ruhete, um desto kräftiger wieder zu beginnen, von den ängstlich Lauschenden vernommen. Sie eilten unaufhaltsam weiter, aber die Verfolger säumten auch nicht. =Cornelius= erkannte ihre Gestalten in geringer Entfernung, er sah, wie sie jetzt stehen blieben, ihre Feuergewehre anlegten, und wenige Augenblicke darauf hörte er die Kugeln, die sich das theuerste Leben zum Ziele gesetzt hatten, zu seinem Entzücken unschädlich vorüber pfeifen. Zur höchsten Wuth gereizt, riß er im Fliehen seine Pistolen aus dem Gürtel und schoß sie auf die Nachsetzenden ab. Er mußte getroffen haben, er vernahm einen Schrei, er gewann einen Vorsprung, indem die Gegner einige Augenblicke bei dem verwundeten Cameraden verweilten. Die Flüchtlinge standen jetzt in der düsteren Vertiefung, die der Junker früher für eine Stelle gehalten hatte, welche ihnen Sicherheit gewähren könne. Aber die Nähe der Verfolger machte jetzt auch diese Hoffnung sehr zweifelhaft. Er vernahm schon wieder ihr wildes Gebrüll, das Geräusch ihrer herannahenden Schritte, den Knall ihrer Musketen, die sie auf's Geradewohl abfeuerten. Er sandte ängstliche, verzweiflungsvolle Blicke umher, die in der Dämmerung, welche hier herrschte, irgend einen sichern Versteck erforschen sollten. Da zeigte ihm das Licht einer Rakete, die aus der Mitte eines feindlichen Haufens am Flussesufer, wahrscheinlich zu einem bedeutungsvollen Signale, aufstieg, eine dunkele, in das Innere des Berges führende Oeffnung. »Da hinein!« stöhnte er aus gepreßter Brust und drängte die zögernden Frauen nach dem Höhleneingange. »Hier allein ist Rettung zu hoffen. Diese Zuflucht wird vielleicht gar nicht entdeckt und im Nothfalle kann ein einzelner Mann den schmalen Eingang gegen ein Dutzend solcher Schurken vertheidigen.« Sie traten in die finstere Wölbung. Schon wurden die dunkelen Gestalten der Verfolger am äußeren Rande der Vertiefung sichtbar, man hörte, wie sie einander zuriefen und nach den Verschwundenen forschten. =Cornelius= hatte für nichts anderes Sinn, als für die Gefahr, in der =Clelia= schwebte. Er hatte mit beiden Händen seine Begleiterinnen ergriffen und zog sie tiefer in die Höhle, die sich weit in das Innere der Erde auszudehnen schien. Er horchte zurück. Welche Beruhigung für ihn, als er kein Geräusch vernahm, das auf eine Entdeckung ihres Schlupfwinkels durch die Nachsetzenden schließen ließ! Dunkelheit umgab sie von allen Seiten. Er ließ jetzt nur =Clelien= eine Hand, während er sich mit der andern an den feuchten Höhlenwänden hingriff. =Philippintje= faßte mit beiden Händen die freigebliebene ihrer Gebieterin. Der Boden, auf dem sie hinschritten, war eben und schien aus einem dünngelockerten Sande zu bestehen, der ihrem weitern Gange keine Schwierigkeiten entgegenstellte. Bald befanden sie sich so tief im Schooße der Erde, daß sie das Musketenfeuer nur wenig noch vernahmen und selbst der Donner der Geschütze, dumpf wie aus weiter Entfernung, über ihren Häuptern hinrollte. In dem Gewölbe selbst waltete tiefes Schweigen. Kein anderer Laut war zu vernehmen, als die Schritte der Flüchtigen, als ihre Odemzüge, die sich schwer der angsterfüllten Brust entrangen. Ueber eine Viertelstunde weit mochten sie in dem finstern Höhlenschlund vorwärts gedrungen seyn, als =Cornelius= Halt machte und in einem Tone, als wälze sich eine Centnerlast von seiner Brust, ausrief: »Ihr seyd gerettet, theuere =Clelia=! Hört Ihr, wie Kampf und Blutvergießen weit von uns fern sind, als gehörten sie einer andern Welt an, die mit unserem Leben in keiner Verbindung steht, die das Euere nicht bedrohen kann? Nassau und Oranien! Sie werden gut bedient die Heern Franzosen. Sie glaubten still und unbemerkt als ungeladene Gäste zum Mahle zu kommen, aber man hatte sie erwartet, man hatte für sie zugerichtet, um sie nach Verdienst zu bewirthen und sie heimzusenden, wenn sie satt wären des reichlichen Gastmahles.« »Ich bin Zeuge eines großen Schauspieles gewesen,« sagte das Mädchen, indem sie in die Dunkelheit starrte, in deren tiefem Hintergrunde ihre Phantasie einzelne Gegenstände des erlebten Ereignisses erscheinen ließ: »ich habe zum Erstenmal den ganzen Werth des Gefühls, ein ruhmwürdiges Vaterland zu besitzen, erkannt. Glaubt nicht, Junker =Cornelius=, daß meine Seele einen Augenblick gezagt habe, nur der Körper war nicht immer stark genug, der Gewalt der äußeren Eindrücke zu widerstehen.« »Es ist vorbei mit mir!« begann mit schwacher Stimme =Philippintje= und setzte sich, ohne jedoch =Cleliens= Hand los zu lassen, am Boden nieder. »Hier werdet Ihr meinen letzten Seufzer hören, hier werdet Ihr mich begraben. Der Schreck hat mir nichts gethan, die Kugeln haben mich nicht getroffen, aber die Dunkelheit, die entsetzliche, furchtbare Dunkelheit, in der jedwedes Unglück unbemerkt heran kommen kann, weil man es nicht sieht, =die= bringt mich um's Leben.« »Beruhige dich, =Philippintje=!« tröstete =Clelia=. »Deine beste Freundin ist dir nahe und in Junker =Cornelius= haben wir einen Beschützer, der uns in keiner Gefahr verläßt.« »Beruhigen?« lachte convulsivisch die Hausjungfer. »Kann der Junker sehen in dieser egyptischen Finsterniß? O, =Clötje=, die Nacht ist keines Menschen Freund! Am Himmel, wo die lieben Englein wohnen, da ist es hell, da scheint die Sonne, da leuchtet der Mond, da glänzen die Sternlein: alles Licht gehört dem Himmel! Aber die Dunkelheit ist schwarz, schwarz wie der gräßliche Schiwa in Eueres Vaters Staatszimmer, schwarz, wie der hochwürdige Domine die Höllengeister beschreibt. Ich habe es gesagt: hier ist mein Grab. Wir kommen nimmer wieder heraus an das Tageslicht.« Da fühlte plötzlich =Clelia= die Hand des Junkers, die in der ihrigen lag, heftig erbeben. Sie nahm voll Besorgniß seinen Arm; sie bemerkte, daß gewaltige Schauer seinen ganzen Körper erschütterten, er wankte, er hielt sich sogar einen Augenblick an seiner Begleiterin aufrecht. »Um Gotteswillen, was ist Euch?« rief diese, von Schrecken erfüllt. »Wird Euch unwohl, hat Euch ein Schwindel ergriffen?« »O, daß nur ich es wäre, daß nur mich das gräßliche Schicksal träfe, dem wir nun Alle nicht entgehen können!« brach er im Tone der höchsten Verzweiflung aus. »Gerettet wäret Ihr, sagte ich? Ich Thor -- ich unbesonnener, vergeßlicher Thor! Ihr seyd verloren, =Clelia=, mit weit entsetzlicherer Gewißheit verloren, als Ihr es mitten unter dem Feuer der Geschütze, verfolgt von den beutegierigen Feinden waret! Die Kugel ist vom Zufalle geleitet, in der Brust des Menschen wohnt Erbarmen, ein wohlwollendes Gefühl für die schwächer Geborne; aber hier, hier -- und ich selbst, ich Unglückseliger, führte Euch herein!« Ein Schluchzen, das der bitter aufsteigende Groll gegen sich selbst hervorbrachte, erstickte seine Stimme. Seine Hand bebte nicht mehr; aber sie hielt die Rechte =Cleliens= krampfhaft gepreßt, sie erschütterte diese in unwillkürlichen Zuckungen. »Erklärt Euch deutlicher!« flehete das Mädchen, mehr von inniger Theilnahme an dem beunruhigenden Zustande ihres Freundes, als von Furcht vor dem ihr noch unbekannten Gegenstande seiner Aufregung, bewegt. »Sagt mir Alles. Ich bin nicht so schwach, wie Ihr vielleicht glaubt. Ich habe zwar nur eine kurze Lehrzeit in der Schule der Erfahrungen gemacht, aber, seyd überzeugt, sie ist mir nicht nutzlos vorübergegangen.« »Es würde auch zu nichts führen, das Unabwendbare Euch verbergen zu wollen;« erwiederte mit erkünstelter Ruhe, während die krampfhaften Zuckungen seiner Hand fortdauernd den Sturm im Innern verriethen, der Junker. »Wir befinden uns hier in einem weiten Grabe, aus dem es keine Erlösung giebt, als durch den Tod. Diese Gänge, in die wir uns schon zu tief verirrt, sind endlos, tausendfach verschlungen, auf viele Stunden weit hinführend in ihren unzähligen Windungen. Habt Ihr nie von dem =Petersberge= gehört, nie von dem wunderbaren Bau seines Innern, der seit vielen Jahrhunderten durch Menschenhände gebildet worden, indem sie ihn nach allen Richtungen hin ausgehölt, um seine herrlichen Mauersteine zu gewinnen? Die Dunkelheit vor Euren Blicken verbürgt Euch den weit gewölbten, vielleicht haushohen Gang. Nur die Bewohner der Umgegend sind mit den labyrinthischen Wegen, die ihn durchkreuzen, bekannt. Aber auch sie würden nicht wagen, diese ohne Licht zu betreten. Wehe dem, welchem die Fackel, dieses einzige schwache Werkzeug der Lebenserhaltung, dieser Bürge für den Wiederanblick des himmlischen Tageslichtes, erlischt! Wehe uns, die meine Tollheit, die ein unseliges Verhängniß in diesen Aufenthalt des unentrinnbaren Todes geführt hat!« »Ich habe es ja gesagt!« stöhnte =Philippintje= in dumpfem Hinbrüten vom Boden auf. »An der Dunkelheit müssen wir sterben.« »Macht Euch keine Vorwürfe! Rechnet Euch das nicht zum Fehler an, was der Drang des Augenblickes gebieterisch verlangte!« nahm =Clelia= mit bewunderungswürdiger Gelassenheit das Wort. »Meint Ihr, es gäbe keinen Führer, der auch in der Nacht dieser Grüfte über uns wacht, dessen Hand uns leitet, dessen Odem uns umweht?« fuhr sie dann begeistert fort. »Wie eitel ist nicht Menschenhülfe und Menschenthun auf Erden? Unser Vertrauen muß höher wohnen. Auch über diesem Berge wölbt sich das Himmelszelt und der Führer, von dem ich spreche, durchschaut Felsen und Gestein und sein liebevolles Auge leitet diejenigen, die nicht an ihm zweifeln. O =Cornelius=, Ihr habt mich wenig gekannt, wenn Ihr glaubtet, die Offenbarung unserer Lage würde mich niederbeugen! Besser hier, als draußen im blutigen Zwiespalt des Weltgewühls, besser in der Hand Gottes, als in =der= der Menschen!« »Und dennoch« -- fuhr in diesem Augenblicke der Junker auf und es war ihm, als erhelle ein Blitz die Nacht, die sie verhüllte, »und dennoch ist eine Möglichkeit der Rettung denkbar. Noch dauert das Schießen, noch dauert außerhalb der Streit. Was andern Verderben, uns kann es Rettung bringen. Ja, =Clelia=! Wir wollen diese Stelle verlassen, wir wollen dem Schalle von Außen nachgehen, vielleicht erreichen wir glücklich wieder den Eingang, vielleicht -- O kommt nur, kommt! Die Augenblicke sind kostbar. Wie leicht können nicht in dem nächsten schon diese Geschütze verstummen, wie leicht ist nicht die letzte schwache Hoffnung vernichtet!« Sie begannen auf's Neue die mühsame Wanderung durch die dunkeln Räume. =Cornelius= drängte =Clelien= in unruhiger Hast vorwärts, =Philippintje= hatte sich wie früher angeschlossen. Bald tönte das Schießen nahe, bald wieder ferne. Die äußerste Aufmerksamkeit gehörte dazu, sich immer in einer bestimmten Richtung zu erhalten, da das ganze Innere des =Petersberges= eigentlich nur =ein= ungeheueres Gewölbe bildet, von unzähligen dicken Sandsteinpfeilern getragen, zwischen denen sich die tausendfältigen Gänge hinwinden. Und welche Bürgschaft war, daß man in der eingeschlagenen Richtung nicht schon irre? Klangen doch die immer seltener werdenden Schüsse bald rechts, bald links, bald vor den Bedrängten, bald über ihren Köpfen! Dennoch waren sie es allein, die =Cornelius= Hoffnung aufrecht hielten. Als sie jetzt nur in langen Zwischenräumen noch ertönten, schien ihm ein jeder wie ein neuer Ruf zum Leben, wie ein Gruß der bald eintreffenden Hülfe. Seine bebende Hand griff sich von Pfeiler zu Pfeiler, hastige Worte, von zitternder Lippe ausgestoßen, suchten =Clelien= mehr zu beruhigen, als sie dessen bedurfte. Endlich war der letzte Kanonendonner über ihre Häupter hingerollt, matt, hinschwindend, wie das Abschiedswort eines Sterbenden. In unsäglicher Spannung wartete =Cornelius= auf einen folgenden. Es kam keiner. Sein Herz pochte schwer, das Blut erstarrte in seinen Adern, Minuten schlichen wie Stunden vorüber. Alles blieb still, nur die Odemzüge der Verlassenen, =Philippintje's= Stöhnen, das von Zeit zu Zeit diese unterbrach, tönten in die schweigende Nacht. Ohne zu wissen, was er that, drängte der Junker seine Begleiterinnen noch eine kurze Strecke fort. Dann blieb er stehen und sprach in einem leisen Tone der Entsagung: »Der Kampf ist zu Ende und mit ihm unsere letzte Hoffnung!« Er bemerkte, indem er an der Bergwand hintastete, eine Stelle, die wie ein Ruhesitz ausgehauen war. Hier ließ er =Clelien= nieder. Er setzte sich neben sie. Die ältere Begleiterin nahm auf der anderen Seite Platz. =Philippintje= konnte die für ihre Kräfte übermäßige Anstrengung nicht länger ertragen. Sie fiel nach wenigen Augenblicken in einen tiefen Schlaf. =Cornelius= befand sich in einem qualvollen Zustande. Er konnte den Gefühlen, die sein Herz zerrissen, nicht Worte leihen. Selbst der sanfte Händedruck der Geliebten, mit dem sie ihm die Versicherung zu geben schien, daß sie ihr Schicksal nicht schmerze, daß sie ruhig in eine Zukunft sehe, die ihm so gräßlich dünkte, konnte keinen flüchtigen Trost, keinen Augenblick der Ruhe in seine Seele bringen. Trostlos, erbittert gegen sich und das Verhängniß starrte er in die öde, todte Nacht. Aus dieser Geistesdumpfheit wurde er plötzlich durch einen hellen, klingenden Ton, ganz in seiner Nähe, erweckt. Er fuhr von seinem Sitze auf, ohne jedoch die Hand =Clelia's= loszulassen, welche, selbst betroffen über den Klang, der so unerwartet die rings herrschende Stille unterbrochen hatte, zusammengefahren war. Er griff mit der freien Rechten, soweit er reichen konnte, umher, er berührte einen feuchten, steinigen Gegenstand, den seine Hände umspannen konnten, der, frei vom Boden in die Höhe stehend, die Gestalt eines dünnen Baumstammes zu haben schien. Der Zufall hatte sie an die Stelle geführt, wo eine seltsame Laune der Natur, mitten im Dome des =Petersberges=, zwischen dessen unendliche Sandsteingeklüfte eine Tropfsteinader eingeschoben hat. Dieses im Laufe von Jahrhunderten erzeugte Gebilde ist das einzige dieser Art in dem weiten, unterirdischen Raume. Die Leute, denen das Innere des =Petersberges= nicht fremd ist, kennen es wohl und bezeichnen es in ihrer Unwissenheit und nur mit Berücksichtigung seiner äußeren Merkmale, mit dem Namen des =versteinerten Baumes=. =Cornelius= war nur im Allgemeinen von dem Wunderwerke, das sich hier im Schooße der Erde verbarg, nicht von dessen Einzelnheiten unterrichtet. Er glaubte nicht anders, als daß er glücklicherweise auf ein von Menschenhänden errichtetes Kennzeichen, auf eine Art von Wegweiser gestoßen sey, der denjenigen, die mit seinen näheren Beziehungen vertraut waren, den Ausgang aus den labyrinthischen Gängen erleichtern konnte. Die ausgehauenen Sitze in der Steinwand schienen seine Vermuthung zu bestätigen. Er theilte sie, indem ein Strahl von Hoffnung in seine Seele drang, =Clelien= mit. »Ich kann mich noch nicht in den Gedanken ergeben, Euch, in dem Wahne Euch zu retten, in das sichere Verderben geführt zu haben!« fügte er in einem Tone, der die fortdauernde Bewegung seines Innern zeigte, hinzu. »Nein, nein! So schrecklich kann eine einzige Unbesonnenheit nicht bestraft werden. Laßt mich noch einen Versuch wagen! Dieses Merkmal ist nicht umsonst hier aufgestellt. Wer weiß, ob es mir nicht gelingt, den Rettungsweg, auf den es hindeutet, zu finden? Als ich genöthigt war, selbst die Leitung unseres Fuhrwerkes zu übernehmen, dachte ich wohl nicht, daß an den Fäden der Stricke, mit denen ich auf den Nothfall mich versehen mußte, die Möglichkeit einer Hülfe aus dem entsetzlichsten Verderben geknüpft sey! Ja, =Clelia=, ich hoffe, von dem Geschicke, das unsere Schritte so wunderbar geleitet, auch das Werkzeug erhalten zu haben, Euer theueres Leben zu retten! Laßt mich nur machen! Schon fühle ich mich von schöner Hoffnung belebt, mein alter Muth, mein Selbstvertrauen sind zurückgekehrt!« Noch während er sprach, war er bereits beschäftigt gewesen, die einzelnen Fäden der Stricke, mit denen er sich umgürtet hatte, loszuwickeln. Er knüpfte sie aneinander, das Band, das er aus ihnen bildete, wuchs rasch zu einer bedeutenden Länge, obschon die herrschende Dunkelheit ihm seine Arbeit sehr erschwerte. »Ihr habt Recht!« nahm indessen =Clelia= das Wort. »Die Pflicht der Selbsterhaltung, welche die Vorsehung in die Seele des Menschen gelegt, gebietet uns, auch das Letzte zu versuchen, wie der Schiffbrüchige nach einem dünnen Zweig greift, um, indem er sein Leben zu retten bemüht ist, den letzten Zoll des Dankes für dieses Geschenk abzutragen. Man hat mir von einem Mädchen des Alterthums erzählt, das ihrem Geliebten in einem ähnlichen Falle ein Gespinnst von ihren Händen mitgab, das ihn auch glücklich wieder an das Tageslicht zurückführte. Geht, =Cornelius=! Ihr müßt allein gehen, wie der Freund jenes Mädchens, denn ich darf die Arme nicht verlassen, die keiner weiteren Anstrengung fähig ist. Geht und sucht einen Rettungspfad! Aber wenn Ihr zurückkehrt und es ist Euch nicht gelungen, ihn zu finden, so laßt Euch nicht von allzu großem Schmerze ergreifen -- Gott hat wohl noch andere Mittel, uns zu helfen, und die Stunden der Prüfung gehen schnell vorüber.