Indianerleben : El gran Chaco (Südamerika)

By Erland Nordenskiöld

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Title: Indianerleben
        El gran Chaco

Author: Erland Nordenskiöld

Release date: March 19, 2024 [eBook #73205]

Language: German

Original publication: Leipzig: Albert Bonnier, 1912

Credits: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK INDIANERLEBEN ***


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                     Anmerkungen zur Transkription

  Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1912 so weit
  wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler
  wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr
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  fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.

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  im Text vorkommen. Die in der ‚Berichtigung‘ am Ende des Buches
  aufgeführten Begriffe wurden in der vorliegenden Ausgabe bereits
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  Besondere Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der
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                             INDIANERLEBEN




[Illustration: Tafel 1. Der Verfasser mit Ashluslayfreunden.]




                             INDIANERLEBEN


                             EL GRAN CHACO
                             (SÜDAMERIKA)

                                  VON

                          ERLAND NORDENSKIÖLD

                     LEIPZIG 1912 / ALBERT BONNIER




                   EINZIGE AUTORISIERTE ÜBERSETZUNG
                         AUS DEM SCHWEDISCHEN

                                  VON

                             CARL AUERBACH


                 Roßberg’sche Buchdruckerei, Leipzig.




Inhaltsverzeichnis.


                                                                   Seite

  +Einleitung+                                                         1


  +Erstes Kapitel+:

      Reise nach dem Arbeitsfeld                                       3

      Der Calilegua                                                   11


  +Zweites Kapitel+:

      Unter den Indianern am Rio Pilcomayo                            15


  +Drittes Kapitel+:

      Unter den Indianern am Rio Pilcomayo (Fortsetzung)              32

      Gemeinwesen                                                     32

      Das Indianerhaus                                                39


  +Viertes Kapitel+:

      Unter den Indianern am Rio Pilcomayo (Fortsetzung)              44

      Der Kampf ums Dasein                                            44

      Wie man bei den Ashluslays und Chorotis ißt                     58


  +Fünftes Kapitel+:

      Unter den Indianern am Rio Pilcomayo (Fortsetzung)              63

      Indianerkinder                                                  63

     Männer und Frauen                                                74

      Arbeitsverteilung zwischen Männern und Frauen                   94


  +Sechstes Kapitel+:

      Unter den Indianern am Rio Pilcomayo (Fortsetzung)              96

      Trinkgelage                                                     96

      Das Tabakrauchen                                               101

      Medizinmänner, religiöse Vorstellungen                         103

      Vom Matacoindianer Na-yás erzählte Sagen:

      Der Raub des Feuers                                            110

      Die Frau, die sich mit den Hunden verheiratet hat              111

      Die große Feuersbrunst                                         111

      Der Maisraub                                                   112

      Der Sohn des Chuña                                             112

      Als die Matacos und die Christen die Welt teilten              113

      Der Fuchs und der Stier                                        113


  +Siebentes Kapitel+:

      Unter den Indianern am Rio Pilcomayo (Fortsetzung)             116

      Kunst und Industrie                                            116

      Die Indianer als Zeichner                                      127


  +Achtes Kapitel+:

      Unter den Indianern am Rio Pilcomayo (Fortsetzung)             129

      Krieg und Frieden                                              129

      Handel                                                         137

      Besuch in fremden Dörfern                                      141

      Das Verhältnis zu den Weißen                                   142


  +Neuntes Kapitel+:

      Das Land der Chané- und Chiriguanoindianer                     148


  +Zehntes Kapitel+:

      Vom Lande der Chané- und Chiriguanoindianer                    163

      Indianer als Geographen                                        163

      Der Indianer als Historiker                                    167


  +Elftes Kapitel+:

      Vom Lande der Chané- und Chiriguanoindianer                    173

      Alltagsleben in den Chané- und Chiriguanohütten                173

      Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern                      180

      Tabelle, welche die Arbeitsteilung zwischen Männern
      und Frauen bei den Chanés und Chiriguanos
      ausweist                                                       180

      Nahrungszweige                                                 181

      Zubereitung der Speisen                                        188

      Spiele                                                         190

      Das Leben der Indianerkinder                                   193

      Alltagskleidung                                                200

      Reinlichkeit                                                   203


  +Zwölftes Kapitel+:

      Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer
      (Fortsetzung)                                                  206

      Vom Mutterleib bis zum Grabe                                   206


  +Dreizehntes Kapitel+:

      Aus dem Lande der Chané- und Chiriguanoindianer
      (Fortsetzung)                                                  221

      Häßliche Worte, Homosexualität, Selbstmord, Schamgefühl
      u. a.                                                          221


  +Vierzehntes Kapitel+:

      Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer
      (Fortsetzung)                                                  228

      Häuptlinge und Gesetze                                         228


  +Fünfzehntes Kapitel+:

      Trinkgelage bei den Chanés und Chiriguanos                     234


  +Sechzehntes Kapitel+:

      Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer
      (Fortsetzung)                                                  242

      Kunst und Industrie                                            242


  +Siebzehntes Kapitel+:

      Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer
      (Fortsetzung)                                                  250

      Sage und Religion                                              250

      1. Der Weltuntergang und der Raub des Feuers                   251

      2. Der Weltuntergang und der Raub des Feuers                   253

      Besuche in Aguararenta (dem Dorfe der Füchse)                  255

      Das Mädchen, das seinem Mann nach Aguararenta
      folgte                                                         255

      Geister- und Tiersagen                                         257

      Die Erschaffung der Welt, wie der Fuchsgott, Aguaratunpa,
      den Algarrobobaum fand, und wie er den weißen Kondor,
      Ururuti, fing                                                  260

      Tatutunpas und Aguaratunpas Verheiratung                       264

      Die Entstehung der Arbeit                                      269

      Wie Aguaratunpa seinen Bruder nach dem Himmelsgewölbe
      schickte                                                       270

      Über den Sohn von Tatutunpa, und wie er seine Mutter
      gerettet hat                                                   271

      Der Mann, der sich mit der Tochter des Donnergottes,
      Chiqueritunpa, verheiratete                                    277

      „Choihuihuis“ Frauenraub                                       283

      Wie Aguaratunpa Tatutunpa tötete und dann selbst
      getötet wurde                                                  285

      Der Mann, der Añatunpa verbrannte                              286

      Der Mann, der Añatunpa tötete                                  287

      Wie Bisose Reichtümer aus dem Berge holte                      288

      Der Fuchs und der Jaguar                                       289

      Als die Schildkröte „Carumbe“ den Jaguar tötete                291

      Die Liebessage des Kolibris                                    292

      Als die Zecke, Yatéu, mit dem Strauß, Yándu, um die
      Wette lief                                                     292

      Die Indianer und die Naturerscheinungen                        294


  +Achtzehntes Kapitel+:

      Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer
      (Fortsetzung)                                                  297

      Die katholischen Missionen unter den Chiriguanos               297

      Die Furcht vor den Gummigegenden                               298

      Frondienste für die Weißen                                     300


  +Neunzehntes Kapitel+:

      Die Tapieteindianer                                            304

      Zu diesen Indianern                                            304

      Kultur und Sprache der Tapieteindianer                         310

      Tapietesagen:

          Wie die Papageien den Tapietes Mais verschaffen            312

          Wie die Tapietes das Schaf bekamen                         313

          Der Raub des Feuers                                        313

          Das Entstehen der Zahnschmerzen                            314

      Die Taubstummen der Tapietes                                   315


  +Zwanzigstes Kapitel+:

      Die Tsirakuaindianer                                           322


  +Schlußwort+                                                       329




Einleitung.


In diesem Buche beabsichtige ich, einige Indianerstämme, die ich
während meiner Reise 1908-1909 näher kennen gelernt habe, zu schildern.

Ich habe das intime Leben dieser Menschen, ihre Gesellschaft, ihre
Häuslichkeit, ihren Kampf ums Dasein, ihre Streitigkeiten, ihre
Erziehung, ihre Moralbegriffe, ihre Religion und ihre Sagen hier zu
schildern versucht.

In erster Reihe habe ich somit einen Beitrag zur Kenntnis der sozialen
Verhältnisse im Gemeinwesen der Indianer liefern wollen.

Ich habe versucht, die Indianer kennen zu lernen und habe auch
Sympathie für sie empfunden. Ich habe, so gut es ging, das Leben
der Indianer zu leben, sie zu verstehen gesucht. Ich habe mit ihnen
gefischt, getanzt, gesungen und getrunken. Ich habe zu vergessen
gesucht, daß ich ausgezogen bin, um diese Menschen zu studieren, und
nicht, um nur mit ihnen zu leben und mich zu amüsieren.

Ich habe diese Indianer als Mitmenschen betrachtet.

Unter vielen trockenen Tatsachen habe ich hier Menschen zeigen wollen,
die der Sympathie des Lesers würdig sein dürften.

Meine Reise ist durch die Freigebigkeit meines Freundes Arvid Hernmarck
zustande gekommen. Ich bin ihm deshalb zu großem Danke verpflichtet.

Mit seinem bekannten Interesse für die Schweden, die Südamerika
kennen lernen wollen, hat mir Herr Generalkonsul Axel Johnson auf den
bequemen Dampfern, die den immer blühenderen schwedischen Handel nach
Argentinien vermitteln, freie Reise und freie Frachten gewährt.

Großen Dank schulde ich Frau Rosa Hernmarck, dem früheren
Ministerresident O. Gyldén, dem Legationsrat H. von Bildt und dem
Apotheker H. Enell, welche teils zu meiner Ausrüstung beigetragen,
teils meine Sammlungen verwaltet haben.

Bei meinen umfassenden Streifzügen in Bolivia bin ich sowohl in der
Hütte des Armen wie von dem reichen Estanciero mit außerordentlicher
Gastfreiheit aufgenommen worden. Bei den Indianern wie bei den Weißen
habe ich mich als Hausfreund betrachtet.

Am wohlsten habe ich mich bei den Indianern gefühlt!




+Erstes Kapitel.+

=Reise nach dem Arbeitsfeld.=


Am 21. Februar 1908 verließ ich zusammen mit einem Schweden, W.
Andersson, Schweden, um mit dem Dampfschiffe „Drottning Sofia“ nach
Buenos Aires zu fahren. Auf der herrlichen Seereise konnten wir Kräfte
für künftige Strapazen sammeln. Mit Salz- und Sonnenbädern härteten wir
unsere Körper in dem Gedanken: Auf einer solchen Reise, wie dieser, ist
die allerwichtigste Ausrüstung eine gute Gesundheit. Ist man munter und
gesund, so arbeitet man gut, ist man infolge Krankheit niedergedrückt,
dann geht alles schlecht. Während meiner ganzen Reise war ich auch
nicht einen einzigen Tag ordentlich krank.

Auf dem Dampfer schloß ich mit einem jungen Landsmann, Carl Moberg,
Bekanntschaft. Es war ein wilder Junge. Eines Tages kletterte er
auf den Großmast der „Sofia“, setzte sich auf den runden Knopf der
Spitze und genoß bei einer Zigarette die Aussicht. Da er den Eindruck
eines kühnen und furchtlosen Menschen machte, stellte ich ihn bei
der Expedition an. Und das habe ich nicht zu bereuen brauchen.
Moberg erwies sich während der ganzen Reise als ein tüchtiger und
zuverlässiger Kamerad. Ich habe ihn hier so schildern wollen, wie ich
ihn zum ersten Male kennen gelernt habe, damit der Leser verstehe, daß
er ein Mann war, der für die Indianer paßt.

Ich will hier nicht schildern, was so viele andere vorher beschrieben
haben, sondern übergehe Buenos Aires und begebe mich von dort direkt
nach der Zuckerfabrik Esperanza in Nordargentinien. +Wo die Indianer
anfangen, dort will ich auch meinen Reisebericht beginnen.+ Ich bitte
nun den geneigten Leser, der besseren Orientierung wegen, diesen Platz
auf der Karte aufzusuchen.

Nach den Zuckerfabriken in Nordargentinien kommen die Indianer von weit
umher. Hier in den Fabriken treffen wir nicht die Wilden der Urwälder,
sondern solche, die, von den Reichtümern des weißen Mannes angelockt,
aus ihren Dörfern gekommen sind, um Arbeit und Verdienst zu suchen. In
diesem Buche werden wir diese Menschen auch nicht hier, sondern weit
hinten in den Urwäldern und Gebüschen ihrer Heimat kennen lernen.

Mit dem größten Wohlwollen wurde ich von den Brüdern Leach, den
Besitzern der Fabrik Esperanza, aufgenommen. Sie haben ein echt
englisches Heim mit bequemen Stühlen, Polo, Freundschaft ohne Ziererei
und Zeremonien und Dienstbereitschaft ohne viele Worte.

In Esperanza hielt ich mich einen Monat auf, um meine Expedition
auszurüsten. Während dieser Zeit hatte ich Gelegenheit zum Studium
der Indianer, die, wie schon erwähnt, von weit her nach den Fabriken
kommen, um Arbeit zu suchen. Außerdem machte ich eine Expedition nach
dem nahebelegenen Berge Calilegua.[1]

Unter den Indianern in Esperanza hatte ich das Glück, einen alten
Freund von meiner Reise 1901 zu treffen, den Matacoindianer „Chetsin“.
Dieser, der Dolmetscher seines Stammes, sprach ausgezeichnet spanisch.
Beinahe jeden Tag pflegte ich ein Stündchen in seiner Hütte zu
verweilen und mit ihm von allem möglichen zu sprechen. Zuweilen
erzählte er mir einige Sagen seines Stammes.

Es war ein eigentümliches Gefühl, auf einem Holzblock in der Grashütte
bei einem spärlichen Feuer zu sitzen und erzählen zu hören, wie
die wilden Schweine dem Gürteltier den Mais stahlen und wie das
Meerschweinchen dem Jaguar das Feuer stahl und es den Matacoindianern
gab, und einige Augenblicke später in einem bequemen Stuhle in dem
englisch komfortablen Leachschen Hause zu sitzen und über Politik,
Flugschiffe und Sport zu sprechen. Die Gegensätze im Leben bereiten
immer Vergnügen.

Über die Wanderung der Indianer nach den Zuckerfabriken möchte ich hier
einige Worte sagen.

„Bapurenda“ nennen die in Bolivia lebenden Indianer das Land
Argentinien. Das bedeutet: dort gibt es Arbeit. Nach den Zuckerfabriken
kommen jährlich tausende Indianer aus dem argentinischen Chaco und aus
Bolivia, um Arbeit zu suchen. Man verwendet sie teils zum Roden und
Graben, teils für die Ernte. Diese Wanderung nach Argentinien ist für
die friedliche Eröffnung der in Südbolivia von Indianern bewohnten
Wildnisse von der größten Bedeutung für die Weißen gewesen, und ist
es auch heute noch. Nach „Bapurenda“ kommen die Indianer aus weiter
Ferne. Man sieht dort die sauberen und aufgeweckten Chiriguano und
Chané, die heimtückischen und zudringlichen Toba, die schmutzigen
und unzuverlässigen Mataco, die stets heiteren und faulen Choroti.
Einige Tapiete und Ashluslay[2] sind auch dort gewesen, obschon die
ersteren als Toba, die letzteren als Choroti und Mataco aufgetreten
sind. Eigentümlicherweise sollen auch von solchen Teilen des
südbolivianischen Chaco, wo noch nie ein Weißer gewesen ist, Indianer
nach Argentinien gekommen sein. Unter ihnen ist der Chiriguanohäuptling
Cayuhuari bemerkenswert. Dieser Häuptling wohnt seit 1890, wo er sich
gegen die Weißen empört hatte, im Chaco.

Ein sehr großer Teil der Indianer nimmt die lange Reise nach
Argentinien zu Fuß vor, da nur wenige Pferde haben. Einzelne haben bis
zu ihrer Ankunft über 500 km zu wandern, und das ist ein ganz hübscher
Spaziergang.

Der Grund der Wanderung dieser Indianer ist die große Schwierigkeit,
alle die Herrlichkeiten des Weißen, wie Messer, Äxte und Kleider, in
ihrem eigenen Lande zu erwerben. Wenn sie bei sich zu Hause Arbeit
haben, ist sie in der Regel schlecht bezahlt, und innerhalb großer
Gebiete ist überhaupt keine Arbeit zu bekommen.

Mehrere Indianer haben mir gesagt, sie würden, wenn sie zu Hause Arbeit
fänden, diese Wanderung nicht vornehmen. Eins ist jedoch sicher, daß
diese Reisen in ein fremdes Wunderland im höchsten Grade verlockend
für sie sind. Ich war gerade in einem Ashluslaydorf, als die ersten
dieses Stammes, die in den Fabriken gewesen sind, wieder nach Hause
kamen. Sie wurden mit Ovationen empfangen. Das ganze Dorf war ihnen
entgegengegangen, und unter dem Gesang der alten Frauen wurden
sie zu ihren Hütten gebracht, wo sie von ihren Kindern und Frauen
bewillkommnet wurden. Sie hatten so viel Merkwürdiges mitgebracht, alte
Gewehre, alte Uniformen, Zucker, Streichhölzer, Pulver, Knallerbsen,
betresste Käppis, Anelin u. a. Wie viel ist nicht zu erzählen, wenn man
nach Hause kommt. Es muß mindestens ebenso merkwürdig gewesen sein, als
wenn ein Erdbewohner von einer Reise nach dem Monde nach Hause gekommen
wäre. Wie wunderbar muß es den zu Hause Gebliebenen vorgekommen sein,
von den Eisenbahnen, den Fabrikmaschinen, den elektrischen Bogenlampen,
den großen Hütten und allem anderen Neuen zu hören. Auch sie werden zu
der mühseligen, langen Wanderung verlockt, und immer weitere Gebiete
eröffnen sich dem weißen Manne ohne Kampf, ohne Schwierigkeiten.

Infolge dieser Wanderungen nach Argentinien verbreiten sich eine große
Masse Werkzeuge, Messer, Waffen u. a. über den ganzen Chaco, und die
ursprüngliche Kultur der Indianer verändert sich vollständig. Viele von
ihnen lernen auf diesen Reisen etwas Spanisch, denn den Indianern fällt
diese Sprache leicht. Sie lernen sogar sehr bald, es grammatikalisch zu
sprechen.

Nach den Zuckerfabriken kommen die Mataco und Choroti sowie teilweise
auch die Toba mit Frauen, Kind und Kegel, Hunden und Hausgerät, Schmutz
und Ungeziefer und bauen dort ihre Dörfer, ganz wie im Chaco. Die
höherstehenden Chiriguano und Chané bringen nur wenig Frauen und
niemals ihre kleinen Kinder mit, falls sie nicht für immer dort bleiben
wollen. Die Chiriguano und Chané wohnen in Zelten oder in den den
Fabrikbesitzern gehörigen Baracken.

In den Fabriken habe ich die Indianer, besonders die Mataco und
Chiriguano, arbeiten sehen. Die ersteren werden als die Tüchtigsten
beim Ernten des Zuckerrohres, die letzteren als die besten Gräber
betrachtet. Die Mataco und verschiedene Chiriguano werden auf Akkord
bezahlt. Die besten Chiriguano sind Tagelöhner und werden den weißen
Arbeitern gleichgestellt. In der Regel verdienen die Chiriguano täglich
1-1½ Pesos, die Matacomänner 40 Centavos und die Matacofrauen 20
Centavos außer der Kost. Die Arbeitszeit ist für die letzteren ungefähr
acht, für die ersteren zehn Stunden.

Über den Fleiß der Indianer habe ich einige Notizen machen können.
Die Chiriguano arbeiten in der Regel alle Tage außer den Montagen, wo
sie den Sonntagsrausch ausschlafen. In San Lorenzo, unweit Esperanza,
wo ich Gelegenheit hatte, etwas statistisches Material zu sammeln,
arbeiteten die Matacomänner im Durchschnitt 12½ und die Matacofrauen
11½ Tage im Monat. Das beste Resultat hatte eine Matacofrau, die von
127 möglichen Tagen 125, und ein Matacomann, der 110 gearbeitet hatte.
Die Häuptlinge und Dolmetscher arbeiten am wenigsten.

Bei der Bezahlung der Indianer hat man darauf zu sehen, daß sie nicht
die ganze Löhnung während der Arbeitszeit ausbezahlt erhalten, sondern
noch etwas zugute haben, wenn sie heimkehren, sonst halten sie sich für
betrogen.

Stirbt ein Indianer, dem die Fabrik etwas schuldig ist, so verlangen
die Mataco, Choroti und Toba nichts. Trifft dies bei den Chiriguano
ein, so fordert der Häuptling die Bezahlung der Schuld durch ihn an
die Hinterlassenen. Der Grund hierfür ist möglicherweise der, daß
die Chiriguano infolge ihrer langen Beziehung mit den Weißen die
Erbschaftsverhältnisse derselben besser kennen.

[Illustration: Abb. 1. Matacomädchen, Esperanza.]

Leider wird für die Zivilisierung der nach den Zuckerfabriken
kommenden Indianer nichts getan. Sie werden hier im allerhöchsten
Grade demoralisiert. Die Männer verfallen der Trunksucht, d. h. sie
lernen Branntwein trinken, im Verhältnis zu welchem alle einheimischen
Getränke bedeutend unschuldiger sind. Infolge des Branntweins und
der schlechten Beispiele seitens der weißen Arbeiter kommt eine
große Anzahl Indianer durch Schlägereien in den Fabriken um. Die
Indianerfrauen verkaufen sich den Weißen. Geschlechtskrankheiten
herrschen unter den indianischen Arbeitern, die teilweise geradezu
Bordelle besuchen, wo sie mit den weißen Frauen Bekanntschaft machen.
Der Chiriguanohäuptling Maringay, der niemals in Argentinien war, und
von dem ich später noch recht viel zu erzählen haben werde, fragte mich
einmal: „Sage mir, ist es wahr, daß es in Argentinien Läden gibt, wo
man weiße Frauen, je nach Beschaffenheit, für 2, 3, 5 Pesos bekommt?“
Maringay fand sicher, daß die Weißen merkwürdige Läden hatten.

[Illustration: Abb. 2. Hütte der Mataco-Guisnay. Rio Pilcomayo.]

Viele Chiriguanoindianer kommen mit ihren Familien nach den
Zuckerfabriken und kehren niemals in ihre Heimat zurück. Das Leben
dieser Indianer verläuft ebenso wie das der weißen Arbeiter. Sie
leben in einer Art Konservenbüchsenkultur und stellen so gut wie gar
keine ihrer alten charakteristischen Sachen her. Ein wie trauriges
Leben führen sie doch, viel schlechter als in ihren Dörfern in ihrem
eigenen Lande. Anstatt der feinen, bemalten Tongefäße bilden leere
Konservenbüchsen, Blechteller usw. ihr Hausgerät. Manchmal sieht man
auch unter ihren Habseligkeiten ein europäisches Nachtgeschirr -- in
dem sie das Essen verwahren.

Eine in den Fabriken in großer Ausdehnung betriebene Unsitte ist
die, daß die Indianer Schießwaffen erhalten. Infolge dieser führen
die Indianer, die dort gewesen sind, siegreiche Kämpfe mit denen,
die nur Pfeile und Bogen besitzen. Diese Schießwaffen werden eines
Tages manchem weißen Manne das Leben kosten, denn sicher werden die
Indianer im Chaco noch manchen Aufruhr anstiften. Auf argentinischem
Gebiete sorgt besonders der Tobahäuptling Taycolique systematisch
für eine Bewaffnung seiner Leute mit Feuerwaffen. Er ist schon so
weit gekommen, daß er die unmodernen Remingtongewehre kassiert und
statt dessen Repetiergewehre eingeführt hat. Taycolique hat seinen
Leuten das Schießen beigebracht. Eines Tages zog er mit einigen
seiner Männer an einem Platze vorbei, wo einige Weiße Schießübungen
abhielten. Taycolique forderte sie zu einem Wettschießen auf, und seine
Tobaindianer gewannen den Preis.

Im großen ganzen wird meiner Ansicht nach das Indianererziehungsproblem
am besten gelöst auf die Weise, daß man dem Indianer gutbezahlte
Arbeit, wie sie sie in den Fabriken haben, gibt. Viel wäre außerdem zur
Hebung der Indianer zu tun, sie müßten schreiben, lesen und rechnen
lernen, und man müßte sie vor dem Branntwein und der Prostitution
bewahren. In diesen Fabriken müßten industrielle Schulen errichtet
werden, in welchen die Indianer ein Handwerk erlernten. Eine Arbeit,
wie sie sie in gewissen Gegenden haben, mit durchaus unbefriedigender
Bezahlung, erzieht sie nicht zu fleißigen und arbeitstüchtigen
Menschen, sondern bewirkt eher das Gegenteil. Erhalten sie eine
ordentliche Entschädigung und sehen sie, daß es ihnen durch Arbeit
gut ergeht, daß sie leichter ihren Magen füllen, Pferde, Werkzeug und
Kleider anschaffen können, dann arbeiten sie gern, und die Arbeit tut
ihnen gut und erzieht sie.


Der Calilegua.

Während meines Aufenthaltes in der Zuckerfabrik Esperanza unternahm
ich mehrere kleine Ausflüge, darunter einen etwas längeren nach dem
wunderschönen Calilegua, dessen nicht selten schneebedeckter Gipfel
stolz über die Urwälder blickt, in denen Zuckerfabriken und Sägemühlen
und kleine Menschlein sich abarbeiten und abäschern.

Auf mehr als schlechten kleinen Pfaden klettert der Weg diesen Berg
hinauf. Er geht durch Bäche, über Gebirgskämme, durch den Urwald mit
dessen schweigender, feuchtwarmer Pracht, über die Baumgrenze, nach
dem einsamen, großartigen Reiche der Erdgöttin Pachamama, wo man einen
weiten Blick über Täler, Hochebenen und Berge hat und sich nicht, wie
unten im Tale und im Urwalde, durch Lianen und Baumstämme und zwischen
dornigen Büschen hindurchzudrängen braucht.

Die Calileguaindianer sprechen alle Spanisch. Dieses ist stark mit
Quichuaworten vermengt, die Namen der Heilmittel sind z. B. in der
Regel auf Quichua. Man kann also annehmen, daß die ursprüngliche
Sprache dieser Indianer Quichua war. Die Calileguaindianer wohnen
oben auf den Bergen in kleinen viereckigen Hütten aus Stein oder
getrockneten Ziegelsteinen mit Grasdächern. Auf dem First steht
gewöhnlich ein Kreuz. Dasselbe schützt gegen Blitzschlag, d. h.
wenn es von einem christlichen Geistlichen gesegnet ist, denn diese
Gebirgsindianer sind schon seit langer Zeit Christen. Dies hindert
indessen nicht, daß sie gleichzeitig an vieles andere glauben, was gar
nichts mit der christlichen Religion zu tun hat. So opfern sie noch der
Pachamama Branntwein und Coca. Gehen sie über einen Paß, so legen sie
einen Stein auf den Boden, damit sie nicht auf dem Wege müde werden.

Auf dem Calilegua machte ich eine interessante Bekanntschaft, und zwar
die eines sehr anständigen Medizinmannes in mittleren Jahren, der mir
ganz offenherzig verschiedenes anvertraute. Gegen Knochenschmerzen
soll man Fett vom Uturunco, Tapir oder Bären anwenden. Der Uturunco
ist ein mystisches Tier; es soll ein Jaguar sein, der ehemals ein
Mensch gewesen ist. Das Fett des Uturunco ist gelb. Von Peru bis
nach Argentinien kennt man die wunderbaren heilenden Eigenschaften
des Fettes dieses Tieres. Hat man an einem gewissen Platze die Erde
berührt, so können Hand-, Fuß- oder Kniegelenke anschwellen. Man tut
am besten, wenn man auf die geschwollene Stelle Erde von dem Platze,
wo man krank geworden ist, legt. Auch Bärenzunge ist gut. Bei einem
Erdbeben, wie sie auf dem Calilegua oft vorkommen, geht man am besten
nach dem Begräbnisplatz, um zu beten. Hagelt es, so verbrenne man
kreuzförmig gelegte Palmblätter, dann bleibt die Ernte unbeschädigt.

Da einer meiner Begleiter, ein argentinischer Gaucho, auf dem Calilegua
erkrankte, bekam unser Freund Gelegenheit, seine Kunst zu versuchen.
Er gab ihm ein aus Mais bereitetes Bier, in welches er glühende Kohlen
legte. Der Gaucho gesundete und mußte dem großen Arzt ein erkleckliches
Honorar zahlen.

[Illustration: Tafel 2. Der Calileguaberg.]

Zwischen dem, was man hier auf dem Calilegua zu sehen bekommt, und dem,
was man bei den Quichuas weit hinten in Peru, zwölf Breitengrade von
dort, findet, herrscht eine große Ähnlichkeit. Ungeheuer gleichförmig
verbreitet sich die Quichuakultur längs der Anden. Sie haben dieselbe
Kleidertracht, dieselben eigentümlichen Nadeln zur Befestigung der
Frauenschale, beinahe dieselbe Keramik, dasselbe Kokakauen, dieselben
Arzneien, dieselben Opfer in den Gebirgspässen, dieselben Schleudern
u. a. Diese große Gleichförmigkeit fällt um so mehr auf, wenn man an
den Gegensatz zwischen den Bewohnern des Gebirges und des Urwaldes
denkt. Nach einem Ritte von einigen Tagen von Cuzco, der Hauptstadt
des alten Inkareiches, nach den Urwäldern ist man im Gebiete der wilden
Indianer, die mit den Bewohnern des Gebirges beinahe nichts Gemeinsames
haben. Hier im nördlichsten Argentinien sowie im südlichen Bolivia,
ist der Gegensatz nicht ganz so scharf, aber dennoch groß genug.
Die Stämme, von denen ich hier sprechen will, die auf den letzten
Ausläufern der Anden nach der Ebene zu oder in derselben wohnen, haben
mit den Quichua und deren Nachkommen wenig Gemeinsames. Reiten wir vom
Calilegua in Argentinien über das Gebirge direkt nach Cuzco, so treffen
wir nur zwei Indianersprachen an, das Quichua und das Aymara. Folgen
wir den Urwaldwegen und den Flüssen, so lernen wir wenigstens einige
zwanzig Sprachen kennen, bis wir über Santa Cruz de la Sierra, über den
Rio Mamoré und den Rio Madre de Dios nach der alten Hauptstadt der Inka
kommen.

Vom Calilegua nach den Fabriken zurückgekehrt, beendigte ich meine
Ausrüstungsarbeiten, und am 5. Mai saßen wir im Sattel, um nordwärts,
nach dem Rio Pilcomayo, zu ziehen. Einige Tage darauf gingen wir über
den Rio Bermejo und setzten unseren Weg längs der letzten Ausläufer
der Anden fort. Das jetzt von uns durchzogene Gebiet war teils von
Weißen, teils von den in vollständigem Abhängigkeitsverhältnis von
jenen stehenden Mataco-Vejos bewohnt. Alles, was ich von ihnen sammeln
konnte, kaufte ich an; des Abends saß ich bei den Alten, die mir dies
und jenes erzählten. Diese Mataco haben eine Sage von einem großen, die
ganze Welt verheerenden Feuer. Ein Vogel „Miya“ hatte ihnen von einer
wilden Katze „Noté“ die Maissamen geraubt, ein kleiner schwarzer und
roter Vogel „Sipúp“ hat die Kürbissamen geraubt. Das Meerschweinchen
„No-ték“ hat das Feuer von einem bösen Geist, „Tacuash“, der es
verborgen hatte und den Matacos nichts davon abgeben wollte, geraubt.

Die Mataco-Vejos sind von der mächtigen Chiriguanokultur, über die ich
weiterhin ausführlicher sprechen werde, stark beeinflußt. Sie sind
außer den Chiriguanos und Chanés die einzigen Indianer im Chaco, die
ihre Toten zuweilen in Tongefäßen begraben.

Dem Toten bauen sie in der Tiefe des Waldes ein besonderes Haus mit
Feuerstätte und Bett. Er wird auf das Bett gelegt oder manchmal in
ein Tongefäß hineingestopft. Ich selbst habe niemals ein derartiges
Grabhaus gesehen, die Indianer haben es mir aber so beschrieben. Als
ich danach fragte, erklärten sie mir, augenblicklich gäbe es keins,
das nicht vollständig zerstört sei. Sie wollten mir ihre Gräber
vielleicht nicht zeigen. Auf meiner Reise 1902 zog ich auch durch das
Gebiet der Vejos und grub damals ein Vejograb aus. Vielleicht war
dieses nicht typisch. Unter einer Wildschweinhaut lag der Tote in die
Erde eingegraben mit seiner Wasserkalebasse. Von Hütte und Bett war
keine Spur vorhanden. Die Kalebasse war leer. Das Wasser habe der Tote
ausgetrunken, sagten die Indianer.

Nicht selten arbeiteten die Mataco-Vejos als Diener der am Rio Itiyuro
wohnenden Chanés. Daß ein Chané dagegen bei einem Mataco dienen sollte,
wäre undenkbar. Einen solchen Klassenunterschied zwischen den Stämmen
werden wir hier wiederholt zu erwähnen Gelegenheit haben.

Am 18. Mai waren wir in Yacuiba, einem großen Dorfe an der Grenze
zwischen Bolivia und Argentinien. Jetzt ist es ein ganz anständiger
Platz, während es früher ein gefährlicher Zufluchtsort für Verbrecher
war, die aus Furcht vor der argentinischen Polizei hierher geflohen
waren.

Yacuiba war während eines großen Teiles der Reise ein wichtiger
Stützpunkt für mich. Ein liebenswürdiger Franzose, C. Holzer, hat
mir dort große Dienste geleistet, indem er mir bei vielen schweren
Transporten von Ausrüstungen und Sammlungen behilflich war.

Mein erster Ausflug von Yacuiba galt den Chanéindianern am Rio Itiyuro.
Diesen werde ich in einem anderen Zusammenhange schildern. Mein zweiter
war nach dem Rio Pilcomayo und den an diesem eigentümlichen Flusse
wohnenden Indianern.

Hier begann der ernste Teil meiner Reise.


Fußnoten:

[1] Ortsnamen, Eigennamen, spanische und indianische Wörter sind in der
Regel der spanischen Aussprache gemäß geschrieben.

[2] Ashluslay: englisches _sh_.




+Zweites Kapitel.+

=Unter den Indianern am Rio Pilcomayo.=


Als ich frühzeitig im Jahre 1902 vom Rio Pilcomayo heimkehrte,
glaubte ich kaum, daß ich jemals wieder dorthin kommen würde. Die
widrigen täglichen Staubstürme machten den Aufenthalt unerträglich.
Anfang Juni 1908 ritt ich gleichwohl wieder durch den großen Wald
zwischen Yacuiba und Crevaux nach dem Rio Pilcomayo. Man vergißt so
leicht die Schwierigkeiten einer Reise. Nach einiger Zeit gedenkt man
ausschließlich der angenehmen Stunden. Nach einer Höflichkeitsvisite
bei den Matacoindianern ging ich bei Crevaux über den Rio Pilcomayo und
reiste durch ein von den Toba bewohntes Gebiet zu den Chorotiindianern,
die etwa 50 km unterhalb Crevaux viele Dörfer besitzen. Hier verweilte
ich vor allem in dem Dörfchen des Chorotihäuptlings „Waldhuhn“. Dort
amüsierte ich mich prächtig; beinahe nackt, nur in Federschmuck
und Brille gekleidet, tanzte ich des Nachts mit den Indianern und
Indianerinnen an den weißschimmernden Sandufern des Rio Pilcomayo.
Fühlten wir uns vom Tanze erhitzt, so tummelten wir uns in dem
brausenden Wasser des Flusses. Wir jagten, sangen, spielten, fischten,
wir rauchten abwechselnd aus derselben Pfeife und langweilten uns
niemals. Einige Besuche machte ich 60-70 km weiter unterhalb des
Flusses bei den Ashluslayindianern, die, durch meine Vorräte von
Messern, Nadeln, Tabak und prächtigen Tüchern angelockt, mich einluden,
sie im Herzen ihres Landes zu besuchen.

Erst ein Jahr später, im Oktober 1909, als meine Wege mich wieder von
Yacuiba nach dem Rio Pilcomayo führten, konnte ich ihre Einladung
annehmen. Es erscheint mir als das Geeignetste, diese beiden Reisen
nach dem Rio Pilcomayo im Zusammenhang zu schildern.

Mit fünf Mann verließ ich am 27. Oktober 1909 den bolivianischen
Militärposten bei Guachalla, 100 Kilometer von Crevaux, und folgte dem
nordöstlichen Ufer des Rio Pilcomayo. Ein Mestize, Flores, begleitete
mich als Dolmetscher. Er sprach ausgezeichnet Choroti und verstand
auch etwas Ashluslay. Jahrelang hatte er unter den Indianern gelebt
und hatte dort auch eine größere Anzahl Frauen. Von den Weißen am Rio
Pilcomayo ist wohl keiner so imstande gewesen, das Indianerleben kennen
zu lernen, wie dieser Mann. Er kennt ihre Sitten und Gebräuche, er
weiß, wie man sich bei einem Indianerfest zu benehmen hat, er kann ihre
Lieder singen, er tanzt wie ein Indianer. Viele Chorotifrauen haben
sich dem Weißen hingegeben. Flores ist der einzige Weiße, der mit einer
solchen Frau ein Kind hat, und die Chorotiindianer betrachten ihn auch
vollständig als zur Familie gehörig. Er ist ihr Freund und Ratgeber und
hat manches Mal die Unterhandlungen zwischen Indianern und Kolonisten
geleitet. Einen vortrefflicheren Dolmetscher konnte ich kaum erhalten.

Unser erstes Nachtlager nach Guachalla hatten wir in einem
Ashluslaydorf. Als ich in das Dorf ritt, waren alle Indianer betrunken.
Unter Jubelrufen führten sie meinen Maulesel zum Festplatz. „Elle is.“
„Der kleine Papagei ist gut“, riefen die Indianer. „Ashluslay is! is!
is! Toba häes! häes!“ „Ashluslay sind gut, Toba schlecht!“ johlte „der
kleine Papagei“, indem er Tabakblätter um sich streute. Man hob mich
vom Maulesel, umarmte mich und berauschte mich mit Algarrobobier. Es
war wild, aber interessant. In dieser Nacht schlief ich vor meinem
Bett, während drei Indianer, in meine Decken eingehüllt, schnarchten.
Wir kamen gut überein, aber der Kommunismus ist anstrengend.

Trotz Freude, Freundschaft, Rausch und Geschenken konnte der
Dolmetscher die Indianer nicht dazu bringen, uns auf ihren Wegen, die
direkt nach dem nördlichen Chaco gehen, in das Herz ihres Landes
zu führen. Alle Versprechungen waren vergessen. Dort gibt es keine
Menschen, dort gibt es kein Wasser auf drei Tagemärschen, sagte
einer, auf zwei, sagte ein anderer, gar keins, sagte ein dritter. Daß
Wassermangel herrschte, war möglicherweise wahr, denn wir befanden uns
am Ende der Trockenzeit. Ich beschloß deshalb, zu warten, und erst nach
den ersten Regentagen, die bald kommen mußten, einen Versuch zu machen,
in das unbekannte Land nördlich vom Pilcomayo einzudringen.

Wir gingen deshalb längs des Rio Pilcomayo weiter und folgten
immer dem nördlichen, d. h. dem bolivianischen Ufer, wo ich mich
leicht orientieren konnte. Zuerst kamen wir durch das Land der
Mataco-Guisnays. Man hatte mir erzählt, daß einer dieser auf der
argentinischen Seite des Flusses wohnenden Indianer den Skalp eines
Ashluslayindianers besitze. Der Dolmetscher und Moberg wurden, mit
allerlei Tauschwaren beladen, vorausgesandt. Ich ging nicht selbst
mit, weil ich wußte, daß ich, wo es sich um einen so interessanten
ethnographischen Gegenstand handelte, nicht gleichgültig und
uninteressiert genug auftreten könne. Als sie in das Dorf kamen, war
dort ein großes Fest, und die Matacos waren betrunken und johlten.
Mitten im Dorfe hing auf einer spiralförmig abgerindeten Stange der mit
roten Taschentüchern und anderen Schmuckgegenständen behängte Skalp.
Moberg und der Dolmetscher taten, als sähen sie nichts. Dem ersteren
wurde Algarrobobier angeboten, dem letzteren zuerst nichts, weil er
für einen Chorotifreund, also Matacofeind, gehalten wurde. Nachdem
sie eine Weile gesessen und geplaudert hatten, tat der Dolmetscher,
als wenn er erst jetzt zufällig den Skalp gesehen hätte und fragte:
„Was ist das dort für ein Waschlappen?“ Der Besitzer begann nun seine
Taten zu rühmen, und der Skalp wurde heruntergenommen und besichtigt.
Sie erzählten ihm, daß seine Heldentaten nun weit und breit unter den
weißen Männern bekannt werden würden, was ihm natürlich schmeichelte.
Nach vielem Hin und Her tauschten sie denselben ein. Erst sollten
jedoch die alten Frauen singen und mit ihnen tanzen.

Wie Friederici[3] nachgewiesen hat, ist das Gebiet in Südamerika, aus
dem Skalpe bekannt sind, kein sehr bedeutendes. Außer dem Chaco ist es
nur ein kleines Gebiet in Guyana. Kopfjäger sind dagegen ein großer
Teil der Indianer Südamerikas. Dies war der erste Skalp aus Südamerika,
der in eine Sammlung gekommen ist.

Nachdem wir mehrere große Matacodörfer, ein Ashluslaydorf und einen
bolivianischen Militärposten passiert hatten, kamen wir nach einem
großen, unbebauten, infolge Streifzüge der Toba-Pilagaindianer
unsicheren Gebiet. Diese Tobas zeichnen sich unter anderem dadurch
aus, daß sie gleich den Chorotis und Ashluslays große Holzklötze in
den durchbohrten Ohrläppchen tragen. Was man auf einem Marsche durch
ein von feindlich gesinnten Indianern bewohntes Gebiet am meisten zu
fürchten hat, ist, daß einem während der Nacht die Reittiere gestohlen
werden. Ungefähr 250 km unterhalb Guachalla kamen wir nach dem
äußersten, erst einige Monate vor Antritt meines Ausflugs angelegten
Militärposten der bolivianischen Regierung.

Dicht bei und einige Meilen von dem Militärposten lagen große, von
Ashlulayindianern bewohnte Dörfer. Wir besuchten den Häuptling Toné in
seinem Dorfe. Dieses hat, wenn alle Indianer versammelt sind, etwa 1000
Einwohner. Mitten auf dem großen, offenen Platze des Dorfes schlugen
wir unser Lager auf und machten es uns richtig gemütlich. Wir waren zu
einer Zeit gekommen, wo die Algarrobofrucht reif war, und Algarrobobier
wurde auf dem Festplatz in großen Quantitäten getrunken. Interessant
war es, das indianische Leben zu sehen, das zu studieren ich hier
reichlich Gelegenheit hatte und späterhin schildern werde. Mehrmals bin
ich bei von den Weißen unabhängig lebenden Indianern gewesen, aber
niemals bei einem so großen und mächtigen Stamme.

[Illustration: Abb. 3. Ashluslayfischer. Rio Pilcomayo.]

Die Ashluslayindianer lagen im Krieg mit den Tobas, und der Krieg
verlief sehr ungünstig für sie. Auf alle Weise suchten sie mich zu
verlocken, für sie Partei zu ergreifen und mit meinen Feuerwaffen eine
gute Hilfstruppe zu bilden. Sie spiegelten mir in beredten Worten vor,
wie wir die Männer skalpieren, Frauen und Kinder zu Gefangenen machen
und eine Menge Pferde stehlen wollten. Das letzte war ihrer Ansicht
nach die beste Lockspeise für den weißen Mann. Ich versprach ihnen,
falls sie während unseres Aufenthaltes überfallen würden, bei der
Verteidigung ihrer Dörfer behilflich zu sein, auf einen Angriff wollte
ich mich aber nicht einlassen. Immer eifriger pochten sie auf eine
Allianz, wozu sie von dem Dolmetscher hinter meinem Rücken ermuntert
wurden. Zuletzt blieb mir nichts anderes übrig, als entweder den
Indianern auf ihrem Anfallskriege zu folgen oder mich davonzumachen.
Einen Augenblick war ich zweifelhaft. Ich wußte, daß ich, falls ich die
Ashluslays zum Siege führte, Herr dieses Landes sei, fürchtete aber
doch die Konsequenzen. Es handelte sich hier darum, sich an die Spitze
eines Einfalls in argentinisches Gebiet zu stellen, und es wäre schön
gewesen, wenn das bekannt geworden wäre. Aus weiter Ferne kamen mehrere
Häuptlinge, unter anderem der alte Mayentén, ein stattlicher Mann, von
einigen seiner besten Krieger umgeben, um mich zu überreden.

Ich begab mich zu dem bolivianischen Militärposten und suchte den
Kommandanten zu einem Eingreifen zu bewegen. Vergebens versuchte ich
ihm zu erklären, daß er, wenn er nicht den Ashluslays gegen die Tobas
helfe, eines schönen Tages, oder richtiger Nachts, mit allen seinen
Soldaten niedergemetzelt werden würde, daß er aber, wenn er ihnen
beistehe, sich und seinem Lande den inneren, noch unerforschten Teil
des nördlichen Chaco eröffne. Er dürfe nicht vergessen, daß es bis zum
nächsten Orte, wo Weiße seien, 150 km sei, und daß die Anzahl derer,
die ihm helfen könnten, nur gering sei. Er trug jedoch Bedenken, einen
in einem fremden Lande wohnenden Stamm anzugreifen, obschon dieser
Stamm unaufhörlich Raubzüge auf bolivianischem Gebiet vornahm. Ich
beschloß deshalb zurückzukehren.

Nach langen Unterhandlungen und sicherlich vielen Lügen gelang es
meinem Dolmetscher, die Indianer zu bewegen, uns einen Wegweiser zu
geben, der uns auf unbekannten Pfaden durch das Innere des nördlichen
Chaco führen sollte.

Die Gegend um das Dorf Tonés besteht aus offenen Ebenen, Sümpfen und
parkähnlichen Wäldern aus Algarrobo. Dieselbe wird stark von Jaguaren
heimgesucht, die sogar die Reittiere verfolgen. Mehrere Pferde und
Maulesel der Soldaten waren zerrissen, trotzdem der Militärposten, wie
erwähnt, nur einige Monate alt war.

Wenige Meilen oberhalb des Dorfes Tonés bildet der Pilcomayo einen
Wasserfall. Das ist der merkwürdigste Fall, den ich je in meinem
Leben gesehen habe. Nicht ein Felsblock, nicht der geringste Stein
hindert das Wasser, sondern es braust zwischen harten Tonbänken dahin.
Nicht weit unterhalb dieses Falles löst sich der Rio Pilcomayo in
gewaltige Sümpfe, die sog. „Esteros del Padre Patiño“ auf, wo unerhörte
Schilfmassen das Weiterkommen jedes Fahrzeugs verhindern. Infolge
dieser Sümpfe ist der Fluß, der sonst für den Verkehr so wichtig sein
könnte, unfahrbar. Im Rio Pilcomayo gibt es unerhörte Massen Fische,
und Tausende Indianer entnehmen dem Flusse einen großen Teil des Jahres
ihre wichtigste Nahrung. In den Sümpfen finden sich eigentümliche
Lungenfische „Lepidosiren“.

Der Rio Pilcomayo ist ein merkwürdiger Fluß. Wenn er die Berge verläßt,
führt er Steine und Kies mit sich, nach dem Inneren des Chaco bringt er
aber nur Schlamm. Während der Trockenzeit trägt der Wind diesen Schlamm
weit umher, und die Tage, wo die Staubmassen über den Chaco wehen,
sind höchst unangenehme. Der Rio Pilcomayo hat, nachdem er die Berge
verlassen hat, bis ins Herz des Chaco hinein keinen einzigen Nebenfluß.
Er hat oft seinen Lauf verändert und sich neue Wege gebrochen. Entfernt
man sich etwas vom Flusse, so trifft man mit Wasser angefüllte Reste
alter Flußbetten, Muschelbänke und große, verräterische Erdhöhlen an.
Am oberen Pilcomayo verlieren die Kolonisten in diesen Höhlen, die
bis zu 10 m tief und zuweilen mit einer dünnen, zerbrechlichen Decke
bekleidet sind, jährlich viele Tiere. Diese Höhlen dürften in der Weise
gebildet sein, daß die gewaltigen Massen Hölzer, die der Fluß mit
sich geführt und aufgehäuft hat, von den Schlammassen bedeckt werden
und dann, wenn der Fluß sich einen neuen Lauf gesucht hat, vermodern.
In den Trockenzeiten wüten in den Wäldern und Gebüschen des Chaco
gewaltige Feuersbrünste. In der Regel zünden die Indianer das Gras und
die Büsche an, um die leckeren Erdratten, die zu den Delikatessen ihrer
Speisekarte gehören, besser finden zu können. In einer Chorotisage ist
von diesen Erdhöhlen und Waldbränden die Rede.

Vor langer Zeit wurde alles von einem großen Feuer verheert, das alle
Chorotis, außer zwei, einem Mann und einer Frau, die sich in eine
Erdhöhle retteten, tötete. Als alles vorüber und das Feuer gelöscht
war, gruben sie sich heraus. Sie hatten kein Feuer. Der schwarze Geier
hatte einen Feuerbrand nach seinem Nest gebracht, dieses war in Brand
geraten, das Feuer hatte sich längs des Baumes verbreitet und kohlte
noch unter dem Stumpfe. Der Geier schenkte nun dem Choroti von diesem
Feuer, und seitdem haben diese Feuer. Von diesem Manne und dieser Frau
stammen alle Chorotis her.[4]

Die Wälder des Chaco sind reich an wilden, eßbaren Früchten. Es gibt
ganze Wälder von Algarrobo[5] und Tusca,[6] ganze Sträucher von
Chañar.[7] Die Schlingpflanze, welche die Tasifrucht trägt, ist sehr
gemein. In wasserarmen Gegenden erhalten die Indianer Wasser aus einer
Wurzel, die von Weißen und Chiriguanos Sipoy genannt wird.

Das Tierleben ist nicht sehr reich. Von größerem Wild sieht man
meistens Rehböcke und Strauße. Der Jaguar ist, wie erwähnt, häufiger.
Den Spuren nach zu urteilen, sind Tapire und Wildschweine nicht
ungewöhnlich. Füchse sieht man ebenfalls zahlreich. Die Gürteltiere
sind gemein. Der aus dem Chaco bekannte windhundähnliche Hund[8] ist
selten. Das Vogelleben ist besonders im Walde arm. Die Flußufer und
Sümpfe sind von einigen Storch- und Entenarten belebt. Eidechsen, auch
die großen Iguanoeidechsen, huschen an warmen Sonnentagen überall
umher. Meilenweise sind die Ebenen mit den für die Reiter so lästigen
Löchern der Erdratten übersät.

Die wilden Tiere im Chaco sind für den mit Feuerwaffen Bewaffneten
nicht sehr gefährlich. Der Jaguar ist der Schrecken der Indianer. Kurz
bevor ich einmal nach einem Matacolager kam, hatte ein Jaguar einen
Indianer von einem Feuer, an dem er mit einigen zwanzig Kameraden
lag und schlief, fortgeschleppt und getötet. Giftige Schlangen,
auch Klapperschlangen, kommen vor, man sieht sie aber selten. In
den Seen darf man nicht baden, und auch in den Flüssen kann dies
gefährlich sein. Am Rio Pilcomayo gibt es kaum einen Indianer, der
nicht zahlreiche Narben von Palometafischen[9] hat.[10] Mit ihren
messerscharfen Zähnen schneiden sie aus dem Körper desjenigen, der
so unvorsichtig ist, da zu baden, wo sie sind, große Fleischstücke
heraus. Einmal wollte Moberg über den Pilcomayo schwimmen. Es war
gegen Ende der Trockenzeit, und das Wasser strömte in einer schmalen,
tiefen Rinne dahin. Ganz mit Blut bedeckt stieg er aus dem Flusse.
Kleine Siluroidfische hatten ihn in Massen überfallen und ihm mit ihren
scharfen, lanzettförmigen Flossen zahlreiche tiefe Wunden zugefügt. Um
sich vor dem Biß der Palometafische zu schützen, wenden die Ashluslay,
wenn sie in Sümpfen waten, aus Caraguatáschnüren[11] dicht geknüpfte
Strümpfe an.

Schön ist es im Chaco nicht. Der Wald entzückt nicht das Auge durch
üppiges Grün, die Palmenwälder und Schilfbüsche ermüden durch ihre
Einförmigkeit, die Seen sind klein und gering an Zahl. Der Rio
Pilcomayo hat hier keine Nebenflüsse. Keine Anhöhe, kein Berg, von wo
man eine Aussicht über das Land hat. Im Innern des Chaco gibt es keinen
Stein, ja kaum ein Kieselkörnchen. Überall besteht der Boden aus Staub
und Schlamm.

Die Regenzeit beginnt im November oder Dezember und endet im April oder
Mai. Macht man eine Reise in diese Gegenden und will nur dem Pilcomayo
folgen, so ist die Trockenzeit die beste Reisezeit. Zur Vornahme von
Ausflügen in den wasserarmen nördlichen Chaco soll man den Anfang der
Regenzeit wählen.

Der Chaco ist gesund. Während meines Aufenthaltes am Rio Pilcomayo
waren weder ich noch meine Begleiter krank, und die weißen Kolonisten
scheinen sich alle einer guten Gesundheit zu erfreuen. Möglicherweise
sind die schrecklichen Staubstürme für Schwachbrüstige auf die Dauer
ungesund.

Wir nahmen nun von unseren Freunden im Dorfe Tonés Abschied und
versprachen ihnen, wiederzukommen. Wer weiß, wann dies geschehen wird?
Vielleicht tanze ich noch einmal mit im Reigen auf dem großen Platz,
vielleicht erheitert mich noch einmal das Algarrobobier, vielleicht
johle ich noch einmal auf den Festen dieser meiner Ashluslayfreunde. Am
besten wäre es vielleicht, wenn ich nicht zurückkehre. Warte ich noch
einige Zeit, so hat sich wahrscheinlich auch hier viel verändert und
verschlechtert und der Besuch bereitet nur eine große Enttäuschung.

Wir verließen mit unserm Wegweiser den Pilcomayo und begaben uns nach
dem nördlichen Chaco. Ich hatte erwartet, wenig bebaute Gegenden zu
finden, sah aber bald meinen Irrtum ein. Gebahnte Wege führten nach
allen Richtungen. Der Wegweiser übergab uns schon nach zwei Tagen,
wir hatten aber das Glück, andere Reisegesellschaft zu finden. Zwei
Ashluslayindianer, denen die Tobas ihre Frauen geraubt und die Kinder
gefangen fortgeführt hatten, waren auf dem Wege zu den Mataco-Guisnay,
um mit ihnen als Zwischenhändlern betreffs der Auslösung ihrer Kinder
aus der Gefangenschaft zu verhandeln. Wir reisten gemeinsam.

Als wir nach den Dörfern kamen, wurden wir mit Tränen und Wehgeschrei
empfangen. Auf diese Weise zeigten die Weiber unsern neuen Freunden
ihre Teilnahme an deren Kummer.[12] Überall wurden wir gut aufgenommen
und durften in den stürmischen, regnerischen Nächten den spärlichen
Raum in den Hütten teilen und uns an den Lagerfeuern erwärmen. Zuweilen
wurden wir auch zu den einfachen und unappetitlichen Mahlzeiten
eingeladen. Alles ging gut und wir waren auf diesen unbekannten,
niedrigen Indianerpfaden, wo man sich in der Regel dicht an den Hals
des Reittieres drücken muß, um nicht von den Zweigen gestreift zu
werden, einen Grad nach dem Chaco zu geritten. Man hatte mir gesagt,
die Gegenden seien aus Mangel an Wasser unbebaut. Dies war keineswegs
richtig, obschon es zuweilen weit zwischen den Tränken war. In der
Regel ist das gefundene Wasser braun und stinkend.

Alles ging, wie gesagt, gut, bis wir zu einem Häuptling namens Chilán
kamen. Als wir durch den dichten Wald, der nach einem Dorfe führte,
ritten, raschelte es überall in den Büschen. Chilán hatte seine Krieger
auspostiert, um uns, falls wir schlechte Absichten hätten, einen warmen
Empfang zu bereiten. Ruhig ritten wir durch den gefährlichen Wald
gerade in das Dorf Chiláns. Mit bösen Blicken und unter einigen weniger
freundlichen Worten an unsere Reisekameraden empfing uns der Alte.
Als Freundschaftsgabe überreichte ich ihm ein Messer, worauf er halb
zögernd den Streitkolben, den er in der Hand hatte, weglegte.

Chilán muß unseren Wegweisern bestimmte Weisungen gegeben haben, denn
nach dem Besuch bei ihm begannen diese uns in der Richtung nach dem Rio
Pilcomayo zu führen und nicht, wie wir gewünscht und sie uns infolge
unseres Versprechens von Geschenken gelobt hatten, nach Norden. Da
wir die Tränken nicht kannten, fanden wir uns nicht ohne ihre Hilfe
zurecht. Wir waren schon nahe an dem Flusse, als wir eines Abends in
ein Ashluslaylager kamen. Müde, wie ich war, legte ich mich gleich
schlafen. Moberg fand es eigentümlich, daß beinahe nur Männer im Lager
waren, ließ aber seinen Verdacht nicht verlauten und kroch ruhig unter
das Moskitonetz. Ungefähr gegen zwei Uhr erwachte der Dolmetscher
durch ein Signal, das jemand im Walde gab. Einer der Männer im Lager
erhob sich leise, ging fort und kam nach einiger Zeit mit einer Schar
bewaffneter Leute wieder. Der Dolmetscher lauschte und hörte, wie die
Neuangekommenen fragten, warum die Ashluslay uns nicht töteten. In
diesem Falle bekämen sie die Karabiner und könnten die Tobas mit Erfolg
bekämpfen. Wären wir getötet, würden die Weißen niemals erfahren, was
im Innern ihres Landes sei. Sie sagten auch, sie wünschten den Skalp
des blonden Mannes, d. h. Mobergs, für ihre Feste. Meine Wegweiser
wollten sich indessen an dem Überfall nicht beteiligen. Diese Weißen
sind unsere Freunde, sagten sie.

Der Dolmetscher, der meine beiden anderen Begleiter, zwei bolivianische
Soldaten, geweckt hatte, redete nun die Neuangekommenen an. Diese
machten sich nun eilig davon. Vergebens bat er sie, bis zum Morgen zu
bleiben. An der Sprache hatte er jedoch gehört, daß es Matacoindianer
waren. Diese von der Zivilisation halbverdorbenen Indianer wollten also
einen Mord begehen, an dem „die Wilden“ sich nicht beteiligen wollten.

Vielleicht haben wir es Onásh, so heißt der Mann, der gegen den
Überfall sprach, zu verdanken, daß wir nicht das Schicksal Crevaux’,
Ibaretas und Boggianis teilten.

Am folgenden Tage waren wir wieder im Lande der Mataco-Guisnay. Wir
hatten keinen Bissen zu essen und der Regen goß in Strömen. Wir waren
also hungrig und froren. Zelte hatten wir schon lange nicht mehr mit,
da wir sie zum Schutz unserer Sammlungen hatten zurücklassen müssen.
Wir ritten in ein Dorf und wurden höchst unfreundlich empfangen. Wir
bekamen nicht das geringste, und man weigerte sich bestimmt, uns
während der Nacht in den Hütten Schutz gegen den Regen zu gewähren.
Obschon sich in der Gegend, in der wir jetzt waren, keine Weißen
befanden, suchen alle diese Matacoindianer bei den Weißen Arbeit und
kennen den „Segen“ der Zivilisation.

Als wir dann des Nachts hungrig und frierend an einem Feuer saßen, das
infolge des Gußregens nicht kräftig brennen konnte, dachten und sagten
wir böse Sachen über den Einfluß der Weißen auf die Wilden des Urwaldes
und verglichen die Ungastlichkeit der Matacos mit der Freundlichkeit,
die wir tief in den Wäldern bei den Indianern genossen hatten, die nie
vorher von Weißen besucht worden sind.

Nach zwei Tagen waren wir wieder bei einem bolivianischen
Militärposten. Ich war der einzige, der beritten ankam. Die Pferde der
anderen waren ermüdet oder unterwegs gestürzt.

Die Indianer, besonders die Ashluslays und Chorotis, die ich auf
diesen Streifzügen im Chaco kennen gelernt habe, will ich hier in
den folgenden Kapiteln zu schildern suchen. Da ihre Kultur ziemlich
gleichartig ist, glaube ich, sie zusammen behandeln zu können.

Nicht viele Verfasser haben bisher die Sitten und Gebräuche der
Chorotis und Ashluslays geschildert. Beiträge zur Kenntnis der
letzteren sind von Herrmann[13] geliefert worden, der sie, gleich
den Tobas, Sotegaraik nennt. Eric von Rosen[14] hat ausgezeichnete
Photographien von den letzteren veröffentlicht.

Der vortreffliche deutsch-argentinische Anthropologe R.
Lehmann-Nitsche[15] hat auf den Zuckerfabriken von Esperanza wichtige
Studien über die physische Anthropologie der Chorotis und anderer
Chacostämme gemacht. Er hat den richtigen Platz für derartige
Forschungen gewählt. Die Fabrik liegt, wie erwähnt, an der Eisenbahn,
man kann also allerlei Instrumente mit der größten Leichtigkeit dorthin
schaffen. An Ort und Stelle befinden sich ausgezeichnete Dunkelkammern
zur Entwicklung der Platten usw. Die sich für die physische
Anthropologie der Chacostämme Interessierenden verweise ich auf die
Arbeit dieses Verfassers.

Da die den Chacostämmen angehörenden Guaycuru-, Mataco- und
Maskoi-Gruppen in vielen Beziehungen eine den Choroti und Ashluslay
ähnliche Kultur haben, so ist die Literatur, die hier des Vergleichs
wegen von Interesse ist, eine sehr große.

In dieser Arbeit ist indessen nicht der richtige Platz zu solchen
vergleichenden Forschungen. Hier will ich vor allem ein Bild des Lebens
unter den Indianern geben, wie ich es aufgefaßt habe, und überlasse
solche Forschungen Sonderaufsätzen in Fachzeitschriften.

Der einzige ältere Verfasser, der die Chorotis erwähnt, ist Pedro
Lozano. Er nennt jedoch nur den Namen. Sehr möglich ist es ja, daß
sowohl die Chorotis wie die Ashluslays den älteren Verfassern bekannt
waren, aber unter anderen Namen als die, die wir kennen.

Die Ashluslays nennen sich selbst so. Die Chorotis nennen sie Ashli,
die Matacos Sówua oder Sówuash, die Tapietes sagen Etéhua, die Tobas
Sotegaraik. Die Weißen sagen in der Regel Tapiete und verwechseln sie
mit einem hier unten näher geschilderten Stamm. Die Chorotis nennen
sich selbst Yóshuahá, welcher Name natürlich angewendet werden sollte.
Sie kennen jedoch jetzt alle ihren Chiriguana-Namen Choroti, den die
Weißen in Chorote verspanischt haben. Die Matacos nennen die Chorotis
Mánuk oder Má-niuk.

Sprachlich gehören die Ashluslays und Chorotis mehr zusammen mit
den Matacos. Ich bringe hier einen kurzen Auszug aus dem bei ihnen
gesammelten Wörterverzeichnis, damit der Leser etwas von ihrer Sprache
sieht.

                       Choroti           Ashluslay

  Auge               táte             tósse (ss mit Zischlaut)

  Zahn               (n)kiente        seuté
  Bart               (n)pótsi         posé
  Ohr                (n)kioté         (dein) akféi, (mein) ikféi
  Zunge              pálnat           cháclitj
  Nase               natóve           anās, inās
  Sonne              kíle             fincóclay
  Mond               huéla            huéla
  Stern              catés            catīs
  Feuer              húat (éti)       itósh
  Wasser             inyat            ināt
  Erde               áshnate          cotjāt
  Gut                és               is
  Schlecht           häes
  Weit               tóshhue          tójke
  Nahe               hätóshhue        cháshle
  Fisch              siúsh            sájetj
  Hund               aléna            núu
  Hündin             alénaséshni      núuasésna
  Salz               chuhóne          sifóni
  Tabak              shushú           finóc
  Mais               péāta            láutsitj
  Mutter             téte, máma       mimé
  Tochter            yóse             yósi
  Haus               huéte            huéte
  Er, du             náca, téla
  Ich                yá (m)
  Nein               hä               am
  Gibt’s nicht       náhipa           ámpa
  Ja (Antwort)       häe, téy         létj, hé
  Weib               aséshnia         asésna
  Gattin             tsémbla          chácfä
  Morgen             káshlomata       slúmasi
  Weg                náyi             náiss
  Tabakpfeife        kiti             finkoshi
  Rio Pilcomayo      téuk, tehuóc     téhuoc

Für Gegenstände, die diese Indianer von den Weißen erhalten oder
die Weißen haben anwenden sehen, bilden sie eigene Worte und lernen
gewöhnlich nicht die spanischen Namen, z. B.:

  Choroti

  Bleistift = bésnike.

  Brille = ukíne.

  Revolver = sēta.

  Notizbuch = ésenik.

  Stiefel = sāti.

  Uhr (für die Sonne) = kílekíe.

Die Aussprache der Chorotisprache schien mir nicht besonders schwer,
die Ashluslay sprechen aber verschiedene Worte so, daß man, um sie
nachzuahmen, eine gewisse Zungenakrobatik anwenden muß. Besonders
schwer wiederzugeben sind einige Kehl- und Zischlaute.

Zahlwörter. Ashluslay.

  1 = huéshla.

  2 = näpú.

  3 = pú-shana.

  4 = it-chat-cúch (schwieriger Halslaut).

  5 = hué-shla-no-étj.

  6 = hué-shla-yāma.

  7 = näpú-

  8 = púshana-

  9 = it-chat-cúch-yāma.

  10 = yāma képäa.

Ich teile auch hier einige gewöhnliche Ausdrücke aus der Chorotisprache
mit.

  Ich will nicht = hähua.

  Dieses ist mein Vater = náca sínia.

  Ich will = sikéyi.

  Willst du? = makéyi.

  Er will = náca kéyi. Auch náca símehe.

  Ich bin hier = yámpo.

  Er ist hier = nácapo.

  Wir sind hier = póyata.

  Er will nicht = náca hä símehe.

  Ich habe gesehen = íwuin.

  Ich habe nicht gesehen = häwuin.

  Hast du gesehen = máhuenea.

  Warten = hatéma.

  Viele Frauen = aséshnialo.

  Weicher Mais = peáta-hä-tóc.

  Harter Mais = peáta-tóc.

  Mit Bart = pótsipu.

  Gehen wir = ná.

  Ich gehe = yápe.

  Gehst du = malápe.

  Wirst du gehen = maáki.

  Ich bin gegangen = hihóyi.

  Ich bin nicht gegangen = hähóyi.

  Ich gehe nicht = häeyic.

  Er ist gegangen = nácaya.

[Illustration: Tafel 3. Dorf des Chorotihäuptlings „Waldhuhn“.]


Fußnoten:

[3] G. Friederici: Skalpieren und ähnliche Kriegsgebräuche in
Südamerika. Braunschweig 1906.

[4] Ehrenreich (30-31) nimmt ebenfalls an, daß große Pampasbrände zur
Entstehung solcher „Sintbrandmythen“ beigetragen haben. „Die Mythen und
Legenden der südamerikanischen Urvölker“. Berlin 1905. Suppl. Zeitschr.
für Ethn. Eine dieser ähnliche Sage ist von den Arowaken in Guyana und
von Yuracáre bekannt.

[5] Prosopis alba.

[6] Acacia aroma.

[7] Gourliea decortitans.

[8] Canis jubatus.

[9] Eric v. Rosen hat eine ausgezeichnete Photographie eines Chorotis
mit einer Narbe von einem solchen Fisch veröffentlicht. The Chorotes
Indians in the Bolivian Chaco. Stockholm 1904. Bild VI.

[10] Serrosalmo sp.

[11] Caraguatá = Bromelia Serra.

[12] Dieser Brauch scheint mir eine gewisse Ähnlichkeit mit den von
älteren Verfassern beschriebenen Begrüßungszeremonien zu haben. Vgl.
Friederici: Der Tränengruß der Indianer. Globus Bd. LXXXIX. Nr. 2.

[13] Herrmann: Die ethnographischen Ergebnisse der deutschen
Pilcomayo-Expedition. Zeitschr. für Ethn. 1908.

[14] Eric von Rosen: The Chorotes Indians in the Bolivian Chaco.
Stockholm 1904.

[15] R. Lehmann-Nitsche: Estudios Antropológicos sobre los Chiriguanos,
Chorotes, Matacos y Tobas. Anales del Museo de la Plata. Tomo I. Buenos
Aires 1908.




+Drittes Kapitel.+

=Unter den Indianern am Rio Pilcomayo= (Fortsetzung).


Gemeinwesen.

Wir sind alle Brüder, sagte einmal ein Chorotiindianer zu mir. Im
großen gesehen bilden auch die Chorotis und Ashluslays zwei Familien.
Sie wohnen in einer bedeutenden Anzahl Dörfer von wechselnder Größe
verteilt. Es gibt dort Dörfer mit ganz wenig Familien und Dörfer, wie
das des Ashluslayhäuptlings Mayentén, das etwa 1000 Bewohner hatte. Die
Dörfer, oder richtiger die Stellen, wo die Dörfer angelegt sind, haben
Namen. So hieß ein Chorotidorf vuátsina = Erdratte, ein anderes hópla =
Grasblume, ein drittes tónoclel = alte Pfütze, ein viertes asnatelémi =
weiße Erde usw.

Die Chorotis und Ashluslays sind nicht vollständig seßhaft. Sie
ziehen beständig, wenn auch nicht weit. Als ich z. B. 1909 dieses
Land besuchte, fand ich sehr wenige Dörfer an demselben Platze wie
1908. Sie ziehen des Fischfangs, der Algarrobo, ihrer Äcker wegen usw.
Während der Trockenzeit ziehen viele Indianer nach dem Rio Pilcomayo,
um dort zu fischen. In der Regenzeit ziehen sie sich in das Innere
des Landes zurück, wo sie in der Regel ihre Äcker haben. Das ganze
Menschenmaterial im Gemeinwesen der Chorotis und Ashluslays ist sehr
beweglich. Zuweilen teilen sich die Familien, zuweilen vereinigen sie
sich zu großen Gruppen. Die Individuen, besonders die Jugend, ziehen
beständig von einem Dorf zum andern. Die Choroti- und Ashluslaydörfer,
die ich gesehen habe, lagen teils im Walde, teils auf der Ebene. Einige
Chorotidörfer lagen während der Trockenzeit unten am Pilcomayofluß
an dem niedrigen, jährlich überschwemmten Ufer. In keinem Chorotidorf
waren die Hütten nach einem bestimmten Plane geordnet. In mehreren
Ashluslaydörfern waren sie dagegen um eine Art Marktplatz gruppiert,
auf welchem die Männer unter Ausschluß der Frauen einen gemeinsamen
Sammlungsplatz hatten, der entweder ganz einfach im Schatten eines
großen Baumes lag oder durch ein zu diesem Zweck gebautes Sonnendach
geschützt war.

Es ist höchst interessant zu sehen, daß wir hier eine sehr primitive
Form des von vielen Indianerstämmen bekannten „Männerhauses“ finden, in
welchem die Männer sich versammeln, zu welchem die Frauen aber keinen
Zutritt haben.

Der Platz für die Dörfer war offenbar überall so gewählt, daß man
Fische, wilde Früchte, oder, zur Erntezeit, seine Äcker in der Nähe
hatte. Im Innern des nördlichen Chaco ist man bei den Dorfanlagen an
die wenigen Tränken gebunden, deshalb sind auch die dortigen Indianer
viel seßhafter, als die am Rio Pilcomayo. Dort sind auch die Hütten
viel besser gebaut, als an diesem Flusse.

Zwischen den Dörfern führen eine Masse Wege, die sich in der Nähe des
Dorfes netzförmig auflösen. Aus diesem Grunde ist es oft schwer, den
Pfaden der Indianer zu folgen.

Weder die Chorotis noch die Ashluslays haben einen für den ganzen
Stamm gemeinsamen Häuptling. Die meisten Dörfer haben ihre Häuptlinge,
aber diese sind unabhängig voneinander. Bei den Ashluslays habe ich
Häuptlinge gesehen, die über mehrere Dörfer herrschen. Die Häuptlinge
haben je nach ihren persönlichen Eigenschaften Einfluß. Sie sowie ihre
Frauen arbeiten genau ebenso wie die anderen Indianer. Sie haben keine
Diener; solche sind bei diesen Indianern unbekannt. Der Häuptling
hat keinen Ehrenplatz bei den Trinkgelagen, seine Hütte nimmt keinen
besonders auserwählten Platz im Dorfe ein.

Er ist ein Familienvater, den man respektiert, der aber nicht regiert.

Im Krieg nimmt er vielleicht eine leitende Stellung ein, die anderen
gehorchen ihm aber nur soweit, wie es ihnen paßt. Kommt ein weißer Mann
nach einem Indianerdorf, so wird er von dem Häuptling empfangen, und
die Sitte erfordert es, daß er ein Geschenk erhält. Dies scheint mir
indessen eine spätere Erfindung der Weißen selbst zu sein. Der Weiße
hat zur Unterhandlung im Dorfe eine bestimmte Person nötig gehabt
und hat sich darum der Häuptlingsinstitution bedient und sie weiter
entwickelt.

Die Häuptlingswürde scheint in der Regel vom Vater auf den Sohn zu
gehen. Ist der Sohn beim Tode seines Vaters minderjährig, d. h.
nach indianischen Begriffen kein älterer, verheirateter Mann, wird
sie interimistisch von einem älteren Verwandten ausgeübt. Sehr oft,
besonders nach Kriegen, wo die Männer ihre Tüchtigkeit zeigen können,
entstehen neue Häuptlinge.

Unter den Ashluslayhäuptlingen, die ich kennen gelernt habe, sind
bemerkenswert Toné, Mayentén, Mocpuké, Aslú, Mentisa und Chilán; unter
den Chorotis Attamo aus einer Ashluslayfamilie, Kara-Kara, Éstehua
und Tula. Die meisten von ihnen waren Greise, die offenbar in der
Hauptsache über Kinder, Enkel, Geschwister und deren Kinder regierten.

Eine große Macht im Dorfe besitzt, wo ein solcher vorhanden ist, der
Dolmetscher. Er spricht Spanisch und unterhandelt mit den Weißen. Bei
den Chorotis befanden sich mehrere Spanisch sprechende Individuen, bei
den Ashluslays keiner.

Einen bedeutenden Einfluß hat auch der Medizinmann. Man bietet ihm viel
Essen an, behandelt ihn somit gut. Niemals habe ich gehört, daß ein
Medizinmann gleichzeitig Häuptling war.

In den Choroti- und Ashluslaydörfern herrscht kein Klassenunterschied,
noch gibt es Reiche oder Arme. Ist der Magen voll, so ist man reich,
ist der Magen leer, so ist man arm. Wir sind alle Brüder, dies ist
der Grundgedanke im Gesellschaftsbau dieser Menschen. Sie leben in
einem beinahe vollständigen Kommunismus. Schenkt man einem Choroti-
oder Ashluslayindianer zwei Hemden, so verschenkt er sicher das eine,
und vielleicht alle beide. Bekommt ein Indianer Brot, so teilt er
es in kleine Stücke, damit es für alle reicht. Ich vergesse niemals
einen kleinen Ashluslayknaben, dem ich Zucker gab. Er biß ein
Stückchen ab und aß es anscheinend mit Wohlgefallen auf, dann sog er
ein bißchen an dem Rest und nahm ihn aus dem Munde, damit die Mutter
und die Geschwister auch kosten sollten. Bekommt ein Choroti- oder
Ashluslayindianer einen Rock, so trägt er ihn vielleicht einen Tag, am
folgenden Tage hat ihn ein anderer usw. Niemals raucht einer dieser
Indianer seine Pfeife allein. Sie soll von Mund zu Mund gehen. Oftmals
hat mir ein Indianer die Pfeife aus dem Mund genommen, einige Züge
getan und sie mir dann wieder zurückgegeben, denn so will es die Sitte
dort. Ein Mann, der viele Fische gefangen hat, teilt mit dem, der
weniger Glück gehabt hat.

Es wäre indessen ein großer Irrtum, wenn man glaubte, daß in dem
Indianerstaat nicht jedes Individuum das besitzt, was es arbeitet
und anwendet. Niemals würde es einem Indianer einfallen, den Besitz
eines anderen auszutauschen. Ein Mann würde niemals etwas, was seiner
Frau oder seinem kleinen Kinde gehört, weggeben, ohne sie zu fragen.
Jede Sache hat ihren Besitzer, da der Besitzer aber mildtätig ist und
alle aus seinem Stamme als Brüder betrachtet, so teilt er freigebig
mit den anderen. Die Tiere haben Besitzmarken. So sind die Schafe,
um den Besitzer zu kennzeichnen, an den Ohren auf verschiedene Weise
geschoren. Wird jedoch ein Schaf geschlachtet, so wird das Fleisch an
alle verteilt. Bei den Ashluslays haben die gewebten Mäntel Zeichen,
die den Besitzer angeben. Einige solche Besitzmarken sind hier
abgebildet (Abb. 4). Da sie eine Art Namenszeichnung sind, sind sie
höchst interessant. Möglicherweise haben indessen die Indianer die Idee
hierzu von den Zeichen, mit welchen die Weißen ihr Vieh stempeln,
erhalten. Zahlreiche, von den Weißen gestohlene Pferde mit solchen
Zeichen habe ich nämlich bei den Ashluslays gesehen.

Die Mäntel sind, wie erwähnt, gezeichnet, trotzdem will derjenige,
der einen großen guten Mantel besitzt, nicht allein unter demselben
schlafen. In den Ashluslaydörfern pflegten ein paar Indianer oft des
Nachts in meinem Bett zu schlafen, offenbar in dem Gedanken: „Du Weißer
hast so große Decken, daß sie für mehrere als dich reichen.“

Diese meine Indianerfreunde hätten sehen sollen, wie es bei uns
zu Hause zugeht, wie der eine in einem prachtvollen Bett schläft
und der andere friert. Die Weißen sind ja auch nicht Brüder. --
Gütergemeinschaft herrscht bei diesen Indianern nicht, aber zufolge
der großen Mildtätigkeit versucht keiner, sich auf Kosten des anderen
einen Vorteil zu verschaffen, sondern teilt freigebig mit allen, was er
hat. An dem einen Tage schenkt er, an dem anderen nimmt er Geschenke
entgegen.

