The Project Gutenberg eBook of Briefe über Göthe's Faust
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Title: Briefe über Göthe's Faust
Author: Carl Gustav Carus
Release date: November 13, 2025 [eBook #77226]
Language: German
Original publication: de:
Credits: Karl Eichwalder and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Books project.)
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK BRIEFE ÜBER GÖTHE'S FAUST ***
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Anmerkungen zur Transkription
Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1835 so weit
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Briefe
über
Göthe’s Faust
von
C.G. Carus.
Erstes Heft.
Ein Vorwort und drei Briefe enthaltend.
Leipzig, 1835.
Verlag von Gerhard Fleischer.
In Commission bei Adolf Frohberger.
Sr. Wohlgeboren
=Herrn Johann Gottlob Regis=
in Breslau.
Dresden den 1. August 1835.
Wenn ich Ihnen, einem lieben und getreuen Freunde, mit welchem ich seit
länger als zwanzig Jahren über mannichfaltige Erscheinungen in Kunst,
Literatur und Leben, dann und wann mündlich, meistens aber brieflich
mich vertraulich auszusprechen gewohnt war, diese Briefe über den
Faust nun auch im Druck zusende und aneigne, nachdem sie Ihnen längst
schon im Manuscript bekannt geworden waren, so darf ich sicher eine
aufrichtige Theilnahme und wohlwollende, das Unvollkommne des Ausdrucks
ergänzende Aufnahme voraussetzen. -- Möchte ein ähnliches Verstehen
und Empfangen denselben auch sonst in der Welt zu Theil werden! --
Ich gestehe nun aber gern, daß ich den Kreis, innerhalb welches
+dieser+ Wunsch in Erfüllung gehen dürfte, für einen sehr eng
beschränkten halte; denn das Treiben der Welt ist vielleicht der
stillen Beschaulichkeit und dem Gefühle innerlicher Pietät, aus
welchem allein Äußerungen, wie die dieser Briefe, verständlich werden
können, kaum ungünstiger gewesen, als eben jetzt. Lassen Sie jedoch
uns damit diese zweifelhafte Stimmung beschwichtigen, daß, so wie uns
zuweilen im eignen wirklichen Leben aus Regionen, von welchen wir
besondre Theilnahme kaum je erwarten konnten, einzelne seelenverwandte
Individualitäten auftauchen, welche durch treulichstes Anschließen
und unversiegbares Wohlwollen unserm Leben stets neuen Reiz und die
Frische lebendiger Wirksamkeit erhalten, daß eben so auch unter der
„unbekannten Menge“ sich gewiß noch viele jener feiner gestimmten
Seelen finden, welche nicht blos Augen haben, zu sehen, was in
gewöhnlichem klarem Tageslichte um sie her sich begiebt -- sondern auch
achtsam mitempfinden das,
„was, von Menschen nicht gewußt
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.“ -- --
Und so wüßte ich denn kaum, was ich weiter diesen Briefen voranstellen
oder mitgeben sollte! -- Ich füge nur so viel bei, daß, so wie Ihnen
bekannt ist, diese ersten drei seien ganz unabsichtlich und nach und
nach, durch innere Geistesnothwendigkeit bedingt und in so fern meinen
Landschaftsbriefen ähnlich, entstanden, ich auch für die Folge die
Vermuthung nicht unterdrücken darf, es werde die nächstkommende Zeit,
noch manche andre mir bis jetzt nur dunkel vorschwebende Gedankenzüge
über den Faust in dieser Form festzuhalten und Ihnen ebenfalls zu
übergeben, die Gelegenheit gar wohl darbieten. -- Indem ich daher auch
einem etwa späterhin erscheinenden zweiten Heft gleiche liebevolle
Theilnahme erbitte, verharre ich aufrichtigst
Ihr
+treu ergebener+
=Carus.=
I.
Zweiter Weihnachtsfeiertag 1834 Abend.
Es ist heute Abend eine wunderbare Stille um mich her! ich finde mich
fast einsam in meinem geräumigen, bequemen Hause; eine ruhige, dunkle
Nacht liegt über dem Garten vor meinem Fenster ausgebreitet, und
kaum ein schwacher Schimmer des hochstehenden Jupiter dringt durch
das Nebelgewölk, welches den Himmel umzieht! -- im Zimmer rührt sich
nichts, als der leise Schlag der Uhr und einzelnes Knistern des eine
anmuthig gleiche Erwärmung verbreitenden Feuers, und wie denn nun in
solchen Momenten uns gern mannichfaltige Gedankenzüge über Erlebtes und
Durchdachtes vorüberzugehen pflegen, so ging es auch mir: -- in immer
tieferes, stilleres Sinnen über das Geheimniß meines eigenen Lebens
schien ich mich zu verlieren, und nur damit ein solcher Zug nicht ins
Unbegränzte sich ausdehnte, fühlte ich mich endlich getrieben, ihm
ein bestimmtes Ziel, einen festern Halt anzuweisen. -- Da kam es mir
denn zu guter Stunde ins Gedächtniß, wie ich Ihnen versprochen hatte,
mitzutheilen und gleichsam der Freund dem Freunde Rechenschaft zu geben
von den Gedanken, die in mir rege geworden sind, seit ich den Faust von
Göthe vollendet gelesen, wiedergelesen, ja in mich eingelebt hatte! --
Lassen Sie mich denn auch zu diesen Gedanken sagen:
„Versuch ich wohl, euch dießmal fest zu halten -- --
Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt? --
Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert
Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert!“
und so denn ohne alle weitere Vorworte zur Sache! --
Zuerst aber führe ich Ihnen einen Gedankenzug heran, den eine
gelegentliche Äußerung Göthe’s über Dante, in seinen Briefen an Zelter,
veranlaßt hat.
Göthe nämlich, der, wie wir manchmal besprochen haben, wunderbarer
Weise eigentlich nie dem Dante recht nahe gekommen zu sein scheint,
macht doch dazumal, als eine moderne Übersetzung seinen Blick dorthin
richtete, folgende hübsche Bemerkung: „Bei Anerkennung der großen
Geistes- und Gemüths-Eigenschaften Dante’s werden wir in Würdigung
seiner Werke sehr gefördert, wenn wir im Auge behalten, daß gerade
zu seiner Zeit, wo auch Giotto lebte, die bildende Kunst in ihrer
natürlichen Kraft wieder hervortrat. Dieser sinnlich-bildlich bedeutend
wirkende Genius beherrschte auch ihn.“ -- Und so ist es ganz gewiß!
-- Wie nichts isolirt steht in der Welt, so am wenigsten irgend ein
bedeutender, mächtig auf seine Zeit wirkender Geist -- er konnte
+so+ nur +erstehen+ in gerade seiner Zeit, und wir können ihn nur
+verstehen+, indem wir uns das, was seiner Zeit eigenthümlich ist,
möglichst klar und deutlich zu machen suchen. -- Sie fühlen nun schon,
wo ich hin will, wenn ich dieses in Beziehung auf Göthe anführe, und
ersparen mir zu sagen, in wie vieler Hinsicht Göthe die Blüthe und
Spitze +seiner+ Zeit genannt werden muß; -- denn die Überzeugung
hiervon ist in Ihnen längst so lebendig, wie in mir. -- Aber +eins+
wollte ich doch hier herausheben und zu bedenken geben, weil es +mir+
gerade bei meinen naturwissenschaftlichen Bestrebungen vielleicht
deutlicher geworden ist, als manchem Andern. -- Offenbar nämlich
regt sich in unsrer Zeit eine Tendenz, alles, was der Erfahrung,
der Betrachtung und Erforschung vorliegen kann, seiner Entstehung,
seiner Geschichte, seiner Entwickelung nach zu untersuchen und zu
begreifen; das Überlieferte, das zu einem Bestehenden schon Gewordene,
die Autorität mit einem Worte geradehin als solche gelten zu lassen
und anzuerkennen, hat Niemand mehr besondre Lust; man sucht nach
der Art und Weise, +wie+ irgend etwas sich herangebildet und nach
und nach erschlossen hat, und will es, nach seinen verschiedenen
Perioden zusammengefaßt, erst als ein Ganzes erkennen und dem Urtheil
unterwerfen. Wer irgend mit Aufmerksamkeit um sich blickt, wird hierzu
die mannichfaltigsten Belege erkennen können! Haben wir nicht im
politischen Leben aus solchen Bestrebungen die gewaltigsten Bewegungen
hervorgehen sehen? ist nicht im gewöhnlichen Leben hieraus nach
und nach eine andre Stellung der Glieder bürgerlicher Gesellschaft
entstanden? -- und welchen Umschwung endlich haben die Wissenschaften
von dieser Seite her erhalten! ist nicht die genetische Methode, das
Streben, jede Betrachtungsreihe mit dem Ur-Phänomen zu beginnen, der
Trieb, durch das Schauen des Werdens das Gewordene zu begreifen,
von dem außerordentlichsten Einflusse, namentlich auf alles, was
Naturwissenschaft heißt, gewesen? -- Dieser Genius der Zeit ist
es denn, der auch an Göthe, und an ihn besonders, sein Evangelium
richtete! Zeugniß davon geben seine eigenthümlichen wissenschaftlichen
Arbeiten, Zeugniß gibt sein Blick auf die Pflanzennatur in ihrer
allmähligen Entwicklung und Verwandlung, Zeugniß gibt seine
prophetische Deutung der Theile des Skeleton und seine Erkenntniß der
Wirbelbildungen in dem Knochengebäude des Schädels, Zeugniß endlich
geben seine schönen Anschauungen der Entstehung und Bedeutung der
Farben. -- Daß aber das Auge des Dichters für diese Geheimnisse
erschlossen wurde, konnte das ohne Wirkung bleiben auf seine
Dichterwerke? -- Mußte ein Dichter, dem die Bedeutung jener alten Worte
sich offenbart hatte: „Siehe, er geht vor mir über, ehe ich’s gewahr
werde, und verwandelt sich, ehe ich’s merke,“ ein Dichter, dem die
Welterscheinung nicht als ein fest eingerahmtes unbewegliches Bild,
sondern in ihrer rastlos dahinziehenden, ewig fort und fort wechselnden
Bewegung erschien -- mußte er nicht anders dichten, als jeder Andere?
-- Wahrlich! der hat Göthe’s Dichtungen nie in voller Innigkeit
und Liebe begriffen, der da glauben kann, Göthe hätte ohne diesen
Natur-Sinn und dessen wissenschaftliche Bethätigung dichten können,
wie er gedichtet hat! -- Haben wir nicht oft zusammen empfunden, wie
gerade dies Gefühl ununterbrochener innerer Fortschreitung, ewigen
Fortklingens in dem stätig erzitternden Tonmeere des Universums, der
wunderbare Hauch ist, welcher jedes seiner ächten Werke belebt und
durchdringt? liegt es nicht eben hierin, wenn wir in jedem seiner in
Dichtungen ausgehauchten Gemüthszustände immer deutlich fühlen, was
diesem Zustande alles vorherging, um ihn zu begründen, und hinwiederum
ahnen, was diesem Zustande späterhin folgen mußte? -- und ist es
nicht gerade dies Gefühl des Schwebens in dreigestaltiger Zeit, in
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zugleich, was uns zur Ahnung der
Ewigkeit steigert und uns eben zu +Dem+ leitet, der vor uns übergeht,
ehe wir’s gewahr werden, und der sich verwandelt, ehe wir’s merken.
Und so ist denn dies Hinschauen auf den ewigen Thaumatrop der Welt und
unsres Innern das, was Göthe zu immer neuen und immer bedeutungsvollen
Productionen begeisterte, was ihn nöthigte, von seiner eignen
innern Entwicklung mit allen Schmerzen und aller Lust aller ihrer
Verwandlungen ein Bild zu hinterlassen, wie wir es noch von keinem
Menschen erhalten haben, und was ihn antrieb, dann, wann ihm eine
Vision wurde, wann eine Idee zu ihm trat, und seine Phantasie nun diese
Idee in dichterischer Wirklichkeit ausbildete, überall eine genetische,
eine geschichtliche, eine rastlos fortschreitende Darstellung vor allen
andern zu wählen. -- Wem aber ein solcher Begriff aufgegangen war von
dem Wesen organischer Entwicklung überhaupt, der hatte auch unfehlbar
die deutliche Erkenntniß von der unendlichen Vielgestaltigkeit aller
Entwicklung, der erkannte, auf wie viel verschiedenen Wegen und Umwegen
die innere geistige +menschliche+ Entwicklung vollendet wird, und er
fühlte, wie so wunderbarer Weise der Mensch, als ächter Mikrokosmos,
alle die unendlich mannichfaltigen Verwandlungen der ihn umgebenden
Natur, in ihrem bald langsamen, bald raschen, bald gewaltsamen,
bald ruhigen, bald vielfach retardirten, bald ununterbrochen
fortschreitenden Gange, in geistiger Maaße in sich zu wiederholen
die Freiheit hat. Dieses aber erkannt, so mußte ihm zugleich auch
davon die Überzeugung aufgehen, wie die Menschheit überhaupt nur als
in einem uns alle mit sich fortziehenden rastlosen Entwicklungsgange
begriffen, verstanden werden kann, und wie in all’ diesem Vorschreiten
durch Blut und Tod wie durch Lust und Leben stets +eine+ große fort
und forttönende Melodie höhern Ursprungs wohl zu verfolgen ist, welche
allerdings nicht in einzelnen Noten begriffen wird, wohl aber dem
feiner erschlossenen, tiefer fühlenden Sinne im Ganzen zur Ahnung
kommen kann.
