Tahiti: Roman aus der Südsee. Vierter Band

By Friedrich Gerstäcker

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Friedrich Gerstäcker

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Title: Tahiti: Roman aus der Südsee. Vierter Band

Author: Friedrich Gerstäcker

Release Date: June 23, 2014 [EBook #46083]

Language: German


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  Tahiti.

  Roman aus der Südsee
  von
  Friedrich Gerstäcker.

  Zweite unveränderte Auflage.

  Vierter Band.

  Der Verfasser behält sich die Uebersetzung dieses Werkes vor.

  Leipzig,
  Hermann Costenoble.
  1857.




  Inhalt des vierten Bandes.


                                     Seite
  Cap. 1. Die Schlacht von Mahaena       1
   "   2. Alte Abrechnungen             55
   "   3. Das Lager der Insulaner      103
   "   4. Die Flucht                   142
   "   5. Lefévre und Aumama           170
   "   6. Der Angriff auf Papetee      218
   "   7. René und Susanna             248
   "   8. Schluß                       302




Capitel 1.

Die Schlacht von Mahaena.


»Joranna!« -- und die Palmen rauschten dazu ihre leise wehmüthige Weise,
und wie grollend, zürnend tönte der dumpfe Donner der Brandung ihm in's
Ohr -- »Joranna!« -- »Und doch ja auch nur für wenige Tage!« rief er
dann plötzlich sich abwendend und mit der Hand die Stirne streichend,
als ob er da alle die trüben traurigen Ideen fortwischen wolle. »Unsinn,
sich das Herz da schwer zu machen mit Sorge und Noth und tollen, trüben
Ideen; wie rasch verfliegt die Stunde, und Wochen schwinden, daß man sie
kaum zählen kann. Nein, nicht muthwillig mag ich mir das Leben schwer
machen, ein tückisches Schicksal quält und neckt uns überdies schon
genug, wirft Wermuth in den süßesten Becher, oder giebt der Frucht
Stacheln nach der unsere Lippe sich sehnt. Fort; in der Stadt vergeß ich
die Grillen und mein Haus mag heute sehen wie es allein fertig wird.«

Und den Hut fest in die Stirn drückend, die Arme über der Brust
zusammengeschlagen und den Kopf gesenkt, ging er mit raschen Schritten
nach der Stadt zurück und betrat, seine Grillen wie er sie nannte,
mit einer Flasche Wein niederzuschwemmen, das erst seit kurzer Zeit
etablirte Haus eines Franzosen, Viktor, ließ sich eine Flasche
Claret geben, und setzte sich, ein paar Gläser rasch hintereinander
hinunterstürzend, den Kopf in die Hand gestützt, allein an einen Tisch,
in die entfernteste Ecke der Stube -- gedankenvoll auf das vor ihm
ausbreitende Meer hinausschauend.

Wohl eine Stunde mochte er so gesessen haben, die Flasche stand geleert
vor ihm, und noch immer starrte er düster vor sich hin, als eine Hand
ihm derb auf die Schulter klopfte und eine fröhliche Stimme seinen Namen
rief:

»René!«

René schaute langsam auf, sprang aber im nächsten Augenblick von seinem
Sitz empor und rief, dem Freund beide Arme entgegenstreckend und ihn
an's Herz drückend:

»Adolphe! mein lieber, lieber Freund, wo kommst Du her? zehntausendmal
willkommen auf Tahiti.«

»Und Dir geht es gut?« frug Adolphe, die ersten herzlichen Begrüßungen
vorüber -- »es gefällt Dir hier, und Du bereust Dein Weglaufen nicht?«

»Bereuen?« lächelte René, »ich habe Alles hier, was das Menschenherz nur
fordern oder verlangen könnte und sollte bereuen? -- Doch« -- unterbrach
er sich plötzlich, den Freund erstaunt betrachtend -- »spielst Du
Maskerade oder ist es jetzt Sitte hier geworden, französische Uniformen
anzulegen? was thut der Wallfischfänger in der Officiersuniform?«

=»Peste!«= lachte Adolphe, »ich hatte das Leben ebenfalls satt, und da
uns gute Kräfte hier fehlen, hielt ich den Zeitpunkt für geeignet, meine
alte Carrière wieder aufzunehmen. Hol der Teufel die Freiheit am Bord
eines Wallfischfängers; durch =Du Petit Thouars= selber, von dem ich die
Ehre habe schon seit frühern Zeiten gekannt -- vielleicht überschätzt
zu sein, sind mir die Epauletten wieder auf die Schultern gedrückt, mit
denen ich seit langer Zeit fertig zu sein glaubte.«

»Und seit wann bist Du hier?« frug René erstaunt.

»Seit drei Tagen etwa; aber wie mir gesagt wurde, wärst Du zurück nach
Atiu gegangen, wo wir Dich damals ließen.«

»Ich habe die Erlaubniß noch nicht erhalten, einer langweiligen
Untersuchung wegen.«

»Ich weiß, ich weiß, wegen einer Französischen Schildwache, man hielt
das aber für abgemacht -- nun desto besser, so hab' ich Dich doch hier
noch getroffen, ich wäre aber später jedenfalls einmal hinübergekommen,
Dich zu besuchen. Mensch ist es möglich -- Du hier verheirathet und
Familienvater? -- nun die Sache klingt gefährlicher, wie sie ist.«

»Ich fühle mich glücklich darin,« sagte René. --

»Und was willst Du jetzt auf Atiu?«

»Dort bleiben.«

»Bah, Unsinn --«

»Unsinn? -- weshalb?«

»Du willst Dich, mit acht und zwanzig Jahren in einem Cocospalmenwald
vergraben und mit der Welt fertig sein? -- Mensch bist Du denn
wahnsinnig oder hast Du die Lektionen am Bord des Delaware noch nicht
vergessen? und ein indianisches Mädchen -- René, René, ich fürchte fast,
Du hast da Dir selber einen recht bösen Streich gespielt, und ich habe
Dir am Ende gar keinen so besonderen Dienst geleistet, als ich die
Bande durchschnitt die Dich hielten. Das Schlimmste gereicht uns oft zum
Glück, und das gerade, was wir armen kurzsichtigen Sterblichen im Anfang
für die Krönung unserer Wünsche halten, ist nicht selten der Beginn von
-- gerade dem Gegentheil.«

»Du kennst Sadie nicht,« lächelte René -- »sie ist nur Indianerin von
Geburt, sonst aber fast ganz in europäischen Sitten und Gebräuchen
auferzogen.«

»Desto schlimmer für sie,« brummte Adolphe kopfschüttelnd. »Ich habe
auch darüber schon Manches munkeln hören. Aber was zum Teufel bleibst Du
da nicht wenigstens in Papetee? -- hier hast Du doch einen Wirkungskreis
für irgend eine Thätigkeit; auf Atiu versauerst Du ja doch, und zehn
Jahre dort, machen Dich untüchtig für irgend einen menschlichen Beruf.«

»Verhältnisse, lieber Adolphe, bestimmen den Menschen,« lächelte der
Freund, wenn auch nicht mehr so ganz unbefangen. »Sadie fühlte sich hier
nicht glücklich zwischen den Europäerinnen und --«

»Aber ich denke sie hat eine ganz europäische Erziehung bekommen -- wie
stimmt das?«

»Ich -- ich selber fühlte auch daß wir dort drüben würden viel freier,
ungehinderter leben können« entgegnete René ausweichend.

»Ungehinderter? das glaub der Teufel,« lachte Adolphe, »wer sollte
Euch dort stören? wenn da nicht einmal zufällig ein vereinzelter
Wallfischfänger anlangte -- aber apropos René -- weißt Du denn, daß
Capitain Lewis Tochter hier auf Tahiti und sogar in Papetee ist?«

René fühlte, daß ihm das Blut in die Schläfe stieg und drehte sich rasch
ab, nach einer frischen Flasche Wein zu rufen.

»Ich weiß es,« sagte er gleichgültig -- »ich habe sie hier auf einem
Ball kennen lernen, sie wohnt jetzt bei Belards; aber Adolphe --«
rief er, rascher sich dem Freund wieder zudrehend, der ihn aufmerksam
betrachtete -- »Du hast mir ja noch gar nicht erzählt, was Ihr damals
mit dem ehrwürdigen Manne gemacht habt, den Ihr statt meiner an Bord
nahmt. Was sagte er denn, als er wieder zu sich selber kam?«

»Was er sagte?« lachte Adolphe in der Erinnerung an jenen Abend laut
auf, »er war Feuer und Flamme, und wollte augenblicklich an Land gesetzt
sein. Mein Glück übrigens wars, daß er behauptete Einer der Bootsleute
habe ihn zu Boden geschlagen und gebunden und geknebelt, und unser alter
Seehund von Harpunier wußte recht gut, daß ich nicht lange genug oben
gewesen war, das möglicher Weise zu Stande zu bringen, wenn er mir's
auch zutraute, während keiner der Anderen das Boot verlassen haben
wollte, und auch in der That verlassen hatte. So ärgerlich der _Alte_
übrigens auch war, daß wir _Dich_ nicht, trotz aller gemachten Auslagen,
wie des Aufenthalts und bösen Beispiels wegen, wiederbrachten, so sehr
freute er sich doch jedenfalls heimlich, daß es gerade der Schwarzrock
gewesen, der darunter leiden mußte, noch dazu, da er einen Matrosen
verrathen, und wir Alle kamen so, wenigstens für den Augenblick, mit
einem blauen Auge davon. Nichtsdestoweniger hatten sie gegründete
Ursache auf mich den stärksten Verdacht einer Mitwissenschaft zu werfen,
und wenn ich mir auch nicht gerade besonders viel daraus machte, wurde
doch das Leben an Bord für mich dadurch nach und nach so fatal, daß
ich mich zuletzt in Honolulu, als wir von oben wieder herunter kamen,
auszahlen ließ und nicht einmal mit dem Schiff zu Hause ging. Ich bin
übrigens dem geistlichen Herrn eben heute Morgen hier in der Straße
begegnet -- und ob er mich nicht wieder erkannte? Wie er nur einen Blick
auf mich warf, blieb er im ersten Moment überrascht stehen, -- er wußte
wahrscheinlich nicht gleich wo er mich hinthun sollte; als ich aber ein,
vielleicht etwas malitiöses Lächeln doch nicht verbeißen konnte, und
ihm auch wahrscheinlich dabei einfiel bei welcher, für ihn so fatalen
Gelegenheit wir uns zum letzten Mal gesehen, quoll ihm das Blut wie eine
Springfluth in's Gesicht und er ging rasch, und ohne mich weiter eines
Blicks zu würdigen, an mir vorüber, die Straße hinab.«

»Ja, er hat hier seine Mission« sagte René noch in der Erinnerung an
heut Morgen, mit zusammengezogenen Brauen, »mir aber ist er bis heute
ausgewichen wie dem bösen Feind, und wirklich heute Morgen zum ersten
Mal hat er meine Schwelle, in meiner Anwesenheit überschritten, um
Abschied von meiner Frau zu nehmen.«

»Will er fort?«

»Nein, meine Frau hab' ich hinüber nach Atiu, mit einem der anderen
protestantischen Missionaire geschickt, um später nachzukommen.«

»So so?« sagte Adolphe gedehnt, »Du bleibst jetzt noch allein in Papetee
-- und wo wirst Du wohnen?«

»Ich wollte eigentlich gern in meinem Haus draußen bleiben, aber ich
fürchte es wird nicht gehen -- heute Morgen wenigstens kreuzten schon
dumpfe Gerüchte von einem wirklichen Aufstand, und was ich hier darüber
gehört, bestätigt das nur. Als einzelner Franzose setzte ich mich da
draußen doch am Ende Unannehmlichkeiten aus.«

»Nein, Gott bewahre« rief Adolphe rasch -- »diese Indianer sind
seelensgute Menschen wenn in Frieden gelassen, aber treib' sie erst
einmal dazu daß Blut fließt, und sie sind wie die Tiger, unersättlich.
-- Ich fürchte auch wir bekommen hier noch einen verwünscht schweren
Stand, denn die zwei Schiffe sollen, wie ich höre, an allen Inseln
zugleich anklopfen, und wenn sie da in Papetee nicht eine _recht_
tüchtige Besatzung zurücklassen, so weht einmal eines Morgens die
Tahitische Flagge statt der Französischen, und für unsere Leben, alle
mitsammen, möcht' ich dann keinen Franc geben. Die Missionaire thun
außerdem was sie können, die Eingeborenen gegen uns aufzuhetzen.«

»Verdenken kann ich's ihnen nicht« entgegnete René, die geleerten Gläser
wieder vollschenkend, »haben sie doch meine Landsleute hier vollständig
aus dem Sattel gehoben, und jeder wehrt sich seines Brodes so gut er
kann.«

»Peste, René, Du vertheidigst die Schwarzröcke wohl gar?« lachte
Adolphe. »Wetter mein Bursche, hast Du Dich geändert. Die Luft hier muß
anstecken.«

»'Bist im Irrthum, Adolphe, nur den Stand selber vertheidige ich, der
hier ein Recht hat zu existiren, sobald _wir_ nur den Schatten eines
solchen beanspruchen wollten. Stände ihnen die eigene Bibel nicht
dabei im Wege, wären sie gerade die Leute die sich zu Herren des Landes
erklären dürften, insoweit sie zuerst hier ihren Wohnsitz, und damit
nach dem Rechte der Entdecker, Besitz von dem Lande nahmen. Doch es
fällt mir nicht ein ihre Parthei zu ergreifen« setzte er rasch hinzu,
»und Gott weiß es, sie haben mir das Leben hier schon manchmal recht
verbittert, ja -- hätten es mir verleiden können.«

»Haben Sie Dich nicht auch bekehren wollen?« lachte Adolphe.

»Nun ja, im Anfang wohl dann und wann, das gaben sie aber doch bald auf
-- die Besseren unter ihnen sind auch tüchtige wackere Leute, Menschen
die, wenn auch nicht immer den Kopf, doch jedenfalls das Herz auf der
rechten Stelle haben, die Mehrzahl aber, mit ihrem ewigen Beten und
Psalmensingen, könnte einen Heiligen zu Verzweiflung bringen. Ich glaube
wenn ich noch ein Jahr hier in Papetee geblieben wäre, hätten sie mir
mein Weib entweder abtrünnig, oder da das nicht ging, verrückt gemacht.«

»Hat Dir der Ehrwürdige Mr. Rowe noch Nichts weiter in den Weg gelegt?«
frug Adolphe.

»Er hat noch nichts Anderes gethan fast, als gesucht einen Anhaltepunkt
zu finden. Es hieß einmal, er sollte mit einem speciellen Auftrag an die
Tafel der Missionaire abgeschickt werden, den hat aber wahrscheinlich
Mr. Pritchard mitbekommen, den sie hier fortschicken mußten, wenn sie
je hoffen wollten, sich mit den Eingeborenen wieder anders als mit den
Waffen in der Hand zu verständigen. Ich wollte übrigens dieser Rowe
_wäre_ fort von hier, mir verbittert sein kaltes scheinheiliges Gesicht
jedesmal den ganzen Tag, wenn er mir einmal zufällig über den Weg läuft,
und ich kann mich des Gedankens kaum erwehren, daß er mir noch irgend
einmal feindlich in's Leben greift. Seine Schuld wird's auch in der
That nicht sein, wenn er eine, sich ihm vielleicht einmal bietende
Gelegenheit unbenutzt vorübergehen ließe. Doch fort mit dem Schleicher,
wir haben wahrlich Besseres zu thun, als an ihn zu denken. Und Du
bleibst jetzt hier auf den Inseln, Adolphe?«

»Eine Zeitlang wenigstens, und so lange es etwas zu thun giebt,«
erwiederte der Freund.

»Wenn Du nur einmal eine kurze Zeit hier bist, wird es Dir auch schon
besser gefallen« lächelte René, »vielleicht sogar machst Du mir's nach,
und wir werden noch am Ende Nachbarn -- Adolphe, diese Inseln sind ein
wirkliches Paradies.«

Adolphe schüttelte mit dem Kopf.

»Und doch möchte ich es nicht auf die Länge der Zeit mit Dir theilen«
sagte er ernster -- »ja, nach einem langen und vielleicht langweiligen
Kreuzzug durch die Meere, nach Eis und Schneegestöber da oben in jenen
unwirthlichen Regionen, nach Entbehrungen und Strapatzen, wie sie der
verweichlichte Landbewohner kaum für möglich halten würde -- und in der
That auch kaum für möglich hält -- thut es Einem wohl, wieder einmal
eine kurze Zeit unter Palmen auszuruhn, -- und die freundlichen
Gesichter der Eingeborenen, wenn erst einmal diese unglücklichen
Conflikte vorüber sind, bilden keine unangenehme Zugabe solcher Rast --;
aber da bleiben, wohnen, _heirathen_, und seine Existenz hier
beschließen? nein, ich glaube ich hielte das gar nicht aus, ja ich bin
fest davon überzeugt daß ich nicht einmal den Versuch machen möchte.«

»Und was könnte das Herz mehr verlangen als es hier findet?« rief René
-- »was bietet Dir Gottes Welt Schöneres, wohin Dich der unstete Fuß
auch trägt, als diese Küsten, wenn Du ein Wesen hier findest, das dieses
Glück mit Dir theilt? was würde Dir in diesem Paradiese fehlen?«

»Der Nerv es zu genießen, es zu schätzen« rief Adolphe rasch,
»Thätigkeit -- Entbehrungen, _Leben_ mit einem Wort, wie es der alte
Herr da oben für uns erschaffen, und gar erstaunlich weise eingerichtet
hat -- ich verginge in dem Müßiggang. Nein René, nein, und tausendmal
nein, wenn Du Dir selber vorlügen willst daß Du Dich glücklich darin
fühlst. Ich glaube es nicht, weil ich überhaupt nicht an Unmöglichkeiten
glauben mag, und Dir noch obendrein so etwas gar nicht wünschen wollte.
Du mit Deinem leichten lebensfrischen Herzen, der Abgott Deiner Kreise
einst in Paris, der eben nur übermüthig und übersättigt wurde durch
das Glück, das überall auf ihn einstürmte. Du, dem noch bis jetzt kein
Welttheil vermögend war in seinen Grenzen zu halten, Du solltest
jetzt Deine Heimath in einer Bambushütte gefunden haben und mit Deinen
Lebensbedürfnissen auf einen Brodfruchtbaum und eine Angel angewiesen
sein? -- Unsinn René! -- hahaha komisch ist's aber doch, wenn ich mir
das so denke, und komischer noch daß ich ernstlich dagegen anstreite.
Bah! geh Du einfach wieder nach Atiu hinüber, aber mit dem was Dir jetzt
durch Herz und Seele zieht, was Dir schon, Du magst es verleugnen wie Du
willst, in den Augen mit unvertilgbaren Zügen geschrieben steht, lebst
Du noch ein Jahr drüben und springst nachher wieder selbst an Bord eines
Wallfischfängers, wenn Du auf keine andere Weise fortkommen kannst, oder
-- Du bist elend und unglücklich.«

»Nein nein Adolphe, Du hast Unrecht« rief René, aber er war
aufgesprungen, und ging mit raschen Schritten im Zimmer auf und ab. »Du
hast Unrecht, und ich werde es Dir beweisen; habe ich Dir doch schon
früher gezeigt was ich durchsetzen kann, und auch damals hieltest Du es
für unmöglich.«

»Armer René« sagte Adolphe -- »schon mit _den_ Worten gestehst Du mir
Alles ein, ohne es selber vielleicht zu wissen; und doch irrst Du Dich.
In tollkühnem Muth, einer Gefahr trotzend, die sich Dir noch so wild und
furchtbar entgegenstellt, _ja_; im kecken Wurfe bist Du im Stande und
setzest Dein Leben ein und gewinnst. Ich glaube nicht daß Du Dich durch
irgend eine Schwierigkeit oder Gefahr von irgend einem gefaßten Vorsatz,
wär er noch so wahnsinnig, zurückschrecken ließest. Du hast mir das
mehrfach bewiesen und am schlagendsten durch Deinen Ein- wie Austritt an
Bord des Wallfischfängers; hier aber, wo es darauf ankommt durch
zähes _geduldiges_ Ausharren ein Ziel zu erreichen, gäbe es keinen
unpassenderen Gesellen dazu wie Dich, und zwingst Du Dich hinein, so
gehst Du darüber zu Grunde -- denk' an mich.«

Wilder Lärm draußen unterbrach sie hier; die Leute sprangen durch
einander und verworrene Rufe wurden laut. Die beiden jungen Leute waren
der Thür zugeeilt, zu sehn was es gäbe, als draußen die scharfen Schläge
einer Trommel ertönten.

»Alle Wetter!« rief Adolphe, »es scheint Ernst zu werden, die Trommel
ruft uns auf unsere Sammelplätze. Und wo sehen wir uns wieder, René?«

»Heute Abend hier.«

»Gut denn, und ade so lange!« und mit herzlichem Kuß und Handdruck
trennten sich die Freunde, Adolphe seinem neuen Beruf mit all dem
lebendigen Feuereifer obliegend, eben in dem Neuen der Sache den Reiz
findend der ihn auch für manche Last und Unannehmlichkeit entschädigen
mußte, während René in der Thür stehen blieb und ihm die Straße hinab
nachschaute, bis ihn eine Biegung derselben seinen Blicken entzog. Tief
aufseufzend drehte er sich dann um und wandte sich, theils in das Haus
zurück zu gehen und seinen Hut zu holen, theils zu sehen was es gebe,
als er seinen Namen gerufen hörte und sich umschauend Lefévre erkannte,
der mit ausgestreckter Hand auf ihn zu kam.

Der früher so muntere und leichtherzige Nachbar sah aber gar verändert
und angegriffen aus. Er trug den linken Arm in der Binde und war bleich
und abgemagert, auch der Blick seines Auges hatte etwas Feindliches,
Stieres gewonnen, das er sonst nicht gehabt.

»Hallo Lefévre, wie sehn Sie aus?« rief René erstaunt -- »wo wurden Sie
denn verwundet, und sind denn unsere Truppen schon mit den Eingeborenen
zusammengetroffen?«

»Hier noch nicht« sagte Lefévre, mit einem eignen Lächeln in den scharf
ausgeprägten und keineswegs angenehmen Zügen, »wenigstens bis heute
Morgen nicht, aber jetzt gerade gehts los, und ich will mir nur eben
meinen Säbel und meine Pistolen holen, als Freiwilliger den Spaß mit zu
machen.«

»Mit dem Arm in der Binde?« sagte René kopfschüttelnd. »Sie sollten
froh sein daß Sie eine Entschuldigung haben nicht gegen die Eingeborenen
fechten zu müssen, weshalb das muthwillig herbeiziehen. Gehören wir
Beiden nicht zu ihnen?«

»Zu den rothen Hallunken?« rief Lefévre mit einem wilden Fluch -- »hol
sie der Teufel alle, denn nicht Frieden giebts, bis wir die eine
Hälfte von ihnen todtgeschlagen, und die andere in ihre Bergschluchten
hineingejagt haben, dort von Feis und wilden Ziegen ihr Mahl zu halten.
Daß die Pest zwischen sie fahre!«

»Lefévre?« rief René erstaunt -- »was ist denn mit Ihnen vorgegangen? --
wo ist Aumama?«

Lefévre lachte höhnisch und rief, den Kopf zurückwerfend:

»Zu ihrem Gesindel zurückgekehrt, aus dem ich ein Thor war sie heraus
zu ziehen -- nun, ich habe wenigstens meinen Spaß mit ihr gehabt --
Sie haben Sadie auch wieder nach Atiu zurückgeschickt, wie ich höre.
Gescheut, die Dirnen sind recht gut für eine kurze Zeit, so etwas muß
aber nicht zu lange dauern, sonst wird es langweilig.«

»Ich habe sie hinübergeschickt um selber nachzugehn« erwiederte René
ernst, »und haben _Sie_ sich so leicht von Ihrer _Frau_ trennen können?«

»Frau trennen können« lachte Lefévre -- »wenn es ihr nicht mehr
Thränen gekostet hat wie mir, sind wir alle Beide ungemein leicht davon
gekommen. Aber wissen Sie daß der Teufel losgegangen ist? die Burschen
machen Ernst.«

»Doch nicht hier in Papetee?« sagte René.

»Nicht gerade in der Stadt, aber in Mahaena haben sie sich
verbarrikadirt und einen Trupp Soldaten, der sie von dort vertreiben
wollte, mit blutigen Köpfen zurückgejagt. Eben ist die Nachricht hier
hergekommen, und es soll jetzt gleich ein Bataillon dorthin aufbrechen,
den Empörern zu zeigen mit wem sie eigentlich in ihrer Verblendung den
Krieg begonnen. Durch diese protestantischen Missionaire aufgehetzt,
glauben und hoffen sie immer noch auf die Unterstützung gar nicht
vorhandener englischer Schiffe, es wäre ja sonst doch nicht möglich, daß
sie nur einen Augenblick daran denken könnten, ernsthaften Widerstand zu
leisten. Aber dort rückt schon das Militair heran, kommen Sie mit, René,
wir machen uns einen kleinen Spaziergang dahinunter, und helfen die
Burschen mit in die Berge jagen.«

René schüttelte mit dem Kopf.

»Ich habe Nichts in dem Kampf zu thun« sagte er ernster, »meine
Landsleute mögen das unter sich ausmachen.«

»Bah, Sie werden doch nicht zusehn wollen wie wir uns schlagen?«

»Warum nicht? -- so lange ich kein Interesse dabei habe.«

»Und wenn sie uns hier in der Stadt angreifen?«

»Sie schienen ja eben noch nicht einmal zu glauben daß sie einem
einzelnen Bataillon Stand halten könnten.«

»Ei, der Teufel traue den Schuften, manchmal sind sie zäh und werfen
sich mit ihren nackten Leibern ganz tollkühn und einer besseren Sache
werth in die Bayonnette, wie bei Tairabu.«

»Sie vertheidigen ihr Vaterland« sagte René ernst -- »das ist die beste
Sache, die sie vertheidigen können.«

»Meinetwegen« lachte der Franzose, »ich aber habe nun einmal meine ganz
besondere Malice auf sie -- also adieu, wenn Sie denn durchaus nicht
mitwollen und auf Wiedersehn!« und rasch seinen Säbel umschnallend, den
er indeß aus der Ecke geholt, und wobei ihm Einer der hier zur Bedienung
gehaltenen indianischen Burschen, da er die linke Hand nicht gebrauchen
konnte, helfen mußte, verließ er das Haus mit schnellen Schritten sich
dem indeß schon voraus marschirten Trupp anzuschließen.

       *       *       *       *       *

Die Sonne von Tahiti beschien, zum ersten Mal wieder, seit ihre
Feudal- und Religionskriege bei Seite geworfen waren, ein wildes und
kriegerisches Bild.

Kaum mehr als etwa zwölf englische Meilen von Papetee entfernt, wo die
friedlichen leicht gebauten Bambushütten von Mahaena standen, hinter
denen sich die gewaltigen Bergesmassen in steilen kurzen Hängen erheben,
hatten sich die Bewohner der benachbarten Distrikte, nach dem Angriff
auf Tairabu, zu kurzem Kriegsrath gesammelt, und mit zornig blitzenden
Augen und geschwungenen Speeren Rache verlangt für das vergossene Blut
der Brüder. Ein Schrei der Entrüstung zuckte durch das ganze Land, und
was an waffenfähiger Mannschaft in der Nähe war eilte herbei, seinen Arm
der Sache des Vaterlandes anzutragen.

Die am meisten fanatisirten Häuptlinge der Eingeborenen hatten sich hier
gesammelt, Aonui und Potowai, Taaniri, Kahuahu und selbst Teraitane, und
Boten wurden an Paofai, Tati, Utami, Hitoti und Paraita abgeschickt,
diese ebenfalls der vaterländischen Sache zuzuwenden. Einzelne von
diesen aber, wie Paofai und Hitoti hatten sich direkt geweigert Pomares
Sache zu der ihrigen zu machen, während Paraita, Krankheit vorschützend,
ebenfalls in Papetee blieb und nur Tati und Utami, der eine sich nach
Papara, der andere nach Papeneeo zurückzog, dabei jedenfalls ihren
Rücktritt von den französischen Interessen erklärend.

Nicht müßig aber beriethen nur die Häuptlinge in Mahaena, sondern
zu gleicher Zeit wurden an dem einen passendsten Hügelhang, auf den
Vorschlag und unter der Anleitung mehrer englischer und irischer
Matrosen, Befestigungen aufgeworfen, einem etwaigen Angriff auch
die Spitze bieten und abwarten zu können, bis die ganze Insel
gemeinschaftlich gegen die Unterdrücker aufstehn würde. Ueberhaupt
hatten sich eine ganze Zahl Fremder, die sich früher hier nieder
gelassen und den Einfluß der Franzosen fürchteten, den Eingeborenen
gleich von allem Anfang angeschlossen, von denen sie, wenigstens von
den meisten, gar sehr willkommen geheißen wurden. Es war diesen schon
gewissermaßen eine Beruhigung Weiße mit sich gegen Weiße zu wissen und
in der Führung der Feuerwaffe, die sie hier zum ersten Mal in die Hände
bekamen, brauchten sie auch noch Leute die sie mit den Geheimnissen
derselben betraut machten. Die meisten dieser Weißen waren früher
entlaufene Matrosen von Wallfischfängern, ja hie und da aber auch sogar
von den französischen Kriegsschiffen selber, die sich in den steilen
unwirthbaren Bergen nicht halten konnten, und jetzt wohl genöthigt
wurden die Waffen aufzugreifen, ihre eigene Freiheit zu vertheidigen.

Unter ihnen befand sich Jack sowohl, wie Jim O'Flannagan, dem der
Aufenthalt in Papetee nach seinem letzten Zusammentreffen mit dem
Lieutenant der Jeanne d'Arc doch zu heiß geworden war, und der doch auch
kein Schiff finden konnte die Insel jetzt gerade, was er mit Vergnügen
gethan haben würde, zu verlassen. Auch der Neger war dort, eine
herkulische Gestalt, der vor einigen Abenden erst einen Zank mit mehren
französischen Soldaten bekommen und vier davon so zugerichtet hatte,
daß er sich nur durch die Flucht der blutigen Rache der übrigen entzog.
Manche Andere waren durch die Franzosen selber zu diesem letzten
verzweifelten Schritt getrieben, die unkluger Weise in jedem Engländer
oder Amerikaner einen Verräther ihrer Sache sahen und diese auf Schiffe
packen wollten, um sie von Tahiti wenigstens zu entfernen, oder
auch möglicher Weise unter Aufsicht zu halten, bis der Conflikt erst
entschieden und das tahitische Volk selber vollständig unterworfen
gewesen wäre.

Mit dieser Beihülfe war Mahaena, oder vielmehr das Fort von Mahaena,
wie man die rohe Verschanzung nannte, gar nicht so schlecht befestigt
worden. Ein etwa fünf Fuß hoher und ungemein starker Erdwall sollte sie
vor allen Dingen gegen die Kugeln der Kriegsschiffe schützen, die man
jedenfalls bei einem Angriff der Franzosen erwarten mußte, während sich
das Rücktheil der kleinen Veste an den steilen Hügel selber lehnte und
die Zerrissenheit der Schluchten nur einen einzelnen, den Eingeborenen
allein bekannten Pfad dort hinaufließ, den wenige Mann hätten gegen eine
gewaltige Ueberzahl vertheidigen können. Auf dem Wall aber schützte
ein starkes Pallisadenwerk, von den starren zackigen Aesten der
Guiaven aufgeschichtet, das kleine Fort fast vollständig gegen einen
Bayonnetangriff, und Boten waren indeß schon nach allen Richtungen
abgesandt, die Krieger der verschiedenen Stämme herbei zu ziehen und
hier zu sammeln und dann einen vereinten Angriff auf Papetee zu wagen.

Die Franzosen wollten ihnen aber da keineswegs so lange Zeit gönnen,
weil sie schon des bösen Beispiels wegen suchen mußten die Eingeborenen
von jedem Fleck wo sie sich befestigen konnten, zu vertreiben, ihnen vor
allen Dingen das Vertrauen zu nehmen, daß sie sich überhaupt einem ihrer
ernstlichen Angriffe mit Erfolg entgegenstellen _könnten_. Die Scharte
von Tairabu mußte sobald als möglich wieder ausgewetzt werden.

Am frühen Morgen hatten deshalb auch die beiden dorthin beorderten
Schiffe, die Uranie wie der Dampfer Phaeton ihre Truppen gelandet, aber
noch keinen wirklichen Angriff unternommen, weil man erst die Ankunft
der aus der Stadt herbeigezogenen Truppen erwarten wollte, und es
war Mittag geworden bis diese eintrafen; dann aber eröffneten beide
Kriegsschiffe auch ihr Feuer auf das kleine Fort. Der Schlag gegen die
Empörer sollte mit einem Mal geführt und alle die Frevler vernichtet
oder zerstreut werden.

Oben im Fort selber herrschte indessen ein reges Leben. Die Frauen
und Kinder hatten sich schon bei Ankunft der Schiffe in die Berge
geflüchtet, und nur ein Theil derselben, meist lauter junge kräftige
Weiber, waren ihren Männern oder Vätern gefolgt, das Pittoreske der
Scene dadurch nur noch erhöhend. Ueberall auf dem weiten geräumigen
Plateau kauerten sie über den dampfenden Kochgruben, das Mittagsmahl für
die Krieger zu bereiten; mit dem schmalen Holzspaten warfen sie die Erde
herab und lüfteten die über saftige Ferkel oder Brodfrucht gedeckten
Blätter, zu sehn ob sie bräunen und gahr werden wollten, und breiteten
dann die glatten Blätter der Banane oder des Tutuibaumes auf ebene
Stellen aus, als Tisch dem leckeren Mahle. Indianer und Europäer saßen
dabei wild durcheinander gestreut, und wenn irgend Jemand überhaupt bei
der Gasterei ausgezeichnet wurde, bei der nur die Häuptlinge für sich
einen etwas erhöhten Platz gewählt hatten, so war es der Neger
Pompey, dem die Frauen und Mädchen, vielleicht seiner brillant schwarz
glänzenden Farbe wegen, die besten Stücke aussuchten und zuerst die
Cocosnuß zum Trinken reichten. »Pompey« ließ sich das auch ganz ruhig,
und wie ein Mann, der an etwas derartiges gewöhnt ist, gefallen, und
that der Mahlzeit alle Ehre an, während er mit den Männern selber lachte
und Geschichten erzählte, und der Ausgelassenste von Allen schien. Dann,
in einem förmlichen Paroxismus von Fröhlichkeit, warf er sich nicht
selten hintenüber, zwei Reihen der glänzendsten Zähne dabei zeigend, und
die Eingeborenen schrieen und jubelten um ihn herum.

Ein gar verschiedenes Bild hiervon zeigte eine andere Gruppe, an
einem der entferntesten Theile der Verschanzung, denn dort hatte der
ehrwürdige Bruder Dennis, jeder Gefahr von Außen her trotzend und recht
gut wissend daß die Franzosen einen Angriff beabsichtigten, eine kleine
Schaar seiner Gemeinde um sich versammelt, die in den wunderlichsten und
oft nicht immer ehrerbietigsten Stellungen der Predigt lauschten. Die
meisten saßen allerdings auf Steinen oder ausgebreiteten Matten, jeder
seiner eigenen Bequemlichkeit folgend, ruhig und aufmerksam vor ihm,
andere hatten sich aber auch, von den Schanzarbeiten ermüdet, der
Länge lang ausgestreckt, und lauschten mit halbgeschlossenen Augen
der Predigt, mit leiser Stimme die dann und wann gesungenen Hymnen
nachbrummend, während noch Andere emsig dabei beschäftigt waren ihr
indeß gahr gewordenes Mittagsbrod mit ihren Holzspaten zu Tag zu
fördern, das sie dann auch augenblicklich an Ort und Stelle, und
zu gleicher Zeit der körperlichen wie geistigen Nahrung hingegeben,
verzehrten.

Ueberall aufgestellte Waffen, Musketen mit und ohne Bayonnette,
Speere, ja hie und da sogar noch Bogen und Pfeile, Keulen, Wurfspeere,
Cavallerie- und Infanteriesäbel, Aexte und Beile, gaben dabei dem ganzen
Bilde ein kriegerisches Aussehn, und wild dazwischen herumtanzende
Mädchen, sich weder um die Predigt noch die Essenden kümmernd,
vollendeten die Scene. Unordentlich durch einander gewürfelt lag und
stand Alles, Niemand schien da, der einen Oberbefehl über das Ganze
habe, oder irgend einen Einfluß darauf ausüben könne, und ohne Dach und
Fach, nur hie und da mit ein paar rasch und unregelmäßig aufgesetzten
Pandanus oder Bananenblatt-Dächern, machte auch das ganze Lager weit
eher den Eindruck einer wandernden bewaffneten Caravane, die sich hier
zur Mittagszeit eine kurze Rast gegönnt und in der nächsten Stunde
wieder aufbrechen würde, als einer wirklichen Befestigung, die bestimmt
war einem mächtigen Feinde auf längere Zeit Trotz zu bieten und
Widerstand zu leisten.

Und diese Waffen -- rostige Musketen und hölzerne Speere, Keulen und
Beile, die sich dem furchtbaren Geschütz der Feinde entgegenstellen
sollten; wie Spott und grimmer Hohn lehnten die dünnen Lanzen an den
Erdwällen und kauerten oder standen die halbnackten Männer daneben,
ihrem Geschick verfallen wie es schien, wenn die geschlossenen Colonnen
der Feinde anrücken und ihre donnernden Geschütze die Todesboten in
die kleine Veste schmettern würden. Und hatten sie keine Ahnung der
furchtbaren Gefahr die ihnen drohe? -- noch war es Zeit, noch konnten
sie, durch Guiaven-Dickichte versteckt die sicheren Berge erreichen,
wohin ihnen der schwerfälligere Feind nicht zu folgen vermochte. Auch
der finstere Priester dort in der Ecke weckte mit donnernder Stimme die
Unglücklichen zu Buße und Reue »in der elften Stunde.« Die offene
Bibel im linken Arm, die rechte gegen sie ausgestreckt und das bleiche
ausdrucksvolle Gesicht zum blauen Himmel flehend, zitternd emporgewandt,
stand er da, ein mahnendes Bild dem Sünder, ein Wegweiser zu dem Thron
des Höchsten.

Horch -- ein leiser Trommelwirbel vom andern Ende des Lagers -- die
Betenden wandten den Kopf halb danach um -- fürchten sie den anrückenden
Feind? -- Noch einmal, lauter als vorher und ein gellender Jubelruf der
den Ton begleitet --

»Horch!« schrie eine jauchzende Mädchenstimme, fortwerfend was sie
gerade in Händen hielt und in der Erregung des Augenblicks, von dem
Feind bedroht, selbst die Nähe des sonst so gefürchteten Missionairs
nicht achtend.

   »Horch
  Horch wie der Trommel Schlag
  Wirbelt der Brandung nach
    Horch
  Lauert der Feind auch schon,
  Herzchen ich komme schon
    Horch!«

Es war Maire, trotz dem noch lange nicht wieder gewachsenen Haar die
tollste der Schaar, die den Zwang erst einmal abgeschüttelt dem sie
unwillkürlich das Knie gebeugt, jetzt fast gar nicht wußte wie sie die
versäumte Zeit am raschesten und wildesten wieder nachholen könne.

»Maire! Maire!« riefen einzelne Stimmen warnend, aber die Trommel
wirbelte weit verlockender darein und die tolle Dirne war schon lange,
von fünf oder sechs andern jetzt gefolgt, zum Nationaltanz angesprungen,
dem sie in seinen wildesten Formen und Stellungen folgte.

Aonui, der fromme Häuptling, und Potowai waren aufgesprungen und schauten
mit gerunzelten Brauen auf den Unfug, der selbst im Angesicht des
frommen Missionairs verübt wurde, und dieser sprach einige ernste
drohende Worte zu den Männern. Aber die Männer waren nicht allein
Christen, sie waren auch Häuptlinge, und fühlten recht gut wie sie jetzt
gerade, im Begriff einen gefährlichen Kampf zu bestehen, dem jungen
Volk nicht den tollen Muth wehren durften, der wohl die Grenzen der
Schicklichkeit übertritt, dann aber auch wieder im ernsten Kampf, dem
stärkern Feind gegenüber, ihm die starre und kecke Todesverachtung gab,
in dem aufgeregten fröhlichen Blut.

»Maire! Maire!« rief Aonui endlich, aber mehr ermahnend als strafend von
seinem erhöhten Platze nieder, »wahre Dich Mädchen und denke an Deinen
Gott -- wer weiß ob Du nicht in der nächsten Stunde schon vor seinem
Richterstuhl stehst --«

»Ich?« schrie das tolle Mädchen in jubelnder Lust zurück, während sie
das Oberkleid von den Schultern riß und von sich schleuderte »ich? --

    Bah!
  Heut ist ein Jubeltag
  Hörst Du der Trommel Schlag?
    Da!
  Hei, wie der Wirbel rollt
  Betet so viel Ihr wollt.
    Da!«

Und jubelnd und jauchzend fiel der Chor ein, Männer und Frauen,
denn viele von diesen freute es, daß sich dem sonst so gefürchteten
Missionair eines der Mädchen keck entgegengestellt hatte, und die
einzelne Trommel, ein altes englisches Instrument, und in früherer Zeit
einmal von irgend einem Kriegsschiff gegen wer weiß was für werthvolle
Sachen eingetauscht, schlug rasselnd ein in den tobenden Chor, den das
zürnende Gebet des Missionairs nicht übertäuben konnte.

Der fromme Aonui kam aber auf einen anderen Ausweg, und mit den um ihn
geschaarten Seinen, denen er rasch ein Zeichen gegeben, begann er
jetzt ohne Weiteres eines ihrer gewöhnlichen und von allen gekannten
Kirchenlieder, das sie im Chor so gern sangen und dem sich auch
augenblicklich die Nächsten anschlossen. Weiter und weiter drängte die
fromme Melodie hinein in die Masse, den Tanz und Sang der Einzelnen
schon halb übertönend, mehr und mehr schwollen die Töne im vollen
rauschenden Chor, ein Preis dem Herrn in der Höhe und ein Gebet um
seinen Schutz, seine Hülfe in Drangsal und Noth.

Die Tänzer standen still und horchten den Tönen -- selbst der Trommler,
der im Anfang wie in Schadenfreude nur ärger auf das gespannte Fell
losgeschlagen, schwieg mit dem wilden Tanz und folgte leise dem Takte
der Hymne mit den Schlägeln -- wunderliche Begleitung dem frommen Lied:

  Dein sei Lob, Ehre, Preis und Ruhm
  Der Liebe höchstes Eigenthum --
    Erbarm Dich uns'rer Sünden
    Und laß uns, oh Herr Zebaoth
    In Leid und Graus in Noth und Tod
    Vor Dir Herr, Gnade finden.
  Und wenn das letzte Strafgericht
  Im Sturm der Erde Vesten bricht
    Mit Deinen starken Armen,

»Der Feind -- der Feind!« dröhnte da plötzlich ein gellender Schrei
selbst über das jetzt zum vollen Chor angewachsene Lied hinaus, das die
Landbrise weit weit hin über das Wasser trug, aber die Sänger störte es
nicht. Einzelne flüsterten das Schreckenswort nach, »der Feind --
der Feind!« und zwei oder drei sprangen auf die Brüstungen nach den
erwarteten Colonnen auszuschauen, aber Aonui mit voller kräftiger
Stimme, die Arme, wie Hülfe suchend zum Himmel aufgestreckt, erhob seine
Stimme nun um so lauter, und donnernd überschallte den Ruf der Schluß
des Verses:

  »Dann führe uns durch Nacht und Graus
  Zu Dir hinein, in's Vaterhaus --
  Erbarmen Herr -- Erbarmen!«

»Der Feind! der Feind!« schallte es jetzt aber dringender, gellender als
vorher -- von unten herauf tönten die scharfen schmetternden Töne
der Trompeten, und dumpfer Trommelschlag wirbelte d'rein, während die
ausgesandten Laufer und Wächter athemlos aus dem, die Umschanzungen
begränzenden Holz brachen und die Nachricht brachten, daß der Feind in
zwei starken Colonnen anrücke, und sich, wie es schien, zum Sturm rüste
auf das Fort.

Oben wirbelte aber auch schon die Trommel den Schlachtenruf, während
die Männer nach ihren Waffen sprangen, und noch drängte und trieb Alles
durcheinander, in ungeordneten Haufen dem allerdings schon früher durch
Teraitane für jeden bestimmten Platze zuzueilen, als der erste Gruß
von den Schiffen herüber schmetterte, und die Uranie wie der Dampfer in
voller Flankensalve ihre Kugeln theils in dem Wall begruben, theils vor
oder hinter ihnen die Guiavenstämme krachend zusammenschlugen.

Einen Augenblick stand die Schaar wie erschreckt; es war bei fast
allen das erste Mal, daß sie die furchtbare Wirkung einer solchen Kugel
beobachten konnten; Jim O'Flannagan aber, der seine Zeit bis dahin
benutzt und während die andern getanzt oder gesungen, auf eine Matte
ausgestreckt ein ganz tüchtiges Mittagsschläfchen gehalten hatte, sprang
bei dem, ihm gut genug bekannten Lauten empor, und den Hut um den Kopf
schwingend, rief er ein donnerndes dröhnendes Hurrah den feindlichen
Kugeln keck und furchtlos entgegen.

Die Salve aber, die vollkommen erfolglos gewesen, wie der
herausfordernde Ton des Iren, dem sich Pompey jetzt zugesellte und sein
zweites Hip hip hip hurra ertönen ließ, fand Anklang in den kecken und
muthigen Herzen der Krieger, und der tahitische Schlachtenschrei, der
das Echo in diesen Thälern seit langen Jahren nicht geweckt hatte, brach
in wilder jubelnder Lust von ihren Lippen.

Es war ein stilles, friedliches Volk, das den Krieg fast ängstlich so
lange vermieden hatte, wie es nur irgend eine Aussicht auf gütliche
Beilegung seiner Zwistigkeiten sah, das aber jetzt auch, da es die
Fremden zu arg getrieben, rücksichtslos auf irgend eine größere Macht
die noch vielleicht an ihre Küste geworfen werden könnte, die Waffen
aufgriff, und nun mit eben dem kecken, vielleicht unbewußten Muth der
Gefahr entgegenging, wie es früher in seine Kirche oder zu seinem Tanz
gegangen war.

Nur dieser erste Augenblick der Erwartung war peinlich -- die
Ungewißheit von welcher Seite der Angriff zuerst geschehen würde, und ob
sie es überhaupt wagen würden die Eingebornen in ihrer festen Stellung
anzugreifen. Von diesen, mit vielleicht zwanzig oder dreißig Europäern
und vierzig oder fünfzig Frauen, waren etwa 1000 Krieger dort
versammelt; die Hälfte aber kaum mit ordentlichem Feuergewehr bewaffnet,
führten die Anderen noch ihre alten hölzernen Speere von Oros Zeit,
und Viele Schleudern und Wurfspeere. Hier aber zeigte sich jetzt ein
gewaltiger Nachtheil gegen frühere Zeit, wo eben diese unscheinbaren
Waffen selbst in den Händen der nackten Wilden zu furchtbarer Wehr
durch die Geschicklichkeit geworden waren, mit der sie sich derselben zu
bedienen wußten. Die Zeit war vorbei, denn die Missionaire hatten ihnen
ernstlich jede Art solcher »heidnischer« Waffenspiele untersagt gehabt,
weil diese ihre Gedanken nur wieder zu dem alten viel zu sehr geliebten
Kriegsgott Oro zurückführen mußte, und sie Alles zu vermeiden suchten,
was die Erinnerung an jene Zeit ihrem Gedächtniß erhalten konnte. Die
wenigen Eingeborenen, die sich noch im Gebrauch der Schleuder -- früher
eine ihrer gefährlichsten Waffen -- tüchtig geübt gehalten, hatten sich
nie dem Einfluß der Missionaire unterworfen gehabt, oder es heimlich
gethan, und Wurfspeer sowohl, wie Bogen und Pfeil die Hälfte ihrer
Gefahr für die Angreifer verloren. Nichtsdestoweniger gab ihnen ihre
feste Stellung dafür wieder andere Vortheile, und mit trotzigem, jetzt
fast ungeduldigem Muth erwarteten sie den immer noch hinausgezögerten
Angriff.

Eine Gefahr existirt nur so lange sie droht, und hat gewöhnlich all
ihre Furchtbarkeit verloren, so bald sie erst wirklich einmal in's Leben
tritt; das Leben kämpft dann dagegen an, und in dem Ringen gerade liegt
die Vergessenheit derselben.

Schmetternder Trompetenschall tönte herauf; von den Schiffen drüben
blitzte es wieder in langer zuckender Reihe, und prasselnd hagelte auf's
Neue ein eiserner Kugelgruß von da herüber gegen die kleine Veste, von
wo sie mit trotzigem Jubelruf begrüßt und beantwortet wurde.

»Dort kommen sie, meine Burschen!« schrie da Pompey, der an der einen
Flanke, seiner riesigen Kräfte und vielleicht auch seiner schwarzen
Farbe wegen, mit einem Anführerposten betraut war -- »da kommen sie, nun
hurrah und wahrt Euer Feuer, bis sie aus den Büschen heraustreten und
vollkommen draußen im Freien sind -- keinen Schuß eher, und keinen
Speerwurf, wenn Ihr nicht den Mann schon fast mit der Spitze erreichen
könnt -- verdamme die hölzernen Dinger« murmelte er dann leise vor sich
hin -- »s'ist doch nur so, als wenn man sich nach Tisch mit Zahnstochern
wirft.«

»Für die Bibel! für die Bibel!« schrie Aonui auf der anderen Seite,
wirklich seine Bibel im linken Arm, die er fest an die Brust gedrückt
hielt, indeß er mit der rechten Hand seine Muskete schwenkte -- »für
die Bibel Ihr Streiter Gottes, der Herr ist mit uns und wird die Feinde
zerstreuen, wie Spreu vor dem Winde!«

Jim, der nicht weit von ihm stand, brummte etwas in den Bart und sah
nach seiner Muskete, während der ehrwürdige Mr. Dennis die meisten der
Frauen um sich gesammelt hatte und mit ihnen im brünstigen Gebet auf den
Knieen lag, vom Herrn der Heerscharen die Abwendung so schweren Leides
zu erflehen, »wenn das noch eben irgend möglich sei, und mit seinen
himmlischen Rathschlüssen übereinstimme.«

Näher und näher wirbelten die Trommeln, schmetterten die Hörner der
Stürmenden; auf einer kleinen Anhöhe, nicht sehr weit von dem Fort, aber
etwas tiefer als dieses liegend, waren mehre Feldstücke aufgepflanzt,
die von jetzt ein lebhaftes Feuer auf den Wall begannen, ohne
jedoch irgend einen Schaden anzurichten, als hie und da ein paar der
aufgeschichteten Guiaven-Pallisaden einzureißen und einige leichte
Verwundungen der nächst dabei Stehenden zu verursachen, die aber kaum
beachtet und mit nur herausfordernderem Geschrei beantwortet wurden.

Jetzt aber rückten auch in geschlossenen Colonnen die Verstärkungen von
Papetee, eine Compagnie Marine-Infanterie mit den Soldaten des Phaeton
und der Uranie und den dazu gegebenen Seeleuten, in geschlossenen
Colonnen gegen die Verschanzung an, und wo sich ein Kopf irgendwo
darüber blicken ließ, wurden gerathewohl Schüsse hinübergefeuert, die
Eingeborenen zu schrecken und zurückzuhalten, daß die Stürmenden
den Wall erst einmal erreichen und ersteigen konnten. Aber weit
furchtbarerer Widerstand erwartete sie hier als sie je vermuthet hatten.

Pompey, der sein dunkles Gesicht einem dichten darübergehaltenen
Guiavenbusch anvertraut hatte, unbelästigt die Stürmenden vor allen
Dingen beobachten zu können, gab zuerst das Zeichen. Er hatte etwa
fünfzig mit Musketen bewaffnete Männer unter seinem Befehl, denen er
schon den ganzen Morgen mit größtem Eifer und vielem Erfolg das rasche
Laden beigebracht und sie den Werth bequemer Patrontaschen gelehrt
hatte, und kaum zeigte sich die erste Colonne im Sturmschritt den
steilen Hügel erklimmend, in dem Bereich ihrer Kugeln, als er mit
gellendem Schrei seinen Arm, das verabredete Zeichen, emporwarf, seine
Büchse aufgriff, und von seinen Leuten redlich dabei unterstützt,
eine wirkungsvolle Salve in die anstürmenden Feinde gab, die vor
solch unerwartetem Gruß allerdings einen Augenblick stutzten und
zurückprallten. Aber es war auch wirklich nur ein Augenblick, denn mit
einem wilden, zornigen Hurrah, nicht allein jetzt den Feind zu besiegen,
sondern auch die gefallenen Kameraden zu rächen, warfen sich die
Soldaten, rasch ihre Gewehre abfeuernd, und ohne sich selbst Zeit zu
nehmen wieder zu laden, auf die Schanzen, den Wall mit Sturm zu nehmen
und den dahinter versteckten Gegner zu vertreiben.

Gleichen Anprall hatte Aonui abzuhalten, der aber den größten Theil
der Europäer in seiner Schaar zählte und die Feinde ebenfalls mit
wohlgezielten Schüssen empfing. Aber auch hier, nach kaum einmal
gewechselter Salve, flogen die Franzosen zum Bayonnetangriff und
nachdrängend in keckem Muth, warfen sie sich tollkühn gegen die Schanzen
an.

Hier aber zeigte sich der Vortheil des zu Pallisaden benutzten
Guiavenholzes, das starr und elastisch, die rauhen knorrigen und doch
schwachen Aeste überall hinausstreckte, keinen Halt dem bietend,
der sich daran fest klammern wollte, und doch auch wieder dem Druck
nachgebend statt zu zerbrechen. Wie in einer Falle gehalten staken die
ersten der Stürmer zwischen dem zähen überall auszweigenden Holz und
die Speere der dahinter stehenden Wilden suchten und fanden mit leichter
Mühe förmlich vertheidigungslose Opfer.

Einzelnes Musketenfeuer prasselte dazwischen -- hie und da hatte ein
Trupp tollkühner Franzosen in die Lanzen und Bayonnette der Feinde
hinein sich seine Bahn erzwungen, und Posto gefaßt auf dem Erddamm, von
dem sie vergebens jetzt niederzupressen suchten, die Einzelnen, in die
Schaar der Feinde, einem gewissen Heldentod entgegen. Dazu suchten die
weiter unten aufgestellten Feldstücke alle die Plätze zu bestreichen, wo
kein französisches Militair im Angriff war, die Feinde an dieser Stelle
wenigstens von dem Damm zu halten; aber tiefer stehend als das Fort
selber, waren sie nicht im Stande irgend einen wesentlichen Schaden zu
thun, und die Eingeborenen achteten die Kugeln gar nicht, die draußen
harmlos in die Erdwälle oder in den Hügel selber einschlugen.

Wilder und tödtlicher wurde das Handgemenge, besonders da, wo Aonui an
Jim O'Flannagans Seite mit wahrem Heldenmuthe focht. Der alte Mann hatte
aber doch die Bibel, die er bis dahin unverdrossen im Arm getragen,
in der Hitze des Gefechts fallen lassen, ohne es in der That gewahr zu
werden, zweimal schon sein Gewehr mit Erfolg auf den Feind abgefeuert,
und eben wieder zum dritten Mal geladen. Jim O'Flannagan, der Ire
kämpfte neben ihm, und wenn auch nicht mit so kecker Todesverachtung
wie der Indianer, vielleicht mit dafür desto günstigerem Erfolg,
denn keineswegs gesonnen sein Leben irgend einer unnöthigen Gefahr
auszusetzen, hielt er sich immer etwas mehr im Rückhalt, jeden Platz
aber dann um so gewandter und auch entschlossener vertheidigend, wo die
Franzosen irgend festen Fuß zu fassen drohten. Er wußte genau für was er
kämpfe, und hatte überhaupt keine Idee gehabt, daß die »Fremden« einen
solchen ernsten Angriff auf das kleine Fort beabsichtigen könnten.
Jetzt aber durfte er den Platz nicht gut mehr verlassen, ohne bei den
Eingeborenen als feige verschrieen zu werden und die einzige Vorsicht
die er nun brauchte, war sein Gesicht so wenig als möglich auf dem Wall
zu zeigen, während er doch selber dann und wann einmal einen Blick nach
unten zu gewinnen suchte, ob er nicht seinen gefährlichsten Feind und
Gegner unter den Stürmenden entdecken und vielleicht unschädlich machen
könne.

Die Matrosen der Jeanne d'Arc waren allerdings bei dem Sturm betheiligt,
denn Einer von ihnen, der sich zu keck den Uebrigen vorausgewagt, lag
von Jims Kugel getroffen todt in dem inneren Wall, der Strohhut war ihm
vom Kopf gefallen und das breite schwarze Band darum trug den vollen
Namen des Schiffes. Vergebens suchte er aber nach jenem Officier, die
Leute der Jeanne d'Arc schienen von Fremden, ihm wenigstens Unbekannten
angeführt zu werden, und zwei von diesen hatte er schon, immer nur sein
Augenmerk auf die eine Schaar gerichtet, den einen gleich auf dem Fleck
erschossen, den andern tödtlich verwundet, daß er fortgetragen werden
mußte.

Pompey auf seiner Seite hatte ebenfalls mit den ihm beigegebenen Leuten,
Wunder der Tapferkeit gethan, und die nackten Burschen warfen sich mit
kaltblütiger Todesverachtung immer auf's Neue dem scharfen Stahl der
Bayonnette entgegen, hier mit Schleuder und Wurfspeer, auf die kürzeste
Entfernung oft in einem förmlichen Kugelregen ihr Opfer suchend und
findend, und dort, unter den drohenden Waffen der Feinde gefallene oder
verwundete Kameraden herausholend, als ob sie sicher im Schatten ihrer
Palmen lägen.

Teraitane hatte den Oberbefehl des Ganzen, aber weder sein Befehl noch
seine Stimme wurde in dem Gewirr von Tönen, dem Schießen und Schreien,
Trompeten und Trommeln gehört, während bald darauf, indeß der Wind sich
nach dem Zenith der Sonne wieder legte, der Pulverdampf wie ein dichter
Schleier auf dem Hügel lag, und ein Feuern von den Schiffen aus ganz
unmöglich machte, indem sie von dort nicht mehr Freund und Feind
unterscheiden konnten. Und selbst im Einzelkampf war dieser Pulverqualm
den Eingeborenen günstig, denn die Franzosen konnten von ihrer
Schießwaffe erst in einer Entfernung Gebrauch machen, wo selbst die
leichten Wurfspeere tödtlich wirkten und die sicher geschleuderten
Steine manches Opfer trafen und zu Boden warfen. Aber auch erbittert
durch den unverhofften Widerstand warfen sich die Matrosen besonders,
immer auf's Neue gegen den Wall, von ihren Officieren unerschrocken
angeführt, einen Eingang zu erzwingen und den Feind in seine Berge zu
treiben.

Bertrand führte übrigens wirklich die Seeleute vom Bord der Jeanne
d'Arc, wenn ihn Jim O'Flannagan auch noch nicht gesehn, und Adolphe
focht mit einer kleinen und schon tüchtig zusammengeschmolzenen Schaar
der Marine-Infanterie an seiner Seite, selber aus mehren Wunden blutend,
aber unbekümmert darum die Seinen immer zu neuen Anstrengungen treibend.

Die Trompeten und Trommeln waren ihnen dabei mehr zum Schaden als Nutzen
gewesen, denn während sie die Leute, die dessen kaum noch bedurften,
mehr anfeuern sollten, verriethen sie den Belagerten immer schon im
Voraus die genaue Stelle wo der nächste Angriff geschehen sollte, und
zogen sie dorthin, den Stürmenden ihre ganze Macht entgegenzuwerfen.
Bertrand sandte deshalb jetzt auf Adolphes Rath seine Trommler sowohl
wie Trompeter, durch die Guiaven und den Nebel gedeckt, am Hang
hinunter, von dort aus, wenn sie das Fort eine kurze Strecke umgangen
hatten, einen Scheinangriff zu blasen, während sie dann zu gleicher Zeit
auf anderer Stelle das Fort suchen wollten zu forciren. Glücklich und
unbemerkt hatten diese auch, von einem jungen Seecadetten geführt, die
eben bezeichnete Stelle erreicht, und wie sie dort zum Angriff bliesen
und den, von den Eingeborenen jetzt nur zu gut gekannten Sturmmarsch
wirbelten, flogen die meisten der Vertheidiger dort hin, dem erwarteten
Angriff zu begegnen.