[Illustration: Abb. 4. Eigentumsmarken auf Mänteln, Ashluslay.]

Das Land hat keinen Besitzer, die Äcker gehören dem, der sie bebaut.
Land ist genug vorhanden, und es ist Raum da für alle. Sollte die
Bevölkerung so groß werden, daß Mangel an anbaubarem Land eintritt, so
würde es wohl auch mit dem gemeinsamen Besitzrecht aus sein.

Man sollte meinen, daß in einem Gemeinwesen, wie dem dieser Indianer,
eine gewisse Gesetzlosigkeit herrscht. Diebstahl ist unbekannt, d. h.
Diebstahl von den eigenen Mitgliedern des Stammes, denn es herrscht
dort ein so großes Gemeingefühl, daß niemand zu stehlen braucht.
Ich glaube auch nicht, daß die Indianer sich gegenseitig belügen.
Dem Weißen lügt man etwas vor, man sagt ihm ganz einfach, was man
für nützlich für den Stamm hält. Man betrügt ihn, wenn es paßt, man
sagt ihm die Wahrheit, wenn es nicht schaden kann. Ertappt man einen
Indianer auf einer Unwahrheit, so betrachtet er es ungefähr so, wie
ein Weißer die Entdeckung eines Aprilscherzes. Er lacht und findet es
amüsant. Wird man ärgerlich, so hält er den Betreffenden offenbar für
dumm.

[Illustration: Abb. 5. Ashluslaypapa mit seinem kleinen Jungen. Rio
Pilcomayo.]

Der Mord beschränkt sich auf den Kinder- und Elternmord, dies ist aber
vom indianischen Standpunkt kein Verbrechen. Das klingt ja schrecklich.
Die Indianerin betrachtet es als ihr Recht, die Leibesfrucht
abzutreiben und ihr Neugeborenes zu töten, wenn sie will. Sie glaubt
offenbar ein Recht an dem Leben zu haben, das sie gegeben. Die
Abtreibung der Leibesfrucht geschieht durch mechanische Behandlung in
weit vorgeschrittenem Stadium[16] und kommt somit, wenigstens bei den
Chorotis, immer in den Fällen vor, wo unverheiratete Frauen schwanger
werden. Die neugeborenen Kinder werden getötet, wenn die Mutter von dem
Vater verlassen wird, und immer, wenn sie mißgestaltet sind. Ich kenne
mehrere solche Kindesmörderinnen, die liebe und gutherzige Mädchen
sind. Ein solches ist z. B. Ashlisi, ein Mädchen, das einige lustige
Zeichnungen, von denen zwei weiterhin wiedergegeben sind, für mich
gemacht hat. Unserer Ansicht nach sollte ein solches Verbrechen eine
Frau verrohen. Das ist ein vollständiger Irrtum, denn das Verbrechen
verroht erst, wenn es Verachtung seitens der Umgebung verursacht.

Wenn ein Indianer seine alte blinde Mutter oder seinen verkrüppelten
Vater tötet, so befreit er sie selbst von einem Leben, das ihnen eine
Last ist, und sich selbst von einer Extramühe im Kampfe ums Dasein.
Daß sie dieselben zuweilen lebend verbrennen, wie mein Dolmetscher
Flores es einmal bei einer alten Frau seitens der Chorotis gesehen hat,
erscheint uns natürlich grausam. Möglicherweise haben sie indessen
die Alten im Verdacht der Hexerei gehabt. Die sittliche Freiheit ist,
wie ich hier unten schildern werde, sehr groß. Untreue und Eifersucht
werden durch Schlägereien zwischen den Frauen geordnet. Ein grobes
Verbrechen ist auch das Verhexen. Leider weiß ich nicht, wie es
bestraft wird.

Im Verhältnis zu anderen besser organisierten Stämmen sind solche
Gemeinwesen, wie es die Choroti- und Ashluslayindianer bilden, äußerst
schwach. Die beste Gelegenheit, dies zu beobachten, hatte ich während
meines Aufenthaltes bei den letzteren. Diese waren, wie erwähnt,
in einen Krieg mit den Tobas verwickelt, welche unter Leitung des
energischen Häuptlings Taycolique mehrere Überfälle in deren Gebiet
machten. Infolge der Machtlosigkeit der Häuptlinge und der geringen
Eintracht vermochten sie nicht, sich zu einer gemeinsamen Verteidigung
gegen den Feind zu organisieren. Die verschiedenen Dörfer vereinigten
sich nicht, sondern jedes tat, was es für gut hielt. Das anarchistische
Gemeinwesen hat keine Abwehrkraft. Erwartete man einen Tobaanfall,
so eilten viele Männer von verschiedenen Seiten herbei, um den Kampf
aufzunehmen, da es aber an jeder Organisation fehlte, fanden sich immer
nur ein Teil der Krieger ein. Die meisten blieben, um ihre eigene
Person besorgt, aus.

Es fehlte ein Mann, der zu befehlen und sich Gehorsam zu schaffen
verstand.


Das Indianerhaus.

Sowohl bei den Chorotis wie bei den Ashluslays finden wir die von
Photographien und Reiseschilderungen bekannte runde oder ovale
Chacohütte. Sie ist, je nach der Jahreszeit, mehr oder weniger
sorgfältig gebaut und etwa zwei bis vier Meter im Durchschnitt.
Zum Schutz gegen die kalten, südlichen Winterwinde sind die in der
Ebene liegenden Hütten besser gebaut als die im Walde. Oft sind
mehrere Hütten so zusammengebaut, daß sie aus mehreren Räumen mit
mindestens einem für jede Familie bestehen. Die Hütten sind aus Zweigen
verfertigt, die in die Erde gesteckt, in der Mitte zusammengebogen und
mit Gras bedeckt sind. Ein Bindematerial fehlt vollständig. Keine Hütte
ist mit Erde oder Lehm bedeckt. Der Eingang, der, falls die Hütte in
der Ebene liegt, aus einem kleinen schiefen Gang besteht (Abb. 2), ist
nicht nach einer gewissen Himmelsrichtung, sondern meistens nach dem
Dorfe zu gerichtet. Viele Hütten haben mehrere Eingänge. Einige sind so
schlecht gebaut, daß man ungefähr überall hineinkommen kann. Bei den
Ashluslays habe ich über drei Meter hohe wohlgebaute Hütten gesehen.
Gewöhnlich ist die Hütte jedoch inwendig nicht ganz zwei Meter und der
Eingang ungefähr ein Meter hoch.

Bei diesen Indianern findet sich auch ein viereckiger Hüttentypus,
und zwar die Kochhütten (Abb. 6). Diese haben platte, mit Gras
bedeckte Dächer und dienen zum Kochen und Wohnen am Tage und in warmen
Nächten. Auf ihren Dächern pflegt man Fische zu trocknen. In einigen
Ashluslaydörfern sah ich mehrere solche unregelmäßig zusammengebaute
Kochhütten mitten auf dem offenen Platze des Dorfes. Diese Gebäude, die
hier eine ungewöhnliche Größe haben, werden während der Trinkfeste als
Sonnenzelte angewendet.

[Illustration: Abb. 6. Kochhütte der Chorotis. Rio Pilcomayo.]

Die Frauen suchen das Material zum Hausbau zusammen und bauen auch die
Hütten.

Es ist wirklich merkwürdig, daß Volksstämme, die z. B. in der
Webetechnik so weit wie diese Indianer gekommen sind, die Ackerbau
und Viehzucht haben, sich mit so elenden Hütten begnügen. In
regnerischen Nächten habe ich in ihnen Schutz gesucht und genau
gesehen, wie die Indianer dort leben. Gießt es ordentlich, so regnet
es überall hinein und Menschen und Sachen werden naß. In diesen
kleinen Hütten, wo oft mehrere Familien zusammenwohnen, ist der Raum
sehr beschränkt, und wenn in einer solchen Regennacht alle zu Hause
sind, kann nicht jeder ausgestreckt liegen. Ich selbst habe geringe
Bequemlichkeitsbedürfnisse, ich bin aber doch kein Freund davon, daß
eine Person quer über meinen Beinen liegt oder daß ein mit Läusen
behafteter Kopf auf meinem Kopfkissen Platz zu bekommen sucht.

Das Bett dieser Indianer ist während ihres ganzen Lebens ein Fell,
oder bei den Ashluslays zuweilen eine Schilfmatte als Matratze,
ein Holzklotz als Kopfkissen und, wenn es kalt ist, ein Fell- oder
Schafwollmantel als Decke.

Ist es warm, so liegen sowohl Männer als Frauen vollständig nackt,
und man sieht manches, was wir zivilisierten Menschen für unanständig
halten. In der Regel liegen mehrere unter derselben Decke, und zwar
nicht allein Männer, Frauen und Kinder, sondern auch mehrere Männer.
Diese Sitte ist bei den Indianern so eingewurzelt, daß nur solche
Decken unter meinen Tauschwaren gebilligt wurden, die zu einem
zweischläfrigen Bett reichten.

Außer für die Menschen soll in jeder Hütte auch für eine Menge Hunde,
Katzen, junge Strauße usw. Platz sein. Sie gehören zur Familie.

Ist es kalt und regnerisch, so ist die Feuerstätte in der Hütte, sonst
kocht man in der Regel am liebsten außerhalb des Hauses. Das Feuer wird
stets in Brand erhalten. Macht man eine kleine Reise, so nimmt man
Feuer (einen Feuerbrand) mit. Nur auf längeren Wanderungen benutzt man
das bekannte Feuerzeug, hölzerne Reibstäbchen.[17] Man bohrt in einem
Stab von etwas weicherem Holz mit einer stärkeren Holzart so lange, bis
durch die Reibung glühender Holzstaub entsteht. Dieses Feuerzeug ist
jetzt im Verschwinden und wird durch Feuerstein, Stahl und Zunder (hier
Caraguatábast) sowie durch Streichhölzer, leider nicht schwedischen,
sondern italienischen Fabrikats, ersetzt.

Jeder Indianer besitzt nicht mehr, als die ganze Familie forttragen
kann. Das meiste davon hängt in den Hütten unter dem Dache oder ist
in die Wände hineingestochen. Hängebretter oder Klammern sieht man
hier nicht. Jedes Individuum bewahrt seine Habseligkeiten allein,
meistens in großen Taschen aus Caraguatá oder Fell, auf. Meine
Lieblingsbeschäftigung war, in diesen Beuteln herumzuwühlen. In ihnen
befinden sich wild durcheinander Geräte, Schmucksachen, Heilmittel,
Samen, Schmutz und Insekten.

Jedes Individuum hat, wie gesagt, seine eigenen Beutel. Eine Frau
verwahrt ihre Sachen getrennt von denen ihres Mannes. Ein Kind hat
ebenfalls sein kleines Beutelchen.

Die für die Saat aufgehobenen Samen werden in mit Wachs verklebten
Töpfen aufbewahrt. Am Dache hängen oft Tabak und getrocknete Früchte.
In besonderen Schuppen werden größere Mengen dieser Konserven verwahrt.

Die Dörfer werden durch bissige, aber feige Hunde bewacht, die
anschlagen, wenn ein Fremder sich dem Dorfe nähert. Sie teilen die
Abneigung des Indianers gegen den weißen Mann.

Besucht man eine Chorotihütte, so wird einem in der Regel ein Holzklotz
zum Sitzen angeboten. Bei den Ashluslays erhält man dagegen ein Fell
oder eine Schilfmatte.

Die Arbeit beginnt in diesen Indianerdörfern in den allerfrühesten
Morgenstunden. Die Frauen beginnen mit ihrer Wirtschaft, gehen aus,
um Früchte zu sammeln oder nehmen sich eine andere Arbeit vor, die
Männer schneiden ihre Werkzeuge, gehen auf die Jagd oder schlafen ganz
einfach. Erst wenn es warm ist, begeben sie sich zum Fischfang. Ist
es sehr kalt, so bleibt man am liebsten in der warmen Hütte, bis die
Sonne richtig aufgegangen ist. Am Vormittag sind die meisten Indianer
und Indianerinnen aus, um Nahrungsmittel für die Küche zu sammeln.
Gegen Mittag kommt man mit dem Gesammelten oder Gefischten nach Hause.
Hat man Glück gehabt, kommen z. B. die Fischer mit reicher Beute nach
Hause, so herrscht in den Dörfern Freude. Die Kinder versammeln sich
am Tage auf den Spielplätzen und vergnügen sich nach Herzenslust oder
begleiten die Eltern zu ihrer Arbeit. Gegen Abend versammelt man sich
wieder um das schöne, wärmende Lagerfeuer, die Tagesereignisse werden
erzählt, die Pläne für den nächsten Tag entworfen. Am meisten spricht
man vom Essen. Am Abend begibt sich die Jugend nach den Tanzplätzen.
Während der Nacht ist es in diesen Choroti- und Ashluslaydörfern
beinahe niemals richtig still. Dort wird gesungen, in Freude und Leid,
dort wird gekocht, dort wird geschwatzt, dort hat die Jugend Rendezvous
und dort wird gekichert und gelacht.

Diese Indianer schlafen des Nachts keine sieben bis acht Stunden
ununterbrochen. Sie schlafen ein paar Stunden, essen und plaudern ein
Weilchen, schlafen wieder, essen noch einmal usw. In der Regel schlafen
sie viel mehr am Tage als wir. Der weiße Mann, der in einem solchen
Indianerdorf lebt, lernt bald das System, zu schlafen, wenn es ihm am
besten paßt.

Im Indianerhause ist der Raum beschränkt, aber es herrscht dort große
Eintracht. Niemals hört man jemand schimpfen, niemals versucht der
eine, sich auf Kosten des anderen Vorteile zu verschaffen. Schlagen
zwei Weiße ein Lager auf, und es ist nur ein guter Liegeplatz da, so
zanken sie sich, wer den Platz haben soll. Liegt ein Haufe Indianer in
einer engen Hütte, so teilen sie mit Gleichmut den knappen Raum. Sie
sind ja alle Brüder und Schwestern. Diese „Wilden“ verstehen, daß man
sich selbst in Kleinigkeiten nicht auf Kosten des anderen bereichern
darf.


Fußnoten:

[16] Nach Corrado, S. 539, treiben auch die den Chorotis nahestehenden
Matacos die Leibesfrucht durch mechanische Behandlung, Schläge auf den
Bauch, ab. El Colegio Franciscano de Tarija. Quarrachi 1884.

[17] Vergl. v. Rosen l. c. Taf. XIII.




+Viertes Kapitel.+

=Unter den Indianern am Rio Pilcomayo= (Fortsetzung).


Der Kampf ums Dasein.

Die Lebensbedingungen, unter denen die Indianer am Rio Pilcomayo leben,
sind, wenn wir von den Chiriguanos absehen, im großen ganzen für alle
dortwohnenden Stämme dieselben. Einige Unterschiede sind indessen
vorhanden.

Die Chorotis und Ashluslays leben vom Fischfang, Sammeln wilder
Früchte und Honig, Ackerbau sowie von der Jagd und der Viehzucht.

[Illustration: Abb. 7. Algarrobofrüchte kauende Ashluslayfrauen]

[Illustration: Abb. 8. Ashluslayindianer mit Sperrnetzen, Rio
Pilcomayo.]

Aus der folgenden Tabelle sehen wir, welches die Hauptnahrung der
ersteren in den verschiedenen Monaten des Jahres ist.

 Januar  }
 Februar }
 März    } Landwirtschaftliche Erzeugnisse.
 April   } }
 Mai       }  Fische.
 Juni      } } Früchte der Tusca und Tasi.
 Juli      } }
 August, September: getrocknete, konservierte Früchte,
       Ratten.
 Oktober: Früchte des Chañar                    } Gelegenheitsfischerei.
 November } Früchte der Algarrobo } Früchte der } }
 Dezember }                       } Mistol[18]  } } Feldfrüchte.

Im Mai, Juni und November leben die Chorotis im Überfluß. Da schwellen
die Magen an. Im August und September ist die Zeit der Not.

Die Ashluslays beginnen schon im November zu ernten. Sie leiden
wahrscheinlich seltener Mangel als die Chorotis.

Alle Pilcomayoindianer sind eifrige Jäger, und nur die weitab vom
Flusse wohnenden Indianer beteiligen sich nicht am Fischfang. Die
Fischgeräte bestehen bei den Chorotis ausschließlich aus Netzen. Die
Ashluslays wenden auch eine Art Körbe an. Von Netzen haben sie zwei
verschiedene Typen, die wir hier beide angewendet sehen.

Das bei den meisten südamerikanischen Indianern so gewöhnliche Schießen
der Fische mit Pfeil und Bogen habe ich bei den Chorotis und Ashluslays
niemals gesehen.[19] Angelfischerei ist, wo sie nicht von den Weißen
eingeführt ist, unbekannt.

[Illustration: Abb. 9. Nadeln zum Aufreihen der Fische, Ashluslay.]

Die Ausrüstung der Fischer besteht außer den Netzen aus einer Keule,
mit welcher die Fische getötet werden, und einer Holznadel (Abb. 9) mit
einer Schnur, auf welche die Fische aufgezogen werden. Die Nadel wird
durch die Augen der Fische gezogen und die Schnur mit den gefangenen
Fischen so um den Leib gebunden, daß sie hinten wie ein Schwanz
herabhängen.

Eine Fischfahrt mit den Indianern gehört zu den größten Vergnügungen,
die man am Rio Pilcomayo zu bieten hat. Sobald die Sonne zu wärmen
beginnt, wandern die Indianer, Männer und Knaben, mit ihren Netzen nach
dem Flusse. Die Frauen bleiben zu Hause oder suchen wilde Früchte.
Die alten Männer tragen in der Regel die Sperrnetze, die jungen die
Tauchnetze. Ist man zu dem Flusse, wo man fischen will, gekommen, so
werden Mäntel, Schmucksachen und Caraguatátaschen abgelegt. Man fischt
nackt oder nur mit einem Ledergürtel bekleidet.

Eine Anzahl Indianer bildet mit ihren Sperrnetzen eine Kette über den
Fluß (Abb. 8). Die übrigen Indianer treiben die Fische dann nach dieser
Kette, während sie selbst mit ihren Tauchnetzen fischen (Abb. 3).

[Illustration: Abb. 10.

Spaten.

Ashluslay. u. ⅒.]

Bei der Fischerei geht es lebhaft zu, denn das ist keine Arbeit,
sondern ein Vergnügen. Dort taucht einer mit dem Netz, um nach einem
Augenblick mit einem großen Fisch an die Oberfläche zu kommen; er
schlägt ihn mit der Keule tot und bindet ihn dann mit der Holznadel
um den Leib fest. Hier sieht man ein paar Füße verschwinden, dort
sieht man mehrere, die unter Schreien und Lachen in einer Bucht des
Flusses mit stillstehendem Wasser, in welchem die Fische sich sammeln,
umeinander tauchen.

Auf diesen Fischfahrten hat man so recht Gelegenheit, zu sehen, wie
schön diese Indianer gewachsen sind. Man sieht keinen, der korpulent
ist, keinen, der einen übertrieben großen Magen hat. Alle sind
wohlgebaut.

Hat der Fischfang müde gemacht, so läßt man sich am Ufer nieder, ruht
aus und ißt einen Teil des Fanges auf. Den Rest trägt man zu Frau und
Kindern ins Dorf. Fängt man nur wenig Fische, so besitzt man soviel
Ehrgefühl, daß man nicht selbst alles aufißt.

Die Chorotis und Ashluslays fischen ohne Kanoes. Sie haben keine
Fahrzeuge. Schwimmend und tauchend wie die Ottern verfolgen sie ihre
Beute.

Nach dem italienischen Forschungsreisenden Boggiani[20] haben dagegen
die den Ashluslays und Chorotis kulturell nahestehenden Lenguas im
paraguayischen Chaco viele Kanoes. Gleich den Chorotis und Ashluslays
haben weder die Tobas noch die Matacos oder Chiriguanos am oberen
Pilcomayo Boote. Mutmaßlich haben aber die Chorotis und Ashluslays
früher Kanoes gehabt. Dafür spricht die stark paddelähnliche Form ihrer
Spaten (Abb. 10). Diese sind vielleicht früher als Paddelblätter wie
als Spaten angewendet worden.

Herrscht Mangel an Fischen, so sperren die Indianer den Fluß. Eine
solche Sperre ist hier abgebildet (Abb. 11). Auf dem Gestell, auf
welchem ein alter Choroti mit seinem Netz sitzt, pflegen die Indianer
Feuer zu haben, um sich zu wärmen und um Fische zu braten. Damit das
Holzgestell nicht brennt, wird es durch Schlamm vom Feuer isoliert.

Eine andere unter diesen Indianern unbekannte, sonst aber von vielen
Indianerstämmen bekannte Fischereimethode ist die Vergiftung des
Wassers durch gewisse Pflanzen. Dagegen pflegt man große Quaste einer
feinblätterigen Schlingpflanze, von den Chorotis „Nécac“ genannt, ins
Wasser zu werfen, die von den Fischen gefressen werden und um die sie
sich sammeln. Gewöhnlich setzt man in der trockenen Zeit Laubbüschel
im Flusse auf, unter denen die Fische Schatten suchen und leicht mit
dem Netz gefangen werden können. Aller eben von mir erwähnter Fischfang
wird ausschließlich von den Männern betrieben.

Bei den Ashluslays fischen die Frauen mit Körben. Mit diesen in der
Hand schleichen sie den im Schlamme der Sümpfe lebenden langsamen
Panzersiluroiden nach und stülpen sie schnell über die Fische. Haben
sie einen Fisch gefangen, so holen sie ihn mit der Hand durch die
obere Öffnung des Korbes heraus.

[Illustration: Tafel 4. Fische essender Ashluslay.

In den Ohren hat er große Holzklötze. Das linke Armgelenk ist zum
Schutz gegen Bogensehnen umwickelt.]

[Illustration: Abb. 11 a. Sperrung des Rio Pilcomayo mit fischenden
Chorotis. Das angewendete Netz ist ein Tauchnetz.]

[Illustration: Abb. 11 b. Grundriß von 11 a.]

[Illustration: Abb. 11 c = A 11 b.]

Von der größten Bedeutung für die Chacoindianer ist das Einsammeln von
wilden Früchten. Der Chaco ist, wie schon erwähnt, außerordentlich
reich an solchen, und einige, wie der Tusca, Chañar und Algarrobo,
kommen in so großer Menge vor, daß sie tausende Menschen ernähren
können.

Jeden Morgen sieht man die Frauen in den Dörfern aufs Feld und in
den Wald gehen, um alles Eßbare zu sammeln. Sie haben gewaltige
Caraguatátaschen, in denen sie Früchte und Wurzeln sammeln, sowie
Stöcke zum Ausgraben von Wurzeln und lange Haken zum Herunterholen
von hoch in den Bäumen sitzenden Früchten mit. Den Mann sieht man
höchst selten Früchte sammeln. Er tut dies nur, um der Frau ein wenig
zu helfen. Außer Früchten werden verschiedene Blätter, Wurzeln,
Wurzelstöcke der Caraguatá usw. gegessen. Zum Herausgraben dieser
letzteren bedient man sich eigentümlicher Stöcke und Holzsägen.

[Illustration: Abb. 12. Chorotikinder spielen, daß sie den Fluß
sperren.]

Die wilden Früchte gehören keinem. Ein Indianer unternimmt jedoch keine
Streifzüge in das Gebiet eines fremden Stammes, um Früchte zu sammeln.

Staunenerregend ist es, wie genau diese Indianer alle Pflanzen der
Wälder und Felder kennen. Ein weißer Mann, der längere Zeit bei den
Tobas als Gefangener lebte, hat mir erzählt, daß einmal schreckliche
Not herrschte. Man versuchte da, alle möglichen und unmöglichen Zweige,
Wurzeln und Blätter zu kochen, um darunter etwas zum Essen Taugliches
zu finden.

Sicherlich ist der Mensch in solchen Zeiten der Not auf den Gedanken
gekommen, sich durch Kochen und Auspressen des Saftes eine so giftige
Pflanze wie die Mandioca nutzbar zu machen. Herrmann[21] berichtet,
wie die Ashluslays es verstehen, eine von den Chiriguanos „Ihuahuasu“
genannte giftige Frucht durch Kochen eßbar zu machen.

Wir dürfen auch nicht vergessen, daß die Botaniker keine der
wichtigsten Kulturpflanzen dem Menschen gegeben haben. Alle waren schon
von den Naturvölkern gekannt.

Die Ashluslays wie die Chorotis haben viele, wenn auch nicht große
Pflanzungen und leben mehrere Monate jährlich von den Erzeugnissen
dieser. Man kann gleichwohl mehrere Choroti- und Ashluslaydörfer
besuchen, ohne eine einzige Pflanzung zu sehen, da diese weder in der
Nähe der Dörfer noch der Flüsse liegen.[22]

Die Pflanzungen sind mangelhaft oder gar nicht umzäunt. Sie sind oft,
aber nicht immer, schlecht gejätet. Bei den Ashluslays habe ich gut
gejätete Pflanzungen mit Mandioca gesehen.

Besonders charakteristisch für den Feldbau dieser Völker ist, daß sie
niemals zusammenhängende Strecken bebauen, sondern einen Fleck hier,
einen Fleck da, je nachdem sie ein passendes, leicht zu rodendes Stück
finden.

Folgende Pflanzen werden von den Ashluslays und Chorotis angebaut:

  Mais (in zahlreichen Varietäten).
  Mandioca.
  Zapallo (Cucurbita Pepo, Linn.).
  Wassermelonen.
  Tabak.
  Baumwolle (nur Ashluslays).
  Bohnen (in verschiedenen Varietäten).
  Kalebaßfrucht.
  Süße Kartoffeln (nur Chorotis).

Die Chorotis und Ashluslays wenden zum Jäten ihrer Pflanzungen Spaten
(Abb. 10) aus hartem Holze an. Diese Spaten haben, wie erwähnt,
eine eigentümlich paddelähnliche Form. Sie bestehen in der Regel
aus einem Stück. Bisweilen ist das Blatt an den Stiel gebunden. Die
Männer reinigen die Pflanzungen, beide Geschlechter säen und ernten
gemeinsam. Die Feldfrüchte werden aber stets von den Frauen und Kindern
nach Hause gebracht, falls sie nicht auf dem Pferde oder Eselsrücken
dorthin getragen werden. Die Saatzeit nimmt nach dem Erscheinen der
Plejaden ihren Anfang. Die Jahreszeit wird auch nach der Reife der
Algarrobofrucht und anderer wilder Früchte berechnet. Kleinere Perioden
werden nach dem Mond bestimmt.

Die wichtigste der hier angebauten Pflanzen ist der Mais. Von den
bemerkenswertesten hier anbaubaren Kulturpflanzen sind die Bananen
unbekannt.

Das umsichtigere schwächere Geschlecht bewahrt die Samen bis zur
Neusaat auf. In Zeiten der Not kann es mit ganz großen Schwierigkeiten
verbunden sein, die Aussaat vor den hungrigen Mägen zu verbergen.

Die Jagd spielt bei den am Flusse wohnenden Indianern eine unbedeutende
Rolle. Die vom Rio Pilcomayo entfernt wohnenden Ashluslays sind dagegen
eifrige Jäger, was man aus dem Reichtum an Fellen und Knochen wilder
Tiere in den Hütten erkennen kann.

[Illustration: Tafel 5. Mit Mais vom Acker kommende Ashluslaykinder.]

Die zur Jagd angewendeten Waffen sind vor allem Pfeil und Bogen.
Was würde wohl ein Indianer aus dem nordöstlichen Bolivia, z. B.
ein Yuracáre oder Gúarayú sagen, wenn er die Pfeile und Bogen der
Chacoindianer sähe, wenn er sehen würde, wie schlecht sie gearbeitet
sind, und daß in der Regel die Steuerfedern fehlen. Er würde sie
sicher auslachen. Falls er sie zu einem Preisschießen aufforderte,
würde er natürlich sofort über die Chorotis siegen. Er würde sich
aber wundern, mit welcher Fertigkeit und Sicherheit die Ashluslays
mit diesen häßlichen Pfeilen schießen. Auch im Chaco gibt es Pfeile
mit stumpfer Spitze zum Vogelschießen. Diese Spitzen sind nicht, wie
einige Verfasser behaupten, rund, damit die Vögel getötet werden,
ohne die Federn blutig zu machen, da sie hier niemals für Vögel,
deren Federn man anwenden will, benutzt werden. Die Pfeile haben nur
deshalb klumpige, stumpfe Spitzen, damit sie nicht in den Zweigen der
Bäume sitzen bleiben und somit verloren gehen. Schießt man einen Vogel
mit einem spitzen Pfeil, so geht er leicht in einen Zweig und bleibt
hängen, und es kann schwer und mühselig sein, ihn herunterzubekommen.
Der Indianer sucht nämlich immer, wenn er kann, die Pfeile
wiederzufinden, die ihr Ziel verfehlt haben.

Bei der Wildschweinjagd werden die Schweine durch die Hunde gestellt
und dann durch Keulen getötet. Die Ashluslays wenden zur Vogeljagd
gewöhnlich Tonkugelbogen an. Bei den Chorotis habe ich sie nur als
Kinderspielzeug gesehen. Auch Schleudern haben diese Indianer. Ich habe
jedoch niemals ihre Anwendung auf der Jagd gesehen.

Die Chacoindianer sind nicht so eifrige Jäger, wie die meisten mir von
Nordost-Bolivia bekannten Indianer. Moberg hat sich wenigstens oftmals
über das mangelnde Interesse der Chorotis für die Jagd geärgert, da es
ihm sehr schwer fiel, Gesellschaft zu finden, wenn er jagen wollte.

Ein richtiger Jäger schmückt sich niemals mit fremden Federn. Trägt ein
Indianer, der ein wirklicher Jäger ist, Zähne oder leuchtende Federn,
so stolziert er mit seinen eigenen Jagdtrophäen. Ein Choroti schmückt
sich ebensogern mit einer gefundenen Feder oder mit den Federn eines
Vogels, den ein anderer erlegt hat. Hatten wir beispielsweise einen
Storch geschossen, so teilten die Indianer die Federn unter sich, so
daß jeder ein paar bekam.

Verschiedene Amulette werden von den Ashluslays auf der Jagd
angewendet. Hat man in der stets unentbehrlichen Caraguatátasche den
Kopf einer Schildkröte, so kann man die Rehböcke anschleichen, ohne
daß sie davonspringen. Bei der Straußenjagd ist es gut, Hautstücke
von der Brust von Straußen, die man getötet hat, mitzunehmen. Sehr
gewöhnlich ist es, an geeigneten Stellen, wie Tränken, Plätze wo
die Strauße weiden usw., Jagdhütten zu bauen. Man versteht auch die
Anwendung von Schlingen.

Die Männer sammeln Honig und Wachs. Den letzteren wenden die Indianer
für ihre Pfeile, zu Pfropfen, in Tongefäßen, zu allerlei Reparaturen
usw. an.

Um beim Finden der Bienennester besseres Glück zu haben, stechen sich
die Ashluslays mit einem hölzernen Pfriemen über die Augen, bis das
Blut fließt. Das Aderlassen ist übrigens sehr gewöhnlich. In der Tasche
eines jeden Choroti- und Ashluslayindianers befinden sich eine ganze
Menge knöcherner Pfrieme, mit denen er sich sticht, wenn er müde ist.
Viele Indianer und auch Indianerinnen sind an Armen und Beinen ganz
mit Krusten bedeckt, so viel haben sie sich gestochen. Nach einer
anstrengenden Fisch- oder Jagdtour u. dgl. sieht man nicht selten
Indianer, die sich wütend in Arme und Beine stechen, so daß das Blut
strömt.

Die Leiden eines angeschossenen Tieres versteht ein Indianer nicht zu
würdigen. Niemand gibt ihm den Gnadenstoß, soweit dies nicht nötig ist,
damit es nicht entspringt.

Wir Weißen brauchen uns darum nicht über die grausamen Indianer zu
überheben, wir lassen mißgebildete Kinder leben und sich quälen, wir
essen ruhig im Überfluß, während die Mitmenschen in unserem eigenen
Staat hungern. Das tun dagegen diese Indianer niemals.

Von Insekten wenden die Chorotis und Ashluslays nur eine große
Käferlarve, die sie rösten, als Nahrung an. Erst wenn Not am Mann ist,
ißt man wohl alle möglichen Würmer. Sie kennen alle die kleinen Tiere
ausgezeichnet und haben für alle Namen. Als ich 1902 den Chaco als
Zoologe besuchte, pflegten die Chorotis für mich zu sammeln. Zeigte
ich ihnen an dem einen Tage ein Insekt, von dem ich mehrere Exemplare
wünschte, so kamen sie sicher am folgenden Tage mit einer großen Menge
von diesen wieder. Sie kannten jedes kleine Tierchen sowie jede Pflanze
und wußten, wo sie dieselben zu suchen hatten.

[Illustration: Abb. 13. Eine Chorotifrau trägt Wasser nach Hause. Rio
Pilcomayo.]

Die Viehzucht ist ebenfalls ein für diese Indianer wichtiger
Nahrungszweig. Die Chorotis haben recht viele Schafe und Ziegen sowie
eine geringe Anzahl Pferde. Viel reicher an Vieh als jene sind die
Ashluslays. In einem ihrer Dörfer, dem Dorfe des Häuptlings Toné,
das damals ca. 400 Einwohner hatte, zählte ich etwa 200 Kühe, etwa
200 Pferde, Maulesel und Esel, davon viele Stuten und Füllen, sowie
über 500 Schafe und Ziegen. Außer diesen Haustieren gibt es Hühner
und Katzen und eine unzählige Menge Hunde. Im Dorfe Tonés befanden
sich sicher ein paar hundert Hunde. Diese Indianer töten die jungen
Hunde nicht, sondern lassen sie sich frei vermehren. Alle diese oft
ausgehungerten Hunde sind deshalb eine wirkliche Plage im Dorfe. Sie
werden jedoch gut behandelt und nicht geschlagen, obschon die Nahrung
nicht für so viele Münder reicht. Ich sah einmal eine Chorotifrau,
die an der einen Brust ihr Kind, an der anderen einen Hund säugte.
Stirbt ein Hund, so wird er gleich den Pferden der Indianer ordentlich
begraben, und ein Pferd mit dem Holzspaten vergraben, ist sicher ein
tüchtiges Stück Arbeit. Die Weißen in Bolivia werfen dagegen ihre
toten Hunde und Pferde auf den Müllhaufen und lassen, als Dank für die
erwiesene Pflichttreue, die Geier ihnen den letzten Dienst erweisen.

Zum Tierbestand in einem Choroti- oder Ashluslaydorf gehört beinahe
mit Sicherheit eine Anzahl wilder Tiere. Diese sind aller Lieblinge.
Man sieht Störche, Nutrias, Wildschweine, Strauße, Füchse usw. In der
Regel sind sie Spielkameraden der Kinder. Diesen bereitet, wie unseren
Kindern, das Binden der Strauße, Tränken der Pferde, Füttern der Kühe
usw. eine große Freude.

Einmal bot ich in einem Ashluslaydorf ein prächtiges Tuch für eine
Henne. Ein kleines, süßes, etwa 10jähriges Mädchen tauschte sich mit
Freuden das Tuch ein. Als sie sah, daß die Henne geschlachtet wurde,
was sie sicher nicht erwartet hatte, begannen die Tränen über ihre
Wangen zu rollen, und plötzlich sprang sie davon, um ihren Freund zu
beweinen. Das Tier war ihre Gesellschaft und sicher nicht zum Essen
bestimmt.

Die Indianer im Chaco haben seit langer Zeit dieselben Haustiere wie
der weiße Mann. Verschiedene Stämme stehen von alters her mit den
Weißen in Berührung. Andere, tiefer im Chaco wohnende haben dann durch
den Handel zwischen den Stämmen diese Tiere erhalten. Von besonderer
Bedeutung sind hier natürlich die Schafe, aus deren Wolle die
Indianerinnen Mäntel weben.

Im Innern des Chaco, vom Rio Pilcomayo gerechnet, ist das Land sehr
wasserarm, und während der Trockenzeit haben die Indianer häufig
kaum Wasser. Sie graben deshalb Brunnen. Solche habe ich bei den
Ashluslays bis zu einer Tiefe von 4 m gesehen.[23] Die Forderungen
eines Indianers an die Beschaffenheit des Wassers sind sehr gering. So
habe ich die Ashluslays aus Sümpfen mit braungrünem, stinkendem Wasser
trinken sehen, ohne daß es ihnen irgendwie schlecht zu bekommen schien.
Wahrscheinlich gibt es in den abgelegenen Gegenden, wo die Ashluslays
wohnen, weder Typhoid- noch Dysenteriebakterien.

[Illustration: Abb. 14. Algarrobomehl seihende Ashluslayfrau.]

Ich selbst bin fest überzeugt, daß ich, falls ich z. B. in Schweden
all den Schmutz getrunken hätte, den ich im Chaco genossen habe, jetzt
nicht mehr unter den Lebenden wäre.


Wie man bei den Ashluslays und Chorotis ißt.

Wäre ich zu einem Ashluslay- oder Chorotimittag eingeladen und könnte
selbst die Speisekarte wählen, so würde ich sicher über Kohlen
gebratene und auf grünen Blättern servierte Fische begehren. Hätte
ich sie selbst etwas salzen dürfen, denn Salz wenden die Ashluslays
und Chorotis selten an, so wären sie ganz einfach lecker. Niemand
kann so wie ein Indianer Fische rösten. Von den Fischen würde ich
dann so viel essen, daß ich nichts anderes zu berühren brauchte,
denn schreckliche Sachen können serviert werden. Es gibt Dinge, die
selbst der fanatischste Ethnograph nicht zu verzehren vermag. Die
Ingredienzien selbst brauchen nicht so schlecht zu sein, der Schmutz
bei der Zubereitung ist aber unerhört. Därme werden z. B. niemals vor
dem Kochen gewaschen, sondern ganz einfach entleert. Bisweilen muß
jedoch der Darminhalt als Gemüse zum Fleisch dienen. So werden die
Erdratten mit Eingeweide und Exkrementen verzehrt. Sie werden ganz ins
Feuer gelegt, wo sie durch die Hitze anschwellen. Dann werden Löcher
in den Magen gestochen, damit die Luft, nur die Luft herauskommt. Auch
Eidechsen werden mit Eingeweide und allem gegessen. Frösche, Füchse
und in der Regel, aber nicht immer, Geier werden als nicht eßbar
betrachtet. Verschiedene Früchte, z. B. Algarrobo, werden gewöhnlich
in folgender Weise gegessen: die Frucht wird zerklopft und in einer
großen Kalebasse mit Wasser gemengt. Um diese setzen sich mehrere
Personen, immer vom gleichen Geschlecht, denn Männer und Frauen essen
nicht zusammen. Jeder nimmt sich mit den Fingern ein ordentliches
Stück, saugt daran und spuckt es dann wieder in das gemeinschaftliche
Gefäß. Daß es unangenehm sein könnte, den Speichel eines anderen in den
Mund zu bekommen, ist den Indianern vollständig unbegreiflich. Will
man eine längere Zeit bei den Ashluslays und Chorotis hausen und ihr
Leben zu leben versuchen, muß man sich über „Vorurteile“, die man in
dieser Beziehung haben kann, hinwegsetzen, und man wird wirklich bald
unbegreiflich verhärtet.

Die Ashluslayindianer essen Honig mit Bürsten aus Caraguatástämmen,
die sie in den Honig tauchen, ablecken, wieder eintauchen, dem Nachbar
reichen usw. Wie wenn wir mit Rasierpinseln äßen -- denn so sehen diese
Werkzeuge aus (Abb. 15).

Bestimmte Mahlzeiten habe ich bei den Chorotis und Ashluslays nicht
beobachten können. Ist genügend Nahrung vorhanden, so essen diese
Indianer auch des Nachts.

Als Reisezehrung auf den Wanderungen werden getrocknete Fische,
Maiskuchen, Klöße aus gekochter Chañarfrucht und solche von
Algarrobomehl angewendet. Die letzteren sind wirklich gut. Wie sie
zubereitet werden, ist mir unbekannt, denn da ich sie auf meinen
Streifzügen mit den Ashluslayindianern stets zu essen pflegte,
beschloß ich, dieses Geheimnis, aus Furcht, daß ich, nachdem ich es
kennen gelernt habe, auf die guten Klöße verzichten würde, niemals zu
erforschen.

[Illustration: Abb. 15. Eßbürste, Ashluslays. ½.]

Die umsichtigen Frauen bereiten, wenn Überfluß an Speisen vorhanden
ist, Konserven. Früchte werden in großen Massen getrocknet. Zuweilen
ziehen sie in Begleitung der Männer nach abgelegenen fruchtreichen
Gegenden, und lassen sich dort eine Zeitlang unter eifriger Arbeit
nieder. Wenn man eine solche „Konservenfabrik“ sieht, muß man
unwillkürlich an die Ähnlichkeit mit dem Einmachen unserer nordischen
Frauen zur Herbstzeit denken. Überall liegen Haufen von rohen,
gekochten, gebratenen und getrockneten Früchten.

Von großem Interesse sind die von den Ashluslays zum Rösten
angewendeten Öfen. Ein solcher Ofen ist hierneben beschrieben und
abgebildet (Abb. 16). Er ist von demselben Typ, wie der von den
Tsirákuaindianern im Nordchaco angewendete. Nachdem die Früchte
geröstet sind, werden sie getrocknet und können dann monatelang
aufbewahrt werden. Die Indianerfrau ist ein umsichtiges Hausmütterchen.

[Illustration: Abb. 16. In die Erde gegrabener Ofen. Ashluslays.

a = Erdoberfläche; b = Rinde, Gras u. a.; c = Gang, durch welchen man
die Glut anbläst; d = Glut.]

Dies verwundert vielleicht den Leser, der möglicherweise die
Naturvölker hat beschreiben hören, als lebten sie nur für den Tag und
dächten niemals an die Zeiten der Not.

[Illustration: Abb. 17. Hölzernes Messer. Ashluslays.

Wird zum Abschuppen und Ausnehmen der Fische angewendet.]

Das Essen kochen die Indianerinnen in einfachen irdenen Töpfen. Man ißt
in der Regel aus Schalen von Kalebassen und mit den Fingern oder mit
einem Löffel aus einer Muschel oder Kalebasse. Da die Frauen sich nicht
immer eiserne Messer verschaffen können, benutzen sie noch hölzerne
Messer (Abb. 17), mit denen sie die Fische abschuppen und ausnehmen.

Mörtel aus hartem Holz mit Keulen aus demselben Material sind
allgemein. Die Ashluslays wenden auch Mörtel einer ganz anderen,
höchst merkwürdigen Art an. Sie bestehen aus inwendig mit in der Sonne
getrocknetem Lehm bekleideten Erdgruben. Natürlich werden die in diesen
Mörteln zerquetschten Früchte etwas erdig, aber etwas mehr oder weniger
Schmutz macht in der indianischen Küche nicht viel.

[Illustration: Abb. 18. Hölzerne Messer zum Essen von Wassermelonen.
Ashluslays. ½.]

[Illustration: Abb. 19. „Reibeisen“ aus Holz. Ashluslays. ⅛.]

Körbe sind bei diesen Indianern unbekannt, ebenso wirkliche Seiher.
Will die Indianerin z. B. Algarrobomasse durchseihen (Abb. 14), so
wendet sie ganz einfach ein Stück einer Caraguatátasche an. Der Grund,
warum die Chacoindianer keine Körbe anwenden, kann kaum darin liegen,
daß solche ihnen vollständig unbekannt sind, denn sie kennen direkt
oder indirekt die Chiriguanos, die solche haben. Das geeignete Material
dazu, d. h. Palmblätter, ist auch reichlich vorhanden. Im großen ganzen
ersetzen jedoch die Caraguatátaschen vollständig alle Körbe, außerdem
sind sie haltbarer und lassen sich bequemer auf den Wanderungen
mitnehmen und in den Hütten aufbewahren. Die Körbe sind also für diese
Indianer vollständig unnötig und sogar ungeeignet.

Ist Überfluß an Trinkwaren, d. h. Bier aus Algarrobo, Chañar oder Mais,
vorhanden, so essen die Männer nicht sehr viel, denn das Bier, das
sie trinken, ist stark sättigend und nährend. Das Bier ist in solchen
Zeiten für sie Speise und Trank. Oft läßt das Trinken ihnen auch keine
Zeit zum Fischen und Jagen.

Die Indianer kämpfen sicher zuweilen einen harten Kampf, um die
Forderungen des Magens befriedigen zu können. Ist der Magen voll,
so ist der Indianer froh und übermütig, da tummeln sich die Kinder
in ausgelassener Freude, da tanzt die Jugend jeden Abend und hat
Rendezvous in den Büschen, da sitzen die Alten und trinken Bier in
gewaltigen Kalebassen und rauchen und spucken und prahlen mit ihren
Taten und amüsieren sich königlich. Ist der Magen leer, dann ist es
still auf den Spielplätzen, dann ist kein Tanz, kein Rendezvous, kein
Bier und keine Prahlerei.

Als ich 1908 die Chorotidörfer besuchte, waren die Magen von fetten
Fischen ausgespannt. Herrliche Fische! Da war Tanz und Fest.

Ein Jahr später kam ich wieder. Ach, wie mager doch alles war, bis die
Chañar- und Algarrobofrüchte reif wurden. Dann war wieder Freude in den
Dörfern.

Gibt es gebratene Fische und Fischfett oder große Kalebassen mit
Algarrobobier, dann lebt sich’s gut für einen Indianer am Rio
Pilcomayo.

[Illustration: Tafel. 6. Chorotimama mit ihrem kleinen Jungen und
dessen Spielkameraden.]


Fußnoten:

[18] Zizyphus Mistol, Griseb.

[19] Bei den Chorotis ist es später allgemein von Moberg wahrgenommen
worden.

[20] Boggiani: Compendio de Etnografia Paraguaya, S. 172. Asunción 1900.

[21] Herrmann, l. c. S. 128.

[22] Nach Boggiani haben auch die Lenguas ihre Äcker weit vom Flusse.
Compendio, S. 165.

[23] Die den Ashluslays und Chorotis nahestehenden Lenguas graben nach
Hawtrey sehr tiefe Brunnen. „The wells were on rising ground in a sandy
soil, about 15 or 20 feet deep, with a hole at the top only 2 feet by 2
feet 6 inches in diameter, and so made that a man could go down by foot
holes on either side (as I myself went down to see how it was made),
and a bucket and rope were used.“ +Seymour H. C. Hawtrey+. The Lengua
Indians of the Paraguayan Chaco. J. A. Inst. Vol. XXXI. London 1901.
Seite 289.




+Fünftes Kapitel.+

=Unter den Indianern am Rio Pilcomayo= (Fortsetzung).


Indianerkinder.

Hat das Choroti- oder Ashluslaykind das Glück, von einer verheirateten
Frau geboren zu werden und nicht allzu schnell hinter einem Brüderchen
oder Schwesterchen zu kommen, so darf es am Leben bleiben. Lange
bekommen die Kinder die Brust. Oft habe ich vom Springen durstige
Choroti- und Ashluslaykinder gesehen, die stehend von ihrer sitzenden
Mutter gestillt wurden.

Die kleinen Kinder sind die Freude aller, besonders die Alten haben sie
lieb. Sie werden niemals gezüchtigt, hören niemals harte Worte. Während
sie klein sind, tyrannisieren sie Eltern und Großeltern. Werden sie
älter und verständiger, so sind sie infolge dieser Erziehung freundlich
und aufmerksam.

Wenn es nötig ist, können auch die Indianermütter bestimmt sein.
Einmal sah ich einen Chorotiknaben, der einen Sandfloh im Fuße hatte.
Unbekümmert um das Geschrei des Knaben zog die Mutter das gefährliche
Insekt mit einer knöchernen Nadel heraus, während zwei Frauen den
Knaben festhielten.

Ein ausgezeichnetes Verhältnis herrscht zwischen Eltern und Kindern
sowie zwischen den Geschwistern. Wie oftmals ist es mir nicht passiert,
daß einer meiner Freunde unter den jungen Indianern mich zu einer alten
Frau geführt und mit dem einfachen Worte Mama um ein Geschenk für sie
ersucht hat.

Oft sieht man blinde und krüppelige Alte in den Dörfern, die von ihren
Kindern unterhalten werden. Wird das Dorf durch einen Feind bedroht,
so werden zuerst von allen diese Alten in Sicherheit gebracht, damit
sie nicht, wenn die anderen zu fliehen gezwungen sind, in die Hände der
Feinde fallen.

[Illustration: Abb. 20. Chorotiknabe mit Boleadora.]

[Illustration: Abb. 21. Das Kleine führt seinen blinden Großvater
„abseits“. Ashluslays.]

Werden diese Alten eine allzu große Last, so geschieht es gleichwohl
zuweilen, wie ich schon erzählt habe, daß man sie tötet.

Das Indianerkind lernt das Leben im Spiel. Wenn die Mutter mit ihrem
Töchterchen im Arme Wasser holt, so trägt das Mädchen einen winzig
kleinen, dem der Mama ganz gleichen Krug. Füllt die Mutter ihren großen
Wasserkrug, so füllt sie auch den ihres kleinen Töchterchens. Das
Mädchen wächst und der Krug wächst. Sie begleitet ihre Mutter bald
zu Fuß und trägt gleich ihr einen eigenen Krug auf dem Kopfe. Spinnt
die Mutter, so spinnt auch ihr Kind auf einer Spielzeugspindel. Der
kleine Junge spielt mit seinem Netz im Dorfe. Er fängt Laub, er fängt
Tonscherben. Oft sind die Großväter die Lehrer. Ist er größer, so
erhält er von dem Großvater ein größeres Netz und begleitet ihn auf den
Fischfang. Anfänglich fängt er nicht viel. Er und das Netz wachsen,
und der Knabe, der Laub und Tonscherben gefischt hat, fängt große
Siluroiden, Palometas und vieles andere. Auf dieselbe Weise lernen
die Kinder alles, was sie zu wissen nötig haben. Spielend lernt das
Indianerkind den Ernst des Lebens.

Besonders die Indianerknaben verleben dann ihre Tage unter heiteren
Spielen. Vielmals habe ich mit ihnen gespielt, und wir, und nicht zum
wenigsten ich, haben uns dabei sehr gut amüsiert.

Wir versuchten, den Indianerknaben unsere Spiele beizubringen. Die
Mädchen spielten beinahe niemals mit uns. Moberg war Zirkusdirektor,
und sie lernten von ihm Purzelbäume schießen, Bockspringen, mit
Stangen balancieren und anderes Nützliche. Eine Kunst konnte Moberg,
die stürmischen Jubel erweckte. Er konnte Rad schlagen. Diese Nummer
des Programms wurde von allen, jung und alt, gern gesehen, obschon
niemand es nachmachen konnte. Mit roten Taschentüchern als Preise
veranstalteten wir Wettrennen. Hieran beteiligten sich auch die
Mädchen, sie liefen aber immer allein und mischten sich nicht unter die
Knaben.

Unser gutes Verhältnis zu den Indianern hatte sicher zu einem großen
Teile seinen Grund darin, daß wir immer mit den Kindern spielten. Das
gefiel den Indianerpapas und Indianermamas, und auf diese Weise bekamen
sie Vertrauen zu uns.

Schlägereien und harte Worte kommen unter den spielenden Kindern fast
niemals vor. Ein einziges Mal habe ich einen Indianerknaben einen
anderen schlagen sehen. Das war in einem Ashluslaydorf. Daß dies etwas
Ungewöhnliches war, wurde mir aus der Aufregung, die darüber im Dorfe
entstand, klar. Ein paar Stunden lang ergingen sich die respektiven
Eltern und Verwandten der Kinder in Schmähungen. Besonders die älteren
Damen spien Feuer und Galle. Beim Spiel kommen niemals Streitigkeiten
vor, z. B. ob der Ball wirklich ins Tor gekommen ist, ob einer
gemogelt hat oder dgl. Hier haben unsere weißen Kinder viel von ihren
dunkelbraunen Freunden zu lernen.

Die großen Kinder behandeln die kleinen niemals schlecht. Sie laufen
wohl hinter ihnen her und werfen sie hin, aber sie schlagen sie
niemals. Kleinlichkeit, Eigendünkel und Bosheit findet man niemals
unter den Indianerkindern.

Knaben und Mädchen spielen schon als ganz kleine Kinder getrennt. Für
Knaben und Mädchen gemeinsame Spiele habe ich nie gesehen. Sie haben
auch verschiedenes Spielzeug. Nur der Tanz führt sie zusammen. Auf der
Tanzbahn erscheinen Knaben und Mädchen viel früher als bei uns, da der
Tanz innig mit dem Geschlechtsleben zusammenhängt.

[Illustration: Abb. 22. Die Mama geht mit den Kindern zum Fluß.
Chorotis. Rio Pilcomayo.]

Nicht alle Kinder gleichen Geschlechts spielen zusammen, sondern sie
teilen sich, wie unsere Kinder, in Altersklassen. Bei den Knaben kann
man drei solche beobachten. Zwei- bis vierjährige Knaben beteiligen
sich nicht an den großen gemeinschaftlichen Spielen. Die Vier-
bis ungefähr Siebenjährigen bilden eine zweite, die Sieben- bis
Zwölfjährigen eine dritte Gruppe. Die über zwölf Jahre alten Knaben
halten sich gewöhnlich zu den Herren, nehmen an den großen Ballspielen
teil und interessieren sich schon lebhaft für Tanz und Mädchen.

Dicht bei oder in einem Ashluslay- und Chorotidorf ist immer ein
offener, gebahnter Platz, wo man spielt und tanzt. Herrlich eignen sich
zum Spielen besonders die großen Sandufer des Pilcomayoflusses. Dort
tummeln sich die Kinder im Sande.

Das erste Spielzeug des Indianerkindes ist, wie bei unseren Kindern,
die Klapper. Von Früchten, Knochen, Blechstücken u. a. machen die
Indianermütter ihnen kleine Klappern. In dieser Zeit spielen sie mit
ihren Müttern, die mit ihnen plaudern und scherzen.

[Illustration: Abb. 23. Spielzeugflinte von den Chiriguanos.
Caipipendi. Die Chorotis und Ashluslays wenden ähnliche an. ⅙.]

Die Indianerkinder lernen, wie ich schon gesagt habe, spielend den
Ernst des Lebens kennen. Sie werden durch das Spiel erzogen. Wie
unsere Kinder die Großen nachäffen, so machen die Indianerkinder ihnen
ebenfalls alles nach.

Als die Ashluslayindianer mit den Tobas kriegten, spielten auch die
Knaben in den Ashluslaydörfern Krieg. Die Knaben teilten sich in zwei
Abteilungen. Die eine stellte die Ashluslays, die andere die Tobas vor.
Die Waffen bestanden aus Rohr, mit denen man Fruchtkerne aufeinander
knackte. Die Kämpfe wurden unter Geschrei und Geheul geführt. Wurde
einer gefangen genommen, so wurde er skalpiert. Während einer den
Gefangenen hielt, tat ein anderer, als skalpiere er ihn.

Sicher haben die Indianerkinder am Pilcomayo manchmal auch Indianer und
Weiße gespielt. Bei den Kampfspielen der wilden Indianer geht es aber
keineswegs wild zu. Roheit und Bosheit, die bei den Kindern des weißen
Mannes so gewöhnlich sind, sind unter diesen Kindern, deren Väter
wirkliche Skalpjäger sind, vollständig ausgeschlossen.

Eines Tages hatte ich in einem Ashluslaydorf ein Wettschießen mit
Pfeil und Bogen angeordnet. Am folgenden Tage veranstalteten die
Knaben desselben Dorfes ebenfalls ein Scheibenschießen mit ihren
Spielzeugflinten. Diese Flinten, von denen eine hier abgebildet ist
(Abb. 23), sind unter den Chacokindern sowohl am Rio Pilcomayo wie am
Rio Parapiti gewöhnlich.

Wenigstens den kleinen Knaben und Mädchen machen die Eltern und
andere ältere Verwandte ihr Spielzeug. Der Großvater strickt das
Spielzeugnetz des Knaben, lehrt ihn aber auch selbst stricken. Eine der
weiblichen ältesten Verwandten formt die Puppen, mit denen die Mädchen
spielen. Mutter spielen ist hier ebenso gewöhnlich, wie bei unseren
Mädchen. Die von den Indianerkindern im Chaco angewendeten Puppen
sind außerordentlich lustig. Weiterhin werden wir sie abgebildet und
beschrieben finden.

[Illustration: Abb. 24.

Boleadora.

Ashluslays. ⅕.]

Das Lieblingsspielzeug der Knaben ist die von den Pampasindianern
bekannte Boleadora. Mit der Boleadora spielen mehrere Knaben zusammen.
Sie stellen sich in einer Reihe auf. Wenn einer seine Boleadora wirft,
versuchen die anderen, sie mit ihren zu fangen. Dieses Spielzeug ist
sicher ein Überbleibsel aus einer Zeit, wo die Boleadora von den
Ashluslays und Chorotis als Waffe angewendet wurde; vielleicht ist
es eine Erinnerung von einer Zeit, wo sie auf den Pampas lebten,
denn die Boleadora ist eine Waffe, die nur für die Ebene paßt. In
einer weiter unten wiedergegebenen Matacosage handelt es sich um
einen Kampf zwischen verschiedenen Vögeln, wo die Chuñas[24] mit
Boleadoras gekämpft hatten. Die Matacos selbst wenden die Boleadora
jetzt nicht als Spielzeug an. Ein anderes Spielzeug, vielleicht auch
eine Erinnerung aus früheren Zeiten, sind die Stelzen, die ich die
Ashluslays habe anwenden sehen.

Die kleinen Kinder rollen oft Reifen aus Weide. Zuweilen habe ich sie
mit Stäbchen spielen sehen, die sie auf folgende Weise werfen. Sie
stellen sich, jeder mit einem Stäbchen in der Hand, in einer Reihe auf.
Einer wirft plötzlich eins seiner Stäbchen. Die anderen suchen dasselbe
in demselben Augenblick zu treffen, wo es zur Erde fällt. Selten sieht
man das Schwirrholz als Spielzeug. Wie bekannt, verursacht es, wenn es
schnell durch die Luft geschwungen wird, einen brummenden Laut.[25]

Ein gewöhnlicher Zeitvertreib für Knaben, Mädchen und Erwachsene
ist das Knüpfen von Fadenfiguren, ähnlich denen, wie sie auch die
europäischen Kinder zu machen pflegen (Abb. 25).

Die Mädchen spielen oft Tanz- und Laufspiele. Ich habe z. B. bei den
Ashluslaymädchen gesehen, wie sie sich breitbeinig dicht hintereinander
in einer Reihe aufstellen. Die letzte kriecht auf allen Vieren zwischen
den Beinen der anderen hindurch. Nach ihr kommt das nächste Mädchen
usw. Ein anderes Spiel, das ich ebenfalls bei den Ashluslaymädchen
gesehen habe, ist, mit gebogenen Knien hüpfen. Die Mädchen hocken in
einem Ring auf der Erde und hüpfen, den Takt eines eintönigen Liedes
auf den nackten Schenkeln schlagend, umher.

Gewöhnlich ist das Ballspielen der Knaben. Noch mehr sind die
Ballspiele aber ein Vergnügen der Jünglinge und Männer. Ja, es kommt
sogar zuweilen vor, daß ein alter Mann, der sich seinen Jugendsinn
bewahrt hat, am Spiele teilnimmt. Meistens spielt man mit seinen
eigenen Dorfkameraden, bisweilen aber auch mit dem Nachbardorfe, und
hier gilt es sowohl Wertsachen als auch die Ehre.

[Illustration: Abb. 25. Fadenfiguren knüpfende Chorotiknaben.]

Die Chorotis wie die Ashluslays kennen nur eine Art Ballspiel. Es wird
mit Hakenstöcken, ähnlich unseren Hockeystöcken, und gewöhnlich mit
Bällen aus Holz gespielt. Man teilt sich in zwei Parteien, die ihr Tor
verteidigen. Diese liegen bei größeren Spielen hundert bis zweihundert
Meter voneinander. Wer zuerst seinen Ball in das Tor des Gegners
hereinbringt, hat gewonnen. Die Alten und die Kinder sind zuweilen
Torwächter.

In gewöhnlichen Fällen spielt man Ball um nichts, nur um Vergnügen zu
haben. Die jungen Herren, die die eifrigsten Spieler sind, vertreiben
auf diese Weise die langen Tage, während sie auf den Tanz und die Liebe
am Abend warten.

Preise kommen nur bei den Wettkämpfen zwischen mehreren Dörfern vor.
Als ich ein Ballspiel veranstaltete, bestanden die Preise aus Tabak.

Streitereien während der Spiele kommen niemals vor, und gleichwohl
schlägt man einander mit den Keulen zuweilen ordentlich auf die
Unterschenkel. Niemand wird deshalb böse. Bei den Matacos habe ich
gesehen, daß man, um die Schenkel gegen Stockschläge zu schützen,
Schienen aus Schilfrohr anwendet.

[Illustration: Abb. 26. Ball spielende Matacoindianer. Rio Pilcomayo.]

Die Chacoindianer spielen auch Hasard.

Die Spielmarken sind vier Holzstäbchen (Abb. 27) oder Stücke
Schilfrohr, von denen die eine Seite stets konvex und die andere eben
oder konkav ist. Am Spiele nehmen vier, sechs oder acht Personen teil.
Markör ist ein Unbeteiligter.

Das Hasardspiel ist ein im Chaco stark ausgebreiteter Brauch. Wie
unsere Sportsleute und Spieler viel englische Ausdrücke anwenden, so
wenden auch die Indianer zuweilen internationale, von anderen Stämmen
geliehene Worte an.

Was kann man gewinnen, wenn man mit den Indianern spielt? Wenn man
Glück hat, ein Paar alte Hosen, ein altes Hemd oder irgend etwas, was
die Indianer von den Weißen erhalten haben. Wo der Einfluß der Weißen
unbedeutend ist, spielt man um Halsketten aus Schneckenschalen.

Ich habe mit den Indianern häufig gespielt und stets verloren, weil
die Gegner so schrecklich mogeln. Sagt man etwas über die Mogelei, so
lachen sie. Würde man zornig werden, würden sie einen wahrscheinlich
für dumm halten. Hier heißt es nur verlieren und lernen.

Nicht selten spielen die Chorotis und Ashluslays so, daß sie mit einem
Haufen Stäbchen markieren. Schlägt man vier, darf man vier Stäbchen
nehmen usw.

Spaß macht es, zu sehen wie die Indianer nachrechnen, wer die
meisten Stäbchen erhalten hat. Jeder teilt seine Stäbchen in Haufen
von je zwei. Der eine nimmt nun einen Haufen fort, der andere
einen entsprechenden usw., bis nur noch einer Stäbchen hat. Diese
Subtraktionsmethode ist natürlich sehr primitiv.

[Illustration: Abb. 27. Spielbretter.

Chorotis. ½.]

Fragt man einen Choroti oder Ashluslay nach einem Zahlwort, so kann
er es nur bis drei mit Sicherheit sagen. Es gibt zwar Worte für die
höheren Zahlen, wenigstens bis zehn, er kennt sie aber nicht alle. Der
Indianer zeigt mit den Fingern die Zahl, die er angeben will. Die Zehen
werden nur zu Hilfe genommen, wenn er viele sagen will.

Ist die Kinderzeit des Indianers zu Ende, dann beginnt das zweite
Kapitel in seinem Leben. Dies ist dem Geschlechtsleben gewidmet.

Nach dem Spiel kommt die freie Liebe.


Männer und Frauen.

Das Geschlechtsleben hat schon für das Indianerkind von sechs, sieben
Jahren keine Geheimnisse mehr. Es hat dann schon alles gesehen. Ein
geschlechtlicher Verkehr nicht mannbarer Kinder soll gleichwohl nicht
vorkommen, auch werden die Mädchen vor ihrer ersten Menstruation von
den Müttern gehütet.

Bei den Ashluslays wird diese mit Tanz gefeiert. Um das Mädchen, das
mit bedecktem Gesicht dasteht, tanzen die älteren Frauen mit Stöcken
in der Hand, an die Klappern aus Tierklauen gebunden sind, während die
Männer mit Kalebassen voll harter Körner den Takt dazu schlagen. Bei
den Chorotis kenne ich einen solchen Brauch nicht.

Während der folgenden Menstruationen nehmen die Frauen ungeniert am
Tanze teil und werden in keiner Weise als unrein betrachtet.

Die von allen Choroti- und Ashluslaymännern, manchen Chorotifrauen,
aber keinen Ashluslayfrauen getragenen Ohrenklötze haben mit dem
Eintritt der Mannbarkeit nichts zu tun. Die Ashluslays durchbohren die
Ohren der Kinder, wenn diese drei bis vier Jahre, die Chorotis wenn
sie sieben bis zehn Jahre alt sind. In demselben Alter werden auch die
Ohren der Mädchen durchbohrt.

Der Vater sticht mit einem Kaktusdorn seinen Kindern Ohrlöcher ein.

Wenn die Kinder fünf bis sieben Jahre alt sind, werden sie
tätowiert. Bei den Chorotis sind die Männer in der Regel, die
Frauen stets tätowiert, bei den Ashluslays nur die Frauen. Ich habe
einige Tätowierungen wiedergegeben und gezeigt, wie man nach und
nach tätowiert, indem man bei den Chorotis mit dem Stirnzeichen,
bei den Ashluslays mit den Strichen auf dem Kinn beginnt. In der
Chorotitätowierung kommt in der Ornamentik eine gewisse Variation
vor, bei den Ashluslays ist die Tätowierung ein typisches, konstantes
Stammzeichen, in dem nur die Anzahl der Striche auf dem Kinn schwanken
kann.

[Illustration: Abb. 28. Tätowierung und Gesichtsbemalung. Chorotis. Rio
Pilcomayo.

a = etwa fünfjähriges Mädchen; b = ungefähr siebenjähriges Mädchen;
c = ca. achtzehnjähriges Mädchen; d = Frau; e = Frau; f = etwa
achtzehnjähriges Mädchen; g = Mann; h = Mädchen, dessen Mutter Choroti
und Vater Ashluslay ist; i = Mann. a–e nur tätowierte; f–i tätowierte
und bemalte. Zeichnung = Tätowierung. Lavierung = Gesichtsbemalung.
Diese letztere ist rot.]

[Illustration: Abb. 29 Tätowierung und Gesichtsbemalung. Chorotis,
Ashluslays und Matacos.

a = ca. fünfjähriges Mädchen; b = für die Ashluslayfrauen typische
Stammestätowierung; c–g = Männer; a–g = Ashluslays; a u. b Tätowierung;
c–g = Gesichtsbemalung (Ruß oder vom Verf. erhaltene grüne Farbe); h
= auf der Stirn und unter den Augen tätowiertes, auf den Wangen mit
roter Farbe und Ruß bemaltes Chorotimädchen; i = Matacomann, Crevaux,
tätowiert; j–k = Chorotis; j = Mann; k = Frau. Zeichnung = Tätowierung;
Lavierung = Gesichtsbemalung.]

[Illustration: Abb. 30. Alte Chorotifrau, die den Verf. tätowiert hat.]

Beinahe immer nimmt eine ältere Frau die Tätowierung vor.

Von der hierneben vorgestellten Alten habe ich ein Stirnzeichen auf
meinen Arm tätowieren lassen. Dies geschah in folgender Weise. In der
flachen Hand bereitete die Alte aus Kohle und Speichel schwarze Farbe.
Mit dieser malte sie dann mit einem Stäbchen eine Figur auf meinen Arm
und stach dann mit einigen Kaktusstacheln kräftig in diesen. Nachdem
es fertig war, spuckte sie auf die Wunde und rieb den Speichel mit der
Faust in mein Blut.

Moberg ist auch auf Chorotiart tätowiert. Ich glaube, er hat eine
Musterkarte aller möglichen Tätowierungsfiguren, mit denen die jüngsten
und schönsten Indianermädchen ihn geschmückt haben, auf seinem Körper.

Nach der ersten Menstruation haben die Mädchen ihre vollständige
Freiheit, die sie auch eiligst benutzen.

Die Jugend trifft sich auf der Tanzbahn.

In den größeren Dörfern ist sowohl bei den Chorotis wie bei den
Ashluslays jeden regenfreien Abend Ball, d. h. wenn der Magen nicht
leer ist. Dieser Tanz bildet das ganze Leben der Jugend, um ihn dreht
sich all ihr Interesse. Für ihn malen und schmücken sie sich.

Mehrere Stunden vor dem Ball beginnen die jungen Herren mit ihrer
Toilette. Mit äußerster Sorgfalt kämmen sie sich zuerst das Haar und
ordnen dann die Stirn- und Ohrenlocken. Die Augenbrauen und Augenhaare
werden ausgerissen, ebenso jedes Härchen, das sich auf Kinn oder
Oberlippe herauswagen sollte. Ebenso wird das Haar unter den Armen und
um die Geschlechtsteile entfernt.

Hierauf wird das Gesicht bemalt. Früher mußte man bei dieser wichtigen
Arbeit die Hilfe anderer in Anspruch nehmen. Nachdem der weiße Mann
den Spiegel eingeführt hat, kann man sich selbst malen und sich über
die Wirkung jedes roten, gelben oder schwarzen Striches freuen.
Diese ausgezeichnete Erfindung ermöglicht es den jungen Indianern,
stundenlang in andächtiger Bewunderung ihrer eigenen Schönheit dasitzen
zu können. Die rote Farbe erhält man aus den durch Tausch von den
Chiriguanos erhaltenen Samen eines Busches, Bixa orellana. Die gelbe
Farbe, die selten zur Anwendung kommt, wird durch Kauen einer Wurzel
bereitet. Die schwarze besteht ganz einfach aus Ruß und Speichel.

[Illustration: Tafel 7. Ashluslay-Tänzer.]

[Illustration: Abb. 31. Ashluslaymann.]

Es ist nichts Ungewöhnliches, daß man die Ornamente mit Stempeln
ins Gesicht drückt (Abb. 32). Diese sind als eine primitive Form
der bei den Yuracáreindianern und besonders bei den Stämmen in
Nord-Südamerika gewöhnlichen Stempel zur Vervielfältigung der oft
sehr schönen Ornamente zu betrachten. Den allereinfachsten Stempel,
den ich gesehen habe, beobachtete ich bei einer Tsirakuafrau, über
welche ich weiter unten zu berichten Gelegenheit haben werde. Sie
berußte zuerst die ganze Innenfläche der Hand und zeichnete dann ein
Ornament in den Ruß. Durch Drücken der Hand gegen die Backen bemalte
sie sich mit dem Negativ des aufgezeichneten Ornaments. Nachdem man
sich fertig gemalt hat, ordnet man die Halsketten aus Schneckenschalen
und den Federschmuck. Man prüft die Wirkung der auf verschiedene Weise
gedrehten Halsketten, man freut sich über den flatternden Federschmuck,
man putzt die Ohrenklötze.

Falls es nicht kalt ist, hat der junge Choroti oder Ashluslay so viel
Verstand, daß er sich auf dem Balle nicht mit den von den Weißen direkt
oder indirekt erhaltenen alten Hemden oder Hosen, welche den Chaco
zu überschwemmen drohen, bekleidet. Hauptsächlich die älteren Männer
fangen an, die europäische Kleidung oder richtiger Teile derselben zu
tragen, denn selten ist ein Choroti und noch weniger ein Ashluslay so
reich, daß er einen vollständigen Anzug besitzt. Hat er einen Rock, so
hat er wahrscheinlich keine Hosen, oder umgekehrt.

Die von den Männern angewendete Tracht ist ein Ledergürtel und ein auf
alle mögliche Weise drapierter Mantel aus Schafwolle (s. die Bilder).
An den Füßen tragen sie zuweilen Ledersandalen. Bisweilen haben sie
einen Riemen über die Brust gespannt. Um die Stirn haben die Männer
allerlei Bänder, und manchmal, wenn sie richtig fein sein wollen,
eine mit Schneckenmuscheln besetzte Haube. Andere Schmuckgegenstände
bestehen aus Zähnen, Stroh, Haaren, Glasperlen, Fischschuppen usw.

[Illustration: Abb. 32.

Stempel zur Gesichtsbemalung.

Ashluslay. ½.]

Der junge Indianer versucht auf den Bällen so elegant, so originell
gemalt und geschmückt wie möglich aufzutreten. Jeden Tag malt er sich
auf andere Weise und ordnet seine Schmucksachen verschieden. Er hält
sich jedoch immer innerhalb der von der Mode gesteckten Grenzen, und
eine neue Mode unter diese Menschen zu lancieren, ist keineswegs ein
leichtes. Eine von mir erfundene Gesichtsbemalung wurde z. B. niemals
anerkannt. Ein Glasperlentypus, der ihnen fremd war, erregte ihr
Mißfallen. Sobald man einen der leitenden Elegants bewogen hatte,
eine Sache modern zu machen, wollten bald alle sie haben. Ein paarmal
ist es sowohl mir als Moberg gelungen, auf den Bällen neue Moden zu
lancieren. Besonders Moberg trat auf diesen gewöhnlich wie ein Indianer
gemalt, gekleidet und geschmückt auf und wetteiferte um die Gunst der
braunhäutigen Indianerinnen. Ein Haupt höher als die anderen tanzte er
mit den Chorotis an den Sandufern des Pilcomayo und mit den Ashluslays
auf den offenen Plätzen in ihren Dörfern. Nicht so selten sah man
eine geschmeidige Indianerin hinter dem stattlichen, blonden Schweden
tanzen, ihre Hände auf seinen nackten Rücken legend.

[Illustration: Abb. 33. Chorotielegant.]

Im Gegensatz zu den Negern staffieren sich diese Indianer
niemals in allen möglichen, oder richtiger unmöglichen bunten
Farbenzusammensetzungen aus. Sie haben ja gute Gelegenheit hierzu,
wenn die Weißen mit bunten Tüchern als Tauschwaren zu ihnen kommen.
Die Indianer und Indianerinnen haben in der Regel Geschmack. Infolge
der zu vielen Berührung mit der Zivilisation verschwindet dieser aber.
Niemand putzt sich auch in so schreienden Farben, wie zivilisierte
Indianerinnen und Mestizenfrauen. Die Choroti- und Ashluslayindianer
lieben gleichwohl bunte Farben; am beliebtesten ist Rot. Legt man bei
einem Tauschhandel Bänder in verschiedenen Farben vor, so finden zuerst
die roten Absatz. Rote Taschentücher sind gesucht. Schwarz lieben sie
in der Regel auch. Gewisse Sachen, wie z. B. die Knöpfe für Halsketten,
werden weiß gewünscht, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die
Schneckenhalsperlen, die sie anwenden, dieselbe Farbe haben.

In meinem Notizbuch hatte ich die verschiedenen Grundfarben und mehrere
Schattierungen aufgezeichnet, um zu sehen, wie viele Farben sie
unterscheiden könnten.

Die Chorotis nannten Rot, Rosa, Braun und Hellviolett „Chaté“, Gelb und
Gelbbraun „máhahi“, Blau und Grün „La-sá-se“, Schwarz, Dunkelviolett
und Dunkelgrau „Cho-hua-hí-ni“, Weiß und Hellgrau „La-ma-hí-ni“.

Die Ashluslays nannten Rosa und Rot „Yúk“, Gelb und Weiß „Kóshiash“,
Schwarz „Ya-cút“, Blau = Schwarz, Grün zuweilen = Schwarz und zuweilen
= Gelb, Violett = Schwarz, Braun bald = Schwarz, bald = Rot. Die
Chorotis haben also für fünf Farben Namen, die Ashluslays nur für
drei. Dasselbe Individuum ist oft betreffs des Namens einer Farbe
zweifelhaft. Er nennt einen Namen, sieht noch einmal hin, bereut es und
sagt einen anderen. Aus den beigefügten Photographien sehen wir einige
der zahlreichen verschiedenen Schmucksachen, welche die Choroti- und
Ashluslaymänner tragen. Zuweilen sieht man sie sich auch mit Blumen
schmücken. Die Ashluslays binden das Haar oft vorn zu einer Quaste
mitten auf der Stirn zusammen (Abb. 34). Die Chorotis drehen manchmal
das recht lange Haar mit einem Band zu einem Zopf im Nacken zusammen.
Die Federn, welche die Chorotis und Ashluslays im Stirnband tragen,
pflegen mit einer oder mehreren Kerben als Ornament versehen zu sein.

Wenn die Herren älter, solide, verheiratete Männer werden, so schmücken
sie sich nicht mehr für die Bälle, sondern nur zum Kriege. Diese
älteren Herren vernachlässigen ihre Toilette oft sehr stark und sind
sehr unsauber.

[Illustration: Abb. 34. Ashluslay mit einer mit Schneckenschalen
besetzten Mütze.]

Die Tracht der Frauen besteht aus einem Schurzfell um die Hüften.
Dasselbe wird schon im Alter von drei bis vier Jahren angelegt. Die
jüngeren unverheirateten Chorotimädchen tragen jetzt viel den von den
Weißen eingeführten Tipoy, ein Kleidungsstück, das ursprünglich von den
Chiriguanos kommt. Derselbe verdeckt den Oberkörper vor den lüsternen
Blicken der Christen. Ein Indianermädchen, das nur ein Schurzfell
um die Hüften trägt, gibt sich in der Regel den Weißen nicht hin.
Diejenigen dagegen, welche die „anständige Kleidung“ tragen, sind alle
Prostituierte. Mit Ausnahme der Chorotimädchen, die Weiße zu Freunden
haben, tragen die Mädchen hier sehr wenig Schmucksachen. Irgend eine
einfache Halskette, ein aus Blättern geflochtenes Stirnband, ein
Armband aus Rehbockfell, einige Ringe aus Eidechsenhaut, das ist alles.
Die Frauen tragen niemals Federn. Dagegen sind sie, wie schon bemerkt,
mehr tätowiert als die Männer und nicht selten bemalt.

Das Schurzfell, das die Chorotifrauen um die Hüften tragen, ist aus
hausgewebtem Wollstoff. Die Ashluslayfrauen tragen ein ähnliches
Schurzfell aus Rehbockleder. Diese letzteren haben nicht selten aus
Nutria oder Schaffellen zusammengenähte warme Mäntel von dem Typ, wie
wir ihn nur von den Indianern Patagoniens und des Feuerlandes her
kennen.

Sowohl die Choroti- wie die Ashluslayfrauen entfernen die Haare unter
den Armen und an den Geschlechtsteilen.

