The Project Gutenberg eBook of Straußenpolitik This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Straußenpolitik Neue Tierfabeln Author: Dr. Theodor Zell Release date: October 3, 2025 [eBook #76968] Language: German Original publication: Stuttgart: Franckh'sche Verlagshandlung, 1907 Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK STRAUSSENPOLITIK *** ======================================================================= Anmerkungen zur Transkription. Das Original ist in Fraktur gesetzt. Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler sind stillschweigend korrigiert worden. Worte in Antiqua sind so +gekennzeichnet+; gesperrte so: ~gesperrt~ ======================================================================= Straußenpolitik Neue Tierfabeln. [Illustration] Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde, Stuttgart. Die Gesellschaft Kosmos will die Kenntnis der Naturwissenschaften und damit die Freude an der Natur und das Verständnis ihrer Erscheinungen in den weitesten Kreisen unseres Volkes verbreiten. -- Dieses Ziel glaubt die Gesellschaft durch Verbreitung guter naturwissenschaftlicher Literatur zu erreichen mittelst des Kosmos, Handweiser für Naturfreunde Jährlich zwölf Hefte. Preis M 2.80; ferner durch Herausgabe neuer, von ersten Autoren verfaßter, im guten Sinne gemeinverständlicher Werke naturwissenschaftlichen Inhalts. Es erscheinen im Vereinsjahr 1908: =Meyer, Dr. M. Wilh., Erdbeben und Vulkane. Reich illustriert. Geb. M 1.-- = K 1.20 h ö. W.= =Dekker, Dr. Herm., Naturgeschichte des Kindes. Illustriert. Geb. M 1.-- = K 1.20 h ö. W.= =Sajó, Prof. Dr. K., Krieg u. Frieden im Ameisenstaat. Reich illustriert. Geb. M 1.-- = K 1.20 h ö. W.= =Teichmann, Dr. E., Vererbung als erhaltende Macht. Illustriert. Geb. M 1.-- = K 1.20 h ö. W.= =Floericke, Dr. K., Säugetiere des deutschen Waldes. Reich illustriert. Geb. M 1.-- = K 1.20 h ö. W.= Diese Veröffentlichungen sind durch ~alle Buchhandlungen~ zu beziehen, daselbst werden Beitrittserklärungen (Jahresbeitrag nur M 4.80) zum =Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde= (auch nachträglich noch für die Jahre 1904/07 unter den gleichen günstigen Bedingungen) entgegengenommen. (Satzung, Bestellkarte, Verzeichnis der erschienenen Werke usw. siehe am Schlusse dieses Werkes.) Geschäftsstelle des Kosmos: =Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart=. Straußenpolitik Neue Tierfabeln von Dr. Th. Zell Dreizehnte Auflage. [Illustration] Stuttgart ~Kosmos~, Gesellschaft der Naturfreunde Geschäftsstelle: Franckh'sche Verlagshandlung. Max Dethleffs Buchdruckerei. Inhaltsverzeichnis. Seite Vorwort VII Tiergestaltenverbesserer 1 Schämen sich manche Tiere? 8 Der Respekt der Raubtiere vor den Menschen 15 Können nur Herdentiere zu Haustieren gemacht werden? 20 Die angebliche Nervosität der Tiere 27 Gibt es Tiere, die sich spiegeln? 32 Tiere als Heuchler 46 Verstellungskünste bei Vogeleltern 53 Straußenpolitik 58 Wittern die Geier Tierleichen? 64 Die Schnepfe als angeblicher Mediziner 70 Sichtotstellen als Rettungsmittel 73 Das Wiedererkennungsvermögen bei Menschen u. bei Tieren 76 Anhang 81 Vorwort. Zu den vor zwei Jahren erschienenen Tierfabeln soll das vorliegende Buch eine Fortsetzung bilden. Was ich dort im Vorwort sagte, gilt auch hier: es sind nämlich nicht nur wirkliche Fabeln behandelt worden, sondern auch solche Fälle, deren Unwahrheit noch nicht völlig ausgemacht ist. Ich hoffe, daß auch die vorliegende Arbeit dazu beiträgt, weiteren Kreisen Interesse für die meist so verkannte Tierwelt einzuflößen. Wegen der Zuschriften und Kritiken verweise ich auf den Anhang. ~Berlin~ +W.+ 57, Ende Februar 1907. =Der Verfasser.= Tiergestaltenverbesserer. Obwohl jeder, der sich eingehend mit dem beschäftigt, was die uns umgebende Natur an Tieren und Pflanzen geschaffen hat, m. E. beinahe täglich einen neuen Grund zu größerer Bewunderung findet, so fehlt es nicht an Leuten, die einen ganz entgegengesetzten Standpunkt einnehmen. Fast mit einer gewissen Geringschätzung sprechen sie von den geschaffenen Gebilden, die deutlich durchblicken läßt, sie selber hätten die Sache viel zweckmäßiger gestaltet. Namentlich zwei Tiere sind wegen ihrer angeblichen Unzweckmäßigkeit kritisiert worden, das Nilpferd und die Giraffe. Da ich nirgends gelesen habe, daß diesen tadelnden Urteilen widersprochen wäre, so sei es in nachstehendem gestattet, den Beweis zu liefern, daß die Sache sich denn doch nicht so einfach verhält, wie die gelehrten Herren Kritiker vermeinen. Ich halte es nämlich für einen der verhängnisvollsten Irrtümer, der Natur ins Handwerk pfuschen zu wollen. Über das Nilpferd schreibt ein berühmter Philosophieprofessor (~Lotze~, im Mikrokosmus, 2. Aufl. Bd. 2 S. 77): Wir bewundern die entsetzliche Stärke des Nilpferdes, aber in der Tat ist dies mehr eine zerstörende als eine arbeitende, und wir würden in Verlegenheit geraten, wenn wir entsprechend große Vorteile nachweisen sollten, die dieses schwierig verwendbare Kapital dem Tiere selbst in seinen natürlichen Lebensverhältnissen verschaffte. Hierauf ist folgendes zu erwidern. Wenn der Hippopotamus nach dem Wunsche des Herrn Professors klein und zierlich gestaltet wäre, so existierte kein einziges Exemplar heute mehr. Ob das ausgewachsene Tier in seiner jetzigen Gestalt unter den Raubtieren Feinde hat, darüber streiten die Afrikareisenden. ~Brehm~ und andere verweisen die Kämpfe zwischen Löwen und Flußpferden in das Reich der Fabel, ~Bronsart von Schellendorf~ will selbst ein totes gesehen haben, das Wunden aufwies, die ihm ein Leopard, also ein viel kleineres Raubtier als der Löwe, zugefügt hatte. Für die Ansicht ~Bronsarts~ spricht der Umstand, daß die Nilpferde hauptsächlich in der Nacht ihr heimisches Element verlassen und weiden gehen, ferner daß die Eingeborenen versichern, es geschehe das aus Furcht vor einem Überfalle durch Löwen und Leoparden. Allerdings könnte man wieder einwenden, daß die beiden genannten Raubtiere mit Vorliebe in der Nacht auf Raub ausgehen, doch scheint ein Anschleichen bei der nächtlichen Stille schwieriger als am Tage zu sein. Überdies soll der Löwe zu dieser Zeit sein Kommen regelmäßig durch Brüllen anzeigen. Wir können die Sache hier auf sich beruhen lassen, jedenfalls kann nicht der geringste Zweifel bestehen, daß der junge Hippopotamus ohne den Schutz der Mutter unfehlbar ein Opfer von großen Raubtieren, auch von wilden Hunden usw. werden würde. Aber selbst in seinem heimischen Element, wohin er sonst flüchten könnte, wäre er seines Lebens nicht sicher, denn ein junges Nilpferd würde allein in Kürze ein Opfer eines Krokodils werden. Dasselbe Schicksal würde ein ausgewachsenes Nilpferd erleiden, wenn es, wie der Kritiker wünscht, nur klein und zierlich wäre. Sieht man von diesen Feinden ab, so kommt noch ein anderer Umstand hinzu, der ein kleines Nilpferd bei seiner Nahrungssuche gefährden würde. Bei seinen Weidegängen ebenso wie bei seinen Wanderungen nach anderen Flüssen und Seen stößt es in seiner Heimat häufig auf undurchdringliches Dickicht. Wäre das Nilpferd etwa von der Größe eines Hundes, so wäre es schlimmer daran als ein Mensch, der wenigstens mit Werkzeugen sich mühsam einen Weg bahnen kann. Gerade aber durch die Wucht ihres kolossalen Leibes können Elefanten, Nashörner, Kafferbüffel und ebenso auch unsere Nilpferde schnurgerade Wege oder Tunnels durch das dichteste Gestrüpp brechen. Dadurch werden sie zu Wohltätern für die Menschen, indem diese ihre Straßen gern benutzen. Die Afrikareisenden, namentlich v. ~Wißmann~, heben diesen Umstand besonders hervor. Ich glaube hiernach bewiesen zu haben, daß es vorläufig doch besser ist, wir überlassen die Schöpfung der Flußpferde der Natur und nicht unseren Gelehrten. Auch den Elefanten hielt derselbe Professor für zu groß, doch brauchen wir hierauf nicht näher einzugehen, da alles, was vom Nilpferd gesagt ist, auch für das Rüsseltier zutrifft. Was die Giraffe betrifft, so hat ein Kritiker (~Wolfgang Kirchbach~, im Zeitgeist 1902, Nr. 24) folgendes an ihr auszusetzen gehabt. Er betrachtete nämlich mit seinem Freunde die beiden Giraffen im Berliner Zoologischen Garten und sah, wie diese Tiere Heu fraßen, ferner, daß sie die Beine grätschen müssen, um frisches Gras vom Boden aufzunehmen. Er folgerte hieraus, daß der Hals dieser Tiere nicht zu lang, sondern vielmehr die Beine zu hoch geraten seien, oder daß der Rücken zu kurz sei. Indem er die Anpassungstheorie verwirft, setzt er seinem Freunde seine Theorie über die Giraffe auseinander, von der ich die markantesten Stellen in nachstehendem anführe. »Sie sehen, daß jedes Tier, Pferd, Ochse, Esel, alle vierfüßig laufenden Tiere zunächst so organisiert sind, daß sie mit dem Maul die Erde unter sich und mit ihren schlanken Affenhänden, Elefantenrüsseln und anderen Gliedmaßen auch Nahrung bis zu einer gewissen Höhe über sich erlangen können. Klettertiere wie Eichhörnchen und Affen kommen in diesem Verhältnis am höchsten. Unter ihnen zeichnen sich die Einhufer und Zweihufer durch Hälse aus, die so lang sind, daß sie trotz einer beträchtlichen Höhe des Rückgrats vom Boden doch auch, ohne die stehende Stellung, den Wandergang zu verlassen, den Boden abweiden können. Ein ganz bestimmtes Verhältnis der Halslänge zur Höhe der Vorderbeine und bis an die Schlüsselbeine ergibt sich daraus. So ist das Pferd zwar langhalsig, aber sein Hals ist nicht zu lang, sondern gerade lang genug, um den Boden zum Abweiden mit dem Maule zu erreichen; eine große Bequemlichkeit für diese Weidetiere, daß sie nicht erst niederzuknieen brauchen und mitten im Weiden, ohne zeitraubendes Aufspringen, auch gleich weiterlaufen können. Nun betrachten Sie die Giraffe! Ihr Hals ist eher etwas zu kurz geraten im Verhältnis zu ihren hohen Beinen, und wenn wir etwas an ihr zu lang fänden, so müßten wir uns zuerst fragen: Warum sind diese Beine so lang? Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, daß der Giraffenhals im Verhältnis zur Größe des ganzen Tieres durchaus nur der Länge eines Pferdehalses entspricht. Soweit er, nach unten gebogen, zu kurz scheint, ist in Erwägung zu ziehen, daß er gerade lang genug ist, um höher gewachsenes Gras, wie es in den Verbreitungsgebieten der Giraffe wächst, bequem zu erreichen. Wenn sie, um ganz kurzes Gras zu erreichen, die Beine etwas breit stellen muß, so ist das für die Erwerbung anatomischer Eigentümlichkeiten im Kampfe ums Dasein ein schlechtes Zeugnis, denn eigentlich müßten ihre Beine dafür allmählich durch Anpassung etwas kürzer geworden sein. Das ist ihnen aber gar nicht eingefallen.« Weiter heißt es: »Wie wollen Sie also, mein Herr, behaupten, die Giraffe habe ihren allzu langen Hals durch ›Anpassung‹ im ~Lamarck-Darwinschen~ Sinne erhalten in Anbetracht der hohen Bäume, während ihr Hals einfach zu kurz ist? Und sie frißt ja Gras, mein Herr, es fällt der Giraffe gar nicht ein, nur vom Laube zu hoher Bäume zu leben; der Kampf um Erhaltung und Nahrung weist sie gar nicht darauf an, das Laub von Bäumen abzufressen. Womit ich Ihnen das beweise, mein Herr? Eben mit diesen beiden schönen Berliner Giraffen vor uns. Hier in diesem Antilopenhaus ist weder die berühmte Palme noch eine +Acacia giraffae+ noch sonst ein Baum, den diese Giraffen abweiden, sie leben seit Jahren von Heu, Gras und anderen Futterdingen, welche in Ermangelung edler Giraffenbäume die Direktion des Zoologischen Gartens in hochherziger Weise diesen afrikanischen Persönlichkeiten zur Verfügung stellt. Daraus erkennen Sie klar, daß die Blätter hoher Bäume, besonders der Akazie, für besagte Giraffen nur eine gelegentliche Delikatesse sind, wie für jedes Pferd die Blätter vieler Bäume auch. Die Giraffen haben ihre langen Beine und Hälse nicht, weil sie genötigt sind, von hohen Bäumen zu fressen, sondern sie fressen davon, weil sie zufällig so lange Vorderbeine und Hälse haben, genau wie der Elefant mit seinem Rüssel sich auch aus beträchtlicher Höhe die schönsten Früchte bricht.« Diese Deduktion hört sich sehr gelehrt an, basiert aber völlig auf Irrtum. Dabei wollen wir die Berechtigung oder Nichtberechtigung der Anpassungstheorie an dieser Stelle ganz auf sich beruhen lassen. Dem Kritiker genügt es, daß er Giraffen Heu fressen sieht, und sofort steht es für ihn fest, daß Baumlaub nur Leckerbissen für sie sind. Jeder Tierbeobachter weiß, daß sich Tiere in der Gefangenschaft an Dinge gewöhnen, deren ausschließlicher Genuß auf die Dauer ihren Tod herbeiführt. Gefangene Gemsen fressen ebenfalls unser gewöhnliches Gras, gehen dafür aber auch bald ein, weil ihnen die trockenen Alpenkräuter fehlen. Ausführlich hat sich über diesen Punkt ~Girtanner~ ausgesprochen (Der Zoologische Garten, Bd. 21, S. 1) und nachgewiesen, daß nur die unzweckmäßige Ernährung die Schuld daran trägt, wenn gefangene Gemsen so bald eingehen. Reicht man dagegen unserer europäischen Antilope Wildheu und namentlich Baumlaub, so kann man sie jahrelang in vorzüglichem Zustande erhalten. Es heißt bei ihm: »Für Gemsen in zoologischen Gärten des Tieflandes wäre heutzutage mit nicht allzuhohen Spesen Wildheu, wie es die Gemse liebt, in großen Quantitäten per Eisenbahn leicht zu verschaffen. Man muß dieses kurze, feine, mit seinem starken würzigen Geruch weithin duftende Heu nur kennen, um leicht zu begreifen, wie sehr die Gemse, weit von den Bergen entfernt, anders danach schnuppert und sich streckt, als nach dem schwachen geruchlosen Gewächs der Ebene. -- Nur neben dem im Winter als Hauptsache verfütterten Heu dürfen ohne Nachteil Küchenabfälle, Kohl, Salat, Kartoffelhäute, Rüben usw. und nur in ganz kleinen Quantitäten gereicht werden, sind aber bei leichtesten Darmkatarrh-Erscheinungen auf längere Zeit zu entziehen. Werden sie hingegen, wie oft zu sehen, der Bequemlichkeit und Wohlfeilheit halber und gewöhnlich erst noch als einzige Abwechselung mit dem schädlichen, besonders jungen Gras gebraucht, so geht die Gemse den Weg alles Fleisches, nachdem zuerst das Fleisch in erstaunlich kurzer Zeit von der Gemse gegangen ist.« Kühe kann man mit Fischen füttern, wir hatten einen Hund, der Obst fraß usw. Daraus folgt natürlich noch nicht, daß die Rinder Fleischfresser und die Hunde Vegetarier sind. Daß es in zoologischen Gärten so wenige Giraffen gibt, liegt nicht bloß an der Seltenheit der Tiere, sondern vornehmlich daran, daß gerade die Nahrung zu wünschen übrig läßt. Wir haben noch ein anderes und zwar heimisches Tier, das ebenfalls Baumzweige und Blätter frißt, ich meine das Elentier. Obwohl es bei uns noch in Ostpreußen vorkommt, können sich gewiß nur wenige Leser entsinnen, jemals in einem zoologischen Garten ein Exemplar dieses Tieres gesehen zu haben. Hören wir, welchen Grund ~Brehm~, der doch gewiß eine unbestrittene Autorität auf diesem Gebiete ist, hierüber sagt: »Leider ertragen die nach Europa gebrachten Giraffen die Gefangenschaft nur bei bester Pflege längere Zeit. Die meisten gehen an einem eigentümlichen Knochenleiden zugrunde, welches man ›Giraffenkrankheit‹ genannt hat. Ursachen der letzteren dürften Mangel an Bewegung und ungeeignete Nahrung sein. Nach den Erfahrungen, welche ich an Elchen gemacht habe, glaube ich, daß namentlich Gerbsäure dem Giraffenfutter zugesetzt werden muß, um ihr Wohlbefinden zu fördern; denn gerade die Mimosenblätter sind besonders reich an diesem Stoffe.« Baumlaub ist also für die Giraffen kein Leckerbissen, sondern etwas Unentbehrliches. Schillings hat bei seinen zahlreichen Beobachtungen überhaupt niemals gesehen, daß die Giraffe freiwillig Gras frißt. (Mit Blitzlicht und Büchse S. 231.) Zur Erreichung des auf dem Baume wachsenden Futters braucht die Giraffe ihren langen Hals und hohe Beine. -- Ja, wäre es denn nun nicht besser, die Giraffe hätte kürzere Beine oder einen längeren Rücken, damit sie, ohne die Beine zu grätschen, bequem wie ein Pferd oder ein Rind grasen könnte? Darauf kann man nur mit einem entschiedenen Nein antworten. Angenommen, die Giraffe könnte bequem grasen und Baumlaub wäre für ihre Gesundheit nicht notwendig -- was ja leicht denkbar wäre -- so ergäben sich folgende Konsequenzen. In ihrer Heimat gibt es zahllose Antilopen-, Zebra-, Straußenherden, die alle auf Grasnahrung angewiesen sind. Grasten die Giraffen, so würden sie natürlich den Tieren, die Baumlaub nicht erreichen können, vielfach die unentbehrliche Nahrung fortfressen. Ferner sei folgendes bemerkt: Die Giraffe ist eines der größten Tiere und wird von ihren Feinden, namentlich von Menschen und Löwen, schon aus weitester Ferne gesehen. Besonders würde das der Fall sein, wenn sie auf freier Ebene graste. Die Bäume dagegen gewähren ihr einen Schutz, der nicht hoch genug anzuschlagen ist. Wir wollen über diesen Punkt ~v. Wißmanns~ Ansicht hören. In seinen afrikanischen Jagderlebnissen heißt es: Diesmal traf ich das wundervolle Wild in einem lichten Hochwald, der aus Bäumen bestand, die ich noch nicht gesehen hatte -- ganz helle, ebenfalls fleckige Stämme, die der Giraffe durch gleiche Färbung denselben Schutz gewähren wie Mimosenwälder. Ferner kommt folgendes in Betracht. In die weiten wasserarmen Wildnisse, welche die Giraffe bevorzugt, kommen Europäer äußerst selten, und diese Gelände sind nicht offene, weit übersichtliche Steppen, sondern lichte, weite, meist aus Akazien bestehende Wälder, die der Giraffe Äsung bieten und die sie dem Auge verbergen. Es gehört schon Übung dazu, sie zwischen den gefleckten Akazienstämmen und anderen, meist hell gefärbten Bäumen herauszufinden, wenn sie sich nicht bewegt. Schließlich noch eins. In meinem Buche: »Ist das Tier unvernünftig?« habe ich ausführlich dargetan, daß alle Geschöpfe mit guten Augen -- wie auch der Mensch -- nicht wittern können, also z. B. Affen, Vögel, daß umgekehrt alle feinnasigen Tiere wie Hunde, Hirsche usw. schlecht sehen können. Die Giraffe gehört zu der ersten Klasse; wie schon ihr wundervolles Auge anzeigt, kann sie ausgezeichnet sehen, vermag aber nicht zu wittern.[1] Das kann man z. B. daraus deutlich erkennen, daß sie Damen die künstlichen Blumen vom Hute genommen hat, was kein feinnasiges Tier jemals tun würde. Jetzt, wo es nach dem Wunsche der Natur geht, holt sie ihr Futter von hohen Bäumen und hat während des Fressens von ihrer turmartigen Höhe einen unendlich weiten Gesichtskreis. Ginge es nach dem Herrn Kritiker, so weidete sie, hätte ihren Kopf zur Erde geneigt und könnte naturgemäß unendlich leichter beschlichen werden. Auch hier wollen wir uns auf ~v. Wißmann~ berufen. Er sagt darüber folgendes: Schwierig ist die Jagd auf dieses Wild, denn die enorme Höhe des Lichtes über dem Boden erlaubt ihm nicht nur einen weiten Umblick, sondern auch Einblick in niedrige Dickungen, die sein Feind zum Anschleichen benutzt. -- Das Auge ist nicht allein der schönste Schmuck der Giraffe, sondern auch ihr schärfster Sinn, ihre beste Waffe im Kampfe ums Dasein. Also vorläufig wollen wir Nilpferde und Giraffen lieber so lassen, wie sie geschaffen sind, und sie nicht nach den Wünschen mehr oder weniger gelehrter Kritiker ummodeln. Schämen sich manche Tiere? Die meisten Menschen werden die Frage, ob Tiere sich schämen können, entschieden bejahen. Sie werden darauf hinweisen, daß bei Jägern, die doch in gewissem Sinne die besten Hundekenner sind, die wenigstens am meisten Gelegenheit haben, die Seele dieses anhänglichen Vierfüßlers zu beobachten, Redensarten wie: »Pfui, Hekter, schämst du dich gar nicht!« etwas ganz Alltägliches sind. Auch ~Darwin~ und ~Perty~ nehmen an, daß hochentwickelte Tiere Scham besitzen. Trotzdem will es mir scheinen, daß diese Annahme auf sehr schwachen Füßen steht, und ich möchte in nachstehendem meine Ansicht näher begründen. Zunächst ist es einleuchtend, daß man Scham nicht mit Schuldbewußtsein verwechseln darf. Daß das letztgenannte hochentwickelte Tiere besitzen, davon bin ich überzeugt, und ich werde dafür später einige Beispiele anführen. Ein Verbrecher kann sehr wohl wissen, daß er Unrecht begeht, braucht sich deswegen aber noch lange nicht zu schämen. Ebenso ist Ärger und Scham zweierlei; es ist ärgerlich, wenn man als armer Teufel geboren ist, aber man braucht sich dessen nicht zu schämen. Wenn man es trotzdem tut, so liegt falsche Scham vor, denn Voraussetzung einer jeden wahren Scham ist immer der Gedanke, daß man es anders oder besser hätte machen oder unterlassen können. In meinem Buche: »Ist das Tier unvernünftig?« habe ich darauf hingewiesen, daß wir den Tieren kein Gefühl unterschieben sollen, das wir nicht bei Naturvölkern und Kindern antreffen. Nun ist es sicherlich bei den Naturvölkern recht zweifelhaft, ob der Begriff der Scham in unserem Sinne bei ihnen vorhanden ist. Kinder lernen jedenfalls das wirkliche Schämen verhältnismäßig spät, weil es etwas künstlich Anerzogenes ist. Wenn mein Hund gegen das Verbot auf dem Sofa gelegen oder genascht hat, und ich rufe ihm zu: »Aber pfui, was hast du getan?« so gewährt er das bekannte Bild, daß er sich furchtsam niederkauert und, mit dem Schwanze wedelnd, mich bittend ansieht. Ist das nun Scham, oder ist es Angst vor Schlägen? Das letzte ist zunächst das Wahrscheinliche. Ähnliche Fälle sind folgende. Hunde, z. B. Pudel, denen der hintere Teil des Körpers geschoren ist, pflegen diese Partie gern zu verstecken. Es heißt dann allgemein: Seht, wie der Hund sich schämt! In Wirklichkeit dürfte der Hund frieren und sich vor Kälte zu schützen suchen. Bekannt ist es ferner, daß Hirsche, die ihr Geweih abgeworfen haben, sich selten sehen lassen, sich vielmehr im dichtesten Gestrüpp aufhalten. Viele nehmen auch hier an, der König der Wälder schäme sich, sich ohne seine Krone in der Öffentlichkeit zu zeigen. Viel näher und begründeter ist die Ansicht, daß das Tier sich infolge seiner geringen Wehrhaftigkeit nicht so sicher fühlt wie sonst und deshalb Verstecke bevorzugt. Für die Annahme, daß Tiere sich schämen, werden mit Vorliebe gewisse Handlungsweisen der großen Raubtierarten, insbesondere der Löwen angeführt. Es ist in unzähligen Fällen beobachtet worden, daß speziell die Katzenarten nach einem Fehlsprunge das beschlichene Wild nicht weiter verfolgen. Auch hier war man mit dem Urteile schnell bei der Hand. Der König der Tiere schämt sich, daß er den Sprung nicht richtig bemessen hat. Auch in diesem Falle liegt ein großer Irrtum vor, wie sich aus dem folgenden ergeben wird. Ich habe in meinem Buche eingehend dargetan, daß man zwischen Lauf- und Schleichraubtieren unterscheiden muß. Zu den erstgenannten gehören die Hundearten, zu den zweitgenannten die Katzen. Die Schleichraubtiere sind fast alle Kletterer, aber keine ausdauernden Läufer. Umgekehrt sind die Laufraubtiere vorzügliche Läufer, aber keine Kletterer. Der Löwe gehört zu den Katzen, und als solcher kann er einen schnellfüßigen Pflanzenfresser durch ausdauerndes Laufen nicht einholen. Es wären wohl alle Antilopenarten ausgerottet, wenn sie von den großen Katzen nicht nur beschlichen werden könnten, sondern -- falls sie sich vor einer Überlistung durch ihre Vorsicht bewahrt hatten -- nicht einmal fähig wären, sich durch die Flucht zu retten. Daß der Löwe bei einem Fehlsprunge nur deshalb nicht an Verfolgung denkt, weil er nicht so schnellfüßig ist, wie das beschlichene Tier, ersieht man daraus, daß er unter Umständen nochmals springt. Es kommt nämlich manchmal vor, daß das verfolgte Tier einen Weg einschlagen muß, der eine Krümmung aufweist, z. B. weil er durch eine gewundene Schlucht führt. Dann schneidet der Löwe die Krümmung ab und versucht den Sprung nochmals. Denn durch den kürzeren Weg besteht naturgemäß für ihn die Möglichkeit, ein Geschöpf einzuholen, obwohl es ihm an Schnelligkeit überlegen ist. Der ausgezeichnete Tierbeobachter ~Loewis~ erzählt von seinem zahmen Luchs Lucy einen Vorfall, der anscheinend beweist, daß trotzdem Katzenarten Schamgefühl besitzen. Er schreibt nämlich folgendes: »Sein Ehr- und Schamgefühl war ebenfalls nicht unbedeutend entwickelt. Aus den Fenstern des Gutsgebäudes beobachtete ich eine eigentümliche, das Gesagte dartuende Szene. Der große Teich war im November mit einer Eisdecke belegt, nur in der Mitte war für die Gänseherde ein Loch ausgehauen worden und von der schnatternden Schar dicht besetzt. Mein Luchs erblickte dies mit lüsternen Augen. Platt auf die Eisdecke gedrückt, schiebt er sich nur rutschend weiter heran, mit seinem Schwänzchen vor Begierde hastig hin und her wedelnd. Die wachsamen Nachkommen der Kapitolsretter werden unruhig und recken die Hälse bei der drohend nahenden Gefahr. Jetzt duckt sich unser Jagdliebhaber, und wie ein Schleudergeschoß fliegt mit gespreizten Pranken im Bogen mitten in die erschreckte Sippe der grimme Feind, nicht ahnend, auf welch trügerischem Element die heißersehnte Beute ruht. Statt mit jeder Tatze eine Gans zu erfassen, klatscht der Luchs ins kühle Naß; denn alles Federvieh war rasch zum Loche hinausgesprungen oder geschwind untergetaucht. Jetzt gab ich die auf dem spiegelhellen Eise verwirrten Gänse als verloren auf; aber statt nun leicht Herr über die armen Vögel zu werden, schlich triefend, mit gesenktem Kopfe, Scham in jeder Bewegung zeigend, nicht rechts und links schauend, mitten durch die Wehrlosen der Luchs sich fort und verbarg sich auf viele Stunden an einem einsamen Platze. Hunger, Jagdlust und angeborene Blutgier konnten die Beschämung über den verfehlten Angriff nicht unterdrücken.