Der Vampyr, oder: Die Todtenbraut. Zweiter Theil.

By Theodor Hildebrand

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Theil., by Theodor Hildebrand

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Title: Der Vampyr, oder: Die Todtenbraut. Zweiter Theil.
       Ein Roman nach neugriechischen Volkssagen

Author: Theodor Hildebrand

Release Date: April 8, 2016 [EBook #51695]

Language: German


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                                 Der
                               Vampyr,
                                oder:
                           Die Todtenbraut.


                              Ein Roman
                   nach neugriechischen Volkssagen.

                                 Von
                         Theodor Hildebrand.

                            Zweiter Theil.

                            Leipzig, 1828.
                    bei Christian Ernst Kollmann.




                                 Der
                               Vampyr,
                                oder:
                           Die Todtenbraut.





                         Dreizehntes Kapitel.


Der Knall der beiden Pistolenschüsse hallte durch das ganze Schloß
wider, und verbreitete darin sogleich einen unbeschreiblichen Schrecken.
Die Knechte auf der Meierei, von denen einige im Schlosse schliefen,
waren nicht zu Bett gegangen, weil sie am andern Morgen Getraide nach
Prag fahren sollten, und mit den dazu nöthigen Vorbereitungen
beschäftigt waren. Sie verbreiteten sich schnell durch mehrere Zimmer,
während eines der Mädchen die Hausthür öffnete und aus der Nachbarschaft
Hülfe herbeirief.

Die Oberstin, welche vor Mattigkeit eingeschlafen war, fuhr schon bei
dem ersten Pistolenschusse empor, hielt ihn aber für ein gewöhnliches
Geräusch, das ihr nur im Traume stärker vorgekommen sei. Als jedoch bald
darauf der zweite Schuß erschallte, glaubte sie, daß Räuber im Schlosse
wären, und daß der brave Werner im Kampfe mit ihnen begriffen sei. Nach
diesem ersten Gedanken war der zweite ihr Sohn. Sie hatte so viel Muth,
schnell aufzustehen, und ohne ihre eigene Gefahr zu beachten, eilte sie
in das Zimmer, wo der Gegenstand ihrer zärtlichen Sorgfalt ruhte.

Welches schreckliche Schauspiel bot sich ihren Augen dar, als sie, beim
Schein des Mondes und einer spärlich brennenden Nachtlampe, zwei
blutende Körper auf dem Fußboden ausgestreckt sahe, und in ihnen Werner
und die Fremde erkannte. Mit einem Schrei des Entsetzens eilte sie dann
nach dem Bette des Kindes, das sie in ihre Arme nahm; aber vergebens
suchte sie den kleinen Wilhelm aus dem Schlafe zu wecken, in den er
versunken zu sein schien: sein Leben war entflohen. Diese schmerzliche
Gewißheit vollendete Helenens Verzweiflung, und ohnmächtig fiel sie
neben den beiden Leichnamen auf den Fußboden nieder.

Kurze Zeit darauf kamen die Knechte und Dienstmädchen ebenfalls in
dieses Zimmer des Schreckens. Sie sahen ein Fenster offen stehen, und an
demselben eine seidene Strickleiter befestigt; sie fanden Werner und
Lodoiska in ihrem Blute gebadet und ohne ein Zeichen des Lebens; weiter
hin erblickten sie die Oberstin, welche noch athmete, neben dem Leichnam
ihres Kindes. Dieser fürchterliche Anblick mußte alle Anwesenden
natürlich mit Schauder erfüllen. Die Mörder konnten nicht weit sein;
aber vielleicht hatten sie schon mit Hülfe der Strickleiter die Flucht
ergriffen; man beeilte sich eines Theils, der Oberstin beizustehen,
andern Theils, die schon angefangenen Nachsuchungen im Schlosse
fortzusetzen. --

Die Anzahl der zur Hülfe herbeieilenden Nachbarn wurde immer größer;
aber auch die strengsten Nachforschungen blieben fruchtlos. Im Schlosse
selbst fand man keine Spur von den Räubern, und bei der Durchsuchung der
ganzen Gegend war man nicht glücklicher.

Gegen Morgen kam Helene wieder zu sich, und der erste Laut, den sie von
sich gab, war der Name ihres theuren Kindes. Ach, der arme Wilhelm hörte
sie nicht, auch er war ein Opfer dieser schrecklichen Nacht geworden;
gerade da seine Genesung sicher zu sein schien, mußte er seiner
Krankheit erliegen.

Unter diesen Umständen langten noch zwei neue Personen im Schlosse an:
nämlich ein Arzt, den man zur Untersuchung der Leichname herbeigerufen
hatte, und der Oberst Lobenthal, dem es endlich gelungen war, seinen
Schwager mit seiner Schwester auszusöhnen, und der darauf keine Zeit
mehr verloren hatte, um in den Armen seiner Familie den Lohn für diese
gute That einzuernten. Wie weit war er entfernt, einen solchen Anblick
zu erwarten, wie ihm hier bevorstand. Er hoffte, seine Wiederkehr würde
allgemeine Freude im Schlosse verursachen; statt dessen ward er wie vom
Blitze getroffen, als ihn der Schulze des Dorfes bei Seite nahm, und ihm
die Ereignisse der Nacht auseinandersetzte.

Lobenthal war ein zärtlicher Vater, und er schämte sich nicht, seinem
tiefen Schmerze freien Lauf zu lassen; dann verlangte er, seine Frau zu
sehen, um seine Thränen mit den ihrigen zu vereinigen. Wir unternehmen
es nicht, die Szene ihres schmerzlichen Wiedersehens zu schildern; man
hatte Mühe, sie beide von dem Leichnam ihres Kindes loszureißen, den sie
durchaus nicht von sich lassen wollten. Der Anblick Juliens, weit
entfernt sie zu trösten und zu beruhigen, vermehrte nur noch ihren
gerechten Schmerz, und man glaubte daher nichts Besseres thun zu können,
als sie sich selbst zu überlassen, und von der Zeit die Milderung ihres
Kummers zu erwarten.

Mitten in dem Schmerze, den ihm der Verlust seines Sohnes Wilhelm
verursachte, vergaß der Oberst dennoch nicht den Verlust seines treuen
Werner. So viel zusammen verlebte Jahre und mit einander bestandene
Gefahren, gegenseitig erwiesene Dienstleistungen mußten ein höchst
trauriges Andenken im Herzen Alfreds zurücklassen. Er bat den
herbeigekommenen Wundarzt, nichts zu vernachlässigen, wodurch der brave
Unteroffizier wieder in's Leben zurückgerufen werden könnte; aber es war
durchaus keine Hoffnung vorhanden, denn das mörderische Eisen war mitten
durch das Herz gegangen. Bei der jungen Dame fand man zwei Wunden, eine
im Herzen, durch einen Dolchstoß verursacht, und eine andere in der
Brust, wo eine Pistolenkugel hinein und aus dem Rücken wieder
herausgefahren war; auch sie konnte nicht wieder leben, und es blieb
nichts übrig, als sie und den unglücklichen Werner zu beerdigen.

Lobenthal, in der höchsten Betrübniß, verlangte nicht danach, die
Leichname zu sehen. Er kehrte in das Zimmer seiner Gattin zurück, und
wünschte bloß, daß Wilhelms Leichnam, der keines gewaltsamen Todes
gestorben zu sein schien, bis zum folgenden Tage erhalten würde. Die
beiden andern sollten Nachmittags um 4 Uhr begraben werden, weßhalb
Werner in seinem Zimmer, Lodoiska aber in einem Saale des untern
Geschosses auf eine Bahre gelegt wurde.

Schon war der Prediger des Dorfes in seinem Ornate, und die Glocken der
Kirche stimmten das Grabgeläute an, als plötzlich finstere
Gewitterwolken den Himmel überzogen. Ein Donnerschlag folgte auf den
andern, in Strömen floß der Regen herab, und fürchterlich kämpften zwei
Sturmwinde in entgegengesetzter Richtung mit einander; ganze Säulen von
Blättern, Korngarben, Staub und selbst von schwereren Gegenständen
wurden durch die Luft mit fortgeführt; ja es schien, als wenn der
Untergang der Welt ganz nahe bevorstände.

Mitten unter dem Heulen und Brüllen der Elemente glaubten mehrere
Einwohner des Dorfes fürchterlich rauhe Stimmen zu vernehmen, und es
schien ihnen, als wenn die ganze Atmosphäre mit bösen Geistern erfüllt
wäre. Erst spät in der Nacht stillte sich der Aufruhr, in welchem sich
die ganze Natur befand. Bis dahin war es unmöglich gewesen, an die
Bestattung der beiden Leichen zu denken; man mußte dieses Geschäft also
bis auf den folgenden Tag verschieben, und dieß war für die Bewohner des
Schlosses kein geringer Gegenstand der Angst. Nur die Oberstin
bekümmerte sich nicht darum; sie dachte nichts, als ihren Sohn, den sie
nun nicht mehr sehen sollte, und sie schien nur deßhalb noch zu leben,
weil sie hoffte, bald mit dem armen Wilhelm wieder vereinigt zu werden.
Alfred war gezwungen, seinen eigenen Kummer zu vergessen, um zu
versuchen, ob er den ihrigen nicht lindern könne; aber vergebens: sie
hörte ihn, und verstand ihn nicht, vor ihrer Seele stand nur ihr Sohn,
der ihr auf ewig entrissen war.

Schon seit langer Zeit deckte tiefe, finstere Nacht den Erdball. Mehrere
Bauern aus dem Dorfe, welche bei den Todten wachen sollten, hatten sich
in der Küche des Schlosses versammelt, wo sie bei gutem Essen und
Trinken lustig und guter Dinge waren; Branntwein und Bier ging in
Flaschen und Krügen der Reihe nach herum, und man trank fleißig auf das
Wohl der ehrenwerthen Gesellschaft. Die fröhliche Unterhaltung stockte
niemals; jedoch kam man mehrmals auf die Ereignisse der vergangenen
Nacht zurück.

»Da sieht man, sagte Lisette, wie leicht es um uns Menschen geschehen
ist! Wie gesund war der arme Werner noch gestern, und heute liegt er
todt im Sarge.«

-- Und von seiner Seele sprichst du nicht? sagte ein altes Weib, dessen
verdächtiger Blick die Knaben und Mädchen des Dorfes in Schrecken
setzte, wenn er auf ihnen ruhte; denkst du denn, daß seine Seele jetzt
in Ruhe ist? Ist er nicht ohne Abendmahl gestorben, und wird uns sein
Geist in Ruhe lassen? --

»Daß doch die _Mutter Rieben_, sagte ein Bauerknecht, keine Gelegenheit
vorbeigehen lassen kann, unsere Fröhlichkeit zu stören, und uns in Angst
zu setzen. Warum sollte der brave Werner, der uns im Leben nichts als
Gutes gethan hat, uns jetzt, nach seinem Tode, quälen?«

-- Hat er seine Sünden bereut? --

»Wißt ihr es? Hat er euch das Gegentheil anvertraut? Uebrigens hat er
alle seine Pflichten erfüllt, und er war jeden Sonntag in der Kirche.«

-- Aber die junge Dame, Niklas, wie mag es mit der gewesen sein? Haben
wir sie je in der Kirche gesehen? Diese ist gewiß mitten in ihren Sünden
gestorben, gerade als sie vielleicht noch auf ein langes Leben hoffte.
--

»Wir wollen auf ihre Gesundheit trinken! sagte ein Müllerbursche, dessen
riesenmäßige Größe und außerordentliche Stärke allgemein bewundert
wurden. -- Möge es ihr im Grabe gefallen, damit sie nicht wieder daraus
hervorkomme.«

Bei diesen Worten hörte Jedermann einen halb erstickten Seufzer.
Ueberrascht stand fast die ganze Gesellschaft auf, und auf den meisten
Gesichtern sahe man alle Zeichen des Schreckens. Auch der Müllerbursche
war eben nicht der Muthigste. Jetzt schlug es zwölf Uhr, und schweigend
hörte man dem Schall der Glocke zu.

»Wer mag so geseufzt haben?« fragte endlich einer aus der Gesellschaft.

-- Vielleicht die junge Dame, erwiederte die Alte; sie hat dem Mehlwurm
dort ihren Dank für seinen Wunsch abstatten wollen. --

»Laßt Eure dummen Scherze, Mutter Rieben, sagte der Müllerbursche. Wir
wollen uns weiter um das, was geschehen ist, nicht bekümmern.«

Ein zweiter lauterer Seufzer schallte jetzt in die Ohren der ganzen
Gesellschaft, die verwirrt und mit Ausrufungen des Schreckens
durcheinanderstürzte.

»Heiliger Gott! sagte Lisette, das kommt aus dem Zimmer, wo die junge
Dame liegt. Wer hat nun Muth genug, sich davon zu überzeugen?«

Keiner der Anwesenden gab eine Antwort, als sich die Stimme zum dritten
Male hören ließ, und zwar so deutlich, daß gar kein Zweifel daran mehr
Statt finden konnte. Jetzt jagte die Furcht die ganze Gesellschaft
auseinander, und Mehrere eilten zum Schlosse hinaus, während Andere den
Wundarzt weckten, der die Oberstin nicht eher hatte verlassen wollen,
bevor sie nicht ruhiger geworden wäre. Als dieser hörte, wovon die Rede
sei, schob er anfangs die Schuld des allgemeinen Schreckens auf ihre
furchtsame Einbildungskraft; bei den wiederholten Versicherungen, daß
man sich nicht getäuscht habe, zögerte er jedoch nicht, in das Zimmer
hinunterzugehen, aus welchem die Stimme hergekommen sein sollte. Der
Oberst, welcher noch nicht schlief und den ungewöhnlichen Lärmen im
Schlosse hörte, kam ebenfalls herbei; er begegnete auf der Treppe dem
Arzt, der ihm unterweges die Ursache des allgemeinen Schreckens
mittheilte. --

Beide zweifelten nicht, daß das Pfeifen und Sausen des Windes von den
abergläubischen Dorfleuten für die angeblichen Todtenseufzer gehalten
worden wäre; sie setzten jedoch ihren Weg fort, und von der Menge
gefolgt, gelangten sie in das von mehreren Lampen erleuchtete Zimmer, wo
der Leichnam der Fremden niedergesetzt worden war.

Indem sie durch die Thür traten, wurde abermals ein Seufzer hörbar, und
man konnte nun nicht mehr zweifeln, daß er von dem Sarge herkäme. Ein
Theil des Gefolges nahm die Flucht, und nur die Muthigsten blieben
zurück, als sie den Obersten und den Arzt zu gleicher Zeit ausrufen
hörten: »Sie lebt noch, die Unglückliche! Ach, retten wir sie aus ihrer
schrecklichen Lage!«

Sie eilten nun auf den Sarg zu, in welchem Lodoiska ruhte, hoben
Letztere sanft in die Höhe, und trugen sie in das Zimmer, welches sie
früher bewohnt hatte. Als der Arzt seine Hand auf ihr Herz legte, fühlte
er, daß es wieder angefangen hatte, obgleich noch sehr schwach, zu
schlagen, und voll Erstaunen über dieses außerordentliche Wunder, nahm
er sich vor, Alles anzuwenden, um diese von den Todten Auferstandene
wieder völlig herzustellen. Er bat den Obersten, den Theil des
Leichentuches, womit der Kopf der jungen Schönheit verhüllt war,
zurückzuschieben. Lobenthal that es, und betrachtete neugierig die Züge
der Fremden; aber wie erstaunte er, als dieses reizende Gesicht ihn
überzeugte, daß er die unglückliche, leidenschaftlich liebende Lodoiska
in seinen Armen hielt. Ein lauter Schrei entfuhr seinen Lippen. Einem
ruhigen Zuschauer würde dadurch ohne Zweifel die Wahrheit offenbar
geworden sein; aber der Arzt, ganz in seine Gedanken über diese
außerordentliche Wiederbelebung vertieft, merkte kaum darauf, und von
nun an suchte der Oberst seine inneren Gefühle sorgfältig zu
unterdrücken.

Der Arzt forderte nun die bis hierher gefolgten Landleute auf, das
Zimmer zu verlassen, und wollte mit dem weiblichen Personale, das
allmählich wieder muthiger geworden war, allein bei der jungen Dame
bleiben. Auch der Oberst entfernte sich, forderte aber vorher den Arzt
auf, seine ganze Kunst zur Genesung der Unglücklichen anzuwenden.

»Fürchten Sie nichts, Herr Oberst, erwiederte der Arzt; mir ist selbst
daran gelegen, diese wunderbare Kur zum gewünschten Ziele zu führen.
Vielleicht kann die Kunst etwas dabei thun; aber glauben Sie mir, das
Meiste dabei wird die Natur thun müssen; nur sie allein kann eine so
wunderbare Wiederbelebung bewirken. Ich würde einen Eid darauf abgelegt
haben, daß die Pistolenkugel diese junge Dame augenblicklich getödtet
hat, und sollte sie wirklich völlig wieder zum Leben zurückkehren, so
muß unsere Kunst verzweifeln, je eine gründliche Ursache dieser
Auferstehung angeben zu können.«

Langsamen Schritts entfernte sich nun der Oberst, ohne selbst zu wissen,
womit seine Gedanken beschäftigt waren. Er kehrte zu seiner Frau zurück,
die in einen mehr ermattenden als erquickenden Schlummer gefallen war.
Wie schmerzlich sollte ihr Erwachen sein! Welche neue Trauer mußte die
Nachricht von der Wiederbelebung der Fremden in ihrem Herzen
verursachen, da für ihren geliebten Wilhelm nicht ein ähnliches
Wunderwerk geschehen war.




                         Vierzehntes Kapitel.


Unter allen Begebenheiten, welche je das Leben des Obersten Lobenthal
beunruhigt haben mochten, war ohne Zweifel die Erscheinung der jungen
Lodoiska in Deutschland diejenige, welche ihn am meisten überraschen
mußte. Ihr energischer Charakter, den er so schlecht beurtheilt hatte,
ihre leidenschaftliche Liebe, wovon sie ihm durch ihre Gegenwart den
auffallendsten Beweis gab, mußten in seinem Herzen Gefühle erregen, von
denen er sich selbst noch nicht Rechenschaft zu geben wagte. Nicht
allein, um ihm seine Treulosigkeit vorzuwerfen, konnte sie einen so
weiten Weg aus ihrem Vaterlande her zurückgelegt haben; ohne Zweifel
mußte sie mehr haben wollen, und er zitterte, wenn er an die
bevorstehenden Auftritte dachte. Von der andern Seite, durch einen
seltsamen, aber so gewöhnlichen Widerspruch in dem menschlichen Herzen,
fürchtete er, dem es sehr lieb gewesen sein würde, dieses Mädchen nie
wieder zu sehen, daß er sie jetzt auf immer verlieren könnte, und er
hätte einen großen Theil seines Vermögens hingegeben, wenn er dadurch
die Gewißheit ihrer Wiederherstellung erhalten konnte. Er wünschte,
wenigstens nur ein einziges Mal mit ihr zu sprechen, sagte er zu sich
selbst; er wollte aus ihrem eigenen Munde hören, wie sie es angefangen
habe, um bis nach R.... zu gelangen. So verbarg der Oberst vor sich
selbst das Wiedererwachen einer höchst gefährlichen Empfindung unter dem
Namen einer bloßen Neugierde; aber während er sich mit allen diesen
Dingen beschäftigte, nahm er sich vor, sie tief in seinen Busen zu
begraben, und nie den geringsten Anlaß zu geben, wodurch Helene zur
Eifersucht verleitet werden könnte. Er beschloß, sich gegen Lodoiska wie
gegen eine ihm völlig Unbekannte zu benehmen, wenn sie selbst ihn nicht
durch eine Unvorsichtigkeit zur Entdeckung seines Geheimnisses zwingen
würde.

Durch die Sorgfalt eines dienstfertigen Nachbars und des gefühlvollen
Pfarrers war die Veranstaltung getroffen worden, daß am andern Morgen
schon ganz frühe, ohne alles Geräusch, die Leichname des jungen Wilhelm
und Werners aus dem Schlosse entfernt und zur Erde bestattet wurden. Als
daher Helene ihren Sohn noch einmal sehen wollte, gerieth sie in neue
Verzweiflung, daß ihr nun von ihrem Wilhelm nichts mehr übrig geblieben
sei, als eine herzzerreißende Erinnerung. Beschäftigt, diesen heftigen
Schmerz seiner Gattin, den er selbst theilte, durch Trostgründe zu
mildern, vergaß der Oberst fast, wie nahe ihm jetzt Lodoiska sei, und
erst gegen Mittag, als _Wildenau_, der Arzt, zu ihm kam, dachte er
daran, sich nach ihrem Zustande zu erkundigen.

»Ich habe Ihnen schon gesagt, antwortete Wildenau, daß bei dieser jungen
Person etwas Unerklärliches obwaltet, was ich vergebens zu ergründen
suche. Noch nie war die Rückkehr in's Leben so unverhofft, als bei ihr;
doch kann ich noch nicht versichern, ob sie am Leben bleiben wird, oder
nicht. Ihre Wunde war ohne Zweifel tödtlich, und schon vorher mußte eine
andere, die bis in's Herz gegangen zu sein scheint, ihrem Dasein ein
Ende gemacht haben.«

-- Eine andere Wunde, sagen Sie? Lieber Doktor, Sie setzen mich in
Erstaunen, denn mich dünkt, als hörte ich gestern bei meiner Ankunft nur
von einer einzigen, durch einen Pistolenschuß verursachten Wunde
sprechen. --

»Ganz richtig, weil nur diese Wunde frisch war, und die andere schon vor
langer Zeit durch ein schneidendes Werkzeug gemacht worden ist. Weit
entfernt, völlig vernarbt zu sein, blutet sie vielmehr noch, und hat
eine ganz eigenthümliche Beschaffenheit, die meine bisherigen Kenntnisse
völlig zu Schanden macht. Bei jedem andern Menschen müßte sie
unmittelbar den Tod nach sich ziehen, und dennoch scheint es, daß diese
Dame schon lange Zeit damit gelebt hat, ohne davon gehindert worden zu
sein. Wahrlich! sie hat sich über die wunderbare Lebenskraft, die ihr
von der Natur zugetheilt ist, nicht zu beklagen. Außerdem habe ich noch
eine andere Sonderbarkeit bei ihr gefunden: ihre linke Hand ist nämlich
mit einem Handschuh bedeckt, der aus einer sehr dicken Haut besteht. Ich
wollte ihn aufschneiden, um der Kranken völlige Freiheit der Bewegung zu
verschaffen; aber als ich ihren Arm berührte, gerieth er in ein
beispielloses krampfhaftes Zittern, und die anfangs offene Hand schloß
sich mit solcher Kraft, daß ich nicht im Stande war, mein Vorhaben
auszuführen.«

-- Wunderbar! Erstaunenswürdig! Aber lassen Sie nicht ab, lieber Doktor,
ich bitte Sie: die Menschlichkeit befiehlt uns, dieser Unglücklichen uns
nach Kräften anzunehmen. Uebrigens kann sie allein uns die Begebenheiten
der gestrigen Schreckensnacht erklären, und vielleicht ertheilt sie uns
Aufschlüsse, die uns in den Stand setzen, jene Bösewichter zu entdecken,
deren Versuch ohne Nutzen für sie, für uns so unglücklich ausgefallen
ist. --

»Ihre Ermahnungen sind ganz überflüssig, Herr Oberst. Meiner Pflicht
nicht zu erwähnen, deren Erfüllung mir mein Stand vorschreibt, so kann
ich Ihnen nicht verbergen, daß diese junge Dame mir die lebhafteste
Theilnahme eingeflößt hat. Die seltene Vollkommenheit in allen Theilen
ihres Körpers, die Schönheit ihres Gesichts haben, ich gestehe es Ihnen
erröthend, auf meine Sinne einen außerordentlichen Eindruck gemacht.
Wenn ich sie dem Leben wiedergeben könnte, wünschte ich mehr von ihr zu
erlangen, als bloße Dankbarkeit ..... Aber warum erstaunen Sie so über
dieses Geständniß? Sollte es Ihnen verdammungswürdig erscheinen?«

-- Wem? Mir? Ei, lieber Doktor, mit welchem Rechte könnte ich es tadeln?
Es scheint mir nur, daß Alles, was jetzt hier um uns vorgeht,
außerordentlich ist. Sie, zum Beispiel, lieben heute eine Person, die
Sie gestern noch nicht kannten, und zwar hat sie Ihr Herz in dem
Augenblick erobert, wo sie noch mehr dem Tode als dem Leben angehört.
Wie wird es erst werden, wenn sie mit ihren körperlichen Vorzügen noch
die weit hinreißenderen des Geistes verbindet, die ihr ohne Zweifel
nicht mangeln! --

»Verzeihen Sie, Herr Oberst, wenn ich Ihnen gerade heraus sage, daß Sie
ziemlich leicht über einen solchen Punkt sprechen. Ich kannte diese
Lustigkeit an Ihnen noch nicht.«

-- Ach, nehmen Sie es nicht übel, lieber Herr Doktor; in meiner jetzigen
Stimmung weiß ich kaum, was ich thue; so sehr hat mich der Schmerz
übermannt, daß meine Worte der Zerrüttung meines Verstandes entsprechen.
In meiner Lage, deren ganze Qual Sie nicht zu würdigen im Stande sind,
mag es wohl erlaubt sein, gegen die Regeln der Höflichkeit zu fehlen,
wie es wohl sonst bei mir nicht der Fall ist. --

Diese Antwort gab dem Arzt die Ueberzeugung, daß der Oberst in der That
durch den Schmerz etwas an dem freien Gebrauch seiner Verstandeskräfte
verloren habe, und er fiel deßhalb nicht auf den Verdacht, daß eine
geheime Ursache, ein Anfall von Eifersucht, großen Theil an des Obersten
Worten gehabt habe. Der Letztere, voller Scham, einen Augenblick lang
seinen Entschluß vergessen, und dem Arzt beinahe ein Recht gegeben zu
haben, in seinem Herzen zu lesen, zog es vor, ihn in der Meinung zu
lassen, daß das Uebermaß des Schmerzes ihm Abbruch in dem folgerechten
Gange seiner Gedanken thue; und erst, als er in den Augen des Doktors
las, daß derselbe wirklich dieser Meinung sei, war er vollkommen
beruhigt. Er suchte darauf dem Gespräch eine andere Wendung zu geben,
und bat den Arzt, eine Wohnung im Schlosse anzunehmen, so lange der
Zustand der verwundeten Dame sowohl als seiner Gattin seine Gegenwart
nöthig machen würde.