Man muß zugeben, daß die Indianer mit ihren Schmucksachen sehr
vorsichtig umgehen. Die Federn werden in Futteralen aus Rohr bewahrt,
die Schmucksachen werden oft auf neue Schnüre gezogen. Sie stopfen die
Löcher ihrer Kleider. Es gibt ältere Frauen, deren Schurzfell beinahe
nur aus gestopften Löchern besteht. Lohnt es sich nicht mehr, die
Löcher zu stopfen, so begnügt man sich damit, sie zu besetzen. Sie
sind auch um ihre Kleider besorgt und wenden, wenn sie, was selten der
Fall ist, Kleider zum Wechseln haben, bei der Arbeit die schlechtesten
Lumpen an. Die Ashluslays habe ich niemals ihre Kleider waschen sehen,
die Chorotis nur, wenn sie es von den Weißen gelernt haben.

[Illustration: Tafel 8. Tanzende Ashluslaymänner.]

Baden des Badens wegen geschieht nur, wenn es sehr heiß ist. Der
Fischfang zwingt indessen die Männer, viel im Wasser zu sein. Die
Kinder spielen ebenfalls oft im Wasser und bleiben auf diese Weise
rein. Die jüngsten Kinder werden von den Müttern gewaschen, wenn sie
zum Flusse gehen.

Juckt es, so reicht man das Tier einem Verwandten oder Bekannten,
der es aufißt. Moberg und ich hatten, wenn wir in den Indianerhütten
verkehrten, auch zuweilen Läuse. Unsere Indianerfreunde waren doch
stets, wenn es nötig war, so liebenswürdig, sie zu essen.

Die Chorotimädchen schmieren ihren Körper oft mit Fischfett ein, was
ihnen einen unangenehmen Geruch verleiht. Sie selbst sind sicher
anderer Ansicht. Sie finden, daß wir Weißen einen Kuhgeruch an uns
haben.

Die Eleganz der Männer erreichen die Indianermädchen niemals. Sie
können sich jedenfalls freuen, daß die „Herren der Schöpfung“, wohl
in erster Reihe ihretwegen, mehrere Stunden täglich auf ihre Toilette
anwenden.

Um den Tanz dreht sich, wie erwähnt, das ganze Interesse der jungen
Männer und der jungen Mädchen. Geht die Sonne unter, so fängt er an.

Die Männer tanzen im Kreise oder in einer Reihe und singen den Takt,
z. B. Táe-a-sa-lé, Táe-a-sa-lé.

Je nach dem Takt wird langsam oder schnell getanzt. Musik ist
auf diesen Bällen unbekannt. Die hierbei gesungenen Lieder sind
unübersetzliche Kehrreime, die oft international sind, d. h. von
mehreren Stämmen angewendet werden.

[Illustration: Abb. 35.

Junger Chorotimann am Alltag.]

Hinter den Männern tanzen die Mädchen.

Bei den Chorotiindianern ergreift das Mädchen die Initiative zu den
Liebesabenteuern. Sie führt den jungen Herrn, den sie zum Liebhaber für
die Nacht wünscht, ganz einfach fort vom Balle.

Stattlich nehmen sich die Tänze aus, wenn der Mond oder ein Feuer
aus Pampasgras die Körper beleuchtet. Bis zu hundert Männer habe ich
in demselben Ringe tanzen sehen. Zuweilen tanzten sie ganz langsam,
zuweilen in schwindelnder Fahrt, so daß der Staub hochwirbelte,
und alles, was man sah, ein Wirrwarr von Körpern und flatternden
Straußenfedern war.

Gesang und Gelächter ertönte auf der Tanzbahn.

Die älteren Mädchen tanzten hinter ihren Liebhabern, die jüngsten
schlichen hier und da heran, um einen Augenblick hinter einem
wohlgebildeten männlichen Körper zu tanzen und gleich darauf, lüstern
aber ängstlich, hinter Büschen und Sträuchern zu verschwinden. Beinahe
stets war die Anzahl der Männer größer als die der Frauen, und
glücklich der Mann, der geraubt und verführt wurde.

Musik ist, wie gesagt, bei diesen Bällen unbekannt. Beinahe jeder
tanzende Indianer trägt zwar eine Pfeife (Abb. 36), man pfeift
aber nicht den Takt zum Tanz. Bei diesen Indianern findet man auch
nur wenige Musikinstrumente. Von Saiteninstrumenten kommt nur der
Musikbogen von dem von den Araukaniern her bekannten Typ vor.[26] Die
Flöten sind sehr schlecht und vielleicht geradezu Imitationen von
den Chiriguanos. Die besonders von den Chiriguanos bekannte Pfeife,
auf welcher man wie auf einen Schlüssel pfeift, habe ich bei den
Ashluslays nur als eine Seltenheit gesehen. Von Trommeln kennt man
nur die primitive Tongefäßtrommel (Abb. 57). Diese besteht aus einem
gewöhnlichen irdenen, halb mit Wasser gefüllten Topf, über den ein Fell
gespannt ist. Als Trommelstock wird ein Holzstab, und zwar immer nur
einer angewendet.

Auch mitten am Tage kann es einem warmblütigen Chorotimädchen
einfallen, als Verführerin aufzutreten. Aus meinem Lager zog einmal ein
solches Mädchen, unbekümmert um allen Scherz und alle Anzüglichkeiten,
mit einem glückstrahlenden Ashluslay in den Wald. Es ist nichts
Ungewöhnliches, daß die Mädchen in den Chorotidörfern sich etwas
abseits vom Dorfe eine besondere Hütte bauen, wo sie Herrenbesuche
entgegennehmen.

[Illustration: Abb. 36.

a Pfeife. Choroti. ¹⁄₁.

b Durchschnitt derselben.]

Die Männer scheinen sich wenig um das Aussehen der Mädchen zu kümmern.
Um ihren Geschmack zu erfahren, habe ich sie oft gefragt, welches
Mädchen sie für die hübscheste hielten. Mit dem gewöhnlichen Takt
der Indianer antworteten sie immer ausweichend. Die Männer kommen
niemals um Frauen in Schlägerei. Dagegen herrscht bei den Frauen
die Eifersucht. Mit Boxhandschuhen aus Tapirhaut (Abb. 37) oder
einem anderen harten Material und schlimmstenfalls mit Pfriemen aus
Knochen kämpfen sie um den begehrten Mann. Es scheint mir, als ob die
Indianerfrauen sich mehr durch die Schönheit des Gesichts als des
Körpers angezogen fühlten. Unter den Chorotimännern beobachtete ich
besonders zwei, welche die Günstlinge der Frauen zu sein schienen.
Nach meinen Begriffen sahen sie sehr gut aus. Diese Herren hatten
stets an den Händen und im Gesicht Kratzwunden. Das sind Erinnerungen
an zärtliche Neckereien. Ein Choroti- oder Ashluslaymädchen küßt
niemals den Geliebten, sie kratzt ihn und speit ihm ins Gesicht. Die
Chorotifrau sucht sich nach ihrer ersten Menstruation einen Mann aus,
der einige Monate lang ihr Liebhaber ist, dann wechselt sie und lebt
einige Jahre in Freuden. Schließlich wählt sie ihren Begleiter fürs
ganze Leben und wird eine treue und sehr arbeitsame Frau.

Bei den Ashluslays sind die Verhältnisse ebenso frei wie bei den
Chorotis, nur, wie mir scheint, etwas primitiver. Nach dem Tanze gehen
Mädchen und junge Männer getrennt nach Hause. Die ersteren legen sich
vor die Hütten, wo sie der Reihe nach von den letzteren besucht werden.
Das sog. Schamgefühl scheint wenig entwickelt zu sein, mehrere Paare
liegen zusammen, und Zuschauer sind nicht ungewöhnlich. Auch diese
Mädchen werden, nachdem die Periode der freien Liebe zu Ende ist, gute
und tüchtige Hausfrauen.

Die Choroti- wie auch wahrscheinlich die Ashluslaymädchen haben keine
Kinder vor der Ehe. Dies wird, wie schon erwähnt, durch Abtreibung der
Leibesfrucht und Kindesmord geordnet.

Der Leser des Obenstehenden meint wahrscheinlich, daß die „Moral“ unter
meinen Pilcomayofreunden nicht hoch stehe. Ich will jedoch darauf
hinweisen, daß die Chorotis und Ashluslays, trotz der vollständig
freien Liebe in der Jugend, gesunde und kräftige Menschen sind, und
daß diese Mädchen, die alle von Blume zu Blume geflogen sind, wenn
sie einen eigenen Hausstand gründen, gesunde, wohlgestaltete Kinder
bekommen. Durch die von den Weißen eingeführten Geschlechtskrankheiten
degenerieren diese Stämme indessen und gehen unter. Die freie Liebe
ist für diese Menschen etwas ganz Natürliches; daß in diesem sog.
unmoralischen Leben etwas Unrechtes liegt, ist den Indianern und
Indianerinnen vollständig unbekannt. Wir dürfen nicht glauben, daß
diese Mädchen, die jede oder jede zweite Nacht ihren Liebhaber
wechseln, irgendwie schlechter sind, als wenn sie unberührt wären. Sie
sind gut und arbeitsam und werden, wie gesagt, tüchtige Hausfrauen und
gute Mütter. Das Leben, das sie führen, ist für sie wie für ihre Eltern
und anderen Verwandten etwas ganz Natürliches.

[Illustration: Abb. 37. Boxhandschuh. Ashluslay. ½.]

Die Chorotifrau wählt sich ihren Begleiter fürs Leben aus. Wie sie
bei den Liebesabenteuern die Verführerin ist, so ergreift sie auch zu
der festen Verbindung, in welcher sie Kinder zu bekommen gedenkt, die
Initiative. Wie es in dieser Beziehung bei den Ashluslays ist, ist mir
unbekannt.

In der Regel nimmt die Chorotifrau ihren Mann aus einem anderen Dorfe,
doch kommen auch Ehen zwischen Individuen desselben Dorfes vor. Ehen
zwischen Chorotis und Ashluslays sind in dem Grenzgebiet zwischen den
beiden Stämmen, gleichwie auch zwischen Mataco-Notén und Chorotis und
Mataco-Guisnays und Ashluslays nicht ungewöhnlich. In der Ehe zwischen
Ashluslays und Chorotis folgen die Mädchen der Tätowierung der Frauen,
die Knaben der der Männer.

Der Chorotimann zieht, wenn er sich verheiratet hat, nach dem Dorfe
seiner Frau und wohnt dort wenigstens einige Zeit.

Vielweiberei scheint sowohl bei den Chorotis wie bei den Ashluslays
unbekannt zu sein. Geschwister- und Cousinehe ist verboten. Die Frau
ist in der Regel einige Jahre jünger als der Mann. Nur einmal hörte
ich von einer aufgelösten Ehe. Es war die meines Chorotifreundes
Nyato, dessen Frau sich kurz vorher mit einem anderen Manne nach
den Zuckerfabriken in Argentinien begeben hatte. Nyato war sehr
melancholisch, aber doch schon wieder verheiratet.

Verschiedene Reiseschilderer[27] malen die Stellung der verheirateten
Frau bei den Indianern als sehr beklagenswert aus. Dies rührt sicher
in den meisten Fällen von einer oberflächlichen Beobachtung her. Man
hat den nur seine Waffen tragenden Mann in Begleitung seiner mit dem
ganzen Mobiliar beladenen Frau lange Wanderungen machen sehen und ist
über die ungerechte Behandlung der Frau empört. Dies ist jedoch ganz
natürlich und gerecht. Der Mann trägt die Waffen und keine andere Last,
um bereit zu sein, die Seinigen zu verteidigen und zu jagen, wenn sich
Gelegenheit bietet. Richtig ist, daß die Choroti- und Ashluslayfrauen
hart arbeiten müssen, sie werden aber nicht schlecht behandelt. Die
Männer helfen ihnen in vielem. Viele der von den Frauen angewendeten
Werkzeuge werden von den Männern verfertigt. Ihnen gehören alle Geräte,
Kleider usw., die sie anwenden, und die Männer respektieren ihr
Besitzrecht. Macht der Mann ein Tauschgeschäft, wird die Frau oft um
Rat gefragt.

Ich war einmal mit einem Chorotiindianer übereingekommen, mir gegen
ein Waldmesser einen Matacoskalp, den er besaß, einzutauschen. Das
Geschäft war schon geregelt, da kam seine Frau hinzu. Sie verbot den
Tausch ganz einfach. Schließlich bot ich für den Skalp ein Pferd, aber
es half nichts. Die Alte war eigensinnig, und der Mann stand unter
„der Sandale“. Man sollte wirklich meinen, daß der Mann über eine
Kriegstrophäe, die er selbst erworben, auch zu verfügen habe.

Die Frau repräsentiert das arbeitende Element im Stamme, sie ist aber
keine Sklavin. Vollkommen freiwillig arbeitet sie fleißig für den
Unterhalt ihrer Familie.

An den großen Trinkgelagen, die ich späterhin besprechen werde, nehmen
sowohl Chiriguanofrauen als -männer teil. Die letzteren nehmen jedoch
den Ehrenplatz ein. Die Choroti- und Ashluslaymänner vertrinken
alles allein. Bei allen diesen Indianern essen Frauen und Männer
nicht gemeinsam. Man hat auch an das zu denken, was wir betreffend
des Geschlechtslebens der verschiedenen Stämme kennen gelernt
haben. Die Chorotifrau wählt sich ihren Begleiter durchs Leben, bei
den Chiriguanos ergreift der Mann die Initiative. Die Chorotifrau
wählt sich einen Mann, um für und mit ihm zu arbeiten, während
die Chiriguanofrau gemeinsam mit dem Manne für das Haus arbeitet.
Verheiratet sich ein Chorotimädchen, so ist sie schon etwas verblüht.
Der Chiriguanoindianer nimmt ein unberührtes Mädchen zur Frau. Für die
Chorotifrau beginnt mit der Heirat die dritte Periode ihres Lebens, die
Arbeitsperiode, die Chiriguanofrau hat, wenn sie sich verheiratet, noch
ihre Jugend und kann ihrem Mann noch gefallen. Wir sehen somit, daß die
Stellung der Frau eine bessere ist, wenn die Männer werben, als wenn
sie es selbst tut.

Die verheirateten Frauen nehmen niemals am Tanz teil, die verheirateten
Männer höchst selten. Wenn die letzteren tanzen, tun sie es in fremden
Dörfern und vielleicht, ohne daß die Frau etwas davon weiß. Die
verheiratete Frau betrügt ihren Mann in der Regel nicht, auf die Treue
des Mannes kann sie sich jedoch nicht allzusehr verlassen. Hat er eine
Geliebte, und bekommt die Frau sie in ihre Hände, dann entsteht eine
Schlägerei, und oft eine blutige.

Die Indianerfrau gebiert leicht und geht schnell, oft schon nach
einem Tage, wieder an ihre Arbeit. Eine ältere Frau übernimmt die
Rolle der Hebamme. Bei den Chorotis kommt, wie bei vielen anderen
Indianerstämmen, der Brauch vor, daß der Vater des Kindes im Wochenbett
liegt und Diät hält.

Die Chorotis haben in der Regel nur zwei bis vier Kinder, die
Ashluslays scheinen etwas mehr zu haben. Zwillinge habe ich niemals
bei den Indianern gesehen. Keine dieser Indianerfrauen schafft sich
ein neues Kind, bevor das vorhergehende herumlaufen kann und ihr
nicht allzusehr zur Last fällt. Für diese Indianer, die umfassende
Wanderungen vornehmen, ist es nicht ratsam, daß jede Frau mehr als
ein Kind hat, das beständig getragen werden muß. Das Zwei- bis
Dreikindersystem ist deshalb hier ein gesunder und natürlicher Brauch.

Die Kinder bekommen in der Regel erst Namen, wenn sie alt genug sind,
um darauf zu hören. Einige Chorotinamen habe ich aufgezeichnet,
z. B. für Männer Yóselianéc (Fuchstöter), Hótenic (Mataco), Éstiáhua
(Charata, ein Hühnervogel), und für Frauen Häku (nicht süß), Kósoki
(mit Ausschlag), Aséshnialo (viele Frauen).

Die Frau repräsentiert hier, wie ich gesagt habe, das fleißigste
Element des Gemeinwesens. Auf ihr Los kommt vor allem das meiste der
Arbeit innerhalb des Dorfes. Die Frau führt bei diesen Indianern
beinahe alle die Arbeit aus, die Kunstfertigkeit und Geduld erfordert.
Sie bindet die stilvollen Taschen aus Caraguatáfasern (Abb. 48), webt
(Abb. 52) und macht Tongefäße (Abb. 54), alles das, was Handfertigkeit
erheischt. Nur in der Holzarbeit zeigt der Mann Proben seiner
Arbeitstauglichkeit. Der Mann hat hier die Industrie übernommen, zu
welcher die schneidenden Werkzeuge, welche er früher von den auf der
Jagd und beim Fischfang von ihm getöteten Tieren erhielt, erforderlich
sind, und er ist auch im Besitze der oft wenigen eisernen Messer, die
im Stamme vorhanden sind und die er von den Weißen erhalten hat. In
abgelegenen Dörfern im Chaco leben die Frauen noch oft im „Holzalter“
und wenden Werkzeuge aus hartem Holze an, während die Männer Messer aus
Eisen haben.

Die Wetzsteine, die man im inneren Chaco im Besitze der Indianer
findet, sind alle von weit her und sind sicher durch Handel zwischen
den Stämmen nach dem Chaco gekommen. In früheren Zeiten waren die
Steine sicher kostbar und die Steingeräte selten. Vielleicht haben sie
niemals Steinwerkzeuge gehabt. Ich habe in keinem Dorfe eine Steinaxt
gesehen und niemals gehört, daß bei den Chorotis oder Ashluslays solche
gefunden worden sind. Harte Hölzer und Knochen, aus denen Werkzeuge
gemacht werden können, gibt es dagegen in reicher Fülle. Noch sieht
man auch, wie schon erwähnt, besonders bei den Ashluslays viele solche
primitive Werkzeuge und Geräte im Gebrauch (Abb. 17). Die Holzgeräte
sind beinahe alle aus Palosanto[28][29], einem sehr harten, schweren
und wohlriechenden Holze. Um diese Geräte herzustellen, sucht man an
den Stellen, wo der Wald niedergebrannt ist und viel getrocknetes Holz
auf der Erde liegt, Stücke von geeigneter Form und Größe aus. Nach der
Angabe eines alten Ashluslayhäuptlings, Mentisa, wurden die Holzgeräte
früher mit Holz, Muschelschalen und Feuer bearbeitet. Steingeräte
kannte er nicht. Die Mörtel brennen die Ashluslays noch aus. Außer
primitiven Gerätschaften aus Holz sieht man auch solche aus Zähnen,
Knochen und Muschelschalen.

Der Mangel an Steinen ist bei den Ashluslays so groß, daß man sie
ihre von den Weißen erhaltenen Messer sehr oft an den Blättern der
Holzspaten schleifen sieht. Deshalb ist auch die eine Seite der Spaten
gewöhnlich vollständig glattpoliert.

In diesem primitiven Gemeinwesen ist die Arbeitsverteilung zwischen
den Geschlechtern äußerst streng durchgeführt. Es kann niemals die
Rede davon sein, daß ein Mann z. B. ein Tongefäß formt oder eine
Frau einen Spaten schnitzt. Das wäre ganz einfach unerhört. Jedes
Geschlecht stellt indessen nicht alles her, was es anwendet. So sind
die Mäntel und Taschen der Männer von den Frauen gearbeitet, während
die Holzwerkzeuge, die die Frauen benutzen, von den Männern geschnitzt
werden.


Arbeitsverteilung zwischen Männern und Frauen.

                         Männer  Frauen

  Fischfang                 +      +[30]

  Jagd                      +

  Einsammeln  von
  Honig                     +      ?

  Netzstricken              +

  Mattenbinden                     +[31]

  Federarbeit               +

  Landbau (Jäten des
  Ackers)                   +      +

  Säen                      +      +

  Ernten                    +      +

  Kochen                    +[32]  +

  Holztragen                       +

  Bereitung berauschender
  Getränke                  +[33]  +

  Keramik                          +

  Holzarbeiten              +

  Herstellung von Taschen
  aus Caraguatá                    +

  Lederarbeiten             +      +

  Waffenanfertigung         +

  Schneiden von
  Kalebassen                +

  Hausbau                   +

  Weben, Bänderflechten.          +

  Einsammeln wilder
  Früchte                         +

  Viehzucht                       +

  Nähen                     +     +

Die Ashluslay- und Chorotistämme sind sozial insofern gleichgestellt,
als ein Chorotimädchen ein Liebesverhältnis mit einem Ashluslaymann,
und eine Ashluslayfrau ein solches mit einem Chorotimann haben kann.
Anders verhält es sich z. B. zwischen Chorotis und Chiriguanos.
Chiriguanoindianer haben sehr häufig zufällige Verbindungen mit
Chorotimädchen, wenn sie sich auf einem gemeinsamen Arbeitsplatz
treffen; daß eine Chiriguanoindianerin sich einem Chorotiindianer
hingäbe, ist dagegen undenkbar. Die Chiriguanos sehen auf die anderen
Chacostämme herab, und diese bewundern ihrerseits die Chiriguanos.

[Illustration: Tafel 9. Chorotifrau mit eingesammelten wilden Früchten
und Holz auf dem Heimweg.]

Wie bei mehreren anderen Volksstämmen, wo die freie Liebe blüht, hat
sich diese Institution bei den Chorotis und anderen Chacostämmen zur
Prostitution entwickelt, wenn der Stamm mit den Weißen in Berührung
kam. So schicken die in dieser Beziehung den Chorotis moralisch
gleichstehenden Tobas Gruppen junger Mädchen unter Leitung einer
älteren Frau nach Argentinien. Die Matacos sagten offen, am besten
verdienten in den Fabriken die jungen Mädchen. Die Chorotimädchen
verkauften sich an die Weißen für ca. 50 Centavos oder vier Ellen
Zeug. Die bolivianischen Soldaten bekamen sie für ein Stück Brot. Die
jüngsten Mädchen hielten sich in der Regel ausschließlich an die jungen
Indianer und mischten sich wenig mit den Weißen. Die verheirateten
Frauen hatten niemals Verbindungen mit den Weißen. Bei den Ashluslays
hat das Verderben 1909 noch wenig Eingang gefunden.

Von älteren unverheirateten Mädchen habe ich bei den Chacoindianern
nie reden hören. Dagegen wurde mir bei den Chorotis als große
Merkwürdigkeit ein Mann gezeigt, der niemals eine Frau gehabt hatte.

[Illustration: Abb. 38. Tongefäß. Ashluslay. ⅓.]


Fußnoten:

[24] Dicholophus Burmeisteri.

[25] Das Schwirrholz besteht aus einer ovalen Holzscheibe, an die man
eine Schnur gebunden hat.

[26] Lehmann-Nitsche. Patagonische Gesänge und Musikbogen. Anthrop. Bd.
III. 1908. Siehe auch weiterhin in diesem Buche.

[27] Eine richtige Auffassung der Stellung der Frau im indianischen
Gemeinwesen hat Koch-Grünberg in seiner ausgezeichneten Schilderung des
Indianerlebens am Rio Negro gegeben. Zwei Jahre unter den Indianern.
Berlin 1909.

[28] Bulnesia Sarmienti.

[29] Infolge der Armut an Steingeräten wäre das archäologische Studium
eines Volkes, das auf seinen Begräbnisplätzen nicht mehr hinterlassen
hat, als die Chacovölker, eine sehr undankbare Aufgabe. Wenige
Tonscherben, Schneckenschalen und knöcherne Pfriemen sind alles, was
man finden könnte. Sie legen sehr wenig Beigaben in die Gräber. Die
Völker, die auf demselben Standpunkt wie die Chacovölker gestanden und
unter ähnlichen Verhältnissen gelebt haben, können wir niemals durch
archäologische Forschungen näher kennen zu lernen hoffen.

[30] Mit Körben bei den Ashluslays.

[31] Nur bei den Ashluslays.

[32] Rösten der Nahrung.

[33] Nur Gären.




+Sechstes Kapitel.+

=Unter den Indianern am Rio Pilcomayo= (Fortsetzung).


Trinkgelage.

Man könnte beinahe sagen, daß das Leben für den Choroti- und
Ashluslayindianer aus drei Perioden besteht. Die erste ist dem Spiele,
die zweite der Liebe und die dritte dem Trinken geweiht. Der Mann hat
ja auch einige Zeit der Versorgung seiner Familie zu widmen, aber am
meisten interessieren ihn, wenn er älter ist, die Trinkgelage. Die
Frauen bereiten die berauschenden Getränke zu und verwenden darauf
einen außerordentlichen Fleiß. Den ganzen Tag streifen sie umher, um
die Früchte, aus denen jene bereitet werden, zu sammeln, zu mahlen,
zu kochen usw., und gleichwohl sind sie von den Festen vollständig
ausgeschlossen. Das einzige, womit der Mann sich befaßt, ist die
Gärung. Diese ist der Gegenstand einer geradezu religiösen Sorgfalt.

Die geistigen Getränke werden aus Tusca, Algarrobo, Chañar,
Wassermelone und Mais bereitet. Alle diese, mit Ausnahme solcher
aus Wassermelonen, habe ich gekostet. Sie sind, außer dem aus der
Algarrobo bereiteten, der infolge des großen Zuckergehalts der Frucht
außerordentlich alkoholreich ist, ziemlich unschuldig. Im November und
Dezember, wo die Algarrobofrucht reif ist, finden auch in den Choroti-
und Ashluslaydörfern wilde Zechgelage, tägliche Orgien statt, an denen
der arme Ethnograph, falls er mit den Indianern auf gutem Fuß zu stehen
wünscht, teilzunehmen gezwungen ist.

[Illustration: Abb. 39. Ashluslay mit einer Kalebasse Algarrobobier.]

Das Tuscabier wird so zubereitet, daß man die Frucht mahlt, Wasser
hinzusetzt und das Ganze dann in einer schmutzigen Haut oder in großen
Kalebassen gären läßt. Eines Nachts war ich mit dabei, als in einem
Chorotidorf das Tuscabier gegoren wurde. Dies begann damit, daß zwei
Männer im Männerhaus, den Rücken einander zugewendet, um das Feuer
herumsaßen und sangen und den Takt mit den Kalebaßklappern angaben.
Etwas später setzte man sich um die Haut, in welcher man das Bier zu
gären begann. Ein Mann und ein Jüngling sangen, von einer Klapper
akkompagniert, das Gesicht dem Monde zugekehrt. Hier und da johlten
und klapperten andere Männer. Hierauf wurde die Tongefäßtrommel
herbeigeholt und auf einen Strohring gestellt. Mit eintönigen Schlägen
begleitete man den Gesang. Mitten in der Nacht wurde er unterbrochen
und man lief nach dem Fluß und fischte mit ganz gutem Erfolg. Die
Fische wurden geröstet und verzehrt. Nachdem das Nachtmahl gehalten
war, begann wieder der Gesang und wurde mit einer Trommel und vier
Klappern fortgesetzt. Die Gesänge kamen mir wie bloße Refrains vor:
Höö, höö, höö, höö, la e la, höö, la e la ... höö, höö, la e la. Man
sang erst leise, dann plötzlich ansteigend und wieder abfallend.
Mehrere johlten unisono. Ruhte die eine Gruppe, so begann eine andere.
Des Morgens wurde wieder gefischt und zum Frühstück das mit so großer
Sorgfalt zubereitete Tuscabier getrunken, das, nachdem es durch eine
schmutzige Tasche geseiht worden war, in Kalebaßschalen gereicht wurde.
Die Choroti glauben durch Singen die Gärung zu beschleunigen.

Das Tuscabier hat einen säuerlichen, erfrischenden Geschmack, aber
einen ekelhaften Geruch.

Die Chañarfrüchte kocht man und läßt sodann die ganze Suppe gären.

Die Algarrobofrüchte werden gemahlen und in Wasser gewärmt, worauf man
sie, wie die vorhergehenden, in großen schmutzigen Kalebassen oder
in gewaltigen Holzmulden aus Flaschenbaumholz[34] gären läßt. Die
Ashluslays habe ich die Hefe in der Weise bereiten sehen, daß sie einen
Teil des gemahlenen Algarrobo kauen und dann zu dem übrigen hinspeien.
Das Chañarbier hat einen süßsäuerlichen, etwas ekligen Geschmack, das
Algarrobobier ist gut. Es hat einen süßen, etwas zusammenziehenden
Geschmack. Hat es zu lange gegoren, so ist es stark berauschend. Wie
das Maisbier zubereitet wird, habe ich nicht gesehen. Es ist bei
einer Menge Indianerstämme in Südamerika gut bekannt. Es hat einen
erfrischenden, angenehmen Geschmack.

Bei den Ashluslays habe ich an verschiedenen großen, bei den
Chorotis an einigen kleineren Trinkgelagen teilgenommen. Es war
interessant, hat aber einige Selbstüberwindung gekostet. In den
Dörfern befindet sich gewöhnlich ein den Trinkgelagen geweihter
Platz. Um die Mittagszeit versammeln sich dort die Männer, jeder
kommt mit seiner Sitzmatte und seiner zwei bis drei Liter haltenden
Kalebaßschale. Die Frauen schaffen gewaltige Kalebassen mit Bier
herbei. Dies wird zuweilen in ein großes Tongefäß (Abb. 40) gefüllt,
aus dem es dann dargereicht wird. Bei einem Fest bei dem alten Aslú
wurde das Algarrobobier in einem echt europäischen Nachtgeschirr von
wohlbekannter Form herumgereicht. Die Alten fischen mit den Händen
den Staub aus dem Bier, das sie dann zwischen den schmutzigen Fingern
durchseihen.

[Illustration: Abb. 40. „Bowle“, aus einem Ashluslaydorf. ¹⁄₁₂.]

Der Gast wird, besonders wenn er das Unglück hat, beliebt zu sein,
sehr gut behandelt. Er erhält eine Sitzmatte und eine zwei bis drei
Liter enthaltende Kalebasse. Setzt er sich, winken ihm alle mit der
Hand zu, und er muß das gleiche tun. Das ist ein Gruß. Dann heißt es
trinken, denn hier gilt es auszutrinken, sonst ist man unhöflich.
Ist es einem gelungen, seinen Liter herunterzubekommen, ohne sich zu
übergeben, dann beginnt wieder das Winken. Die in der Nähe sitzenden
Alten wischen einem nun, der eine nach dem anderen, immer mit ihren
schmutzigen Fingern den Mund. Das ist der Gipfel der Freundlichkeit.
Muß man nach allem diesem einmal austreten, dann darf man keinesfalls
vergessen, seinen Nachbarn mit der Hand zuzuwinken und „paa“ zu sagen,
denn sonst ist man ungezogen. Das schlimmste ist, daß man zurückkommen
und aushalten muß, bis das Fest aus ist, bis die Wirte betrunken sind
und heulen, Reden halten, in die Bowle spucken und sonst ihr Vergnügen
haben. Ohne die Pfeifenspitze abzuwischen, muß man ruhig mit alten,
schmutzigen, geifernden Greisen abwechselnd rauchen.

Als die Alten richtig in Stimmung gekommen waren, haben sie mir das
Gesicht mit Ruß und Speichel schwarz bemalt. Meine Augenbrauen und
Augenhaare wollten sie ausreißen, sie verspotteten mich wegen meines
langen, häßlichen Bartes, in meine Ohren wollten sie Löcher bohren.

Bei diesen Trinkgelagen, wo alle betrunken sind, habe ich niemals ein
hartes Wort sagen hören, niemals bemerkt, daß die geringste Zänkerei
entstanden ist. Ist der Indianer von seinem selbstgebrauten Bier
betrunken, so ist er nicht angenehm, er wird aber niemals unverschämt,
er gehört zu dem Typ Betrunkener, die alle umarmen wollen, deren
Freundlichkeit unangenehm übertrieben ist. Er wird mutig und prahlt mit
seinen Kriegertaten. Feldzugspläne werden besprochen, die vergessen
sind, wenn der Rausch vorüber ist. Er singt und ist heiter.

Will man das Herz dieser Indianer gewinnen, so muß man versuchen, ihr
Leben zu leben, alles zu essen und zu trinken, was einem angeboten
wird, mit ihnen zu tanzen und zu singen, sich ins Gesicht speien zu
lassen und so wie sie gekleidet zu gehen.

Man muß auch, ebenso wie wenn man unter weißen Menschen ist, taktvoll
und rücksichtsvoll auftreten, wie die Indianer selbst. So manches
Mal habe ich Beispiele von dem taktvollen Auftreten der Indianer
gesehen. Nach einem großen Fischzug, den einige Ashluslays und Chorotis
gemeinschaftlich vorgenommen hatten, kam ich mit einigen Chorotis
vorbei. Ich tauschte mir bei den Indianern zwei Arten Fische ein, eine
dritte bekamen meine Begleiter als Geschenk. Ich ließ meine Freunde
durch den Dolmetscher fragen, welche Art Fische die beste sei, dieser
wollte aber, offenbar um den Geber nicht zu verletzen, der einen
weniger guten Fisch geschenkt hatte, meine Frage nicht beantworten.

Der Branntwein ist bei den Ashluslays noch unbekannt, und auch die
Chorotis haben selten Gelegenheit, solchen zu trinken. Das kommt
aber wohl noch, dafür sorgen schon allmählich die Weißen. Auf der
argentinischen Seite des Rio Pilcomayo gibt es schon genug Feuerwasser
und ein auserlesenes Gesindel Weiße. Die Bolivianer, die den Rio
Pilcomayo hinuntergedrungen sind, sind dagegen in der Regel anständige
Menschen.

[Illustration: Abb. 41. Pfeifenkopf. Ashluslay.]

[Illustration: Abb. 42. Pfeifenkopf. Ashluslay. ½.]

[Illustration: Abb. 43. Pfeifenkopf. Ashluslay. ¼.]


Das Tabakrauchen.

Man sagt ja, keine Mauer sei so hoch, daß nicht ein goldbeladener
Esel hinüberkomme. Mit einem mit Tabak beladenen Esel kommt man im
Chaco beinahe überall durch, auch in Gegenden, wo das Gold als wertlos
betrachtet wird. Teilt man in den Dörfern etwas Tabak aus, wird man gut
aufgenommen und kann Essen und alles, was man braucht, eintauschen.
Ein großer Tabakvorrat ist das Akkreditiv, das jeder, der unter den
Indianern des Chacos reisen will, mithaben muß. Die Indianer sind
in so hohem Grade passionierte Raucher, daß ein alter, verdorbener
weißer Tabakraucher darüber in Staunen geraten muß. So boten mir die
Mataco-Guisnay am Rio Pilcomayo für ein bißchen Tabak ihre Messer, ihre
unentbehrlichen Messer an. In jedem Indianerdorf im Chaco, in das ich
gekommen bin, habe ich auch reichlich Tabak ausgeteilt und damit einen
sicheren Grund zur Freundschaft gelegt.

Es ist merkwürdig, daß die Indianer so eifrig hinter dem Tabak her
sind, da sie doch selbst solchen bauen. Man braucht indessen ihren
Tabak nur zu versuchen, um zu verstehen, daß sie lieber den des weißen
Mannes rauchen, denn ihr eigener ist geschmacklos und schlecht. Sie
verstehen offenbar nicht, ihn aufzubewahren, sondern lassen ihn
vermodern, so daß er wie Kompost aussieht. Die Chacoindianer wollen
starken Tabak. Sie sind alle Pfeifenraucher, und man sieht im Chaco
einen großen Reichtum an Pfeifentypen.

Die Frauen rauchen in der Regel nicht. Eine Ausnahme bilden jedoch die
Chorotimädchen, die viel mit Weißen gelebt haben. Schenkt man einer
Frau Tabak, so gibt sie das Erhaltene ihrem Manne. Die Knaben sind,
wenn sie über Tabak kommen, große Raucher. Oft sieht man Knaben von
vier bis fünf Jahren mit Wohlbehagen qualmen.

Die Indianer rauchen, wie schon erwähnt, immer abwechselnd, d. h. die
Pfeife geht von Mund zu Mund. Jeder tut ein paar kräftige Züge und dann
geht die Pfeife weiter zum nächsten Mann. Manchmal ist es mir passiert,
daß ein Indianer mir die Pfeife oder Zigarette aus dem Mund genommen,
einige Züge getan und sie mir dann wieder in den Mund gesteckt hat. Man
gewöhnt sich so sehr an diese Sitte, daß man sich förmlich geniert,
so geizig zu sein, allein zu rauchen. In der Regel reichte ich meine
Pfeife nach ein paar Zügen einem Indianer, um sie dann, wenn sie die
Reihe entlang gegangen war, ausgeraucht zurückzubekommen. Die Chorotis
im Chaco mischen den Tabak oft mit Spänen einer außerordentlich
wohlriechenden Rinde, was dem Rauch einen sehr pikanten Geschmack gibt.
Diese Rinde erhalten sie von den bei Caiza, nahe den letzten Ausläufern
der Anden gegen den Chaco, wohnenden Chorotis.

Besonders liegt es den Indianern am Herzen, daß bei den Trinkgelagen
genügend Tabak vorhanden ist. Dieser ist ebenso notwendig, wie
Zigarren zum Punsch und Kaffee für viele Schweden. Wandert man mit
diesen Indianern, so muß man sich auch darein finden, daß jede zweite
Stunde Halt gemacht und eine Pfeife geraucht wird. Dies ist so wichtig,
daß man es nicht im Gehen tun kann, sondern sitzend, in allerschönster
Ruhe, soll man den herrlichen Rauch genießen.

Jedem, der im Chaco reist, will ich deshalb den Rat geben, so
viel Tabak mitzunehmen, wie man es für Geschenke und Tauschwaren
erforderlich hält -- und dann noch einmal soviel -- dann reist
man je nach den Verhältnissen ebensogut wie derjenige, der in der
zivilisierten Welt mit einer mit Gold gespickten Börse reist.


Medizinmänner, religiöse Vorstellungen.

Nach den großen Trinkgelagen werden die Indianer nicht selten krank.
Irgendeiner hat eins seiner eigenen Haare oder Exkremente in das
gelegt, was er getrunken hat. Er ist verhext worden. Die Medizinmänner
werden herbeigerufen, um die Verhexung zu lösen. Will man nicht
verhext werden, dann hat man, wenn man in einem fremden Dorfe ist, vor
allem darauf zu achten, daß niemand sieht, wo man seine Bedürfnisse
verrichtet. Man setzt sich sonst dem aus, daß man etwas davon zu essen
bekommt, und das soll nicht gut sein.

Mehrmals habe ich die Medizinmänner in den Dörfern bei der Ausübung
ihres Berufs gesehen. Eines Tages, als ich bei den Chorotis war, fühlte
ich mich etwas unwohl und ließ einen dieser Herren nach meinem Lager
rufen. Ich gab vor, im unteren Teil der Brust einen heftigen Schmerz zu
verspüren, und fragte ihn, ob er mich heilen wolle. Er versprach mir am
Abend zu kommen. In der Dunkelstunde fand er sich zusammen mit einem
Kollegen ein. Sie verlangten allein mit mir gelassen zu werden. Moberg
und Andersson wurden hinausgewiesen und Posten wurden aufgestellt,
damit kein Unbefugter in die Hütte komme.

Zuerst mußte ich mich nackend ausziehen und hinlegen. Dann strichen
sie mir über Brust, Seiten und Magen und hierauf bespuckten sie mich.
Danach begannen sie mich anzupusten und später legten sie sich nieder
und saugten kräftig an meiner Brust, besonders an der Stelle, wo ich
mich über Schmerzen beklagt hatte. Nachdem sie ein Weilchen gesaugt
hatten, wandten sie sich ab und taten, als übergäben sie sich. Das
Erbrochene zeigten sie mir nicht, als sie es aber zwischen den Fingern
zermahlten, sah es aus, als ob sie Würmer zerdrückten. Das Ganze
dauerte wohl eine Stunde, und als ich mich wieder ankleiden durfte,
hatte ich überall Saugflecken. Die werten Herren unterhielten während
der ganzen Heilung ein lebhaftes Gespräch, das ich nicht verstand. Aus
der Mimik konnte ich jedoch verstehen, daß es sich um eine Konsultation
(Beschwörung) handelte. Als Honorar erhielt der eine Arzt ein Hemd und
der andere ein Paar enganschließende Unterhosen.

Früh am folgenden Tage versammelte sich um mein Lager eine Menge
schmutziger alter Männer, die sich nach meinem Wohlbefinden
erkundigten. Es war offenbar die ganze medizinische Fakultät der
Chorotis. Ich erklärte mich vollständig geheilt, und meine Chorotiärzte
lächelten selbstgefällig und zufrieden, ganz so, wie es manche ihrer
zivilisierten Kollegen in ähnlicher Lage ebenfalls getan hätten.

Einmal erkrankte der Sohn eines alten, einflußreichen Chorotihäuptlings
vom Ashluslaystamm, und es wurden nicht weniger als sieben
Medizinmänner gerufen. Es waren offenbar bedeutende Männer aus beiden
Stämmen, von denen einige von weither gekommen waren. Der Fall
wurde als schwierig betrachtet. Wahrscheinlich war es Kolik. Ein
Schaf wurde geschlachtet, und den werten Herren wurden große Haufen
Essen vorgesetzt. Die Höflichkeit erfordert augenscheinlich, daß
die Medizinmänner während der ganzen Zeit, wo sie ihren Beruf nicht
ausüben, essen sollen. Mehreremal ging ich hinein und setzte mich
zu ihnen, teilte Tabak aus und konnte somit sehen, wie sie den Mann
heilten. Wenn sie nicht aßen, so saugten sie und spuckten und bliesen
ihn an. Zuweilen saugten sie alle auf einmal, zeigten etwas mit einer
wichtigen Miene, gingen dann abseits und vergruben es. Ich benutzte
die Gelegenheit und bat sie mir zu zeigen, was es sei, und der Arzt --
der Zauberer -- reichte mir einige Haare.

Als dieser Indianer geheilt wurde, saßen sowohl Kinder wie Frauen um
die Medizinmänner, und diesem bewundernden Publikum zeigten die werten
Herren, was sie aus dem Körper des Kranken herauszusaugen vermocht
hatten.

Für den Kranken hatte man einen Krankenstuhl gemacht, den wir hier
auf der Zeichnung sehen (Abb. 44). Er bestand aus drei in den Boden
gestoßenen und mit Querriegeln verbundenen Stangen. Man kann ruhig
sagen, daß er einfach war. In diesem Stuhl oder richtiger gegen diese
Stütze saß der Kranke, um sich auszuruhen.

Auch Neugeborene habe ich durch Aussaugen heilen sehen. Auch Weiße
lassen Medizinmänner kommen, und diese erzählten, wie sie jene geheilt
hätten, nachdem alle möglichen Arzneien, die sie für teures Geld
gekauft hatten, nichts geholfen hätten. Ich meine auch, die ärztliche
Kunst der indianischen Medizinmänner kann ebenso gut sein, wie
elektrisches Öl, Williams Pillen, das wundertätige Salz und andere von
den Weißen hier massenweise verkaufte amerikanische Humbugarzneien.

[Illustration: Abb. 44. Krankenstuhl. Ashluslay.]

In diesem Zusammenhang will ich auch erzählen, wie ich bei den den
Chorotis und Ashluslays kulturell nahestehenden Matacoindianern eine
kranke Frau habe heilen sehen.

Eines Nachts besuchte ich einige Matacoindianer, die ihr Lager vor der
Zuckerfabrik Esperanza in Argentinien aufgeschlagen hatten, wohin
sie gekommen waren, um Arbeit zu suchen. Sie hatten mir versprochen,
bei einem ihrer Tänze zugegen sein zu dürfen. Das Tanzlokal war der
offene Platz zwischen den Hütten. Die Beleuchtung war eine von mir
mitgebrachte kleine Laterne. Die Trachten waren von den Weißen gekaufte
Kleider sowie Glocken und Klappern. In den Händen hatten die sechs
Tänzer Stöcke. Eigentümlicherweise hatten einige von ihnen ein Tuch
über das Gesicht (entsprechend Tanzmasken?). Erst standen alle außer
einem still. Dieser tanzte umher, indem er Laute wie ä, ä, ä, jä, jä,
jä, lä, lä ... ausstieß. Dann liefen drei von ihnen im Gänsemarsch im
Kreise herum und dann unter Geheul in mehreren Schlangenwindungen.
Hierauf kam eine kranke Frau hinzu, und sie umtanzten dieselbe
heulend und mit gebogenen Knien, indem sie mit den Füßen auf- und
niederstampften. Von der Frau entnahm einer von ihnen sechs angekohlte
schwarze Stäbchen, von denen er eins aus dem Rücken und eins aus dem
Unterrock hervorholte. Diese warf er dann ein Stückchen von sich auf
den Boden, wo ich sie mir holte. Der Dolmetscher sagte mir, diese,
die die Ursache ihrer Krankheit seien, hätten sie aus ihrem Körper
herausgeholt. Hierauf wurde der Tanz eine längere Zeit in derselben
Weise fortgesetzt.

Die Matacos verhexen, wie der bolivianische Gouverneur, Dr. L. Trigo,
mir erzählt hat, auf folgende Weise: Sie sammeln von dem Feinde,
den sie verhexen wollen, Exkremente, Urin, Speichel, Haare, Nägel.
Alles dies stopfen sie einem Frosch ins Maul und nähen dann Maul,
Nasenlöcher, Ohren und andere Öffnungen des Frosches sorgfältig
zusammen. Darauf hängen sie ihn in der Nähe einer Feuerstätte auf, wo
er anschwillt und stirbt. Dasselbe widrige Schicksal trifft den, der
verhext werden soll, unter ähnlichen Qualen stirbt er. Die Verhexung
kann nur von einem Medizinmann gelöst werden, der größere Kraft hat,
als derjenige, der verhext hat.

Auch wenn ein Hund stirbt, so glauben die Indianer, daß er verhext
worden ist. Ein weißer Mann hatte einige Matacohunde mit Strychnin
vergiftet, und als nun die Matacos den einen Hund nach dem anderen
plötzlich krank werden und sterben sahen, fürchteten sie diesen Weißen,
der, wie sie glaubten, ihre Hunde verhext hatte, sehr.

Die Chorotis und Ashluslays sowie auch die hier oben genannten Matacos
wenden auch eine große Anzahl Pflanzen als Heilmittel an. Diese werden
nicht von den Medizinmännern verordnet, sondern sind allen Mitgliedern
des Stammes bekannt.

Den lateinischen Namen dieser Pflanzen kenne ich nicht. Ich gebe hier
einige mit ihrem Namen auf Choroti wieder:

toshsala -- wird gekocht und der Kopf damit gebadet, wenn man krank ist;

lákiole -- wird gekocht; es werden bösartige Geschwüre damit gewaschen;

lácosoki -- wird wie das vorige angewandt;

lashhuätis -- wird gekocht und bei Magenschmerzen getrunken;

lahuóle -- wird getrocknet und in einen hohlen, schmerzenden Zahn
gelegt;

lésini cósoki -- wird gemahlen und geweicht und dann in ein
schmerzendes Ohr gestopft.

Wird jemand von einer Schlange gebissen, lassen die Matacos die
Menstruation in die Wunde träufeln. Das Mittel soll auch von den
Weißen in Argentinien angewendet werden. Die Chorotis wenden die
Asche gewisser Pflanzen für bösartige Geschwüre, Schanker u. dgl. an.
Merkwürdigerweise scheinen sie den Schanker heilen zu können, denn sie
bekommen selten Bubonen.

Von dem englischen Arzt Dr. Paterson, an der im Anfang dieses Buches
erwähnten Zuckerfabrik, bekamen die Indianer das Zeugnis, daß sie, im
Gegensatz zu den argentinischen Mestizen, sehr geduldig sind, wenn es
gilt Schmerzen zu ertragen.

Ich selbst habe auch einige Male während meines Aufenthaltes unter den
Indianern im ärztlichen Gewerbe gepfuscht, hörte aber bald wieder
damit auf. Es ist unmöglich einen Indianer zu bewegen, sich eine
längere Zeit zu pflegen. Es soll gleich wieder gut sein, sonst taugt
das Heilmittel nichts. Morphium, Kokain und Opium sind die einzigen
Mittel, die ihren Beifall haben. Diejenigen, die in den Zuckerfabriken
die Vakzinierung gegen Pocken kennen gelernt haben, wollen auf dem Arm
gern die drei wundertätigen Male haben.

Ich habe niemals einen Choroti oder Ashluslay sterben sehen, habe aber
(1902) einige der ersteren ausgegraben. Dies ist mit Genehmigung der
Verwandten geschehen. Durch ein kleines Geschenk an jeden Verwandten
läßt sich dies leicht ordnen. Eigentümlicherweise kam es bei den den
Chorotis nahestehenden Matacos ein paarmal vor, daß die Verwandten
beim Ausgraben zugegen waren. Sie fanden die Sache ganz natürlich und
zeigten gar keine Furcht.

Beigaben traf ich nur sehr wenige. Das einzige, was der Tote
mitbekommen hatte, war eine Tasche mit einem Pfriemen, einem Löffel
oder sonst einer Kleinigkeit sowie vereinzelt eine Schale, die Wasser
enthalten hatte.

Von dem, was diese Indianer über das Schicksal der Menschen nach dem
Tode glauben, weiß ich nicht viel. Die Geister gehen eine Zeitlang
in den Häusern und Wäldern umher. Die Matacos meinten, ihre Toten
seien nicht gefährlich. Dagegen wollen die Toten der Christen die
Nachtwandrer gern erschrecken. Sie wandern somit auch in Feld und
Wald umher. Die Matacos nennen die Geister „aut“. Sie sagen, sie
verschwänden allmählich. Die Chorotis nennen sie „amoxi“. Ein Mataco
hat auf meinen Wunsch einen solchen Geist gezeichnet, welches Porträt
ich hier wiedergebe. Die Punkte um seinen Körper bedeuten die Kleider
(Abb. 45).

Stirbt der Mann oder ein anderer naher Verwandter, so schneiden
sich die Ashluslay- und Chorotiweiber mit den scharfen Zähnen des
Palometafisches die Haare ab und verbrennen sie. Für seine eigene oder
eine andere Frau begeht der Mann nicht die gleiche Aufopferung. Wenn
man in einem Choroti- oder Ashluslaydorf wohnt, so hört man besonders
des Morgens beinahe immer lautes Klagen und Singen. Auf diese Weise
werden die Toten beweint. Wir sind alle Brüder und Schwestern, sagen
die Indianer. Wir trauern gemeinsam. Eine richtige Mutter trauert tief
über ihr totes Kind, ob sie nun in einem feinen Hause in Europa oder
in einer kleinen grasbedeckten Hütte am Ufer des Pilcomayo sitzt, und
ebenso betrauern die Kinder eine Mutter, die für sie gearbeitet und
gestrebt hat. Bei den Ashluslays und Chorotis wird mit der Trauer viel
Spektakel gemacht, ich bin aber fest überzeugt davon, daß bei ihnen
auch viel wirkliches Gefühl vorhanden ist. Berufstrauerweiber kommen
bei diesen Indianern nicht vor.

Über die religiösen Vorstellungen der Chorotis und Ashluslays habe
ich nur sehr wenig erfahren können. Sie glauben, wie schon erwähnt,
an ein Leben im Jenseits. Ein großer, allmächtiger Gott ist ihnen
etwas Fremdes, gleichwohl scheint aber dieser Begriff sich Eingang
zu verschaffen. Diese Indianer hören auf den Arbeitsfeldern von der
Religion, von der die katholischen Missionare reden, und teilen dann
das Gehörte anderen mit. Auf diese Weise verbreiten sich auch außerhalb
des direkten Wirksamkeitsfeldes der Missionare dunkle Vorstellungen
über das Christentum. Die Menge übernatürlicher, mächtiger Wesen in den
Sagen der Chanes und Chiriguanos, mit denen wir späterhin Bekanntschaft
machen werden, finden wir in den Erzählungen dieser Indianer nicht.
Alles was erwähnt wird, sind einige mystische Tiere. So wohnt in
einem See unweit Guachalla am Rio Pilcomayo ein kleines, von den
Chorotis „kiáliki“ genanntes Wesen, das wie ein Mensch aussieht, aber
vollständig schwarz ist. Nähern sich ältere Personen dem See, so tut es
ihnen nichts. Kinder raubt es dagegen. Vielleicht ist es der „schwarze
Mann“ der Indianer.

[Illustration: Abb. 45. ¹⁄₁.]

Eine andere Chorotierzählung lautet folgendermaßen: „In einem See lebte
eine Schlange, die war dick wie zwischen zwei ausgestreckten Armen.
Diese verschluckte einen Choroti, dieser tötete aber die Schlange,
indem er ihr das Herz durchbohrte, und grub sich heraus. Von der Hitze
im Magen der Schlange war er ganz rot und haarlos geworden. Als er nach
Hause kam, kannte ihn seine Frau nicht wieder. Er erzählte ihr da, wie
er von der Schlange verschluckt worden sei.“

Ein mystisches Tier frißt am Mond, wenn Mondfinsternis ist. Diese
nennen die Chorotis „sóoli“, die Ashluslays „sutlásh“. Ein Meteor
bedeutet einen Todesfall.

Im vorhergehenden habe ich eine Chorotisage von dem Weltbrand und dem
Raub des Feuers wiedergegeben. Dies ist die einzige Kulturmythe, die
ich von diesen Indianern habe.

Wie schon erwähnt, habe ich dagegen von den den Chorotis kulturell
nahestehenden Matacos einige Sagen oder Kulturmythen gesammelt, die ich
hier wiedergeben will. Sie sind von dem Matacoindianer Na-yás vom Rio
Bermejo erzählt und von Chetsin, von demselben Stamme, übersetzt.


Vom Matacoindianer Na-yás erzählte Sagen.

+Der Raub des Feuers.+[35]

Wie erzählt wird, hat der Jaguar das Feuer bewacht, bevor die Matacos
es erhielten. Es wird erzählt, daß man fischen ging. Alle Matacos waren
fischen gegangen und ein Meerschweinchen besuchte, wie erzählt wird,
die Jaguare und brachte ihnen einen Fisch mit. Es wird erzählt, daß es
zum Feuer hingehen wollte. Es wird erzählt, daß der Jaguar das Feuer
bewachte und ihm keinen Feuerbrand abgeben wollte. Es wird erzählt, daß
das Meerschweinchen heimlich etwas von dem Feuer mitgenommen hatte.
Der Jaguar fragte es, was es mitnehme. Es sagte, es habe nichts. Es
wird erzählt, daß es sich fortbegab. Als die Fischer kamen, hatte
das Meerschweinchen ein großes Feuer angemacht und die Fische in
einem Augenblick gebraten. Als die Fischer weggingen, hatte das Gras
angefangen zu brennen. Es wird erzählt, daß die Jaguare angesprungen
kamen, als sie das Feuer sahen, und daß sie Wasser zum Löschen
desselben mitgebracht hatten. Als die Fischer wiederkamen, machten sie
von den Feuerbränden, die sie mitgenommen hatten, Feuer an. Nachher
waren sie wieder gegangen, und seitdem ist das Feuer nicht erloschen.
Jetzt fehlt keinem Mataco das Feuer.


+Die Frau, die sich mit den Hunden verheiratet hat.+

Eine Frau hatte einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn verheiratete
sich mit der Tochter[36] und die Frau verheiratete sich mit den Hunden
und verschwand. Mit den Hunden hatte sie fünf Kinder. Diese rodeten
den Wald und säeten Kürbis. Als die Tochter im Walde war, kam sie zu
der Rodung und wollte Kürbisse gegen Schmucksachen eintauschen. Sie
antworteten, sie wären von demselben Stamme und wollten nicht Kürbisse
gegen Schmucksachen tauschen, sondern sie schenkten ihr Kürbisse
(Zapallo).


+Die große Feuersbrunst.+

Vor langer Zeit brannte alles, der ganze Chaco brannte. Die Mataco
retteten sich unter dem hohen Schilf am Flußufer. Dort blieben sie
sehr lange. Als sie herauskamen, war alles verbrannt. Dort war kein
Quebracho, kein Algarrobo, kein einziger Baumstamm. Sie glaubten
zuerst nicht, daß es dasselbe Land sei, als aber dieselben Pflanzen zu
wachsen begannen, wie an den Plätzen, wo es gebrannt hatte, verstanden
sie, daß es dasselbe Land war.


+Der Maisraub.+

Das Kugelgürteltier[37] bewachte die Maissamen. Ein Wildschwein
war in die Äcker der Kugelgürteltiere gedrungen und stahl, da
diese dem Wildschwein keinen Mais geben wollten, den Mais und die
Kugelgürteltiere töteten das Wildschwein.


+Der Sohn des Chuña.+[38]

Die Kara-kara[39] und die Chuña hatten mit den schwarzen Geiern und
den Flamingos gekämpft. Die Kara-kara-Vögel hatten mit Pfeilen, die
Chuña mit Boleadoras, die schwarzen Geier und Flamingos mit Pfeilen
gekämpft. Die schwarzen Geier und die Flamingos waren besiegt worden.
Die schwarzen Geier waren ohne Haut am Kopf und die Flamingos ohne Haut
an den Beinen entkommen. Kein Kara-kara oder Chuña war verwundet worden.

Ein Chuña hatte sich verheiraten wollen, die Frauen wollten ihn aber
nicht, weil er so schmale, schwarze Beine hatte. Es wird erzählt, daß
er einen Haufen Sperma auf dem Boden zurückgelassen hat.

[Illustration: Tafel 10. Matacoindianer rösten „Palometas“ und andere
Fische. Crevaux. Rio Pilcomayo.]

Die Frauen der Chuña waren Früchte suchen gegangen und hatten das
Sperma gefunden. Eine hatte es aufgegessen und wollte den anderen
nichts davon abgeben. Es wird erzählt, daß sie nach drei Tagen
schwanger war und nach weiteren drei Tagen ein Kind geboren hatte, aber
noch wußte niemand, wer die Frau schwanger gemacht hatte. Nach zwei
Tagen war der Knabe groß und niemand wußte, wer sein Vater war. Es
wird erzählt, daß viele herbeikamen, um den Knaben zu sehen. Es wird
erzählt, daß er weder von den Kara-kara-Vögeln noch von einem anderen
Spielzeugbogen und Pfeile annehmen wollte. Sie versuchten, ihm Pfeile
und Spielzeugbogen zu geben, er nahm sie aber nicht. Der Chuña war
gekommen, um ihm Pfeile und Spielzeugbogen zu geben, und er nahm sie.
Sie wußten nun, wer sein Vater war.


+Als die Matacos und die Christen die Welt teilten.+

Vor langer, langer Zeit gab es keine Christen, sondern alle, die
Vorväter der Matacoindianer wie der Christen, lebten in einem Hause.
In diesem war alles. Dort gab es Äxte und Werkzeug und Pferde und Vieh
und schöne Kleider für die Frauen. Die Vorväter der Christen nahmen
die Äxte, das Werkzeug, die Pferde, das Vieh und die schönen Kleider
für die Frauen und gingen weg und ließen für die Matacos nur Tonkrüge,
Hunde und andere schlechte Sachen zurück. Deshalb haben die Christen
jetzt Äxte, Werkzeug, Pferde, Vieh, schöne Kleider für die Frauen und
die Matacos sind arm und haben nur Tonkrüge, Caraguatátaschen und Hunde.

Diese moderne Sage hat hier eine große Verbreitung. Ich kenne sie z. B.
auch vom Rio Parapiti, wo sie mir in etwas verschiedener Form von den
Chanes erzählt wurde.


+Der Fuchs und der Stier.+

Es wird erzählt, der Fuchs habe den Stier eingeholt. Es wird erzählt,
daß er Feuer vor den Stier getragen hat. Es wird erzählt, daß er gesagt
hat, er wolle dem Stier die Steine abschneiden. Wiederum hatte er Feuer
angemacht und den Stier verfolgt, indem er sagte, daß er dem Stier die
Steine abschneiden wolle. Der Stier war zuletzt ermüdet, aber er hat
ihm nichts abgeschnitten. Es wird gesagt, daß er gesagt hat: Warum soll
ich ihn verfolgen, ich will ihm nichts abschneiden, und ließ die Füchse
ärgerlich zurück. Die Füchse haben geweint, da sie hungrig waren. Sie
gingen dann und suchten Tusca und Algarrobo.

Diese Sage ist beinahe unbegreiflich. Mit Steine abschneiden meint man
wohl töten. Die Sage dürfte ganz modern sein.

Ehrenreich hat nachgewiesen, wie Sagen mit fremden Elementen aus
Nordamerika nach Südamerika eingewandert sind. Boas und Bogoras haben
früher den Zusammenhang zwischen den nordamerikanischen und den
nordasiatischen Sagen dargetan.

Von den hier von den Matacos angeführten Sagen ist besonders eine, die
von diesem Gesichtspunkte aus von Interesse ist. Es ist die von dem
Sohn des Chuña. Die eigentümliche Zeugung sowie die Art der Erforschung
der Vaterschaft stimmt besonders mit der Osttupi-Variation[40] dieser
Sage überein. Auch dort wurde der als Vater betrachtet, von dem der
Knabe Pfeil und Bogen annahm.

Ehrenreich[41] hat gezeigt, wie diese Sage, besonders die peruanische
Variation, auf ganz merkwürdige Weise mit einer von Bastian aus Siam
aufgezeichneten Sage übereinstimmt.

Möglicherweise zeigt uns das Vorkommen der Sage bei den Matacos den
Weg, den sie von Peru zu den Osttupis in Brasilien gewandert ist. Wie
sie von Siam nach Peru gekommen ist, ist eine Frage, die Ehrenreich
offen läßt. Es ist wohl eine für künftige Ethnologen hart zu knackende
Nuß.

Sollte mich etwas Besonderes nach dem Rio Pilcomayo zurücklocken, so
wäre es das Studium der religiösen Vorstellungen dieser Indianer.
Es gibt viel, was sie mir nicht haben mitteilen wollen. Was ist
beispielsweise der oben von mir beschriebene mystische Gesang bei der
Zubereitung des Tuscabieres anders als eine religiöse Zeremonie. Des
Nachts hörte ich zuweilen in den Hütten Gesang zum Takte der Klappern.
Als ich hineinging, wurde alles still. In aller Freundschaft hatte man
mir die Tür gewiesen. Warum setzten sie auf die elende Tontrommel,
ein mit Wasser zur Hälfte angefülltes Tongefäß, über welches ein
Fell gespannt ist, einen so großen Wert, wenn sie nicht heilig wäre?
Die Matacos wollten die Trommel nicht hergeben, denn dann stirbt
einer. Wie von Rosen, ist es auch mir gelungen, von den Chorotis eine
solche Trommel zu erhalten, von den Matacos ist es unmöglich. Es
scheint mir, als ob bei den verschlossenen Matacoindianern[42] das
Religiöse eine größere Rolle spielt, als bei den heiteren, sorglosen
Chorotiindianern. Will man die Religion dieser Indianer studieren,
so muß man sehr lange bei ihnen verweilen und alle Gedanken an eine
Expedition zur Heimführung großer Sammlungen aufgeben. Weiterhin
in diesem Buche werde ich die religiösen Begriffe eines anderen
höherstehenden Indianerstammes, die ich zu verstehen glaube, schildern.
Wie interessant wäre es gewesen, Vergleiche mit den niedrigerstehenden
anstellen zu können.


Fußnoten:

[34] Chorisia.

[35] Alle Überschriften der Sagen sind von mir erfunden, um den Inhalt
ungefähr wiederzugeben.

[36] Eigentümlicherweise werden in den Indianersagen, wie wir finden
werden, nicht selten Geschwisterehen erwähnt, obschon solche nie bei
den Indianern vorkommen. Wir werden weiterhin mit einigen ähnlichen
Fällen Bekanntschaft machen. Es ist kaum denkbar, daß diese Sagen so
weit zurückgehen, daß sie aus einer Zeit stammen, wo die Geschwisterehe
erlaubt war.

[37] Tolypeutes conurus.

[38] Dicholophus Burmeisteri.

[39] Polyporus vulgaris.

[40] Ehrenreich, Die Mythen usw. S. 62.

[41] Ehrenreich, Die Mythen usw. S. 94.

[42] Pelleschi gibt uns einen ganz guten Einblick in die religiösen
Vorstellungen einiger Matacoindianer. Eight months in the Gran Chaco.
London 1886.




+Siebentes Kapitel.+

=Unter den Indianern am Rio Pilcomayo= (Fortsetzung).


Kunst und Industrie.

Es gibt ein kleines Wort, das die Chorotiindianer stets anwenden,
nämlich és. Die Ashluslays sagen ìs. Es bedeutet gut, gesund, wohl und
hübsch. Wenn wir die Industrie und primitive Kunst dieser Menschen
beurteilen, so dürfen wir auch die Bedeutung dieses Wortes nicht
unterschätzen. Er, oder richtiger sie, denn in der Regel ist es
die Frau, die etwas Kunstfertigkeit besitzt, will, daß das von ihr
Hergestellte és ist. Sie ist stolz, wenn es richtig és ist. Sie lacht
vor Vergnügen, wenn sogar ein weißer Mann eins ihrer Erzeugnisse für és
findet. Die Ideen zu einem Ornament erhält sie auf verschiedene Weise.
Die Technik der Tongefäßerzeugung hat ihr die Idee gegeben, die Rollen,
aus denen sie das Tongefäß aufgebaut hat, auf einem Teil desselben als
Ornament stehen zu lassen (Abb. 46). Sie schmückt das Gefäß, indem
sie die Fingereindrücke, die sie in dem weichen Ton gesehen hat, zu
regelmäßigen macht. Durch Variation der Anzahl Fäden gelingt es ihr, an
den von ihr aus Caraguatábast hergestellten Taschen -- eine Industrie,
in der sie es sehr weit gebracht hat -- immer verwickeltere Ornamente
anzubringen. Sie macht die Taschen immer mehr és. Fremde Ornamente an
Gegenständen, die durch den Handel mit anderen Stämmen zu ihrem Stamm
gekommen sind, geben ihr neue Ideen. Was ich hiermit sagen will, ist
das, daß wir die Freude, die auch Naturvölker an der Herstellung oder
dem Besitz schöner, ornamentierter Sachen haben, nicht unterschätzen
dürfen.

Wenn die kleinen Kinder spielen, muß die Phantasie oft die Einzelheiten
einer Spielsache ausfüllen. Ein Holzklotz kann eine Lokomotive, ein
anderer ein Lastwagen sein. Was nicht in der Wirklichkeit vorhanden
ist, findet sich in der Erinnerung der mehr detaillierten Lokomotiven
und Wagen, die das Kind gesehen hat. Auf dieselbe Weise kann ein
solcher Hutpilz, wie er Abb. 47, Fig. 3 abgebildet ist, einen Maulesel
darstellen. Die Phantasie des Naturkindes füllt das Fehlende aus.
Betrachten wir die nebenanstehenden Figuren, so sehen wir, wie das
eine Detail nach dem anderen fortgefallen ist, bis das vierfüßige
Tier einbeinig und für den Uneingeweihten unerkennbar dasteht. Diese
eigentümlichen Tiere habe ich von Chorotimamas bekommen, die sie für
ihre Kleinen modelliert hatten.

[Illustration: Abb. 46. Tongefäß, an welchem die Rollen, von denen
es aufgebaut ist, als Ornament stehen geblieben sind. ¼. Von den
Mataco-Vejos. Ähnliche sieht man auch bei den Chorotis.]

[Illustration: Abb. 47. Puppen, von denen alle, außer 4, die von den
Tapiete stammen, von den Chorotis sind. ½.

  1 = Maulesel.

  2 =    „

  3 =    „

  4 = Frau.

  5 =   „   A = Kopf; B = Stirntätowierung; C = Nasentätowierung; D
  = Tätowierung der Wangen; E = Auge; F = Kinntätowierung; G =
  Frauenbrust.

  6 = Gesichtstätowierung. Chorotifrau, Rio Pilcomayo.

  7 = Frau. A = Haare; B = Tätowierung der Wangen; C = Frauenbrust; D =
  Auge; G = Haare; E = Kinntätowierung; F = Stirntätowierung.

  8 a = Mann. A = Stirntätowierung; B = Tätowierung unter den Augen; C
  = Kopf mit Haaren.

  8 b = Tätowierung der vorigen Figur. A = Stirntätowierung; B und C
  Tätowierungen unter den Augen.

  9 = Gesichtstätowierung. Chorotimann. Rio Pilcomayo.

  10 = Mann. A = Stirntätowierung; B = Nasentätowierung; C = Kopf.

  11 = Frau mit einem kleinen Kind. A = Rudimente der Tätowierung.

  12 = Frau, die ein kleines Mädchen auf Chorotiweise trägt.

  13 = Frau. A = Tätowierung der Wange; B = Stirntätowierung; C = Haar.

  14 = Dieselbe Figur wie 13, von der Seite gesehen. A = Tätowierung
  der Wangen; C = Haar.

  15 = Frau. A = Kopf; B = Tätowierung der Wangen; C =
  Nasentätowierung; D = Augen.

  16 = Frau. A = Nasentätowierung; B = Rudimente der Tätowierung der
  Wangen.

  17 = Frau. A = Rudimente der Tätowierung.

  18 = Frau. A = Rudimente der Tätowierung; B = Augen.]

Hier sind auch einige Puppen von den Chorotis abgebildet, zu deren
Verständnis ebenfalls eine Erklärung notwendig ist. Die Form ist bis
zur Äußerlichkeit vereinfacht worden, während man sie gleichzeitig
mit einem erklärenden Detail versehen hat. Sie haben weder Arme und
Beine, noch rudimentäre Köpfe, aber eine genau ausgeführte Tätowierung,
welche allerdings im Gesicht und nicht, wie hier bei den Puppen, auf
dem ganzen Körper sitzen soll. Dies bedeutet jedoch nicht viel. Das
Wichtigste ist, daß sie überhaupt mitgekommen ist. Es ist ganz
dasselbe, als wenn die Bororóindianer K. v. d. Steinens[43] den
Schnurrbart auf die Stirn zeichneten. Er sollte in der Beschreibung,
die der Naturmensch mit seiner Zeichnung von diesem weißen Mann
gab, mit dabei sein. Nicht an allen Puppen hat man die Tätowierung
ordentlich ausgeführt, auch sie wird allmählich bis zu einem bloßen
Ornament vereinfacht.

[Illustration: Abb. 48. A Strumpf aus Caraguatá, angewendet zum Schutz
gegen den Biß der Palometafische. Ashluslays. B, C, D Taschen aus
Caraguatá. Chorotis.]

Die Chorotiindianer haben eine Industrie, in der sie sehr bedeutend
sind. Dies ist die Herstellung von Taschen und Hemden aus Blattfasern
der Caraguatá. (Taf. 16.) Wer in den Trockenwäldern des Chaco gewandert
ist, erinnert sich sicher sein Leben lang der Caraguatápflanze, mit
ihren krummen Stacheln, erinnert sich, wie schwer es gewesen ist,
auf Boden vorwärts zu kommen, der mit dieser so nützlichen und so
unangenehmen Pflanze dicht bewachsen war, erinnert sich, wie er sich
die Kleider und die eigene Haut zerrissen hat.

[Illustration: Abb. 49. Grabestock. ¹⁄₁₅. Ashluslay.]

[Illustration: Abb. 50. Säge aus hartem Holz. ⅓. Ashluslay.]

[Illustration: Abb. 51. Scharre aus Muschelschalen.

⅓. Ashluslay.]

Die Frauen sammeln die Caraguatáfasern. Wie diese Arbeit bei den
Ashluslays ausgeführt wird, will ich hier schildern. Die besten Fasern
erhält man von einer kleinen Varietät. Zuerst wird die Pflanze mit
einem Grabestock (Abb. 49) ausgegraben. Dann werden Stamm und Blätter
mit einer Holzsäge (Abb. 50) in der Weise abgesägt, daß die Säge
zwischen die große Zehe und die nächste Zehe gestellt und der Stamm
der Pflanze gegen die Säge gerieben wird. Diese Arbeit wird im Walde
vorgenommen. Die Blätter werden dann nach Hause getragen und die Fasern
mit einer Muschelschale (Abb. 51) oder einem hölzernen Messer (Abb.
17) abgeschabt. Nachdem diese Fasern gebündelt und getrocknet sind,
werden Fäden gesponnen. Hierbei wird kein anderes Werkzeug als die
Hände angewendet. Man dreht die Fäden an den mit Asche eingeriebenen
Schenkeln. Die gezwirnten Fäden werden in großen Bündeln gesammelt und
dann zu verschiedenen Zwecken angewendet. Ein Teil der Fäden wird mit
Tusca heller braun und mit Algarrobillo[44] dunkler braun gefärbt.

Außer aus Caraguatá flechten die Chorotis und Ashluslays Seile aus
Menschenhaaren. Das Material liefern ausschließlich die Frauen.

[Illustration: Abb. 52. Webstuhl. Ashluslay.]

Die Ashluslay- und auch die Chorotifrauen sind geschickte Weberinnen.
Gleichwohl verstehen es nur die ersteren, hübsche Ornamente zu weben
(Abb. 53).

Das Material, aus welchem die Frauen weben, ist stets Schafwolle.
Früher haben sie wahrscheinlich Caraguatá oder Baumwolle benutzt.
Die letztere Pflanze wird noch jetzt von den Ashluslays gebaut.
Anderenfalls müßte die Webkunst hier erst eingeführt worden sein,
nachdem diese Indianer die Schafe von den Weißen erhalten haben.

Die Frauen sind recht geschickte Töpfer. Die Tongefäße werden nach der
bei den Indianern gewöhnlichen Methode durch Aufbauen von Tonrollen
(Abb. 54) hergestellt.

[Illustration: Abb. 53. Von Ashluslays gewebter kleiner Mantel.]

Der Ton wird zuerst mit zerstoßenen, gebrannten Tonscherben vermischt,
damit die Gefäße beim Brennen nicht bersten. Zum Glätten der Gefäße
wird eine Muschelschale, eine Frucht oder ein Holzgerät angewendet
(Abb. 56). Die Chorotis haben keine bemalten Tongefäße. Solche sieht
man dagegen bei den Ashluslays (Abb. 59). Die „Farbe“ besteht aus
einem grünlichschwarzen Harz von einem „palo santo“ genannten Baum,
das gewärmt und auf das Gefäß gestrichen wird, nachdem dasselbe
ganz fertig ist. Bekommt ein Tongefäß einen Riß, so verklebt man
ihn mit Harz. Es wird dann wieder wasserdicht, kann aber nicht mehr
als Kochgefäß dienen. Sehr wahrscheinlich ist die Ausbesserung das
Primitiv gewesen, und man ist erst davon auf die Idee gekommen, die
Gefäße zu bemalen. Von den Tongefäßen sind die Wasserkrüge (Abb. 13
u. 58) außerordentlich charakteristisch für die Chacoindianer. Bei den
Ashluslays findet man die eigentümlichste Keramik (Abb. 59).

Arbeiten in Fell werden sowohl von Männern als Frauen ausgeführt, die
Zubereitung des Fells liegt aber ausschließlich in den Händen der
Männer. Das Gerben ist hier unbekannt. Dagegen versteht man es, das
Fell durch Kreuz- und Querschnitte auf der Unterseite zu erweichen. Man
macht auch das Fell durch Ziehen über einen gespaltenen Stock biegsam.

[Illustration: Abb. 54. Chorotifrau, ein Tongefäß bauend.]

[Illustration: Abb. 55. Töpferin. Choroti.]

Die Ashluslays wenden viel mehr Felle an als die Chorotis.

Im Herzen des Chaco sehen wir, wie schon erwähnt, bei den Ashluslays,
den Toba-Pilagas und Mataco-Guisnays zahlreich die von Patagonien
und dem Feuerland, aber nicht von dem übrigen Südamerika bekannten
Pelzmäntel. Im Chaco werden sie nur von den Frauen angewendet, während
die Männer die leichteren gewebten Mäntel tragen. Wir können uns leicht
denken, daß die Chacoindianer, sowohl Männer wie Frauen, alle früher,
gleich den ihnen in kultureller Beziehung nahestehenden Patagoniern,
Pelzmäntel angewendet haben. Als sie von den Weißen das Schaf
erhielten, begannen sie Mäntel und Schurzfelle aus Wolle zu weben.
Diese wurden zuerst nur von den Männern getragen, bis sie bei den
Chorotis und anderen die Pelzmäntel vollständig verdrängten, während
sie von den Ashluslays noch von den Frauen angewendet werden.

[Illustration: Tafel 11. Chorotifrauen tragen wilde Früchte in ihren
Caraguatátaschen nach Hause.]

Wie gewöhnlich bei diesen Indianern, begnügen sich die Frauen mit dem
Älteren und Schlechteren. Sie repräsentieren das konservative Element
im Gemeinwesen. Wie wir weißen Männer nicht ungern sehen, daß unsere
Frauen schick gekleidet sind, so lieben es die Indianer, ihre Männer
mit schön ornamentierten Mänteln auszustaffieren, obschon ihnen dies
viele Arbeit kostet.

Korbarbeiten sind, wie erwähnt, vollständig unbekannt. Die
Ashluslayfrauen knüpfen Sitzmatten aus einem auf Spanisch totora
genannten Schilf.

Die hauptsächlichste Industrie der Männer ist die Holzschnitzerei. Sie
fertigen Pfeifen zum Rauchen, Pfeifen, Stempel, die im vorhergehenden
erwähnten Werkzeuge usw. an. Sie schnitzen auch die Kalebassen zu
und ornamentieren sie. Diese werden zur Aufbewahrung von Bier, als
Eßschalen, als Schachteln zur Verwahrung von kleineren Gegenständen
usw. angewendet. Recht oft sind sie mit liniierten, eingeritzten oder
eingebrannten, schlecht gearbeiteten Ornamenten versehen, obschon die
Indianer behaupteten, sie seien és (schön), hätten aber keine Bedeutung.

[Illustration: Abb. 56. Für die Tongefäßherstellung angewendetes
hölzernes Gerät. ⅓. Ashluslay. Ähnliche wenden die Chorotis an.]

Bei den Mataco-Vejos habe ich indessen Erklärungen über ähnliche
Figuren bekommen, die beweisen, daß sie keineswegs so bedeutungslos
sind (Abb. 62). Vielleicht sind sie dies niemals. Die Indianer bessern
eine Kalebasse, die gesprungen ist, stets mit sehr großer Sorgfalt
wieder aus. Sie nähen sie mit Caraguatáfasern zu und dichten sie
dann mit Wachs. Auf wenig Dinge legten die Chorotis und Ashluslays
so viel Wert, wie auf richtig große Kalebassen (Abb. 39). Niemals
waren die Indianer und ich so verschiedener Ansicht über den Wert von
Gegenständen, mit denen wir ein Tauschgeschäft machen wollten, als wenn
es diese galt. Eine große Kalebasse wurde als von viel größerem Wert
betrachtet als ein Tongefäß von entsprechender Größe. Ganz allgemein
sind die Kalebaßschachteln von dem auf Abb. 61 abgebildeten Typ. Die
Deckel dazu sollen ausgeschnitten werden, wenn die Früchte noch an den
Pflanzen hängen und nicht ganz vollreif sind.