« Haben wir nicht in diesem Falle einen deutlichen Beweis, daß auch ein Tier sich schämen kann? Von anderer Seite ist hiergegen geltend gemacht worden, der Luchs habe sich nicht geschämt, sondern er sei nur deshalb trübselig davongeschlichen, weil ihm das kalte Bad höchst unwillkommen gewesen sei. Nun ist es ja richtig, daß die Katzen im allgemeinen keine Freunde des Wassers sind. Aber auch unser Hinz scheut ein Bad keineswegs, wenn es gilt, sich einen guten Bissen für sein Mäulchen zu verschaffen. So beobachtete ich im verflossenen Frühjahre folgendes. Im Schilfe eines Sees machten sich ein Paar Sperlinge eine Liebeserklärung. Die Katze eines benachbarten Gehöftes wurde durch das laute Gezeter aufmerksam und schlich sich lautlos an das Liebespärchen heran. Plötzlich machte sie einen gewaltigen Sprung -- allerdings daneben -- und sauste in das Wasser. Angenehm schien ihr das Bad auch nicht zu sein, aber wenn ein Haustier das kalte Wasser nicht scheut, so wird es ein frei lebendes erst recht nicht tun. Nun bedenke man, daß Luchse vorwiegend Bewohner kalter Zonen sind. Wie ~Loewis~ berichtet, schlief sein Luchs selbst im kranken Zustande freiwillig auf dem Dache bei einer Kälte von 10 bis 12 Grad. Ein solches Tier soll, wenn es ins kalte Wasser kommt, deswegen tieftraurig sein? Das glaube ich nimmermehr. Ich sehe hier vielmehr wiederum einen Fall der Gewohnheit vorliegend. Der wilde Luchs, der im Freien nach einem Vogel, also einer wilden Gans oder Ente springt und sie nicht erhascht, weiß, daß er sie niemals mehr bekommt. Der Vogel fliegt dann davon und ist für ihn verloren. Daß zahmes Geflügel nicht ordentlich fliegen kann, ist dem Luchs sicherlich nicht bekannt, denn ich habe niemals etwas davon gehört, daß er wie Fuchs, Marder, Iltis unserm Hausgeflügel nachstellt. Ich möchte nur daran erinnern, daß auch Menschen in neuen, ihnen ungewohnten Verhältnissen in ähnlicher Weise handeln. So las ich von einem deutschen Jäger folgendes Erlebnis aus Südrußland. Er war mit seinem Hunde, den er an der Leine führte, auf die Jagd gegangen. Unerwartet kamen ihm plötzlich Trappen zu Schuß, die sonst wegen ihrer Scheuheit schwer zu beschleichen sind. Er legte auf einen Hahn an, fehlte ihn jedoch. Ärgerlich über sein Mißgeschick erzählte er später seinem Wirt sein Erlebnis. Dieser fragte ihn, warum er denn nicht seinen Hund auf die Trappen losgelassen hätte? Der Deutsche sah ihn ganz erstaunt an, denn Trappen können bekanntlich, wenn sie auch vorher einen Anlauf nehmen müssen, ganz gut fliegen. Sein Wirt setzte ihm auseinander, daß bei der herrschenden Witterung -- es war gerade Rauhreif gefallen -- Trappen nicht fliegen können und von einem schnellen Hunde leicht eingeholt werden. Hier hat also der deutsche Jäger genau so wie der Luchs gehandelt. Beide waren ärgerlich und verstimmt über ihr Mißgeschick und beide dachten nicht daran, daß sie nachträglich noch zu einer Beute gelangen konnten, denn in den bisherigen, ihnen bekannten Verhältnissen war eine solche Möglichkeit ausgeschlossen. Wenn ich somit bezweifle, daß die Tiere ein Schamgefühl besitzen, so gehen m. E. diejenigen zu weit, die ihnen das Ehrgefühl und namentlich das Schuldbewußtsein absprechen. Ich bin vielmehr davon durchdrungen, daß manche hochorganisierten Tiere solches besitzen. Da gewöhnlich das Vorhandensein eines Schuldbewußtseins bei Tieren bestritten wird, so möchte ich hierfür einige Beispiele anführen. Der Hund einer meiner Tanten z. B. ist durchaus kein besonders kluges Tier, aber ein Schuldbewußtsein kann man ziemlich häufig bei ihm feststellen. So soll er sich nicht auf den besten Teppich legen, was er mit Vorliebe tut, da er am dichtesten und wärmsten ist. Gewöhnlich klimpert er mit seiner Hundemarke und einem Schlüssel, die beide an seinem Halsbande hängen, so laut wie ein Schäfchen mit einem Glöckchen, schleicht er sich aber zu dem gedachten Teppich, so weiß er so zu gehen, daß er nicht das geringste Geräusch erregt. Noch drastischer sind folgende Fälle. ~Milne Edwards~ erzählt, daß ein Haushund, der sehr blutdürstig war und Schafe erwürgte, alle Nächte an die Kette gelegt wurde. Er vermochte aber sein Halsband über den Kopf abzustreifen, worauf er aufs Feld lief, ein Schaf erwürgte, dann aber regelmäßig nach einem Bache lief, um den blutigen Rachen abzuwaschen. Hierauf eilte er vor Tagesanbruch auf den Hof zurück, wo er mühsam den Kopf durch das Halsband zwängte und dann sich schlafen legte, damit man nicht in ihm den Verbrecher entdeckte. -- Ein Hund in Berlin hatte besondere Neigung, im nahen Garten sein Wesen zu treiben, obwohl ihm verboten war, dorthin zu gehen. Er ging oft frühmorgens auf einem Umwege durch den Keller dahin; wurde er gerufen, so kam er nicht durch die Gartentüre herbei, sondern schlich durch den Keller nach seiner Hütte und aus derselben ganz langsam hervor, als wenn er eben erst vom Lager aufgestanden wäre. Selbst Ziegen haben ein sehr feines Gefühl für Recht und Unrecht. ~Brehm~ erzählt von den Ziegen seiner Mutter folgendes: Meine Mutter hält Ziegen und achtet sie hoch, ist deshalb auch um ihre Abwartung sehr besorgt. Sie kann sofort erfahren, ob ihre Pfleglinge sich befriedigt fühlen oder nicht; denn sie braucht nur zum Fenster heraus zu fragen, so erhält sie die richtige Antwort. Vernehmen die Ziegen die Stimme ihrer Gebieterin und fühlen sie irgendwie sich vernachlässigt, so schreien sie laut auf, im entgegengesetzten Falle schweigen sie still. Genau so benehmen sie sich, falls sie unrechtmäßigerweise gezüchtigt werden. Wenn sie einmal in den Garten geraten und dort mit ein paar Peitschenhieben von den Blumenbeeten oder Obstbäumen weggetrieben werden, vernimmt man keinen Laut von ihnen; wenn aber die Magd im Stalle ihnen einen Schlag gibt, schreien sie jämmerlich. Am überzeugendsten aber dürfte der Fall sein, den ~Schomburgk~ mitteilt und den ~Brehm~ wiedergibt: In der tierkundlichen Abteilung des Pflanzengartens von Adelaide wurde ein alter Hutaffe mit zwei jüngeren Artgenossen in demselben Käfige gehalten. Eines Tages griff er, übermütig geworden durch die grausam gehandhabte Beknechtung seiner Mitaffen, vielleicht auch beeinflußt von der herrschenden heißen Witterung, seinen Wärter an, gerade als dieser das Trinkwasser für die gefangenen Affen erneuern wollte, und biß ihn so heftig in das Handgelenk des linken Armes, daß er nicht nur alle Sehnen, sondern auch eine Schlagader schwer verletzte und dem Manne ein längeres Krankenlager zuzog. Sofort, nachdem mir dies gemeldet worden war, verurteilte ich den Schuldigen zum Tode, und früh am folgenden Morgen nahm ein anderer Wärter ein Gewehr, um meinen Befehl auszuführen. Ich muß erwähnen, daß Feuerwaffen in der Nähe der Käfige sehr oft gebraucht werden, um Katzen, Ratten usw. zu vertilgen; die Affen haben sich daran so gewöhnt, daß sie weder einer Flinte halber, noch wegen des Abfeuerns derselben im geringsten sich beunruhigen. Als der Wärter dem Käfige sich näherte, blieben die beiden jüngeren Affen wie gewöhnlich ruhig auf der Stelle; der verurteilte Verbrecher dagegen floh in größter Eile in den Schlafkäfig und ließ sich durch keinerlei Lockungen und Überredungskünste bewegen, hervorzukommen. Das gewöhnliche Futter wurde gebracht: er sah, was er früher nie getan hatte, ruhig zu, daß die Gefährten fraßen, bevor er selbst seinen Hunger gestillt hatte, und erst, als der Wärter mit dem Gewehre sich so weit vom Käfige zurückgezogen hatte, daß er von ihm nicht mehr gesehen werden konnte, kam er vorsichtig und ängstlich hervorgekrochen, ergriff etwas von dem Futter und lief in größter Eile in den Schlafkäfig zurück, um es dort zu verzehren. Nachdem er zum zweitenmal herausgekommen war, um sich ein anderes Stück Brot zu sichern, wurde die Tür seines Zufluchtsortes rasch von außen geschlossen; als der arme Schelm nunmehr wiederum den Wärter mit der Todeswaffe auf den Käfig zukommen sah, fühlte er, daß er verloren sei. Zuerst stürzte er sich wie wahnsinnig auf die Tür des Schlafkäfigs, um sie zu öffnen; als ihm dies aber nicht gelang, stürmte er durch den Käfig, versuchte durch alle Lücken und Winkel zu entwischen, und warf sich, keine Möglichkeit zur Flucht entdeckend, am ganzen Leibe zitternd, auf den Boden nieder und ergab sich in das Schicksal, welches ihn schnell ereilte. Seine beiden Genossen zeigten keine Spur von Aufregung und blickten ihm voll Erstaunen nach. Die Geschichte ist vollständig wahr und liefert ein bemerkenswertes Beispiel für die Fähigkeit des Affen, Wirkung und Ursache zu verbinden. Muß man somit bezweifeln, daß die Tiere ein Schamgefühl besitzen, so kann man ihnen doch nicht gut das Schuldbewußtsein absprechen. Der Respekt der Raubtiere vor den Menschen. Von jeher hat es der Mensch geliebt, das an sich seltsame Verhalten mancher Tiere dadurch zu erklären, daß er ihnen edelmütige oder ähnliche sympathische Beweggründe unterlegte. Beispiele hierfür können wir schon bei den Alten ausfindig machen. So erzählt uns ~Plutarch~, Herkules habe immer eine große Freude gehabt, wenn er bei seinen Unternehmungen einen Geier gesehen, weil er die Gerechtigkeit dieses Vogels bewunderte, indem derselbe, obgleich von Fleisch lebend, doch kein lebendiges Tier anfällt. Teilen wir heute etwa noch die Ansicht des alten Helden und halten den Geier für einen gerechten Vogel? Gewiß nicht! Wir sind der Meinung, daß der Geier wie die Hyäne deshalb Aas fressen, weil es für sie bequemer ist. Ferner sind sie beide nicht gewandt und schnell genug, um sich nur von lebenden Tieren zu ernähren. Nicht die Gerechtigkeit, sondern das +Non possumus+ ist also der wahre Grund. Ähnlich schreibt ~Älian~: Der Adler wird oft von Raben gefoppt, verachtet sie aber, fliegt hoch durch die Lüfte und überläßt ihnen die Tiefe; das tut er nicht aus Furcht, sondern aus eigentümlichem Edelmut. Auch hier müssen wir zu dieser Erklärung ein großes Fragezeichen machen. Der wahre Grund ist vielmehr der, wie schon ~Lenz~ mit Recht betont, daß die von Raben, Schwalben, Bachstelzen geneckten Raubvögel nicht aus Edelmut forteilen, sondern weil sie wissen, daß da keine Beute zu hoffen ist, wo der schreiende Schwarm die übrigen Tiere warnt. Es ist auch nicht Kühnheit der Schwalbe, wie man annimmt, wenn sie mit Hohngeschrei die meisten Raubvögel umschwirrt, sondern das Gefühl der Sicherheit, schneller als der verspottete Räuber fliegen zu können. Das sieht man recht deutlich daran, daß sie ein Angstgeschrei erhebt und Reißaus nimmt -- zum Beispiel sich in das Schilf stürzt --, sobald der Baumfalk sich blicken läßt, weil dieser eben schneller als die Schwalbe fliegt. Edelmut nimmt man auch bei den Edelfalken an, um zu erklären, weshalb sich diese eine geschlagene Beute von so elenden Schmarotzern wie den Milanen abnehmen lassen. Eine Glucke verteidigt sich gegen den Gabelweih -- sagt ~Naumann~ -- aber der Wanderfalk gibt ihm die Beute heraus. Sollte auch hier wieder der Edelmut nicht nur in unserer Phantasie existieren? Dürfte sich die Sache nicht etwas anders verhalten? Daß der Wanderfalk keine Beute vom Erdboden nimmt, wissen wir, aber wir nehmen mit Recht an, daß er nicht aus Edelmut ein sitzendes Tier verschont, sondern wir vermuten ganz richtig, daß er wegen seiner rasenden Schnelligkeit Gefahr liefe, zu zerschellen. Deshalb raubt er nur fliegende Vögel. Ist doch vor ein paar Jahren selbst in Berlin einem Habicht, der doch nicht so schnell fliegt, folgendes passiert: Bei der Verfolgung einer wilden Ente stieß er so heftig auf die Herkulesbrücke, daß ihn ein Passant mit leichter Mühe fangen konnte. Bedenkt man nun, daß alle schnellfliegenden Vögel auf dem Boden regelmäßig sehr unbeholfen sind -- der Mauersegler, dieser unübertreffliche Flieger, kann wegen seiner langen Flügel vom Erdboden sich kaum erheben --, daß aus diesem Grunde als Sitz stets ein Baum oder ein Ort, der das Abfliegen erleichtert, bevorzugt wird, so wird die Nachgiebigkeit des Wanderfalken wahrscheinlich ihren Grund darin haben, daß er auf der Erde als einem ihm fremden Element große Mühe hätte, die Gabelweihe abzuwehren. Deshalb kalkuliert er mit Recht: Bei meiner Gewandtheit im Erbeuten ist es praktischer für mich, mir ein neues Opfer zu holen, als es auf einen ungewissen Streit ankommen zu lassen. Nach diesen Beispielen möchte ich auf das eigentliche Thema zu sprechen kommen und auseinandersetzen, daß ich zwar ohne weiteres zugebe, daß die Raubtiere vor dem Menschen Respekt haben, aber nicht recht daran glaube, daß der Grund darin liege, weil die Tiere in dem Menschen ein höheres Wesen erkennen. Schon die Alten haben ähnliche Gedanken geäußert. So schreibt ~Plinius~ folgendes: Bemerkt der Elefant den Fußtritt eines Menschen eher als den Menschen selbst, so bleibt er stehen, wittert, blickt umher, schnaubt vor Wut, zertritt aber die Fußspur nicht, sondern hebt sie aus, gibt sie dem nächsten, dieser wieder dem nächsten usw., worauf die Herde sich schwenkt und in Schlachtordnung aufmarschiert. So soll auch die grimmige Tigerin, die keinem Tiere weicht und selbst die Spuren des Elefanten verachtet, ihre Jungen in Sicherheit bringen, sobald sie die Spur eines Menschen erblickt. Wie erkennen sie die Spuren des Menschen? Wo haben sie ihn je gesehen, da jene Wildnisse von ihm so selten betreten werden? Woher wissen Elefanten und Tiger, daß der Mensch zu fürchten ist? Sie sind ihm doch so weit an Kraft, Größe und Schnelligkeit überlegen! Das ist die große Macht des Naturtriebes, daß die größten und wildesten Tiere gleich wissen, was sie fürchten müssen, wenn sie es auch nie zuvor gesehen haben. Ähnlich äußert sich ~Brehm~: Selbst Löwe, Tiger und Jaguar fürchten anfangs den Menschen und gehen ihm fast feig aus dem Wege; nachdem sie aber gelernt haben, welch schwaches, wehrloses Geschöpf er ist, werden sie seine furchtbarsten Feinde, und es scheint fast, als ob sie dann das Menschenfleisch dem aller übrigen Säugetiere entschieden vorzögen. Speziell vom Löwen schreibt er: Den Menschen greift der Löwe äußerst selten an. Die hohe Gestalt eines Mannes scheint ihm Ehrfurcht einzuflößen. Im Sudan wenigstens, wo er in manchen Gegenden häufig auftritt, sind so gut wie keine Fälle bekannt, daß ein Mensch von einem Löwen gefressen worden wäre. Die Araber jener Gegenden versichern, daß der Mensch, welcher einen ruhenden Löwen treffe, denselben durch einen einzigen Steinwurf verscheuchen könne, falls er Mut genug habe, auf ihn loszugehen. Wer dagegen entfliehe, sei unrettbar verloren. Zweimal, so sagen sie, weiche jeder Löwe dem Manne aus, weil er weiß, daß dieser das Ebenbild Gottes des Allbarmherzigen ist, den auch er, als ein gerechtes Tier, in Demut anerkennt. Frevelt jedoch der Mensch gegen die Gebote des Erhaltenden, welche bestimmen, daß niemand sein Leben tollkühn wage, und geht er dem Löwen zum drittenmal entgegen, so muß er sein Leben lassen. Die Araber sind auch der Meinung, daß der Löwe bei seinen Raubzügen deshalb vorher brülle, um die Tiere zu warnen. ~Brehm~ meint mit Recht, der wahre Grund dürfte der sein, daß er dadurch das Wild aufscheuchen, insbesondere das Vieh der Nomaden zum Ausbrechen aus der Hürde veranlassen will. Die Begründung der Wüstensöhne hinsichtlich des Respekts scheint daher ebenfalls mehr poetisch als zutreffend zu sein. Hiervon abgesehen, wird aber die Tatsache, daß der Löwe häufig vor dem Menschen zurückweicht, doch von zahlreichen glaubwürdigen Beobachtern bestätigt. ~Brehm~ hält den aufrechten Gang des Menschen für den ausschlaggebenden Grund. Aber dieser kann schwerlich deshalb als furchterweckend in Betracht kommen, weil es ja vierfüßige Tiere gibt, die viel größer als der Mensch sind und trotzdem von Raubtieren angegriffen werden, wie zum Beispiel manche Büffelarten. Tiger sind auf den Rücken von Elefanten gesprungen und haben von dort Menschen heruntergeholt. Das große Kamel ebenso wie die fast achtzehn Fuß hohe Giraffe bildet eine bevorzugte Beute des Löwen. Gerade das letztgenannte Tier zeigt deutlich die irrige Anschauung, daß die Größe imponierend wirkt, denn der Kopf der Giraffe befindet sich etwa zwölf Fuß höher als der eines Menschen. Nur das soll zugegeben werden, daß ein vierfüßiges Tier bequemer am Halse gepackt werden kann, als der aufrechtstehende Mensch. Trotzdem aber überfällt der Leopard den Strauß, der viel größer als der Mensch und ebenfalls nur zweifüßig ist. Im übrigen richten sich zahlreiche Tiere beim Angriff oder der Verteidigung auf und gewähren dann einen weit überwältigenderen Anblick als der Mensch, so Hengste, Gorillas usw. Daß sich hierdurch die großen Raubtiere von einer Attacke jemals haben abhalten lassen, ist wohl noch nicht behauptet worden. Dagegen steht fest, daß die sogenannten Menschenfresser fast ausnahmslos Raubtiere mit schlechten Zähnen sind, nicht mehr imstande, ihre sonstige Nahrung, nämlich das flüchtige Wild, Wildschweine und Affen, zu erbeuten. Not kennt kein Gebot; ein Raubtier, das nur die Wahl hat, zu verhungern oder Menschen anzufallen, wird unzweifelhaft das letztere tun. Warum tut es das nun nicht auch in der Blüte seiner Jahre? Ich meine, die unglückselige Vorstellung von der »Tapferkeit« der Raubtiere ist schuld daran, daß wir uns darüber wundern. Man vergleiche das in den »Tierfabeln« auf S. 25 Gesagte. Hier heißt es: Selbst die größten Arten scheuen Tiere, von denen sie bedeutenden Widerstand erwarten, und greifen sie bloß dann an, wenn sie durch Erfahrung sich überzeugt haben, daß sie trotz der Stärke ihrer Gegner als Sieger aus einem etwaigen Kampfe hervorgehen. Kann man ein solches Verhalten Tapferkeit nennen? Gewiß nicht! Außerdem muß man folgendes berücksichtigen. Bei jedem Angriff auf ein vierfüßiges Geschöpf weiß das Raubtier im voraus ganz genau, welche Waffen ihn bedrohen können: Das Pferd kann hinten ausschlagen, der Büffel mit den Hörnern stoßen, der Eber mit seinen Gewehren schlagen, der Pavian gefährlich beißen usw. Nur beim Menschen weiß es nicht genau, was kommen kann. Er kann es von fern mit Bogen und Lanze verwunden, mit Felsstücken werfen, in der Nähe mit Schwert oder Dolch verletzen -- wobei wir von den furchtbaren Wirkungen des Feuergewehres ganz absehen wollen. Selbst der Ureinwohner auf niedrigster Kulturstufe vermag durch vergiftete Pfeile das größte Raubtier zu töten. Was also bei keinem Tiere vorkommt, das kann sich beim Menschen ereignen; das Raubtier weiß niemals genau, woran es ist. Natürlich wird eine vom Hunger geplagte Bestie nicht lange Reflexionen darüber anstellen, ob der Angriff auf den Menschen gelingt oder nicht. Je häufiger sie ihn besiegt, desto frecher wird ihr Gebaren werden. Aber wenn ein großes Raubtier gesättigt oder wenigstens nicht hungrig ist, so ist folgende Reflexion nicht unwahrscheinlich: Wenn ich wüßte, ich erbeute den Menschen, ohne erheblich verletzt zu werden, so würde ich mich auf ihn stürzen -- aber man kann ja dem Frieden nicht trauen. Anschleichen kann ich mich nicht, wie es meine liebste Methode ist, denn der Kerl hat mich schon gesehen. Ob er gefährliche Waffen bei sich trägt? Er glotzt mich so unverschämt an -- nun, die Sache ist mir doch zu riskant, ich werde mich empfehlen. -- Umgekehrt wird ein fliehender Mensch gewöhnlich deswegen verloren sein, weil er durch seine Flucht offenbart, er fühle sich dem Feinde nicht gewachsen. Ein unbewaffneter Mensch, der einen Löwen mit Gemütsruhe anstarrt, ist wie ein Kartenspieler, der sich den Anschein gibt, als habe er viele Trümpfe, die er in Wirklichkeit gar nicht besitzt. Einem solchen Spieler gelingt es ja häufig, die anderen zu täuschen. Zum Beweise dafür, daß hauptsächlich die Unberechenbarkeit des Menschen den Respekt hervorruft, will ich mich auf folgende Tatsachen berufen. In nördlichen Ländern scheinen giftige Waffen wenig gebraucht zu werden, so daß hier der Mensch erst durch Feuerwaffen gefährlichen Tieren, wie Eisbären, Walrossen, Grislybären usw., energisch auf den Leib rücken konnte. Die alten Schilderungen von der Furchtbarkeit dieser Geschöpfe scheinen gar nicht so übertrieben zu sein. Ausdrücklich bestätigt das ~Haacke~, indem er schreibt: Übrigens soll der Graubär von heute, mit den Wirkungen der Büchse bekannter als der Graubär früherer Zeiten, viel vorsichtiger und furchtsamer sein als dieser. Wie lieb im übrigen den Raubtieren ihr eigenes Leben ist, dafür seien nur zwei Beispiele angeführt. ~v. Wißmann~ schildert einen bereits früher erwähnten Angriff, den ein Kapbüffel auf einen ausgewachsenen Löwen macht. Der »König der Tiere« läßt wirklich seinen Fraß -- eine getötete Antilope -- im Stich und nimmt Reißaus. Sodann möchte ich darauf aufmerksam machen, daß nach ~Livingstone~ angebundene Pferde oder Ochsen nur ausnahmsweise von Löwen angegriffen werden, weil diese eine -- Falle vermuten. Das gleiche berichtet ~Brehm~ von Tigern. Man sieht also ganz deutlich, daß auch vierfüßige Tiere, und zwar selbst solche, die sonst gern gefressen werden, unter Umständen Respekt einflößen, daß also der aufrechte Gang des Menschen nicht der wahre Grund sein kann. Die Tatsache, daß große Raubtiere vielfach den Menschen unbehelligt lassen, erklärt sich also wohl daraus, daß sie nicht hungrig sind und die Unberechenbarkeit seiner Verteidigung scheuen. Ihr Leben ist ihnen zu lieb, um sich auf ein riskantes Unternehmen einzulassen. Können nur Herdentiere zu Haustieren gemacht werden? Es gibt gewisse Behauptungen, die gläubig nachgebetet werden, weil man sie für allgemein gültige Wahrheiten hält. Zu ihnen gehört auch diese: Nur aus Herdentieren können Haustiere gemacht werden. Ich teile diese Meinung in keiner Weise und möchte in nachstehendem meine abweichende Ansicht näher begründen. Eingehend hat sich mit der hier erörterten Frage ein so ausgezeichneter Tierkenner wie ~Perty~ beschäftigt. Er schreibt darüber folgendes: »Die Domestikation der Tiere kommt nicht allein durch die Macht des Menschen zustande, wie man früher und auch noch ~Buffon~ geglaubt hat, und namentlich ~Friedrich Cuvier~ hat erkannt, daß hierzu Geselligkeit der Tiere kommen müsse, nur gesellig lebende Tiere kann der Mensch domestizieren. Der Geselligkeitstrieb, den auch der Mensch in ausgezeichnetem Grade besitzt, und der auch seinen wildesten Stämmen nicht fehlt, hängt nicht von der Intelligenz ab, sondern kommt bei dummen und sehr gescheiten Tieren vor. Auch führt ihn nicht die Gewohnheit des Zusammenlebens der Familienmitglieder herbei; der Bär lebt einsam, obwohl er seine Jungen so lange und zärtlich pflegt wie der Hund. Die Aïnos, das sonderbare Volk von Yesso und den Kurilen, fast so behaart als der Bär selbst, haben, weil er kein geselliges Tier ist, vergeblich versucht, ihn zum Haustier zu erziehen und zum Reiten zu benützen, haben vergeblich junge Bären von ihren Weibern säugen lassen; es gelang nicht, und sie müssen ihn fortwährend an der Kette halten, wie ~Witson~ berichtet. ~Fr. Cuvier~ unterschied drei Zustände: erstens den der einsam lebenden Tiere: Katzen, Marder, Bären, Hyänen; dann den Zustand der in Familien lebenden Tiere: Wölfe, Rehe usw.; endlich die wahren Gesellschaften, wie sie bei Bibern, Affen, Hunden, Robben, Pferden, Elefanten, Wiederkäuern und beim Menschen selbst vorkommen; nur aus der letzten Kategorie hat der Mensch seine wahren Haustiere erhalten. Der Mensch, meint ~Cuvier~, gelte den Haustieren für ein Mitglied ihrer Gesellschaft, und seine ganze Kunst bestehe darin, sich als Gesellschaftsmitglied einzureihen. Ist er einmal ein solches geworden, so kann er dann leicht das Tier durch seine höhere Intelligenz beherrschen. Das Schaf folgt dem Hirten, weil es in ihm das Oberhaupt der Herde sieht. ~Buffon~ hatte behauptet, der Mensch verändere bei der Zähmung das Naturell der Haustiere, was ~Cuvier~ bestritt, nach welchem der Mensch nur den natürlichen Trieb benützt; er fand nämlich gesellige Tiere vor und knüpfte diese an seine Familie. Demnach wäre die Domestikation nur eine Abänderung, eine andere Form der Geselligkeit und eine bestimmte Folge des Triebes zu letzterer. Die katzenartigen Tiere können deshalb nicht vollkommen domestiziert, eigentlich familiarisiert werden, weil sie nicht gesellig lebende Tiere sind. Die Fügsamkeit der Haustiere beruht nach ~F. Cuviers~ und ~Dureau de la Malles~ Nachweisung auf der langen Reihe von Generationen, seit welchen ihre Domestikation währt. Noch zur Zeit des ~Plinius~ waren Pferde, Rindvieh, Geflügel halb wild.« -- Nur nebenbei sei bemerkt, daß diese letzte Behauptung ~Pertys~ etwas kühn erscheint. Kein Mensch kann aus den Schilderungen Homers den Eindruck erhalten, daß die Rosse der Griechen und Trojaner halb wild waren, und doch kämpften beide Völker ein Jahrtausend vor ~Plinius~. Die Erörterung anderer Irrtümer in nebensächlichen Dingen -- z. B. daß Hyänen einzeln leben -- würde zu weit führen, da uns hier nur das Prinzip interessiert. Die Katze soll kein wahres Haustier sein. Diese Behauptung ist wohl nur deshalb aufgestellt, weil fast alle Katzenarten allein leben, und die ganze Theorie mit der alleinigen Domestikation der Herdentiere über den Haufen stürzen würde, wenn man zugäbe, daß Hinz zu unsern Haustieren gehöre. Ich habe ein andermal ausführlich dargetan, weshalb die Katze uns ferner steht als der Hund. Hier seien kurz die Hauptgründe angegeben. Zunächst wird die Katze bei uns sehr schlecht behandelt, vielen Menschen bereitet es ein Vergnügen, das »falsche« Geschöpf totzuschlagen, wobei sie noch ein gutes Werk zu verrichten meinen, weil sich Hexen nach dem Volksglauben in Katzen verwandeln sollen. Sodann ist die Jagdmethode von Hinz und uns grundverschieden. Vermöge seiner Kletterfähigkeit bevorzugt jener das Reich der höheren Regionen, wohin wir ihm nicht zu folgen vermögen. Schließlich aber haben wir selbst auf dem Erdboden grundverschiedene Methoden. Die Katze ist ein Schleichraubtier, eine Terrainkünstlerin, die das Wild auf sich zukommen läßt und dann plötzlich packt. Wir suchen unsere Beute auf. Da der Hund es genau so macht wie wir, außerdem nicht klettern kann und schließlich vermöge seiner ausgezeichneten Nase, die weder der Mensch noch die Katze besitzt, Spuren findet, die uns völlig entgehen, so ist er für uns als Jagdgehilfe wie geschaffen. Deshalb haben wir uns die größte Mühe mit seiner Domestikation gegeben, während wir die Katze links haben liegen lassen. Haben wir uns denn schon mit der Zähmung anderer Katzenarten befaßt? Das ist kaum jemals einem Menschen eingefallen. Dem scheuen Luchs hätte gewiß jeder die Fähigkeit abgesprochen, daß er sich dem Menschen anschließe. Nun höre man, was ~Loewis~ von seinem zahmen Luchs Lucy erzählt: »Gewöhnlich spricht man den Katzen die Fähigkeit und Eigentümlichkeit ab, sich an bestimmte Personen zu gewöhnen, von denselben Befehle anzunehmen, ihnen Gehorsam zu zollen. Mit welchem Rechte solches von der Hauskatze gilt, kommt hier nicht in Betracht; daß aber der Luchs dem Menschen gegenüber sich anders verhält, hat der von mir jung aufgezogene genügend dargetan. Er hörte nur auf meines Bruders oder meine Stimme und bewies Zurückhaltung und Achtung auch nur uns gegenüber. Fuhren wir beide auf einen Tag in die Nachbarschaft, so konnte niemand Lucy bändigen; dann wehe jedem unbedachten Huhn, jeder sorglosen Ente oder Gans! Beim Dunkelwerden kletterte er auf das Dach des Wohnhauses, wo er, an einen Schornstein gelehnt, seine Ruhe hielt. Rollte spät abends oder in der Nacht der Wagen vor die Haustreppe, so war das Tier in einigen Sätzen vom Hausdache hinab auf das der Treppe gesprungen; rief ich nun seinen Namen, so schwang sich das anhängliche Geschöpf eilig an den Säulen hinab und flog in weiten Bogensätzen mir an die Brust, seine starken Vorderbeine um meinen Hals schlagend, laut schnurrend, mit dem Kopfe nach Art der Katzen an mich sich stoßend und reibend, und folgte uns sodann in die Stube, um auf dem Sofa, dem Bette oder am Ofen sein Nachtlager aufzuschlagen. Mehrere Male teilte er mit uns das Lager, und verursachte einmal seinem Herrn, quer über dessen Hals liegend, beunruhigende Träume und Alpdrücken.« Wie der Luchs, so lebt auch der Gepard oder Jagdleopard (Tschita) allein, man sollte also meinen, daß die Grundlage der Domestikation, die Zähmung, bei ihm sehr schwer fallen sollte. Das Gegenteil ist aber der Fall. Durch einfache Abrichtung wird der Jagdleopard zu einem trefflichen Jagdtier, welches in seiner Art dem Edelfalken kaum nachsteht. In ganz Ostindien betrachtet man ihn allgemein als einen geachteten Jagdgehilfen. ~Brehm~ hat selbst einen zahmen Geparden besessen und schreibt über dieses interessante Tier: »~Daß die Zähmung nicht schwierig sein kann, wird jedem klar, welcher einen Gepard in der Gefangenschaft gesehen hat. Ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, daß es in der ganzen Katzenfamilie kein so gemütliches Geschöpf gibt wie unsern Jagdleoparden und bezweifle~, daß irgend eine Wildkatze so zahm wird wie er. Gemütlichkeit ist der Grundzug des Wesens unseres Tieres. Dem angebundenen Gepard fällt es gar nicht ein, den leichten Strick zu zerbeißen, an welchen man ihn gefesselt hat. Er denkt nie daran, dem etwas zuleide zu tun, welcher sich mit ihm beschäftigt, und man darf ohne Bedenken dreist zu ihm hingehen und ihn streicheln und liebkosen. Scheinbar gleichmütig nimmt er solche Liebkosungen an, und das Höchste, was man erlangen kann, ist, daß er etwas beschleunigter spinnt als gewöhnlich. Ich besaß einen Gepard, welcher so zahm war, daß ich ihn am Stricke herumführen und es dreist wagen durfte, mit ihm in den Straßen zu lustwandeln.