The Project Gutenberg EBook of Tahiti. Dritter Band., by Friedrich Gerstäcker This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org Title: Tahiti. Dritter Band. Roman aus der Südsee Author: Friedrich Gerstäcker Release Date: January 6, 2012 [EBook #38451] Language: German *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TAHITI. DRITTER BAND. *** Produced by richyfourtytwo, Holt and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net TAHITI _Roman aus der Südsee_ von #Friedrich Gerstäcker.# _Zweite unveränderte Auflage._ _Dritter Band._ Der Verfasser behält sich die Uebersetzung dieses Werkes vor. #Leipzig,# _Hermann Costenoble._ 1857. #Inhalt des dritten Bandes.# Seite Cap. 1. Alte Erinnerungen und neue Schmerzen 1 " 2. Pomare und ~Du Petit Thouars~ 54 " 3. Die Tahitische Flagge 80 " 4. Die Conferenz 122 " 5. Susanna 143 " 6. Jim O'Flannagan in Thätigkeit 178 " 7. Consul Pritchards Gefangennahme 230 " 8. Pomare's Flucht 259 " 9. Der erste Kampf 292 " 10. Der Abschied 310 Capitel 1. Alte Erinnerungen und neue Schmerzen. Ueber die See strich der Morgenwind leise und feucht, kräuselte die Wogen, die spielend, neckend nach ihm auflangten, und glitt dann rasch zwischen die Palmen am Ufer und in den fruchtschweren Wald, in dem er rauschte und flüsterte und Thau und Blüthen niederschüttelte aus dem blitzenden Laub. Bleigrau lag noch das Meer, und nur dunkle Schatten flogen über seine Fläche, wo der Wind sie faßte, herüber und hinüber drängend und oft im raschen Zug darüber hinstreichend. Nur am Himmel kündete der lichte Streif den nahenden Morgen, und sandte seine zuckenden Strahlen weit aus über den noch sternfunkelnden Himmelsdom, vor denen die Kinder der Nacht erblichen und scheu und furchtsam zurückwichen, dem Sonnengott Raum zu geben. Und heran kam der, auf schnaubenden Rossen, wie vom Sturm getragen, und nicht langsam und zögernd, wie bei uns im kalten Nord -- dem ersten Angriff folgend mit starker mächtiger Hand, scheuchte er die Nacht vor sich her, und seinem ersten dämmernden Nahen folgte auch schon der Siegeszug, mit dem er den flüchtigen Feind zu Paaren trieb. Dunkel und blau lag das Meer, als der erste zündende Strahl darüber zuckte und die kleinen Wellen neugierig die Köpfe hoben, zuerst dem nahenden Gott in's Auge zu schauen; und ein blinkendes Netz warf er über sie aus, Gold und Purpur strahlend, und wie von einem Zauberstab berührt, glühte plötzlich das weite wogende Meer, jede Welle den blauen schlanken Nacken mit Diamanten überstreut und von Gold- und Silberadern dicht und leuchtend durchzogen. Und die Berge strahlten den Widerglanz zurück, die thaubedeckten Palmenkronen warfen den silbernen Regen nieder in Thal und Schlucht, und wie aufathmend in unendlicher Wonne und Seligkeit, strömte der Duft aus von all den Blüthenhainen, die tief versteckt im dunklen Laube ruhten, den Seewind rückwärts treibend, mit sanfter liebender Gewalt. Ueber die Berge aber schaute der Sonnengott freundlich in's Thal, und grüßte die friedlichen Dächer alle, die tief versteckt im schattigen Laub lagen und ihn fürchteten den Gewaltigen. Nicht täuschte sie dabei der leise Kuß den er ihnen zuwarf wie er nur den Hain erreicht; -- höher steigend und wachsend an Macht und Gewalt wäre der Kuß zum giftigen sengenden Pfeil geworden, der zündet was er erreicht und dorrt und brennt, und die Palmen hatten dann alle Hände voll zu thun, und mit allen Fasern den kühlen Lebenssaft aus dem feuchten Strand heraufziehen, das ihnen anvertraute Gut, die Wohnungen der stillen Menschen vor dem glühenden Strahl zu schützen und zu schirmen. Und wie freundlich er da unten auf dem gelben Laub spielte, das hie und da den Boden bedeckte, wie er sich durch jede Zweigesspalte durchstahl und den saftigen Blättern schmeichelte und mit ihnen kos'te, ihn nur durchzulassen, ein kleines kleines wenig nur durchzulassen zu den Blüthen und Früchten unten, denen er Zucker bringen wollte und ein goldenes Kleid, und dann wunderliche Figuren mit ihren Schatten formte, und ihnen Zeichen und Bilder in die Haut grub zum Angedenken. Welch freundliches Leben und Treiben in dem herrlichen Wald, und daß die Axt da kommen sollte mit gierigem Zahn, und die Palmen niederschlagen und Bäume, Felder zu bilden mit langen geraden Reihen, viereckige, eingezäunte Felder, dem Sonnenstrahl preisgegeben, der dann nicht spielend mehr zwischen den Zweigen kost, sondern verlangend sich an den Boden saugt und ihn hart und trocken zieht in gieriger Lust. Aber fort mit dem traurigen Bild; noch rauschen die Bäume, noch flüstert der Morgenwind, der flatterhafte Geselle, den Blüthen allen seinen tollen Liebesunsinn vor, und unter dem Laub, die schönste Zierde des Hains, der Blumen eine die das Land gebar und die zu ihnen gehörte, zu den schlanken Palmen und duftenden Blüthen saß Sadie, und wie an den wehenden, raschelnden, wispernden Blättern der Banane, die ihre grünen Fächer schützend über sie breitete, der Thau in großen hellen Tropfen blitzte und funkelnd niederfiel in ihren Schoos, so hing an ihren Wimpern ein klares Thränenpaar und schwer und langsam sank es nieder zu dem Thau -- anderen, schwereren Perlen Raum zu geben. Sie war allein -- nur das Kind spielte zu ihren Füßen, haschte nach den wechselnden Schatten die ein neckischer Strahl über ein hin- und herwehendes Blatt warf, oder suchte sich kleine blitzende Muscheln aus dem Korallenkies, der sich hier mit dem Boden vermengte -- René hatte seine Heimath -- zum ersten Mal seit sie mit ihm vermählt -- schon vor Tag, und zwar durch Bertrand abgeholt, verlassen, in einer Stimmung verlassen, die ihr das Herz mit Sorge füllte -- sie wußte selber nicht warum, und jetzt schnürte ihr eine Angst, der sie nicht Worte zu geben wußte, die Brust zusammen und die Thränen, die ihren Wimpern entfielen linderten den Schmerz nicht, der sie erzeugt, sondern brannten nur weiter in zündender, quälender Lohe. So saß sie da, lange, lange Minuten, in ihrem Gram, die brennenden Augen in der Hand geborgen und die klaren Tropfen preßten sich gewaltsam Bahn, zwischen den zarten, zitternden Fingern durch, hinaus ins Freie. Aber immer ängstlicher wurde ihr dabei ums Herz, ein merkwürdig stechendes Gefühl zog ihr durch Scheitel und Hirn -- sie athmete schwer und wie von einer heranprassenden Gefahr bedroht, die sie umgab und wenn auch unsichtbar bedrohte, schaute sie endlich verstört und bleich empor und sprang mit einem jähen Schrei auch auf von ihrem Sitz, denn vor ihr stand, mit auf der Brust gekreuzten Armen, den ernsten aber jetzt nicht strengen Blick fest und forschend auf sie geheftet, der Mann, der einst mit kalter starrer Hand hineingreifen wollte in ihre Liebe, in ihr Leben, und dem sie sich seit jenem Tag nicht mehr gegenüber gesehen -- _der Missionair Rowe_. Und was führte ihn jetzt zu ihr? -- Sorge? Theilnahme? hatte sein starres unduldsames Herz verziehen? oder -- wie Fieberfrost zog es ihr durch Mark und Bein wenn sie des fernen Gatten dachte und den stillen wehmüthig ernsten Blick des finstern Mannes so fest, so entsetzlich fest auf sich gerichtet sah. »Um Gott! -- was ist geschehen?« flüsterte sie endlich in kaum hörbaren, angstdurchzitterten Tönen -- »wo ist René? -- was ist vorgefallen ehrwürdiger Herr?« und das Kind, das auf dem Boden neben ihr gespielt und die schmerzlichen Laute der Mutter hörte, ihre Thränen sah, sprang auf und klammerte sich schreiend an ihr Knie, sich nur wieder beruhigend als es den Schutz fühlte, den ihre Nähe gab. Aber der ehrwürdige Mr. Rowe schüttelte mit dem Kopf und sagte ernst: »Wenn Du eine Unglücksbotschaft fürchtest, meine Tochter, so beruhige Dich, denn sie kann nicht von mir ausgehen -- ich weiß von keinem fleischlichen Leid, das Dich und die Deinen betroffen haben könnte. Aber nicht dem auch sind Deine Thränen geflossen,« setzte er wehmüthiger hinzu -- »nicht die Furcht vor Krankheit oder Tod hat diese Wangen gebleicht, diese Augen geröthet -- o Prudentia, sind _das_ die Früchte unserer Lehren, das die freudigen Hoffnungen, die wir, Dein Pflegevater und ich auf Dein Wachsen und Aufblühen setzten? -- ist das Versprechen Wahrheit geworden, das uns Dein kindlich frommer Sinn in früher Jugend gab, und pflegst Du _so_ das Wort Gottes, das Dir, ein heiliger tröstender Stern hätte vorleuchten sollen auf der schweren Bahn der Prüfung die Du, nach dem Willen des Höchsten betreten, und der Du, ach, nach so kurzer, so entsetzlich kurzer Zeit schon erliegst?« Sadie schwieg -- das Herz war ihr schon überdies voll und schwer, und die Worte des Geistlichen schnitten nur noch tiefer ein in die Wunden. Auch der wehmüthige, fast liebende Ton den sie an ihm nie gewöhnt, drang ihr mit scharfem Schmerz in die Seele und wie das, was ihr in früher Jugend gelehrt und ihr Herz damals in voller ungetheilter Kraft erfüllt hatte, jetzt wieder, vielleicht stärker noch durch die Gestalt des damaligen strengen Lehrers, durch die Stimme selber zu Tag gerufen worden, deren Klänge in ihrer Erinnerung nie verwischt, nur geschlummert hatten, so stieg auch mit den Worten der mahnende finstere Geist auf und hob warnend die Hand und der Gedanke _ich habe gesündigt_ wuchs, ein Furcht- und Schreckensbild, mit riesenhafter Schnelle vor ihrem inneren Auge empor und gab der Angst und Qual die sie an diesem Morgen schon gefühlt einen entsetzlichen und doch ihr unbewußt so falschen Ausdruck. »Ach, ehrwürdiger Herr« flüsterte sie leise -- »nicht aus eigenem Antrieb -- Gott weiß es -- betrat ich jenen Ort, und nicht wohl hab' ich mich darin gefühlt, zwischen den fremden Menschen.« »Aber Du hast mit ihnen _getanzt_!« sagte traurig der Missionair und sein Auge haftete in ernster Wehmuth auf den bleichen Zügen der armen jungen Frau -- »ihrer wilden zügellosen Lust mit der sie sich im Kreise schwingen, fremde Frauen in den Armen fremder Männer, hast Du beigewohnt, hast Theil daran genommen und wenn Du da glaubst, und Dir vorsprichst vielleicht, Dich vor Dir selber zu entschuldigen, Dein Herz sei noch frei von böser Absicht, bösen Wünschen -- glaube es nicht! -- Der Feind hat die Hand nach Dir ausgestreckt, die Du ihm, statt ihn mit frommem inbrünstigem Gebet und fleißigem Lesen in der heiligen Schrift, abzuwehren, willig -- ja Prudentia -- willig geboten hast. Der erste Schritt dazu war, als Du einem Manne folgtest, der dem wahren Glauben abhold, nie in das stille Heiligthum Deines Herzens hätte eindringen dürfen, eindringen können, wäre nicht grobe Sinnlichkeit und fleischliche Lust stärker in Dir gewesen als die Liebe zu Gott.« »Ehrwürdiger Herr« bat Sadie. »Es schmerzt mich« fuhr der Geistliche mit fast weicher Stimme fort »es schmerzt mich tief Dir weh thun zu müssen, Prudentia, denn ich habe Dich lieb gehabt, schon als kleines Kind, und Dein Wachsen und Gedeihen in so Gott wohlgefälliger Weise mit inniger Freude angesehen. Ich hielt es damals für meine Pflicht Dir entgegenzutreten als Du den ersten Fehltritt thun wolltest -- der Herr hat es anders gelenkt, Sein Name sei gepriesen. -- Aber nur eine Prüfung wollte er Dir auflegen, ob Du, das Kind dieser Inseln, die Du die Herrlichkeit Seines Namens von Seinen Dienern selber gehört, und sorgfältig aufgezogen warst, Sein Wort weiter zu verbreiten auf diesen Inseln, auch bestehen würdest auf dem rauhen Pfad des Lebens, wenn keine treue und sichere Hand Dich mehr führte und leitete auf Seinen Wegen zu wandeln. Alle, alle diese Hoffnungen sind dahin gestoben, wie Spreu im Winde -- der erste Lufthauch der Lust, der Verführung, und Jahrelange Arbeit und Müh schwand dahin, als ob es ein Nichts gewesen wäre, ein todtes Blatt im Herbststurm, das dem Meere der Vernichtung entgegenweht. Und noch -- jetzt _noch_ ist es Zeit Dich zurückzuhalten, jetzt noch ist Rettung nicht unmöglich, wenn Du die mahnende Freundesstimme -- die Stimme _Gottes_ hören wolltest, die bittend, flehend zu Dir spricht, durch meinen Mund. Noch ist die elfte Stunde nicht vorüber -- noch lacht Dir das Licht der Verheißung und es ist mehr Freude im Himmel über einen Sünder, der reuig zurückkehrt in die Arme des Allliebenden, als über tausend Gerechte die da eingehn zur himmlischen Herrlichkeit.« »Was _kann_ ich thun?« klagte die arme Frau und faltete verzweifelnd die Hände auf dem Schooße »mein Gatte, mein Kind fordern mein Leben -- ihnen gehört es, ihnen muß ich bleiben und sagt nicht selbst Gott in seinem Wort: Du sollst Vater und Mutter verlassen, und dem Manne folgen?« »Dem Manne, aber nicht dem Feind« rief der Missionair zum ersten Mal wieder den alten unversöhnlichen Haß im Blick -- »nicht dem Feind, Prudentia, der Dich mit süßen Liedern und rauschenden Klängen lockt. Du sollst dem Mann, der nun doch einmal Dein Mann geworden, in allem _Guten_ folgen, aber nicht in Sünde und Finsterniß -- und das nicht allein, Du sollst, Du _mußt_ all Deine Kraft, all Deine Macht über ihn anwenden, ihn selber zurückzuhalten von dem, was ihm Verderben droht.« »Was würde Vater Osborne sagen« fuhr er wieder mit weicherer leiserer Stimme fort, »wenn er Dich gestern in ihren Reihen, die Fröhlichste unter den Fröhlichen noch hätte sehen können?« Sadie schüttelte traurig mit dem Kopf und seufzte tief auf. »Wenn er Zeuge gewesen wäre, wie Du ihre Tänze tanztest und in ihren Armen den Abend verbrachtest, der in Gebet um Deinen Gatten, um Dein Kind hätte verfließen sollen. Prudentia -- _kannst_ Du noch beten?« »Aus voller inniger Seele zu meinem Gott!« rief aber das arme Weib jetzt, dem bei den Worten eine Last von der Seele wälzte -- »der Schein mag wider mich sein, und der Ausspruch der Menschen; aber Gott der mein Herz sieht und kennt, weiß mit wie wehmüthigem Gefühl ich dem Befehl, dem Wunsch meines Gatten gehorchte, Theil zu nehmen an den Lustbarkeiten der Fremden. Mir war nicht freudig dabei zu Muthe und nicht froh; ich passe nicht zwischen sie mit ihren fremden Sitten und Gebräuchen -- mit ihren fremden Gedanken von recht und gut -- mir ist nur wohl in meiner Heimath, bei meinem Kind und hätt' ich mein freundliches Atiu nicht verlassen dürfen, wie froh, wie glücklich, wie Gott dankbar hätte ich leben wollen.« »Ich komme jetzt von Atiu« sagte Mr. Rowe leise. »Von Atiu?« rief Sadie rasch und bewegt die Hände faltend -- »von -- von Atiu;« setzte sie langsamer und mit kaum hörbarer Stimme hinzu -- »von meinem Atiu -- und haben sie meiner freundlich noch gedacht?« »Bruder Ezra hat mich begleitet« sagte der Missionair ohne direkt auf ihre Frage zu erwiedern -- »denn der jetzigen inhaltschweren Verhältnisse wegen ist eine Zusammenkunft von allen solchen Männern wenigstens nöthig geworden, die irgend eine vorragende Stellung auf den verschiedenen Inseln einnehmen, dort etwa auftauchendem Französischem Einfluß zu begegnen. Die Mutterkirche in England scheint theilnahmlos unserem Kampfe zuschauen zu wollen, und wir müssen ihr jetzt zeigen über welche Kräfte wir zu gebieten haben, und ob nur einige wenige, der christlichen Religion gewonnene Häuptlinge ihren Schutz verlangten, oder ein starkes zahlreiches _Volk_, das ein _Recht_ hat, ihre Hülfe zu beanspruchen.« »Mi-to-na-re« flüsterte die junge Frau, unter Thränen lächelnd leise vor sich hin -- »Mi-to-na-re.« »Ja Prudentia -- dort allerdings war eine schöne Zeit für Dich« sagte der Geistliche, mit ernster Theilnahme den Faden auffassend, der an ihre Erinnerung knüpfte -- »und Gottes Hand lag liebend auf Deiner Heimath, seinen Segen spendend zu jeder Stunde die mit Glück und heiliger Ruhe Deine Brust erfüllte. Keine Reue über eine einzige verfehlte Stunde -- keine Furcht vor einem einstigen Strafgericht erfüllte da Dein Herz -- der aufkeimenden Sünde wehrten die Männer, die ihre Lieben daheim, ihr Vaterland verlassen hatten, Dich und die Deinen einem ewigen Leben einer einstigen Glückseligkeit zu gewinnen, indem sie die heidnischen Gräuel zerstörten, die diese Wälder und die Herzen ihrer Bewohner füllten, und Gottes Vaterhuld spannte seinen blauen Himmelsdom liebend über ein glückliches Land. Da kam der Versucher und Du erlagst.« »Ehrwürdiger Vater« bat Sadie. »Fürchte nicht, mein Kind, daß ich in dieser Stunde gekommen bin Dir Vorwürfe zu machen über Vergangenes; es ist geschehen -- ich streckte meine Hand aus Dich zu retten, aber Du stießest sie zurück, und wenn ich Dich auch, durch die Verhältnisse gezwungen, eine Zeitlang Deinem Schicksal überlassen mußte, habe ich Dich doch nicht einen Tag nur aus den Augen verloren Prudentia, und keineswegs die Hoffnung aufgegeben, Deine Seele ihrem Erlöser zu retten -- ja ich fürchte fast, _wieder zu gewinnen_.« »Aber was kann ich -- _darf_ ich thun?« frug Sadie in peinlicher Angst -- »meinem Gatten gehört mein Leben, mein Glück -- selbst unsere Religion gebietet uns ihm zu gehorchen.« »Willst Du seinen Leib oder seine Seele retten?« frug der Priester mit finsterer, fast tonloser Stimme. »Seinen Leib?« rief Sadie -- der mit Blitzesschnelle der neue Gedanke an Gefahr des Gatten durch die Seele zuckte -- »seinen Leib? was droht ihm? -- was soll ich retten -- o sprecht um des Heilands Willen, was ist geschehen?« »Thörichtes Kind« sagte aber der fromme Mann kopfschüttelnd und seufzend auf sie nieder schauend -- »thörichtes blindes Kind, das hoffend und träumend, in sündhafter Sorglosigkeit in die Welt hineingelebt hat, und die wetterschwangere Wolke, die droben furchtbar am Himmel droht, nicht sieht -- oder nicht sehen _will_. Nicht von dem Einzelnen spreche ich, der leichtsinnig die Rache seines Gottes herausfordert durch verstocktes Anhängen am Götzendienst, mit dem sich die Frevler hier Bahn gebrochen haben durch der Waffen Gewalt -- nicht der Einzelne ist es, der den strafenden Schlag des Allmächtigen zu fürchten hat -- »Ich will meine Pfeile mit Blut trunken machen,« spricht der Herr -- »und mein Schwert soll Fleisch fressen über dem Blut der Erschlagenen, und über dem Gefängniß und über dem entblößten Haupt des Feindes. -- Jauchzet Alle, die Ihr sein Volk seid, denn er wird das Blut seiner Knechte rächen und wird sich an seinen Feinden rächen und gnädig sein dem Lande seines Volks -- Nun will ich mich aufmachen spricht der Herr -- nun will ich mich erheben, nun will ich hoch kommen, denn die Völker werden zu Kalk verbrannt werden, wie man abgehauene Dornen mit Feuer ansteckt -- Und der Herr ist zornig über alle Heiden, und grimmig über Alles ihr Herr -- er wird sie verbannen und zum Schlachten überantworten und ihre Erschlagenen werden hingeworfen werden daß der Gestank von ihren Leichnamen aufgehen wird, und die Berge mit ihrem Blut fließen.« »Allerbarmer!« rief Sadie und barg zusammenschaudernd ihr Antlitz in den Händen, dem furchtbaren Bilde zu entgehen, das der finstere Mann vor ihr heraufbeschworen. »Allerbarmer ja!« sagte der Priester in langsamem und tiefem Ton -- »ja, bis zum letzten Faden seiner Gnade und Barmherzigkeit -- dann aber auch der Rächer und furchtbare Richter, mit dem Schwert seines gewaltigen Zornes und dem Eisen seiner Allmächtigkeit. Sein Arm ist furchtbar und die Welt zittert wenn er den Finger hebt.« »Aber Gott _kann_ nicht den Untergang _Aller_ wollen« bat Sadie -- »er sieht die Herzen und weiß die Schuldigen von den Schuldlosen zu trennen -- o wäre Vater Osborne hier, daß er seinem armen Kinde Trost spendete und Rath in der entsetzlichen Noth.« »Nur im Gebet liegt Beides« erwiederte streng und ernst wie je, der Geistliche -- »bete Tochter, verlorenes Lamm der Heerde -- bete. Bete zu dem Allmächtigen daß er Deiner Stimme Kraft verleiht, zu dem Ohr des Gatten zu dringen, daß er Deinem Herzen die Stärke giebt, auszuhalten in dem schweren Werk und Seinem Pfad zu folgen, trotz allen Irrgängen des Versuchers. Noch ist der Böse mächtig in Dir, aber der Herr wird Dich beugen und niederwerfen in den Staub, wenn Du Dich am sichersten glaubtest vor Seinem Arm -- so bete, bete daß Er die Fasern Deines Herzens zum Lichte wende und Seine Hand über Dich halte, Dich zu schirmen und schützen in dem nahen Kampf.« Und wie von dem Geist berührt von dem er sprach, warf er sich plötzlich neben der Trauernden, die mechanisch seinem Beispiel folgte, auf die Knie nieder, und die Augen schließend und die fast krampfhaft zusammengefalteten Hände zum Himmel aufhebend rief er mit lauter wehdurchschauerter und das Herz des Weibes wie mit scharfer Waffe treffender Stimme in dem Psalm Assaphs: »Herr es sind Heiden in Dein Erbe gefallen -- die haben Deinen heiligen Tempel verunreinigt und aus Jerusalem Steinhaufen gemacht. »Wir sind unseren Nachbarn eine Schmach geworden, ein Spott und Hohn denen, die um uns sind. »Herr wie lange willst Du so gar zürnen, und Deinen Eifer wie Feuer brennen lassen? »Schütte Deinen Grimm aus auf die Heiden, die Dich nicht kennen, und auf die Königreiche, die Deinen Namen nicht anrufen. »Denn sie haben Jacob aufgefressen und seine Häuser verwüstet. »Gedenke nicht unserer vorigen Missethat, erbarme Dich unserer bald, denn wir sind fast dünne geworden; »Hilf uns Gott, unser Helfer, um Deines Namens Ehre willen; errette uns und vergieb uns unsere Sünde um Deines Namens willen. »Warum lässest Du die Heiden sagen »Wo ist nun ihr Gott? »Laß unter den Heiden vor unseren Augen kund werden die Rache des Blutes Deiner Knechte, das vergossen ist. »Laß vor Dich kommen das Seufzen der Gefangenen; nach Deinem großen Arm behalte die Kinder des Todes, »Und vergilt unsern Nachbarn siebenfältig in ihren Busen ihre Schmach, damit sie Dich, Herr, geschmähet haben. »Wir aber, Dein Volk und Schaafe Deiner Weide, danken Dir ewiglich und verkündigen Deinen Ruhm für und für!« Langsam erhob sich der Priester nach dem Gebet der Rache an den _Allerbarmer_ und stand noch viele Minuten lang, mit fest auf der Brust gefaltenen Händen neben der knieenden Frau; aber Sadie regte sich nicht -- das Antlitz in den Händen über den Stuhl hingebeugt, lag sie in heißem brünstigen Gebet und nur das heftige Wogen ihrer Gestalt, der heiße rasche Athem der sich ihrer Brust entrang, verrieth das Leben, das Leiden der Armen. Der ehrwürdige Mr. Rowe schaute mit ernstem fast wehmüthigem Blick auf die Betende nieder und legte dann seine beiden Hände leise und wie segnend auf ihr Haupt. Sadie fühlte die Berührung und zuckte unter ihr zusammen, aber sie blieb regungslos in ihrer Stellung. »Prudentia« sagte Bruder Rowe leise -- »Prudentia!« -- aber keine Antwort wurde ihm, und nur fester schien die Weinende das Antlitz in ihren Händen begraben zu wollen. »So sei Gott mit Dir!« sagte der fromme Mann, seinen Hut ergreifend, den er daneben auf den Tisch gestellt -- »so sende er Dir sein Licht und seine Gnade -- er lasse sein Angesicht leuchten über Dir und gebe Dir seinen Frieden!« Sich dann wendend, verließ er mit leisen Schritten das Haus, ging langsam durch den Garten, an dessen Thüre ein Insulaner halb auf der Lauer, halb auf ihn wartend, gestanden hatte und folgte der Broomroad, die nach Papetee hinunter führte. Seine etwas lange und hagere Gestalt war aber noch nicht ganz hinter den, diesen Theil der Hecke bildenden Papayen verschwunden, als aus der ziemlich dichten Orangenlaube die nahe zum Hause stand, eine kleine wohlbeleibte Figur, ganz das Gegentheil des mageren Geistlichen, vortauchte, und dessen Entfernung mit augenfälliger Aufmerksamkeit und fast wie mißtrauisch beobachtete. Der hier jedenfalls versteckt Gewesene schien sich auch gar nicht damit zu beruhigen daß der also Bewachte seinen Weg die Straße entlang bis außer Sicht fortsetzte, sondern er verließ ebenfalls den Garten und folgte dem Andern zuerst eine kurze Strecke auf dem Weg, und dann, als er eine kleine Anhöhe erreichte, von der er einen ziemlichen Ueberblick gewann, noch eine ganze Zeitlang mit den Augen, bis er wirklich in weiter Ferne hinter einer Biegung der Straße verschwunden war. Erst dann schien er sich vollkommen sicher zu fühlen und eilte jetzt mit raschen Schritten und Freude strahlenden Augen zum Haus zurück, dessen Thüre noch, wie sie der Geistliche verlassen, halb geöffnet stand. An der Schwelle aber blieb er wie scheu und unschlüssig stehen -- er hob den Arm und ließ ihn wieder sinken -- er setzte den Fuß vor, und zog ihn fast ängstlich wieder zurück; endlich aber faßte er sich ein Herz -- die Sonne stieg mit jedem Augenblick höher und er _durfte_ die kostbare Zeit nicht länger versäumen, und die Hand der Thüre nähernd klopfte er, mit einem jedenfalls gewaltsam gesammelten Entschluß laut und herzhaft an. Keine Antwort; -- drinn im Zimmer rührte und regte sich Nichts und der Klopfer blieb kopfschüttelnd und unschlüssig in seiner lauschenden Stellung an der Thür. Endlich, und nach augenscheinlicher Ueberwindung klopfte er zum zweiten Mal, und zwar etwas stärker als vorher, und als auch diesmal seine Anmeldung so unbeantwortet blieb als vorher, gewann die Ungeduld bei ihm so weit die Oberhand, daß er, vielleicht auch halb mit der Ueberzeugung es sei Niemand mehr im Haus, den Knöchel seines dritten Fingers laut und heftig an die Thür anpochte, in demselben Augenblick aber auch mit einem kaum unterdrückten Schrei zurücksprang, als das leise aber doch so deutliche und ihm so wohlbekannte »~hare mai~« einer weiblichen Stimme an sein Ohr schlug. Sein erstes Gefühl schien auch wirklich unbedingte Flucht, aber die Töne hatten zugleich alte und oh so liebe Erinnerungen in ihm geweckt, und fast instinktartig und jedenfalls unbewußt nach seinen Füßen hinunterfühlend, ob er die Schuhe auch, wie es sich gehöre, daran habe, und nicht etwa wieder barfuß als roher Wilder zwischen den cultivirten Menschen herumlaufe in der Welt, schob er die Thüre langsam auf und trat hinein. Sadie hatte sich eben, als sie das Klopfen gehört, vom Boden erhoben und stand der Thüre zugedreht, kaum aber auch die kleine, so lang befreundete Gestalt des Eintretenden erblickt als sie mit dem Freudenruf »Mitonare -- mein guter, lieber Mitonare,« auf ihn zusprang und seine, nach ihr ausgestreckte Hand ergriff. »Pu-de-ni-a!« stammelte der kleine Mann, und riß die Augen weiter und weiter auf, den mehr und mehr füllenden und vorquillenden Thränen, die er nicht zurückpressen konnte in ihr Bett, einen Blick abzugewinnen auf das Wesen, das ihm das Liebste gewesen war auf der Welt, fast seit dem Tag an, wo er es zuerst auf seinem Arm gewiegt und mit allen Schmeichelnamen genannt hatte die er wußte -- »Pu-de-ni-a -- es -- es freut mich recht -- recht sehr -- Sie -- Sie -- Dich --« Er kam nicht weiter -- die großen hellen Thränen rollten ihm die Backen hinunter und die nicht widerstrebende Frau an sich ziehend, rieb er -- den höchsten Ausdruck innigster, herzlichster Zärtlichkeit den er kannte, seine Nase an der ihrigen, zog sie dann fester an sich, streichelte ihr mit beiden Händen die Schläfe, drehte ihr Köpfchen zu sich hin, ihr in die Augen zu sehen und nannte sie dabei mit allen alten Schmeichelnamen die er kannte und ihr, o wie viel tausend Mal schon, in früheren Jahren liebkosend gegeben hatte; Sadie aber barg ihr Köpfchen an seiner Brust und ihre Thränen strömten ungehindert an dem Herzen des treuen ehrlichen Freundes. Bruder Ezra war auch wirklich der Erste der sich wieder sammelte, und das geliebte Kind auf Armes Länge leise von sich schiebend, daß er eben die bleichen, thränenfeuchten Züge erkennen und überblicken konnte, sagte er flüsternd und mit recht weicher, wehmüthiger Stimme, doch nicht in seinem gebrochenen Englisch, sondern der ihm geläufigen Muttersprache: »Aber was ist das? -- ist Pudenia -- meine kleine, liebe Pu-de-ni-a nicht mehr das fröhliche leichtherzige Kind von A-ti-u? -- sind die klaren Augen schon so trüb geworden in der kurzen Zeit, und die Wangen so fahl? und ist der böse böse Wi-Wi etwa gar schlecht gewesen mit meinem Lieb, meinem süßen herztröstenden Lieb?« Unter ihren Thränen vor lächelte Sadie und seine Hand fassend und streichelnd schüttelte sie leise mit dem Kopf und sagte, mit wieder fast dem vollen Strahl vorigen Glücks in den schönen Zügen: »Nein Mi-to-na-re -- nein er ist gut und lieb wie je und mein Herz ist sein bis zum Tod, und weit, weit darüber hinaus -- zanke mir nicht den Wi-Wi --« »Dann hat Dir der »schwarze Mann« wieder das Herz schwer gemacht mit seinen Worten, die Einem wie Messer einschneiden in die Brust und nur immer brennen und schmerzen« sagte Bruder Ezra, und der scheue aber zürnende Blick den er aus dem Fenster die Straße entlang warf, verrieth nur zu deutlich wen er damit gemeint. »Wenn ich eine Zeitlang mit ihm zusammen bin, und ihn beten und predigen höre, dann komme ich mir immer vor wie der entsetzlichste furchtbarste Sünder, der noch ein besonderes Feuer in der Hölle haben müßte, seine Sünden vollständig abzubüßen -- und wenn ich sonst mit Vater Osborne sprach, war mir's dagegen, als ob mir der eine Last von der Brust gewälzt und mir Balsam in die frischen Wunden gegossen hätte. Es ist doch eine ganz erschreckliche Geschichte, wenn man so gar nicht gewiß erfahren kann ob man ein nichtswürdiger Sünder oder ein guter Christ ist, und ich bin bei mir noch nicht im Stande gewesen dahinter zu kommen.« »Aber wie siehst Du aus, Mitonare« -- rief Sadie, indem sie lächelnd einen Schritt zurücktrat, seine Gestalt und Kleidung, die sich allerdings seit sie ihn nicht gesehen um ein Wesentliches verändert hatte, besser überschauen zu können -- »segne mich, wie Du Dich gekleidet hast, und wie stattlich Du einher gehst jetzt, und wie ehrwürdig.« Bruder Ezra schüttelte mit dem Kopf, und sich selber, mit einem keineswegs sehr selbstgefälligen Blick von oben bis unten betrachtend, sagte er leise und traurig: »Es ist Nichts, Pudenia -- gar Nichts; die Hosen machen einen Menschen höchstens unbequem aber noch nicht zum Christen, und die steifen Dinger hier unter den Ohren -- der Weiße hatte gestern recht der mir sagte wenn ich mich einmal rasch und plötzlich bückte, schnitt ich mir die Ohren ab, wie mit dem Rasirmesser.« »Die Kleider machen allerdings den Christen nicht, Mi-to-na-re« lächelte Sadie, »aber das treue Herz in der Brust hat Dich dem reinen schönen Glauben gewonnen und Dein Herz erfüllt mit Seinem Ehr und Preis.« Der kleine Mitonare seufzte recht aus schwerem Herzen tief auf, und es war augenscheinlich daß ihn dort etwas drückte, mit dem er sich scheute an Tageslicht zu kommen. Sadie fühlte das mehr als sie es sah, denn des Mitonare veränderte Kleidung hatte ihre Aufmerksamkeit bis jetzt in der That zu sehr in Anspruch genommen. Erst jetzt bemerkte sie auch eigentlich, ihm voll in's Angesicht schauend, daß nicht Alles so mit dem kleinen, sonst so freundlichen Manne stehe als es wohl solle, und irgend etwas vorgefallen sein müsse, das ihn drücke und quäle, und nicht zu Ruhe kommen lasse. Mit seinen Schwächen und Eigenschaften aber auch wieder bekannt, lächelte sie, denn nicht unwahrscheinlich kam ihr der Gedanke, die neue außergewöhnliche und unbequeme Kleidung die ihm der Missionair jedenfalls wenn nicht aufgenöthigt doch angerathen (bei Mr. Rowe so gut wie ein Befehl) drücke ihn und nehme ihm das Freie, das Zutrauliche seiner Bewegungen. Mi-to-na-re sah aber auch wirklich verzweifelt aus, denn nicht allein daß er die Weste fest und eng zugeknöpft trug über dem seit einiger Zeit wieder gediehenen Bauch, und die Knöpfe derselben in wirklich gefährlicher Spannung hielt, nicht allein daß ihm das weiße dicke Tuch dreimal in dichten Falten um den Hals lag und dem Kopf das Ansehen gab, als ob er mit dem steif und starr gestärkten Hemdkragen oben eben nur hinausgeschnürt sei; nicht allein daß seine Füße wie früher in den breiten unbequemen Schuhen standen, und er bei jedem Schritt auftrat, als ob er den Fuß irgendwo eingeklemmt hätte, und ihn wieder herauszuziehen wünsche, so war ihm auch jetzt das, sonst doch wenigstens bequeme und luftige Lendentuch genommen, und die kleinen dicken Beine staken in so engen, strammen Hosen, daß es ein Wunder schien wie er überhaupt hineingekommen und den kleinen schüchternen Mann veranlaßt hatte einen kurzen Pareu, _trotz_ den Einreden des Geistlichen, noch _über_ diesem neuen und jedenfalls unpassenden Kleidungsstück zu tragen, das nun einmal durchaus nöthig sein sollte auch den letzten heidnischen Anstrich von ihm zu entfernen. Und selbst das war nicht genug gewesen, denn sogar der hohe trostlose Europäische Hut durfte nicht fehlen ihn elend zu machen, und so oft war er schon damit in jedem Guiavenbusch, jeder Banane, in der Thür jeder Hütte, in den Zweigen jedes Baumes hängen geblieben, daß er jetzt unter keiner Palme mehr hinging ohne den schmalen Rand seines Peinigers zu fassen und sich zu bücken. Solcher Art, und noch mit dem Zusatz eines dicken und schweren Gebetbuchs, das er in die linke und enge Fracktasche hineingezwängt trug, während es ihm in dem schmalen Zipfel fortwährend in die Kniekehlen schlug, war Mitonare aufgeputzt, und es läßt sich denken daß er sich, selbst unter den günstigsten Verhältnissen, an das freie Leben seiner Inseln gewöhnt, nicht hätte leicht und behaglich fühlen können. Aber dem armen kleinen Mann drückten auch noch andere Sorgen. »Die schöne Zeit ist vorbei« sagte er traurig, »wo nur die Sterne die Augen Gottes waren, und ich hineinschauen konnte, durch die funkelnden Lichter bis tief in sein herrliches Reich. Mitonare ist unglücklich, sein Glaube ist wankend geworden, und nun hat er den Weg verloren und weiß nicht ob er gerade durch über die Berge und durch die Thäler weg steigen und klettern, oder ein Canoe nehmen, und im seichten Binnenwasser der Riffe langsam hinsteuern soll.« »Armer Mitonare« lächelte Sadie, die noch immer nicht den ernsten Sinn seiner Worte begriff -- »aber wer hat Dich nur so herausgeputzt in der fremden Tracht, die Dir nicht paßt und zusagt?« »Wer?« murmelte Bruder Ezra finster vor sich hin -- »wer? -- er hat noch andere Sachen gethan. Wir sind arge Sünder und müssen jetzt entsetzlich viel beten und Bibelstellen auswendig lernen, oder wir gehen Alle rettungslos zu Grund -- Mitonare kennt das halbe dicke Buch, und die andere Hälfte hat er auch gekannt aber wieder vergessen; nun muß er noch einmal von vorn anfangen und -- und sein Vater und Großvater bleibt doch in der -- da unten -- tief da unten.« Der kleine, sonst so freundliche Mann schüttelte finster mit dem Kopf und Sadie, seine Hand ergreifend sagte mit leiser unendlich rührender Stimme: »Es wird schon noch Alles gut gehen, Mi-to-na-re -- und Gott ist ja der Allerbarmer, ohne dessen Willen kein Sperling vom Dache, kein Haar von Deinem Haupte fällt -- so erzähle mir von Atiu -- von meinem Atiu -- was sie dort treiben und thun und -- ob sie meiner noch manchmal freundlich da gedenken. Ach kein Tag vergeht, wo ich die Wolken nicht neide die da hinüberziehn, und mit meinen Gedanken, meinen Wünschen ihnen doch noch so weit, so weit voraus bin.« »Atiu« wiederholte der kleine Mann, langsam und freundlich mit dem Kopfe nickend -- »mit dem stillen luftigen Haus und der kleinen lieben Kirche -- wo die ~nahuitarava ia mere~[A] Abends gerad über unserem Dache stehn und ihr mildes Licht auf uns heruntergießen; wo -- aber es ist auch manches anders geworden auf Atiu« setzte er sinnend, und fast wie mit sich selber redend, hinzu -- »die Leute werden zu klug und zu reich, und dann ist's mit dem Frieden vorbei und dem Glück. -- Wie schön war Atiu als es nur seine Palmen hatte und seine Pandangedeckten Hütten.« [A] ~Nahuitarava ia mere~, das Gestirn des Orion. »Wie schön war Atiu« wiederholte seufzend die junge Frau. »Und vielen Besuch haben wir drüben gehabt« setzte der kleine Mitonare mit noch fast ernsterer Stimme hinzu -- »lauter Leute die es gut mit uns meinten, wie sie sagten, und die gekommen waren unsere Seelen zu retten, und die uns entsetzlich viel versprachen wenn wir nur gerade da hineinspringen wollten, wo die Anderen sagten daß es lichterloh mit Pech und Schwefel brenne.« »Waren Missionaire von Frankreich auf Atiu?« frug Sadie rasch und fast erschreckt. »Ich weiß nicht wo sie herkamen,« sagte der kleine Mann traurig, »aber Wi-Wis waren darunter und Andere auch -- und -- sie haben uns wenigstens das Herz schwer gemacht, mit ihren Versprechungen und drohenden Reden.« »Und weiß Mr. Rowe daß die Fremden da gewesen?« Mitonare lächelte fast wieder wie in alter Zeit und sagte schmunzelnd: »Ob er es weiß; und Mord und Blut hat er vom Himmel heruntergebeten für die -- die Götzendiener -- und der Himmel blieb blau« setzte er unheimlich lachend hinzu -- »und dann kamen die anderen Männer und sprachen vom lieben Gott, den sie ganz genau kennen wollten und der ihr bester Freund sein sollte, und riefen auch wieder einen Feuerregen von Pech und Schwefel nieder auf die Häupter ihrer Gegner -- und der Himmel blieb _blau_!« So scharf und grell stieß er dabei das letzte Wort aus, daß die kleine Sadie, die bis jetzt ruhig und unbeachtet am Boden gespielt, erschreckt in die Höhe fuhr und einen leisen Schrei ausstieß. Bruder Ezra drehte sich rasch danach um und das Kind kaum am Boden erblickend, warf er, mit Mißachtung jedes Unfalls, den Hut von sich auf die Erde, fiel neben dem noch immer furchtsam zu ihm emporschauenden Kinde auf die Knie nieder und rief mit, vor innerer Rührung fast erstickter aber auch jubelnder, jauchzender Stimme: »~Iti iti Pudenia, iti iti aiu, potii.~«[B] [B] Kleine kleine Pudenia, kleines, kleines Herzchen, mein kleines Mädchen. Und die Kleine, die ihn erst staunend betrachtet hatte, streckte die Händchen nach ihm aus und lachte ihm entgegen, und der gute kleine Mitonare griff sie auf, nahm sie auf den Arm und sprang jauchzend mit ihr im Zimmer umher, bis ihn das hinten wie wüthend über solches Betragen schlenkernde Buch zum Einhalten zwang, so sehr sie sich Beide darüber freuten. Jetzt hatte er aber auch, mit dem Kind, Alles vergessen, was ihn bis dahin gedrückt oder weh gethan, und das Mädchen nur herzend, das sich wunderbarer Weise Alles von ihm gefallen ließ, was er mit ihr vornehmen mochte, als ob es gewußt hätte daß ihr von _dem_ Manne sicher nichts Uebeles drohe, plauderte er mit ihr das tollste wildeste Zeug, nannte sie bei allen Schmeichelnamen und fing endlich sogar an mit ihr in seinem gebrochenen Englisch, von dem er aber in den letzten Jahren noch viel mehr vergessen als dazu gelernt hatte, zu schwatzen und lachen und Geschichten zu erzählen aus Bibel und Heidenzeit, von Meer und Land, wie es ihm durch den Sinn zuckte, dem lieben lächelnden Kind gegenüber. Und Sadie stand daneben, die linke Hand auf den Tisch gestützt und mit der rechten in den Locken des Kindes spielend und seinen Scheitel streichend, während die kleine Sadie jauchzte und lachte über den neuen wunderlichen Spielgefährten, ihre Aermchen um seinen Nacken legte und ihn an den steifen Hemdkragen und Halstuchspitzen zupfte. Und Mitonare ließ sich das Alles ruhig gefallen, und hatte tausend und tausend Fragen und Liebkosungen für das Kind. »Und wie lange bleibst Du auf Tahiti, Mitonare?« sagte da Sadie -- »hast Du auch Atiu verlassen, und willst nicht wieder zurückkehren nach dem lieben Land?« Da wurde der kleine Mann plötzlich ernsthaft, setzte das Kind, das ihn noch gar nicht lassen wollte nieder auf den Boden und sagte, recht herzhaft mit dem Kopfe schüttelnd und einen scheuen Blick nach der Thür werfend: »Wär' es auf mich angekommen, hätt' ich die Insel nicht verlassen mein Lebelang, außer Dich hier, Pudenia, vielleicht einmal wieder aufzusuchen und -- wenn es anging, zurückzuholen zu Deinen alten Lieblingsstellen; aber es ist jetzt eine schlimme Zeit -- die Leute sind irre geworden an ihrem Gott und mit _Gewalt_ wollen sie die Liebe bringen, und mit Blut den Glauben begießen, daß er wachse und gedeihe.« »Aber ich verstehe Dich nicht« sagte Sadie. »Sie haben was vor hier auf Tahiti!« fuhr der Bruder Ezra leise fort, als ob er sich fürchte irgend ein Geheimniß zu verrathen, »was es ist, weiß ich noch nicht, aber die Bibelstellen die Vater Rowe gepredigt riechen nach Blut. Die Beretanis haben Kriegsschiffe hier, wie ich sehe, aber die Wi-Wis sind auch nicht müßig, und vorgestern waren zwei große Schiffe auf Atiu in Sicht, von denen Raiteo behauptet, daß sie den ~Feranis~ gehörten und viel Kanonen an Bord hätten mit Pulver und schweren Kugeln.« »Und was können unbewaffnete Menschen dagegen thun?« frug Sadie wehmüthig mit dem Kopfe schüttelnd. »Unbewaffnete, _Nichts_« erwiederte Bruder Ezra rasch, »aber Bewaffnete desto mehr; Bibeln waren _nicht_ in den Kisten, die sie vom Bord desselben Wallfischfängers, der jetzt, wenn mich nicht Alles täuscht, hier im Hafen liegt, in Atiu an Bord und zu sicheren Verstecken in die Berge schafften.« »Die Missionaire werden nie die Hand reichen zu Gewalt und Blutvergießen« rief Sadie. »Wenn ich 'was nicht sehen mag, dreh' ich den Kopf weg,« sagte der Mitonare trocken -- »es giebt Leute genug überall, die, einen Dollar zu verdienen, leicht ein schlechtes Werk thun, wie viel eher denn nicht ein gutes -- ihre Landsleute mit Waffen zu versehen, daß sie sich selbst beschützen können.« »Du nanntest erst Raiteo, Mitonare?« frug Sadie -- »wie geht es ihm und was treibt er jetzt -- ist er ein besserer Mensch geworden?« -- »Was er in diesem Augenblicke treibt weiß ich wahrlich nicht«, sagte der kleine Mann finster, »aber als ich kam stand er draußen auf Posten, und ging dann mit dem ehrwürdigen Bruder Rowe in die Stadt zurück; -- ist nicht das erste Mal daß sie in einem Joche ziehn.« »Raiteo hier auf Tahiti?« rief Sadie erstaunt. »Raiteo Mitonare« erwiederte Bruder Ezra trocken. »Mitonare? -- Raiteo? der seinen Vater verrathen würde um ein Stück Kattun zu verdienen oder ein Stück Geld?« »Raiteo Mitonare« bestätigte aber auf das Bestimmteste der kleine Mann und setzte, langsam dabei mit dem Kopfe nickend hinzu -- »Menschen sind einmal bös, und dann wieder gut -- Raiteo hat seine Sünden eingesehen und ist frommer Mann geworden -- aber trägt noch keine Hosen« fügte er, trotz aller Unbequemlichkeit, doch mit einem gewissen Grad von Eifersucht hinzu; »hat noch sein Lendentuch und seine nackten Beine und bloßen Kopf -- und nur am Sabbath in der Kirche einen Frack -- kann nicht gut ohne Frack in die Kirche kommen.« »Raiteo Mitonare« wiederholte aber wiederum Sadie, die sich noch immer nicht von ihrem Erstaunen erholen konnte -- »und das auf Atiu -- wo sie ihn kennen.« Bruder Ezra verneinte das aber. Auf Atiu eigentlich nicht, der Wahrheit die Ehre zu geben, denn wenn auch sein frommer christlicher Sinn dort gerade bei ihm zum Durchbruch gekommen, habe doch auch Manches wieder, gerade in der Erinnerung der Bewohner der Insel, gegen ihn gesprochen und Bruder Rowe, der sich von seiner wirklichen Sinnesänderung überzeugt, hätte ihn eben nur mitgenommen, um ihn vielleicht mit bei der, in den nächsten Tagen zu haltenden Versammlung von »Kirchenältesten« zu wissen und dann auf irgend eine der Nachbarinseln, auf denen er nicht gerade persönlich bekannt sei, zu versetzen. Sadie blickte erstaunt auf den kleinen Mann, denn eine wunderbare Veränderung war jedenfalls in dessen ganzem inneren Wesen vorgegangen. Er, der noch vor wenigen Jahren jedem Wort von den Lippen der Missionaire in frommer, furchtsamer Scheu gelauscht, und weit eher an seiner eigenen Existenz, als an der Wahrheit ihrer Sätze und Glaubensformeln gezweifelt hätte, sprach jetzt, selbst von dem strengsten ihrer Schaar, gleichgültig; ja Sadie konnte sich über den Ausdruck in seinen Zügen und Worten nicht länger täuschen, fast ironisch, und das bittere Lächeln das um seine Lippen spielte mochte der _Furcht_ noch den Platz gönnen, aber strafte die Ehrfurcht Lügen. Bruder Ezra schaute noch eine Zeit lang gerade vor sich nieder, er fühlte daß Sadiens Blick auf ihm haftete -- daß sie die Veränderung entdeckt die in ihm vorgegangen, und scheute sich auch gerade ihr vielleicht das zu gestehen, was in ihm arbeitete -- was ihm den Schlaf raubte und den Frieden und ihn manchmal wie eine furchtbare Sünde drückte und doch auch wieder mit jedem Tage, in seiner nächsten Umgebung selbst, die neue Nahrung fand. Als er aber einmal scheu und flüchtig den Blick zu ihr aufschlug, und die zärtliche, liebende Angst sah die aus diesen treuen Augen leuchtete, da mochte es ihm wohl durch das Herz zucken, daß sie -- seine Pu-de-ni-a, sein liebes liebes Kind das er gehegt und gepflegt und wie einen Augapfel gewahrt -- ja das zu ihm bis jetzt mehr wie zu einem zweiten Vater als einem Freunde aufgesehen, Schlimmes -- Schlimmeres von ihm denken könne als er ertragen mochte, und in _der_ Furcht die Hand bittend gegen sie ausstreckend sagte er leise: »Mitonare ist kein böser Mensch geworden, Pu-de-ni-a; er liebt seinen Gott und -- thut auch -- thut Alles was in der Bibel steht aber -- andere Männer, Männer die auch sagten daß sie der liebe Gott geschickt -- sind zu ihm gekommen und haben ihm, wo er in Verzweiflung war, Trost gebracht -- wo er weinte, seine Thränen getrocknet, wo er unschlüssig stand, einen neuen Pfad gezeigt und -- wenn er sich auch bis jetzt noch nicht getraute den neuen Pfad zu wandeln -- hat er doch bis jetzt --« Er stockte, als ob er sich nicht mehr getraue weiter zu reden, und Sadie fuhr langsam und traurig seine Hand ergreifend fort: »Den alten Pfad seiner Religion verlassen und nur die äußere Form beibehalten, seinen Gott damit zu täuschen.« »Aita Pudenia, aita« -- rief aber der kleine Mann da rasch und ängstlich vielleicht, weil er die Wahrheit wenigstens eines Theils des Vorwurfs fühlte -- »nein Kind, nicht meinethalben bin ich wankend geworden im rechten Pfad, nein die Mitonares selber tragen die Schuld, die einander anfeinden und schimpfen, und Heiden- und Götzenanbeter nennen, während sie Alle allein behaupten, den rechten und auch alleinigen Glauben zu haben, dessen Feinde Gott mit seiner Rache heimsuchen und von der Erde vertilgen müsse. Was mir aber am Herzen nagte, das Schicksal von altem Mann Vater -- von der _Mutter_, die noch gar Nichts von einem anderen Glauben gewußt, ja ihn kaum nennen gehört, und die nun doch rettungslos sollten verloren sein und verdammt, das that mir weh, und als der andere Priester kam und mir die Aussicht stellte, ich könne durch fleißiges Beten und frommen Wandel ihre Seligkeit auch gewinnen, von dem allbarmherzigen Gott, und als Bruder Aue dagegen donnerte mit allen Waffen der heiligen Schrift, da zuckte und zog es mir im Herz, und böse Gedanken stiegen auf in mir, und ließen mich nicht rasten und ruhn, und jetzt weiß ich nicht -- hat der Eine recht und sind sie unrettbar verdammt zu ewigem Feuer, oder der Andere und ich begehe eine entsetzliche Sünde, wenn ich mein Leben dann nicht ihrer Rettung weihe wo ich die Mittel dazu vielleicht in Händen habe. Armer Mitonare« setzte er dann traurig hinzu -- »ist recht bös daran, soll anderen Kanakas den Glauben bringen und weiß selber nicht -- Und wenn der alte Mann nun doch am Ende recht hätte.« »Was für ein alter Mann, Mitonare?« frug Sadie erstaunt. Bruder Ezra aber hob rasch und erschreckt den Finger an die Lippen und sich scheu umsehend, sagte er langsam und vorsichtig: »Pst -- Pudenia, pst, das war ein wunderbarer, furchtbarer alter Mann und er kam und ging in einem Sturm.« »Und was that er bei Euch auf Atiu?« »Wie er sagte kam er von den Inseln zu Leewärts, Handel zu treiben und Cocosöl und Perlmutterschaalen einzukaufen in seinen kleinen Cutter, aber er sprach furchtbare Sachen und mich schauderts wenn ich daran denke -- wenn ich darüber nachsinne.« »Aber was sprach er so Entsetzliches?« drängte die Frau. »Pu-de-ni-a,« sagte da Mitonare, der Frage jetzt noch ausweichend, oder sie durch eine andere beantwortend -- »hast Du schon einmal an einem Abgrund -- am äußersten Rand einer schwindelnden Höhe gestanden, und ist Dir da nicht das Gefühl gekommen, als ob Du hinunterspringen möchtest in die Tiefe, daß Du den Platz nur schnell verlassen mußtest in Furcht und Grauen?« Sadie nickte, noch in der Erinnerung schaudernd. »Siehst Du, _so_ war es mir, wenn ich den Worten des alten weißen Mannes lauschte,« flüsterte der kleine Indianer und nickte still vor sich hin. »Er trug einen langen weißen spitzen Bart, und die kleinen blitzenden Augen lagen wie zwei glühende Kohlen unter den buschigen Brauen -- Sein ganzes Gesicht hing dabei in dichten Falten, die kein Alter mehr erkennen ließen auf der Haut, und er mußte _sehr_ alt sein, denn er hatte die Welt gesehn von dem Theil wo das Wasser zu Stein wird in grimmiger Kälte, bis zu wo die Sonne Abends in ihr Lager sinkt, und er sprach von Gott und den Sternen als ob er da oben zu Hause gehöre und zwischen den Sternen gewandelt hätte wie in einem Garten.« »Aber er glaubte an Gott?« frug Sadie leise und scheu. »Er hatte denselben Namen dafür wie wir -- Jehovah,« sagte der kleine Mitonare, »aber er verleugnete« -- setzte er leise, fast flüsternd hinzu -- »er verleugnete den Heiland.« »Gütiger Gott!« »Er leugnete Jesus Christus« bestätigte da Mitonare »und mir lief's wie Fieberfrost durch die Adern, als ich mit ihm allein in dem stillen Haus saß und der Weststurm um das Dach heulte, daß die flackernden Oelflammen hoch aufschlugen in rother Gluth, und der magere alte bärtige Mann mir von dem Heiland erzählte der nur ein Mensch gewesen sei wie wir Alle -- aber ein guter Mensch, und von seinen Neidern und den reichen Leuten, die fürchteten daß er durch seine Reden das Volk gegen sie aufwiegeln würde, an das Kreuz geschlagen wurde, da elendiglich umzukommen.« »Er verleugnete Gottes Sohn,« sagte Sadie schaudernd. »Ja, und er trieb Spott über Alles, was selbst die Wi-Wis für heilig halten« nickte der Kleine »und doch, doch lauschte ich ihm gern, denn sein Gott war ein Gott der Liebe und der Gnade, und alle Menschen waren seine Kinder, _alle, alle_ nahm er auf zu sich, Kanakas und Weiße, Beretanis und Feranis, wenn sie gut und redlich lebten und seinem Worte folgten; und mein Vater und meine Mutter -- ach Pudenia es war wohl recht sündhaft daß ich seinen Worten so gerne horchte -- aber mein Vater und meine Mutter waren auch eingegangen zu seiner Herrlichkeit, wenn sie nicht sonst recht schlechte und böse Menschen gewesen. Seit der Zeit nun sind meine Gedanken nicht mehr mein eigen« fuhr der kleine Mann trübselig fort; »seit der Zeit härm' ich mich und gräm' ich mich und mache mir Sorge und Kummer, und Nachts kommt der Böse und lockt mich mit seinen Schmeicheltönen, und am Tag seh ich, wo ich auch bin, den Alten neben mir, wie er sich den Bart streicht und mit den scharfen abgestoßenen Worten mir doch Trost und Hoffnung in die Seele gießt. Seit dem Tag ist der kleine Mitonare ein anderer verzweifelter Mensch geworden, der mit dem dicken Gebetbuch in der Tasche herumläuft, und nicht den Muth hat hineinzusehen, dem das Blut in den Adern gerinnt wenn er an den zornigen Gott denkt, wie ihn die weißen Mitonares lehren, und der demselben Gott doch immer wieder, und trotz allen Schilderungen zu Füßen fallen, und ihn Vater, Jehovah nennen möchte, wie ein Kind seinen eigenen Vater ruft, den es nicht fürchtet, aber von Herzen, recht von Herzen liebt.