Teraitanes scharfes Ohr hatte aber gleich vom ersten Augenblick
mistrauisch den etwas zu ungewöhnlich lauten und herausfordernden Tönen
gelauscht, und rasch die Blöße entdeckend, die auf der einen Seite der
Verschanzung gegeben wurde, während auf der anderen noch immer kein
Schuß fiel, sprang er vor und rief Aonui mit seinen Leuten von dort ab,
auf ihrem Posten zu bleiben und ihre Seite des Walles zu vertheidigen.
Er brauchte ihnen aber seine Gründe nicht auseinanderzusetzen, denn in
demselben Augenblick fast hörten sie den raschen regelmäßigen Schritt
einer stürmenden Schaar, die lautlos und drohend heranrückte.

»Wehrt Euch!« rief Teraitane »und Feuer! sobald Ihr sie sehen könnt!«
und unter dem Knall der Musketen warfen sich die von Bertrand und
Adolphe geführten Seeleute dem kleinen schwachen Corps, das diese
Stelle noch besetzt hielt, entgegen, erzwangen den Damm und warfen die
Guiavenbüsche, während ein Theil der Truppe die Eingeborenen mit dem
gefällten Bayonnette zurückhielt, hinter sich hinab, freie Bahn zu
bekommen für sich und die Nachfolger, und drangen dann, während die
hinten Stehenden so rasch als möglich nachpreßten, gerad' hinein in die
ihnen entgegenstarrenden Speere und Bayonnette.

Die Pistolen der Matrosen thaten hier schlimme Wirkung, und trotz dem
daß sich Aonui mit den Seinen in voller Todesverachtung den feindlichen
Kugeln aussetzten, und ihnen jeden Zollbreit Raumes mit scharfer Waffe
streitig machten, faßten die Franzosen schon mehr und mehr festen
Fuß, selbst bis in die Verschanzung selber hinein, wo sie sich
auch vielleicht, waren sie in diesem Augenblick von Außen gehörig
unterstützt, behauptet hätten. Der Nebel, der ihr Eindringen aber
begünstigte, verhinderte auch die Freunde, die errungenen Vortheile zu
sehn, während der gellende Schlachtenschrei Teraitanes die Seinen
zu sich rief, die jetzt in mehren Trupps, dort Gefahr wissend,
herbeistürmten.

Auch Pompey, der sich mit durch den falschen Alarm der Trompeten
und Trommeln hatte täuschen lassen und nach dort zu vergebens einen
Augenblick hinausgehorcht, den anrückenden Feind in dem Nebel erscheinen
zu sehn, hörte jetzt den Schlachtenlärm zu seiner Rechten, und die
ihm nächsten Indianer rasch an sich rufend, sprang er mit ihnen der
bedrohten Stelle zu.

Bertrand kämpfte hier in den vordersten Reihen, mit unerschütterlicher
Kaltblütigkeit die nach ihm gerichteten Stöße parirend und mit scharfer
Klinge sich mehr und mehr Bahn hauend in den Menschenknäul; da fiel sein
Blick plötzlich auf eine bekannte Gestalt -- er sah die Mündung eines
Gewehrs, fast dicht vor sich, auf seinen Kopf gerichtet und behielt
eben noch Zeit mit dem Säbel unter das auf ihn zeigende und gerad'
erreichbare Bayonnett zu schlagen, als auch die Kugel so dicht über
seinem Kopf hinpfiff, daß sie ihm einen Theil der Haut mitnahm!

»Hund!« schrie er in demselben Augenblick und warf sich auf den
erkannten Verbrecher, und während er die nach ihm gestoßene Waffe noch
einmal parirte, führte er mit dem Säbel einen so gut gemeinten Hieb
nach der Stirn des Iren, daß nur eine rasche Wendung von dessen Kopf
dem Streich das tödtliche nahm, während die scharfe Waffe an der Seite
seines Schädels nieder fuhr, den oberen Theil des linken Ohres mit nahm
und auf dem Schlüsselbein abprallte. Zu gleicher Zeit sprang Bertrand zu
und den Iren mit der Linken fassend, wollte er ihn eben zurück und
nach seinen Leuten zu reißen, als Pompey mit der Verstärkung auf dem
Kampfplatz erschien und mit solcher Wucht gegen den Franzosen anprallte,
daß dieser seinen Gefangenen loslassen mußte und alle seine Stärke
und Gewandtheit gebrauchte, sich gegen den neuen riesigen Feind zu
vertheidigen.

Die Soldaten und Matrosen fanden sich aber in diesem Momente auch so
von allen Seiten bedrängt, daß an ein Vordringen weiter gar nicht mehr
gedacht werden konnte, ja Bertrand fast sogar der Rückzug abgeschnitten
wäre, hätte sich nicht Adolphe mit seinen regulären Truppen, die eigene
Gefahr misachtend, hineingeworfen, ihn heraushauen zu helfen, während
von der andern Seite der erste Lieutenant der Jeanne d'Arc ebenfalls
mit einem kleinen Trupp Matrosen einen Scheinangriff machte, die
Aufmerksamkeit der Belagerten von dort in etwas abzulenken und den
Kameraden Luft zu gönnen.

»Hierher meine Jungen«, rief dieser seinen Leuten zu, »hinein mit Euch,
und treibt mir die rothen Schufte da einmal zu Paaren,« und über einen
niedergeschossenen Guiavenstamm springend wollte er eben über einen
kleinen freien Raum der innern Schanze laufen, von seinen Leuten gefolgt
den Kameraden Hülfe zu bringen, als eine pulverrauchgeschwärzte Gestalt
auf ihn zusprang die er in dem von Blut entstellten Zügen kaum wieder
erkannte, und mit heiserer Stimme ihn anschrie:

»Hallo mein Herzchen, bist Du hierhergekommen _uns_ einmal zu besuchen«
und der Bursche richtete dabei, auf kaum zwei Schritt Entfernung ein
weitmündiges Sattelpistol auf den Officier --

»Schurke!« schrie dieser, seinen entsprungenen Matrosen in ihm erkennend
-- »Du meldest Dich gerade zur rechten Zeit,« und zum Hiebe ausholend
wollte er auf ihn einspringen, als Jack, der ruhig seine Zeit erwartet
hatte, ihm das Pistol so nahe vor den Augen abfeuerte, daß der
Pulverblitz seine Augenwimper versengte und die Rehposten mit denen es
geladen war den Unglücklichen mit zerschmettertem Hirn zu Boden warf.

»Vergeltung -- Rache!« jubelte der Matrose und stieß einen gellenden
Freudenschrei aus, der von der anderen Seite des Forts beantwortet
wurde, und von dort her stürmte neue Hülfe. Die Seeleute aber, die sich
nicht weiter unterstützt sahen und dem neuen Anprall nicht hätten die
Stirne bieten können, faßten ihren erschossenen Officier auf, und zogen
sich damit, durch vorgehaltene Bayonnette ihren Rückzug deckend, wieder
die Schanze hinauf und jetzt, den Hörnern folgend die von allen Seiten
den wirklichen Rückzug bliesen, in die Guiaven hinein, dem schon wieder
eröffneten Feuer nicht länger und nutzlos ausgesetzt zu sein.

Es wäre unmöglich den Jubel zu beschreiben, der bei dem Rückzug, ja
der Flucht der Feinde, in der kleinen so tapfer vertheidigten Veste
ausbrach. Im ersten Augenblick konnten sie ihren Sieg noch nicht gleich
übersehen, denn der Nebel lag zu dicht auf der ganzen Kuppe, als aber
jetzt ein Windstoß von der See herüber die duftigen Schleier faßte
und auseinander riß, sie rechts und links in die steilen Schluchten
hineinzudrängen, und der Feind, von dem wilden Anprall der Eingeborenen
zurückgeworfen, nirgend mehr zu sehen war, ja seine Todten und
Verwundeten sogar hatte zurücklassen müssen, da tönte _ein_ gellender,
trotziger Jubelschrei aus den Kehlen der Sieger, und der eigenen
Wunden nicht achtend sprangen und rannten sie, ihre Speere und Waffen
schwingend wild und toll umher.

Während ein Theil aber wieder, rasch um den Missionair gesammelt, zu
einer Dankeshymne die Stimme erhob, dem Herrn der Heerschaaren, der
seine Hand über ihnen gehalten in der schweren Stunde, flogen die
Mädchen und jungen Leute wieder zum kecken ausgelassenen Tanz. Maire vor
Allen, auf den blutgetränkten Boden des einen Walles springend, auf dem
der Kampf am hartnäckigsten gewesen und wo selbst die Guiavenbüsche von
den Stürmenden wie Belagerten zur Seite gerissen waren, freien Spielraum
für ihre Waffen zu haben und Auge in Auge den Gegner zu treffen und zu
bekämpfen, war die tollste; dort stand und sprang jetzt das halbnackte,
bildschöne wilde Mädchen mit blitzenden funkelnden Augen in den
wildesten unanständigen Gebärden ihres Tanzes nach den Schiffen hinüber
spottend und drohend --

»Kommt!« sang oder schrie sie vielmehr dabei, denn die Adern ihrer
Schläfe waren zum Zerspringen angespannt,

  Kommt Ihr Feranis her --
  Habt Ihr den Muth nicht mehr?
  Kommt --
  Hei wie Ihr laufen könnt
  Hei wie Ihr --

Ein wilder, gar nicht dieser Erde angehörender Schrei endete das kecke
Lied, und die Arme emporwerfend, während von einer benachbarten,
kaum zugänglichen Felskuppe der Donner der Geschütze ganz in der
Nähe herüberschmetterte und die überraschten Eingeborenen erschreckt
aufschauen machte nach dem neuen Gegner -- flog der von einer Kartätsche
zerrissene Körper der jungen Tänzerin -- ein furchtbarer Anblick -- über
den inneren Wall herunter in die Verschanzung.

Einzelne Kugeln schlugen noch außerdem hie und da ein, und zum ersten
Mal erkannten die Belagerten jetzt daß die Feinde, während des Nebels
jedenfalls, eine bessere und höher gelegene Position für ihre Geschütze
eingenommen hatten, und wenn sie auch sich nicht denken konnten wie
die Feranis den fast unzugänglichen schmalen Pfad dort hinauf allein
gefunden haben konnten, ließ sich doch die Thatsache selber, die ihnen
Kugel nach Kugel herüber sandte, nicht verleugnen.

Die Franzosen hatten aber auch in der That den Platz durch Verrath
genommen, und zwar von einem »Capitain Henry«, wie behauptet wird dem
Sohn eines englischen Missionairs, selber geführt, der dem französischen
Commandant zuerst den Angriff auf jenen so vortrefflich befestigten
Punkt ganz abgerathen und jetzt, als der Angriff zurückgeschlagen
worden, den Sieg dadurch auf Seite der Franzosen zu lenken suchte, daß
er ihnen den Pfad zeigte, ihre Geschütze günstiger placiren und damit
zum Theil die innere Verschanzung der Eingeborenen beherrschen
zu können. Durch den Nebel begünstigt, als abgeschickte Boten den
wahrscheinlichen Ausgang des Kampfes gemeldet, wurden die Geschütze
an Ort und Stelle hinaufgeschleppt und die erste Ahnung welche die
Eingeborenen von der gefährlichen Nähe bekommen, war eben die, von dort
herübergefeuerte erste Salve.

»=Damn it!=« schrie Pompey, als er einen mehr zornigen als überraschten
Blick dort hinüber geworfen -- »wir stürmen das Nest da oben, und werfen
ihnen nachher ihre Kugeln auf die Schiffe zurück! wer geht mit?«

Ein wildes jubelndes Geschrei antwortete ihm, und die trotzigen
halbnackten Gestalten griffen ihre Waffen fester und machten sich schon
bereit, nur eben der ersten Andeutung folgend, ihre Leiber todesmuthig
der Gefahr entgegenzuwerfen. Teraitane aber, der das Terrain dort besser
kannte und die Unmöglichkeit einsah, von hier oben die fast steile Wand
zu den Kanonen hinaufzulaufen, während sie noch dazu von der Artillerie
vertheidigt werden konnte, wollte seine Einwilligung nicht geben und
hielt, einen neuen Sturm auf das Fort jetzt, unter dem Schutz jener
Kanonen mit Recht erwartend, die Seinen zurück.

Auf diesen sollten sie auch gar nicht so lange zu warten haben; der
erste Lieutenant der Uranie, der den Oberbefehl über die Stürmenden
führte, konnte von einer kleinen Anhöhe aus den neuen und vortheilhaften
Stand ihrer Geschütze erkennen, und die Hörner riefen seine Leute, die
Ueberraschung des ersten Augenblicks zu benutzen, schnell wieder zum
erneuten Angriff des Forts herbei.

Hier aber fanden sie trotzdem noch immer den alten, hartnäckigen
Widerstand, und eine halbe Stunde mochte der erbitterte Kampf, Fuß an
Fuß von beiden Seiten gedauert haben, wobei den Eingeborenen die höher
stehenden Kanonen der Feinde allerdings wesentlichen Schaden thaten,
als Pompey endlich, nach kurzem Kriegsrath mit Teraitane und Aonui einen
Rückzug in die Berge beschloß, theils von einer anderen Bergspitze
aus die dort stationirte Artillerie im Rücken zu fassen, theils die
Franzosen zu verlocken ihnen in das Dickicht nachzufolgen, und sie dann,
von den Guiaven geschützt zu umzingeln und abzuschneiden, während ihnen
die eignen Kanonen im Dickicht keinen Beistand mehr leisten konnten.

Teraitane war nicht ganz damit einverstanden, denn er fürchtete, daß
sich die Franzosen vielleicht in dem Fort fest setzen möchten, wo sie
dann gezwungen gewesen wären den Platz, den sie jetzt behaupteten,
wieder zu erstürmen, Aonui und die Uebrigen aber, die den Versuch
wenigstens gemacht haben wollten die gegen sie spielenden Kanonen
wegzunehmen oder zu verjagen, überstimmten den Führer, und die Frauen
voranschickend, die einen Moment freier Zeit benutzten über den offenen
Platz zu fliehen, folgten die Krieger jetzt in kleinen einzelnen Trupps
aus dem Fort hinaus bergan, die Verschanzung für den Augenblick den
Feinden vollkommen überlassend.

Unten von den Schiffen aus, und während die Soldaten mit Jubelruf
von dem verlassenen Fort Besitz ergriffen, sahen sie aber kaum die
hellgekleideten Gestalten hinter den Verschanzungen sichtbar werden,
als sie, wo das nur irgend anging, ihre Kugeln darauf richteten, und die
Eingeborenen fanden sich plötzlich in einem eisernen Regen, der rechts
und links Verderben brachte. Furchtbar war die Wirkung der schweren
Kugeln in dem dichten Oberholz der Mapes und Wibäume und einzelne
Cocospalmen splitterten im Stamme von einander, und warfen die gewaltige
schwere Krone rasselnd in die Tiefe, ihre gewichtigen Früchte auf die
Flüchtigen niederhagelnd.

Aber die Franzosen dachten gar nicht daran dem Feind zu folgen, denn
ihre Reihen waren selber furchtbar gelichtet, und nur rasch ihre Todten
zusammentragend und mit etwas Sand und Erde leicht überwerfend, griffen
sie die Verwundeten auf und zogen sich mit ihnen, völlig damit zufrieden
den Feind, wie sie glaubten, aus der Schanze geworfen zu haben, rasch
zurück auf die Schiffe.

Die Artillerie schlug indessen allerdings den tollkühnen Angriff der
Eingeborenen auf ihre, fast uneinnehmbare Stellung zurück, hatte aber
ebenfalls, da sie das Fort geräumt sah, keine weitere Veranlassung dort
oben zu bleiben und folgte, auf dem Rückzug noch von einzelnen Trupps
der durch den Wald zerstreuten Insulaner arg belästigt, der übrigen
Mannschaft nach den Schiffen. Die Verwundeten wurden meist Alle auf
die Fregatte gebracht, und wenige Stunden später lichteten die beiden
Kriegsschiffe, noch auf Alles unverdrossen feuernd was sich am Ufer
nur einigermaßen verdächtig zeigte, die Anker und segelten nach Papetee
zurück.




Capitel 2.

Alte Abrechnungen.


Noch an demselben Abend liefen die Schiffe, die günstige Seebrise
benutzend, wieder in den Hafen ein, wohin sie aber, wenn auch als
Sieger zurückgekehrt, keine freudige Nachricht brachten. Der unerwartet
kräftige Widerstand den sie gefunden, die Tapferkeit der Eingeborenen,
die noch dazu weit besser bewaffnet waren als man vermuthen konnte,
der Verlust vieler braver Soldaten und selbst von vier Officieren, warf
einen düsteren Schatten über den Siegesmarsch, mit dem die Truppen an
der Landung aufmarschirten, und konnte wahrlich nicht durch den langen
Trauerzug der Verwundeten, denen man an Land bessere Pflege zu gewähren
hoffte, gemildert werden.

Selbst die kleine Stadt, von der man nicht einmal aller Eingebornen
sicher war, schien gefährdet, und ausgesandte Spione meldeten auch
allerdings, daß sich kleine Trupps bewaffneter Insulaner ganz in der
Nähe zeigten und recognoscirten; vielleicht gar mit der Absicht einen
Ueberfall zu wagen und die dort aufgespeicherten Vorräthe der Feinde
wegzunehmen, wie auch den Feind aus diesem wichtigsten Anhaltepunkt
-- dem besten Hafen der ganzen Inseln zu verjagen und die Flagge der
Pomaren, deren Bedeutung sie erst jetzt ordentlich anfingen einzusehn,
wieder an ihrer alten Stelle aufzupflanzen.

René hatte noch an demselben Abend Adolphe aufgesucht, den Verlauf des
Tages zu erfahren; er selber war ebenfalls jetzt auf Papetee angewiesen,
denn die Eingeborenen streiften überall in kleinen Trupps um die Stadt
herum und sein Haus war, mit dem wenigen was er noch darin gelassen, von
irgend einer boshaften oder muthwilligen Schaar angezündet worden und
bis auf den Grund niedergebrannt; ein Insulaner der dort nicht weit
entfernt wohnte und seinen Landsleuten, ebenfalls als es mit den Feranis
haltend, bekannt war, hatte, ihren Zorn fürchtend, die Flucht ergriffen
und die Nachricht mit nach Papetee gebracht.

Seine Papiere trug er aber bei sich, und seine wichtigsten Effecten
waren schon glücklicher Weise mit Sadie nach Atiu hinüber gesandt
worden, der Verlust des Uebrigen kränkte ihn deshalb wenig. Er sah
übrigens auch daraus wie die Eingeborenen ihm, jedenfalls seiner
Abstammung wegen, selber gesinnt wären, und sein baldiger Abschied von
Tahiti schmerzte ihn desto weniger.

Die Nacht schlief er mit in dem Bambusschuppen, in dem Adolphe
einquartirt lag, und beschloß am nächsten Morgen, als er hörte daß
Gouverneur Bruat schon weit früher als man erwartet hatte zurückgekehrt
sei, diesem seine Aufwartung zu machen, und die Erlaubniß zur Abreise
einzuholen.

Der Gouverneur hatte allerdings, durch den plötzlich ausgebrochenen
Krieg auf Tahiti, vor der Hand seine Inspektionsreise nach den
Nachbarinseln aufgegeben. Hier mußte vor allen Dingen der Friede
wieder hergestellt, mußten die Eingeborenen unterworfen oder wenigstens
eingeschüchtert sein, ehe er selber wagen durfte sich von dem
Hauptschauplatz zu entfernen.

Bertrand, der übrigens selber mehrfach, wenn auch nur leicht, in dem
gestrigen Kampf verwundet war, übernahm es ihn anzumelden und sein
Gesuch schon gleich von vornherein zu bevorworten. Gouverneur Bruat
empfing ihn auch in der That ungemein freundlich, und seiner Bitte stand
nicht das Mindeste mehr im Weg.

»Es thut mir leid, lieber Delavigne, daß ich Sie das nicht habe schon
vor einigen Tagen, wenigstens vor meiner Abreise wissen lassen, noch
dazu da es Sie in ihren Familienverhältnissen derangirt hat, aber
Sie müssen mich wirklich mit dem tollen Treiben unserer Gegenwart
entschuldigen, das meinen armen Kopf so entsetzlich in Anspruch
genommen. Man möchte jetzt in einem Augenblick überall sein, theils
zu mäßigen, theils zu verhüten, und ich weiß wirklich nicht wem man
im gegenwärtigen Moment mehr auf die Finger zu sehen hat, eben den
Eingeborenen, oder unseren Freunden, den Engländern und Amerikanern.«

»So kann ich also Tahiti verlassen wann ich will, und bin von
dem unwürdigen Verdacht der auf mir, wunderbarer Weise ruhte,
freigesprochen?« frug René.

»Lieber Delavigne, _ich_ habe Sie noch keinen Augenblick in Verdacht
gehabt« lachte der Gouverneur, »und es würde mir nicht eingefallen
sein die Sache auf eine, für Sie so unangenehme Weise hinaus zu dehnen,
hätten wir nicht, allerdings anonym, eine förmliche Anklage gegen Sie
eingeschickt bekommen, die wir schon, um wenigstens spätere Misdeutungen
zu vermeiden, nicht ganz ignoriren durften.«

»Eine Anklage gegen _mich_?« frug René erstaunt.

Monsieur Bruat nickte achselzuckend mit dem Kopf.

»Von einem Landsmann?« frug der junge Mann weiter.

»Wohl schwerlich -- der Brief war englisch, die Hand aber jedenfalls
verstellt und hie und da mit orthographischen -- vielleicht übrigens
absichtlichen Fehlern. Doch dem sei wie ihm wolle« brach er rasch ab,
»die Sache ist vorbei und jeder Form genügt; außer dem haben wir auch
seit einigen Tagen ziemlich gegründete Ursache einen Engländer selber
der That in Verdacht zu halten, der schon eines anderen Verbrechens
angeklagt steht, und gestern auch eben bei den Empörern gesehen ist.
Vielleicht hat auch der den Brief geschrieben.«

»Das glaub' ich schwerlich« sagte René kopfschüttelnd, »den Dienst hat
mir vielleicht ein guter Freund geleistet. Kennen Sie den Namen des
verdächtigen Engländers?«

»Jim O'Flannagan.«

»Aha, ich kenne den Burschen; es ist ein Ire.«

»So? -- möglich, nun von Tahiti fort kann er nicht, und da hoffe ich
denn bald seine nähere Bekanntschaft zu machen. Aber wie wollen
Sie selber jetzt nach Atiu hinüberkommen? haben Sie irgend eine
Gelegenheit?«

»Im Augenblick nicht« entgegnete René, »doch wird sich die schon finden,
die Missionscutter kreuzen ja immer dann und wann einmal herüber und
hinüber.«

»Die Missionaire entwickeln überhaupt eine wunderbare Thätigkeit in
dieser Zeit« entgegnete finster der Gouverneur -- »und sie sollten sich
doch Mr. Pritchards Beispiel zu Herzen nehmen. Ich werde sie scharf
überwachen lassen, und dann unnachsichtlich das an ihnen zur Ausführung
bringen, was sie selber, ohne sogar Veranlassung dazu gehabt zu haben,
an unseren eigenen Priestern ausgeübt. Daß diese Herren immer das
geistliche und weltliche Regiment mit einander verwechseln, und gar so
gern aus dem einen in das andere hinüberpfuschen wollen. Doch dem sei
wie ihm wolle, wir werden den Herren zu begegnen wissen, und sie haben
es sich selber zuzuschreiben wenn sie nachher vielleicht etwas rauher
behandelt werden, als ihrer Bequemlichkeit und ihrer Stellung zusagt.«

»Ich glaube daß hie und da ein freundliches Wort zwischen den
Eingeborenen und der jetzigen Regierung manches Unglück vermeiden
könnte« sagte René nachdenkend -- »den Insulanern sind eine Menge
falscher Begriffe beigebracht, und mit unsern Sitten und Gebräuchen
nicht bekannt, erscheint ihnen theils Manches schroffer als es im Anfang
gemeint war, theils haben wir selber Vieles was sie gethan zu streng und
ernst genommen. Die aufgezogene Flagge vor dem Haus der Königin z. B.
hatte meiner Meinung nach keineswegs die Bedeutung die ihr der Admiral
gab; es muß zu Misverständnissen führen, wenn wir denselben Maßstab
unserer Handlungen an den der Eingeborenen legen wollen. Ich bin fest
überzeugt daß Pomare in der Krone nichts weiter wie ein glänzendes
Spielzeug sah.«

»Pomare vielleicht« sagte der Gouverneur, »aber nicht die sie ihr
gaben -- der Insulanerin gegenüber hätte es vielleicht kaum einer
Gegendemonstration bedurft, das geb ich zu, aber die Missionaire wußten
recht gut um was es sich handelte, und _deren_ Auslegung wäre allein
nach England und Frankreich hinüber berichtet worden.«

»Und die arme Pomare verlor darüber ihr Reich.«

Der Gouverneur zuckte mit den Achseln.

»In einer Hinsicht haben Sie übrigens recht« sagte er nach einer kleinen
Pause, in der er einige Mal mit schnellen Schritten im Zimmer auf und
ab gegangen war; »ich glaube selber daß ein Wort der Verständigung zu
seiner Zeit weit mehr wirken würde, als die aufgepflanzten Kanonen
und Bayonnette unserer Soldaten. Mir liegt besonders daran weiteres
Blutvergießen zu vermeiden, auch sind wir hier gar nicht so stark, viele
Siege wie der gestrige gewinnen zu können, der uns vier unserer besten
Officiere und -- und _sehr_ viel gute Soldaten und Leute gekostet hat.
Um so mehr leid thut es mir deshalb jetzt gerade Sie, lieber Delavigne
zu verlieren, da eben Sie vor allen Anderen, in Ihrer Stellung zu den
Eingeborenen, im Stande wären manches Gute zu wirken, manchen Conflict
zu vermeiden. Wir würden Ihnen auch _sehr_ dankbar sein, wenn Sie sich
entschließen könnten uns, wenigstens einen kleinen Theil Ihrer Zeit
zu widmen. Nicht allein daß sie dadurch den Insulanern selber einen
ungemein großen Dienst erweisen, denn auf die Länge der Zeit _können_
sie ja nun doch einmal unseren Waffen nicht Stand halten, während sie
von jeder weiteren Hülfe durch unsere Schiffe abgeschnitten sind, Sie
würden auch vielleicht manchem Landsmann dadurch das Leben erhalten.«

»Aber in welcher Art glauben Sie, daß ich das im Stande wäre?« frug
René, zu ihm aufschauend.

»Sie wissen daß sich die Insulaner, Mahaena nicht für so sicher haltend,
an anderen Orten wieder festgesetzt haben, ja noch in diesem Augenblick
in Begriff sind zu verschanzen; die steilen Thäler, Schluchten könnte
man sie eher nennen, dieses Landes, bieten den Eingeborenen dabei in der
Vertheidigung unendliche Vortheile, und ihre Positionen werden immer
nur mit großem Verlust an Menschenleben genommen werden können; aber
sie werden doch genommen und die Erbitterung muß natürlich nach jeder
geschlagenen Schlacht soviel höher steigen, der Riß soviel unheilbarer
werden. Jetzt ist dabei vielleicht noch eine Aussöhnung möglich, Pomare
mag zurückkehren und unter dem französischen Protectorat nominell,
wenigstens den Eingeborenen gegenüber, fortregieren und wir ersparen
eine Masse gutes Blut der einen wie anderen Parthei.«

»Die Missionaire werden aber nie in einen Frieden willigen« sagte René,
»der die Gewalt ganz in die Hände ihrer Feinde giebt, und sie förmlich
aus dem Land verjagt.«

»Es denkt ja aber gar Niemand daran das zu thun« rief der Gouverneur,
»als eben ihre eigene starre Unduldsamkeit, die nun einmal keine andere
Religion neben sich dulden will und mag. Nur gleiche Berechtigung
verlangen wir für unsere Religion, wozu wir ein Recht hätten, selbst
wenn es uns unsere Kanonen hier nicht sicherten, und wenn sie von der
Vortrefflichkeit _ihres_ Glaubens so vollkommen überzeugt sind, wie sie
vorgeben, weshalb _fürchten_ sie denn unter gleichen Verhältnissen mit
ihm in die Schranken zu treten?«

»Und glauben Sie, Herr Gouverneur, daß ich im Stande wäre bei einem
derartigen Versuch etwas Gutes zu wirken?« frug René -- »darf ich den
Insulanern wirklich die Versicherungen Ihrer friedlichen Gesinnung
bringen und daß Pomare nach Tahiti zurückkehren mag, zwischen ihnen zu
leben -- _ihnen_ ihre Königin, wie daß ferner keinem in der Ausübung
seiner Religion die mindeste Schwierigkeit in den Weg gelegt werden
soll?«

»Das Alles, auf mein Ehrenwort,« erwiederte der Gouverneur -- »noch mehr
-- es soll Alles vergessen und vergeben sein zwischen beiden Theilen,
was bis jetzt geschehn -- den einen Burschen natürlich ausgenommen, der
noch alte Rechnung hat -- es liegt mir ja nicht daran die Insulaner
zu unterwerfen und sie zur Anerkennung unserer Macht zu zwingen -- zum
Henker nein, wir wollen friedlich und freundlich zwischen ihnen leben,
und nicht immer der Gefahr neuer Ausbrüche und Revolutionen ausgesetzt
sein. Es ist auch wahrhaftig nicht einmal Ehre mit einem solchen Sieg
zu gewinnen, wo uns die ganze civilisirte Welt nachher anschreit, wir
hätten einen Haufen nackter Wilden mit hölzernen Speeren und Schwertern
durch unsere Kanonen zusammengeschossen, während die Burschen in der
That ganz verständig selber schießen können, und viel mehr Gewehre und
Munition haben, wie ich eine Ahnung hatte.«

»Gebe Gott daß ich dann einen günstigen Erfolg bringe« sagte rasch
René -- »gern will ich mich dem Auftrag unterziehn, und wie ich
die Eingeborenen kenne, werden sie gern und willig zu ihren Hütten
zurückkehren, dort in Frieden zu leben. Sie sind gut und friedlich
von Natur, wie Ihnen ihr ganzes Betragen auch schon, selbst nach der
Besitzergreifung, bewiesen haben muß, und wären sie nicht gar so arg
gereizt, sie würden selbst jetzt nicht daran gedacht haben die Waffen
aufzugreifen.«

»Die Waffen waren einmal da« sagte der Gouverneur finster »und mußten
gebraucht werden. Es ist auch möglich daß das Einführen derselben eine
kaufmännische Speculation gewesen, es sollte mir wenigstens lieb sein
das zu glauben; fast aber fürchte ich, daß da auch noch eine andere Hand
mit im Spiel gewesen, und war das wirklich, so dürfen wir auch nicht
zu viel von einem freundlichen Wort hoffen. Nichtsdestoweniger will ich
jedenfalls, mir selber später keine Vorwürfe machen zu können, die Sache
versucht haben -- ich weiß auch daß ich dadurch im Sinn meiner Regierung
handele, die um Alles einen ausgedehnteren Kampf um diese Besitzung
zu vermeiden wünscht. Sind Sie also im Stande ein derartiges
Uebereinkommen, einen Vertrag oder wie Sie es nennen wollen in
Wirklichkeit zu ermöglichen, so rechnen Sie dabei ganz auf meine
Unterstützung sowohl, wie wärmste Dankbarkeit.«

»Und wann wünschen Sie daß ich da aufbrechen soll?« frug René.

»Sobald Sie wollen; am Besten gleich morgen früh, denn jeder neue Tag
führt dem Feind auch neue Hülfstruppen über die Berge zu, und macht
ihn immer nur noch starrköpfiger auf der einmal eingeschlagenen Bahn
beharren. Jetzt haben wir auch noch eine Anzahl Kriegsschiffe in der
Bai, unter deren Kanonen sich ein Friedensabschluß weit anders ausnimmt,
als wenn wir nur hier auf die geringe Zahl unserer Landtruppen, und
vielleicht überall vom Feind umgeben, in die Stadt eingeschlossen sind.
Sobald Sie zurückkehren statten Sie mir gleich Bericht ab. Gedenken Sie
allein zu gehn, oder soll ich Ihnen eine Flagge und Bedeckung mitgeben?«

»Ich glaube ich gehe besser _ohne_ das Alles« sagte René, »die
französische Flagge ist in diesem Augenblick nicht beliebt genug eine
Empfehlung zu sein, denn die Erinnerung an die erlittene, und jetzt
erst eigentlich begriffene Demüthigung liegt noch zu frisch in ihrem
Gedächtniß. Allein hab' ich weniger zu fürchten, da mich Manche von
ihnen kennen, ja mit mir befreundet sind.«

»Wie Sie denken« erwiederte Mr. Bruat sich die Lippe beißend, »und dann
noch eins. -- Sind Sie einmal oben, können Sie vielleicht auch etwas
über den Schuft Jim O'Flannagan erfahren; Monsieur Bertrand, der sich
eben so warm für Sie verwandt, und, wenn ich nicht irre ein Jugendfreund
von Ihnen ist, hat mit diesem Burschen ein ganz besonderes Capitel
abzumachen, und will ihn gestern über die Stirn gehauen haben, so daß er
sogar leicht an seiner Wunde zu erkennen wäre. Außerdem habe ich einen
nicht unbedeutenden Preis auf seinen Fang gesetzt; vielleicht sind Sie
im Stand, in den Bergen etwas Näheres über ihn zu hören.«

»Ich spreche Bertrand jedenfalls noch heute Abend« erwiederte René,
»auch hat er mir schon selber von dem Iren und seinem früheren Leben
erzählt; er scheint eine Art von Land- und Seepirat gewesen zu sein,
und soll sich hier besonders mit dem Schmuggeln verbotener Spirituosen
befassen.«

»Ein gefährlicher Charakter, besonders in jetziger Zeit« sagte Mr. Bruat
-- »aber wer kommt da unten? was ist das für ein wunderlicher Kauz --
kennen Sie den Burschen, Delavigne?«

René war rasch an's Fenster getreten, dem ausgestreckten Arme des
Gouverneurs mit den Augen folgend, warf aber kaum einen Blick auf die
Gestalt, als er auch lächelnd wieder zurück trat und sagte:

»Das ist Einer unserer originellsten Charaktere in Papetee, und trotzdem
dies das erste Mal, daß ich ihn wirklich in der Stadt erblicke. Er
ist Schuster und wohnt draußen in den Guiaven in einer gewöhnlichen
Bambushütte mit einer alten irischen oder englischen Hexe, die sie
»Mütterchen Tot« nennen, und ihre beiderseitige Hauptbeschäftigung soll
sein -- wenn das Gerücht nicht lügt -- Spirituosen an die Eingeborenen
auszuschenken.«

»Und hat man das bis jetzt geduldet?« frug der Gouverneur rasch.

»Noch hat ihnen Nichts bewiesen werden können« lachte René, »denn die
Alte ist zu schlau sich leicht erwischen zu lassen. Die Sache muß aber
auch noch einen anderen Zusammenhang haben, denn selbst die Missionaire
dulden sie dort im Busch, trotz dem ziemlich allgemein ausgesprochenen
Betrieb. Aber der Schuhmacher kommt wahrlich hier in's Haus; das muß
denn etwas ungemein Wichtiges sein, was ihn hierher führt. So viel
ich weiß haßt er uns Franzosen wie die Sünde, und soll fast den ganzen
ausgeschlagenen Tag in der Bibel lesen.«

»Sie empfehlen mir den Mann immer mehr« lachte der Gouverneur -- »er
scheint mir übrigens mehr Carricatur als Original, und es sollte mich
gar nicht wundern, wenn er sich nicht vielleicht bei den französischen
Behörden über seine englische Gattin beklagen und sich mit unter
das Protectorat stellen wollte -- hahaha, da hätten wir gleich einen
praktischen Nutzen für _Englische_ Bürger, die doch im Anfang solches
Geschrei darüber erhoben. Aber wahrhaftig, ich glaube er will zu mir.«

Eine Ordonanz trat in diesem Augenblick in's Zimmer und meldete daß ein
verdächtig aussehendes Individuum, das halb englisch halb insulanisch
spräche, vorgelassen zu werden verlange und in größter Eile zu sein
behaupte, auch etwas sehr Wichtiges mitzutheilen habe.

»Dann Herr Gouverneur« sagte René, »erlauben Sie vielleicht daß ich mich
entferne.«

»Nein, das erlaube ich nicht« lachte dieser, »dann brauche ich Sie zum
Dollmetscher; für ein Gemisch von Englisch und Indianisch halte ich mich
nicht sattelfest genug. Oder haben Sie irgend etwas anderes, besonderes
vor?«

»Nicht das entfernteste« entgegnete der junge Mann, »es wird mir das
größte Vergnügen machen Ihnen dienen zu können.«

»Ich wollte ich dürfte Sie vollständig beim Wort nehmen, Delavigne«
sagte Mr. Bruat, der Ordonanz dazwischen ein einfaches »er soll herein
kommen« zurufend. »Wir brauchen jetzt Leute, _tüchtige_ Leute, und für
solche ist gerade auch wieder der jetzige Zeitpunkt vortrefflich, ihr
Glück zu machen. Was haben Sie drüben in Atiu? das läuft Ihnen nicht
weg, und der jetzige Moment kehrt vielleicht im Leben nicht wieder. --
Aber ich will Ihnen nicht zureden« unterbrach er sich rasch, »Sie
mögen sich das noch mit sich selber überlegen; da kommt auch eben unser
dringender Besuch -- wie heißt der Bursche?«

»Murphy, wenn ich nicht irre.«

»Ein ächt irischer Name, dem das Gesicht keine Schande macht. Sehn Sie
nur was für tückisch blitzende Augen der Bursche im Kopfe trägt; etwas
Gutes hat den _nicht_ zu mir geführt, soviel ist sicher. Und was wollt
Ihr? -- ach ich vergaß, bitte Delavigne fragen Sie einmal den Feuerbrand
was er von mir will -- Peste, wie er aussieht.«

Murphy hatte sich indessen langsam und scheu zur Thür herein geschoben,
und stand da, wie eine Fledermaus am Tage, die beiden Männer, die
französisch mit einander sprachen, mistrauisch betrachtend. Ein finster
drohender Ausdruck legte sich aber in seine Züge und schien sich dort in
die Falten und Pockennarben ordentlich festzuhängen, als beide Männer,
nicht im Stande beim Anblick der Gestalt ernsthaft zu bleiben, erst
an zu lächeln fingen, und dann endlich in ein laut schallendes und
anhaltendes Lachen ausbrachen.

Murphy hatte übrigens dazu gar gegründete Ursache gegeben. Zuerst trug
er wieder, als die einzig mögliche Zeit, und vielleicht auch andere
Mängel zu verdecken, den erbsgelben Rock, bis an den Hals zugeknöpft,
mit den Schößen unten an seine nackten Waden, oder wenigstens an einen
Klumpen von Sehnen und Muskeln schlagend, der hinter dem Wadenbeine
irgendwie befestigt schien. Die Beine staken in sehr defekten, unten
wenigstens ausgefranzten Hosen; seine Extremitäten vom Hals ab, Kopf
Hände und Füße waren bloß, die letzteren dem eigenen Handwerk zum Trotz,
und nur um den linken Fuß, mit dem er vielleicht in eine Glasscherbe
oder sonst etwas getreten, hatte er sich ein Stück gelbbrauner Tapa
geschlagen und mit Bast befestigt. Nahm man nun noch das wunderlich
zusammengezogene, halb boshafte halb komische, von Blatternarben
zerrissene Gesicht des kleinen Iren dazu, mit dem brennend rothen
struppigen Haar und den kleinen hellgrauen stechenden Augen, so war
die Fröhlichkeit der beiden Männer zu entschuldigen, die durch den
verlegenen Ausdruck des Mannes eher noch erhöht als vermindert wurde.

Murphy schien aber nicht in der Stimmung vielen Spaß mit sich machen zu
lassen, und mit einem mürrischen Seitenblick auf die vor ihm Stehenden
und einem halblaut gemurmelten =»damned fools ye«=[1] wollte er sich
eben wieder umdrehn und das Zimmer ohne weitres verlassen, als ihn René
in Englisch anrief und ihn frug was er vom Gouverneur Bruat wünsche.

  [1] Verdammte Narren Ihr.

Bei der Englischen Anrede stutzte der Ire, und sah erst René, dann den
Gouverneur ein paar Secunden mit seinen stechenden Augen forschend an,
dann aber, wie sich besinnend um was er eigentlich hier hergekommen,
sagte er im breitesten irischen Dialekte:

»Seid Ihr der Misther Gouverneur?«

»Nicht ich -- dieser Herr da.«

»Und kann der nicht für sich selber sprechen?«

»Ich werde dollmetschen, Murphy« erwiederte René lächelnd -- »was führt
Euch her?«

»Murphy?« wiederholte der Ire erstaunt seinen Namen, »wo bei Jäsus, habt
Ihr den Namen her, Sirrah? -- aber s'ist einerlei« fuhr er dann rascher
fort. »Ihr Franzosen spionirt ja doch überall herum -- aber Ihr habt
eine Belohnung auf das Einfangen von einem weggelaufenen Mann gesetzt --
wollt Ihr die zahlen?«

»Ha -- wer ist das?« rief der Gouverneur rasch, der den ungefähren Sinn
der letzten Worte verstanden hatte.

»Jäsus mein Herzchen -- ob er nicht blos so thut als ob er keine Ohren
hätte« sagte Murphy mit einem breiten Grinsen, »aber was sagt er jetzt?«

René wechselte rasch einige Worte mit dem Gouverneur und wandte sich
dann wieder an den Iren.

»Und wer ist's den Du zu vergeben hast, mein Bursche? -- wenn's der
rechte ist kannst Du einen schönen Thaler Geld verdienen -- wie heißt
er?«

»Jim O'Flannagan -- =damn his eyes=[2] und Jack irgend noch sonst was.«

  [2] Verdamm seine Augen.

»Alle Beide?«

»Sitzen jetzt in der Falle.«

»Und wo ist das?«

Wieder verzog sich das Gesicht des Mannes zu einem breiten halb
pfiffigen halb höhnischen Grinsen und er knurrte:

»Soll Euch Murphy das Nest nennen eh' er das Silber hat?«

»Das Nest wird Mütterchen Tots Hotel sein« sagte René gleichgültig
während der Mann einen überraschten tückischen Blick auf ihn warf --
»doch hab' keine Furcht, wenn Du die beiden Burschen in des Gouverneurs
Hände lieferst, wird Dir Dein Lohn nicht entgehn. Aber -- wie ist mir
denn?« frug er sich besinnend und gegen den Gouverneur gewandt -- »der
eine von ihnen hat doch nur ein Verbrechen verübt, nicht wahr?«

»Der andere ist ein entsprungener Matrose« sagte Mr. Bruat.

»Hm« murmelte René vor sich hin -- »doch es liegt Ihnen daran nur den
einen zu fassen?«

»Nein, nein alle Beide -- sind Sie alle Beide im Haus? -- bitte fragen
Sie den Burschen einmal.«

»Habt Ihr sie alle Beide im Haus -- auf den einen sind fünfhundert, auf
den andern nur zwei gesetzt!«

»Alle Beide« bestätigte Murphy, »aber rasch müssen Sie machen, wenn Sie
die Vögel noch erwischen wollen -- die Sonne ist nicht weit mehr vom
Untergehn und jetzt ist die Zeit -- später steh ich für Nichts, denn
fort wollen sie auch.«

»Fort? -- wohin?«

»Wohin? -- weiß ich's?« sagte der Kleine mürrisch -- »nur ihre Bündel
haben sie bei sich, und ihre Waffen, und ein Canoe ist nicht schwer zu
finden am Strande, wer Lust dazu hat!«

»Nicht unwahrscheinlich« sagte, mit dem Kopf nickend, der Gouverneur,
der aufmerksam dem Gespräch gefolgt war, und jedenfalls so viel Englisch
verstand, den ungefähren Sinn zu begreifen. »Dann haben wir keine Zeit
zu verlieren, und Sie können den Spaß mit ansehn Delavigne.«

Er klingelte und sagte, als die Ordonanz gleich darauf in militärischer
Stellung eintrat:

»Lieutnant Bertrand von der Jeanne d'Arc lasse ich ersuchen
augenblicklich zu mir zu kommen -- er ist an Land, Du wirst ihn drüben
im Café bei Victor finden -- es ist eilig.«

Der Soldat verschwand blitzesschnell wieder durch die Thür und
vielleicht zehn Minuten später, während der Gouverneur mit auf dem
Rücken zusammengelegten Händen im Zimmer auf und ab ging, Murphy
ungeduldig von einem Fuß auf den andern schaukelte und bald nach der
Thür bald nach dem Fenster sah, hörten sie die raschen Schritte des
jungen Officiers über die hölzerne Verandah kommen; wenige Secunden
später betrat er das Zimmer, das Nöthigste jetzt über die rasch
auszuführende Expedition zu berathen, das Berathene eben so rasch
auszuführen.

       *       *       *       *       *

Die Bambushütte in der Mrs. Tot ihren Wohnsitz aufgeschlagen, lag, wie
sich der Leser erinnern wird, einige hundert Schritt von der äußersten
und jetzt von Gräben und Wällen eingeschlossenen Grenze der eigentlichen
Stadt Papetee entfernt, tief in den Guiaven und Fruchtbäumen versteckt,
und jetzt also von jedem Verkehr mit ihren europäischen Gästen,
den Matrosen der Englischen oder Französischen Schiffe, vollkommen
abgeschnitten. Französische Matrosen hatten sich überhaupt bei ihr sehr
selten, und nur dann und wann einmal von den Mädchen selber dorthin
gezogen, sehen lassen, deshalb auch ihre Sympathieen nicht, und ein
kleiner Transport ächten holländischen Genevres, eine Parthie versetzten
Kartoffelbranntweins, den sie sich in Jims Abwesenheit von einem anderen
ungeschickteren Bekannten wollte besorgen lassen, war ihr noch außerdem
erst an dem gestrigen Tage von einer französischen Patrouille entdeckt
und confiscirt worden, und damit dem Fasse ihrer Geduld der Boden
ausgestoßen.

Die Hütte selber lag auch in den letzten Tagen wie leer und verlassen,
denn wenn auch gerade jetzt dem verbotenen und so vortheilhaften
Einzelverkauf der Spirituosen Nichts im Wege stand, da die Franzosen
in ihren Schanzen gewissermaßen eingeschlossen lagen, wenigstens nicht
daran dachten nur um dem Schmuggeln zu steuern kleine Patrouillen in das
Dickicht hinauszuschicken, die von den Eingeborenen leicht überrascht
und aufgehoben werden konnten, so lag doch auch der Platz wieder für
diese zu weit von ihrem jetzt eingenommenen Lager entfernt, und sprachen
ja einmal Einzelne dann und wann vor, so geschah das meist nur auf
Kundschaft, vielleicht irgend wen ihrer abtrünnigen und den Feranis
ergebene Landsleute, die sie jetzt fast mehr haßten als die Feranis
selber, zu überraschen und aufzuheben. Murphy konnte fast den ganzen
ausgeschlagenen Tag ungestört in seiner Bibel lesen, und Mütterchen Tot
saß in einem Winkel ihrer Hütte, in einer Stimmung, die nur eine
Ursache suchte, Gift und Galle gegen den ersten ihr in den Weg Laufenden
auszuspritzen.

Es war spät am Nachmittag als die Stille fast zum ersten Mal durch die
Schritte dreier Männer unterbrochen wurde, die den schmalen aus den
Bergen niederführenden Pfad herunter kamen und sich der Hütte näherten.
Es waren zwei Weiße und ein Insulaner -- drei alte Bekannte von uns,
Jim O'Flannagan, Jack und Raiteo, der Dollmetscher von Atiu, der mit dem
ehrwürdigen Mr. Rowe von dort herübergekommen, und die Verhältnisse hier
viel zu interessant und versprechend gefunden zu haben schien, Tahiti so
bald wieder mit der stillen Heimathsinsel zu vertauschen. Der Indianer
wurde voran in die Hütte geschickt, zu sehen ob die Luft rein und keine
Gefahr zu fürchten sei.

»Nun was giebt's?« knurrte die Alte, als der Insulaner den Kopf in
die Thür steckte und, Niemanden weiter darin erblickend wie die beiden
Besitzer, eben so rasch fast wieder verschwand -- »die Pest auf Deinen
Kopf, Du rother Hallunke, kommst Du zum Spioniren hierher und weiter
Nichts? daß Dich ein Hai packe das erste Mal wo Du den Fuß wieder in
Salzwasser setzest, und Du Gift in dem ersten Glase Brandy säufst. Ha?
-- wer kommt da? -- auf mit Dir Du fauler schuftiger Tagedieb dort,
oder _ich_ stehe auf und schlage Dir das vermaledeite Buch um die Ohren
herum, das ich Dir tausendmal schon hätte verbrennen sollen, wenn meine
verfluchte alberne Gutmüthigkeit nicht wäre. Auf mit Dir, sag' ich, und
sieh nach -- daß ich Dir Beine mache« knurrte sie dann leiser hinterher,
als Murphy, innerlich Verwünschungen ausstoßend, denen er sich nur
scheute Worte zu geben, aber doch dem Ruf gleichsam instinktartig
gehorsam, aufstand, und durch die Stäbe der Bambuswand schaute.

Sie sollten jedoch über den Besuch nicht lange in Zweifel gelassen
werden, denn schon wenige Secunden später riß Jim O'Flannagan selber
die Thür auf und betrat, immer aber noch einen mistrauischen Blick
umherwerfend, und von Jack und Raiteo gefolgt, das Haus, wo ihn Mrs. Tot
mit einem halb erstaunten halb mürrischen Gesicht empfing.

»Segne meine Seele Mann, wie seht Ihr aus« kreischte sie aber, als sie
einen vollen Blick auf die Gestalt des Iren geworfen, die sie jetzt erst
wieder erkannte. »Mensch, haben Euch die Feranis oder die Teufel in den
Krallen gehabt, daß sie Euch nicht einen Zollbreit gesundes Fleisch im
Gesicht gelassen? -- wenn's nicht an Eueren Haaren und Euerer ganzen
Gestalt wäre, an Eurer liebenswürdigen Physionomie hätte ich Euch im
Leben nicht wieder erkannt. Wo kommt Ihr her und was führt Euch zu mir?«

»Verdammt gastliche Frage« knurrte der Ire, ohne weitres zu ihrem Bett
gehend und sich dort, todesmatt und erschöpft, nieder werfend -- »hol
mir vor allen Dingen eine Cocosnuß, Murphy, -- heh -- hörst Du Schuft,
da in der Ecke, und laß das verdammte Buch liegen -- eine Cocosnuß will
ich haben zum Trinken.«

»Und ist es meiner Mutter Sohn zu dem Ihr Schuft sagt?« knurrte der
kleine Schuhmacher mit einem giftigen Blick nach dem so gefürchteten wie
gehaßten Manne -- »holt sie Euch selber.«

Jim wollte sich, mit einem wild ausgestoßenen Fluch wieder von seinem
Lager emporrichten, den Iren zu zwingen seinem Befehl Folge zu leisten,
Mrs. Tot aber, weniger vielleicht dem Gast zu Gefallen als indignirt daß
Mr. Murphy überhaupt Jemandem wagen konnte zu widersprechen, hinkte
auf den kleinen, in seinen warmen Rock eingeknöpften Mann zu, riß dem,
trotzig seinen Platz Behauptenden das Buch, das er auf den Knieen hielt,
aus der Hand und es hinter sich schleudernd fuhr sie mit einer solchen
Fluth von Schimpfwörtern über ihn her, denen die immer heftiger
werdenden Bewegungen noch etwas viel Schlimmeres beizugeben drohten,
daß sich Murphy endlich, wie ein bissiger Hund der gefürchteten Peitsche
gegenüber, langsam und rückwärts von seinem Stuhl hinunter und der
Thüre zu zog, durch die er gleich darauf, dem Befehl Folge zu leisten,
verschwand.

»Hol die unnütze tagdiebische Bestie der Henker« geiferte die Alte aber
noch hinter ihm her -- »sitzt da den lieben ausgeschlagenen Tag auf
seinen faulen Knochen und --«

»Na laß das Knurren Alte!« rief sie aber der Ire jetzt ungeduldig an,
»ich bin gerade nicht in einer Stimmung Dein Geschwätz anzuhören -- Du
mein Bursche da springst indessen nach dem Wasser hinunter, und siehst
ob unser Canoe in Ordnung ist, daß wir mit Dunkelwerden hier fortkommen,
denn nach dem Abendschuß patrouilliren die Boote in der Bai, und Du
Mütterchen schaffst uns schnell etwas zu essen herbei, ich bin fast
verhungert und brauche Stärke.«

»Mensch, wie seht Ihr aus und wo wollt Ihr hin?« rief aber die Alte
dagegen, sich vor ihn hinstellend und ihn aufmerksam betrachtend, »Ihr
habt eher Pflaster in Euer Gesicht wie in den Magen nöthig; wer hat Euch
denn so zugerichtet.«

»Ein Schuft, dem ich's vielleicht später noch einmal gedenken kann«
fluchte der Ire, »jetzt aber wird mir der Platz hier zu warm, und ich
muß machen daß ich fortkomme. Das lumpige Indianervolk kann sich doch
nicht auf die Länge der Zeit gegen die Franzosen halten, und nachher,
wenn sie Alle leer ausgehn, möchte die Geschichte auf mir hängen
bleiben. Ich habe überdies mein Theil ab, und könnte auch doch nicht
mehr mit schlagen und da oben in den feuchten Bergen sitzen zu bleiben
und Feis[3] zu fressen, dazu gebricht mir die Lust. Ich will wieder in
See!«

  [3] Wilde Bananen

»In See? an Bord eines Kriegsschiffs?« frug die Alte erstaunt.

»Nein, hinüber nach -- übrigens wird's wohl einerlei sein ob Ihr's wißt
oder nicht -- Schwatzen hat schon Manchen gereut, Schweigen selten. Wo
der blatternarbige Schuft nur bleibt mit der Cocosnuß -- gieb mir einen
Schluck Brandy indessen Alte, den Aerger hinunter zu spülen.«

»Mit den Wunden auf Euch?« rief Mrs. Tot kopfschüttelnd, »wenn Ihr jetzt
Brandy tränkt, trocknete Euch das Fieber die Adern aus, und schnürte
Euch das Herz zusammen.«

»Herz -- pah -- nur nicht den Hals, Mütterchen, nur nicht den Hals --
weiß der Teufel, seit mich gestern der Schuft am Kragen hatte und mich
mit fortschleifen wollte, bin ich auf einmal so furchtbar besorgt um
meine Luftröhre geworden -- s'ist auch eine nichtswürdige Erfindung
einen Menschen _daran_ aufhängen zu wollen -- Brandy, Alte, Brandy; zum
Teufel was geht Dich mein Fieber an.«

»Schrei doch nicht so« sagte Jack jetzt, während Mrs. Tot kopfschüttelnd
und innerlich murrend und schimpfend dem Befehle Folge leistete --
»Du wirst uns noch einen Besuch auf den Hals ziehn, ehe wir wieder
Salzwasser unter dem Kiel haben. Wetter noch einmal, mir wird's auch
unheimlich an Land jetzt, und das zerschossene Gesicht von dem Officier
will mir nicht aus dem Sinn; nun, ich hatt's ihm lange zugeschworen und
er hat's tausendmal an mir verdient.«

»Ich wollte Du hättest den -- Anderen so getroffen, das wär für uns
Beide besser.«

»Seh ich nicht ein« brummte Jack, -- »für Dich vielleicht -- aber bis
es für uns _Beide_ gut würde, könnten wir noch manche Ladung Pulver
gebrauchen. Nein, fort, ich habe das Leben satt, und gäbe jetzt Gott
weiß was darum, wenn mich der Teufel nicht geplagt hätte, gerade auf
dieser vermaledeiten Insel zu entwischen, wo sie uns beinah gefangen
hätten wie die Ratte in der Falle. -- Entwischen, als ob ich überhaupt
schon entwischt wäre; wer konnte sich aber auch denken daß die
Eingeborenen solchen Skandal anfingen.«

»Hah, das thut gut« sagte Jim, sich den Mund wischend, nachdem er das
ihm gereichte Glas Brandy auf einen Zug geleert und jetzt ein paar
Bissen der hinzugelegten Brodfrüchte förmlich verschlang, von der er
sich auch zugleich einen Theil in die Tasche steckte -- »das gießt
ordentlich wieder Feuer durch die Adern und giebt den Gliedern neue
Stärke.«

»Weißer Mann!« sagte in diesem Augenblick die vorsichtig gedämpfte
Stimme des Indianers, der den Kopf zur Thür herein steckte -- »ist Alles
in Ordnung -- Canoe flott und dunkel wird's auch bald -- in kleiner Zeit
können wir auf Wasser sein -- kein Boot in Sicht.«

»Gut -- komme gleich« sagte Jim, der sich das Glas noch einmal voll
geschenkt hatte, aufstehend und es wieder leerend -- »bleib draußen
am Weg wo ich Dir gezeigt habe, und wenn Jemand kommt weißt Du das
Zeichen.«

»Alles fertig« sagte Raiteo erstaunt -- »weshalb warten?«

»Weiß schon -- weiß schon, komme gleich -- mach schnell« erwiederte aber
der Ire ungeduldig und der Indianer zog sich zurück.

Jack war indessen zu Jim hinangetreten, und ein paar Worte mit ihm
wechselnd, griff er seine Waffe auf und ging zur Thür, während Jim, den
Mütterchen Tot indeß etwas mistrauisch beobachtet hatte, sich zu dieser
wandte und mit freundlicher Stimme -- wenn in den rauhen Laut überhaupt
ein freundlicher Ton gelegt werden konnte -- sagte:

»Hör, Mütterchen -- ich habe noch eine rechte Bitte an Dich, ehe wir
gehn -- wirst Du sie erfüllen?«

»Bitte? -- Bitte?« knurrte aber die Alte -- »was hab' ich mit Bitten
zu thun -- hab noch in meinem Leben Nichts von einem anderen Menschen
erbeten -- Alles bezahlt. Wo nur der Schuft von Schuster jetzt bleibt
bis spät in die Nacht hinein -- na komm Du mir zu Hause -- und meinen
Rock hat er auch mit -- heh Murphy -- Mur-_phy!_« Sie betonte die letzte
Sylbe des Wortes mit ihrer scharfen kreischenden Stimme, und der Laut
drang gellend durch den Wald.

