Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci

By Sigmund Freud

The Project Gutenberg eBook of Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci
    
This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and
most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
of the Project Gutenberg License included with this ebook or online
at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States,
you will have to check the laws of the country where you are located
before using this eBook.

Title: Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci

Author: Sigmund Freud

Release date: February 24, 2025 [eBook #75455]

Language: German

Original publication: Leipzig: Franz Deuticke, 1910

Credits: Jana Srna, Hans Theyer and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK EINE KINDHEITSERINNERUNG DES LEONARDO DA VINCI ***



=======================================================================

                     Anmerkungen zur Transkription.

Das Original ist in Fraktur gesetzt; Schreibweise und Interpunktion des
Originaltextes wurden übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler
sind stillschweigend korrigiert worden.

Worte in Antiqua sind so +gekennzeichnet+; gesperrte so: ~gesperrt~
und =fettgedruckte= so.
=======================================================================


            VERLAG VON FRANZ DEUTICKE IN LEIPZIG UND WIEN.


      Nachstehende sieben Werke, welche als die Dokumente für den
     Entwicklungsgang und Inhalt der =Freudschen Lehren= anzusehen
     sind, werden, _wenn auf einmal bezogen_, zum Vorzugspreise von
        M 30.-- = K 36.-- (statt M 36.50 = K 43.80) abgegeben:


                        Studien über Hysterie.

           Von =Dr. Josef Breuer= und =Prof. Dr. S. Freud=.

                Zweite Auflage. Preis M 7.-- = K 8.40.


                           Die Traumdeutung.

                     Von =Prof. Dr. Sigm. Freud=.

          Zweite, vermehrte Auflage. Preis M 9.-- = K 10.80.


                 Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie.

                     Von =Prof. Dr. Sigm. Freud=.

                Zweite Auflage. Preis M 2.-- = K 2.40.


             Sammlung kleiner Schriften zur Neurosenlehre.

                     Von =Prof. Dr. Sigm. Freud=.

              I. und II. Reihe. Preis à M 5.-- = K 6.--.


           Der Wahn und die Träume in W. Jensens »Gradiva«.

           (Schriften zur angewandten Seelenkunde. I. Heft.)

               Von =Prof. Dr. Sigmund Freud= in =Wien=.

                        Preis M 2.50 = K 3.--.


             Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten.

                     Von =Prof. Dr. Sigm. Freud=.

                        Preis M 5.-- = K 6.--.


                          Über Psychoanalyse.

  Fünf Vorlesungen, gehalten zur 20jährigen Gründungsfeier der Clark
                    University in Worcester, Mass.

                     Von =Prof. Dr. Sigm. Freud=.

                        Preis M 1.-- = K 1.20.

                [Illustration: Heilige Anna Selbdritt.

                 Nach dem Gemälde im Louvre zu Paris.]




                 SCHRIFTEN ZUR ANGEWANDTEN SEELENKUNDE
                HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. SIGM. FREUD
                            SIEBENTES HEFT.




                       EINE KINDHEITSERINNERUNG
                         DES LEONARDO DA VINCI

                                  VON

                              SIGM. FREUD
                               IN WIEN.

                          MIT EINEM TITELBILD

                           LEIPZIG UND WIEN
                            FRANZ DEUTICKE
                                 1910.

                           Verlags-Nr. 1731.

         K. und K. Hofbuchdruckerei Karl Prochaska in Teschen.




                                  I.


Wenn die seelenärztliche Forschung, die sich sonst mit schwächlichem
Menschenmaterial begnügt, an einen der Großen des Menschengeschlechtes
herantritt, so folgt sie dabei nicht den Motiven, die ihr von den Laien
so häufig zugeschoben werden. Sie strebt nicht danach, »das Strahlende
zu schwärzen und das Erhabene in den Staub zu ziehen«; es bereitet ihr
keine Befriedigung, den Abstand zwischen jener Vollkommenheit und der
Unzulänglichkeit ihrer gewöhnlichen Objekte zu verringern. Sondern sie
kann nicht anders, als alles des Verständnisses wert finden, was sich
an jenen Vorbildern erkennen läßt, und sie meint, es sei niemand so
groß, daß es für ihn eine Schande wäre, den Gesetzen zu unterliegen,
die normales und krankhaftes Tun mit gleicher Strenge beherrschen.

Als einer der größten Männer der italienischen Renaissance ist
~Leonardo da Vinci~ (1452-1519) schon von den Zeitgenossen
bewundert worden und doch bereits ihnen rätselhaft erschienen, wie
auch jetzt noch uns. Ein allseitiges Genie, »dessen Umrisse man nur
ahnen kann, -- nie ergründen,«[1] übte er den maßgebendsten Einfluß
auf seine Zeit als Maler aus; erst uns blieb es vorbehalten, die Größe
des Naturforschers zu erkennen, der sich in ihm mit dem Künstler
verband. Wenngleich er Meisterwerke der Malerei hinterlassen, während
seine wissenschaftlichen Entdeckungen unveröffentlicht und unverwertet
blieben, hat doch in seiner Entwicklung der Forscher den Künstler
nie ganz frei gelassen, ihn oftmals schwer beeinträchtigt und ihn
vielleicht am Ende unterdrückt. ~Vasari~ legt ihm in seiner
letzten Lebensstunde den Selbstvorwurf in den Mund, daß er Gott und
die Menschen beleidigt, indem er in seiner Kunst nicht seine Pflicht
getan.[2] Und wenn auch diese Erzählung ~Vasaris~ weder die äußere
noch viel innere Wahrscheinlichkeit für sich hat, sondern der Legende
angehört, die sich um den geheimnisvollen Meister schon zu seinen
Lebzeiten zu bilden begann, so verbleibt ihr doch als Zeugnis für das
Urteil jener Menschen und jener Zeiten ein unbestreitbarer Wert.

Was war es, was die Persönlichkeit Leonardos dem Verständnis seiner
Zeitgenossen entrückte? Gewiß nicht die Vielseitigkeit seiner Anlagen
und Kenntnisse, die ihm gestattete, sich am Hofe des ~Lodovico
Sforza~, zubenannt ~il Moro~, Herzogs von Mailand, als Lautenspieler
auf einem von ihm neugeformten Instrumente einzuführen oder ihn jenen
merkwürdigen Brief an eben denselben schreiben ließ, in dem er sich
seiner Leistungen als Bau- und Kriegsingenieur berühmte. Denn an
solche Vereinigung vielfältigen Könnens in einer Person waren die
Zeiten der Renaissance wohl gewöhnt; allerdings war Leonardo selbst
eines der glänzendsten Beispiele dafür. Auch gehörte er nicht jenem
Typus genialer Menschen an, die, von der Natur äußerlich karg bedacht,
ihrerseits keinen Wert auf die äußerlichen Formen des Lebens legen
und in der schmerzlichen Verdüsterung ihrer Stimmung den Verkehr der
Menschen fliehen. Er war vielmehr groß und ebenmäßig gewachsen, von
vollendeter Schönheit des Gesichtes und von ungewöhnlicher Körperkraft,
bezaubernd in den Formen seines Umgangs, ein Meister der Rede, heiter
und liebenswürdig gegen alle; er liebte die Schönheit auch an den
Dingen, die ihn umgaben, trug gern prunkvolle Gewänder und schätzte
jede Verfeinerung der Lebensführung. In einer für seine heitere
Genußfähigkeit bedeutsamen Stelle des Traktats über Malerei[3] hat er
die Malerei mit ihren Schwesterkünsten verglichen und die Beschwerden
der Arbeit des Bildhauers geschildert: »Da hat er das Gesicht ganz
beschmiert und mit Marmorstaub eingepudert, so daß er wie ein Bäcker
ausschaut, und ist mit kleinen Marmorsplittern über und über bedeckt,
daß es aussieht, als hätte es ihm auf den Buckel geschneit, und seine
Behausung, die ist voll Steinsplitter und Staub. Ganz das Gegenteil
von alle diesem ist beim Maler der Fall, -- .... denn der Maler sitzt
mit großer Bequemlichkeit vor seinem Werke, wohlgekleidet, und regt
den ganz leichten Pinsel mit den anmutigen Farben. Mit Kleidern ist
er geschmückt, wie es ihm gefällt. Und seine Behausung, die ist voll
heiterer Malereien und glänzend reinlich. Oft hat er Gesellschaft, von
Musik, oder von Vorlesern verschiedener schöner Werke, und das wird
ohne Hammergedröhn oder sonstigen Lärm mit großem Vergnügen angehört.«

Es ist ja sehr wohl möglich, daß die Vorstellung eines strahlend
heiteren und genußfrohen Leonardo nur für die erste, längere
Lebensperiode des Meisters recht hat. Von da an, als der Niedergang der
Herrschaft des Lodovico Moro ihn zwang, Mailand, seinen Wirkungskreis
und seine gesicherte Stellung zu verlassen, um ein unstetes, an äußeren
Erfolgen wenig reiches Leben bis zum letzten Asyl in Frankreich
zu führen, mag der Glanz seiner Stimmung verblichen und mancher
befremdliche Zug seines Wesens stärker hervorgetreten sein. Auch die
mit den Jahren zunehmende Wendung seiner Interessen von seiner Kunst
zur Wissenschaft mußte dazu beitragen, die Kluft zwischen seiner
Person und seinen Zeitgenossen zu erweitern. Alle die Versuche,
mit denen er nach ihrer Meinung seine Zeit vertrödelte, anstatt
emsig auf Bestellung zu malen und sich zu bereichern, wie etwa sein
ehemaliger Mitschüler ~Perugino~, erschienen ihnen als grillenhafte
Spielereien oder brachten ihn selbst in den Verdacht, der »schwarzen
Kunst« zu dienen. Wir verstehen ihn hierin besser, die wir aus seinen
Aufzeichnungen wissen, welche Künste er übte. In einer Zeit, welche
die Autorität der Kirche mit der der Antike zu vertauschen begann und
voraussetzungslose Forschung noch nicht kannte, war er, der Vorläufer,
ja ein nicht unwürdiger Mitbewerber von ~Bacon~ und ~Kopernikus~,
notwendig vereinsamt. Wenn er Pferde- und Menschenleichen zerlegte,
Flugapparate baute, die Ernährung der Pflanzen und ihr Verhalten gegen
Gifte studierte, rückte er allerdings weit ab von den Kommentatoren des
Aristoteles und kam in die Nähe der verachteten Alchymisten, in deren
Laboratorien die experimentelle Forschung wenigstens eine Zuflucht
während dieser ungünstigen Zeiten gefunden hatte.

Für seine Malerei hatte dies die Folge, daß er ungern den Pinsel zur
Hand nahm, immer weniger und seltener malte, das Angefangene meist
unfertig stehen ließ und sich um das weitere Schicksal seiner Werke
wenig kümmerte. Das war es auch, was ihm seine Zeitgenossen zum Vorwurf
machten, denen sein Verhältnis zur Kunst ein Rätsel blieb.

Mehrere der späteren Bewunderer Leonardos haben es versucht, den
Makel der Unstetigkeit von seinem Charakter zu tilgen. Sie machen
geltend, daß das, was man an Leonardo tadle, Eigentümlichkeit der
großen Künstler überhaupt sei. Auch der tatkräftige, sich in die Arbeit
verbeißende ~Michel Angelo~ habe viele seiner Werke unvollendet
gelassen, und es sei so wenig seine Schuld gewesen wie die Leonardos
im gleichen Falle. Auch sei so manches Bild nicht so sehr unfertig
geblieben, als von ihm dafür erklärt worden. Was dem Laien schon ein
Meisterwerk scheine, das sei für den Schöpfer des Kunstwerkes immer
noch eine unbefriedigende Verkörperung seiner Absichten; ihm schwebe
eine Vollkommenheit vor, die er im Abbild wiederzugeben jedesmal
verzage. Am wenigsten ginge es aber an, den Künstler für das endliche
Schicksal verantwortlich zu machen, das seine Werke träfe.

So stichhaltig manche dieser Entschuldigungen auch sein mögen, so
decken sie doch nicht den ganzen Sachverhalt, der uns bei Leonardo
begegnet. Das peinliche Ringen mit dem Werke, die endliche Flucht vor
ihm und die Gleichgültigkeit gegen sein weiteres Schicksal mag bei
vielen anderen Künstlern wiederkehren; gewiß aber zeigte Leonardo dies
Benehmen im höchsten Grade. ~Edm. Solmi~[4] zitiert (p. 12) die
Äußerung eines seiner Schüler: »Pareva, che ad ogni ora tremasse,
quando si poneva a dipingere, e però non diede mai fine ad alcuna cosa
cominciata, considerando la grandezza dell' arte, tal che egli scorgeva
errori in quelle cose, che ad altri parevano miracoli.« Seine letzten
Bilder, die Leda, die Madonna di Sant' Onofrio, der Bacchus und der
San Giovanni Battista giovane seien unvollendet geblieben »come quasi
intervenne di tutte le cose sue ....« ~Lomazzo~,[5] der eine Kopie
des Abendmahls anfertigte, berief sich auf die bekannte Unfähigkeit
Leonardos, etwas fertig zu malen, in einem Sonett:

    »Protogen che il penel di sue pitture
    Non levava, agguaglio il Vinci Divo,
    Di cui opra non è finita pure.«

Die Langsamkeit, mit welcher Leonardo arbeitete, war sprichwörtlich.
Am Abendmahl im Kloster zu Santa Maria delle Grazie zu Mailand malte er
nach den gründlichsten Vorstudien drei Jahre lang. Ein Zeitgenosse,
der Novellenschreiber Matteo ~Bandelli~, der damals als junger
Mönch dem Kloster angehörte, erzählt, daß Leonardo häufig schon früh
am Morgen das Gerüst bestiegen habe, um bis zur Dämmerung den Pinsel
nicht aus der Hand zu legen, ohne an Essen und Trinken zu denken. Dann
seien Tage verstrichen, ohne daß er Hand daran anlegte, bisweilen
habe er stundenlang vor dem Gemälde verweilt und sich damit begnügt,
es innerlich zu prüfen. Andere Male sei er aus dem Hofe des Mailänder
Schlosses, wo er das Modell des Reiterstandbildes für Francesco Sforza
formte, geradewegs ins Kloster gekommen, um ein paar Pinselstriche an
einer Gestalt zu machen, dann aber unverzüglich aufgebrochen.[6] An
dem Porträt der Monna Lisa, Gemahlin des Florentiners Francesco del
Giocondo, malte er nach Vasaris Angabe vier Jahre lang, ohne es zur
letzten Vollendung bringen zu können, wozu auch der Umstand stimmen
mag, daß das Bild nicht dem Besteller abgeliefert wurde, sondern bei
Leonardo verblieb, der es nach Frankreich mitnahm.[7] Von König Franz
I. angekauft, bildet es heute einen der größten Schätze des Louvre.

Wenn man diese Berichte über die Arbeitsweise Leonardos mit dem
Zeugnis der außerordentlich zahlreich von ihm erhaltenen Skizzen und
Studienblätter zusammenhält, die jedes in seinen Bildern vorkommende
Motiv auf das Vielfältigste variieren, so muß man die Auffassung weit
von sich weisen, als hätten Züge von Flüchtigkeit und Unbeständigkeit
den mindesten Einfluß auf Leonardos Verhältnis zu seiner Kunst
gewonnen. Man merkt im Gegenteile eine ganz außerordentliche
Vertiefung, einen Reichtum an Möglichkeiten, zwischen denen die
Entscheidung nur zögernd gefällt wird, Ansprüche, denen kaum zu
genügen ist, und eine Hemmung in der Ausführung, die sich eigentlich
auch durch das notwendige Zurückbleiben des Künstlers hinter seinem
idealen Vorsatz nicht erklärt. Die Langsamkeit, die an Leonardos
Arbeiten von jeher auffiel, erweist sich als ein Symptom dieser
Hemmung, als der Vorbote der Abwendung von der Malerei, die später
eintrat.[8] Sie war es auch, die das nicht unverschuldete Schicksal
des Abendmahls bestimmte. Leonardo konnte sich nicht mit der Malerei
al fresko befreunden, die ein rasches Arbeiten, solange der Malgrund
noch feucht ist, erfordert, darum wählte er Ölfarben, deren Eintrocknen
ihm gestattete, die Vollendung des Bildes nach Stimmung und Muße
hinauszuziehen. Diese Farben lösten sich aber von dem Grunde, auf dem
sie aufgetragen wurden, und der sie von der Mauer isolierte; die Fehler
dieser Mauer und die Schicksale des Raumes kamen hinzu, um die, wie es
scheint, unabwendbare Verderbnis des Bildes zu entscheiden.[9]

Durch das Mißglücken eines ähnlichen technischen Versuches scheint das
Bild der Reiterschlacht bei Anghiari untergegangen zu sein, das er
später in einer Konkurrenz mit Michel Angelo an eine Wand der Sala del
Consiglio in Florenz zu malen begann und auch im unfertigen Zustand
im Stiche ließ. Es ist hier, als ob ein fremdes Interesse, das des
Experimentators, das künstlerische zunächst verstärkt habe, um dann das
Kunstwerk zu schädigen.

Der Charakter des Mannes Leonardo zeigte noch manche andere
ungewöhnliche Züge und anscheinende Widersprüche. Eine gewisse
Inaktivität und Indifferenz schien an ihm unverkennbar. Zu einer
Zeit, da jedes Individuum den breitesten Raum für seine Betätigung
zu gewinnen suchte, was nicht ohne Entfaltung energischer Aggression
gegen andere abgehen kann, fiel er durch ruhige Friedfertigkeit, durch
Vermeidung aller Gegnerschaften und Streitigkeiten auf. Er war mild
und gütig gegen alle, lehnte angeblich die Fleischnahrung ab, weil er
es nicht für gerechtfertigt hielt, Tieren das Leben zu rauben, und
machte sich einen besonderen Genuß daraus, Vögeln, die er auf dem
Markte kaufte, die Freiheit zu schenken.[10] Er verurteilte Krieg
und Blutvergießen und hieß den Menschen nicht so sehr den König der
Tierwelt als vielmehr die ärgste der wilden Bestien.[11] Aber diese
weibliche Zartheit des Empfindens hielt ihn nicht ab, verurteilte
Verbrecher auf ihrem Wege zur Hinrichtung zu begleiten, um deren
von Angst verzerrte Mienen zu studieren und in seinem Taschenbuche
abzuzeichnen, hinderte ihn nicht, die grausamsten Angriffswaffen zu
entwerfen und als oberster Kriegsingenieur in die Dienste des ~Cesare
Borgia~ zu treten. Er erschien oft wie indifferent gegen Gut und
Böse, oder er verlangte mit einem besonderen Maße gemessen zu werden.
In einer maßgebenden Stellung machte er den Feldzug des Cesare mit, der
diesen rücksichtslosesten und treulosesten aller Gegner in den Besitz
der Romagna brachte. Nicht eine Zeile der Aufzeichnungen Leonardos
verrät eine Kritik oder Anteilnahme an den Vorgängen jener Tage. Der
Vergleich mit ~Goethe~ während der Campagne in Frankreich ist hier
nicht ganz abzuweisen.

Wenn ein biographischer Versuch wirklich zum Verständnis des
Seelenlebens seines Helden durchdringen will, darf er nicht, wie dies
in den meisten Biographien aus Diskretion oder aus Prüderie geschieht,
die sexuelle Betätigung, die geschlechtliche Eigenart des Untersuchten
mit Stillschweigen übergehen. Was hierüber bei Leonardo bekannt ist,
ist wenig, aber dieses wenige bedeutungsvoll. In einer Zeit, die
schrankenlose Sinnlichkeit mit düsterer Askese ringen sah, war Leonardo
ein Beispiel von kühler Sexualablehnung, die man beim Künstler und
Darsteller der Frauenschönheit nicht erwarten würde. ~Solmi~[12]
zitiert von ihm folgenden Satz, der seine Frigidität kennzeichnet:
»Der Zeugungsakt und alles, was damit in Verbindung steht, ist so
abscheulich, daß die Menschen bald aussterben würden, wäre es nicht
eine althergebrachte Sitte und gäbe es nicht noch hübsche Gesichter
und sinnliche Veranlagungen.« Seine hinterlassenen Schriften, die ja
nicht nur die höchsten wissenschaftlichen Probleme behandeln, sondern
auch Harmlosigkeiten enthalten, welche uns eines so großen Geistes
kaum würdig erscheinen (eine allegorische Naturgeschichte, Tierfabeln,
Schwänke, Prophezeiungen[13] sind in einem Grade keusch -- man möchte
sagen: abstinent --, der an einem Werke der schönen Literatur auch
heute Wunder nehmen würde. Sie weichen allem Sexuellen so entschieden
aus, als wäre allein der Eros, der alles Lebende erhält, kein würdiger
Stoff für den Wissensdrang des Forschers.[14] Es ist bekannt, wie
häufig große Künstler sich darin gefallen, ihre Phantasie in erotischen
und selbst derb obszönen Darstellungen auszutoben; von Leonardo
besitzen wir zum Gegensatze nur einige anatomische Zeichnungen über die
inneren Genitalien des Weibes, die Lage der Frucht im Mutterleibe
u. dgl.

Es ist zweifelhaft, ob Leonardo jemals ein Weib in Liebe umarmt hat;
auch von einer intimen seelischen Beziehung zu einer Frau, wie die
Michel Angelos zur ~Vittoria Colonna~, ist nichts bekannt. Als er
noch als Lehrling im Hause seines Meisters ~Verrocchio~ lebte,
traf ihn mit anderen jungen Leuten eine Anzeige wegen verbotenen
homosexuellen Umganges, die mit seinem Freispruch endete. Es scheint,
daß er in diesen Verdacht geriet, weil er sich eines übel beleumundeten
Knaben als Modells bediente.[15] Als Meister umgab er sich mit schönen
Knaben und Jünglingen, die er zu Schülern annahm. Der letzte dieser
Schüler, Francesco ~Melzi~, begleitete ihn nach Frankreich, blieb
bis zu seinem Tode bei ihm und wurde von ihm zum Erben eingesetzt.
Ohne die Sicherheit seiner modernen Biographen zu teilen, die die
Möglichkeit eines sexuellen Verkehres zwischen ihm und seinen Schülern
natürlich als eine grundlose Beschimpfung des großen Mannes verwerfen,
mag man es für weitaus wahrscheinlicher halten, daß die zärtlichen
Beziehungen Leonardos zu den jungen Leuten, die nach damaliger
Schülerart sein Leben teilten, nicht in geschlechtliche Betätigung
ausliefen. Man wird ihm auch von sexueller Aktivität kein hohes Maß
zumuten dürfen.