[Illustration: Abb. 57. Trommel aus einem Tongefäß. ⅓. (Kochtopf.)
Choroti.]


[Illustration: Abb. 58. Wasserkrug. ⅙. Ashluslay.]

[Illustration: Abb. 59 a. Bierkrug. ⅙. Ashluslay.]

Die Federarbeiten bieten bei diesen Indianern keine Proben einer
entwickelten Kunstfertigkeit. Die Federn, welche die Chorotis und
Ashluslays im Stirnband tragen, sind oft hakenförmig ausgeschnitten
(Abb. 68). Diese Haken scheinen nur als Ornament zu dienen. Sie selbst
erklären nur, sie seien schön.


Die Indianer als Zeichner

Von den Chorotis, Ashluslays und Matacos habe ich verschiedene
Zeichnungen gesammelt, die diese in meinem Notizbuch ausgeführt haben.
Es sind dieselben beschreibenden Zeichnungen, die wir durch Karl v.
d. Steinen, Koch-Grünberg u. a. von den Indianern Südamerikas kennen
gelernt haben.

[Illustration: Abb. 59 b. Bierkrug. Ashluslay. ⅙.]

[Illustration: Abb. 60. Kalebasse. Choroti. ⅓.]

[Illustration: Abb. 61. Kalebasse. Ashluslay. ¼.]

Ganz gewöhnlich war es, unter den Chorotis und Ashluslays solche zu
finden, die gar nicht zeichnen konnten, sondern auf dem Stadium des
„Kritzelns“ standen, d. h. auf demselben Standpunkt, wie unsere zwei-
bis dreijährigen Kinder (Abb. 63). Sahen sie dann andere zeichnen, so
imitierten sie und zeichneten dann besser.

Die Kinder zeichneten zuweilen besser als die Älteren. So habe ich
mehrere verhältnismäßig gute Zeichnungen von einem zirka siebenjährigen
Ashluslayknaben (Abb. 65).

Da die Indianer sich außerordentlich leicht von den Zeichnungen,
die man selbst gemacht hat, beeinflussen lassen, darf man in einem
Dorfe, wo man solche zu sammeln beabsichtigt, nicht selbst zeichnen.
Ich pflegte beispielsweise in meinem Notizbuch schnell Gesichter zu
zeichnen, in welche ich Tätowierungen und Gesichtsbemalungen einführte.
Vergleichen wir die beiden Zeichnungen Abb. 64 A u. B, so ist die erste
1908 ausgeführt, ohne daß die Zeichnerin, ein Chorotimädchen, Ashlisi,
von diesen meinen Zeichnungen beeinflußt worden ist, während sie bei 64
B, gezeichnet 1909, mich schon imitiert.

Zu den allerprimitivsten Zeichnungen pflegten die Indianer höchst
eigentümliche Erklärungen zu geben. Keiner meiner Leser wird, nehme
ich an, verstehen, daß die Abb. 63 wiedergegebene Zeichnung eine Mais
erntende Frau darstellen soll. Unsere kleinen Kinder sehen auch oft in
ihren Zeichnungen vieles, was wir Älteren nicht Phantasie genug haben,
zu begreifen.

Die Abb. 65 abgebildete Frau zeigt uns die kindliche Unschuld der
Indianer.


Fußnoten:

[43] K. v. d. Steinen, Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens.
Berlin 1894.

[44] Acacia moniliformis.




+Achtes Kapitel.+

=Unter den Indianern am Rio Pilcomayo= (Fortsetzung).


Krieg und Frieden.

Als ich die Chorotis und Ashluslays im Jahre 1908 besuchte, herrschte
zwischen diesen beiden und den Matacos ein sehr gespanntes Verhältnis.
Die Chorotis und Tobas waren ebenfalls keine Freunde. In welchem
Verhältnis die Ashluslays zu den Tobas standen, weiß ich nicht, da ich
die Gegenden, wo diese Stämme aneinandergrenzen, in diesem Jahre nicht
besuchte.

1909 war die äußere politische Lage verändert. Die Chorotis und
Ashluslays hatten mit den Matacos Frieden geschlossen. Dagegen lebten
die Ashluslays mit den Tobas in erbitterter Fehde.

[Illustration: Abb. 62. Kalebaßschale. Mataco-Vejos. ¼.

  a = Strauß.  c = Ebene (Pampas).
  b = Weg.     d = Wald.]

Die Ursache der Kriege zwischen diesen Stämmen ist gewöhnlich der
Fischfang und die Plünderungssucht. Ein Stamm sperrt den Fluß ab, so
daß die Fische nicht zu den Fischplätzen des anderen hinaufkommen
können. Dieser versucht die Sperre zu zerstören, einer der Stämme
verwundet oder tötet einen von der Gegenpartei, und der Krieg ist in
vollem Gange.

Beide Stämme ziehen sich so weit zurück, daß zwischen ihnen eine
unbewohnte Zone entsteht. Geordnete Schlachten scheinen selten
geschlagen zu werden und in der Regel ist die Zahl der Getöteten eine
sehr geringe.

[Illustration: Abb. 63. Mais sammelnde Frau. Gezeichnet von einer
Matacofrau. Esperanza. ¹⁄₁.]

Ein weißer Mann hat mir über eine Schlacht zwischen den Chorotis und
Matacos folgende Schilderung gemacht, die sehr charakteristisch, wenn
auch etwas übertrieben ist.

[Illustration: Abb. 64. Zeichnungen des Chorotimädchens Ashlisi. ½.

  A = Frau; e = Stirntätowierung, c = Nasentätowierung, d = Tätowierung
  unter den Augen, a = Backenknochentätowierung, b = Kinntätowierung.

  B = Frau. a = Haare.

  C = Erland Nordenskiöld, d. h. seine Brille.]

In der Nähe seiner Ansiedelung hatten zwei bedeutende Gruppen sich
einen ganzen Tag bekämpft. Eine Menge Schüsse waren abgefeuert worden,
denn einige der Indianer hatten Feuerwaffen. Des Abends kam ein Choroti
fliehend an seinem Hause vorbei:

„Wie ist es gegangen?“ wurde er gefragt.

„Schlecht“, war die Antwort.

„Wie viele sind denn getötet worden?“

„Keiner.“

„Dann habt ihr wohl viele Verwundete gehabt?“

„Keine“, war die Antwort.

Man hatte sich offenbar zuerst außerhalb der Schußweite bekämpft. Als
die Matacos dann mit großer Tapferkeit etwas näher gingen, waren die
Chorotis davongelaufen.

Alle Kämpfe verlaufen indessen keineswegs so unblutig.

In dem Kampf zwischen den Ashluslays und den Tobas, die ich am Anfang
des Buches erwähnt habe, wurden zehn Ashluslays und ein Toba getötet.
Dieser letztere war ein zur Rekognoszierung vorausgesandter Späher. Zur
Erforschung der feindlichen Stellung wurden nämlich zahlreiche Späher
angewendet.

Die besten Krieger sollen die älteren Männer und die Greise sein. Die
Jugend hält sich gern zurück. In geeigneter Entfernung von den Dörfern
sind Aussichtsposten gebaut. Auf den Kreuzwegen geben auf gewisse Art
gelegte Zweige u. dgl. dem Freunde an, welchen Weg er einschlagen soll.

[Illustration: Abb. 65. Zeichnungen eines Ashluslayknaben. ½.

  A = Frau; a = Kleidung, b = Vulva, c = Clitoris. Gezeichnet von einem
  etwa 7 jährigen Knaben.

  B = Ashluslay zu Pferde; a = Mann (der schwarze Punkt mitten auf dem
  Körper ist der Nabel), d = Pferd, b = Schwanz, c = Zähne. Gezeichnet
  von demselben Knaben, wie das Vorhergehende.]

Eine wichtige Neuigkeit wird durch Eilboten von Dorf zu Dorf
verbreitet. Mehrere Tage, bevor ich zu dem äußersten bolivianischen
Militärposten am Rio Pilcomayo kam, gingen die Indianer zu dem Chef
desselben und sagten zu ihm: „Elle (der kleine Papagei) kommt.“ Sie
berichteten ihm auch, wie viel Mann der kleine Papagei mithatte,
und sonst noch alles mögliche, was er nicht verstand, da er keinen
Dolmetscher hatte und nicht wußte, daß ich, d. h. der Papagei, kommen
würde.

Sowohl die Chorotis und Ashluslays wie auch die Tobas und Matacos
skalpieren ihre getöteten Feinde. Der Skalp eines Tobapilage, den
ich nach vielen Unterhandlungen von einem Ashluslay eingetauscht
habe, ist hier abgebildet (Abb. 70). Diese Skalpe hängen bei schönem
Wetter, an Lanzen angebunden, zu Ehren des Siegers vor den Hütten. Bei
Trinkgelagen spielen sie eine große Rolle. Dorfschaften, die nicht so
glücklich sind, daß einer der Ihren einen Skalp genommen hat, leihen
einen solchen von einem Nachbardorf für ihre Feste.

[Illustration: Abb. 66. Zeichnungen eines 20jährigen Ashluslaymannes.

A = Kuh; a = Zähne, b = Horn, c = Schwanz. -- B = Jaguar.]

Wenn die Indianer zum Kampfe ausziehen, stellen sie zuerst ein
ordentliches Trinkgelage an, bemalen sich kohlschwarz und schmücken
sich mit Federschmuck, Magenpanzer aus dickem Fell, Jacken und Mützen
aus Jaguarhaut usw.

Die Ashluslays führen richtige Kriegsspiele, richtige Feldmanöver auf,
wo man sich übt oder richtiger amüsiert. Diejenigen, die den Feind
vorstellen, bekommen immer Prügel. Die Häuptlinge sind, wie schon
gesagt, im Kriege Befehlshaber. Eine Disziplin ist nicht vorhanden.

[Illustration: Abb. 67. Ashluslaykrieger.]

Die Waffen im Kampfe sind Pfeil und Bogen sowie Streitkolben. Durch
Umwicklung des linken Handgelenks schützt man sich gegen die
Bogensehnen (Taf. 4). Einige der Ashluslays, die beritten sind, wenden
Lanzen an. Die Matacos benutzen bisweilen Brandpfeile, mit denen sie
die Dörfer der Feinde in Brand setzen.

Der bitterste Feind der Ashluslays ist der Tobahäuptling Taycolique,
der, wie ich vorher erzählt habe, seine Leute systematisch mit
Feuerwaffen bewaffnet. Ich fragte einmal Dr. L. Trigo, der fünf Jahre
lang Gouverneur im bolivianischen Chaco war und als solcher viel mit
den Indianern zu tun gehabt hat, ob er unter ihnen eine bedeutende,
leitende Persönlichkeit, einen „großen Mann“, angetroffen habe. Er
antwortete, der einzige sei Taycolique.

[Illustration: Abb. 68. Federschmuck. ¼. Wird im Stirnband getragen.
Ashluslay.]

Unter den Indianern geht das Gerücht, daß dieser Häuptling eine
allgemeine indianische Empörung gegen die Weißen anzustiften
versucht habe. Er hat mit dem Chiriguanohäuptling Mandepora und dem
Chanéhäuptling Vocapoy geheime Konferenzen gehabt. Dies geschah 1909
unter dem Einfluß des Gerüchts, daß zwischen Bolivia und Argentinien
ein Krieg im Anzug sei.

Ein Friede zwischen den Stämmen wird in der Weise geschlossen, daß an
die Angehörigen der im Kampfe Gefallenen Schafe, Pferde und andere
Gaben ausgeteilt werden. Beide Stämme, auch die Sieger, bezahlen
einander Blutschuld. Der Friede wird somit eigentlich zwischen den
Individuen und nicht zwischen den Stämmen geschlossen. Haben alle
Individuen der Stämme ihre gegenseitigen Streitigkeiten beglichen, so
hört der Krieg auf. Mein Dolmetscher Manuel Flores, von dem ich vorher
gesprochen habe, hat auf diese Weise 1908 die Blutschuldauszahlungen
zwischen den Matacos und den Chorotis geordnet, worauf sie in Frieden,
wenn auch in einem bewaffneten Frieden, lebten. Ihre gefangenen Kinder
versuchten die Ashluslays mitten im Kriege von den Tobas gegen Pferde
zurückzukaufen. Einige Mataco-Guisnays, die unter den Tobas lebten und
eine eigentümliche neutrale Stellung zu beobachten schienen, dienten
als Zwischenhändler.

[Illustration: Abb. 69. Federschmuck. ⅕. Wird auf dem Kopfe getragen.
Ashluslay.]

[Illustration: Abb. 70. Skalp eines Tobapilaga. ¼. Ashluslay.]

[Illustration: Abb. 71. Streitkolben. ⅕. Ashluslay.]

[Illustration: Tafel 12. Ashluslaykrieger.]

Verschiedene der Kriege im Chaco sind sicher auch Ausrottungskriege,
die nicht eher aufhören, als bis der eine Stamm unterjocht wird oder
auswandert. Ein solcher Krieg ist sicher der zwischen den Tapiete-
(Yanaygua) und den Tsirakuaindianern, über den ich am Schlusse dieses
Buches zu sprechen Gelegenheit haben werde.

Infolge der Kriege verändern sich die Verbreitungsgebiete der Stämme.
Auf diese Weise läßt es sich erklären, daß Campos[45] die Stämme 1883
an ganz anderen Stellen fand, als wo sie 1908 und 1909 wohnten. Wird
der Krieg zwischen den Tobas und den Ashluslays fortgesetzt, so drängen
die ersteren die letzteren wahrscheinlich ganz vom Flusse fort. Die
Eroberung der bolivianischen Seite des Rio Pilcomayo ist auch für die
Tobas außerordentlich wichtig, da die Argentinier sie immer mehr zur
Unterwerfung zu zwingen suchen.

Kämpfe um den Fluß und den Fischfang haben hier wohl zu allen Zeiten
geherrscht. Die stärkeren Stämme haben sich der Nahrungsquelle Rio
Pilcomayo bemächtigt und die schwächeren nach noch unerforschten
Gegenden des nördlichen Chaco gedrängt, wo wir wahrscheinlich Reste von
Stämmen finden können, deren Namen uns nicht einmal bekannt ist.


Handel.

Auch eine friedliche Verbindung herrscht zwischen den Stämmen. So habe
ich am Rio Parapiti von den dort Yanaygua genannten Tapieteindianern
runde, durchbohrte, kleine Scheiben Muschelschalen eingetauscht.
Diese erhalten sie von den Ashluslays, die sie wieder von einem mir
unbekannten Stamm, von den Ashluslays Manslé (möglicherweise = Lengua)
genannt, bekommen, der unweit des Rio Paraguay wohnt und reiche Vorräte
von Eisen, besonders Töpfe und Wagenachsen, zu besitzen scheint. Die
Manslé sollen durch den nördlichen Chaco bis zum Chorotigebiet auf
Wegen gehen, die nicht dem Rio Pilcomayo folgen. Sie haben Eisen und
Schneckenschalen mit, die sie gegen Tiere und Mäntel aus Pelz und
Wolle eintauschen. Man sieht Chorotis, die bis zu zehn bis zwanzig
Meter lange Halsketten aus diesen kleinen Schneckenschalen haben (s.
Abb. 33).

Nimmt man übrigens eine Sammlung von Gegenständen z. B. bei den
Chorotis vor, so darf man keineswegs glauben, daß alles, was man
erhält, an Ort und Stelle angefertigt ist. Mit Geräten, Geweben,
Taschen aus Caraguatá usw. wird ein bedeutender Tauschhandel zwischen
den Stämmen betrieben. Von den Chiriguanos erhalten die Chorotis die
rote Farbe, Uruku. Für ein kleines Stück davon bezahlen die Chorotis
einen warmen und großen Mantel aus Wolle. Von den Chorotis erwerben
dann die Ashluslays diese beliebte Farbe.

Auch im Paraguayer Chaco ist Uruku eine Handelsware. Nach Boggiani[46]
erhalten die Chamacocoindianer die kostbare Farbe von den Caduveis.
Domenico del Campana[47] erwähnt, daß die Chiriguanos Uruku zum Verkauf
nach Gegenden, wo dieser Busch nicht wächst, herstellen.

In Eric von Rosens schöner Sammlung von den Chorotis, die in der Nähe
von Caiza, nicht weit von dem letzten Gebirgskamm der Anden nach dem
Chaco, wohnten, befindet sich ein ornamentiertes Gewebe, das durch
Handel von den weit davon wohnenden Ashluslays erhalten sein muß.

Das Eisen ist im Chaco seit langem eine wichtige Handelsware. Sowohl
die Ashluslays wie die Chorotis haben dasselbe ihrer eigenen Angabe
nach erst von Osten, d. h. von Paraguay, erhalten. Der Stamm, der wohl
am längsten am Rio Pilcomayo gewohnt hat, ohne das Eisen zu kennen,
war der der Chorotis, obschon sie jetzt viel mehr Werkzeuge aus diesem
Material besitzen, als die Ashluslays.

[Illustration: Tafel 13. Ashluslaymann im Magenpanzer.]

Ich habe einmal einen Handelsreisenden in Eisen gesehen. Es war ein
Choroti, der mit allerlei Schrot, Nägeln u. dgl. auf dem Wege nach dem
Innern des Ashluslaygebietes begriffen war. Seinem wenig wertvollen
Lager nach zu urteilen, muß die Nachfrage nach der Ware eine sehr große
sein.

Von sehr großer Bedeutung ist der Handel mit getrockneten Fischen. Die
Chorotis wie auch die Matacos, Tobas und Tapietes bringen solche Fische
zu den Chanéindianern am Rio Itiyuro und zu den Chiriguanos, und die
Chiriguanos bringen wieder Mais zu den Stämmen am Rio Pilcomayo, wo
sie ihre Fischeinkäufe machen. Man mißt den Mais in großen Tongefäßen,
„Yambuy“, und in Kalebassen. Die Maße sind natürlich ungefähre.

[Illustration: Abb. 72. Ashluslaytänzer zum Besuch bei den Chorotis.
Die Mädchen, die rechts sichtbar sind, sind Chorotis.]

Meine Tauschwaren wurden durch den Handel der Indianer untereinander
weit umher verbreitet. In einem Chorotidorf hatte ich mehrere bunte
Hemden in den Tausch gegeben. Als ich einige Tage später den Fluß
weiter herunter kam, waren meine grelleuchtenden Hemden das erste, was
ich in den Dörfern sah. Sie hatten schon den Eigentümer gewechselt.
In den Ashluslaydörfern war es nichts Ungewöhnliches, daß ein
Indianer hunderte große Nähnadeln durch Tausch an sich brachte, und
höchstwahrscheinlich werden sie von diesen Grossisten in Nähnadeln als
Tauschwaren für im Inneren des Chaco wohnende Indianer angewendet.

Ein anderer Handel ist der mit Pferden, Schafen usw. Zuweilen sind
diese Pferde gestohlen, und hat ein solches gestohlenes Pferd mehrere
Male den Besitzer gewechselt, so haben die Weißen große Schwierigkeit,
es zurückzubekommen. Die Indianer verstehen das Unrechte, zu stehlen,
aber nicht das, gestohlene Waren zu kaufen.

Dieser Handel zwischen den Stämmen ist natürlich für die Vermittlung
von allerlei Kultureinflüssen von großer Bedeutung. Für den
Ethnographen ist er sehr zum Ärger, da er den umbildenden Einfluß der
Weißen auf Indianer, die in keiner direkten Verbindung mit irgend
welchen Fremden gestanden haben, vermittelt.

Von Interesse ist es zu beobachten, wie die Indianer beim Tauschhandel
ihre Habseligkeiten taxieren. Am teuersten sind z. B. bei den Chorotis
die Halsketten, die Mäntel, die sehr großen Caraguatátaschen, die
Netze, Kalebassen und die Urukufarbe. Die Chorotis und die Ashluslays
haben die ganz natürliche Auffassung, daß das, was ihnen die meiste
Arbeit macht, durch die gesuchtesten Tauschwaren, wie Zeuge, Messer
u. dgl., ersetzt werden muß. Für die Halsketten bezahlen sie selbst
Schafe, und diese schätzen sie sehr hoch. Daß sie den wirklichen
Wert der ihnen angebotenen Tauschwaren nicht kennen, ist natürlich.
Hatte ich irgend welche Gegenstände nach Ansicht der Indianer zu
hoch bezahlt, so verbreitete sich sofort das Gerücht davon und mir
wurden überall solche angeboten. Eine Herabsetzung des Preises für
einen Gegenstand, weil der Vorrat groß war, war für die Indianer
unbegreiflich und deshalb schwer. Beinahe unmöglich war es, gewisse
Gegenstände einzutauschen, die sie für unentbehrlich hielten. Sehr
große Caraguatátaschen gaben sie deshalb, falls sie nicht mehrere
Exemplare davon hatten, nicht her, weil sie dieselben notwendig zum
Einsammeln wilder Früchte gebrauchten.

Außer im El Gran Chaco, hat man in Bolivia nicht häufig Gelegenheit,
den Handel zwischen den Stämmen zu studieren. In den übrigen Teilen von
Ostbolivia gibt es zwar noch äußerst primitive Indianer, diese sind
aber beinahe überall nach den unzugänglichsten Wäldern hingedrängt und
die verschiedenen Stämme wohnen isoliert voneinander.


Besuch in fremden Dörfern.

Leben zwei Stämme auf freundschaftlichem Fuße miteinander, so besucht
sich die Jugend oft und tanzt auf den Tanzbahnen der anderen. Manche
Nacht bin ich auf einem Tanzplatz gewesen, wo sich sowohl die Choroti-
als die Ashluslayjugend zu versammeln pflegte. Niemals hörte ich einen
Zank zwischen der Jugend der verschiedenen Stämme, noch weniger war ich
Zeuge irgend einer Schlägerei. Die Mädchen der verschiedenen Stämme
sollen sich jedoch zuweilen gründlich prügeln.

Kommt ein Indianer nach einem fremden Dorf, so erfordert es die
Höflichkeit, daß er die ganze Nacht über zum Takt einer Kalebaßklapper
singt. Bei solcher Gelegenheit wurde folgendes Chorotilied gesungen:

anám, anám, ta ayén skíales, átashlé ayén sikiáles, lám sis, hähuin néo
húäsis, ta lám sis yám, po hayéne sítyusis, sis, hälea húäsis, nä lámes.

Das bedeutet ungefähr: Ich bin gekommen, ich bin gekommen, um meine
Brüder zu sehen. Ich bin von weither gekommen, um meine Kinder zu
sehen. Nun geht es ihnen gut. Sie werden nicht die Feinde sehen. Jetzt
geht es ihnen gut, zusammen mit mir. Ich bin gekommen, um meine Brüder
zu sehen. Die Feinde werden sie nicht töten. Jetzt geht es ihnen gut.

Mein Dolmetscher, der die Sitten und Gebräuche der Indianer
kannte, sang auch die ganze erste Nacht, die wir im Dorf des
Ashluslayhäuptlings Toné waren, diesen Gesang. Auf solche
Aufmerksamkeit von den Weißen legen die Indianer Wert. Das halten sie
für gute Lebensart.


Das Verhältnis zu den Weißen.

Alle längs des Rio Pilcomayo lebenden Chorotis stehen seit einigen
Jahren mit den ihr ganzes Gebiet bewohnenden Weißen in lebhafter
Berührung. Einige Meilen vom Fluß entfernt leben sie jedoch vollständig
unabhängig, und die Gegenden, die sie dort bewohnen, sind unerforscht.
Die Ashluslays wurden erst 1883 von Campos entdeckt und dann von Trigo
1906 sowie später von Herrmann besucht. Innerhalb ihres eigentlichen
Gebietes am Flusse liegt jetzt ein bolivianischer Militärposten. Als
der erste Weiße habe ich einen Teil ihres Hinterlandes besucht, das
nach allen Wegen, die ich auf meinem Ausfluge sah (s. die Karte), und
aus den Auskünften, die ich von den Indianern erhalten habe, sehr
umfangreich sein muß.

In Bolivia habe ich die Indianer niemals von den Weißen so gut
behandelt gesehen, als am Rio Pilcomayo. Das ist das Verdienst einer
Person, und zwar des Dr. L. Trigo, eines Mannes, der es verstanden hat,
sich die Sympathien der Indianer wie der Indianerinnen zu erwerben,
der sie immer als Freunde und Kameraden behandelt hat, der nicht als
hoher Gouverneur, sondern als ein warmherziger und feingebildeter,
verstehender Mensch aufgetreten ist.

Dr. Trigo hat sie manchmal bestraft, denn wenn der weiße Mann in das
Gebiet der Indianer eindringt, muß es zu Konflikten kommen, noch öfter
hat er sie aber, trotz der energischen Aufforderungen der weißen
Kolonisten zu einer exemplarischen Bestrafung, unbestraft gelassen.

Trigo hat mit Tabak, Decken, bunten Zeugen u. dgl. ein großes Gebiet
im Chaco erobert. Pulver und Blei hat er nur im äußersten Notfall
angewendet.

Kommt ein Fremder in ein Indianerdorf, so dauert es einige Zeit, bis
die Indianer ihren wirklichen Charakter zeigen. Im Anfang erscheinen
sie verschlossener, als sie es in Wirklichkeit sind. Sind Neugier und
Argwohn vorüber, so sind die Indianer wieder sie selbst. Im Dorfe
ertönt den ganzen Tag über heiterer Scherz, man spielt, tanzt und
vergnügt sich.

[Illustration: Tafel 14. Ashluslayfischer gehen über den Rio Pilcomayo.]

Manchmal können die Indianer in ihren Freudenausbrüchen ganz
ausgelassen und wild sein. So erinnere ich mich einer Nacht im Dorfe
des Chorotihäuptlings Waldhuhn. Bemalt und nackt, mit Federn und
Halsketten geschmückt, tanzte ich mit meinen Freunden, während der
zweitälteste Sohn des Häuptlings die Rolle des „Elle“ in Stanleyhelm,
Brille und Mantel spielte und überall Tabak verteilte. Die Indianer
krümmten sich vor Lachen. Wir amüsierten uns diese Nacht und viele
andere ebenfalls.

Die Indianer sind sehr leicht beleidigt, handelt es sich aber um
Kleinigkeiten, so verschwindet der Unwille schnell. Schwer zu
beurteilen ist, ob sie in Ernstfällen nachtragend sind, aber ich glaube
es beinahe. Sie sind sehr eingebildet. Eine kleine Schmeichelei nehmen
sie in der Regel gut, eine Bemerkung sehr übel auf. Als ich z. B. zu
einem Chorotimädchen einmal sagte, das Ausreißen der Augenhaare habe
sie sehr häßlich gemacht, war sie mir sehr böse. Eine Höflichkeit über
einen kleidsamen Federschmuck oder derartiges nehmen die Chorotis sehr
wohl auf. Eine gute Art, die Chorotimädchen zu ärgern, ist, wenn man
ihnen erzählt, wie viele hübsche Mädchen man bei den Ashluslays sieht.

Den Versprechungen der Indianer kann man wenig trauen. Den einen Tag
versprechen sie z. B. auf einer Exkursion mitzufolgen, am anderen
brechen sie das Übereinkommen ungeniert.

In der Regel schienen mir besonders die Chorotis sehr undankbar. So
hatte ich z. B. einmal einen Choroti mehrere Tage zu Gaste in meinem
Lager und bewirtete ihn reichlich. Kurz darauf kam ich zu Besuch in
sein Dorf. Der Indianer war auf dem Fischfang. Als er mit Fischen
beladen nach Hause kam, glaubte ich, er würde mir einen Fisch schenken,
ich täuschte mich aber gewaltig. Ich bekam nichts. Statt dessen
forderte er Tabak und einen Hut von mir.

Ähnliches habe ich mehrmals erlebt und ich wurde zuweilen dadurch
verstimmt. Dies war dumm von mir. Ich hätte verstehen müssen, daß
ein Mann, der ein paar mit Zeugen, Messern, Nadeln, Glasperlen usw.
beladene Maulesel besitzt, vom Gesichtspunkt der Indianer aus so
kolossal reich ist, daß er von den armen Indianern keine Gaben fordern
darf.

Unter sich sind sie ja so freigebig, daß sie verschenken, was sie
selbst gebrauchen könnten. Wie oft kam es vor, daß ein hungriger
Indianer, dem ich einen Teller Essen angeboten hatte, diesen mit
allen teilte und selbst nichts bekam. Die von den Weißen unberührten
Ashluslays waren viel gastfreier als die Chorotis und schenkten mir
beständig Fische, Mais, Algarrobo u. a.

Wenn wir in ein niemals von Weißen besuchtes Ashluslaydorf kamen,
forderten die Indianer keine Geschenke. Anders ist es leider in den
Dörfern, in denen die Indianer in die Fabriken in Argentinien zu gehen
pflegen. Sie halten es ganz einfach für selbstverständlich, daß man
ihnen wenigstens Tabak gibt. Es scheint mir beinahe, als betrachten die
Indianer in gewissen Gegenden die Tabakverteilung als eine Steuer, die
der durchziehende Weiße zu entrichten verpflichtet ist.

Von den Weißen werden die Indianer der Unehrlichkeit beschuldigt.
Es läßt sich auch nicht leugnen, daß sie Vieh stehlen und daß die
Ashluslays sich vor einigen Jahren durch Diebstahl achtzig Pferde
zugelegt haben, daß sie einen Teil des Maises, den die Kolonisten säen,
ernten usw.

Meine Erfahrung ist jedoch die, daß die Indianer recht ehrlich sind.
Von seinen Freunden stiehlt man nämlich nicht. Es geschah wohl
zuweilen, daß jemand z. B. meine Hosen, meinen Stanleyhelm oder meine
Stiefel ohne Erlaubnis lieh, dies geschah aber nur, um ein Weilchen
damit herumzustolzieren, nicht um zu stehlen.

Sicher beschuldigen die Weißen die Indianer auch solcher Diebstähle,
die sie unter sich begehen. So war ich einmal in einem kleinen
Kolonistenhof am Rio Pilcomayo. Der Besitzer war krank geworden
und verreist. Zufällig sah ich, wie die weißen Diener in seine
Vorratskammer gingen und Zucker, Konserven und Zeug stahlen. Ein junger
Chorotiindianer wurde aufgefordert, den Raub zu teilen. Mit einem
verächtlichen Lächeln verließ er sie.

[Illustration: Abb. 73. Ashluslayfischer. Rio Pilcomayo.]

Als der Diebstahl entdeckt wurde, hatte natürlich das verdammte
indianische Pack oder richtiger „esos indios c--s“ seine Hand dabei
gehabt.

Daß die Indianer zuweilen eine Kuh stehlen und schlachten, wenn der
Magen leer ist, ist nicht zu verwundern. Das würde unter ähnlichen
Umständen ein Weißer auch tun.

Die Weißen nehmen den Indianern das Land stückweise ab, zwingen sie
weit ab vom Flusse, wo kein Vieh in der Nähe ist, zu bauen, ohne den
Indianern Arbeit zu geben. Wenn die Indianer ihr Land an die Weißen
verlieren, so ist es recht und billig, daß diese ihnen so viel Arbeit
geben, daß sie genügend für Essen, Werkzeuge, Kleider usw. verdienen
können, denn einmal in Berührung mit der Zivilisation der Weißen,
bekommen die Indianer neue Ansprüche an das Leben.

Zu meiner Ehrlichkeit hatten die Indianer ein sehr großes Vertrauen. So
pflegten, als ich einige Tage mich bei dem Militärposten in Guachalla
aufhielt, die Ashluslays, und darunter viele, die ich kaum kannte, ihre
Habe mir in Verwahrung zu geben. Dieses Vertrauen teilte ich nur mit
dem Dolmetscher Manuel Flores und mit Dr. Trigo.

Trotz ihrer Fehler sind mir die Choroti- und Ashluslayindianer sehr
sympathisch. Ihre Unzuverlässigkeit, Undankbarkeit und Lügenhaftigkeit
schreibe ich zum großen Teil den Weißen zu, denn diese häßlichen
Seiten scheinen nur meistens bei der Berührung mit den Eindringlingen
hervorzutreten.

Solche generellen Urteile, wie ich sie hier über den Charakter einer
großen Menge Menschen fälle, sind natürlich immer etwas schwebend. Es
gilt hier, wie bei den zivilisierten Menschen, daß die Individuen so
verschieden sind. Der eine ist still und verschlossen, der andere geht
lachend durchs Leben. Der eine ist äußerst eitel, dem anderen liegt
nichts daran, sich geltend zu machen. Am liebsten möchte ich jedes
Individuum, das ich näher kennen gelernt habe, besonders schildern, in
der Regel war ich aber allzu kurze Zeit mit ihnen zusammen, um mich auf
die Individualpsychologie einzulassen.

[Illustration: Tafel 15. Ashluslayfrau auf der Wanderung. Das Pferd ist
von den Weißen gestohlen.]

Außerordentlich glücklich wäre es, wenn Dr. Trigos kluge
Indianerpolitik im Chaco fortgesetzt würde. Die Indianer brauchen keine
Schutzgesetze, sondern warmherzige und energische Männer, die die
Gerechtigkeit mit Klugheit und Geduld, vor allem Geduld, handhaben.

Zuletzt ein paar Mutmaßungen. Dr. Trigo schätzt die Zahl der Chorotis
auf etwa 4000. Ich glaube nicht, daß diese Zahl stark übertrieben ist,
wenn man berechnet, daß zahlreiche Chorotis im Innern des nördlichen
Chaco leben.

Wie viel Ashluslays gibt es? Moberg und der Verfasser sind in
einundzwanzig Dörfern gewesen, von denen mehrere sehr volkreich waren.
Berechnen wir, daß jedes Dorf durchschnittlich 200 Einwohner hat, so
erhalten wir 4200 Indianer. Wahrscheinlich gibt es mindestens ebenso
viele Dörfer, die wir nicht besucht haben. Ein ganzer Teil soll sich im
Innern des Chaco befinden. Es würde mich deshalb nicht wundern, wenn
der Ashluslaystamm nahezu 10000 Individuen zählte. Das ist natürlich
nur eine Annahme. Aus der Karte sieht man jedoch, daß dieser Stamm eine
große Verbreitung hat.

Ich verlasse nun die Chorotis und Ashluslays. In den Fachzeitschriften
werde ich auf ihre Kunst und Industrie, die ich hier nur flüchtig
berührt habe, zurückkommen.

In meinen Schilderungen ist nicht viel von der Poesie des letzten
Mohikaners, ich beschreibe hier nicht die Helden der Indianerbücher,
sondern ganz einfach gewöhnliche Menschen. Die Jüngsten lieben das
Spiel, die Jungen die Liebe, die Alten Essen, Trinken und Tabak. Sie
kämpfen, wie andere, ihren Kampf ums Dasein, und dieser Kampf ist
sicher oft hart. Besser als wir verstehen sie es, zusammenzuhalten,
einander zu helfen. Deshalb liebe ich sie -- und ich wäre froh, wenn
auch der Leser etwas Sympathie für sie bekommen hätte.


Fußnoten:

[45] Campos, Expedition Boliviana de 1883. Buenos Aires-La Plata 1888.

[46] Boggiani, Compendió de Etnografia Paraguaya moderna. Revista del
Inst. Paraguayo. 1900.

[47] Domenico del Campana: Notizie intorno ai Ciriguani. Arch. per
L’Anthr. e la Etn. Firenze 1902. S. 61.




+Neuntes Kapitel.+

Das Land der Chané- und Chiriguanoindianer.


Wie ich ein Bild des Lebens der Choroti- und Ashluslayindianer zu geben
versucht habe, will ich auch die Chané- und Chiriguanoindianer und
meine verschiedenen Besuche bei ihnen zu schildern versuchen. Diese
Indianer stehen bedeutend höher als die „Wilden“ des Chaco. Sie leben
zum allergrößten Teil in Abhängigkeit von den Weißen, und ihre alte
eigenartige Kultur verschwindet immer mehr.

Die Chiriguanos sind auch jetzt zu einem ganz bedeutenden Teil
Christen. Seit über 300 Jahren haben zuerst die Jesuiten und dann die
Franziskaner sie mit wechselndem Erfolg zu dem alleinseligmachenden
christlichen Glauben zu bekehren versucht. Bei den Chiriguanos befinden
sich auch jetzt noch mehrere Missionsstationen, bei den Chanés dagegen
keine.

In den Chanés und Chiriguanos lernen wir Menschen mit einer höheren
Kultur kennen, Menschen, die von den Indianern, von denen wir in
den vorigen Kapiteln gelesen haben, vollständig verschieden sind.
Vergleiche zwischen den beiden Kulturtypen, die wir im Chaco antreffen,
sind natürlich von Interesse.

Was den Leser vielleicht am meisten wundert, ist der Umstand, daß
beide primitive Kulturen nebeneinander bestehen können und sicher
jahrhundertelang bestanden haben, ohne ineinander zu verschmelzen, ja
ohne voneinander zu lernen, und dies, obschon hier keine natürlichen
Grenzen vorhanden sind.

Im Mai 1908 besuchte ich, wie gesagt, den Chanéhäuptling Vocapoy am Rio
Itiyuro in Argentinien nahe der bolivianischen Grenze. Dies ist einer
der Flüsse, der vergebens den Wildnissen des Chaco zu entrinnen sucht.
Er entspringt den äußersten, urwaldbestandenen Quellen der Anden und
verschwindet in den Trockenwäldern des Chaco.

Vocapoy lag im Streit mit den Weißen, die sein Land usurpiert hatten
und seine Auffassung, daß sie nur seine Pächter seien, nicht gelten
lassen wollten. Er bat mich um Rat, wie er die Weißen dazu bewegen
könne, das Recht der Indianer an dem Land anzuerkennen. Ich riet ihm,
sich an den großen Häuptling der Weißen, den Präsident der Republik, zu
wenden, und nahm Stellung als Feldmesser der Indianer an. Ich streifte
mit den Indianern durch ihr Gebiet und zeichnete eine kleine Skizze,
die Vocapoy mit zum Präsidenten nehmen sollte. Die Indianer hießen
meine Skizze nicht gut, sondern zeichneten selbst eine Karte von dem
Lande.

[Illustration: Abb. 74. Vocapoys Dorf am Rio Itiyuro.]

Leider weiß ich nicht, ob Vocapoy die lange Reise nach dem Dorfe des
großen Häuptlings vorgenommen hat, ich erwarb mir aber durch die
Feldmessung das Vertrauen der Indianer.

[Illustration: Abb. 75. Chanéindianer. Rio Itiyuro.]

Als ich Ende Juli 1908 die Chorotis und Ashluslays verließ, begab ich
mich über Yacuiba nach San Francisco am Rio Pilcomayo. San Francisco
war eine Missionsstation, die die Franziskaner unter den Chiriguanos
gehabt hatten, die aber jetzt eingezogen ist. Nicht weit davon wohnen
die Tapieteindianer, bei denen ich im August 1908 eine Woche zubrachte.

[Illustration: Abb. 76. Chanéindianer. Rio Papapiti.]

In Tihuïpa eröffnete ich einige Tage lang ein richtiges kleines
Materialwarengeschäft. Indianer und Indianerinnen, besonders die
letzteren, drängten sich um den Ladentisch. Es war ein eigentümlicher
Laden. Kam eine Indianerin mit Geld dorthin, um zu kaufen, wurde sie
vom Ladendiener höflich abgewiesen, kam sie dagegen mit einem hübschen
alten Tongefäß, so wurde sie die glückliche Besitzerin von Korallen,
feuerroten Bändern, Ohrringen mit wirklichen „Diamanten“, Ringen mit
„Saphiren“ oder von anderem Wackeren, womit sie dann beim nächsten
Trinkgelage prahlen konnte.

In diesen Missionsstationen befinden sich immer zwei Dörfer, eins für
die Heiden, eins für die Christen. Ich für meine Person fühlte mich
immer in dem ersteren am wohlsten, und dies nicht allein deswegen, weil
dort mehr hübsche, alte Gegenstände zu sammeln waren, sondern auch,
weil man dort in seinem Benehmen freundlicher, taktvoller und feiner
war. Die Missionskinder waren zudringlich und frech.

Bei Machareti ist eine große Talmulde, in welcher ein kleiner Bach
fließt, der nach einem heftigen tropischen Regen wahrscheinlich zu
einem brausenden Fluß anschwillt und sich in den Wildnissen des Chaco
verliert. Ganz nahe der Mission verläßt er die hübsch zerschnittenen
Berge, wo überall in den Rissen der Klippen kleine Petroleumquellen
hervorsickern. Er fließt dann durch eine Hügellandschaft, die
allmählich in das gewaltige Flachgebiet des Chaco übergeht. Die
Vegetation in diesen Gegenden ist keine sehr üppige. Der Wald, wenn
solcher vorhanden ist, ist dünn, niedrig, strauchig und einförmig. Die
Felder scheinen reiche Ernten zu geben, die Dürre selten zu groß zu
sein. Oft werden diese Gegenden von gewaltigen Heuschreckenschwärmen
verheert. Wie große, rotbraune Wolken habe ich diese schädlichen Tiere
die Wälder bedecken gesehen.

Von Machareti gingen wir über Itatiqui, einem ganz interessanten
Chiriguanodorf in einer wasserarmen Gegend, nach dem Rio Parapiti.

Dieser kommt von Pomabamba und Sauzes, von den Gebirgen der
Quichuaindianer. Wenn er diese verläßt, ist er in der Regenzeit ein
brausender, seine Ufer überschwemmender Strom. In der Trockenzeit
führt er wenig Wasser. Auch der Rio Parapiti endet im Chaco. Während
der Regenzeit verliert er sich in den Morästen, in der Trockenzeit
verschwindet er in dem feinen Sand. Wenn der Rio Parapiti auf den
Karten als südlichster Nebenfluß des Amazonenstromes stolziert, so ist
dies also nur eine leere Prahlerei von ihm. Die Wälder längs des Rio
Parapiti bestehen meistens aus Büschen und niedrigen, feinblättrigen
Bäumen, Caraguatá und Kakteen.

In der Trockenzeit häuft der Wind große Dünen längs der Ufer des
Flusses auf. Nachdem er die Berge verlassen hat, erhält er keinen
Nebenarm. Der Rio Parapiti ist sehr breit, aber niemals tief. Während
der trockensten Zeit ist sein Bett in eine Sandwüste verwandelt, wo
der Wind mit dem feinen Flußsand spielt. Stürmt es, so wird der Sand
über den Flußboden gepeitscht. Will man an einem solchen Tag herüber,
so macht man sich vielleicht die Füße nicht naß, muß aber seine Augen
hüten.

Der Rio Parapiti ist fischreich, die Fische sind aber winzig klein.
Die Ufer sind recht fruchtbar, da sie aber während der Regenzeit
überschwemmt werden, gehen die Ernten leicht verloren. In der
Trockenzeit wird oft alles durch die brennende Dürre verzehrt. Auch die
Heuschrecken hausieren in diesen Gegenden und hinterlassen in ihren
eigenen unappetitlichen Körpern einen schlechten Ersatz für das, was
sie zerstört haben.

Am Rio Parapiti wohnen ganz hoch oben am Gebirge die Quichuaindianer,
dann kommen die Chiriguanos, hierauf nahe dem Flusse die Tapietes, auch
Yanayguas genannt, danach die Chanés und zuletzt in den unbekannten
Wildnissen die Tsirakuaindianer.

Mein erster Besuch am Rio Parapiti galt dem Padre Carmelo, der dort
eine kleine Missionsstation unter den Chiriguanos hatte. Diesen Mönch
habe ich sehr lieb gewonnen, er hatte eine so vertraueneinflößende
Freundlichkeit. Er gehört zu den Missionaren, die hier erforderlich
sind, Menschen, die sich für andere aufopfern wollen und können, die
allen eine gleich große Freundschaft erweisen.

Ich setzte nun längs des Rio Parapiti nach Isiporenda, am Nordufer des
Flusses, fort. Gegenüber Isiporenda wohnen die Tapietes. Einen Besuch,
den ich bei ihnen machte, will ich später schildern.

Bei Isiporenda traf ich den ersten Chané oder, wie sie hier genannt
werden, Tapuy. Ich besuchte dann den größten Teil ihrer Dörfer.
Besonders machte ich mit einigen ihrer Sagenerzähler Bekanntschaft, von
denen Batirayu, der Neffe des letzten großen Häuptlings Aringuis, mein
guter Freund wurde.

Vom unteren Rio Parapiti begab ich mich über Charagua, einem beinahe
ausschließlich von Weißen bewohnten Dorf, nach dem Caipipendital, wo
ich mich bei dem Chiriguanohäuptling Taruiri aufhielt.

Man kann sich wundern, daß ein Mensch in diesem wälderlosen Tale,
wo man nur ein salziges, schmutziges Wasser findet, wohnen will, im
Caipipendital braucht man aber kein Wasser zu trinken, denn dort
gibt der Mais herrliche Ernten und dort herrscht niemals Mangel an
Maisbier. Die Bewohner des Caipipenditals sind reich, und herrscht in
anderen Gegenden Not, so kommen die Indianer von weither zu diesen
Stammverwandten, um ihre Kostbarkeiten gegen Mais einzutauschen.

Es ist auch für Sammler ein herrliches Tal. Silberne Schmucksachen,
silberne Schalen, fein geschnitzte Musikinstrumente und viele andere
Seltenheiten fanden wir in diesem Paradies des Ethnographen. Steinäxte,
Ruinen, Grabfelder von verschiedenen Völkern beweisen, daß das
Caipipendital lange von den Indianern hoch geschätzt war.

Tief hat das Wasser sich in dieses Tal eingeschnitten. In der Regenzeit
regnet es wohl auch dort.

Von Caipipendi kehrte ich über die Berge durch ein seiner heißen
Quellen und seiner Schönheit wegen berühmtes Tal nach Charagua zurück,
um dann längs der Anden in der Richtung nach Santa Cruz de la Sierra
fortzusetzen.

Es war im Oktober 1908. Nicht ganz ein Jahr später, im Juli 1909,
besuchte ich, nach umfassenden Flußfahrten weit hinten an der Grenze
Brasiliens, den Chaco wieder. In einem anderen Buche werde ich diese
Fahrten auf großen, schiffbaren Flüssen und durch Urwälder, deren
üppiges Grün überwältigt, schildern.

Von Santa Cruz de la Sierra kam ich, wie gesagt, im Juli 1909 nach dem
Chaco zurück. Ich reiste nun zuerst über den Rio Grande nach dem Rio
Parapiti, um vor allem meinen Freund Batirayu zu besuchen.

Der Rio Grande ist der südlichste Nebenfluß des Amazonenstromes.
Er kommt von den höchsten Bergen der Anden und fließt bei Sucre
vorüber, welche Stadt lange der Stadt La Paz den Rang als Hauptstadt
Bolivias streitig gemacht hat. Wenn er aus dem Gebirge tritt, ist
er ein brausender, mächtiger Fluß. Weiter unten hat er einen höchst
unbeständigen, sehr wenig bekannten Lauf. Nördlich von Santa Cruz de
la Sierra nimmt der Rio Grande den Rio Piray auf und vereinigt sich
schließlich mit dem Rio Mamoré. Einige Chiriguanos wohnen an diesem
Fluß, auch wilde Tsirakuas und Sirionos streifen in den Urwäldern an
demselben umher.

Zwischen dem Rio Grande und dem Rio Parapiti ist ein höchst
wasserarmes, zum großen Teil mit vollständig undurchdringlichem
Gestrüpp und niedrigem Buschwald voller Caraguatá und Kakteen bedecktes
Gebiet. Diese einförmige, düstere Vegetation wird hier und da durch
Hügel und Grasebenen unterbrochen.

Außer den wilden Tsirakuaindianern, die diese Dickichte unsicher
machen, findet man hier eine andere Merkwürdigkeit, nämlich den Guanako
(auchenia). Es ist ganz sonderbar, ein Tier wie den Guanako, den man
sich nur im Zusammenhang mit den kalten Hochebenen der Anden oder den
oft unter Frost leidenden Pampas von Patagonien denken kann, in diesen
oft von der Dürre verbrannten Gebüschen zu finden. Es wäre interessant,
bestimmen zu können, ob dieser Guanako des tropischen Urwaldes wirklich
derselbe ist, den man von kälteren Gegenden her kennt. Intelligente
Weiße, mit denen ich hierüber gesprochen habe und die beide gesehen
haben, halten sie gleichwohl für dieselbe Art.

Nach dem Rio Parapiti zurückgekommen, suchte ich Batirayu auf, mit dem
ich schon 1908 intim bekannt wurde und der auch ein ausgezeichnetes
Spanisch spricht.

Keinem Indianer, den ich kennen gelernt habe, bin ich so nahe gekommen,
wie Batirayu. Er verstand, daß ich die alten Erinnerungszeichen aus
Interesse für seinen Stamm sammele. Batirayu tat sein bestes, mir die
religiösen Begriffe seines Stammes zu erklären. Des Abends saßen wir
bei einer Zigarette in seiner Stube, und er erzählte von alten Zeiten,
Zauberern, Häuptlingen und Geistern. Zuweilen kam ein alter Häuptling
Bóyra dazu, und von ihm hörte ich viele hübsche Chanésagen. Bis spät in
die Nacht hinein saßen wir und plauderten bei einem flackernden Licht,
das ich mithatte, um Aufzeichnungen zu machen.

Man irrt sich sehr, wenn man glaubt, daß die Gespräche mit diesen
Männern nur ein interessantes Studium waren. Ich fühlte mich wohl bei
diesen feinen, taktvollen, ja, warum nicht, gebildeten Menschen. Es war
eine reine Erquickung, wenn man von den oft platten, inhaltlosen Weißen
kam. Batirayu ist aber auch ein ungewöhnlicher Mann, der Stoff zu einem
großen Mann, der zur Untätigkeit verurteilt ist.

Batirayu ist ein Chané. Diese Indianer sprechen jetzt dieselbe Sprache
wie die Chiriguanos, und zwar Guarani. Die meisten ihrer Sitten und
Gebräuche stimmen auch mit denen der Chiriguanos überein, von denen sie
wahrscheinlich unterworfen worden sind. Ihrem Ursprung nach sind sie
indessen Arowaken und somit die am südlichsten Wohnenden dieser Gruppe,
die in Südamerika und auf den Antillen eine große Verbreitung hatte und
noch hat.

Wenn ich die Chanés und die Chiriguanos hier zusammen schildere,
so geschieht dies, weil ihre materielle Kultur so gleichartig ist.
Gleichwohl habe ich angegeben, bei welchem Stamm ich diese oder jene
Beobachtung gemacht habe; dies gilt besonders für das religiöse
Gebiet, auf welchem die Chanés, wenigstens am Rio Parapiti, viele alte
Vorstellungen beibehalten haben, die den Chiriguanos unbekannt sind.

Batirayu erzählte mir, einige von den Chanés wüßten noch einige Worte
der alten Sprache des Stammes. Besonders bei den Trinkgelagen, wenn
sie betrunken sind, pflegten sie sich damit wichtig zu machen, daß
sie unter sich die alte Chanésprache, die sonst den Charakter einer
Geheimsprache hat, sprechen.

In Begleitung Batirayus begab ich mich nach dem Dorfe „Huirapembe“,
wo die Indianer zu finden sein sollten, die am besten Chané konnten.
Es war nicht leicht, ihnen ihre Geheimnisse zu entlocken. Eigentlich
waren es nur die Jüngsten, die am allerwenigsten wußten, die mir etwas
mitteilen wollten.[48] Eine alte Frau, die ausgezeichnet Chané können
sollte, sagte, erst im Totenreiche wolle sie mich unterrichten. Da die
Indianer an diesem glücklichen Platze nicht von den Weißen, auch nicht
von den Ethnographen belästigt werden, war das Versprechen der Alten
nicht sehr freundlich.

Bei einer Menge Ausdrücke, die Schimpfwörter sind, wenden die Chanés
ihre alte Sprache an, z. B. karitimisóyti, das sie mit Sohn einer
H--e übersetzen. Eine Einladung zum Koitus nennen sie pocóne. Auch
Lieder finden sich in ihrer alten Sprache, z. B. siparakinánoyé,
siparakinánoyé, siparakinánoyé, tonéya, tonéya, tonéya, wofür sie keine
Übersetzung wußten.

Vom Rio Parapiti aus besuchte ich wieder den Chiriguanohäuptling
Taruiri im Caipipendital, wo ich so viel alte Schmucksachen und andere
Kostbarkeiten wie möglich zu kaufen suchte. Außer Taruiri besuchte ich
auch einen anderen Häuptling, Yumbay, einen alten Ehrenmann, der mich
immer zu umarmen und dabei zu sagen pflegte: „Ich bin Yumbay.“ „Ja, der
große, mächtige Yumbay“, fiel ich ein, worüber der heruntergekommene
arme Kerl sich sehr geschmeichelt fühlte.

[Illustration: Abb. 77. Von der Frau des Chiriguanohäuptlings Maringay
hergestelltes Tongefäß. ⅙.]

Vom Caipipendital ging ich über Pipi zur Mission bei Ivu. Diese
liegt in einer trockenen, einsamen, wasserarmen Gegend, nahe einigen
mächtigen Bergen, und das Leben muß da fürchterlich sein. Als die
Blattern in der Gegend stark grassierten, wußte Vater Bernardino den
Einzug der Krankheit in die Mission mit Erfolg durch Vakzinierung aller
am Platze wohnenden Indianer zu verhindern. Vater Bernardino ist ein
wirklich uneigennütziger Mensch, ein wirklicher Missionar. Infolge
der Vakzinierung starb in Ivu niemand an den Blattern, während die
unheimliche Krankheit unter den Weißen, einige Meilen von der Station,
fürchterlich wütete. Es geschah ihnen beinahe recht. War einer an den
Blattern gestorben, so wurde der Leichnam auf einen mit Papierblumen
und einem Kruzifix geschmückten Tisch gelegt. Um diesen herum betranken
sich die anderen Schweine und tranken so lange obligos,[49] bis sie
auf den Tisch zu liegen kamen. Allein im Dorfe Cuevo starben in kurzer
Zeit von zweihundert Personen sechzig. Ich habe die 140 besucht. Sie
waren so lustig wie immer. Branntwein und Bier wurde in Massen verzehrt.

Dem Vater Bernardino wurde niemals die Ehre an diesem Werke zuteil,
sondern den Medizinmännern, welche die Krankheit verhext hatten, so daß
sie nicht nach Ivu kommen sollte. Auch die weißen Kolonisten ließen
zuweilen die Medizinmänner kommen, um die Krankheit zu vertreiben. Auch
sie glaubten nicht an die Vakzin.

Mit Ivu als Ausgangspunkt machte ich eine Exkursion nach dem
Igüembetal, um den Chiriguanohäuptling Maringay zu besuchen. Es war
ein hübscher Ritt auf hohe Bergkämme hinauf und in tiefe Täler hinab,
durch eine oft großartige, farbenreiche Landschaft. Diese Täler sind
waldarm. Nur in einer gut geschützten Schlucht, in welcher ein Bach
hervorsickert, ist die Vegetation üppig.

[Illustration: Abb. 78. Von der Frau des Chiriguanohäuptlings Maringay
hergestelltes Tongefäß. ⅐.]

Mit dem alten Maringay wurde ich bald sehr gut befreundet. Der Alte
war konservativ, hielt fest an alten Sitten und meinte, die Indianer
sollten mit den Weißen auf gutem Fuße leben, ihre alten Sitten und
Gebräuche aber unverändert bewahren. Sein Dorf war außerordentlich
interessant und sehr reich an alten, hübschen Sachen. Die Keramik,
die ich dort antraf, gehört zu dem Allerbesten, was ich bei diesen
Indianern gesehen habe. (Abb. 77 und 78.)

Von Maringay kehrte ich über die Missionsstation Santa Rosa nach Ivu
zurück. Die erstere hat eine wunderbare Lage. Gleich einer alten Burg
ist sie auf einem engen Hügel gebaut. Unterhalb liegen in langen Reihen
die von niedrigem Wald mit Mimosazeen, Kakteen, kleinen Algorrobos und
anderen feinblättrigen Bäumen umgebenen graubraunen Chiriguanohütten.
Dieser Wald ist selten so dicht, daß man nicht leicht ohne Waldmesser
herauskommen kann. Als ich in Santa Rosa war, herrschte Trockenzeit und
alles war verbrannt. Der Regen zaubert aber wohl auch hier das Grün aus
dem trockenen Boden. Manchmal bleibt aber der Regen so lange aus, daß
die Indianer keinen Mais bekommen, und das bedeutet -- Hunger.

Von Santa Rosa sieht man weit hinaus über die Berge und über die große
Ebene Boyuovis, über das Land, welches das Vaterland der Chiriguanos
war, wo sie bei Curuyuqui ihren letzten Kampf mit den Christen gekämpft
haben, die sich das Recht anmaßen, alle schwächeren Völker zu bestehlen.

Nach dem Ausflug bei Maringay verließ ich das Land der Chiriguanos und
Chanés und machte meinen, in diesem Buche schon geschilderten zweiten
Besuch bei den Chorotis und Ashluslays.

Das von den Chiriguano- und Chanéindianern bebaute Gebiet ist wirklich
sehr ausgedehnt. Es hat eine wechselnde Natur, von üppigen Urwäldern
bis zu äußerst wasserarmen, vegetationsarmen Tälern und Ebenen. Es ist
teilweise sehr bergig, aber die Chiriguanos und die Chanés sind keine
Gebirgsvölker. Sie halten sich unten in den Tälern auf und klettern
nicht, wie die Quichuaindianer, auf Gipfel und Hochebenen hinauf.

Das Tierleben in diesen Gegenden ist arm, ja sehr arm. Ein Jägervolk
könnte dort niemals wohnen. Hier und da ein Rehbock, ein Wildschwein,
einige Strauße, das ist alles, was man an Großwild sieht. Auch das
Vogelleben ist arm. Die Zahl der Seen ist sehr gering, und ihre Größe
nicht bedeutender, als daß wir sie in Europa Pfützen nennen würden.
Am Rio Parapiti sieht man die ihrer kostbaren Federn wegen berühmten
weißen Reiher[50] ziemlich zahlreich. Von den Waldvögeln liefert nur
das Huhn „pavas“[51] einen Beitrag zum Essen. Zuweilen sieht man einen
großschnabeligen „Tukan“.[52] Fette, mit Mais gemästete Tauben leben
oft in Massen in den Feldern der Indianer. Im Rio Pilcomayo herrscht
ein großer Fischreichtum, in den kleinen Flüssen sind die Fische
klein und schlecht. Die Indianer, die diese Gegenden bewohnen, müssen
Ackerbauer sein, und Maisbauer sind sie im allerhöchsten Grad. Mais ist
für sie Essen, Trinken, Freude, alles!

Abenteuer habe ich von diesen Indianern nicht zu berichten. Jedermann
kann unbehelligt unter ihnen reisen. Der größte Kummer des Ethnographen
ist, daß er nicht alles Interessante und Alte, was er dort sieht,
sammeln kann. Man kann nicht alles nach Hause mitnehmen.

Noch lebt in den Wildnissen des Chaco ein Chiriguanohäuptling
Cayuhuari, in dessen Dorf kein weißer Mann gewesen ist. Es soll an
einem großen See liegen. Dort weiden große Herden von Pferden und
Kühen, und die Maisscheunen sind immer voll. Dort sind die Indianer
reich, denn dort gibt es keine Weißen. So erzählt man wenigstens.

Cayuhuari, der seit der Empörung 1890 im Chaco lebt, hat eine weiße
geraubte Frau als Schwiegertochter. Man sagt, er habe zusammen mit den
Tobas die Zuckerfabriken in Nordargentinien besucht. Er hatte seine
Schwiegertochter mit. Die Besitzer der Fabrik erboten sich, sie von den
Indianern zu retten. „Ich will sie nicht verlassen,“ sagte sie. „Bei
ihnen habe ich meine Kinder.“ Diese Antwort ehrt sie.

Die Sitten und Gebräuche der Chiriguanoindianer sind von mehreren
Verfassern,[53] meistens Missionaren, geschildert worden, so daß wir
mehr von ihnen wissen, als von den Chorotis und den Ashluslays.

Ein Teil von dem, was ich über diese Indianer berichtet habe, ist nicht
neu, wenn auch in neuer Beleuchtung gesehen. Verschiedenes, besonders
was das Religiöse betrifft, unterscheidet sich gleichwohl von den
Schilderungen der verschiedenen Missionare. Was ich hierin gesammelt
habe, ist von den Chanés, und die Missionare kennen die Chiriguanos am
besten.

Was mich in verschiedenen Schilderungen der Missionare von den
Indianern unsympathisch berührt, das ist, daß sie danach zu streben
scheinen, ihre Fehler in allzu dunklen Farben auszumalen, damit ihre
eigene „zivilisatorische Arbeit“ so bedeutend wie möglich wirken soll.
Die Missionare scheinen mir die Religion der Indianer nicht objektiv
schildern zu können.

Wenn ich gelesen habe, wie die Missionare ihre eigene Eroberung
des Landes der Chiriguanoindianer beschreiben, so hat es mir nicht
gefallen, nur von dem Mut der ersteren und der Grausamkeit der
letzteren zu hören. Ich leugne es nicht, die Missionare waren
tapfer, mehr bewundere ich aber die Freiheitsliebe und den Mut der
Chiriguanoindianer. Ist es den Mönchen zu schwer geworden, so sind
ihnen beinahe immer Soldaten zu Hilfe gekommen. Die Indianer haben sich
den Missionaren nicht nur infolge der „Religion der Liebe“, sondern
infolge Kugel und Blei unterworfen. Der Weg zur alleinseligmachenden
Kirche ist nicht selten mit Blut getränkt worden.


Fußnoten:

[48]
                   Chané.   Chiriguano.  Mojo.

  Wasser           úne      y            une
  Mais             sopóro   ahuáti       seponi
  Feuer            yucu     táta         yucu
  Hund             tamúco   yaúmba       tamucu
  Chicha (gutes)   liqui    cángui       itico
  Ratte            cóvo     angúya       cozo

[49] Trinkt jemand obligo mit einem, so muß dieser austrinken.

[50] Ardea.

[51] Penelope.

[52] Rhamphastus.

[53] Die allermeiste Literatur finden wir von Domenico del Campana
angeführt: Notizie etc. l. c.




+Zehntes Kapitel.+

Vom Lande der Chané- und Chiriguanoindianer.


Indianer als Geographen.

Gibt es auf dem südamerikanischen Kontinent einen einzigen bewohnbaren
Platz, der nicht von den Indianern entdeckt ist?

Diese Frage wage ich mit „Nein“ zu beantworten. Auf den höchsten
Gipfeln der Anden finden wir Indianer, in den trockenen Buschwäldern
des nördlichen Chaco gibt es Indianer, in den tiefen Urwäldern von
Ost-Bolivia streifen Indianer umher, die ungastfreundlichen Inseln
um das Feuerland werden von Indianern bewohnt, in den Pampas in
Argentinien haben früher viele Indianer gelebt.

Welch kolossale Zeit haben diese Menschen nicht gebraucht, um
jeden Bach, jede Pfütze, jede Klippe, jedes Wäldchen auf dem
südamerikanischen Kontinent zu entdecken. Vierhundert Jahre lang hat
der weiße Mann mit allen seinen Hilfsmitteln Südamerika zu erforschen
gesucht, und doch ist noch viel mehr unerforscht, als man gewöhnlich
glaubt. Er kennt im inneren Südamerika alle die größeren Flüsse und
Verkehrsstraßen, ungeheuer sind aber noch die Gebiete, die niemals der
Fuß eines Weißen betreten hat. Die Indianer kennen jeden Winkel, oder
haben ihn wenigstens gekannt.

Die Zeit, die zur Entdeckung dieses Kontinents und zur Anpassung an
das wechselnde Klima, die wechselnde Pflanzen- und Tierwelt vergangen
ist, ist sicher eine sehr, sehr lange gewesen. Das beweisen auch die
hunderte Indianersprachen, die von Südamerika her bekannt sind.

Das Gebiet, das jeder Indianer in der Regel kennt, ist kein großes, er
kennt es aber genau. Ich habe, wie ich hier schon erwähnt habe, mit
den Ashluslayindianern eine Wanderung von etwa 250 km in den Wäldern
vorgenommen. Dies geschah in ihrem eigenen Land, und das kannten sie
vollständig. Einzelne Individuen kennen infolge des Handelsverkehrs
etwas von dem Lande der befreundeten Nachbarstämme.

Ich habe stets die Indianer gefragt, von welchen Stämmen sie gehört
haben, und habe sie gebeten, diese aufzuzählen. Dies taten sie gern,
solche Stämme aber, von denen sie glaubten, daß ich sie nicht kenne,
erwähnten sie ganz einfach nicht. Sie wollen die Kenntnis des weißen
Mannes vom Lande nicht unnötig erweitern. Dies ist der Grund, warum
es oft so schwer ist, unter den Indianern einen Wegweiser zu finden.
Wer den weißen Mann in ein diesem unbekanntes Dorf führt, ist ein
elender, des Todes werter Verräter. Die Chorotis sagen immer, im
Innern ihres Landes, vom Rio Pilcomayo an gerechnet, wo noch niemals
ein Weißer gewesen ist, gebe es keine Menschen. Die Ashluslayindianer
waren sehr erstaunt, als ich ihnen das charakteristische Besitztum der
Tsirakuaindianer beschrieb und ihnen von den Yanayguas erzählte. Daß
der weiße Mann diese Stämme kennt, war ihnen vollständig unverständlich.

Sehr umfassend sind die Kenntnisse der Indianer von dem Kontinent,
den sie bewohnen, nicht. Kein Indianer südlich von Santa Cruz de la
Sierra kennt z. B. die nördlich von dieser Stadt wohnenden. Der Rio
Paraguay ist den Chanéindianern eigentümlicherweise bekannt. Die
dortigen Stämme kannten sie nicht. Dort wohnt, sagten sie, ein großer
Häuptling. Sie fragten mich, ob ich von diesem Häuptling ausgesandt
sei, um alle Gegenstände aus alten Zeiten zu sammeln, damit sie nicht
verloren gingen. Diesen großen Häuptling in Paraguay meinte ein
alter Sagenerzähler, als er eine Abschiedsrede für mich hielt, die
folgendermaßen begann: „Nun kannst du deinem großen Häuptling sagen,
daß du uns und unsere Armut gesehen hast ...“

Das Orientierungsvermögen der Indianer ist viel besprochen. Der
Indianer besitzt sicher eine sehr ausgebildete Beobachtungsgabe, sein
Orientierungsvermögen ist aber nicht so bedeutend. Ich bin mit den
Guarayúindianern im östlichen Bolivia etwa 250 km in tiefen, großen
Wäldern, die sie nicht kannten, und in denen wir uns oft mit dem
Waldmesser Schritt für Schritt einen Weg bahnen mußten, gewandert. Sie
führten mich, wenn die Sonne von Wolken bedeckt war, oft irre, was ich
an meinem Kompaß sah. Für einen weißen Mann, der aus dem Stadtleben
direkt in die Wildnis versetzt wird, ist die Vertrautheit des Indianers
mit der Natur merkwürdig. Ist man erst selbst an dieses Leben gewöhnt,
so sieht man die Sache mit anderen Augen an.

[Illustration: Abb. 79. Alter Chiriguano mit großem Lippenknopf.
Tihuïpa.]

Die Entfernung von einem Platz zu einem anderen wird von allen
Indianern dadurch angegeben, daß sie zeigen, wie weit die Sonne gehen
muß, ehe man ankommt. Ist es weit, so sagt der Indianer, wie viele
Nachtlager man bis dahin aufschlagen muß. Lange und kurze Wege sind ja
auch bei uns in verschiedenen Gegenden verschiedene Begriffe. Was wir
in der Stadt weit nennen, wird auf dem Lande oft kurz genannt. Für den
Indianer sind Wege, die dem weißen Mann kurz erscheinen, in der Regel
lang. Es fehlt den Indianern des Urwaldes die Marschfertigkeit, die wir
bei den Gebirgsindianern finden.

Jedem Hügel, jeder Ebene, jeder Talschlucht hat der Indianer einen
Namen gegeben. Die Chanés sagen, vor langer Zeit, als alle Völker
an den Ufern des Parapitiflusses fischten, kam ein großer Geist
(Añatunpa) zu Pferde und gab den verschiedenen Stellen Namen. Dieser
Fluß soll Parapiti (wo getötet wird) heißen, diese Stelle Amboró
usw., sagte Añatunpa. Von den Namen von Chanédörfern seien erwähnt:
Húirayúasa (Vögel treffen sich), Aguaráti (weißer Fuchs), Aguarátimi
(weißes Füchslein), Yóvi (grünes Wasser), Ouivarénda (wo es Chuchio
gibt),[54] usw. Die letztgenannte Pflanze, deren Blütenstengel von
vielen Indianerstämmen in Südamerika als Pfeilschaft angewendet wird,
ist jetzt durch die Rinderherden am Rio Parapiti ausgerottet. Die
Chané, die ihre Pfeile früher aus Chuchio machten, bauen jetzt eine Art
Schilf an, das sie, gleich den anderen Chacoindianern, als Pfeilschaft
anwenden. Andere Orte sind nach Häuptlingen benannt, wie Tamachindi,
Tamané und Corópa. Ein Dorf nennen sie Yahuanau. Früher war dort ein
Sumpf, an dessen Ufern sich kleine schwarze Geschöpfe (Yahuanau) zu
sonnen pflegten. Viele Chanéortsnamen sind unübersetzbar, von einem
weiß ich, daß er unanständig ist. Einige indianische Ortsnamen sind
sicher sehr alt, denn sie beziehen sich auf Pflanzen, Seen oder Sümpfe,
die nicht mehr existieren. Im Caipipendital am Parapiti ist ein Dorf
namens Tapiirenda. Das Tal ist jetzt ausschließlich von Chiriguanos
bewohnt und keiner von ihnen erinnert sich, daß dort, wie der Ortsname
angibt, Tapii (Chanés) gewohnt haben.

Die Ortsnamen der höherstehenden Indianer werden von den Weißen,
auch wenn sie die Herren im Lande geworden sind, beibehalten. So
haben beinahe alle von ihnen im Chiriguanogebiet bewohnten Plätze
Guaraninamen, wie Charagua (Name der vom Wasser eigentümlich
ausgeschnittenen Klippen), Carandaiti (wo Palmen wachsen). Die
Ortsnamen der niedrigeren Stämme werden dagegen von den Weißen
nicht bewahrt. So kennt kein Weißer die Mataco- oder Chorotinamen
der verschiedenen Plätze am Rio Pilcomayo. Die Ansiedlungen der
Weißen werden nach Heiligen, bolivianischen Staatsmännern und
Forschungsreisenden benannt. Wird ein Stamm, wie z. B. die Chorotis,
ausgerottet, so bleibt von dessen Sprache nichts in den Ortsnamen
zurück. Dies dürfen Ortsnamenforscher nicht übersehen.

Durch die Verbindung mit den Weißen erweitern sich die geographischen
Kenntnisse der Indianer bedeutend. Sie gehen immer weitere Wege, um
Arbeit zu suchen, und sehen Länder, von denen sie früher keine Ahnung
gehabt haben.


Der Indianer als Historiker.

Falls wir die Geschichte der Chorotis und Ashluslays schreiben
wollten, könnten wir in der Zeit nicht weit zurückgreifen. Erst in den
letzten Jahrzehnten sehen wir sie in der Literatur näher erwähnt. Die
Chiriguanos kennen wir dagegen schon von ihren Kämpfen mit dem großen
Herrscher Inca Yupanqui, aus der Zeit vor der Entdeckung Amerikas
her. Über seine Versuche, das Land zu erobern, berichtet Garcilasso
de la Vega.[55] Seine Beschreibung der Chiriguanos als einer äußerst
niedrig stehenden, menschenfressenden Rasse ist sicher seiner eigenen
Phantasie entsprungen. In den Gebirgstälern hat sich die Tradition von
diesen Kämpfen noch bewahrt.

In der spanischen Zeit ist das Gebiet der Chiriguanos trotz der
jahrhundertelangen tapferen Verteidigung Schritt für Schritt erobert
worden. Erst noch 1890 unternahm ein Teil von ihnen einen letzten
Empörungsversuch, wurde aber, wie erwähnt, in der Schlacht bei
Curuyuqui, auf der Ebene von Boyuovis, besiegt. Etwa fünftausend
Indianer hatten sich dort gesammelt und kämpften einen ganzen Tag mit
den Weißen den ungleichen Kampf gegen die Feuerwaffen. Der Kampf hatte
des Morgens begonnen, und des Abends, als es dunkel wurde, war er noch
nicht beendigt. Die Lage begann für die Weißen höchst unangenehm zu
werden, da ihre Munition beinahe zu Ende war. Der moralische Mut der
Indianer war jedoch leider gebrochen. Sie verließen in der Stille der
Nacht ihre Verschanzungen.

Ein sehr wichtiges Kapitel in der Geschichte dieser Indianer ist auch
die lange und beharrliche Arbeit der Missionare, das Land der Indianer
auf verhältnismäßig friedliche Weise zu erobern. Diese wird in der
Literatur ausführlich behandelt.

Hier will ich jedoch nicht von der Geschichte dieser Indianer, wie wir
sie durch die Literatur kennen, sprechen, sondern von dem Indianer als
Historiker.

Spricht man mit den Indianern, so wissen sie von ihrer eigenen
Geschichte nicht viel, ihre Tradition geht nicht weit zurück. Die
Chanés am Rio Parapiti erzählten mir, sie hätten erst am oberen Rio
Parapiti gewohnt,[56] seien aber von einem großen Häuptling von dort
vertrieben worden. Einige blieben, wo sie jetzt wohnen, andere begaben
sich durch den Chaco nach dem Rio Paraguay, welcher Fluß, wie gesagt,
den Indianern nicht unbekannt ist. Am Rio Paraguay finden sich auch
Arowaken.

[Illustration: Abb. 80 a. Pfeife. „Huiramimbi“. Tihuïpa.

b. Zeigt a im Durchschnitt. ⅔.]

[Illustration: Abb. 81: Festtracht für Männer. „Tirucumbai“. Chané. Rio
Parapiti. ¹⁄₂₂.

b = Öffnung für den Kopf, a = Armlöcher.]

Die Chiriguanos wohnten zuerst am unteren Rio Parapiti und wurden von
den Chanés von dort vertrieben. Dies ist möglicherweise „offizielle
Geschichte“, denn wahrscheinlicher haben wohl die Chiriguanos die
Chanés aus den fruchtbaren Tälern des oberen Rio Parapiti gejagt.

Batirayu hat mir alles erzählt, was er über die Geschichte der
Chanéindianer am Rio Parapiti wußte. Der letzte große Häuptling war
Batirayus Onkel, Aringui. Dieser führte viele Indianer seines Stammes
zur Arbeit nach Argentinien. Sein Vorgänger war Yámbáe. Vor ihm hatte
Ochoápi die Häuptlingswürde bekleidet. Zu seiner Zeit begannen die
Weißen ins Land zu dringen. Dieser Häuptling wird als ein bedeutender
Mann geschildert, der die Sitten und Gebräuche der Weißen unter
seinen Indianern einzuführen suchte. Bekannt ist Ochoápi wegen seiner
umfassenden Reisen und seiner Verfolgung der Zauberer. Er soll in
Buenos Aires gewesen sein. Vor ihm hatte Chótchori die Häuptlingswürde.
Zu seiner Zeit waren die Weißen noch nicht bis zum unteren Rio Parapiti
gekommen. Hier ist die Tradition zu Ende. Die hier erwähnten Häuptlinge
waren aus demselben Geschlecht, die Regierung geht aber nicht vom Vater
auf den Sohn über.

Von den Chanés am Rio Itiyuro könnte ich ein wenig Geschichte erzählen,
will aber nicht durch zu viele Namen ermüden. Auch dort geht die
Tradition nicht weit zurück, drei Generationen, das ist alles.

In den Sagen dieser Indianer, von denen ich weiterhin mehrere
wiedergegeben habe, erfahren wir nichts über die Geschichte dieser
Völker. Keine geschichtlichen Ereignisse scheinen dort zu Sagen
umgebildet zu sein. Sie haben ganz andere Motive.

Es ist wirklich ganz eigentümlich, daß bei diesen Indianerstämmen
ihre Geschichte, der Name ihrer Häuptlinge in Vergessenheit geraten
ist, während die Sagen sicher, wenn auch in veränderter Form,
jahrhundertelang von Generation zu Generation bewahrt worden sind. Für
das hohe Alter der Sagen spricht vor allem ihre große geographische
Verbreitung.

Die Gestalten der Sagen und deren Erlebnisse regen die Phantasie an,
werden behalten und weitererzählt. Die geschichtlichen Persönlichkeiten
und Ereignisse vergißt man.

Sucht man in den Chané- und Chiriguanohäusern, so findet man viele
Sachen bewahrt, die jetzt außer Gebrauch sind, die sie aber als
Erinnerung an frühere Zeiten ehren und oft nicht hergeben wollen. So
sieht man hübsche, runde Pfeifen, „huiramimbi“ (Abb. 80), die sicher
von Generation zu Generation gegangen sind. Sie wurden früher bei
Kriegszügen angewendet. Der alte Maringay hatte alles mögliche aus
alter Zeit aufgehoben. Es bereitete mir ein großes Vergnügen, in den
Verwahrungsstellen des Alten herumzuwühlen. Ich wollte gern etwas von
ihm kaufen, es genierte mich aber, ihm Geld für seine Erinnerungen zu
bieten.

In die Wände gestochen fand ich einst Bündel hübscher, ganz
verräucherter alter Pfeilspitzen. „Würdest du mir sie nicht verkaufen
wollen?“ fragte ich meinen alten Freund zögernd. „Du sollst drei
geschenkt bekommen“, sagte Maringay. Nach dieser Abweisung ließ ich ihn
seine lieben Sachen behalten.

Einmal ritt ich von Vocapoys Dorf, um einen alten Chané aufzusuchen,
der eine hübsche alte Tracht hatte. Nach einigem Zögern zeigte er
sie mir. Er hatte sie sorgfältig in anderes Zeug eingewickelt. Wie
ein enthusiastischer Museumsbeamter ein altes Kleinod hervorholt, so
wickelte er sie sorgfältig auf. Man sah förmlich, wie lieb sie ihm
war. Obgleich ich ihm einen sehr hohen Preis bot, wollte er sie nicht
verkaufen.

