The Project Gutenberg eBook of Die evangelische Kirche im Jahrhundert der Reformation
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Title: Die evangelische Kirche im Jahrhundert der Reformation
Author: Georg Buchwald
Release date: December 10, 2025 [eBook #77435]
Language: German
Original publication: Leipzig: Bernhard Richter's Buchhandlung, 1901
Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE EVANGELISCHE KIRCHE IM JAHRHUNDERT DER REFORMATION ***
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Anmerkungen zur Transkription.
Das Original ist in Fraktur gesetzt. Schreibweise und Interpunktion des
Originaltextes wurden übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler
sind stillschweigend korrigiert worden.
Die Korrekturen nach dem Vorwort zur 2. Auflage wurden eingearbeitet.
Worte in Antiqua sind so +gekennzeichnet+, gesperrte so ~gesperrt~,
=fett gedruckte= so und _kursive_ so.
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D. Georg Buchwald,
Die evangelische Kirche
im Jahrhundert der Reformation.
[Illustration]
Die
evangelische Kirche
im
Jahrhundert der Reformation.
[Illustration]
Dargestellt und herausgegeben
im Auftrage des
Evangelisch-Lutherischen Landeskonsistoriums
des
Königreichs Sachsen
von
+D.+ Georg Buchwald
Pfarrer an der Nordkirche zu Leipzig.
~Zweite Auflage.~
(6.-10. Tausend.)
Leipzig 1901
_Bernhard_ Richter's Buchhandlung.
Vorwort.
Durch das Hohe Evangelisch-Lutherische Landeskonsistorium des
Königreichs Sachsen veranlaßt, hat der Verfasser versucht, in
schlichter Form und unter vielfacher Beschränkung ein Bild der
evangelischen Kirche im Jahrhundert der Reformation für Schule und
Gemeinde zu geben. Das Leben und Wirken Luthers mußte in dieser
Darstellung den größten Raum einnehmen. Möge das Büchlein dazu dienen,
die Liebe und Treue zu unserer evangelischen Kirche zu stärken!
Dem Hohen Evangelisch-Lutherischen Landeskonsistorium sei auch
an dieser Stelle für alle freundliche Förderung gedankt! Die
Verlagshandlung hat sich durch die vorzügliche Ausstattung um das
Büchlein außerordentlich verdient gemacht.
~Leipzig~,
am 26. Februar 1901. Georg Buchwald.
Vorwort zur zweiten Auflage.
Wenige Tage, nachdem die erste in der Höhe von 5000 Exemplaren
gedruckte Auflage erschienen war, machte sich bereits der Neudruck des
vorliegenden Buches nötig. Wir hoffen darin ein Zeichen zu erblicken,
daß die Ausgabe des Buches einem Bedürfnis unseres evangelischen Volkes
entgegenkam.
Besonders erfreulich erscheint es uns, daß eine Reihe von
Lehrerseminaren das Buch für ihren gesamten Cötus bestellten.
Möge es weit hinausziehen und freundliche Aufnahme in Kirche, Schule
und Haus finden.
~Leipzig~,
den 19. März 1901. Georg Buchwald.
~Man bittet zu verbessern~: S. 9 Z. 3. wie der Hirsch schreiet
nach -- Z. 14: 1501. -- S. 18 Abs. 1 Z. 2: 1512. -- S. 102 Z. 6.
wollten.
Inhalt.
Seite
Einleitung 1
Erster Abschnitt.
Was Gott durch +D.+ Martin Luther gethan hat.
1. Von Luthers Eltern und wie es unserm Reformator in seiner
Kindheit ergangen ist 4
2. Der Student und der Klosterbruder oder: Wie Luther Frieden
sucht 9
3. Der Wittenberger Professor oder: Wie Luther den Frieden fand 14
4. Kampf und Sieg.
+a+) Der Ablaßhandel 20
+b+) Luther schlägt die 95 Thesen an 23
+c+) Der Sieg des Gebannten 30
5. Was Luther dem deutschen Volke geschenkt hat.
+a+) Die deutsche Bibel 37
+b+) Das deutsche Gesangbuch 42
+c+) Der deutsche Katechismus 48
6. Luther gegen den Aufruhr 53
7. Das Augsburgische Glaubensbekenntnis und die »Apologie« 57
8. Einig und stark 66
9. Ein Tag im Hause Luthers 69
10. Luthers Freunde 74
11. Luthers seliger Heimgang 79
Zweiter Abschnitt.
Die Väter der reformierten Kirche.
1. Huldreich Zwingli 85
2. Johann Calvin 91
Dritter Abschnitt.
Der Siegeszug des Evangeliums im Jahrhundert
der Reformation.
1. Deutschland 94
2. Die habsburgischen Lande 97
3. Die Niederlande 99
4. Der Norden Europas 100
5. Großbritannien und Irland 101
6. Frankreich 102
7. Italien und Spanien 105
Vierter Abschnitt.
Aus der Geschichte der evangelischen Kirche bis zum Ende
des Reformationsjahrhunderts.
1. Der schmalkaldische Krieg 106
2. Das Interim 110
3. Endlich Friede 112
4. Das »Eintrachtsbuch« 114
5. Berühmte Prediger, gläubige Dichter und fromme Künstler des
Jahrhunderts der Reformation 116
Schlußwort 126
[Illustration]
Nachdruck verboten!
Übersetzungsrecht vorbehalten!
Gott Zebaoth, wende dich doch, schaue vom
Himmel, und siehe an und suche heim diesen
Weinstock und halte ihn im Bau, den deine
Rechte gepflanzet hat und den du dir
festiglich erwählet hast!
(Psalm 80, 15. 16.)
Einleitung.
Wenn zur Zeit vor der Reformation Christus einmal durch die
Christengemeinden unseres großen Vaterlandes gewandelt wäre, hätten ihm
gewiß oft die Thränen in den Augen gestanden wie damals, als er auf
seine liebe Stadt Jerusalem schaute, die nicht bedenken wollte, was
zu ihrem Frieden diente. Was war aus der Kirche, aus ihren Wächtern,
Dienern und Hirten geworden? Was hatte man aus dem Gotteswort, wie es
einst der Heiland verkündet, was hatte man aus der Predigt der Apostel
gemacht?
Nicht als der treue Heiland, nicht als der gute Hirte, nicht als der
Mittler, in dem allein unser Friede und Trost im Leben und im Sterben
ruht, wurde Christus den Leuten gepredigt. Er war der strenge Richter.
Wer von seinem harten Urteilsspruch verschont bleiben wollte, mußte
seine Zuflucht zu Maria und anderen Heiligen nehmen.
Aber lehrte denn Gottes Wort nichts Anderes von Christus? Ja, wenn man
nur auf den Kanzeln Gottes Wort verkündigt hätte! Aber statt das teure,
lautere Evangelium zu predigen, erzählte man in der Kirche allerlei
Heiligengeschichten und Legenden -- »Lügenden« pflegt sie unser Luther
zu nennen.
Und wie wenig stimmte des Papstes Herrlichkeit und Macht mit dem Bilde
Christi und seiner Apostel überein! Zwar sagte der Papst, er sei der
Nachfolger des Apostel Petrus, ja sogar der sichtbare Stellvertreter
Christi auf Erden. Christus freilich hatte eine Dornenkrone getragen
und gesagt: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt« (Joh. 18, 36). Der
Papst aber trug eine dreifache Krone, nicht von Dornen, sondern von
purem Golde mit Edelsteinen besetzt. Damit wollte er andeuten, daß
seine Macht nicht nur über die Erde, sondern auch bis in den Himmel und
bis ins »Fegefeuer« reiche. Der Papst und seine Bischöfe waren reiche
Leute, und Kirchen und Klöster strotzten von Gold und Silber. Des
Menschen Sohn aber hatte nichts gehabt, wohin er sein Haupt legte, und
seinen Jüngern befahl der Herr: »Ihr sollt nicht Gold noch Silber noch
Erz in euern Gürteln haben« (Matth. 10, 9). Wer den Papst besuchte,
mußte ihm zum Zeichen tiefster Ehrerbietung die Füße küssen. Christus
aber hatte seinen Jüngern die Füße gewaschen und dann gesprochen: »Ein
Beispiel habe ich euch gegeben, daß ihr thut, wie ich euch gethan habe«
(Joh. 13, 15).
Unser Heiland sandte seine Jünger aus, das Evangelium zu predigen. Sie
sollten den Menschen den höchsten und wichtigsten Dienst leisten: ihre
Seelen dem Herrn zuführen. Wer ihn gefunden hat, der hat Frieden und
einen Zugang zum Vater. Damals aber hatten sich die Priester zwischen
Gott und die Christenseele gedrängt. Nur wer dem Priester oder der
Kirche gehorchte, wer that, was diese ihm befahlen, der konnte zu Gott
kommen und selig werden. Christus aber hatte gesagt: »Ich bin der Weg
und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch
mich« (Joh. 14, 6).
Was müssen das für herrliche Stunden gewesen sein, wenn sich die Leute
um den großen Prediger Jesus Christus sammelten und er erzählte von
seinem himmlischen Vater und vom Reiche Gottes! Da blieb keine Seele
ohne Speise von oben her, wenn sie sich nur nicht der köstlichen Rede
des Heilands verschloß. Wie manches Auge strahlte da von Friede und
Freude, weil das Herz es erfahren: Sei getrost, deine Sünden sind dir
vergeben! Und jetzt stand ein Priester in prächtigem Gewande vor dem
Altar und redete in einer fremden Sprache, und, kam einer, wie der
Zöllner im Tempel und hätte gern Frieden gefunden am Herzen Gottes, so
wies der Beichtiger ihn nicht zum Kreuze, da Gottes Lamm der Welt Sünde
getragen, sondern legte ihm allerlei Bußübungen auf. Es war vergessen,
was der Apostel Paulus schreibt: »Der Gerechte wird seines Glaubens
leben« (Gal. 3, 11) und: »So halten wir es nun, daß der Mensch gerecht
werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben« (Röm. 3, 28).
Christus ist selbst der fleißigste Arbeiter gewesen. Wie hat ein
Paulus gearbeitet -- bei Tage das Evangelium predigend und dann bis
in die Nacht hinein durch seiner Hände Arbeit das tägliche Brot
verdienend! Jetzt aber sagte man: Der Mönch, der mit dem Bettelsack
auf der Schulter die Straße auf und ab zieht und Gaben für das Kloster
zusammenträgt, ist ein viel trefflicherer Mann und gilt vor Gott mehr
als ein Vater, der sich's für Weib und Kinder sauer werden läßt. Und
die Nonne, die in ihrer Zelle sitzt oder in der Kirche fromme Lieder
singt, kann stolz herabsehen auf die Mutter, die vom frühen Morgen bis
zum späten Abend auf das Wohl ihrer Kinder bedacht ist und mit treuer
Sorge ihr Haus in Ordnung hält.
Wohl hatte mancher fromme Mann darum getrauert, daß die Kirche nicht
mehr das war, was sie einst in den Zeiten der Apostel gewesen. Wohl
waren Stimmen laut geworden, die auf die Heilige Schrift wiesen und
aufforderten, zur Schlichtheit der alten Kirche zurückzukehren. Aber
immer war es dem Papst und seinen Bischöfen gelungen, solche Männer auf
die Seite zu schieben und derartige Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Zu Tausenden haben die biederen Waldenser auf dem Scheiterhaufen das
Leben für ihren Glauben gelassen und im Jahre 1415 erlitt Johann Huß
den Feuertod.
Aber trotzdem schauten gläubige Herzen hoffnungsfreudig in die Zukunft.
Der Herr hatte es ja selbst verheißen: »Ich bin bei euch alle Tage bis
an der Welt Ende!« (Matth. 28, 20). Und was vermag der Feinde Macht und
List, wenn der Herr auf dem Plan ist! »Himmel und Erde werden vergehen,
aber meine Worte vergehen nicht!« (Luk. 21, 33). So mußte doch die Zeit
kommen, wo der Herr sich seiner Kirche erbarmen und Gottes Wort, jetzt
verfolgt und unterdrückt, wieder lauter und rein verkündet werden würde.
[Illustration]
[Illustration]
Ich würdige vollauf den reichen Segen,
welcher für unsere teure evangelische Kirche
davon ausgehen kann, daß ihre Glieder aller
Orten an das große Erbe und die edlen Güter
erinnert werden, welche Gott der Herr
durch die Reformation uns beschert hat.
Kaiser Wilhelm I.
Erster Abschnitt.
Was Gott durch +D.+ Martin Luther gethan hat.
[Illustration]
1. Von Luthers Eltern und wie es unserm Reformator
in seiner Kindheit ergangen ist.
Armer Leute Söhne müssen sich aus dem
Staube arbeiten, müssen viel leiden. Und weil
sie nichts haben, darauf sie können stolzieren
und pochen, lernen sie Gott vertrauen,
drücken sich und schweigen still.
Luther.
Wenn sich Gott für eine große Arbeit in seinem Reiche ein Rüstzeug
erwählt, pflegt er nicht nach Reichtum oder Macht oder Ehre zu fragen.
Wen er zu einer großen Aufgabe beruft, dem schenkt er auch die nötigen
Gaben. Den König David hat er von den Herden weggeholt. Der Apostel
Petrus legte sein Fischernetz beiseite, um dem Herrn zu folgen. Und
der Mann, den Gott zum Reformator der Kirche ausersah, bekannte von
sich: »Ich bin eines Bauern Sohn, mein Vater, Großvater und Ahn sind
rechte Bauern gewesen.« Es mag ein gar kümmerliches Leben gewesen sein,
das Vater Hans Luther mit seiner Ehefrau Margarethe in dem Dörfchen
Möhra, zwischen Eisenach und Salzungen gelegen, geführt haben. Nach
altem Landesbrauch war der väterliche Bauernhof dem jüngsten Bruder
zugefallen. Die älteren hinterlassenen Söhne mußten sehen, wie sie
durch fleißige Arbeit in fremder Leute Dienst sich ihr Brot verdienten.
Da der blühende Bergbau guten Lohn verhieß, wandte sich Hans Luther
diesem zu und zog nach Eisleben.
In der Langen Gasse zu Eisleben zeigt man noch heute das Haus, in dem
am 10. November 1483 Nachts zwischen elf und zwölf Uhr Hans Luther und
seiner Frau das erste Knäblein geboren wurde. Man wartete damals nicht
lange mit der heiligen Taufe. Schon am nächsten Tag wurde das Kind in
der nahen Peterskirche getauft. Weil aber für diesen Tag im Kalender
der Name des heiligen Martinus steht, erhielt der kleine Luther den
Namen Martin.
[Illustration: Luthers Geburtshaus.]
Luther war sechs Monate alt, als die Eltern mit ihm nach Mansfeld
zogen. Der Vater hoffte dort lohnendere Arbeit zu finden. Allezeit
hat unser Luther mit herzlicher Dankbarkeit an Vater und Mutter
zurückgedacht. »Meine Eltern,« sagt er einmal, »sind erstlich arm
gewesen; mein Vater war ein armer Häuer und die Mutter hat ihr Holz
auf dem Rücken getragen, damit sie uns Kinder erzogen haben. Sie haben
sich's lassen blutsauer werden.« In diesem Hause ist kein Kind verzogen
worden. Aber bei aller strengen Zucht herrschte herzliche Liebe. Recht
wenig Freundlichkeit aber scheint in der Schule zu Mansfeld gewohnt
zu haben. Der Lehrer hat den kleinen Martin einmal an einem Vormittag
fünfzehnmal hinter einander »gestrichen«.
[Illustration: Luthers Vater.]
Wie gern hätte Vater Luther etwas Ordentliches an sein Kind gewandt!
Aber woher die Mittel dazu nehmen? Doch dachte er, sollte nicht Gott,
der meinem Martin gute Geistesgaben verliehen hat, auch etwas Tüchtiges
aus ihm machen können? Es gab manchen armen Schüler, der von Haus zu
Haus zog, mit seinen Kameraden vor den Thüren ein Lied sang und dann
eine milde Gabe empfing. Wollte Martin einmal ein Gelehrter werden,
dann blieb ihm auch nichts anderes übrig. So hat er denn auch »das Brot
vor den Häusern genommen«, erst, seit dem Jahre 1497 in Magdeburg,
dann, vom folgenden Jahre ab, in Eisenach. In Eisenach aber hat Gott
den jungen Luther in ein wohlhabendes Kaufmannshaus geführt. Das ist
ihm zum zweiten Elternhaus geworden. Frau Ursula Cotta hatte schon
öfters den Knaben beobachtet in seinem Singen und herzlichen Beten. Der
arme Junge that ihr leid. In ihrem Hause war noch Platz genug. Darum
nahm sie ihn wie ein eigenes Kind zu sich. »Als er eine Zeit lang in
Eisenach,« so erzählt der Joachimsthaler Pfarrer und Freund Luthers,
Johann Mathesius, »auch vor den Thüren sein Brot ersang, nahm ihn
eine andächtige Matrone zu sich an ihren Tisch, dieweil sie um seines
Singens und herzlichen Gebets willen in der Kirche eine sehnliche
Zuneigung zu dem Knaben trug.« Das war eine Fügung Gottes. Nun lastete
nicht mehr der Druck der Armut und Sorge ums tägliche Brot auf dem
kindlichen Gemüt. Im freundlichen Hause der edlen Frau Cotta hat wohl
Martin erst die Freude der Erholung nach gethaner Arbeit recht kennen
gelernt. Hier konnte er nun auch mit ganzem Eifer lernen. Seinem braven
Eisenacher Lehrer ist er zeitlebens dankbar gewesen. Der Magister
Trebonius -- so hieß er -- war nicht nur ein grundgelehrter Mann,
sondern auch ein freundlicher Lehrer. Kam er ins Schulzimmer, nahm er
sein Barett ab und grüßte die Kinder; denn, sagte er, ich kann nicht
wissen, ob unter ihnen ein zukünftiger Ratsherr, Bürgermeister oder
Kardinal ist. Nach alledem verstehen wir, warum Luther Eisenach seine
»liebe Stadt« nennt.
[Illustration: Luthers Mutter.]
[Illustration: Schule Luthers in Mansfeld.]
[Illustration: Eisenach mit der Wartburg.]
2. Der Student und der Klosterbruder= oder: Wie Luther
Frieden sucht.
Wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, so
schreiet meine Seele, Gott, zu dir.
Psalm 42, 2.
[Illustration: Lutherhaus in Eisenach.]
Nicht ohne Wehmut ist Luther aus dem Cotta'schen Hause geschieden. Wie
viel Liebe hatte er dort gefunden! Wollte er aber seinem Ziele weiter
zustreben, so mußte er die Eisenacher Georgsschule mit der Universität
vertauschen. Das benachbarte Erfurt hatte eine berühmte Hochschule. Im
Jahre 1501 trat Luther in die Schar der Erfurter Studenten ein. Was
aber die meisten Universitätslehrer trieben und lehrten, wollte dem
jungen Studenten nicht sonderlich behagen. Seine Seele brauchte Speise.
Solche reichte ihm niemand dar. Trotzdem studierte und lernte Luther
fleißiger als die meisten seiner Kameraden und hielt sich getreulich
an seinen Spruch »Fleißig gebetet ist über die Hälfte studiert.« Aber
recht froh ist er dabei nicht geworden. Oft wurde seine Seele von einem
tiefen Weh und einem schmerzlichen Sehnen ergriffen. Sein Herz suchte
etwas und er konnte sich selbst nicht sagen, was dies wäre. Später
ist's ihm immer deutlicher geworden: es war das Verlangen nach einem
gnädigen Gott, die Sehnsucht nach Seelenfrieden. Er konnte ihn erst
finden, als er in der Heiligen Schrift studiert und seinen Heiland
gefunden hatte. Jenes ungestillte Sehnen und dazu die rastlose Arbeit
warfen den Jüngling aufs Krankenlager. Damals hat ihn ein ehrwürdiger
Greis mit den prophetischen Worten aufgerichtet: »Seid getrost! Ihr
werdet dieses Lagers nicht sterben, sondern unser Herr Gott wird noch
einen großen Mann aus euch machen, der viele Leute trösten wird. Denn
wen Gott lieb hat, dem legt er zeitlich das heilige Kreuz auf, in
welchem geduldige Leute viel lernen!«
[Illustration: Erfurt.]
Einen ganz besonderen Freudentag hat aber Gott in jener Zeit dem
jungen Luther beschert. Das war der Tag, an dem er ihn in der
Universitätsbibliothek eine ganze lateinische Bibel finden ließ. »Da
vermerkt er mit großem Verwundern, daß viel mehr Texte, Episteln
und Evangelien darin wären, denn man pflegt in den gewöhnlichen
Predigtbüchern und auf den Kanzeln auszulegen. Wie er im Alten
Testament sich umsieht, kommt er über Samuelis und seiner Mutter Hanna
Geschichte. Die durchliest er eilend mit herzlicher Lust und Freude,
und, weil ihm das alles neu war, fängt er an von Grund seines Herzens
zu wünschen, unser getreuer Gott wolle ihm dermaleinst auch ein solch
eigen Buch bescheren.«
Schon war Luther »Magister« geworden. Das war eine hohe Gelehrtenwürde,
die die Universität nur fleißigen und tüchtigen Leuten verlieh. Der
Vater Luther war so erfreut und so stolz auf seinen Sohn, daß er ihn
jetzt nicht mehr »Du«, sondern »Ihr« nannte. Er sah schon seinen Martin
in Amt und Würden, etwa als den hochangesehenen, rechtsgelehrten Rat
des Landesherrn.
Es sollte aber ganz anders kommen, als der Vater dachte. Einst reiste
Martin in Begleitung eines Freundes in die Heimat. Nicht weit von
Erfurt stieß er sich bei einem Fehltritt die Waffe, die er nach
Studentensitte an der Seite trug, tief in den Schenkel. Das Blut konnte
kaum gestillt werden. Der Jüngling mußte ans Sterben denken. Wie, wenn
er plötzlich vor Gottes Richterstuhl gerufen würde! Tiefe Wehmut und
ernste Todesgedanken weckte in seiner Seele auch der plötzliche Tod
eines seiner Freunde. Endlich -- es war im Sommer 1505 -- wurde er
auf dem Wege von Mansfeld nach Erfurt von einem furchtbaren Gewitter
überrascht. Es war ihm, als sähe er im Blitz den Schrecken des jüngsten
Gerichts und hörte im Donner die Stimme des zornigen Weltenrichters.
In der Todesangst rang sich von Luthers Lippen das Gebet und Gelübde:
»Hilf, liebe heilige Anna, ich will ein Mönch werden!« Das Gelübde war
gethan. Der Entschluß war gefaßt. Im Kloster hoffte Luther zu finden,
wonach seine Seele hungerte und dürstete: Frieden mit seinem Gott!
Im Juli 1505 schlossen sich hinter dem jungen Magister die Pforten des
Augustinerklosters zu Erfurt. Nicht nur die Freunde trauerten um ihn.
Für den Vater war es ein schwerer Schlag. »Da ich ein Mönch ward,«
erzählt Luther, »war mein Vater übel zufrieden und wollte mir's nicht
gestatten und sagte mir alle Gunst und väterlichen Willen gar ab.«
Freundliche Aufnahme fand Luther im Kloster nicht. Gerade weil er so
ernst und gelehrt und mit dem Magistertitel geschmückt war, lud man ihm
die allerniedrigsten Arbeiten auf. Wenn er gern still in seiner Zelle
über den Büchern gesessen hätte, jagte man ihn hinaus. »Mit dem Sack
durch die Stadt!« hieß es. »Mit Betteln und nicht mit Studieren macht
man das Kloster reich!« Daß aber einer ihrer Magister im Mönchskittel
mit dem Bettelsack auf der Schulter durch Erfurts Straßen zog,
rechnete sich die Universität zur Schmach. Sie wandte sich deshalb an
Johann Staupitz, der allen Augustinerklöstern in Thüringen und Meißen
vorstand. Dessen Fürsprache hatte es Luther zu danken, daß man ihm
hinfort alle niedrigen Arbeiten und das Bettelngehen abnahm. Nun konnte
er ungestört in seiner Zelle studieren. Das liebste Buch aber war ihm
die Heilige Schrift. »Da ward ich,« sagt er selbst, »darinnen also
bekannt, daß ich wußte, wo ein jeglicher Spruch stand und zu finden
war, wenn davon geredet wurde.«
Wie jeder anderer Mönch, so mußte auch Luther ein Probejahr
durchmachen. Erst dann wurde er für immer Mönch und legte sein Gelübde
ab. Man hat gewiß damals keinen zweiten gefunden, der es mit seinen
Gelübden so genau nahm, wie unser Luther. »Wahr ist's,« bekennt er
selbst, »ein frommer Mönch bin ich gewesen und habe so streng meinen
Orden gehalten, daß ich's nicht sagen kann. Ist je ein Mönch gen Himmel
gekommen durch Möncherei, so wollte ich hineingekommen sein.«
Ein großer Ehrentag war's für Luther, als man ihn zum Priester weihte.
Da füllte sich das Kloster mit Gästen. Auch Vater Luther, dessen Arbeit
Gott in den letzten Jahren reich gesegnet hatte, kam »mit zwanzig
Pferden geritten«. Aber vergessen hatte er es doch nicht, daß sein
Martin wider den väterlichen Willen ins Kloster gegangen war. Als an
jenem Tage der Sohn frug: »Lieber Vater, warum habt ihr euch so hart
dawidergesetzt und waret also zornig, daß ihr mich nicht gerne einen
Mönch wolltet werden lassen?« antwortete Vater Luther mit vernehmlicher
Stimme, daß es auch die Nachbarn hörten: »Ihr Gelehrten habt ihr nicht
gelesen in der Heiligen Schrift, daß man Vater und Mutter ehren soll?«
Später hat's Luther eingesehen, daß der Vater ganz recht hatte.
[Illustration: Johann Staupitz.]
Aber es ist doch auch Gottes Fügung gewesen, daß Luther das
Klosterleben von Grund aus kennen lernte. Mitten im Mönchtum sollte er
es erfahren, daß römische Werke nicht zum Frieden führen können. Im
Kloster wollte Gott ihn von dem Wahn befreien, daß der Mensch durch
seine guten Werke gerecht zu werden vermöge. Luther sollte in die
tiefste Unzufriedenheit mit sich selbst geführt werden, sollte hungern
und dürsten lernen nach Gerechtigkeit und den Seufzer verstehen: »Ich
elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?«
(Röm. 7, 24). Nur einer, der das gelernt hatte, konnte mit solcher
Freude seinen Heiland ergreifen, wie es Luther gethan hat.
[Illustration]
3. Der Wittenberger Professor oder: Wie Luther den
Frieden fand.
Ich habe nun den Grund gefunden,
Der meinen Anker ewig hält.
Wo anders als in Jesu Wunden?
Da lag er vor der Zeit der Welt,
Der Grund, der unbeweglich steht,
Wenn Erd und Himmel untergeht.
J. A. Rothe.
Im Jahre 1502 hatte Kurfürst Friedrich der Weise die Universität
Wittenberg gegründet. Die Hochschule sollte ein Kleinod des
Sachsenlandes werden. Dazu brauchte sie vor allem tüchtige und fromme
Lehrer. Johann Staupitz hat bei der Berufung solcher Leute seinem
Landesherrn manchen guten Rat gegeben, er beste Rat aber war der, daß
er ihm empfahl, den jungen Magister Martin Luther von Erfurt nach
Wittenberg zu holen. Im Herbst 1508 siedelte denn auch Luther aus dem
Erfurter in das Wittenberger Augustinerkloster über.
[Illustration: Kurfürst Friedrich der Weise.]
Gern hätte der neue Professor im Mönchsgewande gleich von Anfang an
die Heilige Schrift seinen Vorlesungen zu Grunde gelegt. Aber weil er
dazu nach der Ordnung der Universität noch kein Recht hatte, wurde
er beauftragt, die Studenten in die mittelalterliche Weltweisheit
einzuführen. Dabei ist er selbst in der wichtigen Erkenntnis bestärkt
worden, daß auch die Weisheit der Welt nicht den Weg zur Seligkeit
zeigen kann.
Schon das Jahr darauf ist Luther -- wie das zuging, wissen wir nicht
-- wieder ins Erfurter Kloster versetzt worden. Er hat aber auch in
Erfurt seine Lehrthätigkeit an der Hochschule fortgesetzt. Wie fleißig
er in den Werken des alten Kirchenvaters Augustin und in den Schriften
der Kirchenlehrer des Mittelalters studiert hat, kann man in den
stattlichen Bänden sehen, die die Stadt Zwickau aufbewahrt. Da hat er
mit seiner feinen, aber festen Schrift die eigenen Gedanken an den Rand
geschrieben.
Von Erfurt ist Luther aber wieder nach Wittenberg zurückgekehrt,
freilich auf einem großen Umwege, nämlich über Rom. In seinem
Lebensgang ist das aber kein Umweg gewesen. Im Kloster hatte ihn Gott
gelehrt: »Die Werke helfen nimmermehr, sie mögen nicht behüten.« Die
Weisheit der Welt hatte er als Finsternis erkannt. In Rom sollte er
erfahren, daß auch am »allerheiligsten« Ort in der Nähe des »heiligen«
Vaters die Seele keinen Frieden finden kann. Das waren die Wege, die
Gott mit unserem Luther ging, um ihn zu der Erkenntnis zu führen: Die
Heilige Schrift allein zeigt den Weg zur Seligkeit. Der einzige Weg zur
Seligkeit ist Jesus Christus. Ihn ergreift allein der Glaube.
[Illustration: Älteste Handschrift Luthers (1509; aus einem Bande der
Zwickauer Ratsschulbibliothek).
(+Moritur beatus Augustinus Anno domini 433. Et nunc scilicet 1509.
fuit mortuus ad 1076. annos+ d. h. Es stirbt der selige Augustinus
im Jahre des Herrn 433 und ist jetzt, nämlich 1509 gegen 1076 Jahre
tot).]
Wie aber kam Luther nach Rom und was hat er in Rom erlebt? Johann
Staupitz war der Meinung, daß in den Augustinerklöstern Deutschlands
mancherlei anders werden mußte. Mit seinen Besserungsvorschlägen waren
aber nicht alle Klöster einverstanden. Da sollte der Papst selbst die
Entscheidung treffen und ein Machtwort sprechen. Ein Wittenberger
Doktor der Theologie, der früher selbst einem Augustinerkloster
vorgestanden hatte, wurde beauftragt, nach Rom zu reisen und dem Papst
die Angelegenheit zu unterbreiten. Luther sollte sein Begleiter sein.