Die Eigenart dieses Gefühls- und Geschlechtslebens läßt sich im
Zusammenhalt mit Leonardos Doppelnatur als Künstler und Forscher nur
in einer Weise begreifen. Von den Biographen, denen psychologische
Gesichtspunkte oft sehr ferne liegen, hat meines Wissens nur einer,
~Edm. Solmi~, sich der Lösung des Rätsels genähert; ein Dichter
aber, der Leonardo zum Helden eines großen historischen Romans gewählt
hat, ~Dmitry Sergewitsch Mereschkowski~, hat seine Darstellung
auf solches Verständnis des ungewöhnlichen Mannes gegründet und seine
Auffassung, wenn auch nicht in dürren Worten, so doch nach der Weise
des Dichters in plastischem Ausdruck unverkennbar geäußert.[16]
~Solmi~ urteilt über Leonardo: »Aber das unstillbare Verlangen,
alles ihn Umgebende zu erkennen und mit kalter Überlegenheit das
tiefste Geheimnis alles Vollkommenen zu ergründen, hatte Leonardos
Werke dazu verdammt, stets unfertig zu bleiben.«[17] In einem Aufsatze
der ~Conferenze Fiorentine~ wird die Äußerung Leonardos zitiert,
die sein Glaubensbekenntnis und den Schlüssel zu seinem Wesen
ausliefert:

»~Nessuna cosa si può amare nè odiare, se prima non si ha cognition
di quella.~«[18]

Also: Man hat kein Recht, etwas zu lieben oder zu hassen, wenn man
sich nicht eine gründliche Erkenntnis seines Wesens verschafft hat.
Und dasselbe wiederholt Leonardo an einer Stelle des Traktates von der
Malerei, wo er sich gegen den Vorwurf der Irreligiosität zu verteidigen
scheint:

»Solche Tadler mögen aber stillschweigen. Denn jenes (Tun) ist die
Weise, den Werkmeister so vieler bewundernswerter Dinge kennen zu
lernen, und dies der Weg, einen so großen Erfinder zu lieben. Denn
wahrlich, große Liebe entspringt aus großer Erkenntnis des geliebten
Gegenstandes, und wenn du diesen wenig kennst, so wirst du ihn nur
wenig oder gar nicht lieben können ...«[19]

Der Wert dieser Äußerungen Leonardos kann nicht darin gesucht werden,
daß sie eine bedeutsame psychologische Tatsache mitteilen, denn was sie
behaupten, ist offenkundig falsch, und Leonardo mußte dies ebensogut
wissen wie wir. Es ist nicht wahr, daß die Menschen mit ihrer Liebe
oder ihrem Haß warten, bis sie den Gegenstand, dem diese Affekte
gelten, studiert und in seinem Wesen erkannt haben, vielmehr lieben sie
impulsiv auf Gefühlsmotive hin, die mit Erkenntnis nichts zu tun haben,
und deren Wirkung durch Besinnung und Nachdenken höchstens abgeschwächt
wird. Leonardo konnte also nur gemeint haben, was die Menschen üben,
das sei nicht die richtige, einwandfreie Liebe, man ~sollte~ so
lieben, daß man den Affekt aufhalte, ihn der Gedankenarbeit unterwerfe
und erst frei gewähren lasse, nachdem er die Prüfung durch das Denken
bestanden hat. Und wir verstehen dabei, daß er uns sagen will, bei ihm
sei es so; es wäre für alle anderen erstrebenswert, wenn sie es mit
Liebe und Haß so hielten wie er selbst.

Und bei ihm scheint es wirklich so gewesen zu sein. Seine Affekte waren
gebändigt, dem Forschertrieb unterworfen; er liebte und haßte nicht,
sondern fragte sich, woher das komme, was er lieben oder hassen sollte,
und was es bedeute, und so mußte er zunächst indifferent erscheinen
gegen Gut und Böse, gegen Schönes und Häßliches. Während dieser
Forscherarbeit warfen Liebe und Haß ihre Vorzeichen ab und wandelten
sich gleichmäßig in Denkinteresse um. In Wirklichkeit war Leonardo
nicht leidenschaftslos, er entbehrte nicht des göttlichen Funkens, der
mittelbar oder unmittelbar die Triebkraft -- il primo motore -- alles
menschlichen Tuns ist. Er hatte die Leidenschaft nur in Wissensdrang
verwandelt; er ergab sich nun der Forschung mit jener Ausdauer,
Stetigkeit, Vertiefung, die sich aus der Leidenschaft ableiten, und auf
der Höhe der geistigen Arbeit, nach gewonnener Erkenntnis, läßt er den
lange zurückgehaltenen Affekt losbrechen, frei abströmen, wie einen vom
Strome abgeleiteten Wasserarm, nachdem er das Werk getrieben hat. Auf
der Höhe einer Erkenntnis, wenn er ein großes Stück des Zusammenhanges
überschauen kann, dann erfaßt ihn das Pathos und er preist in
schwärmerischen Worten die Großartigkeit jenes Stückes der Schöpfung,
das er studiert hat, oder -- in religiöser Einkleidung -- die Größe
seines Schöpfers. ~Solmi~ hat diesen Prozeß der Umwandlung bei
Leonardo richtig erfaßt. Nach dem Zitat einer solchen Stelle, in der
Leonardo den hehren Zwang der Natur (»O mirabile necessita ...«)
gefeiert hat, sagt er: Tale trasfigurazione della scienza della natura
in emozione, quasi direi, religiosa, è uno dei tratti caratteristici
de' manoscritti vinciani, e si trova cento e cento volte espressa
...[20]

Man hat Leonardo wegen seines unersättlichen und unermüdlichen
Forscherdranges den italienischen Faust geheißen. Aber von allen
Bedenken gegen die mögliche Rückverwandlung des Forschertriebes in
Lebenslust abgesehen, die wir als die Voraussetzung der Fausttragödie
annehmen müssen, möchte man die Bemerkung wagen, daß die Entwicklung
Leonardos an spinozistische Denkweise streift.

Die Umsetzungen der psychischen Triebkraft in verschiedene Formen der
Betätigung sind vielleicht ebenso wenig ohne Einbuße konvertierbar,
wie die der physikalischen Kräfte. Das Beispiel Leonardos lehrt,
wie vielerlei anderes an diesen Prozessen zu verfolgen ist. Aus dem
Aufschub, erst zu lieben, nachdem man erkannt hat, wird ein Ersatz. Man
liebt und haßt nicht mehr recht, wenn man zur Erkenntnis durchgedrungen
ist; man bleibt jenseits von Liebe und Haß. Man hat geforscht, anstatt
zu lieben. Und darum vielleicht ist Leonardos Leben so viel ärmer
an Liebe gewesen als das anderer Großer und anderer Künstler. Die
stürmischen Leidenschaften erhebender und verzehrender Natur, in denen
andere ihr Bestes erlebten, scheinen ihn nicht getroffen zu haben.

Und noch andere Folgen. Man hat auch geforscht, anstatt zu handeln,
zu schaffen. Wer die Großartigkeit des Weltzusammenhanges und dessen
Notwendigkeiten zu ahnen begonnen hat, der verliert leicht sein eigenes
kleines Ich. In Bewunderung versunken, wahrhaft demütig geworden,
vergißt man zu leicht, daß man selbst ein Stück jener wirkenden Kräfte
ist und es versuchen darf, nach dem Ausmaß seiner persönlichen Kraft
ein Stückchen jenes notwendigen Ablaufes der Welt abzuändern, der Welt,
in welcher das Kleine doch nicht minder wunderbar und bedeutsam ist als
das Große.

Leonardo hatte vielleicht, wie ~Solmi~ meint, im Dienste seiner
Kunst zu forschen begonnen,[21] er bemühte sich um die Eigenschaften
und Gesetze des Lichtes, der Farben, Schatten, der Perspektive, um sich
die Meisterschaft in der Nachahmung der Natur zu sichern und anderen
den gleichen Weg zu weisen. Wahrscheinlich überschätzte er schon
damals den Wert dieser Kenntnisse für den Künstler. Dann trieb es ihn,
noch immer am Leitseil des malerischen Bedürfnisses, zur Erforschung
der Objekte der Malerei, der Tiere und Pflanzen, der Proportionen
des menschlichen Körpers, vom Äußeren derselben weg zur Kenntnis
ihres inneren Baues und ihrer Lebensfunktionen, die sich ja auch in
ihrer Erscheinung ausdrücken und von der Kunst Darstellung verlangen.
Und endlich riß ihn der übermächtig gewordene Trieb fort, bis der
Zusammenhang mit den Anforderungen seiner Kunst zerriß, so daß er die
allgemeinen Gesetze der Mechanik auffand, daß er die Geschichte der
Ablagerungen und Versteinerungen im Arnotal erriet, und bis daß er in
sein Buch die Erkenntnis mit großen Buchstaben eintragen konnte: Il
sole non si move. Auf so ziemlich alle Gebiete der Naturwissenschaft
dehnte er seine Forschungen aus, auf jedem einzelnen ein Entdecker oder
wenigstens Vorhersager und Pfadfinder.[22] Doch blieb sein Wissensdrang
auf die Außenwelt gerichtet, von der Erforschung des Seelenlebens der
Menschen hielt ihn etwas fern; in der »Academia Vinciana«, für die er
kunstvoll verschlungene Embleme zeichnete, war für die Psychologie
wenig Raum.

Versuchte er dann von der Forschung zur Kunstübung zurückzukehren, von
der er ausgegangen war, so erfuhr er an sich die Störung durch die
neue Einstellung seiner Interessen und die veränderte Natur seiner
psychischen Arbeit. Am Bild interessierte ihn vor allem ein Problem,
und hinter diesem einen sah er ungezählte andere Probleme auftauchen,
wie er es in der endlosen und unabschließbaren Naturforschung gewohnt
war. Er brachte sich nicht mehr dazu, seinen Anspruch zu beschränken,
das Kunstwerk zu isolieren, es aus dem großen Zusammenhang zu reißen,
in den er es gehörig wußte. Nach den erschöpfendsten Bemühungen, alles
in ihm zum Ausdruck zu bringen, was sich in seinen Gedanken daran
knüpfte, mußte er es unfertig im Stiche lassen oder es für unvollendet
erklären.

Der Künstler hatte einst den Forscher als Handlanger in seinen Dienst
genommen, nun war der Diener der stärkere geworden und unterdrückte
seinen Herrn.

Wenn wir im Charakterbilde einer Person einen einzigen Trieb überstark
ausgebildet finden, wie bei Leonardo die Wißbegierde, so berufen wir
uns zur Erklärung auf eine besondere Anlage, über deren wahrscheinlich
organische Bedingtheit meist noch nichts Näheres bekannt ist. Durch
unsere psychoanalytischen Studien an Nervösen werden wir aber zwei
weiteren Erwartungen geneigt, die wir gern in jedem einzelnen Falle
bestätigt finden möchten. Wir halten es für wahrscheinlich, daß
jener überstarke Trieb sich bereits in der frühesten Kindheit der
Person betätigt hat, und daß seine Oberherrschaft durch Eindrücke
des Kinderlebens festgelegt wurde, und wir nehmen ferner an, daß er
ursprünglich sexuelle Triebkräfte zu seiner Verstärkung herangezogen
hat, so daß er späterhin ein Stück des Sexuallebens vertreten kann. Ein
solcher Mensch würde also z. B. forschen mit jener leidenschaftlichen
Hingabe, mit der ein anderer seine Liebe ausstattet, und er könnte
forschen anstatt zu lieben. Nicht nur beim Forschertrieb, sondern auch
in den meisten anderen Fällen von besonderer Intensität eines Triebes
würden wir den Schluß auf eine sexuelle Verstärkung desselben wagen.

Die Beobachtung des täglichen Lebens der Menschen zeigt uns, daß es den
meisten gelingt, ganz ansehnliche Anteile ihrer sexuellen Triebkräfte
auf ihre Berufstätigkeit zu leiten. Der Sexualtrieb eignet sich ganz
besonders dazu, solche Beiträge abzugeben, da er mit der Fähigkeit
der Sublimierung begabt, d. h. im stande ist, sein nächstes Ziel
gegen andere, eventuell höher gewertete und nicht sexuelle, Ziele zu
vertauschen. Wir halten diesen Vorgang für erwiesen, wenn uns die
Kindergeschichte, also die seelische Entwicklungsgeschichte einer
Person zeigt, daß zur Kinderzeit der übermächtige Trieb im Dienste
sexueller Interessen stand. Wir finden eine weitere Bestätigung darin,
wenn sich im Sexualleben reifer Jahre eine auffällige Verkümmerung
dartut, gleichsam als ob ein Stück der Sexualbetätigung nun durch die
Betätigung des übermächtigen Triebes ersetzt wäre.

Die Anwendung dieser Erwartungen auf den Fall des übermächtigen
Forschertriebs scheint besonderen Schwierigkeiten zu unterliegen,
da man gerade den Kindern weder diesen ernsthaften Trieb noch
bemerkenswerte sexuelle Interessen zutrauen möchte. Indes sind diese
Schwierigkeiten leicht zu beheben. Von der Wißbegierde der kleinen
Kinder zeugt deren unermüdliche Fragelust, die dem Erwachsenen
rätselhaft ist, so lange er nicht versteht, daß alle diese Fragen nur
Umschweife sind, und daß sie kein Ende nehmen können, weil das Kind
durch sie nur eine Frage ersetzen will, die es doch nicht stellt. Ist
das Kind größer und einsichtsvoller geworden, so bricht diese Äußerung
der Wißbegierde oft plötzlich ab. Eine volle Aufklärung gibt uns aber
die psychoanalytische Untersuchung, indem sie uns lehrt, daß viele,
vielleicht die meisten, jedenfalls die bestbegabten Kinder etwa vom
dritten Lebensjahr an eine Periode durchmachen, die man als die der
~infantilen Sexualforschung~ bezeichnen darf. Die Wißbegierde
erwacht bei den Kindern dieses Alters, soviel wir wissen, nicht
spontan, sondern wird durch den Eindruck eines wichtigen Erlebnisses
geweckt, durch die erfolgte oder nach auswärtigen Erfahrungen
gefürchtete Geburt eines Geschwisterchens, in der das Kind eine
Bedrohung seiner egoistischen Interessen erblickt. Die Forschung
richtet sich auf die Frage, woher die Kinder kommen, gerade so, als ob
das Kind nach Mitteln und Wegen suchte, ein so unerwünschtes Ereignis
zu verhüten. Wir haben so mit Erstaunen erfahren, daß das Kind den ihm
gegebenen Auskünften den Glauben verweigert, z. B. die mythologisch
so sinnreiche Storchfabel energisch abweist, daß es von diesem Akte
des Unglaubens an seine geistige Selbständigkeit datiert, sich oft
in ernstem Gegensatze zu den Erwachsenen fühlt und diesen eigentlich
niemals mehr verzeiht, daß es bei diesem Anlasse um die Wahrheit
betrogen wurde. Es forscht auf eigenen Wegen, errät den Aufenthalt
des Kindes im Mutterleibe und schafft sich, von den Regungen der
eigenen Sexualität geleitet, Ansichten über die Herkunft des Kindes
vom Essen, über sein Geborenwerden durch den Darm, über die schwer zu
ergründende Rolle des Vaters, und es ahnt bereits damals die Existenz
des sexuellen Aktes, der ihm als etwas Feindseliges und Gewalttätiges
erscheint. Aber wie seine eigene Sexualkonstitution der Aufgabe der
Kinderzeugung noch nicht gewachsen ist, so muß auch seine Forschung,
woher die Kinder kommen, im Sande verlaufen und als unvollendbar im
Stiche gelassen werden. Der Eindruck dieses Mißglückens bei der ersten
Probe intellektueller Selbständigkeit scheint ein nachhaltiger und tief
deprimierender zu sein.[23]

Wenn die Periode der infantilen Sexualforschung durch einen Schub
energischer Sexualverdrängung abgeschlossen worden ist, leiten sich
für das weitere Schicksal des Forschertriebes drei verschiedene
Möglichkeiten aus seiner frühzeitlichen Verknüpfung mit sexuellen
Interessen ab. Entweder die Forschung teilt das Schicksal der
Sexualität, die Wißbegierde bleibt von da an gehemmt und die freie
Betätigung der Intelligenz vielleicht für Lebenszeit eingeschränkt,
besonders da kurze Zeit nachher durch die Erziehung die mächtige
religiöse Denkhemmung zur Geltung gebracht wird. Dies ist der Typus
der neurotischen Hemmung. Wir verstehen sehr wohl, daß die so
erworbene Denkschwäche dem Ausbruch einer neurotischen Erkrankung
wirksamen Vorschub leistet. In einem zweiten Typus ist die
intellektuelle Entwicklung kräftig genug, um der an ihr zerrenden
Sexualverdrängung zu widerstehen. Einige Zeit nach dem Untergang
der infantilen Sexualforschung, wenn die Intelligenz erstarkt ist,
bietet sie eingedenk der alten Verbindung ihre Hilfe zur Umgehung der
Sexualverdrängung, und die unterdrückte Sexualforschung kehrt als
Grübelzwang aus dem Unbewußten zurück, allerdings entstellt und unfrei,
aber mächtig genug, um das Denken selbst zu sexualisieren und die
intellektuellen Operationen mit der Lust und der Angst der eigentlichen
Sexualvorgänge zu betonen. Das Forschen wird hier zur Sexualbetätigung,
oft zur ausschließlichen, das Gefühl der Erledigung in Gedanken, der
Klärung, wird an die Stelle der sexuellen Befriedigung gesetzt; aber
der unabschließbare Charakter der Kinderforschung wiederholt sich auch
darin, daß dies Grübeln nie ein Ende findet, und daß das gesuchte
intellektuelle Gefühl der Lösung immer weiter in die Ferne rückt.

Der dritte, seltenste und vollkommenste, Typus entgeht Kraft
besonderer Anlage der Denkhemmung wie dem neurotischen Denkzwang.
Die Sexualverdrängung tritt zwar auch hier ein, aber es gelingt ihr
nicht, einen Partialtrieb der Sexuallust ins Unbewußte zu weisen,
sondern die Libido entzieht sich dem Schicksal der Verdrängung, indem
sie sich von Anfang an in Wißbegierde sublimiert und sich zu dem
kräftigen Forschertrieb als Verstärkung schlägt. Auch hier wird das
Forschen gewissermaßen zum Zwang und zum Ersatz der Sexualbetätigung,
aber infolge der völligen Verschiedenheit der zu Grunde liegenden
psychischen Prozesse (Sublimierung an Stelle des Durchbruches aus dem
Unbewußten) bleibt der Charakter der Neurose aus, die Gebundenheit an
die ursprünglichen Komplexe der infantilen Sexualforschung entfällt,
und der Trieb kann sich frei im Dienste des intellektuellen Interesses
betätigen. Der Sexualverdrängung, die ihn durch den Zuschuß von
sublimierter Libido so stark gemacht hat, trägt er noch Rechnung, indem
er die Beschäftigung mit sexuellen Themen vermeidet.

Wenn wir das Zusammentreffen des übermächtigen Forschertriebes bei
Leonardo mit der Verkümmerung seines Sexuallebens erwägen, welches sich
auf sogenannte ideelle Homosexualität einschränkt, werden wir geneigt
sein, ihn als einen Musterfall unseres dritten Typus in Anspruch zu
nehmen. Daß es ihm nach infantiler Betätigung der Wißbegierde im
Dienste sexueller Interessen dann gelungen ist, den größeren Anteil
seiner Libido in Forscherdrang zu sublimieren, das wäre der Kern
und das Geheimnis seines Wesens. Aber freilich der Beweis für diese
Auffassung ist nicht leicht zu erbringen. Wir bedürften hiezu eines
Einblickes in die seelische Entwicklung seiner ersten Kinderjahre,
und es erscheint töricht, auf solches Material zu hoffen, wenn die
Nachrichten über sein Leben so spärlich und so unsicher sind, und wenn
es sich überdies um Auskünfte über Verhältnisse handelt, die sich
noch bei Personen unserer eigenen Generation der Aufmerksamkeit der
Beobachter entziehen.

Wir wissen sehr wenig von der Jugend Leonardos. Er wurde 1452 in dem
kleinen Städtchen ~Vinci~ zwischen Florenz und Empoli geboren; er
war ein uneheliches Kind, was in jener Zeit gewiß nicht als schwerer
bürgerlicher Makel betrachtet wurde; sein Vater war ~Ser Piero da
Vinci~, ein Notar und Abkömmling einer Familie von Notaren und
Landbebauern, die ihren Namen nach dem Orte Vinci führten; seine Mutter
eine ~Catarina~, wahrscheinlich ein Bauernmädchen, die später mit
einem anderen Einwohner von Vinci verheiratet war. Diese Mutter kommt
in der Lebensgeschichte Leonardos nicht mehr vor, nur der Dichter
~Mereschkowski~ glaubt ihre Spur nachweisen zu können. Die einzige
sichere Auskunft über Leonardos Kindheit gibt ein amtliches Dokument
aus dem Jahre 1457, ein Florentiner Steuerkataster, in welchem
unter den Hausgenossen der Familie Vinci Leonardo als fünfjähriges
illegitimes Kind des Ser Piero angeführt wird.[24] Die Ehe Ser Pieros
mit einer Donna Albiera blieb kinderlos, darum konnte der kleine
Leonardo im Hause seines Vaters aufgezogen werden. Dies Vaterhaus
verließ er erst, als er, unbekannt in welchem Alter, als Lehrling in
die Werkstatt des ~Andrea del Verrocchio~ eintrat. Im Jahre 1472
findet sich Leonardos Name bereits im Verzeichnis der Mitglieder der
»Compagnia dei Pittori«. Das ist alles.




                                  II.


Ein einziges Mal, soviel mir bekannt ist, hat Leonardo in eine seiner
wissenschaftlichen Niederschriften eine Mitteilung aus seiner Kindheit
eingestreut. An einer Stelle, die vom Fluge des Geiers handelt,
unterbricht er sich plötzlich, um einer in ihm auftauchenden Erinnerung
aus sehr frühen Jahren zu folgen.

»Es scheint, daß es mir schon vorher bestimmt war, mich so gründlich
mit dem Geier zu befassen, denn es kommt mir als eine ganz frühe
Erinnerung in den Sinn, als ich noch in der Wiege lag, ist ein Geier
zu mir herabgekommen, hat mir den Mund mit seinem Schwanz geöffnet und
viele Male mit diesem seinen Schwanz gegen meine Lippen gestoßen.«[25]

Eine Kindheitserinnerung also, und zwar höchst befremdender Art.
Befremdend wegen ihres Inhaltes und wegen der Lebenszeit, in die sie
verlegt wird. Daß ein Mensch eine Erinnerung an seine Säuglingszeit
bewahren könne, ist vielleicht nicht unmöglich, kann aber keineswegs
als gesichert gelten. Was jedoch diese Erinnerung Leonardos behauptet,
daß ein Geier dem Kinde mit seinem Schwanz den Mund geöffnet,
das klingt so unwahrscheinlich, so märchenhaft, daß eine andere
Auffassung, die beiden Schwierigkeiten mit einem Schlage ein Ende
macht, sich unserem Urteile besser empfiehlt. Jene Szene mit dem Geier
wird nicht eine Erinnerung Leonardos sein, sondern eine Phantasie,
die er sich später gebildet und in seine Kindheit versetzt hat. Die
Kindheitserinnerungen der Menschen haben oft keine andere Herkunft;
sie werden überhaupt nicht, wie die bewußten Erinnerungen aus der
Zeit der Reife vom Erlebnis an fixiert und wiederholt, sondern erst
in späterer Zeit, wenn die Kindheit schon vorüber ist, hervorgeholt,
dabei verändert, verfälscht, in den Dienst späterer Tendenzen gestellt,
so daß sie sich ganz allgemein von Phantasien nicht strenge scheiden
lassen. Vielleicht kann man sich ihre Natur nicht besser klar machen,
als indem man an die Art und Weise denkt, wie bei den alten Völkern
die Geschichtschreibung entstanden ist. Solange das Volk klein und
schwach war, dachte es nicht daran, seine Geschichte zu schreiben; man
bearbeitete den Boden des Landes, wehrte sich seiner Existenz gegen die
Nachbarn, suchte ihnen Land abzugewinnen und zu Reichtum zu kommen.
Es war eine heroische und unhistorische Zeit. Dann brach eine andere
Zeit an, in der man zur Besinnung kam, sich reich und mächtig fühlte,
und nun entstand das Bedürfnis zu erfahren, woher man gekommen und wie
man geworden war. Die Geschichtschreibung, welche begonnen hatte, die
Erlebnisse der Jetztzeit fortlaufend zu verzeichnen, warf den Blick
auch nach rückwärts in die Vergangenheit, sammelte Traditionen und
Sagen, deutete die Überlebsel alter Zeiten in Sitten und Gebräuchen
und schuf so eine Geschichte der Vorzeit. Es war unvermeidlich, daß
diese Vorgeschichte eher ein Ausdruck der Meinungen und Wünsche der
Gegenwart als ein Abbild der Vergangenheit wurde, denn vieles war von
dem Gedächtnis des Volkes beseitigt, anderes entstellt worden, manche
Spur der Vergangenheit wurde mißverständlich im Sinne der Gegenwart
gedeutet, und überdies schrieb man ja nicht Geschichte aus den Motiven
objektiver Wißbegierde, sondern weil man auf seine Zeitgenossen wirken,
sie aneifern, erheben oder ihnen einen Spiegel vorhalten wollte.
Das bewußte Gedächtnis eines Menschen von den Erlebnissen seiner
Reifezeit ist nun durchaus jener Geschichtschreibung zu vergleichen,
und seine Kindheitserinnerungen entsprechen nach ihrer Entstehung
und Verläßlichkeit wirklich der spät und tendenziös zurechtgemachten
Geschichte der Urzeit eines Volkes.