« »Du armer, armer Mitonare« sagte da Sadie mit ihrer weichen Stimme, mitleidig des alten kleinen Mannes Hand ergreifend, und sie leise streichelnd; »bete Du armes geprüftes Herz, bete recht aus tiefster Seele zu Deinem Heiland daß er Dich führen und schützen möge auf Deiner Bahn, und den rechten Pfad durch Nacht zum Licht -- bete daß er Dir die Wahrheit zeige zu Seinem Preis, und Dich eingehn läßt zu Seiner Herrlichkeit. Aber verzage nicht, fürchte Dich nicht, denn gerade in der tiefsten Noth ist er Dir ja auch am nächsten und hört die Stimme Seines Kindes die zu ihm ruft, und die Hand ausstreckt nach ihm, um Schutz und Hülfe.« »Was ist _das_?« sagte da plötzlich der Mitonare, dessen Blick in tiefem schmerzlichem Sinnen hinausschweifte über die See, und der jetzt das Boot eines Kriegsschiffes, von acht Matrosen gerudert, um die nächste Landspitze kommen und gerade auf das Haus zu halten sah. Hinten am Heck wehte die französische Flagge. »Ein Boot der Feranis« sagte Sadie ruhig, »das wahrscheinlich nach Papara hinunter will und sich dicht an der Küste, des ruhigen Wassers wegen hält -- sie kommen oft hier vorüber.« »Dann hätten sie die Korallenspitze vermeiden müssen, die jetzt zwischen ihnen und dem Fahrwasser der Binnenriffe liegt« sagte der Mitonare, der mit einem Blick den Charakter der Bai überschaut hatte, und jetzt aufmerksamer als vorher hinüberblickte. »Sie können nur hierherwollen, wie auch ihr Bug zeigt, oder sie müßten die ganze Strecke wieder zurück. Hinten neben dem steuernden Mann sitzen zwei Officiere der Wi-Wis und neben ihnen --« »Heiliger Gott -- neben ihnen _liegt_ Jemand auf der Bank« rief aber auch in diesem Augenblick Sadie in Todesangst, der die böse Ahnung, die ihr den ganzen Morgen die Brust erfüllt, mit mächtiger Kraft zurück zum Herzen drängte -- »René!« »René?« rief Bruder Ezra erschreckt -- »was hat der tollköpfige Wi-Wi wieder angestellt, daß ihn die eigenen Landsleute gefangen haben sollten? -- aber das Boot dreht doch vielleicht ab von hier --« Sadie antwortete ihm nicht -- in sprachloser Angst und Erwartung hing ihr Blick an dem rasch näher kommenden Fahrzeug, das von den elastischen Rudern getrieben rauschend durch die Wellen schäumte -- schon glaubte sie die Züge des Officiers zu erkennen, der hinten lehnte und auch sie war jetzt von den im Boote Befindlichen erkannt worden. Die auf dem Sitz liegende Gestalt richtete sich halb empor und winkte herüber, und mit lautem Aufschrei flog sie hinaus an den Strand, flog, ihre Europäischen Kleider vergessend, hinein in die klare Fluth dem Boot entgegen, denn darin lag, bleich und blutend, wenn er auch freundlich jetzt herüberwinkte -- ihr Gatte -- lag René. Im nächsten Moment schoß das Boot heran, die Matrosen der Backbordseite warfen ihre Riemen mit einem Schlag empor und Bertrands Hand streckte sich dem armen Weib entgegen, dessen stierer und entsetzter Blick nur an dem bleichen Antlitz des Verwundeten hing. In demselben Moment fast berührte das Boot den Strand, und ein Theil der Matrosen sprang über Bord ihn an Land zu tragen. »Aber Sadie« flüsterte René halb vorwurfsvoll, halb verlegen der jungen Frau die Hand hinüberreichend -- »was machst Du für tolle Streiche, wildes Mädchen?« »Du bist verwundet« war Alles was die Frau in fast athemloser Angst über die Lippen bringen konnte. »Unsinn« lachte aber dieser, »eben nur die Haut geritzt, und _hergehn_ hätt' ich können, hätte nicht Bertrand hier in übergroßer Besorgniß darauf bestanden mich her zu _fahren_.« »Die Wunde ist unbedeutend, Madame« bestätigte aber auch jetzt der junge Officier, der an Land gesprungen war und eine fast unwillkürliche Bewegung machte die junge Frau hinauf und zum Haus zurückzuführen, wohin jetzt vier kräftige Matrosen auf einer der Boot Doften den Verwundeten trugen. Sadie aber ließ des Gatten Hand nicht los und während sie sich ängstlich an ihn schmiegte, fuhr der junge Officier fort: »Ich fürchtete nur eine mögliche Entzündung, wenn er den langen Weg in der Sonnenhitze hätte zu Fuß zurücklegen sollen; wenige Tage werden ihn wieder hergestellt haben.« »Aber was ist geschehn, um des Heilands Willen« bat Sadie. Bertrand biß sich auf die Lippen und René sagte finster: »Nichts von Bedeutung Kind; ein doppelter Aderlaß einer neckischen Göttin zum Opfer gebracht -- das Fleisch heilt bald -- aber -- wer ist das da drüben? -- Mi-to-na-re? -- bei Allem was da lebt -- in Hosen und Strümpfen -- Mitonare« und dem kleinen, auf ihn zueilenden Mann die Hand entgegenreichend schüttelte er sie fest und herzlich und -- wandte den Kopf zur Seite, denn gerade in diesem Augenblick traf ihn die Erinnerung an Atiu wie ein Stich in's Leben, und trieb ihm das Wasser hinauf in die Augen, das er den Seeleuten bergen wollte. »Böser Wi-Wi!« rief aber auch jetzt der kleine Missionair wieder in seinem tollsten Englischen Kauderwelsch, das er mit dem Europäer glaubte sprechen zu müssen, »~aita maitai~ -- macht ~ole manni~ viel Sorge -- leichtsinniger Kopf der in dicken Bambus fährt und durchwill -- läßt kleine Pu-de-ni-a zu Haus und kommt nachher angefahren, blutig und blaß und jagt ihr den Todesschreck in die Glieder, daß sie auch krank wird und stirbt.« »Pu-de-ni-a!« sagte leise René und drückte die Hand des treuen Weibes, die in der seinen ruhte, »und Du lieber wackerer Freund,« wandte er sich dann plötzlich im reinsten Tahitisch zu dem, darüber aufs Aeußerste erstaunten Mitonare »wo kommst Du her, was treibst Du, wie geht es Dir? -- und willst Du bei uns bleiben jetzt auf Tahiti?« Ehe aber der Mitonare die rasch hintereinander an ihn gerichteten Fragen beantworten konnte, verbot der mitgekommene Schiffsarzt jede weitere Aufregung, bis er die, allerdings nicht gefährliche aber in einem heißen Klima doch immer zu beachtende Wunde erst nochmals untersucht und wieder verbunden hätte. Vor allen Dingen müsse der Verwundete in ein kühles Zimmer geschafft werden, dort die nöthige Pflege zu finden. Sadie besorgte das Alles mit zitternder Hast, häufte Matte auf Matte, ihm ein kühles und weiches Lager zu bieten, und wechselte erst ihre eigenen, durchnäßten Kleider, als sie den Gatten mit allem versorgt, was ihre liebende Hand für ihn bereiten konnte. Die Wunde war allerdings nicht gefährlich, ja nicht einmal bedeutend, und die Kugel ihm eben nur durch den oberen Theil des Armes dicht an der Schulter durchgegangen, ohne den Knochen weiter zu verletzen, Blutverlust und Ermattung hatten ihn aber doch erschöpft und als der zweite Verband mit Sadiens Hülfe angelegt war, fiel der Leidende in einen sanften aber festen Schlaf, in dem ihn der Arzt nicht gestört haben wollte, und selbst Sadie bat das Zimmer zu verlassen. Nur Mataoti mußte bei ihm zurückbleiben, um zu rufen sobald er wieder erwachen würde. Am Strande lag unterdessen das Boot schon wieder zur Abfahrt gerüstet, und Bertrand wollte eben Abschied nehmen von Sadie, an Bord zurückzukehren, als diese seinen Arm ergriff und ihn mit leiser, aber dringender Stimme bat, ihr die Ursache der Verwundung anzugeben, die sie mit peinlicher Angst, sie wisse selber eigentlich nicht recht, warum? erfülle. Der junge Mann zögerte erst verlegen mit der Antwort, aber er fühlte auch, wie er ihr dieselbe eigentlich nicht verweigern durfte, und erzählte ihr jetzt mit so kurzen und schonenden Worten als möglich, wie jener Officier, nach den gestrigen Vorgängen, nicht umhin gekonnt habe, Europäischen Begriffen von Ehre nach, René zu fordern, und wie sie sich heut Morgen, unfern der Stadt mit ihren Secundanten getroffen und geschossen hätten. Rodolphe, sein Gegner, habe zuerst gefehlt und eine leichte Streifwunde bekommen, aber dann hartnäckig darauf bestanden den zweiten Schuß zu thun. Die Secundanten konnten ihm den nicht weigern und von beiden, ziemlich zugleich gefeuerten Kugeln sei René in die Schulter, Rodolphe durch die Brust getroffen. Der Gegner lebe zwar noch, aber die Wunde sei ziemlich gefährlich; René habe übrigens für seine Sicherheit nicht das Mindeste zu befürchten, setzte er rasch hinzu, denn selbst im unglücklichsten Fall stehe er gerechtfertigt da. Er hatte nichts Anderes gethan als sich vertheidigt. Sadie wurde todtenbleich -- ihr Gatte verwundet, vielleicht ein Mörder -- ihrethalben, mit dieser Last auf seiner Seele, und zugleich der irdischen Gerechtigkeit für blutige That verfallen, denn mit Entsetzen dachte sie daran, wie gerade jetzt die englischen Schiffe die Obermacht im Hafen hätten und kaum einen Fall vorübergehn lassen würden, einen aus dem ihnen feindlichen Stamm zu Rechenschaft zu ziehen vor ihr Gericht. Bertrand schüttelte aber bei der laut gewordenen Besorgniß lachend mit dem Kopf. »Die englische Herrschaft ist vorbei« rief er, trotzig den Kopf emporwerfend; »Großbritannien erkennt das Französische Protectorat an, und zieht seine Schiffe zurück -- ja noch mehr, in der Nähe einer der Nachbar-Inseln sind schon zwei Französische Kriegsschiffe -- jedenfalls ~Du Petit Thouars~ mit seiner Flotte im Aufkreuzen gesehen worden, und die Tricolore herrscht von jetzt an auf Tahiti.« »Zwei französische Schiffe sind gesehen worden? -- und von wem habt Ihr die Nachricht?« frug Sadie rasch, und ein Gedanke an Raiteo durchblitzte ihr Hirn. »Kleine Fahrzeuge kreuzen herüber und hinüber« antwortete der Officier -- »wir haben überall unsere Wächter; aber sehn Sie Madame daß ich recht hatte? -- dort über den Riffen draußen segelt der Talbot vor dem Wind, diese Küsten zu verlassen, und ha -- dort kommt auch der Vindictive, schwerfällig seine weiten Segel entfaltend. Halt meine Burschen -- Ruhe bis wir draußen in See sind,« unterbrach er sich rasch, dem eben ausgebrochenen Jubelruf seiner Leute zu wehren -- »der Kranke schläft und Ihr dürft ihn nicht wecken durch Euer Hurrah. Doch jetzt auch nach Papetee zurück, denn wir werden dort alle Hände voll zu thun bekommen, und heute Abend, wenn es geht, komm' ich einen Sprung herüber, mich nach dem Befinden unseres lieben Kranken zu erkundigen. So Adieu Madame, auf ein froheres Wiedersehen«, und sich freundlich gegen sie neigend sprang er auf den Rand des hinangezogenen Bootes und hinein, wo der Arzt schon seinen Sitz wieder eingenommen hatte, die Leute liefen damit hinaus in tieferes Wasser, folgend, sobald sie das schwanke, scharfgebaute Fahrzeug flott fühlten, und wenige Minuten später zischte und preßte der Bug wieder gegen die crystallene Fluth an, sie in leichten Kräuselwellen zur Seite werfend, der nächsten Landspitze zu, um die es bald darauf verschwand. »Was sagte der Wi-Wi von den Schiffen da draußen?« frug aber jetzt der Mitonare, der dem ihm unverständlichen Gespräch besonders so erstaunt gelauscht, weil seine kleine Pudenia die fremde ihm unbegreifliche Sprache so geläufig sprach, und dem dabei die zwei großen Schiffe die jetzt erst in Sicht gekommen und augenscheinlich von der Insel fortsegelten, ebenfalls aufgefallen waren. »Es sind die Englischen Kriegsschiffe, die den Hafen verlassen« sagte Sadie. »Den Hafen _verlassen_?« wiederholte erstaunt der kleine Mann -- »und Bruder Aue hat uns davon ganz andere Geschichten erzählt -- puh, puh, und die Wi-Wis kommen mit großen Schiffen angesegelt -- böse Sachen, böse Sachen -- wo bleibt da _unser_ Gott?« Sadie hörte gar nicht was er sprach -- vor ihrem inneren Auge lag der verwundete Gatte, lag sein blutendes Opfer, und während die hellen Thränen ihr still und schwer die Wangen niederträuften, murmelte sie mit leiser, schmerzerfüllter Stimme: »Verloren -- verloren -- Glück und Frieden dahin -- oh armer armer Vater Osborne, wie gut daß Du still und ruhig in der kühlen Erde liegst -- wenn nicht der frühere Gram -- der Tag hätte Dein treues Herz gebrochen.« »Ja, Vater ~O-no-so-no~,« seufzte der kleine Mann, seinen Hut wieder ergreifend und aufsetzend, unter dem das breite, dunkle, gutmüthige Gesicht gar so komisch und widernatürlich aussah -- »Vater ~O-no-so-no~ war ein guter Mann, und wären sie alle so gewesen wie er -- Aber ich muß in die Stadt hinüber,« unterbrach er sich selbst, »denn die Versammlung soll heut' Morgen sein und Mitonare Ezra und Mitonare Raiteo sind von Atiu geschickt und sollen keine Wi-Wis haben wollen. ~Gu-bei~ Pudenia, ~gu-bei~ -- Nach der Versammlung kommt Mitonare wieder hierher zurück und bleibt bei tollen Wi-Wi, bis er gesund ist und bei kleine Pudenia ~iti iti~ --« Damit wandte er sich und verließ den Garten; das schwere Gebetbuch aber in dem langen schmalen Frackzipfel fing wieder an zu schlenkern, und er nahm den Zipfel bedächtig in den linken Arm und verfolgte langsam seinen Weg, ohne sich weiter umzusehen. Und Sadie schaute ihm schwer aufseufzend nach, als sie die kleine komische in so entsetzliche Kleiderformen gezwängte Gestalt den Weg hinabgehen sah, und daran dachte was für ein einfach natürliches Herz unter den unnatürlichen Stoffen schlage; aber der Ernst des Augenblicks wandte ihre Gedanken bald wieder dem ab, und dem Gatten zu, und nur wenige Minuten später saß sie am Bett des Schlafenden, ihr Kind auf dem Schoos, den Schlummer des Kranken bewachend und von seiner fieberheißen Stirn Mosquito und Fliege fern zu halten. Auch nach Aumama hatte sie hinübergeschickt, ihr beizustehn, wenn sie irgend einer Hülfe bedürftig sein sollte; Aumama war aber früh am Morgen nach Hause zurückgekehrt, und hatte ihre Kinder geweckt und mit fortgenommen, Niemand wußte wohin; Lefévre war ebenfalls nirgends zu sehen und zu finden, und das Nachbarhaus lag wie ausgestorben. Capitel 2. Pomare und ~Du Petit Thouars~. Papetee war in furchtbarer Aufregung; schon am frühen Morgen liefen dumpfe Gerüchte durch den kleinen Ort, die Englischen Kriegsschiffe machten sich zum Auslaufen fertig und ganz in der Nähe wäre dafür schon ~La Reine Blanche~, mit dem gefürchteten Admiral ~Du Petit Thouars~ an Bord, gesehen worden, deren Kanonen jetzt aufs Neue das kleine Häufchen Protestantischer Christen preisgegeben sein würde. Die Capitaine der beiden Englischen Fahrzeuge waren am vergangenen Tag lange Zeit an Land und der Capitain des Talbot sogar mehrere Stunden mit dem zurückgekehrten Englischen Consul und früheren Missionair Pritchard zusammen gewesen, und dieser also allein konnte wirkliche Aufklärung über das sonst unbegreifliche Zurückziehn der Englischen Streitmacht geben. Zu dessen Haus strömte nun auch die Masse, Erklärung fordernd, wo die britische Hülfe, der britische Schutz bliebe, der ihnen den Uebergriffen der Franzosen gegenüber so fest war versprochen worden -- offene Erklärung, was der nach England gesandte Missionair dort ausgerichtet, und welchen Beistand die Königin von England der in ihren Rechten gekränkten Pomare zugesichert und zugesagt habe. Mr. Pritchard tröstete sie mit dem Beistand Gottes, der die Seinen nicht zu Schanden werden lasse, und berief eine Versammlung der Geistlichen von Papetee, die nächsten und nöthigsten Schritte zu berathen, falls eine Französische Flotte Tahiti wirklich aufs Neue heimsuchen würde. Darüber sollten sie aber nicht lange in Zweifel bleiben, nur wenige Tage später lief allerdings wieder ein kleines Englisches Kriegsschiff, eine sogenannte ~catch~ von nur 200 Tons ein, aber nur um die anderen Schiffe abzulösen und sich ruhig und ohne weitere Demonstration in der Bai vor Anker zu legen (es war der ~Basilisk~) und bald danach wurden von den Höhen Schiffe signalisirt, die auf Tahiti zuhielten. Zwei zusammen kreuzende Segel erschienen in Sicht, und die Angst vor der ~Reine blanche~ gab dem größten der Schiffe schon lange ihren Namen, ehe nur Takelage und Bau des Fahrzeuges so weit erkennbar wurden, den schlimmsten Verdacht zu bestätigen. Am anderen Morgen ankerten die Kriegsschiffe in der Bai von Papetee, von ihrem Heck flatterten die französischen Nationalfarben und das Echo der Berge gab den donnernden Eisengruß der Fremden dumpf und grollend zurück, wie zürnend, die ungebetenen Gäste auf's Neue in seiner Nähe zu wissen. Herzlicher gemeint waren aber die Freudensalven der ~Jeanne d'Arc~, die den in so trotziger Stärke einlaufenden Landsleuten entgegenjubelten. -- Ihre Lage, von den Englischen Schiffen überwacht, war ihnen schon lange eine drückende ja unerträgliche geworden, noch dazu da ein Theil des Volks schon bei mancher Gelegenheit -- ob dazu aufgereizt oder nicht -- die Feranis suchte fühlen zu lassen, daß man weder ihren Gott noch ihre Regierung wolle und sich unter dem Schutz der Beretanis sicher genug fühle, ihren Uebergriffen nun etwa trotzen zu können. Der von England zurückkehrende Consul und Missionair hatte dabei in seiner zuversichtlichen Haltung ihren schlimmsten Befürchtungen noch eine Art von Bestätigung gegeben, und die Mannschaft der ~Jeanne d'Arc~ ersehnte unter solchen Umständen den Augenblick, wo sie den Befehl zum Rückzug erhalten würde, die schon halb occupirten Inseln wieder ihrem früheren Oberherrn, oder vielmehr der Herrschaft der Missionaire zu überlassen. Welchen Unterschied hatten da die letzten wenigen Tage hervorgerufen; die stolzen Englischen Fregatten, die bis jetzt die Interessen der Tahitischen Königin überwacht, ließen den Feind derselben, der schon öfter die Hand nach dem ganzen Reiche ausgestreckt, und nur immer die vielleicht bösen Folgen zu gierigen Zulangens gefürchtet, jetzt im ruhigen unbestrittenen Besitz der ganzen Inseln, und während die Missionaire in Bestürzung und Zorn gerade die Schiffe in dem entscheidenden Moment absegeln sahen, deren Feuerschlünde sie als von England gesandt proklamirt hatten, den wahren Glauben wie seine Vertreter zu schützen, wagten sie es noch nicht einmal den Tahitiern den ganzen Umfang ihrer Befürchtungen mitzutheilen, und von ihnen ausgehend lief bald darauf das beruhigende Gerücht durch Papetee: die Engländer seien blos ausgesegelt die Marquesas-Inseln ebenfalls von dem Druck des Französischen Joches zu befreien, und wenige Wochen später würden sie mit Verstärkung zurückkehren die Macht der Christlichen Protestantischen Kirche, wenn es sein müßte, mit Gewalt der Waffen aufrecht zu erhalten. -- Es war das ihre letzte Hoffnung. Mißtrauisch beobachtete vor allen Andern Aimata, die Königin dieser Inseln, die Bewegungen der Feranis, die sie nun schon seit einer Reihe von Jahren als ihre Feinde hatte kennen lernen, und das stolze Blut der Pomaren schoß ihr zornig in die Schläfe, als sie die Banner Frankreichs wieder so keck und trotzig in der Brise flattern sah, und den Kanonendonner hörte, der grüßend dem Feind aus ihrer eigenen Bai entgegenschallte. Sie stand an dem Fenster ihres, ziemlich in Europäischem Geschmack eingerichteten und mit einer Masse von Putz und Geschenken ausgestatteten oder besser überfüllten Hauses, die heiße Stirne fest gegen die Glasscheibe gepreßt und der ehrwürdige Mr. Pritchard ging mit auf der Brust fest zusammengeschlagenen Armen in dem Gemach auf und ab, und blieb nur manchmal an dem zweiten Fenster stehen, die Bewegungen der eben eingekommenen Schiffe zu beobachten, aber ohne ein Wort zu sprechen sein oder der Königin Nachdenken im Mindesten zu stören. Die Fenster dröhnten dabei von den gewaltigen Saluten der bewaffneten Schiffe und die lockeren Scheiben klapperten und klirrten in ihren Rahmen. Auf dem einen Tisch, entrollt und über einem Globus, einem Kaffeeservice, mehreren Blumenvasen und einigen geschmackvoll eingebundenen englischen Bilderbüchern lag die Tahitische rothe Flagge mit dem einzelnen weißen Stern, und oben über demselben mit einer goldenen von Palmzweigen umgebenen Krone frisch hineingestickt. »Das sind nun Euere Versprechungen!« sagte die Königin endlich nach langer Pause, sich halb gegen den Missionair der zugleich die Stelle eines Englischen Consuls versah, herumdrehend -- »das ist Euer Prahlen von dem Schutz der mächtigen Beretanis -- des mächtigen Gottes der Weißen -- Weit draußen in Lee schwimmen die Schiffe die man mir über und über erzählt daß sie mich und mein Volk beschützen sollten, und mitten in meinem Reich darf mir der stolze landgierige Ferani die eigene Flagge trotzig entgegenhissen, und unter dem Schutz seiner Kanonen vielleicht neue Erpressungen fordern -- wie kann ich sie jetzt ihm weigern?« »Er _darf_ nicht weiter gehn als er bis jetzt gegangen ist« entgegnete finster der Missionair -- »die neue Flagge hier, mit dem Emblem der Majestät wird ihm beweisen, welche Ansprüche Pomares England unterstützt, und mit dem ganzen Volk gegen sich, und dem Bewußtsein daß Englische Kriegsschiffe in dieser See kreuzen und jeden Tag wieder einlaufen können in die Bai, deren Bewohner sie durch die Bande der Religion und Freundschaft verpflichtet sind zu schützen, ist ~Du Petit Thouars~ zu klug einen trostlosen Feldzug zu eröffnen, der den Zorn und die schwere Hand eines mächtigen Volkes auf ihn und den Thron der ihn beschützen würde, herabziehn könnte.« »Und wer schützt mein armes Volk _jetzt_ vor ihren Kugeln, wenn ich die Flagge hisse und ihren Zorn reize?« frug Pomare. »Du bist hier Königin« sagte der Missionair ernst und feierlich, »wie Englands Königin daheim ihr Banner kann wehen lassen über dem Schloß das sie bewohnt, ein Zeichen ihrer königlichen Gegenwart, so steht dasselbe Recht _Dir_ zu, in Deinem Reich; der Franke _darf_ es Dir nicht wehren, wenn er auch möchte, und ich müßte mich sehr täuschen, wenn er, nach dem Vorhergegangenen, nicht sogar klug genug wäre schon das Aufhissen dieser Flagge mit einer Salve seiner Kanonen zu ehren. Die Franzosen sind höflich« -- setzte er trocken hinzu, »wenn man ihnen auch sonst gerade nichts Gutes nachsagen kann.« Pomare sah ihn forschend an -- ihre Fahne, durch Kanonenschüsse der gefürchteten Feranis geehrt -- der Gedanke hatte einen unsagbaren Reiz für sie, und ihre weibliche Eitelkeit griff danach, so sehr sie auch noch kurze Zeit vorher einem so entschiedenen Schritt entgegen gewesen sein mochte. »Und Du hissest zugleich die Englische Flagge vor _Deinem_ Haus?« frug sie rasch, des Priesters Arm ergreifend. »Als Gruß der Königlich Tahitischen in jedem Fall« erwiederte der Missionair -- »ich bin sogar dem Amt nach, das ich vertrete, dazu verpflichtet.« »So sei es -- gut!« rief die Königin und ein eigenes Lächeln belebte ihre schönen, sprechenden Züge und gab dem raschen ausdrucksvollen Blick einen höheren Glanz. »Der Wi-Wi soll mir die Krone grüßen müssen, die er nicht berühren darf, und Dein Gott mag mir jetzt beweisen ob er, wie Ihr uns oft erzählt, mit Wohlgefallen auf diese Inseln niederschaut, deren Bewohner ihre alten Götter und Gesetze in den Staub geworfen haben, das Kreuz des Heilands aufzurichten, und seinen Namen zu ehren, oder ob er gleichgültig die Erfolge betrachtet, die sein Wort hier auf Erden hat, dem Götzendienst des anderen Volkes gegenüber. Ruf mir die Häuptlinge die schon den ganzen Morgen draußen gewiß ungeduldig meiner Befehle harren -- ich _will_ Königin sein, und eine Königin wie sie über dem großen Wasser drüben auf der Insel Deines Vaterlandes herrscht, nicht ein Spott nur und Fratzenbild aus einem Spiel der Areois, dem jeder fremde Freibeuter die Krone abnehmen und bespötteln darf.« »Und Du wirst sehn, Pomare, daß Du Nichts zu fürchten hast,« sagte der Geistliche -- »in Deinem Reiche darf keine fremde Macht die Hand an Deine Flagge legen, die Zugeständnisse zu denen man Dich zwang sind ungültig, eben _weil_ sie erzwungen waren, und Dein Volk ist stark und mächtig in der Begeisterung des Herrn, selbst einem also gewappneten Feinde Trotz zu bieten, und ihn auf seine Schiffe mit blutigem Kopf zurückzuweisen. Ich schicke Dir die Häuptlinge, Deine Befehle zu erfüllen, und gehe selbst jetzt hinüber in mein Haus, das königliche Signal zu beantworten, sobald es in der Brise flattert. Indessen aber sei der Herr mit Dir in dieser Stunde und gebe Dir seinen Segen und Frieden in Jesu Christo.« Und freundlich seine Hände gegen sie, wie zum Segen ausstreckend, blieb er einen Moment mit zum Himmel gerichteten Blicken stehen, und verließ dann langsam das Gemach. Pomare, die sich dem Segen erst leise geneigt hatte blieb, als der ernste Mann ihr Zimmer verlassen, mit fest in beide Hände gepreßter Stirne stehen; ihr Busen wogte heftig, ihre ganze Gestalt zitterte vor innerer Aufregung, und sie bedurfte einer kurzen Zeit, ehe sie sich wieder vollständig sammeln konnte. Kaum aber hörte sie die Schritte der nahenden Männer, als sie auch mit der Energie, die ihrem ganzen Wesen und Charakter eigenthümlich war, jede Schwäche von sich abschüttelte, und die Lippen fest aufeinander gebissen, wenn auch noch mit klopfenden Schläfen, die Häuptlinge empfing, die rasch und ebenfalls in Aufregung, in ihrer Gegenwart erschienen. »Joranna Pomare« riefen Aonui und Potowai, »Joranna, und schütze Dich Gott in dem nahen Kampf.« »Dem nahen _Kampf_?« frug Pomare, erstaunt zu ihnen aufsehend, »wer spricht von einem Kampf?« »Der fromme Mann der Dich verließ ermahnte uns standhaft auszuhalten selbst gegen die Uebermacht des Feindes draußen« sagte Aonui, »und so mit Gott, was brauchen wir da irdische Waffen zu scheuen oder zu fürchten.« »Hier ist von keinem Kampf die Rede« entgegnete Pomare ernst -- »nur unsere Landesflagge sollt Ihr aufziehen an meinem Haus -- ich will keinem Menschen Böses, und unsere Religion ist eine Religion des Friedens und der Liebe -- sagt das den Leuten draußen. Sie sollen keinen Zank anfangen mit den Feranis, sondern sie freundlich behandeln, und ihnen Alles verschaffen, was sie an Nahrungsmitteln brauchen -- Pomare hat keinen Zorn gegen sie und will in Frieden mit ihnen leben.« »In Frieden mit ihnen leben?« wiederholte kopfschüttelnd Potowai -- »das ist ein schweres Ding. Ein Frieden mit den Feranis ist wie der durchsichtige Stein den sie uns gebracht und in unsere Häuser gesetzt haben, das Licht hineinzulassen, Du rührst ihn an und er bricht und splittert und verwundet die Hand, die sich freundlich, ohne Arges zu denken, nach ihm ausstreckt -- trau dem Ferani. Aber was thuts« -- setzte er rasch und freudig hinzu, die Fahne aufgreifend und die goldene Krone betrachtend, die von Cocosblättern umgeben gar künstlich und zierlich von frommen weißen Frauen gestickt war -- »wir haben die Bibel auf unserer Seite und unser gutes Recht, und zehntausend Mal lieber seh ich dabei den Tahitischen Stern im Winde flattern, als irgend ein anderes Tuch der weiten Welt. So mit Gott, und das Volk wird Dir zeigen, Pomare, wie dankbar es sein kann für diesen Beweis Deiner Liebe.« Und von dem frommen Aonui gefolgt verließ er rasch das Haus, die Fahne an dem nahen Flaggenpfahl zu befestigen, um den sich indeß schon ein zahlreicher Volkshaufen, mehr aus Neugierde als die Wichtigkeit der Demonstration begreifend, versammelt hatte. Ja die meisten sahen eben nichts weiter darin, als eine sehr gewöhnliche Handlung, vielleicht sogar der Artigkeit gegen die Fremden, die ihre eigenen Flaggen wehen ließen -- weshalb konnten sie nicht dasselbe mit der ihrigen thun? Noch ein Schiff war indeß in Sicht gekommen, und wie ein Theil der Tahitier es schon mit froher Zuversicht als eines der zurückkehrenden Englischen Kriegsschiffe ausrief, schwuren die einzeln zwischen den Eingebornen zerstreuten, meist Englischen oder Amerikanischen Matrosen, das Schiff habe so wenig Englischen Kiel unter sich, wie die im Hafen liegende ~Reine blanche~ oder ~Danae~ und trage so gut die Tricolore wie sie alle Beide. Unter der Masse bildeten sich denn auch bald einzelne Gruppen, die das für und gegen eifrig besprachen, und dabei, wenigstens die Eingebornen, mit einer Art von Stolz auf ihre stattliche Fahne blickten, die lustig im Winde hinauswehte, und nach den Schiffen hinüber zu grüßen schien. Unser alter Bekannter, Bob Candy war unter ihnen und schien gewissermaßen eine Autorität, was die Natur des fremden, eben einsegelnden Schiffes betraf, auszuüben, denn einestheils verstanden ihn nur wenige in seinen gebrochenen Tahitischen Ausdrücken, und dann erklärten Andere wieder, die ein wenig die Englische Sprache gelernt hatten, daß er jedes Segel an Bord des Fremden erkenne, und wisse warum es da, und wo es gemacht sei; sein Sieg war auch vollkommen als die Fregatte endlich ihre Flagge zeigte und an ihrem Heck, wie an den anderen Kriegsfahrzeugen in der Bai, die gefürchteten, jedenfalls gehaßten Französischen Nationalfarben sichtbar wurden. »Segne mich!« sagte da aber Teraitane, der Häuptling, der sich der Gruppe eben zugesellt hatte, »uns hat der ehrwürdige Bruder Mi-ti (Smith) immer gesagt, die Feranis hätten nur ein einziges Kriegsschiff in ihrem ganzen Reich, und das schickten sie her bald so, bald so angemalt, und bald mit dem, bald mit jenem Namen, Geld zu erpressen, und jetzt liegen drei schon im Hafen und das vierte segelt eben ein, und eines immer größer als das andere -- der ehrwürdige Bruder Mi-ti muß geträumt haben.« »Bruder Mi-ti träumt aber gewöhnlich mit den Augen offen« bemerkte Bob, trocken; »merkwürdig kluge Erzählungen die sich die Leute machen, nur daß die Farbe abgeht, wenn sie naß werden. Die Feranis könnten eine ganze Woche hintereinander jeden Tag vier andere Kriegscanoes herschicken, und behielten immer noch so viel zu Hause.« Während sich die Eingeborenen, denen ein Anderer das von Bob gesagte übersetzte, um diesen drängten, der unwillkommenen Mähr von der Macht eines Feindes zu lauschen, der ihnen bis jetzt eher als unbedeutend geschildert war, hatte die ~Reine blanche~ mit dem neu einkommenden Fahrzeug rasch Signale gewechselt, aber die erwartete und von der Königin erhoffte Begrüßung ihrer Flagge, der gegenüber jetzt, von dem Pritchard-Haus, die Englische wehte, blieb aus, und die Kriegsschiffe lagen still und ernst in der Bai -- ob Freund ob Feind -- erst die Zukunft sollte das entscheiden. Von der ~Reine blanche~ kam jetzt ein Boot ab, mit der wehenden Tricolore am Heck, und hielt, von sechzehn Riemen pfeilschnell über die spiegelglatte Fluth dahergetrieben, gerade dem Hause Pomarens zu, vor dem sich eine Masse Volk jedes Geschlechts, wie jeder Farbe fast, versammelt hatte. Der im Stern des Bootes sitzende Officier war aber ~Du Petit Thouars~ selber und ehe nur Einzelne der Umstehenden ihn, von seinem früheren Besuch noch in der Erinnerung, erkannt hatten, sprang er an Land, rief dem ihn begleitenden Officier einige Worte zu und schritt dann, allein und unangemeldet, rasch dem Hause zu, vor dessen Schwelle die mit der Krone gezierte Flagge der Pomaren stolz ausflatterte. Einen Augenblick blieb er daneben stehn, und es war fast, als ob ein spöttisches Lächeln um seine Mundwinkel zuckte, als er zu dem flatternden Banner hinaufschaute, und den Blick von da zu den Englischen Farben schweifen ließ -- wenn so, ging das aber eben so rasch vorüber als es gekommen, und mit flüchtigen Schritten sprang er die wenigen Stufen zu der Verandah der Königin empor. Die Einanas, im Vorzimmer, wollten ihm freilich den Eintritt weigern, eine aber erkannte ihn wieder und eilte mit dem Schreckensruf zu ihrer Herrin, denn ~Du Petit Thouars~ war, ob verdient oder unverdient, der Popanz der Inseln geworden, mit dem man die Kinder furchtsam machte und die Mädchen. Pomare erschrak -- was wollte der Befehlshaber der Kriegsschiffe da draußen von ihr, daß er, ohne angemeldet, ohne um förmliche Audienz einzukommen, wie das üblich gewesen war von jeher, das ihr von den Missionairen und Consuln eingeprägte, und für unumgänglich nöthig geschilderte Ceremoniell soweit außer Augen setzte, sie allein aufzusuchen. Einen Augenblick stand sie unschlüssig und zögernd da; aber sie hörte schon die lachende Stimme des Französischen Befehlshabers dicht vor ihrer Thür, wie er sich, durch die ihm den Weg versperrenden Mädchen Bahn zu brechen suchte mit scherzhafter Gewalt, vielleicht nicht einmal böse über den Widerstand. »Ruf mir den ehrwürdigen Bruder Pi-ri-ta-ti«[C] sagte sie da schnell, und das Mädchen öffnete kaum die Thür, dem Befehl Folge zu leisten, als der Admiral auch, ängstlich von den Frauen Pomares umstanden, auf der Schwelle erschien, und den Hut abziehend mit, Pomaren entgegengestreckter Hand ihr sein freundliches Joranna entgegenrief. [C] Pritchard. »Joranna Peti-Tua« sagte die Königin ernst, ihm die Hand nicht versagend, aber immer noch in einer eigenen Mischung von beleidigter Eitelkeit und Verlegenheit zu ihm aufschauend -- »bringst Du mir Frieden oder Krieg jetzt, in Deinen großen Schiffen mit denen Du die Bai füllst, und bist Du den weiten Weg noch einmal hergekommen, eine arme schwache Frau zu kränken, oder hat Dich Dein König geschickt mit freundlichem Wort, und ist das Joranna treu gemeint und nicht blos wie ein Hauch von den Lippen?« »Ich bringe Dir Frieden, Pomare,« sagte ~Du Petit Thouars~ freundlich, und hielt die Hand die sie ihm gereicht, immer noch in der seinen -- »Frieden und Freundschaft, wenn Du eben nicht selber trotzig das Alles von Dir weist und mich förmlich dazu zwingst Dir weh zu thun -- und das wirst Du hoffentlich nicht.« »Du willst wieder Geld von mir haben auf Deine Schiffe zu nehmen?« sagte Pomare rasch und mißtrauisch -- »aber ich habe Nichts mehr -- das letzte was ich hatte haben die Missionaire von mir bekommen, unglückliche Heiden in Australien und Afrika zu bekehren.« Der Admiral biß sich die Unterlippe und ein leichtes, halb verlegenes Lächeln zuckte über seine Züge. »Nein« sagte er endlich nach kleiner Pause, »Du irrst, Pomare, und ich verzeihe Dir gern Deine Unerfahrenheit in solchen Dingen; ich will auch Nichts von Dir haben, als was Du uns freiwillig schon gegeben hast -- nur nichts _nehmen_ möcht' ich mir lassen, und deshalb komme ich her. Noch aber liegt das Alles zwischen uns Beiden, und ich hoffe wir werden es mit wenigen Worten auch leicht und freundlich lösen. Ich meine es gut mit Dir Pomare, und möchte Dich nicht kränken noch betrüben.« »Das ist eine lange Vorrede zu einem freundlichen Wort« sagte Pomare, den herzlichen Worten des Feranis immer noch mißtrauend. »So will ich denn kurz zur Sache kommen« sagte der Admiral und seinen Hut auf den Tisch, zwischen den Wirrwarr von wunderlichen staubbedeckten Sachen, Globen und Servicen, Zeugen und Spielereien legend, warf er sich selber in den nächsten Stuhl und fuhr, das rechte Bein über das linke legend, und die Hände darüber faltend ernster fort: »Ich brauche Dir nicht erst die während meiner Abwesenheit passirten Vorgänge ins Gedächtniß zurückzurufen -- eine Rotte unnützes Volk, wie ich gern glauben will, mit Priestern und weggelaufenen Matrosen an der Spitze, denen der Henker daran liegt ob Krieg ob Frieden hier auf den Inseln ist, und welche Folgen ein so unüberlegter thörichter Schritt für Dich und das Land mit sich führen könnte, haben die Französische Flagge beleidigt und die Verträge gebrochen, die Du selber mit uns eingegangen bist. Die Römisch-katholischen Priester sind wieder klagbar geworden -- bitte laß mich erst ausreden und höre Alles was ich Dir zu sagen habe -- sie behaupten wieder in ihren Rechten gekränkt zu sein und viel Schaden durch das willkürliche und widerrechtliche Benehmen der Protestantischen Geistlichen erlitten zu haben; aber ich will annehmen, Pomare, daß Dir jene Vorgänge selber leid thun, und Du sie nur nicht hindern konntest. Ich will Alles vergessen und vergeben, und ich verlange nicht einmal eine Entschuldigung von Dir für das Vorgefallene, aber Du mußt mir dann auch beweisen daß es Dir _jetzt_ wenigstens Ernst ist Se. Majestät, den König von Frankreich zum Freund zu behalten und nicht in starrem Trotz die Hand von Dir zu schleudern, die Dir den Frieden bringt.« »Und _was_ verlangst Du?« frug Pomare ungeduldig, »denn etwas _willst_ Du doch von mir, das fühl' ich klar.« »Du sollst nur den Vertrag halten den Du eingegangen« sagte der Admiral ernst, »Du sollst, mit einem Wort, das Französische Protektorat anerkennen, dessen Annahme Du selber, wie Deine ersten Häuptlinge, unterschrieben, und dem zu Folge Du den bunten Schmuck auch in der vor Deinem Hause wehenden Flagge, die selbstständige Krone, wegnehmen mußt, die Dir nicht gebührt.« »Wem anders, wenn nicht mir?« rief Pomare aber jetzt gereizt, und das Blut schoß ihr in vollem Strom in Stirn und Schläfe -- »wem anders, stolzer Ferani, als der eingeborenen Königin dieses Landes?« »Bah, bah« sagte der Officier kopfschüttelnd und mit zusammengezogenen Brauen, »das sind Redensarten, die Dich Deine frommen Missionaire gelehrt haben, und sie hätten, beiläufig gesagt, etwas gescheuteres thun können. Du verkennst Deinen Rang, Pomare, denn es ist bei Gott ein Unterschied zwischen der ~Pomare wahine~ einer kleinen Insel, und der Fürstin eines mächtigen Reiches, im alten Vaterland; wenn man Dir also das nicht früher klar gemacht hat, geschah es nur Deine Eitelkeit nicht in einer Sache zu kränken, auf die eigentlich damals nicht viel ankam. Anders wird das jedoch, wenn Du _unter_ dem Schutz eines anderen Staates stehst, dessen Oberherrschaft Du selber anerkannt; dann gebührt Dir die Krone nicht mehr, noch dazu wenn Du Dich in solchen falschen Ansprüchen von einer uns feindlichen Macht unterstützen läßt, wie das Wehen der Englischen Flagge da drüben beweist, und ich muß Dich bitten, Deinetwegen bitten, sie selber und in aller Stille wieder nieder und nicht wieder aufzuziehn -- es soll mir das ein Zeichen sein, daß Du meinen vernünftigen und ruhigen Vorstellungen Gehör gegeben, und nicht wie früher mit dem starren Weibestrotz einer Unmöglichkeit die Stirne bieten willst.« »Die Königin Viktoria hat ebenfalls ihre Fahne mit der Krone wehn und Niemand darf es ihr verwehren,« rief Pomare, der Argumente ihres Geistlichen gedenkend. »Ach, Kinderspiel,« sagte ~Du Petit Thouars~, ärgerlich den Kopf herüber und hinüber werfend -- »was haben wir hier mit der Königin Viktoria zu thun -- sie ist mächtig genug sich selbst zu schützen, und hat das Recht eine Krone zu führen! -- Wer überhaupt hat Dich auf den tollen Einfall gebracht, der Dir nichts nützt und Dich nur wieder in Fatalitäten bringen kann, Dich mit der Königin Viktoria zu vergleichen?« »Peti Tua« erwiederte Pomare gereizt -- »es sind auch noch andere Europäer auf der Insel, die wissen was sich für eine Königin schickt -- wärest Du allein da, müßte ich Dir glauben.« Wieder preßte der Admiral seine Unterlippe zwischen die Zähne und mit einem leise gemurmelten Fluch zischte er: »Dacht' ich's mir doch, daß die Schwarzröcke in ihrem Uebermuth wieder die Hand dabei im Spiel gehabt« und er sprang auf und ging ein paar Mal, mit auf den Rücken gelegten Händen rasch im Zimmer auf und nieder; dann aber, wie sich besinnend, strich er sich über die Stirn, blieb einen Augenblick, still vor sich niedersehend stehn, und ging dann plötzlich, mit freundlicherem Ausdruck in den Zügen auf Pomare zu, ergriff mit der Linken ihre Rechte und mit dem Zeigefinger der Rechten ihr Kinn in die Höhe hebend sagte er lächelnd, ja fast herzlich: »Sei vernünftig, Pomare, und horche dies eine Mal nur auf den Rath eines Mannes der, trotz allem was sie Dir mögen dagegen gesagt haben, es wirklich gut mit Dir meint. Sieh die Depeschen sind schon in Frankreich angekommen, nach denen Dein Reich unter dem Protektorate meines Königs steht, und ich _dürfte_ dem nicht mehr zuwider handeln, wenn ich wirklich wollte. Traue auch nicht alle dem, was Dir die Englischen Priester sagen; Du hast schon oft gefunden, daß sie sich irrten. Sie wollen nur Macht hier im Land gewinnen und die Alleinherrschaft haben, und wir Franzosen passen ja doch wahrhaftig besser zu Euch wie die Kopfhänger.« In diesem Augenblick öffnete sich leise die Thür, Pomare entzog dem Admiral rasch ihre Hand und trat einen Schritt von ihm zurück, und eine der Einanas meldete, den Kopf zur Thür hereinsteckend, den »boda Piritati« der draußen stände und die Königin zu sprechen wünsche. »Schick ihn fort, ~wahine~« rief aber ~Du Petit Thouars~ ärgerlich -- »wir haben hier wichtige, _weltliche_ Dinge zu reden und brauchen den Pfaffen nicht -- schick ihn fort« -- »Ich habe ihn rufen lassen« entgegnete Pomare, während das Mädchen unschlüssig erst auf den direkten Befehl ihrer Herrin wartete, »auch ist er nicht allein ein Mitonare, sondern ebenfalls der Consul der Beretanis.« »Ein Zwitterding« erwiederte der Franzose, »ich habe mit ihm weder als das eine noch andere etwas zu schaffen; schick ihn fort, oder _ich_ gehe, und Du hast Dir die Folgen dann selber zuzuschreiben.« »Er wird warten, denn ich muß mit ihm sprechen« sagte Pomare, »und weiter hast Du mir ja doch nichts mehr zu sagen.« »Nichts mehr zu sagen?« rief der Admiral erstaunt -- »Frau das ist gerade genug, denn es betrifft Dein ganzes Reich --« »Du darfst es mir nicht nehmen,« rief die Königin und ihre Augen blitzten -- »Piritati hat mir selber gesagt, daß mich England beschützen wird gegen meine Feinde.« »Gebe Gott daß Du nur Deine Feinde erkennen lerntest« warnte sie, mit gehobenem Finger, der Franzose, »aber meine Zeit ist gemessen, so antworte mir denn, wenn Du dem Freundesrath nicht folgen _willst_, einfach auf meine Frage, und sage mir ob Du Dich dem, was ich jetzt von Dir noch Auge in Auge verlange, fügen willst oder nicht.« »Und was ist das, in klaren einfachen Worten?« frug Pomare. »Einfach die Anerkennung unseres Vertrags,« entgegnete ~Du Petit Thouars~, »und zum Zeichen ziehst Du die Flagge mit der Krone nieder, und hissest die Tricolore, die ich im Boot für Dich mitgebracht.« »Nie im Leben!« rief Pomare, und stampfte mit dem Fuß den Boden. »Du zwingst mich denn Deine Flagge mit Gewalt zu streichen und Frankreichs Banner dafür aufzupflanzen -- bedenke Pomare daß von dem Augenblick, wo das durch _meine_ Hand geschieht, Du aufgehört hast zu regieren, denn das Land steht dann nicht mehr nur unter Frankreichs Schutz, nein es ist _erobert_, und der Sieger verfügt darüber wie es ihm gut dünkt.« »Ich verstehe nicht, was Du mit den fremden Worten willst,« entgegnete finster Pomare, »aber Du darfst mir mein Land nicht nehmen; die Englischen Schiffe leiden es nicht.« »Wer Dir _das_ sagt ist Dein Feind« entgegnete rasch der Admiral -- »denke an mich, Pomare, und was ich Dir gerathen; aber meine Zeit ist auch verflossen und ich fürchte fast nutzlos, denn der Missionair wird Dir das Kreuz wieder vorhalten und mit der Bibel drohen.« »Ich lasse mir nicht drohen« rief die Königin. »Ich habe Dich darum _gebeten_, Pomare« sagte, noch einmal zu ihr tretend, mit leiser gedämpfter Stimme der Admiral, »Deinethalben gebeten, weil ich Dich achte und liebe und Dir Dein kleines schönes Reich nicht rauben, Deine Macht hier nicht mit einem Schlage vernichten möchte; _zwinge_ mich nicht dazu, nimm die Fahne mit dem unnützen Schmuck, der Dir nur Verderben bringt, nieder und ziehe meines Landes Farben auf, und Du bleibst was Du bist, wenn nicht unbeschränkt, doch Königin dieses Landes.« »Und wenn nicht?« »Trotzkopf« murmelte der Franzose ärgerlich sich auf dem Absatz herumdrehend -- »so nimm denn die Folgen. Und doch geb' ich Dir noch Zeit zum Nachdenken bis morgen früh,« setzte er nach kurzem Sinnen hinzu -- »überleg' es Dir wohl und handle danach, und Gott leite Dich, daß Du den rechten Weg gehst; wenn aber nach dem Morgenschuß nicht die Tricolore von Deinem Hause weht, dann komm' ich nicht mehr zu Dir hinüber, sondern schicke Dir rauheren Besuch, und Du hast die Folgen Dir selber zuzuschreiben.« Und damit rasch das Zimmer verlassend, rannte er fast gegen den Missionair, der gerade im Begriff schien es zu betreten. Mr. Pritchard grüßte ihn, und machte eine Bewegung, als ob er ihn anreden wolle, der Französische Admiral war aber keineswegs in einer Stimmung sich mit ihm einzulassen, berührte einfach seinen Hut, und ging mit raschen Schritten wieder der Landung zu, wo indessen seine Leute, von den Indianern umlagert, doch dem gemessenen Befehl nach nicht den mindesten Verkehr mit diesen haltend, das Boot weit genug vom Strand abgestoßen hatten flott, und außer Verbindung mit dem Ufer zu bleiben. Rasch griffen aber die Riemen wieder ins Wasser, als sie ihren Vorgesetzten zurückkehren sahen -- ein kurzer Befehl und einer der Leute sprang mit einem vorn im Boote liegenden Pakete -- der zusammengerollten Französischen Flagge -- die Uferbank hinauf, dem Hause Pomares zu, sie dort für die Königin dem ersten Mädchen gebend das er traf; wenige Minuten später kam er in raschem Lauf zurück, das Boot flog herum und schnitt wieder, zischend und schäumend, wie ein verfolgter Fisch die Oberfläche theilend, der ~Reine blanche~ entgegen, die in all ihrer dunklen furchtbaren Majestät vielleicht eine Kabelslänge davon vor Anker lag. Capitel 3. Die Tahitische Flagge. Sadie hatte indessen gar trübe, angsterfüllte Tage verlebt; Renés Wunde war allerdings nicht gefährlich, ja sogar viel leichter als sie im Anfang gefürchtet, gewesen und heilte so rasch, daß er schon am nächsten Tage wieder sein Lager verlassen und mit dem Arm in der Binde sich ziemlich frei umherbewegen konnte, aber Renés Gegner war an seiner Wunde gestorben, und so sehr sich auch Bertrand jetzt Mühe gab, die Kunde dem Ohr der armen jungen Frau noch vorzuenthalten, brachte doch schwatzhafter Mund die Trauernachricht auch in ihre Hütte und füllte ihr Herz mit unermeßlichem Weh. -- René ein Mörder -- ihrethalben, und Alles was ihr der Geistliche erst vor wenigen Tagen von Schmach und Sünde und Gottes Zorn gesagt, traf ihr die Seele jetzt mit hundertfacher Kraft, und schrieb ihr den bitteren furchtbaren Vorwurf mit blutigen Zügen tief in das angstgequälte Herz. -- René ein Mörder -- Blut an der Hand, die sie in Glück und Liebe tausendmal geküßt -- Blut an der Hand, in die sie die ihrige vor Gottes Altar einst gelegt. Heiliger Vater im Himmel, wie ihr das Nerv und Leben traf, und ihr das Blut fast starren machte in den Adern -- und René? Als sie zu ihm stürzte, sich an seinen Hals warf und ihn trösten wollte mit einem Herzen, dem jeder Trost gebrach, als sie da vor ihm auf die Knie fiel, und ihn nieder ziehn wollte zu sich, in brünstigem Gebet Linderung zu finden für das Entsetzliche, und nur Thränen hatte in ihrem ersten furchtbaren Schmerz, nur Thränen die ihr Blut schienen wie sie ihr von den Wimpern niederbrannten -- da blieb er kalt. Das Blut hatte wohl seine Wangen verlassen bei der Nachricht, aber kein weiteres Zeichen, kein Muskel seines Angesichts verrieth daß er _fühle_ was er gethan, und Sadie blickte in Schreck und Staunen zu ihm auf und suchte umsonst sein Herz zu seinem Gott zu wenden, dort Vergebung, dort Gnade zu erflehn vor dem Thron des Allliebenden den er schwer beleidigt ja mit Brudermord. »Laß das, laß das Kind,« sagte er finster, sich ihrem Griff entziehend -- »das sind Sachen die Du nicht verstehst und deshalb nicht begreifen, nicht beurtheilen kannst.« »Du hast einen Menschen mit kaltem Blut getödtet« weinte Sadie, ohne sich zu erheben -- »hast Abschied an dem Morgen von mir genommen und Deinem Kind -- hast uns geküßt und geliebkost, und bist mit ruhiger heiterer Stirn hinausgegangen einen Bruder zu ermorden.« »Sadie« bat René sie jetzt leise und weicher als vorher, als er sah, welchen furchtbaren Eindruck die That auf sie machte, die nur in ihrem nackten Erfolg starr und gräßlich vor ihr stand, während sie die Triebfedern solcher Handlung in Europäischen Begriffen wurzelnd, in ihrem einfach reinen Sinn ja nicht verstehen _konnte_ -- »thörichtes Kind, hab' ich Dir denn nicht oft und oft von solchen Sitten aus meinem Vaterland erzählt, wie Mann gegen Mann empfangene Beleidigung nicht anders rächen kann, als mit Pistole oder Degen? und zwang uns nicht Beide das Gesetz der Ehre zu solchem Kampf, selbst wenn wir Beide das Geschehene schon von ganzem Herzen bereut und gern vergessen hätten?« »Ein Gesetz der Ehre erkanntest Du an,« klagte Sadie, »und vergaßest das Gesetz Gottes -- nein, vergaßest es nicht, sondern stießest es mit Füßen von Dir, Deine blutige, unheilvolle Bahn zu gehn -- oh René, René, Du hast meinen Frieden zerstört auf ewige Zeiten.« »Mach mir den Kopf nicht noch wilder mit solchen Reden« bat sie da, kurz abbrechend, René -- »die Priester haben Dir all das tolle Zeug in's Hirn gesetzt, und Du weißt recht gut, ich kann's nicht leiden, nicht ertragen.« »Oh daß Du die Stimme der Priester, die Stimme Gottes hören wolltest« klagte das arme Weib, die Hände ringend und das Haupt gesenkt, starr und trostlos vor sich niedersehend -- »daß Dir Gottes Wort zum Herzen spräche mit allgewaltigem Klang und Donnerton, Dich aufzuscheuchen vor Dir selber und Dir den Pfad zu zeigen, in all seinen Schrecken und seiner Finsterniß, dem Du mit starrem trotzigem Sinn entgegeneilen willst. Oh der ehrwürdige Vater Rowe hatte ja recht als er mich mahnte, mit heißen brünstigen Worten mahnte, Dich zurückzuhalten von dem was Dir Verderben droht -- aber konnte ich es denn? -- ward mir armen schwachen Weibe denn die Kraft gegeben? ich kann nur beten für Dich, René, und den Heiland bitten, Dich vor Dir selber zu schützen und Geduld mit Dir zu haben in seiner Allbarmherzigkeit.« »Rowe?« sagte René aufmerksam werdend und sah Sadie rasch und scharf an -- »was weißt Du von dem Schleicher? -- ich will doch nicht hoffen, daß er meine Schwelle betreten?« »Er war hier« hauchte Sadie, unfähig eine Lüge zu sagen, aber das Blut schoß ihr in Strömen in Stirn und Schläfe. »Hier? -- und Du hast mir das bis jetzt verschwiegen?« -- rief René, seinen erwachenden Aerger, überdies schon gereizt, nur mit Mühe bändigend -- »zum Teufel mit dem Burschen! was wollte er, was trieb ihn her?« »Die Sorge um mich« sagte leise Sadie -- »er war mein Lehrer in der Kindheit, und nimmt auch jetzt noch Theil an mir; und hat er nicht ein Recht dazu, seit Vater Osborne gestorben und dessen Sorge um meiner Seele Wohl auf ihn allein ja eigentlich doch überging?« René biß sich auf die Lippen -- es drängte ihn, seinem Zorn über den Mann den er alle Ursache hatte zu hassen, und dessen Charakter er nicht ganz ohne Grund bezweifelte, freien Lauf zu lassen, aber er fühlte auch wie weh er der armen Frau dadurch thun würde, und nur die Stirn heftig mit der rechten Hand reibend, ging er einige Mal rasch im Zimmer auf und ab. Endlich aber blieb er neben Sadie, die noch immer in ihrer knieenden Stellung verharrte und das sorgenschwere Haupt an der Stuhllehne in den vorgehaltenen Arm stützte, stehn, und seine Hand auf ihre Stirn legend flüsterte er mit freundlicher liebender Stimme: »Beruhige Dich, mein Herz; nicht so schwer lastet das Blut auf meiner Seele, daß ich Deinem Gott nicht noch frei und offen in's Auge schauen könnte. Ich bin mir nichts Böses bewußt, denn diese That fällt nicht mir, sie fällt der Gesellschaft zur Last die sie billigt, ja fordert -- Nichts hilft es dabei dem Einzelnen sich dagegen zu sträuben. Komm, schau wieder zu mir auf, mein herziges Lieb und laß die Grillen -- geschehene Dinge sind nicht mehr zu ändern, und Du brauchst die Hand nicht zu fürchten, die nur mein eigenes Leben vor dem Gegner schützte.« Sadie schauderte und ihr Antlitz in den Händen bergend flüsterte sie: »Bete -- René -- bete zu Gott daß er Dir die That vergeben möge und ich will mit Dir meine Stimme erheben zu dem Höchsten --« »Sadie« »Neige Dein Ohr Allmächtiger« flehte die Frau, inbrünstig seine Hand fassend und die Augen zur Decke erhebend, »verwirf mich nicht von Deinem Angesicht, und nimm Deinen heiligen Geist nicht von mir. -- Tröste mich wieder mit Deiner Hülfe und der freudige Geist enthalte mich -- denn ich will die Uebertreter Deine Wege lehren, daß sich die Sünder zu Dir bekehren. Errette mich von den Blutschulden Gott, der Du mein Gott und Heiland bist, daß meine Zunge Deine Gerechtigkeit rühme.