Durch Thüringen, Bayern, Schwaben, Vorarlberg und Graubünden zogen die
beiden im Spätherbst des Jahres 1511 nach Mailand, von da über Florenz
nach Rom. Wenn heutzutage jemand nach Italien reist, bewundert er die
schneebedeckten Bergriesen, welche die deutschen von den welschen
Landen trennen, erquickt sich dann an der Lieblichkeit der fruchtbaren
italienischen Ebene und bewundert Schritt für Schritt die Denkmäler des
grauen Altertums, die prächtigen
[Illustration: Luther als Mönch.]
Kirchen und die reichen Kunstschätze. Luther reiste mit anderen
Gedanken. Sein ganzes Sinnen war auf das Seelenheil gerichtet. Ob er
nicht dessen in der Hauptstadt der Christenheit würde gewiß werden
können? Als Luther Rom zum ersten Male schaute, sank er in die Kniee,
erhob die Hände und sprach: »Sei mir gegrüßt, du heiliges Rom,
dreimal heilig von der Märtyrer Blut, das da vergossen ward!« Bei den
Augustinern fand er mit seinem Gefährten Aufnahme. Diesem lag die
Erledigung der geschäftlichen Angelegenheiten ob. Luther hatte Zeit,
sich in der Stadt umzusehen. Da lief er, wie er selbst erzählt, durch
alle Kirchen, betete, beichtete und las an manchem Altar die Messe.
Er hatte gedacht, in Rom müßten alle Leute recht fromm, die Priester
aber ganz besonders heilig sein. Zu seiner tiefen Betrübnis aber mußte
er wahrnehmen, daß das in Italien gebräuchliche Sprichwort: »Je näher
Rom, je ärger Christ!« die Wahrheit redete. Wenn nun Rom mit seinen
reichen Gnadenschätzen wirklich einer Seele zur Frömmigkeit und zum
Frieden sollte helfen können, mußte es da in der »heiligen« Stadt nicht
ganz anders aussehen? So wurde gerade in Rom Luther von dem Gedanken
gequält, daß alle von der Kirche angepriesenen Gnadenmittel ihm
nicht geben konnten, was er mit der ganzen Inbrunst seiner nach Gott
verlangenden Seele suchte.
In Rom zeigt man noch heute, wie damals die Treppe, die einst vor
dem Richthause des Pilatus zu Jerusalem gestanden haben soll. Luther
rutschte ihre 28 Stufen auf den Knien hinauf, weil solch »frommem«
Werke reiche Ablaßgnade verhießen war. Während er's aber that, mußte
er an ein Wort denken, daß ihm auf der ganzen Romreise durch die Seele
klang: »Der Gerechte wird seines Glaubens leben« (Habakuk 2, 4).
Stimmte zu diesem Worte der Heiligen Schrift, was die Kirche von dem
Friede suchenden Christen forderte? War es nicht die Pflicht eines
Jeden, der seine Kirche lieb hatte, ihre Lehre und ihr Leben wieder
mit der Heiligen Schrift in Einklang zu bringen? Mit solchen Gedanken
mag Luther heimgekehrt sein. Im Frühjahr 1512 finden wir ihn wieder in
Wittenberg.
Noch lag für ihn ein Schleier über der Heiligen Schrift. Wer Gottes
Wort verstehen will, der muß die Eine große Wahrheit erfaßt haben:
Gott ist die Liebe. Die Liebe Gottes in Jesu Christo geoffenbart, ist
das Licht, das die Bibel durchflutet. Bisher hatte die Furcht vor
Gottes Zorn und Christi strengem Gericht Luthers Herz erfüllt. Er hatte
gemeint, alles thun zu müssen, was er nur thun konnte, um Gottes Zorn
zu besänftigen und Christi Erbarmen zu verdienen. Da war es Johann
Staupitz, der ihn Gott anders erkennen lehrte: Gott ist nicht ein
Gott des Zorns, sondern Gott ist die Liebe. Christus ist nicht der
zürnende Richter, sondern unser Heiland und Erlöser. Nicht unsere Werke
vermögen etwas, sondern die Liebe Gottes, die in uns wohnt. Jetzt erst
erschloß sich Luthers suchender Seele die Heilige Schrift in ihrer
ganzen Herrlichkeit. Jetzt erquickte sich sein Herz an den köstlichen
Sprüchen, wie: »Ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern
daß er sich bekehre und lebe« (Hesek. 33, 11); »Die Opfer, die Gott
gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes
Herz wirst du, Gott, nicht verachten« (Ps. 51, 19). Und als Luther die
berühmte Stelle des Römerbriefes (3, 21. 22): »Nun aber ist ohne Zuthun
des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, geoffenbart und
bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. Ich sage aber von solcher
Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesum Christ
zu Allen und auf Alle, die da glauben« verstehen lernte, daß da »nicht
die Gerechtigkeit des Menschen oder des eigenen Willens gemeint ist,
sondern die Gerechtigkeit Gottes, aber nicht die, durch welche Gott
gerecht ist, sondern die, mit der er den Menschen bekleidet, wenn er
den Gottlosen rechtfertigt«, da war's ihm wie heller lichter Tag, da
hatte er den Frieden gefunden und bekannte jubelnd: »Das Leben muß aus
dem Glauben herkommen! Da wurde mir die ganze Heilige Schrift und der
Himmel selbst aufgethan!«
»Gezwungen und getrieben ohne seinen Dank« wurde Luther im Oktober 1512
zum Doktor der Theologie ernannt. Der Kurfürst Friedrich der Weise hat
die Kosten bezahlt. Nun galt Luthers ganze Thätigkeit der Heiligen
Schrift. Nur ihr lebte er fortan. Was dem Tier die Weide, dem Menschen
das Haus, dem Vogel das Nest, der Gemse der Fels, dem Fische der Strom
ist, das ist die Heilige Schrift den gläubigen Seelen, lautete sein
schönes Bekenntnis. Die Heilige Schrift legte er den Studenten aus. Ihr
Verständnis erschloß er den Klosterbrüdern. Jede seiner Predigten wurde
ein freudiges Zeugnis des Friedens, den er in Gottes Wort gefunden
hatte, eine ernste Mahnung zu aufrichtiger Buße und eine freundliche
Einladung: Kommt zu Jesu! Er sollte nun die Mauern niederreißen, die
die Kirche des Mittelalters zwischen der Menschenseele und ihrem Gott
aufgerichtet hatte. Er war dazu berufen, auf Grund der Heiligen Schrift
der Christenheit den zu zeigen, der da spricht: »Ich bin der Weg, die
Wahrheit und das Leben, Niemand kommt zum Vater, denn durch mich« (Joh.
14, 6).
[Illustration]
[Illustration: Wittenberg.]
4. Kampf und Sieg.
+a+) Der Ablaßhandel.
Ihr habt den Weinberg verderbet, und der
Raub von den Armen ist in eurem Hause.
Jes. 3, 14
Je glücklicher sich Luther fühlte, seit er innerlich frei geworden war
im Glauben an seinen Heiland, um so schmerzlicher empfand er's, daß
es die Kirche versäumte, gewissenhaft die Leute zu lehren: »Es ist in
keinem andern Heil, ist auch kein andrer Name den Menschen gegeben,
darinnen wir sollen selig werden« (Apostelg. 4, 12). Das hätte doch
auf allen Kanzeln gepredigt werden müssen. Das hätten die Lehrer
den Kindern ins Herz prägen sollen. Vor allem hätten die Priester
den Leuten, die im Beichtstuhl ihre Sünden bekannten und Vergebung
begehrten, sagen müssen: Glaubt an den Herrn Jesus, so habt ihr
Vergebung der Sünden! Davon war nichts zu hören! Der Papst benutzte
vielmehr das Verlangen der Christen nach dem Seelenheil, um seine
Kassen zu füllen.
[Illustration: Johann Tetzel.]
Zu diesem Zwecke hatte man im Laufe der Zeit folgende Irrlehre
ausgebildet: Nur der Priester kann dem Christen Vergebung der Sünden
zusprechen. Er spricht sie dem zu, der Schmerz über seine Sünden
empfindet und seine Sünden bekennt. Damit ist der Christ vom ewigen
Tod befreit, aber die zeitlichen Strafen im irdischen Leben und im
»Fegefeuer« bleiben noch bestehen. Diese Strafen behauptete nun
die Kirche für diejenigen mildern zu können, die gewisse Büßungen
oder Leistungen nach ihrer Anordnung auf sich nähmen. Diesen Erlaß
oder Nachlaß der zeitlichen Sünden~strafen~ nannte man Ablaß.
Man konnte ihn erlangen, wenn man gegen die Türken in den Krieg
zog, wenn man eine Wallfahrt nach Palästina unternahm, wenn man die
Pilatustreppe in Rom hinaufrutschte, wenn man eine bestimmte Anzahl
Vaterunser betete und dergleichen mehr. Je mehr aber der Papst und
seine Bischöfe Geld brauchten, um so mehr wurde den Leuten -- angeblich
»aus rücksichtsvoller Milde der Mutter Kirche« -- die Möglichkeit
gegeben, derartige Leistungen mit Geld abzulösen. Und um den Leuten
solchen Ablaß als recht verlockend erscheinen zu lassen, pries man
jetzt geradezu Vergebung der ~Sünden~ um Geld an. Frug aber
jemand: Wer leistet denn nun jene Büßungen und »guten Werke« für mich?
so antwortete man: Christus hat ja in seinem Leben viel mehr gute Werke
gethan, als zur Tilgung der Sündenschuld der Menschheit nötig waren,
und die Heiligen haben auch viel mehr gute Werke gethan, als Gottes
Gesetz von ihnen forderte. So sind eine Menge ~überflüssiger~
guter Werke vorhanden. Das ist ein unermeßlicher Schatz der Kirche,
aus dem sie ihren schwächeren Gliedern spenden und mitteilen kann. Wer
Ablaß kauft, bekommt davon etwas. Ja, man kann auch zu Gunsten der
armen Seelen im Fegefeuer Ablaß kaufen. Denn: »sobald der Groschen im
Kasten klingt«, erklärte der Erzbischof von Mainz selbst, »fährt die
Seele aus dem Fegefeuer zum Himmel auf.«
Welch' entsetzliche Verirrung ist das gewesen! Und wie frech priesen
die Ablaßkrämer des Papstes reiche Gnade an! Luther sollte davon im
eigenen Beichtstuhl zu hören bekommen. Als er den Beichtenden sagte,
sie könnten Vergebung der Sünden nur erlangen, wenn sie dieselben
ernstlich bereuten und Besserung gelobten, zeigten sie ihm ihren
Ablaßzettel und sagten, da wäre ihnen schon Vergebung der Sünden
schwarz auf weiß zugesichert, Buße und Besserung hätten sie also gar
nicht nötig.
Schon seit einigen Jahren zog nämlich in Deutschland, auch in unserm
Sachsen, der berüchtigte Ablaßkrämer Johann Tetzel umher. Er vertrieb
den Ablaß für die Kasse des Kurfürsten Albrecht von Mainz, der zugleich
Erzbischof von Magdeburg war und verstand das Geschäft des Ablaßhandels
ganz vorzüglich.
Albrecht von Mainz brauchte viel Geld. Das Erzbistum hatte er teuer
bezahlen und deshalb eine große Summe bei den reichen Fuggers in
Augsburg borgen müssen. Zwar konnte der Papst sagen, daß er ihm nicht
das Erzbistum verkauft hätte, sondern nur das erzbischöfliche Pallium.
Das war ein schmaler, weißer, mit Kreuzen besetzter Kragen, dessen Wert
Luther auf »etwa einen Groschen« schätzte. Der Papst ließ sich aber
dafür 30000 Gulden bezahlen. Der Ablaßhandel sollte nun die Schuld
decken. Die eine Hälfte des Ertrags bekam der Papst, der angeblich
für den Neubau der Peterskirche das Geld verwenden wollte, die andere
Hälfte steckten die Fuggers ein. Daß aber die Deutschen eifrig kauften
und gut bezahlten, dafür sorgte Johann Tetzel.
Das war ein großer Festtag, wenn er mit seinem Kram in einer Stadt
Einzug hielt. Rat und Bürgerschaft, Geistlichkeit und Schüler
erwarteten den hohen »Himmelsgast« vor den Thoren, um ihn mit Fahnen
und brennenden Kerzen unter Glockengeläute in die Stadt zu führen.
Ein breites, rotes Kreuz mit des Papstes Wappen und ein sammetnes
Kissen mit des Papstes pergamentenem Ablaßbriefe trug man Tetzel
voran. So ging es bis zur Kirche. Am Hauptaltar wurde der Ablaßkasten
niedergelegt und das Kreuz aufgerichtet. Da gab es ein Leben die
kommenden Tage. Von weither zogen die Leute herbei, um Ablaß zu lösen,
den Tetzel und seine Gehilfen beredten Mundes anzupreisen wußten: »Nie
wird wieder Sündenvergebung und ewiges Leben zu einem so geringen
Preise erlangt werden können. Auch ist keine Hoffnung vorhanden, daß,
so lange die Welt steht, eine solche Freigebigkeit des römischen Stuhls
für Deutschland wiederkehrt. Es mag jedermann des Heils seiner eigenen
Seele und der Seelen seiner Verstorbenen wahrnehmen! Jetzt ist der
Tag des Heils, jetzt ist die angenehme Zeit! Versäume niemand seiner
Seele Seligkeit!« Da wanderte manch schönes Guldenstück in Tetzels
Ablaßkasten. Friede in Herz und Gewissen war dem Volke mehr wert, als
Gold und Silber. Niemals ist schändlicherer Betrug geübt worden, als in
jenem Ablaßhandel.
Im Herbste des Jahres 1517 kam Tetzel in die Nähe von Wittenberg. Viele
ernste Christen waren entsetzt über den schmählichen, Gottesfurcht,
Frömmigkeit und Zucht untergrabenden Handel. Da ließ es Luther keine
Ruhe mehr. Herz und Gewissen drängten ihn, dagegen seine Stimme zu
erheben. Er that es in seinen berühmten »95 Thesen.«
+b+) Luther schlägt die 95 Thesen an.
Wir können nichts wider die Wahrheit
sondern für die Wahrheit.
2. Cor. 13, 8.
Am 1. November, dem Allerheiligentage, feierte die Schloßkirche zu
Wittenberg ihre Kirchweih. Das war ein großer Festtag, zu dem viel
Volks, auch viele Priester und Mönche nach Wittenberg kamen. Die
Universität wollte solchen Tag in ihrer Weise mitfeiern. Ein gelehrter
Professor stellte Thesen, d. i. einzelne Sätze, auf und lud andere
gelehrte Leute ein, über dieselben in feierlicher Versammlung mit ihm
zu disputieren. Am Tag vor Allerheiligen -- am 31. Oktober -- 1517,
einem Sonnabend -- es soll Mittag 12 Uhr gewesen sein, schlug Luther
95 solche Thesen an die Thür der Schloßkirche zu Wittenberg an. Dort
waren schon manchmal derartige Streitsätze angeschlagen worden, ohne
daß man lange davon gesprochen hätte. Luthers 95 Thesen sind noch nicht
vergessen. An jedem Reformationsfest wird ihrer gedacht. Die Thür, an
die Luthers Hand sie einst geschlagen, ist nicht mehr vorhanden. Eine
eherne Pforte steht an ihrer Stelle und darauf sind jene Streitsätze,
in Erz gegossen, zu lesen.
Luther hat seine Thesen in lateinischer Sprache abgefaßt. Sie waren
nicht für das Volk bestimmt. Die Gelehrten sollten sich aussprechen
über das von Luther Gesagte. Die Überschrift und die wichtigsten jener
95 Sätze lauten auf Deutsch also:
»Aus Liebe zur Wahrheit und aus Verlangen, sie an den Tag zu bringen,
soll über nachfolgende Sätze zu Wittenberg disputiert werden unter
dem Vorsitz des ehrwürdigen Vaters Martin Luther, der freien Künste
und der h. Theologie Magister, der letzteren auch ordentlichen
Lehrers daselbst. Er bittet daher, daß die, welche nicht mündlich in
persönlicher Anwesenheit mit uns sich unterreden können, es abwesend
auf schriftlichem Wege thun wollen. Im Namen unseres Herrn Jesu
Christi. Amen.«
1. These: »Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: »Thut
Buße!« (Matth. 4, 17) hat er gewollt, daß das ganze Leben der Gläubigen
Buße sein soll.«
32. These: »Wer durch Ablaßbriefe meint seiner Seligkeit gewiß zu sein,
der wird ewiglich verdammt sein samt seinen Lehrmeistern.«
33. These: »Nimm dich wohl in Acht vor denen, die da sagen, der Ablaß
des Papstes sei jene unschätzbare Gabe Gottes, durch welche der Mensch
Gott versöhnt werde.«
36. These: »Jeglicher Christ hat, wenn er in aufrichtiger Reue steht,
vollkommenen Erlaß von Strafe und Schuld, die ihm auch ohne Ablaßbriefe
gebührt.«
37. These: »Jeder wahre Christ, ob lebend oder tot, hat Anteil an allen
geistlichen Gütern Christi und der Kirche. Gott hat ihm diesen auch
ohne Ablaßbriefe gegeben.«
43. These: »Man lehre die Christen, daß, wer dem Armen giebt oder dem
Bedürftigen leiht, besser thut, als wenn er Ablaß lösen wollte.«
45. These: »Man lehre die Christen, daß, wenn er einen Bedürftigen
sieht und des ungeachtet sein Geld für Ablaß hingiebt, nicht Papstes
Ablaß, wohl aber Gottes Zorn damit erwirbt.«
46. These: »Man lehre die Christen, daß, wenn sie nicht überflüssiges
Gut reichlich besitzen, sie verpflichtet sind, das, was zur Notdurft
gehört, für ihr Haus zu behalten und mit nichten für Ablaß zu
verschwenden.«
50. These: »Man lehre die Christen, daß, wenn der Papst den Schacher
der Ablaßprediger wüßte, er lieber den Dom St. Petri werde zu Asche
verbrennen lassen, als daß derselbe von Haut, Fleisch und Knochen
seiner Schafe sollte erbaut werden.«
53. These: »Das sind Feinde Christi und des Papstes, die um der
Ablaßpredigt willen das Wort Gottes in anderen Kirchen gänzlich
verstummen machen.«
55. These: »Des Papstes Meinung ist selbstverständlich, daß, wenn man
den Ablaß, als der nur geringen Wert hat, mit ~einer~ Glocke, mit
~ein~fachem Gepränge und Feierlichkeit begeht, man das Evangelium,
als welches den höchsten Wert hat, mit hundert Glocken, hundertfachem
Gepränge und Feierlichkeit rühmen soll.«
62. These: »Der wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste
Evangelium der Herrlichkeit und Gnade Gottes.«
Da hört man den ganzen tiefen Ernst des Reformators heraus. Seine 95
Thesen »sind der Notschrei, der aus der Tiefe des erwachten deutschen
Gewissens heraufdrang. Noch geht das Wort nicht gegen den Papst, der
im Gegenteil verteidigt statt angegriffen wird; neuer und alter Wein,
Gesetz und Evangelium gähren noch durcheinander. Wohl rollen schon
von ferne die Donner drin und zucken die Blitze, die sich über dem
ganzen Bau entladen werden; aber es scheint auch die warme Sonne des
Evangeliums schon hindurch. Der das erste Wort hat, ist doch der Herr
und Meister Christus. Die Sprache ist schon gewaltig und kühn, wuchtig
die Worte, wie der Hammer, der sie anschlägt.«
Mit beispielloser Schnelligkeit verbreiteten sich Luthers 95 Thesen
weit über Deutschland hinaus. »In vier Wochen hatten sie schier
die ganze Christenheit durchlaufen, als wären die Engel selbst
Botenläufer.« In Rom hatte man keine Ahnung von dem tiefen Ernst des
deutschen Mönches und von der Tragweite jener Sätze. Was sollte das
Mönchlein dem Haupte der Christenheit und dem gewaltigen, festgefügten
Bau der Kirche anhaben können? Als unumstößliche Wahrheit galt, was
die Kirche lehrt, mochte es in der Bibel begründet sein oder nicht. Wer
anders als die Kirche lehrte, war ein Ketzer. Wie mancher war bereits
beseitigt worden! Sollte es so schwer sein, auch mit diesem deutschen
»Sohn der Bosheit« -- so nannte damals Papst Leo X. unseren Luther --
fertig zu werden?
[Illustration: Papst Leo X.]
Hingebende, treue Liebe und fester Gehorsam banden auch jetzt noch
Luther an die Kirche. Aus Liebe zur Kirche kämpfte er gegen eine
Irrlehre und einen Mißbrauch, durch die, wie er meinte, Papst und
Kirche betrogen seien. Papst und Kirche haben niemals einen besseren
Freund gehabt als Luther. Er hat es ehrlich gemeint. Aber für ihn war
kein Platz in einer Kirche, die keinen Widerspruch vertragen und den
Satz nicht dulden konnte: Die Heilige Schrift allein ist die Quelle des
Glaubens und die Richtschnur des Lebens. Man lud Luther nach Rom vor.
Hatte man ihn nur erst dort, so war ihm leicht der Prozeß zu machen.
Luther fürchtete sich gewiß nicht vor dem Papst, obgleich er wie bei
der Löwenhöhle in der Fabel so auch in der Löwenhöhle (»Leo« heißt
auf deutsch »Löwe«) Rom nur Fußstapfen sah, die ~hinein~, aber
keine, die ~hinaus~ führten. Aber Kurfürst Friedrich der Weise
war in Sorge um seinen Professor und ließ ihn nicht in die gefährliche
Löwenhöhle ziehen. Da mußte der Papst versuchen, auf deutschem Boden
mit Luther fertig zu werden. Umsonst verhandelte Kardinal Kajetan zu
Augsburg mit dem unbequemen, unbeugsamen Mönch, den weder Drohungen
noch Versprechungen zum Widerruf bewegen konnten. »Geh! widerrufe oder
komm mir nicht wieder vor die Augen!« war des Kardinals letztes Wort.
Und die »Bestie mit den tiefen Augen und den wundersamen Spekulationen
im Kopfe« -- so titulierte der Kardinal unsern Luther -- widerrief
nicht und kam ihm nicht wieder vor die Augen. Geschickter als Kajetan
wollte des Papstes Kammerherr, Karl von Miltitz, die Sache anfangen. Es
gelang ihm auch, von Luther das Versprechen zu erhalten, er werde in
Zukunft schweigen, wenn seine Gegner auch schwiegen. Aber lange dauerte
es nicht, so riefen ihn diese von neuem auf den Kampfplatz.
Der Ingolstädter Professor +Dr.+ Johann Eck meinte im Kampfe
gegen Luther sich ohne Mühe besondere Lorbeeren verdienen zu können.
Auf sein Anregen sollte im Sommer 1519 zu Leipzig eine Disputation
gehalten werden. Da wollte er den Gegner öffentlich schlagen. Er
hat sich freilich sehr geirrt. Was er erreichte, war nur dies, daß
Luther unumwunden erklärte: Das Papsttum beruht nicht auf göttlicher
Einsetzung. Daß sogar eine Kirchenversammlung (Concil) irren kann,
hat das Kostnitzer Concil bewiesen, indem es ganz evangelische Sätze
verdammte. Herzog Georg der Bärtige von Sachsen, der für die Schäden
der Kirche nicht blind war, aber das, was Luther lehrte als Ketzerei
ansah und haßte, rief, als er solches hörte, aus: »Das walt' die
Sucht!« Immer deutlicher ward es Luther, daß man in Glaubenssachen
sich weder auf ein Wort aus dem Munde des Papstes noch auf einen
Beschluß der Kirche, sondern einzig und allein auf die Schrift gründen
dürfe.
[Illustration: +Dr.+ Johann Eck.]
[Illustration: Titelblatt der von Luther in Leipzig gehaltenen Predigt.
(Das auf diesem Titel befindliche Bild Luthers ist das älteste des
Reformators. Die Umschrift ist im Spiegel zu lesen).]
Ein Leipziger Professor, der der Disputation von Anfang bis zu Ende
beigewohnt hat, hat uns den Eindruck geschildert, den Luthers Person
und Auftreten machte. Seine Worte zeichnen uns ein anschauliches Bild
des mutigen Gottesstreiters: »Luther ist zwar nur mittelgroß und
schmächtig; denn Sorgen und Studien haben ihn gleichmäßig erschöpft, so
daß, wer ihn nur näher ansieht, alle Knochen an ihm zählen kann. Aber
er ist frisch und bei voller Jugendkraft, seine Stimme hell und klar,
bewundernswert seine Gelehrsamkeit und Schriftkenntnis, so daß er
alles bereit hat. Griechisch und Hebräisch hat er soweit inne, daß er
über Auslegung der Heiligen Schrift urteilen kann. Auch fehlt es ihm
nicht an Redegabe; denn es steht ihm ein großer Vorrat von Wörtern und
Sachen zu Gebote. Vielleicht möchte man an ihm Urteilskraft und die
rechte Anwendung derselben vermissen. Im täglichen Leben ist er höflich
und freundlich, ohne alles Finstere und Strenge in seinem Wesen, ein
launiger und angenehmer Gesellschafter, bald lebhaft, bald ruhig, je
nachdem, aber immer freundlichen Angesichts, wie arg auch die Gegner
ihn bedrohen, so daß es nicht glaublich ist, ein Mann unternehme so
Schwieriges ohne den Willen Gottes. Aber freilich, was fast alle ihm
zum Fehler machen: er ist im Tadeln rücksichtsloser und bissiger, als
es für einen, der auf Neuerungen in der Religion denkt, sicher aber
für einen Theologen anständig ist. Vielleicht hat er diesen Fehler mit
allen denen gemein, die erst spät zur Gelehrsamkeit gelangen.«
[Illustration: Alt-Leipzig.]
+c+) Der Sieg des Gebannten.
Viele schelten mich übel, daß jedermann
sich vor mir scheuet; sie ratschlagen miteinander
über mich und denken mir das Leben zu nehmen.
Ich aber, Herr, hoffe auf dich und
spreche: Du bist mein Gott!
Psalm 31, 14. 15.
Die Geschichte von David und dem Riesen Goliath hat sich oft
wiederholt. Mancher christliche Held hat im Kampfe auf Gott geschaut
und zu seinem Feind gesprochen: »Du kommst zu mir mit Schwert, Spieß
und Schild; ich aber komme zu dir im Namen des Herrn Zebaoth« (1.
Sam. 17, 45) -- und hat gesiegt! Sieger waren die beiden Apostel, die
als Gefangene vor dem Hohen Rat standen und das Bekenntnis ablegten:
»Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein andrer Name den Menschen
gegeben, darinnen wir sollen selig werden. -- Wir können es ja nicht
lassen, daß wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehört haben«
(Apostelgesch. 4, 12. 20). Verhöhnt von der Weisheit Griechenlands
predigt Paulus auf dem Areopag -- und doch stürzt sein Wort
Götterbilder und Götzentempel. Als ein Gebundener zieht er in Rom ein
-- und doch muß der Kaiser, der der Welt gebietet, vom Throne steigen
und Krone und Szepter dem Gekreuzigten zu Füßen legen.
Kaiser und Papst, die ganze Welt steht Luther gegenüber -- und Luther
siegt. Es mußte wahr werden:
»Es streit für uns der rechte Mann,
Den Gott hat selbst erkoren.
Fragst du, wer er ist?
Er heißt Jesus Christ,
Der Herr Zebaoth,
Und ist kein andrer Gott:
Das Feld muß er behalten!«
Luther ~wollte~ keinen andern Helfer im Kampfe als Gott und sein
Wort. Edle deutsche Ritter, wie Franz von Sickingen, Ulrich von Hutten,
Hartmut von Kronberg, boten ihm ihr Schwert und ihre Burgen an. Er
aber wollte kämpfen nur mit dem Schwert des Geistes. Seine feste Burg
sollte allein Gott der Herr bleiben. Und wie hat Luther das Schwert
des Geistes geschwungen! Jeder evangelische Christ müßte auf seinem
Bücherbrett stehen haben Luthers herrliche Hauptschriften vom Jahre
1520.
»Gott gebe uns der Posaunen eine, womit die Mauern Jerichos umgeworfen
würden!« ruft er in seinem Büchlein: »An den christlichen Adel
deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung.« Die drei
»strohernen und papiernen Mauern« will er umstürzen, hinter denen
sich die Römlinge verschanzen. Die erste dieser Mauern ist die
Behauptung, weltliche Gewalt stehe unter der geistlichen. Diese Mauer,
wie überhaupt den Unterschied von Geistlichen und Laien stürzt das
Schriftwort 1. Petri 2, 9 um: »Ihr seid das auserwählte Geschlecht,
das Königliche Priestertum.« Jeder Christ ist ein Priester. Die zweite
Mauer ist die Behauptung, nur der Papst könne die Heilige Schrift
richtig auslegen. Sie fällt, weil von der Unfehlbarkeit des Papstes
kein Wort in der Bibel steht. »Sie werden alle von Gott gelehret sein,«
heißt es dort (Joh. 6, 45). Die dritte Mauer ist die Behauptung, nur
der Papst könne eine Kirchenversammlung einberufen. Diese Mauer ist
eigentlich schon beim ersten Posaunenstoß mit umgefallen. Bricht ein
Feuer aus, so löschen alle mit, obgleich nicht alle die Macht des
Bürgermeisters haben. »Wo die Not fordert und der Papst ärgerlich der
Christenheit ist, soll dazu thun, wer am ersten kann!« Nun sind die
Mauern niedergelegt. Rücksichtslos geht der Held jetzt gegen seinen
Feind. Ohne Furcht deckt er die vielen Schäden der Kirche auf. Soll
Hilfe gebracht werden können, so muß erst die Krankheit erforscht und
festgestellt werden. »Ich achte wohl,« heißt's am Schlusse, »daß ich
hoch gesungen hab, viel Dings fürgegeben, das für unmöglich werde
angesehen, viel Stücke zu scharf gegriffen. Wie soll ich aber thun? ich
bin es schuldig zu sagen ... Es ist mir lieber, die Welt zürne mir,
denn Gott ... Wohlan, ich weiß noch ein Liedlein von Rom und von ihnen.«
[Illustration: Franz von Sickingen.]
Dieses »Liedlein«, darin Luther »die Noten aufs Höchste stimmen«
wollte, sang er in seiner herben Streitschrift »von der Babylonischen
Gefangenschaft der Kirche«, darin er die Siebenzahl der Sakramente
bekämpft.
Ist das schadhafte Alte beseitigt, so kann der Neubau beginnen.