Ist es mir nun gelungen, Ihnen über diese meine Grundansicht vom
Wesen Göthe’scher Dichtung meine Gedanken deutlich auszusprechen,
so +kann+ ich mir ersparen, durch Nachweisung in Göthe’s Werken
hierüber noch eine Menge Beispiele vorzuführen; ich brauche nicht zu
sagen, wie eine der frühesten Aufgaben, welche er sich stellte, die
Entwicklungsgeschichte Wilhelm Meisters war, wie im Werther eine zum
Tode führende geistige Entwicklungskrankheit mit gewaltiger Wahrheit
geschildert ist, wie das tief schmerzliche und doch reizende Bild aus
dem Leben des Tasso nur ein Schritt erscheint aus dem langen Gange
durch das Gluthmeer innerer poetischer Leidenschaftlichkeit (wie Dante
sagt: „~e vidi spirti per la fiamma andando~“), wie die Entwicklung
eines heitern heldenmäßigen Charakters im Egmont prächtig dargestellt
ist, und so durch viele andre Tonarten der Musik menschlicher Seelen
hindurch. -- Daß nun aber das titanenhafteste Werk dieser Art der
Faust sei, wer kann das läugnen? -- Der Faust, dieses wunderbare
Bild, in welchem sich das geistig mächtigste Streben der Menschheit
concentrirt, er war es, der allein dem Dichter zur Aufgabe für ein
ganzes Leben werden konnte! -- Und haben Sie nicht ebenfalls schon
manchmal im Geiste die Parallele gezogen zwischen dem großen Werke
des Dante und diesem Werke Göthe’s? -- Nur daß im erstern an dem
ruhig Schauenden alle die schmerzlichsten und alle die seligsten
Zustände der Seele +vorübergehen+ (darum eben Schauspiel, ~Divina
Comedia~!) während im Letztern der stätig Bewegte durch alle Qual und
Lust des Lebens selbst rastlos +hindurchgehen+ muß. -- Beides aber
sind Werke, deren Idee nachhaltig genug war, um für ein ganzes Leben
als Aufgabe zu erscheinen; der Geist beider Dichter war von ihr auf
unverlöschliche Weise entzündet, und wenn es bei Ihnen hierüber noch
weiterer Worte bedürfte, so möchte ich dabei wohl an das eigenthümliche
Lebensprincip einer jeden Idee abermals erinnern; denn ist es nicht
sonderbar, daß selbst unter jenen Ideen, welche nicht selbstständig
sich zu eigenem Wesen gestalten, sondern andre sich schon als Seelen
darlebende Ideen berühren, eine solche unendliche Mannichfaltigkeit
und so verschiedene Verwandtschaft zu unserer eignen Monas herrscht,
daß, während einige nur leicht an uns vorüberstreifen, andre die
mächtigste Einwirkung auf unser Leben gewinnen, ja, andere für unser
ganzes Dasein von der mächtigsten und unauslöschlichsten Bedeutung
werden! -- Zu wie viel sonstigen Vergleichungen giebt aber Dante und
Göthe in dieser Beziehung noch Anlaß! -- Jener Erstere, von außen
in die heftigsten Partheienkämpfe verflochten, umgetrieben in der
Welt und aus seiner Heimath verbannt, mußte, vermöge des alle Wesen
beherrschenden Gegensatzes und zu Erhaltung des Gleichgewichts der
Seele, tiefsinnig ruhig schauend in sein Innerstes sich zurückziehen;
-- -- der Andere, von außen durch ein nie fehlendes Glück getragen
und begünstigt, von Ehre, Zuneigung und vielfältigen Gaben des
Geschicks erfreut, durchlebte dafür in dem stätigen Entwicklungszuge
seines Innern, in dem qualvollen Drängen und Treiben seines Geistes,
weniger den Menschen wahrnehmbare, aber um desto schmerzlichere
Zustände -- und Beide haben von den somit erweckten Anschauungen ihres
Seelenlebens die merkwürdigsten und mannichfaltig weiter wirkende
Zeugnisse hinterlassen. -- Der Erstere concentrirte in einem kürzern,
von der Heftigkeit äußerer Ereignisse verzehrten Leben die ganze Macht
seiner Divinationsgabe auf ein einziges, immer mehr in reingeistige
Regionen gesteigertes Werk, ein Werk, dessen Anfang seinem Volke
immer zugänglicher gewesen ist, als dessen Ende. -- Der Andere, durch
äußere Verhältnisse im höchsten Grade gefördert, spann den Faden
jenes wunderbaren Gespinnstes durch ein langes Leben hindurch; auch
er führte es, wie er selbst in einen andern Luftkreis hinaufwuchs,
in eine immer feinere, schärfere, von den Erdgebornen schwerer zu
athmende Luft, in eine Luft, welche vielleicht weniger nahrhaft für
die materiellen Bedürfnisse der Menschheit, aber belebender für das
geistige Princip unseres Daseins erscheint, so daß mich diese Metapher
fast an das erinnert, was Humboldt über Athens Lüfte nach jenem alten
Griechen anführt, welcher sagt: „Diese Art der Bildsamkeit ist aber
dem Lande der Griechen eigen, weil dort die reinsten und dünnsten
Lüfte wehen. Attika ist unfruchtbar und dürr; denn eine solche
Luftbeschaffenheit schadet dem Ertrage des Bodens, ist aber heilsam
den Seelen der Athener.“ -- Aus diesem Grunde ist natürlich auch vom
Faust das Ende bei weitem weniger zugänglich, als der Anfang, und
doch gehört es so durchaus und ganz zu ihm, wie der felsige Gipfel
des Montblanc innerlich eins ist mit seinen bewaldeten Abhängen
um Chamouny! -- Nichts desto weniger wirkt doch die letzte Hälfte
des Faust schon hie und da mächtig genug! -- Kommt es Ihnen nicht
auch sonderbar vor, wie so etwas erst so einzeln, bald einmal hier,
bald einmal dort zündet und anregt? -- Da kommt Einer und fertigt
als Scholiast einen, wenn auch noch nicht ausreichenden, doch sehr
dankenswerthen Commentar darüber[1]; da kommt ein Andrer und schreibt
Briefe darüber, um seinem gepreßten und molestirten Gewissen Luft zu
machen[2]; da kommt ein Dritter und versucht Sinn und Deutung dem
geneigten Leser darzulegen[3], und da sehen Sie selbst Ihren Freund,
dessen Evangelium eigentlich in andern Richtungen verkündigt werden
soll, seine Briefe mit Gedanken dieser Art durchweben! -- ja manchmal
begegnet man plötzlich irgend einer geistigen Explosion über den
Faust, welche zu den nachdenklichsten Betrachtungen Anlaß giebt! So
ging es mir neulich mit dem Schlusse eines Aufsatzes über Faust[4],
der bei manchem Unzulänglichen im Einzelnen, doch in andrer Hinsicht
wirklich den Nagel so auf den Kopf trifft, daß ich ihm mindestens eine
weniger vergängliche Stelle wünschte; denn gewiß! der Sinn hat sich
diesem jungen Manne tiefer erschlossen, als jenen Scholiasten und
Commentatoren, die überhaupt von jeher mit dem „Brod der Engel“, wie
Dante sagt, wenig Glück gehabt haben.
Sehe ich aber so, wie eine neu aufgegangene Idee bald hie bald da
zündet und Leben weckt, so gemahnt es mich immer an die auf Erden wie
am Monde so schön zu beobachtende Erscheinung des Lichtes, welches bei
aufgehender Sonne zuerst nur auf einzelne Bergeshöhen und Gipfel wirkt,
während die Thäler noch im Dunkel liegen, bis endlich die Strahlen,
über die gesammte Gegend sich ausgießend, Alles, mit Ausnahme ewig
finsterer Schluchten und Höhlen, erleuchten. Übrigens dauert es beim
neuen Faust doch lange genug, bis davon nur ein Theil, geschweige denn
das Ganze bei uns Eingang findet! -- Es geht Ihnen gewiß, wie mir! Wenn
ich so in meinem Kreise Umfrage halte, so höre ich kaum hie und da eine
Stimme, welche dem Faust Anerkennung zu geben versucht; dagegen welche
Thorheiten darüber, ja welche Absurditäten! -- Bei weitem aber den
Meisten liegt der Faust noch so, wie ihn Göthe wirklich hinterlassen
hat, nämlich als +ein Buch mit sieben Siegeln+.
Übrigens muß ich Ihnen hier noch eine Bemerkung mittheilen, welche mir
ebenfalls zu mannichfaltigen Mißverständnissen Veranlassung gegeben zu
haben scheint! -- Es geht nämlich den Schöpfungen der Dichter zuweilen
wohl eben so, wie der göttlichen Schöpfung allgemeiner Natur, nämlich
man personificirt oft daran mehr, als billig; man will diese und jene
bekannte menschliche Individualität darunter erblicken und betrachtet
oft gern die poetischen Gestalten wie Figuren eines Maskenballs, wo
der Verstand sich nur in soweit anstrengt, um ausfindig zu machen,
wer eben hinter dieser oder jener Maske verborgen sei. Findet man
endlich bei der Gestalt des Dichters keine Ähnlichkeit mit andern
bekannten Personen, so muß seine eigene Persönlichkeit mit allen ihren
Zufälligkeiten in dieser Gestalt sich verkörpert haben. -- Nun weiß ich
zwar wohl, daß in jegliche Schöpfung der Geist des Schöpfers zum Theil
eingehen muß -- denn nur durch diesen Geist entsteht und besteht sie
--; aber man muß nur diese Vorstellung nicht zu weit ausdehnen, man muß
nicht übersehen, daß der freie Geist auch das Heterogene für eine Zeit
in sich aufnehmen, in sich verarbeiten und zu neuen selbstständigen
Produktionen verwenden kann! -- Nun scheint Ihnen gewiß auch, daß man
alles dieses in vollem Maaße auf Göthe anwenden kann, ja anwenden muß.
Göthe ist nicht Tasso und hat doch den Tasso in sich geboren; er ist
nicht Wilhelm und hat doch seine Lehrjahre durchgearbeitet; er ist
nicht Clavigo und hat doch den schmerzlichen Wechsel leidenschaftlicher
Zustände erfahren, und endlich, obwohl Tausendfältiges in ihm
angeklungen hat, was im Faust mit reicher, vielgestaltiger Lebendigkeit
sich bewegt, so wäre es doch weit gefehlt, wenn man Faust und Göthe
deßhalb identificiren, Beide, wie z.B. Herr Deycks thut, eigentlich
für eine und dieselbe Person halten wollte. -- Ich habe wirklich etwas
lächeln müssen, wenn dieser Commentator ordentlich bei sich selbst
inquirirt: ob nicht Gretchen im Faust wirklich das Gretchen sei,
welches Göthe in seinem Leben erwähnt, und dabei noch merken läßt,
man könne doch nicht so eigentlich wissen, wie weit es auch mit der
Letztern gekommen sei. -- So etwas nenne ich eine materielle, eine
stoffartige Auslegung, und sie paßt immer am wenigsten auf den +ächten+
Dichter, welcher zu den ihn umschwebenden Ideen ein ganz anderes,
als ein solches stoffartiges Verhältniß haben muß. Göthe hat uns ja
selbst in diese seine geistigen Mysterien manchen Blick thun lassen;
zumal dann, wenn er seine Werke geradezu Confessionen nennt und, weit
entfernt, damit zu meinen, daß er in ihnen seine ganze Individualität
niedergelegt habe, vielmehr andeutet, wie er gewöhnlich durch dieselben
irgend einer seinem eigensten Wesen fremdartigen Richtung Luft gemacht,
ein dieses selbst störendes Bestreben dadurch ausgesprochen, aus sich
heraus gegeben und abgeschüttelt habe. So setzt er dieß namentlich
beim Werther trefflich auseinander! -- Und war nicht allerdings etwas
Wertherhaftes in dem noch jungen Göthe? -- Freilich war es das; aber
dieses Wertherhafte war so wenig der ächte, eigentliche Göthe, daß
vielmehr dieser erst recht gesundete, als der Werther geschrieben war.