« »Komm, komm Sadie« sagte aber René ihr leise doch entschlossen seine Hand entziehend, »das ist genug und ich bin des Lamentirens überdrüssig. Komm wieder zu Dir, daß man ein vernünftig Wort mit Dir reden kann, ich will dann suchen Dich zu überzeugen; bis dahin aber erlaube mir daß ich die frische Luft suche, einmal wieder frei aufzuathmen, denn mir ist schwül und heiß geworden bei Deinen Reden.« Und den Hut aufgreifend verließ er, ohne selbst weitern Abschied von ihr oder dem Kinde zu nehmen, rasch das Haus und schritt die Straße nach Papetee hinunter. Sadie verharrte noch eine lange Zeit in ihrer Stellung und betete heiß und brünstig für den geliebten Mann; immer noch hoffte sie dabei daß René zurück -- reuig zurückkehren würde, sich mit ihr am Thron des Höchsten niederzuwerfen, und Vergebung zu erflehn für das _Verbrechen_; aber er kam nicht, und die Angst um ihn trieb sie zuletzt empor und ließ ihr nicht Ruhe und Rast im Haus als sie von Mataoti erfuhr daß er den Weg nach Papetee eingeschlagen und dort ja, wenn man etwas gegen ihn beabsichtige, dem nach ihm ausgestreckten Arm der Gerechtigkeit gerade entgegen eile. Der Leichtsinnige kannte, achtete ja keine Gefahr, aber er hatte auch kein treueres Herz auf der Welt als sein Weib, über ihn zu wachen, und ihr Kind aufgreifend, das ihr lächelnd und den Schmerz nicht ahnend der ihre Brust durchtobte, die Aermchen entgegenstreckte, eilte sie, die heute merkwürdig belebte Straße vermeidend, zum Strand hinunter, machte mit Hülfe Mataotis das Canoe flott und glitt bald darauf, ihr Kind zu ihren Füßen, den schlanken Kahn mit kräftigen Ruderschlägen über die spiegelglatte Fluth treibend, dem nicht so fernen Hafen zu. Die Menschen aber, die heute die Broomroad entlang der Residenz ihrer Königin zudrängten, thaten das nicht blos aus Neugierde, die vielen fremden eingekommenen Schiffe anzustaunen, obgleich Neugierde sie doch größtentheils auf die Beine gebracht, nein sie wußten auch, daß sich in Papetee irgend eine Katastrophe ihrer Insel vorbereite, und wollten dessen Zeuge -- ja wie die Sache auslief, auch vielleicht Theilnehmer und Mitwirkende sein. Durch Mr. Pritchard nämlich, oder Pomare selber, vielleicht auch durch die Einanas die wohl draußen an der Thür gehorcht, war der Inhalt der zwischen Pomare und ~Du Petit Thouars~ stattgehabten Unterredung bald, wenigstens in seinen Hauptbestandtheilen, in Papetee und der Umgegend bekannt geworden; man wußte daß der Ferani verlangt hatte, die Königin solle die Landesflagge niederziehn und die Fahne des Feindes dafür hissen, ja man behauptete jetzt sogar schon, er habe im Weigerungsfalle gedroht die Stadt zu beschießen, was Einzelne der Furchtsamsten sogar bewog nach Dunkelwerden ihr bewegliches Eigenthum in den Wald und die Berge zu schaffen, den französischen Kugeln außer Bereich zu kommen. Nichtsdestoweniger hatte sich an dem, als zur Entscheidung bestimmten Morgen, schon mit Tagesanbruch eine Unmasse Volk gerade am Strand versammelt, während Neuankommende noch immer von den anderen Theilen der Insel herzuströmten, und mit einer Art von scheuer Freude sahen die Tahitier ihre Landesflagge noch stolz und trotzig auf der alten Stelle wehn, und harrten jetzt erwartungsvoll des Resultats. Auch die Decks der fremden Kriegsschiffe, der Französischen wie der Englischen Catch ~Basilisk~ die hier natürlich nur eine vollkommen beobachtende Stellung einnehmen konnte, waren von den Officieren wie der Mannschaft besetzt, die mit und ohne Telescope, von Quarterdeck und Back, von Wanten und Marsen aus die Augen fest auf die hier, als entscheidendes Zeichen bekannte Tahitische Flagge gerichtet hielten. Aber der Morgenschuß war vom Bord des Französischen Admiralschiffs gefeuert worden, ohne daß irgend ein feindlicher Schritt gegen die Autorität des Landes, oder die Flagge geschehen wäre, denn der Admiral ~Du Petit Thouars~ hatte während der Nacht noch Gegenbefehl gegeben, und die Frist für Pomare bis zum Nachmittag verlängert. Er wollte der trotzköpfigen Insulanerin jede nur mögliche Zeit lassen ihm einen Schritt zu ersparen, den er außerdem nach allem Vorhergegangenen wohl nicht mehr gut vermeiden konnte, zu dem er sich aber auch im Herzen nicht so ganz gerechtfertigt fühlen mochte; wußte er doch nicht einmal, wie er in Frankreich selber aufgenommen werden würde. Die Königin hatte den Tag über mehre Berathungen mit dem Englischen Consul sowohl, wie den anderen Missionairen. Mr. Pritchard fuhr ebenfalls an Bord des kleinen Englischen Kriegsschiffes, sehr wahrscheinlich den Capitain desselben zu einer Erklärung für ihre Sache zu bewegen. Die Flaggen blieben aber wehen, die Tahitische sowohl wie die Englische, trotzig der Tricolore entgegen, und ~Du Petit Thouars~ durfte zuletzt nicht länger zweifeln, daß es Pomare zum Aeußersten treiben wolle der Französischen Macht zu trotzen, und den früheren Vertrag, als ihr in unwürdiger Weise abgezwungen, zu verleugnen. Bis um vier Uhr Nachmittags war dieser letzte Termin ausgedehnt worden, und ein Theil des Volks hatte sich sogar schon wieder in der Zwischenzeit zerstreut, seine Mahlzeit einzunehmen oder seine Siesta zu halten, bis die entscheidende Stunde schlage. Kein Boot landete indessen von den Schiffen, kein Canoe verließ das Ufer, zu ihnen mit Früchten oder anderen Handelsartikeln hinauszufahren, wie das die Eingeborenen bis jetzt immer sehr unbefangen, mochte das Schiff stammen woher und beabsichtigen was es wolle, gethan. Die Leute fühlten daß jetzt keine Zeit zum Feilschen sei, wo die Matrosen vielleicht mit brennenden Lunten bei ihren Geschützen ständen. Die Sonne mochte den Zenith wohl schon zwei Stunden überschritten haben, als René die Stadt erreichte und im Anfang wirklich erstaunt über die Aufregung der Leute war, die sonst wahrlich nicht so leicht veranlaßt werden konnten, sich in der Hitze des Tages am offenen Strand herumzutreiben, wo die Palmen- und Guiavenhaine rings umher so trefflichen Schatten boten; er hatte ~Du Petit Thouars~ sowohl wie Pomare schon fast vergessen. Die wehende Flagge der letzteren mahnte ihn aber wieder an das Drama, das sich hier entwickeln sollte, und die geschäftig hin und hergehenden Missionaire, die theils mit den verschiedenen Gruppen verkehrten, theils zwischen den Häusern Pomares wie einzelner Häuptlinge, oder auch den eigenen Wohnungen herüber und hinüberwechselten, charakterisirten das Ganze deutlich genug. Die schwarzgekleideten bleichen Männer, mit den gezwungen milden und doch heute so eilfertigen Zügen konnten nicht dazu dienen Renés überdies gereizte Stimmung zu bessern, oder freundlicher zu gestalten, und finster und schweigend erwiederte er ihren Gruß, wenn sie an ihm vorüberschritten, oder gar ein Gespräch mit ihm anknüpfen wollten in ihrer Art. Gedanken- und ziellos schlenderte er so am Strande hin, die Arme auf der Brust ineinandergeschlagen, und den Hut fest und verdrossen in die Stirn gezogen, als er plötzlich von klarer wohlbekannter Stimme seinen Namen rufen hörte, und aufschauend sich gerade vor Mr. Belards Hause fand, dessen Fenster eines breiten Hintergebäudes diesen ganzen Theil des Strandes überschauten, und von der Familie eingenommen waren, Zeugen der erwarteten Vorfälle zu sein. Madame Belard selber hatte ihn gerufen aber er schrak förmlich zusammen, und fühlte wie ihm das aufschießende Blut die Stirnadern zu sprengen drohte, als er dicht neben dem freundlichen Gesicht der jungen hübschen Frau, die engelschönen lächelnden Züge Susannens erkannte, die ebenfalls zu ihm niedergrüßte. »Es freut uns herzlich, Monsieur Delavigne wieder so frisch und wohl zu sehen,« rief Madame Belard jetzt, als er in aller Ueberraschung und Verlegenheit nur eben flüchtig grüßte und vorüberstürzen wollte -- »aber hat er nicht einmal so viel Zeit einen Augenblick herauf zu kommen, und zu sehn wie es alten Freunden geht? Wenn Sie nicht andere Geschäfte fortrufen, haben wir hier ein prächtiges Plätzchen für Sie das Schauspiel, einer friedlichen Insel Eroberung, mit anzusehn und Sie mögen unser Begleiter sein, wenn sich die Erde hier in Französischen Grund und Boden verwandelt.« »Und darf ich?« frug René, und die Frage galt diesmal dem jungen Mädchen, das bis dahin nur lächelnd zu ihm niedergeschaut und jetzt fröhlich ausrief: »Wenn Sie sich nicht vor der Tochter Ihres früheren Capitains fürchten -- ich wüßte keinen anderen Grund weshalb nicht« -- und wenige Minuten später stand René in dem kleinen Gemach an Susannens Seite, die Frauen zu begrüßen. »Großer Gott, wie bleich sehn Sie aus« rief aber hier das junge Mädchen, als er ihr die Hand gereicht und das Blut, die erste unnatürliche Aufregung vorüber, wieder in seinen alten Canal zurückdrängte -- »Ihre Wunde ist noch nicht geheilt, und Sie haben sich zu sehr angestrengt -- guter Gott, Ihr Tollkopf wird Sie noch unter die Erde bringen.« »Und würden Sie mich betrauern?« frug René, ihr forschend ins Auge schauend. Susanne erröthete, aber Madame Belard enthob sie einer Antwort, denn den jungen Mann dem Lichte zukehrend stimmte sie Susannen bei und erklärte, Monsieur Delavigne gleiche eher einem herumwandelnden Todten, als einem Lebenden, und je eher er sich setze und ein Glas Madeira trinke, desto besser sei es für ihn -- zu früh könne es aber gar nicht mehr geschehen, und ihre Schlüssel aufgreifend, von denen sie den Kellerschlüssel ihrer Indianischen Dienerschaft nicht anvertrauen durfte, verließ sie rasch das Zimmer, die eben verordnete Arznei auch gleich selber zu holen und einzugeben, wie ein guter, sorgsamer Arzt. Susanne und René waren allein, und der Letztere wollte sich eben mit seiner Wunde für sein, vielleicht unfreundlich scheinendes Betragen von vorhin entschuldigen, als diese für ihn selber sprach; die ungewohnte Anstrengung, da es das erste Mal gewesen war nach seiner Verwundung daß er einen solchen Marsch unternommen, die Aufregung zu Hause -- jetzt, und beide ach wie so verschiedener Art, wirkten zu heftig auf ihn -- er mußte von dem rasch zuspringenden Mädchen unterstützt, zu einem Stuhl taumeln und mit einer Ohnmacht kämpfend, deren Schleier er aber glücklich bezwang, stützte er das todtenbleiche Antlitz in die Hand, sich wieder zu sammeln, zu erholen. »Sie böser, böser Mann« flüsterte das schöne Mädchen, ihr weiches Tuch rasch in kalt Wasser tauchend und um seine Stirn legend -- »was laufen Sie auch toll und wild in die Welt hinein, wenn Sie krank und elend sind -- weshalb hat Sie Ihre Sadie nur hinausgelassen?« Sadie -- René athmete tief und schwer und seine Stirn fassend traf er der Jungfrau Hand, die dort das Tuch hielt und sie nicht wegziehn durfte wenn es nicht fallen sollte. Sie blieben wenige Secunden in dieser Stellung und Susanne fuhr wie bestürzt zurück, als sich die Thür rasch öffnete in der Madame Belard mit Flasche und Glas im Arm wieder erschien, und etwas erstaunt, ja erschreckt, das bleiche Antlitz ihres Gastes bemerkte. »Hallo, was ist hier vorgefallen,« rief sie halb lachend halb bestürzt, »werden die Herren ohnmächtig und müssen ihnen die Damen beistehn? -- schöne verkehrte Welt das, aber meine Medicin ist da um so mehr am Platz. Hier Monsieur« fuhr sie fort, ihm ein volles Glas einschenkend, aber zugleich einen flüchtigen Blick nach Susannen hinüberwerfend setzte sie neckend hinzu: »und die Dame da scheint mir auch ein Glas vertragen zu können, Ihr habt Euch Beide alterirt -- Wie steht es mit Ihrer Wunde, Delavigne?« »Besser -- gut« sagte er rasch. »Sie haben von Ihrem Gegner gehört?« frug Susanne leise. »Ja« hauchte René. »Er hat es nicht anders haben wollen« beruhigte ihn aber die Französin -- »wäre er mit der ersten Lektion zufrieden gewesen, so war die Sache abgemacht und Niemandem ein Schade geschehn -- es soll das siebente Duell gewesen sein, das er gehabt. Aber reden wir von etwas Angenehmerem« setzte sie rasch hinzu, »wissen Sie daß unsere junge Freundin Briefe von zu Haus, und noch zwei bis drei Monat Urlaub bekommen hat, auf Tahiti zu bleiben? -- der alte Seewolf muß doch gar kein so übler Mann sein.« »Und ist der Delaware glücklich zu Hause angekommen?« frug René lächelnd zu Susanne gewandt. »Oh schon lange« erwiederte Susanne, »und hat eine ausgezeichnete Reise gemacht« setzte sie dann mit komischem Ernst hinzu -- »Sie haben sich sehr im Lichte gestanden, Monsieur Delavigne, nicht an Bord geblieben zu sein. Sie könnten jetzt ihren Thran zu höchst annehmbaren Preisen -- Papa hat mir einen Preis-Courant mitgeschickt, als ob ich für ihn Geschäfte machen sollte -- an die Firma ~Bornholm Watts & Comp.~ verkaufen und hätten noch immer Zeit genug übrig behalten sich zu einer neuen so romantischen Fahrt auf den Wallfischfang auszuruhen und zu rüsten. Sie werden mir zugeben daß Einem auf einer solchen Fahrt höchst interessante Sachen begegnen können.« »Sie werden mir zugeben Mademoiselle, daß Sie grausam sind« sagte René -- »Sie wissen nicht wie weh Sie mir gerade jetzt mit solchen Worten thun.« »Gerade _jetzt_?« frug Susanne erstaunt, aber sie wurden hier durch einen Lärm von der Straße unterbrochen, der sie alle drei rasch an das Fenster rief. Das Rufen und Schreien kam von der, nicht fernen Kirche her, wohin Bruder Dennis einen Theil seiner Gemeinde gezogen und in stürmischer Predigt ihren Patriotismus, ja vielleicht ihren Fanatismus für die heilige Sache der Religion und des Vaterlands erregt haben mochte. »Gott wie die Menschen schreien« sagte Madame Belard ängstlich -- »wenn sie nur Vernunft annehmen und nicht gegen eine Macht gerade zu einer Zeit antrotzen wollten, wo diese den Zügel und die Wehr fest in Händen hält; sie werden noch das größte Unglück über sich hereinrufen.« »Und von der Fahne da drüben soll es abhängen, ob Krieg ob Frieden« sagte Susanne, nur das Interessante des Augenblicks in dem Bewußtsein fühlend, Zeuge der ganzen Verhandlung zu werden -- »was für eine wunderhübsche Flagge das ist, und wie Jammerschade, daß sie soll niedergeholt werden. Seit wann führt denn Pomare die goldene Krone im Wappen, mit dem Cocoszweig?« »Seit thörichte Priester ihre Eitelkeit anstachelten und ihrem Stolz schmeicheln wollten« sagte René finster. »Denen stecken die Ehrenstellen und einträglichen Aemter im Kopf« rief Madame Belard, »die auf den Sandwichsinseln in dem jetzt ganz nach Europäischem Maßstab eingerichteten Hof Einzelne der Missionaire für sich gewonnen haben; große Titel und Gehalte mit allen möglichen Auszeichnungen. Wenn Pomare eine bloße Insulanerin blieb, eine Pomare ~wahine~, konnte keiner von ihnen Minister werden und das Consulamt bringt neben dem Bischen Ehre, nur Aerger und Verdruß; Minister des Auswärtigen oder der inneren Angelegenheiten klingt besser.« »Ach Unsinn« lachte Susanne -- »es sind zu vernünftige Männer etwas derartig Närrisches zu erstreben. Minister Ihrer Tahitischen Majestät -- hahahaha --« »Klingt nicht weniger gut als Sr. Hawaiischen«[D] sagte René ernst, »und dort ist es geschehen. Leider Gottes haben Titel und Orden schon manchen ehrlichen Mann -- zu Fall gebracht -- nicht einen schlimmeren Ausdruck dafür zu gebrauchen, und der Klang irgend eines langen unbehülflichen Worts, das Blitzen eines farbigen Bandes oder Metallstücks im Knopfloch hat Grundsätze umgeworfen, die dem Schicksal bis dahin fest und gewaltig Trotz geboten. Schade daß sie dies schöne Land jetzt zum Schauplatz ihres unsinnigen Treibens gemacht -- es können schwere Zeiten kommen für dies Volk.« [D] Seit einigen Jahren ist z. B. am Hawaiischen Hof zu Honolulu auf Oahu »nach reiflicher Ueberlegung beschlossen worden, das beim Wiener Congreß befolgte Ceremoniell behufs des gegenseitigen Ranges fremder Consuln zum Grund zu legen.« »Glauben Sie das nicht Delavigne« sagte Madame Belard kopfschüttelnd, »der Tahitier, so weit ich ihn kenne, ist sorglos und leichtsinnig, und selbst gleichgültig gegen das Höchste was wir im Leben anerkennen -- er hätte seine Religion nicht sonst so leicht, und auf manchen Inseln wirklich aus reiner Gefälligkeit verändert. Der Französische leichte Sinn sagt ihm auch weit mehr zu, als der starre Presbyterianische Ernst. -- Nur diesen einen Tag, den ersten Umsturz überstanden, und der Eingeborene wird sich leicht in das _Geschehene_ fügen, ja vielleicht es sogar liebgewinnen, wenn er findet daß es ihm manche Erleichterungen manche Freiheiten bietet, die ihm der starre Methodismus nicht zugestehen wollte.« René schüttelte den Kopf. »Wenn sich selber überlassen, ja« sagte er ernst, »aber der Fanatismus wird seine Brandfackel in ihre Herzen schleudern; der heilige Geist wird wieder die Trommel rühren, und die »Lämmer Gottes« zum Kampfe treiben und der Name Gottes wird auf's Neue zum Schlachtschrei gebraucht werden, Ehrgeiz und Habsucht zu verdecken und beleidigte Eitelkeit zu rächen. Ich glaube an keine friedliche Unterwerfung.« »Sie werden sich natürlich zu den Eingebornen schlagen?« sagte halb neckend halb lauernd Susanne, und ließ ihren Blick fest und forschend auf dem jungen Franzosen ruhn. »Wir würden dann unter _einer_ Fahne kämpfen« lachte René der Frage ausweichend. »Wer ich?« rief Susanne schnell -- »da haben Sie weit am Ziel vorbeigeschossen, Monsieur; wenn auch in Nordamerika und von einem Protestantischen Vater geboren, bin ich doch in Louisiana im rechten Glauben erzogen, und meine Sympathie ist ganz auf Seiten des Gekreuzigten -- ich hasse die Methodisten.« »Gott weiß es, ich auch« sagte René und der tiefe Seufzer mit dem er es sprach bürgte für die Aufrichtigkeit. »Der beste von ihnen ist gestorben« fuhr er dann, wie mit sich selber redend fort, seine Worte wenigstens an keine der Frauen richtend -- »der alte Osborne war ein braver wackerer Mann, und sie haben ihm das Herz gebrochen, mit ihren Intriguen und Anfeindungen. Wenn auch jetzt Einzelne zwischen ihnen sein mögen, die wirklich in wahrem Glaubenseifer der einmal betretenen Bahn folgen -- die meisten sind Heuchler, hängen den Namen Gottes vor ihr eigenes Bild, und streuen nur Haß und Unfrieden in Familienkreise, wo sie Liebe und Eintracht säen und die Herzen aneinander festigen sollten statt sie auseinander zu reißen. Gift über sie, mir thäte es in der Seele wohl ihre Macht hier gebrochen, ihr Reich zertrümmert zu sehn -- und doch fürchte ich, kann es nicht ohne Blutvergießen geschehn, denn gutwillig geben diese Leute die Waffen nicht aus ihren Händen.« »Ha der Schuß!« rief Susanna die den Blick gerade auf das Französische Admiralschiff geheftet hielt, und den blendenden Strahl bemerkte, der plötzlich daraus hervorschoß, und mit dem Worte fast schlug der Donner des Geschützes an ihr Ohr und machte das Blut von Tausenden rascher durch die Adern jagen. »Da kommen auch die Boote!« rief René, »nun wird sich das Schicksal des Tages bald entscheiden.« »Und glauben Sie daß die Eingebornen jetzt einen Kampf mit uns wagen werden?« frug Madame Belard rasch und ängstlich. »Fürchten Sie Nichts« lachte aber René -- »was können die Unbewaffneten jetzt gegen die Schießgewehre der Soldaten, mit den Kanonen der Fregatten auf sich gerichtet, beginnen, es wäre Wahnsinn, und ein solcher Kampf müßte so rasch enden, wie er begonnen hätte.« Die Boote stießen wirklich von den verschiedenen Kriegsschiffen ab; Schaluppen vollgedrängt von Bewaffneten, die von den regelmäßigen Riemenschlägen der Matrosen getrieben, rasch wie der Seefalke auf seine Beute, dem Lande zuschossen. Das Ufer stand gedrängt voll Menschen, aber man sah keinen bewaffneten Insulaner; die Lenden und Schultern mit ihren Tüchern umhüllt, die Brust und das Haupt mit Blumen und gelben Bananenblättern geschmückt, lachend und schwatzend standen sie da, die Boote erwartend, als ob deren Kommen eine für sie sehr gleichgültige, vielleicht sogar erwünschte Handlung wäre, und nicht wirklich den Umsturz alles Bestehenden, in Politik, Religion, Regierung und Gesetzen drohte und bedingte. Kaum Raum gaben sie dabei den landenden Truppen, und wenn diese auch anfänglich mißtrauisch den zahlreichen Schwarm betrachteten, der schon in seiner Masse ihnen hätte eine Art Widerstand bieten können, sahen sie doch bald daß sie hier weder Angriff noch Schwierigkeiten zu erwarten hätten, und der Menschenknäul, fast aus eben so viel Frauen und Mädchen als Männern bestehend, drängte sich langsam auseinander, dem landenden Feinde Raum zu geben, seine Truppen aufzustellen. Es waren etwa zweihundert Artilleristen und Marinesoldaten und drei bis vierhundert Matrosen, mit Cutlaß, Pistolen und Musketen bewaffnet; die Bayonnette aufgesteckt, und ziemlich gut einexercirt formirten sie sich auf das Commando in einzelne starke Rotten, und zogen mit festem dröhnendem Schritt, von dem Corvetten-Capitain Mons. ~D'Aubigny~ angeführt, der sogar zum zeitweiligen Regierungsrath der Insel von dem Admiral ~Du Petit Thouars~ ernannt worden, zum Hause Pomares hinauf, von dem noch immer, fest und trotzig die Landesfahne mit der stolzen Krone ihren Feinden furchtlos entgegenwehte. Im Hause aber lag Alles todtenstill -- die Vorhänge waren niedergezogen, die Thüren verschlossen, kein Mensch auf der Verandah oder an irgend einem Fenster zu sehn, denn die Furcht schien doch stärker in den Herzen der Einanas, als die Neugier, und lautlos rückte die Schaar in geschlossenen Colonnen bis dicht vor das Haus, schwenkte, machte Front und die Gewehre rasselten auf das Kommandowort auf den hartgetretenen Boden nieder. »Und was werden sie jetzt thun, wo sich Niemand ihnen widersetzt?« frug Susanna, und fast unwillkürlich wandte sich ihr Herz dem Schwächeren, Angegriffenen zu, den sie widerstandlos dem mächtigen Feinde übergeben sah. »Sie werden die Flagge herunternehmen« sagte René, »die Tricolore dafür aufpflanzen und das Land in den Besitz des Königs von Frankreich erklären, so wenigstens lautete die Drohung des Admirals.« »Und was geschieht mit der Tahitischen Flagge?« frug Susanna rasch und blickte dem jungen Mann fest in's Auge. »Ich weiß nicht« lächelte dieser, »irgend einer der Officiere wird sie wohl mit sich auf's Schiff zurücknehmen.« »Ob wohl ein specieller Befehl da ist, was mit ihr geschehen soll?« »Ich glaube kaum« meinte René -- »was liegt an dem Tuch?« »Ich weiß nicht _was_ ich darum gäbe, _die_ Fahne mein eigen zu nennen« rief Susanna da plötzlich, und Stirn und Wangen bis tief in Nacken und Busen nieder waren wie von Gluth übergossen. »Die Tahitische Fahne?« frug René erstaunt. »Sie könnte mich glücklich machen« sagte Susanna, und hielt die leuchtenden Blicke fest auf das, in der Abendsonne hell blitzende Tuch geheftet, das jetzt das Leichentuch der Tahitischen Freiheit werden sollte. René, von einem plötzlichen Gedanken durchzuckt, griff seinen Strohhut auf, der neben ihm auf einem Tische lag, und wollte das Zimmer verlassen. »Wo wollen Sie hin?« rief Madame Belard bestürzt -- »sind Sie rein vom Bösen besessen?« »Ich bin gleich wieder bei Ihnen!« rief René und warf die Thüre hinter sich ins Schloß. »Monsieur Delavigne« rief auch Susanna und blickte bestürzt ihm nach, aber er hörte schon nicht mehr die Worte, oder achtete ihrer nicht, und eilte flüchtigen Schrittes, seiner Schwäche förmlich trotzend, die Treppe hinab, schritt durch den Garten dessen benachbartes Grundstück eine offne Thür nach dem Strand zu hatte, und befand sich wenige Minuten später mitten in dem Gewirr von Eingebornen und Französischen Soldaten, und dem Flaggenstock gerade gegenüber, an den in diesem Augenblick ein Französischer Officier, Bertrand, hinantrat, die Königliche Flagge niederzuziehn. Dicht gedrängt um ihn standen die unter seinem Befehl stehenden Matrosen der ~Jeanne d'Arc~ theils, theils der ~Danae~, und René drängte sich leise aber so entschlossen vor und zwischen sie hinein daß die Seeleute, die ihn bald für einen Landsmann erkannten, glaubten, er habe jedenfalls ein Recht, vielleicht sogar eine Pflicht dazu, zu erscheinen, und ihn ruhig gewähren ließen. Ein Trommelwirbel erschütterte jetzt die Luft, und Bertrand zog während desselben und unter einem Todtenschweigen der versammelten Tausende, die Flagge an dem Flaggenfall nieder -- kein Schrei des Zorns oder der Entrüstung von Seiten der Eingebornen, kein Hurrahruf der Sieger begleitete den Akt -- es war wie eine Execution, und Bertrand mochte das fühlen, denn halb abgewendet schob er die gedemüthigte Flagge von sich und absichtlich einem der Leute zu, sie von dem Fall zu lösen, erstaunt aber drehte er sich gegen René um als er einen Fremden erblickte, der, ein kleines blitzendes Messer in der Hand, das Flaggenfall unten mit einem raschen Schnitt trennte und das Messer in die Tasche zurückschiebend, die Fahne ruhig und gleichmüthig zusammenrollte. »René,« rief der Seemann erstaunt und mit halb unterdrückter Stimme aus, als er ihn erkannte -- »Mensch, was thust Du hier?« René winkte ihm mit den Augen, aber dicht neben sich hörte er die halblauten und nichts weniger als freundlichen Worte: »Das ist der Bursche der unsern Lieutenant erschossen hat -- was beim Teufel will der hier zwischen uns?« Das Blut schoß ihm im Zorn in die Schläfe, aber er wußte auch daß er sich hier nur eingeschmuggelt und nicht an seinem Platz befinde, und ruhig die Flagge zusammenrollend schob er sie sich unter den Arm, und suchte jetzt den Rückweg anzutreten. An Bord der Französischen Schiffe hatte man auch in der That so fest geglaubt die Tahitier würden ihre Flagge selber streichen, daß gar keine Verfügung, sie selbst betreffend, erlassen war. Das Interesse des Augenblicks band sich auch überdies nicht an solche Nebensache, denn der, noch an demselben Abend zum zeitweiligen Gouverneur von Tahiti ernannte Mr. ~d'Aubigny~ brach jetzt in die allerdings merkwürdigen Worte aus: »Officiere, Soldaten und Matrosen, und Ihr Bewohner dieser Inseln, denen wir _Gerechtigkeit_ und _Frieden_ bringen, -- im Namen des Königs, unseres gnädigen Herrn, nehme ich Besitz von diesem Land -- wir Alle werden mit Freuden in der Vertheidigung der glorreichen dreifarbigen Fahne sterben. Hißt die Flagge!«[E] [E] Wörtlich. Bertrand hatte indessen die Tricolore statt der Tahitischen an dem Flaggenfall befestigt, die ihm nächststehenden Seeleute sprangen hinzu sie aufzuhissen, und unter dem fröhlichen Wirbel der Trommeln und dem donnernden ~Vive le roi~ der Soldaten und Matrosen, drängte sich René wieder den Gärten zu und gewann das Freie; ~d'Aubigny~ aber mit seinem blanken Degen Ruhe winkend rief mit lauter klangvoller Stimme, wie er nur erst einmal hoffen durfte den Lärm zu durchdringen: »_Die Königin Pomare hat aufgehört zu regieren und wir stehen jetzt auf Französischem Grund und Boden!_« Unmöglich wär' es den Jubel zu beschreiben, der bei diesen Worten die Französischen Kehlen zu zersprengen drohte; es war ein förmlicher Aufschrei von Triumph und toller Freude und wunderbar stach dagegen die Ruhe und der Ernst der umstehenden Tahitier ab, die den Sinn des Satzes gar nicht verstanden hatten, und kopfschüttelnd dem Lärm horchten, den die tollen Wi-Wis hier mitten auf der Straße, dicht vor dem Hause ihrer Königin, vollführten. Das Verschwinden ihrer eigenen Fahne aber, und das Wehen der verhaßten Tricolore ließ die Absicht der Fremden doch ziemlich deutlich herauserkennen. Trotzdem erschien es ihnen immer noch als keine so entscheidende Handlung, wie es von den Europäern angesehen werden mußte, denn die Insulaner kannten die Bedeutsamkeit der Flaggen nicht zu dem Maße. Ob da oben ein weißes oder dreifarbiges Tuch flatterte, blieb sich am Ende gleich und nur das dumpfe Gerücht das sich anfing Bahn zu brechen -- die Wi Wis hätten ihre Königin abgesetzt und wollten selber regieren, brachte etwas mehr Leben in die Schaar und trieb Einzelne dem Hause des Englischen Consuls zu. Dort aber war indessen die Englische Flagge von Mr. Pritchards eigener Hand in dem Augenblick niedergeholt worden, als die Tricolore emporstieg, die Demonstration auch auf den Französischen Schiffen wohl bemerkt, aber nicht beachtet worden, und der frühere Missionair fand sich bald darauf von zahlreichen Trupps Eingeborenen umgeben, die eine Erklärung der stattgehabten Vorfälle haben wollten und hier zu ihrer, eben nicht angenehmen Ueberraschung erfuhren, daß die Franzosen wirklich Besitz von der Insel genommen hätten und diese von nun an behaupten wollten. »Bah« lachten aber Andere wieder, »ein paar Tage haben sie hier das große Wort, und wenn sie fortsegeln werfen wir ihren bunten Lappen wieder herunter, wie schon früher einmal.« Eifrig bestritt Pritchard diese Meinung und suchte die Eingebornen von der Gefahr zu überzeugen, in der in diesem Augenblick ihre Unabhängigkeit nicht allein, nein auch die Religion schwebe, die sie als die bessere erkannt und angenommen; theils Gleichgültigkeit gegen äußere Formen die ihnen unbedeutend schienen, theils ihre angeborne Gutmüthigkeit, die selbst nicht dem Feind gleich das Schlechteste zutraun wollte, ließ sie dem Allem nur mit halbem Ohre lauschen. Vergebens ereiferte sich der fromme Mann und bürdete ihnen die Folgen auf, die alle aus dieser fabelhaften Theilnahmlosigkeit ihrer heiligsten Verhältnisse entspringen könnten; sie schüttelten lachend mit dem Kopf und schlenderten dann wieder langsam zu der Königin Haus zurück, vor dem und unter ihrer eigenen jetzt dort wehenden Flagge die fremden Soldaten und Matrosen noch immer aufmarschirt standen, und selber erstaunt darüber schienen, daß die sonst doch gar nicht feigen Insulaner die größte Beleidigung die einem Lande bildlich geschehen kann, so ruhig und selbst heiter und vergnügt hinnahmen. In der That begriffen die Tahitier aber noch wirklich nicht, was mit dem eben Gesehenen gemeint sei, denn das bloße Flaggenwechseln hatten sie ja ebenfalls vor einiger Zeit auch zu ihrem Vergnügen gethan, ohne irgend etwas Böses dabei zu denken; die Franzosen hatten es ihnen nachgemacht und bis sie wieder fort waren mochte die dreifarbige Fahne da oben auf dem Stocke ruhig ausflattern. René indessen, dem der wirklich unerwartet glückliche Erfolg seiner kecken That, ganz wieder den alten fröhlichen Muth, vielleicht auch Leichtsinn, zurückgegeben, sah schon von weitem wie sich Susanna, ängstlich nach ihm ausschauend, aus dem Fenster bog, und wie er mit der Hand hinüber winkte und den Hut schwenkte zum Zeichen fröhlichen Gelingens, wehte ihr weißes Tuch grüßend ihm entgegen. Er sah weder nach rechts noch links, das eine Ziel im Auge, und vor Eifer fast zitternd mit seiner Beute, die ihm aber Niemand auch nur dachte streitig zu machen, den sicheren Garten wieder zu erreichen, und doch schritt er kaum auf fünf Fuß Entfernung an seinem eigenen Weib, die das schlafende Kind auf dem Arm trug, und zufällig und mit blutendem Herzen ein unfreiwilliger Zeuge des ganzen Vorfalls gewesen, vorüber, und ließ Sadie in sprachlosem Staunen starr und kaum ihren Sinnen trauend, zurück. Dem Gatten war sie gefolgt, theils für seine Sicherheit fürchtend nach einer That die sie für ein Verbrechen hielt, theils auch weil sie sich Vorwürfe machte, ihn wohl zu schroff und hart von sich gestoßen und ihn der Verzweiflung preisgegeben zu haben in der ihr liebendes treues Herz sich schon wilde entsetzliche Bilder heraufbeschwor, und jetzt? -- strahlend von Glück und Seligkeit, mit leuchtenden Augen und glühenden Wangen floh er an ihr, ohne sie zu sehen, vorüber und dort am Fenster -- ein stechender jäher Schmerz zuckte ihr durch Herz und Nerven als sie die wunderschöne Europäerin erkannte, mit der René schon an jenem furchtbaren Abend so viel gesprochen und getanzt, und deren kaltem fast verächtlichem Blick sie dann mehr als einmal mit einem unbeschreiblichen Gefühl von ahnungsvoller Angst begegnet war. Noch stand sie still und regungslos auf derselben Stelle auf der ihr René wie eine Erscheinung entschwunden war, und sie wußte im ersten Augenblick nicht einmal ob sie ihm folgen, seinen Namen rufen oder zurückgehn solle, still und allein in ihre Heimath die Rückkunft des jetzt ihrer Sorge wahrlich nicht mehr bedürfenden Gatten geduldig zu erwarten, als eine leichte Hand nur leise ihre Schulter berührte, und eine weiche bekannte Stimme ihren Namen flüsterte: »Sadie!« »Aumama!« rief Sadie, sich rasch nach ihr umdrehend, und hatte in diesem Augenblick fast den Gatten vergessen in dem Schreck über das wildverstörte, fahle und doch so trotzige Aussehn der Freundin, deren räthselhaftes Verschwinden ihr schon Sorge und Kummer genug gemacht. »Aumama, wo um Gottes Willen kommst Du her? -- wo warst Du die ganze Zeit und wie siehst Du aus?« »Wie ich aussehe, Herz? hahaha,« lachte das schöne Mädchen in unheimlicher Lustigkeit, »der Thau in den Bergen gräbt Spuren in die Haut und -- aber das ist es nicht was ich Dir sagen wollte; ich zeige Dir etwas, komm; glaubst Du an Geister?« -- »An Geister? -- wie verstehst Du das? -- was soll's?« frug Sadie erschreckt -- »was hast Du Aumama, Du machst mich fürchten.« -- »Fürchten? -- bah, thörichtes Kind -- wovor? vor dem eigenen Mann? -- der thut Nichts -- sieh nur wie freundlich und lieb er da drüben mit dem ganz fremden Mädchen ist, würde er dem eigenen Weibe da etwas zu Leide thun? -- hahaha Schatz, ich glaube wir Beide können uns bald lustige Geschichten erzählen« -- und die Widerstandlose über den breiten Weg mit sich hinüberziehend, wo ein Haufen aufgeschichteter und zu Canoes bestimmter Blöcke lag, auf die sie leicht wie die wilde Geis ihrer Berge hinaufsprang, deutete sie mit dem ausgestreckten Arm und jetzt Zornfunkelnden Augen nach den offenen Fenstern des Belardschen Hauses hinüber, die René gerade in diesem Augenblick mit seiner eroberten Flagge betrat und wo er mit Jubel von den Frauen begrüßt wurde. »Pomarens Flagge, die sie in den Staub gezogen, bringt er dem Feind -- bringt er seiner neuen Liebe« flüsterte Aumama mit leiser, vor innerer Bewegung zitternder Stimme -- »sieh nur, sieh wie sie sich zu ihm überbeugt -- hahaha -- ich glaube das war ein Kuß -- nein« lachte sie dann höhnisch, »sie werden die Nasen aneinander gerieben haben nach Inselart. Aber komm -- komm Sadie ich habe Dir viel viel zu erzählen, und wenn das Pärchen da drin wieder zur Besinnung kömmt, könnten sie uns hier draußen bemerken -- den Triumph sollen sie nicht haben -- komm.« Sadie ließ sich willenlos fortführen von der Frau, und nur ihr Kind fester an sich drückend folgte sie der Führerin, gleichgültig welchen Weg sie einschlage, durch einen schmalen Gartenpfad erst dem wilden Gedräng des Strandes außer Bereich, und dann, auf weniger begangenen, jetzt fast menschenleeren Wegen die Broomroad wieder hinauf, ihrer eigenen Heimath zu. Sie sah die hundertmal begangene Strecke, aber sie erkannte sie nicht wieder, und blickte erstaunt endlich umher, als sie vor ihrer eigenen Thüre stand, denn das Bild des Gatten mit dem schönen fremden Weib zuckte ihr vor ihren Blicken herüber und hinüber und wie eine entsetzliche Erklärung dazu lautete Aumamas Bericht von dem eigenen Schmerz, der eigenen Schmach. Bei dem letzten unglückseligen Europäischen Tanz hatte Lefévre zum ersten Mal ihre eigene Schwester gesehen und sich toll und blind in sie verliebt. ~Nahuihua~ -- der blitzende Stern im Norden -- liebte aber seine Schwester zu sehr, ihr den Gatten abtrünnig zu machen und floh, und Lefévre verließ Weib und Kind und folgte ihrer Spur über die ganze Insel. Nur mit Gewalt konnten sich die Häuptlinge von Taiarabu, wo er sie endlich wieder aufgefunden, seiner tollen Leidenschaft entgegenstellen, und zornig abgewiesen war er erst heute nach Papetee, aber nicht in seine Heimath zurückgekehrt, selbst nach seinen Kindern zu fragen. -- Und René? -- »Hahahaha« lachte Aumama mit wildem Feuer im Blick -- »Aia hatte recht -- sie sind sich _alle_, _alle_ gleich -- Alle, _Teufel_ mit ihren glatten Zungen und freundlichen Augen, und wenn sie die Blume gepflückt die ihnen im Wege stand, und sich an ihrem Duft einen Augenblick gefreut -- werfen sie sie fort -- sie geben ihr nicht einmal zum Welken Zeit« setzte sie mit weicherer wehzerschnittener Stimme hinzu, »und im Weg, von den Vorübergehenden getreten muß sie ihr junges hingemordetes Leben lassen. Aber Rache will ich haben, Rache beim ewigen Gott!« rief sie plötzlich sich hoch und stolz emporrichtend -- »meine Kinder hab' ich schon in die Berge geschafft, in gute Pflege, daß sie mich nicht an meinem Ziel beirren, und der treulose Mann soll sehen, wie sich ein Tahitisches Mädchen zu rächen weiß.« Aumama war in furchtbarer Aufregung, und Sadie schrak zurück vor der entsetzlichen Gluth und Wildheit die in ihren Zügen lag, und der sie das sonst so sanfte fröhliche Wesen nie für fähig gehalten hatte; sie wollte sie beruhigen, aber das gereizte Weib stieß sie zornig zurück, und der Schmerz löste sich erst in milden Thränen, als die Erinnerung an vergangenes, nie wiederkehrendes Glück sich Bahn brach durch Leidenschaft und Trotz. Und Sadie saß noch lange, das frohe spielende sorglose Kind zu ihren Füßen, das Haupt der Freundin an ihre Brust gelehnt, Trost gebend wo sie selber o des Trostes so viel bedurfte, entschuldigend wo ihr selber das Herz brechen wollte in Angst und furchtbarer Qual. Und René? -- Saß lachend und plaudernd neben Madame Belard, der schönen Susanna gerade gegenüber; sie sprachen von der Welt draußen, von Paris, von seinem Vaterland, sie lachten und scherzten, und als sich Susanna endlich an das Pianoforte setzte und mit fertiger Hand dem schönen Instrument so liebe bekannte Weisen entlockte, als ihm das Herz immer höher und höher schlug und das Blut heiß durch die Adern jagte, da -- er mußte sich gewaltsam zurückhalten der schönen Spielenden nicht in zu glühenden Worten zu sagen wie glücklich sie ihn heute Abend gemacht, und mit wie schwerem Herzen er doch heute gerade nach Papetee gekommen -- da fühlte er vielleicht zum ersten Mal den Abstand seines jetzigen Lebens mit der früheren Welt, die fest und abgeschlossen hinter ihm lag, die Brücke abgebrochen die hinüberführte -- Zum ersten Mal brach sich der Gedanke in ihm Bahn an das was er gethan, und das Bild des alten Osborne, wie er im Lehnstuhl auf Atiu vor ihm saß, so ehrwürdig mit dem weißen Haar, so mild und ernst mit den freundlichen stillen Zügen, tauchte in ängstlicher Wahrheit vor ihm auf und blickte, wehmüthig mit dem Kopfe nickend und mahnend zu ihm herüber. »Spiel' etwas Heiteres, Susanna« rief da Madame Belard, »unser junger Freund wird schon wieder ganz bleich und melancholisch -- die Marseillaise ist heut besser hier am Platz, und nicht all das süße und weiche Gekose.« Susanna ging rasch in die herausfordernden Töne des begeisternden Liedes über, und René fühlte wie ihn die Melodie hob und sich selber wiedergab -- Großer Gott, wohin war er gerathen -- was hatte er gethan? und mit dem Bewußtsein faßte ihn die Angst -- die Reue. Nur fort von hier jetzt, fort, war der einzige Gedanke der in ihm lebte, und aufspringend griff er nach seinem Hut. »Wohin?« frug Madame Belard erstaunt. »Zu Hause --« »Jetzt? -- Sie werden doch erst Thee mit uns trinken -- nicht einmal das Lied will der grobe Mensch aushören« rief die junge Frau erstaunt. »Fehlt Ihnen etwas?« frug Susanna, mitten in der Melodie vom Instrument aufspringend. »Nein -- ja --« stammelte René -- »schon zu lange bin ich hier gewesen -- die beängstigende Luft -- die späte Stunde -- ich muß fort -- Sadie auch ängstigt sich um mich.« »Ach was, Sadie mag beten, bis wir Thee getrunken haben,« sagte mit komischem Aerger Madame Belard -- »ich hatte nun so fest auf Sie heute Abend gerechnet.« Der unzarte Scherz that ihm weh, aber bestärkte ihn nur mehr darin aufzubrechen -- »Ich _muß_ fort« sagte er bestimmt. »Sie haben recht« unterstützte ihn aber auch jetzt darin Susanna, »Sadie _muß_ sich ängstigen, wenn Sie noch länger auf sich warten lassen; aber dürfen wir Ihnen auch erlauben allein zu gehn? -- wenn Sie nun wieder einen Anfall jener Schwäche --« René dankte ihr der Sorge wegen, die sie um ihn trug, wies aber jede Angst um sich, lächelnd ab. Er fühlte sich, seiner Aussage nach, wieder vollkommen wohl, nur nicht länger zögern wollte er, und mit kurzem, fast verstörtem Gruß verließ er die Frauen, das Haus, und schritt hinaus in die dunkle, kühle, sterndurchschimmerte Nacht. Aber das zurückgedrängte, mächtige Gefühl brach sich hier die Bahn -- »Sadie -- mein armes, armes Weib« flüsterten seine Lippen, während die Hände fest sich preßten auf das Herz -- »armes, verrathenes Kind -- Nein, nein,« rief er aber rasch und heftig aus -- »noch ist es nicht zu spät, noch bin ich Dein -- noch hab' ich die Kraft in mir das fremde Bild aus meiner Brust zu reißen, in die es, Gott nur weiß wie, die Bahn gefunden, und Dein will ich auch bleiben in treuer, wahrer, inniger Liebe. Sie haben Dir weh gethan von allen Seiten, Du hast keine Klage gehabt für mich, nur stille leise Thränen, und jede von den Thränen die ich verschuldet, brennt mir jetzt wie Feuer auf der Seele. Sadie mein trautes liebes Weib -- Sadie!« -- Und mit der Sehnsucht im Herzen nach dem treuen Lieb, die seine Schritte beflügelte und ihn heimwärts drängte, wurde ihm auch wieder, mit der freien Luft, frisch und frei um das reugequälte Herz, und als er seine Sinne der Außenwelt wieder zuwandte, und das Rauschen hörte der wehenden Palmen, das Flüstern des dunkeln Laubes und das dumpfe Donnern der Brandung, wie vor alter Zeit, da war es ihm fast als ob ein böser, entsetzlicher Zauber von ihm genommen sei, mit dem Ton, und des trauten Weibes Bild, wie es sorgend und liebend daheim saß mit dem Kind, seiner kleinen, herzigen Sadie, tauchte mit neuer, kräftiger Gewalt in seiner Seele auf. Mit flüchtigen Schritten, die seiner Ungeduld noch lange nicht folgen konnten, und fast keine Schwäche mehr fühlend, eilte er der stillen Heimath zu, und als ihn dort sein holdes Weib empfing, als sie ihr Köpfchen, selig in dem Bewußtsein daß er zu ihr zurückgekehrt -- sie noch liebe und _nicht_ verlassen habe, an seine Brust legte, und kein Vorwurf über ihre Lippen kam, der Blick den sie aufhob zu ihm nur voll von reiner heiliger Liebe glühte, da zog er sie an sein Herz, bedeckte ihre Stirn und Lippen mit seinen heißen Küssen und nun erst weinend, aber in einem Uebermaß von Glück, schlang Sadie ihren Arm um ihn, als er sie sein Weib, seine kleine süße Pu-de-ni-a nannte und sie bat guten fröhlichen Muthes zu sein, denn in den nächsten Tagen, in acht, sechs, vier, ja vielleicht morgen schon, wollten sie Tahiti ja wieder verlassen und hinüberziehn nach dem Land ihrer Sehnsucht, nach der Wiege ihrer Liebe, ihres Glücks -- zurück nach Atiu. »Nach Atiu« war Alles was Sadie erwiedern konnte, und in jauchzender Lust lag sie an des Gatten Brust und weinte laut. Capitel 4. Die Conferenz. So gleichgültig die Insulaner, wenigstens scheinbar, die im letzten Capitel beschriebenen Vorgänge aufgenommen hatten, und so theilnahmlos sie der Entehrung ihrer Flagge, als etwas höchst Unwesentlichem zugesehn, so viel gewaltigere Aufregung rief es im Lager der Missionaire hervor, die einen entscheidenden Schritt Frankreichs wohl schon lange gefürchtet, aber doch nicht so schroff auftretend erwartet haben mochten. Das Zurückziehn der Englischen Fregatten war zu gleicher Zeit eine ihnen wohl verständliche, und für sie höchst unglückselige Demonstration, denn es bewies etwas, das in geradem Widerspruch mit den freundlichen und ermuthigenden Versprechungen des Englischen Ministeriums stand, und wovon die Französischen Fregatten schon jedenfalls Kenntniß haben mußten: daß nämlich England keineswegs gewillt sei dieses kleinen Inselreichs wegen einen Krieg mit Frankreich zu beginnen, sondern Tahiti und seine Königin dem Protektorat -- man konnte ihm nicht mehr gut den Namen einer _Entdeckung_ geben und wünschte doch derselben Erfolg -- des Nachbarstaates überließ. Das aber hieß dem Protestantismus den Boden unter den Füßen fortnehmen, denn die Franzosen brauchten jetzt nur Gleiches mit Gleichem zu vergelten, so packten sie die evangelischen Geistlichen auf ihre oder andere Schiffe und schickten sie, gleichviel wohin, nur fort von ihren Besitzungen. Aber das nicht allein; schon der Gleichberechtigung der anderen Confession hatten sie von frühster Zeit an mit allen Kräften entgegengearbeitet. Die katholische Religion sprach weit mehr zu den Sinnen, als das kalte protestantische Wesen der Geistlichkeit, jene erregte die Phantasie, diese ertödtete Alles mit ihrer nackten Unerquicklichkeit, nur in starrer Strenge den Glauben fordernd für das Unbegreifliche. Auch mehr Freiheit ließen die Katholiken den fröhlichen Kindern dieser glücklichen Zone, die nun einmal das unglückselige Vorurtheil hatten, daß Gott ihnen diese wunderschöne Welt auch zum Genuß geboten, die nicht begreifen konnten oder wollten daß der Palmenhain ihnen nicht zum Tanzen und Lachen, sondern zum Büßen und Beten so prachtvoll aufgerichtet sei, und das Herz frevle, das auf andere Weise zu seinem Gott bete, als sie es lehrten. Der Erfolg den die Katholiken dabei schon auf den Sandwichsinseln gehabt hatte sie lange vorsichtig gemacht, und mußte ihnen jetzt die schwersten und begründetsten Befürchtungen aufdringen. Mit dem »Dublin« waren deshalb auch schon die dringendsten Aufrufe und Nothschreie an die Missionsgesellschaften in England erlassen, zuerst beim Ministerium, dann aber auch bei dem Englischen Volk Hülfe für die »Prediger in der Wüste« und ihre Gemeinden zu fordern, während bei der jetzigen entschieden feindlichen Handlung der Papisten allerdings die Hoffnung da war, daß das schwankende Ministerium eine entschiedenere Handlung den Uebergriffen Französischer Seeleute gegenüber, einnehmen würde. Hinhalten mußten sie deshalb hier vor allen Dingen die Entscheidung, die unbedingte Unterwerfung der Insulaner, aber das nicht allein, sie mußten auch Beweise, sprechende schlagende Beweise bringen, daß die Eingeborenen der Südsee das Französische Joch so sehr verabscheuten, wie sie sich nach der Englischen Mutterkirche sehnten, und daß sie bereit und entschlossen wären, wenn England die ihnen durch die Missionaire im Vertrauen auf das Englische Volk versprochene Hülfe _nicht_ senden sollte, ihr Gut und Blut und Leben einzusetzen, die Unabhängigkeit ihrer Nation sowohl wie ihrer Seelen, zu erhalten. Beides ließ sich zu gleicher Zeit durch augenblicklichen Widerstand -- nicht allein mit machtlosen Protestationen eines Consuls, sondern durch Waffengewalt, erreichen, und war das Volk nur im Stand dem Feind so lange die Stirn zu bieten, bis die Berichte seiner _Religions_kämpfe nach England gelangen konnten, so zweifelten wenige der frommen Männer daran, daß England, gerührt durch solche Anhänglichkeit an den christlichen Glauben, auch ein Machtwort sprechen und schon dadurch die Feinde ihrer Flagge wie Spreu vor dem Winde zerstieben würde. Hierbei hatten sie jedoch mit zwei nicht unbedeutenden Hindernissen zu kämpfen; zuerst mit der entsetzlichen Gleichgültigkeit der Indianer in allem was nicht zum täglichen Leben gehörte, und sie etwa gezwungen hätte irgend eine harte Arbeit zu thun, der sich ihre Theilnahmlosigkeit für die christliche Kirche paarte, und dann mit dem Mangel an Waffen, dem allerdings schon unter der Hand bedeutend abgeholfen war, aber doch jetzt nicht so ganz und auf einmal begegnet werden konnte. Das erste mochte irgend eine glückliche Gelegenheit von selber heben; der Uebermuth der Franzosen, die nirgend Widerstand fanden, und das schöne Land schon fast in Händen zu haben glaubten, gab leicht die Gelegenheit dazu, aber dem zweiten Uebelstand mußte durch andere Mittel abgeholfen werden, und diese durfte man unter keiner Bedingung länger als nöthig hinausschieben. Der nächste Ort Waffen zu bekommen war Valparaiso, nach ihm Sydney, und nach beiden Häfen hatten umsichtige Amerikaner schon vor längerer Zeit Fahrzeuge abgesandt, dort aufzukaufen was sie bekommen könnten, und so rasch als möglich damit zurückzukehren. Die Schiffe aber durfte man selbst mit dem günstigsten Winde noch nicht zurückerwarten, und es blieb dann noch immer die Frage, wie die Ladung unter den jetzigen Verhältnissen würde an Land zu bringen sein, wo die Franzosen sicherlich Alles thaten solche, und ihnen die gefährlichste, Zufuhr zu verhindern. Mr. Noughton, der Amerikanische Kaufmann, hatte aber auch noch andere Verbindungen, und wenn er sich auch nicht gerade übergern mit solchen Sachen einließ, doch zu viel kaufmännischen und speculativen Geist sich ein gutes Geschäft durch die Finger schlüpfen zu lassen, wenn er es eben dazwischen halten konnte. Er selber stand mit den Protestantischen Geistlichen auf sehr vertrautem Fuß, und durch diese auch mit den Protestantischen Häuptlingen, wie ihm denn überhaupt nichts mehr verhaßt war, als das Französische und dadurch Katholische Regiment. Daß er mit den einzelnen dort angesiedelten Franzosen auf freundschaftlichem, wenigstens gesellschaftlichem Fuße stand, war die Schuld der Handelsinteressen, die er nie aus den Augen ließ -- selbst nicht in der Kirche. Mr. Noughton war in seinem Zimmer mit dem Consul Pritchard, und der letztere ging, mit auf dem Rücken gelegten Armen, rasch und finster auf und ab, und schien ein eben gehabtes, keinenfalls angenehmes Gespräch, zu überdenken. »Und ich habe doch recht, Mr. Noughton,« sagte er endlich, vor dem Kaufmann stehn bleibend und ihm fest in's Auge sehend, »England kann und darf uns nicht in dieser Verlegenheit stecken lassen, denn nicht allein seine Interessen, nein seine _Ehre_ steht hierbei auf dem Spiel und ich habe von dem Earl von Aberdeen das _feste_ Versprechen schleuniger und entschiedener Hülfe, wenn ein gegen die bestehenden Verträge gerichteter Gewaltschritt der Franzosen ihnen nur die entfernteste Rechtfertigung vor den übrigen Staaten geben würde.« Der protestantische Geistliche und jetzige Englische Consul war ein hochgewachsener, stattlicher Mann, mit freier offener Stirn und ein paar klaren, klugen grauen Augen, aus denen jetzt ein lebendiges, reges Feuer sprühte -- sein volles Kinn war glatt rasirt und er trug nur einen halben aber starken, krausen Backenbart, und ging in Civil gekleidet, mit etwas langem, noch nach dem Geistlichen schmeckenden Rock und weißer Halsbinde und Weste. »Bah, bah, bah« sagte der Amerikaner, eine lange hagere Gestalt, an der nur die Augen Feuer zu haben schienen, kopfschüttelnd -- »wir kennen solche Redensarten -- der Earl von Aberdeen steht überhaupt in dem Ruf als ob er ein etwas Indianisches Temperament habe, das nur heute _Ruhe_ verlangt, und dem Morgen sich selber überläßt. Das sind Redensarten, mit denen wir hier nicht vom Fleck kommen, und Sie müssen bedenken daß zwischen jedem Brief von hier nach England, herüber und hinüber, immer _zehn Monat Zeit_ liegen -- ein unberechenbares Capital für den, der den Augenblick zu benützen versteht. Die Franzosen hier werden _handeln_ und die Engländer werden _protestiren_, denn beide Theile wissen recht gut, daß zwei große Nationen, mit den Gefahren eines Europäischen Umsturzes vor sich, nicht eines solchen Fleckchens Erde wegen einen Krieg anfangen können; so lange sie nur im Stande sind den Anstand nach Außen zu bewahren, können Sie sich darauf verlassen daß nichts Ernstliches zu ihrem Vortheil hier geschieht.