»Alle Wetter, Mütterchen, was Du noch für eine helle Stimme hast« sagte
Jim, unruhig nach Jack zurück schauend, »aber laß das Schreien einmal
sein jetzt und beantworte mir eine Frage -- ich werde Dich sobald nicht
wieder incommodiren.«

»Und was giebt's? -- was wollt Ihr von mir?« rief die Alte mürrisch --
»Eueren Brandy habt Ihr auch noch nicht bezahlt.«

»So? nun, wir machen das dann zusammen ab« sagte Jim, während ein
spöttisches Lächeln um seine Lippen zuckte; »aber um wieder auf meine
Bitte zu kommen, Mütterchen, so bin ich wahrhaftig für den Augenblick in
Geldverlegenheit, und Du mußt mir auf ein paar Monat zweihundert Dollar
borgen?«

»Zweihundert Dollar? -- mußt?« rief aber die Alte, mehr erzürnt fast als
erschreckt über die Forderung -- »ist das etwa Euere _Bitte_, heh? --
_mußt_ zweihundert Dollar borgen, als ob ich die hundert Dollars nur so
unter den Matten herumliegen hätte, und sie vorzuholen brauchte, wenn es
irgend einem Vagabunden einfiele zu mir zu kommen und danach zu fragen.
Mußt mir zweihundert Dollar borgen -- heh Mur_phy_, ob ich den Schuft
nicht bei den Beinen aufhänge, wenn er wieder zurückkommt, die feige,
nichtsnutzige faule Canaille, die sich in den Wald und unter einen
Busch draußen drückt, wenn sie zu irgend einer Arbeit aufgerufen wird --
Mur_phy!_«

»Mütterchen Du _mußt_ sie mir borgen« sagte aber Jim jetzt, ihr näher
tretend mit unterdrückter Stimme, der man es jedoch wohl anhörte, wie
er sich nur gewaltsam Mühe gab den in ihm auflodernden Zorn noch zu
dämpfen. »Ich habe Alles Geld was ich bei mir führte bei unserem letzten
Kampf verloren, und nicht einen Franc mehr im Vermögen, und an der
Stelle, wo ich ein kleines Capital früher einmal vergraben, haben mir
die verfluchten Franzosen gerade ein Fort darauf gebaut daß ich jetzt
auch nicht dazu kann. Ich muß später wieder hierher zurück, das zu
heben, und Dein Geld ist Dir sicher.«

»Aber ich _habe_ kein Geld zum Verborgen« schrie die Alte, vielleicht
absichtlich mit lauter Stimme und mehr von seiner Annäherung
zurückweichend -- »was Ihr für mich gearbeitet, hab' ich Euch baar
bezahlt, höher bezahlt wie ich es eigentlich vor Gott und meinem
Gewissen verantworten konnte, und das Bischen Nutzen was ich durch den
Verkauf der Sachen hätte haben können, lief in Euere Taschen, eh' ich
den Spunt geöffnet.«

»Wenn Du nicht aufhörst zu schreien« zürnte sie der Ire jetzt mit
tödtlich blitzenden Augen an, »so _sag'_ ich Dir, wo Du Dein Geld hast
-- hörst Du mich? -- wirst Du jetzt Vernunft annehmen und schweigen?«

»Sagt _Ihr_ mir wo ich mein Geld habe?« rief aber die Alte, die
todtenbleich wurde und sich erschreckt umschaute -- »was wollt Ihr von
mir, Mensch? von einer alten schwachen Frau, die kaum ihr Leben noch
fristen kann in Noth und Dürftigkeit, bei diesen entsetzlichen Zeiten?«

»Ihr werdet da herum trödeln bis die Alte uns die ganze Nachbarschaft
über den Hals geschrieen hat« knurrte aber jetzt Jack von der Thür
aus -- »es wird dunkel Jim, wir müssen wahrhaftig machen daß wir
fortkommen.«

»Was habt Ihr -- was wollt Ihr?« rief aber jetzt die Alte, der zum
ersten Mal die wirkliche Absicht der beiden Buben klar zu werden schien
-- »ich habe nicht einen Franc im Hause, so wahr ich selig zu werden
hoffe -- Murphy -- Murphy!«

»Schreist Du jetzt noch einmal nach dem verdammten Schuft« zischte
ihr Jim aber da, ihren Arm ergreifend, den sie ihm vergebens wieder
zu entreißen suchte, in's Ohr -- »so thu ich etwas, das mich nachher
gereuen könnte; und nun genug Firlefanz um eine so einfache Sache. Ich
muß 200 Dollar haben, und wenn Du die so rasch und willig als möglich
herausgiebst, so schwör ich Dir hier, daß wir Dir nichts thun, Dir
nichts weiter anrühren werden, und das Geld sollst Du, sobald ich es
irgend wieder erschwingen kann, oder im Stande bin das hier auf der
Insel vergrabene auszuheben, wiederbekommen.«

»Ich habe kein Geld -- nicht einen Penny.«

»Daß Dich die Lüge ersticke, Bestie« schrie aber Jim jetzt, selber
die Geduld verlierend -- »soll ich die Calabasse unter der Lampe dort
ausgraben, und Dir die vier oder fünf andern Stellen zeigen an denen
Du noch Geld eingescharrt? heh? -- oder willst Du selber Rath schaffen?
Schnell jetzt denn wir haben nicht fünf Minuten Zeit mehr und schon viel
zu lange getrödelt.«

»Die Calabasse unter der Lampe?« schrie aber die Alte jetzt in Schreck
und Entsetzen laut auf -- »ha, Teufel die Ihr seid -- Hülfe! Mörder!« --

Die eiserne Faust des Iren lag an ihrer Kehle und erstickte jeden
weiteren Laut.

»Hier Jack« sagte der Räuber dann ruhig zu dem herbeispringenden
Genossen -- »nimm mir einmal die Alte ab, halt sie aber ruhig, indeß ich
das Geld heraufhole.« --

»Na das hätten wir vor einer Viertelstunde schon eben so bequem haben
können« fluchte der Matrose, den Mund der Alten, die sich in des Iren
Griff wand, mit einem Tuch bedeckend und verschließend -- »so Madame,
nur für ein klein Weilchen, wenn der Herr Gemahl zurück kommt, kannst Du
ihm dann die ganze Geschichte weitläufig auseinander setzen -- wird sich
unmenschlich freuen wenn er es hört. Hast Du's, Jim?«

»Noch nicht« sagte sein Kamerad, der die Lampe ohne weiteres bei Seite
geworfen hatte und die darunter befindliche lockere Erde mit seinem
großen Messer aufstach und mit den Händen hinauswarf -- »Teufel noch
einmal, das Ding steckt tiefer wie ich glaubte.«

»Weißt Du aber auch gewiß daß das der Platz ist?«

Jim lachte ohne darauf zu erwiedern und grub eifrig weiter, die
Frau aber, die sich jetzt wieder zu erholen anfing, verdoppelte ihre
Anstrengungen los zu kommen, und Jack hatte wirklich Mühe sie unter zu
halten.

»Hol der Teufel die Alte« brummte er dabei -- »sie wird es sich selber
zuzuschreiben haben, wenn sie zu Schaden kommt.«

»Da ist er« rief aber auch in diesem Augenblick Jim, die aufgestochene
Erde rasch und freudig auswerfend -- »ich hab' ihn schon mit dem Messer
gefühlt; so, jetzt wird unsere Reisecasse gleich in Ordnung sein.«

»Mach schnell Jim, ich kann die Alte wahrhaftig nicht länger halten«
rief aber auch Jack, »ich muß ihr sonst die Kehle allen Ernstes
zuschnüren -- was auch eben kein großer Verlust wäre.«

»Nein -- halt!« rief aber Jim, ohne jedoch seine Arbeit zu unterbrechen
-- »thu' ihr Nichts zu Leide, Jack, Mütterchen Tot und ich sind viel zu
gute alte Bekannte, als daß ich die Ursache ihres Todes sein möchte --
kannst Du ihr nicht die Arme und Füße binden?«

»Ich habe alle beide Hände voll zu thun, ihr nur eben den Mund
zuzuhalten« knurrte Jack.

»Hier ist der Beutel!« rief Jim und das Klirren des Geldes, das auch
wahrscheinlich an das Ohr der Eigenthümerin drang, trieb diese zu neuen
rasenden, aber doch vergebenen Anstrengungen.

»So komm wenigstens her daß Du mir sie binden hilfst« rief Jack jetzt
zwischen den, fest aufeinander gebissenen Zähnen durch -- »allein bring'
ich's nicht zu Stande.«

»Kann nicht einmal ein altes Weib bändigen« lachte der Ire, dem Rufe
jedoch nichtsdestoweniger Folge leistend. Jack hatte, wie fast jeder
Matrose, die Taschen voll dünner Seilen und kurzen Enden Tau und die
Alte lag bald, unfähig sich weiter zu bewegen, gebunden und geknebelt
auf ihrer Matratze und dem im Kampf heruntergerissenen Mosquitonetz.

»So, nun aber fort« rief Jim, »denn Murphy kann jeden Augenblick wieder
zurück kommen und besser ist besser. Da Jack, vergiß Dein Gewehr nicht
und nimm unsere beiden Bündel, ich trage das Geld -- wir haben genug!«
und mit heiserem Lachen sprang er, von dem Kameraden gefolgt, aus der
Thür, den schmalen Pfad entlang der nach dem Wasser führte, und sich
eben noch in dem dunklen Schatten erkennen ließ. Kaum aber hatten sie
die Hütte zehn Schritt hinter sich, als das gellende Angstgeschrei der
Alten, die sich gewußt hatte von ihrem Knebel zu befreien, an ihr Ohr
schlug, und beide erschreckt halten machte.

»Der alte Drachen wird den ganzen Wald rebellisch machen« rief Jim mit
dem Fuße stampfend -- »weißt Du denn noch nicht einmal einen Knebel
einzudrehn?«

»Ach laß sie schreien« brummte Jack, »in zehn Minuten sind wir auf dem
Wasser und in der Dunkelheit finden sie doch unsere Spur nicht.«

»Nein, nein« rief aber Jim ängstlich, »wir können nicht gerade im See
halten und müssen erst lange Strecke an den Riffen hin -- wenn der
Alarm gegeben wird, kommen uns doch am Ende die Boote in den Weg. Spring
zurück und drück ihr den Knebel wieder ein, aber mach rasch, ich bringe
indeß das Geld in Sicherheit -- Du kennst ja mein Zeichen.«

»Wart lieber hier, ich könnte mich verirren« rief aber der, mit dem
Walde gar nicht vertraute Jack, »hol der Teufel die Bäume, einer sieht
wie der andere aus.«

»So mach rasch« rief Jim -- »Raiteo wird auf uns warten.«

Jack sprang in das Haus zurück und Jim horchte einen Augenblick, bis
der Kamerad hinter den Guiaven verschwunden war, sprang aber dann mit
flüchtigen Sätzen dem Strande zu, Raiteo zu treffen.

Dieser befand sich jedoch keineswegs auf der bezeichneten Stelle,
sondern war ein sowohl sehr überraschter, als erstaunter Zeuge der
letzten Scene gewesen. Stutzig gemacht nämlich, durch den barschen
Befehl das Haus zu verlassen, und mistrauisch gegen die beiden Männer,
fiel ihm auch zugleich wieder das unter den Insulanern bestehende
Gerücht ein, Mütterchen Tot sei steinreich und habe ihre ganze Hütte mit
Silberstücken gepflastert, über die nur eben wieder dünne Erde gestreut
wäre. Vor der Habgier der Eingeborenen schützte sie freilich auch der
Ruf ihres Einverständnisses mit bösen Geistern (Murphy las deshalb auch
nur immer in der Bibel, diese von sich abzuhalten), aber mit den Weißen
war das etwas anderes und er fand denn auch, wie er sich nur vorsichtig
hinter die Bambusstäbe gedrückt, seinen schlimmsten Verdacht gar bald
bestätigt.

Als Jack nach dem Hause zurücksprang, lag der Insulaner, nicht fünf
Schritt von den beiden versteckt, in dem dichten Unterbusch, unschlüssig
was zu thun, und erst als er den einen, _mit_ dem geraubten Gelde dem
Strande zu fliehen sah, folgte er diesem -- sein Vortheil lag da, wo er
das Geld wußte.

Einen Augenblick hielt aber selbst Jim in seinem Lauf ein als ein
gellender wilder Angstschrei von der Hütte her an sein Ohr schlug.
Dann war Alles ruhig -- todtenstill, und nur einen Fluch in den Bart
murmelnd, setzte er seinen Weg fort und hatte eben den Rand des kleinen
Flusses und damit eine schmale offene Lichtung erreicht, wo gerade
Raiteo seiner harren sollte, als er es rechts und links in den Büschen
rascheln hörte und bestürzt stehen blieb, des Geräusches sicher zu sein,
ehe er sich dem offenen Platz anvertraute.

»Raiteo!« rief er dabei mit leiser, vorsichtig gedämpfter Stimme, und
gab das verabredete Signal -- aber kein Raiteo antwortete, denn dieser,
obgleich dicht hinter ihm, hatte ebenfalls etwas vernommen das da nicht
hingehörte, und wollte jedenfalls erst wissen was es sei, ehe er selber
durch irgend eine Antwort seine Gegenwart verriethe.

Alles war todtenstill, als plötzlich ein wilder, wirrer Lärm von der
Richtung wo er hergekommen zu ihnen herübertönte, und gleich darauf ein
Schuß fiel.

»Tod und Teufel, das war Zeit« lachte Jim in sich hinein -- »sollte mich
gar nicht wundern wenn Jack in einen warmen Platz gerathen ist; jetzt
aber auch fort --« und mit ein paar Sätzen die Lichtung überfliegend,
begrüßte er mit einem Freudenruf das dort versteckt gehaltene Canoe. --
Noch aber hatte sein Fuß es nicht berührt als es wieder an beiden Seiten
in dem Dickicht raschelte und brach, und zwei dunkle Gestalten plötzlich
daraus vorsprangen.

=»Hell and damnation!«= schrie der Verbrecher, der kaum Zeit behielt
das geraubte Geld in einen Busch hinein fallen zu lassen und sein Gewehr
aufzugreifen, als sich auch der Eine der Männer gegen ihn anwarf, dessen
Gesicht er nur zu wohl erkannte.

»Haben wir Dich, Kamerad!« rief der Bootsmann der Jeanne d'Arc, als er,
den kurzen Cutlaß[4] in der Faust, unerschrocken gegen die vorgehaltene
Waffe des Iren ansprang -- »ergieb Dich, denn Du bist mein Gefangener.«

  [4] Kurze Degen an Bord von Schiffen gebrauchlich.

»Noch nicht« zischte aber der zur Verzweiflung getriebene zwischen den
Zähnen durch, und die abgefeuerte Kugel riß dem Feind die linke Backe in
demselben Moment auf, als sein Cutlaß das Bayonnett zur Seite schlug.
Im nächsten Moment war aber auch der andere Matrose an seiner Seite, und
sich auf den Iren werfend, umfaßte er diesen mit seinen sehnigen Armen
und riß ihn mit sich zu Boden. Jim O'Flannagan lag, wenige Minuten
später, überwunden und gebunden in der Gewalt seiner Feinde.

»So -- das war abgemacht« sagte der Bootsmann ruhig, der sich jetzt die
verwundete Backe hielt, und das Blut zu stillen sucht. -- »Peste, wie
mich der Schuft jetzt zugerichtet hat, und es war gut gemeint -- aber
den Andern werden sie wohl auch erwischt haben. Der kleine rothhaarige
Schuft hatte doch recht, daß er uns hier herum zu Wasser schickte, und
wie ich nur das Canoe sah wußt' ich daß wir ihn abfangen würden. Aber
hallo, was ist das?«

»Indianer, bei Gott!« sagte der andere Matrose, nachdem sie eine kurze
Weile einem neu beginnenden Lärm und Schreien gelauscht, dem gleich
darauf das Knattern eines förmlichen Kleingewehrfeuers folgte.

Jim horchte hoch auf -- da war Hülfe möglich -- wenn ihn die Insulaner
hier entdeckten hätten sie ihn jedenfalls befreit, und er stieß jetzt
plötzlich mit lauter gellender Stimme den oft gehörten Schlachtschrei
derselben aus!

»Brav gemacht mein Junge« lachte aber der Bootsmann, mit dem Kopfe
nickend -- »recht brav für Dein Alter, schade nur, daß Du deine Lunge
so ganz umsonst anstrengst« -- und dann seine Pfeife an die Lippen
bringend, that er einen kurzen scharfen Pfiff, dem gleich darauf durch
die regelmäßigen Ruderschläge eines heranschäumenden Bootes geantwortet
wurde.

»Hier den Burschen in's Boot und vier mit ihm zurück, so rasch Ihr könnt
nach Papetee -- Ihr Anderen mit Eueren Waffen her zu mir.«

Dem Befehl ward augenblicklich Folge geleistet, der sich aus allen
Kräften sträubende Verbrecher in's Boot geworfen, und wie der größte
Theil der Mannschaft an Land gesprungen war, glitt das scharfgebaute
Fahrzeug geräuschlos wieder zurück in die Fluth und verschwand gleich
darauf unter dem dichten Schatten der überhängenden Uferbäume;
die Matrosen aber folgten still und schweigend dem ihnen rasch
voranschreitenden Bootsmann dem Schauplatz des Kampfes zu, der jetzt
wieder heißer zu entbrennen schien.

Ueber den Platz aber, als ihn Alle verlassen, glitt die dunkle Gestalt
des Insulaners, des schlauen Raiteo, der in seinem Versteck ein stiller
Zeuge des Ganzen gewesen. Das Boot mit seinem Gefangenen, übrigens wie
der forteilende Trupp der Seeleute, schien ihn wenig zu interessiren --
er horchte nur aufmerksam einen Augenblick nach beiden Seiten hin,
ob auch wirklich Alle den Platz verlassen und keiner von ihnen
zurückkehrte, ihn zu stören, und als er sich davon überzeugt, schlich er
sich geräuschlos zu der Stelle hin wo das Canoe angehangen lag, und Jim
O'Flannagan von den vorspringenden Seeleuten überrascht war. Die schon
stark eingebrochene Dämmerung ließ ihn gerade noch erkennen was er
suchte, den dort eingeworfenen Sack mit Geld, und während sich ein
höchst selbstzufriednes vergnügtes Lächeln über seine Züge stahl,
verschwand er mit seinem so ohne alle Anstrengung erbeuteten Schatz in
der Dickung.

       *       *       *       *       *

Jack hatte indessen seinen Auftrag rasch und vollständig ausgeführt,
als er aber die Hütte wieder verließ sah er todtenbleich aus und sein
stierer Blick starrte wild und mistrauisch umher.

»Jim!« rief er, als er mit flüchtigen Sätzen den Pfad hinabspringend den
Kameraden nicht auf der alten Stelle fand. »Jim -- wo zum Teufel steckst
Du -- ist das auch der rechte Weg?« rief er dann sich bestürzt und
unsicher umschauend -- »hier der Baum lag doch vorher hier nicht -- na
_das_ fehlte mir jetzt« und mit ausbrechender Angst floh er die wenigen
Schritte zum Haus zurück, dort zu sehn ob noch irgend ein anderer Pfad
nach dem Wasser hin auszweige.

»Hier ist er -- halt ihn -- steh Schurke!« rief es in dem Moment von
drei vier Seiten -- Jack, mit einem Angstschrei zusammenfahrend, griff
sein Gewehr auf, aber der Finger berührte zu früh den Drücker und der
Schuß ging in die Luft, während sich von drei oder vier Seiten die
Soldaten auf ihn warfen, ihn entwaffneten und seine Hände banden.

»So mein Bursch'« sagte Bertrand, der an ihn hinangetreten war und ihn
erkannt hatte -- »haben wir Dich wieder? -- wo ist Dein Kamerad?«

»Schenkt mir das Leben ich will Euch Alles gestehn!« schrie der
Unglückliche in Verzweiflung in die Knie brechend.

»Untersucht das Haus erst ob Ihr nicht den Andern darin findet -- der
größte Hallunke fehlt noch immer« rief aber der Lieutenant ohne auf
das Gewimmer des Mannes zu achten. »Tod und Teufel wenn er uns wieder
entgangen sein sollte. Ha, was ist das da?«

Er hatte Ursache zu fragen, denn vier oder fünf Schüsse fielen in diesem
Augenblick aus dem Dickicht, und wilde Zurufe antworteten sich herüber
und hinüber.

»Die Insulaner!« rief René, das Gewehr aufgreifend, daß der Gefangene
hatte fallen lassen -- »alle Wetter, Bertrand, wenn wir einen Trupp der
Burschen über uns bekommen, können wir uns gratuliren.«

»Bleib Du bei den Gefangenen René« -- rief ihm der Freund zu -- »wir
haben das Haus oben umzingelt und dürfen den Iren nicht aufgeben, wenn
er drinnen steckt. Du magst zwei Mann noch bei Dir behalten. Wir werfen
die Insulaner zurück und ziehen uns dann von hier nach dem nicht so
fernen breiten Weg hinunter; sobald es dunkel wird können sie auch
nichts machen.«

Der Officier rief seine Leute zusammen und rückte rasch zum Entsatz
nach der Hütte hinauf, während René mit den beiden Seeleuten als Wache
zurückblieb; aber es war ihm ein unbehagliches Gefühl, einen wieder
eingefangenen Matrosen zu bewachen -- sein eignes Bild stieg ihm vor der
Seele auf, und er hätte Gott weiß was darum gegeben, den Mann befreien
zu dürfen.

»Was hast Du verbrochen, mein Bursche?« frug er, zu ihm hinantretend,
»daß Du das Weite suchen mußtest?«

»Nichts, Ew. Gnaden, auf der weiten Gotteswelt, als Schiffs müde« --
stöhnte der Mann, von dem freundlichen Tone getroffen -- »und ein armer
Rücken wird's jetzt sein, der für die Beine bezahlen muß -- oh armer
Jack, armer Jack.«

René hatte sich die Patrontasche umgehangen, die man dem Gefangenen
abgenommen und fing an sein Gewehr zu laden -- er hatte dem Gebundenen
den Rücken zugedreht, und hörte wie die Leute heimlich mit ihm
flüsterten.

»Wenn sie klug sind« dachte er bei sich selber, »werden sie wissen was
sie zu thun haben -- ich sollte nicht an ihrer Stelle sein.«

Die regelmäßigen raschen Schritte von Europäern kamen vom Wasser herauf
-- es war der Bootsmann mit seinen Leuten der das Schießen gehört. Kaum
hatten diese aber die kleine Gruppe erreicht, als dicht vor ihnen
auch wieder ein anderer Trupp Indianer hereinbrach und wahrscheinlich
geglaubt hatte, den am Haus befindlichen Franzosen den Rückzug
abzuschneiden. Diese wurden aber warm von der Bootsmannschaft empfangen,
und noch im Kampf sah René wie sich der Gefangene vom Boden aufrichtete.

»Lauf« dachte er bei sich selber, »wenn Du weiter nichts verbrochen
hast« und nicht unmittelbarer Zeuge zu sein, trat er ein paar Schritte
in das Dickicht, das jetzt geladene Gewehr in der Hand, hinein, als er
sich plötzlich gefaßt und zu Boden geworfen fühlte und gleich darauf
gellte ein wilder Jubelruf an sein Ohr. Rings um ihn her brachen und
rauschten die Büsche -- Schüsse fielen und wilde halbnackte Gestalten
sprangen über und neben ihm hin. Aber nicht halten konnten sie sich
gegen die Uebermacht -- von dem Haus zurück stürmte jetzt Bertrand mit
den Seinen, dem Kampfplatz zu, und René hörte wie die Insulaner sich
ebenfalls zur Vertheidigung sammelten. Er wollte um Hülfe rufen, aber
seine Stimme wurde von dem, ihn umtobenden Lärm übertäubt -- er wollte
sich aufrichten, aber vier kräftige Arme umschlangen ihn, und während er
die Kugeln der Freunde konnte um sich her einschlagen hören, trugen ihn
die Sieger weiter in das Dickicht hinein, wohin ihnen die Europäer jetzt
gar nicht mehr wagen durften zu folgen. Weiter und weiter entfernte sich
der Lärm der Kämpfenden, denn die Insulaner folgten den sich jetzt nach
Papetee zurück ziehenden Franzosen auf dem Fuß, sie wenigstens noch so
viel als möglich zu belästigen, und verhallte endlich in der Ferne. Erst
dann ließen ihn die Eingeborenen wieder auf den Boden nieder, und er
wurde jetzt mit ziemlich barscher Stimme bedeutet, ihnen in die Berge zu
folgen.




Capitel 3.

Das Lager der Insulaner.


René befand sich in der keineswegs angenehmen Lage, mit auf den
Rücken gebundenen Händen durch ein Dickicht in völliger Dunkelheit zu
marschiren, wo man am hellen Tage seine Bahn kaum finden konnte. Die
Guiaven wurden hier auch wirklich so dicht, daß die Insulaner selber
nicht mehr darin fortkamen, wenigstens ihren Gefangenen nicht weiter
bringen konnten, und deshalb beschlossen, da, wo sie sich gerade befanden
zu lagern; erst am nächsten Morgen mit Tagesanbruch ihr Lager in den
Bergen zu erreichen. Sie schienen auch keineswegs zu befürchten hier von
Feinden überrascht zu werden, denn sie rieben sich Feuer an, räumten
bei dessen Schein einen kleinen Platz in dem Dickicht frei, wo sie sich
ordentlich ausstrecken konnten, und während Einzelne zum Fouragiren
abgeschickt waren, und etwas später mit allen möglichen Früchten und
sogar einem Ferkel zurückkamen das sie, Gott weiß wie, im Dickicht
überrascht hatten, wurden Steine glühend gemacht und Einer ihrer
gewöhnlichen Bratofen gegraben, um den sie sich bald, rings von kleinen
Qualmfeuern umgeben die Mosquitos abzuhalten, sammelten, und nun an zu
lachen und zu erzählen fingen, als ob sie sich mitten im Frieden und
nicht auf einem Streifzug befänden, der ihnen jeden Augenblick wieder
Speer oder Musketen die Hand drücken konnte.

René hatte Anfangs gehofft er werde unter der Schaar wenigstens einen
oder den anderen Bekannten finden, es schienen aber lauter Eingeborene
von der anderen Seite der Insel, ja vielleicht gar von Imeo, von wo
schon einzelne Canoes mit Kriegern heimlicher Weise gelandet waren, den
Brüdern auf Tahiti im Kampf gegen ihre Feinde beizustehn, was auf keiner
Insel so wirksam ausgeführt werden konnte, wie gerade hier.

Mit lauter fremden Gesichtern um sich her, machte er dann auch gar
keinen Versuch die Leute zu überzeugen, wie er gerade mit der ganzen
Sache am wenigsten zu thun gehabt, suchte sich einen warmen Platz an
einem der Feuer, wo er sich unter den Rauch legen konnte, und bat dann
Einen der Eingeborenen ihm die Hände los zu binden da er schlafen wolle,
und das auf diese Weise nicht möglich machen könne.

Der Insulaner sah ihn erst erstaunt an; er hatte wahrscheinlich gar
nicht geahnt, daß der Wi Wi so fertig ihre Sprache spräche, willfahrte
ihm dann aber, da keine Gefahr war daß er sich ihnen durch die
Flucht entziehen könne, und nachdem René noch gesehen, wie Wachen in
verschiedenen Richtungen ausgestellt wurden, einem wenn auch nicht
wahrscheinlichen, doch möglichen Ueberfall zu begegnen, schob er sich
einen daliegenden Stein unter den Kopf, warf sich auf die rechte Seite
und war bald, unbekümmert um das Lachen und Lärmen um ihn her und
die Gefahr in der er sich vielleicht selber befand, sanft und süß
eingeschlafen.

Am nächsten Morgen weckte ihn in der That erst der Morgenschuß der
Fregatte, der voll und dröhnend zu ihnen herüberbrach, und sein
schmetterndes Echo in den Bergen fand. Eine Dämmerung existirt in diesen
Breiten gar nicht, der Tag beginnt faktisch erst mit der Sonne, und
Phöbus überrascht die Nacht, wenn er mit seinem leuchtenden Gespann dem
Meer entsteigt.

Die Insulaner hatten sich indeß schon zum Aufbruch gerüstet, man gab
ihm ein Stück kalte geröstete Brodfrucht und ein paar Bananen, und der
kleine Trupp setzte sich dann, den Gefangenen in die Mitte nehmend,
wieder in Bewegung, bald darauf das Thal erreichend in dem das Lager
sich befand, und wo sie einen schmalen Fußpfad trafen, dem sie mit
geringerer Anstrengung folgen konnten. Seine Hände hatte man ihm
übrigens nicht wieder gebunden -- er hätte auch den flüchtigen Söhnen
dieser Wälder im Leben nicht hier entspringen können.

Nach stündigem Marsch etwa, bei dem sie sich übrigens langsam
fortbewegten, erreichten sie die ersten ausgestellten Vorposten der
Eingeborenen, mit Musketen und Seitengewehren bewaffnet, die sich eifrig
nach den Vorgängen des verflossenen Abends, von denen sie schon gehört
zu haben schienen, erkundigten. Sie hielten sich aber nicht bei ihnen
auf, sondern stiegen jetzt mit schnelleren Schritten das schmale Thal
hinan, hie und da von einzelnen, rings an den steilen Wänden und hinter
Felsstücken wohl verdeckten Posten angerufen, die auch durch Zeichen und
einen eigenthümlich ausgestoßenen Schrei ihre Ankunft weiter meldeten.

Endlich öffnete sich das Thal etwas, die Bergwand lief hier weniger
steil zum Wasser nieder und bildete eine Art Kessel, in dem René einfach
aufgeworfene Schanzen zu finden erwartete, sich aber hier zu seinem
Erstaunen plötzlich in einer förmlichen kleinen Colonie sah, in
der Hütten ringsum errichtet, die Guiaven und anderen Sträucher
niedergehauen und mit ihrem Holz zwar nicht sehr hohe, aber sicherlich
sehr feste und schwer zu überwindende Barrieren errichtet waren. Kanonen
hatten sie hier nicht zu fürchten, für die zuerst eine vollständige
Straße hätte ausgehauen werden müssen, und einem Angriff von
kleinem Gewehrfeuer, gegen das sie auch noch überdies ein im Inneren
aufgeworfener niederer Erddamm schützte, konnten sie hoffen mit Erfolg
zu begegnen.

Was aber René vor allem Anderen überraschte war die vollkommene Ruhe die
in dem kleinen Lager herrschte -- man hörte weder Singen noch Schreien,
sah weder tanzende noch lachende Gruppen, und nur hie und da standen
einzelne kleine Trupps zusammen, sich leise mit einander unterhaltend.
Das Rauschen der mächtigen Baumwipfel unterbrach kaum die feierliche
Stille.

Es war Sabbath -- der Sabbath der Eingeborenen wenigstens, und selber
der Gefangene wäre nicht weiter beachtet worden, hätte nicht René Viele
der hier Versammelten gekannt und auf sie zugehend sie begrüßt.
Die aber, die ihm sonst freundlich die Hand geschüttelt und ihm das
herzliche Joranna entgegengerufen, wandten sich theils ab, ihn nicht zu
sehen, theils nickten sie einfach mit dem Kopf und drückten sich dann
langsam aus seiner Nähe, nicht weiter mit ihm in Berührung zu kommen. Es
war augenscheinlich daß sie ihn vermeiden wollten, und René fühlte das
kaum, als ihm das Blut auch schon in Zorn und Unmuth in die Schläfe
stieg und er sich finster, die Arme auf der Brust verschränkt, an einen
mächtigen Mapebaum lehnte, das Resultat seiner Gefangennahme ruhig
abzuwarten.

Er hatte noch nicht lange so gestanden, als eine kleine Glocke läutete
und die Insulaner, die wie René zu seinem Erstaunen jetzt sah, gar keine
Waffen zu haben schienen, alle dem entfernteren Ende des Lagers zuzogen,
wo roh von Steinen gebaut eine Art Rednerstand aufgerichtet und ein
schlanker danebenstehender schwacher Baum abgekappt und mit einem Bret
darauf befestigt war, gewissermaßen zur Kanzel zu dienen.

»Auch eine Predigt?« murmelte René erstaunt vor sich hin -- »Wetter
nocheinmal, die Burschen haben sich hier so häuslich eingerichtet, als
ob sie gar nicht wieder zum Wasser hinunter zu ziehn gedächten, und kein
Gewehr zu sehn, kein Degen, kein Speer, womit, zum Henker, wollen sie
sich denn vertheidigen, wenn sie hier angegriffen werden? -- Ha, Mr.
Rowe« unterbrach er sich aber wirklich überrascht, als der finstere Mann
aus einer kleinen, gar nicht so weit von ihm entfernten Hütte trat, und
fast dicht an ihm vorüber, ohne den Blick aber nur ein einziges Mal zu
ihm aufzuheben, der wunderlichen Kanzel zuschritt.

Die Insulaner hatten sich indessen Alle um ihn versammelt, nur vier
ausgenommen, die dem jungen Franzosen augenscheinlich als Wache
beigegeben waren. Es dauerte auch nur wenige Minuten länger, so begann
der religiöse Gesang, irgend eine von den Missionairen in's Tahitische
übersetzte Hymne nach der Melodie eines alten Englischen Volksliedes,
deren sie sich wunderbarer Weise am meisten bedienten[5] und Vers nach
Vers zog sich monoton und bleiern durch eine volle Stunde tödtend hin.

  [5] Die Missionaire, von denen wohl wenige musikalisch sein mochten,
  hatten in früheren Jahren den Indianern zu ihren Hymnen keine anderen
  Melodieen bringen können, als die, die ihnen noch vom alten Vaterland
  im Gedächtniß waren, meist Volkslieder, denen sie den frommen Text
  dann anpassen mußten.

»Das wird langweilig, meine Burschen« sagte René endlich, der jetzt wohl
einsah daß ihm nichts anderes übrig blieb, als den Gottesdienst ruhig
und geduldig auszuhalten, und der sich indessen die Zeit durch ein
Gespräch mit seinen Wächtern zu kürzen hoffte, »treibt Ihr's hier alle
Tage so, oder blos am Sabbath?«

»Bst!« sagte aber der älteste der Eingeborenen mit einem verdrießlichen
Kopfschütteln -- »bst -- nicht sprechen, Ferani; heute ist Sabbath,
heute darf Nichts gethan werden wie beten. Du mußt still sein.«

»Das hat mir noch gefehlt« brummte René mit einem tief aufgeholten
Seufzer -- »Hunger und Beten -- heut' werd ich ein richtiger Büßer und
kann einen Theil meiner Sünden los werden.« Wohl wissend aber daß mit
den Wilden in dieser Hinsicht nichts anzufangen war, und auch nicht
gesonnen sich hier oben, nun doch einmal in ihrer Gewalt, vielleicht
noch mehr Feinde zu machen, wenn er ihre Andacht auf eine oder die
andere Art störte, warf er sich unter den Baum, drehte der frommen
Versammlung den Rücken zu, und versuchte zu schlafen.

»Könnte Dir auch nichts schaden wenn Du ein Bischen zuhörtest und
was lerntest« sagte der Eine wieder leise zu ihm -- »Miti Aue ist ein
tüchtiger Mann und weiß Alles ganz genau was einmal geschehen wird.«

»Ich wollte er könnte mir dann sagen wo ich morgen um diese Zeit bin«
lachte René.

»Bst« sagte der Eingeborene wieder rasch und erschreckt -- »nicht so
laut -- wenn Du auch kein Christ bist, kannst Du doch Frieden halten.«

René biß sich auf die Lippen, aber er erwiederte Nichts weiter und
lehnte sich zurück zum Schlafen. Der Gesang hatte jetzt aufgehört und
die Predigt begonnen, und der junge Mann hörte in einer Art Halbtraum
die scharfe gellende Stimme des ehrwürdigen Mr. Rowe, die in klappernder
monotoner Weise, die einzelnen Sätze schroff von einander gerissen,
diesen Kindern des Südens die starren Dogmen der christlichen Religion
erklärte, und sie vor dem Antichrist warnte, der mit scharfen Krallen
vor ihrer Thüre läge und sie drohe zu verschlingen, wie sie die Schwelle
überträten.

»Christen _nannten_ sie sich, jene Menschen, die das Volk verführten,
ihre Religion und ihren Sabbath mit Füßen traten, ihre Regierung
stürzten, ihre Männer erschlugen, ihre Frauen entehrten, und von den
sicheren Schiffen aus die tödtlichen Kugeln in friedliche Wohnungen
und Hütten schleuderten. Christen _nannten_ sie sich, aber sie
_verleugneten_ den Herrn, sie verleugneten sein Wort und ihre Priester;
anstatt im Sack und in der Asche Buße zu thun, gingen in Gold und Silber
blitzenden Gewändern einher, ein Greuel dem Herrn und jedem frommen
Christen. Aber Gottes Donner schlief _nicht_, seiner Rache Blitz lag
gerichtet schon in der gehobenen Hand, und seine unendliche Langmuth
nur verzögerte noch den Wurf, der Verderben niederschleudern sollte
und mußte auf die Verräther und Feinde dieses Insellands. Wehe den
Strafbaren, wehe den Meineidigen -- wehe den Mördern -- wehe den
Gotteslästern und Bibelschändern -- wehe allen die sich schuldig wußten
in der letzten Stunde des Gerichts, denn des Herren Rache würde sie
treffen in das siebente und zehnte Glied, und ihren Saamen vertilgen von
der Erde!«

Wilder und drohender hallte die Predigt von des geifernden Mannes
Lippen, seine Rede war eine Rede des Zorns und der Rache; sie machte
das Blut kochen in den Adern, bei Freund und Feind, und die Hand suchte
unwillkürlich eine Waffe dem zornigen ingrimmigen Wort die That folgen
zu lassen zu Haß und Blut.

René konnte es zuletzt nicht mehr ertragen; er sprang auf von
seinem Lager und ging mit raschen Schritten und fest über die Brust
geschränkten Armen auf dem kleinen Raume hin und wieder, von seinen
Wächtern mistrauisch dabei mit den Augen verfolgt. Aber er dachte nicht
an Flucht, und nur die Scheu den Gottesdienst dieses Volkes als Katholik
zu stören, und dem Missionair noch mehr Ursache zu geben wider ihn und
seine Landsleute zu eifern, hielt ihn ab, nicht mitten in die feindliche
Predigt hinein zu springen und dem fanatischen Priester den Lug und Trug
seiner Rede in's Gesicht zu schleudern.

Die Predigt hatte sich endlich mühsam und krampfhaft dem Schluß
zugewandt; das letzte Gebet folgte, die Eingeborenen wandten sich,
der Sitte der Methodisten nach, ab von dem Geistlichen, ihr Gebet zu
verrichten, und ein stiller heiliger Friede schien, mit dem Verhallen
der rauhen feindlichen Worte, über den Betenden zu ruhen.

Ein Schuß!

Wie durch Zauberei änderte sich das Bild -- die Schaar der Frommen, auf
die Knie niedergeworfen in brünstigem Gebet -- keine Waffe zu sehn, die
den feindlichen Charakter dieses Lagers in der Wildniß hätte verrathen
können, kein Laut zu hören wie das dumpfe Murmeln der zu ihrem Gott
erhobenen Stimmen. Da hinein brach der Knall des in geringer Entfernung
abgefeuerten Gewehrs, die Männer schnellten im Nu empor, und nach allen
Seiten auseinander stiebend enthüllte jeder Stein fast, und jeder Busch,
jede wie nachlässig hingeworfene Matte, jeder Streifen zusammengereihter
Pandanusblätter, der zum Bedachen irgend einer neuen Hütte verwandt
werden sollte als der Sabbath die Arbeit unterbrach, einen Haufen
Gewehre oder Lanzen, Speere, Patrontaschen, Säbel, Messer und Beile,
und die wirbelnde Trommel rief die verschiedenen Trupps zu ihren, schon
vorher bestimmten Sammelplätzen, den Feind zurück zu weisen, der es
wagen sollte, sie in dieser festen Stellung anzugreifen.

René war mit staunender Bewunderung Zeuge der fabelhaften Schnelle
gewesen, mit der sich die Kirche hier vor seinen Augen, und wie nach der
Berührung eines Zauberstabes, in ein trotziges Kriegslager verwandelte,
und der ehrwürdige Mr. Rowe allein schien regungslos bei dieser
plötzlichen Metamorphose seine Stelle behauptet zu haben. Nur mit
erhobenen Händen und Augen stand er da, Vergebung niederflehend von dem
Herrn der Heerschaaren für das Häufchen der Gläubigen, die durch den
rücksichtslosen Feind gezwungen wurden doppelte Sünde zu begehen, den
Sabbath zu brechen und vielleicht noch gar Bruderblut zu vergießen, und
die Frauen und Mädchen schaarten sich in ängstlicher Erwartung um ihn
her, mit jeder Secunde das jetzt gekannte und gefürchtete Pfeifen der
Kugeln und das Prasseln des Kleingewehrfeuers zu erwarten, das wieder
Viele der ihrigen, vielleicht Väter, Brüder und Gatten niederschmettern
sollte in ihr frühes, freudloses Grab.

Aber es kam nicht -- Alles blieb ruhig, und wohl zehn Minuten standen
die Krieger in gespannter, peinlicher Erwartung. Ein einzelner Indianer
wurde zuletzt von den Wachen angezeigt, der langsam den Pfad herauf kam
und mit seinem Tuche winkte. Die Posten kannten ihn, René aber konnte
einen Ausruf des Staunens nicht unterdrücken, als er in dem Boten, denn
als solcher wies er sich aus, seinen alten Freund oder Feind, wie die
Sache gerade stand, von Atiu, als er Raiteo in ihm erkannte.

Raiteo hatte auch ihn jedenfalls gesehn und erkannt, denn ein eignes
zweideutiges Lächeln zuckte um seine Lippen, aber er drehte weder den
Kopf nach ihm um, noch kümmerte er sich im mindesten um ihn, sondern
schritt gerade hindurch durch die ihm bereitwillig Platz machenden
Krieger, direkt auf den Missionair zu, der sein Gebet jetzt ebenfalls
beendet zu haben schien und ihn mit fragenden finsteren Blicken
erwartete.

»Wer hat geschossen? -- wer hat den Frieden unsers Sabbaths gestört?«
-- frug der Geistliche streng, als ihm der Indianer gegenüber stand, und
eine derartige Anrede erst wirklich erwartet zu haben schien -- »sind
unsere Gesetze, die Gesetze Gottes nicht streng genug solchen Frevel zu
verhüten oder, wenn geschehen, zu bestrafen? -- wo kommst Du her jetzt,
Bruder Raiteo und was bringst Du? -- antworte wenn ich Dich frage, denn
meine Zeit ist kostbar, und jede Minute wird dem Heiligsten, Höchsten
dieser sündhaften Erde abgezogen und ist unwiederbringlich verloren.«

»Wer geschossen hat weiß ich nicht,« entgegnete Raiteo vollkommen
ruhig, und wenig bekümmert wie es schien um die harten Worte seines
Vorgesetzten -- »es wird wahrscheinlich einer von den Schildwachen
gewesen sein, die das Signal gaben, als sie die Franzosen den Berg
herauf kommen sahen.«

»Die Wi Wis?« riefen die ihm nächst stehenden Indianer rasch -- »wo sind
sie -- wie viel -- haben sie Kanonen mit.«

»Sie bringen eine Botschaft von Papetee« fuhr Raiteo aber, gegen den
Geistlichen gewandt, fort.

»Was wollen sie von uns?« frug dieser finster -- »heute ist kein Tag
mit ihnen zu verhandeln -- der Sabbath ist heilig und darf nicht
_ihret_wegen gebrochen werden.«

»Wenn Du eine Botschaft von den Feranis bringst, Bursche, so hast Du
Dich damit an _mich_ zu wenden und an Niemand anders!« unterbrach in
diesem Augenblick eine ernste tiefe Stimme das Gespräch der beiden, und
der alte wackere Häuptling Utami, einen Tapamantel um seine Schulter
geschlagen, der nur den rechten mit einem langen Europäischen
Pallasch bewehrten Arm frei und nackt ließ, trat aus einer Gruppe von
Eingeborenen vor und dem Boten gegenüber.

»Bruder Utami« sagte Mr. Rowe mit etwas scharfer zurechtweisender
Stimme, »ich verkündete in diesem Augenblick das Wort des Herrn an
heiliger Stätte, und es war richtig, glaub ich, _meiner_ schwachen
Meinung nach, daß sich der Bote, noch dazu ein junger Diener des
Höchsten durch unsern schwachen Beistand, an _mich_ wandte, die
Entweihung des Sabbaths zu entschuldigen.«

»Bringst Du Botschaft über irgend etwas das mit Gottes Wort in
Verbindung steht?« frug der Häuptling finster, ohne auf den Einwurf
weiter zu achten.

»Botschaft von den Feranis unten, Utami.«

»Dann hast Du das Wort auch an _mich_ zu richten, als den Häuptling
und an niemand Anders« lautete die barsche Antwort, die das Blut in die
Wangen des Priesters jagte, aber er wagte doch nicht dem ernsten
Mann entgegen zu treten, und die Finger falteten sich wieder wie
unwillkürlich in einander und die Augen suchten den Himmel -- es war ein
Blick der Versöhnung, der aber an Utami leider total verloren ging.

»Wer feuerte den Schuß?« frug jetzt der Häuptling wieder und sah den
Insulaner forschend an.

»Einer der Posten glaub ich, als sie die Wi Wis den Berg heraufkommen
sahen, und wahrscheinlich glaubten es kämen mehr hinterdrein.«

»Wie viele sind es ihrer?«

»Drei blos, als Abgeschickte.«

»Und was wollen sie von uns?«

»Daß Du den gestern gefangengenommenen Wi-Wi frei gebest und mit ihnen
zurückgehen lassest in's Lager. Er gehörte nicht mit zu den Soldaten und
wäre ganz aus Versehn gestern gefangen genommen.«

»Und ist das ein Grund unsere Sabbathfeier zu unterbrechen?« rief aber
jetzt Bruder Rowe die Hände in Staunen und Entrüstung zum Himmel gehoben
-- »sollen wir, eines gefangenen Katholiken wegen, der gastlich an
dieser Küste aufgenommen, sein Weib von sich gestoßen und die Hand
gegen die Kinder dieses Bodens, ein zweiter Kain, aufgehoben hat, den
Gottesdienst so vieler frommer Christen unterbrechen, denen vielleicht
nur der heutige Tag noch gegeben ist ihre Sünden zu bereuen und zu
Gott umzukehren, während sie vielleicht morgen schon vor ihrem Richter
stehen?«

»Singe Du weiter, Mi-to-na-re« sagte der Häuptling ernst -- »wir Führer
dieser Schaar wollen berathen was zu thun -- Raiteo, Du magst hier
meiner Antwort harren« -- und mit langsamen Schritten, den ihm nächsten
Häuptlingen winkend ihm zu folgen, schritt er der am entferntesten Theil
des Lagers errichteten Berathungshütte zu, wo er sich, bald von den
andern umgeben, auf einer der dort überall ausgebreiteten Matten
niederließ.

Die Hauptführer der Eingeborenen waren aber leider nicht Alle hier
versammelt; Tati, der mächtigste derselben fehlte, mit ihm Paofai
und Paraita -- die letzteren beiden lebten sogar in Papetee, unter
französischem Einfluß und wie es hieß, von ihm gewonnen, während sich
Tati, den Missionairen und ihrer Parthei wie den Feranis in ihrem
Uebermuth zürnend, nach Papara zurückgezogen hatte. Nur Utami -- von
denen die den Vertrag unterschrieben der Einzige, der edel und kühn
genug war den begangenen Fehler einzusehn und dem Volk mit dem Schwert
in der Faust bewies, daß er nie daran gedacht es zu verrathen und
sich geirrt als er nach dem Feind des Vaterlands die Hand um Hülfe
ausstreckte -- hatte sich mit den Seinen in die Berge zurückgezogen,
fest entschlossen ihre Unabhängigkeit und Freiheit zu wahren, so lange
ihnen Gott die Kräfte dazu lassen würde.

Außerdem waren hier oben versammelt Aonui, der rechte Arm der
Missionaire, und Potowai, Teraitane, Kahauha und Taaniri, die von den
Franzosen als Rebellen erklärten Führer der Eingeborenen, mit vielen
Anderen vom südlichen Theil der Insel, und dem östlichen, und auch
Fanue wurde mit seinen Streitern von Tairabu erwartet, von wo aus er
herüberkommen und sich dem Hauptstamme anschließen sollte, wenn es Noth
that einen gemeinschaftlichen, und Hauptschlag gegen die in Papetee
jetzt ziemlich zusammengedrängten Feranis zu unternehmen, und dem Krieg
dadurch vielleicht ein Ende zu machen.

Die Berathung der Häuptlinge dauerte nicht lange, schien aber gegen
Utamis Willen entschieden zu haben -- der alte Häuptling sprach finster
und heftig gegen die Mehrzahl der Uebrigen und seine Stimme drang
manchmal, wie das dumpfe drohende Rollen der Brandung zu der Versammlung
herüber. Diese wurde indeß durch den Geistlichen in ununterbrochenem
aber schwerlich andächtigem Gebet gehalten, zu dem jetzt die Waffen
nicht mehr passen wollten, und das sie stören mußten, hätte nicht das
eigene Interesse an den Verhandlungen schon ohnehin ihren Geist dort
hin, und von dem Inhalt ihrer Andacht abgelenkt.

Utami blieb, als die Uebrigen aufstanden, in düsterem Brüten auf seiner
Matte zurück, während Aonui, mit einem heiteren und milden Ausdruck in
den Zügen, einem Theil der Uebrigen voran, von denen sich die meisten
gleich wieder unter die Betenden mischten, zu Bruder Rowe halb, halb zu
Raiteo gewandt sagte:

»Wir wollen fortfahren unsere Augen zu Gott zu erheben, Bruder Aue
-- Raiteo, Du magst den Feranis melden daß sie uns morgen früh mit
Sonnenaufgang bei der Berathung ihrer Frage und der Untersuchung des
Gefangenen finden sollen. Heute ist der dem Herrn geweihte Tag und
nichts Irdisches, vielweniger die Privatverhältnisse eines Papisten,
sollen uns abhalten von unserer Pflicht, die wir zuerst dem Höchsten,
dann erst unseren eigenen Zuständen schulden.«

»Und die Feranis sollen wieder nach Papetee zurückgehn?« frug Raiteo,
halb mit einem Anflug von Schadenfreude in den Worten.

»Ich habe es gesagt« erwiederte Bruder Aonui.

»Und der Wi Wi soll hier oben bleiben?« setzte Raiteo mit demselben
Blick hinzu.

»Störe uns nicht weiter durch Deine nutzlosen Fragen, Bruder Raiteo«
sagte der Geistliche da mit freundlicher doch zurechtweisender Stimme,
»Du hast Deine Antwort, melde sie den Feranis, obgleich ich nicht recht
weiß wie Du dazu kommst ihr Bote zu sein.«

»Ich war gestern --«

»Ruhig -- ich will heute keine Erzählung irdischer Dinge mit anhören,
wir haben genug unserer kostbaren Zeit auf leichtsinnige Weise vergeudet
-- weshalb gehst Du nicht?«

»Ich?« sagte Raiteo -- und es war fast unmöglich bei den Worten einen
bestimmten Ausdruck für seine Züge zu finden, in denen es zuckte und zog
als er sich dazu zwang ernst und ehrbar auszusehn -- »ich? -- was
hab _ich_ weiter mit den Wi Wis zu thun -- ich habe sie den Berg
heraufgebracht weil ich mußte -- unten, wo sie nicht weiter dürfen,
stehn sie -- Jemand Anders kann sie hinunter bringen.«

»Möge sie Gott erleuchten« sagte Bruder Rowe mit einem flehenden Blick
nach oben, und in die schrillen Töne eines Psalms einbiegend, dem der
Chor gleich darauf mit lauter lebendiger Stimme folgte, wurde jede
Verhandlung über den Gegenstand vollkommen abgeschnitten und aus dem
Bereich weiterer Besprechung gebracht. Raiteo aber kauerte sich, gleich
wo er stand, auf den Boden nieder und erhob seine Stimme vor dem Herrn,
lauter und andächtiger, wenn man seinem äußeren Menschen glauben wollte,
als irgend eines der übrigen Mitglieder der Gemeinde.

Teraitane allein, der keineswegs beabsichtigte die Feranis auf solche
Weise zu behandeln, und nur noch mehr und unnützer Weise zu reizen,
verließ das Lager und stieg den Pfad hinab, ihnen die Meldung selber
zu bringen, daß die Häuptlinge beschlossen hätten heute, als an einem
Sabbath, sich in keine weltlichen Dinge zu mischen, und das Verhör und
die Untersuchung des Gefangenen auf morgen früh verschieben wollten.

Lieutnant Bertrand, der von Gouverneur Bruat selber abgeschickt war den
Gefangenen zurückzufordern, wollte sich jedoch so noch nicht abweisen
lassen, und drohte mit der Rache der Franzosen, wenn dem jungen Manne
auch nur ein Haar gekrümmt würde; hierauf aber hatte der alte Häuptling
nur einen finstern Blick und ein trotziges Lachen.

»Holt ihn Euch wenn Ihr nicht warten könnt« sagte er finster, »oder
wenn Ihr glaubt daß Ihr die Macht habt Euere Drohungen wahr zu machen.
Teraitane freut sich darauf Euch mit blutigen Köpfen wieder heim zu
schicken.«

»Du stehst mir für sein Leben!« rief da Bertrand rasch zuspringend, in
der Absicht den Häuptling als Geisel für den Freund, unter dem Lager der
Insulaner fort zu führen; Teraitane aber glitt ihm unter den Händen
hin, und wie aus dem Boden gewachsen tauchten rechts und links von ihm
bewaffnete und finstere Gestalten auf, Speere und die drohenden
Läufe der Musketen fest und zürnend auf ihn gerichtet. Bertrand riß
unerschrocken den Degen aus der Scheide, und seine Begleiter fällten
die Gewehre, einem jetzt sicher erwarteten Angriff zu begegnen, der
Häuptling aber winkte ihnen mit der Hand und sagte ernst:

»Ruhe heute am Sabbath! -- ich könnte Dich jetzt gefangen nehmen oder
tödten, Du tollköpfiger Ferani, aber ich will es nicht thun -- weniger
vielleicht Deinetwegen, als die fromme Gemeinde droben nicht noch einmal
in ihrer Sabbathfeier zu stören. Gehe zurück -- Du siehst, Du bist nicht
im Stande Deinen bösen Vorsatz auszuführen, gehe zurück und schicke
morgen wieder herauf, zu hören was die Häuptlinge über den Gefangenen
beschließen werden.«

Und sich ruhig und furchtlos von dem Feind abwendend, der aber noch
aufmerksam und mistrauisch von den übrigen Eingeborenen bewacht wurde,
schritt er langsam wieder den Pfad hinauf den er gekommen, während sich
Bertrand, unmuthig und unzufrieden mit sich selber, aber auch recht gut
einsehend daß er durch weiteres Vordringen René und sich nur schaden
aber gar nichts nützen könne, ebenfalls wieder zurück, in's Thal nieder,
wandte.

René hatte indessen in peinlicher Spannung die wie er sich recht
gut denken konnte seinetwegen gepflogenen Unterhandlungen von weitem
beobachtet, wobei ihn Raiteos Erscheinen besonders in Erstaunen setzte.
Daß ihn übrigens der Bursche keines Blickes würdigte, als er an ihm
vorüber ging, beruhigte ihn wenigstens über dessen Gesinnung gegen sich
selber. Er kannte den schlauen Gesellen gut genug, der, wenn ihm der
Gefangene gleichgültig gewesen wäre, jedenfalls ein paar Worte mit ihm
gewechselt hätte, und wenn es auch nur deshalb gewesen wäre, vor den
Eingeborenen von Tahiti mit seinem Englisch zu prahlen; das aber hätte,
meinte er es wirklich gut mit ihm, auch leicht zu einer Vermuthung
gegenseitigen Verständnisses führen und sie mistrauisch machen können,
während er dagegen, durch ein völliges Ignoriren des Fremden, Raum zu
keinem derartigen Verdacht geben konnte.

Daß der Gouverneur seine Auslieferung verlangt hatte, konnte er sich
denken, und weshalb wurde die verweigert? was wollten sie mit ihm? --
was _konnten_ sie von ihm verlangen? und woher auf einmal dies kalte
feindliche Benehmen sogar solcher der Eingeborenen gegen ihn, mit denen
er sonst auf einem ganz friedlichen Fuß gestanden? Alle die Fragen
gingen ihm wirr und in unbestimmten Bildern durch das Hirn, und das ewig
lange gleichgültige Absingen der Psalmen dazwischen, klang ihm wie Spott
in seinem Unmuth und machte ihn die Zähne fest auf einander beißen,
bittere Zornesworte zurück zu halten.

Der Gottesdienst nahm indessen seinen ungestörten Fortgang; dem Singen
folgten wieder Gebete und dem Gebete wieder geistliche Lieder, und
als die feierliche Handlung endlich mit einem langen Segen geschlossen
wurde, schieden sich die Zuhörer in ihre verschiedenen Gruppen oder
Familien, an kalten Speisen, da heute Nichts gebraten werden durfte,
ihre Mahlzeit zu halten, und sich für neue Bet-Uebungen auf den
Nachmittag vorzubereiten.

Auch die Frauen, von denen er viele kannte, hielten sich fern von ihm --
sogar Aumama, die er unter ihnen entdeckte, kam ihm nicht nah, und saß
nur ernst und schweigend auf ihrer Matte, am Fuß eines breitästigen
stehengelassenen Orangenbusches, und ließ den Blick oft lange und ernst
auf ihm haften; als er aber selber seine Stelle verlassen wollte zu ihr
hinzugehn, bedeuteten ihn seine Wächter daß er das nicht dürfe -- er sei
hier gefangen, und wenn sie ihm nicht Hände und Füße gebunden, wäre das
eine bloße Gefälligkeit. Was hätte ihm Widerstand gegen die Uebermacht
geholfen -- der konnte seine Lage nur verschlimmern.

Als letztes Aushülfsmittel verlangte er den Häuptling Utami zu sprechen,
den er gesehen hatte und mit dem er früher schon manches freundliche
Wort gewechselt; er habe ihm, wie er seinen Wächtern sagte, Wichtiges
mitzutheilen. Deren Antwort lautete dagegen ein- wie allemal: »es sei
Sabbath heute, und weder Utami noch irgend ein anderer Häuptling werde
sich mit ihm oder irgend etwas Anderem als eben der sonntäglichen Feier
befassen -- er müsse bis morgen warten.«

»Bis morgen warten -- Tod und Teufel!« die Ungeduld hätte ihn verzehren
mögen, aber wieder begannen, nach dem kurzen frugalen Mahl der Uebrigen,
die Bet- und Singübungen, und die einzige Notiz die man von ihm nahm,
war, daß ihm etwas kalte geröstete Brodfrucht und eine Cocosnuß gebracht
wurde, seinen Hunger und Durst zu stillen, und die Minuten schlichen wie
Stunden an seiner Seele vorüber. So wurde es Nacht -- das südliche Kreuz
über ihm drehte sich so langsam, als ob es Monate lang Zeit habe um
seine eigne Axe zu kommen, und die kühle feuchte Bergluft, mit der
inneren Aufregung vielleicht, schüttelte ihm die Glieder in Fieberfrost.

Endlich brach der Morgen an -- im Osten zeigte sich ein heller Schein
der rasch und mächtig wuchs, und der Morgenschuß der Uranie, der selbst
bis hierher deutlich drang, kündete die dem Meer entstiegene Sonne.

Die Eingeborenen waren aber schon vorher auf und thätig gewesen; ihre
Feuer, Steine glühend zu machen, loderten nach allen Seiten hin, und ein
reges Leben und Treiben herrschte in dem kleinen Lager.

»Utami will Dich haben« kündete da endlich ein junger Bursch
dem Gefangenen den Willen des Häuptlings -- »komm mit mir!« und
voranschreitend führte er ihn, durch die Lagerplätze der Insulaner hin,
deren keiner Wort oder Gruß für ihn hatte. Sie Alle blickten finster auf
ihn, und René, ärgerlich über den Hochmuth der »rothhäutigen Schufte«
wie er sie jetzt vor sich hinbrummend nannte, schritt mit verschränkten
Armen stolz und rasch zwischen ihnen hin -- hie und da einen auf ihn
gerichteten Blick mit keckem und herausforderndem Ausdruck begegnend.
Die Burschen sollten wenigstens nicht glauben daß sie ihn einschüchtern
konnten.

Der alte Häuptling saß auf einer Matte auf der Erde, um ihn alle die
übrigen Häupter und Aeltesten des Lagers, während sich die Eingeborenen,
obgleich in Gehörweite, doch in anständiger und ehrerbietiger Ferne von
den Richtern hielten, die über den Fremden jetzt ihr Urtheil sprechen
sollten.

René schlug das Herz lauter in der Brust, als er alle diese feierlichen
Vorbereitungen sah, aber sein leichter Sinn trug ihn rasch über den
Ernst des Augenblicks hin, und die vor ihnen kauernde Schaar, hinter der
sich die Frauen und Mädchen in dicht gedrängter Masse neugierig hielten,
mit einem flüchtigen Blick überfliegend sagte er lächelnd:

»Nun, was giebt's Ihr Männer, daß Ihr hier zu Gericht sitzt wie über
einen Missethäter? was wollt Ihr von mir, und warum habt Ihr mich
gestern den ganzen Tag und die Nacht ohne Matte selbst auf dem Boden
liegen lassen? -- Ist das Euere gerühmte Gastlichkeit? -- Ich wäre heute
selber, im Auftrag des Gouverneurs von Tahiti zu Euch gekommen, Euch
seine Vorschläge zu bringen, als mich ein Trupp Euerer Leute vorgestern
Abend überfiel und wie einen Mörder durch Dickicht und Busch in die
Berge schleppte. Was hab ich verbrochen?«

Ein leises Murmeln des Erstaunens über die kecke Rede lief durch die
Versammlung, und die meisten der Häuptlinge, besonders Aonui, Potowai
und andere schüttelten misbilligend mit den Köpfen und flüsterten mit
einander, aber Utami entgegnete ihm ernst, doch ohne Strenge oder Haß im
Ton.