Wenn die Erzählung Leonardos vom Geier, der ihn in der Wiege besucht,
also nur eine spätgeborene Phantasie ist, so sollte man meinen, es
könne sich kaum verlohnen, länger bei ihr zu verweilen. Zu ihrer
Erklärung könnte man sich ja mit der offen kundgegebenen Tendenz
begnügen, seiner Beschäftigung mit dem Problem des Vogelfluges
die Weihe einer Schicksalsbestimmung zu leihen. Allein mit dieser
Geringschätzung beginge man ein ähnliches Unrecht, wie wenn man das
Material von Sagen, Traditionen und Deutungen in der Vorgeschichte
eines Volkes leichthin verwerfen würde. Allen Entstellungen und
Mißverständnissen zum Trotze ist die Realität der Vergangenheit doch
durch sie repräsentiert; sie sind das, was das Volk aus den Erlebnissen
seiner Urzeit gestaltet hat, unter der Herrschaft einstens mächtiger
und heute noch wirksamer Motive, und könnte man nur durch die Kenntnis
aller wirkenden Kräfte diese Entstellungen rückgängig machen, so
müßte man hinter diesem sagenhaften Material die historische Wahrheit
aufdecken können. Gleiches gilt für die Kindheitserinnerungen oder
Phantasien der Einzelnen. Es ist nicht gleichgültig, was ein Mensch aus
seiner Kindheit zu erinnern glaubt; in der Regel sind hinter den von
ihm selbst nicht verstandenen Erinnerungsresten unschätzbare Zeugnisse
für die bedeutsamsten Züge seiner seelischen Entwicklung verborgen. Da
wir nun in den psychoanalytischen Techniken vortreffliche Hilfsmittel
besitzen, um dies Verborgene ans Licht zu ziehen, wird uns der Versuch
gestattet sein, die Lücke in Leonardos Lebensgeschichte durch die
Analyse seiner Kindheitsphantasie auszufüllen. Erreichen wir dabei
keinen befriedigenden Grad von Sicherheit, so müssen wir uns damit
trösten, daß so vielen anderen Untersuchungen über den großen und
rätselhaften Mann kein besseres Schicksal beschieden war.

Wenn wir aber die Geierphantasie Leonardos mit dem Auge des
Psychoanalytikers betrachten, so erscheint sie uns nicht lange
fremdartig; wir glauben uns zu erinnern, daß wir oftmals, z. B.
in Träumen, ähnliches gefunden haben, so daß wir uns getrauen
können, diese Phantasie aus der ihr eigentümlichen Sprache in
gemeinverständliche Worte zu übersetzen. Die Übersetzung zielt dann
aufs Erotische. Schwanz, »coda«, ist eines der bekanntesten Symbole
und Ersatzbezeichnungen des männlichen Gliedes, im Italienischen
nicht minder als in anderen Sprachen; die in der Phantasie enthaltene
Situation, daß ein Geier den Mund des Kindes öffnet und mit dem Schwanz
tüchtig darin herumarbeitet, entspricht der Vorstellung einer Fellatio,
eines sexuellen Aktes, bei dem das Glied in den Mund der gebrauchten
Person eingeführt wird. Sonderbar genug, daß diese Phantasie so
durchwegs passiven Charakter an sich trägt; sie ähnelt auch gewissen
Träumen und Phantasien von Frauen oder passiven Homosexuellen (die im
Sexualverkehr die weibliche Rolle spielen).

Möge der Leser nun an sich halten und nicht in aufflammender Entrüstung
der Psychoanalyse die Gefolgschaft verweigern, weil sie schon in ihren
ersten Anwendungen zu einer unverzeihlichen Schmähung des Andenkens
eines großen und reinen Mannes führt. Es ist doch offenbar, daß diese
Entrüstung uns niemals wird sagen können, was die Kindheitsphantasie
Leonardos bedeutet; anderseits hat sich Leonardo in unzweideutigster
Weise zu dieser Phantasie bekannt, und wir lassen die Erwartung -- wenn
man will: das Vorurteil -- nicht fallen, daß eine solche Phantasie wie
jede psychische Schöpfung, wie ein Traum, eine Vision, ein Delirium,
irgend eine Bedeutung haben muß. Schenken wir darum lieber der
analytischen Arbeit, die ja noch nicht ihr letztes Wort gesprochen hat,
für eine Weile gerechtes Gehör.

Die Neigung, das Glied des Mannes in den Mund zu nehmen, um daran zu
saugen, die in der bürgerlichen Gesellschaft zu den abscheulichen
sexuellen Perversionen gerechnet wird, kommt doch bei den Frauen
unserer Zeit -- und, wie alte Bildwerke beweisen, auch früherer
Zeiten -- sehr häufig vor und scheint im Zustande der Verliebtheit
ihren anstößigen Charakter völlig abzustreifen. Der Arzt begegnet
Phantasien, die sich auf diese Neigung gründen, auch bei weiblichen
Personen, die nicht durch die Lektüre der Psychopathia sexualis von
v. ~Krafft-Ebing~ oder durch sonstige Mitteilung zur Kenntnis
von der Möglichkeit einer derartigen Sexualbefriedigung gelangt
sind. Es scheint, daß es den Frauen leicht wird, aus Eigenem solche
Wunschphantasien zu schaffen.[26] Die Nachforschung lehrt uns
denn auch, daß diese von der Sitte so schwer geächtete Situation
die harmloseste Ableitung zuläßt. Sie ist nichts anderes als die
Umarbeitung einer anderen Situation, in welcher wir uns einst alle
behaglich fühlten, als wir im Säuglingsalter (»essendo io in culla«)
die Brustwarze der Mutter oder Amme in den Mund nahmen, um an ihr zu
saugen. Der organische Eindruck dieses unseres ersten Lebensgenusses
ist wohl unzerstörbar eingeprägt geblieben; wenn das Kind später das
Euter der Kuh kennen lernt, das seiner Funktion nach eine Brustwarze,
seiner Gestalt und Lage am Unterleib nach aber einem Penis gleichkommt,
hat es die Vorstufe für die spätere Bildung jener anstößigen sexuellen
Phantasie gewonnen.

Wir verstehen jetzt, warum Leonardo die Erinnerung an das angebliche
Erlebnis mit dem Geier in seine Säuglingszeit verlegt. Hinter dieser
Phantasie verbirgt sich doch nichts anderes als eine Reminiszenz
an das Saugen -- oder Gesäugtwerden -- an der Mutterbrust, welche
menschlich schöne Szene er wie so viele andere Künstler an der Mutter
Gottes und ihrem Kinde mit dem Pinsel darzustellen unternommen hat.
Allerdings wollen wir auch festhalten, was wir noch nicht verstehen,
daß diese für beide Geschlechter gleich bedeutsame Reminiszenz von dem
Manne Leonardo zu einer passiven homosexuellen Phantasie umgearbeitet
worden ist. Wir werden die Frage vorläufig bei Seite lassen, welcher
Zusammenhang etwa die Homosexualität mit dem Saugen an der Mutterbrust
verbindet, und uns bloß daran erinnern, daß die Tradition Leonardo
wirklich als einen homosexuell Fühlenden bezeichnet. Dabei gilt es uns
gleich, ob jene Anklage gegen den Jüngling Leonardo berechtigt war oder
nicht; nicht die reale Betätigung, sondern die Einstellung des Gefühls
entscheidet für uns darüber, ob wir irgend jemand die Eigentümlichkeit
der Homosexualität zuerkennen sollen.

Ein anderer unverstandener Zug der Kindheitsphantasie Leonardos nimmt
unser Interesse zunächst in Anspruch. Wir deuten die Phantasie auf das
Gesäugtwerden durch die Mutter und finden die Mutter ersetzt durch
einen -- Geier. Woher rührt dieser Geier und wie kommt er an diese
Stelle?

Ein Einfall bietet sich da, so fernab liegend, daß man versucht wäre,
auf ihn zu verzichten. In der heiligen Bilderschrift der alten Ägypter
wird die Mutter allerdings mit dem Bilde des Geiers geschrieben.[27]
Diese Ägypter verehrten auch eine mütterliche Gottheit, die geierköpfig
gebildet wurde oder mit mehreren Köpfen, von denen wenigstens einer
der eines Geiers war.[28] Der Name dieser Göttin wurde ~Mut~
ausgesprochen; ob die Lautähnlichkeit mit unserem Worte »Mutter« nur
eine zufällige ist? So steht der Geier wirklich in Beziehung zur
Mutter, aber was kann uns das helfen? Dürfen wir Leonardo denn diese
Kenntnis zumuten, wenn die Lesung der Hieroglyphen erst François
~Champollion~ (1790-1832) gelungen ist?[29]

Man möchte sich dafür interessieren, auf welchem Wege auch nur
die alten Ägypter dazu gekommen sind, den Geier zum Symbol der
Mütterlichkeit zu wählen. Nun war die Religion und Kultur der Ägypter
bereits den Griechen und Römern Gegenstand wissenschaftlicher
Neugierde, und lange, ehe wir selbst die Denkmäler Ägyptens lesen
konnten, standen uns einzelne Mitteilungen darüber aus erhaltenen
Schriften des klassischen Altertums zu Gebote, Schriften, die teils
von bekannten Autoren herrühren, wie ~Strabo~, ~Plutarch~,
~Aminianus Marcellus~, teils unbekannte Namen tragen und unsicher
in ihrer Herkunft und Abfassungszeit sind wie die Hieroglyphica des
~Horapollo Nilus~ und das unter dem Götternamen des ~Hermes
Trismegistos~ überlieferte Buch orientalischer Priesterweisheit.
Aus diesen Quellen erfahren wir, daß der Geier als Symbol der
Mütterlichkeit galt, weil man glaubte, es gäbe nur weibliche Geier und
keine männlichen von dieser Vogelart.[30] Die Naturgeschichte der Alten
kannte auch ein Gegenstück zu dieser Einschränkung; bei den Skarabäen,
den von den Ägyptern als göttlich verehrten Käfern, meinten sie, gebe
es nur Männchen.[31]

Wie sollte nun die Befruchtung der Geier vor sich gehen, wenn sie alle
nur Weibchen waren? Darüber gibt eine Stelle des ~Horapollo~[32]
guten Aufschluß. Zu einer gewissen Zeit halten diese Vögel im Fluge
inne, öffnen ihre Scheide und empfangen vom Winde.

Wir sind jetzt unerwarteter Weise dazu gelangt, etwas für recht
wahrscheinlich zu halten, was wir vor kurzem noch als absurd
zurückweisen mußten. Leonardo kann das wissenschaftliche Märchen, dem
es der Geier verdankt, daß die Ägypter mit seinem Bild den Begriff
der Mutter schrieben, sehr wohl gekannt haben. Er war ein Vielleser,
dessen Interesse alle Gebiete der Literatur und des Wissens umfaßte.
Wir besitzen im Codex atlanticus ein Verzeichnis aller Bücher, die er
zu einer gewissen Zeit besaß,[33] dazu zahlreiche Notizen über andere
Bücher, die er von Freunden entlehnt hatte, und nach den Exzerpten,
die Fr. ~Richter~[34] aus seinen Aufzeichnungen zusammengestellt
hat, können wir den Umfang seiner Lektüre kaum überschätzen.
Unter dieser Zahl fehlen auch ältere wie gleichzeitige Werke von
naturwissenschaftlichem Inhalte nicht. Alle diese Bücher waren zu jener
Zeit schon im Drucke vorhanden, und gerade Mailand war für Italien die
Hauptstätte der jungen Buchdruckerkunst.

Wenn wir nun weiter gehen, stoßen wir auf eine Nachricht, welche
die Wahrscheinlichkeit, Leonardo habe das Geiermärchen gekannt, zur
Sicherheit steigern kann. Der gelehrte Herausgeber und Kommentator
des ~Horapollo~ bemerkt zu dem bereits zitierten Text (p. 172):
Caeterum hanc fabulam de vulturibus cupide amplexi sunt Patres
Ecclesiastici, ut ita argumento ex rerum natura petito refutarent eos,
qui Virginis partum negabant; itaque apud omnes fere hujus rei mentio
occurit.

Also die Fabel von der Eingeschlechtigkeit und der Empfängnis der Geier
war keineswegs eine indifferente Anekdote geblieben wie die analoge
von den Skarabäen; die Kirchenväter hatten sich ihrer bemächtigt, um
gegen die Zweifler an der heiligen Geschichte ein Argument aus der
Naturgeschichte zur Hand zu haben. Wenn nach den besten Nachrichten
aus dem Altertum die Geier darauf angewiesen waren, sich vom Winde
befruchten zu lassen, warum sollte nicht auch einmal das gleiche mit
einem menschlichen Weibe vorgegangen sein? Dieser Verwertbarkeit wegen
pflegten die Kirchenväter »fast alle« die Geierfabel zu erzählen, und
nun kann es kaum zweifelhaft sein, daß sie durch so mächtige Patronanz
auch Leonardo bekannt geworden ist.

Die Entstehung der Geierphantasie Leonardos können wir uns nun in
folgender Weise vorstellen. Als er einmal bei einem Kirchenvater oder
in einem naturwissenschaftlichen Buche davon las, die Geier seien alle
Weibchen und wüßten sich ohne Mithilfe von Männchen fortzupflanzen,
da tauchte in ihm eine Erinnerung auf, die sich zu jener Phantasie
umgestaltete, die aber besagen wollte, er sei ja auch so ein Geierkind
gewesen, das eine Mutter, aber keinen Vater gehabt habe, und dazu
gesellte sich in der Art, wie so alte Eindrücke sich allein äußern
können, ein Nachhall des Genusses, der ihm an der Mutterbrust zu teil
geworden war. Die von den Autoren hergestellte Anspielung auf die jedem
Künstler teure Vorstellung der heiligen Jungfrau mit dem Kinde mußte
dazu beitragen, ihm diese Phantasie wertvoll und bedeutsam erscheinen
zu lassen. Kam er doch so dazu, sich mit dem Christusknaben, dem
Tröster und Erlöser nicht nur des einen Weibes, zu identifizieren.

Wenn wir eine Kindheitsphantasie zersetzen, streben wir danach, deren
realen Erinnerungsinhalt von den späteren Motiven zu sondern, welche
denselben modifizieren und entstellen. Im Falle Leonardos glauben
wir jetzt den realen Inhalt der Phantasie zu kennen; die Ersetzung
der Mutter durch den Geier weist darauf hin, daß das Kind den Vater
vermißt und sich mit der Mutter allein gefunden hat. Die Tatsache der
illegitimen Geburt Leonardos stimmt zu seiner Geierphantasie; nur darum
konnte er sich einem Geierkinde vergleichen. Aber wir haben als die
nächste gesicherte Tatsache aus seiner Jugend erfahren, daß er im Alter
von fünf Jahren in den Haushalt seines Vaters aufgenommen war; wann
dies geschah, ob wenige Monate nach seiner Geburt, ob wenige Wochen vor
der Aufnahme jenes Katasters, ist uns völlig unbekannt. Da tritt nun
die Deutung der Geierphantasie ein und will uns belehren, daß Leonardo
die entscheidenden ersten Jahre seines Lebens nicht bei seinem Vater
und seiner Stiefmutter, sondern bei der armen, verlassenen, echten
Mutter verbrachte, so daß er Zeit hatte, seinen Vater zu vermissen.
Dies scheint ein mageres und dabei noch immer gewagtes Ergebnis der
psychoanalytischen Bemühung, allein es wird bei weiterer Vertiefung
an Bedeutung gewinnen. Der Sicherheit kommt noch die Erwägung der
tatsächlichen Verhältnisse in der Kindheit Leonardos zu Hilfe. Den
Berichten nach heiratete sein Vater Ser Piero da Vinci noch im Jahre
von Leonardos Geburt die vornehme Donna Albiera; der Kinderlosigkeit
dieser Ehe verdankte der Knabe seine im fünften Jahre dokumentarisch
bestätigte Aufnahme ins väterliche oder vielmehr großväterliche Haus.
Nun ist es nicht gebräuchlich, daß man der jungen Frau, die noch auf
Kindersegen rechnet, von Anfang an einen illegitimen Sprößling zur
Pflege übergibt. Es mußten wohl erst Jahre von Enttäuschung hingegangen
sein, ehe man sich entschloß, das wahrscheinlich reizend entwickelte
uneheliche Kind zur Entschädigung für die vergeblich erhofften
ehelichen Kinder anzunehmen. Es steht im besten Einklang mit der
Deutung der Geierphantasie, wenn mindestens drei Jahre, vielleicht
fünf, von Leonardos Leben verflossen waren, ehe er seine einsame Mutter
gegen ein Elternpaar vertauschen konnte. Dann aber war es bereits zu
spät geworden. In den ersten drei oder vier Lebensjahren fixieren sich
Eindrücke und bahnen sich Reaktionsweisen gegen die Außenwelt an, die
durch kein späteres Erleben mehr ihrer Bedeutung beraubt werden können.

Wenn es richtig ist, daß die unverständlichen Kindheitserinnerungen und
die auf sie gebauten Phantasien eines Menschen stets das Wichtigste
aus seiner seelischen Entwicklung herausheben, so muß die durch
die Geierphantasie erhärtete Tatsache, daß Leonardo seine ersten
Lebensjahre allein mit der Mutter verbracht hat, von entscheidendstem
Einfluß auf die Gestaltung seines inneren Lebens gewesen sein. Unter
den Wirkungen dieser Konstellation kann es nicht gefehlt haben, daß
das Kind, welches in seinem jungen Leben ein Problem mehr vorfand
als andere Kinder, mit besonderer Leidenschaft über diese Rätsel zu
grübeln begann und so frühzeitig ein Forscher wurde, den die großen
Fragen quälten, woher die Kinder kommen, und was der Vater mit ihrer
Entstehung zu tun habe. Die Ahnung dieses Zusammenhanges zwischen
seiner Forschung und seiner Kindheitsgeschichte hat ihm dann später den
Ausruf entlockt, ihm sei es wohl von jeher bestimmt gewesen, sich in
das Problem des Vogelfluges zu vertiefen, da er schon in der Wiege von
einem Geier heimgesucht worden war. Die Wißbegierde, die sich auf den
Vogelflug richtet, von der infantilen Sexualforschung abzuleiten, wird
eine spätere, unschwer zu erledigende Aufgabe sein.




                                 III.


In der Kindheitsphantasie Leonardos repräsentierte uns das Element des
Geiers den realen Erinnerungsinhalt; der Zusammenhang, in den Leonardo
selbst seine Phantasie gestellt hatte, warf ein helles Licht auf die
Bedeutung dieses Inhaltes für sein späteres Leben. Bei fortschreitender
Deutungsarbeit stoßen wir nun auf das befremdliche Problem, warum
dieser Erinnerungsinhalt in eine homosexuelle Situation umgearbeitet
worden ist. Die Mutter, die das Kind säugt -- besser: an der das Kind
saugt --, ist in einen Geiervogel verwandelt, der dem Kinde seinen
Schwanz in den Mund steckt. Wir behaupten, daß die »Coda« des Geiers
nach gemeinem substituierenden Sprachgebrauch gar nichts anderes als
ein männliches Genitale, einen Penis, bedeuten kann. Aber wir verstehen
nicht, wie die Phantasietätigkeit dazu gelangen kann, gerade den
mütterlichen Vogel mit dem Abzeichen der Männlichkeit auszustatten, und
werden angesichts dieser Absurdität an der Möglichkeit irre, dieses
Phantasiegebilde auf einen vernünftigen Sinn zu reduzieren.

Indes wir dürfen nicht verzagen. Wieviel scheinbar absurde Träume haben
wir nicht schon genötigt, ihren Sinn einzugestehen! Warum sollte es bei
einer Kindheitsphantasie schwieriger werden als bei einem Traum!

Erinnern wir uns daran, daß es nicht gut ist, wenn sich eine
Sonderbarkeit vereinzelt findet, und beeilen wir uns, ihr eine zweite,
noch auffälligere, zur Seite zu stellen.

Die geierköpfig gebildete Göttin ~Mut~ der Ägypter, eine Gestalt von
ganz unpersönlichem Charakter, wie ~Drexler~ in ~Roschers~ Lexikon
urteilt, wurde häufig mit anderen mütterlichen Gottheiten von
lebendigerer Individualität wie ~Isis~ und ~Hathor~ verschmolzen,
behielt aber daneben ihre gesonderte Existenz und Verehrung. Es
war eine besondere Eigentümlichkeit des ägyptischen Pantheons,
daß die einzelnen Götter nicht im Synkretismus untergingen. Neben
der Götterkomposition blieb die einfache Göttergestalt in ihrer
Selbständigkeit bestehen. Diese geierköpfige mütterliche Gottheit
wurde nun von den Ägyptern in den meisten Darstellungen phallisch
gebildet;[35] ihr durch die Brüste als weiblich gekennzeichneter Körper
trägt auch ein männliches Glied im Zustande der Erektion.

Bei der Göttin ~Mut~ also dieselbe Vereinigung mütterlicher und
männlicher Charaktere wie in der Geierphantasie Leonardos! Sollen
wir dies Zusammentreffen durch die Annahme aufklären, Leonardo habe
aus seinen Bücherstudien auch die androgyne Natur des mütterlichen
Geiers gekannt? Solche Möglichkeit ist mehr als fraglich; es scheint,
daß die ihm zugänglichen Quellen von dieser merkwürdigen Bestimmung
nichts enthielten. Es liegt wohl näher, die Übereinstimmung auf ein
gemeinsames, hier wie dort wirksames und noch unbekanntes Motiv
zurückzuführen.

Die Mythologie kann uns berichten, daß die androgyne Bildung, die
Vereinigung männlicher und weiblicher Geschlechtscharaktere, nicht nur
der ~Mut~ zukam, sondern auch anderen Gottheiten wie der Isis
und Hathor, aber diesen vielleicht nur, insofern sie auch mütterliche
Natur hatten und mit der ~Mut~ verschmolzen wurden.[36] Sie lehrt
uns ferner, daß andere Gottheiten der Ägypter, wie die ~Neith~
von ~Sais~, aus der später die griechische ~Athene~ wurde,
ursprünglich androgyn, dihermaphroditisch aufgefaßt wurden, und daß
das gleiche für viele ~der griechischen~ Götter besonders aus
dem Kreise des Dionysos, aber auch für die später zur weiblichen
Liebesgöttin eingeschränkten ~Aphrodite~ galt. Sie mag dann die
Erklärung versuchen, daß der dem weiblichen Körper angefügte Phallus
die schöpferische Urkraft der Natur bedeuten solle, und daß alle
diese hermaphroditischen Götterbildungen die Idee ausdrücken, erst
die Vereinigung von Männlichem und Weiblichem könne eine würdige
Darstellung der göttlichen Vollkommenheit ergeben. Aber keine dieser
Bemerkungen klärt uns das psychologische Rätsel, daß die Phantasie der
Menschen keinen Anstoß daran nimmt, eine Gestalt, die ihr das Wesen der
Mutter verkörpern soll, mit dem zur Mütterlichkeit gegensätzlichen
Zeichen der männlichen Kraft zu versehen.