Dergleichen Dinge sind gewiß höchst merkwürdig, und Ihnen kann ich es
wohl bekennen, daß mir gar manche ähnliche Erfahrung in meinem Leben
zu Händen gekommen ist! -- Glauben Sie, es hat in mir Zeiten gegeben,
wo mich in meinem innern rechten Sein nur dies erhielt, daß ich mir
durch ein malerisches Kunstwerk Luft machte! manche trübe Wolke über
meinem Seelenleben löste sich auf, wenn ich ihr im Bilde ein freies
Hervortreten hatte geben können, und wer sich die schwermüthige
Stimmung meiner Bilder nicht mit der frischen Thätigkeit meines
Lebens zu reimen verstand, der zeigte mir alsbald an, wie wenig
er von meinem innern Leben entziffert hatte! -- Gerade in diesem
Verhältniß des innern Menschen zu seiner Productivität nach Außen
liegt ja ganz besonders das Geheimniß der +Entwicklung+ der Seele
während ihres sich Darlebens auf Erden; wie sie so ein Werk nach dem
andern, eine That nach der andern äußert und von sich thut, und wie
sie, indem erst das gröbere Fremdartige, dann aber auch das feinere
Ungemäße ausgestoßen und abgesondert wird, so zu immer reinerer,
höherer Entwicklung hinaufstrebt, möchte ich sie vollkommen der sich
metamorphosirenden Pflanze vergleichen, welche, je weiter und weiter
sie in ihrem Leben zur Vollendung hinaufsteigt, immer mehr sich
läutert, erst die gröberen Kotyledonen und Wurzelblätter, dann die
zartern Stengel und Kelchblätter hervorbildet, bis endlich innerhalb
der Blüthe durch befruchtende Verstäubung des Geschlechtlichen das
höchste Ziel der Pflanze, das Samenkorn, in seiner Darbildung zu
Stande kommt. -- Dergleichen Ansichten, Gleichnisse, Vorstellungen
darf man nun überhaupt, wie mir scheint, nirgends weniger unbeachtet
lassen, als wenn man über den +Faust+ nachdenkt, über den Faust, der
auf das lebendigste Gefühl vielfältiger Entwicklungsvorgänge und
Metamorphosen des innern Menschen durch und durch gegründet ist. Denn,
wollen wir auch freudig anerkennen, daß es einzelne lichtvollste
menschliche Naturen gegeben hat und giebt, welche in reiner Stätigkeit
zum Göttlichen, gleichsam geradlinig, sich entwickeln, so ist es
doch für die meisten Andern und für die an einen vom Streit der
Elemente bewegten Planeten gebundene Menschheit überhaupt bei weitem
die eigenthümlichste Aufgabe, sich durch die Spirallinie, d. h. mit
stätigen Seitenabweichungen vorwärts zu bewegen; und wenn die alten
Mystiker deßhalb der Sünde des Menschen die Bedeutung gaben, durch sie
für ein höheres Ziel geläutert zu werden, und wenn sogar der Erhabene,
welcher das Princip höchster Liebe in die Menschheit einführte, den
wiedergekehrten Verlornen höher stellte, als den nie Verirrten, so
deutet alles dieses wieder auf jenes Gleichniß der Pflanze, welche
erst in rohern, und dann in immer feinern Bildungen, gleichsam stets
ausstoßend und absondernd, das Ungemäße abwerfend, sich bis zu reinster
Darstellung ihres eigentlichen und ursprünglichen Keimes hinauf läutert.
Auf dieses hohe Geheimniß nun, in dessen Kerne wir zuletzt die
Nothwendigkeit des Sündhaften zur Läuterung jenes in die Natur
eingebornen Göttlichen der Menschheit deutlich ahnen können, scheint
mir nun überhaupt die gesammte Sage von Faust, oder wie dieser
symbolische Mensch sonst heißen mag, gegründet zu sein, und eben darum,
weil der Grund der Sage ein ächt menschlicher ist, wiederhohlt sie
sich unter den verschiedensten Völkern. Das ist es, was schon unter
den mannichfaltigen Seelen- und Götterdurchbildungen bei den Indiern
gemeint ist; das ist es, was uns die Qualen des Prometheus, welcher
das himmlische Feuer den Menschen geraubt hatte, verstehen lehrt, und
das ist es, was in der christlichen Zeit durch die Sagen vom Bunde
ausgezeichneter Naturen mit dem Bösen symbolisch angedeutet werden
soll. Freilich kommt es nun da ganz auf die Tiefsinnigkeit des Volks
an, bis zu welchem Grade dieser Gedanke verfolgt werden soll; denn bei
roherer Auffassung erscheint gewöhnlich nur die unbedingte Zerstörung
menschlicher Natur durch die Verleitung zum Bösen, -- und eine solche
Rohigkeit tritt in unsrer Volkssage vom Faust, und wie sie mancher
Neuere wieder dargestellt hat, hervor. Weit höher steht dagegen schon
jenes Spaniers Behandlung des wunderthätigen Magus, welcher, tiefer
erkennend das Göttliche im Menschen, selbst im Bunde mit dem Bösen nur
die Läuterung zu höchster Verklärung gewahr werden läßt, und dieser
Gedanke war es denn nothwendig auch, der Göthe +seinen+ Faust mußte
in höherer Beziehung erfassen lassen, als ihn die Volkssage gekannt
hatte und als ihn noch jetzt manche insipide Beurtheiler gefaßt wissen
wollen. Ich wiederhole es also nochmals, so wenig ich zugeben kann,
daß Göthe Werther, daß er Tasso, daß er Wilhelm Meister war, so wenig
ist er Faust; aber daß von allem diesen ein Element in ihm lag, daß
die Idee einer besondern Menschheit-Entwicklung, wie sie im Faust
lebt, ihn vor allen andern beschäftigt, daß sie nachhaltig sein Leben
bis ins hohe Alter begleitet hat, daß er in diesem Werke und durch
dessen Schöpfung mannichfaltigste Gemüthszustände und Geistesrichtungen
geläutert oder in sich bezwungen hat, wer, dem der innere organische
Bau dieses Werkes klar geworden ist, könnte hiervon nicht die
lebendigste Anerkennung haben?
Lassen Sie mich denn mit diesen Betrachtungen für heute schließen!
es liegt freilich im Faust noch Stoff zu ganzen Werken, geschweige
denn zu einem noch längern Briefe, und ich werde auch nächstens, so
wie mir wieder eine Reihe recht ruhiger Stunden verliehen wird, meine
Gedanken hierüber fortzuspinnen versuchen; allein ehe man in dieses
Labyrinth weiter eindringt, soll man doch, glaube ich, das Verhältniß
des Dichters zu seinem Werke sich recht deutlich gemacht haben, und
hierüber mich denn Ihnen zuerst vollkommen auszusprechen, lag mir
besonders am Herzen.
Lassen Sie mich gelegentlich vernehmen, in wie weit sich nun hierin
unsre Gedanken begegnet sind; denn Gedankenzüge dieser Art sind
wie Regenbogen, und wie jedes Auge doch am Ende nur seinen eignen
Regenbogen erblickt, so bildet sich auch jeglicher Geist seine eigne
Vorstellung über dergleichen ihm lieb und werth gewordene Aufgaben.
Getreulich, wie immer,
+Ihr+ C.
[1] ~Dr.~ +C. Löwe+, Commentar zum zweiten Theile des Göthe’schen
Faust. Berlin 1834.
[2] ~M.~ +Enk+, Briefe über Göthe’s Faust. Wien 1833.
[3] ~Dr.~ +F. Deycks+ Göthe’s Faust. Andeutung über Sinn und
Zusammenhang des ersten und zweiten Theils. Koblenz 1834.
[4] Schreiben über Göthe’s Faust, mitgetheilt von C. von
+Feuchtersleben+ in der Wiener Zeitschr. f. Literat. und Kunst.
1834. Nº 148.
II.
Vierter Februar 1835. Abend.
Es ist heute wohl wieder solch ein Abend, daß seine Ruhe einladen
könnte, weiteren Gedanken über die nächste Aufgabe meiner Briefe an
Sie Raum zu geben! -- Wenig Wochen sind nur verstrichen, seit ich den
ersten dieser Faustischen Briefe an Sie geschrieben habe; es ist kaum
Zeit gewesen, um mir ein billigendes, von Herzen zu Herzen gehendes
Freundeswort von Ihnen darüber zu erwerben, und doch, wenn ich auf den
im Innern seitdem wieder zurückgelegten Lebensweg mit der Fluth seiner
Gedanken, mit seinem Fliehen und Ziehen, seinem Sinnen und Streben,
mit seinen Leiden und seinem glänzend, oft unerwartet herantretenden
Glück zurückblicke, so scheint mir schon wieder ein gewaltiger Zeitraum
verstrichen; ja wenn ich manche so ganz in stiller Tiefe der Seele
durchlebte Begebenheiten bedenke, so kommt mir die Stelle aus Göthe in
die Gedanken, wo es heißt:
„Seltsam ist Prophetenlied,
Doppelt seltsam, was geschieht!“ --
Gewahre ich aber dann in allen diesen schwankenden Erscheinungen den
Strahl des Göttlichen, welcher sich wie sanft einfallendes Mondlicht
durch Alles hindurchzieht, so fühle ich mich so wunderbar beruhigt, so
beschwichtigt und erheitert, daß das Gefühl inniger Dankbarkeit mich
durch und durch erfüllt und eine =~Calma~= in mir verbreitet, welche
mir immer am geeignetsten schien, wenn irgend ein Gegenstand so recht
in voller Eigenthümlichkeit in der Seele sich spiegeln soll. Wende ich
mich nun mit solchem Sinne wieder zu jenem gewaltigen Werke unsers
großen Meisters, so fühle ich mich gern angeregt, nachdem ich früher
über das Verhältniß des Dichters zum Werke mich ausgesprochen, nunmehr
die Grundfrage des Kunstwerks selbst mit Ihnen etwas ausführlicher zu
betrachten, und ich bin überzeugt, daß, nachdem Sie Ihre Billigung
meiner Gedanken über den Entwicklungsgang des Menschen und die
Bedeutung des in diesem Gange hervortretenden Sündhaften ausdrücklich
erklärt haben, wir uns auch hierüber gar wohl verständigen mögen.
Als Grundfrage des Werkes, wie es nun in seiner Vollendung vor uns
liegt, betrachte ich aber: +ist es menschlicher und poetischer Wahrheit
gemäß, daß Faust höherer Gottinnigkeit und Seligkeit zuzureifen
noch fähig sei, nachdem er dem Bösen sich verbunden und, bis in
höheres Alter vom Zuge innerer Leidenschaftlichkeit getrieben, unter
manchem Tüchtigen auch das Unrechte, ja das unbedingt Verwerfliche
auf sich geladen+? -- Keine Frage ist so gemacht, um die Grundfarbe
des Antwortenden sogleich hervortreten zu lassen, als diese, und ich
erinnere mich, die wunderlichsten Discussionen darüber gehört zu haben!
-- Priester und Leviten treten heran und verdammen ihn, die ethischen
Philosophen verwerfen ihn, und die Juristen verurtheilen ihn unbedingt;
ja, daß Göthe diesen Gedanken der endlichen Beseligungen eines Faust
festhalten konnte, wird ihm selbst zu nicht geringem Vorwurf gedeutet,
und nicht viel besser wird mit dem verfahren, welcher Göthe’s hierin
sich anzunehmen sich unterfangen möchte. -- Dieses denn nun alles
auf sich beruhen lassend, will ich Ihnen jetzt treulich berichten,
welcher Gedankenzug sich mir über diese Frage ergeben hat, und wie ich
darüber gleich anfangs, sowie das Werk mir vollendet entgegentrat, mich
gestimmt fühlte.
Frage ich aber zuerst im Innern bei mir selbst nach, von wo aus
eigentlich und zuhöchst mein Urtheil bestimmt werde, so macht sich die
mannichfaltige Naturbetrachtung, welche einen großen, ja den größten
Theil meiner Lebenszeit redlich beschäftigt hat und beschäftigen
wird, alsobald ihrem ganzen Gewicht nach geltend. Die Natur, diese
ewige Hieroglyphe der Geisteswelt, hatte mir tausendfältig das
Gesetz bewährt, daß, je mächtiger und vollendeter eine bedeutende
Individualität hervortreten solle, um so vielfältigere Metamorphosen,
um so eingreifendere Umstimmungen müsse sie erfahren; nur das
Einfachere, schwächer Organisirte, von minder energischer Idee
innerlich Getriebene lebe ohne bedeutende Verwandlungen in Zeit und
Raum sich dar. -- Es ist gleichsam, als habe die bedeutendere Monas
dadurch, daß sie ein größeres Material zu ihrer Erscheinung fordert,
auch mächtigere Kämpfe nothwendig, um zu voller Beherrschung desselben
und in diesen Kämpfen, Umbildungen und Erschütterungen zu ihrer
eigenen vollkommnen Ausbildung, ihrer genügenden innern Aufklärung,
-- mit einem Worte, zum höhern Selbstbewußtsein zu gelangen. -- Indem
ich dieses nun auf der einen Seite recht klar anerkenne, weist auf
der andern Seite mich derselbe Weg der Betrachtung auf das durch
die ganze Schöpfung herrschende Gesetz unendlicher, unermeßlicher
Mannichfaltigkeit, darauf, daß jeglicher Individualität eine besondre,
eigenthümliche, von der andern verschiedene Idee zum Grunde liege und
jeglicher dieser unendlich mannichfaltigen Ideen eine besondre Art des
sich in Zeit und Raum Darlebens, eine eigenthümliche Entwicklung von
Ewigkeit her angewiesen sei. -- Jetzt denn auch dieses Gesetz scharf
ins Auge gefaßt, muß es uns klar werden, wie im Kreise menschlicher
Naturen, als der zu einem höhern Lichte Berufenen, vermöge der auch
hier sich äußernden unendlichen Mannichfaltigkeit, neben einzelnen
ruhigern, klarern Individualitäten, auch andere thatkräftige,
gewaltige, ich möchte sagen, dämonische Naturen auftauchen, welche,
von feurigern Gedanken getrieben, zu prometheischen Thaten bestimmt
sind, bedeutend in den gesammten Entwicklungsgang der Menschheit von
irgend einer Seite eingreifen und, gleichsam schwerer, als viele
Andre, von irdischen Stoffen und irdischen Bestrebungen belästigt,
erst nach langwierigen Stürmen zu voller Beschwichtigung, zu höherer
Befriedigung gelangen. Warum dem so sein müsse, warum es dem Einen
leichter ward, den rechten Schwerpunkt seines Daseins zu finden,
während der Andre ihn erst nach unendlichen Schwankungen erkennt?
darauf ist es genügende Antwort, wenn wir uns erinnern, daß die
gesammte Welterscheinung nur auf Mannichfaltigkeit und Gegensatz
beruht und daß in ihr dergleichen Verschiedenheit vollkommen eben
so unerläßlich ist, als in der harmonisch melodischen Kunst der
Töne dissonirende und consonirende Akkorde und hohe und tiefe Noten
gefordert werden. Will man aber noch weiter gehen und fragen, warum
nun gerade Diesem seine Entwicklung erleichtert und begünstigt und
Jenem die Seinige verzögert und erschwert sei? -- dann werden wir nie
eine passendere Entgegnung finden, als die jenes Apostels, dem selbst
eine so merkwürdige Entwicklungsfolge vom Dunkel zum Licht aufgegeben
war; ich meine jene Stelle, wo es heißt: „So erbarmet er sich nun,
welches er will, und verstocket, welchen er will.“ -- So sagest du zu
mir: Was schuldiget er denn uns? wer kann seinem Willen widerstehen? --
Ja, lieber Mensch, wer bist +Du+ denn, daß Du mit Gott rechten willst?
Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: „Warum machst du mich also?“
-- Worte, welche auf eine hohe und doch milde Lebensansicht deuten,
durch welche wir in den Stand gesetzt werden, mit immer liebevoller,
nur einmal bewundernder, ein andermal beklagender Gesinnung, bald die
freudig und leicht vorschreitende, bald die gehemmte und verfehlte
Entwicklung des Göttlichen irgend einer Menschenseele zu betrachten.
-- Wollen Sie sich nun auf diesem Standpunkte erhalten, um die
eigenthümliche Entwicklung des Faust, wie sie wohl ihrer innern Idee
nach in Göthe auftauchte, in Überblick zu nehmen, so meine ich, es
würde Ihnen, wie mir, dann Folgendes zum Verständniß kommen: -- Unter
den mannichfaltigen bedeutenden Individuen, welche sich aus dem Strome
der nur ihrer Zahl nach geltenden Menge hervorheben, gewahren wir, wie
ich schon oben andeutete, einzelne, welche, von einem hellglühenden
Funken des Göttlichen innerlichst bewegt und gegen eine höhere geistige
Entwicklung getrieben, doch, wenn ich so sagen darf, vermöge einer
besondern Mischung des Materiellen ihrer Erscheinung, mit Heftigkeit
und Stetigkeit an die Welt der sinnlichen Erscheinung, und zwar bald
in der einen, bald in der andern Richtung, gebunden sind. -- Es ist
nun nothwendig, daß aus diesem innern Widerspruche, aus diesem Streit
und dieser zwiefachen Richtung vielfältige Reibungen, Stürme und
mannichfaltige, gewaltsame Umbildungen hervorgehen müssen. So erschien
unserm Schiller der Geist eines Wallenstein! Wir hören ihn:
„Mich schuf aus gröberm Stoffe die Natur,
Und zu der Erde zieht mich die Begierde. --
-- -- Ich kann mich nicht,
Wie so ein Wortheld, so ein Jugendschwätzer,
An meinem Willen wärmen und Gedanken, --
Nicht zu dem Glück, das mir den Rücken kehrt,
Großthuend sagen: Geh! ich brauch dich nicht.
Wenn ich nicht wirke mehr, bin ich vernichtet.“
In solchem Sinne zeigte uns die neuere Geschichte einen gewaltigen,
über die Erde hinschreitenden Geist, -- und wie die Individualität
solcher Seelen groß ist, so sind auch ihre Entwicklungsvorgänge
gewaltsam, und oft nur durch Blut und Tod machen sie den innern
göttlichen Kern ihres Daseins unter heftigen, nur von so starken
Seelen zu ertragenden Schmerzen aus der irdischen, einengenden Schale
frei. -- Aber eben so auch nach ganz andern Richtungen kann die
Seele des Menschen im Gegensatze zu ihrer innersten, rein göttlichen
Entwicklungsrichtung gezogen werden, und Geister, denen die Menschheit
unendlich Vieles für ihr Fortschreiten in Wissenschaft und Kunst
verdankt, erlitten innerlich die peinlichsten Zustände, veranlaßt durch
den Widerstreit einer zu heftigen, der äußern Erscheinung zugewendeten
Liebe und einer tiefbegründeten gottinnigen Richtung. Sie haben bei
Ihren literarischen Studien daher gewiß vielfältigst empfunden, ja wir
haben uns oftmals darüber mündlich und schriftlich ausgesprochen, wie
in verschiedenen Formen sich der Zug jener Schwermuth, jener innern,
aus dem bezeichneten Widerstreben hervorgehenden, bald stärker, bald
schwächer erscheinenden Qualen in den Werken der reichbegabtesten
Naturen dem Feinfühlenden offenbaret, und wie nicht selten die uns
tief ergreifendsten Werke der Kunst und des Wissens gerade nur die
nothwendige Äußerung oder richtiger Veräußerung jener Zustände sind.
Machte mir doch in dieser Beziehung neulich die aufmerksame und oft
wiederholte Betrachtung eines Blattes von dem sonst so gar stillen und
frommen Albrecht Dürer eigene Gedanken. Ich weiß nicht, ob Sie sich
des Blattes deutlich erinnern? es ist unter dem Namen der Melancholie
bekannt und stimmt so ganz in den Sinn unsres Thema, daß ein in diesen
Tagen bei mir eintretender Freund, dem das Blatt noch unbekannt war,
es gleich mit dem Ausrufe: „Siehe da Faust!“ begrüßte. -- Lassen
Sie es mich auf den Fall, daß es Ihnen nicht mehr ganz gegenwärtig,
etwas näher beschreiben! es gelingt mir dadurch vielleicht, einen
zu einförmigen Gang meiner Gedanken zu unterbrechen, und jedenfalls
gewinnen wir dadurch ein sinnvolles Gleichniß, um manche an sich
schwerer auszusprechende Gedanken dadurch zu bestimmterer Anschauung
zu bringen. -- Die Scene des Bildes ist aber eine wunderlich gedachte
offene Halle; rechts ein starker viereckiger Pfeiler, nur bis zu
seinem ersten untern Gesimskranze sichtbar; vor diesem auf einer
Steinplatte sitzend ein männlicher, in langes phantastisches, oben
knapp anliegendes, unten reichfaltiges Gewand gekleideter Genius, von
dessen wohlverziertem Gürtel ein Bund Schlüssel und eine gefältelte,
bebänderte Tasche herabhängt. Ein mächtiges, halb gehobenes Paar von
Adlerflügeln entsprießt den Schultern, und langes Haar umwallt das
von Immergrün bekränzte, gedankenvoll auf die linke Faust gestützte
Haupt. Im Schooße ruht ein zugeketteltes Buch, und die rechte darauf
liegende Hand hält absichtslos einen Arm des halbgeöffneten Zirkels,
während das Auge des beschatteten Gesichts starr und sinnend hinaus
blickt. Nun umher die wunderlichsten Geräthschaften und Modelle! -- Zu
den Füßen des Genius bedeutungsvoll die Urform alles Werdenden, die
reine Kugel; auf dem Sockel der Aussicht aus der Halle ein Stück einer
fünfseitigen, ungleich abgestutzten Säule und daneben, am Pfeiler
lehnend, ein am Rande ausgebrochener Mühlstein, umhergestreut aber
Nägel, Zangen, Blasbalg, Hobel, Säge, Hammer, Fügemaaß, Lineal und eine
seltsame Kapsel mit einer Flasche, während hinter dem fünfseitigen
Säulenfragment ein Schmelztiegel auf sprühenden Kohlen glüht, und
wir, am Pfeiler aufgehangen, eine Glocke, eine laufende Sanduhr, ein
mystisches Quadrat aus 16 Feldern, deren je 4, in jeder beliebigen
Richtung gezählt, stets die Zahl 34 geben, und eine sauber gearbeitete
Wage gewahr werden.
Unter allem diesen liegt nun zu den Füßen des Genius eine
abentheuerliche Art von großem Hund ruhig zusammengeschmiegt,
während auf dem mit einer Decke überbreiteten Mühlstein ein kleiner
Genius mit erst sprossendem Flügelpaare sitzt und ganz emsig und in
seine Arbeit vertieft mit dem Griffel ein Täfelchen beschreibt. Der
Gegensatz des eifrig schreibenden Kleinen mit dem müßig sinnend und
traurend hinausblickenden Großen giebt zu mancherlei Betrachtungen
Anlaß, -- und um nun den sonderbaren Kreis dieser Vorstellungen zu
vollenden, gewährt die offne Halle, an welcher von Außen eine ganz
gewöhnliche, hier freilich symbolisch erscheinende Leiter lehnt, noch
die Fernsicht auf das weite, ruhige Meer mit seinem von bewaldeten
Hügeln und Ortschaften bedeckten Ufer, über welches ein sonderbarer
Regenbogen sich wölbt, und unterhalb dessen ein cometenhaftes Meteor
den Himmel mit seiner Strahlung erfüllt. Auf diesem Hintergrunde aber
schwebt endlich ein aus Fledermaus und Schlange gebildetes diabolisches
Spektrum heran, und mysterios trägt es auf seiner ausgebreiteten
Flughaut das Wort =~Melencholia s. I.~= --
Vergegenwärtigen Sie sich nun auf einmal die Gesammtwirkung dieses
sonderbaren Bildes, und ist es dann nicht die qualvolle Sehnsucht des
alle Höhen und Tiefen erfassen wollenden Geistes, welche in demselben
sich spiegelt? tritt nicht die dämonische Kraft darin anschaulich
hervor, welche, ihre Sehnsucht nach ihrem göttlichen Urquell tief in
sich bewahrend, doch zugleich von der Gewalt ihrer eignen Daseinsform
gegen die Ergründung alles Seienden gezogen wird, und, weil dieses
Streben natürlich nie vollkommen erreicht wird, ja jenem innersten
Zuge doch mehr oder weniger widerstreitet, eine verzweifelnde, sie
selbst manchem Unheil entgegenführende Stimmung nicht ganz bemeistern
kann? -- Und ein solches Gefühl konnte selbst in der milden Seele
des getreuen Alb. Dürer mit solcher Macht Platz greifen, daß er ihm
durch eine so mühsame, vielfältigst durchgearbeitete Darstellung Luft
machen mußte? -- Kann uns Etwas von diesem tief in jedes Menschen Brust
gelegenen schmerzlichen Geheimniß Zeugniß geben, so ist es, wie mir
scheint, diese Wahrnehmung! --
Dieses alles hinlänglich erwogen, komme ich nun zu unsrer
Hauptfrage: was kann einer menschlichen Seele, sei sie von dieser
oder jener Individualität, jedenfalls ihre Annäherung zur höchsten
Beseligung, zur Gottinnigkeit gewähren, und wodurch kann sie dieser
Beseligung verlustig gehen? -- Hierauf kann ich nun in Folge aller
vorhergegangenen Betrachtungen nichts antworten, als: +Die Seele wird
durch alle Metamorphosen und durch die wunderlichsten Ablenkungen
hindurch zur höhern Beseligung gelangen, sobald sie nur Thatkraft,
Elasticität und ein lebendiges rastloses Streben sich erhält, um von
nichts ihrer innerlich Unwürdigem sich dergestalt fesseln zu lassen,
daß sie im Trägen, dabei verharrend und gleichsam darauf ruhend, ihre
höhere Bedeutung vergißt und dem Zuge jenes ihr eingebornen Magnetes
entsagt, welcher gegen ihren Urquell, durch alle Lebensstürme und
Ablenkungen hindurch, sie fortwährend zu leiten, ja zu treiben bestimmt
ist.+ --
Nehmen wir nun eine Feuer-Seele, gleich der des Faust, ihrer
innersten Eigenthümlichkeit nach von unbedingtem Streben gegen ächtes
Freisein in Läuterung von allem Ungemäßen gerichtet, denken wir aber
in dieser Seele zugleich eine heftige Anziehung gegen das Drängen
der Erscheinungswelt und überdieß sie in eines jener dissonirenden
Verhältnisse des Lebens verwiesen, dessen Druck uns nur gerechtfertigt
wird, wenn wir daran gedenken, daß ohne dissonirende Akkorde im
Einzelnen keine befriedigende Fortschreitung höherer Harmonie im Ganzen
möglich wäre, und es wird uns begreiflich, wie schmerzlich, krankhaft
und stürmisch die Entwicklung einer solchen Seele durch tausendfältig
bindende, lösende und wieder bindende Vorgänge zu endlicher Freiheit
sich hindurch winden müsse, wie ängstlich suchend die Arme oft durch
tausendfältige, zu Leiden sich wandelnde Freuden aufstreben müsse, um
zu höherer gottinniger Freiheit zu gelangen. +Dante+ vergleicht in
seinem =~Convito~= die Seele des durch das Irrsal des Lebens ihrer
Bestimmung zustrebenden Menschen dem Wanderer, welchem das Finden
seiner beseligenden Heimath verheißen ist, und welcher nun auf solchem
Wege bald diesen, bald jenen von Weitem gesehenen Ort für die Heimath
hält, ihm ängstlich zueilt und, mit schmerzlicher Täuschung belehrt,
zu immer weiterer Wanderung sich genöthigt sieht. -- Gewiß dieses Bild
eignet sich nun auch besonders, um den innern Zustand einer Faustischen
Natur zu bezeichnen, nur lassen Sie mich noch insbesondre hinzufügen,
daß ich mich ausdrücklich dagegen erklären muß, wenn man jenes gegen