« »Ich bin darauf vorbereitet, allein zu gehen;« versetzte der junge Mann. »Auch Euere Kräfte dürfen nicht mehr erschöpft werden, als sie es schon sind. Es können Augenblicke kommen, in denen ein geringer Grad von mehr oder minderer Stärke über Leben und Tod entscheidet! Ja, =Clelia=, ich muß Euch verlassen; aber ich kehre hoffentlich als ein Bote der Rettung zurück. Dasselbe unbedeutende Werkzeug, das uns diese bringen kann, führt mich auch wieder in Euere beseligende Nähe.« Unter diesen Worten hatte er das eine Ende des Fadens fest um den einzeln stehenden Pfahl geschlungen, den er für ein von Menschenhänden errichtetes Werk hielt. Oft stieg, während dieser Arbeit, der Gedanke in ihm auf, sein Versuch könne doch unnütz seyn, er könne ihn vielleicht ganz von =Clelien= trennen; aber er entfernte den quälenden Gedanken mit Gewalt aus seiner Brust und gab nur der Hoffnung Raum, Hülfe und Rettung zurückzubringen. Er sagte der Geliebten auch kein Lebewohl, er drückte ihr nur die Hand und der Gegendruck, den er empfand, erhöhete seinen Muth und sein Vertrauen. An dem Pfahle hatte er eine erhöhete Stelle gefunden, die ihm die Richtung zu bezeichnen schien, welche er nehmen müsse. Mit kühner Hoffnung auf sein gutes Glück trat er die zweifelhafte Wanderung an. Seine Hand hielt den verhängnißvollen Faden. Bald waren seine Schritte in den weiten Gewölben verhallt. =Clelia= hatte ihnen nachgelauscht, so lange sie sie vernehmen konnte. Als sie verstummten, ergriff sie ein sehr natürliches Gefühl von Beängstigung, von Verlassenheit, das nur durch =Philippintje's= Nähe, die sich durch die schweren Odemzüge der Schlafenden bemerklich machte, durch den Klang des in gemessenen Zwischenräumen niederfallenden Wassertropfens, einigermaßen beruhigt wurde. Die milde Luft, die in dem eingeschlossenen, gegen jeden Zudrang stürmischer Winde geschützten Raum herrschte, wirkte wohlthuend auf =Clelien=. Aber auch sie empfand die Folgen der Anstrengungen des Tages. Ihre Augenlieder sanken schwer herab und sie hatte Mühe, sich des Schlafes zu erwehren. Sie kämpfte dagegen, so sehr sie vermochte. Sie hielt mit Gewalt die Augen offen und starrte in die Dunkelheit. Allein selbst dieses angestrengte Hinschauen in eine gegenstandlose Finsterniß, die nichts bot, den Geist zerstreuend zu beleben, vermehrte ihre Abspannung. Endlich konnte sie nicht länger widerstehen. Wie aus weiter Ferne hörte sie noch einmal den Fall des Wassertropfens, =Philippintje's= Odemzüge verstummeten vor ihrem Ohre: sie fiel in einen tiefen und festen Schlaf. Mehrere Stunden mochten die beiden Frauen, in dieser ungestörten Abgeschiedenheit von der Welt, fortgeschlummert haben, als ein Geräusch in ihrer Nähe, ein Laut von menschlichen Stimmen sie plötzlich erweckte. Sie versuchten die Augen zu öffnen, aber ein blendender Lichtglanz, der ihnen entgegenstrahlte, nöthigte sie, diesen Versuch noch aufzuschieben. »=Cornelius=, seyd Ihr es?« sagte in dem halblauten Tone einer eben Erwachten =Clelia=. »Habt Ihr den Ausgang gefunden, bringt Ihr Hülfe?« Sie erhielt keine Antwort, aber, indem sie sich völlig ermunterte, vernahm sie das Flüstern mehrerer Menschen untereinander, sie hörte ihren Namen nennen von Stimmen, die ihr unbekannt waren. Endlich konnte sie den Glanz des Lichtes ertragen. Sie blickte auf, sie sah sich und =Philippintje= von mehreren fremden Männern umgeben, die sie mit dem Ausdrucke freudiger Ueberraschung in ihren Mienen betrachteten. Sie konnte sich nicht gleich fassen. Erst, als sie bei dem Glanze der brennenden Fackeln, mit denen einige von den Männern versehen waren, das weite, weiße Gewölbe über ihrem Haupte, die hochaufstrebenden Steinpfeiler zu beiden Seiten erkannte, kehrte die Erinnerung der vergangenen Ereignisse zurück. Jetzt nahm sie die Fremden näher in's Auge. Zwei von diesen, junge wohlgekleidete Leute, traten ihr mit ehrerbietigem Anstande näher. Die übrigen blieben in einiger Entfernung stehen und schienen den Jünglingen untergeben. »Ihr kennt uns nicht,« nahm einer von diesen mit sanfter, fast mädchenhafter Stimme das Wort: »aber wir kennen Euch wohl. Das wunderlichste Verhängniß führt uns in diesen unterirdischen Irrgängen zusammen und gewährt mir und meinem Freunde das Glück, Euch vielleicht einen Dienst zu leisten, indem wir zugleich eine Pflicht erfüllen, die uns gegen Eueren Vater, Heern =Tobias van Vlieten=, obliegt.« »Ihr kommt von Heern =Tobias=?« rief =Philippintje= in halber Verwirrung. »Er schickt Euch, uns aus diesem höllischen Abgrunde zu erlösen? Der brave Mann! Das wird ihm nicht unvergolten bleiben in seinem Liebsten: im Handel und Wandel.« =Clelia= war aufgestanden. Sie fühlte sich sehr ermattet, ihre Glieder zitterten. Mit Erstaunen vernahm sie die Worte des fremden Jünglings. Der Glanz weiblicher Würde, der ihr ganzes Wesen umgab, machte einen unbeschreiblichen Eindruck auf die jungen Männer. Wäre sie eine Königin gewesen, so hätte sie ihnen keine tiefere Ehrerbietung einflösen können. Die zwei Leydener Studenten -- wer von unsern Lesern hätte sie nicht schon erkannt? -- waren mit dem Vorsatze den Flüchtlingen gefolgt, ihr Unternehmen, wenn sich die Gelegenheit böte, mit jener Leichtigkeit und jenem Uebermuthe auszuführen, zu dem sie sich durch den leichtsinnigen Schritt, der =Clelien= aus dem väterlichen Hause entfernt, berechtigt glaubten. Vielleicht hatte der entzündliche =La Paix= sogar eine leise Hoffnung gehegt, dem bevorstehenden Abentheuer noch einen süßern Lohn abzugewinnen! Als sie aber jetzt das schöne bleiche Mädchen vor sich sahen, mit der Hoheit der Unschuld in Blick und Miene, waren ihre Gesinnungen plötzlich umgewandelt. Beide nahmen sich, ohne ein Wort darüber zu wechseln, vor, dem Versprechen, das sie dem Professor gegeben, zwar getreu zu bleiben, =Clelien= aber in der aufmerksamsten und achtungsvollsten Weise zurückzubegleiten. Diese hatte indessen, während sie sich leicht auf =Philippintje's= Schulter stützte, über die Erscheinung der Fremden nachgedacht. Die Begebenheit in dem einsam gelegenen Gehöf kam ihr in den Sinn und eine Ahnung der Wahrheit, daß sie dieselben Verfolger vor sich sehe, denen sie damals glücklich entgangen, drang sich ihr auf. Ihr Kopf schmerzte sie sehr. Der zartgebaute Körper empfand die Folgen der Anstrengungen und Entbehrungen, der Schrecken und Besorgnisse, welche der vergangene Tag und der noch stürmischere Abend im Geleite gehabt hatten. »Mein Vater?« hob sie nach einer Pause mit schwacher Stimme an: »Er sollte Euch senden? Ihr hättet Pflichten gegen ihn? Unbegreiflich!« fuhr sie kopfschüttelnd fort. »Ich sah Euch noch nie. Unter den Freunden und Bekannten meines Vaters, welche unser Haus besuchten, erinnere ich mich nicht, jemals Euch begegnet zu haben.« »_Cadédis!_« erwiederte =Le Vaillant= in einem minder lauten Tone, als gewöhnlich. »Wir sind auch nicht von den ordinären guten Freunden, die immer da sind, wo es einen Löffel Suppe oder eine Schale Thee giebt. Wir sind von der besten Sorte: Freunde in der Noth, und ich glaube, daß Ihr, edle Jungfrau, in diesem Augenblicke Gelegenheit hättet, dieses zu bemerken, wenn Ihr nur bedenken wolltet, daß ohne unsere Ankunft die Zeit Euch noch unendlich lang hätte werden können in diesem labyrinthischen Souterain, in das wir uns nur mit dem Beistande kundiger Führer gewagt.« »Verzeihet, Jungfrau =van Vlieten=!« unterbrach =La Paix= seinen Gefährten, der noch weiter sprechen wollte: »mein Freund meint es sehr gut, aber er fehlt oft in der Wahl der Ausdrücke und es könnte dann scheinen, als vergesse er der Achtung, die er Euch schuldig ist. Hört mich an! Ich will Euch Alles aufrichtig und unumwunden erzählen, wie es sich verhält. Wir haben Euerem Vater versprochen, Euch zurückzubringen, wir verfolgten Euch auf dem Kutter, der bei der Barke eintraf, als gerade das spanische Schiff in die Luft flog, wir verfehlten Euch dann immer, bis wir gestern Nachmittags Euch in jener ländlichen Wohnung anlangen sahen, aus der ihr uns wiederum auf eine fast unerklärliche Weise entkamet. Wir mußten auf's Neue unsere Verfolgung beginnen. Vor dem =Petersberge= langten wir gerade an, um einige Minuten lang in die allgemeine Flucht der zurückgeschlagenen Stürmenden fortgerissen zu werden. Als es uns gelungen war, uns dem Gedränge zu entziehen, ließ uns ein glücklicher Zufall Euer Gepäck, Kleidungsstücke, die mit Euerem Namen bezeichnet waren, finden. Indem wir bei'm Scheine der Leuchtkugeln beschäftigt waren, es näher zu untersuchen, sprangen einige französische Marodeurs auf uns ein, behaupteten, diese Beute gehöre mit Recht ihnen, da sie die beiden Frauen nebst ihrem Begleiter, der das Gepäck abgeworfen, bis zu dem kleineren Eingange des =Petersberges= verfolgt, sich aber aus Vorsicht nicht in diesen, den Flüchtlingen nach, gewagt hätten. Ihr mußtet gerade hier angekommen seyn, als der erste Angriff statt gefunden hatte. Nichts dünkte uns wahrscheinlicher, als daß Ihr, abgedrängt von der Stadt, verfolgt von den habgierigen Marodeurs, Schutz in diesen unterirdischen Gängen, deren Gefahren Euch unbekannt waren, gesucht haben möchtet! Ich gestehe es Euch, edle Jungfrau, daß wir von der tödlichsten Besorgniß um Euer Schicksal ergriffen wurden. Erst als es ein wenig ruhiger geworden war in den Umgebungen des Berges, als der Tag anfing zu grauen, glückte es uns Leute zu finden, die mit den unzählichen Höhlenwindungen dieses unterirdischen Gebietes vertraut sind. Früher, als wir es hofften, hat uns ein günstiger Zufall in Euere Nähe geführt und es bleibt uns nur die Bitte übrig, daß Euch gefallen möge, Euch sogleich mit uns auf den Weg in Euere Heimath zu begeben. So ist es nicht allein mein Wunsch, so ist es der Wille Eueres Vaters, wie ihn diese Zeilen aussprechen.« »O fort, fort!« rief =Philippintje=, die noch immer von Grauen erfüllt wurde, sobald sie in den dunkeln Hintergrund der Gänge blickte. »Fort aus der Hölle in's Paradies, aus diesem öden Grabe zu den Fleischtöpfen des Heern =van Vlieten=! Laßt uns nicht zaudern, die Fackeln brennen herab und wenn noch einmal die entsetzliche Dunkelheit einbricht, so ist es um mein Leben geschehen!« =Cleliens= Schwäche hatte unter der Rede des Studenten zugenommen. Sie vernahm seine Worte nur halb laut, sie begriff nur weniges von dem, was er sagte. Ein unerträglicher Druck lag ihr im Kopfe. Sie hielt den Zettel, den er ihr überreicht hatte, fast besinnungslos in der Rechten. Mit einer letzten, äußersten Anstrengung führte sie ihn vor die Augen. Sie erkannte die Hand ihres Vaters, sie verstand in einem flüchtigen Aufglimmen ihrer geistigen Kräfte seinen Inhalt, dann ließ sie ihn matt zur Erde fallen und sank selbst ohnmächtig zurück auf den Steinsitz. =Philippintje= schrie laut auf, aber =La Paix=, der in der That bemerkt, daß das Niederbrennen der Fackeln jeden längeren Aufenthalt gefährlich machte, bemächtigte sich, ohne weiteres Besinnen, der schönen Ohnmächtigen und trug sie in seinen Armen nach =der= Richtung fort, die dem von =Cornelius= eingeschlagenen Wege entgegengesetzt war. Die Führer eilten mit flüchtigen Schritten voraus. Zum erstenmale dachte =Philippintje= jetzt an den Junker, der während ihres Schlafes abhanden gekommen war. Ihr Mitleid erwachte. Sollte =er= denn Hungers sterben in der grauenvollen Dunkelheit, während sie und =Clelia= gerettet der Heimath zueilten? Sie fing an laut zu jammern, sie rief seinen Namen; da aber gebot ihr =Le Vaillant= in einem so herrischen Tone zu schweigen, daß sie eingeschüchtert verstummte. Keuchend folgte sie den voraneilenden Männern. Bald war es still geworden an der Stelle, wo noch =Cornelius= Faden an dem Tropfsteingebild hing. Nur der fallende Tropfen wiederholte eintönig und abgemessen seinen tausendjährigen Klang. 7. Herr =Cornelius van Daalen= war in heftiger Unruhe fortgeschritten, als er die Frauen verließ, um einen Ausgang oder Beistand zu suchen. Der Drang, recht bald wieder zu =Clelien= zurückzukehren, spornte ihn zur Eile. In dieser vergaß er oft der nöthigen Vorsicht, stieß an die Ecken der Wände, strauchelte über kleine Unebenheiten im Boden und war manchmal nahe daran, den wichtigen Faden seiner Hand entschlüpfen zu lassen. Noch nie hatte er eine so stürmische Bewegung seines Inneren empfunden, wie jetzt. Ein inneres Feuer drohete ihn zu verzehren. Seine Stirn war glühend, seine Zunge brannte am Gaumen. Oft kam es ihm vor, als blickten häßliche Larven mit teuflischem Grinsen aus der Finsterniß hervor, lächelten ihn höhnisch an und die tollen Bilder wurden sprechend und riefen ihm ihr entsetzliches Willkommen zu und sagten: fliehe nur immerhin, du entgehst uns doch nicht, du nicht und die schöne =Clelia=! Wir sind die Dämonen des Hungers und werden bald nagen an der Gestalt des lieblichen Mädchens und wie wir uns ihrer reizenden Glieder bemächtigen, so zerstören wir sie auch, denn in der Vernichtung besteht unser Daseyn. Und du hast sie uns zugeführt, du bist unser Genosse, aber wir zerstören auch dich, wir reißen auch dich in die martervolle Vernichtung, denn wir kennen keine Dankbarkeit. Wandere hin, wandere her! du bleibst uns verfallen. Unser Reich ist groß, aber es ist ein Kerker, aus dem kein Entrinnen! Dennoch sah er ein, daß diese Gestalten, die er außen zu sehen und zu hören wähnte, nur in seinem Inneren lebten. Er preßte die Hand an die brennende Stirne: »Mein Kopf, mein Kopf!« ächzte er. »O Himmel, erhalte mir =noch= meinen Verstand!« Er ward über den Klang seiner eigenen Worte betroffen. Einige Augenblicke schwebte er in der Täuschung, ein anderer habe gesprochen. Er blieb stehen, hielt den Odem an und horchte, aber er vernahm nichts, als das Hammern der Pulse in seinem Haupte, als das Klopfen seines Herzens. Er stürmte weiter. Die teuflischen Larven erschienen wieder in den finsteren Räumen, manchmal schien es den gereizten Augen, als zeige sich dazwischen ein ferner Lichtschimmer, er sandte einen Freudeblick in die Seele des Jünglings, der aber gleich wieder durch die Erkenntniß der Täuschung in herben Schmerz überging. Die höhnenden Bilder waren es nicht allein, die aus dem Gewirre der rastlos arbeitenden, ungezügelten Phantasie aufstiegen. Es gab Augenblicke, in denen schöne Erinnerungen, in einem schneidenden Gegensatze zu der Wirklichkeit, hervorbrachen. Er stand wieder am Bord der =Syrene= und sah in den blauen, heiteren Himmel und in die grünlichen Wogen. =Clelia= befand sich an seiner Seite, sie hatte seine Hand ergriffen, sie sprach süße Worte von Vergebung und künftigem Glücke. Die Schebecke fuhr heran, der kühnste Gedanke, von Vaterlands- und Frauenliebe erzeugt, keimte in seiner Seele, er warf Feuer in das feindliche Schiff, dem Vaterlande zum Ruhme, der Geliebten zum Schutze. Tollheit, nutzlose Verwegenheit! höhneten dann die Teufelslarven, selbst Wahnbilder, diese Täuschung hinweg. Wir haben sie doch, sie und dich! Gegen uns hilft kein Muth, nicht Schwerdt, nicht Geschütz, uns unterliegt der Held, wie das schwache Weib. »Nein, nein!« schrie von entsetzlicher Qual ergriffen, =Cornelius= laut in die Nacht hinaus. »Sie ist nicht Euer. Ihr seyd die Geister der Lüge! Ihr habt keinen Theil an ihr!