»Ja, erwiederte Wildenau, ich will dieses Schloß vor der Hand zu meinem
Hauptquartiere machen, und es nur dann auf kurze Zeit verlassen, wenn
meine Gegenwart an andern Orten nicht entbehrt werden kann. Sein Sie
daher in dieser Hinsicht ganz ruhig.«

Lobenthal fragte nun, ob er nicht Zutritt zu der Fremden erhalten könne,
um ihr dem Anstande gemäß einen Besuch abzustatten.

»Es hängt ganz von Ihnen ab, Herr Oberst, es zu thun; aber noch lange
Zeit hindurch werden Sie Ihre Komplimente an einen fast leblosen Körper
richten. Die junge Dame wird wenigstens noch vierzehn Tage lang in
völliger Bewußtlosigkeit verharren, wovon ihr starker Blutverlust die
Ursache ist; und wir können uns glücklich schätzen, wenn sie in Zeit von
vier Wochen unsere Fragen beantworten kann.«

-- So müssen wir uns bis dahin gedulden, sagte der Oberst in einem Tone,
dem er den Anschein der Gleichgültigkeit zu geben strebte. --

In diesem Augenblicke trat Lisette in's Zimmer, und meldete voller
Angst, daß Helene ohnmächtig geworden sei. Beide Herren eilten nun,
wohin ihre Pflichten und Gefühle sie riefen. Die Oberstin blieb noch
mehrere Tage lang in diesem Zustande der Schwäche, die aus dem Uebermaße
ihres Schmerzes entstand, und nichts konnte sie zerstreuen; nur ein
einziger Gedanke beschäftigte ihre Einbildungskraft.

Lodoiska schien unterdessen bestimmt zu sein, alle Behauptungen und
Voraussetzungen des Arztes zu widerlegen; ihre Gesundheit war in weit
kürzerer Zeit wieder hergestellt, als es nach seiner Meinung möglich
war, und er genoß nicht einmal das Glück, die schöne Fremde zuerst
sprechen zu hören. Einige Tage nach jener Schreckensnacht trat Alfred,
der schon öfter in das Zimmer der Kranken gekommen war, um sich nach
ihrem Befinden zu erkundigen, abermals hinein, und hörte von der
Wächterin, daß man vergessen habe, ihr das Frühstück zu bringen; er
erlaubte ihr daher, es selbst zu holen, während er bei der Kranken zu
bleiben und ihre Rückkehr abzuwarten versprach. Die Wächterin, voll
Dankbarkeit über diese Gefälligkeit, und vielleicht in der Furcht, daß
es nicht des Obersten Ernst sein möchte, nahm ihn beim Worte, und
entfernte sich augenblicklich.

In den ersten Minuten blieb Alfred fast unbeweglich vor dem Bett, in
welchem Lodoiska, der Gegenstand seiner ersten Liebe, ruhte; beim
Anblick dieser fest geschlossenen Augen, dieser magern und
leichenblassen Gesichtszüge, verfiel er in ein höchst schmerzliches,
träumerisches Nachdenken. Die Kranke lag völlig unbeweglich, und kaum
merkte man an ihrem schwachen Athemzuge, daß noch Leben in ihr sei.

»Armes Mädchen! sagte Alfred halb laut; so sollte ich dich also
wiedersehen, nachdem dich deine unglückliche Liebe bis hierher geführt
hat?«

Ein Seufzer, der von Lodoiska's Lippen erschallte, machte den Obersten
aufmerksam, und er näherte sich dem Bette noch mehr. Bald sahe er, wie
sich die Augenlieder der Kranken fast unmerklich bewegten; endlich
schlug sie die Augen auf, und blickte ihn an, worauf eine plötzliche
Röthe ihr Gesicht überzog, und ihr Mund den Namen Alfred aussprach.

»Lodoiska, hast du mich erkannt? fragte der Oberst, der Heftigkeit
seiner Gefühle fast unterliegend. Ach, wie sehr mußt du mich
verabscheuen!«

-- Alfred! liebst du mich? --

Bei dieser unerwarteten Frage, die nicht leicht zu beantworten war,
fühlte sich der Oberst fast wie versteinert. Seine Zunge war im Begriff
ein zufriedenstellendes Wort auszusprechen; aber seine Vernunft hielt
dasselbe zurück; er konnte nur sein Gesicht mit beiden Händen bedecken,
und schweigen.

»Alfred, grausamer Geliebter meines Herzens! willst du mir den Tod
geben, dem ich jetzt entrinne?«

O, wie schrecklich war es für Alfred, die Unglückliche nicht beruhigen
zu dürfen! Sie schien nur in's Leben zurückzukehren, um vom ersten
Augenblicke an allen den Kummer von Neuem mit verdoppelter Heftigkeit zu
fühlen, der schon seit so langer Zeit an ihrem Herzen nagte. Aber konnte
der Oberst einer unglücklichen Leidenschaft noch neue Nahrung geben? War
er nicht Helenens Gatte? Konnte er sie so hintergehen? Die
verschiedensten Gefühle und Gedanken kämpften in seinem Innern mit
einander, und er war noch unentschlossen, als ein abermaliger Seufzer
Lodoiska's seine Aufmerksamkeit auf sich zog, und er mit Schrecken
erkannte, daß sie in tiefe Ohnmacht zurückgesunken sei.

Da der Oberst fürchtete, der armen Kranken den letzten Stoß gegeben zu
haben, so stürzte er aus dem Zimmer, und rief mit lauter Stimme den Arzt
und die Bedienung herbei. Er erzählte ihnen, daß die Fremde anfangs zu
sich selbst gekommen sei, und einige Worte gesprochen habe, worauf sie
wieder in eine höchst gefährliche Ohnmacht zurückgefallen sei.

»Sie hat gesprochen, sagen Sie? rief der Arzt. Sind Sie auch Ihrer Sache
ganz gewiß? denn es scheint mir ganz unmöglich. Wenn es aber dennoch
wahr ist, so weiß ich nicht mehr, was ich von diesem unerklärbaren Wesen
denken soll!«

Der Oberst versicherte, daß die Kranke gesprochen habe, und daß ihre
Worte: Wo bin ich? wer ist bei mir? ganz vernehmlich gewesen seien.
Freilich hatte sie so nicht gesagt, aber Alfred hütete sich wohl, die
Wahrheit zu entdecken. Wildenau fand, daß Lodoiska ein heftiges Fieber
hatte, und verhehlte nicht, daß sie sich in großer Gefahr befände, weil
sie eine große Erschütterung in ihrem Innern erlitten haben müsse. Bei
dieser Erklärung war der Oberst wie vom Blitze getroffen, und aus
Furcht, sich zu verrathen, entfernte er sich. Ueber eine Stunde lang
ging er in dem großen Saale auf und nieder, ohne zu wagen, sich zu
seiner Gattin zurück zu begeben, noch in Lodoiska's Zimmer
zurückzukehren, wo dieselbe vielleicht im Begriff war, ihren letzten
Seufzer auszuhauchen. O, welche Vorwürfe machte er sich jetzt über
seinen vormaligen jugendlichen Leichtsinn, über seinen unverzeihlichen
Fehler, in dem unschuldigen und gefühlvollen Herzen Lodoiska's eine
Flamme entzündet zu haben, deren Folgen so schrecklich waren! Er sahe
jetzt ein, daß die Liebe, welche gewöhnlich so vergänglich ist, bei
gewissen Charakteren ewig währen kann; denn Lodoiska's Beständigkeit gab
ihm den Beweis, weil Nichts ihre Zärtlichkeit zu vermindern im Stande
gewesen war. Die Entfernung und lange Trennung, selbst die schlechte
Behandlung waren an ihrem Herzen vorübergegangen, ohne es zu erkälten,
und er selbst empfand jetzt das ganze Entzücken der Liebe, das ihn
ehemals trunken machte. Welche Qualen, welche Kämpfe hatte der Oberst
nun zu überstehen! Er sahe seine Zukunft wie hinter einer finstern
Wolke, und voller Schrecken ergab er sich seinem Schicksale. Quälte ihn
nicht auch die Art von Nebenbuhlerschaft, die zwischen ihm und dem Arzte
entstehen zu wollen schien? Der Letztere, der noch jung und von sehr
liebenswürdigem Aeußeren war, hatte alle Ansprüche, eine zärtliche
Neigung einzuflößen. Ohne Zweifel würde er jetzt anfangen, Lodoiska mit
seiner Leidenschaft zu verfolgen, ja vielleicht den Obersten selbst zur
Mittelsperson machen wollen, wozu sich Alfred völlig unfähig fühlte! --

Wie wir schon gesagt haben, Lodoiska ging, wider alle
Wahrscheinlichkeit, ihrer Genesung mit raschen Schritten entgegen. Kaum
waren vierzehn Tage verflossen, so konnte sie schon aufrecht in ihrem
Bette sitzen, und die an sie gerichteten Fragen beantworten. Helene
entschloß sich nur schwer, ihr einen Besuch abzustatten, weil ihr
Anblick ihr Wilhelms Tod so lebhaft in's Gedächtniß zurückrief, daß sie
beim ersten Besuche ohnmächtig wurde. Jedoch mangelte es der kranken
Lodoiska nicht an Gesellschaft, weil der Arzt, so viel es seine
Geschäfte zuließen, sich bei ihr aufhielt. Auch der Oberst, durch ein
unwiderstehliches Gefühl dazu fortgerissen, wiederholte seinen Besuch
täglich, obgleich er täglich schwur, seine Besuche seltener zu machen.
Indessen suchte er es so einzurichten, daß er nie mit Lodoiska allein
war, weil er eine zweite Erklärung von ihrer Seite fürchtete.

Vergebens suchte Lodoiska öfters, die lästigen Zeugen zu entfernen, wenn
sich der Oberst bei ihr befand; aber Alfred war so sehr auf seiner Hut,
daß er sich stets entfernte, wenn der Zufall es hätte herbeiführen
können, sich mit dem Opfer einer unglücklichen Liebe allein zu befinden.
In solchen Augenblicken sah man denn in den sonst gleichgültigen
Gesichtszügen Lodoiska's den heftigsten Verdruß vorherrschen, der sich
oft gegen ihre Wärterin, selbst gegen den Arzt, äußerte. Der Letztere,
der sich immer mehr gefesselt fühlte, ertrug mit seltener Geduld eine
Leidenschaftlichkeit, von welcher er die wahre Ursache durchaus nicht
ahnete, sondern die er nur ihrem körperlichen Uebelbefinden zuschrieb.

Bald darauf erklärte Lodoiska, daß sie aufstehen wolle, wobei der Arzt
fast in Verzweiflung gerieth. Er versicherte, daß sie noch zu schwach
sei, um ihren Wunsch befriedigen zu können, und daß sie sich wenigstens
noch vier Wochen gedulden müsse, weil er sonst nicht dafür stehen könne,
daß sie in die größte Gefahr geriethe, wenn sie ihr Bett verlassen
wollte. Lodoiska antwortete nicht, wie sie es stets gewohnt war, wenn
man ihr einen Vorschlag machte, der ihr nicht gefiel. Aber sobald
Wildenau sich entfernt hatte, bat sie ihre Wächterin, ihr eine Frucht
herbeizuholen, nach deren Genuß sie großes Verlangen fühle, und kaum war
sie allein, so eilte sie, sich anzukleiden.

Das Erstaunen der Wächterin, als sie in's Zimmer zurückkehrte, war
unbeschreiblich; sie eiferte gegen die Dreistigkeit, mit welcher
Lodoiska alle Vorschriften des Arztes bei Seite setzte, und drohte ihr
mit dem höchsten Zorn des Letzteren, wenn derselbe sie bei seiner
Rückkehr nicht im Bette finden würde. Aber diese Drohung machte nicht
den geringsten Eindruck, und nachdem Lodoiska einige Zeit lang im Zimmer
auf und nieder gegangen war, ließ sie die Oberstin fragen, ob dieselbe
ihren Besuch annehmen könne.




                         Funfzehntes Kapitel.


Die Oberstin, und noch mehr ihr Gemahl, war weit entfernt von dem
Gedanken, die Fremde vor sich erscheinen zu sehen. Beide fürchteten, daß
sie ihrer Gesundheit Schaden zufügen könnte, und anstatt sie bei sich zu
erwarten, begaben sie sich zu ihr.

»Mein Gott! sagte Helene eintretend, was beginnen Sie? So wenig
beobachten Sie die Vorschriften unseres Arztes? Er hatte Ihnen doch
empfohlen, sich noch länger im Bette zu halten, und nun sind Sie ohne
seine Erlaubniß aufgestanden!«

-- Ich hege die größte Meinung von den Kenntnissen des Herrn Wildenau,
antwortete Lodoiska; aber ich glaube, daß die Arzneiwissenschaft gewisse
Grenzen hat, über die sie nicht hinausgehen kann. Unser Freund
beurtheilt meinen Zustand nach den ihm sonst vorgekommenen ähnlichen
Fällen; aber bei mir muß er sich in allen seinen Voraussetzungen
getäuscht sehen, weil ich eines außerordentlichen Daseins genieße: ich
kann nicht völlig sterben, und Sie haben schon den Beweis davon. Da ich
mich nun stark genug fühle, warum sollte ich mich noch nach Vorschriften
richten, die meine Genesung nur verzögern würden? --

Seitdem Helene die Fremde bei sich aufgenommen, hatte sie schon die
Erfahrung gemacht, daß es vergeblich sei, sich ihrem Willen zu
widersetzen. Sie begnügte sich daher, ihr zu antworten, daß sie besser
als jeder Andere wissen müsse, was sie zu thun habe, und daß sie dabei
ohne Zweifel die Vorsicht nicht aus den Augen setzen würde. Der Oberst
schwieg völlig. Erst heute sahe er eigentlich Lodoiska'n zum ersten Male
wieder, und betrachtete mit stiller Rührung die Zerstörungen, welche
Zeit, Unglücksfälle und Leiden in diesem schönen Körper angerichtet
hatten. Sie besaß nicht mehr die lebhafte Gesichtsfarbe, welche sonst
ihre Reize so sehr erhöheten, und ihre Augen schienen fast erstorben zu
sein; aber dennoch mußte sie Aller Blicke auf sich ziehen, und den
Männern Liebe einflößen. Ihr prächtiger Wuchs, ihre regelmäßigen Züge,
ihr einnehmendes Wesen waren ihr noch geblieben.

Lodoiska behandelte den Obersten mit jener kalten Höflichkeit, die man
gewöhnlich gegen Unbekannte ausübt, und sie wußte die Gefühle ihres
Innern auf das Strengste zu verbergen. Wenn sie aber gewiß war, von
keinem Zeugen belauscht zu werden, so belebte sich ihr Blick und machte
dem Obersten die bittersten Vorwürfe, oder schien öfters zu sagen: Kehre
zu mir zurück, und Alles ist verziehen. Alfred verstand diese Blicke nur
allzugut, doch glaubte er, ihnen trotzen zu können; er vergaß, daß man,
um Gefahren dieser Art zu überwinden, sie fliehen, nicht aber ihnen die
Spitze bieten muß. Zwei Herzen, die sich einst liebten, und die nach
langer Trennung sich einander wieder finden, vereinigen sich fast immer.

Während sich unter diesen drei Personen eine Unterhaltung entspann, kam
der Arzt von seinen Geschäften, die er in der Umgegend gehabt hatte,
zurück. Schon bei seinem Eintritte in's Schloß erfuhr er, wie wenig die
Fremde seine Vorschriften befolgt habe; er nahm sich daher vor, ihr
deßhalb Vorwürfe zu machen; allein sein ganzer Zorn verschwand, als er
in's Zimmer trat, und sie in einem Zustande sahe, der ihre völlige
Wiederherstellung bewies.

»Ich sehe, redete er sie an, daß sie meiner Hülfe nicht mehr bedürfen,
und Sie haben daher vollkommen Recht, sich meiner Autorität zu
entziehen; ich wünsche nur, daß sie es nie bereuen möchten.«

-- Ihren seltenen Kenntnissen, antwortete Lodoiska, habe ich viel zu
verdanken; das Uebrige hat die Natur gethan. Glauben Sie mir, daß ich
mich jetzt vollkommen wohl befinde; aber je freier ich nun athme, desto
mehr ist auch mein Herz von Dankbarkeit gegen Sie erfüllt. Erlauben Sie
mir, Ihnen einen kleinen Beweis davon zu geben, was Sie mir hoffentlich
nicht abschlagen werden. --

Mit diesen Worten nahm Lodoiska einen prächtigen Brillantring von sehr
bedeutendem Werthe, von dem Tische, und überreichte ihn dem Arzte, der
vor Ueberraschung nicht wußte, was er thun sollte. Gern hätte er ein
Geschenk von sich gewiesen, das er für zu kostbar für seine Bemühungen
hielt; wie gern hätte er es gesehen, wenn ihm die junge Schönheit ihre
Dankbarkeit auf eine andere Art bewiesen hätte. Aber Lodoiska trat mit
solcher Zuversichtlichkeit auf ihn zu, daß er das ihm dargebotene
Geschenk nicht ausschlagen konnte, und nach einigem schwachen
Widerstande nahm er den Ring seufzend an, steckte ihn an seinen Finger,
und gab dem Obersten durch einen Blick zu erkennen, daß er gewünscht
hätte, Lodoiska möchte ihm auf eine andere Art ihre Dankbarkeit zu
erkennen gegeben haben.

Die Oberstin brannte vor Ungeduld, zu erfahren, was sich eigentlich in
jener Schreckensnacht zugetragen hatte, deren Andenken nur mit ihr
selbst in ihr untergehen konnte; aber sie fühlte auch zu gleicher Zeit,
daß sie noch nicht stark genug sei, diese Erzählung ruhig mit anzuhören.
Daher stand sie von ihrem Stuhle auf, wiederholte ihre Glückwünsche zur
Wiedergenesung der Fremden, und überließ es dem Obersten und dem Arzte,
die Enthüllung der Geheimnisse jener Nacht von Lodoiska'n entgegen zu
nehmen.

Diese erbebte unwillkührlich, als man sie über diesen Gegenstand
befragte; man konnte es auf ihrem Gesichte lesen, wie ungern sie es
sehe, daß man sie daran erinnerte; daher schwieg sie auch einige
Augenblicke, sei es nun, um sich zu sammeln, oder um abzuwarten, ob man
die Frage erneuern würde. Allein der Oberst wiederholte dieselbe, und
Lodoiska erzählte nun Folgendes:

»Die Frau Oberstin war von dem unausgesetzten Nachtwachen schon so sehr
erschöpft, daß sie mich bat, an ihrer Stelle bei dem unglücklichen Kinde
zu wachen, das sie verloren hat.«

Bei diesen Worten stieß der Oberst einen tiefen Seufzer aus. Verwirrt
hielt Lodoiska inne, und ein krampfhafter Schmerz verzog ihre
Gesichtszüge. Sie zögerte fortzufahren, that dieß aber doch endlich
folgendermaßen.

»Ich konnte es dieser großmüthigen Dame nicht abschlagen, und ungeachtet
meines Widerwillens, wovon ich mir damals noch keine Rechenschaft geben
konnte, der sich aber durch die Folge gerechtfertigt hat, willigte ich
ein, die Nacht bei dem armen Wilhelm zuzubringen. Gegen Mitternacht
überwältigte mich der Schlaf, der seit mehreren Jahren nur selten meine
Augen schließt, mit solcher Kraft, daß ich ihm vergebens zu widerstehen
suchte; ich legte meinen Kopf gegen den Rücken des Lehnstuhls, in
welchem ich saß, und in wenigen Augenblicken war ich eingeschlummert.
Was von diesem Zeitpunkte an geschehen ist, weiß ich nicht, bis ich
plötzlich durch ein starkes Geräusch geweckt wurde. Kaum schlug ich die
Augen auf, so erblickte ich beim Schein des Mondes vier bewaffnete
Männer, welche auf mich zukamen. Mein Schrecken war so groß, daß ich
nicht im Stande war, zu schreien, um Hülfe herbeizurufen. Der eine von
den Männern faßte mich beim Arme, ein anderer näherte sich dem Bette. In
diesem Augenblicke wurde die Thür mit Ungestüm aufgerissen, und Werner
erschien. Ich hörte zwei Pistolenschüsse fallen, fühlte mich von einer
Kugel getroffen, und stürzte zur Erde. Meine Besinnung verließ mich.
Ohne Zweifel waren die Räuber durch's Fenster eingestiegen; denn ich
hörte nachher von meiner Wächterin, daß man eine Strickleiter am Fenster
gefunden habe. Ich kann diesen Umstand nicht bestätigen, weil ich nichts
gesehen habe, als die Mörder und den Tod, den sie mir ohne Zweifel
bestimmten. Auch weiß ich keine bestimmte Ursache für den Tod Ihres
Kindes anzuführen. War dieß gerade der Augenblick seines Sterbens, oder
wäre es durch die Furcht schneller herbeigeführt worden? Ach, er kann es
Ihnen nicht sagen, und kein Sterblicher wird je von den Geheimnissen des
Todes unterrichtet werden.« --

So erzählte Lodoiska ihre Geschichte, und Niemand konnte die Wahrheit
derselben bezeugen oder ihr widersprechen. Sie allein hatte die
Begebenheit überlebt; diejenigen, welche die wahren Umstände derselben
hätten bekannt machen können, waren auf ewig von dieser Erde verbannt,
wo das Verbrechen und die Lüge nur allzuoft über Unschuld und Tugend den
Sieg davon tragen. Eine so unvollständige Erzählung konnte übrigens
nicht die geringste Aufklärung geben. Man hatte ungeachtet der
eifrigsten Nachforschungen nicht die geringste Spur von den Mördern
finden können, und dennoch waren sie da gewesen. Lobenthal und Wildenau
verloren sich in ihren Vermuthungen, während Lodoiska in ihrer
gewöhnlichen Gleichgültigkeit verharrte, und endlich den Wunsch äußerte,
auf einige Zeit allein zu sein, um, wie sie sagte, sich von der
Abspannung zu erholen, in welche ihre Erzählung ihre moralischen Kräfte
gesetzt habe.

Dieser Wunsch war sowohl für den Obersten als für den Arzt ein Befehl.
Sie entfernten sich augenblicklich, und begaben sich zu Helenen, der sie
die eben angehörte Erzählung mittheilten, die aber davon wenig gerührt
wurde, weil sie keinen Aufschluß über den geheimnißvollen und
unerwarteten Tod ihres Sohns dadurch erhielt. Das Uebrige kümmerte sie
wenig, und sie sah darin nichts weiter, als einen gewöhnlichen Angriff
von Räubern, der für dieselben ohne Erfolg gewesen war, aber blutige
Spuren hinterlassen hatte.

Lodoiska fing jetzt ihr früheres gewöhnliches Leben wieder an. Fast
immer in ihrem Zimmer eingeschlossen, zeigte sie sich nur zur Zeit der
Mahlzeit, und nur selten willigte sie darein, den Nachmittag mit der
Familie zuzubringen. Ihre Unterhaltung war dann ernsthaft und
schwermüthig; sie schien ihre Leidenschaft für den Obersten völlig
vergessen zu haben, sowohl als die Worte, die sie bei ihrem ersten
Wiedersehen ausgesprochen hatte. Dadurch ward Lobenthal so sicher
gemacht, daß er täglich weniger Vorsicht anwendete, einer Unterredung
unter vier Augen auszuweichen, die Lodoiska nicht mehr zu wünschen
schien. --

Man befand sich jetzt mitten im Winter. Bald machte der Regen alle Wege
ungangbar, bald verwandelte der eisige Hauch des Nordwindes die Erde in
Stein, und machte es unmöglich spazieren zu gehen. Bei solchem Wetter
befiel den Obersten seine alte Jagdlust wieder, und oft kehrte er mit
reicher Beute beladen nach Hause zurück. So war er auch eines Morgens in
den Wald gegangen, wo ihm sogleich anfangs ein Reh in den Schuß kam;
allein das arme Thier stürzte nicht sogleich todt zur Erde nieder,
sondern lief mit Anstrengung aller Kräfte pfeilschnell durch das dickste
Gebüsch, von dem bellenden Jagdhunde des Obersten verfolgt. Auch
Lobenthal folgte der blutigen Spur, bis er das Thier verendet fand, aber
sich dabei so weit vom Schlosse entfernt sahe, daß er kaum mehr hoffen
konnte, es zur Mittagszeit wieder zu erreichen.

Nachdem er seine Beute in Stücke getheilt hatte, um sie desto besser
fortzubringen, machte er sich auf den Rückweg, der ihn so ermüdete, daß
er sich, nicht weit mehr vom Schlosse entfernt, auf einer in einen
Felsen gehauenen Bank, auf einige Augenblicke auszuruhen beschloß.
Tausend verschiedene Gedanken bestürmten seine Einbildungskraft, die ihn
bald in seine Jugendjahre zurückführte; er glaubte, noch in den Gebirgen
der Wallachei zu sein, wo er oft in Gesellschaft eines Mädchens, das ihm
damals ein Engel zu sein schien, die schneebedeckten Gipfel der Felsen
erkletterte. Plötzlich fiel ihm ein Gedicht ein, das er einst in jener
glücklichen Zeit für Lodoiska verfertigt hatte; es konnte nach einer in
ihrem Vaterlande sehr beliebten Weise gesungen werden, und nachdem er
die ersten Verse für sich hergesagt hatte, ging er unvermerklich in jene
Melodie über, bis er, ohne es selbst zu wissen, das Lied mit lauter
Stimme sang.