« »England _muß_!« rief Mr. Pritchard. »Ach was, England muß nie, wenn es nicht selber will, und wenn es überhaupt _wollte_, hätte es die Sache schon gar nicht so weit brauchen kommen zu lassen. Wenn Ihnen Ihr Earl Aberdeen, statt Privatversprechungen eine Depesche für den Talbot, oder irgend ein anderes Kriegsschiff Ihrer Majestät mitgab, und das dem Französischen Cabinet zu wissen that, so müßte ich mich sehr irren, oder ~Du Petit Thouars~ kreuzte jetzt noch an der Chilenischen Küste herum, oder läge ruhig im Hafen von Valparaiso, höchstens bei den Marquesas-Inseln vor Anker. Da das nicht geschehn ist, _wollen_ die Leute auch so wenig von der Sache hören als angeht, und das Einzige was uns in dem Fall zu thun übrig bleibt, ist so viel Spektakel als möglich zu machen und sie nicht ruhen und rasten zu lassen -- vielleicht bekommen sie's dann mit der Zeit satt und schlagen zu, nur um des Friedens, um der Ruhe willen.« »Aber was können wir thun?« rief in Unmuth der Consul -- »wenn ich nicht Consul und -- Geistlicher wäre, beim Himmel, ich griffe selber zu den Waffen und stellte mich an die Spitze der Insulaner, ihnen ihr Vaterland vertheidigen zu helfen. Nie, so lange die Welt steht, so lange wir eine Geschichte haben, ist ein feigerer Einfall unter einem matteren Vorwand, auf ein friedliches, harmloses Volk geschehen und -- geduldet worden.« »Glauben Sie daß das Volk überhaupt kämpfen würde, wenn es Waffen hätte?« frug Mr. Noughton. »Ich bin überzeugt davon« erwiederte der Consul, »übrigens _sind_ Waffen auf der Insel, besonders haben die uns ergebenen Häuptlinge -- einen solchen Fall gerade nicht für unmöglich haltend -- eine ziemliche Quantität Munition, Pulver und Blei irgendwo in ihren Verstecken, in den verschiedenen Ansiedelungen -- die anderen Inseln sind sogar reichlich damit versehen.« »S--o--o« sagte Mr. Noughton, sich das Kinn streichend und die Lippen vorn etwas mehr als gewöhnlich zusammenziehend -- »in den Kisten waren wohl nicht _lauter_ Bibeln?« Mr. Pritchard setzte seinen Weg durch das Zimmer wieder fort und entgegnete gleichgültig: »Ich weiß nicht wann und auf welche Art sie hier gelandet sind -- es ist, wie ich höre, während meiner Abwesenheit geschehen, aber verdenken kann ich's den Leuten nicht, daß sie sich mit den Mitteln versehen, ihr Haus, ihren Glauben vertheidigen, wenn Beides widerrechtlicher, ja widernatürlicher Weise nicht allein mehr bedroht, nein wirklich angegriffen und ihnen entrissen werden soll. Der schwache Vogel selbst vertheidigt sein Nest gegen Schlange und Marder, und wenn uns die christliche Religion gebietet Blutvergießen zu vermeiden und lieber ein geringes Unrecht geduldig zu ertragen, so verlangt sie nicht von uns, daß wir uns feige dem Schlimmsten unterwerfen sollen. »Und der Herr sprach zu Josua: Fürchte Dich nicht und zage nicht, nimm mit Dir alles Kriegsvolk und mache Dich auf und ziehe hinauf gen Ai -- und die Bewohner von Ai fielen Alle durch die Schärfe des Schwertes, bis daß sie Alle umkamen.« »Ja das ist Alles recht schön und gut« sagte Mr. Noughton, den Zeigefinger an der Nase und nachdenkend vor sich niederschauend; »ich habe auch nicht den mindesten Zweifel daß uns der liebe Gott eine Opposition gegen den großprahlerischen Franzmann mit dem größten Vergnügen vergeben wird -- aber ich weiß nur noch nicht ob wir die Insulaner eben zum Zuschlagen bringen und -- wer bezahlt nachher die Waffen?« Mr. Pritchard biß seine Lippe und sagte nach kleiner Pause: »So viel ich weiß sind die an Land befindlichen schon bezahlt, ich wüßte wenigstens nicht wie sie sonst in den Besitz der Häuptlinge kommen sollten, und weiter sind noch keine anderen da -- warten wir bis sie kommen, das Uebrige findet sich.« »Aber ich habe eine ziemliche Quantität aufgetrieben und gewissermaßen auch schon gekauft« erwiederte Mr. Noughton, »es fragt sich nur jetzt ob _Sie_ dieselben übernehmen und weiter darüber verfügen wollen, denn aufrichtig gesagt möchte ich mit den Häuptlingen selber, die gar keine Idee von Geld und Geldeswerth haben, nicht gern ein solches Geschäft abschließen, da man überdies auch gar nicht weiß wie die ganze Sache abläuft und ob die guten Leute nachher noch überhaupt eine Cocosnuß übrig behalten, womit sie bezahlen _könnten_, selbst wenn sie ehrlich genug wären zu wollen.« »Ich kann und will, ja darf mich mit der ganzen Sache nicht einlassen« sagte Mr. Pritchard nach kurzem Besinnen kopfschüttelnd, »aber es interessirt mich natürlich die Quelle zu kennen, aus der Sie hier zu schöpfen hoffen. Ist es ein Englisches Schiff?« »Die Kitty Clover --« »Ah der Wallfischfänger -- diese Kitty hat auch Spirituosen an Land geschafft, aber ohne daß wir im Stande waren ihr auf die Finger zu klopfen, und wie ich höre waren alle Vorkehrungen dagegen getroffen; Sie müssen schlaue und mit der Küste hier sehr vertraute Leute an Bord haben.« »Der eigentliche Unterhändler lebt hier an Land« entgegnete Mr. Noughton, »aber das ist Alles Nebensache, wenn ich nur erst die Gewißheit hätte, daß es hier zu einem wirklichen Kampf käme, und die Insulaner nicht ihren _Regierungs_wechsel eben so ruhig und gleichgültig mit ansehen werden, als gestern den _Flaggen_wechsel, der sie, zu meinem Erstaunen, entsetzlich kalt ließ.« »Wenn die Franzosen Ernst mit ihrer Drohung machen« entgegnete Mr. Pritchard rasch, »und nicht eben nach dieser einfachen Demonstration wieder in See gehn, Pomare wie ihre Häuptlinge in sonst ungestörtem Besitz der Insel zu lassen, so läuft auch die förmliche Besitzergreifung, wo sie dann ja die Zügel der Regierung in die Hand nehmen und das Pabstthum proklamiren werden, nicht unblutig ab, und _ein_ Leben genommen und die ganze Insel greift mit einem Schlag zu den Waffen.« »Sie glauben also wirklich --« »Ich bin fest überzeugt davon.« -- »Nun dann kommt da unten Freund Mac Rally, der Master des Wallfischfängers draußen, gerad' apropos die Straße nieder -- he Sir!« -- und an's Fenster klopfend winkte er dem Schotten, der überdies schon die Richtung gerade nach dem Hause zu hatte, und dessen rascher Schritt bald auf der hölzernen Treppe gehört wurde. Wenige Secunden später betrat Mac Rally das Gemach und wollte sich eben nach kurzem Gruß an den Kaufmann wenden, als er die dritte Person im Zimmer sah, still schwieg und sich mit einem fragenden Blick nach dem Amerikaner umschaute. »Es ist ein Freund von mir, ein Geistlicher« sagte Mr. Noughton und winkte Mac Rally Platz zu nehmen. »Ein Missionair, so?« sagte der Seemann, Mr. Pritchard etwas mißtrauisch betrachtend, bei seinem Branntweinschmuggeln hatte er die Leute nicht eben als Freunde kennen gelernt, und er wußte nicht wie weit der anwesende gerade mit seiner nicht unbedeutenden Thätigkeit in diesem Geschäftszweig bekannt sein mochte; außerdem haßte er Missionaire. Hier galt es übrigens eine Geschäftssache, in der er wußte daß ihm der geistliche Mann nicht entgegen sein würde, und er sagte rasch: »Mit unserem Handel wird es wohl Nichts werden, Mr. Noughton -- es ist zu spät.« »Wie so?« frug der Kaufmann rasch und erschreckt -- »Sie _dürfen_ jetzt kein höheres Gebot mehr machen, denn ich habe die Bestellung fest gemacht, wie Sie recht gut wissen -- die Waffen sind _mein_.« »Und sollen die Ihrigen bleiben, mit dem größten Vergnügen,« lachte der Seemann, »wenn Sie nur wissen sie an Land zu schaffen.« »Und geht das nicht mehr auf dem gewöhnlichen Weg?« »Was für Einer ist das?« frug Mr. Pritchard -- der Seemann glaubte aber nicht eine Antwort darauf schuldig zu sein, sondern sagte achselzuckend: »Die Franzosen haben in der That Besitz von Tahiti genommen; Posten sind ausgestellt an allen Plätzen wo es nur einigermaßen möglich ist zu landen, und eben wird eine Proclamation in Tahitischer, Französischer und Englischer Sprache angeklebt, nach der, unter anderem, Boote nicht einmal mehr nach Dunkelwerden in der Bai fahren, viel weniger an Land kommen dürfen.« »Den Teufel auch« sagte Mr. Noughton, »und das müssen _Sie_ sich hier von einem Anderen _erzählen_ lassen?« Mr. Pritchard zuckte mit den Achseln und sagte leise: »Gegen rohe Gewalt hab' ich keine Macht und keine Aufträge anzustürmen; das muß der Zeit überlassen bleiben.« »Zeit« brummte der Seemann ungeduldig -- »die wird Einem dabei auch nicht gerade im Uebermaß zugemessen -- morgen muß ich in See sein.« »Und was haben Sie so zu eilen?« sagte Mr. Noughton. »Das fragen Sie den Französischen Admiral« brummte der Engländer -- »ob sie mich hier in Verdacht haben, oder ob ihnen irgend etwas verrathen ist, ich weiß es nicht, aber so viel ist gewiß, daß ich den Befehl bekommen habe was ich an Wasser und Provisionen brauche heute in Ordnung zu bringen, und morgen mit dem Landwind also etwa um neun Uhr, in See zu gehn. Das ist »kurz und süß« wie sie bei uns sagen.« »Die Franzosen thun wirklich, als ob sie hier schon die Herren wären« sagte Mr. Pritchard. »_Thun_ so, Sirrah?« rief Mac Rally -- »und verdammt gute Ursache dazu, denn sie _sind's_, so lange Sie nicht die Indianer dazu bringen können mit Macht über sie hereinzubrechen -- und damit sieht's windig aus. Hätten Sie die Leute ein Bischen weniger beten und ein Bischen mehr ihre gesunden Glieder brauchen und ihre Waffenübungen nicht ganz vernachlässigen lassen, so wären die heidnischen Spiele dem lieben Gott jetzt selber zu Hülfe gekommen; jetzt können sie weiter Nichts wie mit Bibeln drein werfen, und daran stirbt Keiner -- die Langeweile müßte sie denn wieder forttreiben.« Mr. Pritchard legte den Kopf zurück und drehte ihn zur Seite, aber er erwiederte kein Wort; Mr. Noughton ging mit ineinandergeschlagenen Armen im Zimmer auf und ab, und murmelte leise etwas vor sich hin, endlich blieb er vor Mac Rally stehn, und frug, ihn finster dabei ansehend: »Und was sagt Jim dazu?« »Jim ist ein Tollkopf« brummte der Engländer -- »ein richtiger Ire, dem nicht wohl ist wenn ihm nicht Jemand den Schädel zerschlägt, oder wenn er nicht denselben Liebesdienst Jemand Anderem erweisen kann.« »Also er meint es sei wirklich möglich sie heute Abend an Land zu schaffen?« frug Mr. Noughton schnell. »Der sagt zu Allem ja« knurrte Mac Rally. »Nun also, was haben wir denn da noch außerdem für Hindernisse?« »Er verlangt daß ich ihm die Gewehre und was dazu gehört, in wasserdichten Fässern an eine gewisse Stelle in Matawai Bai liefere und das ginge allenfalls; aber dorthin haben die verdammten Franzosen wahrhaftig auch heute Morgen eine Schildwacht gestellt, wie überhaupt an jeden Corallengang durch den mehr als ein Canoe einfahren könnte, und ich kann meine Leute nicht dazu riskiren. Wenn sie entdeckt werden, und das ist kaum anders möglich, so wird jedenfalls auf sie geschossen, oder doch der Alarm gegeben, und sie stecken mir nicht allein die Leute ein, und der ganze Transport ist verloren sondern sie -- visitiren mir auch am Ende noch das Schiff und -- das wäre mir unangenehm.« »Posten schon überall ausgestellt?« rief Noughton erstaunt, »ei dann zeigen sich die Monsieurs schon allerdings als Herren der Insel und es hat keine Gefahr mehr, daß mir die Gewehre auf dem Lager blieben -- Mac Rally Sie müssen wahrhaftig Rath schaffen; mit einer einzelnen Schildwache läßt sich am Ende auch noch sprechen.« »Sprechen, ja, aber nichts durchbringen« brummte der Wallfischfänger -- »_Sie_ haben auch Nichts dabei zu riskiren, ich aber desto mehr, und nehme da lieber die paar hundert Stück Gewehre wieder mit in See; in Huaheina oder Bola Bola find' ich, wenn auch nicht so gute Preise doch mehr Sicherheit.« »Wo müßten sie denn gelandet werden?« frug der Geistliche. »Der einzig mögliche Platz wäre Matawai Bai und zwar in der Einfahrt, in der früher ein alter Missionair wohnte, der leider Gottes gestorben ist -- jetzt sitzt ein Franzose drin -- ja zwei eigentlich, denn dicht daneben wohnt noch Einer, und außerdem hat sich der Posten gerade überhalb der beiden Häuser in eine alte, nicht mehr benutzte Hütte placirt, der, wie ich gehört habe, alle zwei Stunden von Papetee aus abgelöst werden soll, während die weiter unten befindlichen mit einem anderen, dorthin gelegten Detachement in Verbindung stehn.« »Und könnten wir nicht _unter_ oder _über_ der Vorposten-_Grenze_ landen?« frug Mr. Noughton. »Nein« sagte der Seemann, kopfschüttelnd, »erstlich nimmt das zu lange Zeit weg, und selbst das nicht einmal gerechnet, müßte ein Boot auf dem Binnenwasser und dicht am Strande hin völlig Spießruthen bei den Posten laufen, und es wäre rein unmöglich es unentdeckt an den Ort seiner Bestimmung zu bringen, während dorthin gerade die Ladung im Schatten der Riffe und später der Palmen die größte Wahrscheinlichkeit sicherer Landung für sich hat.« »Das ist das Haus wo Monsieur Delavigne wohnt« sagte Mr. Noughton -- »und sein Nachbar heißt Lefévre.« »Ich glaube das sind die Namen« brummte der Alte, »kommt aber nicht d'rauf an wie, sondern _wo_ sie getauft sind.« »Hm, hm, hm« sagte der Amerikaner, nachdenkend im Zimmer auf- und abgehend -- »ich glaube -- lassen Sie mich einmal sehn -- ich glaube Bruder Rowe hat Zutritt da im Haus --« »Wird ihm wenig helfen« meinte Mac Rally. »Kann ich einmal mit Jim sprechen?« frug Noughton, vor dem Seemann stehen bleibend. »Ich wollte selber ich könnte seiner habhaft werden« erwiederte dieser, »aber wie mir Bob, mein Zimmermann sagt, hat er alle Ursache sich nicht bei Sonnenschein zwischen den Franzosen blicken zu lassen -- es müssen alte Geschichten sein. In den Guiaven drin steht aber ein Haus, wo er zu finden sein soll.« »Bei der alten Irischen Hexe?« frug der Amerikaner. »Nein, da kommt er seit jenem Abend, wo sie ihn beinah einmal abfaßten nicht mehr hin -- 's ist nicht so weit draußen und ich kenne die Stelle -- und was sagen Sie dazu, Mr. Pritchard?« Bei Nennung des Namens drehte sich der Wallfischfänger rasch nach diesem um, der Consul aber sagte achselzuckend: »Ich kann in meiner Stellung Nichts dabei thun, Mr. Noughton, obgleich ich den Insulanern jeden Erfolg gegen ihre Feinde wünsche.« »Sie sind Consul hier in Papetee?« sagte Mac Rally. Mr. Pritchard machte eine bejahende Bewegung mit dem Kopf. »Dann werd' ich Sie bitten mir heute Nachmittag meine Papiere in Ordnung zu bringen« bat der Engländer -- »'s ist jedenfalls besser ich habe die regulirt.« »Kommen Sie nachher zu mir, ich werde es Ihnen besorgen.« »Mac Rally,« sagte Mr. Noughton, »thun Sie mir einmal den Gefallen, zu Mr. Rowe zu gehn und ihn zu bitten, mich heute Morgen, sobald er möglicher Weise kann, auf einen Augenblick zu besuchen; ich hätte etwas _sehr_ Wichtiges mit ihm zu besprechen; wollen Sie?« »Ich will gleich von hier zu ihm gehn -- und unser Geschäft?« »Sein Sie nachher um elf Uhr hier wieder im Haus. Sie können mich zu dem Haus führen, wo wir Jim O'Flannagan treffen mögen?« »Gewiß kann ich« brummte dieser, »aber es wird dann die höchste Zeit daß etwas geschieht, wenn wir's überhaupt noch ausführen wollen.« »Haben Sie Alles gepackt und in Ordnung?« »Schon seit heute Morgen um sechs Uhr.« »Gut -- überlassen Sie dann das andere mir -- und Mr. Rowe?« »Schicke ich Ihnen unter Adresse und Frachtbrief augenblicklich ins Haus -- guten Morgen Gentlemen,« und sich langsam auf seinen Hacken umdrehend, drückte er die Thür hinter sich ins Schloß, und ließ die beiden Männer allein, die sich bald darauf in eine sehr lebhafte aber mit leiser Stimme geführte Unterhaltung vertieften, in der sie erst wieder gestört wurden, als sich der ehrwürdige Mr. Rowe unten anmelden ließ. Capitel 5. Susanna. Der Admiral ~Du Petit Thouars~ hatte allerdings die Inseln der Königin Pomare, worunter er damals die beiden Gruppen der Gesellschafts- und Georgen-Inseln verstand, im wahren Sinn des Worts in Besitz genommen, und dachte, allem Anschein nach, gar nicht daran, sie, wie das vorige Mal, als es bei einer Protectoratserklärung geblieben, wieder vollkommen zu verlassen, wenigstens von Militair zu entblößen. Der Admiral suchte sich einzureden daß Pomare in ihrem Widerstand gegen ihn zu weit gegangen sei, und dem zu begegnen fiel er in denselben Fehler, der ihm freilich für den Augenblick nicht soviel Schaden bringen konnte, da er gerade der Stärkere war. Recht gut wußte er dabei daß die Insulaner, wenn nicht unnöthiger Weise gereizt, eben durch ihre Eifersucht unter sich, und bei dem Haß, den ein Theil derselben gegen die strenge Herrschaft der Missionaire hegte, nicht leicht persönlichen Widerstand leisten würden, außer, durch die Fremden, besonders die Missionaire selber angereizt und dem _vor_zuarbeiten, ehe ein förmlicher Bruch herbeigeführt werden konnte, that er natürlich Alles was in seinen Kräften stand. Die protestantischen Geistlichen wurden schon an und für sich gleich gewarnt, das Volk nicht gegen die jetzige _rechtmäßige_ Regierung aufzureizen, und außerdem noch eine Proclamation erlassen worin jeder Fremde, der _gegen_ die Französische Oberherrschaft sprechen (man sagte nicht _predigen_) würde, augenblicklich von der Insel, überhaupt aus den Gruppen zu verweisen sei; es war das ein Paragraph der die Missionaire am schwersten traf, und auch, besonders in England, von ihnen am meisten angegriffen und verdammt wurde. Ebenso vorsichtig mußten sich die Franzosen dagegen zu wahren suchen daß Waffen und Munition den Insulanern durch ihre Freunde zugeführt wurden, und eins der eben eingelaufenen Schiffe erhielt augenblicklich die Ordre die Insel zu umschiffen und verdächtige Fahrzeuge abzuweisen, während die hier liegenden Engländer, von denen man aber nur das kleine Kriegsschiff in Verdacht haben konnte, ebenfalls scharf bewacht wurden. Auch Spirituosen suchte man den Insulanern fern zu halten, sie nicht aufzureizen und zu Excessen zu treiben, die unter den jetzigen Verhältnissen leicht einen ernsten Charakter annehmen konnten, und es war deshalb auch daß die Kitty Clover, von der man ziemlich genau wußte daß sie unter der Hand Spirituosen an die Insulaner verkaufe und auch noch eine ziemliche Quantität derselben an Bord habe, Befehl erhielt die Bai am nächsten Morgen zu verlassen. Niemand vermuthete daß sie auch noch weit gefährlichere Waffen zum gelegentlichen Handel bei sich führe, die Mac Rally übrigens auch wohlweislich einer ziemlich genauen Visitation seines Schiffes, sollte dieselbe ja stattgefunden haben, aus dem Weg gesteckt hatte. Außerdem aber waren die Französischen Soldaten streng beordert die Eingeborenen freundlich zu behandeln, und ihnen strenge Strafen angedroht, wenn sie dieselben durch Erpressungen, Mißhandlungen oder sonstigen Uebermuth reizen und dadurch Anlaß zu Streitigkeiten geben würden. Den Fremden war ebenfalls ihr Eigenthum vollständig gesichert, nur sollten sie sich, wie schon erwähnt, jeder böswilligen Einwirkung auf die Insulaner enthalten, oder der Folgen dafür gewärtig sein. Auch eine Regierung hatte der jetzt allmächtige Admiral ernannt, einen Regierungsrath wenigstens aus drei Personen bestehend, Mr. Aubigny, Capitain der Corvette Ambuscade, Lieutenant Clou und Mr. Moerenhout, und die Wahl des Letzteren besonders kränkte Pomare tief, da sie wußte wie er von jeher ihr gesinnt gewesen, während die Missionaire in dem ihnen gerade feindlich gesinnten Mann einen vollständigen Beweis sahen, was sie für sich von der neuen Ordnung der Dinge zu erwarten hätten. Viel Zeit durften sie aber auch nicht verlieren, denn noch an demselben Abend lief der Französische Kriegsdampfer, der Cormorant ein, und ein dumpfes Gerücht durch die Stadt daß der ganze übrige Theil der, bis jetzt noch an den Marquesas-Inseln stationirten Flotte, ebenfalls hier eintreffen würde, den Eingeborenen zu imponiren, und ihnen zu beweisen wie fruchtlos jeder Versuch des Widerstands gegen eine so gewaltige Macht unter jeder Bedingung für sie ausfallen müßte. Die Eingeborenen fingen jetzt erst an wirklich stutzig zu werden, denn das ganze Benehmen der Fremden hatte diesmal einen weit anderen Charakter wie früher. Die ausgestellten Posten, das gelandete und ohne weiteres in einem der Pomare gehörigen Häuser untergebrachte Militair -- die Besitznahme der kleinen in der Mündung der Bai liegenden Insel Motuuta, von jeher der Königssitz und in der That Lieblingsaufenthalt der Pomaren, wo die Königin sogar ihren Knaben geboren, und wohin jetzt ohne weiteres mächtige Kanonen geschafft wurden, die gar nicht aussahen als ob sie blos für die kurze Dauer des Aufenthalts der Schiffe da liegen bleiben sollten; vor allen andern Dingen aber das jetzt plötzlich so scheue und zurückhaltende Wesen ihrer Missionaire, das sie an ihnen wahrlich nicht gewohnt waren, machte sie stutzen, und flößte ihnen zum ersten Mal die ernstliche Besorgniß ein, daß doch wohl nicht Alles so geschwind wieder vorüber gehn würde und auch nicht genau so sei, wie ihnen die frommen Lehrer bis jetzt erzählt haben mochten. Mr. Pritchard allein blieb sich, auf seine Stellung als Englischer Consul fußend, ja vielleicht trotzend, treu in dieser Zeit. So unbekümmert die Franzosen irgend etwas gegen die Religion eines fremden Staates und deren Vertreter unternahmen, und auch vielleicht unternehmen konnten, so vorsichtig mußten sie jedenfalls zu Werke gehn, wo sie es mit der Diplomatie und dadurch auch mit den Rechten desselben zu thun bekamen, und als Consul stand er, wie er recht gut wußte, unter dem direkten und unmittelbaren Schutz seines Vaterlandes. Die Eingeborenen verstanden aber diesen Charakter gar nicht; ihnen war Mr. Pritchard noch immer der Mitonare und Lehrer von früher her, nur mit mehr Autorität vielleicht als früher, da er die anderen Geistlichen oft in seinem Hause versammelte, mit ihrer Königin in stetem Verkehr stand, und dann auch durch die neue Reise noch gewaltig in ihrer Achtung gewonnen hatte. Jedenfalls kam er jetzt gerade von dem Land der Beretanis, mußte also am besten wissen was sie von dort zu hoffen hätten, und ob die Engländer Schiffe senden würden sie und ihre Religion zu unterstützen, oder ob sie auf sich selber verlassen bleiben sollten, den zahlreichen Feuerschlünden des mächtigen Feindes gegenüber. Die anderen Missionaire hatten, durch die Drohung des Admirals eingeschüchtert, nicht gewagt, eine bestimmte Antwort zu geben, und die Gläubigen auf die Bibel und den lieben Gott vertröstet, der die Seinen schützen und schirmen würde in schwerer Noth und Angst. Mr. Pritchard dagegen sprach zu ihren Herzen, und sein Ruf an sie muthig zu sein und nicht zu verzagen war mehr ein Aufruf zu den Waffen, als ein Trost. »Widerrechtlich hatten die Feranis die Flagge Pomares niedergezogen, widerrechtlich setzten sie eine Regierung ein, dem direkt ausgesprochenen Willen Englands gegenüber, daß das Land sich frei und unbelästigt des Friedens Segen und der christlichen Religion erfreuen könne. Mit Kanonen und Bayonnetten überwältigten sie ein stilles harmloses Volk und die »Baals-Priester« zogen im Lande umher, dem Feinde Seelen zu gewinnen. Er protestirte von Anfang an feierlich gegen jede Französische Autorität auf der Insel, die er unter keiner Bedingung anerkennen würde, und wahrte sich das Recht zu dem Volke zu reden und ihm zu rathen, wie es ihm gut dünke, und wie er es in seinem Amt als Englischer Consul sowohl wie Missionair vor seinem Gewissen und seiner Regierung, aber nicht vor dem Französischen Admiral zu verantworten habe.« Die Insulaner hielten sein Haus förmlich belagert, denn der Mann, wie sie erst einmal die wahre Absicht der Fremden verstanden, sprach ihnen aus der Seele, aber noch mehr -- er _ver_sprach ihnen auch Englische Hülfe von der zuerst einkommenden Englischen Fregatte, während mit dem Dublin schon die Klagen und Beschwerden sämmtlicher Missionaire nach England abgegangen waren. Es läßt sich denken daß die Französischen Autoritäten, den Protestantischen Geistlichen überdies nicht gewogen, die Aufreizungen dieses Mannes mit Aerger und Verdruß ansahen und nur durch seine officielle Stellung noch zurückgehalten wurden, etwas Ernstliches und Entschiedenes gegen ihn zu unternehmen. Dazu brauchten sie aber irgend eine gegen ihn sprechende Thatsache als Vorlage, und eine solche mußte jedenfalls erst abgewartet werden. Spione umgaben ihn dabei genug, aus seinen Reden an das Volk irgend eine, direkt zur Empörung aufreizende Aeußerung zu finden, Mr. Pritchard war aber klug genug sich keine solche Blöße zu geben, und der Zorn der Französischen Officiere gegen ihn stieg von Stunde zu Stunde. René beschloß indessen sich von jeder Betheiligung an den politischen Ereignissen vollkommen entfernt zu halten; er mochte natürlich nicht gegen seine Landsleute kämpfen, so sehr er auch fühlte daß den Eingeborenen hier unrecht geschah, und natürlich noch viel weniger diesen feindlich entgegentreten, mit denen er durch sein Weib in so nahe und freundliche Beziehung gekommen war. Je mehr er aber über sein künftiges Leben auf den Inseln nachdachte, desto mehr fühlte er sich davon überzeugt, wie er solcher Art, und gewissermaßen zwischen zwei Feuern, in Papetee jedenfalls eine höchst unangenehme, ja gefährliche Stellung für die Zukunft einnehmen müsse, denn von beiden Partheien wäre er, wenn er es mit keiner offen hielt, auch rettungslos verdächtigt worden. -- Er wollte Papetee -- Tahiti verlassen und drüben in Atiu, in der stillen Zurückgezogenheit seines häuslichen Glücks konnte er bald die Welt um sich her vergessen -- verachten. Sorge um seinen Lebensunterhalt brauchte er nicht zu haben, Gott hatte den Tisch der Eingeborenen dort mit seinen reichsten Gaben überdeckt -- ein fröhliches, gutmüthiges Volk bewohnte die Insel, und mit Sadie an seiner Seite -- Und Susanna? -- Fort mit dem Gedanken an sie -- an Alles was sie umgab, gerade hier lag die Gefahr für ihn, für sein häusliches Glück, und er fühlte recht gut selber wie er zu schwach, viel zu schwach sei, den immer aufs Neue auf ihn eindrängenden Verführungen lange widerstehn zu können. Er liebte Sadie aus tiefster innerster Seele, und dennoch hatte er den Zauber, die Gewalt die diese Liebe über ihn ausüben sollte, überschätzt -- dennoch fühlte er, wie er jetzt _flüchten_ müsse mit ihr, sich selber zu entgehn und seiner Leidenschaft; flüchten, einer Gefahr auszuweichen, die drohend über ihrem Glücke hing, und in dem Gefühl lag das Bewußtsein seiner Schwäche; gewaltiger noch daß er nicht wagte es sich selber zu gestehn, gefährlicher für ihn, daß er je geglaubt hatte es besiegen zu können, ja selbst jetzt noch sich selber damit täuschen wolle daß er nach freiem Willen handle. Schon an diesem Tag begann er seine, jedoch eben nicht so bedeutenden Vorbereitungen, Tahiti zu verlassen, und Sadie sah den Eifer mit dem er es betrieb und dankte ihm in ihrem Herzen dafür. Glücklicher fast als der Gedanke ihr liebes, freundliches Atiu nun bald wieder zu sehn, es nie mehr zu verlassen, machte sie das Bewußtsein des Gatten Liebe noch zu besitzen und sich in jener furchtbaren Stunde -- so entsetzlich ihr selbst jetzt noch die Erinnerung daran war -- getäuscht zu haben. Er konnte jenes fremde schöne Mädchen nicht lieben, hätte er sonst so geeilt aus ihrer Nähe zu kommen? und daß es ihn gerade zurück nach Atiu zog, war ihr ja der Bürge für ihr schönstes Glück -- für den Frieden ihrer Seele. Wie weh that es ihr jetzt daß Aumama nicht bei ihr geblieben war, Zeuge ihres Glücks zu sein; das wilde Mädchen hatte sich aber nicht länger halten lassen und war noch lange vor Abend schon in ihrem Canoe allein nach Taiarabu aufgebrochen, dort bei der Schwester zu bleiben; ja vielleicht -- sie hatte ihr zornig klopfendes Herz fest festhalten müssen, als sie der Freundin die Worte zuflüsterte in denen ihr ganzes Elend lag -- dort, dort noch einmal dem treulosen Gatten zu begegnen, und Rechenschaft von ihm zu fordern, für ein mißhandeltes, zertretenes Leben. Arme Aumama. René hatte sich von der Mission einen kleinen Cutter zu verschaffen gewußt, seine Sachen und was er sich an Bequemlichkeiten auf der Insel angekauft, gleich mit einem Mal nach ihrem alten Wohnplatz hinübertransportiren zu können, und derselbe wurde schon an dem nämlichen Nachmittag, ein Beweis wie es ihm Ernst war um seinen Vorsatz, von Papetee herüber und an seine Landung geschafft, wo er ruhig und vollkommen vor Wind und Wetter geschützt, vor Anker liegen konnte, bis er im Stande war seine Geschäfte hier so weit als möglich zu reguliren und sich einzuschiffen. Niemand freute sich mehr darüber als der Mitonare Ezra, der sich augenblicklich zum Passagier anbot, und nebenbei noch versprach die Mannschaft vollständig aufzutreiben. Mehr wie drei Leute gebrauchten sie ohnedies nicht, da René ja selber Seemann genug war das wenige an Bord solch kleinen Fahrzeugs, wenn ja einmal Noth an Mann sein sollte mit verrichten und besser verrichten zu können, wie die Insulaner selber. Mitonare erhielt da die erste Botschaft, nach der Stadt, zu dem ehrwürdigen Mr. Rowe zu kommen, und René bekam ebenfalls eine Einladung von dem jetzt Befehlenden auf Papetee, Gouverneur Bruat, ihn zu besuchen, da er sich nach Manchem bei ihm zu erkundigen wünsche. Die Botschaft beunruhigte ihn im Anfang -- sollte etwa wegen der Flagge Nachforschung gehalten sein? -- aber lieber Gott, da hätten sie ihm dieselbe, wenn er wirklich verrathen wäre, einfach wieder abfordern lassen; das Tuch hatte weiter keine Bedeutung, sobald es einmal von der Stange herunter war. Oder das Duell? -- es war nicht wahrscheinlich daß solche Sache in solcher Zeit zur Untersuchung kommen sollte; und überdies hatten beide Theile darin gehandelt wie es den nun einmal bestehenden Gesetzen der Ehre entsprach, denen sie sich fügen mußten. Es half ihm Nichts daß er sich den Kopf darüber zerbrach, und gegen Abend -- er war auf vier Uhr Nachmittag nach Papetee beordert worden -- folgte er der Aufforderung des Gouverneurs. Es handelte sich dabei übrigens weder um Flagge noch Duell; im Gegentheil war Mr. Bruat ungemein freundlich mit dem jungen Mann, dessen Schicksale er sich, wie er ihm versicherte, habe erzählen lassen, und um ihm zu beweisen wie er sich für ihn interessire, wünsche er ihn an sich und Papetee zu fesseln, und bot ihm, da er ja schon überdies früher in der Französischen Armee als Officier gedient, eine gleiche Stellung in Papetee, unabhängig von den Schiffen und mit gesichertem Aufenthalt auf den Inseln. René begriff recht gut, daß er dies Anerbieten weniger seinen Verdiensten als der vermutheten Verbindung verdanke, in der er, durch seinen längeren Aufenthalt hier wie seine Heirath, mit den Eingeborenen stand. Das Abenteuer mit dem Missionair war ebenfalls, wenn auch nicht laut ausgesprochen, doch ruchbar geworden, und es fehlte den Franzosen gerade in diesem Augenblick besonders an Leuten, die ihren Interessen so ergeben, als denen der Missionaire entgegen wären, und doch dabei eine etwas freundlichere Vermittlung zwischen den beiden so schroff abstoßenden Elementen, den Eingeborenen der Insel und den Eroberern derselben, bieten könnten. Das wäre aber auch jedenfalls der Weg gewesen sich den Insulanern vollkommen zu entfremden, und er lehnte die ihm gebotene Stellung auf das artigste und mit der Versicherung größter Dankbarkeit für das ihm bewiesene Zutrauen, aber auch entschieden ab. Monsieur Bruat schien etwas pikirt darüber; er hatte wohl keinenfalls eine so ganz definitive Weigerung erwartet, René beharrte aber fest darauf und wurde endlich mit einer zwar artigen aber sehr kalten Verbeugung entlassen. * * * * * In Mons. Belards Hause, in dem kleinen traulichen Stübchen der Madame Belard, saß diese an ihrer Arbeit, hinter den niedergelassenen Jalousien, die eine angenehme Kühle in dem freundlichen Gemach verbreiteten, während Susanna vor dem Instrument in leisen, wehmüthigen Akkorden und mit halbgeschlossenen Augen ihrer Phantasie, ihren Gedanken freien und ungestörten Lauf ließ. »Lieber Gott, Susanna,« sagte Madame Belard endlich, ihre Nadel ruhen lassend und zu der Freundin aufschauend -- »Du bist entsetzlich langweilig heute, und spielst Melodieen daß man immer glaubt es sollte Jemand zum Richtplatz geführt werden. Was um Gottes Willen steckt Dir im Kopf, was hast Du, was fehlt Dir? -- heraus mit der Sprache, Mädchen, aber quäle mir die Molltöne nicht auf solch grausame, unbarmherzige Art.« »Ich? -- Nichts -- was soll mir fehlen?« sagte Susanna. »Ja das frag' ich Dich -- etwas _ist_ mit Dir, denn Du bist wie ausgewechselt gegen sonst.« »Unsinn« lachte Susanna, die vollen Locken aus der Stirn werfend, und zu einer lebendigern Weise übergehend -- es war die Marseillaise. »Ach damit hast Du gestern Abend Monsieur Delavigne vertrieben« lachte Madame Belard -- »wie rasch er aufsprang und fortstürzte. Wir hätten uns heute doch einmal sollen nach ihm erkundigen lassen, wie ihm die Aufregung gestern bekommen und ob er sein Haus glücklich erreicht hat.« Susanna erwiederte Nichts darauf, hatte aber die Marseillaise schon wieder fallen lassen, und praeludirte eines ihrer kleinen melancholischen Creolenlieder aus Louisiana, als Schritte aus dem Vorsaal gehört wurden und Mons. Belard gleich darauf die Thür öffnete und hereinschaute. »Ist Delavigne hier gewesen?« frug er die Damen. »Monsieur Delavigne? nein,« rief seine Frau und Susanna hörte auf zu spielen und sah sich nach ihm um -- »ist er wieder in der Stadt?« »Hat er Euch denn noch Nichts gesagt?« frug der Gatte aber jetzt, sie etwas erstaunt ansehend und ganz ins Zimmer tretend, »wißt Ihr noch Nichts?« »Wir? -- was ist denn?« rief Madame Belard erschreckt, »um Gottes Willen -- aber wenn er selber in der Stadt war -- ist ihm denn zu Hause etwas passirt -- seinem Weib?« »Ah Papperlapapp,« sagte Mons. Belard lachend, und ging zu einem kleinen Eckschrank den er dort zu seinem eigenen Gebrauch stehen hatte, sich ein Glas Brandy und Wasser einzuschenken, »da soll bei Euch immer gleich was passirt sein; der Frau wird auch was zustoßen, die Indianerinnen haben eine zähe Natur und sind nicht gleich immer umgeworfen wie andere Leute. Wenn ich noch einmal zu heirathen hätte, ich wüßte auch was ich thäte.« »Bitte, Monsieur, geniren Sie sich nicht« bat Madame Belard etwas beleidigt und mit kalter Höflichkeit -- »ich möchte Ihrem weiteren Glück nicht gern im Wege stehn.« »Aber was ist vorgefallen?« frug auch jetzt Susanna, mit größerem Interesse als sie bis jetzt gezeigt, »bringen Sie uns eine angenehme oder unangenehme Neuigkeit?« »Nun ich weiß gerade nicht« sagte Mons. Belard die Mischung von Wasser und Brandy erst einen Augenblick gegen das Licht haltend und dann, wie mit der Farbe zufrieden, auf einem Zug leerend -- »angenehm ist sie gerade nicht -- wenigstens nicht für Sie Beide, und mir selber thut es auch leid, obgleich sich die Sache nun einmal nicht ändern läßt und des Menschen Wille sein Himmelreich ist. Wenn's ihm nicht länger bei uns gefällt, kann ihn natürlich keine Seele halten.« »Mons. Delavigne will fort von hier? -- aber wohin?« riefen die beiden Damen, wie fast aus einem Munde. »Soviel ich verstanden habe, nach Atiu zurück, wo er hergekommen« lautete die Antwort. »So wird er dorthin wohl sein Geschäft verlegen wollen.« »Nein das ist ja eben der Unsinn« rief der Kaufmann ärgerlich, »das dacht' ich mir auch im Anfang, denn darin wäre ein Sinn, aber wie mir jetzt scheint, läuft die ganze Geschichte auf irgend einen romantischen Schwindel hinaus, und wenn das wirklich der Fall wäre, sollt' er mir leid thun, denn keine zwei Monat hält er's drüben mit seiner Paradies-Comödie aus. Er will sein ganzes Geschäft förmlich mit der Wurzel herausreißen und wegwerfen, und sich drüben hinsetzen und Brodfrucht und Tarowurzel essen mit Madame Sadie. Das klingt wohl recht schön, ist aber nur leider unausführbar -- er müßte denn eben kein Franzose -- kein civilisirter Mensch sein, dessen ganze Existenz, er mag sich darüber äußerlich vorlügen soviel er will, doch mit all seinen tausend Seelenfasern an dem alten gewohnten Leben hängt und nicht losgerissen werden _kann_.« »Aber ist denn vielleicht hier irgend etwas vorgefallen?« sagte Madame Belard -- »hat er hier Unannehmlichkeiten gehabt, die ihn vielleicht dazu treiben?« »Doch nicht etwa mit der Regierung?« frug Susanna rasch, die unwillkürlich und mit leiser Angst der so keck eroberten Flagge gedachte. »Nicht daß ich wüßte« brummte Mons. Belard -- »im Gegentheil scheint ihm der Gouverneur wohl gewogen gewesen zu sein, denn wie mir Delavigne selber sagt hat er ein Anerbieten von dorther gehabt -- ein Anerbieten einer festen gesicherten Stellung, wenn er es allenfalls nun überdrüssig gewesen wäre Handel zu treiben; aber auch das hat er von der Hand gewiesen. Er ist rein toll -- oder blind.« »Und wann will er fort?« sagte Mad. Belard. »Morgen schon, soviel ich weiß, wenn er alle seine Siebensachen packen und zu Schiff bringen kann -- er hat einen kleinen Cutter gemiethet, der schon bei seinem Hause liegt. Nein die Sache ist Ernst und nicht nur eine flüchtige Idee; ein Schlag aus reinem Himmel, denn gestern, wo ihn Brouard auf der Straße traf, wußte er noch kein Wort davon. Aber ich muß wieder fort -- er kommt jedenfalls noch zu Euch hierher heute, Adieu zu sagen, und wenn ich nicht da sein sollte, bitte gieb ihm dies Papier hier, Marie; ich habe ihm versprochen, es hierher für ihn zu legen, vielleicht komm ich nachher noch einmal herüber.« Und mit kurzem Gruß verließ er das Zimmer wieder. Die Frauen saßen noch schweigend, und in tiefem Nachdenken, als Mons. Belard schon lange das Zimmer verlassen hatte, und Susanna berührte wieder leise die Tasten in weichen, kaum hörbaren Akkorden. »Merkwürdig« brach Madame Belard endlich das Schweigen -- »etwas _muß_ da vorgefallen sein, was ihn kann zu diesem wunderbar raschen Entschluß getrieben haben -- gestern Abend schon sein eigenthümliches Betragen.« »Du sprichst von Mons. Delavigne?« sagte Susanna, ohne die Freundin anzusehn. Madame Belard schaute rasch nach ihr um, ließ ihr Auge einen Moment auf ihr ruhen und sagte dann leise: »Ja.« »Die Männer sind wunderliches Volk« sagte die Schöne -- »er wird sich mit seiner Sadie wieder in einen Palmenhain zurückziehn, und von der Welt -- in ihren Armen träumen.« Madame Belard schüttelte traurig mit dem Kopf und sagte ernst: »Das ist nicht Alles wie es sein sollte -- hätte er den Entschluß langsam und mit reiflicher Ueberlegung gefaßt, so würde es mich recht von Herzen, in tiefster Seele gefreut haben.« »Wie so?« frug Susanna rasch. »Weil mich Sadie, das arme liebe Mädchen, in einer Welt hier in die sie nicht gehört, in die sie nicht paßt, recht von Herzen dauert. Es ist ein liebes engelgutes Kind, und _verdiente_ glücklich zu sein -- und wird es nie werden« setzte sie recht tief aufseufzend hinzu. »Warum nicht glücklich?« sagte Susanna gleichgültig, der Stimme wenigstens den Ausdruck gebend, »so viel ich von dem Leben dieser Insulanerinnen gesehen habe, verlangen sie es, wissen sie es gar nicht besser, als daß sich ein Europäer, Franzose oder Engländer ist ihnen ziemlich gleich, um sie bewirbt und -- die Dauer seines Aufenthalts vielleicht -- bei ihnen bleibt; kehrt er in seine Heimath zurück fällt es ihm natürlich nicht ein eine farbige Frau mitzunehmen.« »In der Regel, ja --« sagte Madame Belard -- »leider Gottes handeln die Männer hier leichtsinnig genug in dieser Hinsicht, und haben schon manches arme Herz gebrochen, selbst unter den ungebildetsten der Insulaner -- das Herz kehrt sich ja nun doch einmal nicht an Sitte und Gebrauch.« »Sie sehn mir nicht aus, als ob ihre Herzen so leicht brechen könnten« entgegnete Susanna etwas kalt. »Doch, doch« sagte leise Madame Belard, »und Sadie ist gar nicht wie ein Kind dieser Inseln erzogen -- nur die Farbe, das Aussehn, und das Freie, Natürliche ihrer Bewegungen verkünden sie als ein Kind des Korallenbodens; der alte Mr. Osborne, der hier auf Tahiti starb, hat sie wie eine Tochter gehalten, unterrichtet und ihr damit Gutes thun wollen, aber ich fürchte fast, statt dessen einen schlimmen Dienst erwiesen. Nicht Indianerin, nicht Europäerin muß sie für das Leben ihres Vaterlandes verloren sein, nie wenigstens würde sie sich, wozu sie doch Gott bei ihrer Geburt bestimmte, an der Seite eines gewöhnlichen ungebildeten faulen Indianers glücklich fühlen können -- und ich fürchte, sie wird _nicht_ im Stande sein, den jetzt geliebten Mann auf immer an sich zu fesseln.« »Und verlangst Du von Delavigne daß er sein Leben auf jenem Atiu verträumen -- diese monotonen Inseln mit ihren ewigen Palmen und Brodfruchtbäumen nie wieder verlassen soll?« rief Susanna in ihrem Spiel aufhörend und sich rasch und fast heftig nach der Freundin umdrehend. »Verlangen?« sagte diese achselzuckend -- »ich verlange von einem Mann vor allen Dingen daß er seine Schwüre hält, es ist das wenigste _was_ man verlangen kann, und doch unendlich viel, und thut das Delavigne, so kann er die Inseln nur verlassen, wenn er die Indianerin _als sein Weib_ mit hinüber in das alte Vaterland nimmt.« »Um dort der Kinder Spott zu werden« rief Susanna rasch. »Er hat das Alles voraus gewußt,« sagte Marie Belard, »Sadie ist übrigens ein wunderhübsches Weibchen.« »Und wie lange wird das dauern?« frug Susanna, »in sechs Jahren, in fünf vielleicht schon, ist die Blüthenzeit dieser Kinder der Tropen vorüber und _die_ Zeit muß ihm vorschweben, wenn er an ein späteres Leben in den civilisirten Städten der alten oder neuen Welt zurückdenkt. Ja in der neuen könnte er nicht einmal jetzt mit ihr existiren, wo sich jede anständige Familie in New-York sowohl wie New-Orleans von ihm zurückziehn würde, um nur nicht in den Verdacht zu kommen mit _schwarzem_ Blute Umgang zu haben.« »Aber Susanna, in Virginien rühmen sich die ältesten Geschlechter von der Königstochter Pokahontas abzustammen« sagte Madame Belard. Susanna zuckte die Achseln. »Ja, sie zum Ahn zu haben lassen sie gelten« sagte sie, »aber frag einmal eine der dortigen Familien, ob sie _jetzt_ einem ihrer Söhne gestatten würden die Ehre ihrer Geschlechter durch Indianisches Blut zu _beflecken_. Das Vorurtheil, wenn es überhaupt ein Vorurtheil genannt werden kann, wo es sich um etwas unseren Naturen total widerstrebendes handelt, besteht nun einmal und wir Einzelne können es nicht ändern -- Uebrigens sind die hier geschlossenen Ehen« fügte sie mit weit leiserer Stimme etwas zögernd hinzu, »wie man überall hört, ja keineswegs so bindend, und sollen sogar schon in ihrer Formel eine Art Vorbehalt auf ziemlich willkürliche Scheidung wieder enthalten.« »Die meisten, ja, leider Gottes« sagte Madame Belard -- »die leichtsinnigen Mädchen der Inseln würden selbst die Formel nicht verlangen, hielten die Missionaire nicht darauf, bei etwas, das sie doch nun einmal nicht verhindern können, wenigstens so viel als möglich den Anstand zu wahren. Bei den meisten ist auch wirklich nichts weiter geschehn; manche aber vollziehen wirkliche Ehen, so vollständig in ihrer Ceremonie als bei uns und -- ich sollte denken -- auch ebenso bindend. Wahrscheinlich ist dasselbe auch mit Sadie und Delavigne der Fall; Sadie ist die Pflegetochter eines Geistlichen, und von ihm erzogen und getraut; der würdige Mann wird nicht daran gedacht haben eine andere als vollgültige Ehe zwischen den Beiden zu schließen. Ueberdies bliebe sich das auch gleich, das todte Wort was dabei gesprochen wird kann nur gesetzlich binden, und zwar an Stellen wo das Gesetz die Kraft und Ausdehnung hat, hier wo jedes Canoe den Mann aus dem Bereich desselben bringen kann, ist das _eigene_ Wort, das eigene Herz das einzige worauf man wirklich trauen kann, und ich will zu Sadies Bestem hoffen, daß Delavigne dem fest und treu zu eigen bleibt.« »Und glaubst Du wirklich daß er sein Leben solcher Art hier beschließen wird?« frug Susanna -- »Marie denke Dir er ist vielleicht fünf oder sechs und zwanzig Jahr alt, und soll jetzt _aufhören_ zu leben -- ist das wahrscheinlich?« »Aufhören zu leben -- mit der Frau die er liebt an seiner Seite, mit seinem Kind?« frug Madame Belard dagegen, »er kann das nicht gut »aufhören zu leben« nennen, was, wie er mich oft versichert, das höchste und schönste Ziel seines Lebens gewesen; -- es wäre zu traurig für die arme Sadie; und doch _fürchte_ ich fast das wilde ungestüme Wesen des Mannes wird sich nicht in die engen festen Banden eines solchen Lebens, auf die Länge der Zeit wenigstens, einschnüren lassen. _Ihr_ Beiden hättet besser zusammen gepaßt.« Susanna lachte, aber sie wandte rasch den Kopf und begann wieder, und zwar mit raschen kräftigen Griffen die Marseillaise zu spielen, während Mad. Belard an das Fenster trat und hinausschaute. Die Thür öffnete sich leise und René erschien auf der Schwelle -- keine der Frauen hatte ihn in den rauschenden Tönen des kriegerischen Liedes kommen hören, und mehre Minuten lang stand er schweigend die Blicke fast wehmüthig auf die holde Jungfrau am Instrument geheftet die, den Lauscher nicht ahnend das Lied schloß und wieder über zu den weicheren seelenvollen Melodieen kleiner, spanischer, Lieder ging, wie sie dieselben daheim an den Ufern des Mississippi oft und oft gehört. Eine Weile spielte sie so fort und dann endlich, wie den Gedanken des Liedes folgend das sie begonnen, fiel sie mit ihrer weichen klangvollen Stimme leise ein. Die Halme wehn gedankenschwer Auf jener Wiese drüben, Sie sagen wohl einander nur Daß sie sich innig lieben; Ich aber liege einsam hier Und schaue in die Höhe -- Ach daß mich Niemand lieben will Ist ja mein einzig Wehe. »Ein trauriges Lied« seufzte Madame Belard und drehte sich nach der Freundin um, stieß aber unwillkürlich einen leisen Schrei aus, als sie den, mit dem sie sich eben in wirklich traurigen Bildern beschäftigt, bleich und ernst vor sich stehen sah. Susanna schaute rasch auf den Ruf um, und während ihr das Blut in die Wangen schoß, stand sie auf und verließ das Instrument. »Sie haben uns belauscht« sagte sie und ihr Auge haftete so fest auf dem seinen, als ob sie die Gedanken lesen wollte, ehe ihnen die Lippen Worte geliehn. »Den Dichter wenigstens« entgegnete René, ihrem Blick begegnend -- »den armen Dichter, dem als er das Lied schrieb, wohl recht weich und weh muß um's Herz gewesen sein. Sie sollten freundlichere Lieder singen, Miß Lewis, vor Ihnen liegt das Leben noch frei und offen in all seiner Pracht und Herrlichkeit -- es wäre Sünde wenn Sie gerade, vor tausend Anderen, solchen traurigen Lamentationen Raum geben wollten. Doch -- sein Sie mir nicht böse daß ich Sie gestört habe -- ich will ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen -- ich komme Ihnen Adieu zu sagen.« »Sie wollen fort?« sagte Susanna leise. »Hoffentlich Morgen« erwiederte René mit einem Lächeln wenigstens, wenn es auch ein gezwungenes war. »Der Entschluß muß Ihnen über Nacht gekommen sein« rief Madame Belard -- »gestern Abend wußten Sie noch kein Wort davon.« »Ich habe mich allerdings erst gestern dazu entschlossen.« »Mein Mann hat uns schon auf die schmerzliche Nachricht vorbereitet, lieber Delavigne -- auch hier ein Papier für Sie hergelegt, falls er Sie wirklich nicht noch -- einmal sehn sollte -- es thut uns recht, recht leid Sie von hier verlieren zu müssen.« »Madame Belard« sagte René und seine Stimme zitterte. »Aber warum haben Sie Ihre Frau nicht mit herübergebracht, soll ich sie nicht wiedersehn?« »Sie werden sie entschuldigen müssen« sagte René das Papier mit einer dankenden Verbeugung an sich nehmend, das ihm die junge Frau reichte -- »Sadie hat jetzt so viel mit Packen zu thun und -- es ist besser so vielleicht -- ich selber wollte brieflich von Ihnen Abschied nehmen« setzte er dann nach einer kurzen Pause hinzu, »aber meine Geschäfte zwangen mich die Stadt noch einmal aufzusuchen und -- da konnte ich es doch nicht übers Herz bringen, so ganz vorbei zu gehn.« »Wir hätten Ihnen das im Leben nicht verziehen« rief Madame Belard schnell -- »aber kommen Sie, bleiben Sie nicht mit der Klinke in der Hand da stehn und setzen Sie sich zu uns -- es ist ja das letzte Mal vielleicht für eine lange Zeit. Nehmen Sie den Stuhl da, neben Susannen. Sie haben auch recht eigentlich, daß Sie den politischen Wirren aus dem Wege gehn; besonders in ihren Verhältnissen hätten Sie es doch am Ende manchmal nicht vermeiden können, mit einer oder der anderen Parthei in Collision zu kommen, und hat sich erst Alles wieder regulirt, sind Sie ja noch immer Ihr freier Herr.« »Die politischen Verhältnisse kümmern mich wenig« sagte René -- »ich kann den Gewaltstreich meiner Landsleute, den sie jetzt durch spitzfindige Rechtsclauseln zu beschönigen suchen, einem schwachen harmlosen Volke gegenüber nicht billigen, und habe mich schon auf der anderen Seite auch zu sehr über das Treiben und Wesen der fanatischen Missionaire geärgert, diesen wieder das Wort zu reden; ich würde mich also weder der einen noch der anderen Parthei angeschlossen haben. Wahr ist übrigens daß man bei solcher Gelegenheit nicht immer seine Neutralität, selbst bei den besten Vorsätzen, vollständig behaupten _kann_, und in sofern wäre es allerdings gut selbst der Möglichkeit einer Collision entrückt zu sein. Den Eingeborenen ist übrigens jede Hoffnung genommen, sich gegen die Uebermacht vertheidigen zu können, denn eben ist noch ein neuer Französischer Kriegs-Dampfer, wenn ich nicht irre der Salamander, signalisirt worden.« »Der Salamander lag nach den letzten Nachrichten in Havre,« rief Madame Belard rasch, »dann kommt er auch direkt von Frankreich und bringt uns Briefe aus der Heimath.« »Aus der Heimath« sagte René leise -- »es ist doch ein wunderbares Wort -- ich hätte nie geglaubt daß solch ein Zauber darin liegen könnte -- aber -- ich habe Sie wieder in Ihrem Spiel gestört, Miß Lewis -- Sie werden wahrlich erst ungestört spielen können, wenn ich fort bin.« »Wir haben mitsammen geplaudert, und nur in Gedanken setzte ich mich an's Clavier,« sagte Susanna, in einem Buche blätternd das neben ihr lag, den Kopf von René abgewandt. »Und was hört man draußen im Land über unsere Zustände hier?« frug Madame Belard -- »Sie wohnen doch außer der Stadt, glauben Sie daß sich die Eingeborenen ohne Weiteres den Französischen Befehlen fügen werden?« »Gott weiß was sie thun« sagte René -- »soviel ist gewiß, daß die Regierung jetzt mehr den Einfluß der Missionaire, besonders des Englischen Consuls, als irgend etwas anderes zu fürchten scheint, und nur wohl auf einen wirklichen Grund wartet, ernstlich gegen ihn einzuschreiten.« »Dieser Mr. Pritchard hat etwas recht anständiges nobles in seinem ganzen Wesen« sagte die junge Frau -- »ich hätte ihn gar nicht für einen Missionair gehalten.« »Er ist es auch wohl nur noch in dem Einfluß, den er auf die Eingeborenen ausübt -- ich bin übrigens kein Freund dieser Herren, und froh besonders meine Frau aus ihrem Bereich entfernen zu können. Diese tollen Schwärmereien immer mit anzuhören ist zum Verzweifeln, und wenn irgend etwas auf der Welt, das wahrhaftig könnte mich rasend genug machen, lieber wieder an Bord eines Wallfischfängers zu springen, ehe ich einem schleichenden, tödtenden Bekehrungsversuch entgegenginge.« Susanna lächelte und sagte mit leisem Kopfschütteln: »Der Rückfall ist bei Ihnen nicht zu fürchten -- seit Sie den Frack wieder getragen, und die Glacéhandschuh haben Sie sich den Geschmack an dem romantischen Leben der Wallfischfahrt jedenfalls verdorben.