das höchste Göttliche in einer solchen Seele lebende, unaufhaltsame
Anstreben fortwährend als ein sich seiner selbst klar Bewußtes denken
möchte. -- Nein! wie die weit von ihrer Brütstätte im verschlossenen
Raume hinweggeführte Brieftaube durch einen unbewußten, magnetischen
Zug gegen ihre Heimath getrieben wird, so daß Sturm und Wolken sie
zwar vielleicht mitunter ablenken können, sie aber doch immer durch
ihr innerstes, bewußtloses Wissen jenen ihr gemäßen Weg wiederfindet,
so auch eine solche Seele, in welcher der Ewige jenen Zug gnädig
entzündete, deren er sich, wie der Apostel sagt, „erbarmen wollte“; --
auch sie findet, ohne zu wissen, warum, an keinem andern Orte Ruhe; das
Ersehnteste, wenn es ihr im Innern nicht gemäß ist, wird ihr zur Qual,
und, rastlos weiter getrieben, kann oft eine einzige Erscheinungsform,
ein einziges „Leben“, wie wir zu sagen pflegen, nicht ausreichen, um
die Entwicklung zu ihrem endlichen Ziele zu leiten. -- Das eben ist es
ja, wenn der Herr sagt:
„Wenn er mir jetzt auch nur +verworren+ dient,
So werd’ ich bald ihn in die Klarheit führen!“
Und so muß ich’s denn nun geradezu aussprechen: Göthe’s Faust wäre
ein gemeines, nie zu so hoher Bedeutung und vielfacher Betrachtung
gekommenes Werk, hätte er nicht gerade die große Idee als Grundgedanken
enthalten, die Menschenseele in ihrer innern Göttlichkeit, wie sie mit
bewußtlosem Zuge durch Tausende von Scheinwesen und Irrsale hindurch
ihrer höchsten göttlichen Befriedigung entgegen strebt, oder entgegen
gezogen wird, zu lebenvoller begeistigender Darstellung zu bringen,
eine Aufgabe, die freilich so ungeheuer ist, daß ich weit davon
entfernt bin, +alles+, was im und an dem Werke Erscheinung seiner Form
genannt werden kann, unbedingt zu billigen und zu bewundern; es ist
Außerordentliches geleistet, es ist ein Werk, welches, so lang Sinn
für Poesie im Menschengeschlecht leben wird, nicht untergehen kann;
aber wie die alten gewaltigen Dome unsrer Vorfahren, Bauwerke, mit
denen der Faust bis auf ihre phantastische Verzierung mit Naturwerken
so viel Verwandtes hat, gewöhnlich nie ihre vollkommne Beendigung und
räumliche Vollendung erfuhren, so ist auch der Faust mehr +beendet+
als +vollendet+; aber vor allem fordere ich, daß Jemand, der den Faust
überhaupt anerkennen will, +seine Grundidee anerkenne+, daß er das
darin ausgesprochene genetische Princip alles ächten Seelenlebens
achte, und daß er deutlich empfinde, wie das Begeistigende, ewig
Anregende, ich möchte sagen, +Frühlingsmäßige+ dieses Faust auf der
lebenvollen Grundanschauung von dem zwar tief zu beugenden, aber an
sich schlechthin unverwüstlichen göttlichen Princip der Seele durch
und durch gegründet sei. -- Hatte ich daher im Vorhergehenden unsers
vielgetreuen Alb. Dürer =~Melencholia~= dem Faust von einer Seite,
nämlich hinsichtlich ihrer tiefschmerzlichen, von trüben dämonischen
Gedanken umschwebten Sehnsucht, verglichen, so möchte ich nun auch
ein andres Blatt desselben Meisters Ihnen in’s Gedächtniß rufen, von
welchem ich weiß, daß es unter dem Namen des „Ritters zwischen Tod und
Teufel“ auch Ihnen bekannt genug ist, und möchte auch dieses dem Faust
vergleichen, in wiefern hier in dem wohlgerüsteten, von allem Spuk
unaufgehaltenen Ritter jene andre Seite dieses Werkes deutlich erkannt
werden könnte, von welcher der Herr sagt:
„ein guter Mensch in seinem dunkeln Drange
+ist sich des rechten Weges wohl bewußt+!“
Was aber soll man denen sagen, welche, als Schergen der himmlischen
Justiz, verlangen, daß Faust wegen begangener Übelthaten sofort nach
seinem Abscheiden der oder jener Höllenmarter von Rechtswegen übergeben
werde? -- Am besten wohl -- +nichts+!
Sie, theurer Freund, sind gleich mir genugsam überzeugt, wie wenig eine
Polemik fruchten kann, wenn sie zwischen grundwesentlich Verschiedenen
Statt findet! es wird ein fruchtloses Gewirre, als ob Menschen in zwei
verschiedenen Sprachen, deren keine vom Andern verstanden wird, sich
stritten! -- Wem noch nicht klar geworden ist, daß jeder von dem reinen
Streben zum Göttlichen abgelenkte Zustand seine Qual oder, wenn Sie
es menschlicherweise ausdrücken wollen, seine Strafe +in sich+ trägt;
wem nicht die Erkenntniß aufgegangen ist, daß von dem Tartaros der
Griechen an bis zu Dante’s Hölle und Purgatorio die Sagen von einem
Marterort der Seelen auf Bildern und Gleichnissen von diesen innern,
jeglichen unfreien Zustand der Seele begleitenden Schmerzen und Qualen
durch und durch beruhen -- Gleichnissen, welche um so materieller und
schwerfälliger aufgefaßt wurden, je unbeholfener oder befangener die
menschliche Vorstellungsweise war --; wem endlich die Bedeutung der
zwar von einem Anfange anhebenden, aber unendlicher Entwicklung fähigen
Fort- und Fortbildung der Seele verborgen geblieben ist, dem läßt
sich nun einmal hierüber weiter nichts sagen, und wir überlassen ihn
getrost +seiner+ eignen Weiterbildung! -- Hübsch ist es übrigens, wie
Göthe selbst, welcher die Gestalten jener Gleichnisse, den plastischen
Anforderungen des Dichters gemäß, nicht entbehren konnte, geradezu
Mephisto, indem ihn der Herr an den lebenden, sich mannichfaltig
versuchenden Faust verweist, sagen läßt:
„Da dank ich euch! +denn mit den Todten+
Hab ich mich niemals gern befangen.“
Bedenke ich aber die Anforderungen jener Widersacher noch
ausführlicher, so scheint mir wohl ein wesentlicher Grund für ihr
Verlangen nach Verdammniß darin zu liegen, daß sie keinen Sinn für
das haben, was tiefer Seelenschmerz von uns genannt wird; sie sind
so in die Äußerlichkeit des Lebens eingewickelt, ja untergegangen,
daß es ihnen nicht glaublich vorkommt, Jemanden, der im Leben bequem
ißt und trinkt, dem selbst manches hohe Glück begegnet, für innerlich
tausendfältig gepeinigt zu halten; sie nennen das „eingebildete
Schmerzen“, und sie verlangen wirkliche; -- sie ahnen nicht, daß hier
oft das, was sie wirkliche Schmerzen nennen, das Kühlungsmittel der
brennenden Wunde der Seele werden kann, -- sie haben nun einmal keinen
Sinn für das Schmerzenswort, welches noch dem hochbejahrten Faust
entfährt:
„So sind am härtsten wir gequält:
Im Reichthum fühlend, +was uns fehlt+.“
Und endlich, wenn man nun auch von dem alttestamentlichen „Aug’ um
Auge, Zahn um Zahn!“ sich zu einer eigentlich christlichen Ansicht der
Vergebung und der höhern Gnade erheben könnte, so heißt es endlich:
die Zerknirschung, die Reue und Buße -- das müsse doch wenigstens
vorhergehen! -- und wie +sie+ es bei ihrem Archonten gewohnt sind,
so müsse doch dem, der das Recht zur Begnadigung habe, vorher die
hinreichende Demüthigung und Bittstellung vorgebracht werden! -- O
Himmel und Erde! -- welcher Ansicht von jenem ewigen, unermeßlichen,
unaussprechlichen Wesen muß ich da gedenken! -- jenem Wesen, von dem
es heißt: „er erbarmet sich, welches er will!“ jenem Wesen, vor welchem
Weltsysteme ihre ungeheuren Entwicklungen durchlaufen und welches
gnädig auch die Entfaltung der stillen Pflanze begünstigt, jenem Wesen,
vor welchem die in Stürmen fortschreitende, titanenhafte Seele eben so
sich heranbildet, wie die Seele des mildgesinnten, jegliche Abweichung
schmerzlich bereuenden Dulders, jenem Wesen, von welchem der Psalmist
sagt:
„Du machest Deine Engel zu Winden und Deine Diener zu Feuerflammen! --
Licht ist Dein Kleid, das Du anhast; Du breitest aus den Himmel, wie
einen Teppich!“ --
Nein! ich will Ihnen über alles Andre schreiben, aber nichts mehr von
jenen Ansichten, deren allgemeinere Vernichtung freilich erst einer
Zeit vorbehalten sein wird, deren Herannahen, als einer abermaligen
großen Entwicklungsstufe der Menschheit, wir nur im Stillen zu ahnen
im Stande sind! -- Nur das will ich noch mit zwei Worten berühren, daß
mir einst ein sonst ganz wackrer Mann entgegenstellte, die unbedingte
Strebsamkeit, die fortwährend aufgeregte Thätigkeit allein könne doch
nicht hinreichen, eine Seele zur höchsten Beseligung, zu vollkommener
Läuterung zu führen, wenn er auch gern zugebe, daß das Versinken in
Trägheit, das eigentliche Sichfallenlassen, das faule Dahingeben des
Geistes an das, was nichtig ist, die wahre Verdammniß und die bleibende
Niederbeugung alles Hohen und Göttlichen im Menschen bewirken müsse!
-- Aber er bedachte nicht dabei, daß im Faust von keiner vagen, hin
und her schweifenden Bethätigung die Rede ist, daß es sich hier um
ein Hinaufwachsen durch die mannichfaltigsten Lebenserfahrungen, um
eine nach höhern Gesetzen durch die verschiedensten Lebenskreise
fortschreitende Ausbildung handelt, eine Ausbildung, während welcher
gerade das schmerzliche Gefühl der Unvollkommenheit jedes momentanen
Zustandes der Sporn ist, welcher den strebenden und während des
Strebens mannichfach irrenden und leidenden Geist rastlos vorwärts
treibt.
Und so seien nun der Worte für jetzt genug! denn wir sind, glaube ich,
auf einem Punkte angekommen, wo jener schöne Spruch uns vollkommen
gerechtfertigt erscheint, welcher als der Schlußstein dieses mächtigen
Dichtung-Bogens angesehen werden kann, und mit welchem ich für heute
diesen Betrachtungen und Ihnen Lebewohl sage, -- der Spruch:
„Gerettet ist das edle Glied
Der Geisterwelt vom Bösen.
Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen.
Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben Theil genommen,
Begegnet ihm die sel’ge Schaar
Mit herzlichem Willkommen.“
III.
Den 5. April 1835. Abends.
Lange habe ich mich nach der Stille eines Abends und nach der tiefen
innern Ruhe der Seele gesehnt, welche mir Veranlassung geben könnten,
meine einsamen Betrachtungen über den Faust fortzuspinnen! Heute
leuchtet endlich das wachsende Licht des Mondes, in reinen Strahlen
über dunkeln, langsam ziehenden Wolken schwebend, einem solchen Abende,
-- und ich begrüße die Muse, die, von glücklichen Constellationen
angekündigt, der Muße begegnet, und wünsche nur, daß es mir gelingen
möge, alles, was sonst noch über jenes wunderbare Werk meine Seele
bewegt hat, Ihnen nun heute so wie in künftigen Tagen noch recht klar
und bestimmt mitzutheilen und vor Augen zu legen.
Wenn ich aber in meinem vorigen Briefe die eine der Grundfragen des
ganzen Werkes in Betrachtung gezogen habe, so möchte ich zum Thema
des heutigen eine andere stellen, und zwar die Frage nach der innern
Wahrhaftigkeit der Bedeutung, welche Göthe dem Einflusse höhern
weiblichen Wesens auf Entwicklung, auf Reifung, ja auf Verklärung nicht
nur des Faust, sondern des Menschen überhaupt zugesprochen hat.