Herrliche Steine zum Neubau des evangelischen Lebens trägt Luther
in der dritten jener großen Hauptschriften herbei. Sie führt den
Titel: »Von der Freiheit eines Christenmenschen.« Am Anfang stehen
die beiden Sätze, gleichsam als Thema des köstlichen Büchleins:
»Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und Niemand
unterthan; ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge
und Jedermann unterthan.« Was er in der Schrift auseinandergesetzt hat,
faßt er am Schlusse in die Worte zusammen: »Ein Christenmensch lebt
nicht ihm selber, sondern in Christo und seinem Nächsten: in Christo
durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe. Durch den Glauben fährt
er über sich in Gott, aus Gott fährt er wieder unter sich durch die
Liebe, und bleibt doch immer in Gott und göttlicher Liebe. Siehe, das
ist die rechte christliche Freiheit, die das Herz frei macht von allen
Sünden, Gesetzen und Geboten: welche alle andere Freiheit übertrifft,
wie der Himmel die Erde.«
Wie wenig mußten die Römlinge von der weltüberwindenden Kraft eines
gläubigen Christenmenschen, der mit Gott im Bunde steht, ahnen, wenn
sie meinten, solch ein Mann werde sich vor dem Bannstrahl fürchten. Im
Oktober 1520 kam Luther das Schriftstück unter die Augen, das seine
Lehre verdammte und binnen 60 Tagen den Widerruf forderte. Luther
antwortete darauf dem Papst: »Daß ich sollte meine Lehre widerrufen,
daraus wird nichts. Ich kann nicht leiden Regel oder Maß, die Schrift
auszulegen dieweil das Wort Gottes, das alle Freiheit lehret, nicht
soll gefangen sein. Wo mir diese zwei Stücke bleiben, soll mir sonst
nichts aufgelegt werden, das ich nicht mit allem Willen thun und leiden
will. Ich bin dem Hader feind, will Niemand reizen, will aber auch
ungereizt sein.« Aber auch eine Antwort durch die That gab Luther. Am
10. Dezember 1520 zog eine große Schar vors Elsterthor zu Wittenberg.
Bald war an der Stelle, wo man die Kleider der an der Pest Verstorbenen
zu verbrennen pflegte, ein Scheiterhaufen errichtet. Luther legte
sämtliche päpstliche Rechtsbücher darauf. Als das Feuer hoch
aufloderte, warf er des Papstes Bulle in die Flammen mit den Worten:
»Weil du den Heiligen des Herrn (gemeint ist Christus, vgl. Mark. 1,
24) betrübt hast, verzehre dich das ewige Feuer!«
[Illustration: Titelblatt der Bannbulle.]
Hätte Luther nicht unter dem Schutze des Kurfürsten von Sachsen
gestanden, so würde die weltliche Obrigkeit den Gebannten haben
festnehmen und seine kühne That auf dem Scheiterhaufen haben büßen
lassen. Friedrich der Weise setzte es aber beim Kaiser durch, daß
Luther auf dem nächsten Reichstag zu Worms durch gelehrte und
verständige Leute verhört werden sollte. Das paßte den Römlingen, die
bereits triumphierend den verhaßten Ketzer den Scheiterhaufen besteigen
sahen, gar nicht. Der päpstliche Abgesandte in Worms schrieb damals in
seinem Zorne: »Wenn ihr Deutschen das römische Joch abwerft, so werden
wir dafür sorgen, daß ihr euch untereinander mordet, bis daß ihr im
eigenen Blute untergeht!« Im dreißigjährigen Krieg haben die Jesuiten
versucht diese entsetzliche Drohung wahr zu machen.
Als Luther am dritten Osterfeiertag (2. April) 1521 von Wittenberg
nach Worms abreiste, wurde manches Auge feucht. Ob man je den teuern
Gottesmann wiedersehen, ob man je aus seinem Munde wieder das lautere
Gotteswort vernehmen würde? Ein wahrer Triumphzug ist Luthers Reise
gewesen. Wie drängte sich das Volk, den wunderbaren Mann zu sehen
und zu hören, der es wagte, ohne Furcht dem Papst entgegenzutreten!
»Christus lebt und ich werde nach Worms kommen, allen Pforten der Hölle
und Fürsten der Welt zum Trotz,« lautete Luthers Bekenntnis. Wenige
Stunden nur noch von Worms entfernt ward er durch einen treuen Freund
gewarnt und an Johann Huß' Schicksal erinnert. »Wenn so viel Teufel in
Worms wären als Ziegel auf den Dächern,« antwortete er, »dennoch wollte
ich hinein.«
Am 17. April hat Luther zum ersten Male vor dem Reichstag gestanden.
In lange Unterhandlungen wollte man sich nicht mit ihm einlassen. Er
sollte nur erklären, ob er widerrufen wollte oder nicht. Luther bat
um Bedenkzeit. Am nächsten Tag gab er die Erklärung ab, seine Bücher
seien verschiedener Art: die einen handelten von Glaube und Sitte --
sie widerrufen, hieße die Wahrheit verdammen; die andern kämpften
gegen falsche Lehren des Papstes -- sie könne er nicht widerrufen;
die dritten richteten sich gegen seine einzelnen Widersacher -- wohl
könnten diese hier und da zu heftig abgefaßt sein, aber widerrufen
könne er auch sie nicht. Soviel wollte man aber gar nicht im
Reichstage hören. Eine »schlichte Antwort ohne Hörner und ohne Mantel«
wurde von Luther gefordert. Da gab er denn die berühmte Antwort: »Weil
denn Eure Kaiserliche Majestät und Eure Gnaden eine schlichte Antwort
begehren, so will ich eine Antwort ohne Hörner und ohne Zähne geben
diesermaßen: es sei denn, daß ich durch Zeugnisse der Schrift oder
durch helle Gründe überwunden werde -- denn ich glaube weder dem Papst
noch den Concilien allein, dieweil am Tage liegt, daß sie öfters geirrt
und sich selbst widersprochen haben, -- so bin ich überwunden durch die
von mir angeführten heiligen Schriften und mein Gewissen ist gefangen
in Gottes Wort; widerrufen kann ich nichts und will ich nichts, dieweil
wider das Gewissen zu handeln unsicher und gefährlich ist.«
Nochmals frug man Luther, ob er wirklich glaube, daß Concilien irren
könnten. Er blieb dabei. Da erhob sich ein Tumult im Saale. Mitten
in der aufs Höchste erregten Versammlung stand unser Luther. Bei der
großen Unruhe werden nur Wenige seine letzten Worte verstanden haben:
»Ich kann nicht anders, hier stehe ich, Gott helfe mir! Amen.«
Die deutsche Gewissenhaftigkeit und der deutsche Mannesmut haben im
Reichstagssaale zu Worms Papst und Kaiser besiegt. Ein gebannter Mönch
triumphiert über die Welt. »Ich bin hindurch, ich bin hindurch!« mit
diesen Worten trat Luther wieder in seine Herberge.
Noch eine Woche blieb er in Worms. Unterhandlungen mit ihm führten
zu keinem Ziele. Am Vormittag des 26. April verließ Luther die
Reichsstadt, ausgerüstet mit freiem Geleit auf 21 Tage nach der Heimat.
Er wußte, daß er sie nicht erreichen würde.
Am 25. Mai verhängte der Kaiser über den gebannten Luther die
Reichsacht. Niemand sollte ihm Essen und Trinken und Herberge geben.
Wer ihn fand, sollte ihn festnehmen und dem Kaiser überantworten. Die
Acht war kraftlos. Luther hatte ein sicheres Gewahrsam gefunden. Der
siegreiche Held weilte an friedlicher Stätte.
[Illustration]
5. Was Luther dem deutschen Volke geschenkt hat.
+a+) Die deutsche Bibel.
O selig und aber selig und überselig ist
der und nimmer genug zu loben, der diesen
Schatz hat. Denn er hat einen Schatz, nicht
von Gold noch Silber, sondern ein ander
höher Gut und ist reich und voll von eitel
großen Gütern.
Luther.
Mit Recht trägt Kurfürst Friedrich von Sachsen den Ehrennamen »der
Weise«. Daß er ihn verdient, hat er schon durch die Art bewiesen, wie
er für den geächteten und gebannten Luther sorgte. Auf alle Fälle mußte
dieser jetzt in Sicherheit gebracht werden. Es mußte sich bald zeigen,
ob seine Sache die Wahrheit sei -- dann war der Jünger der christlichen
Wahrheit geschützt --, oder, ob er im Irrtum sei -- dann war der Führer
der großen Bewegung unschädlich gemacht. Friedrich der Weise überließ
es seinen Räten, alles Weitere vorzubereiten und zu bestimmen. Welcher
Ort Luther aufnehmen sollte, mochte er gar nicht erfahren. Dann konnte
er, falls der Kaiser ihn darnach fragen würde, mit gutem Gewissen
sagen: Das weiß ich nicht.
In der Nacht vom 3. zum 4. Mai 1521 wurde Luther in der Nähe von
Altenstein von bewaffneten Reitern überfallen, aus dem Wagen gerissen
und auf die Wartburg geführt. Luther war darauf vorbereitet. Nur mit
Widerstreben war er auf den Plan eingegangen. Viel lieber hätte er für
seinen Herrn Christus und für die Wahrheit den Tod erlitten.
Für die Welt war Luther verschwunden. Die Feinde jubelten über
seinen vermeintlichen Tod. Die Freunde trauerten um den Märtyrer der
christlichen Wahrheit. Lange hat's freilich nicht gedauert, bis die
Freunde zu ihrem Jubel, die Feinde zu ihrem Entsetzen es erfuhren:
Luther lebt! Nur, wo er lebte, blieb ihnen ein Geheimnis.
Inzwischen saß Luther, dem Weltgeräusch entrückt, auf seiner einsamen
Bergwarte, zu seinen Füßen die »liebe Stadt«, die der Schauplatz seiner
freundlichen Jugendtage gewesen, in der sagenumwitterten »Region der
Luft und der Vögel«, zu der er als Knabe ahnungsvoll emporgeschaut.
Aus dem Mönch war jetzt ein Rittersmann geworden; rasch verwuchs ihm
die Tonsur, um Mund und Kinn kräuselte sich ein stattlicher Bart,
der »Junker Georg« trug jetzt ein höfisches Kleid, ein Schwert an der
Seite, eine goldene Kette um den Hals, ein Barett auf dem dichten
Haupthaar, und ein Edelknabe wartete ihm auf. In Sitte, Haltung, Kost
und Lebensgewöhnung mußte er sich, so sehr er widerstreben mochte, nach
der ritterlichen Weise schicken. Er wurde gehalten wie ein Edelmann,
der zu einer leichten Haft verurteilt war; so war ihm eine mäßige
Bewegung vergönnt: er durfte nach Belieben in die Stadt hinabsteigen
oder in Begleitung eines Reiterbuben weithin die Gegend durchstreifen.
Wie ist auch hier der Finger Gottes und die gnädige Führung des
Höchsten sichtbar! Die Welt sollte erfahren, daß die große Bewegung
die Sache Gottes sei, die bestehen müsse auch ohne Luther. Dieser
aber brauchte stille Zeit nach den Jahren heißen Kämpfens. In der
Stille der Wartburg ward er sich erst bewußt der weltgeschichtlichen
Bedeutung der letzten Ereignisse, in deren Mittelpunkt seine Person
stand. »Erschüttert begann er die inhaltsschwere Wirklichkeit jener
Tage tiefer und tiefer zu begreifen: was hing nicht alles an jener
großen Stunde, da er vor dem Angesicht Europas Zeugnis abzulegen hatte
von seinem Gott!« Und vor seine Seele trat der ganze Ernst der großen
Aufgaben, die seiner warteten. War er ihnen gewachsen? War er würdig,
seinem Herrn Christus zu solch großen Dingen zu dienen?
Auch auf der Wartburg hat Luther manchen inneren Kampf zu bestehen
gehabt. Er wußte aber, wo Trost und Kraft zu finden ist: im Gebet und
in Gottes Wort.
Auf der Wartburg hat Luther die Stille gefunden, die er zu dem großen,
wichtigen Werke der Bibelverdeutschung nötig hatte. Kein anderer als
er war dazu berufen, die Heilige Schrift »deutsch reden zu lehren« und
dem deutschen Volk die deutsche Bibel in die Hand zu geben. Versucht
hatte es vor ihm schon mancher. Die Deutschen hat's doch immer wie mit
geheimnisvoller Macht zur Bibel gezogen. Schon vor anderthalb tausend
Jahren hat der Gothenapostel Ulfilas die Bibel in die Sprache seines
Volkes übersetzt. In den Bibliotheken werden mehrere hundert alte
geschriebene deutsche Bibeln aufbewahrt. Kaum war die Buchdruckerkunst
erfunden, so stellte sie sich in den Dienst der Bibelverbreitung.
Als Luther auf der Wartburg war, gab es schon achtzehn verschiedene
deutsche gedruckte Bibeln.
War denn da Luthers Arbeit nicht überflüssig? Sie wäre es gewesen, wenn
jene Bibeln in Wahrheit deutsch gewesen wären und das unverfälschte
Gotteswort enthalten hätten. Aber ihre Sprache war nicht das echte
Deutsch des Volkes. Man merkte ihr gleich an, daß sie mühsam auf
deutsch sagen wollte, was in der Bibel lateinisch stand. Alle jene
Übersetzer vor Luther hatten es sich nämlich bequem gemacht. Sie legten
nicht das hebräische alte und das griechische Neue Testament, sondern
die lateinische Bibel (Vulgata) zu Grunde. Was also dort falsch stand
-- und das war nicht wenig -- ging nun mit in die deutsche Bibel über.
[Illustration: Philipp Melanchthon.]
Luther verfuhr anders. Er besaß die nötigen Sprachkenntnisse, die
Heilige Schrift aus dem Urtext übersetzen zu können, er besaß das
»rechte fromme, treue, fleißige, furchtsame, christliche, gelehrte,
erfahrene, geübte Herz«, das, wie er selbst sagt, »zum Dolmetschen
gehört« und er war ein echt deutscher Mann, mitten aus dem deutschen
Volke stammend, der wußte, wie die Deutschen reden und wie ein Buch
geschrieben sein muß, wenn's das deutsche Volk verstehen soll. »Man muß
die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den gemeinen Mann auf
dem Markt fragen, wie man soll deutsch reden, und denselbigen auf das
Maul sehen, wie sie reden.«
[Illustration: Titelblatt der ersten Ausgabe des Neuen Testaments.]
Mit dem Neuen Testament begann Luther seine Arbeit. Das war der
leichtere Teil. Als Luther von der Wartburg kam, brachte er diesen
Teil der Heiligen Schrift in deutscher Sprache mit. Mit seinem Freund
Melanchthon, der wie kaum ein anderer Griechisch verstand, hat er's
dann noch einmal durchgegangen. Auch ein anderer Freund Luthers, Georg
Spalatin, gab ihm manchen guten Rat. Melchior Lotter in Wittenberg
übernahm den Druck. Damit das Werk rasch fertig wurde, ließ er
die vier Evangelien und die Apostelgeschichte einerseits und die
Episteln andrerseits gleichzeitig neben einander setzen. Drei Pressen
arbeiteten an der Vollendung des Buches. Im September konnte man die
ersten Exemplare kaufen. Anderthalb Gulden betrug der Preis. Auf dem
Titel standen die Worte: »Das Newe Testament Deutzsch. Vuittemberg.«
Ob auch wohl alle erraten konnten, aus welcher Feder die Übersetzung
geflossen war, so wollte doch der bescheidene Luther seinen Namen auf
dem Buche verschweigen, das er in die Hand der deutschen Christenheit
legte.
Viel längere Zeit und weit mehr Arbeit hat die Verdeutschung des Alten
Testamentes gekostet. Sehnsüchtig wurde sie erwartet. Soll doch sogar
Herzog Georg der Bärtige, der sonst nichts von Luther wissen wollte,
gesagt haben: »Wenn doch der Mensch die Bibel vollends deutschte und
ging darnach hin, wo er wollte.« Es waren damals tüchtige Kenner und
Lehrer der hebräischen Sprache in Wittenberg, außer Melanchthon:
Matthäus Aurogallus, Bernhard Ziegler und Johann Förster. Sie haben
alle unserm Luther bei dem großen Werke wacker beigestanden. Er aber
hat immer der Übersetzung das letzte Gepräge aufgedrückt.
Oft mag Luther angesichts der Schwierigkeit seiner Aufgabe geseufzt
haben. Um so größer war dann seine Freude, wenn er sich sagen konnte:
So muß es in rechtem Deutsch lauten! So soll es heißen! »Ach Gott!«
klagt er einmal, »wie ein groß und verdrießlich Werk ist es, die
hebräischen Schreiber zu zwingen deutsch zu reden! Wie sträuben sie
sich und wollen ihre hebräische Art gar nicht lassen und dem groben
Deutschen nachfolgen! Gleich als wenn eine Nachtigall sollte ihre
liebliche Melodie verlassen und dem Kuckuck nachsingen!« -- »Ich habe
mich,« sagt er ein ander Mal, »dessen beflissen im Dolmetschen, daß ich
rein und klar deutsch geben möchte. Und es ist uns wohl oft begegnet,
daß wir vierzehn Tage, drei, vier Wochen haben nach einem Wort gesucht
und gefragt, haben's dennoch zuweilen nicht gefunden. Lieber, nun es
verdeutscht ist, läuft einer jetzt mit den Augen durch drei oder vier
Blätter, und stößt nicht einmal an, wird aber nicht gewahr, welche
Wacken und Klötze da gelegen haben, darüber er geht, wie über ein
gehobelt Brett. Es ist gut pflügen, wenn der Acker gereinigt ist; aber
die Stöcke ausroden und den Acker zurichten, daran will niemand.« --
»Das kann ich mit gutem Gewissen bezeugen, daß ich meine höchste Treue
und Fleiß darin erzeigt und nie eine falsche Absicht dabei gehabt
habe. Denn ich habe keinen Heller dafür genommen noch gesucht und
damit gewonnen; so habe ich meine Ehre darin nicht gemeint, das weiß
Gott mein Herr; sondern habe es zu Dienst gethan den lieben Christen
und zu Ehren Einem, der droben sitzt, der mir alle Stunden so viel
Gutes thut, daß, wenn ich tausendmal so viel fleißig dolmetsche, ich
solches doch nicht verdiente, auch nicht eine Stunde. Es ist alles
Seiner Gnaden und Barmherzigkeit, was ich bin und habe; darum soll es
auch alles Ihm zu Ehren dienen, mit Freuden und von Herzen. Ich bin
allzu reich belohnt, wo mich nur ein einziger Christ für einen treuen
Arbeiter erkennt.«
Im Jahre 1534 war die Bibelübersetzung vollendet. Luther hat stets
bescheiden von seinem Werk gedacht und bis an sein Ende dran gebessert,
wo er bessern konnte.
Die evangelische deutsche Christenheit aber soll's +D.+ Martin
Luther nie vergessen, welch köstliche Gabe der teure Gottesmann ihr
mit der deutschen Bibel darreichte. »Wie einer lieset in der Bibel,
so steht am Hause sein Giebel,« pflegte Luther zu sagen. Lasset auch
uns fleißig Luthers Gabe benutzen, damit wir ihm nachsprechen können:
»Die Heilige Schrift ist ein sehr großer, weiter Wald, darin viel und
allerlei Bäume stehen, davon man kann mancherlei Obst und Früchte
abbrechen. Denn man hat in der Biblia reichen Trost, Lehre, Unterricht,
Vermahnung, Warnung, Verheißung und Drohung. Aber es ist kein Baum in
diesem Walde, daran ich nicht geklopft und ein paar Äpfel oder Birnen
abgeschüttelt hätte.«
+b+) Das deutsche Gesangbuch.
Lasset das Wort Christi unter euch reichlich
wohnen in aller Weisheit; lehret und
vermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen
und geistlichen lieblichen Liedern und
singet dem Herrn in eurem Herzen.
Coloss. 1, 16.
Während Luther auf der Wartburg war, ging zwischen der guten Saat des
Evangeliums auch mancherlei Unkraut auf. Das Unkraut drohte die gute
Saat zu unterdrücken. Manchem ging's mit der Beseitigung des Alten
nicht schnell genug. Manche dachten, am Alten sei gar nichts Gutes,
darum müsse es mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. Da wurden auch
allerlei unlautere Leidenschaften wach. In der Verwirrung aber meinte
Erzbischof Albrecht es wieder einmal mit dem Ablaßhandel versuchen
zu können. Schon im Dezember 1521 war Luther einmal ganz insgeheim
bei seinen Wittenberger Freunden gewesen. Lukas Kranach, der berühmte
Maler, hat den Reitersmann mit dem stattlichen Vollbart auf dem
Bilde festgehalten. Im März 1522 kehrte Luther trotz des ernstlichen
Widerspruchs Friedrichs des Weisen ganz nach Wittenberg zurück in
Gottes Hand sich wissend, auf den Schutz des Höchsten vertrauend.
Gleich bestieg er die Kanzel der Stadtkirche. Mit kräftigem Wort
rottete er das Unkraut aus. Das Werk der Reformation war wieder in die
rechte Bahn geleitet.
Unter den vielen Arbeiten der nächsten Zeit war eine der wichtigsten
die Neugestaltung des Gottesdienstes. »Drei große Mißbräuche,« klagt
Luther damals, »sind in den Gottesdienst gefallen. Der erste: daß man
Gottes Wort geschwiegen hat und allein gelesen und gesungen in den
Kirchen; das ist der ärgste Mißbrauch. Der andere: da Gottes Wort
geschwiegen gewesen ist, sind nebeneingekommen so viel unchristlicher
Fabeln und Lügen, beides, in Legenden, Gesängen und Predigten, daß es
greulich zu sehen ist. Der dritte: daß man solchen Gottesdienst als ein
Werk gethan hat, damit Gottes Gnade und Seligkeit zu erwerben. Da ist
der Glaube untergegangen und hat jedermann zur Kirche geben, stiften,
Pfaff, Mönch und Nonne werden wollen.«
Die katholische Kirche meint, daß sie mit ihren Gottesdiensten, in
denen der Priester mit prächtigem Meßgewande am Altar in lateinischer
Sprache redet oder singt und die Gemeinde stumm zuhört, Gott einen
Dienst thue. Luther hat's dafür gehalten, daß im rechten Gottesdienst
Gott ~uns~ dienen will mit seinem Wort und Sakrament. Darin
steigt Gott zu uns hernieder. Die Sakramente, Taufe und Abendmahl,
sind gemäß der Heiligen Schrift und der Einsetzung durch Christus zu
verwalten. Gottes Wort ist reichlich sowie lauter und rein zu predigen.
Es kann keinen rechten Gottesdienst ohne Gottes Wort geben. Darum
schenkte Luther dem deutschen Volke die deutsche Bibel. Darum gab er
dem Prediger, der nicht selbst aus Gottes Wort eine Predigt gestalten
konnte, seine Kirchenpostille, d. i. eine Sammlung von Predigten für
jeden Sonn- und Festtag über die Episteln, wie über die Evangelien in
die Hand.
Wie aber Gott herabsteigt in Wort und Sakrament, so erheben wir uns zu
ihm mit unsern Gebeten und unsern Gesängen. »Des Christen Handwerk ist
das Beten,« sagte Luther. Er hat das Handwerk meisterhaft verstanden
und hat Großen und Kleinen die Hände zum Gebet gefaltet. »Ach wie gar
ein groß Ding,« so lauten seine Worte, »ists um ein rechtschaffen
Gebet frommer Christen! Wie gar kräftig ist es bei Gott, daß ein armer
Mensch mit der hohen Majestät im Himmel so reden soll und vor ihm nicht
erschrecken, sondern wissen, daß ihn Gott freundlich anlache um Jesu
Christi willen, seines lieben Sohnes, unseres Herrn und Heilands!«
Luther ist's aber auch gewesen, der uns das deutsche evangelische
Gesangbuch gab. Die Deutschen haben von jeher gern gesungen und singen
auch noch heute gern. Aber in ~deutschem~ Liede will der Deutsche
hinaussingen, was sein Herz bewegt. Und wenn's die römischen Priester,
die das deutsche Gemüt und deutsche Glaubensinnigkeit nie verstanden,
auch nicht gern hörten, in deutscher Zunge klang doch schon in grauer
Vorzeit durchs deutsche Gotteshaus das Osterlied:
Christ ist erstanden
Von der Marter alle;
Des solln wir alle froh sein,
Christ will unser Trost sein!
Hallelujah.
Und zu Pfingsten sang man:
Nun bitten wir den heiligen Geist
Um den rechten Glauben allermeist,
Daß er uns behüte an unserm Ende,
Wenn wir heimfahren aus diesem Elende.
Kyrieleis.
Viele Lieder waren's freilich nicht, die die deutsche Christenheit
im Gotteshaus singen konnte. »Es fehlt uns an deutschen Poeten und
Musikern, die christliche und geistliche Gesänge, wie sie Paulus nennt,
machen können, die es wert wären, daß man sie täglich in der Kirche
Gottes brauchen möge.«
Als Luther so klagte, ahnte er wohl selbst nicht, daß er dazu berufen
war der Schöpfer und Vater des deutschen Kirchenliedes zu werden.
Unser Luther war ja eine durchaus dichterische Natur. Ist nicht sein
köstlicher Brief vom Paradiesesgarten an sein Söhnlein Hänschen wie
ein Gedicht? Und welch' herrliche Lieder voll von Glaubenskraft und
Christenmut hat er uns gesungen!
Wunderbar, daß gerade »der Feinde Blutgier den Quell öffnen helfen
mußte, aus dem der reiche evangelische Liederstrom entsprungen ist!«
Am 1. Juli 1523 hatten die Römlinge zwei junge Anhänger der Lehre
Luthers, Heinrich Voes und Johann Esch auf dem Marktplatz zu Brüssel
verbrannt. Das sollte die Bekenner des Evangeliums einschüchtern. Aber
was geschah? Der Glaube der ersten Märtyrer stärkte den Glauben der
Anderen. Je wütender die Welt Luthers Lehre verfolgte, um so deutlicher
erwies es sich: Diese Lehre ist die Wahrheit! Damals hat Luther den
Mund zu seinem ersten Liede geöffnet:
»Ein neues Lied wir heben an,
Das walt Gott unser Herre!
Zu singen, was Gott hat gethan
Zu seinem Lob und Ehre!«
Dann erzählt der Dichter die Leidens- und Siegesgeschichte jener
evangelischen Glaubenszeugen. Siegesbewußt schaut er in die Zukunft:
Die Asche will nicht lassen ab,
Sie stäubt in allen Landen.
Hier hilft kein Bach, Loch, Grub noch Grab,
Sie macht den Feind zu Schanden.
Der Sommer ist hart vor der Thür,
Der Winter ist vergangen,
Die zarten Blumen gehn herfür:
Der das hat angefangen,
Der wird es wohl vollenden!
Der Liederstrom aus Luthers gläubigem, in Gott zufriedenen Herzen quoll
weiter. »Die Wittenbergisch Nachtigall, die man jetzt höret überall,«
wie der Nürnberger Schuhmacher und Meistersinger Hans Sachs unsern
Luther nennt, sang uns noch manches Lied. Im Jahre 1524 erschien das
erste evangelische Gesangbüchlein. Nur acht Lieder standen drin, unter
ihnen vier von Luther. In demselben Jahre hat dann Luther zum ersten
Male selbst ein »Geistliches Gesangbüchlein« herausgegeben.
[Illustration: Titelblatt des Zwickauer Gesangbuchs, des ältesten des
jetzigen Königreichs Sachsen (1525).]
Gegen 40 geistliche Lieder besitzen wir von Luther. Aus den Psalmen des
Alten Testaments schuf er Gesänge für die evangelische Christenheit
(»Aus tiefer Not schrei ich zu dir« nach Psalm 130; »Es wolle Gott
uns gnädig sein« nach Psalm 67). An alte deutsche Lieder fügte er
neue Verse (»Gelobet seist du, Jesu Christ, daß du Mensch geboren
bist«; »Nun bitten wir den heiligen Geist«). Alte lateinische Gesänge
wurden ins Deutsche umgedichtet (»Mitten wir im Leben sind von dem Tod
umfangen«). Den ganzen Katechismus, von dem wir im nächsten Abschnitt
hören werden, brachte er ins Gesangbuch (»Dies sind die heil'gen zehn
Gebot«; »Wir glauben all an Einen Gott«: »Vater unser im Himmelreich«;
»Christ, unser Herr, zum Jordan kam« (über die Taufe); »Gott sei
gelobet und gebenedeiet« (über das heilige Abendmahl). In aller
Kinder Herzen sang sich Luther hinein mit seinem »Kinderlied auf die
Weihnachten zu singen vom Kindlein Jesu«: »Vom Himmel hoch da komm ich
her«. Wo aber deutsche evangelische Männer und Frauen sich versammeln,
um miteinander in ihrem teuren Glauben Kraft und Trost zu suchen, da
stimmen sie das Schutz- und Trutzlied der Reformation an, wie es Luther
uns vorgesungen: »Ein' feste Burg ist unser Gott«.
Zum Lied aber gab Luther auch oft die Melodie, mochte er sie einer
alten Volksweise abgelauscht oder aus der eigenen singenden Seele
geschöpft haben. Vergessen sei aber nicht seines getreuen Gehilfen, des
kurfürstlichen Hofkantors Johann Walther, der ihm treffliche Dienste
geleistet hat!
Der Sang der »Wittenbergischen Nachtigall« weckte manche Stimme. Der
freundliche Leser wolle in seinem Gesangbuch nur einmal aufschlagen
die Namen Albrecht, Markgraf von Brandenburg, Nikolaus Decius, Paul
Eber, Johann Gramann, Nikolaus Hermann, Johann Mathesius, Hans Sachs,
Paul Speratus! Da wird er die Lieder finden, an denen die evangelische
Gemeinde der Reformationszeit sich erquickt hat. Sie bleiben eine
reiche Segensquelle für die evangelische Kirche aller Zeiten. Sie sind
zu einem großen Teile in fremde Sprachen übersetzt. Und wie manche
unter unseren katholischen Brüdern und Schwestern haben schon in ihnen
Erholung der Seele gefunden!
+c+) Der deutsche Katechismus.
Wenn +D.+ Luther in seinem Lauf sonst
nichts Gutes gestiftet und angerichtet hätte,
denn daß er beide Katechismen in Häuser,
Schulen und auf den Predigtstuhl gebracht,
so könnte ihm die ganze Welt das nimmermehr
genugsam danken und bezahlen.
Johann Mathesius.
[Illustration: Georg Spalatin.]