« »Sie können mir den Frack noch immer nicht vergessen,« lachte René, rasch und willig in den lebendigeren Ton des Mädchens eingehend. »Es war das erste was mir, mit dem Bewußtsein Ihrer Geschichte, an Ihnen in die Augen sprang« sagte schelmisch das Mädchen, »und ich malte mir Ihr Doppelbild da gar lebendig aus. Der Eindruck hat sich bei mir auch nicht wieder verwischen lassen.« »Das also war der erste Eindruck den meine Erscheinung auf Sie hervorgebracht,« lachte René, »Frack und Glacéhandschuh -- wieder ein Beweis für eine Beobachtung die ich von je gemacht, daß Frauen selten im Stande sind ein richtiges unbefangenes Urtheil über eine, ihnen zum ersten Mal aufstoßende Physionomie oder Persönlichkeit zu fällen.« »Ei Sie grober Mensch« rief Madame Belard rasch, »wie können Sie etwas derartiges in Gegenwart von zwei Damen behaupten, noch dazu da Sie auf alle Beide vielleicht einen günstigen Eindruck gemacht haben. Der erste Eindruck ist gerade bei mir der wichtigste und entscheidendste, denn das Auge ist dabei kein Diener des Verstandes sondern des Herzens. Viele Leute wollen behaupten daß der Kopf, der kalte Verstand für das Herz denken und handeln müsse, und dabei alle Hände voll zu thun habe, aber hierbei findet gerade das Gegentheil statt. Wie oft z. B. geschieht es, daß wir fremde Menschen mit dem ersten Blick schon lieb gewinnen und uns von anderen eben so abgestoßen fühlen. Die Einen haben uns noch Nichts zu Lieb, die Anderen noch Nichts zu Leid gethan, aber das Herz streckt seine Fühlfäden aus, und was der nüchterne Verstand in Monaten vielleicht nicht herausbekommen, und sich dann am Ende doch noch getäuscht hätte, das sagt uns das Herz mit einem Schlag, und wie selten ist es daß es sich irrt.« »Sie _hätten_ recht,« erwiederte René, »wenn Ihr erster Blick eben ein unpartheiischer wäre, der gleich die Züge des fremden, zum ersten Mal begegneten Menschen trifft, aber der erste Blick gehört bei Ihnen stets den _Kleidern_ des oder der Fremden, der zweite hat dann schon aufgehört unbefangen zu sein -- eine falsch gewählte Farbe, eine veraltete Mode sprach das Urtheil vorher.« »Und ich will Ihnen beweisen daß sie unrecht haben« rief Susanna wärmer werdend -- »schon nach dem ersten Blick auf einen Menschen sag' ich Ihnen was er für Augen, was für Zähne hat.« »Augen und Zähne« erwiederte René achselzuckend -- »das Gesicht also abermals wieder nur als Kleidungsstück betrachtet.« »Etwas spricht für Ihre Behauptung« sagte Madame Belard etwas pikirt -- »daß wir armen Frauen so oft von Euch Männern betrogen werden -- vielleicht haben Sie doch recht, und dieser Kleiderblick ist unser Fluch. Ich habe nicht geglaubt daß Sie so boshaft sein könnten.« »Herr Delavigne will uns die Trennung leichter machen« sagte Susanna, wirklich fast böse über die etwas herbe Bemerkung. »Gott verhüte daß ich Sie kränken sollte« fiel ihr René rasch ins Wort -- »zürnen Sie mir nicht, mir ist der Kopf wirr und toll seit heute Morgen, und der Gedanke Tahiti -- so viele liebe Freunde zu verlassen, noch zu neu, zu fremd -- zu ungewohnt. Aber ich muß auch fort; es dunkelt schon und ich habe noch Einiges in der Stadt zu besorgen, was vor dem Abendschuß abgethan sein muß.« »Also wirklich fort?« sagte Madame Belard. »Ich kann nicht anders« seufzte René und fuhr dann leiser und ihre Hand ergreifend fort, »ich lasse viele liebe Freunde hier zurück -- werden auch Sie manchmal meiner gedenken?« »Wir wollen keinen großen Abschied von einander nehmen, Delavigne« sagte die kleine Frau bewegt, mit Willen und Anstrengung aber die Bewegung niederkämpfend -- »Sie gehn nicht aus der Welt, und werden manchmal hier herüber kommen; es ist ja das Schönste was wir haben auf der Welt, liebe, uns theuere Freunde wieder zu sehn, deren Bild, auf dem dunklen Hintergrund der Trennung nur so viel schärfer und reiner in unserer Seele bleibt. Gehn Sie mit Gott, grüßen Sie mir Ihr Weibchen und -- mögen Sie das finden was Sie suchen.« Ihm rasch ihre Hand entziehend, denn sie hatte den jungen Mann durch sein offenes herzliches Wesen wirklich lieb gewonnen, und er sollte die Thränen nicht sehn die ihr ins Auge stiegen -- verließ sie rasch das Zimmer. Susanna machte eine Bewegung als ob sie ihr folgen wollte, besann sich aber und blieb an dem Instrument stehen, auf das sie sich mit der linken Hand stützte. »Miß Lewis« sagte René leise -- »ich glaube nicht daß wir uns wiedersehn werden --« »Ich habe Sie ja noch eigentlich gar nicht entlassen,« unterbrach ihn die Jungfrau, gewaltsam gegen ein Gefühl ankämpfend, dem sie nicht Worte geben mochte und konnte; aber, ohne daß sie eigentlich wußte warum, einen ernsten Abschied fürchtend, fuhr sie, in den leichten Ton übergehend, freilich in gezwungener Fröhlichkeit fort -- »Sie haben sich mir auf Gnade und Ungnade ergeben und müßten mich jedenfalls erst um Urlaub bitten. Wissen Sie wohl daß mir der Preis bekannt ist, den mein Vater auf Ihr Wiedereinbringen gesetzt hatte, und soll ich Sie jetzt so ohne Weiteres entlassen?« »Ueben Sie Gnade vor Recht Mademoiselle« bat aber René leise und ernst -- nicht im Stande in diesem Augenblick auf den leichten, scherzenden Ton einzugehn -- »üben Sie Gnade meinet- -- Gnade eines anderen Wesens wegen.« »Ich verstehe Sie nicht« sagte Susanna rasch, »aber ich sehe wohl ein, mir armem schwachen Mädchen wird das nicht gelingen, was der Delaware mit seiner ganzen Mannschaft umsonst versuchte -- Sie zu halten. -- Und was soll ich meinem Vater sagen?« »Sagen Sie ihm,« rief René jetzt, kaum im Stande das gewaltsam zu Tag brechende Gefühl nieder zu kämpfen -- »sagen Sie ihm -- daß ihn die Tochter hart und schwer gerächt. Und nun -- leben Sie wohl, recht wohl und -- glücklich.« Ihre Hand dabei ergreifend preßte er sie fest an seine Lippen und sprang dann mit flüchtigen Sätzen die Treppe hinunter und aus dem Haus. »René!« wollte Susanna rufen, aber die Zunge versagte ihr den Dienst -- die Worte erstarben ihr auf den Lippen, und die Hand fest und krampfhaft auf ihr Herz gepreßt, floh sie auf ihr Zimmer, und schloß hinter sich die Thür mit dem Riegel. Capitel 6. Jim O'Flannagan in Thätigkeit. Die Sonne war am Untergehn, die einbrechende und hier dem Verschwinden des Taggestirns fast augenblicklich folgende und eben so rasch in wirkliche Nacht übergehende Dämmerung verkündete es wenigstens, denn dichte Wolkenschleier lagen über dem Horizont, und breiteten, reckten sich höher und höher, eine stürmische Nacht versprechend in dem sich wieder erhebenden Westwind, der jedesmal fast seine Gewalt mißbraucht, wenn er den ruhigen und vernünftigen Ostpassat einmal zu verdrängen gewußt hat, auf kurze Zeit. Sadie war in ihrem Haus allein mit dem Kind, und selbst der Mitonare Ezra, der ihr fest versprochen hatte recht früh zurückzukehren und ihr noch mit manchem zu helfen in Packen und Zurechtstellen, nicht gekommen. Auch René blieb heute so entsetzlich lange aus -- aber er hatte noch viel zu thun in der Stadt. Lieber Gott der Entschluß war ja so plötzlich, so überraschend schnell gefaßt worden, sie konnte sich leicht denken wie schwer es da sein mußte Alles zu ordnen was er zurückließ, und daß er das nicht in ein oder zwei Stunden vollbringen könne. Bald, ach bald war ja das nun Alles überstanden; nach Atiu -- o wie sie der Gedanke mit Glück und Seligkeit erfüllte -- nach Atiu, nach ihrem lieben lieben Atiu -- und wie ihr die Palmen da entgegenwinken würden und die stillen Blumen die sie gepflegt und gehegt; und das Lieblingsplätzchen am freundlichen Strand, von den Lüften gegrüßt, von den Riffen umbraust, der stille theuere Ort, mit der Erinnerung ihrer Jugend -- ihrer Liebe -- o es war als ob ihr das Herz springen müsse vor lauter Seligkeit, wenn sie der frohen Rückkehr gedachte nach ihrem Atiu. Aber wo blieben die Männer? -- auch Mata-oti war draußen und kehrte, trotz mehrmaligem Rufen nicht wieder; das Wetter zog dabei höher und höher herauf -- und gerade heute ließ man sie so allein. Doch draußen -- das waren Schritte -- die Gartenthür hatte geknarrt, und gleich darauf betrat mit etwas eiligem Joranna der kleine Bruder Ezra das Zimmer; sie konnte ihn in der jetzt vollkommen eingebrochenen Dämmerung, ja Nacht, kaum noch erkennen. »Joranna Sadie, Joranna,« sagte er und trocknete sich den Schweiß von der Stirn die er, aus den engen Frackärmeln heraus, mit den kurzen dicken eingezwängten Armen kaum erreichen konnte -- »René ist noch nicht zurück?« »Nein, Mitonare, aber er muß bald kommen, und es freut mich nur daß wenigstens Einer von Euch da ist -- es ist gar so unheimlich hier so ganz allein zu sein, mit dem leeren und öden Haus Lefévres dicht daneben -- ich weiß nicht jene leeren Räume haben etwas Todtes Unheimliches für mich.« »Ist Bruder Aue hier gewesen?« frug Mitonare leise. »Mr. Rowe? wie kommst Du auf den?« rief Sadie erstaunt, »nein.« »Pst« sagte Bruder Ezra und sah sich scheu um und dann setzte er sich auf einen Stuhl, stützte die Ellbogen auf die Lehnen, faltete die Hände und jagte, starr vor sich niedersehend, die Daumen umeinander herum. Sadie wurde es unbehaglich in dem dunklen Zimmer und sie zündete die Lampe an die auf dem Tisch stand. Es war indeß vollkommen dunkel geworden, und der Wind hob sich heftiger und schleuderte die Brandung an die gegenüberliegenden Riffbänke mit immer dumpferem Brausen. »Aber was hast Du nur, Mitonare?« rief Sadie endlich, vor ihn tretend und ihn bestürzt ansehend -- »Du siehst aus, als ob irgend etwas vorgefallen. Ist ein Unglück geschehn? -- Heiliger Gott, René -- wo ist René --« »Pst -- pst« sagte aber der Mitonare eifrig mit der Hand winkend, und schloß die Augen dabei, schob die beiden außerdem schon etwas dicken Lippen vor, und schüttelte aus Leibeskräften mit dem Kopf -- »pst, pst Pu-de-ni-a -- nicht solchen Spektakel machen -- haben Schildwache dicht bei --« »Aber René --« »Unsinn, Unsinn, der Wi-Wi läuft, so viel ich von ihm weiß ganz gesund und munter in der Stadt herum und trinkt seinen Freunden den Wein aus, zum Abschied -- Mitonare hat ihn in drei Häusern gesehn, auf die Art« sagte Bruder Ezra, ergriff Sadiens Hand und streichelte sie, die arme Frau zu beruhigen -- »Tolle Gedanken die sich Pudenia macht um den Wi-Wi -- bah -- ist wie Guiave, nicht auszurotten; stecke heute einzigen Apfel in die Erde habe im anderen Jahr ganzen Wald.« »Aber weshalb fragst Du nach Mr. Rowe -- der Mann erscheint mir nur immer vor Sorge und Trübsal und großer Noth -- was soll er hier, heute noch hier wollen? und wenn ihn René hier fände, gäb' es vielleicht harte Worte zwischen den Männern. Gott wolle es verhüten.« »Aber ich begegnete ihm doch draußen am Thor -- er verließ den Garten, wie ich kam -- war er nicht hier im Haus?« Sadie faltete die Hände und sah erschreckt zu dem Mitonare auf. »Er kam aus _unserem_ Garten?« frug sie leise -- »doch ich bin ein thörichtes Kind,« setzte sie rascher hinzu, »mir da Sorge und Kummer zu machen, vielleicht um Nichts. Es hat heut den ganzen Nachmittag fast ein fremdes Canoe an unserer Landung gelegen und zwei Männer, die darin gekommen, waren an Land. Vielleicht daß ihm das gehörte und er danach sehen wollte vor dem einbrechenden Sturm.« »Und ist das Canoe wieder fort?« frug Bruder Ezra. »Oh wohl vor einer Stunde, aber ein Einzelner hat es nur zurückgerudert.« Mitonare stand auf, trat in die Thür und schaute einige Minuten still und schweigend hinaus in die Nacht. »Haben die Wi-Wis mehr Soldaten als den einen da unten unter dem Pandanusdach, wo das Feuer ist?« frug er endlich, sich wieder umdrehend, als er eine ganze Zeitlang nach der Richtung hinausgesehen hatte. »Es waren drei oder vier da, heute Nachmittag« sagte Sadie, »aber sie trieben sich meist oben an der Straße herum, wo Tanui der alte Lootse mit seinen Töchtern wohnt.« »Ahem, ahem« nickte der kleine Mann, und strich sich das Kinn mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand; langsam aber auf- und abgehend im Zimmer murmelte er dann leise vor sich hin -- »es ist doch eine böse Geschichte, böse, böse Geschichte.« Sadie, die von den Worten nichts verstehen konnte, sah ihm, immer noch nicht vollkommen beruhigt zu, und horchte ängstlich dabei hinaus, denn ihr scharfes Ohr hatte einen Laut entdeckt der vom Wasser herüber zu dringen schien. Es war indeß so dunkel geworden, daß man die Hand kaum vor Augen erkennen konnte. »Was war das?« sagte sie leise -- »war das nicht als ob ein Canoe dort unten landete -- ich dächte ich hätte eine Stimme gehört. René wird doch nicht in dem Wetter zu Wasser kommen?« »Unsinn« sagte Bruder Ezra, rasch mit dem Kopf schüttelnd und die Thür zumachend -- »wahrscheinlich ist es der Mann in seinem Cutter -- Cutter liegt ja da gleich vor Anker. Wird nachsehn ob Alles in Richtigkeit ist, wenn das Wetter vielleicht noch ordentlich losbricht.« »Dort draußen geht Jemand« rief aber Sadie, die nichtsdestoweniger ihre Sinne zum Aeußersten angestrengt hatte, den geringsten Laut zu erlauschen -- »das ist René.« »Possen,« sagte der kleine Mann und suchte sie von der Thüre fortzuziehn, aber deutlich hörten sie in diesem Augenblick schwere Tritte dicht unter ihrem Fenster hingehn, und es war als ob Jemand da unten flüstere. »Heiliger Gott, was geht da vor?« sagte aber Sadie, sich entschlossen von der Hand des kleinen Mitonare befreiend -- »was hast Du, Mitonare -- Du glühst und zitterst selber; welch Geheimniß birgt die Nacht da draußen?« »Pu-de-ni-a -- es ist Nichts -- ist nicht viel« sagte der kleine braune Missionair und fing an sich vor lauter Verlegenheit bald an seinem Frack, bald an seinen unteren Kleidern zu zupfen -- gute Freunde von -- keine guten Freunde von Wi-Wis -- aber nicht von _unserem_ Wi-Wi« setzte er rasch hinzu -- »wollen sich -- wollen sich was in die Berge tragen, daß ihnen der Wi-Wi die Berge nicht auch wegnehmen kann.« »Was in die Berge tragen? -- wie versteh' ich das?« frug die Frau erstaunt -- »geschieht da etwas gegen die Gesetze?« »Nicht gegen das dicke Buch!« rief Mitonare schnell -- »im Gegentheil, das steht Alles darin; wir haben heute die ganze Geschichte abgelesen -- ist Alles vorgeschrieben drinn.« »Wer hat es abgelesen?« flüsterte Sadie leise. »Bruder Aue und noch viele andere Männer.« Die Frau schauderte in sich zusammen, sie wußte selber kaum warum, aber die Angst um das was da draußen vorgehe, ließ ihr auch keine Ruhe im Haus drinn, und sie schritt der Thüre zu, diese wieder zu öffnen. Mitonare verhinderte sie daran. »Nein, nein Pu-de-ni-a« sagte er rasch -- »nicht hinaussehn jetzt -- brauchen gar nichts mit zu thun zu haben und was davon zu wissen wenn Wi-Wi fragen. Sind im Haus gewesen und haben Nichts gesehen, wie sie Gewehre in die Berge tragen.« »Gewehre?« frug Sadie rasch und erschreckt -- »Waffen für die Eingebornen?« Mitonare schüttelte erst wieder rasch mit dem Kopf, dann aber sich doch besinnend daß er nicht geradezu, als besonders abgeschickter Mitonare, eine auffällige Lüge sagen könne und dürfe, hielt er mit Schütteln plötzlich ein, sah Sadie einen Augenblick an und nickte dann eben so kräftig, und mit den Augen dazu verschmitzt blinzelnd, mit dem Kopf. »Und weiß René davon?« frug die Frau. »Der Wi-Wi?« lachte aber Mitonare schon über einen solchen Gedanken gerad hinaus -- »der Wi-Wi soll was davon wissen? aber Pu-de-ni-a -- Nein das ist gerad das Komische -- nehmen es durch sein eigen Haus und er weiß _nicht_!« »Aber wenn er jetzt dazu käme und den Alarm gäbe?« frug die Frau, ängstlich die Möglichkeit bedenkend daß René die Hand nicht dazu bieten würde, seine eigenen Landsleute zu bekriegen. »Bah, bah« lachte aber der Mitonare still in sich hinein -- »der Wi-Wi kommt jetzt nicht, gute Freunde haben dafür gesorgt -- haben ihn eingeladen bis zehn Uhr -- nachher Alles vorbei -- kann nachher kommen und sehn wie sie durch den Garten gelaufen sind. Sollen wir die Leute in den Bergen ohne Gewehre lassen?« setzte er dann entschieden hinzu, als er sah wie die Frau unschlüssig ihm gegenüber stand und dem Geräusch draußen horchte -- »sollen sie Nichts haben womit sie die Bibel, ei womit sie ihren eigenen Brodfruchtbaum vertheidigen können, wenn fremde unverschämte Männer über das Wasser kommen und Brodfrucht mit Baum und Garten und Umgegend gleich dazu nehmen? -- Bah -- soviel für die Wi-Wis -- sind ein paar gute darunter ja -- aber nicht viel; Kanaka muß was in der Hand haben womit er sich wehren kann, sonst ziehen sie ihm die Matten unter dem Rücken fort.« Und er hatte recht. Sadie selber, so sehr sie das auch vor dem Gatten zu verbergen suchte, fühlte tief im Herzen die ihrem Vaterland widerfahrene Schmach, ja begriff vielleicht mehr als irgend Einer ihrer Landsleute, wie gedemüthigt ihr Volk in den Augen aller anderen Nationen dastehen müsse, wenn es keinen Arm hebe, die erhaltene Beschimpfung zu rächen, und gleichgültig und feige seine Flagge in den Staub treten lasse. Seine _Flagge_? ein eignes, unsagbar schmerzliches Gefühl durchzuckte sie, als sie der Tahitischen Flagge, als sie jener Stunde gedachte, und nicht den Muth hatte sie gehabt, René danach zu fragen. Aber der Augenblick nahm ihre Aufmerksamkeit zu sehr in Anspruch, jetzt gerade vergangener Zeit gedenken zu können, und mit der Angst um René, was er thun, was er sagen würde wenn er erführe was hier geschehn, mischte sich auch wieder ein eignes stolzes, ja frohes Gefühl, daß die Tahitischen Männer nicht feige die Speere fortwerfen und in die Berge fliehen, sondern dem Feind, der ihr theuerstes Besitzthum angriff, herzhaft die Stirne bieten wollten. Und der Erfolg? -- sie seufzte wenn sie daran dachte, aber die Berge waren steil, die Schluchten der Insel eng, das Uferland im Verhältniß schmal und dicht zum Strand gedrängt; ein Haufen entschlossener Männer, nur einigermaßen gut bewaffnet, konnte da schon einem weit zahlreicheren Feinde die Spitze bieten. -- Aber Blut -- Blut sollte in diesen Thälern fließen, in denen der Friede Gottes seit langen, langen Jahren ungestört geherrscht, und so im Recht die Ihren waren, ihr Vaterland zu vertheidigen, und wenn es das Leben Tausender koste, so weh und unheimlich war ihr das Gefühl dabei, jetzt selber an der Schwelle zu stehn, von der Blut und Verderben ausgehen mußte für so Viele. Und der Mitonare, der stille friedliche kleine Mitonare, der sonst in seiner Bibel studirt, die Welt weiter nicht kannte, ihr Nichts bot, von ihr Nichts verlangte, als das Versprechen einstiger Seligkeit, und _die_ selber fürchtete, wenn er sich Männer wie Bruder Aue und manche Andere dabei als leitende herrschende Wesen dachte -- den kleinen friedlichen Mann jetzt dabei betheiligt zu sehn Mordgewehre in stiller Nacht in die Berge zu schaffen, dem Aufruhr gegen offene Gewalt die Hand zu bieten -- sie konnte es nicht fassen, nicht begreifen. »Aber Mitonare« sagte sie tief aufseufzend, denn ein eigenthümliches ängstliches Gefühl beklemmte ihr die Brust -- »wenn die Männer zu den Waffen greifen, haben sie recht -- die jungen Leute eines Stammes haben ihr Vaterland zu vertheidigen, denn Gott hat es ihnen gegeben als einen Platz ihn anzubeten und Gutes darauf zu thun, und wird es ihnen entrissen, so können sie die ihnen auferlegten Pflichten nicht mehr so vollständig erfüllen. Anders ist es jedoch mit den _Lehrern_ eines Volks, mit denen, die Gottes Wort, das Wort des Friedens und der Liebe selber verkündigt haben, und noch verkündigen wollen; dürfen diese das Schwert auffassen und in den Kampf ziehn oder selbst die Waffen dem Bruder in die Hand drücken und sagen: Da, gehe hin und erschlage die, die Dich angegriffen haben? -- ach Mitonare, ich bin vielleicht nur eine thörichte Frau, die sich mit unnützen, falschen Scrupeln und Befürchtungen quält, aber mir ist doch so gar weh zu Muth, und ich weiß nicht ob Du recht thust, auch nur um etwas derartiges zu wissen. Vater Osborne hätte das nie gethan, und Christus hat nicht gewollt daß wir unsere Religion mit der Schärfe des Schwertes vertheidigen sollten.« »Zu Christus sind auch keine Wi-Wis gekommen und haben ihm das Land weggenommen,« rief der Mitonare schnell -- »Religion -- ja das ist Alles recht schön und gut -- Religion ist ein sehr gutes Ding, wenn man aber keinen Platz hat wo man sich hinsetzen und beten kann, hilft Einem auch die Religion Nichts.« Sadie blickte erstaunt, erschreckt ihn an -- sprach das der kleine gottesfürchtige Mitonare aus früherer Zeit, und waren nur wenige Jahre im Stande gewesen, eine so merkwürdige gewaltige Veränderung mit seinem ganzen Wesen und Charakter vorzunehmen? »Mi-to-na-re!« rief sie bittend. »Ja Pu-de-ni-a, gutes Kind« sagte der kleine Mann gerührt, denn in dem einen Wort lag die ganze alte Liebe und Zärtlichkeit früherer Zeit -- »Pudenia ist sehr gutes Kind, Mitonare ist aber anders geworden. Der alte Mann auf Atiu, mit dem weißen Bart sagte freilich man würde nicht anders, man würde nur klug, wenn man das Alles einsähe, und das ist auch wohl vielleicht recht hübsch und nothwendig -- aber glücklich wird man nun einmal nicht dabei.« »Und wir _waren_ glücklich auf Atiu« sagte Sadie, in stiller Wehmuth seine Hand ergreifend. »Ja« flüsterte der kleine Mann plötzlich und ein anderer Geist kam wieder über ihn -- »recht glücklich waren wir -- bis die Wi-Wis kamen -- nicht der Eine, Pu-de-ni-a aber die Anderen -- bis die anderen Priester kamen und uns sagten daß wir unsere alten Götter umsonst verworfen und uns dem neuen Gotte zugewendet hätten, bis sie uns sagten daß wir auch ohne das hätten selig werden können, und nun nur beten müßten, recht viel beten, unsere Eltern aus dem heißen Platz, aus dem Fegefeuer, herauszuholen. Da wurden wir irr zuletzt, da wußte man nicht mehr welcher Pfad der rechte sei, und wenn uns alte Gewohnheit auch wieder in alten Weg zurückgeführt hatte -- es ist doch nicht mehr so wie früher, wir sind älter geworden und -- ha -- was war das? -- Jemand ist an der Thüre.« »Das wird René sein« rief Sadie. Die Klinke draußen wurde versucht. »Sadie -- öffne schnell! ich bin es,« rief in dem Augenblick der junge Franzose vor der Pforte, die Mitonares vorsichtige Hand verriegelt hatte. »Segne mich« sagte aber Bruder Ezra erschreckt, während Sadie rasch hinzusprang dem Gatten zu öffnen -- »warum kommt er nicht oben herein von der Straße -- er muß sie gesehn haben.« »Was geht hier vor?« rief aber in diesem Augenblick René, sein Weib und den Mitonare, die Beide bestürzt vor ihm standen, erstaunt ansehend. »Was sind das für Leute hier im Garten und was tragen sie?« »Was für Leute?« frug Mitonare, in einer noch unbestimmten Absicht dem Wi-Wi die ganze Geschichte geradezu wegzuleugnen. »Was für Leute?« wiederholte René erstaunt -- »habt Ihr denn Nichts gehört und dicht unter dem Fenster hier huschten die Gestalten vorbei? -- wo ist mein Gewehr? ich muß sehn was hier vorgeht; die Wache von nebenan wird auch gleich hier sein.« »Die Wache?« rief Bruder Ezra erschreckt -- »was weiß sie von hier?« »Einer der Soldaten kam mit herüber und sprang rasch zurück als wir die verdächtigen Gestalten bemerkten, den Alarm zu geben.« »Alle Wetter!« rief aber der Mitonare, und in die Thür springend hielt er die hohlen Hände an den Mund, und stieß einen zwar nicht sehr lauten, aber doch weithin schallenden und ganz eigenthümlichen Schrei aus. »Was zum Teufel, Mitonare!« schrie aber René auf ihn zuspringend und ihn zurückziehend -- »was soll das heißen?« Der kleine Bruder Ezra leistete jedoch nicht den mindesten Widerstand; er schien Alles ausgeführt zu haben was er wollte, und setzte sich jetzt nur dicht zum Fenster auf einen dort stehenden niederen Schemel -- mit den hohen Stühlen konnte er sich nie befreunden und horchte, das Ohr an das Fenster gedrückt, still und aufmerksam nach außen, als ob er irgend einen Erfolg hier ruhig abzuwarten gedenke. * * * * * René hatte Belards Haus in einer Stimmung verlassen, die ihn gleichgültig gegen die Bahn machte die er einschlug, und eine halbe Stunde wohl schritt er mit fest verschränkten Armen in der dunklen und jetzt fast menschenleeren Broomroad, die mitten durch die Stadt führte, auf und ab. Die kühle Nachtluft, die mit dem frisch einsetzenden Westwind herüberwehte, scheuchte das Fieber endlich von seiner Stirn und machte ihn freier, ruhiger athmen. Er fühlte sich von einer Last befreit die ihn bis dahin gequält und zu erdrücken gedroht hatte, und mit dem Bewußtsein Alles gethan zu haben was in seinen Kräften stand, kehrte auch Ruhe und Frieden in sein Herz zurück. Das höher und höher steigende Wetter machte ihn endlich darauf aufmerksam, daß er die eigene Heimath suchen müsse, wenn er nicht von dem Sturm, den meist ein tüchtiger Regen begleitete, überrascht werden wollte. Auch Sadie hatte noch so Manches heut' Abend zu thun, und sorgte und ängstigte sich gewiß, wenn er länger ausblieb. Rasch, mit dem Gedanken, wandte er sich und trat den Heimweg an; es war dicht vor dem Abendschuß, und als er die Brücke erreichte, die schon eine ziemliche Strecke außerhalb der Stadt, unterhalb Papetee über einen breiten jetzt aber seichten Bergstrom führte, hörte er wie eine Gruppe von Eingeborenen im eifrigen Gespräch dort zusammenstand und jedenfalls etwas höchst Wichtiges oder doch wenigstens Interessantes mitsammen verhandelte, denn sie stritten laut und heftig aufeinander ein, und René konnte schon von Weitem hören daß ihre Debatte dem Betragen einzelner ihrer Häuptlinge, vorzüglich Paofai und Hitoti gelte, die wie es schien eine, den Insulanischen Interessen ganz entgegengesetzte Richtung eingeschlagen, und sich der Französischen Parthei zugewandt hatten. Das Für und Wider wurde hier besonders debattirt und ganz vorzüglich ob es die Männer aus Eigennutz oder, wie Andre behaupteten, dem Einfluß der Mitonare's entgegenzuarbeiten, gethan haben möchten. Alle waren aber einig darüber daß es eine Schande für Tahiti sei und die frommen Mitonare's sehr kränken würde, die sich mit solcher Aufopferung um ihr Seelenheil bemüht. Dann kamen Zornesreden auf die Wi-Wis -- Andeutungen über sie herzufallen, wenn der heutige Streich gelänge, und noch manche andere dunkle Worte die René, als er am Beginn der Brücke stehn geblieben war den Stimmen zu lauschen, nicht genau verstand -- in der That auch nicht verstehen wollte. Ihm lag jetzt mehr als je daran, den für ihn so fatalen Wirren in deren Mitte er gerade stand, zu entgehn, und die Brücke betretend, schritt er rasch darüber hin sein Haus zu erreichen. Wie sein Fuß aber auf das Holz der Brücke trat, denn auf dem weichen Grasboden vorher hatte man seine Schritte nicht so leicht hören können, war die Unterhandlung drüben zwischen den Eingeborenen wie mit einem Schlage abgeschnitten; kein Laut ließ sich mehr vernehmen, und so überraschend schnell kam das Schweigen, daß René wirklich einen Augenblick zaudernd stehen blieb und hinüber horchte. »An meinem besohlten Schritt auf den Planken haben sie gehört daß ich ein Europäer bin« dachte er aber auch zu gleicher Zeit -- »sie werden fürchten, behorcht zu sein und sich in das Dickicht gedrückt haben. Meinetwegen, ich wäre der Letzte der sie verrathen möchte,« und ohne selbst weiter an die Leute zu denken, noch sich nach ihnen umzuschauen, schritt er rasch über die ziemlich roh aufgeführte und sehr schmale, mehr stegartige Brücke hinüber, und erreichte eben die andere Seite der Uferbank, als er etwas neben sich regen sah, und sich auch in demselben Augenblick von vier kräftigen Männern gefaßt und umspannt fühlte. Widerstand war, wie er gleich fühlte, unmöglich, denn er vermochte keinen Arm zu rühren, sein erster Gedanke aber auch, daß hier ein Versehen statt gefunden habe und er für einen anderen der Französischen Officiere vielleicht gehalten wäre. An dem verwundeten Arm aber, an dem sie ihn so unsanft gepackt, thaten sie ihm weh und er sagte deshalb, vollkommen ruhig, und zu dem gewandt der ihn dort hielt, auf Tahitisch: »Hab Acht Freund, Du drückst mich an der Schulter und ich habe dort eine noch nicht ganz vernarbte Wunde -- laß mich los, wir können ruhig mit einander reden.« »Aber nicht ganz los« sagte der Eine, die Stimme war René jedoch fremd. »Und warum nicht?« frug er dagegen, während der, der ihn an der verwundeten Schulter gehalten, diese frei gab und seinen Arm nur noch unten leise hielt -- »was habt Ihr gegen _mich_? -- es ist doch wohl nur ein Versehen, daß Ihr _mich_ gerade angefallen habt.« »Versehen? -- vielleicht« sagte der Eine vorsichtig -- »nicht viel zu sehen hier überhaupt -- wie heißt Du?« »René Delavigne, und wohne schon über Jahr und Tag hier in Mativai Bai unten am Strand in dem kleinen Häuschen, das Vater O-no-so-no früher bewohnte.« »Ist Alles in Ordnung« sagte ein Anderer der Leute. »Nun dann laßt mich wenigstens los, was wollt Ihr von mir?« »Müssen Dich erst noch sprechen -- komm herein in das Haus hier -- thun Dir Nichts« sagte der Erste wieder. »Ich fürchte Euch nicht,« entgegnete trotzig der junge Franzose, »habe aber keine Lust mich von Euch hinschleppen zu lassen, wohin es Euch beliebt.« »Bist Du ein Freund von Kanaka?« frug ein Dritter jetzt, der bis dahin noch nicht gesprochen. »Wenn ich's _nicht_ wäre hätte ich schon um Hülfe gerufen, und Euch den Französischen Posten auf den Leib gezogen, der kaum zweihundert Schritt von hier entfernt auf der Straße liegt« entgegnete mürrisch René. »Hm, wenn das lauter Beweis ist« lautete die etwas mißachtende Antwort -- »Schreien kann man einem Menschen wehren. Nein, komm mit uns hier zum nächsten Haus -- gleich am Wasser dran -- wollen was mit Dir sprechen.« »Heut' Abend nicht, Freunde, ich habe Geschäfte die mich eilig nach Hause rufen« sagte René ausweichend. »Deshalb gerade« lachte der erste Sprecher -- »komm Freund, Du _mußt_ -- weißt Du, dann kann man nicht anders.« »Da hast Du recht, Kamerad« erwiederte René, jetzt auch lächelnd über den praktischen Humor des Eingeborenen. Er sah auch wohl daß ihn keine Gefahr bedrohe, denn hätte man ihm etwas zu Leide thun wollen, wäre hier ein eben so guter Platz dazu gewesen, als irgendwo anders -- aber _was_ wollte man von ihm? -- »Gut« sagte er nach kurzem Ueberlegen -- »ich will Euch folgen, aber dann müßt Ihr mir auch versprechen, daß Ihr mich ungehindert wieder gehen laßt; ich habe mein Weib allein zu Hause und muß zu ihr.« »Maitai, maitai« riefen die Eingeborenen rasch und freudig, da sie sahen daß der Gefangene ihnen die Sache so leicht und bequem machte -- »soll Dir Nichts geschehn, Freund -- blos warten ein Bischen blos warten« -- und ihn führend, ohne aber für jetzt seine Arme noch frei zu geben, gingen sie mit ihm über die Straße hinüber und am Bach hinauf, wo etwa, zweihundert Schritt von der Brücke entfernt, ein kleines Dorf tief versteckt zwischen Fruchtbäumen und Palmen lag. René folgte vollkommen geduldig, aus dem einzigen Grund aber nur, weil er eins seiner Terzerole, gut geladen, in der Brusttasche trug, und sich das Spiel nicht selber durch unzeitige Widersetzlichkeit verderben wollte. So, anscheinend als gute Freunde, konnte er seine Zeit abwarten, und bekam er erst einmal den rechten Arm nur auf wenige Secunden frei, daß er zu seiner Waffe gelangen konnte, dann ließ sich eher mit den Leuten sprechen. Eine Absicht hatten sie jedenfalls ihn hier aufzuhalten, und eine ihm günstige konnte es auch nicht sein, also je eher er sich wieder frei machte, desto besser. Rasch vorwärts schreitend hatten sie jetzt das erste Haus erreicht, und die Thür öffnend, trat der Erste der Eingeborenen zurück, ließ René's Arm los und bat ihn hinein zu gehn -- er habe Nichts für sich zu fürchten. »Ich fürchte auch Nichts, Kamerad« sagte der junge Mann, seinen rechten Arm ausstreckend, den Sehnen wieder freies Spiel zu geben und die Hand dann, wie nachlässig in den vorn halb zugeknöpften Rock schiebend, »aber ich möchte Dich auch bitten mich jetzt wieder frei zu lassen, und da etwas aus dem Weg zu gehn, sonst --« und er riß das Terzerol, das er in demselben Augenblick spannte, aus der Tasche und hielt es dem Eingeborenen entgegen -- »möcht' ich genöthigt sein, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben.« »Ah?« sagte der Insulaner ruhig, während sich die Andern etwas scheu hinter ihn zurückzogen, er selber aber, ohne eine Miene zu verziehen, in der Thür stehen blieb und auf das Terzerol sah -- »hast Du so was auch in der Tasche? -- hätten eigentlich nachsehen sollen, denken aber immer nicht an die kleinen Dinger; aber schadet Nichts -- schießt Du mich, sind drei andere da, schneiden Dir Hals ab und werfen Dich in's Wasser.« »Du nimmst's kaltblütig« lachte René mit einem Blick den inneren Raum der Hütte überfliegend. Am andern Ende derselben saßen fünf oder sechs Frauen und Mädchen um eine hellflackernde Cocosölflamme, dort aber konnte er keine Thür weiter erkennen, nur eine einzige starke Bambuswand umzog das Haus, und er sah recht gut ein daß hier nur ein rasches entschiedenes Auftreten ihn retten oder sein Schicksal entscheiden konnte. »Du hast recht Kamerad -- es könnte mir nicht viel helfen, wenn ich Dir eine Kugel durch den Kopf jagte -- drei Andere wären noch da mich aufzuhalten -- aber _Dir_ eben auch nicht. Ihr habt mich in aller Stille hier aufgehoben und hierhergebracht, jedes auffällige Geräusch zu vermeiden; ich aber verlange jetzt augenblicklich von Euch daß Ihr mir sagt was Ihr von mir wollt _oder_ -- ich gebrauche doch hier diese Waffe, die mit donnerndem Mund durch die Nacht spricht und jedenfalls Hülfe herbeiholt von meinen Landsleuten. Also was soll ich hier? und weshalb habt Ihr mich hierher gebracht?« Die Insulaner, die keck vielleicht der Gefahr der Waffe getrotzt, hatten in der That nicht an den Spektakel gedacht, den das kleine Ding machen würde, und den sie noch dazu mit von weit größerem Geschütz herrührend verwechselten; jedenfalls mußte ihnen diese Drohung wichtiger als die erste dünken, denn sie unterhielten sich rasch und eifrig miteinander, ohne dabei jedoch ihren Gefangenen aus den Augen zu lassen. »Du willst nicht bei uns bleiben?« frug der Eine ihn jetzt. »Gutwillig nicht -- Ihr sagt mir denn sonst weshalb.« Wieder steckten sie die Köpfe zusammen und die leise und flüsternd geführte Berathung war eigentlich von größerer Wichtigkeit für René, als er ihr vielleicht zutrauen mochte, denn es handelte sich dabei in der That um nichts Geringeres, als sein Leben. Die angeborene Gutmüthigkeit der Stämme aber -- vielleicht auch die Vorsicht die sie bis jetzt auffällig mit den Franzosen beobachtet hatten und die sie scheu einen direkten Beginn der Feindseligkeiten vermeiden ließ, weil sie wohl fühlten wie sie auf einem Punkt standen, wo der erste Schlag, der erste vergossene Blutstropfen das Signal zu einem Kampf werden mußte auf Leben und Tod, schien hier zu René's Gunsten zu sprechen. »Wir wollen Dir kein Leides thun« sagte der eine Insulaner, der Einzige der im Licht stand, dessen Züge ihm aber gar nicht bekannt waren, und der von einem anderen Theil der Insel hergekommen sein mußte -- »unser Zweck war nur Dich eine kurze Zeit bei uns zu behalten, wenn Du das nicht willst magst Du gehn. Vorher mußt Du aber zuerst mit uns zu Nacht essen -- Du sollst nicht sagen können daß wir Dich in eine unserer Wohnungen geführt, und Dich hungrig wieder hinausgelassen haben.« René lachte laut auf über die unverhoffte und wunderliche Einladung, und doch lag aber auch wieder so viel Gutmüthiges darin daß er es, vielleicht auch besorgt dabei keine Furcht sehen zu lassen, ihnen nicht abschlagen mochte und konnte; das Terzerol aber noch immer gespannt in der Hand forderte er dann von seinem freundlichen Wirth das Versprechen, ihn augenblicklich nach eingenommenem Abendbrod ungehindert ziehn zu lassen. »Ich verspreche Dir das« sagte der Eingeborene, »und zum Beweis daß ich Dir traue, wie Du mir trauen kannst, ist hier die Thür offen -- wir halten Dich nicht mehr -- aber« setzte er dann etwas leiser und mit einem eigenen Ausdruck in der Stimme hinzu -- »wenn Du Freund von Kanaka bist, wirst Du's beweisen können heut'.« »Gut denn« lachte René, sein Terzerol sorglos in Ruh setzend und in die Tasche zurückschiebend -- »so kommt, meine Burschen, und Ihr sollt sehn daß ich Eurem Fisch und Poe oder was Ihr sonst haben mögt, Ehre mache.« Die Frauen, die sich beim ersten Eintreten der Männer und den feindlichen da gewechselten Worten und Drohungen scheu zurückgezogen hatten in den entferntesten Theil der Hütte, hörten jetzt kaum die friedliche Wendung die Alles zu nehmen schien, als sie, freilich immer noch schüchtern, hervorkamen, und nur erst Leben gewannen, als ihnen die Männer zuriefen »den Tisch zu decken.« Schon bereit gehaltene Blätter wurden augenblicklich auf die Erde ausgebreitet, wo schon Matten lagen für die Neugekommenen und von zwei hellen Cocosölflammen beleuchtet saßen die, die sich noch vor wenigen Minuten auf Leben und Tod entgegengestanden und deren Leben an dem Gedanken des Einen oder Andern gehangen, sich friedlich plaudernd gegenüber, nur emsig eben bemüht die aufgetragenen Speisen zu beseitigen. Und René war der Fröhlichste unter ihnen; so wild und weh ihm noch kurz vorher ums Herz gewesen, so vollkommen hatte das eben bestandene kleine Abenteuer, wie das unvorbereitete romantische seiner ganzen Lage und Umgebung, jeden trüben Gedanken abgestreift von seinem Geist; das leichte fröhliche Blut, das seinem ganzen Körper jene unendliche und nicht zu ertödtende Spannkraft verlieh, hatte wieder gesiegt und nur dem Augenblick gab er sich hin in sorglosem Muth, der dem Morgen, was er auch bringen mochte, keck und unbekümmert ins Auge sah. Nichtsdestoweniger zögerte er nicht länger, als er nothwendig brauchte sein Abendbrod zu verzehren; an einem der noch aufgehäuften reinen Hibiscusblätter trocknete er sich Mund und Finger, und erklärte jetzt, aufstehend, den Heimweg antreten zu wollen. Fast wider sein Erwarten, denn er war nicht immer gewohnt bei den _civilisirten_ Indianern Treu und Glauben zu finden, hinderte ihn Niemand daran, sein Wirth selber öffnete ihm freundlich und lächelnd die Thür, und nach herzlichem Abschied, als ob er hier alte Freunde gesucht und gefunden, und nicht als Gefangener vor kaum einer halben Stunde diese Schwelle betreten hätte, verließ er das Bambushaus -- kopfschüttelnd dabei, was das räthselhafte Betragen der Eingebornen, ihm gegenüber, zu bedeuten gehabt. Kaum aber fühlte er den gebahnten Weg wieder unter sich, zu dem er sich, am Ufer des Baches nieder, hatte hinunterfühlen müssen, als er so rasch den Heimweg antrat, als ihn seine Füße tragen wollten. Weshalb hatten ihn die Insulaner aufgehalten? und stand das am Ende gar in irgend einer Verbindung mit der eigenen Heimath? Es war ihm ein unheimliches fatales Gefühl, und das gespannte Terzerol in der Hand, einem etwaigen neuen Angriff nicht wieder so blind zum Opfer zu fallen, lief er mehr als er ging, den, zwar sehr betretenen, aber doch schmalen und dunklen Pfad entlang, der ihn zuerst durch einen stattlichen Palmenhain und dann durch den noch düsterern Grund eines mit Wi- und Mapebäumen besetzten Thales führte. Mit diesem Thal näherte er sich aber mehr und mehr dem eigenen Haus, dessen Licht er nun schon bald hoffte durch die Büsche schimmern zu sehn, als er plötzlich durch ein etwas barsches und gar nicht weit entferntes »~Qui vive!~« fast erschreckt und in seiner Bahn gehemmt wurde. »Hallo Kamerad« sagte er aber lachend, sobald er die Antwort gegeben und durch den hier so dicht bei seinem Haus aufgestellten Posten auch jetzt so weit beruhigt war, daß dort nichts Außerordentliches konnte vorgefallen sein -- »Ihr liegt ja hier förmlich im Hinterhalt und könntet nervösen Personen den Tod einjagen vor Schreck, wenn sie so plötzlich angeschrien würden; aber lieb ist mir's daß ich Euch hier finde.« »Habt Ihr irgend etwas gesehn?« frug der Soldat rasch. »Gesehn? -- nein« sagte René nach kurzem Bedenken, er wollte nicht als Ankläger gegen die sich auch doch nur ihrer Haut wehrenden Eingebornen auftreten, »aber paßt gut auf, Kamerad -- Ihr habt es mit listigen und der Waldwege gewohnten Burschen zu thun, wenn sie ja etwas unternehmen sollten in späterer Zeit.« »Hat Nichts zu sagen« lachte der junge Soldat, »meine Augen sind frisch, Kamerad, und mein Gehör so scharf wie das ihre wohl, so leicht entgeht mir Nichts -- aber, Kamerad, Ihr könntet uns hier auf der Wacht einen gewaltigen Freundschaftsdienst erweisen, wenn Ihr's nämlich bei Euch führt.« »Und das wäre? von Herzen gern wenn ich's kann.« »Wir sind hier vier Mann im Haus, ohne den einen, der hinunter an den Strand postirt ist, sein Auge auf dem Wasser zu halten, und haben nicht eine Pfeife voll Taback zwischen uns -- alle fünf -- wenn Ihr nur die geringste Quantität --« »Nicht die Idee, Kamerad, in der Tasche gerade,« sagte René freundlich, »aber ein ganzes Pfund dicht daneben in dem Haus da, wo ich wohne. Wollt Ihr die paar Schritt mit mir hinübergehn, steht er Euch gern zu Diensten.« »Ich selber darf nicht vom Posten« rief der Soldat fröhlich, »aber ich geb' Euch einen meiner Kameraden mit; Gott sei Dank, da ist doch Aussicht auf eine Pfeife« -- und rasch der vielleicht zwanzig Schritt vom Weg abliegenden Bambushütte zueilend rief er von dort einen der da drin auf der Matte schon faul ausgestreckten Soldaten heraus, den Landsmann zu begleiten und die freundliche Gabe in Empfang zu nehmen. René war der Schildwacht bis zum Haus gefolgt, denn von dort schnitt ein ihm wohlbekannter, etwas näherer schmaler Fußpfad durch ein weites unbebautes und mit hohen Cocospalmen bewachsenes Grundstück nach seinem eigenen Garten hinüber, der von hier kaum mehr wie fünf- oder sechshundert Schritt entfernt lag, und wohin ihn jetzt der junge Französische Soldat, ohne es selbst der Mühe werth zu halten sein Gewehr mitzunehmen, begleitete. Die Insulaner hatten sich bis jetzt nicht allein so friedlich, nein wirklich freundlich gegen sie gezeigt, daß keiner der Soldaten an einen Zusammenstoß mit ihnen auch nur dachte. All' diese Vorsichtsmaßregeln, besonders die am Strand hin aufgestellten einzelnen Posten galten auch keineswegs den Eingebornen, sondern sollten einzig und allein dazu dienen die Mannschaft der im Hafen liegenden fremden Schiffe zu verhindern an heimlichen Stellen zu landen und die Eingeborenen, was man besonders von den Engländern fürchtete, nicht allein gegen die neuen Herren des Landes aufzuhetzen, sondern ihnen auch Waffen und den fast für den Frieden der Küste ebenso gefährlichen Branntwein zuzuführen. Rasch und schweigend, René voran, waren sie den Pfad entlang geschritten, der hier zu schmal zwischen dem dicht aufwuchernden Unkraut hinlief, zweien neben einander Raum zu geben, und René hatte eben die Einfriedigung erreicht die ihn von seinem Garten trennte, und die Hand darauf gelegt hinüber zu steigen, als er sich etwas darin regen sah, und gleich darauf eine Gestalt zu erkennen glaubte, die mit irgend einer schweren Last, rasch aber geräuschlos vom Strande aufwärts, dicht unter den Fenstern seines eigenen Hauses hin, der Straße zuschritt. Nun lag allerdings der kleine Cutter unten vor Anker, in dem er sich morgen einzuschiffen gedachte, aber er hatte noch Nichts von seinen Sachen eingeladen, also auch dort keine Diebe zu fürchten; überdies schlief einer der Eingebornen als Wächter darin. Was aber wollten die Leute da? -- was trugen sie? »Was ist da?« flüsterte jetzt der Soldat hinter ihm, der noch Nichts sehen konnte, aber ein Geräusch zu hören glaubte, »irgend etwas Verdächtiges?« »Verdächtiges? -- ja« flüsterte René zurück -- »ich kann nur noch nicht recht daraus klug werden -- bst --« sagte er plötzlich, den Arm des Soldaten fassend, »da kommt noch Einer.« Dieser glitt etwas weiter nach vorn, und deutlich konnten sie erkennen, daß hier im Dunkel der Nacht irgend etwas ausgeführt wurde, das das Licht zu scheuen hatte. Bei ihm im Hause brannte die Lampe, aber sein Weib schien keine Ahnung von dem zu haben was unter ihrem Fenster vorging, und wenn auch René nicht glaubte daß gerade irgend etwas Feindliches gegen ihn selber beabsichtigt wäre, sah das Ganze doch viel zu unheimlich aus, ihm hier draußen Ruhe zu lassen. Dem Soldaten also zuflüsternd daß er hinüberspringen wolle sein Gewehr zu holen, um nachher bewaffnet zu untersuchen was hier vorgehe, benutzte er den Augenblick, wo der letzte Träger hinter dem Haus verschwunden war, stieg leise über die Fenz, und glitt rasch und geräuschlos seiner Hausthür zu, während der Soldat noch eine Minute etwa auf der Lauer blieb und sich erst dann, als er wieder Schritte vom Wasser herauf hörte, so still wie er konnte zurückzog, die Mannschaft der kleinen Wache, die unbegreiflicher Weise noch nicht von dem doch zu diesem Zweck unten aufgestellten Posten alarmirt worden war, herbei zu holen. * * * * * An Bord der Kitty Clover hatte an diesem Tag, wenn auch nur unter Deck, eine besondere Thätigkeit geherrscht mit Klopfen und Hämmern, obgleich, wer das alte schmutzige Fahrzeug von außen sah, das kaum hätte vermuthen dürfen. An Deck trieben sich ein paar Matrosen schläfrig herum, oder stiegen langsam in das Takelwerk hinauf, hie und da ein Tau nachzusehn oder eine zersprengte Weveling[F] auszubessern, höchst aufmerksam jedoch stets signalisirend, wenn ein Canoe oder Boot dem Schiff zu nah kam, wo dann jedesmal das Klopfen und Hämmern in seinem Bauch schwieg, und Mac Rally vielleicht selber seine steile Cajütstreppe aufkletterte, nachzusehn was die Störung oben verursacht hätte. [F] Die Querseile an den Wanten, die zu Strickleitern dienen. Mit Sonnenuntergang kam etwas regeres Leben an Deck -- die Leute beschäftigten sich mit einem der zur Vorsorge mitgenommenen und über dem Hinterdeck auf einem besonders dazu hergerichteten Gestell gehaltenen Boote, und nahmen es mehr nach vorn, etwa midschips, um es nachzusehn. Hoch postirt aber und längs der Schanzkleidung hin an Backbordseit, diente es zugleich dazu den weiter in der Bai liegenden Schiffen die Aussicht auf sein Deck, die überdies in der rasch einbrechenden Dunkelheit unsicher wurde, vollkommen zu versperren; auch nach Land zu war ein Ueberblick an Deck durch dort, wie zufällig, aufgehangene Matrosenwäsche theils, theils durch ein altes Segel, versperrt, und vier Fässer waren unter dieser Schutz an Deck geschafft worden und mit Tauen umwunden, um, sobald die Nacht vollständig eingebrochen sei, über Bord gelassen zu werden. Eine günstigere Nacht hätte sich Mac Rally aber auch gar nicht zu seinem von O'Flannagan angegebenen Unternehmen wünschen können, das in nichts Geringerem bestand als zweihundert Stück Gewehre mit der nöthigen Munition, wie eben so viele Säbel, an den durch den Iren selber bestimmten Ort zu schaffen. Da man aber wußte daß die Küste an diesem Abend schon scharf bewacht wurde, und ein hoch aus dem Wasser gehendes Boot kaum unbemerkt hätte durchkommen können, waren die Waffen in gewöhnliche Thranfässer mit hölzernen Reifen förmlich verspuntet worden, und die Fässer selber mit ihrer Fracht eben nur so weit belastet, daß sie im Wasser, kaum drei oder vier Zoll über die Oberfläche vorragend, schwammen. Mit der Ebbe war dabei nichts weiter nöthig als sie zu steuern, wozu ihnen vier, schon an Bord befindliche Indianer mitgegeben waren, die sie ebenfalls schwimmend begleiten mußten. Mit einbrechender Nacht konnte dies wunderliche Floß, das sich in der That nur durch einen ganz schmalen schwarzen Streifen von der es umgebenden Wasserfläche unterschied, unmöglich vom Ufer aus, von dem es schon durch die Korallen auf etwa hundert und funfzig Schritt abgehalten wurde, erkannt werden. Mit der Lokalität genau bekannt, war auch keine Gefahr da, daß die Landenden vorher bemerkt wurden, wenn nur Jemand an Land die Aufmerksamkeit der dicht bei der eigentlichen Landung stationirten Schildwacht ablenken wollte, und der dort wohnende Franzose, durch dessen Garten die Fracht geschafft werden mußte, entfernt oder für ihr Unternehmen gewonnen werden konnte. Das erstere hatte O'Flannagan selber, das zweite Mr. Noughton -- wie er sagte »_durch seine Freunde_« -- übernommen. Es war gerade mit Sonnenuntergang, der in diesen Breiten ziemlich regelmäßig um sechs Uhr das ganze Jahr hindurch einfällt, und der am Strand eben abgelöste Posten schritt, sein Gewehr im Arm, langsam auf der harten sandigen Fläche auf und ab. Mißtrauisch wohl manchmal nach Westen hinüberschauend, wo über den scharfzackigen Kuppen von Imoe schwarze düstere Wolkenschleier aufstiegen, hinter denen die Sonne schon eine ganze Weile verschwunden war, fesselte das ihn umgebende prachtvolle Schauspiel der Riffe doch weit mehr seine Aufmerksamkeit, und nicht satt sehen konnte er sich an den weißen schäumenden Massen, die in dumpfem Brausen, wenn auch zurückgeschlagen, immer auf's Neue mit ungeschwächtem Muth zum Kampfe eilten und ihre blitzenden schneeigen Kronen dem Feind in's Antlitz schleuderten. Dazu die wehenden Palmen über sich, der herrliche Duft der aus den etwas rauh geschüttelten Blüthen der Orangen und Wi's zu ihm herüberwehte, das leise Plätschern des kaum erregten Binnenwassers auf dem harten Sand, wie die Fluth fiel und das Wasser weiter und weiter nach See zurückwich -- es war ihm froh und leicht um's Herz, und fast vergessend daß er hier eigentlich her postirt war in dies Paradies, als ein fremder dahinein gar nicht gehörender, feindlicher Körper, summte er sich doch ein munteres Lied und athmete die kühle würzige Luft ein -- der Brust ein herrliches Gefühl nach dem schwülen dumpfigen Tag. In jenen Ländern kennt man die Dämmerung kaum; der letzte Gluthenstreif der Sonne ist eben hinter dem Horizont verschwunden, und im Osten treten schon die Sterne sichtbar vor; heller und heller blitzen sie uns, wie es scheint fast die Nachbarlichter an dem eigenen Strahl entzündend, weiter und weiter der Sonne nach, und mehr und mehr Kraft gewinnend wie sie oben stehn; -- so nicht fünfzehn Minuten später hüllt wirkliche Nacht die Erde ein, während noch der hellere Streif im Westen die Stelle kündet wo die Sonne kaum verschwunden. In der kurzen Dämmerung die dem scheidenden Tage folgte, war es, als ein Seemann, wenigstens der Kleidung nach, mit einem kleinen, in ein rothseidenes Tuch eingeknüpften Bündel am Strande suchend heraufkam, und seine Aufmerksamkeit ganz auf das Wasser gerichtet hielt, als ob er von dort her irgend Jemand erwarte. Die Schildwacht hatte ihn zuerst bemerkt als er über den benachbarten Gartenzaun sprang, aber wenig weiter auf ihn geachtet. Die Matrosen der verschiedenen Schiffe, besonders der Englischen, streiften in der ganzen Nachbarschaft umher und mußten doch alle mit dem um acht Uhr gefeuerten Abendschuß Papetee wieder verlassen haben, an Bord ihrer verschiedenen Schiffe zurückgekehrt zu sein; es war Zeit daß der Mann dorthin aufbrach, er verpaßte sonst die Stunde, und konnte vielleicht die Nacht, statt in seiner bequemen Hängematte, in dem Französischen Wachthaus zubringen -- eine Abkühlung für die Freuden des Tages. Der Matrose schien aber gar nicht direkt nach Papetee zurückzuwollen, denn langsam am Ufer hinschlendernd, wobei er sich der Schildwacht mehr und mehr näherte, blieb er manchmal stehn und erwartete jedenfalls ein Boot von See her, das vielleicht versprochen hatte ihn hier abzuholen. So wenigstens erklärte sich die Schildwacht die Bewegungen des Mannes. Endlich mußte dieser -- und es war fast dunkel indessen geworden -- zu einem andern Entschluß gekommen sein; er stampfte erst ein paar Mal, wie ärgerlich und ungeduldig mit dem Fuß, und schritt dann, dabei alle möglichen Englischen Flüche in den Bart murmelnd, gerade auf den Franzosen zu, der jetzt, da ihm die Fernsicht doch durch die einbrechende Dunkelheit genommen war, sich gegen ihn wandte, zu sehen was der Bursche von ihm wolle. »Hallo Mate«[G] redete er den Soldaten in breitem Irisch an, als er in Sprachnähe etwa herangekommen -- »kein Boot gesehen hier, seit Du da stehst und die Muskete spazieren trägst?