Der Gesang war geendigt, und noch befand er sich in seinem träumerischen
Zustande, als er daraus plötzlich durch das Herabfallen einiger Steine
von der neben ihm befindlichen Höhe geweckt wurde. Er richtete den Kopf
nach oben, um die Ursache zu entdecken; aber wie erstaunte er, als er
Lodoiska, die ihn so eben noch so sehr beschäftigt hatte, von der Höhe
herabkommen sahe. Er konnte ihr nicht anders ausweichen, als wenn er
gerade querfeldein lief, was nach den Regeln des Anstandes durchaus
nicht thunlich war; aber er gerieth in die größte Unruhe über die
Unterredung, die nun ohne Zweifel Statt haben mußte. In seiner
Ueberraschung sprang er von seinem Sitze auf, während die junge
Schönheit, vielleicht von ähnlichen Gefühlen, wie die seinigen,
bestürmt, stehen blieb, und sich an die Felsenwand stützte, als wenn sie
fürchtete, ihr Bewußtsein zu verlieren.

So standen beide einige Zeit lang einander gegenüber, ungewiß, was sie
thun sollten; endlich setzte aber Lodoiska ihren Weg fort, und befand
sich nach einigen Augenblicken dicht bei dem Obersten.




                        Sechszehntes Kapitel.


»Sollte ich Ihnen, redete sie ihn mit halb erstickter Stimme an, durch
meine Gegenwart lästig werden? Können Sie mich nicht anders mehr als mit
Furcht erblicken? Muß ich zu dem Zufall meine Zuflucht nehmen, um mit
Ihnen zusammen zu treffen?«

Alfred fühlte die Nothwendigkeit, hierauf etwas zu erwidern; aber er
fürchtete auch, in seinen Worten nicht die richtige Mittelstraße
beobachten zu können, und das Unangenehme seiner Lage setzte ihn in die
größte Verlegenheit.

»Ach! antwortete er, ist es gut für uns beide, daß wir uns
wiedergefunden haben? Hatte uns nicht das Schicksal auf immer von
einander getrennt? Konnte ich erwarten, Lodoiska, Sie hier in
Deutschland zu sehen, nachdem die Bande, die uns an einander knüpften,
längst aufgelöset sind?«

-- Und wer hat sie zerrissen, Alfred, diese Bande? Verdiene ich oder Sie
diesen Vorwurf? Nur die Zeit war zwischen uns; ich konnte meine
schwachen Reize verlieren, aber mein Herz hat sich nicht geändert, und
Sie sehen den Beweis davon vor sich! --

»Ich bedarf Ihrer Gegenwart nicht, Lodoiska, um mir Vorwürfe zu machen,
die ich mir schon seit langer Zeit gemacht habe. Die Verirrungen meiner
Jugend haben sich meinen Blicken schon längst unter den schwärzesten
Farben dargestellt. Aber was kann jetzt noch geschehen? Unsere Lage ist
kummervoll; aber es bleibt uns nichts übrig, als sie mit Fassung und
Muth zu ertragen: so will es das Schicksal.«

-- Sie drücken sich ziemlich dunkel aus, Alfred. Reden Sie offen zu mir,
sagen Sie mir Alles, was Sie denken, und ich werde aufrichtig Ihrem
Beispiele folgen. --

»Wie wäre es möglich, selbst zu enträthseln, was jetzt in meinem Herzen
vorgeht? Und dürfte ich es thun, wenn ich es könnte? Bin ich nicht durch
unauflösliche Bande gefesselt? Sein Sie großmüthiger als ich, Lodoiska,
und bringen Sie freiwillig ein nothwendiges Opfer. Vergessen Sie mich,
wenn Sie können ....«

-- Sie haben Recht, wenn Sie daran zweifeln. Ich bin Ihnen völlig
ähnlich, Alfred; auch ich habe meine Schwächen, mein Unrecht vielleicht.
Sie haben nicht gefürchtet, mich zu verlassen, und einer Andern die
Treue zu widmen, die Sie mir gelobt hatten; ich dagegen kann meine
Empfindungen nicht unterdrücken, obgleich ich einsehe, daß sie
vergeblich sind. Ich weiß, daß meine Gegenwart Sie belästigt, und
dennoch fühle ich mich glücklich, daß ich mich mit einer eiteln Hoffnung
täuschen kann. Warum wollen Sie, daß ich Sie an Geistesstärke
übertreffen soll? Sie haben mir Ihr Herz nicht erhalten können, und ich
fühle mich unfähig, Ihnen das meinige zu entreißen. --

»Ihre Worte, Lodoiska, verdoppeln noch meine Verzweiflung. Ich würde
mein Leben dafür geben, das Geschehene ungeschehen zu machen, damit Sie
ruhig und glücklich Ihr Leben genießen könnten.«

-- Es giebt Wünsche, antwortete Lodoiska mit einem schauerlichen Tone,
deren Erfüllung nicht mehr möglich ist. Für mich giebt es kein Glück und
keine Ruhe mehr auf der Erde; auch werde ich beides im Grabe nicht
finden, und Sie allein muß ich als die Ursache dieses Unglücks
betrachten. Sie wollen Ihr Leben für mich hingeben, sagen Sie? Dieses
Opfer steht nicht in Ihrer Gewalt. Gehörten Sie mir nicht schon früher
an? Habe ich nicht das heiligste Versprechen darüber, mit Ihrem eigenen
Blute geschrieben? --

»Ich läugne es nicht, daß ich Ihnen dieses Andenken meiner Liebe
zurückgelassen habe. Aber wozu kann es Ihnen jetzt noch dienen? Es ist
ein nichtiges Papier, das unsere Gesetze nicht anerkennen.«

-- Ihre Gesetze! Was gehen mich die Förmlichkeiten an, die die Willkühr
der Menschen geheiligt hat? Aber ich werde mich keinesweges so
herabwürdigen, Sie wegen Ihres Meineids vor den Gerichten Ihres Landes
zu belangen, sondern besser thun, mich bei dem unbestechlichen Wesen zu
beklagen, das nicht über Worte richtet, sondern über Thaten. Zittern
Sie, Unglücklicher, vor der Strafe, die Sie erwartet. Kennen Sie alle
Mittel, deren sich der Allmächtige bedienen kann, um Sie in Ihrem
Innersten zu verwunden? --

»Unglückliche Lodoiska, sein Sie ruhiger, ereifern Sie sich nicht! Da
ich Ihnen jetzt nicht mehr meine Hand anbieten kann, so erlauben Sie,
daß die reinste Freundschaft eine heftige Leidenschaft ersetze.«

-- Die Freundschaft! nichts als die kalte Freundschaft bietet mir also
Alfred an, für so viele Jahre voll Zärtlichkeit und Schmerz! Ich soll
mich also entweder von ihm entfernen, um von Zeit zu Zeit einen Brief zu
erhalten, dessen Kälte mich zur Verzweiflung bringen würde; oder mit ihm
unter einem Dache bleiben, und dort Zeugin von dem Glücke einer Andern
sein, mich einer beständigen Marter überliefern! Ach, wie unverständig
war ich noch vor wenigen Augenblicken, als ich dort hinter jenen Bäumen
Worte hörte, die mir in's Innerste drangen, und die ich noch nicht
vergessen habe! --

»Sie mußten Ihnen einen Beweis geben, daß Sie mir oft im Herzen
gegenwärtig sind, und daß ich mich mit Kummer jener Zeiten erinnere, die
für mich so glücklich waren. Aber ich beschwöre Sie, Lodoiska, retten
Sie mich und sich vor der Verzweiflung; suchen Sie sich zu beherrschen,
und sich nicht zu rächen, wie Sie es mich in Ihrem letzten heftigen
Briefe fürchten ließen.«

-- Sein Sie ruhig Alfred; seit jener Zeit haben meine Gedanken eine
andere Richtung erhalten. Nicht durch menschliche Mittel will ich mich
zu rächen suchen, sondern durch eine höhere Macht, die mich wider meinen
Willen zum Ziele treibt. Gerne wünschte ich den mir vorgeschriebenen
Gang zu ändern, aber es ist unmöglich! --

Der feierliche Ton, mit welchem das junge Mädchen diese Worte aussprach,
flößte dem Obersten eine Art von Schrecken ein; doch faßte er sich bald,
und sagte, Lodoiska'n die Hand reichend:

»Ich hoffe, daß unser Schöpfer mir mein begangenes Unrecht verzeihen
wird, wenn Sie großmüthig genug sind, es zuerst zu vergessen. Weisen Sie
meine Hand nicht so verächtlich von sich. Schließen wir einen
Friedensvertrag, und versprechen Sie mir, daß Sie die Ruhe meiner Frau
nicht stören wollen.«

-- Warum sollte ich großmüthiger sein als Sie? Was geht mich die Ruhe
Ihrer Frau an? Haben Sie nicht die meinige unwiederbringlich
aufgeopfert? Doch ich will suchen, Sie in allen Dingen zu übertreffen;
nur Sie will ich quälen, und wenn ich mich nicht selbst beherrschen
kann, so werde ich ohne Mitleid gegen Sie sein, wie Sie es gegen mich
gewesen sind. --

Die Bitterkeit dieser Antwort schlug den Obersten völlig zu Boden. Er
dachte in seiner Verzweiflung nicht daran, daß es Zeit sei, sich zum
Mittagsessen nach Hause zu begeben; aber Lodoiska war vorsichtiger.

»Es ist Mittagszeit, sagte sie, und Sie können Ihre Jagd nicht noch
länger fortsetzen, ohne diejenige in die größte Angst zu setzen, deren
Ruhe Ihnen so theuer ist. Schlagen Sie jenen Weg dort ein, er führt Sie
gerade nach dem Schlosse; ich werde über diese Anhöhe hier zurückgehen.
Weiter habe ich Ihnen nichts zu sagen, Alfred, aber ich fürchte für Sie
den Zorn des Himmels.«

Mit diesen Worten wendete sich Lodoiska rasch um, erstieg den Hügel, und
verschwand vor den Augen des Obersten, der noch lange Zeit brauchte, ehe
er sich erholte und auf den Weg begab. Als er in's Schloß zurückkam,
sahe er, wie Lodoiska neben seiner Frau saß, so ruhig, als wenn durchaus
nichts vorgefallen wäre.

Der Nachmittag verstrich fast unter stetem Schweigen. Die Zeit hatte
noch nichts über den Schmerz der Oberstin vermocht; fast beständig saß
sie unbeweglich, ein aufgeschlagenes Buch in der Hand, in welchem sie
nicht las, oder an einem Stickrahmen, den sie mit ihren Thränen
benetzte. Eine tiefe Schwermuth hatte sich ihrer bemächtigt, und nur in
seltenen Augenblicken, wo ihr Geist etwas heiterer war, zeigte sie ihrem
Gatten, daß sie ihn noch liebe. Ihrer Tochter erlaubte sie niemals, sich
von ihr zu entfernen, und wenn öfters Julie, durch ihre Lebhaftigkeit
hingerissen, den Befehl ihrer Mutter vergaß, sprang Letztere fast außer
sich aus dem Zimmer, rief sie mit lauter Stimme, und war nicht eher
ruhig, als bis das Kind wieder bei ihr war. Stundenlang betrachtete sie
Juliens lächelndes Gesicht; es schien ihr, als wenn das kleine Mädchen
schon ebenfalls von der Krankheit befallen wäre, die ihren Bruder in's
Grab gebracht hatte; dann kannte ihre Verzweiflung keine Grenzen.
Vergebens versicherte der Arzt, daß ihre Tochter völlig gesund sei; sie
konnte nur unvollkommen ihre Angst unterdrücken, die sich bei der
geringsten Veranlassung erneuerte.

Als Alfred diese beständige Traurigkeit sahe, welche die seinige noch
verdoppelte, fürchtete er, seine Frau einen Augenblick lang allein zu
lassen. Er bemerkte, daß Helene ihre eigene Gesundheit untergrub, indem
sie so eifrig über die Gesundheit der kleinen Julie wachte; schon waren
ihre Wangen blaß und eingefallen, ihre Augen wurden hohl, und aus ihrer
Brust kamen oft rauhe Töne hervor, als wenn sie von der abzehrenden
Krankheit befallen wäre.

Am folgenden Tage stattete der alte Herr von Krauthof einen Besuch im
Schlosse ab. Fast mit ihm zugleich kam Wildenau. Der Erstere hatte schon
lange mit großer Ungeduld den Augenblick erwartet, wo er die
geheimnißvolle Fremde zu Gesicht bekommen würde. Oft war er deßhalb
schon vergebens im Schlosse gewesen; aber heute war er glücklicher, und
mit welcher Freude sahe er Lodoiska'n, welche die kleine Julie auf dem
Schooße hatte, am Fenster sitzen. Durch seinen feinen Anstand zeichnete
sich Herr von Krauthof eben nicht aus; an das Leben auf dem Lande
gewöhnt, wo er größtentheils nur mit Bauern zusammenkam, über die er
sich hoch erhaben glaubte, legte er sich in Gesellschaften eben keinen
Zwang an. Sobald er sich daher gesetzt und der Oberstin die gewöhnlichen
Komplimente gemacht hatte, wendete er sich an die junge Lodoiska:

»Madame, vielleicht kommt Ihnen dieser Titel nicht zu; denn es ist
möglich, daß Sie noch nicht verheirathet sind; aber glauben Sie mir, es
ist nicht meine Schuld, wenn ich Ihnen nicht schon früher meine
Aufwartung gemacht habe. Vor einiger Zeit fand ich mich an Ihrer Thüre
ein; allein Ihr Kammerdiener weigerte sich mit außerordentlicher
Grobheit, der Himmel mag sie ihm verzeihen, mich bei Ihnen vorzulassen.
Wahrhaftig, ich möchte mich beinahe über die Feuersbrunst freuen, die
Ihr Häuschen in Asche gelegt hat, weil ich dieser Begebenheit die Ehre
verdanke, Ihnen meine Aufwartung zu machen.«

Diese seltsame Art sich auszudrücken mißfiel der ganzen Gesellschaft.
Lodoiska, welche darin nicht geradezu eine Frage sahe, schwieg, während
der Arzt, der sie aus einer Verlegenheit zu ziehen glaubte, sich nach
dem Zustande ihrer Gesundheit erkundigte. Hierauf antwortete sie mit
wenigen Worten. Herr von Krauthof, der sich durch die Unzufriedenheit,
die er auf allen Gesichtern lesen konnte, wenn er gewollt hätte, nicht
irre machen ließ, wendete sich nun an den Arzt.

»Zum Teufel, mein gelehrter Herr Doktor, Sie sind mit einem Vorrechte
begabt, das ich nicht besitze, nämlich diese schöne Dame zum Sprechen zu
bringen.«

-- Allerdings hat sie mir geantwortet, Herr Ober-Land-Jägermeister; aber
dieß verdanke ich meiner Frage, der einzigen, welche wohlerzogene Leute
an Jemanden richten können, den sie nicht kennen. --

»Aha! ich höre es, mein Lieber, wie man mir schon früher gesagt hat, daß
Sie auch zu der Klasse der jetzigen Aufgeklärten gehören. Was können
denn das für wohlerzogene Leute sein, wenn ich nicht dazu gehöre?«

Ungeachtet der ernsten über Lodoiska's Gesicht verbreiteten Kälte und
ihrer gewöhnlichen Gleichgültigkeit, konnte sie doch nicht ein Lächeln
über diese Worte unterdrücken, während die Oberstin die Achseln zuckte
und Lobenthal aus Klugheit die Antwort unterdrückte, die ihm schon auf
den Lippen schwebte. Indessen suchte er die Unterhaltung auf einen
andern Gegenstand zu bringen, und fragte, ob es wahr sei, daß endlich
das Kirchspiel einen eigenen Pfarrer erhalten würde?

»Ja, Herr Oberst, so viel ich weiß, ist es wahr, und mir dauert schon
die Zeit lang, ehe wir ihn hier haben; denn ich hoffe, daß er durch
seine Predigten dem Bauervolk mehr Gehorsam und Unterwürfigkeit gegen
uns beibringen, und ihnen beweisen wird, wie sehr unser Einer über sie
erhaben ist. Vorzüglich aber muß er suchen, den Aberglauben zu
verbannen, der unter dem Volke immer mehr Wurzel schlägt, je mehr auf
der anderen Seite seine Ungläubigkeit zunimmt.«

-- Ich erstaune! sagte der Arzt. Wie können Sie so sprechen! Sie, ein
Feind des Aberglaubens! Ich hielt diesen sehr nahe verwandt mit der
großen Masse der Vorurtheile. --

»Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen, mein Lieber; aber ich liebe
den Aberglauben nicht, weil er die Bauern von ihrer Pflicht abhält.
Seitdem diese Elenden sich in den Kopf gesetzt haben, daß es _Vampyre_
im Kirchspiele gebe, wollen sie keinen Schritt mehr aus dem Hause gehen,
sobald es finster ist.«

-- Vampyre! Hier sollen Vampyre sein? rief der Oberst. Wer kann die
scheußlichen Mährchen Ungarns und Griechenlands hierher verbreitet
haben? --

Bei diesen Worten konnte der Oberst sich nicht enthalten, seinen Blick
auf Lodoiska zu richten. Er sahe, daß sie außer aller Fassung war. Ihre
Gesichtszüge drückten den höchsten Schrecken aus, ihr Mund stand halb
geöffnet, ihre Augen waren unbeweglich, und mit einer schnellen
Bewegung, die sie aber wieder unterdrückte, schien sie im Begriff
gewesen zu sein, sich zu entfernen.

Der Oberst erklärte sich mit Leichtigkeit diesen Schrecken Lodoiska's.
Es war fast unmöglich, daß ein Mädchen aus der Wallachei nicht an die
Vampyre glaubte, und sehr häufig hatte sie mit ihm darüber gesprochen,
ihm die seltsamsten Geschichten über diesen Gegenstand erzählt. Konnte
er sich also wundern, daß sie außer sich gerieth, als so unerwartet die
Rede auf die fürchterlichen Vampyre kam? Aus Rücksicht für sie hätte er
gern dem Gespräche abermals eine andere Wendung gegeben; aber es war zu
spät. Herr von Krauthof beantwortete die an ihn gerichtete Frage.

»Einem Unglücklichen, der nicht mehr am Leben ist, verdanken wir den in
dieser Gegend verbreiteten Schrecken. Ihr Bedienter Werner erzählte
seinen Freunden die Geschichte von diesen Unholden, welche nach dem
menschlichen Blute dürsten, bei Gelegenheit des sonderbaren Todes einer
jungen Bäuerin aus dem Dorfe. Aber mein Gott, fuhr er fort, sich an
Lodoiska wendend, Madame, fürchten Sie sich denn auch vor solchen
Narrheiten? Sie haben ohne Zweifel zu viel Verstand, als daß Sie an
diese Unholde, diese Vampyre glauben könnten, die ohne Zweifel nur in
dem Gehirn desjenigen ihr Dasein hatten, der zuerst von ihnen sprach.«

Hier warf die Fremde einen so finsteren Blick auf den Herrn von
Krauthof, von einem so scheußlichen Lächeln begleitet, daß er ungeachtet
seiner Zuversichtlichkeit ganz erschrocken in seiner Rede inne hielt,
und mit der Sprache zugleich die Lust zum Plaudern verlor, die ihn sonst
nie verließ.

Der Arzt glaubte nun gleichfalls über diesen Gegenstand sprechen zu
müssen, und scherzte über diese abscheulichen Mährchen. Er forderte die
Vampyre heraus, den Schlaf eines muthigen Mannes zu stören, und hätte
noch lange so fortgefahren, wenn ihn nicht die wiederholten Winke des
Obersten davon abgehalten hätten. Hierauf folgte ein Augenblick des
Stillschweigens, als plötzlich auch Helene das Wort nahm:

»Warum, sagte sie, wollen wir so hartnäckig diese Geheimnisse
bestreiten? Wie abscheulich sie auch sein mögen, kennen wir alle Mittel
der Vorsehung, wodurch sie uns zu betrüben im Stande ist? Ich glaube an
die Möglichkeit, daß es Vampyre geben kann, und vielleicht habe ich gar
einem Ungeheuer dieser Art den unerwarteten Tod meines Sohns zu
verdanken .....«

Die Fremde stößt bei diesen Worten einen lauten durchdringenden Schrei
aus. Sie steht mit Heftigkeit auf, will einen Schritt vorwärts thun, und
fällt ohne Bewußtsein auf den Fußboden nieder. --




                        Siebenzehntes Kapitel.


Während der gefühllose Herr von Krauthof sich vergebens in allerhand
Vermuthungen verlor, durch welche Ursache die Ohnmacht der schönen
Fremden hervorgebracht sein könnte, waren Helene, ihr Mann und der Arzt
eifrig beschäftigt, Lodoiska'n in's Leben zurückzurufen. Aber ihre
Bemühungen waren fruchtlos, und der Oberst benutzte diese Augenblicke,
den lächerlichen Edelmann zurechtzuweisen.

»Ich habe mit den russischen Heeren, sagte er, einen großen Theil von
Europa durchzogen, und dabei Gegenden gesehen, welche sonst von unsern
Reisenden nur selten besucht werden. Ich müßte mich sehr irren, wenn
diese fremde Dame, nach ihrer Aussprache und ihrem ganzen Wesen zu
urtheilen, nicht im östlichen Ungarn oder in der Wallachei geboren ist;
in diesem Falle muß auch sie von den in ihrem Vaterlande herrschenden
abergläubischen Meinungen durchdrungen sein, und da die Unterhaltung auf
einen für ihre Landsleute so furchtbaren Gegenstand kam, so wird dieß,
verbunden mit ihrer noch schwachen Gesundheit, ihren jetzigen Zustand
hervorgebracht haben, dem wir sie mit aller Mühe noch nicht entreißen
können.«

Diese Erklärung schien allen Anwesenden hinreichend zu sein. Der Herr
von Krauthof bemerkte, daß die Fremde, wenn sie in Ungarn geboren wäre,
gewiß mit der Art bekannt sei, wie man den Tokaier Wein behandeln müsse,
und er nahm sich vor, sie über diesen Gegenstand um Auskunft zu bitten,
da er mehrere Weinstöcke aus jener Gegend in seinem Garten habe. Niemand
antwortete auf diese Lächerlichkeit. Da Lodoiska nicht wieder zu sich
kam, so machte Wildenau den Vorschlag, sie in ihr Zimmer zu tragen, was
auch geschahe; aber sie lag noch lange Zeit auf ihrem Bette völlig kalt
und unbeweglich. Endlich stieß sie einen tiefen Seufzer aus, schlug die
Augen auf, und die Umstehenden der Reihe nach ansehend, fragte sie mit
leiser Stimme, warum sie sich in diesem Zustand befände?

»Der außerordentliche Blutverlust, welchen Sie erlitten haben,
antwortete Wildenau, wird Ihnen noch häufig dergleichen Zufälle
zuziehen. Sie nehmen Ihre Gesundheit nicht genug in Acht, und rechnen zu
sehr auf Ihre gute Natur, ohne auf meine Warnungen zu hören.«

-- Ist dieß wirklich die Ursache meiner Ohnmacht? Hat man nicht von
Vampyren gesprochen? Wer hat es gewagt, den geheimnißvollen Schleier zu
lüften, mit welchem der Himmel die Erfüllung seines schrecklichen
Willens bedeckt? --

»O, denken Sie nicht mehr an diesen traurigen Gegenstand, sagte der
Oberst; das Gespräch kam nur aus Unvorsichtigkeit darauf, und es soll
nicht wieder geschehen. Aber vergessen Sie wo möglich jene Schrecknisse,
vor welchen Sie hier in Deutschland sicher sind.«

Lodoiska antwortete nicht hierauf, sondern bat nur um Erlaubniß, allein
bleiben zu dürfen, um sich auszuruhen. Man verließ sie also, und begab
sich in das Gesellschaftszimmer zurück, wo der Herr von Krauthof noch
wartete, und eine Menge Fragen that, die man kaum beantwortete. Endlich
entfernte er sich, zufrieden, endlich das Vaterland der Fremden erfahren
zu haben, und mit dem Vorsatze, diese wichtige Entdeckung in der
möglichst kürzesten Zeit allen Nachbarn mitzutheilen.

Als er fort war, nahm Wildenau das Wort, und machte dem Obersten und
seiner Gemahlin folgende Erklärung: »Ich weiß nicht recht, fing er an,
wie ich es machen soll, Ihnen die Gefühle mitzutheilen, die meine ganze
Seele beherrschen. Aber die Güte, die Sie bisher für mich gezeigt haben,
giebt mir Muth, und ich schmeichele mir mit Ihrer Unterstützung zur
Erreichung meiner Wünsche. Ich bin vier und dreißig Jahre alt, besitze
ein anständiges Vermögen, und habe eine Praxis, die meine Wohlhabenheit
noch vermehrt. Die Ehelosigkeit ist mir noch weit lästiger geworden,
seitdem ich die reizende Person gesehen, der Sie einen Zufluchtsort
gewährt haben. Sie ist eine Fremde; große Unglücksfälle, vielleicht ein
Fehler, den sie durch freiwillige Verbannung büßt, haben sie hierher
geführt. Ich wünschte ihr Schicksal zu verbessern, indem ich ihr meine
Hand anbiete, wenn sie sie annehmen wollte; ehe ich aber das Geringste
zur Erreichung meiner Absicht unternehmen wollte, glaubte ich, mich
Ihnen freimüthig entdecken zu müssen, in der Hoffnung, daß die Frau
Oberstin, um mir einen Korb zu ersparen, die Güte haben würde, die
Gesinnungen dieser schönen Person auszuforschen.«

Lobenthal war zu sehr bewegt durch das, was er jetzt hörte, als daß er
hätte darauf antworten können, und er überließ daher diese Sorge seiner
Frau. Diese billigte Wildenau's Wahl, nur rieth sie ihm, sich nicht
früher bestimmt zu erklären, ehe er nicht die Geschichte der Fremden
genau erfahren habe, damit späterhin ihm nicht die Reue sein Leben
verbittere.