»Nicht zu fragen, Ferani, sondern zu antworten bist Du hierher
beschieden -- sei aufrichtig, es ist das Beste für Dich.«

»Nun so fragt, nachher werdet Ihr ja wohl auch mir die Rede gestatten«
entgegnete René kurz.

»Was brachte Euch Feranis vorgestern Abend aus der widerrechtlich in
Besitz genommenen Stadt bewaffnet hervor, und weshalb grifft Ihr unsere
Männer an und erschluget zwei und führtet Andere gefangen fort?«

»Zuerst« erwiederte René, »gehörte ich gar nicht mit zu der
Patrouille, der ich mich nur anschloß halb müßiger Zeit wegen, halb der
Habhaftwerdung eines Verbrechers beizuwohnen, dessen Nähe dem Gouverneur
gemeldet worden, und den er zu fangen und unschädlich zu machen
wünschte. Die Patrouille hatte keinen anderen Zweck und die Insulaner
überfielen sie zuerst, die Gefangenen wieder zu befreien.«

»So hatten unsere Kundschafter doch recht und O'Fa-na-ga ist gefangen«
sagte der Häuptling, »aber was hatte er gethan?«

»Gemordet und geraubt in früherer Zeit« entgegnete René; »er ist ein
böser Mensch, und Einer der Officiere hatte ihn erkannt.«

»Ihr bringt da Anschuldigungen von denen wir nichts wissen« sagte aber
Utami -- »oft hätten wir können Einzelne von Euch gefangen nehmen, aber
wir haben es nicht gethan, wir führten keinen Krieg mit Einzelnen und
wir erwarteten dasselbe von Euch. O'Fanaga kämpfte in unseren Reihen und
stand unter unserem Schutz.«

»Dann hätte er darunter bleiben sollen« lachte René, »jetzt wird ihm
schwerlich viel Zeit mehr gegeben werden den zu beanspruchen.«

»Dann schlimm für Dich!« rief Aonui hier, zornig den Arm gegen ihn
ausstreckend -- »dasselbe Schicksal des O'Fa-na-ga unten von Deinen
Landsleuten trifft, Ferani, erwartet auch Dich.«

»Möcht' ich mir nicht wünschen« lachte René, noch immer fest
entschlossen den Insulanern gegenüber auch keinen Schein von Furcht zu
zeigen -- »haben sie ihn gefangen, so erwartet _ihn_ der Strick -- wenn
er nicht schon hängt.«

»Dann hängst auch Du!« schrie Potowai, den Arm wild gegen ihn
ausstreckend -- »O'Fa-na-ga war mein Freund.«

»Schlechte Empfehlung für Dich« sagte der unerschütterliche Franzose.

»Ruhe -- Frieden!« gebot aber Utami -- »und Du Ferani thust nicht
wohl daran die Männer noch zu reizen, die über Dich zu Gericht sitzen
sollen.«

»Dazu habt Ihr kein Recht!« rief aber, sich hoch emporrichtend der junge
Mann -- »und wehe Euch wenn Ihr es wagen solltet Hand an mich zu legen.«

»Kein Recht? -- und wer sonst?« sagte Utami ruhig zu ihm aufschauend --
»wer anders als wir, ist der rechtmäßige Eigenthümer dieses Bodens, seit
Pomare feige den Schutz bei dem Fremden suchte? Glaubst Du daß Ihr das
_Recht_ erworben habt auf dieser Insel zu herrschen, weil die Kanonen
Euerer Schiffe ihre Kugeln in die friedlichen am Ufer stehenden
Fischerhütten schleudern können? Deine Landsleute haben den Krieg in
dieses stille harmlose Land gebracht, den Namen Gottes haben sie zur
Decke gebraucht, unter der sie ihre bösen Absichten und Pläne verbargen;
ihre Landsleute, dieselben die mit ihnen einen Gott anbeten, gaben sie
vor wollten sie schützen, weil sie noch ein Stück von einem Gewissen
hatten, und sich schämten mit ihren eigennützigen, verbrecherischen
Absichten so frei zu Tag zu kommen, und hätten wir ihnen den Schutz
eingeräumt, so breiteten sie ihre Macht aus über das Land, und schon
während sie ihrer Aussage nach für ihren Gott arbeiteten, füllten sie
sich die eigenen Schiffe und legten ihre Arme über das Eigenthum eines
andern fremden Volkes. Nun wir aber ihren Priestern die Erlaubniß
gegeben hatten hier ungehindert zu predigen und gleiche Rechte mit
den unsrigen zu haben, aber nur den _Schutz_ zurückweisen den sie uns
angedeihen lassen wollen, und der in Euerer Sprache etwas ganz anderes
bedeuten muß als in der unseren, denn in der unseren heißt das, was Ihr
darunter zu verstehen scheint, _Diebstahl_, nun kommt Ihr mit Eueren
wahren Absichten zu Tag. Wie in einem Spiel der Areois habt Ihr eine
Maske vor Euerem wahren Gesicht gehabt, die Ihr jetzt abwerft, da sie
Euch nicht mehr verbirgt -- stützt Euch auf Verträge, die Ihr anders
auslegtet und benutztet als sie gemeint waren, sendet Euere Spione und
Priester in unser Land unser Volk zu verderben und abtrünnig zu machen,
und dringt zuletzt mit gewaffneter Hand in unsere Heimath, zerstört
unsere Häuser, verwüstet unsere Felder, zerschmettert mit Eueren
Kanonenkugeln unsere Cocospalmen und Brodfruchtbäume, die Stämme die uns
und unseren Kindern Nahrung geben und dringt mit gewaffneter Hand in
die Berge und Haine ein, unsere Männer zu erschlagen, unsere Weiber mit
fortzuschleppen oder zu entehren.«

»Und was hab _ich_ mit alle dem zu thun?« entgegnete René ausweichend
einer allerdings nur zu wohl begründeten Anklage gegenüber -- »gehörte
_ich_ zu den Eroberern? -- gehöre ich _jetzt_ dazu? kam ich nicht, ein
Fremder, auf Euere Inseln und wurde heimisch darauf aus freiem Willen
und mit der Zustimmung eines Euerer Häuptlinge? -- nahm ich mir nicht
ein Weib aus Euerem Stamme?«

»Und _wo_ ist die jetzt?« unterbrach ihn ruhig Utami.

»Jetzt? -- in unserer früheren Heimath hoffentlich, zu der sie mit Einem
Euerer Priester hinüberging, mich zu erwarten.«

»Dich zu erwarten« -- wiederholte leise und ernst mit dem Kopf nickend
der Häuptling -- »willst Du das ein Anrecht auf unsern Schutz machen,
daß Du die Frau wieder von Dir schickst, die an Deiner Seite bleiben
sollte, bis zu ihrem Tode? --«

René wollte heftig darauf antworten, aber er besann sich, biß die
Unterlippe und sagte finster:

»Was meine Familienverhältnisse betrifft bin ich, denk' ich, nur mir
selber die Rechenschaft schuldig.«

»Haß und Elend säet Ihr« sagte Utami ernst, fast traurig, »und verlangt
Freundschaft, verlangt Liebe dafür.«

»Nicht ich, Utami« rief René aber, von dem weichen Tone getroffen, rasch
-- »nicht ich, bei unserem Gott, und auch mir hat all das Leid was diese
Inseln jetzt durch meine Landsleute, es ist wahr, getroffen, das Herz
zerschnitten. Nicht ich billige ihr Verfahren, und hätte meine Stimme
ein Gewicht, noch heute lichteten jene stolzen Schiffe ihre Anker und
kehrten den Bug heimwärts, nie nie wieder den Frieden dieses stillen
Inselreichs zu stören. Aber zu spät kommt solch ein frommer Wunsch«
setzte er ruhiger hinzu -- »die Gier der Fremden, wie Euer eigener
Unfriede -- der Stolz Euerer Priester, vielleicht die von ihnen erst
aufgestachelte oder geweckte fanatische Wuth des Volks, sind Hand in
Hand gegangen, dem Fremden das _Recht_, das scheinbare Recht wenigstens
zu geben, auf das er jetzt sich stützt und das er mit dem Uebergewicht
seiner Waffen aufrecht erhält. Nur Blutvergießen kann noch verhindert
werden -- nur die Möglichkeit ist noch da weitere Kämpfe zu vermeiden,
die hunderten von Unschuldigen das Leben kosten und Jammer und Elend
über Euere Familien bringen müssen, und das zu vermitteln wäre ich
gestern, oder wenn Ihr es da, als an einem Sabbath, nicht annahmt, heute
dann im Auftrag des Gouverneurs selber zu Euch heraufgekommen, Euch den
Frieden zu bieten von seiner Hand.«

»Was braucht er Frieden zu bieten« rief Teraitane finster -- »er soll
unsere Bai verlassen mit seinen Schiffen und wir haben Frieden; sind
_wir_ es die den Krieg begonnen haben, die ihn fortführen?«

»Und ob Ihr Recht habt, hilft Euch das doch Nichts« sagte René ruhig --
»der Fremde hat die Macht, die Gewalt in Händen; Frankreich hat Besitz
von den Inseln ergriffen, und nur jene lügnerischen Versprechungen, die
Euch von dem Schutz und der Hülfe Englands gemacht wurden, konnten Euch
zu dem verzweifeltsten aller Entschlüsse treiben, Euch dem Mächtigeren
zu widersetzen. So nehmt Vernunft an -- bleibt thatsächlich im Besitz
Eures Landes, des Haupt ja nur den anderen Namen bekommen, und glaubt
dann nicht daß unsere Priester mit gleichem Haß gegen die Eueren kämpfen
werden, als diese es gethan. Euere Religion, Euer Glaube bleibt Euch
geschützt, wenn Ihr für den die Waffen aufgegriffen.«

»Wir kämpfen nicht für unseren _Glauben_!« rief jetzt Utami zornig und
die Hand geballt -- »wir kämpfen für unser _Land_, für unsere _Heimath_.
Der _Glaube_ liegt in des Menschen eigner Brust, und wenn wir verhindert
würden dem einen Tempel zu bauen, wählte er sich das eigene Herz. Wir
wollen für uns keine solche Mauer, uns dahinter zu verstecken, wir
wollen sie Euch aber auch nicht lassen. Offen und frei heraus sollt
Ihr sagen »wir wollen Euer Land -- Euere Brodfruchtbäume, Euere Palmen,
Euere Taro- und Patatenfelder, Euere Baien und die Fische darin, Euere
Häuser, Euere Frauen -- Euere Männer sollen für uns arbeiten und wir
wollen ihre Herren sein.« Was Glauben -- wenn Euer Gott die Macht besäße
uns den zu nehmen, hätte er nicht geduldet daß andere Priester zuerst
gekommen wären uns _ihren_ Glauben zu bringen. Friedlich unterwerfen
sollen wir uns, das ist was Ihr wollt, aber das ist zu spät. Macht die
wieder lebendig die Euere Kugeln und Bayonnette getroffen -- ruft die
wieder in's Leben zurück die kalt und bleich in der Erde jetzt liegen,
todt und blutig weil sie eben an ihrem Gott und Fürsten hingen, und
dann wollen wir von Fried und Freundschaft reden, die Erneuerung solchen
Unheils zu verhindern; jetzt nicht.«

»_Die_ Antwort soll der Häuptling der Feranis auch bekommen denn sein
Frieden heißt Knechtschaft, seine Freundschaft Schmach, Du aber bleibst
gefangen, bis uns die Männer zurückgeliefert sind, die mit halfen
unsere Berge gegen den Uebermuth Deiner Landsleute zu vertheidigen, und
geschieht ihnen ein Leides, so stirbst auch Du.«

»Der Eine von ihnen ist ein schwerer Verbrecher!« rief René unwillig
-- »er hat Menschen ermordet und beraubt -- wollt Ihr mich mit einem
solchen gleich stellen?«

»Deine Landsleute haben auch Menschen gemordet« rief Aonui heftig --
»und sind im Begriff uns Alles zu nehmen was wir haben -- selbst unsere
Bibel -- das Heil unserer Seelen.«

»Auge um Auge, Zahn um Zahn!« sagte auch Teraitane -- »jeden Gefangenen
tauschen wir ein, Mann um Mann -- für jeden Bruder den sie uns
erschlagen verlangen wir volle Bezahlung in Blut zurück -- und ehe wir
die nicht bekommen, kein Friede bis wir die Feranis bezwungen oder sie
uns.«

»Peste!« rief jetzt der junge Mann, ungeduldig werdend und mit dem Fuße
stampfend -- »was hab _ich_ mit dem Allen zu schaffen? Wenn Ihr meinen
Landsleuten nicht gutwillig Euer Land -- ich könnte fast sagen das
_unsrige_, überlassen wollt -- und verdenken mag ich's Euch nicht, was
kümmert das _mich_? _Ich_ gehöre nach Papetee, oder jetzt vielmehr,
meine Heimath wieder verändernd, nach Atiu, nicht zu den Schiffen die
hierher gekommen sind Euch zu bekriegen, und dort der Priester selber,
so finster er nach mir herüber blickt, muß mir bezeugen, daß ich mein
Weib nur vorangeschickt, weil mich eben meine eigenen Landsleute im
Verdacht hatten, _mit_ Euch gegen _sie_ mich verschworen zu haben, und
mich nicht fort lassen wollten. Der ehrwürdige Herr da ist mein Freund
gerade nicht, aber er wird eine Thatsache für mich bestätigen _müssen_.«

Mr. Rowe war schon seit einiger Zeit den versammelten Häuptlingen näher
getreten, ohne jedoch ein Wort hinein zu reden; Manche von ihnen waren
ihm keineswegs so untergeben wie er es, in Christlicher Demuth,
für nützlich und nothwendig hielt, und er wollte sich keiner neuen
Zurückweisung aussetzen. Direkt aber jetzt von dem Gefangenen angeredet,
ja gewissermaßen zum Zeugen _für_ ihn angerufen, hatte er ein volles,
und wahrscheinlich längst erwünschtes Recht zum Reden bekommen und sagte
rasch, aber mit einem tiefgeholten, wie schmerzlichen Seufzer:

»Der Ferani hätte wohl Jemanden in diesem Lager gefunden, der günstiger
für ihn sprechen könnte als ich.«

»Sie können nicht leugnen daß Sie bei unserem Abschied zugegen waren«
rief René mit blitzenden Augen.

»Mein Herz hängt nicht an weltlichen Dingen, mein Auge sieht nicht auf
irdische Handlungen, wo das Wohl und Wehe der Seele an einem dünnen
Faden über dem Abgrund des Verderbens hängt« -- sagte der Geistliche
ausweichend. »Ich weiß nicht, ob der Ferani beabsichtigt auf diesen
Inseln sein Leben zu beschließen -- Gott allein prüfet das Herz und die
Nieren -- aber ich weiß _daß er sie nie hätte betreten sollen_ und daß
die Frauen und Mädchen dieser Inseln nur Fluch und Thränen bis jetzt
geerndtet haben nach kurzer Lust, und oft ewige Reue und Verdammniß.«

»Sie wissen daß ich in Atiu als Bürger des Landes aufgenommen wurde!«
rief René.

»Ich weiß Nichts« sagte Mr. Rowe finster mit dem Kopf schüttelnd, »als
daß die Verbindung mit einer Tochter des Landes zwischen einem Papisten
und einem Mitglied unserer heiligen Kirche gegen die Gesetze
dieses Landes, gegen die Gesetze Gottes und meine deutlich danach
ausgesprochenen Worte waren. Ich will nichts weiter wissen -- ich habe
all das Unrecht das mir selbst darob geschehen, vergessen und vergeben,
wie es einem Christen geziemt -- ich begreife nur nicht wie ein _Bürger_
des Landes dann in die Gesellschaft der Feranis kam, die einen Trupp
seiner »Landsleute« wenn er ein Bürger des Landes war, überfiel, zwei
tödtete und zwei Andere, Freunde derselben in Gefangenschaft schleppte
-- ich sage ich _weiß_ das nicht« setzte er rasch hinzu, als er sah
daß ihm René darauf entgegnen wollte, »kümmere mich auch nicht um die
weltliche Gerechtigkeit, die ihren Gang haben muß durch die Häuptlinge
und Richter des Landes.« Und langsam sich abwendend schritt er der
kleinen, für ihn besonders errichteten Rohrhütte zu, hinter deren
Thürmatte er verschwand.

René wollte in der That anfänglich, und in heftigen Worten darauf
erwiedern, aber er besann sich eines Besseren und nur die Unterlippe
einbeißend, daß das Blut daraus zurückwich, sah er dem frommen Mann mit
einem finstern verächtlichen Lächeln nach und schien jetzt kein Wort
weiter zu seiner Vertheidigung verlieren zu wollen.

Die Häuptlinge beriethen indessen eifrig und mit leiser Stimme mit
einander, waren aber noch zu keinem Beschluß gekommen, als ein Läufer
von draußen die Ankunft mehrerer Feranis meldete, die den anführenden
Häuptling dieses Postens zu sprechen verlangten. Andere ausgesandte
Spione meldeten zu gleicher Zeit daß mehre Abtheilungen Französischer
Soldaten wieder im Anzug wären, und jedenfalls einen Sturm auf ihr Lager
beabsichtigten.

Da die Insulaner ihre Vertheidigungsmittel nicht zu verrathen wünschten,
beschloß man die Fremden nicht heraufzulassen, sondern ihnen Utami
entgegenzuschicken, der ihre Absicht von ihnen erfahren und ihnen
gleich Antwort darauf ertheilen konnte. Den Gefangenen war man fest
entschlossen nur gegen die beiden Engländer wieder einzutauschen, von
deren beabsichtigten Flucht sie natürlich Nichts wußten, und von denen
sie O'Flannagans Hülfe und Waffen, wie seinen Unterricht nicht so leicht
ersetzen konnten. War denen aber ein Leid geschehn, dann sollten die
Feranis sehen, daß sie Gleiches mit Gleichem vergelten konnten und
die Rache der Fremden, doch einmal zum Aeußersten entschlossen, nicht
fürchteten.




Capitel 4.

Die Flucht.


René befand sich übrigens durch solchen Entschluß der Insulaner in
einer höchst gefährlichen Lage, denn wenn auch Jack durch seine Hülfe
entsprungen war, und jetzt vielleicht an der Küste auf eine Gelegenheit
zu entkommen paßte, hatte Jim O'Flannagan, wenn wirklich gefangen, nur
geringe Hoffnung der gerechten Strafe zu entgehn, und Gouverneur Bruat
würde nie daran gedacht haben ihn wieder auszuliefern. Konnten sich dann
die, von dem Missionair vielleicht noch gar darin bestärkten Insulaner
nicht doch am Ende hinreißen lassen ihre Drohung wahr zu machen? -- von
Mr. Rowe hatte er das Schlimmste zu fürchten, so viel wußte er recht
gut, und er verdachte es dem würdigen Manne nicht einmal, wenn er
die endlich gebotene und gewiß lang genug erwartete Gelegenheit auch
ergriffen hätte.

Flucht wäre das einzige Mittel gewesen und die war unausführbar, denn
den einzigen gangbaren und so schmalen Pfad hielten die Insulaner an
verschiedenen Stellen besetzt, während andere Schleichwege durch den
Wald nur eben ihnen bekannt waren. Wer in den zerrissenen Schluchten
nicht jeden Stein kannte wurde überall durch Abgründe oder Felswände
aufgehalten, die es ihm Tage gekostet hätte zu umgehn, und wie leicht
war er da von den flüchtigen und der Berge kundigen Insulanern wieder
eingeholt.

Seine einzige Hoffnung blieb jetzt noch auf die neuerdings abgeschickten
Gesandten -- von dem erwarteten Angriff wußte er noch Nichts -- schlug
deren Botschaft fehl dann -- doch beim Teufel, was lag ihm am Leben? --
Ob sie ihn nur einschüchtern wollten mit ihrer Drohung, oder ob es ihnen
Ernst war mit seinem Tod, wenn dem gefangenen Iren ein Leid geschehen,
was lag daran? -- sie sollten ihn weder weich noch ängstlich finden, und
_mußte_ es sein, so wollte er dem Tod so keck und leicht in's Auge sehen
als je --

_Als je?_ -- ein eigenes, wunderbares Gefühl durchzuckte ihm das Herz;
-- _als je?_ In verzweifelter Angst hatte seine Seele mit ihren feinsten
Fasern und Gedanken am Leben fest geklammert als der Tod, oder so
Schlimmes, als die Gefangenschaft auf seinem Schiff, ihn wieder seinem
kaum gewonnenen Glück auf Atiu entreißen wollte. Das Leben war ihm so
lieb -- so theuer da gewesen und entmannt fast hatte ihn die Furcht
es da zu verlieren, wo ihm eben erst das Heiligthum gezeigt war das er
betreten konnte, und von dessen Schwelle selbst ein tückisches Geschick
ihn schleudern wollte. Alles, Alles hatte er nachher erreicht, was
er erhofft in seinen schönsten, kühnsten Träumen -- den Gipfel seiner
Wünsche erstiegen und eine Heimath gefunden in dem Paradies, das ihn
umgab -- und jetzt? -- Was war es, das ihn _jetzt_ gleichgültig machte
gegen den Tod? was war geschehn -- verloren daß er sich der tödtlichen
Gefahr so kalt und keck entgegenstellen mochte? -- und Sadie? -- Er
barg das Antlitz in den Händen und preßte die fieberglühende Stirn, die
Gedanken hinauszuscheuchen, die wirren, quälenden Gedanken, denen er
nicht Raum gönnen wollte da oben. Nicht jetzt -- nicht jetzt sollten sie
nahen diese Schatten, die er nicht kennen nicht fühlen mochte und die
ihm doch die Seele peinigten mit unsichtbarem aber desto gewaltigerem
Pfeil -- _Sadie_ -- wie ein Traum lag die Zeit, die schöne Zeit hinter
ihm, und der Tod sollte ihn jetzt davon trennen. Der _Tod_? -- _sollte_
ihn davon trennen? -- Nein, nein fort mit dem verführerischen Bild
das sich ihm jetzt, jetzt nicht entgegenstellen durfte -- er war nicht
schuldig -- rein und treu konnte sie sein Angedenken wahren in ihrer
Brust, und dem Kinde des Vaters Namen nennen im Gebet. -- Hinweg mit
allem Schmerz, hinweg mit der Thräne, die sich ihm leise in's Auge
stehlen wollte -- er war nicht schuldig -- und weshalb _wünschte_ er
sich da den Tod?

Schüsse knallten und Trompeten schmetterten -- hoch empor aus seinen
Träumen zuckte er, und so hinein hatte er sich wieder in die Gedanken
der Vergangenheit gelebt, daß er erschrak als er aufsah und die
bewaffneten Wächter neben sich erkannte.

Auf ihn zu schritt da Aonui, der finstere fanatische Häuptling, und
grimmigste Feind den die Feranis unter den Führern der Eingeborenen auf
den Inseln hatten, und das tückische Blitzen seines Auges verrieth was
in ihm glühte und hinausdrängen wollte in's Freie. Dicht hinter ihm, mit
einem ernsten, aber ziemlich gleichgültigen Gesicht, hielt sich Raiteo,
der vorher schon eine lange und eifrige Unterhaltung mit ihm gehabt, und
schien dazu bestimmt die Befehle seines Oberen auszuführen. Aonui galt
als die rechte Hand des ehrwürdigen Mr. Rowe, und die Eingeborenen
hielten ihn in hohen Ehren und fürchteten ihn, denn er war gerecht aber
streng, und sein fanatischer Eifer, durch irgend einen Bibelspruch in
irgend eine Bahn gelenkt, riß ihn oft mit sich fort zu Gutem oder Bösem.

»Deine Gehülfen kommen Dich zu befreien« sagte er finster, »aber sie
werden zu spät den Hügel erreichen -- wir hatten ihnen die Möglichkeit
Deiner Auslieferung gestellt -- sie haben sie verworfen und wollen uns
jetzt mit frechen Drohungen einschüchtern -- wende Deine Seele noch zu
Gott, denn Dir sind die Minuten zugezählt.«

Renés Auge blitzte in Trotz und Zorn zu ihm empor und eine feindliche
Entgegnung lag auf seinen Lippen, da traf ihn Raiteos Blick und der
schlaue warnende Ausdruck darin machte ihn stutzen. Des Burschen ganzes
Benehmen deutete auf irgend einen Plan, und sein verstohlenes rasches
Blinken schien ihn ängstlich aufzufordern dem Verlangen zu folgen und
nicht durch Eigensinn den ruhigen Gang der Ereignisse vielleicht zu
stören. Aonui sah daß sein Blick auf irgend einem Gegenstand hinter
ihm haftete und schaute sich um, sein Auge traf aber nur das ruhige
gleichgültig kalte Antlitz seines Begleiters und René, jetzt fest
überzeugt daß er des Atiuers Beistand auf seiner Seite habe, sagte
finster doch leidenschaftslos:

»Thut was Ihr wollt und was Ihr verantworten könnt, aber bedenkt daß
Euch meine Landsleute zu furchtbarer Rechenschaft ziehen werden. Nicht
mehr der freundlose Seemann, der entblößt von Allem auf eine fremde
Insel sprang stehe ich jetzt zwischen Euch -- die Regierung eines
mächtigen Staates hält ihre Hand schützend über mich, und wehe Euch,
wenn Ihr die mächtige erst zur Rache reizt. Bis jetzt schütztet und
vertheidigtet Ihr nur Euer Land -- Ihr hattet recht -- entweiht die gute
Sache nicht durch Mord!«

»Nicht Dich zu hören bin ich gekommen, sondern Dich zu richten« sagte
der Häuptling finster und mürrisch, und horchte einen Moment dem jetzt
wieder beginnenden Schießen, das, der Richtung nach, den aufgestellten
und an verschiedenen Plätzen stationirten Vorposten galt, auch näher
und näher kam. »Bete zu Deinem Gott« sagte er dann, sich wieder zu dem
Gefangenen wendend, »denn Du hast nur noch eine Viertelstunde zu leben.«

»_Beten_« -- rief René -- unwillig mit dem Fuße stampfend -- »beten --
Nichts als beten; -- den Namen Gottes kaut Ihr den ganzen Tag und denkt
dabei an Haß und Mord -- _beten_!«

»Du willst _nicht_ beten?« sagte Aonui rasch.

René sah das unwillige Zucken in Raiteos Gesicht und frug ausweichend:

»Wie lange Zeit ist mir noch gewährt?«

»Der Schatten dieses Baumes darf keine Handbreit mehr zur Seite weichen«
erwiederte der fanatische Häuptling -- »die Schläge Deines Herzens sind
gezählt.«

»Es ist gut« erwiederte René aber seine Hände waren frei, und nicht
gesonnen als ein geduldiges Opfer zu fallen, suchten seine Augen nach
einer Waffe, deren er sich zu geeigneter Zeit bemächtigen könnte.

»Soll ich ihn in das Haus zum Beten führen?« sagte jetzt Raiteo leise zu
dem Häuptling gewandt -- »die Feranis beten nie im Freien.«

Aonui nickte bejahend mit dem Kopf und Raiteo, des jungen Mannes Arm
ergreifend sagte laut:

»Komm Wi Wi -- Du sollst nicht sagen daß wir Dich gezwungen haben
Deinen Gott in anderer Art zu verehren als Du es gewohnt bist -- komm«
flüsterte er dabei leise und führte ihn der Hütte zu, während seine
Wächter, die von Aonui jetzt einen neuen und wie es schien unerwarteten
Befehl bekamen, ihm zögernd, und rasch und leise mit einander redend,
folgten, dann aber vor dem Eingang des kleinen mit Matten verhangenen
Platzes, die Bayonnette gefällt, ihren Posten wieder einnahmen.

Wilder Lärm tobte indessen im Lager -- die Franzosen hatten die
Vorposten zurückgeworfen und ihre Kugeln trafen schon, über den Damm
hin, in die Wipfel der Bäume, ohne freilich bis jetzt noch einen
der Eingeborenen verwundet zu haben. Diese standen aber, an ihren
verschiedenen Posten in der Verschanzung vertheilt, den jetzt von allen
Seiten fast schmetternden Trompeten, die überall den Feind vermuthen
ließen, auch nach jeder Richtung hin die Stirn zu bieten. Die Franzosen
nämlich, den alten Plan verfolgend, hatten, um den Feind irre zu führen,
kleine Detachements mit Signalisten nach rechts und links abgeschickt,
das Lager in einer Entfernung zu umzingeln und dann von allen Seiten
vorzudringen und zu feuern. Dadurch beunruhigten sie nicht allein
die Besatzung und schüchterten sie ein, da sie den Feind viel stärker
vermuthen mußten als er wirklich war, sondern sie hatte auch auf dem
Punkte, wo sie den Hauptangriff machten, nicht den Widerstand der
jetzt überall hin vertheilten Besatzung zu befürchten, und konnten eher
dadurch hoffen den vortrefflich bewaffneten und von dem Terrain so sehr
begünstigten Feind aus seiner festen Stellung hinauszuwerfen. Wenn
damit dann auch kein Hauptschlag geschah, denn den Rückzug in die dicht
bewaldeten Berge waren sie nicht im Stande ihnen abzuschneiden, wurden
sie doch aus der zu großen Nähe von Papetee, auf das sie von hier aus
immer leicht Streifzüge und Ueberfälle unternehmen konnten, vertrieben,
und das Wichtigste von Allem, ihr Vertrauen zu sich selbst, das nach
der Schlacht von Mahaena nur noch mehr gestiegen, in etwas wieder nieder
gedrückt.

Außerdem feuerte auch Renés Gefangennahme den Gouverneur an, Alles zu
thun die Insulaner für etwas zu züchtigen, dessen Recht er ihnen unter
keiner Bedingung zugestehen wollte. Einen seiner Nation nämlich zu
halten oder gar zu richten. Bedingungen durfte er sich daher auch, von
solchem Grundsatz ausgehend, keine vorschreiben lassen, und die Waffen
mußten den Kampf entscheiden.

Um René wäre es aber freilich schlecht gestanden, wenn er von daher
auf Hülfe hätte rechnen sollen, und Utami selber konnte oder wollte
ihn nicht schützen. Der Franzose der freundlich und gastlich von ihnen
selbst in ihre Familien aufgenommen worden, und dann sich doch gegen sie
wandte -- wie er nicht anders glauben konnte -- verdiente härtere
Strafe als der, der gleich mit den Waffen in der Hand und in offener
Feindschaft an ihr Ufer sprang. Der letztere trat nur ihre Rechte mit
Füßen, der andere auch ihre Herzen.

Anders dachte Raiteo, und von dem Protestantischen Missionair mit
herüber nach Tahiti genommen, hatte er in einer starken Hinneigung
zum Christenthum sich eine Menge Vortheile erwachsen sehn, die er als
einfacher Insulaner einer abgelegenen Insel nie im Leben erreicht haben
würde. Raiteo war ehrgeizig, und der schon in früheren Jahren von dem
Wallfischfänger erhaltene und so schlecht verdiente Lohn hatte, mit dem
Beginn eines Vermögens, auch das Streben und Verlangen nach mehr und
größerem in ihm erweckt. Als Mitonare öffneten sich ihm dazu, wie er
recht gut wußte, zahlreiche Quellen, und er wäre jedenfalls nicht säumig
dabei gewesen sie zu benutzen, sobald sich nur die Gelegenheit dazu
geboten. Als er aber die Verhältnisse in Tahiti näher kennen lernte
und die Macht, die von den Feranis entwickelt wurde, wie daneben die
Gleichgiltigkeit der Englischen Schiffe sah, stiegen Zweifel in ihm
auf der Ausführbarkeit seiner Berechnungen wegen, und er fing an die
Vortheile zu überschlagen die der Segen der Katholischen Religion
vielleicht auf sein geistiges wie körperliches Wohl haben könne. Die in
die Berge gedrängte Lage der Eingeborenen gefiel ihm auch nicht, und
mit der Ueberzeugung war ihm auch der Entschluß gekommen einen
entscheidenden Schritt zu thun und -- ein anderer Mensch zu werden.

Die erste Gelegenheit hierzu bot die Flucht der beiden Seeleute, die er
begünstigte und die, so schlecht für den andern Theil, so vortrefflich
für ihn selber ausgeschlagen war. Nur die Feranis wollten ihm nicht
gleich auf sein ehrlich Gesicht glauben, daß er es treu und ehrlich
mit ihnen und ihrer Sache meine, und schickten ihn deshalb, seine
Nutzbarkeit auf die Probe zu stellen, mit dem zum ersten Mal abgesandten
Officier als Führer und Unterhändler. Der ungünstige Erfolg dieser
Sendung machte ihn aber besorgt seine Sicherheit gleich hinterher den
Franzosen wieder anzuvertrauen, und da er sein Geld gut verwahrt wußte,
beschloß er lieber eine bessere Gelegenheit abzuwarten, sich seinen
neuen Gönnern nicht allein wirklich zu empfehlen, sondern auch
vielleicht einen neuen Nutzen daraus zu ziehn. Diese bot sich ihm jetzt.

Der junge Franzose war, wie er sich vorher zu erkundigen gewußt, reich,
und ihm, wie er sich fest überzeugt fühlte, auch noch von früherher
verpflichtet; die Eingeborenen von Tahiti _konnten_ auf die Länge der
Zeit nicht siegen -- als Bewohner von Atiu fühlte er auch eben
kein besonderes Interesse für sie -- und wer weiß was dann aus den
Protestantischen Missionairen wurde -- deshalb schien es ihm weit
zweckmäßiger das Gewisse für das Ungewisse zu nehmen -- und danach
handelte er.

Kaum fiel deshalb die Matte hinter ihnen, die sie den Blicken der
Außenstehenden und Wartenden entzog, als Raiteo vorsprang, ein Geflecht
von Pandanusblättern aufhob und damit zwei blanke Cavalleriesäbel den
Blicken des jungen Mannes enthüllte. René that keine Frage, aber er
mußte an sich halten einen Jubelruf zu unterdrücken, und rasch die eine
Waffe aufgreifend, während sein Führer die andere nahm, sah er nur noch
eben wie dieser die Blätter der Rückwand von einander schob und hindurch
schlüpfte und folgte ihm, ohne nur eine Frage über das wie und wohin zu
thun.

Die Hütte stand dicht an der Verschanzung, nach rechts und links von
kleinen Trupps der Eingeborenen bewacht, dicht hinter ihr war aber
ein Raum von vielleicht zwanzig oder dreißig Schritt Breite, da eine
Felswand gerade dahinter ziemlich steil niederdachte, freigelassen, und
diese Stelle hatte sich der schlaue Bursche zu ihrer Flucht ausersehn.
Wohl wurden sie augenblicklich entdeckt, sowie sie nur auf die Schanze
sprangen, und eine Eidechse hätte kaum ungesehn darüber kommen können,
ehe aber die mit Schießwaffen wenig vertrauten Insulaner zum Schuß
fertig waren, oder sich überhaupt von dem Erstaunen über den kecken
Fluchtversuch erholen konnten, hatte Raiteo des jungen Mannes Hand
ergriffen und ihn nach vorn reißend glitten sie schon im nächsten
Augenblick mit Blitzesschnelle den steilen schlüpfrigen Hang hinunter
in ein Dickicht niederen Grases, von hochstämmigen Guiaven, die hier gar
gedeihlichen Boden gefunden, überwachsen.

Keineswegs aber waren sie hier schon jeder Gefahr enthoben, denn nicht
allein wurden ihnen von oben mehre Schüsse nachgefeuert, und sie hörten
die Kugeln rings um sich einschlagen, sondern fünf oder sechs Indianer,
und unter ihnen die von Aonui angefeuerten Wächter, folgten ihnen ohne
weiteres Säumen mit wirklich kecker Entschlossenheit, und durch das
Dickicht aufgehalten wäre René gar nicht im Stande gewesen ihnen
so rasch zu entgehn. Sein Leben wenigstens so theuer als möglich zu
verkaufen wandte er sich deshalb auch schon, die blanke Waffe in der
Faust, gegen sie um, als dicht hinter ihm die befreundeten Signalhörner
tönten, und die Eingeborenen im ersten Schreck an Stamm und Busch
klammerten, dem hier gar nicht vermutheten Feind nicht in die Hände zu
fallen.

Den Moment benutzten die Flüchtigen der Richtung zuzuspringen, in der
sie die Hörner gehört, und den Verfolgern blieb Nichts weiter übrig
als ihnen ihre Kugeln nachzusenden und sich so rasch als möglich
wieder zurückzuziehn, nicht vielleicht gar von den möglicher Weise
nachdrängenden Feinden abgeschnitten zu werden. Die Kugeln blieben
übrigens erfolglos, eine ausgenommen, die Raiteos Oberschenkel traf und
durch das dicke Fleisch desselben fuhr, ihn aber keineswegs in seiner
Flucht aufhielt sondern dieselbe eher noch, wenn das überhaupt möglich
gewesen wäre, beschleunigte.

Das Feuern sowohl, wie der Lärm den sie in den Büschen machten, hatte
aber schon das kleine Piquet, das aus einem Dutzend Matrosen von der
Uranie und dem Signalisten, von einem Seecadet angeführt, bestand, ihnen
in den Weg gebracht, und René, auf sie zuspringend, wollte sich ihnen
jetzt, in Zorn und Unmuth über die erlittene Behandlung und der eben
kaum entgangenen Todesgefahr, augenblicklich wieder anschließen, das
Lager mit gewaffneter Hand erstürmen zu helfen; Raiteo aber merkte das
kaum, als er erklärte mit der erhaltenen Wunde nicht allein weiter gehn
zu können, und den jungen Franzosen ernstlich aufforderte, ihn, der ihm
eben erst das Leben gerettet und seinetwegen gerade den Schuß erhalten,
jetzt nicht hülflos im Walde liegen zu lassen, daß er vielleicht gar
wieder in die Hände der Tahitier fiele.

René konnte und wollte das allerdings nicht und wünschte den Verwundeten
von einem der Matrosen geleiten zu lassen; der Seecadet hatte aber dazu
keine Ordre, und Raiteo selber weigerte sich mit einem Fremden zu gehn,
der erstlich seine Sprache nicht verstünde, dann keine Verbindlichkeit
gegen ihn hätte, und ihn möglicher Weise hinter dem nächsten Dickicht
sitzen ließ. René durfte ihn nicht verlassen und nur deshalb dem
Seecadet seinen Namen nennend, wobei er ihn bat, es sobald als möglich
dem kommandirenden Officier wissen zu lassen, daß er der Gefangenschaft
glücklich entkommen sei, führte er den jetzt immer erschöpfter werdenden
Insulaner bergab in's Thal nieder, dem gar nicht so sehr entfernten
Papetee zu, fest entschlossen so rasch er könne zurück zu kehren und an
dem Kampfe noch womöglich Theil zu nehmen.

Das aber lag keineswegs in Raiteos Plan, dessen Wunde ihn wenig genug
genirt haben würde, wenn er eben allein hätte gehen _wollen;_ erstlich
aber mußte er in Papetee einen Zeugen für sich haben, wenn er auf einen
günstigen Empfang rechnen wollte, und dann war ihm der junge Franzose
jetzt zu großem Dank verpflichtet. Lief der aber gleich wieder zurück,
und wurde vielleicht vor den Kopf geschossen, so war für ihn jeder von
seiner That erhoffte Nutzen verloren, und er hatte nicht allein Nichts
verdient, sondern die Eingeborenen wie besonders seinen Missionair,
ohne den geringsten Vortheil davon für sich selber zu haben, auf das
grimmigste erbittert, und gegen sich aufgebracht. Das zu verhindern
war jetzt seine Aufgabe, und er stöhnte und ächzte so langsam den Berg
nieder und mußte sich so oft setzen und ausruhen, daß sie eben den Wall
von Papetee erreichten, als das Schießen oben aufhörte, und kurze Zeit
darauf die schmetternden Hörner der rückkehrenden Franzosen diese
als Sieger kündete. In der That hatten sie auch mit dem Bayonnett die
Eingeborenen aus ihren Schanzen hinausgetrieben und in die Berge gejagt,
und erst als sie sich dort nach allen Richtungen wieder sammelten, und
aus dem Dickicht heraus einen Angriff drohten, bei dem die nicht mit dem
Wald vertrauten Fremden vielleicht übel gefahren wären, zogen sie sich
zurück, mit dem Erfolg ihrer Expedition vollkommen befriedigt, und auch
nicht gerade mit zu viel Verlust.

René brachte nun, in Papetee wieder glücklich angelangt, vor allen
Dingen Raiteo, der ihm allerdings diesmal einen wichtigen Dienst
erwiesen, in gute Pflege, damit er sich rasch von seiner Wunde erholen
könne, die auch bald darauf Einer der dortigen Militärärzte untersuchte
und als ziemlich unbedeutend, jedenfalls völlig gefahrlos erklärte. Das
beendet aber suchte er auch ungesäumt den Gouverneur auf, ihm Bericht
zu erstatten über sein Abenteuer sowohl, wie über den sehr ungewissen
Erfolg den er von gütiger Ausgleichung zu hoffen habe.

Den Gouverneur fand er gerade mit dem Verhör des Mannes beschäftigt, der
fast die Ursache seines eigenen Todes gewesen wäre, mit Jim O'Flannagan
und ließ sich nur anmelden, um seine glückliche Rückkunft anzuzeigen
und zu passenderer Zeit wiederzukehren, wurde aber augenblicklich hinein
beschieden und ohne Weiteres vorgelassen.

»Sie kommen mir wie gerufen, Delavigne!« rief ihm der Gouverneur schon
von weitem entgegen -- »Ihre erlebten Abenteuer sollen Sie mir nachher
erzählen, aber wir haben hier einen Burschen, der Alles verspricht was
man von ihm fordert, seinen Hals nur aus der Schlinge zu retten in der
er sich festgefahren, und dem ich durch Jemand mit dem Land Vertrauten
möchte einmal auf den Zahn fühlen lassen.«

Jim O'Flannagan befand sich in der unangenehmsten Lage von der Welt:
mit auf dem Rücken gebundenen Händen zwischen zwei Marine-Soldaten mit
gezogenen Säbeln und eines Verbrechens überführt, das ihm die Raanocke
vollkommen sicher in Aussicht stellte. Er schien auch seine Situation
vollkommen zu begreifen, denn er sah todtenbleich aus und die Augen
lagen ihm tief und düster in den Höhlen; aber um den Mund zuckte doch
noch immer der alte Trotz, und die Stirn gerunzelt, blickte er finster
und mistrauisch auf den neuen Ankömmling, gleich aus seinem ersten
Erscheinen zu errathen ob er ihm nützen oder schaden könne.

»Hier der Bursche« fuhr der Gouverneur dann fort, als er dem jungen Mann
herzlich die Hand gedrückt, »thut Alles in seinen Kräften stehende,
das muß man ihm lassen, sein allerdings den Gesetzen verfallenes
verbrechenreiches Leben zu retten. In ihm ganz würdiger Weise hat er
uns auch schon gestern seinen eigenen Kameraden wieder in die Hände
geliefert.«

»Den entsprungenen Matrosen?« rief René rasch und erstaunt.

»Ja, er war mehr als das,« lachte der Gouverneur, »er war auch der
Helfershelfer des Gesellen da in früherer Zeit, und Theilnehmer selbst
des Mordes wegen dem wir diesen eigentlich zum Tod verurtheilt haben,
wobei noch der stärkste Verdacht vorliegt, daß er eine alte Frau
erschlagen hat, die man an jenem Abend mit dem Zeichen gewaltsamen
Mordes an sich und sogar gebunden in ihrer Hütte gefunden. Sie hätten
übrigens dabei sein sollen wie wir den Burschen fingen; es war wie
mit einem Lockvogel. Doch das konnte noch nicht genügend sein dieses
werthlose Leben wirklich zu guarantiren, und er will jetzt mehr thun,
er verspricht uns die Anführer der Indianer -- jene Häuptlinge die in
diesem Augenblick den meisten Einfluß auf die Eingeborenen ausüben,
zu überantworten, und _das_ wäre allerdings seinen Hals werth, denn es
würde Ströme Blutes ersparen und manchem braven Mann das Leben retten,
sowohl von unserer wie feindlicher Seite. Nun möchte ich von Ihnen
wissen, Delavigne, ob sein Plan, den er mir vorher mitgetheilt, einen
Schein von Wahrscheinlichkeit hat, oder ob es nur eben eine bloße Finte
ist ein paar Tage länger athmen zu können, was ich allerdings vermuthe.«

»Und wie glaubt er das möglich zu machen?« frug René.

»Die Ausführung beruht auf einer, morgen früh stattfindenden
Zusammenkunft, von der er unterrichtet sein will, und soll in den
Eigenthümlichkeiten des Termins begründet sein. Sind Sie mit den Bergen
hier, oberhalb der Stadt, genau bekannt?«

»So ziemlich, aber doch wohl nicht hinreichend; aber ein anderer
hier ansässiger und jetzt wieder in Französischen Diensten stehender
Landsmann, Lefévre, der lange Jahre auf Tahiti lebt, kennt dagegen, wie
ich glaube, jeden Baum um Papetee und in den nächsten Bergen. Vielleicht
wäre es zeitsparend ihn ebenfalls rufen zu lassen, seine Meinung mit zu
hören.«

Der Gouverneur klingelte, und die Ordonnanz wurde beschieden Herrn
Lefévre zu ersuchen augenblicklich sich hier einzufinden. René stattete
indessen mit leiser Stimme dem Gouverneur Bericht ab, über seine
Abenteuer sowohl, als den Erfolg den ein Friedensvorschlag auf die
Häuptlinge gehabt, und wie er in der That selber glaube, daß alle
freundlichen Vorstellungen bei den Eingeborenen auf vollkommen
unfruchtbaren Boden fallen würden. Danach erschien es also ebenfalls
nur noch wünschenswerther die einflußreichsten Häuptlinge, da sie keinem
gütlichen Vergleich lauschen _wollten_, womöglich gefangen zu nehmen,
und ihnen den Frieden dann selber diktiren zu können.

Lefévre kam endlich, und als er das Zimmer betrat flog sein Blick rasch
und wie scheu von Einem der Männer zum Andern, als ob er im Voraus
zu errathen wünsche was man von ihm wolle. Die freundliche Anrede des
Gouverneurs setzte ihn aber darüber bald außer Zweifel und nach den
nöthigsten Vorbemerkungen begann der Examen des Gefangenen.

»Woher weißt Du, Gesell, überhaupt, daß die _Häuptlinge_ an dem Tag und
zu der Stunde eine Zusammenkunft halten wollen, was hattest _Du_ mit
_ihnen_ zu thun?« frug der Gouverneur.

»Ein weißer Mann, der mit einem Gewehr umzugehen versteht, ist ihnen in
jetziger Zeit soviel als ein Häuptling« erwiederte mürrisch der Ire, dem
die vielen Zeugen nicht gerade angenehm zu sein schienen, »ich bin zu
allen ihren Berathungen gezogen.«

»Hm, das klingt wahrscheinlich -- aber weshalb wurde diese _Berathung_
auf so viele Tage hinausgeschoben -- weshalb findet sie gerade morgen
statt?«

»Am Freitag faßte man den Beschluß« erwiederte Jim, »am Sonnabend, als
an dem Sabbath, konnten und durften, ihren jetzigen Gesetzen nach, keine
Boten abgeschickt werden. Heute sind die erst nach dem Süden der Insel
hinübergegangen und vor heut Abend, ja vor heut Nacht, _können_ die
aufgeforderten Häuptlinge den Platz der Zusammenkunft nicht erreicht
haben.«

»Und weshalb findet die Berathung nicht in dem Lager selber statt?«

»Sie wollen dem Einfluß der Missionaire entgehn« erwiederte der Ire --
»ich selber habe den Antrag gestellt, weil ich die Schwarzröcke
hasse und sie den Eingeborenen, wo sie nur ihre Nase in deren innere
Angelegenheiten stecken, noch nichts wie Unheil gebracht. Utami,
Teraitane und manche Andere, gehen ihnen ebenfalls aus dem Weg wo sie
können, und Aonui wie Potowai sind nur ihre Posaunen.«

»Und wo ist der Sammelplatz?«

»Hier im oberen Thal, etwa eine englische Meile von Papetee dicht unter
dem Felsenhang auf dem oben die drei Cocospalmen stehen.«

»Kennen Sie den Platz?« wandte sich der Gouverneur jetzt zu den beiden
jungen Leuten, und Beide bestätigten es.

»Aber in welcher Schlucht?« frug Lefévre jetzt -- »es kommen da drei von
oben herunter.«

»In der mittleren« lautete die Antwort.

»Das ist die einzige die einen Ausgang hat, die andern beiden sind von
steilen Hängen abgeschlossen; und wo da?«

»Kennt Ihr den Platz wo die einzelne, jetzt von Utami bewohnte Hütte
steht?« frug der Ire den Franzosen.

»Allerdings; der Ort wäre nicht übel gewählt -- und wie viel Häuptlinge
sollen dort zusammen kommen?«

»Utami, Teraitane und Aonui von hier und Fanue und noch ein Anderer,
dessen Namen ich vergessen habe, von Tairabu der Eine, und vom südlichen
Theil der Insel der Andere, auch wurde davon gesprochen daß von dorther
ein Abgesandter von Huaheine und Bola Bola erwartet werde, und man
vermuthete daß sie zusammen eintreffen würden.«

»Ha, das wäre nicht übel« rief der Gouverneur, »aber auf welche Art
wären sie da zu fangen?«

»An dem Platz leichter als irgend wo anders« bestätigte jedoch Lefévre
die Angabe des Gefangenen -- »auf dem Rückweg ließe sich leicht ein
Vorposten hinschieben dem die Umstellten weder rechts noch links
auszuweichen vermöchten, wenn sie eben nicht fliegen können, und der
Eingang des schmalen Thales ist mit zwölf Mann vollständig zu schließen.
Wenn sich das Alles so verhält, wie es der Bursche angiebt und das
Ganze rasch und richtig angelegt und ausgeführt würde, ließe sich
ein günstiger Erfolg da schon hoffen. Keinenfalls hätte man viel zu
riskiren, da man sich rasch wieder auf die Stadt zurückziehen könnte
und es nicht anzunehmen ist daß die Eingeborenen, nach der heutigen
Niederlage, morgen schon sich so nahe heranwagen sollten. Im Gegentheil
hab' ich noch kurz vorher ehe ich hierher kam, von einem der uns
ergebenen Indianer gehört, daß die feindlichen Krieger eine weiter
zurückgelegene feste Stellung im Hautauethal einnehmen würden, sich dort
sicher verschanzt zu halten und die von England versprochene Hülfe zu
erwarten.«

»Das Sicherste wird dann jedenfalls sein« entgegnete der Gouverneur,
»ein starkes Detachement im Rücken aufzustellen, und dadurch selbst
jeder möglichen Ueberraschung zuvorzukommen. Fragen Sie einmal den
Burschen was er dazu sagt?«

Jim schüttelte aber dazu mit dem Kopf.

»Dann wirds Nichts« brummte er finster -- »sobald hier nur zwanzig
Soldaten auf einmal aus der Stadt marschiren, wissen sie's auch
oben schon in den Bergen und rüsten sich auf einen Angriff; kleine
Patrouillen sind aber bis jetzt täglich ausgezogen und selten belästigt
worden, weil eben die Eingeborenen keinen Angriffskrieg führen wollen.
Diese auch allein dürfen hoffen einen wirklichen Ueberfall auszuführen,
eine größere Abtheilung Militair nie.«

»Und wer bürgt uns für die Sicherheit solcher schwachen Patrouillen?«
frug der Gouverneur.

»Bin ich nicht selber in Euerer Gewalt und geh ich nicht mit?« sagte
Jim.

»Schlechte Guarantie das« meinte René kopfschüttelnd, »der Bursche hat
nicht einmal mehr ein Leben zu riskiren und aufrichtig gesagt, möchte
ich nicht einem einzigen Menschen an seine Versicherungen wagen; das
Ganze scheint mir wenigstens, ein abenteuerliches Märchen, seinen Hals
noch eine Zeitlang aus der Schlinge zu halten, oder gar in den Bergen in
Sicherheit zu bringen; ich würde ungemein vorsichtig zu Werke gehen.«

Die Franzosen unterhielten sich untereinander natürlich in ihrer eigenen
Sprache, und der Gefangene schaute dabei mistrauisch von Einem zum
Anderen, in dem Ausdruck ihrer Züge vielleicht die unverstandenen Worte
zu lesen.

Lefévre übrigens war _für_ den Plan; mit jenem Theil des Berges genau
bekannt, schien ihm ein solcher Ueberfall ziemlich leicht auszuführen,
dann aber lag ihm vor allen Dingen daran als wirklicher Officier in
die Armee eintreten zu dürfen, was ihm bis jetzt immer noch aus
verschiedenen Ursachen verweigert worden, ihm aber dann, wenn er
sich bei einer solchen Expedition auszeichnete, kaum entgehen konnte.
Außerdem war, Jim's Aussage nach, der alte Häuptling Fanue ebenfalls
gegenwärtig, den er noch von Tairabu her aus ganzem Herzen haßte. Hier
bot sich ihm also nicht allein die Möglichkeit einer vortheilhafteren
Stellung, nein auch zugleich die Aussicht sich an einem Feind zu
rächen, und er war fest entschlossen die Gelegenheit nicht ungenützt
entschlüpfen zu lassen.

Jim sollte übrigens heute Abend nichts Bestimmteres weiter über Annahme
oder Nichtannahme seines Planes erfahren; auf einen Wink des Gouverneurs
wurde er, als er all die nöthig scheinende Auskunft gegeben, wieder
abgeführt, und Lefévre erklärte sich jetzt bereit die Führung einer
Patrouille zu übernehmen, die, wie der Gefangene allerdings recht habe,
nur schwach sein dürfe, wenn sie nicht die Aufmerksamkeit der wachsamen
Eingeborenen erregen wolle, aber keineswegs möchte er sich auch ganz
allein mit wenigen Mann in den Wald hinein wagen, wo es doch immer
ungewiß wäre ob sie nicht auf eine stärkere Abtheilung der Feinde stoßen
könnten. Deshalb sollten mehre kleine Trupps nach einander und nach
verschiedenen Richtungen hin, wie eben zum Recognosciren, die Stadt
verlassen, und sich nach jenem Thal hinüber ziehn. Die zuerst gefeuerten
Schüsse mochten sie dann herbeirufen, denn nachdem geschossen war, blieb
es doch unmöglich ihren Plan länger geheim zu halten und dann brauchten
sie Hülfe, sich wieder zur Stadt zurück durchschlagen zu können.

Als er den Gouverneur damit einverstanden fand, beurlaubte er sich,
die noch nöthigen Vorbereitungen zu treffen, wie sich auch seine,
ihm passensten Leute selber zur Begleitung auszusuchen, und nur noch
beschlossen wurde daß Jim, natürlich gut verwahrt und bewacht, den Trupp
führen solle, dem nicht unmittelbar der Angriff galt, und der nur hinten
die etwaige Flucht der Häuptlinge abzuschneiden hatte.

»Und wollen Sie den Zug begleiten, Delavigne?« frug der Gouverneur, als
Lefévre das Zimmer verlassen und er ebenfalls im Begriff war sich zu
empfehlen.

Der junge Mann schüttelte mit dem Kopf.

»Ich will auf den Inseln leben« sagte er, und es war fast, als ob er
sich Gewalt anthun müsse für diese Antwort -- »und -- möchte Alles
vermeiden in zu feindselige Berührung mit den Bewohnern zu kommen --
wenn auch nicht meinet, doch meiner Frau wegen.«

»Aber Lefévre lebt auch hier« lachte der Gouverneur, »und genirt
sich nicht, wie Sie sehn -- er nahm die Sache mit einem ordentlichen
Feuereifer auf, und ich bin fest überzeugt, er wird sein Möglichstes
thun seinen Zweck zu erreichen.«

»Wir Menschen haben verschiedene Charaktere« erwiederte René ausweichend
-- »Lefévre denkt darin wahrscheinlich, wie in manchem Anderen auch
anders wie ich. Außerdem verspreche ich mir nicht den geringsten Erfolg
von dieser Mission -- ich fürchte die Insulaner sitzen uns näher als wir
glauben.«

»Bah« lachte der Gouverneur, »die Burschen wagen sich nicht wieder in
den Bereich unserer Kanonen, und werden sich jedenfalls mit Plänkeleien
begnügen, bis sie's satt bekommen, oder wir im Stande sind ihnen die
Rädelsführer wegzufangen; der Indianer selber ist viel zu indolent einen
Krieg aus Grundsatz zu führen. Doch dem sei wie ihm wolle« brach er
plötzlich kurz ab, »ich möchte Ihnen nicht zureden, wünsche es aber
Ihrer selbst wegen, daß Sie noch von dem unglückseligen Gedanken
zurückkommen, auf einer wüsten Insel Ihr Leben zu beschließen.«

»Wüsten Insel« sagte René, lächelnd den Kopf schüttelnd.

»Wüst für _uns_, und wenn es ein Paradies an Scenerie wäre -- wo wohnen
Sie jetzt, Delavigne?«

»Nirgend« lachte der junge Mann, »mein Haus draußen haben sie mir
abgebrannt, so hab' ich mich derweil bei Vater Conet einquartirt, der
mir ein Zimmer freundlich zur Verfügung stellte.«

»Ah, dort sind Sie gut aufgehoben, sonst hätt' ich selber Rath für Sie
geschafft; unser Krieg hat Sie geschädigt und es wird an uns sein, Ihnen
das später wieder zu vergüten. So, jetzt guten Abend, und ich hoffe Sie
morgen wieder zu sehn.«




Capitel 5.

Lefévre und Aumama.


Mit Tagesanbruch am nächsten Morgen durchzogen mehrere Patrouillen
langsamen abgemessenen Schrittes die Stadt; die den Franzosen freundlich
gesinnten, oder dort auch nur geduldeten Eingeborenen waren aber viel
zu sehr daran gewöhnt, darin Außerordentliches vermuthen zu können. Die
verschiedenen Posten wurden gewöhnlich durch solche Patrouillen abgelöst
oder auch nur revidirt, und außerdem sandte der Gouverneur sogar nicht
selten kleine Trupps über die Verschanzungen hinaus, zu untersuchen ob
sich nicht feindliche Schwärme der Stadt näherten, kleine Ueberfälle zu
versuchen, in denen sie es dann selten gegen die Feranis selber, sondern
fast nur gegen die ihrer Landsleute abgesehn hatten, die es mit den
Feinden des Vaterlandes hielten. Wehe denen, wenn sie in ihre Hände
fielen, und der Feuerbrand wurde in manche solche Hütte geschleudert,
trotz den rings aufgestellten Posten und Pikets der sie schützenden
Soldaten.

Eine dieser Patrouillen war noch vor Tag, wo kein Eingeborener sich
durfte in den Straßen der Stadt sehen lassen, an den oberen Theil der
Stadt marschirt, hatte den kleinen dort aus den Bergen kommenden Bach
oder Fluß, über den die Brücke abgebrochen war, gekreuzt, und auf dem
ziemlich breiten Weg eine Strecke fortmarschirend sich rechts in das
Dickicht geschlagen, wo sie Halt machte, den Tag abzuwarten. In ihrer
Mitte aber führte sie den Iren, Jim O'Flannagan, mit auf den Rücken
gebundenen Händen, während Lefévre den Trupp anführte, der, außer drei
von ihm selber ausgesuchten Leuten, noch aus dem Bootsmann und zwei
Matrosen des Jeanne d'Arc bestand, welchen letzteren besonders
die Bewachung des Gefangenen anvertraut worden. Ein anderer, ihm
beigegebener Officier, Adolphe, sollte die zweite Patrouille erwarten,
ihre Führung zu übernehmen.

Jim ging mürrisch zwischen ihnen, und schien mit der Rolle die er dabei
zu spielen hatte nicht recht einverstanden zu sein, nichtsdestoweniger
war ihm sein Leben gesichert worden, wenn er die Häupter der Rebellen,
todt oder lebendig in die Hände der Franzosen lieferte.