« Seine Erschöpfung nöthigte ihn zu einer kurzen Rast. Er lehnte sich an die Wand des Gewölbes, er preßte den heißen Kopf an den kühlenden Stein. Er suchte sich zu sammeln. Er bemühete sich seine Gedanken zu ordnen und die Ueberzeugung recht stark in sich werden zu lassen, daß nur Ruhe und Besonnenheit helfen könne, wenn Hülfe möglich sey. Die körperliche Ruhe that ihm wohl. Indem er das erkannte, theilte sie sich unbemerkt, freilich nur in einem geringen Grade dem Gemüthe mit. Unwillkürlich richteten sich seine Gedanken nun ernster und milder auf den Gegenstand, der bisher seine Phantasie zu den peinigendsten Vorstellungen fortgerissen hatte: auf =Clelien=. Ihr blühendes, lebensfrisches Wesen, der Friede, der in diesem waltete, trat vor seine Seele. Welcher Liebe, welcher Verehrung war sie nicht würdig, würdig =geworden= im Laufe weniger erfahrungsreicher Tage? Sie steht unter einem höheren Schutze, als dem deinigen! sprach es überzeugungsvoll in seinem Inneren. Zur Rettung dieses Engels kannst du nur ein schwaches Werkzeug seyn, wenn du überhaupt dazu erkoren bist! Er ging weiter, nicht mehr in jener wilden Hast, die bisher seine Schritte beflügelt hatte, rasch zwar, aber auch aufmerksam und besonnen. Er hemmte jetzt von Zeit zu Zeit seinen Schritt und lauschte, ob irgend ein ferner Ton, ein Hoffnung erregendes Geräusch sich vernehmen lasse, er achtete sehr auf den Faden, den seine Finger hielten, auf das einzige Mittel, das ihn zu =Clelien= zurückführen konnte. Aber wie sich das Schicksal oft darin zu gefallen scheint, aller Vorsicht der Sterblichen gerade dann zu trotzen, wenn diese sich am Sichersten mit ihr geschirmt zu haben glauben, so geschah es auch hier. Eben wollte =Cornelius= um eine Windung des Ganges biegen, als er plötzlich über einen am Boden liegenden Stein strauchelte und fiel. Der Faden entglitt seiner Hand, sie haschte ängstlich in das Leere, Entsetzen ergriff ihn und durchströmte in eisigen Schauern sein ganzes Wesen. Er warf sich lang hin auf den Boden. Seine bebenden Finger gruben sich in den Sand, sie durchwühlten diesen, so weit er reichen konnte. Vergebens! Der Faden war nicht zu finden. Er kroch auf der Erde fort und suchte weiter. Angstschweiß bedeckte seine Stirn. Das entsetzliche Hammern im Kopfe, das beklemmende Pochen des Herzens begann auf's Neue. Die teuflischen Larven grins'ten ihn wieder an, er hörte ihre höhnenden Stimmen, aber die Phantasie hatte ihre Gewalt vor der schrecklichern Wirklichkeit verloren. »Der Faden, der Faden!« Er dachte nichts anderes, über seine Lippen bebte unaufhörlich dieses Wort. Die Unbesonnenheit, den Leichtsinn, der ihn zu =Cleliens= Entführer gemacht, büßte er im Uebermaße. Er fühlte, daß nicht viel fehle, ihn zum Wahnsinne zu bringen. Schon wurde seine Besinnung schwächer, er wühlte lange an einer und derselben Stelle nur mechanisch im Staube, immer ferner und unklarer wurde ihm der Gegenstand, nach dem er suchte. Stundenlang kroch er im Kreise umher und tastete und forschte und fand nichts. Die Qualen, die er empfand, vermag keine Feder zu schildern. Bitter, aber dennoch beruhigend drang sich ihm endlich die Ueberzeugung auf, daß jede fernere Bemühung eitel sey. In dieser Wahrnehmung nöthigte ihn ein seltsames Gefühl, laut auf zu lachen. Die weiten Gänge nahmen den wunderlichen Schall vervielfältigend auf und gaben ihn so zurück. Er erbebte. Was er gethan hatte, kam ihm wie ein Frevel vor. Er lag jetzt unbeweglich an der Erde, den Kopf in die Hand gestützt. Seine Stimmung war weich geworden. »Wir wären zusammen gestorben, wenn ich bei ihr geblieben wäre!« sagte er zu sich selbst. »Jetzt ist es anders. Ich werde nicht den Schmerz haben, ihren letzten Odemzug zu hören oder ihr ist es erspart, neben meiner Leiche zu sterben.« In den entsetzlichsten Lagen, die das Geschick dem Menschen bereiten kann, führt der Gedanke an den Tod immer etwas Beruhigendes und Tröstliches mit sich. Er ist der letzte Freund, nach dem wir reichen, aber auch der sicherste, der die gewünschte Erlösung bringt. =Cornelius= erfuhr das in diesen Stunden. Er fand eine solche Wonne in der Hoffnung auf den Tod, daß er bald ganz sich der schönen Aussicht auf die Wiedervereinigung mit =Clelien=, wenn sie gestorben seyn würden, hingab. Er dachte nicht an Krankheit, Schmerz und Qualen, die dazwischen lagen. Ein himmlischer Glanz umgab ihn und in dem Himmelsglanze standen er und =Clelia= und waren nun verbunden, schöner und besser, als sie es je auf Erden werden konnten. Aber seltsam war es dennoch, daß in diesen herrlichen Traum sich immer eine bittere Empfindung drängte, weil er sie nun nicht mehr auf Erden sehen, nie mehr einen Laut von ihren Lippen vernehmen werde. Auch diese Empfindung verstummte, als nun ein Zustand geistiger und körperlicher Abspannung eintrat, als Alles vor seinen Augen in =ein= Lichtmeer verschwamm und er halb wachend, halb schlafend, nur Seligkeit und Himmelswonne dachte. So hätte er hinüberschlummern mögen in das Jenseits, das schon seine Pforten ihm aufgethan hatte. Welche wunderbare Töne rauschten da mit einemmale zu ihm her aus nicht großer Entfernung, durch die weiten Hallen, mächtig, feierlich, wie Kirchengesang? Waren es die Stimmen der Engel, die ihn und =Clelien= im Voraus willkommen heißen wollten? Er erhob sich, er lauschte. Das reizende Traumbild verschwand in die öde Finsterniß, aber die Töne blieben, sie rauschten gewaltiger; die Mauerwand, an der er sich hielt, schien von ihnen zu erbeben. Er verließ seine Stelle, langsam, horchend ging er dem Gesange nach. Er tönte oft näher, oft ferner. Selbst von ihm geleitet, konnte =Cornelius= nicht vermeiden, manchmal vom Wege abzuirren. Endlich war er so nahe, daß er einzelne Worte des Gesanges unterscheiden konnte. Es waren Stellen aus einem geistlichen Liede zum Lobe und Preise Gottes, das erquickenden Balsam in seine Brust goß. Er blieb stehen und schöpfte tiefer Odem. »Menschen, Menschen!« jubelte es in seiner Seele. Er hätte aber noch nicht sprechen können, wenn er jetzt schon unter ihnen gestanden hätte. Die Freude wirkte erlahmender auf ihn, wie das Entsetzen. Er vermochte nur mit Mühe sich fortzubewegen. Er schwankte, wie ein Kind bei den ersten Versuchen zu gehen. Da stand er plötzlich am Eingange eines hohen Domes. Zahllose Lichter flammten vor ihm auf, viele Menschen zeigten sich seinem Blicke, zu Andacht, zur Ehre des Allmächtigen vereinigt. Er mußte die geblendeten Augen wieder schließen. Aber entzückend ergriff der Gedanke, daß nun =Clelia= gerettet, daß der Ort, wo er sie verlassen, leicht zu bezeichnen und von kundigen Führern zu finden sey, sein ganzes Wesen. Von einem seit lange nicht empfundenen Gefühle bewältigt, stimmte er leise, ohne das Dunkel, das ihn noch verbarg, zu verlassen, in die letzten Worte des Liedes, das eben zu Ende ging, ein. Indem er auf diese Weise Theil an der andächtigen Handlung nahm, fühlte er sich wunderbar gestärkt. Er trat vor. Einige Frauen flohen bei seinem Anblicke laut schreiend und zitternd hinter die Männer zurück. Er sah Degen gezückt, Musketen gehoben. Als man aber nur den einzigen Fremdling gewahrte, dessen Antlitz Leichenblässe bedeckte, als man beim Lichte der näher herbeigebrachten Fackeln unter dem zerrissenen Kittel die Farbe Oraniens erkannte, da kamen viele der Versammelten theilnehmend und neugierig näher. Bald sah er sich als den Mittelpunkt einer Menschenmenge, die mit Fragen auf ihn einstürmte. Er mußte schweigen, er mußte sich erst noch sammeln, um zusammenhängend zu antworten. Aus den Reden der Leute um ihn, erfuhr er, daß sie Einwohner von =Mastricht= seyen, die aus Furcht vor dem erwarteten Angriffe mit den Ihrigen und ihrer besten Habe in den Petersberg geflüchtet waren, wie das in kriegerischen Zeiten oft geschah. Vertrauete Männer hatten ihnen jetzt von Außen die Nachricht gebracht, daß das Unternehmen der Feinde vereitelt worden, und sie wollten eben, nachdem sie dem Höchsten ihren Dank dargebracht, ihren Zufluchtsort verlassen, um zu dem verwais'ten Heerdte zurückzukehren, als =Cornelius= unter ihnen erschien. Endlich vermochte er zu reden. Seine Stimme war schwach, heiser und erschöpft. Die mitleidigen Menschen, die seinen Zustand erkannten, reichten ihm eine Erquickung. Er genoß sie, ohne zu wissen, was er that. Aber er konnte doch nun verständlicher sprechen, er konnte erzählen, wie er durch die verfolgenden Feinde mit seinen Begleiterinnen in den Berg gedrängt worden sey, er konnte den Ort beschreiben, wo er diese verlassen hatte. »Das ist bei dem versteinerten Baume!« riefen sogleich mehrere Stimmen. Einige Männer traten vor und erboten sich, ihn dahin zu begleiten. Sie schienen ihm Boten des Himmels. Die anwesenden Frauen beklagten laut das arme Mädchen, das sie nicht kannten und das, den schrecklichsten Zweifeln überlassen, zurückgeblieben war. Sie gaben den Männern Lebensmittel und Arzneien mit auf den Weg; sie empfahlen ihnen Eile, aber bei dieser auch Vorsicht, damit sie den nächsten Weg nicht verfehlen möchten. Von Hoffnung belebt, vermochte =Cornelius= mit den Führern gleichen Schritt zu halten. Alles was er ertragen hatte, war vergessen. Nur der Gedanke, =Clelien= in kurzer Zeit wiederzusehen, sie dem Leben zurückzugeben, erfüllte seine ganze Seele. Die mächtigen Gewölbe, die ihm wie eine ungeheuere Todtengruft vorgekommen waren, dünkten ihm jetzt ein Tempel des allgegenwärtigen Wesens, das sich da am Mächtigsten zeigt, wo die Noth am Größten ist. Wenn er seitwärts in die weiteinlaufenden, sich nach allen Richtungen durchschneidenden Gänge blickte, dann konnte er kaum begreifen, daß gerade =er= glücklich genug seyn mußte, nicht abzuirren in entlegenere Schluchten, wo ein gewisser Tod sein Loos gewesen wäre. Die Männer, die ihn begleiteten, deuteten auf einzelne schwarze Kreuze, welche die glatte, weiße Oberfläche der Steinwand zeigte. Es waren Denkmale von Todten, die hier, jedes Trostes und Beistandes von Ihresgleichen entbehrend, das Loos der Sterblichen ereilt hatte. Sie gingen nachdenklich daran vorüber. =Cornelius= verbannte die trübe Erinnerung aus seiner Seele. Er sah nur Leben und Freude vor sich, warum sollte er sich die reizende Aussicht verderben lassen? Er hatte nun auch Sinn und Gefühl für das collossale Wunderwerk, das seit einem Jahrtausende vielleicht der Ameisenfleiß des Menschen in den Berg hineingebaut. Welche mächtige Bogen, deren Decke der Glanz der Fackeln nicht erreichte, welche unzähliche Menge von Gängen deren einer, nach Versicherung der Führer, mehrere Stunden weit in gerader Richtung unter der Erde fortlief! Was war aus den Menschen geworden, die hier, dem Bedürfniß anderer fröhnend, der Natur den Reichthum abgerungen, den sie ewig wiedergebährt? Wer wußte noch ihre Namen, während ihr Werk ihr einstiges Daseyn verkündigte? Was galten die Namen anderer, die Neugierde und nicht Thatkraft hergetrieben, die zur lächerlichen Verewigung ihrer flüchtigen Anwesenheit sich, die Stunde und den Tag, wo sie, von erfahrenen Führern begleitet, den Besuch des Petersberges gewagt, an die Wände der riesigen Bergsäulen geschrieben hatten? Der Odem der Zeit verweht sie und den Laut, mit dem man sie nannte. Die Natur steht, wie eine immer lächelnde Riesin, über dem Grabe alles dessen, was einst lebte! -- »Hört Ihr den fallenden Tropfen?« unterbrach einer der Männer das herrschende Schweigen, indem alle einige Augenblicke stehen blieben und lauschten. »Gleich sind wir da. Es ist eine wunderliche Sache um diesen einzigen Ton in den sonst stillen und todten Gewölben. Ich habe oft lange, wenn ich von der schweren Steinhauerarbeit ausruhte, an dieser Stelle gesessen und konnte nicht müde werden, dem lieblichen Klange zuzuhören.« =Cornelius= beschleunigte seine Schritte. Auch jetzt klopfte sein Herz, aber vor freudiger Hoffnung. »=Clelia!=« rief er laut, ehe sie noch um den Pfeiler getreten waren, der die Stelle verbarg. Sein Ruf verhallte in dem Gewölbe, es kam keine Antwort. Beunruhigt schritt er vor. Da standen sie an dem Orte, den er suchte, er sah das Tropfsteingebild, von dem noch sein Faden herabhing, er erkannte die Sitze in der Wand, aber =Clelia= und ihre Gefährtin waren verschwunden. »=Clelia, Clelia!=« wiederholte er schreiend. Alles blieb stumm. Mit tödtlichem Schreck ergriff ihn der Gedanke, sie habe in der Besorgniß um ihn, in der Ungeduld des Erwartens sich entfernt, um ihn aufzusuchen, und irre jetzt umher, wie er früher gethan. Die Männer sahen sich bedenklich an. Da bemerkte einer von Ihnen den Zettel, den =La Paix= dem Mädchen übergeben und den sie, ihrer Schwäche erliegend, zur Erde hatte fallen lassen. Er hob ihn auf und reichte ihn dem Junker. =Cornelius= kannte die Hand. Sein Inhalt, der Name =Hazenbrook= machte ihm Alles klar. Seine entsetzliche Furcht war gewichen, aber das bittere Gefühl, überlistet und der Geliebten beraubt worden zu seyn, nahm ihre Stelle ein. »Sie ist gerettet!« sagte er mit zusammengekniffenen Lippen zu seinen Begleitern. »Andere haben sie befreit und ins Leben zurückgeführt. Es ist nun gut so. Ich habe nur noch eine Bitte an Euch. Führt mich so schnell aus dem Berge, wie möglich, daß ich ihnen folge und sie auch von der Furcht um meinetwillen befreie.« Er knitterte das Papier zusammen und steckte es zu sich. Es war ihm klar, daß =Clelia= mit Gewalt müsse fortgebracht worden seyn, denn, wenn sie auch als ein folgsames Kind sich dem Willen ihres Vaters unterworfen hätte, so würde sie sicher darauf gedrungen haben, seine Rückkehr zu erwarten, damit auch er an der Rettung Theil nähme. Schweigend ging er mit den Männern. Diese Wendung seines abentheuerlichen Unternehmens brachte ihn in seine gewöhnliche Gemüthsstimmung zurück. Es galt nun neues Handeln, neues Ringen nach dem Besitz der Geliebten. Der unbekannte =Hazenbrook=, dem Herr =van Vlieten= seine väterliche Gewalt über =Clelien= übertragen und der diese wieder durch andere üben lassen, konnte, wie er glaubte, nur ein vom Vater begünstigter Nebenbuhler seyn. Es schien ihm einleuchtend, daß der Knoten, zu dem sich sein Schicksal verschlungen hatte, jetzt nur in =Rotterdam= gelös't werden könne. An =Cleliens= Treue zweifelte er keinen Augenblick. In dem Vertrauen auf diese sah er immer noch, wenn auch wie durch Nebel, einer glücklichen Zukunft, seiner Vereinigung mit dem theueren Mädchen entgegen. Sie hatten den Ausgang erreicht: nicht jene enge Höhlenöffnung, durch welche =Cornelius= am Abende zuvor mit seinen Reisegefährtinnen das Labyrinth des Petersberges zum erstenmale betreten, nein! sie standen unter einem hohen, weiten Schwibbogen, unter einem mächtigen Portal, dessen Seitenwände entfernt genug von einander waren, um einem bespannten Wagen Einlaß zu gestatten. So sehr auch =Cornelius= sich zur Eile bewogen fühlte, so mußte er doch einige Augenblicke verweilen und der Scene, die sich vor ihm eröffnete, seine Aufmerksamkeit schenken. Da lag =Mastricht= mit seinen weißen Häusern und glänzenden Thürmen. Glocken und Glockenspiele ließen sich von diesen vernehmen, das Te Deum rauschte im heiligen Gesange aus den Kirchen zum Himmel auf, und die Sonne lächelte so mild vom sanft blauen Gewölke hernieder, daß es ihm war, als müsse sie selbst ihre Freude an der Dankbarkeit der Sterblichen haben, die diese im frommen Gesange zum Himmel trugen. Eine laue Luft wehete, wie Frühlingsodem. Die weiße Hülle, die noch gestern die Erde bedeckte, war verschwunden und von den Hügeln jenseits der =Maas= grüßte ein verspätetes Grün, wie ein verhallender, letzter Abschiedsruf des schon geschiedenen Sommers. Drüben am anderen Ufer des Flußes sah man umgestürzte Kanonen, zerbrochene Pulverkarren und ähnliche Werkzeuge, welche die Wahlstatt eines Gefechtes, nach seinem Ausgange, bezeichnen. Viele Leute waren um diese Gegenstände versammelt. Ganz und gar aber hatte sich das Land zwischen der Stadt und dem Petersberge in seiner äußeren Gestalt verändert. Hier stand Alles unter Wasser. Jener Hohlweg, in welchem unter dem Schutze der Dunkelheit, die Feinde gegen die Petersschanze gezogen waren, der niedere Grund, durch den =Cornelius= und die Frauen ihre Flucht nach der aufsteigenden Anhöhe und der düsteren Vertiefung gerichtet hatten, sie lagen unter einem Wasserspiegel, der noch immer zu steigen schien und dessen Wellchen nicht weit von =Cornelius= Füßen den Berg bespülten. Viele Boote und Kähne, alle mit den Orangewimpeln lustig prangend, fuhren hin und her. Man vernahm den munteren Zuruf der Schiffenden, wo vor einigen Stunden der Donner des Geschützes, das Getöse der Kämpfenden, das Wimmern der Verwundeten und Sterbenden in wilder Verwirrung die Lüfte durchdrungen hatte. Einzelne Kähne hielten an verschiedenen Stellen und die darin Befindlichen hatten große Netze und Haken ausgeworfen, um nach verlorenen Waffen und anderen Beutestücken zu suchen. Die Männer, welche den Junker =van Daalen= begleiteten, ließen ihre Freude über diesen Anblick laut werden. Einer von ihnen sagte lachend: »Das wird ihnen eine gute Lehre seyn und sie werden so bald nicht wieder versuchen, die feste Stadt =Mastricht= zu nehmen, wie ein offenes Dorf, das weder Wälle noch Kanonen hat. Aber der =Jeker= hat doch auch diesesmal das Beste gethan! Das Wasser hat dem Feuer geholfen und als die in der Stadt die Schleußen geöffnet, ist der =Jeker= über die Feinde gekommen, wie die Sündfluth über die bösen Menschen, die von der Erde vertilgt werden sollten.