Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten

By Sigmund Freud

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Title: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten

Author: Sigmund Freud

Release date: July 1, 2025 [eBook #76423]

Language: German

Original publication: Leipzig: Franz Deuticke, 1912

Credits: Jana Srna and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WITZ UND SEINE BEZIEHUNG ZUM UNBEWUSSTEN ***


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                               DER WITZ
                          UND SEINE BEZIEHUNG
                            ZUM UNBEWUSSTEN

                                  VON
                         PROF. DR. SIGM. FREUD
                                IN WIEN

                            ZWEITE AUFLAGE

                          ~LEIPZIG und WIEN~
                            FRANZ DEUTICKE
                                 1912




                           Verlags-Nr. 1959.


         K. u. K. Hofbuchdruckerei Karl Prochaska in Teschen.




Inhaltsverzeichnis.


                                                                   Seite

  _A._  +Analytischer Teil.+

        I. Einleitung                                                  1

       II. Die Technik des Witzes                                      8

      III. Die Tendenzen des Witzes                                   75


  _B._  +Synthetischer Teil.+

       IV. Der Lustmechanismus und die Psychogenese des Witzes       100

        V. Die Motive des Witzes. -- Der Witz als sozialer Vorgang   120


  _C._  +Theoretischer Teil.+

       VI. Die Beziehung des Witzes zum Traum und zum Unbewußten     137

      VII. Der Witz und die Arten des Komischen                      157




Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten.




A. Analytischer Teil.




I. Einleitung.


Wer einmal Anlaß gehabt hat, sich in der Literatur bei Ästhetikern und
Psychologen zu erkundigen, welche Aufklärung über Wesen und Beziehungen
des Witzes gegeben werden kann, der wird wohl zugestehen müssen, daß
die philosophische Bemühung dem Witz lange nicht in dem Maße zu teil
geworden ist, welches er durch seine Rolle in unserem Geistesleben
verdient. Man kann nur eine geringe Anzahl von Denkern nennen, die sich
eingehender mit den Problemen des Witzes beschäftigt haben. Allerdings
finden sich unter den Bearbeitern des Witzes die glänzenden Namen des
Dichters +Jean Paul+ (+Fr. Richter+) und der Philosophen +Th. Vischer+,
+Kuno Fischer+ und +Th. Lipps+; aber auch bei diesen Autoren steht
das Thema des Witzes im Hintergrunde, während das Hauptinteresse der
Untersuchung dem umfassenderen und anziehenderen Probleme des Komischen
zugewendet ist.

Man gewinnt aus der Literatur zunächst den Eindruck, als sei es völlig
untunlich, den Witz anders als im Zusammenhange mit dem Komischen zu
behandeln.

Nach +Th. Lipps+ (Komik und Humor, 1898)[1] ist der Witz „die
durchaus subjektive Komik“, d. h. die Komik, „die wir hervorbringen,
die an unserem Tun als solchem haftet, zu der wir uns durchwegs
als darüberstehendes Subjekt, niemals als Objekt, auch nicht als
freiwilliges Objekt verhalten“ (S. 80). Erläuternd hiezu die
Bemerkung: Witz heiße überhaupt „jedes bewußte und geschickte
Hervorrufen der Komik, sei es der Komik der Anschauung oder der
Situation“ (S. 78).

+K. Fischer+ erläutert die Beziehung des Witzes zum Komischen mit
Beihilfe der in seiner Darstellung zwischen beide eingeschobenen
Karikatur. (Über den Witz, 1889.) Gegenstand der Komik ist das Häßliche
in irgend einer seiner Erscheinungsformen: „Wo es verdeckt ist, muß
es im Licht der komischen Betrachtung entdeckt, wo es wenig oder
kaum bemerkt wird, muß es hervorgeholt und so verdeutlicht werden,
daß es klar und offen am Tage liegt.... So entsteht die Karikatur“
(S. 45). -- „Unsere ganze geistige Welt, das intellektuelle Reich
unserer Gedanken und Vorstellungen, entfaltet sich nicht vor dem
Blicke der äußeren Betrachtung, läßt sich nicht unmittelbar bildlich
und anschaulich vorstellen und enthält doch auch seine Hemmungen,
Gebrechen, Verunstaltungen, eine Fülle des Lächerlichen und der
komischen Kontraste. Diese hervorzuheben und der ästhetischen
Betrachtung zugänglich zu machen, wird eine Kraft nötig sein, welche im
stande ist, nicht bloß Objekte unmittelbar vorzustellen, sondern auf
diese Vorstellungen selbst zu reflektieren und sie zu verdeutlichen:
eine gedankenerhellende Kraft. Diese Kraft ist allein das +Urteil+.
Das Urteil, welches den komischen Kontrast erzeugt, ist der +Witz+,
er hat im stillen schon in der Karikatur mitgespielt, aber erst im
Urteil erreicht er seine eigentümliche Form und das freie Gebiet seiner
Entfaltung“ (S. 49).

Wie man sieht, verlegt +Lipps+ den Charakter, welcher den Witz
innerhalb des Komischen auszeichnet, in die Betätigung, in das aktive
Verhalten des Subjekts, während +K. Fischer+ den Witz durch die
Beziehung zu seinem Gegenstand, als welcher das verborgene Häßliche der
Gedankenwelt gelten soll, kennzeichnet. Man kann diese Definitionen
des Witzes nicht auf ihre Triftigkeit prüfen, ja man kann sie kaum
verstehen, wenn man sie nicht in den Zusammenhang einfügt, aus dem
gerissen sie hier erscheinen, und man stände so vor der Nötigung, sich
durch die Darstellungen des Komischen bei den Autoren hindurch zu
arbeiten, um von ihnen etwas über den Witz zu erfahren. Indes wird man
an anderen Stellen gewahr, daß dieselben Autoren auch wesentliche und
allgemein gültige Charaktere des Witzes anzugeben wissen, bei welchen
von dessen Beziehung zum Komischen abgesehen ist.

[Sidenote: Darstellung des Witzes bei den Autoren.]

Die Kennzeichnung des Witzes bei +K. Fischer+, die den Autor selbst am
besten zu befriedigen scheint, lautet: Der Witz ist ein +spielendes+
Urteil (S. 51). Zur Erläuterung dieses Ausdruckes werden wir auf die
Analogie verwiesen: „wie die ästhetische Freiheit in der spielenden
Betrachtung der Dinge bestand“ (S. 50). An anderer Stelle (S. 20)
wird das ästhetische Verhalten gegen ein Objekt durch die Bedingung
charakterisiert, daß wir von diesem Objekt nichts verlangen,
insbesondere keine Befriedigung unserer ernsten Bedürfnisse sondern
uns mit dem Genuß der Betrachtung desselben begnügen. Das ästhetische
Verhalten ist +spielend+ im Gegensatz zur Arbeit. -- „Es könnte sein,
daß aus der ästhetischen Freiheit auch eine von der gewöhnlichen Fessel
und Richtschnur losgelöste Art des Urteilens entspringt, die ich um
ihres Ursprunges willen ‚+das spielende Urteil+‘ nennen will, und daß
in diesem Begriff die erste Bedingung, wenn nicht die ganze Formel
enthalten ist, die unsere Aufgabe löst.“ „Freiheit gibt Witz und Witz
gibt Freiheit,“ sagt +Jean Paul+. „Der Witz ist ein bloßes Spiel mit
Ideen“ (S. 24).

Von jeher liebte man es, den Witz als die Fertigkeit zu definieren,
Ähnlichkeiten zwischen Unähnlichem, also versteckte Ähnlichkeiten zu
finden. +Jean Paul+ hat diesen Gedanken selbst witzig so ausgedrückt:
„Der Witz ist der verkleidete Priester, der jedes Paar traut“. +Th.
Vischer+ fügt die Fortsetzung an: „Er traut die Paare am liebsten,
deren Verbindung die Verwandten nicht dulden wollen“. +Vischer+ wendet
aber ein, daß es Witze gebe, bei denen von Vergleichung, also auch
von Auffindung von Ähnlichkeit, keine Rede sei. Er definiert also den
Witz mit leiser Abweichung von +Jean Paul+ als die Fertigkeit, mit
überraschender Schnelle mehrere Vorstellungen, die nach ihrem inneren
Gehalt und dem Nexus, dem sie angehören, einander eigentlich fremd
sind, zu einer Einheit zu verbinden. +K. Fischer+ hebt dann hervor,
daß in einer Menge von witzigen Urteilen nicht Ähnlichkeiten, sondern
Unterschiede gefunden werden, und +Lipps+ macht darauf aufmerksam, daß
sich diese Definitionen auf den Witz beziehen, den der Witzige +hat+,
und nicht, den er +macht+.

Andere in gewissem Sinne miteinander verknüpfte Gesichtspunkte, die
bei der Begriffsbestimmung oder Beschreibung des Witzes herangezogen
wurden, sind der „+Vorstellungskontrast+“, „+der Sinn im Unsinn+“,
„+die Verblüffung und Erleuchtung+“.

Auf den Vorstellungskontrast legen Definitionen wie die von +Kraepelin+
den Nachdruck. Der Witz sei „die willkürliche Verbindung oder
Verknüpfung zweier miteinander in irgend einer Weise kontrastrierender
Vorstellungen, zumeist durch das Hilfsmittel der sprachlichen
Assoziation“. Es wird einem Kritiker wie +Lipps+ nicht schwer, die
völlige Unzulänglichkeit dieser Formel aufzudecken, aber er selbst
schließt das Moment des Kontrastes nicht aus, sondern verschiebt es
nur an eine andere Stelle. „Der Kontrast bleibt bestehen, aber er ist
nicht so oder so gefaßter Kontrast der mit den Worten verbundenen
Vorstellungen, sondern Kontrast oder Widerspruch der Bedeutung und
Bedeutungslosigkeit der Worte“ (S. 87). Beispiele erläutern, wie
letzteres verstanden werden soll. „Ein Kontrast entsteht erst dadurch,
daß .... wir seinen Worten eine Bedeutung zugestehen, die wir ihnen
dann doch wieder nicht zugestehen können“ (S. 90).

In der Weiterentwicklung dieser letzten Bestimmung kommt der Gegensatz
von „Sinn und Unsinn“ zur Bedeutung. „Was wir einen Moment für sinnvoll
nehmen, steht als völlig sinnlos vor uns. Darin besteht in diesem
Falle der komische Prozeß“ (S. 85 u. ff.). „Witzig erscheint eine
Aussage, wenn wir ihr eine Bedeutung mit psychologischer Notwendigkeit
zuschreiben, und indem wir sie ihr zuschreiben, sofort auch wiederum
absprechen. Dabei kann unter der Bedeutung verschiedenes verstanden
sein. Wir leihen einer Aussage einen +Sinn+ und wissen, daß er ihr
logischerweise nicht zukommen kann. Wir finden in ihr eine +Wahrheit+,
die wir dann doch wiederum den Gesetzen der Erfahrung oder allgemeinen
Gewohnheiten unseres Denkens zufolge nicht darin finden können. Wir
gestehen ihr eine über ihren wahren Inhalt hinausgehende logische
oder praktische Folge zu, um eben diese Folge zu verneinen, sobald
wir die Beschaffenheit der Aussage für sich ins Auge fassen. In jedem
Falle besteht der psychologische Prozeß, den die witzige Aussage
in uns hervorruft und auf dem das Gefühl der Komik beruht, in dem
unvermittelten Übergang von jenem Leihen, Fürwahrhalten, Zugestehen,
zum Bewußtsein oder Eindruck relativer Nichtigkeit.“

So eindringlich diese Auseinandersetzung klingt, so möchte man
hier doch die Frage aufwerfen, ob der Gegensatz des Sinnvollen
und Sinnlosen, auf dem das Gefühl der Komik beruht, auch zur
Begriffsbestimmung des Witzes, insofern er vom Komischen unterschieden
ist, beiträgt.

Auch das Moment der „Verblüffung und Erleuchtung“ führt tief in das
Problem der Relation des Witzes zur Komik hinein. +Kant+ sagt vom
Komischen überhaupt, es sei eine merkwürdige Eigenschaft desselben,
daß es uns nur für einen Moment täuschen könne. +Heymans+ (Zeitschr.
f. Psychologie XI, 1896) führt aus, wie die Wirkung eines Witzes durch
die Aufeinanderfolge von Verblüffung und Erleuchtung zu stande komme.
Er erläutert seine Meinung an einem prächtigen Witz von +Heine+, der
eine seiner Figuren, den armen Lotteriekollekteur Hirsch-Hyacinth,
sich rühmen läßt, der große Baron Rothschild habe ihn ganz wie
seines Gleichen, ganz +famillionär+, behandelt. Hier erscheine das
Wort, welches der Träger des Witzes ist, zunächst einfach als eine
fehlerhafte Wortbildung, als etwas Unverständliches, Unbegreifliches,
Rätselhaftes. Dadurch verblüffe es. Die Komik ergebe sich aus der
Lösung der Verblüffung, aus dem Verständnis des Wortes. +Lipps+ ergänzt
hiezu, daß diesem ersten Stadium der Erleuchtung, das verblüffende Wort
bedeute dies und jenes, ein zweites Stadium folgt, in dem man einsehe,
dies sinnlose Wort habe uns verblüfft und dann den guten Sinn ergeben.
Erst diese zweite Erleuchtung, die Einsicht, daß ein nach gemeinem
Sprachgebrauch sinnloses Wort das Ganze verschuldet habe, diese
Auflösung in Nichts, erzeuge erst die Komik (S. 95).

Ob die eine oder die andere dieser beiden Auffassungen uns
einleuchtender erscheinen möge; durch die Erörterungen über Verblüffung
und Erleuchtung werden wir einer bestimmten Einsicht näher gebracht.
Wenn nämlich die komische Wirkung des +Heine+schen +famillionär+ auf
der Auflösung des scheinbar sinnlosen Wortes beruht, so ist wohl
der „Witz“ in die Bildung dieses Wortes und in den Charakter des so
gebildeten Wortes zu versetzen.

Außer allem Zusammenhang mit den zuletzt behandelten Gesichtspunkten
wird eine andere Eigentümlichkeit des Witzes als wesentlich für ihn
von allen Autoren anerkannt. „+Kürze+ ist der Körper und die Seele des
Witzes, ja er selbst,“ sagt +Jean Paul+ (Vorschule der Ästhetik, I, §
45) und modifiziert damit nur eine Rede des alten Schwätzers Polonius
in Shakespeares Hamlet (2. Akt, 2. Szene):

    „Weil Kürze dann des Witzes Seele ist,
    Weitschweifigkeit der Leib und äußre Zierat,
    Fass’ ich mich kurz.“

    (Schlegelsche Übersetzung.)

Bedeutsam ist dann die Schilderung der Kürze des Witzes bei +Lipps+ (S.
90). „Der Witz sagt, was er sagt, nicht immer in wenig, aber immer in
zu wenig Worten, d. h. in Worten, die nach strenger Logik oder gemeiner
Denk- und Redeweise dazu nicht genügen. Er kann es schließlich geradezu
sagen, indem er es verschweigt.“

„Daß der Witz etwas +Verborgenes+ oder +Verstecktes+ hervorholen müsse“
(+K. Fischer+, S. 51), wurde uns schon bei der Zusammenstellung des
Witzes mit der Karikatur gelehrt. Ich hebe diese Bestimmung nochmals
hervor, weil auch sie mehr mit dem Wesen des Witzes als mit seiner
Zugehörigkeit zur Komik zu tun hat.

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Rechtfertigung dieser Untersuchung.]

Ich weiß wohl, daß die vorstehenden kümmerlichen Auszüge aus den
Arbeiten der Autoren über den Witz dem Werte dieser Arbeiten nicht
gerecht werden können. Infolge der Schwierigkeiten, welche einer
von Mißverständnis freien Wiedergabe so komplizierter und fein
nuancierter Gedankengänge entgegenstehen, kann ich den Wißbegierigen
die Mühe nicht ersparen, sich die gewünschte Belehrung an der
ursprünglichen Quelle zu holen. Aber ich weiß nicht, ob sie von ihr
voll befriedigt zurückkehren würden. Die von den Autoren angegebenen
und im vorigen zusammengestellten Kriterien und Eigenschaften des
Witzes -- die Aktivität, die Beziehung zum Inhalt unseres Denkens,
der Charakter des spielenden Urteils, die Paarung des Unähnlichen,
der Vorstellungskontrast, der „Sinn im Unsinn“, die Aufeinanderfolge
von Verblüffung und Erleuchtung, das Hervorholen des Versteckten und
die besondere Art von Kürze des Witzes -- erscheinen uns zwar auf
den ersten Blick als so sehr zutreffend und so leicht an Beispielen
erweisbar, daß wir nicht in die Gefahr geraten können, den Wert solcher
Einsichten zu unterschätzen, aber es sind disjecta membra, die wir
zu einem organisch Ganzen zusammengefügt sehen möchten. Sie tragen
schließlich zur Kenntnis des Witzes nicht mehr bei als etwa eine Reihe
von Anekdoten zur Charakteristik einer Persönlichkeit, über welche wir
eine Biographie beanspruchen dürfen. Es fehlt uns völlig die Einsicht
in den vorauszusetzenden Zusammenhang der einzelnen Bestimmungen,
etwa was die Kürze des Witzes mit seinem Charakter als spielendes
Urteil zu schaffen haben kann, und ferner die Aufklärung, ob der Witz
allen diesen Bedingungen genügen muß, um ein richtiger Witz zu sein,
oder nur einzelnen darunter, und welche dann durch andere vertretbar,
welche unerläßlich sind. Auch eine Gruppierung und Einteilung der
Witze auf Grund ihrer als wesentlich hervorgehobenen Eigenschaften
würden wir wünschen. Die Einteilung, welche wir bei den Autoren
finden, stützt sich einerseits auf die technischen Mittel, anderseits
auf die Verwendung des Witzes in der Rede (Klangwitz, Wortspiel --
karikierender, charakterisierender Witz, witzige Abfertigung).

Wir wären also nicht in Verlegenheit, einer weiteren Bemühung zur
Aufklärung des Witzes ihre Ziele zu weisen. Um auf Erfolg rechnen
zu können, müßten wir entweder neue Gesichtspunkte in die Arbeit
eintragen oder durch Verstärkung unserer Aufmerksamkeit und Vertiefung
unseres Interesses weiter einzudringen versuchen. Wir können uns
vorsetzen, es wenigstens an dem letzteren Mittel nicht fehlen zu
lassen. Es ist immerhin auffällig, wie wenig Beispiele von als solchen
anerkannten Witzen den Autoren für ihre Untersuchungen genügen, und wie
ein jeder die nämlichen von seinen Vorgängern übernimmt. Wir dürfen uns
der Verpflichtung nicht entziehen, dieselben Beispiele zu analysieren,
die bereits den klassischen Autoren über den Witz gedient haben, aber
wir beabsichtigen, uns außerdem an neues Material zu wenden, um eine
breitere Unterlage für unsere Schlußfolgerungen zu gewinnen. Es liegt
dann nahe, daß wir solche Beispiele von Witz zu Objekten unserer
Untersuchung nehmen, die uns selbst im Leben den größten Eindruck
gemacht und uns am ausgiebigsten lachen gemacht haben.

Ob das Thema des Witzes solcher Bemühung wert ist? Ich meine, daran
ist nicht zu zweifeln. Wenn ich von persönlichen, während der
Entwicklung dieser Studien aufzudeckenden, Motiven absehe, die mich
drängen, Einsicht in die Probleme des Witzes zu gewinnen, kann ich
mich auf die Tatsache des intimen Zusammenhanges alles seelischen
Geschehens berufen, welche einer psychologischen Erkenntnis auch
auf einem entlegenen Gebiet einen im vorhinein nicht abschätzbaren
Wert für andere Gebiete zusichert. Man darf auch daran mahnen, welch
eigentümlichen, geradezu faszinierenden Reiz der Witz in unserer
Gesellschaft äußert. Ein neuer Witz wirkt fast wie ein Ereignis von
allgemeinstem Interesse; er wird wie die neueste Siegesnachricht von
dem einen dem anderen zugetragen. Selbst bedeutende Männer, die es für
mitteilenswert halten, wie sie geworden sind, welche Städte und Länder
sie gesehen, und mit welchen hervorragenden Menschen sie verkehrt
haben, verschmähen es nicht, in ihre Lebensbeschreibung aufzunehmen,
diese und jene vortrefflichen Witze hätten sie gehört.[2]


  [1] Beiträge zur Ästhetik, herausgegeben von +Theodor Lipps+ und
      +Richard Maria Werner+. VI. -- Ein Buch, dem ich den Mut und die
      Möglichkeit verdanke, diesen Versuch zu unternehmen.

  [2] +J. v. Falke+, Lebenserinnerungen, 1897.




II. Die Technik des Witzes.


Wir folgen einem Winke des Zufalls und greifen das erste Witzbeispiel
auf, das uns im vorigen Abschnitt entgegengetreten ist.

[Sidenote: Heines Witz: Famillionär.]

In dem Stück der „Reisebilder“, welches „Die Bäder von Lucca“ betitelt
ist, führt +H. Heine+ die köstliche Gestalt des Lotteriekollekteurs und
Hühneraugenoperateurs Hirsch-Hyacinth aus Hamburg auf, der sich gegen
den Dichter seiner Beziehungen zum reichen Baron Rothschild berühmt und
zuletzt sagt: Und so wahr mir Gott alles Gute geben soll, Herr Doktor,
ich saß neben Salomon Rothschild und er behandelte mich ganz wie seines
Gleichen, ganz +famillionär+.

An diesem als ausgezeichnet anerkannten und sehr lachkräftigen Beispiel
haben +Heymans+ und +Lipps+ die Ableitung der komischen Wirkung des
Witzes aus der „Verblüffung und Erleuchtung“ (s. o.) erläutert. Wir
aber lassen diese Frage beiseite und stellen uns die andere: was es
denn ist, was die Rede des Hirsch-Hyacinth zu einem Witze macht? Es
könnte nur zweierlei sein; entweder ist es der in dem Satz ausgedrückte
Gedanke, der den Charakter des Witzigen an sich trägt, oder der Witz
haftet an dem Ausdruck, den der Gedanke in dem Satz gefunden hat. Auf
welcher Seite sich uns der Witzcharakter zeigt, dort wollen wir ihn
weiter verfolgen und versuchen, seiner habhaft zu werden.

Ein Gedanke kann ja im allgemeinen in verschiedenen sprachlichen
Formen -- in Worten also -- zum Ausdruck gebracht werden, die ihn
gleich zutreffend wiedergeben mögen. In der Rede des Hirsch-Hyacinth
liegt uns nun eine bestimmte Ausdrucksform eines Gedankens vor und,
wie uns ahnt, eine besonders eigentümliche, nicht diejenige, welche
am leichtesten verständlich ist. Versuchen wir, denselben Gedanken
möglichst getreulich in anderen Worten auszudrücken. +Lipps+ hat
dies bereits getan und damit die Fassung des Dichters gewissermaßen
erläutert. Er sagt (S. 87): „Wir verstehen, daß +Heine+ sagen will,
die Aufnahme sei eine familiäre gewesen, nämlich von der bekannten
Art, die durch den Beigeschmack des Millionärtums an Annehmlichkeiten
nicht zu gewinnen pflegt.“ Wir verändern nichts an diesem Sinn, wenn
wir eine andere Fassung annehmen, die sich vielleicht besser in die
Rede des Hirsch-Hyacinth einfügt: „Rothschild behandelte mich ganz wie
seines Gleichen, ganz +familiär+, d. h. soweit ein +Millionär+ das
zu stande bringt.“ „Die Herablassung eines reichen Mannes hat immer
etwas Mißliches für den, der sie an sich erfährt,“ würden wir noch
hinzusetzen.[3]

Ob wir nun bei dieser oder einer anderen gleichwertigen Textierung
des Gedankens verbleiben, wir sehen, daß die Frage, welche wir uns
vorgelegt haben, bereits entschieden ist. Der Witzcharakter haftet
in diesem Beispiel nicht am Gedanken. Es ist eine richtige und
scharfsinnige Bemerkung, die +Heine+ seinem Hirsch-Hyacinth in den
Mund legt, eine Bemerkung von unverkennbarer Bitterkeit, wie sie bei
dem armen Manne angesichts so großen Reichtums leicht begreiflich
ist, aber wir würden uns nicht getrauen, sie witzig zu heißen. Meinte
nun jemand, der bei der Übertragung die Erinnerung an die Fassung des
Dichters nicht los zu werden vermag, der Gedanke sei doch auch an
sich witzig, so können wir ja auf ein sicheres Kriterium des bei der
Übertragung verloren gegangenen Witzcharakters verweisen. Die Rede des
Hirsch-Hyacinth machte uns laut lachen, die sinngetreue Übertragung
derselben nach +Lipps+ oder in unserer Fassung mag uns gefallen, zum
Nachdenken anregen, aber zum Lachen bringen kann sie uns nicht.

Wenn aber der Witzcharakter unseres Beispiels nicht dem Gedanken
anhaftet, so ist er in der Form, im Wortlaut seines Ausdruckes zu
suchen. Wir brauchen nur die Besonderheit dieser Ausdrucksweise zu
studieren, um zu erfassen, was man als die Wort- oder Ausdruckstechnik
dieses Witzes bezeichnen kann und was in inniger Beziehung zu dem Wesen
des Witzes stehen muß, da Charakter und Wirkung des Witzes mit dessen
Ersetzung durch anderes verschwinden. Wir befinden uns übrigens in
voller Übereinstimmung mit den Autoren, wenn wir soviel Wert auf die
sprachliche Form des Witzes legen. So z. B. sagt +K. Fischer+ (S. 72):
„Es ist zunächst die bloße Form, die das Urteil zum Witz macht, und man
wird hier an ein Wort +Jean Pauls+ erinnert, welches eben diese Natur
des Witzes in demselben Ausspruche erklärt und beweist: ‚So sehr sieget
die bloße Stellung, es sei der Krieger oder der Sätze.‘“

Worin besteht nun die „Technik“ dieses Witzes? Was ist mit dem Gedanken
etwa in unserer Fassung vorgegangen, bis aus ihm der Witz wurde, über
den wir so herzlich lachen? Zweierlei, wie die Vergleichung unserer
Fassung mit dem Text des Dichters lehrt. Erstens hat eine erhebliche
+Verkürzung+ stattgefunden. Wir mußten, um den im Witz enthaltenen
Gedanken voll auszudrücken, an die Worte „+R. behandelte mich ganz
wie seines Gleichen, ganz familiär+,“ einen Nachsatz anfügen, der
aufs kürzeste eingeengt lautete: +d. h. soweit ein Millionär das zu
stande bringt+, und dann fühlten wir erst noch das Bedürfnis nach einem
erläuternden Zusatz.[4] Beim Dichter heißt es weit kürzer:

„+R. behandelte mich ganz wie seines Gleichen, ganz =famillionär=.+“
Die ganze Einschränkung, die der zweite Satz an den ersten anfügt,
welcher die familiäre Behandlung konstatiert, ist im Witze verloren
gegangen.

[Sidenote: Mischwortbildung.]

Aber doch nicht ganz ohne einen Ersatz, aus dem man sie rekonstruieren
kann. Es hat auch noch eine zweite Abänderung stattgefunden. Das Wort
„+familiär+“ im witzlosen Ausdruck des Gedankens ist im Text des Witzes
zu „+famillionär+“ umgewandelt worden, und ohne Zweifel hängt gerade an
diesem Wortgebilde der Witzcharakter und der Lacheffekt des Witzes. Das
neugebildete Wort deckt sich in seinem Anfang mit dem „familiär“ des
ersten, in seinen auslautenden Silben mit dem „Millionär“ des zweiten
Satzes, es vertritt gleichsam den einen Bestandteil „Millionär“ aus
dem zweiten Satze, infolgedessen den ganzen zweiten Satz, und setzt
uns auf diese Weise in den Stand, den im Text des Witzes ausgelassenen
zweiten Satz zu erraten. Es ist als ein Mischgebilde aus den zwei
Komponenten „familiär“ und „Millionär“ zu beschreiben, und man wäre
versucht, sich seine Entstehung aus diesen beiden Worten graphisch zu
veranschaulichen.[5]

  F A M I L I      Ä R
      ·M I L I O N Ä R·
  -------------------
  F A =M I L I= ·O N· =Ä R=

Den Vorgang aber, welcher den Gedanken in den Witz übergeführt hat,
kann man sich in folgender Weise darstellen, die zunächst recht
phantastisch erscheinen mag, aber nichtsdestoweniger genau das wirklich
vorhandene Ergebnis liefert:

  „R. behandelte mich ganz familiär,
            d. h. soweit ein Millionär es zu stande bringt.“

Nun denke man sich eine zusammendrängende Kraft auf diese Sätze
einwirken und nehme an, daß der Nachsatz aus irgend einem Grunde der
weniger resistente sei. Dieser wird dann zum Schwinden gebracht werden,
der bedeutsame Bestandteil desselben, das Wort „Millionär“, welches
sich gegen die Unterdrückung zu sträuben vermag, wird gleichsam an den
ersten Satz angepreßt, mit dem ihm so sehr ähnlichen Element dieses
Satzes „familiär“ verschmolzen, und gerade diese zufällig gegebene
Möglichkeit, das Wesentliche des zweiten Satzes zu retten, wird den
Untergang der anderen unwichtigeren Bestandteile begünstigen. So
entsteht dann der Witz:

  „R. behandelte mich ganz famili on är.“
                                 /  \
                            (mili)  (är)

Abgesehen von solcher zusammendrängenden Kraft, die uns ja unbekannt
ist, dürfen wir den Hergang der Witzbildung, also die Witztechnik
dieses Falles, beschreiben als eine +Verdichtung mit Ersatzbildung+,
und zwar, besteht in unserem Beispiel die Ersatzbildung in der
Herstellung eines +Mischwortes+. Dieses Mischwort „=famillionär=“, an
sich unverständlich, in dem Zusammenhange, in dem es steht, sofort
verstanden und als sinnreich erkannt, ist nun der Träger der zum Lachen
zwingenden Wirkung des Witzes, deren Mechanismus uns allerdings durch
die Aufdeckung der Witztechnik in keiner Weise näher gebracht wird.
Inwiefern kann ein sprachlicher Verdichtungsvorgang mit Ersatzbildung
durch ein Mischwort uns Lust schaffen und zum Lachen nötigen? Wir
merken, dies ist ein anderes Problem, dessen Behandlung wir aufschieben
dürfen, bis wir einen Zugang zu ihm gefunden haben. Vorläufig werden
wir bei der Technik des Witzes bleiben.

Unsere Erwartung, daß die Technik des Witzes für die Einsicht in das
Wesen desselben nicht gleichgültig sein könne, veranlaßt uns zunächst
zu forschen, ob es noch andere Witzbeispiele gibt, die wie +Heines+
„famillionär“ gebaut sind. Es gibt deren nun nicht sehr viele, aber
immerhin genug, um eine kleine Gruppe, die durch die Mischwortbildung
charakterisiert ist, aufzustellen. +Heine+ selbst hat aus dem Worte
Millionär einen zweiten Witz gezogen, sich gleichsam selbst kopiert,
indem er von einem „=Millionarr=“ spricht (Ideen, Kap. XIV), was eine
durchsichtige Zusammenziehung von +Millionär+ und +Narr+ ist und ganz
ähnlich wie das erste Beispiel einen unterdrückten Nebengedanken zum
Ausdruck bringt.

[Sidenote: Verdichtung mit Ersatzbildung.]

Andere Beispiele, die mir bekannt geworden sind: Die Berliner
heißen einen gewissen +Brunnen+ in ihrer Stadt, dessen Errichtung
dem Oberbürgermeister +Forckenbeck+ viel Ungnade zugezogen hat,
das „=Forckenbecken=“, und dieser Bezeichnung ist der Witz nicht
abzusprechen, wenngleich das Wort „Brunnen“ erst eine Wandlung in
das ungebräuchliche „Becken“ erfahren mußte, um mit dem Namen in
einem Gemeinsamen zusammenzutreffen. -- Der böse Witz Europas hatte
einst einen Potentaten aus +Leopold+ in =Cleopold= umgetauft wegen
seiner damaligen Beziehungen zu einer Dame mit dem Vornamen +Cléo+,
eine unzweifelhafte Verdichtungsleistung, die nun mit dem Aufwand
eines einzigen Buchstabens eine ärgerliche Anspielung immer frisch
erhält. -- Eigennamen verfallen überhaupt leicht dieser Bearbeitung
der Witztechnik: In Wien gab es zwei Brüder, namens +Salinger+, von
denen einer Börsen+sensal+ war. Das gab die Handhabe, den einen Bruder
=Sensalinger= zu nennen, während für den anderen zur Unterscheidung die
unliebenswürdige Bezeichnung =Scheusalinger= in Aufnahme kam. Es war
bequem und gewiß witzig; ich weiß nicht, ob es berechtigt war. Der Witz
pflegt danach nicht viel zu fragen.

Folgender Verdichtungswitz wurde mir erzählt: Ein junger Mann, der
bisher in der Fremde ein heiteres Leben geführt, besucht nach längerer
Abwesenheit einen hier wohnenden Freund, der nun mit Überraschung den
Ehering an der Hand des Besuchers bemerkt. Was? ruft er aus, Sie sind
verheiratet? Ja, lautet die Antwort: =Trauring=, +aber wahr+. Der
Witz ist vortrefflich; in dem Worte „=Trauring=“ kommen die beiden
Komponenten, das Wort: Ehering in +Trauring+ gewandelt und der Satz:
+Traurig, aber wahr+, zusammen.

Es tut der Wirkung des Witzes hier keinen Eintrag, daß das Mischwort
eigentlich nicht ein unverständliches, sonst nicht existenzfähiges
Gebilde ist wie „famillionär“, sondern sich vollkommen mit dem einen
der beiden verdichteten Elemente deckt.

Zu einem Witz, der wiederum dem „famillionär“ ganz analog ist, habe
ich selbst im Gespräche unabsichtlich das Material geliefert. Ich
erzählte einer Dame von den großen Verdiensten eines Forschers, den
ich für einen mit Unrecht Verkannten halte. „Aber der Mann verdient
doch ein Monument,“ meinte sie. „Möglich, daß er es einmal bekommen
wird,“ antwortete ich, „aber momentan ist sein Erfolg sehr gering.“
„+Monument+“ und „+momentan+“ sind Gegensätze. Die Dame vereinigt nun
die Gegensätze: Also wünschen wir ihm einen =monumentanen= Erfolg.

Einer vortrefflichen Bearbeitung des gleichen Themas in englischer
Sprache (+A. A. Brill+, Freud’s Theory of wit, Journal of abnormal
Psychology, 1911) verdanke ich einige fremdsprachige Beispiele, die den
gleichen Mechanismus der Verdichtung zeigen wie unser „famillionär“.

Der englische Autor +de Quincey+, erzählt +Brill+, hat irgendwo die
Bemerkung gemacht, daß alte Leute dazu neigen, in „=anecdotage=“ zu
verfallen. Das Wort ist zusammengeschmolzen aus den sich teilweise
überdeckenden

  anec+dote+ und
      +dotage+ (kindisches Gefasel).

In einer anonymen kurzen Geschichte fand +Brill+ einmal die
Weihnachtszeit bezeichnet als „=the alcoholidays=“. Die gleiche
Verschmelzung aus

  alco+hol+ und
      +holi+days (Festtage).

Als +Flaubert+ seinen berühmten Roman Salammbô, der im alten Karthago
spielt, veröffentlicht hatte, verspottete ihn +Sainte-Beuve+ als
=Carthaginoiserie= wegen seiner peinlichen Detailmalerei:

  Cartha+ginois+
       +chinoiserie+.

Das vorzüglichste Witzspiel dieser Gruppe hat einen der ersten Männer
Österreichs zum Urheber, der nach bedeutsamer wissenschaftlicher und
öffentlicher Tätigkeit nun ein oberstes Amt im Staate bekleidet.
Ich habe mir die Freiheit genommen, die Witze, die dieser Person
zugeschrieben werden und in der Tat alle das gleiche Gepräge tragen,
als Material für diese Untersuchungen zu verwenden,[6] vor allem darum,
weil es schwer gehalten hätte, sich ein besseres zu verschaffen.

[Sidenote: Verdichtung mit Modifikation.]

Herr N. wird eines Tages auf die Person eines Schriftstellers
aufmerksam gemacht, der durch eine Reihe von wirklich langweiligen
Aufsätzen bekannt geworden ist, welche er in einer Wiener Tageszeitung
veröffentlicht hat. Die Aufsätze behandeln durchweg kleine Episoden
aus den Beziehungen des ersten Napoleon zu Österreich. Der Verfasser
ist rothaarig. Herr N. fragt, sobald er den Namen gehört hat: +Ist das
nicht der =rote Fadian=, der sich durch die Geschichte der Napoleoniden
zieht?+

Um die Technik dieses Witzes zu finden, müssen wir auf ihn jenes
Reduktionsverfahren anwenden, welches den Witz durch Änderung des
Ausdruckes aufhebt und dafür den ursprünglichen vollen Sinn wieder
einsetzt, wie er sich aus einem guten Witz mit Sicherheit erraten
läßt. Der Witz des Herrn N. vom roten Fadian ist aus zwei Komponenten
hervorgegangen, aus einem absprechenden Urteil über den Schriftsteller
und aus der Reminiszenz an das berühmte Gleichnis, mit welchem +Goethe+
die Auszüge: „Aus Ottiliens Tagebuche“ in den „Wahlverwandtschaften“
einleitet.[7] Die unmutige Kritik mag gelautet haben: Das also ist der
Mensch, der ewig und immer wieder nur langweilige Feuilletons über
Napoleon in Österreich zu schreiben weiß! Diese Äußerung ist nun gar
nicht witzig. Auch der schöne Vergleich +Goethes+ ist kein witziger und
ganz gewiß nicht geeignet, uns zum Lachen zu bringen. Erst wenn diese
beiden in Beziehung zueinander gesetzt werden und dem eigentümlichen
Verdichtungs- und Verschmelzungsprozeß unterliegen, entsteht ein Witz,
und zwar vom ersten Range.[8]

Die Verknüpfung zwischen dem schimpflichen Urteil über den
langweiligen Geschichtschreiber und dem schönen Gleichnis in den
Wahlverwandtschaften, muß sich aus Gründen, die ich hier noch nicht
verständlich machen kann, auf weniger einfache Weise hergestellt
haben als in vielen ähnlichen Fällen. Ich werde es versuchen, den
vermutlichen wirklichen Hergang durch folgende Konstruktion zu
ersetzen. Zunächst mag das Element der beständigen Wiederkehr desselben
Themas bei Herrn N. eine leise Reminiszenz an die bekannte Stelle der
Wahlverwandtschaften geweckt haben, die ja zumeist fälschlich mit
dem Wortlaut „+es zieht sich wie ein roter Faden+“ zitiert wird. Der
„rote Faden“ des Gleichnisses übte nun eine verändernde Wirkung auf
den Ausdruck des ersten Satzes aus, infolge des zufälligen Umstandes,
daß auch der Geschmähte +rot+, nämlich +rothaarig+ ist. Es mag nun
gelautet haben: +Also dieser rote Mensch ist es, der die langweiligen
Feuilletons über Napoleon schreibt.+ Nun griff der Prozeß ein, der
die Verdichtung beider Stücke zu einem bezweckte. Unter dem Drucke
desselben, der in der Gleichheit des Elements „+rot+“ den ersten
Stützpunkt gefunden hatte, assimilierte sich das „+langweilig+“ dem
„+Faden+“ und verwandelte sich in „+fad+“, und nun konnten die beiden
Komponenten verschmelzen zu dem Wortlaut des Witzes, an welchem diesmal
das Zitat fast mehr Anteil hat als das gewiß ursprünglich allein
vorhandene schmähende Urteil.

  „Also dieser +rote+ Mensch ist es, der das +fade+ Zeug +über N.+
                                                               schreibt.
      Der      +rote+                        +Faden, der sich durch+
                                                  alles hindurch+zieht+.
  ----------------------------------------------------------------------
  +Ist das nicht der =rote Fadian=, der sich durch die Geschichte der
                                                             N. zieht?+“

Eine Rechtfertigung, aber auch eine Korrektur dieser Darstellung werde
ich in einem späteren Abschnitt geben, wenn ich diesen Witz von anderen
als bloß formalen Gesichtspunkten her analysieren darf. Was immer aber
an ihr zweifelhaft sein möge, die Tatsache, daß hier eine Verdichtung
vorgefallen ist, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Das Ergebnis
der Verdichtung ist einerseits wiederum eine erhebliche Verkürzung,
anderseits anstatt einer auffälligen Mischwortbildung vielmehr eine
Durchdringung der Bestandteile beider Komponenten. „+Roter Fadian+“
wäre immerhin als bloßes Schimpfwort existenzfähig; es ist in unserem
Falle sicherlich ein Verdichtungsprodukt.

Wenn nun an dieser Stelle zuerst ein Leser unwillig würde über eine
Betrachtungsweise, die ihm das Vergnügen am Witz zu zerstören droht,
ohne ihm aber die Quelle dieses Vergnügens aufklären zu können, so
würde ich ihn zunächst um Geduld bitten. Wir stehen erst bei der
Technik des Witzes, deren Untersuchung ja auch Aufschlüsse verspricht,
wenn wir sie erst weit genug ausgedehnt haben.

Wir sind durch die Analyse des letzten Beispiels vorbereitet darauf,
daß, wenn wir dem Verdichtungsvorgang noch in anderen Beispielen
begegnen, der Ersatz des Unterdrückten nicht in einer Mischwortbildung,
sondern auch in einer anderen Abänderung des Ausdrucks gegeben sein
könne. Worin dieser andersartige Ersatz bestehen mag, wollen wir aus
anderen Witzen des Herrn N. lernen.

„+Ich bin =tête-à-bête= mit ihm gefahren.+“ Nichts leichter als
diesen Witz zu reduzieren. Offenbar kann es dann nur heißen: Ich bin
+tête-à-tête+ mit dem X. gefahren, und der X. ist ein dummes +Vieh+.

Keiner der beiden Sätze ist witzig. Oder in einen Satz zusammengezogen:
+Ich bin tête-à-tête mit dem dummen Vieh von X. gefahren+, was
ebensowenig witzig ist. Der Witz stellt sich erst her, wenn das
„+dumme Vieh+“ weggelassen wird und zum Ersatz dafür das eine +tête+
sein =t= in =b= verwandelt, mit welcher geringen Modifikation das
erst unterdrückte „Vieh“ doch wieder zum Ausdruck gelangt. Man kann
die Technik dieser Gruppe von Witzen beschreiben als +Verdichtung mit
leichter Modifikation+ und ahnt, daß der Witz um so besser sein wird,
je geringfügiger die Ersatzmodifikation ausfällt.

Ganz ähnlich, obwohl nicht unkompliziert, ist die Technik eines anderen
Witzes. Herr N. sagt im Wechselgespräch über eine Person, an der
manches zu rühmen und vieles auszusetzen ist: +Ja, die Eitelkeit ist
eine seiner =vier Achillesfersen=.+[9] Die leichte Modifikation besteht
hier darin, daß anstatt der +einen Achillesferse+, die man ja auch beim
Helden zugestehen muß, deren +vier+ behauptet werden. Vier Fersen,
also vier Füße hat aber nur das Vieh. Somit haben die beiden im Witz
verdichteten Gedanken gelautet:

„+Y. ist bis auf seine Eitelkeit ein hervorragender Mensch; aber ich
mag ihn doch nicht, er ist doch eher ein Vieh als ein Mensch.+“[10]

Ähnlich, nur viel einfacher, ist ein anderer Witz, den ich in einem
Familienkreise im statu nascendi zu hören bekam. Von zwei Brüdern,
Gymnasiasten, ist der eine ein vortrefflicher, der andere ein recht
mittelmäßiger Schüler. Nun passiert auch dem Musterknaben einmal
ein Unfall in der Schule, den die Mutter zur Sprache bringt, um der
Besorgnis Ausdruck zu geben, das Ereignis könne den Anfang einer
dauernden Verschlechterung bedeuten. Der bisher durch seinen Bruder
verdunkelte Knabe greift diesen Anlaß bereitwillig auf. Ja, sagt er,
+Karl =geht auf allen Vieren zurück=+.

Die Modifikation besteht hier in einem kleinen Zusatz zur Versicherung,
daß der andere auch nach seinem Urteil zurückgeht. Diese Modifikation
vertritt und ersetzt aber ein leidenschaftliches Plaidoyer für die
eigene Sache: Überhaupt müßt ihr nicht glauben, daß er darum soviel
gescheiter ist als ich, weil er in der Schule besseren Erfolg hat. Er
ist doch nur ein dummes Vieh, d. h. viel dümmer, als ich bin.

Ein schönes Beispiel von Verdichtung mit leichter Modifikation
zeigt ein anderer sehr bekannter Witz des Herrn N., der von einer
im öffentlichen Leben stehenden Persönlichkeit behauptete, +sie
habe eine große =Zukunft hinter sich=+. Es war ein jüngerer Mann,
auf den dieser Witz zielte, der durch seine Abstammung, Erziehung
und seine persönlichen Eigenschaften berufen erschien, dereinst die
Führung einer großen Partei zu übernehmen und an ihrer Spitze zur
Regierung zu gelangen. Aber die Zeiten änderten sich, die Partei wurde
regierungsunfähig, und nun ließ sich vorhersehen, daß auch der zu ihrem
Führer prädestinierte Mann es zu nichts bringen werde. Die kürzeste
reduzierte Fassung, durch die man diesen Witz ersetzen könnte, würde
lauten: +Der Mann hat eine große Zukunft vor sich gehabt, mit der ist
es aber jetzt aus.+ Anstatt des „+gehabt+“ und des Nachsatzes die
kleine Veränderung im Hauptsatze, daß das „+vor+“ durch ein „+hinter+“,
sein Gegenteil, abgelöst wird.[11]

Fast der nämlichen Modifikation bediente sich Herr N. im Falle eines
Kavaliers, der Ackerbauminister geworden war ohne anderes Anrecht, als
daß er selbst Landwirtschaft betrieb. Die öffentliche Meinung hatte
Gelegenheit, ihn als den mindest begabten, der je mit diesem Amt
betraut gewesen, zu erkennen. Als er aber das Amt niedergelegt und sich
auf seine landwirtschaftlichen Interessen zurückgezogen hatte, sagte
Herr N. von ihm:

+Er ist, wie Cincinnatus, auf seinen Platz vor dem Pflug zurückgekehrt.+

Der Römer, den man auch von der Landwirtschaft weg zum Amt berufen
hatte, nahm seinen Platz +hinter+ dem Pflug wieder ein. +Vor+ dem Pflug
ging damals wie heute nur -- der Ochs.

Eine gelungene Verdichtung mit leiser Modifikation ist es auch, wenn
+Karl Kraus+ von einem sogenannten Revolverjournalisten mitteilt, er
sei mit dem +Oriente=r=preßzug+ in eines der Balkanländer gefahren.
Gewiß treffen in diesem Wort die beiden anderen „+Orientexpreßzug+“
und „+Erpressung+“ zusammen. Infolge des Zusammenhanges macht sich das
Element „Erpressung“ nur als Modifikation des vom Verbum geforderten
„Orientexpreßzuges“ geltend. Dieser Witz hat für uns, indem er einen
Druckfehler vorspiegelt, noch ein anderes Interesse.

Wir könnten die Reihe dieser Beispiele leicht um weitere vermehren,
aber ich meine, wir bedürfen keiner neuen Fälle, um die Charaktere der
Technik in dieser zweiten Gruppe, Verdichtung mit Modifikation, sicher
zu erfassen. Vergleichen wir nun die zweite Gruppe mit der ersten,
deren Technik in Verdichtung mit Mischwortbildung bestand, so sehen wir
leicht ein, daß die Unterschiede nicht wesentliche und die Übergänge
fließend sind. Die Mischwortbildung wie die Modifikation unterordnen
sich dem Begriff der Ersatzbildung, und, wenn wir wollen, können wir
die Mischwortbildung auch als Modifikation des Grundwortes durch das
zweite Element beschreiben.

       *       *       *       *       *

Wir dürfen aber hier einen ersten Halt machen und uns fragen, mit
welchem aus der Literatur bekannten Moment sich unser erstes Ergebnis
ganz oder teilweise deckt. Offenbar mit dem der Kürze, die +Jean Paul+
die Seele des Witzes nennt (s. o. S. 5). Die Kürze ist nun nicht an
sich witzig, sonst wäre jeder Lakonismus ein Witz. Die Kürze des Witzes
muß von besonderer Art sein. Wir erinnern uns, daß +Lipps+ versucht
hat, die Besonderheit der Witzkürzung näher zu beschreiben (s. S. 5).
Hier hat nun unsere Untersuchung eingesetzt und nachgewiesen, daß
die Kürze des Witzes oftmals das Ergebnis eines besonderen Vorganges
ist, der im Wortlaut des Witzes eine zweite Spur, die Ersatzbildung,
hinterlassen hat. Bei der Anwendung des Reduktionsverfahrens,
welches den eigentümlichen Verdichtungsvorgang rückgängig zu machen
beabsichtigt, finden wir aber auch, daß der Witz nur an dem wörtlichen
Ausdruck hängt, welcher durch den Verdichtungsvorgang hergestellt wird.
Natürlich wendet sich jetzt unser volles Interesse diesem sonderbaren
und bisher fast nicht gewürdigten Vorgang zu. Wir können auch noch
gar nicht verstehen, wie aus ihm all das Wertvolle des Witzes, der
Lustgewinn, den der Witz uns bringt, entstehen kann.

[Sidenote: Die Verdichtung in der Traumarbeit aufzufinden.]

Sind ähnliche Vorgänge, wie wir sie hier als Technik des Witzes
beschrieben haben, auf irgend einem anderen Gebiete des seelischen
Geschehens schon bekannt geworden? Allerdings, auf einem einzigen und
scheinbar recht weit abliegenden. Im Jahre 1900 habe ich ein Buch
veröffentlicht, welches, wie sein Titel („Die Traumdeutung“)[12]
besagt, den Versuch macht, das Rätselhafte des Traumes aufzuklären
und ihn als Abkömmling normaler seelischer Leistung hinzustellen. Ich
finde dort Anlaß, den +manifesten+, oft sonderbaren +Trauminhalt+
in Gegensatz zu bringen zu den +latenten+, aber völlig korrekten
+Traumgedanken+, von denen er abstammt, und gehe auf die Untersuchung
der Vorgänge ein, welche aus den latenten Traumgedanken den Traum
machen, sowie der psychischen Kräfte, die bei dieser Umwandlung
beteiligt sind. Die Gesamtheit der umwandelnden Vorgänge nenne ich
die +Traumarbeit+ und als ein Stück dieser Traumarbeit habe ich einen
Verdichtungsvorgang beschrieben, der mit dem der Witztechnik die größte
Ähnlichkeit zeigt, wie dieser zur Verkürzung führt und Ersatzbildungen
vom gleichen Charakter schafft. Jedem werden aus eigener Erinnerung
an seine Träume die Mischgebilde von Personen und auch von Objekten
bekannt sein, die in den Träumen auftreten; ja, der Traum bildet
auch solche von Worten, die sich dann in der Analyse zerlegen lassen
(z. B. Autodidasker = Autodidakt + Lasker) („Die Traumdeutung“, S.
206).[13] Andere Male, und zwar noch viel häufiger, werden von der
Verdichtungsarbeit des Traumes nicht Mischgebilde erzeugt, sondern
Bilder, die völlig einem Objekt oder einer Person gleichen bis auf
eine Zutat oder Abänderung; die aus anderer Quelle stammt, also
Modifikationen ganz wie die in den Witzen des Herrn N. Wir können nicht
bezweifeln, daß wir hier wie dort den nämlichen psychischen Prozeß vor
uns haben, den wir an den identischen Leistungen erkennen dürfen. Eine
so weitgehende Analogie der Witztechnik mit der Traumarbeit wird gewiß
unser Interesse für die erstere steigern und die Erwartung in uns rege
machen, aus einem Vergleich von Witz und Traum manches zur Aufklärung
des Witzes zu ziehen. Aber wir enthalten uns, auf diese Arbeit
einzugehen, indem wir uns sagen, daß wir die Technik erst bei einer
sehr geringen Zahl von Witzen erforscht haben, so daß wir nicht wissen
können, ob die Analogie, deren Leitung wir uns überlassen wollen, auch
vorhalten wird. Wir wenden uns also von dem Vergleich mit dem Traume
ab und kehren zur Witztechnik zurück, lassen an dieser Stelle unserer
Untersuchung gleichsam einen Faden heraushängen, den wir vielleicht
später wieder aufnehmen werden.

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Zerteilungswitze.]

Das nächste, was wir erfahren wollen, ist, ob der Vorgang der
Verdichtung mit Ersatzbildung bei allen Witzen nachweisbar ist, so daß
er als der allgemeine Charakter der Witztechnik bezeichnet werden kann.

Ich erinnere mich da an einen Witz, der mir infolge besonderer Umstände
im Gedächtnis geblieben ist. Einer der großen Lehrer meiner jungen
Jahre, den wir für unbefähigt hielten, einen Witz zu schätzen, wie wir
auch nie einen eigenen Witz von ihm gehört hatten, kam eines Tages
lachend in das Institut und gab bereitwilliger als sonst Bescheid über
den Anlaß seiner heiteren Stimmung. „Ich habe da einen vorzüglichen
Witz gelesen. In einem Pariser Salon wurde ein junger Mann eingeführt,
der ein Verwandter des großen J. J. Rousseau sein sollte und auch
diesen Namen trug. Er war überdies rothaarig. Er benahm sich aber so
ungeschickt, daß die Dame des Hauses zu dem Herrn, der ihn eingeführt,
als Kritik äußerte: ‚Vous m’avez fait connaître un jeune homme +roux et
sot+, mais non pas un +Rousseau+.‘ Und er lachte von neuem.“

Dies ist nach der Nomenklatur der Autoren ein Klangwitz, und zwar
niedriger Sorte, einer, der mit dem Eigennamen spielt, etwa wie der
Witz in der Kapuzinade aus Wallensteins Lager, die bekanntlich der
Manier des +Abraham a Santa Clara+ nachgebildet ist:

  „Läßt sich nennen den +Wallenstein+,
  ja freilich ist er uns +allen+ ein +Stein+
  des Anstoßes und Ärgernisses.“[14]

Welches ist aber die Technik dieses Witzes?

Da zeigt es sich, daß der Charakter, welchen wir vielleicht hofften
allgemein nachzuweisen, schon bei dem ersten neuen Fall versagt. Es
liegt hier keine Auslassung, kaum eine Verkürzung vor. Die Dame sagt
im Witze selbst fast alles aus, was wir ihren Gedanken unterlegen
können. „Sie haben mich auf einen Verwandten von +J. J. Rousseau+
gespannt gemacht, vielleicht einen Geistesverwandten, und siehe da,
es ist ein rothaariger dummer Junge, ein +roux et sot+.“ Ich habe da
allerdings einen Zusatz, eine Einschaltung machen können, aber dieser
Reduktionsversuch hebt den Witz nicht auf. Er bleibt und haftet an dem
Gleichklang von +Rousseau.+/+roux sot+. Damit ist nun erwiesen, daß
die Verdichtung mit Ersatzbildung an dem Zustandekommen dieses Witzes
keinen Anteil hat.

Was aber sonst? Neue Versuche zur Reduktion können mich belehren, daß
der Witz so lange resistent bleibt, bis der Name +Rousseau+ durch
einen anderen ersetzt wird. Ich setze z. B. anstatt desselben +Racine+
ein und sofort hat die Kritik der Dame, die ebenso möglich bleibt wie
vorhin, jede Spur von Witz eingebüßt. Nun weiß ich, wo ich die Technik
dieses Witzes zu suchen habe, kann aber noch über deren Formulierung
schwanken; ich will folgende versuchen: Die Technik des Witzes liegt
darin, daß ein und dasselbe Wort -- der Name -- in +zweifacher
Verwendung+ vorkommt, einmal als Ganzes und dann in seine Silben
zerteilt wie in einer Scharade.

Ich kann einige wenige Beispiele anführen, die in ihrer Technik mit
diesem identisch sind.

[Sidenote: Mehrfache Verwendung derselben Worte.]

Mit einem auf die gleiche Technik der zweifachen Verwendung beruhenden
Witz soll sich eine italienische Dame für eine taktlose Bemerkung des
ersten Napoleon gerächt haben. Er sagte ihr auf einem Hofballe, auf
ihre Landsleute deutend: „Tutti gli Italiani danzano si male“, und sie
erwiderte schlagfertig: „Non tutti, ma +buona parte+.“ (+Brill+, l. c.)

(Nach +Th. Vischer+ und +K. Fischer+.) Als in Berlin einmal die
+Antigone+ aufgeführt wurde, fand die Kritik, daß die Aufführung des
antiken Charakters entbehrt habe. Der Berliner Witz machte sich diese
Kritik in folgender Weise zu eigen: +Antik? Oh, nee.+

In ärztlichen Kreisen ist ein analoger Zerteilungswitz heimisch. Wenn
man einen seiner jugendlichen Patienten befragte, ob er sich je mit
der Masturbation befaßt habe, würde man gewiß keine andere Antwort
hören als: +O na, nie+.

In allen drei Beispielen, die für die Gattung genügen mögen, dieselbe
Technik des Witzes. Ein Name wird in ihnen zweimal verwendet, das
eine Mal ganz, das andere Mal in seine Silben zerteilt, in welcher
Zerteilung seine Silben einen gewissen anderen Sinn ergeben.[15]

Die mehrfache Verwendung desselben Wortes einmal als eines Ganzen
und dann der Silben, in die es sich zerfällen läßt, war der erste
Fall einer von der Verdichtung abweichenden Technik, der uns begegnet
ist. Nach kurzer Besinnung müssen wir aber aus der Fülle der uns
zuströmenden Beispiele erraten, daß die neu aufgefundene Technik kaum
auf dieses eine Mittel beschränkt sein dürfte. Es gibt offenbar eine
zunächst noch gar nicht übersehbare Anzahl von Möglichkeiten, wie
man dasselbe Wort oder dasselbe Material von Worten zur mehrfachen
Verwendung in einem Satze ausnützen kann. Sollten uns alle diese
Möglichkeiten als technische Mittel des Witzes entgegentreten? Es
scheint so zu sein; die nachfolgenden Beispiele von Witzen werden es
erweisen.

Man kann zunächst dasselbe Material von Worten nehmen und nur etwas an
der Anordnung derselben ändern. Je geringer die Abänderung ist, je eher
man den Eindruck empfängt, verschiedener Sinn sei doch mit denselben
Worten gesagt worden, desto besser ist in technischer Hinsicht der
Witz.

+D. Spitzer+ (Wiener Spaziergänge, II. Bd., S. 42):

„Das Ehepaar X. lebt auf ziemlich großem Fuße. Nach der Ansicht der
einen soll der Mann +viel verdient+ und sich +dabei etwas zurückgelegt+
haben, nach anderen wieder soll sich die Frau +etwas zurückgelegt+ und
dabei +viel verdient+ haben.“

Ein geradezu diabolisch guter Witz! Und mit wie geringen Mitteln er
hergestellt ist! Viel verdient -- sich etwas zurückgelegt, sich etwas
zurückgelegt -- viel verdient; es ist eigentlich nichts als eine
Umstellung dieser beiden Phrasen, wodurch sich das vom Manne Ausgesagte
von dem über die Frau Angedeuteten unterscheidet. Allerdings ist dies
auch hier wiederum nicht die ganze Technik dieses Witzes.[16]

[Sidenote: Doppelsinn und Wortspiel.]

Ein reicher Spielraum eröffnet sich der Witztechnik, wenn man die
„+mehrfache Verwendung des gleichen Materials+“ dahin ausdehnt, daß
das Wort -- oder die Worte --, an denen der Witz haftet, das eine Mal
unverändert, das andere Mal mit einer +kleinen Modifikation+ gebraucht
werden dürfe.

Z. B. ein anderer Witz des Herrn N.:

Er hört von einem Herrn, der selbst als Jude geboren ist, eine
gehässige Äußerung über jüdisches Wesen. „Herr Hofrat,“ meint er, „Ihr
+Antesemitismus+ war mir bekannt, Ihr +Antisemitismus+ ist mir neu.“

Hier ist nur ein einziger Buchstabe verändert, dessen Modifikation
bei sorgloser Aussprache kaum bemerkt wird. Das Beispiel erinnert
an die anderen Modifikationswitze des Herrn N. (s. S. 15), aber zum
Unterschiede von ihnen fehlt ihm die Verdichtung; es ist im Witze
selbst alles gesagt, was gesagt werden soll. „Ich weiß, daß Sie früher
selbst Jude waren; es wundert mich also, daß gerade Sie über Juden
schimpfen.“

Ein vortreffliches Beispiel eines solchen Modifikationswitzes ist auch
der bekannte Ausruf: +Traduttore -- Traditore!+

Die fast bis zur Identität gehende Ähnlichkeit der beiden Worte ergibt
eine sehr eindrucksvolle Darstellung der Notwendigkeit, die den
Übersetzer zum Frevler an seinem Autor werden läßt.[17]

Die Mannigfaltigkeit der möglichen leisen Modifikationen ist bei diesen
Witzen so groß, daß keiner mehr ganz dem anderen gleicht.

Hier ein Witz, der sich bei einem rechtswissenschaftlichen Examen
zugetragen haben soll! Der Kandidat soll eine Stelle des Corpus juris
übersetzen. „+Labeo ait+“ ... +Ich falle, sagt er ... Sie fallen, sag’
ich+, erwidert der Prüfer und die Prüfung ist zu Ende. Wer den Namen
des großen Rechtsgelehrten für eine, zudem falsch erinnerte, Vokabel
verkennt, verdient freilich nichts besseres. Aber die Technik des
Witzes liegt in der Verwendung fast der nämlichen Worte, welche die
Unwissenheit des Geprüften bezeugen, zu seiner Bestrafung durch den
Prüfer. Der Witz ist außerdem ein Beispiel von „Schlagfertigkeit“,
deren Technik, wie sich zeigen lassen wird, von der hier erläuterten
nicht viel absteht.

Worte sind ein plastisches Material, mit dem sich allerlei anfangen
läßt. Es gibt Worte, welche in gewissen Verwendungen die ursprüngliche
volle Bedeutung eingebüßt haben, deren sie sich in anderem
Zusammenhange noch erfreuen. In einem Witz von +Lichtenberg+ sind
gerade jene Verhältnisse herausgesucht, unter denen die abgeblaßten
Worte ihre volle Bedeutung wieder bekommen müssen.

„+Wie geht’s?+“ fragte der Blinde den +Lahmen+. „Wie Sie +sehen+,“
antwortete der Lahme dem +Blinden+.

Es gibt im Deutschen auch Worte, die in anderem Sinne +voll+ und +leer+
genommen werden können, und zwar in mehr als nur einem. Es können
nämlich zwei verschiedene Abkömmlinge desselben Stammes, das eine
sich zu einem Worte mit voller Bedeutung, das andere sich zu einer
abgeblaßten End- oder Anhängesilbe entwickelt haben, und beide doch
vollkommen gleich lauten. Der Gleichlaut zwischen einem vollen Wort und
einer abgeblaßten Silbe mag auch ein zufälliger sein. In beiden Fällen
kann die Witztechnik aus solchen Verhältnissen des Sprachmaterials
Nutzen ziehen.

+Schleiermacher+ wird z. B. ein Witz zugeschrieben, der uns als fast
reines Beispiel solcher technischen Mittel wichtig ist: +Eifersucht+
ist eine +Leidenschaft+, die mit +Eifer sucht+, was +Leiden schafft+.

Dies ist unstreitig witzig, wiewohl nicht gerade kräftig als
Witz. Es fallen hier eine Menge von Momenten weg, die uns bei
der Analyse anderer Witze irre machen können, so lange wir jeden
von ihnen vereinzelt in Untersuchung ziehen. Der im Wortlaut
ausgedrückte Gedanke ist wertlos; er gibt jedenfalls eine recht
ungenügende Definition der Eifersucht. Von „Sinn im Unsinn“,
„verborgenem Sinn“, „Verblüffung und Erleuchtung“ ist keine Rede.
Einen Vorstellungskontrast wird man mit der größten Anstrengung
nicht herausfinden, einen Kontrast zwischen den Worten und dem,
was sie bedeuten, nur mit großem Zwang. Von einer Verkürzung ist
nichts zu finden; der Wortlaut macht im Gegenteil den Eindruck
der Weitschweifigkeit. Und doch ist es ein Witz, selbst ein sehr
vollkommener. Sein einzig auffälliger Charakter ist gleichzeitig
derjenige, mit dessen Aufhebung der Witz verschwindet, nämlich daß
hier dieselben Worte eine mehrfache Verwendung erfahren. Man hat dann
die Wahl, ob man diesen Witz jener Unterabteilung zurechnen will, in
welcher Worte einmal ganz und das andere Mal zerteilt gebraucht werden
(wie +Rousseau+, +Antigone+), oder jener anderen, in der die volle und
die abgeblaßte Bedeutung von Wortbestandteilen die Mannigfaltigkeit
herstellen. Außer diesem ist nur noch ein anderes Moment für die
Technik des Witzes beachtenswert. Es ist hier ein ungewohnter
Zusammenhang hergestellt, eine Art +Unifizierung+ vorgenommen worden,
indem die Eifersucht durch ihren eigenen Namen, gleichsam durch sich
selbst definiert ist. Auch dies ist, wie wir hier hören werden,
eine Technik des Witzes. Diese beiden Momente müssen also für sich
hinreichend sein, einer Rede den gesuchten Charakter des Witzes zu
geben.