Die Aufklärung kommt von seiten der infantilen Sexualtheorien. Es hatte
allerdings eine Zeit gegeben, in der das männliche Genitale mit der
Darstellung der Mutter vereinbar gefunden wurde. Wenn das männliche
Kind seine Wißbegierde zuerst auf die Rätsel des Geschlechtslebens
richtet, wird es von dem Interesse für sein eigenes Genitale
beherrscht. Es findet diesen Teil seines Körpers zu wertvoll und zu
wichtig, als daß es glauben könnte, er würde anderen Personen fehlen,
denen es sich so ähnlich fühlt. Da es nicht erraten kann, daß es noch
einen anderen, gleichwertigen Typus von Genitalbildung gibt, muß es
zur Annahme greifen, daß alle Menschen, auch die Frauen, ein solches
Glied wie er besitzen. Dieses Vorurteil setzt sich bei dem jugendlichen
Forscher so fest, daß es auch durch die ersten Beobachtungen an den
Genitalien kleiner Mädchen nicht zerstört wird. Die Wahrnehmung sagt
ihm allerdings, daß da etwas anders ist als bei ihm, aber er ist
nicht im stande, sich als Inhalt dieser Wahrnehmung einzugestehen,
daß er beim Mädchen das Glied nicht finden könne. Daß das Glied
fehlen könne, ist ihm eine unheimliche, unerträgliche Vorstellung,
er versucht darum eine vermittelnde Entscheidung: das Glied sei auch
beim Mädchen vorhanden, aber es sei noch sehr klein; es werde später
wachsen.[37] Scheint sich diese Erwartung bei späteren Beobachtungen
nicht zu erfüllen, so bietet sich ihm ein anderer Ausweg. Das Glied
war auch beim kleinen Mädchen da, aber es ist abgeschnitten worden, an
seiner Stelle ist eine Wunde geblieben. Dieser Fortschritt der Theorie
verwertet bereits eigene Erfahrungen von peinlichem Charakter; er hat
unterdeß die Drohung gehört, daß man ihm das teure Organ wegnehmen
wird, wenn er sein Interesse dafür allzu deutlich betätigt. Unter dem
Einfluß dieser Kastrationsandrohung deutet er jetzt seine Auffassung
des weiblichen Genitales um; er wird von nun an für seine Männlichkeit
zittern, dabei aber die unglücklichen Geschöpfe verachten, an denen
nach seiner Meinung die grausame Bestrafung bereits vollzogen worden
ist.

Ehe das Kind unter die Herrschaft des Kastrationskomplexes geriet,
zur Zeit, als ihm das Weib noch als vollwertig galt, begann eine
intensive Schaulust als erotische Triebbetätigung sich bei ihm zu
äußern. Es wollte die Genitalien anderer Personen sehen, ursprünglich
wahrscheinlich, um sie mit den eigenen zu vergleichen. Die erotische
Anziehung, die von der Person der Mutter ausging, gipfelte bald in der
Sehnsucht nach ihrem für einen Penis gehaltenen Genitale. Mit der erst
spät erworbenen Erkenntnis, daß das Weib keinen Penis besitzt, schlägt
diese Sehnsucht oft in ihr Gegenteil um, macht einem Abscheu Platz, der
in den Jahren der Pubertät zur Ursache der psychischen Impotenz, der
Misogynie, der dauernden Homosexualität werden kann. Aber die Fixierung
an das einst heiß begehrte Objekt, den Penis des Weibes, hinterläßt
unauslöschliche Spuren im Seelenleben des Kindes, welches jenes Stück
infantiler Sexualforschung mit besonderer Vertiefung durchgemacht hat.
Die fetischartige Verehrung des weiblichen Fußes und Schuhes scheint
den Fuß nur als Ersatzsymbol für das einst verehrte, seither vermißte
Glied des Weibes zu nehmen; die »Zopfabschneider« spielen, ohne es zu
wissen, die Rolle von Personen, die am weiblichen Genitale den Akt der
Kastration ausführen.

Man wird zu den Betätigungen der kindlichen Sexualität kein richtiges
Verhältnis gewinnen und wahrscheinlich zur Auskunft greifen,
diese Mitteilungen für unglaubwürdig zu erklären, solange man den
Standpunkt unserer kulturellen Geringschätzung der Genitalien und der
Geschlechtsfunktionen überhaupt nicht verläßt. Zum Verständnis des
kindlichen Seelenlebens bedarf es urzeitlicher Analogien. Für uns
sind die Genitalien schon seit einer langen Reihe von Generationen
die ~Pudenda~, Gegenstände der Scham, und bei weiter gediehener
Sexualverdrängung sogar des Ekels. Widerwillig fügen sich die heute
Lebenden in ihrer Mehrheit den Geboten der Fortpflanzung und fühlen
sich dabei in ihrer menschlichen Würde gekränkt und herabgesetzt.
Was an anderer Auffassung des Geschlechtslebens unter uns vorhanden
ist, hat sich auf die roh gebliebenen, niedrigen Volksschichten
zurückgezogen, versteckt sich bei den höheren und verfeinerten als
kulturell minderwertig und wagt seine Betätigung nur unter den
verbitternden Mahnungen eines schlechten Gewissens. Anders war es in
den Urzeiten des Menschengeschlechtes. Aus den mühseligen Sammlungen
der Kulturforscher kann man sich die Überzeugung holen, daß die
Genitalien ursprünglich der Stolz und die Hoffnung der Lebenden waren,
göttliche Verehrung genossen und die Göttlichkeit ihrer Funktionen auf
alle neu erlernten Tätigkeiten der Menschen übertrugen. Ungezählte
Göttergestalten erhoben sich durch Sublimierung aus ihrem Wesen, und
zur Zeit, da der Zusammenhang der offiziellen Religionen mit der
Geschlechtstätigkeit bereits dem allgemeinen Bewußtsein verhüllt war,
bemühten sich Geheimkulte, ihn bei einer Anzahl von Eingeweihten lebend
zu erhalten. Endlich geschah es im Laufe der Kulturentwicklung, daß
so viel Göttliches und Heiliges aus der Geschlechtlichkeit extrahiert
war, bis der erschöpfte Rest der Verachtung verfiel. Aber bei der
Unvertilgbarkeit, die in der Natur aller seelischen Spuren liegt, darf
man sich nicht verwundern, daß selbst die primitivsten Formen von
Anbetung der Genitalien bis in ganz rezente Zeiten nachzuweisen sind,
und daß Sprachgebrauch, Sitten und Aberglauben der heutigen Menschheit
die Überlebsel von allen Phasen dieses Entwicklungsganges
enthalten.[38]

Wir sind durch gewichtige biologische Analogien darauf vorbereitet,
daß die seelische Entwicklung des Einzelnen den Lauf der
Menschheitsentwicklung abgekürzt wiederhole, und werden darum nicht
unwahrscheinlich finden, was die psychoanalytische Erforschung der
Kinderseele über die infantile Schätzung der Genitalien ergeben hat.
Die kindliche Annahme des mütterlichen Penis ist nun die gemeinsame
Quelle, aus der sich die androgyne Bildung der mütterlichen Gottheiten
wie der ägyptischen ~Mut~ und die »Coda« des Geiers in Leonardos
Kindheitsphantasie ableiten. Wir heißen ja diese Götterdarstellungen
nur mißverständlich hermaphroditisch im ärztlichen Sinne des
Wortes. Keine von ihnen vereinigt die wirklichen Genitalien beider
Geschlechter, wie sie in manchen Mißbildungen vereinigt sind zum
Abscheu jedes menschlichen Auges; sie fügen bloß den Brüsten als
Abzeichen der Mütterlichkeit das männliche Glied hinzu, wie es in
der ersten Vorstellung des Kindes vom Leibe der Mutter vorhanden
war. Die Mythologie hat diese ehrwürdige, uranfänglich phantasierte
Körperbildung der Mutter für die Gläubigen erhalten. Die Hervorhebung
des Geierschwanzes in der Phantasie Leonardos können wir nun so
übersetzen: Damals, als sich meine zärtliche Neugierde auf die Mutter
richtete, und ich ihr noch ein Genitale wie mein eigenes zuschrieb. Ein
weiteres Zeugnis für die frühzeitige Sexualforschung Leonardos, die
nach unserer Meinung ausschlaggebend für sein ganzes späteres Leben
wurde.

Eine kurze Überlegung mahnt uns jetzt, daß wir uns mit der Aufklärung
des Geierschwanzes in Leonardos Kindheitsphantasie nicht begnügen
dürfen. Es scheint mehr in ihr enthalten, was wir noch nicht verstehen.
Ihr auffälligster Zug war doch, daß sie das Saugen an der Mutterbrust
in ein Gesäugtwerden, also in Passivität und damit in eine Situation
von unzweifelhaft homosexuellem Charakter verwandelte. Eingedenk der
historischen Wahrscheinlichkeit, daß sich Leonardo im Leben wie ein
homosexuell Fühlender benahm, drängt sich uns die Frage auf, ob diese
Phantasie nicht auf eine ursächliche Beziehung zwischen Leonardos
Kinderverhältnis zu seiner Mutter und seiner späteren manifesten,
wenn auch ideellen Homosexualität hinweist. Wir würden uns nicht
getrauen, eine solche aus der entstellten Reminiszenz Leonardos zu
erschließen, wenn wir nicht aus den psychoanalytischen Untersuchungen
von homosexuellen Patienten wüßten, daß eine solche besteht, ja daß sie
eine innige und notwendige ist.

Die homosexuellen Männer, die in unseren Tagen eine energische
Aktion gegen die gesetzliche Einschränkung ihrer Sexualbetätigung
unternommen haben, lieben es, sich durch ihre theoretischen
Wortführer als eine von Anfang an gesonderte geschlechtliche Abart,
als sexuelle Zwischenstufen, als »ein drittes Geschlecht« hinstellen
zu lassen. Sie seien Männer, denen organische Bedingungen vom Keime
an das Wohlgefallen am Mann aufgenötigt, das am Weibe versagt
hätten. So gerne man nun aus humanen Rücksichten ihre Forderungen
unterschreibt, so zurückhaltend darf man gegen ihre Theorien sein,
die ohne Berücksichtigung der psychischen Genese der Homosexualität
aufgestellt worden sind. Die Psychoanalyse bietet die Mittel, diese
Lücke auszufüllen und die Behauptungen der Homosexuellen der Probe
zu unterziehen. Sie hat dieser Aufgabe erst bei einer geringen
Zahl von Personen genügen können, aber alle bisher vorgenommenen
Untersuchungen brachten das nämliche überraschende Ergebnis.[39]
Bei allen unseren homosexuellen Männern gab es in der ersten, vom
Individuum später vergessenen, Kindheit eine sehr intensive erotische
Bindung an eine weibliche Person, in der Regel an die Mutter,
hervorgerufen oder begünstigt durch die Überzärtlichkeit der Mutter
selbst, ferner unterstützt durch ein Zurücktreten des Vaters im
kindlichen Leben. ~Sadger~ hebt hervor, daß die Mütter seiner
homosexuellen Patienten häufig Mannweiber waren, Frauen mit energischen
Charakterzügen, die den Vater aus der ihm gebührenden Stellung drängen
konnten; ich habe gelegentlich das gleiche gesehen, aber stärkeren
Eindruck von jenen Fällen empfangen, in denen der Vater von Anfang an
fehlte oder frühzeitig wegfiel, so daß der Knabe dem weiblichen Einfluß
preisgegeben war. Sieht es doch fast so aus, als ob das Vorhandensein
eines starken Vaters dem Sohne die richtige Entscheidung in der
Objektwahl für das entgegengesetzte Geschlecht versichern würde.

Nach diesem Vorstadium tritt eine Umwandlung ein, deren Mechanismus
uns bekannt ist, deren treibende Kräfte wir noch nicht erfassen.
Die Liebe zur Mutter kann die weitere bewußte Entwicklung nicht
mitmachen, sie verfällt der Verdrängung. Der Knabe verdrängt die
Liebe zur Mutter, indem er sich selbst an deren Stelle setzt,
sich mit der Mutter identifiziert und seine eigene Person zum
Vorbild nimmt, in dessen Ähnlichkeit er seine neuen Liebesobjekte
auswählt. Er ist so homosexuell geworden; eigentlich ist er in den
Autoerotismus zurückgeglitten, da die Knaben, die der Heranwachsende
jetzt liebt, doch nur Ersatzpersonen und Erneuerungen seiner eigenen
kindlichen Person sind, die er so liebt, wie die Mutter ihn als
Kind geliebt hat. Wir sagen, er findet seine Liebesobjekte auf dem
Wege des ~Narzißmus~, da die griechische Sage einen Jüngling
~Narzissus~ nennt, dem nichts so wohl gefiel wie das eigene
Spiegelbild, und der in die schöne Blume dieses Namens verwandelt
wurde.

Tiefer reichende psychologische Erwägungen rechtfertigen die
Behauptung, daß der auf solchem Wege homosexuell Gewordene im
Unbewußten an das Erinnerungsbild seiner Mutter fixiert bleibt. Durch
die Verdrängung der Liebe zur Mutter konserviert er dieselbe in seinem
Unbewußten und bleibt von nun an der Mutter treu. Wenn er als Liebhaber
Knaben nachzulaufen scheint, so läuft er in Wirklichkeit vor den
anderen Frauen davon, die ihn untreu machen könnten. Wir haben auch
durch direkte Einzelbeobachtung nachweisen können, daß der scheinbar
nur für männlichen Reiz Empfängliche in Wahrheit der Anziehung, die
vom Weibe ausgeht, unterliegt wie ein Normaler; aber er beeilt sich
jedesmal, die vom Weibe empfangene Erregung auf ein männliches Objekt
zu überschreiben und wiederholt auf solche Weise immer wieder den
Mechanismus, durch den er seine Homosexualität erworben hat.

Es liegt uns ferne, die Bedeutung dieser Aufklärungen über die
psychische Genese der Homosexualität zu übertreiben. Es ist ganz
unverkennbar, daß sie den offiziellen Theorien der homosexuellen
Wortführer grell widersprechen, aber wir wissen, daß sie nicht
umfassend genug sind, um eine endgültige Klärung des Problems zu
ermöglichen. Was man aus praktischen Gründen Homosexualität heißt, mag
aus mannigfaltigen psychosexuellen Hemmungsprozessen hervorgehen, und
der von uns erkannte Vorgang ist vielleicht nur einer unter vielen und
bezieht sich nur auf einen Typus von »Homosexualität«. Wir müssen auch
zugestehen, daß bei unserem homosexuellen Typus die Anzahl der Fälle,
in denen die von uns geforderten Bedingungen aufzeigbar sind, weitaus
die jener Fälle übersteigt, in denen der abgeleitete Effekt wirklich
eintritt, so daß auch wir die Mitwirkung unbekannter konstitutioneller
Faktoren nicht abweisen können, von denen man sonst das Ganze der
Homosexualität abzuleiten pflegt. Wir hätten überhaupt keinen Anlaß
gehabt, auf die psychische Genese der von uns studierten Form von
Homosexualität einzugehen, wenn nicht eine starke Vermutung dafür
spräche, daß gerade Leonardo, von dessen Geierphantasie wir ausgegangen
sind, diesem einen Typus der Homosexuellen angehört.

So wenig Näheres über das geschlechtliche Verhalten des großen
Künstlers und Forschers bekannt ist, so darf man sich doch der
Wahrscheinlichkeit anvertrauen, daß die Aussagen seiner Zeitgenossen
nicht im Gröbsten irre gingen. Im Lichte dieser Überlieferungen
erscheint er uns also als ein Mann, dessen sexuelle Bedürftigkeit und
Aktivität außerordentlich herabgesetzt war, als hätte ein höheres
Streben ihn über die gemeine animalische Not der Menschen erhoben.
Es mag dahingestellt bleiben, ob er jemals und auf welchem Wege er
die direkte sexuelle Befriedigung gesucht, oder ob er ihrer gänzlich
entraten konnte. Wir haben aber ein Recht, auch bei ihm nach jenen
Gefühlsströmungen zu suchen, die andere gebieterisch zur sexuellen
Tat drängen, denn wir können kein menschliches Seelenleben glauben,
an dessen Aufbau nicht das sexuelle Begehren im weitesten Sinne,
die Libido, ihren Anteil hätte, mag dasselbe sich auch weit vom
ursprünglichen Ziel entfernt oder von der Ausführung zurückgehalten
haben.

Anderes als Spuren von unverwandelter sexueller Neigung werden wir
bei Leonardo nicht erwarten dürfen. Diese weisen aber nach einer
Richtung und gestatten, ihn noch den Homosexuellen zuzurechnen. Es
wurde von jeher hervorgehoben, daß er nur auffällig schöne Knaben und
Jünglinge zu seinen Schülern nahm. Er war gütig und nachsichtig gegen
sie, besorgte sie und pflegte sie selbst, wenn sie krank waren, wie
eine Mutter ihre Kinder pflegt, wie seine eigene Mutter ihn betreut
haben mochte. Da er sie nach ihrer Schönheit und nicht nach ihrem
Talent ausgewählt hatte, wurde keiner von ihnen: Cesare da Sesto, G.
Boltraffio, Andrea Salaino, Francesco Melzi u. a., ein bedeutender
Maler. Meist brachten sie es nicht dazu, ihre Selbständigkeit vom
Meister zu erringen, sie verschwanden nach seinem Tode, ohne der
Kunstgeschichte eine bestimmtere Physiognomie zu hinterlassen. Die
anderen, die sich nach ihrem Schaffen mit Recht seine Schüler nennen
durften, wie ~Luini~ und ~Bazzi~, genannt ~Sodoma~, hat er
wahrscheinlich persönlich nicht gekannt.

Wir wissen, daß wir der Einwendung zu begegnen haben, das Verhalten
Leonardos gegen seine Schüler habe mit geschlechtlichen Motiven
überhaupt nichts zu tun und gestatte keinen Schluß auf eine sexuelle
Eigenart. Dagegen wollen wir mit aller Vorsicht geltend machen, daß
unsere Auffassung einige sonderbare Züge im Benehmen des Meisters
aufklärt, die sonst rätselhaft bleiben müßten. Leonardo führte ein
Tagebuch; er machte in seiner kleinen, von rechts nach links geführten
Schrift Aufzeichnungen, die nur für ihn bestimmt waren. In diesem
Tagebuch redete er sich bemerkenswerter Weise mit »du« an: »Lerne bei
Meister Luca die Multiplikation der Wurzeln.«[40] »Laß dir vom Meister
d'Abacco die Quadratur des Zirkels zeigen.«[41] -- Oder bei Anlaß einer
Reise:[42] »Ich gehe meiner Gartenangelegenheit wegen nach Mailand
.... Lasse zwei Tragsäcke machen. Lasse dir die Drechselbank von
Boltraffio zeigen und einen Stein darauf bearbeiten. -- Lasse das Buch
dem Meister Andrea il Todesco.«[43] Oder, ein Vorsatz von ganz anderer
Bedeutung: »Du hast in deiner Abhandlung zu zeigen, daß die Erde ein
Stern ist, wie der Mond oder ungefähr, und so den Adel unserer Welt zu
erweisen.«[44]

In diesem Tagebuch, welches übrigens -- wie die Tagebücher anderer
Sterblicher -- oft die bedeutsamsten Begebenheiten des Tages nur mit
wenigen Worten streift oder völlig verschweigt, finden sich einige
Eintragungen, die ihrer Sonderbarkeit wegen von allen Biographen
Leonardos zitiert werden. Es sind Aufzeichnungen über kleine Ausgaben
des Meisters von einer peinlichen Exaktheit, als sollten sie von einem
philiströs gestrengen und sparsamen Hausvater herrühren, während die
Nachweise über die Verwendung größerer Summen fehlen und nichts sonst
dafür spricht, daß der Künstler sich auf Wirtschaft verstanden habe.
Eine dieser Aufschreibungen betrifft einen neuen Mantel, den er dem
Schüler Andrea Salaino gekauft:[45]

  Silberbrokat           15 Lire   4 Soldi
  Roten Samt zum Besatz   9   "   --   "
  Schnüre                --   "    9   "
  Knöpfe                 --   "   12   "

Eine andere sehr ausführliche Notiz stellt alle die Ausgaben zusammen,
die ihm ein anderer Schüler[46] durch seine schlechten Eigenschaften
und seine Neigung zum Diebstahl verursacht: »Am Tage 21 des April
1490 begann ich dieses Buch und begann wieder das Pferd.[47] Jacomo
kam zu mir am Magdalenentage tausend 490, im Alter von 10 Jahren.
(Randbemerkung: diebisch, lügnerisch, eigensinnig, gefräßig.) Am
zweiten Tage ließ ich ihm zwei Hemden schneiden, ein Paar Hosen und
einen Wams, und als ich mir das Geld beiseite legte, um genannte Sachen
zu bezahlen, stahl er mir das Geld aus der Geldtasche, und war es
nie möglich, ihn das beichten zu machen, obwohl ich davon eine wahre
Sicherheit hatte (Randnote: 4 Lire ...).« So geht der Bericht über die
Missetaten des Kleinen weiter und schließt mit der Kostenrechnung: »Im
ersten Jahr, ein Mantel, Lire 2; 6 Hemden, Lire 4; 3 Wämser, Lire 6; 4
Paar Strümpfe, Lire 7 u. s. w.«[48]

Die Biographen Leonardos, denen nichts ferner liegt, als die Rätsel im
Seelenleben ihres Helden aus seinen kleinen Schwächen und Eigenheiten
ergründen zu wollen, pflegen an diese sonderbaren Verrechnungen eine
Bemerkung anzuknüpfen, welche die Güte und Nachsicht des Meisters
gegen seine Schüler betont. Sie vergessen daran, daß nicht Leonardos
Benehmen, sondern die Tatsache, daß er uns diese Zeugnisse desselben
hinterließ, einer Erklärung bedarf. Da man ihm unmöglich das Motiv
zuschreiben kann, uns Belege für seine Gutmütigkeit in die Hände zu
spielen, müssen wir die Annahme machen, daß ein anderes, affektives
Motiv ihn zu diesen Niederschriften veranlaßt hat. Es ist nicht leicht
zu erraten, welches, und wir würden keines anzugeben wissen, wenn nicht
eine andere unter Leonardos Papieren gefundene Rechnung ein helles
Licht auf diese seltsam kleinlichen Notizen über Schülerkleidungen u.
dgl. würfe:[49]

  Auslagen nach dem Tode zum Begräbnis der Katharina  27 florins
  2 Pfund Wachs                                        18    "
  Katafalk                                             12    "
  Für das Tragen und Aufrichten des Kreuzes             4    "
  Leichenträger                                         8    "
  An 4 Geistliche und 4 Kleriker                       20    "
  Glockenläuten                                         2    "
  Den Totengräbern                                     16    "
  Für die Genehmigung -- den Beamten                    1    "
                                                      -------------
                                               Summa  108 florins

    Frühere Auslagen:

  Dem Arzte               4 florins
  Für Zucker und Lichte  12    "                       16    "
                                                      -------------
                                      Summa Summarum  124 florins.