Die mysteriosen, in vielen Ohren höchst wunderlich lautenden Worte:
„Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichniß;
Das Unzulängliche,
Hier wird’s Ereigniß;
Das Unbeschreibliche,
Hier ist’s gethan;
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan.“
regen zu den mannichfaltigsten Betrachtungen auf und führen zu
allernächst an die Pforte tiefsinnigster Vergleichungen weiblicher und
männlicher Seeleneigenthümlichkeit. -- Erlauben sie denn, daß ich auch
Sie, dessen Sinnesart ich eigentlich allem Weiblichen großentheils mehr
ab- als zugewendet erkannt habe, doch veranlasse, diesem Gedankenzuge
einmal mit Ernst eine Zeit lang nachzugehen; es wäre denn doch wohl
möglich, daß sich uns Gegenden in diesem Gebiete erschlössen, gleich
jenen Attika’s, von feiner Luft durchzogen, von welcher der Scholiast
sagt, sie sei weniger geeignet für das Wachsthum der Pflanzen, aber
heilsam den Seelen der Athener.
Überlasse ich mich nun einem tiefern Nachsinnen über diese Gegenstände,
so kommt mir unwillkürlich zunächst jener edle Geist in die Gedanken,
welcher mehr und entschiedener, als vielleicht irgend Einer, durch ein
hohes weibliches Wesen in seinem Entwicklungsgange gefördert worden
ist, -- Dante. -- Wie merkwürdig sind nicht jene Worte über das erste
Erkennen der Beatrice im Anfange seiner =~Vita nuova~=, welche ich nach
Oynhausens Übersetzung hier beifüge: „Und sie erschien mir bekleidet
mit der herrlichsten Farbe, demüthig und ehrbar, purpurroth umgürtet
und geschmückt nach der Weise, wie es ihrem jugendlichen Alter zukam.
In demselbigen Augenblicke, sage ich wahrhaftig, daß der Geist meines
Lebens, welcher in der geheimsten Kammer des Herzens wohnt, anfing
so heftig zu zittern, daß es zum Erschrecken sichtbar wurde in den
allerkleinsten Pulsen, und zitternd sagte er diese Worte: =~ecce deus
+fortior me+, veniens dominabitur mihi~= (siehe da ein Gott, +mächtiger
denn ich+, welcher kommt, um über mich zu herrschen). In demselben
Augenblicke auch der Geist der Empfindung, welcher in derjenigen Kammer
wohnt, in welche alle die Geister der Sinne ihre Wahrnehmungen bringen;
er begann sich zu erstaunen gewaltig, und, indem er vor andern zu den
Geistern des Gesichts redete, sagte er diese Worte: =~apparuit jam
beatitudo nostra~= (unsre Seligkeit ist uns erschienen).“ -- Und wie
deutlich spricht sich nicht im ganzen Ideengange seiner gewaltigen
Werke es aus, daß sie entstanden sind aus jenem geheimnißvollen Zuge,
welchen Göthe einmal unübertrefflich mit Worten bezeichnet, indem er
sagt:
„In unsres Busens Reine wohnt ein Streben,
Sich einem Höhern, Reinern, Unbekannten
Aus Dankbarkeit freiwillig hinzugeben,
Enträthselnd sich dem ewig Ungekannten;
Wir heißen’s Frommsein.“ --
Aber eben dieses „Frommsein“, diese innere Klarheit und Ruhe und
dieses heitere Genügen, fragen wir nach, ob sie, wenn wir die
Geschlechter in ihrer tiefsten Bedeutung erfassen, nicht ganz
eigentlich die Bestimmung des weiblichen sind? -- Ich möchte sagen,
die Sprachen schon, diese ersten, unbewußten Laute der Philosophie
der Völker, deuten darauf hin; denn stellen sie nicht Alle jene
ewigen Ideen, welche als leuchtende Sterne das Leben der Menschen
bewegen und führen sollen, in weiblicher Form dar? und so unnatürlich
es uns vorkommen würde, die widerwärtigen Geister des Zorns, des
Wahnsinnes, des Neides und Hasses in weiblicher Gestalt zu denken, so
einfach ist es in die Vorstellung wohl aller Völker eingegangen, die
höchsten Ideen der Wahrheit, Schönheit, Liebe, Güte, Gottinnigkeit und
jeglicher Tugend in weibliche Form zu kleiden. -- Wollen Sie nun aber
bedenken, aus welchem Quell inneres und äußeres Elend der Menschheit
hervorgeht, wollen Sie an den Streit der Leidenschaften, an die Qual
der Selbstsucht, an das unstäte Umherschweifen zügellosen Verlangens
und an die Marter einer sich selbst immer neu aufreizenden und eben
deßhalb nie befriedigten Sehnsucht gedenken, so wird Ihnen die
Beruhigung, die stille Klarheit und der tiefe, innere Frieden, wie sie
ein im höchsten Sinne wahrhaft edles, weibliches Wesen durchdringen,
erst ihrem ganzen Gewicht nach alsobald fühlbar werden, und es ist
damit zugleich ausgesprochen, welche hohe Bedeutung der Frau eigentlich
zukomme, theils und zunächst als versöhnendem, beruhigendem, läuterndem
Princip in dem von streitenden Kräften angeregten und vorwärts
gedrängten Leben des Mannes, theils für die Menschheit überhaupt,
welche das Bedürfniß eines solchen Haltes um so mehr und um so
unfehlbarer empfinden wird, je unruhiger, aufgereizter und stürmischer
der Zustand ihres Lebens gerade in irgend einer Periode genannt
werden mußte. -- Ich gestehe Ihnen, diese Gedankenfolge hat mich zu
ganz eignen Betrachtungen geführt, von denen ich einige hier nicht
abweisen kann, auf die Gefahr hin, daß Sie dieselben den gegenwärtigen
Betrachtungen des Faust völlig fremdartig nennen. Hierhin rechne ich
aber zuerst in den wildesten Zeiten des Mittelalters, da, wo das
Reis der Barbarenstämme, auf den absterbenden Stamm überfeinerter,
griechisch-römischer Cultur gepfropft; in die mächtigsten Sprossen
ausschlug und zu einer Wildniß fortwuchs, in deren Schatten eine
Regeneration des gesammten Menschheitlebens sich vorbereitete, die mit
einem Male in dem Geiste der Chevalerie hervortretende Verehrung der
Frauen und deren Verklärung in den Werken der edelsten Dichter, unter
denen eben unser Dante obenan steht, Dante, welcher sich nicht scheut,
den Geist einer Frau +ein stärkeres Wesen+, welches ihn beherrschen
werde, zu nennen. Ist es nicht höchst merkwürdig, daß gerade in dieser
stürmischen Zeit, wo die äußerst gereizte Stimmung der Menschheit sich
bis auf das Physische durch die gewaltsame Macht großer Epidemien,
gleich der des schwarzen Todes, bezeichnete, in der Zeit, wo die
aufgeregten Leidenschaften die furchtbarsten Grausamkeiten zu täglichen
Begebnissen machten, und wo die Unbändigkeit der überschäumenden
Kraft alle Gränzen der Gesittung niederzuwerfen drohte, ein höherer
Sinn der Liebe und eine reinere Anerkennung der ächten Bedeutung
weiblicher Individualität Wurzel fassen und zu den schönsten Blüthen
der Poesie und des Lebens aufsprießen konnte? -- Sodann! welche
andre Bedeutung hat denn wohl, kann denn wohl haben die durch viele
Zeiten und Völker durchgreifende Verehrung jener geheiligten Frau,
in welcher sich der Begriff der Jungfrau wie der der Mutter auf die
wunderbarste und geheimnißvollste Weise verbanden, als daß in ihr, wie
in einem Symbole, ergriffen werden sollte die Idee jener beruhigenden
Klarheit, jener geistigen Beschwichtigung und jenes tiefen, innigen,
ja mehr als dies, gottinnigen Friedens, welcher den alleinigen Trost
für das leidenschaftlich umgetriebene Gemüth des in den Lebenskampf
verflochtenen Mannes, wie für die mannichfaltigen Leiden der nicht
so hoch entwickelten Frau gewährt, eines Friedens, welcher im höhern
ächten Sinne weiblichen Wesens sich allein mit dieser Entschiedenheit
darstellt? -- Ja, ich kann nicht umhin, Ihnen einige Worte aus dem
Büchlein von Deycks als vollkommen hierher gehörig auszuheben, und
zwar die, wo er sagt: das, was der Mensch beizutragen vermöge zu
dem Wunder der Vereinigung der Seele mit Gott, sei eben jenes reine
Gefühl der Abhängigkeit, der Demüthigung des stolzen Sinnes unter das
Höhere, d. i. die Zuversicht und Hoffnung, Glaubenskraft und Liebe,
deren höchstes Sinnbild Maria genannt wird; -- denn wie solle sich
für die reine Hingebung an das Göttliche eine geeignetere Bezeichnung
finden, als eben die des +Ewig-Weiblichen+? Ist es denn nicht aber auch
hier merkwürdig, daß gerade die rauhesten Zeiten, die aufgeregtesten
Zustände und noch jetzt die Länder, wo ein heißeres Clima den Menschen
heftiger erregt, die Bedingungen sind, welche die Verehrung jener
Himmelskönigin begünstigen und begünstigt haben? -- Sehen wir nicht den
kühnsten spanischen Guerilla und den verwegensten Räuber der Abruzzen
noch die Ehrfurcht gegen die Madonna als einzigen Lichtstrahl in der
dunkeln Nacht einer von wilden Leidenschaften verfinsterten Seele,
bewahren? -- Kurz, auch hier macht sich das Recht des Gegensatzes
gültig! Die von Stürmen bewegte Seele, ja schon die von Fülle der
Thatkraft gespornte wird mächtig angezogen von der im tiefen Frieden
eines gottergebenen Sinnes ruhenden, und nicht minder nothwendig
ist es, daß in dieser hinwiederum die liebevollste Hinneigung rege
werde gegen das durch Wunden und Kampf zu ihr aufstrebende Gemüth
eines thatkräftigen Mannes! -- Ich weiß nicht, ob es Ihnen im Leben
jemals möglich geworden ist, eine Frau solcher höheren, reineren,
großartigeren Sinnesart etwas näher beobachten zu können, wahrzunehmen,
mit welcher ruhigen Entschiedenheit Wesen dieser Art nicht nur auf
Männer, sondern selbst auf andere minder entwickelte weibliche Wesen
eben blos durch ihre ruhige leidenschaftlose Erscheinung einzuwirken
pflegten. -- Mir ist manchmal bei solchen Beobachtungen der Spruch aus
dem Epimenides eingefallen:
„Die gelinde Macht ist groß.“
Göthe nun, der in einem vielfältig bewegten Leben, theils unter
glücklichern Himmelsstrichen, theils in den Kreisen höherer Bildung,
manchen bedeutenden weiblichen Charakteren begegnet ist, und in dessen
Werken so ausgezeichnete Individualitäten dieser Art geschildert sind,
daß er wohl verdiente, eine deutsche Mistreß Jamson zu finden, welche
mit gleicher Liebe, wie diese die weiblichen Charaktere Shakesspears,
so die Frauen göthischer Dichtung ein einer nähern Schilderung
zu erläutern suchte, Göthe konnte am wenigsten verkennen, welchen
mächtigen Einfluß weibliches Leben und Wirken auf Entwickelung der
Menschheit von jeher geübt hat, und wenn ihm vorschwebte, in einem
einzigen, ihn ein halbes Jahrhundert hindurch beschäftigenden Werke die
Entwicklung einer menschlichen Seele überhaupt und einer thatkräftig
männlichen Seele insbesondere zu schildern, so mußte die Einwirkung von
der Seite weiblicher Individualität in dieser Schilderung nothwendig
eine der bedeutendsten Stellen einnehmen; die Art aber, wie diese
Einwirkung nun gerade im Faust dargestellt und durchgeführt ist,
genauer mit Ihnen, theuerster Freund, zu betrachten, hatte ich mir eben
zur Hauptaufgabe dieses Briefes machen wollen.
Wenn ich daher unternehme, Ihnen, dem Freunde, in Worte zu fassen,
was bisher der Seele zum Theil nur noch in dämmernden Gedanken
vorgeschwebt hat, so muß ich freilich etwas tiefer eintauchen und
zunächst darauf kommen, was wohl eigentlich den innern Unfrieden, die
tiefe Zerrissenheit des Faust bedingt, jenen verzweifelten Zustand,
wie wir ihn eben in dem lebenskräftigsten Anfange des Gedichtes uns
vorgeführt finden, und allerdings wird auch hier wieder unwillkührlich
die Darstellung zur Allegorie werden, indem wir bald empfinden müssen,
daß dasselbe, was hier einen reichbegabten Geist peinigt, auch als die
tiefste Quelle unendlicher Zerwürfniß im Menschheitleben erscheine. --
Soll ich also hierüber auf die kürzeste Weise mich aussprechen, so muß
ich geradezu jene herrlichen Worte an die Spitze stellen, die mir schon
in mannichfaltigen Lagen ein strahlendes Licht gewesen sind, die Worte:
„Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete, und hätte +der
Liebe+ nicht, wäre ich ein tönendes Erz, oder eine klingende Schelle.