Wenn wir uns nun in die Mannigfaltigkeit der „mehrfachen Verwendung“
desselben Wortes noch weiter einlassen, so merken wir mit einem Male,
daß wir Formen von „Doppelsinn“ oder „Wortspiel“ vor uns haben, die
als Technik des Witzes längst allgemein bekannt und gewürdigt sind.
Wozu haben wir uns die Mühe gegeben, etwas neu zu entdecken, was wir
aus der seichtesten Abhandlung über den Witz hätten entnehmen können?
Wir können zu unserer Rechtfertigung zunächst nur anführen, daß wir
an dem nämlichen Phänomen des sprachlichen Ausdrucks doch eine andere
Seite hervorheben. Was bei den Autoren den „spielerischen“ Charakter
des Witzes erweisen soll, fällt bei uns unter den Gesichtspunkt der
„mehrfachen Verwendung“.

Die weiteren Fälle von mehrfacher Verwendung, die man auch als
+Doppelsinn+ zu einer neuen, dritten Gruppe vereinigen kann, lassen
sich leicht in Unterabteilungen bringen, die freilich nicht durch
wesentliche Unterscheidungen von einander gesondert sind, ebensowenig
wie die ganze dritte Gruppe von der zweiten. Da gibt es zunächst
_a_) die Fälle von Doppelsinn eines +Namens+ und seiner +dinglichen
Bedeutung+, z. B. „+Drück dich aus unserer Gesellschaft ab, Pistol+“
(bei Shakespeare).

„Mehr +Hof+ als +Freiung+,“ sagte ein witziger Wiener mit Beziehung
auf mehrere schöne Mädchen, die seit Jahren viel gefeiert wurden und
noch immer keinen Mann gefunden hatten. „Hof“ und „Freiung“ sind zwei
aneinander stoßende Plätze im Innern der Stadt Wien.

+Heine+: „Hier in Hamburg herrscht nicht der schändliche Macbeth,
sondern hier herrscht +Banko+“ (Banquo).

Wo der unveränderte Namen nicht brauchbar -- man könnte sagen: nicht
mißbrauchbar -- ist, kann man mittels einer der uns bekannten kleinen
Modifikationen den Doppelsinn aus ihm gewinnen:

„Weshalb haben die Franzosen den Lohengrin zurückgewiesen?“ fragte man
in nun überwundenen Zeiten. Die Antwort lautete: „+Elsas+ (+Elsaß+)
wegen.“

_b_) Den Doppelsinn der +sachlichen+ und +metaphorischen+ Bedeutung
eines Wortes, der eine ergiebige Quelle für die Witztechnik ist. Ich
zitiere nur ein Beispiel: Ein als Witzbold bekannter ärztlicher Kollege
sagte einmal zum Dichter +Arthur Schnitzler+: „Ich wundere mich nicht,
daß du ein großer Dichter geworden bist. Hat doch schon dein Vater
seinen Zeitgenossen den +Spiegel+ vorgehalten.“ Der Spiegel, den der
Vater des Dichters, der berühmte Arzt Dr. +Schnitzler+, gehandhabt, war
der +Kehlkopfspiegel+; nach einem bekannten Ausspruch +Hamlets+ ist es
der Zweck des Schauspieles, also auch des Dichters, der es schafft,
„der Natur gleichsam den Spiegel vorzuhalten: der Tugend ihre eigenen
Züge, der Schmach ihr eigenes Bild und dem Jahrhundert und Körper der
Zeit den Abdruck seiner Gestalt zu zeigen“ (III., 2. Szene).

_c_) Den eigentlichen Doppelsinn oder das +Wortspiel+, der sozusagen
ideale Fall der mehrfachen Verwendung; dem Wort wird hier nicht Gewalt
angetan, es wird nicht in seine Silbenbestandteile zerrissen, es
braucht sich keiner Modifikation zu unterziehen, nicht die Sphäre, der
es angehört, etwa als Eigenname, mit einer anderen zu vertauschen; ganz
so wie es ist und im Gefüge des Satzes steht, darf es dank der Gunst
gewisser Umstände zweierlei Sinn aussagen.

Beispiele stehen hier reichlich zur Verfügung:

(Nach +K. Fischer+.) Eine der ersten Regentenhandlungen des letzten
Napoleon war bekanntlich die Wegnahme der Güter der Orléans. Ein
vortreffliches Wortspiel sagte damals „C’est le premier +vol+ de
l’aigle.“ „Vol“ heißt +Flug+, aber auch +Raub+.

Ludwig XV. wünschte den Witz eines seiner Hofherren, von dessen Talent
man ihm erzählt hatte, auf die Probe zu stellen; bei der ersten
Gelegenheit befiehlt er dem Kavalier, einen Witz zu machen über ihn
selbst; er selbst, der König, wolle „Sujet“ dieses Witzes sein. Der
Hofmann antwortete mit dem geschickten Bonmot: „Le roi n’est pas
+sujet+.“ „Sujet“ heißt ja auch +Untertan+.

Der Arzt, der vom Krankenbett der Frau weggeht, sagt zu dem ihn
begleitenden Ehemanne kopfschüttelnd: Die Frau +gefällt+ mir nicht. Mir
+gefällt+ sie schon lange nicht, beeilt sich dieser zuzustimmen.

Der Arzt bezieht sich natürlich auf den Zustand der Frau, er hat aber
seine Besorgnis um die Kranke in solchen Worten ausgedrückt, daß der
Mann in ihnen die Bestätigung seiner ehelichen Abneigung finden kann.

Von einer satyrischen Komödie sagte +Heine+: „Diese Satyre wäre nicht
so +bissig+ geworden, wenn der Dichter mehr zu +beißen+ gehabt hätte.“
Dieser Witz ist eher ein Beispiel von metaphorischem und gemeinem
Doppelsinn als ein richtiges Wortspiel, aber wem läge daran, hier an
scharfen Grenzen festzuhalten?

Ein anderes gutes Wortspiel wird bei den Autoren (+Heymans+, +Lipps+)
in einer Form erzählt, durch die ein Verständnis desselben verhindert
wird.[18] Die richtige Fassung und Einkleidung fand ich unlängst in
einer sonst wenig brauchbaren Sammlung von Witzen.[19]

„+Saphir+ kam einst mit +Rothschild+ zusammen. Sie hatten kaum ein
Weilchen miteinander geplaudert, als +Saphir+ sagte: ‚Hören Sie,
+Rothschild+, meine Kasse ist dünn geworden, Sie könnten mir 100
Dukaten pumpen.‘ ‚Je nun,‘ erwiderte +Rothschild+, ‚darauf soll es
mir nicht ankommen, aber nur unter der Bedingung, daß Sie einen Witz
machen.‘ ‚Darauf soll’s mir ebenfalls nicht ankommen,‘ versetzte
+Saphir+. ‚Gut, so kommen Sie morgen auf mein Bureau.‘ +Saphir+ stellte
sich pünktlich ein. ‚Ach,‘ sagte +Rothschild+, als er den Eintretenden
gewahrte, ‚+Sie kommen um Ihre 100 Dukaten+.‘ ‚Nein,‘ erwiderte dieser,
‚+Sie kommen um Ihre 100 Dukaten+, da es mir bis zum jüngsten Tage
nicht einfallen wird, sie wieder zu bezahlen.‘“

„Was +stellen+ diese Statuen +vor+?“ fragt ein Fremder einen
einheimischen Berliner angesichts einer Front von Denkmälern auf einem
öffentlichen Platz. „Je nu,“ antwortet dieser, „+entweder das rechte
oder das linke Bein+.“[20]

+Heine+ in der Harzreise: „Auch sind mir in diesem Augenblicke nicht
alle Studenten+namen+ im Gedächtnisse und unter den Professoren sind
manche, die noch gar keinen +Namen+ haben.“

Wir üben uns vielleicht in der diagnostischen Differenzierung, wenn
wir hier einen anderen allbekannten Professorenwitz anschließen. „Der
Unterschied zwischen +ordentlichen+ und +außerordentlichen+ Professoren
besteht darin, daß die +ordentlichen+ nichts +außerordentliches+
und die +außerordentlichen+ nichts +ordentliches+ leisten.“ Das ist
gewiß ein Spiel mit den zwei Bedeutungen der Worte „ordentlich“ und
„außerordentlich“, in und außer der Ordo (dem Stande) einerseits und
tüchtig, beziehungsweise hervorragend, anderseits. Die Übereinstimmung
dieses Witzes aber mit anderen uns bekannt gewordenen Beispielen mahnt
uns daran, daß hier die mehrfache Verwendung weit auffälliger ist
als der Doppelsinn. Man hört ja in dem Satz nichts anderes als das
immer wiederkehrende „+ordentlich+“, bald als solches, bald negativ
modifiziert (vgl. S. 23). Außerdem ist hier wiederum das Kunststück
vollbracht, einen Begriff durch seinen Wortlaut zu definieren (vgl.
Eifersucht ist eine Leidenschaft usw.), genauer beschrieben, zwei
korrelative Begriffe durcheinander, wenn auch negativ, zu definieren,
was eine kunstvolle Verschränkung ergibt. Endlich kann man den
Gesichtspunkt der Unifizierung auch hier hervorheben, die Herstellung
eines innigeren Zusammenhanges zwischen den Elementen der Aussage, als
man nach deren Natur zu erwarten ein Recht hätte.

+Heine+ in der Harzreise: „Der Pedell Sch. grüßte mich sehr
kollegialisch, denn er ist ebenfalls Schriftsteller und hat meiner
in seinen halbjährigen Schriften oft erwähnt; wie er mich denn auch
außerdem oft +zitiert+ hat, und wenn er mich nicht zu Hause fand,
immer so gütig war, die +Zitation+ mit Kreide auf meine Stubentür zu
schreiben.“

Der „Wiener Spaziergänger“ +D. Spitzer+ fand für einen sozialen Typus,
der zur Zeit des Gründertums blühte, die lakonische, aber gewiß auch
sehr witzige, biographische Charakteristik:

„+Eiserne+ Stirne -- +eiserne+ Kasse -- +eiserne+ Krone.“ (Letzteres
ein Orden, mit dessen Verleihung der Adelsstand verknüpft war.) Eine
ganz ausgezeichnete Unifizierung, alles gleichsam aus Eisen! Die
verschiedenen, aber nicht sehr auffällig miteinander kontrastierenden
Bedeutungen des Beiwortes „eisern“ ermöglichen diese „mehrfachen
Verwendungen“.

[Sidenote: Zweideutigkeit.]

Ein anderes Wortspiel mag uns den Übergang zu einer neuen Unterart der
Doppelsinntechnik erleichtern. Der auf S. 26 erwähnte witzige Kollege
ließ sich zur Zeit des Dreyfushandels den Witz zu Schulden kommen:

„Dieses Mädchen erinnert mich an Dreyfus. Die Armee glaubt nicht an
ihre +Unschuld+.“

Das Wort „Unschuld“, auf dessen Doppelsinn der Witz aufgebaut ist, hat
in dem einen Zusammenhang den gebräuchlichen Sinn mit dem Gegensatz:
Verschulden, Verbrechen, in dem anderen aber einen sexuellen Sinn,
dessen Gegensatz sexuelle Erfahrung ist. Nun gibt es sehr viele
derartige Beispiele von Doppelsinn, und in ihnen allen kommt es für die
Wirkung des Witzes ganz besonders auf den sexuellen Sinn an. Man könnte
für diese Gruppe etwa die Bezeichnung „+Zweideutigkeit+“ reservieren.

Ein ausgezeichnetes Beispiel solch eines zweideutigen Witzes ist der
auf Seite 22 mitgeteilte von +D. Spitzer+:

„Nach der Ansicht der einen soll der Mann +viel verdient+ und +sich
dabei etwas zurückgelegt+ haben, nach anderen wieder soll +sich+ die
Frau +etwas zurückgelegt+ und dabei +viel+ verdient haben.“

Vergleicht man aber dieses Beispiel von Doppelsinn mit Zweideutigkeit
mit anderen, so fällt ein Unterschied ins Auge, der für die Technik
nicht ganz belanglos ist. In dem Witz von der „Unschuld“ liegt der
eine Sinn des Wortes unserem Erfassen ebenso nahe wie der andere; man
wüßte wirklich nicht zu unterscheiden, ob die sexuelle oder die nicht
sexuelle Bedeutung des Wortes die gebräuchlichere und uns vertrautere
ist. Anders in dem Beispiel von +D. Spitzer+; in diesem ist der eine,
banale, Sinn der Worte „sich etwas zurückgelegt“, der bei weitem
aufdringlichere, verdeckt und versteckt gleichsam den sexuellen Sinn,
der einem Arglosen etwa gar entgehen könnte. Setzen wir zum scharfen
Gegensatz ein anderes Beispiel von Doppelsinn hin, in dem auf solches
Verstecken der sexuellen Bedeutung verzichtet ist, z. B. +Heines+
Charakterschilderung einer gefälligen Dame: „Sie konnte nichts
+abschlagen+ außer ihr Wasser.“ Es klingt wie eine Zote, der Eindruck
des Witzes kommt kaum zur Geltung.[21] Nun kann die Eigentümlichkeit,
daß die beiden Bedeutungen des Doppelsinnes uns nicht gleich nahe
liegen, auch bei Witzen ohne sexuelle Beziehung vorkommen, sei es, daß
der eine Sinn der an sich der gebräuchlichere ist, sei es, daß er durch
den Zusammenhang mit den anderen Teilen des Satzes vorangestellt wird
(z. B. c’est le premier +vol+ de l’aigle); alle diese Fälle schlage ich
vor als +Doppelsinn mit Anspielung+ zu bezeichnen.

       *       *       *       *       *

Wir haben bis jetzt bereits eine so große Anzahl verschiedener
Techniken des Witzes kennen gelernt, daß ich fürchten muß, wir könnten
die Übersicht über dieselben verlieren. Versuchen wir darum eine
Zusammenstellung derselben:

  I. Die Verdichtung:
    _a_) mit Mischwortbildung,
    _b_) mit Modifikation.

  II. Die Verwendung des nämlichen Materials:
    _c_) Ganzes und Teile,
    _d_) Umordnung,
    _e_) leichte Modifikation,
    _f_) dieselben Worte voll und leer.

  III. Doppelsinn:
    _g_) Name und Sachbedeutung,
    _h_) metaphorische und sachliche Bedeutung,
    _i_) eigentlicher Doppelsinn (Wortspiel),
    _k_) Zweideutigkeit,
    _l_) Doppelsinn mit Anspielung.

[Sidenote: Die Tendenz zur Ersparung.]

Diese Mannigfaltigkeit wirkt verwirrend. Sie könnte uns mißmutig werden
lassen, daß wir uns gerade der Beschäftigung mit den technischen
Mitteln des Witzes zugewendet haben, und könnte uns argwöhnen lassen,
daß wir deren Bedeutung für eine Erkenntnis des Wesentlichen am Witze
doch überschätzen. Stände dieser erleichternden Vermutung nicht die
eine unabweisbare Tatsache im Wege, daß der Witz jedesmal aufgehoben
ist, sobald wir die Leistung dieser Techniken im Ausdruck wegräumen!
Wir werden also doch darauf hingewiesen, die Einheit in dieser
Mannigfaltigkeit zu suchen. Es müßte möglich sein, alle diese Techniken
unter einen Hut zu bringen. Die zweite und dritte Gruppe zu vereinigen
ist nicht schwierig, wie wir uns schon gesagt haben. Der Doppelsinn,
das Wortspiel ist ja nur der ideale Fall von Verwendung des nämlichen
Materials. Letzterer ist dabei offenbar der umfassendere Begriff.
Die Beispiele von Zerteilung, Umordnung des gleichen Materials,
mehrfacher Verwendung mit leichter Modifikation (_c_, _d_, _e_) würden
sich dem Begriff des Doppelsinnes nicht ohne Zwang unterordnen. Aber
welche Gemeinsamkeit gibt es zwischen der Technik der ersten Gruppe
-- Verdichtung mit Ersatzbildung -- und jener der beiden anderen,
mehrfache Verwendung des nämlichen Materials?

Nun, eine sehr einfache und deutliche, sollt’ ich meinen. Die
Verwendung des nämlichen Materials ist ja nur ein Spezialfall der
Verdichtung; das Wortspiel ist nichts anderes als eine Verdichtung
+ohne+ Ersatzbildung; die Verdichtung bleibt die übergeordnete
Kategorie. Eine zusammendrängende oder richtiger +ersparende+ Tendenz
beherrscht alle diese Techniken. Es scheint alles Sache der Ökonomie zu
sein, wie Prinz +Hamlet+ sagt (Thrift, Horatio, Thrift!).

Machen wir die Probe auf diese Ersparnis an den einzelnen Beispielen.
„C’est le premier vol de l’aigle.“ Das ist der erste Flug des Adlers.
Ja, aber es ist ein Raubausflug. Vol bedeutet zum Glück für die
Existenz dieses Witzes sowohl „Flug“ als auch „Raub“. Ist dabei nichts
verdichtet und erspart worden? Gewiß der ganze zweite Gedanke, und zwar
ist er ohne Ersatz fallen gelassen worden. Der Doppelsinn des Wortes
+vol+ macht solchen Ersatz überflüssig, oder eben so richtig: Das Wort
+vol+ enthält den Ersatz für den unterdrückten Gedanken, ohne daß der
erste Satz darum einen Zusatz oder eine Abänderung brauchte. Das eben
ist die Wohltat des Doppelsinnes.

Ein anderes Beispiel: Eiserne Stirne -- eiserne Kasse -- eiserne Krone.
Welch außerordentliche Ersparnis gegen eine Ausführung des Gedankens,
in welcher der Ausdruck das „+eisern+“ nicht gefunden hätte! „Mit der
nötigen Frechheit und Gewissenlosigkeit ist es nicht schwer, ein großes
Vermögen zu erwerben, und zur Belohnung für solche Verdienste bleibt
natürlich der Adel nicht aus.“

Ja, in diesen Beispielen ist die Verdichtung, also die Ersparnis,
unverkennbar. Sie soll aber in allen nachweisbar sein. Wo steckt
nun die Ersparnis in solchen Witzen wie +Rousseau -- roux et sot+,
+Antigone -- antik? o -- nee+, in denen wir zuerst die Verdichtung
vermißt haben, die uns vor allem bewegen haben, die Technik der
mehrfachen Verwendung des nämlichen Materials aufzustellen? Hier würden
wir allerdings mit der Verdichtung nicht durchkommen, aber wenn wir
diese mit dem ihr übergeordneten Begriff der „Ersparnis“ vertauschen,
geht es ohne Schwierigkeit. Was wir in den Beispielen Rousseau,
Antigone usw. ersparen, ist leicht zu sagen. Wir ersparen es, eine
Kritik zu äußern, ein Urteil zu bilden, beides ist im Namen selbst
schon gegeben. Im Beispiel der Leidenschaft -- Eifersucht ersparen
wir es uns, eine Definition mühsam zusammenzustellen: Eifersucht,
Leidenschaft und -- Eifer sucht, Leiden schafft; die Füllworte dazu
und die Definition ist fertig. Ähnliches gilt für alle anderen bisher
analysierten Beispiele. Wo am wenigsten erspart wird, wie in dem
Wortspiel von +Saphir+: „Sie kommen um Ihre 100 Dukaten,“ da wird
wenigstens erspart, den Wortlaut der Antwort neu zu bilden; der
Wortlaut der Anrede genügt auch zur Antwort. Es ist wenig, aber nur in
diesem Wenigen liegt der Witz. Die mehrfache Verwendung der nämlichen
Worte zur Anrede wie zur Antwort gehört gewiß zum „Sparen“. Ganz, wie
+Hamlet+ die rasche Aufeinanderfolge des Todes seines Vaters und der
Hochzeit seiner Mutter aufgefaßt sehen will:

                  „Das Gebackene
  Vom Leichenschmaus gab kalte Hochzeitsschüsseln.“

Ehe wir aber die „Tendenz zur Ersparnis“ als den allgemeinsten
Charakter der Witztechnik annehmen und die Fragen stellen, woher sie
stammt, was sie bedeutet und wieso der Lustgewinn des Witzes aus ihr
entspringt, wollen wir einem Zweifel Raum gönnen, der ein Recht hat,
angehört zu werden. Mag es sein, daß jede Witztechnik die Tendenz
zeigt, mit dem Ausdruck zu sparen, aber die Beziehung ist nicht
umkehrbar. Nicht jede Ersparung am Ausdruck, jede Kürzung, ist darum
auch witzig. Wir standen schon einmal an dieser Stelle, damals als wir
noch bei jedem Witz den Verdichtungsvorgang nachzuweisen hofften, und
damals machten wir uns den berechtigten Einwand, ein Lakonismus sei
noch kein Witz. Es müßte also eine besondere Art von Verkürzung und
von Ersparnis sein, an welcher der Charakter des Witzes hinge, und
solange wir diese Besonderheit nicht kennen, bringt uns die Auffindung
des Gemeinsamen in der Witztechnik der Lösung unserer Aufgabe nicht
näher. Außerdem finden wir den Mut zu bekennen, daß die Ersparungen,
welche die Witztechnik macht, uns nicht zu imponieren vermögen. Sie
erinnern vielleicht an die Art, wie manche Hausfrauen sparen, wenn
sie, um einen entlegenen Markt aufzusuchen, Zeit und Geld für die
Fahrt aufwenden, weil dort das Gemüse um einige Heller wohlfeiler
zu haben ist. Was erspart sich der Witz durch seine Technik? Einige
neue Worte zusammenzufügen, die sich meist mühelos ergeben hätten;
anstatt dessen muß er sich die Mühe geben, das eine Wort aufzusuchen,
welches ihm beide Gedanken deckt; ja er muß oft erst den Ausdruck des
einen Gedankens in eine nicht gebräuchliche Form umwandeln, bis diese
ihm den Anhalt zur Zusammenfassung mit dem zweiten Gedanken ergeben
kann. Wäre es nicht einfacher, leichter und eigentlich sparsamer
gewesen, die beiden Gedanken so auszudrücken, wie es sich eben trifft,
auch wenn dabei keine Gemeinsamkeit des Ausdruckes zu stande kommt?
Wird die Ersparnis an geäußerten Worten nicht durch den Aufwand an
intellektueller Leistung mehr als aufgehoben? Und wer macht dabei die
Ersparung, wem kommt sie zu gute?

Wir können diesen Zweifeln vorläufig entgehen, wenn wir den Zweifel
selbst an eine andere Stelle versetzen. Kennen wir wirklich bereits
alle Arten der Witztechnik? Es ist sicherlich vorsichtiger, neue
Beispiele zu sammeln und der Analyse zu unterziehen.

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Kalauer.]

Wir haben in der Tat einer großen, vielleicht der zahlreichsten
Gruppe von Witzen noch nicht gedacht und uns dabei vielleicht durch
die Geringschätzung beeinflussen lassen, welche diesen Witzen zu teil
geworden ist. Es sind die, welche gemeinhin +Kalauer+ (Calembourgs)
genannt werden und für die niedrigste Abart des Wohnsitzes gelten,
wahrscheinlich, weil sie am „billigsten“ sind, mit leichtester
Mühe gemacht werden können. Und wirklich stellen sie den mindesten
Anspruch an die Technik des Ausdrucks wie das eigentliche Wortspiel
den höchsten. Wenn bei letzterem die beiden Bedeutungen in dem
identischen und darum meist nur einmal gesetzten Wort ihren Ausdruck
finden sollen, so genügt beim Kalauer, daß die zwei Worte für die
beiden Bedeutungen durch irgend eine, aber unübersehbare Ähnlichkeit
aneinander erinnern, sei es durch eine allgemeine Ähnlichkeit ihrer
Struktur, einen reimartigen Gleichklang, die Gemeinsamkeit einiger
anlautender Buchstaben u. dgl. Eine Häufung solcher, nicht ganz
treffend, „Klangwitze“ benannter Beispiele findet sich in der Predigt
des Kapuziners in Wallensteins Lager:

    „Kümmert sich mehr um den +Krug+ als den +Krieg+,
    Wetzt lieber den +Schnabel+ als den +Sabel+,

    Frißt den +Ochsen+ lieber als den +Oxenstirn’+,

    Der +Rheinstrom+ ist geworden zu einem +Peinstrom+,
    Die +Klöster+ sind ausgenommene +Nester+,
    Die +Bistümer+ sind verwandelt in +Wüsttümer+,

    Und alle die gesegneten deutschen +Länder+
    Sind verkehrt worden in +Elender+.“

Besonders gern modifiziert der Witz einen der Vokale des Wortes,
z. B.: Von einem kaiserfeindlichen italienischen Dichter, der dann
doch genötigt war, einen deutschen Kaiser in Hexametern zu besingen,
sagt +Hevesi+ (Almanaccando, Reisen in Italien, S. 87): Da er die
+Caes=a=ren+ nicht auszurotten vermag, merzt er wenigstens die
+Caes=u=ren+ aus.

Bei der Fülle von Kalauern, die uns zur Verfügung stünden, hat es
vielleicht noch ein besonderes Interesse, ein wirklich schlechtes
Beispiel hervorzuheben, das +Heine+ zur Last fällt. Nachdem er sich
(Buch Le Grand, Kapit. V) durch lange Zeit vor seiner Dame als
„indischer Prinz“ gebärdet, wirft er dann die Maske ab und gesteht:
„Madame! Ich habe Sie belogen ... Ich war ebensowenig jemals in
+Kalkutta+, wie der +Kalkuten+braten, den ich gestern Mittag gegessen.“
Offenbar liegt der Fehler dieses Witzes darin, daß die beiden ähnlichen
Worte nicht mehr bloß ähnlich, sondern eigentlich identisch sind. Der
Vogel, dessen Braten er gegessen, heißt so, weil er aus dem nämlichen
Kalkutta stammt oder stammen soll.

+K. Fischer+ hat diesen Formen des Witzes große Aufmerksamkeit
geschenkt und will sie von den „Wortspielen“ scharf getrennt wissen
(S. 78). „Das Calembour ist das schlechte Wortspiel, denn es spielt
mit dem Wort nicht als Wort, sondern als Klang.“ Das Wortspiel aber
„geht von dem Klange des Wortes in das Wort selbst ein“. Anderseits
zählt er auch Witze wie „famillionär“, Antigone (antik? o nee) usw.
zu den Klangwitzen. Ich sehe keine Nötigung, ihm hierin zu folgen.
Auch im Wortspiel ist das Wort für uns nur ein Klangbild, mit dem sich
dieser oder jener Sinn verbindet. Der Sprachgebrauch macht aber auch
hier wieder keine scharfen Unterschiede, und wenn er den „Kalauer“ mit
Mißachtung, das „Wortspiel“ mit einem gewissen Respekt behandelt, so
scheinen diese Wertungen durch andere als technische Gesichtspunkte
bedingt zu sein. Man achte einmal darauf, welcher Art die Witze sind,
die man als „Kalauer“ zu hören bekommt. Es gibt Personen, welche die
Gabe besitzen, wenn sie in aufgeräumter Stimmung sind, durch längere
Zeit jede an sie gerichtete Rede mit einem Kalauer zu beantworten.
Einer meiner Freunde, sonst das Muster der Bescheidenheit, wenn seine
ernsthaften Leistungen in der Wissenschaft in Rede stehen, pflegt
dergleichen auch von sich zu rühmen. Als die Gesellschaft, die er einst
so in Atem erhielt, der Verwunderung über seine Ausdauer Ausdruck gab,
sagte er: „Ja, ich liege hier auf der +Ka-Lauer+,“ und als man ihn bat
endlich aufzuhören, stellte er die Bedingung, daß man ihn zum +Poeta
Ka-laureatus+ ernenne. Beides sind aber vortreffliche Verdichtungswitze
mit Mischwortbildung. (Ich liege hier auf der +Lauer+, um +Kalauer+ zu
machen.)

Jedenfalls aber entnehmen wir schon aus den Streitigkeiten über
die Abgrenzung von Kalauer und Wortspiel, daß ersterer uns nicht
zur Kenntnis einer völlig neuen Witztechnik verhelfen kann. Wenn
beim Kalauer auch der Anspruch auf die mehrsinnige Verwendung des
+nämlichen+ Materials aufgegeben ist, so fällt doch der Akzent auf das
Wiederfinden des Bekannten, auf die Übereinstimmung der beiden dem
Kalauer dienenden Worte, und somit ist dieser nur eine Unterart der
Gruppe, die im eigentlichen Wortspiel, ihren Gipfel erreicht.

       *       *       *       *       *

Es gibt aber wirklich Witze, deren Technik fast jegliche Anknüpfung an
die der bisher betrachteten Gruppen vermissen läßt.

Man erzählt von +Heine+, daß er sich eines Abends in einem Pariser
Salon mit dem Dichter +Soulié+ befunden und unterhalten habe,
unterdessen tritt einer jener Pariser Geldkönige in den Saal, die
man nicht bloß um des Geldes willen mit Midas vergleicht, und sieht
sich bald von einer Menge umringt, die ihn mit größter Ehrerbietung
behandelt. „Sehen Sie doch,“ sagt +Soulié+ zu +Heine+, „wie dort das
neunzehnte Jahrhundert das goldene Kalb anbetet.“ Mit einem Blick auf
den Gegenstand der Verehrung antwortet Heine, gleichsam berichtigend:
„+O, der muß schon älter sein+“ (+K. Fischer+, S. 82).

Worin ist nun die Technik dieses ausgezeichneten Witzes gelegen? In
einem Wortspiel, meint +K. Fischer+: „So kann z. B. das Wort ‚goldenes
Kalb‘ den Mammon und auch den Götzendienst bedeuten, im ersten Falle
ist das Gold, im zweiten das Tierbild die Hauptsache; es kann auch
dazu dienen, um nicht eben schmeichelhaft jemand zu bezeichnen, der
sehr viel Geld und sehr wenig Verstand hat“ (S. 82). Wenn wir die
Probe machen und den Ausdruck „goldenes Kalb“ wegschaffen, heben wir
allerdings auch den Witz auf. Wir lassen dann +Soulié+ sagen: „Sehen
Sie doch, wie die Leute den dummen Kerl umschwärmen, bloß weil er reich
ist,“ und das ist freilich gar nicht mehr witzig. +Heines+ Antwort wird
dann auch unmöglich.

Aber wir wollen uns besinnen, daß es ja sich gar nicht um den etwa
witzigen Vergleich +Souliés+, sondern um die Antwort +Heines+ handelt,
die gewiß weit witziger ist. Dann haben wir kein Recht an die Phrase
vom goldenen Kalb zu rühren, dieselbe bleibt als Voraussetzung für die
Worte +Heines+ bestehen und die Reduktion darf nur diese letzteren
betreffen. Wenn wir diese Worte: „O, der muß schon älter sein,“
ausführen, können wir sie nur etwa so ersetzen: „O, das ist kein Kalb
mehr, das ist schon ein ausgewachsener Ochs.“ Für den Witz +Heines+
erübrigte also, daß er das „goldene Kalb“ nicht mehr metaphorisch,
sondern persönlich genommen, auf den Geldmenschen selbst bezogen hätte.
Wenn dieser Doppelsinn nicht etwa schon in der Meinung +Souliés+
enthalten war!

Wie aber? Nun glauben wir zu bemerken, daß diese Reduktion den Witz
+Heines+ nicht völlig vernichtet, vielmehr dessen Wesentliches
unangetastet gelassen habe. Es lautet jetzt so, daß +Soulié+ sagt:
„Sehen Sie doch, wie dort das neunzehnte Jahrhundert das goldene Kalb
anbetet!“ und +Heine+ zur Antwort gibt: „O, das ist kein Kalb mehr,
das ist schon ein Ochs.“ Und in dieser reduzierten Fassung ist es noch
immer ein Witz. Eine andere Reduktion der Worte +Heines+ ist aber nicht
möglich.

Schade, daß dieses schöne Beispiel so komplizierte technische
Bedingungen enthält. Wir können an ihm zu keiner Klärung kommen,
verlassen es darum und suchen uns ein anderes, in dem wir eine innere
Verwandtschaft mit dem vorigen zu verspüren glauben.

Es sei einer der „Badewitze“, welche die Badescheu der Juden in
Galizien behandeln. Wir verlangen nämlich keinen Adelsbrief von
unseren Beispielen, wir fragen nicht nach ihrer Herkunft, sondern nur
nach ihrer Tüchtigkeit, ob sie uns zum Lachen zu bringen vermögen und
ob sie unseres theoretischen Interesses würdig sind. Beiden diesen
Anforderungen entsprechen aber gerade die Judenwitze am besten.

„Zwei Juden treffen in der Nähe des Badehauses zusammen. ‚+Hast du
genommen ein Bad?+‘ fragt der eine. ‚+Wieso?+‘ fragt der andere
dagegen, ‚+fehlt eins?+‘“

Wenn man über einen Witz recht herzlich lacht, ist man nicht gerade
in der geeignetsten Disposition, um seiner Technik nachzuforschen.
Darum bereitet es einige Schwierigkeiten, sich in diese Analysen
hineinzufinden. „Das ist ein komisches Mißverständnis,“ drängt sich
uns auf. -- Gut, aber die Technik dieses Witzes? -- Offenbar der
doppelsinnige Gebrauch des Wortes nehmen. Für den einen ist „nehmen“
das farblos gewordene Hilfswort; für den anderen das Verbum mit
unabgeschwächter Bedeutung. Also ein Fall von „voll“ und „leer“ nehmen
desselben Wortes (Gruppe II, f.). Ersetzen wir den Ausdruck „ein Bad
genommen“ durch den gleichwertigen einfacheren „gebadet“, so fällt der
Witz weg. Die Antwort paßt nicht mehr. Der Witz haftet also wiederum am
Ausdruck „genommen ein Bad“.

Ganz richtig, doch scheint es, daß auch in diesem Falle die Reduktion
an unrichtiger Stelle angesetzt hat. Der Witz liegt nicht in der
Frage, sondern in der Antwort, in der Gegenfrage: „Wieso? Fehlt eins?“
Und diese Antwort ist ihres Witzes durch keine Erweiterung oder
Veränderung, die nur ihren Sinn ungestört läßt, zu berauben. Auch haben
wir den Eindruck, daß in der Antwort des zweiten Juden das Übersehen
des Bades bedeutsamer ist als das Mißverständnis des Wortes „nehmen“.
Aber wir sehen auch hier noch nicht klar und wollen ein drittes
Beispiel suchen.

[Sidenote: Die Verschiebung.]

Wiederum ein Judenwitz, an dem aber nur das Beiwerk jüdisch ist, der
Kern ist allgemein menschlich. Gewiß hat auch dieses Beispiel seine
unerwünschten Komplikationen, aber zum Glück nicht diejenigen, welche
uns bisher klar zu sehen verhindert haben.

„Ein Verarmter hat sich von einem wohlhabenden Bekannten unter vielen
Beteuerungen seiner Notlage 25 fl. geborgt. Am selben Tage noch trifft
ihn der Gönner im Restaurant vor einer Schüssel Lachs mit Mayonnaise.
Er macht ihm Vorwürfe: ‚Wie, Sie leihen sich Geld von mir aus und dann
bestellen Sie sich Lachs mit Mayonnaise. Dazu haben Sie mein Geld
gebraucht?‘ ‚Ich verstehe Sie nicht,‘ antwortet der Beschuldigte, ‚wenn
ich kein Geld habe, +kann+ ich nicht essen Lachs mit Mayonnaise, wenn
ich Geld habe, +darf+ ich nicht essen Lachs mit Mayonnaise. +Also wann
soll ich eigentlich essen Lachs mit Mayonnaise?+‘“

Hier ist endlich nichts mehr von Doppelsinn zu entdecken. Auch die
Wiederholung von „Lachs mit Mayonnaise“ kann nicht die Technik des
Witzes enthalten, denn sie ist nicht „mehrfache Verwendung“ desselben
Materials, sondern durch den Inhalt geforderte wirkliche Wiederholung
des Identischen. Wir dürfen vor dieser Analyse eine Weile ratlos
bleiben, werden vielleicht zur Ausflucht greifen wollen, der Anekdote,
die uns lachen machte, den Charakter des Witzes zu bestreiten.

Was läßt sich sonst Bemerkenswertes über die Antwort des Verarmten
sagen? Daß ihr in eigentlich auffälliger Weise der Charakter des
Logischen verliehen ist. Mit Unrecht aber, die Antwort ist ja
unlogisch. Der Mann verteidigt sich dagegen, daß er das ihm geliehene
Geld für den Leckerbissen verwendet hat, und fragt mit einem Schein
von Recht -- +wann+ er denn eigentlich Lachs essen darf. Aber das ist
gar nicht die richtige Antwort; der Geldgeber wirft ihm nicht vor,
daß er sich den Lachs gerade an dem Tage gegönnt, an dem er sich das
Geld geborgt, sondern mahnt ihn daran, daß er in seinen Verhältnissen
+überhaupt nicht+ das Recht habe, an solche Leckerbissen zu denken.
Diesen einzig möglichen Sinn des Vorwurfes läßt der verarmte Bonvivant
unberücksichtigt, antwortet, als ob er den Vorwurf mißverstanden hätte,
auf etwas anderes.

Wenn nun gerade in dieser +Ablenkung+ der Antwort von dem Sinn des
Vorwurfes die Technik dieses Witzes gelegen wäre? Eine ähnliche
Veränderung des Standpunktes, Verschiebung des psychischen Akzents wäre
dann vielleicht auch in den beiden früheren Beispielen, die wir als
verwandt empfunden haben, nachzuweisen.

Siehe da, dieser Nachweis gelingt ganz leicht und deckt in der Tat die
Technik dieser Beispiele auf. +Soulié+ macht +Heine+ darauf aufmerksam,
daß die Gesellschaft im neunzehnten Jahrhundert das „goldene Kalb“
anbetet, gerade so wie einst das Volk der Juden in der Wüste. Dazu
paßte eine Antwort von +Heine+ etwa wie: „Ja, so ist die menschliche
Natur, die Jahrtausende haben an ihr nichts geändert,“ oder irgend
etwas anderes Beipflichtendes. +Heine+ lenkt aber in seiner Antwort von
dem angeregten Gedanken ab, er antwortet überhaupt nicht darauf, er
bedient sich des Doppelsinnes, dessen die Phrase „goldenes Kalb“ fähig
ist, um einen Seitenweg einzuschlagen, greift den einen Bestandteil der
Phrase, das „Kalb“, auf und antwortet, als ob auf dieses der Akzent in
der Rede +Souliés+ gefallen wäre: „O, das ist kein Kalb mehr“ usw.[22]

Noch deutlicher ist die Ablenkung im Badewitz. Dieses Beispiel fordert
eine graphische Darstellung heraus.

Der erste fragt: „Hast du genommen ein +Bád+?“ Der Akzent ruht auf dem
Element Bad.

Der zweite antwortet, als hätte die Frage gelautet: „Hast du +genommen+
ein Bad?“

Der Wortlaut „genommen ein Bad?“ soll nur diese Verschiebung des
Akzents ermöglichen. Lautete es: „Hast du gebadet?“ so wäre ja jede
Verschiebung unmöglich. Die unwitzige Antwort wäre dann: „Gebadet? Was
meinst du? Ich weiß nicht, was das ist.“ Die Technik des Witzes aber
liegt in der Verschiebung des Akzents von „Baden“ auf „nehmen“.[23]

Kehren wir zum Beispiel „Lachs mit Mayonnaise“ als dem reinsten
zurück. Das Neue an demselben darf uns nach verschiedenen Richtungen
beschäftigen. Zunächst müssen wir die hier aufgedeckte Technik
mit einem Namen belegen. Ich schlage vor, sie als +Verschiebung+
zu bezeichnen, weil das Wesentliche an ihr die Ablenkung des
Gedankenganges, die Verschiebung des psychischen Akzents auf ein
anderes als das angefangene Thema ist. Sodann obliegt uns die
Untersuchung, in welchem Verhältnis die Verschiebungstechnik zum
Ausdruck des Witzes steht. Unser Beispiel (Lachs mit Mayonnaise) läßt
uns erkennen, daß der Verschiebungswitz im hohen Grade unabhängig
vom wörtlichen Ausdruck ist. Er hängt nicht am Worte, sondern am
Gedankengange. Um ihn wegzuschaffen, fruchtet uns keine Ersetzung der
Worte bei Festhaltung des Sinnes der Antwort. Die Reduktion ist nur
möglich, wenn wir den Gedankengang abändern und den Feinschmecker auf
den Vorwurf direkt antworten lassen, welchem er in der Fassung des
Witzes ausgewichen ist. Die reduzierte Fassung würde dann lauten: „Was
mir schmeckt, kann ich mir nicht versagen, und woher ich das Geld dafür
nehme, ist mir gleichgültig. Da haben Sie die Erklärung, warum ich
gerade heute Lachs mit Mayonnaise esse, nachdem Sie mir Geld geliehen
haben.“ -- Das wäre aber kein Witz, sondern ein +Zynismus+.

Es ist lehrreich, diesen Witz mit einem ihm dem Sinne nach sehr
nahestehenden zu vergleichen:

Ein Mann, der dem Trunk ergeben ist, ernährt sich in einer kleinen
Stadt durch Lektionengeben. Sein Laster wird aber allmählich bekannt,
und er verliert infolgedessen die meisten seiner Schüler. Ein Freund
wird beauftragt, ihn zur Besserung zu mahnen. „Sehen Sie, Sie könnten
die schönsten Lektionen in der Stadt haben, wenn Sie das Trinken
aufgeben wollten. Also tun Sie’s doch.“ -- „Wie kommen Sie mir vor?“
ist die entrüstete Antwort. „+Ich geb Lektionen, damit ich trinken
kann; soll ich das Trinken aufgeben, damit ich Lektionen bekomme!+“

Auch dieser Witz trägt den Anschein von Logik, der uns bei „Lachs mit
Mayonnaise“ aufgefallen ist, aber er ist kein Verschiebungswitz mehr.
Die Antwort ist eine direkte. Der Zynismus, der dort verhüllt ist, wird
hier offen eingestanden. -- „Das Trinken ist mir ja die Hauptsache.“
Die Technik dieses Witzes ist eigentlich recht armselig und kann uns
dessen Wirkung nicht erklären, sie liegt nur in der Umordnung des
gleichen Materials, strenger genommen in der Umkehrung der Mittel-
und Zweck-Relation zwischen dem Trinken und dem Lektionengeben oder
-bekommen. Sowie ich in der Reduktion dieses Moment im Ausdruck nicht
mehr betone, habe ich den Witz verwischt, also etwa so: „Was ist das
für unsinnige Zumutung? Mir ist doch das Trinken die Hauptsache, nicht
die Lektionen. Die Lektionen sind für mich doch nur ein Mittel, um
weiter trinken zu können.“ Der Witz haftete also wirklich am Ausdruck.

Im Badewitz ist die Abhängigkeit des Witzes vom Wortlaut (Hast du
genommen ein Bad?) unverkennbar, und die Abänderung desselben bringt
die Aufhebung des Witzes mit sich. Die Technik ist hier nämlich eine
kompliziertere, eine Verbindung von Doppelsinn (von der Unterart f.)
und Verschiebung. Der Wortlaut der Frage läßt einen Doppelsinn zu,
und der Witz kommt dadurch zu stande, daß die Antwort nicht an den
vom Fragesteller beabsichtigten, sondern an den Nebensinn anknüpft.
Wir sind demgemäß im stande, eine Reduktion zu finden, welche den
Doppelsinn im Ausdruck bestehen läßt und doch den Witz aufhebt, indem
wir bloß die Verschiebung rückgängig machen:

„Hast du genommen ein Bad?“ -- „Was soll ich genommen haben? Ein Bad?
Was ist das?“ Das ist aber kein Witz mehr, sondern eine gehässige oder
scherzhafte Übertreibung.

Eine ganz ähnliche Rolle spielt der Doppelsinn im +Heine+schen Witz
über das „goldene Kalb“. Er ermöglicht der Antwort die Ablenkung von
dem angeregten Gedankengang, welche im Witz von Lachs mit Mayonnaise
ohne solche Anlehnung an den Wortlaut geschieht. In der Reduktion
würden die Rede +Souliés+ und die Antwort +Heines+ etwa lauten: „Es
erinnert doch lebhaft an die Anbetung des goldenen Kalbes, wie die
Gesellschaft hier den Mann, bloß weil er so reich ist, umschwärmt.“
Und +Heine+: „Daß er wegen seines Reichtums so gefeiert wird, finde
ich nicht das Ärgste. Aber Sie betonen mir zu wenig, daß man ihm wegen
seines Reichtums seine Dummheit verzeiht.“ Damit wäre bei Erhaltung des
Doppelsinnes der Verschiebungswitz aufgehoben.

An dieser Stelle dürfen wir uns auf den Einwand gefaßt machen, daß uns
vorgehalten werde, diese heikeln Unterscheidungen suchen auseinander
zu reißen, was doch zusammengehöre. Gibt nicht jeder Doppelsinn Anlaß
zu einer Verschiebung, zu einer Ablenkung des Gedankenganges von dem
einen Sinn zum anderen? Und wir sollten damit einverstanden sein,
daß „Doppelsinn“ und „Verschiebung“ als Repräsentanten zweier ganz
verschiedener Typen der Witztechnik aufgestellt werden? Nun, diese
Beziehung zwischen Doppelsinn und Verschiebung besteht allerdings,
aber sie hat mit unserer Unterscheidung der Witztechniken nichts
zu tun. Beim Doppelsinn enthält der Witz nichts als ein mehrfacher
Deutung fähiges Wort, welches dem Hörer gestattet, den Übergang von
einem Gedanken zu einem anderen zu finden, den man etwa -- mit einigem
Zwang -- einer Verschiebung gleichstellen kann. Beim Verschiebungswitz
aber enthält der Witz selbst einen Gedankengang, in dem eine solche
Verschiebung vollzogen ist; die Verschiebung gehört hier der Arbeit an,
die den Witz hergestellt hat, nicht jener, die zu seinem Verständnis
notwendig ist. Sollte uns dieser Unterschied nicht einleuchten, so
haben wir an den Reduktionsversuchen ein nie versagendes Mittel,
uns denselben greifbar vor Augen zu führen. Einen Wert wollen wir
aber jenem Einwand nicht bestreiten. Wir werden durch ihn aufmerksam
gemacht, daß wir die psychischen Vorgänge bei der Bildung des Witzes
(die Witzarbeit) nicht mit den psychischen Vorgängen bei der Aufnahme
des Witzes (die Verständnisarbeit) zusammenwerfen dürfen. Nur die
ersteren sind der Gegenstand unserer gegenwärtigen Untersuchung.[24][25]

[Sidenote: Verschiebung und Doppelsinn.]

Gibt es noch andere Beispiele der Verschiebungstechnik? Sie sind nicht
leicht aufzufinden. Ein ganz reines Beispiel, dem auch die bei unserem
Vorbild so sehr überbetonte Logik abgeht, ist folgender Witz:

Ein Pferdehändler empfiehlt dem Kunden ein Reitpferd: „Wenn Sie dieses
Pferd nehmen und sich um 4 Uhr früh aufsetzen, sind Sie um ½7 Uhr in
Preßburg.“ -- „Was mach’ ich in Preßburg um ½7 Uhr früh?“

Die Verschiebung ist hier wohl eklatant. Der Händler erwähnt die
frühe Ankunft in der kleinen Stadt offenbar nur in der Absicht, die
Leistungsfähigkeit des Pferdes an einer Probe zu beweisen. Der Kunde
sieht von dem Leistungsvermögen des Tieres, das er weiter nicht in
Zweifel zieht, ab und geht bloß auf die Daten des zur Probe gewählten
Beispieles ein. Die Reduktion dieses Witzes ist dann nicht schwer zu
geben.

Mehr Schwierigkeiten bietet ein anderes, in seiner Technik recht
undurchsichtiges Beispiel, welches sich aber doch als Doppelsinn mit
Verschiebung auflösen läßt. Der Witz erzählt von der Ausflucht eines
Schadchens (jüdischen Heiratsvermittlers), gehört also zu einer Gruppe,
die uns noch mehrfach beschäftigen wird.

Der Schadchen hat dem Bewerber versichert, daß der Vater des Mädchens
nicht mehr am Leben ist. Nach der Verlobung stellt sich heraus, daß
der Vater noch lebt und eine Kerkerstrafe abbüßt. Der Bewerber macht
nun dem Schadchen Vorwürfe. „Nun,“ meint dieser, „was habe ich Ihnen
gesagt? Ist denn das +ein Leben+?“

Der Doppelsinn liegt in dem Worte „Leben“ und die Verschiebung besteht
darin, daß der Schadchen sich von dem gemeinen Sinn des Wortes, in
dem es den Gegensatz zu „Tod“ bildet, auf den Sinn wirft, den das
Wort in der Redensart: Das ist kein Leben, hat. Er erklärt dabei
seine damalige Äußerung nachträglich für doppelsinnig, obwohl diese
mehrfache Bedeutung gerade hier recht fern liegt. Soweit wäre die
Technik ähnlich wie im Witz vom „goldenen Kalb“ und im „Badewitz“.
Aber es ist hier noch ein anderes Moment zu beachten, welches durch
seine Vordringlichkeit das Verständnis der Technik stört. Man
könnte sagen, dieser Witz sei ein „charakterisierender“, er bemüht
sich, die für den Heiratsvermittler charakteristische Mischung von
verlogener Dreistigkeit und schlagfertigem Witz durch ein Beispiel
zu illustrieren. Wir werden hören, daß dies nur die Schauseite,
die Fassade, des Witzes ist; sein Sinn, d. h. seine Absicht, ist
eine andere. Wir schieben es auch auf, eine Reduktion von ihm zu
versuchen.[26]

Nach diesen komplizierten und schwierig zu analysierenden Beispielen
wird es uns wiederum Befriedigung bereiten, wenn wir in einem Falle ein
völlig reines und durchsichtiges Vorbild eines „Verschiebungswitzes“ zu
erkennen vermögen. „Ein Schnorrer trägt dem reichen Baron seine Bitte
um Gewährung einer Unterstützung für die Reise nach Ostende vor; die
Ärzte hätten ihm Seebäder zur Herstellung seiner Gesundheit empfohlen.
‚Gut, ich will Ihnen etwas dazu geben,‘ meint der Reiche; ‚aber müssen
Sie gerade nach Ostende gehen, dem teuersten aller Seebäder?‘ -- ‚Herr
Baron,‘ lautet die zurechtweisende Antwort, ‚für meine Gesundheit
ist mir nichts zu teuer.‘“ -- Gewiß, ein richtiger Standpunkt, nur
eben nicht richtig für den Bittsteller. Die Antwort ist gegeben vom
Standpunkt eines reichen Mannes. Der Schnorrer benimmt sich, als wäre
es sein eigenes Geld, das er für seine Gesundheit opfern soll, als
gingen Geld und Gesundheit die nämliche Person an.

       *       *       *       *       *

Knüpfen wir nun von neuem an das so lehrreiche Beispiel „Lachs mit
Mayonnaise“ an. Es kehrte uns gleichfalls eine Schauseite zu, an
welcher ein auffälliges Aufgebot von logischer Arbeit zu bemerken
war, und wir haben durch die Analyse erfahren, daß diese Logik
einen Denkfehler, nämlich eine Verschiebung des Gedankenganges zu
verdecken hatte. Von hier aus mögen wir, wenn auch nur auf dem Wege
der Kontrastverknüpfung, an andere Witze gemahnt werden, die ganz im
Gegenteil etwas Widersinniges, einen Unsinn, eine Dummheit unverhüllt
zur Schau stellen. Wir werden neugierig sein, worin die Technik dieser
Witze bestehen mag.

[Sidenote: Der Unsinn als technisches Mittel.]

Ich stelle das stärkste und zugleich reinste Beispiel der ganzen Gruppe
voran. Es ist wiederum ein Judenwitz.

Itzig ist zur Artillerie assentiert worden. Er ist offenbar ein
intelligenter Bursche, aber ungefügig und ohne Interesse für den
Dienst. Einer seiner Vorgesetzten, der ihm wohlgesinnt ist, nimmt ihn
beiseite und sagt ihm: „Itzig, du taugst nicht zu uns. Ich will dir
einen Rat geben: +Kauf’ dir eine Kanon’ und mach’ dich selbständig.+“

Der Rat, über den man herzlich lachen kann, ist ein offenbarer Unsinn.
Es gibt doch keine Kanonen zu kaufen, und ein einzelner kann sich als
Wehrkraft unmöglich selbständig machen, gleichsam „etablieren“. Es kann
uns aber keinen Moment zweifelhaft bleiben, daß dieser Rat kein bloßer
Unsinn ist, sondern ein witziger Unsinn, ein vorzüglicher Witz. Wodurch
wird also der Unsinn zum Witz?

Wir brauchen nicht lange zu überlegen. Aus den in der Einleitung
angedeuteten Erörterungen der Autoren können wir erraten, daß in
solchem witzigen Unsinn ein Sinn steckt, und daß dieser Sinn im
Unsinn den Unsinn zum Witz macht. Der Sinn in unserem Beispiel ist
leicht zu finden. Der Offizier, welcher dem Artilleristen Itzig den
unsinnigen Rat gibt, stellt sich nur dumm, um Itzig zu zeigen, wie
dumm er selbst sich benimmt. Er kopiert den Itzig. „Ich will dir
jetzt einen Rat geben, der genau so dumm ist wie du.“ Er geht auf
Itzigs Dummheit ein und bringt sie ihm zur Einsicht, indem er sie zur
Grundlage eines Vorschlags macht, der Itzigs Wünschen entsprechen muß,
denn besäße Itzig eine eigene Kanone und betriebe das Kriegshandwerk
auf eigene Rechnung, wie kämen ihm da seine Intelligenz und sein
Ehrgeiz zu statten! Wie würde er die Kanone im stande halten und sich
mit ihrem Mechanismus vertraut machen, um die Konkurrenz mit anderen
Kanonenbesitzern zu bestehen!

Ich unterbreche die Analyse dieses Beispiels, um in einem kürzeren und
einfacheren, aber minder grellen Fall von Unsinnswitz den gleichen Sinn
des Unsinns nachzuweisen.

„+Niemals geboren zu werden, wäre das beste für die sterblichen
Menschenkinder.+“ „+Aber+,“ setzen die Weisen der „Fliegenden Blätter“
hinzu, „+unter+ 100.000 +Menschen passiert dies kaum einem.+“

Der moderne Zusatz zum alten Weisheitsspruch ist ein klarer Unsinn,
der durch das anscheinend vorsichtige „kaum“ noch dümmer wird. Aber
er knüpft als unbestreitbar richtige Einschränkung an den ersten Satz
an, kann uns also die Augen darüber öffnen, daß jene mit Ehrfurcht
vernommene Weisheit auch nicht viel besser als ein Unsinn ist. Wer nie
geboren worden ist, ist überhaupt kein Menschenkind; für den gibt es
kein Gutes und kein Bestes. Der Unsinn im Witze dient also hier zur
Aufdeckung und Darstellung eines anderen Unsinns wie im Beispiel vom
Artilleristen Itzig.

Ich kann hier ein drittes Beispiel anfügen, welches durch seinen Inhalt
die ausführliche Mitteilung, die es erfordert, kaum verdienen würde,
aber gerade wieder die Verwendung des Unsinns im Witze zur Darstellung
eines anderen Unsinns besonders deutlich erläutert:

Ein Mann, der verreisen muß, vertraut seine Tochter einem Freunde an
mit der Bitte, während seiner Abwesenheit über ihre Tugend zu wachen.
Er kommt nach Monaten zurück und findet sie geschwängert. Natürlich
macht er dem Freund Vorwürfe. Der kann sich den Unglücksfall angeblich
nicht erklären. „Wo hat sie denn geschlafen?“ fragt endlich der
Vater. -- „Im Zimmer mit meinem Sohn.“ -- „Aber wie kannst du sie im
selben Zimmer mit deinem Sohn schlafen lassen, nachdem ich dich so
gebeten habe, sie zu behüten?“ -- „Es war doch eine spanische Wand
zwischen ihnen. Da war das Bett von deiner Tochter, da das Bett von
meinem Sohn und dazwischen die spanische Wand.“ -- „Und wenn er um die
spanische Wand herumgegangen ist?“ -- „+Außer das+,“ meint der andere
nachdenklich. „+So wäre es möglich.+“

Von diesem, seinen sonstigen Qualitäten nach recht geringem Witz
gelangen wir am leichtesten zur Reduktion. Sie würde offenbar lauten:
Du hast kein Recht, mir Vorwürfe zu machen. Wie kannst +du+ denn so
+dumm+ sein, deine Tochter in ein Haus zu geben, in dem sie in der
beständigen Gesellschaft eines jungen Mannes leben muß? Als ob es
einem Fremden möglich wäre, unter solchen Umständen für die Tugend
eines Mädchens einzustehen! Die scheinbare Dummheit des Freundes ist
also auch hier nur die Spiegelung der Dummheit des Vaters. Durch die
Reduktion haben wir die Dummheit im Witze und mit ihr den Witz selbst
beseitigt. Das Element „Dummheit“ selbst sind wir nicht los geworden;
es findet im Zusammenhange des auf seinen Sinn reduzierten Satzes eine
andere Stelle.

Nun können wir auch die Reduktion des Witzes von der Kanone
versuchen. Der Offizier hätte zu sagen: „Itzig, ich weiß, du bist ein
intelligenter Geschäftsmann. Aber ich sage dir, es ist eine +große
Dummheit+, wenn, du nicht einsiehst, daß es beim Militär unmöglich
so zugehen kann wie im Geschäftsleben, wo jeder auf eigene Faust und
gegen den anderen arbeitet. Beim Militär heißt es sich unterordnen und
zusammenwirken.“

Die Technik der bisherigen Unsinnswitze besteht also wirklich
in der Anbringung von etwas Dummem, Unsinnigem, dessen Sinn die
Veranschaulichung, Darstellung von etwas anderem Dummen und Unsinnigen
ist.

Hat die Verwendung des Widersinnes in der Witztechnik jedesmal diese
Bedeutung? Hier ist noch ein Beispiel, welches im bejahenden Sinne
antwortet:

Als dem +Phokion+ einmal nach einer Rede Beifall geklatscht wurde,
fragte er zu seinen Freunden gewendet: „+Was habe ich denn Dummes
gesagt?+“

Diese Frage klingt widersinnig. Aber wir verstehen alsbald ihren Sinn.
„Was habe ich denn gesagt, was diesem dummen Volk so gefallen konnte?
Ich müßte mich ja eigentlich des Beifalls schämen; wenn es den Dummen
gefallen hat, kann es selbst nicht sehr gescheit gewesen sein.“

Andere Beispiele können uns aber darüber belehren, daß der Widersinn
sehr häufig in der Witztechnik gebraucht wird, ohne dem Zwecke der
Darstellung eines anderen Unsinns zu dienen.

Einem bekannten Universitätslehrer, der sein wenig anmutendes
Spezialfach reichlich mit Witzen zu würzen pflegt, wird zur Geburt
seines jüngsten Kindes gratuliert, das ihm in bereits vorgerücktem
Alter beschieden wurde. „Ja,“ erwiderte er den Glück Wünschenden, „es
ist merkwürdig, +was Menschenhände zu stande bringen können+.“ --
Diese Antwort erscheint ganz besonders sinnlos und nicht am Platze.
Kinder heißen doch ein Segen Gottes recht im Gegensatz zum Werk der
Menschenhand. Aber bald fällt uns ein, daß diese Antwort doch einen
Sinn hat, und zwar einen obszönen. Es ist keine Rede davon, daß der
glückliche Vater sich dumm stellen will, um etwas anderes oder andere
Personen als dumm zu bezeichnen. Die anscheinend sinnlose Antwort
wirkt auf uns überraschend, verblüffend, wie wir mit den Autoren sagen
wollen. Wir haben gehört, daß die Autoren die ganze Wirkung solcher
Witze aus dem Wechsel von „Verblüffung und Erleuchtung“ ableiten.
Darüber wollen wir uns später ein Urteil zu bilden versuchen; wir
begnügen uns hervorzuheben, daß die Technik dieses Witzes in der
Anbringung von solchem Verblüffenden, Unsinnigen besteht.

Eine ganz besondere Stellung unter diesen Dummheitswitzen nimmt ein
Witz von +Lichtenberg+ ein.

Er wundere sich, +daß den Katzen gerade an der Stelle zwei Löcher
in den Pelz geschnitten wären, wo sie die Augen hätten+. Sich über
etwas Selbstverständliches zu wundern, etwas was eigentlich nur die
Auseinandersetzung einer Identität ist, ist doch gewiß eine Dummheit.
Es mahnt an einen ernsthaft gemeinten Ausruf bei +Michelet+ (Das Weib),
der nach meiner Erinnerung etwa so lautet: Wie schön ist es doch von
der Natur eingerichtet, daß das Kind, sobald es zur Welt kommt, eine
Mutter vorfindet, die bereit ist, sich seiner anzunehmen! Der Satz von
+Michelet+ ist eine wirkliche Dummheit, aber der +Lichtenberg+sche ist
ein Witz, der sich der Dummheit zu irgend einem Zwecke bedient, hinter
dem etwas steckt. Was? Das können wir freilich in diesem Moment nicht
angeben.

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Sophistische Denkfehler.]

Wir haben nun bereits an zwei Gruppen von Beispielen erfahren,
daß die Witzarbeit sich der Abweichungen vom normalen Denken, der
+Verschiebung+ und des +Widersinnes+, als technischer Mittel zur
Herstellung des witzigen Ausdrucks bedient. Es ist gewiß eine
berechtigte Erwartung, daß auch andere +Denkfehler+ eine gleiche
Verwendung finden können. Wirklich lassen sich einige Beispiele von
dieser Art angeben:

Ein Herr kommt in eine Konditorei und läßt sich eine Torte geben;
bringt dieselbe aber bald wieder und verlangt an ihrer Statt ein
Gläschen Likör. Dieses trinkt er aus und will sich entfernen, ohne
gezahlt zu haben. Der Ladenbesitzer hält ihn zurück. „Was wollen Sie
von mir?“ -- „Sie sollen den Likör bezahlen.“ -- „Für den habe ich
Ihnen ja die Torte gegeben.“ -- „Die haben Sie ja auch nicht bezahlt.“
-- „+Die habe ich ja auch nicht gegessen.+“

Auch dieses Geschichtchen trägt den Schein von Logik zur Schau, den wir
als geeignete Fassade für einen Denkfehler bereits kennen. Der Fehler
liegt offenbar darin, daß der schlaue Kunde zwischen dem Zurückgeben
der Torte und dem Dafürnehmen des Likörs eine Beziehung herstellt, die
nicht besteht. Der Sachverhalt zerfällt vielmehr in zwei Vorgänge, die
für den Verkäufer voneinander unabhängig sind, nur in seiner eigenen
Absicht im Verhältnisse des Ersatzes stehen. Er hat zuerst die Torte
genommen und zurückgegeben, für die er also nichts schuldig ist, dann
nimmt er den Likör, und den ist er schuldig zu bezahlen. Man kann
sagen, der Kunde wende die Relation „dafür“ doppelsinnig an; richtiger,
er stelle vermittels eines Doppelsinnes eine Verbindung her, die
sachlich nicht stichhaltig ist.[27]

Es ist nun die Gelegenheit da, ein nicht unwichtiges Bekenntnis
abzulegen. Wir beschäftigen uns hier mit der Erforschung der Technik
des Witzes an Beispielen und sollten also sicher sein, daß die von uns
gewählten Beispiele wirklich richtige Witze sind. Es steht aber so, daß
wir in einer Reihe von Fällen ins Schwanken geraten, ob das betreffende
Beispiel ein Witz genannt werden darf oder nicht. Ein Kriterium steht
uns ja nicht zu Gebote, ehe die Untersuchung ein solches ergeben hat;
der Sprachgebrauch ist unzuverlässig und bedarf selbst der Prüfung auf
seine Berechtigung; wir können uns bei der Entscheidung auf nichts
anderes stützen als auf eine gewisse „Empfindung“, welche wir dahin
interpretieren dürfen, daß sich in unserem Urteilen die Entscheidung
nach bestimmten Kriterien vollziehe, die unserer Erkenntnis noch
nicht zugänglich sind. Für eine zureichende Begründung werden wir
die Berufung auf diese „Empfindung“ nicht ausgeben dürfen. Bei dem
letzterwähnten Beispiel werden wir nun zweifeln müssen, ob wir es als
Witz darstellen dürfen, als einen sophistischen Witz etwa, oder als ein
Sophisma schlechtweg. Wir wissen eben noch nicht, worin der Charakter
des Witzes liegt.

Hingegen ist das nächstfolgende Beispiel, welches den sozusagen
komplementären Denkfehler aufweist, ein unzweifelhafter Witz. Es ist
wiederum eine Heiratsvermittlergeschichte:

Der Schadchen verteidigt das von ihm vorgeschlagene Mädchen gegen die
Ausstellungen des jungen Mannes. „Die Schwiegermutter gefällt mir
nicht,“ sagt dieser, „sie ist eine boshafte, dumme Person.“ -- Sie
heiraten doch nicht die Schwiegermutter, Sie wollen die Tochter. --
„Ja, aber jung ist sie nicht mehr und schön von Gesicht gerade auch
nicht.“ -- Das macht nichts; ist sie nicht jung und schön, wird sie
Ihnen um so eher treu bleiben. -- „Geld ist auch nicht viel da.“ --
Wer spricht vom Geld? Heiraten Sie denn das Geld? Sie wollen doch eine
Frau. -- „Aber sie hat ja auch einen Buckel!“ -- Nun, was wollen Sie?
„+Gar keinen Fehler soll sie haben!+“

Es handelt sich also in Wirklichkeit um ein nicht mehr junges,
unschönes Mädchen mit geringer Mitgift, das eine abstoßende Mutter hat
und außerdem mit einer argen Verunstaltung versehen ist. Gewiß keine
zur Eheschließung einladenden Verhältnisse. Der Heiratsvermittler weiß
bei jedem einzelnen dieser Fehler anzugeben, von welchem Gesichtspunkte
man sich mit ihm versöhnen könnte; den nicht zu entschuldigenden Buckel
nimmt er dann als den einen Fehler in Anspruch, den man jedem Menschen
hingehen lassen müsse. Es liegt wiederum der Schein von Logik vor,
welcher für das Sophisma charakteristisch ist, und der den Denkfehler
verdecken soll. Das Mädchen hat offenbar lauter Fehler, mehrere, über
die man hinwegsehen konnte, und einen, über den man nicht hinweg kommt;
es ist nicht zu heiraten. Der Vermittler tut, als ob jeder einzelne
Fehler durch seine Ausflucht beseitigt wäre, während doch von jedem ein
Stück Entwertung erübrigt, das sich zum nächsten summiert. Er besteht
darauf, jeden Faktor vereinzelt zu behandeln, und weigert sich, sie zur
Summe zusammenzusetzen.