Wenn man hört und liest, wie +D.+ Luther so fleißig arbeitete,
wie es nun eine deutsche Bibel, eine Postille, ein Gesangbuch gab, und
wenn man bedenkt, daß ihm tüchtige Männer in treuer Mitarbeit zur Seite
standen, wie Philipp Melanchthon, der Stadtpfarrer Johann Bugenhagen,
Friedrichs des Weisen Hofkaplan, Georg Spalatin -- so möchte man
wohl meinen: Es muß im lieben Sachsenlande ganz herrlich um Kirche
und Schule gestanden haben! Dem war aber leider noch nicht so. Es
dauerte lange, bis die Schäden, die Folgen römischer Verwahrlosung im
Mittelalter, geheilt wurden. Vor allem fehlten die Männer, Gottes Wort
auf den Kanzeln zu verkünden und es in der Schule den Kindern ins Herz
zu pflanzen. Dazu mußte einer mehr verstehen als Messelesen.
Es war unbedingt nötig, daß man erforschte, wie es in den einzelnen
Gemeinden stand, ob die Geistlichen auch zu predigen und die
Schulmeister zu lehren fähig waren, und ob ihre Predigt und Lehre
mit dem Evangelium übereinstimmte. Damit keine Gemeinde übersehen
und dieses Prüfungswerk möglichst bald beendet würde, teilte man
ganz Sachsen in Bezirke und wählte für jeden derselben mehrere
Gottesgelehrte und rechtsverständige Räte des Kurfürsten, die ihn
visitieren sollten. Melanchthon setzte die Fragen auf, die den
Geistlichen vorzulegen waren. Aber er war auch der Erste, der sich
selbst aufmachte, in seinem Bezirke Kirchen und Schulen zu besuchen.
Ihm nebst zwei Pfarrern und drei adligen Räten war Thüringen zugewiesen
worden. So schön dieses Land ist, so traurig stand es dort um manche
Gemeinde in Kirche und Schule. Kaum glauben möchte man's, daß die
Römischen es gewagt hatten, einen Mann als Geistlichen anzustellen, der
nicht viel mehr wußte, als die zehn Gebote, die drei Artikel und das
Vaterunser. Man kann auch heute noch in den Klöstern Leute finden, die
nicht viel mehr als Lesen und Schreiben gelernt haben. Melanchthon fand
aber einen früheren Mönch als Pfarrer, der antwortete, als er nach den
zehn Geboten gefragt wurde: »Ich habe das Buch noch nicht!«
Das war traurig, sehr traurig. »Mein Herz blutet,« schrieb Melanchthon
angesichts solchen Elends, das der Papst und die Bischöfe auf dem
Gewissen hatten, »wenn ich diesen Jammer sehe. Ich gehe oft beiseite
und weine meinen Schmerz aus, wenn wir mit der Untersuchung eines
Ortes fertig sind. Und wer wollte nicht jammern, wenn man sieht, daß
die Anlagen des Menschen so ganz vernachlässigt werden und die Seele
desselben, die so viel lernen und fassen kann, nicht einmal von ihrem
Schöpfer und Herrn etwas weiß.«
Auch Luther sollte bei der Visitation geistliches Elend genug sehen.
So traurig aber die Erkenntnis der vorhandenen Übelstände war, so
hocherfreulich war die Frucht, die aus der Trauer um das Elend des
Volkes erwuchs. Diese Frucht waren die beiden Katechismen +D.+
Martin Luthers. Ein »Katechismus«, das ist »eine Kinderlehre, so ein
jeglicher Christ zur Not wissen soll«, war das Nötigste, was man jetzt
in Kirche und Schule brauchte. Schon mancher hatte versucht, solch ein
Büchlein zu schreiben. Aber der rechte Katechismus konnte nicht vom
Schreibtisch aus verfaßt werden, sondern mußte herauswachsen aus der
fleißigsten, hingebendsten Belehrung der Gemeinde. Den konnte auch nur
einer schreiben, der mit inniger Liebe den Kindern zugethan war und
selbst ein kindliches Gemüt besaß. Dieser eine war unser Luther.
Wie hat Luther die Kinder so lieb gehabt! Wie oft betrat er die Kanzel,
um den »Einfältigen« zu predigen! Wie hat er es den Eltern und der
Obrigkeit ans Herz gelegt: Sorgt für die Kinder! Erzieht sie zu Gottes
Kindern! Gründet gute Schulen! An alle »Bürgermeister und Ratsherren
der Städte in deutschen Landen« wendet er sich mit der herzlichen
Bitte, »daß sie christliche Schulen aufrichten und erhalten sollen.«
Wie redet er dem armen Vater, der nicht weiß, wovon er seinen Sohn
studieren lassen soll, freundlich zu in seiner köstlichen »Predigt, daß
man Kinder zur Schule halten soll«: »Laß deinen Sohn getrost studieren!
Und sollte er auch dieweil nach Brot gehen, so giebst du unserm
Herr-Gott ein feines Hölzlein, daraus er dir einen Herrn schnitzen
kann.« Wie preist er das hohe Amt eines christlichen Lehrers: »Das
sage ich kürzlich: einen fleißigen, frommen Schulmeister oder Magister
oder, wer es ist, der Knaben treulich erzieht und lehrt, den kann man
nimmermehr genug lohnen und mit keinem Gelde bezahlen!« -- -- »Und ich,
wenn ich vom Predigtamt und anderen Sachen ablassen könnte oder müßte,
so wollte ich kein ander Amt lieber haben, denn Schulmeister oder
Knabenlehrer sein. Denn ich weiß, daß dies Werk nächst dem Predigtamt
das allernützlichste, größte und beste ist, und weiß dazu noch nicht,
welches unter beiden das beste ist.«
Weil Luthers Katechismus jedes evangelische Kind durch die Schulzeit
begleitet und weil kein Erwachsener dieses Büchlein je auslernen kann,
soll hier auch kurz erzählt werden, wie dasselbe entstanden ist.
[Illustration: Stadtkirche zu Wittenberg.]
Der Katechismus, d. h. die zehn Gebote, der Glaube, das Vaterunser
und was jeder Christ von den beiden Sakramenten wissen soll, muß dem
Volke gepredigt, muß den Kindern ins Herz hinein geschrieben werden,
wenn's besser werden soll! meinte Luther, als er von der entsetzlichen
geistlichen Verwahrlosung in Stadt und Land hörte. Darum trat er im
Jahre 1528 auf die Kanzel der Wittenberger Stadtkirche und predigte
über die genannten Katechismusstücke. Sein Freund Bugenhagen, der
Stadtpfarrer, war nämlich verreist, und man war's längst gewöhnt, daß
Luther trotz seiner vielen anderen Arbeiten die Stellvertretung des
Abwesenden übernahm. Da hat denn Luther in drei Predigtreihen (im Mai,
September und Dezember) je den ganzen Katechismus vor einer zahlreichen
Gemeinde ausgelegt.
Was aber die Leute gehört hatten, das sollten sie auch in ganz kurzer
Form schwarz auf weiß mit nach Hause nehmen können, und den Predigern
mußte es höchst willkommen sein, an Luthers Katechismuspredigten ein
Muster für die eigenen zu haben. Also in doppelter Gestalt sollten
Luthers Predigten hinaus in die Welt ziehen. Ganz kurz ließ er die
Summa derselben auf Tafeln drucken, damit man sie in Haus, Kirche und
Schule an die Wand hängen könnte. Schon Mitte Januar 1529 war die
erste Tafel fertig. Sie enthielt die drei ersten Hauptstücke mit ihren
Auslegungen. Zur Osterzeit erschien die zweite Tafel, das vierte und
fünfte Hauptstück. Diese beiden Tafeln sind dann in Buchform gedruckt
worden. Das ist der »kleine« Katechismus.
[Illustration: Johann Bugenhagen.]
Inzwischen aber hatte Luther auch fleißig daran gearbeitet,
die Katechismuspredigten vom Jahre 1528 unter Abstreifung des
Predigtgewandes zu einem »Katechismus« umzugestalten. Die Arbeit zog
sich in die Länge, so daß er nicht nur jene Katechismuspredigten,
sondern auch noch die Predigten vom Palmsonntag und Gründonnerstag
verwerten konnte. Gegen Mitte April wurden die ersten Exemplare des
»großen« Katechismus verschickt.
Übrigens verrät Luther diese Entstehung seiner Katechismen selbst,
wenn er in der Vorrede zum kleinen Katechismus von »~Tafeln~«
spricht und wenn er die Vorrede zum »großen« mit den Worten beginnt:
»Diese ~Predigt~ ist dazu geordnet und angefangen, daß es sei ein
Unterricht für die Kinder und Einfältigen.«
Wer mag den Segen ermessen, der aus Luthers Katechismen erwachsen ist!
Es sollte ihn niemand beiseite legen, wenn seine Schulzeit und seine
Konfirmation vorüber ist! Wenn Luther von sich bekannte: »Ich muß ein
Kind und Schüler des Katechismus bleiben und bleib's auch gerne!« so
werden wir alle Zeit unseres Lebens an ihm zu lernen haben.
Wer kann es aufzählen, wie man im Laufe der Jahrhunderte Luthers
Kinderlehre gepriesen! Eines Mannes Urteil sei nur genannt! Der große
deutsche Geschichtsschreiber Leopold von Ranke sagt von Luthers kleinem
Katechismus: »Er ist ebenso kindlich wie tiefsinnig, so faßlich wie
unergründlich, einfach und erhaben. Glückselig, wer seine Seele damit
nährte, wer daran festhält! Er besitzt einen unvergänglichen Trost in
jedem Momente, hinter einer leichten Hülle den Kern der Wahrheit, der
dem Weisesten der Weisen genugthut.«
[Illustration]
6. Luther gegen den Aufruhr.
Es werden viele kommen unter meinem
Namen und sagen: Ich bin Christus; und
werden viele verführen.
Matth. 24, 5.
Jeder Krieg hat etwas Furchtbares. Am erbittertsten aber sind immer
die Kriege geführt worden, in denen man angeblich um Gottes und des
Glaubens willen kämpfte. Die Bauern, die sich zu Luthers Zeit im
»Bauernkrieg« erhoben, schrieben das »Evangelium« auf ihre Fahne und
begründeten ihre Forderungen mit dem »Evangelium«. Die Feinde der
Reformation waren sofort mit der Behauptung da: Nun seht ihr's, das
Evangelium führt zur Revolution. Der Luther und seine Anhänger sind
Empörer!
Noch heute kann man's im Lager unserer Feinde hören: Die Reformation
ist die Mutter der Revolution. Das stimmt aber schon deshalb nicht,
weil thatsächlich die katholischen Länder die Herde der Revolutionen
sind. Und wenn jemandem revolutionäres Wesen fern gelegen hat, dann
ist's sicher Luther gewesen. Sein Grundsatz war: Das Alte soll bleiben,
soweit es nicht gegen Gottes Wort ist. Das Neue aber soll auf dem
Grunde des Wortes Gottes aufgebaut werden.
Die Predigt des Evangeliums hatte die Gewissen vom Joche des
Papsttums befreit. Aber nicht zu einer fleischlichen Freiheit, nicht
zur Zügellosigkeit und Zuchtlosigkeit führte es die Leute. »Ein
Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemand unterthan
(durch den Glauben); ein Christenmensch ist ein Knecht aller Dinge
und jedermann unterthan (durch die Liebe).« Luther gerade ist es
gewesen, der der weltlichen Obrigkeit ihre göttliche Ehre wiedergab
auf Grund von Röm. 13, 1-2: »Jedermann sei unterthan der Obrigkeit,
die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott;
wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun
wider die Obrigkeit setzet, der widerstrebet Gottes Ordnung; die
aber widerstreben, werden über sich ein Urteil empfangen.« Und im
kleinen wie im großen Katechismus rechnet Luther die Obrigkeit zum
»Vaterstand«: »Denn Gott giebt und erhält uns durch sie, als durch
unsere Eltern, Nahrung, Haus und Hof, Schutz und Sicherheit. Darum,
weil sie solchen Namen und Titel, als ihren höchsten Preis, mit allen
Ehren führen, sind wir auch schuldig, daß wir sie ehren und groß achten
für den teuersten Schatz und köstlichstes Kleinod auf Erden.« So
spricht wahrlich kein Revolutionär.
Gewiß hat es der Bauer nicht leicht gehabt im Mittelalter. Wenn das
Landvolk unter keiner anderen Last zu seufzen gehabt hätte, als unter
der, die die Bibel mit dem Worte meint: »Im Schweiße deines Angesichts
sollst du dein Brot essen!« so hätten sie sich noch glücklich preisen
können. Aber die Bauern wurden manchmal kaum als Menschen angesehen,
und wie es ihnen erging, war ihren harten Herren zumeist ganz
gleichgiltig, wenn sie nur arbeiteten, ihre Abgaben richtig bezahlten,
sich alle Willkür gefallen ließen und dazu schwiegen. Nirgends erhielt
der arme, leibeigene Bauer sein Recht. »Das edel Recht,« sagte das
Sprichwort, »ist worden krank, dem Armen kurz, den Reichen lang.«
Und wenn die Großen mit gepanzerter Faust ihr Recht suchten und sich
befehdeten, war's wieder der Bauer, der das Meiste litt, dem man das
Feld verwüstete, das Haus ansteckte und das Vieh wegtrieb. Da läßt sich
wohl denken, daß er mit Freuden die Predigt von der »evangelischen
Freiheit« vernahm und auf Erlösung aus dem verhaßten Joche hoffte.
Schon mehr als einmal hatten sich die Bauern erhoben. Aber das Schwert
der Mächtigen hatte sie niedergeschlagen. Jetzt, wo alle Welt von
Freiheit redete, wollten sie auch frei werden, allerdings nicht
frei im Sinne des Evangeliums, frei von Sünde, Schuld und Tod auf
Grund der Erlösung durch Jesum Christum, frei vom Papst und seinen
Menschensatzungen, sondern frei von dem Drucke der Gewaltigen. Im
Herbst 1524 thaten sich in Schwaben die Bauern zusammen und stellten
in »zwölf Artikeln«, von denen sie jeden aus der Heiligen Schrift
begründen wollten, ihre Forderungen auf. Eine Reihe Gottesgelehrter
sollte ihre Sache prüfen. Was von ihren Forderungen gegen die Bibel
wäre, wollten sie gern zurücknehmen.
Obenan unter den Gottesgelehrten waren Luther und Melanchthon genannt.
In einer ernsten »Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der
Bauernschaft in Schwaben« zeigte Luther, daß das Evangelium mit solchen
Dingen gar nichts zu thun habe. Daß die Bauern in vielen Stücken recht
hatten, sah er wohl ein, gab's auch zu. Aber »mit Trotz und Streit
werdet ihr nichts schaffen«, schrieb er und riet zu einem gütlichen
Vergleich. Dazu war es zu spät. Die Leidenschaften waren schon zu sehr
erregt, und was Luther, »Deutschlands Prophet«, vorausgesagt, war
geschehen: man hatte zum Schwert gegriffen. Am schlimmsten geberdete
sich Thomas Münzer. »Dran, dran, weil das Feuer heiß ist! Lasset euer
Schwert nicht kalt werden vom Blut!« rief er Bauern und Bergleuten zu.
Alles stand jetzt auf dem Spiele. Das war eine Revolution, wie sie
schlimmer nicht gedacht werden konnte. In seiner Schrift »wider die
mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern« forderte jetzt Luther
das entschiedene Einschreiten der Fürsten, ermahnte aber zugleich
die ganze Christenheit zum Gebete, daß Gott die verblendeten und
irregeführten Bauern erleuchten und bekehren möchte.
Auch Melanchthon war, wie wir hörten, unter jenen Gottesgelehrten
mit genannt, die die Forderungen der Bauern prüfen sollten. Er hätte
wohl am liebsten geschwiegen. Luther, der von sich bekennen konnte:
»Ich bin eines Bauern Sohn, mein Vater und Ahn sind rechte Bauern
gewesen,« wußte aus eigener Erfahrung, wo den Bauern der Schuh drückte.
Melanchthon hatte in einem behäbigen städtischen Elternhause und dann
von seiner Studierstube aus von den Nöten des Bauernstandes nichts
gesehen. Trotzdem konnte auch er nicht leugnen, daß in den Forderungen
der Bauern vieles berechtigt war. Aber, sagte er, zu den Tugenden der
Christen gehört vor allem mit der Gehorsam gegen die Obrigkeit. Also
keine eigenmächtige Hilfe! Vielmehr lasse man die Obrigkeit dafür
sorgen, daß allerorten gute evangelische Prediger wirken, damit Glaube
und Liebe im Volke gepflanzt, und gepflegt werden! Das sei der rechte
Weg zu Einigkeit und Frieden.
Der Rat kam zu spät, und, wäre er früher gegeben worden, so hätte er
wohl auch wenig genützt. Wie fast in ganz Deutschland, so hat der
Bauernkrieg auch in Sachsen gewütet. Manches schöne Schloß, manches
reiche Kloster wurde zur Ruine. Viel Blut wurde vergossen, viel
Wohlstand begraben.
Ein furchtbares Gericht ist über die Aufständischen gehalten worden.
Am 15. Mai 1525 wurde Thomas Münzer bei Frankenhausen besiegt und bald
darauf gefangen genommen. Als einen falschen Propheten hatte er sich
erwiesen, da er den Bauern Mut einsprach: »Gott ist mit uns! Wer von
euch im vordern Treffen fällt, der steht hinten wieder auf. Fürchtet
euch nicht! Die feindlichen Kugeln fange ich alle mit den weiten Ärmeln
meines Priesterrockes auf!« Man hat ihn mehrmals gefoltert und dann
in Mühlhausen hingerichtet. Viele mußten sein Schicksal teilen. Am
furchtbarsten aber wurden die Aufrührer im Frankenland bestraft. Der
Markgraf von Brandenburg ließ in der Stadt Kitzingen 47 Aufständischen
die Augen ausstechen. Vielfach war's nur dem inständigen Bitten der
Pfarrer zu danken, daß Gnade für Recht erging.
In jenen Tagen starb Friedrich der Weise. »Ach, was soll ich doch
länger hier auf Erden thun«, sagte er wenige Tage vor seinem Tode,
»denn es ist doch hier auf Erden keine Liebe, Wahrheit und Treue
mehr!« Auf seinem Sterbebette ließ er sich das heilige Abendmahl unter
beiderlei Gestalt reichen, »der erste deutsche Fürst, der so im Tode
zur evangelischen Lehre sich bekannt und ihr gemäß in Gottes Wort
seinen letzten Trost gefunden hat.«
Friedrich der Weise verdiente die tiefe Trauer seines Volkes. Wohl
am tiefsten trauerte Luther. Als man den edlen Kurfürsten in der
Schloßkirche zu Wittenberg beisetzte, hielt Luther tiefbewegt die
Leichenpredigt. »Unter seinem Schutz und Schirm,« rühmt er dankbar von
diesem Fürsten, »ging das Evangelium glücklich von statten und nahm
allenthalben überhand. Sein Leben lang hat er ein friedsam, still und
ruhiges Regiment geführt und mit Recht Friedrich geheißen.«
[Illustration]
7. Das Augsburgische Glaubensbekenntnis und die
»Apologie«.
Wer mich bekennt vor den Menschen, den
will ich auch bekennen vor meinem himmlischen
Vater.
Matth. 10, 32.
Ein kluger Mann ist Kaiser Karl V. gewesen, ein mächtiger Mann war er
auch, aber doch nicht so klug und so mächtig, daß er hätte das alte
Wort zu Schanden machen können: »Ist der Rat oder das Werk aus den
Menschen, so wird's untergehen; ist's aber aus Gott, so könnet ihr's
nicht dämpfen« (Apostelgesch. 5, 38. 39). So lange der Kaiser mit
seinen Feinden außerhalb des Reichs zu thun hatte, suchte er auch mit
den Evangelischen im Reiche gute Freundschaft zu halten. Kaum aber
hatte er seine Feinde überwunden, so meinte er, die Evangelischen
nicht mehr zu brauchen und alles thun zu können, sie wieder unter des
Papstes Joch zu zwingen. Das sollte, wie er hoffte, auf dem Reichstag
geschehen, der im Frühjahr 1529 zu Speyer seinen Anfang nahm.
Man konnte es gleich am ersten Tag merken, daß der Reichstag dazu
berufen war, die Bekenner des Evangeliums zu unterdrücken. Zunächst
wurde der Beschluß vom Jahre 1526, wonach es jeder Fürst in Sachen
der Religion in seinem Lande halten sollte, wie er es vor Gott und
kaiserlicher Majestät zu verantworten gedenke, für null und nichtig
erklärt. Dann bildete man einen Ausschuß, der beraten sollte, wie es
hinfort in Religionssachen zu halten wäre. In diesem Ausschuß waren
mehr Katholiken als Evangelische. Darum konnte sich niemand wundern,
daß derselbe vorschlug, bis zu einer allgemeinen Kirchenversammlung
dürfe an den kirchlichen Verhältnissen nichts mehr geändert werden,
wohl aber sei auch jetzt dort, wo die Evangelischen die Oberhand
hätten, katholischer Gottesdienst nicht zu hindern. Da nun auch im
Reichstag selbst mehr Katholiken als Evangelische saßen, nahm derselbe
in der Mehrzahl jenen Vorschlag an. Das bedeutete nicht nur den
Stillstand der Reformation, sondern die Wiederaufrichtung des Papsttums
und damit die Unterdrückung des Evangeliums.
Die evangelischen Stände erklärten, daß über Dinge, die das Gewissen
angehe, kein Reichstag abstimmen und beschließen könne. Sie
protestierten gegen den Beschluß mit den Worten: »Wir gedenken mit der
Hand und Hilfe Gottes bei dem zu bleiben, daß allein Gottes Wort und
das heilige Evangelium, Altes und Neues Testament, in den biblischen
Büchern verfaßt, rein gepredigt werde, und nichts, das dawider ist;
denn daran als an der einzigen Wahrheit und dem rechten Richtscheit
aller christlichen Lehre und Lebens kann niemand irren noch fehlen,
und wer darauf baut und bleibt, der besteht wider alle Pforten
der Hölle!« So ward der Evangelischen Protest oder Verwahrung und
Einspruch zugleich ein schönes Bekenntnis. Die Katholischen spotteten
der Minderzahl der Evangelischen, die »protestierten«, dachten, das
Protestieren sei nichts als Worte, und nannten die Evangelischen
»Protestanten«. Sie sahen aber den Glauben nicht, der zum Proteste
trieb und der die Welt überwindet. Uns ist der Name »Protestanten« ein
Ehrenname. Noch heute protestieren wir gegen alles, was »wider Gott,
sein heiliges Wort und unser Gewissen« ist.
Tief war's zu beklagen, daß nicht alle Evangelischen treu und fest
zu einander standen. In Sachsen war man über die Lehre vom Abendmahl
anderer Meinung als in Süddeutschland und in der Schweiz, und man
hielt diesen Unterschied für so wichtig, daß man glaubte, sich darüber
nicht die Bruderhand reichen zu können. Über solchen Zwiespalt war
insbesondere der Landgraf Philipp von Hessen sehr betrübt. Vielleicht,
meinte er, sei eine Vereinigung möglich, wenn die Führer der
Evangelischen in Sachsen Luther und Melanchthon, in Süddeutschland und
der Schweiz Ökolampadius und Zwingli, einmal zusammen kämen, sich in
Liebe und Freundschaft zu besprechen. Das geschah denn auch im Herbste
1529 zu Marburg. Man einigte sich über die vornehmsten Stücke des
evangelischen Glaubens, aber nicht über die Abendmahlslehre. »Wir haben
sie in Frieden entlassen,« schrieb Luther; »Liebe und Frieden sind
wir auch den Feinden schuldig; es ward ihnen bedeutet, daß wenn sie
über das Abendmahl nicht besser denken lernen, sie zwar unserer Liebe
gebrauchen können, daß es uns aber nicht möglich ist, sie als Brüder
und Glieder Christi zu betrachten.« Ähnlich äußerte sich Melanchthon.
Zu gleicher Zeit beredeten sich der Kurfürst von Sachsen und der
Markgraf Johann von Brandenburg, ob nicht ein Bund der Evangelischen
anzustreben und zu erreichen wäre. Dazu brauchte man ein gemeinsames
Bekenntnis. Luther sollte es ausarbeiten. Er legte ihm die Artikel,
über die man sich in Marburg geeinigt hatte, zu Grunde und fügte einen
Abschnitt über das heilige Abendmahl hinzu, der seine eigene Lehre
enthielt. Es gelang aber weder zu Schwabach noch zu Schmalkalden, wo
man dieserhalb zusammenkam, die Süddeutschen zur Unterschrift dieser
Artikel und zum Anschluß an den Bund zu bewegen. Daß übrigens ein
solcher Bund jemals gegen den Kaiser die Waffen erhöbe, widerrieten
Luther und Melanchthon aufs entschiedenste.
Zu Anfang des Jahres 1530 sah es nicht gerade gut um die
protestantische Sache aus. Noch waren die, die sich zur Reformation
bekannten, zersplittert. Es fehlte ihnen die Fahne eines einmütigen
Bekenntnisses. Drüben aber unter den Römischen war Einigkeit. Dazu
hörte man allerlei Gerüchte von einem neuen Reichstag, zu dem
der Kaiser selbst kommen würde und auf dem endlich die verhaßten
Evangelischen, die aller Übel Ursache wären, für immer in die
Schranken des Gehorsams gegen den Papst und die Kirche zurückgewiesen
werden sollten. Um so überraschter war man, als das kaiserliche
Schreiben, in dem ein Reichstag nach Augsburg eingerufen wurde, nichts
als Güte und Milde atmete. Selbst Luther und Melanchthon glaubten
jetzt, nur Gutes hoffen zu dürfen.
Anderer Meinung war der scharfsichtige Kanzler des sächsischen
Kurfürsten +Dr.+ Gregor Brück. In des Kaisers und der Katholiken
Freundlichkeit erblickte er nur Fallstricke und das schlaue Bestreben,
die Evangelischen sicher zu machen, damit sie dann desto leichter
überrumpelt werden könnten. Darum sei es unbedingt nötig, daß die
Lehre der Protestanten in einer besonderen Schrift zusammengestellt
und sorgfältig mit Gründen der Bibel bewährt würde. Würde dann den
evangelischen Gottesgelehrten auf dem Reichstage das Wort verwehrt,
so könne man diese Schrift als Verteidigung der evangelischen Lehre
Kaiser und Reich vorlegen. Das leuchtete dem Kurfürsten wohl ein. Er
beauftragte Luther, Melanchthon, Bugenhagen und Jonas, sich über eine
solche Schrift zu beraten. Das war keine geringe Arbeit; kam es doch
darauf an, eine Schrift zu bieten, welche die Zustimmung womöglich
aller Evangelischen fände. Sie berieten lange, zuerst in Wittenberg,
dann in Torgau, bis sie schließlich auf Melanchthons Vorschlag
eingingen, nur das in die Schrift aufzunehmen, was im Einklang mit der
Kirche der ersten Jahrhunderte stand. Denn dann mußte jeder sehen, daß
nicht die Evangelischen, sondern die Katholischen »Neuerer« waren. In
einzelnen Artikeln übergaben die Männer ihrem Kurfürsten das Ergebnis
ihrer Beratungen. Dieser war wohl damit zufrieden; nur war es nötig,
die »Artikel« noch in zweckentsprechende Form zu bringen. Damit
beauftragte der Kurfürst Melanchthon.
Anfang April verließ Johann der Beständige mit seinem Gefolge --
darunter auch Luther, Melanchthon, Spalatin und anderen -- Torgau.
Daselbst verweilte man längere Zeit, so daß Melanchthon noch
ausgiebig Gelegenheit hatte, sich mit Luther über die ihm übertragene
Verteidigungsschrift zu besprechen, die nötigenfalls »als Bekenntnis
und Rechtfertigung der Evangelischen« in Augsburg vorgetragen werden
könnte. Denn Luther selbst sollte in Coburg zurückbleiben. Ein
Mann wie er, in Acht und Bann, konnte unmöglich vor Kaiser und Reich
erscheinen.
[Illustration: Coburg.]
Am 2. Mai langte als der Erste der Fürsten Kurfürst Johann in Augsburg
an. Erst allmählich füllte sich die Stadt mit den übrigen Fürsten,
geistlichen und weltlichen, Reichsständen und Gesandten. Kaiser Karl
hatte seinen Einzug bis auf den 15. Juni verschoben. Den Tag darauf
feierte man in öffentlicher Prozession und größtem Gepränge das
Fronleichnamsfest. Bestimmt lehnten die evangelischen Fürsten jede
Beteiligung daran ab. Charakterfest wahrten sie ihren evangelischen
Standpunkt. Am 20. Juni wurde der Reichstag mit einem feierlichen,
selbstverständlich katholischen Gottesdienst in der Stiftskirche
eröffnet. Die Reden, die man darnach hielt, ließen deutlich erkennen,
daß man bereit war, selbst mit dem Schwerte in der Hand den
Protestantismus zu unterdrücken. Die Evangelischen aber setzten ihre
Hoffnung auf Gott. Auch hatten sie die Zuversicht, daß der Kaiser sein
Wort halten und ihr Bekenntnis anhören werde.
Fleißig hatte Melanchthon seit seiner Ankunft in Augsburg daran
gearbeitet. Immer mehr ward aus der geplanten Verteidigungsschrift
eine Bekenntnisschrift. Dem Kurfürsten lag viel daran, daß auch Luther
Melanchthons Arbeit begutachtete. Am 15. Mai schickte er ihm die
Schrift auf die Feste Coburg, indem er ihm dazu schrieb: »Nachdem ihr
und andere unsere Gelehrten zu Wittenberg auf unser gnädiges Ansinnen
und Begehren die Artikel, so der Religion halber streitig sind, in
ein Verzeichnis gebracht, so wollen wir euch nicht bergen, daß jetzt
allhier Magister Philippus dieselbigen weiter übersehen und in eine
Form gezogen hat, welche wir euch hierbei übersenden. Und ist unser
gnädiges Begehren, ihr wolltet dieselben weiter zu übersehen und zu
bewegen unbeschweret sein. Und wo es euch dermaßen gefällig oder
etwas davon oder dazu zu setzen bedächtet, das wollet also daneben
verzeichnen, damit man alsdann auf Kaiserlicher Majestät Ankunft, der
wir uns in Kürze versehen, gefaßt und geschickt sein möge, und uns
dieselbige alsdann bei diesem Boten wohl verwahrt und verpetschaftet
unverzüglich wiederum anher schicken.« Luther erfüllte des
Kurfürsten Wunsch und gab über Melanchthons Schrift, die er als eine
Verteidigungsschrift (Apologie) bezeichnet, folgendes Urteil ab: »Ich
hab Magister Philippsen Apologie überlesen, die gefället mir fast (d.
i. sehr) wohl, und weiß nichts dran zu bessern noch ändern, würde sich
auch nicht schicken, denn ich so sanft und leise nicht treten kann.«
Trotz dieses Urteils hörte Melanchthon nicht auf, an seiner Schrift zu
feilen, zu ändern und zu bessern; auch Kanzler Brück und andere Räte
und Gelehrte waren ihm dabei behilflich.