Erst nach Tagesanbruch folgte die zweite Patrouille der ersten;
Marinesoldaten, wie sie zum gewöhnlichen Dienst gebraucht wurden, und
um jeden Verdacht zu vermeiden von einem jungen Fähndrich angeführt. Auf
einer besprochenen Stelle vereinigten sich die beiden und wurden jetzt
so vertheilt, daß Adolphe den Iren und seine Wache bekam, der ihn
hinter die Schlucht und dorthin führen sollte, wo sie den umstellten
Häuptlingen den Weg in die Berge abschneiden konnten, und dafür die
Hälfte der zweiten Patrouille, sechzehn Mann mit dem Fähndrich, zu
Lefévres Unterstützung zurückließ.

Dieser mußte übrigens Adolphe mit seinen Leuten größeren Vorsprung
lassen, da sie einen weit längeren Weg zurückzulegen hatten, und Jim
verlangte jetzt von seinen Wächtern sie sollten ihn losbinden, oder ihm
doch wenigstens die Hände so weit frei machen, daß er seine Arme zum
Schutz gegen die überall vorstehenden Zweige gebrauchen könne. Adolphe
wollte ihm darin auch gern willfahren, der Bootsmann traute aber dem
Burschen nicht recht, und erst nach einigem Hin- und Herreden,
und besonders dadurch bestimmt, daß Jim behauptete sie würden den
bezeichneten Platz zu spät erreichen und Alles damit versäumen, wenn er
selber nicht ein klein wenig rascher aus der Stelle rücken könne, wurden
ihm die Hände gelöst; um den oberen Theil seiner Arme aber blieb das Tau
befestigt, und der Seemann selber hielt das wie eine Art Zügel in seiner
linken Hand.

So rückten sie zwar langsam, aber vollkommen geräuschlos durch einen
Theil des Dickichts, der von den Eingeborenen, die hier in der Nähe der
Stadt ihre Hütten fast sämmtlich verlassen hatten, nur höchst selten
betreten wurde, und sie also auch nicht so leicht Entdeckung zu fürchten
brauchten. Jim schien übrigens hier mit dem Wald vollkommen vertraut,
denn er bog bald hier bald da, rechts oder links ab, kleine offene
Lichtungen oder freiere Pfade zu erreichen, denen sie einmal eine
Strecke folgen konnten, und warnte sie immer auf das sorgsamste, wenn
sie in die Nähe irgend einer Ansiedlung kamen, die oft wie eine Oase in
der Sandwüste, so hier in dem dichtverschlungenen Guiavendickicht lag.
Da endlich weit genug vorgerückt, schlugen sie jetzt wieder eine mehr
Südwestliche Richtung ein, den Hang des Berges zu, der hier in fast
abgerundeter Spitze nach dem Meer hin abdachte, und betraten jetzt zum
ersten Mal einen ziemlich begangenen und auch offenen Weg, dem sie nun
so weit rascher folgen konnten.

»Wo führt der Pfad hin, Kamerad?« frug der Bootsmann da leise, als sie
ihn eine Zeitlang schweigend und bergauf verfolgt hatten.

»Pst« war aber die einzige etwas mürrische Antwort die er erhielt,
und da der Ausdruck in des Gefangenen Zügen ebenfalls die höchste
Aufmerksamkeit und Spannung verrieth, als ob er mit jedem Schritt irgend
etwas Außerordentliches zu finden oder hören erwarte, begnügte sich
der Seemann auch für jetzt damit, und spannte seine Sinne nur selber
schärfer an, einer irgendwoher drohenden Gefahr auch rascher begegnen zu
können.

Der Weg war indessen so steil geworden, daß der Bootsmann, auf den
ungeduldigen Blick des Gefangenen hin, das Tau verlängern mußte das er
in der Hand hielt, um diesen im Fortschreiten nicht zu sehr aufzuhalten.
Wenn Jim übrigens dadurch geglaubt einen Vortheil zu erreichen, hatte
er sich geirrt, denn der Seemann trug es fest und doppelt um die
Hand geschlungen, wie man einen Spürhund etwa an langer Leine auf der
Schweißfährte hinziehen läßt, willens ihm jeden Raum eben zu lassen das
Wild zu verfolgen -- aber nicht mehr. Die Uebrigen folgten in langer,
und manchmal eben nicht ganz geräuschloser Linie, Adolphe dicht hinter
dem Bootsmann und die beiden Matrosen dicht hinter ihm, von den Soldaten
gefolgt. Die Seeleute zeigten sich auch ziemlich behend, besonders im
Vermeiden des so häufigen trockenen Gestrüpps und übergeworfener Aeste,
das nach allen Richtungen hin ihren Pfad kreuzte, die Soldaten dagegen
waren viel unbeholfener, traten auf und knackten manchen dürren Ast,
und machten den Führer oft mit finsterem warnenden Blick auf sie
zurückschauen. In der That benutzte Jim auch solche Gelegenheit nur zu
gern, sich von dem Stand und Verhalten seiner Begleiter zu überzeugen.

Der Bootsmann, als das beste und einfachste Mittel ihm anzuzeigen daß er
mit ihm zu reden wünsche, zupfte den Iren jetzt, durch ein leises Zucken
der Hand, am Tau, und dieser drehte rasch den Kopf zurück.

»Halt!« kommandirte flüsternd der Seemann.

»Was giebts« frug jener eben so zurück.

»Hier mein Officier wünscht zu wissen wie weit wir noch etwa haben,
damit er seine Leute danach rüsten kann.«

»Er soll ihnen sagen daß sie nicht einen solchen Heidenlärm machen«
brummte dieser -- »das ist alle Rüstung die sie jetzt brauchen; sonst
noch was?«

»Und wie weit haben wir noch?«

»Weit genug den Platz nie zu erreichen, wenn wir jetzt gerade gehört
würden, und nahe genug in kaum zehn Minuten vielleicht schon in Sicht
des Feindes, oder doch in Rufes Nähe zu sein.«

Der Matrose nickte zufrieden und Jim setzte seinen Weg wieder fort,
war aber noch nicht zehn Schritt höher geklettert, als er seinem Führer
winkte in dem Laube noch vorsichtiger zu sein, und sich jetzt links
gerade in das Dickicht hinein hielt. Der Bootsmann wollte ihn erst daran
verhindern und in dem offenen Pfade selber halten, es war ihm aber fast,
als ob er das Geräusch von Stimmen höre, und die ängstliche Vorsicht
sehend, mit der der Ire hier selber weiter schritt, ließ er ihn
gewähren.

Adolphe selber war mit dieser Art des Fortrückens am wenigsten
einverstanden; der Dritte in der Reihe konnte er fast Nichts hören oder
sehn, und wurden sie gerade an einer solchen buschigen Stelle von einem
Feind überrascht, so waren sie, in der Verteidigung vereinzelt, der
größten Gefahr ausgesetzt aufgerieben zu werden, und weit genug hatten
sie sich in die Berge hineingewagt, die Begegnung eines Feindes wohl
erwarten zu dürfen. Es ließ sich aber Nichts dagegen thun, und weit
konnten sie von der bestimmten Stelle ebenfalls nicht mehr sein,
so fügte er sich dann, Flüche leise in den Bart murmelnd, in das
Unabwendbare, nur jetzt bemüht seine Leute, die jeden Augenblick fast
mit den Fußspitzen in dürren Aesten hängen blieben, oder an Steinen, auf
denen sie nicht festen Halt genug genommen, ausrutschten, in Ordnung und
ruhig zu halten.

Da endlich erreichten sie eine scheinbar offene Stelle im Wald, wo
die Sonne wenigstens licht und voll durch die sonst fast für sie
undurchdringlichen Guiaven fiel, und der Seemann fand, daß sie sich
einer steilen oder wenigstens sehr abschüssigen -- er konnte das von da
wo er stand noch nicht recht erkennen -- Bergwand genähert hatten, von
der aus sie jedenfalls einen Ueberblick in das vor ihnen liegende
Thal bekommen mußten. Jim hatte sich dahinaus auch schon vollkommen
orientirt, und den Bootsmann und Officier vorsichtig zu sich
heranwinkend, zeigte er durch einen kleinen Busch, der sie nach unten zu
verdeckte, in das Thal nieder, wo Beide zu ihrem, keineswegs freudigen
Erstaunen, und auf einer Stelle wo sie Niemand erwartet hatten, einen
Trupp von etwa zwanzig oder fünfundzwanzig bewaffneten Eingeborenen
lagern fanden. Die ganze Entfernung von diesen betrug kaum zweihundert
und funfzig Schritt, und das laute Knacken eines dürren Astes hätte fast
dort gehört werden müssen -- ein lautes Wort konnte sie verrathen.

»Pest und Tod!« zischte aber Adolphe zwischen den Zähnen durch, als er
mit einem Blick die Gefahr übersehen hatte, in der sie sich befanden --
»Hund verdammter, Du hast uns auf die falsche Fährte und absichtlich von
dem Wege ab, hierher geführt. Ist das hier die Stelle eine kleine
Zahl Indianer durch einen Hohlweg oder auf einem schmalen Damme
abzuschneiden, wo eine ganze Armee rechts und links von uns
durchpassiren könnte ohne daß wir etwas von ihr zu hören oder zu sehn
bekämen?«

»Bst!« sagte Jim mit unzerstörbarem Gleichmuth aber das Gesicht
jetzt von Todtenblässe, doch mit einem Ausdruck fester tödtlicher
Entschlossenheit darin, überzogen -- »bst Mounsier, nicht so laut, denn
die Burschen da unten könnten uns hören und uns zu Gaste bitten, wogegen
ich nun allerdings nicht das mindeste einzuwenden hätte, was für die
angenehme Gesellschaft hier aber nichts weniger als wünschenswerth
wäre.«

»Wo ist die Stelle zu der Du uns zu führen versprochen?« frug Adolphe
rasch und finster, aber mit vorsichtig unterdrückter Stimme:

Jim lachte leise vor sich hin, und es lag etwas Teuflisches in dem
Lächeln das Adolphe fast unwillkürlich nach dem Griff seiner Pistolen
suchen machte; aber der Ire sagte jetzt, noch immer mit leiser, aber
fester bestimmter und wie es schien zum Aeußersten entschlossener
Stimme.

»Wenn Ihr nicht schon lange gemerkt habt, daß ich meinen Weg verfehlt,
ist das nicht meine Schuld -- laßt Euere Pistolen im Gürtel, Kamerad,
mit denen könnt Ihr keinen Menschen schrecken der den Strick um den Hals
trägt; aber hört mich jetzt an und entschließt Euch dann rasch, denn
meine wie Euere Zeit ist kostbar. Mein gutes Glück hat uns in Rufs Nähe
einer Schaar von Eingeborenen gebracht --«

»Dein gutes Glück, Schuft?« knirschte der Bootsmann mit den Zähnen,
»wage es einen Laut auszustoßen und soll mich Gott strafen, wenn ich Dir
nicht beide Hackensehnen durchschneide, oder Dich an den nächsten Ast
hänge, ehe die Schufte da unten selbst in Schußnähe sein könnten.«

»Dazu hast Du Deinen eignen Hals zu lieb, Kamerad« lachte der Gefangene,
»ich selber aber hätte nichts Besseres verdient, wenn ich eine so
kostbare und nie im Leben wiederkehrende Gelegenheit jetzt unbenutzt
vorübergehen ließe. _Noch_ bin ich in Euerer Gewalt und Ihr könnt mich,
ehe meine Beschützer herankommen, tödten, soll das aber Jemand fürchten,
der jetzt die Wahl hat zwischen einem raschen Tod und dem Galgen? --
bah, soviel für Euere Macht --« und er schnalzte mit dem Finger. »Doch
Dienst gegen Dienst« fuhr er dann fort, als er sah daß der Bootsmann das
Tau das ihn hielt nur rascher und entschlossener packte -- »Ihr seht daß
Ihr, wenn entdeckt, diesem hier vor uns lagernden Trupp nicht entgehen
könnt, während ein einziger Schuß, hier abgefeuert, neue Feinde
vielleicht noch von jeder anderen Seite herbeiruft, die Euch den Weg
nach Papetee zurück mit leichter Mühe abschneiden und Euch ohne große
Gefahr für sich selber, aus dem Dickicht heraus einzeln wegschießen
könnten.«

»Und wenn sie mir die Glieder stückweis vom Leibe rissen« knirschte der
Bootsmann zwischen den zusammengebissenen Zähnen durch -- »erst seh ich
_Dich_ hängen Bestie, und dann mögen sie machen mit mir was sie wollen.«

»Noch habt Ihr einen Ausweg« sagte Jim ohne sich im Mindesten aus seiner
Fassung bringen zu lassen -- »Dienst um Dienst; laßt mich frei, und ich
verspreche Euch, daß ich hier still und regungslos liegen bleiben will,
bis Ihr außer jeder Gefahr die Wälle von Papetee sicher und unbelästigt
wieder gewonnen haben könnt.«

»Daß sie nachher in Papetee mit Fingern auf uns wiesen« zischte Adolphe
mit fest zusammengezogenen Brauen -- »thue Dein Schlimmstes Schuft, aber
beim ewigen Gott, ehe ich Dich lebendig aus meinen Händen ließ, hing ich
Dich selber an die nächste Guiave hier. Und nun zurück von da oben, wir
haben ohnedies schon Zeit genug versäumt, und hältst Du Dich ruhig, will
ich Dir versprechen mein Möglichstes in Papetee zu versuchen Deinen Hals
frei zu bekommen; aber kein Wort weiter und jetzt marsch.«

»Das Anerbieten ist freundlich genug« sagte Jim, »aber da weiß ich ein
Besseres --« und ehe der Bootsmann, der das Tau noch fest in der Hand
hielt, nur eine Ahnung davon hatte, warf sich der Gefangene, das ganze
Gewicht seines Körpers in den Sprung legend, durch den Busch hindurch,
den steilen Abhang, an dessen Rand er stand, hinunter. Er würde auch
jedenfalls seinen Zweck und den Boden unten erreicht haben, wo er
höchstens von den kaum sehr gefährlichen und ihm sicher gleichgültigen
Kugeln auf kurze Zeit bedroht blieb, denn der Seemann, der einen Sprung
dort hinunter für ganz unmöglich gehalten, stand keineswegs fest genug
sich dagegen zu stemmen und wurde im Nu von dem Gewicht des schweren
Mannes zu Boden gerissen; aber das Tau das er um die Hand trug hakte
glücklicher Weise in eine der dort gerade vorragenden starren und zähen
Guiavenwurzeln, und der Ire fand sich im nächsten Augenblick, an den
Armen aufgehangen, schwebend an der Klippe.

»Hülfe -- Hülfe!« gellte dabei, jetzt zum Aeußersten getrieben, sein
wilder Schrei durch den Wald, und die dort gelagerten Eingeborenen
sprangen, ihre Waffen aufgreifend, rasch in die Höh' und heran --
»Hülfe! Hülfe!«

»Teufel verdammter!« schrie aber Adolphe, sein Pistol aus dem Gürtel
reißend und an den Rand der Schlucht springend, während der Bootsmann,
der durch das Gewicht des Gefangenen niedergeworfen war, das Tau aber
immer noch fest um die linke Hand hielt, es mit der rechten jetzt
ebenfalls zu erreichen suchte, dem fast ausgerenkten Arm Erleichterung
zu verschaffen. Dieser sah aber kaum die Absicht seines Officiers als
er, unbekümmert um sich selber ausrief:

»Nein, nein Monsieur -- halt -- hier Jean, hier Petit -- faßt das hier
-- weiter vorn -- so -- haltet fest -- sacrrrr, ob mir der Hallunke
nicht bald den Arm mit der Wurzel herausgerissen hat, und nun herauf mit
ihm, daß ich seinen Hals bekommen kann.«

»Dort stürmen die Eingeborenen schon herbei!« rief Adolphe.

»S'ist nun doch einmal einerlei« rief der Bootsmann trotzig, »ob sie uns
hier oder funfzig Schritt weiter unten einholen, ja im Gegentheil, hier
können wir ihnen erst eine Salve geben; aber ich gehe nicht eher vom
Fleck bis ich den Schuft nicht gehangen habe.«

»Hülfe -- Hülfe -- Hülfe« gellte der Schrei des Gefangenen, der
vielleicht kaum sechs Schritt von der Erde entfernt, seine Kräfte
in wilder Verzweiflung anstrengte dem Tau zu entgehn, oder die oben
Stehenden mit sich nieder zu reißen. War es ihm aber mit dem ersten Wurf
nicht gelungen, so blieb es nachher für ihn ganz unmöglich, denn die
beiden Matrosen hatten, unbekümmert um den rohen Feind und nur dem
Befehl ihres Bootsmanns gehorchend, rasch die Gewehre nieder geworfen
und das Tau gefaßt, an dem sie den sich mächtig aber umsonst dagegen
Sträubenden mit einem lauten und trotzigen »Ahoyho -- ahoy-y« emporzogen
-- es war eine neue fast fingerstarke Hanfleine und hätte zwei solche
Burschen getragen.

»Top! -- avast da!« rief der Bootsmann jetzt, als er den Kragen des
Iren erreichen konnte, indem er ganz kaltblütig aus dem anderen Ende des
Taues das er in der Hand hielt, eine Schlinge machte -- »haltet einen
Augenblick, und Einer von Euch schnüre ihm einmal wieder die Hände auf
den Rücken -- oh hol der Teufel die Kugel, kehr Dich nicht daran Jean,
so --«

»Hülfe -- Hülfe!« tobte der Gefangene indessen in Todesangst, der
jetzt eine Ahnung von dem bekommen mochte, was seine Henker mit ihm
beabsichtigten, »Hülfe -- Hülfe!«

»Strample nur Bestie -- wirst gleich fertig sein« brummte der Bootsmann
zwischen den Zähnen durch, zwischen denen er jetzt sein Messer hielt.

Wilde Ausrufe tönten nun von rechts und links herüber, und die ersten
der Insulaner erkannten kaum die Gestalten von Europäern auf dem Abhang
als sie auch schon, -- unbekümmert ob Freund ob Feind dadurch getroffen
würde, ihre Gewehre dorthin abfeuerten. Eine der Kugeln schlug an den
Fels an, an dem der Gefangene sich sträubend hing, eine andere zischte
dicht an des Bootsmanns Kopf vorbei; vollkommen ruhig aber legte der
Seemann die fertige Schleife um den Hals des jetzt laut aufkreischenden
Iren, und einen Theil des Taues dann mit seinem Messer trennend, das
Ende mit der Schlinge gleich darauf mit einem Seeknoten um den nächsten
Guiavenstamm zu schlagen, rief er, indem er das Messer in die Scheide
zurückstieß:

»Jetzt bete, Schuft, Deine Zeit ist abgelaufen, bis ich zwölf zähle bist
Du eine Leiche.«

»Laßt mich los -- nein, zieht mich hinauf!« schrie der Unglückliche in
Todesangst -- »ich will Euch zurückführen -- sicher nach Papetee -- ich
weiß Schleichwege dorthin -- ich muß -- ich muß dort -- gehangen sein.«

»Bete während ich zähle!« rief der Seemann -- »eins, zwei, drei, vier,
fünf.«

»Ich will Alles gestehen -- ich habe noch einen Mord verübt den ich
bekennen muß! um Gotteswillen.«

»Sechs, sieben, acht, neun, zehn.«

»Hülfe -- Hülfe!« kreischte mit gellender Stimme der Mann und der
Angstschweiß troff ihm in schweren Tropfen von der Stirn nieder. --
Wieder wurden dabei zwei Schüsse auf sie abgefeuert, und die eine Kugel
traf sogar den Stamm, der bestimmt war den Verurteilten zu tragen.

»Elf, zwölf! --« zählte aber der Bootsmann, unbekümmert um Alles was um
ihn her vorging, weiter -- »so mein Bursche, die Zeit war vorüber, und
was Deine Morde betrifft, die Du auf dem Gewissen hast, so zweifle ich
gar nicht daran, daß Du Dir mit dem Erzählen derselben eine ganze Woche
Frist gewinnen könntest -- aber das ist zu spät jetzt -- so nieder mit
ihm, meine Jungen, und dann vielleicht eine Salve über sein Grab auf die
rothen Schufte da unten, wenns Ihnen recht ist, Monsieur. -- Laßt los!«

Ein gellender Aufschrei folgte dem Befehl, aber der Todeskampf des
Verbrechers machte dem rasch ein Ende, und während die Matrosen ihre
Gewehre wieder aufgriffen, kommandirte Adolphe, der sich schaudernd von
der Execution abgewandt hatte, sie aber auch nicht verhindern wollte,
Feuer.

Einzelne der Eingeborenen hatten sich indessen schon ziemlich nahe
herangewagt, zu sehen was es eigentlich hier mitten im Dickicht gebe,
und was die tollkühnen Wi Wis so keck und zuversichtlich sowohl in
den Wald geführt, als auch was der furchtbare Hülferuf Eins der ihren
bedeute; die ziemlich sicher gezielten Kugeln trieben sie aber rasch
wieder zurück, ihre Schaar zu sammeln und zu einem ernstlichen Angriff
auf die Feinde zu ordnen.

Für den kleinen Trupp war es jedoch ebenfalls die höchste Zeit sich
zurückzuziehn, und den Kamm des Abhangs rasch zwischen sich und die
Feinde bringend, wenigstens für jetzt vor ihren Kugeln geschützt zu
sein, machte der Bootsmann den Vorschlag, den vor kurzer Zeit erst
verlassenen Pfad zu verfolgen, und dann vielleicht mit der anderen
Patrouille wieder zusammenzustoßen und sich zu verstärken. Adolphe aber,
von seinen früheren Jagden her gewohnt die Richtung zu beachten, der er
im Walde folgte, wollte davon Nichts hören; sie kamen auf dem Pfad
nur immer weiter vom Strand ab und in die Berge hinein, und durch das
Schießen aufmerksam gemacht, durften sie jetzt wohl erwarten noch
mehr Verfolger auf ihre Fersen zu bekommen, ehe sie Papetee wieder
erreichten, als ihnen lieb war. So die kleine Schaar um sich sammelnd,
ließ er sie wieder gegen den Abhang vorrücken, die Gegner wenigstens
auf kurze Zeit vielleicht damit zu täuschen, daß sie diese Position
behaupten wollten; es war aber keiner von den Eingeborenen mehr zu
sehen. Während sich der Bootsmann jetzt noch einmal zu dem Gerichteten
nieder bog, zu untersuchen ob der Bursche da unten todt sei, rief das
Kommandowort des Officiers die Soldaten in Reih und Glied, und als sich
der Seemann wieder, völlig befriedigt, emporrichtete, marschirte der
kleine Trupp, zu dem die Matrosen den Nachtrab bildeten, über den
schmalen offenen Raum der Richtung zu, nach der sie den Pfad wußten,
brach sich dort durch die Büsche Bahn, und folgte dem gefundenen offenen
Weg endlich in einem kurzen Trab, aus der Nähe der Feinde zu kommen.

Diese waren indessen aber auch nicht müßig gewesen, und mit dem Wald
vertraut, den gehaßten Fremden schon weit genug vorgeeilt sie zu
belästigen und in ihrem Marsch aufzuhalten. Einzelne Schüsse fielen aus
dem Dickicht, von denen eine Kugel sogar Adolphe in der Seite streifte,
und einige Mal brach und raschelte es in den Büschen nach allen
Richtungen, daß der Officier schon, einen allgemeinen Angriff
gewärtigend, die Seinen halten und sich sammeln ließ. Augenscheinlich
wollte der Feind dabei nur Zeit gewinnen, denn Boten waren sicher schon
nach Verstärkung abgesandt, den kleinen Trupp der Fremden förmlich
aufzuheben, und erst als sie sahen daß diese sich eben nicht aufhalten
ließen und näher und näher wieder der Stadt zurückten, tönte plötzlich
von allen Seiten ihr gellendes Kampfgeschrei und wie ein Rudel Wölfe
fielen sie, dem Tod trotzend über die sie ruhig erwartenden Europäer
her.

Wohlgezielte Schüsse empfingen sie aber hier, und die kleine Schaar
wies den Angriff so muthig zurück, daß der Feind, seine Todten und
Verwundeten aufgreifend, wieder im Dickicht verschwand und die Feranis
eine Strecke lang ihre Bahn ruhig verfolgen ließ. Diese aber hatten auch
einen schwer Verwundeten, der eine Matrose war durch den Leib getroffen
und mußte jetzt von zweien getragen werden; doch die Leute wechselten
unverdrossen mit einander ab, sich zur Vertheidigung stellend so wie sie
die Feinde kommen hörten und ihre Flucht fortsetzend, sobald ihnen ein
Augenblick Zeit gelassen wurde, bis ihnen, gar nicht weit entfernt, und
auch schon ziemlich in der Nähe der Stadt, ein französisches Signalhorn
neue Hoffnung brachte. Ihr Signal antwortete dem, und vielleicht zehn
Minuten später rückte eine starke Colonne Marinesoldaten, zur Hülfe
nachgesandt als ausgeschickte Spione die Kunde von dem gehörten Schießen
nach Papetee gebracht, auf der Straße heran.

Von der, unter Lefévre abgegangenen Schaar hatte man ebenfalls Schießen
gehört und eine andere Compagnie war ihr zur Hülfe nachgesandt, der
Erfolg jedoch natürlich noch nicht bekannt.

       *       *       *       *       *

Lefévre hatte indessen, mit dem Wald und allen Schleichpfaden um die
Stadt herum vollkommen gut vertraut, auch ziemlich sicher daß sie gerade
nach der gestrigen Niederlage der Eingeborenen nicht gleich wieder einen
Angriff von ihnen befürchten durften, seinen Weg sehr rasch, aber auch
etwas unvorsichtig verfolgt. Ein jahrelanger Aufenthalt auf den Inseln
mußte ihn allerdings mit dem ganzen Leben und Wesen der Eingeborenen
vollkommen vertraut gemacht haben, und er hielt sich ihnen an Schlauheit
im Walde noch für überlegen; er hatte die Eingeborenen aber nie
kennen lernen wie sie sich jetzt zeigten -- gereizt und tapfer, dem
eroberungssüchtigen Feind gegenüber, und vertraute dabei vielleicht zu
viel auf das Uebergewicht, was ihm die bessere Führung der Schießwaffe
jedenfalls geben sollte.

Wenig sich deshalb an das Geräusch kehrend, das sie etwa machten,
rückten sie vorerst, so schnell ihnen das Dickicht den Fortgang
erlaubte, durch die schon mehrfach erwähnte Guiavenniederung, in der sie
sich jedoch mehr rechts hielten als Adolphe mit seinem Trupp, bis sie
mit dem Fuß der Berge auch die Grenze der Guiaven oder diese doch hier
so vereinzelt fanden, ihnen weiter kein Hinderniß mehr in den Weg legen
zu können. Hochstämmige Mape- und Wibäume, Aitos, die Tiairis, mit
einzelnen Brodfruchtbäumen, den prächtigen Tamanu oder Ati, der
immergrünen =callophyllum inophyllum= und der Beringtonia Speciosa
bildeten hier den herrlichsten Hochwald, den nur hie und da kleine
Dickichte von Guiaven oder Citronen und Orangen füllten, während da
und dort einzelne wehende Palmen mit ihren weit und zierlich gezackten
Kronen selbst über die höchsten Wipfel dieser mächtigen Stämme
hinausragten -- die Könige der Wälder.

Hier hielten sie einen Augenblick; Lefévre selber, ehe sie das Thal
betraten, wollte erst recognosciren ob sich vielleicht in dem, darin
niederführenden und sonst sehr betretenen Pfad frische Spuren erkennen
ließen und wohin sie gingen; es war aber Nichts zu sehn und nach dem,
in letzter Nacht gefallenen Schauerregen noch kein Fuß wieder bergab
gekommen -- ihre Bahn lag frei. So wieder zurück zu den Seinen gehend,
ermahnte er sie jetzt, da sie doch gewissermaßen feindliches Gebiet
beträten, zu Vorsicht, besonders nicht mehr Geräusch im Gehn zu machen,
als unumgänglich nöthig war, und setzte sich dann mit dem kleinen Zug
wieder in Bewegung, das Thal hinauf und dem Lauf des kleinen Stromes,
der hier klar und rauschend aus den Bergen nieder kam, folgend.

Eine Viertelstunde mochten sie so langsam in dem schmalen Thale
fortgeschritten sein, dann und wann den Bergbach, der sich herüber
und hinüber warf in seinem Bett, kreuzend, weil schroffe Felswand oder
schlüpfriger steiler Hang ein Fortrücken an ein und demselben Ufer
unmöglich machte, als der Seecadet, ein junger Bursch von vielleicht
dreizehn Jahren, der hinter dem Zuge eine kleine Strecke zurück
geblieben war, weil er mit dem An- und Ausziehen seiner Stiefeln beim
Wasserdurchwaten nicht so rasch fertig werden konnte, eilig, und
jetzt an kein Ausziehn mehr denkend, nachkam, an der kleinen Schaar
vorbeiglitt und dem Führer mit etwas ängstlicher und erschreckter Miene
meldete, daß er eben ziemlich fest überzeugt zu sein glaube, die Gestalt
eines Eingeborenen in dem von den hohen Laubbäumen dicht überschatteten
Thalgrund gesehn zu haben.

»Ein Gespenst haben Sie gesehn« lachte aber Lefévre, »Sie sehen ja
todtenbleich aus, mein junger Herr -- und die Hosen und Stiefel bis hoch
hinauf naß -- die Gestalt hat Ihnen wohl Beine gemacht?«

»Ich gebe Ihnen mein Wort daß es ein Indianer war -- Mann oder Frau
konnte ich natürlich nicht erkennen, denn sie gehen Beide ziemlich
gleich gekleidet« erwiederte aber der junge Bursch jetzt mit fester
und etwas beleidigter Stimme -- er war nicht feige und die halbe
Anschuldigung solcher Schwachheit machte ihn hoch erröthen.

»Und was that er dort, =mon enfant=?« lächelte der Führer.

»Das weiß ich nicht, Monsieur; als ich ihn zuerst sah, stand er aufrecht
an einem Baume, im nächsten Augenblick aber, ob er nun bemerkt haben
mochte daß er entdeckt sei oder aus sonst einem Grund, schien es mir als
ob er sich auf den Boden niederdrücke, oder sich bücke, aber er blieb
verschwunden, und ich stand etwa fünf Minuten vergebens da, sein
Emporrichten wieder zu erwarten.«

»Er wird Lichtnüsse gesammelt haben« lachte Lefévre, »die liegen dort in
Masse im Wald herum; oder er hat sich zum Schlafen niedergekauert. Und
sind Sie hingegangen um zuzusehn was aus ihm geworden?«

»Nein, Monsieur,« sagte der junge Mann, »ich wollte nicht ohne Ordre den
Pfad verlassen, und Ihnen vor allen Dingen die Meldung machen.«

»Es ist gut -- haltet hier einen Augenblick -- ich will selber mit
zurückgehn und sehn was es war -- wir sind gleich wieder da« und dem
Cadetten einen Wink gebend, der ihm rasch voranschritt, suchte er mit
ihm die vielleicht zweihundert Schritt entfernte Stelle wieder auf, wo
der junge Mann behauptete den Insulaner gesehn zu haben. Dieser fand
auch die Stelle ohne Schwierigkeit wieder, bezeichnete dem Führer ihrer
kleinen Schaar den Platz, und kroch dann selbst voran durch die Büsche
dem Stamm zu, an dem die Gestalt gestanden haben sollte. Lefévre folgte
ihm, vorsichtig dabei rings umhorchend, ob sie nicht doch vielleicht
den schlauen Feind in der Nähe hätten, und auf dem Boden zugleich nach
frisch eingedrückten Spuren suchend. Der Grund war hier weich und dicht
mit Laub und Moos bedeckt, und an manchen Stellen von den silbergrauen
Tutuinüssen[6], der Frucht welche die Eingeborenen als Lichter brennen,
wie überstreut. Hier ließen sich auch in der That die Eindrücke eines
Fußes erkennen, ein Verfolgen derselben war aber, noch dazu in dem
düsteren Schatten des Hochwaldes, wenn nicht unmöglich, doch sehr
schwierig, und würde ihnen hier nutzlos viel Zeit gekostet haben; davon
glaubte aber Lefévre überzeugt zu sein, daß die Fährten gerade
dorthin zurückliefen, von wo sie herkamen und es blieb deshalb viel
wahrscheinlicher daß der einzelne Wilde, den sie hier vielleicht
überrascht hatten, scheu und erschreckt Bewaffneten zu begegnen, sein
Heil in der Flucht gesucht und ihnen dann schwerlich mehr lästig fallen
würde, als daß es ein ihnen auflauernder Spion gewesen. Keinenfalls
ließ sich jetzt etwas an ihrem einmal gefaßten Plan ändern, und der
Zwischenfall hatte wenigstens das Gute, Lefévre aufmerksam auf die doch
möglichen Gefahren gemacht zu haben, die ihrer noch hier warteten.

  [6] Der Kern der Tutui- oder Tuituinuß hat große Aehnlichkeit mit
  unserer Wallnuß, ist aber eher noch öliger und brennt; ebenso wie auch
  der Kern unserer Wallnüsse ein ziemlich helles Licht verbreitet.

Rasch holten sie jetzt den kleinen Trupp wieder ein, der sich indessen
in dem kühlen Schatten eines mächtigen Mapebaumes gelagert, und
aufsprang, als die Officiere zurückkehrten. Die Entfernung zu der
bezeichneten Schlucht war aber nun auch gar nicht mehr so weit, und
die zur Landmark dienenden Palmen konnten sie schon deutlich auf dem
Felsenkamm erkennen.

Hier lag das Thal noch ziemlich breit; über losgerissene und schon wild
genug umhergeworfene und oft rund und glatt gearbeitete und gewaschene
Felsstücken hin kam der Waldbach wohl funfzehn bis achtzehn Schritt
breit, toll und sprudelnd hernieder gesetzt in gewaltigen Sprüngen,
den weißen Schaum aufwühlend aus cristallenem Grund, und nach dem Moos
aufspritzend und daran zerrend, das sich der felsige Uferdamm wohl seit
langen langen Jahren aufgesetzt, und die Schulter jetzt gegenstemmt
gegen den muthwilligen, seinen Hauptschmuck zu wahren. Hier an einer
steilen, schroffen Wand niederwaschend, von deren verwitterten Seiten
bunte Farn- und Schlingpflanzen niederhingen und ihre Spitzen in der
Fluth kühlten und tränkten, brach er sich wieder, als ob des Spieles
müde, durch den felsigen Thalboden freien Weg zu dem anderen Hügelhang,
hier sich eine mächtige Wurzel losspühlend und hin- und herreißend in
seinem Strom, dorten sich selber einen Stein in das Bett rollend, den
kecken Sprung hinüber zu thun, von dem sich die kleinen Wellen dann
plätschernd und lachend erzählten, wenn sie die wieder frei gewordene
Bahn blitzesschnell und das Sonnenlicht mit ihren Armen fangend,
niederglitten, bis drüben ein anderer Fels ihrem Ansprung die breite
Stirn bot und sie auf's Neue dem finsteren Nachbar hinüberschickte. Und
Blumen und Früchte aus einem kälteren Klima nieder, weit oben aus den
starren wild zerrissenen Schluchten trugen sie in's sonnige Thal,
und spühlten sie leise an die moosige Uferbank; seltsam geformte, mit
faserigem Netz überzogene Nüsse, phantastisch gezeichnete und gezackte
Blätter und Blumen, von wunderbarem Farbenschmelz und Duft, sonderbar
gewundene farbige Schlinggewächse, wie sie das wärmere Thal nicht
erzeugte, und das badende Mädchen unten am Meeresstrand fing sie auf,
schmückte sich damit, und dankte heimlich, aber ganz heimlich daß es
um Gott die finsteren Mi-to-na-res nicht erfuhren, den freundlichen
Geistern dafür, die ihm die Blumen oben von unwegsamer Klippe gepflückt
und niedergesandt, in dem murmelnden Strom.

Und hoch und gewaltig thürmten sich die Bergmassen an beiden Seiten in
steilen, von einander gerissenen Wänden[7] empor, als ob ein Gott den
Berg gefaßt und zersplittert mit Riesenfaust, und dann seinen grünenden
wehenden, blüthendurchwebten Mantel darüber geworfen hätte. Rankige
Lianen flochten sich da von Klippe zu Klippe hin, in schwingenden
Festons die Brücke bildend zwischen Baum und Wand und buschige
Blumentrauben nieder schaukelnd in Moos und Farrenkraut. Palmen gediehen
hier oben fast gar nicht mehr, oder standen nur spärlich und zerstreut;
hoch aber auf der einen Wand, die sich viel hundert Fuß ein einziger
schroffer aber dicht mit Moos und Kraut überzogener Fels gen Himmel
streckte, standen am äußersten Rand, schüchtern in die schwindelnde
Tiefe schauend, über der ihre Wipfel hingen, drei einzelne schlanke
Palmen, an deren zähen Stämmen schon mancher wilde Sturm seine Kraft
versucht, aber die mächtigen Bäume, je toller er an ihnen gerüttelt,
nur um so tiefer und fester in den Boden gewurzelt hatte. Grad' an ihnen
vorüber aber, und selbst aus ihrer Mitte heraus, sprang mit _einem_
kecken Satz, sein moosiges Bett hinter sich lassend, wie der
Wanderbursch die stille freundliche Heimath, ein wilder funkelnder
schäumender Bergquell, mitten hinein in das helle rosige Licht, das ihn
mit seinen buntesten schimmernsten Farben übergoß, während die Luft
ihn in ihren Armen fing und den tobenden wilden Gesell in tausend und
tausend blitzenden Perlen faßte und ein funkelnder Regen in das Thal
hernieder sprühte.

  [7] In keinem Lande, auf keiner Insel der Welt, ist es so
  augenscheinlich wie hier, daß furchtbare Erderschütterungen die Berge
  in früheren Zeiten auseinandergerissen, und dadurch jene tiefen
  schroffen Thäler gebildet haben, die sich, Abgründen gleich, Meilen
  weit ausdehnen und deren Hänge in den meisten Ländern durch Zeit und
  Stürme abgerundet und zu selbstständigen verschiedenen Theilen wurden.
  Hier aber liegt noch die Kluft, wie sie jene geheimnisvolle Kraft der
  Tiefe mit furchtbarer Gewalt auseinander gesprengt, und wenn auch der
  üppig vorquellende Pflanzenwuchs solch fruchtbar vulkanischen Boden
  nicht mochte lange unbenutzt liegen lassen und die schroffen Hänge und
  Felsen selbst, bis in die höchsten und ungangbarsten Wände hinein, mit
  Busch- und Schlinggewachs mit Farrenkraut und Waldung selbst überzog,
  hat die Natur doch noch nicht Zeit genug bekommen jene scharf
  abgerissenen, durch den gewaltsamen Auswurf erzeugten Conturen wieder
  auszugleichen, und die Umrisse _der_ Wände, trotz der tiefen
  eingebrochenen Schlucht dazwischen, zeigen deutlich und unverkennbar,
  wie sie früher _ein_ Ganzes gebildet, in Bruch und Einschnitt die
  Riesenkraft verrathend die hier thätig gewesen.

Es war ein wunderherrlicher Morgen und der Thau, der noch im kühlen
schattigen Thal in glitzernden Perlen auf der dichten Moosdecke lag,
spiegelte in einzelnen zuckenden schillernden Lichtern den Sonnenstrahl
wieder, der sich mühsam seinen Weg durch dichtbelaubte, eng in einander
gereckte Zweige gebrochen, und wunderliche Schatten über das gelbe
feuchte Laub am Boden warf. Und die kleine blaue Eidechse mit den klaren
klugen Augen schaukelte sich auf dem schwanken Halm herüber und hinüber,
und hei wie rasch sie sich in das raschelnde Laub hinunter fallen ließ
und mit blitzschnellen Füßen über das weiche thauige Moos hinschoß, als
sie die Menschen in ihrer Nähe gewahrte, eine schmale dunkelgrüne Spur
auf die, mit schimmernden Tropfen besetzte Moosdecke ziehend. Hoch oben
aber in den Lüften, still und wie fest gebannt in der klaren ätherreinen
Luft mit den scharf und kühn geschnittenen Flügeln stand einer jener
schlanken prächtigen Fischadler, den die Seeleute den =man of wars
bird=, oder den Kriegsschiffvogel mit wirklich bezeichnendem Ausdruck
nennen, als ob er verlangend in das sonnige Thal hernieder sähe und doch
nicht wage, so keck und zuversichtlich er auch da oben durch die Lüfte
strich und sich seine Beute mit kühnem Stoß selbst aus der klaren
Fluth heraus holte, in das ihm fremde Element von Busch und Baum und
Felsgestein einzutauchen.

Lefévre hatte seinen kleinen Trupp hier wieder halten lassen; er schien
noch nicht ganz fest davon überzeugt zu sein, daß die andere Patrouille
auch den Rückwechsel erreicht habe, und die ganze Expedition hätte in
dem Fall ja scheitern können. Nach einer Viertelstunde endlich, selber
ungeduldig sein Ziel zu gewinnen, brachen sie wieder auf, ohne auch nur
dem mindesten Verdächtigen zu begegnen, und erreichten so den Eingang
des von Jim bezeichneten schmalen Thales, das hier gewissermaßen die
Abzweigung des Gebirgs in einer engen Schlucht durchbrach, und auf
dieser wie jener Seite ausmündete. Oben darin, und gegen den hier durch
ziehenden Passat durch einen breiten Felsvorsprung, wie ein vollkommen
verwachsenes und kaum durchdringbares Orangendickicht geschützt, stand
eine kleine Hütte und es hieß daß sie sich in letzterer Zeit, seit er
Papetee und die Französische Sache verlassen, Utami zu seinem Aufenthalt
gewählt habe, um von hier aus gewissermaßen die Operationen in beiden
Thälern überwachen und leiten zu können.

Hier, als sie den Bergstrom wieder durchschritten, ließ Lefévre seine
Leute auf den rollenden Felsmassen hin, die keine Spur bewahrten, einen
Theil noch weiter aufwärts rücken den Eingang zum Thal vollkommen zu
beherrschen und, falls ja ein einzelner Indianer oder ein Trupp hier
vorüber ziehen sollte, sie irre zu leiten, und befahl ihnen dann, sich
abseits vom Pfad so lange still und verborgen zu halten, bis er entweder
selber wieder zurückkehre oder ihnen das Zeichen zum raschen Vordringen
durch einen abgefeuerten Pistolenschuß gebe. Die größte Vorsicht, denn
sie hatten es mit einem schlauen Feind zu thun, machte er ihnen dabei
zur Pflicht, und er selber schlich sich dann, dem Fähndrich indessen das
Commando überlassend, auf ihm vollkommen gut bekannten Pfaden, am Berge
aufwärts, oben das Orangendickicht zu erreichen und von dort aus den
verrathenen und umzingelten Feind zu beobachten. Seine Maßregeln konnte
er dann leichter und sicherer danach nehmen.

Den steilen Hang der die Thäler von einander trennte, kletterte er so,
mit dem gespannten Pistol in der Faust, einem etwa gelegten Hinterhalt
nicht allein gerüstet entgegentreten zu können, sondern auch zugleich
das Zeichen zum Herbeistürmen der Seinen zu geben, langsam und
vorsichtig hinan; aber nicht das Mindeste ließ sich hören -- der Omaomao
flötete hier im Blüthenbusch so ruhig und ungestört, als ob noch nie der
Fuß des Fremden seinen Frieden gestört, das Heiligthum seines stillen
Waldes entweiht habe, und die schnelle raschelnde Eidechse im Laub, mit
dem Summen der Grillen oder eines einzelnen schimmernden Käfers, war
der einzige Laut, der sein Ohr traf, sein Auge aber immer rasch und
vorsichtig der Richtung zulenkte. So hatte er endlich den ersten Abhang,
der wie eine Art Terrasse an dem jetzt steil und unersteigbaren Felsen
hinlief, erreicht, und ein hartbetretener, mit bröckliger Lavamasse
gefüllter Pfad schlängelte sich hier entlang, der die Verbindung des
Hauptthals mit dem Osten der Insel unterhielt.

Rasch folgte er diesem, von keinem hindernden Dickicht mehr belästigt,
um den Rand des vielleicht noch dreihundert Schritt entfernten
Orangenhains zu erreichen, als ein kaum unterdrückter Schrei seine
Lippen trennte, denn dicht vor ihm, bis dahin aber von einem vorragenden
Felsen, an dem sie gelehnt, gedeckt, stand die Gestalt einer Frau
-- stand _Aumama_ -- sein _Weib_ und auch sie preßte erschreckt und
todtenbleich beide Hände auf das, oh wohl so ängstlich pochende Herz als
sie den Mann erkannte, der ihr das größte, schwerste Leid gethan.

»Aumama« flüsterte Lefévre bestürzt, und das Blut schoß ihm in vollen
Strömen in Stirn und Wangen, »was, zum Henker, treibst Du hier, Mädchen,
daß Du im Wald Versteckens spielst? -- wo kommst Du her und was thust
Du hier allein? oder ist noch Jemand bei Dir?« setzte er rasch, einen
forschenden Blick dabei ringsum werfend, hinzu.

»Also Du -- Du bist es« seufzte aber die Frau aus tiefster Brust,
und wehmüthig dabei mit dem Kopf nickend, ohne eine seiner Fragen zu
beantworten, ja ohne sie vielleicht gehört zu haben, »Du, der sich mit
der Waffe in der Mörderfaust in unsere Berge schleicht, neues Unheil zu
bringen dem armen, schon überdies mishandelten Lande? -- Oh was haben
wir Dir denn gethan?« setzte sie rascher und bewegter hinzu, »daß Du uns
so unablässig verfolgst -- ist es nicht genug daß Du die Ueberzeugung
mit Dir nimmst _ein_ Wesen elend gemacht zu haben auf der Welt?«

»Unsinn, Unsinn Aumama« sagte Lefévre kopfschüttelnd, »was fehlt Dir
heute Mädchen, daß Du so tolles Zeug schwatzest, Du wirst Dich ohne mich
so wohl befinden, wie Du es vielleicht nie mit mir gethan hast; aber
sprich nicht so laut, mein Herz, denn ich bin hier allein im Wald und
möchte nicht gern einem Schwarm Deiner Landsleute begegnen; sind deren
in der Nähe?«

»Was suchst Du hier? -- was willst Du bei uns? --« frug aber jetzt das
Weib, sich mit fester Hand die Locken aus der Stirn werfend und den
dunklen, thränenschweren Blick forschend auf ihn geheftet -- »was trieb
Dich mit der gespannten Feuerwaffe in der Hand hier her, wo ich, ein
schwaches unbewehrtes Weib ungehindert und furchtlos gehe? -- war es
das böse Gewissen das Dich hinaus jagte aus den sicheren Wällen Deiner
Freunde? -- ha dem entgehst Du nicht, und die Kugel, die sich tückisch
und unheilvoll in dem kleinen Rohr verbirgt -- schützt und rettet Dich
nicht vor dem.«

»Ich habe mich verirrt, Aumama« sagte Lefévre, das Pistol dabei in
Ruhe setzend und in seinen Gürtel zurückschiebend -- »ich bin vom Wege
abgekommen.«

»Du Dich verirrt? verirrt an einer Stelle« sagte die Frau ungläubig, ja
fast zornig mit dem Kopf schüttelnd, »wo wir hundert Mal zusammen
den Berg erstiegen und in das wundervolle Thal hinab, auf die weite
sonnenblitzende See hinausgeschaut? -- Es ist aber doch möglich daß Du
den Weg vergessen« setzte sie dann mit leiserer weicher Stimme und
fast wie traurig hinzu -- »vergaßest Du doch alles Andere was Du damals
gesprochen.«

»Und wohnt jetzt wirklich Utami in der alten Hütte oben, Aumama?« frug
Lefévre, der nicht allein jene Erinnerungen zu vermeiden wünschte,
sondern dem auch daran lag, jetzt zu erfahren was er wissen mußte,
wollte er nicht die Zeit hier leichtsinnig und nutzlos verstreichen
lassen.

»Was hast Du mit dem alten Haus?« sagte Aumama aber finster -- »was
kümmerts Dich, ob es bewohnt ist oder leer steht. Nein, kehre zurück
Mann in Deine Stadt -- kehre zurück zu den Deinen -- ich und die Kinder
haben Dir verziehn -- Gott hat es so gewollt, doch laß uns _unseren_
Frieden. Ich wollte mich rächen einst an Dir -- die Zeit ist jetzt
vorbei, und während ich gerade dachte daß an solcher Stelle, die der
Erinnerungen so viele und -- so wehe für mich hat -- der Zorn und Haß
die Ueberhand gewinnen müsse, stimmt es mich weich und weibisch -- gehe
fort.«

»Utami wohnt jetzt in dem Haus -- ich weiß es -- ist er allein? -- ich
möchte ihn sprechen wenn es irgend geht --« sagte Lefévre, der dem Weibe
wohl ansah daß sie mehr wußte als sie eigentlich sagen wollte.

»Du möchtest ihn sprechen? und weshalb?«

»Vielleicht bring ich ihm Frieden.«

»Oh, wer Dir trauen dürfte« sagte die Frau, tief aufseufzend -- »aber« --
setzte sie dann rascher hinzu -- »willst Du allein zu ihm gehen?«

»Ich habe nur noch einen Knaben bei mir, den ich zurückließ und erst
dann holen will.«

»Nur einen Knaben?« frug die Frau und ihre Augen hafteten scharf und
forschend auf dem scheu sie meidenden Blick des Feranis. »_Nur_ einen
Knaben? und weshalb ließest Du den zurück? hattet Ihr nicht Beide Platz
im Pfad?«

»Ist Utami allein?«

»Nein, noch ein anderer Häuptling ist bei ihm.«

»Kennst Du seinen Namen?«

»Fanue!«

»Von Tairabu« -- rief Lefévre schnell, »und hat ihn Niemand hierher
begleitet?«

»Wen wolltest Du noch?« frug Aumama lauernd, und die Augen blitzten Haß
und Eifersucht auf den Verräther.

Wäre Lefévres Auge nicht dem Blick des Weibes ausgewichen, er hätte
sich die Frage ersparen können, so aber sagte er mit erzwungener
Gleichgültigkeit, und dabei mit dem Heft seines Pistols spielend.

»Ich meinte nur ob Nahuihua, das spröde wilde Ding von Tairabu
vielleicht mit herüber gekommen wäre Dich zu besuchen.«

»Ja -- sie ist da« hauchte Aumama, und die Unterlippe leicht zwischen
die beiden Reihen ihrer perlenreinen Zähne gepreßt, die Augen fest und
forschend auf den Fragenden geheftet, stand sie da, halb abgewandt von
ihm, als ob sie fliehen wolle und doch nicht von der Stelle könne --
dürfe.

»Sie ist da?« rief aber Lefévre rasch und unbedachtsam mit
freudestrahlenden Blicken, und unwillkürlich fast machte er eine
Bewegung nach vorwärts, aber sich besinnend setzte er hinzu -- »doch
einerlei -- ich darf auch meinen Begleiter nicht im Stich lassen und muß
den holen -- leb wohl Aumama -- doch vielleicht sehe ich Dich nachher
noch wieder und -- und Mädchen, wenn Du etwas brauchen solltest -- wenn
Dir irgend etwas fehlte, was ich Dir schaffen kann -- laß mich's wissen
in Papetee, und wenn's in meinen Kräften steht, sollst Du's haben.«

Aumama erwiederte Nichts, und sah ihn lange schweigend an; wie er ihr
aber freundlich zunickte und sich wandte, den Pfad wieder zurück zu
gehn, rief sie ihm nach und sagte leise:

»Bleib hier, Lefévre -- gehe nicht wieder hinunter in's Thal. Willst
Du wirklich mit Utami sprechen und will Dein Mund Frieden bringen und
Freundschaft, so komm mit mir -- allein, wie Du da stehst und gehst. Ich
gebe Dir mein Wort, sicher sollst Du die Hütte betreten, sicher Papetee
wieder erreichen -- mit meinem eigenen Blute hafte ich Dir für das
Deine. -- Komm und ich will Dich führen, wie in früherer Zeit, und kein
Groll soll in meinem Herzen Raum haben für Dich, kein Schlag desselben
soll gegen Dich gerichtet sein.«

»Ich danke Dir Aumama, wenn ich auch Deinen Vorschlag jetzt nicht
annehmen kann; ich weiß Du bist immer gut und freundlich gewesen« sagte
Lefévre, »und es freut mich jetzt daß Du ruhig geworden und vernünftig.
Sieh, wir haben das ja auf den Inseln auch in hundert anderen Beispielen
und Fällen, daß ein Mann seine erste Frau verlassen und die jüngere
Schwester derselben zum Weib genommen hat. Wenn Du ihr nicht mehr
abredest, wird sie sich auch nicht länger sträuben, und vernünftig
sein.«

»Wer?« sagte Aumama, aber so leise, daß Lefévre wirklich nur an der
Bewegung ihrer Lippen errieth daß und was sie gesprochen.

»Nahuihua, närrisches Kind« lachte er, leise ihre Wange streichelnd,
aber sie fuhr von der Berührung zurück, als ob er ein Messer auf sie
gezückt hätte -- »willst Du ihr zureden?«

»Ja« hauchte die Frau.

»Und es soll auch Dein Schade nicht sein, Aumama« flüsterte der Mann --
»nun, nun, hab' keine Angst vor mir -- fürchtetest Dich doch sonst nicht
wenn ich Dir nahe kam. Aber ich muß fort« -- setzte er rascher hinzu,
»und meinen Kameraden holen -- sage indessen nicht daß Du mich gesehen
hast -- ich will sie überraschen.« Und mit flüchtigen Sätzen, innerlich
jubelnd über den leichten Doppelsieg dem er entgegenging, sprang er den
Pfad zurück, den er gekommen, die Bewohner der Hütte noch nicht
durch einen Schuß zu alarmiren, sondern seine kleine Schaar selber
heraufzuholen, und dann vielleicht jeden Widerstand gleich von vorn
herein unmöglich zu machen. Es war viel besser wenn das Ganze friedlich
und ohne Blutvergießen beendet werden konnte, denn die Insulaner
kämpften manchmal, besonders wenn zum äußersten getrieben, wie Rasende.

Aumama blieb allein zurück, und als seine Schritte hinter der nächsten
Felswand, um die sich der Pfad zog, verklungen waren, barg sie ihr
Antlitz in den Händen und schien den Schmerz, der ihr in wilder Qual
die Brust zu zerreißen drohte, zurückbannen zu wollen mit aller Kraft in
seine alte Veste. Aber es ging nicht -- zu viel -- zu viel war dem armen
Herzen angethan und zugemuthet, zu viel, die Thränen mußten sich Bahn
brechen endlich, hinaus in's Freie, und zwischen den zarten Fingern
quollen sie hell und perlend vor und tropften heiß und brennend nieder
auf das kühle Moos, das sie gierig auftrank, die Gramesboten.

Aber fort -- fort mit _den_ Gedanken -- mit einem Wurf ihres Hauptes
schleuderte sie die Locken aus der Stirn, die Thränen von den Wimpern,
und sich hoch und stolz emporrichtend blickte sie wild und zornig umher.
Er war fort -- fort die Genossen zu holen in feiger Hinterlist, wie
schon die ausgesandten Boten lang vorher gemeldet, und mit flüchtigem
Fuß floh sie den Pfad hinauf, der Hütte zu, von der aus jetzt rechts
und links bewaffnete Krieger hinausschlüpften -- hier an dem Hang hin,
hinter niedergestürzten Stämmen oder dichten Büschen sich bergend,
dort den Orangenhain füllend mit ihrer Schaar, und einzelne mit scharf
geladener Waffe in die Felsen vertheilt und Klippen der Bergeswand --
regungslos wie selber aus Stein gehauen, und nur in den Augen das wilde
trotzige Leben verrathend, das in ihnen kochte und trieb.

Jetzt krachten die Zweige unten, als die Schaar der Feinde leichtfüßig
und rasch den weichen Berghang emporsprang, sicherem Sieg entgegen, und
auf der Bergesspitze wieder wie vorher stand Aumama, die Hände fest
und krampfhaft auf der Brust gekreuzt, das Auge stier und thränen-, die
Wangen von Blute leer -- und jetzt? -- die Feranis stutzten und horchten
dem fremden Laut.

»=Uupa -- uupa=!« klang es leise von Kluft zu Kluft.

»Ha, die Turteltauben rufen, ein gutes Zeichen« lachte Lefévre, den
Degen aus der Scheide reißend, »und dort auch steht Aumama, ihres Wortes
getreu -- ich bringe Besuch, mein Schatz.«

»Er ist willkommen« entgegnete das Weib mit eisiger Kälte, aber ihre
Stimme drang kaum zu dem Ohr des Führers, als es ein anderer, herberer
Laut begrüßte. Ein gellender Schrei brach aus Waldesschlucht und Berg
-- das ganze Thal schien einzustimmen in den furchtbaren Ton und
mit scharfem tödtlichen Krach prasselte eine unregelmäßige Salve
Kleingewehrfeuer drein.

»Verrath!« schrie Lefévre und sprang, die blanke Waffe in der Faust,
auf Aumama zu; aber eine wilde Gestalt flog ihm in den Weg, sein Degen
splitterte an einem vorgehaltenen, seinen Hieb parirenden Büchsenlauf,
und im nächsten Augenblick traf ihn selbst das schwere Eisen an die
Stirn, daß er mit dumpfem Todesschrei zusammenbrach.

Ha, wie sie flohn -- den Berg hinab durch Busch und Strauch, ihre Waffen
lassend, wenn sie ein Busch faßte und hielt, blind und taub in den Strom
hinein, dessen schlüpfriger Grund ihnen die Füße fortriß und sie gegen
die schleimigen glatten Felsblöcke warf, bis sie sich halten konnten --
halten, um den jubelnden halbnackten Wilden am Ufer stehn zu sehn, wie er
den Speer mit gellendem Lachen in der Faust schwang und schüttelte, und
zum Todeswurf ausholend erbarmungslos in ihr Herz sandte, der Fluth die
Leiche überlassend. Nach rechts und links stoben die wenigen Menschen,
wie ein Volk aufgescheuchte Hühner auseinander -- in Verzweiflung
suchten sie an der steilen Wand emporzuklimmen, die sie zurückwarf in
die Arme der Rächer, oder den Pfad entlang mit flüchtigen Sohlen dem
flüchtigeren Feinde zu entgehn -- umsonst; Speer oder Kugel traf sie
ehe sie den dichteren Busch erreicht, oder wild tättowirte Gestalten
tauchten auch wohl, wie dicht vor ihnen aus dem Boden auf, und schlangen
mit gellendem Jubelruf ihre Arme um sie, die Entsetzten niederreißend
mit sich, bis des Verfolgers Waffe das zuckende Leben hinaustrieb mit
scharfer Wehr.

Nur Einer, von all den Anderen floh nicht und stand, den Säbel in der
schwachen Faust, die Linke drohend ein Pistol gespannt, den Rücken gegen
einen Fels gepreßt, noch ernst und trotzig da, dem Schlachten, das er
nicht verhindern konnte, keck die Stirne bietend. Es war jener Knabe,
den Lefévre erst vorher gehöhnt, und zwar mit Zügen, aus denen jeder
Tropfen Bluts gewichen war, aber keck und entschlossen blitzenden Augen,
die nur zu deutlich eher den Tod als Schande suchten.

Drei der Eingeborenen sprangen jetzt gegen ihn an, ihm die Wehr zu
entreißen und seine noch feine klare aber feste Stimme warf ihnen ein
trotziges »zurück« entgegen.