Die nämliche Unterlassung ist der Kern eines anderen Sophismas, das
viel belacht worden ist, dessen Berechtigung ein Witz zu heißen man
aber anzweifeln könnte.

A. hat von B. einen kupfernen Kessel entlehnt und wird nach der
Rückgabe von B. verklagt, weil der Kessel nun ein großes Loch zeigt,
das ihn unverwendbar macht. Seine Verteidigung lautet: „+Erstens habe
ich von B. überhaupt keinen Kessel entlehnt; zweitens hatte der Kessel
bereits ein Loch, als ich ihn von B. übernahm; drittens habe ich
den Kessel ganz zurückgegeben.+“ Jede einzelne Einrede ist für sich
gut, zusammengenommen aber schließen sie einander aus. A. behandelt
isoliert, was im Zusammenhange betrachtet werden muß, ganz wie der
Heiratsvermittler mit den Mängeln der Braut verfährt. Man kann auch
sagen: A. setzt das „und“ an die Stelle, an der nur ein „entweder --
oder“ möglich ist.

Ein anderes Sophisma begegnet uns in der folgenden
Heiratsvermittlergeschichte.

Der Bewerber hat auszusetzen, daß die Braut ein kürzeres Bein hat und
hinkt. Der Schadchen widerspricht ihm. „Sie haben Unrecht. Nehmen Sie
an, Sie heiraten eine Frau mit gesunden, geraden Gliedern. Was haben
Sie davon? Sie sind keinen Tag sicher, daß sie nicht hinfällt, ein Bein
bricht und dann lahm ist fürs ganze Leben. Und dann die Schmerzen, die
Aufregung, die Doktorrechnung! Wenn Sie aber +die+ nehmen, so kann
Ihnen das nicht passieren; da haben Sie eine +fertige Sach’+.“

Der Schein von Logik ist hier recht dünn, und niemand wird dem bereits
„fertigen Unglück“ gar noch einen Vorzug vor dem bloß möglichen
zugestehen wollen. Der in dem Gedankengang enthaltene Fehler wird sich
leichter an einem zweiten Beispiel aufzeigen lassen, einer Geschichte,
die ich des Jargons nicht völlig entkleiden mag.

Im Tempel zu Krakau sitzt der große Rabbi N. und betet mit seinen
Schülern. Er stößt plötzlich einen Schrei aus und äußert, von den
besorgten Schülern befragt: „Eben jetzt ist der große Rabbi L. in
Lemberg gestorben.“ Die Gemeinde legt Trauer um den Verstorbenen an.
Im Laufe der nächsten Tage werden nun die aus Lemberg Ankommenden
befragt, wie der Rabbi gestorben, was ihm gefehlt, aber sie wissen
nichts davon, sie haben ihn im besten Wohlbefinden verlassen. Es stellt
sich endlich als ganz gesichert heraus, daß Rabbi L. in Lemberg nicht
zu jener Stunde gestorben ist, in der Rabbi N. seinen Tod telepathisch
verspürte, da er immer noch weiter lebt. Ein Fremder ergreift die
Gelegenheit, einen Schüler des Krakauer Rabbi mit dieser Begebenheit
aufzuziehen. „Es war doch eine große Blamage von Eurem Rabbi, daß er
damals den Rabbi L. in Lemberg sterben gesehen hat. Der Mann lebt noch
heute.“ „Macht nichts,“ erwidert der Schüler, „+der Kück[28] von Krakau
bis nach Lemberg war doch großartig+.“

Hier wird der beiden letzten Beispielen gemeinsame Denkfehler
unverhüllt eingestanden. Der Wert der Phantasievorstellung wird
gegen die Realität ungebührlich erhoben, die Möglichkeit fast der
Wirklichkeit gleichgestellt. Der Fernblick über die Krakau von Lemberg
trennende Länderstrecke wäre eine imposante telepathische Leistung,
wenn er etwas Wahres ergeben hätte, aber darauf kommt es dem Schüler
nicht an. Es wäre doch möglich gewesen, daß der Rabbi in Lemberg
in jenem Moment gestorben wäre, in dem der Krakauer Rabbi seinen
Tod verkündete, und dem Schüler verschiebt sich der Akzent von der
Bedingung, unter der die Leistung des Lehrers bewundernswert ist, zur
unbedingten Bewunderung dieser Leistung. „In magnis rebus voluisse sat
est“ bezeugt einen ähnlichen Standpunkt. Ebenso wie in diesem Beispiel
von der Realität abgesehen wird zu Gunsten der Möglichkeit, so mutet
im vorigen der Heiratsvermittler dem Bewerber zu, die Möglichkeit,
daß eine Frau durch einen Unfall lahm werden kann, als das bei weitem
Bedeutsamere ins Auge zu fassen, wogegen die Frage, ob sie wirklich
lahm ist oder nicht, ganz zurücktreten soll.

[Sidenote: Automatische Denkfehler.]

Dieser Gruppe der +sophistischen+ Denkfehler reiht sich eine
interessante andere an, in welcher man den Denkfehler als einen
+automatischen+ bezeichnen kann. Es ist vielleicht nur eine Laune des
Zufalls, daß alle Beispiele, die ich aus dieser neuen Gruppe anführen
werde, wiederum den Schadchengeschichten angehören:

„Ein Schadchen hat zur Besprechung über die Braut einen Gehilfen
mitgebracht, der seine Mitteilungen bekräftigen soll. Sie ist gewachsen
wie ein Tannenbaum, meint der Schadchen. -- Wie ein Tannenbaum,
wiederholt das Echo. -- Und Augen hat sie, die muß man gesehen haben.
-- Heißt Augen, die sie hat! bekräftigt das Echo. -- Und gebildet ist
sie wie keine andere. -- Und wie gebildet! -- Aber das eine ist wahr,
gesteht der Vermittler zu, sie hat einen kleinen Höcker. -- +Aber ein
Höcker!+ bekräftigt wieder das Echo.“ Die anderen Geschichten sind ganz
analog, obwohl sinnreicher.

„Der Bräutigam ist bei der Vorstellung der Braut sehr unangenehm
überrascht und zieht den Vermittler beiseite, um ihm flüsternd seine
Ausstellungen mitzuteilen. ‚Wozu haben Sie mich hieher gebracht?‘
fragt er ihn vorwurfsvoll. ‚Sie ist häßlich und alt, schielt und hat
schlechte Zähne und triefende Augen ...‘ -- ‚Sie können laut sprechen,‘
wirft der Vermittler ein, ‚+taub ist sie auch+.‘“

„Der Bräutigam macht mit dem Vermittler den ersten Besuch im Hause der
Braut, und während sie im Salon auf das Erscheinen der Familie warten,
macht der Vermittler auf einen Glasschrank aufmerksam, in welchem die
schönsten Silbergeräte zur Schau gestellt sind. ‚Da schauen Sie hin,
an diesen Sachen können Sie sehen, wie reich diese Leute sind.‘ --
‚Aber,‘ fragt der mißtrauische junge Mann, ‚wäre es denn nicht möglich,
daß diese schönen Sachen nur für die Gelegenheit zusammengeborgt sind,
um den Eindruck des Reichtums zu machen?‘ -- ‚Was fällt Ihnen ein?‘
antwortet der Vermittler abweisend. ‚+Wer wird denn den Leuten was
borgen!+‘“

In allen drei Fällen ereignet sich das nämliche. Eine Person, die
mehrmals nacheinander in gleicher Weise reagiert hat, setzt diese Weise
der Äußerung auch bei dem nächsten Anlasse fort, wo sie unpassend wird
und den Absichten der Person zuwiderläuft. Sie versäumt es, sich den
Anforderungen der Situation anzupassen, indem sie dem Automatismus der
Gewöhnung nachgibt. So vergißt der Helfer in der ersten Geschichte, daß
er mitgenommen wurde, um den Bewerber zu Gunsten der vorgeschlagenen
Braut zu stimmen, und da er bisher seiner Aufgabe gerecht wurde,
indem er die vorgebrachten Vorzüge der Braut durch seine Wiederholung
unterstrich, unterstreicht er jetzt auch ihren schüchtern zugestandenen
Höcker, den er hätte verkleinern sollen. Der Vermittler der zweiten
Geschichte wird von der Aufzählung der Mängel und Gebrechen der Braut
so fasziniert, daß er die Liste derselben aus seiner eigenen Kenntnis
vervollständigt, wiewohl das gewiß nicht sein Amt und seine Absicht
ist. In der dritten Geschichte endlich läßt er sich von seinem Eifer,
den jungen Mann von dem Reichtum der Familie zu überzeugen, soweit
hinreißen, daß er, um nur in dem einen Beweispunkte Recht zu behalten,
etwas vorbringt, was seine ganze Bemühung umstoßen muß. Überall siegt
der Automatismus über die zweckmäßige Abänderung des Denkens und
Äußerns.

Das ist nun leicht einzusehen, aber verwirrend muß es wirken, wenn
wir aufmerksam werden, daß diese drei Geschichten mit dem gleichen
Recht als „komisch“ bezeichnet werden können, wie wir sie als witzig
angeführt haben. Die Aufdeckung des psychischen Automatismus gehört
zur Technik des Komischen wie jede Entlarvung, jeder Selbstverrat. Wir
sehen uns hier plötzlich vor das Problem der Beziehung des Witzes zur
Komik gestellt, das wir zu umgehen trachteten. (Siehe Einleitung.) Sind
diese Geschichten etwa nur „komisch“ und nicht auch „witzig“? Arbeitet
hier die Komik mit denselben Mitteln wie der Witz? Und wiederum, worin
besteht der besondere Charakter des Witzigen?

Wir müssen daran festhalten, daß die Technik der letztuntersuchten
Gruppe von Witzen in nichts anderem als in der Anbringung von
„+Denkfehlern+“ besteht, sind aber genötigt zuzugestehen, daß deren
Untersuchung uns bisher mehr ins Dunkel als zur Erkenntnis geführt hat.
Wir geben jedoch die Erwartung nicht auf, durch eine vollständigere
Kenntnis der Techniken des Witzes zu einem Ergebnis zu gelangen,
welches der Ausgangspunkt für weitere Einsichten werden kann.

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Unifizierung.]

Die nächsten Beispiele von Witz, an denen wir unsere Untersuchung
fortsetzen wollen, geben leichtere Arbeit. Ihre Technik erinnert uns
vor allem an Bekanntes.

Etwa ein Witz von +Lichtenberg+:

„+Der Januarius ist der Monat, da man seinen guten Freunden Wünsche
darbringt, und die übrigen die, worin sie nicht erfüllt werden.+“

Da diese Witze eher fein als stark zu nennen sind und mit wenig
aufdringlichen Mitteln arbeiten, wollen wir uns den Eindruck von ihnen
erst durch Häufung verstärken.

„+Das menschliche Leben zerfällt in zwei Hälften, in der ersten wünscht
man die zweite herbei, und in der zweiten wünscht man die erste
zurück.+“

„+Die Erfahrung besteht darin, daß man erfährt, was man nicht zu
erfahren wünscht+“ (beide bei +K. Fischer+).

Es ist unvermeidlich, daß wir durch diese Beispiele an eine früher
behandelte Gruppe gemahnt werden, welche sich durch die „mehrfache
Verwendung desselben Materials“ auszeichnet. Das letzte Beispiel
besonders wird uns veranlassen, die Frage aufzuwerfen, warum wir es
nicht dort angereiht haben, anstatt es hier in neuem Zusammenhange
aufzuführen. Die Erfahrung wird wieder durch ihren eigenen Wortlaut
beschrieben, wie an jener Stelle die Eifersucht (vgl. S. 24). Auch
würde ich mich gegen diese Zuweisung nicht viel sträuben. An den beiden
anderen Beispielen, meine ich aber, die ja ähnlichen Charakters sind,
ist ein anderes Moment auffälliger und bedeutsamer als die mehrfache
Verwendung derselben Worte, der hier alles an Doppelsinn Streifende
abgeht. Und zwar möchte ich hervorheben, daß hier neue und unerwartete
Einheiten hergestellt sind, Beziehungen von Vorstellungen zueinander,
und Definitionen durcheinander oder durch die Beziehung auf ein
gemeinsames Drittes. Ich möchte diesen Vorgang +Unifizierung+ heißen;
er ist offenbar der Verdichtung durch Zusammendrängung in die nämlichen
Worte analog. So werden die zwei Hälften des menschlichen Lebens durch
eine zwischen ihnen entdeckte gegenseitige Beziehung beschrieben; in
der ersten wünscht man die zweite herbei, in der zweiten die erste
zurück. Es sind, genauer gesagt, zwei sehr ähnliche Beziehungen zu
einander, die zur Darstellung gewählt wurden. Der Ähnlichkeit der
Beziehungen entspricht dann die Ähnlichkeit der Worte, welche uns
eben an die mehrfache Verwendung des nämlichen Materials mahnen konnte
(herbei -- wünschen). In dem Witz von +Lichtenberg+

  (zurück -- wünschen).

sind der Januar und die ihm gegenübergestellten Monate durch eine
wiederum modifizierte Beziehung zu etwas Drittem charakterisiert; dies
sind die Glückwünsche, die man in dem einen Monat empfängt, und die
sich in den anderen nicht erfüllen. Der Unterschied von der mehrfachen
Verwendung des gleichen Materials, die sich ja dem Doppelsinn annähert,
ist hier recht deutlich.[29]

Ein schönes Beispiel von Unifizierungswitz, das der Erläuterung nicht
bedarf, ist folgendes:

Der französische Odendichter +J. B. Rousseau+ schrieb eine Ode an die
Nachwelt (à la posterité); +Voltaire+ fand, daß der Wert des Gedichtes
dasselbe keineswegs berechtige, auf die Nachwelt zu kommen, und sagte
witzig: „+Dieses Gedicht wird nicht an seine Adresse gelangen.+“ (Nach
+K. Fischer+.)

Das letzte Beispiel kann uns darauf aufmerksam machen, daß es
wesentlich die Unifizierung ist, welche den sogenannt schlagfertigen
Witzen zu Grunde liegt. Die Schlagfertigkeit besteht ja im Eingehen
der Abwehr auf die Aggression, im „Umkehren des Spießes“, im „Bezahlen
mit gleicher Münze“, also in Herstellung einer unerwarteten Einheit
zwischen Angriff und Gegenangriff.

Z. B.: Bäcker zum Wirt, der einen schwärenden Finger hat: „+Der ist dir
wohl in dein Bier hineingekommen?+“ Wirt: „+Das nicht, aber es ist mir
eine von deinen Semmeln unter den Nagel geraten.+“ (Nach +Überhorst+,
Das Komische, II, 1900.)

Serenissimus macht eine Reise durch seine Staaten und bemerkt in der
Menge einen Mann, der seiner eigenen hohen Person auffällig ähnlich
sieht. Er winkt ihn heran, um ihn zu fragen: „+Hat seine Mutter wohl
einmal in der Residenz gedient?+“ -- „Nein, Durchlaucht,“ lautet die
Antwort, „+aber mein Vater+.“

Herzog Karl von Würtemberg trifft auf einem seiner Spazierritte von
ungefähr einen Färber, der mit seiner Hantierung beschäftigt ist.
„+Kann er meinen Schimmel blau färben!+“ ruft ihm der Herzog zu und
erhält die Antwort zurück: „+Jawohl+, Durchlaucht, +wenn er das Sieden
vertragen kann+!“

Bei dieser ausgezeichneten „Retourkutsche“ -- die eine unsinnige
Anfrage mit einer ebenso unmöglichen Bedingung beantwortet -- wirkt
noch ein anderes technisches Moment mit, das ausgeblieben wäre, wenn
die Antwort des Färbers gelautet hätte: „Nein, Durchlaucht; ich
fürchte, der Schimmel wird das Sieden nicht vertragen.“

Der Unifizierung steht noch ein anderes, ganz besonders interessantes
technisches Mittel zu Gebote, die Anreihung durch das Bindewort +und+.
Solche Anreihung bedeutet Zusammenhang; wir verstehen sie nicht
anders. Wenn z. B. +Heine+ in der Harzreise von der Stadt +Göttingen+
erzählt: „+Im allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingeteilt in
Studenten, Professoren, Philister und Vieh+,“ so verstehen wir diese
Zusammenstellung genau in dem Sinne, der durch den Zusatz +Heines+
noch unterstrichen wird: „welche vier Stände doch nichts weniger als
scharf geschieden sind.“ Oder, wenn er von der Schule spricht, wo er
„+soviel Latein, Prügel und Geographie+“ ausstehen mußte, so will diese
Anreihung, die durch die Mittelstellung der Prügel zwischen den beiden
Lehrgegenständen überdeutlich wird, uns sagen, daß wir die durch die
Prügel unverkennbar bezeichnete Auffassung des Schulknaben gewiß auch
auf Latein und Geographie ausdehnen sollen.

Bei +Lipps+ finden wir unter den Beispielen von „witziger Aufzählung“
(„Koordination“) als nächst verwandt dem +Heine+schen „Studenten,
Professoren, Philister und Vieh“ den Vers:

„+Mit einer Gabel und mit Müh’ zog ihn die Mutter aus der Brüh’+“;
als ob die Mühe ein Instrument wäre, wie die Gabel, setzt +Lipps+
erläuternd hinzu. Wir empfangen aber den Eindruck, als sei dieser Vers
gar nicht witzig, allerdings sehr komisch, während die +Heine+sche
Anreihung ein unzweifelhafter Witz ist. Vielleicht werden wir
uns später an diese Beispiele erinnern, wenn wir dem Problem des
Verhältnisses von Komik und Witz nicht mehr auszuweichen brauchen.

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Darstellung durchs Gegenteil.]

Am Beispiel vom Herzog und vom Färber haben wir bemerkt, daß es ein
Witz durch Unifizierung bliebe, wenn der Färber antworten würde:
+Nein+, ich fürchte, der Schimmel wird das Sieden nicht vertragen.
Seine Antwort lautete aber: +Ja+, Durchlaucht, wenn er das Sieden
vertragen kann. In der Ersetzung des eigentlich hingehörigen „Nein“
durch ein „Ja“ liegt ein neues technisches Mittel des Witzes, dessen
Verwendung wir an anderen Beispielen verfolgen wollen.

Ein dem eben erwähnten bei +K. Fischer+ benachbarter Witz ist
einfacher: Friedrich der Große hört von einem Prediger in Schlesien,
der im Rufe steht, mit Geistern zu verkehren; er läßt den Mann kommen
und empfängt ihn mit der Frage: „+Er kann Geister beschwören?+“ Die
Antwort war: „+Zu Befehl, Majestät, aber sie kommen nicht.+“ Hier ist
es nun ganz augenfällig, daß das Mittel des Witzes in nichts anderem
bestand, als in der Ersetzung des einzig möglichen „Nein“ durch sein
Gegenteil. Um diese Ersetzung durchzuführen, mußte an das „Ja“ ein
„aber“ geknüpft werden, so daß „ja“ und „aber“ dem Sinne von „nein“
gleichkommen.

Diese +Darstellung durchs Gegenteil+, wie wir sie nennen wollen, dient
der Witzarbeit in verschiedenen Ausführungen. In folgenden zwei
Beispielen tritt sie fast rein hervor: +Heine+: „+Diese Frau glich
in vielen Punkten der Venus von Melos: sie ist auch außerordentlich
alt, hat ebenfalls keine Zähne und auf der gelblichen Oberfläche ihres
Körpers einige weiße Flecken.+“

Eine Darstellung der Häßlichkeit vermittels ihrer Übereinstimmungen
mit dem Schönsten; diese Übereinstimmungen können freilich nur in
doppelsinnig ausgedrückten Eigenschaften oder in Nebensachen bestehen.
Letzteres trifft für das zweite Beispiel zu:

+Lichtenberg+: Der große Geist.

„+Er hatte die Eigenschaften der größten Männer in sich vereinigt, er
trug den Kopf schief wie Alexander, hatte immer etwas in den Haaren zu
nesteln wie Caesar, konnte Kaffee trinken wie Leibnitz, und wenn er
einmal recht in seinem Lehnstuhl saß, so vergaß er Essen und Trinken
darüber wie Newton, und man mußte ihn wie diesen wecken; seine Perücke
trug er wie Dr. Johnson, und ein Hosenknopf stand ihm immer offen wie
dem Cervantes.+“

Ein besonders schönes Beispiel von Darstellung durch das Gegenteil, in
welchem auf die Verwendung doppelsinniger Worte gänzlich verzichtet
ist, hat +J. v. Falke+ von einer Reise nach Irland heimgebracht.
„Schauplatz ein Wachsfigurenkabinet“, sagen wir Madame +Tussaud+.
Auch hier ein Führer, der eine Gesellschaft von alt und jung von
Figur zu Figur mit seinen Erläuterungen begleitet. „+This is the Duke
of Wellington and his horse+,“ worauf ein junges Fräulein die Frage
stellt: „+Which is the Duke of Wellington and which is his horse?+“
„+Just as you like, my pretty child+,“ lautet die Antwort, „+you pay
the money and you have the choice+.“ (Welches ist der Herzog von W. und
welches ist sein Pferd? -- Wie es Ihnen beliebt, mein schönes Kind, Sie
zahlen Ihr Geld und Sie haben die Wahl.) (Lebenserinnerungen, S. 271.)

Die Reduktion dieses irischen Witzes würde lauten: Unverschämt, was
diese Wachsfigurenleute dem Publikum zu bieten wagen! Pferd und
Reiter sind nicht auseinander zu kennen. (Scherzhafte Übertreibung.)
Und dafür zahlt man sein gutes Geld! Diese entrüstete Äußerung wird
nun dramatisiert, in einem kleinen Vorfall begründet, an Stelle des
Publikums im allgemeinen tritt eine einzelne Dame, die Reiterfigur wird
individuell bestimmt, es muß der in Irland so überaus populäre Herzog
von Wellington sein. Die Unverschämtheit des Besitzers oder Führers
aber, der den Leuten das Geld aus der Tasche zieht und ihnen nichts
dafür bietet, wird durch das Gegenteil dargestellt, durch eine Rede,
in welcher er sich als gewissenhaften Geschäftsmann herausstreicht,
dem nichts mehr am Herzen liegt als die Achtung der Rechte, die das
Publikum durch die Zahlung erworben hat. Nun merkt man auch, daß die
Technik dieses Witzes keine ganz einfache ist. Indem ein Weg gefunden
wurde, den Schwindler seine Gewissenhaftigkeit beteuern zu lassen, ist
der Witz ein Fall von Darstellung durchs Gegenteil; indem er dies aber
bei einem Anlaß tut, wo man ganz anderes von ihm verlangt, so daß er
mit geschäftlicher Solidität antwortet, wo man Ähnlichkeit der Figuren
von ihm erwartet, ist es ein Beispiel von Verschiebung. Die Technik des
Witzes liegt in der Kombination der beiden Mittel.

[Sidenote: Überbietungswitze.]

Von diesem Beispiel ist es nicht weit zu einer kleinen Gruppe, die
man als Überbietungswitze benennen könnte. In ihnen wird das „+Ja+“,
welches in der Reduktion am Platze wäre, durch ein „+Nein+“ ersetzt,
das aber mit einem noch verstärkten „+Ja+“ infolge seines Inhalts
gleichwertig ist, und ebenso im umgekehrten Falle. Der Widerspruch
steht an Stelle einer Bestätigung mit Überbietung; so z. B. das
Epigramm von +Lessing+:[30]

    „+Die gute Galathee! Man sagt, sie schwärz’ ihr Haar;
    Da doch ihr Haar schon schwarz, als sie es kaufte, war.+“

Oder die boshafte Scheinverteidigung der Schulweisheit durch
+Lichtenberg+:

„+Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit
sich träumen läßt+,“ hatte Prinz +Hamlet+ verächtlich gesagt.
+Lichtenberg+ weiß, daß diese Verurteilung lange nicht scharf genug
ist, indem sie nicht alles verwertet, was man gegen die Schulweisheit
einwenden kann. Er fügt also das noch fehlende hinzu: „+Aber es gibt
auch vieles in der Schulweisheit, das sich weder im Himmel noch auf
Erden findet.+“ Seine Darstellung hebt zwar hervor, wodurch uns die
Schulweisheit für den von +Hamlet+ gerügten Mangel entschädigt, aber in
dieser Entschädigung liegt ein zweiter und noch größerer Vorwurf.

Durchsichtiger noch, weil frei von jeder Spur von Verschiebung, sind
zwei Judenwitze, allerdings von grobem Kaliber.

Zwei Juden sprechen über das Baden. „+Ich nehme jedes Jahr ein Bad+,“
sagt der eine, „+ob ich es nötig habe oder nicht+.“

Es ist klar, daß er sich durch solche prahlerische Versicherung seiner
Reinlichkeit erst recht der Unreinlichkeit überführt.

Ein Jude bemerkt Speisereste am Bart des anderen. „+Ich kann dir sagen,
was du gestern gegessen hast. -- Nun, sag’. -- Also Linsen. -- Gefehlt,
vorgestern!+“ --

Ein prächtiger Überbietungswitz, der leicht auf Darstellung durchs
Gegenteil zurückzuführen ist, ist auch folgender:

Der König besucht in seiner Herablassung die chirurgische Klinik und
trifft den Professor bei der Vornahme der Amputation eines Beines,
deren einzelne Stadien er nun mit lauten Äußerungen seines königlichen
Wohlgefallens begleitet. „+Bravo, bravo, mein lieber Geheimrat.+“ Nach
vollendeter Operation tritt der Professor an ihn heran und fragt, sich
tief verneigend: „+Befehlen Majestät auch das andere Bein?+“

Was der Professor sich während des königlichen Beifalls gedacht haben
mag, das ließ sich gewiß nicht unverändert aussprechen: „Das muß ja
den Eindruck machen, als nehme ich dem armen Teufel das kranke Bein ab
im königlichen Auftrag und nur wegen des königlichen Wohlgefallens.
Ich habe doch wirklich andere Gründe für diese Operation.“ Aber dann
geht er vor den König hin und sagt: „Ich habe keine anderen Gründe für
eine Operation als Ew. Majestät Auftrag. Der mir gespendete Beifall
hat mich so beseligt, daß ich nur Ew. Majestät Befehl erwarte, um auch
das gesunde Bein zu amputieren.“ Es gelingt ihm so sich verständlich
zu machen, indem er das Gegenteil von dem aussagt, was er sich denkt
und bei sich behalten muß. Dieses Gegenteil ist eine unglaubwürdige
Überbietung.

Die Darstellung durchs Gegenteil ist, wie wir an diesen Beispielen
sehen, ein häufig gebrauchtes und kräftig wirkendes Mittel der
Witztechnik. Aber wir dürfen auch etwas anderes nicht übersehen, daß
diese Technik keineswegs dem Witz allein eigen ist. Wenn +Marcus
Antonius+, nachdem er in langer Rede auf dem Forum die Stimmung der
Zuhörer um Caesars Leichnam umgemodelt, endlich wieder einmal die Worte
hinwirft:

  „Denn Brutus ist ein +ehrenwerter+ Mann --“

so weiß er, daß das Volk ihm nun den wahren Sinn seiner Worte
entgegenschreien wird:

  „Sie sind +Verräter+: ehrenwerte Männer!“

Oder wenn der „Simplizissimus“ eine Sammlung unerhörter Brutalitäten
und Zynismen als Äußerungen von „+Gemütsmenschen+“ überschreibt, so
ist das auch eine Darstellung durchs Gegenteil. Diese heißt man aber
„Ironie“, nicht mehr Witz. Der Ironie ist gar keine andere Technik als
die der Darstellung durchs Gegenteil eigentümlich. Überdies liest und
hört man vom +ironischen Witz+. Es ist also nicht mehr zu bezweifeln,
daß die Technik allein nicht hinreicht, den Witz zu charakterisieren.
Es muß noch etwas anderes hinzukommen, das wir bis jetzt nicht
aufgefunden haben. Anderseits steht aber noch immer unwidersprochen da,
daß mit der Rückbildung der Technik der Witz beseitigt ist. Vorläufig
mag es uns schwer fallen, die beiden festen Punkte, die wir für die
Aufklärung des Witzes gewonnen haben, miteinander vereint zu denken.

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Indirekte Darstellung.]

Wenn die Darstellung durchs Gegenteil zu den technischen Mitteln des
Witzes gehört, so wird in uns die Erwartung rege, daß der Witz auch
von deren Gegenteil, der Darstellung durch +Ähnliches+ und Verwandtes,
Gebrauch machen könne. Die Fortsetzung unserer Untersuchung kann
uns in der Tat belehren, daß dies die Technik einer neuen, ganz
besonders umfangreichen Gruppe von Gedankenwitzen ist. Wir beschreiben
die Eigenart dieser Technik weit treffender, wenn wir anstatt
Darstellung durch „Verwandtes“ setzen: durch +Zusammengehöriges+ oder
+Zusammenhängendes+. Wir wollen sogar mit letzterem Charakter den
Anfang machen und ihn sofort durch ein Beispiel erläutern.

Eine amerikanische Anekdote erzählt: Zwei wenig skrupulösen
Geschäftsleuten war es gelungen, sich durch eine Reihe recht gewagter
Unternehmungen ein großes Vermögen zu erwerben, und nun ging ihr
Bemühen dahin, sich der guten Gesellschaft aufzudrängen. Unter anderen
erschien es ihnen als ein zweckmäßiges Mittel, sich von dem vornehmsten
und teuersten Maler der Stadt, dessen Bilder als Ereignisse betrachtet
wurden, malen zu lassen. Auf einer großen Soiree wurden die kostbaren
Bilder zuerst gezeigt, und die beiden Hausherren führten selbst den
einflußreichsten Kunstkenner und Kritiker zur Wand des Salons, auf
welcher die beiden Portraits nebeneinander aufgehängt waren, um ihm
sein bewunderndes Urteil zu entlocken. Der sah die Bilder lange Zeit
an, schüttelte dann den Kopf, als ob er etwas vermissen würde, und
fragte bloß, auf den freien Raum zwischen beiden Bildern deutend: „+And
where is the Saviour?+“ (Und wo bleibt der Heiland? Oder: Ich vermisse
da das Bild des Heilands.)

Der Sinn dieser Rede ist klar. Es handelt sich wieder um die
Darstellung von etwas, was direkt nicht ausgedrückt werden kann.
Auf welchem Wege kommt diese „+indirekte Darstellung+“ zu stande?
Durch eine Reihe leicht sich einstellender Assoziationen und Schlüsse
verfolgen wir den Weg von der Darstellung des Witzes an nach rückwärts.

[Sidenote: Anspielung.]

Die Frage: Wo ist der Heiland, das Bild des Heilands? läßt uns erraten,
daß der Redner durch den Anblick der beiden Bilder an einen ähnlichen,
ihm wie uns vertrauten Anblick gemahnt worden ist, welcher aber als
hier fehlendes Element das Bild des Erlösers in der Mitte zwischen
zwei anderen Bildern zeigte. Es gibt nur einen solchen Fall: Christus
hängend zwischen den beiden Schächern. Das Fehlende wird vom Witz
hervorgehoben, die Ähnlichkeit haftet an den im Witz übergegangenen
Bildern rechts und links vom Heiland. Sie kann nur darin bestehen, daß
auch die im Salon aufgehängten die Bilder von Schächern sind. Was der
Kritiker sagen wollte und nicht sagen konnte, war also: Ihr seid ein
paar Hallunken; ausführlicher: Was kümmern mich eure Bilder? Ihr seid
ein paar Hallunken, das weiß ich. Und er hat es schließlich über einige
Assoziationen und Schlußfolgerungen auf einem Wege gesagt, den wir als
den der +Anspielung+ bezeichnen.

Wir erinnern uns sofort, daß wir der Anspielung bereits begegnet
sind. Beim Doppelsinn nämlich; wenn von den zwei Bedeutungen, die
in demselben Wort ihren Ausdruck finden, die eine als die häufigere
und gebräuchlichere so sehr im Vordergrunde steht, daß sie uns an
erster Stelle einfallen muß, während die andere als die entlegenere
zurücksteht, so wollten wir diesen Fall als +Doppelsinn mit Anspielung+
bezeichnen. Bei einer ganzen Reihe der bisher untersuchten Beispiele
hatten wir angemerkt, daß deren Technik keine einfache sei und erkennen
nun die Anspielung als deren komplizierendes Moment. (Z. B. vgl. etwa
den Umordnungswitz von der Frau, die sich etwas zurückgelegt und dabei
viel verdient hat, oder den Widersinnswitz bei der Gratulation zum
jüngsten Kind, es sei merkwürdig, was Menschenhände alles vermögen, S.
46.)

In der amerikanischen Anekdote haben wir nun die Anspielung frei vom
Doppelsinn vor uns und finden als ihren Charakter die Ersetzung durch
etwas im Denkzusammenhange Verbundenes. Es ist leicht zu erraten, daß
der verwertbare Zusammenhang von mehr als einer Art sein kann. Um uns
nicht in der Fülle zu verlieren, werden wir nur die ausgeprägtesten
Variationen und diese nur an wenigen Beispielen erörtern.

Der zur Ersetzung verwendete Zusammenhang kann ein bloßer +Anklang+
sein, so daß diese Unterart dem Kalauer beim Wortwitz analog wird. Es
ist aber nicht der Anklang zweier Worte aneinander, sondern ganzer
Sätze, charakteristischer Wortverbindungen u. dgl.

Z. B. +Lichtenberg+ hat den Spruch geprägt: „+Neue Bäder heilen gut+“,
der uns sofort an das Sprichwort erinnert: +Neue Besen kehren gut+,
mit dem er die ersten anderthalb Worte, das letzte und die ganze
Struktur des Satzes gemeinsam hat. Er ist auch sicherlich im Kopfe des
witzigen Denkers als Nachbildung des bekannten Sprichwortes entstanden.
Der Spruch +Lichtenbergs+ wird so zur Anspielung auf das Sprichwort.
Mittels dieser Anspielung wird uns etwas angedeutet, was nicht gerade
heraus gesagt wird, daß an der Wirkung von Bädern auch noch anderes
beteiligt ist als das in seinen Eigenschaften sich gleich bleibende
Thermalwasser.

Ähnlich ist ein anderer Scherz oder Witz von +Lichtenberg+ technisch
aufzulösen: +Ein Mädchen, kaum zwölf Moden alt.+ Das klingt an die
Zeitbestimmung „+zwölf Monden+“ (i. e. Monate) an und war vielleicht
ursprünglich ein Schreibfehler für letzteren, in der Poesie zulässigen
Ausdruck. Aber es hat einen guten Sinn, die wechselnde Mode anstatt des
wechselnden Mondes zur Altersbestimmung für ein weibliches Wesen zu
verwenden.

Der Zusammenhang kann in der Gleichheit bis auf eine einzige +leichte
Modifikation+ bestehen. Diese Technik läuft also wiederum einer
Worttechnik parallel. Beide Arten von Witzen rufen fast den gleichen
Eindruck hervor, doch sind sie nach den Vorgängen bei der Witzarbeit
besser voneinander zu trennen.

Als Beispiel eines solchen Wortwitzes oder Kalauers: Die große, aber
nicht nur durch den Umfang ihrer Stimme berühmte Sängerin +Marie Wilt+
erfuhr die Kränkung, daß man den Titel eines aus dem bekannten Roman
von +J. Verne+ gezogenen Theaterstückes zu einer Anspielung auf ihre
Mißgestalt verwendete: „+Die Reise um die Wilt in 80 Tagen.+“

Oder: „+Jede Klafter eine Königin+,“ eine Modifikation des bekannten
Shakespeareschen „+Jeder Zoll ein König+“ und eine Anspielung auf
dieses Zitat, auf eine vornehme und überlebensgroße Dame bezogen. Es
wäre wirklich nicht viel Ernsthaftes dagegen zu sagen, wenn jemand
diesen Witz vielmehr zu den Verdichtungen mit Modifikation (S. 16) als
Ersatzbildung stellen würde. (Vgl. tête-à-bête.)

Von einer hochstrebenden, aber in der Verfolgung ihrer Ziele
eigensinnigen Person sagte ein Freund: „+Er hat ein Ideal vor dem
Kopf.+“ „+Ein Brett vor dem Kopf haben+,“ ist die geläufige Redensart,
auf welche diese Modifikation anspielt und deren Sinn sie für
sich selbst in Anspruch nimmt. Auch hier kann man die Technik als
Verdichtung mit Modifikation beschreiben.

Fast ununterscheidbar werden Anspielung durch Modifikation und
Verdichtung mit Ersatzbildung, wenn sich die Modifikation auf die
Veränderung von Buchstaben einschränkt, z. B. Di=ch=teritis. Die
Anspielung auf die böse Seuche der Di=ph=theritis stellt auch das
Dichten Unberufener als gemeingefährlich hin.

Die Negationspartikeln ermöglichen sehr schöne Anspielungen mit
geringen Abänderungskosten:

„Mein +Un+glaubensgenosse +Spinoza+“ sagt +Heine+. „Wir von Gottes
+Un+gnaden Taglöhner, Leibeigene, Neger, Fronknechte“ usw.... beginnt
bei +Lichtenberg+ ein nicht weiter ausgeführtes Manifest dieser
Unglücklichen, die jedenfalls auf solche Titulatur mehr Anrecht haben
als Könige und Fürstlichkeiten auf die unmodifizierte.

Eine Form der Anspielung ist schließlich auch die +Auslassung+, der
Verdichtung ohne Ersatzbildung vergleichbar. Eigentlich wird bei jeder
Anspielung etwas ausgelassen, nämlich die zur Anspielung hinführenden
Gedankenwege. Es kommt nur darauf an, ob die Lücke das Augenfälligere
ist oder der die Lücke teilweise ausfüllende Ersatz in dem Wortlaut der
Anspielung. So kämen wir über eine Reihe von Beispielen von der krassen
Auslassung zur eigentlichen Anspielung zurück.

Auslassung ohne Ersatz findet sich in folgendem Beispiel: In Wien lebt
ein geistreicher und kampflustiger Schriftsteller, der sich durch die
Schärfe seiner Invektive wiederholt körperliche Mißhandlungen von
seiten der Angegriffenen zugezogen hat. Als einmal eine neue Missetat
eines seiner habituellen Gegner beredet wurde, äußerte ein dritter:
+Wenn der X. das hört, bekommt er wieder eine Ohrfeige.+ Zur Technik
dieses Witzes gehört zunächst die Verblüffung über den scheinbaren
Widersinn, denn eine Ohrfeige bekommen, leuchtet uns als unmittelbare
Folge davon, daß man etwas gehört hat, keineswegs ein. Der Widersinn
vergeht, wenn man in die Lücke einsetzt: +dann schreibt er einen so
bissigen Artikel gegen den Betreffenden, daß+ usw. Anspielung durch
Auslassung und Widersinn sind also die technischen Mittel dieses Witzes.

+Heine+: „+Er lobt sich so stark, daß die Räucherkerzchen im Preise
steigen.+“ Diese Lücke ist leicht auszufüllen. Das Ausgelassene ist
durch eine Folgerung ersetzt, die nun als Anspielung auf dasselbe
zurückleitet. Eigenlob stinkt.

Nun wieder einmal die beiden Juden vor dem Badehause!

„+Schon wieder ein Jahr vergangen!+“ seufzt der eine.

[Sidenote: Anspielung durch Auslassung.]

Diese Beispiele lassen wohl keinen Zweifel bestehen, daß die Auslassung
zur Anspielung gehört.

Eine immer noch auffällige Lücke findet sich in nachstehendem Beispiel,
das doch ein echter und richtiger Anspielungswitz ist. Nach einem
Künstlerfest in Wien wurde ein Scherzbuch herausgegeben, in welchem
unter anderen folgender, höchst merkwürdiger Sinnspruch verzeichnet
stand:

„+Eine Frau ist wie ein Regenschirm. Man nimmt sich dann doch einen
Komfortabel.+“

Ein Regenschirm schützt nicht genug vor dem Regen. Das „dann doch“
kann nur heißen: wenn es tüchtig regnet, und ein Komfortabel ist
ein öffentliches Fuhrwerk. Da wir es aber hier mit der Form des
Gleichnisses zu tun haben, wollen wir die eingehendere Untersuchung
dieses Witzes auf einen späteren Moment verschieben.

Ein wahres Wespennest der stachligsten Anspielungen, enthalten +Heines+
„Bäder von Lucca“, die von dieser Form des Witzes die kunstvollste
Verwendung zu polemischen Zwecken (gegen den Grafen +Platen+)
machen. Lange zuvor, ehe der Leser diese Verwendung ahnen kann, wird
einem gewissen Thema, das sich zur direkten Darstellung besonders
schlecht eignet, durch Anspielungen aus dem mannigfaltigsten Material
präludiert, z. B. in den Wortverdrehungen des Hirsch-Hyacinth: „Sie
sind zu korpulent und ich bin zu mager, Sie haben viel Einbildung und
ich habe desto mehr Geschäftssinn, ich bin ein Praktikus und Sie sind
ein +Diarrhetikus+, kurz und gut, Sie sind ganz mein Anti+podex+.“
-- „Venus +Urinia+“ -- die dicke Gudel von +Dreckwall+ in Hamburg --
u. dgl., dann nehmen die Begebenheiten, von denen der Dichter erzählt,
eine Wendung, die zunächst nur von dem unartigen Mutwillen des Dichters
zu zeugen scheint, bald aber ihre symbolische Beziehung zur polemischen
Absicht enthüllt und sich somit gleichfalls als Anspielung kundgibt.
Endlich bricht der Angriff auf +Platen+ los und nun sprudeln und
quellen die Anspielungen auf das bereits bekannt gewordene Thema der
Männerliebe des Grafen aus jedem der Sätze, die +Heine+ gegen das
Talent und den Charakter seines Gegners richtet, z. B.:

„Wenn auch die Musen ihm nicht hold sind, so hat er doch den Genius der
Sprache in seiner Gewalt, oder vielmehr er weiß ihm Gewalt anzutun;
denn die freie Liebe dieses Genius fehlt ihm, er muß auch diesem Jungen
beharrlich nachlaufen, und er weiß nur die äußeren Formen zu erfassen,
die trotz ihrer schönen Rundung sich nie edel aussprechen.“

„Es geht ihm dann wie dem Vogel Strauß, der sich hinlänglich verborgen
glaubt, wenn er den Kopf in den Sand gesteckt, so daß nur der Steiß
sichtbar wird. Unser erlauchter Vogel hätte besser getan, wenn er den
Steiß in den Sand versteckt und uns den Kopf gezeigt hätte.“

Die Anspielung ist vielleicht das gebräuchlichste und am leichtesten
zu handhabende Mittel des Witzes und liegt den meisten der kurzlebigen
Witzproduktionen zu Grunde, die wir in unsere Unterhaltung
einzuflechten gewöhnt sind, und welche eine Ablösung von diesem
Mutterboden und selbständige Konservierung nicht vertragen. Gerade bei
ihr werden wir aber von neuem an jenes Verhältnis gemahnt, das begonnen
hat, uns an der Schätzung der Witztechnik irre zu machen. Auch die
Anspielung ist nicht etwa an sich witzig, es gibt korrekt gebildete
Anspielungen, die auf diesen Charakter keinen Anspruch haben. Witzig
ist nur die „witzige“ Anspielung, so daß das Kennzeichen des Witzes,
das wir bis in die Technik verfolgt haben, uns dort wieder entschwindet.

Ich habe die Anspielung gelegentlich als „+indirekte Darstellung+“
bezeichnet und werde nun darauf aufmerksam, daß man sehr wohl die
verschiedenen Arten der Anspielung mit der Darstellung durch das
Gegenteil und mit den noch zu erwähnenden Techniken zu einer einzigen
großen Gruppe vereinigen kann, für welche „+indirekte Darstellung+“ der
umfassendste Namen wäre. +Denkfehler+ -- +Unifizierung+ -- +indirekte
Darstellung+ heißen also die Gesichtspunkte, unter welche sich die uns
bekannt gewordenen Techniken des Gedankenwitzes bringen ließen.


Bei fortgesetzter Untersuchung unseres Materials glauben wir nun eine
neue Unterart der indirekten Darstellung zu erkennen, die sich scharf
charakterisieren, aber nur durch wenige Beispiele belegen läßt. Es
ist dies die Darstellung +durch ein Kleines+ oder +Kleinstes+, welche
die Aufgabe löst, einen ganzen Charakter durch ein winziges Detail
zum vollen Ausdruck zu bringen. Die Anreihung dieser Gruppe an die
Anspielung wird durch die Erwägung ermöglicht, daß ja diese Winzigkeit
mit dem Darzustellenden in Zusammenhang steht, sich als Folgerung aus
ihm ableiten läßt, z. B.:

„Ein galizischer Jude fährt in der Eisenbahn und hat es sich recht
bequem gemacht, den Rock aufgeknöpft, die Füße auf die Bank gelegt.
Da steigt ein modern gekleideter Herr ein. Sofort nimmt sich der Jude
zusammen, setzt sich in bescheidene Positur. Der Fremde blättert in
einem Buch, rechnet, besinnt sich und richtet plötzlich an den Juden
die Frage: ‚Ich bitte Sie, wann haben wir Jomkipur?‘ (Versöhnungstag.)
‚+Aesoi+,‘ sagt der Jude und legt die Füße wieder auf die Bank, ehe er
Antwort gibt.“

Es wird nicht abzuweisen sein, daß diese Darstellung durch ein Kleines
an die Tendenz zur Ersparnis anknüpft, welche wir nach der Erforschung
der Wortwitztechnik als das letzte Gemeinsame übrig behalten haben.

Ein ganz ähnliches Beispiel ist folgendes:

Der Arzt, der gebeten worden ist, der Frau Baronin bei ihrer Entbindung
beizustehen, erklärt den Moment für noch nicht gekommen und schlägt
dem Baron unterdes eine Kartenpartie im Nebenzimmer vor. Nach einer
Weile dringt der Wehruf der Frau Baronin an das Ohr der beiden Männer.
„+Ah mon dieu, que je souffre!+“ Der Gemahl springt auf, aber der Arzt
wehrt ab: „Es ist nichts, spielen wir weiter.“ Eine Weile später hört
man die Kreißende wieder: „+Mein Gott, mein Gott, was für Schmerzen!+“
-- „Wollen Sie nicht hineingehen, Herr Professor?“ fragt der Baron.
-- „Nein, nein, es ist noch nicht Zeit.“ -- Endlich hört man aus dem
Nebenzimmer ein unverkennbares: „+Ai, waih, waih+“ geschrien; da wirft
der Arzt die Karten weg und sagt: „Es ist Zeit.“

Wie der Schmerz durch alle Schichtungen der Erziehung die ursprüngliche
Natur durchbrechen läßt, und wie eine wichtige Entscheidung mit Recht
von einer scheinbar belanglosen Äußerung abhängig gemacht wird, das
zeigt beides dieser gute Witz an dem Beispiel der schrittweisen
Veränderung der Klagerufe bei der gebärenden vornehmen Frau.

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Darstellung durch ein Kleines. -- Gleichnis.]

Eine andere Art der indirekten Darstellung, deren sich der Witz
bedient, das +Gleichnis+, haben wir uns so lange aufgespart,
weil dessen Beurteilung auf neue Schwierigkeiten stößt, oder
Schwierigkeiten, die sich schon bei anderen Gelegenheiten ergeben
haben, besonders deutlich erkennen läßt. Wir haben schon vorhin
eingestanden, daß wir bei manchen zur Untersuchung vorliegenden
Beispielen ein Schwanken, ob sie überhaupt den Witzen zuzurechnen
seien, nicht zu bannen vermögen, und haben in dieser Unsicherheit eine
bedenkliche Erschütterung der Grundlagen unserer Untersuchung erkannt.
Bei keinem anderen Material empfinde ich aber diese Unsicherheit
stärker und häufiger als bei den Gleichniswitzen. Die Empfindung,
welche mir -- und scheinlich einer großen Anzahl anderer unter den
nämlichen Bedingungen wie mir -- zu sagen pflegt: Dies ist ein Witz,
dies darf man für einen Witz ausgeben, noch ehe der verborgene
wesentliche Charakter des Witzes entdeckt ist; diese Empfindung läßt
mich bei den witzigen Vergleichen am ehesten im Stiche. Wenn ich den
Vergleich zuerst ohne Bedenken für einen Witz erklärt habe, so glaube
ich einen Augenblick später zu bemerken, daß das Vergnügen, das er
mir bereitet, von anderer Qualität ist, als welches ich einem Witz zu
verdanken pflege, und der Umstand, daß die witzigen Vergleiche nur
sehr selten das explosionsartige Lachen hervorzurufen vermögen, durch
welches sich ein guter Witz bezeugt, macht es mir unmöglich, mich dem
Zweifel wie sonst zu entziehen, indem ich mich auf die besten und
effektvollsten Beispiele der Gattung einschränke.

Daß es ausgezeichnet schöne und wirksame Beispiele von Gleichnissen
gibt, die uns den Eindruck des Witzes keineswegs machen, ist leicht
zu zeigen. Der schöne Vergleich der durchgehenden Zärtlichkeit in
Ottiliens Tagebuch mit dem roten Faden der englischen Marine (s. S.
14) ist ein solcher; auch ein anderes, das zu bewundern ich noch
nicht müde geworden bin, und dessen Eindruck ich nicht überwunden
habe, kann ich mir nicht versagen, im gleichen Sinne anzuführen. Es
ist das Gleichnis, mit welchem Ferd. +Lassalle+ eine seiner berühmten
Verteidigungsreden (Die Wissenschaft und die Arbeiter) geschlossen hat:
„Ein Mann, welcher, wie ich Ihnen dies erklärt habe, sein Leben dem
Wahlspruch gewidmet hat ‚Die Wissenschaft und die Arbeiter‘, dem würde
auch eine Verurteilung, die er auf seinem Wege findet, keinen anderen
Eindruck machen können, +als etwa das Springen einer Retorte dem in
seine wissenschaftlichen Experimente vertieften Chemiker. Mit einem
leisen Stirnrunzeln über den Widerstand der Materie, setzt er, sowie
die Störung beseitigt ist, ruhig seine Forschungen und Arbeiten fort.+“

[Sidenote: Zweifel bei witzigen Vergleichen.]

Eine reiche Auswahl von treffenden und witzigen Gleichnissen findet man
in den Schriften +Lichtenbergs+ (II. B. der Göttinger Ausgabe, 1853);
von dort will ich auch das Material für unsere Untersuchung entnehmen.

„+Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu
tragen, ohne jemandem den Bart zu sengen.+“

Das erscheint wohl witzig, aber bei näherem Zusehen merkt man, daß
die witzige Wirkung nicht vom Vergleich selbst, sondern von einer
Nebeneigenschaft desselben ausgeht. Die „Fackel der Wahrheit“ ist
eigentlich kein neuer Vergleich, sondern ein längst gebräuchlicher und
zur fixierten Phrase herabgesunken, wie es immer zutrifft, wenn ein
Vergleich Glück hat und vom Sprachgebrauch akzeptiert wird. Während
wir in der Redensart „die Fackel der Wahrheit“ den Vergleich kaum
mehr bemerken, wird ihm bei +Lichtenberg+ die ursprüngliche Vollkraft
wiedergegeben, da nun auf dem Vergleich weiter gebaut, eine Forderung
aus ihm gezogen wird. Solches +Vollnehmen abgeblaßter+ Redensarten ist
uns aber als Technik des Witzes bereits bekannt, es findet eine Stelle
bei der mehrfachen Verwendung des nämlichen Materials (s. S. 24). Es
könnte sehr wohl sein, daß der witzige Eindruck des +Lichtenberg+schen
Satzes nur von der Anlehnung an diese Witztechnik herrührt.

Dieselbe Beurteilung wird gewiß auch für einen anderen witzigen
Vergleich desselben Autors gelten können:

„+Ein großes Licht+ war der Mann eben nicht, aber ein großer +Leuchter+
.... Er war Professor der Philosophie.“

Einen Gelehrten ein großes Licht, ein „lumen mundi“, zu heißen, ist
längst kein wirksamer Vergleich mehr, mag er ursprünglich als Witz
gewirkt haben oder nicht. Aber man frischt den Vergleich auf, man
gibt ihm seine Vollkraft wieder, indem man eine Modifikation aus ihm
ableitet und solcher Art einen zweiten, neuen, Vergleich aus ihm
gewinnt. Die Art, wie der zweite Vergleich entstanden ist, scheint die
Bedingung des Witzes zu enthalten, nicht die beiden Vergleiche selbst.
Es wäre dies ein Fall der nämlichen Witztechnik wie im Beispiele von
der Fackel.

Aus einem anderen, aber ähnlich zu beurteilenden Grunde erscheint
folgender Vergleich als witzig:

„Ich sehe die +Rezensionen+ als eine Art von +Kinderkrankheit+ an, die
die neugeborenen Bücher mehr oder weniger befällt. Man hat Exempel, daß
die gesündesten daran sterben, und die schwächlichen oft durchkommen.
Manche bekommen sie gar nicht. Man hat oft versucht, ihnen durch
+Amulette+ von +Vorrede+ und +Dedikation+ vorzubeugen, oder sie gar
durch +eigene Urteile zu makulieren+; es hilft aber nicht immer.“

Der Vergleich der Rezensionen mit den Kinderkrankheiten ist zuerst nur
auf das Befallenwerden, kurz nachdem sie das Licht der Welt erblickt
haben, gegründet. Ob er soweit witzig ist, getraue ich mich nicht
zu entscheiden. Aber dann wird er fortgeführt; es ergibt sich, daß
die weiteren Schicksale der neuen Bücher innerhalb des Rahmens des
nämlichen Gleichnisses oder durch angelehnte Gleichnisse dargestellt
werden können. Solche Fortsetzung einer Vergleichung ist unzweifelhaft
witzig, aber wir wissen bereits, dank welcher Technik sie so erscheint;
es ist ein Fall von +Unifizierung+, Herstellung eines ungeahnten
Zusammenhanges. Der Charakter der Unifizierung wird aber dadurch nicht
geändert, daß dieselbe hier in der Anreihung an ein erstes Gleichnis
besteht.

Bei einer Reihe anderer Vergleichungen ist man versucht, den unleugbar
vorliegenden witzigen Eindruck auf ein anderes Moment zu schieben,
welches wiederum mit der Natur des Gleichnisses an sich nichts zu tun
hat. Es sind dies Vergleichungen, die eine auffällige Zusammenstellung,
oft eine absurd klingende Vereinigung enthalten, oder sich durch
eine solche als Ergebnis des Vergleiches ersetzen. Die Mehrzahl der
+Lichtenberg+schen Beispiele gehören dieser Gruppe an.

„Es ist schade, daß man bei Schriftstellern die +gelehrten Eingeweide+
nicht sehen kann, um zu erforschen, was sie gegessen haben.“ „Die
gelehrten Eingeweide,“ das ist eine verblüffende, eigentlich absurde
Attribuierung, die sich erst durch die Vergleichung aufklärt. Wie
wäre es, wenn der witzige Eindruck dieses Vergleiches ganz und voll
auf den verblüffenden Charakter dieser Zusammenstellung zurückginge?
Dies entspräche einem der uns gut bekannten Mittel des Witzes, der
Darstellung durch +Widersinn+.

+Lichtenberg+ hat dieselbe Vergleichung der Aufnahme von Lese- und
Lernstoff mit der Aufnahme von physischer Nahrung auch zu einem anderen
Witz verwendet:

„Er hielt sehr viel vom +Lernen auf der Stube+ und war also gänzlich
für +gelehrte Stallfütterung+.“

Die nämliche absurde oder mindestens auffällige Attribuierung, welche,
wie wir zu merken beginnen, der eigentliche Träger des Witzes ist,
zeigen andere Gleichnisse desselben Autors:

„Das ist die +Wetterseite meiner moralischen Konstitution+, da kann ich
etwas aushalten.“

„Jeder Mensch hat auch seine +moralische Backside+, die er nicht +ohne
Not+ zeigt und die er so lange als möglich mit den +Hosen des guten
Anstandes+ zudeckt.“

Die „moralische Backside“, das ist die auffällige Attribuierung,
die als Resultat einer Vergleichung da steht. Dazu kommt aber eine
Fortführung des Vergleiches mit einem regelrechten Wortspiel („Not“)
und einer zweiten noch ungewöhnlicheren Zusammenstellung („Die Hosen
des guten Anstandes“), die vielleicht selbst an sich witzig ist, denn
die Hosen werden dadurch, daß sie die Hosen des guten Anstandes sind,
selbst gleichsam witzig. Es darf uns dann nicht wundernehmen, wenn wir
vom Ganzen den Eindruck eines sehr witzigen Vergleiches empfangen;
wir beginnen zu merken, daß wir ganz allgemein dazu neigen, einen
Charakter, welcher nur an einem Teil des Ganzen haftet, in unserer
Schätzung auf dieses Ganze auszudehnen. Die „Hosen des guten Anstandes“
erinnern übrigens an einen ähnlichen verblüffenden Vers von +Heine+:

  „+Bis mir endlich alle Knöpfe rissen
  an der Hose der Geduld.+“

Es ist unverkennbar, daß diese beiden letzten Vergleichungen einen
Charakter an sich tragen, den man nicht an allen guten, d. h.
zutreffenden Gleichnissen wiederfinden kann. Sie sind in hohem Grade
„+herabziehend+“, könnte man sagen, sie stellen ein Ding hoher
Kategorie, ein Abstraktum (hier: den guten Anstand, die Geduld) mit
einem Ding sehr konkreter Natur und selbst niedriger Art (der Hose)
zusammen. Ob diese Eigentümlichkeit etwas mit dem Witz zu schaffen
hat, werden wir noch in einem anderen Zusammenhange in Erwägung
ziehen müssen. Versuchen wir hier ein anderes Beispiel, in dem der
herabziehende Charakter ganz besonders deutlich ist, zu analysieren.
Der Kommis Weinberl in +Nestroys+ Posse „+Einen Jux will er sich
machen+“, der sich ausmalt, wie er einmal als solider alter Handelsherr
seiner Jugendtage gedenken wird, sagt: „Wenn so im traulichen Gespräch
+das Eis aufg’hackt wird vor dem Magazin der Erinnerung, wann die
G’wölbtür der Vorzeit wieder aufg’sperrt und die Pudel der Phantasie
voll ang’raumt wird mit Waren von ehemals+.“ Das sind sicherlich
Vergleichungen von Abstrakten mit sehr gewöhnlichen konkreten Dingen,
aber der Witz hängt -- ausschließlich oder nur zum Teile -- an dem
Umstand, daß ein Kommis sich dieser Vergleichungen bedient, die aus dem
Bereiche seiner alltäglichen Tätigkeit genommen sind. Das Abstrakte
aber in Beziehung zu diesem Gewöhnlichen, das ihn sonst ausfüllt, zu
bringen, ist ein Akt von +Unifizierung+.

Kehren wir zu den +Lichtenberg+schen Vergleichen zurück.

„+Die Bewegungsgründe,[31] woraus man etwas tut, könnten so wie die 32
Winde geordnet und ihre Namen auf eine ähnliche Art formiert werden,
z. B. Brot–Brot–Ruhm oder Ruhm–Ruhm–Brot.+“

Wie so häufig bei den +Lichtenberg+schen Witzen ist auch hier der
Eindruck des Treffenden, Geistreichen, Scharfsinnigen so vorherrschend,
daß unser Urteil über den Charakter des Witzigen hiedurch irregeführt
wird. Wenn in einem solchen Ausspruch etwas Witz sich dem
ausgezeichneten Sinn beimengt, werden wir wahrscheinlich verleitet, das
Ganze für einen vortrefflichen Witz zu erklären. Ich möchte vielmehr
die Behauptung wagen, daß alles, was hieran wirklich witzig ist, aus
dem Befremden über die sonderbare Kombination „Brot--Brot--Ruhm“
hervorgeht. Also als Witz eine Darstellung durch Widersinn.

[Sidenote: Sonderbare Attribuierungen.]

Die sonderbare Zusammenstellung oder absurde Attribuierung kann als
Ergebnis eines Vergleiches für sich allein hingestellt werden:

+Lichtenberg+: +Eine zweischläfrige Frau -- Ein einschläfriger
Kirchenstuhl.+ Hinter beiden steckt der Vergleich mit einem Bett,
bei beiden wirkt außer der Verblüffung noch das technische Moment
der +Anspielung+ mit, das eine Mal an die einschläfernde Wirkung
von Predigten, das andere Mal an das nie zu erschöpfende Thema der
geschlechtlichen Beziehungen.

Haben wir bisher gefunden, daß eine Vergleichung, so oft sie uns witzig
erschien, diesen Eindruck der Beimengung einer der uns bekannten
Witztechniken verdankte, so scheinen einige andere Beispiele endlich
dafür zu zeugen, daß ein Vergleich auch an und für sich witzig sein
kann.

+Lichtenbergs+ Charakteristik gewisser Oden:

„Sie sind das in der Poesie, was Jakob Böhms unsterbliche Werke in
Prose sind, +eine Art von Pickenick, wobei der Verfasser die Worte und
der Leser den Sinn stellen+.“

„Wenn er +philosophiert+, so wirft er gewöhnlich +ein angenehmes
Mondlicht+ über die Gegenstände, das im ganzen gefällt, aber nicht
einen einzigen Gegenstand deutlich zeigt.“

Oder +Heine+: „+Ihr Gesicht glich einem Kodex palimpsestus, wo unter
der neuschwarzen Mönchsschrift eines Kirchenvatertextes die halb
erloschenen Verse eines altgriechischen Liebesdichters hervorlauschen.+“

Oder die fortgesetzte Vergleichung mit starker herabsetzender Tendenz
in den „Bädern von Lucca“.

„Der +katholische Pfaffe+ treibt es mehr wie ein Kommis, der in
einer +großen Handlung+ angestellt ist; die Kirche, das große Haus,
dessen Chef der Papst ist, gibt ihm bestimmte Beschäftigung und
dafür ein bestimmtes Salär; er arbeitet lässig, wie jeder, der nicht
für eigene Rechnung arbeitet, und viele Kollegen hat, und im großen
Geschäftstreiben leicht unbemerkt bleibt -- nur der Kredit des Hauses
liegt ihm am Herzen, und noch mehr dessen Erhaltung, da er bei einem
etwaigen Bankerott seinen Lebensunterhalt verlöre. Der +protestantische
Pfaffe+ hingegen ist überall selbst Prinzipal und treibt die
Religionsgeschäfte für eigene Rechnung. Er treibt keinen Großhandel
wie sein katholischer Gewerbegenosse, sondern nur einen +Kleinhandel+;
und da er demselben allein vorstehen muß, darf er nicht lässig sein,
er muß seine +Glaubensartikel+ den Leuten anrühmen, die Artikel seiner
Konkurrenten herabsetzen, und als echter Kleinhändler steht er in
seiner Ausschnittbude, voll von Gewerbsneid gegen alle großen Häuser,
absonderlich gegen das große Haus in Rom, das viele tausend Buchhalter
und Packknechte besoldet und seine Faktoreien hat in allen vier
Weltteilen.“

Angesichts dieser, wie vieler anderer Beispiele können wir doch nicht
mehr in Abrede stellen, daß ein Vergleich auch an sich witzig sein
mag, ohne daß dieser Eindruck auf eine Komplikation mit einer der
bekannten Witztechniken zu beziehen wäre. Es entgeht uns aber dann
völlig, wodurch der witzige Charakter des Gleichnisses bestimmt ist,
da er gewiß nicht am Gleichnis als Ausdrucksform des Gedankens oder an
der Operation des Vergleiches haftet. Wir können nicht anders als das
Gleichnis unter die Arten der „indirekten Darstellung“ aufnehmen, deren
sich die Witztechnik bedient, und müssen das Problem unerledigt lassen,
das uns beim Gleichnis weit deutlicher als bei den früher behandelten
Mitteln des Witzes entgegengetreten ist. Es muß wohl auch seinen
besonderen Grund haben, wenn uns die Entscheidung, ob etwas ein Witz
ist oder nicht, beim Gleichnis mehr Schwierigkeiten bereitet als bei
anderen Ausdrucksformen.

Einen Grund aber, uns zu beklagen, daß diese erste Untersuchung
ergebnislos verlaufen sei, bietet uns auch diese Lücke in unserem
Verständnis nicht. Bei dem intimen Zusammenhang, den wir den
verschiedenen Eigenschaften des Witzes zuzuschreiben bereit sein
mußten, wäre es unvorsichtig gewesen zu erwarten, wir könnten eine
Seite des Problems voll aufklären, ehe wir noch einen Blick auf die
anderen geworfen haben. Wir werden das Problem nun wohl an anderer
Stelle angreifen müssen.

[Sidenote: Zusammenfassung über die Witztechnik.]

