Mein erster Ausflug: Wanderungen in Griechenland

By Emperor of Mexico Maximilian

The Project Gutenberg EBook of Mein erster Ausflug, by 
Ferdinand Maximilian von Österreich

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Title: Mein erster Ausflug
       Wanderungen in Griechenland

Author: Ferdinand Maximilian von Österreich

Release Date: November 21, 2014 [EBook #47412]

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK MEIN ERSTER AUSFLUG ***




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  Mein erster Ausflug.


  Alle Rechte vorbehalten.

  _Die Verlagshandlung._


  [Illustration]

  =Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig.=




  Mein erster Ausflug.

  Wanderungen in Griechenland
  von
  Maximilian =I.=
  Ferdinand Maximilian
  Erzherzog von Oesterreich.

  Mit einem Portrait des Verfassers in Stahlstich,
  nach einem Miniatur-Gemälde von _Raab_.

  Leipzig,
  _Duncker & Humblot_.
  1868.




Inhalt.


                                                 Seite

  Vorwort                                        =VII=

  Triest                                             1

  Der erste Tag auf griechischer Erde               10

  Eine Landreise durch Griechenland                 23

  Athen                                             77

  Ein Besuch in der Moschee von Smyrna             147

  Ein Besuch auf dem Sklavenmarkte von Smyrna      159

  Der Bazar von Smyrna                             164

  Ein türkisches Bad                               173

  Ein Morgen beim Pascha von Smyrna                181

  Ein Ausflug nach Burnabà                         205

  Beim Anblick von Corfu                           216

  Zwei Tage in den Bocche di Cattaro               221

  Ragusa                                           234

  Der vierte October auf offener See               251




Die gegenwärtigen Blätter, welche eigentlich den Reigen der unter dem Titel
»Aus meinem Leben« veröffentlichten Reisetagebücher des verewigten Kaisers
Maximilian hätten eröffnen sollen, erscheinen durch eine eigene Verkettung
der Umstände an deren Schluß und unter einem selbstständigen Titel. Jene
jüngst publicirten Bände nehmlich waren bereits früher als Manuscript
gedruckt und nur dem kaiserlich österreichischen Hofe, speciell den dem
Erzherzog Ferdinand Maximilian Nahestehenden zum Geschenk gemacht worden.
Das vorliegende Tagebuch über des Erzherzog-Kaisers erste Reise nach
Griechenland (der Prinz zählte damals 18 Jahre) war ursprünglich von dem
hohen Autor in seiner Bescheidenheit selbst nicht für bedeutend genug
erachtet worden, um dessen Veröffentlichung wünschenswerth erscheinen zu
lassen. Jetzt indessen, nach dem Scheiden des Kaisers Maximilian, glaubten
wir den zahlreichen Verehrern seines Charakters, wie seiner Muse,
keine freundlichere Gabe bieten zu können, als die Blätter seines
Erstlingswerkes, die den für alles Gute und Schöne warm erglühenden
kaiserlichen Jüngling trefflich kennzeichnen.

Die Reise nach Griechenland fällt noch in die Studienzeit des jungen
Prinzen; es war ein Ferien-Ausflug, der ihm, wie seinem jüngern Bruder,
dem Erzherzog Carl Ludwig, vom Kaiser wie den kaiserlichen Eltern gestattet
worden war. Die Reisegesellschaft bestand aus dem _Erzherzog Max_, dem
_Erzherzog Carl_, dem _Fürsten Jablonowsky_ (seitdem in der Blüthe seiner
Jahre gestorben), dem _Grafen Coudenhove_ (jetzigem Obersten in der Armee),
dem _Baron Koller_, dem _Archivarius Kaltenbeck_ (als Herausgeber gelehrter
Schriften bekannt -- seitdem gleichfalls verstorben), dem _Professor
Geiger_ (einem talentvollen und hochgeachteten Maler) und dem _Doctor
Fritsch_ (kaiserlichem Leibarzte, und von Seiner Majestät dem Kaiser Franz
Joseph, seinen Brüdern beigegeben). Den Dampfer Vulcan, der die Prinzen
beförderte, befehligte der jetzige Vice-Admiral und Commandant der Marine,
damaliger Capitain _Julius Vissiak_, während sich =Dr.= _Ilek_, jetzt
Marine-Stabsarzt und der unglücklichen Kaiserin Charlotte bis zu Ihrem
Abschiede von Miramar ärztlicher Rathgeber, als Schiffsmedicus auf der
Corvette befand. Die Reise sollte keinem wissenschaftlichen Zwecke dienen;
sie war im eigentlichen Sinne eine Lustreise. Erzherzog Max sowohl wie sein
eben erst in das Jünglingsalter eintretender Bruder gehörten damals noch
nicht dem »Dienste« an. Der Erstere trat bald darauf in die Marine ein,
und mußte während der italienischen Reise (im Jahr 1851) schon seine
Schiffswacht halten. -- Es existirt in Miramar ein hübsches Bild von
Professor Geiger, welches die Vorstellung beim Pascha von Smyrna*)
darstellt, und auf dem die beiden Erzherzoge in weißer Uniform erscheinen.

  *) S. 181.

Die Leidenschaft des Prinzen Max für die See und die Tropen tritt in den
nachfolgenden Blättern schon bedeutend in den Vordergrund -- sie hat ihn
nie verlassen. Die Cajüte war sein liebster Aufenthaltsort; er hat sich
in Miramar aus seinem eigensten Gemach fast eine _Cajüte_ geschaffen;
die Wogen des Meeres, die an das Schloß anschlagen, vervollständigten die
Täuschung. Es ist ein großes viereckiges Zimmer, wohl kaum mehr als 9 Fuß
hoch, und eines der anmuthigsten und interessantesten Gemächer im
Schlosse. Außer dem leeren Fleckchen auf dem Schreibtische, dessen der
Erzherzog-Kaiser nicht entbehren konnte, war kaum ein freies Plätzchen zu
finden. Er war, wie dies schon aus dem nachfolgenden Tagebuche hervorgeht,
ein leidenschaftlicher Sammler: die Symbole und Producte aller Länder und
Meere füllten Tische, Schränke und Gestelle in diesem Gemache. Indessen
fehlten demselben auch die behaglichsten Möbel nicht. Nach Tische pflegte
der Erzherzog hier mit den Herren seiner Umgebung eine Cigarre zu rauchen,
während seine hohe Gemahlin, nur durch wenige Zimmer getrennt, in dem
Kreise Ihrer Damen weilte; oft ging er ab und zu, um die hohe Frau durch
heiteres und kurzweiliges Gespräch zu erfreuen.

Es möge uns gestattet sein, hier einige wenige biographische Skizzen über
den verewigten hohen Verfasser zu geben: Ferdinand Maximilian wurde am 6.
Juli 1832 geboren; er hat somit, da er am 19. Juni 1867 schied, sein 35stes
Lebensjahr nicht vollendet. Er ward von seiner Familie mit dem zweiten
Namen genannt, den er auch als Kaiser von Mexico ausschließlich führte.
Er war ein so schwaches und wenig hübsches Kind, so unbeweglich und
theilnahmlos, daß nur das Auge der Mutter in seinem lebhaften Blicke das
Erwachen des Geistes wahrnahm. Zwei Züge aus seiner frühesten Kindheit
seien hier mitgetheilt, obgleich diese Zeilen nur die äußersten Umrisse
seines Erdenlebens geben sollen: Als Max eben sprechen gelernt hatte,
zeigte man den erzherzoglichen Kindern einen der Zwerge, die ihre
Kindergestalt beibehalten haben, in deren Gesicht sich aber das vorgerückte
Alter ausspricht. Der kleine, etwa zweijährige Knabe lief zu seiner Aja
in das andere Zimmer und sagte: »Draußen ist ein altes Kind!« Das war der
erste Geistesblitz. Sein Herz sprach auf eine noch schönere Weise. Zu der
Zeit, als die jungen Erzherzoge unter männliche Aufsicht gestellt werden
sollten, war das Herz des kleinen Max von Schmerz erfüllt, sich von
Fräulein v. Sturmfeder, der erzherzoglichen Kinder Aja, trennen zu sollen.
Fräulein v. Sturmfeder liebte den zwei Jahre älteren, viel hübscheren und
aufgeweckteren Bruder Franz viel mehr, als den mageren, blassen, stillen
Knaben. Als sie nun gehen wollte, stürzte sich Max ihr um den Hals, und
weinend rief er aus: »Ich liebe Dich so -- so sehr -- wie Du den Franzi
liebst.«

Der Erzherzog wuchs heran; er gewann sich durch sein frisches, warmes
Wesen, durch seinen lebendigen, empfänglichen Geist die Liebe und Achtung
aller Derer, die mit ihm und neben ihm lebten. Es war eine durchaus gerade,
wahre Natur. Er wollte nie mehr sein, als er war; weniger Fürst als Mensch,
hielt er doch sehr viel von seiner hohen Stellung, erkannte aber die
Pflichten an, die sie ihm brachte. Zahlreiche Stellen aus seinen Schriften
beweisen dies. Männer, die ihm nahegestanden, wissen nicht genug
seine Leutseligkeit, seinen hohen Sinn zu rühmen. Aber auch über seine
Festigkeit, seine Kenntnisse und die Umsicht, mit der er sich den ihm
zugetheilten Aufgaben unterzog, herrscht nur eine Stimme.

Bald nach der Rückkehr aus Griechenland trat Ferdinand Maximilian in
die Marine ein. Er gehörte ihr an, bis er sein Schloß Miramar auf immer
verlassen sollte und seine Wirksamkeit als Obercommandant derselben hat den
Grund zu dem ruhmreichen Siege von Lissa gelegt. -- Zu Ende eines Manövers,
welches die Flotte vor Seiner Majestät dem Kaiser Franz Joseph ausführte,
ernannte ihn sein erhabener Bruder zum General-Gouverneur der Lombardei
und Venetien. -- In diese Zeit (1856) fällt seine Verlobung mit der von ihm
innig verehrten Prinzessin Charlotte von Belgien. Im Jahre 1857 siedelte
er mit seiner jungen Frau nach Mailand über, wo sie im rosengeschmückten
Garten von Monza ein glückseliges Leben führten. Welterschütternde
Ereignisse riefen ihn nach zwei Jahren von diesem Posten ab. Was er
gelitten in dieser Zeit, geht aus einem Ausspruch hervor, den er gethan.
Er hatte in seiner Bibliothek eine Tafel aufgestellt mit der Inschrift:
»=Memento Verona!=« Er sagte: »Dieses =Memento= lese ich, wenn ich mich
trübe gestimmt fühle; denn unglücklicher, als ich damals war, kann ich
nicht werden!«

Was später geschehen ist, gehört der Geschichte an. Unsäglich mag er,
ferne von Allen, die ihm theuer waren, gelitten haben. Seine Gemahlin,
die heldenmüthige Gefährtin seiner erschütternden Leiden während der Zeit
seiner Regierung, wähnte er gestorben. Man darf hoffen, daß sein Geist in
der Todesstunde von einer Art Verzückung gehoben war; denn als man ihm die
Augen verbinden wollte, sagte er: »Nein, nein, dann könnte ich meine Mutter
nicht mehr sehen.« -- Die Augen gen Himmel gerichtet, erwartete er den
tödtlichen Schuß.

Auf ihn lassen sich treffend seine eigenen Worte anwenden:

  Er war, um zu sein;
  Er starb, um zu leben!




Triest.


  _Triest_ den 2. September 1850.

Den schönsten Anblick von Triest genießt man unstreitig am Fuße des
Obelisken von Optschina; man fährt stundenweit durch die steinigen Wüsten
des Karstes, auf dem ein schwerer Fluch zu lasten scheint; die Felsenstücke
bilden graue Gestalten und man wähnt Ruinen von Häusern und ganzen Dörfern
zu sehen; dürres Gesträuch streckt die Arme aus und nirgends erfreut Leben
das menschliche Auge; das Grau des Unentschiedenen und Geheimnißvollen ist
über den Karst gebreitet, bis sich endlich nach langer Fahrt das ermüdete
Auge beim Anblick des Obelisken neu belebt, der wie ein Zeichen der
Hoffnung dasteht. Man ist noch im Jammerthale, aber drüben ist's herrlich,
südlich und lebendig; man treibt mit Ungeduld den Postillon, und rasch
fliegt man die letzte kleine Anhöhe bis zum Obelisk heran, und nun liegt
das Bild der Unendlichkeit zu den Füßen des entzückten Reisenden, das der
Contrast mit dem todten Steinmeere zum Naturleben noch entzückender macht.
Zu den Füßen des Wanderers liegt dort das Meer und wie Schwäne ziehen die
schimmernden Segel durch die Fluthen, die im Halbkreise von fruchtbaren
terrassenförmigen Ufern, mit schönen Villen besät, umfaßt werden, und
endlich die Handelsstadt mit der Rhede wie eine Karte ausgebreitet; eine
zweite schwimmende Stadt bilden die Schiffe mit ihrem regen Leben und
Treiben. Die Aussicht von Optschina ist wohl eine der schönsten der Welt.
Eine vortreffliche Straße mit sehr geringem Fall führt im Zickzack den
Berg hinab. Zwischen Weingärten und Landhäusern sieht man immer mit neuer
Begeisterung das schöne Meer vor sich und genießt den ersten Vorgeschmack
des Südens; man ahnt Italien. Die Stadt selbst ist neu und trägt den
Stempel einer Handelsstadt; die Gebäude sind groß, massiv und reinlich,
aber ohne schöne Architektur, die Straßen von langweiliger Regelmäßigkeit,
und einander zu ähnlich um interessant zu sein. Auch in geschichtlicher
Hinsicht bieten sie wenig Bemerkenswerthes. Nur in der Nähe der
hochgelegenen Domkirche findet man einige römische und altchristliche
Alterthümer; doch sind sie ohne große Bedeutung. Natürlich sucht jeder
Ankömmling in Triest an den Quais zu wohnen, daher auch wir das Hôtel
National, mit der Aussicht auf das Meer bezogen, das eins der besten
Gasthäuser ist, die ich kenne. Da wir Triest schon früher besucht hatten,
brauchten wir uns mit den sogenannten kalten Merkwürdigkeiten nicht zu
plagen, und konnten das Leben der Stadt vorzugsweise ins Auge fassen, das
uns während eines kurzen Aufenthaltes manches Interessante bot. Nach einem
vortrefflichen Mittagsessen mit frischen Seefischen, erfuhren wir in dem
reichhaltigen chinesischen Gewölbe, daß das Schiff »Wellington«, welches
chinesische und indianische Matrosen an Bord hat, den Hafen erst morgen
verlassen würde, um nach London zurückzukehren; wir ließen uns daher durch
ein Boot an Bord des Wellington bringen und stiegen, nachdem wir uns so gut
als möglich mit den Matrosen in englischer Sprache verständigt hatten, über
eine schmale kleine Strickleiter auf das Verdeck; hier glaubten wir einen
Bestandtheil der »=Vieuxlac=«-Bilder auszumachen, so ganz sahen wir uns in
die chinesische Welt versetzt. Ungestalte Männer von mittlerer Größe mit
fahler gelber Haut, starken Backenknochen, runder Nase, schiefen Augen und
einem mehrere Fuß langen schwarzen Zopf, der von der Mitte des sonst kahl
geschorenen Kopfes herab hing, umgaben uns. Ihre Kleidung bestand aus einem
sackähnlichen Spencer und weiten Hosen von demselben farblosen Stoffe;
einige trugen parasolartige Hütchen aus Rohr; Nacken und Füße waren
unbedeckt; dies die Matrosen des Schiffes. Sie sahen plump aber gutmüthig
aus; das Gesicht wäre schlaff und dumm gewesen, wenn nicht kluge, dunkle
Augen daraus hervorgeblitzt hätten. Die Leute waren freundlich, fast
schelmisch und nicht im mindesten verlegen. In einiger Entfernung,
abgesondert und scheuer standen magere schmächtige Männchen mit dunkler,
öhlig glänzender Gesichtsfarbe und edleren Zügen, aus denen aber Mißtrauen
sprach, schwarzem Haar und funkelnden Augen; bis auf die turbanartige
Kopfbedeckung waren sie wie die Chinesen gekleidet. Ihr Ausdruck war
schwärmerisch düster, ihre Art zurückhaltend und ernst; es war die
indianische Bemannung, die durch drei bis vier Europäer vervollständigt
wurde, unter denen sich der englische Kapitän befand, dessen Grobheit und
Unverbindlichkeit einen eigenen Gegensatz zu der freundlichen Aufnahme der
Chinesen bildete. Anfangs schien er uns gar nicht bemerken zu wollen; erst
später brummte er auf unsere Anrede eine Erwiederung. Wir bestiegen die
interessantesten Theile des Schiffes und konnten die Chinesen und Indianer
in den verschiedensten Lagen sehen. Einige saßen mit untergeschlagenen
Beinen, Andere lagen der Länge nach ausgestreckt, noch Andere waren wie
ein unförmlicher Knäuel um das Küchenfeuer zusammengekauert und entzündeten
ihre kurzen Pfeifen an der Gluth. Man muß anerkennen, wie naturgetreu die
Chinesen zeichnen, denn jede Stellung, jeder Zug war uns schon von den
Tapeten her bekannt, die europäische Boudoirs zieren; manchmal glaubten wir
die trägen Pagoden mit ihrem taktmäßig wackelnden Kopfe, oder die fahlen
Speckmännchen mit verrenkten Gliedern und langem, majestätischen Zopfe zu
sehen; auf diesen, in Europa verpönten Appendix halten die Verehrer des
Confuzius besonders viel; er ist so lang, daß sie ihn während der Arbeit um
Hals und Körper schlingen. Das Alter dieser Leute scheint zwischen Dreißig
und Vierzig gewesen zu sein, die Muskulatur war bei allen gleich stark
plump und zum Rundlichen neigend. Einer unter ihnen, der sich besonders
liebenswürdig zeigte, und uns immerwährend gutmüthig und verschmitzt
anlächelte, sprach gebrochen englisch. Wir fragten ihn, ob er nichts von
seinen Landesprodukten zu verkaufen habe, worauf er einen Pack kleiner
Stäbchen brachte, die, wie er mit Geberden zu verstehen gab, beim Gebete
angezündet werden. Als wir es zu Hause versuchten, brannten die schmalen
Stäbchen wirklich eine geraume Zeit und dufteten sehr angenehm. Von den
Indianern interessirten uns hauptsächlich zwei Gestalten: ein alter
Mann mit schönem, weißem Barte, vorstehender Nase, dicken Lippen und
schwärmerisch leidenden, halbgeschlossenen Augen. Um das kleine Haupt war
ein weißer Turban geschlungen, der zur dunkeln Hautfarbe gut stand; sein
Anblick erinnerte an den eines schwer belasteten schläfrigen Kameles. Der
zweite war ein junger, kleiner, fast schwarzer Mann von geschmeidigem Bau;
sein glänzendes, gelocktes Haar hatte die reine schwarzblaue Färbung; seine
Züge waren edel und schön, die Gesichtshaut glänzend, und aus den dunkeln
Augen sprühte ein düsteres, melancholisches Feuer; sein Blick war abstoßend
und anziehend zugleich, wie man es auch bei Zigeunern, Ungarn und Juden
findet. Beim Abschied theilten wir unter die Asiaten einige blanke
Silberstücke aus, was einen sehr guten Eindruck zu machen schien; denn als
wir von der Schiffswand abstießen, steckten die freundlichen Chinesen die
Köpfe zu den Luken heraus und winkten auf das herzlichste, was ich ebenso
erwiederte. Tags darauf hatte ich den Genuß, bei einem schönen, sonnigen
Tage zum erstenmale im Meere zu schwimmen; wer sich im stehenden Wasser
gleich einem Pudel abgearbeitet hat, um sich auf der Oberfläche zu
erhalten, und großer Schwimmproben nur wie einer mühsamen Uebung gedenkt,
der fühlt sich auf der Salzfluth wie ein Schwan von den blauen Wellen
getragen und erfrischt; dazu schien die Sonne so freundlich auf den
prächtigen Hafen, daß es eine Lust war, sich in diesen Gewässern zu
bewegen. Nachdem wir das Bad gestärkt verlassen hatten, fischte man noch
einige Zeit im reichen Meere, und zog auch Austern heraus, die wir sogleich
verzehrten. Von dort begaben wir uns zu einer nicht so entzückenden, aber
sehr merkwürdigen Produktion. Ein Taucher sollte vor unsern Augen die
Tiefe des Meeres ergründen; es war ein schauerlicher Anblick, und hätt'
ich vorher geahnt, wie die Sache vor sich geht, nimmermehr hätt' ich es zu
sehen gewünscht. Wir stiegen aus das Schiff, auf dem sich der arme Taucher
befand, der einzige unter achtzigtausend Menschen, der den Muth hat, dieses
Geschäft zu betreiben; er saß schon, in ein Kautschuk-Gewand gekleidet auf
einer Bank. Man setzte ihm einen luftdichten Helm von schwerem Eisen auf
die Schultern, den man an den eisernen Saum des Kleides anschraubte; für
die Augen befinden sich zwei Glasscheiben in dieser Kopfbedeckung, hinten
die Oeffnung, in welche eine Kautschukröhre eingeschraubt wird, durch die
man ihm mittelst einer Pumpe Luft zuführt. Schon der Anzug ist schauerlich;
alles wird so zusammengepreßt und geschraubt, daß man an ein Ersticken
denken muß; nun wurde ein schwerer Anker in die tiefe See geworfen, an dem
der Taucher auf dem Grunde einen Strick befestigen sollte; es war freilich
prosaischer als wenn er »den goldenen Becher« aus den Fluthen geholt hätte,
aber das Wagstück war nicht minder groß. Schillers schöner Jüngling durfte
Mantel und Gürtel wegwerfen, diesem armen jungen Manne wurden noch schwere
Gewichte angehängt, um ihn unter dem Wasser zu erhalten; auch begeisterten
ihn nicht die glühenden Augen einer holden Prinzessin; er stieg an einer
Strickleiter hinab und verschwand in den Fluthen; nur die stets weiter und
weiter werdenden Wasserringe zeigten, wo er versunken war. Lange, lange
gab er kein Zeichen; es war für uns eine peinliche schreckliche Zeit; es
drängte sich uns der Gedanke auf, der arme Mann könne ein Opfer unserer
Neugierde geworden sein; hätte ich mich nicht vor denen geschämt die dieses
Schauspiel kannten, so hätte ich gefleht, daß man den Mann von seiner
gewagten Arbeit zurück rufen solle; als unsre Angst aufs höchste gestiegen
war, gab er endlich das Zeichen, daß seine Arbeit vollendet sei; nun wurden
die Maschinen in Bewegung gesetzt, und man zog den schwerbelasteten herauf,
und schraubte ihm schnell die drückende Bürde ab; er war aufs höchste
ermattet und erschöpft.

  »Er athmete lang und athmete tief
  »Und begrüßte das himmlische Licht,
  »Und frohlockend es Einer dem Anderen rief:
  »Er lebt, er ist da, es behielt ihn nicht.«

Er gestand, daß es ihm jedesmal Ueberwindung koste, sich den Fluthen
anzuvertrauen; besonders das erste Mal sei ihm das Brausen der
einströmenden Luft in den metallenen Helm furchtbar gewesen; einmal ward
ihm am Grunde des Meeres übel, doch konnte er seinen Zustand durch ein
Zeichen kund geben; er bleibt aber immer mancherlei Gefahren ausgesetzt
-- der Schlag kann ihn vor Hitze rühren; wird zu rasch gepumpt und zu viel
Luft eingelassen, so erstickt er, was auch geschieht, wenn das Wasser einen
Eingang in seine Kopfbedeckung findet. Die Dirigenten gestanden mir, daß
keiner von ihnen das Wagstück versuchen würde; ich glaubte es gerne, sagte
mir dasselbe und bewunderte den Muth des Tauchers um so mehr; er ist ein
kaiserlicher Matrose und heißt Nicolo Rendich; er hat edle, aber krankhaft
ernste Züge, und ist von feiner, fast schmächtiger Gestalt. --

Die Erscheinung einer Fata morgana auf dem Meere, die ich schon längst zu
sehen gewünscht hatte, wurde mir eines Morgens in Triest zu Theil, obwohl
sie in diesem Hafen nicht sehr häufig ist. Wir waren nach dem Frühstück
auf den Balcon getreten, von welchem man die Aussicht auf die weite See
genießt, als ich über dem Horizonte eine zweite Wasserfläche zu sehen
glaubte, an deren unterer Seite Segelschiffe umgestürzt dahinflogen, und
nie gesehene Küsten sich dem Auge zeigten; es war der zauberhafte Anblick
eines Doppelmeeres, in dessen Scheidung sich die verschiedenartigsten
Gegenstände darstellten; die schönste Sonne beschien das Schauspiel, das
lange genug dauerte, um dasselbe mit Muße betrachten zu können; zuletzt
zerrann das Bild wie ein schöner Traum in blauen Dunst. -- Wir hielten
uns nur anderthalb Tage in Triest auf und durchschnitten dann am schönsten
Morgen auf dem prächtigen Dampfer Vulkan die adriatischen Fluthen, um ins
schöne Hellas zu schwimmen.

Mein Gefühl, als der Hafen unsern Blicken entschwand, war das eines
Siegers; denn mein liebster Wunsch ward in diesem Augenblicke erfüllt.
Tausend Pläne und Hoffnungen durchkreuzten unsere Köpfe, so daß dieser
Abschied einer von den heitersten war, den ich je erlebte.




Der erste Tag auf griechischer Erde.


  Den 8. September 1850.

Gegen fünf Uhr Morgens trat ich auf das Verdeck und ward fast überwältigt
von dem herrlichen Anblick, der sich mir darbot. In milden, rosenfarben
Umrissen ruhte der wundervolle, weit ausgedehnte Golf Patras in der
Dämmerung. Die Berge des Peloponnes und die hohen Felsenspitzen
von Rumelien glühten im Wiederscheine der kommenden Sonnenstrahlen;
zauberhaftes Halbdunkel lag auf den Ufern des blaugrünen ruhigen Meeres.
Der südliche Himmel wölbte sich ins Unbegrenzte; die Farben waren in
großen, massenhaften Tönen aufgetragen, vom tiefsten Blau der fernen
Gebirge bis zum glänzendsten Rosenroth der leuchtenden Felsen; Man rühmt
als das Schönste in der Natur einen Morgen in den Alpen; ich habe ihn
gesehen, und es ist fürwahr ein großes Schauspiel; doch bleibt die Pracht
und Gluth des Südens unerreicht, und die leichten Nebel in den tiefen
Thälern ersetzen nicht den Zauber des Meeres. Links von uns sahen wir
Missolunghi schimmern, wo die dankbaren Griechen Lord Byron ein Denkmal
gesetzt haben; er starb hier, zum Befreiungskampfe für ein Land gerüstet,
dessen Reize er in unsterblichen Gedichten besungen hat. Vor uns lag in
dunklen Umrissen Patras; ihm zur Linken der Eingang des Meerbusens von
Lepanto, den der Schimmer des jungen Tages in ein Silberband verwandelte.
Plötzlich stieg in der Richtung von Korinth die Sonne empor, und die Natur
jauchzte in neuem Leben. Kaum aber sahen wir die goldenen Strahlen auf den
Wogen tanzen, als die Schnelle unseres Dampfers schon die hohen Gebirge
von Patras zwischen uns und die Sonne legte; dann sahen wir sie noch
einmal aufgehen, und diesmal blieb sie uns treu und erfreute uns mit ihrer
südlichen Kraft. Nun sahen wir auch die Stadt vom Grün üppiger Weingärten
umgeben. Von einer venetianischen Festungsruine gekrönt, zieht sich ihre
lange, aber nicht sehr breite Häusermasse längs der Schiffsrhede hin.
Da wir seit Pola nicht gelandet waren, zeigte sich uns der Süden ohne
Uebergang. Die Berge waren meist entwaldet und felsig, desto lachender die
Ufer; bald umgaukelten unser Schiff leichte Fischerbarken mit neugierigen
Hellenen in weißen Fustanellas und malerischem Fessi, die nach den neuen
Ankömmlingen spähten. Wie Schwäne durchzogen sie mit ihren dreieckigen
kleinen Segeln die hellgrünen, durchsichtigen Fluthen. Als wir ungefähr
zweihundert Schritte vor der Stadt Anker geworfen hatten, näherten sich
mehrere Bote mit der Bitte, unser Schiff besehen zu dürfen, was aber nicht
gestattet wurde, weil wir erstens keine =pratica= hatten, und diese Besuche
für die beweglichen Gegenstände etwas gefährlich sind. Nachdem der Anker,
der Erste von uns, auf griechischer Erde Fuß gefaßt hatte, konnten wir die
Stadt und ihr Treiben von weitem betrachten; es war ein ausgesucht schöner
Tag, wie man sich ihn zum ersten Blicke in ein heißersehntes Land nur
wünschen kann; auch bemächtigte sich meiner die nur dem Reisenden bekannte
Wonne, wenn er das Ziel seiner Wünsche erreicht hat. Der äußere Anblick
der Stadt hat einen süditalienischen Anstrich; die Häuser sind in
unregelmäßigem, malerischen Gemenge gebaut, und überall blickt die
freundliche Rebe zwischen den Mauern durch. Patras ist an den Rücken
einer Anhöhe gelegt, die sich unmittelbar an das hohe Gebirge lehnt; die
untersten Häuser reichen bis an das Meer. Im Alterthum war es von
geringer Bedeutung; es enthält auch mit Ausnahme einiger Sarkophage keine
Erinnerungen an dasselbe; unter den Venetianern ward es durch das ziemlich
bedeutende Fort wichtig; in der Geschichte Neugriechenlands aber wird es
unvergessen bleiben; denn das der Stadt nahe Kloster Megasderion war die
Wiege des aufstrebenden Hellas. Hier wurde von dem Erzbischof der Stadt
der Kampf gegen die Ungläubigen für heilig erklärt, und das Panier mit dem
weißen Kreuze aufgesteckt. Auch durch die Zahl der Einwohner und durch den
Seehandel, dessen Hauptgegenstand getrocknete Trauben sind, ist Patras eine
der bedeutendsten Städte Griechenlands. Von Tag zu Tag vergrößert sich
sein Umfang. -- Da es Sonntag war, so trafen wir die ganze Bevölkerung
in malerischem Putz und regem Leben; Hunderte von Griechen mit den weiten
Fustanellen sah man den Quai entlang dem Ton der Glocken, die zur Messe
riefen, folgen; auch die Zahl der um uns kreisenden Barken nahm von Minute
zu Minute zu. Anmuthig und stolz lagen die schönen Söhne von Hellas darin;
die Soldaten in blauem, mit Silber gesticktem Spencer, engem rothen Gürtel,
faltenreicher Fustanelle, gestickten blauen Gamaschen und rothen Schuhen.
Die Züge der Griechen sind edel, ihr Haupt ruht frei auf dem stolzen
Nacken, und ihr schöner Bau wird durch die Tracht hervorgehoben.

Nachdem ein Boot von unserm Schiffe zu dem Consul gesendet worden war,
entfaltete sich plötzlich über einem Gebäude am Meere das geliebte
österreichische Banner; bald brachte uns auch ein griechisches Boot die
=pratica=, und gleich darauf kehrte das Unsere mit dem Consul zurück. Es
war ein magerer, schmächtiger Italiener, dessen hoher grauer Hut, gleich
ihm selbst, gar manche Jahre zählen mochte; spießige graue Haare hingen vom
Kopfe herab, die spitze, scharfe Nase reichte fast bis ans Kinn; von
der Zahl seiner Zähne mag die Vergangenheit erzählen; um den langen,
vorgebeugten Hals schlang sich eine weiße, schnupftuchähnliche Cravatte,
und den dürren Leib umhüllte ein dunkelgrüner Diplomatenfrack, dessen lange
Schöße die Wichtigkeit seines Postens versinnlichten; bei alledem erfuhren
wir, daß er gegen die Oesterreicher sehr freundlich ist, und ihnen allerlei
Festlichkeiten zu geben pflegt. Wir luden ihn zum Frühstück ein, während
dessen er erzählte, daß er Officier in der österreichischen Armee war,
unter Haynau und Radetzky gedient habe, später am Kampfe unter Ibrahim
Pascha betheiligt gewesen, dann nach Nubien gereist, und zuletzt als Consul
nach Patras gekommen sei, wo er nun schon seit 18 Jahren weilt. Wenn er ins
lebhafte Gespräch kam, konnte man ihn für einen italienischen Improvisator
halten. In der letzten Zeit hatte er Gelegenheit seine diplomatische
Geschicklichkeit zu zeigen; eine Menge italienischer und ungarischer
Flüchtlinge hatten sich nach Patras gezogen, ihn anfangs mit geringer
Achtung behandelt, aber später mit Bittschriften an seine Regierung
bestürmt, -- um in die Heimath zurückkehren zu dürfen. -- Zwei unserer
Herren begleiteten ihn bald nach dem Frühstück in seine Barke; wie
beneideten wir sie, die so bald das gelobte Land betreten durften, während
wir, bei diesem herrlichen Tage, bis Nachmittag warten mußten; die Herren
versprachen uns bald abzuholen und uns von den herrlichen, in griechischer
Sonne gekochten Trauben und Feigen mitzubringen. Professor G. brachte
die Zeit auf dem Räderkasten zu, mit der Zeichnung des Golfpanorama's
beschäftigt, das denn auch, wie alles, was er zeichnet, vortrefflich
glückte. Wir andern sprachen über zukünftige Reisepläne, ergötzten uns an
dem immerwechselnden Schauspiele der Natur, an den kommenden und gehenden
Barken und ergänzten unsere Tagebücher; ein Schifflein voll Musikanten
umschwirrte mit lieblichen Gesängen unser Schiff; dennoch dünkte uns die
Zeit lange, ehe wir das Boot des Consuls erblickten; den beiden Herren
merkte man es an ihren muntern Gesichtern und ihrer lebhaften Beschreibung
an, wie befriedigt sie von ihrem Ausfluge waren. Wir wurden leider noch
einige Zeit durch einen Unternehmer, den der Consul mitgebracht hatte und
mit dem wir einen Contract wegen unserer Landreise nach Korinth und Nauplia
abschließen mußten, auf dem Schiffe zurück gehalten. Um halb zwei Uhr
wurden wir endlich flott und alles was Hände und Füße hatte sprang in
die Boote des Vulkans. Jauchzend schaukelten wir zwischen malerischen
Kauffahrern dem Lande zu; Wonne durchzuckte mich, als ich zum ersten Male
den Fuß auf hellenische Erde setzte. Acht Tage waren es erst, daß ich von
Freude berauscht und lachend vom alten Freunde, dem Stephansthurm, Abschied
genommen hatte, und nun stand ich schon, durch den Dampf, die
Triebkraft der Neuzeit, befördert, auf dem im voraus geliebten Boden der
Vergangenheit; die Schnelligkeit des Ueberganges wirkte zauberisch. Da
standen wir plötzlich auf einem Platze von Patras, umringt von Bildern,
deren Beschreibungen nur schwache Schatten wieder geben können. Da saß
eine Gruppe reicher Griechen mit blendender Fustanelle oder faltigen
dunkelblauen Beinkleidern, am Eingange eines Kaffeehauses ihre langen
Pfeifen schmauchend; daneben standen andere und spielten mit ihren
rosenkranzartigen Kugelschnüren, welche die immerbewegte Hand des echten
Hellenen nie verlassen. Dort trieb der Sohn der Berge, in farblose Fetzen
gehüllt, einen Zug von Pferden und Eseln, die die süßen Trauben, seinen
einzigen Erwerb, in Körben und Säcken von den höhern Weinbergen herab
tragen; hier feilschte ein Trupp lustiger Bursche im Sonntagsstaat um
die auf der Erde aufgehäuften Früchte des Landes; dort wogte eine Gruppe
schreiender Kinder um einen greisen Popen mit wallendem Barte; weiterhin
durchkreuzte ein Trupp fröhlicher Soldaten mit gleichem Schritt und Tritt
die Menge. Diese Bilder wurden von den verschiedenartigsten Gebäuden
umrahmt; einige zeichneten sich durch netten Bau und reinere Farbe aus;
sie gehörten den reichen Kaufleuten, die hinter den grünen Jalousien in den
heißen Stunden der Siesta pflegten; andere waren von Holz in verfallenem
Zustande; unter den Häusern liefen, von hölzernen Säulen gestützte
Gallerien, wo sich Buden im farbenreichsten Durcheinander befanden, in
denen man die den Sitten des Landes angemessenen Gegenstände verkaufte.
Das Interessanteste waren alte Waffen, und typische auf Holz gemalte
Heiligenbilder, von denen ich mir eins kaufte. Die Gassen sind ziemlich
breit, laufen über Berg und Thal, und bieten dem civilisirten Fuß sehr
unbequeme Steinparthieen, auf welchen sprudelnde Quellen kleine Wasserfälle
bilden; hin und wieder stößt man auf einen Platz, in dessen Mitte sich
gewöhnlich einige Bäume mit einem echt orientalischen Brunnen befinden, an
welchem die Weiber mit ihren irdenen Krügen, alttestamentlich lagern;
zwei dieser Plätze tragen die Namen des Königspaares. Auf meinen Wunsch
schritten wir einem Garten zu, der auf einer Anhöhe lag; auf unebnem Wege,
an niedrigen Hütten vorbei, welche aus morschem Gebälk aber von Weinreben
umschlungen waren, schritten wir der Höhe zu. Als wir sie erreicht hatten,
wurden wir durch die zauberhafteste Aussicht auf den Golf überrascht. Zu
unsern Füßen lag die Stadt, dann die Schiffe auf einem Spiegel, umkränzt
von den grünen Bergketten des Parnaß.

Wir standen auf einer terrassenartigen Fläche, unter welcher sich tiefe,
vor grauen Zeiten erbaute Gewölbe in den Berg hineinziehen sollen, die den
Schakalen zur Wohnung dienen; eine Gruppe mächtiger Feigenbäume war von
Kürbissen umrankt; auf die Erde waren Weinbeeren gestreut, welche die Sonne
zu jenen süßen Rosinen austrocknete, die in den nordischen Gebäcken eine
so wichtige Rolle spielen; so muß in den verschiedensten Himmelsgegenden
wachsen und gedeihen was den Gaumen kitzelt, und man schlingt den Bissen
hinunter, ohne an dessen Geschichte und weite Reisen zu denken. Hier
behandelt man die Rosinen nicht mit so viel Achtung wie in unsern Küchen:
sie werden haufenweise, mit dem Staube der Erde vermengt, in weite
schmutzige Körbe geworfen, dann dem hier so häufigen Langohr auf den Rücken
gepackt, der, unter der schweren Last ächzend, sie nach der Rhede
bringt, wo sie mit den Füßen in Tonnen eng verstampft und nach dem Westen
eingeschifft werden. Der erwünschte Garten war mit einer Mauer umschlossen,
durch deren gewölbte Thüre wir eintraten; wir standen in einem Saal von
Weinreben, der durch die herrlichsten, schattigsten Gänge durchschnitten
war. Steinerne Säulen stützten die sich emporschlingenden Ranken, leichte
hölzerne Stangen bildeten das Gerippe zum dichtesten Rebendache, durch das
nur hin und wieder der tief blaue Himmel freundlich durchblinkte. Tausende
von Trauben hingen lockend von der leichten Wölbung herab, von einer Größe,
wie sie nur die Mythe beschreibt. Die Säulen des Blätterdoms stützten
sich auf niedrige Mauern, welche auf einer Seite in einem Gartenhäuschen
endigten. Der Boden des breiten schattigen Platzes vor diesem war mit
großen Marmortafeln gepflastert, und auf einer denselben umgebenden
Steinbank ruhten zwei Gärtner, in malerischer Stellung auf weiche Felle
hingestreckt; um die Idylle zu vollenden, stand ein tiefer klarer Brunnen
in der Mitte, in dem sich das Grün des Laubdaches und die Bläue des Himmels
wiederspiegelten; am Rande desselben kosten zwei weiße Tauben. Auf der
Erde lagen blaue Früchte, die wir für Pflaumen hielten; es waren aber
die herabgefallenen Beeren der fabelhaft großen Trauben, die wir mit Lust
verzehrten. Wir durchschritten nun die einzelnen Laubgänge, mit denen sich
üppige Orangenhaine kreuzten; leider waren die Früchte, mit denen diese
prachtvollen Bäume überladen waren, noch nicht reif. Pflanzen, die man bei
uns verkrüppelt im warmen Glashause findet, wuchern hier in malerischer
Abwechslung; auch die Art der Anpflanzung ist in einem genialen
Durcheinander gehalten; man glaubt im Paradiese zu wandeln; eine solche
Vegetation hatte ich noch nie gesehen, solche Früchte noch nie gekostet.
Der Reiz dieses üppigen Gartens ward durch den Blick auf das Meer noch
erhöht; der Konsul war über unser Entzücken hoch erfreut und stimmte
in dasselbe ein. Wie selten mag er in den achtzehn Jahren mitfühlenden
Reisenden die Wunder dieser Gegend gezeigt haben! War er doch wieder einmal
unter seines Gleichen, unter civilisirten Menschen. Endlich kehrten wir
durch belebte Straßen zurück und machten der Gemalin des Konsuls einen
Besuch im österreichischen Konsulats-Gebäude; sie ist eine recht artige
zierliche Venetianerin in mittleren Jahren, und spricht gut und gern
französisch. Man brachte uns in ihren etwas vernachläßigten Salon Gürtel
aus Silber und Gold gestickt, in denen das Volk die Waffen trägt, da ich
einen solchen zu kaufen wünschte. Nachdem uns die Frau vom Hause zum Abend
eingeladen hatte, nahmen wir den Konsul in einer Barke des Vulkans zum
Speisen mit auf das Schiff. Wir waren in unserem großen Räderkasten wie
die Häringe eingepreßt, was die ohnehin starke Hitze noch vermehrte. Nach
Tische führte uns der gute alte Herr zu einer Musik, die auf dem Vorraume
des oben erwähnten Gartens von der Bande eines irregulären griechischen
Infanteriebataillons ausgeführt werden sollte, und der die Bevölkerung
der ganzen Stadt in reichem Kostüme beizuwohnen pflegte; wir unterschieden
schon vom Schiff aus die weißen Fustanellen und hörten die Töne zu uns
herüber rauschen. Die Siesta war vorüber; schöne Frauen mit reichem
Haarwuchs und malerischer Kleidung zeigten sich im Vorübergehen auf
den Balkonen -- auch in den Straßen begegneten wir den reizendsten
Patraserinnen, die am Arme imposanter und edelgestalteter Männer leider
schon den Rückweg einschlugen; wir schritten rasch vorwärts und fanden doch
noch einen ziemlich bedeutenden Kreis um das Musik-Corps versammelt, das
eben nicht spielte und sehr armselig ausgestattet war. Der Anblick
des Volkes, unter dem kein Klassenunterschied wahrzunehmen ist, war
interessant. Alle sind Brüder eines Stammes, welche früher unter demselben
Joche geschmachtet und es vereint abgeschüttelt haben. Die Theilung von
Leid und Freud begründet die Gleichheit. Ueberall wo ein Volk von einem
andern unterjocht wird, findet sich diese Gleichheit der Zusammengehörigen,
wenigstens in der Gesinnung gegen die Unterdrücker. Alles strebt einem
Ziele der Befreiung zu und vergißt sein eignes Ich. Die einzige etwas
höhere Stellung nehmen jene Familien im Lande ein, deren Väter mit
besonderer Auszeichnung im Freiheitskriege gekämpft haben. Nach unserer
Ankunft spielte die Musik noch ein Stück, worauf alles seiner Wege ging.
Die Sonne war hinter den äußersten Spitzen von Rumelien verschwunden, und
die Abenddämmerung dauerte kaum eine Viertelstunde; wir erreichten also
gerade vor der tiefen Nacht das Haus des Konsuls. Seine Gemalin empfing
uns im Kreise ihrer Kinder; man unterhielt sich, so gut man konnte; etwas
später kam der Klavierlehrer des Hauses mit seiner reizenden jungen Gattin
in der Nationaltracht. Die Konsulin hatte sie wahrscheinlich eingeladen, um
uns einen Begriff von den schönen Töchtern Griechenlands zu geben. Leider
sprach dieses liebliche Wesen, das an meiner Seite Platz nahm, nur seine
Muttersprache; der Gemal spielte mit gutem Vortrage einige bei uns schon
veraltete Melodien; später löste ihn die eilfjährige Tochter des Hauses in
ziemlicher Selbstzufriedenheit mit einem eingewerkelten Stückchen ab. Die
Produktionen der =enfants prématurés= sind mir von jeher zuwider gewesen,
zumal wenn man der Mutter wegen eine entzückte Miene annehmen muß. Nach und
nach füllte sich das Zimmer mit den Honoratioren der Seestadt; unter ihnen
war der französische Konsul, den man seinem Aeußern nach eher für einen
Lastträger hätte halten können; man trank Thee, das Vereinigungsmittel
aller Geselligkeit im neunzehnten Jahrhundert; außerdem wurde ein
gräßliches nationales Getränk aus zerquetschten Kürbiskernen herumgegeben;
der Hausherr bot den Herren lange Pfeifen an, und zum Schluß führten
die Damen und die Kinder, nach langem Bitten, einen griechischen
National-Reigen auf, der einen einförmigen düstern Charakter hatte. Wir
dankten den Hauswirthen herzlich und fuhren bei herrlicher Sternennacht auf
unseren Vulkan zurück.




Eine Landreise durch Griechenland.


Der Kontrakt mit dem Manne, welcher unseren Zug durch Hellas führen sollte,
war abgeschlossen worden; unser Schiff sollte uns in Nauplia wieder finden,
und wir traten die Landreise dorthin am herrlichsten Morgen an; unsere
Dienerschaft ließen wir bis auf einen Bedienten an Bord zurück; auch das
Gepäck schränkten wir auf das Nothwendigste ein. Wir hatten uns für die
Strapatzen des Weges in die bizarrsten Anzüge geworfen, und als wir uns
versammelten, um in die Kähne zu steigen, hätte man glauben sollen, eine
Komödianten-Gesellschaft sei im Begriff, eine Wanderung anzutreten; einige
hatten hohe Stiefel an, andere hielten die Blousen durch Gürtel zusammen,
und waren gegen Raubanfälle mit Schlägern, Dolchen und Flinten, gegen die
Sonnenhitze aber mit Regenschirmen bewaffnet. Der Verfasser zog vor, nur
ein chinesisches =parasol= von außerordentlich leichtem Stoffe mitzunehmen,
das ihm trotz des Gespöttes der Uebrigen sehr gut zu Statten kam; für
Zeiten des Unwetters hatte man sich schon in Triest mit den eigenthümlichen
istrianischen Marinaros von braunem Leder und Kapuzen versehen. Die Pferde
erwarteten uns vor der Wohnung des Konsuls, der uns im Frühnegligé an den
Stufen seines Hauses empfing. Nur einige der Thiere und ihre Zäumungen
waren erträglich anzusehen; die armen Gäule befanden sich im Zustande
furchtbarster Magerkeit, und ihr Geschirr war aus Ketten, Stricken und
Lederflecken zusammengeflickt.

Der Unternehmer, den wir den Lesern unter dem Namen Demetry vorstellen,
war aufs eifrigste bemüht, die Thiere unter die Reiter zu vertheilen und
denselben ihre außerordentlichen Eigenschaften anzupreisen, wobei ihn der
Konsul, dessen equestrische Begriffe etwas schwach zu sein schienen, auf
das angelegentlichste unterstützte. Die Packpferde wurden so sehr mit
Speisen und Vorräthen beladen, daß sie unter denselben fast unseren
Blicken entschwanden. Um dreiviertel auf Sieben verließ der lange Zug, der
Sicherheit wegen von Gensd'armen eskortirt, die Stadt Patras. Zuerst
ging es zwischen den fruchtbarsten Weinbergen, die sich hinter der Stadt
hinziehen, über kleine Anhöhen fort; überall beschäftigte man sich auf
das fröhlichste mit der reichen Weinlese. Längs dem Wege waren Laubhütten
errichtet, um die Früchte zu schützen, ich wunderte mich, auf den Anhöhen,
zwischen Reben, Orangen und Granaten Schilfgruppen von ungewöhnlicher Höhe
zu finden. Die Aussicht auf den blauen Golf und die Berge von Rumelien war
reizend; eine zauberhafte Ruhe lag auf der Landschaft und alles glänzte
im frischen Duft des Morgens; der von Steinen, Wassern und Büschen
durchkreuzte Weg senkte sich nach einiger Zeit und führte durch die
ausgetrockneten Betten breiter Gießbäche, in welchen zu unserem Erstaunen
die Vegetation am üppigsten war. Der Oleander wuchs in großen dunkelgrünen
Gruppen, aus denen die schönen rosenfarbenen Blüthen hervorragten; auch die
stille, liebliche Myrte mit ihrem tief grauen Laube bildete Gebüsche von
solcher Fülle und Ueppigkeit in diesem sandigen Grunde, daß, wer sie nur in
Töpfen gesehen hat, sie kaum wieder erkennt; unsere Richtung lief parallel
mit dem Ufer des Meeres; zum letztenmale zeigten sich die Umgebungen von
Patras im Morgensonnenlichte. Am Golf von Lepanto, durch die Seeschlacht
berühmt, sahen wir die Stadt desselben Namens liegen. Sie ist zwischen
hohen Bergen und dem Meere eingeengt; vor derselben liegt das Fort Rion
auf einer Landzunge, und auf unserer Seite tritt die Befestigung Antirion
ebenfalls in die Fluthen heraus; beide Werke haben griechische Besatzungen.
Der wichtige Sieg Don Juan d'Austria's wird hier recht anschaulich; man
erkennt, wie der türkischen Flotte kein Ausweg mehr blieb, als sie diese
schmale Meereslinie überschritten hatte; noch einmal spielte Lepanto eine
wichtige Rolle im Freiheitskampfe; jetzt ist es von gar keiner Bedeutung
mehr.

Ein schönes Bild nach dem andern entfaltete sich vor unseren Augen; denn
wo die Fluthen des Meeres schäumen, und die Vegetation dem Reisenden immer
Unbekanntes bietet, fehlt es nie an neuem Reize; und je mehr wir uns dem
Meere näherten, je mehr nahm er zu. Nach einem dreistündigen Ritt war trotz
Enthusiasmus und Scherz, die uns begleiteten, der Körper ermüdet, der Magen
leer, das Auffassungsvermögen geschwächt; wir waren daher sehr zufrieden,
als Demetry uns einen hellen Punkt auf grünem Grunde, am Saume einer
lieblichen Bucht als den Kani bezeichnete, in dem wir unser Gabelfrühstück
verzehren sollten. Als wir vor der Hütte ankamen, wurden die Pferde den
Knechten übergeben und wir lagerten uns im Schatten des Gebäudes. Die
Marinaro's vertraten die Stelle von Kissen und ein Tischtuch wurde auf den
Erdboden ausgebreitet; Flaschen und Gebäcke holte man aus den Säcken und
nach alter Sitte nahmen wir liegend ein stärkendes Mahl ein, und ruhten
dann noch eine Stunde am frischen Meeresufer aus. Einige der Herren
schickten sich zur Siesta an; mein Bruder, =Dr.= F. und ich beschlossen
einen kleinen Streifzug in die herrlichen Umgebung zu machen. Unmittelbar
am Hause war die Pflanzenwelt durch teichartig ausgebreitete Quellen
erfrischt, wodurch sich knapp am Meere ein dichter fast undurchdringlicher
Hain gebildet hatte. Wo nicht die reich beblätterten Aeste den Weg
versperrten, erschwerten die schönsten Schlingpflanzen den Durchgang;
mit Mühe durchbrachen wir diese neckischen Ketten. Unser Hauptzweck war
Schildkröten zu fangen, deren wir zwei unterwegs aufgelesen hatten; doch
gelang es uns nicht. Eine mächtige dürre Platane fiel uns auf, an der sich
statt der Blätter ein Wald von wildem Wein herauf gewunden hatte; wie ein
grüner Wasserfall fielen die zierlichen Ranken herunter; die geübteste
Gartenkunst hätte diese Kränze nicht so schön knüpfen können. Gerne
hätte ich diese Fülle frischen Lebens, das die todten Glieder umspann,
gezeichnet, wenn ich Zeit dazu gehabt hätte. Wir kosteten von den Früchten
der wilden Reben und fanden, daß sie an Süßigkeit unsern Gartentrauben
gleichkommen. Als wir an den Strand zurückkamen, fanden wir Professor
G. beschäftigt, die Bucht mit ihrer Umgebung mit gewohnter Genialität zu
zeichnen. Archivarius K. saß im Schatten eines Olivenbaumes und schrieb ein
Gedicht. Die Uebrigen verschliefen die schöne Zeit zum Theil, einige aber
hatten sich in den Wellensand des Meeres gesetzt; wir gesellten uns zu
ihnen. Die Tiefen des Meeres wirken mit einem mystischen Reize auf mich,
mächtig und unwiderstehlich zieht mich die unergründete Fluth an, und Alles
was ihr angehört erfreut mich. So auch die kleinen Muscheln, die ich im
Sande wühlend fand; man hätte nicht eifriger Goldstücke suchen können, wie
ich jetzt diese lieblichen Kleinigkeiten. Doch bald wurde das Zeichen
zum Aufbruch gegeben und man schwang sich, oder man kroch, je nach der
Korpulenz, auf die Sättel. Immer neue Gegenden kamen und schwanden, es
folgte Bucht auf Bucht; bald gingen wir auf dem feinen Sande des Meeres,
bald durch Buschwerk und malerische Hohlwege, bald über leicht gewellte
Höhen.