Der Dichter ~Mereschkowski~ ist der einzige, der uns zu sagen
weiß, wer diese Katharina war. Aus zwei anderen kurzen Notizen
erschließt er, daß die Mutter Leonardos, die arme Bäuerin aus Vinci,
im Jahre 1493 nach Mailand gekommen war, um ihren damals 41jährigen
Sohn zu besuchen, daß sie dort erkrankte, von Leonardo im Spital
untergebracht, und als sie starb, von ihm unter so ehrenvollem Aufwand
zu Grabe gebracht worden sei.[50]

Erweisbar ist diese Deutung des seelenkundigen Romanschreibers nicht,
aber sie kann auf so viel innere Wahrscheinlichkeit Anspruch machen,
stimmt so gut zu allem, was wir sonst von Leonardos Gefühlsbetätigung
wissen, daß ich mich nicht enthalten kann, sie als richtig
anzuerkennen. Er hatte es zu stande gebracht, seine Gefühle unter
das Joch der Forschung zu zwingen und den freien Ausdruck derselben
zu hemmen; aber es gab auch für ihn Fälle, in denen das Unterdrückte
sich eine Äußerung erzwang, und der Tod der einst so heiß geliebten
Mutter war ein solcher. In dieser Rechnung über die Begräbniskosten
haben wir die bis zur Unkenntlichkeit entstellte Äußerung der Trauer
um die Mutter vor uns. Wir verwundern uns, wie solche Entstellung zu
stande kommen konnte, und können es auch unter den Gesichtspunkten
der normalen seelischen Vorgänge nicht verstehen. Aber unter den
abnormen Bedingungen der Neurosen und ganz besonders der sogenannten
~Zwangsneurose~ ist uns ähnliches wohlbekannt. Dort sehen wir
die Äußerung intensiver, aber durch Verdrängung unbewußt gewordener
Gefühle auf geringfügige, ja läppische Verrichtungen verschoben.
Es ist den widerstrebenden Mächten gelungen, den Ausdruck dieser
verdrängten Gefühle so sehr zu erniedrigen, daß man die Intensität
dieser Gefühle für eine höchst geringfügige einschätzen müßte;
aber in dem gebieterischen Zwang, mit dem sich diese kleinliche
Ausdruckshandlung durchsetzt, verrät sich die wirkliche, im Unbewußten
wurzelnde Macht der Regungen, die das Bewußtsein verleugnen möchte.
Nur ein solcher Anklang an das Geschehen bei der Zwangsneurose kann
die Leichenkostenrechnung Leonardos beim Tode seiner Mutter erklären.
Im Unbewußten war er noch wie in Kinderzeiten durch erotisch gefärbte
Neigung an sie gebunden; der Widerstreit der später eingetretenen
Verdrängung dieser Kinderliebe gestattete nicht, daß ihr im Tagebuche
ein anderes, würdigeres Denkmal gesetzt werde, aber was sich
als Kompromiß aus diesem neurotischen Konflikt ergab, das mußte
ausgeführt werden, und so wurde die Rechnung eingetragen und kam als
Unbegreiflichkeit zur Kenntnis der Nachwelt.

Es scheint kein Wagniß, die an der Leichenrechnung gewonnene Einsicht
auf die Schülerkostenrechnungen zu übertragen. Demnach wäre auch dies
ein Fall, in dem sich bei Leonardo die spärlichen Reste libidinöser
Regungen zwangsartig einen entstellten Ausdruck schufen. Die
Mutter und die Schüler, die Ebenbilder seiner eigenen knabenhaften
Schönheit, wären seine Sexualobjekte gewesen -- soweit die sein Wesen
beherrschende Sexualverdrängung eine solche Kennzeichnung zuläßt
--, und der Zwang, die für sie gemachten Ausgaben mit peinlicher
Ausführlichkeit zu notieren, wäre der befremdliche Verrat dieser
rudimentären Konflikte. Es würde sich so ergeben, daß Leonardos
Liebesleben wirklich dem Typus von Homosexualität angehört, dessen
psychische Entwicklung wir aufdecken konnten, und das Auftreten
der homosexuellen Situation in seiner Geierphantasie würde uns
verständlich, denn es besagte nichts anderes, als was wir vorhin von
jenem Typus behauptet haben. Es erforderte die Übersetzung: Durch diese
erotische Beziehung zur Mutter bin ich ein Homosexueller geworden.[51]




                                  IV.


Die Geierphantasie Leonardos hält uns noch immer fest. In Worten,
welche nur allzudeutlich an die Beschreibung eines Sexualaktes
anklingen (»und hat viele Male mit seinem Schwanz gegen meine Lippen
gestoßen«), betont Leonardo die Intensität der erotischen Beziehungen
zwischen Mutter und Kind. Es hält nicht schwer, aus dieser Verbindung
der Aktivität der Mutter (des Geiers) mit der Hervorhebung der Mundzone
einen zweiten Erinnerungsinhalt der Phantasie zu erraten. Wir können
übersetzen: Die Mutter hat mir ungezählte leidenschaftliche Küsse auf
den Mund gedrückt. Die Phantasie ist zusammengesetzt aus der Erinnerung
an das Gesäugtwerden und an das Geküßtwerden durch die Mutter.

Dem Künstler hat eine gütige Natur gegeben, seine geheimsten, ihm
selbst verborgenen Seelenregungen durch Schöpfungen zum Ausdruck zu
bringen, welche die Anderen, dem Künstler Fremden, mächtig ergreift,
ohne daß sie selbst anzugeben wüßten, woher diese Ergriffenheit rührt.
Sollte in dem Lebenswerk Leonardos nichts Zeugnis ablegen von dem, was
seine Erinnerung als den stärksten Eindruck seiner Kindheit bewahrt
hat? Man müßte es erwarten. Wenn man aber erwägt, was für tiefgreifende
Umwandlungen ein Lebenseindruck des Künstlers durchzumachen hat, ehe er
seinen Beitrag zum Kunstwerk stellen darf, wird man gerade bei Leonardo
den Anspruch auf Sicherheit des Nachweises auf ein ganz bescheidenes
Maß herabsetzen müssen.

Wer an Leonardos Bilder denkt, den wird die Erinnerung an ein
merkwürdiges, berückendes und rätselhaftes Lächeln mahnen, das er auf
die Lippen seiner weiblichen Figuren gezaubert hat. Ein stehendes
Lächeln auf langgezogenen, geschwungenen Lippen; es ist für ihn
charakteristisch geworden und wird vorzugsweise »Leonardesk« genannt.
In dem fremdartig schönen Antlitz der Florentinerin Monna Lisa del
Giocondo hat es die Beschauer am stärksten ergriffen und in Verwirrung
gebracht. Dies Lächeln verlangte nach einer Deutung und fand die
verschiedenartigsten, von denen keine befriedigte. »Voilà quatre
siècles bientôt que Mona Lisa fait perdre la tête à tous ceux qui
parlent d'elle, après l'avoir longtemps regardée.«[52]

~Muther~:[53] »Was den Betrachter namentlich bannt, ist der
dämonische Zauber dieses Lächelns. Hunderte von Dichtern und
Schriftstellern haben über dieses Weib geschrieben, das bald
verführerisch uns anzulächeln, bald kalt und seelenlos ins Leere zu
starren scheint, und niemand hat ihr Lächeln enträtselt, niemand
ihre Gedanken gedeutet. Alles, auch die Landschaft ist geheimnisvoll
traumhaft, wie in gewitterschwüler Sinnlichkeit zitternd.«

Die Ahnung, daß sich in dem Lächeln der Monna Lisa zwei verschiedene
Elemente vereinigen, hat sich bei mehreren Beurteilern geregt.
Sie erblicken darum in dem Mienenspiel der schönen Florentinerin
die vollkommenste Darstellung der Gegensätze, die das Liebesleben
des Weibes beherrschen, der Reserve und der Verführung, der
hingebungsvollen Zärtlichkeit und der rücksichtlos heischenden,
den Mann wie etwas Fremdes verzehrenden Sinnlichkeit. So äußert
~Müntz~:[54] On sait quelle énigme indéchiffrable et passionante
Monna Lisa Gioconda ne cesse depuis bientôt quatre siècles, de proposer
aux admirateurs pressés devant elle. Jamais artiste (j'emprunte la
plume du délicat écrivain qui se cache sous le pseudonyme de Pierre de
Corlay) »a-t-il traduit ainsi l'essence même de la féminité: tendresse
et coquetterie, pudeur et sourde volupté, tout le mystère d'un coeur
qui se réserve, d'un cerveau qui réfléchit, d'une personnalité qui
se garde et ne livre d'elle-même que son rayonnement .........«
Der Italiener ~Angelo Conti~[55] sieht das Bild im Louvre von
einem Sonnenstrahl belebt. »La donna sorrideva in una calma regale:
i suoi instinti di conquista, di ferocia, tutta l'eredità della
specie, la volontà della seduzione e dell' agguato, la grazia del
inganno, la bontà che cela un proposito crudele, tutto ciò appariva
alternativamente e scompariva dietro il velo ridente e si fondeva
nel poema del suo sorriso ....... Buona e malvaggia, crudele e
compassionevole, graziosa e felina, ella rideva ..........«

Leonardo malte vier Jahre an diesem Bilde, vielleicht von 1503 bis
1507, während seines zweiten Aufenthaltes in Florenz, selbst über 50
Jahre alt. Er wendete nach ~Vasaris~ Bericht die ausgesuchtesten
Künste an, um die Dame während der Sitzungen zu zerstreuen und jenes
Lächeln auf ihren Zügen festzuhalten. Von all den Feinheiten, die
sein Pinsel damals auf der Leinwand wiedergab, hat das Bild in seinem
heutigen Zustand wenig nur bewahrt; es galt, als es im Entstehen war,
als das höchste, was die Kunst leisten könnte; sicher ist aber, daß
es Leonardo selbst nicht befriedigte, daß er es für nicht vollendet
erklärte, dem Besteller nicht ablieferte und mit sich nach Frankreich
nahm, wo sein Beschützer Franz I. es von ihm für das Louvre erwarb.

Lassen wir das physiognomische Rätsel der Monna Lisa ungelöst und
verzeichnen wir die unzweifelhafte Tatsache, daß ihr Lächeln den
Künstler nicht minder stark fasziniert hat, als alle die Beschauer seit
400 Jahren. Dies berückende Lächeln kehrt seitdem auf allen seinen
Bildern und den seiner Schüler wieder. Da die Monna Lisa Leonardos
ein Porträt ist, können wir nicht annehmen, er habe ihrem Angesicht
aus eigenem einen so ausdrucksschweren Zug geliehen, den sie selbst
nicht besaß. Es scheint, wir können kaum anders als glauben, daß er
dies Lächeln bei seinem Modell fand und so sehr unter dessen Zauber
geriet, daß er von da an die freien Schöpfungen seiner Phantasie
mit ihm ausstattete. Dieser naheliegenden Auffassung gibt z. B. A.
~Konstantinowa~[56] Ausdruck:

»Während der langen Zeit, in welcher sich der Meister mit dem Porträt
der Monna Lisa del Giocondo beschäftigte, hatte er sich mit solcher
Teilnahme des Gefühls in die physiognomischen Feinheiten dieses
Frauenantlitzes hineingelebt, daß er diese Züge -- besonders das
geheimnisvolle Lächeln und den seltsamen Blick -- auf alle Gesichter
übertrug, welche er in der Folge malte oder zeichnete; die mimische
Eigentümlichkeit der Gioconda kann selbst auf dem Bilde Johannes des
Täufers im Louvre wahrgenommen werden; -- vor allem aber sind sie in
Marias Gesichtszügen auf dem Anna Selbdritt-Bilde deutlich erkennbar.«

Allein es kann auch anders zugegangen sein. Das Bedürfnis nach einer
tieferen Begründung jener Anziehung, mit welcher das Lächeln der
Gioconda den Künstler ergriff, um ihn nicht mehr freizulassen, hat sich
bei mehr als einem seiner Biographen geregt. W. ~Pater~, der in
dem Bilde der Monna Lisa die »Verkörperung aller Liebeserfahrung der
Kulturmenschheit« sieht, und sehr fein »jenes unergründliche Lächeln,
welches bei Leonardo stets wie mit etwas Unheilverkündendem verbunden
scheint,« behandelt, führt uns auf eine andere Spur, wenn er
äußert:[57]

»Übrigens ist das Bild ein Porträt. Wir können verfolgen, wie es sich
von Kindheit auf in das Gewebe seiner Träume mischt, so daß man,
sprächen nicht ausdrückliche Zeugnisse dagegen, glauben möchte, es sei
sein endlich gefundenes und verkörpertes Frauenideal .....«

Etwas ganz Ähnliches hat wohl M. ~Herzfeld~ im Sinne, wenn sie
ausspricht, in der Monna Lisa habe Leonardo sich selbst begegnet, darum
sei es ihm möglich geworden, soviel von seinem eigenen Wesen in das
Bild einzutragen, »dessen Züge von jeher in rätselhafter Sympathie in
Leonardos Seele gelegen haben.«[58]

Versuchen wir diese Andeutungen zur Klarheit zu entwickeln. Es mag also
so gewesen sein, daß Leonardo vom Lächeln der Monna Lisa gefesselt
wurde, weil dieses etwas in ihm aufweckte, was seit langer Zeit in
seiner Seele geschlummert hatte, eine alte Erinnerung wahrscheinlich.
Diese Erinnerung war bedeutsam genug, um ihn nicht mehr loszulassen,
nachdem sie einmal erweckt worden war; er mußte ihr immer wieder neuen
Ausdruck geben. Die Versicherung ~Paters~, daß wir verfolgen
können, wie sich ein Gesicht, wie das der Monna Lisa, von Kindheit auf
in das Gewebe seiner Träume mischt, scheint glaubwürdig und verdient
wörtlich verstanden zu werden.

~Vasari~ erwähnt als seine ersten künstlerischen Versuche »teste
di femmine, che ridono«[59]. Die Stelle, die ganz unverdächtig ist,
weil sie nichts erweisen will, lautet vollständiger in deutscher
Übersetzung:[60] »indem er in seiner Jugend einige lachende weibliche
Köpfe aus Erde formte, die in Gyps vervielfältigt wurden, und einige
Kinderköpfe, so schön, als ob sie von Meisterhand gebildet wären .....,
p. 6.«

Wir erfahren also, daß seine Kunstübung mit der Darstellung von
zweierlei Objekten begann, die uns an die zweierlei Sexualobjekte
mahnen müssen, welche wir aus der Analyse seiner Geierphantasie
erschlossen haben. Waren die schönen Kinderköpfe Vervielfältigungen
seiner eigenen kindlichen Person, so sind die lächelnden Frauen nichts
anderes als Wiederholungen der Catarina, seiner Mutter, und wir
beginnen die Möglichkeit zu ahnen, daß seine Mutter das geheimnisvolle
Lächeln besessen, das er verloren hatte, und das ihn so fesselte, als
er es bei der Florentiner Dame wiederfand.[61]

Das Gemälde Leonardos, welches der Monna Lisa zeitlich am nächsten
steht, ist die sogenannte »heilige Anna selbdritt«, die heilige Anna
mit Maria und dem Christusknaben. Es zeigt das leonardeske Lächeln
in schönster Ausprägung an beiden Frauenköpfen. Es ist nicht zu
ermitteln, um wieviel früher oder später als das Porträt der Monna
Lisa Leonardo daran zu malen begann. Da beide Arbeiten sich über Jahre
erstreckten, darf man wohl annehmen, daß sie den Meister gleichzeitig
beschäftigten. Zu unserer Erwartung würde es am besten stimmen, wenn
gerade die Vertiefung in die Züge der Monna Lisa Leonardo angeregt
hätte, die Komposition der hl. Anna aus seiner Phantasie zu gestalten.
Denn wenn das Lächeln der Gioconda die Erinnerung an die Mutter in ihm
heraufbeschwor, so verstehen wir, daß es ihn zunächst dazu trieb, eine
Verherrlichung der Mütterlichkeit zu schaffen, und das Lächeln, das
er bei der vornehmen Dame gefunden hatte, der Mutter wiederzugeben.
So dürfen wir denn unser Interesse vom Porträt der Monna Lisa auf
dies andere, kaum minder schöne Bild, das sich jetzt auch im Louvre
befindet, hinübergleiten lassen.

Die heilige Anna mit Tochter und Enkelkind ist ein in der italienischen
Malerei selten behandelter Gegenstand; die Darstellung Leonardos weicht
jedenfalls weit von allen sonst bekannten ab. ~Muther~ sagt:[62]

»Einige Meister, wie Hans Fries, der ältere Holbein und Girolamo dai
Libri, ließen Anna neben Maria sitzen und stellten zwischen beide das
Kind. Andere, wie Jakob Cornelisz in seinem Berliner Bilde, zeigten
im eigentlichen Wortsinn die »heilige Anna selbdritt«, das heißt, sie
stellten sie dar, wie sie im Arme das kleine Figürchen Marias hält,
auf dem das noch kleinere des Christkindes sitzt«. Bei Leonardo sitzt
Maria auf dem Schoße ihrer Mutter vorgeneigt und greift mit beiden
Armen nach dem Knaben, der mit einem Lämmchen spielt, es wohl ein wenig
mißhandelt. Die Großmutter hat den einen unverdeckten Arm in die Hüfte
gestemmt und blickt mit seligem Lächeln auf die beiden herab. Die
Gruppierung ist gewiß nicht ganz ungezwungen. Aber das Lächeln, welches
auf den Lippen beider Frauen spielt, hat, obwohl unverkennbar dasselbe
wie im Bilde der Monna Lisa, seinen unheimlichen und rätselhaften
Charakter verloren; es drückt Innigkeit und stille Seligkeit aus.[63]

Bei einer gewissen Vertiefung in dieses Bild kommt es wie ein
plötzliches Verständnis über den Beschauer: Nur Leonardo konnte
dieses Bild malen, wie nur er die Geierphantasie dichten konnte. In
dieses Bild ist die Synthese seiner Kindheitsgeschichte eingetragen;
die Einzelheiten desselben sind aus den allerpersönlichsten
Lebenseindrücken Leonardos erklärlich. Im Hause seines Vaters fand
er nicht nur die gute Stiefmutter Donna Albiera, sondern auch die
Großmutter, Mutter seines Vaters, Monna Lucia, die, wir wollen es
annehmen, nicht unzärtlicher gegen ihn war, als Großmütter zu sein
pflegen. Dieser Umstand mochte ihm die Darstellung der von Mutter und
Großmutter behüteten Kindheit nahebringen. Ein anderer auffälliger
Zug des Bildes gewinnt eine noch größere Bedeutung. Die hl. Anna, die
Mutter der Maria und Großmutter des Knaben, die eine Matrone sein
müßte, ist hier vielleicht etwas reifer und ernster als die hl. Maria,
aber noch als junge Frau von unverwelkter Schönheit gebildet. Leonardo
hat in Wirklichkeit dem Knaben zwei Mütter gegeben, eine, die die Arme
nach ihm ausstreckt, und eine andere im Hintergrunde, und beide mit dem
seligen Lächeln des Mutterglückes ausgestattet. Diese Eigentümlichkeit
des Bildes hat nicht verfehlt, die Verwunderung der Autoren zu erregen;
~Muther~ meint z. B., daß Leonardo sich nicht entschließen
konnte, Alter, Falten und Runzeln zu malen und darum auch Anna zu
einer Frau von strahlender Schönheit machte. Ob man sich mit dieser
Erklärung zufrieden geben kann? Andere haben zur Auskunft gegriffen,
die »Gleichaltrigkeit von Mutter und Tochter« überhaupt in Abrede zu
stellen.[64] Aber der ~Muther~sche Erklärungsversuch genügt wohl
für den Beweis, daß der Eindruck von der Verjüngung der hl. Anna dem
Bilde entnommen und nicht durch eine Tendenz vorgetäuscht ist.

Leonardos Kindheit war gerade so merkwürdig gewesen wie dieses Bild. Er
hatte zwei Mütter gehabt, die erste seine wahre Mutter, die Catarina,
der er im Alter zwischen drei und fünf Jahren entrissen wurde, und
eine junge und zärtliche Stiefmutter, die Frau seines Vaters, Donna
Albiera. Indem er diese Tatsache seiner Kindheit mit der ersterwähnten
zusammenzog, sie zu einer Mischeinheit verdichtete, gestaltete sich ihm
die Komposition der hl. Anna selbdritt. Die mütterliche Gestalt weiter
weg vom Knaben, die Großmutter heißt, entspricht nach ihrer Erscheinung
und ihrem räumlichen Verhältnis zum Knaben der echten früheren Mutter
Catarina. Mit dem seligen Lächeln der hl. Anna hat der Künstler wohl
den Neid verleugnet und überdeckt, den die Unglückliche verspürte, als
sie der vornehmeren Rivalin wie früher den Mann, so nun auch den Sohn
abtreten mußte.

So wären wir von einem anderen Werke Leonardos her zur Bestätigung der
Ahnung gekommen, daß das Lächeln der Monna Lisa del Giocondo in dem
Manne die Erinnerung an die Mutter seiner ersten Kinderjahre erweckt
hatte. Madonnen und vornehme Damen zeigten von da an bei den Malern
Italiens die demütige Kopfneigung und das seltsam-selige Lächeln des
armen Bauernmädchens Catarina, das der Welt den herrlichen, zum Malen,
Forschen und Dulden bestimmten Sohn geboren hatte.

Wenn es Leonardo gelang, im Angesicht der Monna Lisa den doppelten Sinn
wiederzugeben, den dies Lächeln hatte, das Versprechen schrankenloser
Zärtlichkeit wie die unheilverkündende Drohung (nach ~Paters~
Worten), so war er auch darin dem Inhalte seiner frühesten Erinnerung
treu geblieben. Denn die Zärtlichkeit der Mutter wurde ihm zum
Verhängnis, bestimmte sein Schicksal und die Entbehrungen, die seiner
warteten. Die Heftigkeit der Liebkosungen, auf die seine Geierphantasie
deutet, war nur allzu natürlich; die arme verlassene Mutter mußte all
ihre Erinnerungen an genossene Zärtlichkeiten wie ihre Sehnsucht nach
neuen in die Mutterliebe einfließen lassen; sie war dazu gedrängt,
nicht nur sich dafür zu entschädigen, daß sie keinen Mann, sondern
auch das Kind, daß es keinen Vater hatte, der es liebkosen wollte. So
nahm sie nach der Art aller unbefriedigten Mütter den kleinen Sohn an
Stelle ihres Mannes an und raubte ihm durch die allzu frühe Reifung
seiner Erotik ein Stück seiner Männlichkeit. Die Liebe der Mutter zum
Säugling, den sie nährt und pflegt, ist etwas weit tiefgreifenderes als
ihre spätere Affektion für das heranwachsende Kind. Sie ist von der
Natur eines vollbefriedigenden Liebesverhältnisses, das nicht nur alle
seelischen Wünsche, sondern auch alle körperlichen Bedürfnisse erfüllt,
und wenn sie eine der Formen des dem Menschen erreichbaren Glückes
darstellt, so rührt dies nicht zum mindesten von der Möglichkeit her,
auch längst verdrängte und pervers zu nennende Wunschregungen ohne
Vorwurf zu befriedigen.[65] In der glücklichsten jungen Ehe verspürt es
der Vater, daß das Kind, besonders der kleine Sohn, sein Nebenbuhler
geworden ist, und eine im Unbewußten tief wurzelnde Gegnerschaft gegen
den Bevorzugten nimmt von daher ihren Ausgang.

Als Leonardo auf der Höhe seines Lebens jenem selig verzückten Lächeln
wieder begegnete, wie es einst den Mund seiner Mutter bei ihren
Liebkosungen umspielt hatte, stand er längst unter der Herrschaft
einer Hemmung, die ihm verbot, je wieder solche Zärtlichkeiten von
Frauenlippen zu begehren. Aber er war Maler geworden und so bemühte er
sich, dieses Lächeln mit dem Pinsel wieder zu erschaffen, und er gab es
allen seinen Bildern, ob er sie nun selbst ausführte oder unter seiner
Leitung von seinen Schülern ausführen ließ, der Leda, dem Johannes und
dem Bacchus. Die beiden letzten sind Abänderungen desselben Typus.
~Muther~ sagt: »Aus dem Heuschreckenesser der Bibel hat Leonardo
einen Bacchus, einen Apollino gemacht, der, ein rätselhaftes Lächeln
auf den Lippen, die weichen Schenkel übereinander geschlagen, uns mit
sinnbetörendem Auge anblickt.« Diese Bilder atmen eine Mystik, in deren
Geheimnis einzudringen man nicht wagt; man kann es höchstens versuchen,
den Anschluß an die früheren Schöpfungen Leonardos herzustellen. Die
Gestalten sind wieder mannweiblich, aber nicht mehr im Sinne der
Geierphantasie, es sind schöne Jünglinge von weiblicher Zartheit mit
weibischen Formen; sie schlagen die Augen nicht nieder, sondern
blicken geheimnisvoll triumphierend, als wüßten sie von einem großen
Glückserfolg, von dem man schweigen muß; das bekannte berückende
Lächeln läßt ahnen, daß es ein Liebesgeheimnis ist. Möglich, daß
Leonardo in diesen Gestalten das Unglück seines Liebeslebens verleugnet
und künstlerisch überwunden hat, indem er die Wunscherfüllung des von
der Mutter betörten Knaben in solch seliger Vereinigung von männlichem
und weiblichem Wesen darstellte.




                                  V.