»Schont ihn!« bat Aumama, die auf ihn zu eilte, ihn zu schützen -- »es
ist nur ein Kind!«

»Aber ein ausgewachsenes!« schrie der eine Wilde, der schon Blut
gekostet -- »ergieb Dich!« und mit jähem Schwung hob er den gewichtigen
Kolben zum jedenfalls verderblichen Schlag -- da blitzte aus der
aufgeworfenen Hand des jungen Burschen ein scharfer Strahl, dem der
dumpfe Knall der Feuerwaffe folgte, und mit dem Blitz fast knickte die
riesige Gestalt vor ihm zusammen, die Waffe stürzte prasselnd auf den
steinigen Boden nieder und der Körper taumelte schwerfällig -- eine
Leiche -- den steilen Hang hinunter. Aber zu viel der Feinde waren für
die junge Hand; wohl schleuderte er dem nächsten mit glücklichem Wurf
das Pistol gerade in's Gesicht, sich dessen auf kurze Frist erwehrend,
wohl hieb die scharfe Klinge mit sicherer Hand geführt, tiefe Wunden
in den nackten Leib des Anderen, und hätten sie Alle gefochten wie das
Kind, manch Indianische Mutter würde an dem Abend ihre Wehklagen haben
singen müssen über den Körpern der Erschlagenen; doch die Kräfte gaben
aus, und wie Aumama vorsprang und der Waffen nicht achtend mit ihrem
eigenen Körper den Knaben decken wollte, traf ein Speer, von sicherer
und gewaltiger Hand geführt, die Brust des Unglücklichen, der todt
zusammenbrach, und nicht Einer von dem ganzen Trupp kehrte zurück, die
Schrecken jener Stunde zu erzählen.

»=A hi a nu=!« ein wilder Siegesschrei gellte durch die Berge und die
dunkle Schaar sammelte sich unten im Thal; von allen Seiten rannten sie
nieder, die Waffen in der Faust, und hohe trotzige Gestalten führten sie
an zum neuen Kampf. »Nach Papetee« jubelte ihr Kriegeslied in einer der
alten heidnischen Weisen -- »nach Papetee, den Feind jetzt zu treffen
mit scharfer Waffe -- nach Papetee!« und die Erschlagenen zurücklassend
wo sie ihr Geschick erreicht, zog die Schaar, anwachsend aus jeder
Schlucht, wo andere Trupps in Versteck gelegen, das Thal hinab, dem
einstmaligen Sitz der Pomaren zu, den Feind hinaus zu treiben oder zu
vernichten.

Und bei den Todten allein blieb Aumama, das arme junge Weib; mit leisem
scheuen Gang schritt sie zwischen den Erschlagenen hin -- schaudernd
wenn das warme Blut ihre Sohle netzte, und die Augen mit der Hand
bergend vor dem entsetzlichen Anblick -- zu der Stelle zurück, wo der
Mann lag der ihr einst Treue geschworen, und deren Bruch mit seinem Tod
gezahlt.

Todt -- allmächtiger Gott wie lag das Haupt jetzt zerschmettert, das sie
auf ihrem Schoos so oft gewiegt -- und diese Lippen, die sie tausend und
tausend Mal geküßt, so blutig -- so kalt und blutig. Arme, arme Aumama,
mit dem Tod des Mannes war auch der Haß, die Rache hingestorben, und
bitter klagend saß sie bei der Leiche -- sich selbst beweinend und die
armen, verlassenen Kinder.

Mit der gebrochenen Waffe des Geliebten grub sie dann ein Grab; sie
stach die lockere Erde auf und warf sie, mühsam und beharrlich mit den
Händen hinaus -- Stunde nach Stunde, und ohne Klagelaut. Von duftigem
Fern pflückte sie dann ein Lager, weich und reinlich, und breitete es
aus in der schmalen Gruft, und ihre Thränen flossen heiß darauf, und wie
die letzte Ruhestätte ihm, der sie so unsagbar elend gemacht, bereitet
war, trug sie, die letzten Kräfte anspannend, allein die Leiche hinein
in ihr einsam Bett, deckte das blutige entstellte Antlitz mit ihrem
Schultertuch und breitete Blumen und Blüthen über den Entschlafenen.

Unten vom Strand aus donnerten die Feuerschlünde der Feranis, und der
Schall brach sich dröhnend sein Echo aus den steilen Schluchten, aber
sie hörte es nicht; an dem offenen Grab saß sie, in Schmerz versunken
und dachte der schönen Zeit zurück, die sie mit dem Gerichteten verlebt
-- was er gefehlt, was er verbrochen -- sein Tod hatte das Alles
gesühnt; mit dem Blut war die Schuld fortgewaschen von seiner Seele und
nur der Geliebte lag ihr noch da, der Hingeschiedene -- der Vater ihrer
Kinder, das Ein, das Alles des armen Weibes. Oh wie hatte sie ihn so
glühend gehaßt als er sie verließ der eigenen Schwester wegen, wie hatte
ihr Herz so heiß und wild nach Rache gedürstet, an dem Verräther --
und jetzt? der Haß war hingeschmolzen wie der Brandung Welle am starren
Riff, hoch drohend und Verderben sprühend in ihrem Anprall, und das
Ziel erreicht -- zerfließend wieder in klare ruhige Fluth mit tausend
blitzenden Thränenperlen nur auf der glatten Fläche.

Arme, arme Aumama -- und wie sie sich über das Grab hinüberbog sang sie
mit leiser Stimme die Todtenweise ihres Stammes, das letzte Joranna dem
Hingeschiedenen.

  »Die Sonne blitzt auf Dich herab,
      Und Du bist todt.
  Sie scheint Dir in das offne Grab
      Und Du bist todt.
  Die Vögel singen rings im Laub --
  -- Du hörst sie nicht -- Dein Ohr ist taub
      Joranna, Lieb, Joranna.

  Ich ruhte einst in diesem Arm,
      Und Du bist todt.
  Ich lag an diesem Herzen warm,
      Und Du bist todt.
  Du hast mich schwer, ach schwer betrübt,
  Doch heißer hab ich Dich geliebt
      Joranna, Lieb, Joranna.«




Capitel 6.

Der Angriff auf Papetee.


Durch das Absegeln zweier Kriegsschiffe nach den Marquesas-Inseln war
die französische Macht in Papetee sehr geschwächt worden, und in der
That fingen auch an Provisionen zu fehlen, da die feindlich gesinnten
Eingeborenen nicht allein keine Produkte mehr einbrachten, sondern
auch die den Feranis freundlich gesinnten daran verhinderten, und nicht
selten Einfälle selbst in die Stadt machten, ihre Häuser zu zerstören
und ihre Fruchtbäume nieder zu schlagen oder zu tödten. Die Befestigung
von Papetee selber war ziemlich gut und stark, aber zu ausgedehnt für
die jetzt schwache Besatzung; die verschiedenen Bastionen konnten nicht
alle gleich stark vertheidigt werden und es war hier wirklich mehr die
Furcht die der Eingeborene vor den Kanonen der Feranis hatte, auf die
sich der kecke Leichtsinn, ja die Tollkühnheit derselben verließ, mit
wenigen hundert Mann, nicht einmal aller Bewohner in Papetee sicher, dem
Angriff der ganzen Insel begegnen und ihren keineswegs so unbedeutenden
Waffen Trotz bieten zu wollen.

Ein Handstreich war möglich, und zwar durch die Gefangennahme der
Häuptlinge, denn in dem Volke selber lag kein rechter Trieb zum
Widerstand, -- wie sie gleichgültig die fremde Religion angenommen,
würden sie es auch mit der Regierung gethan haben, wären die Eroberer in
den einzelnen Stellen nicht eben zu schroff aufgetreten, und hätte die
zugleich bedrohte Religion nicht durch ihre Priester stacheln helfen,
dem sich der Häuptlingsstolz dann beigesellte. Eine wirkliche Schlacht,
wo sie nicht unbedingt nöthig war, mußten die Franzosen aber jetzt
sorgfältig vermeiden, denn jeder Mann den sie verloren schwächte ihre
kleine Garnison um einen wichtigen Theil, und gab den Feinden größeren
Muth und Selbstgefühl; ja der Gouverneur bereute schon fast die
Expedition hinaus gesandt zu haben, selbst solchen Zweckes wegen, und
sandte in einer Zeit, wo er glauben konnte daß sie ihr Ziel erreicht
haben mußten, und die Aufmerksamkeit der Insulaner vielleicht noch
mehr dadurch von ihnen abgelenkt wurde, zwei stärkere Trupps nach, die
Patrouillen in ihren Bewegungen zu unterstützen, oder ihren Rückzug
wenigstens zu decken.

Die erste, so ausgesandte Colonne traf, wie schon erzählt, auf die
retirirenden Landsleute und zog sich mit diesen, nicht weiter als durch
einzelne harmlose Schüsse behindert, auf Papetee zurück, die andere aber
kam wenig über die nächste Umgebung der Stadt hinaus, denn ein dort im
Hinterhalt liegender Schwarm von Eingeborenen, der jedenfalls schon von
ihren Bewegungen vorher Kunde gehabt, griff sie in wilder ungebändigter
Wuth an und zwang sie, von dem Terrain und seiner Ortskenntniß
begünstigt, sich mit dem Verlust einzelner ihrer Leute, die sie nicht
einmal im Stande waren mit fortzunehmen, auf die Stadt zurück zu ziehen.

Die kleine Garnison wurde natürlich durch diesen halben Angriff
vollständig alarmirt. Die Wälle waren besetzt, die Kanonen geladen
und gerichtet, und marschfertige Patrouillen zogen hin und wieder, die
verschiedenen Punkte zu revidiren und Hülfe zu bringen wo sie Noth thun
sollte.

In dem Caffeehaus des Franzosen Victor waren eine Anzahl Officiere
versammelt, die von den verschiedenen Punkten eben Nachricht eingeholt
und ihr frugales Mittagbrod mit einem, schon selten gewordenen Glase
Claret würzen wollten. Auch René hatte sich hier eingefunden, saß aber
still und allein, die Arme auf der Brust verschränkt, das kaum berührte
Glas vor sich, und schien nur halb der lebendigen Beschreibung Adolphes
zu lauschen, der seine Abenteuer an dem Tage, das Ende des Piraten und
den von den Feinden so oft und hartnäckig bestrittenen Rückzug erzählte.

»=Diable=!« rief da Einer der älteren Officiere, »die Burschen machen
bei Gott Ernst, und wir mögen nur immer unseren Wein austrinken, denn
wer weiß ob uns nicht in der nächsten Minute die Lärmtrompete schon
wieder an unsern Posten ruft. Die Soldaten werden knapp, aber mit
den Officieren gehts noch knapper, und wenn sie noch ein paar von uns
wegputzen, können wir uns nur Unterofficiere zu dem Geschäft abrichten.«

»Wißt Ihr schon daß die Jeanne d'Arc in diesen Tagen, wenigstens in
nächster Zeit, ebenfalls segeln wird?« frug Bertrand.

»Das fehlt auch noch« riefen Andere, »dann doch sicher nicht, bis
sie uns andere Schiffe zum Ersatz geschickt; wenn man nicht hier sich
wenigstens den Rücken frei wüßte, möchte der Teufel einer ganzen Insel
voll gut bewaffneter Indianer die Stirn bieten. Springen sie uns einmal
über die Wälle und wir haben kein Schiff hier das ein paar Kugeln
herüber werfen und uns im schlimmsten Fall an Bord nehmen kann, so sind
wir alle zusammen verloren.«

»Wein her, Victor, Wein! aber rasch -- es wird uns nicht mehr viel Zeit
bleiben der Ruhe zu pflegen« rief ein junger Artillerie-Officier, der
eben das Zimmer betrat, seine Mütze auf den Tisch und sich selber
in einen Stuhl warf, »Tod und Teufel, ich glaube die Burschen machen
Ernst.«

»Was giebt's Luçon?« frugen fünf, sechs Stimmen auf einmal -- »neue
Nachrichten? -- ist Lefévre zurück?«

»Nichts zu hören von ihm und zu sehen, möchte nicht in seiner Haut
stecken« rief der Neugekommene, sich ein Wasserglas rasch voll Wein
schenkend, daß es über und auf den Tisch spritzte -- »aber einen
Gefangenen haben sie eben eingebracht, der hier in Papetee herum
spionirte und von Rüstungen spricht, die an Point Venus wie an der
östlichen Seite von hier statt finden sollen. Wir selber haben jetzt
Spione nach beiden Richtungen abgeschickt und sobald die zurückkommen
und das Ausgesagte betätigen giebt's jedenfalls Arbeit.«

»Was fehlt Dir nur heute, René?« sagte Adolphe, der sich jetzt zu ihm
gesetzt hatte und seine Hand ergriff -- »Donnerwetter Kamerad reiß Dich
heraus aus den Grillen und sei endlich einmal wieder ein Mann, denn seit
ich Dir heute von Belards erzählt, kommst Du mir wahrhaftig vor wie ein
liebesieches Mädchen. Warum hast Du überhaupt das Haus gemieden? -- sie
scheinen Dich dort lieb zu haben und es würde Dich zerstreuen.«

»Es ist vergebene Mühe, Kamerad« lachte Bertrand jetzt, der zu ihnen
an den Tisch trat, und wahrscheinlich glaubte, Adolphe habe ihm wieder
zugeredet französische Dienste zu nehmen -- »er hat den Geschmack am
Handwerk verloren, das wenigste zu sagen, und wird hier ruhig sitzen und
zusehn, während wir uns draußen mit dem Feind herumschlagen müssen, nur
unser Leben und das Dach zu vertheidigen unter dem wir schlafen.«

»So weit wird's nicht kommen« lächelte René -- froh dem Gespräch eine
andere Wendung geben zu können -- »die Eingeborenen sind gutmüthiger
Natur, und wenn Ihr ihnen nur selber Raum zum Athmen gestattet, lassen
sie Euch gern in Frieden.«

»Ja das hast Du wohl auch gemerkt?« lachte Bertrand -- »die Eingeborenen
sind gut genug, dagegen hab' ich Nichts, wenn wir eben nur allein mit
denen auch zu thun hätten; die aber, die hinter ihnen stecken, die ihnen
fortwährend in die Ohren schreien daß der liebe Gott in Gefahr wäre von
den verdammten Baptisten geschändet zu werden, und ihnen schreckliche
Geschichten vorerzählen von den Gräueln, denen ihre Seelen entgegen
gingen, wenn sie dem Feind das »Feld des Glaubens« überließen, _das_
sind die Hetzer, das die Feuerbrände, die die Gluth immer und immer
wieder auf's Neue schüren. Und wenn es _Männer_ wären, denen man mit dem
Schwert entgegengehen könnte, sollte es gehn, aber es sind _Weiber_ in
langen Röcken, straf mich Gott, die mit den salbungsvollen langweiligen
Gesichtern und den weißen Läppchen unter dem Kinn herumlaufen, und ihr
fades nüchternes Gewäsch wie eine Sündfluth um sich her ausgießen, daß
Einem ordentlichen Kerle schwach und weh wird. Demüthig und erbärmlich
thun sie dabei, verdrehen die Augen und falten die Hände, und sehen so
weich und schwammig aus, als ob ihnen Butter nicht im Mund zerginge,
aber gieb ihnen einmal die Gewalt, laß sie sich nur oben schwimmend
glauben mit einer »gläubigen Schaafheerde« unter sich, und sieh wie
ihnen der Kamm wächst. »Christliches Bewußtsein« nennen sie's dann und
noch anders, und Gesetze schreiben sie vor und Befehle; keine Kirche
ist prächtig, keine Pfründe reich genug, keine weltliche Herrschaft soll
über sie gebieten können, und keine weltliche Herrschaft giebt es dabei
in die sie nicht hinein reden möchten in all ihrer christlichen Demuth.
-- Giftkröten!« rief er mit einem leise gemurmelten Fluch, und leerte
das gefüllte Glas auf einen Zug.

»Hahahaha!« lachte ein Anderer, »Bertrand hat sich in die frommen
Männer ordentlich verliebt -- Dir haben sie's angetan mit ihrer
unverbesserlichen Liebenswürdigkeit.«

Bertrand murmelte eine Antwort zwischen den Zähnen, indeß er sich sein
Glas wieder füllte, und ging dann mit raschen ärgerlichen Schritten im
Zimmer auf und ab.

»Sie sind es auch, die die Eingeborenen immer in böse Händel verwickeln«
rief Adolphe, »und hast Du mir nicht selber erzählt, René, daß ohne
Deines wunderlichen Atiuer Freundes Hülfe, von dem ich immer noch nicht
herausbekommen kann, ob er ein Schuft oder ein ehrlicher Kerl ist -- der
Häuptling Aonui Dein Blut vergossen hätte? -- wie man aber hier überall
hört, ist gerade jener Aonui ein reines Werkzeug der Missionaire,
den weit milderen und vernünftigeren Rathschlägen Utamis gerade
entgegenarbeitend.«

»Zum Teufel, ja!« sagte René, die Stirne runzelnd in der Erinnerung
an die, so knapp gemiedene Gefahr, »des Schuftes Aonui Schuld war's
wahrlich nicht, daß ich jetzt hier noch bei einem kühlen Glas Claret
sitze, und ich glaube er war wüthend genug über meine Flucht. Wenn eins
mir auch den Degen noch einmal in die Hand drücken könnte gegen die
Indianer, wär' es die Hoffnung dem schleichenden Hallunken zu begegnen,
und ihm die Todesangst zurück zu zahlen.«

»Wer weiß, Delavigne, ob wir nicht Ihre Hülfe noch früher in Anspruch
nehmen« sagte der junge Artillerielieutnant -- »wir sind so schwach an
Mannschaft, daß wir bei einem allgemeinen Sturm der Eingeborenen
die Wälle gar nicht ordentlich besetzen, die Geschütze nicht gehörig
bemannen können, und Sie werden sich wahrlich nicht ruhig in's
Kaffeehaus setzen und ihren Wein trinken wollen, während wir draußen
nicht Arme und Köpfe genug finden können die Stadt und die Weiber und
Kinder vor dem Einbruch der wilden, und dann auch gewiß blutdürstigen
Horden zu sichern. Selbst die Herren Belard und Brouard haben heute
Morgen, von unserem prekären Stand und der Gefahr in der wir schweben
in Kenntniß gesetzt, dem Gouverneur ihre Hülfe anbieten und ihn bitten
lassen, über sie ganz zu disponiren, wie er es für gut finden würde. Sie
werden sich nicht wollen von Monsieur Brouard ausstechen lassen.«

»Ist es denn wirklich so arg?« rief René -- »ich habe nur immer
geglaubt, Bertrand und Adolphe redeten mir so zu mich wieder zum Dienst
zu bringen. Es versteht sich von selbst daß ich mich der Vertheidigung
der Stadt nicht entziehe, wenn ich einmal darin bin, selbst wenn es
nicht gälte meine eignen Landsleute mit vertheidigen zu helfen. Wird es
da nöthig sein mich erst beim Gouverneur zu melden?«

»Gewiß« sagte der Artillerielieutnant, »aber wenn Sie das wollen kommen
Sie mit mir, ich gehe in diesem Augenblick zu ihm, und weiß daß wir ihm
Freude damit machen.«

»Dann laß Dich nur mit zu mir einrangiren!« rief Adolphe, »und wär' es
nur der alten Zeiten wegen.«

»Und Atiu?« flüsterte René leise.

»Läuft Dir nicht fort« lachte der Freund, der die Worte gehört --
»Mensch, danke Gott daß er Dir die Gelegenheit förmlich in den Schoos
wirft Dich auszuzeichnen, und Dir eine Stellung hier auf den Inseln,
wenn Du denn nun einmal Dein Leben darauf beschließen _willst_, zu
erringen. Frankreich braucht solche Männer wie Dich zu seinen Colonieen,
aber suche den _Zweck_ Deines Lebens dann auch nicht blos in einer
Bambushütte und in den Armen einer hübschen Dirne -- ich bin auch kein
Kostverächter, aber ich will ein Ziel haben zu dem ich _auf_schauen
muß, eines das mir die Nerven und Adern mit Stolz und Freude füllt, dann
freut mich auch ein häuslich Glück daheim, und wahrlich nur in solchen
Verhältnissen kann ich es mir denken.«

»Ich kenne René gar nicht mehr« sagte Bertrand, »und glaube doch am Ende
die Missionaire haben's ihm angethan.«

»Hahahaha« lachten Andere, »das wäre kein übler Spaß, wenn Delavigne
Mitonare auf einer der Inseln drüben würde, und die Heidenkinder mit dem
heiligen Wasser wüsche.«

»Gar nichts so Unmögliches« sagte Bertrand, »da sind schlimmere und
wunderbarere Sachen vorgekommen in der Welt, und wenn er so fortliefe im
alten Gleis, ständ ich ihm bei Gott für Nichts.«

»Er wird Euch zeigen ob er noch fechten kann« rief aber René jetzt, dem
das Blut in Schaam und Aerger in die Schläfe stieg -- »daß ich nicht
muthwillig gegen die Eingeborenen fechten _wollte_, dafür hat ich den
guten und mir selber genügenden Grund, ich bin in anderen Verhältnissen
an diese Küsten geworfen als Ihr; aber treiben sie mich dazu, wie's mir
jetzt fast scheint, denn ihrer Güte verdank ich's nicht daß ich noch
athme, ei, dann bin ich auch meiner Verbindlichkeiten quitt und ledig,
gegen die Herren von Tahiti, und so lange ich hier noch auf der Insel
wohnen bleibe, will ich sie mir wenigstens mit helfen vom Leibe halten.
Ob ich mich dabei wie ein Mitonare oder wie ein Franzose benehmen werde,
mögen die Herren mir nachher bezeugen.«

»Bravo Delavigne -- bravo!« rief es von allen Seiten und die meisten der
jungen Offiziere sprangen auf ihn zu und schüttelten ihm die Hand; in
dem Augenblick aber tönte draußen ein Horn -- das Alarmsignal, das die
beurlaubten Officiere zurück auf ihre Posten rief, und Mützen und Waffen
aufgreifend, wurden die Gläser noch rasch voll geschenkt und geleert,
und fort stürmten sie Alle mit flüchtigem Gruß neuen Kämpfen, neuen
Gefahren, aber so sorglos entgegen, als ob sie zu irgend einem fröhlichen
Feste den lustigen Reihen, und nicht schon arg zusammenschmolzene
Schaaren dem unermüdlichen und ihnen an Zahl so weit überlegenen Feind
entgegenführen sollten.

Der Aufstand der Eingeborenen war aber in der That nicht bloßes Gerücht
gewesen, und René behielt kaum Zeit dem Gouverneur, der ihn freudig
begrüßte, als Freiwilliger vorgestellt und bestätigt zu werden, als von
Point Venus her die neue Botschaft kam, daß sich die Insulaner dort in
einer Verschanzung festgesetzt und von da hereinbrechend einzelne Häuser
der den Franzosen freundlich gesinnten Indianer niedergerissen, und die
sich ihnen entgegenstellende Patrouille zurückgeworfen hätten.

Selbst auf die Gefahr hin Papetee für den Augenblick zu sehr von Truppen
zu entblößen, mußten die Feinde aus dieser Stellung, die sie in
der unmittelbaren Nähe der Stadt hielt, vertrieben werden, und mit
wirbelndem Trommelschlag und schmetternden Trompeten sammelten sich die
Franzosen in der Nähe des Missionsgebäudes, und rückten dann in dichten
Colonnen dem Feind entgegen.

Der Platz wo sich die Eingeborenen diesmal festgesetzt, hieß Harpape und
es schien fast, als ob sie durch diese Stellung die verhaßten Feranis
nur eben aus ihren festen Verschanzungen herauslocken wollten, um sie
desto wirksamer auf ihrem eigenen Terrain bekämpfen zu können. So
hatten die Franzosen gerade die Missionsstation von Harpape erreicht
und passirt, und die ersten Colonnen waren eben in dem dicht dahinter
liegenden Orangenhain auf ihrem Weg, dem Fort der Eingeborenen zu,
verschwunden, als überall aus dem Dickicht heraus das Feuern der
Eingeborenen begann, deren Absicht jedenfalls gewesen war, die Feinde
hier zu trennen und zu zerstreuen, und dann gemeinsam zu überfallen
und zu vernichten. Das aber gelang ihnen allerdings nicht; ein scharfes
Feuer wurde auf den Busch gerichtet, der den schlauen Feind verbarg, und
von See aus warf ebenfalls ein kleiner Französischer Dampfer, der dort
auf und nieder fuhr, die Bewegungen des Militairs zu unterstützen, Kugeln
in alle Dickichte die ihm der Sammelplatz der Eingeborenen schienen.
Wild fuhren diese dann manchmal auseinander, wenn ganz unerwartet, von
einem ungesehenen, ungeahnten Feind geschleudert, eine Kugel hinein
schmetterte, mitten zwischen sie, oder wie das nicht selten geschah, den
Stamm einer gewaltigen Palme traf und splitterte, und der fruchtschwere
riesige Wipfel dann prasselnd und krachend niederbrach über die
Entsetzten.

Das Missionsgebäude lag hier mitten im Feuer, und war besonders den
Kugeln des Dampfers ausgesetzt; zwei der Missionaire deshalb, die sich
zu dieser Zeit gerade im Inneren desselben befanden, die Brüder Brower
und Mac Kean traten auf die Verandah hinaus, um die Leute an Bord
wenigstens wissen zu lassen wer sich hier aufhalte. Der Dampfer
respektirte auch das Haus der Missionaire und glitt geräuschlos vorbei,
erst auf der anderen Seite wieder sein Feuer eröffnend.

Gefährlicher schien für die beiden Männer, die in einer merkwürdigen
Verblendung, ob aus Neugierde, ob aus Furcht, oder in der That weil
sie hofften dadurch die Kugeln am sichersten von sich abzulenken, nicht
allein in dem gefährdeten Haus, sondern auch auf der Verandah desselben
blieben, das Kleingewehrfeuer der Truppen zu werden, die sich zuerst
vor den Gebäuden gesammelt hatten und nun zu einem förmlichen Angriff
rüsteten. Kaum hatten sie aber den Orangenhain wieder betreten, als auch
von dort aufs Neue ein scharfes Feuer auf sie eröffnet wurde, und
ein Theil der Truppen sprang in die Umzäunung der Kapelle oder des
Bethauses, aus dieser, die aus aufgerichteten Cocosplanken bestand,
eine zeitweilige Brustwehr zu bilden und den erwarteten Sturm der
Eingeborenen besser und nachdrücklicher abweisen zu können. Diese
kamen aber nicht, sondern begnügten sich nur mit der Vertheidigung des
Dickichts, dem Feinde nicht die Vortheile des freien Feldes zu gönnen,
und die Franzosen, des Plänkelns müde, bei dem sie nur Leute einbüßten
und dem Feind auch nicht den geringsten, wenigstens sichtbaren Schaden
zufügten, sammelten sich wieder in kleinen Colonnen, die versteckten
Insulaner jetzt ernstlich aus ihren grünen Bollwerken heraus zu treiben,
und auf ihr Hauptlager in Harpape zurückzuwerfen.

Gouverneur Bruat selber, der indessen am Missionshaus stillgehalten,
hatte die beiden Missionaire gewarnt sich dem Zufall einer
schlechtgezielten Kugel solcher Art auszusetzen, und sie zogen sich
demnach in die Hinterzimmer des Gebäudes zurück; Rufen und Schreien
draußen und das schärfere Schießen lockte sie aber auf's Neue vor, und
erst als mehre Kugeln in das Dach und die Fenster des Gebäudes selber
schlugen, wollten sie sich wieder zurückziehn -- aber zu spät. Mr.
Mac Kean hatte sich eben zum Gehn gewandt, da traf ihn eine von den
Insulanern selber abgefeuerte Kugel in den Hinterkopf, und als ihn
Mr. Brower taumeln und sinken sah und zuspringen wollte ihn zu halten,
stürzten Beide auf den Boden der Verandah nieder. Mr. Brower zog ihn
allerdings nun in das Gemach hinein und versuchte Alles ihn wieder in's
Leben zurückzurufen, aber die Kugel war tödtlich gewesen -- er athmete
noch ein paar Mal leise und -- war nicht mehr.

Die Soldaten indessen, sich wenig darum kümmernd was in der Verandah des
Missionsgebäudes vorging, warfen sich in kalter Entschlossenheit auf
den versteckten Feind, trieben ihn aus dem Schutz der Büsche hinaus
und stürmten seine Schanzen, daß er, seine Todten und Verwundeten
aufraffend, in wilder Flucht sein Heil suchen mußte. Gern hätte der
Gouverneur sie nun auch weiter verfolgt, wären ihnen nicht zu gleicher
Zeit die von Papetee herüber donnernden Kanonenschläge eine ernste
Mahnung gewesen dorthin zurück zu kehren. Aus dem Hautauethal nieder
hatten nämlich die Eingeborenen, nachdem sie Lefévre mit seiner kleinen
Schaar erschlagen, von dem leichten Siege trunken, einen tollen Angriff
gewagt, und als das Commando von Point Venus zurückkehrte, kam es eben
nur noch zur rechten Zeit, die schon zum Aeußersten erschöpfte Besatzung
von den immer und immer wiederkehrenden wüthenden Angriffen der
Insulaner zu befreien, die nur zurückgeschlagen schienen, um mit
doppelter Wuth und ungeschwächten Kräften ihre Ueberfälle zu erneuern.

Selbst der Untergang der Sonne setzte dem erbitterten Kampfe noch kein
Ziel, und die Indianer suchten besonders unter dem Schutz der Dunkelheit
einige der am schwächsten besetzten Punkte zu überrumpeln, bis ein paar
zwischen sie abgefeuerte Raketen und über sie geworfene Leuchtkugeln sie
erschreckt zurücktrieb in ihren sicheren Wald.

René hatte sich mehrfach an diesem Tag ausgezeichnet, auch ein paar
leichte Streifwunden bekommen, aber ungeschwächt dadurch dem Kampfe
Stand gehalten. Das herzliche Betragen seiner neuen Kameraden dabei
that ihm wohl; es erweckte wieder die alten fröhlichen Erinnerungen aus
früheren Tagen, früheren Zeiten, und mit dem Bewußtsein dazu, wie er
den Kampf nicht muthwillig gesucht, und eben sein eigenes Leben nur mit
vertheidigen helfe, das ihm noch gefährdet sein mußte, wäre er wieder
in die Gewalt Aonuis oder jener fanatischen Parthei gefallen, kam wieder
all der fröhliche Jugendübermuth in seine Seele, und er horchte mit
blitzenden Augen den Plaudereien der Erzählenden, von Kampf und Sieg,
Avancement und Orden -- Orden in blutiger Schlacht mit dem Säbel in der
Faust gewonnen, und nicht im Frieden behaglich eingeknöpft.

Die strengsten Patrouillen mußten aber die ganze Nacht hindurch die
Außenwerke begehn; die Posten wurden unaufhörlich revidirt, und die
Truppen warfen sich in ihren Kleidern, die blanke Waffe zum raschen
Dienst bereit, auf ihre Matten, der Nacht ein paar Stunden Schlaf
abzustehlen, und zum frischen Kampf am nächsten Morgen, an dessen Beginn
keiner von Allen zweifelte, wieder bereit zu sein.

Sie hatten sich auch nicht geirrt; mit dem dämmernden Morgen
schmetterten die Alarmhörner und wirbelten die Trommeln, das
Kleingewehrfeuer von dem, den Schanzen gegenüberliegenden Dickichten
begann schon wieder, und der Donner des schweren Geschützes von den
Wällen brach prasselnd hinein in Guiavenbusch und Orangenhain, und trieb
den Rauch in schwerfälligen Massen in der Niederung hin, sie mit dichten
Schwaden füllend.

Die Franzosen hatten die Wälle so gleichmäßig als möglich besetzt, und
der kleine Dampfer unterstützte sie dabei nach besten Kräften von der
Seeseite.

Nichtsdestoweniger gelang es mehrmals den verschiedenen Trupps bis
in das Innere der Verschanzungen zu brechen, wo sie manche der den
Franzosen ergebenen Häuptlinge und andere Insulaner erschlugen, und das
Französische Missionshaus zu stürmen suchten. In wildem unerschrockenem
Trupp, das Feuer der Geschütze wie die in ihren Reihen angerichtete
Verwüstung nicht achtend, warfen sie sich dem ihnen an Kriegskunst und
Waffen weit überlegenen Feind trotzig entgegen, und die Alarmsignale der
Französischen Truppen mußten in solchen Fällen Hülfe herbeirufen nach
den am meisten bedrohten Punkte. Glücklicher Weise für die Besatzung
versäumte der Feind solche Angriffe, obgleich zehnmal zurückgeworfen,
weil sie fast die ganze Macht der Gegner im Widerstand fanden, an mehren
Punkten zugleich zu unternehmen, Papetee wäre sonst unrettbar verloren
gewesen; hartnäckig nur blieben die Eingeborenen bei ihrer alten Art des
Angriffs und -- konnten ihr Ziel nicht erreichen.

Aber auch hierdurch wurde die kleine Besatzung mehr und mehr entkräftet;
die ewigen Stürme bald hier bald da, immer mit gleicher Wuth geführt,
während die Insulaner, Tod und Wunden nicht scheuend immer nur danach
zu trachten schienen den Feind zu treffen und zu schwächen, rieben
sie nicht allein auf, sondern verminderten auch schon merklich ihre
vertheidigungsfähige Mannschaft, und hie und da war schon der Wunsch
unter den zum Tod erschöpften Leuten, den die Officiere Mühe genug
hatten zu unterdrücken, aufgetaucht, daß sie den Dampfer heranrufen und
an seinen Bord wenigstens ihr Leben sichern sollten, bis französische
Schiffe mit Mannschaft und Provisionen ankämen und so nöthige Hülfe
brächten. Lauter wurde der Wunsch, je wilder der unermüdliche Feind
ihre Wälle stürmte, und mancher Blick der armen verwundeten und zum Tod
erschöpften Truppen suchten den fernen Horizont nach so heiß ersehnter
nöthiger Hülfe.

»Ein Segel!« wie ein elektrischer Schlag ging der Ruf durch das ganze
Lager -- »ein Segel am Horizont« -- ein Kriegsschiff das uns Hülfe --
das Verstärkung bringt -- ein Kriegsschiff das schon mit dem Namen den
kecken und übermüthigen Feind einschüchtert und zurück in seine Berge
jagt, der bis jetzt zu glauben schien die wenigen Truppen seien allein
zurückgelassen, die Insel im Besitz zu halten, und wenn sie die wieder
vertrieben oder erschlügen, wären sie auf's Neue die Herren ihres Landes.
Die Europäer mochten ihnen in der That etwas derartiges vorerzählt
haben, als aber das fremde Schiff am Horizont auftauchte, oder vielmehr,
um die östliche Landspitze her, schon in gar nicht mehr so großer
Entfernung sichtbar wurde, hielten die Eingeborenen es ebenfalls für
ein ihnen günstiges Omen, denn wenn die Franzosen hier wirklich allein
zurückgelassen waren, konnte das neueinkommende Fahrzeug kein anderes
als ein englisches sein, und einen Wetteifer galt es jetzt, die Feinde
zu werfen und zu vertreiben, ehe fremde Hülfe selber gekommen sei.

Die beiden wichtigsten Anführer der Insulaner an diesem Tag waren aber
der wilde Häuptling Fanue, und Pompey der Afrikaner, dem seine prächtige
Hautfarbe wie riesige Kraft diese Auszeichnung verschafft hatte. Pompey
besonders, während der Indianer mehr eine stille, mehr hartnäckige
Tapferkeit entfaltete, rief die ihm blind folgenden Krieger immer mit
einem wahren Jubelschrei zu neuem Angriff, und zehnmal zurückgeschlagen
und aus vielen Wunden blutend, schien ihm das Alles nur ein leichtes
fröhliches Spiel, dem er mit Singen und Lachen wieder entgegenflog.

Im Osten von Papetee hatte die schon zum Tod erschöpfte Mannschaft eben
einen solchen Angriff zurückgeschlagen, bei dem in der That nur ein
glücklicher Kartätschenschuß den Ausschlag gegeben, der den dicksten
Haufen der Feinde traf, und furchtbare Verwüstung zwischen ihnen
anrichtete. So vollständig waren sie dadurch überrascht worden, daß sie
selbst ihre Todten auf dem Platze ließen, so schnell als möglich
die Büsche wieder zu erreichen. René und Adolphe hatten hier
zusammengekämpft, und der erstere besonders sich mit so kalter
Todesverachtung dem Feind entgegengeworfen, und mit so unübertroffener
Tapferkeit gefochten, daß ihm Gouverneur Bruat, der von einem Platz
zum anderen galoppirte die Vertheidiger anzufeuern und etwa nöthige
Anordnungen zu treffen, selber das Kreuz der Ehrenlegion auf die
Brust heftete und ihn zum Capitain, an die Stelle seines gefallenen
Vorgesetzten, avancirte.

»Du bist nun einmal ein Glückskind, René« lachte Adolphe, ihm auf die
Schulter klopfend, »und Fortuna scheint Dich besonders ausersehen zu
haben.«

»Fortuna ist ein Weib, Adolphe, und unbeständig, wer kann sagen wie mich
die nächste Stunde findet und -- ich weiß wahrhaftig nicht ob ich mich
über mein unverhofftes, ungesuchtes Avancement freuen oder -- oder
ärgern soll.«

»Aergern?« lachte Adolphe -- »Gott sei Dank, das wär' eine Ursache vom
Zaun gebrochen. Aber Du hast's auch verdient, denn ich schlage _mein_
Leben auch nicht gerade so übermäßig hoch an, doch mich solcher Art
mitten zwischen die tollsten Haufen der Feinde und in Bayonnet und Speer
gerade hinein zu werfen, fiele mir nicht ein -- und ich bin _nicht_
verheiratet.«

Am anderen Ende der Stadt begann in diesem Augenblick, und ehe René
etwas erwiedern konnte, ein scharfes unregelmäßiges Schießen, dem die
Französischen Signalhörner antworteten. -- Der Gouverneur selber kam
in diesem Augenblick zurückgesprengt, und den Platz erreichend wo die
beiden Freunde standen, rief er schon von weitem:

»Herr Hauptmann Delavigne, mit ihrem Trupp vor so rasch Sie können;
unser Missionshaus ist schon genommen und es gilt jetzt, den Feind
wieder zurückzuwerfen, oder Papetee ist verloren!« -- und an den
Schanzen hinunter sprengte er, Hülfscorps noch abzuziehn, wo sie sich
irgend entbehren ließen, den bedrängten Platz zu entsetzen, während
René im Sturmschritt, die wirbelnde Trommel voran, dem bezeichneten
Kampfplatz zueilte. Und es war die höchste Zeit, denn ein wilder
Schwarm, den alten Fanue an der Spitze, hatte die Schanzen schon
genommen, die Umzäunung des erst kürzlich errichteten Katholischen
Missionshauses niedergerissen und dieses gestürmt und in Brand gesteckt.

Bertrand, der nach dem Tod des ersten Lieutenants der Jeanne d'Arc
zu dessen Stelle avancirt war, kommandirte hier, war aber durch die
wirkliche Todesverachtung der Masse, jeden Fußbreit Boden mit Schwert
und Bayonnet vertheidigend, zurückgedrängt worden, denn die ganze Macht
der Insulaner schien sie wieder auf diesen einen Punkt zusammengerafft
zu haben, während der größte Theil der Französischen Besatzung noch von
dem letzten Angriff her an der Ostseite Papetees stand.

Hoch auf loderte die Flamme aus dem, aus leichtem Fachwerk gebauten
Missionshaus in die stille Luft, und leckte und nagte an den, wie
ängstlich die langen Blattarme zurückwerfenden Palmen, deren Kronen
sie dörrte; und hinein in das Prasseln des Holzes und das Wirbeln der
Trommeln, hinein in das Knallen des Kleingewehrfeuers und Schmettern der
Signalhörner, mischte sich das Jubelgeschrei der Eingeborenen, die hier
von Pompey auf der rechten, von Fanue auf der linken Flanke geführt,
während Utami selber das Centrum befehligte, in wildem Siegestaumel
die Feinde aus einer Hecke der Gärten in die andere trieben, und wie es
schien, sich zu dem Platz durchschlagen wollten, wo die Feranis eine Art
Arsenal angelegt, und einen ziemlichen Vorrath von Munition und Waffen
aufgestellt hatten.

Dicht vor dem Arsenal, in dem Grundstück eines der eingeborenen Richter,
der sich auf Seiten der Feranis erklärt, hinter einem festen Zaun von
gespaltenem Holz, der ihnen als Brustwehr diente, hielten die Franzosen
wieder Stand und vertheidigten sich mit verzweifelter Tapferkeit gegen
die Uebermacht. Viele der Eingeborenen, wie Ule der Richter selber,
fochten in ihren Reihen, denn sie wußten recht gut daß gerade sie zuerst
verloren gewesen wären, wenn die Insulaner die Feranis schlugen. Da
brach Fanue von der Rechten zuerst durch den Zaun; von zwei Bayonnetten
getroffen schlug er die Feinde trotzdem zu Boden, und auf Ule
zuspringend, während die Seinen nachpreßten und die Aufmerksamkeit der
Soldaten von ihm ablenkten, faßte er, seine Waffe fallen lassend, den
verrätherischen Richter um den Leib, und trug den jetzt laut um Hülfe
rufenden mit einem Triumphgeschrei in seinen Trupp hinein. Seine Absicht
war dabei wohl gewesen ihn als Gefangenen mit in die Berge zu führen,
aber die Wuth der Seinen dachte nicht an Aufschub ihrer Rache und sein
Flehen nicht achtend warfen sie sich, selbst trotz der Einsprache
des Häuptlings, in gellendem Jubelruf auf den Gestürzten, ordentlich
wetteifernd, wer Beil oder Speer, Degen oder Bayonnet zuerst in seiner
Brust begraben solle.

Dadurch war aber ihre Aufmerksamkeit zu sehr von dem Angriff selber
abgelenkt worden; die Franzosen hatten sich wieder gesammelt und mit
Bertrand an der Spitze räumten sie noch einmal die Umzäunung. Neue
Massen preßten jedoch heran, und die wenige Mannschaft hätte den Platz
nicht länger behaupten können, wäre nicht in diesem Augenblick René
mit seiner kleinen Schaar dem schon siegestrunkenen Feind muthig in die
Flanke gefallen.

Das neue Angriffsignal von einer anderen Seite machte sie stutzen und
sie wichen dem jetzt erneuten Angriff Bertrands, nicht vielleicht im
Rücken von einer stärkeren Macht umzingelt und abgeschnitten zu werden.

Der rechte, von Pompey geführte Flügel sammelte sich aber rasch, und der
Neger erkannte kaum den Führer des kleinen Corps, als er sich ihm auch
selber entgegenwarf, mit dessen Vernichtung dem Trupp das Haupt zu
nehmen.

»Hierher, Kanakas!« schrie er mit seinem kecken gellenden Lachen, die
schwarzen nackten muskulösen Arme emporwerfend -- »hierher und der Sieg
ist unser!« und der gleich darauf gegen den jungen Franzosen mit einem
riesigen Pallasch geführte Streich hätte diesem jedenfalls verderblich
werden müssen, wenn René nicht mit einem raschen Seitensprung dem
furchtbaren Hieb entgangen wäre. Ehe sich der Coloß aber zu einem neuen
Schlage zusammenraffen konnte, und wie er eben den Arm dazu hob, fuhr
ihm die scharfe Klinge des geübten Fechters durch die Achselhöhle in die
Brust, und nachspringend faßte René in demselben Augenblick, die eigene
Klinge fahren lassend, die Hand des tödtlich Verwundeten und entwand ihr
den Pallasch, ihn jetzt blitzesschnell auf die Häupter der ihm nächsten
Feinde richtend.

So rasch und gewandt war die That ausgeführt, daß die ihm nächsten
Eingeborenen ihren Verlust erst begriffen, als der riesige schwarze
Körper vor ihnen zusammenbrach, und das kleine Häufchen der Franzosen
mit einem donnernden Hurrah und gefälltem Bayonnet wüthend auf sie
einpreßte.

Der rechte Flügel wich, und fröhliches Jubelgeschrei der Franzosen
füllte zugleich die Luft, denn aus der Bai herüber donnerte ein
Kanonenschuß, die schwere mächtige Kugel schwirrte über ihre Köpfe und
traf einen starken Brodfruchtbaum dicht unter den Wipfel, seine
breiten gewichtigen Aeste auseinanderreißend, während zugleich der Ruf
=L'Uranie, L'Uranie!= neue Hoffnung den Bedrohten brachte. Das fremde
Schiff war in die Bai eingelaufen und von seinem Heck flatterte frisch
und frei in der Brise die dreifarbige Fahne.

Nichtsdestoweniger konnte die Hülfe von dort noch immer zu spät kommen,
denn wenn auch der rechte Flügel, durch den Tod des Führers bestürzt
gemacht, dem muthigen Angriff des Feindes wich, hielt Utami noch wacker
Stand und drängte sogar mit Fanue zu gleicher Zeit auf's Neue vor, jetzt
Alles daran setzend, das Arsenal zu erreichen und ebenfalls anzuzünden.
Bertrand kam hierbei zwischen die beiden Colonnen, und der alte tapfere
Utami, seinen schweren Säbel fast eben so viel als Keule wie als scharfe
Waffe brauchend, arbeitete sich, von dem Kern der Seinen und fünf oder
sechs gut bewaffneten Europäern dabei unterstützt, mehr und mehr nach
dem Führer der Feranis durch, dem Kampf durch dessen Niederlage mit
einem Schlag ein Ende zu machen. Kleine Trupps der Franzosen langten
indessen zu gleicher Zeit auf dem Kampfplatz an, aber einzelne
zerstreute Trupps der Eingeborenen empfingen sie auch überall,
ihr Vorrücken aufzuhalten und der Hauptmacht Zeit zu gönnen das
beabsichtigte Ziel zu erreichen; René nur, jedes Hinderniß besiegend,
hatte sich endlich bis zu dem arg bedrohten Französischen Picket Bahn
gehauen, und entdeckte hier kaum den alten Häuptling, dessen Einfluß auf
die Insulaner er gut genug kannte, als er das Aeußerste daran zu setzen
beschloß, ihn gefangen zu nehmen. Kein wirksameres Mittel gab es dann,
den Frieden von den Eingeborenen zu erzwingen.

Bertrand gewahrte ebenfalls den alten greisen Indianer, der den Seinen
voran, todesmuthig seinen Weg sich freischlug, und in ihm jedenfalls
eine vorragende Persönlichkeit vermuthend, preßte er ihm entgegen und
war im Begriff einen Stoß nach ihm zu führen, als ein vor ihm liegender,
gestürzter Indianer sein Bein ergriff und ihn mit sich in demselben
Augenblick zu Boden riß, in dem der greise Utami vorsprang und den
schweren Pallasch in der Luft schwingend einen Hieb nach ihm führen
wollte.

René sah die Gefahr des Freundes, und noch während er einen der
Insulaner, der sich ihm in den Weg stellen wollte, zu Boden schlug,
schrie er in Todesangst:

»Halt Utami -- hierher Deinen Schlag -- hier der Feind!« und dem nach
Bertrands Haupt geführten Hieb in demselben Moment parirend, warf er
sich mit voller Gewalt gegen den Häuptling und schlang, seinen rechten
Arm mit der Waffe empordrängend, den linken um seinen Körper.

Ein jäher Schmerz durchzuckte ihn in dem Augenblick -- er hörte dicht
neben sich den Knall eines Pistols -- er fühlte wie der Gefangene
seinem Arm entglitt, sah, schon halb bewußtlos, die schützend über ihn
gehaltenen Bayonnette der Seinen, und brach dann besinnungslos zusammen.




Capitel 7.

René und Susanna.


Als René wieder zum Bewußtsein kam und die Augen aufschlug, lag er unter
einem hohen Mosquitonetz in einem halbdunklen Zimmer auf einem weichen
Bett und hörte, -- aber auch nur noch wie in einem Traum -- daß sich
Zwei in dem Gemach leise flüsternd mitsammen unterhielten. Er fühlte
sich dabei merkwürdig schwach und wollte, wenigstens zu sehn wo er sich
eigentlich befand, rasch den rechten Arm heben, das Mosquitonetz bei
Seite zu schieben, als ihn ein furchtbar stechender Schmerz durchzuckte,
daß er mit einem halblauten Schrei fast besinnungslos wieder auf sein
Lager zurücksank.

Das Netz wurde jetzt zurückgeschoben, Jemand nahm seine Hand, fühlte
seinen Puls und sagte nach kleiner Pause:

»Der Puls geht regelmäßiger, Mademoiselle; ich hoffe das Beste für
unseren Freund.«

»Ist er erwacht?« sagte in diesem Augenblick eine Stimme, die dem
Kranken das Blut in Fieberschnelle durch die Adern jagte, daß der
Arzt, der noch die Hand in der seinen hielt, bedenklich mit dem Kopf
schüttelte, und das Netz weiter zurück schob, die Gesichtszüge des
Verwundeten erkennen zu können.

»Hallo« rief er aber, als er hier in die Augen des forschend zu ihm
Aufschauenden blickte -- »unser Patient hat wirklich ausgeschlafen,
und sieht sich frisch und munter wieder in der Welt um. Wie geht es,
Monsieur Delavigne -- wie ist Ihnen jetzt? haben Sie Schmerzen?«

»Schmerzen? -- nein -- ja -- hier in der Schulter -- aber mir ist so
wunderbar zu Muthe -- wer ist noch im Zimmer?«

»Ihre Pflegerin, Monsieur, der Sie zu großem Dank verpflichtet sind,
denn Sie haben uns die letzten elf Tage viele Sorge gemacht.«

»Letzten elf Tage?« wiederholte René erstaunt, »aber wer ist hier?«

»Halten Sie sich ruhig, Herr Delavigne« sagte da eine leise, oh ihm nur
zu gut bekannte Stimme und wieder schoß ihm das Blut zum Herzen zurück
und ein Stich, den es ihm durch die Schulter gab, machte ihn die Zähne
fest aufeinander beißen.

»Susanna« flüsterte er mit kaum hörbarer Stimme vor sich hin, und ein
glückliches Lächeln legte sich über die bleichen Züge. Aber die
Erregung war auch zu stark gewesen für den geschwächten Körper, und mit
geschlossenen Augen brauchte er viele Minuten Zeit seine Kräfte wieder
zu sammeln, seine Sinne, die noch in traumhaften Bildern herüber und
hinüber zuckten, der Gegenwart fest zu halten.

Als er die Augen wieder aufschlug war er allein im Zimmer mit dem Arzt,
und dieser hob warnend den Finger, als er die auf ihn gerichteten Blicke
bemerkte und sagte freundlich:

»Sie müssen sich, wenigstens heute, noch Alles Redens enthalten,
Monsieur Delavigne; Sie sind viel zu schwach und angegriffen und können
sich durch jede Aufregung den größten Schaden thun --«

»Aber lieber Doktor --«

»Ruhe« lächelte dieser -- »ich kann mir etwa denken was Sie fragen
wollen, und werde Ihnen deshalb, um Ihre wohl verzeihliche Neugierde
zu befriedigen, einen kurzen Umriß alles dessen geben, was während den
letzten elf Tagen, die Sie nun da eingeschachtelt liegen...«

»Elf Tagen?«

»Ja wohl, heut' ist der elfte Tag --, was also in dieser Zeit
vorgegangen ist, und Sie werden manches Neue zu hören bekommen. Vor
allen Dingen, und um Sie darüber zu beruhigen, ist unsere Position hier
vollkommen gesichert und befestigt worden; noch an demselben Morgen,
an dem Sie verwundet wurden, worauf Sie sich auch wohl noch besinnen
können, kam die Uranie ein und schickte ihre Boote an Land, mit deren
Hülfe wir den Feind bald wieder zurück in die Berge trieben. Am nächsten
Tag liefen noch zwei andere Kriegsschiffe, eins von den Marquesas, eins
von Valparaiso kommend, ein und brachte Verstärkung, wie die so
nöthigen Provisionen. Die Insulaner wurden dann aber auch ohne weiteres
angegriffen und in die Berge, oder doch wenigstens aus der Nähe von
Papetee gejagt, und sie haben sich jetzt in mehren entfernteren Orten
wie Papeneeo und besonders im Hautauethale verschanzt, bis wir einmal
Zeit bekommen sie auch von dort zu verjagen.«

»Und ist Utami gefangen?« frug René.

»Utami? -- der Anführer der Rebellen? ah, das ist wohl derselbe den Sie
gefaßt hatten, als sie den Schuß bekamen? -- nein, Gott bewahre, der hat
sich tüchtig herausgehauen und Ihrem Freund Bertrand ebenfalls noch ein
Andenken über den Schädel hinterlassen, an dem er wohl noch ein
paar Monat mit verbundenem Kopf tragen wird. Schlimmer ist
Lefévre weggekommen -- von seinem kleinen Trupp ist nicht ein Mann
zurückgekehrt, und ihre Leichen lagen oben zerstreut in den Bergen; nur
von Lefévres Leiche war nicht die Spur zu finden, er müßte denn in einem
frisch aufgeworfenen und mit Blumen geschmückten Grab liegen, das wir
mitten auf dem Kampfplatz, wo die kleine Schaar überfallen worden,
entdeckten, wenn man auch nicht recht begreift, wer sich die Mühe
gegeben haben sollte, _ihn_ gerade so sorgfältig zu bestatten, während
die Uebrigen liegen geblieben waren, wie sie gefallen.«

»Aumama« flüsterte René und ein tiefer schmerzlicher Seufzer hob seine
Brust.

»Für heute haben Sie aber Aufregung genug gehabt« sagte der Arzt, seinen
Hut aufgreifend -- »jetzt schlafen Sie ein paar Stunden, sich wieder
zu erholen und ich werde gegen Abend zurück kommen und den Verband
erneuen.«

»Aber wo bin ich verwundet?« frug René mit schwacher Stimme.

»Fragen Sie wo Sie _nicht_ verwundet sind« lachte der Arzt, »Schrammen
und Beulen haben Sie am ganzen Körper, nur die Hauptsache ist der letzte
Schuß in die Schulter; doch er hat Nichts zu sagen« fügte er lächelnd
hinzu, »halten Sie sich nur ruhig und besonders fern von jeder geistigen
Aufregung -- denn körperlich bewegen können Sie sich ohnedies nicht --
und wir werden Sie bald genug wieder zusammen flicken.«

Er verließ nach kurzem Gruß das Zimmer, während René in einen leichten
unruhigen Schlaf fiel und die freundliche Hand nicht sah, die an seinem
Lager ihm Kühlung zufächelte und seinen Schlummer bewachte.

Als er die Augen wieder aufschlug war es Nacht -- ein mattes Licht
brannte im Zimmer, und neben seinem Bett hörte er die schweren
regelmäßigen Athemzüge eines schlafenden Wärters. Ihn dürstete aber
sehr und er streckte seinen linken gesunden Arm aus den Schlummernden zu
wecken.

»Hallo!« rief dieser von dem Lehnstuhl in dem er gesessen,
emporspringend, als ihn die Hand kaum berührte, »René, bist Du munter --
wie ist Dir, mein wackerer Bursch?«

»Adolphe!« rief der Kranke, »das ist freundlich von Dir bei mir zu
wachen.«

»Wie mir scheint hab' ich geschlafen« lachte der Freund -- »aber
bedarfst Du etwas?«

»Ich bin durstig.«

»Hier ist Dein Trank -- frische Cocosmilch und Himbeerwasser, das wird
Dir gut thun; und wie fühlst Du Dich jetzt?«

»Gut, sehr gut« lächelte René, »und es freut mich herzlich Dich bei mir
zu sehn.«

»Alle Deine Kameraden haben abwechselnd bei Dir gewacht« erwiederte
Adolphe, »sie haben Dich alle lieb, und die Dich noch nicht kannten,
deren Herzen gewannst Du Dir durch Deinen tollkühnen Muth. Mensch, Du
hast ein Glück das in's Aschgraue geht, und ich glaube Du könntest von
einem Kirchthurm herunter springen und kämst gesund auf Deine Füße.«

»Nennst Du den Schuß ein Glück?« frug René kopfschüttelnd.

»Wenn ich dadurch das schönste Mädchen das je mein Auge gesehn zur
Krankenwärterin bekäme, ließ ich mich hinschießen wohin Du willst«
lachte Adolphe, »und die kleine niedliche Madame Belard ist auch mehr in
Deinem Zimmer hier, wie in ihrem eignen gewesen.«

»So lieg' ich hier bei Belards?«

»Nun versteht sich, die Dich aufgenommen und gepflegt haben, als ob
Du ein Kind vom Hause wärest. Monsieur Belard hat übrigens selber mit
gefochten« fuhr Adolphe mit mehr unterdrückter Stimme und heimlichem
Lachen fort -- »oh, da sind kostbare Sachen vorgefallen, doch das Alles
erzähle ich Dir einmal später, wenn Du Dich wieder herzlich auslachen
und schütteln darfst; jetzt möcht es Dir weh thun. Schmerzt Dich Deine
Wunde?«

»Nicht sehr, aber ich kann den Arm nicht regen -- er ist doch nicht
gebrochen?«

»Nein, darüber kannst Du Dich beruhigen; doch war's ein böser Schuß und
hätte nicht dürfen einen Zoll tiefer kommen.«

»Wer weiß« seufzte René leise und schloß die Augen wieder.

Adolphe glaubte er wolle schlafen, schattete das Licht und setzte sich
leise wieder auf den Stuhl nieder, als René seinen Namen rief.

»Bist Du fort, Adolphe?«

»Nein, sicher nicht -- willst Du etwas?«

»Hast Du mit dem Arzt über meine Wunde gesprochen?« frug der junge Mann
mit leiser Stimme.

»Allerdings; ich kann Dich fest versichern daß sie, wenn auch vielleicht
ein wenig langwierig, keineswegs lebensgefährlich ist.«

René lag wieder eine ganze Weile ruhig, ohne zu antworten und frug dann
langsam:

»Und wann glaubt er daß ich werde nach Atiu hinüber geschafft werden
können?«

»Nach Atiu?« wiederholte Adolphe verwundert -- »Mensch, hast Du ein
Fieber daß Du jetzt an Atiu denkst, wo Dir der Arzt noch kaum vom Lager
darf? Wenn Dir die Fahrt auch dorthin nichts schadete, vorausgesetzt daß
ruhiges Wetter bliebe, wie wolltest Du Dich dort ohne ärztliche Hülfe
wieder erholen? -- Atiu -- ich begreife Dich nicht.«

»Aber Sadie wird sich um mich ängstigen« sagte René.

»Ich habe daran gedacht« erwiederte ihm Adolphe, »und wollte ein paar
Zeilen hinüber schreiben, es ist aber noch keine Gelegenheit dazu
gewesen, die ganze Zeit, und erst in acht Tagen, glaub' ich, soll der
Missionscutter wieder hinüber gehn.«

»Ich danke Dir, Adolphe« nickte ihm der Freund zu -- »und nun will
ich schlafen -- ich bin doch recht matt und angegriffen, und der Kopf
schwindelt mir von all dem Denken.«

       *       *       *       *       *

Die Sonne stand schon hoch am nächsten Morgen, als er erwachte, und
einen inländischen Knaben an seinem Bett fand, ihm das Frühstück zu
reichen. Der Arzt war, wie ihm der junge Bursche sagte, schon dagewesen,
hatte ihn aber nicht stören wollen und versprochen, in einer Stunde etwa
wieder zu kommen.

René fühlte sich heute viel wohler und frischer als gestern; der Schlaf
hatte ihn gestärkt, und auch die Schulter schmerzte ihn nicht so sehr
wie gestern Abend.

»Darf man herein?« rief da eine fröhliche klare Stimme, als er schon
etwa eine halbe Stunde in dem wohlthuenden Gefühle schmerzloser Ruhe
gelegen und die durch die offenen Fenster strömende kühle balsamische
Morgenluft eingeathmet hatte.

»Madame Belard« rief René freudig, und die kleine muntere Frau kam mit
leichten, immer noch vorsichtigen Schritten in's Zimmer und zum Bett
des Kranken, der ihr mit einem freundlichen, dankbaren Lächeln die Hand
entgegenstreckte.