Man kann das Land wild und unkultivirt nennen, aber es liegt ein großer
Reiz in dieser ursprünglichen Natur, wenn auch große gelbe Erdflecke brach
liegen, so steht doch dicht daneben die feine, schlanke Pinie mit ihrer
Nadelkrone, die grüner ist als das frischeste Laub, die üppige Platane, die
ihre breiten Aeste den Schlingpflanzen und Reben zur Stütze darreicht, und
die liebliche Myrte mit dem poetischen Lorbeer verschlungen. Diese grünen
Anhaltspunkte für das Auge sind noch hundertmal schöner, wenn die kalte
Hand des nutzensuchenden Menschen nicht ihre geraden Ackerlinien dazwischen
gezogen hat. Ein großartiger Friede herrscht auf solcher Erde, die der
Pflug nicht durchwühlt hat; kein Schiff stört den Spiegel des tiefen blauen
Meeres, kein Kirchthurm, keine Ruine lenken den Blick von den stolzen,
südlich glühenden Gebirgsmassen ab; wer über die Monotonie dieser Länder
klagt, hat ihren Reiz nicht empfunden, und ich kann das Gemüth nur
beklagen, das sich hier nicht in Wonne aufschließt und die Luft des
alten Hellas mit Entzücken schlürft. Bald that die griechische Sonne ihre
Wirkung, und nach abermaligem dreistündigen Ritt sehnten wir uns nach
Erquickung; man näherte sich wieder einem Kani, welches von großen
Olivenbäumen umwaldet war; einzelne Weingärten befanden sich in der
Nähe, und wir drückten daher unseren Führern den Wunsch aus, uns an den
griechischen Trauben zu laben; bald war eine Fülle derselben und eine
herrliche Melone herbeigeschafft. Schon unterwegs hatten wir Gruppen zu
dreien und vieren, auf Eseln reitend getroffen, die Trauben zum Trocknen in
Schläuchen auf den Markt größerer Städte brachten. Diese Reiter haben
ein höchst pittoreskes Aussehen; die Art wie sie sich kleiden, der
eigenthümliche Sitz auf dem Esel, die edle Haltung gaben uns einen hohen
Begriff von der Schönheit des griechischen Volkes. Wir fanden mehrere
dieser Männer im Kani; die Meisten waren stark bewaffnet, was ihre
natürliche Würde erhöhte. Als sie =Dr.= F. schnupfen sahen, baten sie
ihn um eine Prise, für welche sie mit Grazie dankten. Sie ließen uns
ihre Kleider ohne Verlegenheit betrachten und behielten ihre stolze,
selbstbewußte Haltung bei. Im Innern des Kani war ein budenähnlicher Raum,
in welchem die für das genügsame Land nöthigen Gegenstände, Gläser,
Schalen und Töpfe, feil geboten wurden; da darunter auch Liqueure von wenig
einladendem Geruche waren, so hielten wir den Rest unserer Rast im Freien.

Im Weiterreiten zeigte es sich, daß mein Gaul mich ziemlich rasch von
der Stelle brachte, was nicht bei allen der Fall war. Archivarius K.
behauptete, der seinige sei wild und schlüge aus; indessen hatte er
nur einen Zuckfuß; der arme Herr hatte nie geritten und mußte nun
sein Probestück durch zwölf Stunden auf schlechtem Sattel machen. Zwei
Gensd'armen eröffneten unsern drolligen Zug; sie waren ein Gemisch von
Baiern und Griechen, der Kopf gehörte dem Vaterlande an, Gewand oder
Uniform war griechisch; hinter ihnen ritt in unzerstörbarer Ruhe Graf C.,
rauchend und stumm die neuen Eindrücke in sich aufnehmend; dann folgten
Fürst J. und Baron K.; der erste spähte vergebens nach comfortablen Villas
mit schönen Bewohnerinnen; der letzte dressirte, als echter Reitersmann,
die Pferde des armen Demetry. =Dr.= F. machte den Weg mit gemächlicher
Ruhe, und ergötzte uns durch interessante Erzählungen, die er uns
liebenswürdig vorzutragen wußte; zuweilen erfrischte er sich durch eine
Prise; mein Bruder ritt gewöhnlich neben ihm und schützte sich durch einen
großen Regenschirm vor der Sonnenhitze. Nun kam G., zwischen die ledernen
Schanzen seines türkischen Sattels eingepfercht; beim Auf- und Absteigen
mußten ihm mitleidige Seelen Hülfe leisten, denn auch er war des Reitens
ungewohnt, schickte sich jedoch recht gut in die anhaltende Bewegung. Ich
schwärmte auf meinem feurigen kleinen Schimmel von dem Einen zum Andern,
mein chinesisches =parasol= als Siegesfahne in der Hand, und ergötzte mich
an dem lustigen Witze der Gesellschaft. Als wir wieder einmal längs dem
Meere und zuweilen auch darin ritten, wurden wir plötzlich von einem
vorübergehenden Gußregen überfallen und mußten in einer elenden Hirtenhütte
Obdach suchen; der Regen kühlte und reinigte die Luft, und der Abend an
unserem Ufer war desto herrlicher, während in Rumelien schwarze Wolken den
Parnaß umhüllten. Von einem Städtchen angefangen, das wir anfangs für unser
Nachtquartier hielten, wurde die Gegend wasserreich; wir hatten manchen
Bach zu durchwaten, in dessen Mitte der Oleander blühte. Bei einem dichten
Busche begann das Pferd des vor uns reitenden Gensd'armen sich zu bäumen,
das Pferd des Fürsten, neben dem ich gerade ritt, erschrak ebenfalls;
doch kamen wir glücklich vorüber; der Fürst aber forderte mich auf, zu
beobachten, wie es den Uebrigen bei diesem verhexten Strauche gehen würde;
da erblickte ich unsern armen Archivarius, der auf dem dünnen Halse seines
Braunen einen verzweifelten Gleichgewichtstanz auszuführen genöthigt war --
endlich lag er unrettbar im Grase. Ein mit Schilf bedeckter Esel war's, der
diesen Schrecken verbreitete; die Pferde hatten vor der beweglichen Masse
gescheut. Ich sprengte zu meinem lieben Archivarius, dem zum Glück nichts
geschehen war und der sogar auf das Schnellste wieder im Sattel saß und
über seinen Unfall lachte. Etwas vor Sonnenuntergang erblickten wir
unser Nachtquartier, das Städtchen Vostizza. Was die Ufer dieses Golfs so
überraschend schön macht, sind die in das Meer vorspringenden Erhöhungen,
welche die kommenden Buchten verbergen und die schon durchwanderten
Meeresküsten den Blicken entziehen. Vostizza liegt auf einer solchen
malerischen Erhöhung. Mein Bruder und ich ritten nun mit Fürst J. rasch
unserem Ziele entgegen; wir hatten ein breites Flußbett zu passiren, dann
ging es eine steile Anhöhe hinan, die wie eine Sandbank ausgewaschen ist;
es scheint, daß das Meer einst bis dahin, folglich bei dreißig Klaftern
höher als jetzt, gereicht hat. Zwischen dieser Wand und dem Meere dehnt
sich eine freundliche grüne Fläche aus, mit Weingärten übersät; einige
Häuser erstrecken sich bis an das Meer; mitten unter diesen ragt eine
mächtige Platane empor, die die Sage aus den Zeiten des Pythagoras
herabstammen läßt. Wir ritten in den oberen Theil der durchaus
unregelmäßigen Stadt ein. Der vorausgeeilte Koch des Demetry leitete uns in
das Haus, in dem wir die Nacht zubringen sollten. Es stellte ein Wirthshaus
vor. Zu ebener Erde befand sich ein großer Raum, der eine breite Oeffnung
auf die Straße statt eines Fensters hatte, und als Küche, Keller,
Vorrathskammer und Magazin diente; unsere im Entstehen begriffenen
Speisen waren von tausend und abermals tausend Fliegen bedeckt, was nicht
ermunternd wirkte. Außer den Fliegen hatten sich noch einige neugierige
Städter versammelt, deren Geplapper mit dem Gesumme der Insecten ein
verwirrendes Concert gab. Ueber eine zitternde Holztreppe stolperten wir
in das obere Stockwerk, das zwei sogenannte Zimmer enthielt, in welchen
man sich nicht über die neumodische Möbelfülle beklagen konnte; vier nackte
Wände waren nicht einmal weiß zu nennen, so hatte sie der Schmutz bedeckt.
Auch die Nase wollte sich nicht in die griechische Zimmeratmosphäre finden;
dies war keine sehr tröstliche Aussicht nach einem zwölfstündigen Ritt;
ich meinte indessen, mit Stroh und unseren Marinaros könnten wir uns wohl
behelfen; der Fürst aber behauptete, diese Unterkunft sei dem Contracte
nicht gemäß, den wir mit Demetry abgeschlossen hätten; auch sei es unter
unserer Würde, unser Hauptquartier in solchen Räumlichkeiten aufzuschlagen.
Ich stellte vor, es sei am einfachsten bei der herrlichen Nacht im Freien
zu campiren; der Fürst jedoch bestand auf einer ernsten Unterredung mit
Demetry, und ich setzte mich unterdessen auf die Brüstung des untern
Fensterraumes und betrachtete mir das Treiben der Hellenen. Es zogen einige
Züge von beladenen Eseln, Pferden und Maulthieren langsamen Schrittes
vorbei. Da es, außer in Athen, in Griechenland gar keine Wagen giebt, so
begegnet man dergleichen auf allen Straßen, die auch mitten in den Orten
erbärmlich sind. Unsere Erscheinung lockte sehr bald mehrere Honoratioren
der Stadt herbei. Seit der englischen Blokade sind Fremde ein seltenes
Schauspiel für griechische Augen; ich muß aber gestehen, daß die Einwohner
artiger als in unseren fein civilisirten Ländern sind; nickt man ihnen
freundlich zu, so danken sie gleich mit dem Gruß des Landes, indem sie
die Hand auf Herz und Stirn legen. Nach einiger Zeit kam Demetry mit den
Zurückgebliebenen an, und nun machte man seine Forderungen an ein besseres
Nachtquartier geltend; statt aller gefürchteten Einwendungen sprach er mit
einigen gut gekleideten Städtern, und bat uns ihm zu folgen. Er führte
uns in den höher gelegenen Theil der Stadt und introducirte uns mit großer
Pfiffigkeit in das schön gelegene Haus eines königlichen Beamten, der
nicht wenig erstaunt gewesen sein muß, sich plötzlich von einer so großen
Gesellschaft überfallen zu sehen. Dennoch gewährte er uns die orientalische
Gastfreundschaft im vollsten Maße. In zwei großen, einigermaßen möblirten
Zimmern des zweiten Stockwerkes, die uns eingeräumt wurden, nisteten wir
uns auch bald ein. Der Hausherr war selbst zugegen, um auf das schnellste
für alles Nöthige zu sorgen, und drückte sich in gebrochenem Französisch
auf das freundlichste aus. Aus dem größeren Zimmer führte ein hinfälliger,
fast lebensgefährlicher Balcon mit der herrlichsten Aussicht auf die
jenseitige Bucht; es war eine südliche Nacht in ihrer vollen Milde und
Pracht, die Sterne funkelten wie Diamanten und das Schiff des Mondes
schwamm ruhig im blauen Aether; die Stadt mit ihren schönen Gärten lag
in stiller Abendruhe, das Meer schimmerte im Wiederschein des Mondes; die
Natur feierte einen jener geheimnißvollen Augenblicke der Erholung, in
welchem kein Blatt es wagt zu rauschen. Ueber mich kam ein innerliches
Sichgehenlassen nach der überstandenen Tageshitze, und erquickend wehte von
der See her ein Lüftchen über das schlafende Land; -- unterdessen war das
Abend- und Mittagsmal in einer Person aufgetragen worden, und wir sprachen
ihm, trotz der Fliegenschaaren tapfer zu. Der Hausherr holte aus seinem
Keller den besten Wein, den er besaß, und sah mit Erwartung zu, als wir
die Gläser ansetzten, um ihn zu kosten; aber nur die Gegenwart unseres
liebenswürdigen Wirthes hielt uns zurück unser Entsetzen ganz auszudrücken;
es war ein süßlich saures Getränk, das aber durch den Geschmack des
Bockschlauches, in dem es aufbewahrt wird, untrinkbar geworden; überhaupt
konnte ich mich, so sehr ich für Hellas schwärme, mit seinen Weinen nicht
befreunden. Ein heiteres Gespräch verschönte unser Mal; doch endlich
forderte der Körper seine Rechte und wir begaben uns zur Ruhe. Es waren
nur ein Bett und zwei Divans vorhanden; ein Theil der Gesellschaft richtete
sich auf dem Fußboden ein. Gegen fünf Uhr war schon Reveille; es wurde
rasch ein Frühstück eingenommen, nach welchem man uns in einen Keller
führte, wo zwei sehr schöne antike Statuen lagen. Die Kunstpflege in
Vostizza scheint nicht sehr vorgerückt, da man diese schönen Marmorgebilde
zwischen Unrath in der größten Dunkelheit liegen läßt. Das eine war eine
weibliche Figur, wahrscheinlich eine Ceres mit vortrefflichem Faltenwurf;
doch fehlte leider das Haupt; das andere eine schlanke Jünglingsgestalt,
deren Glieder ein schönes Ebenmaß zeigten; ein schöner Männerkopf mit edlen
festen Zügen lag neben den beiden Statuen; der Marmor war durchsichtig wie
der, den man, wie man uns sagte, in Penthelikon brach; daß diese Kunstwerke
dem Auge der Bewunderer entzogen, in so unwürdiger Umgebung liegen,
beweist, daß bei den Neugriechen, wenn sie auch Muth, Verstand und List von
ihren Vorgängern geerbt haben, doch der schaffende Genius nicht mehr weilt;
die Blume jeder Kunst ist erstorben, und selbst von den Wurzeln derselben
finden wir keine Spur mehr, so daß man auf ein neues Wachsthum nicht ferner
hoffen darf.

Als wir in unsere Herberge zurückkehrten, fanden wir unsere Pferde schon
vor derselben. Wir dankten unserem freundlichen Wirthe und setzten unseren
Weg fort. Man durchstreifte einige Straßen, denen von Patras in malerischem
Wirrwarr ähnlich; um halb sieben Uhr verließen wir die Stadt; die Sonne war
prächtig über den Bergen von Korinth aufgegangen und kündigte einen sehr
heißen Tag an. Am Ende des Ortes sahen wir die erste Palme, die sich
majestätisch, fünf Klafter hoch über einen wüsten Kirchhof erhob. Das
Sinnbild des Friedens war den Leichen entwachsen, um mit seinem schlanken
Schafte den Lebenden zu zeigen wo ihre Zukunft sei. Der untere Theil der
ehemaligen Blätter bildet die schuppige Rinde des Stammes, der jedes Jahr
eine neue Krone ansetzt, die nur an der höchsten Spitze einen grünen,
korbähnlichen Busch hat. Von der Stadt an führt der Weg langsam abwärts in
eine breite mit Weingärten bedeckte Fläche, die bis an die höhern Gebirge
eben fortläuft. Mehrere trockene Flußbetten mit reichen Oleanderbüschen,
durchkreuzten sie, und mündeten in das Meer; die Weingärten waren voll
Leben, und wir begegneten häufig Zügen von Arm und Reich in den buntesten
Gewändern auf Maulthieren und Eseln reitend, entweder aus den Laubhütten
mit gesegneter Rebenernte kommend oder in dieselben ziehend; diese
Winzerhütten bieten ein orientalisches Bild; einige Weiber mit verworrenen
schwarzen Haaren kochen das frugale Mal in denselben; vor ihnen steht der
Herr in ganzer männlicher Schönheit, malerischem Kleid und reichen Waffen,
die Kinder kriechen in den großen Melonenhaufen umher, die zwischen
den Reben zu voller Süßigkeit und Feinheit heranwachsen, und deren
Vortrefflichkeit ich hier erst kennen lernte. Daneben stehen die Gruppen
der Lastthiere mit Bocksschläuchen und Körben bepackt, um den gepreßten
Most und die vollen Trauben aufzunehmen; die Rebe wird nicht, wie bei uns,
an Stöcken gezogen, sie bildet entweder schattige, von leichten Stangen
gestützte Dächer, oder sie wirft ihre grünen Ketten von Baum zu Baum; auch
schleicht sie auf der Erde hin, und webt ein frisches grünes Netz über die
Ebene. Diese freundliche Fläche ist nur so lang wie die Stadt; sobald diese
zu Ende ist, rücken die Berge wieder bis an das Ufer des Meeres, so daß
sich der Weg zuweilen auf schwindelnden Felsen fortzieht. Wir staunten, wie
geschickt die Pferde, katzengleich, ohne zu straucheln, über die steilsten
Spitzen hinüber klettern; manchmal lief der Weg wirklich gefährlich an der
Wand dahin, deren Fuß die Wellen bespülten, aus denen Felsenspitzen nicht
sehr einladend mit ihren phantastischen Köpfen herausragten; mitunter sieht
man statt der Felsen Sandkegel, die auf die bizarrste Weise ausgewaschen
dastehen. Mich unterhielt es, das schalkhafte Getreibe der Wellen zu
beobachten, wie sie solche Höhen bald schmeichelnd, bald stürmisch
erklimmen, und ihren Grenzen einen fortwährenden Krieg erklären; die Steine
sind oft wie geschliffen; der Weg ging so steil hinunter, daß wir absitzen
mußten und die Pferde uns nachliefen; dies ging jedoch bald vorüber,
auch ward die glühend heiße Luft durch einen Regen gekühlt. An den hohen
Felswänden wuchsen meist Pinus, Lorbeer und die immergrüne Eiche, die
sich nur strauchartig erhebt, und kleine glänzende mit Stacheln geränderte
Blätter hat; die Frucht übertrifft an Größe bei Weitem unsere Eicheln. In
unsern Wiener Gärten ist dieser Baum nicht eingeführt; doch hatte ich die
Freude, mehrere Zweige, die ich mitbrachte, zu Hause Wurzel schlagen zu
sehen. Die Aeste, die sich malerisch über unsern Weg beugten, waren von
Schlingpflanzen umstrickt, von denen ich so viel Samen in meine Reisetasche
sammelte, als ich konnte, um wo möglich davon für meinen Garten Nutzen
zu ziehen. Nachdem wir noch einige Baien umritten hatten, zogen sich die
Felsen weiter vom Meere zurück, und wir befanden uns auf einer zwischen
zwei Buchten gelegenen Fläche, die mit Wein und Oliven bedeckt war; auch
kamen wir vor dem stärksten und schönsten Feigenbaume vorbei, den ich noch
gesehen habe; er stand in der Mitte eines Weingartens, seine Aeste
waren mit Körben beladen voll der schönsten Früchte; unsere griechischen
Begleiter stürzten auf den Baum los und versahen uns mit den
vortrefflichsten Feigen und Trauben, die uns erhitzten und ermüdeten
Wanderern eine wahre Labung gewährten; nur wurde leider das Maß nicht
ganz eingehalten. Es giebt aber auch auf der Welt nichts süßeres und
verführerisches als das griechische Obst, und besonders die honigreiche
Feige.

Das Gebirge endigt unmittelbar und ziemlich gefährlich für den Reiter an
einem Flusse, über den eine schöne alte Brücke führt; da jedoch derselben
ein Bogen fehlte, mußten wir durch das Wasser reiten. Dann ging es eine
lange Zeit durch eine schöne Fläche mit üppigen Weingärten; ein feines
summendes Gezirpe begleitete uns auf dem ganzen Wege; manchmal wurde es so
laut und durchdringend, daß wir es für den Gesang eines Vogels hielten, den
wir, einer Wachtel ähnlich, häufig erblickten; als wir das Geschwirr aber
von einem einzelnen Olivenbaume herabschallen hörten, und keinen Vogel
darauf entdeckten, überzeugten wir uns, daß der Ton von einer Zikade
herrührte. Den übermäßigen Durst hatten wir durch Feigen und Trauben
gestillt; als sich nun aber auch der Hunger meldete, waren wir froh,
von Demetry zu hören, daß sich am Ufer der sich vor unsern Augen neu
aufrollenden Bai ein Häuschen befände, in dem wir unser Frühstück einnehmen
könnten. Es war im Fluthensande gebaut, wenige Schritte vom Meere,
dessen kühlender Wind uns zu Gute kam; denn die Hitze war außerordentlich
gestiegen. Das Dach dieses Kani war durchlöchert wie der Hut eines
Bettlers; die übrige Einrichtung ganz den früher beschriebenen Herbergen
ähnlich. Vor den beiden elenden Gemächern des obern Stockes war ein Balcon,
unter dem wir unser Frühstück einnahmen, das aus Kuchen, Eiern und kaltem
Fleische bestand. Was dem Male fehlte, ersetzte die gute Laune, obwohl sich
einige Stimmen erhoben, die auf mehr Reisebequemlichkeit gehofft hatten.
=Dr.= F. klagte als echter, behaglicher Wiener über Speise und
Trank; Professor G. und ich kämpften als echte Reise-Enthusiasten und
Hellas-Verehrer eifrig dagegen. Unterdessen zankten und schrien unsere
Führer, was uns Gelegenheit gab, den Klang der Landessprache kennen zu
lernen; mich begeisterte dieselbe so sehr, daß ich mich auf den wankenden
Balcon über uns schwang, und auf unsere Gesellschaft in einer Rede, die den
Klang der griechischen Sprache nachahmte, herabdonnerte, was die Heiterkeit
sehr vermehrte und sogar die Aufmerksamkeit der Griechen erregte. Die
neugriechische Sprache entbehrt im Munde des Volkes des Wohllautes,
der ihr, von Gebildeten gesprochen, eigen ist; sie erinnert an das
Altgriechische; auch suchen die gebildeten Kreise die klassischen Worte
immer mehr wieder einzuführen, und das slavische Element auszumärzen.

Nach kurzer Ruhe setzten wir uns wieder in Bewegung. Ich nahm mit Professor
G. die Spitze der Colonne ein, und im ruhigen, innigen Gespräche brachten
wir die angenehmsten Nachmittagsstunden zu. Hauptsächlich besprachen wir
die magische Wirkung der Farbentöne dieses Landes; er äußerte sich
als echter Künstler darüber und ich labte mich an seinem gesunden,
tiefdurchdachten Urtheile; während des Gesprächs ritten wir fast immer
durch den feinen Sand des Ufers, was den Reiz seiner Reden noch erhöhte.
Die blauen Tiefen und hellgrünen Verflachungen des ewig bewegten Wassers
fesselten uns unwiderstehlich und lieferten den Beweis, wie richtig er
urtheilte; wie ergötzte es uns, in den Wellenschlag hineinzureiten und dies
unerschöpfliche Schauspiel ganz nahe vor uns zu haben; welch ein Zauber
liegt in der Betrachtung der sich bäumenden Wellen und ihres innern Lebens.
Die stärkern unterdrücken und überrollen die schwächern, und ihre herrliche
Kraft und Macht verläuft sich zuletzt sanft und lieblich auf dem glänzenden
reinen Sande in einem leichten, weißen, eilig vorwärtstrippelnden Schaum;
plötzlich zieht sich dann die mystische Fluth zurück und nur die keckesten
Ausläufer zerrinnen auf dem Sande. Kaum glaubt man sich im Trocknen, so
wälzt sich rasch eine noch mächtigere Welle, wie ein Schwarm zügelloser
Pferde, heran und leckt noch weiter wie die vorige mit ihren Zungen in
das Land hinein, um abermals in eitlem Schaum zu vergehen, wie das Streben
einer stürmenden Seele, das Drängen eines übermüthigen unbefriedigten
Gemüths, das gleich den Wellen im Sande verrinnt. Es lag ein wilder Reiz
darin, die ängstlichen Pferde in das tobende Element zu führen, und die
Wellen an ihren Hufen zerschellen zu lassen. Manchmal wurden die Thiere
durch die Kraft der Wogen zurückgedrängt, doch brachten sie unsere
Mahnungen bald wieder hinein, und wir genossen mit vollen Zügen das Leben
der Fluth. Einen Augenblick wand sich der Pfad aufwärts, und es rollten
sich neue Bilder vor uns auf; dies wiederholt sich, da in das Meer
hineingeschobene Höhen das ebene Ufer unterbrechen; es war ein
interessanter Anblick, wie die Gestalten unserer Reisegefährten sich erst
auf dem gelben Sande des Gesteins abgrenzten, dann langsam hinaufklimmend
auf der Höhe wie Silhouetten im Blau des Aethers erschienen und dann
zwischen zwei Felsen verschwanden; die phantastischen Gestalten bildeten
einen romantischen Gegensatz zu der majestätischen Ruhe der Natur. Auf
einer dieser Höhen trafen wir auf die Ruinen eines Hauses, oder einer
Veste, die durch die Wuth der Türken zerstört worden war.

Man findet im armen Hellas sehr häufig Spuren, die beweisen, wie furchtbar
die Hand der Moslim über den christlichen Ländern gelegen hat, und wie
schwer sie im Unterliegen noch Rache an den Kämpfern geübt haben; noch
lange wird das Land an seinen Wunden bluten, und es wird einer festen Hand
bedürfen, um es auf jenen Standpunkt zu bringen, auf dem es den blutig
erkämpften Sieg benutzen kann. Von diesem Felsen herab, der wie ein Sockel
im Wasser steht, gelangten wir wieder durch Buschwerk und Reben reitend
an das Gestade, das wir nicht mehr verließen, bis wir um fünf Uhr in den
kleinen Ort Sakoly kamen, der zur Nachtstation bestimmt war. Er ist auch im
Ufersande erbaut und hat eher ein türkisches als ein griechisches Ansehen;
die Rauchfänge blinkten uns wie Minarets entgegen; außer diesem kleinen
Schmucke ist in diesem Dorfe alles ärmlich und auf der untersten
Kulturstufe. Wieder wurde uns in der Mitte des Dorfes ein Kani angewiesen,
in welchem sich ein kleines Zimmer mit zwei hölzernen Ruhebetten befand;
bis das Mal bereitet war, gingen wir am Strande spazieren, und die Kühle
des Abends war im Vergleiche mit der vorangegangenen Hitze des Tages so
fühlbar, daß wir uns nicht lange an der immer stärker werdenden Brandung
ergötzen konnten; die Sonne war herrlich untergegangen und mit dem in
Griechenland so gefährlichen Temperaturwechsel trat auch die Dunkelheit
ein; noch vor der Malzeit schrieb ich an meinem Tagebuche. Das unbequeme
Lager und die Insekten waren schuld, daß wir erst spät einschliefen; wir
waren wie die Häringe zusammengepackt, was Anlaß zu manchem Streit und
manchem Scherz gab. Kaum hatte ich einige Stunden geruht, als Archivarius
K. mich weckte, weil er selbst nicht schlafen konnte und sich daher
langweilte; natürlich ließen wir nun auch den Andern keine Ruhe mehr; man
brachte das Frühstück und eine ziemliche Zeit vor Sonnenaufgang verließen
wir unser Nachtquartier.

Mir war sehr unwohl und nur aus Rücksicht für die übrige Gesellschaft zwang
ich mich mitzureiten; mit Sehnsucht erwartete ich die warmen Strahlen der
Sonne. Die kahlen Bergspitzen entzündeten sich in reinster Gluth; gegen
Korinth wurde das Purpurband der Dämmerung immer klarer und wärmer, bis
es sich endlich in dem Augenblick, als die Sonne erschien, in ein goldenes
Strahlenmeer verwandelte; die See schickte im Augenblicke, als der Tag
erschien, goldene Schäume an das Ufer, die Weinberge glänzten im lichtesten
Grün und die Pinie schwang sich leichter in der neu belebten Luft. Doch
mein Unwohlsein nahm immer zu, und eine Stunde nach Sonnenaufgang mußte ich
mich im freien Felde am Strande lagern. Der liebe =Dr.= F. hüllte mich in
Mäntel und Marinaros ein, und stellte mich so weit her, daß die Caravane
nach einer Stunde ihren Weg fortsetzen konnte. Er führte längs dem immer
schöner werdenden Golfe hin, zwar eben, aber durch mannigfaltiges Gestrüpp
behindert; wir stießen heut öfter auf Häuser, die aber meist verlassen
waren, auch biblische Brunnen sahen wir häufig nahe dem Meere. An dem
Kani, wo wir frühstücken sollten, standen eine Menge Maulthiere mit Trauben
beladen; meine Begleiter stürzten sogleich auf dieselben los, ich aber
ging, des Reitens müde zu Fuße voraus. Gegen Mittag erreichten wir Sizia,
einen kleinen Ort am Gestade, wo uns Demetry ein für diese Gegend recht
nettes, bunt angestrichenes Haus anwies; eine Terrasse hatte die Aussicht
auf das Meer; und das Zimmer schien ein Gemisch von orientalischem
Geschmack und europäischer Civilisation; es fanden sich darin Divans,
goldberahmte Spiegel, etruskische Vasen und Steh-Uhren; doch das Schönste
und anregendste war die liebenswürdige Cousine des jungen Hausherrn; sie
mochte wohl eine Ahnung von unserer Ankunft gehabt haben, denn ihr Feß
saß zu nett auf den braunen Haaren, und der Stoff des mit Pelz verbrämten
Kleides war zu prachtvoll für den alltäglichen Gebrauch. Sie schien es gern
zu sehen, daß man ihre schöne Erscheinung bewunderte. Wir begaben uns
in den Salon und konnten hier die Einrichtung eines wohlhabenderen
griechischen Hauses betrachten. Im Orient ist Alles auf glänzende Farben
und Pracht berechnet; so gab man uns goldgestickte Handtücher; doch fehlt
neben dem verschwenderischen Luxus die gewöhnlichste Bequemlichkeit,
während es bei uns eher umgekehrt ist. Fast in allen hellenischen Zimmern
hingen die Porträts des Königspaares und der Freiheitskämpfer in einfachen
hölzernen Rahmen, wie auch Scenen aus dem Kampfe gegen die Türken; die
Bilder aber sind der Männer und ihrer Thaten nicht würdig, und zeugen von
geringer Kunstfertigkeit.

Nach kurzer Rast setzten wir unseren Weg gegen Korinth fort, der wieder
durch eine reich mit Weingärten bebaute Ebene am Meere hinführt; gegen
Abend lag das stolze Akrokorinth mit der Stadt Korinth an der äußersten
Spitze des Golfs vor uns. Je näher das Meer ans Ufer tritt, desto
dunkelblauer wird seine Farbe und desto ruhiger seine Oberfläche. Die
Bauart der Häuser, wie der Schlag und die Tracht der Menschen änderte sich
in dieser breiten Ebene; Gesichtsfarbe und Züge nehmen etwas Zigeunerhaftes
an, und die Bekleidung ist leicht und von genialster Unordnung; man zieht
Stunden dahin, ohne daß man sich der Stadt merklich nähert. Beim Untergang
der Sonne erglühte Akrokorinth und einige der höchsten Spitzen in
unaussprechlicher Schönheit; andere Berge waren orangenfarb und
violett, und nur die entferntesten Höhen hüllten sich in jenes mystische
Schwarzblau, das die Sehnsucht und Phantasie über sie hinaus trägt. Die
Farbe des Meeres war von einem Blau, wie ich es in der Natur noch niemals
gesehen habe; wir ritten still und bewundernd durch die frischgrüne
Farbenpracht der Ebene, zwischen der die gelbe Erde an vielen Stellen
hervorleuchtete. Unterhalb Korinth flammten die äußersten Spitzen des
Oelbaumes zum letzten Male in rosiger Gluth, worauf die Sonne hinter den
Bergen von Patras verschwand und der stille Duft der kurzen Dämmerung über
die Gegend zog.

Nachdem wir schon glaubten, Korinth sehr nahe zu sein, floh es vor uns
wie ein zauberhaftes Trugbild; wir ritten und ritten und konnten es
nicht erreichen; die Luft nach dem Sonnenuntergang auf der Ebene war
beängstigend, und es bemächtigte sich unser wirklich ein unheimliches
Gefühl. Als gerade der Uebergang zur Nacht eingetreten war, nahten wir uns
endlich unserem Ziele. Schauerlich, ja entsetzlich erschienen die Ruinen
und tiefen Schlünde unterirdischer Gewölbe auf dem fahlen, wüsten, gelben
Boden; wir ritten in einem Meer von Steinen; aus den schwarzen Tiefen
schien ein giftiger Hauch hervorzuquellen; einzelne Gestalten krochen wie
böse Schatten von Trümmer zu Trümmer; es war ein Bild der Zerstörung und
des Fluches -- wir glaubten durch eine Stadt des Todes zu gehen; endlich
kamen wir in einen etwas gesitteteren Stadttheil, wo wieder Leben zu
herrschen schien. Wir hielten auf einem kleinen Plätzchen vor einem
hellerleuchteten, recht gut aussehenden Hause, das uns wie ein Stern aus
trüber Nacht entgegen leuchtete. Es gehörte der Familie N., bei welcher
uns unser Wirth ohne unser Wissen angekündigt hatte. Wir wußten uns anfangs
nicht recht in unsere Lage zu finden, bis wir zu unserem Entzücken deutsche
Laute hörten. Im selben Augenblick kam durch die dunkle Nacht eine große
Gestalt auf uns zu und lud uns in deutscher Sprache ein abzusitzen und
bei der Familie N. die Nacht zuzubringen. Wir folgten dieser Stimme in
der Wüste, die uns in diesem Augenblicke wirklich wie die eines Propheten
erschien, und traten unter die Thür des Hauses; hier waren Männer und
Frauen in Nationaltracht, offenbar von unserer Ankunft benachrichtigt,
versammelt. Der Deutsche war ein seit mehreren Jahren hier wohnender Arzt,
Namens H. Er führte uns in einen reinlichen, hübsch eingerichteten Saal im
ersten Stock, und stellte uns hier der Tochter des Hauses vor. Eulalia, so
hieß die Holde, erschien in einem prachtvollen Kostüme, das ihre
blendende Schönheit noch hob -- und Helena selbst möchte, wenn sie hätte
wiedererscheinen können, die Schönheit der griechischen Frauen nicht
würdiger vertreten haben. Sie war eine Glanz-Erscheinung in der ersten
Jugendblüthe, ihre schlanke, hohe Gestalt im vollsten Ebenmaße zeigte
das herrliche Bild südlicher Vollendung. Die Züge waren die einer antiken
Kamee; auf der elfenbeinartigen Haut des Gesichts zeichneten sich mit
stolzer Schärfe die dunklen Brauen über den großen, langgeschnittenen
Augen, ab. Ihr prachtvolles Haar trug sie in Wellen um die blendenden
Schläfe, und auf dem Haupte saß der dunkle Feß mit der langen Quaste, die
um ihre Schultern spielte. Leider sprach sie nur griechisch und =Dr.= H.
mußte den Dolmetscher machen. Ihr Vater ist Minister des Innern in Athen,
und bald wird auch sie dorthin ziehen, um einen Doctor zu heirathen. In
ihrer Begleitung waren noch mehrere Hausgenossen und ein Bruder ihres
Vaters, der einige Monate nach unserer Anwesenheit, in einem Parteistreite,
von den Bauern umgebracht wurde. Nachdem wir wieder allein waren, setzten
wir uns, ziemlich ermüdet von unserem Ritte, um den Theetisch. Archivarius
K. war unwohl, und =Dr.= H., den wir zur Tafel gebeten hatten, lohnte uns
die Höflichkeit mit sehr interessanten Erzählungen über die Zustände von
Hellas. Diese Erzählungen fielen nicht zum Besten der Einheimischen aus;
übrigens übte er nur Wiedervergeltung; denn der Haß der Griechen gegen die
Fremden ist so groß, daß sie für dieses Gefühl ein eigenes Wort in ihre
Sprache eingebürgert haben; nur vor den Aerzten haben sie einen ängstlichen
Respekt, weil sie von ihnen Schutz vor den fürchterlichen Fiebern erwarten,
die gerade jetzt in Korinth sehr stark herrschten. Das Baden im Meere
und die Luft während der Dämmerung sind gefährlich; bei der Mäßigkeit der
Einwohner, und dem sonst guten Klima sind andere Uebel selten. Gefährlicher
als das Fieber sind die Räuber; nach den Angaben des =Dr.= H. treibt der
größte Theil der Bevölkerung dieses Handwerk, und es sollen sich ehemalige
Genossen dieser Zunft, bis in die Hofatmosphäre erhoben haben. Da alle
Männer aus dem Befreiungskriege, Palikaren (Helden) genannt, das Recht
haben Waffen zu tragen, so wird ihnen das Rauben außerordentlich leicht
gemacht. Oft wird mitten in der Stadt ein Haus gemüthlich belagert; so war
unser Nachtquartier in Vostizza einst von einer Bande, während einer
ganzen Nacht gefährdet. Reisende thun daher wohl, sich von einer Anzahl
von Gensd'armen begleiten zu lassen. Werden solche gefährliche Männer
eingefangen, so solle es geschehen, daß sie nach kurzer Haft zu Ehren und
Auszeichnung gelangen, da die Protection und Bestechlichkeit noch größer
ist, als in den gebildeten Ländern; so kommt es, daß die Höchsten des
Landes nicht immer von der ausgesuchtesten Gesellschaft umgeben sind. Auch
Parteiungen sollen in einem hohen und traurigen Grade das Land zerwühlen.
Der Hauptstreit entspinnt sich zwischen den Familien, die sich im
Freiheitskampfe ausgezeichnet haben, und die ein Surrogat für unsere
Aristokratie bilden. In jeder Stadt hat eine derselben die Oberhand,
während die andern sich bestreben, ihnen diese Macht zu entreißen. In
Korinth sind es unsere freundlichen Wirthe, die N., welche die Wahlen
leiten und eine Art Herrschaft ausüben. Diese Familie findet ihre Stütze in
der Gnade des Königs; der Vater der schönen Eulalia ist, wie schon gesagt,
Kriegsminister, ein Bruder desselben Palikare und Flügeladjutant des
Königs. Zieht dieser die Hand von ihnen ab, so sind sie, nach der
Behauptung des =Dr.= H., keine Stunde mehr sicher in ihren vier Mauern.
Wenn auch die Erzählungen des =Doctros= nicht ganz von Uebertreibung frei
gewesen sein mögen, so waren sie doch immer interessant, zumal da es das
erstemal war, daß wir mit Offenheit über das Land und seine Gebräuche reden
hörten. Als er die Schrecken des herrschenden Fiebers beschrieb, verschwand
unser Archivar plötzlich, und nach vollendetem Abendessen, fanden wir ihn
in starker Aufregung; er klagte über heftige Schmerzen im Knie und sah
in der That fieberhaft aus; im Innern glaubte er wohl ein Opfer der
schrecklichen Epidemie zu sein; er war sehr aufgeregt, wollte aber dennoch
den Rath des Arztes nicht hören. Wir zwangen ihm kalte Umschläge auf, und
gingen erst zur Ruhe, als er sich etwas erholt hatte. Die Betten waren
breit und gemächlich, und die Einrichtung für dieses Land luxuriös; man
sah, daß wir =sub umbra alarum=, im Hause eines Mannes waren, welcher
in der Gnade des Monarchen stand. Wir schliefen nach der großen Ermüdung
vortrefflich; doch trotz der schwellenden Kissen und dem goldgestickten
Leinenzeug, fanden wir am Morgen die Spuren eines blutgierigen
Zwergenheeres auf unsern scheckigen Körpern; Pracht und Marter
nebeneinander! Schon in aller Frühe erschien der freundliche H. mit unsern
Pferden, um uns nach einem kräftigen Frühstück auf das stolze, berühmte
Akrokorinth zu führen. Es war fünf Uhr früh, und eine erfrischende
Morgenluft ließ uns einen schönen Tag erwarten. Das zunehmende Licht zeigte
uns erst recht die Trümmer der einst so blühenden Stadt, aus denen
uns, trotz des mildernden Tageslichts, dennoch der Fluch des Himmels
entgegengrinste. Wo waren die Paläste, wo die herrlichen Cypressenwälder,
wo die zahllosen Denkmale der alten Griechen? Wo wandelten die erhabenen
Gestalten der Priesterinnen? Alle Reize, die wir in den Klassikern
beschrieben finden, sind verschwunden; des Menschen Geist hat aufgehört
zu herrschen, und es sind nur noch die Elemente in ihrer Macht, die uns
Bewunderung einflößen. Das Meer, der Himmel und die Berge ziehen unsere
Blicke von der zweimal zerstörten Stadt ab, in der nur noch einzelne
Ueberreste der Nachwelt die einstige Größe zeigen. Zuerst geleitete uns der
Arzt zu den Trümmern des Neptuntempels; sie bestehen nur noch aus vier bis
fünf niedrigen Säulen, die im Zerfallen selbst mächtig sind. Zwei derselben
sind durch einen horizontalen Steinblock verbunden; einer davon droht ein
baldiger Untergang, da aus dem unteren Theile ein großes Stück ausgebrochen
ist, das man mit schlechten Steinchen und zerbröckeltem Mörtel ersetzt hat.
Stünde der Tempel in England oder Frankreich, so würden ihn die Archäologen
mit einem Glaskasten überdecken -- denn wo Mangel ist, achtet man den
Besitz, und wo, wie hier, die Fülle ist, beachtet man sie kaum. Man kauft
hier die niedlichste etruskische Vase um ein Spottgeld, und hebt sie dann
zu Hause im Museum als ein Juwel auf; auch ich versäumte die Gelegenheit
nicht, einige dieser schön geformten Gefäße an mich zu bringen.

Hinter den Ruinen des Neptuntempels fängt das Erdreich an sich zu heben;
wir konnten außerhalb der Stadt, bis zu den Ruinen von Akrokorinth reiten;
alles um uns herum war wüst, mit Ausnahme eines mächtigen Feigenbaumes,
der einen schönen türkischen Brunnen mit in Stein gehauenen Koransprüchen
beschattete; ein mageres Mohrenweib füllte an demselben seine irdenen
Krüge. =Dr.= H. erzählte uns, daß noch einige dieser Kinder des Aequators
aus den Zeiten Ibrahim Pascha's hier übrig geblieben sind, während der
größte Theil durch die Wuth der fanatischen Hellenen fiel. Ueberhaupt sind
in Korinth die gräßlichsten Greuelscenen vollbracht worden; die Muselmänner
schlachteten die Wehrlosen mit tyrannischer Hand, und sind später von den
siegenden Griechen mit heißem Rachegefühl gemordet worden.

Vom Brunnen aus ward der Weg immer steiler, und bald schwebten wir dem
mächtigen Felsen entlang auf schroffer Höhe; die Stadt verloren wir einige
Zeit aus den Augen, und von der südlichen Seite der Höhe erblickten wir die
außerordentlich starken Festungswerke, die dem steilen Eingange gegenüber
stehen. Mauern, Thürmchen und Batterien sind mit kühnem Geiste und
praktischem Sinne auf die einzelnen Felsenvorsprünge gepflanzt, ein der
venetianischen Macht würdiges Werk. Vor dem ersten schauerlichen Thore
stiegen wir von unseren Pferden ab, und mußten das Ende des mühseligen
Weges zu Fuß zurück legen. Wir pochten an das große dunkle Thor und ein
recht schön uniformirter griechischer Husar öffnete uns von Innen die
geheimnißvolle Pforte. Durch einen düsteren Bogen, vor welchem sich die
alte Fallbrücke befindet, gelangten wir an ein kleines Häuschen, das jetzt
der stolzen Besatzung der mächtigen Festung zur Wohnung dient; sie besteht
aus zehn bis zwölf kümmerlich aussehenden Männern, denen nach den Begriffen
des Landes der Titel Soldat zukommt. Vor der Kasernenhütte lagen sechs
bis sieben venetianische Kanonen ohne Lafetten, als hätten sie sich's,
des langen Wartens müde, bequem gemacht. Akrokorinth ist auf der ganz
unregelmäßig, sehr großen Oberfläche des Felsens erbaut und umgiebt deren
Saum mit einer Mauer, auf der sich von Strecke zu Strecke kleine Thürmchen
erheben. Abgebrochene Felsenstücke, große Haufen von Trümmersteinen, nackte
Wände kleiner Häuschen, einzelne Kanonen, Menschen- und Thierknochen liegen
hier im buntesten Gewirre durcheinander; von irgend einer Ordnung oder von
gangbaren Wegen ist keine Rede. In einer der vielen Felsenvertiefungen,
in der Nähe des Einganges, befinden sich die meisten Häuserruinen, und
in ihrer Mitte eine kleine Kapelle, um welche Feigenbäumchen sprossen.
In diesen Hütten suchten die Einwohner von Korinth eine Zufluchtstätte,
nachdem die Griechen die Festung das erstemal den Türken abgerungen hatten.
=Dr.= H. machte uns auf zwei, zwischen diesen Trümmern häufig wuchernde
Pflanzen aufmerksam: die eine ist die giftige Eselsgurke, deren Früchte
bei der geringsten Berührung die Samenkörner mit großer Gewalt
herausschleudern, was dem Unvorsichtigen, der das Auge darüber hält,
augenblicklich die Sehkraft kosten kann; ich schloß die meinen und stieß
mit dem Fuße an die Frucht, worauf ich die Samenkörner an den obern Theil
meines Hutes anprallen hörte. Die andere Pflanze umspann das Gestein mit
schönem dunkelgrünem Laube; ihre Blüthe war von zauberhafter Weiße und
mit einer zahllosen Menge feiner Staubfäden gefüllt; der sanfte liebliche
Geruch entsprach der zarten Blume; die Frucht war länglich und gleich einer
kleinen grünen Gurke, das Innere derselben war mit rothen Körnern gefüllt.
Doch weder Blume noch Frucht geben der Pflanze ihre Bedeutung, sondern die
kleinen dunkelgrünen Knöspchen, welche unter dem Namen -- der Leser hat es
wohl schon errathen -- der Kapern auf den europäischen Tafeln ihre Stelle
finden.

Wir hatten noch ein gutes Stück längs der Umfangsmauern zu ersteigen,
bis wir endlich auf der höchsten Spitze Hellas, wie auf einer Karte
ausgebreitet, vor uns liegen sahen. Gegen die tiefliegende Stadt gewendet,
sahen wir das dunkle, schmale Band des Isthmus, zwischen zwei von der
Sonne beleuchteten Spiegelflächen, die wie zwei, gegen einander gestellte
Hyperbeln anzusehen waren. Diese fruchtbare Landenge ist leider unbewohnt
und unkultivirt, und nur einzelne Pinienwälder unterbrechen die Fläche
des gelben Bodens, der als unbenutzter Schatz daliegt. Es war im Plan, die
Landenge mit Deutschen zu bevölkern; doch scheiterte derselbe durch
Mangel an Energie der Regierung, dem Fremdenhasse der Griechen gegenüber.
Deutscher Fleiß hätte ein ganz schönes Ländchen für die Kultur erobern
können, und die vierhundert dazu bestimmten Familien, würden den Nachbarn
gezeigt haben, wie reich und wie glücklich man auf einem solchen Boden
werden kann.

Die Breite des Isthmus, an sich unbedeutend, schrumpft von hier oben
gesehen, noch mehr zusammen. Jenseits des Meeres erhoben sich, unmittelbar
am Ufer, himmelhoch die Gebirge von Rumelien und Livadien; die Felsen sind
von Bäumen entblößt, der Sonne widerstandslos ausgesetzt, erhalten aber
dadurch jene zaubervolle, rosige Gluth, die je nach der Entfernung vom
Violett ins Schwarzblau überzugehen scheint. Die Berge können, wie die
Menschen, gemein oder würdevoll erscheinen; die Höhen von Hellas erheben
sich in edlen Formen, wie seine antiken Heldengestalten; ein Helikon, ein
Libetrius, eine Cythero, ragen wie die Manen einer schönen Zeit hervor.
In der Richtung von Salamis und Athen hinderten uns Dünste die Gegenstände
genau zu unterscheiden; an den gegenüber liegenden Ufern des Meeres sahen
wir an unserer Seite des Isthmus, Lutraki, eine kleine Ansiedlung mit einem
Dépot des östreichischen Lloyd und einem für die Passagiere des Dampfers
bestimmten Wirthshause; jenseits der Landenge liegt Kalamachi, wo die
Reisenden wieder von einem Dampfer aufgenommen werden, um nach Athen zu
gelangen. Zu unseren Füßen lag Korinth, von dieser Höhe betrachtet, weniger
schreckhaft, und trefflicher zu übersehen, wie auf jeder Karte; man sieht
von hier mehrere Thürme, mit denen die Türken die Stadt umgeben haben. Der
Boden senkt sich von der Stadt sanft zum Meere herab, das ungefähr in einer
kleinen halben Stunde zu erreichen sein mag. Vom Felsen von Akrokorinth bis
gegen Sigia, erstreckt sich eine ziemlich bedeutende Ebene, auf der, gegen
das Meer zu, große, frische Weingärten liegen, während sich, dem Gebirge
von Morea zu, ein Olivenwald wohl eine Stunde weit zieht, dessen Früchte
den verschiedenen Eigenthümern jährlich eine Gesammtsumme von 50,000
Thlr. einbringen sollen. Die Bäume dieses Haines sind auf eine ziemliche
Entfernung von einander, gesetzt und gleichen an Höhe und Form großen
Weiden; ihre Farbe ist ernst, und je nach der Sorgsamkeit der Pflege,
farbloser oder dunkler; in Dalmatien, so bei Ragusa, wo man den Oelbaum mit
besonderer Umsicht behandelt, hat das Blatt einen dunklen, grünblauen
Ton. -- Die Ebene vor uns verläuft südwärts in einen schauerlich felsigen
Engpaß, durch dessen Mitte die Straße nach Nauplia einem Flusse entlang
führt. Der Blick, der uns in das Innere von Morea geöffnet war, fiel
auf hohes Gebirg, das aber in ungünstiger Beleuchtung farblos und wild
erschien, obwohl seine Umrisse höchst interessant sind. Der Gesammteindruck
des Rundbildes war erhaben, wild und einsam; nur selten gewahrte man die
Spuren der Menschenhand; besonders sah Morea wie eine stille Urgegend aus,
die der Mensch noch nicht geknechtet hat. Da unsere Zeit sehr beschränkt
und der Weg nach Nauplia lang war, so mußten wir diesen reichen Punkt
bald verlassen, nahmen aber unseren Rückweg zum Eingangsthor auf der
entgegengesetzten östlichen Seite, von der man Morea und den andern Theil
der Festung bequem übersehen kann; er führte uns an einem, in den Felsen
gehauenen Brunnen mit trefflichem Wasser vorbei, an dem Korinth überhaupt
reich ist; auch eine kleine Kaserne, in der einst Baiern hausten, stieß
uns auf; sonst war Alles nackt und felsig. Einige Soldaten schlichen in
schrecklicher Uniformirung herum. Der Grieche in Nationaltracht und der
Grieche in fränkischer Uniform sind himmelweit verschieden; so stolz,
schlank und graziös er in Fustanella und Feß erscheint, so ärmlich, mager
und erbärmlich sieht er in der Uniform aus. Durch dasselbe Thor, durch das
wir eingetreten waren, verließen wir die Festung, welche die Griechen den
Türken nur durch List zu entreißen vermochten. Schade, daß dieses große
Werk der Venetianer nun gänzlich zu Grunde geht. Die Mauern zerfallen, und
aus den meisten Kanonen mit dem stolzen Markuslöwen ließ die Regierung Geld
prägen. Akrokorinth gegenüber ragt zwischen dem Gebirge von Morea noch eine
Felsenspitze mit einem festen Schlosse hervor, das der Familie N. gehört.
Wir legten den steilen Theil des Rückweges zu Fuße zurück; erst in der Nähe
des türkischen Brunnens bestiegen wir unsere Pferde wieder. Vor dem Hause
N. fanden wir den Archivarius und Professor G., die großer Ermüdung wegen
in der Stadt zurückgeblieben waren; sie hatten sich die Merkwürdigkeiten
derselben besehen, und hatten so viel davon zu erzählen, daß mein Bruder,
=Dr.= F. und ich beschlossen, sie in aller Eile noch zu besichtigen.
=Dr.= H. führte uns eine Stiege hinauf in einen halbkreisförmigen
Felsenausschnitt von ein bis zwei Klaftern Tiefe, unter dessen Vorsprung
die berüchtigte Grotte der Aphrodite liegt. In der Mitte derselben befindet
sich eine schmale, niemals ergründete Oeffnung, aus der eine Quelle des
frischesten Wassers hervorsprudelt und in einer Aushöhlung des Felsens
etliche Schuh über den Grund herabrieselt. In dieser Quelle badeten
die zweideutigen Priesterinnen der Venus, deren Tempel gerade über dem
Felsenabhange stand; jeder berühmte Grieche, besonders Feldherr, mußte ein
Mädchen als Priesterin in diesen Tempel stiften. In dem Innern der Höhle
verbreitet das frische Wasser eine wohlige Kühle, mit der das sanfte
Plätschern lieblich harmonirt; den Boden bedeckt der feinste Sand, und aus
allen Felsspalten sproßt frisches Grün; von der Höhe, wo einst der Tempel
stand, senkt sich zu beiden Seiten der Boden allmählig in Hufeisenform
herab, so daß man vom Lande aus im Innern der Höhle nicht gesehen wird und
nur die herrliche Aussicht auf das Meer genießt. In der Türkenzeit baute
ein Pascha dorthin, wo der Tempel einst stand, einen Palast und ließ eine
Steintreppe in den untern Raum führen, den er als Bad benutzte. Nun
sind Tempel und Palast verschwunden, vor Gottes Zorn über diese sündige
Wirthschaft, und die Gärten, Tempel und Theater sammt den 300,000
Einwohnern des alten Korinth sind zu Staub und Schutt geworden. Das jetzige
Korinth ist nicht größer als ein deutsches Dorf.