Schließlich berieten die evangelischen Stände die Schrift, die trotzdem
sie durch viele Hände gegangen war, dennoch überall das Gepräge
Melanchthon'schen Geistes trägt. Unterschrieben wurde sie zunächst vom
Kurfürsten Johann von Sachsen samt seinem Sohne Johann Friedrich, von
den Herzögen Ernst und Franz von Lüneburg, vom Markgrafen Georg von
Brandenburg, dem Landgrafen von Hessen, dem Fürsten Wolfgang von Anhalt
und den Städten Nürnberg und Reutlingen. Später, aber noch während des
Reichstages, gaben auch die Städte Kempten, Windsheim, Heilbronn und
Weißenburg ihre Unterschrift.
Am 25. Juni 1530, nachmittags 3 Uhr, begann in der Kapitelstube des
bischöflichen Hofes der sächsische Kanzler Beyer vor Kaiser und Reich
das Bekenntnis der evangelischen Stände in deutscher Sprache zu
verlesen. Der Kaiser nahm dasselbe deutsch und lateinisch entgegen
und versprach, die Sache in reifliche Erwägung zu ziehen. Er wünschte
nicht, daß man die Schrift drucken ließe. Sie hätte ja leicht den
Evangelischen neue Genossen gewinnen können. Trotzdem wurde in
demselben Jahre allein der deutsche Text sechsmal gedruckt.
»An diesem Tage ist der allergrößten Werke eines geschehen, die je auf
Erden geschehen sind,« sagte Spalatin am 25. Juni 1530. Aber nicht nur
auf die Protestanten hatte die Verlesung ihres Glaubensbekenntnisses
den tiefsten Eindruck gemacht. »So hör' ich nun wohl, die Lutherischen
sitzen in der Schrift und wir Päpstlichen daneben,« bekannte Herzog
Wilhelm von Bayern, und der Augsburger Bischof, Christoph von Stadion,
mußte zugeben: »Was vorgelesen worden, ist reine Wahrheit, wir können
es nicht leugnen.« Von der Tiefe aber evangelischen Bekenntnisses
schien des Kaisers Beichtvater eine Ahnung erhalten zu haben; denn er
sagte: »Ihr habt eine Theologie, die man nur begreift, wenn man viel
betet.« Luther hatte recht, wenn er einmal sagte: »Der Reichstag zu
Augsburg ist mit keinem Gelde zu bezahlen um des Bekenntnisses des
Glaubens und des Wortes Gottes willen, so von den Unsern da gethan ist.
Denn da haben die Widersacher bekennen müssen, daß unsere Konfession
recht und wahr sei.«
Das Augsburgische Glaubensbekenntnis oder die »Augsburger Konfession«,
wie man gewöhnlich sagt, enthält 28 Artikel. Die ersten 21 stellen
die Glaubenslehre der Protestanten dar, die letzten sieben geben
an, welche Änderungen in kirchlichen Gebräuchen sich als notwendig
erwiesen. Die ersten 21 sind also die Hauptsache. Sie sind im Anhang
unseres Gesangbuchs abgedruckt. In unserer Zeit, wo die römische
Kirche überall den Kampf gegen uns Evangelische eröffnet hat, wo die
»römisch-katholischen Widersacher unsern Glauben so heftig wie in
den Zeiten des Augsburger Reichstags befeinden und lästern«, muß ein
evangelischer Christ, der konfirmiert und reifer geworden ist, auch
diese erste Bekenntnisschrift seiner Kirche kennen und verstehen
lernen. »Für unsere Kirche, die hier den Gegnern gegenüber vor Kaiser
und Reich zum ersten Mal ihrem Glauben einen förmlichen und gemeinsamen
öffentlichen Ausdruck gegeben hatte, ist sie mit ihrem gedrängten,
reichen Inhalt und festen, schlichten, feierlichen Ton ein bleibendes,
teures Kleinod geworden. Es mahnt uns fort und fort, für was und gegen
wen wir auch heute noch zu kämpfen haben. Es ruft jedem von uns zu:
Halte, was du hast! (Offenb. Joh. 3, 11).«
Daß die Römischen auf solch' herrliches Bekenntnis nicht schweigen
konnten, verstand sich von selbst. Nicht weniger als zwanzig Theologen
beauftragte der Kaiser dasselbe -- nicht zu prüfen -- sondern zu
widerlegen. Sie arbeiteten lange daran und hatten doch den Schmerz,
ihre Schrift, weil sie viel zu schwerfällig, unklar und heftig war,
vom Kaiser zurück zu erhalten. Als sie endlich am 3. August in
deutscher Sprache dem Reichstage vorgelesen wurde, fühlten nicht nur
die Evangelischen, auf wie schwachen Füßen die Lehre der Römischen
stand. Sie hätten gern eine Abschrift jenes Machwerks in Händen gehabt.
Der Kaiser wollte sie ihnen aber nur unter der Bedingung zustellen,
daß sie keine Gegenschrift erscheinen ließen. Das war unannehmbar.
Glücklicherweise hatte aber ein guter Freund Luthers und Melanchthons
bei der Vorlesung der »Widerlegung« das meiste zu Papier bringen
können. Auf Grund dieser Nachschrift hat dann Melanchthon seine
»Apologie« (d. i. Verteidigungsschrift, nämlich des Augsburgischen
Glaubensbekenntnisses) ausgearbeitet, die im April 1531 erschien.
Diese Schrift ist ein wahres Meisterwerk. Einige Sätze aus der Vorrede
mögen hier mitgeteilt sein: »Ich habe die höchsten Gründe der Gegner
zusammengefaßt, daß bei hohen und niedern Ständen, bei den Jetzigen
und unsern Nachkommen, bei allen eingeborenen Deutschen, auch sonst
aller Welt, allen fremden Völkern ein klar Zeugnis vor Augen sei und
ewig stehen bleibe, daß wir rein, göttlich, recht von dem Evangelio
Christi gelehrt haben; wir haben wahrlich nicht Lust oder Freude an
Uneinigkeit, auch sind wir nicht so gar stock- oder steinhart, daß
wir unsere Gefahr nicht bedenken. Denn wir sehen und merken, wie die
Widersacher in dieser Sache uns mit so großer Bitterkeit suchen und
bis hierher gesucht haben an Leib, Leben und Allem, was wir haben.
Aber wir wissen die öffentliche göttliche Wahrheit, ohne welche die
Kirche Christi nicht kann sein oder bleiben, und das ewig heilige Wort
des Evangelii nicht zu verleugnen oder zu verwerfen.« -- »Darum wollen
wir, so die erkannte helle Wahrheit mit Füßen getreten wird, diese
Sache hier Christo und Gott im Himmel befehlen, der der Waisen und
Witwen Vater und aller Verlassenen Richter ist; der wird, das wissen
wir ja fürwahr, die Sache urteilen und recht richten. Und du, Herr Jesu
Christ, dein heiliges Evangelium, deine Sache ist es; wollest ansehen
so manch betrübt Herz und Gewissen und deine Kirche und Häuflein, die
vom Teufel Angst und Not leiden, erhalten und stärken deine Wahrheit;
mache zu Schanden alle Heuchelei und Lügen, gieb also Friede und
Einigkeit, daß deine Ehre fürgehe und dein Reich wider alle Pforten der
Hölle kräftig ohne Unterlaß wachse und zunehme.«
[Illustration]
8. Einig und stark.
Wir sind bereit, Friede zu halten und
Liebe zu üben gegen alle, wofern sie uns die
Lehre des Glaubens rein und unverletzt lassen.
Luther.
Uneinigkeit ist ein alter Erbfehler des deutschen Volkes. Es hat ihn
oft schwer genug büßen müssen. Vielfach hat erst der vor den Thoren
stehende Feind die deutschen Stämme veranlaßt, sich die Bruderhand zu
reichen.
Angesichts der Feindschaft des Kaisers und der Römischen schlossen am
29. März 1531 die evangelischen Stände zu Schmalkalden einen Bund auf
sechs Jahre. Der Kurfürst von Sachsen und der Landgraf Philipp von
Hessen sollten die Oberhauptleute sein. Hätten sich damals nicht die
Türken wieder gerührt, so wär's wohl zum Kriege gekommen. Statt dessen
ward nun zwischen dem Kaiser und den Evangelischen im Sommer 1532 zu
Nürnberg ein Religionsfriede geschlossen. Es sollte zunächst alles
bleiben, wie es war. Auch durfte weder der Kaiser die Protestanten noch
die Protestanten den Kaiser angreifen.
Bald nach diesem Friedensschluß erlitt der schmalkaldische Bund
einen schmerzlichen Verlust. Am 15. August hatte Kurfürst Johann den
Beständigen von Sachsen auf dem Schlosse Schweinitz ein Schlagfluß
getroffen. Am nächsten Morgen früh 10 Uhr standen Luther und
Melanchthon am Sterbebette des edlen Fürsten, der zu Speyer, Augsburg
und Schmalkalden fest, entschieden und beständig für die evangelische
Sache eingetreten war. Am Sonntag darauf bestattete man ihn neben
seinem Bruder, Friedrich dem Weisen, in der Schloßkirche zu Wittenberg.
Luther hielt die Leichenpredigt. Johann Friedrich, des Heimgegangenen
Sohn, übernahm das Regiment.
Insbesondere Melanchthon und die süddeutschen Gottesgelehrten, allen
voran Martin Butzer in Straßburg, hatten den dringenden Wunsch, alle
Evangelischen Deutschlands und der Schweiz möchten sich aufs engste
verbinden. Von solchen Einigungsplänen war Luther kein Freund. Er
fürchtete, daß dabei die reine Lehre, insbesondere vom heiligen
Abendmahl, leiden werde. Auf keinen Fall wollte er seine feste
Gewißheit, daß im heiligen Abendmahle Christus selbst gegenwärtig
sei und sich allen Abendmahlsgästen mitteile, preisgeben. Als
Geistesverwandte aber der Süddeutschen und der Schweizer, insbesondere
Zwinglis, erschienen ihm die Wiedertäufer, die gerade damals viel
von sich reden machten. Die entsetzlichste Verzerrung evangelischer
Freiheit und die abscheulichste Verkehrung derselben in fleischliche
Zügellosigkeit hat im Jahre 1534 zu Münster stattgefunden. Man müsse
an der Wand greifen, sagte Luther, daß der Teufel dort leibhaftig
haushalte. Am 25. Juni 1535 ward die Stadt in blutigem Kampfe den
»Heiligen« abgenommen. Erst als die Süddeutschen sich in ihrer
Abendmahlslehre derjenigen Luthers eng näherten, ließ sich dieser
zu weiteren Verhandlungen herbei. Im Mai 1536 war eine große Zahl
Gottesgelehrter aus Straßburg, Augsburg, Ulm, Memmingen, Frankfurt,
Konstanz und anderen Städten in Wittenberg versammelt. Da wurde
die Einigkeit hergestellt. Es war ein großer Augenblick, und man
begreift's, daß den Anwesenden die Thränen ins Auge traten, als Luther
mit freudig bewegter Stimme erklärte: »Weil es denn so steht, so sind
wir eins, erkennen und nehmen euch an als unsere lieben Brüder im
Herrn.«
Im Nürnberger Religionsfrieden war Waffenstillstand beschlossen
worden, bis einmal auf einer Kirchenversammlung die Streitigkeiten
zwischen den Evangelischen und Römischen entschieden worden wären.
Das wäre natürlich für einen Papst ein großer Triumph gewesen, wenn's
ihm gelungen wäre, die abtrünnigen Protestanten in den Schoß der
sogenannten »allein selig machenden« Kirche zurückzuführen. Papst Paul
III., der seit dem Jahre 1534 auf dem römischen Stuhle saß, hoffte
sich diesen Ruhm zu erwerben. Schlau sind die Päpste meistens gewesen,
Paul III. aber war es besonders. Er plante eine Kirchenversammlung,
bedauerte aber, dieselbe nicht, wie es die Evangelischen wollten, in
Deutschland, sondern nur in Italien abhalten zu können. Mantua wurde
dazu bestimmt. Die schmalkaldischen Bundesgenossen ließen jedoch dem
päpstlichen Gesandten erklären: erstens würde hoffentlich der Kaiser
nicht zugeben, daß das Konzil auf anderem als deutschem Gebiet gehalten
würde, und zweitens könne nur die Heilige Schrift, aber nicht ein
Konzil in Glaubenssachen entscheiden.
Der Papst kümmerte sich jetzt nicht weiter um die Protestanten,
sondern schrieb einfach für das Jahr 1537 eine Kirchenversammlung nach
Mantua aus. Man beriet auf protestantischer Seite viel hin und her, was
zu thun sei. Schließlich einigten sich die Glieder des evangelischen
Bundes dahin, im Februar 1537 in Schmalkalden zusammenzukommen. Dort
sollte beschlossen werden, was auf dem Konzil »aufs äußerste zu
verteidigen« sei. Von vornherein erstrebte man volle Einmütigkeit.
Luther hatte den Auftrag aufzusetzen, was der Versammlung vorgelegt
werden sollte. Er sollte aufzeichnen, »worauf er in allen Artikeln,
die er bisher gelehrt, gepredigt und geschrieben, auf einem Konzil,
auch in seinem letzten Abschied von dieser Welt vor Gottes allmächtigem
Gericht gedächte zu beruhen und zu bleiben und darinnen ohne Verletzung
göttlicher Majestät, es betreffe gleich Leib oder Gut, Frieden oder
Unfrieden, nicht zu weichen.«
Das that Luther in den sogenannten »Schmalkaldischen Artikeln«,
die ebenso wie die Augsburgische Konfession, die Apologie und die
beiden Katechismen zu den Bekenntnisschriften unserer Kirche gehören.
Die »Schmalkaldischen Artikel« zerfallen in drei Teile. Im ersten
handelt Luther »von den hohen Artikeln der göttlichen Majestät«. Über
dieselben bestand keine Meinungsverschiedenheit. Desto mehr aber über
das, was der zweite Teil besagt. Hier stellt Luther den Satz von der
Rechtfertigung allein aus dem Glauben in den Vordergrund. »Von diesem
Artikel kann man nichts weichen oder nachgeben, es falle Himmel und
Erde, oder was nicht bleiben will. Und auf diesem Artikel steht alles,
das wir wider den Papst, Teufel und Welt lehren und leben. Darum müssen
wir des gar gewiß sein und nicht zweifeln, sonst ist es alles verloren
und behält Papst und Teufel und alles wider uns den Sieg und Recht.«
Im zweiten Artikel wird die Schriftwidrigkeit der Messe nachgewiesen.
Im dritten fordert Luther, die Klöster sollen dazu verwendet werden,
»daß man Pfarrer, Prediger und andere Kirchendiener haben möge, auch
sonst nötige Personen zu weltlichem Regiment in Städten und Ländern,
auch wohlerzogene Jungfrauen zu Hausmüttern und Haushälterinnen.«
Vielfach ist Luthers Rat befolgt worden, z. B. bei der Gründung der
Fürstenschulen zu Meißen, Grimma und Schulpforta. Der vierte Artikel
weist nach, daß der Papst nicht aus Gottes Wort und nach göttlicher
Einsetzung das Haupt der Christenheit ist. »An diesen vier Artikeln,«
meinte Luther, »werden sie genugsam zu verdammen haben im Konzil.«
Er fügt deshalb noch einen dritten Teil hinzu mit einer Reihe von
nicht gerade grundsätzlichen Artikeln, über die vielleicht eine
Verständigung erzielt werden könnte. Eine Nachgiebigkeit auf dem Boden
der reformatorischen Grundsätze hielt Luther bei den Römischen für
ausgeschlossen. Er wußte genau: Entweder bleibt der Papst Papst -- dann
läßt er das Evangelium nicht zu -- oder er läßt das Evangelium zu --
dann hört er auf Papst zu sein. Darum betete Luther: »Ach lieber Herr
Jesu Christe, halt du selber Konzil und erlöse die Deinen durch deine
herrliche Zukunft. Es ist mit dem Papst und den Seinen verloren; sie
wollen dein nicht. So hilf du uns Armen und Elenden, die wir zu dir
seufzen und dich suchen mit Ernst, nach der Gnade, die du uns gegeben
hast, durch deinen heiligen Geist, der mit dir und dem Vater lebet und
regieret, ewiglich gelobet. Amen.«
[Illustration]
9. Ein Tag im Hause Luthers.
Die Stätte, die ein guter Mensch betrat,
ist eingeweiht.
Goethe.
Wer einmal nach Eisenach kommt, wird ganz gewiß nicht versäumen,
auf die Wartburg zu wandern und sich das Zimmer zeigen zu lassen,
in dem einst unser Luther als Junker Jörg gewohnt und das Neue
Testament übersetzt hat. Und wer einmal nach Wittenberg kommt, der
wird nicht versäumen, das Haus Luthers zu besuchen. Es ist das alte
Augustinerkloster. Der Kurfürst hat es einst dem Reformator geschenkt.
Man hat recht daran gethan, daß man in diesem Hause möglichst wenig
geändert hat. Das sieht man vor allem an dem großen Wohnzimmer. Ganz
wie es einst zu Luthers Lebzeiten war, ist's geblieben. Dort der
mächtige Kachelofen -- da mag manchmal Muhme Lene sich gewärmt haben!
Dort der große Familientisch, da haben sie sich zu Mittag und Abend zu
fröhlicher Mahlzeit versammelt. Dort die tiefe Fensternische mit dem
Lehnstuhl -- da hat Käthe Luther oft gearbeitet und mitunter durchs
Fenster nach den spielenden Kindern geschaut. Ist's nicht, als müßte
Luther selbst aus seiner Studierstube hereintreten?
[Illustration: Lutherhaus in Wittenberg.]
So versetzen wir uns denn einmal um Jahrhunderte zurück, kehren ein in
Luthers Hause und wollen einen Tag lang stille Beobachter und Zuhörer
sein! Es ist am frühen Morgen. Schon füllt sich das Wohnzimmer. Wer
sind alle, die da kommen? Dort die ehrwürdige Muhme Lene, Frau Luthers
Tante, die einst auch Nonne im Kloster zu Nimbschen gewesen war und
nun hier eine freundliche Unterkunft gefunden hatte, und mit ihr die
älteren Kinder des Hauses, Hans und Lenchen. Dort mehrere Studenten und
ein vertriebener evangelischer Prediger, dem der gastfreie Hausherr
Herberge gewährt hat. Dort die Dienstboten, die Luther immer zu seiner
Familie rechnete, allerdings mit der Forderung, daß sie wie die Kinder
des Hauses Zucht sich unterwürfen. Und nun treten mit freundlichem
Gruße Hausvater und Hausmutter ein, mit ihnen die drei jüngsten
Kinder, Martin, Paul und Margarethe. In früher Morgenstunde ist die
Hausgemeinde zum Gottesdienst versammelt -- wahrlich ein schönes Bild!
Wenn's doch so in allen Häusern wäre! Dann erst geht's an die Arbeit:
die Hausfrau mit den Dienstboten in die Zimmer und Küche und Keller,
in den Garten und in den Stall! Es gab viel zu thun in diesem Hause!
Der Hausvater und die Studenten nehmen ihre Bücher und eilen in die
Vorlesungen.
[Illustration: Lutherstube in Wittenberg.]
Es ist schon ein gut Stück Tagesarbeit gethan, als um zehn Uhr -- so
war es damals Brauch -- zum Mittagessen gerufen wurde. Von seinen
Vorlesungen war Luther in die Stadtkirche gegangen, um bei der
feierlichen Weihe einiger junger Prediger gegenwärtig zu sein. Dann hat
er fleißig an seinem Schreibtisch gearbeitet, -- morgen soll er auf
Wunsch des Kurfürsten vor dessen Gästen in der Schloßkirche predigen
--, hat mehrere Briefe geschrieben und ist trotz seiner vielen Arbeiten
nicht böse gewesen, als Freund Melanchthon kam, um etwas zu fragen,
als einige Fremde vorsprachen, die ihn nur einmal sehen wollten, und
als eins der jüngsten Kinder anfing, sich neben dem Schreibtisch eine
Spielecke einzurichten und dem Vater etwas laut Gesellschaft zu leisten.
[Illustration: Luthers Familie]
Nicht nur die Hausbewohner stellten sich an Luthers Tische ein.
Mancher arme Student fand da ein Plätzchen. Fremde Gäste, die Luther
besuchten, mußten auch an der Mittagsmahlzeit teilnehmen. Da war's ein
großer Kreis, für den die wackere Hausfrau zu sorgen hatte, und es
mag ihr sehr willkommen gewesen sein, wenn eine dankbare Stadt, der
Luther einen wichtigen Dienst geleistet hatte, oder ein reicher Freund
einmal ein Stück Wildbret in die Küche oder ein Faß Wein in den Keller
schickte. Daß man sich in Luthers Hause nicht ohne Tischgebet zum Essen
setzte, versteht sich von selbst. Eins der Kinder mußte es sprechen.
Bald begann dann eine fröhliche Unterhaltung, wie sie Luther bei Tische
liebte. War ein fremder Gast aus fernen Landen zugegen, der mußte von
seiner Heimat erzählen. Auch manch ernstes Gespräch ist da geführt
worden. Was unser Luther redete, war von Wichtigkeit. Drum haben's
die »Tischgesellen« sich wohl gemerkt, auch manches gleich bei Tische
aufgeschrieben. Wir haben ein paar Bände solcher »Tischreden« Luthers,
in denen es auch an manchem heiteren Wort nicht fehlt.
Nach des Tages Arbeit fand man sich zum Abendbrot wieder zusammen.
Dann geht es hinaus in den wohlgepflegten Garten, wo Luther sich
an der Schönheit der Blumen und am Gesang der Vögel erfreut, Käthe
aber mit Stolz das prächtig gedeihende Gemüse betrachtet. Statt
zum Kegelschieben oder einem anderen Spiel im Freien, wie sonst
oft, fordert Luther heute die jungen Leute auf, noch ein Stündchen
in sein Studierzimmer zu kommen und mit ihm eine »Hausmusika« zu
veranstalten. Ein Krug frisches Bier, von der tüchtigen und fleißigen
Käthe selbst gebraut, erquickt die Sänger. Kaum aber ist die Sonne
untergegangen, so sammelt man sich noch einmal im Wohnzimmer zur
gemeinsamen Abendandacht. Die Kleinen und Kleinsten gehen zur Ruhe. In
dem Turmzimmer aber, dessen Fenster nach der Elbe hinausblickt, ist
noch lange Licht. Dort sitzt der fleißige Luther über der Bibel. Morgen
wollen die Freunde Melanchthon, Bugenhagen, Cruciger, Rörer und andere
kommen, um mit ihm an der Übersetzung einer besonders schwierigen
Stelle des Alten Testaments zu arbeiten. Mitternacht ist's geworden.
Von St. Marien und von der Schloßkirche bringen die Glocken dem neuen
Tag den ersten Gruß. Luther tritt ans offene Fenster, schaut nach dem
sternenbedeckten Himmel, faltet die Hände zum Gebet und spricht seinen
Abendsegen.
So friedlich und freundlich wie heute ist's freilich nicht immer in
Luthers Hause gewesen. Auch Kummer und Sorge, Krankheit und Tod haben
dort ihren Einzug gehalten, und die beiden Eltern haben wie andere
Christenleute ihr Kreuz zu tragen gehabt. Der trübste Tag in Luthers
Hause ist wohl der gewesen, da das dreizehnjährige Lenchen starb. Aber
Luther, der so manchen Trauernden zu trösten gewußt hat, trauerte auch
selbst nicht ohne Trost. Bei den »Heiligen im Himmel« suchte er hinfort
das tote Kind, dessen er auf Erden nach Gottes Rat nur kurze Zeit sich
hatte freuen sollen.
[Illustration]
10. Luthers Freunde.
Ein treuer Freund ist ein Trost des
Lebens; wer Gott fürchtet, der kriegt
solchen Freund.
Sirach 6, 16.
Das wäre eine lange Reihe, wollte man sie alle aufzählen, die zu
Luthers Freundeskreis gehörten -- und wie viele treue Freunde mag er
hin und her in Stadt und Land gehabt haben, deren Namen wir gar nicht
kennen! Nur von solchen Freunden, die unserm Luther am nächsten standen
und von denen der liebe Leser gewiß schon etwas gehört hat, soll hier
kurz die Rede sein!
[Illustration: Friedrich der Weise, Johann der Beständige, Johann
Friedrich der Großmütige.]
Da nennen wir zuerst den wackeren Kurfürst ~Friedrich den Weisen~
von Sachsen. Ihm hatte Luther viel zu danken. Immer hielt er über
seinem Wittenberger Professor seine schützende Hand. Er verhinderte es,
daß man Luther nach Rom brachte. Er weigerte sich, gegen den gebannten
Luther etwas zu thun. Statt dessen brachte er den Geächteten auf der
Wartburg in Sicherheit. Und wie dankbar ist Luther für das alles seinem
Kurfürsten gewesen! Er hat's ihm nicht nur in den Trauerpredigten
gedankt, die er nach des Landesherrn Abscheiden hielt, sondern sein
Leben lang hat er die besonderen Tugenden Friedrichs des Weisen
gerühmt, »neben seiner Weisheit und Vorsicht namentlich seine Milde
gegen seine Unterthanen, seine Liebe zur Gerechtigkeit, seinen Haß
gegen alle Lüge«. Zu Luthers treuesten Freunden haben auch Friedrichs
des Weisen Nachfolger gehört, ~Johann der Beständige~, der
sich oft in der Kirche Luthers Predigten nachschrieb, und ~Johann
Friedrich der Großmütige~, der selten nach Wittenberg kam, ohne sich
von Luther in der Schloßkirche eine Predigt halten zu lassen.
[Illustration: Justus Jonas.]
Der liebe Leser kennt gewiß ein Bild, das Luther in seiner Familie
zeigt. Da ist wohl auch ein Mann zu finden, der mit Luther so
befreundet war, daß man ihn mit zur Familie rechnete: ~Philipp
Melanchthon~! Wer ein treues deutsches Freundespaar nennen soll,
der wird wohl zuerst an die beiden denken, an Luther und Melanchthon.
Verschiedene Leute sind die beiden freilich gewesen: Luther unbeugsam,
rücksichtslos, wenn sich's um die Wahrheit handelte, geradezu in
seiner Rede -- Melanchthon friedesuchend, vermittelnd, fein und
liebenswürdig; Luther mit Entschiedenheit den tiefen Graben zeigend,
der die Evangelischen von der römischen Kirche trennt, -- Melanchthon
in Liebe und Versöhnlichkeit eine Brücke suchend, die über den Graben
führt. Aber so verschieden die beiden Männer waren, eins sind sie doch
gewesen im Glauben und in der Liebe, in der Zartheit ihres Gewissens
und in der Treue. Es war auch eine Fügung Gottes, daß die beiden
Freunde in ihrer Verschiedenheit sich ergänzten. Das haben sie selbst
bald gefühlt, seit sie nebeneinander in Wittenberg wirkten. Im Sommer
1518 war Melanchthon als Lehrer des Griechischen dahin berufen worden,
und schon nach wenigen Monaten schrieb Luther: »Ich habe an Melanchthon
meinen vertrautesten Freund« und Melanchthon bekennt: »Ich möchte
lieber sterben als von diesem Manne mich trennen müssen!« Und wie es
nur rechte Freunde können, haben die beiden Freud' und Leid miteinander
geteilt, miteinander gearbeitet und geduldet, gekämpft, gehofft und
gebetet. Eine Geschichte aus dem Leben beider mag das noch besonders
zeigen. Im Jahre 1540 war Melanchthon auf einer Reise schwer erkrankt.
In Weimar brach er zusammen. Als Luther von der Krankheit hörte, suchte
er den Freund durch einen herzlichen Trostbrief aufzurichten. Umsonst
-- die Krankheit nahm bedenklich zu, so daß der Kurfürst einen Arzt und
mit ihm Luther und Justus Jonas nach Weimar schickte. »Behüt Gott! Wie
hat mir der Teufel dies Werkzeug geschändet!« rief entsetzt Luther,
als er den Freund fand, »die Augen wie gebrochen, das Gehör vergangen,
die Sprache entfallen.« Dann ging er ans Fenster, sank in die Knie
und unter heißen Thränen mit der ganzen Macht seines Glaubens betete
er zu Gott, den Freund aus dem Tode zu erretten. Darauf tritt er ans
Lager, faßt Melanchthon an beiden Händen und spricht: »Sei gutes Muts,
Philipp, Du wirst nicht sterben -- -- vertraue dem Herrn, der töten
und wieder lebendig machen, verletzen und verbinden, schlagen und
heilen kann!« Im Gebete hatte Luther den Weg zum Herzen und zur Hilfe
Gottes, in seinem Zuspruch den Weg zum Herzen des Freundes gefunden.
Wohl war es Melanchthon, als wäre seine Seele schon auf der Heimfahrt
begriffen. »Halte mich um Gotteswillen,« rief er, »nicht länger auf!
Ich bin jetzt auf einer guten Fahrt, lasse mich hinziehen! Es kann mir
nichts Besseres widerfahren.« Bestimmt erwiderte Luther: »Mit nichten!
Du mußt unserm Herrn noch weiter dienen!« Dann holte er zu essen und
zwang den Kranken, in dem der Wille zum Leben wieder zu erwachen begann:
»Hörst du, Philipp! Kurzum, du mußt mir essen oder ich thue dich
in den Bann!« Und Melanchthon aß und als er dann, wie verwundert
darüber, daß er noch lebe, im Zimmer sich umschaute, sah er mit großen
Buchstaben von treuer Freundeshand die Worte des 118. Psalm an der
Wand geschrieben: »Ich werde nicht sterben, sondern leben und des
Herren Werk verkündigen.« So hat Luther seinen Melanchthon aus dem
Tode herausgebetet. Ja, die Heilige Schrift hat recht: »Das Gebet des
Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist!« (Jak. 5, 16).
[Illustration: »Der Weinberg des Herrn« (von Lukas Kranach). -- (Verlag
d. Buchh. d. Diakonissen-Anst. Kaiserswert). Dieses Bild stellt Luther
und seine Freunde bei ihrer Arbeit im Reiche Gottes dar.]