»Meine gute Madame Belard --«

»Ja, gute Madame Belard« lachte die kleine Frau halb besorgt halb
zürnend, und doch auch wieder mit ihrem herzlichen Ausdruck im Ton --
»das ist eine Wirthschaft die Einen freuen könnte. Zuerst nimmt der
junge Herr Abschied, als ob es für's Leben wäre, und wenn man da ein
paar Tage nachher noch ganz angegriffen und alterirt ist, läuft er so
lange munter und vergnügt in der Stadt herum, ohne den Fuß noch einmal
über die Schwelle zu setzen, bis er das Bischen Besinnung, was ihm
eigentlich hätte sagen sollen wo seine _besten_ Freunde wohnen,
verliert, und leblos und zerhauen und zerschossen in's Haus _getragen_
wird.«

»Sie haben recht, vollkommen recht, beste Frau« seufzte René -- »und
doch -- wie gern wär' ich zu Ihnen gekommen -- aber...«

»Ja, _doch_ und _aber_, das sind Ihre Entschuldigungen -- Sie sind
übrigens jetzt in keinem Zustand, ordentlich ausgezankt zu werden,
das verspar' ich mir, bis wir Sie wieder vollkommen wohl haben, denn
geschenkt ist es Ihnen nicht. -- Aber was Sie uns wieder in dieser Zeit
für Sorge und Noth gemacht haben kann ich Ihnen gar nicht sagen; ich
möchte nur wissen, was _Sie_ noch einmal für ein Ende nehmen.«

»Liebe Madame Belard --«

»Und Susanna hat glühende Kohlen indessen auf Ihr Haupt gesammelt; dem
Vater laufen Sie davon, und die Tochter wacht Tag und Nacht fast an
Ihrem Bett.«

Ein stechender Schmerz zuckte durch Renés Schulter -- er biß die
Unterlippe zwischen die Zähne, und wurde leichenblaß.

»Um Gott, fehlt Ihnen etwas? -- Sie haben wieder Schmerzen?« rief
Madame Belard rasch, das Mosquitonetz mehr zurückwerfend, sein Gesicht
deutlicher sehn zu können.

»Es ist Nichts -- es geht gleich vorüber« sagte René, die Augen
schließend und den Kopf halb abgewandt -- »es zuckt mir nur manchmal in
der Wunde; vielleicht liegt der Verband nicht ordentlich -- der Doktor
kommt ja nachher.«

Madame Belard nickte tief aufseufzend mit dem Kopf, erwiederte aber
Nichts und der Kranke lag mehre Minuten schweigend auf seinem Lager.
Endlich sagte er leise:

»Ich habe Fräulein Lewis eigentlich noch gar nicht gesehn, nur gehört
gestern, wie ich zu mir kam. Sie ist doch nicht krank? --«

»Krank? -- nein, aber verreist.«

»Verreist?« frug René rasch, den Kopf nach der Redenden umwendend,
»verreist? wohin?«

»Sie hat schon lange einmal wieder nach Imeo hinüber gehen wollen,
wohin ihre Freunde von Papara, der dort ausgebrochenen Unruhen wegen,
zeitweilig übergesiedelt sind; aber sie mochte Sie auch nicht allein
hier liegen lassen, so lange wir noch Nichts Gewisses über Ihren Zustand
wußten, und darüber beruhigt, und da sich heute Morgen gerade eine
Gelegenheit mit einem Französischen Dampfer bot, benutze sie dieselbe,
und hat mir jetzt nur viel herzliche Grüße für Sie aufgetragen.«

René erwiederte kein Wort und Madame Belard fuhr nach längerer Pause mit
lebendigerem Tone fort.

»Mein Mann hat auch mit gefochten, Monsieur, Sie hätten ihn nur sehn
sollen, Delavigne, mit dem langen Schleppsäbel und der doppelläufigen
Jagdflinte; er war aber wahrhaftig Feuer und Flamme und soll sich sogar
bei derselben Affaire, wo Sie die Wunde bekamen, ebenfalls ausgezeichnet
haben. Selbst Monsieur Brouard hatte sich bewaffnet und wie ich jetzt
höre, sind wir allerdings nur mit genauer Noth, und Dank Ihrer aller
Tapferkeit, dem traurigen Schicksal entgangen, von den Insulanern
besiegt und dann auch jedenfalls gemordet zu werden, denn an jenem Tage
hätten sie sicherlich keine Gnade geübt. Es ist eine seelensgute Nation,
so lange man sie in Frieden läßt und in Freundschaft mit ihr lebt, aber
furchtbar wenn gereizt, und blutdürstig glaub' ich, wie noch in den
alten heidnischen Zeiten.«

»Und wird sie lange bleiben?« frug René, noch immer den Kopf der Wand
zugedreht.

»Wer? -- die Nation? -- ah, Sie meinen Susanna?« fuhr Madame Belard, den
Blick fest auf ihn geheftet, fort, als er schwieg und das Blut wieder in
seine Wangen zurück kehrte; -- »nein, ich glaube nicht. Sie _darf_ sogar
nicht sehr lange wegbleiben, denn sie hat noch manches vor ihrer Abreise
zu besorgen.«

»Sie kehrt nach Europa zurück?« sagte René, aber so leise, daß sie die
Worte kaum verstehen konnte.

»Mit dem ersten Französischen Kriegsschiff -- Herr Brouard wird mit
seiner Frau ebenfalls Tahiti verlassen und Susanna will sich ihnen
anschließen; der Admiral hat ihnen schon früher die Erlaubniß dazu
ertheilt -- ich wollte ich könnte mit.«

»Und geht das so bald?«

»Das ist noch unbestimmt; es hieß zuerst die Uranie würde segeln, jetzt
glaubt man übrigens daß die Jeanne d'Arc als ein schnelleres Fahrzeug
den Vorzug bekommen soll; aber es kann noch immer einige Wochen dauern.
Doch fehlt Ihnen etwas Delavigne? Sie sprechen so gedrückt? -- haben Sie
wieder Schmerzen? vielleicht kann ich Ihnen den Verband lindern. Lassen
Sie das gut sein« fuhr sie lächelnd fort, als er langsam mit dem Kopf
schüttelte, »ich bin gar kein so ungeschickter Chirurg, wie Sie bald
finden sollten.«

»Ach beste Madame Belard« sagte René da seufzend -- »wie tief bin ich
nicht auch außerdem schon in Ihrer Schuld, und wie soll ich Ihnen das je
danken können? -- Sie haben mich hier aufgenommen und gepflegt --«

»Bst -- bst -- bst« rief aber Madame Belard erröthend und ihre kleine
Hand auf seinen Mund legend -- »erstlich sollen Sie eigentlich gar
Nichts reden, und dann noch viel weniger solchen Unsinn. Sie sind mir
in Nichts verpflichtet, denn es versteht sich von selbst, sogar in der
_Heimath_, daß der Bürger in Kriegszeiten Einquartirung bekommt, wie
viel mehr also in einem so wilden Land wie hier. Halten Sie sich nur
recht ruhig, daß Sie uns bald wieder gesund werden, oder doch wenigstens
aus dem Bett können, denn Ihren Arm werden Sie wohl in den ersten
Monaten noch nicht wieder brauchen können.«

»Wenn ich nur -- wenn ich nur nach Atiu schreiben könnte« sagte René
endlich zögernd, und mit einem kaum unterdrückten Seufzer.

»Hinüber dürfen Sie nicht, Delavigne« sagte Madame Belard ernst, »daran
brauchen Sie nicht zu denken; ich habe auch schon mit Lieutnant Adolphe
darüber gesprochen, denn wenn sich auch Ihre Wunde bis jetzt ziemlich
gut angelassen hat, verlangt sie noch immer, wie mir der Doktor gesagt,
die sorgfältigste ärztliche Pflege, und so gut Sie Sadie, und vielleicht
besser als wir hier, pflegen würde, so wenig ist sie im Stande dem zu
genügen. Außerdem ist gar nicht mit dem Schuß zu spaßen, und wer weiß ob
nicht selber schon der Transport die schlimmsten Folgen haben könnte.«

»Wenn es nur anginge« sagte René schüchtern und schwieg wieder, als ob
er sich scheue auszureden, Madame Belard aber, die leicht seine Gedanken
errieth, sagte freundlich. -- »Sadie hier herüber zu bekommen? nicht
wahr, das meinen Sie?«

»Aber nicht weil ich etwa glaube daß ich in Ihren Händen weniger gut
aufgehoben wäre« rief der Verwundete schnell, »halten Sie mich nicht
auch noch für undankbar, Madame Belard.«

»Nein, nein, lieber Delavigne« sagte die kleine Frau gerührt, »ich denke
gar nicht daran, und Sie haben vollkommen recht; Sadie soll herüber
kommen, so bald wir sie nur herüber bekommen können, und ich will heute
noch an sie schreiben, daß der Brief bei erster Gelegenheit fertig ist.
Wo aber kann man sich nach einer solchen erkundigen?«

»Im Hauptquartier und im Missionsgebäude« sagte René, »ich glaube aber
fast daß in dem letzteren die erste Gelegenheit sein wird, denn die
Missionaire unterhalten eine ziemlich regelmäßige Verbindung mit jener
Gruppe.«

»Mein Mann soll noch heute Morgen die genausten Erkundigungen einziehn
-- sind Sie nun beruhigt?«

René streckte der kleinen freundlichen Frau mit einem dankenden Lächeln
die Hand entgegen, die sie nahm und herzlich drückte, dann aber sagte
sie, sich gewaltsam bezwingend, denn ein eigenes Weh dem sie nicht
Worte geben konnte und wollte, schnürte ihr die Brust zusammen, »nachher
schick ich Ihnen meinen Mann ein wenig, Delavigne, der mag Ihnen von
dem Kampfe erzählen -- er hat auch in der That von weiter noch Nichts
gesprochen die ganze Zeit -- das wird Sie unterhalten und zerstreuen und
-- regt Sie auch eben nicht so besonders auf. Aber da seh ich den
Doktor kommen -- nun erhalten Sie frischen Verband, und ich werde heute
Susannas Stelle bei Ihnen vertreten.«

Der Doktor öffnete gleich darauf die Thür und grüßte Madame Belard
freundlich.

»Ah Madame, sehr erfreut Sie hier zu sehn -- und wie geht es unserem
Kranken? -- nun Monsieur? -- guten Morgen, wie haben Sie geschlafen,
und wie geht es unserem rechten Flügelknochen. Aber ha« -- rief er etwas
bestürzt aus, als er das Gesicht des jungen Mannes erblickte -- »Sie sehn
echauffirt aus, und haben sich jedenfalls, gegen meinen sehr strengen
Befehl dahin, durch irgend etwas aufgeregt. Haben Sie Schmerzen?«

»Ja -- ein Stechen in der Wunde -- ich fühle den Pulsschlag so
deutlich --«

»Da haben wir's, das Blut in Wallung; nun lassen Sie uns einmal
untersuchen wie die Sache heute Morgen aussieht -- hoffentlich nicht
schlechter als gestern -- wir dürfen nun nicht wieder zurück gehn, wir
müssen machen daß wir vorwärts kommen.« Und während er noch sprach den
Verband vorsichtig ablösend, hatte er kaum einen Blick auf die Wunde
geworfen, als er auch schon sehr bedenklich mit dem Kopf schüttelte, und
endlich seinem Unmuth in Worten Luft machte.

»Das ist nicht wie es sein sollte, die Entzündung ist eher schlimmer
wie besser geworden, und wir müssen uns ungeheuer hüten daß wir keinen
Rückfall bekommen. Ruhe ist aber dazu das Haupterforderniß, unbedingte,
durch Nichts gestörte Ruhe, und wenn Sie Ihren Patienten bald wieder auf
den Beinen sehn wollen, Madame, so müssen Sie mir dafür besonders
mit Sorge tragen helfen. Ruhe ist ihm jetzt die beste Kur und je
vollständiger er die genießen kann, desto eher wird sich seine
jugendliche, kräftige Natur schon selber wieder Bahn brechen.«

Er gab dann noch mehre Verordnungen, bat Madame Belard keinen seiner
Freunde, ohne Ausnahme welchen, wenn sie nicht unmittelbar bei
der Verpflegung beschäftigt wären, zu ihm zu lassen, und versprach
Nachmittag noch einmal vorzukommen und zu sehn ob sich nicht vielleicht
bessere Symptome eingestellt hätten.

Es vergingen übrigens volle acht Tage, ehe wirklich eine wesentliche
Besserung in dem Stand der Wunde eintrat; der Kranke hatte sich in der
ganzen Zeit musterhaft gehalten und Monsieur und Madame Belard waren
fast die Einzigen gewesen die Zutritt zu ihm gehabt, während sich
indeß der Gouverneur sowohl wie alle übrigen Officiere täglich nach ihm
entweder selber erkundigten oder erkundigen ließen.

Nach Atiu war noch immer keine Gelegenheit gewesen, doch sollte jetzt
in etwa drei Tagen der Missionscutter hinüber gehn, und Madame Belard
wartete nur auf die Ankunft des Geistlichen, der sich seit längerer Zeit
in dem Lager der Eingeborenen im Hautauethale aufgehalten, diesem den
Brief selber zu übergeben und seiner Sorgfalt zu empfehlen. Sie hatte
René darüber beruhigt und ihm versichert, daß er seine Frau dann bald
hier erwarten dürfe. Ein Zimmer für sie war schon hergerichtet worden.

Am andern Morgen kam Madame Belard früher als sonst zu dem Kranken,
seinen Verband zu wechseln, was sie jetzt immer selbst besorgt, und
sagte freundlich, aber mit einer gewissen ängstlichen Besorgniß im
Blick:

»Delavigne, ich bringe Ihnen heute lieben Besuch -- werden Sie sich
kräftig genug fühlen ihn zu empfangen.«

»Fräulein Lewis?« sagte René mit leiser fragender Stimme, und er fühlte
wie ihm das Blut in die Wangen stieg.

»Susanna ist schon seit gestern wieder zurück -- die Jeanne d'Arc sollte
übermorgen segeln, hat aber heute wieder Gegenordre bekommen und
soll bis zur Ankunft der =Reine blanche=, die wir täglich von den
Marquesas-Inseln her erwarten, liegen bleiben, wahrscheinlich Depeschen
des Admirals mit nach Europa zu nehmen. =Du Petit Thouars= scheint zu
Hause gern den Sieg über die Eingeborenen zugleich anzeigen zu wollen,
und das hartnäckige Volk will sich noch immer nicht besiegen lassen,
und hält sich unverdrossen in den Bergen in einer fast uneinnehmbaren
Position.«

»Und Fräulein Lewis?«

»Kann doch unmöglich so lange hier im Haus bleiben« fuhr Madame Belard
mit einem freundlichen Lächeln fort, »ohne sich selber von Ihrer
Besserung zu überzeugen -- wollen Sie ihr erlauben?«

»Madame, wie können Sie so grausamen Spott mit mir treiben« rief René,
»erlauben -- drängt es mich denn nicht ihr selber für ihre Theilnahme
danken zu können?«

»Gut, ich schicke sie Ihnen, ich muß überdieß einmal hinüber zu Brouats,
die jetzt in einem prächtigen Zustand leben; Alles gepackt und jeden
Augenblick erwartend an Bord gerufen zu werden, existiren sie jetzt fast
auf Indianische Weise, und ich habe ihnen nur indessen wenigstens das
Nothdürftigste geborgt, damit sie noch essen, trinken und schlafen
können.«

»Und Susanna?«

»Wird gleich erscheinen, aber -- halten Sie sich hübsch ruhig --
sprechen Sie so wenig wie möglich, und lassen Sie die junge Dame lieber
erzählen; das wird Ihnen die Zeit vertreiben. Außerdem, wenn Sie etwas
nach Europa zu schreiben haben, können Sie ihr diktiren -- es wird
jedenfalls die nächste Gelegenheit sein. Ich habe meine Briefe auch
schon fertig. Doch nun ade, in einer Stunde, denk' ich, bin ich wieder
bei Ihnen.«

Sie verließ rasch das Zimmer und René lag mit klopfendem Herzen und
ängstlich schlagenden Pulsen, die Ankunft des Mädchens zu erwarten, das,
er konnte es sich nicht mehr verhehlen, einen so gewaltigen Eindruck
auf ihn gemacht. Mit jedem Tage hatte er dabei ihre Rückkehr sehnlicher,
heißer erhofft, je mehr er alle diese Gefühle in seinem Inneren
verschließen mußte, ja fast _gefürchtet_, indem er sich nach und nach
alles dessen bewußt wurde, was Pflicht und -- Ehre -- er wagte kaum noch
die Liebe zu nennen -- ihm entgegenstellten.

Sadie -- oh hätte er nie Tahiti betreten, nie in diese Augen geschaut,
die jetzt den _vergifteten_ Pfeil in seiner Brust zurücklassen mußten,
ob sie sich selber gleich von ihm abwandten auf ewig. Sadie -- er barg
das bleiche Antlitz fest in der linken Hand und bitterer Vorwurf füllte
ihm mit unendlichem Weh das Herz. Und dennoch, dennoch kämpfte das
zauberschöne Bild dagegen an, und rang sich dort Bahn das Heiligste zu
stürzen, das er so sorgsam, so freudig in tiefster Brust einst gepflegt.
Sadie -- arme Sadie; -- aber noch war Rettung möglich; noch wenige
Wochen, Tage vielleicht und das Schicksal selbst, das ihn -- die eigne
Brust hatte da keinen Vorwurf -- dem machtlos in die Bahn geschleudert,
was er gefürchtet, was er meiden wollte -- trennte ihn wieder von jenem
kalten, schönen Bild und hob den Zauber -- gab ihn wieder frei. Er
kehrte dann zurück nach Atiu, abgeschlossen lag hinter ihm die Welt,
und in dem Bewußtsein erfüllter Pflicht, wollte er vergessen daß er ein
Leben weggeworfen an einen Traum -- so schön der auch gewesen. Und die
Erinnerung? -- doch was sich nutzlos quälen mit zukünftiger Zeit -- die
Erinnerung _dann_ war Gegenwart _jetzt_, und wenn -- ha, ein leichter
Schritt auf der Verandah draußen -- das klopfende Herz drohte ihm die
Brust zu zersprengen, der Thürgriff drehte sich leise im Schloß -- aber
noch öffnete sich die Thür nicht und die Sekunden wurden zu Minuten.
Er wollte rufen, aber er vermochte es nicht; die Zunge klebte ihm am
Gaumen, und als er die Augen schloß, und bleich und erschöpft auf sein
Kissen zurücksank, fühlte er mehr als er hörte daß Jemand das Zimmer
betrat, und sich fast geräuschlos seinem Bette näherte.

Es war Susanna -- schüchtern und ängstlich nahte sie dem Lager, und ihr
Blick haftete in Schmerz und Mitleid auf den weh durchzuckten Zügen des
Leidenden.

»Er schläft« flüsterte sie vor sich hin, und wollte sich, so geräuschlos
wie sie jetzt gekommen, wieder zurückziehn als er die Augen öffnete, und
sein leises »Susanna« sie an die Stelle bannte auf der sie stand.

»Monsieur Delavigne.«

Der junge Mann streckte schweigend die Hand nach ihr aus, und sie
reichte ihm die ihrige.

»Und haben Sie sich so lange meinem Dank entzogen?« sagte er endlich,
mit sanftem Vorwurf im Ton und mühsam den Seufzer zurückpressend, der
ihm die Brust heben wollte, »war das recht von Ihnen?«

»Wie ist Ihnen jetzt, fühlen Sie sich leichter, wohler?« frug die
Jungfrau ausweichend -- »Sie sehen noch recht bleich und angegriffen
aus!«

»Mir ist wohl jetzt, unendlich wohl« rief der Kranke -- »und doch auch
wieder recht weh« setzte er dann mit leiserer Stimme hinzu -- »die Wunde
sitzt zu tief.«

»Die Zeit wird sie heilen, René« hauchte Susanna, und wandte das Antlitz
halb ab von ihm, die eigene Bewegung zu verbergen; aber ihre Hand
zitterte in der seinen. René schüttelte langsam mit dem Kopf -- er
wollte reden, aber er fürchtete dem Gefühl Worte, Ausdruck zu geben.
Noch hielt ein schwacher Damm die mächtig in ihm glühende Leidenschaft
zurück, noch schlummerte das gefährliche Geheimniß, ob auch von Beiden
gekannt, doch unausgesprochen in ihren Herzen -- den Damm einmal
durchbrochen und die Folgen waren nicht mehr zu berechnen, die Fluth
dann nicht mehr zurück zu drängen.

Susanna fühlte das ebenfalls, und wenn sie auch früher in fast
muthwilliger Lust der Bande gespottet hatte, die den jungen Mann, für
den sie kaum ein flüchtiges Interesse fühlte, an ein Wesen fesselte das
schon, ihren angewurzelten Begriffen nach, in seiner Abstammung so
tief unter ihnen Beiden stand, so schien es als ob jetzt ein reineres,
besseres Gefühl die Oberhand gewinnen sollte. Sie hatte gesiegt
-- vollständiger als sie es je erwartet, sich je bewußt gewesen zu
erstreben, aber auf das _eigene_ Herz dabei vergessen, der eigenen
Stärke zu viel vertraut, und mit dem Wunsch dem Freunde Schmerz zu
sparen, mischte sich jetzt die Furcht der eigenen Schwäche.

»Sie sind Capitain geworden« lächelte das Mädchen endlich, das zuerst
die Fassung wieder gewann, mit einer eigenen Mischung von Stolz
und Schmerz, und fest entschlossen dem Gespräch jetzt eine andere,
gleichgültigere Richtung zu geben. -- »Sie müssen aber auch wirklich mit
einer ordentlich rasenden Tapferkeit gefochten haben. Monsieur Bertrand
konnte uns nicht genug davon erzählen.«

»Bertrand ist mein Freund« lächelte René, dem sich mit der Wendung des
Gesprächs eine Centnerlast von der Brust wälzte -- »es hat ihm selber
Freude gemacht etwas Günstiges über mich zu sagen, und da mag er wohl
übertrieben haben. Ich that nicht mehr als alle Kameraden.«

»Dem ist doch wohl nicht so; man behauptet sogar, nur Ihrem ungestümen
Angriff sei es zu danken, daß man im Stande gewesen wäre die Wilden von
der Erstürmung des Arsenals abzuhalten, dessen Resultat dann furchtbar
hätte sein müssen, da die Eingeborenen, mit keiner Idee von der
entsetzlichen Wirkung und Macht des Pulvers, jedenfalls auf das aus
trockenem Bambus bestehende Gebäude gefeuert hätten.«

»Toll genug wären sie dazu gewesen« lächelte René -- »aber hat man keine
weitere Nachricht von ihnen? ich habe doch heute Morgen wieder schießen
hören -- was bedeutet das?«

»Ihre Landsleute beabsichtigten heute einen neuen Angriff auf ihre
Befestigungen« erwiederte Susanna, »aber man verzweifelt hier selber
an dem Erfolg, denn durch die früheren Verluste gewitzigt, haben die
Insulaner jetzt eine Stellung eingenommen die fast unnehmbar scheint,
und sicherlich noch viele Leben kosten wird, wenn nicht ein günstiger
Zufall vielleicht, oder Verrath, die Schlüssel dazu in ihre Hände
spielt. Sie sehen aber recht angegriffen aus, Delavigne, Sie brauchen
Ruhe und ich fürchte ich habe Sie durch -- mein Schwatzen nur mehr
aufgeregt. Ich lasse Sie jetzt allein, aber so lange ich noch hier bin
-- und bis nicht liebere Hände kommen mir das Amt abzunehmen« -- setzte
sie leiser hinzu -- »gestatten Sie mir wohl wieder daß ich Ihre Pflege
übernehmen darf. Es ist ja doch nur noch so kurze Zeit die wir zusammen
sind, und ich möchte wenigstens mit der Beruhigung von hier scheiden,
daß Sie Ihrer Genesung rasch entgegen gehn.«

»Die Fleischwunde wird heilen« sagte René düster.

»Und mit der erstarkt auch der Geist« fiel rasch Susanna ein; »glauben
Sie mir, René, so lange der Körper nicht gesund ist, scheint uns die
Sonne selbst matt und trüb, und das Leben oftmals eine Last; doch mit
dem gesunderen Blut kehrt Muth und Freudigkeit in unser Herz zurück. So
schlafen Sie wohl jetzt, und mögen freundliche Träume ihrem Geist die
Stimmung geben die er braucht -- wenn Sie sich gestärkt haben, kehr ich
zu Ihnen zurück -- gute Nacht!« und mit freundlichem Kopfnicken die Hand
ihm entziehend, die sich leise wieder der seinen gefügt, glitt sie aus
dem Zimmer, den Kranken sich selber und seinen Gedanken, seinen Träumen
überlassend.

Susanna übernahm jetzt wieder das Amt als Renés Wärterin, jede Stunde
fast die Ankunft der Reine-Blanche erwartend, die dann in kurzer Zeit
die vollständig zum Auslaufen bereite Jeanne d'Arc entsenden konnte;
aber sie vermied von da an allein mit dem Kranken zu sein, und was sie
zusammen reden konnten betraf nur gleichgültige Gegenstände. Auch einen
Brief hatte René mit Adolphes Hülfe, dem er ihn diktirte, nach Atiu
geschrieben, Sadie von seinem Unfall in Kenntniß gesetzt, und sie
gebeten den rückkehrenden Missionscutter zu benutzen und mit dem Kind
zurück nach Papetee zu kommen, wenn sie sich seinetwegen ängstige;
aber es gehe besser mit ihm und er hoffe selber doch, wie ihm der Arzt
gesagt, spätestens in drei bis vier Wochen dessen Sorge entbehren und
hinüber zu können, wo ihn der Gattin Pflege bald wieder herstellen und
gesund machen würde. Er entschuldigte sich dann auch, trotz Adolphe's
Kopfschütteln, bei Sadie, daß er selber die Waffen aufgegriffen
gegen ihre Landsleute; aber sie hatten ihn dazu gezwungen, es war in
Selbstvertheidigung gewesen, und er blieb nicht Soldat, sondern kehrte
nach Atiu zurück.

Mit dem Brief wurde ein junger Bursch in das Missionshaus geschickt,
einen der Ehrwürdigen Herren dort, der gerade nach Atiu hinüberging,
zu bitten ihn richtig zu besorgen, und womöglich die junge Frau selber,
jedenfalls aber eine Antwort zurück zu bringen.

Mr. Rowe, der sein früheres Amt wieder aufgenommen, und eben im Begriff
stand sich nach Atiu einzuschiffen, erhielt Brief und Botschaft.

»An Madame _Sadie_ Delavigne« sagte er, mit zusammengezogenen Brauen die
Adresse des Schreibens lesend -- »und der Brief wurde Dir für _mich_ von
Herrn Delavigne gegeben?«

»Für den Mitonare der nach Atiu ging« sagte der Bursch etwas bestürzt;
»wenn es nicht recht ist nehm ich ihn wieder mit.«

»Es ist recht« sagte der Geistliche ruhig nach kleiner Pause, »der Brief
ist in guten Händen -- und ist der Verwundete bald wieder hergestellt?«

»=Ai ta vau i ite, mi to na re=« antwortete der Insulaner achselzuckend
-- »er liegt noch im Bett -- böse Wunde.«

Der Geistliche nickte nur mit dem Kopf und der Eingeborene, der schon
deshalb eine gewaltige Furcht vor dem Protestantischen Missionair
hatte, weil er selber in einem katholischen Hause lebte, und sich seinen
Landsleuten in den Bergen nicht angeschlossen, ließ sich den Abschied
nicht zweimal gesagt sein, und schoß wie der Blitz zur Thür wieder
hinaus und in's Freie.

       *       *       *       *       *

Zwei Wochen waren solcher Art vergangen; René's Wunde hatte sich so weit
gebessert, ihm das Aufsein wieder zu gestatten, aber die stattgehabte
Entzündung seinen Arm so gelähmt, daß er noch nicht im Stande war ihn
wieder zu gebrauchen. Die Kugel war ihm durch den, gerade zum Hieb
ausholenden rechten Oberarm in die Schulter gedrungen, und dabei, wenn
auch das Schultergelenk nicht verletzend, doch, ehe sie um den Oberarm
herum ging, diesen so stark berührt, daß sie neben der gefährlichen
Wunde noch eine Gehirnerschütterung hervorrief, die ihn so lange
bewußtlos auf's Lager warf, und seine Heilung dann so sehr erschwerte.
Er trug deshalb auch den Arm noch in der Binde und der Arzt, dem der
Verlauf der Wunde gar nicht recht zu gefallen schien, hatte ihn schon
einige Male versichert er bedauere Nichts mehr, als daß der junge Mann
nicht jetzt die vaterländischen Bäder besuchen könne, die ihm gewiß von
großem Nutzen sein würden. Er hoffe allerdings auf eine vollständige
Herstellung, aber er könne allerdings nicht dafür einstehn, und müsse
ihm von vornherein und ganz aufrichtig erklären, daß sich die Sache, im
allergünstigsten Fall, als sehr langwierig herausstellen würde.

Zu gleicher Zeit war der Missionscutter von Atiu zurückgekehrt, hatte
aber nur einen der Eingeborenen Mitonares von einer anderen Insel der
Cooksgruppe und sonst nicht einmal einen Brief von Sadie mitgebracht,
deren Schweigen sich René nicht zu erklären vermochte, und das ihn
beunruhigt haben würde, wenn er nicht selber beabsichtigt hätte jetzt
bald selber dorthin zurück zu kehren. Ihm blieb keine andere Wahl und
er fing schon an, die Zeit herbei zu sehnen, die ihn endlich der jetzigen
Qual entheben und Ruhe -- o so heiß ersehnte Ruhe bringen solle.

In diesen Tagen wurde ein Dampfer, von Osten kommend, signalisirt --
noch an dem nämlichen Abend lief er in dem Hafen ein und brachte die
Post von Frankreich -- Briefe aus der Heimath.

Briefe aus der Heimath -- oh wie der Klang dem Herzen des fremden,
wegemüden Wanderers so wohl thut; Briefe aus der Heimath. -- Die lieben,
so lang entbehrten, und doch so oft herbeigewünschten Züge theuerer Hand
-- die herzlichen Worte derer, von denen wir so lange geschieden, und
die noch mit so inniger Liebe unserer gedenken -- die wieder und wieder
ausgesprochene Bitte heimzukehren -- heim in offene Arme, an treue
Herzen. Und dann die heimischen bekannten Namen, die wie der Klang von
Kirchenglocken uns ernst und feierlich die Brust durchziehn -- ach es
ist ein frohes, ein seliges Gefühl, und selbst die fremde Welt die uns
gerade umgiebt, nimmt in dem Augenblick der Heimath Farben an, und glüht
und lacht, als ob daheim die Sonne, ein Frühlingsgruß dem Heimgekehrten,
auf vaterländische Matten ihre milden Strahlen werfe.

Wie freudig blitzten an dem Tage die Augen aller der Glücklichen denen
ein Brief geworden; wieder und wieder wurde er gelesen, geküßt und
wieder gelesen, und der Inhalt dann ausgetauscht mit Anderer Reichthum.

Nur Einer, von alle diesen saß still und in sich gekehrt, unzufrieden
und schwermüthig auf seiner Stube, den Kopf sorgenvoll in die Hand
gestützt, das Auge starr und bewußtlos auf die wehende Palme geheftet,
die vor dem Fenster stand, und unbeachtet ihr silbern melodisches
Rauschen in das stille Gemach flüsterte.

Es war René -- einen offenen Brief vor sich auf dem Schooß, und mit
ernsten, finsteren Gedanken das Herz erfüllt, Gedanken denen selbst der
Heimath Gruß das Bittere nicht rauben konnte.

»Daß die verdammte Kugel nicht einen Zollbreit tiefer traf, wie Adolphe
sagt« murmelte er dabei leise vor sich hin -- »jetzt wär's vorbei --
drunten im kühlen Grund läg ich still und friedlich, einer anderen
Welt entgegen zu träumen und Sadie -- beweinte mich, wie man den
Hingeschiedenen beweint und lebte glücklich unter ihren Palmen fort.
Arme Sadie -- der alte wackre Osborne hatte recht, nur daß die Warnung
damals zu spät für uns Beide kam. Da steh ich denn jetzt am Ziel von
Allem, was ich in früherer Zeit erstrebt, und bin ich glücklich? --
elend bin ich, elend. Wie das edle Rennpferd an haferstrotzender
Krippe mit zerschnittenen Flechsen liegt, das fröhliche Wiehern
der vorbeistürmenden Kameraden hört, und kein Ziel mehr hat dem es
entgegenstreben _darf_, so lieg ich hier. Vorbei die Zeit, wo es die
breite starke Brust dem Strom entgegenwarf, vorbei die frohe Zeit, wo's
mit dem Wind wetteifernd, donnernden Hufs entlang die Steppe flog --
vorbei, ein warmer Stall, eine weiche Streu, das süße Futter im Trog und
-- die Flechsen zerschnitten -- nicht einmal sterben kanns.«

»Hallo René, so trüb und traurig hier allein?« rief eine fröhliche
Stimme und Adolphe stand vor ihm -- »böse Nachrichten im Brief? Du
machst ja bei Gott gerade wieder ein solch Gesicht, als wir zusammen
vorn auf der Back des Delavare standen; willst wieder desertiren?«

René wandte den Kopf halb ab von dem Freund und reichte ihm die linke
Hand -- die Erinnerung an jene Zeit gab ihm, er wußte selbst nicht
recht warum, einen Stich durch's Herz. Der Brief selber aber bot ihm
Gelegenheit das Gespräch nach anderer Richtung hin zu wenden.

»Unangenehme Geldangelegenheiten, Adolphe« sagte er endlich, ihm den
offenen Brief hinüber reichend, »da lies selbst.«

Adolphe nahm den Brief, durchflog ihn und sagte achselzuckend:

»Das läßt sich denken; die treiben jetzt daheim mit Deinem Geld was
ihnen gutdünkt. Wär ich wie Du, ich ging auf's nächste Schiff und
regulirte dann zu Haus die Sache selbst. Selbst ist der Mann, Du magst
hier schreiben und schreiben so viel Du willst, eine einzige Woche an
Ort und Stelle richtet mehr aus, als eine Jahre lange Correspondenz.
Ueberdies ist die Sache gar nicht unbeträchtlich und schon eine solche
Reise werth; und das nicht allein, Du schlägst zwei Fliegen gleich mit
einem Schlag, denn, René, verhehle Dir nicht selber wie es mit Deiner
Wunde steht; ohne die größte Vorsicht und Pflege kannst Du möglicher
Weise einen steifen Arm Dein ganzes Leben hindurch behalten, und jetzt
noch ist es vielleicht Zeit, durch die Dir empfohlenen warmen Bäder dem
vorzubeugen. Du hättest dabei jetzt gerade die beste Gelegenheit, mit
demselben Fahrzeug zu gehn, auf dem Brouards sich einschiffen.«

René sprang, von dem Gedanken getroffen, von seinem Sitze auf, und ging
ein paar Mal mit raschen Schritten im Zimmer auf und ab. »Zurück nach
Frankreich? -- er selber? -- mit --«

»Nein, nein« rief er plötzlich in ängstlicher Hast, als ob er selber
fürchte der Versuchung nicht widerstehen zu können, die ihm so
entsetzlich lockend vor die Seele trat; »zurück nach Frankreich? nein,
nein, das ging nicht an -- und wenn nur zum Besuch? Sadie -- Sadie«
murmelte er leise und wie beschwörend vor sich hin.

»Und was würde Dich hindern Deine Frau mitzunehmen?« sagte Adolphe, dem
das leise geflüsterte Wort nicht entgangen, nach kurzer Pause -- »es
wäre zugleich eine Art Probierstein für Dich für spätere Zeiten.«

»Nein Adolphe, nein« sagte aber René nach kurzem Sinnen, seinen Platz
am Fenster wieder einnehmend, denn der Arm fing ihn an zu schmerzen vom
vielen hin- und hergehn -- »nie im Leben würde sich Sadie dort glücklich
fühlen -- noch ich mit ihr. Wie eine Treibhauspflanze, ihrem heimischen
Boden entrissen, müßte sie verkümmern und -- so lebensfrisch sie hier
im Schatten ihrer Palmen blüht, untergehn. Und dann zugleich mit --
Brouards.«

»Es wäre eine so schöne Gelegenheit, wie Du sie Dir nur wünschen
könntest.«

»Ja -- Du hast recht und doch -- es geht nicht; auch gäbe Sadie nie ihre
Einwilligung dazu -- und die Reise mit dem Kind.«

»Bah, bah, das sind Kleinigkeiten wenn man sonst nur will« lachte
Adolphe, »doch das mache mit Dir selber aus; wichtig genug ist es aber
jedenfalls es Dir genau zu überlegen, und Dir bleibt dabei nicht einmal
viel Zeit, denn heute Morgen schon wurde ein Schiff signalisirt das, wie
man allgemein glaubt, die =Reine blanche= ist.«

»Die =Reine blanche=? -- schon jetzt?« rief René rasch und Adolphe sagte
lachend:

»Nun, das ist nicht übel -- seit drei oder vier Wochen wird sie stündlich
fast erwartet und dumpfe Gerüchte gingen schon, daß sie irgendwo
vielleicht gar in einem Typhoon zu Schaden gekommen, und Du sagst »schon
jetzt?« Dir muß die Zeit ungeheuer rasch verflogen sein. Doch ich muß
fort, René« brach er, nach der Uhr sehend ab, »der Gouverneur hat mich
rufen lassen; gegen Abend seh ich Dich wieder und -- überleg Dir's.«

René schüttelte langsam und ernst den Kopf, während Adolphe mit
freundlichem Gruß das Zimmer verließ, und gleich unten an der
Thür Lieutnant Bertrand traf, der langsam mit ihm die Straße
hinabschlenderte.

Das signalisirte Schiff war in der That die =Reine blanche=, die zwei
Stunden später etwa, unter dem grüßenden Donner der Kanonen, in den
Hafen einlief. Der Admiral kam aber an diesem Tag gar nicht an Land,
sondern empfing nur die von Frankreich für ihn eingegangenen Depeschen
und schrieb bis spät in die Nacht hinein. Am anderen Morgen hatte er
eine lange Konferenz mit dem Gouverneur, und die Jeanne d'Arc bekam
Ordre sich auf den nächsten Tag segelfertig zu halten. Zu seinem
Erstaunen aber bekam René eine Einladung an Bord des Admiralschiffs zu
kommen, wo =Du Petit Thouars= ihn in einer wichtigen Angelegenheit zu
sprechen wünschte. Er ging um die bestimmte Zeit und fand dort,
außer dem Gouverneur Bruat, Monsieur Belard und Brouard, und mehre
französische Officiere; unter ihnen Adolphe und Bertrand.

»Lieber Capitain Delavigne« redete ihn der Admiral gleich nach seinem
Eintreten freundlich an -- »ich habe einen Auftrag für Sie -- einen
wichtigen Auftrag, an dessen geschickter und ehrlicher Ausführung mir
viel liegt, und zu dem ich mir hier in Tahiti einen passenden Mann
suchen wollte. Diese Herren hier haben mir Alle einstimmig Sie
vorgeschlagen, und auf so gute und ehrenvolle Empfehlung hin glaub' ich
in Sie denn auch mein volles Vertrauen setzen zu können. Was sagen Sie
dazu?«

»Ich erwarte Ihre Befehle zu hören« sagte René, wirklich jetzt
neugierig, auf was das Alles hinauslaufen sollte.

»Ich habe Sie zu meinem Gesandten nach Paris ausersehn« sagte der
Admiral lächelnd -- »wollen Sie gehn?«

»Herr Admiral!« rief René überrascht, fast erschreckt.

»Ich will ganz aufrichtig mit Ihnen sein« fuhr aber =Du Petit Thouars=,
ohne ihn weiter zu Wort kommen zu lassen, fort, »denn ich habe mich
schon selber gegen die Herren hier ausgesprochen. Nach den hier auf
Tahiti stattgehabten Vorfällen läßt es sich denken, daß nicht allein die
Protestanten in Europa, sondern auch manche Leute, die mir gerade
nicht freundlich gesinnt sind, die Sache so weit zu unserem Nachtheil
ausbeuten werden, wie nur irgend möglich. Wir werden den friedlichen
Naturkindern gegenüber als Barbaren und Gott weiß was sonst noch
hingestellt werden, und besonders zweifle ich nicht daran, daß die uns
feindlich gesinnten Missionaire das ihrige nach besten Kräften thun
werden, unsere Thaten recht schwarz und entsetzlich anzustreichen. Dem
zu begegnen brauche ich einen Mann, der Zeuge des Ganzen gewesen und
die Verhältnisse hier kennt, der aber auch, wie Sie, unabhängig und
unbetheiligt, bis Ihnen die Notwendigkeit und Selbsterhaltung die Waffen
in die Hand zwang, dem Kampfe zugesehn, und ich verlange nichts weiter
von Ihnen, als daß Sie der französischen Regierung meine Depeschen
überbringen, und dort Alles so, der Wahrheit treu, schildern, wie Sie es
hier gefunden.«

»Dieser so ehrenvolle Auftrag --« stammelte René und der Admiral fiel
ihm in's Wort.

»Bietet Ihnen zugleich die Gelegenheit sich von ihrer Wunde, die,
wie ich gehört habe, keineswegs so ganz harmloser Natur ist, wieder
vollständig zu erholen; Sie bleiben unter der Behandlung Ihres
bisherigen Arztes, der natürlich mit seinem Schiffe geht und haben,
glaub' ich, wenn ich recht unterrichtet bin, ganz angenehme Gesellschaft
unterwegs, eine Seereise von vier Monat etwa, schon erträglich zu
machen.«

»Lieber Delavigne« nahm jetzt Monsieur Belard das Wort -- »es wird
Ihnen hier eine Auszeichnung geboten, die sogar mit den vorteilhaftesten
Umständen für Ihre eigene Gesundheit zusammentrifft, und manchen Anderen
unendlich glücklich machen würde -- ich glaube Ihnen gratuliren zu
dürfen.«

»Aber meine Frau« rief René, »so ehrenvoll Ihr Vertrauen für mich ist,
Herr Admiral, und mit so großem innigen Dank ich versuchen würde ihm zu
entsprechen, so hab' ich doch Pflichten hier zu erfüllen, die ich nicht
vernachlässigen _darf_, wenn ich nicht in Ihrer eigenen Achtung sinken
wollte.«

»Ich weiß, Sie haben ein Indianisches Mädchen zur Frau genommen«
lächelte der Admiral -- »sie ist auf einer der Nachbarinseln? machen Sie
sich keine Sorge deshalb, die zehn oder zwölf Monate die Sie abwesend zu
sein brauchen, wenn Sie wirklich so rasch wieder zurück kommen _wollen_,
soll sie unter unserem Schutze stehn.«

»Aber sie weiß kaum daß ich verwundet bin -- erwartet mich
wahrscheinlich mit jedem Tag, und ich _dürfte_ nicht eine solche Reise
unternehmen, ohne sie vorher nicht wenigstens noch einmal gesehn,
gesprochen zu haben.«

»Auch das ließe sich vereinigen« erwiederte der Admiral, dem daran
gelegen schien, gerade den jungen Mann für seine Mission zu gewinnen --
»sagten Sie nicht Atiu hieß die Insel, Monsieur Belard?«

»Atiu ist der Name.«

»Gut; bei einer Reise von so viel Monaten kommt es nicht auf einen
einzelnen Tag und ein paar Seemeilen an; die Jeanne d'Arc mag Atiu
anlaufen und kann dort vielleicht gleich noch eine Parthie süße
Kartoffeln und Brodfrucht mit an Bord nehmen, die doch hier jetzt nicht
so leicht zu bekommen sind. Ist der Wind nur einigermaßen günstig, so
behalten Sie da jedenfalls ein paar Stunden Zeit Ihrer Frau Adieu zu
sagen. Hat das Ihre letzten Zweifel beseitigt?«

»Ihre Güte Herr Admiral.«

»Schön, schön -- ich will Sie auch nicht drängen; die Sache ist
allerdings wichtig für Sie, und ich gebe Ihnen, ohne jetzt irgend ein
Versprechen von Ihnen zu verlangen, zwei Stunden Frist; bis dann _muß_
ich aber eine entscheidende Antwort haben. In zwei Stunden also --« er
nahm seine Uhr heraus und sah nach der Zeit, »etwa drei Viertel auf zwei
Uhr -- wir wollen zwei Uhr sagen, erwarte ich Sie wieder hier und dann
können Sie gleich mein Gast zu Tisch sein; also auf Wiedersehn bis
dahin;« und dem jungen Mann wie den Uebrigen freundlich mit der Hand
winkend, nahm er Capitain Sinclairs Arm und zog sich mit ihm in seine
Privatcajüte zurück.

»Triumph!« rief Adolphe, als er mit René und Bertrand wieder im Boote
saß, und rasch dem Lande zuruderte, »Triumph René -- Mensch, wenn Du
Dir Alles beim lieben Gott bestellt hättest, konnte es nicht besser
ausgefallen sein -- die zwei Stunden Bedenkzeit sind eine wahre Ironie.«

»Was _soll_ ich thun?« sagte, tief aufseufzend, René.

»Was Du thun sollst?« wiederholte Bertrand erstaunt -- »zugreifen mit
Lust und Wonne, und Gott auf den Knieen dafür danken. Mir füllt es die
Brust mit unbeschreiblicher Seligkeit, daß wir die Fahrt jetzt wieder
heimwärts lenken, und Du stehst noch da und sinnst und überlegst. René,
René, wenn Du Dir diese Gelegenheit entschlüpfen läßt, bereust Du's
sicherlich -- die kehrt nicht wieder.«

»Ich weiß auch gar nicht, ob ich's mit meinem Arm wagen darf eine so
lange Reise zu unternehmen« sagte René jetzt sinnend. »Ich muß doch
jedenfalls erst den Arzt darüber fragen?«

»Gehst Du jetzt zu Hause?« frug Adolphe.

»Bald wenigstens.«

»Gut, dann schick ich ihn Dir in einer halben Stunde etwa; ich weiß wo
er sich in diesem Augenblick aufhält, und komme selber später vielleicht
Dich wieder abzuholen, höre jedenfalls Deinen Entschluß und kann Dir
dann vielleicht noch mit dem oder jenem helfen. So ade und erleuchte
Dich Gott, Du kannst's brauchen« lachte der Freund, und seinen Arm in
den Bertrands schiebend, gingen die beiden jungen Officiere, lebhaft das
eben Geschehene besprechend, die Straße nieder.

Monsieur Belard war indessen mit seinem eigenen Canoe an Land gerudert
und schon zu Haus als René, der noch eine Zeit lang in peinlicher
Unentschlossenheit die Straße auf und ab gelaufen war, langsam die
Treppe hinaufstieg. Er hörte dabei daß sich die beiden Eheleute eifrig
und laut mitsammen unterhielten und wollte sich, ohne sie zu stören, auf
sein Zimmer schleichen, denn der Kopf schwindelte ihm von all den wild
auf ihn einstürmenden Gedanken und Plänen, aber Monsieur Belard hatte
ihn kommen sehn, und ließ ihm keine Zeit zu ruhigem Ueberlegen.

»Und Sie wollen uns jetzt wirklich desertiren, Delavigne?« rief ihm die
kleine Frau schon auf der Schwelle, traurig mit dem Kopf schüttelnd,
entgegen, »und Susanna auch zu gleicher Zeit, und Brouards -- Himmel, das
wird eine förmliche Einöde werden hier in Papetee. Aber bis wann denken
Sie zurück zu sein?«

»Ich weiß noch wahrlich nicht einmal ob ich überhaupt gehe -- ob ich
gehen _darf_« sagte tief aufseufzend der junge Mann -- »noch habe ich
zwei Stunden Zeit zur Entscheidung.«

»Die arme Sadie wäre freilich übel d'ran« sagte traurig die junge Frau
-- »das würde ihr einen rechten Schnitt durch's Leben geben -- o Ihr
Männer seid doch grausame rücksichtslose Menschen.«

»Aber lieber Gott« entschuldigte ihn hier Belard -- »er bleibt ja doch
keine Ewigkeit fort, und Geschäftsreisen gehen nun einmal dem häuslichen
Leben vor, weil dieses nur eben wieder durch das Geschäft bestehen kann.
Wenn René _nicht_ selber nach Frankreich geht, so bin ich fest überzeugt
daß er nach dem Brief, von dem mir Lieutnant Adolphe gesagt, das dort
stehende Geld entweder ganz verliert, oder doch wenigstens bedeutend in
Gefahr bringt, bis er am Ende doch noch hinüber muß. Dann aber kann er
schweres Geld für die Reise bezahlen, während er sie jetzt im Gegentheil
honorirt bekommt, und die angenehmste Gesellschaft von der Welt dabei
hat. Susanna war schon ganz glücklich wie sie es hörte. Außerdem aber
ist es auch nicht ganz einerlei, denk' ich, ob der junge Herr, wenn er
hier bleibt, lebenslänglich mit einem steifen Arm herumläuft, oder sich
jetzt in einem Bad zu Hause ordentlich auscuriren kann.«

»Ist wirklich die Gefahr vorhanden?« frug Madame Belard besorgt. René
zuckte mit den Achseln.

»Gott nur weiß es« sagte er, tief Athem holend, als ob er sich ein
Gewicht von der Brust wälzen wolle -- »mir aber schnürt es das Herz
zusammen in Angst und Sorge -- ich _kann_ nicht gehn. Mag mir der Arm
gelähmt bleiben für Lebenszeit -- mag ich das Geld verlieren daheim
-- Beelzebub gesegn' es ihnen; sie haben mich genug schon geärgert und
gequält damit, aber ich darf Sadie, darf mein Kind _so_ nicht verlassen.
Wenn ihnen nun etwas geschähe während ich fort bin, könnte ich je wieder
des Lebens froh werden, je wieder dem Himmel da droben klar ins Auge
schauen?«

»Sie haben recht« seufzte Madame Belard, Monsieur Belard aber sagte:

»Unsinn -- jagen Sie sich die Grillen aus dem Kopf; erstlich legt Ihr
Schiff da an, und dann werde ich selber im nächsten Monat nach den
Gesellschaftsinseln und der Cooksgruppe hinüber gehn, meine Einkäufe zu
machen -- dann verspreche ich Ihnen daß ich dort vorfahren will, und hat
Sadie Lust, ei so bring ich sie mit zu uns herüber, und sie mag bei uns
bleiben bis Sie zurückkehren. Meine Frau wird sich doch für jetzt einsam
genug fühlen, wenn Sie Alle fort sind.«

»Sie kommt nicht her zu uns« sagte die kleine Frau, mit dem Kopf
schüttelnd -- »ihr ist nicht wohl bei fremden Leuten und ich wäre die
Letzte, die Delavigne zureden würde einen solchen Schritt zu thun; er
muß es selbst am besten wissen -- und so ganz ohne Abschied.«

»Papperlapapp -- mach Du ihm nun auch noch das Herz schwer« rief aber
Mr. Belard dazwischen -- »ich will ihm auch nicht zureden, aber er soll
sich die Sache selber und ruhig überlegen.«

»Ruhig überlegen« sagte René tief aufseufzend -- »ruhig überlegen, wo
mir das Herz zerrissen ist -- ich _kann_, ich _darf_ nicht fort -- doch
ich störe Sie hier« setzte er rasch, seinen Hut wieder aufgreifend,
hinzu -- »ich will hinüber in mein Zimmer gehn -- wenn der Arzt kommen
sollte, bitte -- schicken Sie ihn wieder fort -- ich werde ihn heute
Abend selber aufsuchen.«

Und rasch sich abdrehend, seine Bewegung zu verbergen, suchte er sein
eignes kleines freundliches Gemach, und warf sich hier den Kopf gesenkt
in einen Stuhl, indeß die Augen trüb und sorgenschwer den Boden suchten.

Wohl eine Stunde hatte er so gesessen, die ihm gegebene Frist war bald
abgelaufen und noch kämpfte sein Herz unentschlossen an gegen alles
das, was ihm verführerisch lockend vorgehalten wurde, als ein leichter
Schritt selbst in seinem Zimmer ihn rasch aufschauen machte, und er mit
freudigem Schreck jenes wunderherrliche Mädchenbild erkannte, das seine
Träume gefüllt und Tage lang ihm das Herz mit nagender Reue gefoltert
hatte.

»Susanna!« rief er, halb flehend, halb abwehrend, und er mußte gewaltsam
an sich halten, das Gefühl jetzt zu bergen, das in ihm tobte.

Er hatte sie noch nie so schön gesehn; das volle, kastanienbraune Haar
konnte kaum in seinen reichen üppigen Massen von einem lichtblauen
seidenen Netz gehalten werden, und quoll und drängte aus jeder Masche
hinaus in's Freie; den schlanken Körper umschloß ein einfach dunkles
Seidenkleid, das dem makellosen Teint nur noch höhern Reiz verlieh, und
in den dunklen Augen lag heute ein so eigener, wunderbarer Schmelz, ihn
schwindelte hinein zu sehn in dieser Sterne Tiefe.

»Ich hatte mich so gefreut« sagte sie endlich mit leiser, aber sonderbar
bewegter Stimme, einer Mischung von Unmuth und Schmerz, von getäuschter
Hoffnung sowohl, wie gekränkter Eitelkeit, dem sogar das Bittere im
Ton nicht fehlte -- »daß wir Reisegefährten auf so langer, sonst so
langweiliger Fahrt werden sollten -- aber wie mir Marie jetzt sagt
haben Sie sich anders besonnen, und können sich nicht auf die paar Monat
trennen von Atiu.«

»Oh Susanna« rief René bittend -- »sein Sie nicht grausam -- haben Sie
Mitleid, wenn nicht mit mir, doch mit Sadie.«

»Mitleid?« sagte das junge schöne Mädchen kalt -- »Sie scherzen wohl,
Herr Delavigne, in welcher Art sollte ich Mitleid mit der -- Indianerin
haben? _Mitleid_« wiederholte sie mit sonderbar bewegter Stimme -- »das
ist das falsche Wort -- wer hat Mitleid mit -- doch was steh' ich da
und schwatze;« brach sie rasch, fast ängstlich ab, während ein leichtes
flüchtiges, wie krankhaftes Roth ihre Wangen für einen Moment färbte,
und dann eben so rasch verschwand -- »ich habe noch so viel zu thun --
will aber auch nicht böse auf Sie sein« setzte sie freundlicher hinzu
-- »ich habe Ihnen schon früher versprochen Ihre Briefe für Sie nach
Frankreich zu schreiben -- Sie sollen mir dieselben heute Abend, wenn
Marie zu Hause kommt, die jetzt Madame Brouard packen hilft, diktiren.
Wie geht es heute Ihrem Arm?«

»Gut -- sehr gut« hauchte René.

»Sie werden mich doch wohl in den ersten Tagen manchmal vermissen« sagte
das schöne Mädchen, halb von ihm abgewandt -- »und das ist einigermaßen
eine Genugthuung mir das zu denken -- ich bin nicht im Stande Sie anders
zu strafen.«

»Susanna.«

»Schon gut -- es ist Alles vorbei -- heute Abend erwarte ich Sie drüben
zu unserer Correspondenz -- ich muß jetzt fort.«

»Susanna.«

»=A revoir, monsieur Delavigne=« sie winkte ihm leicht mit der Hand und
verließ, sich rasch abwendend, das Gemach.

René blieb, die Augen fest und krampfhaft mit der Hand bedeckt, viele
Minuten lang im Zimmer stehn; seine Pulse schlugen -- seine Stirn
glühte, seine Glieder zitterten in Fieberfrost, und wie bewußtlos
endlich griff er seinen Hut auf und stürmte in's Freie -- an den Strand
hinunter -- dort lag ein Boot.

»Gerade zur rechten Zeit, Monsieur!« rief der Bootsmann der Jeanne
d'Arc, dessen rasch aufgeworfene Hand die eben eingetauchten Riemen
seiner Leute zurückhielt.

»Mr. Bertrand befahl mir, Sie hier bis zwei Uhr zu erwarten -- es
ist zwei vorbei und ich wollte eben hinüber fahren an Bord des
Admiralschiffs, weitere Befehle einzuholen.«

René erwiederte kein Wort -- er sprang in das Boot und wurde an Bord
gerudert.

»Nun Delavigne!« rief ihm Bertrand, der mit dem Lieutnant der =Reine
Blanche= auf dem Quarterdeck auf und ab ging -- »das ist brav, daß Du
kommst -- der Admiral hat Dich schon mit Schmerzen erwartet. Und Du bist
der unsere?«

»Ich bin's« sagte René leise und des Freundes Jubelruf nicht
beantwortend und ihm nur die gebotene Hand fest und leidenschaftlich
drückend -- verschwand er die Cajütstreppe hinab in den inneren Raum.

       *       *       *       *       *

Ueber die See heulte der Sturm; vor dicht gereeften Segeln peitschte
die Jeanne d'Arc gegen die bäumenden zürnenden Wogen an, bis in den Kiel
erzitternd vor den gewaltigen Stößen, mit denen sich die See seinem Bug
entgegenwarf. Alle Luken waren fest verschlossen, und die von Papetee
mitgenommenen Passagiere lagen, mit Ausnahme eines einzigen, halbtodt an
Seekrankheit in ihren Coyen.

Den linken gesunden Arm um eine der Besahnwanten geschlagen, stand an
der Luvseite des Quarterdecks, den stieren glanzlosen Blick fest auf die
zackigen Kuppen einer aus der Ferne eben sichtbar vorschimmernden Insel
geheftet, René Delavigne -- neben ihm, das Telescop in der Hand, und
den linken Arm, sich zu sichern, um eine der Pardunen gelegt, Capitain
Sinclair.

»Sie sehn, Delavigne« sagte er endlich, nachdem er lange und aufmerksam
durch das Glas geschaut, und dieses wieder von den Augen nahm, »der
Sturm will nicht nachlassen, und ich bin nicht im Stande, so leid es mir
selber thut, die Insel anzulaufen. Ja thät ich es selbst, in dieser See,
was ich Ihnen gar nicht zu sagen brauche, könnte nicht einmal ein Boot
leben. Außerdem bin ich hier in einem, mir vollkommen fremden und von
verborgenen Klippen bedrohten Fahrwasser. Sie wissen wie wir gestern
fast nur durch ein Wunder dem Korallenriff entgingen, und wir wären
_Alle_ verloren gewesen wenn wir das trafen.«

»Sie haben schon weit mehr gethan, Capitain Sinclair« sagte René mit
ruhiger, aber fast tonloser Stimme, »als ich je gewagt hätte von Ihnen
zu erbitten -- mehr fast als sie verantworten können. Ich sehe ein
daß es unmöglich ist Atiu zu erreichen, ja daß wir selber hier mit
einbrechender Nacht vielleicht gefährdet würden länger zu kreuzen. Ich
bitte Sie, thun Sie Ihre Pflicht.«

»Lieber Delavigne« sagte der Capitain gerührt, »ich fühle ganz das
Bittere Ihrer Lage, aber trösten Sie sich auch wieder mit einer baldigen
Rückkehr. Was sind die paar tausend Seemeilen herüber und hinüber, wie
bald trägt uns das gute Schiff an die heimische Küste. -- Gingen Sie
aber jetzt nicht lieber hinunter? -- wenn ich das Schiff vor dem Wind
abfallen lasse, können wir wohl ein paar Seeen hinten über bekommen,
ehe die Segel ordentlich gefaßt haben; die See geht gerade nicht so
ungeheuer hoch eine Gefahr zu befürchten, aber es ist doch unangenehm.«

»Ich danke Ihnen« sagte der junge Mann leise -- »wenn ich Ihnen hier
nicht im Wege bin, möchte ich oben bleiben, bis wir -- den anderen Cours
liegen -- es ist so bald Abend.«

»Wie Sie wollen, Delavigne -- bleiben Sie nur da stehn wo Sie sind. --
Monsieur Roland« wandte er sich dann zu dem zweiten Lieutnant, der auf
der Leeseite des Quarterdecks indessen auf und ab gegangen war -- »wir
wollen die Marssegel lösen -- lassen Sie dann Süd Süd Ost anliegen.«

»Zu Befehl, Monsieur.«

Der schrille Pfiff des Bootsmann gellte über Deck; wie die Katzen liefen
die Leute an den Wanten hinauf auf die Marsraaen, die Reefknoten zu
lösen und die Segel auszuschütteln, und gleich darauf stiegen die Raaen
unter dem Chor der singenden Matrosen, die sich nach dem Tackt mit
dem ganzen Gewicht ihres Körpers in das Tau legten, empor. Der Bug des
Schiffes fiel vor dem Winde ab, die Raaen wurden fast vierkant gebraßt
und der stolze Bau, der bis jetzt mühsam gegen die schweren Wogenmassen
angekämpft, flog, von den nachpressenden noch gedrängt und geschoben,
pfeilgeschwind über die rauschenden, zischenden, schäumenden, stürzenden
Wogen hin, die Insel, der er den ganzen Tag vergebens zugestrebt, gerade
hinter sich lassend.