« Auf sein näheres Befragen erfuhr =Cornelius=, daß der =Jeker= ein nicht unbedeutender Fluß sey, der sich innerhalb der Stadt in die größere =Maas= ergieße und durch Schleußen auf das flache Land nächst dem Petersberge geleitet werden könne, was bei früheren Belagerungen der Stadt schon zum größten Vortheile gereicht sey. Jetzt erkannte er deutlich in der nothgedrungenen Flucht in die Irrgänge des Berges die Leitung einer höheren Macht, die ihm und =Clelien= wohlwollte. Wäre es ihnen auch geglückt, einen Versteck in den Niederungen am Fuße des Berges zu finden: jetzt würden sie wahrscheinlich, mit so vielen anderen Verunglückten, =ein= Grab unter den immer höher andrängenden Wogen gefunden haben! Die Männer verließen ihn, um sich zu den zurückgebliebenen Ihrigen in den Berg zurückzubegeben. Er belohnte sie reichlich. Dann ging er am Rande des Wassers hin, um einen Nachen aufzusuchen, der ihn zur Stadt brächte. In einem anliegenden Boote sah er einen Mann stehen, der ihm den Rücken zukehrte. Auf seinen Ruf wandte sich dieser um. Eine Wolke von Rauch, die aus seinem Munde strömte, zertheilte sich und ein bekanntes Gesicht, von einem Ende bis zum anderen von einer mächtigen Schmarre durchzogen, grinsete ihn an. »=Herrmanneke=, du?« rief =Cornelius= im lebhaften Erstaunen. »=Nassau und Oranien!= Wie kommst du hierher? Wo ist dein Herr, wo die =Syrene=?« Der Bootsmann lachte dumpf aus dem dichten Rauch, der aufs Neue sein Antlitz verbarg, bot seinem alten Gefährten bei dem Angriffe auf die Schebecke, treuherzig die Hand und erwiederte: »In =Antwerpen= war unseres Bleibens nicht lange. Wir bekamen schon am ersten Tage Fracht nach =Mastricht=, lichteten und hatten kaum den Anker geworfen und ausgeladen, als der Spaß mit den Franzmännern losging. Die =Syrene= liegt unten, mitten im Fluße, und hat die Nachtgäste nach beiden Seiten hin gut bedient mit eisernen Pillen, die manchem von ihnen Kopfweh gemacht haben mögen. Was den Capitän angeht, so hat der seine Fahrt auf die Schanze dort oben gerichtet und bringt Munition ein. Harrt nur einen Augenblick, Junker =Cornelius=! Er muß gleich zurückkommen. Dann geht's auf die Barke und bei dem guten Winde werden noch in dieser Stunde die Anker gehoben zur lustigen Fahrt nach =Rotterdam=.« »Nach =Rotterdam=?« rief =Cornelius= froh überrascht. »Beim Waffenruhme =Marlborough's=! das heißt Glück im Unglück. Ich fahre mit Euch. Wir wollen es noch einmal zu Wasser mit einander versuchen, alter Camerad!« =Herrmanneke= ließ die Hand mit der Pfeife aus dem Munde sinken. Er blickte schüchtern umher, dann sah er bedenklich den Junker an. »Wo ist denn Euer Frauenvolk?« sagte er mit einem Ausdrucke von Unruhe und Besorgniß in seinen Zügen, der diesen bisher fremd gewesen war. »Die Junge meine ich nicht, sondern die Alte, mit der ich nicht gern wieder auf einem Ankerplatze zusammenkommen möchte, da sie den Tabak doch nimmermehr vertragen lernt.« =Cornelius= konnte sich eines Lächelns über die Furcht, welche der Bootsmann vor dem allzugroßen Eindrucke von =Philippintje's= Reizen auf sein empfängliches Herz zu hegen schien, nicht erwehren. »Sey unbesorgt, =Herrmanneke=!« antwortete er in launigem Tone. »Ich bin ganz allein und diejenige, deren Anblick dein Liebesfeuer wieder anzuschüren vermöchte, wandelt jetzt auf Pfaden, wo wir ihr schwerlich begegnen. Ueberdem hat sie dir auch das Goldstück zurückgeschickt, das du ihr auf die Treue gegeben, und das ist der deutlichste Beweis, daß sie ihr Herz ganz und gar von dir abgewendet hat und als Jungfrau leben und sterben will.« Der Bootsmann erwiederte nichts, aber indem er die süßen Erinnerungen an =Philippintje= zu bekämpfen suchte, dampfte er stärker, als bisher. =Jansen= kam jetzt den Berg herab und rief schon aus der Ferne dem Freunde ein herzliches Willkommen zu. Er war nicht sehr erstaunt, ihn hier zu finden, da er ja aus seinem Munde wußte, daß =Mastricht= das Ziel seiner Reise sey. Während =Herrmanneke= die beiden Freunde nach der Stelle hinruderte, wo die =Syrene= vor Anker lag, erfuhr =Jansen= von =Cornelius= Alles, was diesem seit ihrer Trennung begegnet war. Er sah seine Vermuthung über die nur vorgebliche Verwandtschaft =Cleliens= mit dem Junker bestätigt. Als dieser von den beiden Studenten sprach und ihre Personen beschrieb, rief =Jansen= wild aus: »Bramsegel und Backbord! Die beiden Schelme habe ich auf der =Syrene= gehabt und dir selbst sie nachgeführt bis =Antwerpen=. Hätte ich damals gewußt, was ich jetzt weiß, wie hätte ich sie anführen und abführen wollen! Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Laß uns nur erst wieder in =Rotterdam= seyn! Da stehe ich dir bei als ein dankbarer Freund, und die Jungfrau =Clelia= muß dafür Frau =van Daalen= werden, daß du den Spagnol, wie einen feuerigen Drachen, zum Himmel fahren machtest. Ein Dienst ist des andern werth. Eine Frau für einen Drachen -- umgekehrt findet sich das oft in der Welt!« Sie langten bei der Barke an. Frau =Beckje= empfing den Freund ihres Mannes mit ihren gewöhnlichen Neckereien. In der nächsten Viertelstunde schon wurden die Anker aufgewunden und, von günstigen Winden fortbewegt, schwebte die =Syrene=, zwischen den Häuserreihen der Stadt =Mastricht= und der Vorstadt =Wyk=, die =Maas= hinab ihrer Heimath zu. 8. Niemand verlebte indessen eine trostlosere Zeit, als der Professor =Eobanus Hazenbrook=. Täglich mußte er aus dem Fenster der unbequemen Wohnung, in die er sich der Wissenschaft zu Liebe einquartirt hatte, die köstlichen Gerichte vorübertragen sehen, welche der Doctor =Mauritius= seinem Patienten schickte. Dieser aber selbst blieb ihm unsichtbar und schien für ihn ein Gegenstand unerreichbarer Wünsche geworden zu seyn. Hoffen und Harren macht Manchen zum Narren! Dieser Spruch lag ihm immer im Kopfe und ob es ihm auch dünkte, daß er nahe daran sey, den Verstand zu verlieren, so konnte er doch nicht ablassen, nach dem verhängten Fenster sehnsüchtig hinaufzuäugeln und eine Zukunft zu ahnen, die ihm alle Entbehrungen, alle Leiden des Körpers und des Geistes reichlich vergelten würde. =Eobanus= hatte das Bedürfniß oft in Gesellschaft zu seyn. Vor der Mumienangelegenheit aber mußte alles Andere zurückstehen. Er beschloß, sich in die Umstände zu schicken und nur eine Morgenstunde unter den Leuten, die sich in der Schenkstube des Hauses um diese Zeit versammelten, hinzubringen. Freilich fand er Anfangs die Unterhaltung der Matrosen und Lastträger nicht ganz nach seinem Geschmacke, als er aber erfuhr, daß =Peter Trip=, dessen sich der gütige Leser wohl noch als eines immerdurstigen Untergebenen des Capitän =Jansen= erinnert, in früheren Jahren in =Alexandrien= gewesen sey und von da mit einem gelehrten Reisenden eine Wanderung in das Innere =Egyptens= unternommen habe, rechnete er diese Stunden zu den köstlichsten seines Lebens. Er nahm nun seinen Platz immer neben =Peter= ein, der sehr in seiner Achtung gestiegen war, bewirthete ihn täglich und notirte, was dieser zum schuldigen Danke über die Pyramiden und ihre Katakomben berichtete, sorgfältig in sein Gedächtnißbuch. So geschah es, daß beide herzinnige Freunde wurden: der Professor aus Begeisterung für das Land, das der Nil bewässert, =Peter Trip= aus reiner Liebe zum Wachholder. Am Meisten kränkte es den Professor, seinen wohlbeleibten Gegner, den Doctor =Mauritius=, immer mit einer Miene aus dem Hause des Herrn =Tobias= zurückkehren zu sehen, in der sich Vergnügen und Selbstzufriedenheit malten. Was konnte diese anders erzeugen, als das Gelingen, der glückliche Fortgang seiner entsetzlichen Cur? In den triumphirenden Blicken, in dem breiten Lächeln, das auf den vollen Wangen des Leichendoctors lag, glaubte =Eobanus= das Vernichtungsurtheil seiner letzten, ohnehin nur schwachen Hoffnung zu lesen. Gewiß war Herr =van Vlieten= schon auf dem besten Wege, ebenso corpulent, ebenso fett und nutzlos für die Kunst der leiblichen Verewigung zu werden, wie =Mauritius= selbst. Des Professors Phantasie, die sich freilich nur für einen Gegenstand, aber für diesen grenzenlos entflammte, malte dann in's Große. =Tobias= trat auf ihn zu in dem allbekannten zimmetfarbenen Ueberrocke, aber er war ihm an allen Ecken und Enden zu eng geworden. Mit großer Mühe schien der Rock über dem gerundeten Bauch zusammengeknöpft und mit einemmale sprangen mit lautem Geräusche die Knöpfe und der Rundbauch in der schwarzen Sammetweste trat weit über die zurückfahrenden Schöße des kaneelfarbigen Kleides hervor. Ansehnliche Waden strotzten unter dem Kniebande gleichsam höhnisch nach =Hazenbrook= hin, die Farbe der Wangen war weiß und glänzend geworden, die sonst nadelfeine Spitznase hatte sich zwischen den herausquellenden Pausbacken in ein angenehmes Stumpfnäschen verwandelt und das Stumpfnäschen rümpfte sich, als das abscheuliche Bild lebenslustige Blicke auf =Eobanus= warf, als der schwellende Mund sich zu einem malitiösen Lächeln verzog, und die Mißgeburt seiner Phantasie nun in jenem dicken, gedämpften Tone, der auch den Fettansatz in Brust und Hals verrieth, zu sprechen begann: »So du lange lebest auf Erden, so du vergnügt bist! Der =Heer Eobanus Hazenbrook=, Professor vielberühmter Lugduner Academie, wie auch Custos _theatri anatomici_, ist in einen tiefen Irrthum versunken, wenn er sich schmeichelt, mich einzuschlachten für seine egyptische Vorzeit. Jetzt erst fängt mir's an, recht wohl zu werden auf der lieben Welt, ich will mir Gutes thun und gedeihen, und ich hoffe unter dem Beistande des würdigen Doctor =Mauritius=, der die rechte Behandlungsart getroffen, meine hundert Jährchen herauszubringen. Ja, =Myn Heer Professor=, es ist mir selbst gar nicht bange dafür, die Nachricht von Euerem zeitlichen Hintritt noch lange vor dem meinigen zu vernehmen und zum Danke für Euere guten Absichten mit mir sinne ich schon darauf, einen Bleikeller, gleich =dem= in der guten Stadt =Bremen= erbauen zu lassen, in welchem dann Euer Balg verwahrt werden soll, bis zum Stündlein des jüngsten Gerichtes!« -- So ungefähr redete =Hazenbrook= sich selbst im Namen des Herrn =van Vlieten= an. Nichts aber war dem Professor verhaßter, als jene Bleimumien, die sich in dem gedachten Keller und in einigen Kirchengewölben finden. Sie existirten weder für, noch durch die Wissenschaft. Sie äfften das Leben nach, aber nur das gegenwärtige bedeutungslose, nicht ein altvergangenes, klassisches, das geheimnißvoll durch Jahrtausende gehegt worden war und, wenn man ihm nachspürte, schon in seinen Nebendingen eine Quelle von Bereicherungen für die Wissenschaft ward. Er rief =Trip=, den er über die Straße gehen sah, herauf, um sich von ihm die häßlichen Bilder ausreden zu lassen. =Trip= kam gern und bald befand sich =Hazenbrook= durch seine Erzählungen wieder seelenfroh an die Ufer des Nils versetzt. Er lauschte und lächelte. Er war ganz Ohr: warum besaß er nicht das Wünschhütlein des =Fortunatus=, um im nächsten Augenblicke im Innern einer der wunderbaren Pyramiden von =Sakhara= oder =Ghizeh= zu sitzen und in den Grabmälern längst entschlafener Könige, als ein wissenschaftlicher Leichenwurm, herumzustöbern? -- Uebrigens befand sich Herr =van Vlieten= keinesweges in einem so behaglichen und gedeihlichen Zustande, wie =Eobanus= fürchtete. Die veränderte Lebensweise wirkte nachtheilig, statt günstig auf ihn. Die reichlichen, nahrhaften Mahlzeiten erschöpften seine Kräfte, indem sie diese für Augenblicke erhoben, denen dann wieder Stunden der tiefsten Abspannung folgten. =Mauritius= versicherte zwar täglich, es gehe besser, der Puls sey lebenskräftiger und frischer geworden und es unterliege keinem Zweifel, daß, wenn Herr =Tobias= fortfahre, Rindfleisch und Kartoffeln zu speisen, die vollständige Genesung bald erfolgen werde; allein der Patient selbst empfand eine fortschreitende Abnahme der Kräfte, Kopfschmerz und Fieber plagten ihn unaufhörlich, keine Nacht wollte ihm den ersehnten Schlaf bringen. Wenn er das dem Doctor klagte, so lachte dieser und sprach: »Habt auch Ihr den thörigten Glauben, daß der Schlaf das Zeichen einer gesunden Natur sey? Thorheit! Unsinn! der kraftlose, erschlaffte Körper unterwirft sich diesem sklavischen Zwange; der starke, genesende weiset ihn zurück. Es ist lächerlich, wenn man von einem alten Menschen behauptet, er habe siebenzig oder achtzig Jahre gelebt, da er, wenn er sich dem gewöhnlichen Mißbrauche des Schlafes hingegeben, doch nur fünfunddreißig oder vierzig Jahre gelebt, indem er die übrige Zeit verträumt und verschlafen hat. Schlaft =nicht= und seyd gesund, das ist besser, als wenn Ihr, wie ein Murmelthier in seine Höhle, Euch in das Federbett verkriecht, um jedesmal, wann es Nacht wird, bis zum andern Morgen einen todten Menschen vorzustellen.« So wußte der Doctor =Mauritius= Alles zum Besten zu erklären und =Tobias= glaubte ihm gern, wenn er's auch anders fühlte. Der Doctor mußte es ja besser verstehen, als er, dafür hatte er studirt, strich zu Neujahr sein gutes Honorar ein und der Kranke dachte schon mit Grauen an die ungeheuere Rechnung, die jener für gelieferte Rindsbraten, Kapaunen, Welsche und Rheinweine aufstellen würde! Er war sehr vergnügt über die Besserung, die, nach =Mauritius= Aussage, von Stunde zu Stunde selbstständiger und offenkundiger wurde. Der Druck im Kopfe schmerzte ihn sehr, Hitze wechselte mit Frost, aber er lachte unter Zähneklappern und sagte seinem alten Geschäftsführer, der ihn täglich zu Abend besuchte, die Mittel des Doctors schlügen trefflich an, er fühle schon, daß er bald anfangen werde, sich wie ein Fisch im Wasser zu befinden und der Frost, der sich von Zeit zu Zeit melde, sey ein erfreuliches Vorzeichen dazu. Der alte treue Diener des Hauses sah ihn bedenklich an. Es wollte ihm vorkommen, als belebe eine ungewöhnliche Aufregung seinen wohlmögenden Patron, der nicht aufhören konnte, von den angenehmen Gefühlen des Frostes und der Hitze, von dem Nutzen der Schlaflosigkeit, von den vortrefflichen Heilkräften im Rindsbraten und in den Kartoffeln zu sprechen. »Er liegt im Fieber, er phantasirt!« war das Resultat der Betrachtungen, die der Geschäftsführer über Herrn =Tobias= anstellte. »Sein Stündlein kann kommen, ehe er es selbst erwartet, und ich als ein christlicher Handlungsdiener muß dafür sorgen, daß er nicht hinfährt in seinen Sünden an den Ort der ewigen Fieberschauer, des Heulens und des Zähneklapperns. Ich will den Domine rufen. Er muß ihn vorbereiten, er muß die Seele reinigen vom sündigen Profit, den er an Caffee und Zucker, an Tabak und Indigo genommen.« Der alte Mann schlich, während Herr =van Vlieten= noch im besten Zuge war, die Curmethode des Doctors =Mauritius= zu preisen, unbemerkt und leise zur Thüre hinaus. Der Patient bemerkte seine Abwesenheit nicht. Er sah den Schlafrock, der über einer Stuhllehne hing, für den Geschäftsführer an. Bei dem düsteren Lichte, das die sehr verdeckte Lampe verbreitete, konnte dieses um so leichter geschehen, da es in der Weise des Dieners lag, bei solchen Reden des wohlmögenden Patrons, die nicht bestimmte Fragen über Handlungsgegenstände enthielten, in ehrerbietiger Stille zu verharren. Nach einiger Zeit aber mußte =Tobias= verstummen. Der Reiz des Fiebers begann nachzulassen, er fühlte sich schwach, er griff nach der Weinflasche, die ihm, als ein vorzügliches Mittel die Kräfte wiederzubeleben, der Doctor vor das Bett gestellt hatte. Eben war er im Begriff, einen tüchtigen Schluck den übrigen, die diesem schon vorangegangen waren, folgen zu lassen, als die Thüre sich langsam öffnete und mit feierlichen Schritten der Domine hereintrat. Ohne ein Wort zu sprechen, schritt er auf das Lager des Kranken los und nahm den Sessel ein, der zu dessen Füßen stand. Jetzt erst erblickte Herr =Tobias= die ganz schwarz gekleidete Gestalt. Er erkannte den Domine und verbarg die halb geleerte Flasche schnell unter sein Kopfkissen. Die Nachrichten und Familienurkunden, welche uns zur Quelle unserer, will's Gott! dem Leser wohlgefälligen Erzählung dienen, enthalten keine nähere Mittheilung über die Unterredung des Domine mit Herrn =van Vlieten=. So viel aber ist gewiß, daß der Geistliche weit vergnügter fortging, als er gekommen war, daß er dem Geschäftsführer, der ihn draußen erwartete, die Versicherung gab, er habe den Leidenden in der allerchristlichsten Gemüthsstimmung verlassen und, daß gleich darauf die Schelle im Krankenzimmer den Hausknecht beschied, welchem Herr =van Vlieten= mit schwacher, aber ruhiger Stimme anempfahl, dem Doctor =Mauritius= fernerhin unter keinerlei Vorwand den Eintritt zu gestatten und noch in dieser Stunde das gotteslästerliche Bild des =Schiwa= den Flammen zu übergeben. Dann ließ er den alten Diener wieder eintreten. Er redete ihn sehr sanft, fast wehmüthig an. Er bat den hoch Erstaunten, ihm einige Capitel aus einem Erbauungsbuche vorzulesen. Nachdem dieses geschehen war, beurlaubte er ihn und fiel zum erstenmale, seit langer Zeit, in einen ruhigen, fieberlosen Schlummer. =Hazenbrook= hatte das Kommen und Gehen des Domine wohl erlauert. Er ahnete die Wahrheit, es schien ihm auch ganz natürlich, daß Herr =Tobias= durch die unsinnige Cur des Doctor =Mauritius= hingeopfert werde vor der Zeit, wenn nicht etwa schlummernde Kräfte in seinem Körper zum siegreichen Widerstande erwachten, alle Angriffe der nahrhaften Speisen und geistigen Getränke zurück und in ihre entfernteste Zufluchtsstätte, in das Zellgewebe, verwiesen, damit sie dort unseliges, verabscheuungswürdiges Fett ansetzten. Das Letztere sollte nun freilich nicht erfolgen. Aber war =Eobanus= deshalb besser daran? Fett oder todt =vor= dem ausgesetzten Selbstlegate, das war für ihn die nämliche Sache: das eine wie das andere raubte ihm die hoffnungsvolle Aussicht, seinem Schooß- und Herzenskinde, dem Leydenschen Naturalienkabinet, mit einem jungen Egyptier, dem seine zwei, bis dreitausend Jährchen recht wohl anstanden, ein Geschenk zu machen. Er lag noch spät im Fenster seiner Wohnung. Die Glockenspiele von den Thürmen kündigten eben die eilfte Stunde Abends an, als er einen letzten Seufzer zu dem dämmerigen Fenster des Herrn =van Vlieten= hinaufschickte und sich nun in sein Zimmer zurückziehen wollte. Da wurden seine Blicke von einer dunkeln Wolke, die gerade hinter der gegenüberliegenden Häuserreihe aufstieg, angezogen. Die Wolke breitete sich rasch aus, sie drängte sich unglückdeutend über dem Hause des reichsten Mannes von =Rotterdam= empor, rothe züngelnde Flammen folgten ihr in wenigen Augenblicken. »Feuer! Feuer!