Melanchthon hat seinen Freund Luther um vierzehn Jahre überlebt. Das
sind, wie wir noch hören werden, schwere Jahre gewesen. Wie oft mag
Melanchthon geseufzt haben: Stünde mir doch noch Luther zur Seite! Die
im Leben eins waren, ruhen nun neben einander in der Schloßkirche zu
Wittenberg. Manches Denkmal aber hat die beiden Freunde in lebendigem
Bilde vereint. Sie stehen beide auf dem Wittenberger Marktplatz, über
den sie wohl oft miteinander geschritten sind. Neben Luther steht
Melanchthon auf dem Reformationsdenkmal zu Leipzig.
Von anderen guten Freunden unseres +D.+ Martin Luther seien noch
genannt der Altenburger Superintendent ~Georg Spalatin~, der
Wittenberger Stadtpfarrer ~Johann Bugenhagen~, der berühmte Maler
~Lukas Kranach~, der Nürnberger Dichter ~Hans Sachs~, die Mitarbeiter
an der Bibelübersetzung ~Nikolaus Amsdorf~, ~Kaspar Cruciger~ und
~Justus Jonas~, die Prediger ~Nikolaus Hausmann~ in Zwickau, ~Veit
Dietrich~ und ~Wenceslaus Link~ in Nürnberg, ~Friedrich Mykonius~ in
Gotha, der spätere Wittenberger Generalsuperintendent ~Paul Eber~,
endlich der kursächsische Kanzler ~Gregor Brück~.
[Illustration]
11. Luthers seliger Heimgang.
Sei getreu bis an den Tod, so will ich
dir die Krone des Lebens geben.
Off. Joh. 2, 10.
Wenn in des Jahres Lauf der Tag wiederkehrt, da einst Vater oder Mutter
starb, legt es sich über das Haus wie stille Trauer. Die Kinder ziehen
hinaus zum Grabe, es zu schmücken mit dem Kranze wehmütigen und
dankbaren Gedenkens. Des Vaters treue Sorge und der Mutter hingebende
Liebe steht an solchem Tage wieder lebendig vor der Seele und aus der
Trauer um die Heimgegangenen erhebt sich das heilige Gelübte, in ihren
Fußtapfen zu wandeln, ihrem Namen Ehre zu machen und treulich ihre
Mahnungen zu erfüllen.
[Illustration: (Luthers eigenhändige Unterschrift eines nach Zwickau
gerichteten Briefes).]
[Illustration: Eisleben.]
Wie ein Vater ist +D.+ Martin Luther der ganzen evangelischen
Christenheit gewesen. Mit stiller Trauer und heiligen Gelübden soll
sie immerdar den 18. Februar begehen. An diesem Tage im Jahre 1546 ist
Luther geschieden. Es war Gottes Fügung, daß er einem Friedenswerke
dienend -- er sollte die Grafen von Mansfeld untereinander versöhnen
-- zum ewigen Frieden einging in derselben Stadt, in der er einst
die Augen zu einem Leben in mutigem Kampfe aufgeschlagen hatte. Es
war Luthers Freude, daß ihm sein Friedenswerk gelang und die Grafen
sich die Hand zur Versöhnung reichten. Am 14. Februar -- es war der
6. Sonntag nach Epiphaniä -- hat er zum letzten Male in Eisleben
gepredigt. Er, der so viele hundert Mal auf der Kanzel gestanden
hatte, hielt seine letzte Predigt dort wo er einst die heilige Taufe
empfangen hatte. Zwei Tage später begannen seine Kräfte sichtlich
abzunehmen. In den ersten Morgenstunden des 18. Februar hat er seine
Seele ausgehaucht. Sein letztes Gebet hat gelautet: »O mein himmlischer
Vater, ein Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, du Gott alles
Trostes, ich danke dir, daß du mir deinen lieben Sohn Jesum Christum
geoffenbaret hast, an den ich glaube, den ich gepredigt und bekannt
habe, welchen der leidige Papst und alle Gottlosen schänden, verfolgen
und lästern. Ich bitte dich, mein Herr Jesu Christe, laß dir mein
Seelchen befohlen sein! O himmlischer Vater, ob ich schon diesen Leib
lassen und aus diesem Leben hinweggerissen werden muß, so weiß ich doch
gewiß, daß ich ewig bei dir bleiben und aus deinen Händen mich niemand
reißen kann!« Luthers letztes Wort war ein freudig bekennendes »Ja!«
auf die Frage der Freunde: »Ehrwürdiger Vater, wollet ihr auf Christum
und die Lehre, wie ihr gepredigt, beständig bleiben?« Dann schlummerte
er in Frieden ein.
Auf Wunsch des Kurfürsten wurde die Leiche nach Wittenberg gebracht. Es
war am Montag darauf, am 22. Februar. Am Elsterthor zu Wittenberg hatte
sich die Universität, der Rat und die Bürgerschaft versammelt. Gegen
neun Uhr fingen die Glocken an zu läuten. Sie grüßten den ernsten Zug,
der Luthers Leiche nach Wittenberg geleitete. Wer da hinter dem Sarge
Luthers Witwe fahren und dahinter die drei Söhne schreiten sah, dem
mußte die Thräne ins Auge treten. An Luthers und Melanchthons Wohnhaus
vorbei ging's nach der Schloßkirche. Dort sprachen Bugenhagen und
Melanchthon. Es war ihnen schwer, den Schmerz, der die Stimme erzittern
machte, zu beherrschen. Nahe der Kanzel senkte man den Sarg ins Grab.
[Illustration: Schloßkirche zu Wittenberg.]
Durch die ganze evangelische Welt ging ein tiefes Trauern und in die
Trauer mischte sich die bange Sorge um die Zukunft. Viel Trübes und
Schmerzliches sollte sie bringen. Aber der Glaube sah von jeher aus
allen Stürmen und Kämpfen siegreich das Evangelium hervorgehen. Als
Friedrich Mykonius in Gotha die Nachricht von Luthers Tode erhielt,
schrieb er an den Kurfürsten von Sachsen: »Dieser +D.+ Luther ist
gar nicht gestorben, wird und kann nicht sterben, sondern wird nun
allererst recht leben!« Luthers Wahlspruch lautete: »Ich werde nicht
sterben, sondern leben und des Herrn Werk verkündigen« (Psalm 118,
17). Dieser Wahlspruch ist eine Weissagung geworden und die Weissagung
hat sich erfüllt. Luther lebt fort in dem dankbaren Gedächtnis der
evangelischen Kirche. Niemals soll es unter uns vergessen sein, was
wir dem teuren Gottesmann zu verdanken haben! Wir wollen festhalten an
dem lauteren Gotteswort, das durch Luther wieder ans Licht gebracht,
uns befreit hat aus der Finsternis des Papsttums und Jesum Christum
als unsern alleinigen Heiland und alleinigen Trost im Leben und im
Sterben zeigt! Mag die Kirche des Papstes die erhabene Gestalt und die
göttliche Lehre Luthers hassen, verunglimpfen und verfolgen, wie sie
will, es wird dabei bleiben:
Gottes Wort, Lutheri Lehr
Vergehen nun und nimmermehr!
[Illustration]
[Illustration]
Zweiter Abschnitt.
Die Väter der reformierten Kirche.
[Illustration]
Nicht nur von Wittenberg zogen die Gedanken des Evangeliums in die Welt
hinaus. Fast gleichzeitig begann sein Licht in der Schweiz zu leuchten.
Es ist Gottes Wille gewesen, daß neben die evangelisch-»lutherische«
die evangelisch-»reformierte« Kirche trat. Man hat schon in der
Reformationszeit versucht, die beiden zu vereinen. Vielleicht wäre Eine
große evangelische Kirche mächtiger gewesen. Die beiden Kirchen sind
wie zwei Schwestern. Jede hat ihre Eigentümlichkeiten. Aber es ist Ein
Geist, der beide beseelt: der Geist des Glaubens, der allein auf Gottes
Wort sich gründet, und der Liebe, die in der Kraft des göttlichen
Wortes dient und wirkt. Sind Luther und Melanchthon die Väter unserer
Kirche, so sind Zwingli und Calvin als die Väter der reformierten
Kirche zu bezeichnen. Von beiden soll in diesem Abschnitt erzählt
werden.
1. Huldreich Zwingli.
So euch der Sohn frei macht, so seid ihr
recht frei.
Joh. 8, 36.
Wie mannigfaltig führt Gott die Menschen, auch die, die er zu
Rüstzeugen für ein und dasselbe große Werk bestimmt hat. Auf ganz
verschiedenem Boden sind Luther und Melanchthon erwachsen, verschieden
war ihre Eigenart, und doch hat sie Gott nebeneinander gestellt und
durch sie das Werk der Reformation hinausgeführt. Und wieder ganz
verschieden von diesen beiden der Reformator der deutschen Schweiz,
Huldreich (Ulrich) Zwingli. In den Bergen der Schweiz weht eine andre
Luft als droben nach dem Norden zu. Der Sohn der Berge fühlt sich
freier. Darum war es dort der römischen Kirche nicht gelungen, die
Leute in so feste Bande zu schlagen, wie es bei uns geschehen war. So
kam es auch, daß man sich in der Schweiz leichter und rascher aus dem
festen Gefüge des Papsttums löste.
Huldreich Zwingli ist nur wenige Wochen jünger als unser Luther. Er
wurde am 1. Januar 1484 zu Wildenhus, einem Bergorte zwischen dem
Säntis und den Kuhfirsten geboren. Der Vater, der Ammann von Wildenhus,
war wohlhabend genug, um seinem Sohne, dem dritten unter acht Kindern,
eine tüchtige Erziehung und Schulbildung geben lassen zu können. In
Basel, Bern und Wien hat Huldreich fleißig studiert. Einer seiner
Lehrer in Basel sprach es schon damals offen aus, daß Ablaß weiter
nichts als Lug und Trug sei. Frühzeitig fühlte sich Zwingli zur
Heiligen Schrift hingezogen. Die Beschäftigung mit ihr war ihm die
höchste Freude.
[Illustration: Huldreich Zwingli.]
Zu der Zeit, als Luther noch im Erfurter Kloster weilte, trat Zwingli,
erst 22 Jahre alt, das Amt eines Pfarrers zu Glarus an. Die Pfarrei
Glarus umfaßte etwa den dritten Teil des gesamten Kantons. Es war also
ein großes Amt, das dem jungen Pfarrer anvertraut wurde. Dabei vergaß
aber Zwingli auch das Wort des Herrn nicht: Weide meine Lämmer! Mit
besonderer Hingabe nahm er sich der Jugend an. Fleißig studierte er
mit den Jünglingen. Sein liebstes Buch aber blieb die Heilige Schrift.
Während Luther in Erfurt mit unbeschreiblicher Freude und rastlosem
Eifer das Buch der Bücher durchstudierte, saß Zwingli vor seiner
Bibel, schrieb sich die Erklärungen der besten Ausleger an den Rand
und lernte das Neue Testament von Anfang bis zu Ende fast auswendig.
Auch ihm wurde es klar, daß die Heilige Schrift allein die Quelle
des Glaubens und die Richtschnur des Lebens sein dürfe. »Du mußt die
Meinung Gottes,« sprach er zu sich selbst, »lauter aus seinem eigenen,
einfältigen Worte lernen.«
Wie Luther sein deutsches Volk, so hatte Zwingli sein Schweizervolk
von Herzen lieb. Und es war gewiß recht von ihm, daß er es auch in
Kriegszeiten nicht verließ, sondern als Feldprediger seine Männer
von Glarus mit nach Italien begleitete. Luther hat den Finger auf
manche Wunde im deutschen Volksleben gelegt. Auch bei den Schweizern
war nicht alles, wie es sein sollte. Zwingli hat offen getadelt und
mutig bekämpft, was zu tadeln und zu bekämpfen war. So vor allem das
sogenannte Reislaufen. Die kräftigen Schweizer pflegten nämlich für
Geld Kriegsdienste zu nehmen. Das nannte man Reislaufen. Das brachte
allerdings viel Geld in das sonst arme Land. Auch ließen sich vornehme,
einflußreiche Leute ein Jahrgeld dafür bezahlen, daß sie junge Leute
für fremde Heere anwarben oder solche Werbungen im Lande duldeten. Da
kam es aber vor, daß sich Schweizer Jünglinge und Männer in feindlichen
Heeren einander gegenüber standen. Und mancher kam heim nicht nur mit
ausländischem Gelde, sondern auch mit ausländischen Lastern. Dieses
Unwesen hat Zwingli ernstlich bekämpft und sich nicht viel um die
Feindschaft derer bekümmert, die vom Reislaufen ihren Vorteil hatten.
Gott hatte Zwingli zum Reformator der Kirche seines Vaterlandes
bestimmt. Darum führte er ihn ganz ähnlich wie Luther so, daß er die
Schäden der Kirche in ihrer Tiefe kennen lernte. Im Jahre 1516 folgte
Zwingli zum Schmerz seiner Glarner Gemeinde einem Rufe als Prediger
nach dem Wallfahrtsort Einsiedeln. Dort drängten sich die Leute vor
einem wunderthätigen Marienbild. Zwingli predigte, daß Christus allein
unser Mittler sei, und am Michaelisfeste 1517 -- also wenige Wochen vor
den 95 Thesen Luthers -- haben in Einsiedeln viele Leute das Geld, das
sie für den Ablaß mitgebracht hatten, den Armen gegeben.
Auch die Schweiz hat ihren Tetzel gehabt. Er hieß Samson. Mit ihm
bekam es Zwingli in Zürich zu thun. Dort wirkte der Reformator seit
Neujahr 1519. Seinem entschiedenen Widerspruch war es zu danken, daß
dem frechen Samson, der gegen 120000 Dukaten den Schweizern abgenommen
haben soll, Zürichs Thore verschlossen blieben. In seinen Thesen hat
Luther »das allerheiligste Evangelium« für den »wahren Schatz der
Kirche« erklärt. Zwingli ist derselben Meinung gewesen. Er begann seine
Thätigkeit in Zürich mit Predigten über das Matthäus-Evangelium. Gottes
Wort weckte ein neues Leben in Zürich. Tausende sammelten sich unter
der Kanzel dieses »rechten Predigers der Wahrheit«, wie man Zwingli
nannte. Dieser aber ging Schritt für Schritt vorwärts und verwarf einen
römischen Mißbrauch nach dem andern als unevangelisch.
Mit einem Schlage ist freilich nirgends die Reformation durchgeführt
worden, auch in der freien Schweiz nicht. Die römisch Gesinnten suchten
sich so lange als möglich zu behaupten. So war es auch in Zürich.
Insonderheit widersetzte sich der Bischof von Konstanz, zu dessen
Sprengel Zürich gehörte, mit aller Macht den Neuerungen Zwinglis.
Eine Disputation sollte öffentlich an den Tag bringen, auf wessen
Seite die Wahrheit war. Im Januar 1523 wurde eine solche in Zürich
abgehalten. Zwingli siegte. Nun ging es freilich auch so zu wie in
Wittenberg und anderen Städten Deutschlands. Man beseitigte gewaltsam
alles, was an die römischen Gottesdienste erinnerte. Man riß die
Heiligenbilder herunter und zerhackte die Crucifixe. Zwar wurden die
Bilderstürmer auf zwei Jahre verbannt. Aber es blieb dabei: Bilder
sollten als der Heiligen Schrift zuwider (2. Mos. 20, 4) nicht in den
Kirchen geduldet werden.
Schon darin zeigt sich ein wichtiger Unterschied in der Lehre Zwinglis
und Luthers. Was nicht wider die Schrift ist, sagte Luther, kann
geduldet werden. Was nicht aus der Schrift bestätigt werden werden
kann, muß beseitigt werden, sagte Zwingli. Aber ein tieferer und
verhängnisvollerer Unterschied trat in der Abendmahlslehre beider zu
Tage. Luther lehrte die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi in
Brot und Wein beim Genusse des heiligen Abendmahls (vergl. das erste
Fragstück des fünften Hauptstücks). Zwingli verstand unter Brot und
Wein nur Sinnbilder des Leibes und Blutes Christi und lehrte nicht eine
leibliche, sondern nur eine geistige Gegenwart des Herrn in seinem
Mahle. Es brach darüber ein heftiger, nicht ohne Leidenschaft geführter
Streit zwischen beiden Männern aus. Auch auf dem Religionsgespräch
zu Marburg im Jahre 1519, an dem Zwingli teilnahm, kam es zu keiner
Einigung. Es ist tief zu bedauern, daß gerade das Liebesmahl des
Heilands der Gegenstand des Streites und der Entzweiung geworden ist.
Welch eine Macht wäre das protestantische Deutschland, einig mit den
Schweizern, gewesen!
Aber auch nicht alle Schweizer Kantone nahmen das Evangelium an. In den
fünf Urkantonen Schwyz, Uri, Zug, Unterwalden und Luzern behielten die
Römischen die Oberhand und unterdrückten alle evangelische Regungen mit
Gewalt. Es kam schließlich zwischen den katholischen und evangelischen
Kantonen zu blutigem Kriege. Zwingli zog selbst mit in den Kampf. »Ich
will in Gottes Namen,« sprach er, »hin zu den biederen Leuten und mit
ihnen sterben oder sie retten helfen.« In der Schlacht bei Kappel am
11. Oktober 1531 hat er den Tod gefunden. Über seinem Leichnam hielten
die Feinde noch Gericht. Man mißhandelte, vierteilte und verbrannte
ihn. Die Reformation haben sie aber damit aus der Schweiz nicht tilgen
können, wenn sie auch hinfort vielfach ihre Stammesgenossen zwangen,
zum alten Glauben zurückzukehren. Als Luther die Nachricht von Zwinglis
Tode erhielt, hat er, wie er selbst erzählt, die ganze Nacht vor Weinen
nicht schlafen können.
Zweier Männer soll hier noch gedacht werden, eines treuen Freundes und
eines berühmten Schülers Zwinglis. Der treue Freund hieß ~Johann
Ökolampadius~, der Schüler, der zugleich Zwinglis Nachfolger in
seinem Züricher Amte gewesen ist, ~Heinrich Bullinger~.
~Johann Ökolampadius~ stammte aus der schwäbischen Stadt
Weinsberg, wo er im Jahre 1492 geboren wurde. In Heidelberg hat er
fleißig studiert, auch andere Universitäten besucht. Daß der Kurfürst
Philipp von der Pfalz ihm die Erziehung seiner Söhne anvertraute,
war gewiß das beste Zeugnis für seine Tüchtigkeit. Eine Zeitlang ist
er Pfarrer in seiner Vaterstadt Weinsberg, dann Domprediger in Basel
gewesen. Im Jahre 1518 finden wir ihn als Prediger in Augsburg. Dann
ging er in ein Kloster nicht weit von dieser Stadt. Da hat er in
stiller Zurückgezogenheit eifrig sich mit Gottes Wort beschäftigt. Die
Überzeugung, daß Klosterleben und evangelische Wahrheit sich nicht
mit einander vertragen, nötigten ihn bald, die Mönchskutte wieder
auszuziehen. Er trat als evangelischer Schloßprediger in den Dienst des
bekannten Ritters Franz von Sickingen auf der Ebernburg bei Mainz. So
ist der Mann viel umhergezogen, bis Gott ihn an die Stätte führte, wo
er die wichtigste Aufgabe seines Lebens erfüllen sollte. Das war die
Stadt Basel. Hier hat er als Prediger und Universitätslehrer treulich
bis an seinen Tod gewirkt. Die Geschichte hat ihm den Ehrennamen des
»Reformators von Basel« gegeben. Nur wenige Wochen überlebte er den Tod
seines Freundes Zwingli. Er starb am 24. November 1531.
[Illustration: Johann Ökolampadius.]
Ein Sohn der Schweizer Berge wie Zwingli war ~Heinrich Bullinger~,
am 18. August 1504 in Bremgarten im Kanton Aargau geboren. Während
seiner Studienjahre in Köln las der außerordentlich begabte Jüngling
fleißig Luthers und Melanchthons Schriften, die ihn an die Bibel, als
die alleinige Quelle der göttlichen Wahrheit wiesen. Von aufrichtiger
Begeisterung für die reine Lehre des Evangeliums erfüllt, wurde der
21jährige Magister Bullinger Lehrer an der Klosterschule zu Kappel.
Viele nahmen hier sein Wort mit Freuden auf, andere haßten ihn als
einen Feind der römischen Kirche. Schon damals kam Bullinger mit
Zwingli zusammen und sprach sich über das aus, was seine Seele bewegte.
Bald aber durfte er auf einige Monate nach Zürich gehen, um andächtig
zu Zwinglis Füßen zu sitzen. Seiner Vaterstadt Bremgarten, die ihn
dann als ihren Pfarrer berief, hat er das Beste gebracht, das lautere
Evangelium. Nach der Schlacht bei Kappel mußte er fliehen. Er wandte
sich nach Zürich, wo er halb zum Nachfolger Zwinglis gewählt wurde.
Aber seine segensreiche reformatorische Thätigkeit beschränkte sich
nicht auf diese Stadt. Selbst Könige und Fürsten haben seinen weisen
Rat geschätzt und gesucht. Nachdem er fast ein halbes Jahrhundert der
Züricher Gemeinde gedient und »sich durch seinen eisernen Fleiß, seinen
nüchternen, praktischen Sinn, durch seine tiefe Einsicht, seine Treue
an der evangelischen Wahrheit um die Befestigung der Reformation hoch
verdient gemacht hatte«, ging er am 17. September 1575 zur ewigen Ruhe
ein.
[Illustration]
2. Johann Calvin.
Ich, auf mein Gewissen vertrauend, fürchte
keinen Angriff; denn was können sie Schlimmeres
bereiten als den Tod.
Calvin.
Auch der französischen Schweiz sandte Gott ihren Reformator. Das
war Johann Calvin, der Sohn eines französischen Vaters und einer
deutschen Mutter, am 10. Juli 1509 zu Noyon in der Pikardie geboren.
In dem ernsten Knaben sahen die Eltern frühzeitig den zukünftigen
Gottesgelehrten. Aber auf mancherlei Umwegen führte Gott das erwählte
Rüstzeug in die Arbeit in seinem Weinberge. Nach dem Wunsche des
Vaters, dem die Laufbahn eines Rechtsgelehrten glänzender und
vorteilhafter als die eines Dieners der Kirche erschien, widmete sich
Calvin dem Studium der Rechtswissenschaft. Aber sein Geist fand in der
juristischen Gelehrsamkeit keine Befriedigung und sein Herz in der
Religion der Väter keinen Frieden. Calvin wandte sich nach dem Tode
seines Vaters nach Paris und studierte dort mit rastlosem Fleiße die
Heilige Schrift.
Heiße Kämpfe hatte er zu bestehen. In diese Zeit fiel seine innere
Umwandlung. Sie erschien ihm selbst wie ein Wunder Gottes an seiner
Seele. Rasch und gewaltig, wie Calvin selbst erzählt, vollzog sie sich.
Seitdem stand er oft lehrend im Kreise seiner evangelischen Freunde zu
Paris. Er pflegte seine Predigten zu schließen mit dem Spruche: Ist
Gott mit uns, wer mag wider uns sein? (Röm. 8, 31).
Bald sollte Calvin den Trost, den der Gläubige aus diesem Spruche
gewinnt, recht nötig brauchen. Blutige Verfolgungen brachen über die
Evangelischen Frankreichs herein. In Paris haben deren sechs die Treue
zu ihrem Heiland mit dem Feuertod besiegelt. Calvin fand in Basel eine
Zuflucht. Dort hat er sein berühmtestes Werk, eine Verteidigung seiner
Lehre, geschrieben.
Gern hätte Calvin die Stille aufgesucht und sich für immer gelehrten
Arbeiten gewidmet. Gott hatte aber mit ihm anderes vor. Im Jahre 1536
kam Calvin nach Genf. Hier hatte vor kurzem die Reformation ihren
Einzug gehalten. Aber Volkssache war sie noch nicht. Die äußerlich
angenommene Reformation nun auch in die Herzen zu pflanzen, das war
die große Aufgabe, vor der Wilhelm Farel, Genfs Reformator, stand. In
der Hoffnung, unerkannt zu bleiben, hatte Calvin nur eine Nacht in
Genf zubringen wollen. Aber Farel erfuhr doch von seiner Ankunft. Es
war ihm, als riefe eine Stimme von oben her: Dieser soll dein Gehilfe
werden! Aber Calvin lehnte seine Bitte, in Genf zu bleiben, beharrlich
ab, bis Farel ihn bedrohte: »Nun so verkündige ich dir im Namen des
Allmächtigen, daß Gottes Fluch auf dir ruhen wird, da du nicht Christi,
sondern deine eigene Ehre suchst!« Diese Worte machten einen solchen
Eindruck auf Calvin, daß er seinen Widerstand aufgab und in Genf blieb.
Er hat treulich gearbeitet, fleißig die Heilige Schrift im Dom zu St.
Peter ausgelegt, aber auch Farel in Predigt und Seelsorge, wie in dem
Werke der Befestigung der Reformation wacker unterstützt.
[Illustration: Johann Calvin.]
Es sollte aber noch zu einem bitteren Kampfe kommen. Die Genfer
wünschten nicht die Herrschaft der Kirche, während die Prediger die
volle Unabhängigkeit von der Staatsgewalt forderten. Zu Ostern 1538
erklärten die Prediger, unter ihnen auch Calvin, sie würden hinfort den
Genfern nicht mehr das Abendmahl reichen. Die Ausweisung der Prediger
war die Antwort der Bürgerschaft. Calvin wandte sich nach Straßburg,
wo ihn Straßburgs edler Reformator, Martin Butzer, festzuhalten
wußte. Von hier aus trat Calvin in enge Beziehungen zu den deutschen
Evangelischen, insbesondere auch zu Melanchthon. Gern hätte er eine
Vereinigung der Lutherischen und Reformierten herbeigeführt. Seine
Abendmahlslehre steht in der Mitte zwischen der Zwinglis und Luthers.
Er lehrte: Der gläubige Kommunikant empfängt den verherrlichten Leib
Christi.
Die Genfer hätten es wohl im Jahre 1538 nicht geglaubt, wenn ihnen
jemand gesagt hätte: Nach ein paar Jahren werdet ihr eben diesen Johann
Calvin, den ihr jetzt vertreibt, inständigst bitten zurückzukehren. Das
geschah im Jahre 1541. Nach langem Bitten ließ sich Calvin zur Rückkehr
bewegen. Mit Freuden wurde er in Genf wieder aufgenommen. Sofort ging
er daran, die Kirche in feste Ordnungen zu kleiden. Sein Streben,
strengste Sittenzucht zu üben, fand freilich bei allen denen lebhaften
Widerstand, die weder von dem Ernst des christlichen Glaubens noch der
Strenge des christlichen Lebens etwas wissen wollten. Mit strengsten
Strafen ging man gegen offenbare Sünder vor. So wurde zum Beispiel
ein Kind enthauptet, weil es Vater und Mutter geschlagen hatte. Da
zeigt sich freilich mehr der Geist alttestamentlicher, verurteilender
Gesetzesstrenge, als neutestamentlicher, erziehender Liebe. Das tritt
insbesondere in dem Verfahren gegen den Gotteslästerer Servede hervor,
der seinen Frevel auf dem Scheiterhaufen büßen mußte.
Die Stadt Genf wurde weithin gerühmt als eine Musterschule christlichen
Lebens. Tausende, die um ihres evangelischen Glaubens willen vertrieben
worden waren, fanden in Genf eine neue Heimat, Engländer, Italiener,
Spanier, insbesondere Franzosen.
Calvin starb am 27. Mai 1564. Kein Grabstein zeigt die Stätte an, da
man ihn begrub. Er hatte es ausdrücklich so gewünscht. Sein Name aber
steht auf alle Zeiten im Buche der Geschichte als der eines selbstlosen
und treuen Bekenners Christi und eines rastlosen, rührigen Arbeiters in
seinem Weinberge.
[Illustration]
[Illustration]
Die Asche will nicht lassen ab,
Sie stäubt in allen Landen.
Luther.
Dritter Abschnitt.
Der Siegeszug des Evangeliums im Jahrhundert
der Reformation.
[Illustration]
1. Deutschland.
In der Nacht vor Allerheiligen (1. November) 1517, also in der Nacht,
nachdem Luther seine Thesen angeschlagen hatte, soll Kurfürst Friedrich
der Weise auf seinem Schlosse Schweinitz einen merkwürdigen Traum
gehabt haben. Er sah, wie ein Mönch, den Gott im Geleite aller Heiligen
zu ihm geschickt hatte, mit seiner Erlaubnis etwas an die Schloßkirche
zu Wittenberg schrieb: »Der Mönch machte so große Schrift, daß ich sie
hier zu Schweinitz erkennen konnte. Er führte auch so eine lange Feder,
daß sie bis gen Rom reichte und einen Löwen, der zu Rom lag (der Papst
hieß Leo d. h. auf deutsch: Löwe) mit dem Sturz in ein Ohr stach, daß
der Sturz wieder zum andern Ohr herausging, und streckte sich die Feder
ferner bis an der päpstlichen Heiligkeit dreifache Krone und stieß so
stark daran, daß sie begann zu wackeln und wollte ihrer Heiligkeit vom
Haupte fallen. -- -- Bald hernach kommt ein Geschrei aus, es wären
aus der langen Mönchsfeder unzählig viel andere Schreibfedern hier
zu Wittenberg gewachsen, und sei mit Lust anzusehen, wie sich viel
gelehrte Leute darum reißen, und meinen einesteils, diese neuen, jungen
Federn werden mit der Zeit auch so groß und lang werden, wie dieselbe
Mönchsfeder, und es werde gewiß etwas Sonderliches auf diesen Mönch und
seine Feder folgen.«
[Illustration: Herzog Georg.]
Mag dieser Traum wahr sein oder nicht, jedenfalls ist das wahr, was
er sagen will: Die gewaltigen Folgen der Thesen Luthers und seines
gesamten Wirkens. Wie hatte sich doch der Papst geirrt, als er die
Sache, die Luther angefangen hatte, für ein bloßes Mönchsgezänk
erklärte! Erst zwei Jahrzehnte waren seit Luthers Thesenanschlag
dahingegangen, als nur noch einige wenige deutsche Fürsten übrig
waren, die meinten, dem Evangelium und der Wahrheit trotzen zu können.