Daß diese Indianer die alten Erinnerungszeichen lieben, beweist, daß
sie eine gewisse Kultur haben. Dies gilt jedoch nur für die Alten, die
Jungen sind nicht mehr so, die verkaufen alles, ohne zu zögern. Was
kümmern sie sich um eine abgenutzte, alte Festtracht, wenn sie ein
rotes, flatterndes Halstuch und Hosen mit Rock dagegen bekommen können!
Der Siegeszug der Hosen über die Welt hat auch diese Täler und Ebenen
erreicht.

Die Chiriguanos und Chanés führen jetzt nicht mehr richtigen Krieg
mit anderen Indianerstämmen. Bisweilen machen die Chanés am Rio
Parapiti jedoch gelegentlich Streifzüge gegen die Tsirakuaindianer.
Die Ashluslays behaupteten auch, wie mir mein Dolmetscher erzählt hat,
daß der Tobahäuptling Taycolique bei seinem Einfall in ihr Gebiet 1909
verschiedene Chiriguanos bei sich hatte.

Batirayu erzählte, die Chanés hätten früher die Köpfe der getöteten
Feinde heimgebracht und sie bei Festen auf den Plätzen der Dörfer
aufgestellt.

[Illustration: Abb. 82. Tongefäß von den Chanés. ¼. Rio Parapiti.]


Fußnoten:

[54] Arundo saccharoides.

[55] Garcilasso de la Vega: The Royal Commentaries of the Incas. Vol.
I–II. Hakluyt Society. London 1869 u. 1871.

[56] Dies wird durch Viedma bestätigt: Descripcion geografica y
estadistica de la Provincia de Santa Cruz de la Sierra. Coleccion Pedro
de Angelis. Buenos Aires 1836. Tom. III. S. 180-181.




+Elftes Kapitel.+

Vom Lande der Chané- und Chiriguanoindianer.


Alltagsleben in den Chané- und Chiriguanohütten.

In der Regel habe ich mich in den Hütten der Chanés und Chiriguanos
sehr wohl gefühlt. Das Leben in diesen Dörfern ist ganz gleichartig.
Schildert man ein Dorf, so hat man sie beinahe alle geschildert.

Wie alle übrigen Indianer, die ich südlich von Santa Cruz de la Sierra
in Bolivia besucht habe, leben diese Indianer in Dörfern. Einige
dieser Dörfer sind recht groß und werden von einigen hundert Personen
bewohnt. Oft liegen viele Dörfer nahe aneinander. Die Hütten liegen
in der Regel um einen Markt, auf dem zuweilen Flaschenbäume gepflanzt
sind, die in der Regenzeit Schutz verleihen. Die Märkte dienen als
Spiel- und Versammlungsplätze. Die Hütten sind, im Gegensatz zu den
runden Choroti- und Ashluslayhütten, viereckig, und ihre nach dem Dorf
zu gerichtete Tür ist am Giebel angebracht. Sie sind aus Rohr oder
Holzlatten und mit Dächern aus Gras. Nicht selten sind sie mit Erde
verputzt.

Unter dem Einfluß der Weißen verändern aber die Chanés und Chiriguanos
allmählich ihre Hütten, und viele Indianer bauen schon mit ihnen
identische Hütten.

Keine Hütte hat hier ihre ursprüngliche indianische Form. Die echten
Chiriguanohütten (die ursprünglichen Chanéhütten kennt man nicht)
waren sehr groß; in demselben Hause wohnten bis zu 100 Personen
und das ganze Dorf bestand nur aus einigen großen Hütten.[57]
Diese entsprechen offenbar den aus Brasilien bekannten großen
Familienhäusern, die ich in Bolivia nur bei den Chacobos, einem
Panostamm aus Lago Rojo-Aguado, gesehen habe.

Schon zu Viedmas[58] Zeit, Ende des 18. Jahrhunderts, scheinen sie
jedoch den ursprünglichen Haustyp aufgegeben und kleinere Hütten gebaut
zu haben.

[Illustration: Abb. 83. Feuerstätte zum Maisbierkochen. Chanédorf. Rio
Itiyuro. Rechts auf dem Bilde große Gefäße, in denen das Maisbier gärt.
Das Haus ist mit Erde verputzt.]

In vielen Dörfern gehören zu jeder Hütte eine oder mehrere Maisscheunen
(Abb. 84 a), in denen Mais, Kürbisse usw. aufbewahrt werden. Diese
Scheunen sind auf Pfählen gebaut und vielleicht eine Erinnerung aus
der Zeit, wo die Chiriguanos und Chanés in sumpfigen Gegenden wohnten.
Zu jeder Scheune gehört in der Regel eine Leiter (Abb. 84 b). Manchmal
sind die Scheunen mit den Wohnhäusern zu einem Hause zusammengebaut.
Solche Hütten habe ich in der Nähe von Machareti und bei Yatavéri
unweit Ivu gesehen. Nicht so selten stehen die Scheunen auf den Feldern
weit ab von den Wohnhäusern.

[Illustration: Abb. 84 a. Maisscheune. Chané. Rio Itiyuro.]

Es ist in diesen Dörfern fein und rein. Hütten und Markt werden täglich
gefegt und der Müll verbrannt.

Der Raum in den Hütten ist nicht zu gering bemessen. In der Regel
wohnt in jedem Hause nur eine Familie, die manchmal, außer den übrigen
Familiengliedern, aus den Männern der Töchter besteht, welche während
der Verlobung und im Anfang der Ehe bei der Schwiegermutter wohnen.
Vor der Hütte ist die große Feuerstätte (Abb. 83), wo das Maisbier,
und zuweilen auch das Essen, gekocht wird. In der Hütte ist ebenfalls
eine Feuerstätte, wo man kocht und die man aufsucht, um sich bei kalten
Nächten und Tagen zu wärmen.

[Illustration: Abb. 84 b. Bild, das die Konstruktion der Scheune zeigt.]

[Illustration: Tafel 16. Caraguatá. Von den Indianern im Chaco
vielseitig angewandte Pflanze.]

Manche Nacht habe ich in diesen Hütten geschlafen. Sie sind in der
Regel frei von Ungeziefer, was man nicht von den Wohnstätten aller
anderen Indianer und von den Häusern der Weißen sagen kann. Die
Lagerstätte besteht entweder aus einem Bett aus einer Art Bambusrohr,
oder man liegt auf dem Fußboden auf einer Schilfmatte oder einem
Fell. Hängematten sieht man ebenfalls in den Hütten, sie sind aber
nicht allgemein. Im tropischen Südamerika hat die Hängematte ihr
Heimatland, sie verschwindet aber nach Süden zu und auf den Bergen,
denn dort ist es zu kalt, um sie anzuwenden.

[Illustration: Abb. 85. Sitzbank. Chiriguano. Tarairi. ⅕.]

[Illustration: Abb. 86. Haken zum Aufhängen der Sachen. Chiriguano. ⅙.]

Am Dache der Hütte hängen auf Haken und Gestellen Kleider und Eßwaren,
Medizin und anderes. Hier verwahren auch die Männer ihre Pfeile und
Bogen, ihre Trommeln u. dgl. In Lianenschlingen pflegen Maiskolben zu
hängen.

In einer Chané- oder Chiriguanohütte ist es, besonders des Abends,
wenn alle an das schöne, wärmende Feuer kriechen, wenn der Mund geht,
die Alten Sagen erzählen, die Mütter ihre Kleinen zu Bett bringen, die
jungen Paare abseits sitzen und kosen, sehr gemütlich.

Hier und da sieht man eine in Holz geschnitzte Sitzbank (Abb. 85) von
einer besonders von den brasilianischen Indianern her bekannten Form.

[Illustration: Abb. 87. Chanéfrau. Rio Parapiti. In dem Tragnetz hat
sie einen Wasserkrug.]

An den Wänden der Hütte entlang stehen immer eine Menge Tongefäße
von allen Dimensionen. Manche davon sind so groß, daß ein Mann
hineinkriechen könnte. Dort sind Töpfe, dort sind Röstschalen, dort
sind feinbemalte Gefäße, die bei den Festen hervorgeholt werden, und
dort ist der Schatztopf, in welchem die Hausfrau alle Kostbarkeiten
und Andenken der Familie verwahrt. In ihm liegen, falls das Haus
„vermögend“ ist, Kleider, Schmucksachen, Schalen aus Silber und
Halsketten aus Türkis und Crysocol und vieles andere.

Sehr früh ist es still in den Dörfern. Es wird nicht, wie in einem
Choroti- oder Ashluslaydorf, die ganze Nacht geschwatzt. Die jungen
Herren und die unverheirateten jungen Mädchen laufen nicht herum, um
beieinander zu liegen. Die sittlichen Chané- und Chiriguanomädchen
werden von ihren Müttern bewacht, gehen nicht auf Abenteuer aus und
nehmen keine Herrenbesuche an. Es kommen keine Nachtmahlzeiten, wie
bei den Chorotis und Ashluslays, vor. Man schläft nämlich in diesen
Dörfern des Nachts, d. h. wenn man nicht mit dem Maisbrauen für ein
Fest beschäftigt ist.

[Illustration: Abb. 88. Tabakspfeife. Chiriguano. Caipipendi. ½.]

[Illustration: Abb. 89. Spatenstiel. Chiriguano. ca. ¹⁄₁₅.]

Sehr früh des Morgens wird man in beinahe allen Dörfern durch
Klagelieder geweckt. Immer ist dort einer, der einen Angehörigen
verloren hat und ihn laut beweint. Ist jemand im Dorfe gestorben, so
ist es für einen, der gern lange schläft, unheimlich im Dorfe.

In der allerfrühesten Morgenstunde stehen die Frauen auf, etwas später
die Männer, und die Tagesarbeit beginnt. Das erste, was die Frauen tun,
ist, daß sie Wasser holen und ein Bad, ein richtig erfrischendes Bad
nehmen.

Die Wasserkrüge tragen sie auf verschiedene Weise. Am Rio Itiyuro
tragen die Chanéfrauen sie auf der Schulter, am Rio Parapiti in einem
Tragnetz (Abb. 87). Der letztere Brauch ist auch bei den Chiriguanos am
gewöhnlichsten. Auf dem Kopfe tragen nur diejenigen Frauen Krüge, die
mit den Weißen leben und ihre Sitten und Gebräuche angenommen haben.


Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern.

Wie bei den Choroti- und Ashluslayindianern, hat in der Regel auch
hier, wie wir aus der untenstehenden Tabelle ersehen, jedes Geschlecht
seine bestimmte Arbeit.

  +Tabelle, welche die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen bei
  den Chanés und Chiriguanos ausweist.+

                     Männer   Frauen
  Fischfang            +        +[59]
  Jagd.                +

  Pflanzen, Roden      +
            Säen       +        +
            Ernten     +        +
  Kochen               +[60]    +
  Holztragen           +        +[61]
  Wassertragen         +
  Zubereitung
    berauschender
    Getränke           +
  Sammeln wilder
    Früchte und
    Wurzeln                     +
  Keramik                       +
  Holzarbeiten         +
  Netzstricken         +
  Seilflechten         +
  Mattenflechten       +
  Hängemattenbinden             +
  Lederarbeiten        +
  Waffenherstellung    +
  Verzierung von
    Kalebassen         +
  Hausbau              +[62]
  Weben                +[63]    +
  Fädenspinnen                  +
  Bandflechten                  +
  Viehzucht            +        +
  Nähen                +        +
  Korbarbeiten         +
  Tagewerke für
    die Weißen         +        +[64]

Vergleicht man diese Tabelle mit der auf Seite 94, so findet man,
daß das schwere Holztragen und der Hausbau bei den höher stehenden
Chanés und Chiriguanos beinahe von den Frauen auf die Männer
übergegangen ist. Eigentümlicherweise sind gewisse Industrien, z. B.
die Tongefäßherstellung, bei beinahe jedem primitiven Indianerstamm
Frauenarbeit. Auf dieselbe Weise werden die Kalebassen überall von den
Männern geschmückt, wie sie auch alle Holzarbeiten ausführen. Daß hier
auch die Frauen fischen, kommt daher, weil verschiedene dieser Indianer
an wasserarmen Flüssen leben, in denen nur kleine Fische leben, bei
deren Fang der Mut und die Kraft der Fischer auf keine Probe gestellt
wird.


Nahrungszweige.

Der Fischfang und die Jagd spielen für den Chané und Chiriguano
keine bedeutende Rolle. Sie sind, wie ich schon vorher erwähnt habe,
Ackerbauer, vor allem Maisbauer. Diese Indianer leben so ausschließlich
von Mais, daß alle andere Nahrung für sie eine untergeordnete Rolle
spielt. Eine Ausnahme machen die am Rio Parapiti wohnenden Indianer,
die mehr süße Kartoffeln als Mais bauen, die in ihrem Land eine
ausgezeichnete Ernte geben.

Folgende Pflanzen werden von den Chanés und Chiriguanos angebaut:

  Süße Kartoffeln.
  Mais.
  Zapallo (Cucurbita pepo Lin.).
  Kalebaßfrüchte.
  Bohnen in verschiedenen Variationen.
  Baumwolle.
  Uruku.
  Tabak.
  Tuna (z. B. bei Yatavéri). Opuntia.
  Hirse.
  Mandioca (selten).
  Schilfrohr zu Pfeilschäften (am Rio Parapiti).

In den Pflanzungen dieser Indianer habe ich weder gewöhnliche
Kartoffeln noch Bananen gesehen. Die süßen Kartoffeln sind, nach
Batirayus Angaben, in später Zeit von den Weißen eingeführt. Der
Tabakbau ist unbedeutend. Die Chanés und Chiriguanos sind keine großen
Raucher. Sie rauchen meist Zigaretten in Maisblättern, selten Pfeife
(Abb. 88). Bei ihnen braucht man seine Pfeife nicht seinem Nachbar zum
Weiterrauchen zu geben.

Es ist eigentümlich, wie verschieden bei den Indianerstämmen der
Tabakverbrauch ist. Die Aymaras und Quichuas, die Koka kauen, rauchen
sehr selten. Sie finden keinen Geschmack daran. Ebensowenig rauchten
die Chacobos und Atsahuacas, zwei Stämme, die ich auf meinen Reisen
kennen lernte. Als ich einem Chacobo eine Zigarette anbot, machte
er nur ein paar Züge, behielt den Rauch einige Augenblicke im Munde
und warf dann die Zigarette fort. Die Chacobos bauen indessen Tabak,
wenden ihn aber ausschließlich als Heilmittel an. Ist einem Chacobo
ein „boro“, eine Fliegenlarve, „Dermatomya“, unter die Haut gekommen,
so bedeckt er die Eintrittsstelle der Fliegenlarve mit Tabakpulver und
kann nach einigen Stunden die tote Larve herausquetschen. Die Chorotis
und Ashluslays sind leidenschaftliche Raucher. Bei ihnen ist das
Rauchen einer der höchsten Lebensgenüsse. Diese Gegensätze sind ganz
sonderbar.

Die Chiriguanos und die Chanés haben ausgedehnte Anpflanzungen, die, im
Gegensatz zu den Rodungen der Chorotis und Ashluslays in der Wildnis,
gut gepflegt sind. Ehemals hat man Spaten aus hartem Holz mit schönen
Stielen angewendet (Abb. 89), diese sind aber jetzt außer Gebrauch
gekommen und vollständig durch eiserne Spaten verdrängt worden.
Die Felder liegen nicht selten weit von den Dörfern, wie z. B. im
Caipipendital. Dies hängt damit zusammen, daß nicht überall das ganze
Jahr Wasser in der Nähe der Pflanzungen vorhanden ist.

Die gewonnenen Früchte werden, wie schon erwähnt, in auf Pfählen
gebauten Scheunen (Abb. 84) verwahrt, um sie wenigstens etwas vor
Ratten, Feuchtigkeit usw. zu schützen. Diese Scheunen sieht man, außer
bei den Chanés am Rio Pilcomayo, überall.

Die Felder sind mit gestrüppförmig gebauten Zäunen eingezäunt, deren
Übersteigung oft Schwierigkeiten macht. Eine Düngung der Felder kommt
nicht vor. Dagegen läßt man einen ausgenutzten Acker brach liegen.

Die Zeit des Säens wird nach der Stellung des Siebengestirns, „ychu“,
bestimmt. Geht dieses sehr früh am Morgen über den Horizont, so ist
Saatzeit. Wenn die Regenzeit beginnt, muß alles gesät sein.

Die Männer roden und säen. Bei der Ernte helfen alle mit, Männer,
Frauen und Kinder. Bei den Chanés im Itiyurotal säeten die Männer den
Mais, d. h. sie besorgten die größeren Pflanzungen, während die Frauen
Gärtner waren und Kürbisse, Bohnen usw. pflanzten.

Die Chanés und die Chiriguanos sind keine großen Jäger. Vielleicht hat
man früher mehr gejagt. Ihre Jagdwaffen bestehen aus Pfeil und Bogen.
Zur Wildschweinjagd werden Keulen angewendet, zur Straußenjagd wurden
früher die Boleadora, „churima“ benutzt. Schlingen und Vogelnetze
kommen auch vor. Früher trugen die Jäger eine offenbar den Spaniern
nachgeahmte, nach europäischem Schnitt zugeschnittene Tracht aus
Leder.[65] Diese durfte nicht im Hause hängen. Früher durfte auch
bei den Chanés am Rio Parapiti kein Fleisch im Hause gekocht werden,
sondern dies mußte ein Stückchen davon geschehen. Die Knaben sind
natürlich eifrige Jäger kleiner Vögel. Sie benutzen manchmal, wie auch
die Männer, Tonkugelbogen.

Man hat eigens für die Wildschweinjagd abgerichtete Jagdhunde. In einem
Chanédorf am Rio Itiyuro sah ich, wie man allen Hunden ein rotes Kreuz
auf den Kopf malte, damit sie nicht von einem in der Nähe grassierenden
tollen Hunde gebissen würden. Es war wirklich spaßhaft zu sehen, wie
diese heidnischen Chanés ihre Hunde mit dem Kreuzzeichen gegen die
Tollwut schützten.

Batirayu erzählte mir, die Chanémänner dürften, wenn sie auf die Jagd
gingen, in der Nacht vorher nicht bei ihren Frauen schlafen.

Der Fischfang wird in den verschiedenen Flüssen ungleich betrieben.

Im Rio Itiyuro fischen beinahe ausschließlich Frauen und Kinder. Dort
gibt es auch nur kleine Fische. Ich sah dort drei Fischereimethoden.
Angelfischerei, Fischfang mit Kalebasse und Fischerei durch Aufdämmen
von Teichen. Die Angelhaken bestehen aus gebogenen Nadeln, die man von
den Weißen bekommen hat. Flöße und Senkblei kommen nicht vor.

Der Fischfang mit Kalebasse geschieht folgendermaßen. In den Boden
des Flusses werden mehrere Laubbüschel gesteckt, die Schatten geben,
und vor jeden von diesen wird eine Kalebasse (Abb. 90) mit saurem,
gemahlenem Mais (Abfälle vom Bierbrauen) gestellt. Die Fische
sammeln sich in den Kalebassen, die von den Frauen von Zeit zu Zeit
herausgenommen werden. Diese schleichen sich an die Kalebasse heran,
legen schnell die Hand auf die Mündung, heben sie hoch und entleeren
dann den Inhalt in Gruben am Flußufer.

Eine andere, in dem erwähnten Flusse oft angewendete Art des Fischens
ist das Aufdämmen länglicher Teiche im Sande, in denen die Fische sich
sammeln. Die Fische werden nach Entleerung des Wassers aus den Teichen
gefangen. Zuweilen läßt man den Teich in einer mit einem Ketscher
verschlossenen Rinne enden, aus der die Fische nicht heraus können.

Aller Fischfang, den ich am Rio Itiyuro gesehen habe, geschah während
der Trockenzeit an sonnenheißen Tagen.

[Illustration: Abb. 90. Fischfang mit Kalebasse. Rio Itiyuro.]

Im oberen Rio Pilcomayo fischen die Chiriguanos mit von den Weißen
erhaltenen Angelhaken, mit den Tauchnetzen der Chorotis ähnlichen,
obschon kleineren Netzen und durch Schießen der Fische mit Pfeil und
Bogen. Die zum Fischfang angewendeten Pfeile haben zwei oder mehrere
Spitzen.

Im Rio Parapiti sah ich Chanés und Chiriguanos mit einem Netz von dem
hier abgebildeten Typ (Abb. 91) fischen. Beim Fischschießen wenden die
dortigen Chiriguanos Pfeile mit vielen feinen Spitzen an.

In diesen zuletzt genannten Flüssen fischen die Männer immer im
tieferen Wasser mit Netz und mit Pfeil und Bogen, während die Frauen
sich damit begnügen, kleine Fische in den Verdämmungen zu fangen, wenn
der Fluß halbtrocken ist.

Nicht so selten nehmen die Indianer lange Reisen vor, um zu fischen.
So pflegen die Chanés zuweilen während der Trockenzeit die Sümpfe,
„Madrejones“, in denen der Rio Parapiti sich verliert, zu besuchen.

Es ist merkwürdig, daß Völker, die so viel fischen, so wenige
Fischereigeräte kennen. In meiner Schilderung der Chorotis und
Ashluslays haben wir mit dieser Armut schon Bekanntschaft gemacht.

Moberg und der Verfasser wollten einmal am Rio Pilcomayo den Indianern
etwas von unseren Erfahrungen im Fischfang zum besten geben und
fabrizierten nun eine Reuse, über die wir nicht wenig stolz waren. Wir
setzten sie in der vollen Überzeugung aus, daß sie am Morgen voller
Fische sei. Holz und Abfälle aller Art war alles, was wir fingen, und
ich kann nicht leugnen, daß die Indianer uns ein wenig auslachten.

Der Grund der Armut dieser Indianer an Fischereigeräten ist nicht
der Mangel an Ideen, sondern ein anderer. Es passen ganz einfach
wenige Fischereimethoden für diese Gewässer. Ein Netz des Nachts
aussetzen, geht nicht an, denn wenn ein Palometafisch in das Netz
gerät, schneidet er dasselbe mit seinen messerscharfen Zähnen sofort
entzwei. Angelfischerei treiben, wo es solche Fische gibt, ist auch
nicht verlockend, denn sie beißen die Angeln ebenso leicht, wie die
Angelschnüre, ab, wenn sie nicht aus sehr gutem Material sind. In
diesen tropischen Gewässern modern auch die Fischgeräte schneller, als
bei uns, man darf sie also nicht eine ganze Nacht über im Wasser lassen.

Die Chiriguanos und Chanés haben keine Fahrzeuge. Sie sind dagegen
außerordentliche Water, und hier während der Regenzeit in den Flüssen
waten, ist gerade keine Kleinigkeit. Hat man jedoch einen dieser
Indianer als Beistand, so kommt man, wenn es überhaupt möglich ist,
doch hinüber.

Als eine Eigentümlichkeit kann ich erwähnen, daß ich während meiner
ganzen Reise niemals einen eingeborenen Weißen oder Mestizen habe
fischen sehen. In Bolivia ist es nicht fein, frische Fische zu essen.
Am Rio Pilcomayo aßen die Offiziere der Militärposten beinahe niemals
die leckeren, frischen, lachsähnlichen Fische aus dem Flusse, sondern
zogen Büchsenlachs aus Alaska vor. Da dieser, wenn er nach Bolivia
kommt, sehr alt ist, schmeckt er schrecklich. Die Angelfischerei ist
auch die einzige Fischereimethode, welche die Indianer von den Weißen
gelernt haben.

[Illustration: Abb. 91. Netz. Chiriguano. Rio Parapiti. ca. ¹⁄₁₂.]

Von Haustieren haben die Chiriguanos und Chanés nur die Hunde nicht
von den Weißen bekommen. Diese Hunde scheinen mir jetzt stark mit
fremdem Blut vermischt zu sein. Sie haben immer Namen, z. B. tirupotchi
(altes Kleid), chapikáyu (gelbe Augenbrauen). In der Regel haben die
Chiriguanos und Chanés weniger Pferde, Kühe, Esel, Schafe und Ziegen,
als die Chorotis und Ashluslays. Hühner und Schweine haben sie dagegen
mehr. Zuweilen sieht man Enten, Perlhühner und Truthähne. In gewissen
Gegenden, wie z. B. im Caipipendital, wo die Indianer reich sind, haben
sie gleichwohl viel Vieh. Was sie besitzen, suchen ihnen die Weißen
leider auf alle Weise abzuschwindeln. So ist es nichts Ungewöhnliches,
daß ein weißer Mann oder eine weiße Frau mit einigen Fäßchen Branntwein
in ein Dorf kommt und dasselbe mit einem Paar der besten Kühe der
Indianer verläßt. Die Weißen werden reicher, die Indianer ärmer.

Die Menagerie gezähmter Waldtiere, die man in den Dörfern der
primitiveren Indianer sieht, findet man bei diesen Indianern nicht.
Ein Papagei, der etwas Guarani spricht, ist jedoch in den Hütten nichts
Ungewöhnliches.

[Illustration: Abb. 92 a. Dämpfapparat. Chané. Rio Itiyuro.]


Zubereitung der Speisen.

Den Schmutz, den wir bei der Zubereitung der Speisen und im Essen bei
den Chorotis und Ashluslays treffen, findet man bei den Chanés und
Chiriguanos nicht. Die Speisen sind dagegen schrecklich einförmig. Sie
bestehen aus Mais in allen möglichen Formen, gekochtem Mais, geröstetem
Mais, in Asche gebackenem Maisbrot, Maismehlbrei und gedämpftem
Maismehl. Das letztere wird in einem hier abgebildeten Apparat (Abb.
92) zubereitet.

Fleisch wird mit Mais als Suppe gekocht oder geröstet. Bevor es in
den Topf gelegt wird, wird es sauber gewaschen. Die Fische werden in
Klammern oder in Maisblättern über dem Feuer geröstet. Die kleinen
Fische, die ich auf diese Weise zubereiten gesehen habe, werden erst
beim Essen ausgenommen. Hat man viele Fische, so werden sie für den
künftigen Bedarf getrocknet.

[Illustration: Abb. 92 b. Oberes Tongefäß.

Das hier abgebildete Exemplar ist von den Mataco-Vejos, die seine
Anwendung von den Chanés gelernt haben. ¼.]

Besonders in Zeiten der Not werden auch verschiedene wilde Gewächse
gegessen. Zum Essen wird Salz angewendet, das jetzt von den Weißen
gekauft wird. Früher holte man es aus den Bergsalzgruben am San Luis
auf dem Wege von der Stadt Tarija nach dem Chaco, oder bereitete Salz
aus salzhaltiger Erde, „yukiu“. Die mit Salz gemengte Erde wurde in
eine Schale mit Wasser gelegt, sank zu Boden, und das Salzwasser wurde
angewendet.

Frauen und Männer essen getrennt. Zu Hause geht es gewöhnlich so
zu, daß die Männer zuerst essen und dann die Frauen und Kinder. Die
Indianer wollen beim Essen Ruhe haben. Es ist deshalb höchst ungezogen,
sie während dieser wichtigen Beschäftigung anzusprechen.

Sie essen, soweit ich es gesehen habe, nicht aus einer
gemeinschaftlichen Schüssel, sondern jeder ißt aus seiner Schale. Nach
den Mahlzeiten spülen sie den Mund und waschen sich die Hände, indem
sie das Spülwasser über die Finger spucken.

Es schien mir, als würden hier wirkliche Mahlzeiten abgehalten, von
denen die erste des Morgens, die zweite mitten am Tage und die dritte
bei Sonnenuntergang eingenommen wurde.

Hat man in einem Hause Überfluß an Speisen, so ladet man auch die
Nachbarhäuser ein. Ein besuchender Indianer wird sehr gastfrei
aufgenommen. Er braucht nicht fortzugehen, ohne Maisbier oder Essen
erhalten zu haben. In den Chanédörfern am Rio Parapiti setzten mir die
Indianer, wenn ich zu ihnen zu Besuch kam, immer eine Schüssel mit
süßen Kartoffeln vor.

Die Chanés essen keine Esel, Maulesel, Pferde, Hunde, Füchse, Geier
oder Affen. Dagegen werden Puma und Jaguar für eßbar gehalten.

Wenn die Frauen in den Dörfern nicht zu kochen, zu brauen oder ihre
Kleinen zu warten haben, sind sie doch immer fleißig. Wenigstens die
älteren unter ihnen sieht man beinahe niemals ohne Beschäftigung.
Sie spinnen, machen Tongefäße, weben. Ich habe diese Frauen schätzen
gelernt, ich habe ihre liebevolle Fürsorge für die Kinder, ihren Fleiß,
ihre Pflege des Heims, ihre Geschicklichkeit und ihren Geschmack
bewundert.


Spiele.

Manchmal sieht man die Männer spielen. Das gewöhnlichste Spiel ist
jetzt taba, das mit dem Sprungbein einer Kuh gespielt wird und das
diese Indianer in den Zuckerfabriken gelernt haben. Auch Würfelspiele
sind dort nicht ungewöhnlich. Die Regeln für diese scheinen ihre
eigenen, oder vielmehr den Weißen nachgeahmte zu sein.

„Daro“, wie die Chiriguanos das Würfelspiel nach dem Spanischen nennen,
wird von zwei Personen mit von ihnen selbst verfertigten Würfeln
gespielt. In Tihuïpa habe ich folgende Regeln für dieses Spiel (Abb.
93) aufgezeichnet.

Alle übrigen Kombinationen sind = 0. Wer zuerst zehn Striche hat,
gewinnt. Die Striche werden auf dem Fußboden markiert.

Von eigenen Hazardspielen haben sie zwei. Das eine ist dasselbe, wie
wir es S. 73 von den Chorotis und Ashluslays kennen gelernt haben. Die
Chiriguanos nennen dieses Spiel „chúcaráy“, die Chanés „chunquánti“.[66]

Das andere den Chiriguanos und Chanés bekannte Spiel habe ich bei
keinen anderen Indianern gesehen. Sie nennen es tsúcareta und spielen
es mit einem Haufen Stäbchen, die auf der einen Seite konvex, auf der
anderen eben oder konkav sind (Abb. 95).

Zuerst wird ein Stäbchen (Máma) so ausgelegt, daß es auf den hinzeigt,
der werfen soll (Abb. 96). Nehmen wir an, daß es so gelegt ist, daß die
konvexe Seite nach oben gerichtet ist. Fallen zwei oder mehr Stäbchen
kreuzweise übereinander, und zwar mit der konvexen Seite nach oben und
ohne oben von einem Stäbchen mit der ebenen Seite nach oben berührt zu
werden, so fallen sie dem Werfenden zu. Wäre das Máma so gelegt worden,
daß die ebene Seite nach oben gelegt worden wäre, so hätten nur die
gezählt, die mit der ebenen Seite nach oben ein Kreuz gebildet haben.

Man schlägt abwechselnd und jeder legt das Máma beliebig aus. Wer die
meisten Stäbchen bekommen hat, hat gewonnen.

Hat man nur noch vier Stäbchen, so wird kein Máma mehr ausgelegt,
sondern man kommt überein, ob die konvexen oder ebenen (konkaven)
gelten sollen.

[Illustration: Abb. 93. Spielregel für „Daro“. Chiriguano. Tihuïpa.]

Bisweilen sieht man die Frauen ein Kegelspiel, von den Chiriguanos in
Tihuïpa „itarapóa“, von den Chanés am Rio Parapiti „tocoróre“ genannt,
spielen.

In Tihuïpa spielte man auf folgende Weise. Man stellte zwei Reihen
Maiskörner, je zwei aufeinander, als Kegel in einem Abstand von vier
bis fünf Fuß auf. Zwei spielten abwechselnd, indem sie die Maiskegel
des anderen mit einer steinernen Kugel abzuschlagen versuchten. Wer
zuerst alle Maiskegel des anderen abgeschlagen hatte, hatte gewonnen.

[Illustration: Abb. 94. Chunquanti spielende Chanéknaben am Rio
Itiyuro.]

[Illustration: Tafel 17. Palmenwald, unweit des Rio Pilcomayo.]

Am Rio Pilcomayo spielte man mit drei Kegeln auf jeder Seite. Der
Abstand zwischen den Kegeln des Gegners war drei Ellen. Jeder Kegel
bestand aus einem entsamten Maiskolben und der Abstand zwischen ihnen
sollte eine Handspanne[67] sein. Die angewandten Bälle sind aus
gebranntem Ton und hohl, mit kleinen, rasselnden Kugeln im Innern (Abb.
99).


Das Leben der Indianerkinder.

Wenn man vom Leben in den Dörfern spricht, darf man auch die Kinder
nicht vergessen. Die Kinder spielen, helfen aber auch den Großen.
Sie werden wie die Choroti- und Ashluslaykinder erzogen. In heiterer
Freiheit verbringen sie ihr Leben, ohne Prügel und harte Worte.

Die Chiriguano- und Chanékinder haben mehrere Spiele und Spielsachen,
welche man die Kinder der Weißen in Bolivia niemals anwenden sieht und
die mir alle echt indianisch zu sein scheinen.

Die Indianerkinder spielen vor allem die Spiele, die ich schon von
den Älteren erwähnt habe. Von den Spielen der Chorotis und Ashluslays
kennen sie das hockeyähnliche Ballspiel, das die Chiriguanos „táca“
nennen. Bei den Chanés habe ich es nicht spielen sehen. Als Tore
pflegen sie Gruben anzuwenden, und zuweilen schlagen sie die Bälle mit
Raketts. Das ist hier ein Knabenspiel. Ein außerordentlich hübsches
und schweres Spiel ist „tóki“, das ich von den Knaben der Chanés am
Rio Parapiti habe spielen sehen. Es wird von zwei, vier, sechs oder
mehr Personen in zwei Abteilungen gespielt. Die Bälle aus massivem
Gummi werden von einem der Spielenden erst in die Luft geworfen und
dann mit dem Kopf nach der gegnerischen Seite geworfen, wo er mit dem
Kopf wieder zurückgestoßen werden soll. Das Berühren des Balles mit der
Hand ist verboten. Die Partei, die, je nach Übereinkommen, fünf- oder
zehnmal den Ball verfehlt, hat verloren.

[Illustration: Abb. 95. Stäbchen zum Tshúcaretaspiel. ²⁄₉.]

Das Tókispiel wird in einer der Sagen der Chanéindianer erwähnt. In
dieser Sage sehen wir, wie schwer es den Chanés früher gefallen ist,
den Gummi für die Bälle zu erhalten, der, da es im Chaco keinen Gummi
gibt, von weit her geholt werden mußte.

Jetzt erhalten sie die Gummibälle von Santa Cruz de la Sierra. Ich
habe das „Tóki“ nur von Knaben spielen sehen. Früher wurde es nicht
allein von den Männern, sondern auch von den Göttern gespielt. Es ist
besonders von den Chiquitosindianern bekannt.[68]

[Illustration: Abb. 96. Máma wird ausgelegt. Tshúcaretaspiel. Tihuïpa.
Chiriguano.]

Auch d’Orbigny[69] erwähnt dieses hübsche Spiel von den Chiquitos. Am
Rio Guaporé habe ich Chiquitano sprechende Gummiarbeiter das Spiel
spielen sehen, die es außerordentlich gut verstanden, den Ball mit dem
Kopf weiterzustoßen. Auch niedrige, den Boden beinahe erreichende Bälle
fingen sie, auf dem Magen liegend, in gleicher Weise auf.

[Illustration: Abb. 97. Die Stäbchen werden geworfen. Tshúcaretaspiel.]

Spiele mit Gummibällen scheinen den Spaniern erst sehr spät bekannt
geworden zu sein. Dies geht aus dem Erstaunen hervor, mit dem
Gumilla[70] sie erwähnt. Merkwürdig, sagt er, sind die Bälle und die
Art, wie mit ihnen gespielt wird. Der Ball ist groß und aus einem
Holzsaft, Caucho genannt, gearbeitet, der bei einem leichten Stoß so
hoch springt, wie ein Mann lang ist.

Gumilla erzählt, daß die Indianer am Orinoco mit der rechten Schulter
spielten. Traf der Ball einen anderen Körperteil, so verlor der
Spielende einen Point. Er bewunderte ihr Spiel, da sie den Ball zehn-,
zwölfmal und noch öfter warfen, ohne den Boden zu berühren.

[Illustration: Abb. 98. Die Spielenden sehen nach, wie die Stäbchen
gefallen sind.]

Ein anderes nettes Spiel ist „sóuki“, das die Chanéknaben am
Rio Parapiti spielten (Abb. 102). Es wird von zwei Knaben mit
Maiskolbenpfeilen gespielt. Erst wirft der eine Knabe seinen Pfeil
auf den Boden, dann der andere, der ihm so nahe wie möglich zu kommen
sucht. Kommt er eine Handspanne oder noch näher an den Pfeil des
Gegners, so gewinnt er einen Point, d. h. bekommt einen Strich. Wer
zuerst sechs Points hat, wenn der andere keinen hat, hat gewonnen.
Jeder spielt mit bis zu drei Pfeilen. Die Points zählen so, daß nur das
gilt, was der eine mehr als der andere hat.

„Huirahuahua“ ist ein Spiel (Abb. 103), das nur von den jüngeren
Chanéknaben am Rio Parapiti gespielt wird. Es wird von zwei Knaben
mit je einem Stäbchen gespielt. Der eine wirft sein Stäbchen so, daß
die Spitze auf den Boden schlägt und so weit wie möglich aufspringt.
Nachher wirft der zweite. Wer am weitesten geworfen hat, bekommt einen
Strich auf dem Boden. Wer zuerst acht Striche hat, wenn der andere auf
Null steht, hat gewonnen.

[Illustration: Abb. 99. Geteilter Ball zum Tocorórespiel. ½. Chané.
Rio Parapiti.]

Das „Parama“-Spiel habe ich von den Chiriguanos im Caipipendital
spielen sehen. Es wird von zweien gespielt. Ein Knopf oder dergleichen
wird als Tor auf einen Stein gelegt, worauf man mit runden Steinchen
aus Tonscherben wirft. Der Knopf soll heruntergeschlagen werden, und
wer demselben am nächsten kommt, hat einen Strich gewonnen. Das Spiel
wird so lange fortgesetzt, bis der eine, je nach Übereinkommen, fünf
oder mehr Striche hat.

[Illustration: Abb. 100. Spielstock. ¹⁄₁₆. Tihuïpa. Chiriguano.]

[Illustration: Abb. 101. Rakett. ¹⁄₁₆. Tihuïpa. Chiriguano.]

Die Chané- und Chiriguanokinder haben auch mehrere Spielsachen, die
hier abgebildet sind (Abb. 104-105). Von diesen ist „mou-mou“ (Abb.
104) eigentümlich. Mit ihm wird, wenn die Fäden erst gezwirnt und dann
gespannt werden, ein summender Ton hervorgebracht.

Nun habe ich meine Leser wohl ordentlich mit indianischen Spielen
und Spielsachen gelangweilt. Vielleicht habe ich mich bei diesem in
Südamerika so wenig studierten Gegenstande, der mich auf meiner Reise
lebhaft interessiert hat, zu lange aufgehalten. Wie bei den Chorotis
und Ashluslays, habe ich gern mit den Knaben gespielt. Dies ist auch
eine Art und Weise, den Indianern näher zu kommen, ihr Vertrauen zu
gewinnen.

[Illustration: Abb. 102. Maiskolbenpfeil. ⅓. „Sóuki“. Chané. Rio
Parapiti.]

[Illustration: Abb. 103. Stäbchen zum Huirahuahuaspiel. ⅓. Chané. Rio
Parapiti.]

Wie die Choroti- und Ashluslaykinder, langweilen sich die Kinder der
Chanés und Chiriguanos selten, wie diese sind es artige und gute
Kinder. Auf den Spielplätzen in den Dörfern geht es in der Regel sehr
munter zu. Dies gilt für die Heiden. Die Kinder, die in die Hände der
Mönche geraten sind, sehen düster und verschlossen aus, sie haben schon
etwas von dem zu kosten bekommen, was die Kinder des weißen Mannes
lernen, Erziehung und beginnende Zivilisation. „Du sollst ...“ „Du
sollst nicht ...“

Die Spiele und Spielzeuge sind vom anthropo-geographischen
Gesichtspunkte aus von großem Interesse. Eine Mehrzahl von ihnen
finden wir nicht außerhalb des Chaco und der angrenzenden Gegenden
in Südamerika. Dagegen finden wir sie in Nordamerika. Infolgedessen
habe ich den Schluß gezogen,[71] daß die Spiele und Spielsachen
Überbleibsel aus einer Zeit sind, in der der kulturelle Austausch
zwischen Nord- und Südamerika größer als jetzt war, oder richtiger, daß
Spuren eines von Norden ausgehenden Kulturstromes bis nach Argentinien
hinunter gegangen sind. Eine merkwürdige Ähnlichkeit herrscht auch
zwischen den Typen von Tabakspfeifen, die man im südlichen Südamerika
und in Nordamerika trifft. Die Dreifußkeramik, die ich bei meinen
Ausgrabungen im östlichen Bolivia, in Mojos, gefunden habe, deutet auch
auf Einflüsse von Norden.

[Illustration: Abb. 104. Spielzeug. Chané und Chiriguano.

      A = „mou-mou“. ⅙. Chané. Rio Parapiti.
      B = brummender Kreisel. ²⁄₉. Chiriguano. Caipipendi.
  C, C1 = Reifen mit Peitsche. Chané. Rio Itiyuro.
      D = Musikbogen. ¼. Chané. Rio Parapiti.]

[Illustration: Abb. 105. Puppen aus Wachs. ¹⁄₁. Chané. Rio Parapiti.]


Alltagskleidung.

In den Dörfern, wo der Einfluß der Weißen nicht die alten Trachten
verdrängt hat, tragen die Chané- und Chiriguanofrauen ein sackförmiges
Kleidungsstück, „tiru“ (Abb. 106). Dieses kann, wie aus den
Photographien ersichtlich, auf verschiedene Weise getragen werden.
Früher scheint der Tiru nicht die jetzige Form gehabt zu haben.
Viedma[72] sagt, die Chiriguanofrauen hatten nur ein Stück Zeug um die
Hüften. Sicher hat sich die Tracht unter dem Einfluß der „moralischen“
Christen so entwickelt, daß sie „anständiger“ geworden ist.

[Illustration: Abb. 106. Chanéfrau von Rio Parapiti, in „Tiru“
gekleidet.]

Von einheimischen Schmucksachen sieht man Halsketten aus Türkis- und
Chrysocolperlen und aus schwarzen Körnern.

Nach eigenen Angaben finden die Indianer die Steinperlen in der Erde,
wo alte Wohnplätze und Gräber sind. Die Mestizen im Tarijatal, die in
ihren Feldern eine große Menge dieser Perlen finden, verkaufen sie den
Chiriguanos und Chanés zu hohen Preisen. Früher wurde eine Halskette
aus diesen Perlen mit einem Pferd bezahlt.

Das Haar tragen die Chané- und Chiriguanofrauen halblang, mitten auf
der Stirn gescheitelt und manchmal im Nacken oder auf dem Kopf mit
einem Band zusammengebunden.

[Illustration: Abb. 107. Gesichtsbemalung. Chiriguano. Itapenbia. Rote
Farbe. A u. B = Männer. C u. D = Frauen.]

Die Männer tragen jetzt alle die europäische Tracht. Bei der Arbeit
sieht man sie jedoch nicht selten nur in einem die Geschlechtsteile
schützenden Stück Zeug. Bei den Chanés am Rio Parapiti waren Mäntel
gleich denen, die wir von den Chorotis und Ashluslays kennen gelernt
haben, sehr gewöhnlich. Die älteren Männer, sowie auch die jüngeren in
den Chiriguanodörfern am oberen Rio Pilcomayo, tragen das Haar lang,
um den Kopf gewunden und von einem in der Regel roten oder blauen Band
zusammengehalten. Nach vorn ist das Haar abgeschnitten, sie haben also
Stirnlocken und eine Locke vor jedem Ohr. Es greift jedoch immer mehr
die Sitte um sich, das Haar kurz zu schneiden, um ebenso fein zu sein,
wie die Weißen. An den Füßen tragen sie, wenn sie auf steinigem oder
dornigem Boden wandern, wie die Frauen, Sandalen.

Diese Indianer malen sich alltags nicht oft. Zuweilen sieht man eine
Frau, die sich das Gesicht rot gemalt hat. Die Weißen behaupten,
es bedeute, sie sei heiratslustig, oder, wenn sie verheiratet ist,
lüstern. Ich wage jedoch nicht zu sagen, daß dies wahr ist. Einen roten
Strich hier und da ins Gesicht malen sich die Frauen auch alltags, oder
sie kleben ganz einfach eine Blume an jede Wange. Die Männer bemalen
auch manchmal das Gesicht und den Körper rot. Als große Seltenheit
habe ich ein paar Chiriguanofrauen gesehen, die auf dem Arm tätowiert
waren (Abb. 108). Im Caipipendital haben die Chiriguanofrauen die
abscheuliche Sitte, ihre sonst weißen und gesunden Zähne zu schwärzen.
Viedma erzählt, daß die Chiriguanomänner ihre Zähne blau zu malen
pflegten.

[Illustration: Abb. 108.

Tätowierter Frauenarm. Chiriguano. Itapenbia.]


Reinlichkeit.

Die Chanés und Chiriguanos sind sehr reinlich. Sie beginnen, wie schon
erwähnt, den Morgen mit einem Bad, und baden dann oft mehrmals im Laufe
des Tages. Diese Reinlichkeit ist bei Stämmen, die oft in Gegenden
wohnen, wo, wie z. B. im Chipipendital, großer Wassermangel herrscht,
merkwürdig. In der Trockenzeit können sie dort niemals ein Bad nehmen,
wenigstens die Frauen waschen aber ihren Körper jeden Morgen gründlich
ab.

Der Gegensatz, der sich hier in dem Reinlichkeitseifer der
verschiedenen Stämme zeigt, läßt sich, meiner Ansicht nach, durch ihre
Wanderungen erklären. Die Chorotis, Ashluslays und Matacos, welche sich
noch teilweise in Pelzmäntel kleiden, scheinen mir, wie die Feuerländer
und Patagonier, aus den kalten Pampas im Süden, wo ein Waschen höchst
unangenehm war, nach dem Chaco eingewandert zu sein, während die
Chiriguanos und Chanés vom Norden, aus den feuchtwarmen Urwäldern, von
den großen Flüssen kommen, wo das Baden immer schön und erfrischend
war. Nun, wo sie unter denselben klimatischen Verhältnissen leben,
haben die ersteren ihren Schmutz, die letzteren ihre Reinlichkeit
bewahrt.

[Illustration: Abb. 109. Kämme zum Kämmen des Haares, nicht zur
Befestigung in dasselbe.

A. von den Chanés. B, C, D von den Chiriguanos.]

Im Thurn[73] berichtet, daß die Indianer in Guayana sofort nach dem
Essen baden, ohne daß ihnen dies schlecht bekommt. Dasselbe habe ich
hier oft beobachtet.

Den Kopf schampunieren die Chiriguanos und verschiedene Chanés mit den
Samen von „nyantéra“, die sie mahlen. Zu demselben Zweck benutzen die
Chanés am Rio Parapiti die Rinde des Mistol, „yúag“. Auch die Nägel,
und nicht zum wenigsten die Zehennägel, werden sauber gepflegt.
Zum Kämmen wenden sie in Holz geschnittene oder aus Rohrstäbchen
zusammengebundene Kämme an.

Ihre Bedürfnisse verrichten die Chanés und Chiriguanos niemals ganz
nahe den Hütten. Besondere Abtritte habe ich aber niemals bei irgend
welchen Indianern, und auch nicht bei vielen Weißen in Bolivia, gesehen.

Die Chanés und Chiriguanos gehen mit ihren Kleidern sehr sorgfältig
um. Sie halten sie rein und flicken sie, wenn es nötig ist. Jedes
Geschlecht wäscht und flickt seine Sachen selbst. Der Mann näht hier
vollkommen ebenso gut wie die Frau.

Ich habe hier von dem Alltagsleben bei diesen Indianern gesprochen.
Nun will ich die wichtigsten Ereignisse in ihrem Leben, in ihrem
Gemeinwesen, ihre Feste, ihre Industrie usw. schildern, um zuletzt zu
ihren Sagen und ihrer Religion überzugehen.


Fußnoten:

[57] Annua de la Compañia de Jesus. -- Tucuman y Perú -- 1596.
Relaciones geográficas de Indias. Madrid 1885. Tomo II. S. CIV.

[58] Viedma: l. c.

[59] Die Frauen fischen in der Regel in seichtem, die Männer in tiefem
Wasser.

[60] Nehmen manchmal an der Zubereitung der Jagdbeute teil.

[61] Bei den Chanés am Rio Parapiti.

[62] Am Rio Parapiti sammelten die Chanéfrauen das Material zu dem
Dache, d. h. langes Gras.

[63] Nur bei Maringay.

[64] Unbedeutend, eigentlich nur am Rio Parapiti.

[65] Schon Viedma erwähnt diese Tracht, S. 181.

[66] Vgl. Erland Nordenskiöld: Zeitschr. f. Ethn., 1910, H. 3 u. 4.

[67] Längster Abstand zwischen Daumen und kleinem Finger.

[68] Erbauliche und angenehme Geschichten. Wien 1729. S. 55.

[69] d’Orbigny: Voyage. Partie historique. Tome 2, S. 594-595.

[70] Gumilla: El Orinoco Ilustrado. Madrid 1745. S. 190.

[71] S. auch Erland Nordenskiöld: Zeitschr. f. Ethnologie, 1910. H. 3
u. 4.

[72] Viedma, 1. c. S. 181.

[73] Im Thurn: Among the indians of Guiana. London 1883.




+Zwölftes Kapitel.+

=Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer= (Forts.).


Vom Mutterleib bis zum Grabe.

Streng arbeiten die Chané- und Chiriguanofrauen auch während der
Schwangerschaft, bis sie gebären sollen. Im Dorfe Vocapoys war eine
schwangere Frau, der ich eine von mir geschossene Taube schenkte.
Vocapoy erklärte mir da ganz erregt, eine schwangere Frau dürfe keine
Tauben essen. Kommt ein Chané- oder Chiriguanokind zur Welt, verursacht
es seiner Mutter sicherlich nicht viel Schmerzen. Diese Frauen sind
gesund und gebären leicht, wie alle Indianerfrauen, die eine gesunde
Lebensweise führen und niemals eng anliegende Kleider getragen haben.
Sie liegen auch nicht im Wochenbett, das muß statt dessen der Papa
des Kleinen. Auch hier treffen wir diesen eigentümlichen Brauch, die
„Couvade“, die von so vielen Indianerstämmen her bekannt ist. Mehrere
Tage soll der Mann liegen und Diät halten. Bei den Chanés am Rio
Parapiti darf er die ersten Tage nur gekochten Mais und Maissuppe,
später auch süße Kartoffeln essen. Mehrere Tage lang darf er kein
Fleisch essen. Ißt er z. B. das Fleisch einer Ziege, so stirbt er,
meckernd wie diese. Der Chiriguanoindianer Taco erzählte mir, er habe
seinen dicken Magen deswegen bekommen, weil er diesen wichtigen Brauch
nicht innegehalten habe. „Fünf Tage hätte ich liegen und Diät halten
sollen“, sagte er.

Die Sitte der Couvade hat, wie bekannt, in Südamerika eine sehr große
Ausdehnung. Bei den Stämmen, die ich kennen gelernt habe, kommt sie
sicher, außer bei den Chiriguanos und Chanés, bei den Chorotis,
Gúarayús und Chacobos vor. K. v. d. Steinen,[74] der diesen Brauch
ausführlich vom Rio Xingu schildert, sagt, er sei wahrscheinlich für
alle brasilianischen Stämme bekannt. Dagegen scheint der Brauch der
Couvade von den Quichuas und Aymaras, d. h. von der Gebirgskultur
in Bolivia und Peru, unbekannt zu sein. Dies ist einer der vielen
Gegensätze, die zwischen den Indianern des Gebirges und des Urwaldes
bestehen.

Die Gúarayúindianer in Nordost-Bolivia sagten mir, wenn ein Mann gleich
nach der Entbindung seiner Frau auf die Jagd geht und z. B. einen
Papagei schießt, so kann er sein Kind töten. In den ersten Tagen des
Lebens folgt nämlich die Seele des Kindes dem Vater.

Sehr selten werden bei den Chanés und Chiriguanos außereheliche Kinder
geboren. Ich glaube, vielleicht irre ich mich, daß die Frauen dieser
Indianer keusch sind, bevor sie heiraten. Am Rio Itiyuro befand sich
unter etwa 500 Chanés nur ein von einer unverheirateten Frau geborenes
Kind. Mißgestaltete Kinder werden sehr selten geboren. So gibt es, nach
dem, was ich gesehen und Batirayu angegeben, im ganzen Parapitital
unter 1500-2000 Chanés keinen Blindgeborenen, keinen Schielenden,
keinen Idioten und nur einen mit mißgestalteten Extremitäten und vier
Taubstumme. Stark stammelnde Indianer habe ich nicht beobachtet.

Ich weiß nicht, ob die mißgestalteten Kinder auch bei diesen Indianern
gleich getötet werden, aber wahrscheinlich ist dies der Fall. Ich
weiß auch nicht, ob Abtreibung der Leibesfrucht vorkommt. Sicher ist
aber, daß diese gesunden Frauen selten Kinder gebären, die nicht
wohlgestaltet sind. Im Parapitital fand sich gleichwohl, wie erwähnt,
ein Knabe mit mißgestalteten Extremitäten. Das eine Hüftbein war zu
kurz und der eine Arm auch verkrüppelt. Dieser Knabe wurde von allen
mit außerordentlichem Wohlwollen behandelt, und man drückte laut
seinen Beifall aus, als ich ihm einige kleine Geschenke gab.

Wenn das Kind zu gehen anfängt, erhält es einen Namen. Diesen gibt
nicht der Vater oder die Mutter, sondern seine Großeltern. Bei den
Chanés am Rio Parapiti habe ich einige Namen aufgezeichnet. Ist es
ein Knabe, so wird er z. B. yatéurembi (Lippe der Zecke), huásucaca
(Guanako), tátunambi (Gürteltierohr), yánducúpe (Straußrücken),
vacainyáca (Kuhkopf), aguárachivi (Fuchsharn), derésa paravéte
(deine armen Augen) genannt; ist es ein Mädchen, z. B. árasaypoti
(Guayavablüte).[75] Ein großer Teil der Namen ist unübersetzbar. Zu
diesem Namen kommt nicht selten ein Spottname. So wurde z. B. der
Chanéhäuptling Boyra (Boy-Schlange) yúruhuasu genannt, was Großmaul
bedeutet. Der alte Boyra war auch ein Schwätzer, der für alles, was ein
wenig unanständig war, eine große Schwäche hatte.

Ungewöhnlich lange stillen die Mütter, und es dauert in der Regel
mehrere Jahre, bis sie wieder ein Kind bekommen. Vielleicht vertreibt
sie auch ein wenig, wie die Chorotifrau, die Leibesfrucht, damit die
Familie nicht allzu sehr belästigt wird.

In der Missionsstation in Ivu suchte ich über die Anzahl überlebender
Kinder in 127 Chiriguanoehen eine Statistik aufzustellen und fand da,
daß in 10 Ehen kein, in 27 ein, in 35 zwei, in 29 drei, in 13 vier,
in 9 fünf und in 4 sechs Kinder waren. Diese Zahlen sind jedoch ganz
unsicher. Sie zeigen jedoch, daß man hier, wie bei vielen anderen
Indianerstämmen, eine Art Zweikindersystem hat.

Corrado[76] behauptet mit Bestimmtheit, daß unter den Chiriguanos
Kindermord vorkommt. Das tut man in verzweifelten Fällen auch bei uns,
das von Corrado angeführte Beispiel hat daher nichts zu bedeuten. Die
Frage ist: kommt Kindermord und Abtreibung der Leibesfrucht als eine
vom Stamme angenommene Institution, wie bei den Chorotis, vor?

[Illustration: Abb. 110. Chanéknabe. Rio Parapiti. Er hat Pfeile mit
stumpfen Spitzen in der Hand.]

Die Chané- und Chiriguanokinder werden auch, wie erwähnt, in Freiheit
erzogen. Unter Spielen verleben sie die Kinderjahre. Allmählich
beginnt das Kind den Eltern bei Kleinigkeiten, z. B. beim Wasser- und
Holztragen, Fesseln der Haustiere, Fischen usw. zu helfen. Die Mädchen
lernen von den Müttern das Spinnen, Weben, Anfertigen von Tongefäßen,
Brauen des Maisbiers usw. Sie lernen alles durch Imitation. Die Knaben
verfolgen die kleinen Vögel um das Dorf und lernen auf diese Weise den
Waffengebrauch. Die Kinder begleiten die Eltern zum Fischen und Ackern.
Der Knabe begleitet den Vater auf die Jagd und fühlt sich ordentlich
stolz und tüchtig, wenn er mit der „gemeinsamen“ Jagdbeute nach Hause
gehen darf. Die Kinder sehen und lernen. Es macht ihnen Spaß, Vater und
Mutter zu helfen.

Wie verschieden ist nicht die Kindererziehung in den Missionen, die auf
Spionage und Angeberei basiert ist.

Mutterlose Kinder werden von den Verwandten aufgenommen. Nicht selten
sieht man auch hier ältere Tanten die Kinder anderer liebkosen.

Wenn das Mädchen ihre erste Menstruation bekommt, wird sie in einen
Verschlag in der Hütte, eine Art Schrank, gesetzt. Ihr Haar wird
kurz geschnitten, und sie darf erst wieder heraus, wenn es halblang
gewachsen ist. In Begleitung der Mutter darf sie ausgehen und das
Notwendigste tun, z. B. baden usw. Zwischen der ersten und zweiten
Menstruation muß sie Diät halten. Sie darf gekochten Mais und Mehl
essen. Diese Sitte nennen die Chanés „yimundia“.

In einem Chanédorf, Aguaráti, sah ich ein Mädchen, das in einem solchen
Schrank saß. Sie spann. Ich guckte in den Schrank, was wohl unrecht von
mir war, denn am nächsten Tage waren Mädchen und Schrank verschwunden.

P. Chomé[77] erwähnt schon diesen Brauch von den Chiriguanos. Er sagt,
die Indianer glauben, eine Schlange habe das Mädchen gestochen.

Wenn das Mädchen aus dieser Gefangenschaft kommt, ist sie heiratsfähig.

Wenn der Chanéknabe etwa 10-12 Jahr alt ist, wird seine Unterlippe von
einem hierin besonders erfahrenen Mann durchbohrt. In das Loch wird ein
Stückchen Holz gesteckt. Der Knabe muß einen Tag liegen. Sein Großvater
kommt und reißt tiefe Wunden in seinen Körper, damit er mutig im Kampf
und ein tüchtiger Jäger werde. Des Morgens, wenn es noch richtig kalt
ist, führt er ihn baden, damit er ein richtiger Mann werde.

Einen Tag lang darf der Vater nichts verzehren, damit der Knabe nicht
geschwätzig wird. Dies zeigt, daß die Indianer keine Schwätzer lieben.

Wenn der Knabe älter wird, erhält er statt des kleinen Hölzchens ein
größeres, und ist er ein Mann geworden, so kann er mit einem großen
Pflock, „Tembeta“, in der Unterlippe herumstolzieren (Abb. 79). Diese
soll aus Holz sein, in welches Türkisen- und Chrysocolstücke eingesetzt
sind. Bei den Chanés und den meisten Chiriguanos haben jetzt nur die
Alten die Tembeta. Beim Chiriguanohäuptling Maringay, der noch alte
Sitten ehrt, wird allen Knaben die Unterlippe durchbohrt. Maringay
gehört zu den Alten, die verächtlich sagen: Der „ava“, der Mann, der
keine Tembeta trägt, sieht wie eine „cuña“ (Frau) aus. Männern das
Schimpfwort Frau zurufen, heißt auf Chiriguanoweise beschimpfen. Diese,
die „ava“ sind, sagen von den Chanés, die kleine Tembetas haben,
„cuñareta“ (Weiber).

Jetzt werden die meisten Tembetas von den Weißen in den Gebirgsgegenden
aus Zinn und Glasstücken angefertigt. Unter denen, die solche gemacht
haben, ist der Italiener Pablo Piotti. Seine Werke sind sogar in
europäische Museen gekommen, ohne jemals in einem Indianerkinn
gesessen zu haben. Früher hatten die Chiriguanos auch Tembetas aus
durchsichtigem Harz.[78]

Will der Chané- oder Chiriguanoknabe heiraten, so schickt er den
Eltern des Mädchens allerlei Jagdbeute. Vocapoy erzählte mir, daß er
vor ihre Häuser Holz legt. Wird das Holz angewendet, so bedeutet es
Einwilligung, findet er das Holz unberührt, so ist er abgewiesen. Hat
er mit dem Holz Glück gehabt, so hält er bei der Mutter des Mädchens um
sie an. Diese antwortet dann, sie könne nicht wissen, ob er ein guter
Mann wird, der seiner Frau Essen schaffen kann. Um dies zu zeigen, muß
er bei der künftigen Schwiegermutter ungefähr ein Jahr lang dienen. Die
Ehe ist somit hier eine Art Kauf.

Auf dieselbe Weise, wie die Chané- und Chiriguanomänner heutigentags
werben, taten sie es vor zweihundert Jahren.[79]

In der Nacht vor der Hochzeit schläft der junge Mann bei seinem
Mädchen. Die Hochzeit wird mit einem Trinkgelage ohne andere Zeremonien
als vieles Maisbiertrinken gefeiert. Die Jungverheirateten erhalten
Glückwünsche. In der Regel wohnen die Jungen noch einige Zeit in dem
Hause der Schwiegermutter.

Die Ehen scheinen mir in der Regel glücklich zu sein. In dem Dorfe des
Chanéhäuptlings Vocapoy hatte ich Gelegenheit, mehrere jungverheiratete
Paare zu sehen. Das Glück des Honigmonats erschien mir ungeheuchelt,
und die jungen Frauen arbeiteten strebsam für ihre Männer. Bei den
Indianern, wie bei anderen Völkern, gibt es indessen Frauen ungleichen
Charakters. Es gab solche, die den ganzen Tag für ihr Heim arbeiteten,
und solche, die nur dazu da zu sein schienen, um sich zu amüsieren.

Geschwisterehen sind verboten, Cousins und Cousinen dürfen sich dagegen
heiraten (wenigstens bei den Chanés).

Dies ist dagegen, wie erwähnt, weder bei den Chorotis noch bei den
Matacos gestattet.

Unter den Chanés und Chiriguanos gibt es solche, die mehrere Frauen
haben. Dies gilt jedoch nicht für die Jungen, sondern für die Älteren,
besonders für die Häuptlinge. Vocapoy hatte vier Frauen, die in
verschiedenen Dörfern wohnten. Taco soll sieben haben, Maringay hat
zwei, die zusammen wohnen. Der alte Mandepora (Abb. 111) soll auch eine
größere Anzahl haben. Diese älteren hohen Herrn lassen oft ihre Frauen
sitzen und schaffen sich neue, junge und hübsche an.

[Illustration: Abb. 111. Der Chiriguanohäuptling Mandepora.]

Außer in diesen Fällen scheint der Altersunterschied zwischen den
Gatten in der Regel nicht mehr als ein paar Jahre zu betragen.

Spricht man mit den Missionaren über die sittlichen Verhältnisse unter
den Indianern, besonders unter den Chiriguanos, so malen sie dieselben
in schwarzen Farben. Der sittliche Wandel der christlichen Indianer
ist, fürchte ich, auch recht schlecht, aber in den Tälern, wo der weiße
Mann die Indianer nicht verdorben hat, habe ich niemals eine allgemeine
Liebe, wie bei den Chorotis, vorkommen sehen. Typisch für alte Sitten
ist Maringays Dorf, und dort herrscht eine so strenge Sittlichkeit, wie
ich sie nirgends sonst gesehen habe. In diesen rein heidnischen Dörfern
kam es niemals vor, daß den Mitgliedern der Expedition ein Mädchen
angeboten wurde, was dagegen in den Missionsstationen vorkam.

Folgendes Urteil gibt der Jesuit Pater Ignace Chomé in einem Briefe von
1735,[80] von einer Zeit, da sie von der Zivilisation der Weißen noch
vollständig unberührt waren, ab, ein Urteil, das ich hier wortgetreu
wiedergeben will:

„Ce qui m’a fort surpris, c’est que dans la licence où ils vivent, je
n’ai jamais remarqué qu’il échappât à aucun homme la moindre action
indécente à l’egard des femmes, et jamais je n’ai oui sortir de leur
bouche aucune parole tant soit peu déshonnête.“

Die Ehen der Chiriguanos schildert dieser Jesuitenpater indessen als
sehr locker.

Mit der Ehe beginnt für diese Indianer das Leben im Ernst. Es besteht
aus Arbeit und Maisbiertrinken. Die Arbeit habe ich schon ein wenig
beschrieben, ihre Trinkgelage werde ich weiterhin schildern.

[Illustration: Abb. 112. Alte Frau. Rio Itiyuro.

Ihre Enkel waren ungefähr 18 Jahre und jünger.]

Das Leben des Indianers und der Indianerin schwindet schneller als das
der Weißen. Das Alter eines Indianers ist, wenn man keine bestimmte
Zahl hat, an die man sich halten kann, sehr schwer bestimmbar.
Maringay erzählte mir, er sei der Älteste seines Stammes, es lebe
kein Altersgenosse von ihm mehr. Die Weißen sagten, Maringay sei über
100 Jahr alt. Dies ist jedoch übertrieben. Als jungverheirateter,
16-20jähriger Jüngling, besuchte Maringay den Präsidenten Belzu in
Sucre. Dieser regierte zwischen 1848-1855, der hundertjährige Maringay
ist also offenbar nicht älter, als ungefähr 80 Jahre. Ein 80jähriger
Indianer ist also der Älteste seines Stammes. Bei den Indianern sieht
man beinahe immer, daß derjenige, der erwachsene Enkelkinder hat, sehr
gebrechlich und greisenhaft ist und am Rande des Grabes steht. Die
Indianer und Indianerinnen entwickeln sich schnell, altern aber auch
schnell. Mit 50 Jahren ist der Indianer ein Greis, mit 70 ein sog.
Hundertjähriger. Im Thurn[81] meint ebenfalls, daß die Indianer nicht
alt werden. Er glaubt, daß sie selten ein höheres Alter als 40-50
Jahre erreichen.

Maringays Haare waren leicht ergraut. Es gibt beinahe weißgelbhaarige
Indianer und Indianerinnen, aber sie sind selten (Abb. 112). Einen
kahlköpfigen Indianer habe ich niemals gesehen. Wenn sie älter sind,
ist das Gesicht stark gefurcht. Nicht selten werden sie im Alter blind,
aber weniger oft taub.

Bei den Chorotis und Ashluslays ist der Anblick der Alten oft
abschreckend, sie sind schmutzig, abgemergelt und triefäugig. Dies ist
bei den Chanés und Chiriguanos nicht der Fall. Diese Indianer verstehen
es, in Schönheit zu altern, und auch die Alten halten sich rein und
fein.

Erkrankt der Chané- oder Chiriguanoindianer schwer, so läßt man, wie
bei anderen Indianern, den Medizinmann kommen.

Die Chiriguanos und Chanés unterscheiden zwischen zwei Arten von
Medizinmännern, die sie „ipáye“ oder „ipáyepótchi“ nennen. Die ersteren
sind gut und heben die Verhexungen, die letzteren können die Verhexung
heben und verhexen.

Im Scherz fragte ich einmal einen Chiriguano, ob Vater Bernardino
in Ivu ein „ipáye“ oder ein „ipáyepótchi“ sei. Artig antwortete der
Indianer, ein „ipáye“. Die Stellung des Missionars unter den Indianern
ist die des Medizinmannes, er übernimmt ihre Macht und ihren Einfluß.

Im vorhergehenden habe ich erzählt, daß die Weißen in der Gegend von
Ivu einen indianischen Medizinmann zum Vertreiben der Pocken kommen
ließen. Es kommt auch vor, daß sie glauben, von den Indianern verhext
zu sein. Ein Kolonist, Gutierrez, hatte einen Indianer durchgepeitscht.
Dieser verhexte ihn so, daß er krank wurde. Es klang in seinem Magen
wie das Quaken eines Frosches.

Durch Räuchern suchen die Medizinmänner den Verhexer ausfindig zu
machen. Wie es dabei zugeht, habe ich nicht gesehen. Der Verhexer wird,
wenn er oder sie entdeckt wird, getötet.

Hier unten werde ich über die Verbindung der Medizinmänner mit den
großen Geistern sprechen.

Im Auftreten und in der Methode der Medizinmänner scheint bei den
Chorotis und Ashluslays und bei den Chanés und Chiriguanos kein
Unterschied zu herrschen. Es ist dasselbe Aussaugen fremder, durch
Verhexen in den Körper gelangter Gegenstände. Bei den letzteren sind
die Medizinmänner geheimnisvoller, als bei den ersteren. Vielleicht hat
die Berührung mit den Weißen bewirkt, daß sie selbst an ihrer Kunst zu
zweifeln beginnen.

Ein Unterschied herrscht indessen in den gewöhnlichen Heilmitteln. Die
erstgenannten Indianerstämme entnehmen ihre Heilmittel in der Regel dem
Pflanzenreich. Man kocht Dekokte von gewissen Gewächsen. Die Chanés und
Chiriguanos wenden dagegen, außer gewissen Pflanzen, animale Heilmittel
an. So benutzen die Chanés am Rio Itiyuro das Fett vom Reiher für
Geschwülste, das Wildschweinfett für das Fieber, das Jaguarfett für
Knochenschmerzen und Tukanschnäbel für Frauenblutungen. Die Chanés
am Rio Parapiti wendeten das Fett des Straußes gegen Brustschmerzen,
der Iguanaeidechse gegen Conjunctivitis, des Huhnes gegen alles, das
Maisbier gegen Erkältung an. Das Fett habe ich ausschließlich für den
äußeren Gebrauch anwenden sehen.

Merkwürdig ist der Chanéindianer als Aseptiker. Ich habe mehrmals
gesehen, wie sie Wunden nach einer höchst modernen Methode behandeln,
nämlich mit gekochtem Wasser. Das ist etwas anderes, als wenn die
Weißen Schweineexkremente und frischen Urin vom Menschen mit Salz zu
demselben Zwecke anwenden. Die Ursache, daß diese Indianer eine so
moderne Methode kennen, ist sicher ihre große Reinlichkeit. Sie sind
daran gewöhnt, sich beständig zu waschen. Daß sie auf die Idee gekommen
sind, das Wasser zu kochen, kommt wahrscheinlich daher, daß sie
makroskopische Tiere in demselben haben töten wollen. Zum Verbinden von
Wunden wenden die Chanés zuweilen frische Blätter an.

Sollte trotz der Anstrengungen des Medizinmannes die Verhexung nicht
gehoben werden können und der Chané- oder Chiriguanoindianer sterben,
so wird er oder sie in einem großen Tongefäß unter der Hütte begraben.
Bevor der Sterbende richtig tot ist oder gleich nach dem Tode, wird er
so zusammengefaltet, daß die Knie unter das Kinn kommen, und die Arme
werden kreuzweise über die Brust gelegt. Am Rio Parapiti hat jahrelang
ein Chanéindianer gelebt, der auf diese Weise zusammengefaltet worden
war, der aber, bevor er in die Graburne gestopft worden war, von
einem weißen Manne gerettet wurde. Der Tote wird angekleidet, mit
einer Wasserkalebasse im Knie, in das Gefäß gesetzt. Das Wasser soll
der Tote mithaben, wenn er auf den Bergen umhergeht, sagte mir der
Chanéhäuptling Vocapoy. Das Gefäß wird in der Hütte vergraben und als
Deckel ein anderes Gefäß darübergestülpt.

Bei Tatarenda in der Nähe von Yacuiba verbrennt man, wie ich
gehört habe, nach dem Begräbnis die Hütte. Dies ist jedoch nicht
das Gewöhnliche. Dagegen pflegt man die Hütte einige Zeit nach dem
Begräbnis zu verlassen, um später wieder hinzuziehen. So geschah es
z. B. in einem Chanédorf am Rio Itiyuro, in welcher ich kurz nach dem
Begräbnisse war.

Die großen Maisbiergefäße (Abb. 113) werden als Sarg angewendet.
Herrscht Mangel an Gefäßen, so begräbt man oft auf andere Weise. In
einem Chanédorf, Copéri, am Rio Parapiti, begrub man kurz vor meiner
Ankunft ein Kind in einer Haut unter der Hütte.

Auf den Gräbern ihrer toten Verwandten verleben diese Indianer ihr
Leben, und oft ist es so voll in der Hütte, daß ein Nachbegräbnis in
alten Töpfen notwendig wird.

„Der Christ schleppt seine Toten weit von seinem Hause fort. Wir
Indianer, die eine größere Liebe für sie hegen, bewahren sie in unseren
Häusern.“ So ungefähr sprach Vocapoy einmal zu mir, als das Gespräch
auf diese eigentümliche Begräbnisart kam.

Wird ein Chiriguano von einem Jaguar getötet, so wird er mit dem Kopf
nach unten begraben, damit er nicht als ein solches Tier umgeht. Diese
Vorstellung vom Jaguar, der ein Mensch war, ist besonders unter den
Quichuas verbreitet, wo dieses merkwürdige Tier, wie schon erwähnt,
Uturunco genannt wird (vgl. S. 12). Heult der Fuchs des Nachts nahe dem
Dorfe, so stirbt jemand.

[Illustration: Abb. 113. Chiriguanograb. Caipipendi.]

Stirbt der Mann, so soll die Frau das Haar kurz schneiden. Hat sie
ihn sehr geliebt, tut sie es zweimal. Erst wenn das Haar wieder lang
gewachsen ist, darf sie eine neue Ehe eingehen. Stirbt ihr Vater oder
ihre Mutter, so schneidet sie das Haar kurz, stirbt ihr Kind, ihr
Bruder oder Schwager, so schneidet sie es halblang. Unter langen Haaren
versteht man, daß sie bis zur Schulter reichen. Meine Frage, ob auch
die Männer bei Trauer ihr Haar schneiden, wurde mit einem Gelächter
beantwortet. Sie begnügen sich damit, eins der allerlängsten zu
verkürzen. Die Männer dürfen sich erst ungefähr ein Jahr nach dem Tode
der Frau wiederverheiraten.

Hat die Frau Trauer, so trägt sie keinen Schmuck. Als ich bei Maringay
war, hatte seine Schwiegertochter ihr kleines Kind verloren. Während
alle anderen Frauen im Dorfe zahlreiche Halsketten trugen, hatte sie
keinen einzigen Schmuckgegenstand. Sie nahm auch an keinem Feste teil.

Die Indianer, welche die Missionare taufen, sehen es nicht immer
gern, daß sie ihre Toten auf dem Kirchhof begraben müssen. Sie wollen
wenigstens, daß die Toten Wasser mit ins Grab bekommen.

Man befreit sich nicht so leicht von alten, ererbten Vorstellungen, um
sie gegen neue einzutauschen.

[Illustration: Tafel 18. Chanéfrau mit Kind. Rio Itiyuro]


Fußnoten:

[74] Karl v. d. Steinen: Unter den Naturvölkern Zentralbrasiliens.
Berlin 1894.

[75] Psidium guayava.

[76] Corrado: El Colegio Franciscano De Tarija y sus misiones.
Quaracchi 1884. S. 526-527.

[77] P. Chomé, S. 320. Derselbe Pater spricht auch von dem Brauche der
Couvade bei diesen Indianern, S. 321. Lettres édifiantes. T. XXIV.

[78] P. Chomé: Lettres édifiantes. T. XXIV, S. 317.

[79] P. Chomé, l. c. S. 319.

[80] Chomé, l. c. S. 318.

[81] Im Thurn l. c. S. 190.




+Dreizehntes Kapitel.+

=Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer= (Forts.).


Häßliche Worte, Homosexualität, Selbstmord, Schamgefühl u. a.

In der Sprache der Weißen gibt es, wie bekannt, eine Anzahl Worte,
die man in anständiger Gesellschaft nicht anwenden darf. Gewisse
Körperteile dürfen Personen desselben Geschlechts nur mit lateinischen
Namen nennen, während Personen verschiedenen Geschlechts in der Regel
gar nicht miteinander darüber sprechen. Ein Wort kann für häßlich
gelten, während ein anderes Wort für denselben Gegenstand beliebig
angewendet werden kann. Der Grund, warum ein Wort verboten ist, ist
sicher oft schwer zu ermitteln.

K. v. d. Steinen[82] und Koch-Grünberg[83] haben darauf hingewiesen,
daß auch die Weiber unter den Indianern am Xingu und Rio Negro von den
Geschlechtsteilen ganz offen, als von etwas Natürlichem reden. Ebenso
ist es bei den Indianern, die ich kennen gelernt habe. Als ich nach
Worten fragte, welche die allerintimsten Dinge berührten, gaben auch
die Weiber, ja die jungen Mädchen, auf die allernatürlichste Weise
Auskunft darüber.

Es gibt indessen Worte, die verboten sind. Solche Worte sind bei
den Chorotis „ametché“, das ein Schimpfwort ist, „ictivähi“, das
homosexuellen Geschlechtsverkehr bezeichnet, „huéle“, das Onanie
bedeutet, und „tévi“ bei den Chanés und Chiriguanos, das dieselbe
Bedeutung wie ictivähi hat. Das Unnatürliche im Geschlechtsleben ist
auch hier so schändlich, daß es sich nicht paßt, darüber zu sprechen.

Es gibt auch Indianer, die niemals über solche Gegenstände sprechen
wollen. So beschaffen war z. B. ein Chiriguano, den ich auf meinem
ersten Ausflug den Rio Parapiti herunter mithatte. Er stellte sich
sogar so, als hätte er niemals von etwas Derartigem reden hören. Als
ich ihn über die Homosexualität bei seinen Landsleuten befragte,
stellte er sich dumm und sagte ungefähr: „Pflegen das die Weißen zu
tun?“

Unter den Indianern gibt es gleichwohl, wie auch bei uns, solche, denen
es Spaß macht, obszöne Geschichten zu erzählen. Ein solcher war der
alte Chané Bóyra, er, der den Schimpfnamen yúruhuasu, Großmaul, hatte.
Je schlimmere Sachen er erzählte, um so mehr amüsierte sich der alte
Bóyra. Zuweilen erzählte er so, daß sogar mein Freund Batirayu, der zu
dolmetschen pflegte, sich richtig genierte. Der alte Chiriguano Yambási
war auch einer, der alle möglichen Unanständigkeiten zu erzählen wußte.