Als wir zurückkamen, stand die schöne Eulalia unter dem Thorbogen, und
bezauberte Alle mit ihren Blicken; wir verabschiedeten uns bei ihr, dankten
für die gütige Aufnahme, schwangen uns auf die Pferde und ritten gen
Nauplia; nur Professor G. saß nicht auf und glaubte zu Fuße leichter
fortzukommen; doch außerhalb der Stadt arbeitete er sich mit Mühe und unter
fremder Hülfe auf den Sattel; wir brachten ihn auf, behauptend, er habe
die Lust am Gehen nur vorgeschützt, um nicht vor den Augen der Braut von
Korinth die Sattelhöhe stürmen zu müssen. Es war wirklich gut, daß wir aus
Eulaliens Bereich kamen; denn die Gestalt dieser Zauberin hatte berückend
auf uns Alle gewirkt. Diesmal begleitete uns eine größere Anzahl
Gensd'armen, weil die Felsschluchten, die wir zu durchziehen hatten, den
Räubern willkommene Schlupfwinkel bieten. In Nauplia erfuhren wir später,
daß die Nacht vor unserer Durchreise, eine Gesellschaft von achtzehn
Personen in einem dieser Engpässe geplündert worden war. Das Rauben ist
in Griechenland eine hergebrachte Sache. Es scheint, daß die Moralität
der Griechen nicht durch die Ideen von König, Vaterland und Nächstenliebe
gehoben wird; der eigne Vortheil ist ihr Leitstern; sogar die Heirathen
werden nicht aus Liebe, sondern durchgängig aus Convenienz geschlossen,
und der Gedanke, an Andern ein Unrecht zu begehen, verschwindet vor dem
Vergnügen, den eigenen Säckel zu füllen.

Bald hatten wir die wüste Ebene von Korinth auf schlechten, steinigen
Wegen durchschritten; an dem Flusse angekommen, befanden wir uns in einem
schmalen Thale, das wir bis Nauplia nicht mehr verließen. Die Höhen rechts
und links vom Wege sind pittoresk, aber kahl und schauerlich; nur selten
erfreuten uns Piniengruppen und Oleandergebüsche im Flußbette; wie
begreift man, daß hinter diesen Feldern von Felsstücken, diesen unzähligen
Erhöhungen und Schluchten, der Räuber das bequemste Spiel hat! Die kleinste
Schaar kann aus sicherem Hinterhalt die Reisenden überfallen und wenn's
Noth thut, spurlos verschwinden machen. Man kann sich keine Gegend
vorstellen, die mehr den Stempel des Schreckens und der wüsten Rauheit
an sich trägt. Der Karst allein wäre mit dem Anfang unseres Weges zu
vergleichen. Von Zeit zu Zeit fanden wir Piquets der Land-Miliz zu unserem
Schutze aufgestellt; wir zählten deren sieben; die guten Leute aber sahen
in der ärmlichen Landestracht, mit den langen Flinten bewaffnet, so wenig
einladend aus, daß wir das erste Piquet für einen Haufen Räuber hielten.
Leider machten wir die Bekanntschaft von erklärten Wegelagerern nicht,
obwohl mancher dieser Genossenschaft bei uns vorbeigeschlichen sein mag;
aber die Gensd'armen verdarben ihnen die Lust; jeder von uns hätte seine
heimliche Freude an einem kleinen unschuldigen, urwüchsigen Abenteuer
gehabt. Zur Entschädigung kreisten fünf mächtige Adler über unseren
Häuptern, und zwei von ihnen hatten die Gewogenheit, uns so nahe zu kommen,
daß man jede Feder unterscheiden konnte; dies waren die würdigen Bewohner
dieser Steinwüste. Wir hofften an einem derselben die Gewehre prüfen zu
können, die wir auf der ganzen Reise mitgeschleppt hatten; doch ehe wir
angelegt hatten, waren die Fürsten der Luft der Schußweite entschwunden.
Die Hitze war so unerträglich geworden, daß ich meinen Durst an dem Wasser
eines romantisch gelegenen, halb verfallenen Mühlenkanals löschen mußte. So
schön die Oleander und Reben waren, die diese Fluth umfächelten, so wenig
rein und klar war diese selbst. Endlich öffnete sich das schmale Thal und
stieg sanft zum Gebirge aufwärts. Ich ward hier lebhaft an unser heimisches
Alpenland erinnert, namentlich an das Naßfeld bei Gastein; doch nur an die
Punkte, wo die Baumvegetation und die frischen Wiesen aufhören. Hier war
es, wo wir eine große Heerde uns unbekannter Ziegen trafen, die, wie die
»King Charles« Hunde, lange schwarze, glänzende Haare mit feuerfarbener
Zeichnung hatten. Es wäre der Mühe werth, diese schöne Race bei uns
einzuführen. -- Gegen Ende des Thales nahmen wir unser Gabelfrühstück
im Hause eines Gensd'armerie-Piquets neben einer Kapelle, ein. Diese
unglücklichen, von einem Feldwebel kommandirten Menschen werden nur alle
sechs Monate abgelöst; in dieser Gegend eine Ewigkeit! Der größte Theil der
Mannschaft hatte das Fieber, und auch der Kommandant, ein sehr hübscher,
freundlicher, junger Mann mußte schwer an dieser Krankheit leiden. Er
empfing uns mit großer Artigkeit, und wollte sich uns auf alle mögliche
Weise verständlich machen, was ihm aber doch nicht gelang; seine Freude war
jedoch groß, als Archivarius K. eine an die Wand geheftete Verordnung, mit
Hülfe des Altgriechischen, laut zu lesen und zu übersetzen versuchte. Sein
Zimmer, in dem wir frühstückten, war mit den verschiedenartigsten kleinen
Kupferstichen und Holzschnitten behangen, was immerhin beweist, daß der
Bewohner Bücher in der Hand gehabt haben muß. Die Kapelle neben dem Hause
bestand, wie alle griechischen kleinen Gotteshäuser, aus nackten,
höchstens vier bis fünf Schuh hohen Wänden, die durch eine lochartige Thüre
unterbrochen werden; an der Seite steht auf einem Steine ein hölzernes,
meistens mit Heiligen bemaltes Kästchen, das die Stelle einer Armenkasse
vertritt; es muß eine große religiöse Scheu dem sonst so räuberischen Volke
innewohnen, da nicht das kleinste Kettchen die Brettertruhe an den Stein
befestigt. -- Nach einer Rast von ungefähr einer Stunde setzten wir unseren
Weg fort; bald hatten wir eine stolz geformte Gebirgskette dicht vor uns.
Das Thal hatte sich nun zur Schlucht verengt, und wieder war rechts und
links vom Flusse alles mit Felsenstücken übersäet, die aber nicht aller
Vegetation entbehrten, wodurch die Landschaft zwar rauh, aber nicht mehr so
traurig erschien; die Schlucht wurde immer enger, die Quelle des Wassers,
das wir lange verfolgt hatten, schien in der Nähe einer Mühle dem Boden
zu entspringen; diese lag da wie eine Oase, ein kleiner Raum voll fetter,
bewässerter Erde, von Tausenden grüner Felsspitzen umgeben, von denen sich
das herrliche dichte Laub der Granaten, Feigen, Reben und das hohe Rohr
sonderbar abhob. Um die Mühle sprudelten eine Unzahl von Wässerchen;
Olivenbäume neigten freundlich ihr schattiges Haupt, und Hühner pickten
eifrig auf der freigebigen Erde. So schattig und südlich erschien alles
dem Ankommenden, daß es ihm ein Ersatz für die Steinöde ringsum war. Wir
stärkten uns mit trefflichem Wasser und verließen die freundliche Oase,
die mit Ruinen von im Freiheitskampfe zerstörter Häuser umgeben war. Dieser
Engpaß bildete den Schauplatz einer fürchterlichen Metzelei; Tausende von
Türken fielen hier durch das Racheschwert der Griechen. Unser Weg wendete
sich ein wenig, und wir gelangten auf eine schmale Straße, auf welcher
wir uns zwischen himmelhohen Gebirgen durchwanden. Die bei der Mühle
entspringende Fluth fließt in den Meerbusen von Lepanto, während wir
sogleich zu einer von den schönsten Sträuchern umgebenen Quelle kamen,
deren zum bedeutenden Bache angeschwelltes Wasser, das wir bei zwanzigmal
zu durchwaten hatten, sich in den Golf von Nauplia ergießt; die
Wasserscheide ist daher außerordentlich schmal; der Weg blieb noch eine
lange Strecke von den langsam absteigenden Gebirgen eingeengt; die Wildheit
der Gegend hatte jedoch schon bei den Quellen des Baches geendet, die
Felsen verschwanden, und das üppigste Gebüsch umgab das Wasser, das wir
scherzweise den Amphibien-Bach nannten, da er von Fröschen und an seinen
Ufern lagernden Schildkröten wimmelte; diese wurden besonders häufig, als
sich der Paß wieder zum Thale erweiterte und sich rechts und links vom
Flusse dürre, mit kleinem Buschwerk bewachsene Felder ausbreiteten. Als ich
Demetry fragte, warum das Volk diese Thiere nicht zur Speise verwendete,
gab er mir zur Antwort, daß man sie für heilig halte. Die Engländer aber
lassen sich durch diesen Glauben nicht abhalten, ihre Schiffe damit zu
beladen, und sie nach Alt-England zur Bereitung der leckeren =turtle soup=
zu bringen. Da sie einen Monat ohne Nahrung aushalten, so bekommen sie
unterwegs nichts zu fressen. Auch wir nahmen einige mit; die Kleinsten
waren größer, als das Innere der Hand, die Größten über einen Schuh im
Durchmesser; es war nicht ganz leicht, diese Thiere zu fangen, da sie trotz
ihres unbehülflichen Baues ziemlich schnell fortkommen.

Das Thal zog sich noch einige Stunden gleichförmig dahin, bis wir endlich
um vier Uhr, ziemlich ermattet, den Ausgang erreichend, eine herrliche
Aussicht genossen. Es war ein schöner duftiger Nachmittag; die Sonne
glänzte im blauen Aether und warf deutliche Schatten auf die schöne Ebene
von Napoli di Romania, das in hellen Farben glänzte. Die das schmale Thal
bildenden Bergketten liefen zur linken Seite in malerischen Bogen, bis an
den klaren Spiegel des Golfs, und endeten in dem schön geformten Palamides,
dessen Fuß an der Meerstadt Nauplia wurzelt. Jede Zacke dieser gekrönten
Höhe zeichnete sich auf dem blauen Hintergrunde ab. Rund um denselben
schimmerte es von Häusern und mächtigen Bäumen, die im lieblichen
Farbenspiel verschwammen; gerade vor uns breitete sich die gesegnete Ebene
bis an den Rand des Meeres aus, und erinnerte mich an die lombardischen
Gefilde; Bäume, Weingärten und Felder wechselten hier im buntesten Gewirre;
zur Rechten schloß der stolze Argos, dessen festes Schloß ebenfalls auf
einem Felsen ruht, die Bergreihe; der Ort Argos lehnt sich an dessen
Fuß. Jenseits des schönen Golfes zeigen sich in dunklen Umrissen die
Gebirgsketten, deren letzte Ausläufer das Kap St. Angelo und das Kap
Matapan bilden; zu unsern Füßen, kaum ein paar hundert Schritte entfernt,
lag am Fuße des Berges Mycene, die ehemalige Residenz Agamemnons; -- jetzt
ist sie ein kleiner verfallener Ort auf einem wüsten Abhange. Ein Felsen
birgt die Höhle, in welcher der Atriden Sohn begraben sein soll. Leider
durften wir das alles nicht näher betrachten, da die Entfernung bis Nauplia
zu groß war.

In einem Hause, am Beginne der Ebene, die nun vor uns lag, fanden wir zu
unserer angenehmen Ueberraschung den östreichischen Konsul, welcher nach
seiner Aussage, seit achtundzwanzig Stunden mit einigen Wagen auf uns
gewartet hatte und zu befürchten anfing, daß wir, wie unsere achtzehn
Vorgänger, von Räubern angepackt worden seien. Der Mann war italienischer
Race; er trug einen blauen Paradefrack, und auf den Haaren ruhte eine
Kappe, wie sie die Marine-Offiziere tragen, doch mit einem ungeheuren
Lederschirm versehen; seine außerordentliche Beweglichkeit verrieth
seine Nationalität, und wurde durch eine merkwürdige Zungenfertigkeit
unterstützt; wir erfuhren später, daß er, außer dem Amte eines Konsuls,
auch noch das eines Apothekers verwaltete; ich werde ihm für seine
Aufmerksamkeit, uns Wagen entgegen zu bringen, ewig dankbar sein; denn wenn
wir auch über Stock und Stein ganz jämmerlich und halsbrecherisch tanzen
mußten, so war es doch eine Wohlthat, nach dem ermüdenden Ritt auf
schlechten Satteln, von Sonnengluth gebraten, fahren zu können. Wir
waren bei vortrefflicher Laune und schickten uns lachend in die kleinen
Unannehmlichkeiten unserer Lage. Mein Bruder, Fürst J., Baron K. und ich
nahmen eines dieser gebrechlichen, wankenden und schwankenden Wägelchen mit
Sturm ein. Wir preßten uns möglichst in den engen Raum zusammen, und fort
ging's in sausendem Galopp; die alten Gäule streckten und reckten ihre
Glieder, und unser Hypolitos erhielt sie mit einer langen Gerte und
furchtbarem Geschrei in Bewegung. Denkt man sich unter unserem Pferdelenker
einen schlanken, athletisch gebauten Helenen mit dem antiken Götterfunken
auf der hohen leuchtenden Stirne, so ist man ganz auf dem Holzwege; er
erhob sich kaum einige Schuh über die Erde, ersetzte jedoch, was ihm
an Größe fehlte, durch ein ungeheures Feß, das er anders, als seine
griechischen Brüder, wie eine phrygische Mütze steif aufgestülpt trug;
eine schwarze Kravatte schnürte ihm den Hals zu, aus der, gleichfalls
der Landestracht ganz fremde Hemdkragen, wie Scheuleder hervorragten;
im Uebrigen war er mit der Fustanella, dem Spencer und den Gamaschen
bekleidet. Baron K. suchte ihm auf italienisch, welches die
Verbindungssprache im Oriente ist, begreiflich zu machen, daß er nicht so
unsinnig über alle Hindernisse dahin jagen solle; er aber hieb immer mehr
in seine Renner ein und erschreckte sie durch mißtönendes Geheul; bald
entdeckten wir, daß er weder seine Thiere, noch die Richtung, die wir bei
dieser =steeple chase= einhalten sollten, sehen konnte, da sein großer
Lederschirm weit über seinen Augenpunkt hinaus ragte; plötzlich erhob er
sich, streckte das Kinn mit dem rothen Bart weit vor, faßte seinen Schirm
mit beiden Händen und blickte mit Erstaunen auf die rasenden Gäule herab;
dann wendete er sich zu uns und fragte uns -- in deutscher Sprache, ob es
uns gefalle, etwas langsamer zu fahren. Baron K. versicherte ihm, daß
dies unser heißester Wunsch sei. Wir erfuhren nun, daß er von baierischen
Soldaten etwas deutsch gelernt hatte; seit der Emanzipation vom deutschen
Joche! und dem neu angefachten Fremdenhasse schien er seine Studien
ziemlich vernachläßigt zu haben. Kurz vor der Stadt, bei dem Anfange einer
schönen Allee, hielten wir, um die Ruine der altgriechischen Festung Tyrene
zu besehen. Ihr Ursprung verliert sich in die Zeit der Mythen, und die
Mauern scheinen Cyklopen-Arbeit; man glaubt sich eher in einem Haufen von
vulkanischen Auswürfen, als in einem von Menschenhänden zusammengestellten
Baue, und die Vollbringer desselben machen dem Geburtsorte des Herkules
alle Ehre; aber der Tag begann schon zu sinken und wir konnten uns auch
hier nicht so lange aufhalten, als das Interesse des Ortes es erfordert
hätte. Die obenerwähnte Allee giebt dem Eingange von Nauplia ein
civilisirtes Ansehen; wir hielten am Thore, um die Stadt zu Fuß zu
durchwandern; leider aber dunkelte es schon -- dennoch schien uns
Räumlichkeit und Bauart der Festung, Patras zu übertreffen, und eher das
Gepräge eines italienischen Städtchens zu tragen, was bei Patras nur in
der äußeren Lage der Fall ist; dieses ist aber viel herrlicher und von der
Natur begünstigter gelegen, als Nauplia. Da die Nacht uns nicht erlaubte in
Einzelnheiten einzugehen, so ließen wir uns zum Hafen führen, wo uns eine
Barke des uns vorausgeeilten werthen »Vulkan« aufnahm und an Bord brachte.

Das Gefühl, das uns bei dem Betreten unseres Schiffes beschlich, war, als
ob wir nach langer Trennung, in das heimathliche Haus zurückgekehrt wären;
wir freuten uns Abends, nach merkwürdig durchlebten Tagen, auf das Verdeck
zu treten, und dann in stiller Nacht, in den kleinen traulichen Kabinen
unsere Gedanken zu sammeln, und die frisch und mannigfaltig eingeprägten
Bilder vor unserem Geiste vorbeiziehen zu lassen. Nirgends läßt sich's
besser nachdenken, als in solch einem kleinen Bretterraum, zwischen Himmel
und Wasser, und jedem Philosophen möcht' ich rathen, seinen Wohnort in dem
Winkel eines Schiffes aufzuschlagen. Im sogenannten Räderkasten, in welchem
wir gewöhnlich unsern Imbiß einnahmen, fanden wir das herrlichste Obst,
welches die Frau des Apotheker-Consuls dem Kapitän übergeben hatte; ein
wahres Wunder der Natur war darunter, eine zwei Schuh lange Traube, die
uns natürlich an das Prachtexemplar von Kanaan erinnerte, welches die
mannaphagen Hebräer von Kanaan in ein eben so gottseliges Entzücken
gebracht haben mag, wie uns. Wir hingen dieses Wunder der Naturkraft
unangetastet an die niedere Decke des Raumes, so daß die unteren Beeren
bis auf den Tisch reichten. Als ich am späten Abend auf das Verdeck trat,
schien der Mond in südlicher Pracht auf den Golf und dessen romantische
Ufer; seine Strahlen tanzten sanft auf den leicht bewegten Wellen, hinter
denen aus dem mystischen Dunkel einer südlichen Nacht die Dächer und
Spitzen der Stadt hervorragten, über der sich, gleich einem riesigen
Wächter, der graue Palamides erhob. In der Mitte des Silberspiegels lag,
von den Wellen sanft bespült, das vom geisterhaften Mondlicht erleuchtete
Festungswerk If, dessen Bauart und Name den türkischen Ursprung verräth.
Jetzt ist dieser, auf kleinen Riffen sich erhebende Thurm, ein Gefängniß.
Es war ein Bild wie aus einem Walter Scott'schen Roman, und jeden
Augenblick erwartete man den taktmäßigen Ruderschlag eines Retterbootes;
doch heute Nacht mußten die armen Gefangenen vergebens seufzen, und ich
glaube auch, daß sich unter diesen hier kaum einer befand, der würdig
gewesen wäre, der Held eines Romans zu sein. -- Bald ward es auf dem
Verdecke immer stiller; der Schlaf breitete seine Fittige über die lustigen
Reisenden; zuweilen nur hörte man halb im Traum, das beruhigende: »Alles
wohl« des wachsamen Nachtpostens. Erst am hellen Tage erwachte die
Gesellschaft zu neuen Unternehmungen gestärkt; der Vormittag war der
Besichtigung von Nauplia bestimmt. Die Stadt bestand schon, wenn auch
ohne Bedeutung, unter den alten Griechen; ihre großartigen Festungswerke
verdankt sie dem überall schaffenden Geiste der venetianischen Republik,
und auch über ihren Thoren prangt der Markuslöwe mit seinen sich weit
ausbreitenden Schwingen. Den türkischen Händen wurde sie durch die Griechen
entrungen. Hier war es, wo sie ihren neuen Herrscher zum erstenmale
begrüßten, welcher lange Zeit in einem schlichten Hause auf einem kleinen
Platze dieser Stadt residirte, und erst in den folgenden Jahren, Athen zu
seiner Hauptstadt erkor. -- Zuerst wurde das Arsenal besichtigt; es steht
auf dem von den Venetianern schon dazu bestimmten Platze. Da die Griechen
alle Kriegsbedürfnisse aus dem Auslande kommen lassen, so genügen die
an den Umfangsmauern aufgestellten Hütten, um die beschädigten Waffen
auszubessern, und allenfalls einige Kleinigkeiten neu anfertigen zu lassen.
Die Räumlichkeiten sind keineswegs sehenswerth, und nur als rührende
Bestrebung eines so lang unterdrückten Volkes kann dieses Arsenal
denjenigen interessiren, der Antheil an dem Aufkeimen des Hellenenreiches
nimmt. Da die Kommandanten die Güte hatten, uns überall herumzuführen und
Alles zu erklären, so machte Fürst J. als ausgezeichneter Militär einige
Bemerkungen, die ihnen sehr schmeichelhaft waren. Von hier gingen wir durch
Straßen, die schon anfangen das Gepräge des Orients zu tragen, nach dem
Landthore der Festung, und waren nach einer kleinen Strecke am Fuße des
berühmten Palamides. Mächtig und stolz steigt der Fels aus dem Schoße der
Erde; nur von einer Seite steht er mit der Gebirgskette in Verbindung;
seine Farbe spielt vom Gelb in das Rothe, hin und wieder umwuchert ihn
der fleischige, gelbblühende Kaktus, dessen Frucht von den Einwohnern sehr
gerühmt wird. Gegen die Meerseite führt die, mit einem Parapet versehene
und mit Batterien bespickte Marmorstiege zur Festungskrone hinauf; leider
trübte sich das Wetter immer mehr, und zuletzt fiel gar ein feiner Regen.
Wir ließen uns aber doch nicht abhalten, die 692 Stufen, die in das Innere
des Adlernestes führen, unter der Leitung des Kommandanten zu erklimmen.
Eine Wache griechischer Jäger empfing uns an der Pforte. Von den oberen
Batterien übersieht man die Stadt in Vogelperspective. Dieselbe verbindet
sich mit dem Fuß des Felsens und breitet sich auf einer Landzunge aus, die
der Golf umspült. Die Häuserhaufen scheinen uns von diesem Standpunkt,
für das so arm bevölkerte Land, ziemlich bedeutend; vor unseren Augen
entwickelte sich ein enges Netz von Straßen und Plätzen, in denen die
Bevölkerung emsig hin und her zog -- Kirchen, Häuser, Baumplätze,
alles erschien kleiner, als es ist, scharf begrenzt von den mächtigen
Venetianer-Mauern, und der Stadtplan konnte nicht deutlicher aufgenommen
werden, als er uns von der Höhe des Palamides erschien. Von der Stadt aus
führt eine Erdenge zwischen Meer und Felsen zur Ebene, von der aus sich
eine zweite Stadt mit freundlichen Häusern an den Berg zu lehnen scheint.
Am Fuße dieser neuen, mit Gärten umgebenen Ansiedlung, steht ein großer
Felsblock, in dessen eine Seite das kolossale Bild eines verwundeten Löwen
gehauen ist. Es wurde von König Ludwig zur Erinnerung an die in Hellas
gefallenen Baiern errichtet. -- In der Ferne sahen wir durch einen leichten
Nebelschleier Argos und die felsigen Riesenmauern, aus denen wir Tags zuvor
durch einen schmalen Thorweg herausgetreten waren. An der Rückseite des
Palamides erheben sich noch höhere Gebirge, die vom Inneren der Festung
nur durch einen großen, in Stein gesprengten Graben getrennt sind. Nach
der neueren Taktik müßte zur Sicherung des Platzes ein Außenwerk auf dieser
dominirenden Höhe angebracht werden; doch hier kämpft man noch Mann gegen
Mann den muthigen Kampf des Alterthums, und schickt sich nicht die
von ferne zerstörenden Geschosse zu; auch ward der Palamides von den
Venetianern nur wegen der Sicherung des Hafens befestigt. Das Innere
des Platzes ist mit Wohnhäusern und Kasernen angefüllt, die auf dem
unregelmäßigsten Boden stehen; fast so bemerkenswerth, wie die mächtigen
venetianischen Ruinen, ist die maßlose Unordnung, die hier herrscht; die
Soldaten sehen wie die Hühnerdiebe aus, und selbst der Kommandant hatte
etwas Rohes und Ungebildetes. -- Nachdem wir das ganze Terrain mit seinen
Bastionen, Erhöhungen und Vertiefungen abgegangen hatten, stiegen wir die
vom Regen schlüpfrig gewordenen 692 Stufen wieder herab und durchwanderten
dann die Straßen der Stadt. Die Häuser sind fast alle hoch und schmal, und
in jedem Stockwerk mit einem Balcon versehen; zu ebener Erde sind offene
Buden, die an den engen, finsteren Straßen hinlaufen. Die ziemlich
zahlreichen Kirchen sind im alt-byzantinischen Style erbaut; auch ein
katholisches Gotteshaus von ziemlich unkirchlicher Außenseite ward uns
gezeigt. Der Konsul sagte uns, daß die Katholiken in dieser Stadt auf
jede Weise verfolgt werden. Die Altkirchler verbreiten die lächerlichsten
Mährchen über sie; so erzählen sie, daß die Geistlichen jeden Sterbenden
beim Administriren erdrosseln. Die Bevölkerung stört den Gottesdienst, wo
sie nur kann. Auf einem der kleinen Plätze sahen wir einen ziemlich plump
gearbeiteten Marmorsarkophag, der die Reste Ypsilantis enthält, und diesem
Helden von seinem Bruder gesetzt worden ist. Das Haus und der Platz, wo
König Otto gewohnt hat, sind unbedeutend, hingegen interessirte uns ein
anderer, auf dem noch Häuser aus der Türkenzeit stehen, die nur noch durch
ein Wunder zusammenhalten; denn die Stützen und Gitter der balconartig
hervorragenden ersten Stockwerke -- einer Bauart angehörend, die wir später
in Smyrna verherrlicht sahen -- waren zum Einstürzen morsch und faul;
dennoch ist der Anblick dieser bizarren Formen und lebhaften Farben
malerisch. Schon dies Alles erfüllte meine Phantasie; wie aber ward sie
angeregt, als ich aus einer der wenigen Oeffnungen eine schöne, in schwarze
europäische Kleidung gehüllte Dame herausblicken sah! Ein schlanker Mann
im französischen Frack stand hinter ihr; woher diese traumhafte Erscheinung
kam, blieb uns unerklärt; höchstens könnte ein Engländer-Paar die Idee
fassen, sich unter diesen Trümmern begraben zu lassen. Auf einem
der Festungswälle, unmittelbar am Meere, steht eine herrliche
dreihundertjährige Dattelpalme, deren imposante Höhe sich aber leider nicht
ganz geltend machen kann, da ein großer Theil des schlanken Stammes, in
der Erde verschüttet ist; auf unseren Wunsch, einige der in der Krone
wachsenden Früchte zu erlangen, stieg ein langer Grieche, in weiten blauen
Pluderhosen, mit großer Fertigkeit den schlanken Stamm hinan, und warf die
grünen Früchte, zum Jubel der untenstehenden Bevölkerung hinab. So schön
das Klima ist, so werden die Datteln doch nicht ganz reif und fallen
nutzlos zur Erde. Unmittelbar neben der Palme ist in der Festungsmauer ein
schöner türkischer Brunnen mit fein gearbeiteten Koransprüchen angebracht,
die der religiöse Sinn der Mohammedaner überall einfügt; auch muß man ihr
Talent, schöne Punkte für die Brunnen zu finden, bewundern, wie es hier
am Fuße der Palme mit der Aussicht auf den schönen Golf in so hohem Maße
geschehen ist.

Wir kehrten zum Quai zurück, ruderten an Bord des Vulkans und sagten Napoli
di Romania »Ade«, um dem Pyräus zuzusteuern.




Athen.


  Den 14. September 1850 angekommen.

Um fünf Uhr Morgens wurde ich in meiner kleinen Kabine mit dem Rufe
geweckt: »man sieht Athen«! War's doch wie in den Kreuzzügen beim Anblick
von Jerusalem; alles stürzte auf die Brücke des Schiffes, um das Hauptziel
unserer Reise schon von Weitem zu begrüßen. Neugierde und Freude malte
sich auf jedem Gesichte, und weithin schweifte der prüfende Blick. Die
azurblauen Wogen des schäumenden Meeres spielten an eine breite, gelbe
Küste, die sich bald eben, bald etwas erhoben mit dem Lande verbindet.
Pflanzenleer und doch großartig lief die Fläche weithin fort, bis sie
endlich von einem Halbkreise himmelhoher Berge begrenzt wurde. Am Ende
dieser Ebene sahen wir, von hohen Felsen umgeben, Athen als einen
weißen Punkt; hinter diesem den Hymetus, die Akropolis und die andern
geschichtlich denkwürdigen Höhen, und weiter noch den Penthelikon
hervorragen; der Anblick war keineswegs so freundlich feenhaft, wie der
von Patras, sondern, kahl, ernst und erhaben. Es war ein Bild der
Vergangenheit, auf dem die Erinnerung großer Begebenheiten ruht. Unser
Schiff hatte sich dem kahlen Ufer genähert, auf dem man uns einen Haufen
Steine als das Grab des Themistokles zeigte. Plötzlich wendeten wir, und
liefen in einen kaum einige hundert Schritt breiten Kanal ein, der sich
zwischen den niedrigen felsigen Ufern durchwindet und keinen Ausweg zeigt,
bis sich ein breites Wasserbecken aufthut, und man in dem friedlichen
Pyräus einläuft. Ein Halbkreis von neugebauten Häusern umgiebt den Hafen,
in dem eine bedeutende Anzahl Schiffe ankerte. Am Quai und auf dem Wasser
ist reges Leben, ein Anblick, der freudig ergreift, wenn man bedenkt, daß
noch vor wenigen Jahren nur einzelne Häuser an diesen Ufern standen, der
Hafen leer von Schiffen war. Jetzt ist nur noch die Umgebung kahl und
todt. -- Wir fanden zwei französische Lloyddampfer und ein französisches
Geschwader vor, das von einer Fregatte mit einem Admiral angeführt wurde.
Wieder umkreiste uns, wie in Patras, gleich nachdem wir geankert hatten,
eine große Anzahl von Barken, mit einem einzigen lateinischen Segel von
einem Schiffer mit großer Geschicklichkeit gelenkt, der dasselbe bald
rechts, band links herumlegte, und pfeilschnell dahin schoß. Diese
niedlichen Schiffchen sind ein Schmuck des Hafens. Ein Boot wurde, um die
Erlaubniß landen zu dürfen, ausgesendet; dann begrüßte uns Graf J.,
der östreichische Geschäftsträger. Gleich nach ihm erschien General G.,
Hofmarschall des Königs, begleitet vom Hauptmann M., einem geborenen
Triestiner, der uns während unseres Aufenthalts in Athen zugetheilt wurde;
diese beiden Herren luden uns ein, im königlichen Schlosse eine Wohnung
zu beziehen, ein Anerbieten, das mit Dank angenommen wurde. Wir verließen
daher, nachdem wir unseren Anzug ein wenig geordnet hatten, auf mehrere
Tage den geliebten Vulkan. Am Quai erwartete uns ein vierspänniger Wagen
der Königin; es war die erste Equipage, die wir seit langer Zeit gesehen
hatten. Blaue moderne Livree, große mecklenburgische Pferde und eine
elegante Calesche paßten wohl zusammen, machten aber einen sonderbaren
Gegensatz zu der wüsten Umgebung.

Wir sprangen mit heißen Erwartungen in den Wagen, und wurden auf weichen
Federpolstern auf der berühmten Straße von Pyräus nach Athen geführt, ein
dreiviertel Stunde langer, außerordentlich breiter, guter Weg, auf dem uns
nur der fürchterliche Staub belästigte. Die Stadt war, seit der Einfahrt
in den Piräus unseren Blicken entschwunden, und erst am Ausgange eines
Olivenwaldes, durch den wir fuhren, erschien sie wieder. Dieser Hain ist
wegen seiner Ausdehnung und der Menge seiner Früchte berühmt im Lande;
doch war er dieses Jahr in schlechtem Zustande, da die Bäume durch den
vorjährigen strengen Winter gelitten hatten, und man erst in einigen
Jahren ihre vollständige Heilung hofft. Von Strecke zu Strecke stand ein
Wirthshaus an der Straße, vor dem sich die interessantesten Gruppen von
Einwohnern zeigten; auch hier begegneten wir einzelnen Zügen aus Eseln und
Maulthieren, und sogar einigen schlechten Wagen. Nahe dem Pyräus sind noch
Ueberbleibsel der altgriechischen Befestigungen von Athen. Weingärten und
Olivenanpflanzungen wechseln ab; der Hain lichtet sich und der Eindruck
wird freundlicher und großartiger zugleich. Wir durchstrichen eine Ebene,
auf der ein berühmter Kampf gegen die Türken gekämpft wurde, und welche ein
Monument schmückt. Endlich zeigt sich die, durch die Geschichte geweihte
Stadt, in der die Phantasie begierig nach den Erinnerungen einstiger
Größe sucht. Vor allem Andern wird der Blick durch einen mächtigen Felsen
gefesselt, der wie auf marmornem Sockel eine Krone sonder Gleichen trägt:
die Akropolis mit ihren säulenreichen Tempeln und ihren hundert Mahnungen
an ihre große Vergangenheit; sie leuchtet mit erhabenem Stolze von ihrem
Felsen herab; und wie man von den Gesichtszügen auf die Seele des Menschen
schließen kann, so spricht dieses Denkmal die Größe der Zeit aus, in der
es entstand. In der Ebene zeigte sich zu unserer Rechten im schönsten
künstlerischen Ebenmaße der Theseustempel, dessen gelblicher Marmor wie
mattes Gold erscheint. Vor uns lag die Stadt, deren Umfang nicht
sehr bedeutend ist; sie wird durch eine lange, ungepflasterte Straße
durchschnitten, die der höher gelegene königliche Palast schließt, die aber
anfangs nur niedrige und unansehnliche Häuser begrenzen; erst in der Nähe
des Palastes nimmt sie ein städtisches, besseres Aussehen an; doch
schmückt sie gleich anfangs eine hohe prächtige Palme; auch ist die
Metropolitankirche, im byzantinischen Style, durch ihr typisches Aussehen
ehrwürdig, und erinnert an die altchristliche Zeit; sie erhebt sich kaum
vier Klafter über den Erdboden und ist von geringem Umfange, was sonderbar
mit dem königlichen Palaste kontrastirt. Vielleicht ist es, wie im
hebräischen Reiche, auch erst dem Nachfolger des ersten Königs vergönnt,
dem Herrn einen würdigen Tempel zu bauen, während der jetzige Regent, wie
David, nur für seine eigene Unterkunft zu sorgen hat.

Die Häuser gleichen denen von Patras, nur sind sie etwas mehr mit
den Bedürfnissen der Kultur versehen; der untere Theil ist meist zu
Verkaufsläden verwendet; das Leben wird immer bewegter, je mehr man sich
dem großen Platze nähert, an dem der königliche Palast auf einer Anhöhe
steht; auf der linken Seite hat ein Triestiner ein schönes Gebäude im
griechischen Geschmacke gebaut; die rechte Seite ist leer und läßt einen
Blick auf den neuen Theil der Stadt offen, in dem sich einige recht nette
Häuser befinden. In der Ferne glänzt das Meer und auf demselben zeichnen
sich in klarer Luft die herrlichen Säulen des Jupiter-Tempels ab; auf dem
Platze selbst sind große, regelmäßige Pflanzungen von Cactus, Aloën und
Cypressen angelegt, in deren Mitte ein Weg, mit breiten Marmorstiegen zum
Palaste hinan führt; rechts und links sind Alleen mit Fahrwegen. Diese
Pflanzungen stehen im Einklange mit den architektonischen Linien des
Palastes, der in ziemlich schmucklosem, griechischen Style dasteht;
nur leuchtet an den Wänden, Fenstern, Balconen und Terrassen der weiße
griechische Marmor statt aller Zierrath hervor. Der ganze Bau ist ein
längliches, zweistöckiges Viereck; an der Front, gegen die Stadt, tragen
dorische Säulen einen Balcon über der Einfahrt; von dieser führt eine
herrliche freischwebende Marmorstiege in das obere Stockwerk. Auf der
Meeresseite wird eine Terrasse von Säulen gestützt, die zu ebener
Erde einen offenen Gang bilden, von dem aus breite Stufen zur Straße
hinabführen; jenseits derselben liegt der mit den herrlichsten südlichen
Gewächsen geschmückte Garten der Königin; auf der Rückseite, gegen die
Gebirge zu, schwebt wieder ein Balcon über der hinteren Einfahrt, von der
aus eine Wendeltreppe aus Marmor und Bronce hinaufsteigt. Da das
Aeußere des Palastes wenig verziert ist, so hat er von weitem leider ein
kasernenartiges Ansehen, welches der Reichthum des Materials erst in der
Nähe mildert; auf jeden Fall ist er aber viel zu groß für die kleine Stadt,
ja sogar für das kleine Land. Augenblicklich merkt man den leitenden
Geist des Königs Ludwig von Baiern, welcher die Bauten nicht dem Bedürfniß
anpaßte, sondern sie um ihrer selbst willen hinstellte. So müssen auch das
griechische Reich und seine Hauptstadt, sein Hof und seine Dynastie, erst
in diese Palasträume hineinwachsen. Die inneren Gemächer sind prachtvoll;
ein herrliches Thronzimmer für den König, ein gleiches für die Königin,
große in Fresco gemalte Speisesäle, wundervolle von Gold strotzende
Tanzsäle, Salons und große Fremdenzimmer eröffnen sich dem erstaunten
Auge. Das Ganze ist in vortrefflichem Geschmacke und bis zu Leuchter und
Tafelgeschirr im griechischen Style eingerichtet; ein schöner Gedanke,
der besonders den Zimmern der Königin ein zugleich freundliches
und künstlerisches Gepräge giebt; man sieht ihnen an, daß hier ein
liebenswürdiger Geist waltet; dieser ist es auch, der die Existenz
in diesem Lande mit seinem Zauber umgiebt. Wir sahen diese schönen
Räumlichkeiten erst im Laufe unseres Aufenthaltes, und wurden anfangs in
die uns angewiesenen Zimmer geführt, wo wir der Audienz bei der Königin
harrten; unsere Fenster gingen auf den Garten gegen das Meer zu; doch
gewährte mir ein Eckzimmer auch den Anblick der Stadt und der Akropolis.
Man kann sich nichts Schöneres und Interessanteres denken, als die Aussicht
von dieser Höhe auf die malerische Umgebung mit ihren Denkmalen. Die klare
Luft des Südens ließ alles deutlich und scharf erkennen, und über die
Spitzen der um den Palast stehenden hohen Palmen hinweg sah man ein Gemisch
südlichen Zaubers und edler Einfachheit; es ist, als ob die Natur hätte
zeigen wollen, wie edle Formen auch ohne üppige Fülle, nur von Werken der
Kunst gekrönt, das Gemüth ergreifen können; die hiesigen Gegenden sind
hohen und erhabenen Schönheiten zu vergleichen, während die lieblichen
Thäler unseres theuren Deutschlands mehr einen naiven freundlichen Eindruck
hervorbringen. Der Garten der Königin, in dem das Streben bemerklich ist,
die südliche Vegetation mit der nördlichen in schönen Gruppen zu verbinden,
giebt einen trefflichen Vordergrund zu der bedeutungsvollen Aussicht, und
einen malerischen Gegensatz zu den hellgelben kahlen Umrissen, die das Meer
würdig schließt.

Nachdem unser Gepäck aus dem Pyräus angelangt war, setzten wir uns
in Uniform und wurden nun zur Königin-Regentin geführt. Im kunstreich
verzierten Thronsaale stand der weibliche Hofstaat; hier blieben unsere
Reisegefährten; mein Bruder und ich wurden in den anstoßenden Salon
geführt, wo uns die Königin in einer eleganten geschmackvollen
Morgentoilette empfing. Sie ist von mittlerer Frauengröße, und weiß Würde
und Anmuth in seltenem Maße in ihrem Wesen zu vereinigen. Ihre Züge
drücken Geist und Charakterstärke aus; ihr Gespräch ist liebenswürdig und
geistreich und steigert sich zum Enthusiasmus, wenn die Rede von ihrem
theuren Hellas ist. Sie ist die wahre Mutter ihres Volkes; denn nur eine
Mutter kann mit so vielem Interesse von jeder Einzelnheit sprechen, die
sich auf ihre Kinder bezieht. Auch genießt die Königin die verdiente
Gegenliebe ihres Volkes, und wird überall, wo sie erscheint, mit
Begeisterung empfangen; von ihrer kräftigen und einsichtsvollen
Regentschaft hört man aller Orten mit Bewunderung sprechen. Ich hätte
nicht geglaubt, daß eine deutsche Prinzessin, gewöhnt an die angenehmen
Bequemlichkeiten ihres Vaterlandes, sich so ganz in die griechischen Sitten
schicken, und es sogar in der Sprache zu solcher Vollendung würde bringen
können. Nach einem Gespräch von einer viertel Stunde, führte uns die
Königin in den Thronsaal und stellte uns ihre Damen vor, worauf ich ihr
unsere Reisegefährten nannte. Die Oberhofmeisterin der Königin, Frau von
P., ist unter den Höhergestellten am Hofe die einzige Deutsche; sie macht
durch ihr freundliches Benehmen und ihren heiteren Geist ihrer Nation Ehre.
Außer ihr hat die »Basilissa« (so wird die Königin im Lande genannt) noch
zwei Griechinnen zu Hofdamen. Fräulein Photanie M. und Fräulein Penelope L.
Dieselben kleiden sich griechisch und bestätigen die so berühmte Schönheit
der Frauen ihres Landes. Sie sprechen ziemlich gut französisch, und
scheinen überhaupt nicht ungebildet zu sein. Nachdem man uns zu einem
Spazierritt, auf fünf Uhr, eingeladen hatte, wurden wir von der Königin
entlassen. Der übrige Hofstaat ist ziemlich unbedeutend, und ich will hier
nur noch des Hofmarschalls Generals G. erwähnen, welcher, wie es deren an
allen Höfen giebt, eine Art Factotum ist; er ist einer der Wenigen,
welchem der König sein ganzes Vertrauen schenkt; auch soll er bei der
verhängnißvollen Revolution sehr viel Charakterstärke bewiesen haben. Seine
Vergangenheit ist jedoch etwas dunkel, und es giebt böse Zungen, welche
derselben räuberische Gelüste zuschreiben. Sein Aeußeres entspräche dieser
letzten Behauptung; er hat eine finstere, etwas gemeine Physiognomie,
Hautfarbe und Haare sind außerordentlich dunkel; dagegen gewinnt seine
Erscheinung durch die herrliche griechische Tracht. -- Um fünf Uhr
versammelten wir uns in einem, gegen die Meerseite gelegenen, niedlichen
Cabinete; die Königin schritt die breiten Marmorstufen hinab und schwang
sich mit großer Leichtigkeit auf ein türkisches Pferd, welches ihrer
harrte. Wir folgten ihrem Beispiel, und nun ging es in lançadirendem
Galoppe bei der Hauptwache des Palastes vorbei, über den Schloßplatz,
durch einen Triumphbogen von Myrten, der zur morgigen Feier der Revolution
errichtet worden war, die lange Straße hinunter zum Theseustempel. Die
Königin wollte uns einen Ueberblick der Merkwürdigkeiten Athens geben.
In der Straße wurde sie mit Jubelruf empfangen, und Alles grüßte mit dem
Ausdrucke der größten Verehrung. Die Königin zu Pferde ist eine wahrhaft
anmuthige und schöne Erscheinung. Sie reitet ganz vortrefflich, hat einen
festen Sitz und führt das Pferd im schnellsten Galopp über Stellen, welche
mancher berühmte Reiter bei uns kaum im Schritt passiren würde. Die Pferde
des griechischen Hofes sind meist aus den asiatischen Gebirgen, haben einen
schuhartigen Beschlag und klettern wie Gemsen über schwindelnde Höhen.
Wenn sie keinen Fuß fassen können, rutschen sie auf den Hinterfüßen über
Felsplatten, ohne zu stürzen. Auch macht die Königin ihre weitesten Reisen
zu Pferde, da von einem Fortkommen zu Wagen bis jetzt noch keine Rede
ist. -- Der Theseustempel ist eines der besterhaltenen Monumente in
Griechenland, und vielleicht eines der schönsten des Alterthums. Er ist
ziemlich groß, alle seine Säulen und der größte Theil der inneren Mauern
und des Daches sind erhalten. Der Marmor, aus dem er gebaut ist, war
ehemals weiß, hat jedoch durch Zeit und Wetter einen schönen gelben Glanz
erhalten, der diesen großen Massen vortrefflich läßt. Der Styl ist einfach
und durchaus rein. Außerordentlich wird dieses Kunstwerk durch den freien
Raum gehoben, auf dem es sich befindet; leider sieht man in den Säulen und
den Wänden Spuren von den nichts verschonenden türkischen Kugeln. In den
Metopen sind nur wenige Basreliefs, und diese nicht gut erhalten; man
glaubt, daß sie die Thaten des Theseus vorstellen. Der innere Tempelraum
ist ganz mit Mauern umgeben, während im Alterthum nur drei Seiten eingefaßt
waren; die vierte Mauer ward errichtet, als dieser herrliche Tempel dem
christlichen Gottesdienst gewidmet wurde. Zur Zeit sind alle kirchlichen
Geräthe wieder heraus geräumt worden und man hat das Innere mit
ausgegrabenen Kunstschätzen ausgefüllt, die aber, des nicht sehr großen
Raumes wegen, ohne viel Sorgfalt aufeinander gehäuft sind; doch sieht
man immer hier lieber die Götter der alten Mythe, als das Bild unseres
Erlösers, welches keineswegs in diese Mauern paßt. Der Haupteingang von
der Stadtseite ist jetzt geschlossen. An der Seitenwand, die der Akropolis
zugewendet liegt, öffnet sich ebenfalls eine Thüre, an welcher ein
griechischer Archäolog die Königin und uns empfing.

Wir konnten nur im Fluge die inneren Kunstschätze an uns vorüber ziehen
lassen, die ich erst später, nach sorgfältigerer Betrachtung, erwähnen
werde. Von hier aus folgten wir der Königin durch die engen Seitenstraßen
von Athen, zwischen die verschiedenartigsten Hindernisse durch, im
gestreckten Galopp zu dem Tempel der Winde, einem Octogon aus Quadern, in
welchem unter dem Dache die Winde in einem Basrelief dargestellt sind; eine
einzige Thüre führt in das Innere desselben, Fenster sind nicht vorhanden.
Der Boden, auf welchem dieses Gebäude steht, ist um eine Klafter vertieft,
was uns beweist, wie viel vom alten Athen verschüttet ist. Die Ruinen eines
Aquaducts führen zu diesem interessanten Tempel, von welchem ich ebenfalls
später Gelegenheit haben werde, näher zu sprechen. Von da kamen wir zur
sogenannten Laterne des Diogenes, eigentlich dem Monumente des Lysokrates.
Es ist ein nicht sehr breites, ungefähr zwei Klaftern hohes Thürmchen,
dessen mit schönen aber sehr kleinen Basreliefs versehenes Dach auf vier
bis fünf niedlichen Säulen ruht, ehmals aber frei gestanden haben mag. Die
Spitze des Daches formt ein bouquetartiger Knopf, aus Delphinen gebildet.
In dem neu vermauerten, inneren Säulenraum scheint früher eine Büste oder
Statuette gestanden zu haben. Das Ganze ist eine sehr zierliche und
feine Arbeit. Von dort ging es zum Areopag und Pnyx; es sind dies massive
Felsenparthien, in welchen man noch Stufen bezeichnende Linien eingehauen
findet. In diesem Felsen zeigt man den in den Stein gearbeiteten
gefängnißartigen Raum, in welchem das Grab des Sokrates gewesen sein soll,
welche Angabe jedoch nicht die geringste Wahrscheinlichkeit für sich hat.
-- Hierauf besahen wir das sogenannte Marktthor, einen Porticus von vier
Säulen. Fälschlich hat es seinen Namen von einem großen Stein bekommen,
welcher bei demselben aufgestellt ist, und auf den die unter Hadrian
gesetzlichen Marktpreise eingehauen sind; dies war aber eine Gewohnheit
alter Zeiten, der man bei sehr vielen antiken Thoren begegnet. -- Noch
berührten wir die Kolonnade und das Thor des Hadrian, die Ueberreste des
Tempels des Jupiter, das Grabmal des Philopopus und die Stelle, auf welcher
die Gärten des Plato standen. Die Kolonnade des Hadrian besteht aus sechs,
vor einer aus Quadersteinen erbauten Mauer stehenden, römischen Säulen,
auf welchen Vorsprünge ruhen, die mit der Mauer in Verbindung stehen. Eine
siebente Säule steht frei; es scheint, daß die sechs anderen ehemals mit
Statuen geziert waren. An der Quadermauer sieht man noch Ueberreste einer
christlich-typischen Freskomalerei, da auch hier eine Kirche angeklext
war. Vor den Säulen ist eine Mauer gezogen, und in diesem von der Straße
abgeschlossenen Raume befinden sich ebenfalls ausgegrabene Alterthümer. Das
Thor des Hadrian, in der Nähe des Jupitertempels, ist ein großer breiter
Bogen, dem man den römischen Ursprung ansieht, und der einem zweiten von
vier Säulen getragenen Thore als Fundament dient. Dieses an sich schöne
Kunstwerk wird durch die Pracht und Größe der Säulen des Jupitertempels
verdunkelt; ihre Höhe mag 20 Klafter betragen, ihr Umfang entspricht der
Höhe und trotz dieser Dimensionen haben sie ein schönes und vollkommenes
Ebenmaß; es mögen bei 15 sein; 12 derselben sind in einer nähern Gruppe
beisammen, während drei in ziemlicher Entfernung abseits stehen. Die
größere Gruppe ist noch durch einzelne große Steine verbunden, sonst ist
vom Dache nichts mehr übrig. Auf einem der Säulencapitäle sieht man noch
die Reste einer Steinhütte, welche einem fanatisch asketischen Derwische 20
Jahre als Wohnung gedient hat, während welcher Zeit er niemals auf die Erde
herabkam, sondern es vorzog, in diesen höhern Regionen einem Storche gleich
zu nisten, und sein frugales Mal an einem Seile aufzuziehen. Zu seinen
Füßen wurde unterdessen Geschichte gemacht, und nicht wenig mußte sich der
alte Herr wundern, als einstens statt seiner Glaubensgenossen siegreiche
Rajas erschienen, und er der einzige Diener des Halbmondes in Athen
verblieb, die einzige Stimme des Propheten in der Wüste. -- Die Ausdehnung
des Jupitertempels muß außerordentlich gewesen sein; auch kann man noch die
festen Fundamente desselben in weiter Entfernung von den Säulen sehen.

In der Nähe derselben, im Felsen, befindet sich eine Quelle, in
welcher sich Calliope, die schöne Muse, gebadet hat; daher führt dieses
wildromantische Wasser ihren Namen. Die antike Lieblichkeit des Ortes ist
entschwunden und es sind nur mehr die nackten, pittoresk geformten Felsen,
zwischen welchen das Wasser rieselt, vorhanden. Das Monument des Philopopus
liegt auf einem hohen Hügel, ziemlich entfernt von der Stadt, gegen das
Meer zu; es ist eine schirmartige, etwas gegen außen zu gekrümmte Mauer aus
Quadersteinen, an deren unterer Seite sich ein sehr beschädigtes Basrelief
befindet, den Triumphzug eines römischen Imperators darstellend; über
demselben sind Säulen angebracht, zwischen welchen sich arg verstümmelte
sitzende Figuren befinden. Die Erhöhung, auf welcher dieser Bau steht,
heißt der Musäusberg und ist nach dem griechischen Dichter dieses Namens
benannt. Von dem Garten des Plato, auf der entgegengesetzten Seite, sieht
man nur mehr den etwas erhobenen Platz, der von einer kleinen Kapelle
gekrönt ist. Zwischen Weingärten und der Promenade Athens, einer breiten
Allee, mit sehr schmächtigen Bäumen, kamen wir nach Sonnenuntergang zum
Palaste zurück, worauf man sich gleich nach einer für die Damen
fabelhaft schnellen Toilette versammelte, um das Essen einzunehmen. Das
Gesammtministerium und die Hofchargen waren zur Tafel gezogen. Die Königin
war so gnädig, mir die hellenischen Staatenlenker selbst vorzustellen.
Einige unter diesen Herren hatten einen europäischen Anstrich, und waren
sogar im Stande, französisch oder italienisch zu sprechen, was für mich
von großer Erleichterung war, da ich es hasse, mich mittels eines Dragomans
verständlich zu machen; man ist bei dieser Art der Unterhaltung immer
verkauft, und kann nicht wissen, wie sie den Sinn in den Worten der andern
Sprache wiedergeben. Doch beim Minister des Innern, dem Vater der schönen
Eulalia von Korinth, mußte ich die Hülfe fremder Zungen in Anspruch nehmen.
Dieser Herr trägt das gewöhnliche Landeskostüme und ist dem Greisenalter
nahe; seine Faust schien mir eher für das Schwert und den Pflug, als für
die administrirende Feder geschaffen; doch bei dem ziemlich primitiven
Zustande des Landes mag diese Urnatur wohl geeignet sein, für sein
Inneres zu sorgen; nur wäre es gut, wenn noch zuweilen das verrostete
Palikarenschwert gezogen würde, um das Land von den Räuberbanden zu
säubern. Doch wo bliebe dann der letzte Zuflucht der Romantik? Ein
Griechenland ohne Räuber wäre eine Schweiz ohne Berge. Auch ist es ganz
angenehm, wenn man in die Heimath zurückgekehrt, beim traulichen Theetische
erzählen kann, man habe die schauerlichsten Gegenden durchwandernd, an den
Felsen das Blut der unglücklichen Schlachtopfer herunter rieseln sehen.
So lange es nicht persönliche Bekanntschaft mit diesen Helden der Romantik
gemacht hat, ist das Volk der Reisenden egoistisch genug, sich beim
Durchwandern der übelberüchtigten Gegenden eines heimlichen und
selbstgefälligen Schauers zu erfreuen. Darum lassen wir die Spinnen ihr
Netz über das rostige Schwert weben, und danken wir dem Gesammtministerium
für die Rettung und zukünftige Erhaltung der Räuberbanden! -- Vielleicht
gab ja selbst einer der würdigen Männer, die hier bei Tische saßen, den
Stoff zu einer Episode der Klephtenpoesie. -- Das Diner wurde schnell und
elegant servirt, die Zubereitung der Speisen war vortrefflich, und nach
dem langen Ritt unser Appetit ebenso. Auf den Wänden des Eßzimmers sind
Früchte, Wildpret und Fische in sinnreiche Arabesken verflochten. -- Nach
dem Essen entließ uns die liebenswürdige Hausfrau, und wir konnten einer
erquickenden Ruhe genießen.