»Glauben Sie mir, Frau Oberstin, entgegnete der Arzt, daß ich dieß
ebenfalls schon überlegt habe. Durch den ehemaligen Eigenthümer des
abgebrannten Hauses bin ich unterrichtet worden, daß er dasselbe mit den
dazu gehörigen Ländereien für funfzehntausend Thaler an die Fremde
verkauft hat, welche ihm sogleich ausgezahlt worden sind. Das Haus ist
verloren; aber die Ländereien sind noch da, und Sie wissen, daß man bei
den Güterkäufen hier zu Lande die letzteren für Alles, die Gebäude fast
für nichts rechnet. Sie selbst haben mir auch gesagt, daß diese Dame
reiche Kleinodien besitzt, und man hat eine bedeutende Summe in baarem
Golde aus der Feuersbrunst gerettet, welche Sie einige Zeit lang in
Verwahrung hatten. Diese Reichthümer, die Talente, welche die Fremde
besitzt, ihr edler Anstand, obgleich damit einige Sonderbarkeiten
verknüpft sind, scheinen mir zu beweisen, daß sie nicht zu jener
verworfenen Klasse von Frauenzimmern gehört, die mit ihren Reizen Wucher
treiben. Seitdem sie hier ist, hat sie stets in der größten
Zurückgezogenheit gelebt, was sie gewiß nicht gethan haben würde, wenn
sie auf Abentheuer ausginge. Unsern Vermuthungen bleibt also nur noch
übrig, daß sie vielleicht das Opfer einer unvorsichtigen Leidenschaft
ist, oder vielleicht weit von ihrem Vaterlande einen Jugendfehler in
Vergessenheit bringen will. Dieß kann ich nicht geradezu bestreiten.
Aber die ohne Zweifel seitdem verstrichene Zeit, ihr jetziges Betragen
müssen ihr zur Entschuldigung dienen. Ich will mich durchaus nicht
darauf einlassen, was geschehen ist, und wenn sie Ihnen darüber ein
offenes Geständniß macht, so will ich noch weiter gehen: ich will nicht
ein Wort davon wissen; sobald Sie mich versichern, Frau Oberstin, daß
sie meiner nicht unwürdig ist, so führe ich sie zum Altare.«

Helene, von Wildenau's Freimüthigkeit und Vertrauen gerührt, versprach
ihm, nichts zu vernachlässigen, um seinen Wünschen nachzukommen. Da der
Oberst die Nothwendigkeit fühlte, daß auch er ein Wort hierzu sagen
müsse, so brachte er mit Mühe einige unzusammenhängende Redensarten
hervor, und schwieg dann wieder. Es war schon ziemlich spät, als diese
Unterhaltung endete, und da der Arzt am andern Morgen in ziemlicher
Entfernung einen Kranken zu besuchen hatte, so trennte man sich.

Der Oberst war weit entfernt, in dieser Nacht zu schlafen; seine innere
Bewegung war zu heftig. Er glaubte fast gewiß zu sein, daß Lodoiska den
Heirathsantrag von sich weisen würde; aber er fürchtete, daß dieses
junge Mädchen ihrer Heftigkeit freien Lauf lassen, und einige Worte
sagen möchte, die die Ruhe des Hauses stören könnten.

Während er sich diesen Gedanken überließ, glaubte er in dem Zimmer
seiner Frau, das sich dicht neben dem seinigen befand, ein leises
Geräusch zu hören. Er horchte genau auf, um gewiß zu sein, daß er sich
nicht täuschte; da aber das Geräusch anhielt, so fürchtete er, daß
Helene unwohl sein möchte. Daher stand er rasch auf, und ging leise auf
die Thür des Nebengemaches zu. Er war im Begriff sie zu öffnen, als er
plötzlich von einer Hand, die er nicht sahe, einen so heftigen Schlag
in's Gesicht erhielt, daß er auf sein Bett zurückfiel, und einige
Minuten fast ohne Besinnung darauf liegen blieb.

Sobald er sich erholt hatte, eilte er zu seinem Degen, zündete mit einem
chemischen Feuerzeuge ein Licht an, und untersuchte nun sorgfältig das
ganze Zimmer, in der Hoffnung, den kühnen Urheber des höchst unsanften
Schlags zu entdecken. Aber alle seine Nachsuchungen waren vergebens. Die
äußere Zimmerthür war sorgfältig von innen verschlossen, eben so
befanden sich alle Riegel vor den unversehrten Fenstern, und als er in
das Zimmer seiner Gattin kam, sahe er, daß sie in einen festen, obgleich
ängstlichen Schlaf versunken lag. Auch hier suchte er Alles genau durch,
und da er nichts entdeckte, so sahe er sich gezwungen zu glauben, daß
seine Phantasie oder die Unruhe seines Blutes ihn getäuscht habe.

Er kehrte in sein Zimmer zurück, wo die anbrechende Morgenröthe ihn noch
wachend fand. Der Tag schien vortrefflich zu werden, und um nicht Zeuge
der Unterhaltung seiner Frau mit Lodoiska zu sein, entschloß er sich auf
die Jagd zu gehen, ehe noch Jemand im Hause aufgestanden war.

Erst zur Frühstückszeit erfuhr Helene, daß ihr Gatte nicht erscheinen
würde, und dieß war ihr gewissermaßen lieb, weil sie neugierig war, die
Gesinnungen der Fremden über den ihr zu machenden Antrag zu erfahren.

Lodoiska trat in's Zimmer, sobald die Frühstücksglocke ertönte. Ueber
ihr Gesicht war finstere Schwermuth verbreitet; allein sie war nicht so
blaß als gewöhnlich; sehr bewegt bedankte sie sich für die Sorgfalt, die
man ihr am vorigen Tage erwiesen hatte.

Da Helene das beabsichtigte Gespräch nicht in Juliens Gegenwart anfangen
wollte, so wartete sie das Ende der Mahlzeit ab, und befahl dann
Lisetten, die Kleine mit sich zu nehmen, und nicht eher wieder
hereinzukommen, bis sie gerufen würde. Lodoiska setzte sich gleich
darauf an ihren Stickrahmen, und Helene, um nicht in Verlegenheit zu
gerathen, nahm ein Buch, in welchem sie aufmerksam zu lesen schien. Nach
langem Zögern fing sie endlich das Gespräch folgendermaßen an. --

»Nun, liebe Lodoiska, werden Sie denn immer das beste, aber auch das
geheimnißvollste Wesen auf der Welt bleiben? Sollen wir denn nie
erfahren, durch welche wichtige Ursachen Sie aus Ihrem Vaterlande
entfernt worden sind? Sie sehen mich voll Erstaunen an; sollten meine
Fragen Sie beleidigen? Glauben Sie mir, nur meine Theilnahme für Sie hat
sie mir eingegeben.«

-- Ich glaube es, Frau Oberstin, und ich entschuldige Sie, weil ich Sie
kenne; da Sie mir aber bis jetzt Ihr Wohlwollen geschenkt haben, ohne
nach meinen näheren Verhältnissen zu forschen, warum sollte ich dieses
Vertrauen von Ihrer Seite nicht noch länger verdienen? Habe ich mich
seit Kurzem vielleicht in einem unvortheilhafteren Lichte gezeigt?
Sollte ich der Verläumdung preisgegeben sein? --

»Von allem Diesem ist durchaus nicht die Rede; aber glauben Sie denn,
daß Sie ungestraft so hübsch sein dürfen? Niemand wird sich um die
Verhältnisse eines gewöhnlichen Frauenzimmers bekümmern. Man geht an ihr
vorüber, ohne sie zu bemerken; aber Sie, Lodoiska, fallen zu sehr in die
Augen, als daß man Sie mit Gleichgültigkeit ansehen könnte. Sie setzen
ohne Zweifel mehr als ein Herz in Bewegung, von denen einige sich Ihnen
nähern möchten, um auch das Ihrige zu rühren; und diese haben einiges
Interesse dabei, zu wissen, wer Sie sind, ob Sie noch frei sind, ob
keine frühere Verbindung Ihnen im Wege ist; kurz, ob Sie über Ihre Hand
verfügen können?«

Ein melancholisches Lächeln ging der Antwort voraus, die Lodoiska
hierauf zu geben im Begriff stand. Sie schien einen Augenblick darüber
nachzudenken, richtete dann ihren Kopf, den sie über den Stickrahmen
gebeugt hatte, in die Höhe, und sagte, Helenen mit einem Blick der
vollkommensten Gleichgültigkeit ansehend:

»Wenn es bei der Kenntniß meines Schicksals bloß auf meine jetzige Lage
ankommt, so kann ich mich über diese erklären, ohne zu erzählen, was mir
früher begegnete. Ich bin frei, völlig frei, und dennoch gehöre ich mir
selbst nicht an. Ich habe mein Herz verschenkt, und nicht das Recht, es
wieder zurückzufordern; durch ein ganzes Leben bin ich von demjenigen
getrennt, den ich bis zum Uebermaß liebe; meine Seele steht unter der
Abhängigkeit einer höheren Macht, und ich habe kein Vaterland mehr, ich
gehöre der ganzen Erde an. Fragen Sie mich nicht weiter; Sie haben jetzt
Alles gehört, was ich Ihnen sagen kann .... suchen Sie es zu vergessen.«

-- Ich würde mich ohne Zweifel mit einer solchen Erklärung begnügen, so
dunkel sie mir auch ist, aber ich kann Sie versichern, daß Andere nicht
damit zufrieden sein werden. Und nun erlauben Sie, daß ich mit Ihnen ein
Wort der Vernunft spreche. Sie sind hier weit von Ihrem Vaterlande
entfernt, allein und unabhängig; Sie können nicht hoffen, sagen Sie,
demjenigen jemals anzugehören, den Ihr Herz ausgewählt hat: was wollen
Sie aber dann in einem fremden Lande machen? Wird nicht eine Zeit
kommen, wo Sie, unter der Last des Alters gebeugt, das Bedürfniß eines
Freundes fühlen werden? Wollen Sie denn vielleicht in Ihr Vaterland
zurückkehren? Das Schicksal könnte Ihnen unübersteigliche Hindernisse in
den Weg legen. Kurz, Sie werden es dann bereuen, etwas ausgeschlagen zu
haben, was Sie jetzt vielleicht verschmähen. --

»Ich fühle es, Frau Oberstin, wie schrecklich meine jetzige Lage für
jedes andere Frauenzimmer sein würde, das sich in einem der gewöhnlichen
Verhältnisse des menschlichen Lebens befindet. Aber meine Verhältnisse
sind ganz besonderer Art! Ich scheine Ihnen verlassen zu sein? Wohl! so
glauben Sie, daß ich nicht Ursach habe, mich über meine Zukunft zu
beunruhigen; sie ist schon seit mehreren Jahren fest bestimmt, und kann
sich nicht mehr ändern. Ich drehe mich um einen Kreis, den ein
allmächtiges Wesen mir vorgeschrieben hat, und von dem ich mich nicht
entfernen kann. Sie glauben, daß mir eine Stütze, ein Freund nöthig
werden möchte? Enttäuschen Sie sich; ich werde nie darein willigen, eine
solche Stütze anzunehmen. Sagen Sie demjenigen, der Ihnen aufgetragen
hat, mit mir hierüber zu sprechen, er möge alle Hoffnung aufgeben,
vorzüglich aber eine Liebe zu unterdrücken suchen, die für ihn
gefährlich werden könnte. Der Unverständige! Er weiß nicht, daß Jeder,
welcher mich liebt, dem Tode verfallen ist! .... Sie erbeben, Frau
Oberstin! Ach, warum ist es mir nicht erlaubt, Ihnen meine traurige
Geschichte zu erzählen! Meine Lage würde Ihnen dann den schrecklichsten
Abscheu einflößen .... und dennoch -- ich nehme Gott zum Zeugen, den ich
fürchte -- habe ich über keine meiner Handlungen zu erröthen. Sie waren
stets übereinstimmend mit der Tugend, und wenn ich mir selbst Böses
anthat, so ist mir wenigstens bis dahin kein Vorwurf zu machen. Hören
Sie auf, ich beschwöre Sie, weiter in mich zu dringen, und lassen Sie
mich in der Hülle meiner Geheimnisse. Ich verlange nichts von den
Menschen; gern wünschte ich mir auf der Erde die Ruhe des Grabes, aber
sie ist mir versagt!«

Bei diesen Worten drückte Lodoiska ihre ganze Verzweiflung durch einen
sonderbaren, fürchterlichen Blick aus, stand von ihrem Stuhle auf,
beurlaubte sich bei Helenen, und begab sich in ihr Zimmer.

»Außerordentliches Geschöpf! sagte Helene zu sich selbst, als sie sie
fortgehen sahe; unbegreifliches Wesen! Wer ist sie? Was hat sie gethan?
Warum kam sie hierher? Ihre Geschichte muß äußerst anziehend sein, und
gewiß hat sie den Becher des Unglücks mit vollen Zügen geleert.«

Sie blieb bis zur Rückkehr des Obersten und des Arztes, welche beide
zugleich kamen, in das tiefste Nachdenken versunken. »Armer Freund! rief
sie dem Letztern entgegen; man giebt Ihnen den Korb, ohne Ihnen die
geringste Hoffnung zu lassen. Erlassen Sie mir aber, ich bitte, die
weitere Auseinandersetzung meiner Unterhaltung mit der Fremden, und
begnügen Sie sich damit, zu wissen, daß sie mir nichts von ihren
Schicksalen erzählt hat, und daß Sie nicht glücklich sind.«

Weit entfernt, sich mit diesen Worten zu befriedigen, verlangte Wildenau
eine ausführlichere Erklärung, und Helene sträubte sich vergebens: sie
mußte Alles genau wieder erzählen, was gesprochen worden war. Es läßt
sich denken, mit welcher geheimen Theilnahme der Oberst zuhörte.

»Meine Eigenliebe, sagte endlich der Arzt, ist bei dieser Gelegenheit
durchaus unverletzt geblieben; ich sehe ein, daß die Grausame eine Liebe
fühlt, welcher nicht Genüge geleistet werden kann. Ohne Zweifel hat sie
ihr Vaterland aus beleidigter Liebe verlassen; dieß ist eine zu heftige
Maßregel, die ich nicht nachahmen will, und da sie sich weigert, meine
Frau zu werden, so bleibe ich wenigstens ihr treuer Freund.«

-- Das heißt vernünftig gesprochen! sagte der Oberst, sein langes
Stillschweigen brechend. Nur keine Seufzer, glauben Sie mir; stellen Sie
sich völlig gleichgültig, und vielleicht gerade, wenn Sie am wenigsten
daran denken, werden Sie dieses stolze Herz sich geöffnet sehen. --

Obgleich Wildenau innerlich tief bekümmert war, so wußte er doch sehr
gut seinen wahren Zustand zu verbergen; aber er gab seine Liebe noch
nicht auf, denn auch er kannte den Werth und Einfluß der Zeit, welche
allen Dingen nach und nach eine veränderte Gestalt giebt.

Lodoiska erschien heute nicht zum Mittagessen, indem sie sagen ließ, daß
sie unpäßlich sei, und in ihrem Zimmer essen würde. Man glaubte anfangs,
daß sie bloß nicht mit dem Arzte zusammentreffen wolle; aber Lisette
berichtete, daß sie außerordentlich blaß sei, und in der heftigsten
Unruhe zu sein scheine.




                         Achtzehntes Kapitel.


Am folgenden Tage, wo Lodoiska sich wieder blicken ließ, schien sie gar
nicht mehr an die mit der Oberstin gehabte Unterhaltung zu denken.
Wildenau befand sich noch im Schlosse. Sie behandelte ihn wie
gewöhnlich, und war vollkommen gleichgültig gegen ihn; allein gegen den
Obersten hatte sich ihr Betragen völlig geändert. Sie richtete häufig
ihre Blicke auf ihn, mit einem Ausdruck von Unzufriedenheit und selbst
Zorn, der ihn beinahe in Schrecken setzte; sie war gegen ihn so trotzend
und zu gleicher Zeit vertraulich, daß man leicht ihre frühere
Bekanntschaft mit einander errathen haben würde, wenn man nicht
überzeugt gewesen wäre, daß der Verstand der Fremden in manchen
Augenblicken völlig zerrüttet sei.

Der Oberst, dem die Wahrheit wohl bekannt war, bebte über die Folgen,
welche diese üble Laune Lodoiska's haben könnte. Jemehr sie ihm nach und
nach wieder theuer wurde, je lieber hätte er es gesehen, daß man es
nicht bemerkte, und vorzüglich fürchtete er, daß eine Unvorsichtigkeit
die Eifersucht seiner Frau wecken möchte. Er suchte sich Lodoiska'n
verständlich zu machen, indem er sie durch Blicke bat, ihn zu schonen,
und ihres Versprechens eingedenk zu sein; aber seine Bemühungen waren
vergeblich, und sie fuhr in ihrem Betragen fort. Unterdessen kam ein
Eilbote, der den Arzt zu einem Nachbar holte, welchen ein Schlagfluß
befallen hatte; zu gleicher Zeit wollte Helene ein Geschäft in ihrem
Zimmer besorgen, und die beiden Feinde befanden sich nun allein einander
gegenüber.

»Sie erinnern sich also nicht mehr an Ihr mir gegebenes Versprechen?«
sagte Alfred schnell.

-- Sie haben ja auch vergessen, daß Sie mir Ihr Herz versprochen hatten!
Noch einmal sage ich es Ihnen, betrügerischer Mann, können Sie mir
vorwerfen, daß ich meine Schwüre gebrochen? Ich betrage mich gegen Sie,
wie es mich gut dünkt; aber dieß ist hier nicht der Ort, uns einander
Vorwürfe zu machen. Ich muß Sie sprechen, durchaus allein sprechen. --

»Wann?«

-- Heute um Mitternacht. --

»Wo?«

-- Im großen Saale; dort wird uns Niemand stören. --

»Was wollen Sie von mir?«

-- Sie werden es erfahren. --

»Aber wenn man uns überrascht?«

-- Sein Sie ohne Sorgen. --

»Es wird einen üblen Ausgang nehmen.«

-- Werden Sie kommen? --

»Ich fürchte ....«

-- Zittern Sie, wenn ich vergebens auf Sie warten muß. --

Helenens Rückkehr in's Zimmer machte dieser Unterhaltung ein Ende, die
nur halb laut geführt worden war. Sie kam so plötzlich, daß ihr Gatte in
Verlegenheit gerieth, und sie überraschte ihn bei einer Bewegung, die
ihr so manche Dinge hätte erklären können, wenn sie nicht in
vollkommener Sicherheit gewesen wäre. Lodoiska war seit der Zeit ihres
Aufenthalts im Schlosse noch nie so guter Laune gewesen, als heute. Sie
vergaß ihre gewöhnliche Schwermuth, ja sie wurde sogar lustig, und es
gelang ihr, Helenen ein Lächeln abzugewinnen, das erste seit dem
Verluste ihres Sohnes.

Alfred, weit entfernt, Lodoiska's Frohsinn zu theilen, wurde immer
tiefsinniger und trauriger, jemehr sich der Abend näherte. Kaum öffnete
er den Mund zum Sprechen; eine ihm unerklärbare Unruhe bewegte sein
Inneres, und er wagte es nicht, weder Lodoiska'n noch seine Frau
anzublicken. Vorzüglich fürchtete er, bei der bevorstehenden
Zusammenkunft mit der Erstern, mitten in der Nacht überrascht zu werden,
da hiervon seine ganze häusliche Ruhe abhing.

Endlich begab sich ein Jeder in sein Zimmer. Die Oberstin, die sich seit
einiger Zeit über eine allgemeine Schwäche in allen Gliedern beklagte,
legte sich zuerst zu Bett, und schickte bald darauf auch Lisetten fort.
Der Oberst setzte sich in seinem Zimmer auf einen Lehnstuhl, und
erwartete so, völlig angezogen, aber ohne Ungeduld, sondern zitternd,
die Mitternachtszeit. Als endlich der letzte Schlag der zwölften Stunde
erschallte, stand er seufzend auf, und ging mit leisen Tritten nach dem
großen Saale, ohne ein Licht mit sich zu nehmen.

Die undurchdringliche Finsterniß in diesem weiten Saale, die schneidende
Kälte, welche durch die schlecht geschlossenen Fensterscheiben eindrang,
die Furcht, überrascht zu werden: alles dieß vereinigte sich, um dem
Obersten ein solches Beben zu verursachen, wie er noch nie empfunden
hatte, selbst als er früher, hundert Feuerschlünden gegenüber, den Tod
in der ihm angewiesenen Position erwarten mußte. Aber damals lebte er
mit seinem Herzen in Frieden, und sein Gewissen war ruhig; jetzt befand
er sich mit sich selbst im Widerspruch. Er war auf den Befehl eines
Frauenzimmers hierhergekommen, das zu seinem Glücke nichts mehr
beitragen, wohl aber es zerstören konnte. Aber konnte er ihr ungehorsam
sein? Mußte er nicht fürchten, daß sie, bei ihrem heftigen Charakter,
seine ehemaligen Verhältnisse zu ihr öffentlich bekannt machte? Alfred
glaubte, Alles thun zu müssen, um eine fast wahnsinnige Liebende in
Schranken zu halten.

Sie ließ nicht lange auf sich warten. Sie trat durch die Thür ein,
welche von der Haupttreppe in den Saal führte, mit einem weißen Kleide
angethan, und halb in einen großen schwarzen Schleier verhüllt, der ihr
das furchtbare Ansehen eines Gespenstes gab, das sie auch durch ihren
leblosen Blick, durch die Leichenblässe ihres Gesichts nicht
verläugnete. In der Hand trug sie ein Licht, das sie schnell auf den
Fußboden setzte, als sie den Obersten erblickte; dann trat sie auf ihn
zu, und gab ihm ihre Zufriedenheit über sein pünktliches Erscheinen zu
erkennen.

»Ich werde stets gern erscheinen, wenn Lodoiska mich sehen will,
vorzüglich seitdem sie mich versichert hat ....«

-- Alfred, ich bitte Sie, rufen Sie mir ein Versprechen nicht mehr in's
Gedächtniß zurück, dessen Erfüllung mir zu viel kostet. Wie! soll ich
mich denn unaufhörlich verstellen? Soll ich es ruhig mit ansehen, daß
Sie alle Mittel aufsuchen, mich von hier zu entfernen, und daß Sie
dergleichen Anträge unterstützen, wie man mir gestern mitgetheilt hat?
--

»Glauben Sie mir, Lodoiska, daß ich dabei so viel gelitten habe, als Sie
selbst, sobald man mich davon in Kenntniß setzte? Ja, es war mir schon
unerträglich, es nur zu vermuthen; aber was konnte ich dagegen thun?
Schweigen und das Weitere Ihnen überlassen. Ich hoffte .... ich wußte,
wollte ich sagen, daß Ihre Antwort verneinend sei, und daß man Sie dann
nicht weiter verfolgen würde.«

Ein Strahl von Freude blitzte bei diesen Worten in Lodoiska's Augen auf.

»Sie hofften, sagen Sie. Ach, warum kann ich meinerseits nicht mehr
hoffen! Ich bin die Zeugin eines Glücks, das mir über Alles verhaßt ist,
und das ich niemals selbst schmecken werde. Jetzt muß ich mich einem
Orte entreißen, der mir unerträglich wird. Ich habe Sie wiedergesehen;
mein Unglück ist vollendet, und es bleibt mir nichts mehr übrig, als
mich zu entfernen.«

-- Sie wollen fort? Lodoiska, bedenken Sie unsere Freundschaft! --

»Unsere Freundschaft! Alfred, ich mache mir nichts daraus, und wenn Sie
mir dieselbe auch ganz aufrichtig anbieten, ich nehme sie nicht an. Mein
Loos ist gefallen, und ich weiß mich dabei zu erhalten! setzte sie mit
einem boshaften Lächeln hinzu. Indem ich Sie durch meine Abreise von
meiner Gegenwart befreie, gebe ich Ihnen zugleich Ihre Ruhe zurück. Sie
werden nicht mehr zittern, wenn ich mich Ihnen zeige oder mit Ihnen
spreche, und von der Liebe zu derjenigen, die Sie mir vorziehen, nicht
mehr zerstreut werden.«

-- Es steht Ihnen frei, zu bleiben oder abzureisen; ja ich weiß nicht,
ob ich selbst Sie nicht zum Letzteren auffordern sollte. Aber sein Sie
überzeugt, daß mein Herz Ihre Entfernung nicht wünscht; es würde
zufrieden in Ihrer Nähe sein, wenn es Sie nicht mehr zu fürchten hätte,
und es fühlt mehr als je, wie verführerisch Sie sind. --

»Nun? Und welchen Platz wollten Sie mir denn neben sich anweisen? Sie
antworten nicht; was soll ich daraus schließen?«

-- Daß ich höchst verlegen bin; denn was soll ich Ihnen antworten, um
Sie zu befriedigen? Die Bande, welche mich an Helenen fesseln sind
unauflöslich. --

»Ja unauflöslich, wie alles Uebrige bei den Menschen, bis zum Tode
.....«

In dem Tone, mit welchem diese Worte ausgesprochen wurden, lag ein so
geheimnißvoller Sinn und ein so boshafter Ausdruck, daß der Oberst
schaudernd einen Schritt zurücktrat, und Lodoiska'n erstaunt ansah;
allein er bemerkte, daß ihre Augen von der gewöhnlichen
außerordentlichen Gleichgültigkeit erfüllt waren, und ihr unbefangenes
Wesen stand so sehr in Widerspruch mit dem, was schon der bloße Ton
ihrer Stimme ausgedrückt hatte, daß Alfred glauben mußte, er habe sich
geirrt. Es folgte ein langes Stillschweigen, wobei der Oberst in's
tiefste Nachdenken versunken war, bis endlich Lodoiska wieder das Wort
nahm.