Unter den Eintragungen in den Tagebüchern Leonardos findet sich eine,
die durch ihren bedeutsamen Inhalt und wegen eines winzigen formalen
Fehlers die Aufmerksamkeit des Lesers festhält:

Er schreibt im Juli 1504.

»Adi 9 di Luglio 1504 mercoledi a ore 7 mori Ser Piero da Vinci,
notalio al palazzo del Potestà, mio padre, a ore 7. Era d'età d'anni
80, lasciò 10 figlioli maschi e 2 femmine.«[66]

Die Notiz handelt also vom Tode des Vaters Leonardos. Die kleine Irrung
in ihrer Form besteht darin, daß die Zeitbestimmung »a ore 7« zweimal
wiederholt wird, als hätte Leonardo am Ende des Satzes vergessen, daß
er sie zu Anfang bereits hingeschrieben. Es ist nur eine Kleinigkeit,
aus der ein anderer als ein Psychoanalytiker nichts machen würde.
Vielleicht würde er sie nicht bemerken, und auf sie aufmerksam gemacht,
würde er sagen: Das kann in der Zerstreutheit oder im Affekt jedem
passieren und hat weiter keine Bedeutung.

Der Psychoanalytiker denkt anders; ihm ist nichts zu klein als Äußerung
verborgener seelischer Vorgänge; er hat längst gelernt, daß solches
Vergessen oder Wiederholen bedeutungsvoll ist, und daß man es der
»Zerstreutheit« danken muß, wenn sie den Verrat sonst verborgener
Regungen gestattet.

Wir werden sagen, auch diese Notiz entspricht, wie die Leichenrechnung
der Catarina, die Kostenrechnungen der Schüler, einem Falle, in dem
Leonardo die Unterdrückung seiner Affekte mißglückte und das lange
Verhohlene sich einen entstellten Ausdruck erzwang. Auch die Form
ist eine ähnliche, dieselbe pedantische Genauigkeit, die gleiche
Vordringlichkeit der Zahlen.[67]

Wir heißen eine solche Wiederholung eine Perseveration. Sie ist ein
ausgezeichnetes Hilfsmittel, um die affektive Betonung anzuzeigen.
Man denke z. B. an die Zornesrede des heiligen Petrus gegen seinen
unwürdigen Stellvertreter auf Erden in ~Dantes~ Paradiso:[68]

  »Quegli ch'usurpa in terra il luogo mio
  Il luogo mio, il luogo mio, che vaca
  Nella presenza del Figliuol di Dio,

  Fatto ha del cimiterio mio cloaca.«

Ohne Leonardos Affekthemmung hätte die Eintragung im Tagebuch etwa
lauten können: Heute um 7 Uhr starb mein Vater, Ser Piero da Vinci,
mein armer Vater! Aber die Verschiebung der Perseveration auf die
gleichgültigste Bestimmung der Todesnachricht, auf die Sterbestunde,
raubt der Notiz jedes Pathos und läßt uns gerade noch erkennen, daß
hier etwas zu verbergen und zu unterdrücken war.

Ser Piero da Vinci, Notar und Abkömmling von Notaren, war ein Mann von
großer Lebenskraft, der es zu Ansehen und Wohlstand brachte. Er war
viermal verheiratet, die beiden ersten Frauen starben ihm kinderlos
weg, erst von der dritten erzielte er 1476 den ersten legitimen Sohn,
als Leonardo bereits 24 Jahre alt war und das Vaterhaus längst gegen
das Atelier seines Meisters Verrocchio vertauscht hatte; mit der
vierten und letzten Frau, die er bereits als Fünfziger geheiratet
hatte, zeugte er noch neun Söhne und zwei Töchter.[69]

Gewiß ist auch dieser Vater für die psychosexuelle Entwicklung
Leonardos bedeutsam geworden, und zwar nicht nur negativ, durch
seinen Wegfall in den ersten Kinderjahren des Knaben, sondern auch
unmittelbar durch seine Gegenwart in dessen späterer Kindheit. Wer
als Kind die Mutter begehrt, der kann es nicht vermeiden, sich an die
Stelle des Vaters setzen zu wollen, sich in seiner Phantasie mit ihm
zu identifizieren und später seine Überwindung zur Lebensaufgabe zu
machen. Als Leonardo, noch nicht fünf Jahre alt, ins großväterliche
Haus aufgenommen wurde, trat gewiß die junge Stiefmutter Albiera an
die Stelle seiner Mutter in seinem Fühlen, und er kam in jenes normal
zu nennende Rivalitätsverhältnis zum Vater. Die Entscheidung zur
Homosexualität tritt bekanntlich erst in der Nähe der Pubertätsjahre
auf. Als diese für Leonardo gefallen war, verlor die Identifizierung
mit dem Vater jede Bedeutung für sein Sexualleben, setzte sich aber
auf anderen Gebieten von nicht erotischer Betätigung fort. Wir hören,
daß er Prunk und schöne Kleider liebte, sich Diener und Pferde hielt,
obwohl er nach ~Vasaris~ Worten »fast nichts besaß und wenig
arbeitete«; wir werden nicht allein seinen Schönheitssinn für diese
Vorlieben verantwortlich machen, wir erkennen in ihnen auch den Zwang,
den Vater zu kopieren und zu übertreffen. Der Vater war gegen das
arme Bauernmädchen der vornehme Herr gewesen, daher verblieb in dem
Sohne der Stachel, auch den vornehmen Herrn zu spielen, der Drang
»to out-herod Herod,« dem Vater vorzuhalten, wie erst die richtige
Vornehmheit aussehe.

Wer als Künstler schafft, der fühlt sich gegen seine Werke gewiß als
Vater. Für Leonardos Schaffen als Maler hatte die Identifizierung mit
dem Vater eine verhängnisvolle Folge. Er schuf sie und kümmerte sich
nicht mehr um sie, wie sein Vater sich nicht um ihn bekümmert hatte.
Die spätere Sorge des Vaters konnte an diesem Zwange nichts ändern,
denn dieser leitete sich von den Eindrücken der ersten Kinderjahre ab,
und das unbewußt gebliebene Verdrängte ist unkorrigierbar durch spätere
Erfahrungen.

Zur Zeit der Renaissance bedurfte jeder Künstler -- wie auch noch
viel später -- eines hohen Herrn und Gönners, eines Padrone, der ihm
Aufträge gab, in dessen Händen sein Schicksal ruhte. Leonardo fand
seinen Padrone in dem hochstrebenden, prachtliebenden, diplomatisch
verschlagenen, aber unsteten und unverläßlichen ~Lodovico Sforza~,
zubenannt: il ~Moro~. An seinem Hofe in Mailand verbrachte er
die glänzendste Zeit seines Lebens, in seinen Diensten entfaltete er
am ungehemmtesten die Schaffenskraft, von der das Abendmahl und das
Reiterstandbild des Francesco Sforza Zeugnis ablegten. Er verließ
Mailand, ehe die Katastrophe über Lodovico Moro hereinbrach, der als
Gefangener in einem französischen Kerker starb. Als die Nachricht
vom Schicksal seines Gönners Leonardo erreichte, schrieb er in sein
Tagebuch: »Der Herzog verlor sein Land, seinen Besitz, seine Freiheit,
und keines der Werke, die er unternommen, wurde zu Ende geführt.«[70]
Es ist merkwürdig und gewiß nicht bedeutungslos, daß er hier gegen
seinen Padrone den nämlichen Vorwurf erhob, den die Nachwelt gegen
ihn wenden sollte, als wollte er eine Person aus der Vaterreihe dafür
verantwortlich machen, daß er selbst seine Werke unvollendet ließ. In
Wirklichkeit hatte er auch gegen den Herzog nicht Unrecht.

Aber wenn die Nachahmung des Vaters ihn als Künstler schädigte, so
war die Auflehnung gegen den Vater die infantile Bedingung seiner
vielleicht ebenso großartigen Leistung als Forscher. Er glich, nach
dem schönen Gleichnis ~Mereschkowskis~, einem Menschen, der in
der Finsternis zu früh erwacht war, während die anderen noch alle
schliefen.[71] Er wagte es, den kühnen Satz auszusprechen, der doch
die Rechtfertigung jeder freien Forschung enthält: ~Wer im Streite
der Meinungen sich auf die Autorität beruft, der arbeitet mit seinem
Gedächtnis, anstatt mit seinem Verstand.~[72] So wurde er der erste
moderne Naturforscher, und eine Fülle von Erkenntnissen und Ahnungen
belohnte seinen Mut, seit den Zeiten der Griechen als der erste,
nur auf Beobachtung und eigenes Urteil gestützt, an die Geheimnisse
der Natur zu rühren. Aber wenn er die Autorität geringschätzen und
die Nachahmung der »Alten« verwerfen lehrte und immer wieder auf
das Studium der Natur als auf die Quelle aller Wahrheit hinwies,
so wiederholte er nur in der höchsten, dem Menschen erreichbaren
Sublimierung die Parteinahme, die sich bereits dem kleinen,
verwundert in die Welt blickenden Knaben aufgedrängt hatte. Aus der
wissenschaftlichen Abstraktion in die konkrete individuelle Erfahrung
rückübersetzt, entsprachen die Alten und die Autorität doch nur dem
Vater, und die Natur wurde wieder die zärtliche, gütige Mutter, die ihn
genährt hatte. Während bei den meisten anderen Menschenkindern -- auch
noch heute wie in Urzeiten -- das Bedürfnis nach dem Anhalt an irgend
einer Autorität so gebieterisch ist, daß ihnen die Welt ins Wanken
gerät, wenn diese Autorität bedroht wird, konnte Leonardo allein dieser
Stütze entbehren; er hätte es nicht können, wenn er nicht in den ersten
Lebensjahren gelernt hätte, auf den Vater zu verzichten. Die Kühnheit
und Unabhängigkeit seiner späteren wissenschaftlichen Forschung setzt
die vom Vater ungehemmte infantile Sexualforschung voraus und setzt sie
unter Abwendung vom Sexuellen fort.

Wenn jemand wie Leonardo in seiner Kindheit der Einschüchterung durch
den Vater entgangen ist und in seiner Forschung die Fesseln der
Autorität abgeworfen hat, so wäre es der grellste Widerspruch gegen
unsere Erwartung, wenn wir fänden, daß derselbe Mann ein Gläubiger
geblieben ist und es nicht vermocht hat, sich der dogmatischen Religion
zu entziehen. Die Psychoanalyse hat uns den intimen Zusammenhang
zwischen dem Vaterkomplex und der Gottesgläubigkeit kennen gelehrt,
hat uns gezeigt, daß der persönliche Gott psychologisch nichts
anderes ist als ein erhöhter Vater, und führt uns täglich vor
Augen, wie jugendliche Personen den religiösen Glauben verlieren,
sobald die Autorität des Vaters bei ihnen zusammenbricht. Im
Elternkomplex erkennen wir so die Wurzel des religiösen Bedürfnisses;
der allmächtige, gerechte Gott und die gütige Natur erscheinen uns
als großartige Sublimierungen von Vater und Mutter, vielmehr als
Erneuerungen und Wiederherstellungen der frühkindlichen Vorstellungen
von beiden. Die Religiosität führt sich biologisch auf die lang
anhaltende Hilflosigkeit und Hilfsbedürftigkeit des kleinen
Menschenkindes zurück, welches, wenn es später seine wirkliche
Verlassenheit und Schwäche gegen die großen Mächte des Lebens
erkannt hat, seine Lage ähnlich wie in der Kindheit empfindet und
deren Trostlosigkeit durch die regressive Erneuerung der infantilen
Schutzmächte zu verleugnen sucht.

Es scheint nicht, daß das Beispiel Leonardos diese Auffassung der
religiösen Gläubigkeit des Irrtums überführen könnte. Anklagen, die ihn
des Unglaubens, oder, was jener Zeit ebensoviel hieß, des Abfalles vom
Christenglauben beschuldigten, regten sich bereits zu seinen Lebzeiten
und haben in der ersten Lebensbeschreibung, die ~Vasari~ von ihm
gab, einen bestimmten Ausdruck gefunden.[73] In der zweiten Ausgabe
seiner Vite 1568 hat ~Vasari~ diese Bemerkungen weggelassen.
Uns ist es vollkommen begreiflich, wenn Leonardo angesichts der
außerordentlichen Empfindlichkeit seines Zeitalters in religiösen
Dingen sich direkter Äußerungen über seine Stellung zum Christentum
auch in seinen Aufzeichnungen enthielt. Als Forscher ließ er sich
durch die Schöpfungsberichte der Heiligen Schrift nicht im mindesten
beirren; er bestritt z. B. die Möglichkeit einer universellen Sündflut
und rechnete in der Geologie ebenso unbedenklich wie die Modernen mit
Jahrhunderttausenden.

Unter seinen »Prophezeiungen« finden sich so manche, die das Feingefühl
eines gläubigen Christen beleidigen müßten, z. B.:[74] Die Bilder der
Heiligen angebetet.

»Es werden die Menschen mit Menschen reden, die nichts vernehmen,
welche die Augen offen haben und nicht sehen; sie werden zu diesen
reden und keine Antwort bekommen; sie werden Gnaden erbitten von dem,
welcher Ohren hat und nicht hört; sie werden Lichter anzünden für den,
der blind ist.«

Oder: Vom Klagen am Karfreitag (p. 297).

»In allen Teilen Europas wird von großen Völkerschaften geweint werden
um den Tod eines einzigen Mannes, der im Orient gestorben.«

Von Leonardos Kunst hat man geurteilt, daß er den heiligen Gestalten
den letzten Rest kirchlicher Gebundenheit benahm und sie ins
Menschliche zog, um große und schöne menschliche Empfindungen an ihnen
darzustellen. ~Muther~ rühmt von ihm, daß er die Dekadenzstimmung
überwand und den Menschen das Recht auf Sinnlichkeit und frohen
Lebensgenuß wiedergab. In den Aufzeichnungen, welche Leonardo in die
Ergründung der großen Naturrätsel vertieft zeigen, fehlt es nicht an
Äußerungen der Bewunderung für den Schöpfer, den letzten Grund all
dieser herrlichen Geheimnisse, aber nichts deutet darauf hin, daß er
eine persönliche Beziehung zu dieser Gottesmacht festhalten wollte.
Die Sätze, in welche er die tiefe Weisheit seiner letzten Lebensjahre
gelegt hat, atmen die Resignation des Menschen, der sich der ᾿Αναγκη,
den Gesetzen der Natur, unterwirft und von der Güte oder Gnade
Gottes keine Milderung erwartet. Es ist kaum ein Zweifel, daß Leonardo
die dogmatische wie die persönliche Religion überwunden und sich durch
seine Forscherarbeit weit von der Weltanschauung des gläubigen Christen
entfernt hatte.

Aus unseren vorhin erwähnten Einsichten in die Entwicklung des
kindlichen Seelenlebens wird uns die Annahme nahe gelegt, daß auch
Leonardos erste Forschungen im Kindesalter sich mit den Problemen
der Sexualität beschäftigten. Er verrät es uns aber selbst in
durchsichtiger Verhüllung, indem er seinen Forscherdrang an die
Geierphantasie knüpft und das Problem des Vogelfluges als eines
hervorhebt, das ihm durch besondere Schicksalsverkettung zur
Bearbeitung zugefallen sei. Eine recht dunkle, wie eine Prophezeiung
klingende Stelle in seinen Aufzeichnungen, die den Vogelflug behandeln,
bezeugt aufs Schönste, mit wie viel Affektinteresse er an dem Wunsche
hing, die Kunst des Fliegens selbst nachahmen zu können: »Es wird
seinen ersten Flug nehmen der große Vogel, vom Rücken seines großen
Schwanes aus, das Universum mit Verblüffung, alle Schriften mit seinem
Ruhme füllen und ewige Glorie sein dem Neste, wo er geboren ward.«[75]
Er hoffte wahrscheinlich, selbst einmal fliegen zu können, und wir
wissen aus den wunscherfüllenden Träumen der Menschen, welche Seligkeit
man sich von der Erfüllung dieser Hoffnung erwartet.

Warum träumen aber so viele Menschen vom Fliegenkönnen? Die
Psychoanalyse gibt hierauf die Antwort, weil das Fliegen oder Vogel
sein, nur die Verhüllung eines anderen Wunsches ist, zu dessen
Erkennung mehr als eine sprachliche und sachliche Brücke führt.
Wenn man der wißbegierigen Jugend erzählt, ein großer Vogel, wie
der Storch, bringe die kleinen Kinder, wenn die Alten den Phallus
geflügelt gebildet haben, wenn die gebräuchlichste Bezeichnung der
Geschlechtstätigkeit des Mannes im Deutschen »vögeln« lautet, das
Glied des Mannes bei den Italienern direkt l'uccello (Vogel) heißt,
so sind das nur kleine Bruchstücke aus einem großen Zusammenhange,
der uns lehrt, daß der Wunsch, fliegen zu können, im Traume nichts
anderes bedeutet als die Sehnsucht, geschlechtlicher Leistungen fähig
zu sein. Es ist dies ein frühinfantiler Wunsch. Wenn der Erwachsene
seiner Kindheit gedenkt, so erscheint sie ihm als eine glückliche Zeit,
in der man sich des Augenblickes freute und wunschlos der Zukunft
entgegenging, und darum beneidet er die Kinder. Aber die Kinder selbst,
wenn sie darüber Auskunft geben könnten, würden wahrscheinlich anderes
berichten. Es scheint, daß die Kindheit nicht jenes selige Idyll ist,
zu dem wir es nachträglich entstellen, daß die Kinder vielmehr von
dem einen Wunsch, groß zu werden, es den Erwachsenen gleich zu tun,
durch die Jahre der Kindheit gepeitscht werden. Dieser Wunsch treibt
alle ihre Spiele. Ahnen die Kinder im Verlaufe ihrer Sexualforschung,
daß der Erwachsene auf dem einen rätselvollen und doch so wichtigen
Gebiete etwas Großartiges kann, was ihnen zu wissen und zu tun versagt
ist, so regt sich in ihnen ein ungestümer Wunsch, dasselbe zu können,
und sie träumen davon in der Form des Fliegens oder bereiten diese
Einkleidung des Wunsches für ihre späteren Flugträume vor. So hat also
auch die Aviatik, die in unseren Zeiten endlich ihr Ziel erreicht, ihre
infantile erotische Wurzel.

Indem uns Leonardo eingesteht, daß er zu dem Problem des Fliegens
von Kindheit an eine besondere persönliche Beziehung verspürt hat,
bestätigt er uns, daß seine Kinderforschung auf Sexuelles gerichtet
war, wie wir es nach unseren Untersuchungen an den Kindern unserer
Zeit vermuten mußten. Dies eine Problem wenigstens hatte sich der
Verdrängung entzogen, die ihn später der Sexualität entfremdete; von
den Kinderjahren an bis in die Zeit der vollsten intellektuellen
Reife war ihm das nämliche mit leichter Sinnesabänderung interessant
geblieben, und es ist sehr wohl möglich, daß ihm die gewünschte Kunst
im primären sexuellen Sinne ebensowenig gelang wie im mechanischen, daß
beide für ihn versagte Wünsche blieben.

Der große Leonardo blieb überhaupt sein ganzes Leben über in manchen
Stücken kindlich; man sagt, daß alle großen Männer etwas Infantiles
bewahren müssen. Er spielte auch als Erwachsener weiter und wurde auch
dadurch manchmal seinen Zeitgenossen unheimlich und unbegreiflich.
Wenn er zu höfischen Festlichkeiten und feierlichen Empfängen die
kunstvollsten mechanischen Spielereien verfertigte, so sind nur
wir damit unzufrieden, die den Meister nicht gern seine Kraft an
solchen Tand wenden sehen; er selbst scheint sich nicht ungern mit
diesen Dingen abgegeben zu haben, denn ~Vasari~ berichtet, daß
er ähnliches machte, wo kein Auftrag ihn dazu nötigte: »Dort (in
Rom) verfertigte er einen Teig von Wachs und formte daraus, wenn er
fließend war, sehr zarte Tiere, mit Luft gefüllt; blies er hinein,
so flogen sie, war die Luft heraus, so fielen sie zur Erde. Einer
seltsamen Eidechse, welche der Winzer von Belvedere fand, machte er
Flügel aus der abgezogenen Haut anderer Eidechsen, welche er mit
Quecksilber füllte, so daß sie sich bewegten und zitterten, wenn sie
ging; sodann machte er ihr Augen, Bart und Hörner, zähmte sie, tat sie
in eine Schachtel und jagte alle seine Freunde damit in Furcht.«[76]
Oft dienten ihm solche Spielereien zum Ausdruck inhaltschwerer
Gedanken: »Oftmals ließ er die Därme eines Hammels so fein ausputzen,
daß man sie in der hohlen Hand hätte halten können; diese trug er
in ein großes Zimmer, brachte in eine anstoßende Stube ein paar
Schmiedeblasebälge, befestigte daran die Därme und blies sie auf, bis
sie das ganze Zimmer einnahmen und man in eine Ecke flüchten mußte,
so zeigte er, wie sie allmählich durchsichtig und von Luft erfüllt
wurden, und indem sie anfangs auf einen kleinen Platz beschränkt sich
mehr und mehr in den weiten Raum ausbreiteten, verglich er sie dem
Genie.«[77] Dieselbe spielerische Lust am harmlosen Verbergen und
kunstvollen Einkleiden bezeugen seine Fabeln und Rätsel, letztere in
die Form von »Prophezeiungen« gebracht, fast alle gedankenreich und in
bemerkenswertem Maße des Witzes entbehrend.

Die Spiele und Sprünge, die Leonardo seiner Phantasie gestattete, haben
in einigen Fällen seine Biographen, die diesen Charakter verkannten, in
argen Irrtum gebracht. In den Mailänder Manuskripten Leonardos finden
sich z. B. Entwürfe zu Briefen an den »Diodario von Sorio (Syrien),
Statthalter des heiligen Sultan von Babylonia«, in denen Leonardo sich
als Ingenieur einführt, der in diese Gegenden des Orients geschickt
wurde, um gewisse Arbeiten auszuführen, sich gegen den Vorwurf der
Trägheit verteidigt, geographische Beschreibungen von Städten und
Bergen liefert und endlich ein großes Elementarereignis schildert, das
dort in Leonardos Anwesenheit vorgefallen ist.[78]

J. P. ~Richter~ hat im Jahre 1881 aus diesen Schriftstücken zu
beweisen gesucht, daß Leonardo wirklich im Dienste des Sultans von
Ägypten diese Reisebeobachtungen angestellt und selbst im Orient die
mohammedanische Religion angenommen habe. Dieser Aufenthalt sollte in
die Zeit vor 1483, also vor der Übersiedlung an den Hof des Herzogs von
Mailand fallen. Allein der Kritik anderer Autoren ist es nicht schwer
geworden, die Belege für die angebliche Orientreise Leonardos als das
zu erkennen, was sie in Wirklichkeit sind, phantastische Produktionen
des jugendlichen Künstlers, die er zu seiner eigenen Unterhaltung
schuf, in denen er vielleicht seine Wünsche, die Welt zu sehen und
Abenteuer zu erleben, zum Ausdruck brachte.

Ein Phantasiegebilde ist wahrscheinlich auch die »Academia Vinciana«,
deren Annahme auf dem Vorhandensein von fünf oder sechs höchst
künstlich verschlungenen Emblemen mit der Inschrift der Akademie
beruht. ~Vasari~ erwähnt diese Zeichnungen, aber nicht die
Akademie.[79] ~Müntz~, der ein solches Ornament auf den Deckel
seines großen Leonardowerkes gesetzt hat, gehört zu den wenigen, die an
die Realität einer »Academia Vinciana« glauben.

Es ist wahrscheinlich, daß dieser Spieltrieb Leonardos in seinen
reiferen Jahren schwand, daß auch er in die Forschertätigkeit
einmündete, welche die letzte und höchste Entfaltung seiner
Persönlichkeit bedeutete. Aber seine lange Erhaltung kann uns
lehren, wie langsam sich von seiner Kindheit losreißt, wer in seinen
Kinderzeiten die höchste, später nicht wieder erreichte, erotische
Seligkeit genossen hat.