Der andere Tag war ein Sonntag, und wir hatten Gelegenheit um acht Uhr in
der Kapelle des Königs die Messe zu hören. Gleich nach dem katholischen
Gottesdienst ward alles, was sich auf die Gebräuche unserer Kirche bezieht,
weggeräumt, und der Pastor der Königin mit seinem einfachen Ritus, zog ein.
Zuweilen, wenn öffentliche Feste es erheischen, wohnt das Königspaar auch
den griechischen Funktionen bei.

Um die Sitte eines Landes und insbesondere einer Stadt kennen zu
lernen, kann es wohl nichts Erwünschteres geben, als die Abhaltung eines
öffentlichen Festes; dies wurde uns heute zu Theil. Am 16. September,
nach griechischem Kalender am 3., feiert Jung-Hellas die an diesem Tage
begonnene Revolution.

Als wir uns vom Palast in die Hauptstraße begaben, hatte die Königin schon
den Triumphbogen von Myrtenreisern durchfahren und befand sich im Dome,
wo ein feierliches Gebet den Mittelpunkt des Festes ausmachte. Die Gasse
entlang bildeten griechische Linientruppen Spalier; ihr Aussehen war
unmilitärisch; man sah ihnen an, wie die Tracht europäischer Soldaten
das freie Wesen dieser Leute beengte. Die feste Halsbinde, der plump
geschmückte Csako, gaben dem ernsten Sohne der südlichen Berge einen
düster-kränklichen Anstrich. Ein Körper, der an die flatternde Jacke und
die faltenreiche Fustanella gewöhnt ist, mag sich unter griechischer
Sonne gar peinlich in dem bis oben zugeknöpften Tuchrocke und den langen
=inexpressibles= fühlen; und so schlüpfen Hellas Jünglinge aus dem
malerischen Costüme des Vaterlandes, um sich in eine Gliederpuppe zu
verwandeln, und hierdurch große Aehnlichkeit mit unseren Nationalgarden zu
bekommen; doch die europäische Civilisation erfordert es so, und da muß
der Schönheits-Enthusiast des 19. Jahrhunderts schweigen. Das Bataillon in
Landestracht sieht dagegen sehr schön und kriegerisch aus, und trägt sich
in gleicher Farbenpracht wie die Truppen, die wir schon Gelegenheit hatten
in Patras zu bewundern. -- Zwischen den bewaffneten Reihen wogte das Volk
im bunten Gewimmel; bald sah man europäische Trachten, bald zeigten sich
die buntesten Gewänder des Landes; die Balcone und Fenster waren mit dem
schönsten Schmucke Neu-Athens geziert; es zeigten sich hier die Frauen
und Mädchen in reichster Farbenpracht. An den funkelnden Augen und schönen
regelmäßigen Zügen konnte man gar leicht die Vermischung des südslavischen
und altgriechischen Blutes erkennen. Unter den reizenden Trachten des
weiblichen Geschlechtes waren für uns die der Hydriotinnen neu. Statt
des rothen Feß tragen die reizenden Inselbewohnerinnen einen leichten
gazeartigen Schleier in zarten künstlichen Falten um Haupt, Nacken und
Brust. Die Kleider sind, wie die ihrer Schwestern vom festen Lande, aus
grellgefärbtem Seidenstoffe. -- Trotz der Bedeutung des Tages war das Volk
ruhig; kein enthusiastischer Jubel, ja selbst keine neugierige Schaulust,
waren bemerkbar; es sah eher aus, als befänden sich die Leute aus bloßer
Gewohnheit da.

Nachdem wir den bunten Schimmer der Häuser, welchen die glühende
Sonne erhöhte, betrachtet hatten, begaben wir uns in den für eine
Liliput-Hauptstadt allenfalls passenden Dom. Schon an der Pforte empfing
uns ein Qualm drückender Hitze und unsere Ohren vernahmen den monotonen
Gesang der griechischen Geistlichkeit. In der Mitte der Letzteren thronte
der Archimandrit, eine würdige Gestalt vergangener Zeiten mit wallendem
schneeweißen Barte. An der rechten Seite der Kirche, vor einem Thronsessel,
stand gleich einem Marmorbilde, die Königin-Regentin in reichem,
pelzverbrämten Gewande; war auch etwas malerische Phantasie in dieses
Kostüme hineingerathen, so hatte es doch in seinen Grundzügen den
orientalischen Schnitt. Da wir gerade gegenüber, hinter den Säulenbogen
einen etwas erhöhten Platz eingenommen hatten, so konnten wir die erhabene
Frau mit Muße betrachten. Ihre Gestalt schwamm in einem Goldmeere reicher
Stickerei. Auf dem Haupte glänzten im braunen Haare funkelnde Diamanten;
so war auch Brust und Nacken mit diesem Gesteine bedeckt; doch der Ausdruck
des Gesichtes und die ganze Haltung war kalt, und unbeweglich; es drückte
sich fast Widerwillen in den sonst so anmuthsvollen, freundlichen Zügen
aus. Die arme Dame mag gar wohl gedacht haben, wie ihr aufblühender Thron
vor Jahren an diesem schreckensvollen dritten September gebrandmarkt worden
ist. Gewiß schwebte ihr das Bild der schreienden Horden und wankenden
Rathgeber vor den Augen; und nun sollte sie für die Erhaltung derjenigen
Institutionen beten, welche ihr geliebtes Hellas dereinst in das Verderben
stürzen mußten! Auch preßten sich ihre Lippen krampfhaft zusammen, statt
sich zum Gebete zu öffnen.

Wir verließen bald den dumpfen Raum, um die Königin nach Beendigung der
Hymnen an uns vorüberfahren zu sehen. Ich hatte mir bei dieser Gelegenheit,
wenn auch keinen prachtvollen, doch einen originellen Zug gedacht; statt
dessen fuhren zwei vierspännige baierisch zugestutzte Kutschen vor, in
welchen die Königin mit einem Theil ihres Hofstaates fast gänzlich den
Blicken entschwand; einige vereinzelte sehr reich gekleidete Adjutanten und
ein Trupp Lanciers umschwirrten den Wagen, und plötzlich war der ganze Zug
unseren neugierigen Blicken entschwunden. Die Königin entledigte sich ihrer
drückenden Kleiderpracht, worauf wir uns bei ihr zum Frühstück in einem
Garten-Pavillon versammelten. Derselbe besteht aus einem Holzgitter mit
leichtem Dache, und ist über einem herrlichen Mosaïk erbaut, welches man
auf demselben Platze ausgegraben hat, und das sich rühmt, das größte der
Bekannten zu sein; es ist außerordentlich gut erhalten und scheint nach
den Arabesken und der Form zu schließen, sich in einem antiken Badezimmer
befunden zu haben. Als wir uns zum vortrefflichen Gabelfrühstück setzten,
bemerkte die Königin, daß unsere Zahl dreizehn sei; augenblicklich ward ein
Katzentisch bereitet, und der arme uns zugetheilte Adjutant mußte mit einer
Ecke des Laubpavillons vorlieb nehmen. Zwei Gründe mögen dieses komische
Verfahren bei der so geistreichen Königin entschuldigen: erstens ist
das griechische Volk außerordentlich abergläubisch, und es scheint nicht
gerathen, offen diesen Sonderbarkeiten entgegen zu treten; zweitens trug
sich vor einigen Jahren ein eigener Zufall am griechischen Hofe zu:
man speiste zu dreizehn, in der kürzesten Zeit darauf starb einer der
Tafelrunde; einige Tage darnach war die Gesellschaft wieder vereinigt und
abermals in der ominösen Zahl. Ein junger Engländer, der beide Male zugegen
war, äußerte im Scherze, wer wohl diesmal das Opfer sein würde; abermals
verging eine nicht lange Zeit, und der junge Britte war eine Leiche.

Nach dem Frühstücke ließ die Königin eine kleine Pony-Equipage vorfahren,
in der sie meinen Bruder und mich eigenhändig führte, und uns Gelegenheit
gab, ihr Talent zum Kutschiren zu bewundern. Die übrige Gesellschaft
folgte ihr zu Fuße. Eine kleine Menagerie, bestehend aus Dammhirschen und
Gazellen, wurde uns gezeigt; hierauf geleitete uns die Königin durch ihren
Garten, welcher ihr ganzes Vergnügen und ihren ganzen Stolz ausmacht; auch
pflegte sie ihn scherzweise immer ihr kleines Reich zu nennen. Ehe sie
die Regentschaft des größeren Reiches übernahm, bildete dieses
selbstgeschaffene und gepflegte Athene-Eldorado ihr Hauptvergnügen; nun
wird leider der Garten unter den wichtigeren Geschäften etwas leiden
müssen. Die Anlagen desselben sind im englischen Geschmacke; zwischen
Palmen und Orangen wird mit Mühe das deutsche Bäumchen gehegt und gepflegt.
Die Blicke aus den einzelnen Partien auf die Ueberreste altgriechischer
Kunst sind herrlich und könnten nicht malerischer gewählt sein. Es fehlt
nur an schattigen Plätzen und an grünen Rasenflecken, um den Garten
vollkommen zu nennen; der erste Fehler wird sich jedoch mit der Zeit geben,
da die ganze Schöpfung erst das Werk einiger Jahre ist; im älteren Theile
steht schon eine Baumgruppe, in deren kühlem Schatten das königliche
Ehepaar zu frühstücken pflegt; für den zweiten ist weniger zu hoffen, da
die Strahlen der Sonne zu glühend sind, um das üppige Wachsthum des Grases
zu erlauben. Für Athen ist jedoch der Hofgarten ein Wunder; er ist so zu
sagen der einzige Punkt, wo das frische Grün des Laubes, und der Wechsel
der Blumenpracht zu sehen ist. Für uns, die wir aus kühleren Ländern
stammen, waren die Gewächse des Südens von besonderer Merkwürdigkeit. Die
keimenden Palmen und saftigen Aloën waren in solcher Menge unserem
Auge neu. Die letztere Pflanze nimmt sich besonders vortheilhaft in den
schneeweißen Marmorvasen aus, welche sich auf den breiten Stufen gleichen
Gesteines befinden, die von der linken Palastseite, von Terrasse zu
Terrasse in den Garten hinunterführen. Die erste Terrasse ist als breiter
Raum zum Vorfahren vor den Kolonnaden-Gang bestimmt. Die zweite etwas
tiefer liegende, ist mit sehr schönen Blumenanlagen zwischen Orangenbäumen
besetzt, die aber im vorigen Winter von der strengen Kälte so sehr gelitten
hatten, daß man sie bis zum Boden schneiden mußte; doch das Wachsthum unter
südlicher Sonne ist so kräftig und rasch, daß sie nun schon die Höhe von
4 bis 5 Fuß erreicht haben. Die Erndte ist jedoch auf einige Jahre
hinausgeschoben. In dem ziemlich bedeutenden Umfange des Gartens wurden
einige sehr schöne Alterthümer ausgegraben, welche auf einem eigenen
Platze desselben aufbewahrt sind. Vor wenigen Jahren stieß man auf eine
reichhaltige antike Wasserleitung, die nun theilweise den Pflanzen das so
nothwendige Labsal bringt; auch glaubt man den Platz gefunden zu haben, auf
welchem Socrates gelehrt haben soll: die Kontraste der Jahrhunderte bringen
den Schulplatz des größten Philosophen in eine englische Parkanlage! -- Da
uns die glühende Mittagshitze gar bald aus dem Garten trieb, ward es uns
gegönnt, die Gemächer des Königs und der Königin genau zu betrachten.
Dieselben vereinigten Pracht mit Wohnlichkeit und manch sinnige Idee und
hübsche Fresko-Malerei fand ich zwischen den griechischen Zierrathen; doch
überall leuchtete der Münchner Königsbau durch, und wirklich findet im
hiesigen Klima diese Bauart ihre größere Berechtigung. In des Königs
Arbeitszimmer sieht man unter dem Plafond die berühmten Männer des alten
Griechenlands; in einer Ecke steht ein Gipsabguß des Apoll von Belvedere,
als Repräsentanten der antiken Kunst; in einem andern Saale des Palastes
sieht man dagegen die Brustbilder der Helden neugriechischer Geschichte. An
den Wänden befinden sich zwei große Oelgemälde vom Münchner Maler Heß, den
Einzug des Königs in Nauplia und Athen darstellend; die Bilder sind kräftig
gemalt und enthalten viele für das Land interessante Porträts. Noch ist in
diesem Raume, der den hervorragenden Werken der neueren Zeit gewidmet ist,
kein Repräsentant der vaterländischen Kunst zu sehen; auch wäre es schwer
in Neu-Griechenland einen solchen zu finden. -- Die große Stiege, die an
diesen Saal stößt, ist, wie schon erwähnt, von Bronce und weißem Marmor
aus dem Pentelikon; ein herrliches Werk! Die Steinstufen sind so fest
eingefügt, daß die Doppelstiege längs der Mauer frei und ohne stützende
Säulen dahin läuft. Die Königin erzählte uns, daß es langer Zeit und großer
Mühe bedurfte, bis man Marmorblöcke fand, welche so gänzlich ohne Sprünge
waren, daß man dieses Meisterstück wagen konnte. Diese breiten, wahrhaft
majestätischen Stufenreihen führen in eine Halle, die sich unmittelbar an
der großen Einfahrt in der Mitte des Palastes befindet. Die schönsten Räume
im Schlosse sind jedoch unstreitig die zwei großen Tanzsäle im =entresol=,
die durch alle Stockwerke die Höhe des Schlosses erreichen. Die Hauptfarbe
derselben ist roth, mit reichen goldenen Verzierungen bedeckt. Die Möbel
sind mit den Wänden und Plafonds übereinstimmend und so aufgestellt, daß
den Tanzenden genug Raum bleibt. Ein Maler war gerade beschäftigt, den
oberen Theil des einen der beiden Säle mit mythischen Figuren zu füllen.
Wenn die schweren Kronleuchter und reichen Wände in tausendfarbigem Lichte
schimmern, und die bunten schöngestickten orientalischen Trachten sich
bei der Tanzmelodie hin und her bewegen, so mag der Anblick wirklich etwas
feenhaftes haben; auch werden diese Feste von allen Fremden als
wahrhaft pracht- und geschmackvoll gerühmt. Ob diese Feierlichkeiten den
Gewohnheiten und Geldmitteln des Landes entsprechen, getraue ich mich nicht
zu beurtheilen. Von hoher Seite versicherte man mich übrigens, daß das
griechische Volk die Pracht und den Glanz seines Thrones liebe.

Die Königin, welche die Merkwürdigkeiten ihres Landes auf eine so graziöse
und geistreiche Art zeigte, lud uns auf heute Nachmittag zu einer Fahrt
nach dem berühmten Eleusis ein. Die ganze Gesellschaft wurde in zwei
großen, bequemen Wagen untergebracht, und so rollten wir vom Schlosse aus
durch einen abgelegenen Theil der Stadt, worauf wir bald die heilige Straße
erreichten, welche unter den alten Griechen von Athen aus zum Tempel des
unbekannten Gottes führte. Anfangs fährt man zwischen Olivenbäumen und
Weingewinden dahin, bald aber geräth man in eine romantische wüste Gegend;
man muß ein enges schluchtartiges Thal durchfahren, um auf die andere Seite
der Gebirgskette zu kommen, in welcher sich der Meerbusen befindet, an
dessen Ende Eleusis liegt. Links und rechts von der Thalstraße liegen auf
gelber Erde unzählige Felsstücke, zwischen denen einzelne Pinien-Gruppen
gleich kleinen Oasen hervorragen, deren Nadeln von lebhafterem Grün sind,
als das Laub unserer Bäume. Außer mehreren langsam dahin kriechenden
Schildkröten sahen wir keine Spur des Lebens, bis wir mitten in dieser
interessanten Wildniß an das verfallene Nonnenkloster Daphne kamen. Noch
stehen einige Theile der festen fränkischen Ringmauer, der Kirche und der
erbärmlichen Hütten der Nonnen. Ursprünglich ward hier ein Schloß für die
Herzöge von Athen, aus der Familie Laroche gebaut, deren Nachkommen noch in
Baiern bestehen sollen. Die Mauern deuten augenblicklich auf die nordischen
Schöpfer derselben; später wurde das Schloß zum Kloster eingerichtet
und die Kirche im byzantinischen Style noch später gebaut. In der Kuppel
befindet sich ein großes Mosaïk, ein Christuskopf im typischen Styl. Da die
Kirche dem griechischen Kultus geweiht ist, so befindet sich hier natürlich
die stark vergoldete Wand zwischen der Gemeinde und dem Altare. Lange dicke
Kerzen auf hohen, freistehenden, bunten Leuchtern, warfen ein
düsteres Licht auf die großen, auf einzelnen Pulten aufgeschlagenen
Evangelium-Bücher, und auf das dunkle vom Rauche geschwärzte Gemäuer. Die
Stille und Leblosigkeit dieses Gotteshauses gab dem Ganzen einen mystischen
Anstrich. In einer Seitenkapelle sind noch einige Gräber, auf deren einem
das in Marmor gehauene Wappen der Laroche zu sehen ist. So findet man in
der Umgegend von Athen alle Geschichtsperioden durch die merkwürdigsten
Denkmale verewigt. In dem Klosterhofe sieht man noch einige Reste
gothischer Verzierungen. Die Mauern sind alle so massiv, daß es scheint,
als ob diese Herzöge sich nicht ganz sicher gefühlt hätten. -- Kaum waren
wir einige Zeit in dem verfallenen Gemäuer herumgeklettert, so regte
es sich plötzlich, und schwarze, unheimliche, hexenartige Gestalten
erschienen. In Fetzen nur zur Noth gehüllt, mit wirren grauen Haaren und
dürren Gliedern, gehörten sie ganz zu den leblosen Ueberbleibseln aus
vergangenen Zeiten; es fehlten nur Kessel und Besen, um das Bild zu
vollenden. Es waren dies die frommen Schwestern von Daphne, welche gerade
im Begriffe waren, türkischen Weizen und andere Hülsenfrüchte auf den Boden
auszustreuen und zu trocknen. Mit ihrer Heiligkeit soll es jedoch
nicht sehr weit her sein; wenigstens ist der Erzbischof von Athen, ihr
geistlicher Vorstand, dieser Ansicht. Auf jeden Fall war ihr Aeußeres nicht
nur abstoßend, sondern sogar unschicklich, und sie scheinen eher eine
Rotte roher Bettlerinnen, als in sich gekehrter Nonnen. Wir verließen
die malerischen Ruinen, nachdem die schwarzen Gespenster der Königin
mildspendende Hand Segen kreischend geküßt hatten. Bald waren wir am
Ausgang des Thales, und mit Wohlgefallen ruhte das Auge auf dem Meerbusen,
dem Dorfe Eleusis und den hohen schön geformten Gebirgen. Man beginnt die
Spuren der heiligen, in den Felsen gehauenen Straße zu sehen, da sich der
Weg ziemlich knapp zwischen dem Meere und den höheren Felsen hinzieht. Man
sieht aus diesen Spuren, wie auch auf der Akropolis und an mehreren anderen
Orten in Griechenland, daß die Alten nur Geleise in den Stein hieben, und
daß die Räder, welche gleiche Achsenbreite hatten, in denselben liefen,
so daß sich die Pferde auf dem nackten Felsen forthelfen mußten. Noch
interessanter jedoch wie diese Straßenreste sind die Süßwasser-Seen, welche
sich unmittelbar an der rechten Seite der Straße befinden, während die
linke von den Wogen des Meeres bespült wird. Diese kleinen Seen sind
ebenfalls noch aus uralter Zeit; ihre Tiefe beträgt höchstens fünf Schuh,
sie liegen einige Schuh höher, als das Meer, in welches sie unter der
Straße abfließen. Diese ist nur durch eine kleine sehr niedrige Mauer
von den Seen getrennt. Es scheint, daß der Zweck dieser Wasseranlagen
die Aufbewahrung von Fischen war. Der Zufluß kommt wahrscheinlich von
unterirdischen Quellen. --

Am Eingange von Eleusis ließ die Königin halten, und man stieg aus. Zuerst
besichtigten wir eine kleine, außerordentlich niedrige griechische Kapelle,
welche aus Trümmern von dem berühmten Tempel des unbekannten Gottes gebaut
wurde. Im Innern derselben befinden sich auch noch einzelne Theile von
alten Statuen und Inschriften, für einen Archäologen, der diese Zeichen
versteht, von großem Interesse. Als wir beschäftigt waren, diese Trümmer
schönerer Zeiten zu bewundern, strömte die Bevölkerung des Dorfes die
Anhöhe herab und umringte die geliebte »Basilissa«, welche sie mit den
freundlichsten Worten in der wohltönenden griechischen Sprache begrüßte.
Eine schöne Sitte ist es, daß, wenn das griechische Königspaar in die
Nähe eines Dorfes kommt, die ganze Gemeinde jubelnd entgegenzieht, und ihr
»zito« in die Lüfte schallen läßt. Die Bevölkerung dieses Ortes, besonders
die Frauen, waren wieder ganz anders gekleidet, als in der Umgebung von
Athen; ich möchte sagen noch poetischer und geschmackvoller. Die Frauen
tragen lange dunkelgefärbte Röcke; über denselben haben sie bis zum
Knie herab einen weißen mit schwarzen Schnüren geschmackvoll gestickten
Oberrock; auch das Mieder ist reich und bunt gestickt, Kopf und Hals hüllt
ein weißer Schleier ein, aus welchem lange Flechten über den Nacken, oft
bis auf den Boden hängen. Der reiche Haarwuchs ist der Stolz dieser Frauen;
sie helfen sich auch künstlich durch das Eindrehen von brauner Wolle. Die
Mädchen tragen statt des Schleiers ihre Aussteuer auf dem Haupte, welche
in einer helmartigen Kappe besteht, mit Sturmband und Quästchen, deren
Bestandtheile durchlöcherte Silber- und Goldmünzen bilden; oft recht
interessante kleine Münzensammlungen. Man findet türkische, griechische,
österreichische und spanische Geldstücke im buntesten Gemisch. Diese
ganz originelle Kopfbedeckung kleidet aber die regelmäßigen, ernsten
orientalischen Züge vortrefflich. Eine große Anzahl der Frauen trägt
goldene Ringe mit den schönsten antiken Cameen, welche sie beim Ackern
zwischen den Schollen finden. Wir wanderten nun von der ganzen Gemeinde
gefolgt auf einen felsigen Hügel, der die Grundlage des Tempels bildete.
Man findet nur noch einzelne Mauertrümmer und Stücke von marmornen Säulen
des berühmten Heiligthums, in welchem die eleusischen Feste gefeiert
wurden, und es regt sich der Wunsch, daß Ceres wieder einmal in dieser
Gegend ihr geliebtes Kind suchen möge und wenn sie käme, könnte man leider
zum zweitenmale wieder singen:

  Und auf ihrem Pfad begrüßte,
  Irrend nach des Kindes Spur,
  Ceres die verlass'ne Küste.
  Ach, da grünte keine Flur!
  Daß sie hier vertraulich weile,
  Ist kein Obdach ihr gewährt.
  Keines Tempels heitre Säule
  Zeuget, daß man Götter ehrt.

So streicht die Hand der Zeit über die berühmtesten Gegenden dahin, und
oft ist mir schon in Griechenland das Gedicht Rückert's von dem Thale
eingefallen, in welchem eine Stadt, dann Wüste, Felder, See und endlich
wieder eine Stadt gestanden hat. Ein wehmüthiger Gedanke war es uns, der
Jugend der Neuzeit, über die gebrochenen Steine dahin zu hüpfen, die einst
das gebildetste Volk der Welt mit Mühe zusammentrug, um ein Götterwerk zu
schaffen, welches der Ewigkeit trotzen sollte, und in welchem die antike
Jugend die mystischen Reigen der Ceres ausführte.

Wir wurden nun in zwei Häuser von Landbewohnern geführt, in welchen die
prachtvollsten Mosaïk's dem Spiele der Kinder und dem Wühlen der Schweine
ausgesetzt waren; quer über einen derselben läuft sogar die Hausmauer.
So werden diese herrlichen Werke durch unwissende Menschen dem Verderben
preisgegeben, da man sie doch mit der kleinsten Mühe vor der Unkenntniß der
Bevölkerung schützen könnte. Leider stehen dem griechischen Monarchen, der
den besten Willen zur Erhaltung dieser Schätze hat, nicht die Mittel zu
Gebote, diesen Wunsch auszuführen. -- Als wir aus der zweiten Behausung
heraustraten, bildeten die schlanken, romantisch gekleideten Frauen und
Mädchen von Eleusis einen Halbkreis vor der Königin und stimmten nach einer
ziemlich monotonen Melodie einen rasch improvisirten Gesang an, zu
welchem sie, die Arme kreuzweis haltend, einen ernsten schwingenden Tanz
ausführten. Langsam neigten sie sich mit einem Schritte vorwärts, worauf
sie zwei kleine Schritte rückwärts machten; nach jeder Strophe traten sie
im Tacte mit den Sandalen auf den harten Boden. In diesem Tanze erkannte
man die Nachkommen der alten Helenen. Es waren die Reigen, wie man sie auf
den Vasen des alten Griechenlands gemalt sieht, ein interessanter schöner
Anblick! Die Königin sagte mir, daß sich der Gesang auf ihre Anwesenheit
bezöge. Im ersten Liede drückten sie ihre Freude aus, daß wir Fremde der
Königin die Nachricht der baldigen Ankunft des Königs brächten; im zweiten
wurde die »Basilissa« mit einem Orangenbaum verglichen, an dessen Fuß eine
frische Quelle sprudle. Das Volk soll eine eigene Gewandtheit in diesen
lieblichen Improvisationen haben! --

Wir besahen nun noch einen altgriechischen Hafendamm, welcher sich am Fuße
des Städtchens auf eine kleine Strecke in das Meer hineinzieht. Er zeichnet
sich durch seine außerordentlich großen Quadersteine aus. Hierauf lud uns
die Königin zu einem Imbiß ein, welchen Vorschlag wir dankbar annahmen. Es
war ein =gouté champêtre=. Man brachte in aller Eile einen schlechten Tisch
und einige Feldsessel; ein Koffer, der die erwünschte Ladung enthielt,
wurde eröffnet, und wir stärkten uns mit kaltem Fleische, Eiern und
Wein, angesichts des welthistorischen Eleusis. So ist das unglückliche
Menschengeschlecht! Geist, Herz und Magen sind leider ein nothwendiges
Triumvirat, welches in diesem armen Erdenleben nie getrennt werden kann.
-- Nach dem kurzen Mahle wollten die Männer von Eleusis ihren Frauen nicht
zurückstehen und vollführten ebenfalls einen Tanz, dem der Frauen ähnlich,
nur lebhafter und wilder. Der beste Tänzer des Ortes führte den Reigen an
und machte höchst possierliche, drehende Sprünge, mit denen eines Gemsbocks
vergleichbar, und an die bacchantischen Geberden antiker Darstellungen
erinnernd. Nachdem dies einige Zeit bewundert worden war, ließ die
Königin die Kinder des Dorfes um sich schaaren, stellte einige Fragen im
freundlichsten Tone an sie, und vertheilte hierauf unter dieselben die
vom Mahle übrig gebliebenen Eier. Es war ein hübsches Bild, die zarte Frau
mitten unter den frischen, stürmischen Kindern zu sehen; alle drängten sich
um sie, ein jedes wollte eine der Gaben haben; die Ungestümen wies sie mild
mit der Hand zurück, den Bescheidenen theilte sie ermunternd aus. Das war
ein Geschrei und ein Jubel! So weiß sie durch liebenswürdige Art mit
den einfachsten Mitteln das Herz ihres Volkes zu gewinnen. Die ganze
Bevölkerung, jung und alt, stürzte uns bis zum Wagen nach, und die Königin
verließ den interessanten Ort unter dem weithin schallenden Jubelruf: »zito
Basilissa«! -- Die besonders enthusiastische Jugend lief noch einige Zeit
jauchzend neben dem Wagen her. Man sieht deutlich, daß es die Königin ist,
welche durch ihre Persönlichkeit den neu errichteten Thron von Griechenland
im Herzen des Volkes stützt. --

Als wir durch die schönen Weingärten dahin fuhren, warfen die einzelnen
Landbewohner die schönsten Trauben ihres Besitzthums in den Wagen, welche
die Königin dankend annahm; und dieses Zeichen der Liebe wurde nicht, wie
bei uns, mit feilem Geld belohnt; das freundliche Nicken der Königin war
den Bauern der liebste Dank. Das Volk in Griechenland ist durch und durch
monarchisch, und kennt den Werth der fürstlichen Huld und Gnade, ohne daß
man ihm dieselbe durch thatsächliche Bezahlung zu beweisen braucht. Am
späten Abend bei funkelnden Sternen kehrten wir nach Athen zurück. --

Des andern Morgens nahmen wir das Frühstück in unseren Zimmern ein; hierauf
fuhren wir um 9 Uhr in die in der Nähe des Palastes gelegenen Stallungen
des Königs; sie sind geräumig und rein gehalten, und beherbergen eine
schöne Auswahl orientalischer Pferde; die ausgezeichnetesten derselben
wurden uns im Hofe vorgeführt. Der König und die Königin lieben es sehr,
muntere Thiere zu reiten.

Daß die Pferde häufig lançadiren und in beständigem Springen und
Capriolen die Reitkunst des Königs dem staunenden Volke zeigen, gehört zum
griechischen guten Ton. -- Den sämmtlichen Stallungen steht ein ehemaliger
bairischer Offizier vor, der sich auf die Reitkunst sehr gut zu verstehen
scheint. -- Von hier aus begaben wir uns zur neuerbauten Universität;
sie ist im altgriechischen Geschmacke; der große, noch nicht gänzlich
vollendete Saal wird durch einige sehr schöne Säulen aus weißem Marmor
geziert. Das ganze Institut ist erst im Werden; doch nimmt man ein
erfreuliches Streben nach Bildung wahr, und die Bibliothek, welche meist
aus Geschenken des Inlandes und der Fremde besteht, ist wirklich nicht ohne
Bedeutung. Von diesem Symbole neuen Lebens fuhren wir zur Krone alter Größe
und Pracht hinan, zu der auf stolzem Fels erbauten Akropolis, welche Alles
überragt, was wir bis jetzt von antiker Kunst gesehen haben. Vom Fuße der
Erhöhung bis zu dem Thore der Umfassungsmauern geht der Weg über kahle
Erdpartien und ist nach neugriechischer Sitte sehr schlecht; man muß
sich mit Mühe durch den Staub der Erde hinaufarbeiten, wo vor den alles
zerstörenden Zeiten der antike Grieche mit Begeisterung und heiligem
Schauer auf Marmorstufen zum selbstgeschaffenen Göttersitz emporschritt.
Schon aus der Ferne leuchteten dem Anbeter der hehren Minerva im blauen
Aether, gleich einer Sonnenburg, die stolzen Propyläen entgegen. Eifriger
beflügelte er seine aufwärts strebenden Schritte und bald befand er sich
in einem Säulenwalde, in welchem die Werke eines Phidias, als Perlen der
menschlichen Kunst, ihm Begeisterung für seine Götterbilder und
Bewunderung für sein mächtig schöpferisches Geschlecht zustrahlten. Mit
enthusiastischer Kunstliebe betrachtete er die milden ernsten Züge der
Göttin, die jener aus dem nahen Steinblocke des Pentelikons geschaffen, und
die sein poetischer Geist sich selbst zur Schützerin bestellt hat. Keine
ernsten, stillen Gebete in Furcht und Andacht vor dem höchsten Wesen
konnten diesen Lippen entquillen; ihre Stelle vertrat schallender Jubel
bei der Darbringung blumenbekränzter Opfer, die der Ausdruck des poetischen
Naturergusses waren, deren eigentlichen Sinn aber das Lob des eigenen
Selbst bildete. Die christliche Furcht vor dem lenkenden Schöpfer der
Welten, nahte sich ihnen nur in den ihnen unerklärlichen Naturerscheinungen
und im Tode! Die Akropolis war ein Diadem, mit welchem die stolze
Menschheit das eigene leuchtende Haupt schmückte. Doch dieser Krone fehlte
der reine erlösende Segen; die Spangen des eitlen Schmuckes brachen, und
der Alles versinnlichende Geist wich vor dem dornengekrönten Erlöser, in
dessen Sinne die Jünger ihr künstlerisches Streben zu Domen vereinten,
welche sie, statt mit Perlen antiker Zeit, mit dem schlichten Sinnbilde des
Kreuzes schmückten. Die Spangen brachen, die Perlen wurden von den Fluthen
der Zeit hinweggespült, und dennoch erkennt man in den Ueberbleibseln, daß
die Geister, die diese Werke schufen, groß und erhaben gewesen waren; in
diesen Ruinen lebt noch jetzt ein poetischer Reiz und eine unwiderstehliche
Macht, die auch der Eigenliebe eines Christen des 19. Jahrhunderts
schmeichelt. Die Seele wird unwillkürlich von Stolz ergriffen bei dem
Gedanken, diese Werke haben einst Menschen geschaffen, aus Fleisch und Blut
wie du; und da die Attribute des heidnischen Kultus in den weiten
stillen Räumen fehlen, so hat die Phantasie freies Spiel, und auch das
christlichste Gemüth kann sich an den Malen des alten Hellas erfreuen.
-- Wir traten in das Thor der Umfassungsmauer ein; nachdem wir dasselbe
durchschritten hatten, kamen wir zu einem Wachthäuschen, welches leider
theilweise aus Ueberbleibseln von Kunstschätzen erbaut ist; rechts und
links lagen zusammengefallene Steine, gebrochene Säulen; dann gelangten
wir durch eine pfortenartige Maueröffnung in das Bereich der herrlichen
Propyläen. Noch heute erkennt man die mächtigen Stufen, die bis zu den
Fluthen des Meeres gereicht haben sollen. Rechts und links erheben sich
gigantische Säulen, welche mehrere Eingangshallen zu dem eigentlichen
Sanctuarium bilden. Einst waren in den marmornen Boden derart Furchen
gezogen, daß man zwischen den Stufen hindurch fahren konnte. Die
Säulenreihen werden von dem Innersten der Akropolis durch große
Quadermauern getrennt; in der Mitte befindet sich ein dreifacher Eingang.
Rechts von den Propyläen ragt auf einem Felsenvorsprunge der zierliche
Tempel der Victoria hervor, welchem wir nun zuerst unsere Aufmerksamkeit
schenkten; seine Dimensionen sind sehr gemessen und stehen im vollsten
Einklange; vier Wände mit dorischen Säulen verziert, bilden das Gebäude, an
dessen einer Seite eine schöne Pforte in das Innere desselben führt. Um das
Gesimse laufen fein gearbeitete Basreliefs in sehr kleinem Maßstabe.
Der Tempel hat durch seine freie Lage den reinen, blauen Aether als
Hintergrund, und durch seinen Miniaturbau, der in der letzten Zeit
hergestellt worden ist, etwas außerordentlich Anziehendes. Im Inneren
fanden wir ein ausnehmend schönes Basrelief der Siegesgöttin an die Wand
gelehnt. Die Athenienser, um den Sieg zu fesseln, bauten nicht nur der
Göttin dieses Denkmal, sondern nannten es auch den Tempel der »flügellosen
Victoria«, in der Meinung, daß die Siegbringende ihnen dann nicht
entfliehen könne. -- Hierauf begaben wir uns auf die linke Seite der
Propyläen, wo sich auf dem linken Felsenvorsprung ein großes Gemach
befindet, in welchem im Mittelalter die Herzoge von Athen hausten. Jetzt
wird dieses Gemach und der unmittelbar davor befindliche Raum der Propyläen
als Sammelort für die aus der Erde gegrabenen Alterthümer gebraucht. Hier
sieht man steinerne Füße, Hände, Arme, Köpfe aufgeschichtet; nur einiges
davon ist von größerer Bedeutung; doch wie gerne hätten wir, wenn auch nur
den kleinsten Theil der werthlosesten Statue als Andenken mitgenommen! Dies
ist aber, wie natürlich, auf das strengste verboten, da Griechenland so
schon durch die Kunstliebhaber des gebildeten Europa seiner schönsten
Sculpturen und Vasen beraubt worden ist. Einige Mitglieder unserer
Gesellschaft erlaubten sich daher nur einzelne kleine Marmorstücke von
Säulen oder Mauern im Stillen als Andenken an den historischen Platz
einzustecken. Wie schade, daß der griechischen Regierung und den
Erhaltungsgesellschaften das Geld, und dem Volke die Kunstliebe mangelt,
alle diese Schätze entweder systematisch in eigenen hierzu erbauten Localen
zu ordnen oder die übrigen in verschiedenen Richtungen zerstreuten Theile
mit verständigem Sinn und nach alter Ordnung zu sammeln und zu fügen, und
so wenigstens theilweise den Schatten alter Prachtdenkmale herzustellen.
Man hebt eine Erdscholle, sieht zwischen dem Schutt der Jahrhunderte die
Formen eines herrlichen Torso erscheinen, Athen und Europa jubeln über den
großen Fund und der Torso erhält seinen traurigen Ehrenplatz zwischen
den andern Bruchstücken; man erzählt Wunder von dem neuaufgefundenen
Meisterwerke, schreibt es einem Phidias zu, lobt es in den Kunstblättern,
zeigt das wehmüthige Conterfei in Kupfer gestochen den Blicken der
neugierigen Außenwelt, während in unmittelbarer Nähe der vom Rumpfe
abgebrochene Kopf, die schon längst vorgefundenen Hände und Füße hier den
Blicken der staunenden Reisenden als sinnlose Bruchstücke gezeigt
werden. Könnte nicht ein fleißiger Künstler diese vor Jahrhunderten
zusammengehörenden Glieder wieder zu einem vollendeten Götterbilde
vereinen, das ein oder das andere fehlende kleine Glied mit seinem, durch
das Vorbild begeisterten Meißel ergänzen? oder sollte nicht ein geschickter
Architect, der sich in die Linien alter Kunstwerke hineingelebt hat, die
einzelnen großen, herumliegenden Säulenstücke durch das scharfmessende
Künstlerauge zusammenfügen können? doch es fehlen leider die Mittel zu
einem solchen großartigen Unternehmen, und bis jetzt sind nur einzelne
kleine Versuche gemacht worden, deren Gelingen jedoch gerade den Beweis
giebt, wie lohnend dieses großartige, wenn auch schwierige Werk wäre. Man
wundert sich, wie der faltenreiche Körper einer von ihrer alten glänzenden
Stellung verdrängten Göttin auf der Akropolis ruht, während ihr lieblicher
Kopf in der Ebene ausgegraben wurde und nun vielleicht im Theseustempel
gezeigt wird; und doch ist dies auf ganz natürlichem, wenn auch
barbarischem Wege geschehen; der grause Türke fand dieses Standbild der
mythischen Dame auf der von ihm blutig erstürmten Burg, ihn erfüllte keine
Begeisterung bei der Betrachtung des steinernen Kunstbildes, das Schwert
seines Propheten hatte er nur zur Zerstörung gezogen; bald hatte die
eiserne Faust des Barbaren ihren Zweck vollendet; der Kopf, dem Phidias
mit Begeisterung Leben einhauchte, und dem er durch seinen Meisel den Ruhm
einer Gottheit ertheilte, wich von dem blendenden Nacken, und nun war es
ein gar artiges Spiel, dieses vom Rumpf getrennte Haupt unter Siegesjubel
über die Felsen des gewonnenen Platzes in die Ebene rollen zu lassen. Doch
nicht allein durch Mahommed's Söhne fielen diese Opfer des Barbarismus,
sondern auch die Knechte christlicher Staaten wußten sich zu solchen
Lustbarkeiten zu schicken. Nun geziemte es den Kunstfreunden des 19.
Jahrhunderts im Schweiße ihres Angesichts ihren respectiven Musen ein Opfer
zu bringen, die Gebeine ihrer Götter zu sammeln, und sie auf den Platz des
alten Ruhmes wieder siegend aufzustellen; doch dies geschieht nicht, und
soll nicht geschehen; so lehrt es die Geschichte von Jahrtausenden.
Jede Periode hat auf dieser Erde ihre bestimmten Glanzpunkte, die in den
Kunstdenkmalen die Bewunderung der Mitmenschen auf sich ziehen; die Aufgabe
der Zeit ist es dann, diese Werke zu zerstören und der Nachwelt die Ruinen
zu überlassen, damit sie ahne -- lerne -- und selbst schaffe. --

Durch die Pforten der Propyläen traten wir auf einen mit Steinen übersäten
Raum, den eigentlich der alten Götterwelt geweihten Platz der Burg. Hier
findet man noch in einem breiten großen Marmorblocke die Merkmale des
Punktes, auf welchem die berühmte Minerva gestanden hatte; hier zeichnet
sich in herrlichen Formen der Tempel der Erekthea; hier steht das
großartigste Meisterstück griechischer Architectur, das säulenreiche
gigantische Parthenon, in welchem einst der aus Gold und Elfenbein
gebildete Zeus des Phidias thronte. Gleich links, wenn man aus den
Propyläen tritt, ruhen, an eine große Quadermauer angelehnt, eine
Anzahl aus den Metopen des Parthenon entnommener Basreliefs von seltener
Schönheit; sie stellen einen Triumph- oder Heereszug dar, in dem man die
wundervollsten Gestalten entdeckt; sie sind aus der Blüthe alter Kunstzeit.
Doch den Hauptschatz dieser Basreliefs hat, wie bekannt, Lord Elgin, der
Vertreter seiner kaufmännischen Nation nach London in das brittische Museum
geschafft. Aus Dankbarkeit für den gelungenen Raub hat er dem armen Athen
einen erbärmlichen Glockenthurm gebaut. So weit die mächtigen Klauen
des Leoparden reichen, so weit schlagen sie Wunden, um das Herzblut zu
gewinnen; und daß die Klauen des Leoparden weit reichen, zeigen die Schätze
in seinem heimischen Lager.

Wir traten mit Begeisterung vor das erhabene Parthenon; die Façade ist noch
ziemlich gut erhalten und giebt der Phantasie die Umrisse und Hauptpunkte
an, aus welcher sie sich auf leichte Weise das herrliche alte Bild ergänzen
kann. Eine breite Kolonnade im einfachsten grandiosesten Style umgiebt den
geschlossenen, ebenfalls mit Säulen verzierten Tempelraum. Der First des
Tempels ist leider schon sehr beschädigt, und man sieht nur aus zwei kopf-
und armlosen Figuren, daß einst in demselben eine Marmorgruppe gestanden
haben muß. Noch einige zerstückte Metopenspuren zeigen sich zwischen
dem Dache und den Säulen. So zierlich und klein die Dimensionen beim
Victoria-Tempel sind, so majestätisch und groß sind sie bei diesem
Werke alter Kunst; doch stehen beide in gleich reizendem, poetisch
architectonischem Einklange. Es liegt ein hinreißender Zauber in diesen
Marmor-Ruinen; die Werke sind mit gesundem Sinn durchdacht und mit
Begeisterung geschaffen worden; es bleibt uns ein Räthsel, wie die Männer
alter Zeiten die Kräfte und Mittel hatten, jene Steinmassen auf einander
zu thürmen; ja diese großen Künstler machten sogar architectonische
Berechnungen, an die unsere arme schwache Zeit gar nicht gewohnt ist
zu denken. So schützten sie ihre aus colossalen Steinen und ohne Mörtel
errichteten Wunderbauten vor dem im Süden häufigen Erdbeben, indem sie
allen Säulen eine etwas schiefe Neigung gegen das Innere des Tempels gaben,
so daß die breiten gegen einander gestützten Quersteine denselben einen
Halt darboten; so gaben sie den Grundlinien des Parthenon eine gegen die
Mitte etwas einwärts gebogene Richtung, wodurch eine optische Täuschung
entsteht, und sie diese herrlichen Bauten den Blicken größer erscheinen
lassen. Für die Gestalt eines Zeus konnte kein besseres Werk als Göttersitz
gewählt werden; denn es spricht aus demselben der Ernst und die Größe
eines Donnergottes, und zu gleicher Zeit das poetisch Anziehende eines
Nymphen-Anbeters. -- Wir traten in das Innere. Wo einst das Dach war,
quillt nun das hellste Licht aus blauem Aether auf den durch die Zeit in
ein Goldgelb verwandelten Pentelikon-Marmor. Das Dach, zu dem das Rauchwerk
der Opfernden emporwallte, liegt in Stücke geborsten auf dem Boden, über
den einst das Blut der Opferthiere in reichlichem Maße floß. Auch von dem
reichgeschmückten Bewohner dieser alten Marmorburg, vom Zeus des Phidias
hat man keine Spuren mehr. Den goldenen Haarwuchs und Mantel wird irgend
ein Eroberer zur Rundung und Auspolsterung seines Säckels gebraucht haben.
Man hat im Innern zwei alte ausgegrabene Marmorthrone aufgestellt. Hier
sitzen des Königs und der Königin Majestät bei archäologischen Festen, die
zuweilen in diesen Räumen gefeiert werden. Wir dachten uns in die Zeiten
des atheniensischen Volkes zurück, als es mit dem Fall des Kreon die Könige
abschaffte; Professor K. aber nahm in antiker Begeisterung Platz auf dem
Königssitze, und nun wurde ein von unserer Gesellschaft langgehegter Wunsch
zur Ausführung gebracht -- wir hatten nämlich vom Beginne der Reise an,
eine Flasche österreichischen Weines mit aller Sorgfalt aufgehoben; nun
ward sie an das Tageslicht gebracht, und ihr Inhalt wurde auf das Wohl des
Vaterlandes ausgeleert. Die südlichen Gebräuche vermählten sich mit
den nordischen. -- Archivarius K. saß gleich einem Barden aus alter
germanischer Zeit, mit dessen grauen Locken der Wind sein Spiel treibt, auf
dem marmornen Thronsessel. Wir bildeten um ihn einen Kreis, worauf er
einen der Stimmung des Augenblicks entsprechenden Trinkspruch mit weit
vernehmbarer Stimme ausbrachte, der unserem Vaterlande einen Gruß weihte.
Wir hörten seinen Worten mit Begeisterung und Rührung zu. Es war ein
poetischer, der Vaterlandsliebe geweihter Augenblick, der die schöne
großartige Umgebung noch erhebender machte. Wir hatten unseren Vorsatz
erfüllt, auf Attika's fester Burg von den heimischen Weinbergen einen Trunk
zu thun, in welchem wir in Liebe unseres theuren Vaterlandes gedachten.
Ehe wir den Saft gesunder Oesterreicher-Trauben an unsere Lippen setzten,
brachte ich, im Angesichte der Ueberreste alter Größen, auf der vor dem
Throne befindlichen Steinplatte, nach antiker Sitte und Gebrauch den
mythischen Göttern, deren kunstvollen Bildern einst in diesen Räumen
gehuldigt worden war, eine Libation. Nun that Jeder einen kräftigen
Schluck, worauf ich die Flasche, um sie vor künftiger Entweihung zu
bewahren, an dem Marmor zerschellte. Die griechischen Officiere, welche uns
begleiteten, sahen dieser Scene verwundert zu; doch als sie ihnen
erklärt wurde, bückten sie sich und lasen von der zerbrochenen Flasche
Ueberbleibsel als Andenken auf. Es scheint, daß unser Patriotismus den
ihrigen ebenfalls aufgefrischt hatte. -- Mein Bruder konnte leider dieser
Feierlichkeit nicht beiwohnen, weil ihn ein leichtes Unwohlsein zu Hause
hielt.

Vom Parthenon aus gingen wir durch ein Meer von Trümmern zum Tempel der
Erekthea. Auf einem massiven, um den nicht sehr großen Raum herumlaufenden
Mauerwerke von Marmorquadern erheben sich schlanke Karyatiden, welche den
mit Steinmetzarbeit geschmückten Oberbau auf ihren Häuptern tragen. Der
reiche Faltenwurf des aufgeschürzten Gewandes, das volle wallende Haar
und die ernsten Züge dieser Figuren machen einen künstlerischen,
architectonisch vortrefflichen Eindruck. Die Formen und die reichen
Verzierungen des niedlichen malerischen Tempelchens erinnern unwillkürlich
an die schön geschnitzten Schränke der Cinquecento-Zeit. An diesem
reizenden kleinen Werke hat Neugriechenland sich angestrengt und einige
fehlende Karyatiden durch neue gelungene Bildhauerkunst ersetzt. Auch bei
diesem Tempel, wie bei allen, mit Ausnahme des dem Theseus geweihten, fehlt
das Dach, wodurch sich die Ruinen mit noch schärferen Conturen auf dem
Himmel abzeichnen. Die hintere Seite ist an eine Quadermauer angelehnt,
wodurch die Aehnlichkeit mit einem Wandschrank noch mehr erhöht wird. Auf
der andern Seite der Mauer befindet sich ein ziemlich großer Raum, der
von zwei Seiten mit schönen korinthischen Säulen umgeben ist. Welcher
griechischen Säulengattung der Vorzug zu geben ist, kann ich nicht
entscheiden; doch entzückten mich die des Parthenon, in ihrer massiven und
doch schlanken Form am meisten. Kein Schnörkelwerk, keine unnütze Zierrath
verdirbt den großartigen Eindruck; es ist auch hier wie bei allem
Großen und Schönen, das keines Schmuckes bedarf, um zu imponiren und zur
Bewunderung hinzureißen.

Wir wendeten unsere Schritte in den Tempelbau, welchen die Alten den
beiden Hauptbeschützern Athens, Neptun und Minerva, geweiht haben; doch
das ernste, majestätische Götterweib, das aus Jovis dräuendem Haupte
entsprungen war, erhielt die Oberhand über den wilden Wassermann, indem das
kluge Volk von Athen Minerva's Geschenk, den Oelbaum, dem Neptun's, der
das Roß aus den Wellen entspringen ließ, vorzog. Das Schönste an diesen
Tempelüberresten ist die reich verzierte Eingangspforte, in deren Nähe man
uns eine im Felsen befindliche Vertiefung zeigte, aus welcher Neptun mit
seinem Dreizack eine Quelle gestoßen haben soll.

Der griechische Archäolog, ein sehr liebenswürdiger Gelehrter, führte
uns in ein Haus, in welchem sich eine bedeutende Sammlung ausgegrabener
Geschirre und anderer Gegenstände befindet. Griechenlands irdene Vasen
zeichnen sich durch ihre graziösen und doch so einfachen Formen, und durch
ihre schön gewählten schwarz und rothen Farben aus. Schwung und Poesie
finden sich bei den Ueberresten dieser Zeit in allen Gestalten wieder. --
Bemerkenswerth ist noch das an dem untern Theile der gegen die Meerseite
zugekehrten Seite des mächtigen Felsens gelegene Theater des Herodes,
welches nun langsam aus dem Schutte der Erde dem Tageslichte wiedergegeben
wird, so daß man schon die alte Circusform, wie sie so herrlich in Verona
zu sehen ist, wahrnehmen kann; dasselbe wurde von einem Krösus errichtet,
der noch in den glücklichen Zeiten lebte, in denen man manchmal des
Geldes zu viel hatte. Ihm war es wie folgt gegangen: er hatte einen Schatz
gefunden, was damals auch schon zu den Annehmlichkeiten des Lebens gehörte;
er wußte keinen Gebrauch von den Massen Goldes zu machen; er wendete sich
in seinem Drangsal an Kaiser Hadrian, welcher ihm den Gedanken einflößte,
den ihm so lästigen Schatz zu verbauen.

Wir verließen die Akropolis mit dem erhebenden Gedanken, Großes --
Unvergängliches gesehen zu haben. Wir fühlten uns der Zeit näher, in
welcher ein Perikles gewaltet, und ahnten den Schöpfungsgeist unerreichter
Künstler. Mit Bewunderung verließen wir eine Stelle, auf welcher die
größten Geister Griechenlands sich bewegt hatten, und unsere Seele nahm den
Schatten des Bildes der Akropolis auf, wie sie war, als noch Einheit und
Leben in diesen Räumen herrschte, als noch der Weihrauch der reichen Opfer
zu dem ungetrübten Aether stieg, und der Jubel der freudetrunkenen Schaaren
in das ewig grüne üppige Thal niederrauschte.

Von der Poesie ging es zur Prosa über, und ich hatte nun die nicht sehr
angenehme Aufgabe, das diplomatische Corps zu empfangen. Dergleichen Dinge
waren kalte Douche auf den poetischen Enthusiasmus, in welchem das Herz
über alte Größe schwelgte.

Um halb fünf Uhr setzte ich mich mit der Königin zu Pferde, um wieder einen
kleinen Ausflug in die merkwürdige Umgebung Athens zu machen. Das Wetter
hatte sich bedeutend getrübt; die Gegend, durch welche uns die leichten
orientalischen Pferde trugen, bot in der düstern Beleuchtung ein Bild
der Melancholie. Nacktes, tiefgefärbtes Hügelwerk machte den Eindruck des
Erstorbenen, da ihm der Wiederschein der glühenden Sonne fehlte. Die Oliven
mit ihrem düstern Grau brachten kein Leben in die schwermüthige Landschaft,
welche sich bald in ein weites Thal öffnete.