« wollte der Professor schreien, aber das Wort erstarb ihm auf der Zunge. Er stand bewegungslos, stumm und starr, als schon das Getöse in den Straßen sich wild heranwälzte zu der Brandstätte, als die Melodieen der Glockenspiele in schaueriges Sturmgeläute übergegangen waren, als zahllose Menschen nach den Hintergebäuden des =van Vlietenschen= Hauses strömten, wo das Feuer ausgebrochen war. Die rothe Gluth am nächtlichen Himmel wirkte auf ihn, wie der Blick der Klapperschlange auf Thiere, die sie sich zum Opfer erkoren hat. Er konnte seine Augen nicht abwenden von den aufzischenden Flammen, er war nicht Herr seiner Bewegungen, seiner Sprache, er stand wie gebannt, obgleich ihm ein dunkeles Gefühl sagte: du mußt hinüber, aus diesem Brande kann dein Glück, wie der Phönix aus der Asche, erstehen, du mußt handeln und retten, du rettest dein besseres Selbst, du gewinnst der wissenschaftlichen Idee, für die du kämpfest und ringest, endlich ein Leben! -- =Schiwa's= Rache lag schrecklich auf den Gewölben und Speichern des Handelsherrn. Er war es, der noch im Untergange einen Triumph feierte, der im Sterben das befreundete Element, das so manches ihm einst dargebrachte Opfer verherrlichte, das nun zu seiner Vernichtung gebraucht wurde, aufgerufen hatte, seine Rache zu übernehmen. Noch einmal erschien seine alte Macht. Sie strebte in Gluthen zum Himmel und schien gegen diesen zu wüthen, daß er nicht hier die Tempel des Götzen dulde, wie in dem schöneren Hindostan. Darum also hatte man ihn gehegt und gepflegt viele Jahre hindurch im Prunkzimmer des =van Vlietenschen= Hauses, um seine geheiligten Glieder unter der Axt des Hausknechtes zu brechen, um sie in schnöde, unscheinbare Asche zu verwandeln, die vom Winde verwehet würde? Zündet nur! Brennt nur! In knisternden Funken flog der tückische Geist des Götzen empor in das Sparrwerk des weiten Waarenhauses, in dessen Nähe man ihm den Untergang in den Flammen bereitete, er nistete sich dort still ein und erst als die Nacht gekommen war, als der Friede sich in Sternenglanz und Himmelsdunkel zu der Erde neigte, da brach die verhaltene Wuth des Ergrimmten los und warf sich zerstörend auf die Schätze seines Vaterlandes, die hier die Gewinnsucht aufgespeichert hatte. Des Professors Bezauberung war noch nicht gelös't. Die Gebäude, die zu dem Hause des Herrn =Tobias= gehörten, besaßen einen ansehnlichen Umfang, sie nahmen fast ein ganzes Stadtviertel ein. Der Brand wüthete jenseits, noch war es in der Straße, nach welcher die Vorderseite des Wohnhauses ging, still geblieben. Als aber auch hier jetzt mehrere Leute heranstürmten, die verschlossene Thüre gewaltsam erbrachen und in das Innere drangen, fühlte =Hazenbrook= plötzlich seine Besinnung und seine Kraft zurückkehren. In unruhiger Hast flog er die Treppe hinab, aus dem Hause, über die Straße, jenen Leuten nach. Er sah sie im Hintergrunde des Hausganges, nach den vom Scheine des Feuers erhellten Höfen verschwinden. Das war sein Weg nicht. Er stieg die wohlbekannte Treppe hinauf. Hier war es still und dunkel. Tastend suchte er nach der Thüre, die in das Krankenzimmer führte. Er fand lange die rechte nicht, die Eingänge, auf die er traf, waren verschlossen. Da blieb er stehen und lauschte mit zurückgehaltenem Odem. Das Geschrei der Löschenden, der Klang der Sturmglocke drang dumpf zu seinen Ohren, aber dazwischen auch ein matter Seufzer, ein Geräusch, wie es die Bemühungen eines Kraftlosen hervorbringen können, der sich liegend auf dem Boden fortzubewegen sucht. Jetzt flammete ein neuer Feuerstrahl empor und sandte seinen rothen Schein durch ein Fenster, das bisher in Dunkelheit verborgen gewesen. Der Gang war erhellt, wie am Tage. =Hazenbrook= erkannte die Umgebungen. In einem Winkel, weit von ihm ab, lag die Thüre, die er suchte. Ebenso rasch, wie der Feuerstrahl aufgeschossen war, erlosch er wieder und die alte Finsterniß trat auf's Neue ein; aber =Eobanus= kannte nun einmal die Richtung, die er zu nehmen hatte, ging eilig vorwärts und stieß die nur angelehnte Thüre, hinter der noch einmal jenes Aechzen erklang, mit einer hastigen Bewegung auf. Welcher Anblick bot sich ihm hier in dem durch die Nachtlampe nur spärlich erleuchteten Gemach! Der Kranke war allein, man hatte ihn wahrscheinlich, da die in den entlegenen Gebäuden wüthende Feuersbrunst die Thätigkeit Aller erheischte, vergessen. Diese Ueberzeugung schien sich ihm selbst mit der Furcht, hier verlassen und hülflos zuletzt ein Opfer des weiter um sich greifenden Brandes zu werden, aufgedrängt zu haben. Das Geschrei in den Straßen hatte sein Ohr erreicht, es hatte ihm das Unglück verkündet, das sein Eigenthum, seine ost- und westindischen Vorräthe getroffen. Der erste Schreck wirkte wie ein Blitzstrahl auf ihn. Es war ihm, als sey er mit einer unzerreißbaren Kette an sein Lager gefesselt. Dann aber gab ihm der entsetzliche Gedanke, bei lebendigem Leibe zu verbrennen, der mächtige Drang nach Selbsterhaltung einige Kräfte zurück. Er versuchte aufzustehen, er ergriff die nächsten Kleidungsstücke, in die er sich mühesam hüllte, er warf den dicken pohlnischen Schlafpelz um sich. Jetzt versuchte er sich der Thüre zu nähern, allein dieser Anstrengung war seine Kraft nicht gewachsen. Er sank zu Boden, er bewegte sich kriechend noch ein Wenig vorwärts, dann konnte er nicht mehr, er wurde ohnmächtig und ein schwaches Aechzen war das einzige Lebenszeichen, das er noch von sich gab. So fand ihn der Professor. Die wissenschaftlichen Absichten, welche dieser mit =Tobias= hatte, wichen in den ersten Augenblicken den Gefühlen der Menschlichkeit, aber ganz konnte er doch eine angenehme Empfindung darüber nicht unterdrücken, daß er Herrn =van Vlietens= Angesicht und Gestalt wo möglich noch hagerer und ausgedörrter wieder fand, als damals, da er ihn zum erstenmale am Haven erblickt. Er beugte sich zu ihm nieder, er rief ihn laut bei Namen. Keine Antwort! Nur ein brechender Blick heftete sich auf ihn. Er fühlte nach dem Herzen. Es schlug noch, aber sehr schwach; ebenso der Puls. Das Geschrei von Außen ertönte lärmender und näher. Die Glocken stürmten heftiger. Da ergriff ein großer Gedanke den Professor. »Ich will ihn dem Leben wiedergeben oder er soll, dem =Mauritius= und sich selbst zum Trotz, doch mein seyn im Tode. _Aut Cesar, aut nihil._ Ueber den Rubicon führt nur Kühnheit.« So rief er pathetisch und sein Entschluß war gefaßt. =Eobanus= war ein großer Mann von gewaltigem Knochenbau und besaß eine ungewöhnliche Stärke. Wie eine Feder schwang er den leichten =Tobias= auf seinen Arm, wie eine Geliebte drückte er ihn an seine Brust. Ein süßes Gefühl kam über ihn. Endlich hatte er ihn, nach dem er so lange vergebens geschmachtet, endlich ruhete er an seinem Herzen. Er glaubte schon die köstlichste Mumie zu halten, mit geheimnißvollen Hieroglyphen bedeckt, die Sphinx, die in Zukunft allen Besuchern seines Museums ein unauflösliches Räthsel, zu dem er nur allein den Schlüßel besaß, bieten würde. Dennoch stand der Vorsatz fest in ihm, kein Mittel der Kunst unversucht zu lassen, das Leben des Hülflosen zu erhalten. Ganz im Hintergrunde seiner Seele keimte auch wohl die Hoffnung, daß in diesem Falle Dankbarkeit thun würde, was er im entgegengesetzten von seiner Geistesgegenwart und Verwegenheit zu erwarten hatte. Aber nur unter der Hülle des tiefsten Geheimnisses konnte er einen, wie den anderen Plan ausführen, kein =Mauritius=, kein Freund oder Bekannter des Herrn =van Vlieten= durfte ihn nur ahnen. Ohne noch über die Art der Ausführung seines kühnen Anschlages mit sich einig zu seyn, verließ =Hazenbrook= das Gemach. Er trug seine theuere Last sehr vorsichtig, er nahm sich in Acht, mit ihr irgendwo anzustoßen. Plötzlich war die Furcht über ihn gekommen, man könne ihn überraschen und ernstlichen Einspruch thun. Jeder Augenblick längeren Verweilens schien ihm gefährlich, er betrat eilig den dunkelen Gang. Das Dämmerlicht, das aus dem Krankenzimmer hinter ihm herleuchtete, fiel auf eine offene Thüre gerade gegenüber. Ein kühler Luftzug strömte durch diese ein. Vielleicht bot sich ihm hier ein Ausgang, abgelegen und verborgen, wo er nicht fürchten durfte, Menschen zu begegnen. In der That führte hier eine schmale Treppe abwärts, dieselbe, über welche einst =Clelia= und =Cornelius= ihre Flucht bewerkstelligt hatten. Auf gutes Glück stieg =Eobanus= hinab. Nur schwach und selten ließen sich noch die Seufzer des Kranken vernehmen, desto lauter tobte draußen die Menschenmenge und die Sturmglocke. Odemlos stand er endlich am Fuße der Treppe. Seine Rechte griff untersuchend an der Thüre hin und her, die ihm hier den Weg versperrte. Sie war nur durch einen Riegel von Innen verschlossen. Leicht schob er diesen zurück. Die schwere Pforte wich und er sah sich unter freiem Himmel, in einer Nebenstraße, nahe bei einem Canal, der diese durchschnitt. Aber dieser tröstliche Anblick war es nicht allein, der sich ihm bot. Zu seinem Entsetzen bemerkte er dicht vor sich zwei dunkele Mannsgestalten, die, wie es ihm schien, eben bemüht gewesen, die Thüre, durch welche er trat, von Außen zu öffnen. »Wer da?« rief er mit der ängstlichen Heftigkeit eines trotzigen Sünders, der sich auf der That ertappt sieht. »=Peter Trip!=« war die Antwort, die ihm wie Musik klang. »=Trip= -- du!« entgegnete freudig =Hazenbrook=. »Dich führt mein guter Genius, mein Spiritus familiaris, her. Sprich! Was schaffst du, was treibst du hier?« »Nun,« erwiederte =Peter= mit verlegener Stimme, »mein Camerad und ich, wir stehen hier und mein Boot liegt dicht an im Canale. Wir sind da, um zu retten, Geld und Gut, Kostbarkeiten und Geräth --« »Ich verstehe!« unterbrach ihn, den Stand der Sache überschauend, schmunzelnd =Eobanus=. »Ihr wollt in Euere Säcke retten, was hier in der entfernteren Wohnung die Flamme nicht erreichen kann. Aber ich weiß Euch einen sicherern und dabei ehrlichern Verdienst. Euer Boot ist da. Getrauet Ihr Euch wohl, mich mit dem Kranken, den ich hier in meinen Armen halte -- einen meiner jungen Leute, welcher bei Herrn =van Vlieten= Tisch und Wohnung gehabt -- unbemerkt und still zu Wasser aus der Stadt fort und dann weiter nach meinem Aufenthaltsorte =Leyden= zu schaffen? Ich habe meine Ursachen, daß Alles verborgen und heimlich betrieben wird. Zehn Dukaten für jeden, wenn wir an Ort und Stelle sind! Was sagt Ihr dazu?« =Peter= zögerte einige Augenblicke, ehe er eine Antwort gab. Dann sagte er in bedenklichem Tone: »Ein großes Kunststück wäre es nicht, Euch unbemerkt fort zu boogsiren! Wir haben das zu Nacht hundertmal getrieben, um das Havengeld zu sparen. Aber es ist so eine Sache -- geradeheraus, Euere Ladung kommt mir verdächtig vor.« »Dummes Zeug!« versetzte mit erzwungenem Lachen =Hazenbrook=. Zugleich schritt er ohne Weiteres mit dem Ohnmächtigen, dem er die Nachtmütze tief in's Gesicht gezogen hatte, rasch nach dem Boote hin. Während er dieses betrat und seine Last sanft auf die Bank niederließ, rief er nach den langsam folgenden Männern zurück: »Vorwärts, Ihr Leute! Sparet Euere unnützen Bedenklichkeiten! Außer der versprochenen Belohnung erhält noch jeder freien Brandtwein auf ein ganzes Jahr.« »Freien Brandtwein auf ein ganzes Jahr!« wiederholte =Trip= in seligem Staunen. »Topp! Wir sind die Eueren mit Leib und Seele, mögt Ihr nun ein Schelmenstück oder ein ehrliches Werk vorhaben! das habt Ihr zu verantworten.« Sie sprangen in das Fahrzeug und ihre kräftigen Arme brachten es rasch aus der Nähe des =van Vlietenschen= Hauses. Geräuschlos zog es über die schmale Wasserfläche der Canäle, zwischen den hohen Häuserreihen hin. Bald befand er sich in einer entlegenen Gegend der Stadt, wo man nur wenig mehr von dem Feuerlärm vernahm. Der röthliche Schein am Himmel wurde schwächer. Besorgt hatte =Eobanus= den kraftlos ächzenden Kranken in seinen Pelz gehüllt. Er lauschte auf seine Odemzüge, er hatte die Rechte auf sein Herz gelegt. Ihm selbst gingen tausend verwirrte Gedanken im Kopfe herum. Zunächst aber stand der Vorsatz in ihm fest, so bald sie glücklich die Stadt verlassen haben und sich im Canale von =Leyden= befinden würden, aus dem ersten Hause ein Bett herbeizuschaffen, um die Lage des Leidenden zu verbessern. Er war noch von ängstlichen Zweifeln über das Gelingen seines Unternehmens beunruhigt. Er blickte argwöhnisch nach den beiden Ruderern. Diesen aber schien es ganz gleichgültig zu seyn, welche Ladung ihr Fahrzeug enthielt. Ihre Gedanken schwelgten schon im Vorgenusse der reizenden Zukunft, die ihnen das Versprechen =Hazenbrooks= eröffnet hatte. 9. Gegen die Abenddämmerung des folgenden Tages standen an der Brandstätte des =van Vlietenschen= Waarenhauses drei ansehnliche Männer von verschiedenem Alter, in denen wir Herrn =Jan van Daalen=, seinen Sohn =Cornelius= und dessen Freund, den Schiffscapitän =Jansen=, wiederfinden. Ihre Blicke waren auf den mächtigen Schutthaufen gerichtet. Hier und da stand noch ein einzelnes Mauerstück, eine schwarze trauerige Ruine. Die starken Seitenwände des Gebäudes hatten der Wuth des Feuers nicht widerstehen können und waren unter ihrem Andrange zusammengestürzt. Viele Arbeiter waren beschäftigt, die zu Kohlen gebrannten, noch rauchenden Balken hinwegzuschaffen, andere gruben und suchten in dem Schutte nach Gegenständen, die vielleicht der Zufall unbeschädigt erhalten hatte. Nur dieses einzelne Waarengebäude war von den Flammen gänzlich vernichtet worden, nebst seinem kostbaren Inhalte an Gewürzen, edeln Spezereien und andern werthvollen Handelsartikeln. Das Wohnhaus stand unversehrt, ebenso waren andere, in dem Umkreise der =van Vlietenschen= Besitzungen befindliche Waarenbehälter von dem Brande verschont geblieben. Man schlug den Schaden hoch an, aber keinesweges so bedeutend, daß er dem dicksten Manne von =Rotterdam= empfindlich hätte seyn können. Aber dieser dickste Mann selbst? Was war aus ihm geworden, welch wunderbare Macht hatte ihn aus der Mitte seiner Mitbürger entrückt, ohne daß nur eine Spur von ihm geblieben wäre? »Es ist unbegreiflich!« sagte Herr =Jan=, indem die nichtssagenden grauen Augen in den Schutt starrten und der Kopf mit der ungeheueren Lockenperücke sich zur Bekräftigung des Gesagten einige Augenblicke lang wackelnd hin- und herbewegte. Er deutete mit dem Porcellanknopfe seines spanischen Rohres nach dem im Hintergrunde sichtbaren Wohnhause und fuhr fort. »Dort war er noch gestern Abends spät, dort hat ihn der Domine nicht lange vor dem Ausbruche des Feuers verlassen und jetzt -- wie von der Erde weggeblasen, wie nie da gewesen, wie in eine erbärmliche Null, die =vor= der Eins steht, aufgelös't!« »Nassau und Oranien!« hob mit einem verdrießlichen Gesichte =Cornelius=, der erst vor einer Stunde auf =Jansens= Barke angelangt war, an. »Das ist eine wunderliche Geschichte. Vater und Tochter fort -- spurlos verschwunden! Das Haus mit seinem Reichthume, mit dem großen Handelsgeschäfte verödet, verwais't. Das ist noch das tollste von allen tollen Ereignissen, die ich im Laufe weniger Tage erlebt habe.« »Es ist fatal!