« [G] Kamerad. »~Je ne comprends pas, camarade~« lachte der Franzose, mit dem Kopf schüttelnd. »Wer ist todt?« frug der Ire, mit komischem Ernst den Franzosen erstaunt ansehend. »~Je ne comprends pas -- rien du tout -- notting!~« erwiederte aber die Wacht halb mürrisch über die wiederholte Frage, und das einzige Englische Wort verunstaltend, das sie vielleicht konnte -- »geh hinunter nach Papetee -- bis Du hinunter kommen kannst wird der Abendschuß gefeuert, und nachher sitzest Du da.« »Ahem« nickte der Ire, der nicht eine Sylbe von dem Allen verstand -- »er wird's wohl nicht haben ändern können. Aber verdammt, das ist langweilige Arbeit, wenn der Bursche auch kein Wort Englisch versteht -- wie mach' ich ihm da begreiflich was ich will -- ist doch horndummes Volk die Wi-Wis.« »~Prenez garde!~« rief der Posten drohend, der die letzten nur zu gut gekannten Sylben wohl verstanden hatte, und sich denken konnte daß der Fremde ärgerlich darüber sei sich nicht ausdrücken zu können und für sich schimpfe -- »wahr' Dich wie Du das Wort hier brauchst Kamerad.« »Dann versteht Ihr vielleicht die Landessprache« rief Jim O'Flannagan, denn er war es, jetzt rasch -- »auf Tahitisch wär' es wenigstens eine Aushülfe.« »Tahitisch nicht gerade« antwortete der Franzose ihm in einem anderen, aber doch verständlichen Dialekt -- »ich bin fast ein Jahr auf den Marquesas-Inseln gewesen, und es hat Aehnlichkeit -- aber was wollt Ihr?« »Mein Boot, Mate« brummte der Ire, »mein Kamerad hat versprochen mich hier abzuholen, und jetzt läßt er mich sitzen.« »Nebenan ist heute ein Canoe angefahren« sagte der Franzose. »Hol' die Canoe's der Teufel« knurrte Jim -- »wenn man am festesten sitzt, klappen sie um manchmal, wie die Taschenmesser -- nein eine ordentliche reguläre Schiffsjölle mit rothem Segel -- nichts gesehn, Kamerad?« »Nicht die Probe.« »Verflucht« brummte der Ire, »aber kommen _muß_ er noch, denn er darf nicht ohne mich an Bord zurück -- Wollt Ihr mir einen Gefallen thun, Kamerad?« »Und der wäre?« »Wollt Ihr mir erlauben mein klein Bündel hier einen Augenblick herzulegen? ich traue dem rothen Gesindel nicht recht, ich habe Geld d'rin.« »Warum nimmst Du's nicht lieber mit?« frug der Posten. »Ich muß doch hierher wieder zurück, wenigstens noch einmal nachzusehn ob das Boot nicht kommt -- nachher geh' ich die Straße hinunter in die Stadt.« »Und kommst zu spät zum Abfahren.« »Bin bekannt dort« lachte der Andere -- »im schlimmsten Fall find' ich Nachtquartier -- ich bin gleich wieder unten,« und ohne eine halbe Einwendung des Franzosen dagegen weiter zu hören, legte er sein Bündel gleich neben den Stamm einer dicht am Strand stehenden Palme, deren faserige Wurzeln von dem Wellenschlag vollkommen bloß gespült waren, und schritt in das Gebüsch hinein, das dort allerdings der Straße zuführte. »Diable« brummte aber auch seinerseits der Posten, »giebt einem da Aufträge ohne weitere Umstände -- werde mich aber verwünscht wenig um sein Tuch kümmern. Boot? -- ein Boot darf mir jetzt gar nicht mehr landen nach Dunkelwerden; verdammt unverschämtes Volk diese Englischen Matrosen.« Und wie den Aerger zu verjagen setzte er pfeifend wieder seine Wandrung am Strande auf und nieder fort. Jim war aber nicht nach der Straße hinaufgegangen, sondern mit jedem Fußbreit Boden, den er den Tag über genau recognoscirt, vollkommen vertraut, in den Büschen, zwischen dem Posten und der oben aufgestellten Wache durchgeschlichen, und einer etwas weiter oben auslaufenden Korallenspitze zugeeilt, wo man allerdings, der fast bis an die Oberfläche reichenden Korallen wegen mit einem Boote nicht landen, die schmale Durchfahrt aber innerhalb der Riffe, desto besser übersehen konnte. Dort lag er, bis er vom Wasser aus das verabredete Zeichen der vorbeitreibenden Fässer erhielt, deren dunkle Umrisse er von hier aus kaum im Stande war zu unterscheiden. Unten, wo der Posten stand, trieben sie so viel weiter vorüber, und eine Entdeckung war deshalb kaum zu fürchten, sobald nur das Ausladen geräuschlos genug betrieben wurde. Vollkommen befriedigt über das was er gesehn, lag er noch einige Minuten still, das eigenthümliche Floß mit seinen dunklen Geleitern erst etwa in einer Höhe mit der Schildwacht zu lassen, kroch dann den Weg den er gekommen zurück, und ging nun, in den Büschen wieder angelangt, und durch diese mit einigen halblauten, für das Ohr des Posten bestimmten Flüchen durchbrechend, gerade wieder auf die Palme zu wo sein Bündel lag. »Kein Boot gekommen?« frug er hier, dicht bei dem Französischen Soldaten stehn bleibend, nahm dabei eine Cigarre aus der Tasche, schlug mit Stein und Stahl Feuer und zündete sie an. »Nein« sagte der Soldat, dem der Tabacksqualm gut roch, der aber den Engländer nicht deshalb anreden mochte -- »jetzt wär's auch zu spät, ich dürft' es gar nicht mehr an's Ufer lassen.« »So hol's der Böse, ich komme auch ohne es an Bord -- eine Cigarre Kamerad?« Er hielt ihm die Cigarren hin und horchte dabei nach dem Wasser hinüber; sein scharfes Ohr hatte von dorther ein Geräusch entdeckt. »Danke« sagte der Franzose, die Cigarre nehmend und an der des Iren entzündend -- »Taback -- schmeckt -- prächtig -- wenn -- man --« »Hat sie keine Luft?« »Danke -- geht schon -- wenn man ihn lange nicht gehabt hat -- so, danke.« »Hm« sagte der Ire, sein Bündel wieder aufnehmend, er that dabei langsam ein paar Schritte an der Wache vorbei und blieb dann wieder stehn. »Gute Nacht Kamerad« sagte der Franzose. »Gute Nacht -- hm, ja -- gute Nacht Mate« entgegnete Jim -- das Floß hätte jetzt schon gut an Ort und Stelle sein können, und doch war's ihm immer, als ob er ein verdächtiges Geräusch gerade gegenüber auf dem Wasser höre; hinaushorchen durfte er aber auch nicht, sonst wäre der Posten ebenfalls darauf aufmerksam geworden. Er _mußte_ noch einen Augenblick zögern, und drückte sein Cigarrenfeuer zwischen den Fingern aus, that dann ein paar Schritte, blieb stehn, zog wieder, und wollte eben zurückgehn den Mann wieder um Feuer zu bitten, als dieser sagte: »Da draußen wird Euer Boot kommen -- mir war als ob ich etwas auf dem Wasser hörte.« »Das wäre der Teufel« brummte Jim in Englisch, setzte dann aber sogleich auf Tahitisch hinzu: »würden jetzt schwerlich glauben daß ich noch hier bin -- wird wohl ein Fisch gewesen sein.« Der Soldat horchte. »Dürft' ich Euch jetzt noch einmal um Feuer bitten« sagte Jim wieder zu ihm tretend. »Gern -- wahrhaftig da war wieder etwas.« »Es sind hier viel Purpoisen im Wasser und machen dann immer einen merkwürdigen Spektakel.« »Das war kaum ein Fisch« sagte der Soldat, jetzt vollständig alarmirt und sich niederkauernd, besser über die Fläche sehn zu können, ob er nicht doch vielleicht durch die Dunkelheit irgend etwas entdecke -- »müßte mich sehr irren, wenn das nicht wie eine Menschenstimme klang.« »Vielleicht Fischer die noch draußen sind« sagte der Ire, sich jetzt ebenfalls niederkauernd, dem was man hörte Form abzugewinnen, in der That aber dem Soldaten, falls dieser wirklich laut werden wollte, so nah als möglich zu sein. »Ruft doch einmal Euer Boot an« sagte jetzt der Soldat zu Jim, »da werden wir gleich sehen wer draußen ist.« Das war allerdings richtig, aber daran lag dem Iren Nichts hier Lärm, und die Soldaten an der Straße nur ebenfalls aufmerksam zu machen. »Es kann das Boot nicht mehr sein« brummte er kopfschüttelnd. »Diable« murmelte der Franzose, »ich glaube wahrhaftig ich sehe dort etwas auf dem Wasser -- ruf Kamerad, ich _muß_ wissen was da draußen ist.« Jim konnte sich nicht länger weigern und die Hände trichterförmig an den Mund haltend, daß der Schall so wenig wie möglich rückwärts ginge, rief er mit keineswegs lauter, dumpf klingender Stimme: »Boot ahoy!« Keine Antwort erfolgte. »Lauter!« sagte der Soldat. »Boot ahoy« rief Jim noch einmal, ohne daß sich von draußen irgend etwas als Antwort hören ließ; ja es schien eher als ob der Laut das da drüben, was es nun auch gewesen, zurückgescheucht habe in die Tiefe, aus der es vielleicht gekommen. »Du rufst gerade als wenn man in einen Topf spricht« brummte der Soldat -- »das kann man ja nicht auf fünf Schritt hören.« »Ich bin heiser« sagte Jim -- »aber es war auch jedenfalls ein Fisch -- jetzt ist Alles wieder todtenstill.« »Vielleicht -- vielleicht auch nicht, -- da ist's wieder! ~qui vive!~« rief er dann mit lautem, kurz abgestoßenem Ton über das Wasser hinüber, »Teufel wenn Du mir da drüben nicht antwortest, schick' ich Dir eine Kugel hinüber.« Jim hatte die rechte Hand in seiner Tasche und stand lautlos nicht zwei Schritt von dem Franzosen, er sah sich scheu und rasch um, und die linke Hand faßte wie krampfhaft das Bündel das sie trug. »Wenn Ihr denn da drüben nicht antworten wollt, so tragt auch die Folgen« brummte der Soldat vor sich hin und spannte den Hahn -- Jim stand dicht hinter ihm, seine rechte Hand hob sich und als er sie senkte rasselte das Gewehr auf den Sand nieder, und der Körper des unglücklichen Franzosen brach lautlos zusammen. »Hast's nicht anders haben wollen« sagte der Mörder dumpf vor sich hin und beugte sich zu seinem Opfer nieder. Unwillkürlich hatte er dabei in seiner Tasche nach etwas gesucht -- er zog aber die Hand wieder zurück und lächelte unheimlich: »er braucht keinen Knebel mehr; 's giebt doch nichts besseres auf der Welt als solche Schlingenkugel für derlei Arbeit -- was für einen sanften Tod der Schuft gestorben ist. Aber nun Kamerad, Dein Gewehr und Patrontasche -- das Seitengewehr hilft Dir auch nichts mehr, und hier oben können wir's vielleicht brauchen.« Rasch hatte er dem Ermordeten die Waffen abgenommen, dann noch einen Augenblick nach dem Wasser hinüberhorchend zog er die Leiche unter einen Busch, wo sie wenigstens nicht vor Tag entdeckt werden konnte, griff sein Tuch und die erbeuteten Waffen auf, und glitt am Strande hin der Stelle zu wo der kleine Cutter vor Anker lag und das Floß mit den Waffen ebenfalls anlegen sollte. Den Boden stampfte er aber vor Wuth, als noch keine Spur von den versprochenen Fässern sichtbar war, und die kostbare Zeit verfloß indeß in unverantwortlichem Warten. Schon wollte er wieder zurück am Strande, ob er weiter oben Nichts erkennen könne, als ein leiser leiser Pfiff, mehr wie das Zischen eines Seevogels, vom Wasser herübertönte. »Endlich« knurrte der Seemann, die Zähne fest zusammenbeißend und wie er den Ruf kaum, eben so vorsichtig, beantwortet, kam auch schon im Fahrwasser das lange Floß mit den Schwimmern heran. »Wo zum Teufel habt Ihr so ewig lang gesteckt?« fluchte hier Jim ihnen entgegen, »glaubt Ihr daß sie uns die ganze Nacht Raum zu unserer Arbeit geben werden?« »Wir saßen da drüben auf einer Koralle und konnten nicht wieder loskommen« sagte Einer der Eingebornen. »Und habt einen Skandal gemacht, daß man's hätte in Papetee hören können« zürnte der Ire. »Hat die Schildwacht 'was gemerkt?« »Euere Schuld wär's nicht, wenn sie's hätte -- aber jetzt fort, heran hier mit dem Faß, und nicht länger geschwatzt -- habt Ihr die Säge mit? -- so hier, nun sägt die Reifen vorsichtig durch -- halt ich will das selber thun -- herauf mit dem Faß hier, und Du mein Bursche läufst über den Weg hinauf und holst die Leute herunter die dort versteckt liegen -- Rasch mit Dir, sie sollen Alle kommen, wir müssen die Fracht in Zeit von einer Stunde wenigstens im Busch drinn haben; dort bleibt uns dann die ganze übrige Nacht, sie aus dem Weg zu schaffen.« Der Insulaner schlich sich rasch am Haus hinauf und kehrte bald darauf mit einer Anzahl seiner Landsleute zurück, die schon ungeduldig genug darauf gewartet hatten abgerufen zu werden, Jim aber sägte indessen mit einer seinen scharfen, besonders dazu hergerichteten Säge die hölzernen Reifen der Fässer durch, diese zu öffnen, und reichte die schon in tragbare Pakete eingeschnürten Gewehre, wie die kleinen Fäßchen Pulver rasch hinter einander hinaus. Blei befand sich schon genug an Land, was früher zu anderen Zwecken bestimmt gewesen. Vier Fässer waren solcher Art in unglaublich kurzer Zeit aufs Trockene gewälzt, geöffnet und geleert worden, und selbst von dem fünften hatte Jim schon die Reifen herunter, die Dauben mit Hülfe von ein paar Insulanern sorgfältig auseinander genommen, und angefangen die Pakete herauszureichen, mit denen zwei augenblicklich nach oben liefen, als sie den zurückkehrenden René über den freien Platz gleiten und in das Haus verschwinden sahen. Einer der Indianer sprang rasch zurück, dem Iren die unwillkommene Ankunft zu melden, dieser aber ließ sich nicht irre machen und betrieb das Ausladen nur um so schärfer. »Fort mit Euch -- fort.« flüsterte er rasch und leise -- »in zehn Minuten können wir mit unserer ganzen Sache in Sicherheit sein und dann mögen sie kommen und spioniren; in die Guiaven folgt uns doch so leicht Keiner hinein. Hier meine Jungen, auf mit Euch und davon -- was steht Ihr da? -- die Thür? -- fort mit Euch -- so lange das Zeichen nicht -- ha Teufel!« unterbrach er sich rasch, als da Mitonares langgezogener Warnungsruf zu ihm niederschallte, »da ist wirklich Noth an Mann.« »Sollen wir noch gerad hinauf?« frug ihn Einer der Leute, der seine Last schon auf den Schultern trug. »Nein, hier rechts hinein« rief Jim rasch, »in des Franzosen Haus da neben an ist auch Niemand daheim, und die Fenz hier unten am Wasser hab' ich schon niedergebrochen. Dort hinüber und dann gerade hinauf in die Guiaven. Hier noch ein Pack. Pest, wenn nur noch zwei Leute unten wären; fort -- macht daß Ihr fortkommt -- um Euer Leben.« Und die Warnung kam nicht zu spät, denn Jim O'Flannagans scharfes Ohr hatte schon die herbeieilenden Soldaten entdeckt, die rasch und ziemlich laut durch die Büsche traten, während zu gleicher Zeit René in seiner Thür erschien. Nur noch zwei Pakete Waffen waren dabei übrig geblieben, davon schob er das eine jetzt rasch auf das Deck des kleinen Cutters, vielleicht vor anbrechendem Morgen noch einmal Gelegenheit zu bekommen es von dort wieder durch irgend einen der Eingeborenen zu entfernen, während er selber das andere auffaßte und damit, so rasch ihn seine Füße trugen, den letztgegangenen Indianern folgte. »Halt steh da!« schrieen ihm einzelne Stimmen nach, denn seine dunkle Gestalt war von oben herab gegen den helleren Wasserspiegel sowohl als den weißen, durch die Ebbe bloßgelegten Sand des Strandes entdeckt worden, und drei Kugeln schwirrten zu gleicher Zeit nach ihm hinüber. Eine davon traf das Paket das er trug, und warf ihn fast durch den scharfen Druck zu Boden, die anderen beiden fehlten, und seine Last mit dem linken Arm nur fester umspannend, während er das dem ermordeten Posten abgenommene Gewehr in der rechten Hand trug, sprang er mit wenigen Sätzen durch den Garten, brach die kleine und ziemlich schwache Bambusthür nieder und erreichte eben die Guiaven-Dickung, als seine Verfolger dicht unter dem Weg erschienen und den Hang hinanstürmten ihn auch dort nicht aufzugeben. Jim aber feuerte hier, theils um sie zu schrecken, theils sich vielleicht Eines der Verfolger zu entledigen, das geladene Gewehr das er trug, ohne lang zu zielen, auf sie ab, und die Kugel schlug mitten zwischen ihnen durch in einen jungen Baum. Das aber zeigte ihnen auch welcher Gefahr sie sich hier, ohne die mindeste Aussicht auf Erfolg aussetzten, denn bei Nacht war in einem solchen Dickicht gar nicht daran zu denken die, noch dazu mit dem Terrain vertrauten Indianer einzuholen, und die weitere Verfolgung wurde auf morgen früh mit Tageslicht festgesetzt, bis wohin auch Verstärkung von Papetee herbeigeholt, wie die vermißte Schildwacht aufgefunden werden konnte, wenn sie nicht, wie man sie jetzt stark in Verdacht hatte, gemeinsame Sache mit den Eingeborenen gemacht, und mit ihnen auch in die Berge geflohen sei. Capitel 7. Consul Pritchards Gefangennahme. Trommeln wirbelten und Patrouillen zogen in kleinen finsteren Trupps mit raschen Schritten durch die von der Morgensonne freundlich beschienene Stadt. Die Insulaner standen in kleinen Gruppen bestürzt beieinander, und die Mädchen liefen neugierig herüber und hinüber, zu sehn und horchen was geschehn, was vorgefallen sei, eine so plötzliche auffallende Veränderung in dem Benehmen der Fremden zu rechtfertigen. Keiner sprach, Keiner lachte mehr mit ihnen; barsch zurückgewiesen wurden sie, sobald sie sich ihnen nur näherten, und von den verschiedenen Schiffen landete Boot nach Boot, vollgedrängt von Bewaffneten, die verschiedene am Strand gelegene und der Königin gehörige Bambushäuser in Besitz nahmen, Wachen, ja Festungen daraus zu bilden. Dumpfe Gerüchte verbreiteten sich indeß auch unter den Bewohnern von Papetee, die keine Ahnung irgend einer begonnenen Feindseligkeit haben konnten. Eine Parthie Waffen war gestern Nacht in Mativai Bai auf schlaue Weise an Land geschmuggelt; man hatte nicht allein einzelne Stücken, ein Bayonnet und mehre andere Kleinigkeiten an der Straße, sondern auch ein ganzes Paket mit Englischen Musketen in einem kleinen Cutter der dort vor Anker lag, gefunden, und gegen Morgen noch, wo man mit Fackeln nachgesucht, war der Leichnam der überfallenen und ermordeten Französischen Schildwache, ebenfalls ihrer Waffen beraubt, entdeckt worden. Viele Personen waren deshalb schon verhaftet, auf anderen lag schwerer Verdacht, und die herbeigezogene Truppenmasse schon allein genügte, die sorglose Stimmung der Eingebornen zu zerstören, und ihnen einigermaßen das Verhältniß in seinem wahren und grellen Licht zu zeigen, in dem sie zu den fremden Eindringlingen standen, und welche Stellung diese, ihnen gegenüber, einzunehmen gedachten. Was sollte geschehen, was wollten diese von ihnen, und weshalb eine Armee in ihre Hütten werfen, die ihnen noch keinen Widerstand geboten, und jetzt überall durch die fremden unwillkommenen Gäste unwohnlich und beschränkt wurden. Die Häuptlinge traten zusammen und schickten Boten an die Missionaire ab, diese um Verhaltungsmaßregeln zu ersuchen; die geistlichen Herren fühlten aber daß ihr Regiment, für den Augenblick wenigstens, hier ausgespielt sei, und der einzige von ihnen, Mr. Pritchard, der sich durch die Flagge seiner Nation geschützt glaubte, zürnte offen und frei wie vor gegen die förmliche und muthwillige Eroberung, nein nicht einmal Eroberung, sondern einfache Besitznahme eines vollkommen friedlichen Landes an, dessen Fürstin sich jetzt nur gezwungen einer solchen Gewalt füge und wissen werde sich ihr Recht zu wahren, wenn die Zeit dazu gekommen sei. Die Franzosen kehrten sich aber wenig an Herrn Pritchard; ihre Flagge wehte schon von fünf oder sechs occupirten Gebäuden, ihre Soldaten durchzogen die Stadt nicht allein, sondern setzten sich an dem obern wie untern Theil derselben fest, und Massen von ihnen, die Flinte und Seitengewehr so lange ablegten und zu Spitzhacke und Schaufel griffen, fingen nicht allein an auf der kleinen reizenden Insel Motuuta Verschanzungen aufzuwerfen, sondern auch, zum unbegrenzten Erstaunen der Bewohner von Papetee, Gräben zu ziehn und Erdwälle aufzubauen um die Stadt selbst herum, als ob sie sich gegen die Berge und das benachbarte Land vor einem Angriff sichern wollten, an den in der That noch wenige der Insulaner gedacht, und der ihnen dadurch erst vor die Augen gerückt und als möglich und ausführbar gestellt wurde. Die Französische Regierung aber, oder vielmehr das Französische Regiment, das recht gut fühlte wie es bei einem wirklichen Angriff _gut bewaffneter_ Insulaner, hier dicht von den Bergen überall eingeschlossen, mancher Gefahr ausgesetzt sein könne, suchte gleich im Anfang mit durchgreifenden Maßregeln allen solchen Versuchen entgegen zu arbeiten, und eine etwaige Empörung im Keim zu ersticken. Strenge schien hierbei vor allen Dingen nöthig und den Befehlshabern war deshalb besonders daran gelegen die Mörder des Franzosen heraus zu bekommen, oder wenigstens ihre Spur zu finden, von der es schon ziemlich bestimmt im Französischen Lager hieß daß sie in das Haus eines der Protestantischen Missionaire, vielleicht gar des Englischen Consuls führen würde. Mr. Pritchard mit seiner offnen und ungescheuten Predigt gegen ihre Macht war ihnen überhaupt ein Dorn im Auge. Zu den ersten Maßregeln des Französischen Kommandanten gehörte es aber auch an diesem Morgen René Delavigne verhaften zu lassen, auf dessen Grundstück -- ob mit seinem Vorwissen oder nicht mußte die Untersuchung erst ergeben -- die Waffen ausgeladen waren und auf dessen, durch ihn hingeführten und dort gehaltenen Cutter man noch ein frisch eingenähtes Paket Waffen gefunden, das jedenfalls von Bord irgend eines der im Hafen liegenden Englischen Schiffe hinüberbefördert und dann während der Entdeckung und dem Angriff der Französischen Wache, dort zurückgelassen war. Sein spätes Außensein und seine doch sichere Bekanntschaft mit der dortigen Oertlichkeit wurde sogar mit der erschlagenen Wache in Verbindung gebracht, wobei ihm das nicht einmal zur Rechtfertigung dienen konnte, den Französischen Soldaten selber dorthin geführt zu haben, wo sie die Schmuggler entdeckten -- jedenfalls waren die Vorräthe zu der Zeit schon in Sicherheit gewesen und die Möglichkeit lag unter jeder Bedingung vor, daß ein solcher Schritt, später gerechtfertigt dazustehn, ausführbar, ja sogar klug gewesen wäre. Den Cutter, an dessen Bord man die Waffen gefunden, nahm die Regierung ebenfalls in Beschlag, ja er wurde sogar, nicht einmal blos vor der Hand in Untersuchung gelegt, sondern gleich ohne Weiteres confiscirt und zum Französischen Küstendienst requirirt -- an Wiederherausgeben war gar kein Gedanke mehr. Sadie erschrak, als an dem Morgen, an dem sie gehofft hatte dem wilden stürmischen Tahiti den Rücken zu kehren und hinüber zu flüchten in ihr friedliches, freundliches Atiu, Bewaffnete kamen ihren Gatten fortzuführen; aber rasch gefaßt, und dem Unvermeidlichen sich fügend, übersah sie auch bald daß René, vollkommen unschuldig an den Vorgängen des letzten Abends, auch bald gerechtfertigt wieder dastehn und natürlich freigegeben werden würde. Ernstlichere Folgen sah sie nicht und konnte sie nicht eine in einer solchen Maßregel sehn. Aber sie bezwang sich auch, dem Gatten gegenüber, noch weit gewaltiger, als ihr eigentlich zu Sinn war; sie wollte ihn nicht mit schwerem Herzen fortgehn lassen, wo er ja gerade Alles gethan hatte sie wieder froh und glücklich zu machen, und wenn das nun für den Augenblick noch nicht ging, so war das ja nicht seine Schuld sondern -- das Herz schlug ihr doch laut und ängstlich wenn sie in diesem Augenblick daran dachte _wer_ die Hand zu dem Ganzen geboten, und nur das Bewußtsein vermochte sie dabei vollständig zu trösten, daß Alles ja nur geschehn wäre ihr Vaterland von den Unterdrückern desselben zu befreien, und den Schwachen, Niedergeworfenen, gegen den starken und übermüthigen Feind zu schützen. Nicht allein René wurde aber an dem Morgen verhaftet, sondern auch der kleine Mi-to-na-re, der allerdings schon mit Sonnenaufgang einen Versuch gemacht hatte das, die ganze Nacht umstellte Haus zu verlassen, von den Wachen aber verhindert war und nun mit nach Papetee abgeführt wurde. »Armer Mitonare« sagte Sadie traurig, als er, aufgefordert der Patrouille zu folgen, an jenem Morgen sein Gebetbuch wieder in die linke Rocktasche hineinzwängte, und unverkennbar niedergeschlagen sich bereit machte dem eben nicht freundlich gegebenen Befehl zu gehorsamen -- »armer Mitonare ist von seinem freundlichen Atiu hier herüber gerufen um Sorge und Noth zu haben, um des Glaubens Willen.« Bruder Ezra schüttelte aber mit dem Kopf und sagte, keineswegs zufrieden mit der ganzen Begebenheit: »Glauben? -- der Glauben hat wenig genug damit zu thun -- wir sollen _glauben_, Pudenia, und die Wi-Wis wissen Alles gewiß. Glauben -- ja, ist ein schönes Ding, aber ein bequemes Haus dabei, und viel Brodfrucht -- nicht so in der Welt herumlaufen und das schwere Buch hinten in der Tasche mitschleppen. Warum stecken sie Bodder Aue nicht ein?« »Wer ist das?« sagte Einer der dabeistehenden Französischen Soldaten, der eben genug von dem Tahitischen Dialekt verstand, den Sinn zu begreifen, »wo ist der, den Du eben genannt hast?« »Bodder Aue?« sagte Mitonare, und der ihm eigene Zug drollen Humors, der ihn auch in diesem Augenblick nicht verließ, spielte ihm um die Lippen -- »Bodder Aue ist sehr guter Freund von mir auf Atiu -- aber nicht hier -- wenn wir ihn haben wollen können wir einen Brief schreiben; gehe wieder hinüber, sobald die Feranis keine Brodfrucht mehr für mich haben.« »Fort denn, mein Bursche« sagte der Soldat ärgerlich, »wir haben lange genug hier getrödelt,« und während man René noch Zeit ließ, ein paar Briefe an Bertrand und Herrn Belard zu schreiben, die er augenblicklich abgegeben zu haben wünschte, wurde der kleine braune Missionair, unter den Spottreden und Witzen der Französischen Soldaten, die sich über seine unsinnige eingezwängte und unpassende Kleidung nicht wenig amüsirten, nach Papetee zu abmarschirt. Mitonare nahm aber die Sache ungemein kaltblütig -- klemmte seinen linken Rockschoß wieder unter den Arm, setzte seinen hohen Hut auf und schritt so ehrbar und ernst zwischen den bärtigen Kindern eines andern Landes hin, und grüßte so würdevoll die ihn begegnenden Insulaner, von denen ihn Viele kannten und lieb hatten, daß sich der Spott der Soldaten endlich auch abstumpfte, und sie ihn ungefährdet weiter in das Hauptquartier lieferten. René blieb übrigens, wie er auch Sadie zu ihrer Beruhigung vorhergesagt, nur wenige Stunden in Haft; leicht war es ihm durch seine Freunde zu beweisen, wie er wirklich den ganzen vorigen Nachmittag in Papetee zugebracht, und erst lange nach Dunkelwerden nach Hause aufgebrochen sei. Dort selber hatte er den Französischen Soldaten mitnehmen wollen, als sie die Schmuggler trafen; an eine Mitwissenschaft war nicht zu denken. Schwieriger wurde es ihm zu beweisen, daß der kleine Cutter die Waffen nicht an Bord gehabt, als er ihn dort bei sich vor Anker legte, und daß er der Mission selber gehöre machte die ganze Sache nur noch verwickelter. Es ließ sich kaum denken daß der junge, mit den Officieren auf so freundlichem Fuß stehende Franzose etwas Derartiges gegen seine Landsleute unternehmen, oder auch nur unterstützen würde, und dennoch mochten die Französischen Behörden eine solche Gelegenheit, die Mission selber in eine Untersuchung hineinzuziehen, nicht unbenutzt wieder entschlüpfen lassen -- wer wußte ob nicht dann, wenn auch selbst nicht über diesen Fall, doch manches Andere an den Tag kam. Gern wurde deshalb auch die Bürgschaft der Herrn Belard und Brouard angenommen, René Delavigne augenblicklich wieder auf freien Fuß zu lassen, mit der Bedingung nur, Tahiti nicht zu verlassen, bis eben die Sache streng und vollkommen untersucht sei, wozu man sowohl seiner Gegenwart wie seines Zeugnisses glaubte benöthigt zu sein. Nicht so leicht sollte dagegen Bruder Ezra davonkommen, und trotz dem Protest der Missionaire, die es als einen Eingriff in ihre Religion betrachtet haben wollten einen fungirenden Missionair auf nur flüchtigen Verdacht hin seinem Amt zu entziehn, trotz der eben so ernsten Reclamation des Englischen Consuls, der in dem Indianer, als aktivem Mitglied einer Englischen Missionsgesellschaft, auch einen Englischen Bürger zu sehen glaubte oder zu sehen behauptete, behielt man ihn im Verwahrsam, und die Antwort die dem Englischen Consul wurde, war: sich selber in Acht zu nehmen und von gefährlichen Demonstrationen fern zu halten, wenn er nicht gleiches Schicksal -- vielleicht noch Schlimmeres, gewärtigen wollte. Solcher Art standen die Sachen mehrere Tage, die Französischen Kriegsschiffe fuhren ab und zu, umsegelten die Insel Tahiti einige Male, kreuzten nach Imeo hinüber, und Einzelne davon wurden sogar auf eine regelmäßige Expedition beordert, die Französische Flagge nämlich auf der Nachbargruppe der Gesellschafts-Inseln, auf Huaheine, Bola Bola, Raiatea und den anderen aufzupflanzen, ja man sprach sogar schon davon auch die, gerade unter dem Wind liegenden »Cooks-Inseln« zu denen Atiu gehörte, in Besitz zu nehmen und hie und da Garnisonen zu lassen. Doch hatten die Schiffe für jetzt eben mit der Gesellschaftsgruppe alle Hände voll zu thun, und ließen die übrigen Inseln für eine spätere und günstigere Zeit. Indessen waren die Franzosen unendlich thätig in Papetee und der Umgegend; feste Blockhäuser zu Kasernen und Gefängnissen wurden mit einer Masse von Leuten in unglaublich kurzer Zeit gebaut, Laufgräben um die eigentliche Stadt gezogen, ein tüchtiger Damm als Brustwehr aufgeworfen, und Geschütze von den Schiffen an Land gebracht, diese, sobald sie nöthig werden sollten gegen den Feind verwenden zu können. Auch die kleine Insel im Eingang des Hafens, welche die Haupteinfahrt allerdings vollkommen überwacht, wurde mit schwerem Geschütz versehn, irgend einem doch vielleicht gefürchteten Angriff der Engländer zu begegnen, und das gerade war es was den Insulanern, durch die Europäer darauf aufmerksam gemacht, wieder neuen Muth gab, ihre Sache noch nicht verzweifelt zu glauben. Beschäftigten ihre Freunde die Beretani's -- die übrigens auch hätten etwas früher kommen können -- nur die Schiffe, so wollten sie dann schon mit den am Lande befindlichen Wi-Wis -- mochten das auch noch so viel sein, fertig werden. Die Stimmung gegenseitig wurde ebenfalls eine feindlichere von Tag zu Tag. Die Eingebornen mußten eine Masse Provisionen und Früchte in die Stadt liefern, die man ihnen allerdings vollkommen gut bezahlte; aber dies zwang sie zu einer ihnen fremden und unbequemen Thätigkeit, einer Thätigkeit die sie nicht einmal gern für sich selber, viel weniger für die erklärten Feinde ihres Glaubens und Landes anwenden wollten, und sie erkundigten sich vor allen Dingen bei ihren Missionairen, ob sie dazu verpflichtet wären den Französischen Soldaten Brodfrucht und Fleisch und Früchte und Fische zu Markt zu bringen. Welche Antwort sie dort erhielten ist nicht bekannt, aber sie weigerten sich von da an die verlangten Provisionen einzuliefern, und eine Proclamation des Gouverneurs erklärte sie für _Rebellen_. »Rebellen?« bah, das war Unsinn -- das Wort das sie für Rebellion hatten, bezog sich auf eine Empörung gegen ihren Landesherrn und Gebieter, nicht gegen einen fremden Wi-Wi, der mit großen Schiffen kam und ihnen das Land wegnahm; denn selbst daß Einzelne ihrer Häuptlinge die Franzosen ersucht hatten sie zu _beschützen_ konnte ihrer Meinung nach die Fremden nicht berechtigen ihre Königin abzusetzen, gegen die sie ja gar keinen Schutz verlangt hatten, und ihnen Fremde zu Richtern und Distriktsoberhäuptern zu geben. Daß die Wörter »Protektorat« und »Besitznahme« dem Französischen Admiral ähnlich genug klangen sie zu verwechseln, konnten sie nicht wissen. Neue Forderungen des Kommandanten um Provision gingen indeß mit der scharfen Drohung ein, die ernstesten Maßregeln ergreifen zu wollen, wenn dem _Befehl_ nicht Folge geleistet würde, und besonders sollten die Häuptlinge, als die Einzigen an die man sich möglicher Weise direkt halten konnte, für das Betragen des Volks in diesem Fall verantwortlich gemacht werden. Auch den Missionairen wurde nochmals die, in nicht sanften Ausdrücken abgefaßte Warnung gegeben, sich nicht im Mindesten um die politischen Verhältnisse der Insel zu bekümmern, wenn sie sich nicht, im entgegengesetzten Fall, den unangenehmsten Folgen selber aussetzen wollten; ja es wurde ihnen sogar die auch bald darauf in einer Proklamation veröffentlichte Drohung verschärft in's Gedächtniß zurückgerufen, daß jeder Fremde, der gegen die jetzt bestehende Regierung sprechen würde, augenblicklich, und ohne Einspruch von irgend einer andern Seite zu gestatten, von der Insel verbannt werden würde. Mehre der Missionaire, vielleicht ängstlicher als die Anderen, oder sich auch möglicher Weise irgend einer Aeußerung bewußt die ihnen das Mißfallen der jetzt mächtigen Franzosen zuziehen konnte, verließen Papetee und gingen theils nach Imeo theils nach Bola-Bola oder Huaheina hinüber; die meisten blieben aber auf ihrem Posten, fest entschlossen dem fremden Einfluß unverdrossen, und so viel nur irgend in ihren Kräften stand, entgegenzuarbeiten, mochten die Folgen dann ausfallen wie sie wollten. Der neue Aufruf an die Häuptlinge veranlaßte diese wieder sich an die Königin zu wenden, und von ihr Verhaltungsmaßregeln einzuholen, was sie thun, wie sie handeln sollten. Pomare aber, obgleich keineswegs gewillt sich zu unterwerfen, war doch auch wieder durch die Flucht so vieler Missionaire und die Warnungen der Uebrigen nicht zu weit zu gehn, ehe sich England nicht entschieden hätte, zu sehr eingeschüchtert worden, und gab ausweichende Antworten, ja verwies die an sie abgesandten Häuptlinge sogar an den Consul Pritchard, und da dieser erklärte in seiner Stellung -- was auch seine Privatmeinung sein möge -- der Königin nicht officiell beitreten zu können, bis er Verhaltungsbefehle von London habe, an den Missionair Rowe. Diesen aber weigerten sich die Häuptlinge (wenigstens die Mehrzahl derselben, denn Einzelne, mit Aonui an der Spitze, verlangten keinen bessern Wegweiser für ihr Verhalten) als Führer anzunehmen; Fanue vor allen Andern schwor, sie hätten lange genug unter dem Regiment der Priester gestanden, und das gerade sei ihr Fluch gewesen von je her. Er verlangte deshalb auch eine Zusammenkunft der Ersten des Volks, wo sie die Befehle ihrer Königin einholen und das Beste des Landes, das jetzt gerade ihr Zusammenstehn am Meisten fordere, berathen konnten. Diese, den Interessen der Franzosen geradezu entgegenlaufende Maßregel wurde vom Consul Pritchard auf das lebendigste unterstützt; er behauptete das Volk habe ein Recht über sein eigenes Wohl zu sprechen, das eine fremde Nation, sie möge es so gut mit ihm meinen wie sie wolle, gar nicht verstehen könne, viel weniger die Französische und er redete der Königin zu darein zu willigen, ja suchte sogar den Capitain des kürzlich eingelaufenen Dampfers Cormorant dafür zu gewinnen, den Häuptlingen den Schutz seines Dampfers zu einer freien Besprechung zu gestatten, damit sie am Land nicht vielleicht durch überall umherstreifende Truppen gestört, oder gar aufgehoben wurden. Die Französischen Officiere bekamen noch an dem nämlichen Abend Kenntniß von dieser Absicht, und trafen ihre Maßregeln den Feind, der ihnen vielleicht gefährlich, jedenfalls aber höchst unbequem war, so rasch als möglich unschädlich zu machen. Am andern Morgen war ein Placat an den Ecken angeklebt, worin die Eingebornen gewarnt wurden sich durch irgend Eines Rede gegen die einmal bestehende Obrigkeit aufzulehnen, während man Alle mit den härtesten Strafen bedrohte, die etwas Derartiges in, den Franzosen feindlichem Interesse, unternehmen sollten. Namen waren nicht dabei genannt, aber das Ganze so entschieden gehalten, daß selbst Bruder Rowe fühlte sie seien, für jetzt wenigstens, an einer Grenze ihrer Thätigkeit angelangt, und würden wohl thun sich entweder für eine Zeitlang von dem Schauplatz Französischer Herrschaft zu entfernen, oder doch wenigstens die Sache, die sie nicht mehr aufhalten konnten, ihren ungehinderten Gang gehn zu lassen, damit sie nicht zu Schaden kämen. Das Nähere darüber mit dem Consul Pritchard zu besprechen, suchte er diesen auf, und fand ihn schon vollständig angezogen, mit auf dem Rücken gekreuzten Armen mit großen Schritten in seinem Zimmer auf- und abgehend; eine Einleitung wurde ihm übrigens schon durch dessen Anrede erspart. »Sie kommen mir zu erzählen, daß die Franzosen freundlich unserer an den Straßenecken gedacht haben?« sagte er, mit einem eigenthümlichen Lächeln um die feingeschnittenen Lippen vor ihm stehen bleibend. »Allerdings Bruder Pritchard« erwiederte Mr. Rowe mit in die Höhe gezogenen Augenbrauen und gefalteten Händen, »die Sache wird bedenklich, und diesen tollen Papisten gegenüber, die nun einmal keine andere Autorität auf und über der Erde anerkennen, als ihre Waffen, wäre es allerdings an der Zeit auf einen anständigen Rückzug zu denken. Ich fürchte besonders daß gerade Sie dabei gefährdet sind.« »Bah, bah« sagte der frühere Geistliche, den die Missionaire noch gerne »Bruder« nannten, verächtlich -- »was können, was _dürfen_ sie mir thun? -- ich habe keinen offenen Aufruhr gepredigt, ich habe nur das gesagt was ich, nicht allein als Consul ihrer Britannischen Majestät, nein auch als Mensch verantworten konnte, und sie mögen sich ärgern darüber, aber sie dürfen nicht wirklich etwas anderes gegen mich unternehmen, als vielleicht -- was wahrscheinlich geschehen wird -- von meiner Regierung verlangen daß sie mich abberuft; statt dem Befehle kommt dann vielleicht eine Flotte.« Mr. Rowe schüttelte bedenklich mit dem Kopf. »Ich habe mich selber« sagte er, »früher solchen phantastischen Träumen hingegeben, und auch mein Möglichstes, selbst bis noch auf die neueste Zeit gethan, diesen Glauben bei den Insulanern aufrecht zu erhalten, muß aber doch gestehn daß ich jetzt anfange mißtrauisch gegen meine eigenen Prophezeihungen zu werden, die unsere Regierung keineswegs, nicht einmal mehr durch eine einfache Demonstration zu unterstützen scheint. Seit der würdige Capitain des Talbot diese Ufer verlassen hat thun diese nichtswürdigen Feranis vollkommen ungehindert was ihnen eben gut dünkt, und einzelne Kriegsschiffe unserer Nation, von denen wir immer gesprochen, kommen, sehen sich die Sache an, hören auch, geduldig oder ungeduldig was wir ihnen zu klagen haben und -- segeln einfach wieder aus der Bai, ohne selbst einmal Joranna zu sagen. Ich kann wohl gestehn daß die Bibel von Alt-England hier zum ersten Mal auf eine höchst befremdende Weise im Stich gelassen wird, während es uns selber in die größte Verlegenheit bringt, einestheils die zu unserer eigenen Erhaltung nöthigen Schritte zu thun, und andrerseits auch wieder unserem Grundsatz treu zu bleiben, und uns nicht in die politischen Verhältnisse des Staates in dem wir freundlich aufgenommen wurden, zu mischen.« »Da kommen wir auf den faulen Fleck« sagte der Consul finster, seine Hände ineinander reibend und seinen Spaziergang im Zimmer wieder beginnend, in dem er nur manchmal bei der Bestärkung irgend eines Satzes, vor dem Missionair stehen blieb und ihn auch wohl leise bei einem Knopf faßte -- »es ist das alte Sprichwort: »wasch mich und mach' mich nicht naß -- wir haben stets etwas darin gesucht mit etwas zu prahlen, das an und für sich ein Unding ist, und Sie werden mir bezeugen können wie ich selber mich von je dagegen aufgelehnt. Als Missionair bei einem vollkommen uncivilisirten Volke _muß_ ich mich auch mit den politischen Verhältnissen desselben beschäftigen, ich muß sie ordnen und sichten, ich muß die bestehenden Gesetze, so weit sie mit dem Christenthum vereinbar sind, diesem anpassen; ich muß die Strafen in dem Verhältniß bestimmen, wie es uns von der Heiligen Schrift angegeben wurde, und das ist die Stelle wo die Religion in die Politik eines Landes, in dem ich eine Gleichstellung vor dem Gesetz fordere, hineingreift und hineingreifen muß, wenn unsere ganze Arbeit nicht eben eine vergebene soll gewesen sein. Dabei ist es hier nicht wie in einem civilisirten Staat, wo die Gesetze nur brauchen gegeben zu werden um in Kraft zu treten durch die bestimmten Executoren derselben, wir müssen sie hier auch in Kraft _halten_, und das können wir nur wenn der Einfluß nicht nachläßt, den wir, _durch_ unsere Stellung gerade als Lehrer und Gesetzgeber, auf die Häuptlinge ausüben. Wir sind nun einmal ihnen an Geist überlegene Geschöpfe, denen die Regierung zusteht, ob wir hier auf diesem Boden geboren sind und ihre Farbe haben oder nicht.« »Damit kommen wir aber nicht durch« sagte Mr. Rowe kopfschüttelnd -- »sobald wir das offen bekennen schreien sie Zeter über uns, und nennen es einen Mißbrauch den wir mit der Heiligen Schrift, irdischen Ehrgeizes und Gewinns wegen trieben. Selbst andere Nationen würden sich dann in das Missionswesen mischen, und gleich von vornherein protestiren oder gar störend dazwischen treten, wo fromme Männer das Kreuz hintrugen und das Gesetzbuch aufschlugen.« »Fremde Nationen mischen sich doch hinein« sagte der Consul, »wie wir den Beweis hier haben, und wer weiß ob Frankreich je so entschieden gegen diese Indianische Königin auftreten dürfte, hätten wir die Sache gleich von vornherein in die Hand genommen als Gesetzgeber und Richter. Von uns konnten sie wenigstens einen Schadenersatz für die papistischen Priester nie erpressen, und das Land wäre dann nicht verantwortlich dafür gewesen. Doch sei dem wie ihm sei,« fuhr er rascher fort, »das ist vorbei, und jetzt bleibt uns Nichts weiter zu thun übrig, als die Sache auch ernst und männlich durchzuführen.« »Wie aber, wo wir nicht die Gewalt in Händen haben?« frug Mr. Rowe, »der Cormorant liegt wieder da draußen, als ob er blos hergeschickt wäre eine Ladung Perlmutterschaalen und Cocosnußöl abzuholen, keineswegs aber, als ob hier die Interessen Englischer Bürger und die Rechte der Heiligen Schrift unter die Füße getreten würden, und uns selber sind die Hände total gebunden.« »Ich hoffe viel von der möglichen Einigkeit der Häuptlinge« sagte der Consul, »wenn zu keinem anderen Zweck, imponirt es den Franzosen und wir gewinnen Zeit. Graf Aberdeen hat mir für einen solchen Gewaltschritt des Feindes feste Hülfe zugesagt und versprochen -- er wird uns, _kann_ uns nicht im Stich lassen.« »Und willigt der Capitain des Cormorant ein, die Versammlung der Häuptlinge an seinem Bord zu halten?« »Ich habe schon die halbe Zusage, und will eben hinüberfahren die Zeit genau zu besprechen.« »Nehmen Sie sich in Acht, Bruder Pritchard« sagte aber der Missionair ernst, »daß Ihnen der Franzose nicht doch noch, trotz aller Autorität, einen Stein in den Weg legt; das Anheften der Plakate hat auf mich einen höchst ungünstigen, niederstimmenden Eindruck gemacht; ich kann mich irren, aber es kam mir vor wie eine Vorausentschuldigung gegen einen Akt der Gewalt; die Leute sind wirklich zu Allem fähig.« »Aber klug genug zu wissen wie weit sie gehn dürfen, England gegenüber.« »Wie weit?« sagte Bruder Rowe achselzuckend, »das ist eine sehr unbestimmte Größe, auf die ich mich, für meine eigene Person, gerade nicht verlassen möchte; aber Sie sind gewarnt, und werden am Besten wissen was Sie zu thun haben. Apropos, haben Sie Nichts von Bruder Ezra gehört und was über ihn beschlossen ist? Ich habe mir die größte Mühe gegeben, zu ihm zu gelangen, bin aber immer hartnäckig abgewiesen.« »Mir ist auf meine förmliche Protestation gar keine Antwort gegeben« erwiederte der Consul, »es scheint übrigens daß Bruder Ezra klug genug gewesen ist, trotz seiner Bibel in der Tasche hartnäckig zu leugnen, und wenn ich recht unterrichtet bin, hält man ihn jetzt nur noch zurück, um ihn mit dem nächsten nach Atiu segelnden Kriegsschiff dort hinüber aus dem Weg zu schicken.« »Sie möchten uns Alle lieber gern auf ein Kriegsschiff packen und nach irgend einer entlegenen Insel schicken« sagte Bruder Rowe; »die Katholischen Priester würden dann wenigstens für ihre unausgesetzten Bemühungen doch auch auf eigenen Erfolg rechnen können.« »Wir werden sehr umsichtig jetzt zu wachen haben, daß der in, von Bayonnetten aufgewühlten Boden gestreute Unglaube, nicht um sich greift und bleibende Wurzel schlägt,« sagte der Consul. »Wir sind allerdings da in nicht unbedeutender Gefahr« erwiederte Mr. Rowe seufzend, »und _eine_ Familie hier besonders ist es, die mir große Sorge macht, und gerade in diesem Augenblick meine ganze Thätigkeit in Anspruch nimmt; -- aber Sie wollen ausgehn, wie ich sehe?« Mr. Pritchard hatte seinen Hut aufgegriffen und seine Handschuh genommen und sagte: »Ja, nur an Bord des Cormorant, dort das Nähere zu besprechen.« »Haben Sie schon ein Boot?« »Es liegt an der Landung und wartet auf mich; wollen Sie mich begleiten?« »Ich danke herzlich« erwiederte der Missionair, »aber mich rufen gerade in diesem Augenblick heilige Pflichten, die ich nicht versäumen darf -- ich habe einen höchst interessanten Fall mit einem alten bis jetzt verstockten Häuptling, dessen Herz erst seit wenig Tagen von dem Licht unserer Kirche erleuchtet ist, und der jetzt zu seinem Entsetzen, aber hoffentlich noch nicht zu spät, den Abgrund erkannt, der vor seinen Füßen gähnt, und auf den ich ihn aufmerksam gemacht habe. Wie das aber wohl oft in solchen Fällen geschieht, gehen diese Unglücklichen da leicht von einem Extrem zum andern über, und ich habe jetzt die größte Mühe ihn an einem Verbrechen zu verhindern, das er begehen will seine unsterbliche Seele zu retten; er behauptet nämlich sein Kopf sei so lange verstockt gewesen, seine Ohren zu hören, seine Augen zu sehen, seine Zunge zu sprechen, daß er ihn sich abschneiden müsse, auf Gottes Altar die Sünde damit zu sühnen, denn wie er endlich die Strenge und Furchtbarkeit Gottes begriffen hat, zweifelt er an dessen Liebe und Allbarmherzigkeit.« »Möge ihn der Herr erleuchten« erwiederte Mr. Pritchard mit einem frommen Blick nach oben, und wandte sich dabei das Haus zu verlassen -- »so thun Sie Ihre Pflicht, lieber Rowe, _ich_ gehe indessen an ein weniger erfreuliches Werk!« und dem von ihm Abschied nehmenden Geistlichen, der ihn unten an seiner Verandah verließ, freundlich mit der Hand winkend, schritt er durch den Garten oder vielmehr Hofraum, der von einer Reihe niederer stumpfer Pallisaden umgeben wurde, nach der kleinen Ausgangsthür zu, öffnete diese und schritt dann quer über den, vielleicht achtzig oder hundert Fuß breiten Strand hinüber, einem kleinen in See hinausgebauten Werft zu, dort das für ihn liegende Boot zu besteigen, und an Bord hinüberzufahren, als er rasche Schritte hinter sich hörte. -- Er wandte den Kopf danach um und sah zu seinem Erstaunen einen Französischen Beamten, der, von einigen Soldaten gefolgt, rasch auf ihn zusprang. »Halt!« rief ihm der Erstere, noch eine Strecke von ihm entfernt, schon entgegen -- »halt Monsieur!« »Was wollen Sie?« sagte der Consul, zwar erstaunt aber doch ruhig stehen bleibend und den Franzosen mit zusammengezogenen Brauen erwartend -- »was wünschen Sie von mir?« »Sie sind mein Gefangener, im Namen des Königs!« rief der Polizeibeamte und deutete auf die ihm folgenden Soldaten. »Ich verstehe Sie nicht« sagte der Consul gleichgültig, und wollte sich abdrehen; der Franzose aber ergriff seinen Arm und den Soldaten winkend, die den Gefangenen an beiden Seiten umgaben, zog er den entrüsteten Mann, der gegen solche Willkür einem Englischen Consul gegenüber, protestiren wollte, rücksichtslos und ohne Weiteres fort mit sich, in das Wach- und Polizeilokal, von wo der Consul, ohne weitere Rücksicht auf sein Amt oder seine Stellung zu nehmen, bald darauf nach einem, schon allem Anschein nach für ihn bereit gehaltenen Gefängniß abgeführt wurde. Und Papetee blieb ruhig. Die Bedeutung, die der Consul einer Europäischen Macht im Ausland haben sollte, ja gewissermaßen auch seine Unverletzlichkeit, verstanden die Insulaner nicht; der Gefangene war ihnen auch immer mehr als Missionair wie als Consul wichtig und lieb gewesen, denn Nutzen hatte er ihnen in letzterer Eigenschaft doch nicht gebracht, noch sie gegen die Uebergriffe und Forderungen der Franzosen schützen können. Daß aber die Feranis es wagten einen Mitonare einzustecken, überstieg ihre Begriffe, und jetzt zum ersten Mal fürchteten die Häuptlinge für ihre eigene Sicherheit. Die Missionaire selber erwarteten, nachdem selbst die Consulnwürde von den Eroberern nicht geachtet wurde, das Aeußerste, und wandten sich nun in ihrer Rathlosigkeit an die arme, selbst unmächtige Königin, wandten sich an das Volk, sie zu schützen und nicht zu gestatten daß die Feranis mit ihnen machten was sie wollten. Aber die Geduld des Volkes war noch lange nicht erschöpft, oder wenigstens seine Gleichgültigkeit, wie sein Widerwillen gegen irgend eine außergewöhnliche Anstrengung noch nicht besiegt, und zu der gehörte jedenfalls ein Krieg, zu dem sie noch immer keine richtige Veranlassung sahen. Man hatte einen Französischen Soldaten ermordet, und darüber waren die Feranis böse, schickten eine Menge Soldaten an Land, die aber für Alles bezahlten was sie verzehrten, und sperrten einen rothen Mitonare, der in Verdacht stand an dem Mord betheiligt zu sein, wie einen weißen, der besonders auf sie geschimpft hatte, ein. Das war vielleicht unrecht in ihren Augen, aber immer noch keine Ursache einen ordentlichen Krieg anzufangen; ja die Insulaner beschlossen jetzt ernstlicher als je mit der ganzen Sache nichts weiter zu thun zu haben, und wenn auch einzelne feurige Köpfe, wie besonders Fanue und ähnliche, einen Angriff auf die »Feinde ihres Vaterlandes« offen predigten, so verhielten sich doch die einflußreicheren, wie Tati und Utami, noch immer ruhig, ja Paofai und Hitoti verkehrten sogar öffentlich und auf höchst freundschaftliche Art mit den Feranis, und beschlossen deshalb auch einen günstigern Zeitpunkt, das heißt eine wirkliche Ursache abzuwarten, die Feindseligkeiten zu beginnen, und Gewalt mit Gewalt zu vertreiben -- bis dahin aber sich vollkommen ruhig zu verhalten und ebensowenig die Waffen zu ergreifen, als den Eindringlingen auch noch Proviant zu liefern, ihnen das Leben hier auf der Insel so angenehm als möglich zu machen. Lieutenant Hunt, der Befehlshaber des kleinen Kriegsschiffes Basilisk sowohl, wie der Capitain des Cormorant hatten allerdings augenblicklich gegen die an dem Englischen Consul verübte Gewaltsmaßregel protestirt, konnten aber weder seine Befreiung erwirken noch etwas an seiner Lage bessern, und Monsieur ~d'Aubigny~ erließ ein Plakat, worin Mr. Pritchard, wenigstens indirekt, der Mord der Schildwache zugesprochen, und er ebenfalls als die Ursache des trotzigen Betragens der Eingeborenen, die er täglich und täglich wieder aufgereizt habe, angesehen wurde. Seine Gefangennahme sei aus dem Grunde geschehn und er selber solle für alle weiteren Folgen verantwortlich gehalten werden. Mit vieler Mühe gelang es endlich dem Capitain des Cormorant die Freiheit des Gefangenen, aber auch nur unter der Bedingung zu erwirken, daß er ihn an Bord seines eigenen Dampfers von Tahiti fortnahm, und sich dabei verbindlich machte ihn an keiner Insel dieser oder der Nachbargruppe wieder an Land zu setzen. Die Franzosen betrachteten diesen Mann als die einzige Ursache der nicht unbedingten und augenblicklichen Unterwerfung der Indianer, und glaubten und hofften durch seine Entfernung jedes weitere Hinderniß ihrer Festsetzung und unbestrittenen Oberherrschaft auf den Inseln, vollständig beseitigt zu haben. Capitel 8. Pomare's Flucht. René's kleiner Haushalt befand sich indeß in wilder ungemüthlicher Verfassung; Alles war gepackt gewesen, und nur gezwungen hatten sie im Anfang das Nothdürftigste wieder herausgenommen, immer noch hoffend daß sich die unangenehme Sache freundlich erledigen würde; aber Tag nach Tag verging ohne daß eine Entscheidung kam, und René seines Wortes, Tahiti nicht zu verlassen, entbunden worden wäre. Er war selber mehrmals bei Mons. Bruat, dem jetzt ernannten Gouverneur und wurde von ihm artig empfangen; dieser behauptete aber die Untersuchung unter keiner Bedingung aufgeben zu können, bis er zu einem Resultat gekommen sei, und René stände als Eigenthümer des Grundstücks wo die Waffen geschmuggelt wären, ja als zeitweiliger Eigenthümer sogar des Schooners, der Sache zu nah, sein Zeugniß, falls etwas auftauchen sollte was Licht darin geben könnte, zu entbehren. »Augenscheinlich« setzte er dann zwar höflich aber ziemlich bestimmt hinzu, »wisse er auch mehr über die Waffen, als er für gut finde, vielleicht durch seine enge Verwandtschaft mit den Eingebornen dazu veranlaßt, auszusagen, und wenn es seinem bekannten Charakter nach auch nicht wahrscheinlich wäre, daß er selber irgend etwas Feindseliges gegen seine eigenen Landsleute unternehmen, oder auch nur dulden würde, so lange er es eben verhindern könnte, sei die ganze Verhandlung noch keineswegs klar genug, so rasch und vollkommen wieder aufgegeben zu werden; das aber müsse in der That geschehn, wenn er ihn jetzt seines Wortes entbinden wolle.