Sind wir sicher, daß keine der möglichen Techniken des Witzes unserer
Untersuchung entgangen ist? Das wohl nicht, aber wir können uns bei
fortgesetzter Prüfung an neuem Material überzeugen, daß wir die
häufigsten und wichtigsten technischen Mittel der Witzarbeit kennen
gelernt haben, zum mindesten so viel, als zur Schöpfung eines Urteils
über die Natur dieses psychischen Vorganges erfordert wird. Ein
solches Urteil steht gegenwärtig noch aus; hingegen sind wir in den
Besitz einer wichtigen Anzeige gelangt, von welcher Richtung wir eine
weitere Aufklärung des Problems zu erwarten haben. Die interessanten
Vorgänge der Verdichtung mit Ersatzbildung, die wir als den Kern der
Technik des Wortwitzes erkannt haben, wiesen uns auf die Traumbildung
hin, in deren Mechanismus die nämlichen psychischen Vorgänge
aufgedeckt worden sind. Eben dahin weisen aber auch die Techniken des
Gedankenwitzes, die Verschiebung, die Denkfehler, der Widersinn, die
indirekte Darstellung, die Darstellung durchs Gegenteil, die samt und
sonders in der Technik der Traumarbeit wiederkehren. Der Verschiebung
verdankt der Traum das befremdende Ansehen, das uns abhält, in ihm
die Fortsetzung unserer Wachgedanken zu erkennen; die Verwendung
von Widersinn und Absurdität im Traum hat ihn die Würde eines
psychischen Produkts gekostet und hat die Autoren verleitet, Zerfall
der geistigen Tätigkeiten, Sistierung von Kritik, Moral und Logik
als Bedingungen der Traumbildung anzunehmen. Die Darstellung durchs
Gegenteil ist im Traum so gebräuchlich, daß selbst die populären,
gänzlich irregehenden, Traumdeutungsbücher mit ihr zu rechnen pflegen;
die indirekte Darstellung, der Ersatz des Traumgedankens durch eine
Anspielung, ein Kleines, eine dem Gleichnis analoge Symbolik, ist
gerade das, was die Ausdrucksweise des Traumes von der unseres wachen
Denkens unterscheidet.[32] Eine so weitgehende Übereinstimmung wie
die zwischen den Mitteln der Witzarbeit und denen der Traumarbeit wird
kaum eine zufällige sein können. Diese Übereinstimmung ausführlich
nachzuweisen und ihrer Begründung nachzuspüren, wird eine unserer
späteren Aufgaben werden.


  [3]  Derselbe Witz wird uns noch an anderer Stelle beschäftigen,
       und dort werden wir Anlaß finden, an der von +Lipps+ gegebenen
       Übertragung desselben, der sich die unserige anschließt, eine
       Korrektur vorzunehmen, welche aber die hier nachfolgenden
       Erörterungen nicht zu stören vermag.

  [4]  Ganz ähnliches gilt für die Übertragung von +Lipps+.

  [5]  Die beiden Worten gemeinsamen Silben sind hier fett gedruckt im
       Gegensatz zu den verschiedenen Typen der besonderen Bestandteile
       beider Worte. Das zweite L, welches in der Aussprache kaum
       zur Geltung kommt, durfte natürlich übergangen werden. Es
       ist naheliegend, daß die Übereinstimmung der beiden Worte in
       mehreren Silben der Witztechnik den Anlaß zur Herstellung des
       Mischwortes bietet.

  [6]  Ob ich ein Recht dazu habe? Ich bin wenigstens nicht durch eine
       Indiskretion zur Kenntnis dieser Witze gekommen, die in dieser
       Stadt (Wien) allgemein bekannt sind und in jedermanns Munde
       gefunden werden. Eine Anzahl derselben hat +Ed. Hanslick+ in
       der „Neuen Freien Presse“ und in seiner Autobiographie der
       Öffentlichkeit übergeben. Für die bei mündlicher Tradition kaum
       vermeidlichen Entstellungen, die etwa die anderen betroffen
       hätten, bitte ich um Entschuldigung.

  [7]  „Wir hören von einer besonderen Einrichtung in der englischen
       Marine. Sämtliche Tauwerke der königlichen Flotte, vom stärksten
       bis zum schwächsten, sind dergestalt gesponnen, daß ein +roter
       Faden+ durch das Ganze durchgeht, den man nicht herauswinden
       kann, ohne alles aufzulösen, und woran auch die kleinsten
       Stücke kenntlich sind, daß sie der Krone gehören. Ebenso
       zieht sich durch Ottiliens Tagebuch ein Faden der Neigung und
       Anhänglichkeit, der alles verbindet und das Ganze bezeichnet.“
       (20. Band der Sophien-Ausgabe, S. 212.)

  [8]  Wie wenig diese regelmäßig zu wiederholende Beobachtung mit der
       Behauptung stimmt, der Witz sei ein spielendes Urteil, brauche
       ich nur anzudeuten.

  [9]  Dasselbe Witzwort soll schon vorher von +H. Heine+ auf +Alfred de
       Musset+ geprägt worden sein.

  [10] Eine der Komplikationen der Technik dieses Beispiels liegt
       darin, daß die Modifikation, durch welche sich die ausgelassene
       Schmähung ersetzt, als +Anspielung+ auf diese letztere zu
       bezeichnen ist, da sie erst über einen Schlußprozeß zu ihr
       hinführt. Über ein anderes Moment, welches hier die Technik
       kompliziert, s. u.

  [11] An der Technik dieses Witzes wirkt noch ein anderes Moment
       mit, welches ich mir später anzuführen aufspare. Es betrifft
       den inhaltlichen Charakter der Modifikation (Darstellung durch
       das Gegenteil, Widersinn). Die Witztechnik ist durch nichts
       behindert, sich mehrerer Mittel gleichzeitig zu bedienen, die
       wir aber nur der Reihe nach kennen lernen können.

  [12] 3. Aufl. 1911.

  [13] 3. Aufl., S. 238.

  [14] Daß dieser Witz infolge eines anderen Moments doch einer höheren
       Einschätzung würdig ist, kann erst an späterer Stelle gezeigt
       werden.

  [15] Die Güte dieser Witze beruht darauf, daß gleichzeitig ein anderes
       Mittel der Technik von weit höherer Ordnung zur Anwendung
       gekommen ist (s. u.). -- An dieser Stelle kann ich übrigens auch
       auf eine Beziehung des Witzes zum Rätsel aufmerksam machen. Der
       Philosoph +Fr. Brentano+ hat eine Gattung von Rätseln gedichtet,
       in denen eine kleine Anzahl von Silben zu erraten ist, die, zu
       einem Wort vereinigt, oder so oder anders zusammengefaßt, einen
       anderen Sinn ergeben, z. B.:

         ... ließ mich das +Platanenblatt ahnen+

       oder:

         wie du dem +Inder hast verschrieben, in der Hast verschrieben+?

       Die zu erratenden Silben werden im Zusammenhang des Satzes durch
       das entsprechend oft zu wiederholende Füllwort dal.. ersetzt.
       Ein Kollege des Philosophen übte eine geistreiche Rache, als er
       von der Verlobung des in reiferen Jahren stehenden Mannes hörte,
       indem er fragte: Daldaldal daldaldal? (+Brentano brennt-a-no?+)

       Was macht den Unterschied zwischen diesen Daldal-Rätseln und den
       obenstehenden Witzen? Daß in ersteren die Technik als Bedingung
       angegeben ist und der Wortlaut erraten werden soll, während in
       den Witzen der Wortlaut mitgeteilt und die Technik versteckt ist.

  [16] Ebensowenig wie in dem vortrefflichen, bei +Brill+ angeführten
       Witz von +Oliver Wendell Holmes+: „Put not your +trust in
       money+, but put your +money in trust+.“ Es wird hier ein
       Widerspruch angekündigt, der nicht erfolgt. Der zweite Teil
       des Satzes nimmt diesen Widerspruch zurück. Übrigens ein gutes
       Beispiel für die Unübersetzbarkeit der Witze von solcher Technik.

  [17] +Brill+ zitiert einen ganz analogen Modifikationswitz: +Amantes
       amentes+ (Verliebte = Narren).

  [18] „Wenn +Saphir+,“ so sagt +Heymans+, „einem reichen Gläubiger,
       dem er einen Besuch abstattet, auf die Frage: Sie kommen wohl
       um die 300 Gulden, antwortet: Nein, Sie kommen um die 300
       Gulden, so ist eben dasjenige, was er meint, in einer sprachlich
       vollkommen korrekten und auch keineswegs ungewöhnlichen Form
       ausgedrückt. In der Tat ist es so: Die Antwort +Saphirs+ ist +an
       sich betrachtet+ in schönster Ordnung. Wir verstehen auch, was
       er sagen will, nämlich, daß er seine Schuld nicht zu bezahlen
       beabsichtige. Aber +Saphir+ gebraucht dieselben Worte, die
       vorher von seinem Gläubiger gebraucht wurden. Wir können also
       nicht umhin, sie auch in dem Sinne zu nehmen, in welchem sie
       von jenem gebraucht wurden. Und dann hat +Saphirs+ Antwort gar
       keinen Sinn mehr. Der Gläubiger ‚kommt‘ ja überhaupt nicht.
       Er kann ja auch nicht um die 300 Gulden kommen, d. h.: er
       kann nicht kommen, um 300 Gulden zu bringen. Zudem hat er als
       Gläubiger nicht zu bringen, sondern zu fordern. Indem die Worte
       +Saphirs+ in solcher Weise zugleich als Sinn und als Unsinn
       erkannt werden, entsteht die Komik“ (+Lipps+, S. 97).

       Nach der oben stehenden, zur Aufklärung vollständig
       wiedergegebenen Fassung ist die Technik dieses Witzes weit
       einfacher als +Lipps+ meint. +Saphir+ kommt nicht, um die 300
       Gulden zu bringen, sondern um sie erst von dem Reichen zu holen.
       Somit entfallen die Erörterungen über „Sinn und Unsinn“ in
       diesem Witz.

  [19] Das große Buch der Witze, gesammelt und herausgegeben von Willy
       +Hermann+. Berlin 1904.

  [20] Weiteres zur Analyse dieses Wortspiels, siehe unten.

  [21] Vergl. hiezu +K. Fischer+ (S. 85), der für solche doppelsinnige
       Witze, in denen die beiden Bedeutungen nicht gleichmäßig im
       Vordergrunde stehen, sondern die eine hinter der anderen,
       den Namen „Zweideutigkeit“ beansprucht, den ich oben anders
       verwendet habe. Solche Namengebung ist Sache des Übereinkommens,
       der Sprachgebrauch hat keine sichere Entscheidung getroffen.

  [22] Die Antwort +Heines+ ist eine Kombination von zwei
       Witztechniken, einer Ablenkung mit einer Anspielung. Er sagt ja
       nicht direkt: Das ist ein Ochs.

  [23] Das Wort „nehmen“ eignet sich infolge seiner vielseitigen
       Gebrauchsfähigkeiten sehr gut für die Herstellung von
       Wortspielen, von denen ich ein reines Beispiel zum Gegensatz
       gegen den obenstehenden Verschiebungswitz mitteilen will: „Ein
       bekannter Börsenspekulant und Bankdirektor geht mit einem
       Freunde über die Ringstraße spazieren. Vor einem Kaffeehaus
       macht er diesem den Vorschlag: ‚Gehen wir hinein und +nehmen+
       wir etwas.‘ Der Freund hält ihn zurück: ‚Aber Herr Hofrat, es
       sind doch Leute darin.‘“

  [24] Über die letzteren siehe die späteren Abschnitte.

  [25] Vielleicht sind hier einige Worte zur weiteren Klärung nicht
       überflüssig: Die Verschiebung findet regelmäßig statt zwischen
       einer Rede und einer Antwort, welche den Gedankengang nach
       anderer Richtung fortsetzt, als er in der Rede begonnen wurde.
       Die Berechtigung, Verschiebung von Doppelsinn zu sondern, geht
       am schönsten aus den Beispielen hervor, in denen sich beide
       kombinieren, wo also der Wortlaut der Rede einen Doppelsinn
       zuläßt, der vom Redner nicht beabsichtigt ist, aber der Antwort
       den Weg zur Verschiebung weist. (Siehe die Beispiele.)

  [26] Siehe unten Abschnitt III.

  [27] Eine ähnliche Unsinnstechnik ergibt sich, wenn der Witz einen
       Zusammenhang aufrecht erhalten will, der durch die besonderen
       Bedingungen seines Inhalts aufgehoben erscheint. Dazu gehört
       +Lichtenbergs+ +Messer ohne Klinge, wo der Stiel fehlt+. Ähnlich
       der von +J. Falke+ (l. c.) erzählte Witz: „Ist das die Stelle,
       wo der Duke of Wellington diese Worte gesprochen hat?“ -- +Ja,
       das ist die Stelle, aber die Worte hat er nie gesprochen.+

  [28] Kück von gucken, also Blick, Fernblick.

  [29] Ich will mich der früher erwähnten eigentümlichen
       Negativrelation des Witzes zum Rätsel, daß der eine verbirgt,
       was der andere zur Schau stellt, bedienen, um die „Unifizierung“
       besser, als obige Beispiele es gestatten, zu beschreiben. Viele
       der Rätsel, mit deren Produktion sich der Philosoph G. Th.
       +Fechner+ die Zeit seiner Erblindung vertrieb, zeichnen sich
       durch einen hohen Grad von Unifizierung aus, der ihnen einen
       besonderen Reiz verleiht. Man nehme z. B. das schöne Rätsel Nr.
       203 (Rätselbüchlein von Dr. Mises. Vierte vermehrte Auflage,
       Jahreszahl nicht angegeben):

         „Die beiden ersten finden ihre Ruhestätte
         Im Paar der andern, und das Ganze macht ihr Bette.“

       Von den beiden Silbenpaaren, die zu erraten sind, ist nichts
       angegeben als eine Beziehung zueinander, und vom Ganzen nur eine
       solche zum ersten Paar. (Die Auflösung lautet: Totengräber.)
       Oder folgende zwei Beispiele von Beschreibung durch Relation zu
       dem nämlichen oder wenig modifizierten dritten:

         Nr. 170. „Die erste Silb’ hat Zähn’ und Haare,
                  Die zweite Zähne in den Haaren.
                  Wer auf den Zähnen nicht hat Haare,
                  Vom Ganzen kaufe keine Ware.“

         (Roßkamm.)

         Nr. 168. „Die erste Silbe frißt,
                  Die andere Silbe ißt,
                  Die dritte wird gefressen,
                  Das Ganze wird gegessen.“

         (Sauerkraut.)

       Die vollendetste Unifizierung findet sich in einem Rätsel von
       +Schleiermacher+, das man nicht anders als witzig heißen kann:

         „Von der letzten umschlungen
         Schwebt das vollendete Ganze
         Zu den zwei ersten empor.“

         (Galgenstrick.)

       Die größte Mehrzahl aller Silbenrätsel ist der Unifizierung bar,
       d. h. das Merkmal, aus dem die eine Silbe erraten werden soll,
       ist ganz unabhängig von dem für die zweite, dritte Silbe und
       wiederum von dem Anhaltspunkt für’s selbständige Erraten des
       Ganzen.

  [30] Nach einem Vorbild der „Griechischen Anthologie“.

  [31] Wir würden heute: Beweggründe, Motive sagen.

  [32] Vgl. meine „Traumdeutung“, Abschnitt VI, Traumarbeit.




III. Die Tendenzen des Witzes.


Als ich zu Ende des vorigen Abschnittes den +Heine+schen Vergleich
des katholischen Priesters mit einem Angestellten einer Großhandlung
und des protestantischen mit einem selbständigen Kleinhändler
niederschrieb, verspürte ich eine Hemmung, die mich bestimmen wollte,
dieses Gleichnis nicht zu verwenden. Ich sagte mir, daß sich unter
meinen Lesern wahrscheinlich einige befinden würden, denen nicht nur
die Religion, sondern auch deren Regie und Personal ehrwürdig sind;
diese Leser würden sich nur über den Vergleich entrüsten und in einen
Affektzustand geraten, der ihnen jedes Interesse für die Unterscheidung
raubt, ob das Gleichnis an sich oder nur infolge irgend welcher Zutaten
witzig erscheint. Bei anderen Gleichnissen, z. B. dem benachbarten
von dem angenehmen Mondlicht, welches eine gewisse Philosophie auf
die Gegenstände wirft, wäre eine solche für unsere Untersuchung
störende Beeinflussung eines Teiles der Leser nicht zu besorgen. Der
frommgläubigste Mann bliebe in der Verfassung, sich ein Urteil über
unser Problem zu bilden.

Es ist leicht, den Charakter des Witzes zu erraten, mit welchem die
Verschiedenheit der Reaktion auf den Witz beim Hörer zusammenhängt. Der
Witz ist das eine Mal Selbstzweck und dient keiner besonderen Absicht,
das andere Mal stellt er sich in den Dienst einer solchen Absicht; er
wird +tendenziös+. Nur derjenige Witz, welcher eine Tendenz hat, läuft
Gefahr auf Personen zu stoßen die ihn nicht anhören wollen.

Der nicht tendenziöse Witz ist von +Th. Vischer+ als „+abstrakter+“
Witz bezeichnet worden; ich ziehe es vor, ihn „+harmlosen+“ Witz zu
nennen.

Da wir vorhin den Witz nach dem Material, an dem seine Technik
angreift, in Wort- und Gedankenwitz unterschieden haben, obliegt
es uns, die Beziehung dieser Einteilung zur neu vorgebrachten zu
untersuchen. Wort- und Gedankenwitz einerseits, abstrakter und
tendenziöser Witz anderseits stehen nun in keiner Relation der
Beeinflussung zueinander; es sind zwei voneinander völlig unabhängige
Einteilungen der witzigen Produktionen. Vielleicht könnte jemand den
Eindruck empfangen haben, als seien die harmlosen Witze vorwiegend
Wortwitze, während die kompliziertere Technik des Gedankenwitzes meist
von starken Tendenzen in Dienst genommen wird; allein es gibt harmlose
Witze, die mit Wortspiel und Gleichklang arbeiten, und ebenso harmlose,
die sich aller Mittel des Gedankenwitzes bedienen. Nicht minder leicht
zu zeigen ist, daß der tendenziöse Witz der Technik nach nichts
anderes als ein Wortwitz zu sein braucht. So z. B. sind Witze, die mit
Eigennamen „spielen“, häufig von beleidigender, verletzender Tendenz,
sie gehören selbstredend zu den Wortwitzen. Die harmlosesten aller
Witze sind aber auch wieder Wortwitze, z. B. die neuerdings beliebt
gewordenen Schüttelreime, in denen die mehrfache Verwendung desselben
Materials mit einer ganz eigentümlichen Modifikation die Technik
darstellt:

    „Und weil er Geld in =M=enge hatte,
    lag stets er in der =H=ängematte.“

Es wird hoffentlich niemand in Abrede stellen, daß das Wohlgefallen an
dieser Art von sonst anspruchslosen Reimen das nämliche ist, an dem wir
den Witz erkennen.

[Sidenote: Harmloser und tendenziöser Witz.]

Gute Beispiele von abstrakten oder harmlosen Gedankenwitzen findet man
reichlich unter den +Lichtenberg+schen Vergleichungen, von denen wir
einige bereits kennen gelernt haben. Ich füge einige weitere hinzu:

„+Sie hatten ein Oktavbändchen nach Göttingen geschickt und an Leib und
Seele einen Quartanten wiederbekommen.+“

„+Um dieses Gebäude gehörig aufzuführen, muß vor allen Dingen ein guter
Grund gelegt werden, und da weiß ich keinen festeren, als wenn man über
jede Schicht pro gleich eine Schicht kontra aufträgt.+“

„+Einer zeugt den Gedanken, der andere hebt ihn aus der Taufe, der
dritte zeugt Kinder mit ihm, der vierte besucht ihn auf dem Sterbebette
und der fünfte begräbt ihn.+“ (Gleichnis mit Unifizierung.)

„+Er glaubte nicht allein keine Gespenster, sondern er fürchtete
sich nicht einmal davor.+“ Der Witz liegt hier ausschließlich an der
widersinnigen Darstellung, die das gewöhnlich für geringer Geschätzte
in den Komparativ setzt, das für bedeutsamer Gehaltene zum Positiv
nimmt. Mit Verzicht auf diese witzige Einkleidung hieße es: es ist
viel leichter, sich mit dem Verstand über die Gespensterfurcht
hinwegzusetzen, als sich ihrer bei vorkommender Gelegenheit zu
erwehren. Dies ist gar nicht mehr witzig, wohl aber eine richtige und
noch zu wenig gewürdigte psychologische Erkenntnis, die nämliche, der
+Lessing+ in den bekannten Worten Ausdruck gibt:

  „Es sind nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten.“

Ich kann die Gelegenheit, die sich hier bietet, ergreifen, um ein
immerhin mögliches Mißverständnis wegzuräumen. „Harmloser“ oder
„abstrakter“ Witz soll nämlich keineswegs gleichbedeutend sein mit
„gehaltlosem“ Witz, sondern eben nur den Gegensatz zu den später zu
besprechenden „tendenziösen“ Witzen bezeichnen. Wie obiges Beispiel
zeigt, kann ein harmloser, d. i. tendenzloser Witz auch sehr gehaltvoll
sein, etwas Wertvolles aussagen. Der Gehalt eines Witzes ist aber vom
Witz unabhängig und ist der Gehalt des Gedankens, der hier durch eine
besondere Veranstaltung witzig ausgedrückt wird. Freilich so wie die
Uhrmacher ein besonders gutes Werk auch mit einem kostbaren Gehäuse
auszustatten pflegen, mag es auch beim Witz vorkommen, daß die besten
Witzleistungen gerade zur Einkleidung der gehaltvollsten Gedanken
benützt werden.

Wenn wir nun scharf auf die Unterscheidung von Gedankengehalt und
witziger Einkleidung beim Gedankenwitz achten, so gelangen wir zu einer
Einsicht, welche uns viel Unsicherheit in unserem Urteil über Witze
aufzuklären vermag. Es stellt sich nämlich, was doch überraschend ist,
heraus, daß wir unser Wohlgefallen an einem Witz nach dem summierten
Eindruck von Gehalt und Witzleistung abgeben und uns durch den einen
Faktor über das Ausmaß des anderen geradezu täuschen lassen. Erst die
Reduktion des Witzes klärt uns die Urteilstäuschung auf.

Das nämliche trifft übrigens auch beim Wortwitz zu. Wenn wir hören:
„Die Erfahrung besteht darin, daß man erfährt, was man nicht wünscht
erfahren zu haben“; -- so sind wir verblüfft, glauben eine neue
Wahrheit zu vernehmen, und es dauert eine Weile, bis wir in dieser
Verkleidung die Plattheit: „Durch Schaden wird man klug“ (+K. Fischer+)
erkennen. Die treffliche Witzleistung, die „Erfahrung“ nahezu allein
durch die Anwendung des Wortes „erfahren“ zu definieren, täuscht uns
so, daß wir den Gehalt des Satzes überschätzen. Ebenso ergeht es uns
bei dem +Lichtenberg+schen Unifizierungswitz vom „Januarius“ (S. 53),
der uns weiter nichts zu sagen hat, als was wir längst wissen, daß
Neujahrswünsche so selten in Erfüllung gehen wie andere Wünsche, und in
vielen ähnlichen Fällen.

Das Gegenteilige erfahren wir bei anderen Witzen, in denen offenbar
das Treffende und Richtige des Gedankens uns gefangen nimmt, so daß
wir den Satz einen glänzenden Witz heißen, während nur der Gedanke
glänzend, die Witzleistung oft schwächlich ist. Gerade bei den
+Lichtenberg+schen Witzen ist der Gedankenkern häufig weit wertvoller
als die Witzeinkleidung, auf welche wir dann die Schätzung vom ersteren
her unberechtigterweise ausdehnen. So ist z. B. die Bemerkung über die
„Fackel der Wahrheit“ (S. 68) ein kaum witziger Vergleich, aber sie ist
so treffend, daß wir den Satz als einen besonders witzigen hervorheben
möchten.

Die +Lichtenberg+schen Witze sind vor allem durch ihren Gedankeninhalt
und ihre Treffsicherheit hervorragend. +Goethe+ hat mit Recht von
diesem Autor gesagt, daß seine witzigen und scherzhaften Einfälle
geradezu Probleme verbergen, richtiger: an die Lösung von Problemen
streifen. Wenn er z. B. als witzigen Einfall aufzeichnet:

„Er las immer +Agamemnon+ anstatt +angenommen+, so sehr hatte er den
Homer gelesen“ (technisch: Dummheit + Wortgleichklang), so hat er damit
nichts weniger als das Geheimnis des Verlesens selbst aufgedeckt.[33]
Ähnlich ist der Witz, dessen Technik (S. 47) uns wohl recht
unbefriedigend erschienen ist:

„+Er wunderte sich, daß den Katzen gerade an der Stelle zwei Löcher
in den Pelz geschnitten wären, wo sie die Augen hätten.+“ Die
Dummheit, die hier zur Schau getragen wird, ist nur eine scheinbare;
in Wirklichkeit steckt hinter dieser einfältigen Bemerkung das große
Problem der Teleologie im tierischen Aufbau; es ist gar nicht so
selbstverständlich, daß die Lidspalte sich dort öffnet, wo die Hornhaut
freiliegt, bis die Entwicklungsgeschichte uns dieses Zusammentreffen
aufklärt.

Wir wollen es im Gedächtnis behalten, daß wir von einem witzigen
Satz einen Gesamteindruck empfangen, in dem wir den Anteil des
Gedankeninhalts von dem Anteil der Witzarbeit nicht zu sondern
vermögen; vielleicht findet sich später hiezu eine noch bedeutsamere
Parallele.

       *       *       *       *       *

Für unsere theoretische Aufklärung über das Wesen des Witzes müssen
uns die harmlosen Witze wertvoller sein als die tendenziösen, die
gehaltlosen wertvoller als die tiefsinnigen. Harmlose und gehaltlose
Wortspiele etwa werden uns das Problem des Witzes in seiner reinsten
Form entgegenbringen, weil wir bei ihnen der Gefahr der Verwirrung
durch die Tendenz und der Urteilstäuschung durch den guten Sinn
entgehen. An solchem Material kann unsere Erkenntnis einen neuen
Fortschritt machen.

Ich wähle ein möglichst harmloses Beispiel von Wortwitz:

Ein Mädchen, welches während seiner Toilette die Ankündigung
eines Besuches erhält, klagt: „Ach wie schade, gerade wenn man am
+anziehendsten+ ist, darf man sich nicht sehen lassen.“[34]

Da mir aber Bedenken aufsteigen, ob ich diesen Witz für einen
tendenzlosen auszugeben das Recht habe, ersetze ich ihn durch einen
anderen, herzlich einfältigen, der von solcher Einwendung frei sein
dürfte.

In einem Hause, wo ich zu Gast geladen bin, wird zum Schluß der
Mahlzeit die +Roulard+ genannte Mehlspeise gereicht, deren Herstellung
einiges Geschick bei der Köchin voraussetzt. „Zu Hause gemacht?“ fragt
darum einer der Gäste, und der Hausherr antwortet: „Ja, gewiß, ein
+Home-Roulard+“ (Home-Rule).

[Sidenote: Die Lust stammt aus der Technik.]

Wir wollen diesmal nicht die Technik des Witzes untersuchen, sondern
gedenken unsere Aufmerksamkeit einem anderen, dem wichtigsten Momente
zwar, zuzuwenden. Das Anhören dieses improvisierten Witzes bereitete
den Anwesenden ein -- von mir klar erinnertes -- Vergnügen und
machte uns lachen. In diesem wie in ungezählten anderen Fällen kann
die Lustempfindung des Hörers nicht von der Tendenz und nicht vom
Gedankeninhalt des Witzes herrühren; es bleibt nichts übrig als diese
Lustempfindung mit der Technik des Witzes in Zusammenhang zu bringen.
Die von uns vorhin beschriebenen technischen Mittel des Witzes -- die
Verdichtung, Verschiebung, indirekte Darstellung usw. -- haben also
das Vermögen, beim Hörer eine Lustempfindung hervorzurufen, wenngleich
wir noch gar nicht einsehen können, wie ihnen dies Vermögen zukommen
mag. Auf so leichte Art gewinnen wir den zweiten Satz zur Aufklärung
des Witzes; der erste lautete (S. 9), daß der Charakter des Witzes an
der Ausdrucksform hängt. Besinnen wir uns noch, daß der zweite Satz uns
eigentlich nichts Neues gelehrt hat. Er isoliert nur, was bereits in
einer früher von uns gemachten Erfahrung enthalten war. Wir erinnern
ja, wenn es gelang, den Witz zu reduzieren, d. h. mit sorgfältiger
Erhaltung des Sinnes dessen Ausdruck durch einen anderen zu ersetzen,
so war damit nicht nur der Witzcharakter, sondern auch der Lacheffekt,
also das Vergnügen am Witze, aufgehoben.

Wir können hier nicht weiter gehen, ohne uns vorerst mit unseren
philosophischen Autoritäten auseinander zu setzen.

Die Philosophen, welche den Witz dem Komischen zurechnen und das
Komische selbst in der Ästhetik abhandeln, charakterisieren das
ästhetische Vorstellen durch die Bedingung, daß wir dabei nichts
von und mit den Dingen wollen, die Dinge nicht brauchen, um eines
unserer großen Lebensbedürfnisse zu befriedigen, sondern uns mit der
Betrachtung derselben und dem Genuß der Vorstellung begnügen. „Dieser
Genuß, diese Vorstellungsart ist die rein ästhetische, die nur in sich
beruht, nur in sich ihren Zweck hat und keine anderen Lebenszwecke
erfüllt“ (+K. Fischer+, S. 68).

Wir setzen uns nun kaum in Widerspruch mit diesen Worten +K. Fischers+,
übersetzen vielleicht nur seinen Gedanken in unsere Ausdrucksweise,
wenn wir hervorheben, daß die witzige Tätigkeit doch keine zweck-
oder ziellose genannt werden darf, da sie sich unverkennbar das Ziel
gesteckt hat, Lust beim Hörer hervorzurufen. Ich zweifle, ob wir irgend
etwas zu unternehmen im stande sind, wobei eine Absicht nicht in
Betracht kommt. Wenn wir unseren seelischen Apparat gerade nicht zur
Erfüllung einer der unentbehrlichen Befriedigungen brauchen, lassen
wir ihn selbst auf Lust arbeiten, suchen wir Lust aus seiner eigenen
Tätigkeit zu ziehen. Ich vermute, daß dies überhaupt die Bedingung ist,
der alles ästhetische Vorstellen unterliegt, aber ich verstehe zu wenig
von der Ästhetik, um diesen Satz durchführen zu wollen; vom Witz jedoch
kann ich auf Grund der beiden vorhin gewonnenen Einsichten behaupten,
daß er eine Tätigkeit ist, welche darauf abzielt, Lust aus den
seelischen Vorgängen -- intellektuellen oder anderen -- zu gewinnen. Es
gibt gewiß noch andere Tätigkeiten, die dasselbe bezwecken. Vielleicht
unterscheiden sie sich darin, aus welchem Gebiete seelischer Tätigkeit
sie Lust schöpfen wollen, vielleicht durch die Methode, deren sie sich
dabei bedienen. Wir können das gegenwärtig nicht entscheiden; wir
halten aber daran fest, daß nun die Witztechnik und die sie teilweise
beherrschende ersparende Tendenz (S. 33) in Beziehung gebracht sind zur
Erzeugung von Lust.

Ehe wir aber daran gehen, das Rätsel, wie die technischen Mittel
der Witzarbeit Lust beim Hörer erregen können, zu lösen, wollen wir
uns erinnern, daß wir zum Zwecke der Vereinfachung und besseren
Durchsichtigkeit die tendenziösen Witze ganz zur Seite geschoben haben.
Wir müssen doch aufzuklären suchen, welches die Tendenzen des Witzes
sind, und in welcher Weise er diesen Tendenzen dient.

Wir werden vor allem durch eine Beobachtung gemahnt, den tendenziösen
Witz bei der Untersuchung nach der Herkunft der Lust am Witze nicht
beiseite zu lassen. Die Lustwirkung des harmlosen Witzes ist zumeist
eine mäßige; ein deutliches Wohlgefallen, ein leichtes Lächeln ist
zumeist alles, was er beim Hörer zu erreichen vermag, und von diesem
Effekt ist etwa noch ein Teil auf Rechnung seines Gedankeninhalts zu
setzen, wie wir an geeigneten Beispielen (S. 77) bemerkt haben. Fast
niemals erzielt der tendenzlose Witz jene plötzlichen Ausbrüche von
Gelächter, die den tendenziösen so unwiderstehlich machen. Da die
Technik bei beiden die nämliche sein kann, darf in uns die Vermutung
rege werden, daß der tendenziöse Witz kraft seiner Tendenz über Quellen
der Lust verfügen müsse, zu denen der harmlose Witz keinen Zugang hat.

[Sidenote: Feindseliger und obszöner Witz.]

Die Tendenzen des Witzes sind nun leicht zu übersehen. Wo der Witz
nicht Selbstzweck, d. h. harmlos ist, stellt er sich in den Dienst
von nur zwei Tendenzen, die selbst eine Vereinigung unter einen
Gesichtspunkt zulassen; er ist entweder +feindseliger+ Witz (der zur
Aggression, Satire, Abwehr dient) oder +obszöner+ Witz (welcher der
Entblößung dient). Von vorne herein ist wieder zu bemerken, daß die
technische Art des Witzes -- ob Wort- oder Gedankenwitz -- keine
Relation zu diesen beiden Tendenzen hat.

Weitläufiger ist es nun, darzulegen, auf welche Weise der Witz
diesen Tendenzen dient. Ich möchte bei dieser Untersuchung nicht den
feindseligen, sondern den entblößenden Witz voranstellen. Dieser ist
zwar weit seltener einer Untersuchung gewürdigt worden, als hätte sich
hier eine Abneigung vom Stofflichen auf’s Sachliche übertragen, allein
wir wollen uns hiedurch nicht beirren lassen, da wir alsbald auf einen
Grenzfall des Witzes stoßen werden, der uns Aufklärung über mehr als
einen dunklen Punkt zu bringen verspricht.

Man weiß, was unter der „Zote“ verstanden wird: Die beabsichtigte
Hervorhebung sexueller Tatsachen und Verhältnisse durch die Rede. Indes
diese Definition ist nicht stichhaltiger als andere Definitionen. Ein
Vortrag über die Anatomie der Sexualorgane oder über die Physiologie
der Zeugung braucht trotz dieser Definition nicht einen einzigen
Berührungspunkt mit der Zote gemein zu haben. Es gehört noch dazu, daß
die Zote an eine bestimmte Person gerichtet werde, von der man sexuell
erregt wird, und die durch das Anhören der Zote von der Erregung des
Redenden Kenntnis bekommen und dadurch selbst sexuell erregt werden
soll. Anstatt dieser Erregung mag sie auch in Scham oder Verlegenheit
gebracht werden, was nur eine Reaktion gegen ihre Erregung und auf
diesem Umwege ein Eingeständnis derselben bedeutet. Die Zote ist
also ursprünglich an das Weib gerichtet und einem Verführungsversuch
gleichzusetzen. Wenn sich dann ein Mann in Männergesellschaft mit dem
Erzählen oder Anhören von Zoten vergnügt, so ist die ursprüngliche
Situation, die infolge sozialer Hemmnisse nicht verwirklicht werden
kann, dabei mitvorgestellt. Wer über die gehörte Zote lacht, lacht wie
ein Zuschauer bei einer sexuellen Aggression.

Das Sexuelle, welches den Inhalt der Zote bildet, umfaßt mehr als das
bei beiden Geschlechtern Besondere, nämlich noch überdies das beiden
Geschlechtern Gemeinsame, auf das die Scham sich erstreckt, also das
Exkrementelle in seinem ganzen Umfang. Dies ist aber der Umfang, den
das Sexuelle im Kindesalter hat, wo für die Vorstellung gleichsam eine
Kloake existiert, innerhalb deren Sexuelles und Exkrementelles schlecht
oder gar nicht gesondert werden.[35] Überall im Gedankenbereich der
Neurosenpsychologie schließt das Sexuelle noch das Exkrementelle ein,
wird es im alten, infantilen, Sinne verstanden.

Die Zote ist wie eine Entblößung der sexuell differenten Person, an die
sie gerichtet ist. Durch das Aussprechen der obszönen Worte zwingt sie
die angegriffene Person zur Vorstellung des betreffenden Körperteiles
oder der Verrichtung und zeigt ihr, daß der Angreifer selbst sich
solches vorstellt. Es ist nicht zu bezweifeln, daß die Lust, das
Sexuelle entblößt zu sehen, das ursprüngliche Motiv der Zote ist.

[Sidenote: Die Umbildung der Zote zum obszönen Witz.]

Es kann der Klärung nur förderlich sein, wenn wir hier bis auf die
Fundamente zurückgehen. Die Neigung, das Geschlechtsbesondere entblößt
zu schauen, ist eine der ursprünglichen Komponenten unserer Libido.
Sie ist selbst vielleicht bereits eine Ersetzung, geht auf eine als
primär zu supponierende Lust, das Sexuelle zu berühren, zurück. Wie
so häufig, hat das Schauen das Tasten auch hier abgelöst.[36] Die
Schau- oder Tastlibido ist bei jedermann in zweifacher Art, aktiv und
passiv, männlich und weiblich, vorhanden, und bildet sich je nach dem
Überwiegen des Geschlechtscharakters nach der einen oder der anderen
Richtung überwiegend aus. Bei jungen Kindern, kann man die Neigung zur
Selbstentblößung leicht beobachten. Wo der Keim dieser Neigung nicht
das gewöhnliche Schicksal der Überlagerung und Unterdrückung erfährt,
da entwickelt er sich zu der als Exhibitionsdrang bekannten Perversion
erwachsener Männer. Beim Weibe wird die passive Exhibitionsneigung
fast regelmäßig durch die großartige Reaktionsleistung der sexuellen
Schamhaftigkeit überlagert, aber nicht ohne daß ihr in der Kleidung ein
Ausfallspförtchen gespart bliebe. Wie dehnbar und nach Konvention und
Umständen variabel dann das der Frau als erlaubt verbliebene Maß von
Exhibition ist, brauche ich nur anzudeuten.

Beim Manne bleibt ein hoher Grad dieser Strebung als Teilstück der
Libido bestehen und dient zur Einleitung des Geschlechtsaktes. Wenn
diese Strebung sich bei der ersten Annäherung an das Weib geltend
macht, muß sie sich aus zwei Motiven der Rede bedienen. Erstens
um sich dem Weibe anzuzeigen, und zweitens weil die Erweckung der
Vorstellung durch die Rede das Weib selbst in die korrespondierende
Erregung versetzen und die Neigung zur passiven Exhibition bei ihr
erwecken kann. Diese werbende Rede ist noch nicht die Zote, geht
aber in sie über. Wo nämlich die Bereitschaft des Weibes sich rasch
einstellt, da ist die obszöne Rede kurzlebig, sie weicht alsbald der
sexuellen Handlung. Anders, wenn auf die rasche Bereitschaft des Weibes
nicht zu rechnen ist, sondern an deren Statt die Abwehrreaktionen
desselben auftreten. Dann wird die sexuell erregende Rede als Zote
Selbstzweck; da die sexuelle Aggression in ihrem Fortschreiten bis zum
Akt aufgehalten ist, verweilt sie bei der Hervorrufung der Erregung
und zieht Lust aus den Anzeichen derselben beim Weibe. Die Aggression
ändert dabei wohl auch ihren Charakter in dem nämlichen Sinne wie jede
libidinöse Regung, der sich ein Hindernis entgegenstellt; sie wird
direkt feindselig, grausam, ruft also die sadistische Komponente des
Geschlechtstriebes gegen das Hindernis zur Hilfe.

Die Unnachgiebigkeit des Weibes ist also die nächste Bedingung für die
Ausbildung der Zote, allerdings eine solche, die bloß einen Aufschub
zu bedeuten scheint und weitere Bemühung nicht aussichtslos erscheinen
läßt. Der ideale Fall eines derartigen Widerstandes beim Weibe ergibt
sich bei der gleichzeitigen Anwesenheit eines anderen Mannes, eines
Dritten, denn dann ist das sofortige Nachgeben des Weibes so gut wie
ausgeschlossen. Dieser Dritte gelangt bald zur größten Bedeutung für
die Entwicklung der Zote; zunächst ist aber von der Anwesenheit des
Weibes nicht abzusehen. Beim Landvolk oder im Wirtshaus des kleinen
Mannes kann man beobachten, daß erst das Hinzutreten der Kellnerin
oder der Wirtin die Zote zum Vorschein bringt; auf höherer sozialer
Stufe erst tritt das Gegenteil ein, macht die Anwesenheit eines
weiblichen Wesens der Zote ein Ende; die Männer sparen sich diese
Art der Unterhaltung, die ursprünglich ein sich schämendes Weib
voraussetzt, auf, bis sie allein „unter sich“ sind. So wird allmählich
anstatt des Weibes der Zuschauer, jetzt Zuhörer, die Instanz, für
welche die Zote bestimmt ist, und diese nähert sich durch solche
Wandlung bereits dem Charakter des Witzes.

Unsere Aufmerksamkeit kann von dieser Stelle an von zwei Momenten in
Anspruch genommen werden, von der Rolle des Dritten, des Zuhörers, und
von den inhaltlichen Bedingungen der Zote selbst.

Der tendenziöse Witz braucht im allgemeinen drei Personen, außer der,
die den Witz macht, eine zweite, die zum Objekt der feindseligen oder
sexuellen Aggression genommen wird, und eine dritte, an der sich die
Absicht des Witzes, Lust zu erzeugen, erfüllt. Die tiefere Begründung
für diese Verhältnisse werden wir später aufzusuchen haben, vorläufig
halten wir uns an die Tatsache, die sich ja darin bekundet, daß nicht,
wer den Witz macht, ihn auch belacht, also dessen Lustwirkung genießt,
sondern der untätige Zuhörer. In der nämlichen Relation befinden sich
die drei Personen bei der Zote. Man kann den Hergang so beschreiben:
Der libidinöse Impuls des Ersten entfaltet, sowie er die Befriedigung
durch das Weib gehemmt findet, eine gegen diese zweite Person
feindselige Tendenz und ruft die ursprünglich störende dritte Person
zum Bundesgenossen auf. Durch die zotige Rede des Ersten wird das Weib
vor diesem Dritten entblößt, der nun als Zuhörer -- durch die mühelose
Befriedigung seiner eigenen Libido -- bestochen wird.

Es ist merkwürdig, daß solcher Zotenverkehr beim gemeinen Volke so
überaus beliebt und eine nie fehlende Betätigung heiterer Stimmung ist.
Beachtenswert ist aber auch, daß bei diesem komplizierten Vorgang, der
so viele Charaktere des tendenziösen Witzes an sich trägt, an die Zote
selbst keiner der formellen Ansprüche, welche den Witz kennzeichnen,
gestellt wird. Die unverhüllte Nudität auszusprechen bereitet dem
Ersten Vergnügen und macht den Dritten lachen.

Erst wenn wir zu feiner gebildeter Gesellschaft aufsteigen, tritt
die formelle Witzbedingung hinzu. Die Zote wird witzig und wird nur
geduldet, wenn sie witzig ist. Das technische Mittel, dessen sie sich
zumeist bedient, ist die Anspielung, d. h. die Ersetzung durch ein
Kleines, ein im entfernten Zusammenhang Befindliches, welches der Hörer
in seinem Vorstellen zur vollen und direkten Obszönität rekonstruiert.
Je größer das Mißverhältnis zwischen dem in der Zote direkt Gegebenen
und dem von ihr im Hörer mit Notwendigkeit Angeregten ist, desto
feiner wird der Witz, desto höher darf er sich dann auch in die gute
Gesellschaft hinauf wagen. Außer der groben und der feinen Anspielung
stehen der witzigen Zote, wie leicht an Beispielen gezeigt werden kann,
alle anderen Mittel des Wort- und Gedankenwitzes zur Verfügung.

[Sidenote: Die Leistung des Witzes im Dienste der Tendenz.]

Hier wird endlich greifbar, was der Witz im Dienste seiner Tendenz
leistet. Er ermöglicht die Befriedigung eines Triebes (des lüsternen
und feindseligen) gegen ein im Wege stehendes Hindernis, er umgeht
dieses Hindernis und schöpft somit Lust aus einer durch das Hindernis
unzugänglich gewordenen Lustquelle. Das im Wege stehende Hindernis
ist eigentlich nichts anderes als die der höheren Bildungs- und
Gesellschaftsstufe entsprechend gesteigerte Unfähigkeit des Weibes,
das unverhüllte Sexuelle zu ertragen. Das in der Ausgangssituation als
anwesend gedachte Weib wird eben weiterhin als anwesend beibehalten,
oder ihr Einfluß wirkt auch in ihrer Abwesenheit auf die Männer
einschüchternd fort. Man kann beobachten, wie Männer höherer Stände
durch die Gesellschaft niedrig stehender Mädchen sofort veranlaßt
werden, die witzige Zote in die einfache zurücksinken zu lassen.

Die Macht, welche dem Weibe und in geringerem Maße auch dem Manne den
Genuß der unverhüllten Obszönität erschwert oder unmöglich macht,
heißen wir die „Verdrängung“ und erkennen in ihr denselben psychischen
Vorgang, der in ernsten Krankheitsfällen ganze Komplexe von Regungen
mitsamt deren Abkömmlingen vom Bewußtsein ferne hält, und sich als ein
Hauptfaktor der Verursachung bei den sog. Psychoneurosen herausgestellt
hat. Wir gestehen der Kultur und höheren Erziehung einen großen Einfluß
auf die Ausbildung der Verdrängung zu und nehmen an, daß unter diesen
Bedingungen eine Veränderung der psychischen Organisation zu stande
kommt, die auch als ererbte Anlage mitgebracht werden kann, der zufolge
sonst angenehm Empfundenes nun als unannehmbar erscheint und mit allen
psychischen Kräften abgelehnt wird. Durch die Verdrängungsarbeit der
Kultur gehen primäre, jetzt aber von der Zensur in uns verworfene,
Genußmöglichkeiten verloren. Der Psyche des Menschen wird aber alles
Verzichten so sehr schwer, und so finden wir, daß der tendenziöse Witz
ein Mittel abgibt, den Verzicht rückgängig zu machen, das Verlorene
wieder zu gewinnen. Wenn wir über einen feinen obszönen Witz lachen,
so lachen wir über das nämliche, was den Bauer bei einer groben Zote
lachen macht; die Lust stammt in beiden Fällen aus der nämlichen
Quelle; über die grobe Zote zu lachen, brächten wir aber nicht zu
stande, wir würden uns schämen, oder sie erschiene uns ekelhaft; wir
können erst lachen, wenn uns der Witz seine Hilfe geliehen hat.

Es scheint sich uns also zu bestätigen, was wir Eingangs vermutet
haben, daß der tendenziöse Witz über andere Quellen der Lust verfügt
als der harmlose, bei dem alle Lust irgendwie an die Technik geknüpft
ist. Wir können auch von neuem hervorheben, daß wir beim tendenziösen
Witz außer stande sind, durch unsere Empfindung zu unterscheiden,
welcher Anteil der Lust aus den Quellen der Technik, welcher aus
denen der Tendenz herrührt. +Wir wissen also streng genommen nicht,
worüber wir lachen.+ Bei allen obszönen Witzen unterliegen wir grellen
Urteilstäuschungen über die „Güte“ des Witzes, soweit dieselbe von
formalen Bedingungen abhängt; die Technik dieser Witze ist oft recht
ärmlich, ihr Lacherfolg ein ungeheurer.

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Die Ermöglichung der Invektive durch den Witz.]

Wir wollen nun untersuchen, ob die Rolle des Witzes im Dienst der
feindseligen Tendenz die nämliche ist.

Von vorne herein stoßen wir hier auf dieselben Bedingungen. Die
feindseligen Impulse gegen unsere Nebenmenschen unterliegen seit
unserer individuellen Kindheit wie seit den Kinderzeiten menschlicher
Kultur den nämlichen Einschränkungen, der nämlichen fortschreitenden
Verdrängung, wie unsere sexuellen Strebungen. Wir haben es noch nicht
soweit gebracht, daß wir unsere Feinde zu lieben vermöchten oder ihnen
nach dem Backenstreich auf die rechte Backe die linke hinhielten; auch
tragen alle Moralvorschriften der Beschränkung im tätigen Haß noch
heute die deutlichsten Anzeichen an sich, daß sie ursprünglich für eine
kleine Gemeinschaft von Stammesgenossen gelten sollten. So wie wir uns
alle als Angehörige eines Volkes fühlen dürfen, gestatten wir uns, von
den meisten dieser Beschränkungen gegen ein fremdes Volk abzusehen.
Aber innerhalb unseres eigenen Kreises haben wir doch Fortschritte in
der Beherrschung feindseliger Regungen gemacht; wie es +Lichtenberg+
drastisch ausdrückt: Wo man jetzt sagt: Entschuldigen Sie, da schlug
man einem früher um’s Ohr. Die gewalttätige Feindseligkeit, vom Gesetz
verboten, ist durch die Invektive in Worten abgelöst worden, und die
bessere Kenntnis der Verkettung menschlicher Regungen raubt uns durch
ihr konsequentes „Tout comprendre c’est tout pardonner“ immer mehr
von der Fähigkeit, uns gegen den Nebenmenschen, der uns in den Weg
getreten ist, zu erzürnen. Mit kräftigen Anlagen zur Feindschaft noch
als Kinder begabt, lehrt uns später die höhere persönliche Kultur,
daß es unwürdig ist, Schimpfwörter zu gebrauchen, und selbst, wo der
Kampf an sich erlaubt geblieben ist, hat die Anzahl der Dinge, die
als Mittel im Kampfe nicht verwendet werden dürfen, außerordentlich
zugenommen. Seitdem wir auf den Ausdruck der Feindseligkeit durch
die Tat verzichten mußten -- durch den leidenschaftslosen Dritten
daran gehindert, in dessen Interesse die Bewahrung der persönlichen
Sicherheit liegt --, haben wir ganz ähnlich wie bei der sexuellen
Aggression eine neue Technik der Schmähung ausgebildet, die auf die
Anwerbung dieses Dritten gegen unseren Feind abzielt. Indem wir den
Feind klein, niedrig, verächtlich, komisch machen, schaffen wir uns
auf einem Umwege den Genuß seiner Überwindung, den uns der Dritte, der
keine Mühe aufgewendet hat, durch sein Lachen bezeugt.

Wir sind nun auf die Rolle des Witzes bei der feindseligen Aggression
vorbereitet. Der Witz wird uns gestatten, Lächerliches am Feind zu
verwerten, das wir entgegenstehender Hindernisse wegen nicht laut oder
nicht bewußt vorbringen durften, wird also wiederum +Einschränkungen
umgehen und unzugänglich gewordene Lustquellen eröffnen+. Er wird
ferner den Hörer durch seinen Lustgewinn bestechen, ohne strengste
Prüfung unsere Partei zu nehmen, wie wir selbst andere Male, vom
harmlosen Witz bestochen, den Gehalt des witzig ausgedrückten Satzes zu
überschätzen pflegten. „Die Lacher auf seine Seite ziehen,“ sagt mit
vollkommen zutreffendem Ausdruck unsere Sprache.

Man fasse z. B. die über den vorigen Abschnitt zerstreuten Witze des
Herrn N. in’s Auge. Es sind sämtlich Schmähungen. Es ist, als wollte
Herr N. laut schreien: Aber der Ackerbauminister ist ja selber ein
Ochs! Laßt mich in Ruhe mit dem ***; der platzt ja vor Eitelkeit! Etwas
Langweiligeres als die Aufsätze dieses Historikers über Napoleon in
Österreich habe ich überhaupt noch nicht gelesen! Aber der Hochstand
seiner Persönlichkeit macht es ihm unmöglich, diese seine Urteile in
dieser Form von sich zu geben. Sie nehmen darum den Witz zur Hilfe,
welcher ihnen eine Aufnahme beim Hörer sichert, die sie trotz ihres
etwaigen Wahrheitsgehaltes in unwitziger Form niemals gefunden
hätten. Einer dieser Witze ist besonders lehrreich, der vom „roten
Fadian“, vielleicht der überwältigendste von allen. Was nötigt uns
daran zum Lachen und lenkt unser Interesse von der Frage, ob dem
armen Schriftsteller Unrecht geschehen ist oder nicht, so vollständig
ab? Gewiß die witzige Form, der Witz also; aber über was lachen wir
dabei? Ohne Zweifel über die Person selbst, die uns als „roter Fadian“
vorgeführt wird, und insbesondere über ihre Rothaarigkeit. Körperliche
Gebrechen zu verlachen hat sich der Gebildete abgewöhnt, auch zählt für
ihn die Rothaarigkeit nicht zu den lachenswürdigen Körperfehlern. Wohl
aber gilt sie dafür beim Schulknaben und beim gemeinen Volk, ja auch
noch auf der Bildungsstufe gewisser kommunaler und parlamentarischer
Vertreter. Und nun hat dieser Witz des Herrn N. es auf die kunstvollste
Weise ermöglicht, daß wir, erwachsene und feinfühlige Leute, über die
roten Haare des Historikers X. lachen wie die Schulknaben. Es lag dies
gewiß nicht in der Absicht des Herrn N.; aber es ist sehr zweifelhaft,
ob jemand, der seinen Witz walten läßt, dessen genaue Absicht kennen
muß.

War in diesen Fällen das Hindernis für die Aggression, welches der Witz
umgehen half, ein innerliches -- die ästhetische Auflehnung gegen die
Schmähung --, so kann es andere Male rein äußerlicher Natur sein. So
in dem Falle, wenn Serenissimus den Fremden, dessen Ähnlichkeit mit
seiner eigenen Person ihm auffällt, fragt: War seine Mutter einmal in
der Residenz? und die schlagfertige Antwort darauf lautet: Nein, aber
mein Vater. Der Gefragte möchte gewiß den Frechen niederschlagen, der
es wagt, durch solche Anspielung dem Andenken der geliebten Mutter
Schmach anzutun; aber dieser Freche ist Serenissimus, den man nicht
niederschlagen, nicht einmal beleidigen darf, wenn man diese Rache
nicht mit seiner ganzen Existenz erkaufen will. Es hieße also die
Beleidigung schweigend herunterwürgen; aber zum Glück zeigt der Witz
den Weg, sie ungefährdet zu vergelten, indem man mit dem technischen
Mittel der Unifizierung die Anspielung aufnimmt und gegen den Angreifer
wendet. Der Eindruck des Witzigen wird hier so sehr von der Tendenz
bestimmt, daß wir angesichts der witzigen Entgegnung zu vergessen
neigen, daß die Frage des Angreifers selbst durch Anspielung witzig ist.

[Sidenote: Ermöglichung der Auflehnung gegen die Autorität.]

Die Verhinderung der Schmähung oder beleidigenden Entgegnung durch
äußere Umstände ist ein so häufiger Fall, daß der tendenziöse Witz
mit ganz besonderer Vorliebe zur Ermöglichung der Aggression oder
der Kritik gegen Höhergestellte, die Autorität in Anspruch nehmen,
verwendet wird. Der Witz stellt dann eine Auflehnung gegen solche
Autorität, eine Befreiung von dem Drucke derselben dar. In diesem
Moment liegt ja auch der Reiz der Karikatur, über welche wir selbst
dann lachen, wenn sie schlecht geraten ist, bloß weil wir ihr die
Auflehnung gegen die Autorität als Verdienst anrechnen.

Wenn wir im Auge behalten, daß der tendenziöse Witz sich so sehr zum
Angriff auf Großes, Würdiges und Mächtiges eignet, das durch innerliche
Hemmungen oder äußerliche Umstände gegen direkte Herabsetzung geschützt
ist, so werden wir zu einer besonderen Auffassung gewisser Gruppen von
Witzen gedrängt, die sich mit minderwertigen und ohnmächtigen Personen
abzugeben scheinen. Ich meine die Heiratsvermittlergeschichten, von
denen wir einzelne bei der Untersuchung der mannigfaltigen Techniken
des Gedankenwitzes kennen gelernt haben. In einigen derselben z. B.
in den Beispielen „Taub ist sie auch“ und „Wer borgt denn den Leuten
was!“ ist der Vermittler als ein unvorsichtiger und gedankenloser
Mensch verlacht worden, der dadurch komisch wird, daß ihm die Wahrheit
gleichsam automatisch entwischt. Aber reimt sich einerseits das,
was wir von der Natur des tendenziösen Witzes erfahren haben, und
anderseits die Größe unseres Wohlgefallens an diesen Geschichten mit
der Armseligkeit der Personen, zusammen, über die der Witz zu lachen
scheint? Sind das des Witzes würdige Gegner? Geht es nicht vielmehr so
zu, daß der Witz die Vermittler nur vorschiebt, um etwas Bedeutsameres
zu treffen, daß er, wie das Sprichwort sagt, auf den Sack schlägt,
während er den Esel meint? Diese Auffassung ist wirklich nicht
abzuweisen.

Die obige Deutung der Vermittlergeschichten läßt eine Fortsetzung zu.
Es ist wahr, daß ich auf dieselbe nicht einzugehen brauche, daß ich
mich begnügen kann, in diesen Geschichten „Schwänke“ zu sehen, und
ihnen den Charakter des Witzes absprechen kann. Eine solche subjektive
Bedingtheit des Witzes besteht also auch; wir sind jetzt auf sie
aufmerksam geworden und werden sie späterhin untersuchen müssen. Sie
besagt, daß nur das ein Witz ist, was ich als einen Witz gelten lasse.
Was für mich ein Witz ist, kann für einen anderen bloß eine komische
Geschichte sein. Gestattet aber ein Witz diesen Zweifel, so kann es
nur daher rühren, daß er eine Schauseite, eine -- in unseren Fällen
komische -- Fassade hat, an welcher sich der Blick des einen ersättigt,
während ein anderer versuchen kann, hinter dieselbe zu spähen. Der
Verdacht darf auch rege werden, daß diese Fassade dazu bestimmt ist,
den prüfenden Blick zu blenden, daß solche Geschichten also etwas zu
verbergen haben.

[Sidenote: Nachweis der aggressiven Tendenz der Schadchenwitze.]

Jedenfalls, wenn unsere Vermittlergeschichten Witze sind, so sind sie
um so bessere Witze, weil sie dank ihrer Fassade im stande sind zu
verbergen, nicht nur, was sie zu sagen haben, sondern auch, daß sie
etwas -- Verbotenes -- zu sagen haben. Die Fortsetzung der Deutung
aber, welche dies Verborgene aufdeckt und diese Geschichten mit
komischer Fassade als tendenziöse Witze entlarvt, wäre folgende: Jeder,
der sich die Wahrheit so in einem unbewachten Moment entschlüpfen läßt,
ist eigentlich froh darüber, daß er der Verstellung ledig wird. Das
ist eine richtige und tief reichende psychologische Einsicht. Ohne
solche innerliche Zustimmung läßt sich niemand von dem Automatismus,
der hier die Wahrheit an den Tag bringt, übermannen.[37] Hiemit wandelt
sich aber die lächerliche Person des Schadchen in eine bedauernswert
sympathische. Wie selig muß der Mann sein, die Last der Verstellung
endlich abwerfen zu können, wenn er sofort die erste Gelegenheit
benützt, um das letzte Stück der Wahrheit herauszuschreien! Sowie er
merkt, daß die Sache verloren ist, daß die Braut dem jungen Manne nicht
gefällt, verrät er gern, daß sie noch einen versteckten Fehler hat, der
jenem nicht aufgefallen ist, oder er bedient sich des Anlasses, ein für
ein Detail entscheidendes Argument anzuführen, um dabei den Leuten, in
deren Dienst er arbeitet, seine Verachtung auszudrücken: Ich bitt’ Sie,
wer borgt denn den Leuten was! Die ganze Lächerlichkeit fällt nun auf
die in der Geschichte nur gestreiften Eltern, die solchen Schwindel
für gestattet halten, um nur ihre Töchter an den Mann zu bringen, auf
die Erbärmlichkeit der Mädchen, die sich unter solchen Veranstaltungen
verheiraten lassen, auf die Unwürdigkeit der Ehen, die nach solchen
Einleitungen geschlossen werden. Der Vermittler ist der richtige Mann,
der solche Kritik zum Ausdruck bringen darf, denn er weiß am meisten
von diesen Mißbräuchen, er darf sie aber nicht laut verkünden, denn er
ist ein armer Mann, der gerade nur von deren Ausnützung leben kann.
In einem ähnlichen Konflikt befindet sich aber auch der Volksgeist,
der diese und ähnliche Geschichten geschaffen hat; denn er weiß, die
Heiligkeit der geschlossenen Ehen leidet arg durch den Hinweis auf die
Vorgänge bei der Eheschließung.

Erinnern wir uns auch der Bemerkung bei der Untersuchung der
Witztechnik, daß Widersinn im Witz häufig Spott und Kritik in dem
Gedanken hinter dem Witz ersetzen, worin es die Witzarbeit übrigens
der Traumarbeit gleichtut; wir finden diesen Sachverhalt hier von
neuem bestätigt. Daß Spott und Kritik nicht der Person des Vermittlers
gelten, der in den vorigen Beispielen nur als der Prügelknabe des
Witzes auftritt, wird durch eine andere Reihe von Witzen erwiesen,
in denen der Vermittler ganz im Gegenteile als überlegene Person
gezeichnet ist, deren Dialektik sich jeder Schwierigkeit gewachsen
erweist. Es sind Geschichten mit logischer anstatt der komischen
Fassade, sophistische Gedankenwitze. In einer derselben (S. 49)
weiß der Vermittler den Fehler der Braut, daß sie hinkt, hinweg zu
disputieren. Es sei wenigstens eine „fertige Sache“, eine andere Frau
mit geraden Gliedern sei hingegen in beständiger Gefahr hinzufallen
und sich ein Bein zu brechen, und dann kämen die Krankheit, die
Schmerzen, die Behandlungskosten, die man sich bei der bereits
Hinkenden erspare. Oder in einer anderen Geschichte weiß er eine ganze
Reihe von Ausstellungen des Bewerbers an der Braut, jede einzeln
mit guten Argumenten, zurückzuweisen, um ihm dann bei der letzten,
unbeschönbaren, entgegen zu halten: Was wollen Sie, gar kein’ Fehler
soll sie haben?, als ob von den früheren Einwendungen nicht doch ein
notwendiger Rest übrig geblieben wäre. Es ist nicht schwer, bei beiden
Beispielen die schwache Stelle in der Argumentation nachzuweisen;
wir haben dies auch bei der Untersuchung der Technik getan. Aber nun
interessiert uns etwas anderes. Wenn der Rede des Vermittlers so
starker logischer Schein geliehen wird, der sich bei sorgfältiger
Prüfung als Schein zu erkennen gibt, so ist die Wahrheit dahinter, daß
der Witz dem Vermittler Recht gibt; der Gedanke getraut sich nicht,
ihm ernsthaft Recht zu geben, ersetzt diesen Ernst durch den Schein,
den der Witz vorbringt, aber der Scherz verrät hier wie so häufig den
Ernst. Wir werden nicht irre gehen, wenn wir von all den Geschichten
mit logischer Fassade annehmen, daß sie das wirklich meinen, was
sie mit absichtlich fehlerhafter Begründung behaupten. Erst diese
Verwendung des Sophismas zur versteckten Darstellung der Wahrheit
verleiht ihm den Charakter des Witzes, der also hauptsächlich von der
Tendenz abhängt. Was in beiden Geschichten angedeutet werden soll, ist
nämlich, daß der Bewerber sich wirklich lächerlich macht, wenn er die
einzelnen Vorzüge der Braut so sorgsam zusammensucht, die doch alle
hinfällig sind, und wenn er dabei vergißt, daß er vorbereitet sein muß,
ein Menschenkind mit unvermeidlichen Fehlern zu seinem Weibe zu machen,
während doch die einzige Eigenschaft, welche die Ehe mit der mehr
oder minder mangelhaften Persönlichkeit der Frau erträglich machen
würde, die gegenseitige Zuneigung und Bereitwilligkeit zur liebevollen
Anpassung wäre, von der bei dem ganzen Handel nicht die Rede ist.

Die in diesen Beispielen enthaltene Verspottung des Ehewerbers, bei
welcher nun der Vermittler ganz passend die Rolle des Überlegenen
spielt, wird in anderen Geschichten weit deutlicher zum Ausdruck
gebracht. Je deutlicher diese Geschichten sind, desto weniger von
Witztechnik enthalten sie; sie sind gleichsam nur Grenzfälle des
Witzes, mit dessen Technik sie nur mehr die Fassadenbildung gemeinsam
haben. Infolge der gleichen Tendenz und des Versteckens derselben
hinter der Fassade kommt ihnen aber die volle Wirkung des Witzes zu.
Die Armut an technischen Mitteln läßt außerdem verstehen, daß viele
Witze dieser Art das komische Element des Jargons, das ähnlich der
Witztechnik wirkt, nicht ohne starke Einbuße entbehren können.

Eine solche Geschichte, die bei aller Kraft des tendenziösen Witzes
nichts mehr von dessen Technik erkennen läßt, ist die folgende: Der
Vermittler fragt: „Was verlangen Sie von Ihrer Braut?“ -- Antwort:
„Schön muß sie sein, reich muß sie sein und gebildet.“ -- „Gut,“ sagt
der Vermittler, „aber daraus mach’ ich drei Partien.“ Hier wird der
Verweis dem Manne direkt erteilt, nicht mehr in der Einkleidung eines
Witzes.

In den bisherigen Beispielen richtete sich die verhüllte Aggression
noch gegen Personen, in den Vermittlerwitzen gegen alle Parteien, die
an dem Handel der Eheschließung beteiligt sind: Braut, Bräutigam und
deren Eltern. Die Angriffsobjekte des Witzes können aber eben sowohl
Institutionen sein, Personen, in soferne sie Träger derselben sind,
Satzungen der Moral oder der Religion, Lebensanschauungen, die ein
solches Ansehen genießen, daß der Einspruch gegen sie nicht anders als
in der Maske eines Witzes, und zwar eines durch seine Fassade gedeckten
Witzes auftreten kann. Mögen der Themata wenige sein, auf die dieser
tendenziöse Witz abzielt, seine Formen und Einkleidungen sind äußerst
mannigfaltig. Ich glaube, wir tun recht, diese Gattung von tendenziösem
Witz durch einen besonderen Namen auszuzeichnen. Welcher Name der
geeignete ist, wird sich ergeben, nachdem wir einige Beispiele dieser
Gattung gedeutet haben.