                                  VI.


Es wäre vergeblich sich darüber zu täuschen, daß die Leser heute
alle Pathographie unschmackhaft finden. Die Ablehnung bekleidet
sich mit dem Vorwurf, bei einer pathographischen Bearbeitung eines
großen Mannes gelange man nie zum Verständnis seiner Bedeutung und
seiner Leistung; es sei daher unnützer Mutwillen, an ihm Dinge zu
studieren, die man ebensowohl beim erstbesten anderen finden könne.
Allein diese Kritik ist so offenbar ungerecht, daß sie nur als
Vorwand und Verhüllung verständlich wird. Die Pathographie setzt sich
überhaupt nicht das Ziel, die Leistung des großen Mannes verständlich
zu machen; man darf doch niemand zum Vorwurf machen, daß er etwas
nicht gehalten hat, was er niemals versprochen hatte. Die wirklichen
Motive des Widerstrebens sind andere. Man findet sie auf, wenn man in
Erwägung zieht, daß Biographen in ganz eigentümlicher Weise an ihren
Helden fixiert sind. Sie haben ihn häufig zum Objekt ihrer Studien
gewählt, weil sie ihm aus Gründen ihres persönlichen Gefühlslebens
von vornherein eine besondere Affektion entgegenbrachten. Sie geben
sich dann einer Idealisierungsarbeit hin, die bestrebt ist, den großen
Mann in die Reihe ihrer infantilen Vorbilder einzutragen, etwa die
kindliche Vorstellung des Vaters in ihm neuzubeleben. Sie löschen
diesem Wunsche zuliebe die individuellen Züge in seiner Physiognomie
aus, glätten die Spuren seines Lebenskampfes mit inneren und äußeren
Widerständen, dulden an ihm keinen Rest von menschlicher Schwäche
oder Unvollkommenheit und geben uns dann wirklich eine kalte, fremde
Idealgestalt anstatt des Menschen, dem wir uns entfernt verwandt fühlen
könnten. Es ist zu bedauern, daß sie dies tun, denn sie opfern damit
die Wahrheit einer Illusion und verzichten zu Gunsten ihrer infantilen
Phantasien auf die Gelegenheit, in die reizvollsten Geheimnisse der
menschlichen Natur einzudringen.[80]

Leonardo selbst hätte in seiner Wahrheitsliebe und seinem Wissensdrange
den Versuch nicht abgewehrt, aus den kleinen Seltsamkeiten und Rätseln
seines Wesens die Bedingungen seiner seelischen und intellektuellen
Entwicklung zu erraten. Wir huldigen ihm, indem wir an ihm lernen.
Es beeinträchtigt seine Größe nicht, wenn wir die Opfer studieren,
die seine Entwicklung aus dem Kinde kosten mußte, und die Momente
zusammentragen, die seiner Person den tragischen Zug des Mißglückens
eingeprägt haben.

Heben wir ausdrücklich hervor, daß wir Leonardo niemals zu den
Neurotikern oder »Nervenkranken«, wie das ungeschickte Wort lautet,
gezählt haben. Wer sich darüber beklagt, daß wir es überhaupt wagen,
aus der Pathologie gewonnene Gesichtspunkte auf ihn anzuwenden, der
hält noch an Vorurteilen fest, die wir heute mit Recht aufgegeben
haben. Wir glauben nicht mehr, daß Gesundheit und Krankheit, Normale
und Nervöse, scharf von einander zu sondern sind, und daß neurotische
Züge als Beweise einer allgemeinen Minderwertigkeit beurteilt werden
müssen. Wir wissen heute, daß die neurotischen Symptome Ersatzbildungen
für gewisse Verdrängungsleistungen sind, welche wir im Laufe
unserer Entwicklung vom Kinde bis zum Kulturmenschen zu vollbringen
haben, daß wir alle solche Ersatzbildungen produzieren, und daß nur
die Anzahl, Intensität und Verteilung dieser Ersatzbildungen den
praktischen Begriff des Krankseins und den Schluß auf konstitutionelle
Minderwertigkeit rechtfertigen. Nach den kleinen Anzeichen an Leonardos
Persönlichkeit dürfen wir ihn in die Nähe jenes neurotischen Typus
stellen, den wir als »Zwangstypus« bezeichnen, sein Forschen mit dem
»Grübelzwang« der Neurotiker, seine Hemmungen mit den sog. Abulien
derselben vergleichen.

Das Ziel unserer Arbeit war die Erklärung der Hemmungen in Leonardos
Sexualleben und in seiner künstlerischen Tätigkeit. Es ist uns
gestattet, zu diesem Zwecke zusammenzufassen, was wir über den Verlauf
seiner psychischen Entwicklung erraten konnten.

Die Einsicht in seine hereditären Verhältnisse ist uns versagt,
dagegen erkennen wir, daß die akzidentellen Umstände seiner Kindheit
eine tiefgreifende störende Wirkung ausüben. Seine illegitime Geburt
entzieht ihn bis vielleicht zum fünften Jahre dem Einflusse des Vaters
und überläßt ihn der zärtlichen Verführung einer Mutter, deren einziger
Trost er ist. Von ihr zur sexuellen Frühreife emporgeküßt, muß er
wohl in eine Phase infantiler Sexualbetätigung eingetreten sein, von
welcher nur eine einzige Äußerung sicher bezeugt ist, die Intensität
seiner infantilen Sexualforschung. Schau- und Wißtrieb werden durch
seine frühkindlichen Eindrücke am stärksten erregt; die erogene
Mundzone empfängt eine Betonung, die sie nie mehr abgibt. Aus dem
später gegenteiligen Verhalten, wie dem übergroßen Mitleid mit Tieren,
können wir schließen, daß es in dieser Kindheitsperiode an kräftigen
sadistischen Zügen nicht fehlte.

Ein energischer Verdrängungsschub bereitet diesem kindlichen Übermaß
ein Ende und stellt die Dispositionen fest, die in den Jahren der
Pubertät zum Vorschein kommen werden. Die Abwendung von jeder
grobsinnlichen Betätigung wird das augenfälligste Ergebnis der
Umwandlung sein; Leonardo wird abstinent leben können und den Eindruck
eines asexuellen Menschen machen. Wenn die Fluten der Pubertätserregung
über den Knaben kommen, werden sie ihn aber nicht krank machen, indem
sie ihn zu kostspieligen und schädlichen Ersatzbildungen nötigen;
der größere Anteil der Bedürftigkeit des Geschlechtstriebes wird
sich Dank der frühzeitigen Bevorzugung der sexuellen Wißbegierde zu
allgemeinem Wissensdrang sublimieren können und so der Verdrängung
ausweichen. Ein weit geringerer Anteil der Libido wird sexuellen Zielen
zugewendet bleiben und das verkümmerte Geschlechtsleben des Erwachsenen
repräsentieren. Infolge der Verdrängung der Liebe zur Mutter wird
dieser Anteil in homosexuelle Einstellung gedrängt werden und sich
als ideelle Knabenliebe kundgeben. Im Unbewußten bleibt die Fixierung
an die Mutter und an die seligen Erinnerungen des Verkehres mit ihr
bewahrt, verharrt aber vorläufig in inaktivem Zustand. In solcher Weise
teilen sich Verdrängung, Fixierung und Sublimierung in die Verfügung
über die Beiträge, welche der Sexualtrieb zum Seelenleben Leonardos
leistet.

Aus dunkler Knabenzeit taucht Leonardo als Künstler, Maler und
Plastiker vor uns auf, dank einer spezifischen Begabung, die der
frühzeitigen Erweckung des Schautriebes in ersten Kinderjahren eine
Verstärkung schulden mag. Gerne würden wir angeben wollen, in welcher
Weise sich die künstlerische Betätigung auf die seelischen Urtriebe
zurückführt, wenn nicht gerade hier unsere Mittel versagen würden. Wir
bescheiden uns die kaum mehr zweifelhafte Tatsache hervorzuheben, daß
das Schaffen des Künstlers auch seinem sexuellen Begehren Ableitung
gibt, und für Leonardo auf die von ~Vasari~ übermittelte Nachricht
hinzuweisen, daß Köpfe von lächelnden Frauen und schönen Knaben, also
Darstellungen seiner Sexualobjekte, unter seinen ersten künstlerischen
Versuchen auffielen. In aufblühender Jugend scheint Leonardo zunächst
ungehemmt zu arbeiten. Wie er in seiner äußeren Lebensführung den
Vater zum Vorbild nimmt, so durchlebt er eine Zeit von männlicher
Schaffenskraft und künstlerischer Produktivität in Mailand, wo ihn die
Gunst des Schicksals im Herzog Lodovico Moro einen Vaterersatz finden
läßt. Aber bald bewährt sich an ihm die Erfahrung, daß die fast völlige
Unterdrückung des realen Sexuallebens nicht die günstigsten Bedingungen
für die Betätigung der sublimierten sexuellen Strebungen ergibt. Die
Vorbildlichkeit des Sexuallebens macht sich geltend, die Aktivität
und die Fähigkeit zu raschem Entschluß beginnen zu erlahmen, die
Neigung zum Erwägen und Verzögern wird schon beim heiligen Abendmahl
störend bemerkbar und bestimmt durch die Beeinflussung der Technik das
Schicksal dieses großartigen Werkes. Langsam vollzieht sich nun bei
ihm ein Vorgang, den man nur den Regressionen bei Neurotikern an die
Seite stellen kann. Die Pubertätsentfaltung seines Wesens zum Künstler
wird durch die frühinfantil bedingte zum Forscher überholt, die zweite
Sublimierung seiner erotischen Triebe tritt gegen die uranfängliche,
bei der ersten Verdrängung vorbereitete, zurück. Er wird zum Forscher,
zuerst noch im Dienste seiner Kunst, später unabhängig von ihr und von
ihr weg. Mit dem Verlust des den Vater ersetzenden Gönners und der
zunehmenden Verdüsterung im Leben greift diese regressive Ersetzung
immer mehr um sich. Er wird »impacientissimo al pennello«, wie ein
Korrespondent der Markgräfin Isabella d'Este berichtet, die durchaus
noch ein Bild von seiner Hand besitzen will.[81] Seine kindliche
Vergangenheit hat Macht über ihn bekommen. Das Forschen aber, das ihm
nun das künstlerische Schaffen ersetzt, scheint einige der Züge an
sich zu tragen, welche die Betätigung unbewußter Triebe kennzeichnen,
die Unersättlichkeit, die rücksichtslose Starrheit, den Mangel an
Fähigkeit, sich realen Verhältnissen anzupassen.

Auf der Höhe seines Lebens, in den ersten fünfziger Jahren, zu einer
Zeit, da beim Weibe die Geschlechtscharaktere bereits rückgebildet
sind, beim Manne nicht selten die Libido noch einen energischen Vorstoß
wagt, kommt eine neue Wandlung über ihn. Noch tiefere Schichten
seines seelischen Inhaltes werden von neuem aktiv, aber diese weitere
Regression kommt seiner Kunst zu gute, die im Verkümmern war. Er
begegnet dem Weibe, welches die Erinnerung an das glückliche und
sinnlich verzückte Lächeln der Mutter bei ihm weckt, und unter dem
Einfluß dieser Erweckung gewinnt er den Antrieb wieder, der ihn zu
Beginn seiner künstlerischen Versuche, als er die lächelnden Frauen
bildete, geleitet. Er malt die Monna Lisa, die hl. Anna selbdritt
und die Reihe der geheimnisvollen, durch das rätselhafte Lächeln
ausgezeichneten Bilder. Mit Hilfe seiner urältesten erotischen Regungen
feiert er den Triumph, die Hemmung in seiner Kunst noch einmal zu
überwinden. Diese letzte Entwicklung verschwimmt für uns im Dunkel
des herannahenden Alters. Sein Intellekt hat sich noch vorher zu
den höchsten Leistungen einer seine Zeit weit hinter sich lassenden
Weltanschauung aufgeschwungen.

Ich habe in den voranstehenden Abschnitten angeführt, was zu einer
solchen Darstellung des Entwicklungsganges Leonardos, zu einer
derartigen Gliederung seines Lebens und Aufklärung seines Schwankens
zwischen Kunst und Wissenschaft berechtigen kann. Sollte ich mit diesen
Ausführungen auch bei Freunden und Kennern der Psychoanalyse das Urteil
hervorrufen, daß ich bloß einen psychoanalytischen Roman geschrieben
habe, so werde ich antworten, daß ich die Sicherheit dieser Ergebnisse
gewiß nicht überschätze. Ich bin wie Andere der Anziehung unterlegen,
die von diesem großen und rätselhaften Manne ausgeht, in dessen Wesen
man mächtige triebhafte Leidenschaften zu verspüren glaubt, die sich
doch nur so merkwürdig gedämpft äußern können.

Was immer aber die Wahrheit über Leonardos Leben sein mag, wir
können von unserem Versuche, sie psychoanalytisch zu ergründen,
nicht eher ablassen, als bis wir eine andere Aufgabe erledigt
haben. Wir müssen ganz allgemein die Grenzen abstecken, welche der
Leistungsfähigkeit der Psychoanalyse in der Biographik gesetzt sind,
damit uns nicht jede unterbliebene Erklärung als ein Mißerfolg
ausgelegt werde. Der psychoanalytischen Untersuchung stehen als
Material die Daten der Lebensgeschichte zur Verfügung, einerseits die
Zufälligkeiten der Begebenheiten und Milieueinflüsse, anderseits die
berichteten Reaktionen des Individuums. Gestützt auf ihre Kenntnis
der psychischen Mechanismen sucht sie nun das Wesen des Individuums
aus seinen Reaktionen dynamisch zu ergründen, seine ursprünglichen
seelischen Triebkräfte aufzudecken sowie deren spätere Umwandlungen
und Entwicklungen. Gelingt dies, so ist das Lebensverhalten der
Persönlichkeit durch das Zusammenwirken von Konstitution und Schicksal,
inneren Kräften und äußeren Mächten aufgeklärt. Wenn ein solches
Unternehmen, wie vielleicht im Falle Leonardos, keine gesicherten
Resultate ergibt, so liegt die Schuld nicht an der fehlerhaften oder
unzulänglichen Methodik der Psychoanalyse, sondern an der Unsicherheit
und Lückenhaftigkeit des Materials, welches die Überlieferung für
diese Person beistellt. Für das Mißglücken ist also nur der Autor
verantwortlich zu machen, der die Psychoanalyse genötigt hat, auf so
unzureichendes Material hin ein Gutachten abzugeben.

Aber selbst bei ausgiebigster Verfügung über das historische Material
und bei gesichertster Handhabung der psychischen Mechanismen würde
eine psychoanalytische Untersuchung an zwei bedeutsamen Stellen die
Einsicht in die Notwendigkeit nicht ergeben können, daß das Individuum
nur so und nicht anders werden konnte. Wir haben bei Leonardo die
Ansicht vertreten müssen, daß die Zufälligkeit seiner illegitimen
Geburt und die Überzärtlichkeit seiner Mutter den entscheidendsten
Einfluß auf seine Charakterbildung und sein späteres Schicksal übten,
indem die nach dieser Kindheitsphase eintretende Sexualverdrängung
ihn zur Sublimierung der Libido in Wissensdrang veranlaßte und seine
sexuelle Inaktivität fürs ganze spätere Leben feststellte. Aber diese
Verdrängung nach den ersten erotischen Befriedigungen der Kindheit
hätte nicht eintreten müssen; sie wäre bei einem anderen Individuum
vielleicht nicht eingetreten oder wäre weit weniger ausgiebig
ausgefallen. Wir müssen hier einen Grad von Freiheit anerkennen, der
psychoanalytisch nicht mehr aufzulösen ist. Ebensowenig darf man den
Ausgang dieses Verdrängungsschubes als den einzig möglichen Ausgang
hinstellen wollen. Einer anderen Person wäre es wahrscheinlich
nicht geglückt, den Hauptanteil der Libido der Verdrängung durch
die Sublimierung zur Wißbegierde zu entziehen; unter den gleichen
Einwirkungen wie Leonardo hätte sie eine dauernde Beeinträchtigung
der Denkarbeit oder eine nicht zu bewältigende Disposition zur
Zwangsneurose davongetragen. Diese zwei Eigentümlichkeiten Leonardos
erübrigen also als unerklärbar durch psychoanalytische Bemühung: seine
ganz besondere Neigung zu Triebverdrängungen und seine außerordentliche
Fähigkeit zur Sublimierung der primitiven Triebe.

Die Triebe und ihre Umwandlungen sind das letzte, das die Psychoanalyse
erkennen kann. Von da an räumt sie der biologischen Forschung den
Platz. Verdrängungsneigung sowie Sublimierungsfähigkeit sind wir
genötigt, auf die organischen Grundlagen des Charakters zurückzuführen,
über welche erst sich das seelische Gebäude erhebt. Da die
künstlerische Begabung und Leistungsfähigkeit mit der Sublimierung
innig zusammenhängt, müssen wir zugestehen, daß auch das Wesen der
künstlerischen Leistung uns psychoanalytisch unzugänglich ist.
Die biologische Forschung unserer Zeit neigt dazu, die Hauptzüge
der organischen Konstitution eines Menschen durch die Vermengung
männlicher und weiblicher Anlagen im stofflichen Sinne zu erklären;
die Körperschönheit wie die Linkshändigkeit Leonardos gestatteten
hier manche Anlehnung. Doch wir wollen den Boden rein psychologischer
Forschung nicht verlassen. Unser Ziel bleibt der Nachweis des
Zusammenhanges zwischen äußeren Erlebnissen und Reaktionen der Person
über den Weg der Triebbetätigung. Wenn uns die Psychoanalyse auch die
Tatsache der Künstlerschaft Leonardos nicht aufklärt, so macht sie uns
doch die Äußerungen und die Einschränkungen derselben verständlich.
Scheint es doch, als hätte nur ein Mann mit den Kindheitserlebnissen
Leonardos die Monna Lisa und die heilige Anna selbdritt malen, seinen
Werken jenes traurige Schicksal bereiten und so unerhörten Aufschwung
als Naturforscher nehmen können, als läge der Schlüssel zu all seinen
Leistungen und seinem Mißgeschick in der Kindheitsphantasie vom Geier
verborgen.

Darf man aber nicht Anstoß nehmen an den Ergebnissen einer
Untersuchung, welche den Zufälligkeiten der Elternkonstellation einen
so entscheidenden Einfluß auf das Schicksal eines Menschen einräumt,
das Schicksal Leonardos z. B. von seiner illegitimen Geburt und der
Unfruchtbarkeit seiner ersten Stiefmutter Donna Albiera abhängig
macht? Ich glaube, man hat kein Recht dazu; wenn man den Zufall für
unwürdig hält, über unser Schicksal zu entscheiden, ist es bloß ein
Rückfall in die fromme Weltanschauung, deren Überwindung Leonardo
selbst vorbereitete, als er niederschrieb, die Sonne bewege sich
nicht. Wir sind natürlich gekränkt darüber, daß ein gerechter Gott und
eine gütige Vorsehung uns nicht besser vor solchen Einwirkungen in
unserer wehrlosesten Lebenszeit behüten. Wir vergessen dabei gern, daß
eigentlich alles an unserem Leben Zufall ist, von unserer Entstehung
an durch das Zusammentreffen von Spermatozoon und Ei, Zufall, der
darum doch an der Gesetzmäßigkeit und Notwendigkeit der Natur seinen
Anteil hat, bloß der Beziehung zu unseren Wünschen und Illusionen
entbehrt. Die Aufteilung unserer Lebensdeterminierung zwischen den
»Notwendigkeiten« unserer Konstitution und den »Zufälligkeiten« unserer
Kindheit mag im einzelnen noch ungesichert sein; im ganzen läßt sich
aber ein Zweifel an der Bedeutsamkeit gerade unserer ersten Kinderjahre
nicht mehr festhalten. Wir zeigen alle noch zu wenig Respekt vor
der Natur, die nach Leonardos dunklen, an Hamlets Rede gemahnenden
Worten »voll ist zahlloser Ursachen, die niemals in die Erfahrung
traten« (La natura è piena d'infinite ragioni che non furono mai in
isperienza).[82] Jeder von uns Menschenwesen entspricht einem der
ungezählten Experimente, in denen diese ragioni der Natur sich in die
Erfahrung drängen.




            VERLAG VON FRANZ DEUTICKE IN LEIPZIG UND WIEN.


                Schriften zur angewandten Seelenkunde.

          Herausgegeben von =Prof. Dr. Sigm. Freud= in Wien.

 I. Heft: =Der Wahn und die Träume in W. Jensens »Gradiva«.= Von
 =Prof. Dr. Sigm. Freud= in Wien. Preis M 2.50 = K 3.--.

 II. Heft: =Wunscherfüllung und Symbolik im Märchen.= Eine Studie
 von =Dr. Franz Riklin=, Sekundararzt in Rheinau (Schweiz). Preis
 M 3.-- = K 3.60.

 III. Heft: =Der Inhalt der Psychose.= Von =Dr. C. G. Jung=,
 Privatdozent der Psychiatrie in Zürich. Preis M 1.25 = K 1.50.

 IV. Heft: =Traum und Mythus.= Eine Studie zur Völkerpsychologie.
 Von =Dr. Karl Abraham=, Arzt in Berlin. Preis M 2.50 = K 3.--.

 V. Heft: =Der Mythus von der Geburt des Helden.= Versuch einer
 psychologischen Mythendeutung. Von =Otto Rank=. Preis M 3.-- = K
 3.60.

 VI. Heft: =Aus dem Liebesleben Nikolaus Lenaus.= Von =Dr. J.
 Sadger=, Nervenarzt in Wien. Preis M 3.-- = K 3.60.


Jahrbuch für psycho-analytische und psycho-pathologische Forschungen.

Herausgegeben von Prof. =Dr. E. Bleuler= in Zürich u. Prof. =Dr.
S. Freud= in Wien.

Redigiert von =Dr. C. G. Jung=, Privatdozenten der Psychiatrie in
Zürich.

I. Band: 1. und 2. Hälfte. Preis à M 7.-- = K 8.40.


Die Suggestion und ihre Heilwirkung.

Von =Dr. H. Bernheim=, Professor an der Faculté de médecine in
Nancy.

Autorisierte deutsche Ausgabe von =Dr. Sigm. Freud=, Dozent für
Nervenkrankheiten an der Universität in Wien.

Zweite, umgearbeitete Auflage, besorgt von Dr. ~Max Kahane~.

Preis M 5.-- = K 6.--.


Neue Studien über Hypnotismus, Suggestion und Psychotherapie.

Von =Dr. H. Bernheim=, Professor an der Faculté de médecine in
Nancy.

Übersetzt von =Dr. Sigm. Freud=, Privatdozent an der Universität
in Wien.

Preis M 8.-- = K 9.60.


Neue Vorlesungen über die Krankheiten des Nervensystems, insbes. über
Hysterie.

Von =J. M. Charcot=.

Autorisierte deutsche Ausgabe von =Dr. Sigm. Freud=, Dozent für
Nervenkrankheiten an der Universität in Wien.

Preis M 9.-- = K 10.80.


Introjektion und Übertragung.

Eine psychoanalytische Studie von =Dr. S. Ferenczi=, Nervenarzt,
Sachverständiger des Kön. Gerichtshofes in Budapest.

Preis M 1.-- = K 1.20.


Der Ablauf des Lebens.

Grundlegung zur exakten Biologie.

Von =Wilhelm Fliess=.

Preis M 18.-- = K 21.60.


Die Bedeutung des Vaters für das Schicksal des Einzelnen.

Von =Dr. C. G. Jung=, Privatdozenten der Psychiatrie in Zürich.

Preis M 1.-- = K 1.20.


Lehrbuch der speziellen Psychiatrie für Studierende und Ärzte von
Professor =Dr. Alexander Pilcz=.

Zweite, verb. Auflage. Preis geh. M 6.80 = K 8.--,
geb. M 7.80 = K 9.20.