« Uebrigens bot auch Gouverneur Bruat, wie vor ihm der Kommandant ~d'Aubigny~ dem jungen Mann an in Französische Dienste zu treten, wodurch er ihm besonders zu beweisen hoffte, daß gegen seine Person nicht der mindeste Verdacht vorliege. Zu gleicher Zeit machte er ihn besonders darauf aufmerksam, welch wohlthätigen vermittelnden Einfluß er da oft werde im Stande sein auf einzelne Verhältnisse auszuüben: René erklärte aber bestimmt, hier in Tahiti nie einen Degen gegen die Eingebornen führen zu wollen, und das sei am Ende bei einem Ausbruch der Insulaner, sobald er wirklich eingetreten wäre, nicht zu vermeiden, lehnte deshalb auch das Anerbieten zwar dankbar, aber doch bestimmt ab. Das Belard'sche Haus hatte er aber noch nicht wieder betreten -- ja sogar auf das Aengstlichste vermieden nach Papetee zu kommen. Er fühlte welche Gefahr dort für ihn lag, die er jetzt nicht einmal mehr vor sich selber verbergen konnte; ja auch Susanna mußte durch seinen Abschied, und die Worte die er in der furchtbaren Erregung des Augenblicks gesprochen, gesehen haben welchen Eindruck sie auf ihn gemacht, und wie ihre Nähe den Frieden seines Hauses, seines Lebens zu stören, zu untergraben drohe, wenn er nicht mit fester männlicher Kraft dagegen ankämpfe, und die Leidenschaft niederhalte, die zwei Wesen zu verderben drohte. Monsieur Belard hatte ihn allerdings schon mehrmals auf der Straße getroffen, wo ihn Geschäfte in das Gouvernements-Gebäude riefen, er erklärte aber jeden Augenblick die Erlaubniß zu erwarten Tahiti zu verlassen, und wolle den Abschied von ihm so lieb gewordenen Freunden nicht zum zweiten Male durchleben, da er einmal überstanden. Mons. Belard lachte dazu, und meinte er spreche von einem solchen Abschied als ob er auf's Schaffot solle, und nicht nach einer nur wenige Meilen entfernten Insel überzusiedeln gedenke, hatte aber immer zu viel Geschäfte dabei im Kopf, lange auf dem Thema zu verweilen, und kam bald, von René rasch dabei unterstützt, auf irgend etwas Anderes, Gleichgültigeres zu reden. Recht wilde trübe Zeiten waren das für ihn, und mehr und mehr drängte es ihn dann nach Hause zurück, wo Sadie, sein liebes treues Weib mit unermüdlicher Liebe schaffte und sorgte, ihm wenigstens daheim das Alles vergessen zu machen, was ihm die Menschen draußen weh gethan. Das, glaubte sie auch, drücke ihm das Herz, er wäre ja sonst nicht immer so traurig und verstimmt zu Haus gekommen und bleich und schwermüthig geworden, gar nicht in seiner Art, wo ihm ja doch das Liebste wohnte was er sein nannte auf dieser Welt. Aber sie scheuchte auch die Wolken von seiner Stirn und rief das Lächeln wieder auf seine Lippen, wie in alter Zeit; und wenn die Kleine dann auf seinem Schoos spielte und sie sich an ihn schmiegte, plauderte sie ihm von Atiu und den lieben Plätzen die sie dort wieder besuchen würden; von dem stillen Sitz an dem Palmenhang; von dem Ihiamoea oben im Dickicht, wo er die böse Nacht verbracht; von der kleinen Veste auf der Hügelspitze wo er sie zuerst gesehn und sie ihn fortgeführt hatte in das friedliche Missionshaus an der Bai -- und von den seligen, seligen Stunden die sie da verlebt. René lauschte, das glückliche Weib an seinem Herzen, wie in einem Traum, der all die lieben Bilder wieder heraufbeschwor vor sein inneres Auge; aber immer und immer wieder mußte er sich zwingen dazu, das Alles _keinen_ Traum zu nennen, wo der Wiedergewinn ja fast im Bereiche seines Armes lag, und doch ein Schatten aufstieg zwischen dem Bild und seinem Herz. Und daß er das fühlte, daß er das erkannte machte ihn unglücklich. »Du sündigst« flüsterte es in seiner Brust mit rastlosem, nimmer endendem Klang, »Du sündigst« sprach jeder Liebesblick aus den Augen seiner Sadie, »Du sündigst« drängte ihm vorwurfsvoll das unschuldliebe Lächeln seines Kindes entgegen, »Du sündigst« donnerte die Brandung, die ihn einst in Schlaf gesungen, in Liebe und Glück. Wie um vor sich selbst zu flüchten, hatte er den Vater Conet wieder aufgesucht, der in zarter Rücksicht bis dahin sein Haus lange Zeit nicht betreten, weil er fürchtete daß seine Stellung zu den Protestantischen Geistlichen Uneinigkeit säen könne in stilles häusliches Glück; er forderte ihn jetzt selber auf sie zu besuchen, oft zu besuchen, so lange er noch auf Tahiti sei, und er hoffte Trost in dem Umgang des freundlichen verständigen Mannes zu finden. Aber der Muth gebrach ihm wirklich dem Freunde, der sogar nach seiner Religion berechtigt war eine solche Offenheit zu fordern, das zu gestehen was ihm das Herz erfüllte, was es quäle, und Alles das trug er fest in sich verschlossen und allein, und kämpfte still und männlich dagegen an. Es war ein Kampf der Verzweiflung Fuß an Fuß, und in der Gefahr nur wuchs ihm erst die Kraft. Auch Bertrand hatte ihn in der letzten Zeit häufiger besucht, aber fast nur ihm zuzureden der Einladung des Gouverneurs zu folgen, und wieder in eine Stellung im Leben einzutreten, die seinem Geist und Herzen doch auch mehr bot als eine bloße Existenz, die ihm eine Aussicht auf spätere Zeiten bahnte, ehrenvollere Stellung einzunehmen auf dieser Welt, als eben nur das Bewußtsein zu haben daß man ist und athmet. Auch Vater Conet stimmte darin dem jungen Officier vollkommen bei, René sei, wie gar keinem Zweifel unterliege, noch viel zu jung, auch nur daran denken zu können sich von der Welt ganz zurückzuziehn, die ebenfalls ihre Forderung an _ihn_ habe und sich ihr Recht dann doch einmal über kurz oder lang zu wahren wisse. Beide bestritten ebenfalls, daß ihm das Leben der Inseln auf die Länge der Zeit genügen würde und könne, und wie sich _alle_ seine Landsleute für später solche Aussicht offen gelassen -- eine Aussicht die bei Allen fast, mit nur sehr wenigen Ausnahmen eine _Hoffnung_ wurde -- so werde auch er einmal den Drang wieder in sich fühlen nach Frankreich zurückzukehren, an dessen weit geselligeres Leben sich dann auch Sadie, schon jetzt mit den Sitten, der Sprache des fremden Volkes bekannt und befreundet, leicht und gern gewöhnen würde. Sadie schüttelte bei solchen Reden recht ernst und ängstlich mit dem Kopf; sie hatte genug von Französischem Leben hier auf Tahiti gesehn, sich nicht weiter da hineinzusehnen, und in einem Lande zu leben wo sie weiter gar Nichts mehr sehen sollte als fremde unbekannte Gestalten, wo ihr die lieben Palmen fehlten und das fröhliche Lachen der fröhlichen Kinder ihres sonnigen Vaterlands? -- Nein, nein, dahinein paßte sie nicht, und sie würde und müßte vergehen dort, in Sehnsucht und Heimweh. Auch René hatte dagegen seine heimlichen Bedenken, Gedanken die in ihm laut wurden und Form gewannen, er mochte sich dagegen stemmen und wehren so viel er wollte. Mata Oti, der Bursche, war ebenfalls mit Bruder Ezra von den Französischen Behörden eingezogen worden, etwas mehr aus ihm herauszubringen über jene Nacht, als ein bloßes ~aita vau i ite~ -- ich weiß es nicht -- und Sadie hatte dafür ein Mädchen zu sich genommen, die ihr die Dienste des Knaben ersetzen sollte. Nai Nai war über die Blüthe der Jahre hinaus, wenn auch noch gar nicht so alt, und obgleich sie vor sechs oder acht Jahren noch ein recht hübsches Mädchen gewesen sein sollte, doch jetzt abgefallen, mager und selbst häßlich geworden. Eine eigene Wuth die sie dabei hatte Europäische Kleider und besonders Hüte zu tragen, zeigte sich nicht im Stande ihre Reize zu erhöhen, und Sadie lachte darüber, aber auf René machte es einen peinlichen Eindruck, so peinlich daß er zuletzt Sadie bat sie wieder fortzuschicken, wenn er ihr auch keinen Grund dafür anzugeben vermochte. Sadie versagte ihm nie einen Wunsch, wenn es in ihren Kräften stand ihn auszuführen, und Nai Nai wurde wieder hinüber nach Imeo geschickt, von wo sie gekommen, und von einem hübschen jungen Mädchen ersetzt. Wenige Wochen waren solcher Art nach den im vorigen Capitel beschriebenen Vorgängen verflossen, und wenn sich auch die Insulaner schon ziemlich über den Verlust ihres Missionairs und Consuls beruhigt hatten, sollte bald wieder ein Gewaltstreich der Fremden diesem scheinbaren Frieden ein Ende machen. Die ~Reine blanche~ war wieder gesegelt und Monsieur Bruat hatte Alles versucht die Eingebornen in Güte dazu zu bringen, ihnen die nöthigen Provisionen zu liefern, aber umsonst. Wie die Franzosen behaupteten, von den Missionairen aufgereizt, jedenfalls auf den Befehl ihrer eigenen Häuptlinge, hielten sich die Insulaner in ihren Wohnungen und brachten nicht eine Brodfrucht mehr zu Markte, ja das Gerücht verbreitete sich sogar, sie seien gesonnen Alles was sie nicht von Früchten und überhaupt Lebensmitteln nothwendig selber brauchten, in die Berge und den Feranis aus dem Weg zu schaffen. Dem zu begegnen schritt der Französische Kommandant zu einem Gewaltstreich, lockte vier der einflußreichsten Häuptlinge, unter ihnen Terate, Avei und Nane ini an Bord eines Schiffes, wo er sie gefangen hielt, und hätte sich fast auch noch eines andern Trupps bemächtigt, wäre diesem nicht noch zeitige Warnung geworden, daß er in die Berge fliehen konnte. Bald darauf erschien eine Proclamation vom Gouverneur Bruat unterzeichnet, die im Namen des Königs von Frankreich und als Gouverneur der Französischen Besitzungen, dem Volke von Tahiti erklärte daß die vier Häuptlinge Taaniri, Raheahu, Potowai und Teraitane, da sie auf das Wort des Friedens nicht hatten hören wollen, für Rebellen erklärt und ihr Eigenthum mit Beschlag belegt werden sollte. »Acht Tage« hieß die Proclamation weiter -- »sind ihnen noch gegeben sich zu unterwerfen. Der Distrikt der ihnen Schutz giebt soll, nach seiner Wichtigkeit, unter eine entsprechende Contribution gelegt werden. -- Die dem Frieden und dem Gesetz freundlich gestimmten Personen bleiben ruhig unter dem Protectorat Frankreichs -- die Strenge der Gesetze soll die Schuldigen treffen. Bruat.« Jetzt zum ersten Mal schien das Volk zu fühlen daß es wirklich unterjocht werden sollte, da man sich nicht allein begnügte die Englischen Missionaire feindlich zu behandeln, sondern auch sogar Hand an ihre eigenen Häuptlinge legte, und ein wilder Schrei des Zorns und der Entrüstung ging durch das ganze Land. Pomare war zu gleicher Zeit von den Missionairen feste Hülfe von England versprochen, und selbst alle dort lebenden Engländer bestätigten das, da Britanien nie dulden werde, daß Einer seiner Consuln auf solche Weise behandelt werde; nur verzögern mußte sie einen Ausbruch des Volks, damit der Franzose nicht neuen Grund bekam zu neuen Uebergriffen, und sich indeß ihr Recht wahren, als souveraine Königin. Dem Sinne folgend schrieb sie einen Brief[H] an die Häuptlinge, worin sie dieselben zum treuen und geduldigen Ausharren ermahnte, aber sie auch zugleich indirekt darin aufforderte in ihrer Widersetzlichkeit gegen die Feranis standhaft zu bleiben, und dieser Brief wurde, wie es heißt, von Gouverneur Bruat so aufgefaßt, als ob er die Eingeborenen in der »Rebellion gegen ihre gesetzmäßige Regierung« bestärken und bekräftigen solle. [H] Pomare's Brief lautete wörtlich: »Gesundheit Euch Allen; ich mache Euch bekannt daß unser Kriegsschiff uns bald verlassen wird; der Admiral verlangt es nach Oahu zurück. Ein kleines Kriegsschiff liegt hier, über uns zu wachen, ein anderes wird kommen. Horcht nicht auf die Männer die Euch entmuthigen wollen mit der Nachricht daß wir nicht unterstützt würden. Britanien wird uns nicht verlassen. Laßt uns uns gut betragen, bis die Depeschen eintreffen. Dies ist mein Wort an Euch -- laßt unter keiner Bedingung etwas Unrechtes geschehen, behandelt ja nicht die Feranis schlecht; habt große Geduld. Nehmt mich zum Muster und folgt mir, und laßt uns Alle brünstig zu Gott flehen, daß er uns von unserer Prüfung befreien möge, wie einst Hezekiah. Frieden sei mit Euch. Pomare.« Der ehrwürdige Mr. Rowe bekam, wahrscheinlich selbst von Französischer Seite, einen Wink, daß der Königin in Folge dieses Briefes Gefahr für ihre persönliche Sicherheit drohe, und verlor, durch Mr. Pritchards Gefangennehmung überdies noch aufgeregt und eingeschüchtert, dermaßen den Kopf, daß er auf der Stelle zu ihr zu eilen beschloß, sie auf das Dringendste zur Flucht zu mahnen. Pomare war allein, als ihr der Missionair gemeldet wurde, und Bruder Rowe mußte lange draußen warten ehe er vorgelassen werden konnte. Selbst ihre Einanas hatte die Königin von sich entfernt; die Mädchen saßen und lagen draußen auf der Verandah herum und flüsterten leise miteinander -- sie wagten nicht laut zu reden. Nur eine von ihnen ging hinein die Gebieterin von der Ankunft des Geistlichen zu benachrichtigen, und kam dann zu den Uebrigen zurück, denen sie mit halblauter Stimme etwas zuflüsterte. »Hast Du Pomare meinen Namen genannt, Waihine?« frug der Geistliche endlich, dem der Boden anfing unter den Füßen zu brennen -- »_weiß_ sie daß ich hier bin und sie sprechen muß?« »Ja, Mitonare!« lautete die leise Antwort. »Und was hat sie gesagt?« »Mitonare soll warten« -- das Gespräch war wieder abgebrochen. »Mitonare soll warten« -- und die Zeit verfloß indeß, die ihr vielleicht noch geblieben, und _mit_ der Königin waren auch alle ihre Rathgeber gefährdet -- wer weiß was sie vielleicht in ihrem weibischen Trotz Alles aussagte und -- gestand. Der Missionair ging mit raschen ungeduldigen Schritten wieder draußen auf und ab. »Sie muß mich vergessen haben« rief er aber endlich, nicht länger im Stande seinen Unmuth zu verbergen, indem er wieder vor der Einana stehen blieb -- »fort mit Dir, Waihine -- sage noch einmal daß ich da bin, und Pomare sprechen _muß_, denn ich hätte ihr Wichtiges -- sehr Wichtiges mitzutheilen.« »Pomare hat gesagt Mitonare soll warten,« sagte aber das Mädchen, und Bruder Rowe sah sie erstaunt und mißtrauisch an -- so hatten die Einanas noch nie gewagt mit ihm, oder einem aus seiner frommen Schaar zu sprechen -- »und kam diese Sinnesänderung von oben herab?« Er sollte aber nicht länger Zeit zum Ueberlegen behalten; die Königin, ob sie die ungeduldige Stimme des Missionairs gehört, oder selber es für Zeit fand ihn hereinzulassen, rief, ein paar von den Mädchen sprangen auf, den Besuch zu geleiten, und Bruder Rowe betrat wenige Minuten später das kleine Gemach, in dem Pomare auf einer ausgebreiteten Matte auf der Erde saß. Sie hatte sich in das einfachste Zimmer ihres Hauses zurückgezogen; weder Tisch noch Stuhl stand in dem leeren Raum, vor dessen Fenster, das einzige Zeichen des neueingeführten Luxus, weiße gemusterte Gardinen hingen und in dem Zug der offnen Flügel hin und herwehten. Nur Matten, nebst einigen mit roher Pflanzenwolle gestopften Kissen lagen im Zimmer zerstreut umher, eben so viele Sitze bildend, und ein an der Wand befestigtes Seitenbret trug drei oder vier Bücher, eine reich vergoldete Obertasse mit abgebrochenem Henkel, und eine gewöhnliche Cocos Poe-Schale. Der ehrwürdige Mann blickte etwas erstaunt umher, denn gerade in der letzten Zeit hatte Pomare weit eher gesucht sich mit Europäischem Glanz zu umgeben, als sich solcher Art in ihre Einsamkeit zurückzuziehn; aber die Königin selber zog seine Aufmerksamkeit bald auf sich allein, denn sie sah bleich und abgehärmt aus, und die Spuren frischer Thränen waren noch in ihren Augen. »Was bringst Du mir?« sagte sie mit halb abgewandtem Antlitz, als ob sie sich dieses Zeichens von Schwäche schäme -- »was wollt Ihr von _mir_? ich habe Nichts mehr zu befehlen hier auf Tahiti -- meine Sonne ist untergegangen und meine Nacht bricht an -- Ihr müßt von jetzt an für Euch selber sorgen -- Pomare Waihine hat kaum noch den einzigen Brodfruchtbaum behalten, der vor ihrer Thüre steht.« »Und doch bist Du noch frei, Pomare,« sagte der Missionair mit traurigem, mitleidigem Blick -- »hast noch Dein Volk um Dich und den blauen Himmel über Dir --« »Und wer kann mir das nehmen?« rief Pomare schnell, und ihr mißtrauischer Blick haftete forschend an dem Auge des Priesters. »Der Feind hat jetzt die Macht« entgegnete finster der Missionair, »und seine Bosheit ist groß.« Pomare erwiederte Nichts und sah den Unglücksboten nur ruhig und sinnend an, dann langsam aufstehend trat sie zu ihm, legte ihre Hand auf seinen Arm und sagte leise: »Was ist vorgefallen, Bruder Rowe? -- sag es mir gleich heraus und leg Dich nicht erst in den Hinterhalt -- Du thust mir weh damit.« »Es ist auch keine Zeit mehr zu verlieren, Pomare,« erwiederte der Priester ernst -- »Du weißt was die Feranis mit Piritati gemacht haben.« »Piritati war ein Beretani« rief die Königin schnell -- »er gehörte nicht in dieses Land -- sie konnten das wagen -- sie dürfen nicht Hand an Pomare legen.« »_Dürfen_?« sagte Mr. Rowe achselzuckend -- »wir sind ein friedliches Volk und können uns nicht zur Wehr setzen.« »Und wessen Schuld ist das?« frug die Königin rasch und mit einem Zornesblick im Auge -- »wer anders als Ihr, die Ihr uns von England die Religion gebracht habt, die Ihr eine Religion der Liebe nennt, und die jetzt Haß und Tod unter mein Volk bringt, wer anders hat den Bewohnern dieser Inseln ihre alten Kriegsspiele verboten, und die Führung der Waffen für sündhaft erklärt? wer eiferte früher dagegen, daß meine jungen Leute ihr Cocosöl und ihre Perlmutterschalen gegen Gewehre und Pulver eintauschen sollten wie es mein und ihr Wunsch war, und erklärte es gegen Gottes Gebote, während Ihr Oel und Muscheln für Eure eigenen Zwecke sammeltet und nach Beretani schicktet?« »Es geschah das um Gottes Wort auch auf andern Inseln zu verbreiten -- auch andern Völkern den Segen der christlichen Religion zu bringen« sagte mit milder freundlicher Stimme der Geistliche. »Ich habe das gute Buch durchgelesen von Anfang bis Ende« erwiederte die Königin finster -- »und nirgends darin gefunden daß Jesus Christus _gesammelt_ hat für andere Völker.« »Damals war es noch nicht nöthig, Pomare« erwiederte Mr. Rowe, etwas verlegen -- »und nicht wohl ist es gethan, das Schwert zu nehmen, denn Jesus selber hat gesagt, »wer das Schwert nimmt, der soll durch's Schwert umkommen.« »Geh, geh!« sagte aber Pomare traurig mit dem Kopf schüttelnd -- »Du hast für Alles einen Vers aus Deinem Buch und die Beretanis, die Du sagst daß sie gute Christen wären fahren eben so mit Kriegs-Canoes auf der See herum wie die Feranis, sie nehmen das Schwert und sie kommen nicht um, und ich habe das Schwert nicht genommen und verliere mein Reich -- Was willst Du jetzt von mir? -- was soll ich thun? -- gehe zurück zu Deinen Landsleuten und sage ihnen daß ich Euch hier nicht mehr schützen kann. Ich danke ihnen daß sie mir die Bibel gesandt, aber mein Volk ist zerstreut, meine Macht ist gebrochen -- wenn ich wieder Königin bin, will ich Euch wieder in mein Land nehmen.« »Nicht meinethalben kam ich hierher, Pomare« sagte aber der Geistliche ernst, »nicht für mich Schutz oder Hülfe zu erbitten von Dir, Du schwergeprüfte Königin, sondern Dich selber wollt' ich warnen, Dich einer Gefahr zu entziehn, die über Deinem Haupte schwebt, und Dich in der nächsten Stunde schon vielleicht erreichen kann.« »So sprich!« rief Pomare, »schon seit Du das Zimmer betreten, sehe ich Dein Unheilkündendes Gesicht, und mein Herz ist von Angst erfüllt -- was ist es?« »Vor einer Stunde etwa« nahm der Geistliche wieder das Wort, »bin ich gewarnt worden, daß die Feranis, böse über Deinen Brief den Du an die Häuptlinge geschrieben, Dich ebenso wollten gefangen nehmen und in Gewahrsam halten, wie Terate und die Andern, damit Du die Eingebornen nicht aufwiegeln könntest gegen sie. Die wahnsinnigen Menschen behaupten jetzt die rechtmäßigen Eigenthümer Tahitis zu sein, und erklären uns selber für _Rebellen_ wenn wir gegen sie reden.« Ein zorniges Lächeln flog über Pomares Züge, als sie die Worte hörte und sie antwortete finster: »Mich gefangen nehmen? und wo bleiben jetzt Euere Schiffe? wo die Kanonen die Ihr mir zu meinem Schutz verspracht? -- Euere Kriegsschiffe haben, ein kleines Schiff ausgenommen, die Bai verlassen, Euer Consul ist gefangen, Euere Fahne verschwunden -- wo bleiben Euere Predigten, Euere Worte? Als ich Sandelholz hatte und Cocosöl, da war ich Königin, da kamen die Capitaine und sprachen schöne Worte und brachten Geschenke -- jetzt da ich arm und verlassen bin, kommt Niemand mich zu unterstützen. Und wohin soll ich fliehen?« »Es liegt ein Englisches Kriegsschiff im Hafen das Dich aufnehmen wird, und unter Englischer Flagge bist Du sicher« rief der Missionair. »An Bord eines fremden Schiffes? nie« -- zürnte die Königin, »wär' ich nicht dort Gefangene wie da?« »Und doch ist es das Einzige« seufzte der Missionair -- »dorthin reicht der Arm der Feranis nicht, und wer weiß ob Du heut Abend selbst noch zu dem Schritt Raum und Zeit behältst.« »Ich kann mich nicht allein in den Schutz der fremden Männer geben« sagte Pomare, doch jetzt unruhig werdend über den besorgten Ernst des sonst ihr so freundlich gesinnten Mannes -- »ich kann nicht allein an Bord eines Kriegsschiffs fliehn.« »Dein Gatte und zwei Deiner Einanas müssen Dich begleiten« sagte Mr. Rowe, »Pomare Tane[I] ist ja von Imeo zurückgekehrt, und wird sich nicht weigern Dir an Bord zu folgen.« [I] Der Gemahl Pomare's geht unter dem Titel »Pomare's Mann.« »Weigern?« sagte die Königin zürnend, und ein verächtliches Lächeln spielte um ihre Lippen -- »aber meine Kinder? -- was würde aus denen?« »Wohin die Mutter geht, gehn sie auch, und Capitain Hunt ist ein Gentleman, der sich glücklich schätzen wird einer armen verrathenen Frau und Königin Schutz mit den ihren zu gewähren.« Pomare ging, die Hände krampfhaft gefaltet, das Haupt gesenkt, mit raschen Schritten im Zimmer auf und ab, als draußen Stimmen laut wurden und gleich darauf Eine der Einanas den Häuptling Tati meldete, der Pomare dringend zu sprechen wünsche. »Tati?« rief Pomare, erstaunt vor dem Mädchen stehn bleibend -- »Tati? was will er von _mir_ in jetziger Zeit? oder haben ihn die Feranis geschickt, seine Königin abzuholen ins Gefängniß -- send' ihn fort, er gehört zum Feind; Pomare will ihn nicht sprechen.« »Wenn der Feind Dein Vaterland ist, Pomare, dann hast Du recht« sprach in diesem Augenblick die tiefe klangvolle Stimme des Häuptlings, der dem Mädchen auf dem Fuß gefolgt, und auf der Schwelle stehn geblieben war, bis seine Ankunft gemeldet worden -- »schicke mich nicht noch einmal fort von Dir, denn ich bringe ein Freundeswort.« »Schickt Dich der Ferani?« frug die Königin, ihn mit einem finstern Blick betrachtend -- »haben sie Dir wieder neue Versprechungen gemacht, oder soll ich vielleicht noch einen Vertrag unterzeichnen, der mir auch die Füße bindet, wie der erste die Hände, und mich hier hält in ihren bewaffneten Häusern, als Geißel für die Unterwürfigkeit meines armen Volkes?« Tati zog die Brauen finster zusammen und sein Blick suchte den Missionair, als ob er dort den Grund solcher harten Anklage vermuthe, aber das gute Element in ihm gewann die Oberhand und mit ruhiger fast herzlicher Stimme sagte er: »Du hast Grund uns zu zürnen, Pomare, denn wenn auch absichtslos, gaben wir dem Ferani den Halt an dieses Land, den er jetzt benutzt, es zum Abgrund niederzureißen, aber vielleicht bin ich im Stande Dir heute zu beweisen daß es Tati redlich mit Tahiti, redlich mit Dir meint, und kleinliche Eifersucht seinem Herzen fremd ist, in der Stunde der Noth. Du bist in Gefahr und mußt Papetee verlassen.« »Ich weiß es, ich weiß es« rief Pomare schnell -- »der ehrwürdige Mann hier hat mich schon gewarnt, und das Schiff der Beretanis wird mich und die Meinen aufnehmen, ehe ich mich den Feranis gefangen gebe.« »Das Schiff der Beretanis?« rief Tati, fast ebenso sehr erschreckt als erstaunt -- »und was hast Du bei den Beretanis zu thun? sind sie nicht Fremde, so gut als Jene? O Pomare, wann wirst Du aufhören Dich auf Fremde zu verlassen?« »Der Häuptling Tati spricht, als ob unsere Nation dem Tahitischen Stamme je noch feindlich gewesen wäre« sagte der Missionair, »ich dächte wir hätten bewiesen, daß wir unsere Tahitischen Brüder lieben.« »Genug -- genug« sagte der Häuptling abwehrend -- »nicht um mit Worten zu streiten bin ich hierhergekommen; die Zeit zum Handeln ist gekommen, und Du, Pomare, sollst jetzt beweisen, ob Du würdig bist das Tahitische Volk zu regieren, wo dann Tati und alle Andern sich freudig Deiner Herrschaft beugen werden.« »Und soll ich mit meiner Flucht solchen Beweis beginnen?« frug die Königin bitter. »Allerdings« rief Tati rasch, »aber nicht wenn Dich die Bahn nach einem fremden Schiffe führt.« »Und wohin denn? -- wo hast Du Schutz für mich?« »Bei Deinem Volk, Pomare!« rief der Häuptling rasch und während die Königin finster und wehmüthig mit dem Kopfe schüttelte, fuhr er von seiner Sache begeisterter, wärmer werdend, fort -- »schüttle nicht so zweifelnd das Haupt, die Führer fast aller Partheien, die sich vereinigt haben in der gemeinsamen Noth des Landes senden mich, und rufen, ja fordern Dich auf, ihrem Schutze Dich anzuvertrauen und mit ihnen in die Berge zu ziehn. Dort pflanzen wir die eigene Fahne auf, und Tod den Feinden, wenn sie es wagen sollten uns dorthin zu folgen, wo wir uns fest und freudig um Dich geschaart.« »Nur bei dem Versuch in die Berge zu entkommen« warf hier kopfschüttelnd der Geistliche ein -- »wäre Pomare fast der gewissen Gefahr ausgesetzt, von den Feranis angehalten und gefangen zu werden. Sie würden es nimmer dulden etwas geschehn zu lassen, was ihnen die Eingebornen zu so viel gefährlicheren Feinden machen müßte.« »_Gefahr_ und _Dulden_!« rief der Häuptling, mit dem Fuße stampfend, »ein einzig Zeichen durch die Stadt von mir und fast drei Viertel der Bewohner schaaren sich mit einem Jubelschrei um ihre Königin. Laßt das Volk wissen daß Tati und Utami, Hitoti und Paraita mit Pomaren sind, und kein Arm der noch einen Bogen spannen und einen Speer schleudern kann, bleibt daheim, das Ende schmachvoll abzuwarten. Nein Pomare, nicht Furcht jetzt, nicht Gefahr, darf Dich abhalten davon, Dich an die Spitze Deines Volks zu stellen. Die Fremden haben jetzt deutlich genug gezeigt _was_ ihre Absicht ist, und uns bleibt keine andere Wahl, als Unterwerfung oder Kampf.« »Uns bleibt die Wahl Britischen Schutz zu suchen« rief der Missionair, neben Pomare tretend, »uns bleibt der Schutz der Bibel und wenn auch spät, die Hülfe bleibt nicht aus; so langsam sie kommt, so sicher wird sie kommen.« Tati wollte heftig gegen den Priester auffahren; aber er bezwang sich, er fühlte die Wichtigkeit dieser Stunde und sagte ernst und ruhig: »Pomare, der Augenblick ist gekommen, wo Du zu wählen hast zwischen Deinem Volk und den Fremden, zwischen Deiner eigenen Herrschaft oder der, Beretanischer oder Feranischer Priester; -- gieb Dich wieder in ihre Hände, und Deine Macht ist gebrochen für ewige Zeiten -- wirf sie von Dir, und wir erkämpfen Dir die Freiheit oder uns Allen einen ehrenvollen Tod. Sieh, daß die Häuptlinge _mich_ senden, mag Dir ein Beweis sein wie wir denken -- jeder Partheistreit sei vergessen, jeder kleinliche Gedanke an Eigennutz zerstört, das Vaterland ist in Gefahr und wie der fremde Ferani schlau und tückisch seinen Vortheil zog aus dem Zwiespalt der Partheien, so pflanze die _eine_ Macht jetzt siegreich ihr Banner auf in den Bergen.« Die Königin stand unschlüssig; das Herz schlug ihr heftig und ihr Blick flog ängstlich von den schönen belebten Zügen des Häuptlings nach dem bleichen Antlitz des Priesters hinüber. »Und was wird aus Pomare Tane?« frug sie leise. Tati biß sich die Lippe -- »Er mag mit Dir gehn« sagte er endlich leise, »aber _wenn_ er ein Mann wäre hätte er selber schon das Schwert aufgegriffen und sein Volk zu den Waffen gerufen -- oh daß Dein Vater lebte, Pomare.« »Und was dann, wird aus den Lehrern dieses Volks, was wird aus uns und unseren Häusern?« rief der ehrwürdige Mr. Rowe. »Vertrauungsvoll sind wir an Eueren Strand gekommen, Euch den Frieden und die Liebe zu bringen, und sollen wir jetzt als Geißeln in den Händen der Feinde zurückbleiben? So lange Du unter Britischem Schutz stehst, Pomare, wird ebensowohl _Dein_ Eigenthum hier geachtet werden, denn die Feranis fürchten unseren Stamm, mögen sie jetzt hier so trotzig auftreten wie sie wollen, einmal aber erst in die Berge geflüchtet, als erklärter Feind und mit den Waffen in der Hand, so ist nach den Gesetzen des Kriegs Alles dem verfallen, der das Feld behauptet.« »Und denkt Ihr an Euch jetzt allein?« rief Tati zornig, »wo das Schicksal des ganzen Landes am Rande des Abgrunds steht?« »Viel weniger an mich« -- erwiederte ruhig der Missionair, »als an alle meine Brüder hier auf den Inseln, ja an das Schicksal der Mission selber, die damit ihrem gewissen Untergang entgegen zöge. Sobald Pomare jetzt offenkundig den Krieg beginnt, liegt die Vergangenheit abgeschnitten hinter ihr, und die Gewalt der Waffen allein entscheidet wer künftig und welche Religion herrschen soll. Wird sie besiegt, so ist es der Sieger, der die Bedingungen schreibt und denen sie sich fügen muß, indeß sie jetzt noch immer Englands Hülfe sich erhält, seine Vermittlung die stets nur auf Seiten der Bibel sein kann.« »Zum Abgrund mit der Bibel!« schrie aber der im Herzen noch immer den alten Göttern zugethane Häuptling jetzt, bei dem der Zorn über den egoistischen Geistlichen die Ueberhand gewann -- »es gilt hier nicht das dicke Buch, es gilt das ganze Land, es gilt hier für Pomare die Herzen ihres Volks, die jetzt noch mit ihr, doch wer weiß wie lange sind. Tati läßt auch Alles zurück was er sein eigen nennt, ebenso Utami -- wir wollen uns selber, wollen unsere Ehre, unser Reich retten, mag der Feind die Brandfackel in unsere Hütten werfen und unsere Brodfruchtbäume niedermähn; die Berge tragen Feis, der Wald Orangen und Guiaven und tausend andere Früchte, und Gottes Sonne glüht und leuchtet da oben so rein und frisch, wie hier im Thal.« »Ich will auf das Schiff gehn, Tati« sagte aber jetzt Pomare, die bis dahin unschlüssig und ängstlich gestanden -- »der Mitonare hat recht; so lange ich unter Englischem Schutz bin und nicht gegen sie kämpfe, werden sie unser Eigenthum achten und nicht zerstören, und das fromme Werk der Mission, das mir von Gott überantwortet ist, wird nicht zu Grunde gehn; ich will nicht das Schwert nehmen, ich bin eine Frau und meine Kinder sollen ihre Krone nicht vergossenem Blute zu verdanken haben -- wenn Andere Unrecht thun will ich nicht selber sündigen. Und auch Du Tati, schaudere vor dem Abgrund zurück an dem Du stehst, denn Du verachtest die Bibel und sie ist Deine einzige Rettung.« »Pomare -- laß uns nicht in dieser Stunde um ein Wort, um eine Meinung zanken,« bat aber der Häuptling -- »schicke mich nicht fort von Dir mit solcher Antwort; noch bist Du Königin und will Dich England schützen, wird es das eher thun, wenn Du Dir Achtung von ihm _erzwingst_, durch Königliches Handeln, als wenn Du feige auf eines ihrer Schiffe flüchtest, von vorn herein gleich erklärend, ich bin zu schwach, ich _kann_ nicht Königin sein.« »Da kommt Bruder Brower in großer Eile« rief Mr. Rowe da, der einen Blick durch das Fenster geworfen -- »was wird er bringen?« »Unheil diesem Haus« sagte Tati düster, der in den Augen Pomare's schon seine Antwort las, und nicht mit Unrecht befürchtete der zweite Mitonare würde den Ausschlag geben. Er sollte darüber nicht lange in Zweifel bleiben; mit ängstlicher Miene brach der kaum angemeldete Priester ins Zimmer, und nur einen mißtrauischen Blick auf den Häuptling werfend, dessen Parthei den Interessen Pomare's bis dahin selten freundlich gewesen, rief er aus: »Die Noth ist groß Pomare, größer aber die Gefahr, denn soeben höre ich daß die Französische Regierung beschlossen hat Dich zu fangen und zu halten, bis zu Abschluß des Friedens. Glücklicher Weise aber war das Boot des Basilisk hier an Land -- sein Officier ist von mir in Kenntniß gesetzt und liegt am Ufer, dicht hier vor dem Haus, Dich unter dem Schutz seiner Flagge sicher fortzuführen -- aber der Augenblick drängt, Du hast keine Viertelstunde mehr zu Deiner Verfügung.« »Eben so rasch entkommst Du in die Berge, Pomare« rief da Tati noch einmal, den letzten Versuch zu machen, die Königin ihrem Lande zu erhalten -- »über die Straße hinüber beginnen die Guiaven, und mein Kopf bürge Dir für Deine Sicherheit.« Pomare Tane brach in diesem Augenblick in's Gemach; es war ein junger bildschöner Mann, wohl sechs oder acht Jahr jünger als die Königin, aber mit weichen, weibischen Zügen, die Oelgetränkten Haare mit Blumen geschmückt und die Finger mit Ringen besteckt. Auch seine Züge waren jetzt angstentstellt, und die Männer nicht beachtend die im Zimmer standen rief er laut: »Flieh Pomare, flieh -- an den Bergen haben die Feranis Soldaten mit geladenen Gewehren stehn und das Volk schreit, sie kämen Dich zu fangen und zu binden.« »Das Boot liegt am Strand, in fünf Minuten bist Du frei,« drängte da Mr. Rowe. »Tati, Du wirst Dich an die Spitze meiner Krieger stellen« bat Pomare -- »der Allmächtige wird Dir seinen Schutz verleihen und den Sieg in unsere Hände geben.« »Verdorren soll der Finger der sich für Deine Sache regt wenn Du ihr selbst den Rücken kehrst;« -- rief aber der Häuptling trotzig und finster -- »Pomare -- hah, was ist _mir_ der Name? dem _Vaterlande_ hätt' ich mein Blut geweiht, und jeden feindlichen Gedanken, jede Idee von Uneinigkeit draus fern zu halten, selbst _Deinem_ Stamm gehorcht. Du bist aus edlem Blut entsprossen und das Land hätte, so von jedem Partheienhaß befreit, seiner Königin zugejauchzt und sich für sie mit Freuden in den Kampf geworfen -- das ist vorbei, die schwarzen Männer haben Dich wieder in ihrer Gewalt und Tati ist für Dich verloren.« Noch stand Pomare zögernd, da schallte ein kurzer Trommelwirbel, eine vorbeiziehende Patrouille vielleicht, an ihr Ohr. »Der Feind!« rief Pomare Tane, riefen die Missionaire -- »sie kommen Dich zu holen.« »Wo sind meine Kinder« flehte die arme Königin jetzt selber von der Angst der Uebrigen eingeschüchtert -- »meine Kinder!« »Hier im Zimmer bei den Einanas« beruhigte sie Mr. Brower -- »ich ließ sie selber hier zusammenkommen, jetzt fort -- in wenigen Minuten bist Du an Bord -- schon im Boot bist Du sicher und ungefährdet« und ihre Hand ergreifend, die sie ihm willig überließ, folgte sie ihm hinaus. »Meine Kinder« rief die Königin. »Hier, hier -- Ihr Mädchen da rasch mit den Kindern in's Boot das am Strande liegt -- fort mit Euch.« »Aber meine Matten, meine Kleider --« »Alles wird Dir nachgeschickt Pomare,« rief Mr. Rowe rasch -- »wir selber wollen Dein Eigenthum schützen, das der Ferani nicht wagen darf anzutasten.« Pomare, durch das erneute Trommeln nur noch mehr außer Fassung gebracht, folgte fast willenlos den Führern, und mit den Kindern voran floh der kleine Zug über den schmalen Strand dem zum augenblicklichen Abstoßen bereiten Englischen Boote zu. Eine Französische Patrouille kam gerade zufällig am Wasserrand nieder, aber der Officier, der auch wahrscheinlich gar keinen Befehl dazu hatte, hinderte das Einschiffen der recht gut gekannten Königin nicht, ja es ist leicht möglich, daß die Franzosen sehr zufrieden damit waren einer unangenehmen Ueberwachung Pomares solcher Art vollkommen überhoben zu sein. Sie bekamen dadurch viel freiere und ungestörtere Hand in der Stadt, und hatten gewissermaßen eine Verantwortlichkeit weniger. Unbelästigt erreichte die Königin das Boot, wohin ihr ihr Gemahl mit den Kindern und zweien der Einanas folgte, und während die Brüder Rowe und Brower am Ufer standen und mit einem dankenden Blick nach oben die Rettung Pomare's feierten, schoß das scharfgebaute Boot mit seiner kostbaren Ladung blitzesschnell dem nahen kleinen Kriegsschiff[J] zu, wo die seltenen Schützlinge von dem Englischen Capitain auf das Zuvorkommendste und Freundlichste empfangen und, so gut als der enge Raum des Fahrzeugs es erlaubte, untergebracht wurden. [J] Der »~Basilisk~«, nur eine sogenannte »~catch~« von circa 200 Tons. So ruhig sich aber die Bewohner von Papetee bis jetzt verhalten hatten, und so gelassen sie der, vor ihren Augen geschehenen Occupation zugesehn, eine Ruhe die nicht einmal durch die Gefangennahme ihres ersten Missionairs gestört werden konnte, so heftig erschütterte dagegen das Gerücht: Pomare hat fliehen müssen vor den Feranis, jedes Gemüth, und wer nur jetzt irgend glaubte den Zorn der nichts heilig achtenden Fremden auf ein oder die andere Art gereizt zu haben, flüchtete in die Berge, ihrer Rache zu entgehn, und sich zum Widerstand zu rüsten. Halb Papetee stand einsam und verlassen, während die Eroberer, damit gar nicht unzufrieden, Besitz von den geräumten Häusern nahmen, und sie theils zu Kasernen und Wachen, theils zu eigenen Wohnungen herrichteten, zugleich aber auch mit vereinten Kräften daran gingen den Wall und Graben um die Stadt zu beenden und mit Kanonen zu besetzen, wie überhaupt Alles zu thun, was sie im Fall eines wirklichen Angriffs gegen eine Ueberzahl der Feinde schützen konnte. Nichtsdestoweniger blieb die Stadt ruhig -- kein wirklicher Ueberfall geschah, ja die einzelnen Franzosen die sich hie und da noch immer sorglos zwischen den Eingeborenen herumtrieben, wurden nicht belästigt noch beleidigt, wenn ihnen auch die finsteren Blicke der Männer deutlich genug verriethen, wie gern sie hier gesehn wurden. Capitel 9. Der erste Kampf. Die Kunde von den neuen Gewaltthätigkeiten der Franzosen lief aber auch, wenn es selbst die Bewohner von Papetee noch nicht zu einem Ausbruch trieb, mit fabelhafter Schnelle über die ganze Insel, und das Volk fing jetzt zum ersten Mal an einzusehn, was die Entfernung seiner Flagge eigentlich bedeutet, was der Ferani beabsichtigte, als er das Bündniß mit den Häuptlingen schloß, und seine Priester ihnen herüberbrachte. Dumpfe Gerüchte folgten dem zu gleicher Zeit, daß die Feinde sich aller ihrer Häuptlinge bemächtigen wollten, die nach dem Lande der Ferani's geschafft werden sollten, und wenn das Volk bis jetzt noch nicht daran gedacht hatte zu rüsten, begann es jetzt. Waffen tauchten überall auf, Munition wurde vorgesucht, der Gebrauch der Muskete von den einzeln zwischen ihnen zerstreuten Europäern gelernt und geübt, und ein Eifer zeigte sich plötzlich in der Bevölkerung, eine Regsamkeit, die einen ernsten Widerstand, selbst unter den Kanonen des Feindes, keineswegs als eine Unmöglichkeit erscheinen ließ. Nur an einem wirklich thätigen Grund zum Beginn fehlte es noch, einem ersten Ausschlagen irgend einer Parthei; das Geschütz war geladen, es bedurfte nur noch der Lunte es zu entzünden, und wie sich die Völker jetzt entgegenstanden, _konnte_ das nicht lange auf sich warten lassen. Es war an einem Sonnabend (wie bekannt der frühere Sabbath der Bewohner von Tahiti) Nachmittag -- und Bruder Dennis hatte an diesem Tage Gottesdienst auf der Halbinsel Tairabu gehalten. Die Bewohner dieses freundlichen Distrikts lebten allerdings zu entfernt von dem Schauplatz wirklicher Feindseligkeiten, ihr ruhig patriarchalisches Leben schon aufgegeben und zu den Waffen gegriffen zu haben, zu nahe aber auch sie gleichgültig an sich haben vorübergehn zu lassen, und wenn auch äußerlich noch Nichts den Geist verrieth, der in den Bewohnern anfing sich zu regen, waren unter der Hand die Rüstungen mit vielleicht nicht weniger Eifer betrieben worden, als in der unmittelbaren Nähe Papetee's. Schon während der Predigt selbst war an diesem Tag ein fremdes Französisches Kriegsschiff, die jetzt dort an der Küste täglich auf- und abkreuzten, in ihren Hafen eingelaufen, und hatte die Sabbathfeier dadurch wesentlich gestört und die Aufmerksamkeit der Gemeinde natürlich von dem Geistlichen ab, dem viel interessanteren Schiffe zugewandt. Harte Worte waren es denn auch gewesen die der fromme Mann gegen die »Papisten und Sabbathschänder« sprach, die Herzen seiner Zuhörer mehr noch mit Zorn und Entrüstung füllend. Nichtsdestoweniger blieben die gelandeten Bootsmannschaften, die sich ziemlich sorglos zwischen die Gruppen am Ufer mischten, unbelästigt, und wenn ihnen die Eingebornen wohl auch oft finstre Blicke zuwarfen, und die Mädchen besonders, die sie nach altgewohnter Weise anfassen und mit ihnen scherzen wollten, zornig den Rücken drehten und mit verächtlichem Ruf die Lenden schlugen, geschah Nichts was die Freiheit ihrer Bewegungen, ja durch den Widerstand der Schönen zuletzt gereizt, selbst ihrem Uebermuth, hätte irgend eine Grenze gesteckt. Die Trupps der Soldaten und Matrosen begnügten sich übrigens damit am Ufer, oder in der Nähe desselben umherzuschwärmen; nur ein einzelnes kleines Piquet, von etwa zehn Mann marschirte, als der Gottesdienst schon lange vorüber war und sich die einzelnen Familien in ihre Wohnungen zurückgezogen hatten, einer Patrouille gleich, aber nur theilweis bewaffnet, durch den kleinen Ort durch und an dem nächsten Hügelhang hinauf, wo nur einzelne Häuser zerstreut unter vorhängenden Palmen lagen, und der schmale Pfad sich zwischen fruchtbaren Gärten und kleinen Guiavendickichten hinaufzog. Vor dem ersten dieser Häuser saß eine kleine Gruppe sorgloser fröhlicher Indianer lachend und singend auf einem offenen von hohen Brodfruchtbäumen und Palmen dicht beschatteten Platz, die Frauen als am Sabbath mit keiner Arbeit beschäftigt, hie und da eine sogar auf ihre Matte ausgestreckt und auf den zusammengefalteten Armen liegend, um in einer großen aufgeschlagenen Tahitischen Bibel zu buchstabiren, während die Männer untereinander plauderten und erzählten, oder auch wohl zu Vieren oder Fünfen kurze Verse einzelner Hymnen mit vollkommen richtiger Eintheilung der Stimmen sangen. Ein Zuschauer hätte hier nie geahnt daß sich dies muntere, glückliche, sorglose Volk am Vorabend eines Krieges befände, und den Feind unter sich wußte, der es schon geärgert und gereizt, und jeden Augenblick weiter gehn und zum Angriff schreiten konnte. Zwischen den Frauen waren drei reizende junge Mädchen, zwei von Tairabu, und eine, ein Gast in ihrer Mitte von Papetee, und auf feingeflochtene reinliche Matten gelehnt, ihre Hände in denen der beiden Jungfrauen, die sich lächelnd zu ihr hinüberneigten, erzählte die Fremde den Freundinnen von der Stadt an der andern Seite der Insel, von den frechen Wi-Wis die ihre Waffen und Kanonen an Land geschafft, und die Herren sein wollten der ganzen Insel, aber mehr noch von ihren komischen Sitten und Gebräuchen, von ihren großen Bärten und heißen Kleidern, von der wunderlichen Sprache -- wie oft und schnell hintereinander sie das Wi-Wi sprächen, das ihnen den Namen gegeben, und wie sie -- fuhr die Jungfrau leise und schüchtern fort, den Mädchen nachstellten und ihnen stets von ewiger Liebe sprächen, und sie dann wieder verließen wo sie ein anderes junges Gesicht gesehn. Es war ein liebliches zauberschönes Bild, diese drei jungen Kinder der Insel mit den blitzenden sprechenden Augen und üppigen Formen, denen die Bronzefarbe der Haut nur womöglich einen noch höheren Reiz verlieh. Und dicht hinter ihnen saß ein alter Mann, in seinen Tapamantel eingeschlagen, und an den Stamm an einer hochwüchsigen mit goldgelben Früchten dicht umschlossenen Papaya gelehnt, finster vor sich niederbrütend, und doch dabei dem Schwatzen des holden Mädchens lauschend. Es war der alte trotzige Häuptling Fanue, dem das heiße Blut die Zornesader an der Stirn hoch aufschwellte, als er den Uebermuth der frechen Fremden von rosigen Lippen lachend bestätigt hörte, und der die Faust fest unter dem Mantel ballte wenn er daran dachte, wie sie die Schmach schon so lange ertragen, und immer und immer noch nicht losgeschlagen hätten in das Herz des Feindes hinein. Lautes Geräusch, Rufen und Lachen, fremde Stimmen und Worte tönten zu ihnen von unten herauf, und ein junger Bursch kam gesprungen der die Nachricht brachte, die gelandeten Wi-Wis stiegen auch jetzt, die Mädchen neckend und die Männer ärgernd, bis zu ihnen herauf. »Die Wi-Wis« -- die Mädchen drängten sich neugierig vor, ob sie nicht irgend wo auf dem freien Pfad eine der feindlichen wunderlichen Gestalten erkennen könnten, schüchtern aber dabei und bereit zu augenblicklicher Flucht, wenn das wirklich der Fall gewesen wäre. Trommeln wirbelten indessen unten im Thal, aber nicht der bekannte fröhliche Laut zum jubelnden Tanz, sondern in kurz abgebrochenem schroffen Takt, und Hörner und Trompeten klangen herauf die von der munteren Soldateska mit herüber genommen waren die Herzen der Hörer zu gewinnen. Fester Tritt und lautes Lachen schallte da näher und deutlicher zu ihnen herüber, und unten am Hang, in den Gärten schon wo die Reihen sorgfältig gepflanzter Bananen und süßer Kartoffeln standen, wurden die bunten Uniformen der Fremden sichtbar, die an den Fruchtbäumen, wenig sich um den Eigenthümer kümmernd, herumgingen, reife Früchte zu suchen und zu pflücken. Die Mädchen welche aufgesprungen waren und rasch mit einander geflüstert hatten, wollten fliehen, aber Fanue's finstres Wort hielt sie zurück. Was hatten sie zu fürchten an _seiner_ Hütte? glaubten sie daß der Fremde es wagen dürfe, einen der Seinen ungestraft zu beleidigen? Die Mädchen schämten sich ihrer Furcht und nahmen ihren alten Sitz auf der Matte ein, nur die Fremde wollte nicht bei ihnen bleiben, und sie faßten sie endlich halb mit Bitten halb mit Gewalt an ihrem Kleid, und zogen sie wieder zu sich nieder. Es war ihnen selber so schon nicht recht daß sie dableiben mußten, und nun wollte das Mädchen von Papetee sie auch noch dazu allein lassen -- das ging unter keiner Bedingung an. Die Franzosen, von denen einige mit ihren Seitengewehren bewaffnet waren, drei oder vier sogar ihre schweren Musketen trugen, andere jedoch in die leichte Tracht der Europäer auf den Inseln, weite Hosen und Jacken und breiträndigen Strohhut gekleidet gingen, kamen indeß näher und näher und steuerten, als sie die bunten Kleider der Mädchen vor dem Haus erkannten, gerade auf die kleine hier befindliche Gruppe zu. Die Männer oben hörten dabei auf zu singen, und blickten finster auf die ungebetenen Gäste, die hier die Heiligkeit des Sabbath sowohl wie des eigenen Hauses störten, und die Mädchen rückten enger zusammen, und flüsterten ängstlich miteinander, denn die Feranis kamen gerade auf sie zu, und blieben lachend und plaudernd vor ihnen stehen. Sie wagten nicht einmal zu ihnen aufzuschaun. Nur der alte Fanue verharrte, die Arme fest auf der Brust gekreuzt, in seiner Stellung, und sah die Fremden ernst und fragend an. »Hallo Waihine's!« rief da der Eine der Franzosen in ihrer Sprache -- »auf mit den Köpfchen, was haltet Ihr das Kinn auf der Brust und das Näschen im Schultertuch -- aufgeschaut Dirnen und laßt ein vernünftig Wort mit Euch reden. -- Vor Allem sollt Ihr mir eine Frage beantworten, und ich weiß Ihr könnt, wenn Ihr wollt.« Die beiden Töchter Fanue's wandten ihr Antlitz trotzig ab, und nur die Fremde senkte ihr Köpfchen tiefer und tiefer, und glühendes Roth schoß ihr über Wange und Stirn und färbte ihr den Nacken selbst bis unter das Oberkleid. Der alte Fanue aber, die Verlegenheit der Mädchen bemerkend und kaum noch im Stand den Zorn zurückzuzwingen der in ihm kochte und gährte, sagte finster, die Feinde seines Vaterlandes mit den Augen messend: »Und was habt _Ihr_ für Fragen zu stellen und zu einem Haus zu kommen, zu dem man Euch nicht das ~hare mai~ gerufen hat? -- fort mit Euch wohin Ihr gehört auf Euere Schiffe, und mit denen weiter über das blaue Wasser nach den Lee-Inseln; unsere Augen schmerzen von Euerem Anblick.« »Dir wird bald noch etwas anderes schmerzen, alter Bursche, wenn Du so unverschämte Reden führst!« rief Einer der Bewaffneten drohend; »übrigens hat kein Mensch mit Dir gesprochen, sondern mit den Dirnen hier, so warte hübsch bis Du gefragt wirst -- hallo hier Waihine, gieb Antwort mein Kind, und vor allen Dingen mir einen Kuss« sich niederbeugend zu ihr, legte er seinen rechten Arm um ihren schlanken zitternden Körper, während sie sich ihm mit lautem ängstlichem Ruf zu entziehen suchte. Der alte Fanue sprang in grimmer Wuth empor, zu gleicher Zeit hatte aber auch Einer der Franzosen das Mädchen von Papetee erkannt, und den Arm nach ihr ausstreckend rief er in freudigem Staunen: »~Nahuihua~ -- bei Allem was da lebt -- die Perle die ich suchte; da bist Du ja, Mädchen!« »Zurück -- Le-fe-ve« -- rief aber die Schöne mit zornfunkelnden Augen -- »zurück falscher Wi-Wi -- todtmüde auf der Matte liegt drin im Haus Aumama -- und sie hat den Fluch über Dich gesprochen.« »Aumama?« rief Lefévre etwas bestürzt, »sie ist hier?« jede weitere Unterhandlung wurde aber rasch und plötzlich durch den greisen Häuptling selber abgeschnitten, der mit zornfunkelnden Augen zwischen die Fremden sprang und Lefévre, denn dieser war es wirklich, an der Schulter faßte und zurückschleuderte von dem Mädchen. Er hatte den Namen gehört und dachte in dem Augenblick nicht an die Folgen. »Fort mit Dir!« schrie er und sein Auge blitzte -- »fort mit Dir falscher Wi-Wi, oder diese Hand greift noch einmal nach der Kriegskeule und dem Speer, nach dem es mich lange und lange gejuckt hat; fort mit Dir, meineidiger feiger ~Huapareva~[K] oder Du sollst den Tag verfluchen der Dich zu unserem Leid an diese Küste gebracht!« [K] Das Ei des Vogels Pareva das oft in der See, auf altem Schilf schwimmend gefunden wird, und womit die Insulaner Personen von unbekannter dunkler Herkunft vergleichen. »Teufel!« schrie aber Lefévre in toller Wuth, der von der kräftigen Hand des Alten seitab geschleudert wirklich Augenblicke brauchte sich im Gleichgewicht zu halten daß er nicht zu Boden fiel -- »Teufel!