»Sie denken sehr ernsthaft nach, Alfred; beschäftigen Sie sich mit der
Vergangenheit oder mit der Zukunft?«

-- Nein, nur mit der Gegenwart, die mich in die unbeschreiblichste
Verwirrung setzt. --

»Sein Sie nicht böse, wenn ich Ihnen sage, daß ich Ihre Schwäche kenne.
Sie sind nicht im Stande, einen bestimmten Entschluß zu fassen, und Sie
wissen selbst kaum, was Sie wollen.«

-- Ach, Lodoiska, könnten Sie in mein Herz sehen! Aber ich möchte wohl
wissen, wie Sie sich benehmen würden, wenn Sie sich in meiner Lage
befänden. --

»Nach reiflicher Ueberlegung aller Gründe würde mein Entschluß sehr bald
gefaßt sein, und den einmal eingeschlagenen Weg würde ich dann mit Muth
und Dreistigkeit betreten.«

-- Wenn aber dieser Weg Sie zum Irrthume, oder gar zum Verbrechen
führte? --

»Auch dann würde ich ihn verfolgen, denn von allen Uebeln ist das
schlimmste die Unschlüssigkeit. Aber haben Sie sich auch recht davon
überzeugt, worin eigentlich die Verlegenheit in Ihrer Lage besteht?
Wissen Sie denn bestimmt, wo das Böse und wo das Gute anzutreffen ist?
Und seit wann ist es Sitte, daß neuere Rechte die ältern verdrängen
können?«

-- Lodoiska, was würden Sie also von mir fordern? --

»Alles oder Nichts, Alfred! Sie schaudern? O, dann sind Sie nicht würdig
mich weiter anzuhören.«

-- Wie könnte ich eine Gattin verlassen, der ich durchaus keinen Vorwurf
zu machen habe! mich von einem Kinde trennen ..... --

»Alles oder Nichts, ich wiederhole es Ihnen. Worüber können Sie sich
beklagen, da Sie völlig freie Wahl haben, und ich Ihnen deutlich zwei
Wege zeige, aus Ihrer Verlegenheit zu kommen?«

-- Wohl, Lodoiska! Aber so groß auch meine Anhänglichkeit an meine erste
Liebe sein mag, so werde ich doch nie meinen Ruf so beflecken, eine
tugendhafte Gattin, die ich freiwillig gewählt habe, wieder zu
verlassen. --

»Allerdings! das können Sie auch nicht, ohne Ihrem Rufe, Ihrer Ehre zu
schaden, die mir theuer sind. Aber wenn man Sie sprechen hört, sollte
man glauben, daß diese Gattin unsterblich ist, oder einen Bund mit der
Ewigkeit geschlossen hat.«

-- Sie flößen mir Entsetzen ein, Lodoiska, und ich will Sie nicht
verstanden haben; ja vielleicht verstehen Sie sich selbst nicht. --

Ein schauerliches Lächeln war die Antwort der Fremden, und in ihren
Augen las der Oberst völlig klar ihre Gedanken, so daß ihm kein Zweifel
mehr übrig bleiben konnte.

»Nein, nein, tausend Mal nein! Nie werde ich mich mit einem Verbrechen
besudeln! Grausames Weib, ich verabscheue Sie!«

-- Ja, ich weiß es, Sie waren ein geringerer Verbrecher, als Sie mein
Herz zerfleischten, als Ihr Betragen, Ihre Briefe meinem Dolche den Weg
zeigten. -- Bei diesen Worten schlug sie ihren Schleier zurück, und
zeigte dem erstarrenden Alfred die offene, noch blutende Wunde, welche
mitten in's Herz ging. -- Auch mein Vater, meine Mutter, fuhr sie fort,
fanden ihre letzte Zuflucht nur durch den Tod! Nein, damals war Alfred
kein Verbrecher, und noch jetzt ist er der unschuldigste, der
tugendhafteste der Männer! --

»O, Lodoiska! welche Verzweiflung! Welche schreckliche That haben Sie
vollbracht! Wie, Ihr Blut ist geflossen, und Sie legten Hand an sich
selbst? Und dadurch haben Sie auch Ihren ehrwürdigen Aeltern das Leben
geraubt?«

-- Nicht ich, Alfred! Nicht ich, sondern Sie, Sie allein sind an Allem
Schuld. Ich war nur das Werkzeug, dessen Sie sich bedienten, eine ganze
Familie von der Erde zu vertilgen. Und dennoch werden Sie ruhig
schlafen, oder Ihr Schlaf wird bloß durch den Schrecken beunruhigt
werden, den ich Ihnen verursache. Auf Wiedersehen! Urheber alles meines
Elendes, der Sie meine ewige Verbannung aus dem Himmel verursacht haben!
--

»Sie vernichten mich durch Ihre Vorwürfe! Aber wozu wollen Sie
verzweifeln? Mein Vergehen war groß; doch ich hoffe Gnade vor Gott zu
finden, und Sie, glauben Sie mir, daß Sie noch durch aufrichtige Reue
.....«

-- Reue! rief die Fremde mit einem lauten schrecklichen Lachen, daß der
Saal davon erschallte; Reue giebt es nicht mehr für mich; ich habe sie
sammt meinen übrigen menschlichen Empfindungen in meiner Hütte
zurückgelassen. Mein Weg ist mir vorgeschrieben, ich kann nichts mehr
thun, als ihn genau befolgen! --

Der Oberst erstarrte über diese Worte; aber als er bedachte, welche
Vorurtheile Lodoiska in ihrem Vaterlande seit ihrer frühen Jugend
eingesogen haben müsse, und daß ihr Unglück ohne Zweifel einen
nachtheiligen Einfluß auf ihren Verstand gehabt habe, ward er von
zärtlichem Mitleiden ergriffen; er suchte sie zu trösten und zu
beruhigen, indem er sich ihr näherte, um die Hand Lodoiska's zu
ergreifen, über welche sie stets einen Handschuh trug. Allein sie
errieth den Zweck seiner Bewegung, und trat erschrocken einen Schritt
zurück.

»Nein, nein, Alfred! Geben Sie Ihre Versuche auf, mich anderes Sinnes zu
machen. Ich wiederhole Ihnen nochmals, daß ich nicht länger hier bleiben
kann, und das Schloß mit dem morgenden Tage verlassen muß. Ich habe mein
abgebranntes Haus wieder aufbauen lassen, und vorgestern die Nachricht
erhalten, daß es zu meiner Aufnahme bereit ist. Fürchten Sie nun nicht
mehr, daß ich Ihnen durch meinen Anblick lästig fallen werde.«

-- Ich kann die Ausführung Ihres Entschlusses nicht zugeben, Lodoiska.
Warten Sie noch einige Zeit, ehe Sie uns verlassen; denn wie können Sie
mitten im Winter in ein neu erbautes Haus einziehen? Wissen Sie nicht,
wie schädlich die Feuchtigkeit der Mauern auf die Gesundheit wirkt? --

»O, mir schadet sie nichts; denn in einer andern Wohnung fand ich eine
weit größere Feuchtigkeit, und doch sehen Sie mich noch hier. Mein
Entschluß ist unabänderlich, und Niemand wird mehr an mich denken, wenn
ich mich entfernt habe.«

Nach diesen Worten eilte Lodoiska auf ihr Licht zu, nahm es in die Höhe,
und ging fort, ohne auf Alfred's wiederholte und dringende Bitten zu
hören. Da er sie verschwunden sahe, kehrte er in sein Zimmer zurück, wo
er die Nacht unter den peinlichsten Gedanken schlaflos zubrachte.




                         Neunzehntes Kapitel.


Zur Frühstückszeit erschien Lodoiska am folgenden Tage wie gewöhnlich.
Ihre ruhige Haltung und die Gleichgültigkeit in ihren Blicken verriethen
Helenen im Geringsten nicht, welchen Entschluß sie gefaßt habe, und
selbst der Oberst wurde einigermaßen irre an ihr. Nach dem Frühstück
setzte sie sich an ihren Stickrahmen, wie sie es immer gethan hatte, und
arbeitete mit ungetheilter Aufmerksamkeit. Als der Oberst sich aber aus
dem Zimmer entfernte, weil ein Bauer ihn einiger Geschäfte halber zu
sprechen verlangte, stand Lodoiska auf, und ging zur Thür hinaus, als
wenn sie sich bloß in ihr Zimmer begeben wollte. Da Helene wußte, wie
sehr ihr oft die geringsten Fragen lästig waren, so fragte sie auch
nicht nach der Ursache ihrer plötzlichen Entfernung, die überdieß nur
auf einige Minuten zu geschehen schien.

Eine Stunde ging vorüber, und die Fremde ließ sich noch nicht blicken.
Der Oberst bemerkte bei seiner Rückkehr sogleich ihre Abwesenheit, und
fragte seine Frau nach ihr.

»Sie hat sich, kurz nachdem du das Zimmer verlassen hast, entfernt, und
ich glaubte bloß, daß sie sich Wolle zum Sticken holen wollte; allein
jetzt sehe ich ein, daß sie wohl eine andere Absicht haben mußte.«

Der Oberst vermuthete sogleich die Wahrheit, suchte jedoch seine innere
Bewegung zu verbergen, und stellte sich völlig gleichgültig. Bald darauf
trat der neue Bediente ein, welcher Werners Stelle ersetzte, und übergab
der Oberstin einen Brief von Lodoiska.

   »Ich muß mich, schrieb dieses unglückliche Mädchen, bei Ihnen
   über die Art entschuldigen, wie ich mich von ihnen trenne. Ich
   bin in meine frühere Wohnung zurückgekehrt, und bedaure, Ihnen so
   viel Last verursacht zu haben; aber die innigste Dankbarkeit
   erfüllt mich für Ihre mir erwiesene Güte. Warum darf ich Ihnen
   keinen Beweis von dieser Gesinnung geben! Ein schreckliches
   Schicksal zwingt mich, stets gegen meinen eigenen Willen zu
   handeln! Ich habe bei Ihnen die größte Zuvorkommenheit
   gefunden, und dennoch werde ich ... Verzeihen Sie meinen Wahnsinn
   .... Ich weiß selbst nicht, was ich will, aber ich traure
   darüber, daß ich weiß, was ich kann. Gern wäre ich in Ihrem
   Schlosse geblieben; aber dann hätte ich mich entschließen
   müssen, öfters einen Mann zu sehen, dessen Zuneigung zu mir mich
   zwingt, ihn zu meiden. Sie seiner Besuche zu berauben, wäre
   ungerecht gewesen, und es war also nothwendig, daß ich mich
   entfernte. Ich befinde mich jetzt wieder in meinem Hause, und
   habe meinen ganzen Geschmack für die ungestörteste Einsamkeit
   dahin zurückgebracht; diese werde ich nur dann auf einige
   Augenblicke verlassen, wenn ich Ihnen, ohne Furcht vor einem
   unangenehmen Zusammentreffen, persönlich Alles das versichern
   kann, was ich jetzt nur mit schwachen Worten ausdrücke.«

Unter der Unterschrift, welche bloß aus dem Namen Lodoiska bestand,
befanden sich noch einige Höflichkeitsformeln für den Obersten.

»Wahrhaftig, sagte Helene, nachdem sie den Brief mit lauter Stimme
vorgelesen, eine sonderbare Art uns zu verlassen. Und wie ist es
möglich, daß sie mitten im Winter in ein neu erbautes Haus einziehen
kann, bloß um einen Mann zu fliehen, den ein einziges Wort von ihr
zurückgehalten haben würde! Wir wollen ihr aber sogleich ihre Sachen
schicken, von denen sie ohne Zweifel nichts mitgenommen hat.«

Der Oberst suchte eine Antwort hervorzubringen, welche gleichgültig sein
sollte; zu seinem Glücke achtete aber Helene nicht auf ihn, sondern
ging, um Lisetten zu klingeln, welche mit der Nachricht eintrat, daß
zugleich mit dem Briefe auch ein Wagen angekommen sei, der die Sachen
der Fremden abholen sollte. Dadurch fand der Oberst einen Vorwand, sich
aus dem Zimmer zu entfernen, um Befehl zum Aufladen dieser Sachen zu
geben, in der That aber, um wieder freien Athem zu schöpfen; und während
sein Körper sich im Schlosse befand, irrten seine Gedanken in ungeheuren
Räumen umher.

Das plötzliche Verschwinden Lodoiska's aus dem Schlosse gab der
Neugierde der Nachbarn neue Nahrung. Herr von Krauthof, der diesem
schönen Frauenzimmer nicht gewogen war, verbreitete zuerst die
boshaftesten Gerüchte über die Nothwendigkeit dieser schnellen
Veränderung der Wohnung, und bald erzählte man sich allgemein in der
Umgegend, daß die Eifersucht der Oberstin sie verursacht habe.
Glücklicherweise kamen diese Gerüchte den betheiligten Personen nicht
selbst zu Ohren; aber der Arzt erfuhr sie ebenfalls, und nahm sie nicht
mit völliger Gleichgültigkeit auf. Er erinnerte sich einer Menge
Umstände, die er in dem Augenblicke selbst nicht beachtet hatte, die ihm
aber jetzt als ein Lichtstrahl zu sein schienen; doch hütete er sich,
von seinen Entdeckungen irgend Jemanden etwas mitzutheilen, und zog es
vor, sich mit dem Obersten selbst darüber freimüthig zu erklären, sobald
er die Gelegenheit dazu finden würde.

Zu dieser Zeit wurden Helenens Gesundheitsumstände immer bedenklicher.
Vorzüglich empfand sie eine große Schwierigkeit, Athem zu holen; sie
verlor ihre Kräfte, und verfiel allmählich in eine Abzehrung, die sie
zum Grabe führen konnte.

Wildenau, der wirklich ein Arzt von großen Verdiensten war, studirte mit
der größten Genauigkeit alle Symptome dieser Krankheit, welche dieselbe
zu sein schien, wodurch der kleine Wilhelm dem Leben entrissen worden
war. Eine außerordentliche Abspannung und Schwäche, ein beständiges
Bedürfniß zu essen, ein anhaltender Schweiß; alle Zeichen waren
dieselben. Helene ward still und schwermüthig, ohne die Gefahr zu
kennen, die ihr drohte; ihren Gatten schien sie mehr als je zu lieben,
und dieser war weit entfernt, an ihren nahen Tod zu glauben.

Seit der Flucht Lodoiska's bemerkte der Oberst mit Schrecken, daß dieses
junge Mädchen immer mehr die Oberhand in seinem Herzen gewann, und aus
Furcht vor den Folgen dieser zunehmenden Neigung hätte er vor sich
selbst fliehen mögen. Bald war er froh darüber, daß Lodoiska sich aus
dem Schlosse entfernt hatte, indem er sich schmeichelte, daß dadurch die
Ruhe seines Lebens gesichert worden sei; bald seufzte er nach der
Rückkehr der Fremden, und es schien ihm, daß das Schloß jetzt nichts als
eine große Einöde sei. Oft ging er in das Zimmer, welches sie bewohnt
hatte, und bildete sich ein, sie dort wiederzusehen; er setzte sich in
ihren Lehnstuhl, oder auf ihr Bett, und wer ihm zugesehen hätte, würde
geglaubt haben, daß er wahnsinnig geworden sei.

Oefters führte ihn ein edles Gefühl zu seiner Pflicht zurück, und voller
Scham über seine Schwäche, über den ihn entehrenden Wahnsinn, suchte er
in Gesellschaft seiner Frau, seiner Tochter, reinere Gedanken zu
sammeln. In diesen Augenblicken verschwand das Bild Lodoiska's
allmählich aus seinem Herzen, und die tugendhafte Helene nahm alle ihre
Rechte wieder ein; aber leider dauerten diese Augenblicke nicht lange:
Lodoiska, mit dem mächtigen Reiz eines Gegenstandes, in dessen Besitz
man noch nicht gewesen ist, kehrte siegreich in sein Herz zurück.

Mehrere Tage vergingen, während der Oberst fast beständig unter diesen
Kämpfen mit seinem Innern zubrachte, seine Gattin aber immer schwächer
wurde. Sie war nicht im Stande, wie sie es wünschte, Lodoiska'n in ihrer
neuen Wohnung einen Besuch abzustatten, und diese ließ sich vor
Niemandem blicken. Sie begnügte sich damit, sich von Zeit zu Zeit durch
einen Bauer nach dem Gesundheitszustande Helenens erkundigen zu lassen.

Wildenau fand sich täglich im Schlosse ein, um der Oberstin seine ganze
Kunst zu widmen. Er vervielfältigte seine Fragen, um die erste Ursache
ihrer Krankheit kennen zu lernen, aber die Antworten, die er erhielt,
waren weit entfernt, ihn zu befriedigen.

»Ich erinnere mich durchaus keines Umstandes, sagte sie, der meinen
jetzigen Zustand verursacht haben könnte, und Sie werden sehen, daß ich
eben so wie mein Sohn, unter gleichen Umständen, sterben werde.«

-- Um Gottes willen! unterbrach sie der Arzt, glauben Sie so etwas
nicht! Schon dieser Gedanke allein ist im Stande, Ihren Zustand zu
verschlimmern, und überdieß sind Sie weit entfernt von der Krankheit
ihres Kindes. --

Helene erwiederte mit einem schwermüthigen Lächeln: »Ich weiß, daß man
mich in dieser Hinsicht täuschen will; wenn ich alle meine Gedanken
offenbaren wollte, so würde man mich für kindisch halten; allein ich bin
überzeugt, daß ich mich nicht irre, und ich weiß am besten, welches
Uebel mich peinigt.«

-- Diese Worte, erwiederte Wildenau, beweisen, daß Sie uns irgend Etwas
verschweigen wollen. Aber das ist nicht gut, es könnte die
gefährlichsten Folgen haben. Scheuen Sie sich nicht, uns Ihr Geheimniß
zu entdecken, was es auch sei; Sie leiten mich dadurch vielleicht auf
die richtige Spur, Ihnen Ihre Gesundheit wiederzugeben. --

Helene weigerte sich lange hartnäckig, die Meinung, welche sie von ihrem
Zustande hatte, zu entdecken, bis sich der Oberst mit dem Arzte
vereinigte, und sie so dringend bat, daß sie endlich erklärte: sie wolle
ihr Geheimniß ihrem Manne mittheilen, aber unter der ausdrücklichen
Bedingung, daß dieser es gänzlich für sich behalten wolle. Dieß war zwar
nicht das, was Wildenau wünschte, allein er mußte sich darein fügen, und
entfernte sich augenblicklich, mit dem Versprechen, morgen
wiederzukommen.

Als Helene sich mit ihrem Manne allein befand, verbarg sie ihr Gesicht
in ihren Händen, gleichsam aus Furcht, befragt zu werden. Auch Alfred
fürchtete, sie zu fragen, weil er glaubte, daß seine Frau vielleicht von
seinen früheren Verhältnissen zu Lodoiska Kenntniß erhalten habe, und
daß der Kummer darüber die Ursache ihres langsamen Dahinschmachtens sei.
Indessen mußte er sich doch endlich entschließen, das Wort zu nehmen,
und er fragte daher Helenen, ob sie ihm nun ihr Geheimniß anvertrauen
wolle.

»Ach Alfred! wie kann ich mich entschließen, dir meine Gedanken
mitzutheilen? Was wirst du von mir denken, wenn du erst meinen Wahnsinn
kennst?«

-- Wie so, liebe Helene? Ich hoffe doch nicht, daß du an meiner Liebe zu
dir zweifelst? --

»Nein, Alfred, warum sollte ich dieß thun? Es ist keinesweges bei meinen
Träumereien von ähnlichen Gegenständen die Rede, sondern ich werde von
einer schrecklichen Erscheinung verfolgt ..... O, wie lächerlich werde
ich dir vorkommen!«

-- Nein, nein, Helene! fürchte nichts, sagte der Oberst mit der
äußersten Zufriedenheit, da er gewiß war, daß sie gegen ihn keinen
Verdacht geschöpft habe. --

»Nun wohlan! Sei es nun Schwäche, oder Aberglauben, oder irgend eine
andere Ursache, genug, es scheint mir, als wenn ich alle Nächte von
einem schrecklichen Ungeheuer verfolgt werde, das sich über mich
hinlegt, mit seinem häßlichen stinkenden Munde den meinigen berührt, und
mir so das Blut aus den Adern saugt. Kurz, ich werde von einem _Vampyre_
gequält. Glaube es mir sicher, derselbe Dämon hat schon den Tod unseres
Sohnes, so wie einer jungen Bäuerin aus dem Dorfe verursacht, obgleich
bei der letztern auf eine plötzliche und gewaltsame Weise.«

-- Sprichst du wirklich im Ernst, Helene? Suchst du nicht vielleicht mit
mir durch eine solche Entdeckung zu scherzen? --

»Ich wußte es wohl, daß du über mich spotten würdest; allein dem sei,
wie ihm wolle, ich habe die schreckliche Gewißheit von meinen
nächtlichen Qualen. Es ist nicht eben ein bloßer Traum, der alle Nächte
wiederkehrt; nein, der Schmerz, den ich empfinde, das Gewicht des
Wesens, das mich fast erdrückt, entreißt mich meinem Schlafe. Aber eine
höhere Macht hemmt alle meine Bewegungen, schließt mir die Augenlieder,
und überwältigt meine Anstrengungen, mich von meinem Verfolger
loszumachen. Vergebens suche ich zu schreien, die Töne ersterben in
meiner Brust; ich fühle die auf mir liegende Last und das Verschwinden
meines Blutes aus den Adern.«

-- Du setzest mich in Erstaunen, Helene, und ich weiß nicht mehr, was
ich dir antworten soll. Fühlst du nicht, daß du bloß das Spiel einer
traurigen Täuschung bist, die nur durch deine Krankheit verursacht wird,
die sie verschlimmert, aber nicht hervorbringt? Ich will nicht
versuchen, dir die Unmöglichkeit zu beweisen, daß ein solches Wesen, wie
du es fürchtest, existiren kann; nie wird die Vorsehung erlauben, daß
die Gesetze der Natur auf eine so schreckliche Weise verletzt werden.
Aber du hast Zerstreuung nöthig; unser jetziger Aufenthalt taugt nicht
mehr für uns, und mit dem morgenden Tage wollen wir nach Prag reisen, um
dort deine völlige Genesung abzuwarten. --

»Nein, Alfred, ich kann nicht einwilligen, dieses Schloß zu verlassen.
Ich bitte dich, hier zu bleiben, weil eine allzutheure Ursache mich hier
fesselt.«

-- Diese Ursache kann dir nur traurige Erinnerungen bringen. Wenn du
willst, so wollen wir nach Dresden, deiner Vaterstadt, reisen, oder
wohin du sonst wünschest. Aber der Anblick neuer Gegenstände muß dich
diejenigen vergessen machen, die deine Schwermuth verursacht haben. --

»Ich will mich nicht von hier entfernen, weil ich sonst nicht neben dem
Grabe meines armen Wilhelm würde ruhen können.«

Diese rührende Antwort, mit einem Strom von Thränen begleitet, drohte
Alfreds Herz zu brechen. Er vermischte seine Thränen mit denen seiner
Frau, aber gab dessenungeachtet ihren Wünschen nicht nach, sondern
stellte ihr die wichtigsten Gründe vor, um sie zur Veränderung ihres
Aufenthalts zu überreden. Nach vielen Bitten mußte sie endlich
nachgeben, und sie ertheilte ihre Einwilligung zu einem vierzehntägigen
Aufenthalte in Prag.




                         Zwanzigstes Kapitel.


Als Helene am andern Morgen die Anstalten zur Abreise sahe, schien ihr
Versprechen ihr wieder leid zu werden, und sie bat ihren Mann, seinen
Entschluß aufzugeben. Allein ihre Bitten waren vergebens; der Oberst
blieb fest bei seinem Willen. Vor der Abreise schrieb Helene noch einige
Zeilen an Lodoiska, um sie zu benachrichtigen, daß sie auf vierzehn Tage
mit ihrem Gatten und ihrer Tochter nach Prag reisen würde; zugleich
sprach sie den Wunsch aus, wie angenehm es ihr sein würde, einen Besuch
von ihr in dieser Stadt zu erhalten, weßhalb auch ein Zimmer für sie in
der Wohnung, die man wählen würde, bereit gehalten werden sollte.

Wildenau, der durch einen Boten herbeigeholt worden war, kam in dem
Augenblicke an, wo die Familie sich in den Wagen setzen wollte. Kaum
hatte der Oberst, ihn bei Seite nehmend, noch Zeit genug, ihm im
Allgemeinen zu sagen, daß die Einbildungskraft seiner Frau durch
schreckliche Vorstellungen angegriffen werde, weßhalb er es für nöthig
gehalten habe, sie zu zerstreuen, und sie zu diesem Zwecke mitten in den
Tumult einer großen Stadt zu führen. Der Arzt konnte diesen Plan nur
billigen, und er versprach, die Familie in der Stadt öfters zu besuchen.

Der Wagen, mit vier raschen Pferden bespannt, eilte pfeilschnell auf der
Landstraße, die nach der Stadt führte, fort, und nach zwei Stunden
befand sich die Familie bereits in Prag, im Gasthofe zum Kaiser. Sie
trat hier so lange ab, bis gegen Abend der Oberst, welcher die ganze
Stadt durchlaufen hatte, zurückkehrte, mit der Nachricht, eine sehr
bequeme Wohnung, ganz wie er sie wünschte, gefunden zu haben. Noch in
dieser Nacht schlief die Familie in ihrer neuen Behausung, wo der Oberst
sein Bett in das Schlafzimmer seiner Frau hatte setzen lassen.

»Du siehst nun, sagte er lächelnd zu ihr, was ich für Anstalten zu
deiner Beschützung gemacht habe; ich bin hier mit Degen und Pistolen, um
den Dämon mit Vortheil zu bekämpfen. Doch hoffe ich, nicht wirklich mit
ihm ins Handgemenge zu gerathen, weil er uns wahrscheinlich nicht bis
hierher folgen wird; denn die Gespenster und bösen Geister haben nur
selten Erlaubniß in großen Städten umherzuwandeln; nur in den alten
Schlössern vermögen sie zu spuken.«

Es war Alles vergebens, Helenen aufzuheitern; sie blieb stets schweigend
und tiefsinnig, denn das Uebel, von welchem sie befallen war, hatte
schon zu große Fortschritte gemacht. Sie legte sich zeitig schlafen,
während ihr Mann noch lange wachte; aber als auch er endlich das Bett
suchte, erstaunte er über die außerordentliche Müdigkeit, die ihn
befiel, und kaum hatte er sich niedergelegt, so schloß der Schlummer
seine Augen. Mit anbrechendem Tage erwachte er wieder, und da er hörte,
daß seine Frau sich im Bette umwendete, um eine andere Lage zu suchen,
fragte er sie, wie sie die Nacht zugebracht habe?