« Auch ~Ernst Friedel~ erzählt, daß in Potsdam im Parke eines königlichen Schlosses zwei zahme Geparden völlig frei umherliefen und keinem Menschen etwas zuleide taten. Erst als mehrere Damen, die sie für entsprungene Tiger hielten, in Ohnmacht gefallen waren, wurde ihnen ihre Freiheit genommen. Kein Mensch kann hiernach zweifeln, daß man den Geparden völlig zum Haustier machen könnte. Umgekehrt seien einige Herdentiere auf ihre Zähmbarkeit betrachtet. Das Zebra galt bisher als unzähmbar, es werden jetzt die ersten Versuche gemacht. Den nordamerikanischen Bison wie den Kafferbüffel hat bisher wohl niemand zu zähmen versucht, ebensowenig den Moschusochsen. Den Strauß hält man, um ihn seiner Federn zu berauben, aber als zahmes Haustier kann man ihn schwerlich bezeichnen. Dagegen wird die gewöhnlich nicht in Herden, sondern in Familien lebende Giraffe meistens sehr zahm. Von den in Herden lebenden größeren Affen wird allenfalls der Schimpanse und von den Pavianen der Babuin als Haustier gehalten. Die Zähmung des Hyänenhundes ist der Neuzeit noch nicht gelungen, obwohl er eine vorzügliche Nase besitzen soll, ebensowenig die des afrikanischen Elefanten, wenngleich die Karthager es verstanden haben sollen. Dagegen hat man von einzeln lebenden Tieren bereits im Altertum Löwen und Tiger gezähmt. Der ägyptische König ~Ramses der Große~ kämpfte in Begleitung seines zahmen Löwen, der ihm die Feinde niederreißen half. Der römische Kaiser ~Heliogabal~ spannte Löwen und Tiger vor seinen Wagen, indem er sich mit der Göttin ~Cybele~ und mit dem Gotte ~Bacchus~ verglich. In der Berliner Raubtierschule legt sich der Inspektor ~Havemann~ eine Leopardin wie einen Mantelkragen um den Hals. Auch wohl alle bei uns allein lebenden Tiere, wie Fuchs, Dachs, Marder, Wiesel, Eichhörnchen, sind schon gezähmt worden. Besonders leicht zahm wird der einzeln lebende Fischotter, der wiederholt zum Fischfangen abgerichtet worden ist. Bei den Vögeln machen wir dieselbe Beobachtung. Kein Mensch wird die in Scharen lebenden Sperlinge, Schwalben, Meisen, Goldhähnchen usw. für leicht zähmbar halten. Umgekehrt sind der Buchfink, der Kolkrabe, die Alpenkrähe usw., obwohl sie einzeln leben, wegen ihrer Zutraulichkeit zu ihrem Pfleger bekannt. Ausgesprochene Einsiedler sind die Raubvögel. Und doch richten die Kirgisen Adler und Habicht zur Jagd ab, ebenso stand bei uns die Reiherbeize mit dem Jagdfalken in hoher Blüte. Umgekehrt gelten die Wasserratten als unzähmbar, obwohl sie in Herden leben. Es ist hiernach einleuchtend, daß die Theorie, nur Herdentiere eignen sich zu Haustieren, durchaus irrig ist. Die ausschlaggebenden Momente sind vielmehr folgende: 1. Die Gefährlichkeit des Tieres. Es ist eine schlimme Sache, ein Geschöpf als Haustier zu halten, das bei übler Laune den Menschen töten kann. Aus diesem Grunde wird man die großen Bestien, ausgewachsene Paviane oder menschenähnliche Affen und ähnliche gefährliche Tiere ungern zu Haustieren machen wollen. Deshalb werden häufig ältere Doggen getötet, weil sie ihren eigenen Herrn in Gefahr bringen. 2. Das Naturell des Tieres und des Menschen. Es ist merkwürdig, daß manche Tiere wie Affen, Bären, Füchse usw., von Hause aus wenig Neigung haben, dem Menschen Hilfe zu leisten, während umgekehrt Pferde, Hunde, Geparden usw. es gern tun. Natürlich sind Tiere mit sanftem Naturell, wie Giraffen, Schimpansen, Babuine usw., leichter zu zähmen, als solche mit störrischem, wie Nashörner, Flußpferde, Kafferbüffel, Elche usw. Ein Kulturvolk ist ganz ungeeignet zur Abrichtung von Tieren, da ihm die Ruhe und Geduld fehlt; dagegen leisten stumpfsinnige Naturvölker auf diesem Gebiete Hervorragendes. 3. Ausschlaggebend ist aber stets der Nutzen für den Menschen. Wir hätten viel mehr Haustiere, wenn wir uns von anderen Tieren mehr Nutzen versprächen. Was sollen wir mit einem zahmen Hirsch oder Reh anfangen? Zum Ziehen oder zum Reiten des erstgenannten sind sie doch nur bedingungsweise verwendbar, können jedenfalls nicht das Pferd ersetzen. Weil es uns Nutzen brachte, haben wir früher den Jagdfalken gezähmt, wie heute noch zur Wolfs- und Fuchsjagd von den Kirgisen Adler abgerichtet werden. Nur aus dem Grunde, weil fast alle Teile verwendet werden können, haben wir das seinem Naturell nach ganz ungeeignete Rind als Haustier. Ist wohl ein alter Bulle ein gezähmtes Tier? Gibt es in Deutschland einen Kreis, wo nicht in den letzten 100 Jahren ein Mensch durch einen wütenden Bullen getötet ist? Würden sie nicht den Nutzen gewähren, so würde es längst polizeilich verboten sein, diese Haustiere, obwohl sie Herdentiere sind, zu halten. Auch mit der Domestikation des Schweines dürfte es eine eigene Sache sein. Kronprinz Rudolf berichtet von den südungarischen Schweinehirten: »Alle sind mit Pistolen bewaffnet, teils um die abends umherschweifenden Wölfe zu verscheuchen, teils aber auch, um sich gegen die starken, wildschweinartigen Eber, ~die sogenannten zahmen Hausschweine~, zu verteidigen. Wie ich von den Leuten an Ort und Stelle erfuhr, sollen jedes Jahr einige Hirten von ihren eigenen Schweinen auf der Weide, besonders während des Schlafes, überfallen und elendiglich zugrunde gerichtet werden.« Ferner wurde kürzlich folgender Fall berichtet: In Söllerup (auf Seeland) wollten ein Dienstknecht und ein zwölfjähriger Hütejunge einen Eber vom Walde nach Hause treiben. Als sich der voraufgehende Knecht infolge eines Angstrufes des Jungen umblickte, gewahrte er, wie der Eber den Knaben mit den Hauern bearbeitete. Dem Unglücklichen war die Lende zerfleischt und die Schlagader aufgerissen, so daß er in kurzer Zeit verblutete. Der Eber wurde erschossen. Schließlich denke man daran, wieviel kleine Kinder schon durch zahme Schweine angefressen und getötet worden sind -- und doch lebt auch das Schwein in Herden. Die herrschende Meinung muß demnach als durchaus irrig bezeichnet werden. Die angebliche Nervosität der Tiere. Bei dem Hasten und Jagen, das der heutige Kampf ums Dasein mit sich bringt, ist es kein Wunder, daß ein großer Teil der Bevölkerung nervös ist. Weil die geistige Arbeit naturgemäß das Gehirn am meisten anstrengt, und in der Großstadt der Wettbewerb sich am fühlbarsten geltend macht, so ist die Nervosität des großstädtischen Kopfarbeiters beinahe typisch geworden. Da der Mensch sehr geneigt ist, nach verwandten Erscheinungen in der Tierwelt zu spähen, so scheint es dem Großstädter gar nicht auffallend zu sein, daß auch Tiere nervös werden. So durchlief vor einiger Zeit die Zeitungen folgende Nachricht: Zebras als Reit- und Zugtiere. Aus London wird berichtet: Im Londoner zoologischen Garten macht man jetzt Versuche, zwei Zebras zu zähmen, damit die Kinder darauf reiten können. Eine große Erfahrung im Zähmen von Zebras hat der Hon. ~Walter Rothschild~, der bereits in den Straßen Londons mit einem Gespann von vier Zebras gefahren ist. Er zweifelt nicht daran, daß man zum Ziel gelangen wird, und er erzählte einem Berichterstatter: Vor drei oder vier Jahren zähmte ich vier Zebras, aber das waren die wilden, kleinen südafrikanischen Tiere, die viel unbändiger wie die Grevy oder abessinischen Zebras im Zoologischen Garten sind. Sicherlich stoßen und beißen die Zebras zunächst sehr wütend, aber ich fand, daß sie das alles aus Furcht taten. Alle Pferdearten sind von Natur nervös, und das Zebra ist von allen am furchtsamsten. Erst muß man die Tiere überzeugen, daß sie nichts zu fürchten haben; dann lassen sie einen näher kommen und sich anfassen. Wissen sie erst, daß es gefahrlos ist, so haben sie es sogar gern, aber sie kommen nie ganz über ihre natürliche Nervosität hinweg! Auch der Afrikareisende Oberst ~Fred Baillie~ schließt sich dieser Meinung ~Rothschilds~ an. Da er schon seit längerem davon überzeugt war, daß sich das Zebra als Last- und Zugtier eigne, erwarb er eine Konzession auf 60000 Acres Land mitten in Britisch-Ostafrika. Dort hat er die britische »Ostafrikanische Zebra-Ranch« errichtet, deren Hauptquartier in Nairobi und deren Zweiggeschäft in London ist. Wer jetzt also einen Auftrag gibt, kann nach einem halben Jahre gut dressierte gelehrige Zebras bekommen, die einspännig oder zweispännig gehen. ~Baillie~ glaubt, daß das Zebra besonders als Lasttier eine große Zukunft haben wird. Auch die indische Regierung stellt jetzt Versuche mit Zebras an, um sie zu militärischen Transporten zu gebrauchen. Der schlimmste Fehler der Zebras ist, daß sie ihren Reiter in die Beine beißen. Dagegen schützt man sich am besten durch ein stählernes Schutzblech, und wenn das Zebra erst einmal danach geschnappt hat, wiederholt es den Versuch nie wieder. -- Baron ~Rothschild~ ist sicherlich ein ausgezeichneter Kenner der Zebras, aber ist seine Behauptung richtig, daß diese von Natur nervös sind? Von unsern Pferden wird ja allgemein gesagt, sie seien nervös, und da wäre der Gedankengang vielleicht der, daß sie, wie manche Kulturtiere, im Laufe der Zeit degeneriert seien. Aber das frisch eingefangene Zebra, das bisher als freies Tier in den afrikanischen Ebenen hauste, kann doch unmöglich an einer Kulturkrankheit leiden! Arbeiten denn unsere Pferde mit dem Kopf! Gewiß nicht, am allerwenigsten das Zebra in der Freiheit. Sind unsere Kühe und Schweine nervös? Das Gegenteil scheint eher der Fall zu sein, auch habe ich noch niemals von einer derartigen Behauptung etwas gehört. Wie finden wir den Schlüssel zu einer Erklärung für die angebliche Nervosität des Pferdes und seiner wilden Stammesgenossen? Es ist merkwürdig, daß wir geschichtliche Forschungen vielfach da treiben, wo sie herzlich gleichgültig sind, umgekehrt sie aber da unterlassen, wo sie unbedingt erforderlich sind, nämlich zum Verständnis der Tierwelt. Wir werden das Verhalten eines Tieres niemals begreifen, wenn wir uns nicht in seine frühere Lage als freies Tier hineinversetzen. Auch in der Tierwelt ist selbstverständlich der Kampf ums Dasein überaus heftig. Die Raubtiere haben Hunger und wollen von den Pflanzenfressern leben, letztere verspüren aber wenig Neigung, sich ohne weiteres verspeisen zu lassen; was tun sie also? -- entweder fliehen sie oder sie verteidigen sich. Die Pflanzenfresser zerfallen also in wehrhafte (vgl. mein Buch: »Ist das Tier unvernünftig?« S. 39) wie Nashorn, Rind, Wildschwein, Elch, Gorilla, Pavian usw. und in fliehende wie Pferd, die meisten Antilopen, Hirsch, Reh, Schaf usw. Fliehende habe ich die letztgedachten Pflanzenfresser genannt, weil sie im allgemeinen fliehen. Das schließt natürlich nicht aus, daß sie nicht bloß untereinander, sondern auch gegen kleine Feinde kämpfen. So geht der Hengst mutig auf den einzelnen Wolf los, die Ricke vertrommelt Reineke mit den Läufen, falls er Appetit auf ihr Kitz bekundet usw. Auch die Raubtiere zerfallen in zwei Klassen, nämlich Laufraubtiere, die durch ausdauerndes Laufen ihre Beute einholen, z. B. gewisse Wolfsarten, wilde Hunde, Hyänenhunde usw., oder Schleichraubtiere, wohin alle Katzenarten gehören, also Löwe, Tiger, Leopard, Luchs usw. Da das anhaltende Laufen eine langweilige Sache ist, so ist es auch einem Laufraubtier, wie z. B. dem Wolf, sehr lieb, wenn er einen Pflanzenfresser beschleichen kann. Es liegt nun auf der Hand, daß die Gedanken eines fliehenden und eines wehrhaften Pflanzenfressers grundverschieden sein müssen. Wird der erstgenannte von einem Raubtier überfallen, so ist er gewöhnlich rettungslos verloren, der zweite dagegen nur dann, wenn er seine Waffen nicht gebrauchen kann. In unzähligen Fällen hat z. B. der riesenstarke Kafferbüffel einen Löwen, der ihm auf den Rücken gesprungen war, wieder abgeschüttelt -- möglicherweise ihn sogar totgetrampelt. Der Tiger muß seinen Angriff auf einen Wildeber oft mit dem Leben bezahlen. Rind und Schwein wissen sich also zu wehren, und deshalb sind sie wenig furchtsam, geschweige denn nervös. Dagegen ist das Pferd als fliehender Pflanzenfresser von Natur furchtsam, aber durchaus nicht nervös. Ein Spion, z. B. ein Indianer, der sich im feindlichen Lande befindet und überall Umschau hält, bei jedem Laute zusammenfährt, ist mit Recht furchtsam, aber doch nicht nervös. Genau ebenso ist es mit dem Verbrecher. Der nervöse Kulturmensch erschrickt grundlos bei Geräuschen, kann überhaupt andauernden Lärm nicht vertragen; der Spion, der Verbrecher, der fliehende Pflanzenfresser erschrecken aus triftigen Gründen. Wissen sie sich in Sicherheit, so können sie die ohrenbetäubendste Musik, die einen krankhaft nervösen Menschen rasend machen würde, mit Wonne anhören. Pferde können sich fortwährend an dem Rasseln ihrer Ketten erfreuen, Brüllaffen, die ebenfalls fliehende Pflanzenfresser sind, berauschen sich an einer Musik, die selbst einen normalen Menschen zur Flucht treibt. Zebra wie Pferd sind also im medizinischen Sinne absolut nicht nervös, sie sind nur mit Recht furchtsam, weil sie sich ihr ganzes Leben lang beständig vor ihren Feinden in acht nehmen müssen. Der Hauptfeind des Zebras ist der Löwe, der Leopard wagt sich im allgemeinen nur an junge. Beide Schleichraubtiere sind ständig auf ihren Fersen und erspähen die Gelegenheit, ein Tigerpferd zu überfallen. In den Tränken lauert das Krokodil, schließlich muß noch des schlimmsten Feindes, des Menschen, gedacht werden. ~R. Böhm~ und ~v. Wißmann~ heben besonders hervor, daß der Löwe beständig die Zebras verfolgt. Letzterer schreibt: Der grimmigste Feind des Zebras scheint der Löwe zu sein, und dieser Umstand mag der Grund hierfür sein, daß sie beim Erscheinen des Feindes so kopflos werden, daß das große Raubtier sich schon auf ein Stück geworfen hat, bevor sich die Herde zur Flucht entschließt. Bedenkt man, daß die Voreltern unseres Pferdes stets in dieser ständigen Angst vor einem Überfall gelebt haben, so ist uns das Verhalten unseres wertvollsten Haustieres um vieles verständlicher. Sehr wichtig ist die alte Regel: man soll in keinen dunkeln Stall treten, ohne das Pferd vorher angesprochen zu haben; es soll wissen, ihm droht kein Feind, damit es nicht aus Angst losschlägt, denn seine natürlichen Waffen gegen geringere Raubtiere, d. h. also Hufe und Gebiß, wird es selbstverständlich zur Anwendung bringen. Unser Pferd hat im allgemeinen verlernt, sich mit dem Gebiß zu verteidigen. Nur die Maulkörbe bei einzelnen Pferden zeigen uns, daß hier der Ahnen Waffen noch in Ehren gehalten werden. Einen interessanten Kampf zwischen einem Hauspferde und einem Tarpan, d. h. einem wilden oder verwilderten Pferde schildert ~Gmelin~. Ein Tarpan erblickte einmal einen zahmen Hengst mit zahmen Stuten. Nur um die letztern war es ihm zu tun; weil aber der erste nicht damit zufrieden sein wollte, so gerieten beide in heftigen Streit. Der zahme Hengst wehrte sich mit den Füßen, der wilde aber biß seinen Feind mit den Zähnen, brachte es auch, aller Gegenverteidigung ungeachtet, so weit, daß er ihn tot biß und sodann seine verlangten Stuten mit sich nehmen konnte. -- Daß das Zebra beißt, ist also etwas ganz Naturgemäßes; es muß ihm das ebenso mit der Zeit abgewöhnt werden, wie wir es bei unsern Pferden gemacht haben, indem wir z. B. die bissigsten von der Zucht ausschlossen. Vergegenwärtigt man sich die fortwährende Angst eines fliehenden Pflanzenfressers vor einem plötzlichen Überfall, so wird uns folgender Vorfall, der unlängst in der Deutschen Jägerzeitung veröffentlicht wurde, durchaus verständlich. Ein seltsames Vorkommnis. Am Sonntag, den 28. Februar, mittags gegen 12 Uhr, ging ich an meinem Waldrande entlang. Etwa 150 bis 200 Gänge vor mir stand auf dem Roggenschlage eine Ricke mit zwei Schmalrehen; die Rehe ließen sich, da hier sehr vertraut, gar nicht durch meine Anwesenheit stören. Ich blieb stehen, um sie zu beobachten. In diesem Augenblicke strich vom Walde her eine Krähe über mir fort. Schleunigst das Gewehr von der Schulter gerissen und Dampf auf die Graue gemacht! Es war sehr hoch. Entschieden hatte die Krähe aber etwas abbekommen; sie strich in der Richtung auf die Rehe weiter. Ich beobachtete sie, gleichzeitig sah ich aber auch, daß die drei Rehe nach mir hinäugten. Plötzlich verendete die Krähe hoch oben in der Luft und fiel gerade zwischen die Rehe, und zwar unmittelbar neben dem einen Schmalreh kam sie zur Erde. Nun geschah etwas ganz Unerwartetes. Das eine Schmalreh war zur Erde gestürzt und lag regungslos. Die Ricke aber und das andere Schmalreh machten einen riesigen »Schlußsprung auf der Stelle«, blieben dann mit vorgestreckten Köpfen stehen und äugten entweder die Krähe oder das liegende Schmalreh an. Nach etwa einer Minute -- solange dauerte die Erstarrung, wie ich es nennen möchte, -- kam das Schmalreh auf die Läufe, und alle drei Rehe nahmen den Waldsaum an, und zwar mit langen Fluchten. Auf etwa zwei Schritte vor mir wechselten sie in den Wald. Was mag nun wohl die Ursache gewesen sein, daß das eine Schmalreh zur Erde stürzte? Was war ferner wohl die Ursache, daß mich die Rehe, nachdem sie mich doch kurz vorher angeäugt hatten, gewissermaßen annahmen? Vielleicht hat einer der Weidgenossen schon etwas Ähnliches erlebt und erzählt es uns. Nach unsern Ausführungen dürfte die Erklärung nicht schwer sein. Auch das Reh ist ein fliehender Pflanzenfresser, und seine Vorfahren sind bei uns jahrtausendelang in steter Angst gewesen, daß sie ein Luchs oder ein Wolf plötzlich überfällt. Selbst Reineke soll sich an lagernde Rehe wagen. So begreift man denn, daß jeder ungeahnte Fall eines Körpers ein Reh aufs äußerste erschrecken kann. Diese große Angst hat sie auch veranlaßt, auf den Beobachter zuzulaufen. Aus demselben Grunde sind auch unsere Stubenvögel bei jeder plötzlichen Bewegung der Hand sehr erschrocken. Auch sie wissen zu gut aus Erfahrung, daß in der Freiheit die kleinen Schleichraubtiere, wie Katzen, Marder, Iltis, Wiesel usw., beständig einen Überfall gegen sie planen. Wie anders benimmt sich ein wehrhafter Pflanzenfresser, z. B. ein Stier, gegen seine Feinde. ~v. Wißmann~ schildert z. B. folgenden Vorfall, den er mit seinem Reitstier in Afrika erlebte: Er war ein mutiges Tier, das die Witterung keines großen Wildes aus der Fassung brachte. Hatte er sich doch einmal losgerissen und, bei Nacht aus dem Lager ins Freie stürmend und in einen dicken Busch einbrechend, nach der Fährte zu rechnen, einen sehr starken Leoparden oder eine Löwin unter wütendem Gebrüll in die Flucht geschlagen. Unser Ergebnis ist also folgendes: Keines von unsern Haustieren ist nervös, soweit es sich nicht um kranke, verzärtelte oder überzüchtete Exemplare handelt, Rind und Schwein nicht einmal furchtsam. Pferd und Zebra bekunden jedoch die ihnen durch Jahrtausende eingeprägte, durchaus berechtigte Furcht vor einem Überfall durch Schleichraubtiere. Gibt es Tiere, die sich spiegeln? Mancher Leser wird staunen, daß die Frage, ob es Tiere gibt, die sich spiegeln, überhaupt aufgeworfen werden kann. Er wird darauf hinweisen, daß z. B. in unzähligen Schaufenstern Bilder zu erblicken sind, auf denen ein Dachshund sich wohlgefällig in dem Spiegel beschaut, als wollte er sagen: Bin ich nicht ein schöner Kerl? Wie könnten unsere Künstler etwas durch Pinsel oder Stift wiedergeben, wenn es nicht in Wirklichkeit vorkäme? Sind doch gerade Maler als vorzügliche Beobachter bekannt! Diese Anschauung, daß Tiere sich spiegeln, wird so allgemein als Tatsache aufgefaßt, daß man selbst in Fachblättern diesen Vorgang als etwas Selbstverständliches betrachtet. Gerade der Umstand, daß kürzlich in einer naturwissenschaftlichen Zeitschrift ein Bericht über ein Sichspiegeln der Tiere enthalten war, veranlaßt mich, diesen allgemein verbreiteten Irrtum etwas näher zu beleuchten. In der betreffenden Zeitschrift schilderte nämlich eine Tierfreundin das allerliebste Verhalten der Vögel, namentlich der Meisen, denen sie Futter streute. Es heißt dort: »Von der eitlen Kohlmeise.« »Wenn ich in meinem Schlafzimmer die Balkontür öffne, so dauert es nicht lange, und auf der Türschwelle erscheint eine prächtig gezeichnete Kohlmeise. Ich gehe dann in das Nebenzimmer und beobachte von dort den kleinen Eindringling. Der hüpft von der Schwelle auf einen Stuhl und von da -- auf den Toilettentisch. ~Vor einen kleinen Stehspiegel setzt sich die Kohlmeise zuerst und betrachtet sich darin mit sichtbarem Wohlgefallen.~ Ich kann es ihr auch gar nicht verdenken; sie kann wohl zufrieden mit dem Bilde sein, das ihr der Spiegel zeigt. Dunkelbraune Augen, schneeweiße Wangen, glänzend tiefschwarzes Haar und eine schön schwefelgelbe Brust, darauf ein breiter schwarzer Streifen -- wer vermag ähnliche Schönheiten aufzuweisen? -- Hat sie sich in dem kleinen Spiegel sattgesehen, so fliegt sie auf den größeren, am Toilettentisch angebrachten Spiegel, turnt auf dem geschnitzten Holzrahmen herum, spiegelt sich, singt, flattert gegen das Glas und pickt nach ihrem Spiegelbilde. Verspürt die Meise Appetit, so knabbert sie an den Stearinkerzen herum, die zu beiden Seiten des Spiegels stehen. Zur Abwechslung werden dann auch all die kleinen Gegenstände, die auf einem Putztisch ihren Platz zu haben pflegen, wie: Nadelkissen, Schmuckschale u. a. betrachtet und untersucht. Darauf spiegelt sie sich wieder und ich -- hab' dann meistens keine Zeit mehr, länger zuzugucken und verlasse meinen Lauscherposten.« »Sehe ich nach einem halben Stündchen wieder nach, was das kleine gefiederte Äffchen treibt, so sehe ich es immer noch vergnügt vor den Spiegeln umherhüpfen, bis es durch mein Näherkommen erschreckt zur Türe hinausfliegt. Lange dauert es aber nicht, so lugt mein Meischen wieder vorsichtig von draußen herein, und sieht es niemand im Zimmer, so beginnt das lustige Treiben von neuem.« Hat die Dame etwa die Unwahrheit berichtet? Keineswegs. Ich glaube ohne weiteres, daß die Meise -- wie es ja jeder Kanarienvogel tut -- im Spiegel ihr Bild erblickt hat. ~Nur daß die Vögel sich gespiegelt d. h. ihr Bild als solches erkannt haben, bestreite ich mit Entschiedenheit.~ Beruht bei den Vögeln der Irrtum lediglich darin, daß ein wirklicher Vorgang falsch gedeutet ist, so ist die Spiegelung des Dachshundes durchaus ein Produkt der Phantasie. Ich möchte den Leser sehen, der einen sich spiegelnden Dachshund jemals in seinem Leben erblickt hat. Woher das kommt, habe ich an anderer Stelle ausführlich dargetan. Hier seien ganz kurz die Gründe angegeben. Ich setze den Inhalt meines Buches: »Ist das Tier unvernünftig?« als bekannt voraus, namentlich den Unterschied zwischen Sehgeschöpfen und Nasentieren. Hier möchte ich folgende allgemeine Bemerkungen über diesen Punkt machen. Der Mensch hat seinen Grundsinn in den Augen, er hütet etwas wie einen Augapfel ist eine durchaus treffende Bezeichnung. Das ist jedoch nicht bei allen Geschöpfen der Fall. Zahllose Tiere z. B. Hunde, Füchse, Pferde, Rinder usw. haben ihren Grundsinn in der Nase. Deshalb sind Pferde und Hunde noch gebrauchsfähig, wenn sie erblindet sind, denn die Augen spielen bei ihnen nur eine untergeordnete Rolle. Sehgeschöpfe wie der Mensch sind noch Affen, Vögel, Katzen usw. Es ist nun ganz einleuchtend, daß der Spiegel nur einem ~Augen~tier etwas sagen kann. Für ein Tier, das sich nach der Nase richtet, ist er ein ganz unverständlicher Gegenstand. Gerade bei Hunden kann man das deutlich betrachten. Eine Dogge wurde kürzlich in einen Salon geführt, in dem ein großer Spiegel stand. Von fern erblickte sie ihr Spiegelbild, fletschte die Zähne, sträubte die Haare und ging auf den Spiegel zu. In der Nähe roch sie, merkte nichts von einem andern Hunde und kümmerte sich nun nicht weiter um den Spiegel. Affen dagegen, die sich wie der Mensch nach den Augen richten, sind rein verliebt in Spiegel. Ich habe manchmal im Zoologischen Garten nur mit Not und Mühe einen Taschenspiegel von ihnen wiedererhalten können. Vögel sind auch Sehgeschöpfe, und deshalb ist es ganz naturgemäß, daß der Spiegel auf sie großen Eindruck macht. Die Hunde richten sich fast ausnahmslos nach der Nase, namentlich ist der Dachshund ein ausgezeichnetes Nasentier. Ein sich spiegelnder Dachshund ist also ein Unding. Die einzigen Hunderassen, die bessere Augen, dafür auch eine schlechtere Nase besitzen, sind Windhunde und Schäferhunde. Bei ihnen ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß sie der Spiegel ebenso interessiert wie Affen und Vögel. Nur die Tiere, die Sehgeschöpfe sind, können also einem Spiegel in der Nähe Beachtung schenken. Wenn sie das tun, wie vorhin die Meise, so schließen wir Kulturmenschen sofort, daß das Tier sich spiegele. Das Tier sieht im Spiegel ein anderes Geschöpf seiner Art -- woher soll es nun wissen, daß es selbst so aussieht? Daß hier ein folgenschwerer Irrtum vorliegt, wenn man ein Sichspiegeln annimmt, kann in der einfachsten Weise bewiesen werden. Zunächst berichten unzählige Reisende von wilden Völkern, daß, wenn man einem Naturmenschen einen Spiegel vorhält, er stets glaubt, die von ihm geschaute Person sei ein anderer Wilder. Woher soll er auch wissen, daß er es selbst ist? Sodann kann man die Wahrheit dieser Berichte in überzeugender Weise an unsern Kindern erproben. Das zweijährige, sonst recht intelligente Töchterchen meines Freundes behauptete immer wieder, wenn es in den Spiegel sah, das wäre seine Freundin Anna, die ihm allerdings recht ähnlich sah. Bei den Tieren ist die Annahme, es sei ein ~fremdes~ gleichartiges Geschöpf, deshalb unverkennbar, weil diejenigen, die ihresgleichen wütend bekämpfen, genau dieselben Bewegungen machen, als wollten sie sich auf den Feind stürzen. Doggen kämpfen gern miteinander, und deshalb fletschte die vorhin erwähnte Dogge ihre Zähne und sträubte ihr Haar. Raubvögel bekämpfen Artgenossen wütend, deshalb nehmen sie vor dem Spiegel eine kampfbereite Stellung ein. Lerchen sind so eifersüchtig auf ihresgleichen, daß man mit Hilfe von Lerchenspiegeln unzählige schießt. Herdentiere wie Affen sehen ihresgleichen sehr gern. Affen haben gewisse Bewegungen, die eine Begrüßung andeuten. Diese machen sie mit Vorliebe vor einem Spiegel, woraus man sieht, daß sie einen fremden Affen vor sich zu haben glauben. Auch die Meisen leben sehr gern gesellig, und nun verstehen wir, weshalb die vorhin geschilderte Meise so gern in den Spiegel sah. Doch ich befürchte, daß der geneigte Leser meinen Darlegungen nicht völligen Glauben schenken wird. Ich will mich deshalb auf den ausführlichen Bericht eines Fachmannes berufen. Der Direktor des zoologischen Gartens zu Frankfurt a. M., +Dr.+ ~Schmidt~, hat eingehende Beobachtungen mit einem Orang-Utan und einem Spiegel angestellt, von deren Schilderungen hier einige Stellen folgen mögen. Um zunächst den Verdacht zu zerstreuen, daß der Affe vielleicht ein ungewöhnlich stupides Exemplar gewesen sei, mögen hier von seinen Spielereien folgende erwähnt werden: »Ein Fangbecher, das bekannte Spielzeug, welchen jemand für den Orang mitgebracht hatte, wurde unter sorgfältiger Überwachung dem Tiere überlassen. Vermochte ihn dasselbe auch nicht seiner eigentlichen Bestimmung gemäß zu verwenden, so bereitete er ihm doch großes Vergnügen und mannigfaltige Unterhaltung. So war es dem Affen offenbar sehr merkwürdig, daß der hölzerne Ball so schön in den Becher paßte, und er legte ihn oftmals hinein, um ihn im nächsten Moment wieder herauszuwerfen. Die Schnur, welche beide Stücke verband, war als zu störend bald abgerissen worden, dagegen hatte der Orang die Wahrnehmung gemacht, daß der Becher, wenn man ihn ans Ohr hält, ein brausendes Geräusch hören läßt, wie dies bei derartigen hohlen Körpern stets der Fall ist. Er machte sich seitdem öfter das Vergnügen, dieses Rauschen zu hören, dem er mit sichtlichem Behagen lauschte. Eines Tages hatte er aus einem halben Milchbrot die Krumen herausgebohrt und entdeckte in der ausgehöhlten Kruste offenbar eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Fangbecher, denn er hielt sie plötzlich aufmerksam horchend ans Ohr. Als der erwartete Ton ausblieb, beeilte er sich, den Brotrest zu verspeisen.