Ich erinnere an die beiden Geschichten vom verarmten Gourmand, der
bei „Lachs mit Mayonnaise“ betroffen wird, und vom trunksüchtigen
Lehrer, die wir als sophistische Verschiebungswitze kennen gelernt
haben, und führe deren Deutung fort. Wir haben seitdem gehört, daß,
wenn der Schein der Logik an die Fassade einer Geschichte geheftet
ist, der Gedanke wohl im Ernst sagen möchte: Der Mann hat Recht, des
entgegenstehenden Widerspruches wegen aber sich nicht getraut, dem
Manne anders Recht zu geben als in einem Punkte, in dem sein Unrecht
leicht nachzuweisen ist. Die gewählte „Pointe“ ist der richtige
Kompromiß zwischen seinem Recht und seinem Unrecht, was freilich keine
Entscheidung ist, aber wohl dem Konflikt in uns selbst entspricht. Die
beiden Geschichten sind einfach epikuräisch, sie sagen: Ja, der Mann
hat Recht, es gibt nichts Höheres als den Genuß, und es ist ziemlich
gleichgültig, auf welche Art man sich ihn verschafft. Das klingt
furchtbar unmoralisch und ist wohl auch nicht viel besser, aber im
Grunde ist es nichts anderes als das „+Carpe diem+“ des Poeten, der
sich auf die Unsicherheit des Lebens und auf die Unfruchtbarkeit der
tugendhaften Entsagung beruft. Wenn die Idee, daß der Mann im Witz von
„Lachs mit Mayonnaise“ Recht haben soll, auf uns so abstoßend wirkt,
so rührt dies nur von der Illustration der Wahrheit an einem Genuß
niedrigster Art, der uns sehr entbehrlich scheint, her. In Wirklichkeit
hat jeder von uns Stunden und Zeiten gehabt, in denen er dieser
Lebensphilosophie ihr Recht zugestanden und der Morallehre vorgehalten
hat, daß sie nur zu fordern verstand, ohne zu entschädigen. Seitdem
die Anweisung auf das Jenseits, in dem sich alle Entsagung durch
Befriedigung lohnen soll, von uns nicht mehr geglaubt wird -- es gibt
übrigens sehr wenig Fromme, wenn man die Entsagung zum Kennzeichen des
Glaubens macht --, seitdem wird das „Carpe diem“ zur ernsten Mahnung.
Ich will die Befriedigung gern aufschieben, aber weiß ich denn, ob ich
morgen noch da sein werde?

„+Di doman’ non c’è certezza.+“[38]

Ich will gern auf alle von der Gesellschaft verpönten Wege der
Befriedigung verzichten, aber bin ich sicher, daß mir die Gesellschaft
diese Entsagung lohnen wird, indem sie mir -- wenn auch mit einem
gewissen Aufschub -- einen der erlaubten Wege öffnet? Es läßt sich
laut sagen, was diese Witze flüstern, daß die Wünsche und Begierden
des Menschen ein Recht haben, sich vernehmbar zu machen neben der
anspruchsvollen und rücksichtslosen Moral, und es ist in unseren Tagen
in nachdrücklichen und packenden Sätzen gesagt worden, daß diese Moral
nur die eigennützige Vorschrift der wenigen Reichen und Mächtigen
ist, welche jederzeit ohne Aufschub ihre Wünsche befriedigen können.
So lange die Heilkunst es nicht weiter gebracht hat, unser Leben zu
sichern, und so lange die sozialen Einrichtungen nicht mehr dazu tun,
es erfreulicher zu gestalten, so lange kann die Stimme in uns, die
sich gegen die Moralanforderungen auflehnt, nicht erstickt werden.
Jeder ehrliche Mensch wird wenigstens bei sich dieses Zugeständnis
endlich machen. Die Entscheidung in diesem Konflikt ist erst auf dem
Umwege über eine neue Einsicht möglich. Man muß sein Leben so an das
Anderer knüpfen, sich so innig mit Anderen identifizieren können,
daß die Verkürzung der eigenen Lebensdauer überwindbar wird, und
man darf die Forderungen der eigenen Bedürfnisse nicht unrechtmäßig
erfüllen, sondern muß sie unerfüllt lassen, weil nur der Fortbestand
so vieler unerfüllter Forderungen die Macht entwickeln kann, die
gesellschaftliche Ordnung abzuändern. Aber nicht alle persönlichen
Bedürfnisse lassen sich in solcher Art verschieben und auf Andere
übertragen, und eine allgemein- und endgültige Lösung des Konflikts
gibt es nicht.

[Sidenote: Der Zynismus ersetzende Witz.]

Wir wissen nun, wie wir Witze wie die letztgedeuteten zu benennen
haben; es sind +zynische+ Witze, was sie verhüllen, sind +Zynismen+.

Unter den Institutionen, die der zynische Witz anzugreifen pflegt, ist
keine wichtiger, eindringlicher durch Moralvorschriften geschützt,
aber dennoch zum Angriff einladender als das Institut der Ehe, dem
also auch die meisten zynischen Witze gelten. Kein Anspruch ist ja
persönlicher als der auf sexuelle Freiheit, und nirgends hat die Kultur
eine stärkere Unterdrückung zu üben versucht als auf dem Gebiete der
Sexualität. Für unsere Absichten mag ein einziges Beispiel genügen, die
auf S. 64 erwähnte „Eintragung in das Stammbuch des Prinzen Karneval“:

„Eine Frau ist wie ein Regenschirm; -- man nimmt sich dann doch einen
Komfortabel.“

Die komplizierte Technik dieses Beispiels haben wir bereits erörtert:
ein verblüffender, anscheinend unmöglicher Vergleich, der aber, wie
wir jetzt sehen, an sich nicht witzig ist, ferner eine Anspielung
(Komfortabel = öffentliches Fuhrwerk) und als stärkstes technisches
Mittel eine die Unverständlichkeit erhöhende Auslassung. Die
Vergleichung wäre in folgender Art auszuführen: Man heiratet, um
sich gegen die Anfechtungen der Sinnlichkeit zu sichern, und dann
stellt sich doch heraus, daß die Ehe keine Befriedigung eines etwas
stärkeren Bedürfnisses gestattet, gerade so wie man einen Regenschirm
mitnimmt, um sich gegen den Regen zu schützen, und dann im Regen doch
naß wird. In beiden Fällen muß man sich um stärkeren Schutz umsehen,
hier öffentliches Fuhrwerk, dort für Geld zugängliche Frauen nehmen.
Jetzt ist der Witz fast völlig durch Zynismus ersetzt. Daß die Ehe
nicht die Veranstaltung ist, die Sexualität des Mannes zu befriedigen,
getraut man sich nicht laut und öffentlich zu sagen, wenn man nicht
etwa von der Wahrheitsliebe und dem Reformeifer eines +Christian v.
Ehrenfels+[39] dazu gedrängt wird. Die Stärke dieses Witzes liegt nun
darin, daß er es doch -- auf allerlei Umwegen -- gesagt hat.

[Sidenote: Zynische Witze und Selbstkritik.]

Ein für den tendenziösen Witz besonders günstiger Fall wird
hergestellt, wenn die beabsichtigte Kritik der Auflehnung sich gegen
die eigene Person richtet, vorsichtiger ausgedrückt, eine Person, an
der die eigene Anteil hat, eine Sammelperson also, das eigene Volk zum
Beispiel. Diese Bedingung der Selbstkritik mag uns erklären, daß gerade
auf dem Boden des jüdischen Volkslebens eine Anzahl der trefflichsten
Witze erwachsen sind, von denen wir ja hier reichliche Proben gegeben
haben. Es sind Geschichten, die von Juden geschaffen und gegen jüdische
Eigentümlichkeiten gerichtet sind. Die Witze, die von Fremden über
Juden gemacht werden, sind zu allermeist brutale Schwanke, in denen
der Witz durch die Tatsache erspart wird, daß der Jude den Fremden als
komische Figur gilt. Auch die Judenwitze, die von Juden herrühren,
geben dies zu, aber sie kennen ihre wirklichen Fehler wie deren
Zusammenhang mit ihren Vorzügen, und der Anteil der eigenen Person an
dem zu Tadelnden schafft die sonst schwierig herzustellende subjektive
Bedingung der Witzarbeit. Ich weiß übrigens nicht, ob es sonst noch
häufig vorkommt, daß sich ein Volk in solchem Ausmaß über sein eigenes
Wesen lustig macht.

Als Beispiel hiefür kann ich auf die S. 66 erwähnte Geschichte
hinweisen, wie ein Jude in der Eisenbahn sofort alle Dezenz
des Betragens aufgibt, nachdem er den Ankömmling im Coupé als
Glaubensgenossen erkannt hat. Wir haben diesen Witz als Beleg für die
Veranschaulichung durch ein Detail, Darstellung durch ein Kleinstes,
kennen gelernt; er soll die demokratische Denkungsart der Juden
schildern, die keinen Unterschied von Herren und Knechten anerkennt,
aber leider auch Disziplin und Zusammenwirken stört. Eine andere,
besonders interessante Reihe von Witzen schildert die Beziehungen
der armen und der reichen Juden zu einander; ihre Helden sind der
„Schnorrer“ und der mildtätige Hausherr oder der Baron. Der Schnorrer,
der alle Sonntage in demselben Haus als Gast zugelassen wird, erscheint
eines Tages in Begleitung eines unbekannten jungen Mannes, der Miene
macht, sich mit zu Tische zu setzen. Wer ist das? fragt der Hausherr
und erhält die Antwort: Das ist mein Schwiegersohn seit voriger
Woche; ich hab’ ihm die Kost versprochen das erste Jahr. Die Tendenz
dieser Geschichten ist stets die nämliche; sie wird in folgender am
deutlichsten hervortreten: Der Schnorrer bettelt beim Baron um das
Geld für eine Badereise nach Ostende; der Arzt hat ihm wegen seiner
Beschwerden ein Seebad empfohlen. Der Baron findet, Ostende sei ein
besonders kostspieliger Aufenthalt; ein wohlfeilerer würde es auch tun.
Aber der Schnorrer lehnt den Vorschlag mit den Worten ab: Herr Baron,
für meine Gesundheit ist mir nichts zu teuer. Das ist ein prächtiger
Verschiebungswitz, den wir als Muster für seine Gattung hätten nehmen
können. Der Baron will offenbar sein Geld ersparen, der Schnorrer
antwortet aber, als sei das Geld des Barons sein eigenes; das er dann
allerdings minder hochschätzen darf als seine Gesundheit. Man wird hier
aufgefordert, über die Frechheit des Anspruchs zu lachen, aber diese
Witze sind ausnahmsweise nicht mit einer das Verständnis irre führenden
Fassade ausgestattet. Die Wahrheit dahinter ist, daß der Schnorrer,
der das Geld des Reichen in Gedanken wie eigenes behandelt, nach den
heiligen Vorschriften der Juden wirklich fast das Recht zu dieser
Verwechslung hat. Natürlich richtet sich die Auflehnung, die diesen
Witz geschaffen hat, gegen das selbst den Frommen schwer bedrückende
Gesetz.

Eine andere Geschichte erzählt: Ein Schnorrer begegnet auf der Treppe
des Reichen einen Genossen im Gewerbe, der ihm abrät, seinen Weg
fortzusetzen. „Geh’ heute nicht hinauf, der Baron ist heute schlecht
aufgelegt, er gibt niemand mehr als einen Gulden.“ -- Ich werde doch
hinaufgehen, sagt der erste Schnorrer. Warum soll’ ich ihm den einen
Gulden schenken? Schenkt er mir ’was?

Dieser Witz bedient sich der Technik des Widersinnes, indem er den
Schnorrer in demselben Moment behaupten läßt, der Baron schenke ihm
nichts, in dem er sich anschickt, um das Geschenk zu betteln. Aber der
Widersinn ist nur ein scheinbarer; es ist beinahe richtig, daß ihm der
Reiche nichts schenkt, da er durch das Gesetz verpflichtet ist, ihm
Almosen zu geben, und ihm strenge genommen, dankbar sein muß, daß er
ihm die Gelegenheit zum Wohltun verschafft. Die gemeine, bürgerliche
Auffassung des Almosens liegt hier mit der religiösen im Streit; sie
revoltiert offen gegen die religiöse in der Geschichte vom Baron,
der, durch die Leidenserzählung des Schnorrers tief ergriffen, seinen
Dienern schellt: Werft’s ihn hinaus; er bricht mir das Herz! Diese
offene Darlegung der Tendenz stellt wieder einen Grenzfall des Witzes
her. Von der nicht mehr witzigen Klage: „Es ist wirklich kein Vorzug,
ein Reicher unter Juden zu sein. Das fremde Elend läßt einen nicht
zum Genuß des eigenen Glückes kommen,“ entfernen sich diese letzten
Geschichten fast nur durch die Veranschaulichung in einer einzelnen
Situation.

Von einem tief pessimistischen Zynismus zeugen andere Geschichten,
die technisch wiederum Grenzfälle des Witzes darstellen, wie die
nachstehende: Ein Schwerhöriger konsultiert den Arzt, der die richtige
Diagnose macht, der Patient trinke wahrscheinlich zuviel Branntwein
und sei darum taub. Er rät ihm davon ab, der Schwerhörige verspricht
den Rat zu beherzigen. Nach einer Weile trifft ihn der Arzt auf der
Straße und fragt ihn laut, wie es ihm gehe. Ich danke, ist die Antwort.
Sie brauchen nicht so zu schreien, Herr Doktor, ich habe das Trinken
aufgegeben und hör’ wieder gut. Nach einer weiteren Weile wiederholt
sich die Begegnung. Der Doktor fragt mit gewöhnlicher Stimme nach
seinem Befinden, merkt aber, daß er nicht verstanden wird. Wie? Was?
-- Mir scheint, Sie trinken wieder Branntwein, schreit ihm der Doktor
in’s Ohr, und darum hören Sie wieder nichts. Sie können Recht haben,
antwortet der Schwerhörige. Ich hab’ wieder angefangen zu trinken
Branntwein, aber ich will Ihnen sagen: warum. So lange ich nicht
getrunken hab’, hab’ ich gehört; aber alles, was ich gehört, war nicht
so gut wie der Branntwein. -- Technisch ist dieser Witz nichts anderes
als eine Veranschaulichung; der Jargon, die Künste der Erzählung müssen
dazu dienen, das Lachen zu erwecken, aber dahinter lauert die traurige
Frage: Hat der Mann mit seiner Wahl nicht recht?

Es ist das mannigfaltige hoffnungslose Elend des Juden, auf welches
diese pessimistischen Geschichten anspielen, die ich dieses
Zusammenhanges wegen dem tendenziösen Witz anreihen muß.

[Sidenote: Kritische und blasphemische Witze.]

Andere in ähnlichem Sinne zynische Witze, und zwar nicht nur
Judengeschichten, greifen religiöse Dogmen und den Gottesglauben
selber an. Die Geschichte vom „Kück des Rabbi“, deren Technik in
dem Denkfehler der Gleichstellung von Phantasie und Wirklichkeit
bestand (auch die Auffassung als Verschiebung wäre haltbar), ist
ein solcher zynischer oder kritischer Witz, der sich gegen die
Wundertäter und gewiß auch gegen den Wunderglauben richtet. Einen
direkt blasphemischen Witz soll +Heine+ in der Situation des Sterbenden
gemacht haben. Als der freundliche Priester ihn auf Gottes Gnade
verwies und ihm Hoffnung machte, daß er bei Gott Vergebung für seine
Sünden finden werde, soll er geantwortet haben: Bien sûr, qu’il me
pardonnera; +c’est son métier+. Das ist ein herabsetzender Vergleich,
technisch etwa nur vom Werte einer Anspielung, denn ein métier,
Geschäft oder Beruf, hat etwa ein Handwerker oder ein Arzt, und zwar
hat er nur ein einziges métier. Die Stärke des Witzes liegt aber in
seiner Tendenz. Er soll nichts anderes sagen als: Gewiß wird er mir
verzeihen, dazu ist er ja da, zu keinem anderen Zweck habe ich ihn mir
angeschafft (wie man sich seinen Arzt, seinen Advokaten hält). Und so
regt sich noch in dem machtlos daliegenden Sterbenden das Bewußtsein,
daß er sich Gott erschaffen und ihn mit Macht ausgestattet hat, um sich
seiner bei Gelegenheit zu bedienen. Das vermeintliche Geschöpf gibt
sich noch kurz vor seiner Vernichtung als den Schöpfer zu erkennen.

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Skeptische Witze.]

Zu den bisher behandelten Gattungen des tendenziösen Witzes,

  dem entblößenden oder obszönen,
  dem aggressiven (feindseligen),
  dem zynischen (kritischen, blasphemischen),

möchte ich als vierte und seltenste eine neue anreihen, deren Charakter
durch ein gutes Beispiel erläutert werden soll.

+Zwei Juden treffen sich im Eisenbahnwagen einer galizischen Station.
„Wohin fahrst du?“ fragte der eine. „Nach Krakau,“ ist die Antwort.
„Sieh her, was du für Lügner bist,“ braust der andere auf. „Wenn du
sagst, du fahrst nach Krakau, willst du doch, daß ich glauben soll, du
fahrst nach Lemberg. Nun weiß ich aber, daß du wirklich fahrst nach
Krakau. Also warum lügst du?+“

Diese kostbare Geschichte, die den Eindruck übergroßer Spitzfindigkeit
macht, wirkt offenbar durch die Technik des Widersinnes. Der Zweite
soll sich Lüge vorwerfen lassen, weil er mitgeteilt, er fahre
nach Krakau, was in Wahrheit sein Reiseziel ist! Dieses starke
technische Mittel -- der Widersinn -- ist aber hier mit einer anderen
Technik gepaart, der Darstellung durch das Gegenteil, denn nach der
unwidersprochenen Behauptung des Ersten lügt der Andere, wenn er die
Wahrheit sagt, und sagt die Wahrheit mit einer Lüge. Der ernstere
Gehalt dieses Witzes ist aber die Frage nach den Bedingungen der
Wahrheit; der Witz deutet wiederum auf ein Problem und nützt die
Unsicherheit eines unserer gebräuchlichsten Begriffe aus. Ist es
Wahrheit, wenn man die Dinge so beschreibt, wie sie sind, und sich
nicht darum kümmert, wie der Hörer das Gesagte auffassen wird? Oder ist
dies nur jesuitische Wahrheit, und besteht die echte Wahrhaftigkeit
nicht viel mehr darin, auf den Zuhörer Rücksicht zu nehmen, und ihm
ein getreues Abbild seines eigenen Wissens zu vermitteln? Ich halte
Witze dieser Art für genug verschieden von den anderen, um ihnen eine
besondere Stellung anzuweisen. Was sie angreifen, ist nicht eine Person
oder eine Institution, sondern die Sicherheit unserer Erkenntnis
selbst, eines unserer spekulativen Güter. Der Name „+skeptische+“ Witze
würde also für sie der entsprechende sein.

       *       *       *       *       *

Wir haben im Verlaufe unserer Erörterungen über die Tendenzen des
Witzes vielleicht mancherlei Aufklärungen gewonnen und gewiß reichliche
Anregungen zu weiteren Untersuchungen gefunden; aber die Ergebnisse
dieses Abschnittes setzen sich mit denen des vorigen zu einem
schwierigen Problem zusammen. Wenn es richtig ist, daß die Lust, die
der Witz bringt, einerseits an der Technik, anderseits an der Tendenz
haftet, unter welchem gemeinsamen Gesichtspunkt lassen sich etwa diese
zwei so verschiedenen Lustquellen des Witzes vereinen?


  [33] Vgl. meine „Psychopathologie des Alltagslebens“. Berlin, S.
       Karger, 1904. 4. Aufl., 1912.

  [34] +R. Kleinpaul+, Die Rätsel der Sprache, 1890.

  [35] Siehe meine gleichzeitig erscheinenden „Drei Abhandlungen zur
       Sexualtheorie“, 1905. 2. Aufl., 1910.

  [36] +Molls+ Kontrektationstrieb (Untersuchungen über die Libido
       sexualis, 1898).

  [37] Es ist derselbe Mechanismus, der das „Versprechen“ und andere
       Phänomene des Selbstverrates beherrscht. S. „Psychopathologie
       des Alltagslebens“.

  [38] +Lorenzo dei Medici.+

  [39] S. dessen Aufsätze in der Politisch-anthropologischen Revue II,
       1903.




B. Synthetischer Teil.




IV. Der Lustmechanismus und die Psychogenese des Witzes.


Aus welchen Quellen die eigentümliche Lust fließt, welche uns der Witz
bereitet, das stellen wir nun als gesicherte Erkenntnis voran. Wir
wissen, daß wir der Täuschung unterliegen können, unser Wohlgefallen
am Gedankeninhalt des Satzes mit der eigentlichen Witzeslust zu
verwechseln, daß aber diese selbst wesentlich zwei Quellen hat, die
Technik und die Tendenzen des Witzes. Was wir nun erfahren möchten,
ist, auf welche Weise sich die Lust aus diesen Quellen ergibt, der
Mechanismus dieser Lustwirkung.

Es scheint uns, daß sich die gesuchte Aufklärung beim tendenziösen Witz
viel leichter ergibt als beim harmlosen. Mit ersterem werden wir also
beginnen.

Die Lust beim tendenziösen Witz ergibt sich daraus, daß eine Tendenz
befriedigt wird, deren Befriedigung sonst unterblieben wäre. Daß
solche Befriedigung eine Lustquelle ist, bedarf keiner weiteren
Ausführung. Aber die Art, wie der Witz die Befriedigung herbeiführt,
ist an besondere Bedingungen geknüpft, aus denen vielleicht weiterer
Aufschluß zu gewinnen ist. Es sind hier zwei Fälle zu unterscheiden.
Der einfachere Fall ist, daß der Befriedigung der Tendenz ein äußeres
Hindernis im Wege steht, welches durch den Witz umgangen wird. So
fanden wir es z. B. in der Antwort, die Serenissimus auf die Frage
erhält, ob die Mutter des Angesprochenen je in der Residenz gelebt
habe, oder in der Äußerung des Kunstkenners, dem die zwei reichen
Gauner ihre Portraits zeigen: And where is the Saviour? Die Tendenz
geht in dem einen Fall dahin, einen Schimpf mit Gleichem zu erwidern,
im anderen, eine Beschimpfung an Stelle des geforderten Gutachtens von
sich zu geben; was ihr entgegensteht, sind rein äußerliche Momente,
die Machtverhältnisse der Personen, die von der Beschimpfung betroffen
werden. Es mag uns immerhin auffallen, daß diese und analoge Witze
tendenziöser Natur, so sehr sie uns auch befriedigen, doch nicht im
stande sind, einen starken Lacheffekt hervorzubringen.

Anders, wenn nicht äußere Momente, sondern ein innerliches Hindernis
der direkten Verwirklichung der Tendenz im Wege steht, wenn eine
innere Regung sich der Tendenz entgegenstellt. Diese Bedingung wäre
nach unserer Voraussetzung etwa in den aggressiven Witzen des Herrn
N. verwirklicht, in dessen Person eine starke Neigung zur Invektive
durch hochentwickelte ästhetische Kultur in Schach gehalten wird. Mit
Hilfe des Witzes wird der innere Widerstand für diesen speziellen
Fall überwunden, die Hemmung aufgehoben. Dadurch wird wie im Falle
des äußeren Hindernisses die Befriedigung der Tendenz ermöglicht,
eine Unterdrückung und die mit ihr verbundene „psychische Stauung“
vermieden; der Mechanismus der Lustentwicklung wäre insoweit für beide
Fälle der nämliche.

Wir verspüren an dieser Stelle allerdings die Neigung, in die
Unterschiede der psychologischen Situation für den Fall des äußeren
und des inneren Hindernisses tiefer einzugehen, da uns die Möglichkeit
vorschwebt, aus der Aufhebung des inneren Hindernisses könne sich ein
ungleich höherer Beitrag zur Lust ergeben. Aber ich schlage vor, hier
genügsam zu bleiben und uns vorläufig mit der einen Feststellung zu
bescheiden, welche bei dem für uns Wesentlichen verbleibt. Die Fälle
des äußerlichen und des inneren Hindernisses unterscheiden sich nur
darin, daß hier eine bereits bestehende Hemmung aufgehoben, dort die
Herstellung einer neuen vermieden wird. Wir nehmen dann die Spekulation
nicht zu sehr in Anspruch, wenn wir behaupten, daß zur Herstellung
wie zur Erhaltung einer psychischen Hemmung ein „psychischer Aufwand“
erfordert wird. Ergibt sich nun, daß in beiden Fällen der Verwendung
des tendenziösen Witzes Lust erzielt wird, so liegt es nahe,
anzunehmen, +daß solcher Lustgewinn dem ersparten psychischen Aufwand
entspreche+.

[Sidenote: Ersparung an Hemmungs- oder Unterdrückungsaufwand.]

Somit wären wir wiederum auf das Prinzip der +Ersparung+ gestoßen,
dem wir zuerst bei der Technik des Wortwitzes begegnet sind. Während
wir aber zunächst die Ersparung in dem Gebrauch von möglichst wenig
oder möglichst den gleichen Worten zu finden glaubten, ahnt uns hier
der weit umfassendere Sinn einer Ersparung an psychischem Aufwand
überhaupt, und wir müssen es für möglich halten, durch nähere
Bestimmung des noch sehr unklaren Begriffes „psychischer Aufwand“ dem
Wesen des Witzes näher zu kommen.

Eine gewisse Unklarheit, die wir bei der Behandlung des Lustmechanismus
beim tendenziösen Witze nicht überwinden konnten, nehmen wir als
billige Strafe dafür, daß wir versucht haben, das Kompliziertere
vor dem Einfacheren, den tendenziösen Witz vor dem harmlosen
aufzuklären. Wir merken uns, daß „+Ersparung an Hemmungs- oder
Unterdrückungsaufwand+“ das Geheimnis der Lustwirkung des tendenziösen
Witzes zu sein schien, und wenden uns dem Mechanismus der Lust beim
harmlosen Witze zu.

Aus geeigneten Beispielen harmlosen Witzes, bei denen keine Störung
unseres Urteils durch Inhalt oder Tendenz zu befürchten stand,
mußten wir den Schluß ziehen, daß die Techniken des Witzes selbst
Lustquellen sind, und wollen nun prüfen, ob sich diese Lust etwa auf
Ersparung an psychischem Aufwand zurückführen lasse. In einer Gruppe
dieser Witze (den Wortspielen) bestand die Technik darin, unsere
psychische Einstellung auf den Wortklang anstatt auf den Sinn des
Wortes zu richten, die (akustische) Wortvorstellung selbst an Stelle
ihrer durch Relationen zu den Dingvorstellungen gegebenen Bedeutung
treten zu lassen. Wir dürfen wirklich vermuten, daß damit eine große
Erleichterung der psychischen Arbeit gegeben ist, und daß wir uns bei
der ernsthaften Verwendung der Worte durch eine gewisse Anstrengung
von diesem bequemen Verfahren abhalten müssen. Wir können beobachten,
daß krankhafte Zustände der Denktätigkeit, in denen die Möglichkeit,
psychischen Aufwand auf eine Stelle zu konzentrieren, wahrscheinlich
eingeschränkt ist, tatsächlich die Wortklangvorstellung solcher Art
gegen die Wortbedeutung in den Vordergrund rücken lassen, und daß
solche Kranke in ihren Reden nach den „äußeren“ anstatt nach den
„inneren“ Assoziationen der Wortvorstellung, wie die Formel lautet,
fortschreiten. Auch beim Kinde, welches ja die Worte noch als Dinge zu
behandeln gewohnt ist, bemerken wir die Neigung, hinter gleichem oder
ähnlichem Wortlaut gleichen Sinn zu suchen, die zur Quelle vieler von
den Erwachsenen belachter Irrtümer wird. Wenn es uns dann im Witz ein
unverkennbares Vergnügen bereitet, durch den Gebrauch des nämlichen
Wortes oder eines ihm ähnlichen aus dem einen Vorstellungskreis in
einen anderen entfernten zu gelangen (wie bei Home-Roulard aus dem der
Küche in den der Politik), so ist dies Vergnügen wohl mit Recht auf
die Ersparung an psychischem Aufwand zurückzuführen. Die Witzeslust
aus solchem „Kurzschluß“ scheint auch um so größer zu sein, je
fremder die beiden durch das gleiche Wort in Verbindung gebrachten
Vorstellungskreise einander sind, je weiter ab sie von einander liegen,
je größer also die Ersparung an Gedankenweg durch das technische Mittel
des Witzes ausfällt. Merken wir übrigens an, daß sich der Witz hier
eines Mittels der Verknüpfung bedient, welches vom ernsthaften Denken
verworfen und sorgfältig vermieden wird.[40]

[Sidenote: Lust beim Wiederfinden des Bekannten.]

Eine zweite Gruppe technischer Mittel des Witzes -- Unifizierung,
Gleichklang, mehrfache Verwendung, Modifikation bekannter Redensarten,
Anspielung auf Zitate -- läßt als gemeinsamen Charakter herausheben,
daß jedesmal etwas Bekanntes wiedergefunden wird, wo man anstatt dessen
etwas Neues hätte erwarten können. Dieses Wiederfinden des Bekannten
ist lustvoll, und es kann uns wiederum nicht schwer fallen, solche
Lust als Ersparungslust zu erkennen, auf die Ersparung an psychischem
Aufwand zu beziehen.

Daß das Wiederfinden des Bekannten, das „Wiedererkennen“ lustvoll ist,
scheint allgemein zugestanden zu werden. +Groos+[41] sagt: (S. 153)
„Das Wiedererkennen ist nun überall, wo es nicht allzusehr mechanisiert
ist (wie etwa beim Ankleiden, wo ......) mit Lustgefühlen verbunden.
Schon die bloße Qualität der Bekanntheit ist leicht von jenem sanften
Behagen begleitet, das Faust erfüllt, wie er nach einer unheimlichen
Begegnung wieder in sein Studierzimmer tritt“ .... „Wenn so der Akt
des Wiedererkennens lusterregend ist, so werden wir erwarten dürfen,
daß der Mensch darauf verfällt, diese Fähigkeit um ihrer selbst
willen zu üben, also spielend mit ihr zu experimentieren. In der Tat
hat +Aristoteles+ in der Freude am Wiedererkennen die Grundlage des
Kunstgenusses erblickt, und es läßt sich nicht leugnen, daß dieses
Prinzip nicht übersehen werden darf, wenn es auch keine so weittragende
Bedeutung hat, wie Aristoteles annimmt.“

+Groos+ erörtert dann die Spiele, deren Charakter darin besteht,
die Freude am Wiedererkennen dadurch zu steigern, daß man demselben
Hindernisse in den Weg legt, also eine „psychische Stauung“
herbeiführt, die mit dem Akt des Erkennens beseitigt ist. Sein
Erklärungsversuch verläßt aber die Annahme, daß das Erkennen an sich
lustvoll sei, indem er das Vergnügen am Erkennen mit Berufung auf
diese Spiele auf die +Freude+ an der +Macht+, an der Überwindung
einer Schwierigkeit zurückführt. Ich halte dieses letztere Moment
für sekundär und sehe keinen Anlaß, von der einfacheren Auffassung
abzuweichen, daß das Erkennen an sich, d. h. durch Erleichterung
des psychischen Aufwands, lustvoll ist, und daß die auf diese Lust
gegründeten Spiele sich eben nur des Stauungsmechanismus bedienen, um
deren Betrag in die Höhe zu treiben.

Daß Reim, Alliteration, Refrain und andere Formen der Wiederholung
ähnlicher Wortklänge in der Dichtung die nämliche Lustquelle, das
Wiederfinden des Bekannten, ausnützen, ist gleichfalls allgemein
anerkannt. Ein „Machtgefühl“ spielt bei diesen Techniken, die mit der
„mehrfachen Verwendung“ beim Witze so große Übereinstimmung zeigen,
keine ersichtliche Rolle.

Bei den nahen Beziehungen zwischen Erkennen und Erinnern ist die
Annahme nicht mehr gewagt, daß es auch eine Erinnerungslust gebe,
d. h. daß der Akt des Erinnerns an sich von einem Lustgefühl ähnlicher
Herkunft begleitet sei. +Groos+ scheint einer solchen Annahme nicht
abgeneigt zu sein, aber er leitet die Erinnerungslust wiederum vom
„Machtgefühl“ ab, in dem er den Hauptgrund des Genusses bei fast allen
Spielen -- wie ich meine, mit Unrecht -- sucht.

[Sidenote: Der Moment der Aktualität.]

Auf dem „Wiederfinden des Bekannten“ beruht auch die Verwendung eines
anderen technischen Hilfsmittels des Witzes, von dem bisher noch
nicht die Rede war. Ich meine das Moment der +Aktualität+, das bei
sehr vielen Witzen eine ausgiebige Lustquelle darstellt und einige
Eigentümlichkeiten in der Lebensgeschichte der Witze erklärt. Es gibt
Witze, die von dieser Bedingung vollkommen frei sind, und in einer
Abhandlung über den Witz sind wir genötigt, uns fast ausschließlich
solcher Beispiele zu bedienen. Wir können aber nicht daran vergessen,
daß wir vielleicht noch stärker als über solche perennierende Witze
über andere gelacht haben, deren Verwendung uns jetzt schwer fällt,
weil sie lange Kommentare erfordern und auch mit deren Nachhilfe
die einstige Wirkung nicht erreichen würden. Diese letzteren Witze
enthielten nun Anspielungen auf Personen und Begebenheiten, die zur
Zeit „aktuell“ waren, das allgemeine Interesse wach gerufen hatten
und noch in Spannung erhielten. Nach dem Erlöschen dieses Interesses,
nach der Erledigung der betreffenden Affäre hatten auch diese Witze
einen Teil ihrer Lustwirkung, und zwar einen recht beträchtlichen Teil,
eingebüßt. So z. B. erscheint mir der Witz, den mein freundlicher
Gastgeber machte, als er die herumgereichte Mehlspeise einen
„Home-Roulard“ nannte, heute lange nicht so gut wie damals, als Home
Rule eine ständige Rubrik in den politischen Nachrichten unserer
Zeitungen war. Versuche ich jetzt das Verdienst dieses Witzes durch die
Beschreibung zu würdigen, daß uns das eine Wort mit Ersparung eines
großen Denkumweges aus dem Vorstellungskreis der Küche in den so ferne
liegenden der Politik führe, so hätte ich diese Beschreibung damals
abändern müssen, „daß uns dieses Wort aus dem Vorstellungskreis der
Küche in den ihm selbst so ferne liegenden Kreis der Politik führe, der
aber unseres lebhaften Interesses sicher sei, weil er uns eigentlich
unausgesetzt beschäftige.“ Ein anderer Witz: „Dieses Mädchen erinnert
mich an Dreyfus; die Armee glaubt nicht an ihre Unschuld“ ist heute,
trotzdem alle seine technischen Mittel unverändert geblieben sein
müssen, gleichfalls verblaßt. Die Verblüffung durch den Vergleich und
die Zweideutigkeit des Wortes „Unschuld“ können es nicht wett machen,
daß die Anspielung, die damals an eine mit frischer Erregung besetzte
Angelegenheit rührte, heute an ein erledigtes Interesse erinnert. Ein
noch aktueller Witz wie z. B. folgender: Kronprinzessin Louise hatte
sich an das Krematorium in Gotha mit der Anfrage gewendet, was eine
Verbrennung koste. Die Verwaltung gab ihr die Antwort: „Sonst 5000
Mark, ihr werde man aber nur 3000 Mark berechnen, da sie schon einmal
durchgebrannt sei“; ein solcher Witz erscheint heute unwiderstehlich;
in einiger Zeit wird er in unserer Schätzung sehr erheblich gesunken
sein, und noch eine Weile später, wenn man ihn nicht erzählen kann,
ohne in einem Kommentar hinzuzusetzen, wer die Prinzessin Louise war,
und wie ihr „Durchgebranntsein“ gemeint ist, wird er trotz des guten
Wortspiels wirkungslos bleiben.

Eine große Zahl der im Umlauf befindlichen Witze gelangt so zu einer
gewissen Lebensdauer, eigentlich zu einem Lebenslauf, der sich aus
einer Blütezeit und einer Verfallzeit zusammensetzt und in völliger
Vergessenheit endigt. Das Bedürfnis der Menschen, Lust aus ihren
Denkvorgängen zu gewinnen, schafft dann immer neue Witze unter
Anlehnung an die neuen Interessen des Tages. Die Lebenskraft der
aktuellen Witze ist keine ihnen eigene, sie wird auf dem Wege der
Anspielung jenen anderen Interessen entlehnt, deren Ablauf auch das
Schicksal des Witzes bestimmt. Das Moment der Aktualität, welches als
eine vergängliche Lustquelle zwar, aber als besonders ergiebige zu den
eigenen des Witzes hinzutritt, kann nicht einfach dem Wiederfinden
des Bekannten gleichgesetzt werden. Es handelt sich vielmehr um
eine besondere Qualifikation des Bekannten, dem die Eigenschaft des
Frischen, Rezenten, nicht vom Vergessen Berührten zukommen muß.
Auch bei der Traumbildung begegnet man einer besonderen Bevorzugung
des Rezenten und kann sich der Vermutung nicht erwehren, daß die
Assoziation mit dem Rezenten durch eine eigenartige Lustprämie belohnt,
also erleichtert wird.

Die Unifizierung, die ja nur die Wiederholung auf dem Gebiete des
Gedankenzusammenhanges anstatt des Materials ist, hat bei G. Th.
+Fechner+ eine besondere Anerkennung als Lustquelle des Witzes
gefunden. +Fechner+ äußert (Vorschule der Ästhetik I, XVII): „Meines
Erachtens spielt in dem Felde, was wir hier vor Augen haben, das
Prinzip der einheitlichen Verknüpfung des Mannigfaltigen die
Hauptrolle, bedarf aber noch unterstützender Nebenbedingungen, um das
Vergnügen, was die hieher gehörigen Fälle gewähren können, mit seinem
eigentümlichen Charakter über die Schwelle zu treiben.“[42]

In allen diesen Fällen von Wiederholung des nämlichen Zusammenhanges
oder des nämlichen Materials von Worten, von Wiederfinden des Bekannten
und Rezenten, die dabei verspürte Lust von der Ersparung an psychischem
Aufwand abzuleiten, kann uns wohl nicht verwehrt werden, wenn dieser
Gesichtspunkt sich fruchtbar zur Aufklärung von Einzelheiten und zur
Gewinnung neuer Allgemeinheiten erweist. Wir wissen, daß wir noch die
Art, wie die Ersparung zu stande kommt, und den Sinn des Ausdrucks
„psychischer Aufwand“ deutlich zu machen haben.

[Sidenote: Wortlust und Lust am Unsinn.]

Die dritte Gruppe der Techniken des Witzes -- zumeist des
Gedankenwitzes --, welche die Denkfehler, Verschiebungen, den
Widersinn, die Darstellung durch das Gegenteil u. a. umfaßt, mag
für den ersten Anschein ein besonderes Gepräge tragen und keine
Verwandtschaft mit den Techniken des Wiederfindens des Bekannten oder
des Ersatzes der Gegenstandsassoziationen durch die Wortassoziationen
verraten; es ist nichts desto weniger gerade hier sehr leicht, den
Gesichtspunkt der Ersparung oder Erleichterung des psychischen
Aufwandes zur Geltung zu bringen.

Daß es leichter und bequemer ist, von einem eingeschlagenen Gedankenweg
abzuweichen als ihn festzuhalten, Unterschiedenes zusammenzuwerfen
als es in Gegensatz zu bringen, und gar besonders bequem, von der
Logik verworfene Schlußweisen gelten zu lassen, endlich bei der
Zusammenfügung von Worten oder Gedanken von der Bedingung abzusehen,
daß sie auch einen Sinn ergeben sollen: dies ist allerdings nicht
zweifelhaft, und gerade dies tun die in Rede stehenden Techniken des
Witzes. Befremden wird aber die Aufstellung erregen, daß solches
Tun der Witzarbeit eine Quelle der Lust eröffnet, da wir gegen alle
derartigen Minderleistungen der Denktätigkeit außerhalb des Witzes nur
unlustige Abwehrgefühle verspüren können.

Die „Lust am Unsinn“, wie wir abkürzend sagen können, ist im
ernsthaften Leben allerdings bis zum Verschwinden verdeckt. Um sie
nachzuweisen, müssen wir auf zwei Fälle eingehen, in denen sie noch
sichtbar ist und wieder sichtbar wird, auf das Verhalten des lernenden
Kindes und das des Erwachsenen in toxisch veränderter Stimmung. In der
Zeit, da das Kind den Wortschatz seiner Muttersprache handhaben lernt,
bereitet es ihm ein offenbares Vergnügen, mit diesem Material „spielend
zu experimentieren“ (+Groos+), und es fügt die Worte, ohne sich an die
Sinnbedingung zu binden, zusammen, um den Lusteffekt des Rhythmus oder
des Reimes mit ihnen zu erzielen. Dieses Vergnügen wird ihm allmählich
verwehrt, bis ihm nur die sinnreichen Wortverbindungen als gestattete
erübrigen. Noch in spätere Jahre ragen dann die Bestrebungen, sich über
die erlernten Einschränkungen im Gebrauche der Worte hinauszusetzen,
indem man dieselben durch bestimmte Anhängsel verunstaltet, ihre
Formen durch gewisse Veranstaltungen verändert (Reduplikationen,
Zittersprache) oder sich sogar für den Gebrauch unter den Gespielen
eine eigene Sprache zurecht macht, Bemühungen, welche dann bei den
Geisteskranken gewisser Kategorien wieder auftauchen.

[Sidenote: Wiederherstellung alter Freiheiten.]

Ich meine, welches immer das Motiv war, dem das Kind folgte, als es
mit solchen Spielen begann, in weiterer Entwicklung gibt es sich
ihnen mit dem Bewußtsein, daß sie unsinnig sind, hin und findet
das Vergnügen in diesem Reiz des von der Vernunft Verbotenen. Es
benützt nun das Spiel dazu, sich dem Drucke der kritischen Vernunft
zu entziehen. Weit gewaltiger sind aber die Einschränkungen, die
bei der Erziehung zum richtigen Denken und zur Sonderung des in der
Realität Wahren vom Falschen Platz greifen müssen, und darum ist die
Auflehnung gegen den Denk- und Realitätszwang eine tiefgreifende und
lang anhaltende; selbst die Phänomene der Phantasiebetätigung fallen
unter diesen Gesichtspunkt. Die Macht der Kritik ist in dem späteren
Abschnitt der Kindheit und in der über die Pubertät hinausreichenden
Periode des Lernens meist so sehr gewachsen, daß die Lust am „befreiten
Unsinn“ sich nur selten direkt zu äußern wagt. Man getraut sich nicht,
Widersinn auszusprechen; aber die für den Buben charakteristische
Neigung zu widersinnigem, zweckwidrigem Tun scheint mir ein direkter
Abkömmling der Lust am Unsinn zu sein. In pathologischen Fällen
sieht man leicht diese Neigung soweit gesteigert, daß sie wieder
die Reden und Antworten des Schülers beherrscht; bei einigen in
Neurose verfallenen Gymnasiasten konnte ich mich überzeugen, daß
die unbewußt wirkende Lust an dem von ihnen produzierten Unsinn an
ihren Fehlleistungen nicht minderen Anteil hatte als ihre wirkliche
Unwissenheit.

Der Student gibt es dann nicht auf, gegen den Denk- und Realitätszwang
zu demonstrieren, dessen Herrschaft er doch immer unduldsamer und
uneingeschränkter werden verspürt. Ein guter Teil des studentischen
Ulks gehört dieser Reaktion an. Der Mensch ist eben ein „unermüdlicher
Lustsucher“, -- ich weiß nicht mehr, bei welchem Autor ich diesen
glücklichen Ausdruck gefunden habe -- und jeder Verzicht auf eine
einmal genossene Lust wird ihm sehr schwer. Mit dem heiteren Unsinn
des Bierschwefels versucht der Student, sich die Lust aus der Freiheit
des Denkens zu retten, die ihm durch die Schulung des Kollegs immer
mehr verloren geht. Ja noch viel später, wenn er als gereifter Mann
mit anderen auf dem wissenschaftlichen Kongresse zusammengetroffen ist
und sich wieder als Lernender gefühlt hat, muß nach Schluß der Sitzung
die Kneipzeitung, welche die neu gewonnenen Einsichten in’s Unsinnige
verzerrt, ihm für die neu zugewachsene Denkhemmung Entschädigung bieten.

„Bierschwefel“ und „Kneipzeitung“ legen in ihren Namen Zeugnis
dafür ab, daß die Kritik, welche die Lust am Unsinn verdrängt hat,
bereits so stark geworden ist, daß sie ohne toxische Hilfsmittel auch
nicht zeitweilig beiseite geschoben werden kann. Die Veränderung
der Stimmungslage ist das Wertvollste, was der Alkohol dem Menschen
leistet, und weshalb dieses „Gift“ nicht für jeden gleich entbehrlich
ist. Die heitere Stimmung, ob nun endogen entstanden oder toxisch
erzeugt, setzt die hemmenden Kräfte, die Kritik unter ihnen, herab und
macht damit Lustquellen wieder zugänglich, auf denen die Unterdrückung
lastete. Es ist überaus lehrreich zu sehen, wie die Anforderungen
an den Witz mit einer Hebung der Stimmungslage sinken. Die Stimmung
ersetzt eben den Witz, wie der Witz sich bemühen muß, die Stimmung zu
ersetzen, in welcher sich sonst gehemmte Genußmöglichkeiten, unter
ihnen die Lust am Unsinn, geltend machen.

  „Mit wenig Witz und viel Behagen.“

Unter dem Einfluß des Alkohols wird der Erwachsene wieder zum Kinde,
dem die freie Verfügung über seinen Gedankenablauf ohne Einhaltung des
logischen Zwanges Lust bereitet.

Wir hoffen nun auch dargetan zu haben, daß die Widersinnstechniken des
Witzes einer Lustquelle entsprechen. Daß diese Lust aus Ersparung an
psychischem Aufwand, Erleichterung vom Zwange der Kritik, hervorgeht,
brauchen wir nur zu wiederholen.

Bei einem nochmaligen Rückblick auf die in drei Gruppen
gesonderten Techniken des Witzes bemerken wir, daß die erste
und dritte dieser Gruppen, die Ersetzung der Dingassoziationen
durch die Wortassoziationen und die Verwendung des Widersinns als
Wiederherstellungen alter Freiheiten und als Entlastungen von dem
Zwang der intellektuellen Erziehung zusammengefaßt werden können; es
sind psychische Erleichterungen, die man in einen gewissen Gegensatz
zur Ersparung bringen kann, welche die Technik in der zweiten Gruppe
ausmacht. Erleichterung des schon bestehenden und Ersparung an erst
aufzubietendem psychischem Aufwand, auf diese beiden Prinzipien führt
sich also alle Technik des Witzes und somit alle Lust aus diesen
Techniken zurück. Die beiden Arten der Technik und der Lustgewinnung
fallen übrigens -- im großen und ganzen wenigstens -- mit der Scheidung
des Witzes in Wort- und Gedankenwitz zusammen.

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Spiel und Scherz.]

Die vorstehenden Erörterungen haben uns unversehens zur Einsicht in
eine Entwicklungsgeschichte oder Psychogenese des Witzes geführt,
welcher wir nun näher treten wollen. Wir haben Vorstufen des
Witzes kennen gelernt, deren Entwicklung bis zum tendenziösen Witz
wahrscheinlich neue Beziehungen zwischen den verschiedenen Charakteren
des Witzes aufdecken kann. Vor allem Witz gibt es etwas, was wir als
+Spiel+ oder ‚+Scherz+‘ bezeichnen können. Das Spiel -- verbleiben wir
bei diesem Namen -- tritt beim Kinde auf, während es Worte verwenden
und Gedanken an einander fügen lernt. Dieses Spiel folgt wahrscheinlich
einem der Triebe, welche das Kind zur Übung seiner Fähigkeiten
nötigen (+Groos+); es stößt dabei auf Lustwirkungen, die sich aus der
Wiederholung des Ähnlichen, aus dem Wiederfinden des Bekannten, dem
Gleichklang usw. ergeben und als unvermutete Ersparungen an psychischem
Aufwand erklären. Es ist nicht zu verwundern, daß diese Lusteffekte das
Kind zur Pflege des Spieles antreiben und es veranlassen, dieselben
ohne Rücksicht auf die Bedeutung der Worte und den Zusammenhang der
Sätze fortzusetzen. +Spiel+ mit Worten und Gedanken, motiviert durch
gewisse Lusteffekte der Ersparung, wäre also die erste Vorstufe des
Witzes.

Diesem Spiel macht die Erstarkung eines Moments ein Ende, das als
Kritik oder Vernünftigkeit bezeichnet zu werden verdient. Das Spiel
wird nun als sinnlos oder direkt widersinnig verworfen; es wird
infolge der Kritik unmöglich. Es ist nun auch ausgeschlossen, anders
als zufallsweise aus jenen Quellen des Wiederfindens des Bekannten
usw. Lust zu beziehen, es sei denn, daß den Heranwachsenden eine
lustvolle Stimmung befalle, welche der Heiterkeit des Kindes ähnlich
die kritische Hemmung aufhebt. In diesem Falle allein wird das alte
Spiel der Lustgewinnung wieder ermöglicht, aber auf diesen Fall mag der
Mensch nicht warten und auf die ihm vertraute Lust nicht verzichten.
Er sucht also nach Mitteln, welche ihn von der lustvollen Stimmung
unabhängig machen; die weitere Entwicklung zum Witze wird von den
beiden Bestrebungen, die Kritik zu vermeiden und die Stimmung zu
ersetzen, regiert.

Damit setzt die zweite Vorstufe des Witzes ein, der +Scherz+. Es
gilt nun den Lustgewinn des Spieles durchzusetzen und dabei doch den
Einspruch der Kritik, der das Lustgefühl nicht aufkommen ließe, zum
Schweigen zu bringen. Zu diesem Ziele führt nur ein einziger Weg. Die
sinnlose Zusammenstellung von Worten oder die widersinnige Anreihung
von Gedanken muß doch einen Sinn haben. Die ganze Kunst der Witzarbeit
wird aufgeboten, um solche Worte und solche Gedankenkonstellationen
aufzufinden, bei denen diese Bedingung erfüllt ist. Alle technischen
Mittel des Witzes finden hier bereits, beim Scherz, Verwendung, auch
trifft der Sprachgebrauch zwischen Scherz und Witz keine konsequente
Unterscheidung. Was den Scherz vom Witz unterscheidet, ist, daß der
Sinn des der Kritik entzogenen Satzes kein wertvoller, kein neuer oder
auch nur guter zu sein braucht; es muß sich eben nur so sagen lassen,
wenngleich es ungebräuchlich, überflüssig, nutzlos ist, es so zu sagen.
Beim Scherz steht die Befriedigung, das von der Kritik Verbotene
ermöglicht zu haben, im Vordergrunde.

Ein bloßer Scherz ist es z. B., wenn +Schleiermacher+ die Eifersucht
definiert als die Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden
schafft. Ein Scherz ist es, wenn der Professor +Kästner+, der im 18.
Jahrhundert in Göttingen Physik lehrte -- und Witze machte, -- einen
Studenten namens +Kriegk+ bei der Inskription nach seinem Alter fragte
und auf die Antwort, er sei dreißig Jahre alt, meinte: Ei, so habe
ich ja die Ehre, den 30jährigen Krieg zu sehen.[43] Mit einem Scherz
antwortete Meister +Rokitansky+ auf die Frage, welchen Berufen sich
seine vier Söhne zugewendet hätten: „Zwei heilen und zwei heulen“ (zwei
Ärzte und zwei Sänger). Die Auskunft war richtig und darum nicht weiter
angreifbar; aber sie fügte nichts hinzu, was nicht in dem in Klammern
stehenden Ausdruck enthalten gewesen wäre. Es ist unverkennbar, daß die
Antwort die andere Form nur wegen der Lust angenommen hat, welche sich
aus der Unifizierung und aus dem Gleichklang der beiden Worte ableitet.

Ich meine, wir sehen nun endlich klar. Es hat uns in der Bewertung
der Techniken des Witzes immer gestört, daß diese nicht dem Witz
allein zu eigen sind, und doch schien das Wesen des Witzes an ihnen zu
hängen, da mit ihrer Beseitigung durch die Reduktion Witzcharakter und
Witzeslust verloren waren. Nun merken wir, was wir als die Techniken
des Witzes beschrieben haben, -- und in gewissem Sinne fortfahren
müssen so zu nennen -- das sind vielmehr die Quellen, aus denen der
Witz die Lust bezieht, und wir finden es nicht befremdend, daß andere
Verfahren zum nämlichen Zweck aus den gleichen Quellen schöpfen. Die
dem Witze eigentümliche und ihm allein zukommende Technik besteht
aber in seinem Verfahren, die Anwendung dieser lustbereitenden Mittel
gegen den Einspruch der Kritik sicher zu stellen, welcher die Lust
aufheben würde. Wir können von diesem Verfahren wenig Allgemeines
aussagen; die Witzarbeit äußert sich, wie schon erwähnt, in der Auswahl
eines solchen Wortmaterials und solcher Denksituationen, welche es
gestatten, daß das alte Spiel mit Worten und Gedanken die Prüfung der
Kritik bestehe, und zu diesem Zwecke müssen alle Eigentümlichkeiten
des Wortschatzes und alle Konstellationen des Gedankenzusammenhanges
auf das Geschickteste ausgenützt werden. Vielleicht werden wir
späterhin noch in die Lage kommen, die Witzarbeit durch eine bestimmte
Eigenschaft zu charakterisieren; vorläufig bleibt es unerklärt, wie die
dem Witze ersprießliche Auswahl getroffen werden kann. Die Tendenz und
Leistung des Witzes, die lustbereitenden Wort- und Gedankenverbindungen
vor der Kritik zu schützen, stellt sich aber schon beim Scherz als
sein wesentliches Merkmal heraus. Von Anfang an besteht seine Leistung
darin, innere Hemmungen aufzuheben und durch sie unzugänglich gewordene
Lustquellen ergiebig zu machen, und wir werden finden, daß er diesem
Charakter durch seine ganze Entwicklung treu bleibt.

Wir sind nun auch in der Lage, dem Moment des „Sinnes im Unsinn“ (vgl.
Einleitung, S. 4), welchem von den Autoren eine so große Bedeutung zur
Kennzeichnung des Witzes und zur Aufklärung der Lustwirkung beigemessen
wird, seine richtige Stellung anzuweisen. Die zwei festen Punkte
in der Bedingtheit des Witzes, seine Tendenz, das lustvolle Spiel
durchzusetzen, und seine Bemühung, es vor der Kritik der Vernunft zu
schützen, erklären ohne weiteres, warum der einzelne Witz, wenn er für
die eine Ansicht unsinnig erscheint, für eine andere sinnvoll oder
wenigstens zulässig erscheinen muß. Wie er dies macht, das bleibt die
Sache der Witzarbeit; wo es ihm nicht gelungen ist, wird er eben als
„Unsinn“ verworfen. Wir haben es aber auch nicht nötig, die Lustwirkung
des Witzes aus dem Widerstreit der Gefühle abzuleiten, die aus dem
Sinn und gleichzeitigen Unsinn des Witzes, sei es direkt, sei es auf
dem Wege der „Verblüffung und Erleuchtung“, hervorgehen. Ebensowenig
besteht für uns eine Nötigung, der Frage näher zu treten, wieso Lust
aus der Abwechslung des für-sinnlos-Haltens und für-sinnreich-Erkennens
des Witzes hervorgehen könne. Die Psychogenese des Witzes hat uns
belehrt, daß die Lust des Witzes aus dem Spiel mit Worten oder aus
der Entfesselung des Unsinns stammt, und daß der Sinn des Witzes nur
dazu bestimmt ist, diese Lust gegen die Aufhebung durch die Kritik zu
schützen.

[Sidenote: Scherz und Witz.]

Somit wäre das Problem des wesentlichen Charakters des Witzes bereits
am Scherz erklärt. Wir dürfen uns der weiteren Entwicklung des
Scherzes bis zu deren Höhe im tendenziösen Witz zuwenden. Der Scherz
stellt noch die Tendenz voran, uns Vergnügen zu bereiten, und begnügt
sich damit, daß seine Aussage nicht unsinnig oder völlig gehaltlos
erscheine. Wenn diese Aussage selbst eine gehalt- und wertvolle ist,
wandelt sich der Scherz zum +Witz+. Ein Gedanke, der unseres Interesses
würdig gewesen wäre auch in schlichtester Form ausgedrückt, ist nun in
eine Form gekleidet, die an und für sich unser Wohlgefallen erregen
muß.[44] Gewiß ist eine solche Vergesellschaftung nicht ohne Absicht
zu stande gekommen, müssen wir denken und werden uns bemühen, die
der Bildung des Witzes zu Grunde liegende Absicht zu erraten. Eine
bereits früher, wie beiläufig gemachte Beobachtung wird uns auf die
Spur führen. Wir haben oben bemerkt, daß ein guter Witz uns sozusagen
einen Gesamteindruck von Wohlgefallen macht, ohne daß wir im stande
wären, unmittelbar zu unterscheiden, welcher Anteil der Lust von der
witzigen Form, welcher von dem trefflichen Gedankeninhalt herrührt (S.
77). Wir täuschen uns beständig über diese Aufteilung, überschätzen
das eine Mal die Güte des Witzes infolge unserer Bewunderung für den
in ihm enthaltenen Gedanken, bald umgekehrt den Wert des Gedankens
wegen des Vergnügens, das uns die witzige Einkleidung bereitet. Wir
wissen nicht, was uns Vergnügen macht und worüber wir lachen. Diese
als tatsächlich anzunehmende Unsicherheit unseres Urteils mag das
Motiv für die Bildung des Witzes im eigentlichen Sinne abgegeben
haben. Der Gedanke sucht die Witzverkleidung, weil er durch sie
sich unserer Aufmerksamkeit empfiehlt, uns bedeutsamer, wertvoller
erscheinen kann, vor allem aber, weil dieses Kleid unsere Kritik
besticht und verwirrt. Wir haben die Neigung, dem Gedanken, zu gute
zu schreiben, was uns an der witzigen Form gefallen hat, sind auch
nicht mehr geneigt, etwas unrichtig zu finden, was uns Vergnügen
bereitet hat, um uns so die Quelle einer Lust zu verschütten. Hat
der Witz uns zum Lachen gebracht, so ist übrigens die für die Kritik
ungünstigste Disposition in uns hergestellt, denn dann ist uns von
einem Punkte aus jene Stimmung aufgezwungen worden, der bereits das
Spiel genügt hat, und die zu ersetzen der Witz mit allen Mitteln bemüht
war. Wenngleich wir vorhin festgesetzt haben, daß solcher Witz als
harmloser, noch nicht tendenziöser, zu bezeichnen sei, werden wir doch
nicht verkennen dürfen, daß streng genommen nur der Scherz tendenzlos
ist, d. h. allein der Absicht Lust zu erzeugen dient. Der Witz --
mag der in ihm enthaltene Gedanke auch tendenzlos sein, also bloß
theoretischem Denkinteresse dienen -- ist eigentlich nie tendenzlos; er
verfolgt die zweite Absicht, den Gedanken durch Vergrößerung zu fördern
und ihn gegen die Kritik zu sichern. Er äußert hier wiederum seine
ursprüngliche Natur, indem er sich einer hemmenden und einschränkenden
Macht, nun dem kritischen Urteil, entgegenstellt.

[Sidenote: Die Entwicklung zum tendenziösen Witz.]

Diese erste über die Lusterzeugung hinausgehende Verwendung des Witzes
weist den weiteren den Weg. Der Witz ist nun als ein psychischer
Machtfaktor erkannt, dessen Gewicht den Ausschlag geben kann, wenn
es in diese oder jene Wagschale fällt. Die großen Tendenzen und
Triebe des Seelenlebens nehmen ihn für ihre Zwecke in Dienst. Der
ursprünglich tendenzlose Witz, der als ein Spiel begann, kommt
+sekundär+ in Beziehung zu Tendenzen, denen sich nichts, was im
Seelenleben gebildet wird, auf die Dauer entziehen kann. Wir wissen
bereits, was er im Dienste der entblößenden, feindseligen, zynischen,
skeptischen Tendenz zu leisten vermag. Beim obszönen Witz, welcher aus
der Zote hervorgegangen ist, macht er aus dem ursprünglich die sexuelle
Situation störenden Dritten einen Bundesgenossen, vor dem das Weib
sich schämen muß, indem er ihn durch Mitteilung seines Lustgewinnes
besticht. Bei der aggressiven Tendenz verwandelt er den anfänglich
indifferenten Zuhörer durch das nämliche Mittel in einen Mithasser
oder Mitverächter und schafft dem Feind ein Heer von Gegnern, wo erst
nur ein einziger war. Im ersten Falle überwindet er die Hemmungen der
Scham und der Wohlanständigkeit durch die Lustprämie, die er bietet; im
zweiten aber wirft er wiederum das kritische Urteil um, welches sonst
den Streitfall geprüft hätte. Im dritten und vierten Falle, im Dienste
der zynischen und skeptischen Tendenz erschüttert er den Respekt vor
Institutionen und Wahrheiten, an die der Hörer geglaubt hat, einerseits
indem er das Argument verstärkt, anderseits aber, indem er eine neue
Art des Angriffs pflegt. Wo das Argument die Kritik des Hörers auf
seine Seite zu ziehen sucht, ist der Witz bestrebt, diese Kritik zur
Seite zu drängen. Es ist kein Zweifel, daß der Witz den psychologisch
wirksameren Weg gewählt hat.

Bei dieser Übersicht über die Leistungen des tendenziösen Witzes hat
sich uns in den Vordergrund gedrängt, was leichter zu sehen ist,
die Wirkung des Witzes auf den, der ihn hört. Für das Verständnis
bedeutsamer sind die Leistungen, die der Witz im Seelenleben desjenigen
vollbringt, der ihn macht, oder, wie man einzig richtig sagen sollte,
dem er einfällt. Wir haben schon einmal den Vorsatz gefaßt, -- und
finden hier Anlaß ihn zu erneuern --, daß wir die psychischen Vorgänge
des Witzes mit Rücksicht auf ihre Verteilung auf zwei Personen
studieren wollen. Vorläufig wollen wir der Vermutung Ausdruck geben,
daß der durch den Witz angeregte psychische Vorgang beim Hörer den beim
Schöpfer des Witzes in den meisten Fällen nachbildet. Dem äußerlichen
Hindernis, welches beim Hörer überwunden werden soll, entspricht
eine innere Hemmung beim Witzigen. Zum mindesten ist beim Letzteren
die Erwartung des äußerlichen Hindernisses als hemmende Vorstellung
vorhanden. In einzelnen Fällen ist das innerliche Hindernis, das
durch den tendenziösen Witz überwunden wird, evident; von den Witzen
des Herrn N. (S. 87) dürfen wir z. B. annehmen, daß sie nicht nur
den Hörern den Genuß der Aggression durch Injurien, sondern vor
allem ihm die Produktion derselben ermöglichen. Unter den Arten der
innerlichen Hemmung oder Unterdrückung wird eine unseres besonderen
Interesses würdig sein, weil sie die weitgehendste ist; sie wird mit
dem Namen der „Verdrängung“ bezeichnet und an ihrer Leistung erkannt,
daß sie die ihr verfallenen Regungen sowie deren Abkömmlinge vom
Bewußtwerden ausschließt. Wir werden hören, daß der tendenziöse Witz
selbst aus solchen der Verdrängung unterliegenden Quellen Lust zu
entbinden vermag. Läßt sich in solcher Art, wie oben angedeutet wurde,
die Überwindung äußerer Hindernisse auf die innerer Hemmungen und
Verdrängungen zurückführen, so darf man sagen, daß der tendenziöse
Witz den Hauptcharakter der Witzarbeit, Lust frei zu machen durch
Beseitigung von Hemmungen am deutlichsten von allen Entwicklungsstufen
des Witzes erweist. Er verstärkt die Tendenzen, in deren Dienst er
sich stellt, indem er ihnen Hilfen aus unterdrückt gehaltenen Regungen
zuführt, oder er stellt sich überhaupt in den Dienst unterdrückter
Tendenzen.

Man kann gern zugeben, daß dies die Leistungen des tendenziösen Witzes
sind, und wird sich doch besinnen müssen, daß man nicht versteht, auf
welche Weise ihm diese Leistungen gelingen können. Seine Macht besteht
in dem Lustgewinn, den er aus den Quellen des Spieles mit Worten und
des befreiten Unsinnes zieht, und wenn man nach den Eindrücken urteilen
soll, die man von den tendenzlosen Scherzen empfangen hat, kann man
den Betrag dieser Lust unmöglich für so groß halten, daß man ihr die
Kraft zur Aufhebung eingewurzelter Hemmungen und Verdrängungen zutrauen
könnte. Es liegt hier in der Tat keine einfache Kraftwirkung, sondern
ein verwickelteres Auslösungsverhältnis vor. Anstatt den weiten Umweg
darzulegen, auf dem ich zur Einsicht in dieses Verhältnis gelangt bin,
werde ich es auf kurzem synthetischem Wege darzustellen versuchen.