»Ganz so wie gewöhnlich, antwortete sie; meinen Aufenthalt habe ich
verändert, aber meine Marter ist geblieben. Fahre immer fort zu lächeln;
der Vampyr hat mich dessen ungeachtet nicht verlassen, ja er hat sich
heute schrecklicher und blutgieriger als sonst gezeigt.«

Diese Antwort war für Alfred äußerst niederschlagend; denn da er an die
Wirklichkeit ihrer Träume nicht glauben konnte, so mußte er annehmen,
daß wohl gar ihr Verstand angefangen habe zu leiden. Er beschloß daher,
sie auf alle Weise zu zerstreuen, sie in Gesellschaften, in's Theater zu
führen, und noch an demselben Morgen beredete er sie, sich mit ihm in
den Wagen zu setzen, um in der Stadt umher zu fahren, und die
Merkwürdigkeiten derselben zu besehen.

Helene ward wider ihren Willen durch die Menge und Verschiedenheit der
Dinge, die sie zu sehen bekam, belustigt, und schien beim Mittagessen,
wo sie mit vielem Appetit aß, sich sehr wohl zu befinden. Der Oberst sah
sogar auf ihren blassen Wangen einen Anschein von Farbe, und fühlte sich
von neuer Hoffnung erfüllt. Ganz seiner Pflicht lebend, entfernte er
jeden Gedanken von sich, der ihm verbrecherisch scheinen konnte, und
suchte die Erinnerung an Lodoiska völlig aus seinem Herzen zu verbannen.

Die Nacht kam heran. Um einen Versuch zu machen, ob seine Frau dadurch
mehr ermuthigt werden könnte, bat er sie um Erlaubniß, sich neben ihr
ins Bett zu legen, und Helene willigte ein. Er versprach ihr, so lange
als möglich wach zu bleiben, um durch seine Gegenwart das gefürchtete
Ungeheuer abzuhalten; aber er hatte sein Wort allzuverwegen gegeben. Es
dauerte nicht lange, so befiel ihn der Schlaf mit solcher Gewalt, daß er
vergebens dagegen kämpfte, und wider seinen Willen die Augen schloß.

Als er wieder erwachte, fühlte er auf der Stelle seines Herzens einen
lebhaften Schmerz, und als er mit der Hand dahin tastete, wurde derselbe
noch stärker. Er wendete sich gegen die neben dem Bett stehende
Nachtlampe, und sein Erstaunen übertraf jede Vorstellung, als er auf
seiner Haut den Abdruck von fünf Fingern, in gelben und schwärzlichen
Flecken, erblickte! Er urtheilte sogleich, daß Helenens Hand diesen
Druck hervorgebracht habe, aber schloß auch daraus, daß sein Schlaf
außerordentlich fest gewesen sein müsse, weil er nichts davon gefühlt
hatte.

Helene erwachte bald darauf ebenfalls; ihr Stillschweigen sagte
hinreichend, daß ihr Zustand in dieser Nacht nicht besser gewesen sei,
als sonst, und es war also dringender als je, ernstlich an ihrer
Genesung zu arbeiten. Der Oberst fuhr heute wieder vor Tische mit
Helenen spazieren, und benutzte diese Gelegenheit, zugleich dem
berühmtesten Arzte in der Stadt seine Aufwartung zu machen. Er bat
denselben dringend, Alles zur Herstellung seiner Frau anzuwenden, was
der Arzt auch versprach; aber indem er diesen Trost gab, hatte er schon
gesehen, daß Helenens Lebenskräfte auf dem Punkt waren, zu erlöschen.

Am folgenden Morgen war die Oberstin so schwach, daß sie nicht im Stande
war, das Zimmer zu verlassen; sie empfing den Besuch Wildenau's, der
bloß nach Prag gekommen war, um einen Tag mit der Familie zu verleben;
aber der erste Blick überzeugte ihn schon, daß die Kranke von einem
Augenblicke zum andern in ein anderes Leben hinüberschlummern könne.

Bald darauf trat sein geschickter Amtsbruder ein, und beide beobachteten
nun lange Zeit die Symptome des Uebels, das mit so fürchterlicher
Schnelle wuchs; ihr Urtheil fiel völlig gleich aus. Sie sahen, daß die
Oberstin höchstens noch eine Woche lang leben konnte, und hielten es für
angemessen, ihren Gatten von dem ihm bevorstehenden Verluste in Kenntniß
zu setzen.

Dieser unangenehme Auftrag mußte natürlich auf Wildenau fallen, weil
derselbe mit dem Obersten schon länger in freundschaftlichen
Verhältnissen stand; er bat ihn also einige Augenblicke mit ihm allein
sein zu dürfen, und machte ihn nun mit der schrecklichen Wahrheit
bekannt. Der Oberst überließ sich seinem aufrichtigen Schmerze; er
wollte anfangs an der Wahrscheinlichkeit der ärztlichen Behauptung
zweifeln, und auf dem Punkt, von seiner Gattin getrennt zu werden,
fühlte er seine frühere Liebe zu ihr sich in ihrer ganzen Kraft erneuen.
Es schien ihm grausam, Helenen von ihrem bevorstehenden Ende in Kenntniß
zu setzen, und da er nicht wußte, wozu er sich entschließen sollte,
kehrte er mit dem Arzte in Helenens Zimmer zurück, wo er sich dergestalt
setzte, daß seine Frau ihn und seinen Kummer nicht sehen konnte.

Die Oberstin fragte den Arzt mit schwacher Stimme, ob er Lodoiska
gesehen, oder Nachricht von ihr habe?

»Sie zu sehen, Frau Oberstin, antwortete Wildenau, ist unmöglich, denn
sie kommt nie aus ihrem Hause, das beständig verschlossen ist. Können
Sie wohl glauben, daß Herr von Krauthof den Muth gehabt hat, sich
abermals bei ihr zu zeigen, ungeachtet der früher gemachten üblen
Erfahrung?«

-- Er ist also bei seinem zweiten Versuche nicht glücklicher gewesen? --

»Der Ausgang war ganz derselbe, wie das erste Mal, und er ist nun so
entmuthigt, daß er geschworen hat, nie wieder einen Fuß in die Nähe des
Hauses zu setzen.«

-- So sind wir doch glücklicher gewesen, fuhr Helene fort, denn sie hat
sich öfters sehr artig nach uns erkundigt. Das sonderbare Wesen! Was
führt sie bei ihrer Jugend und Schönheit für eine Lebensart! Dabei
bleibt sie stets kalt und gleichgültig, und erscheint mehr als eine
Maschine, deren Räderwerk in Bewegung gesetzt worden ist, als wie ein
menschliches Geschöpf. Indessen kann ich mir nicht erklären, welche
Gewalt sie über mich erlangt hat. Seitdem wir von einander getrennt
sind, vermisse ich sie beständig, und es scheint mir, als wenn ich sie
in den letzten Stunden meines Lebens bei mir haben müßte; auch wünschte
ich ihr nach meinem Tode die Aufsicht über meine Tochter anzuvertrauen.
--

Diese mit schwacher Stimme ausgesprochenen Worte setzten die beiden
Zuhörer in Schrecken. Der Oberst sprang heftig vom Stuhle auf, ergriff
Helenens Hand, und stammelte einige Worte des Trostes und der Hoffnung.
Wildenau, der mehr an dergleichen Szenen gewöhnt war, benutzte diese
Gelegenheit, um die Oberstin aufzufordern, einen Geistlichen kommen zu
lassen.

»Sie thun sich großen Schaden, Frau Oberstin, sagte er, daß Sie sich mit
so düsteren Gedanken quälen. Ich wünschte, daß Sie Zutrauen genug in
mich setzten, um mir die Mittel zu erleichtern, Ihren Gesundheitszustand
zu verbessern; da Sie mir dieß aber verweigern, warum fragen Sie nicht
einen jener frommen Geistlichen um Rath, die gewohnt sind, an dem Bette
der Leidenden Trost zu ertheilen? Vielleicht würde dieß Ihrem Zustande
am zuträglichsten sein.«

Ein schmerzliches Lächeln ging der Antwort Helenens vorher. »Sie kommen
meinen Wünschen zuvor, sagte sie; ich war schon im Begriff, meinen Mann
zu bitten, daß er einen Geistlichen kommen ließe. Zugleich komme ich
aber auf meinen vorher erwähnten Wunsch zurück: ich sehne mich, die
junge Fremde wiederzusehen, und sie einige Zeit bei mir zu haben.«

Der Ton, womit dieser Wunsch ausgedrückt wurde, bewies, wie sehr Helene
an dessen Erfüllung hing, und die beiden Zuhörer wurden davon
überrascht, am meisten aber der Oberst, der die Gefahr fühlte, welche
für ihn aus Lodoiska's Gegenwart entstehen mußte. Allein er wußte nicht,
wie er diesem Wunsche seiner sterbenden Frau ausweichen sollte, und
seine Verlegenheit hinderte ihn anfangs, eine Antwort zu geben. Helene,
über sein Stillschweigen verwundert, fragte ihn daher, ob ihr Verlangen
tadelnswürdig sei, und ob der Erfüllung desselben große Hindernisse
entgegenständen?

Diese Frage weckte den Obersten aus seinen Träumereien, und er
antwortete, daß er sich nur deßhalb nicht gleich erklärt habe, weil er
fürchtete, daß die seltsame Fremde die Bitte abschlagen würde. »Da du
aber auf ihrer Gegenwart bestehst, fuhr er fort, so versuche, ihr einige
Zeilen zu schreiben, denen ich meine Bitten noch hinzufügen werde, und
unser Bediente soll augenblicklich mit unserm Wagen nach R**** fahren.
Ich hoffe dann, daß er sie mitbringen wird.«

Helene versuchte, den verlangten Brief zu schreiben, wozu sie fast eine
Stunde gebrauchte. Der Oberst setzte dann folgende Worte hinzu:

   »Ja, Madame, wir bitten Sie um die gütige Erfüllung unserer
   Wünsche. Wie strenge auch Ihre früheren Entschlüsse sein
   mögen, Sie dürfen sich jetzt dem Verlangen meiner Frau nicht
   weigern, die Ihre Gegenwart so sehnlich wünscht. Kehren Sie
   daher in unsere Gesellschaft zurück, ich wiederhole Ihnen
   nochmals meine Bitte; geben Sie uns diesen Beweis Ihres
   Wohlwollens.«

Während der Oberst schrieb, war Wildenau, der Prag genau kannte,
fortgegangen, um einen Geistlichen herbeizuholen, der die Oberstin auf
dem ihr noch übrigen kurzen Lebenswege geleiten und trösten möchte. Es
gelang ihm, einen der würdigsten ausfindig zu machen, der ihm versprach,
am folgenden Morgen sich einzufinden, worauf der Arzt zu seinen Freunden
zurückkehrte. Da seine Geschäfte ihn auf das Land zurückriefen, so nahm
er bald darauf von dem Obersten und dessen Frau den rührendsten
Abschied.




                     Ein und zwanzigstes Kapitel.


Es war acht Uhr des Abends, als der Wagen, welcher um Mittag abgefahren
war, vor dem Hause still hielt. Bei dem dadurch verursachten Geräusch
erbebte der Oberst; er nahm rasch ein Licht, und eilte die Treppe hinab,
weniger um der Fremden entgegenzugehen, wenn sie wirklich angekommen
wäre, als um seine innere heftige Bewegung vor seiner Frau zu verbergen.

Als er auf den Hausflur gelangte, sahe er eine weibliche Gestalt, in
einen großen schwarzen Shawl verhüllt, ernsten, langsamen Schrittes auf
sich zukommen, so daß er sich über ihren Anblick überrascht fühlte, als
wenn er eine übernatürliche Erscheinung gesehen hätte. Aber wie sehr
vermehrte sich seine Verwirrung, sobald er beim Scheine des Lichts die
Leichenblässe auf Lodoiska's Gesichte wahrnahm. Sie schien ein Gespenst
zu sein, so stier waren ihre Augen, so eingefallen ihre Wangen; man
mußte glauben, daß sie dem Grabe hundert Mal näher sei, als die
Oberstin, welche stündlich ihrem Ende entgegen sahe.

Der Oberst, voll Entsetzen über diesen Anblick, konnte kein Wort
hervorbringen, um die Forderungen, welche Höflichkeit und Anstand an ihn
machten, zu erfüllen. Unbeweglich stand er da, und betrachtete die
Zerstörungen, welche ein so kurzer Zeitraum in den Gesichtszügen
Lodoiska's hervorgebracht hatte. Diese bemerkte sein Erstaunen, und mit
einem wilden Lachen hob sie an:

»Hier bin ich! Sie haben mich gerufen. Schmeicheln Sie sich aber nicht,
mich nun wieder zur Entfernung zu zwingen, wenn Sie es wünschen werden.«

Glücklicherweise wurden diese lebhaft ausgesprochenen Worte von
Niemanden weiter gehört. Er erschrak über den Sinn derselben, suchte
sich jedoch zu fassen, und antwortete ihr mit einem Anschein von
Galanterie, wofür sie ihm einen fürchterlichen Blick zuwarf. --

Als Beide in das Zimmer der Oberstin traten, brach diese beim Anblick
der Fremden, die so krank zu sein schien, wie sie selbst, in Thränen
aus, und reichte ihr freundschaftlich die Hand entgegen.

»Ach, wie gut sind Sie, meine Bitte erfüllt zu haben! Aber Sie selbst
scheinen der Hülfe eines Arztes zu bedürfen. Warum kamen Sie nicht
früher nach der Stadt?«

-- Mein äußeres Ansehen, erwiederte die Fremde, setzt Sie in Irrthum.
Meine Gesundheitsumstände sind dieselben, wie vor einem oder zwei
Monaten, und es ist schwer, mich besser oder schlechter zu befinden.
Wenn Ihnen meine Züge entstellt erscheinen, die Blässe meines Gesichts
Sie erschreckt, so setzen Sie dieß auf Rechnung der Verwirrung, in die
ich durch Ihren Brief und den darin enthaltenen Befehl gerathen bin. Sie
wissen, wie nothwendig mir die Einsamkeit ist, und ich habe mich nur
schwer ihr entreißen können; aber, wenn man mich auf eine gewisse Art
bittet, so habe ich nicht das Recht, mich zu weigern. Sie wollen mich
haben, und ich bin hier; glauben Sie, durch mich den nöthigen Beistand
zu finden? --

Diese eben nicht höfliche Rede machte einen unangenehmen Eindruck auf
Helenen, die den wahren Sinn derselben nicht errathen konnte. Nach
einigem Nachdenken fiel ihr indessen der seltsame Charakter der Fremden
ein, und daß man bei ihr nichts beleidigend finden müsse, weil ihr
Betragen ganz abweichend von allen übrigen Menschen war. Helene bedurfte
der Gesellschaft, und hatte sich an Lodoiska gewöhnt; konnte sie sich
also über deren Sonderbarkeit beklagen?

Ungeachtet ihrer anscheinend übeln Laune liebkosete Lodoiska doch die
kleine Julie, welche kam, um ihr gute Nacht zu wünschen. Sie nahm das
Kind mit so vieler Zärtlichkeit in ihre Arme, daß sie sich dadurch die
Gewogenheit der Mutter in einem Augenblicke wieder erwarb. Der Oberst
stand dabei, in Träumereien versunken, unfähig ein Wort hervorzubringen;
er wagte es nicht, weder seine Frau noch Lodoiska anzusehen, und die
Zukunft stellte sich ihm in einem schauerlichen Dunkel dar.

Am andern Morgen erklärte die Oberstin, daß sie heute eine
schrecklichere Nacht als je gehabt habe. Dieß war auch leicht an dem
matten und schmerzhaften Ausdrucke ihres abgemagerten Gesichts zu sehen;
es war augenscheinlich, daß ihre Schwäche mit jeder Minute zunahm, und
daß ihr Leben vielleicht bald entfliehen würde. Da der erwartete
Geistliche sich noch immer nicht blicken ließ, obgleich es schon nach
neun Uhr des Morgens war, so gerieth Helene darüber in Unruhe; bald
darauf meldete indessen Lisette seine Ankunft an. Der Oberst ging ins
Nebenzimmer, um ihn zu empfangen; aber Lodoiska stieß einen Schrei des
Entsetzens aus, und floh eilig in das ihr angewiesene Zimmer.

Die tröstende Ueberredungskraft des würdigen Geistlichen, der Helenen
neben der Aussicht auf ein künftiges, besseres Leben auch die Hoffnung
zu ihrer Genesung zeigte, machte einen so guten Eindruck auf sie, daß
sie sich ruhiger fühlte, als der Prediger sie verließ; er versprach ihr,
am Abend und, wenn sie es wünsche, auch am folgenden Morgen
wiederzukommen.

Nach seiner Entfernung kehrte der Oberst ins Zimmer seiner Frau zurück,
wo auch bald darauf der Arzt erschien, welchen man in Prag angenommen
hatte. Dieser fand sie nicht schwächer, als bei seinem letzten Besuche,
und verschrieb ihr einen stärkenden Trank, wovon er sich die beste
Wirkung versprach. Da der Oberst bemerkte, daß Lodoiska noch nicht
wieder gegenwärtig war, begab er sich nach ihrem Zimmer, und klopfte
leise an die Thür.

»Wer ist da? sagte Lodoiska; was soll ich?«

-- Ich wollte Sie bitten, zu meiner Frau zurückzukehren. --

»Ist sie allein? Ist er nicht mehr da, der furchtbare Mann, dessen
Anblick ich nicht mehr ertragen kann?«

Mit diesen Worten öffnete sie die Thür.

»Aber von wem sprechen Sie denn?« fragte der Oberst.

-- Von wem ich spreche? Von dem Geistlichen! Seitdem ich mein Vaterland
verlassen habe, ist es mir unmöglich, in der Gegenwart von seines
Gleichen auszuhalten; denn ich bin auf ewig von ihnen geschieden. --

Gerührt von dem Aberglauben dieser Unglücklichen, den er ihrem Versuche
zuschrieb, sich das Leben zu nehmen, setzte der Oberst dieses Gespräch
nicht fort, und sagte nur noch, daß kein Fremder im Zimmer sei.

»Dann will ich Ihnen folgen, fuhr Lodoiska fort; aber versprechen Sie
mir, Alfred, wenn Sie nicht Zeuge des schrecklichsten Auftritts sein
wollen, mich vor jedem Zusammentreffen mit einem Geistlichen zu
bewahren. Ach, dieß ist wahrlich das Geringste, was Sie für mich thun
können!«

Voller Mitleiden versprach der Oberst, was sie wünschte, und kehrte dann
mit ihr zu Helenen zurück, die schon nach ihrem Anblick verlangte.

»Der Arzt, sagte sie, hat mir so eben neue Hoffnung zu meiner Genesung
gemacht, und ich würde mich selbst über meinen Zustand täuschen, so
lange es Tag ist; aber die schreckliche Nacht ist die gewisse Ursache
meines Todes. (Lodoiska bebte unwillkührlich zusammen). Ich weiß am
besten, daß es mit meinem Leben bald zu Ende sein wird; vorher aber habe
ich noch einige Bitten, deren Erfüllung allein mich mit Ruhe sterben
lassen kann.«

-- Ach, theure Helene! rief der Oberst lebhaft, ohne sich durch
Lodoiska's Gegenwart stören zu lassen; gieb dich doch nicht so schwarzen
Gedanken hin. Du wirst noch lange zum Glück deiner Familie leben, und
deine Wünsche selbst erfüllen können. --

»Der eine meiner Wünsche, lieber Alfred, kann nicht durch mich selbst
erfüllt werden, weil er mein Begräbniß betrifft. Ich will nach meinem
Tode neben meinem Sohne, auf dem Kirchhofe zu R...., ruhen; jede andere
Erde würde mir fremd sein, und nur dort soll man mich begraben.«

Seufzer und aufrichtige Thränen verhinderten den Obersten, zu antworten;
aber er drückte die Hand seiner Frau in die seinigen, und gab ihr durch
dieses stumme Zeugniß die Versicherung, daß er sich in ihren Willen
füge. Sie bestand also nicht weiter darauf, und wandte sich nun an
Lodoiska, die leichenblaß und mit stierem Blicke schweigend da saß.

-- Was Sie betrifft, meine Freundin, fuhr die Oberstin fort, so bitte
ich Sie, auf einige Zeit die Obhut über meine Tochter zu übernehmen. Sie
haben sie bisher immer mit Zuneigung behandelt, und ich nehme daher die
süße Ueberzeugung mit ins Grab, daß Sie ihr eine zweite Mutter sein
werden, bis Ihre Angelegenheiten Sie aus dieser Gegend abrufen. --

Lodoiska stieß bei diesen Worten ein lautes, unbeschreibliches
Angstgeschrei aus. Ihr Gesicht mit beiden Händen bedeckend, sank sie in
den Lehnstuhl zurück, auf welchem sie saß, und schien einem lebhaften
Schmerze zu erliegen, ohne eine Antwort ertheilen zu können. Auch der
Oberst erstarrte, als er hörte, daß seine Frau ihrer heimlichen
Nebenbuhlerin empfahl, ihre Stelle zu vertreten; und er wagte es nicht,
Lodoiska'n zu Hülfe zu eilen, aus Furcht, seine Gefühle zu verrathen.

Da die Fremde immer noch schwieg, so glaubte Helene, ihre Bitte
wiederholen zu müssen. Jetzt stand Lodoiska schnell auf, richtete ihre
dunkelflammenden Augen gen Himmel, und rief: »Du willst es, allmächtige
Vorsehung! Wie könnte ich mich gegen deinen Willen sträuben! Ja, ich
nehme es an, was du mir durch diese Unglückliche befiehlst; ja, ich will
die Wärterin ihrer Tochter sein bis an ihren Tod!«

Der bittere Ton, mit welchem Lodoiska diese Worte aussprach, war für die
arme Helene gleichsam ein Dolchstoß in's Herz; doch wagte sie nicht,
ihre Gefühle zu erkennen zu geben, und sagte nur: »Verlassen Sie
wenigstens meine Tochter nicht eher, als bis Sie sie dem Gatten
überliefern können, den ihr Vater für sie wählen wird.«

Ein verächtliches Lächeln war der Fremden ganze Antwort, und bald darauf
entfernte sie sich aus dem Zimmer.

Fünf oder sechs Tage vergingen, während welcher Helene immer schwächer
wurde. Vergebens verschwendete man an ihr alle Mittel der Arzneikunst:
sie vermochten nichts gegen die fürchterliche, geheime Ursache, welche
allmählich ihren Tod herbeiführte. Jede Nacht wachte der Oberst bei ihr
in Gesellschaft einer an dergleichen Dienst gewöhnten Frau; aber durch
ein seltsames Zusammentreffen verfielen Beide in jeder Nacht zu
derselben Zeit in einen festen, todtenähnlichen Schlaf. Jeden Morgen
beklagte sich Helene über ihre außerordentliche Erschöpfung, und im
Geheimen bei ihrem Gatten über den unersättlichen Dämon, der ihr das
Blut tropfenweis aussaugte. Alfred wußte am Ende hierauf nichts zu
antworten, weil er glaubte, daß ihr Verstand immer mehr durch nächtliche
Phantasien zerrüttet würde.

Während dieser ganzen Zeit gab Lodoiska ihrem ehemaligen Liebhaber weder
durch ein Wort noch durch einen Blick ihre geheimen Empfindungen zu
erkennen; sie betrug sich gegen ihn, als wenn sie ihn nie gekannt hätte.
Für Helenen zeigte sie jetzt während des Tages die größte Sorgfalt; aber
mit Anbruch der Nacht begab sie sich in ihr Zimmer, das sie des Morgens
erst spät wieder verließ.

Wildenau, der Freund der Familie, kam von Zeit zu Zeit nach Prag; er
belästigte die spröde Lodoiska durchaus nicht mit seinen Seufzern,
sondern schenkte seine ganze Aufmerksamkeit der Krankheit Helenens,
deren Tod er bei seinem Besuche in der nächsten Nacht vorhersagte.
Wirklich wurde auch sein Urtheil bestätigt; denn mit dem Anbruch des
Tages war der letzte Hauch ihres Lebens aus ihrem Körper entflohen.

Wir versuchen es nicht, den Schmerz zu beschreiben, welchem der Oberst
sich ergab; zu verschiedenen Malen mußte ihn Wildenau mit Gewalt von dem
Leichname Helenens fortführen. Lodoiska ließ sich den ganzen Tag über
nirgends blicken, so daß endlich der Arzt das Recht zu haben glaubte,
sich gegen Abend nach ihrem Zimmer zu begeben, weil er fürchtete, daß
auch sie der Hülfe bedürftig sein könnte. Nachdem er an die Thür
geklopft hatte, erhielt er die Einladung einzutreten.

Lodoiska, den Kopf auf einen Tisch gestützt, saß in ihrem Lehnstuhle,
ganz in ihren schwarzen Schleier verhüllt. Sie hörte den Worten
Wildenau's zu, ohne ihn anzusehen, und antwortete ihm mit schwachem,
aber ruhigem Tone, daß sie keiner Hülfe bedürfe, daß sie aber nach dem
Tode ihrer Freundin ihre Einsamkeit nicht verlassen wolle. Uebrigens
würde sie ihr gegebenes Versprechen erfüllen, und sich daher morgen ganz
allein nach dem Schlosse R.... begeben, wo sie die Ankunft des ihrer
Obhut anvertrauten Kindes erwarte.

Wildenau, der auf eine ganz andere Antwort gefaßt war, indem er glaubte,
daß Lodoiska doch wenigstens dem Leichenbegängniß der Oberstin beiwohnen
werde, behielt seine Gedanken hierüber bei sich, und fragte nur, ob man
ihr einen Wagen zur Reise bestellen solle?