Bóyra erzählte, wie der Fuchsgott, Aguaratunpa, und die Iguanaeidechse,
Téyuhuasu, in einem homosexuellen Verhältnis zueinander standen.
Bóyras Erzählung war so außerordentlich realistisch, daß ich sie hier
unmöglich wiedergeben kann. Er erzählte auch, wie der Fuchs sich mit
einem Waldhuhn[84] „Kése-Kése“ verheiratete, das auch ein Mann war.

Aguara (der Fuchs) kam einmal zur Hütte des Waldhuhns.

„Wie geht es dir, Bruder?“ sagte der Fuchs.

„Gut, komm, setz’ dich, Bruder“, sagte das Waldhuhn.

Der Fuchs setzte sich. Das Waldhuhn hatte viele Erdratten „angúyatúto“
aufgehängt, die es getötet hatte.

„Willst du Erdratten essen?“ sagte das Waldhuhn.

„Ja“, sagt der Fuchs und aß eine. Er verlangte dann noch eine und noch
eine usw.

Schließlich bat er darum, zwei für seine Kinder mitnehmen zu dürfen.
Das Waldhuhn gab sie ihm. Der Fuchs, der keine Kinder hatte, fraß auch
diese auf.

„Hast du eine Frau?“ sagte der Fuchs.

„Nein, ich wohne hier mit meiner Schwester,“ sagte das Waldhuhn.

Der Fuchs ging hierauf fort. Als er zu einer Pflanze „supua“ gekommen
war, hing er seinen Penis auf, nahm eine Frucht herunter und setzte sie
an die Stelle, wo der Penis gesessen hatte. Die Supua sieht nämlich wie
eine Vulva aus. Der Fuchs nahm dann die Tembeta heraus und verstopfte
das Loch. Er kam dann an ein Haus, wo einige Frauen wohnten.

„Wollt Ihr Tiru (Frauentracht), Halskette und Haarband mit mir gegen
ein Pferd tauschen?“ sagte der Fuchs.

„Wo hast du dein Pferd?“ sagten die Frauen.

„Mit dem komme ich morgen“, sagte der Fuchs. Er bekam nun Tiru,
Halskette und Haarband, legte alles dies an und begab sich auf einem
anderen Wege nach dem Hause des Waldhuhns. Als er dorthin kam, war
niemand zu Hause. Er legte sich da in die Hängematte. Nach einer Weile
kam das Waldhuhn nach Hause.

„Woher kommst du?“ sagte das Waldhuhn.

„Von meinem Vater“, antwortete der Fuchs. Der Fuchs kochte nun zwei
Erdratten und aß sie auf. Dann kochte er noch zwei und aß auch diese
auf. Hierauf kochte er noch zwei und aß sie auf.

Am Abend fragte der Fuchs die Schwester des Waldhuhns: „Wo willst du
liegen?“ „Hier“, sagte sie.

„Dann lege ich mich neben dich“, sagte der Fuchs. Ein bißchen davon
legte sich das Waldhuhn. Als die Schwester eingeschlafen war, streckte
der Fuchs die Hand aus und faßte das Waldhuhn an. Dieses kam und legte
sich neben den Fuchs.

„Bist du verheiratet?“ sagte das Waldhuhn.

„Nein, meine Mama hat mich nicht verheiraten wollen“, antwortete der
Fuchs ...[85]

Der Fuchs schlief nun zwei Nächte bei dem Waldhuhn und wurde schwanger.
Nach einiger Zeit gebar der Fuchs.

Eines Tages kamen einige Vögel dort vorbei. „Gib mir Bogen und Pfeil,
ich will schießen“, sagte der Fuchs. „Du kannst wohl nicht schießen, du
bist ja kein Mann“, sagte das Waldhuhn.

„Ich bin ein Mann“, sagte der Fuchs, nahm Pfeil und Bogen und ging
fort. Als er zur „Supua“ kam, nahm er seinen Penis herunter und setzte
ihn sich wieder an.

Man erzählte mir von einem Chanéindianer von Yacundai am Rio
Parapiti, der sich in fremden Dörfern als Schmarotzer herumzutreiben
pflegte. Die Indianer wurden zuletzt seiner über, und als er einmal
vollständig betrunken war, schändeten ihn einige Chiriguanoindianer
im Caipipendital. Er begab sich nach diesem Schimpf nach dem unteren
Rio Parapiti. Als die Kenntnis von dem, was ihm in Caipipendi passiert
war, dorthin gedrungen war, hängte er sich in Verzweiflung über diese
Schande.

Eigentümlicherweise wird es unter diesen Indianern nicht als eine
Schande betrachtet, in einem homosexuellen Verhältnis der Aktive zu
sein, der Passive wird aber tief verachtet. Er wird als ein Weib
betrachtet. Dies ist der Grund, warum ein Teil rücksichtslose Weiße
unverbesserliche Indianer mit -- einem Klistier bestrafen. Ein so
gekränkter Indianer verschwindet für immer. Man nimmt an, daß er
Selbstmord begeht. Mittels „tévi“ bestraft ein Indianer seine ungetreue
Frau und verläßt sie dann. Chanéknaben habe ich „tévi“ spielen sehen.

Nach Westermarck[86] ist die Homosexualität sehr verbreitet unter
den Indianern Amerikas. Die Auffassung, daß dies eine Schändlichkeit
ist, ist keineswegs überall so ausgeprägt, wie bei den hier erwähnten
Indianern.

Über Onanie habe ich bei den Chanés und Chiriguanos nichts gehört. Sie
soll dagegen bei den Chorotis von den Männern, die beim Tanz von den
Frauen übergangen werden, betrieben werden.

Perversitäten im Verhältnis zwischen Männern und Frauen, die im alten
Peru gewöhnlich waren, scheinen hier nicht vorzukommen. Primitive
Säugetierstellung beim Koitus soll bei den Chacostämmen gewöhnlich sein.

Mataco gab mir eine Wurzel, die sie als Aphrodisiakum anwendeten.

Das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren ist in den Sagen der
Indianer so intim verflochten, daß man nicht immer bestimmen kann,
ob sie das eine oder das andere meinen. Die Sagen, welche die
Liebesverhältnisse zwischen Menschen und Tieren schildern, sind keine
Schilderungen von Bestialität, die bei diesen Indianern unbekannt zu
sein scheint.

Das Schamgefühl ist bei diesen Völkern sehr verschieden entwickelt. Es
scheint mir sehr stark von der Kleidertracht abzuhängen. Keiner dieser
Indianer oder Indianerinnen, von denen ich hier erzähle, betrachtet
es, soweit sie nicht vollständig verdorben oder zivilisiert sind, als
unpassend, den Oberkörper zu zeigen. Die Chiriguano- und Chanéfrauen
sind viel verschämter als die Chorotis und Ashluslays, wenn sie die
Geschlechtsteile zeigen. Die letzteren wollten sich höchst ungern
vollständig entkleiden, um photographiert zu werden. Den ersteren wagte
ich so etwas nicht einmal vorzuschlagen.

Saß man des Abends am Feuer in der Hütte und war mit der Familie
bekannt, so schienen sie gleichwohl ganz ungeniert zu sein. Die
Choroti- und Ashluslaymänner sind sehr schamlos. Die Männer unter den
Chanés und Chiriguanos dagegen weniger. Es ist sehr gewöhnlich, daß
die Chiriguano- und Chanéfrauen, in einer Gesellschaft konversierend,
stehend Wasser lassen und den Urin das Bein herunterlaufen lassen,
was ja als weniger sauber gelten darf. Die Männer gehen dagegen immer
abseits, um dieses Bedürfnis zu verrichten.

[Illustration: Abb. 114. Junge Chanéfrau entblößt den Oberkörper, um
sich photographieren zu lassen. Rio Parapiti.]

Der Geschlechtsakt geht, wie erwähnt, bei den Ashluslays oft in
Gegenwart von Zuschauern vor sich. Bei den Chorotitänzen mußte man sich
in der Dunkelheit vorsehen, nicht über die liebenden Paare zu stolpern.
Dergleichen sieht man niemals bei den Chiriguanos oder Chanés. Da viele
in derselben Hütte liegen, sieht man gleichwohl auch bei ihnen vieles,
was man immer sieht, wenn man Schlafgäste hat. Dies nicht zum wenigsten
ist der Grund, daß das Geschlechtsleben selbst für die kleinen Kinder
keine Geheimnisse hat.

Offenbar steigert das Zusammenleben mit den Weißen das Schamgefühl. Die
Indianerinnen genieren sich sogar, die Brust zu zeigen. Die Moral sinkt
in dem Maße, wie das Schamgefühl steigt.

Dies sollten alle diejenigen bedenken, die für nackte Heidenkinder
Kleider nähen.

Viele meiner Leser finden vielleicht, daß dieses Kapitel nicht in
meinem Buche hätte enthalten sein sollen. Es scheint mir gleichwohl
richtig, etwas über die Abweichungen auf dem geschlechtlichen Gebiete
zu sprechen. Es trägt zum Verständnis der Menschen, die ich hier
schildere, bei. Natürlich habe ich hier nicht über all den Realismus,
der bei den Gesprächen am Lagerfeuer manchmal zutage trat, sprechen
können.[87]

Die natürliche Seite des Geschlechtslebens fassen die Indianer so
ganz verschieden von dem, wie wir es in der Regel sehen, auf. All die
Verderbnis, die in der zivilisierten Gesellschaft ist, treffen wir
bei diesen Menschen nicht, verschiedenes findet sich aber schon hier.
Was besonders die Homosexualität betrifft, so zeigen, wie bekannt,
die Verhältnisse bei den Naturvölkern, daß die Ursache des Übels viel
tiefer, als in unserer Hyperzivilisation liegt.


Fußnoten:

[82] K. v. d. Steinen: l. c. S. 25.

[83] Koch-Grünberg: l. c. Bd. I S. 133.

[84] Penelope.

[85] Als allzu realistisch ausgelassen.

[86] Westermarck: Ursprung und Entwickelung der Moralbegriffe. Bd. II.
Leipzig 1909.

[87] Wenn unsere täglichen Zeitungen, die wohl für die Öffentlichkeit
bestimmt sind, über alles mögliche schreiben, so braucht man ja in
einer Reiseschilderung nicht allzu prüde zu sein.




+Vierzehntes Kapitel.+

=Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer= (Forts.).


Häuptlinge und Gesetze.

Die Häuptlinge bei den Chanés und Chiriguanos haben eine ganz andere
Stellung als bei den Ashluslays und Chorotis. Sie haben eine bedeutende
Macht. Unter den Häuptlingen finden sich die großen Häuptlinge, die
über mehrere Dörfer herrschen, und die Dorfhäuptlinge, die nur über ein
Dorf oder einen Teil eines solchen gebieten. Von großen Häuptlingen,
die ich kennen gelernt habe, sind bemerkenswert die alte Vuáyruyi,
die Häuptling über die Chanédörfer am Rio Itiyuro ist, Taruiri, der
über den größeren Teil des Caipipenditales herrscht, Mandepora (Abb.
111), der früher eine bedeutende Macht in und um Machareti hatte, und
Maringay im Iguembetal.

Jetzt haben die Häuptlinge keine anderen Zeichen ihrer Würde, als
silberbeschlagene Stöcke. Nach Corrado trugen sie früher einen großen
Haarbüschel auf dem Kopfe, „yattira“, sowie grüne Steine, die an den
Ohren hingen. Bei den Festen und Tänzen hatten sie das Recht, die
„yandugua“, eine mit einem Bündel Straußenfedern geschmückte Stange,
und „iguirape“, einen mit eigentümlichen Figuren geschnitzten Stab,
anzuwenden. Von diesen habe ich nur eine Yandugua erwerben können. Die
übrigen habe ich nicht einmal gesehen.

Die Häuptlingswürde scheint in der Regel erblich zu sein. Doch sind
Tüchtigkeit und die Kunst, seine Worte wohl zu setzen, erforderlich.

Vocapoy hat mir seinen Stammbaum mitgeteilt, den ich hier wiedergebe,
da er sehr lehrreich ist, und ich zu glauben wage, daß es den Leser
interessieren kann, einen indianischen Stammbaum zu studieren.

                        +Vocapoys Stammbaum.+

                            X.
                            |
              +----------------------------+
              |                            |
               Hinu Parava           Basavi
              Oberhäuptling            |
                   |                   |
                   |          Chucúri       Tupáre
                   |        Dorfhäuptling  Dorfhäuptling
  +--------------------------------------------------------------------+
  |                                                                    |
  Chori    Chápacu   Húracay     Huáyupa      Kótchoy   Vuáyruyi (Frau)
  † jung   † jung     |      † Oberhäuptling  † Ober-    Oberhäuptling
                      |         kinderlos     häuptling       |
                         |                       |            |
                  ein Sohn, starb                |     Copoy, wird nach
                   vor dem Vater                 |    Vocapoy Häuptling
             +-----------------------------------+----+
             |                                        |
           Vocapoy       Huacápi    Mátya    Yaumainti
   Regent infolge des hohen
      Alters Vuáyruyis
             |
           Vuráve

Wir finden somit, daß der eigentliche Häuptling am Rio Itiyuro eine
Frau ist. Ich habe die alte Vuáyruyi besucht. Sie empfing mich, in
ihrer Hängematte liegend, mit großer Würde. Da die Frau alt und
schwach ist, regiert Vocapoy und sucht, so gut wie er kann, die Seinen
gegen die Weißen zu schützen, die ihr Land vollständig in Beschlag
genommen haben. Ich fragte Vocapoy, warum Vuáyruyi, als Frau Häuptling
geworden ist. „Ihr Vater Hinu Parawa hat sie sprechen gelehrt“, sagte
Vocapoy. Es wird somit von diesen Indianern, um regieren zu können,
als höchst wichtig betrachtet, die Sprache in seiner Gewalt zu haben.
Diese Menschen können die Klugheit höher schätzen, als die Stärke.
Niemand wird Häuptling, wenn er nicht ein älterer Mann ist. Der Mann
der Vuáyruyi war nicht Häuptling, sondern nur „Prinzgemahl“. Die
Dorfhäuptlinge gehören ebenfalls dem Geschlechte Hinu Paravas an.

Taruiri ist auch nicht der richtige Häuptling, sondern vertritt einen
jüngeren Verwandten, der infolge seiner beständigen Betrunkenheit als
untauglich betrachtet wird. Taruiri herrscht im Caipipendital, wo sein
Gebiet noch frei ist, von den Weißen aber wohl bald usurpiert werden
wird. In Ivu ist ein Chiriguanohäuptling, der auch Medizinmann ist.
Dies ist das einzige Beispiel von Theokratie, das ich kennen gelernt
habe.

Die Häuptlingsfamilien bilden unter den Chiriguanos und Chanés eine
Art Aristokratie. Mehrmals habe ich Indianer sich mit ihren feinen
Familienverbindungen großtun hören. Ein Chiriguano, der mich eine
längere Zeit als Dolmetscher begleitete, war eifrigst bemüht, mir
einzuprägen, daß er mit den bekanntesten Oberhäuptlingen verwandt war.

Wie der Verfasser dieses Buches als Sohn von Adolf Nordenskiöld
vorgestellt zu werden pflegt, so pflegten die Indianer in ähnlicher
Weise die Söhne ihrer „großen Männer“ vorzustellen.

Ich bin sogar hinter ein bißchen Betrügerei mit dem Stammbaum gekommen.
Ein Chané behauptete, direkt von dem großen Hinu Parava herzustammen,
was aber nicht wahr sein soll.

Will man bei diesen Indianern hübsche Sachen aus alten Zeiten finden,
so hat man sie zuerst bei den Häuptlingsfamilien zu suchen. Sie
bewahren die alten Kleinodien.

Immer mehr beginnen die weißen Behörden die Häuptlinge zu ernennen. Man
kann also in einer Gegend einen von den Weißen gestützten Häuptling und
einen legitimen finden.

Die Häuptlinge haben eine große Macht, und man gehorcht ihnen, im
Gegensatz zu dem, was bei den Chorotis und Ashluslays der Fall war,
soweit ich gesehen habe, immer. Sie besitzen den Boden (wenigstens
in gewissen Gegenden), aber nicht für eigene Rechnung, sondern für
den Stamm. Braucht man in einem Chané- oder Chiriguanodorf Träger, so
erhält man sie von dem Häuptling, und kein Indianer weigert sich, die
Befehle des Häuptlings auszuführen.

Obschon der Häuptling einen so großen Einfluß hat, arbeitet er doch in
derselben Weise, wie die übrigen Indianer. Vocapoy z. B. trug selbst
das schwere Holz zum Maisbierkochen nach Hause, und seine Frau mußte
kochen und fegen, wie die anderen Frauen. Dem Beispiele der Weißen
folgend, haben jedoch jetzt einige der zivilisiertesten und reichsten
Indianer, wie Taco, Diener aus ihrem eigenen Stamme, aber dies ist
nicht das Ursprüngliche. Dagegen ist es, wie ich an anderer Stelle
schon erwähnt habe, nichts Ungewöhnliches, daß die Mataco-Vejos und die
Tapiete für die Chiriguanos und Chanés arbeiten.

Als wir im Dorfe Vocapoys von der Jagd heimkehrten und mit dem
Häuptling unsere Beute teilten, nahm seine Frau alles an, ging aber
dann in den Häusern herum und gab den Nachbarn alles, was sie erhalten
hatte.

Man kann hier nicht von reich und arm in demselben Dorfe sprechen,
obschon auch der Anfang zu einem Adelsstand vorhanden ist. Dagegen gibt
es arme und reiche Dörfer. Einzelne verhältnismäßig reiche Indianer
gibt es, diese leben aber, wie Taco, wie die Weißen.

[Illustration: Abb. 115. Kalebasse. Chiriguano. Itapenbia. ⅙.]

Der Häuptling ist Richter und war früher Heerführer.

Vocapoy sagte mir, Totschlag werde in der Weise bestraft, daß der
Totschläger dazu verurteilt wird, bis zu einem halben Jahre für die
Familie des Getöteten zu arbeiten. Ein Dieb bekommt bis zu fünfzig
Rutenschläge und wird, um nicht getötet zu werden, nach einem anderen
Dorf geschickt. Nach Vocapoy ist es die Hauptaufgabe des Häuptlings,
Blutrache zu verhindern, indem man die Verbrecher fortschickt, damit
sie nicht gemordet werden. Vater-, Mutter- und Kindesmord sind, seiner
Behauptung nach, in seiner Gegend unbekannt.

Nach Batirayu, dessen Angaben zuverlässiger als die Vocapoys sind,
beschäftigt sich der Oberhäuptling der Chanés am Rio Parapiti mit
keinen anderen Verbrechen, als mit Mord, Verführung einer anderen Frau
und Verhexung. Mord mit vergiftetem Chicha, „bád-dyási“, kam früher bei
den Chanés vor. Mörder und Verhexer wurden verbrannt. Der Verführer
einer Frau wurde aller seiner Habe beraubt. Im übrigen wurden Diebstahl
und andere Verbrechen durch Duell geschlichtet. Hatte jemand gestohlen,
so riefen der Gekränkte und der Dieb ihre Verwandten herbei, und man
kämpfte auf dem offenen Platz im Dorfe.

Die Behörden der Weißen greifen jetzt immer mehr in die
Rechtsverhältnisse der Indianer ein.

Im Krieg mit anderen Stämmen führte der Häuptling den Befehl, wie sie
es auch bei den Empörungen der Indianer gegen die Weißen getan haben.

Nach Vocapoy besitzt der Häuptling den Boden für den Stamm. Batirayu
sagte, das Recht an dem Grundbesitz werde so geordnet, daß jeder
anbaut, was er will. Schon bebauter Boden hat seinen Besitzer, wenn er
auch jahrelang brachgelegen hat. So wird auch Brachland vererbt.

Die Erbschaften werden im übrigen dadurch bedeutend eingeschränkt, daß
der Tote einen Teil seiner Kostbarkeiten mit in das Grab nimmt.

Wie bei den Ashluslays und Chorotis, ist auch hier das Besitzrecht
gut ausgebildet, und die Frauen besitzen auch das, was sie anwenden
und herstellen. Wie bei den genannten Stämmen, ist auch hier die
Mildtätigkeit sehr groß, wenn sie auch dank unserer „Zivilisation“ und
der Mission weniger ausgeprägt ist.

Das Chiriguanogemeinwesen -- das ursprüngliche Chanégemeinwesen
kennen wir nicht -- hat eine viel festere Organisation gehabt als das
Gemeinwesen bei den Chorotis und Ashluslays. Die Chiriguanos waren ein
Eroberungsvolk, das wahrscheinlich die Chanés unterjocht und mutig
und erfolgreich gegen die Inkas gekämpft sowie lange der Invasion der
Weißen Widerstand geleistet hat. Hätte es statt der vielen Häuptlinge
nur einen einzigen gegeben, so hätte die Eroberung des Chiriguanolandes
ganz sicher das Leben doppelt so vieler Weißen gekostet, als jetzt.
Leider haben in den Kämpfen der Weißen gegen die Indianer beinahe stets
einige Häuptlinge auf der Seite der Feinde gegen ihren eigenen Stamm
gekämpft. Bei dem letzten, durch den Kampf bei Curuyuqui entschiedenen
Aufruhr hatten die Weißen eine Hilfstruppe von ein paar tausend
Indianern, mit denen sie zusammen deren Stammfreunde bekämpften.

Wie sich alles im Leben der Indianer verändert, wenn die Weißen ihr
Land erobert haben, so verwandeln sich auch die sozialen Verhältnisse.
Wenn Vocapoy, Maringay, Mandepora und einige andere in den Tongefäßen
unter den Hütten liegen, dann ist das Ende herbeigekommen, dann haben
die Indianer keine anderen Gesetze als die der Weißen, keine anderen
Behörden, als deren Vögte. Die Chanés am Rio Parapiti haben, wie
erwähnt, keinen Oberhäuptling mehr. Batirayu ist diese Würde angeboten
worden, er will aber nicht der Knecht der Weißen sein, dazu ist er
zu stolz. „Es ist nicht wie in alten Zeiten“, sagte Batirayu zu dem
wunderlichen Weißen, der das Vertrauen und das Verständnis der Indianer
suchte.




+Fünfzehntes Kapitel.+

Trinkgelage bei den Chanés und Chiriguanos.


Erzählt ein Chané oder Chiriguano eine Sage, so beginnt er sie oft
so: „Vor langer Zeit war einmal ein großes Trinkgelage.“ Berichtet er
von etwas, was passiert ist, von der Krankheit eines Verwandten oder
dergleichen, so sagt er: „Es war vor oder nach dem Fest.“ Bei diesen
Festen hört und sieht man auch das meiste, was von der alten Kultur
dieser Indianer übriggeblieben ist. Da kommen die schönsten Tongefäße
zum Vorschein, da sieht man Trachten aus früheren Zeiten, da werden die
Steinschmucksachen aus den Schatztöpfen hervorgeholt.

Eine Hausmutter bei uns ist stolz, wenn sie ihren Gästen schöne
Tischtücher und schönes Porzellan zeigen kann. So denken auch die
Chané- und Chiriguanofrauen. Beim Feste will jede Frau, daß das
Maisbier in ihrem Hause in schöneren Tongefäßen als denen der
Nachbarinnen aufgetragen und in Kalebassen serviert wird, die eleganter
geschmückt sind, als bei einem anderen.

[Illustration: Abb. 116. Chanémädchen stoßen Mais in einem Mörser. Rio
Parapiti.]

Deshalb beschäftigen die Frauen sich vor jedem Feste mit der
Herstellung von Tongefäßen und die Männer mit der Verzierung der
Kalebassen. In den Chané- und Chiriguanodörfern sieht man auch
prächtige Sammlungen von Tongefäßen. Besonders einige Frauen verstehen
es, diese mit ausgezeichneter Geschicklichkeit und Eleganz zu malen.
Man sieht beinahe niemals drei Krüge, die sich vollständig gleichen.
Jede sucht bei dem Feste mit etwas Originellem aufzutreten, etwas
Neues und Hübsches zu malen. Was die lineare Ornamentik betrifft, so
versteht man es, die alten Ornamente zu variieren, man versteht es
aber nicht, oder will sich nicht von ihnen frei machen und neue Bahnen
brechen. Die Indianerin ist in ihrer Kunst konservativ und vermag
sich nur, wenn sie ihre Motive direkt aus der Natur nimmt und Tiere
malt, von den Vorbildern aus der Zeit der Mutter oder Großmutter
freizumachen. Keineswegs alle Frauen in den Dörfern sind Künstlerinnen.
Es gibt solche, denen die Natur die Gabe der Kunst verliehen hat, und
richtige Pfuscher. Wer kann Tongefäße so malen, wie die eine Frau des
Chiriguanohäuptlings Maringay? Sie sind weitberühmt in den Tälern,
und jeder versucht, ihre Werke durch Tausch zu erwerben. Nicht zum
wenigsten ich habe ihre sichere und geschmackvolle Kunst bewundert. Die
Frau des Chanéhäuptlings Vocapoy (Taf. 19) ist auch kein Stümper.

Wo die Indianer reich sind, d. h. große Maisernten haben, da ist
die Keramik schön. Wo man arm und der Kampf ums Dasein hart ist, da
hat man nicht viel Zeit zu künstlerischer Arbeit. Wenn die Kunst im
Indianerheim gedeihen soll, muß Freude und Munterkeit herrschen.

Die jüngere Generation wird, fürchte ich, deutsches Porzellan und
Emailgefäße vorziehen, und damit wird auch die Chiriguano- und
Chanékunst zu dem vielen Schönen und Feinen gehören, das vor der
brutalen Zivilisation des weißen Mannes verschwindet. In vielen Dörfern
muß man schon in den Winkeln der Hütten herumkramen, wenn man mit
sicherer Hand und natürlichem Geschmack gemalte Gefäße finden will.
Das Schlimmste ist jedoch, daß die Weißen Gefallen an den Tongefäßen
der Indianer zu finden beginnen. Dadurch entsteht Massenherstellung.
Für die Weißen ist alles gut genug, da braucht es weder schön noch gut
gearbeitet zu sein. Sie wünschen nicht das Geschmackvolle und Einfache,
sondern das Grelle und Merkwürdige, „curiosidades“, wie der Kreole
sagt. Vor diesem Merkwürdigen müssen sich unsere Museen hüten, denn das
gibt eine unrichtige Vorstellung von dem rein Indianischen.

Die Frauen brauen das Bier zum Feste. Dieses soll aus Mais (am liebsten
gelbem oder weißem) sein, und nur die armen Chanés am Rio Parapiti
müssen sich oft mit Bier aus süßen Kartoffeln begnügen. Ist Algarrobo
vorhanden, so wird auch aus dieser Frucht Bier gebraut. „Es ist gut und
berauscht so schön“, sagen die Indianer.

Ist die Maisernte reich, so herrscht Freude in den Dörfern, dann ist
Speise und Trank in jeder Hütte. Mißrät die Maisernte, dann ist keine
Freude, die Magen sind leer und auf dem Festplatz ist es still. Sind
die Scheunen voll Mais, dann ist der Indianer stolz und kümmert sich
nicht um Weiße, Unterdrückung und Sorgen. Ist die Scheune leer, dann
ist er untergeben und düster.

[Illustration: Abb. 117. Kochen des Maisbieres. Chané. Rio Itiyuro.]

Nachdem die Frauen den Mais aus den Scheunen geholt und die Männer
Holz und die Frauen Wasser herbeigeschleppt haben, beginnt das Brauen.
Erst wird der Mais in großen Mörsern gestoßen. Nacht und Tag hört man,
wie die fleißigen Frauen stoßen. Der gestoßene Mais wird gesiebt und
dann in gewaltigen Tongefäßen mit Wasser gemischt und gekocht. Hierauf
wird ein Teil herausgenommen, gekaut und ordentlich mit Speichel
vermengt. Dies wird dann zu dem übrigen geschüttet und muß, nachdem es
geseiht ist, in großen offenen Gefäßen bei schwacher Wärme gären. Mit
großen Holzspaten (Abb. 118 a) oder mit geschafteten Schulterblättern
(Abb. 118 b) rührt man in den Töpfen um. Es ist der Stolz jeder Frau,
gutes Bier, „cangui“, und viel Bier zu brauen. Sie sind auch rastlos
fleißig. Den ganzen Tag sieht man sie arbeiten, und auch des Nachts
beschäftigen sie sich mit Kochen und Mahlen. Keine Familie darf sich
der Zubereitung von Cangui entziehen.

Daß Speichel angewendet wird, erscheint vielleicht unsauber. Anfangs
dachte ich dies auch, bald war ich aber so verhärtet, daß mir auf
Indianerweise mit Speichelhefe zubereitetes Cangui besser schmeckte,
als das von den Weißen auf zivilisiertere Weise gebraute.

Kenner, nicht allein Indianer, sollen derselben Ansicht sein wie ich.
Wichtig ist jedoch, daß das Cangui kalt getrunken wird, lauwarm ist es
ekelhaft. Wenn es lange gestanden hat, ist es etwas berauschend, jedoch
nicht so stark wie das Algarrobobier.

Beim Canguitrinken geht es sehr zeremoniell zu. Vorn sitzen auf Bänken
und Schemeln (Abb. 85) die Männer, und hinter ihnen, auf dem Boden,
die Frauen. Die älteren Damen bekommen die besten Plätze. Die Wirtin
bringt das Cangui in ihren feinsten Tongefäßen, „yambuy“, herein und
stellt diese vor ihre Gäste (Abb. 77 u. 78). Wem ein Gefäß mit Cangui
hingestellt wird, der muß servieren. Das gilt auch für die Häuptlinge.
Sogar ich habe auf Indianergesellschaften serviert. Es ist nichts
Ungewöhnliches, daß die Männer die Frauen bedienen und umgekehrt.
Man füllt das Cangui in verzierte Kalebassen, die man der Reihe nach
umherreicht. Jeder muß austrinken. Wer sich weigert, ist unhöflich
und ungebildet. Sich selbst einzuschenken, ist nicht passend. Will
man gegen den Servierenden höflich sein, so trinkt man erst seine
Schale aus, füllt sie dann selbst und bietet sie jenem an. Trinkt man
alles, wozu man eingeladen wird, dann ist man der Freund der Indianer.
Weigert man sich, dann fassen die Indianer Mißtrauen zu einem. Ein
alter Chané sagte auch einmal zu mir: „Du bist ein netter Christ, schon
am Morgen trinkst du Maisbier mit uns.“ Wenn Moberg mit Beute beladen
von der Jagd heimkehrte, drängten sich die jungen und hübschen Frauen
um den glücklichen Jäger und bewillkommneten ihn mit einer Kalebasse
Maisbier. Was waren die Mühseligkeiten der Jagd gegen die des
Trinkens, denn die Frau, deren Schale er unberührt ließ, vergaß niemals
den Schimpf. Wenn man Feinde hat, kann das Canguitrinken gefährlich
sein, denn wer weiß, ob nicht jemand etwas von den eigenen Exkrementen
oder Haaren in das Bier gelegt hat, so daß man verhext wird und stirbt.
Dergleichen geschieht in diesen Dörfern.

Bei den Festen kommen oft Züge von Indianerhumor zum Vorschein. Ein
Scherz ist z. B. zu tun, als ob man Cangui in einer umgestülpten
Kalebasse herumreicht, ein anderer, einen zu bitten, auf einem
unförmlichen Rohr Flöte zu blasen.

[Illustration: Abb. 118. Suppenspatel. Chiriguano.

A = Tihuipa. ⅛.

B = Caipipendi. ⅙.]

Tanzmasken werden von den Chiriguanos und Chanés jetzt nur während des
Karnevals, dem großen Zechfest der Christen, getragen. Diejenigen, die
ich gesehen habe, hatten die Form von menschlichen Gesichtern (Abb.
119).

Sehr verschiedene Ansichten herrschen unter den Indianern, ob die
Masken hier ursprünglich indianisch sind oder nicht. Vocapoy sagte,
die Idee zu ihnen sei ursprünglich von den Weißen gekommen. Batirayu
behauptete dagegen, als Knabe am Rio Parapiti bei den Chanés von den
jetzigen verschiedene Masken gesehen zu haben, die bei ihren großen
Festen benutzt wurden. Seiner Ansicht nach haben die Chanés Masken
angewendet, bevor die Weißen ins Land gekommen sind. Man hatte
damals auch Klappern aus Früchten um die Beine und Federschmuck aus
Papageifedern auf dem Kopfe.

Die Chiriguanos und Chanés zerstören immer die Masken nach dem
Karneval. Sie werden entweder verbrannt oder in den Fluß geworfen. Die
Chanés nennen die Masken „añañya“.

Eigentümlich ist es, eine wie große Rolle der Karneval jetzt als Fest
bei den Indianern spielt. Dies kommt sicher daher, daß die Weißen da
Massen von Branntwein verteilten und daß die Indianer, die bei diesen
arbeiten, dann einige Tage frei bekamen.

Zu den Festen kommen die Gäste oft aus weiter Ferne. Sie treten dort
in ihren feinsten Kleidern und Schmucksachen, neu bemalt und fein
gekämmt, auf. Die meisten alten Trachten und Schmucksachen sind jedoch
schon verschwunden. Frauen in hausgewebten Kleidern mit Halsketten aus
Chrysocol und Türkis sieht man jedoch noch. Das silberne Diadem und
die silbernen Nadeln, die zur Festtracht gehören, habe ich indessen
niemals im Gebrauch gesehen. Die blauen Trachten der Männer (Abb. 81)
mit silbernem Brustschmuck sieht man oftmals in den Hütten bei den
Alten verwahrt, zu den Festen werden sie aber nicht angewendet. Bei den
Chanés im Itiyurotal habe ich die Indianer bei einem Canguifest tanzen
sehen. Um einen „Yambuy“ mit Cangui standen einige der alten Männer
zu zweien, ein eintöniges Lied singend und den Takt mit den Füßen
schlagend. Die Frauen gingen langsam im Takt des Liedes außerhalb des
Kreises der Männer auf und nieder.

Bei den Chanés und Chiriguanos verdrängt die Tracht des weißen Mannes
alles Alte und Hübsche, und von meinen vielen alten Häuptlingsfreunden
unter diesen Indianern verachtet nur allein Maringay die Lumpen der
Weißen.

Der Branntwein dringt immer mehr bei diesen Indianern ein, und die
zeremoniellen, gutmütigen Maisbierfeste verwandeln sich in rohe
Trinkgelage.

Ich vergesse nie eine Nacht im Dorfe Vocapoys. Die Männer waren
zu den Christen gegangen, um Branntwein zu trinken. Als sie zurück
kamen, fielen harte Worte und die Messer kamen hervor. Der Branntwein
hätte blutige Opfer gefordert, wenn die mutigen Frauen sich nicht
mit Feuerbränden vom Maisbierkochen zwischen die streitenden Männer
geworfen und sie, nachdem sie sie getrennt hatten, unter beruhigenden
Schmeichelworten nach Hause gebracht hätten.

[Illustration: Abb. 119. Tanzmaske. Chiriguano. Yacuiba. ⅙.]




+Sechzehntes Kapitel.+

=Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer= (Forts.).


Kunst und Industrie.

Die Chiriguanos und Chanés sind Stämme, deren Kunstindustrie sehr hoch
steht. Besucht man eine der Hütten der weißen Ansiedler in diesen
Gegenden, so wird man nicht viele Erzeugnisse einheimischer Industrie,
nicht viel von eigener Kultur sehen. Ich weiß rein gar nichts, was
diese Menschen können, was mit der Keramik und Webetechnik der Indianer
konkurrieren kann. Sicher ist, je mehr die Indianer „zivilisiert“
werden, um so weniger leisten sie kunstindustriell. Von den Weißen
lernen sie nicht viel mehr, als Branntwein bereiten und trinken. Die
indianische Kunstindustrie verschwindet hier allmählich, je mehr die
Indianer mit den Weißen in Berührung kommen, sie wird aber nicht
umgebildet. Sie verbleibt zum großen Teil rein indianisch bis zu
ihrem schließlichen Untergang. Eine Industrie ist indessen jetzt in
den Händen der Weißen, und zwar die Metallindustrie. Die silbernen
Schmucksachen, welche z. B. die Chiriguanos und Chanés anwenden, werden
von den Schmieden in den Dörfern der Gebirgsgegenden gearbeitet. Die
halbweiße oder quichuaindianische Bevölkerung, die wir in den Gebirgen
westlich vom Lande der Chiriguano- und Chanéindianer antreffen, ist
recht kunstfertig. Besonders die Webetechnik steht dort hoch. Vom
Westen haben die Chiriguanos und Chanés sicher viel gelernt.

[Illustration: Tafel 19. Die Frau des Chanéhäuptlings Vocapoy malt ein
Tongefäß. Rio Itiyuro.]

So finden wir die für die Chiriguanos charakteristische Serérepfeife
(Abb. 120) in Sammlungen von der Küste Perus[88]; die Nadel zur
Befestigung der Frauenkleider (Abb. 130) ist in ihrer Form typisch
peruanisch, ebenso der silberne Haarauszieher, von dem ich indessen
kein Exemplar habe. Die Festtracht des Mannes (Abb. 81) scheint mir
ebenfalls peruanischen Schnitt zu haben. Möglicherweise hat sich jedoch
der Einfluß von Peru unter den Chiriguanos erst nach der Eroberung der
Hochebene durch die Spanier geltend gemacht.

Boman[89] hat nachgewiesen, daß die Chiriguanos, oder richtiger der
Gúaranistamm, zu welchem diese Indianer gehören, sich früher viel
weiter südwärts ausgedehnt haben als jetzt. Er hat dort die für sie so
eigentümlichen Graburnen angetroffen.

Die materielle Kultur der Chanéindianer unterscheidet sich nicht sehr
von der Kultur der Chiriguanos im allgemeinen. Die Chanés, die mehr
abgesondert am Rio Parapiti wohnen, haben dagegen eine vollkommen
selbständige Keramik, die wir bei den Chiriguanos nicht wiederfinden.
Vergleichen wir im übrigen die Industrieerzeugnisse der Chanés und der
Chiriguanos, so finden wir keine größeren Unterschiede, als wir sie in
den verschiedenen Chiriguanodörfern auch finden.

[Illustration: Abb. 120. Serérepfeife. Chiriguano. ¼.]

Sammelt man z. B. Tongefäße im Iguembetal und im Caipipendital, welche
beide Täler von Chiriguanos bewohnt werden, so wird man unwillkürlich
finden, daß die Keramik, obschon in Ornamentik und Form stark verwandt,
doch auch lokal variiert. Über die individuellen Variationen habe ich
schon gesprochen (S. 235).

Von den verschiedenen Industrien steht bei den Chiriguanos und Chanés
besonders die Keramik hoch (s. die Abb.). Sie sind auch geschickte
Weber und Verzierer von Kalebassen. Korbflechten kommt vor, jedoch
meist im nördlichen Teil ihres Gebietes. Federarbeiten werden jetzt
nicht mehr angefertigt. Von Caraguatábast werden nur Seile und
Fischnetze, und am Rio Parapiti Hängematten und Tragnetze gemacht. Die
für die Chacostämme so charakteristischen Taschen aus diesem Material
werden niemals von den Chiriguanos und Chanés angefertigt, aber
zuweilen durch Handel zwischen den Stämmen erworben.

[Illustration: Abb. 121. Tongefäß. Chiriguano. Caipipendital. ¼.]

Bei den Chanés am Rio Itiyuro habe ich die Topfherstellung verfolgt.
Der Ton wird gemahlen und mit zerstoßenen, gebrannten Krugscherben
gemischt, damit das Gefäß nicht beim Brennen entzweigeht. Die Tongefäße
werden auf gewöhnliche Indianerweise aus Rollen aufgebaut. Zum Glätten
werden eine Muschelschale oder ein Maiskolben ohne Samen sowie ein
schmales Bambusstäbchen angewendet. Der Maiskolben macht parallele,
feine Ritzen.[90] Das Bambusstäbchen wird auch bei der Herstellung zum
Abmessen benutzt, um richtige Verhältnisse zu bekommen. Hiernach wird
das Gefäß einen Tag im Schatten getrocknet, bevor es gebrannt wird. In
der Regel hat man nur ein oder ein paar Gefäße gleichzeitig in Arbeit.

[Illustration: Abb. 122. Brennen von Tongefäßen. Chané. Rio Itiyuro.]

Die gröberen Gefäße sowie alle Kochgefäße werden nur mit
Fingereindrücken und aufgelegten Tonschleifen ornamentiert. Die
feineren Gefäße werden später bemalt (s. Taf. 19). Mit einem Pinsel
aus Agutihaaren[91] werden die Ornamente in Weiß, Dunkelbraun und
Schwarz bemalt. Die weiße Farbe ist eine Erdart (Kaolin), die anderen
werden aus Schiefer und Sandstein zubereitet. Man malt freihändig und
komponiert die Ornamente aus dem Gedächtnis und nicht nach Modellen.
Holz, Maiskolben und Kuhexkremente werden um das Gefäß gehäuft. Das
Brennmaterial wird angezündet und muß eine Viertelstunde oder, wenn das
Gefäß groß ist, noch länger mit kräftigem Feuer brennen (Abb. 122).

Falls das Gefäß gemalt ist, wird es mit Harz, „taraviruti“, das von
einer Mimosoidee gesammelt ist, und mit Harz von palo santo (s. S. 93)
gefirnißt. Das erstere gibt einen gelblichen Glanz, das letztere sieht
wie grünschwarze Glasur aus.

Fertigt man einen Topf an, so tauft man ihn, bevor er erkaltet ist,
damit das Wasser in demselben schnell kocht.

In Maringays Dorf malte man einzelne Gefäße mit einer Mischung von
Uruku oder einer anderen Farbe und einem Pflanzenfett. Wie dies
letztere bereitet wird, habe ich nicht sehen können.

Die Chiriguano- und Chanéfrauen sind geschickte Weberinnen. Das
Material für die indianischen Gewebe ist in der Regel Baumwolle und
manchmal auch Schafwolle.

Da durch die Weißen große Massen Zeug eingeführt werden, verschwinden
die einheimischen Gewebe immer mehr. So sah ich bei den Chanés im
Itiyurotal keine Webstühle und einheimische Gewebe waren sehr selten.

In der Regel sind alle Gewebe dieser Indianer ohne Ornamente oder
diese sind sehr einfach. Die Mädchen in den Missionen lernen von den
Mönchen allerlei Blumen, wie Rosen, Veilchen usw. sticken. Dies machen
sie ausgezeichnet. Merkwürdigerweise hören die Indianerinnen nach
dem Verlassen der Nähschule auf, diese Ornamente anzuwenden. Es wäre
richtiger, wenn die Missionare die Indianerkinder Ornamente lehrten,
die sich deren Phantasieleben anschließen. Die Resultate ihrer Arbeit
würden dann ganz andere sein.

Einige Chanéfrauen haben vor ein paar Generationen von einer
Quichuafrau Ornamente weben gelernt, die man noch jetzt auf
verschiedenen Chanégeweben sieht. Es waren stilisierte Tiere und
Menschen. Die Pflanzenornamentik macht wenig Eindruck auf die
Indianerinnen. Tier- und Menschenfiguren regen ihre Phantasie an und
sie lehren sie ihren Kindern.

[Illustration: Abb. 123. Webstuhl. Chiriguano. Tihuïpa.]

Die Chiriguano- und Chanémänner sind tüchtig im Verzieren von
Kalebassen (Abb. 126), schnitzen hübsche Pfeifen (Abb. 120) und
verstehen das Ledergerben, was sie wohl von den Weißen gelernt haben.

Von plastischen Darstellungen von Tieren und Menschenfiguren sieht
man bei diesen Indianern nicht viel. Die Tongefäße haben manchmal
Tierformen. Die Chanéfrauen am Rio Parapiti formten klumpige kleine
Puppen aus Wachs für die Kinder (Abb. 105). Einige der Tongefäße sind
mit Tierfiguren bemalt. Ein Gefäß vom Rio Itiyuro, das ich durch Tausch
erworben habe, ist mit Baumfiguren geschmückt. Vereinzelt sieht man
Tongefäße in Form von Früchten.

Menschen und Tiere darstellende Zeichnungen habe ich an den Wänden
in einigen Chanéhütten und an einigen Chiriguanokalebassen aus dem
Caipipendital gesehen.

[Illustration: Abb. 124. Sieb. Rio Parapiti. ⅛.]

[Illustration: Abb. 125. Korb. Chiriguano. Caipipendi. ⅙.]

Von Korbarbeiten sind die Siebe bei den Weißen so beliebt, daß sie
durch den Handel weit über das Chiriguano- und Chanégebiet hinaus
verbreitet werden. Im übrigen arbeiten die Chanés und Chiriguanos wenig
Körbe. Massen von Korbarbeiten finden wir bei den Indianern erst, wo
die paarblättrigen Palmen beginnen, und das ist bei Santa Cruz de la
Sierra.

Wenn wir eine Sammlung von den Chiriguanos und Chanés anlegen, dürfen
wir nicht vergessen, daß sie durch den Handel zwischen den Stämmen
viele Sachen von den Matacos, Tobas, Chorotis und Tapietes erhalten
haben, sonst bekommen wir eine unrichtige Vorstellung von dem großen
Unterschied zwischen der materiellen Kultur der hier genannten
Chacostämme und der Chiriguanos und Chanés.

Wenn wir die materielle Kultur der Chorotis und Chanés mit der hier
ebenfalls beschriebenen der Chorotis und Ashluslays vergleichen,
müssen wir u. a. an folgendes denken. Die Chiriguanos und Chanés
machen Korbarbeiten -- die Chorotis und Ashluslays niemals. Die
ersteren verstehen es, die Tongefäße vor dem Brennen zu bemalen, was
den letzteren unbekannt ist. Die Chiriguanos und Chanés arbeiten
niemals Taschen aus Caraguatá usw. Vergleichen wir im übrigen
sämtliche Arbeitserzeugnisse der Chanés und Chiriguanos mit denen
der Chorotis und Ashluslays, so finden wir, daß die allermeisten
vollständig verschieden sind. Die Herstellung gewisser Sachen, wie der
Serére- (Abb. 120) und Huiramimbipfeifen (Abb. 36 und 80) haben die
Chacoindianer wahrscheinlich von den Chiriguanos gelernt, dies ist aber
verhältnismäßig unbedeutend.

[Illustration: Abb. 126. Verzierte Kalebaßschale. Chiriguano. Yacuiba.
⅕.]

Wir sehen hier, wie zwei Kulturen hunderte Jahre lang nebeneinander
existieren können, ohne zu verschmelzen.

Folgen wir dem Rio Pilcomayo nach den Gebirgen herunter, so treffen wir
zuerst die Quichuakultur, dann kommen die Chiriguanos und Chanés und
hierauf die chaquensische Kultur, die ganz gleichartig die Matacos,
Tobas, Chorotis, Ashluslays sowie die Lenguas und andere Stämme im
Chaco Paraguay umfaßt. Diese drei Kulturen sind vollständig verschieden.


Fußnoten:

[88] Serére kommen noch bei den Lenguas, Ashluslays, Chiriguanos,
Chanés, Churápas und Yuracáres vor.

[89] Boman: Antiquités de la Région Andine. Tome 1-2. Paris 1908.

[90] Aus ähnlichen Ritzen an Tongefäßen, die man bei archäologischen
Ausgrabungen findet, kann man sehen, daß die Hersteller der Tongefäße
Mais gehabt haben. Dies habe ich z. B. an Tongefäßen von Ojo de Agua in
Quebrada del Toro in Nordargentinien gesehen.

[91] Dasyprocta.




+Siebzehntes Kapitel.+

=Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer= (Forts.).


Sage und Religion.

Es war einmal ein alter Indianer, der des Abends am Feuer in der Hütte
zu sitzen und von alten Tagen, von Tieren, Menschen und Geistern zu
erzählen pflegte. Lauschend sammelte sich die Jugend um ihn. Der Alte
erzählte und erzählte. Mit Mund, Augen, Händen und Füßen erzählte er.

Einer der Jungen nach dem anderen verließ gleichwohl bald den Kreis
der Lauschenden und legte sich schlafen. Zuletzt saß der Alte allein
am erlöschenden Feuer und erzählte sich selbst von den Abenteuern des
Fuchsgottes und des Gürteltiergottes.

Dieser Alte steht vor mir als der Vertreter alter Traditionen, einer
Kultur, die verschwindet. Die Jungen hören ein Weilchen zu, bald wird
es ihnen aber zu viel. Sie haben neue Interessen. Sie haben angefangen,
mit in dem großen Tanz zu tanzen, den die Christen Zivilisation nennen,
wo meistens um das goldene Kalb getanzt wird.

Ich habe auch als Lauscher dort gesessen und mir die Sagen erklären
lassen. Ich glaube, die Alten hatten mich gern, weil ich ein so großes
Interesse für ihre alten Erinnerungen gezeigt habe. Wenn ich sie nun
wiedergebe, hoffe ich, daß der Leser mit mir und meinen alten Freunden
Nachsicht haben wird, mit mir, weil ich nicht so gut zu erzählen vermag
wie die Alten, und mit den Alten, weil sie alles lieben, was ein wenig
frivol ist.

Die Sagen geben uns einen Einblick in die Vorstellungen des Indianers
vom Leben im Jenseits und von den Geistern. Teils durch sie und teils
durch die Erklärungen, welche mir die Indianer gegeben haben, können
wir ihre Religion verstehen. Wir werden hier von dem Weltuntergang und
dem Raub des Feuers, vom Besuch im Totenreich und vor allem von den
Abenteuern der Geister hören, wir werden davon hören, wie sie einander
und die Menschen betrogen, hören von ihren Kämpfen und Lastern.

Morallehre ist in diesen Sagen sehr wenig enthalten. Die in demselben
Handelnden sind oft „tunpa“, d. h. sie besitzen übermenschliche Kräfte,
das ist alles.

Infolge der Berührung mit den Weißen sind die Sagen nicht frei von
fremden Elementen. Die meisten sind jedoch rein indianisch.


I. +Der Weltuntergang und der Raub des Feuers.+

Erzählt von dem Chanéindianer Batirayu vom Rio Parapiti.

Es war einmal in alten Tagen ein sehr armer Mann, der in den Wäldern
umherirrte und keinen festen Wohnsitz hatte. Wenn er in die Dörfer kam,
jagte man ihn fort und hetzte die Hunde auf ihn. Als der Mann sah,
daß man ihn in keinem Dorfe wohnen lassen wollte, machte er sich eine
Hütte, „tocay“.[92] Dort kamen allerlei schöne Vögel zur Hütte, und die
meisten wurden bald so zahm, daß er sie fangen konnte. Der Mann dachte:
„Gehe ich mit diesen prächtigen Vögeln in ein Dorf, so nimmt man mich
vielleicht auf.“ Er nahm nun die Vögel und ging in die Dörfer. Alle
fanden die Vögel schön, nirgends wollte man ihn aber wohnen lassen. Der
Mann ging nach seiner Hütte zurück. Eines Tages kam Añatunpa[93] in
Gestalt eines schönen Vogels zu ihm. Was ist das für ein merkwürdiger
Vogel, dachte der Mann. Añatunpa sagte, er sei gekommen, um ihm zu
helfen, und gab ihm ein Paar Flügel.

„Wenn du in ein Dorf kommst, sollst du die Flügel bewegen und dann
donnert es,“ sagte Añatunpa. „Wollen sie dich trotzdem nicht wohnen
lassen, so erhebe die Flügel.“

Der Mann ging in ein Dorf, wo ein großes Trinkgelage stattfand. Man
wollte ihn nicht aufnehmen. Er bewegte die Flügel und es donnerte. Man
glaubte, die Medizinmänner seien es, die donnerten, und kümmerte sich
nicht um ihn. Wieder bewegte er die Flügel und es donnerte. Man glaubte
immer noch, es seien die Medizinmänner, die donnerten, und kümmerte
sich nicht um ihn. Als er endlich sah, daß man ihn nicht wohnen lassen
wollte, sondern ihn fortjagte, erhob er die Flügel, die er verborgen
hatte. Da kam ein Sturm, der riß alle fort, außer zwei Knaben und einem
Mädchen.

Diese, die nun allein waren, wollten kochen, aber sie hatten kein
Feuer. Sie hatten Kürbis und Mais, konnten sie aber nicht rösten.
Da kam ein alter Mann, die Sonne, mit einem Feuerbrand zu ihnen. Er
röstete einen Kürbis und aß ihn, als er aber fort ging, nahm er das
Feuer wieder mit. Er wollte ihnen nichts davon abgeben. Als der Alte
das nächste Mal kam, beschlossen sie, ihm das Feuer zu stehlen. Als
er an dem mitgebrachten Feuerbrand einen Kürbis röstete, schlug einer
der Knaben mit einem Knüttel darauf, so daß die Glut umhersprühte. Der
Alte sammelte sie schnell auf. Einen ganz kleinen Funken fanden sie
gleichwohl unter einem halben Kürbis, der auf der Erde gelegen hatte.
Sie machten nun Feuer an. Huapi (der Webervogel?) sagte zu ihnen, sie
sollten das Feuer gut aufbewahren, so daß es niemals ausgehe. Er sagte
ihnen auch, sie sollten, wenn das Feuer erlösche, mit dem „Tatay“[94]
Feuer reiben.

Der jüngere Bruder nahm nun seine Schwester zur Frau. Der ältere hatte
keine Frau. Sie legten einen Kürbis in eine kleine Hängematte und
wiegten sie. Der Kürbis wuchs zu einem Mädchen, das bald zu einer Frau
emporwuchs. Diese nahm der ältere Bruder zur Frau. Von diesen beiden
Paaren stammen alle Chanés.


2. +Der Weltuntergang und der Raub des Feuers.+

  Erzählt von dem Chanéhäuptling Vocapoy.

Ein Jüngling hatte sich in den Wald begeben und in einer Lache das Bild
eines schönen Mädchens gesehen, dem er folgte. Er blieb eine lange
Zeit bei ihr, einen Monat, und seine Mutter glaubte schon, er sei tot,
und schnitt sich die Haare ab. Sie glaubte, er wäre von einer Schlange
gebissen worden oder dergleichen. Eines Tages kam der Sohn jedoch nach
Hause und erzählte, daß er ein hübsches Mädchen gefunden, mit dem er
sich verheiratet habe. Die Mutter sagte ihm da, er solle sie holen, und
braute eine Masse Maisbier, um ihre Ankunft zu feiern.

Der Jüngling kam mit seiner Frau, und sie war hübsch und wohlgekleidet.
Während des Festes verwandelte sie sich und wurde sehr häßlich.
Hierüber machte die Schwägerin eine Bemerkung, und sie wurde böse und
verließ sie und ging dahin zurück, woher sie gekommen war, indem sie
erklärte, sie werde sich rächen. Sie sagte jedoch, man solle erst
einen Knaben und ein Mädchen in ein großes Tongefäß setzen. Ein Bruder
und eine Schwester wurden zusammen mit den Samen von Mais, Kürbis und
Bohnen in ein Tongefäß gesetzt und der Krug gut zugedeckt. Als dies
geschehen war, begann es fürchterlich zu regnen, und Häuser und alles
wurde mit Wasser bedeckt. Der Krug floß jedoch oben. Alle Menschen und
Tiere ertranken in dem steigenden Wasser. Lange floß das Tongefäß umher
und der Knabe und das Mädchen begannen schon groß zu werden. Das Wasser
sank dann, als sie aber aussteigen wollten, war der Boden noch sumpfig,
und sie mußten warten, bis er getrocknet war.

Als sie aus dem Tongefäß kamen, säeten sie von den mitgehabten Samen
Mais, Kürbis und Bohnen. Diese reiften in einem halben Monat. Sie
hatten kein Feuer. In einiger Entfernung sahen sie Feuer. Es war
„Tosté“,[95] ein Watvogel, der an den Flußufern schreit, der Feuer
hatte. Als sie sich dem Feuer näherten, verschwand es jedoch weiterhin.

Der Frosch versprach, ihnen Feuer zu rauben. Er hüpfte zu Tostés
Lagerfeuer und setzte sich, vor Kälte bebend, daran, um sich zu wärmen.
Von Zeit zu Zeit scharrte er die Glut näher zu sich hin, gleichsam um
sich besser zu wärmen, und als niemand es sah, stopfte er einen kleinen
Feuerbrand in den Mund und hüpfte davon.

Zu dem Knaben und dem Mädchen hingekommen, machte er Feuer an, und
seitdem haben die Chanéindianer Feuer. Die Schwester und der Bruder,
die nun groß geworden waren, verheirateten sich, und sie wurde
schwanger. Sie bauten sich eine Hütte. Das Mädchen bekam Kinder. Als
diese Kinder groß waren, verheirateten sie sich miteinander. Von ihren
Kindern stammen alle Chanés. Von den Kindern des ältesten Knaben
stammen die Häuptlinge her.

Es kann ja eigentümlich erscheinen, daß ich zwei ganz verschiedene
Sagen gefunden habe, die denselben Stoff bei demselben Volk behandeln.
Dies ist dadurch zu erklären, daß die Chanés ein zersprengter Stamm
sind, der keine eigene, selbständige Kultur mehr hat.

Die erstgenannte Version ist wahrscheinlich ihre eigene, während sie
die andere von den Chiriguanos geliehen haben. Domenico del Campana[96]
erwähnt, daß diese letzteren eine Flußsage haben, in welcher zwei
Kinder auf ähnliche Weise in einem Tongefäß gerettet werden.

Die Chorotis und die Matacos berichten, daß die Welt durch Feuer, die
Chanés am Rio Parapiti, daß sie durch Sturm und die Chiriguanos und
Chanés am Rio Itiyuro, daß sie durch Wasser untergegangen sei.

Die erstgenannten leben auch in Gegenden, wo große Pampasbrände
gewesen sind, am Rio Parapiti herrschen oft schwere Stürme und die
Chiriguanos sind wahrscheinlich aus Gegenden gekommen, wo große
Überschwemmungen gewöhnlich sind.

Daß diese Weltuntergangsagen innig mit der Natur des Landes, in dem
sie entstanden sind, zusammenhängen, ist, wie Ehrenreich[97], Im
Thurn[98] u. a. gezeigt haben, sicher. Ehrenreich sagt, eine solche
anthropomorphe Auffassung der Sonne, wie hier in der ersten Sage, sei
in Südamerika selten.


+Besuche in Aguararenta+ (dem Dorfe der Füchse).

Batirayu erzählte mir folgendes über den Glauben der Chanéindianer vom
Leben im Jenseits und dem Totenreiche. Aguararenta (aguara = Fuchs,
tenta = Dorf) ist ein Dorf, wo die Toten, aña, wohnen. Es liegt im
Osten. Des Nachts sind die Toten dort in Menschengestalt, am Tage
gehen sie als Füchse, Ratten und andere Tiere umher oder gehen in
einen Baumstamm. Jede Nacht sind in Aguararenta große Trinkgelage.
Alle Chanés, Kinder, Frauen und Männer, kommen dorthin. Auch Verhexer
(ipáyepótchi) und Mörder kommen nach dem genannten Dorf. Niemand wird
im Totenreich der Chanés bestraft.

Auch Lebende haben Aguararenta besucht und erzählt, was sie dort
gesehen haben. Ein paar solche Erzählungen will ich hier wiedergeben.
Sie geben uns einen guten Einblick in die Vorstellungen der Indianer
vom Jenseits.


+Das Mädchen, das seinem Mann nach Aguararenta folgte.+

  Erzählt von einem Chanéindianer in Aguarati (weißer Fuchs) am Rio
  Parapiti.

Ein Mädchen wollte sich mit einem Mann verheiraten, aber er starb.
Sie hatte ihn sehr gern gehabt. Am Morgen, am Tage nach seinem Tode,
während es noch finster war, stand sie vor dem Hause ihrer Eltern und
stieß in den Mörser. Da kam jemand und erfaßte den Mörserstab.

„Wer bist du?“ fragte sie.

„Ich bin es,“ sagte er. Es war ihr toter Mann. „Willst du mitkommen?“

„Ja“, sagte sie, da sie ihn sehr liebte.

Er begab sich nun fort in der Richtung, wo die Sonne aufgeht. Sein
Gesicht war verhüllt, damit niemand es sähe. Sie ging hinter ihm her.
Sie gingen durch den Wald, sie gingen über die Pampas und wieder durch
den Wald. Am Tage schlief er und des Nachts war er wach.

Als der Vater seine Tochter vermißte, ging er, um sie zu suchen. Er
folgte ihren Spuren. Vor diesen ging eine Fuchsspur. „Aña hat meine
Tochter genommen“, sagte der Vater. Zuletzt fand er sie tot am Wege.
Er machte sie jedoch wieder lebendig und brachte sie nach Hause. Als
sie über die Pampas gingen, sahen sie einen Fuchs umherstreifen. Am
folgenden Tage starb sie. Der Vater weinte. Da kam der weiße Kondor
„Ururuti“ und sagte, er solle nicht klagen. Ururuti nahm ihn auf den
Rücken und flog mit ihm nach Aguararenta.

In Aguararenta schlief man am Tage und war wach des Nachts. Als der
Vater dorthin kam, trank man Maisbier. Ururuti brachte ihn nach
dem Hause seines Schwiegersohnes. Er redete seine Tochter an, sie
antwortete ihm aber nicht. Sie sah nicht wie ein Mensch aus. Wieder
redete er sie an, er bekam aber keine Antwort. Er ging nun zu Ururuti,
der ihn nach Hause brachte. Weder er noch seine Frau beweinten die tote
Tochter.

Am folgenden Tage starb der Vater.

+Version 2. Erzählt von Batirayu.+ Es war eine Frau, deren Mann
gestorben war. In der Nacht kam er zu ihr in der Gestalt eines Mannes
und schlief bei ihr. Er bat sie, mit ihm nach seinem Dorfe Aguararenta
zu kommen. Sie folgte ihm. Als sie unweit des Dorfes kamen, hörten
sie Gesang und Tanz. Sie ging mit ihrem Mann nach dem Marktplatz, wo
ein großes Trinkgelage stattfand. Sie sah dort viele Tote, die sie
kannte. Die Toten hatten jedoch Angst vor ihr und hielten sich fern
von ihr. Sie blieb dort, bis es Morgen wurde. Da verschwanden alle
Hütten, und sie befand sich auf einer Ebene voller Fuchsspuren. Ihr
Mann verwandelte sich in eine Ratte (angúya). Sie blieb dort den ganzen
Tag, auf dem Stamm einer Algarrobo sitzend. Als es finster wurde,
kamen die Menschen wieder und es fand dort ein großes Trinkgelage
statt. Am Morgen sagten die Toten: „chéahata húirasécuera (ich gehe als
Baumstamm), chéahata augúyara (ich gehe als Ratte), chéahata kárakárara
(ich gehe als Geier), chéahata águarára (ich gehe als Fuchs), chéahata
ándirára (ich gehe als Fledermaus)“ usw. Sie kehrte nach Hause zurück.
Ihr Mann sagte, er werde kommen, um sie zu holen. Nach drei Tagen war
sie tot. Sie war ihrem Mann nach Aguararenta gefolgt.

Der Chiriguanohäuptling Maringay erzählte mir von einem Mann, der am
Wege eingeschlafen war. In der Nacht kam seine tote Frau zu ihm, und
er schlief bei ihr. Als er erwachte, war sie verschwunden. Er nahm das
im Schlaf Erlebte als Wirklichkeit an. Bei den Chanés und Chiriguanos
ist der Glaube an ein jenseitiges Leben, wie bei anderen Indianern,
auf Träume gegründet. Sie treffen im Traume einen Toten, sie besuchen
im Traume das Totenreich. Es ist indessen unrichtig zu sagen, daß die
Indianer an ein Leben im Jenseits glauben. Er weiß, daß es ein solches
gibt, denn Lebende haben die Toten gesehen, haben mit ihnen der Liebe
gepflogen, haben Maisbier mit ihnen getrunken, haben sie sich in
Füchse, Ratten, Baumstämme usw. verwandeln sehen.


Geister- und Tiersagen.

„Die Toten sind aña“, sagte Batirayu. Unter diesen gibt es mehrere,
die Tunpa (am besten mit groß zu übersetzen) sind und übermenschliche
Kräfte besitzen.

Der Größte unter den Añatunpas ist Yamándutunpa. Andere der Großen
sind Mariutunpa und Tipaytunpa. Chiquéritunpa, der in einigen der hier
wiedergegebenen Sagen auftritt, ist der, der den Donner hervorbringt.
Chiquéritunpa heult des Nachts, wenn es Krieg gibt. Diese Añatunpa
greifen in das Leben der Menschen ein, besonders die Zauberer stehen
mit ihnen in Verbindung. So erzählte Batirayu, daß die Añatunpa des
Nachts zu Tsuhuandico, einem großen, jetzt verstorbenen Zauberer,
kamen und mit ihm Maisbier tranken. Sie sagten ihm, wenn es regnet,
wenn jemand krank wird, ob eine Mißernte eintritt usw. Batirayu
berichtete auch, daß Angúya, ein Verwandter des Aringui, der letzte
große Häuptling, den Añatunpa Tabak anzubieten pflegte, wenn sie bei
Tsuhuandico waren. Die Añatunpas tranken nur ganz wenig Maisbier. Wenn
sie kamen, sah man sie nicht, man hörte aber gleichsam das Klingen von
Sporen.

Diese Zauberer haben eine ungeheuere Macht, sie können verhexen, denn
Krankheit und Tod haben ihren Grund in Verhexung. Unter den Chanés ist
Tambápui der größte Zauberer. Er ist der Enkel des Tsuhuandico und Sohn
des Yapandáy, der ebenfalls ein großer „ipáye“ war.

In den Sagen treten Yamándutunpa, Mariutunpa und Tipaytunpa niemals
auf. Dort spielen Aguaratunpa (der Fuchsgott) und Tatutunpa (der
Gürteltiergott) die größte Rolle. Aguaratunpa hat Tembeta (s. S. 211).
Sie haben menschliche Leidenschaften, und besonders die Geschichte des
Fuchsgottes ist eine Schilderung von allerlei Kniffen und Verbrechen.
Der Gürteltiergott ist etwas besser und steht auch höher.

Vocapoy erzählte mir, er habe einen alten Mann gekannt, der in den
Bergen einen Tunpa gesehen habe. Er war eine Handbreit groß und
wohlgekleidet. Das Wasser rann von seinem Körper.

[Illustration: Tafel 20. Sagenerzähler. Chané. Rio Parapiti.]

Batirayu glaubte steif und fest an die Existenz der Añas und Añatunpas,
an ihre Verbindung mit den Zauberern und an deren Macht. Daß
Aguararenta existiert, davon war er fest überzeugt. Der Wahrheitstreue
der Sagen von den Abenteuern und Erlebnissen der Aguaratunpas und
Tatutunpas, die ich hier unten wiedergeben will, stand er skeptisch
gegenüber.

In der Religion dieser Indianer existiert somit zuerst ein Kern von
Wahrheit, an den sie glauben. Hierzu kommen die Abenteuer und Taten,
die sie am Lagerfeuer von den Geistern erzählen und die wenigstens die
Intelligenteren, die Denkenden unter ihnen, selbst als Sagen auffassen.

Diese Sagen will ich hier unten wiedergeben.

Der Begriff eines großen, allmächtigen Gottes ist den Chanés fremd.
Jetzt wissen sie indessen alle direkt oder indirekt etwas vom
Christentum, wodurch die Vorstellung an einen großen Gott einzudringen
beginnt. Vocapoy, der kein Christ war, erzählte mir einmal, die Chanés
glaubten an einen großen Gott, Tunpa.

Batirayu sagte, er glaube nicht an einen Gott, wie ihn die Christen
beschreiben. Er wunderte sich, daß die Christen die Armen bedrückten
und so viele Schlechtigkeiten begingen, da sie doch lehrten, daß die
Sünder mit der Hölle bestraft werden. „Wie kann man wissen, wie es im
Himmel aussieht, da niemand, der dort gewesen, zur Erde zurückgekommen
ist“, sagte Batirayu.

„Und so sagen sie, daß wir Flügel bekommen sollen“, sagte er und lachte
höhnisch.

Den Missionaren nach glauben die Chanés an ein höchstes Wesen,[99]
Tunpahétte-vae, den wirklichen Gott. Der Name klingt schon verdächtig.
Ich stehe der Annahme, daß dieser ursprünglich ist, sehr skeptisch
gegenüber. Als ich mit den Missionaren über die Religion der Indianer
sprach, erstaunte ich über ihre Unwissenheit. Sie verachten die
Vorstellungen der Indianer und halten es nicht der Mühe wert, sie näher
kennen zu lernen. Es gelingt ihnen niemals, sich von der katholischen
Vorstellung zu befreien, daß die Indianer, die, wie wir, von Adam und
Eva herstammen und zu denen San Thomas gepredigt hat, nichts von ihrem
„ursprünglichen Glauben“ wissen.

Zwei der Tunpas, die hier in den Sagen auftreten, haben Tiernamen,
Aguaratunpa (Fuchsgott) und Tatutunpa (Gürteltiergott). In den Sagen
finden wir einen intimen Zusammenhang zwischen Menschen und Tieren.

Batirayu sagte: „Alle Tiere sind Menschen gewesen.“


+Die Erschaffung der Welt, wie der Fuchsgott, Aguaratunpa, den
Algarrobobaum fand und wie er den weißen Kondor, Ururuti, fing.+

Erzählt von zwei Chanéindianern am Rio Parapiti.

Es wird erzählt, daß im Anfang ein Tunpa war. Er machte die Erde mit
dem Himmel und alle Sterne, die Sonne und den Mond. Es wird erzählt,
daß diese Erde nichts trug, daß sie ganz kahl war. Tunpa setzte da
allerlei Früchte hinein, um die Armen zu speisen, wie die Caraguatá
und die Mangára. Es wird erzählt, daß dort eine Algarrobo war, die
Mutter aller Bäume. An diesem Baum waren allerlei Früchte. Dieser Baum
hat sich in der ganzen Welt vermehrt. Hierauf kam Tunpa, nahm den
Mutterbaum mit und ließ die Sprößlinge hier. Es wird erzählt, daß Tunpa
die Voreltern von uns und auch die Voreltern der Weißen geschaffen
hat. Den Avas[100] und Chanés gab Tunpa einen Holzspaten und einen
langen geschnitzten Stock, „carúmpa“ genannt, Pfeil und Bogen, ein
Schaf, eine Ziege, ein Huhn und einen Hund, damit sie alle diese Tiere
vermehren und damit sie sich mit diesen Werkzeugen ernähren. Den Weißen
gab er Gewehre, ein Pferd, eine Stute und eine Kuh und alle möglichen
Werkzeuge aus Eisen, damit sie mit diesen arbeiten.[101]

Es wird erzählt, daß die kleine Viscacha,[102] „Tacumbocumba“, diese
Bäume, die vom Mutterbaum zurückblieben, beaufsichtige. Sie hatte
diese Bäume sehr gut beaufsichtigt, keinen einzigen Samen hatte sie
fortführen lassen. Sie hatte die Blüten gekostet, sie aber bitter
gefunden, bis sie Frucht gaben. Als sie reif waren, säete sie die
Samen. Als diese wieder gereift waren, säete sie diese wieder. Im
folgenden Jahre hatten sie alle reife Frucht gegeben.

Aguaratunpa war zum Hause der Tacumbocumba gekommen. Diese war eine
alte Frau. Sie bot Aguaratunpa von diesen Früchten, die sie bewacht
hatte, und er fand sie sehr gut. Er fragte, wie sie heißen. Sie
erwiderte, diese Früchte heißen „mä“.

Als sie ihm die Früchte anbot, setzte sie sich neben Aguaratunpa,
damit er kein einziges Samenkorn mitnehme. Aguaratunpa verbarg in
einem hohlen Zahne eines der kleinsten Samenkörner. Als er zu essen
aufgehört hatte, reichte ihm die Alte Wasser zum Mundausspülen, damit
kein einziges Samenkorn zurückbleibe. Mit dem Finger untersuchte sie
Aguaratunpas Mund, konnte aber kein einziges Korn finden. Wieder
fragte Aguaratunpa die Frau, wie der Baum heiße, und nahm Abschied.
Den Namen des Baumes nennend, setzte er seinen Weg fort. Nicht weit
davon fiel Aguaratunpa, vergaß den Namen des Baumes und kehrte zu der
Alten zurück, um zu fragen. Darauf setzte er seinen Weg fort. Wieder
fiel er, wieder vergaß er den Namen, und wieder kam er zu der Alten
zurück, um zu fragen. Da sagte sie: „Du hast etwas Samen mitgenommen,
und so untersuchte sie noch einmal seinen Mund, konnte aber nichts
finden. Hierauf ging Aguaratunpa weiter, bis er zu einer offenen
Ebene kam. Dort säete er den Algarrobosamen, den er mithatte. Dann
zog er weit umher. Nach einigen Jahren kam er zurück und fand schon
eine große Algarrobopflanze vor. Wieder zog er weit umher. Als er
zurückkam, blühte die Algarrobo. Er nahm eine Blüte und kaute sie. Sie
war bitter. Wieder zog Aguaratunpa in die Welt hinaus. Als er zu seiner
Algarrobo zurückkam, fand er sie voll reifer Früchte. Er nahm eine
auf, die auf die Erde gefallen war, und kostete sie. Sie war süß und
gut. Er suchte nun nach jemand, der den Baum für ihn bewachen wollte.
Er fragte zuerst einen Käfer, „Nyákira“, dieser wollte aber nicht.
Dann fragte er „Húiran“, einen kleinen schwarzen Vogel, der wollte
aber auch nicht. Nun fragte er einen anderen Käfer, „Tikitikiru“,[103]
und dieser versprach ihm, den Baum zu bewachen. Kommt jemand, der von
deiner Algarrobo Früchte stehlen will, so will ich singen: „Tikitikiru,
tikitikiru, ko mä séramátata, tiki, tiki“, sagte er. Aguaratunpa
war nicht weit gegangen, da hörte er: „Tikitikiru, tikitikiru, ko
mä séramátata, tiki, tiki.“ Aguaratunpa eilte zurück. „Hier sind
(Tuáta) der Floh, (Yatéu) die Zecke und (Isáu) die Blattschneideameise
gewesen und die haben Früchte von deiner Algarrobo gestohlen“, sagte
Tikitikiru. Die Zecke hatte ein großes Tragnetz mitgehabt, um die
Früchte zu tragen, und die Blattschneideameise war auf den Baum
geklettert, um sie abzubeißen. Aguaratunpa eilte ihnen nach. Zuerst
erreichte er die Ameise. Er trat auf ihre Mitte. Darum sind alle
Ameisen so schmal um den Leib. Dann nahm er die Zecke auf und trat
mitten auf sie, so daß sie ganz platt wurde. Zuletzt bekam er den Floh
und trat auf ihn, glitt aber aus, so daß er ihn seitwärts drückte.
Darum sind alle Flöhe klein und zusammengedrückt. Tikitikiru überließ
nun Aguaratunpa die Algarrobo, damit er sie selbst bewache. Er spannte
seine Hängematte auf und legte sich zur Ruhe. An einem Zweig sah er
noch eine Frucht, die die Diebe zurückgelassen hatten. Aguaratunpa
rief nun den Wind herbei, und der schüttelte den Zweig, an welchem
die Algarrobofrucht saß, so daß sie herunterfiel. Die Frucht fiel
Aguaratunpa mitten ins Auge. Der Fuchsgott war nun tot.

Bald kamen alle Geier, um von Aguaratunpa zu essen. Sie schickten
den Kolibri „Chinu“, um ihren großen Häuptling, den weißen Kondor,
„Ururuti“, zu holen, damit dieser von Aguaratunpa esse.

„Hütet euch, er ist nicht tot, er stellt sich nur tot, um unsern großen
Häuptling zu fangen,“ sagte einer der Geier, „Kara-kara“.

„Gewiß ist er tot“, sagte die Fliege „Mbéru“ und kroch unter dem
Schwanz des Fuchsgottes hinein und aus einem Nasenloch heraus, durch
das andere hinein und so unter dem Schwanz wieder heraus.

„Er ist nicht tot“, sagte Kara-kara.

„Er ist tot“, sagte die Fliege und legte Eier in Aguaratunpas Augen, so
daß sie voller Würmer waren. Als der weiße Kondor kam, näherte er sich
Aguaratunpa, um zu essen.

„Hüte dich, er ist nicht tot“, sagte der Geier.

„Er ist tot“, sagte die Fliege und kroch wieder unter Aguaratunpas
Schwanz hinein und durch das eine Nasenloch heraus, durch das andere
hinein und dann unter dem Schwanze wieder heraus.

Der weiße Kondor begann nun von Aguaratunpa zu essen. Dieser fuhr nun
auf, nahm ihn gefangen und band ihn mit einer Kette von Silber.

„Eine Herde Pferde will ich dir geben, wenn du mir die Freiheit
schenkst“, sagte der weiße Kondor.

„Ich habe so viele Pferde, daß ich nicht mehr brauche“, sagte
Aguaratunpa.

„Ich will dir große Felder geben, wenn du mir die Freiheit schenkst“,
sagte der weiße Kondor.

„Ich habe so viele Felder, daß ich nicht mehr brauche“, sagte
Aguaratunpa.

„Ich will dir meine beiden Töchter zu Frauen geben und ein Haus, in dem
du wohnen kannst, wenn du mir die Freiheit schenkst“, sagte der weiße
Kondor.

„Ich brauche deine Töchter nicht, denn ich habe in allen Dörfern
Frauen“, sagte Aguaratunpa.

„Ich will ein ganzes Haus mit silbernen Schalen, ‚cagua‘, füllen und es
dir geben, wenn du mir die Freiheit schenkst“, sagte der weiße Kondor.

„Ich habe so viel Silber, wie ich brauche,“ sagte Aguaratunpa, „und ich
habe dich gefangen, um dich zu töten. Kannst du mir aber den weißen
Gummiball, ‚toki‘, schenken, damit ich damit spielen kann, so will ich
dir die Freiheit schenken“, sagte Aguaratunpa.

An eine lange silberne Kette gebunden, flog Ururuti, um den weißen
Gummiball zu holen. Als Aguaratunpa ihn bekam, schenkte er dem weißen
Kondor die Freiheit. Der Strauß, „Yándu“, und die Fledermaus, „Andira“,
spielten Ball. Der eine warf den Ball, fing ihn mit dem Kopf auf und
stieß ihn dem anderen zu, der ihn wieder mit dem Kopfe auffing und
zurückstieß (vgl. S. 193). Als der Ball durch die Luft flog, fing der
weiße Kondor ihn auf und verschwand. Aguaratunpa schickte nun einen
Vogel, „Tavatan“, um den schwarzen Gummiball zu holen, und das ganze
Dorf spielte. Mit dem Strauß spielte Aguaratunpa. Mitten im Spiel
tauschte er den Ball gegen einen Stein aus und warf ihn. Der Strauß
fing ihn mit dem Kopf und fiel tot nieder. Als er wieder lebendig
wurde, hatte er einen plattgedrückten Kopf, wie jetzt alle Strauße. Mit
dem schwarzen Gummiball verschwand die Fledermaus.