« »In dem Stiel des Fangbechers, der am Ende etwas zugespitzt ist, damit die Kugel auf denselben gesteckt werden kann, erkannte unser Tier alsbald ein sehr brauchbares Werkzeug und war überrascht über die Wirkung, welche sich mit demselben erzielen ließ, wenn man es als Hebel benützte. Auf diese Weise wurde alsbald eine kleine Vertiefung in dem Kalkbewurf des Zimmers in eine recht ansehnliche Grube umgewandelt und der Stuhlsitz schwer beschädigt, indem der Orang die Spitze des Holzes in die Öffnungen des Geflechtes schob und dann das entgegengesetzte Ende niederdrückte, wodurch es ihm gelang, einige Rohrstreifen zu sprengen. Das gemeinschädliche Werkzeug wurde nun weggenommen, aber der Stuhl war durch die Beschädigung des Sitzes nur um so interessanter geworden. Es gelang nämlich, zuweilen einen der Rohrstreifen herauszulösen, und dann freute sich der Orang über dessen Länge und dehnte ihn mit über den Kopf emporgehobenen Händen möglichst aus. Auf diese Weise entstand nach kurzer Zeit ein Loch in dem Geflecht, welches nun wieder zu manchen Studien Anlaß wurde. Bald wurde ein Arm, bald ein Bein hindurchgeschoben, bald wurde es als Schießscharte benützt, aus welcher die Kugeln und anderes Spielzeug herausgeschleudert wurden, oder es diente als Guckfenster, aus welchem das altkluge Gesicht des Orang äußerst possierlich hervorlugte.« Dumm ist der Affe sicherlich nicht, wenn er an einem hohlen Gegenstande zu horchen versucht, und einen Stiel als Hebel zu benutzen versteht -- im Gegenteil, man muß das für ein Zeichen außerordentlicher Intelligenz halten. Hören wir nun, wie sich derselbe Orang-Utan einem Spiegel gegenüber benahm: »Um zu sehen, was der Orang wohl machen würde, wenn man ihm sein Bild im Spiegel zeigte, ließ ich einen solchen in das Zimmer bringen und denselben, nachdem man ihn verdeckt getragen hatte, plötzlich in einiger Entfernung von dem Käfig aufstellen, so daß ihn das Tier nicht mit den Händen erreichen konnte. Das Glas war groß genug, um den Affen in ganzer Figur und außerdem einen Teil der Umgebung zu zeigen. Er saß auf seinem Baume und blickte ruhig den fremden Gegenstand an, der nun aufrecht an die Wand gelehnt wurde. Ruhig begann er herabzusteigen, um sich die Sache näher zu betrachten, und als er nun den Käfig sich spiegeln sah, ohne noch seine eigene Gestalt bemerken zu können, hielt er im Klettern inne, als dächte er darüber nach, wie seine gewohnte Umgebung sich so plötzlich habe verändern können. Aber die Neugierde überwog und er stieg auf den Boden herab. Ich fühlte mich fast versucht, anstatt des Ausdrucks ›Neugierde‹ das Wort ›Wißbegierde‹ zu setzen, besonders wenn ich das Benehmen des Orangs in diesem Falle mit dem anderer Affen unter ähnlichen Verhältnissen vergleiche. Da fand sich nicht diese Hast und Unruhe, die sich durch Hin- und Herfahren, durch Töne und Grimassen der verschiedensten Art bei Pavianen, Meerkatzen usw. auszudrücken pflegt, sondern ruhig und gemessen, mit ernstem, sinnendem Gesichtsausdrucke, den Spiegel fest im Auge behaltend, stieg der Orang auf die dem Glase gegenüber befindliche Stelle seines Käfigs zu.« »Aber -- welches Entsetzen -- dort blickte ihm ja eine fremde Gestalt entgegen, die ihm einen sehr unheimlichen Eindruck machen mußte, denn rasch drehte er um, sträubte das Haar, schob die Unterlippe etwas vor, wodurch sein Gesicht einen ungemein verdrossenen Ausdruck bekam und beeilte sich, an das entgegengesetzte Ende seines Behälters zu gelangen. Es gereichte ihm offenbar zu großer Beruhigung, daß ihm der vermeintliche Eindringling nicht folgte, und nachdem er überlegend eine Zeitlang nach dem Spiegel geblickt hatte, faßte er sich ein Herz und marschierte nochmals dorthin, um sich die Sache näher anzusehen. Noch einige Male hielt sein Mut nicht stand, und furchtsam trat er den Rückweg an, bald aber hatte er sich überzeugt, daß eine Gefahr nicht vorhanden sei, und er setzte sich nun vor den Spiegel hin, um sein Gegenüber zu betrachten. Daß dieses sich ebenfalls ruhig verhielt, machte ihn dreist, und bald wagte er, den vermeintlichen Feind, den er noch vor wenigen Minuten sehr gefürchtet hatte, herauszufordern. Dies geschah aber keineswegs in der tierischen Weise, wie bei anderen Affen, welche in diesem Falle rückende Bewegungen machen, schreien u. dgl., sondern er bediente sich eines weit menschlicheren Verfahrens, um jenem seine Nichtachtung auszudrücken, indem er nach ihm spuckte.« »Natürlich blieben die Geschosse wirkungslos, der andere schritt nicht zum Angriff, und es mußte ihm mit einem kräftigeren Mittel zu Leibe gerückt werden. Der harmlose hölzerne Hammer wurde zum Streithammer und flog alsbald wuchtig nach dem Gegner. Da aber der Orang dieses Schleudern nicht mit den Armgelenken, sondern mittels einer rotierenden Bewegung des Handgelenkes ausführte, wahrscheinlich, weil er dabei den Arm zwischen den Gitterstäben herausstrecken mußte, so verfehlte das Werkzeug jedesmal sein Ziel und fiel seitlich nieder. Einigemale gelang es dem Tiere, den Hammer senkrecht emporzuwerfen, was ihm offenbar große Freude machte, die man deutlich aus seinem, trotz der kritischen Situation, vergnüglich schmunzelnden Gesichtsausdrucke erkannte. Natürlich hatte er alsbald die Unzweckmäßigkeit seines Verfahrens begriffen und fand nun in einigen Brotresten, die von seinem, durch Aufstellen des Spiegels unterbrochenen Frühmahle noch übrig waren, ein leichter zu handhabendes Wurfgeschoß, welches dann auch sofort dem Gegenüber an den Kopf flog.« »Bewegte man während dieser Vorgänge den Spiegel langsam gegen den Käfig, so daß das Spiegelbild sich zu nähern schien, so verwandelte sich die Stimmung unseres Tieres sofort, und mit dem Ausdruck größter Besorgnis begab er sich schleunigst auf die Flucht, sowie aber der Spiegel wieder zur Ruhe gekommen war, beeilte sich der Affe, mit seinem Gegenüber aufs neue anzubinden. In dem Maße, als er sich überzeugte, daß ihm von jenem keine Gefahr drohe, trat seine Gutmütigkeit mehr und mehr hervor, und er versuchte nun, ihn zum Spielen zu veranlassen. Zu diesem Zwecke brachte er seine Kugel herbei, hob sie hoch empor, wie um sie zu zeigen, rollte sie dann umher und blickte immer dazwischen triumphierend nach dem Spiegel. Dann holte er ein Blatt Papier, streckte es, soweit er konnte, jenem entgegen und bewegte es hin und her, wie wir zu tun pflegen, um in ähnlichen Fällen die Aufmerksamkeit eines Kindes zu erregen. ~Daß er in dem Spiegelbilde sich selbst erkannt habe, war nicht nachweisbar, denn er machte keinerlei Bewegungen und Grimassen, die doch wohl nicht ausgeblieben sein würden, wenn ihm die Bedeutung jener Erscheinung klar geworden wäre. Es ist dies um so erstaunlicher, als er die anwesenden Personen im Spiegel sah und erkannte, denn er fixierte sie zeitweise im Bilde und blickte sich dann nach ihnen um, als wolle er sich versichern, daß sie auch in Wirklichkeit da seien.~« »Da ich fürchtete, daß er sich zu sehr in das Spiel mit dem vermeintlichen Kameraden vertiefen und diesen später schmerzlich vermissen würde, ließ ich den Spiegel wegnehmen. Hatte ihm dessen plötzliches Erscheinen zu denken gegeben, so war dies mit dem Verschwinden des Glases nicht minder der Fall. Überrascht betrachtete er die Stelle der Wand, an welcher ihm soeben eine neue Welt erschienen war, und näherte sich derselben so weit als tunlich, als wolle er sich ganz genau überzeugen, ob denn wirklich nichts mehr von alledem vorhanden sei. Er stieg auf den Baum, kletterte an den Wänden des Käfigs empor und suchte so von den verschiedensten Standpunkten die merkwürdige Stelle zu prüfen. Noch eine Zeitlang hielt er sich schwebend zwischen Sprungseil und Strickleiter, stets die Wand betrachtend, als ob er immer noch über die gemachte Wahrnehmung grübelte, bis er endlich sich in der Gegenwart wieder zurechtfand und sein gewöhnliches Treiben begann.« -- Diesen durchaus sachlichen Berichten eines Fachmanns wird der geneigte Leser doch unbedingt Glauben schenken. Auch ~Garner~, der Verfasser des bekannten Buches: »Die Sprache der Affen« kommt zu demselben Ergebnis. Er berichtet nämlich über seine Beobachtungen auf diesem Gebiete folgendes (in der deutschen Übersetzung von Professor ~Marshall~): »Ich habe schon verschiedentlich des Gebrauches, den ich bei meinen Experimenten von dem Spiegel zu machen pflegte, gedacht, aber ich habe noch nicht beschrieben, welchen Einfluß er auf verschiedene Affen ausübt. Zunächst ist dieser Einfluß auf ein und dasselbe Affenindividuum nicht zu jeder Zeit der gleiche, noch wirkt er auf alle Affenindividuen derselben Art genau auf die nämliche Weise, und daher ist es mir nicht möglich, aus meinen Versuchen ein Bild davon zu entwerfen, wie jede Spezies sich im allgemeinen vor dem Spiegel benimmt.« »Als Puck -- ein Kapuzineraffe, wie die meisten andern Affen, die Garner anführt -- sich im Spiegel erblickte, hielt er sein Bild unzweifelhaft für einen anderen Affen, mit dem er sich viel ungezwungener unterhielt als mit den aus dem Phonographen herausschallenden Tönen. Oft fing er an, das Bild zu hätscheln und ihm Beweise von Freundschaft zu geben, dabei war er aber doch recht schüchtern und zurückhaltend.« »Nellie schnatterte gegen ihr Konterfei im Spiegel und konnte es offenbar gar nicht satt bekommen, das schöne Äffchen, das sie da sah, zu betrachten, und ich glaube nicht, daß ihre Zuneigung in diesem Falle auf weibliche Eitelkeit zurückgeführt werden kann. Ich glaube auch nicht, daß sie jemals dahinter kam, wo dieser Affe eigentlich zu suchen sei, sie drehte aber den Spiegel den Tag über so oft um, daß man deutlich sah, sie gäbe die Hoffnung nicht auf, ihn endlich doch noch zu finden.« »Ich zerbrach einmal zufällig einen kleinen Spiegel neben dem Käfige eines Grünaffen. Das Glas war in viele kleine Stückchen zerschmettert. Im Nu hatte der Affe einen Arm durch das Gitter hindurchgezwängt, das größte Stück ergriffen und es sich angeeignet, bevor ich nur seine Absicht noch recht bemerkt hatte. Das Stück war etwa 2,5 +cm+ breit und 4 +cm+ lang. Er warf einen Blick auf sein Abbild in demselben, und sein Benehmen war dabei toller, als ich es bei irgend einer Gelegenheit von irgend einem Affen sonst gesehen habe. Er guckte in das Stückchen Spiegelglas, das er für ein Loch in einer Art Scheidewand zu halten schien, die ihn von einem anderen Affen trennte. Dann hielt er es in Armslänge von sich, legte es auf den Boden, drückte es an die Wand und drehte und wendete sich in alle möglichen Lagen und Richtungen, um den geheimnisvollen Affen an der andern Seite von einer ihm unbegreiflichen Sache betrachten zu können. Wenn er das Glasstückchen umdrehte, schien er noch verblüffter zu sein und sprang manchmal hoch in die Höhe und drehte sich um und um, als ob er dadurch des Rätsels Lösung zu finden hoffte. Dann wendete er sich die spiegelnde Seite wieder zu und schnitt wieder seine Gesichter wie vorher. Manchmal, wenn er das Glas an die Wand drückte, brachte er sein Auge so nahe daran, als ob er durch ein Loch in der Mauer gucken wollte. Ich gab mir eine Zeitlang vergebliche Mühe, ihm das Spiegelstückchen wieder abzunehmen, weil ich fürchtete, er könne sich daran verletzen, bis es mir endlich nach vielen Mühen und nicht ohne Hilfe des Wärters gelang.« »Mc Ginty versuchte stets das Original des Bildes hinter dem Spiegel zu finden. Er streckte seine kleine schwarze Hand so weit dahinter, wie er nur konnte, guckte über und unter dasselbe, klopfte an das Glas mit dem Finger, küßte und streichelte es und grinste hinein mit unendlichem Vergnügen. Oft drehte er es um, um die Rückseite zu betrachten, und wenn er da immer noch keinen Affen fand, riß er die Augen mit dem größten Erstaunen weit auf und stieß einen Ton aus, der mich stets an den eines kleineren Kindes erinnerte, das unter ähnlichen Umständen, z. B. wenn man vielleicht etwas im Scherz vor ihm versteckt hat, und es glaubt, es sei verloren gegangen, ausruft: ›fott, is fott!‹ Dann kehrte er den Spiegel wieder rasch um, als ob ihm auf einmal ein Gedanke gekommen sei, und wenn er nun das Bild wieder fand, lachte und schnatterte er, guckte und klopfte an das Glas, als ob er sagen wollte: ›Hei, da ist es, da ist es.‹ Aber niemals lernte er es, so wenig wie irgend ein anderer seiner Sippe, begreifen, wo nun eigentlich der Affe stecke, nach dem er hinter dem Spiegel vergeblich Ausschau hielt.« »Mickie schien über sein Spiegelbild nicht sonderlich erbaut zu sein. Er betrachtete es immer aufmerksam, aber zweifelnd, und äußerte dabei ein gedämpftes Knurren, runzelte die Stirn und machte ein saures Gesicht, als ob er den neuen Affen für einen Eindringling halte. Selten redete er das Bild mit leisen, murmelnden Tönen an, machte niemals den Versuch, es hinter dem Spiegel mit seiner Hand zu ergreifen und ließ sich überhaupt auf keine weiteren Untersuchungen ein. Mickie war freilich sehr verzogen und daher sehr selbstsüchtig, wie Kinder unter solchen Umständen auch zu werden pflegen.« »Der kleine Nemo betrachtete sein Ebenbild im Spiegel stets mit sehr forschender Miene und mit einem gewissen achtungsvollen Ausdruck, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken und ohne das geringste Zeichen von Aufregung, nur streichelte er das Bild im Glase und preßte im tiefsten Stillschweigen seine Lippen daran. Man hätte wirklich vermuten können, daß er das Bild für das eines teueren Entschlafenen hielt, das zärtliche Erinnerungen an vergangene Tage in ihm erweckte und sein Herz zu sehr erfüllte, als daß er Worte hätte finden können. Sein gesetztes Benehmen bei dieser Gelegenheit war wirklich sehr anständig.« »Dodo schien sich immer vor dem Bilde zu fürchten, sie warf kaum einen Blick darauf und zog sich dann zurück. Manchmal gab sie einen Laut von sich, preßte selten ihre Lippen an das Glas und suchte nie nach dem Affen dahinter. Das kam vielleicht daher, daß sie vor einigen ihrer Mitgefangenen Angst hatte und eine Zunahme der Gesellschaft ihr vielleicht nicht gerade wünschenswert zu sein schien.« »Nigger verriet großes Interesse für den Spiegel, wenn er mit ihm allein war; wenn aber die anderen Affen sich um ihn herumdrängten, um auch in das Glas zu sehen, zog er sich zurück, um möglichen Händeln aus dem Wege zu gehen.« »Onkel Remus, der weißwangige Kapuziner, schnitt immer eine Reihe von Gesichtern mit der Feierlichkeit eines wenig beschäftigten Friedensrichters, der um so mehr von seiner Würde und Bedeutung durchdrungen ist, weil er nichts zu tun hat. Er sah erst in den Spiegel und dann auf mich, als ob er fragen wollte: ›Wo, zum Teufel, haben Sie denn diesen Affen aufgetrieben?‹« »Das kleine im Zentralpark geborene Makakenkindchen versuchte das Spiegelbild in ein kleines Spielchen zu verflechten, beguckte es sich, gluckste, sprang lustig auf seine Stange und sah sich danach um, ob ihm sein Ebenbild dann nicht folge, kehrte darauf zum Glase zurück und versuchte das kleine Phantom wieder zu veranlassen, sich an seinen Spielen zu beteiligen. Dann sprang es auf seine Stange zurück, sah sich wieder um und konnte in aller Welt nicht begreifen, warum das kleine neue Äffchen nicht mitmache. Währenddem sah Papa Makak, ein alter gesetzter Herr, mißtrauisch und griesgrämig zu, zog auch einmal sein Kind vom Spiegel weg, als ob er wüßte, daß da irgend etwas Schlimmes dahinter stecke, und drückte seine Ansicht durch ein leises, ominöses Knurren aus. Er erinnerte mich dabei an manche Leute, wie ich sie wohl angetroffen habe, die ein sehr weises Gesicht machen und durch ihr Benehmen zu verraten suchen, daß sie allerlei wüßten und wohl vieles sagen könnten, wenn sie nur wollten.« »Ein anderer kleiner Makak schnitt die unglaublichsten Gesichter und verzog seine Lippen in der sonderbaren, früher schon beschriebenen Art, gab aber keinen Ton von sich. Er betrachtete sich die Sache schweigend und fahndete nie auf einen etwa hinter dem Glase versteckten Affen.« »Der Spinnenaffe war aber wirklich des Studiums großer Geister wert. Als er sein Spiegelbild erblickte, setzte er sich platt auf den Boden, kreuzte seine langen dürren Beine und nahm eine Stellung an, als gedenke er da mindestens 24 geschlagene Stunden sitzen zu bleiben. Er guckte in das Glas, ließ einen leisen Ton hören und streckte seinen langen Arm aus, ~um nach dem anderen Affen hinter dem Spiegel zu suchen~. Es war interessant zu beobachten, wie er seinen Arm mehr oder weniger ausstreckte in dem Maße, wie man den Spiegel weiter von ihm entfernte oder ihm mehr näherte. Für ihn ist das Bild ohne Zweifel ein wirkliches, greifbares Ding. Mehr als alle anderen Affen scheint sich der Spinnenaffe im Spiegel zu bewundern, und obwohl er der häßlichste aller Affen ist, kann er ton- und regungslos dasitzen und sein Bild anstarren.« Hieraus geht also unzweifelhaft folgendes hervor: Weder Affen wie Kinder und Wilde erkennen sich im Spiegel wieder, sondern halten die Erscheinung für einen Artgenossen -- spiegeln sich also nicht. Deshalb hat sich auch die Meise nicht gespiegelt. Nasengeschöpfe wie Dachshunde beachten einen Spiegel nur von weitem; in der Nähe wenden sie sich von ihm ab, weil er ihrer Nase nichts sagt. Der Künstler, der also einen sich spiegelnden Dachshund darstellt, begeht zwei Fehler. Einmal spiegelt sich kein Tier, sodann aber ganz besonders kein Nasentier. Aus demselben Grunde erklärt es sich auch, weshalb nur Sehgeschöpfe, aber kein Hund oder Pferd sich um Bilder kümmern. Nachtrag. Mit diesen übereinstimmenden Beobachtungen von Fachleuten steht allerdings die Ansicht des bekannten Zoologen Professor ~Marshall~ in Widerspruch. Er schreibt nämlich im Anhange zu dem Garnerschen Buche, das er übersetzt hat: »Affen mit dem Spiegel habe ich vor Jahren im zoologischen Garten hier in Leipzig beobachtet. Als ich einen jener kleinen, runden, billigen Taschenspiegel einer gemischten Affengesellschaft in den Käfig reichte, hat sich bald ein gewöhnlicher Makak in dessen Besitz gesetzt und machte nun mit ihm allerhand Experimente, allerdings dabei fortwährend von seinen Mitgefangenen gestört. Er legte ihn auf den Boden, stemmte seine beiden Arme daneben, sah von oben hinein und schlug mit den Beinen vor lauter Vergnügen hinten aus. Dann versuchte er ihn, natürlich vergeblich, immer wieder an die Wand zu befestigen. Am Unterlid des rechten Auges hatte er ein kleines Geschwür, eine Art Gerstenkorn, das er sich im Spiegel genau besah. Er hielt ihn dabei in beiden Händen und stierte hinein, hob ihn langsam höher und höher und bog in gleichem Maße seinen Kopf immer weiter rückwärts, bis er beinahe hinten überschlug. Dann nahm er ihn in die eine Hand und untersuchte, fortwährend in ihn hineinblickend, mit den Fingern der andern sein Gerstenkorn, stülpte das Lid um, schnitt Gesichter, es fehlte nur noch, daß er mit dem Kopfe geschüttelt hätte. Dieser Makak machte mir den Eindruck, als ob er ganz genau wisse, wie die Sache mit dem Spiegel zusammenhinge, und als ob er keinen Augenblick im Zweifel sei, in dem Bild im Glase sein Bild zu sehen. Der große Orang-Utan Anton, der im hiesigen zoologischen Garten war, nahm, als wir ihm einen ziemlich ansehnlichen Spiegel vorhielten, gar keine Notiz davon, wahrscheinlich war ihm das Ding schon bekannt geworden während seiner Seereise, denn es liegt ja für uns Menschen nahe, Affen in einen Spiegel blicken zu lassen, um zu sehen, wie sie sich dabei benehmen.« Hierzu möchte ich folgendes bemerken: Die Möglichkeit kann man nicht bestreiten, daß ein Tier ~mit der Zeit~ infolge besonderer Umstände, wie hier durch das Gerstenkorn, merkt, das Bild im Spiegel sei sein Ebenbild. Die auch von ~Marshall~ erwähnte Gleichgültigkeit eines Affen gegen den Spiegel trifft man bei vielen Artgenossen im Zoologischen Garten an, weil sie ~allmählich~ gemerkt haben, daß es sich um einen Trug handelt. Jedenfalls ist der von +Dr.+ Schmidt geschilderte Orang-Utan, trotzdem ebenfalls besondere Umstände vorlagen, die ihm den Gedanken nahe legten, er sähe sein Ebenbild, hierauf nicht verfallen. Zu dem gleichen Ergebnisse bin ich bisher gelangt, wenn ich ähnliche Versuche mit Affen angestellt habe. Der von ~Marshall~ beobachtete Makak muß also entweder ein ungewöhnlich kluges Tier gewesen sein, oder es ist nur ein Zufall gewesen, daß er das -- vielleicht juckende -- Geschwür betastet hat. Er hätte sich dann gewundert, daß er einen Artgenossen mit krankem Auge erblickte, wäre jedoch weit entfernt davon gewesen, in dem Spiegelbild sein Ebenbild zu erkennen. Tiere als Heuchler. Dichter und Gelehrte haben vielfach die Behauptung aufgestellt, daß das Tier sich dadurch vorteilhaft vom Menschen unterscheide, daß es der Verstellung unfähig sei. Selbst bei Tierpsychologen trifft man die Meinung an, der Tierarzt habe eine leichtere Aufgabe als der Menschenarzt, ~denn die Tiere verstellten sich nicht~. Diese Ansicht ist jedoch irrig, wie sich aus nachstehendem ergeben wird. Im Altertum huldigte man der entgegengesetzten Meinung und zwar vielfach mit Recht. So schildert uns schon ~Xenophon~ die Verstellungskünste der Wölfe, die sie anwenden, um trotz der Hirten und Hunde Beute zu machen, genau so wie der alte ~Geßner~. Was die Alten ferner von den Verstellungsmitteln Reinekes erzählen, ist gewiß stark übertrieben, aber ein gewisser Kern von Wahrheit steckt darin. So schreibt z. B. ~Oppian~: Fühlt der schlaue Fuchs ein Gelüste nach Vogelfleisch, so weiß er sich recht artig zu helfen: Er legt sich auf den Rücken, streckt alle Viere von sich, schließt Augen und Maul und stellt sich tot. Nun kommen die Vögel in Menge und beginnen an dem vermeintlichen Aase zu rupfen und zu zupfen. Kommt ihm aber ein Vogel ans Maul, schnapp, da hat ihn der Schalk zwischen den Zähnen, und läßt ihn sich ganz herrlich schmecken. Der Bericht ist deshalb nicht ganz unglaubwürdig, weil der bekannte Naturforscher ~v. Homeyer~ etwas Ähnliches erzählt. Er schreibt: »Daß unser Raubritter alte Vögel greift, ist unzweifelhaft; es erscheint mir jedoch auch wahrscheinlich, daß die alten Schilderungen der Art und Weise, wie er es anstellt, solche zu überlisten, teilweise richtig sind. Wenn der Fuchs, um sich zu sonnen, auf einer Waldblöße liegt, versammeln sich Krähen in immer wachsender Anzahl unter stetem Lärm und rücken dem Fuchse, welcher regungslos daliegt, allmählich näher, bis ein sicherer Sprung des Totgeglaubten einen der Schreier zum Opfer fordert. Mein Vater hörte einmal im Mai, ehe es noch junge Krähen gab, von fern anhaltendes Schreien der Krähen eines Waldes, und vermutete, daß dasselbe einem Raubvogel gelte. Schon in die Nähe gekommen, vernahm er einen furchtbaren Lärm, welcher sich auf ihn zu bewegte, und bald sprang ein Fuchs mit einer Krähe im Maule vorüber, gefolgt von einem ganzen Schwarm schreiender Genossen des Opfers. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß das plötzliche Aufschreien aller Krähen den Augenblick bezeichnete, an welchem der Fuchs eine derselben ergriff.« Daß übrigens Raubtiere sich verstellen, um ihre Opfer anzulocken, ist etwas ganz Bekanntes. Beispielsweise schreibt ~Scammon~ von einer so plumpen Robbe, wie dem Seelöwen, daß sie folgende List gebraucht, um sich eines Seevogels zu bemächtigen. Nach seinen Beobachtungen tauchen sie angesichts einer Möve tief in das Wasser, schwimmen auf ein gut Stück unter den Wellen fort, erscheinen vorsichtig an einer anderen Stelle wieder an der Oberfläche, strecken jedoch nur die Nasenspitze aus dem Wasser heraus und bringen nun, wahrscheinlich mit Hilfe ihrer Schnurrhaare, das Wasser hier in eine drehende Bewegung, in der Absicht, die Aufmerksamkeit der fliegenden Möve auf sich zu lenken. Diese glaubt, irgend ein Wassertier zu sehen, stürzt sich herunter, um dasselbe zu fangen, und ist einen Augenblick später von dem Seelöwen gepackt und unter das Wasser gezogen, bald darauf auch zerrissen und verschlungen. Ja selbst unser als biederer und gerader Charakter bekannter Bär soll nach ~Krementz~ den Brunftschrei des Elches nachahmen, um diesen zu berücken. Aber wie soll man sich darüber wundern, wenn selbst ein so anscheinend stumpfsinniger Fisch wie der Wels seine Bartfäden benutzt, um Fische heranzulocken. Jeder Hundebesitzer wird übrigens ohne weiteres bestätigen, daß Tiere sich vortrefflich verstellen können. Mit derartigen Geschichten von schauspielernden Hunden ließen sich ganze Bände füllen. (vgl. S. 12). Jeder Hundekenner weiß, daß Hunde, die Appetit auf Braten und dergleichen haben, jedoch nur trockenes Brot erhalten, es anscheinend gierig erfassen, aber in der Stille nach einem entlegenen Orte verschleppen. Eine andere Art der Schauspielerei habe ich unzähligemal gesehen. In einer befreundeten Familie, die einen sehr lebhaften Hund besaß, war der Hausherr ein überaus gutmütiger Herr, ein sogenannter Gemütsathlet, wie man zu sagen pflegt. Die natürliche Folge war die, daß die Herrin um so energischer auftreten mußte, damit seine Gutmütigkeit nicht allzusehr ausgenutzt wurde. Auch dem Hund gegenüber vertrat sie mit Recht den Standpunkt, daß er als wohlerzogenes Tier bis nach Schluß des Essens auf sein Deputat warten sollte. Ich bin nun sehr häufig am Sonntag Mittagsgast dort gewesen und habe regelmäßig folgendes erlebt: So lange die Herrin des Hauses anwesend war, lag mein Köter mäuschenstill an dem ihm bestimmten Orte und wagte nicht, sich bemerkbar zu machen. Mußte jedoch die Hausfrau aus irgend einem Grunde das Zimmer verlassen, beispielsweise um nach der Küche zu gehen und nachzusehen, ob alles ihren Anordnungen entsprechend geschah, flugs war mein Hund am Tische und bettelte in der unverschämtesten Weise bei seinem Herrn und zwar gewöhnlich mit Erfolg. Kaum hörte er jedoch die nahenden Schritte der zurückkehrenden Herrin, so legte er sich flink auf die alte Stelle hin und tat heuchlerisch so, als wenn gar nichts vorgefallen wäre. Ähnliches berichtet Rektor ~Gräßner~ von seiner deutschen Dogge Tom: »Am ergötzlichsten war sein Benehmen, wenn sich ihm Gelegenheit darbot, meinen Töchtern einen Gegenstand, mit welchem sie sich gerade beschäftigten, etwa ein Paar zusammengefaltete Strümpfe, einen großen Wollenknäuel usw. heimlich, wie er sich einbildete, wegzustibitzen und in seinen großen Rachen verschwinden zu lassen. Suchten dieselben dann den geraubten Gegenstand absichtlich mit auffallender Emsigkeit, so hatte er seinen Zweck erreicht, er nahm unter besonders gemessener Haltung eine möglichst einfältige Miene an, um zu zeigen, daß er keine Ahnung von dem Grunde der stattfindenden Aufregung habe, und gab das Vermißte unter schlauem Blinzeln nicht früher heraus, als bis man sich direkt an ihn mit der Frage gewandt hatte: ›Tom, weißt du denn nicht, wo .... hingekommen ist?‹ War ich zufällig bei diesem Spiele zugegen, so kam er, ehe jene Frage an ihn gestellt und er sich mit einem Blicke auf die Mädchen überzeugt, daß er nicht beobachtet wurde, unaufgefordert zu mir, sperrte sein Maul so weit auf, daß ich den gesuchten Gegenstand erblicken mußte, warf mir einen verständnisinnigen schelmischen Seitenblick zu, um dann im Umdrehen das vorher gezeigte dumme Gesicht wieder anzunehmen und auf seinen Platz zurückzukehren.