Die Herzöge von Bayern, Georg von Sachsen, Heinrich von Wolfenbüttel
und die Erzbischöfe von Mainz und Salzburg schlossen im Jahre 1538 zu
~Nürnberg~ einen »~heiligen Bund~« »für die Herrschaft oder
doch für die Rettung des Katholizismus in Deutschland.« Das war der
Rest der katholischen Fürsten in deutschen Landen. So rasch war das
Evangelium von Stadt zu Stadt, von Land zu Land gezogen, getragen von
Luthers Schriften, von seiner deutschen Bibel, von seinem deutschen
Katechismus und dem deutschen evangelischen Kirchenlied, verbreitet
von den Studenten, die in Wittenberg zu den Füßen der Reformatoren
gesessen, und von den Kaufleuten, die auf ihren Reisen Gelegenheit
hatten, evangelische Predigten zu hören.
[Illustration: Herzog Heinrich.]
Und noch ehe Luther starb, war auch im Herzogtum Sachsen und im Lande
Heinrichs von Wolfenbüttel dem Evangelium eine freie Bahn geöffnet.
Herzog Heinrich führte nach seines Bruders Georg Tode (1539) rasch
die Reformation in dem ihm zugefallenen Landesteile ein. Der Herzog
von Wolfenbüttel war auf seinem Zuge gegen Goslar von hessischen und
sächsischen Truppen gefangen genommen worden (1542). Sein Land kam an
seine Söhne und erfreute sich nunmehr gleichfalls der lauteren Predigt
des Evangeliums.
So war ganz Norddeutschland evangelisch geworden. Nicht viel anders
war es im Süden. Württemberg bekannte sich seit 1534 zur Reformation.
In der Oberpfalz hatte schon frühzeitig das Evangelium den Sieg
davongetragen und in der Kurpfalz wurde 1546 die Reformation
eingeführt. Auch Bayern wäre seinen Nachbarn gefolgt, wenn nicht seine
Herzöge, durch ihre Verbindung mit den Habsburgern genötigt, der
Ausbreitung der Reformation nach Kräften gewehrt hätten. Es gelang
ihnen zwar, äußerlich die Herrschaft der römischen Kirche aufrecht
zu erhalten. Aber die Reichsstädte in Bayern bekannten sich zu dem
Evangelium und wurden und blieben für weite Kreise Mittelpunkte der
reformatorischen Bewegung. Selbst in den Bistümern Würzburg, Bamberg
und Augsburg waren die Protestanten in der Mehrzahl.
[Illustration]
2. Die habsburgischen Lande.
Wie in England der Geist Wiclefs, so war in ~Böhmen~ der Geist
Huß' lebendig geblieben. Trotz vieler Bedrängnisse bestanden Anfang
des 16. Jahrhunderts ungefähr 400 Gemeinden böhmischer und mährischer
Brüder.
[Illustration: Joh. Honterus.]
Der Boden für die Reformation war gut bereitet. Kein Wunder, wenn sie
sich rasch ausbreitete. Dank der Duldung, die dem Protestantismus
widerfuhr, und Dank der Freiheit, die auf religiösem Gebiete
den Landständen gewährt wurde, bekannte sich im Erzherzogtum
~Oesterreich~ bald wohl der überwiegende Teil des Volkes zum
Evangelium. Nach ~Ungarn~ hatten viele in Wittenberg studierende
Landeskinder die Reformation mitgebracht. Obgleich vom Reichstag als
Ketzerei gebrandmarkt und mit Feuer bedroht, dehnte sie sich rasch aus.
Die Königin Maria selbst war ihr von Herzen zugethan. Nach der Schlacht
bei Mohacz (1526) und dem Tode König Ludwigs errang sich Ferdinand
von Oesterreich mit dem Schwerte in der Hand gegen eine Partei, die
dem Luthertum den Tod geschworen hatte, die ungarische Königskrone.
Er ließ dem Protestantismus Duldung widerfahren. Die Folge davon
war, daß insonderheit der ungarische Adel sich bald zur Reformation
bekannte. Während die Magyaren dem reformierten Bekenntnis anhingen,
erklärten sich die Slaven und die Deutschen für das Luthertum. Auch
im benachbarten ~Siebenbürgen~ erlangte der Protestantismus die
Herrschaft. Einmütig mit ihren Pfarrern traten ganze Gemeinden aus der
römischen Kirche aus. Johann Honterus, von dem Luther sagte: »Das ist
wahrlich ein Apostel, den der Herr dem Ungarlande erweckt hat«, wurde
der Reformator Siebenbürgens. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts waren
Protestanten und Katholiken in den habsburgischen Landen ungefähr
gleich an Zahl.
[Illustration]
3. Die Niederlande.
In den Niederlanden hatten die frommen »Brüder des gemeinsamen Lebens«,
die fleißig die Heilige Schrift lasen und den evangelischen Rest in der
Lehre der katholischen Kirche hervorhoben und pflegten, der Reformation
vorgearbeitet. Von Johann Wessel, der unter jenen Brüdern aufgewachsen
war, bekannte Luther: »Wenn ich den Wessel zuvor gelesen, so ließen
meine Widersacher sich dünken, Luther hätte alles von Wessel genommen,
also stimmte unser beider Geist überein.« Luthers Schriften fanden
rasch Verbreitung. Zahlreiche Beziehungen zu Frankreich und zur Schweiz
führten aber später dazu, daß die reformierte Lehrauffassung die
herrschende wurde.
Frühzeitig begann in den Niederlanden infolge ihrer Zugehörigkeit zu
Spanien die blutige Verfolgung der Evangelischen. Hier haben die ersten
Märtyrer (s. oben S. 45) den Scheiterhaufen bestiegen. Unter Karl V.
und Philipp II. sind viele Hunderte evangelischer Niederländer im
Kerker, auf dem Scheiterhaufen oder dem Blutgerüst gestorben.
Herzog Alba sollte mit Heeresgewalt die Niederlande dem Katholizismus
zurückerobern (1567). Während seiner sechsjährigen Thätigkeit hat
er 18000 Menschen hinrichten lassen. Endlich erhob sich das arme,
geknechtete Volk einmütig unter Wilhelm von Oranien. Obgleich die
südlichen katholischen Provinzen sich von den übrigen trennten,
gelang es doch den nördlichen evangelischen Landesteilen sich endlich
nach langem, heißen und blutigen Krieg die bürgerliche und religiöse
Freiheit zu erobern (1609).
[Illustration]
4. Der Norden Europas.
Wie anderwärts, so setzten auch in ~Dänemark~ die Bischöfe der
Einführung der Reformation nachhaltigen Widerstand entgegen. Es war
ihnen gelungen, König Christian II., der dem Evangelium zugethan war,
zu stürzen. An seiner Stelle ward Friedrich von Holstein zum König
erhoben. Wenn aber die römische Partei gemeint hatte, an dem neuen
Herrscher einen Schirmherrn des Papsttums zu haben, so war sie in
großem Irrtum gewesen. Immer mehr breitete sich die Reformation im
Volke aus. Der Reichstag zu Odense (1527) erkannte den Evangelischen
gleiche Rechte mit den Katholischen zu. Als Christian III. im Jahre
1536 den Thron bestieg, war das Ende des Katholizismus in Dänemark
gekommen. Bugenhagen wurde aus Wittenberg ins Land gerufen, den König
zu krönen und die evangelische Kirche Dänemarks zu ordnen. In dem unter
Dänemarks König stehenden ~Norwegen~ führte ein Beschluß der
Volksgemeinde die Reformation ein. Auch ~Island~ nahm das lautere
Evangelium an.
Merkwürdig ist es, wie ~Schweden~ zur Reformation kam. In dem
Lande, das später so zäh am Evangelium festhielt, dessen König der
Retter der Glaubensfreiheit für die Welt werden sollte, hat man
zunächst aus äußeren Beweggründen den Katholizismus beseitigt. Gustav
Wasa, der dem Meuchelmord in Stockholm entronnen war, hatte sich an die
Spitze des Schwedenvolkes gestellt, um es von dem Joche der dänischen
Herrschaft zu befreien. Zu dem Kampfe brauchte er Geld. Er gewann es,
ohne dem Volke eine Last aufzulegen, indem er Kirchen und Klöstern
ihre reichen Stiftungen abnahm. Mit dem äußeren Besitze waren aber
auch Macht und Einfluß der römischen Kirche gebrochen und ungehindert
hielt die Reformation ihren Einzug. Den Versuch, den Gustav Wasa's
Sohn, Johann III., machte, dem Katholizismus wider zu seiner Macht zu
verhelfen, vereitelte eine Volkserhebung. Johanns Nachfolger aber,
Sigismund, mußte seine Neigung zur römischen Kirche mit der Krone
bezahlen, die das Volk dem protestantischen Karl IX., dem Vater Gustav
Adolfs, aufs Haupt setzte. Man sieht: rasch ist die Reformation eine
Herzenssache geworden, die dem Schwedenvolke um keinen Preis feil ist.
Zum Norden gehörte auch das ~Polenreich~, das sich zwischen
Deutschland und Rußland einschob. Die Anfänge der evangelischen
Bewegung in Polen knüpften sich an den Namen des edlen Johann von
Lasko, der sein Amt als Propst zu Gnesen um seiner evangelischen
Überzeugung willen aufgab und infolge dessen Polen verlassen mußte
(1536). Zahlreiche Polen studierten in Wittenberg und brachten das
Evangelium und Begeisterung für die Reformation mit in die Heimat.
Viele aus Österreich vertriebene Evangelische zogen nach Polen. So fand
die Reformation ausgedehnte Verbreitung. Leider hat sie in Polen keine
bleibende Stätte gehabt, während sie in ~Kurland~, ~Livland~
und ~Estland~ bis auf die Gegenwart unter manchen heißen Kämpfen
sich behauptet hat.
[Illustration]
5. Großbritannien und Irland.
In England war der Geist Wiclefs lebendig geblieben. Zwei edle
Männer reichten dem Volke die Heilige Schrift in der Muttersprache.
Sie empfingen ihren Lohn durch den Henker. König Heinrich VIII. von
England sagte sich vom Papste los und erklärte sich selbst zum Haupte
der englischen Kirche, nicht etwa, weil sein Herz sich dem Evangelium
zugeneigt hätte, sondern weil der Papst sich weigerte, des Königs
Ehe mit Anna Boleyn für giltig zu erklären. Heinrich war weit davon
entfernt, der Reformation Luthers sein Land zu öffnen, obgleich die
Anhänger der lauteren evangelischen Lehre auch in England stetig an
Zahl wuchsen. Nach Heinrichs Tode gewann der Protestantismus dort die
Oberhand. Mit allen Mitteln suchte die Königin Maria die Reformation
auszurotten und das Land dem Papste zurückzugewinnen. Da ist viel
Blut vergossen worden und Tausende verließen um ihres Glaubens willen
die Heimat. Aber gerade in der Verfolgung, den evangelischen Glauben
verteidigend, Gut und Blut für die Überzeugung einsetzend, lernte
Englands Volk das Gut der Reformation höher schätzen und schloß es
tiefer in Herz und Gemüt. Ganz andere Zeiten kamen für England mit
der Regierung Elisabeths, der Nachfolgerin Marias. Mit der Gewalt des
Schwertes trat sie jedem entgegen, der England wieder katholisch
machen wollte. Die Reformation siegte. Von mancherlei Äußerem aber in
den prunkenden Formen des Katholizismus hat sich die englische Kirche,
die »bischöflische Staatskirche« nicht getrennt. Die Folge davon war,
daß gegen diese »Staatskirche« sich viele Stimmen erhoben, die auch
jene Formen beseitigt wissen wollten. So ist die evangelische Kirche
Englands zersplittert geblieben.
Die Habsucht der protestantischen Engländer, die die irischen
Katholiken ihres Besitzes zu berauben suchten, machte den Irländern den
Protestantismus verhaßt und verhinderte trotz der Gewalt den Einzug der
Reformation in ~Irland~.
Auch in ~Schottland~ hat der erste Prediger des Evangeliums,
Patrik Hamilton, sein Leben für die Wahrheit gelassen. Aber nach
blutigen Kämpfen trug doch der Protestantismus den Sieg davon. John
Knox, der Freund und Anhänger Calvins, gab der schottischen Kirche das
Gepräge. Alles, was an den katholischen Gottesdienst und das Papsttum
erinnerte, wurde hier -- ganz im Gegensatz gegen die Kirche Englands --
beseitigt.
[Illustration]
6. Frankreich.
Wie anderwärts, so hat auch in Frankreich die Heilige Schrift in der
Muttersprache neues Leben geweckt. ~Faber Stapulensis~ legte
fast zu derselben Zeit, da Luther uns die deutsche Bibel schenkte,
die französische Bibel in die Hand seines Volkes. Er stellte
unumwunden die Heilige Schrift als die einzige Glaubensregel hin
und räumte jedem Christen das Recht ein, seinen Glauben nach dieser
Regel zu prüfen. Auch bekannte er sich zu dem reformatorischen
Grundsatz der Rechtfertigung allein aus dem Glauben. Fabers Freund,
~Gerhard Roussel~, predigte in echt evangelischer Weise auf
Grund des göttlichen Wortes und wurde durch sein christliches Leben
in opferwilliger Liebe für viele ein edles Vorbild. Äußerlich hat er
sich nicht von der römischen Kirche getrennt. Diese aber sah ihn als
Ketzer an. Katholische Fanatiker haben die Kanzel zerschlagen, auf der
er predigte. Roussel starb bald darauf an den schweren Verletzungen
(1550).
König ~Franz~ I. erkannte wohl, daß die Wahrheit auf Seiten des
Protestantismus war. Aber ihm fehlte der sittliche Ernst und der
Mut des Glaubens, seiner Überzeugung Folge zu geben. Er ließ es zu,
daß das Bekenntnis zum Protestantismus als bürgerliches Verbrechen
und Hochverrat gebrandmarkt wurde, und konnte mit eigenen Augen der
Verbrennung evangelischer Glaubenszeugen zuschauen. Das Evangelium
hatte jedoch bereits zu weit und zu tief Boden gefunden, als daß es mit
Feuer und Schwert hätte ausgerottet werden können. Eine katholische
und eine protestantische Partei -- man nannte im Süden des Landes
die Protestanten ~Hugenotten~ -- standen sich gegenüber. Im
Jahre 1562 wurde den Hugenotten Religionsfreiheit gewährt. Vielleicht
hätten nunmehr Katholiken und Protestanten im Frieden nebeneinander
gewohnt, wenn nicht eines der Häupter der katholischen Partei durch den
Meuchelmord einer zum feierlichen Gottesdienst versammelten, wehrlosen
Gemeinde von neuem den Kampf heraufbeschworen hätte. Ein langer
Religions- und Bürgerkrieg endete mit dem Frieden von St. Germain
(1570), der von neuem den Hugenotten die Freiheit ihres Bekenntnisses
gewährleistete. Aber die furchtbare Bartholomäusnacht (24./25. August
1572), die Pariser Bluthochzeit, entfachte von neuem den Krieg, bis
endlich das Edikt von Nantes (1598) den standhaften Hugenotten unter
mancherlei Beschränkungen die Freiheit ihrer Religionsübung zusicherte.
Heinrich IV., der dieses Edikt unterzeichnet hatte, fiel im Jahre 1610
einem fanatischen Meuchelmörder zum Opfer. Es blieb ihm unvergessen,
daß er die königliche Macht nicht zur gänzlichen Ausrottung des
Protestantismus in Frankreich benutzt hatte.
[Illustration]
7. Italien und Spanien.
Luther ist selbst in Italien und in Rom gewesen. Als er zum ersten Male
die Stadt schaute, sank er in die Knie und sprach: Sei gegrüßt, du
heiliges Rom! In Rom hat er freilich Worte gehört, wie: Ist eine Hölle,
so ist Rom darauf gebaut. Das das Wort viel Wahres enthielt, lernte er
bald an dem sittenlosen Leben in Rom und an der Leichtfertigkeit der
Priester in der Stadt des Papsttums kennen. Nirgends in der ganzen
christlichen Welt herrschte solcher Unglaube und so finsterer, an das
Heidentum grenzender Aberglaube. Kein Wunder, daß sich vielfach die
Gebildeten von einer solchen Kirche abgestoßen fühlten. Frühzeitig
fanden Schriften der Reformatoren, allerdings nicht unter ihrem
Namen, in Italien Verbreitung. Ein italienischer Priester hat Luthers
Auslegung des Vaterunsers gelesen und gesagt: »Selig sind die Hände,
die dies Buch geschrieben, selig sind die Augen, die es lesen, und
selig sind die Herzen, die es also beten werden.« Die Evangelischen im
Venetianischen haben mit Luther im Briefwechsel gestanden.
Papst Paul III. war eine Zeit lang von evangelisch gesinnten Männern
umgeben und scheint einst selbst an eine Reformation in Italien gedacht
zu haben. Aber er ließ sich von den Feinden der Reformation dazu
bewegen, mit aller Gewalt den Protestantismus in Italien auszurotten.
Das ist in der furchtbarsten Weise geschehen. »In Venedig pflegte die
Inquisition -- diese stöberte die Evangelischen auf und verurteilte
sie -- die Beschuldigten um Mitternacht auszuschiffen. Draußen in
den Lagunen wurden sie auf ein Brett zwischen zwei Gondeln gebunden;
die fuhren auseinander und die See begrub schweigend ihr Opfer. In
Calabrien wurden um diese Zeit Waldenser gejagt und geschlachtet wie
wilde Tiere. In einem Hause wurden hier etwa 50 gefangen gehalten, der
Henker holte einen nach dem andern heraus und schnitt ihm die Kehle ab.
In Rom erfreute man sich am Schauspiel der feierlichen Verurteilung
vor der Minervakirche und an der Verbrennung der insgeheim schon
Erdrosselten.« Am Ende des 16. Jahrhunderts gab es keine Protestanten
in Italien mehr.
Ähnlich ist es in ~Spanien~ gewesen. Viel mehr als in Italien
ist hier auch das Volk vom Evangelium berührt gewesen. Das lag an
der Verbindung Spaniens mit den evangelischen Niederlanden und mit
Deutschland. Die Begleiter Karls V. hatten bei ihren Reisen in
Deutschland reichlich Gelegenheit gehabt das Evangelium kennen und
schätzen zu lernen. An vielen Orten hatten sich insgeheim evangelische
Gemeinden gebildet, die in der Stille ihre Gottesdienste abhielten.
Fleißig wurde die Heilige Schrift gelesen. Es schien um die Mitte des
Jahrhunderts, als sollte der Protestantismus das Übergewicht erhalten.
Aber auch in Spanien gelang es der unheimlichen Macht der Inquisition,
den Protestantismus völlig auszurotten. Die »Autodafés« sind einer
der furchtbarsten Schandflecke der Menschheit, insbesondere der
christlichen Kirche. Da führte man »die Verurteilten im Sanbenito, der
gelben Kutte, bemalt mit roten Flammen und schwarzen Teufeln einher; wo
ein kühnes Wort zu fürchten war, trugen sie Maulkörbe.« 31912 Menschen
sollen der Inquisition seit ihrem Anfange zum Opfer gefallen sein, bis
Napoleon ihr im Jahre 1808 ein Ende machte. Schon im Jahre 1570 konnte
sich Spanien rühmen, frei von der protestantischen Ketzerei zu sein.
Papst Pius IX. aber hat eines der verruchtesten Scheusale unter den
spanischen Inquisitoren, Peter Arbues, zum Danke für die der Reinheit
der Kirche geleisteten Dienste im Jahre 1867 unter die Heiligen
erhoben. Gott bewahre die Christenheit auf alle Zeit vor solchen
teuflischen Männern!
[Illustration]
[Illustration]
Vierter Abschnitt.
Aus der Geschichte der evangelischen Kirche bis zum Ende des
Reformationsjahrhunderts.
[Illustration]
1. Der schmalkaldische Krieg.
Freue dich nicht, meine Feindin, daß ich
darniederliege; ich werde wieder aufkommen.
Micha 7, 8.
Das »heilige römische Reich deutscher Nation« hat sich an unserm
deutschen Volk und Vaterland vielfach und schwer versündigt. Römischer
Geist und deutscher Geist haben nie zusammengepaßt. Deutschland war
bis auf geringe Reste evangelisch geworden. Aber der »römische« Kaiser
gab die Hoffnung nicht auf es zum Katholizismus zurückzuführen. So hat
er einen Keil ins deutsche Volk getrieben. Bis in die Gegenwart hat es
darunter zu leiden.
Auf mehreren Religionsgesprächen hatte man eine Einigung zwischen
Katholiken und Protestanten herbeizuführen gesucht. Es stellte sich
aber dabei immer heraus, daß die Katholiken unter Einigung nur die
Unterwerfung unter den Papst verstanden. So war es geradezu ein
Segen, daß sie sämtlich ergebnislos verlaufen sind. Auch auf der
Kirchenversammlung, die der Papst im Dezember 1545 nach Trient berief,
war von Verbesserungen der verderbten römischen Kirche gar nicht die
Rede. Man bestritt den Protestanten das Recht, allein auf Grund der
Heiligen Schrift Reformationen vorzunehmen; denn erstens seien die
Beschlüsse der Päpste und der Kirchenversammlungen genau so viel wert
wie die Bibel, und zweitens verstände auch die römische Kirche allein
die Bibel richtig auszulegen.
[Illustration: Kaiser Karl V.]
An eine Unterwerfung der Protestanten auf gütlichem Wege war nicht zu
denken. So hoffte denn Kaiser Karl V. sie mit Gewalt des Schwertes
dazu zwingen zu können. Sobald er frei von seinen auswärtigen Feinden,
insbesondere von Frankreich war, wollte er ans Werk gehen. Im Geheimen
schloß er mit dem Papst einen Bund zur Niederwerfung der Evangelischen
in Deutschland. Der Papst hat ihn selbst verraten. Er verhieß dem
Kaiser »120000 Italiener Zuzug und 200000 Dukaten; dazu die Hälfte
der jährlichen Einkünfte aller spanischen Klöster und die Erlaubnis,
spanisches Kirchengut zu verkaufen bis zu 500000 Dukaten; ja wenn es
nötig sei, werde er die Krone selbst verkaufen zur Unterstützung des
Kaisers gegen die Ketzer.«
[Illustration: Herzog Moritz von Sachsen.]
Auch in Deutschland selbst suchte sich Karl Hilfe für sein Unternehmen.
Außer zwei Verwandten des vertriebenen Wolfenbüttler Herzogs (s. oben
S. 97) gelang es ihm Herzog Moritz von Sachsen für sich zu gewinnen.
Lange hatte dieser geschwankt, welcher Partei er sich anschließen
sollte. Er wählte die, in deren Gefolge er sich den größten Vorteil
versprechen durfte. Der Kaiser verhieß ihm als Lohn für seine Dienste
die Stifter Halberstadt und Magdeburg, sowie Kursachsen. Im Anschluß an
den Kaiser hat Herzog Moritz aber auch gelernt, daß dort der Grundsatz:
»Der Zweck heiligt die Mittel« voll und ganz durchgeführt wurde. Er hat
dann dem Kaiser Gleiches mit Gleichem vergolten.
Im Sommer 1546 sandten die evangelischen Verbündeten dem Kaiser
ein Heer unter der Führung des wackeren Schärtlin nach dem Süden
entgegen. Hätte man rasch gehandelt, so wäre es wohl gelungen, des
Kaisers habhaft zu werden. Aber die Saumseligkeit der evangelischen
Fürsten gewährte dem Kaiser Zeit, sein Heer zu sammeln. Auch jetzt
noch hätten die Evangelischen den Sieg davontragen können, hätte es
nicht ihrem Kriegsrat an Ernst und Entschiedenheit gefehlt. Inzwischen
hatte Herzog Moritz fast ohne Schwertstreich Kursachsen besetzt. Der
Mangel an Geldmitteln und die Besorgnisse, die die Nachrichten aus
der Heimat weckten, nötigten die Verbündeten zum Rückzug nach Norden.
Mitte Dezember erschien der Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen
in Thüringen. Mit jubelnder Freude begrüßte man ihn. Bald hatte er
sein Land wieder besetzt und auch den größten Teil des albertinischen
Sachsens erobert. Noch einmal schien es, als sollte ihm der Sieg
zufallen. Da rückte der Kaiser mit Ferdinand von Böhmen und Moritz von
Sachsen heran und überraschte den Kurfürsten. In der unglücklichen
Schlacht bei Mühlberg (24. April 1547) verlor dieser Land und Freiheit.
Herzog Moritz wurde mit Kursachsen und der Kurwürde belehnt. Den Söhnen
Johann Friedrichs wurde ein Jahrgehalt gewährt und zu dessen Sicherung
einige Thüringische Ämter verpfändet. Der Kurfürst blieb Jahre lang des
Kaisers Gefangener, nachdem Karls Gnade ihm, dem Geächteten, das Leben
geschenkt hatte.
Damals ging ein tiefes Trauern durch Sachsenland. Man kann's an Philipp
Melanchthon erkennen. Der war aufs Tiefste bekümmert; erst über den
Abfall des Herzog Moritz -- denn wenn dieser auch zehnmal beteuerte,
daß keine Gewalt ihn zur Verleugnung seines evangelischen Glaubens
zwingen könne, und daß es viel besser für Kursachsen wäre, wenn er,
als wenn der Kaiser es besetze, so war es doch klar, daß sein Ehrgeiz
nach Land und Kurhut des Vetters gestrebt hatte. Und wie groß war
Melanchthons Schmerz um seinen gefangenen und entthronten Landesherrn!
»Könnte ich auch so viel Thränen vergießen,« schrieb er, »als Wasser
die Elbe herabfließt, so würde ich doch den Schmerz nicht ausweinen
können, den ich über die Niederlage unseres Fürsten empfinde, welcher
gewiß ein Freund der Kirche und der Gerechtigkeit war.«
Auch der Landgraf Philipp von Hessen geriet in die Gefangenschaft des
Kaisers. Das Bündnis der Protestanten gesprengt, die fürstlichen Führer
gefangen -- das war das Ende des Schmalkaldischen Krieges. Jetzt war
der Kaiser wieder unumschränkter Herr in Deutschland. Auf seine Gnade
war der Protestantismus angewiesen.
[Illustration]
2. Das Interim.
Wir können nichts wider die Wahrheit,
sondern für die Wahrheit.
2. Cor. 13, 8.
Daß es unmöglich war, den Katholizismus wieder zu unumschränkter
Herrschaft im ganzen Reich zu bringen, sah Karl V. wohl ein. Noch gab
es mächtige protestantische Fürsten und Städte. Auch sagte er sich,
daß es ein undankbares Geschäft sei, für den Papst in den Krieg zu
ziehen. Dieser hatte seine Versprechungen schlecht gehalten. Auch hatte
er bald die Kirchenversammlung von deutschem auf italienischen Boden
verlegt. Karl verfolgte ein doppeltes Ziel: Erstens wollte er die stark
erschütterte kaiserliche Macht wieder zur Anerkennung bringen. Zweitens
sollte in seinem Reiche die Einheit der Kirche wieder hergestellt
werden. Auf beiden Seiten, auf katholischer wie auf protestantischer
mußte etwas nachgegeben werden, damit solche Einheit zu Stande
käme. Entzog sich der Papst dem kaiserlichen Wunsche die Kirche zu
verbessern, so wollte es nunmehr der Kaiser ohne den Papst thun.
Das geschah auf dem Reichstage zu Augsburg im Jahre 1548. Man faßte
den Beschluß, daß den Priestern die Ehe zu gestatten und das heilige
Abendmahl unter beiderlei Gestalt auszuteilen sei. Der Pomp der
katholischen Prozessionen und Feste sollte beibehalten werden. Den
Protestanten räumte man den Satz ein, daß der Mensch nicht durch
seine guten Werke, sondern durch das Verdienst Jesu Christi aus
Gottes Barmherzigkeit gerecht werde. Man nannte diese Beschlüsse das
~Augsburger Interim~; denn sie sollten nur auf Zeit gelten,
nämlich so lange, bis eine Kirchenversammlung eine endgiltige
Entscheidung treffen würde. Nach des Kaisers Meinung sollte das Interim
für Protestanten ~und~ Katholiken gelten. Aber mit Entschiedenheit
lehnte es der Papst für seinen Teil ab, da es durchaus nicht Sache des
Kaisers sei, Religionsgesetze zu erlassen. Selbstverständlich folgten
dem Papst die katholischen Stände Deutschlands.
Wie stellten sich die deutschen Protestanten zum Interim? Standhaft
weigerte sich der gefangene sächsische Kurfürst, dasselbe anzuerkennen,
ebenso die Stadt Magdeburg. Die Kurfürsten von Brandenburg und von der
Pfalz, der Landgraf von Hessen und der Herzog von Württemberg nahmen es
an. Aber weithin setzten evangelische Prediger, die in der Annahme des
Interims mit Recht eine Verleugnung der lauteren evangelischen Wahrheit
erblickten, demselben entschiedenen Widerstand entgegen, unbekümmert
darum, daß man sie aus Amt und Brot verstieß und aus der Heimat
verjagte.
In einer schwierigen Lage befand sich Kurfürst Moritz von Sachsen. Dem
Lande gegenüber hatte er zugesagt, die lautere Lehre des Evangeliums
zu schützen -- diese enthielt aber das Interim keineswegs -- und
der Kaiser forderte von ihm gehorsame Durchführung seines Willens.
Moritz meinte beiden Verpflichtungen gegenüber gerecht werden zu
können indem er einen Mittelweg einschlug. Diesen Weg sollte Philipp
Melanchthon zeigen. Gern hätte der Kaiser Melanchthon in seiner Hand
gehabt und unschädlich gemacht. Schon hatte er von Kurfürst Moritz
dessen Auslieferung gefordert. Dieser aber antwortete dem Kaiser:
»Euer Majestät möge sich besser erkundigen; sie wird sehen, daß sie
unrecht über Magister Philipp berichtet ist, der, ein gottesfürchtiger,
friedliebender und gelehrter Mensch, zu Wittenberg und in den Landen
umher etliche gute Kirchengebräuche erhalten und viel Sekten und
Uneinigkeit verhütet hat.« Melanchthon prüfte auf des Kurfürsten Befehl
das Interim. Sein Urteil lautete: »Ich will überhaupt mein Gewissen
nicht beladen mit diesem Buch; denn so die Regenten uns dringen würden,
es also zu halten laut des Buchstabens, so würde eine große Verfolgung
und viel Betrübnis und Ärgernis daraus kommen.« Die kurfürstlichen Räte
thaten alles, Melanchthon zu bewegen in mancherlei Dingen, die zunächst
die evangelische Lehre nicht betrafen, nachzugeben. Das Ergebnis
ausgedehnter Verhandlungen der Wittenberger Theologen und des Leipziger
Superintendenten Pfeffinger legte Kurfürst Moritz im Dezember 1548 dem
Leipziger Landtag vor. Dieser nahm den ihm unterbreiteten Entwurf, das
Leipziger Interim, nach mancherlei Widerspruch an.