Am Eingange desselben stand in der Nähe der grauen Bäume ein kleines
Kapellchen; vor demselben lagen im wüsten Durcheinander Steinblöcke. Hier
war es wo Byron dichtete, wo sein Mädchen von Athen entstand. Die weite
Aussicht, welche sich von diesem Punkte dem Blicke eröffnet, zeigt
gleich einem Spiegel, die Seele des großen Dichters: Wehmuth und glühende
Sehnsucht, die von einem brennenden Sonnenstrahle zur ahnungsvollen tiefen
Gluth entzündet werden. Doch heute war es der griechischen Sonne nicht
gegönnt, diese Hügel und die weite Ebene mit dem Farbenschmelz des Südens
zu bemalen; solche Tage sind es nicht, die der glühenden allzufeurigen
Dichtung günstig sind; an Tagen wie heut kann das liebeskranke Herz
des Dichters nur in melancholischen Tönen singen. Es war ein Bild des
schmachtenden, nicht des siegestrunkenen Byron. Nur ein einziger Punkt der
Hoffnung schimmerte in weiter Entfernung in diesem trüben Bilde: ein weißes
Kirchlein, umgeben von einigen Häusern und üppigen Bäumen, war dem Auge
ein Trost; mit inniger Freude erfuhr ich, daß eine Colonie deutscher
ausgedienter Soldaten dort wohne.

Für die Verehrer alter Bauten sind in diesem Thale zwei Aquaducte das
Merkwürdigste; sie stammen aus der Römerzeit und sind aus Ziegeln erbaut;
den größten Theil der Pfeiler hat jedoch die Zeit schon verschlungen. Was
bei diesen zwei Wasserleitungen für den die Natur beugenden Willen der
Erbauer am meisten Staunen erregt, ist, daß sie in demselben Thale in
entgegengesetzter Richtung laufen. Der Zweck dieser Bauten hat aufgehört,
und die Pfeiler stehen nur mehr als traurige Merkmale einstiger Kultur
da. Mit einigem Kostenaufwande ließen sich diese Aquaducte wohl wieder
herstellen, was dem armen, dahingestorbenen Lande wenigstens einiges
neue Leben bringen würde. -- Kaum hatten wir diese Ruinen angestaunt, so
überfiel uns ein ziemlich starker Regen; die Königin spannte einen Schirm
auf, die Pferde wurden in ein lebhaftes Tempo versetzt und nun gings
eilends einem kleinen in der Nähe befindlichen königlichen Maierhofe zu,
der sich an den Ufern eines frischen Baches befindet. Das Auge erblickt mit
Freude in seiner Umgebung einige saftige Kleefelder und Obstbäume. Im Hofe
des nach deutscher Weise eingerichteten Gebäudes verließen wir die Pferde;
mit Stolz zeigte uns die Königin einen herrlichen Kuhstall, der für die,
nach deutscher Sitte den Kaffee Trinkenden, die Sahne liefert; auch hat
man sich am Hofe wirklich nicht über die Milch zu beklagen, welche sonst
in südlichen Ländern den nordischen Bewohnern so sehr abgeht. Eine breite
üppige, von einem einzigen Weinstocke gebildete Laube vor den Zimmern
des Maiers schützte uns vor dem Regen. Die Königin, welche sich einen
vortrefflichen Appetit durch die häufige Reitbewegung zu erhalten weiß,
ließ von der deutschen Hausfrau Pfannkuchen backen, welche in einem kleinen
finstern Zimmer verzehrt wurden; indeß waren Wagen von Athen gekommen und
wir konnten trocken nach Hause fahren. Im Fluge wurde Toilette
gemacht, worauf man zum Diner ging, bei welchem Capitän W. von unserem
Geschäftsträger Grafen J. der Königin vorgestellt wurde. Da die lebhafte
Majestät fand, daß man am heutigen Tage noch zu wenig Bewegung gemacht
hatte, so wurde nach Tisch noch =à la guerre= gespielt. Die ganze
Herrengesellschaft befleißigte sich, ihr Spieltalent zu entwickeln, was
jedoch Manchem auf sehr komische Weise mißlang, wodurch es dem geübten
Billardspieler =Dr.= F. ein Leichtes wurde, obzusiegen. Mit diesem Triumphe
der Wiener Kunstfertigkeit endigte der heutige Tag.

Tags darauf besuchten mein Bruder und ich noch einmal in Begleitung des
Grafen C., des Archivarius K. und der beiden uns zugetheilten Adjutanten
den herrlichen Theseustempel, dessen im Innern befindliche Kunstschätze
wir noch nicht zur Genüge betrachtet hatten; am heutigen Morgen konnten wir
alles mit Muße beschauen, ohne von den, mit Ausnahme des Professor G.,
für Kunst minder schwärmenden Reisegenossen gestört zu werden; dabei
unterstützte uns die angenehm belehrende Erklärung des griechischen
Archäologen. Der merkwürdigste im Tempelraume befindliche Gegenstand
ist das Basrelief einer Heldenfigur aus der Zeit des Xerxes; es stellt
Aristion, einen Verwandten des Theseus vor. Diesem seltenen Denkmale
wenigstens schenkte man etwas Fürsorge, und barg es in einem gläsernen
Kasten vor dem Einflusse der Luft. Man sieht aus dem Profil dieses
Heldenbildes, in wie früher Zeit man in Griechenland schon ein Gefühl für
Kunst hatte; ist die, späteren Zeiten vorbehaltene, schöpferische Kraft
in diesem Werke auch noch gebunden, so läßt sich doch ersehen, daß einem
Volke, welches schon in der Kindheit solches zu leisten vermochte, eine
herrliche Zukunft bevorstehen mußte. Die Züge und Gliedmaßen der Figur sind
noch steif und ungehobelt, und man konnte aus denselben schließen, wie
der Funke der Kunst von den alten ernsten, steinernen Aegyptern auf das
jugendfrische, lebhafte Volk der Griechen übergegangen war, und erst hier
unter den Einflüssen einer glücklichen und kräftigen Natur sich zu dem
hehren allbewunderten Flor entfaltet hat. Wenn wir dieses älteste Denkmal
griechischer Sculptur verlassen, so finden wir schon nebenan Grabsteine
aufgehäuft, welche durch die sinnreiche Idee, die ihnen innewohnt, und
durch die Ausführung an Hellas Blüthezeit erinnern.

Denn nach den granitenen, schon wegen des schwer zu bearbeitenden
Materials, kalten und steifen Bildern der ägyptischen Schule, hat das
jüngere Streben dem weichen weißen Marmor des Pentelikon einen neuen
Geist eingehaucht. Der Künstler hat schon Scenen aus dem Leben mit seinem
mythischen Glauben verbunden und den mystischen Schleier gelüftet, so daß
der Beschauer den Ausdruck des Gedankens, der ihn geleitet, findet. Die
auf den Grabsteinen befindliche Figur des Sterbenden ist immer in sitzender
Stellung und hüllt sich in einen Schleier, um das Scheiden von der Welt
darzustellen; um ihn herum stehen Verwandte und Freunde, welche durch ihre
Gebete die schmerzliche Trennung hindern wollen. Ist es eine Mutter, die in
dem Kreise der Ihrigen stirbt, so hat der Künstler ein Kind zu ihren Knieen
hingestellt, das einen Vogel im Händchen hält, wodurch er die hinfliehende
Seele der geliebten Mutter versinnlicht. Dieser Grabsteine sind sehr
viele aufbewahrt, und die mannigfaltigen Figuren auf denselben sind nicht
typisch, es ist Fleisch und Blut vom reichsten Faltenwurfe umwallt. Unter
den übrigen Gegenständen sind noch ein Sarkophag und eine treffliche Statue
bemerkenswerth. Die letztere stellt einen Jüngling vor, den man als Apollo
bezeichnet; ob mit Recht, weiß ich nicht, wiewohl der Gliederbau desselben
eines Gottes würdig wäre. Eine ziemlich colossale Statue mit ägyptischer
Bekleidung trägt die Spuren späterer Kunst in der Art ihrer Bearbeitung.
Der Archäolog sagte uns, sie stellte Antinous, den Liebling des Hadrian
vor. Sie ward auf dem Felde von Marathon gefunden; ich glaubte gern, daß
dieses Werk der römischen Periode angehört, da man den leichten Gliederbau
griechischer Kunst darin vermißt. In der Kolonnade des Hadrian, wohin wir
uns nun begaben, sind in deren vorderem abgeschlossenen Raume ebenfalls
Alterthümer aufbewahrt, unter denen wir noch mehrere Grabsteine nach Art
der eben beschriebenen fanden.

Wir kehrten auch noch einmal zum Tempel der Winde zurück, der in meinen
Augen durch die Erklärungen des Archäologen sehr an Interesse gewann. Zu
diesem Gebäude führt, wie ich schon oben bemerkte, ein Aquadukt, dessen
nunmehr vertrocknete Wässer vor Zeiten eine Broncestatue des Neptun so
gleichmäßig bewegten, daß er den Mittelpunkt eines Uhrwerks bildete, das
nach dem Lauf der Stunden Figuren zum Vorschein brachte, deren Alter und
Größe mit der Stundenzahl wuchs. Im ersten Zeitabschnitte zeigte sich ein
kleines Mädchen mit einem Füllhorn, in dem sich Knospen befanden; in
dem zweiten eine Jungfrau mit aufblühenden Knospen; zuletzt erschien die
Gestalt eines Weibes mit ganz erschlossenen Blüthen. -- Auch befindet sich
an diesem Tempel eine Sonnenuhr, in deren Mittagspunkt ein Strich anzeigt,
daß der Lauf der Erde sich seit zwei Tausend Jahren nicht im mindesten
geändert hat; denn noch heute werfen die Strahlen der Sonne genau um Mittag
den Schatten der Eisenstange auf dieses dem Stein eingefügte Merkmal. In
den Windrichtungen des Octogons befinden sich große Basreliefs, welche die
verschiedenartigen Winde mit ihren Eigenschaften darstellen; die kalten
oder schädlichen haben ältere, bärtige Gesichter, um die Rauheit
des Elements darzustellen. Die lauen Frühlingswinde erscheinen in
Jünglingsgestalt; daß dieselben barfuß sind, soll in versinnlichender Weise
der Griechen ausdrücken, wie leicht dieselben über die Blumenteppiche
der neu erwachten Natur fortschreiten. Manche dieser Figuren tragen
musikalische Instrumente in der Hand, als Zeichen ihrer Lieblichkeit;
manche bringen Blumen und Früchte, als Merkmale, daß sie dieselben
hervorrufen. Der den Atheniensern verhaßteste Wind hält mit der Hand eine
große Muschel vor den Mund, wodurch sein tönender Lärm ausgedrückt wird.

Von dem Tempel der Winde begaben wir uns in ein ehemals von den Türken zu
einem Dampfbade verwendetes Gemach; in welchem jetzt die Gypsabdrücke aller
nicht mehr in Griechenland vorhandenen Kunstschätze gezeigt werden. Hier
befinden sich auch die Abdrücke der von Lord Elgin gestohlenen Basreliefs
des Parthenon. Old England hatte die Gnade, den armen Griechen dieselben
zu schicken, um sie dadurch aufmerksam zu machen auf das, was sie verloren
haben. -- Von hier fuhren wir zu dem sogenannten Marktthore, welches
eigentlich, einige schon verkürzte herumstehende Säulen mit inbegriffen,
einen Rest des Tempels der Minerva bildet; der jetzige Name ist diesem
Porticus fälschlich beigelegt. Wir besuchten auch noch die in der Nähe
dieser Ruinen befindliche katholische Kirche. Sie ist klein und im höchsten
Grade unansehnlich, so daß wir in diesem Punkte von den Anglicanern
übertroffen werden, welche sich ein recht nettes gothisches Kirchlein
erbauten, während zum katholischen Gotteshause eine Moschee umgewandelt
wurde. -- Um ein Uhr fuhren wir mit der Königin in einem =char à banc= dem
Gebirge zu. Bald aber trafen wir die königlichen Pferde, welche des uns
bevorstehenden schlechten Weges halber bestiegen werden mußten. Das
Wetter begünstigte uns am heutigen Nachmittage außerordentlich, so daß die
interessanten Gebirgs-Parthieen noch malerischer hervortraten.

Die Kultur mangelte fast gänzlich; doch glänzte um so schöner das frische
Grün der Pinien zwischen den Steinmassen und über der gelben südlichen
Erde. Bald mußten unsere Pferde über die schlüpfrigen Felsen zu steigen
anfangen. Als wir auf der ersten Höhe anlangten, empfingen uns die »zito's«
der uns entgegengeeilten Bewohnerschaft des Dorfes Cassia, welches wir in
dem sich nun erweiternden Thale, zwischen einer der felsigen Gegend mit
Mühe abgewonnenen Vegetation, berührten. Es war ein hübscher, pittoresker
Platz, dessen, zwischen den grauen Massen vertheiltes Grün dem Auge wohl
that. Die Freude der Bevölkerung, die Königin zu sehen, war so groß und
laut, daß das Pferd der Letzteren einigemal scheu zurückwich. Das Kostüme
der Dorfbewohner war dem von Eleusis ganz ähnlich; je tiefer man in das
Land eindringt, je höher man die Felsenburg erklimmt, desto orientalischer,
desto urwüchsiger werden das Land und seine Bewohner; es sind kernige, an
alle Entbehrungen gewöhnte Menschen, fest in ihrem abgeschlossenen Glauben,
kräftig an Körper und Seele, und dadurch frei und stolz in ihrer Haltung,
in jeder Bewegung natürlich graziös. Spukte nicht die Verschmitztheit
der alten Griechen und die Schlauheit des Slaven in diesem ungezwungenen
Gebirgsvolke, so würde ich es mit den felsenfesten Tyrolern vergleichen.
Diese dunkle Wolke wirft auf den Hirten der bergigen Halbinsel einen trüben
Schatten. Doch gerade, daß diese Berge in ihren Ausläufern am Gestade des
Meeres Hafen bilden, mag diesem Volke die List des Krämers gegeben haben.
Ihr kriegerisch blutiger Sinn, welcher sie dahin brachte, sich hinter ihren
Felsburgen schützend, den Feind mit lang genährter Rachelust aus dem Lande
zu jagen, hat sich nicht, wie beim Tyroler, nach errungenem Siege friedlich
gelegt; der Kampf war zu lang und blutig, und mit der Zuthat des listigen
Elementes ist er in Räuberei ausgeartet, von welcher man selbst bei solchen
größeren Ausflügen, wie wir ihn machten, nicht ganz sicher zu sein scheint;
denn wir sahen heute an mehreren Punkten des Weges Gensd'armen aufgestellt.
Zwar versicherte die Königin, es sei eine unnöthige Dienstbeflissenheit;
doch glaube ich wahrlich nicht, daß diese Maßregel ohne Grund genommen
wurde. Schon im Umfange des Ortes verengte sich der Weg durch steinige
Hindernisse; doch die Königin, an dergleichen durch ihre großen Reisen im
Innern des Landes gewöhnt, setzte leicht darüber hinweg, und es ging bald
zu noch steileren, mit Pinien und Felsenspitzen malerisch besäeten Höhen
hinauf, bald darauf abwärts über gänzlich ungeebnetes Gestein, über einen
Pfad, dem man in unseren Landen nicht einmal den ehrenwerthen Titel »eines
Fußsteiges« geben könnte; und hier wußten die Pferde steigend und rutschend
vorwärts zu kommen. Je mehr wir uns unserem Ziele, der alten Grenzfestung
Phila näherten, desto wilder und enger wurden der Weg, und desto
mannigfaltiger die Formen der Felsen. Ueberall ragten die Pinien freundlich
hervor. Mich erinnerten diese Punkte an unser Salzkammergut und unser
Tyrol. Noch mußten wir über unregelmäßige Steinplatten, zwischen einer
Felswand und einem steilen Abhange, reiten und Angesichts der Feste eine
Thalschlucht passiren; dann befanden wir uns beim herrlichsten Wetter
an dem pittoresk und hochgelegenen Ziele unseres Ausflugs. Zwischen zwei
Thalengen auf der Endspitze eines breiten, ziemlich üppig bewachsenen
Plateau's liegen die Ruinen dieser interessanten Feste; sie bestehen
aus einem nicht sehr ausgedehnten Vierecke von kolossalen schmucklosen
Quadermauern; an den Ecken befinden sich vier Thürme, deren einer rund ist,
was uns bezeugt, daß schon die griechischen Architekten die runden Mauern
zu errichten verstanden. Phila war ein Zufluchtsort der dreißig Tyrannen,
in welchem sie sich vor dem thätlichen Unwillen des atheniensischen Volkes
sicherten. Man sieht, daß die Idee eines felsenfesten =buon retiro's=
nicht erst im Mittelalter entstand. Die dreißig Herren konnten von diesem
Adlerneste aus, auch ohne Plößl'schen Tubus, die ihnen gefährliche Stadt
Athen mit dem den Hintergrund bildenden Azurspiegel des Meeres durch den
Einschnitt der Gebirgsmassen betrachten. Die Ketten der Tyrannen sind
gebrochen, die schützenden Mauern zerfallen, und nun spinnt der friedliche
Epheu, der gewöhnliche Todtenschleier, wie ein wundersam üppiges grünes
Netz über das alte Gemäuer; die gefürchtete Burg ward ein romantisches
Ziel für Spaziergänger. Die Aussicht auf Athen, auf die Akropolis und das
herrliche Meer war wahrhaft bezaubernd; zwischen der dunkleren Gebirgsmasse
schien es ein in Rahmen gefaßtes Miniaturbild zu sein.

Nachdem sich die Pferde etwas von der Anstrengung erholt hatten, brachen
wir auf. Anfangs ritten wir wieder auf dem halsbrecherischen Felsenwege,
der sich an den Gebirgen längs des schmalen Thales hinzieht; wir verließen
jedoch bald die auf dem Herwege eingeschlagene Richtung, um, wenn möglich,
noch bedeutendere equestrische Gefahren zu bestehen. Es ging über den
Bergrücken, von dem wir auf einer für Gemsen allenfalls guten Promenade uns
abermals gegen ein schmales Thal abwärts senkten. Vor uns öffnete sich die
steinige Schlucht, um uns ragten Felsen aus dem niedern Gestrüppe, und
wir selbst schwebten auf den halb rutschenden, halb vorwärts schreitenden
Pferden von Stein zu Stein längs des steilen Abhanges; ein Fehltritt des
eifrigen Thieres und das betreffende Opfer ist ein Kind des Todes; dies
sind die Unterhaltungs-Ritte der schaulustigen Europäer im alten Hellas,
dem einstigen Sanctuarium der Civilisation und des Fortschrittes. Die
Schlucht ward immer enger, und umsonst suchte mein Auge die Mauern des
Klosters, welches das Ziel der nunmehrigen Todesgefahren sein sollte. Statt
dessen entdeckte ich, daß derjenige Theil der Karavane, der sich hinter
der Königin, meinem Bruder und mir befand, der Gefahr, in welcher wir
schwebten, innegeworden zu sein schien; denn nordische und südliche Reiter,
von deren Wagnissen man oft sprechen hört, hatten den Sattel verlassen,
und führten gemüthlich ihre Pferde am Zügel. Sie zogen es vor, ihre Füße
zu strapaziren, anstatt in der Luft über den Abhängen zu schweben. Für's
theure Leben war diese Maßregel freilich besser; doch da wir sahen, daß
die kühne Basilissa die Gefahr nicht scheute, blieben mein Bruder und
ich sattelfest. Die merkwürdigste Stelle war uns noch vorbehalten. Da
ich »Pfad« nicht sagen kann, so werde ich mich des Ausdruckes Richtung
bedienen: wir kamen von der steilen Anhöhe, und unsere »Richtung« sollte
nun dem Innern der Schlucht zugehen; der Punkt zum Umwenden bestand aber
nur aus einem Felsenvorsprung, auf welchem ein Pferd gerade Platz zum
Stehen hatte. Das Pferd der Königin gelangte auf diesen schwindelnden Raum;
da ward die hohe Frau plötzlich der Gefahr inne, Roß und Reiterin wollten
nicht vorwärts, doch ein Schritt zurück, führte unfehlbar den Sturz in die
Schlucht herbei. Die Lage war peinlich; bald nahte jedoch die hülfreiche
Hand des deutschen Stallmeisters, welcher das Pferd der Königin am Zügel
vorwärts führte, worauf wir ebenfalls diesen furchtbaren Punkt, Gott
sei Dank! glücklich passirten. Wir konnten nun das Ende der Schlucht, in
welcher ein Wasser rauschte, wahrnehmen; doch wo war das Kloster? Die Welt
schien mit Brettern verschlagen; wo sollten wir hier zwischen Felsen und
Pinien, in dieser Urnatur ein Werk menschlicher Hände entdecken? Da sahen
wir plötzlich nach der Wendung des Pfades, daß die Richtung, die wir
einschlugen, am Ende der Schlucht in noch sehr bedeutender Höhe durch eine
kleine Mauer zwischen den abhangenden Felsenmassen abgeschlossen war; doch
wo sollten wir das Kloster finden? Die Schlucht ging zu Ende, die kleine
Mauer war nur als eine Wegsperre zu betrachten; das Räthsel wurde immer
spannender, wir standen vor dem Holzthor dieser Mauer, die Angeln knarrten
und wir fanden uns plötzlich als Staffage im romantisch lieblichsten Bilde
stiller Einsamkeit. Wir waren wie mit einem Zauberschlag in den Klosterhof
versetzt. Von Außen drohte die Wildniß, von Innen spann sich ein großer
Weinstock wie ein zarter Schutz über den stillen Frieden des Gebetes; nur
das reine, blaue Auge des Himmels hatte Einlaß in diese Zuflucht frommer
Seelen. Der heutige Ritt mag das Bild des Lebens von so manchem Mönche
gewesen sein: er verläßt den häuslichen Herd, wo er noch zwischen den
Blumen des Gartens die frohen Kinderjahre zubrachte; er tritt hinaus in
die Welt, die sich ihm als eine breite Thalebene, in weiter Ferne mit
malerischen Bergen begrenzt, darstellt; muthig schreitet er vorwärts, der
Weg ist ja so flach, die Häuser der Freunde und Beschützer so nahe! Doch es
zieht ihn zu den Bergen; er will die in der Ferne schimmernden blauen Höhen
erklimmen, er naht ihrem Saume; das Werk ist leicht, so spricht er zu sich,
denn mein Auge kann ja den Weg übersehen, es reicht vom Ausgangspunkte bis
zum Ziele; doch die arme Seele vergißt des Fußes, der sie hintragen soll,
sie vergißt, daß ein Fuß auch straucheln kann, daß, wo Höhen sind, auch
Abgründe gähnen; er folgt den Sinnen und traut der Festigkeit seines
Trittes. Das Thal wird enger, die Fläche steigt empor, der Erde entwachsen
spitze Felsen, doch ist die Gefahr noch klein, er schreitet muthig
vorwärts; die Sonne steigt am Firmamente, und wirft ihre glühenden
Strahlen; der Pfad wird immer rauher; der Wanderer beginnt die Abgründe
zu erblicken. Anfangs steigert dies seine Schaulust; er sieht ein Dorf vor
sich, die Bewohner kommen ihm mit Freudengeschrei entgegen, sein Stolz
hebt sich; doch ist er noch nicht befriedigt, er muß über die letzten
Ansiedlungen wohlwollender Menschen hinaus; ihn treibt es stürmisch
vorwärts; nach Ruhm geht sein Begehren: die Felsenburg muß er erklimmen,
sein Blick muß über Regionen schweifen, wo nur der Adler haust; er achtet
nicht der Gefahren, denn schon glaubt er den ersehnten Punkt von weitem zu
erblicken; die Schluchten werden enger, schwindelnder die Höhen, er strebt
empor -- er hat das Ziel erreicht und findet eine Ruine gefallener Größe.
Da ergreift ihn zuerst die Mattigkeit, da schwindelt ihm vor dem grausen
Abgrund; in trüber Verzweiflung irrt er in der Wildniß fort, seine Wünsche
sind vereitelt, seine Hoffnungen sind gebrochen; immer drohender wird die
Gefahr, todtbringender jeder Schritt, immer steigt sein Weg, er kommt dem
Abgrund immer näher; da tritt er auf eine Felsenspitze, ihn umgibt rauhe
Wildniß, die frische Vegetation hat ihn verlassen, er steht allein im
grauen Steinmeere! Jetzt sinkt sein Muth, jetzt ist er vernichtet,
seine Noth aufs Höchste gestiegen. Da erblickt er eine Mauer mit einem
verschlossenen Thore; mit Reue im Herzen stürzt er entkräftet an der
Schwelle hin, er pocht an die Thüre, er weiß nicht, was sie ihm öffnen
soll, -- da knarren die Angeln und der müde Wanderer befindet sich im
stillen Klosterhofe; die Rebe breitet ihre Arme zum kühlen Schatten aus,
das Kirchlein ladet ihn zum reuigen Gebete ein, ernste Freunde reichen ihm
die Hand und nehmen ihn in ihre friedliche Mitte auf. --

Dieses Kloster, dessen Andenken mich noch heute bewegt, ist, wie ich
schon früher bemerkt, mit einer Mauer umgeben, und hängt gleich einem
Schwalbenneste auf einem Felsenvorsprunge an dem steinigen Gebirge. Der
kleine, innere Raum derselben ist so gut eingetheilt, daß er dem besten
englischen Reise-Necessaire Ehre machen würde. Kleine steinerne Häuschen,
welche das treueste Bild der menschlichen Abtödtung sind, finden an dem
Felsen und der Mauer angelehnt Platz. In dem winzigen Hofe befindet sich
noch eine etwas erhöhte Terrasse, welche unter dem reichen Rebendache eine
malerische Bewegung in das ganze Bild bringt. Ueber diese Terrasse begiebt
man sich zu dem den Hintergrund bildenden Kirchlein. Wir traten mit
der Königin in dasselbe ein. Es trägt den Typus der byzantinischen
Gotteshäuser; ein mystisches Dunkel herrscht im Innern, welches daher
rühren mag, daß das Ende des Kirchleins in dem Felsen eingehöhlt ist. --
Als wir hierauf im reizenden Hofe, in welchem man nichts von den nahen
Abgründen ahnt, kurze Zeit ruhten, bildete die Karavane die pittoreskeste
Skizze für einen nach Originalität haschenden Genremaler.

Europas fade Dandy-Kleidung, Frankreichs elegante Amazonentracht,
Neugriechenlands reiche Gewande fanden sich verkörpert in einem
altorientalischen, der Entsagung geweihten Klosterhofe. Man hatte sich auf
die Steine niedergelassen; es rappelte und trappelte im niedern dunklen
Klostergemäuer, und eine hagere vergessene Mönchsgestalt trat mit
freundlicher Miene zwischen die bunte, jugendliche Welt. Der weiße Bart des
altersschwachen Mannes wallte über einen dunklen kurzen Kaftan, unter dem
blaue Pumphosen zum Knie reichten. Bein und Fuß waren in weiße Strümpfe und
schwarze Schuhe gekleidet. Auf dem gebückten Haupte saß eine Art persischer
Mütze; von den Schultern bis zur Hand waren die Arme weiß bekleidet. Wie in
den Klöstern des Occidentes brachte uns auch dieser Mönch freundliche Gaben
der Natur, in Honig, Brot und Trauben bestehend. Wir erkundigten uns, wo
die übrigen frommen Brüder wären. Man benachrichtigte uns, daß sie mit
der Feldarbeit beschäftiget seien. Im Ganzen wohnen deren sechs in dieser
Einsamkeit; ihre Einrichtung besteht so zu sagen aus nichts; sind die
Wohnungen im Gegensatze zu Oesterreichs herrlichen Abteien stallähnlich, so
ist auch der Geist im Vergleiche mit dem unserer reichen Benedictiner von
höchster Einfalt; doch paßt diese Einfalt zu dem rauhen wilden Lande, und
der alte fromme Sinn, der hier herrscht, macht keinen geringern Eindruck,
als die hohe Wissenschaft in den Klöstern unseres Vaterlandes.

Bald setzten wir uns wieder zu Pferde, und verließen die uns so interessant
gewordene Schlucht, an deren Ende eine Höhle sein soll, in welcher, wie
uns die Königin sagte, der österreichische Gesandte, Freiherr von Prokesch
einen großen Schatz an alten Vasen gefunden hat. Auf einem nicht minder
malerischen Wege kamen wir wieder zu dem Dorfe Cassia zurück. Hier wurde
von Neuem auf einem herrlichen mit Pinien bewachsenen Plätzchen gelagert.
Feldsessel und ein kleiner Tisch wurden aufgestellt, und ein stärkendes
Mahl eingenommen. Der Platz war lieblich, und die Ruhe that wohl. Ich
machte die Bemerkung, daß Griechenlands uncultivirtes Volk gleich den
europäischen Brüdern eine große Neigung hat, dem Essen hoher Personen
zuzusehen. Ich dachte mir schon oft, daß die Leute sich einbilden müssen,
daß Königinnen auf andere Art essen, wie die übrigen Menschenkinder; doch
hier war das Interesse gegenseitig, denn auch für uns Reisende waren die
griechischen Zuseher interessant zu betrachten. Nachdem wir von unserem
Lager aufgebrochen, sprach die Königin im lieblichsten Griechisch zu den
Kindern der Gemeinde. -- Wir setzten nun unseren Weg zu Pferde fort; als
wir in die Ebene gelangten, brach die Nacht herein und ein neues Schauspiel
bot sich unseren Blicken; mit mildem, ernstem Antlitze erschien der Mond im
Chor der Sterne. Wie Alles im Süden heller, feuriger, begeisterter ist, so
blinken auch die Gestirne mit einem eigenthümlichen, bezaubernden Glanze
herab. Im Norden scheint der Mond im Blau des Himmels seine Stütze zu
finden, während er in Attika's Gefilden frei im Aether schwebt und das
entzückte Auge noch in eine weitere unbekannte Entfernung zu blicken
glaubt. So hell leuchtete das Gestirn durch die Nacht, daß die muthige
Königin im raschen Galoppe, trotz der schlechten Straße zur Hauptstadt
reiten konnte. Die Wagen, welche uns entgegen gekommen waren, wurden zu
meinem großen Vergnügen nicht benutzt, und frisch dahin sausend, kamen
wir durch die herrliche südliche Nacht zum königlichen Schlosse. Mit
Bewunderung gesteh' ich es, daß die kühne Basilissa es versteht, ihren
Gästen das Land und seine schönen Punkte zu zeigen und schätzen zu lehren.

Wir waren erschöpft von dem langen, sieben Stunden währenden Ritte; aber
nur der Körper war etwas müde, der Geist thätig, und so brachte uns der
herrliche, südlich laue Mondschein zum Entschluß, noch einmal unsere etwas
angestrengten Glieder in Bewegung zu setzen. Es lag eine enthusiastische
Unersättlichkeit der Kunstliebhaber darin, die sie hinderte, sich die
Müdigkeit zuzugestehen. =L'appétit vient en mangeant= -- und daher war
auch die kleine Anzahl der Philhellenen und Antiquitäten-Verehrer wirklich
selig, noch diesen Genuß zum Schlusse des thatenreichen Tages zu haben. Zur
erhabenen Freude an den griechischen Kunstwerken kam auch etwas Bosheit;
wir ergötzten uns nämlich weidlich an den verzweifelten Mienen der
prosaischen Comforthelden. -- Das vortreffliche Diner ward rasch
eingenommen, und wir stürzten uns hierauf, von der Basilissa angeführt, in
die königlichen Kutschen. Schon während der Fahrt hatten wir Gelegenheit
das klare, mild hingegossene Mondlicht zu bewundern und die Vortheile einer
solchen Beleuchtung zu würdigen. Alles wirklich Erhabene tritt hell hervor,
während der niedere Erdenwust im Dunkeln liegt. Die einzelnen Farben
verschwinden, dem Ganzen einen sanften Ton eingebend, und die Formen der
Gegenstände unterscheiden sich nur durch ihre Schatten. Am hochliegenden
Thore der Akropolis wären wir fast, in Bewunderung versunken, ein Opfer
unserer Kunstliebe geworden. Die Pferde, welche unseren Enthusiasmus nicht
zu theilen schienen, wollten den heiligen Weg (=via sacra=) nicht weiter
fortschreiten, und unser Wagen rutschte bedachtsam gegen die, dem steilen
Wege nahen Abhänge. Die Neugriechen, welche diese Straße aus gänzlichem
Mangel an Wagen nie befahren, sorgen nicht einmal für die Beruhigung der
Reisenden; kein Geländer gab uns die süße Illusion einer Rettung. Die
Königin ergriff daher unter verzweiflungsvollem Angstrufe das einzige uns
Übrigbleibende Mittel, und stürzte sich aus dem Wagen. Das Hoffräulein,
welches durch die für eine Griechin ungewohnte Emotion in eine Ohnmacht
verfiel, wurde dem helfenden Lakai, einem dicken Baiern, in die Arme
geworfen. Carl und ich retteten uns ebenfalls durch das von der Königin
angegebene Mittel. Der Wagen, von unserer Wucht befreit, konnte durch die
Pferde erhalten werden, und zu Fuß traten wir nun in das Thor des erhabenen
Göttersitzes ein.

Vom Vorhofe aus hatten wir den ersten zauberhaften Anblick auf das in einen
Silberspiegel verwandelte Meer. Mein Auge ruht immer mit gehobenem Gefühle
auf der weiten See; wie erst, wenn sie vom Vollmonde aus griechischem
Himmel beleuchtet ist?

Von jeher sehnte ich mich nach und träumte ich von dem Süden; nun fand ich
meine Träume verwirklicht und weit übertroffen. Mit welch' stolzem Gefühle
schritt ich über die hellglänzenden Stufen der Propyläen, deren Säulen
gleich Riesen aus der Götterzeit um uns standen! Schwarz und eckig entwuchs
der dunklen Erde der zierlose Frankenthurm; klein und doch lieblich
erhaben, schwebte zwischen Meer und dunkelblauem Himmel der zarte
Victoria-Tempel, gleich einer Phantasie aus südlichen Träumen. Herrlich
thürmte sich das stolze Parthenon, als sei es durch ein Götterwort
erstanden. Leicht stützten die Caryatiden den Tempel der Nymphe Erecthea.
Alles so schön, so groß, so phantasiereich und alles -- doch nur Ruinen!

Unwillkürlich fiel mir in diesem Raum voll Trümmern, vom Monde
schwärmerisch beleuchtet, der Gedanke ein: hier sei der Kirchhof der
Geschichte. Fünf Völkerperioden wälzten sich über diesen Platz, und nur die
erste füllt uns noch mit staunender Bewunderung. Die tiefe Poesie,
welche in den Werken der Griechen liegt, konnte ihnen kein anderes Volk
einhauchen. Der Römer ist groß, aber erdrückend schwer; der Franke eckig,
stark und plump, und von des Türken gräulicher, fanatischer Verwüstung
zeugen nur kahle Schädel. Mit talentvollem Enthusiasmus führte uns die
Königin auf die glücklichst gewählten Standpunkte, von wo wir die einzelnen
Werke in ihrer ganzen Pracht sehen konnten. Sie betrachtet als Königin
der Hellenen einen Theil des Ruhmes, der den alten Werken anhängt, als ihr
Erbtheil. Stundenlang hätt' ich an diesen verschiedenen Punkten, meinen
Gedanken selbst überlassen, weilen mögen -- aber die Gesellschaft war zu
groß, zu viel Unbedeutendes mischte sich hinein. Ich hatte das Gefühl, hier
könnte ich dichten, Gedichte der Sehnsucht und Begeisterung. -- Wir traten
auf eine der Endspitzen des reich beladenen Felsens, von wo wir die neue
Stadt sehen konnten. Sie war in ruhiger Stille ausgebreitet, und nur
die beleuchteten Fenster zeigten, daß Leben in ihr walte. Wie wenn ein
unmündiges Kind am Fuß des Thrones seines berühmten Ahnen sitzt, lag sie
da; und die an unserer Seite stehende Basilissa, ist der Genius, der das
Band zwischen Einst und Jetzt knüpft. -- Wir schieden mit vollem Herzen;
meine Seele hatten Töne anderer Zeiten durchrauscht. Die Königin, um die
Ausdauer der Gesellschaft zu prüfen, schritt nun, zu meiner großen Freude,
von hier aus zum Areopag, auf den Fels, von welchem der heilige Paulus zu
den Atheniensern vom unbekannten Gotte sprach. Auch hier war es himmlisch.
Die Königin hüpfte auf den Felsblöcken so munter herum, als hätte sie den
ganzen Tag geruht, zum großen Aerger der Comforthelden, welche lieber in
weichen Dunen vom rosigen Champagner geträumt hätten. Als wir den Areopag
verließen, sahen wir plötzlich, gegen die Meerseite zu, ein herrliches
Meteor fallen, so mächtig, als stürzte der Mond herunter. Es verwandelte
seine Farben in Grün und Roth, und zeichnete seinen Weg durch einen langen
Funkenstreif. Man stieg in die ominöse königliche Kutsche und fuhr zu den
Säulen des Jupiter. Sie sind groß, wie alles Römische; nur fehlt ihnen der
liebliche poetische Hauch der griechischen Götterwerke; Pracht ohne Grazie.

Durch das Thor Hadrians kehrten wir in den königlichen Palast zurück. Mein
Wunsch war, augenblicklich auf den »Kirchhof der Geschichte« zurückkehren
zu können, obwohl ich den ganzen Tag in Bewegung gewesen war. So lange ich
lebe, werde ich dieses Abends, und der Basilissa gedenken.




Ein Besuch in der Moschee von Smyrna.


Der erste Morgen in Kleinasien, der erste Morgen im osmanischen Reiche,
lachte uns freundlich entgegen; da lag der Orient mit seinen Reichthümern,
mit seiner Vegetation, mit seinen tausend Sinnenblendungen vor uns.
Asiens Blüthe hatte sich vor uns entfaltet, die Welt lang gehegter Träume
erschlossen. Am reinen Meeresspiegel, auf leichter Erhöhung, ruhte
die Stadt mit ihren tausend und abermals tausend Häusern im
buntesten Farbengewirre vor uns. Schlanke Minarete, die Wegweiser des
Mohammedanismus, erhoben sich in ihrer eigenthümlich graziösen Bauart neben
den Kuppeln der Moscheen. Reiche Cypressen-Wälder beschirmen auf der Anhöhe
mit stillem, majestätischem Ernste die Gräber der Türken. Auf dem höchsten
Punkte liegt wie auf einer Terrasse die Ruine eines festen Schlosses,
welches man aus diesem, an geschichtlichen Erinnerungen so reichen Boden,
Alexander dem Großen zuschreibt. Im Hintergrunde erhebt sich das Gebirge
mit seinen tausendfältigen Formen, umschließt wie ein Halbmond den klaren
Golf und bildet an dem Ufer desselben die grünsten Abhänge und Thäler,
aus welchen einzelne Ortschaften hervorblinken. Das schönste dieser Thäler
führt von alten Zeiten her, dem tapferen Helden Richard Löwenherz zu Ehren,
den Namen Cordeleon; auf dem andern, dem linken Ufer zeigt sich auf einer
kleinen Landzunge ein von den Türken erbautes Fort, und über alle diese
Pracht erhebt sich der blaue ungetrübte Azur. Jedes Minaret, jede Cypresse,
jede schön gewölbte Kuppel, jedes farbenreiche Haus war für uns eine neue
Erscheinung, und spannte unsere Neubegier; selig priesen wir uns daher, als
die Barke an der Schiffswand herunter gelassen wurde, und wir mit mächtigem
Ruderschlage über die Wellen hinhüpfend uns den Zauberbildern näherten.
Der Ausdruck des Geistigen, die Verkörperung höherer Ideen ist das Erste,
welches der Reisende im fremden Orte suchen muß; in diesem Sinne bildeten
daher das ernste Minaret und die Moschee unser erstes Ziel auf Asiens
Wunderboden. Geblendet, und vom Uebermaße des Entzückens verwirrt,
schritten wir durch die Straßen und Bazare zu einem, an deren Ausgange
gelegenen, erhöhten Platze, auf welchem in malerischen Formen die Moschee
Kiltgezagi steht. Vor den Aufgangsstufen zu der erhöhten Terrasse, die das
Fundament des unseren Augen so nahen Gebäudes bildet, steht ein von Bäumen
umgebener Brunnen, welcher dem Totaleindrucke Frische und Leben gewährt.
Ein schöner Gedanke ist es, daß man an den Stufen des Gotteshauses die im
Oriente so seltene Erfrischung von Wasser und Bäumen bietet. Auf dem mit
einem Steingitter umgebenen erhöhten Platze steht die aus einer großen
Kuppelwölbung bestehende Moschee. Rechts erhebt sich das schlanke Minaret,
in dessen Innerem eine kleine finstere Treppe zu der, unter dem in eine
Spitze auslaufenden Ende befindlichen Gallerie führt, von welcher herab der
Muezin fünfmal im Tage die Betstunde ausruft. Sowohl Minaret, als Moschee,
scheinen von einem graugelblichen Sandstein gebaut zu sein. Vor den drei
Eingangsthoren befindet sich eine schöne Stufenreihe, welche auf eine
Terrasse mündet, die den Mohammedanern vor dem Eintritt in die Moschee als
Raum zu dem Vorbereitungsgebete dient. Ueber dem Mittelthore erhebt sich
ein kleines Thürmchen mit einem niedlichen Balkon, von dem herab der Iman
seine Gebete ertönen läßt. -- Der Consul ersparte uns das Ausziehen unserer
Fußbekleidung beim Eintritte, wodurch wir jedoch nach mohammedanischen
Begriffen ein Sacrilegium begingen. Erwartungsvoll betraten wir den der
Erbauung gewidmeten Raum und wurden augenblicklich an die im Perrückenstyle
erbauten Kirchen erinnert. Säulenreihen scheiden den Raum in drei Theile,
über deren mittleren und größten sich die Kuppel erhebt. Mauern und Säulen
sind mit Gold und Farbenverzierungen geschmückt, die Grundfarbe aber ist
weiß; in mehreren Theilen des Gebäudes sind Koransprüche angebracht. In der
Mitte der dem Thore gegenüber stehenden Wand befindet sich der Platz, wo
der obenerwähnte Iman, der türkische Seelenhirt, die Hauptgebete spricht.
Auf der Wand hinter demselben sind die Goldverzierungen mit größerer
Verschwendung angebracht, und sowohl dieser Theil, als auch der Boden,
sind mit reichen Teppichen geschmückt. Der übrige marmorne Fußboden ist mit
feinen Rohrmatten bedeckt, eine Einrichtung, welche für die christlichen
Knie und Füße ebenfalls sehr vortheilhaft wäre. Auf jener Stelle, an
welcher in unseren Kirchen sich gewöhnlich der Altar befindet, hängen drei
Bilder; das mittlere stellt das Grab des Propheten dar, rechts sieht man
Medina und links Mecca mit seinen Minarets und Kuppeln. Diese Bilder
sind in einer eigenthümlichen, nicht ganz mißglückten Vogelperspective
ausgeführt. Das Material scheint eine Art Wasser- oder Deckfarbe zu sein.
Diese Conterfei's der für die Mohammedaner heiligen Orte sind das Einzige,
was von türkischer Malerei besteht; denn anderes darf der wahre Gläubige
nach dem strengen Ausspruche des Korans nicht darstellen. Dies mag ein
Grund sein, daß man in Europa so lange über die Sitten und Gebräuche des
inneren türkischen Lebens im Dunkeln blieb, während der mohammedanische
Koloß durch den Umstand, daß er keine Abbilder von Menschen, also keine
religiösen, und keine Sittenbilder besitzen durfte, dazu beitrug, ihn
vor fremden Einflüssen zu bewahren. Diese Befehle und Verbote des weisen
Propheten und seiner Ausleger vereinigten sich, wie eine aus tausenden von
Steinen zusammengesetzte Scheidewand, um die Ungläubigen scharf von der
treuen Heerde des Propheten zu trennen. Nun beginnt die Aufklärung auch in
diese Gauen einzudringen; man findet die Idee des religiösen Gehorsams
eine lächerliche Unbequemlichkeit, über die man sich hinaussetzen muß; man
beginnt die kleineren Steine aus dem trefflich gefügten Verbande zu rücken,
und bedenkt nicht, daß die größeren gar bald nachstürzen müssen. Man fängt
unter dem Titel Mißbräuche auszurotten, an, alles dasjenige zu entfernen,
dessen offenbaren Nutzen man nicht augenblicklich einsieht, bis das durch
das erstere Gestützte, zur Erhaltung des Ganzen Nothwendige, entweder mit
vollem Bewußtsein gestürzt wird, oder zum Erstaunen der Neuerer ebenfalls
verschwindet. -- Rechts von diesem mit Bildern geschmückten Platze erhebt
sich eine schmale Stufenreihe und führt in ein von vier Säulen getragenes
Thürmchen. Der Eingang in dieses kleine, zierlich errichtete Schilderhaus
ist durch einen rothen Vorhang geschlossen. Ein, in eine Spitze
auslaufendes Dach ragt hoch an der Hauptwand empor und trägt diesem
Häuschen zum Schutze am äußersten Ende den Halbmond, dieses einst so
furchtbare Sinnbild der Mohammedaner, das gleich einer Sichel Stämme
und Völker ohne Schonung dahin mähte. In diesem reichgeschmückten,
hocherhobenen Häuschen ist es des Imans Aufgabe, für das Wohl des Sultans
zu beten; ein Gebrauch, der für einen monarchisch absoluten Staat, dessen
Oberhaupt zugleich der Vorsteher der Kirche ist, wie geschaffen erscheint;
denn unwillkürlich muß es dem Volke einen großen Eindruck machen, daß sein
Herrscher einen eigenen, von allen andern Menschenkindern abgeschlossenen
Raum hat, zu welchen man nur wie auf einer Jacobsleiter emporsteigen kann,
und zwar auch nur der Priester, damit dieser in höheren Regionen, wie aus
den Wolken herab, das Gebet für den Nachfolger Mohammeds ertönen lasse.
Diesem Häuschen gegenüber, auf der linken Seite der Wand, befindet sich
eine reiche, weiß und goldverzierte Kanzel, auf welcher den Mohammedanern
ihr Buch der Bücher, oder vielmehr das einzige ihnen bekannte Buch
vorgelesen wird. Alle diese Einzelheiten der Moscheen haben große
Aehnlichkeit mit denen unserer katholischen Kirchen. Dieses reich verzierte
kleine Gebäude erinnerte an unser Sacraments-Häuschen; die Kanzel ist ganz,
selbst der Form und den Zierrathen nach, denjenigen, welche wir in unseren
Gotteshäusern haben, ähnlich; ja selbst unseren Chor finden wir über dem
Eingangsthore wieder; nur erhebt sich statt der Orgel in der Mitte eine
große vergitterte Abtheilung, in welcher der Sultan dem Gottesdienste
beiwohnt. Als wir den Chor bestiegen, fanden wir wie natürlich den für den
Großherrn bestimmten Raum geschlossen; auch in dieser Einrichtung zeigt
sich ein Beweis richtiger Berechnung; das andächtige Volk ahnt die Nähe
des Herrschers, und doch ist die Person desselben den fragenden Blicken
entzogen, wodurch die Neugier und eine Art mysteriöser Verehrung in
der Menge genährt wird. Bemerkenswerth ist die große Anzahl von Lampen,
Straußeneiern und Hirschgeweihen, welche in der Moschee hängen, und ihr
hiedurch den echt orientalischen bunten Reiz gewähren; man fragt natürlich,
was Straußeneier und Hirschgeweihe in einem Gotteshause zu thun haben?
Auch wir thaten diese Frage, und lernten hiebei ein Stück mohammedanischen
Aberglaubens kennen; die Rechtgläubigen hängen diese Gegenstände in ihre
Moscheen auf um das schadenbringende Lob der Ungläubigen unschädlich zu
machen; tritt nämlich ein Christ in die Moschee und lobt die Schönheit
des Baues oder die Pracht der Ausstattung, so muß sein herumschweifender
bewundernder Blick unwillkürlich auf die Jettatura fallen, und das Unglück,
welches seinem Lobe folgen müßte, ist verhütet. Dieser Glaube, so bizarr
er ist, schadet nicht dem Effekte, den die Gegenstände auf den Beschauer
machen. Der Total-Eindruck, den eine Moschee mit ihrer hohen Kuppel, mit
ihren Säulenreihen und Seitengallerien macht, ist erhebend, still
und großartig; nichts Abstoßendes trifft das Auge des Christen, kein
überladener Prunk, keine allzugroße Entblößung versetzen den Beschauer in
eine unangenehme Stimmung. Nur ein Kleinod vermißt das Auge des Christen:
es ist der Altar. Dieser trostbringende Platz für eine bedrängte Seele,
fehlt dem mohammedanischen Gotteshause, und dieser Mangel ist es, der für
uns den Gottesdienst kalt und gefühllos macht; es fehlt die Einigung, das
alles umfassende, jedes Gebet einschließende Opfer. Hiedurch entsteht eine
Leere im Gotteshaus; es drängt sich einem der Gedanke auf, daß man sein
Gebet eben so gut zu Hause feiern könnte; daß man hiezu keiner Synagoge,
keiner Moschee und keines Bethauses bedarf. Der Jude ist's, der dies am
wärmsten fühlt; sein Tempel ist zerstört, sein Opferplatz vernichtet, die
Perle seiner Religion geraubt, und nachdem er nur glaubte in Sion opfern zu
können, so fühlt er jetzt in seiner Synagoge nur eine haltlose Sehnsucht,
ein klagendes Verlangen nach dem einstigen Glücke der Väter. Uns Jüngern
des Messias war es vorbehalten, im prachtvollsten Tempel, wie in der
kleinsten Kapelle etwas Höheres zu finden, als es je im Weltwunder
Salomons vollbracht wurde. Mit Wehmuth suchen wir daher im Gotteshause
der Andersgläubigen den verehrten Platz, zu welchem sich die Blicke der
betenden Schaar während der heiligen Handlung wenden. Obwohl es Freitag,
also der türkische Festtag war, erlebten wir in den Mauern der Moschee
dennoch keinen Gottesdienst. Die Stunde war zu früh und noch kein Betender
im Inneren angelangt. Eine Art Iman führte uns in den Räumen herum; er
trug einen Turban, einen gestreiften Seidenkaftan mit einer Binde und einen
Oberrock. Zu dieser Kleidung ein indolentes Gesicht mit gelber Hautfarbe
und schüttern Bart, gaben ein ganz charakteristisches Bild. Als wir die
Moschee verließen, um das Minaret zu besteigen, hatten wir auf der zum
Vorbereitungsgebete bestimmten Terrasse den erhebenden Anblick eines
im Gebete versunkenen Türken. Derselbe kniete auf einem nach türkischer
Gewohnheit selbst mitgebrachten Teppiche; sein Anzug bestand in einem
violettrothen faltenreichen Kaftan und einem schneeweißen Turban; die
Schuhe hatte er ausgezogen und neben sich gestellt; in den Händen bewegte
er den im Oriente so beliebten Kugelkranz, vom braunen Gesichte wallte
über die Brust ein schneeweißer Bart, seine Augen waren in tiefster Andacht
niedergeschlagen, seine Züge ernst und gesammelt; es war ein ergreifendes
Bild. Nur zuweilen blickte er schmerzlich, ängstlich herum, und durch unser
vielleicht zu lautes Gespräch gestört, fielen seine dunklen schwärmerischen
Augen einen Augenblick auf uns. Als er die Neugier und geringe Achtung der
Ungläubigen bemerkte, verfiel er in ein herzzerreißendes Weinen und sang
leise und schmerzlich wimmernd seine Gebete vor sich hin. Es war nicht der
Ausdruck des kalten gehässigen Vorwurfs gegen die neugierigen Christen,
es war ein wehmüthiges Bedauern, ein stilles Jammern über den unbewußten
Frevel, den wir wahrscheinlich in seinen Augen begangen. Mit Rührung,
Mitleid und Achtung vor diesem frommen Beter verließen wir den Platz und
betraten die kleine finstere Steintreppe, welche uns in das schmale kleine
Minaret führte. Wir stiegen nicht bis auf die ganze Höhe, sondern verließen
auf einem Ausgangspunkte das Minaret und seine mysteriöse Stiege, um uns
auf die Seitendächer der Moschee zu begeben. Herrlich zeigte sich uns von
hier aus Smyrna, die stolze Fürstin des Orients; reich entwickelte sich der
von Menschenhänden geschaffene Schmuck, reicher der, den Mutter Natur ihr
gönnte. Weithin streckten sich des silberblauen Kleides schöne Flächen, und
majestätisch ruhte das gekrönte Haupt mit den Zacken und farbigen Gestirnen
seines Schmuckes auf grünem Pfühle. Mitten im Häusermeere zeichnete sich
der zu unseren Füßen gelegene kleine Platz, welcher den Bazar-Gassen
als Ausgangspunkt zum Gotteshause dient, als besonders belebt und
charakteristisch. Gedrängt füllten ihn Menschen in den verschiedensten
Trachten, in den mannigfaltigsten Haut- und Kleiderfarben, um die
ungläubigen Gäste zu erblicken, denen zu Ehren der Pascha eine Truppenzahl
vor die Moschee gestellt hatte. Als wir das Gewirre zu unseren Füßen
mit Interesse betrachteten, hörten wir plötzlich ein eigenthümliches
Glockengeläute; neugierig warteten wir deß was da kommen würde. Plötzlich
theilte sich die Menge und wir sahen braune Massen im pathetischen
gleichförmigen Schritt und Tritt sich einherbewegen. Es war ein Zug
eigenthümlicher Art, ein Zug aus tausend und einer Nacht, ein Bild,
oder vielmehr eine Reihe von Bildern, wie sie Horace Vernet malt; eine
Erscheinung, die man sich mit der glühendsten Phantasie nicht vorstellen,
die man mit der beredtesten Feder nicht beschreiben kann; denn nur im
tiefsten Orient, in den Gefilden Asiens, in den reichen lebensvollen
Bazaren von Smyrna, Damaskus und Bagdad, nur da, wo Mohammeds Schwert
regiert, wo die Palme grünt und der Halbmond durch die Wüste schimmert,
sieht man, was wir sahen: einen mit Waaren und Früchten reich beladenen Zug
von -- Kamelen. -- Sie erschienen vor uns, die Herolde, die Repräsentanten
des ältesten Welttheils. Dies Thier, welches des Arabers dürftige Familie
gleich einem Schiffe durch die Sandwellen trägt, welches ihm Milch zum
einfachen Mahle giebt, welches ihm als schützende Mauer gegen den Samum
dient und in der äußersten Bedrängniß als Opfer fällt, um den Gebieter
den verborgenen Keller zu erschließen. Sollte da der Ankömmling nicht
verwundert fragen, warum dieses Thier, eines der nützlichsten welches Gott
schuf, so häßlich, ja fast geisterhaft schauerlich ist? Die Antwort, daß
das wahrhaft Nützliche, das streng Genügsame, gar oft auf dieser Erde in
einem widrigen, rauhen Kleide erscheint, muß genügen. Alles ist an diesem
Thiere eigenthümlich; schwankend und doch nicht ohne Würde tritt der
weiche Polsterfuß auf den heißen Boden; lang dehnt sich am magern Halse der
schlangenartige Kopf, hoch wölbt sich gleich einem kahlen formlosen Berge
der schwerbeladene Rücken. Bald passiv, bald wuthentbrannt ist das kluge
Auge, ledern ist die dicke Haut, braun und doch eigentlich farblos der
ganze mißgeformte Körper. Bald verschwanden die Söhne der Wüste in den
Straßen des Bazars. -- Wir kehrten auf das Minaret zurück, nachdem wir,
während wir die Dächer beschritten, auch das Innere der Kuppel auf einer
Gallerie besehen hatten, die rings um das Innere läuft und einen so
niederen Rand hat, daß Jeder, der an Schwindel leidet, es aufgeben sollte,
den Moscheenraum in der Vogelperspektive zu betrachten. Als wir das Minaret
verlassen hatten, war unser Türke aus dem Vorhofe verschwunden und
schien bereits in die Moschee eingetreten zu sein. Wir verließen die
terrassenartige Erhöhung und verloren uns im bunten Leben des Bazars.