« brummte Herr =Jan= vor sich hin. »Jetzt wäre die beste Gelegenheit, den alten Handel wegen =Clötje= und =Cornelius= richtig zu machen, denn, nachdem ihm das Waarenhaus niedergebrannt, ist Alles ausgeglichen und ich bin wenigstens ebenso dick, wie =van Vlieten=. Dumme Streiche! Will man mit dem Alten handeln, so ist er nicht auf dem Platze; will man nach der Tochter greifen, so faßt man die leere Luft.« »Er war sehr krank und schwach?« forschte der Sohn weiter. »Es ist nicht zu denken, daß er ohne Unterstützung, ohne anderen Beistand sich entfernt habe.« »Wer kann das wissen?« wandte der alte =van Daalen= ein. »Der Domine sagt, er habe ihn sehr elend und ermattet gefunden; der Doctor =Mauritius= behauptet, das sey nicht möglich, denn Mittags noch habe er eine gebratene Gans mit gutem Appetit allein verzehrt und eine Flasche Rheinwein dazu ausgestochen. Dem =Tobias= waren immer die Schwarzröcke ein Dorn im Auge. Ich meinerseits glaube, er hat sich in der Weinlaune nur einen Spaß mit dem Domine gemacht. Er hat ihm eine Nase gedreht mit der Mattigkeit und der Todesfurcht. Laßt uns nur das Ende erwarten! Vielleicht ist er bei der Bemühung, irgend Etwas aus dem Feuer zu retten, umgekommen und seine Gebeine werden noch unter dem Schutte gefunden.« Indessen verfolgten die scharfen Blicke des Barkencapitäns einen Menschen, der sich taumelnd und dem Anscheine nach betrunken, zwischen dem Haufen der hier zahlreich versammelten neugierigen Bewohner von =Rotterdam= umhertrieb. Er war noch zu weit entfernt von ihm, er verlor sich zu oft hinter den einzelnen Gruppen der Zuschauer, als daß =Jansen= ihn mit Bestimmtheit hätte erkennen können. Aber eine dunkele Vermuthung fesselte seine Blicke an den Mann. Jetzt kam dieser näher, jetzt wandte er sein Angesicht, jetzt sah auch er den Capitän und war nun ängstlich bemüht, sich wieder unter der Menge zu verbergen. =Jansen= hatte ihn erkannt! Sein Donnerruf: »=Peter Trip!=« brachte ihn zum Stehen und führte ihn bald darauf, freilich in einigen Schlangenlinien, die er vergebens strebte in eine gerade Richtung zu verwandeln, vor den Capitän. =Jansen= hatte ihm, während er langsam näher kam, finstere durchbohrende Blicke zugesandt, deren Bedeutung er aber, bei der schon eintretenden Dämmerung und in der Befangenheit des Rausches schwerlich erkannte. »Wo kommst du her, =Peter=? Warum warst du nicht auf deinem Posten, als ich ankam?« fragte in einem rauhen, strengen Tone der Schiffsherr. =Trip= zögerte mit der Antwort. »Bramsegel und Backbord!« fuhr =Jansen= heftiger auf ihn ein und hob die gewaltige Faust. »Soll ich dir Rede machen, soll ich dich deine Schuldigkeit lehren?« »Capitän,« antwortete mit halb lallender, halb zitternder Stimme =Peter=: »seyd nicht böse, verzeiht einem armen Teufel, daß er eine Fahrt auf eigene Rechnung gemacht. Aber seht -- der Verdienst lohnte auch die Mühe: zehn blanke Dukaten und überdem noch freier Wachholder auf ein ganzes Jahr!« »Was soll das heißen?« sagte =Jansen= erstaunt zu =Cornelius=. »Des Burschen Hand, in der man sonst nur das Ruder oder das Brandweinglas erblickt, ist mit Gold bedeckt, er faselt noch von andern Dingen, die meinen Argwohn erregen -- Kerl!« wandte er sich drohend zu =Trip= zurück: »hast du schlechte Streiche getrieben, so nimm dich in Acht! Ich könnte dir den hanfenen Zwieback zu schmecken geben und, Sturm und Wetter! wenn du gar gestohlen hättest, so müßtest du baumeln ohne Gnade und Barmherzigkeit. Heraus mit der Sprache! Was hast du gethan, wo kommt das Geld her?« »Ehrlich erworbenes Geld, ehrlich erworbener Wachholder!« erwiederte =Peter=, der jetzt seinen Entschluß genommen hatte, mit größerer Ruhe. »Ich habe geschworen, von der Sache nichts auszuplaudern, aber wenn Ihr sie zu wissen begehrt, so muß ich sie sagen, denn Ihr seyd mein Herr und Herrendienst geht vor Gottesdienst. Kurz und gut, ich habe einen Kranken nach =Leyden= gefahren in dieser Nacht! =Clas Rycke= war auch dabei und sein Boot mußte über den Spiegel gleiten, wie die fliegenden Fische über das Meer von =Java=. Der kranke junge Mensch war so zufrieden damit, daß er sich nicht rührte und regte und der Professor, der uns gedungen, lobte uns sehr und lachte immer vergnügt in sich hinein.« »Was für ein Professor?« forschte =Jansen= weiter. »Wie nannte er sich?« »Wie er sich nannte?« versetzte, seine Mütze verlegen hin und her rückend, =Peter=. »Genau weiß ich's nicht mehr. =Hasenfuß= oder =Hasenkopf=: eins von Beiden!« »=Hazenbrook!=« fiel ungeduldig =Cornelius= ein. »Wahrhaftig!« sagte im dummen Erstaunen der Matrose. »Ihr wißt's besser, als ich, und waret doch nicht dabei!« »=Hazenbrook!=« wiederholte Herr =Jan=. »So wahr ich lebe, das ist derselbe Professor, der, als ich mit Heern =van Vlieten= das Letztemal am Haven spazieren ging, ihn durchaus überreden wollte, er solle sich nach seinem Tode als eine egyptische Mumie einsalzen lassen.« »=Cleliens= Räuber!« rief in heftiger Bewegung =Cornelius=. »Nur still, nur ruhig!« ermahnte der Capitän. »Wir werden bald Land sehen. Ihr müßt mir nur durch Euer Gerede und Gelärm den Burschen nicht verblüffen. Sprich weiter, =Trip=!« kehrte er sich wieder zu diesem. »Wie sah der kranke junge Mensch aus? War er zart und schmächtig?« =Peter= sann ein Weilchen nach. Dann antwortete er in treuherzigem Tone: »Wahrhaftig, Capitän, das kann ich Euch nicht so genau sagen! Die Nachtmütze saß ihm tief auf die Nase herab und der Pelz hüllte ihn bis über's Kinn ein. Der Professor lehnte sich auch immer so über ihn hin, daß man wenig von ihm sehen konnte. Aber als wir mit Tagesanbruch in =Leyden= hielten, kam mir die Nase spitz und roth vor und ein stachlichter Bart trat über den Pelz heraus.« »So war es =Clelia= nicht!« sagte der Junker, der sich in der Hoffnung, eine Spur der Geliebten zu finden, unangenehm getäuscht sah. »Ein junger Mensch mit einer rothen Nase und einem stachelichten Barte?« hob im Tone des Argwohns und der Erwägung =Jansen= auf's Neue an. »Wo habt Ihr sie denn eingenommen, Eueren jungen Menschen und Eueren Professor?« Das war eine Frage, deren Beantwortung =Peter Trip= gern vermieden hätte. Sie konnte weiter führen und den Capitän mit seinen Rettungsversuchen während des Brandes, die =Hazenbrook= ganz richtig als Bemühungen für den eigenen Seckel bezeichnet hatte, bekannt machen. Aber er fürchtete die Strenge seines Herrn und hatte nicht den Muth ihn zu belügen. »Ei, dort!« erwiederte er mit gedämpfter Stimme und zeigte nach dem =van Vlietenschen= Wohnhause. »An einer Hinterthüre. Der Professor brachte den ohnmächtigen Kranken herab. Er hatte recht seine Last mit ihm. Wir mußten versprechen, nichts zu verrathen, so ging's fort und wir schmuggelten die Passagiere glücklich an der Havenwache vorbei.« »Während des Brandes?« fragte hastig =Jansen=. »Gleich zu Anfang,« lautete die Antwort. »Es war Alles still dort. Niemand hat uns gesehen.« »Blixen, mir geht ein Licht auf!« fuhr Herr =Jan= mit einemmale aus seiner gewöhnlichen Ruhe empor. »Der Kranke war kein anderer als Myn Heer =van Vlieten= und der verdammte Professor hat ihn entführt, um ihn auf egyptische Art einzumachen. Aber das soll ihm übel bekommen, dem Menschendieb! Ich laufe zum Bürgermeister, ich lasse mir gerichtliche Vollmacht geben, ich will sehen, ob ein dicker und angesehener Bewindhebber von =Rotterdam= von einem solchen egyptischen Seeräuber ungestraft aus seiner eigenen Stube gestohlen werden darf!« Was er gehört hatte, war hinreichend seinen Zorn zu entflammen. Er drängte sich rasch durch die versammelten Neugierigen und richtete seine Schritte nach dem Hause des Bürgermeisters. In der Person des Herrn =Tobias= schien ihm der ganze Handelsstand von =Rotterdam= schwer beleidigt. Er selbst wollte noch an diesem Abende die Reise nach =Leyden= antreten, um dort unter gerichtlichem Beistande den alten Freund, mit dem er doch manche Schaale Thee im Prinzen-Collegium getrunken, wenn es noch möglich sey, von dem schmählichen Schicksale des »Einmachens« zu retten. Dieses war ein großer Entschluß für einen Mann, der so sehr an ein ruhiges, gemächliches Leben gewöhnt war, wie Herr =van Daalen=: aber welche mächtige Hebel hatten auch mit einemmale seine Seele ergriffen? Es war die =Rache=, die er früher noch nie gekannt, die -- Hoffnung, die ihn neu belebte! »Fort, fort!« rief auch =Cornelius=, als der Alte kaum den Rücken gewandt hatte. »Beim Degen des großen =Marlborough=, dieser =Hazenbrook= ist ein entsetzlicher Mensch! Er läßt die Tochter entführen, während er selbst den Vater raubt. Welche schrecklichen Absichten lauern unter der Hülle dieses Geheimnisses? Ich will sie zerreißen, zerhauen mit dem Degen, wenn es seyn muß. Komm mit, =Jansen=! Meine Pferde sind gesattelt. In drei Stunden sind wir in =Leyden=. Nassau und Oranien! Ich will den Professor und der Professor soll mich kennen lernen.« »Meinetwegen!« versetzte =Jansen=. »Ich bin ein schlechter Reiter und wenn ich den Hals breche, hast du es auf dem Gewissen. Aber ich habe dir versprochen, dich nicht allein in der tollen Geschichte stecken zu lassen und mein Wort halte ich. Du,« rief er, schon im Fortgehen, nach =Peter Trip= hin, der sich bereits mit dem Gedanken schmeichelte, von seinem gestrengen Gebieter vergessen worden zu seyn, »du trollst dich im Augenblicke auf die =Syrene= und wenn du sie eher verlässest, als ich wiederkomme, so soll dir des Bootsmanns Ruderstange um den Kopf wirbeln, daß du deine Dukaten für Kopfstücke ansiehest und dir die Wachholderlust auf lange hin vergeht!« Die beiden Freunde schritten eilig der nicht weit entlegenen Wohnung des Herrn =van Daalen= zu. =Peter Trip= schlug taumelnd den Weg nach der Gegend des Havens ein, wo die =Syrene= vor Anker zu liegen pflegte. 10. »_Obiit!_ Er hat vollendet! Kein Odemzug mehr, kein Herzschlag!« sagte der Professor =Eobanus Hazenbrook= und bemühete sich, eine Thräne aus dem trockenen Auge zu pressen. Er stand in seinem kleinen Schlafzimmer an dem Lager, auf dem, seit der am frühen Morgen erfolgten Ankunft in =Leyden=, Herr =Tobias van Vlieten= in fortdauernder Bewußtlosigkeit geruhet hatte. Vergebens hatte der Professor dem Leidenden stärkende Tropfen eingeflößt, vergebens alle Mittel erschöpft, die, jedem äußeren Merkmale nach, gänzlich erschlafften Lebenskräfte zu heben. Das Aechzen des Kranken war von Stunde zu Stunde schwächer geworden, jetzt hatte es ganz aufgehört. »Das ist das Werk des Doctor =Mauritius=!« sprach =Hazenbrook=, sich selbst über den Gewissenszweifel beruhigen wollend, daß die nächtliche Reise den Tod des Patienten veranlaßt oder beschleunigt habe. »Rindfleisch und Rheinwein! Es heißt eine Feuersbrunst mit Pech und Schwefel löschen, wenn man solche Dinge in ein schon erhitztes und erregtes Blut wirft. Da liegt er nun starr und todt -- geschlachtet von dem verrückten Leichendoctor! Aber ich will aus ihm selbst ihm ein Mausoleum bereiten, zu dem die staunende Nachwelt wallfahrten soll, wie zu einem wunderthätigen Heiligenbilde. Jetzt erst ist er mein. _Habeo Themistoclem!_« Er schwieg und sah mit einem milden Lächeln in das Antlitz und die noch offenen Augen des Liegenden. »Freilich,« hob er nach einer ziemlichen Pause wieder an, »könnte es Ignoranten geben, die da meinen möchten, diese Augen seyen noch nicht eigentlich gebrochen und das leise Zucken in den Wimpern verrathe eine Lebensspur. Aber haben sie die Natur in ihre geheimsten Gänge verfolgt, wie der Professor =Eobanus Hazenbrook=? Die erstarrende Ader zuckt noch, allein es ist nicht das Leben, das sie bewegt. So zappeln auch noch die Glieder der todten Schlange, der man den Kopf abgeschnitten, das Bein, das man der Spinne abgerissen hat. Es sind die letzten Regungen des zurückgebliebenen Leibes, an denen die geschiedene Seele keinen Theil hat. Meinen Scharfblick täuscht nichts, meine Erfahrung hat sich in tausend Fällen bewährt!« Was man wünscht, das glaubt man gern. So ging es auch dem Professor. Nichts schien mehr der Erfüllung seines heißesten Wunsches entgegenzustehen. Den =Tobias= hatte er nur geliebt in der Hoffnung auf seinen Tod: was Wunder, daß er sich jetzt dem freudigen Glauben hingab, diese Hoffnung sey nun in Wirklichkeit übergegangen? Aber sein in Freude überschwellendes Gefühl war es eben, was diesesmal seinen Verstand betrog und seinen ärztlichen Blick trübte. Herr =van Vlieten= war keineswegs todt, wie =Hazenbrook= mit Sicherheit wähnte. Im Gegentheile bereitete gerade jetzt eine Crisis im Innern die schleunige fast wunderbare Genesung des Kranken vor. Er lag im Starrkrampfe. Er hatte Alles gesehen, Alles gehört, was mit ihm vorgegangen war. Er sah noch in diesem Augenblicke den Professor mit dem schmunzelnden Einbalsamirungslächeln auf dem Gesichte, er vernahm aus seinem Munde die Erklärung, daß er -- der Lebende nun gestorben sey und sich demnächst selbst, als irgend ein egyptischer Mumienkönig, zum verewigten Denkmale gesetzt werden solle. Entsetzliche Lage! Er wollte schreien, aber die Kehle war ihm wie zugeschnürt, die Zunge versagte ihm jeden Dienst. Er wollte sich bewegen, wüthend um sich schlagen; seine Glieder waren starr, unvermögend zu der geringsten Thätigkeit. Und immer stand der Professor vor ihm mit dem gräßlichen Lächeln, mit dem Ausdrucke innigen Wohlgefallens an der vermeinten Leiche! Wie ward ihm aber gar, als nun =Hazenbrook= seinen vertrauten Diener rief und mit dessen Hülfe ihn eine breite Treppe hinauf in einen hochgewölbten Saal trug, wo ihn allenthalben schauerliche Sinnbilder des Todes angrins'ten! Es war das anatomische Theater. Der Professor genoß einer freien Wohnung im Universitätsgebäude und hielt es für das Rathsamste, sein Einbalsamirungsgeschäft im Zergliederungssaale, der während der Ferienzeit ihm vollkommene Verborgenheit gewährte, zu beginnen. Der starre Körper des Herrn =Tobias= war von den beiden Männern auf eine große Tafel niedergelegt worden. Jetzt sah er freilich nichts mehr von den Gerippen, die in einzelnen Nischen des Saales aufgestellt waren, von den Zergliederungs- und Amputations-Apparaten an den Wänden, die er für Marterwerkzeuge gehalten hatte. Sein starrer Blick haftete an der gewölbten Decke. Durch die Fenster in dieser schien der Mond, schimmerten die Sterne herab. Da dachte er: ich sehe noch den Himmel und seine schönen Lichter und bin dennoch gestorben, ich kann noch denken und mich sehnen nach meinem lieben Kinde, das ich durch allzu große Strenge von mir getrieben, und sie heißen mich doch schon den seligen =Tobias=! Die Wehmuth trat ihm an's Herz. Es war ihm, als müsse er weinen, wie ein Kind, aber auch die Thränen hielt der Krampf gefesselt. Indessen durchschritt der Professor seelenvergnügt den Schauplatz seiner Heldenthaten. Er hatte den Diener fortgeschickt. Seine Blicke ruheten bald behaglich auf irgend einem wohlgelungenen Präparat, bald auf einem seltsamen Monstrum, deren mehrere gut erhalten und ausgestopft in dem Gemache standen; immer aber kehrten sie doch mit dem Ausdrucke einer vollkommenen Zufriedenheit, eines Wohlwollens, das mit jedem Augenblicke stieg, nach dem großen Secirungstische zurück, auf dem Herr =van Vlieten= die Sternlein und den lieben Mond beäugelte. Mitternacht war nahe. =Hazenbrook= ahnete nicht, daß der Glockenschlag dieser verhängnißvollen Stunde ihn mit einemmale von dem Gipfel seiner Freude, aus dem Paradiesgarten seiner, wie er wähnte, erfüllten Hoffnungen schleudern würde. -- An einem der Stadtthore von =Leyden= fand während dieser Zeit eine Scene statt, die mit den bedeutendsten Verhältnissen unserer Geschichte in einer zu innigen Beziehung steht, als daß wir ihrer nur leichthin gedenken dürften. Ein bedeckter und verschlossener Wagen fuhr langsam über die Zugbrücke und durch das geöffnete Thor. Die zwei Pferde, welche ihn zogen, schienen sehr ermüdet und mußten sowohl durch die Peitschenschläge ihres Führers, wie durch die ermunternden Zureden eines nebenreitenden Begleiters bewogen werden, ihren matten Schritt fortzusetzen. Ein anderer Begleiter hielt indessen bei der Thorwache, um deren pflichtmäßige Erkundigungen zu beantworten und ohne daß er zwei hinter ihm haltender Reiter, die im scharfen Trabe nachgekommen waren, sonderlich geachtet hätte. Er schien sehr eilig und verdrießlich über den nothgedrungenen Aufenthalt. »Zum Professor =Hazenbrook=! _Cadédis!_ Wie oft soll ich es wiederholen!« rief er ungeduldig nach der Wache hin, indem er dem langsam fortkriechenden Fuhrwerke folgte. »Bramsegel und Backbord!