« Aber nicht nur Raubtiere besitzen die Kunst des Verstellens. So erzählt ~J. Franklin~ von einem Schweine folgendes: Auf einem Schiff lebten ein Hund und ein Schwein in guter Freundschaft, gingen und sonnten sich miteinander, fraßen aus einer Schüssel, nur um das Hundehaus stritten sie, welches manchmal das Schwein zum Verdruß des Hundes in Beschlag nahm. An einem stürmischen Abend wollte es dieses wieder tun, aber der Hund lag schon darin. Da nahm das Schwein eine Zinnschüssel in das Maul und tat in einiger Entfernung, als ob es daraus fräße, worauf der Hund herbeilief, das Schwein aber eiligst in dessen Stall. Auch die fliehenden Pflanzenfresser retten sich nicht nur durch die Schnelligkeit ihrer Füße, sondern wenden mancherlei Listen an. Schon ~Älian~ schreibt: Der Hase begibt sich nie in sein Lager, ohne vorher seine Spur zu verwirren, und dadurch den nachfolgenden Jäger zu täuschen. So betrügt das listige Tier die Klugheit des Menschen. Die Bemerkung ist durchaus zutreffend. Der Hase geht, wenn er ins Lager will, erst über dessen Stelle hinaus, dann eine Strecke seiner eigenen Spur zurück, macht mehrere Kreuz- und Quersprünge, wovon ihn der letzte zum Lager bringt. Übrigens macht Freund Lampe solche Wiederläufe nicht nur, wenn er sich nach seinem Lager begibt, sondern auch, wenn er sich auf der Flucht befindet. Hunde, die seiner Spur folgen, haben natürlich die allergrößte Mühe, aus diesem Wirrsal sich zurechtzufinden. Ähnliche Heuchelei können wir bei gezähmten Affen und anderen intelligenten Geschöpfen wahrnehmen. So schmeicheln Papageien und Affen oft denen, die sie beißen wollen. ~Rengger~ berichtet von seinem Kapuzineraffen, daß er, wenn er von jemand beleidigt war, sich ganz freundlich gegen ihn stellte. Er wollte ihn dadurch sicher machen, nahm aber, sobald sein Zweck erreicht war, furchtbar Rache. Ähnliches, was ~Homeyer~ vom Fuchse erzählt, wird vom Affen berichtet. Ein zahmer Affe in Indien, dessen Futter die Krähen oft plünderten, stellte sich einst tot, fing aber die erste Krähe, die er erwischen konnte, rupfte sie und warf sie dann in die Luft, wo sie von ihren Genossen totgehackt wurde, die dann des Affen Futter weiter nicht mehr angingen. Im ~Brökmannschen~ Affentheater, wo ich dem Ankleiden der Affen zusah, war es spaßhaft zu sehen, wenn einer der vierhändigen Künstler den ihm vorgehaltenen Ärmel anscheinend nicht sah, sondern mit der ernstesten Miene von der Welt mit dem ausgestreckten Arme daneben fuhr. Er »markierte den Dusseligen«, wie der Berliner sagen würde. Das gleiche wird vom Elefanten berichtet. Eine bekannte Heuchelei bei Tieren ist das Sichtotstellen, um das gefährdete Leben zu retten. Nicht nur Insekten machen hiervon Gebrauch, sondern auch Raubtiere wie das Opossum und unser Wiesel. Von dem letztgenannten berichtet Freiherr ~v. Droste-Hülshoff~ im »Zoologischen Garten« folgenden Fall: »Auf einem Spaziergange Ende Mai 1872 wurde meine Aufmerksamkeit durch auffallende, augenscheinlich von einem Tiere herrührende Töne in meiner Nähe erregt. Ich begab mich an die Stelle, wo ich die Töne vernommen hatte, und bemerkte ein altes und zwei junge Wiesel, welche letztere bereits mindestens die Größe eines alten erreicht hatten. Bei meinem Erscheinen entfernte sich das alte Wiesel schleunigst, die beiden jungen drückten sich an den Boden und machten es mir dadurch möglich, das eine derselben durch einen raschen Griff im Genick zu erfassen; das andere entfloh darauf eiligst. Auf das klägliche Zetergeschrei des von mir in der Hand gehaltenen erschien nun augenblicklich das alte und rannte unausgesetzt und mit unglaublicher Schnelligkeit in einer Entfernung von 1 bis 2 Fuß um mich herum; den wiederholten Streichen meines mit der linken Hand geführten Regenschirmes wich das Wiesel geschickt aus und erreichte ich damit nur, daß ich meinen Regenschirm zerschlug. Nachdem dieses nun etwa 5 Minuten gedauert hatte, setzte ich meinen Weg fort unter Begleitung des alten Wiesels, welches mich aber, nachdem ich 30-40 Schritte zurückgelegt hatte, verließ. Sofort änderte das junge seine Taktik. Nachdem es nämlich unter fortwährendem Geschrei versucht hatte, sich zu befreien, hörte dieses nunmehr gänzlich auf; es hing ganz schlaff in meiner Hand, schloß die Augen, sperrte schließlich auch noch das Maul ganz weit auf und war augenscheinlich tot. Da ich das Wiesel lebend behalten wollte, so war mir diese Entdeckung nicht angenehm und um so auffallender, als ich dasselbe, um es nicht zu ersticken, nur mit zwei Fingern an den starken Halswirbeln gefaßt hatte. Es war und blieb aber tot und alle Bemühungen, ein Lebenszeichen von demselben zu erhalten, blieben fruchtlos. Ich trug es daher noch eine Strecke und warf es dann mitten in einen kleinen Teich, an dem mein Weg vorüberführte. Kaum hatte es die Wasserfläche berührt, als es auch schon zu meiner nicht geringen Überraschung zu schwimmen begann und ganz munter an das Ufer schwamm, um im Grase und Gestrüpp zu verschwinden.« »Das Wiesel hatte mich augenscheinlich absichtlich getäuscht und lieferte dadurch wieder einen Beweis für die Behauptung, daß die Tiere doch mitunter eine bedeutende Überlegung an den Tag legen, die mir übrigens mit dem Begriff von Instinkt wohl vereinbar zu sein scheint.« Auch der frei lebende Affe liebt die Verstellung. Von den Pavianen z. B. wird berichtet, daß, wenn sie von Hunden verfolgt werden, die starken Männchen absichtlich bei der Flucht zurückbleiben. Stürzt sich nun ein einzelner Hund auf einen solchen Recken, so ist er verloren, denn der Pavian packt und zerfleischt ihn. Erfahrene Hunde bleiben daher stets zu mehreren, denn dieser Übermacht ist der Affe nicht gewachsen. Selbst manche Raubtiere bekunden, um ihre Nachkommenschaft nicht zu verraten, eine Scheinheiligkeit, die Staunen erwecken muß; sie rauben in der Nähe ihres Lagers nicht. So heißt es bei ~Brehm~: »In der Nähe seiner Traden (d. h. dicht mit Holz bestandener Stellen in Morästen)«, schreibt mir ~Kade~, »raubt der Wolf nie, weshalb Rehe und junge Wölfe harmlos in einem und demselben Treiben aufwachsen. Bei den meisten Wolfsjagden habe ich in demselben Treiben junge Wölfe und junge Rehe erlegt und erlegen sehen. Diesen niedlichen Tieren kann aber die Nähe der Wölfe unmöglich unbekannt bleiben, da letztere schon Ende Juli zu heulen beginnen.« Wer denkt da nicht an den Grundsatz mancher Leute: Das eigene Haus muß man rein halten! Verbrecher haben gewöhnlich das Prinzip, niemals in dem Hause, in dem sie wohnen, etwas Ungehöriges zu begehen. Auch die wilden Gänse stellen sich tot, wenn sie sich in der Mauser befinden und deshalb schlecht fliegen können, und täuschen dadurch häufig den Jäger. Überhaupt muß man wohl die Palme unter den Verstellungskünstlern den Vögeln zuerkennen. Namentlich die Vögelmütter, die Junge haben, verstehen es ausgezeichnet, etwaige Feinde abzulenken. Das soll im folgenden Kapitel ausführlich geschildert werden. Selbst die so plumpe Eule ist Verstellungen nicht abgeneigt, wie ~Brehm~ betont. Sie blinzelt nur, um den Menschen zu täuschen. Denn sie möchte ihren Platz aus Furcht vor dem Gezeter kleiner Vögel nicht gleich aufgeben. Andere gebrauchen die List, daß sie ihre Gestalt derartig verschieben, daß sie einem alten, mit Moos und Flechten übersponnenen Astknorren auf das genaueste gleichen. Zum Schlusse sei noch der allerliebsten Verstellungsgeschichte einer Krähe gedacht, die ein Herr ~Keil~ kürzlich beobachtete. Er erzählt den Vorgang folgendermaßen: »Da hatte ich einmal einige vertrocknete Semmelecken, die sich als liegengelassenes Frühstück im Schreibtisch vorfanden, in den Garten geworfen. Es mochten vielleicht fünf Stücke sein, die verstreut im letzteren auf dem Schnee umherlagen. Sehr bald kam eine Krähe vorbeigestrichen, sah die Semmeln liegen und machte sich darüber her. Sie hackte energisch auf das harte Zeug ein, wobei ich aber beobachten konnte, daß sie nicht einen Augenblick ihre Umgebung außer acht ließ. Sobald sich nun in der Ferne eine andere Krähe zeigte, unterbrach die erste sofort ihr Frühstück, lief ein Stück weg auf den Mauerrand und äugte stillvergnügt in die Welt hinein, als ob überhaupt nicht los sei. Ich wäre beinahe geneigt zu behaupten, daß sie dazu eine möglichst harmlose Grimasse geschnitten habe. Sobald dann die andere Krähe vorbeigestrichen war, kehrte die erste sofort wieder zu ihrer Mahlzeit zurück. Dieses Spiel wiederholte sich noch öfter, bis von den Semmeln nichts mehr da war. Ich kann sagen, ich habe über den drolligen Vorgang herzlich gelacht.« Verstellungskünste bei Vogeleltern. Uralter, in der Natur der Dinge liegender Erfahrungssatz ist es, daß gerade die Frauen die krummen Wege lieben. Eine Penelope ist nicht nur wegen ihrer rührenden Gatten- und Mutterliebe das Ideal einer Frau, sondern sie zeigt sich auch als echtes Weib darin, daß sie die bösen Freier viele Jahre hindurch an der Nase herumführt. Auch bei den Tieren verstehen viele Weibchen, insbesondere die Vögelmütter, das Verstellen vortrefflich. Schon den alten Römern sind diese Verstellungskünste aufgefallen. So schreibt z. B. ~Plinius~ vom Rebhuhn folgendes: »Nähert sich jemand dem Neste des Rebhuhnes, so läuft ihm das Weibchen vor die Füße, stellt sich krank und lahm, läuft oder fliegt etwas weiter, fällt nieder, als hätte es einen Flügel oder ein Bein gebrochen, läuft wieder weiter, der Mensch hinterher; aber er hofft vergeblich, denn das Rebhuhn verstellt sich nur, und hat die Absicht, ihn vom Nest wegzulocken.« Hiermit steht ganz im Einklange, was ~Naumann~ darüber schreibt: »Rührend ist es, die unbegrenzte Sorgfalt der Eltern um ihre lieben Kleinen zu beobachten. Ängstlich spähend, von welcher Seite Unglück drohe, oder ob es abzuwenden sei, läuft der Vater hin und her, während ein kurzer Warnungslaut der Mutter die Jungen um sich versammelt, ihnen befiehlt, sich in ein Versteck zu begeben, schnell einem jeden ein solches im Getreide, Grase, Gebüsche, hinter Furchen, in Fahrgeleisen und dergleichen anweist, und, sobald sie alle geborgen glaubt, mit dem Vater alles aufbietet, um den Angriff zu vereiteln oder abzuwenden. Mutig stellen sich beide Eltern nun dem Feinde entgegen, greifen ihn im Gefühl ihrer Schwäche jedoch nicht an, sondern suchen seine Aufmerksamkeit von den Jungen abzuziehen, bis sie glauben, ihn weit genug entfernt zu haben. Dann fliegt zuerst die Mutter zu den Jungen, welche ihr angewiesenes Versteck indessen um keinen Fuß breit verlassen haben, zurück und versucht, diese eiligst ein Stück weiter fortzuschaffen. Sieht endlich der Vater alle seine Lieben in Sicherheit, so enttäuscht er auch seine Verfolger und fliegt davon. Sobald nun ringsumher alles wieder ruhig und die feindliche Störung verschwunden ist, läßt er seinen Ruf hören, welchen die Mutter sogleich beantwortet, worauf er sofort zu seiner Familie eilt.« Der ausgezeichnete Zoologe ~Lenz~ bestätigt ebenfalls, daß es die List mancher Vögel ist, sich beim Neste oder bei kleinen Jungen lahm zu stellen, um den Feind von der Brut weg und irre zu führen. Dieser Zug schlauer Berechnung täuscht Tiere jedesmal, auch den Menschen immer, solange er noch nicht durch längere Erfahrung oder durch Belehrung zur Einsicht gekommen ist. Von einem Müllerchen erzählt er folgende Geschichte: »Ein recht auffallendes Beispiel solcher Verstellungskunst hat mir der Ober-Medizinalrat ~Buddeus~ zu Gotha mitgeteilt: Er bemerkte auf einem pyramidenförmig zugeschnittenen, dichten Baum seines Gartens ein Müllerchen und begann, es aufmerksam zu betrachten. Da schien das Tierchen plötzlich krank zu werden, begann zu schwanken und fiel dann wie tot vom Baum gerade ins Gras herab. Der Ober-Medizinalrat sprang zu, es zu ergreifen; es raffte sich aber scheinbar mühsam auf und flüchtete langsam flatternd vor ihm her ins Gebüsch. Von der Verfolgung zurückgekehrt, untersuchte er den Baum genauer und fand da drei kleine, kaum ausgeflogene junge Müllerchen ruhig auf einem Ästchen sitzend. Die Mutter hatte nur die Rolle des Sterbens gespielt, um den vermeintlichen Feind abzulocken. Am folgenden Tage suchte der Ober-Medizinalrat die Müllerchen wieder auf: das Tierchen stürzte wieder genau wie am vorigen Tage zu Boden und flatterte dann vor ihm her. An den nächstfolgenden Tagen berief er einzelne Freunde, das Wunder mit anzusehen, und es wiederholte sich regelmäßig, bis die Jungen etwas selbständiger waren. Dieselbe Kunst trieb das nette Tierchen auch noch in den zwei folgenden Jahren, wo es wieder in dem Garten nistete.« Noch merkwürdiger ist vielleicht das Benehmen einer Sumpfohreule, worüber ~Tancré~ in den »Ornithologischen Briefen von ~E. F. v. Homeyer~« berichtet. Hier wird folgendes geschildert: »Über ein interessantes Benehmen dieser Art beim Nest, das ich mit keinem andern Namen als ›Überlegung‹ bezeichnen kann, will ich Ihnen eine Mitteilung machen. Ich fand nämlich im vorigen Sommer auf einem mit Weiden- und Erlengebüsch bestandenen und mit hohem Rohr und Gras bewachsenen Terrain der Peenewiesen ein Nest dieser Eule, geleitet durch das Männchen -- vermutlich --, welches mich mit dem bekannten, dem Hundegekläffe ähnlichen Angstruf umflog. Das Nest, von dem das Weibchen abflog, stand versteckt unter einem Weidenbusche und enthielt fünf bis zum Ausschlüpfen bebrütete Eier. Da mir die Dunenjungen hiervon in der Sammlung fehlten, so beschloß ich, diese später zu holen, und machte mir ein Zeichen, indem ich ein Stück weißes Papier auf der Spitze des nächsten Busches befestigte.« »Als ich nach acht Tagen die Eulen abholen wollte, war das Papier fort. Vielleicht war es vom Winde allmählich losgelöst, möglicherweise aber auch durch die Alten entfernt. Ich mußte mich also aufs neue auf die Suche nach dem Neste begeben. Da kommt eine der Eulen, wahrscheinlich wieder das Männchen, angeflogen und fährt etwa zwanzig Schritte neben mir zur Erde in einen Busch. Deutlich höre ich jetzt das Piepen der Jungen, welches sie ausstoßen, wenn sie geätzt werden. Ich gehe dorthin, die Eule fliegt auf der anderen Seite des Busches heraus, aber das Nest kann ich nicht entdecken. Kaum habe ich mich in anderer Richtung entfernt, als die Eule abermals in den Busch fliegt und ich wiederum die Jungen höre. Nochmals durchsuche ich den Strauch in der Meinung, daß vielleicht die Brut aus dem Neste entfernt und jetzt hier untergebracht sein möchte. Dies währt einige Minuten, während deren das Männchen umherfliegt. Da machte es dasselbe Manöver zum dritten male, aber auf der ~entgegengesetzten~ Seite von mir. Jetzt erst wird mir klar, daß ich getäuscht bin, eile möglichst leise nach dem Busch hin und sehe die Eule hinter ihm im Grase sitzen und selbst dies dem der Jungen so gleiche Gepiepe ausstoßen.« »Nach genauer Orientierung und Suche fand ich dann das Nest wieder, wovon die Alte wiederum abflog und worin sich jetzt fünf sehr ungleich große Junge befanden.« »Warum machte der Vogel es nicht, wie das erstemal und umflog mich nur mit Geschrei? Er hatte doch das Verständnis, daß er jetzt, nachdem im Neste die Veränderung vor sich gegangen, auch ein anderes, dementsprechendes Mittel anwenden müsse, um mich irre zu leiten, und ahmte deshalb den Jungen nach.« In seinem bekannten Buche: »Bingo und andere Tiergeschichten« berichtet ~Thompson~ von den Leiden und Freuden einer Fasanenmutter, die ihre kleinen Jungen vor den zahlreichen Feinden schützen will. Es heißt dort: »Drüben auf der Wiese erschien ein großer Fuchs; er kam ihren Pfad entlang, und sicherlich würde er sie in wenigen Augenblicken mit seiner feinen Nase wittern. Da gab es keine Zeit zu verlieren.« »Krr! Krr! (Versteckt euch! Versteckt euch!) rief die Mutter leise, aber in bestimmtem Tone, und die armen Dinger, kaum größer als Eicheln und nur einen Tag alt, zerstreuten sich, um sich zu verbergen. Das eine verschwand unter einem Blatt, ein anderes zwischen zwei Wurzeln, ein drittes kroch unter ein Stück abgefallene Birkenrinde, ein viertes in ein Erdloch usw., bis alle geborgen waren. Nur eins konnte keinen Schlupfwinkel finden, es legte sich flach auf ein breites, gelbes Blatt, machte die Augen fest zu und glaubte nun sicher, von niemand gesehen zu werden. Die Kleinen stellten ihr furchtsames Piepsen ein, und alles war still.« »Mutter Fasan flog dem gefürchteten Räuber gerade entgegen, ließ sich dann ein paar Schritte seitwärts von ihm nieder, begann mit den Flügeln zu schlagen, als ob sie lahm, ganz flügellahm wäre und jammerte wie ein von der Mutter verlassenes Kind. Bat sie um Gnade -- Gnade von einem blutdürstigen, grausamen Fuchs? O nein! so töricht war sie nicht! Oft hört man von der Arglist des Fuchses, er ist jedoch ein richtiger Gimpel gegen eine kluge Fasanenmutter. Hocherfreut bei der Aussicht auf einen leckeren Braten gerade vor seiner Nase, drehte sich der Fuchs plötzlich um und erwischte -- doch nein, ganz erwischte er den armen Vogel nicht, er entschlüpfte seinen gierigen Zähnen um Fußeslänge. Mit einem Satze war er hinterdrein und würde ihn diesmal sicherlich gefangen haben, wenn nicht gerade eine tückische Schlingpflanze dazwischen geraten wäre. Die Fasanenmutter hinkte davon, kroch unter einen Baumstamm, und Reineke sprang darüber, während seine sichere Beute, die jetzt etwas weniger lahm zu sein schien, einen ungeschickten Sprung vorwärts machte und einen Abhang hinunterrollte. Der Fuchs, immer hinterdrein, packte sie beinahe beim Schwanz, aber sonderbar genug, so schnell er auch lief und sprang, sie schien doch noch schneller zu sein. So etwas war dem alten Straßenräuber noch nicht begegnet. Ein flügellahmer Fasan und er, Reineke, der Schnellfüßige, konnte sie in einem Rennen von fünf Minuten nicht einholen. Es war eine Schande! Der Fuchs verdoppelte seine Anstrengungen, jedoch der Fasan schien in demselben Maße an Kraft zuzunehmen, und nach einem Wettlauf von einer Viertelmeile war der Vogel auf unerklärliche Weise wieder ganz gesund, er erhob sich mit einem beinahe verächtlich klingenden Schwirren und flog durch die Wälder davon, den Verfolger vollkommen sprachlos hinter sich zurücklassend, mit der niederdrückenden Erkenntnis, daß man ihn zum Narren gehabt.« »Mittlerweile schwebte die Fasanenmutter in einem weiten Bogen nach der Stelle zurück, wo die Kleinen im Unterholz versteckt waren.« -- Selbst der als besonders dumm verschrieene Strauß benimmt sich gar nicht töricht, wenn es gilt, die junge Brut zu retten, wie folgender Bericht ~Andersons~ über ein Zusammentreffen mit einer Straußenfamilie, auf die Jagd gemacht wurde, beweist: »Sobald die älteren Vögel unsere Absicht bemerkten, begannen sie eine eilige Flucht, das Weibchen voran, hinter ihm die Jungen und zuletzt das Männchen, welches in einiger Entfernung von den übrigen die Flucht schloß. Es lag etwas wahrhaft Rührendes in der Sorge, welche die Eltern für ihre Jungen an den Tag legten. Als sie sahen, daß wir ihnen immer näher kamen, ließ das Männchen plötzlich in seinem Laufe nach und änderte seine Richtung; da wir aber doch von unserem Vorhaben nicht abstanden, beschleunigte es wieder seinen Lauf, ließ die Flügel hängen, so daß sie fast den Boden berührten, und sprang um uns herum, erst in weiteren und dann in engeren Kreisen, bis es uns auf Pistolenschußweite nahe kam. Jetzt warf es sich plötzlich auf den Boden, ahmte die Bewegung eines schwer verwundeten Vogels nach und stellte sich, als müsse es mit aller Kraft arbeiten, um wieder auf die Beine zu kommen. Ich hatte bereits nach ihm geschossen und glaubte wirklich, daß es verwundet sei, eilte deshalb zu ihm hin, mußte aber bald erfahren, daß sein Betragen nur eine Kriegslist von ihm war; denn sobald ich ihm näher kam, stand es langsam auf und rannte in entgegengesetzter Richtung dem Weibchen zu, welches mit den Jungen schon einen bedeutenden Vorsprung erlangt hatte.« Der Strauß denkt also gar nicht daran, bei Gefahr seinen Kopf im Gebüsch zu verbergen, wie gewöhnlich seit alter Zeit angenommen wird. Mit dieser Fabel werden wir uns sogleich näher beschäftigen. Das Ergebnis der beiden Kapitel ist also folgendes: Zahlreichen Tieren ist die Heuchelei etwas ganz Geläufiges, Vogeleltern sind sogar häufig geborene Verstellungskünstler. Straußenpolitik. In politischen Reden kommt es nicht selten vor, daß der gegnerischen Partei vorgeworfen wird, sie treibe »Straußenpolitik«. Was darunter zu verstehen ist, weiß man allgemein. Seit alter Zeit herrscht nämlich der Glaube, daß der vom Jäger verfolgte Strauß in seiner Todesangst seinen Kopf in ein Gebüsch stecke und nun glaube, der Jäger sehe ihn nicht, weil er ihn auch nicht sehe. Man wirft also mit dem Ausdruck »Straußenpolitik« dem Gegner eine unglaublich törichte Handlung vor, indem er unangenehmen Situationen dadurch ausweiche, daß er sich verstecke oder sie einfach ignoriere, und nun glaube, sie existierten nicht mehr. Es ist nun gewiß von allgemeinem Interesse zu erfahren, ob der Strauß denn in der Tat bei seiner Verfolgung sich so unglaublich dumm benimmt, oder ob hier, wie es so häufig geschieht, einem Tiere von dem Menschen Übles nachgeredet wird, das auf Unwahrheit beruht. Man denke z. B. an die Raben, die vortreffliche Eltern sind. Das hindert aber den Menschen nicht, besonders grausame Eltern als »Rabeneltern« zu bezeichnen (vgl. Tierfabeln S. 84). Der leider so früh verstorbene Gouverneur von Wißmann hat in Afrika persönlich Strauße gejagt und nichts von der »Straußenpolitik« entdecken können. Da mich die Sache außerordentlich interessierte, so bat ich Herrn von Wißmann um nähere Auskunft über diesen Punkt. Mit größter Liebenswürdigkeit hat er mir eine ganze Reihe von Anfragen beantwortet und speziell bestätigt, daß die angebliche Versteckmethode des verfolgten Straußes weiter nichts als eine Fabel sei. Wie erklärt sich nun die Entstehung einer solchen Fabel? Der erste, der die Erzählung von der merkwürdigen Methode des Straußes aufbrachte, ist wohl Diodorus Siculus gewesen, der zur Zeit des Cäsar und Augustus lebte. Wir lesen nämlich bei ihm folgendes: In Arabien gibt es Strauße (+struthocameloi+, wörtlich Straußkamele) die wie ihr Name andeutet, ein Mittelding von Strauß und Kamel sind. Das Tier geht auf zwei Beinen, die Füße sind zweizehig. Seiner Schwere wegen kann es nicht fliegen, dagegen läuft es schnell auf der Erde hin und berührt sie nur mit den Spitzen der Füße. Wird es von Reitern gejagt, so schleudert es mit seinen Füßen mit solcher Gewalt Steine gegen seine Verfolger, daß sie öfters schwer getroffen werden. Wird es von seinen Feinden eingeholt, so verbirgt es seinen Kopf in einem Busch oder sonstwo. Plinius hat diesen Bericht übernommen und noch mit einigen Zusätzen versehen. Was das Schleudern von Steinen gegen die Verfolger betrifft, so liegt hier unzweifelhaft ein Mißverständnis vor, wenn es als ein absichtliches Werfen aufgefaßt wird. Es kann natürlich leicht vorkommen, daß der flüchtende Vogel Sandballen oder Steine hinter sich schleudert und dann aus Zufall, nicht aus Absicht trifft. Übrigens besteht noch heute unter den Gemsenjägern dieselbe Verschiedenheit der Ansichten über den gleichen Punkt. Wird nämlich ein Jäger von einem Steine oder Felsstücke getroffen, das durch eine flüchtende Gemse in Bewegung gesetzt wird, so schwören die einen darauf, daß die Gemse absichtlich das Wurfgeschoß geschleudert habe, während andere in dem Getroffenwerden nur einen Zufall erblicken. Wenn also heute noch manche Menschen glauben, das verfolgte Tier schleudere gegen die Jäger Steine, so kann man sich absolut nicht wundern, daß im Altertum derselbe Glaube vom Strauße herrschte. Die Versteckmethode hat man dem Strauß wohl deshalb angedichtet, weil bereits in der Bibel dieser Vogel als ein besonders dummes Geschöpf gilt. So heißt es bei Hiob, daß ihm Gott keinen Verstand mitgeteilt habe. Während andere die Vorsicht und Scheu des Riesenvogels rühmen, erklärt Brehm, daß er der Bibel beipflichten müsse. Meiner Ansicht nach, berichtet er, gehört der Strauß zu den dümmsten, geistlosesten Vögeln, welche es gibt. Daß er sehr scheu ist, unterliegt keinem Zweifel: er flieht jede ihm ungewohnte Erscheinung mit eiligen Schritten, würdigt aber schwerlich die Gefahr nach ihrem eigentlichen Werte, weil er sich auch durch ihm unschädliche Tiere aus der Fassung bringen läßt. Daß er unter den klugen Zebraherden lebt und sich deren Vorsicht zunutze zu machen scheint, spricht keineswegs für seinen Verstand; denn die Zebras schließen sich ihm an, nicht er ihnen, und ziehen aus dem schon durch seine Höhe zum Wächteramte berufenen Vogel, welcher davonstürmt, sobald er etwas Ungewohntes sieht, bestmöglichen Vorteil. Das Betragen gefangener Strauße läßt auf einen beschränkten Geist schließen. Sie gewöhnen sich allerdings an den Pfleger und noch mehr an eine gewisse Örtlichkeit, lassen sich aber zu nichts abrichten und folgen augenblicklichen Eingebungen ihres schwachen Gehirns blindlings nach. Empfangene Züchtigungen schrecken sie zwar für den Augenblick, bessern sie aber nicht: sie tun dasselbe, wegen dessen sie bestraft wurden, wenige Minuten später zum zweiten Male; sie fürchten die Peitsche, solange sie dieselbe fühlen. Andere Tiere lassen sie gewöhnlich gleichgültig; während der Paarungszeit aber, oder wenn sie sonst in Erregung geraten, versuchen sie, an denselben ihr Mütchen zu kühlen und mißhandeln sie ohne Grund und Ursache, oft auf das abscheulichste. Ein männlicher zahmer Strauß, welchen wir besaßen, verwundete ein Weibchen, ehe er sich an dasselbe gewöhnt hatte, mit den scharfen Nägeln seiner Zehen gefährlich. Er schlug dabei immer nach vorn aus und zwar mit solcher Kraft und Sicherheit, daß er jedesmal die Brust der bedrängten Straußin entsetzlich zerfleischte. Uns fürchtete er ebensowenig wie die Tiere, und wenn er sich gerade in Aufregung befand, durften wir uns ohne die Nilpferdpeitsche in der Hand nicht auf den ihn beherbergenden Hof wagen. Niemals haben wir bemerkt, daß er zwischen uns oder Fremden unterschieden hätte; doch will ich damit nicht behaupten, daß er nicht nach und nach sich an eine bestimmte Persönlichkeit gewöhnen könne. Gern stimme ich mit Heuglin überein, wenn er sagt, daß sein ganzes Wesen das Gepräge von Hast und Eile trage, obschon er zuweilen auch längere Zeit wie träumend und gedankenlos ins Weite starre; entschieden aber muß ich meinem verstorbenen Freunde widersprechen, wenn er das Wesen auch als friedlich bezeichnet. Hält Brehm demnach die Dummheit des Straußes nach seinen persönlichen Beobachtungen erwiesen, so sind unzweifelhaft noch eine Reihe von Umständen hinzugekommen, die den Riesenvogel für törichter erscheinen lassen, als er in Wirklichkeit ist. Dem gemeinen Mann muß doch ein Tier gewiß nicht als Ausbund der Weisheit erscheinen, das Flügel hat, aber trotzdem nicht fliegen kann. Hat doch deshalb Eucherius den Strauß mit einem Ketzer verglichen, der gewissermaßen die Flügel der Weisheit besitzt, aber von ihnen keinen Gebrauch macht. Sodann liegen in der Nähe des Straußennestes häufig zertretene Eier, was sich nach Brehm folgendermaßen erklärt. Ein Hahn und mehrere Hennen pflegen gemeinsam ein Nest zu benutzen und zwar brütet das Männchen in der Hauptsache. Sitzt dieses nun bereits auf den Eiern und werden noch solche von einer Henne gelegt, so bleiben sie in der Nähe des Nestes liegen. In dieser Handlungsweise erblickte man im Altertum eine große Torheit. So heißt es bei Hiob vom Strauß: Der seine Eier auf der Erde lässet und läßt sie die heiße Erde ausbrüten. Er vergisset, daß sie möchten zertreten werden, und ein wild Tier sie zerbreche. Arabische Naturforscher behaupten sogar, daß der Strauß, wenn er ausgehe, um sich Nahrung zu suchen, und die Eier eines anderen Straußes finde, sich auf diese setze, sie ausbrüte, und darüber seine eigenen vergesse, weshalb der Strauß bei den Arabern Symbol der Dummheit sei, und sie das Sprichwort »dümmer als ein Strauß« hätten. Schließlich mußte der Umstand sehr gegen die geistige Begabung des Straußes sprechen, daß er in der Gefangenschaft alles ihm Erreichbare hinabwürgt. Er scheint, sagt Brehm, einen unwiderstehlichen Hang zu besitzen, nach allem, was nicht niet- und nagelfest ist, zu hacken und es womöglich aufzunehmen und in den Magen zu befördern. Ein ihm vorgeworfener Ziegelbrocken, eine bunte Scherbe, ein Stein oder ein anderer ungenießbarer Gegenstand erregt seine Aufmerksamkeit und wird ebensogut verschlungen, als ob es ein Stück Brot wäre. Daß Strauße zu Selbstmördern werden können, indem sie ungelöschten Kalk fressen, steht mit meinen Beobachtungen im Einklange. Wenn wir in Chartum etwas verloren hatten, was für eine Straußenkehle nicht zu umfangreich und für den kräftigen Magen nicht zu schwach war, suchten wir regelmäßig zuerst im Straußenkote nach dem vermißten Gegenstande und sehr oft mit Glück. Mein ziemlich umfangreicher Schlüsselbund hat den angegebenen Weg, wenn ich nicht irre, mehr als einmal gemacht. Berchon fand bei Zergliederung eines Straußes in dem Magen Gegenstände im Gewichte von 4,228 Kilogramm vor: Sand, Werg und Lumpen im Gewichte von 3,5 Kilogramm und drei Eisenstücke, neun englische Kupfermünzen, eine kupferne Türangel, zwei eiserne Schlüssel, siebzehn kupferne, zwanzig eiserne Nägel, Bleikugeln, Knöpfe, Schellen, Kiesel usw. Es liegt auf der Hand, daß man ein Geschöpf nicht als klug ansehen kann, das so wahllos alles hinunterschluckt. Hierbei hat man ganz übersehen, daß alle Hühner zu ihrer Verdauung harte Körper brauchen, und daß die Handlungsweise des Straußes wohl seltsam ist, aber eigentlich nicht so töricht, wie es zunächst den Anschein hat. Die Jagd auf Strauße ist wegen der großen Schnelligkeit der Tiere nicht leicht. v. Wißmann schildert, wie er es nur besonderen Umständen zu verdanken hatte, einen von den verfolgten Straußen einzuholen. Auch Brehm bestätigt, daß das Wort der Bibel: Zu der Zeit, wann er hoch fähret, erhöhet er sich und verlachet beide, Roß und Mann, vollständig der Wahrheit entspricht. Hat der Strauß, der im Gegensatz zu den meisten Hühnervögeln ein vortrefflicher Vater ist, Junge bei sich, so weiß er trotzdem Rat, wie wir aus dem vorhergehenden Kapitel wissen. Der bekannte Afrikareisende Schillings erzählt in seinem Werke: »Mit Blitzlicht und Büchse« einen ähnlichen Fall. Er schreibt nämlich: »Eine ganz besonders interessante Beobachtung zu machen, war mir im Jahre 1900 vergönnt. Ich folgte viele Stunden lang der Fährte einiger Löwen und geriet dabei plötzlich auf ein Straußennest, mit teils schon ausgekrochenen jungen Straußen, teils im Ausfallen begriffenen Eiern. Zu meinem Erstaunen hatten die Löwen anscheinend die jungen Strauße verschmäht. Nach genauester Inspektion der Fährten aber wurde ich eines besseren belehrt. Die alten Strauße hatten in der klaren Mondnacht offenbar die großen Katzen rechtzeitig wahrgenommen und sie, wie es untrüglich aus den Fährten hervorging, durch geschickt bewerkstelligte Flucht von dem bedrohten Neste hinweggelockt. Etwa hundert Schritte vor dem Neste waren die Löwen, plötzlich in weiten Sprüngen den Straußen folgend, flüchtig geworden, um, nach kurzer Zeit das Vergebliche der Verfolgung einsehend, in ihren gewöhnlichen Schritt zu verfallen. So war es den Straußen gelungen, ihre bedrohte Brut zu retten! Es war mir von höchstem Interesse, diese Beobachtung machen zu können, die mir einen Beweis lieferte, wie geschickt sich diese großen Erdbrüter vor ihren gefährlichsten Feinden zu schützen wissen.