Düsterer wurde es jetzt auf dem Wasser, die Sonne neigte sich dem
Horizont und dichte Wolkenschatten sammelten sich mit der einbrechenden
Nacht. René stand noch immer, jetzt an dem Heck des stattlichen
Schiffes, hinter dem die spritzenden schäumenden Wogen dreinstürmten,
die Augen fest und unverwandt auf das mehr und mehr in düsterer Ferne
verschwimmende Land geheftet, das Alles barg, was ihm einst diese
Erde zum Paradies geschaffen -- Alles -- Alles, und das, ein Punkt, am
Horizont verschwand.

»Arme Sadie« hauchte er leise, und mit der Gewißheit des Verlustes
empfand er erst -- zum ersten Mal vielleicht seit langer Zeit, nicht was
er verlor, nein, was er muthwillig fort von sich geworfen, und wie er das
Bild sich ausmalte, seines armen verlassenen Weibes, wie sie geduldig
seiner harrend mit dem Kind -- dem süßen, lieben herzigen Kind auf
jener, oh so wohlbekannten Stelle stand, da Tag nach Tag, und Woche nach
Woche verstreichen sah in stets vergebenem Harren und nur der stille
Seufzer, keine Klage, kein Vorwurf über ihre Lippen kam, da brach
ihm fast das Herz, und da zum ersten Mal auch füllten Thränen, heiße
brennende Thränen der Reue seine Augen.

Und drüben am Horizonte verschwand indeß das Land -- noch ein dünner
Streifen jetzt, wie ein blauer schmaler, kaum erkennbarer Wolkensaum,
wie der dunkle Schattenrand des dämmernden Meeres selber -- und jetzt --
das Auge fand ihn nicht mehr -- Joranna -- Joranna hauchten die Lippen
und der starke trotzige Mann barg weinend das kummerschwere Haupt in
seiner Hand.




Capitel 8.

Schluß.


Auf Tahiti vertheidigten sich indessen die Insulaner mit
unerschütterter, ungebrochener Tapferkeit gegen den täglich wachsenden,
ihre Insel mit einer Kette von Bollwerken umziehenden Feind. Nicht
Monate mehr, Jahre lang hielten sie sich in den, in den Bergen
errichteten und befestigten Lagern und wiesen jeden Sturm und Angriff
kaltblütig und unerschrocken zurück. Neue Schiffe kamen aber, mehr
und mehr Truppen wurden auf den Kampfplatz geworfen, der den Indianern
selber keinen Entsatz zu bringen vermochte, und das Resultat konnte
zuletzt nicht zweifelhaft bleiben. Dennoch wäre es vielleicht noch so
viel Jahre länger unentschieden geblieben, hätte ihnen nicht Verrath die
Schluchten der Berge geöffnet.

Durch die Missionaire fortwährend in der thörichten Hoffnung gehalten,
daß ihnen England doch noch, und zwar in kürzester Frist Hülfe schicken
würde, zerstörte diesen Wahn zuerst der wackere Capitain des Englischen
Dampfers Salamander, Capitain Hammond, der ihnen unumwunden und
aufrichtig erklärte, so viel er wisse beabsichtige die Englische
Regierung nicht sich in ihren Streit zu mischen, er selber habe
wenigstens nicht den geringsten, dahin lautenden Auftrag bekommen,
und sie möchten sich deshalb nicht falschen, betrügerischen Hoffnungen
hingeben, die sie nur über ihre eigenen Vertheidigungsmittel irre
führen, und zu unüberlegten, ihre Stellung verschlimmernden Schritten
treiben müßten.

Pomare blieb an Bord der Basilisk, bis eine Englische Fregatte, der
Carysford, von Lord William Paulet befehligt, am 17. Juli 1844 in
Papetee eintraf, und nach vorhergegangener Besprechung mit Gouverneur
Bruat, die Königin nach Barbara auf Imeo, wo Tabara, ihr erster
Gemahl wohnte, hinüberbrachte, dort die Entscheidung der Mächte ruhig
abzuwarten.

England hatte indeß die Behandlung seines Consuls nicht so ganz
ungeahndet können hingehn lassen, während die Französischen Klagen
gegen ihn auch wohl durch zu viel Beweise bekräftigt wurden, sie ganz zu
verwerfen. Die Französische und Englische Regierung deshalb, nicht
einer so trostlosen Sache wegen einen Europäischen Krieg zu beginnen,
vereinigte sich dahin, daß die erstere den Admiral =Du Petit Thouars=,
der bei seiner Rückkehr in Toulon von dem jungen Volk enthusiastisch
empfangen und mit einem Ehrensäbel beschenkt wurde, trotz seiner
Vertheidigung das Kommando entzog; die Englische Regierung dagegen
versprach Mr. Pritchard, der sich den Französischen Interessen zu
feindlich gezeigt, nie wieder nach Tahiti oder einer von den Franzosen
in Besitz genommenen Inseln zu senden.

Am 19. Juni 1847 erließen die beiden Großmächte England und Frankreich
ebenfalls eine Deklaration, in welcher sie die Unabhängigkeit der Inseln
von Huaheine, Raiatea, Bola Bola etc. -- erklärten, wie zugleich unter
§. 3 bestimmten, daß »kein Häuptling von Tahiti zu ein und derselben
Zeit über jene Inseln regieren könne.«

Nicht allein daß die Macht der Pomaren auf Tahiti und Imeo gebrochen
war, sondern die ihnen bis jetzt wenigstens tributpflichtigen Stämme
wurden, um die Franzosen fern zu halten, ihrer Oberherrschaft jetzt
ebenfalls entzogen, und der Königsstamm der Pomaren sah seinen Stern
untergehn auf ewig.

Ueber den Schluß des Krieges, den die Eingeborenen mit so wackerem Muth
und fabelhafter Ausdauer gegen die, ihnen an Waffen und Kriegskunst so
weit überlegenen Fremden führten, sagt ein Missionsbericht vom Januar
1847 das folgende:

»Etwa Anfang December des vorigen Jahres entdeckte ein Eingeborener von
Atiu über dem Hautaualager (dessen Thal unmittelbar hinter Papetee
liegt und eine Passage durch das Innere zu den beiden anderen Lagern
eröffnete) einen gangbaren Pfad eine Klippe hinauf, wo die Feinde eine
Position nehmen konnten, das unter ihnen liegende Lager zu beherrschen.
Er war von den Eingeborenen desertirt, und erbot sich in Papetee die
Feinde für eine besonders bestimmte Belohnung -- ich glaube 200
Dollar -- dort hinauf zu führen. Nicht lange nachher marschirten fast
sämmtliche Truppen das Thal hinauf, die Hauptmasse formirte sich in
Schlachtordnung auf der gewöhnlichen Passage, wie im Begriff einen
neuen, schon so oft abgeschlagenen Sturm zu versuchen, und der Zweck
wurde auch dadurch vollkommen erreicht, denn die Eingeborenen, von denen
eine starke Abtheilung sogar fouragiren geschickt war, richteten ihre
ganze Aufmerksamkeit auf die Vertheidigung des einen Passes. Unter
der Zeit schlich der Atiuer mit etwa dreißig den Franzosen ergebenen
Eingeborenen und vierzig Soldaten, zu dem ihm wohlbekannten Pfad, und
ließ von dort ein mitgenommenes Seil nieder, an diesem eine feste und
schon zu dem Zweck bereit gehaltene Strickleiter aufzuziehn. Auf dieser
folgten nun nach und nach die übrigen Soldaten, bis sie Alle die Klippe,
und später den etwa 1000 Fuß hohen Abhang erreicht hatten, wo sie die
Eingeborenen unmittelbar über ihrem Lager bedrohten, und furchtbare
Verwüstung hätten unter ihnen anrichten können. Die Insulaner sahen auch
bald daß weiterer Widerstand vergeblich war, streckten die Waffen und
wurden als Kriegsgefangene in die Stadt gebracht.«

»Die Einnahme dieses Lagers öffnete den Franzosen jetzt den Weg zu den
beiden anderen befestigten Plätzen; ihnen lag aber keineswegs daran
die Insulaner zu bekämpfen, sie wollten sie sich nur unterwerfen,
und entließen ihre Gefangenen augenblicklich wieder, sobald sie das
Französische Protektorat anerkannt. Einer der entlassenen Häuptlinge
wurde dann nach Buaania, der schwächsten Befestigung, als Parlamentair
abgesandt sie zur Uebergabe aufzufordern, oder mit einem Angriff zu
drohn. Diese ebenfalls, als sie hörten wie die Sachen doch nun einmal
standen, unterwarfen sich, und streckten dort allein 250 Gewehre.«

»Das Lager von Papeeneo ergab sich zuletzt; die Vertheidiger zögerten
mehrere Tage, endlich aber fügten auch sie sich der Uebermacht und
marschirten, gerade am Neujahrstag, in die Stadt, wo sie ihre Waffen
nieder legten. Sie kamen in langer Procession -- die Häuptlinge voran,
dann die Krieger, und die Frauen und Kinder zuletzt. Noch etwa hundert
Schritt von den Französischen Truppen entfernt machten sie Halt, knieten
nieder und beteten, dann erhoben sie sich zusammen und marschirten in
die Stadt. Indessen waren von den Franzosen schon ihre eingeborenen
Richter ernannt worden, diese empfingen sie mit freundlichem Gruß,
bewillkommten sie als Brüder und führten sie nach dem Gouvernementshaus,
wo sie ihre Waffen förmlich niederlegten und das Protektorat
anerkannten. Eine allgemeine Amnestie (ohne Ausnahme) wurde dann
verkündigt, alle Fehltritte wurden als vergessen betrachtet, und den
Leuten angedeutet sich ruhig und unbesorgt wieder in ihre Heimath zu
verfügen.«

Die geflüchtete Königin kehrte erst im Februar nach Tahiti zurück, wo
sie von Gouverneur Bruat empfangen und von ihm, als dem Repräsentanten
Frankreichs, in alle ihre Rechte und Privilegien als Königin von Tahiti
und Morea, _unter Französischem Protektorat_ anerkannt wurde. Ein
aufgestelltes Musikchor spielte ein Französisches Nationallied und ein
Salut von ein und zwanzig Schüssen donnerte seinen Segen dazu.

Ihre Majestät bekam von da an einen förmlichen Gehalt von der
Französischen Regierung; etwa in derselben Art wie die abgesetzten
Indischen Fürsten auf Java von den Holländern erhalten und bezahlt
werden, als Mittelspersonen gewissermaßen zwischen den Eingeborenen,
für die sie zu haften haben, und der fremden Regierung. Pomare erhält
jährlich 5000 Dollar, und außerdem noch eine nicht unbeträchtliche Summe
als Landzins, für Beamtenstellen etc. -- so daß die ganze Summe fast
8000 Dollar betragen mag. Jeden Verkehr Ihrer Majestät aber mit Fremden,
die auf Tahiti wohnten oder es besuchten, behielt sich das Protektorat
vor, und eine gewünschte Audienz mußte vier und zwanzig Stunden vorher
angezeigt und der Grund der gewünschten Zusammenkunft gegeben werden --
wahrscheinlich um weiteren Aufreizungen zuvor zu kommen und sie von vorn
herein unmöglich zu machen.

So war der _Titel_ den Pomaren erhalten, aber sie hatten aufgehört zu
regieren.

Die katholische Religion breitete sich dabei ebenfalls mehr und mehr
aus; ein Bischof war von Frankreich herüber gekommen, und ein großer
Theil der Indianer wandte sich der neuen Religion zu. Andere verharrten
in ihrem Glauben, und sehr Viele »überlegten sich« die Sache; sie waren
stutzig geworden auf dem eingeschlagenen Weg -- ihr einfacher Verstand
begriff die Spitzfindigkeiten der verschiedenen Sekten nicht, und
bald dieser bald jener sich neigend, leben sie gleichgültig in den Tag
hinein; ein geringer gebotener Vortheil kann sie der einen oder anderen
Religion leicht gewinnen.

Es war Frieden in Tahiti; die Partheien hatten sich vereinigt, Paofai
und Utami, Tati, Hitoti und Paraita waren Richter des Volks geworden,
und die Sonne lachte so freundlich auf die blitzenden Uniformen der
Französischen Soldaten nieder, die beim Parademarsch alle jungen
Leute der Umgegend um sich sammelten zu heiterer Lust, als sie auf die
Tapatücher von deren Voreltern nieder geschienen. Die zerschossenen
Brodfruchtbäume und Palmen waren entfernt, und andere schon wieder
an ihrer Stelle gewachsen, große steinerne Gebäude aufgeführt, breite
Straßen angelegt, Brücken gebaut und -- Straßenlaternen standen auf
behauenen Corallblöcken am Strand des Hafens von Papetee.

       *       *       *       *       *

Im November des letzten Jahres kam ein Schiff durch die Straße von
Tahiti und Imeo eingesegelt und wurde da von Windstille befallen.
Während es noch mit schwerfällig gegen den Mast schlagenden Segeln, mit
der Gegenströmung eher wieder seinen Cours zurückgehend, dort lag, lief
ein kleines, von zwei Eingeborenen gerudertes Boot von Morea herüber an
ihnen vorbei, und wurde von Deck aus angerufen.

Ein Passagier wünschte mit an Land zu fahren, und da er ihre Sprache
vollkommen gut verstand, einigten sie sich bald darüber. Das Boot legte
sich an die Seite des Schiffs, die Fallreepstreppe wurde über Bord
gehangen, und der Fremde stieg rasch hinab, wo er ohne Weiteres seinen
Sitz im Heck des Bootes und der Steuerruder nahm.

»Gerad' da hinüber wohin Ihr den Bug jetzt gedreht habt liegt die
Einfahrt der Bai« sagte der eine Indianer, als sie das Schiff verließen
und rasch über das vollkommen ruhige Wasser dahin glitten.

»Ich weiß es« erwiederte der Europäer, ohne die Augen jetzt von dem,
vor ihnen ausbreitenden Ufer fort zu nehmen, und die Indianer ruderten
schweigend weiter. Durch die Einfahrt glitten sie, von der Fluth
begünstigt, rasch hinein und am Ufer hinauf, vermieden die hie und
da verborgenen Corallenriffe, deren Lage der fremde Mann zu dem
unbegrenzten Erstaunen der beiden Insulaner vollkommen gut kannte, und
landeten endlich in Matavaibai an dem Fuß eines ziemlich gut gehaltenen
Gartens, in dem oben eine der gewöhnlichen großen Bambushütten, wie sie
die wohlhabenderen Eingeborenen bewohnen, stand.

Woher kannte der Fremde den Platz so genau? und doch erinnerte sich
keiner der Beiden, die hier seit ihrer Kindheit wohnten, ihn je
gesehn zu haben. Es war ein schlanker kräftig gebauter Mann, und seine
Bewegungen hätten fast jugendlich genannt werden können, nur daß dem
das schon stark ergraute Haar und die tiefen Furchen seines Angesichts
widersprachen.

Neun Jahre hatten René Delavigne zum Greis gemacht, so daß selbst zwei
seiner alten Nachbarn ihn nicht wieder erkannten.

Er sprang an Land, und als er den festen Grund betrat, denselben Platz
wo einst seine eigene Heimath gestanden und er vor neun Jahren Abschied
von -- Er durfte den Gedanken nicht ausdenken, denn er wollte den
Insulanern die Aufregung nicht verrathen in der er sich befand; aber er
brauchte in der That mehre Minuten, ehe er sich so weit gesammelt hatte
sie wieder anzureden, und frug endlich ruhig, wem das Haus hier gehöre
und wer es bewohne.

»Dies hier? Mitonare« -- sagte der Eine von ihnen.

»Was für ein Mitonare? -- ein Ferani oder Kanaka?«

»Kanaka -- gewiß« erwiederte der Eingeborene lachend, »Kanaka Raiteo
-- da sitzt er« fügte er dann mit leiserer Stimme hinzu, als er mit dem
Fremden den schmalen Weg hinauf und am Haus vorbei der Straße zu ging,
und René erkannte die Gestalt seines alten _Feindes_ oder _Freundes_,
wie es sein Nutzen eben nur erheischte, der, sein bewegtes Leben mit
einem gottseligen vertauscht, ausruhend vor seiner Thür unter einem
schattigen Orangenbusch saß und, die aufgeschlagene Bibel neben sich
auf einem Tisch, die Hände über einem ansehnlichen Bauch gefaltet,
mit unbeschreiblicher Behaglichkeit die Last seiner Existenz zu tragen
schien. Er war in Frack, Weste und Halstuch, so unbequem als möglich
gekleidet, aber darunter nur in den Pareu, denn seine Landeskrankheit,
die unter den älteren Eingeborenen ungemein häufige Elephantiasis,
erlaubte ihm nicht, der ansehnlich geschwollenen Beine wegen, in
Hosen zu fahren. Die Unbequemlichkeit abgerechnet hat diese wunderbare
Krankheit aber weiter gar keine üblen Folgen, sondern verleiht
im Gegentheil dem Träger eher noch ein würdiges achtbares Ansehn,
wenigstens in den Augen seiner Landsleute, und die damit Behafteten
werden alt und grau.

Als Raiteo den Fremden erblickte rief er ihm sein gastliches =Haremai,
haremai= entgegen, und lud ihn durch Winken mit der Hand ein näher zu
treten.

»Wollen wir nicht hin gehn? -- Mitonare winkt« sagte der eine Insulaner,
der ihn noch bis zu da, wo oben seine Hütte stand, begleitete -- René
zögerte auch fast unwillkürlich, aber er wandte sich wieder ab, grüßte
mit der Hand nach dem würdigen Mann hinüber, und schritt rasch vorbei.

Langsam und allein verfolgte er, als ihn der Eingeborene verlassen
hatte, seinen Weg, die jetzt breite und bequem ausgegrabene Straße
entlang nach Papetee. Sein Blick flog dabei unwillkürlich von einer der
gemachten Verbesserungen und Neuerungen zur anderen, ohne aber lange
darauf zu haften; er schritt theilnahmlos an den Kasernen und Kapellen,
an den Gouvernementsgebäuden und Befestigungen vorüber, bis er die
kleine, wohlbekannte Gartenpforte erreichte, die zu Monsieur Belards
Hause führte. Seine zitternde Hand legte sich auf den Drücker, als sein
Blick auf eine kleine Porcellaintafel fiel, die einen fremden Namen
trug.

Durch den Garten kam, die Hände in den Taschen seiner weiten
Nankinghosen, und ein fröhliches Lied pfeifend, ein behäbig aussehend
alter Herr von unverkennbar Englischem Ausdruck.

»Verzeihen Sie mein Herr« redete ihn René in dieser Sprache an --
»bewohnte nicht dieses Haus in früherer Zeit ein -- Monsieur Belard?«

»In früherer Zeit allerdings« erwiederte jener -- »ich habe es von ihm
gekauft.«

»Und Monsieur Belard?« frug René rasch.

»Ist vor zwei Jahren etwa zurück nach Frankreich gegangen.«

»Zurück nach Frankreich? -- allein?«

»Mit seiner Frau.«

»Und er nahm -- er nahm sonst keine Dienerschaft -- keine Begleitung
mit?«

»Niemand, so viel ich weiß; wir waren bis zur letzten Stunde noch
zusammen.«

»Ich muß Ihre Zeit noch einen Augenblick in Anspruch nehmen« fuhr René
nach kurzer Pause fort -- »können Sie mir vielleicht Auskunft geben,
ob Schiffe oder Fahrzeuge manchmal von hier nach den leewärts gelegenen
Inseln gehn?«

»Selten, die Missionsfahrzeuge ausgenommen; aber wenn Sie Fracht dorthin
haben sollten, so liegt gleich da unten ein kleiner Cutter, kaum größer
wie eine Schiffsbarkasse, dessen Eigentümer ihn mir erst heute Morgen zu
irgend einer Fahrt offerirte; den könnten Sie jeden Augenblick miethen.
Sie sind wohl erst ganz kürzlich von Frankreich herübergekommen?«

»Nein Sir; ich habe Frankreich schon mehre Jahre verlassen.«

»Aber Sie sind Franzose?«

»Allerdings.«

»Das dacht ich mir -- doch wir stehn hier so in der Thüre, wollen Sie
nicht näher treten?«

»Ich danke Ihnen herzlich« sagte René, dem es ein unheimliches Gefühl
war _die_ Schwelle gerade bei fremden Menschen wieder zu überschreiten
-- »ich habe dann keine Zeit zu verlieren und erkundige mich lieber
gleich nach den Bedingungen. Wissen Sie vielleicht zufällig wo ich den
Eigenthümer finden kann?«

»Er ist ein Landsmann von ihnen und wenn Sie ihn nicht an Bord finden,
können Sie ihn jedenfalls bei Viktor erfragen -- er fährt aber nicht
selber, sondern schickt seine Indianer. Sie gehn dazu die erste
Querstraße hier hinauf in die sogenannte Broomroad, und dann rechts
hinunter bis Sie --«

»Ich danke Ihnen, ich kenne den Platz.«

»Ah, desto besser« und mit freundlicher Verbeugung trennten sich die
Männer.

Der frische Ostpassat blähte die Segel, das wackere kleine Schiff warf
schäumend die schimmernden Wellen zurück, die hinter ihnen her tanzten
und sprangen, und in wilder Lust ihre Häupter schüttelten, daß die
klaren blitzenden Perlen davon absprühten, und der Himmel spannte sich
klar und rein über das tiefblaue, wie mit einem durchsichtig goldenen
Netz überzogene Meer.

Gerade vor dem Bug des Cutters, dem er mit schwellender Leinwand
entgegen strebte, zeigte sich Land -- über den Horizont auf stiegen die
wunderlich gezackten blauen Kuppen einer kleinen Insel, und hoben
sich höher und höher, jetzt die einzelnen Conturen der Schluchten und
Berghänge klarer abzeichnend, jetzt den zackigen Baumwuchs selbst, auf
dem oberen Kamm der Hügel deutlich unterscheidend, während rechts
und links schon ein schmaler, dünner, blauer Streifen -- das niedere
Palmenland, das die Hügel umgab, ablief, und der Fluth gleichsam
entquoll, als sich das scharfgebaute flüchtige Boot mehr und mehr dem
Ufer näherte.

»Mein Atiu!« flüsterte René, als er vorn auf der Back des kleinen
Fahrzeugs stand, wo die am Bug aufspritzenden Wogen unter seinen Füßen
schäumten, »mein liebes Atiu -- und dort der Hügelhang, der unvergessene
mit seinen rauschenden flüsternden Palmen, den stillen Zeugen meines
schönsten Glücks -- da drüben das schmale schattige Thal mit den
duftenden Blumen, dort oben die runde Kuppe, die das Ihiamoea trägt --
dorthin das Joch, das sich hinüber spannt nach jenem Berg, über den mich
Sadie führte in jener Nacht; und da unten -- ha, dort kommt schon
das helle friedliche Dach des Mitonares mit seinem Orangenhain und
Bananengarten, seinem lauschigen Platz unter dem breitästigen Hibiscus
und dem murmelnden Quell am Haus, über dem die Palme liegt. Es ist noch
Alles so wie ich es verließ« setzte er tief aufseufzend hinzu, als das
kleine schmale Fahrzeug der Einfahrt in die Riffe zu strebte, und wieder
nach langen Jahren die stille so wohl bekannte Bai die waldigen Arme
ausstreckte ihn zu begrüßen -- »Alles, nur in der eigenen Brust ist es
todt, und am Herzen nagt es und wühlt in Schmerz und Reue.«

Das Segel fiel -- der kleine Cutter hatte den seichten Corallengrund
erreicht, und drei von den vier Eingeborenen, die seine Besatzung
bildeten, kamen nach vorn, den leichten Anker über Bord zu werfen. Wie
er sank und den Grund faßte, schwang das leichte Fahrzeug vor der Fluth
herum, und die kleinen Fluthwellen kräußten in dem sonst hier vollkommen
stillen Wasser an seinem Ankertau und Bug.

Sie lagen kaum dreißig Schritt vom Land entfernt, konnten aber, der
hier überall auszweigenden Corallen wegen, nicht näher hinan kommen und
mußten von dort ein Canoe oder Boot herbei rufen. Am Ufer hatten
sich indessen eine Menge Mädchen und Frauen und Männer gesammelt, den
ungewohnten Besuch zu empfangen und zu besprechen, und René harrte mit
ängstlich klopfendem Herzen des Augenblicks, der ihn an Land -- der ihn
unter jene Gruppen wieder bringen sollte, dort zu erfahren was er nicht
den Muth gehabt, in eines Menschen Auge hinein auf Tahiti zu erkunden.
Wer hätte auch dort ihm Nachricht geben sollen von der fernen Insel.

Jetzt stieß ein Canoe vom Strand -- zwei alte Insulaner saßen darin,
und das leichte schlanke Fahrzeug glitt pfeilschnell zwischen den
hier überall aufragenden Corallenblöcken hin auf sie zu und legte sich
langseits.

»Joranna, Joranna!« riefen die fröhlichen Menschen, »Joranna bo-y --
komm an Land Fremder, komm an Land -- wir haben Cocosnüsse für Dich und
Brodfrucht -- komm an Land!«

Wie das Joranna dem fremdgewordenen Mann durch die Seele schnitt -- er
kannte die beiden Männer, die manche Nacht in seiner Hütte geschlafen
und von seiner Brodfrucht gegessen -- und ihn kannte keiner. Und hatte
er sich denn gar so sehr verändert, und Zeit und Gram sein Antlitz so
entstellt, daß ihn selbst alte Freunde und Nachbarn nicht mehr kannten?
es war das ein wehes, schmerzliches Gefühl. Aber männlich kämpfte er
jetzt gegen jede solche Regung an; er wollte sich nicht verrathen, ehe
er nicht gewisse Kunde von dem erhalten, was wie die Ahnung nahenden
Verderbens auf seiner Seele lastete.

Das freundliche Joranna leise erwiedernd, stieg er in's Boot hinüber,
die Ruder fielen ein und wenige Minuten später raschelten die Korallen
unter seinen Füßen.

»Und Sadie?« -- der Name lag auf seinen Lippen, aber der Mund wagte
nicht ihn auszusprechen, und unwillkürlich suchte der scheue Blick unter
den lachenden munteren Gruppen die theuren bekannten, und jetzt doch
fast gefürchteten Züge der Geliebten. »Sadie«, oh wie das Wort ihm durch
die Seele klang, und die Erinnerung in tausend und tausend lieben nie
vergessenen Bildern alle die seligen Stunden wieder auf beschwor, deren
Schauplatz der Boden hier gewesen.

»Er versteht unsere Sprache nicht« sagten die Insulaner dabei unter
einander -- »er weiß nicht wohin er gehen soll, wir wollen den Mitonare
rufen.« Und ein paar sprangen dem Hause zu, während Andere seine Hände
ergriffen, und ihm durch Zeichen jetzt, und mit einzelnen abgebrochenen
Worten, begreiflich zu machen suchten, daß in dem Haus da drüben ein
Europäer wohne, der sich freuen würde ihn zu sehn.

Mitonare -- was für freundliche Scenen das eine Wort in seine Seele
rief, und unwillkürlich fast suchte sein Auge die Gestalt des kleinen
würdigen Mannes in der offenen Thür. Dort aber trat ihm in der That ein
weißer Mann entgegen, und René erkannte mit freudigem Staunen den alten
trefflichen Mr. Nelson, der, den Fremden erblickend, freundlich auf ihn
zu kam und ihn frug, womit er ihm dienen könne. Auch dieser ahnte in dem
ergrauten Fremden mit tiefgefurchten Zügen den jungen lebenskräftigen
Mann nicht mehr, der damals in strotzender Jugendkraft wild und trotzig
hinein in's Leben stürmte.

»Nur einer Frage wegen komm ich her, ehrwürdiger Herr« sagte René mit
leiser Stimme, als ob er schon fürchte sich nur im Klang der Worte
zu verrathen -- »lebt hier noch -- wohnt noch auf Atiu --?« -- Wieder
stockte er -- er brachte den Namen nicht über seine Lippen.

»Wen meinen Sie?« sagte der Geistliche, ihm still und freundlich in's
Auge sehend.

»Sonst wohnte Bruder Ezra hier im Haus« stammelte René endlich, der
fühlte, daß er wenigstens eine Antwort geben müßte.

»Bruder Ezra« wiederholte der Geistliche, leise und nachdenkend dabei
mit dem Kopfe nickend -- »Bruder Ezra, ja ja, das war in früherer Zeit
-- jetzt existirt der freilich nicht mehr.«

»Ist er todt?« rief René schnell und erschreckt.

»Nein, nein« lächelte Mr. Nelson, »das gerade nicht; im Gegentheil
erfreut er sich eines ganz besonders gesegneten Wohlseins; aber er hat
nur den »Bruder Ezra« und den »Mi-to-na-re« abgeworfen und ist, wenn
auch nicht gerade anerkannt zum alten Heidenthum, doch von unserer
christlichen Gemeinschaft zurückgetreten. Der arme kleine Mann konnte
die vielen, in ihm von so verschiedenen Seiten wachgerufenen Zweifel,
nicht länger bekämpfen, und übersprang sein Ziel. Anstatt zu prüfen
und das Beste zu behalten verwarf er Alles, und lebt nun ziemlich
gleichgültig, aber anscheinend ganz zufrieden in den Tag hinein.«

»Und wo ist seine Wohnung?«

»Nicht sehr weit von hier; gleich über jenem niedern Hügelhang. Wenn Sie
den Pfad wüßten --«

»Ich will Dich führen, Wi Wi« sagte da eine leise Stimme an seiner Seite
und als sich René rasch dorthin wandte, sah er sich einer schlanken,
ziemlich abgemagerten Frau gegenüber, die ihre Augen fest und forschend
auf ihn gerichtet hielt.

»Aia!« rief er überrascht aus, aber die Frau ergriff seine Hand und ihn
mit sich fortführend sagte sie:

»Komm -- ich weiß wohin Du willst, und kenne den Weg fast so gut wie
Du.«

»Herr Delavigne!« rief aber auch jetzt der Geistliche, der ihn ebenfalls
erstaunt erkannte -- »mein Gott, wie haben Sie sich verändert.«

»Nicht wahr?« sagte René mit dumpfer düsterer Stimme, »ich bin nicht
jünger geworden in den neun Jahren.«

»Komm, komm!« rief aber die Frau, ungeduldig ihn mit sich fortziehend --
»wir Alle nicht -- unser Fleisch ist weich geworden, unser Haar grau
-- nur die Erinnerung ist noch frisch und jung;« und den, ihr jetzt
willenlos folgenden durch den Garten, den lieben bekannten Pfad
hinführend, schritt sie mit ihm durch einen Wald von Guiaven, der
hier erst später entstanden zu jenem Hügelkamm hinauf, auf dem Sadiens
Lieblingsplätzchen lag.

»Du hast Wort gehalten« sagte sie dabei, still und unheimlich in sich
hinein lachend -- »Du bist uns gefolgt -- Du bist gekommen -- Sadie hat
es immer behauptet.«

»Sadie --«

»Bst -- bst -- jetzt noch nicht« flüsterte die Frau -- »Du hast wirklich
Atiu nicht ganz vergessen, und _bist_ wiedergekommen -- nur ein
wenig spät -- ein wenig _zu_ spät; und Dein Haar ist so dünn und grau
geworden, Wi Wi, in der kurzen Zeit« fuhr sie, plötzlich stehn bleibend
und einen Schritt von ihm zurücktretend fort, »und was für Furchen Dir
das böse Gewissen in Stirn und Wangen gegraben. -- Hm, hm, hm« setzte
sie kopfschüttelnd hinzu -- »das war doch eine trübe Zeit für Alle --
und hab ich es Euch nicht vorher gesagt?«

»Zu spät, Aia?« rief René mit zitternder Stimme -- »sagtest Du zu spät?«

»Bst, bst« wiederholte aber die Frau, und schritt auf's Neue rasch voran
-- »kannst es jetzt auf einmal nicht erwarten, und hast Dich die langen
Jahre nicht um sie bekümmert? Du kommst zeitig genug dorthin, Wi Wi.«

Sie sprach von jetzt an kein Wort mehr, und den Hügelhang hinan sprang
sie mit flüchtigen Sätzen, daß ihr René kaum zu folgen vermochte, bis
sie plötzlich oben sich wandte, und den Ferani erwartend zur Seite trat.
Aber René folgte ihr nur langsam nach; -- jeder Schritt, jeder Fußbreit
hier, traf ihn wie scharfer Messerstich in's Herz, denn so gepflegt, als
ob sie nie den Platz verlassen und sorgsam die kleinste Pflanze gewahrt,
lag der Pfad hier, wo der Hügelhang selbst begann und die sorgende Hand
verrieth, die ihn gehalten. Und war das _seinet_ willen etwa geschehn?
-- Jetzt sah er schon die Wipfel seiner Palmen, die freilich höher
geworden waren in der langen Zeit, jetzt erreichte er das kleine
Orangendickicht, das den lauschigen Platz so treulich abschloß gegen der
Menschen Blick von unten her, und jetzt -- heiliger Gott -- Sadie -- ein
jäher Schlag traf ihn durch Herz und Mark und wie vor einer Erscheinung,
zusammengeschmettert von dem furchtbaren Augenblick, sank er in die Knie
und blickte zweifelnd, staunend, seinen eigenen Sinnen nicht trauend,
auf das was sich ihm bot. Dort stand sein Weib -- dort stand Sadie
so schön und wunderhold, so wild, so jugendfrisch als je; die dunklen
flatternden Blumen durchflochtenen Locken, die freie offene Stirn, das
dünne Schultertuch den nackten Leib umfliegend, den Arm ausgestreckt
gegen ihn und die zarten Lippen halb und eben weit genug geöffnet, die
Perlenzähne dahinter zu verrathen. --

»Sadie!« rief er und barg die Augen in der Hand, um sich dort auf kurze
Zeit wenigstens das holde Bild zu wahren, das, wie er nicht anders zu
glauben wagte, vor seinem äußeren Blick doch gleich zusammenschwinden
mußte -- »Sadie, Du arme -- verrathene Sadie!« -- und was der Schmerz
jetzt in jahrelanger nagender Qual fast nicht vermocht, gegen was er
angekämpft mit all seinem hartnäckig männlichen Trotz, das brach der
eine Augenblick -- das schmolz ihm die Rinde von dem starren Herz. Wie
der wild erregte Strom an seinem Damme wühlt und leckt und wäscht, und
unermüdlich arbeitet Tag und Nacht, bis er sich endlich die freie Bahn
gerissen und nun unaufhaltsam hindurch drängt, und in seinem Sturz
die Schranken alle vor sich niederwirft, die ihn bis dahin immer noch
gehalten, den furchtbaren, so drängte sich jetzt seiner Thränen so lang
und krampfhaft gedämmter, nun aber entfesselter Quell hinaus in's Freie,
hinaus aus den brennenden Augenhöhlen -- »Sadie« und die Stirn in den
kühlen duftenden Fern pressend, der den Boden deckte, schluchzte er
laut.

»Was fehlt dem fremden Mann? -- ist er krank? und woher kennt er meinen
Namen?« frug eine sanfte oh so wohl bekannte Stimme, und seinen
Sinnen selbst mistrauend zuckte der Unglückliche empor und schaute, in
krampfhafter Hast sich die wirren Haare aus der Stirn streichend, auf
das liebliche holde Kind, das immer noch ruhig und freundlich vor ihm
stand.

Aber auch Aia's Zorn war gewichen, als sie den Reuigen zerknirscht,
vernichtet am Boden liegen sah, und während auch über ihre abgehärmten
Züge die klaren schweren Thränen nieder tropften, sagte sie leise und
mit unendlicher Weiche im Ton:

»Die Du rufst, falscher, treuloser Wi Wi -- die liegt unter Dir in dem
kühlen Grab, das wir, ihrer Bitte nach, ihr hier gegraben auf ihrer
Lieblingsstelle. Der kleine flache blumengeschmückte Hügel vor Dir deckt
das arme Herz, das hier zuletzt den Frieden fand den Du geraubt, und
kalt und rücksichtslos unter die Füße getreten. Es hat Dich mehr geliebt
als Du verdienst, mehr als Du je geahnt, und noch im Tode Dir vergeben
und Gottes Segen auf Dein Haupt herabgefleht. -- Kennst Du Dein Kind
nicht mehr?«

»Mein Kind? -- Sadie?« rief René, vom Boden aufspringend und die Arme
nach der scheu zu ihm aufblickenden Jungfrau ausstreckend -- »Sadie --
mein armes, armes Kind.«

»Ist das mein Vater, Aia?« frug da mit schüchterner Stimme das holde
Kind -- »der Vater, um den die Mutter hier so oft geweint, und für den
ich jeden Abend beten mußte, wenn dort die Sonne hinter der Hügelspitze
sank?«

Aia konnte nicht sprechen, das Herz war ihr selber zu voll, aber sie
nickte langsam mit dem Haupt und Sadie, auf den Vater zutretend und ihr
Köpfchen vertrauungsvoll an seine Brust schmiegend, während er sie mit
leidenschaftlicher Heftigkeit umschlang und an sich preßte und ihre
Stirn mit heißen Küssen bedeckte, sagte leise:

»Wir haben Dich so lang erwartet, Vater. Du bist recht lang geblieben,
und Mutter hatte Dich so lieb.«

»Mein Kind, Du brichst mir ja das Herz« flehte der sonst so starke Mann,
den der Schmerz jetzt zu bewältigen drohte -- »mein liebes -- liebes
Kind.«

»Komm -- fort von hier!« rief aber jetzt Aia, die es nicht länger
ertragen konnte, seinen Arm ergreifend -- »komm, Ihr quält Euch und mich
und die Schlafende da unten unter den Blumen. Komm mit hinunter, Wi Wi,
zu Ahiahi, den Du sonst Bruder Ezra nanntest, daß wir uns Alle fassen
und vernünftig werden -- mir hat's die Adern bald aus der Stirn
gebrannt.«

Und seine Hand nicht lassend, während das junge Mädchen, von dem Arm des
Vaters umschlungen ihr Haupt an seine Brust gelehnt hielt, schritten
sie langsam den Hügelhang an der anderen Seite hinab, wo hin ein
neuer bequemer Pfad gebahnt war. Er führte zu der jetzigen Wohnung des
Mitonares -- wie ihn die Insulaner doch noch immer, trotz seinem dagegen
ankämpfen nannten -- nieder.

Mitonare saß vor seiner Thür, noch behäbiger und runder aussehend
vielleicht wie vor neun Jahren; ganz auch wieder in seiner zwar
heidnischen, aber jedenfalls bequemen und natürlichen Tracht, hatte er
nur den weiten luftigen Pareu um die breiten Hüften geschlagen, und mit
einem breitrundigen Strohhut auf dem Kopf -- dem einzigen, das er von
der fremden Mode beibehalten -- trug er den Oberkörper nackt, auf dem
die blauen zierlichen Linien der früheren Tattowirungen scharf und
deutlich hervortraten. Ziemlich gleichgültig hatte er auch wohl bis
jetzt die Schritte der Nahenden gehört, als sein Blick auf die ihm
verhaßte Europäische Tracht des Fremden fiel, und er schon staunend
und überrascht aufschaute über solch ungewohnten und auch wohl
unwillkommenen Besuch. Wie er aber die Gruppe erkannte, sein Pflegekind
im Arm des fremden Mannes, da durchblitzte ihn auch im Nu die Wahrheit
des Ganzen.

»Der Wi Wi!« rief er, von seinem Stuhle aufspringend und dem Fremden
fast wie unwillkürlich die Arme entgegenstreckend, dann aber, als ob er
sich plötzlich besann, ließ er sie wieder sinken, fiel auf seinen Stuhl
zurück und starrte, die Hände auf seinen Knieen gefaltet, mit erstaunten
Blicken auf den einstigen Freund, der jetzt so ganz verändert, ein alter
Mann geworden, vor ihm stand.

»Mitonare -- Joranna -- Joranna!« rief aber René, dicht vor ihm stehn
bleibend und ihm die linke Hand zum Gruß entgegenstreckend -- »hab ich
mich so verändert, daß selbst Du, mein alter Freund, mich nicht mehr
erkennst? dann muß es freilich arg sein, und ich darf es den Anderen
nicht verdenken.«

Mitonare veränderte aber seine Stellung nicht, noch nahm er die gebotene
Hand; nur in die schmerzdurchzuckten gefurchten Züge des Zurückgekehrten
aufschauend sagte er leise, und fast mehr mit sich selber als zu dem
Fremden redend.

»Das war die Strafe für begangene Sünde von _dem_ da oben, wie er auch
eben heißt -- das war das einzige Gute was noch in dem falschen und
leichtsinnigen Wi Wi stak, _das Gewissen_. Das bohrte und stach und
mahnte und ließ nicht nach, ließ nicht Ruhe und trieb den Wi Wi wieder
herüber über das große Wasser, die Stelle noch einmal zu sehn, wo er
seinen ersten Meineid geschworen gegen den Allmächtigen.«

»Mitonare« flehte René, dem die Worte das Herz zerrissen.

Der kleine Mann schüttelte mit dem Kopf.

»Bah, bah« sagte er, »Mitonare steckt da drinn in den Kalebassen -- da
Frack, da Halstuch und Weste -- da dicke Buch, und da Schuh und Hemd --
Ahiahi ist ausgezogen, hat Bruder Ezra und Mitonare in den engen Nähten
gelassen und der heißen schwarzen Tapa, und ist jetzt wieder ein _Mann_
geworden, der sich nicht mehr fürchtet, und die Sache abwarten will wie
es einmal wird. Ahiahi hat Zeit, und kommt dann mit Vater und Großvater
zusammen -- einerlei wo.«

»Ahiahi ist böse auf Dich weil Du die Mutter verlassen hast« sagte da
Sadie, traurig zu dem Vater aufschauend, »er hat sie _so_ lieb gehabt.«

Mitonare hatte wahrscheinlich recht ernst und böse bleiben wollen, die
Töne aber schnitten ihm in's Herz, und des Mädchens Hand ergreifend,
winkte er ihr und Aia fortzugehn. Aia sah daß er mit dem Wi Wi allein
bleiben wollte, schlang deshalb ihren Arm um deren Schulter und zog sie
leise von dem Vater fort in den Wald hinein, der die Hütte rings umgab.

»Da bist Du nun wieder auf Atiu, René« sagte der Mitonare endlich mit
leiser, schmerzbewegter Stimme, das peinlich werdende Schweigen brechend
-- »da bist Du nun wieder, und wie ist Dir jetzt zu Muthe? -- bös, bös
-- recht bös und weh -- und wie weh erst hast Du allen denen gethan die
Dich so lieb gehabt.«

René barg sein Antlitz in den Händen aber erwiederte kein Wort, und der
Mitonare fuhr leise fort:

»Die erste Zeit war die Schlimmste -- wie wir so Monat nach Monat saßen
und Deiner harrten, und Fahrzeug nach Fahrzeug ankam von Tahiti, ohne
auch nur einen Gruß zu bringen an die arme Frau, da hat Sadie viel
geweint, und Tage und Nächte lang da oben gesessen, wo sie jetzt ausruht
von ihrem Schmerz, um hinauszuschauen nach nahendem Segel -- immer,
immer wieder vergebens.«

René hatte rasch und erschreckt aufgesehen, und sagte jetzt mit vor
innerer Angst und Aufregung fast erstickter Stimme:

»Und hat sie meinen Brief von Tahiti nicht bekommen, wie ich so schwer
dort verwundet lag? -- den Brief den der Missionscutter selber mit
herüber gebracht und den der Missionair -- ich weiß nicht welcher --
versprochen hatte in ihre Hand zu geben und sie selber, und wenn nicht
das, doch wenigstens Antwort mit zurück zu bringen?«

»Einen Brief? -- der Mitonare?« sagte der kleine Mann kopfschüttelnd --
»und wann war das?«

»Nur wenige Wochen nachdem sie mich verlassen« erwiederte René schnell.

»Da war Bruder Rowe selber hier« sagte der Kleine kopfschüttelnd,
»und wußte von Nichts -- hat kein Wort gesagt, keinen Brief -- keine
Nachricht gehabt für uns --«

»Und auch von Frankreich kam kein Brief hier an?« frug René in immer
wachsender Angst.

Der Mitonare schüttelt aber traurig mit dem Kopf und sagte:

»Keiner -- kein Brief, keine Nachricht -- bis -- bis der Mitonare zum
letzten Mal zu Sadie kam -- da hat er viel gesagt, und dann --« setzte
er mit tief bewegter, kaum hörbarer Stimme hinzu -- »dann war's vorbei.«

»Allmächtiger Gott, so sind meine Briefe verloren oder unterschlagen«
rief René zerknirscht, »und Sadie hat glauben müssen ich hätte nie
wieder ihrer gedacht.«

»Nie wieder ihrer gedacht?« sagte der Mitonare finster, »bah, bah, was
hätte der Brief geholfen, wenn der Wi Wi selber fortblieb, und den hat
doch Niemand vergessen können als er selber.«

»Arme, arme Sadie« stöhnte René.

»Ja wohl arme Sadie« sagte der Mitonare traurig -- »und wie der finstere
Mann erst einmal eine lange lange Zeit weggeblieben, und drüben gewesen
war über dem großen Wasser, und wie er zurück kam und von dem Wi Wi
erzählen konnte, daß er ihn drüben gesehn --«

René wurde aufmerksam und schien dem kleinen Mann die furchtbaren Worte
von den Lippen rauben zu wollen, so fest hafteten seine Augen daran.

»Als er von dem großen Haus sagte in dem er dorten wohnte --« fuhr
Mitonare immer heimlicher fort, wie jetzt selber schüchtern, als ob
die Verstorbene noch einmal die Kunde hören könne, die ihr damals den
Todesstoß gegeben -- »und daß er -- daß er sich wieder eine andere Frau
genommen -- das schöne weiße Mädchen das drüben auf Papetee gewesen, und
mit dem er fortgefahren sei in einem Schiff, -- da -- da war's aus. Da
brach ihr das Herz und -- sie lebte wohl noch eine ganze Woche lang, und
küßte ihr Kind viel und betete mit ihm, -- aber -- aber das Gift hatte
gewirkt, und am nächsten Sabbath« -- der kleine Mann konnte nicht mehr.
Bis hierher hatte er sich, seinen Schmerz in der Gegenwart des Mannes
der der Urheber all dieses Leids gewesen verbeißend, ruhig gehalten und
wenn auch oft mit zitternder Stimme, doch selbst ohne Thräne im Auge
forterzählt, die Erinnerung an das herbe Leid aber das ihn betroffen, in
solcher Art wach gerüttelt, nahm auch ihm den letzten Halt, die letzte
Festigkeit, und den Kopf auf die Knie niederbeugend, daß der Wi Wi die
Thränen nicht sehen sollte, die er nicht mehr zurückhalten _konnte_,
stützte er den Kopf in die Hände und schluchzte laut.

René wagte nicht das Schweigen zu unterbrechen -- er stand da,
erschüttert und vernichtet, und die gefalteten Hände vor sich nieder
streckend, das Kinn auf die Brust gebeugt, starrte er mit todtbleichen
Zügen und thränenlosen Augen vor sich nieder, bis der Mitonare sich
endlich gewaltsam bezwang, die Thränen aus den Augen wischte und mit
lebendigerer Stimme fortfuhr.

»Nachher kam Bruder Rowe wieder zu uns; die Mutter war fertig --
wollte nun an der Tochter anfangen -- kam wieder mit »Bruder Ezra« und
»Mitonare«, Oros Zorn über ihn; kam mit dickem Buch und dem stachlichen
Stock da hinten -- aber Ahi-ahi ist nicht so schwach -- Bruder Rowe
kommt nicht wieder über den Hügel -- da hinaus flog er, glaubte er hätte
Arm und Bein gebrochen. -- Jetzt ist Alles wieder gut,« setzte er dann
mit ruhiger Stimme hinzu, »Ahiahi lebt zufrieden und glücklich -- lernt
keine Bibelverse mehr und kein kleines dünnes Buch, braucht Nichts mehr
herzusagen und sich nicht mehr mit =iti iti kanaka= zu ärgern. Aber --«
setzte er plötzlich rasch und erschreckt hinzu, als Sadie mit Aia
zurückkehrten zum Haus, und ein neuer Gedanke sein Hirn durchzuckte --
»was willst _Du_ jetzt wieder hier auf Atiu -- Wi Wi -- bist Du gekommen
die Mutter zu suchen oder -- oder willst Du -- Dein Kind mit Dir nehmen
in die fremde kalte Welt hinaus?«

Renés Blick haftete mit unendlicher Wehmuth auf den lieben Zügen des
holden Mädchens, das die letzten Worte gehört und sich schüchtern zu
ihrem Pflegevater wandte.

»Fort von Dir, Vater?« sagte sie dabei -- »fort von Aia -- von
Mutters Grab? -- ich darf nicht -- ich habe ihr versprochen ihr
Lieblingsplätzchen da oben zu halten wie es ist.«

»Ja« setzte der kleine Mann finster, und doch mit angstgepreßter Stimme
hinzu -- »ja -- Du kannst sie jetzt fortnehmen mit Dir -- Du hast
vielleicht das Recht dazu, und -- sie ist auch jetzt fast so alt wie
ihre Mutter damals war -- gerade alt genug um auch draußen die Sprache
der Wi Wis und der Beretanis zu lernen, und fremde Kleider zu tragen und
sich elend zu fühlen -- wie ihre Mutter. Hier hat sie freilich Nichts
anderes getrieben als Tapa machen und singen und tanzen und fröhlich
sein, und beten Abends wenn sie dem Grab der Mutter gute Nacht sagte;
sie weiß Nichts weiter, als was wohl einen der jungen Burschen hier auf
der Insel glücklich machen könnte -- und sie dann vielleicht auch.
-- Aber nimm sie nur mit, bis sie ihr draußen auch das Herz gebrochen
haben, _wie_ ihrer Mutter, dann schick sie mir wieder, und Ahiahi wird
ihr dann das Bett machen neben -- neben der Anderen.«

»Nein, nein!« rief aber René, dem der nur zu gerechte Vorwurf tief in
die Seele schnitt -- »nein, Mitonare, ich habe schwer genug gesündigt an
Euch hier; -- nicht mehr -- nicht mehr. Behalt Sadie, und wahre sie vor
dem Fluch der ihrer Mutter Glück zertrümmerte -- halte ihr Herz rein und
gut, laß sie nie hinaus über das Rauschen ihrer Palmen, über das Donnern
ihrer Brandung, und _mir_ den Trost wenigstens zu glauben daß _sie_,
mein Kind, hier glücklich lebt.«

Der Mitonare stand eine ganze Weile vor ihm, bald ihn, bald das Kind
betrachtend, endlich ergriff er langsam des Mannes Hand und sagte leise
und mit tief bewegter Stimme.

»Armer Wi Wi -- armer René -- Du bist recht alt geworden in den wenigen
Jahren -- und gewiß nicht glücklich, wie Du vielleicht geglaubt.« René
schüttelte heftig und abwehrend mit dem Kopf und der kleine Mann fuhr,
sich abwendend fort -- »Die Menschen wissen's gewöhnlich nie wenn sie's
sind -- wollen Andere glücklich machen und machen sie, und manchmal auch
sich selber elend. Dein Volk hat unserem Lande viel Schmerz gebracht. --
Aber wie willst Du's haben?« setzte er dann ruhiger, freundlicher hinzu,
dem Vorwurf vielleicht ein Wort des Trostes beizumischen -- »ich weiß
nicht, ob Du das Kind mir lassen willst, oder ob ihr vielleicht der
_weiße_ Mitonare, der sie schon oft hat haben wollen, _die_ Sachen
lehren soll, die sie bei mir nicht lernen kann?«

»Nein Mitonare, nein!« rief aber René rasch und bewegt -- »kein Segen
wäre das hier für sie, auf der stillen Insel, und Du selber hast Dir das
größte Recht auf sie erworben. In lieblicher Unschuld ist das Mädchen
aufgeblüht -- wahre Du sie fortan, wie Du's bis jetzt gethan. Doch ich
bin reich; ich will Dir Geld zurücklassen, daß Du --«

»_Geld?_« unterbrach ihn aber der Mitonare rasch und zornig -- »Geld?
willst Du selber den Fluch wieder säen auf Atiu, der unser Volk schlecht
gemacht hat und geizig? Geld -- fort damit, fort -- es ist Gift darin
und Haß und Neid, und sie wachsen mit den häßlichen runden Stücken.
Siehst Du die reife Frucht da am Brodfruchtbaum? siehst Du das klare
Wasser hier? -- brauchen wir mehr? -- Wir nicht, aber wer anders braucht
davon; -- die schwarzen Mitonares wollen Geld -- immer nur Geld -- denen
gieb es wenn Du so viel hast; Ahiahi gönnt es ihnen -- nicht uns hier;
hast uns weh genug gethan; aber Du meinst es nicht so schlimm« setzte
er ruhiger hinzu -- »wußtest es nur nicht besser. Doch es ist Zeit für
Dich, Sadie -- die Sonne sinkt; komm Aia -- laß die Beiden zusammen gehn
-- das Gebet dort oben am Hügel wird ihnen wohl thun. Gehst Du mit ihr,
René?«

René barg sein Angesicht in den Händen und stand still und sprachlos,
viele Secunden lang; endlich ermannte er sich. Als er die Hände fort
nahm, war sein Antlitz fast todtenbleich, und er ging langsam auf den
Mitonare zu, ergriff und schüttelte seine Hand, und küßte den darüber
etwas verlegenen kleinen Mann auf den Mund; auch Aias Hand, die sie ihm
willig überließ, nahm er und drückte sie, und sein Kind dann an sich
ziehend, schritt er mit ihm langsam den kleinen Hang hinauf, dem Grab
der Gattin zu.

       *       *       *       *       *

Lange schon war die Sonne im Meer gesunken und tiefe Dunkelheit deckte
das Land und den Ocean, noch immer aber saß der kleine Mitonare vor
seiner Hütte, Vater und Tochter zu erwarten, und fing schon an unruhig
zu werden über das gar so lange Ausbleiben der Beiden. Endlich erhob
er sich, und wollte sich eben aufmachen ihnen entgegen zu gehn, als er
leichte Schritte im Laub hörte, und gleich darauf Sadie -- allein -- vor
ihm stand.

»Und wo hast Du den Wi Wi?« frug der Mitonare rasch und eine dunkle
Ahnung zuckte ihm durch's Herz; Sadie aber schmiegte sich an seine
Brust, und während er fühlte wie die heißen Thränen ihren Augen
entquollen flüsterte sie:

»Er ist fort, Vater -- fort, und wird _nie_ wieder kehren.«

»Fort?« rief der Mitonare erschreckt -- »mitten in der Nacht? --
wohin? --«

»Fort mit seinem Boot« sagte die Jungfrau, das liebe Antlitz mit den
Händen deckend --

»Durch die Corallenriffe bei Nacht?«

»Wir haben lange auf Mutters Grab gebetet, und er mit mir, wie's Mutter
mich gelehrt; alle die alten Gebete hab' ich ihm gesagt, und -- oh er
hat geweint, als ob ihm das Herz brechen müßte an der theueren Stätte.
Dann hat er mich an sich gezogen und mich geküßt, und wieder geküßt,
und seine Sadie, sein liebes armes Kind genannt, und dann gesagt, er sei
nicht werth zu leben, wo er uns Alle unglücklich gemacht. Da bat ich ihn
bei uns zu bleiben und schlang meine Arme um ihn, aber er riß sich los
von mir, und floh den Hang hinab, und als ich trauernd zurückblieb und
ihm nach schaute, konnte ich das kleine Schiff erkennen, wie es den
Anker hob, das Segel setzte -- und mit der frischen Brise die heut
Abend weht, glitt der dunkle Schatten des Fahrzeugs von sicherer Hand
gesteuert durch die Riffe hin, der Einfahrt zu, durch die es bald
verschwand.«

Der Mitonare erwiederte kein Wort; er küßte das Mädchen und ging hinein
in sein Haus und blieb dort allein, den ganzen Abend.

Als sich die Sonne am anderen Morgen aus dem Meere hob, blickten die
Insulaner vergebens nach dem kleinen Cutter aus -- kein Segel war am
ganzen Horizont zu sehn.

       *       *       *       *       *

Druck von _Ferber & Seydel_ in Leipzig.




Fußnoten


















[ Hinweise zur Transkription

Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt. Offensichtliche Fehler
wurden korrigiert; eine Liste der vorgenommenen Änderungen befindet sich
hier am Buchende, die Änderungen bei Satz- und Anführungszeichen sind
dort nicht aufgeführt.


Änderungen

  Seitenangabe
  originaler Text
  geänderter Text

  Seite 9
  lachte Adlophe. »Wetter mein Bursche
  lachte Adolphe. »Wetter mein Bursche

  Seite 10
  Doch es fällt mir nicht ein ihre Partei zu ergreifen
  Doch es fällt mir nicht ein ihre Parthei zu ergreifen

  Seite 16
  rief Leférre mit einem wilden Fluch
  rief Lefévre mit einem wilden Fluch

  Seite 17
  wenigstens meinen Spaß mit Ihr gehabt
  wenigstens meinen Spaß mit ihr gehabt

  haben Sie sich so leicht von Ihrer Frau trennen konnen?
  haben Sie sich so leicht von Ihrer Frau trennen können?

  lachte Leferre -- »wenn es ihr nicht mehr
  lachte Lefévre -- »wenn es ihr nicht mehr

  Seite 20
  gleicher Zeit wurden an dem einen passensten Hügelhang
  gleicher Zeit wurden an dem einen passendsten Hügelhang

  Seite 21
  mit dem Lieutenant der Jeanne d'Ark
  mit dem Lieutenant der Jeanne d'Arc

  Seite 25
  jeder seiner eigenen Beqemlichkeit folgend
  jeder seiner eigenen Bequemlichkeit folgend

  Seite 31
  Colonnen anrucke, und sich, wie es schien,
  Colonnen anrücke, und sich, wie es schien,

  zum Sturm ruste auf das Fort
  zum Sturm rüste auf das Fort

  Seite 34
  erwarteten sie den immer noch hinausgezogerten Angriff
  erwarteten sie den immer noch hinausgezögerten Angriff

  Seite 35
  Für die Bibel! fur die Bibel!
  Für die Bibel! für die Bibel!

  Seite 45
  Zu gleicher Zeit sprang Bertram zu und den Iren
  Zu gleicher Zeit sprang Bertrand zu und den Iren

  Seite 49
  Hei wir Ihr --
  Hei wie Ihr --

  Seite 51
  der erste Lieuteuant der Uranie
  der erste Lieutenant der Uranie

  Seite 53
  der rechts nud links Verderben brachte
  der rechts und links Verderben brachte

  Seite 58
  noch dazu da es sie in ihren Familienverhältnissen
  noch dazu da es Sie in ihren Familienverhältnissen

  Seite 62
  vielleicht manchen Landsmann dadurch das Leben erhalten.
  vielleicht manchem Landsmann dadurch das Leben erhalten.

  Seite 66
  Sind sie also im Stande ein
  Sind Sie also im Stande ein

  Seite 88
  soll ich die Calabasse unter der Lampe dort aufgraben
  soll ich die Calabasse unter der Lampe dort ausgraben

  Seite 97
  und wie der großte Theil der Mannschaft
  und wie der größte Theil der Mannschaft

  Seite 102
  kraftige Arme umschlangen ihn
  kräftige Arme umschlangen ihn

  Seite 145
  er erschrak als er auf sah
  er erschrak als er aufsah

  Seite 155
  aber keineswegs in seiner Flucht aufhielt sondern dieselben
  aber keineswegs in seiner Flucht aufhielt sondern dieselbe

  Seite 170
  am nächsten Morgen durchzogen mehre Patrouillen
  am nächsten Morgen durchzogen mehrere Patrouillen

  Seite 187
  noch mehr Verfolger auf ihre Versen zu bekommen
  noch mehr Verfolger auf ihre Fersen zu bekommen

  Seite 197
  bis in die hochsten und ungangbarsten Wände
  bis in die höchsten und ungangbarsten Wände

  Seite 251
  wir einmal Zeit bekommen Sie auch von dort
  wir einmal Zeit bekommen sie auch von dort

  Seite 273
  Toll genug wären Sie dazu gewesen
  Toll genug wären sie dazu gewesen

  Seite 276/277
  aber die stattgehabte Entzundung seinen Arm so gelähmt
  aber die stattgehabte Entzündung seinen Arm so gelähmt

  Seite 312
  Ws für ein Mitonare?
  Was für ein Mitonare?]






End of the Project Gutenberg EBook of Tahiti: Roman aus der Südsee. Vierter
Band, by Friedrich Gerstäcker

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TAHITI ***

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