« flüsterte einer der beiden später anlangenden Reiter seinem Gefährten zu. »Wir segeln mit gutem Winde. Dieser _Cadédis_ ist einer von den zwei Spitzbuben, die ich dir auf der Syrene nachgeführt, und ich will nie wieder einen Anker auswerfen oder ein Segel hißen lassen, wenn in dem neumodischen Kasten, den sie eine Kutsche nennen, nicht Jungfer =Clötje= und =Herrmanneke's= Braut, die holdselige =Philippintje=, sitzen!« »Bei dem Ruhme Oraniens! Ich glaube es selbst;« erwiederte =Cornelius=, der mit seinem Freunde den sechsstündigen Weg von =Rotterdam= nach =Leyden= in Sturmeseile zurückgelegt hatte. »Wir müssen die Spur verfolgen. Hier werden sich alle Räthsel lösen, hier werde ich endlich meinen seltsamen Feind, den Professor =Hazenbrook=, von Angesicht zu Angesicht kennen lernen.« Er sprang vom Pferde; =Jansen= folgte seinem Beispiele. Die militärischen Abzeichen, welche =Cornelius= trug, machten jede weitere Erörterung mit der Wache überflüßig. Während sie zu Fuß die schneckenartig sich fortbewegende Kutsche erreichten, blieben die Pferde bei der Thorwache zurück. Das Herz des Junkers =van Daalen= pochte in stürmischer Unruhe! Seine Blicke hingen an dem Wagen, sie hätten die dünne Scheidewand, die ihn von der wahrscheinlich wiedergefundenen Geliebten trennte, durchbohren mögen. Die Schritte der beiden Freunde waren leise, jetzt waren sie dem Wagen ganz nahe, jetzt schwangen sie sich von einem gemeinsamen Gedanken ergriffen im nämlichen Augenblick auf das breite Hinterbrett der schwerfälligen Kutsche, das zum Tragen der Reisekisten bestimmt war. Niemand hatte sie bemerkt. Die Begleiter des Wagens ritten langsam vor diesem her und ahneten nicht, was sich hinter ihrem Rücken begab. =Jansen= lachte mit unterdrücktem Kichern in sich hinein, während =Cornelius= lauschte, ob er nicht etwa =Cleliens= theuere Stimme im Inneren des Wagens vernehmen könne. Seine Mühe war eitel; das Rasseln der Kutsche auf dem Steinpflaster verschlang jeden anderen Ton. Durch viele Straßen waren sie schon gekommen und das Licht des Mondes hätte die beiden Freunde leicht verrathen können, wenn es einem von den Reitern eingefallen wäre, zurückzubleiben und die Lage der Dinge zu untersuchen. Aber sie waren ihrem Ziele zu nahe, um noch irgend eine Gefahr zu befürchten. Sie plauderten sorglos von der Ueberraschung des Professors, der einen solchen Besuch um Mitternacht gewiß nicht erwarten würde. Endlich hielt die Kutsche vor einem großen steinernen Gebäude. Einer der Reitenden stieg ab und öffnete mit einem Schlüssel, den er bei sich führte. Mit einem dumpfen Getöse fuhr der Wagen in ein dunkeles Gewölbe. Das Thor schloß sich hinter ihm. »Wir sind gefangen!« flüsterte =Jansen= nach =Cornelius= hin. »Wir haben Waffen;« entgegnete leise dieser. »Ich muß doch den Alten erst vorbereiten;« sagte in vernehmlichem Tone jetzt derjenige der zwei Begleiter, der bereits den Boden betreten hatte. =Cornelius= erkannte ihn an der Stimme. Es war der junge Mann, der damals in dem ländlichen Gehöfe zu den saumseligen Maasregeln gerathen, welche des Junkers Flucht mit den beiden Frauen begünstigten. »Er arbeitet noch oben im Saale, denn es ist Licht dort,« sprach er weiter. »Führe du indessen die Pferde zum Stalle, =Le Vaillant=! Der Wagen bleibt bis zu meiner Rückkehr ruhig an Ort und Stelle.« Alles geschah nach der Angabe des Fortschreitenden. Er schien ermüdet. Seine langsamen Schritte dröhnten im Wiederhalle von der steinernen Treppe herab, die er hinaufging. Ringsum herrschte völlige Dunkelheit. =Cornelius= und =Jansen= schlichen vor zum Kutschenschlage. Der Führer des Wagens war auf seinem Sitze fest eingeschlafen. =Jansen= bewachte ihn; der zurückgebliebene Begleiter hatte die Pferde nach dem Hintergrunde eines geräumig scheinenden Hofes geführt. »=Clelia!=« sprach leise, aber im Tone der innigsten Liebe, der Hoffnung und Furcht, =Cornelius= durch die Ritze der Ledervorhänge in das Innere der Kutsche. »=Cornelius!=« antwortete eine Stimme, deren Ton ihn mit Entzücken erfüllte. Im nächsten Augenblicke war der Schlag geöffnet. =Clelia= sank zitternd an die Brust ihres Freundes. Laute unmelodische Odemzüge verriethen die Anwesenheit =Philippintje's=, aber auch zugleich, daß sie sich in demselben Zustande befand, wie der Rosselenker auf dem Bocke. »Hinauf, hinan!« sagte hastig =Jansen=, indem er den frei gebliebenen Arm =Cleliens= ergriff. »Immer den Schritten des Schelmen nach, die uns den Weg weisen sollen. Wir müssen dem Feind auf den Leib rücken, wir müssen an sein Bord. Ich ahne, daß wir oben eine Person finden, der unsere Gegenwart leicht noch erwünschter kommen dürfte, als der Jungfrau =Clötje=.« Während der furchtlose Seemann sich hastig an dem Geländer der in das obere Stock führenden Treppe fortgriff, suchte =Cornelius= mit dem Freunde gleichen Schritt zu halten. =Clelia= schwebte, von den kräftigen Armen der zwei eilenden Männer unterstützt, mehr durch den dunkelen Raum aufwärts, als daß sie sich ihrer Füße zu bedienen brauchte. Man erreichte einen ebenen Boden. Ganz nahe war man jetzt den hallenden Tritten des Vorangegangenen. =Clelia= und ihre Begleiter blieben stehen. Sie hielten den Odem an, sie lauschten. Auch derjenige, dem sie gefolgt waren, hatte seine Schritte gehemmt. Er klopfte jetzt an eine Thüre, er nannte seinen Namen: =La Paix=. =Jansen= drängte =Clelien= und seinen Freund vor, dem Sprechenden so nahe, daß sie das Rauschen seines Mantels an der Wand vernehmen konnten. Da öffnete sich die Thüre, ein Lichtglanz strömte heraus, ein schwarz gekleideter Mann erschien in ihr und breitete die Arme dem Eintretenden entgegen, mit den Worten: »_Salve_, Musenkindlein! Du kommst zur guten Stunde: _habeo Themistoclem_!« Aber im nämlichen Augenblicke drang auch =Jansen= mit =Cornelius= und =Clelien= dem betroffenen Studenten nach in den hellen Saal, im nämlichen Augenblicke hob der Hammer der Glocke des Universitätsgebäudes, die sich gerade über dem anatomischen Theater befand, aus zum ersten Schlage der Mitternachtsstunde, er dröhnte schwirrend über den Häuptern der seltsam Versammelten hin, das Glockenspiel in der Uhr fing an das damals eben neu aufgekommene Lied: =Prinz Eugenius, der edle Ritter=, zu spielen und -- siehe! der Starrkrampf des Herrn =van Vlieten= war gelöst, die schlummernde Lebenskraft schien nur einer solchen Anregung von Außen geharrt zu haben, um, nach der glücklich vollendeten Crisis, wieder frei und frisch in die Wirklichkeit zu treten. Noch wandte der Professor, den fremden Besuch anstaunend, ihm den Rücken. Als aber =Hazenbrook= sich umkehrte, als die Uebrigen ihm auf dem Fuße in das Gemach folgten, da stand schon Herr =Tobias= mitten im Saale, umwallt von dem weiten Pelze, der durch seines Herrn Sprung von der Tafel in eine flatternde Bewegung gerathen war. =Hazenbrook= verlor die Sprache und sank in einen Sessel, die beiden Freunde betrachteten mit Befremdung die wunderliche Umgebung, die Skelette und Mißgeburten, die ausgestopften Thiere und seltsamen Werkzeuge an den Wänden, deren Bedeutung ihnen unbekannt war. Nur =Clelia= hatte für nichts anderes Augen, als den schwer gekränkten, schwer beleidigten Vater. Sie ahnete nicht das Spiel des Zufalls, das sie hier mit ihm zusammenführte, sie wußte ja nicht anders, als daß sie auf seinen Befehl hierher gebracht worden sey, sie mußte glauben, daß er sie absichtlich hier erwarte. Sie warf sich ihm zu Füßen, ihre Thränen flossen und mit bebender, flehender Stimme sagte sie: »O verzeihet mir, mein Vater, daß ich mich so arg an Euch versündigt! Ihr habt großes Recht mir zu zürnen, mich zu strafen, so hart Ihr wollt, aber schenkt mir dann auch Euere Vergebung, schenkt mir Euere Liebe wieder!« Ein Ausdruck von Milde zeigte sich in dem Antlitze des Herrn =van Vlieten=, als er auf die Tochter niedersah. Dann fuhren seine Blicke wild im Kreise umher. Sie trafen auf =Hazenbrook=. Er schauderte zurück, als habe er einen Basilisken erblickt. »Ich verzeihe dir,« stieß er hastig heraus, »ich verzeihe dem =Cornelius=, ich verzeihe Allen, aber =dem= verzeihe ich nicht, dem schändlichen Menschenräuber, dem satanischen Mumien-Professor! Fort von hier im Augenblicke! Die Luft hier ist vergiftet und die Gerippe starren mich an, als wollten sie mich begrüßen als ihren guten Freund und Gevattersmann. Ich ersticke hier! Ich muß ins Freie, in ein anderes Haus.« Er schritt mit einer Eile und Festigkeit nach der Thüre, die augenscheinlich die völlige Rückkehr seiner Kräfte erwiesen. =Jansen= riß ein Licht an sich und eilte voraus. Von =Cornelius= geführt folgte =Clelia= dem versöhnten Vater. So leicht hatte sie nicht gehofft, seine Verzeihung zu erhalten, so bald hatte sie noch weniger geahnt, ihn dem jungen Manne, dem ihre Liebe gehörte, geneigt zu sehen. Wie ein schöner Traum dünkte sie Alles. Sie sah wohl ein, daß in dessen Hintergrunde ein Räthsel stehe, welchem sie die günstige Wendung ihres Schicksals verdanke, aber sie vermochte es nicht zu erklären und gab sich auch lieber der Wirklichkeit hin, die sie klar und freundlich ansprach. =La Paix= sandte den Forteilenden einen staunenden und fragenden Blick nach, der deutlich sagte, daß er von Allem, was eben unter seinen Augen vorgegangen war, nichts begreife. Er konnte ihre Entfernung nicht verhindern, wenn er auch gewollt hätte. Der Zustand des Professors erheischte seine ganze Sorgfalt. Jungfrau =Philippintje= hatte indessen im Innern der haltenden Kutsche ihr Schläfchen fortgesetzt. Sie erwachte erst von dem Schein der Kerze, mit der =Jansen= in den Wagen leuchtete. Ihr Blick fiel auf Herrn =van Vlieten=. Sie sah den strengen Brodherrn im wohlbekannten Schlafpelze, sie glaubte sich in der heimathlichen Wohnung zu =Rotterdam=, sie schrie laut auf und wollte sich aus dem Wagen stürzen. »Ruhig!« gebot der Capitän und schob sie unsanft in die Kutsche zurück. Verstummend schmiegte sie sich in einen Winkel. Sie sah, wie Herr =Tobias= einstieg, ein Zittern ergriff sie, als sie die Nähe des Gebieters, der dicht neben ihr Platz nahm, fühlte. =Clelia= folgte dem Vater. Der milde Strahl des Friedens, der aus ihrem Auge und Antlitze leuchtete, drang tröstlich in =Philippintje's= Herz. Während =Jansen= den schweren Riegel am Thore zurückschob und dieses öffnete, hatte =Cornelius= den noch immer schlafenden Kutscher erweckt und ihm in einem Tone, der keinen Widerspruch zuließ, angedeutet, den Wagen augenblicklich umzuwenden und nach dem besten Gasthause zu fahren. Der Mann war noch schlaftrunken. Er glaubte einen seiner bisherigen Herrn vor sich zu sehen und gehorchte ohne Umstände. »_Cadédis!_ Was hat das zu bedeuten?« rief =Le Vaillant=, als er von seinem Geschäfte, das ihn in den Hintergebäuden des Hofes gehalten hatte, zurückkehrte und beim Lichte der von =Jansen= am Boden zurückgelassenen Kerze den Thorweg offen, den Wagen verschwunden sah. Er stürmte die Treppe hinauf. Er hoffte oben bei =La Paix= und dem Professor Aufschluß zu erhalten. Als er aber den Saal betrat, herrschte hier eine Stille, wie im Grabe. Er fand =Hazenbrook= bleich und kraftlos in den Armen seines Freundes =La Paix=. * * * * * Die schönen Hoffnungen, welche den Liebenden diese Mitternachtsstunde gebracht hatte, wurden erfüllt. In der Frühe des nächsten Tages langte auch Herr =Jan van Daalen= mit gerichtlichen Vollmachten an, die nun überflüßig geworden waren. =Cleliens= Vater erwachte erst am Abend aus einem tiefen und stärkenden Schlafe. Es bedurfte nur weniger Hin- und Herrede zwischen den beiden alten Herrn, um den bisherigen dicksten Mann von =Rotterdam= zu überzeugen, daß er, nach dem erlittenen Brandschaden, den Ruhm jenes Vorzuges mit Herrn =van Daalen= theilen müsse. Dieser Ueberzeugung folgte die Einwilligung des Herrn =Tobias= in das Glück der beiden Kinder. Alles kam nun zur Erklärung: die Leidensgeschichte =van Vlietens=, die Doppel-Entführung =Cleliens= und =Philippintje's=, die Zartheit und Ehrfurcht, mit welcher sie von den Studenten behandelt worden waren! »Der fatale =Schiwa=! Er ist an allem Unglücke schuld;« seufzte =Tobias=. »Gesegnet sey der =Schiwa=!« flüsterte, die blinzelnden Augen auf =Clelien= richtend, Herr =van Daalen= für sich hin. Um jedem übelen Leumunde auszuweichen, wurde beschlossen, die Hochzeit ganz in der Stille hier in =Leyden= zu feiern. Alles sollte so schnell, als möglich abgemacht werden und bis dahin die ganze Gesellschaft, wie sie sich zusammen befand, ruhig an Ort und Stelle bleiben. Schon acht Tage später erschien für =Clelien= und =Cornelius= der glücklichste Tag ihres Lebens. Frau =Beckje= war zugegen und half ihn feiern; =Herrmanneke=, der Bootsmann, aber hatte die Einladung, die =Philippintje= heimlich an ihn ergehen lassen, ausgeschlagen, indem er sich entschuldigt: bei den vornehmen Leuten dürfe er keinen Tabak rauchen und seine Pfeife sey ihm lieber, als eine Hochzeit nebst Frau und Kindern. Von diesem Augenblicke an schwor die Hausjungfer, den Treulosen ganz und gar zu vergessen und der reichen Belohnung, die sie von =Cornelius= zu erwarten hatte, sich allein, im friedlichen Jungfrauenstande, zu erfreuen. =Hazenbrook= erlebte diesen Tag nicht. Ein Schlagfluß hatte ihn in jener mitternächtlichen Stunde getroffen. Er starb wenige Tage darauf, in den Armen seiner Schüler, an den Folgen seiner vereitelten Hoffnungen. =Le Vaillant= und =La Paix= vollendeten ihre Studien und kehrten in ihr Vaterland zurück. Der Zufall wollte, daß sie, als sie kaum die Grenze hinter sich hatten, unter einer Gauklerbande die schöne =Juliane=, die sie einst auf dem =lustigen Freier von Rotterdam= gekannt, wiederfanden. Das Schiff ihres Vaters war von einem französischen Fahrzeuge genommen worden, Capitän =Jonas= an den im Gefechte erhaltenen Wunden gestorben. Sie wurde als eine gute Beute mit nach Frankreich geführt und widmete sich bald einer Lebensart, die mit ihren Neigungen vollkommen übereinstimmte. Uebrigens blieben die Abentheuer des Herrn =van Vlieten= und die Gefahr, welche er gelaufen hatte, bei lebendigem Leibe einbalsamirt zu werden, nicht verschwiegen. Bis an sein Lebensende behielt er den Beinamen der =Mumie von Rotterdam=. In demselben Verlage sind folgende empfehlenswerthe Bücher erschienen: Bilder aus England. Von Adrian. Zwei Theile mit 6 Kupfern. Geheftet Thlr. 3. 12 ggr. oder fl. 6. Die =Hallische=, =Jenaische= und =Leipziger Literatur-Zeitungen=, das =Berliner Conversationsblatt=, die =Blätter für literarische Unterhaltung=, =Hesperus= u. A. haben sich über dieses Werk auf das Vortheilhafteste ausgesprochen. Das ausgezeichnete Darsteller-Talent, die leichte, lebendige Schilderungsgabe des Verfassers, der reizende Wechsel der Gegenstände, das Interesse, das den Leser vom Anfang bis zum Ende fesselt, und der elegante Styl sowie die Wahl der Gegenstände, die treue, stets aus dem Leben gegriffene Darstellung des anziehenden Landes, in welches uns der Verfasser einführt, in welchem er uns heimisch macht, die liebenswürdigen und wunderlichen Charaktere, mit welchen er verkehrt und die er so treffend schildert, -- alles das sind Vorzüge, welche die eben so unterhaltenden, als lehrreichen =Bilder aus England= auszeichnen und ihnen in gebildeten Kreisen einen so großen Beifall gewonnen haben. =Inhalt des ersten Theils=: 1) Calais. 2) Das Dampfboot. 3) Dover. 4) Reise nach London. 5) Ankunft in London. 6) Wohnungen. 7) Der Morgen. 8) Der Abend. 9) Die Nacht. 10) London im Frühling und im Herbste. 11) Die Kaufläden. 12) Die Londnerinnen. 13) Spaziergang in London. 14) Vauxhall. 15) Das Gesinde. 16) Die Matrosen. 17) Franzosen und Engländer. 18) Die öffentlichen Wagen. 19) Szenen vor Gericht. 20) Nachtszenen in den Straßen von London. 21) Das Spätjahr. 22) Die Westminster Abtei. 23) Die Theater. 24) Die Londner Brücke. =Inhalt des zweiten Theils=: 1) Der St. Valentins-Tag. 2) Der erste Mai. 3) Ein Sonntag in England. 4) Ein Nachmittag zu Hampton Court. 5) Der Greis in Dulwich College. 6) Der Alterthümler. 7) Thomas Marshal, Esq. 8) Ausflug nach Norfolk. 9) Herr North. 10) Die Dichterhalle. 11) Der geheimnißvolle Wagen. 12) Die Kunst in London. 13) Das Tunnel. 14) Ueberfahrt nach Boulogne. =Anhang=: I. Vauxhall-Gesänge. II. Valentines. In ganz ähnlichem Geiste verfaßt, und die Resultate einer neuen Reise des Herrn Professor =Adrian= nach England, sind die unter der Presse befindlichen Skizzen aus England, von Adrian, welche eine Fortsetzung der Bilder aus England bilden und noch im Laufe dieses Jahrs erscheinen werden. Phantasiegemälde für 1830. =Von= _Dr._ =Georg Döring=. Mit einem Titelkupfer von =Fleischmann=. Cartonirt Thlr. 1. 12 gr. oder fl. 2. 