»Ich danke Ihnen, erwiederte Lodoiska, immer noch ohne ihn anzusehen;
ich selbst habe schon deßhalb die nöthigen Maßregeln getroffen. Ich
werde ganz früh abreisen, weil es mir unmöglich ist, dem traurigen
Leichenbegängniß beizuwohnen.«

Sie schwieg. Ihre fortwährende Unbeweglichkeit veranlaßte endlich den
Arzt, sich voll Verwunderung über die Seltsamkeit dieser jungen Person
zu entfernen. Er benachrichtigte den Obersten von ihrem Entschlusse, und
dieser war insgeheim entzückt, daß Lodoiska ihn durch ihre Gegenwart
nicht in der vollkommenen Erfüllung seiner Pflichten stören würde. Am
folgenden Tage brachte man den Leichnam Helenens nach dem Schlosse
R...., wo diese unglückliche Mutter neben dem Grabe ihres Sohnes ihre
Ruhestätte fand.




                    Zwei und zwanzigstes Kapitel.


Ein Monat war verflossen, und Lodoiska beobachtete immer noch im
Schlosse die völlige Zurückgezogenheit, wie sie es schon früher gewohnt
gewesen war, als sie sich in ihrem Hause im Walde aufhielt. Ihr Zimmer
war jedem Andern als ihrer Bedienung unzugänglich, und nur Julie hatte
darin Zutritt, obgleich dieses Kind weit lieber im Garten unter
Lisettens Aufsicht umherlief.

Der Oberst, welcher anfangs den Augenblick gefürchtet hatte, wo er nach
dem Tode seiner Gattin zum ersten Male wieder mit seiner ehemaligen
Geliebten zusammentreffen würde, fing jetzt nach und nach an, sich über
Lodoiska's hartnäckige Einsamkeit insgeheim zu ärgern, und jemehr sie
ihn zu vermeiden schien, desto ungeduldiger wurde er am Ende, sie zu
sehen. Doch wagte er noch nicht, seinen Wunsch laut werden zu lassen; er
verlebte seine Tage traurig und einförmig, theils sich mit Lesen
beschäftigend, theils Wald und Feld in der Umgegend durchstreichend.

Wildenau, der Arzt, war ebenfalls ungeduldig, daß er die Fremde nicht
mehr zu sehen bekam, und nahm sich nun fest vor, sich freimüthig mit dem
Obersten zu erklären, dessen Empfindungen für den Gegenstand seiner
Zärtlichkeit er schon seit längerer Zeit in Verdacht hatte. Er wollte
sich von den Verhältnissen beider zu einander genau überzeugen, um
danach sein Betragen für die Zukunft einzurichten. Aber verschiedene
Male ward er durch besondere Umstände von der Ausführung seines
Entschlusses abgehalten, indem er theils nicht nach dem Schlosse kommen
konnte, wenn er es sich vorgenommen hatte, theils daselbst mit
besuchenden Nachbarn zusammentraf, in deren Gegenwart er die
beabsichtigte Unterredung mit dem Obersten nicht anfangen konnte.

Lobenthal, ohne diesen Entschluß des Arztes zu ahnen, fand sich dennoch
in dem Umgange mit seinem Freunde nicht mehr so ungezwungen, seitdem
sein Verhältniß zu Lodoiska durch den Tod seiner Gattin verändert worden
war. Wildenau war nun sein Nebenbuhler -- -- was er selbst sich nur
erröthend gestanden haben würde; und dennoch beschäftigte sich sein Herz
wider seinen Willen mit diesem Gedanken. Sehr häufig floh ihn der Schlaf
bis spät in die Nacht hinein, und wenn die übrigen Bewohner des
Schlosses schon längst sich der süßen Ruhe überlassen hatten, war Alfred
noch in seinem Zimmer wach, wo er durch Lesen seine mancherlei ihn
peinigenden Gedanken zu verscheuchen suchte. Aber dieses Mittel blieb
gewöhnlich vergeblich; Lodoiska's Bild, das Andenken an Helenen zogen
seine Aufmerksamkeit von dem Buche ab, und maschinenmäßig überflogen
seine Augen die Buchstaben, ohne ihren Sinn zu erfassen.

In einer Nacht, als der Oberst sich unruhiger fühlte als je, wollte er
durch Auf- und Niedergehen in dem großen Saale des Schlosses seinen
Unmuth zu verscheuchen suchen; er nahm daher sein Licht, und ging mit
demselben durch mehrere Zimmer, bis er in den erwähnten Saal gelangte.
Hier setzte er das Licht auf das Gesimse eines alterthümlichen Kamins,
und bei dem schwachen Scheine, der nicht im Stande war, den weiten Raum
zu erleuchten, ging er mit großen Schritten durch die wenig geminderte
Finsterniß.

Ungefähr seit einer Viertelstunde setzte er diese Bewegung fort, als er
die Flügelthür, welche nach der Haupttreppe des Schlosses führte,
knarren hörte .... der Oberst stand still .... die Thür öffnete sich,
und Lodoiska trat herein ..... Kaum konnte er sie erkennen, so sehr
verschwand sie durch die Einhüllung in ihren schwarzen Shawl in der
Finsterniß, die das Licht nicht verscheuchen konnte; doch bemerkte er
bei dem schwachen Schimmer desto besser die Leichenblässe ihres
Gesichts. Sie schien kein menschliches Wesen zu sein, und gleich einer
überirdischen Erscheinung durch den dunkeln Raum einherzuschweben; ja
die Einbildungskraft Alfred's stellte sie ihm auf einen Augenblick
beflügelt und von Blute triefend vor; aber dieser Anblick ging mit der
Schnelligkeit des Blitzes vorüber, obgleich der Oberst darüber fast
erstarrte. Lodoiska, ohne das geringste Erstaunen über den Anblick ihres
Geliebten zu zeigen, den sie sogleich erkannte, stand still, und stützte
sich auf einen alten Lehnstuhl, als wenn sie sich von einer langen
Anstrengung einen Augenblick lang hätte erholen wollen.

Jetzt näherte sich Alfred, obgleich nicht ohne heftige innere Bewegung,
der jungen Fremden.

»Endlich, sagte er, sehe ich Sie wieder, und zwar an demselben Orte, und
in derselben Stunde, wo Sie mir vor einiger Zeit Ihre Entfernung von
hier ankündigten. Wie seltsam ist dieses Zusammentreffen! Ich mußte es
also dem bloßen Zufalle verdanken?«

-- Es ist möglich, antwortete Lodoiska mit ihrem gewöhnlichen
schwermüthigen Tone, daß in Absicht auf Sie der Zufall hier sein Spiel
treibt; was aber mich betrifft, da ich in jeder Nacht mich in diesem
Saale zu erholen pflege, so sehe ich in diesem Zusammentreffen nur
Etwas, das auf jeden Fall früher oder später Statt finden mußte. --

»Wie! Lodoiska, in jeder Nacht, sagen Sie, kommen Sie hier her? Welchen
Reiz kann dieser weite und verfallene Saal für Sie haben, wo man nur
unangenehmen Vorstellungen ausgesetzt ist, sobald das Licht des Tages
nicht mehr leuchtet?«

-- Ich mache mir wenig aus dem Glanz der Sonne oder aus dem
schauerlichen Anblick der Finsterniß. Ich lache über Alles, was Andere
meines Geschlechts in Furcht setzt; ich verspotte das Schrecklichste,
und durch ein trauriges Schicksal gefalle ich mir am besten in der Mitte
des Fürchterlichsten und Verabscheuungswürdigsten für alle übrige
Menschen. --

»Ach, werden Sie denn nie Ihre Gesinnungen ändern? Werden Sie nie zu
fröhlichen Vorstellungen zurückkehren? Die Vergangenheit, deren Andenken
anfangs so peinlich ist, verliert durch die Länge der Zeit den
unangenehmen Eindruck auf uns, ja öfters verwandelt der Lauf der Dinge
das heftigste Leid in Freude. Sollte Ihr Herz dieser Wirkungen nicht
empfänglich sein?«

-- Nein! sie gleiten eindruckslos an mir vorüber. Sie sprechen von der
Vergangenheit; ich kenne sie nicht mehr; für mich ist die Gegenwart
Alles, da ich weder rückwärts noch vorwärts gehen kann. Ich bin nur an
_einen_ festen Punkt gebannt, und die Hoffnung, welche selbst der
Elendeste der Menschen noch in seinem Herzen nährt, sie ist mir völlig
fremd. Was wollen Sie dagegen thun, Alfred? Sie selbst haben Lodoiska's
Schicksal bestimmt; wundern Sie sich also nicht, wenn es unveränderlich
bleibt. --

»Je mehr ich Sie reden höre, grausame Freundin, desto mehr zerreißen mir
Ihre unerklärbaren Worte das Herz. Was ist es für eine grenzenlose
Verzweiflung, der Sie sich überlassen? Sind Sie die Einzige, die nicht
mehr auf die Zukunft hoffen darf? Ach, kehren Sie zu sich selbst zurück,
überzeugen Sie sich, daß Ihre Lage sich noch ändern kann; das Glück wird
Ihnen nicht stets entgegen sein.«

-- Kann es machen, Alfred, erwiederte Lodoiska lebhaft, daß Ihr
Versprechen wieder aus dem Grabe ersteht, wo ich es auf ewig verborgen
habe? --

»Mein Versprechen, sagen Sie?«

-- Ja, Ihr Versprechen, das Sie mit Ihrem Blute unterzeichneten, und das
Sie unwiderruflich an mich fesselt. --

»Ist dieß der Augenblick, mich daran zu erinnern? Und wie auch meine
geheimen Empfindungen sein mögen, sehen Sie nicht, daß ich Trauerkleider
trage? Denken Sie nicht an die schmerzliche Begebenheit, die vor Kurzem
Statt fand?«

-- Ich weiß, daß Sie, obgleich Sie behaupten, nichts als mein Glück zu
wünschen, noch nie angestanden haben, meinem Herzen eine neue Wunde zu
schlagen. Ich weiß, daß Sie mich schändlich betrogen haben; dieß ist der
einzige Umstand aus der Vergangenheit, dessen ich mich noch erinnere,
der Sie vernichten muß, und über den Sie auf ewig seufzen werden! --

»Ich wünschte, Sie wieder zu sehen, Lodoiska; aber ich wußte nicht
vorher, daß dieß nur geschehen würde, um Ihre Vorwürfe anzuhören. Wie
ungerecht sind Sie, und wie wenig kennen Sie mich!«

Ein Strahl von Freude glänzte in den Augen der Fremden, und ihre Lippen
verschlangen einige Worte, die sie auszusprechen im Begriff war. Es
folgte ein Augenblick des Schweigens, der nicht ohne Süßigkeit für sie
war, und schon erschien eine gewisse Heiterkeit auf ihrer Stirn, die
seit langer Zeit davon verscheucht gewesen war, als ein bitterer Gedanke
Alles wieder zerstörte. Lodoiska's Blick wurde wilder, und sie legte
ihre Hand auf ihr Herz, gleichsam um dessen schmerzliches Klopfen zu
unterdrücken.

»Auch ich wünschte Sie wiederzusehen, Alfred, sagte sie, weil es mir
schien, als wenn Sie noch derselbe sein könnten, wie früher; aber ich
besitze jetzt keinen von den Reizen mehr, die Sie vormals entzückten.«

-- Ich liebte damals die vortrefflichen Eigenschaften Ihres Herzens eben
so sehr, als Ihre Reize. Die Zeit konnte Ihnen einen kleinen Theil der
letzteren rauben; aber vermochte sie etwas gegen die inneren Vorzüge
Ihrer Seele? --

»Ich kann Ihnen nichts darauf antworten, Alfred. Unsere Unterhaltung,
die uns nur Kummer verursacht, hat schon viel zu lange gedauert. Leben
Sie wohl, ich muß mich entfernen. Erwarten Sie, was die Vorsehung
entscheiden wird. Ach, wie schrecklich ist das Schicksal, womit mich ihr
Zorn belastet hat!«

-- Ja, lassen wir die Zeit ruhig verstreichen; wir werden uns einst
wieder vereinigen, und dann .... --

»Und dann gehen wir beide gerade dem Grabe zu, das uns als Hochzeitbett
dienen wird!«

-- Welche schreckliche Vorhersagung! Lodoiska, wie können Sie so grausam
sein? Sehen Sie denn nichts als einen Sarg in der Zukunft? --

Lodoiska antwortete nicht, sondern entfernte sich mit größter Eile. Als
sie sich auf der Treppe befand, ließ sie ein lautes Gelächter
erschallen, welches einen so schrecklichen Eindruck auf den Obersten
machte, daß er wie erstarrt dastand, und das Hohngelächter eines
höllischen Wesens gehört zu haben glaubte.

»Armes Mädchen, sagte er endlich, dein Unglück hat dich eines Theils
deiner Verstandeskräfte beraubt und deinen liebenswürdigen Charakter
völlig entartet. Aber dennoch bleibt sie immer höchst interessant, und
vielleicht kehrt sie zu andern Vorstellungen zurück, wenn die Ursache
ihres Unglücks aufgehört hat.«

Während er diese Worte ziemlich lebhaft und laut aussprach, glaubte er
hinter sich einen tiefen Seufzer zu hören. Er drehte sich schnell um,
und erblickte nun in dem finsteren Theile des Saales eine weiße Gestalt,
die ein Kind an der Hand führte, und mit ihm aus dem Saale in das
anstoßende Zimmer ging. Ungeachtet seines Muthes erbebte der Oberst bei
diesem Anblicke. Seine Einbildungskraft gab der Gestalt Gesichtszüge,
die ihm ein theures Andenken hervorriefen. Anfangs wußte er nicht, was
er thun sollte; dann aber ergriff er das Licht, und folgte den
Erscheinungen in's anstoßende Zimmer. Er fand es einsam und leer; nur
seine eigenen Schritte unterbrachen das tiefe Schweigen der Nacht ....
und doch hatte er mit eigenen Augen gesehen. Von Angst gefoltert und mit
großen Schweißtropfen bedeckt, kehrte er endlich in sein Schlafzimmer
zurück.




                    Drei und zwanzigstes Kapitel.


Der Oberst fand in dieser Nacht keine Ruhe. In angstvollen Gedanken
versunken ging er mit heftigen Schritten auf und nieder, bis endlich die
Morgenröthe anbrach, und mit ihr die Ruhe in seine stürmisch bewegten
Adern zurückkehrte.

Die kleine Julie pflegte jeden Morgen in das Zimmer ihres Vaters zu
kommen, um ihm einen Kuß zu bringen; auch heute erschien sie zur
gewöhnlichen Zeit, aber ihre sonst immer lachende Physiognomie war
traurig, und man bemerkte eine auffallende Blässe in ihren
Gesichtszügen.

»Bist du krank, mein Kind?« fragte ihr Vater sie beunruhigt.

-- Nein, lieber Vater; aber ich habe schlecht geschlafen.

»Wer hat dich denn daran verhindert? Lisette sagt ja, daß du sonst ganz
vortrefflich schläfst.«

-- O, lieber Vater, ich wollte es dir wohl sagen, wenn es mir Lisette
nicht verboten hätte. --

»So muß ich wohl alle weitere Fragen einstellen? Dennoch bin ich sehr
neugierig, die Ursache deiner Schlaflosigkeit zu wissen; sie muß sehr
böse sein, da du plötzlich deine frische Gesichtsfarbe dadurch verloren
hast.«

-- Weinst du auch nicht, Väterchen, wenn ich dir die Wahrheit sage? --

»Ich hoffe so viel Gewalt über mich zu besitzen, daß ich meine ersten
Gefühle überwinde, wenn deine Erzählung traurig ist.« Der Oberst sagte
dieß, sich zum Lächeln zwingend, obgleich eine böse Ahnung sein Inneres
schon mit Schrecken erfüllte.

-- Nun, so will ich dir Alles erzählen. Wilhelm und meine gute Mutter
haben mich heute Nacht besucht. Sie blieben fast die ganze Nacht zu
beiden Seiten meines Bettes sitzen, um, wie sie sagten, mich gegen den
Dämon zu vertheidigen, der ihnen den Tod gegeben hat, und der sich auch
an meinem Blute sättigen will. Anfangs fürchtete ich mich sehr, ward
aber nachher vollkommen beruhigt. Wilhelm sahe so glücklich und selig
aus! Meine Mutter blickte mich mit so großer Zärtlichkeit an! Sie haben
mir versprochen, mich nicht mehr aus den Augen zu verlieren, und mit
Anbruch des Morgens verließen sie mich erst, indem sie versicherten, daß
ich bei Tage nichts zu fürchten hätte. Sie sprachen mit mir von vielen
Dingen; aber glaubst du wohl, lieber Vater, daß sie dich mit keiner
Silbe erwähnten? Ich sagte ihnen, wie sehr du über ihren Verlust
weintest; aber sie schüttelten den Kopf, und lächelten, ohne mir zu
antworten. --

Das Kind hätte noch lange in seiner Erzählung fortfahren können, ohne
daß sein Vater daran dachte, es zu unterbrechen. Stumm vor Verwirrung,
durch Schrecken und Verzweiflung im Innersten seines Herzens ergriffen,
saß er unbeweglich in seinem Lehnstuhle da. Die unbegreifliche
Uebereinstimmung zwischen dem, was er selbst gesehen hatte und was seine
Tochter ihm jetzt erzählte, versetzte ihn in einen Wirrwarr von
Gedanken, aus welchem er sich nicht wieder herausfinden konnte. Zum
ersten Male unterlag er einem abergläubischen Schrecken. Indessen stand
Julie noch immer vor ihm, seine Antwort erwartend, und er brach endlich
das Stillschweigen, indem er mit bewegter Stimme ihr für die Mittheilung
der nächtlichen Scene dankte.

»Du mußt, sagte er, diesen Traum als eine Wohlthat Gottes betrachten. Er
hat dich dadurch belehren wollen, daß deine Mutter und dein Bruder vom
Himmel herab dich vor dem Dämon beschützen werden, das heißt, vor der
Sünde; dieß ist der Sinn der Worte, die du gehört hast.«

-- O, lieber Vater, ich schlief nicht, als sie in mein Zimmer kamen. Von
der Sünde haben sie mir nichts gesagt, sondern bloß von einem
abscheulichen Wesen, das uns alle verderben will, und das sie einen
_Vampyr_ nannten. Ich weiß recht gut, was dieß ist; denn der arme Werner
hat uns von diesen bösen Geistern erzählt. Ich habe noch jedes Wort
behalten, denn die Vampyre ... --

»Mein Kind, ich kenne ihre Geschichte besser als du; aber man hätte sie
dir ersparen sollen, weil dadurch deine Einbildungskraft erhitzt wurde,
und dieß vielleicht die Ursache deines Traumes ist. Glaube mir, Julchen,
vergiß ihn gänzlich; denn man würde dich auslachen, wenn du davon
erzähltest; man würde dich für ein kleines furchtsames Mädchen halten,
oder dich wohl gar der Lüge beschuldigen, wenn du behauptest, nicht
geschlafen zu haben. Was mich betrifft, so zweifle ich nicht an deiner
Wahrheitsliebe; du glaubtest wirklich zu sehen, was doch nur Täuschung
war; vor allen Dingen aber bitte ich, gegen Lodoiska darüber das tiefste
Stillschweigen zu beobachten.«

-- O, sei unbesorgt, lieber Vater, ich weiß es schon, daß ich ihr nichts
davon sagen darf. Wilhelm hat es mir sehr dringend anempfohlen; denn er
behauptet, sie sei meine ärgste Todfeindin. --

Dieser neue Schlag verwundete den Obersten mitten im Herzen. Er sprang
heftig auf und entließ seine Tochter, um sich wieder zu sammeln.
Unerklärlich war es ihm, wie so viel Seltsames so genau übereinstimmen,
wie es möglich sei, daß ein Traum eines Kindes so viel Wahres enthalten
könne. Ach, er selbst hatte die Erfahrung gemacht, daß eine Stiefmutter
fast immer die Feindin der Kinder ist, die sie nicht selbst geboren hat.
Sein eigener Vater hatte sich zum zweiten Male verheirathet, und seine
ganze Jugend wurde deßhalb durch täglichen Zank, ungerechte
Beschuldigungen, und Versuche, ihn mit seinem Vater zu entzweien oder
ihm den größten Theil seines Vermögens zu entziehen, vergiftet. Zum
ersten Male dachte er jetzt an das Unrecht, was er seiner Tochter
zufügen würde, wenn er sich jemals wieder vermählte, und die väterliche
Zärtlichkeit erhob einen neuen Kampf in seinem Herzen.

Nicht ohne das größte Erstaunen sahe er zur Frühstückszeit Lodoiska in's
Speisezimmer treten. Sie schien zeigen zu wollen, daß sie jetzt völlig
zufrieden sei, aber dennoch blickte ein tiefer Verdruß durch ihre
verstellte Freude. Die kleine Julie sahe sie mit dem finsteren Ausdruck
des heftigsten Zornes an, aber nur, wenn Alfred's Blicke nicht auf sie
gerichtet waren. Sie scherzte über ihre lange Zurückgezogenheit, und
sagte, daß sie von nun an ihren Schmerz zwar nicht vergessen, aber doch
zerstreuen wolle. Sie ließ ihren Verstand mit so vielem Vortheile
glänzen, und betrug sich so liebenswürdig, daß der Oberst, anfangs auf
seiner Hut, dennoch bald dem Einflusse nachgab, den sie über ihn ausüben
wollte. Die Vergangenheit stellte sich gänzlich in den Hintergrund.
Alfred sah in Lodoiska nur das Mädchen seiner ersten heftigsten Liebe,
und sein Entzücken stieg auf's Höchste, als sie ihre Harfe nahm, und
durch ihre hinreißende Stimme ihn gleichsam aus den Grenzen des
irdischen Daseins hinauszauberte.

In diesem Augenblicke war Wildenau, den man übrigens gar nicht
erwartete, im Schlosse angekommen. Voll Erstaunen, harmonische Töne an
einem Orte zu hören, wo die äußern Zeichen der Trauer noch nicht
verschwunden waren, stand er in dem Vorzimmer still, und ein der offenen
Thür gegenüberhängender Spiegel zeigte ihm, was vorging. Der Arzt kam in
der Absicht, sich mit dem Obersten in Betreff Lodoiska's eine Erklärung
zu verschaffen; was er aber jetzt sahe, überhob ihn jeder weiteren
Unterhaltung über diesen Gegenstand. Das Entzücken des Obersten, die
Blicke Lodoiska's, die so leicht zu erkennende Uebereinstimmung zweier
gleichfühlenden Herzen, Alles gab ihm den Beweis, daß beide schon durch
eine frühere Liebe vereinigt gewesen. Bei diesem Gedanken entstand der
fürchterlichste Verdacht in seinem Herzen; doch unterdrückte er ihn
wieder voller Scham vor sich selbst. An der Rechtschaffenheit des
Obersten konnte er nicht zweifeln; aber die finstere, wilde Lodoiska
flößte ihm nicht ein gleiches Vertrauen ein, und mancherlei Geheimnisse
erklärten sich ihm jetzt so deutlich, daß er davor schauderte.

Lodoiska hörte jetzt auf zu singen, und nun hielt es Wildenau für
passend, sich zu zeigen. Seine Gegenwart schien der Fremden höchst
ungelegen zu sein, daher sie bald darauf die Gesellschaft verließ, und
der Oberst, dadurch gewissermaßen dem Arzte Preis gegeben, fühlte sich
in großer Verlegenheit, so daß er sogleich wünschte, ein neuer Besuch
möchte ihm zu Hülfe kommen. Aber es geschah nicht, und der Arzt, der
seinen Zustand sehr genau beobachtete, fühlte Mitleiden mit ihm, so daß
er seiner Verwirrung ein Ende machen wollte, und ohne weitere Umschweife
seinen Angriff begann:

»Sie sind ein Mann von Ehre, Herr Oberst, und ich glaube einiges Recht
auf Ihre Achtung zu haben. Haben Sie daher die Güte, mir nur eine
einzige Frage zu beantworten; sie enthält nichts Feindseliges, sondern
soll nur dazu dienen, mein künftiges Betragen zu bestimmen. Haben Sie
die schöne Fremde schon gekannt, ehe sie zum ersten Male in dieser
Gegend erschien?«

-- Herr Doktor, antwortete der Oberst sehr bewegt, wenn jeder Andere
mich so fragte, so würde ich gegen ihn ein vollkommenes Stillschweigen
beobachten. Aber ich weiß, wie sehr ich mich gegen Sie vergangen habe,
und ich kann mein Unrecht nur durch meine Aufrichtigkeit wieder gut
machen. Lodoiska war das erste weibliche Wesen, das mir Liebe einflößte.
Ich befand mich damals in ihrem Vaterlande; ich konnte über ihre Tugend
nicht siegen, und dennoch vergaß ich sie, nachdem ich ihr das
feierlichste Versprechen gegeben hatte, sie zur Gattin zu nehmen. Aber
sie leistete nicht auf mich Verzicht, sondern hat mich bis hierher nach
Deutschland verfolgt; so lange indessen meine unglückliche Frau gelebt
hat, ermuthigte ich ihre Leidenschaft auf keine Weise. Dieß, schwöre ich
Ihnen, ist reine Wahrheit. --

»Es ist genug, Herr Oberst, mehr verlange ich nicht; nur hätten Sie
vielleicht mit diesem Geständniß gegen mich nicht so lange zögern
sollen.«

-- Konnte ich anders? Ist das Geheimniß anderer Menschen auch das
unsrige, und konnte ich daher das Geheimniß Lodoiska's wider ihren
Willen entdecken? Jetzt habe ich es nur für Sie allein entschleiert, und
ich hoffe, Sie werden es Niemanden anvertrauen. --

»Leben Sie wohl, Herr Oberst; möchten Sie glücklich sein! Möge die
Zukunft Sie die Vergangenheit nicht vermissen lassen.«

Nach diesen Worten entfernte sich Wildenau, ungeachtet der dringenden
Bitten des Obersten, zum Mittagsessen da zu bleiben.