G. Th. +Fechner+ hat in seiner Vorschule der Ästhetik (I. Bd., V) das
„Prinzip der ästhetischen Hilfe oder Steigerung“ aufgestellt, das er in
folgenden Worten ausführt: „+Aus dem widerspruchslosen Zusammentreffen
von Lustbedingungen, die für sich wenig leisten, geht ein größeres,
oft viel größeres Lustresultat hervor, als dem Lustwerte der einzelnen
Bedingungen für sich entspricht, ein größeres, als daß es als Summe
der Einzelwirkungen erklärt werden könnte; ja es kann selbst durch ein
Zusammentreffen dieser Art ein positives Lustergebnis erzielt, die
Schwelle der Lust überstiegen werden, wo die einzelnen Faktoren zu
schwach dazu sind; nur daß sie vergleichungsweise mit anderen einen
Vorteil der Wohlgefälligkeit spürbar werden lassen müssen.+“[45] Ich
meine, das Thema des Witzes gibt uns nicht viel Gelegenheit, die
Richtigkeit dieses Prinzips, das sich an vielen anderen künstlerischen
Bildungen erweisen läßt, zu bestätigen. Am Witz haben wir etwas anderes
gelernt, was wenigstens in die Nähe dieses Prinzips gehört, daß wir
beim Zusammenwirken mehrerer lusterzeugender Faktoren nicht im stande
sind, jedem derselben den ihm am Ergebnis wirklich zukommenden Anteil
zuzuweisen (siehe S. 77). Man kann aber die in dem Prinzip der Hilfe
angenommene Situation variieren und für diese neuen Bedingungen eine
Reihe von Fragestellungen erzielen, die der Beantwortung würdig wären.
Was geschieht allgemein, wenn in einer Konstellation Lustbedingungen
mit Unlustbedingungen zusammentreffen? Wovon hängt dann das Ergebnis
und das Vorzeichen desselben ab? Der Fall des tendenziösen Witzes
ist ein spezieller unter diesen Möglichkeiten. Es ist eine Regung
oder Strebung vorhanden, welche Lust aus einer bestimmten Quelle
entbinden wollte und bei ungehindertem Gewähren auch entbinden würde,
außerdem besteht eine andere Strebung, welche dieser Lustentwicklung
entgegenwirkt, sie also hemmt oder unterdrückt. Die unterdrückende
Strömung muß, wie der Erfolg zeigt, um ein Gewisses stärker sein als
die unterdrückte, die darum doch nicht aufgehoben ist.

Nun trete eine zweite Strebung hinzu, die aus dem nämlichen Vorgang
Lust entbinden würde, wenn auch von anderen Quellen her, die also
der unterdrückten gleichsinnig wirkt. Welches kann in solchem Falle
der Erfolg sein? Ein Beispiel wird uns besser orientieren, als diese
Schematisierung es könnte. Es bestehe die Strebung, eine gewisse Person
zu beschimpfen; dieser stehe aber das Anstandsgefühl, die ästhetische
Kultur, so sehr im Wege, daß das Schimpfen unterbleiben muß; könnte es
z. B. infolge einer veränderten Affektlage oder Stimmung durchbrechen,
so würde dieser Durchbruch der schimpfenden Tendenz nachträglich mit
Unlust empfunden werden. Das Schimpfen unterbleibt also. Es biete sich
aber die Möglichkeit, aus dem Material der zur Beschimpfung dienenden
Worte und Gedanken einen guten Witz zu ziehen, also Lust aus anderen
Quellen zu entbinden, denen die nämliche Unterdrückung nicht im Wege
steht. Doch müßte diese zweite Lustentwicklung unterbleiben, wenn nicht
das Schimpfen zugelassen würde; sowie letzteres aber zugelassen wird,
ist mit ihm noch die neue Lustentbindung verbunden. Die Erfahrung am
tendenziösen Witze zeigt, daß unter solchen Umständen die unterdrückte
Tendenz durch die Hilfe der Witzeslust die Stärke bekommen kann,
die sonst stärkere Hemmung zu überwinden. Es wird geschimpft, weil
damit der Witz ermöglicht ist. Aber das erzielte Wohlgefallen ist
nicht nur das vom Witz erzeugte; es ist unvergleichlich größer, um
so viel größer als die Witzeslust, daß wir annehmen müssen, es sei
der vorhin unterdrückten Tendenz gelungen, sich etwa ganz ohne Abzug
durchzusetzen. Unter diesen Verhältnissen wird beim tendenziösen Witz
am ausgiebigsten gelacht.

[Sidenote: Das Prinzip der „Vorlust“.]

Vielleicht werden wir durch die Untersuchung der Bedingungen des
Lachens dazu kommen, uns eine anschaulichere Vorstellung von dem
Vorgang der Hilfe des Witzes gegen die Unterdrückung zu bilden.
Wir sehen aber auch jetzt, daß der Fall des tendenziösen Witzes
ein Spezialfall des Prinzips der Hilfe ist. Eine Möglichkeit der
Lustentwicklung tritt zu einer Situation hinzu, in welcher eine andere
Lustmöglichkeit verhindert ist, so daß diese für sich allein keine Lust
ergeben würde; das Ergebnis ist eine Lustentwicklung, die weit größer
ist als die der hinzugetretenen Möglichkeit. Letztere hat gleichsam
als +Verlockungsprämie+ gewirkt; mit Hilfe eines dargebotenen kleinen
Betrages von Lust ist ein sehr großer, sonst schwer zu erreichender
gewonnen worden. Ich habe guten Grund zu vermuten, daß dieses Prinzip
einer Einrichtung entspricht, die sich auf vielen, fern von einander
gelegenen Gebieten des Seelenlebens bewährt, und halte es für
zweckmäßig, die zur Auslösung der großen Lustentbindung dienende Lust
als +Vorlust+ und das Prinzip als +Vorlustprinzip+ zu bezeichnen.

[Sidenote: Spiellust und Aufhebungslust.]

Wir können nun die Formel für die Wirkungsweise des tendenziösen Witzes
aussprechen: Er stellt sich in den Dienst von Tendenzen, um vermittels
der Witzeslust als Vorlust durch die Aufhebung von Unterdrückungen und
Verdrängungen neue Lust zu erzeugen. Wenn wir nun seine Entwicklung
überschauen, dürfen wir sagen, daß der Witz seinem Wesen von Anfang
an bis zu seiner Vollendung treu geblieben ist. Er beginnt als ein
Spiel, um Lust aus der freien Verwendung von Worten und Gedanken zu
ziehen. Sowie das Erstarken der Vernunft ihm dieses Spiel mit Worten
als sinnlos und mit Gedanken als unsinnig verwehrt, wandelt er sich
zum Scherz, um diese Lustquellen festhalten und aus der Befreiung
des Unsinns neue Lust gewinnen zu können. Als eigentlicher, noch
tendenzloser, Witz leiht er dann Gedanken seine Hilfe und stärkt sie
gegen die Anfechtung des kritischen Urteils, wobei ihm das Prinzip der
Verwechslung der Lustquellen dienlich ist, und endlich tritt er großen,
mit der Unterdrückung kämpfenden Tendenzen bei, um nach dem Prinzip
der Vorlust innere Hemmungen aufzuheben. Die Vernunft -- das kritische
Urteil -- die Unterdrückung, dies sind die Mächte, die er der Reihe
nach bekämpft; die ursprünglichen Wortlustquellen hält er fest und
eröffnet sich von der Stufe des Scherzes an neue Lustquellen durch die
Aufhebung von Hemmungen. Die Lust, die er erzeugt, sei es nun Spiellust
oder Aufhebungslust, können wir alle Male von Ersparung an psychischem
Aufwand ableiten, falls solche Auffassung nicht dem Wesen der Lust
widerspricht und sich noch anderweitig fruchtbar erweist.[46]


  [40] Wenn ich mir hier gestatten darf, der Darstellung im Texte
       vorzugreifen, so kann ich an dieser Stelle ein Licht auf die
       Bedingung werfen, welche für den Sprachgebrauch maßgebend
       scheint, um einen Witz einen „guten“ oder einen „schlechten“
       zu heißen. Wenn ich mittels eines doppelsinnigen oder wenig
       modifizierten Wortes auf kurzem Wege aus einem Vorstellungskreis
       in einen anderen geraten bin, während sich zwischen den beiden
       Vorstellungskreisen nicht auch gleichzeitig eine sinnvolle
       Verknüpfung ergibt, dann habe ich einen „schlechten“ Witz
       gemacht. In diesem schlechten Witz ist das eine Wort, die
       „Pointe“, die einzig vorhandene Verknüpfung zwischen den
       beiden disparaten Vorstellungen. Ein solcher Fall ist das
       oben verwendete Beispiel: Home-Roulard. Ein „guter Witz“
       kommt aber zu stande, wenn die Kindererwartung Recht behält
       und mit der Ähnlichkeit der Worte wirklich gleichzeitig eine
       andere wesentliche Ähnlichkeit des Sinnes angezeigt ist, wie
       im Beispiel: Traduttore-Traditore. Die beiden disparaten
       Vorstellungen, die hier durch eine äußerliche Assoziation
       verknüpft sind, stehen außerdem in einem sinnreichen
       Zusammenhang, welcher eine Wesensverwandtschaft von ihnen
       aussagt. Die äußerliche Assoziation ersetzt nur den innerlichen
       Zusammenhang; sie dient dazu, ihn anzuzeigen oder klarzustellen.
       Der „Übersetzer“ heißt nicht nur ähnlich wie der Verräter; er
       ist auch eine Art von Verräter, er führt gleichsam mit Recht
       seinen Namen.

       Der hier entwickelte Unterschied fällt mit der später
       einzuführenden Scheidung von „Scherz“ und „Witz“ zusammen. Es
       wäre aber Unrecht, Beispiele wie Home-Roulard von der Erörterung
       über die Natur des Witzes auszuschließen. So wie wir die
       eigentümliche Lust des Witzes in Betracht ziehen, finden wir,
       daß die „schlechten“ Witze keineswegs als Witze schlecht, d. h.
       ungeeignet zur Erzeugung von Lust sind.

  [41] Die Spiele des Menschen, 1899.

  [42] Abschnitt XVII ist überschrieben: Von sinnreichen und witzigen
       Vergleichen, Wortspielen u. a. Fällen, welche den Charakter der
       Ergötzlichkeit, Lustigkeit, Lächerlichkeit tragen.

  [43] +Kleinpaul.+ Die Rätsel der Sprache, 1890.

  [44] Als Beispiel, welches den Unterschied von Scherz und
       eigentlichem Witz erkennen läßt, diene das ausgezeichnete
       Witzwort, mit welchem ein Mitglied des „Bürgerministeriums“
       in Österreich die Frage nach der Solidarität des Kabinetts
       beantwortete: „Wie sollen wir für einander +einstehen+ können,
       wenn wir einander nicht +ausstehen+ können?“ Technik: Verwendung
       des nämlichen Materials mit geringer (gegensätzlicher)
       Modifikation; der korrekte und treffende Gedanke: Es gibt
       keine Solidarität ohne persönliches Einvernehmen. Die
       Gegensätzlichkeit der Modifikation (+ein+stehen--+aus+stehen)
       entspricht der vom Gedanken behaupteten Unvereinbarkeit und
       dient ihr als Darstellung.

  [45] S. 51 der zweiten Auflage, Leipzig 1897. -- Die Hervorhebung
       ist die +Fechner+’s.

  [46] Eine kurze nachträgliche Berücksichtigung verdienen noch die
       Unsinnswitze, die in der Darstellung nicht zu ihrem vollen Recht
       gelangt sind.

       Bei der Bedeutung, die unsere Auffassung dem Moment „Sinn im
       Unsinn“ zugesteht, könnte man versucht sein zu fordern, daß
       jeder Witz ein Unsinnswitz sein müsse. Dies ist aber nicht
       notwendig, weil nur das Spiel mit Gedanken unvermeidlich zum
       Unsinn führt, die andere Quelle der Witzeslust, das Spiel mit
       Worten, diesen Eindruck nur gelegentlich macht und die mit
       ihm verbundene Kritik nicht regelmäßig aufruft. Die zweifache
       Wurzel der Witzeslust -- aus dem Spiel mit Worten und aus
       dem Spiel mit Gedanken, die der wichtigsten Einteilung in
       Wort- und Gedankenwitze entspricht --, tritt einer knappen
       Formulierung allgemeiner Sätze über den Witz als fühlbare
       Erschwerung entgegen. Das Spielen mit Worten ergibt offenkundige
       Lust infolge der oben aufgezählten Momente des Erkennens usw.
       und ist der Unterdrückung infolgedessen nur in geringem Maße
       unterlegen. Das Spiel mit Gedanken kann durch solche Lust nicht
       motiviert werden; es ist einer sehr energischen Unterdrückung
       verfallen, und die Lust, die es liefern kann, ist nur die Lust
       der aufgehobenen Hemmung; die Witzeslust, kann man demnach
       sagen, zeige einen Kern von ursprünglicher Spiellust und eine
       Hülle von Aufhebungslust. -- Wir nehmen es natürlich nicht
       wahr, daß die Lust beim Unsinnswitz daher rührt, daß es uns
       gelungen ist, einen Unsinn der Unterdrückung zum Trotz frei zu
       machen, während wir ohne weiteres merken, daß ein Spielen mit
       Worten uns Lust bereitet hat. -- Der Unsinn, der im Gedankenwitz
       stehen geblieben ist, erwirbt sekundär die Funktion, unsere
       Aufmerksamkeit durch Verblüffung zu spannen, er dient als
       Verstärkungsmittel für die Wirkung des Witzes, aber nur dann,
       wenn er aufdringlich ist, so daß die Verblüffung dem Verständnis
       um ein deutliches Zeitteilchen voraneilen kann. Daß der Unsinn
       im Witze überdies zur Darstellung eines im Gedanken enthaltenen
       Urteils verwendet werden kann, ist an den Beispielen S. 44
       gezeigt worden. Auch dies ist aber nicht die primäre Bedeutung
       des Unsinns im Witze.

       An die Unsinnswitze kann man eine Reihe von witzähnlichen
       Produktionen anschließen, für die es an einem passenden Namen
       fehlt, die aber auf die Bezeichnung „witzig scheinender
       Blödsinn“ Anspruch haben könnten. Es gibt deren ungezählt viele;
       ich will nur zwei als Proben herausheben: Ein Mann greift bei
       Tische, als ihm der Fisch serviert wird, zweimal mit beiden
       Händen in die Mayonnaise und streicht sie sich dann durch die
       Haare. Vom Nachbar erstaunt angesehen, scheint er seinen Irrtum
       zu bemerken und entschuldigt sich: Pardon, ich glaubte, es wäre
       Spinat.

       Oder: Das Leben ist eine Kettenbrück’, sagt der eine. -- Wieso?
       fragt der andere. -- Weiß ich? lautet die Antwort.

        Diese extremen Beispiele wirken dadurch, daß sie die
       Erwartung des Witzes erwecken, so daß man hinter dem Unsinn den
       verborgenen Sinn zu finden sich bemüht. Man findet aber keinen,
       sie sind wirklich Unsinn. Unter jener Vorspiegelung ist es für
       einen Augenblick ermöglicht geworden, die Lust am Unsinn frei
       zu machen. Diese Witze sind nicht ganz ohne Tendenz; es sind
       „Aufsitzer“, sie bereiten dem Erzähler eine gewisse Lust, indem
       sie den Hörer irreführen und ärgern. Letzterer dämpft dann
       diesen Ärger durch den Vorsatz, selbst zum Erzähler zu werden.




V. Die Motive des Witzes. -- Der Witz als sozialer Vorgang.


Von Motiven des Witzes zu reden, schiene überflüssig, da die Absicht
Lust zu gewinnen als genügendes Motiv der Witzarbeit anerkannt werden
muß. Es ist aber einerseits nicht ausgeschlossen, daß nicht noch andere
Motive sich an der Produktion des Witzes beteiligen, und anderseits muß
mit Hinblick auf gewisse bekannte Erfahrungen das Thema der subjektiven
Bedingtheit des Witzes überhaupt aufgestellt werden.

Zwei Tatsachen fordern vor allem dazu auf. Obwohl die Witzarbeit ein
vortrefflicher Weg ist, um aus den psychischen Vorgängen Lust zu
gewinnen, so sieht man doch, daß nicht alle Menschen in gleicher Weise
fähig sind, sich dieses Mittels zu bedienen. Die Witzarbeit steht
nicht allen zu Gebote, und in ausgiebigem Maße überhaupt nur wenigen
Personen, von denen man in auszeichnender Weise aussagt, sie haben
Witz. „Witz“ erscheint hier als eine besondere Fähigkeit etwa im Range
der alten „Seelenvermögen“, und diese erweist sich in ihrem Auftreten
als ziemlich unabhängig von den anderen: Intelligenz, Phantasie,
Gedächtnis usw. Bei den witzigen Köpfen sind also besondere Anlagen
oder psychische Bedingungen vorauszusetzen, welche die Witzarbeit
gestatten oder begünstigen.

Ich fürchte, daß wir es in der Ergründung dieses Themas nicht besonders
weit bringen werden. Es gelingt uns nur hie und da, von dem Verständnis
eines einzelnen Witzes aus zur Kenntnis der subjektiven Bedingungen in
der Seele dessen, der den Witz gemacht hat, vorzudringen. Ganz zufällig
trifft es sich, daß gerade das Beispiel von Witz, an welchem wir unsere
Untersuchungen über die Witztechnik begonnen haben, uns auch einen
Einblick in die subjektive Bedingtheit des Witzes gestattet. Ich meine
den Witz von +Heine+, der auch bei +Heymans+ und +Lipps+ Aufmerksamkeit
gefunden hat:

[Sidenote: Die subjektive Bedingung des Witzes „famillionär“.]

„... Ich saß neben Salomon Rothschild, und er behandelte mich ganz wie
seines Gleichen, ganz famillionär.“ (Bäder von Lucca.)

Dieses Wort hat +Heine+ einer komischen Person in den Mund gelegt,
dem Hirsch-Hyacinth, Kollekteur, Operateur und Taxator aus +Hamburg+,
Kammerdiener bei dem vornehmen Baron Cristoforo Gumpelino (vormals
Gumpel). Der Dichter empfindet offenbar großes Wohlgefallen an diesem
seinem Geschöpf, denn er läßt Hirsch-Hyacinth das große Wort führen
und ihn die amüsantesten und freimütigsten Äußerungen vorbringen;
er leiht ihm geradezu die praktische Weisheit eines Sancho Pansa.
Man muß bedauern, daß +Heine+, der dramatischer Gestaltung, wie es
scheint, nicht zuneigte, die köstliche Figur so bald wieder fallen
läßt. An nicht wenigen Stellen will es uns scheinen, als spräche aus
Hirsch-Hyacinth der Dichter selbst hinter einer dünnen Maske, und bald
erlangen wir die Gewißheit, daß diese Person nur eine Selbstparodie
des Dichters ist. Hirsch berichtet über die Gründe, weshalb er seinen
früheren Namen abgelegt und sich jetzt Hyacinth heiße. „Dazu habe
ich noch den Vorteil,“ setzt er fort, „daß schon ein H. auf meinem
Petschaft steht, und ich mir kein neues stechen zu lassen brauche.“
Dieselbe Ersparnis hatte aber +Heine+ selbst, als er bei seiner Taufe
seinen Vornamen „Harry“ gegen „Heinrich“ eintauschte. Nun muß jeder,
dem des Dichters Lebensgeschichte bekannt ist, sich erinnern, daß
+Heine+ in Hamburg, wohin auch die Person des Hirsch-Hyacinth weist,
einen Onkel des gleichen Namens besaß, der als der reiche Mann in der
Familie die größte Rolle in seinem Leben spielte. Der Onkel hieß auch
-- +Salomon+, ganz wie der alte Rothschild, der den armen Hirsch so
famillionär aufgenommen. Was im Munde des Hirsch-Hyacinth ein bloßer
Scherz schien, zeigt bald einen Hintergrund ernsthafter Bitterkeit,
wenn wir es dem Neffen Harry-Heinrich zuschieben. Er gehörte doch
zur Familie, ja wir wissen, es war sein heißer Wunsch, eine Tochter
dieses Onkels zu heiraten, aber die Cousine wies ihn ab, und der
Onkel behandelte ihn immer etwas „famillionär“, als armen Verwandten.
Die reichen Vettern in Hamburg nahmen ihn nie als voll; ich erinnere
mich der Erzählung einer eigenen alten Tante, die durch Heirat in die
Familie +Heine+ gekommen war, daß sie eines Tages als schöne junge Frau
einen Sitznachbar an der Familientafel fand, der ihr unappetitlich
schien, und gegen den die anderen sich geringschätzig benahmen. Sie
fühlte sich nicht veranlaßt, herablassender gegen ihn zu sein; erst
viele Jahre später erkannt sie, daß der nachlässige und vernachlässigte
Vetter der Dichter +Heinrich Heine+ gewesen war. Wie sehr +Heine+ unter
dieser Ablehnung seiner reichen Verwandten in seiner Jugendzeit und
später gelitten, dürfte aus manchen Zeugnissen bekannt sein. Auf dem
Boden solcher subjektiven Ergriffenheit ist dann der Witz „famillionär“
erwachsen.

Auch bei manchen anderen Witzen des großen Spötters könnte man
ähnliche subjektive Bedingungen vermuten, aber ich weiß kein
Beispiel mehr, an dem man solche in ähnlich überzeugender Weise
klar legen könnte; und es ist darum mißlich, über die Natur dieser
persönlichen Bedingungen etwas Genaueres aussagen zu wollen; auch
wird man ja von vorne herein nicht geneigt sein, für jeden Witz
ähnlich komplizierte Entstehungsbedingungen in Anspruch zu nehmen.
An den witzigen Produktionen anderer berühmter Männer wird uns die
gesuchte Einsicht eben nicht leichter zugänglich; man bekommt etwa
den Eindruck, daß die subjektiven Bedingungen der Witzarbeit denen
der neurotischen Erkrankung oft nicht ferne liegen, wenn man z. B.
über +Lichtenberg+ erfährt, daß er ein schwer hypochondrischer, mit
allerlei Sonderbarkeiten behafteter Mensch war. Die größte Mehrzahl
der Witze, besonders der immer neu bei den Anlässen des Tages
produzierten, ist anonym im Umlaufe; man könnte neugierig fragen, was
für Leute es sind, auf die solche Produktion sich zurückführt. Hat man
als Arzt die Gelegenheit, eine der Personen kennen zu lernen, die,
obwohl sonst nicht hervorragend, doch in ihrem Kreise als Witzbolde
und Urheber vieler gangbarer Witze bekannt sind, so kann man von der
Entdeckung überrascht werden, daß dieser witzige Kopf eine zwiespältige
und zu nervösen Erkrankungen disponierte Persönlichkeit ist. Die
Unzulänglichkeit der Dokumente wird uns aber sicherlich abhalten, eine
solche psychoneurotische Konstitution als regelmäßige oder notwendige
subjektive Bedingung der Witzbildung aufzustellen.

Einen durchsichtigeren Fall ergeben wiederum die Judenwitze, die, wie
schon erwähnt, durchwegs von Juden selbst gemacht worden sind, während
die Judengeschichten anderer Herkunft sich fast nie über das Niveau des
komischen Schwankes oder der brutalen Verhöhnung erheben (S. 95). Die
Bedingung der Selbstbeteiligung scheint sich hier wie bei +Heine+’s
Witz „famillionär“ herauszustellen und deren Bedeutung darin zu liegen,
daß der Person die Kritik oder Aggression direkt erschwert und nur auf
Umwegen ermöglicht wird.

Andere subjektive Bedingungen oder Begünstigungen der Witzarbeit sind
weniger in Dunkel gehüllt. Die Triebfeder der Produktion harmloser
Witze ist nicht selten der ehrgeizige Drang, seinen Geist zu zeigen,
sich darzustellen, ein der Exhibition auf sexuellem Gebiete
gleichzusetzender Trieb. Das Vorhandensein zahlreicher gehemmter
Triebe, deren Unterdrückung einen gewissen Grad von Labilität bewahrt
hat, wird für die Produktion des tendenziösen Witzes die günstigste
Disposition ergeben. So können insbesondere einzelne Komponenten der
sexuellen Konstitution eines Menschen als Motive der Witzbildung
auftreten. Eine ganze Reihe von obszönen Witzen läßt den Schluß auf
eine versteckte Exhibitionsneigung ihrer Urheber zu; die tendenziösen
Witze der Aggression gelingen denen am besten, in deren Sexualität eine
mächtige sadistische Komponente, im Leben mehr oder weniger gehemmt,
nachweisbar ist.

[Sidenote: Der Drang zur Mitteilung des Witzes.]

Die zweite Tatsache, die zur Untersuchung der subjektiven Bedingtheit
des Witzes auffordert, ist die allgemeine bekannte Erfahrung, daß
sich niemand begnügen kann, einen Witz für sich allein gemacht zu
haben. Mit der Witzarbeit ist der Drang zur Mitteilung des Witzes
unabtrennbar verbunden; ja dieser Drang ist so stark, daß er sich oft
genug mit Hinwegsetzung über wichtige Bedenken verwirklicht. Auch beim
Komischen gewährt die Mitteilung an eine andere Person Genuß; aber sie
ist nicht gebieterisch, man kann das Komische, wo man darauf stößt,
allein genießen. Den Witz hingegen ist man genötigt mitzuteilen; der
psychische Vorgang der Witzbildung scheint mit dem Einfallen des Witzes
nicht abgeschlossen, es bleibt etwas übrig, das durch die Mitteilung
des Einfalls den unbekannten Vorgang der Witzbildung zum Abschlusse
bringen will.

Wir können zunächst nicht erraten, wodurch der Trieb zur Mitteilung
des Witzes begründet sein mag. Aber wir bemerken am Witz eine andere
Eigentümlichkeit, die ihn wiederum vom Komischen unterscheidet. Wenn
mir das Komische begegnet, so kann ich selbst herzlich darüber lachen;
es freut mich allerdings auch, wenn ich durch die Mitteilung desselben
einen anderen zum Lachen bringe. Über den Witz, der mir eingefallen
ist, den ich gemacht habe, kann ich nicht selbst lachen, trotz des
unverkennbaren Wohlgefallens, das ich am Witz empfinde. Es ist möglich,
daß mein Bedürfnis nach Mitteilung des Witzes an einen anderen mit
diesem mir selbst versagten, beim anderen aber manifesten Lacheffekt
des Witzes irgendwie zusammenhängt.

Warum lache ich nun nicht über meinen eigenen Witz? Und welches ist
dabei die Rolle des anderen?

Wenden wir uns zuerst der letzteren Frage zu. Beim Komischen kommen im
allgemeinen zwei Personen in Betracht, außer meinem Ich die Person, an
der ich das Komische finde; wenn mir Gegenstände komisch erscheinen,
geschieht dies durch eine in unserem Vorstellungsleben nicht seltene
Art von Personifizierung. Mit diesen beiden Personen, dem Ich und der
Objektperson begnügt sich der komische Vorgang; eine dritte Person kann
hinzukommen, wird aber nicht erfordert. Der Witz als ein Spiel mit den
eigenen Worten und Gedanken entbehrt zunächst einer Objektperson, aber
schon auf der Vorstufe des Scherzes verlangt er, wenn es ihm gelungen
ist, Spiel und Unsinn gegen die Einrede der Vernunft sicherzustellen,
nach einer anderen Person, welcher er sein Ergebnis mitteilen kann.
Diese zweite Person beim Witze entspricht aber nicht der Objektperson,
sondern der dritten Person, dem Anderen bei der Komik. Es scheint, daß
beim Scherz der anderen Person die Entscheidung übertragen wird, ob
die Witzarbeit ihre Aufgabe erfüllt hat, als ob das Ich sich seines
Urteils darüber nicht sicher wüßte. Auch der harmlose, den Gedanken
verstärkende Witz bedarf des Anderen, um zu erproben, ob er seine
Absicht erreicht hat. Begibt sich der Witz in den Dienst entblößender
oder feindseliger Tendenzen, so kann er als psychischer Vorgang
zwischen drei Personen beschrieben werden, welche die nämlichen sind
wie bei der Komik, aber die Rolle der dritten Person ist eine andere
dabei; der psychische Vorgang des Witzes vollendet sich zwischen der
ersten, dem Ich, und der dritten, der fremden Person, nicht wie beim
Komischen zwischen dem Ich und der Objektperson.

Auch bei der dritten Person des Witzes stößt der Witz auf subjektive
Bedingungen, die das Ziel der Lusterregung unerreichbar machen können.
Wie +Shakespeare+ mahnt (Love’s Labour’s lost, V., 2):

    „A jest’s prosperity lies in the ear
    of him that hears it, never in the tongue
    of him that makes it ...“

Wen eine an ernste Gedanken geknüpfte Stimmung beherrscht, der ist
ungeeignet, dem Scherz zu bestätigen, daß es ihm geglückt ist,
die Wortlust zu retten. Er muß selbst in heiterer oder wenigstens
in indifferenter Stimmungslage sein, um für den Scherz die dritte
Person abzugeben. Dasselbe Hindernis setzt sich für den harmlosen und
für den tendenziösen Witz fort; bei letzterem tritt aber als neues
Hindernis der Gegensatz zur Tendenz auf, welcher der Witz dienen
will. Die Bereitschaft über einen ausgezeichneten obszönen Witz zu
lachen, kann sich nicht einstellen, wenn die Entblößung eine hoch
gehaltene Angehörige der dritten Person betrifft; in einer Versammlung
von Pfarrern und Pastoren dürfte niemand wagen, die +Heine+’schen
Vergleiche katholischer und protestantischer Pfaffen mit Kleinhändlern
und Angestellten einer Großhandlung vorzubringen, und vor einem
Parterre von ergebenen Freunden meines Gegners würden die witzigsten
Invektiven, die ich gegen ihn vorbringen kann, nicht als Witze,
sondern als Invektiven zur Geltung kommen, Entrüstung und nicht Lust
bei den Hörern erzeugen. Ein Grad von Geneigtheit oder eine gewisse
Indifferenz, die Abwesenheit aller Momente, welche starke, der Tendenz
gegnerische Gefühle hervorrufen können, ist unerläßliche Bedingung,
wenn die dritte Person zur Vollendung des Witzvorganges mitwirken soll.

[Sidenote: Die dritte Person des Witzes.]

Wo solche Hindernisse für die Wirkung des Witzes entfallen, da tritt
das Phänomen auf, dem nun unsere Untersuchung gilt, daß die Lust,
welche der Witz bereitet hat, sich an der dritten Person deutlicher
erweist als an dem Urheber des Witzes. Wir müssen uns begnügen zu
sagen: deutlicher, wo wir geneigt wären zu fragen, ob die Lust des
Hörers nicht intensiver ist als die des Witzbildners, weil uns wie
begreiflich die Mittel zur Abmessung und Vergleichung fehlen. Wir
sehen aber, daß der Hörer seine Lust durch explosives Lachen bezeugt,
nachdem die erste Person den Witz meist mit ernsthaft gespannter Miene
vorgebracht hat. Wenn ich einen Witz weiter erzähle, den ich selbst
gehört habe, muß ich, um seine Wirkung nicht zu verderben, mich bei
der Erzählung genau so benehmen wie jener, der ihn gemacht hat. Es ist
nun die Frage, ob wir aus dieser Bedingtheit des Lachens über den Witz
Rückschlüsse auf den psychischen Vorgang bei der Witzbildung ziehen
können.

Es kann nun nicht unsere Absicht sein, hier alles in Betracht zu
ziehen, was über die Natur des Lachens behauptet und veröffentlicht
worden ist. Von solchem Vorhaben mag uns der Satz abschrecken,
den +Dugas+, ein Schüler +Ribot+’s, an die Spitze seines Buches
„Psychologie du rire“ (1902) gestellt hat. „Il n’en est pas de fait
plus banal et plus étudié que le rire; il n’en est pas qui ait
eu le don d’exciter davantage la curiosité du vulgaire et celle
des philosophes, il n’en est pas sur lequel on ait recueilli plus
d’observations et bâti plus de théories, et avec cela il n’en est
pas qui demeure plus inexpliqué, on serait tenté de dire avec les
sceptiques qu’il faut être content de rire et de ne pas chercher a
savoir pourquoi on rit, d’autant que peut-être le réflexion tue le
rire, et qu’il serait alors contradictoire qu’elle en découvrît les
causes“ (S. 1).

Hingegen werden wir es uns nicht entgehen lassen, eine Ansicht über
den Mechanismus des Lachens für unsere Zwecke zu verwerten, die sich
in unseren eigenen Gedankenkreis vortrefflich einfügt. Ich meine den
Erklärungsversuch von +H. Spencer+ in seinem Aufsatze „Physiology of
Laughter“.[47]

[Sidenote: Das Lachen und die Abfuhr.]

Nach +Spencer+ ist das Lachen ein Phänomen der Abfuhr seelischer
Erregung und ein Beweis dafür, daß die psychische Verwendung dieser
Erregung plötzlich auf ein Hindernis gestoßen ist. Die psychologische
Situation, die in Lachen ausläuft, schildert er in den folgenden
Worten „Laughter naturally results only when consciousness is unawares
transferred from great things to small -- only when there is what we
may call a +descending+ incongruity.“[48]

In ganz ähnlichem Sinne bezeichnen französische Autoren (+Dugas+) das
Lachen als eine „détente“, eine Erscheinung der Entspannung, und auch
die Formel +A. Bain+’s: „Laughter a relief from restraint“ scheint mir
von der Auffassung +Spencer+’s weit weniger abzustehen, als manche
Autoren uns glauben machen wollen.

Wir empfinden allerdings das Bedürfnis, den Gedanken +Spencer+’s
zu modifizieren und die in ihm enthaltenen Vorstellungen zum Teil
bestimmter zu fassen, zum Teil abzuändern. Wir würden sagen, das
Lachen entstehe, wenn ein früher zur Besetzung gewisser psychischer
Wege verwendeter Betrag von psychischer Energie unverwendbar geworden
ist, so daß er freie Abfuhr erfahren kann. Wir sind uns klar darüber,
welchen „übeln Schein“ wir bei solcher Aufstellung auf uns laden, aber
wir wagen es aus der Schrift von +Lipps+ über Komik und Humor, aus
welcher Aufklärung über mehr als nur über Komik und Humor zu holen
ist, zu unserer Deckung den trefflichen Satz zu zitieren: „Schließlich
führen psychologische Einzelprobleme immer ziemlich tief in die
Psychologie hinein, so daß im Grunde kein psychologisches Problem
isoliert sich behandeln läßt“ (S. 71). Die Begriffe „psychische
Energie“, „Abfuhr“ und die Behandlung der psychischen Energie als
einer Quantität sind mir zur Denkgewohnheit geworden, seitdem ich
begonnen habe, mir die Tatsachen der Psychopathologie philosophisch
zurechtzulegen, und bereits in meiner „Traumdeutung“ (1900) habe
ich gleichsinnig mit +Lipps+ die an sich unbewußten psychischen
Vorgänge, und nicht die Bewußtseinsinhalte als das „eigentlich
psychisch Wirkungsfähige“ hinzustellen versucht.[49] Nur wenn ich von
der „Besetzung psychischer Wege“ rede, scheine ich mich von den bei
+Lipps+ gebräuchlichen Gleichnissen zu entfernen. Die Erfahrungen
über die Verschiebbarkeit der psychischen Energie längs gewisser
Assoziationsbahnen und über die fast unverwüstliche Erhaltung der
Spuren psychischer Vorgänge haben es mir in der Tat nahe gelegt,
eine solche Verbildlichung für das Unbekannte zu versuchen. Um dem
Mißverständnis auszuweichen, muß ich hinzufügen, daß ich keinen Versuch
mache, Zellen und Fasern oder die heute ihre Stelle einnehmenden
Neuronsysteme als diese psychischen Wege zu proklamieren, wenngleich
solche Wege in noch nicht angebbarer Weise durch organische Elemente
des Nervensystems darstellbar sein müßten.

Beim Lachen sind also nach unserer Annahme die Bedingungen dafür
gegeben, daß eine bisher zur Besetzung verwendete Summe psychischer
Energie der freien Abfuhr unterliege, und da zwar nicht jedes Lachen,
aber doch gewiß das Lachen über den Witz ein Anzeichen von Lust ist,
werden wir geneigt sein, diese Lust auf die Aufhebung der bisherigen
Besetzung zu beziehen. Wenn wir sehen, daß der Hörer des Witzes lacht,
der Schöpfer desselben nicht lachen kann, darf uns dies soviel besagen
als, daß beim Hörer ein Besetzungsaufwand aufgehoben und abgeführt
wird, während sich bei der Witzbildung entweder in der Aufhebung oder
in der Abfuhrmöglichkeit Hemmnisse ergeben. Den psychischen Vorgang
beim Hörer, bei der dritten Person des Witzes, kann man kaum treffender
charakterisieren, als wenn man hervorhebt, daß er die Lust des Witzes
mit sehr geringem eigenem Aufwand erkauft. Sie wird ihm sozusagen
geschenkt. Die Worte des Witzes, die er hört, lassen in ihm notwendig
jene Vorstellung oder Gedankenverbindung entstehen, deren Bildung auch
bei ihm so große innere Hindernisse entgegenstanden. Er hätte eigene
Bemühung anwenden müssen, um sie spontan als erste Person zu stande zu
bringen, mindestens soviel psychischen Aufwand daran setzen müssen,
als der Stärke der Hemmung, Unterdrückung oder Verdrängung derselben
entspricht. Diesen psychischen Aufwand hat er sich erspart; nach
unseren früheren Erörterungen (v. S. 101) würden wir sagen, seine Lust
entspreche dieser Ersparung. Nach unserer Einsicht in den Mechanismus
des Lachens werden wir vielmehr sagen, die zur Hemmung verwendete
Besetzungsenergie sei nun durch die Herstellung der verpönten
Vorstellung auf dem Wege der Gehörswahrnehmung plötzlich überflüssig
geworden, aufgehoben und darum zur Abfuhr durch das Lachen bereit.
Im wesentlichen laufen beide Darstellungen auf das gleiche hinaus,
denn der ersparte Aufwand entspricht genau der überflüssig gewordenen
Hemmung. Anschaulicher ist aber die letztere Darstellung, denn sie
gestattet uns zu sagen, der Hörer des Witzes lache mit dem Betrag von
psychischer Energie, der durch die Aufhebung der Hemmungsbesetzung frei
geworden ist; er lache diesen Betrag gleichsam ab.

[Sidenote: Warum die erste Person des Witzes nicht lacht.]

Wenn die Person, bei der der Witz sich bildet, nicht lachen kann,
so deute dies, sagten wir eben, auf eine Abweichung vom Vorgang bei
der dritten Person, der entweder die Aufhebung der Hemmungsbesetzung
oder die Abfuhrmöglichkeit derselben betrifft. Aber der erstere der
beiden Fälle ist unzutreffend, wie wir sofort einsehen müssen. Die
Hemmungsbesetzung muß auch bei der ersten Person aufgehoben worden
sein, sonst wäre ja kein Witz geworden, dessen Bildung ja einen solchen
Widerstand zu überwinden hatte. Auch wäre es unmöglich, daß die
erste Person die Witzeslust empfände, die wir ja von der Aufhebung
der Hemmung ableiten mußten. Es erübrigt also nur der andere Fall,
daß die erste Person nicht lachen kann, obwohl sie Lust empfindet,
weil die Abfuhrmöglichkeit gestört ist. Eine solche Störung in der
Ermöglichung der Abfuhr, welche fürs Lachen Bedingung ist, kann sich
daraus ergeben, daß die frei gewordene Besetzungsenergie sofort einer
anderen endopsychischen Verwendung zugeführt wird. Es ist gut, daß
wir auf diese Möglichkeit aufmerksam geworden sind; wir werden ihr
alsbald weiteres Interesse zuwenden. Bei der ersten Person des Witzes
kann aber eine andere Bedingung, die zum gleichen Ergebnis führt,
verwirklicht sein. Es ist vielleicht überhaupt kein äußerungsfähiger
Betrag von Energie frei geworden, trotz der erfolgten Aufhebung der
Hemmungsbesetzung. Bei der ersten Person des Witzes geht ja die
Witzarbeit vor sich, die einem gewissen Betrag von neuem psychischem
Aufwand entsprechen muß. Die erste Person bringt also die Kraft selbst
auf, welche die Hemmung aufhebt; daraus resultiert für sie sicherlich
ein Lustgewinn, im Falle des tendenziösen Witzes sogar ein sehr
erheblicher, da die durch die Witzarbeit gewonnene Vorlust selbst die
weitere Hemmungsaufhebung übernimmt, aber der Aufwand der Witzarbeit
zieht sich in jedem Falle von dem Gewinn bei der Aufhebung der Hemmung
ab, der nämliche Aufwand, welcher beim Hörer des Witzes entfällt. Zur
Unterstützung des obenstehenden kann man noch anführen, daß der Witz
auch bei der dritten Person seinen Lacheffekt einbüßt, sobald derselben
ein Aufwand von Denkarbeit zugemutet wird. Die Anspielungen des Witzes
müssen augenfällige sein, die Auslassungen sich leicht ergänzen; mit
der Erweckung des bewußten Denkinteresses ist in der Regel die Wirkung
des Witzes unmöglich gemacht. Hierin liegt ein wichtiger Unterschied
von Witz und Rätsel. Vielleicht, daß die psychische Konstellation
während der Witzarbeit der freien Abfuhr des Gewonnenen überhaupt nicht
günstig ist. Wir sind hier wohl nicht in der Lage, tiefere Einsicht zu
gewinnen; wir haben den einen Teil unseres Problems, warum die dritte
Person lacht, besser aufklären können als dessen anderen Teil, warum
die erste Person nicht lacht.

[Sidenote: Automatismus des Witzvorganges.]

Immerhin sind wir nun, wenn wir diese Anschauungen über die Bedingungen
des Lachens und über den psychischen Vorgang bei der dritten
Person festhalten, in die Lage versetzt, uns eine ganze Reihe von
Eigentümlichkeiten, die vom Witze bekannt, aber nicht verstanden
worden sind, befriedigend aufzuklären. Wenn bei der dritten Person ein
der Abfuhr fähiger Betrag von Besetzungsenergie frei gemacht werden
soll, so sind mehrere Bedingungen zu erfüllen oder als Begünstigungen
erwünscht. 1. Es muß gesichert sein, daß die dritte Person diesen
Besetzungsaufwand wirklich macht. 2. Es muß verhütet werden, daß
derselbe, wenn frei geworden, eine andere psychische Verwendung finde,
anstatt sich zur motorischen Abfuhr zu bieten. 3. Es kann nur von
Vorteil sein, wenn die frei zu machende Besetzung bei der dritten
Person zuvor noch verstärkt, in die Höhe getrieben wird. Allen diesen
Absichten dienen gewisse Mittel der Witzarbeit, die wir etwa als
sekundäre oder Hilfstechniken zusammenfassen können.

Die erste dieser Bedingungen legt eine der Eignungen der dritten
Person als Hörer des Witzes fest. Sie muß durchaus soviel psychische
Übereinstimmung mit der ersten Person besitzen, daß sie über die
nämlichen inneren Hemmungen verfügt, welche die Witzarbeit bei der
ersten überwunden hat. Wer auf Zoten eingestellt ist, der wird von
geistreichen entblößenden Witzen keine Lust ableiten können; die
Aggressionen des Herrn N. werden bei Ungebildeten, die gewohnt sind,
ihrer Schimpflust freien Lauf zu lassen, kein Verständnis finden. Jeder
Witz verlangt so sein eigenes Publikum, und über die gleichen Witze zu
lachen ist ein Beweis weitgehender psychischer Übereinstimmung. Wir
sind hier übrigens an einem Punkte angelangt, der uns gestattet, den
Vorgang bei der dritten Person noch genauer zu erraten. Dieselbe muß
die nämliche Hemmung, welche der Witz bei der ersten Person überwunden
hat, gewohnheitsmäßig in sich herstellen können, so daß in ihr, sobald
sie den Witz hört, die Bereitschaft zu dieser Hemmung zwangsartig oder
automatisch erwacht. Diese Hemmungsbereitschaft, die ich als einen
wirklichen Aufwand analog einer Mobilmachung im Armeewesen fassen muß,
wird gleichzeitig als überflüssig oder als verspätet erkannt und somit
in statu nascendi durch Lachen abgeführt.[50]

Die zweite Bedingung für die Herstellung der freien Abfuhr, daß eine
andersartige Verwendung der frei gewordenen Energie hintangehalten
werde, erscheint als die weitaus wichtigere. Sie gibt die theoretische
Aufklärung für die Unsicherheit der Witzwirkung, wenn bei dem
Hörer durch den im Witze ausgedrückten Gedanken stark erregende
Vorstellungen wachgerufen werden, wobei es dann von der Übereinstimmung
oder dem Widerspruch zwischen den Tendenzen des Witzes und der
den Hörer beherrschenden Gedankenreihe abhängt, ob dem Witzvorgang
die Aufmerksamkeit belassen oder entzogen wird. Von noch größerem
theoretischem Interesse sind aber eine Reihe von Hilfstechniken des
Witzes, welche offenbar der Absicht dienen, die Aufmerksamkeit des
Hörers überhaupt vom Witzvorgang abzuziehen, den letzteren automatisch
verlaufen zu lassen. Ich sage absichtlich: automatisch und nicht:
unbewußt, weil letztere Bezeichnung irreführend wäre. Es handelt
sich hier nur darum, die Mehrbesetzung der Aufmerksamkeit von dem
psychischen Vorgang beim Anhören des Witzes fern zu halten, und die
Brauchbarkeit dieser Hilfstechniken läßt uns mit Recht vermuten,
daß gerade die Aufmerksamkeitsbesetzung an der Überwachung und
Neuverwendung von frei gewordener Besetzungsenergie einen großen Anteil
hat.

Es scheint überhaupt nicht leicht zu sein, die endopsychische
Verwendung entbehrlich gewordener Besetzungen zu vermeiden, denn wir
sind ja bei unseren Denkvorgängen beständig in der Übung, solche
Besetzungen von einem Weg auf den anderen zu verschieben, ohne von
deren Energie etwas durch Abfuhr zu verlieren. Der Witz bedient sich
hiezu folgender Mittel. Erstens strebt er einen möglichst kurzen
Ausdruck an, um der Aufmerksamkeit weniger Angriffspunkte zu bieten.
Zweitens hält er die Bedingung der leichten Verständlichkeit ein (vgl.
oben); sowie er Denkarbeit in Anspruch nehmen, eine Auswahl unter
verschiedenen Gedankenwegen erfordern würde, müßte er die Wirkung
nicht nur durch den unvermeidlichen Denkaufwand, sondern auch durch
die Erweckung der Aufmerksamkeit gefährden. Außerdem aber bedient
er sich des Kunstgriffs, die Aufmerksamkeit abzulenken, indem er
ihr im Ausdruck des Witzes etwas darbietet, was sie fesselt, so daß
sich unterdes die Befreiung der Hemmungsbesetzung und deren Abfuhr
ungestört durch sie vollziehen kann. Bereits die Auslassungen im
Wortlaut des Witzes erfüllen diese Absicht; sie regen zur Ausfüllung
der Lücken an und bringen es auf diese Weise zu stande, den Witzvorgang
von der Aufmerksamkeit zu befreien. Hier wird gleichsam die Technik
des Rätsels, welches die Aufmerksamkeit anzieht, in den Dienst der
Witzarbeit gestellt. Noch viel wirksamer sind die Fassadenbildungen,
die wir zumal bei manchen Gruppen von tendenziösen Witzen gefunden
haben (vgl. S. 89). Die syllogistischen Fassaden erfüllen den Zweck,
die Aufmerksamkeit durch eine ihr gestellte Aufgabe festzuhalten,
in ausgezeichneter Weise. Während wir nachzudenken beginnen, worin
wohl diese Antwort gefehlt haben mag, lachen wir bereits; unsere
Aufmerksamkeit ist überrumpelt worden, die Abfuhr der frei gewordenen
Hemmungsbesetzung ist vollzogen. Das nämliche gilt für die Witze mit
komischer Fassade, bei denen die Komik der Witztechnik Hilfsdienste
leistet. Eine komische Fassade fördert die Wirkung des Witzes auf
mehr als eine Weise, sie ermöglicht nicht nur den Automatismus
des Witzvorganges durch die Fesselung der Aufmerksamkeit, sondern
erleichtert auch die Abfuhr vom Witz her, indem sie eine Abfuhr vom
Komischen her vorausschickt. Die Komik wirkt hier ganz wie eine
bestechende Vorlust, und so mögen wir es verstehen, daß manche Witze
auf die durch die sonstigen Mittel des Witzes hergestellte Vorlust ganz
zu verzichten vermögen und sich nur des Komischen als Vorlust bedienen.
Unter den eigentlichen Techniken des Witzes sind es insbesondere
die Verschiebung und die Darstellung durch Absurdes, welche außer
ihrer sonstigen Eignung auch die für den automatischen Ablauf des
Witzvorganges wünschenswerte Ablenkung der Aufmerksamkeit entfalten.[51]

Wir ahnen bereits und werden es späterhin noch besser einsehen, können,
daß wir mit der Bedingung der Ablenkung der Aufmerksamkeit keinen
unwesentlichen Zug des psychischen Vorganges beim Hörer des Witzes
aufgedeckt haben. Im Zusammenhange mit diesem können wir noch anderes
verstehen. Erstens, wie es kommt, daß wir beim Witz fast niemals
wissen, worüber wir lachen, obwohl wir es durch eine analytische
Untersuchung feststellen können. Dieses Lachen ist eben das Ergebnis
eines automatischen Vorganges, der erst durch die Fernhaltung unserer
bewußten Aufmerksamkeit ermöglicht wurde. Zweitens gewinnen wir
das Verständnis für die Eigentümlichkeit des Witzes, seine volle
Wirkung auf den Hörer nur zu äußern, wenn er ihm neu ist, ihm als
Überraschung entgegentritt. Diese Eigenschaft des Witzes, die seine
Kurzlebigkeit bedingt und zur Produktion immer neuer Witze auffordert,
leitet sich offenbar davon ab, daß es im Wesen einer Überraschung
oder Überrumpelung liegt, kein zweites Mal zu gelingen. Bei einer
Wiederholung des Witzes wird die Aufmerksamkeit durch die aufsteigende
Erinnerung an das erste Mal geleitet. Von hier aus eröffnet sich dann
das Verständnis für den Drang, den gehörten Witz anderen, die ihn noch
nicht kennen, zu erzählen. Wahrscheinlich holt man sich ein Stück
der infolge mangelnder Neuheit entfallenden Genußmöglichkeit aus dem
Eindruck wieder, den der Witz auf den Neuling macht. Und ein analoges
Motiv mag den Schöpfer des Witzes getrieben haben, ihn überhaupt dem
anderen mitzuteilen.

[Sidenote: Begünstigungen des Witzvorganges.]

Als Begünstigungen, wenn auch nicht mehr als Bedingungen, des
Witzvorganges führe ich zu dritt jene technischen Hilfsmittel der
Witzarbeit an, welche dazu bestimmt sind, den zur Abfuhr gelangenden
Betrag zu erhöhen, und die auf solche Art die Wirkung des Witzes
steigern. Dieselben steigern zwar zumeist auch die dem Witz zugewandte
Aufmerksamkeit, machen aber deren Einfluß wieder unschädlich, indem
sie die Aufmerksamkeit gleichzeitig fesseln und in ihrer Beweglichkeit
hemmen. Alles, was Interesse und Verblüffung hervorruft, wirkt
nach diesen beiden Richtungen, also vor allem das Unsinnige, der
Gegensatz vor allem, der „Vorstellungskontrast“, den manche Autoren
zum wesentlichen Charakter des Witzes machen wollten, in dem ich
aber nichts anderes als ein Verstärkungsmittel zur Wirkung desselben
erblicken kann. Alles Verblüffende ruft beim Hörer jenen Zustand
der Energieverteilung hervor, den +Lipps+ als „psychische Stauung“
bezeichnet hat, und er hat wohl auch Recht anzunehmen, daß die
„Entladung“ um so stärker ausfällt, je höher die vorherige Stauung
war. Die Darstellung von +Lipps+ bezieht sich zwar nicht ausdrücklich
auf den Witz, sondern auf das Komische überhaupt; aber es kann uns
sehr wahrscheinlich vorkommen, daß die Abfuhr beim Witze, welche eine
Hemmungsbesetzung entladet, in gleicher Weise durch die Stauung in die
Höhe gebracht wird.

Es leuchtet uns nun ein, daß die Technik des Witzes überhaupt von
zweierlei Tendenzen bestimmt wird, solchen, welche die Bildung des
Witzes bei der ersten Person ermöglichen, und anderen, welche dem Witz
eine möglichst große Lustwirkung bei der dritten Person gewährleisten
sollen. Die Janus-artige Doppelgesichtigkeit des Witzes, welche
dessen ursprünglichen Lustgewinn gegen die Anfechtung der kritischen
Vernünftigkeit sicher stellt, und der Vorlustmechanismus gehören der
ersteren Tendenz an; die weitere Komplikation der Technik durch die
in diesem Abschnitt ausgeführten Bedingungen ergeben sich aus der
Rücksicht auf die dritte Person des Witzes. Der Witz ist so ein an
sich doppelzüngiger Schelm, der gleichzeitig zweien Herren dient.
Alles, was auf Lustgewinnung abzielt, ist beim Witz auf die dritte
Person berechnet, als ob innere, nicht zu überwindende Hindernisse
bei der ersten Person einer solchen im Wege stünden. Man bekommt so
den vollen Eindruck von der Unentbehrlichkeit dieser dritten Person
für die Vollendung des Witzvorganges. Während wir aber ziemlich guten
Einblick in die Natur dieses Vorganges bei der dritten Person gewinnen
konnten, verspüren wir, daß der entsprechende Vorgang bei der ersten
Person uns noch durch ein Dunkel verhüllt wird. Von den beiden Fragen:
Warum können wir über den selbstgemachten Witz nicht lachen? und: Warum
sind wir getrieben, den eigenen Witz dem anderen zu erzählen? hat
sich die erste bisher unserer Beantwortung entzogen. Wir können nur
vermuten, daß zwischen den beiden aufzuklärenden Tatsachen ein inniger
Zusammenhang besteht, daß wir +darum+ genötigt sind, unseren Witz
dem anderen mitzuteilen, +weil+ wir selbst über ihn nicht zu lachen
vermögen. Aus unseren Einsichten in die Bedingungen der Lustgewinnung
und -Abfuhr bei der dritten Person können wir für die erste den
Rückschluß ziehen, daß bei ihr die Bedingungen für die Abfuhr fehlen,
die für die Lustgewinnung etwa erst unvollständig erfüllt sind. Es ist
dann nicht abzuweisen, daß wir unsere Lust ergänzen, indem wir das
uns unmögliche Lachen auf dem Umweg über den Eindruck der zum Lachen
gebrachten Person erreichen. Wir lachen so gleichsam „par ricochet“,
wie +Dugas+ es ausdrückt. Das Lachen gehört zu den im hohen Grade
ansteckenden Äußerungen psychischer Zustände; wenn ich den anderen
durch die Mitteilung meines Witzes zum Lachen bringe, bediene ich
mich seiner eigentlich, um mein eigenes Lachen zu erwecken, und man
kann wirklich beobachten, daß, wer zuerst mit ernster Miene den Witz
erzählt hat, dann in das Gelächter des anderen mit einer gemäßigten
Lache einstimmt. Die Mitteilung meines Witzes an den anderen dürfte
also mehreren Absichten dienen, erstens mir die objektive Gewißheit
von dem Gelingen der Witzarbeit zu geben, zweitens meine eigene Lust
durch die Rückwirkung von diesem anderen auf mich zu ergänzen, drittens
-- bei der Wiederholung eines nicht selbstproduzierten Witzes -- der
Lusteinbuße durch Wegfall der Neuheit abzuhelfen.

[Sidenote: Ersparung und Gesamtaufwand.]

Am Ende dieser Erörterungen über die psychischen Vorgänge des Witzes,
insofern sie sich zwischen zwei Personen abspielen, können wir
einen Rückblick auf das Moment der Ersparung werfen, welches uns
als bedeutsam für die psychologische Auffassung des Witzes seit der
ersten Aufklärung über die Technik desselben vorschwebt. Von der
nächstliegenden, aber auch einfältigsten Auffassung dieser Ersparung,
es handle sich bei ihr um die Vermeidung von psychischem Aufwand
überhaupt, wie ihn die möglichste Einschränkung im Gebrauche von
Worten und in der Herstellung von Gedankenzusammenhängen mit sich
brächte, sind wir längst abgekommen. Wir sagten uns schon damals:
Knapp, lakonisch, ist noch nicht witzig. Die Kürze des Witzes ist eine
besondere, eben die „witzige“ Kürze. Der ursprüngliche Lustgewinn,
den das Spiel mit Worten und Gedanken brachte, rührte allerdings von
bloßer Ersparnis an Aufwand her, aber mit der Entwicklung des Spieles
zum Witze mußte auch die Spartendenz ihre Ziele verlegen, denn gegen
den riesigen Aufwand unserer Denktätigkeit käme, was durch Gebrauch
der nämlichen Worte oder Vermeidung einer neuen Gedankenfügung erspart
würde, sicherlich nicht in Betracht. Wir dürfen uns wohl den Vergleich
der psychischen Ökonomie mit einem Geschäftsbetrieb gestatten. Solange
in diesem der Umsatz sehr klein ist, kommt es allerdings darauf an,
daß im ganzen wenig verbraucht, die Kosten der Regie auf’s äußerste
eingeschränkt werden. Die Sparsamkeit geht noch auf die absolute Höhe
des Aufwandes. Späterhin, wenn sich der Betrieb vergrößert hat, tritt
die Bedeutung der Regiekosten zurück; es liegt nichts mehr daran, zu
welcher Höhe sich der Betrag des Aufwandes erhebt, wenn nur Umsatz und
Ertrag groß genug gesteigert werden können. Zurückhaltung im Aufwande
für den Geschäftsbetrieb wäre kleinlich, ja direkt verlustbringend.
Dennoch wäre es unrichtig anzunehmen, bei dem absolut großen Aufwande
gäbe es keinen Raum mehr für die Spartendenz. Der zur Ersparung
neigende Sinn des Chefs wird sich nun der Sparsamkeit im Einzelnen
zuwenden und sich befriedigt fühlen, wenn dieselbe Veranstaltung nun
mit geringeren Kosten besorgt werden kann, die vorher größere Kosten
zu verursachen pflegte, so gering auch die Ersparnis zur Höhe des
Gesamtaufwandes erscheinen mag. In ganz analoger Weise bleibt auch in
unserem komplizierten psychischen Betrieb die detaillierte Ersparung
eine Quelle der Lust, wie alltägliche Vorkommnisse uns zeigen können.
Wer früher in seinem Zimmer eine Gaslampe brennen hatte und sich nun
auf elektrisches Licht eingerichtet hat, der wird eine ganze Zeit lang
ein deutliches Lustgefühl verspüren, wenn er den elektrischen Hahn
umlegt, so lange nämlich, als in jenem Moment die Erinnerung in ihm
lebendig wird an die komplizierten Verrichtungen, die zur Entzündung
der Gaslampe erforderlich waren. Ebenso werden die im Vergleich zum
psychischen Gesamtaufwand geringfügigen Ersparungen an psychischem
Hemmungsaufwand, die der Witz zu stande bringt, eine Quelle der Lust
für uns bleiben, weil durch sie ein einzelner Aufwand erspart wird, den
wir zu machen gewohnt sind, und den wir auch diesmal zu machen schon
in Bereitschaft waren. Das Moment, daß der Aufwand ein erwarteter,
vorbereiteter ist, tritt unverkennbar in den Vordergrund.

Eine lokalisierte Ersparung, wie die eben betrachtete, wird nicht
verfehlen uns momentane Lust zu bereiten, aber eine dauernde
Erleichterung wird durch sie nicht herbeigeführt, solange das hier
Ersparte an anderer Stelle zur Verwendung kommen kann. Erst wenn
diese anderweitige Verfügung vermieden werden kann, wandelt sich
die spezielle Ersparung wieder in eine allgemeine Erleichterung des
psychischen Aufwandes um. So tritt für uns mit besserer Einsicht in die
psychischen Vorgänge des Witzes das Moment der Erleichterung an die
Stelle der Ersparung. Erstere ergibt offenbar das größere Lustgefühl.
Der Vorgang bei der ersten Person des Witzes erzeugt Lust durch
Aufhebung von Hemmung, Verringerung des lokalen Aufwandes; er scheint
nun nicht eher zur Ruhe zu kommen, als bis er durch die Vermittlung der
eingeschobenen dritten Person die allgemeine Erleichterung durch die
Abfuhr erzielt hat.


  [47] +H. Spencer+, The physiology of laughter (first published in
       Macmillan’s Magazine for March 1860), Essays II. Bd., 1901.

  [48] Verschiedene Punkte dieser Bestimmung würden bei einer
       Untersuchung über die komische Lust eine eingehende Prüfung
       verlangen, die bereits von anderen Autoren vorgenommen worden
       ist und jedenfalls nicht auf unserem Wege liegt. -- In der
       Erklärung, warum die Abfuhr gerade jene Wege findet, deren
       Erregung das somatische Bild des Lachens ergibt, scheint mir
       +Spencer+ nicht glücklich gewesen zu sein. Zu dem vor und
       seit +Darwin+ ausführlich behandelten aber immer noch nicht
       endgültig erledigten Thema der physiologischen Aufklärung
       des Lachens, also der Ableitung oder Deutung der für das
       Lachen charakteristischen Muskelaktionen, möchte ich einen
       einzigen Beitrag liefern. Meines Wissens tritt die für das
       Lächeln bezeichnende Grimasse der Mundwinkelverziehung zuerst
       beim befriedigten und übersättigten Säugling auf, wenn er
       eingeschläfert die Brust fahren läßt. Sie ist dort eine richtige
       Ausdrucksbewegung, da sie dem Entschluß keine Nahrung mehr
       aufzunehmen entspricht, gleichsam ein „Genug“ oder vielmehr
       „Übergenug“ darstellt. Dieser ursprüngliche Sinn der lustvollen
       Übersättigung mag dem Lächeln, welches ja das Grundphänomen
       des Lachens bleibt, die spätere Beziehung zu den lustvollen
       Abfuhrvorgängen verschafft haben.

  [49] Vgl. die Abschnitte in dem zitierten Buch von +Lipps+, Kap.
       VIII. „Über die psychische Kraft“ u. s. f. (Dazu „Traumdeutung“,
       VIII.) -- „Es gilt also der allgemeine Satz: Die Faktoren des
       psychischen Lebens sind nicht die Bewußtseinsinhalte, sondern
       die an sich unbewußten psychischen Vorgänge. Die Aufgabe der
       Psychologie, falls sie nicht bloß Bewußtseinsinhalte beschreiben
       will, muß dann darin bestehen, aus der Beschaffenheit der
       Bewußtseinsinhalte und ihres zeitlichen Zusammenhanges
       die Natur dieser unbewußten Vorgänge zu erschließen. Die
       Psychologie muß sein eine Theorie dieser Vorgänge. Eine solche
       Psychologie wird aber sehr bald finden, daß es gar mancherlei
       Eigenschaften dieser Vorgänge gibt, die in den entsprechenden
       Bewußtseinsinhalten nicht repräsentiert sind.“ (+Lipps+, l. c.
       S. 123.)

  [50] Der Gesichtspunkt des Status nascendi ist von +Heymans+
       (Zeitschrift für Psychol., XI) in etwas anderem Zusammenhange
       geltend gemacht worden.

  [51] An einem Beispiel von Verschiebungswitz möchte ich noch einen
       anderen interessanten Charakter der Witztechnik erörtern.
       Die geniale Schauspielerin +Gallmeyer+ soll einmal auf die
       unerwünschte Frage „Wie alt?“, „im Gretchenton und mit
       verschämtem Augenniederschlag“ geantwortet haben: „In Brünn“.
       Das ist nun das Muster einer Verschiebung; nach dem Alter
       gefragt, antwortet sie mit der Angabe ihres Geburtsortes,
       antizipiert also die nächste Frage und gibt zu verstehen:
       Diese eine Frage möchte ich übergangen wissen. Und doch fühlen
       wir, daß der Charakter des Witzes hier nicht ungetrübt zum
       Ausdruck kommt. Das Abspringen von der Frage ist zu klar, die
       Verschiebung allzu augenfällig. Unsere Aufmerksamkeit versteht
       sofort, daß es sich um eine beabsichtigte Verschiebung handelt.
       Bei den anderen Verschiebungswitzen ist die Verschiebung
       verhüllt, unsere Aufmerksamkeit wird durch das Bemühen sie
       festzustellen gefesselt. In einem der Verschiebungswitze (S.
       42) „Was mache ich um ½7 Uhr in Preßburg?“ als Antwort auf die
       Empfehlung des Reitpferdes ist die Verschiebung gleichfalls
       eine vordringliche, aber zum Ersatz dafür wirkt sie als
       unsinnig verwirrend auf die Aufmerksamkeit, während wir beim
       Verhör der Schauspielerin ihre Verschiebungsantwort sofort
       unterzubringen wissen. -- In anderer Richtung weichen vom Witz
       die sogenannten „+Scherzfragen+“ ab, die sich sonst der besten
       Techniken bedienen mögen. Ein Beispiel einer Scherzfrage mit
       Verschiebungstechnik ist folgendes: Was ist ein Kannibale, der
       seinen Vater und seine Mutter aufgefressen hat? -- Antwort:
       +Waise.+ -- Und wenn er alle seine anderen Verwandten mit dazu
       gefressen hat? -- +Universalerbe.+ -- Und wo findet solch ein
       Scheusal noch Sympathie? -- +Im Konversationslexikon unter
       S.+ Die Scherzfragen sind darum keine vollen Witze, weil, die
       geforderten witzigen Antworten nicht wie die Anspielungen,
       Auslassungen usw. des Witzes erraten werden können.




C. Theoretischer Teil.




VI. Die Beziehung des Witzes zum Traum und zum Unbewußten.


Zu Ende des Abschnittes, der sich mit der Aufdeckung der Witztechnik
beschäftigte, haben wir (S. 73) ausgesprochen, daß die Vorgänge
der Verdichtung mit und ohne Ersatzbildung, der Verschiebung, der
Darstellung durch Widersinn, durch das Gegenteil, der indirekten
Darstellung u. a., welche wir an der Herstellung des Witzes beteiligt
fanden, eine sehr weitgehende Übereinstimmung mit den Vorgängen der
„Traumarbeit“ zeigen, und haben uns vorbehalten, einerseits diese
Ähnlichkeiten sorgfältiger zu studieren, anderseits das Gemeinsame
von Witz und Traum, welches sich solcher Art anzudeuten scheint,
zu erforschen. Die Ausführung dieser Vergleichung wäre uns sehr
erleichtert, wenn wir das eine der Verglichenen -- die „Traumarbeit“ --
als bekannt annehmen dürften. Wir tun aber wahrscheinlich besser daran,
diese Annahme nicht zu machen; ich habe den Eindruck empfangen, als ob
meine im Jahre 1900 veröffentlichte „Traumdeutung“ mehr „Verblüffung“
als „Erleuchtung“ bei den Fachgenossen hervorgerufen hätte, und weiß,
daß weitere Leserkreise sich damit begnügt haben, den Inhalt des Buches
auf ein Schlagwort („Wunscherfüllung“) zu reduzieren, das sich leicht
behalten und bequem mißbrauchen läßt.