Nun ist die Geschichte aus.

[Illustration: Abb. 127. Tongefäß. Chiriguano. Caipipendi. ⅓.]


Tatutunpas und Aguaratunpas Verheiratung.

Sage, erzählt von dem Chanéindianer Agilera am Rio Parapiti.

Es wird erzählt, dort war einmal ein großer Häuptling, Chiquéri, und
dort waren auch Tatutunpa und Aguaratunpa. Sie lebten alle weit, weit
fort von hier. Am weitesten wohnte der große Häuptling. Dieser hatte
Tatutunpa kommen lassen, um ihm seine Tochter zur Frau zu geben.
Tatutunpa kannte viele Künste und Aguaratunpa kannte auch viele Künste.

Tatutunpa machte sich auf den Weg. Er ging ganz langsam und wartete an
vielen Stellen. Wo er Feuer anmachte, wuchs hohes Gras. Zwei bis drei
Tage, nachdem Tatutunpa sein Haus verlassen hatte, kam Aguaratunpa und
fragte, wohin Tatutunpa gegangen sei. Man sagte ihm, Tatutunpa sei zu
dem großen Häuptling gegangen. Aguaratunpa folgte ihm nun und traf ihn
nicht weit davon. Bevor sie ankamen, fanden sie eine Pflanze namens
„ihuahuasu“[104] am Wege. Aguaratunpa sagte zu Tatutunpa, er solle die
Früchte abpflücken, damit sie sie essen könnten. Er ging in den Wald
unter die Pflanze. Bevor noch Tatutunpa eine der Früchte hatte berühren
können, schüttelte Aguaratunpa die Pflanze, so daß alle Früchte auf
Tatutunpa fielen. Dieser, der jung und hübsch war, wurde nun einäugig
und alt. Nun war Aguaratunpa der jüngere und schönere von beiden. Sie
setzten nun ihren Weg zu dem großen Häuptling fort. Tatutunpa hatte
eine Halskette, die Aguaratunpa ihm, bevor sie ankamen, abgelockt hatte.

Der große Häuptling glaubte, Tatutunpa, der alt und häßlich war, sei
Aguaratunpa und dieser Tatutunpa. Er gab dem ersteren seine schönste
Tochter zur Frau und dem letzteren gab er eine seiner allerhäßlichsten,
die auch einäugig, wie er, war.

Aguaratunpa begann zu arbeiten, um den Acker zu roden und zu säen.
Während er arbeitete, band er sein langes Haar auf. Als er von der
Arbeit kam, war er ganz schmutzig. Tatutunpa tat nichts. Er lag den
ganzen Tag neben seiner Frau und flötete auf einer runden Holzpfeife
(Abb. 80). Als seine Schwiegermutter sah, daß er nicht arbeitete, sagte
sie: „Dieser Mann denkt gar nicht an seine Familie.“

Da er dies hörte und wußte, daß Aguaratunpa schon viel gearbeitet
hatte, fragte er seine Frau, ob ihr Vater keinen alten Acker habe, den
er bebauen könne. Die Schwiegermutter sagte da zu ihrer Tochter: „Warum
fragt jener Mann nach einem Acker, er, der so faul ist. Besser wäre
es, wenn Aguaratunpa, der arbeitet, danach fragte.“

Tatutunpa ging mit seinem Stock und seiner Frau nach dem alten Acker
des Häuptlings. Er ging auf den großen, wüsten Acker, grub ein wenig
Erde auf, hob einen Erdklumpen auf und warf ihn in die Luft. Der
Erdklumpen fiel zur Erde und zerbröckelte in viele Stücke. „Diese Erde
ist nichts wert“, sagte er und fragte seine Frau, ob nicht irgendwo
eine große Ebene sei, die er bebauen könnte. Sie sagte, es gäbe eine
große Ebene. Sie begaben sich dorthin und gingen mitten auf die Ebene.
Tatutunpa grub ein wenig Erde auf, warf wieder einen Erdklumpen in die
Luft, dieser ging aber nicht entzwei, sondern fiel ganz nieder. Er
sagte zu seiner Frau, diese Erde lasse sich sehr gut bearbeiten. Sie
gingen nach Hause.

Am anderen Morgen begab sich der alte Tatutunpa mit seinem Spaten
nach der Ebene, wo er ein wenig gegraben hatte, und steckte ihn in
den Boden. In ganz kurzer Zeit wurde die ganze große Ebene ganz
allein von dem Spaten gereinigt. Tatutunpa rief nun den Wind herbei,
der mit großer Stärke kam und alles schlechte Zeug wegblies. Nur das
Allerfeinste war stehen geblieben. Hierauf rief er den Wirbelwind, der
den Acker ganz frei fegte. Tatutunpa bat die Papageien um Samen, sie
kamen aber mit untauglichen Samenkörnern, die alle entzwei waren. Als
er sah, daß diese Samen nichts taugten, bat er die Enten und Tauben und
die ganz kleinen Tauben, sie möchten mit allerlei Samen kommen, und
diese taten es auch. Sie säeten sogar selbst. Als die Saat beendet war,
begab sich Tatutunpa auf dem Wege, der nach seinem Hause führte, heim.
Er war noch nicht weit gekommen, da drehte er sich um, um nach seinem
Acker zu sehen. Er sah, daß die Pflanzen schon zu keimen begannen.
Wieder ging er ein Stück und wendete sich wieder um, um nach seinem
Acker zu sehen. Die Pflanzen waren schon groß. Wieder ging er weiter
und drehte sich wieder um. Da fand er seinen Acker schon in Blüte. In
der Nähe seines Hauses wandte sich Tatutunpa wieder um, um nach seinem
Acker zu sehen, und fand, daß alles, was er gesäet hatte, schon reife
Früchte trug.

Bei Aguaratunpa, der so fleißig gearbeitet hatte, war noch nichts reif
oder in Blüte.

Am folgenden Tage sagte Tatutunpa zu seiner Frau: „Wir wollen gehen,
um nach unserem Acker zu sehen. Sie gingen nach dem Acker und die
Frau sah, daß alle Früchte reif waren. Tatutunpa gebot ihr, ein Feuer
anzumachen, um Mais und alle anderen Früchte zu rösten. Er sagte ihr,
sie solle einen Maiskolben, zwei Bohnen und einen Kürbis ausgraben,
aber nicht mehr. Nicht einmal dies vermochten sie aufzuessen.

Danach gingen sie nach Hause und sagten zu der Alten, sie solle mit
ihnen kommen und alles abernten, was sie zu essen wünsche. Die Alte
glaubte ihnen nicht, sondern glaubte, sie hätten gestohlen. Sie konnte
nicht glauben, daß sie etwas zu ernten hätten, da sie nicht gearbeitet
hatten. „Ich gehe lieber zu meiner anderen Tochter, die fleißig
gearbeitet hat“, sagte die Alte.

Aguaratunpa begab sich nun zu Tatutunpas Acker und stahl Kürbisse,
die er nach seiner Anpflanzung brachte. Mit Stäbchen und Dornen
befestigte er die Kürbisse an den halbgewachsenen Kürbisstengeln. In
der Dämmerung kehrte er heim und sagte zu seiner Frau, sie solle ihre
Mutter bitten, in seinem Acker Kürbisse zu ernten. Die Tochter ging zu
ihrer Mutter und sagte: „Wir wollen nach dem Acker gehen, um Kürbisse
zu holen.“ Vergnügt machte die Alte sich auf den Weg, denn sie hatte
gesehen, daß sie viel gearbeitet hatten, und sie glaubte ihrer Tochter.
Sie gingen, fanden aber nicht mehr Kürbisse, als wie sie in einer
Getreideschwinge einernten konnten.

Am folgenden Tage bat wieder Tatutunpas Frau ihre Mutter, mit aufs Feld
zu kommen. Die Alte glaubte ihr gar nicht, als aber der Alte, ihr Mann,
sah, daß sie so hartnäckig waren, befahl er ihr, zu gehen. Ärgerlich
machte sich die Alte auf den Weg. Tatutunpa ging vor ihr, auf seiner
Pfeife flötend. Als sie auf den Acker kamen, sah die Alte, daß er voll
von allerlei Früchten, Mais, Kürbissen, Bohnen und Kalebassen war. Die
Alte wurde richtig vergnügt, sie konnte ihre Freude kaum mäßigen.

Als sie nach dem Ackerrain kam, sah sie eine gewaltige Kalebasse
und sagte zu ihrer Tochter, diese wünsche sie für sich. Während sie
plauderten, fiel die Kalebasse auf die Alte, diese fiel hin und konnte
sich infolge der schweren Kalebasse, die sie drückte, kaum bewegen.
Die Tochter kam ihr zu Hilfe und versuchte die Kalebasse zu heben, sie
vermochte es aber nicht. Sie rief ihrem Manne zu, er solle kommen und
ihr helfen. Dieser blieb jedoch eine lange Weile fort, und erst als die
Alte dem Tode nahe war, kam er, hob die Kalebasse auf und setzte sie
wieder an ihrem alten Platze fest. Die halbtote Alte hob er auf.

Als sie sich nach einem Weilchen erholt hatte, sahen sie sich weiter
den Acker an. Die Alte wollte einen Maiskolben abbrechen. Tatutunpa
sagte ihr, sie solle seinen Acker schonen und nur den Kolben abbrechen.
Sie erntete nun zwei Maiskolben und zwei von allen anderen Früchten,
ohne etwas zu zerstören. Alles, was sie abgeerntet hatte, setzte sofort
wieder reife Früchte an. Mit den Früchten beladen, ging sie nach Hause.
Sie erzählte ihrem Manne, daß Tatutunpa schon einen großen Acker habe.
„Das ist somit der Tatutunpa, den wir haben kommen lassen“, sagte der
Alte. „Aguaratunpa hat uns betrogen.“

Am folgenden Tag sagte Tatutunpa zu seiner Frau: „Wir wollen nach
unserem Acker gehen.“ Sie gingen dorthin. Er grub nun ein Loch, in
welchem er ein Feuer machte. Als das Loch richtig warm, richtig rot
war, nahm er eine sehr große Kalebasse und kroch in dieselbe hinein.
Er bat seine Frau, die Kalebasse zuzustopfen, in die warme Grube zu
legen und die Kalebasse, wenn er pfeife, umzudrehen, damit er hinaus
könne. Die Frau tat so, wie er gesagt hatte. Als er pfiff, drehte sie
die Kalebasse um und Tatutunpa kam heraus, schön und jung, mit allen
seinen alten Schmucksachen geschmückt.

Nach einem Weilchen wärmte Tatutunpa die Grube wieder und seine Frau
kroch in die Kalebasse. Er bedeckte diese und warf sie in die Grube.
Als sie pfiff, drehte er die Kalebasse um. Jung und schön kam sie aus
derselben.

Sie kehrten nach Hause zurück und nahmen ein Quebrachostäbchen mit, um
damit Feuer anzumachen. Als sie nach Hause kamen, war die Alte mit dem
Brauen von Maisbier beschäftigt.

„In dieser Nacht wird es sehr kalt und deshalb habe ich dieses Stäbchen
mitgenommen, damit wir etwas haben, woran wir uns wärmen können“,
sagte Tatutunpa. Aguaratunpa hatte viel „Tartago“-Holz mit nach Hause
genommen, es reichte aber nicht die ganze Nacht. Mitten in der Nacht
war das Holz zu Ende. Er ging zur Feuerstätte seiner Schwiegermutter,
die beim Maisbierkochen war. Als die Alte sah, daß ein Fuchs sich
zu ihrem Feuer schlich, steckte sie ein Stück Holz in Aguaratunpas
Hinteren. Mit dem Holz im Hinteren sprang er davon, für immer in einen
Fuchs verwandelt.


Die Entstehung der Arbeit.

Erzählt von dem Chanéindianer Batirayu.

Tatutunpa hatte einen Zauberspaten. Stellte man ihn des Abends in den
Acker, so war der Acker am Morgen fertig gegraben. Aguaratunpa kam
eines Tages in Gesellschaft seiner beiden Brüder zu Tatutunpa. „Wir
wollen um deinen Spaten spielen“, sagte er. „Wenn es blitzt, wollen
wir in den Blitz sehen, und derjenige, der nicht blinzelt, gewinnt den
Spaten.“ Darauf ging Tatutunpa ein.

Aguaratunpa lieh sich nun die Augen der Heuschrecke „Tu-ku“, die keine
Augenlider hat, Tatutunpa und Aguaratunpa setzten sich und stierten
nach dem Himmel. Als es blitzte, blinzelte Tatutunpa, aber nicht
Aguaratunpa, der die Augen der Heuschrecke hatte. Er hatte den Spaten
gewonnen. Als er ging, nahm er gleichwohl nicht den Spaten, der selbst
grub, mit, sondern einen gewöhnlichen hölzernen Spaten.

„Nehme ich den Spaten mit dem hohlen Stiel, so können auch die Faulen
Mais bauen, mit dem hier aber muß man arbeiten, um Mais für seine
Familie zu schaffen“, sagte Aguaratunpa zu seinen Brüdern.

Der Heuschrecke gab Aguaratunpa die geliehenen Augen zurück.


Wie Aguaratunpa seinen Bruder nach dem Himmelsgewölbe schickte.

Erzählt von dem Chanéindianer Batirayu.

Aguaratunpa lebte mit seinem Bruder zusammen. In einem Korb hatte er
zwei kleine Papageien. Eines Tages flogen sie nach einem Acker, wo sie
Mais aßen. Als sie nach Hause kamen, hatte der eine Maismehl um den
Schnabel: „Woher hast du das?“ fragte Aguaratunpa. „Von einem Acker
weit hinten, wo die Sonne untergeht“, sagten die Papageien.

Am folgenden Tag schickte Aguaratunpa die Papageien fort. Wohin sie
flogen, dahin folgte er ihnen. Als er hinkam, brach er Mais ab. Da
kam der Besitzer des Ackers und sah, daß jemand Mais gestohlen hatte.
Aguaratunpa verbarg sich, der Besitzer fand ihn aber, da er sich, als
er den Mais abbrechen wollte, in Hände und Füße geschnitten und überall
Blutspuren hinterlassen hatte.

Der Besitzer sagte zu Aguaratunpa: „Warum hast du mir Mais gestohlen,
hättest du mich darum gebeten, hätte ich ihn dir gegeben.“ Er brach
viele Maiskolben ab und belud Aguaratunpa damit, der sie nach Hause
brachte. Er legte sie neben die Tür.

Als er am folgenden Morgen erwachte, hatte der kleine Haufen sich in
einen großen verwandelt, der bis an das Dach reichte.

Aguaratunpas Bruder fragte ihn, woher er den Mais habe. „Es ist weit
weg,“ sagte Aguaratunpa. „Es gibt keinen Weg, und du kannst nicht
hinfinden.“

Der Bruder machte sich aber doch auf den Weg und kam an den Acker,
wo er „anday“[105] fand, von dem er aß. Dieser war vergiftet, und er
starb. Tot fand Aguaratunpa ihn. Er sagte, er wolle ihn wieder lebendig
machen. Aguaratunpa nahm eine Pflanze, „ihuahuasu“. Mit dieser schlug
er ihn. Er sprang über ihn, erst gerade über den Körper, dann vom Kopf
bis zum Schwanz.

Der Bruder wurde wieder lebendig und sagte: „Ich habe lange
geschlafen.“ -- „Du hast nicht geschlafen, du bist tot gewesen“, sagte
Aguaratunpa. Dieser schickte den Bruder zum Himmel.[106] Wenn es
donnert, dann geht der Bruder Aguaratunpas spazieren.


Über den Sohn von Tatutunpa und wie er seine Mutter gerettet hat.

Erzählt von dem Chiriguanoindianer Yambási am Rio Grande.

In einem Hause war ein Mädchen Inómu, das niemals einen Mann
gehabt hatte. Vor dem Hause war ein großes Trinkgelage. Dort waren
Aguaratunpa, Tatutunpa und Dyori. Die Eltern des Mädchens nahmen sie
mit und setzten sie da auf den Boden, wo man mit Maisbiertrinken
beschäftigt war. Aguaratunpa fand, daß Inómu sehr hübsch sei. Das fand
auch Tatutunpa. „Ich werde das Mädchen schwanger machen“, sagte er und
begann zu graben. Aguaratunpa stellte sich davor. Tatutunpa grub sich
in die Erde und unter dem Mädchen hinauf.[107] Als Tatutunpa geendet
hatte, kroch er wieder heraus und erzählte Aguaratunpa, was er getan.

„Ich will auch versuchen“, sagte Aguaratunpa und kroch in den Gang
hinein. Er war nicht weit gekommen, da blieb er stecken. Tatutunpa
packte ihn am Schwanz und zog ihn heraus.

Als das Mädchen nach Hause kam, rief ein Vogel „Araqua“, daß sie
schwanger sei. Am folgenden Tage wurde sie groß. Sie war hochschwanger.
Ihre Mutter war erbittert. Sie sagte, sie wolle weit fort zum Vater
gehen und gebären. Inómu ging zur Höhle Tatutunpas und warf das Kind
hinein, ohne ihm Milch zu geben. Das Kind schrie täglich, und die
Mutter sah nach ihm, wenn sie aber kam, kroch es in die Höhle. Eines
Tages kam „Yahuéte“, der Jaguar mit zwei Köpfen, von denen der eine
trocken war, riß ihr die Augen aus und führte sie lebend fort.

Der Großvater ging nun aus, um den kleinen Tatutunpa zu fangen,
indem er ein Netz vor die Höhle legte, in welchem dieser sich fing.
Er führte ihn nach Hause. Dort wuchs er schnell und begann groß zu
werden. Er wurde mit Honig großgezogen. Eine Tages verlangte der kleine
Tatutunpa Pfeil und Bogen. Der Großvater machte ihm einen Pfeil mit
einer stumpfen Spitze aus Wachs. Mit dem ging er aus und jagte. Wenn
er den Stamm traf, fielen alle Tauben tot herunter. Es war eine große
Masse. Als Tatutunpa nach Hause kam, fragte der Großvater, wie er so
viele Tauben habe töten können, und da erzählte er, wie es zugegangen
war. Auf dieselbe Weise tötete er viele Vögel. Eines Tages sah er fünf
Araquavögel auf einem Baum. Tatutunpa schoß nach dem Baum, aber nur
vier fielen herunter. Der fünfte sagte: „Du tätest besser, deine Mutter
zu suchen, als Vögel zu schießen.“

Als Tatutunpa nach Hause kam, bat er den Großvater, ihm eine Keule aus
„Huirapucu“[108] zu schaffen. Er schlug mit ihr gegen einen dicken
Baumstamm, mußte aber zweimal schlagen, um den Stamm abzubekommen.
Tatutunpa sagte da zu dem Großvater, sie tauge nichts, und verlangte
eine Keule aus „Urundey“.[109] Er schlug mit ihr gegen einen dicken
Baumstamm und schlug den Stamm mit einem Schlage ab. „Diese ist gut“,
sagte Tatutunpa.

In Begleitung Dyoris machte sich Tatutunpa auf den Weg. Auf dem Wege
tötete er einen Tapir. Dyori[110] teilte ihn in vier Teile und fraß ihn
auf. Sogar das Blut leckte er vom Boden auf.

Tatutunpa fand die Mutter blind im Walde. Sie bat ihn, die Jaguare
zu töten, die sie gefangen hielten. „Sie kommen zur Tränke, um zu
trinken“, sagte sie.

Tatutunpa machte sich einen kleinen Schuppen, in welchem er sich
verborgen hielt. Dyori versteckte sich hinter ihm. Zuerst kam
„Embaracaya“[111] mit ihrer Beute. Mit einem Schlage zertrümmerte
Tatutunpa ihren Kopf und warf sie und ihre Beute Dyori hin, der alles
auffraß. Auf dieselbe Weise tötete er „Yahuapinta“[112] und die anderen
Katzentiere. Er warf sie Dyori hin, der sie alle auffraß. Zuletzt kam
Yahuéte, der zwei Köpfe hatte. Er bat Inómu um Wasser. Yahuéte trug
einen Tapir, den er getötet hatte. Inómu wies ihn zur Tränke.

„Nein, gib mir hier Wasser, es hält sich jemand an der Quelle
verborgen“, sagte Yahuéte.

„Nein, es ist niemand da, und wie soll ich, die ich blind bin, Wasser
holen können, ich falle ja“, sagte Inómu.

Yahuéte ging zur Tränke. Als er dorthin kam, schlug Tatutunpa mit der
Keule, um ihn zu töten, traf aber nur den trocknen Kopf und Yahuéte
sprang davon. Tatutunpa folgte ihm. Als Yahuéte sich verfolgt sah,
verbarg er sich unter dem „tiru“ (S. 200 erwähnte Frauentracht) des
Mondes.

„Wo ist Yahuéte?“ fragte Tatutunpa.

„Das weiß ich nicht“, antwortete die Frau (d. h. der Mond). Das war die
erste Lüge.

„Er ist unter deiner ‚tiru‘ verborgen“, sagte Tatutunpa und ging weiter.

Der Mond rief ihm da nach. „Yahuéte frißt mich auf.“

Tatutunpa ging zurück, um ihm zu helfen. Er sagte da, es sei nicht
wahr. Tatutunpa ging wieder weiter. Er rief nun wieder: „Yahuéte frißt
mich auf.“ Als Tatutunpa zurückkam, sagte er, es sei unwahr. Tatutunpa
ging wieder weiter. Wieder rief der Mond, Yahuéte wolle ihn auffressen.
Tatutunpa kehrte aber nicht mehr zurück. Nun war Yahuéte wirklich im
Begriff, ihn zu fressen.

Als Tatutunpa zu seiner Mutter zurückkehrte, sagte er, er werde dafür
sorgen, daß sie wieder sehen könne. Aus Taubenschmutz und Ton machte er
Augen und setzte sie in ihre leeren Augenhöhlen. Inómu rieb sich die
Augen, öffnete sie und konnte wieder sehen. Tatutunpa führte nun seine
Mutter nach Hause.

Batirayu hat mir dieselbe Sage mit einer langen Einleitung erzählt, die
in Yambásis Erzählung fehlt. Diese Einleitung will ich hier wiedergeben.

Es war einmal ein großes Trinkgelage. Dort waren viele Vögel
versammelt. Der Häuptling befahl Aguaratunpa, ein Mädchen Inómu, die
in einem Nachbardorfe war, zu holen, damit sie auch mit ihnen trinke.
Aguaratunpa ging. Als er ins Haus des Mädchens kam, traf er ihren Vater.

„Guten Tag, Onkel“, sagte Aguaratunpa.

„Setze dich“, sagte der Vater.

„Nein, ich bin gekommen, um meine Nichte zu holen,“ sagte Aguaratunpa.
Er fragte nun, ob das Mädchen mit ihm gehen wolle, was es bejahte. Das
Mädchen machte sich fein, nahm seine Halskette um, zog seinen besten
„tiru“ an und folgte Aguaratunpa.

Als sie eine Strecke Weges gegangen waren, sagte das Mädchen: „Warum
soll ich mit dir gehen, der du so häßlich bist“, und so kehrte sie um.
Als Aguaratunpa ankam, fragte der Häuptling ihn, wie es gegangen sei.
Er erzählte nun, daß das Mädchen umgekehrt sei.

„Urapua“ (der schwarze Aasgeier) erbot sich, das Mädchen zu holen.
Urapua machte sich auf den Weg. Als er ins Haus des Mädchens kam, sagte
er:

„Guten Tag, Onkel.“

„Nimm Platz“, sagte der Vater.

„Nein, ich bin gekommen, um meine Nichte zu holen, sie soll mir helfen
Maisbier zu trinken“, sagte Urapua. Er fragte das Mädchen, ob es
mitgehen wolle. Sie erklärte sich einverstanden und machte sich in
Ordnung. Als sie halbwegs gekommen waren, sagte das Mädchen: „Warum
soll ich mit dir gehen, der du so häßlich bist.“ Sie kehrte nach Hause
zurück.

Als Urapua ankam, fragte der Häuptling, wie es ihm ergangen sei. Er
erzählte, das Mädchen sei umgekehrt.

„Tiu“ erbot sich zu gehen. Als er in das Haus des Mädchens kam, sagte
er:

„Guten Tag, Onkel.“

„Nimm Platz“, sagte der Vater.

„Nein, ich bin gekommen, um meine Nichte zu holen, sie soll mir helfen
Maisbier zu trinken“, sagte Tiu. Er fragte das Mädchen, ob es mitgehen
wolle. Als sie ein gutes Stück Weges gekommen waren, sagte das Mädchen:
„Warum soll ich mit dir gehen, der du so häßlich bist“, und so ging sie
wieder nach Hause.

Da erbot sich „Choe“ zu gehen. Als er ankam, ging er direkt zum Mädchen
und fragte sie, ob sie mit ihm kommen und ihm helfen wolle, Maisbier
zu trinken. Das Mädchen gab ihm eine Kalebaßschale Maisbier und war
bereit, ihm zu folgen. Sie gingen. Als sie ganz nahe dem Dorfe waren,
wo ein großes Trinkgelage war, sagte das Mädchen, es wolle nicht mit
ihm gehen, er habe so schwarze Beine, und kehrte um.

Als er ankam, fragte der Häuptling, wie es ihm ergangen sei. Er
erzählte, daß das Mädchen umgekehrt sei. Alle die anderen Vögel
versuchten, aber mit keinem wollte das Mädchen gehen. Zuletzt ging
„Churincui“.

„Paß auf,“ sagte der Häuptling, „er bekommt bestimmt das Mädchen mit
sich.“ Churincui ging direkt zu dem Mädchen und fragte es, ob es mit
ihm gehen und ihm helfen wolle, Maisbier zu trinken. Das Mädchen war
bereit und folgte ihm bis dahin und setzte sich zu den anderen Frauen.

Aguaratunpa ging erbost umher.

Der Häuptling fragte, ob jemand singen könne. Aguaratunpa kleidete sich
in seinen „tirucumbai“ (Abb. 81) und machte sich zum Singen bereit, er
konnte aber nicht mehr als „púhuaté, púhuaté“. Urapua kam nun hervor
und wollte singen, er konnte aber nur „hú, hú“ sagen.

Da bat der Häuptling „Húiratucúhua“ zu singen und dieser sang:

„Huaté púhuatékos rárásé mánura lúhuaya chúshico ti, ti, ti, ti ...“

Dort war ein Mann, der mit seinem Bruder und allen den anderen Vögeln
verfeindet war, der nicht am Trinkgelage teilnahm, sondern umherging
und jagte.

Auf einem Baum saßen viele Papageien. Unter diesen war ein weißer
Papagei. „Den will ich fangen“, sagte er und versuchte es, ihn mit
einer Schlinge an einer Rute zu fangen, aber es gelang ihm nicht. Er
zielte nun mit dem Bogen nach dem Papagei. Dieser fing zu sprechen an
und sagte: „Warum willst du mich töten?“

Der Papagei lehrte ihn nun, wie er singen solle, und sagte ihm, wenn
er mitten unter die käme, die trinken, solle er den Arm über den Kopf
hochstrecken.

Er ging nun um diejenigen, die tranken, herum und sang. Dann ging er
mitten unter sie und streckte den Arm hoch. Als er dies tat, wurden
diejenigen, die standen, in Vögel, und die, die saßen, in Steine
verwandelt, außer Inómu, Tatutunpa, Aguaratunpa und Teyuhuasu.

Tatutunpa, Aguaratunpa und Teyuhuasu saßen nicht mit den anderen
zusammen, sondern standen in der Nähe. Tatutunpa sagte zu Aguaratunpa:

„Du sollst sehen, ich mache das Mädchen schwanger.[113] Wenn sie den
Körper dreht, ist es geschehen.“ Er grub nun ein Loch in der Erde unter
dem Mädchen ...

Die Fortsetzung von Batirayus Erzählung ist mit der Yambásis beinahe
identisch.

In ihren Grundzügen scheint mir diese Sage echt indianisch zu sein.
Es sind jedoch Elemente darin, die von den Weißen geliehen zu sein
scheinen, nämlich die Geschichte von den Lügen des Mondes. Diese kommt
in Batirayus Version der Sage nicht vor. Sie erinnert mich auch sehr
an den Knaben, der um Hilfe zu rufen pflegte, ohne daß eine Gefahr
vorhanden war. Als schließlich die Wölfe dabei waren, ihn aufzufressen,
kümmerte sich keiner um ihn -- eine Sage, die in Europa bekannt ist
und die ich in Schweden als Kind gehört habe.

Ein Teil dieser Sage erinnert stark an eine von d’Orbigny[114] von den
Yuracáreindianern wiedergegebene Sage. Dem Tatutunpa entspricht dort
„Tiri“, der, um seine Mutter zu rächen, alle Katzentiere, außer dem
Jaguar mit den vier Augen, der seine Zuflucht zum Monde nimmt, tötet.
Früher standen die Chiriguanos und Chanés sicher in Verbindung mit den
Yuracáreindianern. Als die Weißen das Land um Santa Cruz de la Sierra
eroberten, zogen die Chiriguanos nach Süden und die Yuracáres nach
Norden. Auf meiner letzten Reise habe ich auch die Yuracáreindianer
besucht, die ich später in einem anderen Buche schildern werde.


Der Mann, der sich mit der Tochter des Donnergottes, Chiqueritunpa,
verheiratete.

Erzählt vom Chanéhäuptling Bóyra.

Es waren einmal in alten Zeiten drei arme Männer, die keine Verwandten
hatten. Sie waren sehr hungrig. Zwei von ihnen gingen, um etwas zum
Essen zu suchen. Erst kamen sie in einen großen Wald, durch den ein
Pfad ging. Nach drei Tagen kamen sie auf eine große Ebene. Mitten
in der Ebene war ein Haus. Sie gingen um das Haus herum, fanden
aber keinen Eingang. Schließlich kam aber eine Frau heraus, es war
Chiquéritunpas Schwester. Sie bat sie, hineinzukommen. „Wir sind
schmutzig“, sagten sie und wollten nicht hineingehen. Sie brachte dem
einen Maisbier. Er trank vier Kalebaßschalen Maisbier aus. Sie brachte
dem anderen Maisbier. Auch er trank vier Kalebaßschalen Maisbier aus.
„Geht nun und badet euch,“ sagte sie, „und wascht euch den Kopf.“ Sie
gab ihnen die Wurzel der „yúag“.[115]

Als sie gebadet und sich gewaschen hatten, kamen sie wieder. Sie gab
ihnen Uruku, um sich zu bemalen. „Geht nun und ruht aus. Nachher sollt
ihr Holz holen,“ sagte sie und gab ihnen eine Axt. Sie suchten überall
in der Ebene, fanden aber kein Holz. „Habt ihr kein Holz gefunden?“
fragte die Frau.

„Nein“, sagten sie.

„Saht ihr dort keinen alten Mann? Er hat Holz. Gebt ihm einen Hieb mit
der Axt“, sagte die Frau.

Sie gingen wieder auf die Ebene, um Holz zu suchen. Dort fanden sie den
Alten, sie schämten sich aber, ihm einen Hieb mit der Axt zu geben, und
kehrten zur Frau zurück.

„Habt ihr den Alten getroffen?“ sagte sie.

„Ja,“ antworteten sie, „aber wir schämten uns, ihn zu töten.“

„Haut den Alten, er ist Holz!“ sagte die Frau.

Sie gingen wieder auf die Ebene und fanden ihn. Sie gaben ihm einen
Axthieb, und er verwandelte sich in Holz, das sie zur Stube trugen. Die
Frau kochte. Dann spann sie Fäden.

„Warum seid ihr hierhergekommen?“ sagte sie.

„Wir suchten uns eine Mutter. Wir waren drei, aber einen haben wir
zurückgelassen“, sagten sie.

„Warum habt ihr ihn nicht mitgenommen?“ sagte die Frau.

Sie ließ die Männer baden. Sie badeten und die Frau badete auch. Sie
sahen, daß sie ein hübsches Weib war.

„Hier sollt ihr eine Hütte und eine Falle machen und Tauben fangen!
Wenn die Tauben kommen, werden sie sich in Frauen verwandeln. Wenn
diese baden, sollt ihr ihre Kleider nehmen und laufen!“ sagte die Frau.
Eine Masse Tauben kamen und setzten sich auf die Bäume um den Sumpf.
Unter ihnen war ihr großer Häuptling. Die Tauben flogen ans Ufer und
verwandelten sich in Frauen und nahmen ihre Kleider (tiru) ab. Die
Männer schlichen sich heran, jeder von ihnen nahm drei Kleider und lief
davon. Die Frauen liefen ihnen nach. Der eine warf zwei Kleider fort
und kam mit einem Kleid und einer der Frauen ins Haus. Der andere lief
mit allen drei Kleidern. Die Frauen holten ihn ein und prügelten ihn
ordentlich. Derjenige, der mit einem Kleid gekommen war, kam mit seiner
Frau ins Haus.

„Legt euch schlafen!“ sagte die Schwester Chiquéritunpas.

[Illustration: Abb. 128. Kalebaßschale. Chiriguano. Itapenbia. ¼.]

Der Mann legte sich mit seiner Frau, die die Tochter Chiquéritunpas
war, schlafen. Sie schliefen den ganzen Tag zusammen und am Abend
gebar sie. Am folgenden Tag kam Chiquéritunpa. Er wollte seine Tochter
schlagen. Er schickte nach einem Pferd, einem Esel und einer Stute, um
seine Tochter und seinen Schwiegersohn nach Hause zu bringen. Nachdem
sie gegessen hatten, ritten sie fort.

Der Mann, der von den Frauen geprügelt worden war, weinte. „Weine nicht
so sehr“, sagte die Schwester Chiquéritunpas. Als sie ein Stückchen
geritten waren, trafen sie einen Christen, der arbeitete.

„Was für Arbeit hast du vor?“ fragte der Mann. „Ich will Mandioka und
Mais säen. Hier will ich wohnen und hierhin will ich ein Weib bringen“,
sagte der Christ.

Sie ritten weiter und trafen einen anderen Christen. „Was für Arbeit
hast du vor?“ fragte der Mann. Übel gelaunt antwortete der Christ:
„Hier will ich Hügel mit dornigen Büschen säen.“

Sie setzten ihre Reise fort und trafen einen anderen Christen, der mit
dem Fällen von Bäumen beschäftigt war. „Was für Arbeit hast du vor?“
fragte der Mann. „Ich haue Stangen zur Einzäunung für die Tiere, denn
hier will ich Vieh haben. Alles nehme ich hierher, Kleider werde ich
mir schaffen“, sagte der Christ.

Sie ritten weiter und trafen einen anderen Christen. „Was für Arbeit
hast du vor?“ fragte der Mann. Übel gelaunt antwortete der Christ: „Ich
arbeite, um Steine zu ernten.“

Sie ritten weiter und trafen einen anderen Christen, der tischlerte.
„Was machst du hier?“ fragten sie. „Ich will mir ein Haus bauen, wo ich
Kleider und alles mögliche andere haben will“, antwortete der Christ.

Sie ritten weiter und trafen einen anderen Christen. „Woran arbeitest
du?“ fragte der Mann. Übel gelaunt erwiderte der Christ: „Hier will ich
Chuchio[116] säen, damit niemand passieren kann.“

Als sie nahe dem Hause des Chiquéritunpa waren, sagte dessen Tochter zu
ihrem Mann: „Erst werde ich mit dem Knaben absteigen, der schon gehen
kann. Hierauf sollst du absteigen, und wenn du dich auf die Bank setzt,
sollst du dich nicht wundern, wenn sie sich bewegt. Bewegt sich das
Haus, sollst du dich nicht wundern. Du sollst nicht meine Mutter grüßen
und auch nicht meinen Bruder. Nur den Vater sollst du grüßen.“

Als sie ankamen, stieg sie zuerst ab und trat ein. Ihr folgte der
Knabe, der schon gehen konnte. Zuletzt stieg der Mann vom Pferde. Als
er vom Pferde stieg, verwandelte es sich in einen Haufen Knochen. Er
ging hinein und setzte sich auf einen Schemel. Derselbe bewegte sich,
denn er war eine große Schlange. Er tat, als merke er nichts. Auch das
Haus bewegte sich, er tat aber, als kümmere er sich nicht darum. Zuerst
kam seine Schwiegermutter und grüßte ihn, er beantwortete aber den Gruß
nicht. Darauf kam sein Schwager und grüßte, aber er beantwortete auch
dessen Gruß nicht. Der Schwager schlug ihm vor, sie sollten spielen, er
antwortete ihm aber nicht.

„Heute Nacht sollst du nicht bei mir schlafen. Ich schlafe in einer
Hängematte, mein Sohn in einer und du in einer dritten,“ sagte
Chiquéritunpas Schwester zu ihrem Mann. „Morgen sollst du mit meinem
Bruder spielen“, sagte sie. Sie legten sich nun schlafen.

Am folgenden Tage rief der Hahn früh: „Jesus Christus, Jesus Christus!“
Als der erste Christ, der ihnen begegnet war, nach seinem Acker kam,
fand er ihn voll von Mais und Mandioka und außerdem eine Hütte und ein
hübsches Weib. Der zweite Christ, der geantwortet hatte, er wolle Hügel
mit dornigen Büschen säen, fand seinen Acker in solche verwandelt. Der
dritte Christ fand seine Umzäunung für die Tiere schon fertig und voll
von schönem Vieh. Derjenige, der geantwortet hatte, er wolle Steine
säen, fand seinen Acker voller Steine. Derjenige, der getischlert
hatte, um sich ein Haus zu bauen, fand es schon fertig und voller
Kleider. Derjenige, der übellaunig geantwortet hatte, er wolle Chuchio
säen, fand den Acker in dichtes Gestrüpp verwandelt, durch das niemand
konnte.

[Illustration: Abb. 129. Tongefäß. Chiriguano. Caipipendi. ⅕.]

Chiquéritunpas Sohn schlug seinem Schwager ein Spiel vor.

„Was für ein Spiel?“ sagte er. „Wir wollen das Haus wegrücken“, sagte
Chiquéritunpas Sohn und versetzte es mit einem Arm. Mit seiner ganzen
Stärke rückte der Mann das Haus weg. „Nun wollen wir das Pferd wieder
lebendig machen“, sagte Chiquéritunpas Sohn und hob die Beine des
Pferdes, auf welchem der Mann gekommen war, hoch. Es verwandelte sich
in ein sehr fettes Pferd mit feuersprühendem Mund. Auch dies machte der
Mann nach.

Am folgenden Tag schlug der Mann seinem Schwager, Chiquéritunpas
Sohn, ein Spiel vor. „Was wollen wir spielen?“ sagte er. „Wir wollen
die Sonne herunternehmen“, sagte der Mann. Mit einer langen Rute aus
Chuchio nahm er die Sonne herunter. Es wurde nun so warm, daß sowohl
Chiquéritunpa wie sein Sohn davonliefen. Am folgenden Tag wurde der
Mann Häuptling.

Derjenige, der von den Mädchen Prügel bekommen hatte, denen er ihre
Kleider geraubt hatte, blieb bei der Schwester Chiquéritunpas. Eines
Tages sagte sie zu ihm, er solle nach einem großen See gehen. Dort
solle er tauchen und eine Handvoll Sand heraufholen. Diesen Sand solle
er in das Haus legen. Er ging nun zum See, tauchte und holte eine
Handvoll Sand herauf, den er ins Haus legte. Am folgenden Tage sagte
die Schwester von Chiquéritunpa: „Sieh nun nach, was aus dem Sande
geworden ist!“ An Stelle des Sandes fand er ein hübsches Weib. „Dies
soll deine Frau sein“, sagte Chiquéritunpas Schwester.

Am Tage pflegte er mit ihr am See zu baden. Dort spielte er mit ihr,
liebkoste sie und im Bade bespritzten sie sich mit Wasser.

„Bade nicht mit ihr so viel am See. Denke daran, daß sie nur aus Sand
gemacht ist“, sagte Chiquéritunpas Schwester.

Er hörte nicht auf sie, sondern spielte und koste mit ihr unten am
Seeufer. Eines Tages, als er mit ihr spielte, wurde sie immer schmaler,
bis sie sich zuletzt in einen Haufen Sand verwandelte. Weinend ging der
Mann zur Schwester Chiquéritunpas. Hayma opama! (Und mehr war es nicht).

Diese Sage ist, wie wir sehen, nicht frei von europäischen Elementen.
In ihren Hauptzügen ist sie jedoch rein indianisch. Keine der von mir
hier mitgeteilten Sagen scheint mir so phantasiereich, wie diese.


„Choihuihuis“ Frauenraub.

Erzählt von dem Chanéhäuptling Bóyra.

Es war einmal in alten Zeiten ein großes Trinkgelage. Dort waren
Aguaratunpa, Tatutunpa, Teyuhuasu, Inómu,[117] Choihuihui[118] und
viele andere. Aguaratunpa war gegangen, um Inómu zu holen. Sie blieb
vier Tage und trank mit ihnen. Zuletzt kam ihre Mutter, die sehr
ärgerlich war, daß sie so lange fortgeblieben war. Sie verwandelte
alle, die dort waren, in Vögel und nahm Inómu mit nach Hause. Nur
Aguaratunpa, Tatutunpa und Choihuihui waren dort geblieben. Tatutunpa
ging nach Hause. Aguaratunpa, der keine feste Wohnstätte hatte,
streifte umher und betrog die Menschen. Choihuihui machte sich auch auf
den Weg. Er kam nach einem Hause. Dort wohnte eine verheiratete Frau
mit ihrer Tochter. Er grüßte sie. Sie bot ihm Maisbier und er trank.
Darauf nahm er Abschied und ging. Er blieb jedoch, in einen Choihuihui
verwandelt, ganz in der Nähe, um zu spionieren. Nach einem Weilchen
kam der Mann der Frau nach Hause. Dieser nahm sie mit und sie gingen
nach dem Felde, sie um zu ernten, er um zu graben. Als sie dorthin
gekommen waren, machten sie Feuer an. Er ging, um zu graben, sie blieb
beim Feuer mit der kleinen Tochter und röstete Mais. Choihuihui war
ihnen nachgegangen. Er blieb in der Nähe. Nach einem Weilchen ging die
Frau abseits, um ihre Notdurft zu verrichten. Als sie in den Wald kam,
umschlang Choihuihui sie. In einen Vogel verwandelt, flog er mit ihr
davon.

Da die Mutter nicht zurückkam, begann das Mädchen zu weinen. Als der
Vater dies hörte, ging er dorthin. Er rief seine Frau, aber niemand
hörte. Er suchte sie und fand ihre und Choihuihuis Spur. Vergebens
versuchte er ihnen zu folgen. Nachdem er lange gesucht hatte, suchte er
die Brüder seiner Frau auf, damit sie ihm suchen hälfen. Sie suchten,
fanden aber niemand. Die Brüder glaubten, der Mann habe seine Frau aus
Eifersucht getötet. Als sie an einem großen Baum vorüber kamen, sahen
sie im Gipfel das Nest eines „Tuyuyu“.[119] Die Brüder sagten zu dem
Manne, er solle die Vögel fangen, um sein Kind zu trösten. Da der Baum
einen hohen, geraden Stamm hatte, machten sie eine Leiter und der Mann
kletterte hinauf. Als er bis zum Gipfel des Baumes gekommen war, nahmen
die Brüder die Leiter weg, damit der Mann nicht herunter könne. „Dort
sollst du sitzen bleiben und verhungern, weil du deine Frau getötet
hast“, sagten sie. Der Mann begann zu weinen. Zuletzt schlief er, an
den Stamm gelehnt, ein.

Als er erwachte, saß er in einer Hütte. Neben ihm saßen zwei hübsche
Frauen. Sie fragten ihn, wie er dorthin gekommen sei. Er erzählte nun,
daß ein Mann in sein Haus gekommen sei usw. (hier wird die ganze Sage
wiederholt).

Die Frauen begannen zu lachen. „Avayurupiagua hat deine Frau
fortgeführt“, sagten sie.

Er fragte sie, wer ihr Vater sei. „Er ist nach Itica[120] gegangen, um
Fische[121] zu holen“, sagten sie.

Die Jüngste sagte, er solle bei ihr schlafen, was er tat. Auch die
Älteste wollte bei ihm schlafen. „Wird deine Mutter nicht ärgerlich,
wenn ich es tue?“ sagte er. „Nein, du sollst bei uns schlafen, denn
hierher kommt niemals ein Mann“, sagten sie. Er schlief somit bei
beiden Frauen.

Nach einigen Tagen kam der Vater der Mädchen nach Hause. Er brachte
zwei große Bürden getrockneter Fische mit. Der Vater fragte, wie
er hierher gekommen sei. Er erzählte usw. (hier wird die ganze Sage
wiederholt).

Der Vater sagte, er sei ihm nicht böse, weil er bei seinen beiden
Töchtern geschlafen habe, und versprach ihm seine Hilfe, um die Frau
zurückzubekommen. Sie ist am Itica bei Avayurupiagua,“ sagte er. „Dort
ist ein großes Trinkgelage und wir wollen hin. Du sollst mit mir kommen
und tun, was ich sage. Erst sollst du alle grüßen, und zuletzt sollst
du deine Frau grüßen. Sie wird dich nicht erkennen. Wenn sie dich grüßt
und dir Maisbier anbietet, so schlingst du deine Arme um sie und ich
schlage dich auf den Steiß“, sagte er. Sie begaben sich nun nach Itica.
Als sie dorthin kamen, grüßte der Vater zuerst alle. Zuletzt grüßte der
Mann seine Frau. Sie bot ihm eine Kalebasse Maisbier. Er umschlang sie
und der Alte klopfte ihn auf den Steiß. In einen Tuyuyu verwandelt,
flog er mit seiner Frau davon. Als Avayurupiagua dies sah, stürzte er
ärgerlich in sein Haus, um Bogen und Pfeile zu holen. Er schoß einen
Pfeil nach dem anderen ab, konnte sie aber nicht treffen.

Diese Sage scheint mir vollständig rein von fremden Elementen zu sein.
Mit der hier erwähnten Leiter meint man einen langen Stock, in den man
Trittstufen gehauen hat. Solche wenden besonders die Chiriguanos sowie
die Chanés am Itiyuro stets für die Maisscheunen an, die auf Pfählen
gebaut sind (s. Abb. 84 b).


Wie Aguaratunpa Tatutunpa tötete und dann selbst getötet wurde.

Erzählt von dem Chanéhäuptling Batirayu.

Es waren einmal in alter Zeit zwei verrückte Mädchen. Nicht weit davon
wohnte Tatutunpa. Sie hörten ihn so schön auf seinem „huiramimbi“ (s.
Abb. 80 a) pfeifen. Die eine sagte zu der anderen: „Wir wollen hingehen
und sehen, wer so schön spielt.“ Sie gingen zu Tatutunpa, der in seiner
Hängematte lag. Tatutunpa nahm das jüngste der Mädchen zur Frau.

Aguaratunpa hatte erfahren, daß die Mädchen sich zu Tatutunpa begeben
hatten. Er ging hin, verbarg sich in dem Acker, wo Tatutunpa arbeitete
und tötete ihn mit einem Knüppel. Hierauf zog er vorsichtig die
Kopfhaut ab und bekleidete sich damit. Auf diese Weise dem Tatutunpa
gleichend, ging er zu dessen Hütte.

„Sieh, dort kommt dein Mann“, sagte die ältere Schwester. Sie stellte
Essen auf den Tisch. Da Tatutunpa sehr wenig zu essen pflegte, nur ein
paar Bohnen und eine kleine Schale Maisbier, trug sie nicht mehr auf.
Als Aguaratunpa kam, aß er alles auf und verlangte noch mehr. Als er
dies gegessen hatte, verlangte er noch mehr. Das Mädchen fragte sich,
ob dies wirklich ihr Mann sein könne, der so viel aß, es konnte ja aber
kein anderer sein.

Am Abend bat Aguaratunpa seine Frau, sie möchte ihn lausen. Sie
setzte sich und suchte Läuse auf dem Kopfe Aguaratunpas. Während sie
suchte, schlief Aguaratunpa ein. Sie sah da, daß die Haut auf seinem
Kopf zusammengenäht war, und verstand, daß er ihren Mann getötet und
abgehäutet hatte. Sie erzählte dies ihrer Schwester, und sie töteten
Aguaratunpa mit einen Knüppel.


Der Mann, der Añatunpa verbrannte.

Erzählt von dem Chiriguanoindianer Yambási am Rio Grande.

Wenn die Menschen Honig sammelten, suchte Añatunpa[122] sie auf und
fraß sie auf.

Es war einmal ein Mann, der Honig sammelte. Da kam Añatunpa und fragte
ihn, was er tue. „Ich sammle Honig“, sagte der Mann. „Fahre damit
fort“, sagte Añatunpa. Als der Mann genug gesammelt hatte, tötete
er ihn und warf ihn Dyóri hin, der ihn auffraß und sogar das Blut
aufleckte. Auf diese Weise tötete Añatunpa viele Menschen.

Ein Mann war ausgegangen, um Honig zu sammeln. Der Tukan[123] sagte
zu ihm: „Wenn Añatunpa kommt, so bitte ihn, dich nach seinem Hause zu
tragen und dich dort zu töten.“

Während der Mann Honig sammelte, kam Añatunpa. „Was willst du?“ fragte
der Mann.

„Ich will dich auffressen“, sagte Añatunpa.

„Tue das nicht hier, sondern trag mich nach deinem Hause und friß mich
dort auf“, sagte der Mann. Añatunpa nahm nun den Mann auf den Nacken
und trug ihn zu sich.

„Brich Zweige ab und mache auf dem Nacken Añatunpas Feuer an“, sagte
der Tukan. Als Añatunpa durch das dichte Gestrüpp ging, brach der Mann
Zweige und Äste ab und machte auf dem Nacken Añatunpas vorsichtig Feuer
an.

[Illustration: Abb. 130. Silberne Nadel zur Befestigung des Tiru. Die
Form indianisch, die Ornamente spanisch. Chiriguano. Parapiti. ⅓.]

„Wenn du an einen niedrigen Zweig kommst, so klammere dich fest!“ sagte
der Tukan zum Manne. Das tat dieser. Bald merkte Añatunpa, daß es ihm
im Nacken brenne und begann zu laufen. Das Feuer nahm zu. Seine Haare
fingen Feuer und bald verbrannte Añatunpa vollständig und starb.


Der Mann, der Añatunpa tötete.

Erzählt von dem Chiriguanoindianer Yambási am Rio Grande.

Añatunpa fraß alle Menschen auf, die er erwischen konnte. Da kam ein
Mann, der zu Añatunpas Höhle Holz trug. „Komm, wir wollen spielen!“
sagte Añatunpa.

„Was für ein Spiel?“ sagte der Mann.

„Du sollst mir mit einer Axt einen Hieb vor die Stirn versetzen, und
wenn ich nicht sterbe, schlage ich dich“, sagte Añatunpa.

Añatunpa stellte sich gerade auf, reichte dem Mann die Stirn und dieser
schlug ihn mitten auf dieselbe. Da Añatunpas Stirn hart wie Eisen war,
tat ihm dies nichts. Añatunpa gab nun dem Mann einen Schlag vor die
Stirn, tötete ihn und warf ihn Dyóri zu, der ihn auffraß.

Ein anderes Mal kam ein anderer Mann zu Añatunpas Höhle. Añatunpa
schlug ihm dasselbe Spiel vor. Eine Fliege „Mbéru“ rief ihm da zu,
er solle ihn nicht auf die Stirn, sondern in den Nacken hauen. Als
Añatunpa sich mit geschlossenen Augen aufstellte, um den Hieb zu
erhalten, ging der Mann hinter ihn, hieb ihn in den Nacken und Añatunpa
fiel tot nieder. Dyóri fragte ihn, wie er habe Añatunpa töten können.
Der Mann erzählte ihm, was Mbéru gesagt hatte.

„Sehr gut“, sagte Dyóri.


Wie Bisose Reichtümer aus dem Berge holte.

Erzählt von dem Chanéindianer Batirayu.

Ein Chané, Bisose, wollte in einem tiefen Pfuhl angeln. Erst angelte er
viele kleine Fische. Plötzlich angelte er einen so großen Fisch, daß er
ihn nicht heraufzuziehen vermochte. Er ging erst um den Pfuhl herum,
weil er Angst hatte, hineinzugehen. Schließlich stieg er vorsichtig ins
Wasser, indem er der Angelschnur mit der Hand folgte. Als er in tiefes
Wasser gekommen war, fühlte er, daß ihn jemand ums Bein faßte und in
die Tiefe zog. Es war die große Schlange „Boyhuasu“. Diese führte
Bisose im Gebirge umher und nach los Campos del guanaco. Schließlich
führte sie ihn durch einen engen Paß in den Berg hinein. Dort gab sie
ihm blaue Steine und Silber. Bisose belud sich damit. Als er aus dem
Paß herauswollte, war er so eng, daß er nur wenig mitnehmen konnte.
Deshalb sind diese Steine und Silbersachen so selten. Boyhuasu führte
ihn dann zum Pfuhl zurück. Er kam an derselben Stelle heraus, wo er ins
Wasser gestiegen war.

In dieser Sage werden unter den Kostbarkeiten, die Bisose aus der Tiefe
holte, blaue Steine erwähnt. Durchbohrte Türkise und Chrysocol schätzen
diese Indianer auch als Halskettenperlen hoch.


Der Fuchs und der Jaguar.

Erzählt von dem Chanéhäuptling Bóyra.

Der Fuchs traf den Jaguar in seinem Acker. Dieser war mit Säen
beschäftigt.

„Willst du, daß ich dir helfen soll, Onkel?“ sagte der Fuchs.

„Ja, Neffe. Ich will mir die Grabestöcke holen“, sagte der Jaguar.

„Das will ich“, sagte der Fuchs und ging zur Hütte des Jaguars.

Als er dorthin gekommen war, sagte er zur Frau des Jaguars: „Ich schäme
mich, dir mein Anliegen zu sagen.“

„Wieso?“ sagte sie.

„Ja,“ sagte der Fuchs, „der Jaguar hat mich hierher geschickt, damit
ich bei dir und deinen beiden Töchtern schlafe.“ Das glaubte die Frau
des Jaguars nicht.

„Ja, es ist wahr,“ sagte der Fuchs. „Du sollst hören, was er sagt,“ und
nun rief er: „Soll ich sie alle nehmen?“

„Alle“, rief der Jaguar als Antwort.

Der Fuchs schlief nun zuerst bei der Frau des Jaguars und dann bei der
ältesten Tochter und dann bei der jüngeren. Sie war noch Jungfer, und
er tat ihr weh.[124] Darauf ging der Fuchs weg. Er lief im Grase, damit
die Spuren nicht sichtbar wären. Er sprang auf einen langen Holzstamm.
Zuletzt kam er an einen Pfuhl. Er tauchte unter und kam an der anderen
Seite wieder herauf. Er lief, was er laufen konnte, bis er zu einem
Baum mit dornigem Stamm kam. Er kroch an demselben hinauf und legte
sich schlafen. „Hier will ich liegen und von der Frau und den Töchtern
des Jaguars träumen, bei denen ich geschlafen habe“, sagte der Fuchs.
Er legte sich hin und schlief ein.

Als der Jaguar merkte, daß der Fuchs nicht mit den Grabehölzern kam,
dachte er: „Ich will doch nachsehen, was aus dem Fuchs geworden ist.
Der Fuchs ist doch ein Schwindler.“

Als der Jaguar nach seinem Hause kam, sagte seine Frau zu ihm: „Wie
kannst du so grausam sein und den Fuchs herschicken, daß er bei uns
schlafe?“

Ergrimmt machte sich der Jaguar auf den Weg, um den Fuchs zu suchen. Er
folgte seinen Spuren und kam zu dem Pfuhl, wo die Spuren des Fuchses
ein Ende nahmen. Überall suchte er ihn. Schließlich verstand er, daß
der Fuchs in den Pfuhl getaucht war. Der Jaguar tauchte nun auch nieder
und fand die Spuren des Fuchses auf der anderen Seite. Er folgte ihnen
und kam zu dem Baume. Überall um den Baum suchte er die Fortsetzung
der Spuren, fand sie aber nicht. Da sah er auf und sah den Fuchs, der
schlief. Er kletterte hinauf, brach vorsichtig einen Zweig ab und
kitzelte den Fuchs in den Nasenlöchern. Dieser nieste, wischte sich die
Nase und sagte: „Können die Moskitos mich nicht in Ruhe lassen, wo ich
gerade von der Frau und den Töchtern des Jaguars träume, bei denen ich
geschlafen habe!“

[Illustration: Abb. 131. Brustschmuck aus Silber. Chiriguano.
Caipipendi. Wird von Männern getragen.]

Nun kitzelte ihn der Jaguar etwas kräftiger, und der Fuchs erwachte.
Der Jaguar machte sich bereit, ihn zu packen.

Der Fuchs kroch zusammen, und da der Jaguar zögerte, ihn zu fassen,
sprang er mit einem Satz zur Erde und begann zu laufen, alles was er
laufen konnte. Der Jaguar verfolgte ihn. Schließlich ermattete der
Fuchs jedoch, und der Jaguar fing ihn und verschluckte ihn. Der Fuchs
wurde im Magen des Jaguars wieder lebendig. Dieser brach ihn aus. Der
Jaguar fraß den Fuchs wieder auf, dieser wurde aber wieder in seinem
Magen lebendig und wieder ausgeworfen. Wiederum fraß der Jaguar den
Fuchs auf, der wieder lebendig wurde usw.

Diese Sage hat eine weite Verbreitung. In etwas verschiedener Form habe
ich sie in Carmen in Mojos erzählen hören.


Als die Schildkröte „Carumbe“ den Jaguar tötete.

Erzählt von dem Chiriguanoindianer Yambási.

Es war einmal ein großes Trinkgelage. Dort waren Aguaratunpa,
Carumbe und „Taturapua“ (das Kugelgürteltier). Der kleine Sohn der
Schildkröte weinte. Da man ihn fragte, warum er weine, sagte er, er
wolle die Krallen des Jaguars haben, um damit zu spielen. Die Frau der
Schildkröte sagte zu ihrem Manne, er solle die Krallen des Jaguars
holen, damit der Kleine damit spielen könne.

Die Schildkröte machte sich auf den Weg und kam zu einem Stamm „samuo“
mit großen, scharfen Dornen. Dort blieb sie stehen und wartete auf den
Jaguar. In der Entfernung hörte sie sein Brüllen. Der Jaguar kam, immer
brüllend, näher und fand die Schildkröte am Fuße des Baumes.

„Was tust du hier?“ sagte der Jaguar.

„Ich spiele“, sagte die Schildkröte.

„Wie geht das zu?“ sagte der Jaguar.

„Ich klettere auf den Samuo hinauf und dann rolle ich herunter“, sagte
die Schildkröte.

„Laß mich sehen“, sagte der Jaguar, der Lust hatte, die Schildkröte
aufzufressen.

Diese kletterte am Stamme bis zum Gipfel hinauf und rollte herab, ohne
sich zu beschädigen. Dies machte dem Jaguar Spaß, und die Schildkröte
mußte wieder hinaufklettern. Wieder rollte sie herunter, ohne sich zu
beschädigen. Der Jaguar wollte es auch versuchen. Er kletterte hinauf
und rollte herunter, riß sich aber an den Dornen alle seine Eingeweide
auf und starb.

Die Schildkröte nahm die Krallen des Jaguars als Spielzeug für ihren
kleinen Sohn mit nach Hause.


Die Liebessage des Kolibris.

Erzählt von dem Chiriguanoindianer Yambási.

Es waren zwei Mädchen, die Chinu (Kolibri) die Flöte spielen hörten. Er
spielte so schön, daß eins der Mädchen sagte: „Ihn will ich zum Manne
haben.“ Sie suchte den Kolibri auf und schlief bei ihm.

„Wir wollen in mein Haus gehen“, sagte der Kolibri. Als sie dorthin
kamen, war es so klein, daß das Mädchen keinen Platz fand. Sie ging
deshalb in ihr Dorf zurück.

Am Abend kam der Kolibri vor das Dorf und spielte Flöte, um sie zu
locken. Das Mädchen lauschte und sagte: „Der Kolibri ist’s, der
spielt.“ Sie ging aber nicht mehr zu ihm. Jeden Abend kam der Kolibri
vor das Dorf und spielte seine schönsten Weisen, das Mädchen wollte
aber nicht mit ihm gehen, der eine so kleine Hütte hatte.


Als die Zecke, Yatéu, mit dem Strauß, Yándu, um die Wette lief.

Die Zecke und der Strauß wollten einen Wettlauf veranstalten, um zu
sehen, wer am besten laufen konnte. Als sie zu laufen begannen, hüpfte
die Zecke auf den Strauß und biß sich in den Augenwinkeln fest.

Als der Strauß eine Strecke gelaufen war, schielte er nach der Seite,
um zu sehen, ob die Zecke auch mit war. Da sie in dem Augenwinkel war,
sah er sie an seiner Seite.

Der Strauß beeilte sich. Als er ein Stückchen gelaufen war, schielte er
wieder zur Seite und sah, daß die Zecke noch an seiner Seite war.

Der Strauß lief aus Leibeskräften. Als er dem Ziele ganz nahe war,
hüpfte die Zecke von dem Augenwinkel und kam als erster an.

Die Zecke hatte den Wettlauf gewonnen.

Diese kleinen Tiersagen haben eine ungeheuere Verbreitung. So finden
wir die Sage von der Schildkröte und dem Jaguar beinahe unverändert in
Santarem an dem Zusammenfluß des Rio Tapajo in den Amazonenstrom.[125]

Auch ähnliche Wettlaufsagen sind von der Küste Brasiliens bekannt.[125]
Diese letzteren finden sich, wie bekannt, auch bei uns.

Man hat, wie schon erwähnt, nachgewiesen,[126] daß gewisse Sagen von
Nordamerika und Asien bis nach Südamerika heruntergewandert sind. Da
hier indessen nicht der rechte Platz zu vergleichenden Studien über die
von mir gesammelten Sagen ist, habe ich mich damit begnügt, nur das
Material vorzulegen.

Wie wir gesehen haben, lernen wir aus den Sagen einen Teil der
religiösen Vorstellungen der Indianer verstehen. Sie sind auch aus dem
Gesichtspunkt interessant, daß in ihnen eine ganze Menge kleiner Züge
aus dem Leben der Indianer wiedergegeben werden. Sie geben uns einen
Einblick in ihre Phantasiewelt.

Nur der Inhalt der von mir gesammelten Sagen, nicht die Form, ist
als Forschungsmaterial verwendbar. Ich hoffe, daß besonders die
eingeborenen südamerikanischen Ethnographen die von mir gemachten
Sammlungen fortsetzen und die Sagen auch in den Originalsprachen
aufzeichnen werden. Um dies zu können, ist jedoch eine vollständige
Beherrschung derselben notwendig. Die beste Methode wäre, die Indianer
diese Sagen in einen Phonographen sprechen zu lassen.


Die Indianer und die Naturerscheinungen.

In einer der Chanésagen wird erzählt, wie Yahuéte, der zweiköpfige
Jaguar, im Begriffe war, den Mond aufzufressen. Maringay nannte Yahuéte
„Yahuaróhui“. Sonnen- und Mondfinsternisse erklären diese Indianer
so, daß Sonne und Mond von Yahuéte angegriffen werden. Die Chorotis
sprechen, wie schon erwähnt, auch von einem Raubtier, das die Sonne und
den Mond anfällt.

Wandert man in einer sternklaren Nacht mit einem Indianer durch Wald
und Flur, so ist der Sternhimmel sein Kompaß und seine Uhr. Er deutet
auf den Orion oder auf ein anderes Sternbild hin und zeigt, wieviel es
sich weiter bewegt hat, bis man ankommt.

Er gibt nicht vielen Sternbildern Namen, er kennt sie aber alle. Den
dem südlichsten Kreuz am nächsten liegenden Teil der Milchstraße
nennen die Chanés „yándurape“, d. h. Straußweg, das südliche Kreuz
nebst einigen nahegelegenen Sternen ist „yánduinyaka“, der Kopf des
Straußes, die beiden größten Sterne im Zentaur sind „yánduipoy“,
Halskette des Straußes, die Venus heißt „coemilla“, Morgen, Orion mit
dem Dolche „húirayúasa (Vögel begegnen sich). Ein anderes Sternbild
ist „huázupucu“, Rehbockhorn, ein anderes „borévi“ Tapir. Die Plejaden
nennen sie „ychu“, die Bedeutung des Namens wissen sie aber nicht, und
dies ist das wichtigste Sternbild von allen.

Sitzt man mit den Indianern in der Hütte, so können sie den Platz der
wichtigsten Sternbilder am Himmel bezeichnen, ohne sie zu sehen. Sie
kennen ihre Lage zu allen Jahreszeiten.

Der Sternhimmel ist nicht nur die Uhr und der Kompaß der Indianer. Er
ist auch ihr Kalender. Eine besonders wichtige Rolle spielen dabei
hier, wie bei anderen Indianern, die Plejaden. Wenn sie zuerst in der
Morgendämmerung am Horizonte sichtbar werden, so ist die geeignete
Zeit für die Maissaat gekommen. Daß gerade dieses relativ unbedeutende
Sternbild eine so große Rolle in der Astronomie der Indianer spielt,
hat zu phantastischen Spekulationen über babylonischen Einfluß Anlaß
gegeben.

Fragt man einen Indianer nach der Größe der Sterne und ihren Abstand
von uns, so stehen sie unschlüssig da und antworten am liebsten gar
nicht. Sie verstehen gleichwohl, daß sie weit entfernt sein müssen.

In den Sagen spielen die Sterne keine große Rolle. Der
Chiriguanohäuptling Maringay erzählte jedoch, es war einmal ein Bruder,
der mit seinem Schwesterchen spielte. Sie suchten sich zu haschen,
sangen und sprangen. Nun sitzen sie als zwei Sterne am Himmelsgewölbe.

Zwei Sternhaufen im Süden des südlichen Himmelsgewölbes sind die Asche
eines alten Mannes und einer alten Frau, sagte einmal ein Chiriguano zu
mir. Es war eines Abends im August.

Die Sonne ist in der Sage ein Mann und der Mond eine Frau. Einem alten
Mann, der Sonne, stahlen die Chanékinder das Feuer, und unter dem Tiru
der Mondfrau verbarg sich der zweiköpfige Yahuéte, als er von dem Sohn
des Gürteltiergottes verfolgt wurde.

Die Ab- und Zunahme des Mondes hing nach Maringays Erklärung davon ab,
daß ein größeres oder kleineres Stück desselben in das Himmelsgewölbe
gesteckt wird.

Die Sonne geht über dem Wasser auf und leuchtet uns dann am Tage. Am
Abend steigt sie wieder ins Wasser, und des Abends leuchtet sie den
anderen Menschen jenseits der Erde. So dachte sich Maringay den Lauf
der Sonne. Ich glaube jedoch, daß er dies von den Weißen gelernt hat.

Wenn ein Meteor, „baeréndi“, niederfällt, bedeutet es den Tod eines
Häuptlings. Über eine Sternschnuppe sagten die Chanés am Rio Parapiti:
„Er geht, um bei seinem Mädchen zu schlafen.“ Maringay war in seiner
Erklärung realistischer. „Der Stern läßt etwas fallen“, sagte der Alte.

Wenn es donnert, geht Chiquéritunpa um. Die Medizinmänner, „ipáye“,
können Regen machen. Wenn die Schwalben „máchurupimpi“, niedrig
fliegen, regnet es, sagen die Indianer. Ein anderer Vogel, „chóncho“,
verkündet Regen. Reist man, so soll man nicht einen Krug ins Wasser
stecken, sondern das Wasser mit einer Kalebasse schöpfen, sonst
regnet es. In einer mir von den Chanés am Rio Itiyuro erzählten
Weltuntergangssage geht die Welt durch Wasser unter. Die Chanés am Rio
Parapiti erzählten mir, wie die Welt durch einen Sturm untergegangen
sei. Der Wind spielt sonst in den Sagen eine unbedeutende Rolle. Setzt
man einen erwärmten Krug in rinnendes Wasser, so kommt Sturm, sagen die
Chanés am Rio Parapiti. Der Regenbogen, „yii“, ist eine Schlange.


Fußnoten:

[92] Tocay ist eine Hütte, in welcher der Jäger verborgen liegt, um von
dort Vögel mit Schlinge oder Pfeil zu fangen.

[93] Der Große Geist (s. S. 257).

[94] Feuerzeug aus Holzstäbchen.

[95] Ein anderer Chané erzählte mir, daß der Frosch das Feuer vom
schwarzen Geier gestohlen habe.

[96] Domenico del Campana: l. c. S. 22.

[97] Ehrenreich: l. c. S. 30-31.

[98] Im Thurn: Among the Indians of Guyana. London 1883, l. c. S. 375.

[99] Vgl. Domenico del Campana: l. c. S. 39.

[100] Ava = Chiriguano.

[101] Dies ist sicher ein moderner Zusatz zur Sage. Dasselbe finden wir
in einer hier wiedergegebenen Matacosage.

[102] Lagostomus.

[103] Wahrscheinlich eine Carambycide.

[104] Vgl. S. 51.

[105] Kürbis einer wohlschmeckenden Art.

[106] Ara = Himmelsgewölbe, Weltraum.

[107] Gemildert.

[108] Huirapucu ist ein weiches Holz (Salix Humboldtiana).

[109] „Urundey“ ist rotes Quebracho oder nahestehend.

[110] Dyori wird immer als der Unersättliche geschildert. Er entspricht
dem Móconomóco in den Sagen von Mojos.

[111] Eine große Wildkatze.

[112] Puma (Felix concolor).

[113] Gemildert.

[114] d’Orbigny. Voyage dans l’Amérique Méridionale. T. 3, I. Paris
1834, S. 212.

[115] = Mistol.

[116] Siehe S. 166.

[117] Inómus Geschichte ist im Vorhergehenden erzählt.

[118] Ein Vogel.

[119] Wahrscheinlich Flamingo.

[120] Rio Pilcomayo.

[121] S. 139 wird der bedeutende Handel mit getrockneten Fischen, der
zwischen den Stämmen betrieben wird, geschildert.

[122] Hier wird nicht gesagt, welcher Añatunpa gemeint ist.

[123] Rhamphastus.

[124] Gemildert.

[125] Vgl. Fredr. Hartt: Tortoise Myths. Rio de Janeiro 1875.

[126] Ehrenreich: l. c.




+Achtzehntes Kapitel.+

=Aus dem Leben der Chané- und Chiriguanoindianer= (Forts.).


Die katholischen Missionen unter den Chiriguanos.

Allmählich müssen alle Indianer unter den Einfluß der Weißen kommen.
Das ist unvermeidlich. Mit jedem Tage vermindern sich die Gebiete, in
denen sie noch unabhängig leben. Sobald ihre Gebiete erobert sind,
werden sie auf die eine oder andere Weise gezwungen, für die Weißen
zu arbeiten und kommen in vollständige Abhängigkeit von ihnen. In der
Regel werden sie auch schlecht behandelt, ausgesogen und moralisch
verdorben.

Es ist deshalb ein Glück im Unglück, daß es aufopfernde Menschen
gegeben hat und gibt, die etwas getan haben und tun wollen, um den
Indianern zu helfen. Diese Menschen sind die Missionare. Es läßt sich
nicht leugnen, daß diese eine bedeutende zivilisatorische Arbeit unter
ihnen versucht und auch vorgenommen haben. Enthusiasmus und Wille
zur Aufopferung sind erforderlich, um Missionar zu werden. Seines
Vergnügens wegen kann kein Mensch sein ganzes Leben in Gegenden leben,
wo die Einsamkeit auf die Dauer schrecklich sein muß und wo das Leben
keine Zerstreuungen oder Genüsse gewährt.

Für den Missionar ist die religiöse Bekehrungsarbeit die Hauptsache.
Er will die Seelen aus der Hölle „tatahuasurenda“[127] erretten.
Glücklicherweise sind die katholischen Missionare klug genug, auch ein
wenig an dieses Leben zu denken und eine Verbesserung der materiellen
Daseinsbedingungen der Indianer zu erstreben.

Der Indianer, der ein unabhängiges Leben liebt, aber mit in den
Zivilisationstanz hineingezwungen wird, will kein Missionskind werden,
wählt dieses aber als das geringere Übel. In der Mission steht er unter
Vormunden, aber nicht unter Unterdrückern.

Als mein Freund, der Chanéindianer Batirayu, von dem ich hier mehrmals
gesprochen habe, mich fragte, ob es nicht das beste sei, die Missionare
zu bitten, zu den Chanés am Rio Parapiti zu kommen, dachte er sie sich
als Retter von der Bedrückung der weißen Herren.

Als ich den Chiriguanohäuptling Maringay fragte, ob er nicht wolle, daß
die Missionare nach seinem Dorfe kämen, wurde der Alte ganz aufgebracht
und sagte mürrisch: „Ich habe wohl nichts Böses getan.“

Die größte Bedeutung der Missionare liegt darin, daß sie die Indianer
von der Bedrückung und den Lastern der Weißen zu schützen suchen.
Mit Freude habe ich gesehen, wie die Missionare den Branntwein, den
verdammten Branntwein, in den Missionsstationen verbieten.

Ich glaube dennoch nicht an die Zukunft der Missionen. Sie scheinen
mir zum Verschwinden verurteilt zu sein. In demselben Maße, wie die
Indianer von den übrigen Weißen besser behandelt werden und für
ihre Arbeit eine ordentliche Entschädigung erhalten, werden sie die
Missionen verlassen und sich der Bevormundung der Franziskanermönche
entziehen.

Immer aber werden die Missionare die Ehre haben, daß sie die Indianer
wenigstens etwas vor den anderen Christen zu schützen versucht haben.
Ehre haben sie auch mit den Studien, die sie über Sprache, Sitten und
Gebräuche der Indianer gemacht haben, eingelegt.


Die Furcht vor den Gummigegenden.

In einem vorhergehenden Kapitel habe ich über die Wanderung der
Indianer nach Argentinien gesprochen. Im nördlichsten Gebiet der
Chiriguanoindianer findet noch eine andere Auswanderung statt. Sie
unterscheidet sich von der ersteren u. a. dadurch, daß sie nicht
freiwillig ist. Es handelt sich um die Gummigegenden im nordöstlichen
Bolivia. Jeder Indianer, der nach den argentinischen Zuckerfabriken
geht, weiß, daß er, wenn kein Unglück eintrifft, wieder zurückkommt.
Keiner hält ihn mit Gewalt zurück. Von den Gummigegenden kommt dagegen
niemals einer wieder.

[Illustration: Abb. 132. Chanékinder. Rio Parapiti.]

Ist es wahr, sagen sie, daß dort ein Riese ist, der Menschen frißt? Ist
es wahr, daß die Menschen zu Gummi gemahlen werden? Ist es wahr, daß
das Fleisch, das in Blechbüchsen kommt, von Menschen ist? Dies sind
Fragen, welche die Indianer an mich gerichtet haben.

Auf eine schamlose Weise sind die Chiriguanoindianer, besonders
vom Caipipendital, nach den Gummigegenden im nördlichen Bolivia
gelockt worden, wo sie als Arbeiter verkauft worden sind. Unter
Bewachung bewaffneter Leute sind sie über Quatro-Ojos den Rio Mamoré
heruntergebracht worden.

Über das Verhältnis der Indianer zu der Gummiindustrie habe ich jedoch
bessere Gelegenheit in dem Buche zu sprechen, in welchem ich über
die Studien, welche ich in den Gummigegenden selbst und unter den
Indianern, die in der Nähe derselben liegen, berichten werde.[128] Ich
gehe deshalb hier nicht näher auf diese Frage ein.


Frondienste für die Weißen.

Die Chiriguanos und Chanés, die in ihrem eigenen Land bei der
zugezogenen weißen Rasse als Diener arbeiten, sind außerordentlich
schlecht bezahlt. Dies gilt besonders für abgelegene Gegenden, wo die
infolge der Konkurrenz höheren Arbeitspreise in den argentinischen
Zuckerfabriken nicht auf die Löhne haben zurückwirken können. Den
Chanés am Rio Parapiti wird z. B. selten mehr als 20 Centavos (nicht
ganz 35 Pf.) pro Tag nebst Kost bezahlt. Die Frauen verdienen ungefähr
halb soviel. Der Verdienst wird den Indianern teils in Branntwein
und Zucker, teils in Zeug und Werkzeug ausbezahlt. Das Zeug ist so
schlecht, daß ein Hemd aus einem solchen Stoff nicht viel länger
reicht, als die Zeit, die zum Verdienen desselben gebraucht wird.
Infolge dieses Systems fangen auch die Chanés und Chiriguanos an, wie
ihre Stammfreunde in den Gummigegenden im nordöstlichen Bolivia, der
Schuldsklaverei zu verfallen.

Zu hoffen ist, daß die vom Ingenieur Herrmann in Gang gesetzten
großen Anlagen in San Franzisko am Rio Pilcomayo die indianischen
Lohnverhältnisse im allgemeinen verbessern werden. Bezahlt er besser
als andere, so kommen alle Indianer zu ihm, und die übrigen Arbeitgeber
müssen die Löhne erhöhen.

[Illustration: Abb. 133. Tongefäß. ⅑. Chiriguano. Caipipendi.]

Die Chiriguanos und Chanés sind somit auf dem besten Wege, in den alles
andere als glücklichen Kampf zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
hineinzugeraten.

Die bolivianische Regierung sollte dafür sorgen, daß die Felder der
Indianer ins Grundbuch eingetragen werden, damit die Weißen sich nicht
ihrer bemächtigen können. Die Regierung müßte auch die Bedingung
aufstellen, daß kein Indianer sein Land verkaufen darf. Auf diese Weise
würde die Regierung den Indianern das Besitzrecht am Lande, aber nicht
das Eigentumsrecht an demselben zusichern.

Die Unsicherheit und die gedrückten Lohnverhältnisse, unter denen diese
Indianer leben, tragen natürlich zur Auswanderung nach Argentinien
und vor allem dazu bei, daß viele Indianer das Land nicht nur als
Saisonarbeiter, sondern für immer verlassen.

Will die bolivianische Regierung etwas für die Indianer tun, so
muß sie in erster Reihe ein Mittel gegen das schlimmste Übel, und
zwar den Alkoholismus, zu finden suchen. Zwischen Maisbier- und
Branntweintrinken ist nämlich ein ungeheurer Unterschied.