45 kr. So wie der Verfasser dieses Werkes, das sich nun schon seit einer Reihe von Jahren der Theilnahme des gebildeten Publikums erfreuen darf, in früheren Jahrgängen oft mit kühnem und kräftigem Pinsel das Leben und die Natur unter fremden Zonen, wahr und lebensfrisch, dargestellt hat, so malt er in diesem Jahrgange mit gleich lebendigen und treffenden Farben das Leben unserer höheren geselligen Kreise, mit seinen anziehenden Gestalten und seinen abstossenden Zerrbildern, mit seinem blendenden Glanze und seinen entstellenden Flecken. Dabei wird ein friedliches und freundliches Gemüthsleben nicht vernachlässigt, in das wir aus jenem rauschenden, täuschenden Treiben gern eintreten. Die anziehende Darstellungsgabe des Verfassers ist zu bekannt, als daß wir ihrer noch besonders zu gedenken brauchten. Napoleon durch sich selbst gerichtet. Von J. Weitzel. 12. Geheftet 16 gr. oder fl. 1. 12 kr. Der uns längst durch die Tiefe, die Kraft und den Freimuth seines sachkundigen Urtheils bewährte Verfasser dieser Schrift, ließ die Lobspender und die Schmäher vorerst in hellen Haufen vorüberziehen, bevor er das sprechende Bild des so viel besprochenen und so wirre beurtheilten Napoleon, wie es, den Hauptzügen seines Thuns und seiner Aeußerung nach, im treuen Spiegel der Geschichte sich zeigt, aufstellte, und aus verschiedenen neuen Gesichtspunkten es betrachten lehrte. So steht er, mit ernster Beobachtung, an der Seite des noch für Wahrheit und Menschenrecht begeisterten =Jünglings=, wie er eine Preis-Aufgabe bearbeitet; so sucht er den =Mann= auf in dem Kreise seiner Familie und folgt ihm auf seiner weltgeschichtlichen Heldenbahn, mit lebendiger Farbengebung die ergreifende Erscheinung der persönlichen Nähe des =Kaisers= vergegenwärtigend, welche dem Verfasser selbst, unter verschiedenen Verhältnissen und Umständen, zu verschiedenen Zeiten, geworden. Friedemann und die Seinen, oder das Gottesreich auf Erden. Ein Familienbuch zur Veredlung des häuslichen und bürgerlichen Lebens. Von G. A. Gruner. 4 Theile. gr. 12. Geheftet. Thlr. 3. 8 gr. oder fl. 6. Der Zweck erheiternder Unterhaltung ist kein unverdienstlicher in unserer Zeit. Es ist erfreulich, daß die Schrift, welche wir hiermit im größeren Kreise zur Kunde bringen, diesen Zweck, nach dem einstimmigen Zeugnisse der nicht Wenigen, in deren Händen sie sich bereits befindet, in den verschiedensten Familien schon erreicht hat. Es ist erfreulich um des weiteren und höheren Zieles willen, welches ihr aufgestellt ist. Sie will die Schönheit des Christenthums durch die wahre und unverkünstelte Darstellung eines häuslichen Lebens in allen Ständen der bürgerlichen Gesellschaft, das ein tieferes und gehaltreicheres ist, als das gewöhnliche, wie es aber gar wohl überall gelebt werden könnte, in einem Lichte zeigen, welches das Wort des abgezogenen Begriffes nicht zu geben vermag. =Erzählungen= von J. =Schopenhauer=. Acht Theile. =Zweite wohlfeilere Ausgabe.= Auf Velinpap. Rthlr. 10. 20 ggr. oder fl. 19. 24 kr. Auf Druckpap. Rthlr. 8. od. fl. 14. =Inhalt=: Frühlingsliebe. -- Der Günstling. -- Haß und Liebe. -- Die Reise nach Flandern. -- Sommerliebe. -- Leontine und Natalie. -- Claire. -- Der Schnee. -- Die erste Liebe. -- Anton Solario. -- Die Freunde. -- Josebeth. -- Die Brunnengäste. -- Die arme Margareth. -- Der Balkon. -- Der Blumenstrauß. Washington Irving's sämmtliche Werke. 32.-40. Bändchen. =Die Eroberung Granada's.= 6 Bändchen. 12. Geheftet. Auf =weißem Druckvelin= Rthlr. 1. oder fl. 1. 48 kr. Auf ordinärem Druckpapier 16 gr. oder fl. 1. 12. kr. -- =Humoristische Geschichte von New-York.= 3 Bändchen. 12. Geheftet. Auf =weißem Druckvelin= 12 gr. oder 54 kr. Auf ordinärem Druckpapier 8 gr. oder 36 kr. Catullus. Uebersetzt von =Konrad Schwenk=. gr. 12. Geheftet. Auf geglättetem Velin- und weißem Druckpapier. Liste der vorgenommenen Korrekturen Seite 6, »Hangmatte« durch »Hangematte« ersetzt (Der scheint auch dem hold belebenden Genever so lange zugesprochen zu haben, bis er den Gang am Havenbassin für seine Hangematte angesehen und sich unbekümmert hingelegt hat zum Schlafe, aus dem ihn ein unruhiger Traum in den ewigen befördern kann.) Seite 10, Fragezeichen am Satzende durch Punkt ersetzt (Deshalb läßt ihn der Capitän immer daheim, damit er im Gewölbe die Kisten und Ballen verwahre, die für die nächste Fahrt eingebracht werden.) Seite 12, »Bies-Bosch« durch »Biesbosch« ersetzt (Es giebt dann auch wohl Gelegenheit, Euere Bratspieße auf die Dons zu versuchen, denn, wie es heißt, so treiben sie die Frechheit so weit, ihre Flagge im =Biesbosch= und im =Diep= blicken zu lassen.) Seite 27, »schäckernd« durch »schäkernd« ersetzt (=Juliane= schob das Instrument bei Seite und, nachdem sie schäkernd den jungen Mann zum Sitzen genöthigt, öffnete sie ein Schränkchen ...) Seite 32, »hingegegeben« durch »hingegeben« ersetzt (... um keine Schätze der Welt hätte =La Paix= diese Augenblicke hingegeben!) Seite 48, »Herrmaneke« durch »Herrmanneke« ersetzt (=Herrmanneke= war der erste an Bord Gekommene, welcher die Stille unterbrach.) Seite 53, »am Bord« durch »an Bord« ersetzt (=Le Vaillant= und =La Paix= mußten sehen, wie =Cornelius= hastig an Bord der =Syrene= stieg, ...) Seite 54, »Blicken« durch »Blicke« ersetzt (Noch einige Minuten lang konnten die scharfsichtigen Blicke der Leydener Studenten sie erreichen.) Seite 62, »Bootsman« durch »Bootsmann« ersetzt (Der Bootsmann besitzt ein treffliches, stärkendes Elixir.) Seite 81, Apostroph hinter »besitzt« entfernt (O, er besitzt Ueberredungskünste, mit denen er nur zu leicht ein unerfahrenes Mädchenherz bezwingt!) Seite 85, »Mislauten« durch »Mißlauten« ersetzt (eine Sackpfeife und eine Geige, die sich in den schreiendsten Mißlauten zu überbieten suchten.) Seite 92, »sassen« durch »saßen« ersetzt (In ähnlicher Beschäftigung und Haltung saßen in einem Halbkreise ihre Freundinnen und Nachbarinnen ihr zur Seite.) Seite 93, »zn« durch »zu« ersetzt (Im Uebrigen schien sich die ganze Gesellschaft sehr behaglich zu fühlen.) Seite 95, »Augenhölen« durch »Augenhöhlen« ersetzt (Sie hatte das treue Haupt nach ihrer ehemaligen Herrin hingewendet und sah diese aus den lichtlosen Augenhöhlen ebenso geistreich an, ...) Seite 94, »sassen« durch »saßen« ersetzt (Beide saßen in einem Winkel der Küche auf einer umgestürzten Tonne und hatten einen ungeheueren Bierkrug zwischen sich.) Seite 97, »ganze Anführungszeichen« innerhalb der wörtlichen Rede durch >halbe Guillemets< ersetzt (»Ich war des ledigen Standes müde und wollte nun selbander das Glück der Jugend genießen, denn: >es ist nicht gut, daß du allein seyst,< und: >Er schuf ein Männlein und ein Fräulein;< sagt die Schrift.) Seite 105, »eingepöckelt« durch »eingepökelt« ersetzt (»Ich möchte sie nicht, und wenn sie in Zucker und Caffee eingepökelt wäre!« sagte der unfeine Seemann.) Seite 110, »nichs« durch »nichts« ersetzt (Eine Frau, die das Rauchen nicht ertragen könne, wäre ein für allemal nichts für ihn, meinte er.) Seite 115, »Gescogner« durch »Gascogner« ersetzt (»_Sandis!_« fuhr der junge Gascogner fort, ohne seines Gefährten Rede zu beachten.) Seite 116, »ein« durch »eine« ersetzt (Welcher Mensch, außer ihm, käme in der weiten Welt auf die wunderbare Idee, aus einem Rotterdammer Theekaufmann eine egyptische Mumie, einen Pharao und Sesostris zu machen?) Seite 117, »edle« durch »edler« ersetzt (Es sind neunundvierzig oder einundfünfzig, denn unser edler Capitän zählt nur eins.) Seite 118, fehlendes Anführungszeichen vor »Ich« ergänzt (»_Corbleu!_« fuhr sein Freund auf. »Ich ersuche dich, in solchen Ausdrücken von dir allein zu sprechen.) Seite 124, »mir« durch »wir« ersetzt (Einem solchen Ausbruche geht dann immer ein Zustand der Schwermuth, der Beängstigung, einer kaum zu ertragenden Niedergeschlagenheit voran, wie ungefähr Derjenige, in dem wir uns jetzt befinden.) Seite 124, »wir« durch »mir« ersetzt (So kommt Ihr zum Beispiel, treffliche Mademoiselle, mir in diesem Augenblicke einigermaßen wie die heidnische Zauberin =Circe= vor.) Seite 130, »Bersekerwuth« durch »Berserkerwuth« ersetzt (Nicht alle waren ihr unterworfen gewesen, nur einzelne, und man hatte dieses Uebel die Berserkerwuth genannt.) Seite 137, »das« durch »daß« ersetzt (Ein Blick über den Schiffsrand belehrte sie, daß ein Boot schon losgemacht sey, ...) Seite 140, fehlenden Punkt ergänzt (»Alberne Bedenklichkeiten!« rief sein Freund.) Seite 140, »erorbern« durch »erobern« ersetzt (_Cadédis!_ Wir wollen dieses Land im Sturm erobern, du und ich, und wenn es von unzählichen Morästen und Canälen geschützt wäre.) Seite 144, »Mislaut« durch »Mißlaut« ersetzt (Sie schien ihm ein schreiender Mißlaut in seinen Kummer.) Seite 148, »Misgeschicks« durch »Mißgeschicks« ersetzt (Aber =Eobanus= sah schon klar den Grund seines Mißgeschicks, er erkannte, daß seine eigene Vergessenheit ihn in die unangenehme Lage gebracht hatte, in der er sich befand.) Seite 149, »naßen« durch »nassen« ersetzt (Das Unternehmen war mißlich, er konnte einen gefährlichen Fall auf den nassen Boden thun.) Seite 154, »treflichen« durch »trefflichen« sowie »jungendlichen« durch »jugendlichen« ersetzt (..., wo er trunken vor Entzücken sogleich alle Keime einer trefflichen Mumie, die seine Kunst zur Entwicklung und Reife bringen könne, in ihm erkannt, wo das süße Feuer der jugendlichen Liebe ihn wonniglich durchströmt und er selbst sich gleich mit hoher Betheuerung gelobt:) Seite 157, »war« durch »wahr« ersetzt (»So wahr ich =Peter Trip= heiße und ihr mich frei haltet am heutigen Morgen!«) Seite 159, »vortreflicher« durch »vortrefflicher« ersetzt (... oder =Le Vaillant=, der ein vortrefflicher Fechter war, ...) Seite 172, fehlendes schließendes Anführungszeichen ergänzt (»Laßt mich in Frieden!« entgegnete unwillig =Tobias=.) Seite 174, »nnd« durch »und« ersetzt (Den zwei magern Pferden, welche ihn zogen, sah man die Ermüdung und das Bedürfniß, bei gutem Futter im warmen Stalle die verlorenen Kräfte wiederzuersetzen, an.) Seite 202, »Schwert« durch »Schwerdt« ersetzt (... und du solltest sehen, daß keiner vermag vor =Le Vaillant's= Schwerdt zu bestehen!) Seite 204, »rüstige« durch »rüstigen« ersetzt (Die fünfzig rüstigen Bauernhände, die dem Schelm jetzt zu Gebote stehen, werden dir die Lust dazu schon vertreiben.) Seite 207, »uud« durch »und« ersetzt (Die drei Reisenden waren =Cornelius= und seine Begleiterinnen.) Seite 208, »ganze Anführungszeichen« innerhalb der wörtlichen Rede durch >halbe Guillemets< ersetzt (>Du sollst Eltern und Heimath verlassen, du sollst ihm folgen über Land und Meer,< sagt die Schrift.) Seite 213, »Herrmannek's« durch »Herrmanneke's« ersetzt (Auf einer wüsten Insel, selbst ohne die Gesellschaft =Herrmanneke's=, wäre sie in diesem Augenblicke lieber gewesen, als hier, ...) Seite 217, »Vertheidigungspuncte« durch »Vertheidigungspunkte« ersetzt (Die Geschütze beider Vertheidigungspunkte donnerten in mächtiger Vereinigung.) Seite 220, »dunkele« durch »dunkelen« ersetzt (Schon wurden die dunkelen Gestalten der Verfolger am äußeren Rande der Vertiefung sichtbar, ...) Seite 221, »finsteru« durch »finstern« ersetzt (Ueber eine Viertelstunde weit mochten sie in dem finstern Höhlenschlund vorwärts gedrungen seyn, ...) Seite 261, fehlendes schließendes Anführungszeichen ergänzt (... und konnte nicht müde werden, dem lieblichen Klange zuzuhören.«) Seite 262, »widerholte« durch »wiederholte« ersetzt (»=Clelia, Clelia!=« wiederholte er schreiend.) Seite 269, »Hermanneke« durch »Herrmanneke« ersetzt (=Herrmanneke= ließ die Hand mit der Pfeife aus dem Munde sinken.) Seite 269, fehlenden Punkt am Satzende ergänzt (Er blickte schüchtern umher, dann sah er bedenklich den Junker an.) Seite 280, »Zähnklappern« durch »Zähneklappern« ersetzt (Der Druck im Kopfe schmerzte ihn sehr, Hitze wechselte mit Frost, aber er lachte unter Zähneklappern und sagte seinem alten Geschäftsführer, ...) Seite 283, »auempfahl« durch »anempfahl« ersetzt (... welchem Herr =van Vlieten= mit schwacher, aber ruhiger Stimme anempfahl, ...) Seite 293, »ein« durch »eine« ersetzt (Das Dämmerlicht, das aus dem Krankenzimmer hinter ihm herleuchtete, fiel auf eine offene Thüre gerade gegenüber.) Seite 300, »meniger« durch »weniger« ersetzt (Das ist noch das tollste von allen tollen Ereignissen, die ich im Laufe weniger Tage erlebt habe.) Seite 307, »Mnth« durch »Muth« ersetzt (Aber er fürchtete die Strenge seines Herrn und hatte nicht den Muth ihn zu belügen.) Seite 309, überflüssiges Anführungszeichen am Satzende entfernt (Es war die =Rache=, die er früher noch nie gekannt, die -- Hoffnung, die ihn neu belebte!) Seite 311, »Bewußtloßigkeit« durch »Bewußtlosigkeit« ersetzt (Er stand in seinem kleinen Schlafzimmer an dem Lager, auf dem, seit der am frühen Morgen erfolgten Ankunft in =Leyden=, Herr =Tobias van Vlieten= in fortdauernder Bewußtlosigkeit geruhet hatte.) Seite 314, »vollommene« durch »vollkommene« und »Zergliederungssale« durch »Zergliederungssaale« ersetzt (Der Professor genoß einer freien Wohnung im Universitätsgebäude und hielt es für das Rathsamste, sein Einbalsamirungsgeschäft im Zergliederungssaale, der während der Ferienzeit ihm vollkommene Verborgenheit gewährte, zu beginnen.) Seite 315, »Sales« durch »Saales« ersetzt (Jetzt sah er freilich nichts mehr von den Gerippen, die in einzelnen Nischen des Saales aufgestellt waren, von den Zergliederungs- und Amputations-Apparaten an den Wänden, die er für Marterwerkzeuge gehalten hatte.) Seite 315, »dacht« durch »dachte« ersetzt (Da dachte er: ich sehe noch den Himmel und seine schönen Lichter ...) Seite 317, »Hermanneke's« durch »Herrmanneke's« ersetzt (... und ich will nie wieder einen Anker auswerfen oder ein Segel hißen lassen, wenn in dem neumodischen Kasten, den sie eine Kutsche nennen, nicht Jungfer =Clötje= und =Herrmanneke's= Braut, die holdselige =Philippintje=, sitzen!) Seite 318, »durchboren« durch »durchbohren« ersetzt (Seine Blicke hingen an dem Wagen, sie hätten die dünne Scheidewand, die ihn von der wahrscheinlich wiedergefundenen Geliebten trennte, durchbohren mögen.) Seite 318, »schwerfältigen« durch »schwerfälligen« ersetzt (..., jetzt schwangen sie sich von einem gemeinsamen Gedanken ergriffen im nämlichen Augenblick auf das breite Hinterbrett der schwerfälligen Kutsche, das zum Tragen der Reisekisten bestimmt war.) Seite 323, »Themistcolem« durch »Themistoclem« ersetzt (»_Salve_, Musenkindlein! Du kommst zur guten Stunde: _habeo Themistoclem_!«) Seite 324, »Misgeburten« durch »Mißgeburten« ersetzt (=Hazenbrook= verlor die Sprache und sank in einen Sessel, die beiden Freunde betrachteten mit Befremdung die wunderliche Umgebung, die Skelette und Mißgeburten, die ausgestopften Thiere und seltsamen Werkzeuge an den Wänden, deren Bedeutung ihnen unbekannt war.) Seite 327, Komma hinter »Friedens« ergänzt (Der milde Strahl des Friedens, der aus ihrem Auge und Antlitze leuchtete, drang tröstlich in =Philippintje's= Herz.) Seite 327, »augenblicklch« durch »augenblicklich« ersetzt (..., den Wagen augenblicklich umzuwenden und nach dem besten Gasthause zu fahren.) Seite 329, »nnd« durch »und« ersetzt (..., die Doppel-Entführung =Cleliens= und =Philippintje's=, ...) Seite 333, »Dampfbot« durch »Dampfboot« ersetzt (in der Buchempfehlung »Bilder aus England« von Adrian) End of the Project Gutenberg EBook of Die Mumie von Rotterdam, Zweiter Theil, by Georg Döring *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE MUMIE VON ROTTERDAM *** ***** This file should be named 46778-8.txt or 46778-8.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/4/6/7/7/46778/ Produced by Martin Oswald and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Print project.) Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial redistribution. *** START: FULL LICENSE *** THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free distribution of electronic works, by using or distributing this work (or any other work associated in any way with the phrase "Project Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg-tm License available with this file or online at www.gutenberg.org/license. Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm electronic works 1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the terms of this license and intellectual property (trademark/copyright) agreement. 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Newby Chief Executive and Director [email protected] Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. 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Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For forty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.