Ein Besuch auf dem Sclavenmarkte von Smyrna.


Wir hatten den heiteren, lebensvollen Bazar einige Zeit durchwogt, als
ich mich an meinen Dragoman mit der Frage wandte, wo sich der Sclavenmarkt
befinde. Er ward verlegen und versicherte mich, es existire keiner mehr in
Smyrna. Da ich das Gegentheil gehört hatte, begnügte ich mich natürlich mit
dieser Antwort nicht und wendete mich an die Beamten unseres Consulates,
welche mir zu verstehen gaben, daß die Türken vor den Christen so
thäten, als gäbe es keinen mehr, indem doch die Gebildeteren eine Art von
Schamgefühl über diesen barbarischen Menschenverkauf hätten. Ich dachte mir
aber, daß man, aus Rücksicht für die Muselmänner, einen so interessanten
Punkt zu sehen nicht unterlassen dürfe, und bestand beharrlich auf meinem
Wunsche. Bald gab uns auch einer der Consulat-Beamten das Zeichen in ein
Thor einzutreten. Wir verstanden ihn, und folgten seinen Schritten. Im
Schutze eines Thorbogens, der unter einem Hause durchging, befanden sich in
reicher türkischer Kleidung die Menschenhändler. Sie rauchten, an die
Wand gelehnt, mit einem kalten, fast stupiden Ausdruck ihre Pfeifen
und Nargilés. An ihrer Seite standen einige männliche Sclaven in weiße
Linnentücher und braune Lodenstoffe gehüllt. -- Diese schwarzen Männer
unterzogen sich unseren neugierigen Blicken mit stumpfer Ruhe. Ihre
Gesichtszüge sind abstoßend, ihre Gestalt ist mager und schmächtig, ihre
Haltung, wie die aller Südländer, frei und fast edel. Aus dem Thorgange
traten wir nun in den inneren großen Hof. Hier bot sich uns ein Bild
des entsetzlichsten Jammers und Elendes dar. Auf dem grauen, theilweise
kothigen, theilweise staubigen Boden, lagen Gruppen von halb nackten,
graufarbigen Negerweibern. Zu fünf bis sechs waren sie an mehreren Stellen,
in den verschiedenartigsten Haltungen, auf Rohrmatten hingestreckt. Ihre
spärliche Bekleidung bestand aus blaugrauen Kotzen, in welche sie nach
Möglichkeit den mageren Leib hüllten. Manche hatten um die wolligen Haare
Tücher gebunden, alles war auf diesem entsetzlichen Platze grau und wieder
grau; die Hautfarbe der Menschen, die Kleidung derselben, der Boden, die
spärlichen Pflanzen, die den Platz begränzenden verfallenen Hütten, alles
ein Ton des Entsetzens.

Einige dieser Weiber lachten mit grinsendem, dummem Ausdruck und machten
mit ihren langen, dürren Händen possierliche Bewegungen. Es scheint, daß
unser Aeußeres auf sie einen komischen Eindruck ausübte. Einige jedoch
starrten mit nichtssagenden Blicken unbeweglich in die Welt hinaus. Sie
schienen Körper ohne Seele.

Andere standen an den verfallenen Thüren ihrer Wohnungen, die in Europa für
einen Stall zu schlecht wären. Eines der Weiber hatte an seinem Fuße,
durch das lange Gehen in der furchtbaren Hitze, die Elephantiasis; hülflos
schmachtete dieses arme Wesen dahin; der Anblick machte mich fast krank vor
Mitleid und Ekel. In der Mitte des Platzes stand ein dürrer Baum, an
dessen Aesten ein grauer Käfig mit drei grauen Papageien hing, welche ein
Türkenknabe feilbot, zu 23 frs. das Stück. So wird Mensch und Thier auf
einem Raume dem Nebenmenschen verkauft; -- ein erniedrigender Gedanke. --

Und mancher philantropisch winselnde Christ, der alle Tage den Grundsatz
der Liebe zum Nebenmenschen loben hört und mitlobt, kauft um ein maßloses
Geld eine solche gefiederte Bestie, während sein Nebenmensch um wenig
Geld verschachert wird. Falsch wäre es jedoch, wenn man glaubte, daß diese
Menschen durch das Freikaufen glücklich gemacht würden; dazu müßte mehr
geschehen, als es gewöhnlich der Fall ist. In ihrem Vaterlande leben diese
Menschen in einem thierisch wüsten Zustande, und nur durch die tiefe Stufe,
auf welcher sie stehen, ist die Möglichkeit gegeben, sie einzufangen, um
sie dann zu verkaufen.

Man müßte also durch Missionen und Civilisirung des Inneren von Afrika
Hülfe zu bringen suchen; aber der Mensch will so selten auf den Grund gehen
und begnügt sich gewöhnlich nur mit momentaner scheinbarer Abhülfe! --
Wirklich elend sind diese Menschen schon von dem Augenblicke, in dem sie
von den Muselmännern gekauft werden. Nackt werden sie aus ihrem Vaterlande
bis zu den Thoren Smyrna's gleich einer Heerde getrieben; erst auf dem
Markte bekommen sie dieses blau-graue Tuch. Die Nahrung, welche ihnen die
Sclavenhändler geben, ist ein grauer Brei. -- Diese »=bêtes feroces=«, wie
sie der christliche Dragoman nannte, kosten als Kinder, wenn sie lenksam
sind, 100-150 frs., sind sie aber stutziger Natur, nur 40-50 frs. -- Einer
der Mohrenknaben, welcher schon besser gehalten schien und im türkischen
Kostüme war, spuckte auf uns, als wir ihn näher betrachten wollten, mit dem
Ausdruck des bittersten Unmuthes. Weiße Sclaven kommen sehr selten auf
den Markt. Wir sahen unter allen diesen gräulichen Erscheinungen nur
ein hellfarbiges, sehr schönes Weib, welches in reichem, eigenthümlichem
Kostüme Speisen herumtrug. Einige behaupteten, es sei eine jüdische
Aufseherin, andere sagten es sei eine zum Kauf dargebotene Circassierin.
Ihre Züge waren edel: schön gewölbte feine Brauen, lange scharf
geschnittene Augen, mit einem melancholisch tiefen Ausdruck, eine echt
orientalische Nase und ein zarter länglicher Mund; ihr Teint war blaß und
etwas broncirt; die Gestalt schön und wohlgebaut; ihr braunes Haar umfing
ein goldener Reif, der einen feinen Schleier hielt, welcher sie feenartig
umhüllte. Mieder und Kleid waren von bunten orientalischen Stoffen, und so
war sie die einzige lichte Erscheinung in diesem Meere von grauen Farben.
Ich ließ mir erzählen, daß die Sclaven nach dem Ankaufe eine ziemlich
gute Existenz hätten. Sie werden wie Diener behandelt und das orientalisch
patriarchalische Verhältniß erstreckt sich auch auf sie. Dies gab mir
einigen Trost und einige Beruhigung bei dem Scheiden von diesem Platze
des Entsetzens. Auch gewahrte ich wirklich später auf dem Bazar einige
Mohrenweiber, in Begleitung ihrer verschleierten Herrinnen, mit recht
wohlgerundeten fröhlichen Gesichtern.

Das furchtbare Elend ist schon im Urzustande dieser Menschen vorhanden und
dem könnte man nur durch Civilisation abhelfen.




Der Bazar von Smyrna.


Wer hat nicht »tausend und eine Nacht« gelesen? Wer hat nicht geträumt
von türkischem Luxus, orientalischer Fülle und Pracht? und der mageren
Traumgestalt des Schätze tragenden Kamels? Wer hat nicht vom nutzbringenden
Hausfreunde des Orientalen, dem fleißigen Langohr gehört? Alles dieses
findet der Leser vereinigt in einigen mit Holz und Tüchern bedeckten
Straßen von Smyrna, welche die Moslemin Bazar nennen. Als ich mich das
erste Mal in diesen langen, hohen, vor der Sonnenhitze geschützten Straßen
befand, glaubte ich zu träumen. Alles wogt in bunten Farben und mit dem
verwirrendsten Geschrei durcheinander. Auge, Ohr und Nase werden auf einmal
in Anspruch genommen, und es braucht lange Zeit, bis man anfängt sich
zurecht zu finden; und noch dann verwischt ein Bild das Andere, so daß
es mir außerordentlich schwer wird, den Eindruck, den das Ganze auf mich
machte, wieder zu geben. -- Der Bazar befindet sich zwischen der Türken-
und der Frankenstadt. Er nimmt einen großen Raum ein und seine Gassen
kreuzen sich nach allen Richtungen. Inmitten derselben befinden sich auf
kleinen Plätzen Moscheen, Baumgruppen mit marmornen Brunnen und öffentliche
Badeorte, wodurch bei der unendlichen Anzahl von Buden eine angenehme und
malerische Abwechslung hervorgebracht wird. Daß sich diese öffentlichen
Gebäude im Mittelpunkt der Kaufwelt befinden, hat darin seinen Grund, daß
der Bazar das Leben der Stadt, ja der ganzen Provinz vereinigt. So leer die
Gassen der eigentlichen Türkenstadt sind, so überfüllt sind diese Räume.
Alle Geschäfte werden hier abgeschlossen, alle Wünsche hier befriedigt. Die
Sendboten der entfernten Gegenden sind die genügsamen Kamele, welche unter
immerwährendem Läuten der Glocken an ihrem Halse, gewöhnlich zu fünfen
hinter einander angebunden, schwer bepackt die Straßen durchziehen; den
nöthigen Raum um die Menge zu durchschreiten, verschafft ihnen das Geschrei
des mohammedanischen Treibers, welcher, im buntesten Kostüme seinen
Tschibuk rauchend, auf einem kleinen Esel die Spitze der Caravane bildet.
Oft ist man genöthigt, sich vor einem solchen Zuge in die Buden zu
flüchten. Die meisten der Letzteren befinden sich in hölzernen Räumen,
welche sich an einander reihen und auf deren oberem Theile sich das Dach
stufenweise von einer Seite zur andern aufbaut. Das Gebälke ist überall
sichtbar und hat die Naturfarbe. Gegen die Gasse zu befinden sich große
breite Oeffnungen, wie bei unsern Jahrmarkt-Buden, nur in einem viel
größeren Maßstabe. Der eine Theil derselben erstreckt sich bis auf den
Boden und bildet hierdurch die Thüre, welche eine Stufe von der Erde
trennt. Vor dem andern Theile befindet sich ein langer kistenartiger
Auslagetisch, auf welchem zwischen den aufgeschichteten Waaren gewöhnlich
der Mohammedaner mit untergeschlagenen Beinen sitzt, pathetisch seine
Nargilé raucht und seinen Kaffee aus kleinem Schälchen schlürft. Den
regelmäßig edel gebauten Kopf desselben umgiebt ein aus langen Tüchern
graziös gewundener Turban; von dem Kinn wallt der mächtige Bart auf den
geöffneten pelzverbrämten Kaftan; die Beine bekleiden bis zu den Knien
weite faltenreiche Hosen; der untere Theil ist bei den ärmeren Leuten
gewöhnlich entblößt, bei den reicheren mit weißen Strümpfen bedeckt. An
den Füßen tragen sie schwarze Schuhe, oder in gebogene Spitzen auslaufende
gelbe Pantoffeln. Der Eindruck, den ein Mohammedaner im alten Kostüme,
vom Aermsten bis zum Reichsten macht, ist würdevoll und malerisch. -- Die
Oeffnung der Kaufläden umgeben hölzerne Stangen, an welchen die Waaren im
buntesten Gewirre hängen; die schönsten sind die, in welchen man türkische
Stoffe, Teppiche und Kleidungsstücke verkauft. Wir traten in mehrere
derselben ein und ergötzten uns an der Ruhe und Unbeweglichkeit, welche die
Türken während dem Verkaufe beibehalten. Sie haben ein edles Vertrauen in
die Ehrlichkeit des Käufers, während die griechischen Kaufleute von einer
außerordentlichen Beweglichkeit und Geschwätzigkeit sind, und schlau jede
Bewegung des Käufers mit ihren dunkeln, verschmitzten Augen verfolgen. Die
Teppiche, deren wir mehrere kauften, sind meist aus Persien und zeichnen
sich durch Frische der Farben und schöne Zeichnung aus; die Weichheit und
Wärme derselben ist bekannt.

Kleiderstoffe und Echarpen werden gewöhnlich in einer Fabrik in Brussa
verfertigt; sie sind sehr fein und schmiegsam. Der Preis derselben ist
außerordentlich niedrig; nur anfangs erschraken wir über die großen Summen
von Piastern, welche die Türken für jeden Gegenstand fordern; bald waren
wir jedoch hierüber aufgeklärt, indem wir erfuhren, daß zehn dieser Piaster
nur 1 Gulden in Conventionsmünze ausmachen.

Eine besonders schöne Auswahl und geschmackvolle Farbenpracht findet man
in gestickten Stoffen, welche für Pantoffeln, Kappen, Kissen und Beutel
verwendet werden. Eine feine gelbe Seide, mit goldenen Fäden untermischt,
giebt ihnen einen lebhaften Schimmer, welcher gegen den schwarzen, rothen
oder blauen Grund sehr gut contrastirt. Erst von den Kaufläden aus hatten
wir etwas mehr Muße, das Getreibe um uns in den Straßen zu betrachten.
Türken, Griechen, Armenier und Juden umwogten uns. -- Die Letzteren stachen
gewaltig durch ihren geistreichen, schlauen Ausdruck hervor, welcher zu
den gutmüthigen Türken in lebhaftem Gegensatze steht, besonders da beide
Nationen fast ein und dasselbe Kostüme tragen. Zwischen dem männlichen
Volke erschienen die Frauen der Türken, Stirn, Aug' und Nase mit schwarzem
Flor umhüllt, der, wie man mir sagte, mit dem Alter immer undurchsichtiger
wird. Von dem Kopfe um das Kinn und den Leib schlingt sich ein weißes Tuch;
unter demselben erscheinen beim Knöchel blaue weite Beinkleider, welche
in gelben oder violetten Pantoffeln enden. Den Frauen folgen gewöhnlich
schwarze Sclavinnen, welche sich nur in ein weißes Tuch hüllen und ihre
dicken aufgeschwollenen Gesichtszüge den Blicken der Männer Preis geben.
Zu den merkwürdigsten Erscheinungen der Bazarwelt gehören die berühmten
türkischen Lastträger. Diese Leute haben ein matratzenartiges Kissen über
Rücken und Schultern, auf welchem sie in vorgebeugter Stellung Lasten von
fünf Zentnern tragen. Man sagte uns, daß einer auf diese Art ein ganzes
Clavier trage. Professor G. begegnete einem, welcher eine complete
Hauseinrichtung fortschleppte. Auch zu vieren tragen sie an schweren
Stangen kreuzweise außerordentliche Lasten. Oefters trafen wir auf
Mohammedaner mit grünem Turban, was besonders gut aussieht; es sind dies
Abkömmlinge des Propheten, die jetzt Melonen und Feigen in den Straßen
Smyrna's verkaufen; so steigen und sinken die irdischen Größen. --

Wir unternahmen eine vollkommene Entdeckungsreise in die verschiedenen
Theile des Bazars. Das erste, was uns auffiel, waren die Vegetabilien,
welche hier verkauft werden. Ganze Berge von Melonen häufen sich auf den
Straßen, tausende von Schachteln mit Feigen gefüllt, welche die
Muselmänner mit dem Daumen kneten, sind für die europäischen Leckermäuler
aufgeschichtet. Lager von herrlichen Sultanatrauben, breite Kuchen von
Honig und Mehl, alles dies lockt das Auge des Hungrigen an, und bringt gar
manchen Piaster zu Tage. Eigenthümlich sind eine Art Restaurateurs, welche
in ihren Boutiquen zwei aufrecht stehende Spieße immerwährend drehen. An
dem einen derselben befinden sich aneinander gepreßte glühende Kohlen in
Säulenform, an dem andern sind hunderte von Fleischstückchen aufgespießt;
durch diese zwei beweglichen Colonnen wird das Hammelfleisch für die
Moslemin gebraten.

Einige der Bazarstraßen sind mit Juwelieren gefüllt, bei welchen man die
schönsten gravirten Steine findet. Ich kaufte mir einige derselben,
unter andern einen Talisman, in dem ich mir aber meinen eigenen Namen
in türkischen Lettern von einem Mohammedaner in der Nähe einer Moschee
einstechen ließ.

Diese kunstreichen Arbeiten werden mitten unter dem Volke in freier Luft
gemacht. In den Straßen der Juweliere erfreuten wir uns an einem Zuge
türkischer Ehrlichkeit. Fürst J. sah in einem gläsernen Kasten einen
silbernen Ring mit grünem Talisman; ihn lockte die Form des Geschmeides,
und er gedachte es zu kaufen. Der Besitzer des Ringes war jedoch nicht
gegenwärtig. Da kamen die Nachbarn, erbrachen den Kasten und gaben einen
Preis an. Der Fürst fand ihn zu hoch, man kam ins Handeln, worauf der
Kauf ohne Beisein des Herrn abgeschlossen wurde. Auf dem Wiener
Kohlmarkte könnte man sich auf diese Art nicht helfen; gleich würde die
Sicherheitswache herbeieilen und über Diebe und Räuber schreien; nur in
barbarischen und uncivilisirten Ländern ist so etwas möglich.

Wir mußten sehr lachen, inmitten dieses Geschreies Lärmens und lebhaften
Treibens auch eine Schule anzutreffen, welche sich ebenfalls in
einem Kaufladen befindet, indem die Schullehrer einen Handel mit der
Gelehrsamkeit treiben; doch muß die mohammedanische Jugend viel fleißiger
sein, als die unsere, da sie in dem Mittelpunkt des Weltgebrauses
koranfest wird. Das Geschrei, welches dem Munde der Jugend entfuhr, war
außerordentlich; vielleicht, daß sie auf diese Art die Zerstreuungen der
Welt zu übertönen suchen.

Besonders reizend in dem Bazar ist es, wenn der Blick durch die langen,
gedeckten, bunt ausstaffirten Räume schweift und am Ende auf einem, von
Bäumen beschatteten Plätzchen ausruht, welches der Centralpunkt von vier
bis fünf Straßen ist. Einzelne Strahlen der Sonne und blaue Himmelsblicke
dringen in diese Lichtungen ein und erhöhen den orientalischen
Farbencontrast; doch neugierig späht wieder das Auge unter die
Bretterdächer und blickt in das Halbdunkel der sich öffnenden Straßen;
überhaupt finden sich die schönsten Farbeneffekte und Wechsel von Licht
und Schatten in diesen südlichen Regionen; vom Kleide des Menschen bis zur
Wolke am Himmel zeichnet sich alles kräftig und lebendig, und darum findet
hier der Maler ein dankbares und doch schweres Feld für seine Kunst; denn
nur wenige Bilder habe ich in Europa gesehen, welche den Ausdruck des
orientalischen Lebens wahr wieder geben; die wenigen aber, in denen dies
gelungen ist werden leicht als übertrieben gescholten.

Aus dem Bazar geriethen wir durch ein Seitengäßchen auf einen Lagerplatz
der Kamele. Ein höchst merkwürdiger Anblick, 40 bis 50 dieser Thiere in den
verschiedensten Gruppen beisammen zu sehen. Ihre gelbe Erdfarbe vermischte
sich geisterhaft mit dem unebenen Boden, auf welchem sie lagerten. Der Raum
war von verfallenen schmutzigen Häusern umstellt. Viele ganz junge Thiere
schritten pathetisch unter den erwachsenen umher, und komisch war es,
wie diese höchstens vier Schuh hohen Kleinen auf ihren langen, mageren
Stelzfüßen, sich an ihre großen, unförmlichen Mütter anschmiegten. Einige
unserer Begleiter holten eines dieser Jungen aus dem Thierknäuel heraus,
so daß wir es ganz in der Nähe besehen konnten. Es hatte einen höchst
gutmüthigen Ausdruck und ließ ruhig Alles über sich ergehen; dagegen schoß
uns die Mutter wüthende, unheimliche Blicke zu. Die Kamele, deren gegen
10,000 sich in Smyrna und seiner Umgebung befinden sollen, werden aus der
Krimm gebracht, wo sich bedeutende Gestüte befinden. Die Höhe dieser Thiere
ist sieben Fuß, die Länge vom Kopf bis zum Schweif mag gegen acht Fuß
betragen. Der Leib ist erdfarb, zeigt das ganze Knochensystem und ist mit
einer dicken räudigen Haut mit sehr wenigen Haaren bedeckt. Zum Reiten
werden im Oriente nur die Dromedare benützt, deren es in Smyrna keine
giebt. Die Kamele werden nur zum Lasttragen gebraucht. Ihr hoher Höcker
wird mit einer Decke umhüllt, an welcher rechts und links große mit
Riemen befestigte Körbe herabhängen. Hier werden diese Thiere mit einem
getrockneten Brei von schlechtem Mehl und Wasser genährt. Als wir unser
Gefallen an der possierlichen Kameljugend dem Dragoman des Pascha's
ausdrückten, versicherte er uns, Seine Hoheit Halil Pascha würde uns eins
derselben verehren. Einige der Reisegefährten fanden dieses Anerbieten
sehr hübsch und den Transport des Thieres auf dem Dampfschiffe sehr leicht
ausführbar, die Mehrzahl sträubte sich jedoch dagegen. -- Nach dieser
Episode kehrten wir wieder auf den Bazar zurück, um unsere mannigfachen
Einkäufe der türkischen Landesprodukte fortzusetzen; ein immer neues
Interesse fanden wir an den wechselnden Bildern, welche sich auf einem
türkischen Bazar dem Blicke des Beschauers darbieten.




Ein türkisches Bad.


Aus den Moscheen und dem bunten Gewimmel des Bazars begaben wir uns zu dem
für uns in Bereitschaft gesetzten Badehause. Dasselbe liegt im Bazar und
ist in Kuppelform gebaut, mit einfachen türkischen Verzierungen. Vor dem
Eingange befindet sich eine Terrasse, wie bei den Moscheen. Sie war von
einer großen Menschenmenge im buntesten Kostüme umringt, welche vermuthlich
durch eine Compagnie tückischer Militärs angezogen wurde, die uns zu Ehren
vor dem Badehause Wache hielt.

Wir traten etwas befangen in den echt orientalischen Raum; er befindet sich
unmittelbar vor dem Badelokal und dient zur Entkleidung. Das Gemach endet
in einer schön gewölbten Kuppel; an den Wänden laufen steinerne Ruhebänke
herum, welche bestimmt sind den Muselmännern bei den Vorbereitungen zum
Bade zu dienen. Ueber denselben sind hölzerne Stangen angebracht, die,
wenn man einzelne Abtheilungen zu haben wünscht, mit Wollzeugen überhängt
werden. Dem Eingange gegenüber befindet sich ein Empor mit Divans, welches
höher gestellten Personen dient. Dasselbe war heute zu unserem Gebrauch mit
den herrlichsten orientalischen Stoffen geschmückt. Goldgestickte Polster,
Cachemirs, leichte Baumwollzeuge wechselten in den buntesten Farben, und
ihre Gruppirung zeigte den lebhaften, graziösen, türkischen Geschmack.
Weiche, elastische Teppiche aus Persien waren zur Wahrung des entkleideten
Fußes über die marmornen Steinplatten ausgebreitet. An den Stufen des
Empors erhebt sich ein Becken, aus dessen oberer Abtheilung ein in elf
Strahlen getheilter Springbrunnen das klarste, kühlendste Wasser unter
lieblichem Geräusch in den Marmor wirft. An dem Rande des Beckens dufteten
die schönsten Blumensträuße mit südlicher, balsamischer Kraft. Der
Gouverneur Halil Pascha hatte sie gleich den übrigen luxuriösen
Einrichtungen geschickt. Es war ein echtes Bild türkischer Sinnenblendung,
ein liebliches Durcheinander, welches doch einen inneren reizenden Einklang
hatte. Das Gemach war mit Dienern Halils, welche die kostbarsten Pfeifen
und Nargilés bereit hielten, und mit gewöhnlichen Badedienern gefüllt. Man
mußte an die Beschreibungen aus Tausend und eine Nacht denken, welche man
in unseren Gegenden für übertrieben hält, während sie mehr Wirklichkeit als
Traum sind. Man gab uns fortwährend Winke, auf die Divans zu steigen und
uns zum Bade zu entkleiden. Ich genirte mich gewaltig, meine Toilette
=coram publico= zu machen und mußte mich auch erst etwas an diese lebhaften
Eindrücke gewöhnen. Daher fing ich damit an, mich nur auf dem Divan
niederzulassen und den vortrefflichen Taback des Paschas aus den reichen
Pfeifen zu schmauchen. Diese Rauchapparate kosten, wie man uns sagte,
zwischen 1000 und 3000 Gulden. Die Mundstücke sind aus eiergroßem
Bernstein, mit funkelnden Diamanten besetzt. Während dieser Zeit
versammelte sich unsre ganze Reisegesellschaft, welche noch auf dem Bazar
mit Einkäufen beschäftigt gewesen war. Zum Bade entschlossen sich nur Baron
K., mein Bruder und ich. Die übrige Gesellschaft war befangen und
fürchtete sich vor der Hitze, welche bei einer solchen orientalischen
Körper-Reinigung herrschen soll. Alles was nicht Theil nahm, begab sich nun
auf die vor dem Badehause befindliche Terrasse, schmauchend und Scherbet
trinkend. Mein Princip ist es, auf Reisen Alles mitzumachen, was das Land
eigenthümliches bietet, da man ja um zu sehen und um zu lernen reist. Auf
dem Divan kam mir die Toilette lächerlich vor, daher begab ich mich mit
meinem Kammerdiener und dem mir zugetheilten Bade-Famulus in das erste
Vorbereitungsgemach. Beängstigt trat ich ein und wurde von einem Schwall
von feuchter Hitze fast erstickt. Zu meiner Beruhigung fand ich Baron
K. schon in seinem Badekostüme postirt. Ich entkleidete mich, und die
dienenden Muselmänner schlangen mir um die Lenden eine weiche Baumwollbinde
und behingen mich mit einem weißen Mantel aus gleichem Stoffe. An die
Füße erhielt ich erhöhte Sandalen, die vor dem auf dem Marmor befindlichen
Wasser schützen sollen. Ich wurde hierauf auf einem mit Kissen belegten
Stein-Divan installirt, und man reichte mir eine Pfeife. Nun hatte ich
Gelegenheit das Gemach zu betrachten. Es war von Stein und hatte die
Form eines länglichen nicht sehr großen Rechteckes. Längs der Wände waren
ebenfalls Ruhebänke angebracht. Den Boden bedeckte eine halbe Zoll hohe
Fluth von Wasser, welche, da die Hitze von unten kommt, der Luft einen so
hohen Grad von Feuchtigkeit giebt. Kaum war ich in Transpiration, so begann
die Arbeit der Badediener. In diesem Vorbereitungszimmer kneten sie
den Körper, um ihn in stärkeren Schweiß zu bringen. Es schien hiebei
magnetischer Einfluß vorhanden zu sein; auch spricht die äußere Erscheinung
dieser Männer sehr für diese Behauptung. Es sind meist junge Leute mit
unendlich tiefen, schwarzen Augen, welche im ersten Augenblicke einen
nichtssagenden Eindruck machen; das innere Auge ist aber schwärmerisch,
melancholisch, und diesen ihren tiefen Blick heften sie unverwandt
und starr auf das Opfer, welches sie unter ihren Händen haben. Ihre
Gesichtsfarbe ist fein, aber gelblich fahl; es fehlt ihnen jene jugendliche
Frische, die ihnen das Leben in der nassen Hitze nimmt. Ihre Gesichtsform
ist wie bei allen Muselmännern, lang und eckig. Um den fein geschnittenen,
meist geschlossenen Mund, spielt oftmals ein wehmüthig spöttisches Lächeln,
das wohl hauptsächlich uns Europäern gegolten haben mag, die wir uns in
diese türkischen Gebräuche gewiß recht unbeholfen geschickt haben. Ihre
Gestalt ist schlank und schmächtig, die Hände sind durch das Kneten
auffallend ausgebildet; die Haare tragen sie, nach mohammedanischer Sitte
gegen vorn zu, kurz geschoren. Ihre Bekleidung ist außerordentlich einfach:
gleich den Badenden tragen sie um die Lenden blaugraue mit rothen Streifen
versehene Wolltücher, auf den Schultern hängt der weiße Mantel und auf dem
Kopfe haben sie weiße anliegende Käppchen. Als die Transpiration, während
welcher wir immer liegend rauchten und mit Kaffee bewirthet wurden, durch
das Kneten und die ungeheuere Hitze den gehörigen Höhepunkt erreicht hatte,
legte man uns wieder die Sandalen an die Füße und wir wurden nun, von
der türkischen Bedienung gestützt, in das dritte, das Hauptlokal geführt.
Unsere europäische Bedienung ließen wir, da sie uns jetzt nichts mehr
nützte, in dem früheren Gemache zurück. Die armen Leute, welche ihre
Kleidung nicht so leicht einrichten konnten, waren fast vor Hitze
vergangen. Die Temperatur in diesem dritten Gemache aber glaubten wir kaum
aushalten zu können; doch einmal schon so weit gekommen, wollten wir das
Ganze aus Neugierde überstehen. Wir klapperten mit den Sandalen auf dem
feuchten Boden muthig vorwärts. Dieser Saal ist wieder von einer großen,
kühn gewölbten Kuppel gekrönt. In der Mitte befindet sich eine runde
Erhöhung des Fußbodens; sie beträgt nur ungefähr 2 Schuh und dient als
Ruheplatz. An vier Punkten der runden Wand sind kleine Bade-Cabinette
errichtet; die Wände derselben bilden gegen den Mittelpunkt des
Hauptgemaches zu schiefe Winkel, welche mit kleinen Eingangsbögen endigen:
sie dienen nur zur Absonderung; denn gleich spanischen Wänden beträgt ihre
Höhe höchstens 1½ Klafter. Der obere Theil ist gegen die Kuppel offen.
Wir wurden nun jeder in ein solches Cabinet geführt. Im Inneren desselben
befand sich eine hölzerne Pritsche und zwei Hähne für warmes und kaltes
Wasser, welche in ein Marmorbecken mündeten. Die steinerne Wand war
mit tausenden von Schwaben tapeziert, welche aber bei der menschlichen
Annäherung, Gott sei Dank, flohen. Mein Badediener nahm mir den Mantel ab,
nachdem er sich auch des seinigen entledigt hatte; ich mußte mich auf die
Pritsche ausstrecken, worauf er meine Glieder mit einer blauen weichen
Bürste tüchtig rieb. Nachdem er das einige Zeit so fortgetrieben hatte,
nahm er ein großes Bündel aus Aloefasern, erzeugte in demselben, mittelst
warmen Wassers und Seife, eine große Menge weißen Schaumes, deutete mir
mit Zeichen an, die Augen zu schließen und übergoß mich nun wiederholt vom
Wirbel bis zur Zehe, indem er immer den Schaum mit heißem Wasser wegspülte.
Während dieser Operationen, reichte er mir mit indolenten Gebärden ganz
vortreffliche Scherbet-Limonade, welche in diesem furchtbaren Dunst sehr
erfrischend wirkte. Bei diesem Reinigungsvorgang kamen die Dragomanen öfter
zu den kleinen Cabinetten, um nach unserem Befinden zu fragen. Mehrmals
wiederholten sie, ob wir das Bad gänzlich nach türkischer Sitte nehmen
wollten? Ich versicherte sie fortwährend, daß es unser Wunsch sei, und ließ
daher alles lautlos über mich ergehen. Als der Badediener mich für gehörig
gereinigt hielt, schlang er mir ein weißes Linnentuch turbanartig um die
feuchten Haare, machte mir durch Zeichen begreiflich, aufzustehen, warf mir
den Mantel um die Schulter, reichte mir die Sandalen und führte mich nun
in das allererste Gemach, wo die erhöhten Divans zeltartig mit weißen
Baumwollstoffen umgeben waren, um uns den Blicken der Neugierigen zu
entziehen. Carl und ich streckten uns auf die schwellenden Kissen, ließen
uns mit goldgestickten Tüchern behängen und sollten uns nun nach der
ungewöhnlichen Transpiration etwas abkühlen. Man reichte uns Pfeifen,
Kaffee, Scherbet und vortreffliches Wasser. Die Badediener knieten an
unserer Seite, uns knetend und bedienend. Das Ganze war stattlich und gab
uns ein recht lebhaftes Bild von orientalischer Ueppigkeit. Unsere
übrigen Reisegesellschafter besuchten uns zuweilen und lachten über unser
türkisches Aussehen. -- Da die Transpiration nicht aufhören wollte und wir
dem Besuch des Pascha auf unserem Schiffe entgegen sahen, so zogen wir uns
an und verließen triefend das Badehaus. Ich könnte nicht sagen, daß das Bad
eine angenehme Wirkung auf mich gemacht hätte; man schwitzt so fürchterlich
und kommt in eine beängstigende Unruhe und Mattigkeit; für faule
Mohammedaner, die nach einer solchen Operation Stunden und Stunden im
=dolce far niente= zubringen, ihren Taback schmauchend und den Kaffee in
langen Zügen schlürfend, mag es recht gut sein.




Ein Morgen beim Pascha von Smyrna.


Der Pascha hatte uns auf eine so freundliche und zuvorkommende Weise seinen
Besuch abgestattet, daß wir uns durch unseren Consul erkundigen ließen,
wann wir unseren Gegenbesuch machen könnten. Er hatte uns auf heute Morgen
zu sich gebeten, mit der Ankündigung, uns ein alt-türkisches Essen geben zu
wollen. Man kann sich unsere Freude denken, auch diesen originellen Moment
einer Reise im Orient durchkosten zu können. Wir legten bei unserem Consul
um 11 Uhr Mittags die volle Parade an, was sich ziemlich komisch zu dem
orientalischen Kostüme und dem bunten Gewimmel auf den Straßen ausnahm, und
begaben uns auf den schlechten, ziemlich vernachläßigten Quai; hier wartete
unser das aus dem schönsten geschnittenen Holze verfertigte lange, aber
ziemlich schmale Boot des Pascha, bemannt mit zwölf türkischen Matrosen,
welche in ihren weißen Hemden und rothem Feß ein plumpes und sehr
nüchternes Aussehen hatten. Das Einsteigen in das schmale Schiff unter das
scharlachrothe Dach war mit Säbeln und Sporen ziemlich beschwerlich; auch
fand nur ein Theil der Gesellschaft darin Platz. Für die Andern war eine
zweite minder pompöse Barke bereit. Wir stießen ab und im Fluge ging es
über die schäumenden Wogen der Türkenstadt zu, an deren Anfang Paläste und
Kasernen sich befinden. Die Ruderer bewegen ihre schön geschnitzten langen
Ruder mit außerordentlicher Kraft und mit so viel Takt, als seien sie nach
dem Metronom einstudirt. Ich ließ mir erzählen, daß diese Leute ganze Tage
in einem fort unter der glühendsten Hitze rudern, ohne abzusetzen, so daß
sie zuletzt in eine Art fieberhafter Extase gerathen, und, fast ihrer Sinne
beraubt, in gleichmäßigen dumpfen Lauten stöhnen.

Ich saß in der Barke auf einem rothseidenen eleganten Kissen, des kleinen
Raumes wegen mit gekreuzten Füßen, was in der europäischen Kleidung einen
nicht sehr malerischen Anblick gegeben haben muß. Wir näherten uns dem
Landungsplatze vor dem Palaste. Die Garden waren aufgestellt und echt
türkische Musik, in verwirrten wilden Tönen, ließ sich bei unserem Anblicke
vom Ufer hören. Als wir das Land betraten, wurden uns mit prachtvollen
blauen, gold- und silbergestickten schweren Schabraken und mit herrlich
ciselirten Zäumen versehene arabische Pferde des Pascha vorgeführt. Wir
zogen jedoch vor, die kurze Strecke zu Fuß zu machen. Die Garden umringten
uns, es erscholl eine von allen möglichen Instrumenten ausgeführte
wirbelnde Musik, und so zogen wir mit orientalischem Pompe unter Zuströmen
der Menge in die inneren Palast-Räume Halil Paschas ein.

Längs des ganzen Weges, bis zur Stiege des Gouverneurs, war eine große
Anzahl bewaffneter Diener in alttürkischem Kostüme aufgestellt. Sie waren
mit den schönsten Waffen, meist in gediegenem Silber, beladen. Die uns
begleitenden Garden trugen leider nicht mehr das alte Kostüme, und sahen in
ihrem neuen ganz erbärmlich aus. So plump, so farblos, nichtssagend,
hängt ihnen der schmutzige Rock am Leibe, während das alte Kostüme etwas
ehrwürdiges, geschichtlich interressantes und den lebhaften Farben des
Morgenlandes entsprechendes hat. Das Sprichwort »Kleider machen Leute«,
zeigt sich hier als wahr, nur im umgekehrten Falle wie in Europa; denn
das Volk hält sich in Smyrna, wie man sagt, noch viel mehr wie in
Constantinopel, an die alten Vorschriften, wodurch es einen imposanten,
ernsten Eindruck macht, da dieses Kleid den Gesichtszügen, dem Bart und der
Gestalt der Mohammedaner wohl ansteht, während sich Autoritäten und Militär
sehr kleinlich in ihren modernen Anzügen ausnehmen; wenn man sie ansieht,
muß man unwillkürlich an den Verfall des türkischen Reichs denken; denn mit
solchen Figuren, welche sich unter dem Volke matt verwischen, verliert
die himmlische Pforte ihre Stützen, und die Christen des türkischen Reichs
werden bald aufhören, vor einem solchen europäisch behosten Pascha oder
Bey, der ihnen sonst eine Geißel Gottes war, zu zittern; und so verliert
sich die große Idee eines osmannischen Reiches, gleich der deutschen
Rheinfluth, im Sande: Kleider machen Leute. --

Der Palast Halil's ist nach türkischer Art von Holz, da die Moslim nach
ihrem Koran ihre Häuser nur als vorübergehende zeltartige Ruhestätten
ansehen; denn sie haben mit den Christen nur Waffenstillstand, nicht Friede
geschlossen, da es ihre eigentliche Bestimmung ist, mit Feuer und Schwert
den Koran über den Erdball zu verbreiten. An den untersten Stufen der
hölzernen Treppe empfing uns mit einer bedeutenden Anzahl Diener ein
Großer des Reiches, nach dem Pascha der erste Würdenträger in der Stadt.
Er bekleidete eine Art Polizeistelle, und schien ein gutmüthiger
mohammedanischer »Spitzel« zu sein, der in Wien für diese Race, glaub' ich,
zu unbedeutend gewesen wäre. Halil dürfte seine politischen Eigenschaften
wohl erkennen, da er den ganzen Morgen außerordentlich freundlich mit ihm
war. Der arme Mann fürchtet sich vermuthlich vor einem mißliebigen Berichte
an das Constantinopolitanische Ministerium, welches so nicht gut gelaunt
gegen den Pascha sein soll, weil er der türkischen Reaktion angehört. Da
wir die Bezeichnung »Zopf« hier nicht anwenden können, so wollen wir ihn
einen mohammedanischen Langbart nennen; dieser ist nämlich das Symbol
des alten Regimentes. Wir nannten diesen orientalischen Spitzel kurzweg
türkische Excellenz, weil ihn Gouverneur und Dragoman immer »=son
excellence=« titulirten. Er schlug wiederholt, als Zeichen der größten
Hochachtung, auf Bauch, Mund und Stirne. Wollte er damit ausdrücken, daß
der Magen sein entwickeltester Theil und das Gehirn ihm und dem Munde
nachsteht -- ich weiß das nicht; aber gewiß ist es, daß uns der Pascha am
obern Rande der Stiege mit demselben Zeichen bewillkommnete. Das Aeußere
des Paschas trägt den Ausdruck der Gutmüthigkeit; er ist nicht sehr groß
aber außerordentlich fett, und um seinen Mund spielt ein freundliches
Lächeln. Sein Kopf ist breit und stark, sein Auge mild und nicht ohne
Geist. Aus dem Feß, welches ihm alle Augenblicke herunter zu rutschen
drohte, wobei er eine sehr komische Handbewegung machte, guckten ihm einige
braune Locken heraus. Um sein Kinn trägt der arme Mann, als Beamter der
Neuzeit, nur einen mäßigen und kurzen Bart. Bei uns muß man sich gerade im
Gegensatze, wenn man Minister oder wenigstens Ministerial-Rath werden will,
als =fra diavolo= arrangiren. Dort bannt man die schwarze Reaktion mit
ihren Derwischartigen (jesuitischen) Umtrieben durch das Verkürzen des
Kinnwaldes, und bei uns thut sich das freie Ich, das liberale Bewußtsein
der Neuzeit, in der möglichsten Gesichtsverlängerung durch den Bart kund.
Ueberall unterwirft sich der Mensch den selbst aufgedrungenen Formen.

Der Rock, den er trug, war von dunkelblauem Tuche mit außerordentlich
reicher Goldstickerei. Die =inexpressibles= von weißem Tuche mit
Goldstreifen. Um den Hals trug er das Zeichen, welches ihm als Schwager
des Sultans gebührt. Es besteht aus einer Diamanten-Schnur und zwei kleinen
eben solchen Quasten, wie auch den in Brillanten gefaßten Namenszug des
Sultans. Seine Brust schmückte der auf gleiche Art gefaßte russische
Andreasorden, den er erhielt, als er in dem Jahre 1827 als Friedensbote
nach Petersburg geschickt wurde, nachdem er sich in diesem Kriege
sehr ausgezeichnet hatte und der Einzige war, vor dem sich die Russen
fürchteten. Um die Lenden hatte er einen herrlichen Säbel in =peau de
chagrin= und Diamanten gegürtet. In dem ersten geräumigen Stiegenhause war
eine noch größere Anzahl von Dienern versammelt; überhaupt macht die Menge
der Diener und Sklaven den Stolz der Türken aus. Halil führte uns mit
dem Zeichen der größten Aufmerksamkeit in einen an das Stiegengemach
anstoßenden Salon, dessen lange Fensterreihen eine prachtvolle Aussicht
auf das wogende Meer darboten, und von diesem immer schönen Elemente
die wohlthuendste Brise einließen. Wände und Plafond des Gemaches waren
hellgrau angestrichen; in den Ecken liefen Goldstreifen mit orientalischen
Verzierungen. Auf zwei Seiten waren Fenster an Fenster, nur durch leichte
Balken getrennt. Auch ein Theil der Stadt und der ganze Hafen waren durch
dieselben sichtbar. An den Fensterbrüstungen standen Divans, Sofa
und Lehnstühle. Zwischen den zwei in gerundeten Ecken befindlichen
Eingangsthüren ist die Wand außerordentlich reich mit Gold verziert; in der
Mitte derselben befindet sich der Namenszug des Sultans mit goldenen Zügen
auf blauem Grunde; unter diesem sind in dem Holzgetäfel kleine Schubladen
angebracht, in welchen man die werthvollsten Kleinodien, Andenken und
Schriften aufbewahrt. Es scheint dies das Familien-Sanctuarium zu sein,
und es hat auch durch einen großen, schrankartigen Tisch, welcher sich vor
demselben befindet, Aehnlichkeit mit einer Kapelle. Auf dem Boden liegen
feingearbeitete Matten. Die oben angeführten Möbel beziehen die Türken
aus Triest und Wien. In diesem Gemache waren sie aus braunen, hübsch
geschnitzten Nußbaumholz mit schwarzem Roßhaarstoff überzogen. Der Pascha
wies meinem Bruder und mir Lehnstühle an der Fensterwand, gegen die Stadt
zu, an, so daß wir in das Innere des Gemaches und auf das Meer sehen
konnten. Halil setzte sich an unsere Seite, die übrigen Herren, die im
ersten Boote gefahren waren, vertheilten sich auf den Divans. Es entspann
sich nun zwischen uns und dem Gouverneur ein Gespräch mit Hülfe des
Dragoman, welcher in französischer Sprache verdolmetschte.

Den Fragen Halils merkte man an, daß er nicht ohne Bildung sei, und seine
echt türkischen Schmeicheleien waren gut gewählt, blumenreich und fast
witzig. Bald nach uns kam die Gesellschaft, welche im zweiten Boote Platz
gefunden hatte, an; die Herren wurden vom österreichischen General-Consul
dem Pascha vorgestellt, welcher ihnen mit den freundlichsten Worten sagte,
er hoffe, Alle würden ihre Pflicht thun, nur der Doctor möchte niemals
Gelegenheit dazu haben. Ich konnte mich über die Verwunderung meiner
Freunde kaum des Lachens enthalten. Die eckigen, schlichten, häßlichen
Fracks nahmen sich mitten im orientalischen Luxus so äußerst komisch aus,
und ein dicker, liebenswürdiger Haus-, Hof- und Staats-Archivarius Seiner
apostolischen Majestät, dem man die Lachlust im Gesichte ansehen konnte,
einem Gouverneur und Pascha einer asiatischen Provinz der himmlischen
Pforte gegenüber, gab ein gar mächtiges Genrebild. Nachdem auch diese
Herren sich niedergelassen hatten, strömte auf ein gegebenes Zeichen ein
Haufe von Dienern herein, welche außerordentlich schöne, sieben bis acht
Schuh lange Tschibuks lanzenartig im Arme trugen. Sie vertheilten dieselben
unter uns, faßten unsere Stellung scharf ins Auge und wußten die duftenden
Pfeifenköpfe so geschickt auf den Boden zu stellen, daß das Mundstück
gerade in die Richtung unserer Lippen kam. Dieser Handgriff gehört zum =bon
ton= der türkischen Dienerschaft. Nun knieten sie nieder, legten unter jede
Pfeife eine Metalltasse und fachten das vortreffliche Lieblingskraut der
Osmanli mittels Kohlen zur dampfenden Gluth an. Alles dieses geschieht mit
außerordentlicher Fertigkeit; nur Schade, daß diese Diener ebenfalls die
neuere Kleidung tragen. Wir erkannten die Pfeifen aus dem Bade her; nur
erstaunten wir jetzt über die Menge, welche den außerordentlichen Luxus
verräth, den man in diesem Punkte in der Türkei treibt. Der Sultan ließ
schon einst ein Verbot gegen die große Verschwendung in Pfeifen ergehen,
da sich mehrere seiner Paschas im vollsten Sinne des Wortes durch diesen
Artikel ruinirt haben. Für unsern guten Halil ist dies nicht zu fürchten,
indem er sehr reich ist; seine Einkünfte schon als Gouverneur von Smyrna
betragen bei 80,000 Gulden. Während des Gespräches rief er plötzlich
unseren lieben =Dr.= F. zu sich, und ließ ihm durch den Dragoman bedeuten,
er möge ihm den Puls greifen, indem es ihm eine Ehre sei, daß er an ihm
dasselbe vollziehe, was er täglich an uns ausübe. Der Arzt that wie ihm
befohlen wurde, und versicherte Seiner Hoheit, daß der Puls außerordentlich
stark und gesund sei, worüber unser freundlicher Wirth in ein sehr
lebhaftes Gelächter ausbrach. Er befrug auch noch den Medicus, ob denn kein
Mittel gegen die Cholera gefunden sei. Als man ihm verneinend antwortete,
schien er nicht sehr zufrieden; denn die Furcht vor dieser Krankheit ist im
Orient ungeheuer groß. -- Wieder erschienen die Diener und brachten Kaffee.

Im Oriente wird dieses so oft gebrauchte Getränk in kleinen Schälchen
aufgetischt, welche sich in eierbecherförmigen Gestellen befinden.
Gewöhnlich sind diese Gefäße aus Porzellan; hier waren sie aus
rosenfarbenem Email mit Diamanten. Der Kaffee wird sehr warm, mit Satz und
ohne Zucker getrunken und ist nicht so schlecht wie man glaubt. Als
die Pfeifen zur Hälfte geraucht waren, wurden sie von den Dienern
hinausgetragen, und frisch gefüllt zum neuen Gebrauche wieder
hereingebracht. Plötzlich hörte man Schellen klingen und drei stattliche,
bunt geschmückte Kameele erschienen, umgeben von malerisch gekleideten
Treibern, auf dem Platze vor dem Palast. Es sollte uns ein Schauspiel ganz
neuer Art geboten werden: ein Kameelkampf, von dem ich in Europa nicht
einmal reden hörte. Gegen das Spätjahr zu, besonders im Monat Dezember,
kommen die männlichen Thiere in eine eifersüchtige Wuth, so daß sie
sich gegenseitig jagen, beißen und schlagen, gleich den Hähnen bei den
Wettkämpfen in England. Leider mißglückte der heutige Versuch, indem es
noch zu früh im Jahre war. Nur das stärkste dieser Thiere ging einmal,
gereizt durch die Treiber, auf ein schwächeres los, biß es ein paarmal,
wobei ihm der Schaum aus dem Maul lief; der Gegner jedoch stöhnte nur
einigemale jämmerlich und wich dann feige zurück. War auch dieser Spaß dem
Pascha mißglückt, so hatte uns doch der Anblick dieser mächtigen Thiere
sehr interessirt; plötzlich verschwand der Gastgeber, aus welchem Grunde
ist uns bis jetzt noch nicht bekannt. Einige Zeit nachdem er außer Athem
zurückgekehrt war, lud er uns zur Tafel ein. Er ging vor uns, wie es
überhaupt im Orient Sitte zu sein scheint, mit würdevollem Anstand in
das Stiegengemach, wo ihn die immer fortgesetzten Bücklinge seiner treuen
Diener empfingen. Von hier aus führte er uns durch eine kleine mit einem
schweren Vorhange versehene Thüre in das Speise-Kabinet. Dies bot ein
liebliches Bild des phantastisch graziösen Morgenlandes. Die Wände und der
Plafond waren zeltartig mit weißen moirirten Tapeten bedeckt, welche mit
rothen Streifen und zierlichen Bouquets geschmückt waren. Auf der einen
Seite befand sich wieder eine hohe, lange Fensterreihe, unter welcher sich
ein breiter, grüner, schwellender Divan hinzog. Holzgitter schützen vor den
neugierigen Blicken des Volkes. Auf dem Boden lagen Rohrmatten und außerdem
noch reiche Teppiche, in der Mitte des Zimmers befanden sich zwei große
geränderte Vermeil-Platten auf Dreifüßen, welche mit reichen Stoffen
behängt waren. Diese bildeten die Eßtische, an denen nach türkischem Brauch
immer nur sechs bis sieben Personen Platz nahmen. Die Gesellschaft theilte
sich demnach in zwei Theile. Wir ließen uns auf kleine weiche Sitze nieder,
mit der gespanntesten Erwartung auf das kommende Mahl. Halil Pascha, Fürst
J., Baron K., der General-Consul, mein Bruder und ich saßen an einer dieser
Platten. Jeder der Gäste hatte einen schwarzen und weißen mit Corallen
besetzten Löffel vor sich, ein goldgesticktes Handtuch aus Battist, welches
mit einem Schnupftuche viel Aehnlichkeit hatte, ein feines Weißbrot, dessen
eine Hälfte in längliche Rechtecke geschnitten war, und mehrere in Vermeil
und Silber elegant gearbeitete Untertäßchen, auf welchen sich köstliche
Sultana-Trauben, Sardellen, Caviar, Gurkensalat mit saurer Milch, Wasser-
und süße Melonen befanden. Die letzteren waren durch die südliche Sonne so
gereift, daß sie auf der Zunge wie Zucker zerflossen. Diese verschiedenen
=hors d'oeuvres= ißt man nach Belieben während des Speisens, was keine
schlechte Einrichtung ist, da man beim orientalischen Mahle süße und
saure Speisen durcheinander bekommt. Man schlang uns um Brust und Schooß
goldgestickte Linnentücher, was uns ein sehr spaßhaftes Aussehen gab;
diese Maßregel ist jedoch höchst nothwendig, da man nur die ganz flüssigen
Speisen mit dem Löffel ißt, während man alles andere mit den Händen
zerreißt. Kaum hatten wir uns niedergesetzt, so füllte sich das ganze
Gemach mit Dienern, die sich weidlich an unserer Verwunderung und unserem
ungeschickten Benehmen ergötzten. Man legte nun in die Mitte der Tafel ein
kleines, rundes, ledernes Kissen, auf welches man die Speisen, deren Zahl
über 20 war, der Reihe nach in großen, weißen und blauen chinesischen
Porzellan-Schüsseln setzte. Da es einige europäische Gourmands interessiren
könnte, so lasse ich den Speisezettel folgen. Den Eingang machte eine
Nudelsuppe, welche jedem französischen Koch Ehre gebracht hätte; hierauf
folgte ein Schöpsenbraten mit Reis gefüllt, welcher sich durch sein zartes
und vortreffliches Fleisch auszeichnete. Die Suppe hatte man mit dem Löffel
gegessen, in diese Speise jedoch fuhr der Pascha mit seiner weichen dicken
Hand, und gab uns zu verstehen, wir möchten seinem kühnen Beispiele folgen.
Alles stürzte nun gleich wilden Thieren auf diesen Braten los, und bald
waren die triefenden Fasern abgelöst und mit etwas Ungeschick in den
harrenden Mund gebracht; aus besonderer Bevorzugung und Artigkeit riß
der Gouverneur einen saftigen Knochen ab, den er mir mit liebenswürdigem
Lächeln gleich einer Blume überreichte. Wir waren einigermaßen verlegen,
indem wir nicht wußten, wohin die überbleibenden Knochen legen; der Pascha
half uns jedoch bald aus dieser Ungewißheit, indem er uns andeutete, nur
alles auf die goldene Platte tropfen und fallen zu lassen; diese =beaux
restes= des orientalischen Magenluxus bleiben die ganze Tafel hindurch den
nicht sehr erbauten Augen der Gäste Preis gegeben. Darauf kam eine flache,
sehr breite Mehlspeise von Butterteig, welche die Türken Börek nennen.
Halil benutzte eine glückliche Gelegenheit, während wir nicht auf die
Speise achteten, lüftete die Mitte derselben, worauf zu unserer großen
Verwunderung ein Stieglitz scheu herausflog. Unser heiterer Wirth lachte
über diesen Beweis türkischen Witzes, mit einem maßlosen Gebrülle; es
scheint, daß diese naiven Ueberraschungen in Smyrna noch der höchste Grad
von gutem Geschmacke sind, denn der Pascha bat mich, ich möchte dieses
Intermezzo in meinem nächsten Briefe an meine Verwandten erwähnen.