In der fortgesetzten Beschäftigung mit den dort behandelten Problemen,
zu der mir meine ärztliche Tätigkeit als Psychotherapeut reichlich
Anlaß gibt, bin ich aber auf nichts gestoßen, was eine Veränderung oder
Verbesserung meiner Gedankengänge von mir gefordert hätte, und kann
darum in Ruhe abwarten, bis das Verständnis der Leser mir nachgekommen
ist, oder bis eine einsichtige Kritik mir die Grundirrtümer meiner
Auffassung nachgewiesen hat. Zum Zwecke der Vergleichung mit dem Witze
werde ich hier das Notwendigste über den Traum und die Traumarbeit in
gedrängter Kürze wiederholen.

Wir kennen den Traum aus der uns meist fragmentarisch scheinenden
Erinnerung, die sich nach dem Erwachen an ihn einstellt. Er ist
dann ein Gefüge von meist visuellen (aber auch andersartigen)
Sinneseindrücken, die uns ein Erleben vorgetäuscht haben, und unter
welche Denkvorgänge (das „Wissen“ im Traum) und Affektäußerungen
gemengt sein mögen. Was wir so als Traum erinnern, das heiße ich den
„+manifesten Trauminhalt+“. Derselbe ist häufig völlig absurd und
verworren, andere Male nur das Eine oder das Andere; aber auch wenn
er ganz kohärent ist wie in manchen Angstträumen, steht er unserem
Seelenleben als etwas Fremdes gegenüber, von dessen Herkunft man sich
keine Rechenschaft zu geben vermag. Die Aufklärung für diese Charaktere
des Traumes wurde bisher in ihm selbst gesucht, indem man dieselben
als Anzeichen einer unordentlichen, dissoziierten und sozusagen
„verschlafenen“ Tätigkeit der nervösen Elemente ansah.

Dagegen habe ich gezeigt, daß der so sonderbare „manifeste“ Trauminhalt
regelmäßig verständlich gemacht werden kann als die verstümmelte und
abgeänderte Umschrift gewisser korrekter psychischer Bildungen, die
den Namen „+latente Traumgedanken+“ verdienen. Man verschafft sich die
Kenntnis derselben, indem man den manifesten Trauminhalt ohne Rücksicht
auf seinen etwaigen scheinbaren Sinn in seine Bestandteile zerlegt, und
dann die Assoziationsfäden verfolgt, die von jedem der nun isolierten
Elemente ausgehen. Diese verflechten sich miteinander und leiten
endlich zu einem Gefüge von Gedanken, welche nicht nur völlig korrekt
sind, sondern auch leicht in den uns bekannten Zusammenhang unserer
seelischen Vorgänge eingereiht werden. Auf dem Wege dieser „Analyse“
hat der Trauminhalt all seine uns befremdenden Sonderbarkeiten
abgestreift; wenn uns aber die Analyse gelingen soll, müssen wir
während derselben die kritischen Einwendungen, die sich unausgesetzt
gegen die Reproduktion der einzelnen vermittelnden Assoziationen
erheben, standhaft zurückweisen.

[Sidenote: Die Traumarbeit.]

Aus der Vergleichung des erinnerten manifesten Trauminhalts mit den
so gefundenen latenten Traumgedanken ergibt sich der Begriff der
„Traumarbeit“. Als Traumarbeit wird die ganze Summe der umwandelnden
Vorgänge zu bezeichnen sein, welche die latenten Traumgedanken in den
manifesten Traum überführt haben. An der Traumarbeit haftet nun das
Befremden, welches vorhin der Traum in uns erregt hatte.

Die Leistung der Traumarbeit kann aber folgender Art beschrieben
werden: Ein meist sehr kompliziertes Gefüge von Gedanken, welches
während des Tages aufgebaut worden ist und nicht zur Erledigung
geführt wurde, -- ein Tagesrest -- hält auch während der Nacht den
von ihm in Anspruch genommenen Energiebetrag -- das Interesse -- fest
und droht eine Störung des Schlafes. Dieser Tagesrest wird durch die
Traumarbeit in einen Traum verwandelt und für den Schlaf unschädlich
gemacht. Um der Traumarbeit einen Angriffspunkt zu bieten, muß
der Tagesrest wunschbildungsfähig sein, eine nicht eben schwer zu
erfüllende Bedingung. Der aus den Traumgedanken hervorgehende Wunsch
bildet die Vorstufe und später den Kern des Traumes. Die aus den
Analysen stammende Erfahrung -- nicht die Theorie des Traumes -- sagt
uns, daß beim Kinde ein beliebiger vom Wachleben erübrigter Wunsch
hinreicht, einen Traum hervorzurufen, der dann zusammenhängend und
sinnreich, meist aber kurz ausfällt und leicht als „Wunscherfüllung“
erkannt wird. Beim Erwachsenen scheint es allgemein gültige Bedingung
für den traumschaffenden Wunsch, daß er dem bewußten Denken fremd,
also ein verdrängter Wunsch sei, oder doch, daß er dem Bewußtsein
unbekannte Verstärkungen haben könne. Ohne Annahme des Unbewußten in
dem oben dargelegten Sinne wüßte ich die Theorie des Traumes nicht
weiter zu entwickeln und das Erfahrungsmaterial der Traumanalysen
nicht zu deuten. Die Einwirkung dieses unbewußten Wunsches auf
das bewußtseinskorrekte Material der Traumgedanken ergibt nun den
Traum. Letzteres wird dabei gleichsam ins Unbewußte herabgezogen,
genauer gesagt, einer Behandlung ausgesetzt, wie sie auf der
Stufe der unbewußten Denkvorgänge vorkömmlich und für diese Stufe
charakteristisch ist. Wir kennen die Charaktere des unbewußten Denkens
und dessen Unterschiede vom bewußtseinsfähigen „vorbewußten“ bisher nur
aus den Ergebnissen eben der „Traumarbeit“.

Eine neuartige, nicht einfache und den Denkgewohnheiten widersprechende
Lehre kann bei gedrängter Darstellung an Klarheit kaum gewinnen. Ich
kann mit diesen Auseinandersetzungen also nichts anderes bezwecken,
als auf die ausführlichere Behandlung des Unbewußten in meiner
„Traumdeutung“ und auf die mir höchst bedeutungsvoll erscheinenden
Arbeiten von +Lipps+ zu verweisen. Ich weiß, daß wer im Banne einer
guten philosophischen Schulbildung steht oder entfernt von einem sog.
philosophischen System abhängt, der Annahme des „Unbewußt Psychischen“
in +Lipps’+ und meinem Sinne widerstrebt und dessen Unmöglichkeit am
liebsten aus der Definition des Psychischen beweisen möchte. Aber
Definitionen sind konventionell und lassen sich abändern. Ich habe
häufig die Erfahrung gemacht, daß Personen, welche das Unbewußte
als absurd oder unmöglich bestreiten, ihre Eindrücke nicht an den
Quellen geholt hatten, aus denen wenigstens für mich die Nötigung zur
Anerkennung desselben geflossen ist. Diese Gegner des Unbewußten hatten
nie den Effekt einer posthypnotischen Suggestion mitangesehen, und
was ich ihnen als Probe aus meinen Analysen bei nicht hypnotisierten
Neurotikern mitteilte, versetzte sie in das größte Erstaunen. Sie
hatten nie den Gedanken realisiert, daß das Unbewußte etwas ist, was
man wirklich nicht weiß, während man durch zwingende Schlüsse genötigt
wird, es zu ergänzen, sondern etwas Bewußtseinsfähiges darunter
verstanden, an was man gerade nicht gedacht hatte, was nicht im
„Blickpunkt der Aufmerksamkeit“ stand. Sie hatten auch nie versucht,
sich von der Existenz solcher unbewußter Gedanken in ihrem eigenem
Seelenleben durch eine Analyse eines eigenen Traumes zu überzeugen,
und wenn ich eine solche mit ihnen versuchte, konnten sie ihre eigenen
Einfälle nur mit Verwunderung und Verwirrtheit aufnehmen. Ich habe auch
den Eindruck bekommen, daß der Annahme des „Unbewußten“ wesentlich
Affektwiderstände im Wege stehen, darin begründet, daß niemand sein
Unbewußtes kennen lernen will, wo es dann am bequemsten ist, dessen
Möglichkeit überhaupt zu leugnen.

[Sidenote: Verdichtung und Verschiebung in der Traumarbeit.]

Die Traumarbeit also, zu der ich nach dieser Abschweifung zurückkehre,
setzt das in den Optativ gebrachte Gedankenmaterial einer ganz
eigentümlichen Bearbeitung aus. Zunächst macht sie den Schritt vom
Optativ zum Präsens, ersetzt das: „O möchte doch“ -- durch ein: Es
ist. Dies „Es ist“ ist zur halluzinatorischen Darstellung bestimmt,
was ich als die „Regression“ der Traumarbeit bezeichnet habe; der
Weg von den Gedanken zu den Wahrnehmungsbildern, oder wenn man mit
Bezug auf die noch unbekannte -- nicht anatomisch zu verstehende
-- Topik des seelischen Apparats sprechen will, von der Gegend der
Denkbildungen zu der der sinnlichen Wahrnehmungen. Auf diesem Wege,
welcher der Entwicklungsrichtung der seelischen Komplikationen
entgegengesetzt ist, gewinnen die Traumgedanken Anschaulichkeit; es
stellt sich schließlich eine plastische Situation heraus als Kern
des manifesten „Traumbildes“. Um solche sinnliche Darstellbarkeit
zu erreichen, haben die Traumgedanken eingreifende Umgestaltungen
ihres Ausdrucks erfahren müssen. Aber während der Rückverwandlung
der Gedanken in Sinnesbilder treten noch weitere Veränderungen an
ihnen auf, die zum Teil als notwendige begreiflich, zum anderen
Teil überraschend sind. Als notwendigen Nebenerfolg der Regression
begreift man, daß fast alle Relationen innerhalb der Gedanken, welche
dieselben gegliedert haben, für den manifesten Traum verloren
gehen. Die Traumarbeit übernimmt sozusagen nur das Rohmaterial der
Vorstellungen zur Darstellung, nicht auch die Denkbeziehungen, die sie
gegen einander einhielten, oder sie wahrt sich wenigstens die Freiheit,
von diesen letzteren abzusehen. Hingegen können wir ein anderes Stück
der Traumarbeit nicht von der Regression, der Rückverwandlung in
Sinnesbilder, ableiten, gerade jenes, welches uns für die Analogie mit
der Witzbildung bedeutsam ist. Das Material der Traumgedanken erfährt
während der Traumarbeit eine ganz außerordentliche Zusammendrängung
oder +Verdichtung+. Ausgangspunkte derselben sind die Gemeinsamkeiten,
die sich zufällig oder dem Inhalt gemäß innerhalb der Traumgedanken
vorfinden; da dieselben für eine ausgiebige Verdichtung in der Regel
nicht hinreichen, werden in der Traumarbeit neue, künstliche und
flüchtige, Gemeinsamkeiten geschaffen, und zu diesem Zwecke werden mit
Vorliebe selbst Worte benützt, in deren Laut verschiedene Bedeutungen
zusammentreffen. Die neugeschaffenen Verdichtungsgemeinsamen gehen
wie Repräsentanten der Traumgedanken in den manifesten Trauminhalt
ein, so daß ein Element des Traumes einem Knoten- und Kreuzungspunkt
für die Traumgedanken entspricht und mit Rücksicht auf die letzteren
ganz allgemein „überdeterminiert“ genannt werden muß. Die Tatsache
der Verdichtung ist dasjenige Stück der Traumarbeit, welches sich am
leichtesten erkennen läßt; es genügt, den aufgeschriebenen Wortlaut
eines Traumes mit der Niederschrift der durch Analyse gewonnenen
Traumgedanken zu vergleichen, um sich von der Ausgiebigkeit der
Traumverdichtung einen guten Eindruck zu holen.

Minder bequem ist es, sich von der zweiten großen Veränderung, welche
durch die Traumarbeit an den Traumgedanken bewirkt wird, zu überzeugen,
von jenem Vorgang, den ich die Traum+verschiebung+ genannt habe.
Dieselbe äußert sich darin, daß im manifesten Traum zentral steht und
mit großer sinnlicher Intensität auftritt, was in den Traumgedanken
peripherisch lag und nebensächlich war; und ebenso umgekehrt. Der
Traum erscheint dadurch gegen die Traumgedanken verschoben, und gerade
durch diese Verschiebung wird erreicht, daß er dem wachen Seelenleben
fremd und unverständlich entgegentritt. Damit solche Verschiebung zu
stande kam, mußte es möglich sein, daß die Besetzungsenergie von den
wichtigen Vorstellungen ungehemmt auf die unwichtigen übergehe, was im
normalen bewußtseinsfähigen Denken nur den Eindruck eines „Denkfehlers“
hervorrufen kann.

Umwandlung zur Darstellungsfähigkeit, Verdichtung und Verschiebung
sind die drei großen Leistungen, die wir der Traumarbeit zuschreiben
dürfen. Eine vierte, in der Traumdeutung vielleicht zu kurz
gewürdigte, kommt für unsere Zwecke hier nicht in Betracht. Bei einer
konsequenten Ausführung der Ideen von der „Topik des seelischen
Apparats“ und der „Regression“ -- und nur eine solche würde diese
Arbeitshypothesen wertvoll machen -- müßte man zu bestimmen versuchen,
an welchen Stationen der Regression die verschiedenen Umwandlungen
der Traumgedanken vor sich gehen. Dieser Versuch ist noch nicht
ernsthaft unternommen worden; es läßt sich aber wenigstens von der
Verschiebung mit Sicherheit angeben, daß sie an dem Gedankenmaterial
erfolgen muß, während es sich auf der Stufe der unbewußten Vorgänge
befindet. Die Verdichtung wird man sich wahrscheinlich als einen über
den ganzen Verlauf sich erstreckenden Vorgang bis zum Anlangen in
der Wahrnehmungsregion vorzustellen haben, im allgemeinen aber sich
mit der Annahme einer gleichzeitig erfolgenden Wirkung aller bei der
Traumbildung beteiligten Kräfte begnügen. Bei der Zurückhaltung, die
man verständigerweise in der Behandlung solcher Probleme bewahren muß,
und mit Rücksicht auf die hier nicht zu erörternden prinzipiellen
Bedenken solcher Fragestellung, möchte ich mich etwa der Aufstellung
getrauen, daß der den Traum vorbereitende Vorgang der Traumarbeit in
die Region des Unbewußten zu verlegen ist. Im ganzen wären also bei der
Traumbildung, grob genommen, drei Stadien zu unterscheiden: erstens
die Versetzung der vorbewußten Tagesreste ins Unbewußte, woran die
Bedingungen des Schlafzustandes mitbeteiligt sein müßten, sodann die
eigentliche Traumarbeit im Unbewußten, und drittens die Regression des
so bearbeiteten Traummaterials auf die Wahrnehmung, als welche der
Traum bewußt wird.

Als Kräfte, welche bei der Traumbildung beteiligt sind, lassen sich
erkennen: Der Wunsch zu schlafen, die den Tagesresten nach der
Erniedrigung durch den Schlafzustand noch verbliebene Energiebesetzung,
die psychische Energie des traumbildenden unbewußten Wunsches und
die widerstrebende Kraft der im Wachleben herrschenden, während des
Schlafes nicht völlig aufgehobenen, „Zensur“. Aufgabe der Traumbildung
ist es vor allem, die Hemmung der Zensur zu überwinden, und gerade
diese Aufgabe wird durch die Verschiebungen der psychischen Energie
innerhalb des Materials der Traumgedanken gelöst.

[Sidenote: Die Formel für die Witzarbeit.]

Nun erinnern wir uns, welchen Anlaß wir hatten, bei der Untersuchung
des Witzes an den Traum zu denken. Wir fanden, daß Charakter und
Wirkung des Witzes an gewisse Ausdrucksformen, technische Mittel,
gebunden sind, unter denen die verschiedenen Arten der Verdichtung,
Verschiebung und indirekten Darstellung am auffälligsten sind.
Vorgänge, die zu den nämlichen Ergebnissen, Verdichtung, Verschiebung
und indirekter Darstellung führen, sind uns aber als Eigentümlichkeiten
der Traumarbeit bekannt geworden. Wird uns durch diese Übereinstimmung
nicht der Schluß nahe gelegt, daß Witzarbeit und Traumarbeit in
wenigstens einem wesentlichen Punkte identisch sein müssen? Die
Traumarbeit liegt, wie ich meine, in ihren wichtigsten Charakteren
entschleiert vor uns; von den psychischen Vorgängen beim Witze ist uns
gerade jenes Stück verhüllt, welches wir der Traumarbeit vergleichen
dürfen, der Vorgang der Witzbildung bei der ersten Person. Sollen
wir nicht der Versuchung nachgeben, diesen Vorgang nach der Analogie
der Traumbildung zu konstruieren? Einige der Züge des Traumes sind
dem Witze so fremd, daß wir auch das ihnen entsprechende Stück der
Traumarbeit nicht auf die Witzbildung übertragen dürfen. Die Regression
des Gedankenganges zur Wahrnehmung fällt für den Witz sicherlich weg;
die beiden anderen Stadien der Traumbildung aber, das Herabsinken eines
vorbewußten Gedankens zum Unbewußten und die unbewußte Bearbeitung
würden uns, wenn wir sie für die Witzbildung supponieren, gerade das
Ergebnis liefern, das wir am Witze beobachten können. Entschließen wir
uns also zur Annahme, daß dies der Hergang der Witzbildung bei der
ersten Person ist. +Ein vorbewußter Gedanke wird für einen Moment der
unbewußten Bearbeitung überlassen, und deren Ergebnis alsbald von der
bewußten Wahrnehmung erfaßt.+

Ehe wir aber diese Aufstellung im Einzelnen prüfen, wollen wir eines
Einwandes gedenken, welcher unserer Voraussetzung bedrohlich werden
kann. Wir gehen von der Tatsache aus, daß die Techniken des Witzes
auf dieselben Vorgänge hindeuten, welche uns als Eigentümlichkeiten
der Traumarbeit bekannt sind. Nun ist es leicht dawider zu sagen, daß
wir die Techniken des Witzes nicht als Verdichtung, Verschiebung usw.
beschrieben hätten und nicht zu so weit gehenden Übereinstimmungen
in den Darstellungsmitteln von Witz und Traum gelangt wären, wenn
nicht die vorherige Kenntnis der Traumarbeit unsere Auffassung für
die Witztechnik bestochen hätte, so daß wir im Grunde am Witz nur die
Erwartungen bestätigt finden, mit denen wir vom Traum her an ihn
herangetreten sind. Eine solche Genese der Übereinstimmung wäre keine
sichere Gewähr für ihren Bestand außerhalb unseres Vorurteils. Die
Gesichtspunkte der Verdichtung, Verschiebung, indirekten Darstellung
sind auch wirklich von keinem anderen Autor für die Ausdrucksformen
des Witzes geltend gemacht worden. Das wäre ein möglicher Einwand,
aber darum noch kein berechtigter. Es kann ebensowohl sein, daß die
Schärfung unserer Auffassung durch die Kenntnis der Traumarbeit
unentbehrlich wäre, um die reale Übereinstimmung zu erkennen. Die
Entscheidung wird doch nur davon abhängen, ob die prüfende Kritik
solche Auffassung der Witztechnik an den einzelnen Beispielen als eine
aufgezwungene nachweisen kann, zu deren Gunsten andere näher liegende
und tiefer reichende Auffassungen unterdrückt worden sind, oder ob sie
zugeben muß, daß die Erwartungen vom Traum her sich am Witz wirklich
bestätigen lassen. Ich bin der Meinung, daß wir solche Kritik nicht
zu fürchten haben und daß unser Reduktionsverfahren (siehe S. 14) uns
verläßlich angezeigt hat, in welchen Ausdrucksformen die Techniken des
Witzes zu suchen waren. Daß wir diesen Techniken Namen gegeben hatten,
welche das Ergebnis der Übereinstimmung von Witztechnik und Traumarbeit
bereits antizipierten, dies war unser gutes Recht, eigentlich nichts
anderes als eine leicht zu rechtfertigende Vereinfachung.

Ein anderer Einwand träfe unsere Sache nicht so schwer, wäre aber
auch nicht so gründlich zu widerlegen. Man könnte meinen, daß die
zu unseren Absichten so gut stimmenden Techniken des Witzes zwar
Anerkennung verdienen, aber doch nicht alle möglichen oder in der
Praxis verwendeten Techniken des Witzes wären. Wir hätten eben von
dem Vorbild der Traumarbeit beeinflußt nur die zu ihr passenden
Witztechniken herausgesucht, während andere, von uns übersehene,
eine solche Übereinstimmung als nicht allgemein vorhanden erwiesen
hätten. Ich getraue mich nun wirklich nicht der Behauptung, daß es
mir gelungen ist, alle im Umlauf befindlichen Witze in bezug auf
ihre Technik aufzuklären, und lasse darum die Möglichkeit offen,
daß meine Aufzählung der Witztechniken manche Unvollständigkeit
erkennen lassen wird, aber ich habe keine Art der Technik, die mir
durchsichtig wurde, absichtlich von der Erörterung ausgeschlossen und
kann die Behauptung vertreten, daß die häufigsten, wichtigsten, am
meisten charakteristischen technischen Mittel des Witzes sich meiner
Aufmerksamkeit nicht entzogen haben.

[Sidenote: Der Witz als Einfall.]

Der Witz besitzt noch einen anderen Charakter, welcher sich unserer
vom Traum herstammenden Auffassung der Witzarbeit befriedigend fügt.
Man sagt zwar, daß man den Witz „macht“, aber man verspürt, daß man
sich dabei anders benimmt, als wenn man ein Urteil fällt, einen Einwand
macht. Der Witz hat in ganz hervorragender Weise den Charakter eines
ungewollten „Einfalls“. Man weiß nicht etwa einen Moment vorher,
welchen Witz man machen wird, den man dann nur in Worte zu kleiden
braucht. Man verspürt vielmehr etwas Undefinierbares, das ich am
ehesten einer Absenz, einem plötzlichen Auslassen der intellektuellen
Spannung vergleichen möchte, und dann ist der Witz mit einem Schlage
da, meist gleichzeitig mit seiner Einkleidung. Manche der Mittel des
Witzes finden auch außerhalb desselben im Gedankenausdruck Verwendung,
z. B. das Gleichnis und die Anspielung. Ich kann eine Anspielung
absichtlich machen wollen. Dabei habe ich zuerst den direkten Ausdruck
meines Gedankens im Sinne (im inneren Hören), ich hemme mich in der
Äußerung desselben durch ein der Situation entsprechendes Bedenken,
nehme mir beinahe vor, den direkten Ausdruck durch eine Form des
indirekten Ausdrucks zu ersetzen und bringe dann eine Anspielung
hervor; aber die so entstandene, unter meiner fortlaufenden Kontrolle
gebildete Anspielung ist niemals witzig, so brauchbar sie auch sonst
sein mag; die witzige Anspielung hingegen erscheint, ohne daß ich diese
vorbereitenden Stadien in meinem Denken verfolgen konnte. Ich will
nicht zuviel Wert auf dies Verhalten legen; es ist kaum entscheidend,
aber es stimmt doch gut zu unserer Annahme, daß man bei der Witzbildung
einen Gedankengang für einen Moment fallen läßt, der dann plötzlich als
Witz aus dem Unbewußten auftaucht.

Witze zeigen auch assoziativ ein besonderes Benehmen. Sie stehen
unserem Gedächtnis häufig nicht zur Verfügung, wenn wir sie wollen,
stellen sich dafür andere Male wie ungewollt ein, und zwar an Stellen
unseres Gedankenganges, wo wir ihre Einflechtung nicht verstehen. Es
sind dies wiederum nur kleine Züge, aber immerhin Hinweise auf ihre
Abkunft aus dem Unbewußten.

Suchen wir nun die Charaktere des Witzes zusammen, die sich auf
seine Bildung im Unbewußten beziehen lassen. Da ist vor allem die
eigentümliche Kürze des Witzes, ein zwar nicht unerläßliches,
aber ungemein bezeichnendes Merkmal desselben. Als wir ihr zuerst
begegneten, waren wir geneigt, einen Ausdruck sparender Tendenzen in
ihr zu sehen, entwerteten aber diese Auffassung selbst durch nahe
liegende Einwendungen. Sie erscheint uns jetzt vielmehr als ein Zeichen
der unbewußten Bearbeitung, welche der Witzgedanke erfahren hat. Das
ihr beim Traum entsprechende, die Verdichtung, können wir nämlich
mit keinem anderen Moment als mit der Lokalisation im Unbewußten
zusammenbringen und müssen annehmen, daß im unbewußten Denkvorgang die
im Vorbewußten fehlenden Bedingungen für solche Verdichtungen gegeben
sind.[52] Es steht zu erwarten, daß beim Verdichtungsvorgang einige der
ihm unterworfenen Elemente verloren gehen, während andere, welche deren
Besetzungsenergie übernehmen, durch die Verdichtung erstarken oder
überstark aufgebaut werden. Die Kürze des Witzes wäre also wie die des
Traumes eine notwendige Begleiterscheinung der in beiden vorkommenden
Verdichtungen, beide Male ein Ergebnis des Verdichtungsvorganges.
Dieser Herkunft verdankte auch die Kürze des Witzes ihren besonderen,
nicht weiter angebbaren, aber der Empfindung auffälligen Charakter.

[Sidenote: Das Unbewußte und das Infantile.]

Wir haben vorhin (S. 106) das eine Ergebnis der Verdichtung, die
mehrfache Verwendung desselben Materials, das Wortspiel, den
Gleichklang, als lokalisierte Ersparung aufgefaßt und die Lust, die der
(harmlose) Witz schafft, aus solcher Ersparung abgeleitet; späterhin
haben wir die ursprüngliche Absicht des Witzes darin gefunden,
derartigen Lustgewinn an Worten zu machen, was ihm auf der Stufe des
Spieles unverwehrt war, im Verlaufe der intellektuellen Entwicklung
aber durch die vernünftige Kritik eingedämmt wurde. Nun haben wir uns
zu der Annahme entschlossen, daß derartige Verdichtungen, wie sie
der Technik des Witzes dienen, automatisch, ohne besondere Absicht,
während des Denkvorganges im Unbewußten entstehen. Liegen da nicht zwei
verschiedene Auffassungen derselben Tatsache vor, die mit einander
unverträglich scheinen? Ich glaube nicht; es sind allerdings zwei
verschiedene Auffassungen, und sie verlangen miteinander in Einklang
gebracht zu werden, aber sie widersprechen einander nicht. Die eine
ist bloß der anderen fremd, und wenn wir eine Beziehung zwischen ihnen
hergestellt haben, werden wir wahrscheinlich um ein Stück Erkenntnis
weiter gekommen sein. Daß solche Verdichtungen Quellen von Lustgewinn
sind, verträgt sich sehr wohl mit der Voraussetzung, daß sie im
Unbewußten leicht die Bedingungen zu ihrer Entstehung finden; wir
sehen im Gegenteile die Motivierung für das Eintauchen ins Unbewußte
in dem Umstande, daß dort die lustbringende Verdichtung, welcher der
Witz bedarf, sich leicht ergibt. Auch zwei andere Momente, welche für
die erste Betrachtung einander völlig fremd scheinen und wie durch
einen unerwünschten Zufall zusammentreffen, werden sich bei tieferem
Eingehen als innig verknüpft, ja wesenseinig erkennen lassen. Ich
meine die beiden Aufstellungen, daß der Witz einerseits während
seiner Entwicklung auf der Stufe des Spieles, also im Kindesalter der
Vernunft, solche lustbringende Verdichtungen hervorbringen konnte,
und daß er anderseits auf höheren Stufen dieselbe Leistung durch das
Eintauchen des Gedankens ins Unbewußte vollbringt. Das Infantile ist
nämlich die Quelle des Unbewußten, die unbewußten Denkvorgänge sind
keine anderen, als welche im frühen Kindesalter einzig und allein
hergestellt werden. Der Gedanke, der zum Zwecke der Witzbildung ins
Unbewußte eintaucht, sucht dort nur die alte Heimstätte des einstigen
Spieles mit Worten auf. Das Denken wird für einen Moment auf die
kindliche Stufe zurückversetzt, um so der kindlichen Lustquelle wieder
habhaft zu werden. Wüßte man es nicht bereits aus der Erforschung der
Neurosenpsychologie, so müßte man beim Witz auf die Ahnung geraten, daß
die sonderbare unbewußte Bearbeitung nichts anderes als der infantile
Typus der Denkarbeit ist. Es ist bloß nicht sehr leicht, dieses
infantile Denken mit seinen im Unbewußten des Erwachsenen erhaltenen
Eigentümlichkeiten beim Kinde zu erhaschen, weil es meist sozusagen
in statu nascendi korrigiert wird. In einer Reihe von Fällen gelingt
es aber doch, und dann lachen wir jedesmal über die „Kinderdummheit“.
Jede Aufdeckung eines solchen Unbewußten wirkt auf uns überhaupt als
„komisch“.[53]

Leichter zu fassen sind die Charaktere dieser unbewußten Denkvorgänge
in den Äußerungen der Kranken bei manchen psychischen Störungen. Es
ist sehr wahrscheinlich, daß wir nach des alten +Griesinger+ Vermutung
im stande wären, die Delirien der Geisteskranken zu verstehen und
als Mitteilungen zu verwerten, wenn wir nicht die Anforderungen des
bewußten Denkens an sie stellen, sondern sie mit unserer Deutungskunst
behandeln würden wie etwa die Träume.[54] Auch für den Traum haben
wir ja seinerzeit die „Rückkehr des Seelenlebens auf den embryonalen
Standpunkt“ zur Geltung gebracht.[55]

[Sidenote: Der Unterschied der Witztechnik von der Traumtechnik.]

Wir haben an den Verdichtungsvorgängen die Bedeutung der Analogie
von Witz und Traum so eingehend erörtert, daß wir uns im folgenden
kürzer fassen dürfen. Wir wissen, daß die Verschiebungen bei der
Traumarbeit auf die Einwirkung der Zensur des bewußten Denkens
hindeuten, und werden demgemäß, wenn wir der Verschiebung unter den
Techniken des Witzes begegnen, geneigt sein anzunehmen, daß auch bei
der Witzbildung eine hemmende Macht eine Rolle spielt. Wir wissen,
auch bereits, daß dies ganz allgemein der Fall ist; das Bestreben des
Witzes, die alte Lust am Unsinn oder die alte Wortlust zu gewinnen,
findet bei normaler Stimmung an dem Einspruch der kritischen Vernunft
eine Hemmung, die für jeden Einzelfall überwunden werden muß. Aber
in der Art und Weise, wie die Witzarbeit diese Aufgabe löst, zeigt
sich ein durchgreifender Unterschied zwischen dem Witz und dem Traum.
In der Traumarbeit geschieht die Lösung dieser Aufgabe regelmäßig
durch Verschiebungen, durch die Auswahl von Vorstellungen, welche
weit genug entfernt von den beanstandeten sind, um Durchlaß bei der
Zensur zu finden, und doch Abkömmlinge dieser sind, deren psychische
Besetzung sie durch volle Übertragung auf sich übernommen haben. Die
Verschiebungen fehlen darum bei keinem Traum und sind weit umfassender;
nicht nur die Ablenkungen vom Gedankengang, sondern auch alle Arten
der indirekten Darstellung sind zu den Verschiebungen zu rechnen,
insbesondere der Ersatz eines bedeutsamen aber anstößigen Elements
durch ein indifferentes, aber der Zensur harmlos erscheinendes, welches
wie eine entfernteste Anspielung an das erstere steht, der Ersatz durch
eine Symbolik, ein Gleichnis, ein Kleines. Es ist nicht abzuweisen,
daß Stücke dieser indirekten Darstellung bereits in den vorbewußten
Gedanken des Traumes zu stande kommen, so z. B. die symbolische und die
Gleichnisdarstellung, weil sonst der Gedanke es überhaupt nicht zur
Stufe des vorbewußten Ausdrucks gebracht hätte. Indirekte Darstellungen
dieser Art und Anspielungen, deren Beziehung zum Eigentlichen leicht
auffindbar ist, sind ja zulässige und vielgebrauchte Ausdrucksmittel
auch in unserem bewußten Denken. Die Traumarbeit übertreibt aber die
Anwendung dieser Mittel der indirekten Darstellung ins Schrankenlose.
Jede Art von Zusammenhang wird unter dem Drucke der Zensur zum Ersatz
durch Anspielung gut genug, die Verschiebung von einem Element her
ist auf jedes andere gestattet. Ganz besonders auffällig und für
die Traumarbeit charakteristisch ist die Ersetzung der inneren
Assoziationen (Ähnlichkeit, Kausalzusammenhang usw.) durch die sog.
äußeren (Gleichzeitigkeit, Kontiguität im Raum, Gleichklang).

Alle diese Verschiebungsmittel kommen auch als Techniken des Witzes
vor, aber wenn sie vorkommen, halten sie zumeist die Grenzen ein,
die ihrer Anwendung im bewußten Denken gezogen sind, und sie
können überhaupt fehlen, obwohl ja auch der Witz regelmäßig eine
Hemmungsaufgabe zu erledigen hat. Man versteht dies Zurücktreten der
Verschiebungen bei der Witzarbeit, wenn man sich erinnert, daß dem
Witz ganz allgemein eine andere Technik zu Gebote steht, mit welcher
er sich der Hemmung erwehrt, ja daß wir nichts gefunden haben, was
charakteristischer für ihn wäre als gerade diese Technik. Der Witz
schafft nämlich nicht Kompromisse wie der Traum, er weicht der Hemmung
nicht aus, sondern er besteht darauf, das Spiel mit dem Wort oder dem
Unsinn unverändert zu erhalten, beschränkt sich aber auf die Auswahl
von Fällen, in denen dieses Spiel oder dieser Unsinn doch gleichzeitig
zulässig (Scherz) oder sinnreich (Witz) erscheinen kann, Dank der
Vieldeutigkeit der Worte und der Mannigfaltigkeit der Denkrelationen.
Nichts scheidet den Witz besser von allen anderen psychischen Bildungen
als diese seine Doppelseitigkeit und Doppelzüngigkeit, und wenigstens
von dieser Seite haben sich die Autoren durch die Betonung des „Sinnes
im Unsinn“ der Erkenntnis des Witzes am meisten genähert.

Bei der ausnahmslosen Vorherrschaft dieser dem Witz besonderen Technik
zur Überwindung seiner Hemmungen könnte man es überflüssig finden, daß
er sich überhaupt noch in einzelnen Fällen der Verschiebungstechnik
bedient, allein einerseits bleiben gewisse Arten dieser Technik als
Ziele und Lustquellen für den Witz wertvoll, wie z. B. die eigentliche
Verschiebung (Gedankenablenkung), die ja die Natur des Unsinns teilt,
anderseits darf man nicht vergessen, daß die höchste Stufe des Witzes,
der tendenziöse Witz, häufig zweierlei Hemmungen zu überwinden hat,
die ihm selbst und die seiner Tendenz entgegenstehenden, (S. 85) und
daß die Anspielungen und Verschiebungen ihm die letztere Aufgabe zu
ermöglichen geeignet sind.

Die reichliche und zügellose Anwendung der indirekten Darstellung,
der Verschiebungen und insbesondere Anspielungen in der Traumarbeit
hat eine Folge, die ich nicht ihrer eigenen Bedeutung wegen erwähne,
sondern weil sie der subjektive Anlaß für mich wurde, mich mit
dem Problem des Witzes zu beschäftigen. Wenn man einem Unkundigen
oder Ungewöhnten eine Traumanalyse mitteilt, in welcher also die
sonderbaren, dem Wachdenken anstößigen Wege der Anspielungen und
Verschiebungen dargelegt werden, deren sich die Traumarbeit bedient
hat, so unterliegt der Leser einem ihm unbehaglichen Eindruck, erklärt
diese Deutungen für „witzig“, erblickt aber in ihnen offenbar nicht
gelungene Witze, sondern gezwungene und irgendwie gegen die Regeln des
Witzes verstoßende. Dieser Eindruck ist nun leicht aufzuklären: er
rührt daher, daß die Traumarbeit mit denselben Mitteln arbeitet wie der
Witz, aber in der Anwendung derselben die Grenzen überschreitet, welche
der Witz einhält. Wir werden auch alsbald hören, daß der Witz infolge
der Rolle der dritten Person an eine gewisse Bedingung gebunden ist,
welche den Traum nicht berührt.

[Sidenote: Die Ironie.]

Ein gewisses Interesse nehmen unter den Techniken, die Witz und Traum
gemeinsam sind, die Darstellung durch das Gegenteil und die Verwendung
des Widersinnes in Anspruch. Die erstere gehört zu den kräftig
wirkenden Mitteln des Witzes, wie wir unter anderen an den Beispielen
von „Überbietungswitz“ ersehen konnten (S. 59). Die Darstellung durchs
Gegenteil vermochte sich übrigens der bewußten Aufmerksamkeit nicht wie
die meisten anderen Witztechniken zu entziehen; wer den Mechanismus
der Witzarbeit bei sich möglichst absichtlich in Tätigkeit zu bringen
sucht, der habituelle Witzling, pflegt bald herauszufinden, daß man
auf eine Behauptung am leichtesten mit einem Witz erwidert, wenn
man deren Gegenteil festhält und es dem Einfall überläßt, den gegen
dies Gegenteil zu befürchtenden Einspruch durch eine Umdeutung zu
beseitigen. Vielleicht verdankt die Darstellung durchs Gegenteil solche
Bevorzugung dem Umstande, daß sie den Kern einer anderen lustbringenden
Ausdrucksweise des Gedankens bildet, für deren Verständnis wir das
Unbewußte nicht zu bemühen brauchen. Ich meine die +Ironie+, die sich
dem Witze sehr annähert und zu den Unterarten der Komik gerechnet wird.
Ihr Wesen besteht darin, das Gegenteil von dem, was man dem anderen
mitzuteilen beabsichtigt, auszusagen, diesem aber den Widerspruch
dadurch zu ersparen, daß man im Tonfall, in den begleitenden Gesten,
in kleinen stilistischen Anzeichen -- wenn es sich um schriftliche
Darstellung handelt -- zu verstehen gibt, man meine selbst das
Gegenteil seiner Aussage. Die Ironie ist nur dort anwendbar, wo der
andere das Gegenteil zu hören vorbereitet ist, so daß seine Neigung
zum Widerspruch nicht ausbleiben kann. Infolge dieser Bedingtheit ist
die Ironie der Gefahr, nicht verstanden zu werden, besonders leicht
ausgesetzt. Sie bringt der sie anwendenden Person den Vorteil, daß sie
die Schwierigkeiten direkter Äußerungen, z. B. bei Invektiven, leicht
umgehen läßt; bei dem Hörer erzeugt sie komische Lust, wahrscheinlich,
indem sie ihn zu einem Widerspruchsaufwand bewegt, der sofort als
überflüssig erkannt wird. Ein solcher Vergleich des Witzes mit einer
ihm nahe stehenden Gattung des Komischen mag uns in der Annahme
bestärken, daß die Beziehung zum Unbewußten das dem Witz Besondere ist,
das ihn vielleicht auch von der Komik scheidet.[56]

[Sidenote: Der Negativismus.]

In der Traumarbeit fällt der Darstellung durchs Gegenteil eine noch
weit größere Rolle zu als beim Witz. Der Traum liebt es nicht nur,
zwei Gegensätze durch ein und dasselbe Mischgebilde darzustellen;
er verwandelt auch so häufig ein Ding aus den Traumgedanken in sein
Gegenteil, daß hieraus der Deutungsarbeit eine große Schwierigkeit
erwächst. „Man weiß zunächst von keinem eines Gegenteils fähigen
Elemente, ob es in den Traumgedanken positiv oder negativ enthalten
ist.“[57]

Ich muß hervorheben, daß diese Tatsache noch keineswegs Verständnis
gefunden hat. Sie scheint aber einen wichtigen Charakter des
unbewußten Denkens anzudeuten, dem aller Wahrscheinlichkeit nach
ein dem „Urteilen“ vergleichbarer Vorgang abgeht. An Stelle der
Urteilsverwerfung findet man im Unbewußten die „Verdrängung“. Die
Verdrängung kann wohl richtig als die Zwischenstufe zwischen dem
Abwehrreflex und der Verurteilung beschrieben werden.[58]

[Sidenote: Das Unbewußte als der psychische Schauplatz der Witzarbeit.]

Der Unsinn, die Absurdität, die so häufig im Traum vorkommt und
ihm soviel unverdiente Verachtung zugezogen hat, ist doch niemals
zufällig durch die Zusammenwürfelung von Vorstellungselementen
entstanden, sondern jedesmal als von der Traumarbeit absichtlich
zugelassen nachzuweisen und zur Darstellung von erbitterter Kritik
und verächtlichem Widerspruch innerhalb der Traumgedanken bestimmt.
Die Absurdität des Trauminhalts ersetzt also das Urteil: Es ist ein
Unsinn, in den Traumgedanken. Ich habe in meiner „Traumdeutung“ großen
Nachdruck auf diesen Nachweis gelegt, weil ich den Irrtum, der Traum
sei überhaupt kein psychisches Phänomen, der den Weg zur Erkenntnis
des Unbewußten versperrt, auf diese Weise am eindringlichsten zu
bekämpfen gedachte. Wir haben nun erfahren (bei der Auflösung gewisser
tendenziöser Witze, S. 44), daß der Unsinn im Witze den gleichen
Zwecken der Darstellung dienstbar gemacht wird. Wir wissen auch, daß
eine unsinnige Fassade des Witzes ganz besonders geeignet ist, den
psychischen Aufwand bei dem Hörer zu steigern und somit auch den zur
Abfuhr durch Lachen frei werdenden Betrag zu erhöhen. Außerdem aber
wollen wir nicht daran vergessen, daß der Unsinn im Witz Selbstzweck
ist, da die Absicht, die alte Lust am Unsinn wiederzugewinnen, zu den
Motiven der Witzarbeit gehört. Es gibt andere Wege, um den Unsinn
wiederzugewinnen und Lust aus ihm zu ziehen; Karikatur, Übertreibung,
Parodie und Travestie bedienen sich derselben und schaffen so den
„komischen Unsinn“. Unterwerfen wir diese Ausdrucksformen einer
ähnlichen Analyse, wie wir sie am Witz geübt haben, so werden wir
finden, daß sich bei ihnen allen kein Anlaß ergibt, unbewußte Vorgänge
in unserem Sinne zur Erklärung heranzuziehen. Wir verstehen nun auch,
warum der Charakter des „Witzigen“ zur Karikatur, Übertreibung, Parodie
als Zutat hinzukommen kann; es ist die Verschiedenheit des „psychischen
Schauplatzes“, die dies ermöglicht.[59]

Ich meine, die Verlegung der Witzarbeit in das System des Unbewußten
ist uns um ein ganzes Stück wertvoller geworden, seitdem sie uns das
Verständnis für die Tatsache eröffnet hat, daß die Techniken, an denen
der Witz doch haftet, anderseits nicht sein ausschließliches Gut sind.
Manche Zweifel, die wir während unserer anfänglichen Untersuchung
dieser Techniken fürs nächste zurückstellen mußten, finden nun ihre
bequeme Lösung. Um so mehr verdient unsere Würdigung ein Bedenken,
welches uns sagen möchte, daß die unleugbar vorhandene Beziehung des
Witzes zum Unbewußten nur für gewisse Kategorien des tendenziösen
Witzes richtig ist, während wir bereit sind, dieselbe auf alle Arten
und Entwicklungsstufen des Witzes auszudehnen. Wir dürfen uns der
Prüfung dieses Einwandes nicht entziehen.

Der sichere Fall der Witzbildung im Unbewußten ist anzunehmen, wenn es
sich um Witze im Dienste unbewußter oder durchs Unbewußte verstärkter
Tendenzen handelt, also bei den meisten „zynischen“ Witzen. Dann zieht
nämlich die unbewußte Tendenz den vorbewußten Gedanken zu sich herab
ins Unbewußte, um ihn dort umzuformen, ein Vorgang, zu welchem das
Studium der Neurosenpsychologie zahlreiche Analogien kennen gelehrt
hat. Bei den tendenziösen Witzen anderer Art, beim harmlosen Witz und
beim Scherz scheint aber diese herabziehende Kraft wegzufallen, steht
also die Beziehung des Witzes zum Unbewußten in Frage.

Fassen wir aber nun den Fall des witzigen Ausdrucks eines an sich
nicht wertlosen, im Zusammenhange der Denkvorgänge auftauchenden
Gedankens ins Auge. Um diesen Gedanken zum Witz werden zu lassen,
bedarf es offenbar einer Auswahl unter den möglichen Ausdrucksformen,
damit gerade jene gefunden werde, welche den Wortlustgewinn mit sich
bringt. Wir wissen aus unserer Selbstbeobachtung, daß nicht die
bewußte Aufmerksamkeit diese Auswahl trifft; es wird derselben aber
gewiß zu gute kommen, wenn die Besetzung des vorbewußten Gedankens zur
unbewußten erniedrigt wird, denn im Unbewußten werden die vom Wort
ausgehenden Verbindungswege, wie wir aus der Traumarbeit erfahren
haben, den Sachverbindungen gleichartig behandelt. Die unbewußte
Besetzung bietet der Auswahl des Ausdrucks die weitaus günstigeren
Bedingungen. Wir können übrigens ohne weiteres annehmen, daß die
Ausdrucksmöglichkeit, welche den Wortlustgewinn enthält, in ähnlicher
Weise herabziehend auf die noch schwankende Fassung des vorbewußten
Gedankens wirkt wie im ersteren Falle die unbewußte Tendenz. Für den
simpleren Fall des Scherzes dürfen wir uns vorstellen, daß eine allzeit
lauernde Absicht, den Wortlustgewinn zu erreichen, sich des Anlasses,
der gerade im Vorbewußten gegeben ist, bemächtigt, um wiederum nach dem
bekannten Schema den Besetzungsvorgang ins Unbewußte zu ziehen.

Ich wünschte gern, daß es mir möglich wäre, diesen einen entscheidenden
Punkt in meiner Auffassung des Witzes einerseits klarer darzulegen,
anderseits mit zwingenden Argumenten zu verstärken. Aber es handelt
sich hier in Wahrheit nicht um ein zweifaches, sondern um ein und
das nämliche Mißlingen. Ich kann eine klarere Darstellung nicht
geben, weil ich keine weiteren Beweise für meine Auffassung habe.
Dieselbe ist mir aus dem Studium der Technik und aus dem Vergleich
mit der Traumarbeit erwachsen, und zwar nur von dieser einen Seite
her; ich kann dann finden, daß sie den Eigentümlichkeiten des Witzes
im ganzen vortrefflich angepaßt ist. Diese Auffassung ist nun eine
erschlossene; gelangt man mit solchem Schluß nicht auf ein bekanntes,
sondern vielmehr auf ein fremdes, dem Denken neuartiges Gebiet, so
nennt man den Schluß eine „Hypothese“ und läßt mit Recht die Beziehung
der Hypothese zu dem Material, aus dem sie erschlossen ist, nicht als
„Beweis“ gelten. Als „bewiesen“ gilt diese erst dann, wenn man auch
auf anderem Wege zu ihr gelangen, sie als den Knotenpunkt auch anderer
Zusammenhänge aufzeigen kann. Solcher Beweis ist aber bei unserer kaum
erst beginnenden Kenntnis der unbewußten Vorgänge nicht zu haben. In
der Erkenntnis, daß wir auf einem überhaupt noch nicht betretenen
Boden stehen, begnügen wir uns also damit, von unserem Standpunkt
der Beobachtung ein einziges, schmales und schwankes, Brett ins
Unergründete hinaus zu schieben.

Wir werden nicht viel auf dieser Grundlage aufbauen. Bringen wir
die verschiedenen Stufen des Witzes in Beziehung zu den für sie
günstigen seelischen Dispositionen, so können wir etwa sagen: Der
+Scherz+ entspringt aus der heiteren Stimmung, der eine Neigung zur
Herabminderung der seelischen Besetzungen eigentümlich scheint. Er
bedient sich bereits aller charakteristischen Techniken des Witzes
und erfüllt bereits die Grundbedingung desselben durch die Auswahl
eines solchen Wortmaterials oder einer solchen Gedankenverknüpfung,
wie sie sowohl den Anforderungen der Lustgewinnung als auch denen der
verständigen Kritik genügen. Wir werden schließen, daß das Herabsinken
der Gedankenbesetzung zur unbewußten Stufe, durch die heitere Stimmung,
erleichtert, schon beim Scherz zutreffe. Für den +harmlosen+, aber
mit dem Ausdruck eines wertvollen Gedankens verknüpften +Witz+ fällt
diese Förderung durch die Stimmung weg; wir bedürfen hier der Annahme
einer besonderen +persönlichen Eignung+, die in der Leichtigkeit zum
Ausdruck kommt, mit welcher die vorbewußte Besetzung fallen gelassen
und für einen Moment mit der unbewußten vertauscht wird. Eine stets
lauernde Tendenz, den ursprünglichen Lustgewinn des Witzes zu erneuern,
wirkt hiebei herabziehend auf den noch schwankenden vorbewußten
Ausdruck des Gedankens. In heiterer Stimmung sind wohl die meisten
Menschen fähig, Scherze zu produzieren; die Eignung zum Witz ist nur
bei wenigen Personen unabhängig von der Stimmung vorhanden. Endlich
wirkt als kräftigste Anregung zur Witzarbeit das Vorhandensein starker,
bis ins Unbewußte reichender Tendenzen, die eine besondere Eignung
zur witzigen Produktion darstellen und uns erklären mögen, daß die
subjektiven Bedingungen des Witzes so häufig bei neurotischen Personen
erfüllt sind. Unter dem Einfluß starker Tendenzen kann auch der sonst
Ungeeignete witzig werden.

[Sidenote: Unterschiede von Witz und Traum.]

Mit diesem letzten Beitrag, der wenn auch hypothetisch gebliebenen
Aufklärung der Witzarbeit bei der ersten Person, ist aber unser
Interesse am Witz streng genommen erledigt. Es erübrigt uns etwa noch
eine kurze Vergleichung des Witzes mit dem besser bekannten Traum, der
wir die Erwartung vorausschicken werden, daß zwei so verschiedenartige
seelische Leistungen neben der einen bereits gewürdigten
Übereinstimmung nur noch Unterschiede erkennen lassen dürften. Der
wichtigste Unterschied liegt in ihrem sozialen Verhalten. Der Traum
ist ein vollkommen asoziales seelisches Produkt; er hat einem anderen
nichts mitzuteilen; innerhalb einer Person als Kompromiß der in ihr
ringenden seelischen Kräfte entstanden, bleibt er dieser Person selbst
unverständlich und ist darum für eine andere völlig uninteressant.
Nicht nur, daß er keinen Wert auf Verständlichkeit zu legen braucht, er
muß sich sogar hüten verstanden zu werden, da er sonst zerstört würde;
er kann nur in der Vermummung bestehen. Er darf sich darum ungehindert
des Mechanismus, der die unbewußten Denkvorgänge beherrscht, bis zu
einer nicht mehr redressierbaren Entstellung bedienen. Der Witz dagegen
ist die sozialste aller auf Lustgewinn zielenden seelischen Leistungen.
Er benötigt oftmals dreier Personen und verlangt seine Vollendung
durch die Teilnahme eines anderen an dem von ihm angeregten seelischen
Vorgange. Er muß sich also an die Bedingung der Verständlichkeit
binden, darf die im Unbewußten mögliche Entstellung durch Verdichtung
und Verschiebung in keinem weiteren Ausmaße in Anspruch nehmen, als
soweit dieselbe durch das Verständnis der dritten Person redressierbar
ist. Im übrigen sind die beiden, Witz und Traum, auf ganz verschiedenen
Gebieten des Seelenlebens erwachsen und an weit voneinander entlegenen
Stellen des psychologischen Systems unterzubringen. Der Traum ist
immer noch ein, wiewohl unkenntlich gemachter, Wunsch; der Witz ist
ein entwickeltes Spiel. Der Traum behält trotz all seiner praktischen
Nichtigkeit die Beziehung zu den großen Interessen des Lebens bei; er
sucht die Bedürfnisse auf dem regressiven Umwege der Halluzination
zu erfüllen, und er verdankt seine Zulassung dem einzig während des
Nachtzustandes regen Bedürfnis zu schlafen. Der Witz hingegen sucht
einen kleinen Lustgewinn aus der bloßen, bedürfnisfreien, Tätigkeit
unseres seelischen Apparats zu ziehen, später einen solchen als
Nebengewinn während der Tätigkeit desselben zu erhaschen, und gelangt
so +sekundär+ zu nicht unwichtigen, der Außenwelt zugewendeten
Funktionen. Der Traum dient vorwiegend der Unlustersparnis, der Witz
dem Lusterwerb; in diesen beiden Zielen treffen aber alle unsere
seelischen Tätigkeiten zusammen.


  [52] Die Verdichtung als regelmäßigen und bedeutungsvollen Vorgang
       habe ich außer bei der Traumarbeit und Witztechnik noch in
       einem anderen seelischen Geschehen nachweisen können, beim
       Mechanismus des normalen (nicht tendenziösen) +Vergessens+.
       Singuläre Eindrücke setzen dem Vergessen Schwierigkeiten
       entgegen; irgendwie analoge werden vergessen, indem sie von
       ihren Berührungspunkten aus verdichtet werden. Die Verwechslung
       analoger Eindrücke ist eine der Vorstufen des Vergessens.

  [53] Viele meiner neurotischen, in psychoanalytischer Behandlung
       stehenden Patienten pflegen regelmäßig durch ein Lachen zu
       bezeugen, daß es gelungen ist, ihrer bewußten Wahrnehmung das
       verhüllte Unbewußte getreulich zu zeigen, und sie lachen auch
       dann, wenn der Inhalt des Enthüllten es keineswegs rechtfertigen
       würde. Bedingung dafür ist allerdings, daß sie diesem Unbewußten
       nahe genug gekommen sind, um es zu erfassen, wenn der Arzt es
       erraten und ihnen vorgeführt hat.

  [54] Dabei dürften wir nicht vergessen, der Entstellung infolge der
       auch in der Psychose noch wirksamen Zensur Rechnung zu tragen.

  [55] Traumdeutung.

  [56] Auf der Scheidung von Aussage und begleitenden Gebärden (im
       weitesten Sinne) beruht auch der Charakter der Komik, der als
       ihre „Trockenheit“ bezeichnet wird.

  [57] Traumdeutung, S. 218, (3. Auflage S. 251).

  [58] Dies höchst merkwürdige und immer noch ungenügend erkannte
       Verhalten der Gegensatzrelation im Unbewußten ist wohl nicht
       ohne Wert für das Verständnis des „Negativismus“ bei Neurotikern
       und Geisteskranken. (Vgl. die beiden letzten Arbeiten darüber:
       +Bleuler+, Über die negative Suggestibilität, Psych.-Neurol.
       Wochenschrift, 1904, und +Otto Groß+, Zur Differentialdiagnostik
       negativistischer Phänomene, ebda, ferner mein Referat über den
       „Gegensinn der Urworte“, Jahrb. f. Psychoanalyse II, 1910.)

  [59] Ein für meine Auffassung bedeutsam gewordener Ausdruck von +G.
       Th. Fechner+.




VII. Der Witz und die Arten des Komischen.


Wir haben uns den Problemen des Komischen auf eine ungewöhnliche Weise
genähert. Es schien uns, daß der Witz, der sonst als eine Unterart der
Komik betrachtet wird, genug der Eigentümlichkeiten biete, um direkt
in Angriff genommen zu werden, und so sind wir seiner Beziehung zu der
umfassenderen Kategorie des Komischen, solange es uns möglich war,
ausgewichen, nicht ohne unterwegs einige fürs Komische verwertbare
Hinweise aufzugreifen. Wir haben ohne Schwierigkeiten gefunden, daß das
Komische sich sozial anders verhält als der Witz. Es kann sich mit nur
zwei Personen begnügen, der einen, die das Komische findet, und der
zweiten, an der es gefunden wird. Die dritte Person, der das Komische
mitgeteilt wird, verstärkt den komischen Vorgang, fügt aber nichts
Neues zu ihm hinzu. Beim Witz ist diese dritte Person zur Vollendung
des lustbringenden Vorganges unentbehrlich; dagegen kann die zweite
wegfallen, wo es sich nicht um tendenziösen, aggressiven Witz handelt.
Der Witz wird gemacht, die Komik wird gefunden, und zwar zu allererst
an Personen, erst in weiterer Übertragung auch an Objekten, Situationen
u. dergl. Vom Witz wissen wir, daß nicht fremde Personen, sondern
die eigenen Denkvorgänge die Quellen der zu fördernden Lust in sich
bergen. Wir haben ferner gehört, daß der Witz gelegentlich unzugänglich
gewordene Quellen der Komik wieder zu eröffnen weiß, und daß das
Komische häufig dem Witz als Fassade dient und ihm die sonst durch die
bekannte Technik herzustellende Vorlust ersetzt (S. 132). Es deutet
dies alles gerade nicht auf sehr einfache Beziehungen zwischen Witz
und Komik hin. Anderseits haben sich die Probleme des Komischen als so
komplizierte erwiesen, allen Lösungsbestrebungen der Philosophen bisher
so erfolgreich getrotzt, daß wir die Erwartung nicht aufrecht erhalten
können, wir würden ihrer gleichsam durch einen Handstreich Meister
werden, wenn wir von der Seite des Witzes her an sie herankommen. Auch
brachten wir für die Erforschung des Witzes ein Instrument mit, welches
anderen noch nicht gedient hatte, die Kenntnis der Traumarbeit; zur
Erkenntnis des Komischen steht uns kein ähnlicher Vorteil zu Gebote,
und wir dürfen daher gewärtig sein, daß wir vom Wesen der Komik nichts
anderes erkennen werden, als was sich uns bereits im Witz gezeigt hat,
insofern derselbe dem Komischen zugehört und gewisse Züge desselben
unverändert oder modifiziert in seinem eigenen Wesen führt.

[Sidenote: Das Naive.]

Diejenige Gattung des Komischen, welche dem Witze am nächsten steht,
ist das +Naive+. Das Naive wird wie das Komische im allgemeinen
gefunden, nicht wie der Witz gemacht, und zwar kann das Naive
überhaupt nicht gemacht werden, während beim rein Komischen auch ein
Komischmachen, ein Hervorrufen der Komik in Betracht kommt. Das Naive
muß sich ohne unser Dazutun ergeben an den Reden und Handlungen anderer
Personen, die an der Stelle der +zweiten+ Person beim Komischen oder
beim Witze stehen. Das Naive entsteht, wenn sich jemand über eine
Hemmung voll hinaussetzt, weil eine solche bei ihm nicht vorhanden
ist, wenn er sie also mühelos zu überwinden scheint. Bedingung für die
Wirkung des Naiven ist, daß uns bekannt sei, er besitze diese Hemmung
nicht, sonst heißen wir ihn nicht naiv, sondern frech, lachen nicht
über ihn, sondern sind über ihn entrüstet. Die Wirkung des Naiven
ist unwiderstehlich und scheint dem Verständnis einfach. Ein von uns
gewohnheitsmäßig gemachter Hemmungsaufwand wird durch das Anhören der
naiven Rede plötzlich unverwendbar und durch Lachen abgeführt; eine
Ablenkung der Aufmerksamkeit braucht es dabei nicht, wahrscheinlich,
weil die Aufhebung der Hemmung direkt und nicht durch Vermittlung
einer angeregten Operation erfolgt. Wir verhalten uns dabei analog der
dritten Person des Witzes, welcher die Hemmungsersparung ohne eigene
Bemühung geschenkt wird.

Nach den Einblicken in die Genese der Hemmungen, welche wir bei der
Verfolgung der Entwicklung vom Spiel zum Witz gewonnen haben, wird es
uns nicht wundern, daß das Naive zu allermeist am Kind gefunden wird,
in weiterer Übertragung dann beim ungebildeten Erwachsenen, den wir als
kindlich betreffs seiner intellektuellen Ausbildung auffassen können.
Zum Vergleiche mit dem Witze bieten sich naive Reden natürlich besser
als naive Handlungen, da Reden und nicht Handlungen die gewöhnlichen
Äußerungsformen des Witzes sind. Es ist nun bezeichnend, daß man naive
Reden wie die der Kinder ohne Zwang auch als „naive Witze“ benennen
kann. Die Übereinstimmung und die Begründung der Verschiedenheit
zwischen Witz und Naivität wird uns an einigen Beispielen leicht
ersichtlich werden.

Ein 3½jähriges Mädchen warnt seinen Bruder: „Du, iß nicht soviel von
dieser Speise, sonst wirst du krank werden und mußt Bubizin nehmen.“
„Bubizin?“ fragt die Mutter, „was ist denn das?“ „Wie ich krank war,“
rechtfertigt sich das Kind, „habe ich ja auch Medizin nehmen müssen.“
Das Kind ist der Meinung, daß das vom Arzt verschriebene Mittel
Mädi--zin heißt, wenn es für das Mädi bestimmt ist, und schließt,
daß es Bubi--zin heißen wird, wenn das Bubi es nehmen soll. Dies ist
nun gemacht wie ein Wortwitz, der mit der Technik des Gleichklangs
arbeitet, und könnte sich ja auch als wirklicher Witz zugetragen haben,
in welchem Falle wir ihm halb widerwillig ein Lächeln geschenkt hätten.
Als Beispiel einer Naivität scheint es uns ganz ausgezeichnet und macht
uns laut lachen. Was stellt aber hier den Unterschied zwischen dem Witz
und dem Naiven her? Offenbar nicht der Wortlaut oder die Technik, die
für beide Möglichkeiten die gleichen sind, sondern ein für den ersten
Anblick von beiden recht fern ab liegendes Moment. Es handelt sich
nur darum, ob wir annehmen, daß der Sprecher einen Witz beabsichtigt
habe, oder daß er -- das Kind -- im guten Glauben auf Grund seiner
unkorrigierten Unwissenheit einen ernsthaften Schluß habe ziehen
wollen. Nur der letztere Fall ist einer der Naivität. Auf ein solches
Sichhineinversetzen der anderen Person in den psychischen Vorgang bei
der produzierenden Person werden wir hier zuerst aufmerksam gemacht.

Die Untersuchung eines zweiten Beispieles wird diese Auffassung
bestätigen. Ein Geschwisterpaar, ein 12jähriges Mädchen und ein
10jähriger Knabe führen ein von ihnen selbst komponiertes Theaterstück
vor einem Parterre von Onkeln und Tanten auf. Die Szene stellt
eine Hütte am Meeresstrande dar. Im ersten Akt klagen die beiden
Dichter-Schauspieler, ein armer Fischer und sein braves Weib, über
die harten Zeiten und den schlechten Erwerb. Der Mann beschließt auf
seinem Boot über das weite Meer zu fahren, um anderswo den Reichtum zu
suchen, und nach einem zärtlichen Abschied der beiden wird der Vorhang
zugezogen. Der zweite Akt spielt einige Jahre später. Der Fischer
ist als reicher Mann mit einem großen Geldbeutel zurückgekehrt und
erzählt der Frau, die er vor der Hütte wartend antrifft, wie schön
es ihm draußen geglückt ist. Die Frau unterbricht ihn stolz: Ich war
aber auch nicht faul unterdessen, und öffnet seinen Blicken die Hütte,
auf deren Boden man zwölf große Puppen als Kinder schlafen sieht ...
An dieser Stelle des Schauspieles wurden die Darsteller durch ein
sturmartiges Lachen der Zuschauer unterbrochen, welches sie sich nicht
erklären konnten. Sie starrten verduzt auf die lieben Verwandten hin,
die sich soweit anständig benommen und gespannt zugehört hatten.
Die Voraussetzung, unter der dieses Lachen sich erklärt, ist die
Annahme der Zuschauer, daß die jungen Dichter noch nichts von den
Bedingungen der Entstehung der Kinder wissen und darum glauben können,
eine Frau würde sich der in längerer Abwesenheit des Mannes geborenen
Nachkommenschaft rühmen und ein Mann sich mit ihr freuen dürfen. Was
die Dichter auf Grund solcher Unwissenheit produzierten, kann man aber
als Unsinn, als Absurdität bezeichnen.

Ein drittes Beispiel wird uns eine noch andere Technik, die wir
beim Witze kennen gelernt haben, im Dienste des Naiven zeigen.
Für ein kleines Mädchen wird eine „Französin“ als Gouvernante
aufgenommen, deren Person aber nicht ihren Beifall findet. Kaum daß
die neu Engagierte sich entfernt hat, läßt die Kleine ihre Kritik
verlauten: „Das soll eine Französin sein! Vielleicht heißt sie sich
so, weil sie einmal bei einem Franzosen gelegen ist!“ Dies könnte
ein sogar erträglicher Witz sein -- Doppelsinn mit Zweideutigkeit
oder zweideutiger Anspielung, wenn das Kind von der Möglichkeit des
Doppelsinnes eine Ahnung gehabt hätte. In Wirklichkeit hatte sie nur
eine oft gehörte scherzhafte Behauptung der Unechtheit auf die ihr
unsympathische Fremde übertragen. („Das soll echtes Gold sein? Das
ist vielleicht einmal bei Gold gelegen!“) Wegen dieser Unkenntnis des
Kindes, die den psychischen Vorgang bei den verstehenden Zuhörern
so gründlich abändert, wird seine Rede eine naive. Infolge dieser
Bedingung gibt es aber auch ein mißverständlich Naives; man kann
beim Kind eine Unwissenheit annehmen, die nicht mehr besteht, und
Kinder pflegen sich häufig naiv zu stellen, um sich einer Freiheit zu
bedienen, die ihnen sonst nicht zugestanden würde.