Wie hat damals die Entschiedenheit, die Unbeugsamkeit und
Standhaftigkeit Luthers gefehlt! Das Leipziger Interim mit seiner
Unklarheit und seinem vorsichtigen Umgehen eines festen evangelischen
Bekenntnisses war das traurige Zeugnis, daß es den Protestanten am
Mute des Glaubens fehlte, der Luthers Stärke und Sieg gewesen war.
Mit Gewalt suchte es Kurfürst Moritz in seinem Lande zur Anerkennung
zu bringen. Daß es dauernden Frieden bringen könnte, hat wohl niemand
ernstlich geglaubt.
[Illustration]
3. Endlich Friede!
Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über
euch habe, spricht der Herr, nämlich Gedanken
des Friedens und nicht des Leides, daß ich
euch gebe das Ende, des ihr wartet.
Jer. 29, 11.
Schmerzlich empfand es Kurfürst Moritz, daß die Evangelischen,
insbesondere auch seine eigenen Unterthanen ihn für einen Verräter der
protestantischen Sache ansahen. Es erschien ihm wohl nicht zweifelhaft,
daß der Kaiser, wenn's ihm seine Macht und die Verhältnisse gestatten
würden, auch gegen ihn Gewalt brauchen werde. Schon jetzt fühlte er
sich gedrückt und in seiner Freiheit beeinträchtigt durch das Verlangen
des Kaisers, in seinem Lande das Interim einzuführen und anzuerkennen,
was die päpstliche Kirchenversammlung beschließen werde. Das alles
führte ihn zu dem Entschluß, die Fahne des Kaisers zu verlassen und die
Sache des Protestantismus zu retten.
Im Herbst 1551 lag Moritz mit seinen Truppen vor dem standhaften
Magdeburg, um im Auftrag des Kaisers an der treuen Stadt die
Reichsacht zu vollziehen. Zu ihrer Überraschung erhielt die Stadt bei
ihrer Übergabe die mildesten Bedingungen. Die Festungswerke blieben
unversehrt. Moritz hielt sein Heer auch weiter um sich versammelt. Im
Geheimen hatte er sich mit Mecklenburg, dem Markgrafen von Brandenburg
und den Söhnen Philipps von Hessen verbunden; auch mit Frankreich
hatte er einen Vertrag geschlossen. Sorgsam mußte alles vor dem Kaiser
verborgen werden. Und in der That ist diesmal der Sachse klüger
gewesen, als der Kaiser mit seinen durchtriebenen Räten. Im Sturme
drang Moritz nach Süden vor. Sein Ziel war Innsbruck. Hier weilte der
Kaiser. »In seiner Spelunke« wollte Moritz »den Fuchs aufsuchen«.
Öffentlich gab er eine Erklärung ab, in der er seinen Schritt
rechtfertigte und begründete. Er wollte der Bedrückung des Evangeliums
ein Ende machen und die deutsche Freiheit retten: »So haben wir einmal
Herz und Mannheit geschöpft, daß wir das beschwerliche Joch von uns
werfen und die alte löbliche Freiheit unseres geliebten Vaterlandes
deutscher Nation erretten mögen.«
Leider wurde Moritz durch die Widersetzlichkeit seiner Truppen etwas
aufgehalten. Sonst wäre es ihm gelungen »den Fuchs in seiner Spelunke«
zu fassen. So aber gelang es dem Kaiser rechtzeitig aus Innsbruck zu
entkommen. Im Vertrag zu Passau (Juli 1552) wurde den Evangelischen
»bis zur endgiltigen Ausgleichung der zwiespältigen Religionen« der
Friede zugesichert.
Das war zugleich das Ende des verhaßten Interims, aber auch das Ende
der Gefangenschaft Philipps von Hessen. Johann Friedrich von Sachsen
hatte bereits in der Nacht, als der Kaiser aus Innsbruck floh, die
Freiheit wieder erlangt.
Was zu Passau vertragsmäßig festgesetzt war, sollte auf einem Reichstag
zum Gesetz erhoben werden. Der Reichstag zu Augsburg (1555) erkannte
den Zustand, wie er damals war, als zu Recht bestehend an. Leider
gelang es den Evangelischen aber nicht, dem Protestantismus auch für
seine weitere Entwicklung volle Freiheit zu erwirken. Die Katholiken
setzten den sogenannten »Geistlichen Vorbehalt« durch. Darnach
sollte es keinem Kirchenfürsten gestattet sein, mit seinem Lande
die katholische Kirche zu verlassen und sein geistliches Fürstentum
in ein weltliches zu verwandeln. Wollte er zur evangelischen Kirche
übertreten, so sollte er seiner geistlichen Würde und seiner weltlichen
Macht verlustig gehen. Das war das Mittel, wodurch die Römlinge
verhinderten, daß das ganze Deutschland evangelisch wurde.
[Illustration]
4. Das »Eintrachtsbuch«.
Seid allesamt gleich gesinnt!
1. Petri 3, 8.
An Einem hat's unserm deutschen Volke und unserer evangelischen
Kirche oft gefehlt, an der rechten Einigkeit. Das hat Vaterland und
Kirche mehr als einmal bitter büßen müssen. Uns ist es heute kaum
verständlich, um welcher Fragen willen man sich im Jahrhundert der
Reformation streiten konnte, und zwar nicht nur in den Kreisen der
Gelehrten, sondern auch in den Gemeinden. Fast schien es, als sollte
ein breiter, tiefer Graben zwischen zwei Parteien in der lutherischen
Kirche gezogen werden. Die eine Partei wollte streng und unentwegt
in Luthers Fußtapfen gehen und meinte das besonders dadurch zu thun,
daß sie jede Annäherung an die Reformierten oder Katholiken sorgsam
vermied. Die andere Partei trug das Gepräge Melanchthon'schen Geistes
und suchte gerade das zu pflegen und zu erweitern, was man mit den
Reformierten oder Katholiken Gemeinsames hatte und worüber man sich
die Friedenshand reichen könnte. Daran nahmen jene strengen Lutheraner
heftigen Anstoß. Als im Leipziger Interim die Philippisten -- so nannte
man die letztere Partei -- den Katholiken mancherlei Zugeständnisse
gemacht hatten, wurden sie für Verräter am wahren Luthertum erklärt.
Die Söhne des gefangenen Kurfürsten von Sachsen gründeten im Jahre 1548
die Universität Jena. Diese sollte ein Hort der unverfälschten und
unverwischten Lehre Luthers sein.
Die Verschiedenheit beider Richtungen zeigte sich vornehmlich in der
Auffassung des heiligen Abendmahls. Melanchthon näherte sich darin
der Lehre Calvins (s. oben S. 93). Man nannte deshalb seine Anhänger
geradezu heimliche Calvinisten (Kryptocalvinisten). Eine Zeit lang
hatten sie in Sachsen die Oberhand. Als aber von ihren Führern offen
die Einigung der Lutheraner mit den Calvinisten empfohlen wurde,
schritt Kurfürst August von Sachsen im Jahre 1574 zur gewaltsamen
Unterdrückung der Melanchthon'schen Richtung. Ihre Anhänger
wurden verjagt. Ihr Haupt, +Dr.+ Kaspar Peucer, Melanchthons
Schwiegersohn, wurde festgenommen. Zwölf Jahre hat er um seiner
Überzeugung willen im Gefängnis gesessen. Das waren traurige Zeiten.
Der blinde Fanatismus sah und schärfte nur den Unterschied in einer
Lehre. Es fehlte völlig an dem milden Sinn, der in dem gemeinsamen
Glauben an Jesum Christum, den Gekreuzigten und Auferstandenen, den
genügenden Grund zur gegenseitigen Duldung findet.
Schon seit einer Reihe von Jahren erstrebte man ernstlich die Einheit
der evangelischen Kirche Deutschlands. Edle, verständige Fürsten
erkannten die Gefahr, die in der Zersplitterung liegt. Unermüdlich
arbeitete der gelehrte Jakob Andrä in Tübingen an der Herstellung
des Friedens. Die Frucht gemeinsamer Arbeit mehrerer Theologen war
die sogenannte Concordien- oder Eintrachtsformel (1577), die alle
Lehrstreitigkeiten innerhalb der lutherischen Kirche zu schlichten
suchte. Kursachsen, Brandenburg, die Pfalz und über 80 Städte stimmten
ihr zu. An 8000 Männer, Geistliche und Lehrer haben sie unterschrieben
und anerkannt. Wer sich des weigerte, wurde seines Amtes entsetzt und
des Landes verwiesen.
Kurfürst August von Sachsen ließ die Bekenntnisschriften der
evangelischen Kirche samt der Concordienformel in ein Buch
zusammenfassen. Das nannte man das Concordien- oder Eintrachtsbuch. Am
Jubeltage der Augsburgischen Konfession, am 25. Juni 1580, wurde es
feierlich veröffentlicht. Zum Zeichen dafür, daß auch die lutherische
Kirche ein Glied der großen Einen Kirche Jesu Christi auf Erden ist,
sind die drei alten Glaubensbekenntnisse (das apostolische, das
Nicänische und das Athanasianische) vorangestellt. Dann folgen die
Augsburgische Konfession, wie sie im Jahre 1530 dem Kaiser vorgelegt
worden war (s. oben S. 63 ff.), die Schmalkaldischen Artikel (s. oben
S. 68), die beiden Katechismen Luthers (s. oben S. 48 ff.) und die
Concordienformel.
51 Fürsten und 35 Städte haben das »Eintrachtsbuch« unterzeichnet.
[Illustration]
5. Berühmte Prediger, gläubige Dichter und fromme
Künstler des Jahrhunderts der Reformation.
Es sind mancherlei Gaben, aber es ist
Ein Geist.
1. Cor. 12, 4.
Die Reformation stellte Gottes Wort in den Mittelpunkt des
Gottesdienstes. »Der größte Gottesdienst«, sagte Luther, »ist die
Predigt. Durch sie kommt Christus zu dir oder du wirst zu ihm
gebracht.« Die Predigt schloß der Gemeinde den ganzen Reichtum des
göttlichen Wortes auf.
Der Meister der Predigt der Reformationszeit ist Luther. Alle anderen
Prediger sind seine Schüler gewesen. Er selbst aber kannte keinen
anderen Lehrmeister als Gottes Wort und ging bei Christus in die
Schule. Von ihm lernte er so predigen, daß »es die Leute verstehen,
fassen und behalten können.« Es hat wohl keinen ~fleißigeren~
Prediger gegeben als Luther. Er hat oft zweimal an einem Tage
gepredigt. Mit dem Lichte göttlichen Worts beleuchtete Luthers Predigt
das ganze Leben, Zeitliches und Ewiges, Irdisches und Himmlisches. Gern
teilt Luther seine Predigten in zwei Teile -- der eine handelt vom
Glauben, der andere von der Liebe. Da zeigt er erst, wie der Mensch
durch den Glauben an Jesum Christum Gottes Gerechtigkeit erlangt.
Dann predigt er, wie der Glaube sich in der Liebe bethätigen soll: im
Familienleben, im Hausstand, im Gehorsam gegen die Obrigkeit, im Beruf,
im Handel und Wandel. Luther begnügt sich nicht mit der Predigt über
die gegebenen Sonntagstexte. Er wählt sich auch andere Bibelstellen
oder predigt im Zusammenhange über ganze biblische Bücher. Weil ihn
die geistliche Not des Volkes und der Jugend jammert, legt er auf der
Kanzel den Katechismus von Anfang bis zu Ende aus. Im Jahre 1528 allein
hat er es dreimal gethan (s. oben S. 52).
Und was ist Luther für ein ~volkstümlicher~ Prediger gewesen! Es
war sein Grundsatz: »In der Kirche oder Gemeinde soll man reden, wie
im Hause daheim, die einfältige Muttersprache, die jedermann versteht
und bekannt ist. Wenn ich allhier predige, lasse ich mich aufs Tiefste
herunter, sehe nicht an die Doktoren und Magister, deren in die Vierzig
drin sind, sondern auf den Haufen junger Leute, Kinder und Gesinde,
deren in die Hundert oder Tausend da sind; denen predige ich, nach
denselbigen richte ich mich, die bedürfen's.« Es ist ganz köstlich zu
lesen, wie Luther von Gott als einem »großen Gebhart« predigt, der
»ein reicher, gewaltiger Herr und Schaffner, ja selbst ein reicher
Müller und Bäcker ist, besser denn keiner auf Erden, der das Handwerk
sehr wohl gelernt«, oder »ein reicher Küchenmeister und Kellner, der
hat eine Küche, die so weit als die Welt ist.« Dem Heiland hat es
Luther abgelauscht, die Predigt der Natur zu lesen und zu hören. Das
Samenkorn, das in der Erde verdirbt und doch viel herrlicher wieder
ersteht, predigt, »daß uns Gott läßt also in die Erde bescharren und
verfaulen auf den Winter, auf daß wir auf den Sommer sollen wieder
hervorfahren, viel schöner denn die Sonne, als sei das Grab nicht ein
Grab, sondern ein schöner Würzgarten, darein schöne Nelken und Rosen
gepflanzt, so auf den lieben Sommer daher blühen sollen.« Hat Luther
nicht recht, wenn er sagt: »Das ist auf recht himmlisch deutsch von der
Auferstehung geredet, wie Gott und seine Engel reden«? Vor dem Vöglein,
das keine Sorge kennt, »möchten wir unsere Hütlein abthun und sagen:
Mein lieber Herr Doktor, ich muß ja bekennen, daß ich die Kunst nicht
kann, die du kannst. Du schläfst die Nacht über in deinem Nestlein ohne
alle Sorge. Des Morgens stehst du wieder auf, bist fröhlich und guter
Dinge, setzest dich auf ein Bäumlein und singst, lobst und dankst Gott;
darnach suchst du deine Nahrung und findest sie.«
Ein Band Predigten Luthers gehört in jedes evangelische Christenhaus.
In Luthers Haus- und Kirchenpostille steckt noch heute ein reicher
Segen.
Wer mag alle die andern großen Prediger der Reformationszeit aufzählen!
Johann Bugenhagen, Justus Jonas, Kaspar Kruciger, Paul Eber, Sebastian
Fröschel in Wittenberg, Georg Spalatin in Altenburg, Johann Pfeffinger
in Leipzig, Friedrich Mykonius in Gotha, Johann Spangenberg in
Eisleben, Veit Dietrich und Wenzeslaus Linck in Nürnberg, Johann Brenz
in Stuttgart und viele andere mehr! Manch Goldkörnlein ist in ihren
Predigten zu finden, wenn man nur darnach sucht.
[Illustration: Kaspar Kruciger.]
Aber eines Mannes muß noch ganz besonders gedacht werden: des
wackeren Bergpredigers Johann Mathesius in Joachimsthal. Dieser hat
seinen frommen Bergleuten Luthers Leben in Predigten erzählt. Ein
evangelischer Bergmann muß noch heute seine Freude dran haben. Aber für
uns alle ist jenes Leben Luthers in Predigten ein köstliches Buch, das
fleißig gelesen zu werden verdient. Denn Mathesius, der oft an Luthers
Tisch gesessen hat, ~kann~ etwas erzählen und ~versteht~ es
zu erzählen und anschaulich zu schildern.
[Illustration: Friedrich Mykonius.]
Zum evangelischen Gottesdienst gehört aber auch das evangelische
Kirchenlied. Darin bringt die Gemeinde ihr Loben und Danken, ihr
Bitten und Flehen vor Gottes Thron. Darin legt sie das Bekenntnis
ihres Glaubens ab. Und wer mag die frommen Christen alle zählen, die
im Kämmerlein und auf dem Krankenbett im evangelischen Lied Trost und
Erbauung suchen und finden.
[Illustration: Johann Pfeffinger.]
Luther hat zuerst das evangelische Kirchenlied angestimmt. Er hat uns
auch das erste Gesangbuch gegeben. Davon ist oben erzählt worden (S.
44). Bald weckte seine Stimme eine ganze fröhliche, fromme Sängerschar.
»Wohl waren nicht alle Nachtigallen, aber Lerche, Fink und Drossel sind
auch liebliche Sänger. Der reiche Gott hat einer jeden Stimme ihren
eigentümlichen Wohllaut, Schmelz und Klang gegeben.«
[Illustration: Hans Sachs.]
[Illustration: Paul Eber.]
Von einigen dieser Sänger, deren Lieder wir noch heute in unseren
Gottesdiensten singen, mag hier etwas erzählt werden. Da ist der
biedere ehrwürdige Hans Sachs, der Nürnberger »Schuhmacher und Poet«,
der mit seinem Liede Luther, »die Wittenbergisch Nachtigall, die man
jetzt höret überall«, grüßte. Vielleicht stammt von ihm das Kreuz-
und Trostlied: »Warum betrübst du dich mein Herz, bekümmerst dich und
trägest Schmerz«. Zu den ersten Liederdichtern unserer Kirche gehört
auch Paul Speratus aus Rottweil in Schwaben. Frühzeitig war er dem
Evangelium zugethan und verbreitete die Reformation. An Verfolgung hat
es ihm nicht gefehlt, bis er in Wittenberg eine Zuflucht fand. Er ist
dann der Reformator Preußens geworden. Sein Lied »Es ist das Heil uns
kommen her aus Gnad und lauter Güte« wird ein herrliches Bekenntnis des
evangelischen Glaubens, aus der Heiligen Schrift geschöpft, bleiben
gegen römische Menschenlehre. Speratus' Mitarbeiter in Preußen war
Johann Graumann oder, wie er sich nennt, Poliander, aus Neustadt in
Bayern gebürtig. Als Rektor der Leipziger Thomasschule hatte er der
Disputation zwischen +Dr.+ Eck und den Wittenbergern (s. oben S. 28)
beigewohnt. Wie die meisten Leipziger stand er erst auf Seite Ecks.
Bald aber merkte er, daß die Wahrheit auf Seiten Luthers war. Da ist
er denn diesem nach Wittenberg gefolgt. Bald folgte er einem Rufe nach
Königsberg. Von ihm haben wir das schöne Loblied »Nun lob, mein' Seel,
den Herrn«. Unser festliches »Allein Gott in der Höh' sei Ehr« und das
ergreifende Passionslied »O Lamm Gottes unschuldig« hat uns Nikolaus
Decius, der Stettiner Pastor, gesungen.
[Illustration: Johann Mathesius.]
Schlicht und herzlich sind die Lieder Paul Ebers aus Kitzingen,
des treuen Freundes und Schülers Luthers und Melanchthons, des
Nachfolgers Johann Bugenhagens im Wittenberger Pfarramt. Von ihm stammt
das einfache, kindliche Neujahrslied, mit dem der Dichter zugleich
seiner Gattin Helene -- die Anfangsbuchstaben der einzelnen Verse
ergeben ihren Namen -- ein Denkmal gesetzt hat. Da ist er mit seiner
Hausgemeinde versammelt und stimmt an: »Helft Gottes Güte preisen, ihr
lieben Kinderlein«. Zu den besten Liedern der Reformationszeit gehört
Ebers köstlicher Trostpsalm: »Wenn wir in höchsten Nöten sein, und
wissen nicht, wo aus noch ein«. Und wie viel fromme Seelen haben's ihm
nachgebetet:
Christi Blut und Gerechtigkeit,
Das ist mein Schmuck und Ehrenkleid;
Damit will ich vor Gott bestehn,
Wenn ich zum Himmel werd' eingehn.
Sollte aber der liebe Leser einmal die heilige Priesterpflicht eines
Christen erfüllen müssen, einen Sterbenden zu trösten, dann lese er
ihm Paul Ebers »Herr Jesu Christ, wahr'r Mensch und Gott, der du
littst Marter, Angst und Spott« langsam und andächtig vor. Unter
dem Klange dieses Liedes ist schon manche Seele sanft und selig
hinübergeschlummert.
Von dem Joachimsthaler Pfarrer Johann Mathesius ist schon oben erzählt
worden, wie er seiner Gemeinde über Luthers Leben gepredigt hat. Der
Prediger war aber auch ein wackerer Liederdichter. Von ihm haben wir
in unserem Gesangbuch zwei Lieder, ein Morgenlied für die Gemeinde in
der Kirche und die Kinder in der Schule: »Aus meines Herzens Grunde«
und ein Abendlied für die Kleinen daheim: »Nun schlaf, mein liebes
Kindelein«. Auch der Joachimsthaler Kantor, Niclas Hermann, des
Pfarrers guter Freund, hat unserer Kirche eine Reihe Lieder geschenkt.
Von ihm stammt der Weihnachtsgesang, den wir noch heute so gerne am
Weihnachtsmorgen anstimmen: »Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich«,
das »Reiselied«, das auch unsere Bergleute bei ihrer Fahrt in die
Tiefe singen sollten: »In Gottes Namen fahren wir« und das Trost- und
Sterbelied für die Wanderung durch des Todes dunkles Thal: »Wenn mein
Stündlein vorhanden ist«. Und wie viele beten noch heute ihren Morgen-
und Abendsegen mit den Worten jenes Dichters »Die helle Sonn leucht
jetzt herfür« und »Hinunter ist der Sonne Schein«.
[Illustration: Lukas Kranach.]
Wer mag sie alle nennen, die in jenem großen Jahrhundert dankbewegten,
gläubigen Herzens in die Saiten griffen und ihre Lieder anstimmten zur
Ehre Gottes! Wer mag all die Segensspuren aufweisen, die jene Lieder
durch Freud und Leid, durch Kampf und Sieg unserer evangelischen Kirche
hinterlassen haben!
[Illustration: Albrecht Dürer.]
Endlich sei noch zweier frommen Maler gedacht, die durch ihre Bilder
die Reformation verbreiten halfen und im Bilde darstellten, was Gott
zum Heile der Menschheit gethan hat, Albrecht Dürers in Nürnberg und
Lukas Kranachs in Wittenberg. Wen ergriffen nicht aufs Tiefste Dürers
Bilder zur Offenbarung St. Johannis und zur Leidensgeschichte Jesu!
Noch ehe Luther das lautere Evangelium predigte, gingen Dürers Bilder
als »stille vorbereitende Prediger von Hand zu Hand«. Bekannter als
Dürer ist dem evangelischen deutschen Volke Lukas Kranach, der treue
Freund Luthers und der sächsischen Kurfürsten. Wie viele Kirchen sind
geschmückt mit einem Bilde von Kranachs Hand! Aus seiner Werkstätte
gingen die Bilder zu Luthers Bibel und Katechismus hervor, die selbst
eine deutsche Auslegung des göttlichen Wortes sind.
So hat des Predigers Wort, des Dichters Lied, des Künstlers Hand
gepriesen, was Gott einst in seinem Sohn der Welt geschenkt und von
neuem durch Luther der Christenheit beschert hat.
[Illustration]
Schlußwort.
Es sind Bilder aus Deutschlands größtem Jahrhundert, die an unserer
Seele vorübergezogen sind. Wir haben unsern +D.+ Martin Luther
geleitet durch sein Leben und Wirken. Wir haben einen Blick gethan
auf die Väter der reformierten Kirche, die gleichzeitig mit unserm
Reformator in andern Ländern das Licht des Evangeliums auf den Leuchter
stellten. Wir haben gesehen, wie die Reformation in heißem Ringen sich
zur Freiheit ihres Bekenntnisses in unserem Vaterland hindurchgekämpft
hat, und wie endlich das evangelische Deutschland in Wort und Lied und
Kunst anstimmte: »Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist,
seinen heiligen Namen: lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht,
was er dir Gutes gethan hat!«
Gott sei ewiglich Dank dafür! Möge es ihm das deutsche evangelische
Volk danken, nicht nur in Worten, sondern durch die That, festhaltend
an dem lauteren Evangelium und Gott preisend durch unerschütterlichen
Glauben und opferwillige Liebe!
[Illustration]
_Bernhard_ Richter's Buchhandlung, Leipzig.
Nürnbergerstraße 11.
Amtlich empfohlen!
»Lutherdenkmal«.
Volkstümliche illustrierte Schriften aus der Geschichte des
evangelischen Deutschlands.
In Verbindung mit
Professor +D.+ =Achelis=-Marburg, Oberhofprediger
+D.+ =Ackermann=-Dresden, Landrat =von
Deuster=-Kitzingen, Domherrn +D.+ =Fricke=-Leipzig,
Wirklichem Oberkonsistorialrat Propst +D.+ =Freiherrn
von der Goltz=-Berlin, Generalsuperintendent
+D.+ =Kretschmar=-Gotha, k. k. o. Professor
+D.+ =Lösche=-Wien, evangel. Bischof +D.+
=Müller=-Hermannstadt, Dekan =Müller=-Kitzingen, Geh.
Kirchenrat +D.+ =Pank=-Leipzig, Senior =Ranke=-Lübeck,
Generalsuperintendent Prälat +D.+ =von Weitbrecht=-Ulm
herausgegeben von
+D.+ Georg Buchwald und +Dr.+ Fritz Jonas
Pfarrer in Leipzig. Schulrat in Berlin.
Bisher erschien:
Heft 1: =D. M. Luthers deutsche Briefe=.
91 Briefe mit 13 Illustrationen.
223 S. 8° broschiert.
Heft 2: =Philipp Melanchthon=. (10 Illustrationen.)
94 S. 8° broschiert.
Beide Hefte zusammen: _Eine Mark._
[symbol]Empfohlen[symbol]
vom
Evangelisch-Lutherischen Landeskonsistorium für das Königreich
Sachsen, Dresden, Königlich Sächsischen Ministerium des
Kultus und öffentlichen Unterrichts, Dresden, Evangelischen
Oberkirchenrat, Berlin, Königlichen Konsistorium der Provinz
Brandenburg, Berlin, Ministerium der geistlichen, Unterrichts-
und Medizinal-Angelegenheiten, Berlin, Königlich protestantischen
Oberkonsistorium, München, Königlich protestantischen Konsistorium,
Speyer.
Im vorgenannten Verlage erschienen folgende _Volksschriften_
von
+D.+ Georg Buchwald
Pfarrer an der Nordkirche zu Leipzig,
die sich besonders als ~Konfirmations-Geschenke~ eignen und jeder
~Volks-~ und ~Schulbibliothek~ zur Anschaffung empfohlen
werden.
=+D.+ Martin Luthers Deutsche Briefe= ausgewählt und
erläutert. 91 Briefe mit 13 Illustrationen. =Geschenkband=: 2 Mk.
=+D.+ Martin Luthers Grosser Katechismus.= Mit Erläuterungen
dem deutschen evangelischen Volke dargeboten. =3. Auflage.=
=Preis=: 50 Pfg. ~kartonniert~. Partiepreis von 50 Exempl.
an à 40 Pfg. _=Amtlich empfohlen!=_
=Philipp Melanchthon.= Eine Schilderung seines Lebens in Wort und
Bild. 10 Illustr. =3. Auflage.= (11.-14. Tausend). =Preis=:
40 Pfg.
=+D.+ Paul Eber=, ~Der Freund, Mitarbeiter und Nachfolger
der Reformatoren~. Ein Bild seines Lebens und Wirkens. 12 Illustr.
=Preis=: 80 Pfg.
=Geschichte der Evangelischen Gemeinde zu Kitzingen=
(Unterfranken). Aus den Urkunden erzählt. 13 Illustrationen.
=Preis=: 1 Mk. 50 Pfg.
=Reformationsgeschichte der Stadt Leipzig.= Reich illustriert.
=Geschenkband=: 4 Mk.
Fricke, Geh. Kirchenrat, Professor +D.+, =Festpredigt=
gehalten am 25. April 1898 zum 70jährigen Geburtstage und 25jährigen
Regierungsjubiläum Sr. Maj. des Königs Albert von Sachsen. Preis 30
Pfg.
Frost, Pfarrer in Obergrünberg, =Recht u. Pflicht der
Kindertaufe=. Dem christlichen Volke dargeboten. 1899. Preis 50 Pfg.
Hartung, Pfarrer +D.+, =Konfessionalität und Nationalität=
in ihrem gegenseitigen Verhältnisse. 1899. Preis 60 Pfg.
Haupt, Konsistorialrat, Professor +D.+, =Die Aufgabe
der religiösen Erziehung des Volkes im Katholizismus und
Protestantismus=. 1899. Preis 60 Pfg.
Käßberg, Amtsgerichtsrat, =Eingehung, Nichtigkeitserklärung und
Auflösung der Ehe=. 1899. Preis 60 Pfg.
Kluckhuhn, A., +P.+, =Evangelische Zeugnisse aus dem
Psalter=. 50 Predigten über Psalmtexte, nach dem Gang des
Kirchenjahres ausgewählt. Mit einem Vorwort von Prof. Oettli in
Greifswald. Preis brosch. 3 Mk., in Leinwand geb. 4 Mk.
Lenk, H., =Wer ist Gott?= 258 Seiten. 1897. Preis 80 Pfg.
(Partiepreis von 30 Exemplaren an à 50 Pfg.)
Lenk, H., +P.+, =Wie werden wir vor Gott gerecht?= Der
Galaterbrief St. Pauli erklärt. 181 Seiten. 1898. brosch. 2 Mk. 50 Pfg.
Niethammer, A., Geh. Kommerzienrat, =Das wirtschaftliche
und sittlich-religiöse Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und
Arbeitgebern=. Meißner Kirchenkonferenz-Vortrag. Auf Beschluß in
Druck gegeben. 1898. Preis 50 Pfg. (In Partien von 30 Exemplaren an
billiger.)
Pasig, P., =Der große Kaiser in seiner menschlichen Größe=.
Erzählungen aus dem Leben Kaiser Wilhelms I., dem deutschen Volke
dargereicht. 1897. Mit einem Portrait (Autotypie). Preis 30 Pfg.
Pasig, P., =Otto von Bismarck als Christ=. Mit Portrait
(Autotypie) und Wappen. Preis 50 Pfg. (in Partien billiger).
Scherffig, Paul, Diakonus, =Friedrich Mykonius=. Ein sächsisches
Reformationsfestspiel. 1896. Preis 1 Mk.
Scherffig, Paul, Diakonus, =Die religiöse Unterweisung der
Jugend im Konfirmandenunterricht, kirchlicher Unterredung und
Fortbildungsschule=. 1899. Preis 50 Pfg.
Schmidt, Pfarrer +D.+, =Melanchthon=. Ein
vaterländisch-kirchliches Schauspiel. 1897. Preis 1 Mk.
Druck von Emil Stock, Zwenkau.
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Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
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