Die hysterischen Geistesstörungen.

Eine klinische Studie von =Dr. Emil Raimann=, Assistent der k. k.
psychiatrischen und Nervenklinik des Herrn Professor v. Wagner in Wien.

Preis M 9.-- = K 10.80.


Studien zur Grundlegung der Psychologie.

I. Psychologie und Leben. II. Assoziationen und Perioden. III. Leib und
Seele.

Von =Dr. Hermann Swoboda=.

Preis M 2.50 = K 3.--.


Die kritischen Tage des Menschen und ihre Berechnung mit dem
Periodenschieber.

Von =Dr. Hermann Swoboda=, Privatdozent an der Universität in Wien.

Preis M 4.-- = K 4.80.


Harmonia animae.

Von =Dr. Hermann Swoboda=, Privatdozent für Psychologie an der
Universität in Wien.

Preis M 1.50 = K 1.80.

         K. u. K. Hofbuchdruckerei Karl Prochaska in Teschen.


Fußnoten:

[1] Nach dem Worte J. ~Burckhardts~, zitiert bei Alexandra
~Konstantinowa~, Die Entwicklung des Madonnentypus bei ~Leonardo da
Vinci~, Straßburg 1907 (Zur Kunstgeschichte des Auslandes, Heft 54).

[2] »Egli per reverenza, rizzatosi a sedere sul letto, contando il mal
suo e gli accidenti di quello, mostrava tuttavia quanto aveva offeso
Dio e gli uomini del mondo, non avendo operato nell' arte come si
convenia.« ~Vasari~, Vite etc. LXXXIII. 1550-1584.

[3] Traktat von der Malerei, neu herausgegeben und eingeleitet von
~Marie Herzfeld~, E. Diederichs, Jena 1909.

[4] ~Solmi.~ La resurrezione dell' opera di Leonardo in dem Sammelwerk:
Leonardo da Vinci. Conferenze Fiorentine. Milano 1910.

[5] Bei ~Scognamiglio~. Ricerche e Documenti sulla giovinezza di
Leonardo da Vinci. Napoli 1900.

[6] W. v. ~Seidlitz~. Leonardo da Vinci, der Wendepunkt der
Renaissance, 1909, I. Bd., p. 203.

[7] v. ~Seidlitz~ l. c., II. Bd., p. 48.

[8] W. ~Pater~. Die Renaissance. Aus dem Englischen. Zweite Auflage
1906. »Doch sicher ist es, daß er in einem gewissen Abschnitt seines
Lebens beinahe aufgehört hatte, Künstler zu sein.«

[9] Vgl. bei v. ~Seidlitz~, Bd. I die Geschichte der Restaurations- und
Rettungsversuche.

[10] E. ~Müntz~. Léonard de Vinci. Paris 1899, p. 18. (Ein Brief
eines Zeitgenossen aus Indien an einen Medici spielt auf diese
Eigentümlichkeit Leonardos an. Nach ~Richter~: The literary Works of L.
d. V.)

[11] F. ~Botazzi~. Leonardo biologo e anatomico. In Conferenze
fiorentine, p. 186, 1910.

[12] E. ~Solmi~. Leonardo da Vinci. Deutsche Übersetzung von Emmi
Hirschberg. Berlin 1908.

[13] ~Marie Herzfeld~, Leonardo da Vinci der Denker, Forscher und Poet.
Zweite Auflage. Jena 1906.

[14] Vielleicht machen hier die von ihm gesammelten Schwänke -- belle
facezie, -- die nicht übersetzt vorliegen, eine, übrigens belanglose,
Ausnahme. Vgl. ~Herzfeld~, L. d. V., p. CLI.

[15] Auf diesen Zwischenfall bezieht sich nach ~Scognamiglio~ (l.
c., p. 49) eine dunkle und selbst verschieden gelesene Stelle des
Codex Atlanticus: »Quando io feci Domeneddio putto voi mi metteste in
prigione, ora s'io lo fo grande, voi mi farete peggio.«

[16] ~Mereschkowski~, Leonardo da Vinci. Ein biographischer Roman
aus der Wende des XV. Jahrhunderts. Deutsche Übersetzung von C. v.
Gülschow, Leipzig 1903. Das Mittelstück einer großen Romantrilogie, die
»Christ und Antichrist« betitelt ist. Die beiden anderen Bände heißen
»~Julian Apostata~« und »~Peter der Große und Alexei~«.

[17] ~Solmi.~ Leonardo da Vinci. Deutsche Übersetzung von Emmi
Hirschberg. Berlin 1908, p. 46.

[18] ~Filippo Botazzi.~ Leonardo biologo e anatomico, p. 193.

[19] ~Marie Herzfeld.~ Leonardo da Vinci. Traktat von der Malerei. Nach
der Übersetzung von Heinrich Ludwig neu herausgegeben und eingeleitet.
Jena 1909 (Abschnitt I, 64, p. 54).

[20] ~Solmi.~ La resurrezione etc., p. 11.

[21] La resurrezione etc., p. 8: »Leonardo aveva posto, come regola al
pittore, lo studio della natura ...., poi la passione dello studio era
divenuta dominante, egli aveva voluto acquistare non piu la scienza per
l'arte, ma la scienza per la scienza.«

[22] Siehe die Aufzählung seiner wissenschaftlichen Leistungen in der
schönen biographischen Einleitung der ~Marie Herzfeld~ (Jena 1906), in
den einzelnen Essays der Conferenze Fiorentine 1910 und anderwärts.

[23] Zur Erhärtung dieser unwahrscheinlich klingenden Behauptungen
nehme man Einsicht in die »Analyse der Phobie eines fünfjährigen
Knaben«, Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische
Forschungen Bd. I., 1909 und die ähnliche Beobachtung im II. B., 1910.
In einem Aufsatze über die »Infantilen Sexualtheorien«, 1908 (Sammlung
kleiner Schriften zur Neurosenlehre, zweite Folge, 1909), schrieb ich:
»Dieses Grübeln und Zweifeln wird aber vorbildlich für alle spätere
Denkarbeit an Problemen und der erste Mißerfolg wirkt für alle Zeiten
lähmend fort« (p. 167).

[24] ~Scognamiglio~ l. c., p. 15.

[25] »Questo scriver si distintamente del nibio par che sia mio
destino, perchè nella mia prima ricordatione della mia infantia e mi
parea che essendo io in culla, che un nibio venissi a me e mi aprissi
la bocca colla sua coda e molte volte mi percuotesse con tal coda
dentro alle labbra.« (Cod. atlant. F. 65 V. nach ~Scognamiglio~.)

[26] Vgl. hiezu das »Bruchstück einer Hysterieanalyse« in Sammlung
kleiner Schriften zur Neurosenlehre. Zweite Folge, 1909.

[27] ~Horapollo.~ Hieroglyphica 1, 11. Μητερα δε γρἀφοντες ...... γῡπα
ζωγραφοῡσιν.

[28] ~Roscher.~ Ausf. Lexikon der griechischen und römischen
Mythologie. Artikel ~Mut~, II. Band, 1894-1897. -- ~Lanzone.~
Dizionario di mitologia egizia. Torino 1882.

[29] H. ~Hartleben~, Champollion. Sein Leben und sein Werk, 1906.


[30] »γῡπα δἑ ᾰρρενα ου φασιγἐνεσθαι ποτε, ἀιλἁ θηλείας ἁπἁσας« bei v.
~Römer~. Über die androgynische Idee des Lebens. Jahrb. f. sexuelle
Zwischenstufen, V, 1903, p. 732.

[31] ~Plutarch.~ Veluti scarabaeos mares tantum esse putarunt Ägyptii
sic inter vultures mares non inveniri statuerunt.

[32] ~Horapollinis~ Niloi Hieroglyphica edidit Conradus Leemans
Amstelodami 1835. Die auf das Geschlecht der Geier bezüglichen Worte
lauten (p. 14): μητἑρα μἑν ἑπειδἡ ἁρρεν ἑν τοὑτω τω γἑνει τὡν ζὡων οὑχ
ὑπαἁρχει.

[33] E. ~Müntz~. Léonard de Vinci, Paris 1899, p. 282.

[34] ~Müntz~ l. c.

[35] Vgl. die Abbildungen bei ~Lanzone~ l. c., T. CXXXVI-VIII.

[36] v. ~Römer~ l. c.

[37] Vgl. die Beobachtungen im Jahrbuch für psychoanalyt. u.
psychopath. Forschungen, Bd. I, 1909.

[38] Vgl. ~Richard Payne Knight~. Le culte du Priape. Traduit de
l'Anglais, Bruxelles 1883.

[39] Es sind dies vornehmlich Untersuchungen von I. ~Sadger~, die ich
aus eigener Erfahrung im Wesentlichen bestätigen kann. Überdies ist mir
bekannt, daß W. ~Stekel~ in Wien und S. ~Ferenczi~ in Budapest zu den
gleichen Resultaten gekommen sind.

[40] ~Edm. Solmi.~ Leonardo da Vinci. Deutsche Übersetzung, 1908, p.
152.

[41] ibid.

[42] ~Solmi.~ Leonardo da Vinci, p. 203.

[43] Leonardo benimmt sich dabei wie jemand der gewöhnt war, einer
anderen Person seine tägliche Beichte abzulegen, und der sich jetzt
diese Person durch das Tagebuch ersetzt. Eine Vermutung, wer das
gewesen sein mag, siehe bei ~Mereschkowski~, S. 367.

[44] M. ~Herzfeld~. Leonardo da Vinci, 1906, p. CXLI.

[45] Der Wortlaut nach ~Mereschkowski~ l. c., p. 282.

[46] oder Modell.

[47] Vom Reiterdenkmal des Francesco Sforza.

[48] Der volle Wortlaut bei M. ~Herzfeld~ l. c., p. XLV.

[49] ~Mereschkowski~ l. c., p. 372. -- Als betrübenden Beleg für die
Unsicherheit der ohnedies spärlichen Nachrichten über Leonardos intimes
Leben erwähne ich, daß die gleiche Kostenrechnung bei ~Solmi~ (deutsche
Übersetzung, p. 104) mit erheblichen Abänderungen wiedergegeben ist. Am
bedenklichsten erscheint, daß die Florins in ihr durch Soldi ersetzt
sind. Man darf annehmen, daß in dieser Rechnung Florins nicht die alten
»Goldgulden,« sondern die später gebräuchliche Rechnungsgröße, die
1-2/3 Lire oder 33-1/3 Soldi gleichkommt, bedeuten. -- ~Solmi~ macht
die Katharina zu einer Magd, die Leonardos Hauswesen durch eine gewisse
Zeit geleitet hatte. Die Quelle, aus der die beiden Darstellungen
dieser Rechnung geschöpft haben, wurde mir nicht zugänglich.

[50] »Katharina ist am 16. Juli 1493 eingetroffen.« -- »Giovannina --
ein märchenhaftes Gesicht -- frage bei Katharina im Krankenhause nach.«

[51] Die Ausdrucksformen, in denen sich die verdrängte Libido bei
Leonardo äußern darf, Umständlichkeit und Geldinteresse, gehören den
aus der Analerotik hervorgegangenen Charakterzügen an. Vgl.: Charakter
und Analerotik in der Zweiten Folge meiner Sammlung zur Neurosenlehre,
1909.

[52] ~Gruyer~ nach ~Seidlitz~. L. da V., II. B., p. 280.

[53] Geschichte der Malerei, Bd. I, p. 314.

[54] L. c. p. 417.

[55] A. ~Conti~. Leonardo pittore, Conferenze fiorentine l. c., p. 93.

[56] L. c. p. 45.

[57] W. ~Pater~. Die Renaissance. 2. Aufl., 1906, p. 157. (Aus dem
Englischen.)

[58] M. ~Herzfeld~. L. d. V., p. LXXXVIII.

[59] Bei ~Scognamiglio~ l. c., p. 32.

[60] Von L. ~Schorn~, III. Bd., 1843, p. 6.

[61] Das nämliche nimmt ~Mereschkowski~ an, der doch für Leonardo eine
Kindheitsgeschichte imaginiert, welche in den wesentlichen Punkten von
unseren, aus der Geierphantasie geschöpften, Ergebnissen abweicht. Wenn
aber Leonardo selbst dies Lächeln gezeigt hätte, so hätte die Tradition
es wohl kaum unterlassen, uns dies Zusammentreffen zu berichten.

[62] L. c. p. 309.

[63] A. ~Konstantinowa~ l. c.: »Maria schaut voll Innigkeit zu ihrem
Liebling herab, mit einem Lächeln, das an den rätselhaften Ausdruck der
Giocondo erinnert,« und anderswo von der Maria: »Um ihre Züge schwebt
das Lächeln der Gioconda.«

[64] S. v. ~Seidlitz~ l. c., II. Bd., p. 274, Anmerkungen.

[65] Vgl. »Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie«, 2. Aufl., 1910.

[66] Nach E. ~Müntz~ l. c., p. 13, Anmerkung.

[67] Von einem größeren Irrtum, den Leonardo in dieser Notiz beging,
indem er dem 77jährigen Vater 80 Jahre gab, will ich absehen.

[68] ~Canto~, XXVII, V. 22-25.

[69] Es scheint, daß Leonardo in jener Tagebuchstelle sich auch in der
Anzahl seiner Geschwister geirrt hat, was zur anscheinenden Exaktheit
derselben in einem merkwürdigen Gegensatze steht.

[70] »Il duca perse lo stato e la roba e libertà e nessuna sua opera si
finì per lui.« -- v. ~Seidlitz~ l. c., II, p. 270.

[71] l. c., p. 348.

[72] ~Chi disputa allegando l'autorità non adopra l'ingegno ma
piuttosto la memoria~; ~Solmi~, Conf. fior, p. 13.

[73] ~Müntz~ l. c. La religion de Léonard, l. c., p. 292 u. ff.

[74] Nach ~Herzfeld~, p. 292.

[75] Nach M. ~Herzfeld~, L. d. V., p. 32. »Der große Schwan« soll einen
Hügel, Monte Cecero, bei Florenz bedeuten.

[76] ~Vasari~, übersetzt von ~Schorn~, 1843.

[77] Ebenda, p. 39.

[78] Über diese Briefe und die an sie geknüpften Kombinationen siehe:
~Müntz~ l. c., p. 82 ff.; den Wortlaut derselben und anderer an sie
anschließender Aufzeichnungen bei M. ~Herzfeld~ l. c., p. 223 u. ff.

[79] »Außerdem verlor er manche Zeit, indem er sogar ein
Schnurgeflechte zeichnete, worin man den Faden von einem Ende bis
zum anderen verfolgen konnte, bis er eine völlig kreisförmige Figur
beschrieb; eine sehr schwierige und schöne Zeichnung der Art ist in
Kupfer gestochen, in deren Mitte man die Worte liest: »Leonardus Vinci
Academia« (p. 8).«

[80] Diese Kritik soll ganz allgemein gelten und nicht etwa auf die
Biographen Leonardos besonders zielen.

[81] v. ~Seidlitz~, II, p. 271.

[82] M. ~Herzfeld~ l. c., p. 11.





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK EINE KINDHEITSERINNERUNG DES LEONARDO DA VINCI ***


    

Updated editions will replace the previous one—the old editions will
be renamed.

Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright
law means that no one owns a United States copyright in these works,
so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United
States without permission and without paying copyright
royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part
of this license, apply to copying and distributing Project
Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™
concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark,
and may not be used if you charge for an eBook, except by following
the terms of the trademark license, including paying royalties for use
of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for
copies of this eBook, complying with the trademark license is very
easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation
of derivative works, reports, performances and research. Project
Gutenberg eBooks may be modified and printed and given away—you may
do practically ANYTHING in the United States with eBooks not protected
by U.S. copyright law. Redistribution is subject to the trademark
license, especially commercial redistribution.


START: FULL LICENSE

THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE

PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK

To protect the Project Gutenberg™ mission of promoting the free
distribution of electronic works, by using or distributing this work
(or any other work associated in any way with the phrase “Project
Gutenberg”), you agree to comply with all the terms of the Full
Project Gutenberg™ License available with this file or online at
www.gutenberg.org/license.

Section 1. General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg™
electronic works

1.A. By reading or using any part of this Project Gutenberg™
electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
and accept all the terms of this license and intellectual property
(trademark/copyright) agreement. If you do not agree to abide by all
the terms of this agreement, you must cease using and return or
destroy all copies of Project Gutenberg™ electronic works in your
possession. If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a
Project Gutenberg™ electronic work and you do not agree to be bound
by the terms of this agreement, you may obtain a refund from the person
or entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8.

1.B. “Project Gutenberg” is a registered trademark. It may only be
used on or associated in any way with an electronic work by people who
agree to be bound by the terms of this agreement. There are a few
things that you can do with most Project Gutenberg™ electronic works
even without complying with the full terms of this agreement. See
paragraph 1.C below. There are a lot of things you can do with Project
Gutenberg™ electronic works if you follow the terms of this
agreement and help preserve free future access to Project Gutenberg™
electronic works. See paragraph 1.E below.

1.C. The Project Gutenberg Literary Archive Foundation (“the
Foundation” or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection
of Project Gutenberg™ electronic works. Nearly all the individual
works in the collection are in the public domain in the United
States. If an individual work is unprotected by copyright law in the
United States and you are located in the United States, we do not
claim a right to prevent you from copying, distributing, performing,
displaying or creating derivative works based on the work as long as
all references to Project Gutenberg are removed. Of course, we hope
that you will support the Project Gutenberg™ mission of promoting
free access to electronic works by freely sharing Project Gutenberg™
works in compliance with the terms of this agreement for keeping the
Project Gutenberg™ name associated with the work. You can easily
comply with the terms of this agreement by keeping this work in the
same format with its attached full Project Gutenberg™ License when
you share it without charge with others.

1.D. The copyright laws of the place where you are located also govern
what you can do with this work. Copyright laws in most countries are
in a constant state of change. If you are outside the United States,
check the laws of your country in addition to the terms of this
agreement before downloading, copying, displaying, performing,
distributing or creating derivative works based on this work or any
other Project Gutenberg™ work. The Foundation makes no
representations concerning the copyright status of any work in any
country other than the United States.

1.E. Unless you have removed all references to Project Gutenberg:

1.E.1. The following sentence, with active links to, or other
immediate access to, the full Project Gutenberg™ License must appear
prominently whenever any copy of a Project Gutenberg™ work (any work
on which the phrase “Project Gutenberg” appears, or with which the
phrase “Project Gutenberg” is associated) is accessed, displayed,
performed, viewed, copied or distributed:

    This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most
    other parts of the world at no cost and with almost no restrictions
    whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms
    of the Project Gutenberg License included with this eBook or online
    at www.gutenberg.org. If you
    are not located in the United States, you will have to check the laws
    of the country where you are located before using this eBook.
  
1.E.2. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is
derived from texts not protected by U.S. copyright law (does not
contain a notice indicating that it is posted with permission of the
copyright holder), the work can be copied and distributed to anyone in
the United States without paying any fees or charges. If you are
redistributing or providing access to a work with the phrase “Project
Gutenberg” associated with or appearing on the work, you must comply
either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 or
obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg™
trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9.

1.E.3. If an individual Project Gutenberg™ electronic work is posted
with the permission of the copyright holder, your use and distribution
must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any
additional terms imposed by the copyright holder. Additional terms
will be linked to the Project Gutenberg™ License for all works
posted with the permission of the copyright holder found at the
beginning of this work.

1.E.4. Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg™
License terms from this work, or any files containing a part of this
work or any other work associated with Project Gutenberg™.

1.E.5. Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
electronic work, or any part of this electronic work, without
prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with
active links or immediate access to the full terms of the Project
Gutenberg™ License.

1.E.6. You may convert to and distribute this work in any binary,
compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including
any word processing or hypertext form. However, if you provide access
to or distribute copies of a Project Gutenberg™ work in a format
other than “Plain Vanilla ASCII” or other format used in the official
version posted on the official Project Gutenberg™ website
(www.gutenberg.org), you must, at no additional cost, fee or expense
to the user, provide a copy, a means of exporting a copy, or a means
of obtaining a copy upon request, of the work in its original “Plain
Vanilla ASCII” or other form. Any alternate format must include the
full Project Gutenberg™ License as specified in paragraph 1.E.1.

1.E.7. Do not charge a fee for access to, viewing, displaying,
performing, copying or distributing any Project Gutenberg™ works
unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.

1.E.8. You may charge a reasonable fee for copies of or providing
access to or distributing Project Gutenberg™ electronic works
provided that:

    • You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
        the use of Project Gutenberg™ works calculated using the method
        you already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed
        to the owner of the Project Gutenberg™ trademark, but he has
        agreed to donate royalties under this paragraph to the Project
        Gutenberg Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid
        within 60 days following each date on which you prepare (or are
        legally required to prepare) your periodic tax returns. Royalty
        payments should be clearly marked as such and sent to the Project
        Gutenberg Literary Archive Foundation at the address specified in
        Section 4, “Information about donations to the Project Gutenberg
        Literary Archive Foundation.”
    
    • You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
        you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
        does not agree to the terms of the full Project Gutenberg™
        License. You must require such a user to return or destroy all
        copies of the works possessed in a physical medium and discontinue
        all use of and all access to other copies of Project Gutenberg™
        works.
    
    • You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of
        any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
        electronic work is discovered and reported to you within 90 days of
        receipt of the work.
    
    • You comply with all other terms of this agreement for free
        distribution of Project Gutenberg™ works.
    

1.E.9. If you wish to charge a fee or distribute a Project
Gutenberg™ electronic work or group of works on different terms than
are set forth in this agreement, you must obtain permission in writing
from the Project Gutenberg Literary Archive Foundation, the manager of
the Project Gutenberg™ trademark. Contact the Foundation as set
forth in Section 3 below.

1.F.

1.F.1. Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
works not protected by U.S. copyright law in creating the Project
Gutenberg™ collection. Despite these efforts, Project Gutenberg™
electronic works, and the medium on which they may be stored, may
contain “Defects,” such as, but not limited to, incomplete, inaccurate
or corrupt data, transcription errors, a copyright or other
intellectual property infringement, a defective or damaged disk or
other medium, a computer virus, or computer codes that damage or
cannot be read by your equipment.

1.F.2. LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the “Right
of Replacement or Refund” described in paragraph 1.F.3, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
Gutenberg™ trademark, and any other party distributing a Project
Gutenberg™ electronic work under this agreement, disclaim all
liability to you for damages, costs and expenses, including legal
fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3. YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
DAMAGE.

1.F.3. LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
written explanation to the person you received the work from. If you
received the work on a physical medium, you must return the medium
with your written explanation. The person or entity that provided you
with the defective work may elect to provide a replacement copy in
lieu of a refund. If you received the work electronically, the person
or entity providing it to you may choose to give you a second
opportunity to receive the work electronically in lieu of a refund. If
the second copy is also defective, you may demand a refund in writing
without further opportunities to fix the problem.

1.F.4. Except for the limited right of replacement or refund set forth
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you ‘AS-IS’, WITH NO
OTHER WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT
LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

1.F.5. Some states do not allow disclaimers of certain implied
warranties or the exclusion or limitation of certain types of
damages. If any disclaimer or limitation set forth in this agreement
violates the law of the state applicable to this agreement, the
agreement shall be interpreted to make the maximum disclaimer or
limitation permitted by the applicable state law. The invalidity or
unenforceability of any provision of this agreement shall not void the
remaining provisions.

1.F.6. INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg™ electronic works in
accordance with this agreement, and any volunteers associated with the
production, promotion and distribution of Project Gutenberg™
electronic works, harmless from all liability, costs and expenses,
including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
or any Project Gutenberg™ work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg™ work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™

Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s
goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg™ and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org.

Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state’s laws.

The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
and official page at www.gutenberg.org/contact

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread
public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
visit www.gutenberg.org/donate.

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate.

Section 5. General Information About Project Gutenberg™ electronic works

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg™ eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

Most people start at our website which has the main PG search
facility: www.gutenberg.org.

This website includes information about Project Gutenberg™,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.