Um diese Speise auf eine angenehme Art zu verschlingen, nahm er die fetten
Blätter des Kuchens und rollte sie so zu einer Kugel, welche er dann mit
Grazie in den weit aufgerissenen Mund warf. Nach diesem Gerichte brachte
man Limonade-Scherbet, in sehr eleganten, wahrscheinlich französischen oder
sächsischen porzellanenen Rococo-Tassen. So schlecht dieses aus Citronen
bereitete Getränk im Occident ist, so erfrischend und vortrefflich ist es
im Orient. Die Speisen wurden außerordentlich rasch gewechselt, so auch
verschwand der labende Trunk nur zu bald. Ihn ersetzte ein gebackener Fisch
mit kleinen Rosinen. Diese Zusammenstellung ist zwar etwas gewagt, aber in
der Wirklichkeit nicht so schlecht, wie man glaubt; dann folgte eine sehr
gute Mehlspeise, Kataif genannt, dann Patlitscha, ein Gericht Fleisch
mit einem Gemüse Macedoine, dessen Hauptbestandtheil eine in der hiesigen
Gegend vorkommende sehr schmackhafte, paprikaartige Pflanze ist. Bei
diesen Speisen in halbweichem Zustande hilft man sich mit den rechteckig
geschnittenen Brotstücken, welche man auf den Zeigefinger legt, und so
mit diesem und dem Daumen sich bedient. Viele zarte Europäerinnen und fein
gebildete Dandys werden über dieses naturgemäße Verfahren erschrecken. Ich
erlaube mir nur die Bemerkung, daß es kein großer Unterschied ist, mit
rein gewaschenen, eigenen Fingern aus einer so großen Schüssel zu essen,
in welcher man, wenn man einigermaßen geschickt ist, mit seinem Nachbar
gar nicht in Berührung zu kommen braucht, oder in einer zartfühlenden
europäischen Gesellschaft die Speisen mit Bestecken zum Munde zu führen,
deren sich schon Hunderte von Menschen bedient haben. Es kommt alles nur
auf Einbildung und Gewohnheit an. Der Gouverneur erzählte uns, daß ihm
das Essen mit dem Bestecke in St. Petersburg sehr schwer gefallen sei; die
Türken lachen über die Sitten der ungläubigen Franken ebenso, wie wir über
die Ihrigen. Nach dem Patlitscha brachte man gute, gebratene Meerfische.
Hierauf krapfenartige Reiskugeln, bei welchen die Türken Mittel finden,
sie auf einmal mit der platten Hand in den Mund zu drücken. Nach diesen kam
Reis mit Paradiesäpfeln. Hierauf Hallioa, eine geléeartige, sehr süße
und gute Honigspeise, dann erschien Bombar, bestehend aus vortrefflichen
Würsten mit Reis gefüllt. Dies war vielleicht eine der schmackhaftesten
Speisen. Der Pascha nöthigte uns durch die freundlichsten Worte, von allem
zu genießen. Als Fürst J. einmal, ganz außer Athem, aussetzen wollte,
versicherte er ihn gleich, ein Militär müsse noch mehr als die andern Leute
zu sich nehmen. Nun tischte man Lokma, einen durchsichtigen, meerfarbigen
Strudel auf, welcher durch seine Süßigkeit fast widrig war. Hierauf kam
Lammfleisch, dann Kalbsragout, diesem folgte Tank-goksi, ein weißer Brei,
welchen man aus fein gestoßener Hühnerbrust und Mandeln macht. Ich
fand diese Speise furchtbar, einige der Gesellschaft lobten sie jedoch
außerordentlich. Dann erschien ein Gericht aus Truthahn. Bei einem der
angeführten Fleische winkte Halil einem Diener, welcher mit den Händen in
die Speise fuhr, um sie zur leichteren Behandlung der Essenden auseinander
zu reißen. Ein kurzes und praktisches Verfahren. Nun kamen Maccaroni
mit Käse, ganz nach europäischer Sitte. Hierauf vortreffliches
Pfirsich-Kompott, dann Kabak dolma, aus gefüllten Kürbissen zubereitet,
eine Speise, welche die europäischen Feinschmecker sehr gut aufgenommen
hätten, wenn sie nicht unmittelbar nach dem süßen Kompotte gekommen wäre.
Das Ende des reichen und gemischten Mahles, machte der Pilau, ein großer
Reishaufen, bestreut mit kleinen Rosinen. Nach geschlossener Speisenreihe
wurde Urchas, ein schwimmendes Kompott in eleganten gläsernen Schalen
servirt. Dieses ziemlich starke, aber nicht sehr angenehme Getränk vertritt
bei den Mohammedanern die Stelle des Weines. Während der Tafel gelang es
mir nur zweimal sehr frisches gutes Wasser zu bekommen. Nun war das Mahl,
dieses interessante Reiseereigniß, beendet. Wir setzten uns auf den an der
Fensterreihe befindlichen grünen Divan, und man brachte uns in herrlichen
Kannen und Becken von Vermeil Wasser und Seife, um eine sehr nothwendige
Händereinigung vorzunehmen, bei welcher der Pascha, der sich übrigens auch
das Gesicht einseifte, ein Gebet zu murmeln schien. Nachdem diese Toilette
vollendet war, führte uns Halil wieder in den grauen Salon, und abermals
brachte man die Tabackspfeifen.

Jetzt lernten wir eine neue, den türkischen Großen höchst eigene Sitte
kennen; man vernahm nämlich in dem wohlgefüllten Bauche des Paschas ein
dumpfes Rollen und Tönen wie vor einem herannahenden Gewitter. Plötzlich
dröhnte das ganze Zimmer von einem Schall, welcher dem holdseligen Munde
des kaiserlichen Schwagers entfahren war. Da diese bauchrednerischen
Betonungen bei uns keineswegs üblich sind, so mußten wir in den großen
Mundstücken der Tschibuks Hülfe suchen, um nicht in ein Gelächter
auszubrechen. Von der türkischen Seite aus wurde dieser Beweis eines zu
copiösen Diners sehr gleichgültig aufgenommen und die Osmanli schienen gar
nicht verlegen. Im Gegentheil, kaum war Smyrnas Pascha zu Ende, so hörten
wir auf der andern Seite des Zimmers ebenfalls einen lauten Seufzer über
die Thorheit, so viel gegessen zu haben. Es war die Gemüthsäußerung der
türkischen Excellenz, welche am zweiten Tische während des Mahles präsidirt
hatte. Nun konnte unser convulsivisches Lachen kaum mehr verborgen bleiben;
erst später erfuhren wir, daß diese etwas lebhaften Magenäußerungen im
Oriente nicht im geringsten unartig seien, sondern so behandelt würden,
wie bei uns allenfalls das Niesen. Unsere Gedanken wurden von diesem sehr
komischen Thema durch einen ägyptischen Mohrentanz abgelenkt, welchen der
Pascha auf demselben Platze, wo der Kamelkampf verunglückt war, aufführen
ließ. Die Neger spielten selbst eine monotone Musik mit Trommeln und
Cinelli. Der Tanz war eigenthümlich, graziös und kriegerisch. Die Neger
schlugen mit Stöcken gegen einander und machten mitunter Sätze wie wilde
Tiger. Ein National-Tanz ist immer von großem Interesse, da sich in
demselben meist der Charakter des Volkes ausspricht. Die Tarantella
ist voll wilder Gluth, der Bolero edel und feurig, die Mazurka voll
leichtfertiger Anmuth, und in diesem Tanze sieht man die wilde,
kriegerische Horde, welche um die Leiche der Feinde oder um den erlegten
Löwen tanzt.

Als wir einige Zeit dies Schauspiel betrachtet hatten, fragte uns der
Pascha, ob wir nicht die Kaserne und die Truppen sehen wollten, welches
Anerbieten wir sehr gerne annahmen. Zum Abschied traten wir zu dem
Schreine, unter dem Namenszug des Sultans, der nun mit Champagner, Feigen,
Trauben und köstlichen Sultaninen überfüllt war. Ich ergriff ein Glas
mit dem sprudelnden Frankenwein und bat den Pascha, ob wir nach unserer
europäischen Sitte auf sein Wohl trinken dürfen; er erwiederte unseren
Toast, indem er ebenfalls einen auf das Wohl unseres Monarchen ausbrachte.
Den Namen des Kaisers lispelte er nach türkischer Sitte nur mit leisen
Worten. Nun trank er noch auf unsere Gesundheit, und wir auf die des
Sultans. Ich sah bei dieser Gelegenheit, daß die Türken, trotz des Korans,
dem perlenden Champagner keineswegs abhold sind; sie entschuldigen diese
stille Leidenschaft durch die Behauptung, dieser Wein sei nach Mohammeds
Tode erfunden worden. Wir verabschiedeten uns nun bei unserem herzlichen,
freundlichen Wirthe, den wir in der kurzen Zeit ganz lieb gewonnen hatten,
und wurden mit denselben Ceremonien entlassen, mit denen man uns empfangen
hatte. Wir begaben uns in die Kaserne; ein sehr geräumiges zweistöckiges
Gebäude, aus einem Mittel und zwei Seitentrakten bestehend; gegen die
vierte Seite zu ist es offen und ein Gitter schließt den großen Hof,
unmittelbar am Rande des Meeres, ab, wodurch auch die Luft in den schönen
fensterreichen Räumen immer gesund und frisch ist. Der in dem Gebäude
kommandirende General, welcher seiner Charge nach über zwei Regimenter
gesetzt ist, hatte in diesem Augenblicke nur ein Regiment in der Kaserne,
das andere war auf dem Marsche. Jedes Regiment hat zwei Oberste, vier
Oberstlieutenants, zwölf Majors und vier und zwanzig Lieutenants. Die
Mannschaft ist in vier Bataillone eingetheilt, das Bataillon in zwei
Compagnien.

Der General, welcher den Titel Militär-Gouverneur führt, empfing uns unter
dem Thore des dunkelroth angestrichenen Gebäudes. Wir besuchten die Räume
des ersten Stockes; die Gänge sind außerordentlich hoch, breit, luftig und
von lobenswerther Reinlichkeit, die Zimmer geräumig und nett; vierzig
bis sechzig Menschen haben in demselben Platz. Der Mann hat einen magern
Strohsack, ein kleines Kissen und eine Wolldecke, alles von dunkler Farbe;
das ganze Bett hat in seinem Tornister Platz. Die Leute liegen am Boden
ziemlich dicht neben einander. Die Kleidung des Soldaten besteht aus einem
rothen niedern Feß, einem blauen Tuchspenser und weißen Leinwandhosen; die
Füße sind nur außerhalb der Caserne mit schwarzen Schuhen bekleidet; in
der Kaserne gehen die Leute bloßfüßig herum, was viel zur Reinlichkeit
beitragen mag. Das Riemzeug ist von weißem Leder, die Patrontasche ziemlich
umfangreich. Die Gewehre sind groß und braun geschäftet, die Tornister
schmal und hoch, mit braunem Leder überzogen. Ich konnte dem General nicht
genug meine Bewunderung ausdrücken und versicherte ihn, daß man selbst
in Europa sich die Reinlichkeit des Militärgebäudes zum Beispiel nehmen
könnte, was dem Kommandanten sehr zu schmeicheln schien. Man führte uns nun
in eine Art großen Erkers, welcher in der Mitte des mittleren Traktes im
ersten Stock ein Gastzimmer enthält, von wo aus wir gebeten wurden, einigen
Bewegungen des Regimentes zuzusehen; wir versicherten die Herren, daß wir,
statt auf den schwellenden Kissen des Divans zu ruhen, uns lieber in den
Hof begeben wollten, um die Truppen in der Nähe bewundern zu können. Diese
Aufmerksamkeit freute die zuvorkommenden Türken außerordentlich, was ich
später durch einen Brief aus Constantinopel erfuhr. Von ihrem Sultan sind
sie keiner so nahen Betrachtung gewürdigt. Für Seine osmanische Majestät
ist nämlich ein prachtvolles Zimmer im zweiten Stock eingerichtet; in jeder
Kaserne ist ein solches für ihn bestimmt, von wo er dann die gläubigen
Kinder Mohammeds wie aus den Wolken betrachtet, das heißt nur sein Körper
zeigt sich bei diesem kriegerischen Schauspiele, denn der abgestumpfte
Geist des jugendlichen Fürsten erfreut sich nicht an dergleichen Dingen;
er ergeht sich lieber im Genusse des umhüllenden Tabacksrauches und denkt
lieber an das Heer seiner 700 Frauen, als an seine bewaffnete Armee;
wenn auch der Dragoman mit gewandtem Sinne mir sagte: »=Cette chambre est
réservée pour le Grand-Sultan, puisque les soldats sont ses enfants et
le père doit toujours loger parmi ses enfants=«, was recht hübsch klingen
würde, wenn es nicht eine leere Redensart wäre. Das Regiment war im großen
Hofe aufgestellt, alle Offiziere waren zu Fuß; ich glaube, daß nur dem
General ein Pferd zusteht. Die vier Bataillone standen in einer Front, und
es begann ein kurzes Exerciren im Feuer. Zuerst schoß jedes Bataillon der
Reihe nach, wobei das erste Glied nach alter Art niederkniete, wodurch alle
drei Glieder feuern konnten. Hierauf kam eine Décharge der ganzen Front,
ein Lauffeuer und dann die Formirung eines ganzen Quarrés. Im Feuer
exercirten sie vortrefflich, die Déchargen waren wie ein Schlag und das
Laden fabelhaft rasch; mit den übrigen Bewegungen ging es minder gut;
dieselben werden noch nach dem Beispiele eines Flügelmannes gemacht.
Besonders schlecht fiel das Defiliren aus, bei welchem ein langer schwarzer
Neger-Lieutenant die Richtung angab; die Musik tönte hierzu gar wild und
eigen. Einmal versuchten die guten Leute etwas aus Flotow's »Martha« zu
spielen, was aber ganz und gar mißlang. Das Commando der Türken in der
Landessprache ist wohltönend und laut, und wird rasch von den Truppen
ausgeführt.

Nirgends kann man den Gesichtscharakter einer fremden Nation besser
beurtheilen, als in ihren Heeres-Abtheilungen. Wo alles gleich gekleidet
ist, nach gleicher Größe gerichtet wird, da fällt einem auch die Gleichheit
der Züge auf und es wird möglich, aus diesen neben einander gereihten
Gestalten einen allgemeinen Typus zu entnehmen. Der türkische besteht
in einer ziemlich kurzen, etwas zurück gelegten Stirne; starken, schön
gewölbten Augenbrauen, scharfen, lang geschnittenen Augen, einer langen,
schmalen an der untern Spitze gerundeten Nase, einem großen, schlaffen
Munde mit starker Unterlippe, und einem langen, ovalen Kinn; die Haut ist
olivenartig. Nur der Schnurrbart wird bei den türkischen Truppen getragen;
der volle Bart wäre, wie wir oben gesagt haben, zu reactionär, und würde
zu viel an den Janitscharen-Absolutismus erinnern. Nach der Defilirung der
Truppen drückten wir dem Generale unsere Bewunderung und unseren Dank aus
und verließen hierauf die schöne Kaserne.

Es scheint, daß die Türken die Erfahrungen, die sie aus den Revolutionen
schöpften, gut zu benützen wußten, indem sich der Palast des Gouverneurs
in unmittelbarer Nähe der Behausung der Truppenmacht befindet. Ist auch die
türkische Monarchie im Innern morsch und schwach, so ist sie es doch nicht
durch die Revolution, und das Hinsterben eines alten Kolosses, der eine
große Vergangenheit hat, ist nicht so erbärmlich, als die furchtsame
Schwäche der europäisch christlichen Staaten, die die Revolution hassen,
sie gerne umbringen wollten, aber die Mittel hierzu mit kindischer Schwäche
scheuen und nur manchmal hinterrücks einen Ausfall wagen. Die religiöse
Idee ist es, die dies Reich noch zusammenhält. Ist Mohammed einmal
begraben, so leuchtet auch sein Halbmond nicht mehr über den schönsten und
reichsten Länder der Erde. Soll die Türkei untergehen, so untergrabe man
ihre Religion. Will man die europäischen Nationen stürzen, so säge man
fleißig am Kreuze.

Da während des Morgens das Meer ziemlich bewegt geworden war, schlug man
unserer Gesellschaft vor, den Rückweg zum Consulate auf den Pferden des
Pascha durch die Stadt zu machen. Wir nahmen das Anerbieten nicht an, da
es uns in Verlegenheit setzte, auf diesen herrlich geschmückten Pferden zum
Schauspiel für ganz Smyrna zu werden; wir hätten auch in voller Uniform
zu Fuße in der glühendsten Hitze auf dem schlechten Pflaster eine lange
Strecke gehen können. Ich aber liebe das bewegte Meer, und tanze gerne auf
den mächtigen Wogen, bestimmte mich daher die Fahrt wieder in der Barke
Halils zurück zu machen. Ein herrliches Vergnügen versprach ich mir von
diesem wonnevollen Schaukeln durch den zauberhaften Hafen von Smyrna.
Meinem Beispiele schlossen sich mein Bruder, Graf C., der General-Consul
und der Dragoman an. Den Uebrigen schien das Heben und Sinken der
schäumenden Wogen nicht zu behagen; sie zogen es vor, recht mühselig zu
Fuße zu schleichen. Wir stießen frisch vom Ufer ab, und ich freute mich
meines Einfalles; rasch schwebten wir über Berg und Thal im kühlenden
Meerwinde dahin, die lustigsten Hafenscenen beobachtend. Das rothe Dach
schützte uns vor den sengenden Strahlen und mit der größten Muße konnten
wir das herrliche Panorama der Stadt betrachten. Lange schon ruhten wir
wieder auf den Sopha's im Consulatsgebäude in angenehmer Erinnerung des
heitern und merkwürdigen Morgens, als unsere Freunde keuchend und halbtodt
von Hitze und Müdigkeit daher kamen. Wir bedauerten sie, daß sie nach einem
so copiösen Male, so lange über das halsbrecherische Pflaster hatten hinken
müssen. Ich lachte und dachte in meinem Innern, die hüpfenden Wellen sind
doch besser als der holprige Weg.




Ein Ausflug nach Burnabá.


  Smyrna den 20. September 1850.

Es war einer der schönen hellen Tage des Südens, der Himmel rein, die Luft
warm und doch nicht drückend. Alles dies lud uns ein, das Anerbieten des
Consuls und Pascha's, einen Spazierritt nach Burnabá zu machen, anzunehmen.
Um drei Uhr Nachmittag, nach einem stärkenden Gabelfrühstück verließen wir
das Verdeck des Vulkan. Bald hatte uns die Barke an Asiens Strand gebracht,
von wo uns einige Schritte zum Hause unseres Consuls führten. Hier warteten
unserer die Pferde des Pascha; es waren herrliche Thiere, in der reichsten
Zäumung; die langen und breiten Schabracken strotzten von reichen
Goldstickereien, die Zäume waren aus goldig glänzender Bronce, und die
Steigbügel aus demselben Metall stellten ganze Waffentrophäen vor. Wir
setzten uns hoch zu Rosse und umgeben von einem bedeutenden Schwarm
türkischer Offiziere und einer Art irregulären Garde des Pascha, durchzogen
wir mit majestätischem Pferdegetrappel die Straßen von Smyrna. Wir kamen
durch die Armenier-Stadt, um der Anhöhe entlang in das freie Land
zu gelangen. Alles stürzte zu den Fenstern und vor die Thüren, die
herrlichsten orientalischen Physiognomien zeigten ihre neugierigen,
fein geschnittenen Augen hoffend, daß sie einen asiatischen Fürsten im
herrlichsten Anzuge einherziehen sehen würden, während sie nur, o Ironie!
ein paar armselige Europäer in quadrilirten Sommertrachten bedeckt mit
schwarzen Cylindern, auf den luxuriösen Pferden Halil Pascha's erblickten.
Bald waren wir auf einem gar schönen, und -- schenkt man den Historikern
Glauben -- interessanten Punkte, auf dem höheren Theile Smyrnas, angelangt.
Es ist dies der von Platanen umschattete heilige Ort, an welchem der
erste Musensohn, der erste, von dem wir wissen, daß er der Sprache die
bezaubernden Rosenfesseln des Rhythmus angelegt hat, an welchem Homer das
Licht der Welt erblickt hat. Ist es auch nicht der wahre Punkt, an welchem
der von den Göttern begeisterte Sänger geboren ist, so ist doch wenigstens
die geschichtliche Fabel trefflich ersonnen; denn gar reizend wölbt sich
die Platane mit ihrem edlen schlanken Wuchse, ihren feinen glatten
Aesten, und der breiten, leichten, vielfach gezackten Blätterkrone an dem
diesseitigen Ufer eines Gewässers, während jenseits der stille, ernste
toderfüllte Cypressenhain zum Himmel ragt; zudem erheben sich als Symbole
der späteren Geschichte zwischen den spitzen dunklen Bäumen gleich weißen
Geistergestalten die merkwürdigen Türken-Gräber, während über den Fluß
die für Smyrna so wichtige eigenthümlich gebaute und mit lebhaften Farben
bemalte Caravanenbrücke führt, über welche tausend und tausende von Kamelen
die reichen Naturgaben auf den Stapelplatz der orientalischen Gewässer
bringen. Wir überschritten dieses alte Bauwerk und begaben uns in den
Todtenhain der Muselmänner. Ein eigenthümlicher Ernst, eine ergreifende
Würde herrscht in diesen Räumen; in guter Ordnung und gehöriger Entfernung
stehen die hohen Cypressen, diese lebenden und doch die Todesruhe
verkündenden Minarets des Pflanzenreiches. Zwischen denselben sind die
zahllosen Gräber, welche aus aufrecht stehenden Steinplatten bestehen,
die meist auf und abwärts in einen Winkel auslaufen. Die Gräber der Männer
bezeichnen auf dem obern Theil angebrachte Turbane; die der Frauen sind
ungeschmückt wie überhaupt der Frau im Oriente keine Rolle eingeräumt ist.
Vor mancher der Steinplatten erstreckt sich eine niedere Steineinfassung,
wie sie bei uns im Gebirge öfter von Holz gemacht wird. Die neueren Gräber
sind mit grellen Farben bemalt und statt dem Turban sieht man schon den
türkischen Feß darauf. Auf den Steinplatten stehn der Name des Todten und
Sprüche aus dem Koran. Zwei Dinge gefallen mir bei den Türken: daß sie
nie die Gräber ihrer Vorfahren mit eigener Hand aufreißen und vertilgen,
sondern dies Geschäft der Zeit überlassen, und daß sie keine steinerne,
beklemmende Platte den Gebeinen der Verstorbenen aufdrücken, sondern
sie dem Schooße der Mutter Erde anheimstellen. Ich ziehe einen solchen
Türkenfriedhof den unserigen weit vor; man findet hier viel mehr
Gediegenheit, Einfachheit und Naturreiz als in unseren Kirchhöfen, wo man
oft eher geneigt ist zu glauben, man sehe ein theatralisch heidnisches
Freudenmonument, als eine christliche Grabstätte, oder endlich gar, wie
bei den Italienern, wo man auf einem großen mit Arkaden umgebenen Platz
die Reichern aufschichtet, während man dem Armen nur auf freiem Felde
einen Raum gönnt und sein Grab von dem eines Hundes nur durch eine kleine
nummerirte Holzmarke unterscheidet; will man Namen und Auskunft über
einen Todten finden, so muß man in einem Bibliothekkasten, einen
Katalog nachschlagen lassen. Dies sind die Ergebnisse unserer großen
materialistischen Zeit, in welcher sich die Menschheit selbst als eine
von einem ungekannten Fluidum durchströmte Fleischmasse betrachtet und
hiedurch, wie natürlich, die Achtung vor den todten Gebeinen verliert.
Unsere Vorfahren kannten noch den schönen Sinn, der sich in den
Türkenfriedhöfen zeigt, und man findet denselben noch in manchen Theilen
des hohen Gebirges.

Wir verließen die großen Cypressenhaine, bestiegen wieder unsere
schimmernden Rosse, und setzten unseren Weg nach Burnabá fort. Wir
durchstreiften die fruchtbarste Gegend mit der üppigsten Vegetation; man
konnte sich hier den richtigsten Begriff von dem Reichthume der türkischen
Länder machen; die herrlichsten Reben schlingen sich um die kräftigen
Feigenbäume; die berühmten Zuckermelonen von Smyrna wachsen zwischen dem
kornreichen türkischen Weizen; alles hat den Anstrich der Fülle, doch sieht
man, daß Mutter Natur die Hauptkünstlerin in dieser herrlichen Kultur ist.
Häufig begegneten wir Kamelzügen und Maulthieren, mit den Früchten des
Landes beladen; von allen Seiten ward das Auge gespannt, überall erblickte
man Neues und Fesselndes. Als wir in eine breitere, nur mit einzelnen
Bäumen bewachsene Ebene geriethen, fingen die mit langen Flinten und
Säbeln bewaffneten und bizarr gekleideten Garden des Pascha an, uns zu
umschwirren; immer rascher trieben sie ihre Pferde an, und hoben sie ihre
Stimmen zu wildem Geschrei; der Staub wirbelte unter den fliegenden
Hufen auf, und nach den verschiedenen Richtungen gegenseitig ihre Wege
durchkreuzend, gaben sie uns ein Bild kriegerischer Kämpfe; es nimmt sich
ganz gut aus, wenn solch ein brauner Sohn des Orients in der malerischen
Tracht, auf seinem kleinen feurigen Renner, zwischen den Bäumen stäubend
dahin fliegt, den Säbel schwingt, die lange Muskete zum Schusse anlegt,
sich in den kühnsten Bewegungen hin und her schwingt und das wilde
Schlachtgeschrei ertönen läßt. Wie bedauerte ich, daß wir auf unseren
Parade-Rossen dergleichen nicht thun konnten; doch leider dürfen diese
Repräsentations-Thiere nach türkischer Sitte nur im Schritte geritten
werden, indem sie der Pascha blos bei großen Gelegenheiten, wie beim
Einzuge in die Moschee braucht. Aus Artigkeit für den freundlichen
Halil waren wir also verdammt, den ersten Theil des Weges im imposanten
Einzugsschritte mit zeitweiligen nicht sehr dazu passenden Lançaden zu
machen. Doch ward uns nach einiger Geduldprobe Hülfe verschafft; wir
kamen in eine Papiermühle und versicherten dort auf die artigste Weise den
türkischen Herrschaften, daß wir gesonnen seien, diesen herrlichen Thieren
eine besondere Schonung angedeihen zu lassen. Artiger konnten wir die Sache
nicht wenden. Die Türken schienen hierüber keineswegs böse zu sein, wir
sprangen von unseren Pferden ab und nahmen dafür leichtfüßigere Thiere aus
dem Gefolge, und nun ging es zu unserem Vergnügen bald in einem schärferen
Tempo, und lachend und scherzend kam unser großer Schwarm im lebhaftesten
Gewühle nach Burnabá. Dieser Ort, der Sommeraufenthalt der Franken, die
elegante =villeggiatura=, in welcher sich die verschiedenartigsten Stämme
Europa's dem Sommervergnügen hingeben, liegt am Gebirge und sieht durch
seine vielen und reichbepflanzten Gärten gar lieblich und heiter aus. Die
Ortschaft ist groß; nur Schade, daß, wenn man in das Innere eindringt, man
von der Pflanzenfülle und dem Häuser-Comfort gar wenig steht, indem
alles mit hohen Mauern nach orientalischem Schnitte abgeschlossen ist. Im
türkischen Theile befindet sich ein Bazar, welcher jedoch schmutzig und
von kleiner Ausdehnung ist, so daß das Innere der Straßen gar wenig
Interessantes darbietet. Uns war es jedoch vergönnt einen tiefern Blick in
die Pracht und den Comfort der Bewohner dieser südlichen Länder zu thun.
Ein charakteristischer Unterschied zwischen dem orientalischen und dem
europäischen Volke ist es, daß die Bewohner Europa's mit ihren Schätzen
prunken, ihre Gärten den Schaulustigen öffnen, gar häufig mit dem, was sie
durch ihr Geld erkauft haben, prahlen und alles Mögliche thun, um Leute zu
finden, welche das von ihnen Geschaffene bewundern. Der Orientale dagegen
häuft seine Schätze mit stiller Eifersucht zwischen den vier schützenden
Mauern auf, schafft sich daselbst ein Paradies, und genießt es im Stillen
mit den Eingeweihten des Hauses; höchstens erlaubt er der Fama, daß sie
von den geheimnißvollen unsichtbaren Wundern seines Hauses spricht. Dadurch
wird im Oriente das Niegesehene immer von Neuem bewundert, wenn in
Europa der Blick der Menge längst davon gesättigt ist. Durch die Güte des
General-Consuls erhielten wir in den Garten eines sehr reichen Banquiers,
Namens B., eines gebornen Triestiners, Einlaß. Der Besitzer empfing uns
auf das Zuvorkommendste und führte uns in einen, in seinem Garten gelegenen
reizenden Salon, welcher uns das lebhafteste Bild des luxuriösen Geschmacks
des Orients gab. Der mit Marmor belegte Boden war in zwei Abtheilungen
getrennt, so daß der eine Theil erhöht war. Hier lief längs der Wand ein
Divan, zu dessen Füßen reiche Teppiche gebreitet waren. An den mit einer
großen Anzahl Fenstern durchbrochenen Wänden hingen Armleuchter mit in
Goldrahmen gefaßten Hohlspiegeln; in dem unteren Theile des Salons
befand sich ein fein gearbeitetes marmornes Doppelbecken, in welches
eilf Springquellstrahlen mit lieblichem Geplätscher niederrieselten. Das
abfließende Wasser derselben bildete außerhalb des Gebäudes einen mit
Bäumen beschatteten Teich, dessen von Stein ummauerte, über den Boden
erhobene, von Goldfischen belebte Wasserfläche sich unmittelbar an der
Fensterflur befindet. Durch diese Wasserfülle ist es, daß diesen reizenden
Salon eine immerwährende wohlthuende Kühle durchweht. Der Garten ist mit
Orangenbäumchen und andern üppigen Gewächsen des Südens bepflanzt. Nachdem
wir ihn durchschritten hatten, wurden uns in dem angenehmen Gartenhause die
herrlichsten Erfrischungen gereicht. Sie bestanden aus Gefrornem und dem
berühmten in Smyrna eingemachten Obste; es ist Sitte, dieses in allen
Häusern bei der Ankunft fremder Gäste zu reichen. Hierauf besuchten wir
das Haus eines Armeniers, von dessen Dachzimmer aus man die herrlichste
Aussicht auf das Thal, die Stadt und den prächtigen Golf hat. Glücklich
die Menschen, die dies Zauberbild von den Fenstern ihres Hauses aus sehen
können.

Auch der Garten des Armeniers ist üppig und giebt reichen Schatten; doch
das Schönste, was wir an reizender Natur sahen, war bei Herrn W., einem
reichen Engländer, der ebenfalls Kaufmann und Banquier ist. Als wir in den
Garten traten, fanden wir auf einem vor dem Hause gelegenen mit Cypressen
und anderen herrlichen Pflanzen reich umgebenen Platze eine elegante
Gesellschaft versammelt. Es war ein Bild des Wohllebens, wie diese Herren
und Damen in der herrlichen Abendluft sich dem =Dolce far niente= ergaben,
wie an ihrer Seite die Blumen den herrlichsten Duft verbreiteten, ein
Papagei sein lebhaftes Gefieder mit Stolz schüttelte, die Bäume still und
ruhig zum blauen endlosen Himmelsgewölbe ihr stolzes Haupt erhoben, wie das
schöne mit einem Perron versehene Haus sich zwischen dem Grün zeigte, und
alles dies mit dem südlichen Dufte und der reinsten Abenddämmerung in einem
stillen frohen Einklange stand; ein solches Bild prägt sich in das Herz
des Fremden ein und er denkt sich die Leute glücklich, welchen ein solcher
Wohnort zu Theil wird. Mistreß W., die Schwiegertochter des Besitzers, eine
schöne, wenn auch etwas zu starke Frau mit einem gar sanften, engelguten
Ausdrucke und regelmäßigen Zügen, kam uns entgegen und führte uns in
die Gemächer ihres Hauses. Hier herrschte europäischer Luxus, in südlich
wonnigem Klima. Die feinsten reichsten Möbel waren mit Geschmack und
Comfort gestellt; man sah es, daß hier englischer Geist herrsche. Nach
einem ziemlich alltäglichen Gespräch begab man sich wieder in den Garten,
welchen uns Mistreß W. auf die freundlichste Art Gelegenheit gab zu
bewundern. Von einer Terrasse aus hatten wir abermals eine herrliche
Aussicht auf das Thal und die hohen Gebirge; diese schimmerten zauberhaft
im brechenden Lichte der vorgerückten Dämmerung. Als wir zurückkehrten,
wurden uns auch hier Confituren angeboten und Mr. W. Sohn, ein mageres
komisches Männchen mit weißer Jacke und weißem Hute, stellte sich uns vor;
ein eigenthümlicher Kontrast zu seiner schwarzgekleideten, etwas starken
und doch schönen Frau. Nachdem wir den Garten verlassen und noch einen
andern durchschritten hatten, hielten wir uns noch einige Zeit bei Herrn B.
auf, worauf wir uns auf unsere Pferde schwangen und den Rückritt antraten.
Es war Nacht geworden, aber eine Nacht, wie keine Phantasie des Nordens sie
malen kann, eine Nacht, wie man sie nur an dem üppigen Strande
Kleinasiens mit Bewunderung genießt; klar bis in die Unendlichkeit war das
Himmelsgewölbe, kein Laut ließ sich hören, Ruhe herrschte auf der
weiten Erde, Ruhe auf dem weiten Meere, und als Sieger über den heißen
lebensvollen Tag, stieg mächtig hinter Smyrna's edelgeformten Höhen
der große, volle Mond auf. Scharf begränzten sich die Schatten, silbern
schimmerte es durch das Laub, und wie mit einem Zauberschlag war das Land
in eine Märchengegend umgewandelt.

Bald spornten wir unsere Pferde an, und im raschen Galopp ging es
wunderlich, grauenhaft heimlich, im unentschiedenen zitternden Mondlichte
der Stadt zu; wie ein Geisterreigen erschienen die Türkengräber zwischen
den dunklen, wehmüthigen Cypressen; und nun ging's bis an die Stadt durch
einige ihrer engen Straßen, und bald waren wir auf dem Verdecke des lieben
Vulkan, wo wir nach genossenem Male uns noch des herrlichen Anblicks auf
das silberglitzernde Meer, die weißen, scharf beleuchteten Minarets und
Kuppeln, die großen Häusermassen und die entfernten Berge erfreuten.




Beim Anblick von Corfu.


Der Morgen graute, die Sonne kam und ergoß einen tiefen Frieden über die
silberne Fluth und die hohen Berge Albaniens. Eifrig rauschte unser Dampfer
durch die salzigen Wellen. Rasch flogen wir an den kleineren Jonischen
Inseln vorbei, welche sich wie die Rücken großer Meer-Unthiere aus dem
Wasser erhoben; dann erblickten wir die äußersten Spitzen der gesegneten
Insel Corfu. Eine ziemliche Strecke fährt man längs ihrer Ufer, bis man das
Festungswerk gewahrt, welches die Stadt krönt; dies englische Colonial-Fort
ließe sich jedoch nur mit einer Dornenkrone vergleichen. Die Insel
besteht meist aus bergigem Terrain, und ist mit den frischesten, schönsten
Waldungen bewachsen; sie gewährt dem Auge einen wohlthuenden Anblick. Das
ganze Land gleicht einem großen Park, in welchem sich einzelne freundliche
Ortschaften befinden. Auch diese sehen nett und wohlgebaut aus; sie machen
nicht den traurigen Eindruck mancher griechischer Dörfer, welche vereinzelt
daliegen und sich in unregelmäßigen Formen aus dem uncultivirten Boden
erheben. Es ist ein erfreulicher Anblick, schön erbaute Villen inmitten
der südlichen, von des Gärtners Auge gepflegten Vegetation zu sehen. Dazu
kontrastiren die schön geformten Felsen an der Meeresküste vortrefflich.
Man muß gestehen, daß die Engländer es verstehen, allem, was ihnen
unterworfen ist, Cultur und Schönheit aufzuzwingen; denn auch das felsige
Malta soll mit dem frischesten Grün übersponnen sein. Je näher man der
Stadt kommt, desto mehr nehmen die Landhäuser zu. In einiger Entfernung von
der Stadt war ein englisches Schiff geankert, welches auf einen im Meere
schwimmenden schwarzen Punkt Scheiben schoß. Dieses kleine Seemanöver
amüsirte mich außerordentlich; es war komisch zu sehen, wie die Kugeln zehn
bis zwanzig mal hinter der Scheibe im Meere wieder aufhüpften, so daß es
wie Springbrunnen schäumte. Nicht sehr oft trafen die seekundigen Britten
ihr freilich sehr kleines Ziel. Da wir die Schußlinie passiren mußten,
hegten einige die Besorgniß, wir könnten getroffen werden; doch hielt
das Schießen, während wir durchfuhren, einige Zeit ein. Die, die Stadt
deckenden Felsen schwanden nun immer mehr und das schöne Absteigquartier
der Britten entwickelte sich vor unseren Blicken. Schroff zeichnete sich
das hohe, spitze Fort auf dem blauen Himmel ab, terrassenförmig breiteten
sich um dasselbe die herrlichsten Gärten und schönst-gebauten Häuser. Am
Fuße dieser, die Stadt dominirenden Veste reihen sich steinerne Bastionen
aneinander, welche den Fluthen entwachsen; auf einer derselben, welche die
äußerste Ecke bildet, befindet sich der prachtvolle Garten des Gouverneurs,
mit außerordentlich vollen und großen Bäumen. Am Ende desselben gegen
die Stadt zu, steht ein großer, aus mehreren Trakten bestehender, grauer,
steinerner Palast, dessen Räume hohe grüne Jalousien vor der Hitze
schützen. Dieses weitläufige ernste Gebäude ist der Sitz des Zwingherrn,
welchen die freie brittische Macht über die armen Insulaner als Protector
gesetzt hat. -- Man glaubte in der Stadt, daß wir landen würden. Wir
steuerten aber in eine Art breiten Canals, welcher durch eine kahle,
felsige Insel unmittelbar vor der Stadt gebildet wird. Diese selbst hat
ein elegantes, reinliches Aussehen. Große, schön gebaute Häuser deuten
auf Wohlhabenheit und geben einen Beleg zu Englands praktischem Luxus und
kaufmännischem Comfort. -- Den Ort umschließen die lieblichsten dunkel
grünen Hügel, aus denen die freundlichen Cottages der Britten einladend
entgegen schimmern. Auf der, der Stadt gegenüber liegenden Insel befindet
sich ebenfalls ein Befestigungswerk, in welches kein Fremder eingelassen
wird. Man erzählte uns, daß alle Morgen hundert englische Soldaten aus der
Stadt in Kähnen auf diese Insel gebracht werden und Abends wieder zurück
kehren. Sie sollen der Regierung einen Schwur abgelegt haben und Niemand
weiß, was sie auf diesem mysteriösen Punkte zu thun haben -- man munkelt
jedoch, daß sie durch einen Tunnel die beiden Inseln unter dem Meere
verbinden wollen. Unmittelbar vor der Stadt hielten wir einen Augenblick
an, um von einem dort ankernden Lloyd-Dampfer Nachrichten einzuholen, und
sogleich kam John Bull, mit weiß angezogenen Matrosen dahergeschwommen;
es war der Hafen-Kapitän, der uns auf bereitwillige Weise die =Pratica=
brachte, um bei dieser Gelegenheit ein tüchtiges Trinkgeld einzustecken.
Als man ihm antwortete, daß wir auf keinen Fall landen würden, wollte er
durchaus von unserem Kapitän erfahren, wer sich auf dem Schiffe befinde und
als er dies nicht erfuhr, ruderte er mit einem sehr finstern Gesicht
wieder ab. Während dieses Ruhepunktes konnten wir die Stadt mit aller Muße
betrachten; da es die Zeit der Siesta war, sah man außerordentlich wenig
Bewegung in den Straßen. Auch die Zahl der Schiffe auf der Rhede war sehr
klein, da die Cholera auf den jonischen Inseln grassirte und hiedurch der
Handel auf einige Zeit gehemmt war. Bald schäumten wieder unsere Räder und
fort ging es im Fluge.

Gegen das Ende der Insel nahen sich ihre Ufer der albanischen Küste; in
der Mitte dieses engen Gewässers befindet sich eine ganz kleine, bizarr
geformte Felsen-Masse, auf welcher ein ebenfalls ganz kleiner Leuchtthurm
ruht. Er führt einen sehr unappetitlichen Namen, man nennt ihn den
»krätzigen«, vermuthlich nach der eigenthümlichen Felsenbildung. Ein
Invalide vegetirt auf diesem kleinen Raume. Bald entschwanden die letzten
Spitzen der Inseln und fröhlich steuerten wir unserem theuren Vaterlande
zu.




Zwei Tage in den Bocche di Cattaro.


Schon am frühesten Morgen warf ich mich in meine Kleider und war der Erste
auf dem Verdecke. Eine gesunde frische Luft, von Oesterreich's geliebtem
Boden, den ich zum erstenmal wieder erblickte, stärkte meine Glieder und
mit stiller Wonne betrachtete ich den herrlichen Sonnenaufgang über den
dunkelblauen Bergen Dalmatiens. Ein leichter, duftiger Nebel ruhte auf
den stillen Wassern und gab dem kommenden Gestirn einen rosig zauberhaften
Schein; doch bald fielen die hüllenden Dünste und groß und prächtig
schien mir die Sonne in's dankbare Auge. Nun gab auch das neue Licht den
melancholischen Gebirgen Farbe und Leben; Felsen, Wälder und einzelne
kleine Ortschaften zeigten sich dem Blicke, der mit Ergötzen im Anschauen
des theuren Vaterlandes ruhte. Bald langten auch die Reisegefährten an und
herzlich begrüßten wir uns auf österreichischem Gewässer. Es erschien mir
als eine gute Vorbedeutung, daß gerade bei der Ankunft im Vaterlande die
Sonne uns so prachtvoll und hell entgegenkam. Wir nahmen unser Frühstück
auf dem Verdecke in der heitersten Laune, und so kamen wir unter munteren
Gesprächen zu dem Eingange der berühmten =Bocche di Cattaro=. Durch einen
ziemlich schmalen Canal kommt man in die erste seeartige Meerenge. Der
Eindruck ist still und groß, wie der eines ruhigen reizenden Binnensee's;
man vergißt das große Meer hinter sich und vertieft sich mit Lust in den
Anblick der neuen lieblichen Landschaft. Hier sind nicht mehr die nackten
Felsen und gelben Flächen von Hellas, hier herrscht buntes, frisches
Leben und mäßige glückliche Civilisation. Man sieht nicht mehr die öden
menschenleeren Räume; aus den üppigen Wäldern erheben sich Häuser, deren
Wohlstande man anmerkt, daß sie unter dem österreichischen Scepter stehen;
und doch hat auch der uncivilisirte Zustand Griechenlands seine besondern
Reize! Die belebte Landschaft unter südlichem Himmel und die kahlen
rosenfarbenen Gebirge am blauen schäumenden Meere von Lepanto, welch' ein
Kontrast! Gegen das Innere des Landes zu erheben sich hohe, felsige Berge
in äußerst malerischen Gestalten, welche wohl ebenfalls in den höheren
Regionen kahl sind, jedoch mehr das Gepräge des nördlichen Gesteines
tragen. Gegen das Meer zu ist das Gebirge niedrig und hat runde, nicht
sehr schöne Formen. Dasselbe ist meist von Myrten überwachsen. An den Ufern
ziehen sich frische grüne Weinberge mit einigen Villen im italienischen
Geschmacke hin. Zwei Punkte sind es jedoch, die das Auge am meisten
fesseln: das malerisch gelegene Städtchen Castelnuovo mit seinen eckigen
Forts, und das in byzantinischem Styl erbaute griechische Kloster Sabina;
ein hell erleuchteter Punkt im üppigsten Grün. Unser Schiff ankerte beim
Lazareth von Castelnuovo, welches sich eine halbe Stunde vom Städtchen
unmittelbar unter dem Kloster am Meeresstrand befindet. Nachdem wir uns
einigermaßen anständig gekleidet hatten, fuhren wir ans Land und betraten
mit Jubel nach so vielen Erlebnissen zum erste Mal wieder den festen
werthen Boden Austria's. Unser erstes Ziel war das Kloster, welches unsere
Neugierde schon vom Schiffe aus gewaltig gereizt hatte. Wie angenehm waren
wir überrascht, die deutsche Eiche (=quercus germanica=) neben dem üppigen
Lorbeer zu finden und uns in deren wohlthuenden Schatten zu laben. Auch
Wiesen sahen wir nach so langer Zeit wieder, frische grüne Wiesen, welch'
Entzücken! Und auf diesen Wiesen sprossen große Orangen-Bäume, umarmt vom
nordischen Epheu! Es war ein stilles, liebliches Plätzchen, das unmittelbar
vor dem Klosterthor lag: die lieblichste Vermälung der Schönheit des
Nordens mit der Glut des Südens. Die heißen Strahlen der Sonne wurden durch
das Blätterdach der Eiche in ein wohlthuendes Licht verwandelt, hie und
da blickte das tiefe Blau durch die Aeste auf einen weichen Sammetteppich.
Eine stolze Cypresse ragte in die reinen Lüfte und zu ihrer Seite, an einer
alten Mauer, wiegte sich ein in der Frucht stehender Orangenbaum, dessen
Aeste den saftigen Reben zur Stütze dienten; spielend neigte sich die
glühende Granate an ihren zarten biegsamen Aesten herab. Am Fuße des
leichten Abhanges öffneten sich die herrlichsten Blicke auf die ruhige,
spiegelklare See. Wir traten durch einen steinernen Bogen in einen
terrassenförmigen Hof. Eine große, eine kleine Kirche und das Kloster
erheben sich auf diesem Platze.

Durch Vermittelung unseres gefälligen Kapitäns ließ man uns in das Innere
der Kirchen eintreten. Die zwei in dem Kloster wohnenden griechischen
Mönche führten uns umher. Einer derselben, ein ältlicher Mann mit langem
grauen Bart, sprach gebrochen italienisch, so daß wir uns einigermaßen mit
ihm verständigen konnten. Im Inneren des Gotteshauses ist, der griechischen
Sitte gemäß, eine reich vergoldete Holzwand mit typischen Bildern vor
den Altar gezogen. Alle Christus- und Madonnenköpfe haben dieselben lang
gedehnten, nicht sehr schönen orientalischen Züge. Außerdem findet man noch
den geharnischten Georg und mehrere andere Heilige dargestellt. Einige der
hier befindlichen Bilder sind nicht ohne Kunstwerth. Von der Wölbung hingen
reiche silberne Lampen, Straußeneier und plumpe Verzierungen aus Baumwolle,
goldenen und farbigen Bändern herab. Da ich den Mönch mit Erstaunen
um deren Bedeutung fragte, erwiederte er mir, daß jeder Schiffer, beim
Auslaufen eines neuen ihm gehörigen Schiffes, einen solchen geschmacklosen
Zierrath an die Kirche spende. In der kleinen Kapelle, welche die zuerst
erbaute auf diesem Orte ist, befinden sich sehr schöne fromme Gaben, unter
welchen sich besonders ein fein geschnitztes Kreuz und mehrere mit Juwelen
besetzte Bilder auszeichnen. Das Innere des Klosters, welches aus nur
wenigen Zimmern besteht, ist klein und in einem kläglichen Styl gebaut.
Im Refectorium hängen einige alte schlechte Oelgemälde von russischen
gekrönten Häuptern.

Wir nahmen Abschied von dem lieben alten Manne, der uns durch die heiligen
Räume geleitet hatte, betrachteten noch einmal die herrliche Aussicht
vom Klosterhofe aus, und setzten unsern Weg durch den Eichenhain nach
Castelnuovo fort. Unterwegs lockte uns eine kleine Capelle auf einer mit
Aloën bewachsenen Anhöhe an. Hier hatten wir den umfassendsten Rundblick.
Tief zu unseren Füßen die begrenzte See; über den mit Myrten bewachsenen
Hügeln schimmert silbern am blauen Horizont das unendliche Meer durch die
höheren Spitzen getheilt. Auf der einen Seite die mit Epheu umsponnenen
Mauern von Castelnuovo, nicht unweit davon türkisches Gebiet, auf der
andern Seite die Wasserstraße zu den übrigen Bocche, an deren Ufern die
lieblichsten Villen hingestreut lagen, alles dieses von dem herrlichen
blauen Himmel überwölbt und von der mächtigen Sonne durchglüht! Wendete man
sich um, so war die Aussicht groß, aber düster; die bizarrsten, bis in den
Himmel langenden, schauerlich grauen Felsengruppen zeichneten sich scharf
auf schwarzer Gewitterluft. Nur einzelne Häuser hängen an der steinigen
Wand, umgeben von dunklen Cypressen. Das Ganze war geisterhaft, und doch
zog es das Auge mit dunkler Macht an. Diese Bergwände schließen, bis in die
Wolken ragend, die lieblichen Ufer der Bocche von dem düstern Montenegro
ab, welches theilweise schon auf den Bergspitzen beginnt. Die Aussicht war
so erhaben, einerseits mit südlichen Reizen bezaubernd, andererseits durch
stolze Abgeschiedenheit Wehmuth erregend, daß ich zu meinen Reisegefährten
sagte, dieser Platz locke mich an, mir hier einst eine Villa in
venezianischem Geschmacke zu bauen, von deren Fenstern, Balkonen und
Terrassen man jedesmal eine andere Aussicht genösse. Dieser Vorschlag wurde
einstimmig mit Enthusiasmus aufgenommen. Wenn man reist, findet sich so
mancher Fleck auf der Erde, wo man in feuriger Bewunderung ausruft: »Hier
laßt uns Hütten bauen!« und viel zu thun hätte man, wenn man überall diesen
heimlichen Wünschen nachgäbe. Den Hauptreiz dieser Gegenden bildete das
glückliche Zusammentreffen der verschiedensten Naturerscheinungen: großes
Meer, stille, seeartige Gewässer, Vereinigung der südlichen und nördlichen
Vegetation, Palme und Eiche, Mittelgebirg und riesige Felsen.