Und wenn ich weissagen könnte und wüßte alle Geheimnissse, und alle
Erkenntniß, und hätte allen Glauben, also, daß ich Berge versetzte,
und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine
Habe den Armen gäbe, und ließe meinen Leib brennen, und hätte der
Liebe nicht, so wäre es mir nichts nütze. Die Liebe ist langmüthig
und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibet nicht
Muthwillen, sie blähet sich nicht. Sie stellt sich nicht ungebehrdig,
sie suchet nicht das Ihre, +sie lässet sich nicht erbittern+.“ -- Und
diese Liebe, dieser höchste Quell innern Friedens und innern Glücks,
diese -- bei unendlich Vielem, was er besitzet -- sie +fehlt+ dem
Faust, und daß sie ihm fehlet, bedingt sein Elend! -- Faust, wie man
sich ihn, seinem frühern Leben nach, denken muß, ausgerüstet mit
feurigem, in mancher Hinsicht productivem Geist, ist aufgewachsen unter
Buchstaben und Pergamenten, anstatt unter lebenden, ihn liebenden
Menschen; für die Wirkung des Abstrakten, ja Abstrusen der Schule auf
den Kopf fehlte ihm das Gegengewicht der Wirkung des Concreten und
Erfrischenden ächt menschlichen Lebens auf das Herz; -- eine ungeheure
Masse von Erkenntnissen, Empfindungen und Gestalten hat sein Geist
um ihn gebannt, aber die Erkenntnisse gewähren ihm keine freudige
Anwendung, die Empfindungen neigen zur Verzweiflung, und die Gestalten
sind ohne lebendigen Pulsschlag und Wärme; er selbst ist noch, wie der
Apostel sagt, +erbittert+; -- da bricht er aus:
„Und fragst du noch, warum dein Herz
Sich bang in deinem Busen klemmt?
Warum ein unerklärter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt?
Statt der lebendigen Natur,
Da Gott die Menschen schuf hinein,
Umgiebt in Rauch und Moder nur
Dich Thiergeripp’ und Todtenbein.“
Aber eben daß sich in solchen Schmerzenslauten beurkundet, er fühle
tief diese Lücke seines Daseins, daß eine Sehnsucht in ihm lebt nach
einem Zustande, den er noch nicht kennt, das ist die Bürgschaft
seiner eignen höhern Natur! -- Denn das Gemeine kann sich im Gemeinen
gefallen, es kann ihm +wohl+ darin sein, +ohne+ alles Streben nach
einem Höhern; aber die edlere Natur läßt sich nicht genügen in der
Mangelhaftigkeit des Daseins, sie fühlt die Qual ihres unvollkommenen
Zustandes, und eben darin, daß sie sie fühlt, liegt die Hoffnung,
aus diesem ungemäßen zu einem reinern gemäßern Zustande hindurch zu
dringen. Dem Faust jedoch, da, wo das Drama beginnt, liegt diese
Hoffnung noch fern; es ist ein unbestimmtes Umhertreiben, was ihn
bewegt:
„Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
Und von der Erde jede höchste Lust,
Und alle Näh’ und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.“
Ist nun aber jene innige und hohe Liebe zu Gott und den Menschen
der einzige Hafen, wo die Irrfahrten eines solchen verzweifelnd
Umhergetriebenen endigen können, so fragt sich, was kann ihm das
Steuer lenken und die Segel richten, diesen Hafen zu erreichen? --
Hierüber kamen mir folgende Gedanken, welche, ich kann es nicht
läugnen, besonders wieder durch die Erinnerung an die für alle
Zeiten höchst merkwürdigen Offenbarungen geheimster Vorgänge des
menschlichen Gemüthes, wie sie in Dante’s =~Vita nuova~= vorliegen,
bedingt worden sind. Beachten wir es nämlich recht, so ist jene Liebe
der vollkommenste Gegensatz alles Egoismus, und wenn es dem Menschen
schwer wird, zu dieser Liebe zu gelangen, so ist die Selbstigkeit das
schwerste Hinderniß; -- er soll aber aus sich, aus dieser Selbstigkeit
heraus! -- er soll gewissermaßen +außer+ sich gesetzt werden, damit er
sich selbst im höhern Sinne wieder finde! er soll los von dem Bande,
welches ihn an sich selbst gekettet hält und höhere Anschauungen ihm
verschließt! --Aber dazu braucht es einer bestimmten Einwirkung!
wie die Hülle der Knospe in einem Moment reißen und aufbersten muß,
damit die Blüthe sich entfalten könne, so auch hier! -- Die mächtige
Einwirkung einer einzigen bestimmten, das Selbstgefühl überwältigenden
Erscheinung, gleich der, von welcher Dante sagt: „siehe da, ein Gott
mächtiger, denn ich, welcher kommt, über mich zu herrschen“ ist
hierzu unfehlbar am meisten geeignet, und nur die Art, wie sich nun
die erschütterte, in ihren Grundfesten bewegte und gleichsam von
sich selbst gelöste Seele weiter entfaltet, wird nach verschiedener
Individualität unendlich verschieden sein. -- Die Entwicklung der Idee
der Liebe, wenn sie vollkommen menschlich erscheint, und so wie sie
wohl auch Göthe im Faust vorgeschwebt hat, möchte ich aber am liebsten
eine vollkommen organische nennen; ich möchte sie vergleichen und, wäre
ich Arabeskenzeichner, ich würde sie zeichnen als einen wundersamen
Baum, welcher auf geheimnißvolle Weise aus einem unscheinbaren
Samenkorn sich hervorgebildet; das Samenkorn theilt sich zuerst in
die ins finstre Reich der Erde hinabgesenkte Wurzel und in die
massigen Wurzelblätter; zwischen letztern waltet anfänglich in größter
Zartheit der Keim des aufstrebenden Stammes und der Stengelblätter; --
immer frischer, mannichfaltiger und höher treiben dann diese Gebilde
herauf, Zweige entwickeln sich mit zierlichstem Laube, dann treiben
Blüthen hervor, welche Früchte ansetzen, zuhöchst aber bildet sich die
geheimnißvolle Rose, die Blüthe ohne Staubfäden, und über ihr schwebt,
gleich dem von Linné’s Tochter zuerst gesehenen Flammenleuchten der
Feuerlilien und ähnlicher Blumen, ein strahlender Stern als Symbol
der über dem ewig bewegten Leben leuchtenden und ewig beharrenden
Idee. -- Und gewiß, auf solche Weise ist auch die Liebe zu einer die
mannichfaltigsten Metamorphosen durchlaufenden Entwicklung bestimmt,
und, gleich jenem Baume, wird sie dann, vollkommen ausgebildet, Himmel
und Erde verbinden durch die im Irdischen festhaftende nährende Wurzel
und den glänzenden Stern jener höhern Liebe zu Gott, welche den
tiefsten Geheimnissen der Seele angehörig ist.
Dieses alles nun, wie ist es so wahr und so merkwürdig im Faust
aufgefaßt! -- Das böse Princip selbst muß ihm, indem es ihn verderben
zu wollen scheint, unwillkührlich zum Heile gereichen und zuerst
das Samenkorn höherer liebevoller Gesinnung in die Brust werfen; in
Gretchen’s Atmosphäre ergreift den Unsteten, den überall nur die „Pein
des engen Erdenlebens“ Fühlenden, zum erstenmal die Empfindung des
+unendlichen Glückes der Beschränkung+. Dorthin gehört die Stelle in
Gretchens Zimmer:
„Willkommen, süßer Dämmerschein,
Der du dies Heiligthum durchwebst!
Ergreif mein Herz, du süße Liebespein,
Die du vom Thau der Hoffnung schmachtend lebst!
Wie athmet rings Gefühl der Stille,
Der Ordnung, der Zufriedenheit!
In dieser Armuth welche Fülle!
In diesem Kerker welche Seligkeit!“
Aber dies Gefühl gleicht den ersten warmen, sonnigen Tagen im frühen
Frühlinge! noch ist die Luft nicht der höhern Wärmespannung gewohnt;
die aufgehobenen Dünste vereinigen sich zu gewitterhaften Explosionen,
und Kälte und Schnee bringen bald wieder ein winterliches Gefühl zu
Wege. So auch Faust! die Einwirkung eines so stillen kindlichen
Wesens, eines Wesens, welches an Reichthum innern Gemüths freilich
unendlich den Faust überwiegt, aber in geistiger Entwicklung so
weit unter seiner Sphäre zurückbleibt, konnte nicht mächtig genug
erscheinen, eine vollkommene Metamorphose zu veranlassen. Ein Blick auf
eine neue, bis dahin ihm fremde Region hat sich ihm erschlossen; aber
er ist dem einzelnen Blicke zu vergleichen, den der Wanderer von einer
hohen Bergspitze durch ein wogendes, hie und da zerreißendes Wolkenmeer
in schön blühende Thäler wirft; sogleich wird er vom finstern Gewölk
wieder verdeckt. -- Und so wird er bald von dem wüsten, unsteten
Treiben seiner innern Zustände weiter gerissen; die liebliche, ihrer
innersten Idee nach unzerstörbare Erscheinung wird von seinem eignen
Unheil erfaßt und mindestens +zeitlich+ zertrümmert; er fühlt, es kann
nicht anders sein, verzweifelnd ruft er aus:
„Mag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen,
Und sie mit mir zu Grunde gehn.“
Und so geschieht es! vergeblich versucht er, auf +seine+ Art zu retten,
wo nichts mehr zu retten ist; der Schlag fällt; von dem ungeheuren
Jammer furchtbar ergriffen, fühlt er zuerst einen ächten Seelenschmerz,
und wie im Physischen oft wichtige Entwicklungsvorgänge des organischen
Lebens an schwere Krankheitsstürme geknüpft sind, so wirft ihn
betäubend ein geistiges Leiden zu Boden, ein Leiden, aus welchem der
Mensch nicht aus +eigner+ Kraft sich aufzuraffen vermag, wenn nicht
eine höhere Gnade den Gefallenen wieder aufrichtet.
Wirklich senkt ein Strahl dieser Gnade zu dem Gefallenen sich
hernieder; sie läßt helfende Geister ihn umschweben und weiset sie an
mit den Worten:
„Besänftiget des Herzens grimmen Strauß;
Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile;
Sein Innres reinigt vom erlebten Graus!“ --
Wollten wir freilich hier wieder fragen: warum wird nun +dieser+
Halbverlorene wieder aufgerichtet, während so viele Andere in solchen
Leiden scheinbar rettungslos untergehen? so gestehe ich, hierauf in
alle Zeit keine andere Antwort finden zu können, als die im vorigen
Briefe angeführte des Apostels: „und so erbarmet er sich, welches er
will!“ -- Denn was ist am Ende auch die reinste, heiligste Entwicklung
eines fleckenlosen Gemüthes, als +eine Gnade+, welche dieser Seele zu
Theil wurde, frei von den verderblichen Einflüssen und durch glückliche
innere Seelengesundheit zum ungetrübten Zuge gegen das Einzige, ewig
Wahre sich hinauf bilden zu können? --
So also richtet sich der durch eigene Schuld Niedergeworfene allmählig
wieder auf; ein reicherbewegtes Leben ergreift ihn, ohne jedoch
für’s erste mehr als den Kreis seiner Vorstellungen und Begriffe
zu erweitern, bis der Kaiser auf den Gedanken kommt, von Faust die
Beschwörung der Helena zu verlangen. -- Da hebt eine neue Metamorphose
an! -- Erstaunt gewahrt er, daß hier die Gewalt eines in vieler andern
Beziehung mächtigen widerwärtigen Princips nicht mehr ausreicht,
daß er in die geistigste, wesenloseste Tiefe, -- in das Reich der
Urbilder alles Daseins vor allem wirklichen Sein (Göthe nennt sie
deßhalb „die Mütter“), in das Reich der von Plato zuerst +so+ geahneten
und bezeichneten +Ideen+ einzudringen habe, und daß er +die Idee
des Schönen+ in sich aufnehmen müsse, wenn er die Vollkommenheit
einer schönen Erscheinung nur wahrhaft empfinden, geschweige denn
hervorrufen wolle. -- Und also wird es vollendet. -- Aber wie Plato
sagt, daß alle Philosophie mit dem Bewundern anfangen müsse, und wie
das innige Durchschauern unsers Wesens dem Erstaunen sich zugesellt,
so ergreift auch ihn ein geheimes Schaudern, wie diese Verwandlung in
ihm anhebt, -- allein er verkennt nicht die Bedeutung dieses Schauders;
denn wir hören ihn:
„Das Schaudern ist der Menschheit bestes Theil.
Wie auch die Welt ihm das Gefühl vertheure,
+Ergriffen+, fühlt er tief das Ungeheure.“
So angekündigt, erfolgt denn die Erscheinung der Idee des Schönen in
umschriebener klassischer Gestalt der Helena; denn das griechische
Alterthum ist nun einmal die Periode allgemeinen Menschheitlebens,
wo die +Idee der Schönheit+ sich eben so zu verkörpern liebte, als
durch die christliche Zeit +die Idee höchster Güte+ zur lebenvollen
Erscheinung gebracht werden sollte, und als wir vielleicht am Rande
einer dritten Weltperiode stehen, durch welche die +Idee der Wahrheit+
in der Erkenntniß vollkommen dargelebt werden soll.