« und sich in wildem Grimm auf ihn werfend, wollte er einen Schlag nach ihm führen, aber der Alte kam ihm zuvor, warf seinen Arm zur Seite und traf ihn mit kräftiger Faust dermaßen gegen die Stirn, daß er betäubt einen Schritt zurücktaumelte. »Rebellion!« schrie da Einer der Bewaffneten, und den Hahn spannend und die Flinte emporreißend, schlug er auf den ihm trotzig gegenüberstehenden Häuptling an und feuerte. Die Kugel wäre dem alten Mann auf die kurze Entfernung auch jedenfalls verderblich gewesen, hätte nicht ~Nahuihua~, während die beiden anderen Mädchen flüchteten, selber den Lauf des Gewehres gerade noch zur rechten Zeit emporgeschlagen, das tödtliche Blei durch das Dach des Hauses zu senden. Jetzt aber sprangen auch die andern Männer empor, an dem beginnenden und in der That nicht mehr zu vermeidenden Kampfe Theil zu nehmen; Lefévre nur, der sich rasch von dem Schlag erholte, kümmerte sich nicht weiter um den Alten, auf den sich schon zwei der Soldaten geworfen hatten, ihn nieder zu reißen und als Gefangenen mitzunehmen, sondern sprang mit einem Satz auf die zusammenschreckende Maid, die in Todesangst der Schwester Namen rief, faßte sie mit unwiderstehlicher Gewalt in seine Arme, hob sie, trotz allem Sträuben und Wehren vom Boden auf, und floh mit ihr den Pfad hinunter, den Strand und mit ihm sein Boot zu erreichen, und seine Beute in Sicherheit zu bringen. Mehre Schüsse wurden indessen oben gefeuert und unter dem Zeterschrei der Frauen stürzten zwei der Insulaner, der Eine schwer verwundet, der Andere todt, zur Erde nieder. Auf der Schwelle der Hütte aber erschien, gleich nach dem ersten Schuß, eine andere Frau, ein junges schönes Weib, die Haare aber wild und ungeordnet um Stirn und Schläfe hängend, das Schultertuch selbst gelöst und nur von der linken Hand zusammengehalten, wild und verstört wie sie aufgesprungen aus festem Schlaf nach langer Wanderung und Ermattung. Aber nur einen Blick warf sie auf die Kämpfenden, ihr Auge suchte ein anderes Ziel, und mit der Schwester Hülfeschrei erkannte sie kaum die Gestalt, in deren Arm sie sich sträubte, als sie auch, alles Andere um sich her vergessend, vorsprang sie zu retten -- sich selber zu rächen. Dicht vor ihr rang Einer der Soldaten mit einem Insulaner, und der Indianer hatte dessen Gewehr gepackt, das er ihm zu entwinden suchte, sein kurzer Degen aber hing in der Scheide, ihrem Griff frei, und mit Gedankenschnelle die Waffe an sich reißend, floh sie den Hang nieder. Das Schultertuch flog ihr von den Achseln, die Haare flatterten wild hinterdrein, aber was achtete das die Rasende -- wie eine zürnende Göttin ihres Waldes, und so schön wie zornig, flog sie dahin, die Füße kaum den Boden berührend, und ehe noch der Räuber den Waldrand erreicht war sie dicht hinter ihm. »Le-fe-ve!« hauchte sie, und kaum brachte sie das Wort über die Lippen, aber der Fliehende hörte es und es traf ihn wie ein Stoß in's Herz -- »Le-fe-ve!« und er wandte den Kopf, ließ aber auch in dem nämlichen Moment die Gefangene frei, die ihm unter den Händen fort und in die Büsche glitt, während das zürnende Weib mit geschwungener Wehr gegen den erschreckt Zurückfahrenden ansprang. »Dieb!« schrie sie mit heiserer fast erstickter Stimme, »falscher schurkischer Dieb!« und wäre die schwache Hand gewohnt gewesen eine Waffe zu führen, der Schlag mit dem sie nach dem Haupt des Verräthers niederschmetterte, hätte für diesen keinen zweiten nöthig gemacht. Selbst so traf er den rechten Arm, den er schützend vorgestreckt, daß er kraftlos an seiner Seite niederfiel, und Lefévre wagte nicht dem zweiten Hieb, wagte nicht länger dem zürnenden Auge der von ihm so schändlich verrathenen Frau zu trotzen, und floh in feiger Angst, rücksichtslos wohin die Flucht ihn brachte, in den Wald hinein und den Hang nieder, zum Strand zurück. Von dort aber stürmten indeß die Franzosen gleich nach dem ersten Schuß in wilder Eile bergauf, dem Schauplatz des Kampfes zu, wo sich indeß die Sachlage wesentlich verändert hatte. »Sind wir Hunde?« schrie der alte Fanue in grimmer Wuth den, ihm zu kurzem, Athem verlangenden Waffenstillstand gegenüberstehenden Feinden zu -- »daß Ihr uns so behandelt? -- wir waren ein ruhiges Volk, wir _wollten_ Frieden, aber Ihr laßt uns nicht Ruhe, Ihr reizt uns bis in das innerste Herz hinein, so nehmt denn auch die Folgen!« »Die Bestie droht noch!« schrie ein Soldat, »so, das für Dich, Du rothe Giftkröte!« und auf ihn anschlagend zielte er ihm auf den Kopf und drückte ab; aber die Kugel zischte ihm dicht am Ohr vorbei, das sie leicht streifte, und schlug in den hinter ihm stehenden Brodfruchtbaum. In demselben Augenblick hatte sich aber auch der alte Häuptling auf ihn geworfen, und ein kleines Handbeil hoch geschwungen in der Hand, traf er damit die Stirn des Unglücklichen daß er, mit dem Todesröcheln auf den Lippen leblos zusammenbrach. »Nieder mit den Verräthern!« schrieen die Franzosen, »hierher Kameraden -- hierher zu Hülfe!« und einzelne Schüsse fielen; aber aus dem benachbarten Orangendickicht, während eine Schaar von französischen Soldaten den Pfad heraufstürmte, brach ein dunkler Haufe von Eingebornen, nicht unbewaffnet, sondern mit blitzenden bayonnetbewehrten Musketen in der Hand, und den Franzosen gerade gegenüber feuerten sie mitten hinein in den Schwarm, der sich also überrascht und bestürzt in der Flanke angegriffen sah. Der gellende Kriegsschrei tönte zugleich von den Lippen der Insulaner, und wurde von allen Seiten her beantwortet. Die Franzosen aber merkten jetzt wohl daß sie es in kurzer Zeit mit einem, ihnen weit überlegenen Feind würden zu thun bekommen, während sie sich hier höchst leichtsinniger Weise zu weit von dem Strand entfernt hatten, und in dem dichten Gebüsch dem schlauen Gegner viel eher in die Hand gegeben waren. Fest deshalb zusammenrückend, und jetzt nur auf Vertheidigung bedacht, feuerten sie ihre Gewehre gegen die Angreifer ab und zogen sich dann, ihnen die Bayonnette entgegengestreckt und die Unbewaffneten in ihre Mitte nehmend, den Weg zurück den sie gekommen. Die Insulaner aber, voll Grimm und Wuth über das vergossene Blut der ihren, und durch den Rückzug des Feindes nur noch mehr ermuthigt, warfen sich in toller Todesverachtung ihnen entgegen, und manche schwere Wunde wurde noch gegeben und empfangen, ehe die Franzosen den offenen Strand wieder erreichten. Hier von den ihrigen unterstützt, wollten sie einen neuen Angriff machen, theils die Insulaner zu züchtigen, theils einzelne ihrer Verwundeten, die sie hatten nach dem ersten Anprall zurücklassen müssen, zurück zu erobern, und nicht gefangen, wer wußte welchem Schicksal, zu überlassen; aber das was sie fanden war mehr als Widerstand, es war der endlich losgebrochene Grimm eines mißhandelten Volkes, und mit dem alten Fanue an der Spitze, der schon aus vier oder fünf Wunden blutete, warfen sich die Eingebornen dem viel besser bewaffneten Feind mit solcher Hartnäckigkeit und Todesverachtung immer auf's Neue entgegen, daß dieser zuletzt in voller Flucht die Boote suchen und nach dem Schiffe zurückrudern mußte. Dieses eröffnete jetzt, da die eigenen Leute den Kugeln nicht mehr im Wege standen, ein unregelmäßiges aber von wenig Erfolg begleitetes Feuer auf die Eingebornen, die sich dabei wieder in den Wald zurückzogen, und die Corvette, mit keiner Ordre hier einen wirklichen Kampf zu beginnen, der sogar höchst unsicher schien da die Eingebornen wider alles Erwarten reichlich mit Feuerwaffen versehen waren, lichtete ihren Anker und suchte so rasch sie konnte wieder nach Papetee aufzukreuzen, dorthin die wohl schon erwartete, aber jedenfalls höchst unwillkommene Nachricht von dem Aufstand der Insulaner zu bringen. An Todten und Verwundeten hatten sie bei diesem ersten Kampf zwischen vierzig und fünfzig verloren, von denen sie nur einen Theil im Stande waren wieder auf ihre Boote in Sicherheit zu bringen; fast alle Todte und viele der Verwundeten blieben in der Gewalt der Feinde. Von Papetee wurde, sobald die Nachricht dort eintraf, augenblicklich ein Kriegsdampfer, und die ~Jeanne d'Arc~ mit den nöthigen Marinesoldaten abgeschickt, die Insurgenten zu züchtigen und zu zerstreuen, während die Eingebornen um Papetee, die noch rascher durch abgeschickte Läufer Kunde von dem Beginn der Feindseligkeiten erhalten, ebenfalls zu den Waffen griffen und sich in nicht unbedeutenden Schwärmen in der Nähe der jetzt vollständig befestigten Stadt, wo man jeden Augenblick einen Angriff erwartete, sammelten. Die Lage der Franzosen in Papetee wurde dadurch denn auch zu einer keineswegs angenehmen, da die Uranie, wie mehre andere Kriegsschiffe, den Hafen erst ganz kürzlich verlassen hatte, einen temporären Westwind benutzend, die Marquesas zu erreichen. Die Besatzung, durch das Auslaufen der übrigen, irgendwo an der Küste verlangten Fahrzeuge, blieb deshalb fast allein nur auf sich selber angewiesen, und war sich der Gefahr in der sie, einem wirklich ernsten Angriff der Eingeborenen gegenüber, schwebte, recht gut bewußt. Capitel 10. Der Abschied. Die Lage der Dinge war aber jetzt eine so mißliche geworden, daß René selber fürchtete außerhalb der Befestigungen, und in der That gerade in einem Distrikt wohnen zu bleiben, der mitten zwischen dem Hauptsitz der Europäer und den Strecken lag, auf denen sich die Insulaner schon an zu sammeln und zu verbarrikadiren fingen, und von wo aus sie auch jedenfalls Streifzüge gegen Papetee selber unternehmen würden. Welche Parthei nun auch Sieger blieb, die Unannehmlichkeit, ja die Gefahr einer solchen Lage blieb dieselbe. Aber Sadie wollte nicht nach Papetee -- Monsieur Belard hatte ihnen schon ein kleines Gebäude, das auf seinem Grundstück lag und leer stand, anbieten lassen; der Gedanke aber was sie dort gesehn, die Angst selber dann vielleicht gezwungen zu sein länger zwischen den Fremden wohnen zu bleiben, und wieder in einen Umgang gezogen zu werden, dessen Gefahren ihr Herz mit einer ihr selber unbegreiflichen Furcht erfüllten, trieben sie zu wirklich entschlossener Weigerung, und sie fand einen Bundesgenossen der sie darin unterstützte in dem ehrwürdigen Mr. Nelson. Dieser war längere Zeit unten in Papara gewesen, und ganz kürzlich erst wieder von da nach Papetee zurückberufen, eine andere noch nicht fest bestimmte Station auszufüllen. Sadie hatte dem würdigen Mann ihr ganzes Herz ausgeschüttet, Alles geklagt was ihr fehle, Alles gestanden was sie bei einem längeren Aufenthalt unter den Fremden fürchte, und in dem Geständniß, während sie sprach, und Worte fand für das, was ihr bis dahin still und schwer im Herzen gelegen und ihr so weh gethan, war es auch fast als ob sich Manches, was ihr bis dahin selber noch nicht klar gewesen und ihr mit finsterer unbegriffener Ahnung die Brust erfüllte, von selber löse und zu fester Form gestalte. Sie öffnete dem alten ehrwürdigen Mann ihr ganzes Herz, und erfuhr dabei erst selber wie dunkel doch die Welt jetzt um sie lag, und wie sie nur in der That noch durch eine Flucht nach Atiu dem Allen wieder entgehen, und glücklich werden könne. René liebte sie noch wie in früherer Zeit, sein Herz war gut und brav und edler Regung, Handlung rasch geöffnet, -- nur der Verführung mußte er hier entzogen sein -- nur erst wieder vergessen was er Alles aufgegeben für sie, dann würde auch Alles wieder gut wie in früherer Zeit, und der Himmel wieder blau, der jetzt wohl recht lange trüb gewesen -- recht trüb und traurig. Ein erster Sonnenblick in dieses Dunkel war die Berufung des alten wackeren Missionairs Nelson nach Atiu, die er, wie er Sadie versicherte, der freundlichen Verwendung des Mr. Rowe, der überhaupt jetzt Einer der leitenden Missionaire geworden war, zu danken hatte. Ein Englischer Wallfischfänger, der hier vor einigen Tagen erst eingelaufen Erfrischungen einzunehmen, hatte sich dabei, von den Geistlichen der Inseln aufgefordert, erboten, den Missionair mit seinen Habseligkeiten an den neuen Ort seiner Bestimmung zu schaffen, und Mr. Nelson kam jetzt Sadie und René den Vorschlag zu machen, ihre Sachen und Mobilien einzupacken, und Sadie mit dem Kinde ihm anzuvertrauen. Er hatte schon die Versicherung erhalten daß man Bruder Ezra erlauben würde ihn zu begleiten, und zweifelte sogar nicht daran, auch vielleicht René seines Worts entbunden zu sehn, der dann gleich Schiffsgelegenheit wie Alles geordnet hatte, seine längst besprochene Uebersiedelung auszuführen. Günstigeren Zeitpunkt dazu gab es nicht für ihn, und verzögerte sich selbst jetzt noch, durch Französische Weitläufigkeit aufgehalten, seine Abreise, so wußte er nicht allein, wenn der Kampf hier wirklich losbrach, Weib und Kind in Sicherheit, sondern er selber war auch durch Nichts mehr behindert, frank und frei nachzukommen sobald er sich nur selber dieser trostlosen Untersuchung entzogen. Sadie erschrak anfänglich bei dem Gedanken sich von René, und wenn auch nur auf kurze Zeit, zu trennen, so sehr ihr auch das Herz freudig pochte in wenigen Tagen vielleicht ihr liebes Atiu dann wieder zu sehn. Sollte -- _durfte_ sie den Gatten hier allein zurücklassen, wo ihm vielleicht noch Gefahr für seine Freiheit, und wie sich der Kampf gestaltete, für sein Leben drohte? Und _allein_ nach Atiu zurückzukehren? -- sie hatte sich das so ganz anders gedacht -- so lieb und glücklich sich das ausgemalt wenn sie, an die Brust des Gatten geschmiegt, ihr Kind am Herzen, von fern die ersten Kuppen der lieben Insel wieder erschauen würde -- wenn die Thäler und Hänge dem Meer entstiegen -- rechts und links das niedere Palmenbewachsene Land austräte von den Gebirgen, und höher und deutlicher würde, und sie sich dann jeden felsigen Vorsprung zeigen konnten, jedes Thal, jede Schlucht und zuletzt -- Ach sie seufzte recht schwer und schmerzlich auf wenn sie daran dachte, daß sie das Alles jetzt _allein_ nur schauen sollte, wo die Freude über den Anblick doch das Bewußtsein halb ertödten müßte -- _er_, durch den Dir die Plätze und Thäler ja so lieb gewesen, er der Dir dies Land ja erst zum Paradies geschaffen, ist nicht bei Dir, und wenn er kommt, muß er das Alles auch allein nur wiedersehn, und hat seine Sadie, hat sein Weib und Kind nicht bei sich, dem seligen Gefühle Wort und Laut zu geben. Ging sie aber jetzt nach Atiu, so bot ihr das auch einen Ausweg nicht hinein in die Stadt, nicht nach Papetee zu ziehn, fort fort zu dürfen aus der Nähe der Menschen, die sie nicht verstanden, die zu ihr _nieder_blickten, mit ihrer Haut und Bildung, die ihr nie das Bedürfniß stillen konnten und -- mochten, ein Herz zu finden dem sie sich anschlösse, eine Brust in die sie ausschütten konnte was sie quäle, der sie zujubeln durfte was sie freue. René sträubte sich Anfangs ebenfalls gegen den Gedanken Frau und Kind vorausziehn zu lassen, so lieb es ihm auch sonst war, sie jeder hier aufsteigenden Gefahr enthoben zu sehn; er wußte aber auch recht gut, wie schwer es in jetziger Zeit sei eine so günstige Gelegenheit zu finden auf einem großen sicheren Schiff die Seinen an den Ort ihrer Bestimmung zu schaffen, und nur einen letzten Versuch wollte er machen, von dem jetzigen Gouverneur die Erlaubniß zu erhalten die Frau begleiten zu dürfen. Trotz einer unausgesetzten Untersuchung jenes Falles, bei dem sich die Französischen Behörden ganz besonders solche Mühe gaben, irgend etwas Gravirendes gegen die Protestantischen Geistlichen oder die auf der Insel überhaupt wohnenden Engländer zu finden, hatte sich nicht das Geringste herausgestellt, was auch nur den Schatten eines Verdachts auf seine Betheiligung werfen konnte; ausgenommen vielleicht daß sein Ueberfall an dem Abend, René wußte selber nicht wie, bekannt geworden, und man ihm das gewissermaßen zum Vorwurf machte, es gegen die seine Untersuchung leitende Behörde verschwiegen zu haben. Anderseits sprach das aber wieder um so mehr für seine Unschuld, von dem beabsichtigten Verbrechen, verbotene Waffen auf die Insel zu führen, Nichts gewußt zu haben; was hätte den Insulanern sonst an seiner Person gelegen. Die Sache schien überhaupt keinen Erfolg zu versprechen und man wurde ihrer müde. Bruder Ezra hatte dabei wirklich die Erlaubniß erhalten nach Atiu zurückzukehren, mit der Bedingung jedoch, gleich aus dem Gefängniß an Bord geschafft zu werden, und mit weiter Niemandem an Land auch nur den geringsten Verkehr zu haben. René ging denn auch ohne Weiteres zur Wohnung des Gouverneurs, diesem die Sache noch einmal, wie seine ganzen Verhältnisse vorzutragen, und ihn zu bitten ihn seines Worts zu entbinden. Sei denn später seine Gegenwart wirklich noch einmal nöthig, was aber jetzt sehr zu bezweifeln stand, so lag ja Atiu auch nicht aus der Welt, und er wäre jeden Augenblick bereit gewesen sich zu stellen. Aber auch hier sollte er sich wieder in seiner Hoffnung getäuscht sehen; Gouverneur Bruat war gar nicht in Papetee, sondern mit einer Dampf-Fregatte selber hinunter nach Tairabu gegangen, von wo der, im Bureau befindliche Secretair glaubte, daß der Oberbefehlshaber der Inseln wahrscheinlich eine Rundreise nach der benachbarten Gruppe hinübermachen wollte, da besonders von Huaheina und Bola Bola ebenfalls bedenkliche Nachrichten über den Zustand der dortigen Verhältnisse eingelaufen waren. Der Secretair konnte natürlich Nichts in der Sache beschließen, die nur der Gouverneur zu erledigen vermochte, und er bat den jungen Mann nur noch höchstens zehn oder zwölf im allerlängsten Fall vierzehn Tage zu warten, wo Mons. Bruat unter jeder Bedingung zurück sein müßte, und dann der Entbindung von seinem Wort auch sicher nichts weiter im Wege stände, da er ihm die Beruhigung allerdings geben könne, daß sich der Gouverneur selber dahin geäußert habe die Untersuchung als trostlos fallen zu lassen. Nur einen definitiven Beschluß vermochte er selber nicht zu geben. Das schlug zwar alle seine Hoffnungen zu Boden mit dem, schon am nächsten Morgen zum Auslaufen bestimmten Wallfischfänger in See gehn zu können, beruhigte ihn doch aber auch so weit, daß seinem raschen Nachfolgen nichts mehr im Wege stehn würde. Ohne Weiteres beschloß er nun aber auch in die Abreise seiner Frau und seines Kindes mit dem bequemen Wallfischfänger, dessen Capitain er gleich selber aufsuchte, zu willigen, besprach mit diesem das an Bordschaffen der verschiedenen Güter, das am nächsten Morgen mit Tagesanbruch durch die vier Wallfischboote des Schiffes selber geschehen sollte, wie denn Mr. Nelsons Effecten schon eingenommen waren, und schritt nun langsam nach Hause zurück, die letzte Nacht unter dem Dache an Mativaibai, wo er so manche frohe und glückliche Stunde verlebt, mit seiner Sadie zuzubringen. Die letzte Nacht -- es liegt ein eigener, wehmüthiger Zauber in dem Wort, wenn wir einen lang bewohnten, wohl gar lieb gewonnenen Platz verlassen sollen; trifft uns ja doch schon die Bedeutung des Worts bei selbst gleichgültigen Stellen, bei einem Ort vielleicht, aus dem wir uns fortgesehnt haben mit aller Kraft unserer Seele. Wir drängten und trieben, bis wir das Ziel erreicht, bis wir das Haus, den Platz zuletzt verlassen konnten, wo uns der Boden vielleicht schon Monate lang unter den Füßen gebrannt, und wenn wir fort _dürfen_, wenn die Welt frei und offen vor uns liegt, und die Schranken fielen, die uns bis dahin hielten, dann faßt uns ein eigenes, unerklärbares, unbegreifliches Gefühl von Weh und Reue fast die Brust -- wir stehn und zögern, wenden uns zum Gehn, und der Fuß ist schwer geworden, der uns in Gedanken schon oft im Fluge weiter trug. Und frägst Du Dich _warum_? -- zum letzten Male bewohn ich diesen Platz, sagst Du Dir leise -- zum letzten Mal betret ich ihn vielleicht -- dazwischen liegt die Ewigkeit, und der Gedanke an jenes unbestimmte Sein, dem wir mit diesem neuen Schritt schon wieder so viel mehr entgegen gehn, klopft und regt sich Dir in der Tiefe des Herzens, und mahnt und warnt, und Dein Zögern ist nicht mehr die Anhänglichkeit an den vielleicht verhaßten Platz -- es ist die Furcht, die kaum gefühlte Scheu der Zukunft gegenüber. Und wie viel stärker muß das Gefühl da sein, wo sich das Herz noch mit allen Fasern an die Erinnerung lieber Plätze klammert, und nicht loslassen will und mag, der ersten Forderung; was uns da fern liegt stößt uns noch zurück, und das Gewohnte, dem sich das Herz ja so gern zu eigen giebt, wahrt und behauptet seinen alten Raum. In ernstem Schweigen blieb René stehn, als er den freien offenen Platz erreicht, von dem aus er die kleine friedliche Heimath, die er seit Jahren nun sein eigen genannt, überschauen konnte, und trübe schmerzliche Gedanken waren es, die ihm das Hirn durchzuckten. Manches Andere gesellte sich noch dazu -- er war gealtert seit er sich einst hier angebaut, gealtert an Leib und Seele -- und mehr noch an Seele wie an Leib. Und hatte sich Alles das erfüllt was er hier einst gehofft? -- war das Wahrheit geworden, was ihm die Phantasie in seinem leichten Herz da vorgemalt mit bunten blitzenden, schimmernden Farben? bot ihm die Zukunft noch, was sie ihm einst in schöner Zeit versprochen? -- doch fort, fort mit den Gedanken, die ihm die dunklen Zweifel durch die Seele jagten, fort -- sein Leben lag vorgezeichnet mit klarer Schrift -- für ihn gab es kein Abweichen von der geraden Bahn; weshalb das Herz da noch mishandeln erst und quälen. Und als er noch so da stand und, erst die düsteren Geister gebannt, aus dem Schatz seiner Erinnerungen all die lieben seligen Bilder herauf beschwor; das Glück in dem er geschwelgt, den süßen Frieden den er hier gefunden, als ihn die ganze Welt zurück gestoßen und das Herz verschmäht das er ihr bot, da schoß das Blut ihm wieder auf in Wange und Stirn. Seine Augen belebten sich, seine Brust hob sich höher, freier -- seine Lippen lächelten und jetzt? -- der laute fröhliche Jubelruf des glücklichen spielenden Kindes traf sein Ohr; dort in die Winden umrankte Thür des freundlichen Häuschens trat sein Weib, das herzige Mädchen auf dem Arm, auszuschaun nach dem so lange bleibenden bösen Vater, und mit einem Satz war er drüben, über der Einfriedigung, hatte sein treues Weib umfaßt und an sein Herz gedrückt, das sich an ihn schmiegende Kind auf dem Arm, und die Stunden verflogen dem Glücklichen wie in alter Zeit. Jetzt erzählte René auch der, darüber fast wieder traurig werdenden Frau, von der Verabredung die er mit dem Capitain getroffen, und wie der Gouverneur den lächerlichen Proceß wolle fallen lassen, wegen dem Mord der Schildwacht, bei dem er ja doch wahrlich nicht betheiligt gewesen, so daß er nun gleich nachfolgen könne, sobald Jener zurückgekehrt -- und lange durfte er ja gar nicht wegbleiben, wie jetzt die Sachen standen, und jeder Tag den Aufstand bis dicht nach Papetee zu bringen vermochte. So sollte denn Sadie morgen endlich zurück kehren nach ihrem lieben Atiu, und bis sie dort Alles mit Mr. Nelsons und des kleinen Mitonare Hülfe in Ordnung gebracht, konnte René auch schon wieder eine Gelegenheit gefunden haben nachzukommen -- die wenigen Tage oder selbst Wochen gingen rasch vorüber. Und Sadie lachte und jubelte, und war wieder ganz das fröhliche heitere Kind der Palmeninsel, und die Kleine schrie und jauchzte vor lauter Lust, als sie die Mutter so lachen sah und fröhlich sein. Den Abend plauderten sie noch bis spät in die Nacht hinein und am anderen Morgen, als Sadie traurig werden wollte daß es nun bald an den Abschied ging, hatte sie so viel zu thun, daß sie gar nicht Zeit bekam daran zu denken, und die Boote wohl eine halbe Stunde liegen und warten mußten bis Alles zusammengerollt und eingeschnürt zum niedertragen fertig lag. Nur das Nothdürftigste behielt René zurück, jetzt durch so wenig als möglich belästigt zu bleiben, und das Wenige dann mitzubringen, wenn er selber käme. Um zehn Uhr, wenn die Landbrise ordentlich einsetzte, sollte das Boot wieder da sein, und Frau und Kind gleich von hier aus, wenn der Wallfischfänger in Sicht käme, hinaus in See und an Bord bringen. Eben waren die Boote mit dem Gepäck abgefahren und um die nächste Landspitze verschwunden, und René und Sadie standen noch und schauten ihnen nach, denn es war fast als ob sie sich scheuten nach dem _leeren_ Haus zurück zu gehn, da hörten sie Schritte hinter sich und Sadie stieß einen leisen Angstschrei aus, während sich Renés Brauen finster und drohend zusammenzogen, als durch den Garten zu ihnen nieder die lange düstere Gestalt des Missionairs Rowe feierlich und ernst herunter schritt, und unbekümmert um den wohl nicht ganz herzlichen Empfang, die beiden jungen Leute mit einem frommen Blick nach oben und vorgestreckten, nach unten gedrehten Händen, wie segnend grüßte. Seine Lippen lispelten dazu ein leises Gebet, und der tief aus innerster Brust geholte Seufzer, der das kaum hörbar geflüsterte Amen begleitete, verrieth das Mitgefühl, das sein Herz bewegte bei den Leiden derer, die um ihn her sündigten und litten. »Und welchem glücklichen Zufall habe ich die Ehre dieses in der That unerwarteten Besuchs zu danken?« sagte René kalt, als der Geistliche noch einige Schritte auf sie zu kam, und dann dicht vor ihnen stehen blieb, ohne jedoch irgend ein Wort als sonstigen Gruß oder Anrede zu sagen; »oder hat Mr. Rowe sich im Haus geirrt und ist, das wahrscheinlichere, ein paar Thüren zu weit gegangen, wo er dann freilich mitten hinein ist gerathen in die »papistischen Gräuel« und den »Baalsdienst«. »René« bat Sadie, und drückte leise und bittend des Gatten Arm, aber das Herz war ihr selber fast wie zugeschnürt, denn jedem entscheidenden Schritt ihres Lebens voran, trat ihr der Mann entgegen so ernst und finster wie er jetzt da vor ihr stand; und hatte nicht immer sein Kommen ihr Leid gebracht, und viele viele Thränen? Wie eine dunkle Ahnung, der sie nicht Worte geben konnte und wollte, füllte ihr sein Anblick die Brust, das Herz in dieser Stunde, und sie mußte sich zwingen den leisen Gruß auch freundlich zu erwiedern. Aber der Geistliche verlangte weder Gruß noch Freundes Wort; nein, aus sich selber heraus quoll ihm des heiligen Wortes Spruch und Vers mit der salbungsvollen Rede, die Trost und Frieden in ihrem Aeußeren in Wort und Bild wohl brachte, aber das Herz kalt ließ dabei und unbefriedigt. »Nicht Zufall, mein Bruder, oder ein Irrthum gar, hat mich auf Deine Schwelle geführt« erwiederte Bruder Rowe jetzt der etwas frostigen Anrede des Katholiken, »aber Du und die Gattin die Du Dir erwählt, Ihr Beide steht an einem Abschnitt Eures Lebens, an dem Euch das fromme Wort eines Mannes, der es gut und redlich mit Euch meint, nicht fehlen sollte.« »Herr Rowe ich dächte daß Sie mir davon den Beweis gegeben« unterbrach ihn rasch René, der sich nicht helfen konnte dem Gedächtniß des Geistlichen mit früherer Zeit zu Hülfe zu kommen, ihn vielleicht in Verlegenheit zu bringen; darin aber hatte er sich bei dem frommen Mann geirrt. »Lasset die Zeit die hinter uns liegt und hebet Euer Auge zu Gott und Seinen Werken« sagte er ernst und feierlich, aber keineswegs erzürnt über die finstere Mahnung des jungen Mannes. »Was ich gethan und wie ich gehandelt liegt offen vor Gott; Er nur prüfet die Herzen und Nieren, und siehe da, vor Seinem Auge ist kein Verbergen noch Hehl. Seine Wege sind aber wunderbar, und Er führet Alles zum Besten hinaus, und Ihm deshalb sei Ehre und Preis in der Höhe; unsere Herzen sollen da nicht hochmüthig selber richten wollen.« René wollte reden, aber der leise Druck von Sadieens Hand lag bittend auf seinem Arm, und er biß nur die Unterlippe ein und wandte sich halb ab von dem Geistlichen; er wollte sich die Abschiedsstunde nicht verbittern, und dann auch wieder lag eine Art halben Triumphs für ihn darin, wie er jetzt dem, dieser Verbindung so feindlich gesinnt gewesenen Priester gegenüber stand. Mr. Rowe übrigens, unbekümmert um Alles was in der Brust des Franzosen, dessen Gesinnung gegen ihn er vollkommen gut begriff, vorgehn mochte, schritt auf Sadie zu, nahm die Hand der jungen Frau die sie ihm widerstandlos und zitternd überließ und mit den Worten -- »lasset uns beten, daß Gott sein Gedeihen gebe zu dieser Reise und seinen Segen Dir schenke, meine Tochter, für und für«, führte er die etwas erstaunte Frau von der Seite ihres Gatten fort in das Haus, dort, wie er ihr sagte, ungestört ihre Augen und Herzen zu Gott erheben zu können. René blieb wirklich erstaunt über diese fabelhafte Ruhe -- und er hatte noch einen anderen Namen dafür -- zurück, und sah ihnen nach, dann aber mit dem Kopf schüttelnd und halb lachend, halb ärgerlich nahm er sein Kind auf den Arm und sprang und spielte damit am Strand herum, die Rückkunft des frommen Mannes mit seinem Weib zu erwarten. »Eine Zuversichtlichkeit haben die Burschen« murmelte er dabei vor sich hin, indem er zuletzt ungeduldig werdend am Strande auf und ab ging, und durch die rasche Bewegung seinen Unmuth zu beschwichtigen suchte, »ein Selbstvertrauen das in's Graue geht; und mit dem frommen Gesicht tritt mir der Mensch da keck und salbungsvoll entgegen, und thut wahrhaftig nicht als ob er sich schämen müsse mir in's Auge zu sehn, nein, als ob er mir verziehen hätte, Alles was ich ihm gethan und an ihm verschuldet. Hahahaha, es ist wahrhaftig zum Todtschießen solche Fragezeichen der Schöpfung unter uns herumlaufen und ganz bescheiden sich die Krone des Menschengeschlechts aufsetzen zu sehn. Es gehört aber Geduld dazu, und verdenken kann ich's meinen Landsleuten gerade nicht, wenn sie die in diesen Tagen einmal darüber verlieren und mit Kanonenkugeln hinein donnern in den Kram. Und wer leidet nachher darunter? sicher nicht diese Schleicher, die sich wohlweislich einzudrücken verstehn und mit einem frommen dankbaren Blick nach oben Nachbars Haus darüber zu Grunde gehn sehn -- hol' sie Alle der Henker. -- Und wo er nur bleibt?« -- setzte er dann nach einer Pause, mit einem ungeduldigen finsteren Blick nach seiner Thür hinzu -- »es gehört bei Gott die Geduld eines Heiligen dazu, mit diesen -- Heiligen fertig zu werden.« Mr. Rowe mochte aber wohl ahnen, ja er wußte das sogar ganz genau, wie gern ihn der Franzose bei sich sah, hielt es aber für unumgänglich nothwendig, seinen Halt an das Herz und die Religion der Frau nicht ganz aufzugeben, und hatte schon lange und ungeduldig eine Gelegenheit gesucht, mit dem ihm, nicht gerade zum Dank verpflichteten Katholiken wieder auf etwas freundschaftlichere Weise anzuknüpfen; jedenfalls aber eine Entschuldigung zu finden sein Haus in seiner Gegenwart zu besuchen, um dann weiter zu bauen auf dem gewonnenen Vortheil. _Der_ Zeitpunkt war ein Abschied von Tahiti, wie er sich vielleicht nicht wieder bot, und der Erfolg bewies daß er recht gehabt; misbrauchen durfte er das aber auch nicht, wenn er den errungenen Vortheil nicht wieder verlieren wollte, und deshalb das Gebet vielleicht rascher beendend, als er es unter anderen Umständen gethan haben würde, erhob er sich wieder, stäubte sich die Knie ab, küßte Sadie inbrünstig auf die Stirn, legte seine Hände einen Augenblick auf ihr Haupt und führte sie dann wieder mit einem freudigen Blick nach oben dem Gatten zu, der ihnen schon an der Thür entgegen kam, Sadiens Arm erfaßte und in den Seinen zog, und dann den Geistlichen ansah, als ob er seiner Entfernung nicht das mindeste in den Weg zu legen wünsche. Bruder Rowe war aber auch nicht der Mann, der einen Ort verlassen hätte ehe er es selber für Zeit hielt, und ohne jedenfalls den Samen des göttlichen Wortes nach Kräften ausgestreut zu haben; fiel der dann auf unfruchtbares Land, so war das nicht seine Schuld, und er hatte sich selber keine Vorwürfe darüber zu machen. In einer ziemlich langen Anrede, die halb Gebet halb Unterhaltung war, wandte er sich dann noch einmal an den jungen Mann, der nur die Frau nicht kränken mochte und sonst dem für ihn höchst langweiligen Gespräch wohl bald ein Ende gemacht hätte, ermahnte ihn auf der beschrittenen Bahn des Guten, die er hier auf Tahiti, als eine schätzenswerthe Ausnahme von seinen Landsleuten jedenfalls betreten, ruhig fortzuschreiten, wobei nur Gott ihm in seiner Allbarmherzigkeit die eine schwere Missethat des Mordes verzeihen wolle, und verkündigte ihm dann, als er merkte wie René jetzt wirklich ungeduldig wurde und schon den Mund öffnete zum trotzigen Einwurf, daß er dafür gesorgt habe ihre alte früher innegehabte Wohnung in Atiu wieder für sie herrichten zu lassen; daß das Dach neu gedeckt, das Haus gereinigt und gelüftet sei -- eine nicht ganz unnöthige Vorsicht des sonst sehr leicht darin nistenden Ungeziefers der Centipeden wegen -- und daß es Sadie nach ihrer Ankunft dort gleich beziehen könne, als ob sie es nie verlassen habe. »Das Haus uns hergestellt?« rief René allerdings im höchsten unbegrenzten Erstaunen, da er erst gestern Abend ja den Entschluß gefaßt, und Wochen dazu gehört haben mußten das anzuordnen und auszuführen -- »und wer, mein Herr, hat Sie darum gebeten?« »Aber René« beschwor ihn seine Frau. »Gebeten? -- Niemand --« erwiederte jedoch in voller Ruhe der Geistliche, »aus freiem Antrieb hab' ich das gethan. Seit jener Nacht« fuhr er dann mit einem wehmuthvollen Blick nach oben fort, »wo jene fatale Sache mit der Französischen Schildwacht hier geschah, wußt' ich daß es sowohl Ihr, wie besonders Prudentias Wunsch war, sich wieder zurück nach Atiu zu ziehn. Es war das Beste auch für sie, sie konnte dort ungestörter ihrem Gotte leben, nicht abgelenkt durch sünd'gen Wandel mehr, und alle Reize der Verführung die hier in Papetee des Satans Macht zu gold'nem Netze auslegt -- es war die höchste Zeit für sie, zurückzukehren zu dem stillen Frieden jener Insel die ihre Heimath nun doch einmal ist.« Renés Blut kochte, denn recht gut fühlte er, wie der Geistliche zum ersten Mal wieder die Hand ausgestreckt, in sein Familienleben einzugreifen, und wie er jetzt gleich entschieden auftreten müsse, ihn von allen derartigen Versuchen zurückzuschrecken. Sadie dagegen sah in dem freundlichem Wort, ihr Herz ja selber kein anderes Gefühl bergend, nur Liebe und Versöhnung, und mit Freude strahlenden Blicken die Hand des Geistlichen ergreifend, drückte sie diese in frommer dankbarer Inbrunst an ihre Lippen, René aber, ihren Arm erfassend, zog sie zurück und sagte finster: »Laß das Sadie; der Herr da meint's vielleicht recht gut, und ich will gern Vergangenes auch vergessen, doch damit, hochwürdiger Herr hab' ich auch Alles gethan was ich vermag, und muß Sie ernstlich bitten sich nicht um irgend etwas mehr zu kümmern, was mich, Sadie oder mein Haus betrifft.« »Herr Delavigne« rief der Geistliche auffahrend, und ein Blitz aus seinem kleinen lebendig grauen Auge traf den Franzosen in nichts weniger als christlicher Demuth -- »Sie gehn zu weit -- Prudentia ist Protestantin, und ihrer Seele Heil fordert der Herr einstens vielleicht von mir.« Ein spöttisches Lächeln zuckte um des Franzosen Lippe als er erwiederte: »Genug und über genug, ich habe keine Lust mich jetzt noch in religiöse Spitzfindigkeiten einzulassen; Sie wissen daß Sadie mich bald verläßt und Manches hat sie mir wohl noch zu sagen, Manches ich ihr -- ich hoffe doch Sie werden mich verstehen.« »René« bat die Frau mit leiser flehender Stimme. »Ei beim Teufel« zürnte aber der junge Mann mit dem Fuß stampfend -- »der Herr hier weiß wie wir zusammen stehn und sollte es vermeiden Scenen zu erneun, die nur für beide Theile unangenehm sein können. Ich bedarf seiner Einmischung in meine Angelegenheiten nicht -- ich verlange sie nicht und, beim Himmel, ich _will_ sie nicht dulden.« »Herr Delavigne -- Sie trotzen auf die Macht die Ihre Landsleute in diesem Augenblick gerade hier besitzen« rief der Geistliche aber jetzt auch gereizt. »Ich trotze auf die Macht die mir mein Hausrecht giebt« rief aber der junge Mann. »Ich glaubte Sie mir zum Dank verpflichtet zu sehn« sagte der Missionair da, der seine ganze Ruhe wieder gewonnen -- »und bedaure, mich geirrt zu haben.« »Er hat es so gut gemeint, René« bat die Frau. »Die Minuten verfliegen« rief aber der junge Mann, »und wenige nur sind noch die unseren -- in kurzer Zeit kann das Boot hier sein, Sadie, das Dich mir entführt.« »Ich sehe wie es steht« sagte der Missionair ernst und fast traurig -- »Gottes Wort wird überflüssig wo der Welt Stolz die Zügel faßt und dem ewigen Verderben mit raschen flüchtigen Schritten entgegeneilt. So lebe denn wohl Prudentia -- die Stunde schlägt die Dich jenem stillen freundlichen Insellande wieder zuführen soll -- möge es dieselbe sein, die Dich auch wieder zu Gottes Vaterhuld zurückführt. So bete zu ihm, daß er Dir gnädig Deine Sünden vergeben möge und behalte und wahre ihn in Deinem Herzen, der das Licht ist und Heil und die Hoffnung der Gläubigen in aller Ewigkeit -- Amen.« Und mit diesen Abschiedsworten hob er das Kind, das Sadie indessen wieder an sich genommen, zu sich auf, küßte und segnete es, gab es der Mutter zurück, neigte noch einmal die Hand gegen sie, und den finster dabei stehenden, den Gruß kalt erwiedernden Gatten und schritt dann langsam durch den Garten, durch dessen Pforte er bald darauf verschwand. Sadie aber lehnte ihr Haupt leise an des Gatten Brust und flüsterte mit weherfüllter Stimme: »Oh René, Du hast mir weh, recht weh gethan, mit Deinen heftigen, undankbaren Worten --« »Undankbar Sadie?« »Er hatte es so gut um uns gemeint, und Du hast ihn so kalt und heftig abgewiesen.« »Täusche Dich nicht, mein Lieb,« sagte René, sie fest an sich pressend -- »der stolze Priester meint's mit Niemand gut, und wenig Dank werd' ich ihm, vor allen Andern schulden. Er weiß das selber auch am Besten und _kann_ nichts Anderes erwartet haben. Ach Sadie, es war mir ein gar so wehmüthiges, ja bitteres Gefühl, daß sich der finstere Gesell gerad' in der letzten Stunde noch zwischen uns stellte und die Herzen auseinander hielt. Ich weiß nicht mir schnürt's die Brust noch jedesmal zusammen in seiner Nähe.« »Ach mir ist's auch ein wehes, wunderlich Gefühl« flüsterte Sadie, »und doch wär's Sünde, denn er meint es treu, und wenn er auch mit strengem starren Sinn den Weg verfolgt, den er nun einmal für den einzig wahren hält, so dürfen wir ihn doch darum nicht tadeln. Er ist im Zorn von uns gegangen.« »Laß ihn gehn« rief aber René, hochaufathmend, und den Blick dorthin zurückwerfend, wo der ehrwürdige Herr verschwunden, als ob er der wirklichen Entfernung desselben noch immer nicht traue -- »mir ist ein Stein vom Herzen daß er fort ist.« »Ist er's auch wirklich?« flüsterte da eine Stimme dicht neben ihnen, und als sie überrascht dorthin umschauten glitt Aia, das wilde schöne Mädchen hinter einem dichten Orangenbusch vor, und trat zu den Beiden. »Aia!« rief Sadie erfreut und doch auch vorwurfsvoll -- »Du böses, böses Kind, wo hast Du so lang Dich herumgetrieben in der Welt, daß Du gar nicht mehr an Deine Sadie gedacht?« »Und ich wollte ich müßte auch jetzt nicht an Dich denken« sagte das Mädchen leise und sie kämpfte dabei hart mit sich, eine aufsteigende, ihr sonst fast fremde Rührung zu verbergen. »Und weshalb, Aia?« frug Sadie. »Mach ihr das Herz nicht wieder schwer, Du wunderliches Kind« sagte aber René jetzt, ihr leise mit dem Finger drohend, »bist solch ein tolles Ding wenn Du da draußen herumtobst, unter den wilden die wildeste, und wie ein anderer Geist scheint es über Dich zu kommen, wenn Du diese Schwelle betrittst.« »Du hast mir und ihr auch noch Vorwürfe zu machen, nicht wahr, Du böser, nichtsnutziger Wi-Wi?« rief aber das Mädchen, trotzig sich die Locken aus der Stirn schüttelnd und mit zornigem Blick ihn anblitzend -- »Wehe über Dich; aber die Strafe bleibt Dir nicht aus, und dann denk' an _mich_, dann erschein' ich Dir in Deinen Träumen und quäle und martere Dich, trockne Dir Falten in die Wangen und bleiche Dir das Haar -- denk' an Aia.« »Tolles Mädchen was hast Du?« lachte aber René -- »kann ich dafür, wenn jene Kriegsschiffe vielleicht ungerecht dies Volk überfallen und sich unterwerfen? trag' ich die Schuld des vergossenen Blutes und all der darum vergossenen Thränen?« »Nein, Gott sei Dank nicht das auch noch,« sagte Aia, »doch genug, übergenug davon zu reden. Aber ich bin nicht zu _Dir_ gekommen, falscher Ferani, sondern zu Deinem Weib -- ich will mein Wort lösen, das ich ihr einst gegeben.« »Dein Wort Aia?« »Sagte ich Dir nicht, daß wenn Dich _Alle_ verließen und von Dir gingen, ich zu Dir kommen und bei Dir bleiben würde, und daß wir dann lachen und singen und tanzen und es toller treiben wollten, wie alle Anderen zusammen? -- und Gott weiß es, sie treiben's toll genug.« »Aber wunderliches Mädchen Du« sagte Sadie, während dennoch ein eigenes, wehes Gefühl ihr dabei das Herz durchzuckte, »wie fällst Du auf solch traurige Gedanken -- wer hat Dir die Grillen in den Kopf gesetzt?« »Und gehst Du nicht zurück nach Atiu?« rief Aia schnell und fast freudig. »Allerdings geh ich dorthin.« »Und René geht mit Dir?« »Allerdings.« »Aber jetzt? -- gleich? -- auf einem Schiff?« »Wenn auch nicht jetzt in _einem_ Schiff, Aia« nahm hier René das Wort, während Aia leise und traurig mit dem Kopf nickte, »doch sobald ich darf -- sie lassen mich noch nicht hier fort.« »Wer? -- die Wi-Wis? -- die Kanakas halten Dich doch wahrlich nicht, Ferani,« rief Aia zornig. »Die Kanakas nein,« lachte René, »aber meine eigenen Landsleute, eines tollen Streiches der Deinigen wegen.« »Ja ich weiß wohl« sagte das Mädchen unheimlich lachend, »Ihr helft einander wo Ihr nur könnt; ich habe das selber erfahren zu meinem Leid -- aber fort mit Dir, nicht zu _Dir_ bin ich gekommen, mit Dir zu plaudern -- nimmst Du mich mit, Sadie?« »Nach Atiu?« rief Sadie rasch und freudig. »Wohin Du gehst« sagte das wilde Mädchen leise und herzlich. »Und willst Du dem tollen schlechten Leben entsagen?« frug Sadie ihre Hand in tiefer Rührung ergreifend -- »willst Du bei mir bleiben, und mit mir leben von nun an?« »Wohin Du gehst« flüsterte Aia und schaute ihr dabei recht still und wehmüthig in's Auge. »Aber Aia« sagte René, »wenn Du mitreisen willst, wo hast Du Deine Sachen, Deine Matte, Deine Kleider? -- das Boot wird gleich kommen Euch abzuholen.« Aia erröthete und schüttelte unwillig mit dem Kopf -- »Was Kleider, was Matte, ich habe Nichts auf der weiten Welt und -- brauche Nichts. Eine Matte finde ich in Atiu darauf zu schlafen, oder Blätter und Gras genug für ein Lager, und die Brodfrucht ist so süß dort wie hier -- und süßer -- viel süßer« setzte sie mit weicherer Stimme hinzu. »Ich habe Matten genug für Dich, Aia« sagte Sadie herzlich. »Ich weiß Du bist gut« flüsterte das Mädchen -- »aber ich hatte selber eine Matte, nur gestern und vorgestern -- schlief ich -- schlief ich bei der alten Hexe im Haus, die sie Mütterchen Tot nennen -- und die behielt mir für Schlafen und -- aber was brauch' ich's auch« setzte sie unwillig hinzu -- »mag sie zu Gift dem ersten werden, der sich d'rauf bettet.« »Aia --« Das Mädchen wandte den Kopf scheu und beschämt zur Seite, aber ihr Blick traf ein weißes Segel, das eben über der Landspitze sichtbar wurde, und durch das Binnenwasser der Riffe kam, von vier kräftigen Matrosen gerudert, ein scharfgebautes schlankes Boot schäumend heran. Sie deutete mit der Hand hinüber und wie mit einem Messer stach es nach Sadie's Herzen, denn das Boot das dort herbeischoß -- war bestimmt sie aus den Armen des Gatten, zum ersten Mal von seiner Brust zu reißen. Sie wurde todtenbleich und Aia sprang zu sie zu unterstützen. »Sadie -- Sadie« bat René, der rasch seinen Arm um sie schlug und sie an sein Herz zog, »mein armes süßes Kind fasse Dich -- nur für wenige Wochen ist es ja -- _Tage_ vielleicht, die ich getrennt von Dir bin, und die Zeit wird rasch und leicht vorübergehn -- grüße mir mein Atiu indessen.« »René -- René!« weinte die Frau an seinem Hals und schmiegte sich an seine Brust, als ob sie ihn nie und nimmer lassen könnte -- und Aia stand daneben, die großen hellen Thränen ihr rasch die Wangen niederjagend, und ihr Blick haftete in einer eigenen Mischung von Zorn und Angst und Schmerz auf dem Mann. Aber sie sprach kein Wort und die Arme jetzt krampfhaft fest über der Brust gekreuzt blieb sie in ihrer Stellung regungslos der Gruppe gegenüber. Auf einen Wink René's trug indeß das Mädchen, das sie ebenfalls hinüber begleiten sollte, das letzte Gepäck zum Strand hinunter, dem der Bug des Wallfischbootes rasch entgegenstrebte, und Sadiens Stirn dann küssend flüsterte er noch einmal: »Komm Kind, komm -- faß Dich mein süßes Lieb -- sieh was müssen die Matrosen davon denken, die gleich hier bei uns sind. Um Gott, was fehlt Dir nur?« »Nichts -- nichts;« flüsterte Sadie leise und suchte sich aufzurichten -- sie deckte einen Moment die Augen mit ihrer linken Hand und das rasche Wogen ihrer Brust verrieth jetzt allein noch den Sturm der in ihr tobe. »Es ist vorbei« sagte sie dann nach kleiner Pause mit leiser, aber wieder fester Stimme -- »es ist Alles vorbei.« Aia wandte sich ab, und hielt beide Hände jetzt fest an ihr Herz gepreßt, René aber rief mit lauter freudiger Stimme: »Und da drüben beginnen wir dann ein neues, freudiges Leben -- so wirf den Gram und Kummer von Dir mein herziges Weib; sieh, da sind die Leute, und ungeduldig winkt mir der Bootssteurer schon und zeigt nach dem Schiff -- sie _dürfen_ nicht länger zögern -- leb wohl Sadie!« Wieder warf sich die Frau an seine Brust -- aber es war nur ein Moment, nur die fast krampfhafte Wirkung des Trennungsworts, dann sich gewaltsam emporraffend griff sie nach ihrem Kind und reichte es ihm hinauf. »Da -- küß Dein Kind noch einmal« flüsterte sie ihm zu. »Aber Sadie, quälst Du Dich doch als ob es eine Trennung auf Jahre gälte; fasse Dich Lieb.« »Küsse Dein Kind« bat die Frau, und das kleine liebe Ding hatte schon die Aermchen um des Vaters Nacken gelegt, und preßte seine rosigen Lippen auf seinen Mund -- »und nun leb wohl René« sagte sie dann und ihr Antlitz, wenn auch noch von Thränen überströmt, hatte ganz wieder seine alte Ruhe gewonnen -- »leb wohl René und schütze Dich -- schütze Dich Gott!« »Mein liebes Weib --« »So -- so, das ist gut, und nun mein Kind -- fort, fort nach Atiu« -- und unter Thränen lächelnd hob sie die Kleine sich auf den Arm; noch einmal hingen ihre Lippen in langem heißen Kuß an denen des Gatten, und sich selber aus seinem Arm reißend floh sie hinunter zum Boot, wo die Leute schon ungeduldig standen und sie erwarteten. »Segel auf da vorn!« rief indeß der Bootssteuerer der hinten, mit dem langen Riemen im Eisenring, stand und die Abschiedsscene mit spöttischem Lächeln betrachtet hatte -- »und aufgepaßt da mit Euerem Bug, daß wir nicht auf den Sand kommen -- Alles klar?« »Halt! die Wahine da soll auch noch mit« rief Einer der Leute. »Wetter noch einmal, über all das Weibervolk« brummte der Wallfischfänger leise vor sich hin -- »wird eine schöne Fahrt werden.« »So leb wohl Aia« rief der davon Springenden René noch freundlich nach -- aber Aia kümmerte sich nicht um ihn; ihr Blick hing an dem schmerzlich durchzuckten Antlitz Sadiens -- sie hörte kaum daß ihr die Matrosen zuriefen sich zu eilen, und im Boot kauerte sie neben der schlanken Gestalt der Frau nieder und barg, den Arm um sie hergeschlagen, ihr Antlitz in ihrem Kleid. »Alles klar da vorn« schallte die rauhe Stimme des Bootssteuerers. »Alles klar!« lautete die Antwort. »Ab mit Euch -- stoßt ab.« Die Riemen wurden eingesetzt, der Bug des schlanken Fahrzeugs flog herum, und das Segel, das bis jetzt rasch und heftig gegen den schwanken Mast geschlagen, blähte weit aus in der frischen günstigen Brise, daß das schlanke Boot schon im nächsten Augenblick hineinpreßte in die klare Fluth, und den weißgekräußten wie gläsernen Schaum zu beiden Seiten hinausspritzte. »Joranna René -- Joranna!« rief ihm die Frau noch hinüber, und ihre rechte Hand, während sie mit der linken das Kind an sich preßte, winkte und grüßte den Zurückgebliebenen. »Joranna, Joranna!« schallte der Ruf zurück klar und deutlich mit der Brise über das Wasser -- »Joranna!« Aber das Boot schäumte durch die Fluth -- weiter und weiter drängte der Kiel dem Lande ab, der schmalen Einfahrt des Hafens zu und draußen, mit backgebraßten Segeln, lag schon das Schiff, der Ankunft des Bootes harrend, mit wehender Flagge noch, wie es den Hafen von Papetee verlassen. Jetzt hatte das schnelle Boot die offene See erreicht, mehr und mehr näherte es sich dem Wallfischfänger; jetzt fiel das Segel, René konnte deutlich die Leute erkennen, wie sie hinaufliefen an der Seitenwand -- das Boot stieg empor, die Raaen flogen herum und »Joranna« hauchten seine Lippen das Abschiedswort, als das wackere Schiff die frische Brise faßte, Segel auf Segel sich noch entfaltete, und der schlanke Bau in seinen Formen in immer weiterer Ferne mehr und mehr zusammenschmolz, bis er, ein weißer Punkt noch auf der dunkelblauen Fläche ruhte und -- verschwand. [Anmerkungen zur Transkription: Die Schreibweise einiger Wörter ist im Originalbuch inkonsistent. Im vorliegenden Ebook wurden offensichtliche Druck- und Zeichensetzungsfehler korrigiert. Die Schreibweise von Eigennamen richtet sich weitgehend auch nach den beiden bereits veröffentlichten Bänden. Das Buch ist in Frakturschrift gedruckt. Textauszeichnungen wurden folgendermaßen ersetzt: Sperrung: _gesperrter Text_ Antiquaschrift: ~Antiquatext~ Fettdruck: #fetter Text#] End of Project Gutenberg's Tahiti. Dritter Band., by Friedrich Gerstäcker *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK TAHITI. DRITTER BAND. *** ***** This file should be named 38451-8.txt or 38451-8.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/3/8/4/5/38451/ Produced by richyfourtytwo, Holt and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation web page at http://www.pglaf.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Its 501(c)(3) letter is posted at http://pglaf.org/fundraising. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws. The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email [email protected]. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation's web site and official page at http://pglaf.org For additional contact information: Dr. Gregory B. Newby Chief Executive and Director [email protected] Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide spread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit http://pglaf.org While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. International donations are gratefully accepted, but we cannot make any statements concerning tax treatment of donations received from outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff. Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation methods and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including checks, online payments and credit card donations. To donate, please visit: http://pglaf.org/donate Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works. Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be freely shared with anyone. For thirty years, he produced and distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support. Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper edition. Most people start at our Web site which has the main PG search facility: http://www.gutenberg.org This Web site includes information about Project Gutenberg-tm, including how to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.