« Schillings bestätigt also die gewiß nicht dumme Methode des Straußes, wenn Gefahr für die Jungen droht, die auch in diesem Falle wiederum Erfolg gehabt hat. Da ein Löwe außerstande ist, ein Pferd einzuholen, der Strauß aber noch schneller als ein Pferd ist, so konnten die Löwen selbstverständlich nur auf den Gedanken kommen, die Strauße zu verfolgen, wenn diese sich krank oder verwundet stellten. Nur dann hatte ihre Verfolgung Aussicht auf Erfolg. Fassen wir das Ergebnis zusammen, so erklärt sich die Fabel von der »Straußenpolitik« dadurch, daß der Strauß in der Tat nicht sehr klug ist und infolge einer Reihe von seltsamen Handlungen noch dümmer erscheint, als er in Wirklichkeit ist. Bei Verfolgungen handelt er nicht unkluger als anderes Wild, und zur Rettung seiner Jungen wendet er eine, auch bei andern Hühnervögeln übliche, staunenswerte List an. Wittern die Geier Tierleichen? Der Glaube, daß die Geier ihre Nahrung, die fast ausschließlich in Tierleichen besteht, durch den Geruchssinn wahrnehmen, ist sehr alt. Bereits ~Plutarch~ schreibt: »Die Geier fliegen dem Geruche des Aases nach.« ~Plinius~ fügt noch etwas hinzu: nach ihm fliegen sie schon drei Tage zuvor an Plätze, wo es Leichen geben wird. Ebenso berichtet ~Älian~: »Der Geier frißt das Fleisch toter Menschen und Tiere, hält auch bei dem Wache, der dem Tode nahe ist. Er folgt den Heereszügen und weiß mit prophetischem Geiste, daß es im Kriege Tote gibt.« Wie dieser Glaube entstanden ist, liegt klar auf der Hand. Zunächst wissen wir, daß zahlreiche Tiere ein äußerst feines Geruchsvermögen besitzen, wie z. B. Hund, Fuchs, Igel usw. Warum sollte zu diesen Geschöpfen nicht auch der Geier gehören? Das müßte man um so eher annehmen, als alle Anzeichen dafür sprechen. Hier liegt ein totes Rind, und obwohl nirgends ein Vogel im blauen Äther zu entdecken ist, haben sich nach kurzer Zeit eine stattliche Anzahl von Geiern um den Kadaver versammelt. Da nun der letztgenannte Gerüche ausströmen läßt, die selbst unsern stumpfen Nasen schon aus weiter Entfernung höchst lästig fallen, so scheint es ganz klar zu sein, daß witternde Geschöpfe diese Leichen bereits in unglaublicher Entfernung wahrnehmen. Weil dieser ganze Gedankengang einen höchst überzeugenden Eindruck macht, so hat man an der Wahrheit der Annahme im allgemeinen kaum gezweifelt. Auch heute ist die überwiegende Mehrzahl von ihrer Richtigkeit durchdrungen. Und doch ist sie grundfalsch, wie sich aus dem nachstehenden ergeben wird. Schon vor 50 Jahren schrieb der ausgezeichnete Zoologe ~Lenz~: »Genaue, in unserer Zeit angestellte Versuche haben gezeigt, daß die Geier nicht dem Sinne des Geruchs, sondern dem des Gesichts folgen, wenn sie Beute suchen.« Aus welchem Grunde man überhaupt das feine Geruchsvermögen des Geiers bezweifelt hat, geht aus dieser Bemerkung nicht hervor. Ich bin der Überzeugung, daß Zweifel bis heute schwerlich aufgetaucht wären, wenn der Geier nicht zu den Vögeln gehörte. Für zahlreiche Jäger und Tierfreunde ist es nun längst eine ausgemachte Wahrheit, daß bei den Vögeln das Vermögen zu wittern nur in der Phantasie der bisherigen Beobachter existiert. Ich habe in meinem Buche: »Ist das Tier unvernünftig?« ausführlich die Gründe dargelegt, weshalb eine feine Nase bei Vögeln ausgeschlossen ist. Dort führe ich auch an, daß bereits ~Brehm~ bestreitet, daß die Geier ihre Nahrung wittern. Er hält vielmehr ihr Auge für ihren wichtigsten und vorzüglichsten Sinn. Zu demselben Resultate, daß sich die Geier lediglich durch das Gesicht orientieren, kommt neuerdings A. E. ~Bayer~ in »Hundesport und Jagd« auf Grund der sorgfältigen Beobachtungen, die von Fachleuten angestellt wurden. »Was ist die Ursache der Geierversammlungen?« fragt ~Georg Byam~, der diese Vögel in Mittelamerika jahrelang sehr genau kennen gelernt hat. »Liegt diese Ursache im Gesicht oder im Geruch? Viele achtbare Urteile haben sich allerdings für den Geruch entschieden, aber ich möchte dieser Meinung nicht ganz beistimmen und bin vielmehr der festen Überzeugung, daß das Urteil zugunsten des Gesichts gefällt werden muß. Ich will einige Beweise beifügen. Ein eben getötetes oder vor Erschöpfung gefallenes Tier kann unmöglich einen Geruch um sich verbreiten, und dennoch versammeln sich in wenigen Minuten häufig unzählige Geier an einer Stelle, wo vorher kein einziger zu sehen gewesen ist, und sie kommen nicht bloß aus der Richtung, nach welcher der Wind weht, sondern aus allen übrigen Gegenden. Ohne Zweifel verhält sich die Sache folgenderweise: Die Geier steigen gewöhnlich so hoch in die Luft empor, daß wir sie nicht mehr sehen können, aber ihr scharfes Auge erspäht sogleich das gefallene Tier, und derjenige von ihnen, der es zuerst erblickt, beginnt augenblicklich einen geraden, schnellen Flug nach der Stelle, wo es liegt. Sobald aber ein Geier schnell und in gerader Richtung sich fortzubewegen beginnt, folgen ihm alle anderen, die mit ihm in der Höhe schweben, und geben zugleich, indem sie der Beute näher kommen, durch ihre kreisförmigen Bewegungen in der Luft ein zweites Zeichen für diejenigen Geier, welche das erste nicht bemerkt haben. Ich glaube, es ist ~Waterton~, der erzählt, daß er einst ein totes Tier sorgfältig unter Bäumen und Büschen verborgen hatte, daß aber trotzdem durch dessen Geruch die Geier aus ungeheurer Entfernung herbeigelockt worden wären. Ich habe dasselbe versucht, aber vielleicht war es Herrn ~Waterton~ unbekannt, daß die Geier die Hunde und Raubtiere beobachten und ihnen folgen. Während meines Aufenthaltes in Chile ertrank einst bei einem heftigen Regenguß ein Esel in einem Bach, über den man am nächsten Tage hätte hinwegschreiten können, ohne sich die Knöchel zu benetzen. Er wurde unter einen großen Baum gezogen und blieb dort zwei volle Tage liegen, ohne von den Geiern überfallen zu werden. Endlich entdeckten ihn einige Dorfhunde, und kaum waren sie eine halbe Stunde mit ihm beschäftigt, so hatte sich auch schon ein großer Schwarm von Greifgeiern versammelt, welche die Hunde vertrieben und den Esel in kurzer Zeit verzehrten. Dieser Fall spricht ganz und mehr wie jeder andere zugunsten des Gesichtes. Der hoch in den Wolken schwebende Vogel hatte mit seinem scharfen Auge die Hunde erspäht; er hatte augenblicklich seinen geraden Flug begonnen und war, begleitet von denjenigen seinesgleichen, die ihn beobachtet hatten, in kurzer Zeit zu der Stelle gelangt, wo die erwünschte Beute lag, die der Geruchssinn zwei Tage unbeachtet gelassen hatte. Ich halte das Gesicht für die eigentliche Ursache der Geierversammlungen, denn ich habe während eines sechsjährigen Aufenthaltes in Ländern, wo der Geier in Menge vorkommt, die Gewohnheiten dieser Tiere aufmerksam beobachtet und diese Meinung vollkommen bestätigt gefunden. Die ungeheure Höhe, zu welcher sie sich emporschwingen, gewährt ihnen einen weiten Überblick, während ihr scharfes Auge sie in den Stand setzt, ein totes Tier in unglaublicher Entfernung zu erspähen, und ihr Instinkt sie lehrt, die Bewegungen der Hunde und anderer fleischfressender Tiere, sowie den Flug ihres eigenen Geschlechts zu beobachten.« Zu demselben Resultat kommt Sir ~Samuel Baker~ durch die reichen Erfahrungen, die er in den Nilländern gemacht hat. Er schreibt: »Man hat häufig die Frage aufgeworfen, ob der Geier durch den Geruchssinn oder durch die Schärfe des Auges zu seiner Beute geführt werde. Ich habe seinen Gewohnheiten viele Aufmerksamkeit geschenkt, und wenn es auch keine Frage sein kann, daß sein Geruch ein scharfer ist, so bin ich doch überzeugt, daß alle Raubvögel ihre Nahrung vermöge ihrer großen Sehkraft finden. Würde ein Geier blind, so müßte er verhungern, verstopfte man ihm aber nur die Nasenlöcher mit einem Stoff, der seinen Geruchssinn störte, so würde dies seine gewöhnliche Jagdart nicht wesentlich beeinträchtigen.« »Wenn man die Gewohnheiten dieser Vögel beobachtet, so gibt es kein interessanteres Experiment, als ein totes Tier unter einem dichten Busch zu verstecken. Ich habe dies häufig getan, und immer bemerkt, daß die Geier es nicht finden, wenn sie nicht Zeugen seines Todes gewesen sind. War dies letztere der Fall, so fliegen sie bereits nach unten, während man den Körper versteckt, und werden ihn, wenn sie näher kommen, durch den Geruch entdecken. Tötet man ein Tier aber im dichten Grase, das acht bis zehn Fuß hoch ist, so finden die Geier es selten. Ich habe häufig die Erfahrung gemacht, daß die Körper großer Tiere, zum Beispiel Elefanten oder Büffel, tagelang im Schatten dichter Nabbukgebüsche lagen, ohne daß ein einziger Geier erschien. Wären sie sichtbar gewesen, so würden diese Vögel sie zu Tausenden besucht haben.« »Die Geier und Marabustörche fliegen in ungeheuren Höhen. Ich glaube, daß jede Art ihre bestimmte Ferne hat, und daß die Luft regelmäßige Schichten von Raubvögeln enthält, die, in ihrer ungeheuren Höhe dem menschlichen Auge unsichtbar, beständig auf ihren ausgebreiteten Flügeln ruhen und in Kreisen umherschwebend die Welt unten mit Fernrohrkraft beobachten. Von ihren ungeheuren Höhen beherrschen die Raubvögel ein außerordentlich weites Gesichtsfeld, und obgleich sie von der Erde aus unsichtbar sind, so kann doch kein Zweifel bestehen, daß sie bei ihrem beständigen Kreisen einander sehen. Bemerkt also ein Vogel unten auf der Erde einen Gegenstand, so wird sein plötzliches Hinabschießen von jedem folgenden Geier bemerkt und nachgeahmt. Sieht ein Geier, welcher der Erde am nächsten ist, einen Körper, oder gewahrt auch nur, daß die Mäusefalken sich an einem bestimmten Punkt sammeln, so weiß er sogleich, daß es eine Beute gibt. Er schießt der Stelle zu und gibt dadurch den andern ein telegraphisches Signal, welches jedem Geier von einer Luftstation zur andern schleunigst mitgeteilt wird.« »Wird ein Tier abgestreift, so lockt die nun rote Oberfläche des Körpers die Geier augenblicklich an. Dies beweist, daß ihr Gesicht und nicht ihr Geruch sie zu einem Gegenstand führt, der auf Blut schließen läßt. Ich habe sie häufig beobachtet, wenn ich ein Tier geschossen hatte und meine Leute den Prozeß des Häutens begannen. Hatte ich mich auf den Rücken gelegt und blickte in die blaue Luft, in der nicht ein Wölkchen schwamm, so war zuerst nicht ein Vogel zu sehen; aber kaum war die Haut halb abgezogen, so erschienen am Himmel Punkte und nahmen rasch an Größe zu. Von den benachbarten Büschen hat es mehrmals gekrächzt, die Mäusefalken sind dicht an meine Beute herangeflogen und haben einen Klumpen geronnenes Blut vom Boden weggeschnappt. Die Punkte haben sich zu beflügelten Geschöpfen vergrößert, die in der großen Höhe wie Fliegen aussehen, und jetzt höre ich hinter mir ein Rauschen, wie von einem Wirbelwind, und es stößt ein rotköpfiger Geier herunter, der mit eingelegten Flügeln vom Himmel hastig auf das blutige Mahl herabgefallen ist und dem viele seiner Brüder schnell folgen. Die Luft ist jetzt von schwarzen Punkten bis zu den fernsten blauen Tiefen lebendig geworden und von allen Strichen der Windrose eilen Flügel herbei. Zuletzt bildet sich ein Kranz von Geiern, die in weitem Kreise über uns schweben, denn sie zaudern, sich herunterzulassen, drehen sich aber beständig um den Gegenstand ihrer Begierde. Plötzlich erscheint der große Geier mit kahlem Halse. Das Tier ist abgehäutet worden und die Leute haben das beste Fleisch an sich genommen. Nun ziehen wir uns hundert Schritte vom Schauplatz zurück. Ein allgemeines Flattern und Herabfliegen findet statt, und Hunderte von hungrigen Schnäbeln zerren an dem Abgang. Der große Geier mit nacktem Halse fordert von dem Haufen Respekt, aber eine neue Form ist in der blauen Luft erschienen und kommt rasch herunter. Zwei lange, häßliche Beine, die unter den ungeheuren Flügeln herabhängen, berühren jetzt den Boden, und ›Abu Sin‹ -- (›Vater des Schnabels‹, der arabische Name für den Marabu) ist angekommen, und stelzt hochmütig durch den Haufen, bahnt sich mit dem langen Schnabel einen Weg durch die kämpfenden Geier und nimmt den Löwenanteil des Mahls. Abu Sin, der letzte, aber nicht der kleinste, ist von den höchsten Regionen herbeigekommen, alle andern hatten vor ihm einen Vorsprung.« Nach diesen sorgfältigen und einwandfreien Untersuchungen kann es nicht dem mindesten Zweifel unterliegen, daß die Geier und die Raubvögel überhaupt sich lediglich nach dem Gesichte richten. Denn sie kreisen, was nur bei einem Sehgeschöpf, nicht aber bei einem Nasentier einen Zweck hat, und kommen zu dem Aas in den verschiedensten Windrichtungen. Sodann fallen sie auf die Tierleichen, die noch nicht riechen, umgekehrt finden sie stinkendes Aas nicht, wenn es verborgen liegt. Hiermit vergleiche man, daß zum Beispiel der feinnasige Fuchs in unzähligen Fällen verscharrte Leichen ausgegraben hat. Weil Vögel nicht wittern können, so erklärt sich daraus, daß man selbst den klügsten, zum Beispiel Kanarienvögeln, fremde, ja Elfenbeineier unterlegen kann. Nun verstehen wir auch, weshalb ein Falke, den Liebe besaß, Siegellack für rohes Fleisch hielt. Ähnliches berichtet Baker vom Mäusefalken. Er schreibt nämlich: »Dieser Vogel, dessen außerordentliche Kühnheit jedermann kennt, ist allgegenwärtig, und verläßt sich im allgemeinen auf sein Gesicht. Er stößt auf ein Stück rotes Tuch, das er für Fleisch hält, und beweist dadurch, daß er sich auf sein Gesicht mehr verläßt, als auf seinen Geruch.« Würde wohl jemals ein Hund Siegellack oder ein rotes Tuch für rohes Fleisch halten? Zum Schlusse möchte ich noch andeuten, wie sich die eingangs erwähnten Fabeleien der Alten, daß die Geier bereits einige Tage vorher den Tod eines Geschöpfes merken, ungezwungen erklären lassen. v. Wißmann erzählt folgendes Erlebnis von seinen afrikanischen Jagden: »Als ich bei meiner ersten Durchquerung Afrikas, von Westen kommend, den Tanganika-See überschritten hatte, sah ich das erste Zebra in der Wildnis und erlegte es auch nach langem mühsamen Anpirschen. Diese Jagd ist mir wegen des Gebarens zweier Adler fest in der Erinnerung haften geblieben; langsam kroch ich auf Knien und Händen heran, was bei dem kurz abgebrannten Gras, von dem noch verkohlte, dicke, harte Stoppeln am Boden standen, sehr beschwerlich war, und hatte meine ganze Aufmerksamkeit auf die Zebras vor mir gerichtet, als ich plötzlich dicht über mir ein Rauschen hörte. Ein Schatten fuhr über mich dahin, und ich fühlte den Luftzug von den Flügelschlägen eines großen Adlers, der dicht über mir dahinschoß, und dem gleich darauf ein zweiter folgte. Die Räuber der Luft kreisten dann über mir und sausten dann über mich dahin, so daß mir der Gedanke kam, ob ich nicht lieber das Gewehr gegen die mächtigen Raubvögel wenden sollte. Offenbar hielten sie mich für ein krankes Wesen, das mühselig über den Boden kroch und für ihre Fänge eine willkommene Beute sei.« »Erst als ich auf das Zebra schoß, das unterm Feuer zusammenbrach, überschlugen sich die beiden Adler vor Schreck und strichen dann eiligst davon.« Hier sieht man wiederum ganz deutlich, wie sich die Raubvögel ganz allein nach dem Gesicht richten, denn daß ein gesunder Mensch keinen Kadavergeruch ausströmen kann, liegt auf der Hand. Aus solchen Vorfällen, wenn sich wirklich schwerkranken Menschen Geier und Adler näherten, haben aber sicherlich die Alten den Schluß gezogen, daß diese Tiere den herannahenden Tod im voraus merken. Die Schnepfe als angeblicher Mediziner. Vor einiger Zeit ging durch die Presse folgende Nachricht: Wie eine Jägerzeitung berichtete, hätte eine am Ständer (Beine) verwundete Schnepfe sich um die Wunde einen regelrechten Verband aus Federn angelegt. Hierzu wurden allerlei liebenswürdige Bemerkungen gemacht. Die nächste Schnepfe würde wahrscheinlich ein englisches Heftpflaster oder einen antiseptischen Verband anlegen usw. In Wirklichkeit kann die Sache nicht so ohne weiteres als Jägerlatein angesehen werden. Allerdings ist der Streit fast hundert Jahre alt, ob die Schnepfe ihre Wunden zufällig oder absichtlich mit Federn beklebt. Ich will mich hier auf zwei Fachleute berufen, die beide in einer wissenschaftlichen Zeitschrift (im Zoologischen Garten) ihre Ansicht vertreten haben. Dr. ~Quistorp~ schreibt nämlich folgendes: »Letzthin wurden von den Herren Gebrüder ~Müller~ Zweifel geäußert an der Richtigkeit der Behauptung, daß Waldschnepfen sich zerschossene Ständer mit Federn kunstgerecht verbinden. Ich bedaure, daß ich nicht im Besitze solcher Ständer von Schnepfen, welche ich selbst erlegt habe, bin, da ich dieselben im 60er Jahrzehnt an den damaligen Redakteur der Wiener Jagdzeitung, Herrn Albert ~Imgo~, sandte; sonst würde ich die Herren ~Müller~ sicherlich von der Richtigkeit obiger Ansicht überzeugt haben.« »Das eine Paar Ständer stammte von einer Schnepfe, nach welcher ich am zweiten Ostertage des Jahres 1863 gegen Abend schoß, und die mit zerschossenem einem Ständer wegflog, und zwar in einer Richtung, welche ich im Nachhausegehen einhalten mußte. Ich suchte deshalb der kranken Schnepfe nicht nach, um vor Sonnenuntergang noch den fehlenden Teil des Reviers abzusuchen. Kurz vor Sonnenuntergang schoß ich wiederum nach einer Schnepfe, die mit zwei zerschossenen Ständern wegflog, und zwar in eine Heide hinein. Dieser suchte ich nach, konnte dieselbe jedoch nicht finden, und wandte mich nun auf dem Heimwege der zuerst krankgeschossenen Schnepfe zu, die ich dann auch bald wiederfand und totschoß. Obgleich kaum eineinhalb Stunden vergangen, nachdem ich zuerst nach derselben geschossen, fand ich bei ihr den zerschossenen Ständer schon ganz kunstgerecht mit langen, ausgerupften Federn umwickelt, so daß der Ständer sich wie in einem Kleisterverbande befand. Die zweite Schnepfe, welcher ich beide Ständer zerschossen, fand ich zwei Tage darauf in der Heide; an ihren Ständern waren nur kleine Bauchfedern lose, aber in Menge, angeklebt. Auch Herr ~v. Homeyer-Wrangelsberg~ sandte mir den Ständer einer Waldschnepfe mit vielen, lose angeklebten kleinen Federn.« »Ich habe daraus geschlossen, daß Schnepfen sich allerdings einen regelrechten Verband anlegen können mit langen Federn, daß dazu aber nur einer der Ständer zerschossen sein darf, damit sie mit Hilfe des Schwanzes und Schnabels den Verband anlegen können. Ich habe in meinem Leben viele solcher Schnepfen geschossen.« Die Ansicht der bekannten Naturforscher Gebrüder Adolf und Karl ~Müller~ ist dagegen folgende: »Es ist die Behauptung aufgestellt worden, daß Schnepfen, welche an den ›Ständern‹ verletzt worden seien, sich die Wunden mit ihren eigenen Federn mittels des Schnabels verbunden hätten. Zu diesem Schluß kam man durch geschossene Exemplare, bei welchen um verwundete Stellen der Füße Federn ihres Leibes wie eine ziemlich regelrecht angelegte Binde geschlungen waren.« »Es ist uns durch einen befreundeten Oberförster, der ein tüchtiger Weidmann ist, ein derartiger Schnepfenständer zur Untersuchung übergeben und zum Geschenk gemacht worden. Es ist wahr, daß die um die Zehengelenke eng und fest angelegten Federn einem künstlichen Verbande gleichen. Die nähere Untersuchung -- und sie mußte leider auf Kosten der Vollständigkeit dieses dichten Verbandes geschehen -- zeigte jedoch, daß die Federn auf der schweißenden Wunde festklebten, und durch die Verbreitung des Schweißes rings um das Gelenk und die einzelnen Zehenwurzeln ebenfalls Halt erhielten. Ob hier der bekanntlich außerordentlich feinfühlige Schnabel, dessen Oberkiefer sich wie eine Greifzange zu biegen vermag, -- welche Eigenschaft wir beim Wurmen des Vogels und auch bei eben verendenden Exemplaren beobachteten -- tätig gewesen sein könnte, wollen wir nicht gerade in unbedingte Abrede stellen; wir halten es aber nicht für wahrscheinlich. Die Entstehung des Verbandes ist vielmehr nach unserer Überzeugung eine sehr natürliche. Der verletzte Vogel hebt den kranken Fuß und zieht ihn am Leibe unter die Bauchfedern ein oder legt sich ausruhend nieder, wobei der Fuß unter die Federn kommt. Diese kleben fest, der Schweiß gerinnt, und beim Aufstehen oder Zurückziehen des Fußes vom Leibe gehen die anklebenden Federn los und legen sich allmählich rund um die Umgebung der Wunde, welche, wie gesagt, den Schweiß verbreitet. Bei den leicht vorkommenden Anstößen schweißt die Wunde nach, und neue Bauchfedern gesellen sich zu den alten, und zwar in verschiedener Lage, so daß eine Art Geflecht entsteht. Zur Bildung eines solchen natürlichen Verbandes ist gar keine Schnabelhilfe nötig, es formt sich alles gemäß der zufälligen Umstände, welche durch die Situation und die Tätigkeit des Vogels beim Fortbewegen usw. bedingt sind. Eine Baumlerche (+Alauda arborea+) hat uns dies in der Gefangenschaft zur Genüge klar gemacht. Bei solchen kleineren Vögeln kommt es sogar vor, daß bei heftiger Blutung der Fuß dermaßen festklebt, daß wegen der größeren Anzahl der in Mitleidenschaft gezogenen Federn die Kraft des Vogels nicht ausreicht, den Fuß wieder zu strecken.« »Wenn wir auch da, wo die exakte Beobachtung den Beweis liefert, immer gerne das Seelenvermögen des Tieres gebührend hervorzuheben bemüht sind, zu einem geschickten Chirurgen wollen wir doch die Schnepfe nicht avancieren lassen; das hieße wahrlich, ein Verdienst oder Talent anerkennen, wo keines vorhanden ist.« Dieselbe Ansicht, wie die Gebrüder ~Müller~, hat auch kürzlich ein Herr ~Schlabitz~ verteidigt, indem er behauptet, auch an den Ständern, Tritten, Fängen usw. lege sich ein Verband sozusagen von selbst an, da die verwundeten Tiere das schmerzhafte Glied an den Körper ziehen, somit Federn auf die verwundete Stelle kommen, dort ankleben und beim Strecken des betreffenden Gliedes leicht ausgerissen werden. Ein ähnliches Beispiel hat Herr ~Schlabitz~ an einem Uhu beobachtet. Er erzählt: Ich schoß einen solchen leicht an, nur am oberen Schnabel ganz vorne, wo die scharfe Krümmung nach unten geht. Da ich keine andere Verwundung vorfand, beschloß ich, ihn lebend zu behalten. Ich gab ihm Elstern und Krähen zum Kröpfen, doch wollte er dieselben nicht annehmen, wogegen er Sperlinge und Mäuse gerne verschluckte. An dem Schnabel sah ich Federn angeklebt, und konnte feststellen, daß sich ein fester Verband angelegt hatte. Ich versuchte, sie mit einem Federmesser zu entfernen, aber die Wunde fing sofort an zu schweißen, so daß ich einen weiteren Versuch unterließ. Dann fiel der Verband nach ganz kurzer Zeit von selbst ab. Von dieser Zeit beobachtete ich auch, daß der Uhu ebenso gern wieder Elstern, Krähen und sonstige Raubvögel kröpfte. Sichtotstellen als Rettungsmittel. In den Erzählungen unserer Lesebücher wird häufig das Sichtotstellen als vorzügliches Rettungsmittel gegen Raubtiere empfohlen. Schon in der bekannten Fabel von den beiden Freunden, die das Fell des Bären früher verkauften, als sie ihn erlegt hatten, wird dieses Verfahren als zweckentsprechend erwähnt. Ich möchte im folgenden die Gründe auseinandersetzen, weshalb ich zu diesem Mittel kein Zutrauen haben kann. In meinem Buche: »Ist das Tier unvernünftig?