Jetzt zum erstenmale erfährt Faust nicht blos den Reiz, sondern die
Gewalt, +die Herrschaft+ der Schönheit; diese für ihn zum erstenmale
so ganz frisch ins Leben tretende Idee wirkt blitzähnlich auf ihn,
und zum erstenmale fühlt er sich entzündet von heftigem Liebeszuge,
nicht gegen Etwas, das unter ihm, ja neben ihm steht, sondern gegen
Etwas, das er entschieden +über+ sich fühlt; -- die Empfindung, ein
Höheres, ja wohl Unerreichbares zu lieben, eine Empfindung, welche die
höchste Entwicklung im Menschen anzuregen geeignet ist, erfaßt ihn
mit vollkommner Gewalt, und eine neue Lebensepoche schließt sich auf.
Zuerst niedergedonnert durch den unseligen Versuch, das Höchste in den
Kreis des alltäglichen Lebens herabziehen zu wollen, kommt er, auf
griechischem Boden angelangt und vom höchsten Zuge der Leidenschaft
bewegt, zu der Erkenntniß, daß nur eingetaucht in ein eigenthümliches
poetisches Dasein der Mensch es vermöge, die reine Erscheinung der
Idee der Schönheit vollkommen sich anzueignen. Und so beginnt die
geheimnißvolle Weihe! Aus dem Bunde mit der Schönheit, welcher jedesmal
auf dichterische, künstlerische Productivität deutet, entspringt ein
Dichtergeist, den nur das Unstäte, Verwegene seines Wesens, dieses
Erbtheil des Vaters, nicht zu wahrhafter Reife sich entwickeln läßt,
und, so wie der Geist des Faust im vollen Aneignen der Schönheit zu
tieferer Befriedigung gelangt ist, erwarten ihn neue Metamorphosen, und
wir hören die Helena, bevor sie entschwindet:
„Ein altes Wort bewährt sich leider auch an mir:
Daß Glück und Schönheit dauerhaft sich nicht vereint.
Zerrissen ist des Lebens wie der Liebe Band;
Bejammernd beide, sag’ ich schmerzlich Lebewohl!“
Dem Faust bleibt der wolkenhafte Schleier der herrlichen Erscheinung
zurück; er trägt den Mann, den abermals ein weibliches Wesen in seiner
Entwicklung gereift hat, ruhiger, aufgeklärter Naturbetrachtung
entgegen, und fragen wir nach der Einwirkung, welche dieses alles
wieder auf die Richtung seines Lebens gehabt hat, so erkennen wir
als solche zuerst das Erwachen des Bestrebens nach einer großen
folgereichen, in’s Menschheitleben tief eingreifenden Thätigkeit.
Wir hören ihn, den früher alle nach Außen gekehrte Lebensthätigkeit
anwiderte, jetzt ausrufen:
-- „Dieser Erdenkreis
Gewährt noch Raum zu großen Thaten.
Erstaunenswürdiges soll gerathen,
Ich fühle Kraft zu kühnem Fleiß.
Herrschaft gewinn’ ich, Eigenthum!
Die +That+ ist alles! +nichts+ der Ruhm.“
Noch ist jedoch die Thätigkeit nur Lust am Thun selbst, ist sich eigner
selbstischer Zweck, und gewaltig treibt noch im Innern das Unstäte
der in so vieler Hinsicht unbefriedigten Seele! -- Da bricht endlich,
wie Abendsonnenstrahl aus dunkeln, lange den Himmel umziehenden
Gewitterwolken, in dem durch gespenstisches Herannahen der Sonne
erschütterten Gemüthe die Ahnung der zweiten großen Idee des höchsten
göttlichen Reichs -- die Ahnung der +Idee der Güte+ -- hervor; die
Liebe, die zuerst für das Schöne angeregt war, erwacht nun auch für das
Gute; -- das thätigste Bestreben, einem großen Kreise der Menschheit
heilbringend, hülfreich, wohlthuend zu sein -- die Seligkeit des
Gefühls ächter Menschenliebe -- durchdringt ihn mit ahnungsvollem
Schauer, und so ergießt er sich in die herrlichen Worte:
„Das Letzte wär’ das Höchsterrungne.
Eröffn’ ich Räume vielen Millionen,
Nicht +sicher+ zwar, doch +thätig-frei+ zu wohnen.
Grün das Gefilde, fruchtbar; -- Mensch und Heerde
Sogleich behaglich auf der neusten Erde,
Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,
Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft.
— — — — — — —
Ja, diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
Das ist der Weisheit letzter Schluß:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muß.
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.
Zum Augenblicke dürft’ ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdentagen
Nicht in Äonen untergehn. --
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
Genieß’ ich jetzt den höchsten Augenblick!“
Aber dieser Augenblick ist auch der letzte seines irdischen Daseins! er
ist der Augenblick des Todes! -- Fragen wir jedoch, warum nun konnte
diese Organisation sich nicht höher, als bis zur +Ahnung+ der Seligkeit
solcher, an die Menschheit sich rein hingebenden, Liebe entwickeln?
warum denn lag die lebenskräftige Bethätigung derselben außerhalb
der Gränzen dieses Lebenskreises? so wäre darüber wieder so manches
zu schreiben, was jedoch nicht in das Thema +dieses+ ohnehin nur zu
langen Briefes gehört, in welchem ich Ihnen nur noch schließlich einige
flüchtige Gedanken mittheilen wollte, über die letzte und höchste
Entwickelung des Faust, wie wir dieselbe, dem Willen des Dichters
gemäß, noch in der Zeit nach seiner Todes-Metamorphose vorahnen sollen;
denn gerade hier, tritt abermals ein Moment hervor, in welchem die
Einwirkung höchsten weiblichen Princips wieder unmöglich fehlen konnte.
Dieser letzte Abschnitt des Werkes ist aber überhaupt ein hohes und
höchst eigenthümlich gedachtes Mysterium, und ich muß Ihnen sagen,
daß er mir ganz vorkommt, wie eins jener alten Chroralbücher für
Orgelspiel, wo nur der Hauptgang der Melodie in einzelnen ganzen Noten
angezeichnet ist, und vom Orgelspieler verlangt wird, daß er nach gutem
Kunstvermögen und in ihm lebendig gegenwärtigen contrapunktischen
Regeln, die Harmonie und die wohl dazu sich eignenden Ausbildungen und
Verzierungen selbst auszuführen und frei vorzutragen im Stande sei. --
Wem nicht die heiligen Anachoreten in ihrem wunderbaren Felsgeklüft
noch lebendiger als in den Gemälden des Campo santo von Pisa, vor
das geistige Auge treten, wem die einmal im Weltgeist aufgestiegne
Idee einer Persönlichkeit nicht in ihren ewigen Fortbildungen faßlich
werden kann, wem es unverständlich ist, wie dieselbe Idee, dieselbe
Monas, nach abgeworfenen zufälligen Formen, aus der, dem Tode
entflohenen, Aureole gar wohl ein neues Lebensgebilde sich entwickeln
kann, ein Gebilde, dem die Erfahrungen des vorigen Lebens selbst nach
abgestreiftem früheren Bewußtseyn zu innerer Förderung zu Gute kommen,
dem wird diese ganze außerordentliche Conception, welche mir seit
Dante’s Paradies, als das Geistigsterhabenste der Dichtung, erschienen
ist, stets ein Gewirr willkührlicher, abstruser Formen bleiben, und zu
keiner erhebenden Klarheit der Vorstellung gedeihen können. --
Wer nun aber dem Leitsterne des Dichtergeistes freudig zu folgen
versteht, wer im eignen Geiste die Harmonien contrapunktisch
nachklingen läßt zu den armen schwarzen Lettern, welche Göthe uns
hierüber einzig hinterlassen konnte, dem geht dort eine ganz
eigenthümlich verfeinerte ätherische Welt auf, und dem erscheint
es höchst bedeutungsvoll und sinnig, wenn unter seligen Knaben das
Unsterbliche Faustens, die eigenthümlich sein Erscheinen bedingende
Idee, eine neue feinere Gestaltung gewinnt: Wir hören die Knaben:
„Freudig empfangen wir
Diesen im Puppenstand
Also erlangen wir,
Himmlisches Unterpfand.
Löset die Flocken los,
Die ihn umgeben,
Schon ist er schön und groß
Von heiligem Leben.“
Noch aber fehlt ein höheres, und doch ihm innig verwandtes, Princip,
welches zu eigenthümlicher, reinerer, selbstthätiger Entwickelung ihn
bestimmen und anregen könnte -- da beginnt eine neue Vision:
„Dort ziehen Frau’n vorbei,
Schwebend nach oben;
Die Herrliche mittenin
Im Sternenkranze,
Die Himmelskönigin
Ich seh’s am Glanze.“
Und hier schwebt denn auch das, in höhere Regionen verklärt gerettete
Wesen, dessen reines, tiefes, in sich vollkommen befriedigtes Gemüth
dem Faust zuerst die Ahnung +innerer+ Seligkeit erweckte -- das Wesen,
das, wo es fehlte, nur durch Liebe fehlte, und diesen Fehl durch Liebe
selbst und den nie versiegenden Quell vollkommenster Treue ausglich.
-- Wie nothwendig fühlten wir nun alsbald, daß gerade dieses Wesen --
sonst Gretchen genannt -- das Wesen, das eigentlich schon im irdischen
Leben ein tieferes und gewisseres Wissen besaß, als Faust mit aller
wirrer Gelehrsamkeit -- daß dieses am meisten im Stande sei, die,
sich verklärt entwickelnde, Persönlichkeit des Faust -- nun auch zur
Erkenntniß der dritten jener hohen, uranfänglichen Ideen: Schönheit,
Güte und Wahrheit, also zur Erkenntniß höchster, göttlicher Wahrheit,
gleich wie Beatrice den Dante hinanzuentwickeln und zu leiten, deßhalb
ihn zu leiten, weil sie (und hier spreche ich eigentlich wohl das
letzte Geheimniß dieser ganzen Gedankenfolge aus) -- weil sie selbst
als ein +rein Weibliches+ durch und durch das +Symbol der Liebe+ ist,
und weil wir zu jeglichem Großen und Bedeutenden in Kunst, Leben und
Wissenschaft, und zur Erfassung jeder eigentlich göttlichen Idee, nur
durch ächte Sehnsucht nach derselben, durch thätige Liebe gelangen
können.
Wie schön ist daher nicht, wenn sie in Beziehung auf Faust zur Maria,
ihrem eigenen hellstrahlenden, leitenden Gestirn, sagt:
„Vom edeln Geisterchor umgeben,
Wird sich der Neue kaum gewahr,
Er ahnet kaum das frische Leben,
So gleicht er schon der heiligen Schaar.
Sieh, wie er jedem Erdenbande
Der alten Hülle sich entrafft,
Und aus ätherischem Gewande
Hervortritt erste Jugendkraft!
Vergönne mir ihn zu belehren,
Noch blendet ihn der neue Tag.“
Und wenn ihr dann die =~Mater gloriosa~= erwiedert:
„Komm! hebe dich zu höhern Sphären,
Wenn er +dich ahnet+, folgt er +nach+!“
Und so stände ich denn am Schlußpunkte dieser mannichfaltigen
Gedankenzüge, welche sich in mir entsponnen hatten, um Ihnen, theurer
Freund! alles das auseinander zu setzen und auszusprechen, was über
die Bedeutung eines höheren, weiblichen Wesens für Entwickelung der
Menschheit, mir nach und nach beim Studium dieses wunderbaren Werkes
aufgegangen und deutlich geworden war.
Wie weit mir diese schwierige Aufgabe gelungen ist, in wie weit Sie mir
beistimmen oder gegenüberstehen, darüber erwarte ich nun Ihre fernere
Mittheilung, nur erlauben Sie mir, „all dies Vergängliche“ noch einmal
„als Gleichniß“ geltend zu machen, und zwar als Gleichniß, welches
den Satz bestätigen soll: daß nur jene Liebe, welche eben in ächter,
vollkommener Weiblichkeit ihr höchstes Symbol findet, das alleinige
Mittel sei, den Menschen zu allem Hohen und insbesondere zu lebendiger
Erfassung der beseligenden Ideen der +Schönheit+, +Güte+ und +Wahrheit+
zu geleiten, und so scheint es mir denn, daß erst alsdann, wenn wir
die Welt, als ihrer innersten, göttlichen Anlage nach, in solcher
Fortbildung und in einem +solchen+ Entwicklungsgange erfassen, sie
jenes heilige Schauspiel, jene =~Divina Comedia~=, wirklich darbietet,
von welcher „der Herr“ im Eingange sagt:
„Doch ihr, die ächten Göttersöhne,
Erfreut euch der lebendig reichen Schöne!
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfass’ euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
Befestiget mit dauernden Gedanken.“
Und so für alle Zeit
treulichst
Ihr C.
*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK BRIEFE ÜBER GÖTHE'S FAUST ***
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