»Nein! sagte er; erlauben Sie, daß ich mich entferne; denn ich darf
durch meine Gegenwart der Fremden keine unangenehmen Empfindungen
verursachen. Sie würde in meiner Gesellschaft nur verlegen, ich aber
keinesweges bei ihr in guter Laune sein. Nochmals, leben Sie wohl!
Empfangen Sie meine aufrichtigsten Wünsche für Ihr Glück.«

Diese Worte des Arztes waren ohne Zweifel sehr natürlich und der Sache
völlig angemessen; aber dennoch glaubte der Oberst darin eine Art von
Vorwurf zu erblicken, der ihn in Unmuth setzte. Er unterdrückte ihn
indessen, indem er das vermeintliche Bittere in dem Betragen seines
Freundes auf Rechnung seiner verschmäheten Liebe verzeihen zu müssen
glaubte.

Mehrere Wochen vergingen nach dieser Unterhaltung, und Lobenthal, der
sich immer mehr seiner Neigung hingab, machte die jungfräuliche Lodoiska
zum zweiten Male zur Gebieterin seines Herzens. Diese schien bald
überaus glücklich zu sein, bald sich wieder ihrer wilden Schwermuth zu
überlassen; je mehr Gewalt sie über ihren alten Liebhaber erhielt, desto
mehr überließ sie sich den eigensinnigsten Launen. Vorzüglich zeigte sie
eine außerordentliche Abneigung gegen die kleine Julie, so daß schon ihr
bloßer Anblick ihr einen geheimen Unmuth verursachte, den sie vergebens
zu verbergen oder zu unterdrücken suchte. Dem Obersten konnte dieser Haß
nicht lange unbekannt bleiben, und er machte ihr darüber sein Erstaunen,
selbst sein Mißvergnügen bemerklich.

»Ach Alfred, antwortete die Fremde, ich mache mir selbst mehr Vorwürfe
darüber, als du dir vorstellen kannst; ich fühle, wie ungerecht mein Haß
gegen dieses liebenswürdige Geschöpf ist; aber kann man den Empfindungen
seines Herzens befehlen? Ich will allein in dem deinigen herrschen, und
Alles, was dich an eine Andere erinnert, ist mir daher unerträglich. Mit
der Zeit werde ich ohne Zweifel vernünftiger werden, aber jetzt kann ich
den Sieg über mich selbst noch nicht erringen. Indem ich dich mehr liebe
als je, habe ich alle menschliche Schwachheiten wieder angenommen. Habe
Mitleiden mit mir und mit meinem Kummer, der mich schon seit so langer
Zeit, seitdem du mich verlassen, gequält hat.«

Diese Worte und die dazu reichlich vergossenen Thränen beruhigten den
Obersten; er glaubte den Augen der Gebieterin seines Herzens einen
Gegenstand unwillkührlichen Widerwillens entziehen zu müssen, und ohne
Lodoiska vorher davon zu benachrichtigen, fuhr er eines Morgens mit
Julien nach Prag, wo er sie in eine der besten Erziehungsanstalten that.

Die unerklärbare Lodoiska zeigte den größten Kummer, als sie Juliens
Abreise erfuhr. »Wenn Sie Ihre Tochter aus dem Hause schaffen, sagte sie
zum Obersten, so zwingen Sie mich dadurch, mich ebenfalls daraus zu
entfernen. Ihretwegen allein war ich hier: sie ist fort, unter welchem
Titel kann ich nun noch hier verweilen?«

-- Unter dem Titel, der mir der theuerste sein würde, liebe Lodoiska,
erwiederte Alfred voller Zärtlichkeit, und den ich Ihnen schon angeboten
hätte, wenn der äußere Anstand mich nicht abhielte. Es hat der Vorsehung
gefallen, die früheren Hindernisse unserer Vereinigung hinwegzuräumen;
werden Sie mir jetzt abschlagen, was Sie früher vielleicht glücklich
gemacht hätte? --

Lodoiska mußte ohne Zweifel schon lange auf eine solche Erklärung gefaßt
sein; aber dennoch stand sie wie erstarrt, als Lobenthal so zu ihr
sprach. Ihr Inneres ward von verschiedenen Empfindungen bewegt, und sie
fühlte zu gleicher Zeit die höchste Glückseligkeit und die tiefste
Verzweiflung. Sie sahe den entscheidenden Augenblick sich nähern; sie
wußte, welche Grausamkeit ihr noch auszuüben oblag; sie hätte eigentlich
nichts als Rache in ihrem Busen tragen sollen; aber die Alles besiegende
Liebe hatte auch sie unterjocht. Durch ihre Sinne gehörte sie noch der
Erde an, und sie kämpfte daher hartnäckig, obgleich vergebens, gegen die
höhere Macht, die ihre Handlungen gebieterisch leitete. Endlich faßte
sie sich, und rief:

»Nein, Alfred, nein! Reden Sie mir nicht mehr von einer Feierlichkeit,
an welcher ehemals meine ganze Glückseligkeit hing! Kann ich Ihnen jetzt
noch angehören, da ich mir selbst nicht mehr angehöre? Und habe ich
Ihnen nicht schon gesagt, daß ich durch einen fürchterlichen Fluch von
den Tempeln und Dienern des Herrn entfernt bin? Sie lieben mich, sagen
Sie? Wohl, so geben Sie mir den Beweis davon, indem Sie mich nicht
länger mit ihren Wünschen bestürmen.«

-- Grausame! hören Sie doch endlich auf, sich und mich durch nichtige
Truggestalten Ihrer Einbildungskraft zu quälen. Zwar ist schon der
Versuch zum Selbstmorde ohne Zweifel vor dem Angesichte Gottes ein
Verbrechen; aber es giebt ja keine Sünde, welche nicht durch die Reue
getilgt wird, und warum sollten Sie allein mit so unerbittlicher Strenge
verfolgt werden? --

»Armer Sterblicher! Sie wissen nicht, was Sie wünschen! Wenn nun der
Augenblick, wo Sie unsere Glückseligkeit zu befestigen glauben, gerade
der unserer ewigen Trennung würde? Hier können wir noch beisammen
bleiben .... aber dort unten (fuhr sie mit leiser Stimme fort) gehen wir
beide unseren eigenen Gang. Und was würde der Geistliche sagen, dem ich
mich zur Trauung vorstellen wollte!«

-- Kann er allwissend sein? Kann er hier von dem Vergehen wissen, zu
welchem Ihre Liebe Sie in Ihrem entfernten Vaterlande trieb? --

»Alfred! Gott zeichnete die Stirn des Brudermörders Kain mit einem
fürchterlichen Zeichen; auch ich trage ein solches auf der meinigen;
obgleich Sie es nicht sehen, so würde es doch der Geistliche sogleich
erblicken.«

-- Armes Mädchen! Wie sehr muß ich Sie beklagen! So weit können die
Vorurtheile Ihrer Erziehung Sie irre führen! Doch ich will für jetzt
nicht weiter in Sie dringen, und ich hoffe, daß Sie später meinen
Wünschen nachgeben werden. --

Ein schwermüthiges Lächeln, ein leichtes Kopfschütteln waren die ganze
Antwort der Fremden; Alfred schien nicht darauf zu achten, er hoffte
Alles von der Zeit und von der Macht seiner Zärtlichkeit.




                    Vier und zwanzigstes Kapitel.


Mehrere Monate vergingen, ehe der Oberst weitere Schritte zur Erreichung
seiner Wünsche that, bis er endlich beschloß, Lodoiska'n durch
Ueberraschung dahin zu vermögen, daß sie seine Gattin würde. Ohne ihr
also das Geringste zu sagen, besprach er sich mit dem Pfarrer darüber,
und vertraute ihm freimüthig alle Umstände an, welche seiner Braut eine
so große Furcht vor dem Anblick eines Geistlichen verursachten. Der
Pfarrer war ein vernünftiger Mann, und bedachte, daß er sich leicht von
der strenge vorgeschriebenen Ordnung ein wenig entfernen könne, wenn
dadurch ein unangenehmer Auftritt vermieden würde. Er versprach also, um
Mitternacht, in Gegenwart dreier Zeugen, in der Schloßkapelle, die Ehe
des Obersten mit Lodoiska einzusegnen.

Zufrieden, so weit mit seinen Vorbereitungen gekommen zu sein, sandte er
eiligst seinen Bedienten nach der Stadt, um sogleich einen Notarius
nebst einigen Zeugen mitzubringen. Hierauf begab er sich zu seiner
Geliebten, und sagte ihr, daß er den heutigen Abend dazu festgesetzt
habe, vorläufig einen Ehevertrag mit ihr abzuschließen, und daß schon
alle nöthigen Anstalten dazu getroffen seien.

Eine plötzliche Röthe überflog bei dieser unvermutheten Ankündigung die
Wangen der schönen Fremden; zu gleicher Zeit verbreitete sich aber auch
in ihren Augen eine düstere Traurigkeit; sie zitterte am ganzen Körper,
und war gezwungen, sich an dem neben ihr stehenden Tische zu stützen.

»Schon heute, Alfred? sagte sie; warum eilen Sie so? Können Sie es nicht
länger mit ansehen, daß unser Glück noch einige Zeit dauert?«

-- Zerstören wir es denn, wenn wir es auf immer an uns fesseln? Kann
unsere Vereinigung dadurch an ihrer Süßigkeit verlieren, wenn sie
unauflöslich wird? --

»Sie glauben es, weil Sie nur an die Gegenwart denken, und nicht an die
Zukunft.«

-- O gewiß denke ich an die Zukunft, und male sie mir mit den
freundlichsten Farben aus. Aber warum wollen Sie noch immer bei Ihrer
Schwermuth beharren? Was führte Sie denn anders hierher, als die
Hoffnung, sich mit mir zu vereinigen? Forderten Sie nicht meine Person
als Ihr Eigenthum zurück, und jetzt, da ich Ihre Rechte anerkenne,
wollen Sie mich von sich stoßen? --

»Daß Sie mir angehören, kann mir nicht bestritten werden, denn Ihr mit
Ihrem Blut geschriebenes Versprechen ist mir ein sichreres Unterpfand,
als alle diese Ceremonien, die mir gleichgültig sind. Aber ich bin
zufrieden, Sie nur zu sehen, und ich fürchte den Augenblick, der mir ein
schreckliches Recht über Sie geben wird. Ach, Alfred, glaube mir, ändere
deinen Entschluß, denn du ahnest nicht, welches Unglück dir bevorsteht,
wenn du dich unwiderruflich an mich fesselst.«

Nach diesen Worten eilte sie pfeilschnell aus dem Zimmer, und begab sich
in das ihrige, wo der Oberst sie nicht zu stören wagte. Er erstaunte
über ihre Rede, schob aber Alles auf ihre abergläubische Furcht vor der
Gegenwart eines Geistlichen, und beharrte bei seinem Entschlusse, diese
Furcht mit Gewalt zu überwinden. Zu Zeugen bei der Trauung hatte er
seinen Bedienten und den Verwalter der zum Schlosse gehörigen Ländereien
gewählt, weil ihm beide zu jeder Zeit zu Gebote standen; unmittelbar
nach dieser Ceremonie wollte er sich mit seiner neuen Gemahlin in einen
Wagen setzen, und sich erst nach Prag, dann aber nach Berlin begeben, um
daselbst seinen festen Wohnsitz wieder aufzuschlagen. Der Aufenthalt im
Schlosse R.... schien ihm jetzt unerträglich zu sein, weil er in ihm zu
traurige Erinnerungen hervorrief.

Endlich wurde es Abend. Lodoiska, die noch immer in ihrem Zimmer blieb,
äußerte den Wunsch, dasselbe nicht eher, als bis im letzten Augenblick
zu verlassen. Während dieser Zeit irrte der Oberst in der größten Unruhe
hier und dort umher, und fand nirgends seines Bleibens. Es hatte sich
ein fürchterlicher Sturmwind erhoben, der bis in das Innere des
Schlosses drang, und durch sein Pfeifen bald die Klagen eines Leidenden,
bald ein höllisches Gelächter nachzuahmen schien. Er setzte die
Fensterscheiben in Bewegung, daß sie klirrten, erschütterte selbst die
inneren Thüren in ihren Angeln; kurz, die Wuth dieses Sturmes war so
groß, daß der Oberst sich eines unwillkührlichen Schreckens nicht
erwehren konnte.

Bei seinem Umherirren im Schlosse kam Lobenthal auch zufällig in die
Nähe der Gesindestube, wo die Knechte und Mägde von der Meierei beim
Abendessen versammelt waren. Sie sprachen unter einander von dem
Befehle, den er gegeben hatte, den Reisewagen um Mitternacht fertig zu
halten, und suchten die Absicht dieser plötzlichen Reise zu errathen.

»Ich wundere mich gar nicht darüber, sagte einer der Knechte; denn wir
wissen ja schon seit langer Zeit, daß der Oberst keine ruhigen Nächte
haben kann, und es muß ihm daher angenehmer sein, um diese Zeit zu
reisen, als in seinem Bette den schrecklichen Besuch abzuwarten, den er
dort empfängt.«

-- Was sagst du da, Peter? rief eins der Mädchen mit einer Stimme, die
schon ihr Entsetzen bezeichnete; von was für Besuchen sprichst du denn?
--

»Nun, von den Besuchen, die ihm die verstorbene Oberstin alle Nächte
abstattet! Der Schulze, der Küster und auch die alte Mutter Rieben, die
eben kein Geheimniß daraus macht, haben es ja schon öfters gesehen, wie
unsere verstorbene gnädige Frau aus ihrem Grabe emporsteigt, ihren
kleinen Sohn beim Namen ruft, der dann ebenfalls aufsteht, und mit ihm
nach dem Schlosse geht.«

»Das ist eine abscheuliche Lüge,« sagte Johann, der Bediente des
Obersten, der in einer großen Stadt erzogen war, und daher weniger
Aberglauben besaß.

-- Nun, sei nur nicht böse, Johann, es könnte dir Schaden thun,
erwiderte Peter. Auch du wirst noch zu sehen bekommen, was Andere schon
gesehen haben, und es scheint mir, als wenn das Wunder heute Nacht noch
etwas früher als sonst geschehen werde. Als ich vom Felde hereinkam,
begegnete ich der alten Mutter Rieben. »Höre, Peter, sagte sie zu mir,
du gehst nach dem Schlosse; aber bete vorher ein Vaterunser, wenn du mir
glauben willst; denn es werden sich heute dort seltsame Dinge zutragen.
Die nächtlichen Geister haben sich heute früher als sonst aus ihren
Gräbern erhoben, woran wahrscheinlich der wüthende Sturmwind Schuld ist,
der sie gerufen hat, und ich habe sie so eben vorbeigehen sehen.«

Als der Oberst diese außerordentliche Erzählung mit anhörte, schauderte
er unwillkührlich, und um nicht noch mehr zu erfahren, entfernte er sich
mit langsamen Schritten, und stieg die Treppe hinauf. Eben befand er
sich an der Thür des großen Saales, als er hinter sich ein Geräusch
hörte. Er stand still und blickte sich um .... zwei weiße Gestalten
schwebten schnell bei ihm vorüber und verloren sich dann in der
Finsterniß. Er glaubte, sie zu erkennen .... seine Kniee wankten unter
ihm; es war ihm unmöglich, seines Schreckens Herr zu werden, und an
einen Wandpfeiler hinsinkend, blieb er lange Zeit in einem fast
sinnlosen Zustande.

Mehrere Stimmen, die er unten an der Treppe hörte, weckten ihn aus
seiner Betäubung. Er raffte sich schnell empor, und sahe nun den
Notarius und dessen Zeugen, die von seinem Bedienten mit einem Lichte
begleitet, die Treppe heraufkamen. Kaum hatte er noch so viel Zeit, sich
einigermaßen wieder zu sammeln. Die erste Frage, die der Notarius an ihn
that, war nach seinem Gesundheitszustande, so sehr zerstört sahen seine
Gesichtszüge noch aus. Der Oberst antwortete ihm ausweichend, und führte
ihn in das Gesellschaftszimmer, wo er ihn auf einige Augenblicke
verließ, um Lodoiska'n seine Ankunft anzukündigen.

Lodoiska fuhr zusammen, als sie ihn eintreten sahe, und erbebte, sobald
er sich erklärt hatte. Sie warf einen Blick auf ihn, in welchem sich so
viel verschiedene Empfindungen malten, daß es unmöglich gewesen wäre,
sie zu beschreiben. Ihre Trauerkleidung hatte sie abgelegt; ein weißes,
einfaches Gewand umhüllte ihren prächtigen Wuchs; ein Halsband von
Perlen und ein Kranz in ihrem Haar war der ganze Schmuck, den sie sich
erlaubt hatte.

Der Oberst mußte seine Bitte mehrere Male wiederholen, ehe sie sich
entschloß, ihm zu folgen; man sahe, wie gern sie den Augenblick noch
verzögern wollte, den er so sehnlich herbeiwünschte. Endlich schien sie
alle ihre Kräfte zusammenzunehmen, erhob ihre Arme und Augen gen Himmel,
und schien ihn als Zeugen anzurufen, daß sie gezwungen würde, oder ihn
um Gnade zu bitten, die sie gleichwohl nicht zu erhalten hoffte.

Beim Eintritt in das Gesellschaftszimmer und beim Anblick des Notarius
und der Zeugen gerieth Lodoiska einigermaßen in Verwirrung; doch erholte
sie sich bald wieder, und antwortete mit Bescheidenheit auf die
Komplimente, die der Notarius an sie richtete. Sein Geschäft war bald
abgemacht, worauf er sich wieder entfernte, ungeachtet der Oberst ihn
dringend bat, bis zum andern Tage auf dem Schlosse zu bleiben.

Unterdessen beschäftigte sich Johann, der Bediente des Obersten, mit den
nöthigen Vorbereitungen zu der feierlichen Ceremonie, die nun noch Statt
finden sollte. Er hatte den Auftrag, den Pfarrer in die Schloßkapelle zu
führen, den Verwalter herbeizuholen, und sich dann zu dem Obersten zu
verfügen, unter dem Vorwande, seine etwanigen Befehle zu vernehmen, ehe
er sich niederlegte, in der That aber, um ihm durch seine Gegenwart
anzukündigen, daß Alles bereit sei.

Lodoiska, die nun mit Alfred allein geblieben war, zeigte immer noch die
größte Unruhe. Ihr Busen wogte mit Ungestüm, ihre Blicke irrten unstät
umher, und jedes Mal, wenn ihr Bräutigam sich ihr näherte, ergriff sie
ein krampfartiges Zittern, und sie streckte die Hände vor sich hin,
gleichsam um ihn von sich abzuhalten. Alfred bemerkte den
außerordentlichen Kampf, der in ihrem Innern vorging, und versuchte sie
zu beruhigen; aber vergebens. Sie sprach nichts, als unzusammenhängende
Worte, welche bald die Heftigkeit ihrer Liebe ausdrückten, bald eine
schauerliche Zukunft vorhersagten; sie riefen den Himmel um Mitleiden an
gegen die bevorstehenden Qualen der Hölle.

Es schlug zwölf Uhr, und Johann erschien im Zimmer. Bei seinem Anblick
wandte sich der Oberst an Lodoiska:

»Nur noch ein wenig Muth, Geliebte, sagte er; in einigen Augenblicken
wird Alles vorbei sein. Folge mir jetzt; in Zeit von einer Stunde sitzen
wir schon im Wagen; vorher haben wir aber noch eine Pflicht zu erfüllen,
und wir müssen uns jetzt in ein anderes Zimmer begeben.«

-- Giebt es einen Ort, antwortete Lodoiska mit dumpfem Tone, wo ich Ruhe
finden kann, wo ich von der rachsüchtigen Frau nicht verfolgt werde? --

»Von welcher Frau?« fragte Alfred lebhaft.

-- Wissen Sie es denn nicht? Haben Sie sie denn nicht gesehen, wie sie
mit ihrem Kinde umherstreicht? Es ist nicht meine Schuld, wenn sie nicht
ihrer drei sind; warum hat sie mich verhindert, mein Geschäft gänzlich
zu vollenden! --

»Lodoiska, ich beschwöre Sie bei meiner Liebe, erholen Sie sich; Sie
machen mich zum unglücklichsten aller Männer. Was fehlt Ihnen? Was
wollen Sie?«

-- Ich habe Durst, großen Durst! --

»Er ist ja leicht zu befriedigen.«

-- Oh, nicht so leicht! Blut muß ich haben! Blut! und zwar das deinige,
Alfred! --

»Ach, Unglückliche, wie kann Ihr Verstand Sie so gänzlich verlassen!
Beruhigen Sie sich; vergessen Sie, was geschehen ist, und bedenken Sie,
daß wir für einander bestimmt sind.«

-- Ja, ja! im kühlen Grabe, wo ich schon einmal geruht habe. --

»Ich höre nicht weiter auf Sie; kommen Sie jetzt, um das Letzte zu
erfüllen.«

Mit diesen Worten schlang er seinen Arm um Lodoiska, und zog sie schnell
zur Kapelle hin, während sie ein lautes Geschrei ausstieß, das sich in
das Heulen des Sturmwindes mischte.

»Alfred! mein Alfred! so bald willst du sterben? .... Ja, ja, du gehörst
mir an, und mein schreckliches Geschäft wird nun erfüllt werden!«

Unter so unerklärbaren Ausrufungen der halb bewußtlosen Lodoiska
gelangte der Oberst endlich in die Kapelle, sie mehr tragend als
führend. Ein fürchterliches Angstgeschrei war die erste Wirkung, die der
Anblick des erleuchteten Altars und des Geistlichen auf sie machte.

»O, grausames Schicksal! rief sie aus; so ist es denn wahr, daß du
erfüllt werden mußt?«

Fast mit Gewalt zog Alfred sie bis vor den Altar. Jetzt leistete sie
keinen Widerstand mehr, sondern schluchzte nur und zerfloß in Thränen;
dann schienen ihre Gesichtszüge sich zu verzerren, und der Kreislauf
ihres Blutes sich zu hemmen. Nur an einem dünnen Faden schien das Leben
Lodoiska's noch zu hängen, während der Pfarrer die Trauungsceremonie
anfing. Jetzt sollten die Ringe gewechselt werden; aber Lodoiska's Hand
war mit dem Handschuh versehen, dessen wir schon mehrmals erwähnten.
Voll heftiger Ungeduld riß der Oberst diesen Handschuh herunter, ehe es
Lodoiska verhindern konnte .... und die Abscheu erregenden knöchernen
Gebeine eines Skelets fielen ihm und dem erstaunten Geistlichen in die
Augen! --

Ein Schrei des Entsetzens entfuhr allen Zeugen dieses schrecklichen
Schauspiels. Lodoiska fiel leblos auf den Fußboden nieder, und aus drei
geöffneten Wunden quoll ein unreines, stinkendes Blut hervor. --

Am dritten Tage ward der Leichnam der Fremden zur Erde bestattet. Aber
mit den ersten Strahlen des Mondes, die ihr Grab beschienen, erhob sie
sich abermals aus ihrer Ruhestätte, und .... am andern Morgen fand man
den Obersten todt in seinem Bette ..... An drei verschiedenen Orten
waren ihm die Adern geöffnet, und in seinem ganzen Körper war auch kein
Blutstropfen mehr vorhanden, der von seinem ehemaligen Dasein zeugte. --

                                Ende.




Anmerkungen zur Transkription

Der Originaltext ist in Fraktur gesetzt. Hervorhebungen, die im
Original g e s p e r r t sind, wurden mit Unterstrichen wie _hier_
gekennzeichnet.

Die variierende Schreibweise, Grammatik und Interpunktion des Originales
wurden unverändert beibehalten. Lediglich offensichtliche Druckfehler
wurden korrigiert wie hier aufgeführt (vorher/nachher):

   [S. 71]:
   ... könnnen Sie so sprechen! Sie, ein Feind des ...
   ... können Sie so sprechen! Sie, ein Feind des ...

   [S. 88]:
   ... »Von allem Diesen ist durchaus nicht ...
   ... »Von allem Diesem ist durchaus nicht ...

   [S. 101]:
   ... Obersten ein solches Beben zn verursachen, ...
   ... Obersten ein solches Beben zu verursachen, ...

   [S. 122]:
   ... und diese ließ sich vor Niemanden ...
   ... und diese ließ sich vor Niemandem ...

   [S. 138]:
   ... »Sie zu sehen, Frau Oberstin, antworwortete ...
   ... »Sie zu sehen, Frau Oberstin, antwortete ...

   [S. 139]:
   ... Ruderwerk in Bewegung gesetzt worden ist, ...
   ... Räderwerk in Bewegung gesetzt worden ist, ...

   [S. 176]:
   ... dich vor dem Dämon beschützen werden, der ...
   ... dich vor dem Dämon beschützen werden, das ...

   [S. 183]:
   ... ich nicht; nur hätten sie vielleicht mit ...
   ... ich nicht; nur hätten Sie vielleicht mit ...

   [S. 188]:
   ... sie wußte, welche Grausamkeit ihr noch auszuüden ...
   ... sie wußte, welche Grausamkeit ihr noch auszuüben ...






End of the Project Gutenberg EBook of Der Vampyr, oder: Die Todtenbraut.
Zweiter Theil., by Theodor Hildebrand

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER VAMPYR: ZWEITER THEIL ***

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without further opportunities to fix the problem.

1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO
OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT
LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
warranties or the exclusion or limitation of certain types of
damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement
violates the law of the state applicable to this agreement, the
agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or
limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or
unenforceability of any provision of this agreement shall not void the
remaining provisions.

1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in
accordance with this agreement, and any volunteers associated with the
production, promotion and distribution of Project Gutenberg-tm
electronic works, harmless from all liability, costs and expenses,
including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
www.gutenberg.org



Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
volunteers and employees are scattered throughout numerous
locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
date contact information can be found at the Foundation's web site and
official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:

    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    [email protected]

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate

Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

Most people start at our Web site which has the main PG search
facility: www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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