« habe ich ausführlich dargetan, daß ein Teil der Tiere seinen Grundsinn in den Augen, ein anderer in der Nase hat. Im westlichen Europa kamen in früheren Jahrhunderten als menschengefährdende Raubtiere nur Bär und Wolf in Betracht, da weder Luchs noch Fuchs, ebensowenig auch die Wildkatze, einen Menschen angreifen, um ihren Hunger zu stillen. Nun liegt es auf der Hand, daß weder Bär noch Wolf als Nasentiere eine sich totstellende Person ohne weiteres für tot halten werden. Ein Sehgeschöpf, ein Raubvogel, ein Löwe, Luchs, wie ein Mensch, mag ja dadurch getäuscht werden, ein Nasengeschöpf gewiß nicht. Jeder Hundebesitzer wird gewiß bestätigen, daß er als Schlafender niemals von seinem treuen Wächter für tot gehalten worden ist. Der Grund ist ja auch sehr einleuchtend. Der Hund richtet sich nach der Nase und beschnuppert den Schlafenden. Da dieser wie ein Gesunder ausdünstet, so kann er ihn natürlich nicht für tot halten. Umgekehrt bewirkt jede Krankheit, jede starke Verwundung eine Veränderung der Ausdünstung, was allen Nasentieren wohl bekannt ist. Übrigens ist manchem Arzt mit guter Nase aufgefallen, daß selbst das stumpfe Geruchsvermögen des Menschen ausreicht, um beim Betreten eines Zimmers sofort erklären zu können: die Bewohner leiden an gewissen Krankheiten, zum Beispiel am Scharlachfieber. Der Bär, der die Spur eines gesunden Hirsches findet, kümmert sich nicht um diese, da er weiß, daß er ein normales, ausgewachsenes Rotwild nicht einholen kann. Sobald er aber eine solche von einem angeschossenen Hirsch wittert, folgt er ihr eiligst. Das sind für Jäger ganz bekannte Sachen. Bei einem schwerkranken Angehörigen konnte ich mich selbst von der Richtigkeit dieses Zusammenhanges überzeugen. Unser Hund beroch eines Tages den Patienten, heulte und war ganz verstört. Der herbeigeholte Arzt untersuchte ihn, und erklärte, daß für die nächsten Tage jede Gefahr ausgeschlossen sei. Der Hund behielt aber recht, denn vor Ablauf von vierundzwanzig Stunden war der Patient eine Leiche. Die beginnende Zersetzung des Körpers hatte er wahrscheinlich durch sein Geruchsvermögen wahrgenommen, wie ja auch die Hunde Friedrichs des Großen sich von ihrem Herrn kurz vor seinem Tode mit allen Zeichen der Trauer abgewendet haben sollen. Es liegt nun auf der Hand, daß wir uns wohl äußerlich so hinlegen können, wie ein Toter, auch den Atem anhalten können und dergleichen, daß wir uns aber niemals die Ausdünstung eines Toten anschaffen können. Und das wäre doch bei Bär und Wolf die unerläßliche Voraussetzung. Wer hiernach noch nicht überzeugt ist, daß das Mittel durchaus verfehlt erscheint, dem möchte ich noch mit einem schlagenderen Beweise kommen. Für den Nutzen des Sichtotstellens wäre doch die erste Voraussetzung, daß das in Frage kommende Raubtier keine Leichen frißt. Hieran kann doch nicht der geringste Zweifel bestehen. Daß der Bär Leichen frißt, ist wohl unbestritten, heißt er oder wenigstens eine Art von ihm doch mit Recht Aasbär. Brehm führt dafür verschiedene Beweise an. So erlegte man in dem sibirischen Dorfe Makaro einen Bären auf dem Friedhofe, als er gerade beschäftigt war, einen kurz vorher beerdigten Leichnam auszugraben. Was den Wolf betrifft, so braucht man nur daran zu erinnern, daß selbst die verwöhntesten Hunde vielfach eine Vorliebe für verweste Fleischstücke haben. Es ist daher kein Wunder, daß Isegrimm -- ebenso wie der Fuchs -- »eine leidenschaftliche Vorliebe«, wie Brehm sagt, für Aas hat. Nur nebenbei sei bemerkt, daß die Annahme, die großen Katzenarten seien keine Aasfresser, sich als gänzlich irrig erwiesen hat. Vom Luchse schreibt neuerdings Baron ~v. Staël-Holstein~ in »Wild und Hund«, daß er tote Rehe selbst dann fresse, wenn sie schon wochenlang gelegen hätten. Selbst der Löwe geht nach v. Wißmann und anderen Afrikareisenden gern an Aas, und ~Selous~ erklärt ausdrücklich, der südafrikanische Löwe sei oft ein sehr schmutziger Fresser. Das Ergebnis ist also folgendes: Das Sichtotstellen als Rettungsmittel kann schwerlich empfohlen werden, da alle Raubtiere mehr oder minder, gewiß aber Bär und Wolf, Leichenfresser sind. Die letztgenannten würden als Nasentiere beim Beschnüffeln eines anscheinend Toten sofort erkennen, daß es sich hier um eine Täuschung handelt. So weit ich mich entsinnen kann, haben weder die alten Schriftsteller dieses Mittel empfohlen, noch habe ich jemals von einem zuverlässigen Jäger gelesen, daß er das Verfahren mit Erfolg probiert habe. Daß in der erwähnten Fabel der eine Jäger das tut, will nichts besagen, denn der andere klettert zu seiner Rettung auf einen Baum, was bekanntlich wohl bei einem Wolfe oder Löwen einen Zweck hätte, aber nicht bei Meister Petz, der selbst ein vorzüglicher Kletterer ist. Trotzdem will ich die Möglichkeit durchaus nicht bestreiten, daß sich Menschen durch Sichtotstellen gerettet haben, und erkläre mir das folgendermaßen: Bei allen Raubtieren ist bekanntlich die Angriffslust sehr vom Hunger abhängig. Angenommen nun, ein satter Bär oder Wolf findet einen anscheinend toten Menschen, beriecht ihn und läßt ihn ruhig liegen, ~so wäre der Grund für sein Verhalten nicht der, weil er ihn für tot hält, sondern im Gegenteil, weil er merkt, daß er noch lebendig ist~. Denn gesättigt scheuen selbst die gefährlichsten Raubtiere den Menschen -- und mit vollem Rechte. Denn jedes Raubtier kennt wohl die Waffen aller anderen Tiere, aber nie die des Menschen (vgl. S. 19). Bekannt ist es ja, daß der Wolf im Sommer entsetzlich feig ist, und nur im Winter, wenn der Hunger ihn tollkühn gemacht hat, den Menschen angreift. Nicht viel anders liegt die Sache bei dem Bären. So mag es denn hin und wieder vorgekommen sein, daß sie einen Menschen, der sich tot stellte, beschnüffelt und liegen gelassen haben, weil sie fürchteten, er könnte aufspringen und ihnen eins versetzen. Die Furcht vor dem lebendigen Erbfeind, nicht die Abneigung gegen den toten, war also für ihr Verhalten bestimmend. Das Wiedererkennungsvermögen bei Menschen und bei Tieren. Die Verfolgung von Verbrechern ist eine Hauptaufgabe der Kriminalpolizei, kaum jemals aber wurde so eifrig nach Mördern recherchiert, wie in der letzten Zeit. Da es sich um besonders gefährliche Patrone handelte, so nahm das Publikum an dieser Suche regen Anteil. Es verging wohl kaum ein Tag, an dem man nicht in seiner Zeitung lesen konnte: Diese oder jene Person erkannte den Festgenommenen mit Bestimmtheit als den Mann wieder, der sich an dem betreffenden Tage durch sein Benehmen verdächtig gemacht hatte. Wir wissen aus Erfahrung, wie häufig Irrtümer in der Rekognoszierung von Personen vorgekommen sind, selbst wenn die Zeugen ihre Aussagen beschworen und mit der größten Bestimmtheit gemacht haben. Deshalb wird auch kein erfahrener Polizeibeamter oder Richter ohne weiteres einer solchen Angabe Glauben schenken. Nicht selten ist es vorgekommen, daß Tiere, die bei der Verübung eines Mordes zugegen waren, namentlich Hunde, später die Entdeckung des Mörders durch ihr Gebaren herbeiführten, indem sie ihn wütend anfielen. Der Hund des Aubry, der unsern Goethe zur Niederlegung der Leitung des Hoftheaters veranlaßte, ist ja allgemein bekannt. Aber schon im Altertum finden wir Berichte ähnlicher Art. So erzählt ~Plutarch~ beispielsweise folgendes: Als König Pyrrhus mit seinem Heere marschierte, fand er einen Hund, welcher den Leichnam eines Gemordeten bewachte. Er erkundigte sich näher und erfuhr, daß der Hund schon drei Tage bei seinem erschlagenen Herrn verweilte, ohne einen Bissen zu fressen. Der König befahl, den Toten zu begraben, den Hund aber mitzunehmen und zu verpflegen. Wenige Tage darauf ward das Heer gemustert und defilierte vor dem König. Nicht weit von diesem saß der Hund und verhielt sich ganz ruhig. Unter den Soldaten befanden sich aber die Mörder seines Herrn, und als er diese bemerkte, schlug er laut an und stürzte sich wütend auf sie los, wobei er sich oftmals nach dem Könige umsah. Jetzt entstand Verdacht gegen die Mörder; es ward Befehl erteilt, sie zu ergreifen; und da noch andere Beweise ihrer Schuld hinzukamen, gestanden sie den Mord und wurden bestraft. -- Vom Standpunkte des Kulturmenschen aus wird man über eine solche Rekognoszierung von Verbrechern durch Tiere lächeln und folgendermaßen philosophieren: Schon der Naturmensch steht unendlich höher, als das unvernünftige Tier, noch höher der Kulturmensch, am höchsten diejenigen Menschen, die in den Brennpunkten der Kultur wohnen, also die Großstädter. Wenn sich nun schon der letztgenannte erfahrungsgemäß beim Wiedererkennen häufig irrt, so ist es direkt lächerlich, auf das Gebaren der Tiere das geringste Gewicht zu legen. -- Ist diese Deduktion zutreffend? Ich wurde auf diese Frage wiederum hingewiesen, als ich kürzlich einem Vortrag zuhörte, den Dr. ~Heinroth~, langjähriger Assistent unseres Berliner Zoologischen Gartens, über seine Beobachtungen an gefangenen Tieren gehalten hat. Hierbei kam er nämlich auch auf das Wiedererkennungsvermögen der Tiere zu sprechen, und führte zum Beispiel folgendes an: Junge Wildenten, die eben aus dem Ei gekrochen sind, unterscheiden bereits nach ganz kurzer Zeit ihre Mutter unfehlbar von anderen Entinnen. Versucht man ein Entenkücken, das seine Mutter verloren hat oder in einer Maschine ausgebrütet ist, bei gleichaltrigen Genossen unterzubringen, so wird es von allen Geschwistern überfallen und eventuell getötet. Dr. ~Heinroth~, der einer unserer vortrefflichsten Tierkenner ist, erklärte, daß er hier vor einem Rätsel stände, für das ihm jedes Verständnis fehlte. Kein Mensch sei imstande, unter zwanzig Entenmüttern eine bestimmte herauszufinden. Wohl bemerkt, handelt es sich hier um Wildenten, die im Gegensatz zu unseren zahmen Enten alle ganz gleich aussehen. Noch viel weniger sei aber ein Mensch imstande, gleichaltrige Kücken zu unterscheiden. Eine solche Leistung bringe jedoch bereits eine Ente im Alter von zwei Tagen mit unfehlbarer Sicherheit fertig. Die Tatsachen an sich waren mir nicht neu. Ich kann auch das Erstaunen des Vortragenden nicht teilen, und zwar aus folgenden Gründen: Wir Kulturmenschen werden durch unser Denken viel zu sehr von dem Betrachten äußerlicher Dinge abgezogen, während der einfache Mann sich ihm ganz widmen kann. Ferner kommt die Macht der Übung hinzu. Man vergleiche hierzu: Ist das Tier unvernünftig? S. 78. Daß reine Naturvölker auf diesem Gebiete dem Kulturmenschen unendlich überlegen sind, kann nur der bestreiten, der sich nicht belehren lassen will. Wenn diese Überhebung des Kulturmenschen nicht bestände, so hätten wir sicherlich nicht so viele schmerzliche Verluste in Südwestafrika erlitten. Mag in Indianerbüchern manches übertrieben sein, das bleibt unbestritten wahr, daß die Sinne der Naturvölker schärfer und ihre Beobachtungsgabe größer ist. Ein Gelehrter, dessen Name mir entfallen ist, schilderte, daß ihn auf seinen Reisen seine Frau in Männerkleidern begleitete, ohne daß ihr Geschlecht bei Kulturvölkern jemals erkannt wurde. Bei einem Naturvolke durchschaute man jedoch sofort die Täuschung. Bei den Tieren ist das im gleichen Maße der Fall. Die meisten Hunde erkennen zum Beispiel allein am Tritt, ob ein Fremder oder ein Bekannter die Treppe hinaufkommt. Einen Kulturmenschen, der das gleiche mit seinen Ohren leisten kann, wenn der Kommende ein Durchschnittsmensch ist, also natürlich weder knarrende Stiefel trägt noch humpelt u. dgl., habe ich noch nicht kennen gelernt. Dabei entwickelt sich diese Unterscheidungsfähigkeit bei Tieren schon wunderbar früh. Folgender Fall, der hierfür beweisend sein dürfte, ist mir im Gedächtnis geblieben. Die Wirtin, bei der ich als Student wohnte, hatte einen jungen Hund geschenkt bekommen, der eben erst entwöhnt war. Er machte noch einen recht stupiden Eindruck und lag in einer Sandkiste im Hinterzimmer. Um dieselbe Zeit erhielt ich von einem auswärtigen Freunde die Nachricht, daß er mich in den nächsten Tagen besuchen und bei mir, wie bereits früher, übernachten wolle, was denn auch geschah. Am anderen Tage brachte ich meinen Freund, der weiter fahren wollte, zum Bahnhof. Bei meiner Rückkehr erzählte mir meine Wirtin, daß sie in der Nacht durch das Winseln des Hundes aufgewacht sei und, da es nicht aufhörte, vermutet habe, dem Tiere fehle etwas. Sie sei daher aufgestanden, habe aber nichts finden können, was sein Benehmen erklärte. Trotzdem sei der Hund nicht zu beruhigen gewesen, bis sie schließlich auf den Gedanken gekommen sei, mein Freund sei angekommen. Da sie sehr zeitig schlafen gegangen sei, hatte sie von unserem Kommen nichts gehört. Ihre Annahme, der Fremde veranlasse das Winseln des Hundes, erwies sich auch als zutreffend, denn sowie er fort war, hörte es plötzlich auf. Mit der Familie der Wirtin waren wir Mieter zusammen sechs Personen in der Wohnung. Der Hund war noch nicht eine Woche in der neuen Behausung, und schon unterschied er am Schritt, ob eine Person, die nicht dort wohnte, angekommen war. Wenn ein Hund, der eben erst entwöhnt ist, eine solche Leistung vollbringt, so kann ich mich nicht wundern, daß eine junge Ente mit ihren Augen ähnliches leistet. Täglich kann man ja derartiges beobachten. Wie schwer ist es nicht für uns zu unterscheiden, ob ein Kanarienvogel, ein Stieglitz usw. ein Männchen oder ein Weibchen ist. Den Vögeln selbst muß aber diese Unterscheidung keine Schwierigkeit bereiten, denn sie irren sich niemals. Man denke an die zahllosen Vogelberge, wo es uns unerklärlich ist, woran sich die Ehegatten wieder erkennen. Wer da weiß, wie schwer die einzelnen Raubvogelarten zu unterscheiden sind, der hat sich gewiß schon oftmals gewundert, daß Hühner oder Schwalben und andere Vögel bei den ihnen ungefährlichen Raubvögeln sich ganz ruhig verhalten, dagegen sofort in Aufregung geraten, falls ein gefürchteter Feind auf der Bildfläche erscheint. Der Uhu vor der Krähenhütte erkennt selbst am Tage bereits einen drohenden Gegner -- er wirft sich dann auf den Rücken --, wenn das schärfste Menschenauge noch nichts wahrzunehmen vermag. Es scheint sogar, als wenn junge Enten, die nicht imstande sind, ihre Geschwister und ihre Mutter von anderen zu unterscheiden, wie verkrüppelte getötet werden. Wenigstens spricht für diese Annahme folgender Fall, der sich vor einigen Jahren im Berliner Tiergarten abspielte, wo viele Wildenten brüten. Bei dem knappen Raum ereignete es sich, daß zwei Schofe sich begegneten, und die Kleinen der beiden Mütter durcheinander gerieten. Trotzdem fand jedes Entchen sofort seine richtige Mutter. Nur eine kleine Ente irrte sich einen Augenblick und schwamm einige Schritte weit mit der fremden Mutter mit. Sobald sie ihren Irrtum bemerkt hatte, kehrte sie schleunigst zu den ihrigen zurück. Und was geschah nun? die eigene Mutter war so erbost, daß sie das Kleine packte und ertränkte. Zum Erstaunen über das Wiedererkennungsvermögen junger Enten dürfte also nach den obigen Ausführungen kein Anlaß vorliegen. Der Kulturmensch steht leider auf dem unglückseligen Standpunkt, den schon die alten Griechen eingenommen haben, daß nämlich eine Malerei, die Menschen täusche, vollkommener sei, als eine solche, die Tiere irritiere. Daß das nicht unbedingt richtig ist, haben wir soeben gesehen. Anhang Kurze Bemerkungen zu einigen Kritiken meiner Bücher. Wer neue Ansichten in unserm lieben Vaterlande aufstellt, muß sich stets zweierlei gefallen lassen. Einmal wird ihm von einem Teile der Kritiker entgegengerufen: »Das ist ja alles längst bekannt!« -- Sodann aber treten Gegner auf, die ihm zu beweisen suchen, daß alles, was er sage, vollkommen falsch sei. Beides ist bei mir natürlich ebenfalls eingetroffen. Um Irreführungen vorzubeugen, möchte ich hierzu folgendes bemerken: Wenn die Theorie mit dem Verhältnis zwischen Auge und Nase längst bekannt gewesen wäre, so müßte es doch ein leichtes sein, nur eine einzige Stelle anzuführen, wo sie vor mir aufgestellt worden ist. In den gangbarsten zoologischen Werken, so in dem Tierleben von Brehm findet sich keine Spur davon, und zwar weder in der von Brehm selbst noch in der von seinem Nachfolger bearbeiteten Auflage, ebensowenig bei Haacke-Kuhnert und den Werken des Professor Marshall, ferner von Professor Heck und Matschie usw. Selbst nach dem Erscheinen meines Buches: »Ist das Tier unvernünftig?« hat z. B. +Dr.+ Schäff, Direktor des Zoologischen Gartens von Hannover, in seinem neuerdings veröffentlichten Werke »Jagdtierkunde« zu dieser Ansicht nicht einmal Stellung genommen -- sie muß ihm also selbst heute noch ganz unbekannt sein. Ebenso hat Dr. Heinroth, langjähriger Assistent im Berliner Zoologischen Garten, der als einer der besten Tierkenner bekannt ist, im vorigen Jahre in einem Vortrage, dem ich beiwohnte, zwar zugegeben, daß Vögel nicht wittern können, aber z. B. von den Hirschen behauptet, daß sie sowohl wittern wie gut sehen können. Die hervorragendsten Vertreter der zoologischen Wissenschaft haben also noch heute keine Ahnung von einer Theorie, die angeblich schon längst bekannt war -- oder bekämpfen sie vereinzelt sogar! Andererseits soll das angeblich längst Bekannte grundfalsch sein. Ich habe bereits erwähnt, daß so anerkannte Autoritäten wie v. Wißmann, Schillings und Oberländer, die in mehreren Erdteilen gejagt haben, mir im Prinzipe durchaus recht gegeben haben und könnte damit die Sache als erledigt betrachten, zumal ich noch mehr als ein Dutzend andere Namen anführen könnte, deren Träger ebenfalls im Auslande gejagt haben und von der Richtigkeit meiner Ansicht durchdrungen sind. Damit ist natürlich keineswegs gesagt, daß alles, was in meinem Buche steht, unbedingt richtig sei. Im Gegenteil -- ich gebe ohne weiteres zu, daß einige Kleinigkeiten geändert bezw. umgearbeitet werden müssen. Das soll auch später geschehen. Ferner habe ich nur des leichteren Verständnisses wegen die Formel aufgestellt: Je besser die Augen usw. Genau ausgedrückt muß es heißen: ~Bei den höher organisierten Tieren ist die Summe aller Sinne gleich.~ Bei den Fledermäusen wird beispielsweise das schwache Sehvermögen nicht bloß durch die Nase, sondern auch durch das Tastvermögen ersetzt. Wenn aber bei der leichteren Fassung schon Mißverständnisse entstanden sind, dann kann man sich vorstellen, wie wenige die genauere Formulierung begriffen hätten. Merkwürdigerweise hat kein einziger Gegner diesen Hauptmangel meiner Theorie bemerkt, was wohl der beste Beweis ist, wie wenig sie von der ganzen Sache verstehen. Übrigens wird mir jede sachliche Kritik stets erwünscht sein. So wurde ich brieflich darauf aufmerksam gemacht, daß der Ausdruck Dachs für Dachshund (vgl. Streifzüge S. 92) doch hin und wieder vorkomme. Auch gebe ich gern zu, daß der Zusammenhang von Maulaffen und Affen nicht wahrscheinlich ist. Hierauf wurde ich in zahlreichen Zuschriften aufmerksam gemacht. Ferner wurden gegen die Erklärung der Hufbewegungen edler Pferde (vgl. ebenda S. 76) von einigen Kavallerie-Offizieren Bedenken geltend gemacht. Diese Zuschriften sind eingehend geprüft worden und werden bei späteren Auflagen berücksichtigt werden. Bereits jetzt aber spreche ich allen den betr. Herren für das große Interesse, das sie meinen Arbeiten entgegenbringen, meinen aufrichtigen Dank aus. Wer, wie ich, selbst viel kritisiert, darf selbstverständlich gegen Kritiken anderer nicht empfindlich sein. Von einem solchen Übelnehmen weiß ich mich auch vollkommen frei. Aber ich wünsche, von meinem Gegner Gründe, nicht Redensarten zu hören. Ich glaube mit Bestimmtheit behaupten zu können, daß ich niemals eine gegnerische Ansicht getadelt habe, ohne meine abweichende Meinung eingehend zu begründen. Es ist möglich, daß ich mich in meiner Kritik irre, aber den guten Glauben wird mir niemand absprechen können. Leider kann ich das gleiche nicht von einzelnen Gegnern sagen. Da nennt einer mein Buch eine Sensationsschrift, von der jeder käfersammelnde Knabe Teile widerlegen kann. Also ein Buch, das hauptsächlich aus Arbeiten besteht, die Jahre vorher veröffentlicht sind, ist eine Sensationsschrift! Und warum werden nun nicht die Teile genannt, die bereits ein dummer Junge widerlegen kann? -- Weil sie der Herr Kritiker selbst nicht angeben kann! Andere Kritiker müssen aus Konkurrenzgründen durchaus etwas Falsches feststellen. Ich schreibe in den Streifzügen S. 16, daß der Affenfang durch Maiskorn, das sich in einem Gefäß befindet, mir nach den eigenen Beobachtungen an Affen und nach der Versicherung anderer Naturforscher wahrscheinlich vorkomme. Sofort wird mir der Blödsinn unterstellt, daß ich Ammenmärchen erzähle und diesen Bericht aus der Raffschen Naturgeschichte, die vor 100 Jahren erschienen ist, entnommen habe. Den Raff kannte ich damals gar nicht, finde jedoch nachträglich, daß bei ihm die Geschichte ganz anders und zwar mit Kokosnüssen erzählt wird. Schon hieraus konnte jeder entnehmen, daß Raff nicht meine Quelle sei. In Wirklichkeit stammt sie aus -- Brehm, der ausdrücklich an zwei Stellen diesen Affenfang bestätigt (2. Aufl. Bd. 1 S. 45 u. 204). Man sieht, es laufen heute »Kritiker« herum, die zoologische Bücher besprechen, ohne von Brehm eine Ahnung zu haben. Den Vogel auf diesem Gebiete schießt aber der Forstmeister Rothe aus Görlitz ab, der vor einem halben Jahre eine Gegenschrift gegen mich veröffentlicht hat. Dieses Machwerk möchte ich doch etwas niedriger hängen. Zum besseren Verständnis muß ich folgendes vorausschicken. Bereits vor dem Erscheinen meines Buches polemisierte Rothe gegen einzelne naturwissenschaftliche Ansichten von mir und betonte, daß für den Praktiker nur Brehm maßgebend sei. Aus diesem Grunde habe ich mich auf diesen von mir hochverehrten Naturforscher mit Vorliebe berufen, ferner ihn absichtlich wörtlich zitiert, wie auch die andern anerkannten Autoritäten, beispielsweise v. Wißmann, den »Zoologischen Garten« usw. Nun, sollte man meinen, könnte selbst der schärfste Gegner nichts auszusetzen haben. Denn hatte Brehm falsche Beobachtungen gemacht, so war es ja Pflicht seiner Anhänger gewesen, in den 30 Jahren seit dem Erscheinen der zweiten Auflage, seine Irrtümer zu berichtigen. Statt dessen hagelt es von Ausdrücken wie Ignorant, Zoologische Brunnenvergiftung, Stubengelehrter usw. Auf diese Tonart einzugehen, verbietet mir meine Erziehung. Für die Leser von Jagd-Zeitungen ist diese Methode R.'s nichts Neues. Anrempeleien anderer Autoren kann man in den letzten Jahrgängen zur Genüge finden. Kürzlich hatte er über Goethe als Jäger geschrieben, und als ihm das Irrige seiner Ansicht überzeugend nachgewiesen war, verkroch er sich hinter der Ausrede, er hätte es nicht wörtlich gemeint. Obwohl er seit vielen Jahren für die Deutsche Jägerzeitung und »Wild und Hund« schreibt, hat weder der Neudammsche noch Pareysche Verlag seine Broschüre übernommen, ja sie ist bis heute -- mehr als sechs Monate seit ihrem Erscheinen -- mit keiner Silbe besprochen. Das läßt tief blicken -- würde Sabor sagen. Dagegen hat die Deutsche Jägerzeitung mein Buch in acht ausführlichen Artikeln wohlwollend beurteilt. Dabei ist es doch selbstverständlich, daß eine Jagd-Zeitung eher für einen Forstmeister als für einen Gelehrten eintritt. Nun zur Sache selbst. Abgesehen von einigen unbedeutenden Kleinigkeiten hat R. nicht das geringste von meinen Grundsätzen widerlegt. Um aber den Anschein einer Widerlegung hervorzurufen, bedient er sich folgender Mittel: 1. Im Gefühle, sachlich nichts von Bedeutung einwenden zu können, wird er persönlich. Obwohl ich als Sohn eines Gutsbesitzers in einem kleinen Dorfe geboren bin und in frühester Kindheit schon von Hunden umgeben war, bin ich natürlich kaum aus der Stube gekommen usw. Es wundert mich nur, daß R. nicht auch behauptet, ich hätte noch niemals einen Hund gesehen. 2. Er wirft mit Phrasen-Kritiken um sich, ohne sie zu begründen. So wimmelt es in seiner Broschüre von Ausdrücken wie: es berührt peinlich (S. 15 u. 24), ist sehr bedenklich (S. 17), ist zu burlesk (S. 18) usw. 3. Er unterstellt dem Gegner die blödsinnigsten Ansichten und Aussprüche, die dieser niemals geäußert hat. Erkläre ich z. B., daß ich mäßig kurzsichtig bin und mit Nr. 16 volle Sehschärfe besitze, so kann man bei der Lektüre seiner Schrift den Eindruck erhalten, als hätte ich alle Beobachtungen ohne Glas gemacht. Daß z. B. Schillings und Präsident Roosevelt, gegen die R. doch der reine Waisenknabe ist, ebenfalls kurzsichtig -- und zwar, wie ich höre, in noch höherem Grade -- und trotzdem vortreffliche Tierbeobachter sind, wird natürlich wohlweislich verschwiegen. Habe ich ~eine~ Beobachtung vom Fenster aus gemacht, so habe ich sie ~öfter~ von dort aus gemacht. Schreibe ich, daß nur Nase oder Auge hervorragend sind, indem ich auf S. 75 ausdrücklich hervorhebe, daß das Gehör aller Tiere mindestens ebensogut wie das der Menschen sei, so wird mir der Blödsinn unterstellt, ein Nasentier, z. B. ein Hund, habe außer seiner Nase keinen Sinn usw. (S. 42), könnte z. B. nicht hören. 4. Er stellt die unsinnigsten und unwahrsten Behauptungen auf, die er auf späteren Seiten wieder vergessen hat. So heißt es gleich im Anfang, daß es keine Schöpfungskrüppel gibt, daß die Natur den Kreaturen überreichlich Mittel und Waffen gegeben hat, um den Existenzkampf zu führen (S. 11 u. 30). Jeder, der eine Spur Logik besitzt, wird hiergegen einwenden, wie es unter diesen Umständen möglich sei, daß ein Pflanzenfresser von einem Raubtiere erbeutet werden könnte. Auf S. 60 heißt es aber im vollsten Widerspruch damit, daß Rinder und Fische nur 2 Sinne, ja die Eule nur einen hervorragenden Sinn besitzen, ferner auf S. 49, daß die Katzen schlecht wittern können. Ferner lesen wir gleich im Eingang auf S. 11 den Grundgedanken (wiederholt auf S. 60 und 80), daß die Sinnesorganisation des Tieres genau der dem Menschen verliehenen Ausrüstung entspricht. Hieraus geht hervor, daß R. nicht die elementarsten Kenntnisse in der Tierkunde besitzt. Ich will hier nur die Fledermäuse anführen, also Säugetiere, die dem Menschen sehr nahe stehen. Bei Brehm (2. Aufl. Bd. 1 S. 286) heißt es, daß einige Arten besonders kleine Augen haben und diese so unter dichten Gesichtshaaren versteckt stehen, ~daß sie unmöglich dem Zwecke des Sehens entsprechen können~. Schon vor vielen Jahrzehnten hat man festgestellt, daß Fledermäuse, denen man die Augen zuklebte, trotzdem den feinsten Fäden auswichen, daß sie sich also durch ihr feines Tastgefühl orientieren, während ihr Sehvermögen fast null ist. Im »Zoologischen Garten« sind mehrfach Fälle angeführt, wonach vollständig erblindete Fledermäuse gefangen wurden, die sich trotzdem in gutem Nährzustande befanden. Man stoße einen blinden Menschen in die Wildnis, wo Feinde lauern, und überlasse ihn seinem Schicksal. Nach wenigen Tagen dürfte er ausgelitten haben. Von dem Blindmull (+talpa caeca+), der Blindmaus (+mus typhlus+) usw., scheint R. niemals etwas gehört zu haben. Und ein »Kritiker«, dem die einfachsten Kenntnisse der heimischen bezw. europäischen Tierwelt fehlen, beurteilt ein Buch, das die Kenntnis der gesamten Tierwelt voraussetzt. 5. R. betont, daß er nur eigene Beobachtungen bringe. So heißt es auf S. 61: Alles, was ich gebe, ist durchaus selbst erlebt. Da selbst ein Niedick, der in 5 Erdteilen gejagt hat, eine Unmenge Tiere niemals aus eigener Anschauung kennen gelernt hat, so ist es selbstverständlich ein Unding, daß ein einzelner Mensch alle Tiere in der Wildnis genügend beobachtet hat. Nebenbei bemerkt, kosten solche Reisen ein ganzes Vermögen und viele Jahre. Ich nehme also von R. an, daß er nur die wenigen Tiere der Heimat kennt bezw. zu kennen glaubt, und daß er niemals außerhalb Deutschland gejagt hat. Selbst auf den Redaktionen wußte man nichts davon. Da R. allein über die Fährten zweier versprengten Wölfe seitenlang berichtet, so muß man bei seiner Weitschweifigkeit annehmen, daß er über einen erlegten Bären mindestens ein ganzes Werk geschrieben hätte. Auf S. 187 gebe ich ein Verzeichnis der Augen- und Nasentiere. Hierzu schreibt der »Kritiker« (S. 29): »Tierkundige mögen sich an diesem Verzeichnis prüfen.« Hier gibt R. freimütig zu, daß er zu den Tierkundigen nicht gehört. Es ist doch wirklich eine unerhörte Leistung, daß R. die ausländischen Tiere in der Freiheit nicht kennen gelernt hat und trotzdem apodiktische Urteile über sie abgibt. Der Leser urteile selbst darüber. Ich führe ca. 20 Tiere mit schwachem Gesicht an, bei sechs gebe ich sogar die Urteile wortgetreu von bekannten Autoritäten an, z. B. bei Elefant und Bison. Brehm, Haacke-Kuhnert und v. Wißmann erklären z. B. das Auge des Elefanten für schwach. R. dagegen erklärt (S. 24): »Alle diese Tiere haben ein vortreffliches Gesicht.« Nun ist zweierlei möglich. Entweder muß R. erklären, ich weiß es besser, da ich mehr Elefanten geschossen habe, als alle diese Herren zusammengenommen. Das ist sicherlich nicht wahr. Denn sonst würde er nicht bloß erzählen, daß er einen Elefanten im Zoologischen Garten beobachtet hätte (S. 62). Oder er besitzt die eherne Stirn, hier, wie so häufig, uns Jägerlatein vorzutragen und, ohne selbst Elefanten gejagt zu haben, diese Autoritäten zu bezichtigen, unrichtige Angaben gemacht zu haben. Ich hätte ja noch viel mehr Leute nennen können, die genau Elefanten kennen und ausdrücklich hervorheben, daß ihr Auge schwach sei, z. B. Schillings (Mit Blitzlicht und Büchse, S. 125 u. S. 141). Ein Jäger hat doch gewiß kein Interesse daran, das Auge eines erlegten Ungetüms als schlecht zu bezeichnen. Das mindert doch augenscheinlich seinen Jägerruhm. Tut er es trotzdem, so kann man ihm doch unbedingt glauben. Gerade Schillings schildert den Elefanten als ein besonders gefährliches Wild (S. 159). Nebenbei bemerke ich, daß dieser kühne Afrikareisende sofort die Unterscheidung von Augen- und Nasentieren übernommen hat (S. 235), auch neue Beispiele für das Zusammenwirken beider anführt (Giraffe und 2 Elefanten S. 126). Ferner hat er auch den Ausdruck »Post der Tiere« akzeptiert, man vergleiche Post des Nashorns S. 175, Post des Nilpferdes S. 209. R. hingegen schreibt über die Post der Tiere (S. 78): Meine Ausführungen sind »so überwältigend, daß ich sie dringend zum Studium empfehle«. -- Jedes weitere Wort ist wohl überflüssig. Bei dem Bison hätte ich für das schwache Gesicht außer Brehm noch den Präsidenten Roosevelt anführen können, der ein hervorragender Jäger ist und eigenhändig Bisons erlegt hat. Auch hier erklärt R., daß er vortrefflich sieht. Also R. hat auch in Amerika -- oder auf dem Monde? -- Bisons gejagt und mehr geschossen als die gedachten Herren! Überhaupt sind die Urteile, die R. über ausländische Tiere abgibt, geradezu haarsträubend, so daß man darin bestärkt wird, er redet lediglich vom Hörensagen. Einige Beispiele seien noch angeführt. Gegen meine Tigertheorie (Abneigung des Stieres gegen rote Farbe), macht er in der Deutschen Jägerzeitung (Bd. 44 S. 38) folgendes geltend: »Im übrigen geht auch das stärkste Tier nie auf einen Tiger los, sondern flüchtet vor ihm, solange es kann.