Durch Weingärten und Haine bald steigend, bald sinkend, kamen wir endlich
zum Fort =spaniol=, welches Castelnuovo krönt. In der Nähe desselben
sahen wir ein verlassenes, dachloses Haus, dessen Wände dermaßen mit Epheu
bewachsen waren, daß das Haus, wie die französischen Hecken, aus Bäumen
geschnitten schien. Gleich daneben saß auf dem Wege ein uraltes Weib,
eine hexenartige Gestalt; sie ging uns um Almosen an; als wir sie näher
betrachteten, fanden wir, daß ihr ganzes Gesicht mit kleinen Kreuzchen
bemalt war. Sie versicherte uns, der Pfarrer hätte sie so gezeichnet;
vermuthlich geschah dies, um die arme Frau vor dem Aberglauben des Volkes,
welches in diesem Punkte in Dalmatien noch sehr zurück ist, zu schützen.
Vielleicht ist dies Mütterchen der böse Geist, der in dem verfallenen, mit
Epheu besponnenen Gebäude haust. Auf dem der Sonne ausgesetzten Castel war
eine glühende, drückende Hitze. Doch erfreute uns der so lange entbehrte
Anblick österreichischer Soldaten. Die Weißröcke nehmen sich halt überall
gut aus, im tiefsten Süden wie im höchsten Norden. Wir besahen die
einzelnen Theile der Befestigungen, welche unter Carl =V.= von spanischen
Truppen gegen die Muselmänner gebaut wurden, nachdem der Kaiser das
Städtchen Castelnuovo den Venezianern genommen hatte. Die vier Eckthürme
sind von einer außerordentlichen Festigkeit. In dem einen derselben
befindet sich eine sehr gut gebaute Cisterne; über dem Eingangsthore ist
eine sehr schön ciselirte türkische Inschrift, welche von den Mohammedanern
gesetzt wurde, als sie das Fort den Spaniern abgerungen hatten. Beim
Eingange der Stadt befindet sich ein freier Raum, von welchem die
Volkstradition erzählt, er sei für die oft vorkommenden Zweikämpfe zwischen
Spaniern und Muselmännern bestimmt gewesen. Die Stadt ist ärmlich und
klein, mit engen und steilen Gäßchen. Am Ende derselben, gegen das Meer,
liegt abermals ein aus starken Quadern erbautes Fort, welches in türkischen
Händen war; wir besuchten es ebenfalls. Auf allen diesen erhabenen Punkten
genießt man der schönsten Aussicht. Die innere Stadt ist ebenfalls mit
einer hohen Mauer umschlossen, durch die ein sehr steiles Eingangsthor
führt. Ueber diesen abschüssigen, schlecht gepflasterten Thorweg soll einst
ein Bey im gestreckten Laufe hinunter gesprengt sein, man findet es fast
unglaublich; doch so unbehülflich ein Türke zu Fuße ist, so gewandt und
keck ist er auf dem schuhartig beschlagenen Wüstenrosse. Man zeigt auch dem
Reisenden eine roth bemalte Stelle der Stadtmauer, auf welcher die
Moslemin die blutigen Köpfe der Christen dem schaudernden Volke wiesen. Wir
verließen die Stadt, fast verschmachtend vor Hitze, und kehrten durch
die kühlenden Haine bei sinkender Sonne an den Mauern des uns so lieb
gewordenen Klosters vorbei, zum Lazareth zurück. Nun ging es sich gar
lieblich im stillen, friedlichen Abend. Erde, Meer und Lüfte ruhten vom
schaffenden Tagesleben aus; und so thaten auch wir. Wir kehrten auf unser
Schiff zurück und stärkten unsere müden Körper durch das auf dem Verdecke
aufgetragene Mittagsmahl. Nach Tisch verfingen wir uns in einen politischen
Streit, welcher einen Theil der Gesellschaft noch bis gegen eilf Uhr wach
erhielt. Des andern Tages in der Frühe setzte sich unser Dampfschiff wieder
in Bewegung, um uns in die übrigen Theile der Bocche zu bringen. Kaum hat
man die Bucht, in welchem sich Kloster und Lazareth befinden, aus dem Auge
verloren, so öffnet sich ein neuer, vom Meere gebildeter See. An Schönheit
wohl der geringste, aber dennoch lieblich und freundlich. Die Berge, die
ihn umgeben, sind sanfter gewölbt, und sind Vegetation und Cultur üppiger;
fruchtbare Olivenwälder und reiche Weingärten, in denen sich die heiteren
Campagnen befinden, bedecken die sanft aufstrebenden Ufer. Dieser Theil
trägt mehr das Bild einer naiven Landschaft; den Gegensatz dazu bildet
die nächstkommende Bocche. Das Meer verengt sich zu einem mit hohen Felsen
umgebenen Canal; die laue Luft wird kalt und fast beengend, man glaubt sich
in ein Felsenlabyrinth ohne Ausweg verirrt zu haben. Plötzlich
erweitert sich das schroffe Ufer und man befindet sich in einem stillen
melancholischen Gewässer, welches einem abgelegenen Gebirgssee vergleichbar
ist. Die kahlen, rauhen Felsen zeichnen sich wiederspiegelnd in den tiefen
blauen Fluthen ab. Dem Eingang gegenüber hängt ein niedlicher Ort an
der steinigen Wand. Auf diesem freundlichen Punkte ruht das Auge mit
Wohlgefallen; er gleicht einem zierlich gebauten Neste, an ernster
Kirchenwand. Auf dem blauen Spiegel ruhen zwei Inseln, auf welchen
sich Kirchen befinden. Der sonntägige Glockenschall begrüßte uns mit
christlichem Ernste; da wir auch eine Messe hören wollten, hielten wir
mit dem Dampfer, setzten uns in ein Boot und steuerten diesem Orte, Namens
Perasto, zu. Derselbe ist von den Venezianern erbaut und erinnert im
Kleinen an einzelne Theile der Hauptstadt des kaufmännischen Volkes.
Die Sitze der Nobili, zierlich erbaute Paläste mit Balkonen und maurisch
gemischten Fenstern, wechseln im lieblichen Gewirre mit einer für diesen
Ort sehr großen Anzahl schön erbauter Kirchen, zwischen welchen sich einige
schlanke Cypressen erheben. Als wir an das Land stiegen, fanden wir eine
ziemliche Menge Volkes am Quai versammelt. Einzelne unter ihnen zeichneten
sich durch ihr schönes eigenthümliches Kostüme aus. Die Trachten in
Dalmatien sind, wie überall im Süden, sehr mannigfach und originell. Als
wir nach einer Messe fragten, verwies man uns auf eine spätere Zeit. Wir
benützten daher die Gelegenheit, einen Besuch auf einer dieser Inseln zu
machen, welche durch ihre Madonnenkirche berühmt ist. Das ganze kleine
Eiland gleicht einer schönen Terrasse, auf welcher die mit einer Kuppel
versehene Kirche im byzantinischen Styl ruht. -- Ein Fischer fand der
Legende nach das Madonnenbild auf einem kleinen unter der Terrasse
befindlichen Felsen; nachdem durch dieses Bild einige Wunder geschehen
waren, beschloß man, auf dem Gestein eine Kirche zu erbauen; da aber der
Raum zu klein war, warfen die frommen Bürger von Perasto so lange Steine in
das Meer, bis sich aus dem Grunde hervor die kleine Insel bildete, auf der
sie nun die Kirche bauen konnten, welche in ihrem Innern mit sehr hübschen
marmornen Altären geschmückt ist. Doch damit die Fluthen nicht wieder
verschlingen, was mühselig zusammen geschleppt wurde, muß jeder
Schiffsbesitzer sein mit Steinen gefülltes Fahrzeug bei der Insel in die
Fluthen ausladen. Als wir nach Perasto zurückkehrten, kündigte man uns an,
daß wir die Messe für heute versäumt hätten. Wir bestiegen wieder unseren
Dampfer und fuhren gen Cattaro. Aus dieser felsigen, melancholischen Bocche
kommt man in eine andere, an deren einem Ufer die schroffen Felswände
bis Cattaro fortlaufen, während sich an dem andern eine der reizendsten
Landschaften dem Auge darbietet. Welcher dieser Bocche der Vorzug gebührt,
ist schwer zu entscheiden; unstreitig ist aber die letzte die belebteste,
denn Haus an Haus steht längs dem Abhange, mit zierlichen Gärten umgeben,
in denen Palmen mit Cypressen und Orangenbäume mit Granaten wechseln.
Einen besonderen Eindruck macht die Cypresse, welche bei den so häufigen
griechischen und katholischen Kirchen überall gen Himmel zeigt. -- Die
Häuser, welche im frischesten Grün liegen, deuten alle auf Wohlstand;
sie gehören auch meist reichen Schiffskapitänen, deren Weiber zu Hause am
Spinnrocken plaudern, während die Männer in den amerikanischen Gewässern
mit den Wogen kämpfen. Neben manchen Gebäuden sieht man auch Schiffe,
welche auf eine glückliche Zurückkunft deuten sollen, in kleinen, gerade
für die Größe des Fahrzeugs passenden Docks liegen. Ganz am Ende dieser
großen, langen und schönen Bocche liegt das Städtchen Cattaro an einer
Felswand angelehnt, auf welcher sich in schwindelnder Höhe das Fort
befindet. Neben demselben geht eine, von der österreichischen Regierung
gebaute, sehr kunstreiche Straße nach Montenegro, die bestimmt ist, den
Verkehr zu erleichtern; -- die Montenegriner aber lassen sie unbetreten
und ziehen es vor, die steilen Felsen hinunter zu klettern. Da Cattaro eine
Festung ist, sieht man beim Ankommen nur wenig von der Stadt, die auf einen
sehr engen Raum gebaut ist; man wäre fast geneigt, es für das Ende der
Welt zu halten, so umgeben es die drohenden Felsenmassen. Wir ließen unser
Fahrzeug auf einige Stunden halten. -- Auf der Rhede waren mehrere Schiffe,
unter andern der Dampfer Curtatone von der Kriegsmarine. Als wir gelandet
hatten durchliefen wir die Stadt, welche außer einem hübschen, halb
gothischen, halb byzantinischen Domportale und einigen im venezianischen
Style erbauten Häusern nichts Bedeutendes aufzuweisen hat. Gegen vier
Uhr kehrten wir auf dem Wege, den wir am Morgen gekommen waren, bei der
herrlichsten Abendbeleuchtung zurück. Das Licht war gemildert und die
Konturen zeigten sich schärfer. Die verschiedenen Gegenstände hatten noch
den südlichen Anstrich, wenn gleich nicht in der Stärke und Wärme wie
Griechenland. Dem felsigen Ufer, welches wir des Morgens unberücksichtigt
gelassen hatten, nahten wir uns jetzt mehr und sahen, daß es große
Naturreize aufweist, und an mehreren Orten mit den freundlichsten Dörfchen
geschmückt ist. Abends ankerten wir wieder in der Bucht des Lazarethes.
Das Gefühl, welches sich in uns beim Anblick der Bocche geregt hatte, war
Staunen, daß man bei uns in der Heimat nicht mehr von dieser herrlichen
Gegend wisse. Alles strömt nach Nizza, Florenz und andern halb südlichen
Gegenden, während man nicht ahnt, daß man im eigenen Vaterlande so viel
Schönes hat, welches allen Reiz der Vegetation vereinigt, und sich des
herrlichsten, immer sanften Klima's erfreut. Die venezianischen Paläste
stehen leer, sie verlangen nur um 800 bis 1000 Gulden gekauft, und dann
bewohnt zu werden, um den Besitzern die herrlichsten Räumlichkeiten und
lieblichsten Aussichten darzubieten; aber nein, man rast in die Ferne, läßt
sein Geld in Massen unter fremden Völkern aufgehen, und begnügt sich
mit einer schlechten Wohnung, nur um in der Fremde zu sein; fühlt sich
glücklich weil man sich modern findet und seufzt über das uninteressante
langweilige Vaterland. Freilich ist die Civilisation in diesen südlichen
Gegenden von Oesterreich nicht sehr fortgeschritten. Entschließt sich
aber einmal ein reicher, an Comfort gewöhnter Mann, seine Wohnung hier
aufzuschlagen, so ist der Grund gelegt, und die Gescheidten werden sich
glücklich fühlen, ein solches Paradies, wo Palme und Eiche brüderlich
wachsen, ihr eigen nennen zu können.




Ragusa.


Während des frühsten Morgens, im besten Schlummer, fuhren wir in den Hafen
von Gravosa ein, dem Hauptankerplatz der Stadt Ragusa. Als wir das Verdeck
erstiegen, sahen wir uns von sehr lieblichen Ufern umgeben; sanfte begrünte
Hügelketten schlingen sich um die tiefblaue Fluth, am Strande des Meeres
erheben sich Villen im venezianischen Geschmacke, umgeben von Cypressen und
andern südlichen Gewächsen. Man kann nicht sagen, daß die Gegend großartig
imposant ist, aber sie ist sanft und lieblich. Den Anblick der Stadt Ragusa
deckt die Höhe von Bella vista, wir mußten uns daher an dieser Gegend
begnügen lassen, was übrigens für einen Freund der Natur, wie ich es bin,
vollkommen lohnend war; der prachtvolle Morgen war blau, mild und wonnig.
Erst gegen Mittag besuchten wir die Stadt. So sehr ich mich auf den Anblick
dieses historisch interessanten Ortes freute, war ich doch recht froh, den
Morgen in der würzigen frischen Luft, umgeben von der freundlichen Gegend,
auf dem Verdecke zuzubringen; wie sehr ich auch auf Reisen dafür bin,
jeden Augenblick zu benützen, um sich umzusehen und seine Kenntnisse zu
bereichern, so ist es mir doch nicht unlieb, zuweilen einige Stunden unter
angenehmen Eindrücken in Ruhe zu verleben; denn es muß dem Reisenden, der
die Reise genießen will, die Möglichkeit werden, die erlebten Begebnisse
an seinem Geiste vorbeiziehen zu lassen, und sie in sein Tagebuch
aufzuzeichnen; nur durch solche Mittel prägen sich die gesehenen
Gegenstände fürs Leben in das Gedächtniß ein, und wenn man lange wieder am
heimischen Herde sitzt, so blühen dann lebhaft und frisch die Erinnerungen
an das Erlebte auf. Ich machte es so, und arbeitete fleißig an meinem
Tagebuch. Mein Bruder mußte leider diesen prächtigen Tag im Bette
zubringen, da er sich in der Bocche di Cattaro an dem Abend, als wir
Castelnuovo besahen, erkältet hatte. =Dr.= F. blieb den ersten Theil des
Morgens bei ihm, später wanderte er mit K. über die Bella vista in die
Stadt. Fürst J. und Baron K. waren schon seit dem Morgen dort, um sich
die dem Lande eigenthümlichen Waffen zu kaufen und den, auf dem Schiffe
in folge des ziemlich großen Verbrauches mangelnden Wein, durch sehr
schlechten Dalmatiner zu ersetzen. Graf C. und ich blieben allein bei
meinem Bruder. Der aufmerksame =Dr.= F. hatte kaum die Stadt besehen, so
kehrte er wieder zurück und löste uns beim Kranken ab. Wir ruderten nun in
einer kleinen Barke auch dem Lande zu, und setzten uns in eine Calesche,
dem einzigen Wagen von Ragusa, um auf der vortrefflich gebauten, aber wie
früher erwähnt, ziemlich unnützen Kaiserstraße die Hügelspitze Bella vista
zu erreichen. Mit Recht führt der Punkt diesen wohlklingenden Namen, da
dort oben das Meer dreimal dem entzückten Blick erscheint. Von dem Punkt
aus stürzen rasch die Felsen in die See hinunter, welche brausend und
schäumend gegen die braunen zackigen Massen tobt. Auf denselben wachsen
hunderte von Aloën, welche das Gepräge des Südens erhöhen; zur Rechten
sieht man den lieblichen Hafen von Gravosa, ein Bild des Frohsinns; zur
Linken erscheinen die Kuppeln der Stadt, welche in einem kleinen Raume, am
Fuße einer Anhöhe erbaut ist. Auf dieser stehen Villen an Villen mit den
freundlichsten Gärten umgeben, deren Zierde Palmen, Lorbeeren, Granaten,
Sensitiva's und andere südliche Gewächse sind. An der äußersten Spitze der
Stadt ragt ein hoher Felsen aus dem Meere, auf welchem das Fort S. Pietro
liegt. Der kahle Kamm der Anhöhe ist von dem Fort Napoleone (oder
Fort =imperial=) gekrönt. Dies liebliche, durch das herrlichste Wetter
hervorgehobene Bild erinnerte mich lebhaft an die Beschreibungen und
Zeichnungen von Sicilien, während es von den griechischen Ansichten ganz
verschieden war. Auf dieser hier ruhte der Stempel des grandiosen und doch
lieblichen Italien, während die allgemeine Auffassung von Hellas schönen,
melancholischen, sehnsüchtigen Ernst ausdrückt. Wir waren aus dem Wagen
gestiegen und legten unsern Weg nach der Stadt zu Fuße zurück. Die
Straße senkt sich ziemlich rasch, von Villen eingefaßt, zu den mächtigen
venezianischen Stadtmauern hinab. Man machte uns aufmerksam, daß die
Landhäuser durch eine Strecke leer und leblos aussehen; sie wurden 1805 von
Russen und Montenegrinern vereint geplündert. Die Franzosen vertheidigten
sich damals im Innern der Stadt. Da das Land arm und die Macht der Nobili
gebrochen ist, diese aber, weil ihre Besitzungen Majorate sind, dieselben
nicht verkaufen können, so sind die nackten Mauern der langsamen Zerstörung
der Zeit ausgesetzt. Durch zwei schief hinter einander stehende massive
Steinthore gelangten wir in eine breite, mit weißen Quadern gepflasterte
Straße der innern Stadt. Wir glaubten nach Venedig versetzt zu sein. Gleich
am Beginne steht das im byzantinisch-gothischen Style erbaute Kloster der
Franziskaner; demselben folgt die schönste Reihe von Palästen der alten
Nobili. Ragusa war im Kleinen eine Republik wie Venedig, von Adeligen
beherrscht, an deren Spitze ein Doge stand, welcher jedoch alle Monate
neu aus den Senatoren gewählt wurde. Während der kurzen Dauer seiner Würde
durfte er die Räume des schön eingerichteten Dogenpalastes nicht verlassen;
nur bei einer bestimmten Festlichkeit zeigte er einen seiner Füße außerhalb
der Thüre; diese Freiheit ist für einen Präsidenten der Senatoren fast
einem Gefängniß zu vergleichen; und doch riß sich jeder um die Würde.
Damit aber keiner der Adeligen im Staate übermächtig werde, mußte ein
Jeder seinen Besitz im Gebiete der Ragusanischen Republik an verschiedenen
Theilen zerstreut haben. In der Blüthezeit französischer Herrschaft wurde
dieses aristokratische Institut aufgehoben; mit den übrigen venezianischen
Landen kam auch diese einst selbständige Stadt mit ihrem Gebiete an die
österreichische Krone. Nun lebt nur mehr der Name der Nobili in deren
Söhnen, die sich in den Prachtgebäuden ihrer Väter ärmlich erhalten. Der
Glanz ist geschwunden, aber der Haß zwischen den einzelnen Parteien der
Republik lebt noch in den machtlosen Enkeln fort. Wie sich alle inneren
Feindseligkeiten ausgleichen, wenn es gilt, sich gegen eine dritte Macht zu
vereinigen, so kokettirte im Jahre 1848 auch eine Partei in Ragusa mit
dem aufrührerischen Venedig, mit dem die Stadt sonst in der größten
Feindseligkeit lebte. Von der an Palästen reichen Straße ziehen sich
schmale, finstere Gäßchen in die übrige Stadt, und selbst diese engen
Verbindungen sind wieder durch schöne Paläste gebildet. Die breite Straße,
deren gutem Pflaster man ansieht, daß es nie befahren wird, mündet auf den
pittoresken Platz der Moneta. Auch hier kann sich das Auge an der schönen
Architektur nicht satt sehen. Am bemerkenswerthesten ist das Münzgebäude,
mit den leichten venezianischen Bogenfenstern; die Hauptwache und neben
derselben ein schöner steinerner Brunnen, in dessen zierlich gearbeitete
Becken leichte Springquellen das klarste und beste Wasser werfen; eine
architektonisch schöne, wenn auch nicht große Kirche, dem heiligen Blasius,
Schutzpatron von Ragusa, geweiht. Wir besuchten das Innere derselben, in
welchem mir am meisten die Stellung der Orgel auffiel, da sie unmittelbar
hinter dem Hochaltar an der Wand schwebt. Wir begaben uns dann auf die
=Piazza del duomo=, auf welcher der Dogenpalast, das Miniaturbild des
venezianischen und die Domkirche stehen; diese ist aus einem weißlichen
Steine im römischen Style gebaut. Man führte uns in eine mit Goldzierrathen
überfüllte Kapelle in der Nähe des mittleren Schiffes, in welcher sich eine
unendliche Masse von Reliquien befinden, die durch Alter und geschmackvolle
Fassung merkwürdig sind. Etwas unangenehm zu sehen war der ganze Körper
eines Heiligen, dessen Hülle, mit Farbe und Wundmalen des Todes in Wachs
bossirt gezeigt wird. Die Geistlichkeit schien jedoch den Leib dieses
Heiligen besonders zu verehren. Mit Stolz zeigte man uns diese Sammlung und
wirklich habe ich auch noch nie so viele heilige Reliquien auf einem Orte
vereinigt gesehen. Unter den vielen sehenswerthen Dingen fiel mir eine
goldene Kanne nebst Becken auf; in diesem befanden sich die Symbole des
Meeres in dunklem Metall auf das zierlichste gearbeitet. Man sah Fische,
Eidechsen, Krebse, Molche und dergleichen Gethier. Ein Geistlicher drückte
mir sein Bedauern aus, daß die Maschinerie dieses Kunstwerkes verdorben
sei, indem einst bei den Waschungen, in dem Augenblick als das Wasser auf
das Becken traf, die Thierchen durch die Kraft des Wasserdruckes lieblich
kreisten.

In der Perrückenzeit liebten die Geistlichen dergleichen bizarre
Kunstschätze, und in vielen Klöstern findet man noch Gegenstände dieser
Art. Von der Kirche gingen wir in den Dogenpalast. Zu ebener Erde läuft
eine breite leichte Säulengallerie mit maurischen Bogen; einer der Pfeiler
ist aus dem Aesculaptempel von Epidaurus -- das heutige Ragusa vecchia, --
sein Capitäl ist mit sinnigen =haut-reliefs= geziert, welche sich auf
die Kunst des heilenden Halbgottes beziehen. Einst hatte der Palast einen
zweiten Stock, welcher aber in dem furchtbaren Erdbeben 1760 einstürzte. Im
inneren Hofraume führt eine freie, sehr schöne Arkadenstiege in den ersten
Stock. Am Fuße derselben steht die hölzerne, leicht mit Blech überzogene
Büste eines Bürgers der Republik, welcher derselben eine sehr große Summe
vermachte. Für eine solche patriotische That ist ein jeder Staat immer
außerordentlich dankbar. Die Pracht der innern Palast-Räume ist ganz
verschwunden, und statt eines Dogen herrscht jetzt in denselben ein
Bezirkshauptmann, bei welchem wir unsere übrigen Reisegefährten antrafen.
Sie hatten keine besonderen Waffengeschäfte gemacht. Der Kreishauptmann
führte uns auf eine am Gebäude befindliche Terrasse, von der man eine
schöne Aussicht auf einige Paläste, das Meer und den kleinen Hafen der
Stadt hat. Als wir den Herzogssitz verließen, gingen wir an dem schönen,
aber ziemlich verfallenen Dominikaner-Kloster vorüber, aus der Stadt
hinaus. Man wollte uns das am Meere befindliche Lazareth und den
Türken-Bazar zeigen. Der letztere ist ganz das Gegentheil von dem in
Smyrna; ein wüster, leerer Raum, auf welchem die Türken dreimal die
Woche mit den Ragusanern Handel treiben. Zu meiner Freude sah ich einige
Mohammedaner in ihrer schönen Tracht hier versammelt, die mich an
mein liebes, schönes Smyrna erinnerten. In die Stadt zurückgekehrt,
durchstreiften wir noch einige palastreiche Gassen und beschlossen unseren
kurzen Aufenthalt in Ragusa mit einem Besuche im Franziskaner-Kloster,
welches sich an der Stadtmauer befindet. In der Kirche sind einige schöne
Marmor-Altäre. Das Interessanteste im Kloster ist jedoch ein Kreuzgang im
reinsten Style gebaut, welcher an den Wänden des Hofraumes herum läuft,
und auf dessen leichten byzantinischen Säulen eine breite Terrasse mit fein
ciselirter Steinbalustrade ruht; sie dient den Mönchen zum Spaziergange. In
der Mitte des Hofes erhebt sich ein mächtiger Orangenbaum. Der freundliche,
äußerst wohlwollende Prior zeigte uns jeden einzelnen Theil des Klosters,
worunter die neu errichtete Bibliothek von einiger Bedeutung ist. Beim
Thore fanden wir wieder unsere kostbare Kalesche und kehrten mit dem
Bezirkshauptmann über die =Bella vista= nach Gravosa zurück. Ragusa hatte
mir mit seinen vielen historischen Erinnerungen einen sehr bedeutenden
Eindruck gemacht. Die Lage ist so schön, das Klima mild und die Stadt
überdieß an Gegenständen reich, die das kunstliebende Auge ergötzen. Der
Bezirkshauptmann begleitete uns auf das Schiff, da er uns nach Tisch die
berühmten Platanen von Canossa zeigen und des andern Morgens nach Curzola
und Sabioncello begleiten wollte. Wir hätten uns gleich in Bewegung
gesetzt, da die Maschine schon geheizt war, aber unser guter K. hatte sich
so sehr in die Bibliotheken der Stadt vertieft, daß er erst spät, zwischen
einem Franziskaner und Weltpriester, wie ein Sträfling am Ufer erschien
und noch lange im Eifer des wissenschaftlichen Gespräches des Kahnes nicht
achtete, welchen wir um ihn sandten. Als er sich endlich wieder an Bord
einstellte, verließen wir Gravosa und steuerten zwischen den Inseln
Callamota, Mezzo und Giupana nach Canossa, wo wir schon nach gesunkener
Sonne ankamen. Der Bezirkshauptmann erzählte uns, daß man noch heut zu Tag
auf der Insel Mezzo einen mantelartigen Ueberwurf Kaiser Carl's =V.= zeige:
ein hoher Beamte dieser Gegend machte seine Aufwartung bei dem Kaiser,
derselbe empfing ihn in der Eile in diesem Mantel und erlaubte dem
Aufwartenden, sich eine Gnade auszubitten; da damals noch Bewunderung für
die kaiserliche Person herrschte, bat sich der Beamte den weiß seidenen
Mantel, der des Kaisers Schultern bedeckte, zum Geschenke aus. -- Die
nächstfolgende Insel St. André ist rauh und kahl; die einzigen Bewohner
waren wenige Mönche in einem kleinen Kloster. Doch das Eiland ist durch
eine rührende Geschichte, welche sich auf demselben zutrug, berühmt
geworden. Ein junger Nobile, der sich in den Mauern des Klosters befand,
wurde von einem Bauernmädchen, die das gegenüber am Festlande liegende Val
di noce bewohnte, geliebt. Das Mädchen schwamm alle Abende über die weite
Meerstrecke an einen Punkt, welchen ihr der junge Mönch durch ein Licht
anzeigte. Die Brüder des Mädchens bekamen Kenntniß von diesem Verhältniß
und eines Abends, da die Schwester den Geliebten besuchen wollte, eilten
sie ihr in einem Kahne voraus. Als sie das Wasser von der Bewegung, die
sie im Schwimmen machte, rauschen hörten, zündeten sie ein Licht an. Das
Mädchen folgte dem leuchtenden Punkte und schwamm mit ängstlicher Hast auf
denselben zu. Die wilden Brüder eilten jedoch immer weiter, die Schwester
dem Lichte nach, bis sie endlich zum Tode ermattet, in die Fluthen versank.
Sieht man die melancholische Gegend, das sanfte, blaue Meer, auf welchem
sich die letzten Strahlen der scheidenden Sonne brechen, so macht diese
traurige Geschichte einen tiefen Eindruck. --

Canossa ist der Landaufenthalt eines Ragusaner Nobile. Ueber einen
felsigen, äußerst steilen Weg klimmten wir zum Eingange des Gartens hinan.
Hier herrschte wieder die südliche Ueppigkeit im vollsten Maße. Mauerdichte
Laubgänge von Lorbeer und Buchs durchschnitten Wälder von blaugrünen
Oliven; gegen das Meer hin zogen sich lange Terrassen auf die schroffen
Felsen gebaut, und von Arkaden mit lieblichen Traubengewinden gekrönt.
Die frische, jugendkräftige Natur zeigte sich noch blühender im mystischen
Abendlichte. Wie wir die Haine mit stiller Bewunderung durchwanderten,
blieben wir plötzlich von Ueberraschung bewältigt stehen: wir befanden uns
vor der größten Eiche, die ich jemals gesehen habe. Zum Himmel strebt der
regelmäßige Stamm des riesigen Baumes, und erst in beträchtlicher Höhe
breitet er seine mächtigen Arme aus, die herumstehenden Bäume mit seinem
Dache schützend. Diese Eiche soll erst 150 Jahre zählen. Ihr grünes,
reiches Laub wird also noch manche Generation erfreuen, da ja das
Sprichwort sagt: »hundert Jahre wachse, hundert Jahre stehe und hundert
Jahre sterbe dieser Baum,« auch trotzt er noch jetzt mit ganz jugendlicher
Kraft den Stürmen der Zeit. Hätte nur auch die deutsche Eiche diese Kraft,
die dem Baume von Canossa innewohnt! Wir lenkten unsere Schritte zu einem
mit einem steinernen Neptun gezierten Bassin. Die Springbrunnen, welche
einst die reichen Ahnen entzückten, fehlen den verarmten Enkeln, das
steinerne Werk einstiger Größe zerfällt nun zur Ruine; doch eben das gab
diesem Punkte ein melancholisch malerisches Aussehen. Durch die Risse des
Gemäuers strebten Pflanzen aller Art und die Ketten des immer frischen
Epheu's hielten die lebensmüden Steine und schlangen sich um die
verwitterten Glieder des trauernden Wassergottes. Es war eine gar wilde,
reizende Unordnung in der Umgebung dieses Platzes, aus der man sah,
mit welcher Lust die Natur sich der Kunst entledigt. Im stillen Abende
rauschten und flüsterten die Blätter der Myrten und Granaten und erzählten
sich wohl gar manches von der einstigen Pracht, welche in diesem Orte
waltete, als noch die Senatoren die freien Herrscher des Landes waren.
An den die künstlichen Brunnen ehemals speisenden Quellen stehn die
weitgerühmten Wunder der Gegend: die Platanen von Canossa. Es sind die zwei
riesigsten Bäume Europa's. Mit ihren verzweigten, schattigen Aesten bilden
sie ein Gewölbe, unter welchem einmal ein ganzes österreichisches Regiment
lagerte. Für ihre ungeheure Größe sind sie noch jung, denn sie zählen
ebenfalls nicht über 150 Jahre. Der Umfang der ältern beträgt 27, der der
jüngern 30 Schuh. Jeder Hauptast hat die Dicke eines beträchtlichen Baumes.
Zwei Aeste der beiden Bäume sind in einander gewachsen. Die Rinde des
Hauptstammes ist frisch und glatt, und nirgendwo bemerkt man Spuren von
Alter. Die Platane ist schon an und für sich ein herrlicher Baum, wie
zauberhaft erscheint sie erst in einer solchen Größe!

Als wir aus dem Garten auf unser Schiff zurückkehrten, war es finstere
Nacht; der reine, blaue Himmel hatte sich rasch mit schwarzen Wolken
umzogen. Wir fuhren nun die Nacht über der Insel Curzola zu. Als wir
Morgens erwachten, befanden wir uns vor dem Städtchen, welches den Namen
der Insel Curzola führt. Das Wetter war trübe und regnerisch, was keiner
Gegend vortheilhaft steht, besonders wenn sie so kahl ist, wie die Umgebung
der Stadt. -- Nach eingenommenem Frühstücke fuhren wir ans Land. Auch in
diesem Orte ist alles nach venezianischem Muster gebaut: hübsche kleine
Balkons, maurische Bogen mit graziösen Verzierungen und dergleichen
Schmuck, welcher dem Bürgerhause einen unwiderstehlichen Reiz giebt. Unsere
Vorfahren haben diese Kunst verstanden und mit Recht konnte der ärmste
Städter das Aeußere seines Hauses malerisch, das Innere desselben wohnlich
nennen, wogegen die jetzige Architektur, selbst bei den Palästen kalt,
steif und unwohnlich ist. Nicht die gerade gemessene Linie und die
glatte Wand befriedigt den Schönheitssinn: das Auge sucht nach zierlich
geschlungenen Linien und heimlichen Ruhepunkten. Das altdeutsche Haus mit
Erker und Thürmchen und der venezianische leicht geschwungene
Fensterbogen, der auf den traulichen Balkon führt, sind mir lieber, als das
kasernenartige, weiß angestrichene Gebäude des 19. Jahrhunderts, welches
an die Kinderhäuser aus Pappe erinnert. Mit den Zinsspekulationen und
überhaupt mit den Miethwohnungen hat die Poesie in diesem Fache aufgehört.
Auch der Dom dieser kleinen Stadt erweckt durch seinen Bau Interesse. Als
wir in denselben eintraten, spielte irgend ein patriotischer Künstler
zu unserer Bewillkommnung den Radetzky-Marsch auf der Orgel, was sich in
diesen heiligen Räumen und auf diesem Kircheninstrumente gar sonderbar
ausnahm. Doch höre ich immer diesen Schwanengesang des verstorbenen Strauß,
wo es auch sei, außerordentlich gern. Das Innere des Gotteshauses war
düster, aber ehrwürdig. In einer Seitenkapelle zeigte man uns, hinter
Säulen versteckt, einen schönen Titian. Wir bewunderten auch in diesem
Bilde die Farbenpracht und würdevolle Composition des großen Meisters.
Beim Durchschreiten der engen und ernsten Gassen bemerkten wir an der Thüre
eines verfallenen Palastes einen prachtvollen Thorhammer aus korinthischem
Metalle, welcher in künstlerisch ausgezeichneter Arbeit Neptun mit
zwei Meer-Rossen darstellt. Die Schönheit dieses Werkes ergriff uns
Kunstliebhaber so sehr, daß wir von dem Instrumente Gebrauch machten, um
den allenfallsigen Bewohner der verfallenen Räume heraus zu beschwören, da
es in unserer Absicht lag, dieses Kunstwerk wo möglich an uns zu bringen.

Auf den ersten wohltönenden Klang des Metalles erschien kein dienstbarer
Geist, erst als wir anfingen stärker zu poltern, öffnete sich die morsche
Thür und es zeigte sich eine gutmüthige Hexe mit einem blinden Manne, ob
des Besuches sehr verwundert. Es mag auch schon lange Zeit verstrichen
sein, seit menschliche Wesen sich um diesen alten Herrn mit seiner Dienerin
erkundigt haben. Wir lobten den Meergott, was die Leute zu entzücken
schien; als wir jedoch um den Preis fragten, wollte der alte Herr nichts
davon wissen. Er versicherte, daß ihm schon ein Engländer so viel
Silber geboten habe, als der schwere Hammer wiege. Dies erschreckte
uns einigermaßen und wir empfahlen uns augenblicklich, um uns aus den
Stadtmauern hinaus auf den Schiffsbauplatz zu begeben. Hier werden sehr
viele und ganz vortreffliche Schiffe gebaut, welche der Stadt einen Ruf und
einen Werth geben.

Das Material kommt aus der Herzegovina und aus dem Thale der Narenta.
Der einzige Reichthum der Dalmatiner beruht auf dem schäumenden, ewig
wechselnden Elemente, mit welchem sie ausdauernd im Kampfe stehen; sie
müssen auf den Fluthen ihr Glück suchen, da der größte Theil des Landes
ihnen nur glühende, unfruchtbare Steinpartien bietet. Wir kehrten nun auf
unser Schiff zurück und näherten uns der Halbinsel Sabioncello. Das Meer
war wieder bewegter geworden, daher der größere Theil der Gesellschaft
nicht den tanzenden Kahn besteigen wollte. Nur Graf C., Professor G. und
ich sprangen in das schaukelnde Fahrzeug und hüpften beim stärksten Regen
über Berg und Thal dem Lande zu. Den Ort Sabioncello hatte man uns wegen
der merkwürdigen Kostüme der Frauen gerühmt; es ist eigentlich nur eine
Reihe einzelner am Meere liegender Häuser, welche von üppigen Gärten, in
denen Palmen grünen, umgeben sind. Sie gehören reichen Schiffsbesitzern,
die den größten Theil ihrer Jugend auf Weltreisen zubringen und erst dann
mit Schätzen beladen einen gemächlichen häuslichen Herd gründen. Wir traten
in das Haus des Podesta, welcher ebenfalls einst ein reisender Kapitän war
und dessen zwei Brüder sich noch in diesem Augenblicke in Amerika befinden.
Der Zweck unseres Besuches war, eine der Trachten zu sehen, welche die
Frauen dieser Halbinsel schon seit Jahrhunderten unverändert tragen. Man
wies uns Stühle in einem recht reinlichen und anständigen Salon an, welcher
mich an die Romane von Marryat erinnerte. An der Wand hingen Kupferstiche
in einfachen Rahmen, Seekarten und Perspective erhöhten den Schmuck des
seemännischen Zimmers, die Möbel waren von leichtem Holz und Rohr und mögen
wohl ehemals in der Cajüte eines Schiffes gebraucht worden sein. Der Boden
war, wie auf einem Verdecke, auf das reinste gescheuert. Eine Glasthür
führte auf einen Balkon, welcher die Aussicht auf das Meer gab und von wo
gewiß manchmal die Gattin dem kommenden Kauffahrer entgegen gesehen haben
mag; und noch jetzt ist es das Interesse und Vergnügen des alten Kapitäns,
mit seinem guten Fernrohr den Lauf der kommenden und gehenden Schiffe zu
verfolgen. Wir warteten nicht lange, bis die auffallend hübsche Tochter
des Podesta in der eigenthümlichen Tracht erschien. Auf dem Kopfe hatte sie
einen hohen Strohhut nach Männerart, an dessen schmalem Rande sich ein sehr
breites, farben- und faltenreiches Band aufstülpte und so denselben fast
ganz deckte. An der einen Seite des Hutes befanden sich fünf bis sechs
verschiedenfarbige große Straußfedern. Vom Rande des Hutes hingen an beiden
Seiten, in der Nähe der Ohren, kirschrothe leicht geschlungene Bändchen
herab. Zwei rabenschwarze Locken bildeten einen schönen Gegensatz zur
blendend weißen Haut des feinen Gesichtes. Im reichen Zopfe steckten
goldene Nadeln nach Art der Römerinnen. Um den weißen Nacken schlangen sich
verschiedenartige Ketten von demselben Metalle; den Obertheil des Körpers
bedeckte ein brauner Spenser und ein kleines Tuch aus den schreiendsten
Farben zusammengesetzt. Das Mieder war ebenfalls vielfarbig und mit
goldenen Ketten und Münzen geschmückt. Der Rock bestand aus einem rothen,
blauen und gelben breiten, horizontalen Streifen. Die kleinen Füßchen
steckten in zierlichen Lederschuhen mit großen Bändermaschen geziert. Das
Ganze war ein Gemenge von bunten und schreienden Farben; wäre der bizarre
Hut nicht gewesen, so könnte man die Tracht schön nennen. Bei Witwen ist
alles Farbige schwarz, doch die Form der Kleidung bleibt dieselbe. Graf
C. wollte als galanter Ritter das schöne bescheidene Mädchen ansprechen,
leider verstand sie aber keine unserer Sprachen.

Unter einem reichen Erguß des Himmels kehrten wir befriedigt in unseren
schwimmenden Palast zurück und neckten die zurückgebliebenen Wasserscheuen
mit dem schönen Anblicke, der uns im Hause des Podesta zu Theil geworden
war.




Der vierte October auf offener See.


Um acht Uhr war die Stunde zur Abfahrt vom Hafen von Zara bestimmt. Es war
der Tag des Namensfestes unseres vielgeliebten Monarchen. Schon gestern
waren wir zu einem großen Diner beim Stellvertreter des Gouverneurs
eingeladen; derselbe brachte während des Speisens einen Toast auf den
Kaiser aus, welcher mit Jubel unter dem Schall der Musik und dem Donner der
Kanonen aufgenommen wurde. Heute kam noch in aller Frühe der liebenswürdige
Gastgeber, mit den übrigen Generalen der Stadt, auf einer Barke zum Vulkan,
um von uns Abschied zu nehmen. Wir dankten ihm herzlich für die rührende
Freundlichkeit, welche er während der zwei Tage unserer Anwesenheit für uns
gehabt hatte; denn er hatte alles aufgeboten, um uns auf irgend eine Art zu
unterhalten und uns das Andenken an diesen kleinen Ort angenehm zu machen.
Einen Tag war Soirée und Theater, den zweiten führte er uns selbst in dem
Städtchen herum, um uns die einzelnen Merkwürdigkeiten desselben zu zeigen.
Nach dem großen Diner, welches er uns gab, machte er mit uns eine Promenade
in die nicht uninteressanten Umgebungen von Zara. Am gestrigen Abend ließ
er die Musik im beleuchteten Volksgarten spielen. Er hatte das Talent,
diese kleinen Feste wie aus der Erde zu zaubern; dadurch wurde uns der
Aufenthalt in Zara wirklich recht angenehm. Die Sehenswürdigkeiten des
Städtchens sind nicht groß, obwohl es, wie alle Orte, welche unter der
venezianischen Botmäßigkeit standen, einige interessante Kirchen und
Festungswerke hat. Das Merkwürdigste der Neuzeit ist eine bombenfeste
Kaserne, welche sich durch ihren zweckmäßigen und schönen Bau auszeichnet.
Auch sehr schöne Cisternen befinden sich unter dem Titel =cinque pazzi=
innerhalb der Festungsmauern.

Alle Flüssigkeiten aus der Stadt vereinigen sich hier, werden mittelst Sand
filtrirt, und kommen in genießbarem Zustand heraus. Der Gedanke ist, wenn
auch nicht appetitlich, doch äußerst sinnreich. Durch die =porta della
terra ferma=, welche im außerordentlich schönen venezianischen Style
aus schweren goldgelben Steinen aufgebaut ist, gelangt man, wie der Name
derselben ausdrückt, in das Land, welches in der Nähe der Stadt sehr flach
und monoton ist. Das Meer jedoch, welches jede Gegend mit einem eignen
Zauber hebt, die zahlreichen Inseln und die großen Bergketten, welche
Dalmatien von der österreichischen Militärgrenze trennen, geben der
Landschaft besonders gegen Abend einen schönen melancholischen Ausdruck.
Die häuser- und baumleeren Flächen erhalten durch die sinkende Sonne eine
Lilafarbe, welche ihnen einen schwermüthigen Anstrich giebt, der zur Seele,
wenigstens zu meiner, spricht und sie mit einem süßen Weh erfüllt. Die
Vegetation ist arm und der Mangel an Wäldern erinnert an die drückende,
ausraubende Herrschaft der See-Republik. Das Aufkommen neuer Baumkultur
vermindert leider die große Anzahl von Ziegen, welche außer den Eseln die
Hauptviehzucht des Landes ausmachen. Durch den Mangel an Vegetation sengt
die Sonne überall und die Quellen sind versiegt.

In diesem Punkte, wie in vielen andern sind Dalmatien und Griechenland
vergleichbar. Beide sind in dieser Hinsicht zu bedauern und die Abhülfe
ließe sich nur mit Gewaltmaßregeln durchführen, deren Nutzen das Volk erst
nach langen Jahren fühlen würde; aber der Egoismus ist in der Welt zu weit
vorgedrungen. Alles denkt nur an den Augenblick. Und für die Regierung,
wenn sie nicht vom Volke unterstützt wird, sind solche Maßregeln eine
schwere Sache. Es gehörte hierzu der zähe, eigensinnige Wille einer
Frau, wie Englands Elisabeth, die in ihrem Eilande alle häßlichen
und fehlerhaften Pferde umbringen ließ, um die Race zu heben; es ward
durchgesetzt, aber freilich freuten sich erst die Enkel dessen.

Als es acht Uhr schlug und die Räder unseres Schiffes zu rauschen anfingen,
brachten uns die freundlichen Generale noch vom Ufer aus ein dreimaliges
Hoch, und unter dem Donner der Kanonen und den Tönen der Volkshymne,
welche dem Lande den Namenstag des Kaisers verkündeten, verließen wir mit
aufgehißten Wimpeln die Stadt Zara. Es war ein imposanter Augenblick,
und stolz hob sich unser österreichisches Selbstbewußtsein. Groß ist der
Gedanke, daß so ein Tag von den kalten Endspitzen Galiziens, bis in den
tiefsten Süden Dalmatiens gefeiert wird! Der Morgen war leider etwas trüb,
das Meer jedoch zur großen Freude der Aengstlichen außerordentlich ruhig.
Den Vormittag brachten wir theils auf dem Verdecke, theils in den Cajüten
zu, wozu uns ein unangenehmer Regen zwang, der das Verdeck überschwemmte.
Man schrieb Journale, rief politische Dispute hervor, welche gewöhnlich vom
Graf C. ausgingen, und brachte so recht angenehm und heiter einige Stunden
zu. Als wir noch auf dem Verdecke dem schlechten Wetter trotzen wollten,
ward uns ein Schauspiel zu Theil, welches allgemeines Bedauern erregte. Wir
segelten gar weit vom Lande, als plötzlich ein armes Rothkehlchen ängstlich
um unsere Köpfe schwirrte; es suchte überall einen Ruhepunkt für seine
matten Glieder, doch kaum hatte es sich auf ein Tau gesetzt, um sich etwas
Ruhe zu gönnen, so wich es wieder scheu vor den ihm neuen Gegenständen
zurück. Zu einer Rückkehr auf das Land war keine Möglichkeit mehr. Es hatte
sich zu weit über die trügerischen Fluthen gewagt. Mehrmals verloren wir
es aus dem Auge, doch bald erschien es wieder von Mattigkeit überwältiget;
endlich entschwand es unseren Blicken und fand vermuthlich in den Wellen
den Tod. Es erinnerte so lebhaft an den Eingang zu Lenau's Faust. Der
große Dichter schildert dieses Bild mit so viel inniger Wärme und tiefer
Melancholie. Gern hätten wir das arme Thierchen gerettet, doch ihm
beizukommen war keine Möglichkeit. Gegen die Essenszeit heiterte sich das
Wetter zu unserer großen Freude auf und wir konnten den schönen Tag nach
Möglichkeit feiern. Wir ließen die Tafel auf dem frisch geputzten Verdecke
bereiten, und setzten uns in voller Parade zum Male. Der Kapitän befahl,
die großen Kanonen zu laden um im Augenblicke des Toastes die Laute des
Geschützes über die Fluthen des österreichischen Meeres donnern zu lassen.
Aus der Kellerprovision wurde der letzte gute Wein gereicht, mit dem man
während der Reise nicht sehr gespart hatte. An diesem Tage mußte alles
glänzend sein; auch war er ja einer der letzten unserer schönen Reise,
die wir nur der Huld des Monarchen zu danken hatten. Alle Officiere des
Schiffes hatten wir zur Tafel gezogen. Um fünf Uhr versammelte man sich.
Die schweren Wolken, welche den Morgen getrübt hatten, zerstreuten sich an
Oesterreichs schönem Horizonte; alles war in der heitersten fröhlichsten
Laune. Selbst mein Bruder, welcher vom hitzigen Fieberanfalle, Gott sei
Dank, wieder hergestellt war und der arme Kapitän, der sich seit einigen
Tagen leidend fühlte, erschienen. Heute wollte ja Niemand fehlen. In der
Mitte des Males erhoben wir uns, die Matrosen stiegen auf die Raen. Ich
brachte den Toast auf das Wohl des Kaisers mit innigem, vollem Herzen aus
und von allen Seiten des Schiffes, von oben und unten, tönte der freudige
Jubelschall, unterstützt vom Donner der Kanonen, und in demselben
Augenblick schwanden die Nebel und das Tagsgestirn stand glühend und
prächtig auf dem reinen Spiegel der sanften Fluthen. Himmel und Meer
erglänzten in goldener Pracht, und so vereinigte sich Wasser und Luft und
die scheidende Sonne, deren letzte Strahlen auf unseren hoch erhobenen
Champagner-Gläsern wieder glitzerten, zur Feier des Tages. Nun folgte Toast
auf Toast und eine stille Wehmuth ergriff uns bei dem Gedanken, daß wir zum
letztenmal an froher Tafelrunde auf dem theueren Vulkan säßen. Auf jeden
neuen Jubelruf scholl die Antwort der Matrosen, welche auf dem Takelwerk
geblieben waren, gleich einem Echo, bis auch sie an die Reihe kamen und mit
Wein beschenkt wurden. Der Genuß des feurigen Rebensaftes verfehlte seine
erheiternde Wirkung nicht, vom Ersten bis zum Letzten waren alle guter
Dinge, wie es sich an einem solchen Tag geziemt. Obwohl wir aus südlichen
Ländern kommend, die Kühle empfindlicher spürten, blieben wir doch noch bis
zum späten Abend auf dem Verdecke. Als es schon völlig dunkel war,
erscholl noch das »Gott erhalte« von den muntern und dankbaren Matrosen
in italienischer Sprache gesungen. Nachdem sie noch einige Liedchen
ausführten, begaben wir uns alle zur Ruhe der letzten Nacht, welche unsere
Reisegesellschaft hier zubrachte. Wie froh war ich, daß wir wenigstens den
Abend noch so heiter und zufrieden verlebt hatten.


  Druck von Bär & Hermann in Leipzig.




[ Hinweise zur Transkription


Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt. In dieser Transkription
wird gesperrt gesetzte Schrift "_gesperrt_" wiedergegeben, und Textanteile
in Antiqua-Schrift sind "=hervorgehoben=".

Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, einschließlich
uneinheitlicher Schreibweisen wie beispielsweise "Balcon"/"Balkon",
"Caravane"/"Karavane", "Caserne"/"Kaserne", "Costüme"/"Kostüme",
"Feste"(Burg)/"Veste", "Gebärden"/"Geberden", "Mahl"/"Mal",
"Meisel"/"Meißel", "Piräus"/"Pyräus",

mit folgenden Ausnahmen,

  Seite 70/71:
  "Retterbottes" geändert in "Retterbootes"
  (erwartete man den taktmäßigen Ruderschlag eines Retterbootes)

  Seite 77:
  "keinesweg" geändert in "keineswegs"
  (der Anblick war keineswegs so freundlich feenhaft)

  Seite 98:
  "frückstücken" geändert in "frühstücken"
  (das königliche Ehepaar zu frühstücken pflegt)

  Seite 111:
  "enem" geändert in "einem"
  (bald befand er sich in einem Säulenwalde)

  Seite 115:
  "von" geändert in "vom"
  (während in unmittelbarer Nähe der vom Rumpfe abgebrochene Kopf)

  Seite 121:
  "Ueberbleisel" geändert in "Ueberbleibsel"
  (lasen von der zerbrochenen Flasche Ueberbleibsel als Andenken auf)

  Seite 134:
  "." eingefügt
  (ein romantisches Ziel für Spaziergänger. Die Aussicht auf Athen)

  Seite 136:
  "eben falls" geändert in "ebenfalls"
  (worauf wir ebenfalls diesen furchtbaren Punkt)

  Seite 145:
  "bber" geändert in "aber"
  (Der Römer ist groß, aber erdrückend schwer)

  Seite 152:
  "Beiweis" geändert in "Beweis"
  (in dieser Einrichtung zeigt sich ein Beweis richtiger Berechnung)

  Seite 155:
  "Mosche" geändert in "Moschee"
  (Als wir die Moschee verließen, um das Minaret zu besteigen)

  Seite 185/186:
  "inexbressibles" geändert in "inexpressibles"
  (Die =inexpressibles= von weißem Tuche mit Goldstreifen)

  Seite 194:
  "uaturgemäße" geändert in "naturgemäße"
  (Dandys werden über dieses naturgemäße Verfahren erschrecken)

  Seite 256:
  "," hinter "das" entfernt
  (erscholl noch das »Gott erhalte«)]






End of the Project Gutenberg EBook of Mein erster Ausflug, by 
Ferdinand Maximilian von Österreich

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     you already use to calculate your applicable taxes.  The fee is
     owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he
     has agreed to donate royalties under this paragraph to the
     Project Gutenberg Literary Archive Foundation.  Royalty payments
     must be paid within 60 days following each date on which you
     prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax
     returns.  Royalty payments should be clearly marked as such and
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     the Project Gutenberg Literary Archive Foundation."

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electronic work or group of works on different terms than are set
forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark.  Contact the
Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

1.F.1.  Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
collection.  Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
works, and the medium on which they may be stored, may contain
"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or
corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual
property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a
computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by
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1.F.2.  LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
liability to you for damages, costs and expenses, including legal
fees.  YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3.  YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
DAMAGE.

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defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
written explanation to the person you received the work from.  If you
received the work on a physical medium, you must return the medium with
your written explanation.  The person or entity that provided you with
the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a
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providing it to you may choose to give you a second opportunity to
receive the work electronically in lieu of a refund.  If the second copy
is also defective, you may demand a refund in writing without further
opportunities to fix the problem.

1.F.4.  Except for the limited right of replacement or refund set forth
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

1.F.5.  Some states do not allow disclaimers of certain implied
warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
the applicable state law.  The invalidity or unenforceability of any
provision of this agreement shall not void the remaining provisions.

1.F.6.  INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
with this agreement, and any volunteers associated with the production,
promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
that arise directly or indirectly from any of the following which you do
or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation information page at www.gutenberg.org


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at 809
North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887.  Email
contact links and up to date contact information can be found at the
Foundation's web site and official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     [email protected]

Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit:  www.gutenberg.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For forty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.

Most people start at our Web site which has the main PG search facility:

     www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.