Ein Indianer, der sich in einheimischen Getränken betrunken hat, ist
niemals so auf Streit und Schlägerei erpicht, wie derjenige, der von
der Höllensuppe der Weißen gekostet hat. Außer daß der Branntwein
die Moral und Gesundheit der Indianer schädigt, ruiniert er sie
vollständig. Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie ein
Indianer für ein Fäßchen Branntwein seine beste Kuh hergeben kann.

Die Brennerei für den eigenen Bedarf ist in Bolivia noch gestattet. Sie
müßte verboten werden, ebenso, daß jeder an beliebiger Stelle Alkohol
verkaufen darf.

Ganz unvernünftig ist das bolivianische Militärgesetz, das die Indianer
zwingt, Militärdienst zu verrichten. Dasselbe kommt zwar sehr selten
zur Anwendung, wenn es aber geschieht, und wenn die Behörde einen
Jüngling zum Militärdienst abholt, ist er selbst und alle anderen
Indianer in der Gegend mit ihm außer sich vor Schreck. Man kann nicht
verlangen, daß die Indianer an der Verteidigung des Vaterlandes
teilnehmen, bevor sie dieselben Rechte wie andere Bürger haben und
wissen, welches ihr Vaterland ist.

Es ist unrecht, zu verlangen, daß sie helfen sollen, Bolivia zu
verteidigen, die Weißen zu verteidigen, die ihnen, ihren Begriffen
nach, ihr Land gestohlen haben. Auch die Chiriguanos und Chanés lieben
ihr Land, aber dieses Vaterland sind nur die Täler und Wälder, in denen
ihre Väter gerodet und ihre Mütter Tongefäße für die Feste gemalt haben.

Während der Entwicklungsperiode, die Bolivia jetzt durchmacht, ist
es wichtig, sich die indianische Arbeitskraft auch hier im Lande der
Chané- und Chiriguanoindianer zunutze zu machen.

Trotz ihrer eigenartigen Kultur setze ich keine großen Hoffnungen auf
die Zukunft der Chiriguano- und Chanéindianer. Sie werden indessen als
ein wichtiges Element der Mestizenrasse einverleibt werden, die in
Zukunft allein über die Trockenwälder des Parapititales und die letzten
Ausläufer der Anden nach El Gran Chaco herrschen wird.

Allmählich vergessen sie wohl ihre Sagen von Tatutunpa und Aguaratunpa
und den anderen Göttern.

Die Nachkommen Maringays, Vocapoys und der anderen werden dann
vielleicht studieren, was über ihre Vorväter in diesem Buche
geschrieben ist, das in einem Lande gedruckt ist, wo der Mais nicht
reift und die Palmen nur unter Glas wachsen. Sie werden vielleicht nach
Norden fliegen, um die Schmucksachen zu sehen, mit denen die Alten
bekleidet waren, und die schöngemalten Trinkgefäße, in welchen ihre
Stammütter das Maisbier zu den Festen gereicht haben.


Fußnoten:

[127] Tatahuasurenda = wo das große Feuer ist. Guaraniwort, von den
Missionaren erfunden.

[128] Ist unter dem Titel „Indianer och hvita i nordöstra Bolivia“,
Stockholm 1911, auf Schwedisch erschienen.




+Neunzehntes Kapitel.+

Die Tapieteindianer.


Zu diesen Indianern.

Hier habe ich zwei verschiedene indianische Kulturen geschildert, teils
eine, die wir bei den noch ursprünglichen Chorotis und Ashluslays
kennen gelernt haben, teils eine, die wir am Fuße der Anden bei den
halbzivilisierten Chanés und Chiriguanos angetroffen haben. Die
Indianer, über die ich hier berichten will, sind dadurch bemerkenswert,
daß sie die materielle Kultur der ersteren und die Sprache der
letzteren (Guarani) haben.

Ende Juli 1908 verweilte ich über eine Woche bei dem Tapietehäuptling
Yaré am Rio Pilcomayo, und im August desselben Jahres besuchte ich
ihre wilden, unzuverlässigen Stammfreunde am Rio Parapiti, welche dort
Yanayguas genannt werden.

Dieser letztere Besuch war recht abenteuerlich.

Mit Isiporenda am Rio Parapiti als Ausgangspunkt, hatte ich mit einem
Chiriguanoindianer als Dolmetscher ein kleines Yanayguadorf besucht,
aus dem die Indianer zu kommen pflegten, um bei den Chanés und manchmal
auch bei den Weißen Arbeit zu suchen. Dort hörte ich von einem großen
Yanayguadorf, das verborgen im Walde liegen sollte. Ein Yanaygua wurde
zu diesen Indianern mit einer Einladung geschickt, mich zu besuchen. Am
folgenden Tage kam er mit der Antwort. Sie lautete: „Haben die weißen
Männer uns etwas zu sagen, so mögen sie zu uns kommen.“ Sie selbst
wollten nicht zu dem weißen Mann kommen, der sie möglicherweise fangen
und nach den Gummigegenden verkaufen wollte.

Ich entschloß mich sofort für die Visite. Meine schwedischen Begleiter
waren natürlich sofort zu dem Abenteuer bereit, und der Dolmetscher,
der die Segnungen der Zivilisation durch die Mission kennen gelernt
hatte, wurde durch eine Geldsumme mutig gemacht. Mit einem Yanaygua als
Wegweiser machten wir uns auf. Über die blendend weißen Sandfelder des
ausgetrockneten Rio Parapiti und auf Indianerpfaden reitend, die uns
über große Dünen und durch trockene Gebüsche und Wälder führten, kamen
wir nach dem Dorf.

Es lag auf einem Hügel in einem Kesseltal. Der Platz war gut gewählt,
da das Dorf schwerlich von den Feinden der Yanayguaindianer, den
Tsirakuaindianern, überfallen werden konnte, ohne daß die Einwohner
Zeit hatten, sich auf die Verteidigung vorzubereiten. Als wir uns dem
Dorfe näherten, tauchten überall bewaffnete Leute, wie aus dem Boden
hervorgezaubert, auf. Seine Gäste mit Waffen in der Hand empfangen,
hielt ich für etwas unhöflich, ich entschuldige aber das Mißtrauen
dieser Indianer gegen die Weißen. Vor einigen Jahren waren andere
Weiße, wie ich, mit Geschenken gekommen und hatten mehrere Männer in
einen Hinterhalt gelockt. Diese wurden gebunden nach Santa Cruz de la
Sierra gebracht, um nach den Gummigegenden verkauft zu werden, aber
schließlich durch die Vermittlung einiger humaner Leute freigelassen.

Ohne auf die Waffen zu blicken und tuend, als würden wir auf die
liebenswürdigste Weise empfangen, ritten wir mitten in das Dorf hinein
und fragten nach dem Häuptling. Ein Herr in mittleren Jahren, mit einem
Schurkengesicht und einem Streitkolben in der Hand, kam zu uns hin und
erhielt sofort ein Waldmesser zum Geschenk. Andere Geschenke wurden
ausgeteilt, und das Ganze schien sich auf die freundschaftlichste
Weise zu entwickeln. Man bot uns Holzklötze zum Sitzen an, und ich
packte bunte Halstücher, Messer, rote und grüne Bänder, Nähnadeln,
Mundharmonikas und vieles andere aus den Satteltaschen aus und begann
einen lebhaften Tauschhandel.

An einem der Lagerfeuer saß eine einsame, verschüchterte Frau. Sie
war eine Kriegsgefangene von dem letzten Kriege der Yanayguas mit den
Tsirakuas.

Diese letzteren hatten eine Yanayguafrau und deren Kind getötet,
welchen Mord die Yanayguas bei der ersten Gelegenheit zu rächen
beschlossen. Eines Tages befanden sie sich auf einer Wanderung in der
Wildnis, um wilde Früchte zu suchen, als sie Spuren von Menschen sahen.
Infolge der eigentümlichen Abdrücke der großen viereckigen Sandalen
(Abb. 138) verstanden sie, daß die Spuren von den Tsirakuaindianern
herrührten. Sie folgten ihnen und kamen in deren Dörfer. Die Tsirakuas
wurden sie jedoch gewahr und konnten fliehen. Die Yanayguas folgten
den Spuren und spürten am Abend ihr Lager auf. Sie zogen sich jedoch
zurück und fielen sie in der allerfrühesten Morgendämmerung an. Der
Überfall kam dem Feinde unvermutet, und er suchte seine Rettung in
wilder Flucht. Ein Tsirakuamann wurde getötet und zwei verwundet. Zwei
Frauen und sechs Kinder, sowie alles, was sie von der Habe der Indianer
mitschleppen konnten, wurden die Beute der Sieger.

Mit Ausnahme der Gefangenen übernahm ich die Kriegsbeute. Es war
eine bemerkenswerte Sammlung von Grabkeulen, Wurfkeulen, primitiven
Werkzeugen, Mänteln aus Bast usw. Eine der gefangenen Frauen (Abb.
134) verkauften die Yanayguas für vierzehn (14) Pesos in schlechtem
Branntwein, ungereinigtem Zucker und Sirup an die Weißen.

Diese arme Frau hat mir in einer Sprache, von der ich nicht die Worte,
aber doch beinahe alles verstand, ihre Leiden erzählt. Sie erzählte von
ihren Kindern, die nun mutterlos in der Wildnis waren. Sie lehrte mich
auch etwas von ihrer Sprache.

Mit der Sammlung beladen, verließen wir die Yanayguas mit dem
gegenseitigen Versprechen, uns wieder zu treffen. Ich glaubte, die
Freundschaft sei fest gegründet. Am Abend desselben Tages, an dem wir
bei ihnen waren, zündeten die Yanayguas gleichwohl ihr Dorf an und
zogen sich in die Wildnisse des Chacos zurück, da sie von vielleicht
dem einzigen Indianerfreund, den sie unter den Weißen kennen gelernt
hatten, Verrat fürchteten.

[Illustration: Abb. 134. Tsirakuafrau. Rio Parapiti.]

Ein Jahr darauf besuchte ich, wie erwähnt, wieder den Rio Parapiti.
Von dem ganzen Yanayguastamm war keine Spur vorhanden. Sie waren nach
Gegenden verschwunden, in die der Weiße niemals dringt, aus Furcht, vor
Durst umzukommen, da er die wenigen Wasserstellen nicht kennt.

Die Tsirakuafrau traf ich dagegen bei dem Priester in Charagua, einem
Dorfe der Weißen, wohin sie nebst einem kleinen beinahe einjährigen
Knaben, den sie während der Gefangenschaft geboren hatte, verkauft
worden war. Wir waren richtig gute Freunde, die häßliche Alte und ich.
Ich kam zu ihr mit Zucker und Kuchen, und sie zeigte mir mit Stolz und
Freude ihren kleinen Jungen, ihren Trost in der Einsamkeit unter den
Weißen.

So zog ich weiter.

Der letzte, der sie sah, war Moberg. Eines Tages, als er auf der
Dorfstraße ging, traf er eine in Lumpen gehüllte, verzweifelte,
verweinte Frau, die ihn am Arm packte und von Haus zu Haus zog, damit
er ihr helfe, ihren kleinen Knaben zu finden. Die „Wildin“ aus den
Urwäldern des Chacos verstand instinktmäßig, daß dieser blonde Mann
mehr Herz hatte, als die anderen Weißen.

Den Knaben hatte der Priester verschenkt oder verkauft, diese arme Frau
von allem, dem einzigen, was sie in der Welt besaß, trennend.

Da sie ihr Kind nicht fand, entfloh sie in die Wälder. Ich hoffe,
wage es aber nicht zu glauben, daß es ihr gelungen ist, die
Ihrigen zu finden, und nicht von den Todfeinden ihres Stammes, den
Yanayguaindianern, wieder eingefangen worden ist.

Der Besuch beim Tapietehäuptling Yaré in Yuquirenda am Rio Pilcomayo,
verlief dagegen ganz friedlich. Wir wurden richtig gute Freunde, ja
so gute Freunde, daß Yaré, nachdem ich das Dorf verlassen hatte, über
100 km ging, um mich zu treffen und mir die Übergriffe der Weißen zu
berichten. Yaré bildete sich nämlich ein, ich sei ein mächtiger Mann
unter den Weißen.

Was konnte ich für ihn tun? Ich schrieb einen Brief an den Gouverneur
im Chaco, Dr. L. Trigo, der den Indianern helfen wollte und auch
konnte. Der Brief kam niemals an.

Als ich in Yarés Dorf war, kam eines Tages ein alter, schwacher Tapiete
und seine blinde Frau, beide gehegt und gepflegt von einer keineswegs
schönen oder jungen Tochter, aus dem Innern des Chacos. Der Greis war
krank und die Frauen waren um ihn beschäftigt.

Man holte auch den weißen Mann, der auch den Ärzten ins Handwerk
zu pfuschen pflegte, aber schwere Fälle nicht liebte. Wenn ein
gebrechlicher Greis am Rande des Grabes steht, ist für einen Arzt nicht
viel zu tun, und noch weniger für einen Mann, der von der Heilkunde
nichts versteht. Trotz meiner und der Frauen Anstrengung starb der Alte.

Grenzenlos war die Trauer der Frauen, und auch die Männer weinten.
Klageschreie ertönten im ganzen Dorfe. „Mein Freund ist tot, mein
Freund ist tot“, schrie und sang die blinde Frau. Ihre Trauer, wenn
auch affektiert maßlos in ihren wilden Ausbrüchen, machte auf mich den
Eindruck der Echtheit.

Die Frauen kleideten den Alten ein. Er wurde in seine besten Lumpen
gehüllt und erhielt Sandalen an die Füße. Die Knie wurden ihm bis ans
Kinn hinaufgezogen, die Arme kreuzweise über die Brust gelegt und
der Kopf abwärts gebogen. So zusammengebogen, wurde er in ein großes
Tragnetz gesteckt, das fest um seinen Körper gezogen wurde.

Nun sollte der Alte begraben werden. Seine Frau und Tochter wollten ihn
in der Hütte begraben, Yaré sagte aber, er solle in den Wald getragen
werden. Weinend versuchte die blinde Witwe ihrem Manne mit den Händen
eine Grube in der Hütte zu graben, der Häuptling war aber unbeweglich.
Er und noch ein Mann hängten das Bündel mit dem Mann an eine lange
Stange, die sie zwischen sich trugen, um ihn in den Wald zu bringen.
Außer diesen beiden bestand der Leichenzug nur aus der Tochter, die
ihre blinde Mutter nach dem Grabe des Alten führte.

Erst wollte ich mitgehen, dann aber zauderte ich. Der Mensch in mir
gewann die Oberhand über den neugierigen Forscher. Ich fühlte, daß ich
diese Frauen nicht in ihrer Trauer stören dürfe, daß ich nicht das
Recht hatte, mit dem Photographieapparat angelaufen zu kommen.

Von Yaré hörte ich später, daß der Alte mit einer Kalebasse Wasser im
Schoß in eine runde Grube gelegt worden war. Kein Grabzeichen zeigt, wo
er liegt.

Sobald der Alte gestorben war, schnitten Tochter und Frau die Haare ab
und verbrannten sie zum Zeichen ihrer Trauer.

Nach dem Tode des Alten herrschte Trübseligkeit im Tapietedorf.
Beständig, besonders des Morgens, hörte man die laute Klage der Frauen,
an der auch die Männer teilnahmen.

Wir können sicher sein, daß es auch unter diesen Menschen Männer und
Frauen gibt, die Hand in Hand durchs Leben gewandert sind, die sich
geliebt haben.

Dies war das einzige Mal, daß ich einen Indianer habe sterben sehen.


Kultur und Sprache der Tapieteindianer.

Die Tapietes sprechen dieselbe Sprache wie die Chiriguanos, nämlich
Guarani. Im vorhergehenden habe ich berichtet, wie auch die Chanés,
obschon anderen Ursprungs als die Chiriguanos, deren Sprache angenommen
haben.

Ein Chiriguano, der lange bei den Tapietes gewesen ist, behauptete mit
Bestimmtheit, daß sie unter sich eine andere Sprache sprechen, die er
nicht verstand. Diese Spuren habe ich auf mehrfache Weise zu verfolgen
gesucht. Der Tapietehäuptling Yaré beteuerte jedoch, daß dies nicht
wahr sei.

Am Rio Parapiti suchte ich in Batirayus Gesellschaft einen Chané,
Batcha, auf, der ungefähr ein Jahr mit den Tapietes gelebt hat. Er
sagte ebenfalls, er habe sie niemals eine eigene Sprache sprechen
hören. Was die Weißen für eine Geheimsprache hielten, sei Choroti,
das einige von ihnen sprechen könnten. In der Zeit, die ich bei den
Tapietes verlebt habe, habe ich sie nie etwas anderes als Guarani
sprechen hören.

Wir kennen somit von ihnen keine andere Sprache, als diese.

Kulturell gehören die Tapietes eher zu den Matacos, Chorotis und Tobas,
als zu den Chiriguanos. Dies ist besonders für die wilden Tapietes
(Yanayguas) der Fall.

Die Tapietes scheinen mir deshalb ein zur Mataco-Chorotigruppe
gehöriger Stamm zu sein, der die Chiriguanosprache angenommen hat,
obschon sie ihre eigene Kultur bewahrt haben.

Das Land der Tapietes ist ein gewaltiges Gebiet, das sich vom Rio
Pilcomayo bis zum Rio Parapiti und tief in den großen, unbekannten
nördlichen Chaco hinein erstreckt. Es ist ein Land, das zeitweise so
trocken ist, daß die dort Lebenden kein anderes Wasser haben, als das,
das sie aus der Wurzel des „sipoy“ bekommen können. Den Weißen ist es
deshalb nicht gelungen, das Land der Tapietes zu erforschen. Diese
haben das Glück, ein Gebiet zu besitzen, das den Eroberer nicht hat
locken können. Die Schwierigkeit, Nahrung zu finden, und das Eisen
der Weißen hat sie jedoch aus ihren Wildnissen herausgelockt und zur
Abhängigkeit geführt.

Zuweilen sind sie auch gekommen, um bei den Chiriguanos und Chanés
zu dienen. Der Hunger hat sie getrieben. Es ist somit nichts
Ungewöhnliches, daß die Tapietes mit Kindern, Hab und Gut, Hunden und
Schmutz angewandert kommen und sich in der Nähe eines Chiriguano-
oder Chanédorfes niederlassen. Sie müssen dort alle mögliche Arbeit
verrichten und werden in Mais bezahlt. Diese Art des Wanderns ist ganz
verschieden von der der Chiriguanos und Chanés, stimmt aber mit den
Sitten und Gebräuchen der Matacos, Chorotis und Tobas überein.

In dem indianischen Gemeinwesen gibt es keine Diener, habe ich gesagt.
Der Häuptling arbeitet ebenso wie die anderen des Stammes. Wir sehen
jedoch hier wieder, daß Indianer des einen Stammes bei Indianern eines
anderen Stammes dienen können. Die verschiedene Entwicklungsart der
Stämme ist hier der Grund eines sehr scharfen Klassenunterschiedes. Daß
ein Chiriguano einem Tapiete dienen könnte, wäre unsinnig, lächerlich,
ebenso unmöglich, als wenn ein Chiriguanomädchen die Geliebte eines
schmutzigen Choroti sein würde. Dies hindert jedoch nicht, daß, wie
ich gesagt habe, ein Chiriguano sich mit einem hübschen Chorotimädchen
amüsiert. Zur Frau nimmt er sie nicht, das wäre allzu idiotisch.

Innerhalb der Stämme herrscht somit kein Klassenunterschied, zwischen
den einzelnen Stämmen kann er dagegen äußerst scharf sein.

Die Kultur der Tapietes kann ich hier nicht schildern. Das wäre
ungefähr eine Wiederholung des über die Chorotis und Ashluslays
Gesagten.[129] Von den Chiriguanos haben ihre Männer den Gebrauch des
Lippenknopfes, der Tembeta, angenommen. Ihre Weiber sind beinahe wie
die Chorotis tätowiert.

Bevor ich diese Indianer verlasse, will ich jedoch einige ihrer Sagen
sowie einige Zeichen ihrer Taubstummensprache wiedergeben.


Tapietesagen.


Wie die Papageien den Tapietes Mais verschaffen.

Es war einmal eine Frau, die hatte „huirakuio“ gegessen. Es wird
erzählt, daß sie zwei kleine Klöße aufgespart hatte. Am nächsten Tage,
als sie essen wollte und hinging, um sie zu holen, hatten sie sich
in kleine Papageien verwandelt. Nach zwei Tagen hatten diese Flügel.
Nach fünf Tagen konnten sie fliegen und waren gegangen, um Nahrung zu
suchen. Sie hatten Mais gefunden und vier Körner geholt, die sie ihrer
Frau gaben. Sie sagten, sie solle dieselben säen. Am folgenden Tage
waren sie wieder gegangen, um von diesem Mais zu fressen und waren
mit schmutzigem Schnabel zurückgekehrt. Am folgenden Tage hatten sie
von dem Mais gegessen, den die Alte gesäet hatte. Sie kamen und sagten
zu ihrer Frau, sie solle den Mais holen. Sie waren mit vier Maiskolben
zurückgekehrt und hatten jedem von der Familie einen gegeben. Darauf
waren sie einen Augenblick ausgegangen und wieder hineingekommen. Es
war dort viel Mais, ein ganzer Haufe.

Seitdem haben die Tapietes Mais.


Wie die Tapietes das Schaf bekamen.

Es war einmal eine alte Tapietefrau, die hatte zwei ganz kleine junge
Hunde. Alles hatte sie gegessen. Sie hatte nichts. Sie hatte einen
Poncho aus Gras.

Es wird erzählt, Tunpa sei zur Alten gekommen und habe gesagt: „Ich
will deine jungen Hunde mitnehmen, und ich komme zurück.“

Nach drei Tagen kam er mit den Hunden, die trächtig waren, zurück. Er
sagte zur Frau, sie solle zehn Stöcke in eine Reihe stellen und die
Hunde anbinden. In der Nacht verwandelten sich diese in zehn Schafe,
die an die Stöcke gebunden waren. Tunpa sagte, sie solle Ponchos
machen, und die Alte machte eine Spindel.

Es wird auch erzählt, daß Tunpa gegangen sei, um für die Frau
Gesellschaft zu suchen. Er kam mit einem Mädchen und einem Knaben. Als
diese groß waren, verheirateten sie sich. Die Frau gebar einen Knaben
und danach ein Mädchen. Diese verheirateten sich wieder und bekamen
Kinder, die sich wieder miteinander verheirateten.

Von diesen stammen alle Tapietes.


Der Raub des Feuers.

Der schwarze Geier hatte Feuer, das er durch den Blitz vom Himmel (ára)
bekommen hatte. Die Tapietes hatten kein Feuer. Ein kleiner Vogel,
„cáca“, stahl ihnen Feuer, es erlosch aber. Sie hatten kein Feuer,
um das Fleisch des Wildschweines, des Rehbocks und anderer Tiere zu
braten. Sie froren sehr.

Der Frosch empfand Mitleid mit ihnen. Er ging zu dem Feuer des
schwarzen Geiers und setzte sich dorthin. Als der schwarze Geier sich
gerade wärmte, nahm der Frosch zwei Funken und verbarg sie im Munde.
Darauf hüpfte er davon und machte dann den Tapietes ein Feuer an. Seit
dieser Zeit haben die Tapietes Feuer.

Das Feuer des schwarzen Geiers erlosch. Der Frosch hatte alles
gestohlen. Die Hände über den Kopf setzte sich der schwarze Geier hin
und weinte. Alle Vögel sammelten sich nun, um zu verhindern, daß jemand
dem schwarzen Geier Feuer gab.


Das Entstehen der Zahnschmerzen.

Die Alten hatten Zähne aus Silber. Wenn sie aßen, verschluckten sie
Knochen, Fleisch und alles. Sie gaben ihren Hunden nichts zu fressen.
Dies machte, daß Tunpa Mitleid mit den Hunden empfand. Er gab deshalb
den Menschen Samen von Zapallo (Kürbis). Sie aßen Kürbisse und ihre
Zähne verwandelten sich in Knochen.

Von dieser Zeit an bekamen die Hunde Essen und die Menschen
Zahnschmerzen.

Diese Sagen von den Tapietes sind Kulturmythen. Wir erfahren hier, wie
diese Indianer das Feuer, ihre zwei wichtigsten Kulturpflanzen, den
Mais und den Kürbis, sowie ihr nunmehr unentbehrliches Haustier, das
Schaf, erhalten haben.

Die letztere Sage ist natürlich ganz modern, da die Tapietes die
Schafe erst durch die Weißen erhalten haben. Es erscheint mir nicht
unmöglich, daß mehrere der Kulturmythen viel moderner sein können, als
man im allgemeinen glaubt. Denken wir uns z. B., daß ein Stamm keinen
Mais gehabt hat, weil sie Mißernte gehabt hatten und vielleicht aus
Hunger gezwungen gewesen waren, aufzuessen, was sie zur nächsten Saat
aufbewahrt hatten. Sie müssen da versuchen, neue Saat zu bekommen und
werden vielleicht gezwungen, sie einem anderen feindlichen Stamm zu
stehlen. Dieses wahrscheinlich gefährliche Abenteuer gibt Veranlassung
zu einer Kulturmythe, in welcher, wie immer in der Phantasie der
Indianer, die Tiere eine große Rolle spielen.


Die Taubstummen der Tapietes.

Wenn ein Indianer erzählt, so verdeutlicht er die Rede mit Händen und
Füßen. Maße und fast immer Zahlen werden durch Zeichen ausgedrückt.
Soll er z. B. acht sagen, so tut er dies, indem er acht Finger zeigt.
Er hat keine Worte, die Maße bezeichnen, er mißt das Maß mit der Hand
oder mit dem Arm. Erzählt er von Tieren, so schildert er die Bewegungen
des Tieres äußerst lebhaft durch Gebärden. Er ahmt sie mit der scharfen
Beobachtungsgabe des Naturmenschen nach.

Oftmals ist es mir, wenn ich keinen Dolmetscher hatte, mit wenigen
Worten und zahlreichen Zeichen, gelungen, mit meinen Freunden, den
Indianern, eine recht lebhafte Unterhaltung zu führen.

Unter den Indianern gibt es jedoch, wie bei uns, Personen, die, da
sie taub geboren sind, sich nur durch Zeichen verständigen können.
Vollständig Taubstumme habe ich bei zwei Stämmen, den Tapietes am Rio
Pilcomayo und den Yuracáre am Rio Chimoré, kennen gelernt. Unter den
zivilisierten Indianern habe ich ebenfalls einige Taubstumme getroffen.

Bei den Tapietes lernte ich einen taubstummen Greis kennen, der
intelligent war und gut behandelt wurde. Alle verstanden die
Zeichensprache, die er sprach. Unter den Yuracáres sah ich drei
taubstumme Frauen, eine Mutter mit ihren beiden Töchtern. Bei dem
letzteren Stamme sollen mehrere Taubstumme vorkommen.

Sämtliche Tapietes konnten mit dem Tauben sprechen. Die für
Mitteilungen an ihn angewendete Zeichensprache, benutzen auch
diejenigen, die normales Sprechvermögen haben, unter sich, wenn sie
sich in der Entfernung stillschweigend etwas mitteilen wollen.

[Illustration: Abb. 135. Taubstummenzeichen. Tapiete.]

Im Vergleich zu den der ärmeren Klasse angehörenden taubstummen
Weißen in Ostbolivia scheinen mir ihre indianischen Unglücksbrüder
entwickelter und, infolge des Interesses und der Freundlichkeit, die
ihnen von der Umgebung gezeigt wurde, glücklicher.

Bei den Tapietes (Yanaygua) am Rio Parapiti war ein Knabe, der vom
Rio Pilcomayo war. Ich fragte ihn, ob er Yaré kenne, er tat aber, als
kenne er ihn nicht. Da machte ich ihm Zeichen, wie ich sie von dem
Taubstummen im Dorfe Yarés gelernt hatte. Der Junge begann zu lachen
und wurde ganz mitteilsam. Das mußte ein komischer Weißer sein, der die
Zeichensprache wie ein Tapiete konnte.

Die meisten Zeichen der Taubstummen sind rein beschreibend. Einige sind
gleichwohl konventionell und von Außenstehenden schwer zu verstehen.
Die Lehrer des Taubstummen sind seine Umgebung, seine Mutter, sein
Vater, seine Spielkameraden.

Hier unten sind einige von mir bei den Tapietes gesammelte
Taubstummenzeichen wiedergegeben.

Pferd -- man streicht sich mit der rechten Hand, dem Daumen und dem
Zeigefinger von der Oberlippe über die Mundwinkel und macht den Mund
auf (Abb. 135 A).

Katze -- man zieht sich am Schnurrbart (die Tapietes haben in der Regel
einen kleinen Schnurrbart), d. h. den Schnurrhaaren, und macht eine
krallenförmige Bewegung mit der Hand in Katzenhöhe über dem Fußboden.

Jaguar -- man streckt beide Hände krallenförmig nach vorn und zieht sie
geschwind zurück (Abb. 135 B).

Puma -- man macht wie im Vorhergegangenen und streicht sich außerdem
mit der rechten flachen Hand hin und her über den Mund.

Fisch -- die rechte Hand macht eine den schwimmenden Fisch imitierende
Bewegung (Abb. 135 C).

Feuer -- man führt den Zeigefinger an den Mund und bläst (Abb. 135 D).

Sonne -- man macht dieselbe Bewegung wie bei Feuer und zeigt nach oben.

Mond -- man macht eine schmatzende Bewegung mit dem Mund und zeigt nach
dem Himmelsgewölbe.

Stern -- man macht mit Daumen und Zeigefinger ein Loch (Abb. 135 E) und
zeigt kreuz und quer am Himmelsgewölbe.

Wasser -- man streicht sich mit der flachen Hand über das Gesicht und
macht eine trinkende Bewegung.

[Illustration: Abb. 136. Taubstummenzeichen. Tapiete.]

Gut, schön -- man streicht die rechte flache Hand über die linke flache
Hand (Abb. 135 F).

Schlecht -- man schlägt mit der rechten Faust auf die linke flache
Hand (Abb. 135 G). Die Bewegung wird in gleicher Höhe mit dem Gesicht
gemacht.

Kalebaßschale -- man bildet mit den Händen eine Kalebaßschale.

Tragtasche -- die Hände werden über den Kopf erhoben und über die
Seiten des Kopfes gestrichen (Abb. 135 H).

Krug -- man bildet mit der Hand eine Krugmündung über dem Boden
(Krughöhe) und macht dann eine trinkende Bewegung.

Poncho -- man streicht sich mit beiden Händen über die Schultern am
Körper herunter.

[Illustration: Abb. 137. Taubstummenzeichen. Tapiete.]

Weg -- man streckt die Arme und Hände gerade aus und führt sie parallel
aufwärts.

Weit -- man streckt den Arm aus und knipst schnell mit Daumen und
Zeigefinger (Abb. 136 I).

Nahe -- man zeigt mit dem Zeigefinger nach vorn und unten.

Er ist gegangen -- man streckt den Zeigefinger aufwärts und führt den
Arm weg und nach oben (Abb. 136 J).

Komm her -- man hält die Hand ganz offen und führt den gekrümmten Arm
zu sich hin (Abb. 136 K).

Fischnetz -- man bildet mit beiden Armen das ovale Netz (Abb. 137 L).

Mais -- man macht dieselbe Bewegung, als ob man den Mais abgriest (Abb.
137 M).

Auge -- man zeigt auf das Auge. Auf dieselbe Weise werden alle anderen
Körperteile ausgedrückt.

Freund -- man klopft sich auf die Brust und zeigt auf den Freund hin.

Mataco -- man schlägt mit dem rechten Zeigefinger in die linke
flache Hand (Abb. 137 N). Die Ursache, warum die Matacos auf diese
Weise bezeichnet werden, ist die, daß die Tongefäßtrommel für sie
so außerordentlich charakteristisch ist. Der Zeigefinger ist der
Trommelstock und die Hand die Trommel.

Choroti -- man zeigt auf die Ohrläppchen. In diesen tragen die
Chorotis, wie erwähnt, Holzklötze.

Weißer Mann -- man formt mit den Händen einen Hut und einen Bart.

Tanzen -- man führt die Arme kreuzweise vor den unteren Teil des Magens.

Tod -- man wendet die flache Hand schnell nach oben.

Frau -- man zeigt auf die Brust, alle Finger auf die Brust stellend
(Abb. 137 O).

Missionar -- man macht mit der Hand eine Tonsur auf dem Kopf.

Mutter -- man klopft sich auf die Brust und macht dabei dieselbe
Bewegung, als wenn man eine Frau bezeichnet.

Caraguatá -- man dreht die eine Hand über die andere (Abb. 137 P).

Algarrobo -- man legt die Hand auf den Mund und saugt (Abb. 137 R).

Messer -- man führt die Hände vorwärts (Abb. 137 S) und sticht nach dem
Gürtel.

Tunpa (großer Geist) -- man hält die Arme in die Seiten und zittert.

Hübsches Mädchen -- man macht das Zeichen für Frau und für hübsch.

Seele, Geist (aña) -- man öffnet den Mund und macht eine speiende
Bewegung nach vorn.

[Illustration: Abb. 138. Sandale aus Tapirhaut. Tsirakua.]

Wenn ich die Quichuaindianer auf dem Calileguaberge, bei denen wir
einen flüchtigen Besuch abgelegt haben, ausnehme, haben wir in diesem
Buche zwei Indianerkulturen kennen gelernt, eine ursprünglichere bei
den Chorotis und Ashluslays, eine entwickeltere bei den Chiriguanos
und Chanés. Zu den ersteren gehören auch die Matacos und Tobas, welche
hier nur flüchtig erwähnt sind. Wo diese beiden Indianerkulturen sich
treffen, haben wir eine Mischung beider, ein Kontaktvolk. So müssen
wir, meiner Ansicht nach, die Tapietes auffassen. Sie sind diejenigen
von den Chacostämmen, die den Chiriguanos am nächsten gewohnt und
deshalb den meisten Einfluß von ihnen erfahren haben.

Bevor ich mein Buch abschließe, will ich auch über das wenige, das ich
von den Tsirakuaindianern weiß, die wir als Gefangene der Tapietes
kennen gelernt haben, berichten. Es ist ein Blick in das große
Unbekannte, in den nördlichen Chaco, wo noch ein großer, weißer Fleck
auf der Karte Südamerikas ist.


Fußnoten:

[129] Vgl. auch: Erland Nordenskiöld. Globus 1910. Bd. 98 S. 181.




+Zwanzigstes Kapitel.+

Die Tsirakuaindianer.


Bei den wilden Tapietes am Rio Parapiti machte ich, wie schon erwähnt,
die Bekanntschaft von Gefangenen eines Stammes, der in den unbekannten,
wasserarmen Buschfeldern des nördlichen Chaco umherstreift. Die
Tapietes nennen diese Indianer nach ihren eigentümlichen Streitkolben
und Grabekeulen (Abb. 139) Tsirakuas. Die Weißen nennen sie Empelotos,
was nackt bedeutet, die Chanés sagen Tsirióno. Mit den in den Urwäldern
nördlich und östlich von Santa Cruz de la Sierra wohnenden Sirionos
haben sie indessen nichts Gemeinsames. Die Tsirakuas gehören dem
Trockenwald, die Sirionos dem finsteren, üppigen Hochwald an.

Die Tsirakuas werden von allen verfolgt. Die Weißen schießen sie
nieder, wo sie sie treffen. Wenn möglich, rauben sie die Kinder von
den Eltern, um sie taufen zu lassen und dann zu verkaufen. Die Chanés
behandeln sie ebenso wie die Weißen. Die Tapietes in gleicher Weise.

Ihnen selbst ist es zuweilen gelungen, sich zu rächen. Am Rio
Grande ermordeten sie vor einigen Jahren einige Kinder. Schlafende
Landreisende sind des Nachts zwischen dem Rio Parapiti und dem Rio
Grande überfallen worden. Wahrscheinlich sind es die Tsirakuas, die
manchmal die von der Saline de San José Salz Holenden überfallen haben.

Die Tsirakuas, die ich gesehen habe, waren vier Kinder und zwei Frauen.
Sie schienen mir ein ungewöhnlich breites Gesicht mit hervorstehenden
Backenknochen zu haben. Die Kinder waren auf der Stirn bis zu den
Augenbrauen stark behaart. Auch auf dem Körper hatten sie viel Haare.
Die beiden Frauen waren im Verhältnis zu anderen Chacoindianern von
normaler Größe.

Nach dem, was ich gesehen und erfahren habe, scheinen sich die
Tsirakuas nicht zu tätowieren und auch keinen Körperteil zu verstümmeln
oder zu durchbohren. Sie bemalen sich dagegen mit den Samen von Uruku
rot und mit Ruß. Sowohl die Frauen als die Kinder waren äußerst
schmutzig und voller Läuse.

Nach den Tapietes haben die Tsirakuas dieselben runden Hütten, wie sie
selbst, die Chorotis, die Matacos und andere Stämme hier haben. Sie
haben keine Hunde und keines der Haustiere des weißen Mannes. In der
Nähe der Hütten haben sie zahme Vögel, die schreien, wenn sich jemand
diesen nähert.

[Illustration: Abb. 139. Grabekeule. ⅛. Tsirakua.]

Was für Feuerstätten sie in den Hütten haben, weiß ich nicht. Eine der
Tsirakuafrauen, der ich ein Stück Fleisch schenkte, grub in meiner
Gegenwart einen den hier (Abb. 16) von den Ashluslays wiedergegebenen
vollständig gleichen Ofen. Mit ihrer Grabekeule machte sie, auf dem
Boden sitzend, eine Grube. Zu dieser grub sie einen schrägen Gang.
Sie legte dann Holz in die Grube, das mit einem von einer anderen
Feuerstätte geholten Feuerbrand angezündet wurde. Auf dem Magen
liegend, blies sie aus allen Kräften durch ein Bambusrohr in den Gang,
damit das Holz brenne. Hierauf hieb sie mit ihrer (hier also als Axt
angewendeten) Grabekeule ein großes Stück Rinde aus einem Flaschenbaum.
Als sie in der Grube genügend Glut hatte, legte sie das Fleisch in
die Grube und bedeckte dann sowohl die Grube als den Gang mit Rinde
und Sand. Sie ließ das Fleisch dann mehrere Stunden rösten. Leider
war ich nicht dabei, als es aufgegessen wurde, es war aber sicher
wohlschmeckend.

Eine gleiche Art des Fleischröstens ist von den argentinischen Gauchos
bekannt. Es ist eine vortreffliche Art.

Als die Frau ihre Nahrung zubereitete, warf sie hier und da Hände voll
Sand nach verschiedenen Richtungen, gleichsam um böse Geister oder
dergleichen zu verjagen.

Die Tsirakuas leben hauptsächlich von Honig, wilden Früchten, Wurzeln
und von der Jagd. Die oben erwähnte Frau sammelte Stämme von Caraguatá,
die sie röstete und aß. Die mit den Tsirakuas verwandten Zamucos[130]
haben nach Cardus[131] einen äußerst primitiven Feldbau. Die Tsirakuas
kennen Mais, Tabak, Uruku und Zapallo.

Die Waffen dieser Indianer sind vor allem Keulen. Außer den langen
Grabekeulen haben sie Wurfkeulen von verschiedenen Typen (Abb.
140). Als ich der Tsirakuafrau meine von den Yanaygua und Chanés
erhaltene Keulensammlung von ihrem Stamm zeigte, erklärte sie mir ihre
verschiedene Verwendung und führte, die Grabekeule gegen den Mund
gedrückt, einen Kriegstanz auf, wobei sie mit blökender Stimme: „hé ha
há, he si sia, he ha há, he si sia“ sang.

Als Signal für Aufpassen wenden die Tsirakuas Pfeifen von
eigentümlicher Form an (Abb. 142).

[Illustration: Abb. 140. Wurfkeulen. Tsirakua.]

Nackt nennen die Weißen die Tsirakuas. Dies ist unrichtig, denn
bei diesen Indianern findet man dieselben Kleidungsstücke wie bei
den wilden Tapietes. Die Frauen haben ein Stück Zeug um die Beine,
die Männer eines, das die Geschlechtsteile bedeckt und um den Leib
befestigt ist (Abb. 141). Außerdem haben sie große Decken, die in der
Form den von den Chorotis, Ashluslays usw. angewendeten ähnlich sind.
Alle diese Kleider sind aus Caraguatá, und nicht aus Wolle. Die Kleider
sind aus Schnüren geknotet. Sie verstehen auch breite Bänder aus
Caraguatá zu weben.

An den Füßen tragen die Tsirakuas viereckige Sandalen aus Tapirhaut
(Abb. 138) oder Holz. Diese haben vier Löcher für die Schnüre, während
die von anderen Indianern angewendeten Sandalen nur drei haben.

Wir finden bei den Tsirakuas dieselbe Art Taschen aus Caraguatá, wie
bei den Chorotis und Ashluslays. Den Honig verwahren sie in Taschen aus
ganz abgezogenen Tieren.

[Illustration: Abb. 141. Von den Männern über die Geschlechtsteile
getragenes Stück Zeug. Tsirakua. ⅐.]

Ein einziges grobes Tongefäß habe ich von diesen Indianern, sowie eine
mit einem eingeritzten Vogel verzierte Kalebasse.

Das Eisen ist bei den Tsirakuas sehr selten. Jedes Stückchen wird
aufbewahrt und geschaftet. Größere Stücke, deren sie habhaft werden,
werden zwischen mehreren geteilt. Sie sollen manchmal die Weißen und
die Chanés nur überfallen, um Eisen zu bekommen. Für einige Stückchen
dieses kostbaren Metalls setzen sie ihr Leben aufs Spiel.

Wahrscheinlich verfolgen auch die Chamacocos[132] oder ein anderer
Stamm die Tsirakuas und drängen sie nach dem Rio Parapiti, wo sie, wie
Batirayu mir gesagt hat, erst in neuerer Zeit aufzutreten beginnen.

Die Tsirakuas gehören den unbekannten Wildnissen des nördlichen Chaco
an, von dem wir so wenig wissen. Eine Erforschung des Inneren dieses
Landes würde sicher viel Interessantes bieten.

Was für Menschen leben dort? Diese Frage habe ich an viele Indianer
gerichtet. Von diesen hat mir ein Chanéindianer, Bátcha, der, wie
gesagt, lange mit den Tapieteindianern gelebt hatte, folgendes
berichtet.

Ungefähr sechs Tagemärsche vom Rio Parapiti westwärts wohnt, wie die
Tapietes sagen, ein Zwergvolk, das in Erdhöhlen lebt. Diese Zwerge sind
freundlich gesinnt und sprechen Guarani. Von ihren Höhlen hörte ich
schon 1902 von einem Sergeant Gonzales, der diese auf einer Expediton
nach dem Innern des Chaco gesehen hatte.

[Illustration: Abb. 142. Pfeife aus Holz. ½. Tsirakua.]

Einen solchen Bericht hat man allen Anlaß, wenigstens was die Zwerge
betrifft, für unwahr zu halten. Die Erdhöhlen können Brunnen sein, wie
sie die Ashluslays und Lenguas graben.

Sehr eigentümlich ist es gleichwohl, daß Hawtrey[133] von den am
Rio Paraguay wohnenden Lenguaindianern dieselbe Angabe über Zwerge
erhalten hat. Zwei auf beiden Seiten des großen unbekannten Gebietes
im nördlichen Chaco wohnende Stämme haben also dieselbe Erzählung.
Möglicherweise ist es nur eine gemeinschaftliche Sage. Die Zukunft wird
es zeigen.

Im Innern des Chaco nahe der Saline de San José hat man, wie erzählt
wird, moderne Indianergräber getroffen, die alle mit hölzernen Kreuzen
geschmückt waren. Ob dies wahr ist, weiß ich nicht. Unmöglich ist
es nicht, denn viele der dort wohnenden Indianer stammen sicher von
Indianern, die Christen gewesen sind. Unter den Zamucos, die, wie
gesagt, den Tsirakuas nahe stehen, haben die Jesuiten Missionen gehabt.

Vielleicht ist es nicht ein reiner Zufall, daß die hier abgebildete
Tsirakuafrau die Hände auf Christenweise wie zum Gebet faltet. Etwas
Ähnliches habe ich bei den nicht von den Missionaren besuchten Chorotis
und Ashluslays niemals gesehen.


Fußnoten:

[130] Daß die Tsirakuas und die Zamucos eine ähnliche Sprache sprechen,
geht aus folgendem Vergleich hervor.

    Zamuco              Tsirakua

  Ohr = yagoroné      (dlyócon)goroni
  Auge = yedoi        (dlyóqui)dodye
  Hand = imanaetio    (dlyóco)maná
  Sonne = yede        géte
  Wasser = yod        mama
  Feuer = pioc        pió

Zum weiteren Vergleich teile ich hier auch einige gewöhnliche
Tsirakuaworte mit

  Mais = géshna
  Tabak = sidódu
  Zapallo = ógodieú
  Caraguatá = gutá
  Grabekeule = bahábe
  Uruku = tasi
  Kalebasse = pitáu
  Strauß = bái
  Wildschwein = pósnoni
  Asche = pútchucuru
  Stein = kukáni
  Hund = tomóco.

[131] Cardus: Las Misiones Franciscanas entre los infieles de Bolivia.
Barcelona 1886.

[132] Vgl. Frič. Globus. Bd. 96 (1909) S. 24. Die unbekannten Stämme
des Chaco boreal.

[133] Hawtrey, l. c.




Schlußwort.


Ich habe die Indianer, die ich im Chaco kennen gelernt habe, hier
zu schildern gesucht. Wir sind zum Schluß bis an die Grenze des
Unbekannten gekommen, dessen Geheimnisse noch niemand erforscht hat.
Ein großes Gebiet im Chaco ist den Weißen vollständig unbekannt, ein
noch größeres ist noch niemals von einem Forscher besucht worden.

Es ist ein gefährliches Gebiet, nicht so sehr der feindlichen Indianer
wegen, die man dort wahrscheinlich antrifft, sondern infolge des
Wassermangels. Mit Hilfe der Indianer könnte man dort vorwärts kommen,
ohne sie kann man die Wasserstellen nicht finden. Im vorhergehenden
habe ich gesagt, daß man im Chaco Reste sehr primitiver Stämme finden
muß, denn es ist der natürliche Zufluchtsort für diejenigen, die in
den Kämpfen um die Flüsse und um die Gegenden, wo die Forderungen des
Magens leicht zu befriedigen sind, besiegt worden sind.

Die hier geschilderten Stämme hätte ich gern viel besser kennen
gelernt. Über die religiösen Vorstellungen der Chorotis und Ashluslays
wissen wir beinahe nichts. Nur einige der hier mitgeteilten
Sagen habe ich in der Originalsprache aufgezeichnet. Auch die
Individualpsychologie lockt mich.

Es dürfte dem Leser deshalb nicht wunderbar erscheinen, wenn ich noch
einmal am Indianerleben am Rio Pilcomayo teilnehmen möchte, wenn ich
noch einmal die alten Sagen am Lagerfeuer möchte erzählen hören, wenn
ich in die unbekannten Gegenden des nördlichen Chaco eindringen möchte.

Bevor dies geschehen kann, muß ich jedoch die Ergebnisse meiner letzten
Fahrt, die einen viel größeren Teil von Bolivia als den Chaco berührt
hat, vollständig veröffentlichen. Nicht zum mindesten wichtig ist, daß
meine Funde bei meinen archäologischen Ausgrabungen beschrieben werden.

Vielleicht wären auch meine Urwaldwanderungen und Flußfahrten im
nordöstlichen Bolivia weit bis zu der Grenze Brasiliens es wert, einem
größeren Publikum als dem, das ethnographische Fachzeitschriften liest,
geschildert zu werden.

Im Dezember 1909 verließ ich, von meinem schon beschriebenen zweiten
Besuch bei den Chorotis und Ashluslays kommend, Yacuiba.

Nach Hause ging die Fahrt!

Ende Januar 1910 war ich wieder in Schweden. Meine beiden
Reisebegleiter waren in Südamerika geblieben. Sie sind jung und wollen
versuchen, sich in dem neuen Lande durchzuschlagen. Ich hoffe, es wird
ihnen gelingen. Gefällt es Moberg bei den Weißen nicht, so läßt er sich
wohl bei den Indianern und Indianerinnen nieder, wo er sich so wohl
gefühlt hat.

Als ich von Batirayu Abschied nahm, sagte er: „Es ist traurig, zu
scheiden und sich niemals wieder zu treffen, wenn man so befreundet
geworden ist.“

Wer weiß, vielleicht treffen wir uns noch einmal. Möge Yamandutunpa
dich beschützen, Batirayu. Möge es lange dauern, bis du nach
Aguararenta wanderst, um Maisbier bei deinen Vorvätern zu trinken.

„Hayma opama!“ (Und mehr war es nicht.)




Illustrationsverzeichnis.


                                                                   Seite

                    +Tafeln auf besonderen Blättern+:

  1. Der Verfasser mit Ashluslayfreunden. Neben dem Titel.

  2. Der Calileguaberg                                                13

  3. Dorf des Chorotihäuptlings „Waldhuhn“                            30

  4. Fische essender Ashluslay                                        48

  5. Mit Mais vom Acker kommende Ashluslaykinder                      52

  6. Chorotimama mit ihrem kleinen Jungen und dessen Spielkameraden   62

  7. Ashluslay-Tänzer                                                 78

  8. Tanzende Ashluslaymänner                                         84

  9. Chorotifrau auf dem Heimweg mit eingesammelten wilden
  Früchten und Holz                                                   94

  10. Matacoindianer rösten „Palometas“ und andere Fische            112

  11. Chorotifrauen tragen wilde Früchte in ihren Caraguatátaschen
  nach Hause                                                         124

  12. Ashluslaykrieger                                               136

  13. Ashluslaymann im Magenpanzer                                   138

  14. Ashluslayfischer gehen über den Rio Pilcomayo                  142

  15. Ashluslayfrau auf der Wanderung                                146

  16. Caraguatá                                                      176

  17. Palmenwald, unweit des Rio Pilcomayo                           192

  18. Chanéfrau mit Kind                                             220

  19. Die Frau des Chanéhäuptlings Vocapoy malt ein Tongefäß         242

  20. Sagenerzähler. Chané                                           258

                         +Abbildungen im Texte+:

  1. Matacomädchen                                                     8

  2. Hütte der Mataco-Guisnay                                          9

  3. Ashluslayfischer                                                 19

  4. Eigentumsmarken auf Mänteln, Ashluslay                           36

  5. Ashluslaypapa mit seinem kleinen Jungen                          37

  6. Kochhütte der Chorotis                                           40

  7. Algarrobofrüchte kauende Ashluslayfrauen                         44

  8. Ashluslayindianer mit Sperrnetzen                                45

  9. Nadeln zum Aufreihen der Fische                                  46

  10. Spaten                                                          47

  11. Sperrung des Rio Pilcomayo mit fischendem Choroti               49

  12. Chorotikinder spielen, daß sie den Fluß sperren                 50

  13. Eine Chorotifrau trägt Wasser nach Hause                        55

  14. Ashluslayfrau seiht Algarrobomehl                               57

  15. Eßbürste                                                        59

  16. In die Erde gegrabener Ofen                                     60

  17. Hölzernes Messer                                                60

  18. Hölzerne Messer zum Essen von Wassermelonen                     61

  19. „Reibeisen“ aus Holz                                            61

  20. Chorotiknabe mit Boleadora                                      64

  21. Das Kleine führt seinen blinden Großvater „abseits“             65

  22. Die Mama geht mit den Kindern zum Fluß                          67

  23. Spielzeugflinte von den Chiriguanos                             68

  24. Boleadora                                                       69

  25. Fadenfiguren knüpfende Chorotiknaben                            71

  26. Ballspielende Matacoindianer                                    72

  27. Spielmarken                                                     73

  28. Tätowierung und Gesichtsbemalung                                75

  29. Tätowierung und Gesichtsbemalung                                76

  30. Alte Chorotifrau, die den Verf. tätowiert hat                   77

  31. Ashluslaymann                                                   79

  32. Stempel zur Gesichtsbemalung                                    80

  33. Chorotielegant                                                  81

  34. Ashluslay mit einer mit Schneckenschalenperlen besetzten
  Mütze                                                               83

  35. Junger Chorotimann am Alltag                                    85

  36. Pfeife                                                          87

  37. Boxhandschuh                                                    89

  38. Tongefäß                                                        95

  39. Ashluslay mit einer Kalebasse Algarrobobier                     97

  40. „Bowle“                                                         99

  41-43. Pfeifenköpfe                                                101

  44. Krankenstuhl                                                   105

  45. Geist                                                          109

  46. Tongefäß                                                       117

  47. Puppen                                                         118

  48. Strumpf, Taschen                                               119

  49. Grabestock                                                     120

  50. Säge aus hartem Holz                                           120

  51. Scharre aus Muschelschalen                                     120

  52. Webstuhl                                                       121

  53. Von Ashluslays gewebter kleiner Mantel                         122

  54. Chorotifrau, ein Tongefäß bauend                               123

  55. Töpferin                                                       124

  56. Hölzernes Gerät                                                125

  57. Trommel aus einem Tongefäß                                     126

  58. Bierkrug                                                       126

  59. Wasserkrug                                                     126

  60. Kalebasse                                                      127

  61. Kalebasse                                                      127

  62. Kalebaßschale                                                  129

  63. Mais sammelnde Frau (Zeichnung)                                130

  64. Zeichnungen des Chorotimädchens Ashlisi                        130

  65. Zeichnungen eines Ashluslayknaben                              131

  66. Zeichnungen eines 20jährigen Ashluslaymannes                   132

  67. Ashluslaykrieger                                               133

  68. Federschmuck                                                   134

  69. Federschmuck                                                   135

  70. Skalp eines Tobapilaga                                         136

  71. Streitkolben                                                   136

  72. Ashluslaytänzer zum Besuch bei den Chorotis                    139

  73. Ashluslayfischer                                               145

  74. Vocapoys Dorf am Rio Itiyuro                                   149

  75. Chanéindianer                                                  150

  76. Chanéindianer                                                  151

  77. Tongefäß                                                       158

  78. Tongefäß                                                       159

  79. Alter Chiriguano mit großem Lippenpflock                       165

  80. Pfeife                                                         169

  81. Festtracht für Männer                                          169

  82. Tongefäß                                                       172

  83. Feuerstätte zum Maisbierkochen                                 174

  84. Maisscheune                                                    175

  85. Sitzbank                                                       177

  86. Haken zum Aufhängen der Sachen                                 177

  87. Chanéfrau                                                      178

  88. Tabakspfeife                                                   179

  89. Spatenstiel                                                    179

  90. Fischfang mit Kalebasse                                        185

  91. Netz                                                           187

  92. Dämpfapparat                                                   188

  93. Spielregel für „Daro“                                          191

  94. Chunquanti spielende Chanéknaben                               192

  95. Stäbchen zum Tshúcaretaspiel                                   193

  96. Máma wird ausgelegt                                            194

  97. Die Stäbchen werden geworfen                                   195

  98. Die Spielenden sehen nach, wie die Stäbchen gefallen sind      196

  99. Geteilter Ball zum Tocorórespiel                               197

  100. Spielstock                                                    197

  101. Rakett                                                        197

  102. Maiskolbenpfeil                                               198

  103. Stäbchen zum Huirahuahuaspiel                                 198

  104. Spielzeug                                                     199

  105. Puppen aus Wachs                                              200

  106. Chanéfrau                                                     201

  107. Gesichtsbemalung                                              202

  108. Tätowierter Frauenarm                                         203

  109. Kämme                                                         204

  110. Chanéknabe                                                    209

  111. Der Chiriguanohäuptling Mandepora                             213

  112. Alte Frau                                                     215

  113. Chiriguanograb                                                219

  114. Junge Chanéfrau entblößt den Oberkörper, um sich
  photographieren zu lassen                                          226

  115. Kalebasse                                                     231

  116. Chanémädchen stoßen Mais in einem Mörser                      235

  117. Kochen des Maisbieres                                         237

  118. Suppenspatel                                                  239

  119. Tanzmaske                                                     241

  120. Serérepfeife                                                  243

  121. Tongefäß                                                      244

  122. Brennen von Tongefäßen                                        245

  123. Webstuhl                                                      247

  124. Sieb                                                          248

  125. Korb                                                          248

  126. Verzierte Kalebaßschale                                       249

  127. Tongefäß                                                      264

  128. Kalebaßschale                                                 279

  129. Tongefäß                                                      281

  130. Silberne Nadel                                                287

  131. Brustschmuck aus Silber                                       290

  132. Chanékinder                                                   299

  133. Tongefäß                                                      301

  134. Tsirakuafrau                                                  307

  135. Taubstummenzeichen                                            316

  136. Taubstummenzeichen                                            318

  137. Taubstummenzeichen                                            319

  138. Sandale aus Tapirhaut                                         321

  139. Grabekeule                                                    323

  140. Wurfkeulen                                                    325

  141. Stück Zeug                                                    326

  142. Pfeife aus Holz                                               327




Alphabetisches Register.


(Die Ziffern bedeuten die Seitenzahl; f nach der Zahl = u. folgende.)

  Abstandsangabe 166.

  Abtritte 205.

  Aderlassen 54.

  Aguararenta, s. Totenreich.

  Aguaratunpa 222, 258, 274, 283, 285, 291.

  Algarrobillo 121.

  Algarrobo (Bier) 16, 17, 18, 22, 45, 49, 58, 96, 98, 111, 236, 260,
  296.

  Altersklassen zwischen Kindern 67.

  Amulette 53.

  Aña. Añatunpa 166, 251, 255 f. 286 f.

  Angeschossene Tiere, Leiden 54.

  Aphrodisiakum 225.

  Araukanier 80.

  Arbeit 4 f., 180 f., 190;
    für die Weißen 4 f., 180 f., 300 f.

  Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern 92 f.

  Aristokratie 230.

  Arowaken 22, 156, 169.

  Aseptik 217.

  Ashluslay 5, 16-147, 164, 167, 248.

  Astronomie 294 f.

  Atsahuaca 182.

  Aussichtsposten 131.

  Ava = Chiriguano.

  Aymara 13, 182, 207.


  Bäder 84, 203.

  Ballspiele 71, 193 f., 264.

  Bastian 114.

  Baumwolle 51, 182.

  Begräbnis 14, 218, 309;
    mit dem Kopf nach unten 219.

  Beigaben 108, 310.

  Besitzrecht 35, 50, 232.

  Bestialität 225.

  Betten 41, 176.

  Bewertung von Gegenständen 126, 140.

  Blattschneideameise 242.

  Blinde 216.

  Blitz 11, 269.

  Boas 114.

  Bogen 52, 133, 183.

  Boggiani 26, 48, 51, 138.

  Bogoras 114.

  Bohnen 52, 182.

  Boleadora 70, 112, 183.

  Boman 243.

  Bordelle (Indianer, welche die Bordelle der Weißen besuchen) 9.

  Boro 182.

  Boten (Eil-) 131.

  Boxhandschuhe 87.

  Brandpfeile 134.

  Branntwein 8, 11, 100, 240, 298, 302.

  Brunnen 57, 328.


  Caduvei 138.

  Calileguaberg 11 f.

  Campana, Domenico del 138, 161, 254, 259.

  Campos 137, 142.

  Cangui = Maisbier.

  Caraguatá 23, 119 f., 244, 269, 320, 324, 326.

  Caraguatátaschen 42, 49, 61, 116, 140, 326.

  Cardus 324.

  Chacobo 174, 182, 207.

  Chamacoco 138.

  Chañar (Bier) 20, 45, 49, 59, 62, 96, 98.

  Chanés 5, 7, 14, 113, 134, 148 bis 303, 310 f., 322.

  Chicundapa 258.

  Chiquéri = Chiquéritunpa 258, 264, 277, 296.

  Chiquitos 194.

  Chiriguano 5, 7, 13, 48, 86, 91, 94, 134, 138, 139, 148 bis 303,
  310 f.

  Chomé, P. 210, 211, 212.

  Chorotis 5, 6, 7, 16 bis 147, 164, 167, 221, 248, 254, 310, 320.

  Chuchio 166, 280.

  Chuña 70, 112.

  Churápa 224.

  Coca 12, 182.

  Corrado 38, 208, 228.

  Couvade, s. Wochenbett 92, 206.

  Crevaux 26.

  Crysocol 179, 201, 211, 240, 289.


  Dampfkochen 189.

  Daro 190.

  Diät s. Speiseverbot.

  Diebstahl 34, 231.

  Diener, s. Klassenunterschied.

  Dolmetscher 34.

  Donner 252, 258, 271, 296.

  Donnergott = Chiquéritunpa.

  Dörfer 32, 33, 173.

  Duelle 232.

  Dyori 271, 273 f.


  Ehe 89 f., 211 f.

  Ehrenreich 22, 114, 255, 293.

  Ehrgefühl 43.

  Ehrlichkeit 144 f.

  Eidechsen 22 -- s. auch Iguana und Téyuhuasu.

  Eifersucht 38, 87.

  Eigentumsmarken 35.

  Eisen, Handel mit 138, 311, 326.

  Eitelkeit 78.

  Elternmord 38, 231.

  Empörung gegen die Weißen 5, 134, 168, 233.

  Erbschaften 7, 232.

  Erdbeben 12.

  Erdhöhlen 21, 327.

  Erdratten 22, 58, 222.

  Erinnerungen, für die Indianer kostbare Gegenstände als 171.

  Erzeugung (eigentümliche) 112, 114, 271, 276.

  Erziehung 10, 63, 209.

  Esperanza, Zuckerfabrik 3, 27.

  Eßbürsten für Honig 59.


  Fadenspiel 70.

  Fahrzeuge 48, 186.

  Familienhaus 174.

  Farbensinn 81.

  Federarbeiten 126.

  Feldbau 51, 131, 324.

  Feldmanöver 133.

  Feuerraub 13, 22, 110, 252 f., 312.

  Feuerstätte 41, 176.

  Feuerzeug 41, 252.

  Fische, Handel 139.

  Fischerei, Fischgerätschaften 46, 98, 184.

  Flamingo (Sagen) 112, 284.

  Fledermaus (Sage) 264.

  Fliege (Sagen) 263, 288.

  Floh (Sage) 262.

  Frau 74;
    Stellung im Gemeinwesen 90;
    Häuptling 229;
    unverheiratete 95.

  Friede 129 f.

  Friederici 18, 24.

  Frosch (Sage) 254, 314.

  Fruchtbestände, wilde, Besitzer der 50.

  Früchte (Einsammeln wilder) 49.

  Fuchs 219;
    Sagen 113, 222, 256, 269, 289 f.

  Fuchsgott = Aguaratunpa.


  Garcilasso de la Vega 167.

  Gären von berauschenden Getränken 96, 237.

  Gastfreiheit 144, 190.

  Geduld bei Schmerzen 107.

  Gefangene, Auslösung 24, 135, 306.

  Geier (Sagen) 22, 112, 263, 314.

  Geister, s. auch Aña, 108, 257.

  Gemeinwesen 29, 232.

  Geograph, der Indianer als 163 f.

  Gerben 123, 247.

  Geruch 85.

  Gesang 6, 18, 85, 97, 141, 157 f., 179, 223, 276, 325.

  Geschlechtskrankheiten 9.

  Geschwisterehe 90, 111, 212, 254.

  Gesichtsbemalung 78, 203.

  Giftige Pflanzen als Nahrung 51.

  Grabekeulen 322.

  Gräber 14, 108, 218, 310.

  Grabestock 49, 120.

  Grabhaus 14.

  Graburnen 14, 218.

  Guanako 155.

  Gúarayús 52, 165, 207.

  Gumilla 195.

  Gummibälle 193, 264.

  Gummigegenden 298, 305.

  Gürteltiere 22.

  Gürteltiergott = Tatutunpa.


  Haare, Ausreißen 78, 84;
    Seil aus 121;
    weißes 216;
    Abschneiden bei der ersten Menstruation 210;
    Kurzschneiden bei Trauer 108, 219, 253, 310.

  Hagel 12.

  Handel 137 f., 248.

  Hängematten 177.

  Hartt 293.

  Hasardspiele, s. Spiele.

  Häuptlinge 33, 170, 212, 228 f.

  Hausbau 40.

  Haustiere 55, 187.

  Hawtrey 57, 328.

  Heilmittel 107, 217.

  Heirat zwischen Cousin und Cousine 90.

  Herrmann 27, 51, 142, 300.

  Heuschrecke (Sage) 269.

  Historiker, der Indianer als 167 f.

  Höchstes Wesen 259.

  Holzalter 93.

  Hölzerne Pfrieme 54.

  Hölzerne Sägen 50, 120.

  Holzschnitzerei 125.

  Holzstäbchen, Spiel mit 72, 191.

  Homosexualität 221.

  Honig 54;
    Einsammeln 54.

  Humor 239.

  Hunde 53, 111, 184, 187, 314;
    Begräbnis 56;
    Verhexung 106;
    windhundähnliche, Canis jubatus 22.

  Hütten 39, 173.


  Ibareta 26.

  Iguana, s. auch Téyuhuasu.

  Im Thurn 204, 255.

  Industrie 111 f., 242.

  Inómu 271, 283.


  Jagd 52, 170 f.

  Jagdhütte 54, 251.

  Jagdtrophäen 53.

  Jaguar 12, 20, 23, 111, 218, 272, 289, 291.

  Jahreszeiten, Bestimmung der 52, 183.


  Käferlarve (Nahrung) 54.

  Kalebassen 52, 125, 247, 268.

  Kämme 205.

  Kara-Kara, Vogel (Sagen) 112, 263.

  Karneval 240.

  Kartenskizze 149.

  Kartoffeln (süße, Bier) 52, 236.

  Kegelspiel 192.

  Keramik 60, 122, 159, 178, 234, 243.

  Keulen 53, 183, 324.

  Kinder 63, 92, 193 f., 207 f.

  Kindermord 38, 88, 208, 231.

  Kindermörderinnen 38.

  Klassenunterschied 14, 33, 231;
    zwischen den Stämmen 14, 94, 311.

  Kleidertracht 80, 83, 171, 200 f., 240, 325.

  Klistier 224.

  Knochenschmerzen, Mittel gegen 12.

  Knöcherne Pfrieme 54, 87.

  Koch-Grünberg 90, 127, 221.

  Kochhütte 40.

  Kolibri (Sage) 262, 292.

  Kommunismus 34.

  Kondor = Ururuti.

  Konservatismus 125, 147, 211, 220, 235.

  Konserven 42, 59.

  Kopfkissen 41.

  Kopftrophäen 172.

  Korbarbeiten 61, 125, 248.

  Krankenstuhl 105.

  Kreuz auf dem First 11;
    auf Gräbern 328.

  Krieg 19, 39, 68, 129 f., 171, 306.

  Kugelgürteltier (Sage) 112, 291.

  Kultureinflüsse von Peru 12, 242.

  Kulturgrenze 249.

  Kulturmythen s. Sagen.

  Kulturpflanzen 51, 182, 324.

  Kunst 116, 234, 242.

  Kürbis 51, 252, 267, 271, 314;
    Raub 13, 111.

  Küsse 88.


  Laufspiele 70.

  Läuseessen 85.

  Lausen (Sage) 286.

  Leben im Jenseits (Glaube an) 108, 255 f.

  Lehmann-Nitsche 27, 86.

  Lenguas 48, 51, 57, 137, 224, 249, 328.

  Liebe (freie) 78, 86, 87, 94.

  Lippenpflock 211, 312.

  Lozano 28.

  Lügenhaftigkeit 36 f.


  Mahlzeiten 59, 110.

  Mais (Bier) 12, 51, 96, 98, 161, 181, 188, 237, 244, 258, 275, 278.

  Mais, wie die Tapiete Mais bekamen 312.

  Maiskolbenpfeile 196.

  Maisraub 12, 112, 270.

  Mandioca 51, 182.

  Männer, unverheiratete 95.

  Männerhäuser 33, 97.

  Manslé 137.

  Mariutunpa 258.

  Marschfähigkeit 166.

  Maße 139, 192, 196, 315.

  Matacos 4, 5, 7, 15, 18, 22, 26, 28, 48, 70, 72, 105 f., 107, 108,
  110 f., 127, 130, 132, 135, 225, 248, 320.

  Mataco-Guisnays 17, 26, 89, 101, 135.

  Mataco-Notén 89.

  Mataco-Vejos 13, 125, 231.

  Medizinmänner 12, 34, 103 f., 159, 216, 230, 252, 258, 296.

  Meerschweinchen (Sage) 13, 111.

  Menstruation 74, 107, 210.

  Meteor 110, 295.

  Militärgesetz 302.

  Minderjährig, der Indianer wird betrachtet als 34.

  Missionen, Missionare 109, 148, 151 f., 161 f., 168, 214, 216, 220,
  246, 259, 297 f.

  Mistol 45, 204, 278.

  Mode in Schmucksachen 81.

  Mogeln beim Spiel 73.

  Mond 52, 110, 273, 295.

  Mondfinsternis 110, 294.

  Mord 38, 231;
    s. Kindermord, Elternmord.

  Mörser 60, 237.

  Musikbogen 86, 199.

  Musikinstrumente 86.

  Mutterbaum 260.

  Mützen 80.

  Mystische Wesen 109.


  Namen (Spott-) 208.

  Namengeben 92, 208.


  Öfen 60, 299.

  Ohren, Durchbohren der 74.

  Ohrenklötze 18, 74.

  Onanie 112, 221, 225.

  d’Orbigny 194, 277.

  Orientierungsgabe 165.

  Orion 294.

  Ornamentik 78 f., 116 f., 125 f., 234, 244, 246 f.

  Ortsnamen 32, 166.


  Pachamama 11.

  Paddeln 48.

  Palometa 23, 108, 186.

  Papagei (Sage) 266, 270, 276, 312.

  Parfüm 85.

  Paterson, Dr. 107.

  Pelleschi 115.

  Pelzmäntel 84, 124.

  Pfeife 86, 171, 242 f., 249, 265, 285, 325.

  Pfeifen, Tabak 102, 200.

  Pfeile 52, 133, 183;
    mit Stumpfspitzen 53, 209, 272.

  Pfeilwerfen 196.

  Pferde, Begräbnis 55;
    gestohlene 140.

  Phantasie 117.

  Plejaden 52, 183, 294.

  Pocken 108, 158.

  Prostitution 95.

  Puppen 69, 117, 248.


  Quebracho 111, 269, 272.

  Quichuas 11, 12, 13, 153, 182, 207, 219, 242, 247, 249, 321.


  Raketts 193.

  Regen 296.

  Regenbogen 296.

  Rehböcke 22.

  Reifen (schlagen) 70, 199.

  Reinlichkeit 84, 190, 203.

  Reisezehrung 59.

  Religiöse Vorstellungen 109 f., 114, 250 f.

  Rosen, Eric von 23, 27, 41, 115, 138.


  Säen 52, 183.

  Sagen 4, 13, 21, 109 f., 222 f., 250 f., 312 f.

  Sägen aus Holz 50.

  Sagenwanderung 114, 293.

  Salz 58, 189.

  Sandalen 80, 203, 306, 326.

  Sandfloh 63.

  Schafe, wie die Tapiete sie bekamen 313.

  Schamgefühl 88, 225.

  Scheibenschießen (Spiel) 10, 69.

  Scheunen 174 f., 183.

  Schießwaffen 10.

  Schildkröte (Sage) 53, 291.

  Schimpfworte 157.

  Schlaf 43.

  Schlägereien zwischen den Frauen 38, 87, 141.

  Schlange (Riesen-) 110, 281, 288.

  Schlangen 23.

  Schlangenbiß (Heilung mit Menstruation) 107.

  Schleudern 12, 53.

  Schlingen 54, 183.

  Schmucksachen 80 f., 82 f., 240.

  Schneckenschalen, Handel 137.

  Schöpfungssage 260.

  Schwalben verkünden Regen 296.

  Schwangerschaft 206.

  Schwirrholz 10.

  Seelenwanderung 256.

  Selbstmord 224.

  Siebe 61.

  Silberne Schmucksachen 240, 263, 288.

  Siluroid 23.

  „Sintflut“ 253.

  Sipoy 22, 311.

  Sirionos 155, 322.

  Sitzbank 177.

  Skalpe, Skalpieren 17, 24, 68, 90, 132.

  Sonne 252, 282, 295.

  Sonnendach 33.

  Sonnenfinsternis 294.

  Sonnenzelt 33.

  Späher 131.

  Spaten 52, 183, 266, 269.

  Speiseverbot 190, 206, 210.

  Sperrung des Flusses 48, 129.

  Spiele 65, 190 f., 224, 281 f.

  Spielsachen 68, 193 f., 291.

  Sprache 28 f., 157, 310, 324.

  Stammbaum 229.

  Stammnamen 28.

  Steine, Armut an 92.

  Steinen, K. v. d. 119, 127, 207, 221.

  Stelzen 70.

  Stempeln der Ornamente 79 f.

  Sternbilder 294.

  Sternhaufen 295.

  Sternschnuppen 295.

  Stier (Sage) 104.

  Stillen 63;
    junger Hunde 56.

  Strauße 20, 54;
    (Sage) 264, 292 f.

  Strümpfe, zum Schutz gegen Fische 23.

  Sturm (Sage) 252, 296.


  Taba 190.

  Tabakraucher (Anbau des Tabaks) 51, 101, 182.

  Tacumbocumba = Viscacha.

  Tänze 17, 78, 85, 106, 141, 240, 325;
    bei der Menstruation 174.

  Tanzmasken 239.

  Tanzspiele 71.

  Tapietes 5, 28, 137, 139, 151, 153, 154, 164, 248, 304 f.

  Tapietes = Yanaygua.

  Tapuy = Chané.

  Tasi 22, 45.

  Tatutunpa 258, 264 f., 269, 271 f., 285 f.

  Tätowierung 74 f., 89, 203, 312, 323.

  Taubstumme 207, 315.

  Tauschhandel, s. Handel.

  Téyuhuasu 222, 276, 283.

  Theokratie 230.

  Tiere, wilde, werden zahm gehalten 41, 56, 187.

  Tipaytunpa 258.

  Tiri 277.

  Tobas 5, 6, 7, 10, 15, 19, 24, 28, 39, 48, 50, 129, 132, 134, 135,
  139, 161, 248.

  Tobas-Pilagas 18, 132.

  Tod 218, 309.

  Tongefäße, s. Keramik.

  Tonkugelbogen 53, 184.

  Tonscherben als Spielsteine 197.

  Tote 255 f.

  Totenreich 157, 255 f.

  Totora 125.

  Trachten, s. Kleidertrachten.

  Tränengruß 24.

  Trauer 24, 108, 179, 219, 253, 309.

  Träume 257.

  Trigo, L. 134, 142, 146, 308.

  Trinkgelage 17, 91, 96, 132, 212, 234, 252, 257, 274, 283, 291.

  Trommeln 86, 97, 115.

  Trophäen, s. Kopftrophäen und Skalpe.

  Tsirakuas 60, 80, 137, 153, 155, 164, 171, 305 f., 322 f.

  Tsirióno = Sirióno.

  Tukan (Sage) 287.

  Tunpa 251, 257, 314.

  Türkisperlen 179, 201, 211, 240, 289.

  Tusca 22, 45, 49, 96, 121.


  Ungeziefer 85, 176.

  Urapua (der schwarze Geier, Sage) 274.

  Uruku, Handel mit 138.

  Ururuti, der weiße Kondor (Sage) 256, 262 f.

  Uturunco 12, 219.


  Vejos, s. Matacos.

  Verbrechen, s. auch Vertreibung der Leibesfrucht, Kindermord usw. 231.

  Verführung der Frau eines anderen 232.

  Verhexen 103, 106, 159, 216, 232, 239, 258.

  Verjüngung 268.

  Versprechen 17.

  Vertreibung der Leibesfrucht 38, 88, 208.

  Viedma 168, 174, 200, 203.

  Viehzucht 55, 187.

  Vielweiberei 90, 212.

  Viscacha (Sage) 260.

  Vogelnetze 183.


  Wachs 54.

  Waldfeuer 22.

  Waldhuhn (Sage) 222.

  Wanderungen 5 f., 32, 204, 311.

  Wasserfall im Rio Pilcomayo 20.

  Wassermangel 17, 25, 52, 311, 329.

  Wassermelone 51, 96.

  Waten 186.

  Weben 121, 246, 326.

  Wege 24, 33.

  Wegweiser 164.

  Wegzeichen 131.

  Weiße, Verhältnis zu, s. auch Arbeit, 142 f., 300 f.

  Weltbrand 13, 21, 111.

  Weltuntergang, s. auch Weltbrand, 251.

  Werbung (Braut-) 212.

  Westermarck 224.

  Wettlaufsage 292.

  Wildkatze (Sagen) 13 = Embarakaya 273.

  Worte (häßliche) 157, 221.

  Würfelspiel 190 f.


  Yahuanau, schwarze Wesen 166.

  Yahuapinta (Puma) 273.

  Yahuéte = zweiköpfiger Jaguar = Yahuaróhui.

  Yamandutunpa 257.

  Yanaygua = Tapiete.

  Yuracáre 22, 52, 79, 224, 277, 315.


  Zahlwörter 30, 73, 315.

  Zähne, Schwärzen 203.

  Zahnschmerzen, Entstehen 314.

  Zamuco 324, 328.

  Zapallo, s. Kürbis.

  Zauberer, s. Medizinmänner.

  Zauberspaten 266, 269.

  Zecken (Sage) 262, 292.

  Zeichen der Würde 228.

  Zeichnungen, ausgeführt von Indianern 127 f., 248.

  Zeiten der Not 50 f., 60.

  Zeremoniell bei den Festen 238.

  Zubereitung der Speisen 58, 188.

  Zweiköpfiger Jaguar 272, 294.

  Zwerge 327.




Berichtigung.


  Seite  22 Zeile 12 v. o. „Tasifrucht“ anstatt „Tuscafrucht“.
        116        8 v. u. „Caraguatábast“ anstatt „Caraguatárinde“.
        125       14 v. o. „Korbarbeiten“ anstatt „Kostbarkeiten“.
        138        3 v. o. „Schneckenschalen“  anstatt „Muschelschalen“.
        211       14 v. o. „Pflock“ anstatt „Knopf“.

[Illustration: KARTENSKIZZE

die Verbreitung der Indianerstämme in den Grenzgebieten Bolivias und
Argentiniens darstellend

  +    Missionsstation
  ☐    Militärpostierung
  ⚬    Dörfer von Weißen bewohnt
  ●    Stets wohnhafte Indianer
  ▲    Nicht völlig wohnhafte Indianer
  ⋯   Reiseroute
  +++  Grenzen
  ◯  Größere Orte]





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK INDIANERLEBEN ***


    

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