« Dasselbe sagt er S. 15. Daß in Wirklichkeit die Wildbüffel den Tiger oft angreifen, weiß der geneigte Leser aus den Streifzügen S. 39. v. Wißmann hat selbst beobachtet, daß ein Kaffernbüffel sogar einen Löwen vom Fraße verscheuchte. Ebenda S. 5 heißt es: »Der Hund ist das intelligenteste und vielseitigste Tier. Der Affe erreicht ihn nicht im entferntesten.« Nur jemand, der sich niemals mit Affen beschäftigt hat, kann einen solchen Satz niederschreiben (vgl. Streifzüge S. 68). Bd. 40 S. 157 schreibt er, daß die Affen ihre Kinder oft aus Liebe ersticken, obwohl Brehm ausdrücklich erklärt, daß es in der Neuzeit niemals beobachtet sei (Bd. 1 S. 49). -- Brehm erklärt die Affenbrücke für eine Fabel, R. ist anderer Ansicht (S. 87). Brehm sagt auf Grund eigener Beobachtungen, der Löwe brüllt, um die Herde zum Ausbrechen zu veranlassen, R. dagegen sagt: »Nein, er brüllt aus hocherregter Raubgier und im Vollgefühl seiner unbezwinglichen Kraft« (S. 13). Im Anschluß hieran möchte ich noch über eigene Beobachtungen folgendes bemerken. Wenn ich in einem Buche etwas beweisen will, so bin ich Partei und -- wie in der Natur der Sache liegend -- befangen. Ich habe deshalb nur solche Beobachtungen angeführt, die jeder nachprüfen kann. Es beweist etwas, wenn ich sage, v. Wißmann, Horn, Marshall u. a. sind der Ansicht, Vögel können nicht wittern. Dagegen ist es geradezu lächerlich, wenn R. dagegen anführt (S. 52), er und mehrere Zuschauer hätten gesehen, daß eine Amsel gewittert hätte. Wer waren denn die andern Personen? Kein Mensch kann, wie gesagt, alle Tiere in der Wildnis beobachtet haben, selbst ein Brehm hat trotz seiner Reisen in andern Erdteilen drei Viertel seiner Tierschilderungen andern Personen entlehnen müssen. Dagegen haben wir jetzt einen Vorzug, den frühere Zeiten nicht besaßen. Durch die zahlreichen Tierschilderungen haben wir jetzt das Mittel der gegenseitigen Kontrolle. Ferner ist es klar, daß verwandte Tiere verwandte Handlungen begehen. Ich möchte das an einem Beispiele klarmachen. In »Zwinger und Feld« (vgl. Februarheft des »Kosmos« II. S. XXIII) wird von einem Rebhuhn erzählt, das eine Verletzung vortäuschte und dadurch einen Fuchs von seinen Jungen fortlockte. Wer Tiere nicht kennt, wird als Skeptiker wahrscheinlich sagen: »Ja, weiß man denn, ob es wahr ist?« Liest er hingegen in meinem Buche das Kapitel: Verstellungskünste bei Vogeleltern und sieht, daß es sich hier um einen bei fast allen Vögeln, insbesondere den Erdbrütern, üblichen Kunstgriff handelt, so wird ihm die Sache ganz einleuchtend vorkommen. Andererseits müßte er ja annehmen, daß Männer wie Naumann, Brehm usw. sich vorgenommen hätten, ihren Lesern etwas vorzulügen und zufällig auf denselben Schwindel geraten wären. Das Mittel der gegenseitigen Kontrolle gibt mir sofort die Möglichkeit zu sagen, ob eine Tiergeschichte wohl wahrscheinlich sei oder nicht. Obwohl ich ferner diesen Grundsatz auch bei Autoritäten angewandt und mich fast immer auf solche berufen habe, ist es mir trotzdem selbst bei wohlwollenden Kritikern passiert, daß sie fragten: Ja, ist denn das alles wahr, was Zell erzählt? Das kommt also vor, obwohl ich fortwährend die Autoritäten nenne, auf die ich mich berufe. -- Ich muß demnach meine Methode der Beweisführung für die allein richtige halten. Doch ich kehre nach dieser Abschweifung zu den Tieren mit schwachen Augen zurück, die es angeblich nach Rothe nicht gibt. So hätte ich -- wäre ich jemals auf den Gedanken gekommen, daß es bezweifelt würde -- noch eine größere Anzahl von Tieren mit schwachem Gesicht und eine größere Anzahl von Autoritäten, die mir recht geben, anführen können. Da aber z. B. bei der Spitzmaus die alten Römer bereits ein Sprichwort hatten (vgl. S. 63), so hielt ich es für unmöglich, daß solche Tatsachen in Deutschland »widerlegt« werden und zwar dadurch, daß ein »Kritiker« erklärt, diese Tiere sehen sehr gut. Wegen des Hundes wollte ich noch anführen, daß der Sachverständige für die Deutsche Jäger-Zeitung, +Dr.+ Ströse, Verfasser des Werkes: »Unsere Hunde«, bereits 1892 daselbst (Bd. II, S. 66 ff.), was mir damals noch nicht bekannt war, ausführlich nachweist, daß der Hund schlecht sieht. Wer das behauptet, ist nach R. (vgl. S. 40) ein Ignorant. Also die Deutsche Jäger-Zeitung, deren Mitarbeiter R. ist, hält sich zum Sachverständigen einen Ignoranten -- glücklicherweise nur nach R.s Ansicht, während andere Tierkundige +Dr.+ Ströse vollkommen recht geben. Selbst von Hunden versteht also Forstmeister R. trotz 60jähriger Beobachtung nichts. Hinsichtlich der Pferde wollte ich bemerken, daß mir eine Autorität auf diesem Gebiete, der gerichtliche Sachverständige für Pferde, Major Schoenbeck, sowie zahlreiche Kavallerieoffiziere vollkommen recht gegeben haben. 6. Am ergötzlichsten ist die Anmaßung, daß R., der fortwährend betont, er habe sich im Freien herumgetrieben, trotzdem über meine Homerabhandlungen absprechend urteilt (S. 80). War er in Feld und Flur, dann kann er keine Homerstudien getrieben haben. Es ist ja nur charakteristisch für diesen »Kritiker«, daß er fortwährend über Dinge urteilt, die er nicht versteht. 7. Ein Eckstein meiner Beweisführung ist der Windhund, der nach ~Brehm~ gut äugt, aber schlecht wittert. Hier war R., der sonst das Unglaublichste behauptet, mit seinem Jägerlatein zu Ende, denn dem Leser zu erklären, das ist unwahr, der Windhund wittert vorzüglich, wie er das bei anderen Tieren tut, schien ihm zu riskant. Wie widerlegt er nun die meine Theorie überzeugend beweisende Tatsache, daß ein ausnehmend gut sehender Hund dafür ausnehmend schlecht wittert? Man lese (S. 24): »Es ist vom Windhund die Rede.« Das ist alles, was er zu sagen hat. 8. Die tollste Leistung ist jedoch folgende. Während er in seiner Gegenschrift mit dem Brustton der Überzeugung erklärt, daß es Schöpfungskrüppel nicht gebe, hat er zwei Jahre früher in der Deutschen Jäger-Zeitung einen Artikel über die Seele der Tiere veröffentlicht (Bd. 40, S. 107 ff.), der genau das Gegenteil sagt, denn z. B. heißt es vom Hunde (S. 124), daß sein Auge Einzelheiten nicht erkennt (worin eben das Wesen des schwachen Gesichts besteht). Ferner berichtet er vom Wildschweine (S. 427), daß sein Gesicht außerordentlich schwach sei! Für Zweifler führe ich die Stelle wörtlich an: »Bei einer Wildart jedoch glaube ich mich überzeugt zu haben, daß ~das Gesicht ganz außerordentlich schwach ist~, nämlich bei den Sauen. Oft zog Schwarzwild nahe an mich heran, namentlich auch Bachen mit Frischlingen, obwohl ich der Beobachtung halber auf Deckung verzichtet hatte« usw. Also nachdem eine »Vorsehung« -- wie er äußert -- (vgl. S. 8) ihn 57 Jahre lang Tiere beobachten ließ, kam er zu dem Resultate, daß manche schlecht sehen. Drei Jahre später ist das schon völliger Unsinn. Und zwar liegt hier kein Versehen oder Mißverständnis vor, denn er setzt auf mehreren Seiten (54 ff.) auseinander, daß das Schwarzwild gut sieht. Früher sah der Hase bei Mondschein gut, was auch meine Ansicht ist, da alle schwachsichtigen Tiere in der Nacht wegen ihrer großen Pupillen mindestens ebensogut sehen wie der Mensch, der wie die Tagvögel und Tagaffen ein Tagseher ist. Jetzt sieht der Hase plötzlich auch am Tage gut (S. 46). Dabei handelt es sich um die bekanntesten heimischen Tiere. -- Welche Meinung wird er einige Jahre später in die Welt als die allein richtige ausposaunen? -- Diese Proben von dem »Kritiker« R. dürften wohl genügen, sonst stehe ich mit weiteren Mitteilungen zur Verfügung. Mancher Leser dürfte darüber erstaunt sein, daß ich diese Entgegnung nicht früher veröffentlicht habe. Darauf kann ich nur erwidern, daß ich Wichtigeres zu tun habe. So habe ich inzwischen eine Reihe interessanter Arbeiten veröffentlicht, z. B. die Entstehung der Rechtshändigkeit, den Ursprung des Werwolfs- und Gorgonenmythus, die Wünschelrute usw. Andere große Arbeiten harren dagegen noch immer der Erledigung. So wollte ich bereits seit Jahren ein umfangreiches Werk über die Homermythen veröffentlichen, bin jedoch noch immer nicht dazu gekommen. Ebenso tut es mir sehr leid, daß eine Menge von Zuschriften wegen Zeitmangels noch immer nicht erledigt werden konnte. Ihre Beantwortung wäre mir um vieles angenehmer gewesen als diese Entgegnung, was mir wohl jeder Leser ohne weitere Versicherung glauben wird. Nur mit Widerwillen habe ich mich mit einem Gegner befaßt, dessen Kampfmethoden ich soeben geschildert habe, der namentlich hin und her schwankt und heute etwas für Unsinn erklärt, wofür er vor einiger Zeit selbst eingetreten ist. -- Brehm schreibt von der in Südeuropa hausenden Blindmaus, also einem Säugetier, einem Nager, der gewiß ein scharfes Auge zum Schutze gegen seine Feinde nötig hätte, da er sich gern sonnt (Bd. II, S. 399): »Die Augen haben kaum die Größe eines Mohnkorns und liegen ~unter der Haut~ verborgen, ~können also zum Sehen nicht benutzt werden~.« Hiermit vergleiche man R.: »Die Tiere sind überreichlich mit Mitteln und Waffen versehen, Schöpfungskrüppel gibt es nicht, die Sinnesorganisation der Tiere ist genau dieselbe wie die der Menschen« usw. -- Würde die Bezeichnung »Geschwätz« für diese Behauptungen nicht eine große Schmeichelei sein? Naturwissenschaftliche Bildung ist die Forderung des Tages! Zum Beitritt in den »Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde«, laden wir alle Naturfreunde jeden Standes sowie alle _Schulen, Volksbüchereien, Vereine usw._ ein. -- Außer dem geringen _Jahresbeitrag von nur M 4.80_ (Beim Bezug durch den Buchhandel 20 Pf. Bestellgeld, durch die Post Porto besonders.) = K 5.80 h ö. W. = Frs 6.40 erwachsen dem Mitglied =keinerlei= Verpflichtungen, dagegen werden ihm folgende _große Vorteile geboten_: Die Mitglieder erhalten laut § 5 als Gegenleistung für ihren Jahresbeitrag im Jahre 1912 =kostenlos=: I. =Die Monatschrift Kosmos, Handweiser für Naturfreunde.= Reich illustr. Mit mehreren Beiblättern (siehe S. 3 des Prospektes) Preis für Nichtmitglieder M 3.--. II. =Die ordentlichen Veröffentlichungen.= Nichtmitglieder zahlen den Einzelpreis von M 1.-- pro Band. Ch. Gibson-H. Günther, Was ist Elektrizität? Dr. F. Dannemann, Wie unser Weltbild entstand. Dr. K. Floericke, Kriechtiere und Lurche fremder Länder. Prof. Dr. K. Weule, Die Urgesellschaft und ihre Lebensfürsorge. Dr. A. Koelsch, Die Erschaffung der Seele. Änderungen vorbehalten. III. =Vergünstigungen beim Bezuge von hervorragenden naturwissenschaftlichen Werken= (siehe Seite 7 des Prospektes). [symbol] ~Jede Buchhandlung~ nimmt Beitrittserklärungen entgegen und besorgt die Zusendung. Gegebenenfalls wende man sich an die Geschäftsstelle des Kosmos in Stuttgart. Jedermann kann jederzeit Mitglied werden. Bereits Erschienenes wird nachgeliefert. Satzung § 1. Die Gesellschaft Kosmos (eine freie Vereinigung der Naturfreunde auf geschäftlicher Grundlage) will in erster Linie die Kenntnis der Naturwissenschaften und damit die Freude an der Natur und das Verständnis ihrer Erscheinungen in den weitesten Kreisen unseres Volkes verbreiten. § 2. Dieses Ziel sucht die Gesellschaft zu erreichen: durch die Herausgabe eines den Mitgliedern =kostenlos= zur Verfügung gestellten naturwissenschaftlichen Handweisers (§ 5); durch Herausgabe neuer, von hervorragenden Autoren verfaßter, im guten Sinne gemeinverständlicher Werke naturwissenschaftlichen Inhalts, die sie ihren Mitgliedern =unentgeltlich= oder zu =einem besonders billigen Preise= zugänglich macht, usw. § 3. Die Gründer der Gesellschaft bilden den geschäftsführenden Ausschuß, den Vorstand usw. § 4. =Mitglied kann jeder werden=, der sich zu einem Jahresbeitrag von M 4.80 = K 5.80 h ö. W. = Frs 6.40 (exkl. Porto) verpflichtet. Andere Verpflichtungen und Rechte, als in dieser Satzung angegeben sind, erwachsen den Mitgliedern nicht. Der Eintritt kann jederzeit erfolgen; bereits Erschienenes wird nachgeliefert. Der Austritt ist gegebenenfalls bis 1. Oktober des Jahres anzuzeigen, womit alle weiteren Ansprüche an die Gesellschaft erlöschen. § 5. Siehe vorige Seite. § 6. Die Geschäftsstelle befindet sich bei der =Franckh'schen Verlagshandlung, Stuttgart=, Pfizerstraße 5. Alle Zuschriften, Sendungen und Zahlungen (vgl. § 5) sind, soweit sie nicht durch eine Buchhandlung Erledigung finden konnten, dahin zu richten. Kosmos Handweiser für Naturfreunde Erscheint jährlich zwölfmal -- 2 bis 3 Bogen stark -- und enthält: =Originalaufsätze= von allgemeinem Interesse aus sämtlichen Gebieten der Naturwissenschaften. Reich illustriert. =Regelmäßig orientierende Berichte= über Fortschritte und neue Forschungen auf allen Gebieten der Naturwissenschaft. =Auskunftsstelle -- Interessante kleine Mitteilungen.= =Mitteilungen über Naturbeobachtungen=, Vorschläge und Anfragen aus dem Leserkreise. =Bibliographische Notizen= über bemerkenswerte neue Erscheinungen der deutschen naturwissenschaftlichen Literatur. Dem »Handweiser« werden kostenlos beigegeben die illustr. Beiblätter: Wandern und Reisen ▪▪ Aus Wald und Heide ▪▪ Photographie und Naturwissenschaft ▪▪ Technik und Naturwissenschaft ▪▪ Haus, Garten und Feld ▪▪ Die Natur in der Kunst ▪▪ Lesefrüchte. Der »Kosmos« allein kostet für Nichtmitglieder jährlich M 3.--. Probehefte durch jede Buchhandlung oder direkt. Im Jahre 1912 erhalten die Mitglieder außer der reichhaltigen Vereinszeitschrift (jährlich 12 umfangreiche, reich illustr. Hefte) die folgenden ordentlichen Veröffentlichungen kostenfrei: Wie unser Weltbild entstand Eine Geschichte der Anschauungen über den Bau des Weltalls vom Altertum bis zur Gegenwart. Von =Dr. F. Dannemann= Mit zahlreichen Abbildungen. Für Nichtmitglieder: In farbigem Umschlag geheftet M 1.-- In Leinen gebunden M 1.80. Im Wandel des Weltbildes, also des Bildes, das sich die Völker, das sich die einzelnen Menschen vom Weltall machten, spiegelt sich die Geschichte der Menschheit selber wieder. Dannemann rollt diese Geschichte in scharf ineinandergreifenden Bildern in seinem Bändchen vor uns auf. Wir hören von den Anfängen der Wissenschaft bei Chaldäern und Ägyptern, stehen mit ihnen im heißen Wüstensand und starren empor zu den ewigen funkelnden Sternen. Die Astrologen wollen uns ihre Wunder glauben machen, aber die kühle Wissenschaft der Griechen jagt die Nebel von dannen, und wir sehen hier bereits Spuren der späteren reifen Erkenntnis auftauchen, die allerdings die Nebel der Zeit doch wieder verhüllen. Nieder geht die Wissenschaft im alten Rom und dann kommt das Mittelalter mit seinem tiefen Geistesschlaf, aus dem nur einzelne Gipfel, in lichter Morgensonne leuchtend, ragen. Giordano Bruno, der Dominikanermönch, schleudert mit mächtigem Schwunge die Sonne als Stern unter Sternen hinaus in den eisigen Raum. Er büßt auf dem Scheiterhaufen seine Verwegenheit, aber die Vielheit der Welten ist einmal ausgesprochen und damit die Sonderstellung der Erde erschüttert. Dann sitzt Galilei droben auf seiner Sternwarte und sieht die Monde des Jupiter leuchten und schwingen, und er erkennt die Erde als Sonnentrabant. +Eppur si muove+ -- und sie bewegt sich doch -- so klingt das so bezeichnende, ihm zugeschriebene Wort, mit dem er seine Hoffnungen begräbt, hinaus in die Weite. Dann aber kommen Kepler, Kopernikus und Newton und mit ihnen die reine Mathematik, die strenge Rechnerin, die ihre Netze über das All wirft, einzufangen und zu berechnen, und so zu beweisen, was Denken und Forschen uns verriet. Von da ab geht's aufwärts und immer aufwärts. Licht über Licht flutet auf uns herein, und am Schluß stehen wir stolz vor dem Erreichten und demütig vor dem Unerforschlichen, das wir mit Goethes Wort ruhig verehren. Was ist Elektrizität? Die Naturgeschichte eines Elektrons von Charles Gibson Nach dem Englischen frei bearbeitet von =Hanns Günther= Mit zahlreichen Abbildungen Für Nichtmitglieder: In farbigem Umschlag geheftet M 1.-- In Leinwand gebunden M 1.80 [Illustration] Was ist Elektrizität? Eine inhaltschwere Frage liegt in diesem Titel, eine Frage, an deren Lösung Jahrhunderte vergeblich gerätselt haben, weil sie den Forschern immer wieder unter der Hand entglitt. Das letzte Jahrzehnt, das beginnende 20. Jahrhundert erst hat die dunkle Pforte soweit erschlossen, daß wir langsam Licht zu sehen beginnen, wo vorher tiefer schwarzer Schatten war. Nach der heute geltenden Theorie erscheint uns Elektrizität als das wechselvolle Spiel winzig kleiner Teilchen, die man Elektronen nennt. Wie man sie fand, wie man ihr Wesen erkannte, wie sie schaffen und wirken, um uns zu dienen und zu helfen, das alles erzählt uns dieses kleine Bändchen -- läßt es uns erzählen von einem Elektron selber, das aus der Schar seiner Genossen erwählt ward, uns sichere Kunde zu bringen von jenem neuen großen Reich. Die ganzen Wunder der Elektrik wachsen hier langsam vor unseren Augen empor; erst groß und mächtig und überwältigend, daß wir sie kaum erfassen können. Und dann plötzlich vertraut und verständlich, weil wir hinter ihre Ursachen sehen. Es ist ein Buch, das Gegenstücke hat in der Geschichte der Physik, ~aber es hat keine Vorläufer~, und darum wird es jedem Neues und Gutes bringen. Die Urgesellschaft und ihre Lebensfürsorge Anfänge und Urformen der menschlichen Wirtschaft u. Organisation Von =Dr. Karl Weule= Direktor des Museums für Völkerkunde und :: Professor an der Universität zu Leipzig :: Mit zahlreichen Abbildungen Für Nichtmitglieder: In farbigem Umschlag geheftet M 1.-- In Leinen gebunden M 1.80 Der »Kultur der Kulturlosen« und den »Kulturelementen« läßt der bekannte Ethnolog in diesem dritten Bändchen seiner Serie die Schilderung der Anfänge des menschlichen Wirtschafts- und Gesellschaftslebens folgen. Auch hier führt er uns aus dem Völkerleben der Vergangenheit und der Gegenwart eine solche Fülle der eigenartigsten und interessantesten Erscheinungen vor, daß es, wie immer, eine wahre Freude ist, unter der lebendigen Führung des Gelehrten zu sehen, nein zu erleben, wie der Primitive sich seinen Lebensunterhalt erkämpft, wie er anderseits des Lebens Annehmlichkeiten nach seiner Weise genießt, wie er fast überall zu einem wirklichen Handelsverkehr emporsteigt, zu dessen leichterer Abwicklung er sogar die seltsamsten Geldsorten erfindet, und wie er endlich den Raum durch bestimmte Verkehrsmittel zu besiegen gewußt hat. Noch fesselnder sind die Ausblicke auf die so vielumstrittenen Ausgangsformen der menschlichen Gesellschaft und deren Weiterbildung. Kriechtiere und Lurche fremder Länder Von =Dr. Kurt Floericke= Mit zahlreichen Abbildungen [Illustration] Für Nichtmitglieder: In farbigem Umschlag geheftet M 1.-- In Leinen gebunden M 1.80 Die Kenntnis weniger Tierklassen hat in den letzten beiden Jahrzehnten so überraschende Fortschritte gemacht, wie diejenige der Kriechtiere und Lurche, wozu nicht nur die Erschließung fremder Länder, sondern namentlich auch das Erwachen und die überraschende Erstarkung der Terrarienliebhaberei beigetragen hat. In der Tat ist ja auch die bunte Fülle merkwürdiger oft geradezu abenteuerlich gestalteter Formen im Reich der Kaltblütler ganz dazu angetan, das Interesse des denkenden Naturfreundes in hohem Grade zu erregen. Dazu kommen noch die absonderlichen Lebensgewohnheiten dieser Tiere, die sich namentlich bei der Sorge für ihre Nachkommenschaft oft in ganz überraschender Weise äußern. Die »Kosmos«-Mitglieder werden es daher mit Freuden begrüßen, nunmehr auch über diese Tiergruppe aus der bewährten Feder Floerickes eine alle wichtigen Punkte umfassende und die interessantesten plastisch herausarbeitende Darstellung zu erhalten. Die Erschaffung der Seele von =Dr. Adolf Koelsch= Mit zahlreichen Abbildungen Für Nichtmitglieder: In farbigem Umschlag geheftet M 1.-- In Leinen gebunden M 1.80 Das lebende Wesen unterscheidet sich durch nichts so deutlich vom toten unbelebten Stoff als durch die Fähigkeit, sich Eindrücke und Erfahrungen einzuverleiben und so Empfindung und Gedächtnis, ~eine Seele~ entstehen zu lassen. Alle die vielen Einflüsse, die die Umwelt in jedem Augenblick auf uns ausübt, gehen nicht verloren -- sie wirken in allem Lebendigen weiter, und nicht nur im einzelnen Wesen, sondern in der langen Kette seiner Nachkommen. Dieses Tiefste und Wunderbarste, ~die Erschaffung der Seele~ will das Büchlein in klarer, einfacher Weise vorführen, gestützt auf ein reiches Erfahrungsmaterial und zahllose Experimente. ~Das Geheimnis der empfindenden Seele, die langsam erweckt wird und sich entfaltet, das Geheimnis der Vererbung~ wird an der Hand zahlreicher experimenteller Untersuchungen gezeigt. Die Naturwissenschaft fördert die Fähigkeit des Menschen, das Leben zu behaupten und sich Lebensgüter zu verschaffen! Die Mitglieder des ~Kosmos~ haben bekanntlich nach Paragraph 5 III das Recht, außerordentliche Veröffentlichungen und die den Mitgliedern angebotenen Bücher zu ~einem Ausnahmepreis~ zu beziehen. Es befinden sich u. a. darunter folgende Werke: +--------+-------- |Preis f.|Mit- |Nicht- |glieder- |mitgl. |preis +--------+-------- | M | M Altpeter, ABC der Chemie | 2.40 | 1.-- =Bölsche, W., Der Sieg des Lebens.= Fein gebunden | 1.80 | 1.50 =Diezels Erfahrungen a. d. Gebiete d. Niederjagd.= Geb.| 4.50 | 2.90 Ewald, Mutter Natur erzählt | 4.80 | 3.60 " Der Zweifüßler | 4.80 | 3.60 Fabre, J. H., Sternhimmel | 4.80 | 3.60 " =Bilder aus der Insektenwelt.= Geb. | 4.50 | 3.40 " =Blick ins Käferleben.= Brosch. | 1.-- |--.50 =Floericke, Dr. Kurt, Deutsches Vogelbuch.= Gebunden |10.-- | 8.40 Hepner, Cl., 100 neue Tiergeschichten | 3.60 | 2.80 =Jaeger, Prof. Dr. Gust., Das Leben im Wasser.= Kart. | 4.50 | 1.70 =Jahrbuch der Vogelkunde.= II. Jahrgang. 1908 | 2.80 | 2.-- =Kuhlmann, Wunderwelt des Wassertropfens.= Brosch. | 1.-- |--.50 =Leben der Pflanze.= Bd. I, II, III, IV geb. je |15.-- |13.50 =Lindemann, Die Erde.= Bd. I. Gebunden | 9.-- | 8.-- =Meyer, Dr. M. Wilh., Die ägyptische Finsternis.= Geb. | 3.-- | 1.90 =Sauer, Prof. Dr. A., Mineralkunde.= Gebunden |13.60 |12.20 =Schrader, Liebesleben der Tiere.= Broschiert | 1.40 | 1.10 =Stevens, Frank, Ausflüge ins Ameisenreich.= Geb. | 2.50 | 1.85 " " =Die Reise ins Bienenland.= Geb. | 3.-- | 1.85 =Thompson, E. S., Bingo u. a. Tiergeschichten.= Geb. | 4.80 | 3.60 " =Prärietiere und ihre Schicksale.= Fein gebunden | 4.80 | 3.60 " =Tierhelden.= Fein gebunden | 4.80 | 3.60 Wandtafeln zur Tierkunde: | | =Reihe I, Reihe II= (mit je 4 Einzelbildern) roh je | 4.50 | 3.50 auf Leinwand gezogen je | 7.50 | 5.80 " " " u. mit Stäben versehen je | 8.50 | 6.50 =Reihe I= Einzelbild 1, 2, 3, 4, | | =Reihe II= Einzelbild 1, 2, 3, 4 | | jedes Bild roh | 1.50 | 1.20 " " " auf Leinwd. gez. | 3.-- | 2.20 " " " " " " u. mit Stäben | 4.-- |10 versehen | | (Ausführliche Prospekte von der Geschäftsstelle.) | | =Wurm, Waldgeheimnisse.= Gebunden | 4.80 | 3.60 Monographien unserer Haustiere: Bd. I Schumann, | | Kaninchen; Bd. II Schuster, Hauskatze; Bd. III | | Morgan, Hund; Bd. IV Schwind, Haushuhn à | 1.40 | 1.05 und zahlreiche andere mehr. | | Die ordentlichen Veröffentlichungen der früheren Jahre stehen neu eintretenden Mitgliedern, solange Vorrat, zu Ausnahmepreisen zur Verfügung. [Sidenote:: 1904:] (Handweiser vergriffen) zusammen für M 4.-- (Preis für Nichtmitglieder M 5.--), geb. für M 6.20 (für Nichtmitglieder M 8.40): Bölsche, W., Abstammung des Menschen. Meyer, Dr. M. Wilh. (Urania-Meyer), Weltuntergang. Zell, Dr. Th., Ist das Tier unvernünftig? (Doppelband.) Meyer, Dr. M. Wilh. (Urania-Meyer), Weltschöpfung. [Sidenote:: 1905:] (Handweiser vergriffen) zusammen für M 4.-- (Preis für Nichtmitglieder M 5.--), geb. für M 6.75 (für Nichtmitglieder M 9.--): Bölsche, Wilhelm, Stammbaum der Tiere. Francé. R. H., Das Sinnesleben der Pflanzen. Zell, Dr. Th., Tierfabeln. Teichmann, Dr. E., Leben und Tod. Meyer Dr. M. Wilh. (Urania-Meyer), Sonne und Sterne. [Sidenote:: 1906:] ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 7.55[A] (für Nichtmitglieder M 11.80): =Kosmos, Handweiser für Naturfreunde.= 1906: 12 Hefte (Preis für Nichtmitglieder M 2.80). Francé, R. H., Liebesleben der Pflanzen. Meyer, Dr. M. Wilh., Rätsel d. Erdpole. Zell, Dr. Th., Streifzüge durch d. Tierwelt. Bölsche, Wilh., Im Steinkohlenwald. Ament, Dr. W., Die Seele des Kindes. [Sidenote:: 1907:] ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 7.55[A] (für Nichtmitglieder M 11.80): =Kosmos, Wegweiser für Naturfreunde.= 1907: 12 Hefte (für Nichtmitgl. M 2.80). Kuhlmann, Aus der Wunderwelt des Wassertropfens. Zell, Dr. Th., Straußenpolitik. Meyer, Dr. M. W., Kometen u. Meteore. Teichmann, Dr. E., Fortpflanzung und Zeugung. Floericke, Dr. K., Die Vögel des deutschen Waldes. [Sidenote:: 1908:] ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 7.55[A] (für Nichtmitglieder M 11.80): Meyer, Dr. M. W., Erdbeben und Vulkane. Teichmann, Dr. E., Die Vererbung als erhaltende Macht im Flusse organischen Geschehens. Sajó, Krieg u. Frieden im Ameisenstaat. Dekker, Naturgeschichte des Kindes. Floericke, Dr. K., Säugetiere des deutschen Waldes. [Sidenote:: 1909:] ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 7.55[A] (für Nichtmitglieder M 11.80): Unruh, Leben mit Tieren. Meyer, Dr. M. Wilh., Der Mond. Sajó, Prof. K., Die Honigbiene. Floericke, Dr. K., Kriechtiere und Lurche Deutschlands. Bölsche, Wilh., Der Mensch in der Tertiärzeit und im Diluvium. [Sidenote:: 1910:] ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 7.55[A] (für Nichtmitglieder M 11.80): Koelsch, Von Pflanzen zwischen Dorf und Trift. Dekker, Fühlen und Hören. Meyer, Welt der Planeten. Floericke, Säugetiere fremder Länder. Weule, Kultur der Kulturlosen. [Sidenote:: 1911:] ungebunden zusammen M 4.80 (für Nichtmitglieder M 7.80) und gebunden für M 7.55[2] (für Nichtmitglieder M 11.80): Koelsch, Durch Heide und Moor. Dekker, Sehen, Riechen und Schmecken. Weule, Kulturelemente der Menschheit. Floericke, Vögel fremder Länder. Bölsche, Der Mensch der Pfahlbauzeit. Die sämtlichen noch vorhandenen Jahrgänge der Kosmos-Veröffentlichungen (s. obige Zusammenstellung) liefern wir an Mitglieder: geheftet für M 31.50 (Preis für Nichtmitglieder M 56.80) gebunden (auch Handweiser) " " 52.50 ( " " " " 93.--) auch gegen kleine monatliche Ratenzahlungen. FOOTNOTES: [1] Es liegt ein Mißverständnis vor, wenn Schillings (a. a. O. S. 239) annimmt, ich behaupte, Giraffen könnten nicht ~riechen~. Sicherlich könnten sie ebenso riechen wie der Mensch, aber beide vermögen nicht zu ~wittern~ wie der Hund und andere Nasentiere. [2] Wird auch der Handweiser gebunden gewünscht, so erhöht sich der Preis um 85 Pf. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK STRAUSSENPOLITIK *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for an eBook, except by following the terms of the trademark license, including paying royalties for use of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the trademark license is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state’s laws. The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation’s website and official page at www.gutenberg.org/contact Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine-readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit www.gutenberg.org/donate. While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. 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