[Sidenote: Das Naive dem Witze am nächsten.]

An diesen Beispielen kann man die Stellung des Naiven zwischen dem
Witz und dem Komischen erläutern. Mit dem Witz stimmt das Naive (der
Rede) im Wortlaut und im Inhalt überein, es bringt einen Wortmißbrauch,
einen Unsinn oder eine Zote zu stande. Aber der psychische Vorgang
in der ersten produzierenden Person, der uns beim Witze so viel
des Interessanten und Rätselhaften bot, entfällt hier völlig. Die
naive Person vermeint sich ihrer Ausdrucksmittel und Denkwege in
normaler und einfacher Weise bedient zu haben und weiß nichts von
einer Nebenabsicht; sie zieht aus der Produktion des Naiven auch
keinen Lustgewinn. Alle Charaktere des Naiven bestehen nur in der
Auffassung der anhörenden Person, die mit der dritten Person des Witzes
zusammenfällt. Die produzierende Person erzeugt ferner das Naive
mühelos; die komplizierte Technik, die beim Witz dazu bestimmt ist,
die Hemmung durch die verständige Kritik zu lahmen, entfällt bei ihr,
weil sie diese Hemmung noch nicht besitzt, so daß sie Unsinn und Zote
unmittelbar und ohne Kompromiß von sich geben kann. Insofern ist das
Naive der Grenzfall des Witzes, der sich herausstellt, wenn man in der
Formel der Witzbildung die Größe dieser Zensur auf Null heruntersetzt.

War es für die Wirksamkeit des Witzes Bedingung, daß beide Personen
unter ungefähr gleichen Hemmungen oder inneren Widerständen stehen, so
läßt sich also als Bedingung des Naiven erkennen, daß die eine Person
Hemmungen besitze, deren die andere entbehrt. Bei der mit Hemmungen
versehenen Person liegt die Auffassung des Naiven, ausschließlich bei
ihr kommt der Lustgewinn, den das Naive bringt, zu stande, und wir
sind nahe daran zu erraten, daß diese Lust durch Hemmungsaufhebung
entsteht. Da die Lust des Witzes der nämlichen Herkunft ist, -- ein
Kern von Wort- und Unsinnslust und eine Hülle von Aufhebungs- und
Erleichterungslust, -- so begründet diese ähnliche Beziehung zur
Hemmung die innere Verwandtschaft des Naiven mit dem Witze. Bei beiden
entsteht die Lust durch Aufhebung von innerer Hemmung. Der psychische
Vorgang bei der rezeptiven Person (mit der beim Naiven unser Ich
regelmäßig zusammenfällt, während wir uns beim Witz auch an die Stelle
der produktiven setzen können) ist aber im Falle des Naiven um so viel
komplizierter, als der bei der produktiven Person im Vergleich mit dem
Witze vereinfacht ist. Auf die rezeptive Person muß das gehörte Naive
einerseits wirken wie ein Witz, wofür gerade unsere Beispiele Zeugnis
ablegen können, denn ihr ist wie beim Witz die Aufhebung der Zensur
durch die bloße Mühe des Anhörens ermöglicht worden. Aber nur ein Teil
der Lust, die das Naive schafft, läßt diese Erklärung zu, ja selbst
dieser wäre in anderen Fällen des Naiven, z. B. beim Anhören von naiven
Zoten gefährdet. Man könnte auf eine naive Zote ohne weiteres mit der
nämlichen Entrüstung reagieren, die sich etwa gegen die wirkliche Zote
erhebt, wenn nicht ein anderes Moment uns diese Entrüstung ersparen und
gleichzeitig den bedeutsameren Anteil der Lust am Naiven liefern würde.

Dieses andere Moment ist uns durch die vorhin erwähnte Bedingung
gegeben, daß uns, um das Naive anzuerkennen, das Fehlen der inneren
Hemmung bei der produzierenden Person bekannt sein müsse. Nur wenn
dies gesichert ist, lachen wir, anstatt uns zu entrüsten. Wir ziehen
also den psychischen Zustand der produzierenden Person in Betracht,
versetzen uns in denselben, suchen ihn zu verstehen, indem wir ihn
mit dem unserigen vergleichen. Aus solchem Sichhineinversetzen und
Vergleichen resultiert eine Ersparung von Aufwand, die wir durch Lachen
abführen.

[Sidenote: Die Quelle der komischen Lust beim Naiven.]

Man könnte die einfachere Darstellung bevorzugen, durch die Überlegung,
daß die Person keine Hemmung zu überwinden brauchte, werde unsere
Entrüstung überflüssig; das Lachen geschehe also auf Kosten der
ersparten Entrüstung. Um diese im allgemeinen irreführende Auffassung
fern zu halten, will ich zwei Fälle schärfer sondern, die ich in
obiger Darstellung vereinigt hatte. Das Naive, das vor uns hintritt,
kann entweder von der Natur des Witzes sein wie in unseren Beispielen,
oder von der Natur der Zote, des Anstößigen überhaupt, was dann
besonders zutreffen wird, wenn es sich nicht als Rede, sondern als
Handlung äußert. Dieser letztere Fall ist wirklich irreführend; man
könnte für ihn annehmen, die Lust entstehe aus der ersparten und
umgewandelten Entrüstung. Aber der erstere Fall ist der aufklärende.
Die naive Rede z. B. vom Bubizin, kann an sich wirken wie ein geringer
Witz und zur Entrüstung keinen Anlaß geben; es ist dies gewiß der
seltenere aber der reinere und bei weitem lehrreichere Fall. Soweit
wir nun daran denken, daß das Kind die Silben „Medi“ in „Medizin“
ernsthaft und ohne Nebenansicht für identisch mit seinem eigenen Namen
„Mädi“ gehalten hat, erfährt die Lust am Gehörten eine Steigerung,
die nichts mehr mit der Witzeslust zu tun hat. Wir betrachten jetzt
das Gesagte von zweierlei Standpunkten, einmal so, wie es sich beim
Kind ergeben hat, und dann so, wie sich es für uns ergeben würde,
finden bei diesem Vergleich, daß das Kind eine Identität gefunden,
eine Schranke überwunden hat, die für uns besteht, und dann geht es
etwa so weiter, als ob wir uns sagen würden: Wenn du das Gehörte
verstehen willst, kannst du dir den Aufwand für die Einhaltung dieser
Schranke ersparen. Der bei solchem Vergleich frei gewordene Aufwand
ist die Quelle der Lust am Naiven und wird durch Lachen abgeführt; es
ist allerdings der nämliche, den wir sonst in Entrüstung verwandelt
hätten, wenn das Verständnis der produzierenden Person und hier auch
die Natur des Gesagten eine solche nicht ausschlößen. Nehmen wir aber
den Fall des naiven Witzes als vorbildlich für den anderen Fall des
naiv Anstößigen, so sehen wir, daß auch hier die Ersparung an Hemmung
direkt aus der Vergleichung hervorgehen kann, daß wir nicht notwendig
haben, eine beginnende und dann erstickte Entrüstung anzunehmen,
und daß die letztere nur einer anderweitigen Verwendung des frei
gewordenen Aufwandes entspricht, gegen welche beim Witze komplizierte
Schutzeinrichtungen erforderlich waren.

Dieser Vergleich, diese Ersparung an Aufwand beim Sichhineinversetzen
in den seelischen Vorgang der produzierenden Person, können für das
Naive nur dann eine Bedeutung beanspruchen, wenn sie nicht ihm allein
zukommen. In der Tat entsteht bei uns die Vermutung, daß dieser dem
Witz völlig fremde Mechanismus, ein Stück, vielleicht das wesentliche
Stück des psychischem Vorganges beim Komischen ist. Von dieser Seite --
es ist gewiß die wichtigste Ansicht des Naiven -- stellt sich das Naive
also als eine Art des Komischen dar. Was bei unseren Beispielen von
naiven Reden zur Witzeslust dazukommt, ist „komische“ Lust. Von dieser
wären wir geneigt ganz allgemein anzunehmen, daß sie durch ersparten
Aufwand bei Vergleichung der Äußerungen eines anderen mit den unserigen
entstehe. Da wir aber hier vor weit ausgreifenden Anschauungen
stehen, wollen wir vorerst die Würdigung des Naiven abschließen. Das
Naive wäre also eine Art des Komischen, insofern seine Lust aus der
Aufwanddifferenz entspringt, die sich beim Verstehenwollen des anderen
ergibt, und es näherte sich dem Witz durch die Bedingung, daß der bei
der Vergleichung ersparte Aufwand ein Hemmungsaufwand sein muß.[60]

Stellen wir noch rasch einige Übereinstimmungen und Unterscheidungen
fest zwischen den Begriffen, zu denen wir zuletzt gelangt sind, und
jenen, die seit langem in der Psychologie der Komik genannt werden.
Das Sichhineinversetzen, Verstehenwollen ist offenbar nichts anderes
als das „komische Leihen“, das seit +Jean Paul+ in der Analyse des
Komischen eine Rolle spielt; das „Vergleichen“ des seelischen Vorganges
beim anderen mit dem eigenen entspricht dem „psychologischen Kontrast“,
für den wir hier endlich eine Stelle finden, nachdem wir beim Witze
mit ihm nichts anzufangen wußten. In der Erklärung der komischen Lust
weichen wir aber von vielen Autoren, ab, bei denen die Lust durch das
Hin- und Herschwanken der Aufmerksamkeit zwischen den kontrastierenden
Vorstellungen entstehen soll. Wir wüßten einen solchen Mechanismus
der Lust nicht zu begreifen, wir weisen darauf hin, daß bei der
Vergleichung der Kontraste sich eine Aufwanddifferenz herausstellt,
welche, wenn sie keine andere Verwendung erfährt, abfuhrfähig und
dadurch Lustquelle wird.[61]

An das Problem des Komischen selbst wagen wir uns nur mit Bangen
heran. Es wäre vermessen zu erwarten, daß unsere Bemühungen etwas
Entscheidendes zu dessen Lösung beitragen könnten, nachdem die
Arbeiten einer großen Reihe von ausgezeichneten Denkern eine allseitig
befriedigende Aufklärung nicht ergeben haben. Wir beabsichtigen
wirklich nichts anderes als jene Gesichtspunkte, die sich uns als
wertvoll für den Witz erwiesen haben, eine Strecke weit ins Gebiet des
Komischen zu verfolgen.

[Sidenote: Vorkommen und Ursprungsgebiete des Komischen.]

Das Komische ergibt sich zunächst als ein unbeabsichtigter Fund aus
den sozialen Beziehungen der Menschen. Es wird an Personen gefunden,
und zwar an deren Bewegungen, Formen, Handlungen und Charakterzügen,
wahrscheinlich ursprünglich nur an den körperlichen, später auch an
den seelischen Eigenschaften derselben, beziehungsweise an deren
Äußerungen. Durch eine sehr gebräuchliche Art von Personifizierung
werden dann auch Tiere und unbelebte Objekte komisch. Das Komische ist
indes der Ablösung von den Personen fähig, indem die Bedingung erkannt
wird, unter welcher eine Person komisch erscheint. So entsteht das
Komische der Situation, und mit solcher Erkenntnis ist die Möglichkeit
vorhanden, eine Person nach Belieben komisch zu machen, indem man sie
in Situationen versetzt, in denen ihrem Tun diese Bedingungen des
Komischen anhängen. Die Entdeckung, daß man es in seiner Macht hat,
einen anderen komisch zu machen, eröffnet den Zugang zu ungeahntem
Gewinn an komischer Lust und gibt einer hochausgebildeten Technik den
Ursprung. Man kann auch sich selbst ebensowohl komisch machen wie
andere. Die Mittel, die zum Komischmachen dienen, sind: die Versetzung
in komische Situationen, die Nachahmung, Verkleidung, Entlarvung,
Karikatur, Parodie und Travestie u. a. Wie selbstverständlich können
diese Techniken in den Dienst feindseliger und aggressiver Tendenzen
treten. Man kann eine Person komisch machen, um sie verächtlich werden
zu lassen, um ihr den Anspruch auf Würde und Autorität zu benehmen.
Aber selbst wenn solche Absicht dem Komischmachen regelmäßig zu Grunde
läge, brauchte dies nicht der Sinn des spontan Komischen zu sein.

Aus dieser untergeordneten Übersicht über das Vorkommen des Komischen
ersehen wir bereits, daß ihm ein sehr ausgedehntes Ursprungsgebiet
zugesprochen werden muß, und daß so spezialisierte Bedingungen wie
z. B. beim Naiven beim Komischen nicht zu erwarten sind. Um der für das
Komische gültigen Bedingung auf die Spur zu kommen, ist die Wahl eines
Ausgangsfalles das Bedeutsamste; wir wählen die Komik der Bewegungen,
weil wir uns erinnern, daß die primitivste Bühnendarstellung, die der
Pantomime, sich dieses Mittels bedient, um uns lachen zu machen. Die
Antwort, warum wir über die Bewegungen der Clowns lachen, würde lauten,
weil sie uns übermäßig und unzweckmäßig erscheinen. Wir lachen über
einen allzu großen Aufwand. Suchen wir die Bedingung außerhalb der
künstlich gemachten Komik, also dort, wo sie sich unabsichtlich finden
läßt. Die Bewegungen des Kindes erscheinen uns nicht komisch, obwohl
das Kind zappelt und springt. Komisch ist es dagegen, wenn das Kind
beim Schreibenlernen die herausgestreckte Zunge die Bewegungen des
Federstiels mitmachen läßt; wir sehen in diesen Mitbewegungen einen
überflüssigen Bewegungsaufwand, den wir uns bei der gleichen Tätigkeit
ersparen würden. In gleicher Weise sind uns andere Mitbewegungen
oder auch bloß übermäßig gesteigerte Ausdrucksbewegungen komisch
auch bei Erwachsenen. So sind ganz reine Fälle dieser Art von Komik
die Bewegungen, die der Kegelschieber ausführt, nachdem er die Kugel
entlassen hat, solange er ihren Lauf verfolgt, als könnte er diesen
noch nachträglich regulieren; so sind alle Grimassen komisch, welche
den normalen Ausdruck der Gemütsbewegungen übertreiben, auch dann,
wenn sie unwillkürlich erfolgen wie bei an Veitstanz (Chorea St.
Viti) leidenden Personen; so werden die leidenschaftlichen Bewegungen
eines modernen Dirigenten jedem Unmusikalischen komisch erscheinen,
der ihre Notwendigkeit nicht zu verstehen weiß. Ja, von dieser Komik
der Bewegungen zweigt das Komische der Körperformen und Gesichtszüge
ab, indem diese aufgefaßt werden, als seien sie das Ergebnis einer zu
weit getriebenen und zwecklosen Bewegung. Aufgerissene Augen, eine
hakenförmig zum Mund abgebogene Nase, abstehende Ohren, ein Buckel, all
dergleichen wirkt wahrscheinlich nur komisch, insofern die Bewegungen
vorgestellt werden, die zum Zustandekommen dieser Züge notwendig wären,
wobei Nase, Ohren und andere Körperteile der Vorstellung beweglicher
gelten, als sie es in Wirklichkeit sind. Es ist ohne Zweifel komisch,
wenn jemand „mit den Ohren wackeln“ kann, und es wäre ganz gewiß noch
komischer, wenn er die Nase heben oder senken könnte. Ein gutes Stück
der komischen Wirkung, welche die Tiere auf uns äußern, kommt von der
Wahrnehmung solcher Bewegungen an ihnen, die wir nicht nachahmen können.

[Sidenote: Komik der Bewegung.]

Auf welche Weise gelangen wir aber zum Lachen, wenn wir die Bewegungen
eines anderen als übermäßig und unzweckmäßig erkannt haben? Auf dem
Wege der Vergleichung, meine ich, zwischen der am anderen beobachteten
Bewegung und jener, die ich selbst an ihrer statt ausgeführt hätte. Die
beiden Verglichenen müssen natürlich auf gleiches Maß gesetzt werden,
und dieses Maß ist mein, mit der Vorstellung der Bewegung in dem einen
wie im anderen Falle verbundener, Innervationsaufwand. Diese Behauptung
bedarf der Erläuterung und weiterer Ausführung.

Was wir hier in Beziehung zueinander setzen, ist einerseits der
psychische Aufwand bei einem gewissen Vorstellen und anderseits der
Inhalt dieses Vorgestellten. Unsere Behauptung geht dahin, daß der
erstere nicht allgemein und prinzipiell unabhängig sei vom letzteren,
vom Vorstellungsinhalt, insbesondere daß die Vorstellung eines Großen
einen Mehraufwand gegen die eines Kleinen erfordere. Solange es sich
nur um die Vorstellung verschieden großer Bewegungen handelt, dürfte
uns die theoretische Begründung unseres Satzes und sein Erweis durch
die Beobachtung keine Schwierigkeiten bereiten. Es wird sich zeigen,
daß in diesem Falle eine Eigenschaft der Vorstellung tatsächlich
mit einer Eigenschaft des Vorgestellten zusammenfällt, obwohl die
Psychologie uns sonst vor solcher Verwechslung warnt.

Die Vorstellung von einer bestimmt großen Bewegung habe ich erworben,
indem ich diese Bewegung ausführte oder nachahmte, und bei dieser
Aktion habe ich in meinen Innervationsempfindungen ein Maß für diese
Bewegung kennen gelernt.[62]

Wenn ich nun eine ähnliche, mehr oder minder große Bewegung bei einem
anderen wahrnehme, wird der sicherste Weg zum Verständnis -- zur
Apperzeption -- derselben sein, daß ich sie nachahmend ausführe, und
dann kann ich durch den Vergleich entscheiden, bei welcher Bewegung
mein Aufwand größer war. Ein solcher Drang zur Nachahmung tritt gewiß
beim Wahrnehmen von Bewegungen auf. In Wirklichkeit aber führe ich
die Nachahmung nicht durch, so wenig wie ich noch buchstabiere, wenn
ich durch das Buchstabieren das Lesen erlernt habe. An Stelle der
Nachahmung der Bewegung durch meine Muskeln setze ich das Vorstellen
derselben vermittels meiner Erinnerungsspuren an die Aufwände bei
ähnlichen Bewegungen. Das Vorstellen oder „Denken“ unterscheidet
sich vom Handeln oder Ausführen vor allem dadurch, daß es sehr
viel geringere Besetzungsenergien in Verschiebung bringt und den
Hauptaufwand vom Abfluß zurückhält. Auf welche Weise wird aber das
quantitative Moment -- das mehr oder minder Große -- der wahrgenommenen
Bewegung in der Vorstellung zum Ausdruck gebracht? Und wenn eine
Darstellung der Quantität in der aus Qualitäten zusammengesetzten
Vorstellung wegfällt, wie kann ich dann die Vorstellungen verschieden
großer Bewegungen unterscheiden, den Vergleich anstellen, auf den es
hier ankommt?

Hier weist uns die Physiologie den Weg, indem sie uns lehrt, daß auch
während des Vorstellens Innervationen zu den Muskeln ablaufen, die
freilich nur einem bescheidenen Aufwand entsprechen. Es liegt aber
jetzt sehr nahe anzunehmen, daß dieser das Vorstellen begleitende
Innervationsaufwand zur Darstellung des quantitativen Faktors der
Vorstellung verwendet wird, daß er größer ist, wenn eine große Bewegung
vorgestellt wird, als wenn es sich um eine kleine handelt. Die
Vorstellung der größeren Bewegung wäre also hier wirklich die größere,
d. h. von größerem Aufwand begleitete Vorstellung.

[Sidenote: Vorstellungsmimik.]

Die Beobachtung zeigt nun unmittelbar, daß die Menschen gewöhnt sind,
das Groß und Klein in ihren Vorstellungsinhalten durch mannigfachen
Aufwand in einer Art von +Vorstellungsmimik+ zum Ausdruck zu bringen.

Wenn ein Kind oder ein Mann aus dem Volke oder ein Angehöriger gewisser
Rassen etwas mitteilt oder schildert, so kann man leicht sehen, daß er
sich nicht damit begnügt, seine Vorstellung durch die Wahl klarer Worte
dem Hörer deutlich zu machen, sondern daß er auch den Inhalt derselben
in seinen Ausdrucksbewegungen darstellt; er verbindet die mimische mit
der wörtlichen Darstellung. Er bezeichnet zumal die Quantitäten und
Intensitäten. „Ein hoher Berg“, dabei hebt er die Hand über seinen
Kopf; „ein kleiner Zwerg“, dabei hält er sie nahe an den Boden. Er
mag es sich abgewöhnt haben, mit den Händen zu malen, so wird er es
darum doch mit der Stimme tun, und wenn er sich auch darin beherrscht,
so mag man wetten, daß er bei der Schilderung von etwas Großem die
Augen aufreißt und bei der Darstellung von etwas Kleinem die Augen
zusammendrückt. Es sind nicht seine Affekte, die er so äußert, sondern
wirklich der Inhalt des von ihm Vorgestellten.

Soll man nun annehmen, daß dies Bedürfnis nach Mimik erst durch die
Anforderung der Mitteilung geweckt wird, während doch ein gutes Stück
dieser Darstellungsweise der Aufmerksamkeit des Hörers überhaupt
entgeht? Ich glaube vielmehr, daß diese Mimik, wenn auch minder
lebhaft, abgesehen von jeder Mitteilung besteht, daß sie auch zu stande
kommt, wenn die Person für sich allein vorstellt, etwas anschaulich
denkt; daß diese Person dann das Groß und Klein an ihrem Körper
ebenso wie während der Rede zum Ausdruck bringt, durch veränderte
Innervation an ihren Gesichtszügen und Sinnesorganen wenigstens.
Ja ich kann mir denken, daß die dem Inhalt des Vorgestellten
konsensuelle Körperinnervation der Beginn und Ursprung der Mimik
zu Mitteilungszwecken war; sie brauchte ja nur gesteigert, dem
anderen auffällig gemacht zu werden, um dieser Absicht dienen zu
können. Wenn ich so die Ansicht vertrete, daß zu dem „Ausdruck der
Gemütsbewegungen“, der als körperliche Nebenwirkung seelischer Vorgänge
bekannt ist, dieser „Ausdruck des Vorstellungsinhalts“ hinzugefügt
werden sollte, so ist mir gewiß klar, daß meine auf die Kategorie des
Großen und Kleinen bezüglichen Bemerkungen das Thema nicht erschöpfen.
Ich wüßte selbst noch mancherlei dazu zu tun, noch ehe man zu den
Spannungsphänomenen gelangt, durch welche eine Person die Sammlung
ihrer Aufmerksamkeit und das Niveau der Abstraktion, auf dem ihr Denken
eben verweilt, körperlich anzeigt. Ich halte den Gegenstand für recht
bedeutsam und glaube, daß die Verfolgung der Vorstellungsmimik auf
anderen Gebieten der Ästhetik ähnlich nützlich sein dürfte wie hier für
das Verständnis des Komischen.

[Sidenote: Der Vergleich zweier Aufwände als Lustquelle.]

Um nun zur Komik der Bewegung zurückzukehren, wiederhole ich, daß
mit der Wahrnehmung einer bestimmten Bewegung der Impuls zu ihrer
Vorstellung durch einen gewissen Aufwand gegeben sein wird. Ich mache
also beim „Verstehenwollen“, bei der Apperzeption dieser Bewegung
einen gewissen Aufwand, verhalte mich bei diesem Stück des seelischen
Vorganges ganz so, als ob ich mich an die Stelle der beobachteten
Person versetzte. Wahrscheinlich gleichzeitig fasse ich aber das Ziel
dieser Bewegung ins Auge und kann durch frühere Erfahrung das Maß von
Aufwand abschätzen, welches zur Erreichung dieses Zieles erforderlich
ist. Ich sehe dabei von der beobachteten Person ab und benehme mich
so, als ob ich selbst das Ziel der Bewegung erreichen wollte. Diese
beiden Vorstellungsmöglichkeiten kommen auf einen Vergleich der
beobachteten mit meiner eigenen Bewegung hinaus. Bei einer übermäßigen
und unzweckmäßigen Bewegung des anderen wird mein Mehraufwand fürs
Verständnis in statu nascendi, gleichsam in der Mobilmachung gehemmt,
als überflüssig erklärt und ist für weitere Verwendung, eventuell für
die Abfuhr durch Lachen, frei. Dieser Art wäre, wenn andere günstige
Bedingungen hinzutreten, die Entstehung der Lust an der komischen
Bewegung, ein bei der Vergleichung mit der eigenen Bewegung als
Überschuß unverwendbar gewordener Innervationsaufwand.

Wir merken nun, daß wir unsere Erörterungen nach zwei verschiedenen
Richtungen fortzusetzen haben, erstens, um die Bedingungen für die
Abfuhr des Überschusses festzustellen, zweitens um zu prüfen, ob die
anderen Fälle des Komischen sich ähnlich fassen lassen wie das Komische
der Bewegung.

Wir wenden uns der letzteren Aufgabe zuerst zu und ziehen nach dem
Komischen der Bewegung und Handlung das Komische in Betracht, das an
den geistigen Leistungen und Charakterzügen des anderen gefunden wird.

Wir können den komischen Unsinn, wie er von unwissenden Kandidaten im
Examen produziert wird, zum Muster der Gattung nehmen; schwieriger
ist es wohl, von den Charakterzügen ein einfaches Beispiel zu geben.
Es darf uns nicht irre machen, daß Unsinn und Dummheit, die so häufig
komisch wirken, doch nicht in allen Fällen als komisch empfunden
werden, ebenso wie die nämlichen Charaktere, über die wir das eine Mal
als komisch lachen, andere Male uns als verächtlich oder hassenswert
erscheinen können. Diese Tatsache, der Rechnung zu tragen wir nicht
vergessen dürfen, deutet doch nur darauf hin, daß für die komische
Wirkung noch andere Verhältnisse als die der uns bekannten Vergleichung
in Betracht kommen, Bedingungen, denen wir in anderem Zusammenhange
nachspüren können.

Das Komische, das an geistigen und seelischen Eigenschaften eines
anderen gefunden wird, ist offenbar wiederum Ergebnis einer
Vergleichung zwischen ihm und meinem Ich, aber merkwürdigerweise einer
Vergleichung, die zumeist das entgegengesetzte Resultat geliefert
hat wie im Falle der komischen Bewegung oder Handlung. In diesem
letzteren Falle war es komisch, wenn der andere sich mehr Aufwand
auferlegt hatte, als ich zugebrauchen glaubte; im Falle der seelischen
Leistung wird es hingegen komisch, wenn der andere sich Aufwand erspart
hat, den ich für unerläßlich halte, denn Unsinn und Dummheit sind ja
Minderleistungen. Im ersteren Falle lache ich, weil er es sich zu
schwer, im letzteren, weil er’s sich zu leicht gemacht hat. Es kommt
also scheinbar für die komische Wirkung nur auf die Differenz zwischen
den beiden Besetzungsaufwänden -- dem der „Einfühlung“ und dem des Ichs
-- an und nicht darauf, zu wessen Gunsten diese Differenz aussagt.
Diese unser Urteil zunächst verwirrende Sonderbarkeit schwindet aber,
wenn man in Erwägung zieht, daß es in der Richtung unserer persönlichen
Entwicklung zu einer höheren Kulturstufe liegt, unsere Muskelarbeit
einzuschränken und unsere Gedankenarbeit zu steigern. Durch Erhöhung
unseres Denkaufwandes erzielen wir eine Verringerung unseres
Bewegungsaufwandes für die nämliche Leistung, von welchem Kulturerfolg
ja unsere Maschinen Zeugnis ablegen.[63]

Es fügt sich also einem einheitlichen Verständnis, wenn derjenige uns
komisch erscheint, der für seine körperlichen Leistungen zuviel und
für seine seelischen Leistungen zu wenig Aufwand im Vergleich mit uns
treibt, und es ist nicht abzuweisen, daß unser Lachen in diesen beiden
Fällen der Ausdruck der lustvoll empfundenen Überlegenheit ist, die
wir uns ihm gegenüber zusprechen. Wenn das Verhältnis sich in beiden
Fällen umkehrt, der somatische Aufwand des anderen geringer und sein
seelischer größer gefunden wird als der unserige, dann lachen wir nicht
mehr, dann staunen und bewundern wir.[64]

[Sidenote: Situationskomik.]

Der hier erörterte Ursprung der komischen Lust aus der Vergleichung der
anderen Person mit dem eigenen Ich -- aus der Differenz zwischen dem
Einfühlungsaufwand und dem eigenen -- ist wahrscheinlich der genetisch
bedeutsamste. Sicher steht aber, daß er nicht der einzige geblieben
ist. Wir haben irgend einmal gelernt, von solcher Vergleichung zwischen
dem anderen und dem Ich abzusehen und die lustbringende Differenz uns
von nur einer Seite her zu holen, sei es von der Einfühlung her,
sei es aus den Vorgängen im eigenen Ich, womit der Beweis erbracht
ist, daß das Gefühl der Überlegenheit keine wesentliche Beziehung zur
komischen Lust hat. Eine Vergleichung ist für die Entstehung dieser
Lust unentbehrlich; wir finden, daß diese Vergleichung statt hat
zwischen zwei rasch aufeinander folgenden und auf dieselbe Leistung
bezüglichen Besetzungsaufwänden, die wir entweder auf dem Wege der
Einfühlung in den anderen bei uns herstellen oder ohne solche Beziehung
in unseren eigenen seelischen Vorgängen finden. Der erste Fall, bei dem
die andere Person also noch eine Rolle spielt, nur nicht ihr Vergleich
mit unserem Ich, ergibt sich, wenn die lustbringende Differenz der
Besetzungsaufwände hergestellt wird durch äußere Einflüsse, die wir
als „Situation“ zusammenfassen können, weshalb diese Art Komik auch
+Situationskomik+ genannt wird. Die Eigenschaften der Person, welche
das Komische liefert, kommen dabei nicht hauptsächlich in Betracht; wir
lachen, auch wenn wir uns sagen müssen, daß wir in derselben Situation
das nämliche hätten tun müssen. Wir ziehen hier die Komik aus dem
Verhältnis des Menschen zur oft übermächtigen Außenwelt, als welche
sich für die seelischen Vorgänge im Menschen auch die Konventionen und
Notwendigkeiten der Gesellschaft, ja selbst seine eigenen leiblichen
Bedürfnisse darstellen. Ein typischer Fall der letzten Art ist es,
wenn jemand in einer Tätigkeit, die seine seelischen Kräfte in
Anspruch nimmt, plötzlich gestört wird durch einen Schmerz oder ein
exkrementelles Bedürfnis. Der Gegensatz, welcher uns bei der Einfühlung
die komische Differenz liefert, ist der zwischen dem hohen Interesse
vor der Störung und dem minimalen, welches er nach Eintritt der Störung
noch für seine seelische Tätigkeit übrig hat. Die Person, die uns diese
Differenz liefert, wird uns wiederum als eine unterlegene komisch;
sie ist aber nur unterlegen im Vergleiche mit ihrem früheren Ich und
nicht im Vergleiche zu uns, da wir wissen, daß wir uns im gleichen
Falle nicht anders benehmen könnten. Es ist aber bemerkenswert, daß
wir dieses Unterliegen des Menschen nur im Falle der Einfühlung, also
beim anderen komisch finden können, während wir selbst im Falle solcher
und ähnlicher Verlegenheiten uns nur peinlicher Gefühle bewußt würden.
Wahrscheinlich ermöglicht uns erst dieses Fernhalten des Peinlichen von
unserer Person, die aus der Vergleichung der wechselnden Besetzungen
sich ergebende Differenz als eine lustvolle zu genießen.

Die andere Quelle des Komischen, die wir in unseren eigenen
Besetzungswandlungen finden, liegt in unseren Beziehungen
zum Zukünftigen, welches wir gewöhnt sind durch unsere
Erwartungsvorstellungen zu antizipieren. Ich nehme an, daß
ein quantitativ bestimmter Aufwand unserer jedesmaligen
Erwartungsvorstellung zu Grunde liegt, der sich also im Falle der
Enttäuschung um eine bestimmte Differenz vermindert, und berufe
mich hier wiederum auf die vorhin gemachten Bemerkungen über
„Vorstellungsmimik“. Es scheint mir aber leichter, den wirklich mobil
gemachten Besetzungsaufwand für die Fälle der Erwartung zu erweisen.
Es ist für eine Reihe von Fällen ganz offenkundig, daß motorische
Vorbereitungen den Ausdruck der Erwartung bilden, zunächst für alle
Fälle, in denen das erwartete Ereignis Ansprüche an meine Motilität
stellt, und diese Vorbereitungen sind ohne weiteres quantitativ
bestimmbar. Wenn ich einen Ball aufzufangen erwarte, der mir zugeworfen
wird, so versetze ich meinen Körper in Spannungen, die ihn befähigen
sollen, dem Anprall des Balls Stand zu halten, und die überschüssigen
Bewegungen, die ich mache, wenn sich der aufgefangene Ball als zu
leicht erweist, machen mich den Zuschauern komisch. Ich habe mich
durch die Erwartung zu einem übermäßigen Bewegungsaufwand verführen
lassen. Desgleichen, wenn ich z. B. eine für schwer gehaltene Frucht
aus einem Korb hebe, die aber zu meiner Täuschung hohl, aus Wachs
nachgeahmt ist. Meine Hand verrät durch ihr Emporschnellen, daß ich
eine für den Zweck übergroße Innervation vorbereitet hatte, und ich
werde dafür verlacht. Ja es gibt wenigstens einen Fall, in welchem
der Erwartungsaufwand durch das physiologische Experiment am Tier
unmittelbar meßbar aufgezeigt werden kann. In den +Pawlof+schen
Versuchen über Speichelsekretionen werden Hunden, denen eine
Speichelfistel angelegt worden ist, verschiedene Nahrungsmittel
vorgezeigt, und die abgesonderten Mengen Speichel schwanken dann, je
nachdem die Versuchsbedingungen die Erwartungen des Hundes, mit dem
Vorgezeigten gefüttert zu werden, bestärkt oder getäuscht haben.

[Sidenote: Erwartungskomik.]

Auch wo das Erwartete bloß Ansprüche an meine Sinnesorgane und nicht
an meine Motilität stellt, darf ich annehmen, daß die Erwartung sich
in einer gewissen motorischen Verausgabung zur Spannung der Sinne,
zur Abhaltung anderer nicht erwarteter Eindrücke äußert, und darf
überhaupt die Einstellung der Aufmerksamkeit als eine motorische
Leistung, die einem gewissen Aufwand gleichkommt, auffassen. Ich darf
ferner voraussetzen, daß die vorbereitende Tätigkeit der Erwartung
nicht unabhängig sein wird von der Größe des erwarteten Eindrucks,
sondern daß ich das Groß oder Klein derselben mimisch durch einen
größeren oder kleineren Vorbereitungsaufwand darstellen werde wie
im Falle der Mitteilung und im Falle des Denkens ohne zu erwarten.
Der Erwartungsaufwand wird sich allerdings aus mehreren Komponenten
zusammensetzen, und auch für meine Enttäuschung wird verschiedenes
in Betracht kommen, nicht nur ob das Eingetroffene sinnlich größer
oder kleiner ist als das Erwartete, sondern auch, ob es des großen
Interesses würdig ist, welches ich für die Erwartung aufgeboten hatte.
Ich werde auf diese Weise etwa dazu angeleitet, außer dem Aufwand für
die Darstellung von Groß und Klein (der Vorstellungsmimik), den Aufwand
für die Spannung der Aufmerksamkeit (Erwartungsaufwand) und bei anderen
Fällen überdies den Abstraktionsaufwand in Betracht zu ziehen. Aber
diese anderen Arten von Aufwand lassen sich leicht auf den für Groß und
Klein zurückführen, da ja das Interessantere, das Erhabenere und selbst
das Abstraktere nur besonders qualifizierte Spezialfälle des Größeren
sind. Nehmen wir hinzu, daß nach +Lipps+ u. a. der +quantitative+ --
und nicht der qualitative -- Kontrast in erster Linie als Quelle der
komischen Lust angesehen wird, so werden wir im ganzen damit zufrieden
sein, daß wir das Komische der Bewegung zum Ausgangspunkt unserer
Untersuchung gewählt haben.

In Ausführung des +Kant+schen Satzes, „das Komische sei eine in nichts
zergangene Erwartung“, hat +Lipps+ in seinem hier wiederholt zitierten
Buche den Versuch gemacht, die komische Lust ganz allgemein aus der
Erwartung abzuleiten. Trotz der vielen lehrreichen und wertvollen
Ergebnisse, welche dieser Versuch zu Tage gefördert hat, möchte ich
aber der von anderen Autoren geäußerten Kritik beipflichten, daß
+Lipps+ das Ursprungsgebiet des Komischen um vieles zu eng gefaßt hat
und dessen Phänomene seiner Formel nicht ohne großen Zwang unterwerfen
konnte.

       *       *       *       *       *

Die Menschen haben sich nicht damit begnügt, das Komische zu genießen,
wo sie im Erleben darauf stoßen, sondern darnach gestrebt es
absichtlich herzustellen, und man erfährt mehr vom Wesen des Komischen,
wenn man die Mittel studiert, welche zum Komischmachen dienen. Man kann
vor allem das Komische an seiner eigenen Person zur Erheiterung anderer
hervorrufen, z. B. indem man sich ungeschickt oder dumm stellt. Man
erzeugt dann die Komik genau so, als ob man es wirklich wäre, indem
man die Bedingung der Vergleichung, die zur Aufwanddifferenz führt,
erfüllt; man macht sich selbst aber nicht lächerlich oder verächtlich
dadurch, sondern kann unter Umständen sogar Bewunderung erzielen. Das
Gefühl der Überlegenheit kommt beim anderen nicht zu stande, wenn
er weiß, daß man sich bloß verstellt hat, und dies gibt einen guten
neuerlichen Beweis für die prinzipielle Unabhängigkeit der Komik vom
Überlegenheitsgefühl.

Als Mittel, einen anderen komisch zu machen, dient vor allem die
Versetzung in Situationen, in denen man infolge der menschlichen
Abhängigkeit von äußeren Verhältnissen, insbesondere sozialen Momenten
komisch wird, ohne Rücksicht auf die persönlichen Eigenschaften des
Betroffenen, also die Ausnützung der Situationskomik. Diese Versetzung
in eine komische Situation mag eine reale sein (a practical joke),
indem man jemandem ein Bein stellt, so daß er wie ein Ungeschickter
hinfällt, ihn dumm erscheinen läßt, dadurch daß man seine Gläubigkeit
ausnützt, ihm etwas Unsinniges einzureden sucht u. dgl., oder sie kann
durch Rede oder Spiel fingiert werden. Es ist ein gutes Hilfsmittel der
Aggression, in deren Dienst sich das Komischmachen zu stellen pflegt,
daß die komische Lust unabhängig ist von der Realität der komischen
Situation, so daß jeder eigentlich wehrlos dem Komischgemachtwerden
ausgesetzt ist.

[Sidenote: Die Karikatur.]

Es gibt aber noch andere Mittel zum Komischmachen, die eine besondere
Würdigung verdienen und zum Teil auch neue Ursprünge der komischen
Lust aufzeigen. Hieher gehört z. B. die +Nachahmung+, die dem Hörer
eine ganz außerordentliche Lust gewährt und ihren Gegenstand komisch
macht, auch wenn sie sich von der karikierenden Übertreibung noch
ferne hält. Es ist viel leichter, die komische Wirkung der +Karikatur+
als die der bloßen Nachahmung zu ergründen. Karikatur, Parodie und
Travestie, sowie deren praktisches Gegenstück: die Entlarvung,
richten sich gegen Personen und Objekte, die Autorität und Respekt
beanspruchen, in irgend einem Sinne +erhaben+ sind. Es sind Verfahren
zur Herabsetzung, wie der glückliche Ausdruck der deutschen Sprache
besagt.[65] Das Erhabene ist ein Großes im übertragenen, im psychischen
Sinne, und ich möchte die Annahme machen oder vielmehr erneuern, daß
dasselbe wie das somatisch Große durch einen Mehraufwand dargestellt
wird. Es gehört wenig Beobachtung dazu, um festzustellen, daß ich,
wenn ich vom Erhabenen rede, meine Stimme anders innerviere, andere
Mienen mache und meine ganze Körperhaltung gleichsam in Einklang mit
der Würde dessen zu bringen suche, was ich vorstelle. Ich lege mir
einen feierlichen Zwang auf, nicht viel anders, als wenn ich mich in
die Gegenwart einer erhabenen Persönlichkeit, eines Monarchen, eines
Fürsten der Wissenschaft begeben soll. Ich werde kaum irre gehen, wenn
ich annehme, daß diese andere Innervation der Vorstellungsmimik einem
Mehraufwand entspricht. Den dritten Fall eines solchen Mehraufwandes
finde ich wohl, wenn ich mich in abstrakten Gedankengängen anstatt in
den gewohnten konkreten und plastischen Vorstellungen ergehe. Wenn
nun die besprochenen Verfahren zur Herabsetzung des Erhabenen mich
dieses wie ein Gewöhnliches vorstellen lassen, bei dem ich mich nicht
zusammennehmen muß, in dessen idealer Gegenwart ich es mir „kommod“
machen kann, wie die militärische Formel lautet, erspart sie mir den
Mehraufwand des feierlichen Zwanges, und der Vergleich dieser durch
die Einfühlung angeregten Vorstellungsweise mit der bisher gewohnten,
die sich gleichzeitig herzustellen sucht, schafft wiederum die
Aufwandsdifferenz, die durch Lachen abgeführt werden kann.

Die Karikatur stellt die Herabsetzung bekanntlich her, indem sie aus
dem Gesamtausdrucke des erhabenen Objekts einen einzelnen an sich
komischen Zug heraushebt, welcher übersehen werden mußte, solange er
nur im Gesamtbilde wahrnehmbar war. Durch dessen Isolierung kann nun
ein komischer Effekt erzielt werden, der sich auf das Ganze in unserer
Erinnerung erstreckt. Bedingung ist dabei, daß nicht die Anwesenheit
des Erhabenen selbst uns in der Disposition der Ehrerbietung festhalte.
Wo ein solcher übersehener komischer Zug in Wirklichkeit fehlt, da
schafft ihn die Karikatur unbedenklich durch die Übertreibung eines
an sich nicht komischen. Es ist wiederum kennzeichnend für den
Ursprung der komischen Lust, daß der Effekt der Karikatur durch solche
Verfälschung der Wirklichkeit nicht wesentlich beeinträchtigt wird.

[Sidenote: Der Aufwand fürs Erhabene.]

+Parodie+ und +Travestie+ erreichen die Herabsetzung des Erhabenen
auf andere Weise, indem sie die Einheitlichkeit zwischen den uns
bekannten Charakteren von Personen und deren Reden und Handlungen
zerstören, entweder die erhabenen Personen oder deren Äußerungen durch
niedrige ersetzen. Darin unterscheiden sie sich von der Karikatur,
nicht aber durch den Mechanismus der Produktion von komischer Lust.
Der nämliche Mechanismus gilt auch noch für die +Entlarvung+, die nur
dort in Betracht kommt, wo jemand Würde und Autorität durch einen Trug
an sich gerissen hat, die ihm in der Wirklichkeit abgenommen werden
müssen. Den komischen Effekt der Entlarvung haben wir durch einige
Beispiele beim Witze kennen gelernt, z. B. in jener Geschichte von der
vornehmen Dame, die in den ersten Geburtswehen: Ah, mon dieu ruft,
welcher der Arzt aber nicht eher Beistand leisten will, als bis sie
Ai, waih geschrien hat. Nachdem wir nun die Charaktere des Komischen
kennen gelernt haben, können wir nicht mehr bestreiten, daß diese
Geschichte eigentlich ein Beispiel von komischer Entlarvung ist und
keinen berechtigten Anspruch hat, ein Witz geheißen zu werden. An den
Witz erinnert sie bloß durch die Inszenierung, durch das technische
Mittel der „Darstellung durch ein Kleinstes“, hier also den Schrei,
der zur Indikationsstellung ausreichend gefunden wird. Es bleibt
indes bestehen, daß unser Sprachgefühl, wenn wir es zur Entscheidung
anrufen, sich nicht dagegen sträubt, eine solche Geschichte einen Witz
zu heißen. Wir mögen die Erklärung hiefür in der Überlegung finden,
daß der Sprachgebrauch nicht von der wissenschaftlichen Einsicht in
das Wesen des Witzes ausgeht, welche wir uns in dieser mühseligen
Untersuchung erworben haben. Da es zu den Leistungen des Witzes gehört,
verdeckte Quellen der komischen Lust wieder zugänglich zu machen (S.
87), kann in lockerer Analogie jeder Kunstgriff, der nicht offenkundige
Komik an den Tag bringt, ein Witz genannt werden. Dies letztere trifft
aber vorzugsweise für die Entlarvung zu, wie auch sonst für andere
Methoden des Komischmachens.[66]

[Sidenote: Die Entlarvung.]

Zur „+Entlarvung+“ kann man auch jene uns schon bekannten Verfahren
zum Komischmachen rechnen, welche die Würde des einzelnen Menschen
herabsetzen, indem sie auf seine allgemein menschliche Gebrechlichkeit,
besonders aber auf die Abhängigkeit seiner seelischen Leistungen
von körperlichen Bedürfnissen aufmerksam machen. Die Entlarvung
wird dann gleichbedeutend mit der Mahnung: Dieser und jener gleich
einem Halbgott Bewunderte ist doch auch nur ein Mensch wie ich und
du. Ferner gehören alle Bemühungen hieher, hinter dem Reichtum und
der scheinbaren Freiheit der psychischen Leistungen den monotonen
psychischen Automatismus bloßzulegen. Wir haben Beispiele von solchen
„Entlarvungen“ bei den Heiratsvermittlerwitzen kennen gelernt und wohl
damals den Zweifel gefühlt, ob wir diese Geschichten mit Recht zu den
Witzen rechnen. Wir können nun mit größerer Sicherheit entscheiden,
daß die Anekdote von dem Echo, welches alle Behauptungen des
Heiratsvermittlers bekräftigt und zuletzt auch dessen Zugeständnis, die
Braut habe einen Höcker, mit dem Ausrufe verstärkt: Aber, was für einen
Höcker! im wesentlichen eine komische Geschichte ist, ein Beispiel von
Entlarvung des psychischen Automatismus. Die komische Geschichte dient
aber hier doch nur als Fassade; für jedermann, der auf den verborgenen
Sinn der Heiratsvermittleranekdoten achten will, bleibt das Ganze ein
vortrefflich inszenierter Witz. Wer nicht soweit eindringt, bleibt bei
der komischen Geschichte stehen. Ähnliches gilt für den anderen Witz
vom Heiratsvermittler, der, um einen Einwand zu widerlegen, schließlich
durch den Ausruf: „Aber ich bitte Sie, wer wird denn solchen Leuten
etwas leihen!“ die Wahrheit zugesteht; eine komische Entlarvung als
Fassade für einen Witz. Doch ist der Charakter des Witzes hier weit
unverkennbarer, denn die Rede des Vermittlers ist gleichzeitig eine
Darstellung durchs Gegenteil. Indem er beweisen will, daß die Leute
reich sind, beweist er zugleich, daß sie nicht reich, sondern sehr arm
sind. Witz und Komik kombinieren sich hier und lehren uns, daß die
nämliche Aussage zugleich witzig und komisch sein kann.

Wir ergreifen gern die Gelegenheit von der Komik der Entlarvung auf den
Witz zurückzugehen, da ja die Klärung des Verhältnisses zwischen Witz
und Komik, nicht die Wesensbestimmung des Komischen unsere eigentliche
Aufgabe ist. Wir reihen darum dem Falle der Aufdeckung des psychischen
Automatismus, für den uns das Gefühl, ob etwas komisch oder witzig sei,
im Stiche gelassen hat, einen anderen an, in dem gleichfalls Witz und
Komik sich miteinander verwirren, den Fall der Unsinnswitze. Unsere
Untersuchung wird uns aber schließlich zeigen, daß für diesen zweiten
Fall das Zusammentreffen von Witz und Komik theoretisch ableitbar ist.

Wir haben bei der Erörterung der Witztechniken gefunden, daß das
Gewährenlassen solcher Denkweisen, wie sie im Unbewußten üblich sind,
und die im Bewußten nur als „Denkfehler“ beurteilt werden können,
das technische Mittel sehr vieler Witze ist, an deren Witzcharakter
wir dann doch wieder zweifeln konnten, so daß wir geneigt waren, sie
einfach als komische Geschichten zu klassifizieren. Wir konnten zu
keiner Entscheidung über unseren Zweifel gelangen, weil uns zunächst
der wesentliche Charakter des Witzes nicht bekannt war. Später fanden
wir diesen, durch die Analogie mit der Traumarbeit geleitet, in der
Kompromißleistung der Witzarbeit zwischen den Anforderungen der
vernünftigen Kritik und dem Trieb, auf die alte Wort- und Unsinnslust
nicht zu verzichten. Was so als Kompromiß zu stande kam, wenn der
vorbewußte Ansatz des Gedankens für einen Moment der unbewußten
Bearbeitung überlassen wurde, genügte in allen Fällen beiderlei
Ansprüchen, präsentierte sich aber der Kritik in verschiedenen Formen
und mußte sich verschiedene Beurteilungen von ihr gefallen lassen. Es
war dem Witz das eine Mal gelungen, sich die Form eines bedeutungslosen
aber immerhin zulässigen Satzes zu erschleichen, das andere Mal sich
im Ausdruck eines wertvollen Gedankens einzuschmuggeln; im Grenzfalle
der Kompromißleistung aber hatte er auf die Befriedigung der Kritik
verzichtet und war trotzend auf die Lustquellen, über die er verfügte,
als barer Unsinn vor ihr erschienen, hatte sich nicht gescheut, ihren
Widerspruch wachzurufen, weil er darauf rechnen konnte, daß der Hörer
die Verunstaltung seines Ausdrucks durch die unbewußte Bearbeitung
redressieren und ihm so seinen Sinn wiedergeben würde.

In welchem Falle wird nun der Witz vor der Kritik als Unsinn
erscheinen? Besonders dann, wenn er sich jener Denkweisen bedient,
die im Unbewußten üblich, im bewußten Denken verpönt sind, also der
Denkfehler. Gewisse der Denkweisen des Unbewußten sind nämlich auch
für das Bewußte erhalten geblieben, z. B. manche Arten der indirekten
Darstellung, die Anspielung usw., wenngleich deren bewußter Gebrauch
größeren Beschränkungen unterliegt. Mit diesen Techniken wird der Witz
bei der Kritik keinen oder geringen Anstoß erregen; dieser Erfolg tritt
erst ein, wenn er sich auch jener Mittel als Technik bedient, von denen
das bewußte Denken nichts mehr wissen will. Der Witz kann den Anstoß
immer noch vermeiden, wenn er den angewandten Denkfehler verhüllt, ihn
mit einem Schein von Logik verkleidet wie in der Geschichte von Torte
und Likör, Lachs mit Mayonnaise und ähnlichen. Bringt er den Denkfehler
aber unverhüllt, so ist der Einspruch der Kritik gewiß.

[Sidenote: Fälle des Zusammentreffens von Witz und Komik.]

In diesem Falle kommt dem Witz nun etwas anderes zu gute. Die
Denkfehler, die er als Denkweisen des Unbewußten für seine Technik
benützt, erscheinen der Kritik -- wenn auch nicht regelmäßig so
-- als komisch. Das bewußte Gewährenlassen der unbewußten und als
fehlerhaft verworfenen Denkweisen ist ein Mittel zur Erzeugung der
komischen Lust, und dies ist leicht zu verstehen, denn zur Herstellung
der vorbewußten Besetzung bedarf es gewiß eines größeren Aufwandes
als zum Gewährenlassen der unbewußten. Indem wir beim Anhören des
wie im Unbewußten gebildeten Gedankens diesen mit seiner Korrektur
vergleichen, ergibt sich für uns die Aufwanddifferenz, aus welcher die
komische Lust hervorgeht. Ein Witz, der sich solcher Denkfehler als
Technik bedient und darum unsinnig erscheint, kann also gleichzeitig
komisch wirken. Kommen wir dem Witze nicht auf die Spur, so erübrigt
uns wiederum nur die komische Geschichte, der Schwank.

Die Geschichte vom geborgten Kessel, der bei der Zurückstellung ein
Loch hatte, wobei sich der Entlehner verantwortete, erstens habe er
überhaupt keinen Kessel geborgt, zweitens sei dieser schon bei der
Entlehnung durchlöchert gewesen, und drittens habe er ihn unversehrt,
ohne Loch, zurückgestellt (S. 49), ist ein vortreffliches Beispiel
einer rein komischen Wirkung durch Gewährenlassen unbewußter Denkweise.
Gerade dieses einander Aufheben von mehreren Gedanken, von denen
jeder für sich gut motiviert ist, fällt im Unbewußten weg. Der Traum,
an dem ja die Denkweisen des Unbewußten manifest werden, kennt dem
entsprechend auch kein Entweder -- oder,[67] nur ein gleichzeitiges
Nebeneinander. In jenem Traumbeispiel meiner Traumdeutung, das ich
trotz seiner Komplikation zum Muster für die Deutungsarbeit gewählt
habe,[68] suche ich mich von dem Vorwurf zu entlasten, daß ich die
Schmerzen einer Patientin nicht durch psychische Kur zum Verschwinden
gebracht habe. Meine Begründungen lauten: 1. sie sei selbst an ihrem
Kranksein schuld, weil sie meine Lösung nicht annehmen wolle, 2. ihre
Schmerzen seien organischer Herkunft, gehen mich also gar nichts an,
3. ihre Schmerzen hängen mit ihrer Witwenschaft zusammen, an der ich
ja nicht schuld bin, 4. ihre Schmerzen rühren von einer Injektion mit
verunreinigter Spritze her, die ihr ein anderer gegeben hat. Alle diese
Gründe stehen nun so nebeneinander, als schlöße nicht der eine den
anderen aus. Ich müßte für das „Und“ des Traumes ein „Entweder -- oder“
einsetzen, um dem Vorwurf des Unsinns zu entgehen.

Eine ähnliche komische Geschichte wäre die, daß sich in einem
ungarischen Dorf der Schmied ein todwürdiges Verbrechen habe zu
Schulden kommen lassen, der Bürgermeister aber habe beschlossen, zur
Sühne nicht den Schmied, sondern einen Schneider aufhängen zu lassen,
denn es wären zwei Schneider im Dorfe ansässig, aber kein anderer
Schmied, und Sühne müßte sein. Eine solche Verschiebung von der Person
des Schuldigen auf einen anderen widerspricht natürlich allen Gesetzen
bewußter Logik, keineswegs aber der Denkweise des Unbewußten. Ich stehe
nicht an, diese Geschichte komisch zu heißen, und doch habe ich die vom
Kessel unter den Witzen angeführt. Ich gebe nun zu, daß auch letztere
viel richtiger als „komisch“ denn als witzig zu bezeichnen ist. Ich
verstehe aber nun, wie es zugeht, daß mein sonst so sicheres Gefühl
mich im Zweifel lassen kann, ob diese Geschichte komisch oder witzig
ist. Es ist dies der Fall, in dem ich nach dem Gefühl die Entscheidung
nicht treffen kann, wenn nämlich die Komik durch Aufdeckung der dem
Unbewußten ausschließlich eigenen Denkweisen entsteht. Eine derartige
Geschichte kann komisch und witzig zugleich sein; sie wird mir aber den
Eindruck des Witzigen machen, auch wenn sie bloß komisch ist, weil die
Verwendung der Denkfehler des Unbewußten mich an den Witz mahnt, ebenso
wie vorhin (S. 177) die Veranstaltungen zur Aufdeckung verborgener
Komik.

Ich muß Wert darauf legen, diesen heikelsten Punkt meiner
Auseinandersetzungen, das Verhältnis des Witzes zur Komik, klar zu
stellen, und will darum das Gesagte durch einige negative Sätze
ergänzen. Zunächst kann ich darauf aufmerksam machen, daß der hier
behandelte Fall des Zusammentreffens von Witz und Komik mit dem
vorigen (S. 177) nicht identisch ist. Es ist dies zwar eine feinere
Unterscheidung, aber sie ist mit Sicherheit zu machen. Im vorigen
Falle rührte die Komik von der Aufdeckung des psychischen Automatismus
her. Dieser ist nun keineswegs dem Unbewußten allein eigentümlich und
spielt auch keine auffällige Rolle unter den Techniken des Witzes.
Die Entlarvung tritt nur zufällig zum Witze in Beziehung, indem sie
einer anderen Technik des Witzes, z. B. der Darstellung durch das
Gegenteil dient. Im Falle des Gewährenlassens unbewußter Denkweisen
ist aber das Zusammentreffen von Witz und Komik ein notwendiges, weil
dasselbe Mittel, das bei der ersten Person des Witzes zur Technik der
Lustentbindung verwendet wird, seiner Natur nach bei der dritten Person
komische Lust erzeugt.

Man könnte in die Versuchung geraten, diesen letzten Fall zu
verallgemeinern, und die Beziehung des Witzes zur Komik darin suchen,
daß die Wirkung des Witzes auf die dritte Person nach dem Mechanismus
der komischen Lust erfolgt. Aber davon ist keine Rede, die Berührung
mit dem Komischen trifft keineswegs für alle oder auch nur die meisten
Witze zu; in den meisten Fällen sind Witz und Komik vielmehr reinlich
zu scheiden. So oft es dem Witz gelingt, dem Anschein des Unsinnigen
zu entgehen, also bei den meisten Doppelsinn- und Anspielungswitzen,
ist von einer dem Komischen ähnlichen Wirkung beim Hörer nichts zu
entdecken. Man mache die Probe an den früher mitgeteilten Beispielen
oder an einigen neuen, die ich anführen kann.

Glückwunschtelegramm zum 70. Geburtstag eines Spielers: „+Trente et
quarante.+“ (Wortzerteilung mit Anspielung.)

+Hevesi+ beschreibt einmal den Prozeß der Tabakfabrikation: „Die
hellgelben Blätter ... wurden da in eine +Beize getunkt+ und in dieser
+Tunke gebeizt+.“ (Mehrfache Verwendung des nämlichen Materials.)

Madame de +Maintenon+ wurde Mme. de +Maintenant+ genannt.
(Namensmodifikation.)

Prof. +Kästner+ sagt zu einem Prinzen, der sich während einer
Demonstration vor das Fernrohr gestellt: „Mein Prinz, ich weiß wohl,
daß Sie durch+läuchtig+ sind, aber Sie sind nicht durch+sichtig+.“

Graf +Andrassy+ wurde der +Minister des schönen Äußeren+ genannt.

Man könnte ferner glauben, daß wenigstens alle Witze mit Unsinnsfassade
komisch erscheinen und so wirken müssen. Allein ich erinnere hier
daran, daß solche Witze sehr oft eine andere Wirkung auf den Hörer
haben, Verblüffung und Neigung zur Ablehnung hervorrufen (siehe S.
119). Es kommt also offenbar darauf an, ob der Unsinn des Witzes als
komischer oder als gemeiner, barer Unsinn erscheint, wofür wir die
Bedingung noch nicht erforscht haben. Wir verbleiben demnach bei dem
Schlusse, daß der Witz seiner Natur nach vom Komischen zu sondern
ist und nur einerseits in gewissen speziellen Fällen, anderseits in
der Tendenz, Lust aus intellektuellen Quellen zu gewinnen, mit ihm
zusammentrifft.

Während dieser Untersuchungen über die Beziehungen von Witz und Komik
enthüllt sich uns nun jener Unterschied, den wir als den bedeutsamsten
betonen müssen, und der gleichzeitig auf einen psychologischen
Hauptcharakter der Komik hinweist. Die Quelle der Lust des Witzes
mußten wir in das Unbewußte verlegen; keine Veranlassung zur gleichen
Lokalisation ist für das Komische erfindlich. Vielmehr deuten alle
Analysen, die wir bisher angestellt haben, darauf hin, daß die Quelle
der komischen Lust die Vergleichung zweier Aufwände ist, die wir beide
dem Vorbewußten zuordnen müssen. Witz und Komik unterscheiden sich
vor allem in der psychischen Lokalisation; +der Witz ist sozusagen der
Beitrag zur Komik aus dem Bereich des Unbewußten+.

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Komik der Nachahmung.]

Wir brauchen uns nicht zu beschuldigen, daß wir uns in eine
Abschweifung eingelassen haben, da ja das Verhältnis des Witzes zur
Komik der Anlaß ist, welcher uns zur Untersuchung des Komischen
gedrängt hat. Es ist aber wohl an der Zeit, daß wir zu unserem
dermaligen Thema zurückkehren, zur Behandlung der Mittel, welche dem
Komischmachen dienen. Wir haben die Erörterung der Karikatur und
der Entlarvung vorausgeschickt, weil wir aus ihnen beiden einige
Anknüpfungen für die Analyse der Komik der +Nachahmung+ entnehmen
können. Die Nachahmung ist wohl zumeist mit Karikatur, Übertreibung
einiger sonst nicht auffälliger Züge versetzt und trägt auch den
Charakter der Herabsetzung an sich. Doch scheint ihr Wesen hiemit nicht
erschöpft; es ist unleugbar, daß sie an sich eine außerordentlich
ergiebige Quelle der komischen Lust darstellt, indem wir gerade über
die Treue der Nachahmung besonders lachen. Es ist nicht leicht, hiefür
eine befriedigende Aufklärung zu geben, wenn man sich nicht der
Ansicht von +Bergson+[69] anschließen will, durch welche die Komik der
Nachahmung nahe an die durch Aufdeckung des psychischen Automatismus
herangerückt wird. +Bergson+ meint, daß alles dasjenige komisch
wirkt, was bei einer lebenden Person an einen unbelebten Mechanismus
denken läßt. Seine Formel hiefür lautet: „Mécanisation de la vie.“ Er
erklärt die Komik der Nachahmung, indem er an ein Problem anknüpft,
welches +Pascal+ in seinen „Pensées“ aufgestellt, warum man bei der
Vergleichung zweier ähnlicher Gesichter lache, von denen keines an
sich komisch wirke. „Das Lebende soll sich nach unserer Erwartung
niemals völlig ähnlich wiederholen. Wo wir solche Wiederholung finden,
vermuten wir jedesmal einen Mechanismus, der hinter diesem Lebenden
steckt.“ Wenn man zwei Gesichter von zu weitgehender Ähnlichkeit
sieht, denkt man an zwei Abdrücke aus derselben Form oder an ein
ähnliches Verfahren der mechanischen Herstellung. Kurz die Ursache
des Lachens wäre in diesen Fällen die Abweichung des Lebenden gegen
das Leblose hin; wir können sagen, die Degradierung des Lebenden zum
Leblosen (l. c., S. 35). Wenn wir diese einschmeichelnden Ausführungen
+Bergsons+ gelten lassen, fällt es uns übrigens nicht schwer, seine
Ansicht unserer eigenen Formel zu unterwerfen. Durch die Erfahrung
belehrt, daß jedes Lebende ein anderes ist und eine Art von Aufwand
von unserem Verständnis fordert, finden wir uns enttäuscht, wenn wir
infolge vollkommener Übereinstimmung oder täuschender Nachahmung
keines neuen Aufwandes bedürfen. Wir sind aber enttäuscht im Sinne
der Erleichterung, und der überflüssig gewordene Erwartungsaufwand
wird durch Lachen abgeführt. Die nämliche Formel würde auch alle
bei +Bergson+ gewürdigten Fälle der komischen Erstarrung (raideur),
der professionellen Gewohnheiten, fixen Ideen und bei jedem Anlaß
wiederholten Redensarten decken. Alle diese Fälle würden auf den
Vergleich des Erwartungsaufwandes mit dem zum Verständnis des sich
gleich Gebliebenen erforderlichen ausgehen, wobei die größere Erwartung
sich auf die Beobachtung der individuellen Mannigfaltigkeit und
Plastizität des Lebenden stützt. Bei der Nachahmung wäre also nicht die
Situations-, sondern die Erwartungskomik die Quelle der komischen Lust.

Da wir die komische Lust allgemein von einer Vergleichung ableiten,
obliegt es uns, auch das Komische des Vergleichs selbst zu untersuchen,
welcher ja gleichfalls als Mittel zum Komischmachen dient. Unser
Interesse für diese Frage wird eine Steigerung erfahren, wenn wir uns
erinnern, daß uns oft auch im Falle des Gleichnisses das „Gefühl“, ob
etwas ein Witz oder bloß komisch zu nennen sei, im Stiche zu lassen
pflegt (s. S. 67).

[Sidenote: Vergleichung.]

Das Thema verdiente freilich mehr Sorgfalt, als wir ihm von unserem
Interesse her zu teil werden lassen können. Die Haupteigenschaft, nach
welcher wir beim Gleichnis fragen, ist, ob dasselbe treffend ist, d. h.
ob es auf eine wirklich vorhandene Übereinstimmung zweier verschiedener
Objekte aufmerksam macht. Die ursprüngliche Lust am Wiederfinden
des Gleichen (+Groos+, S. 103) ist nicht das einzige Motiv, welches
den Gebrauch der Vergleichung begünstigt; es kommt hinzu, daß das
Gleichnis einer Verwendung fähig ist, welche eine Erleichterung der
intellektuellen Arbeit mit sich bringt, wenn man nämlich, wie zumeist
üblich, das Unbekanntere mit dem Bekannteren, das Abstrakte mit dem
Konkreten vergleicht und, durch diesen Vergleich das Fremdere und
Schwierigere erläutert. Mit jeder solchen Vergleichung speziell
des Abstrakten mit dem Sachlichen ist eine gewisse Herabsetzung
und eine gewisse Ersparung an Abstraktionsaufwand (im Sinne einer
Vorstellungsmimik) verbunden, doch reicht dieselbe natürlich nicht
hin, um den Charakter des Komischen deutlich hervortreten zu
lassen. Dieser taucht nicht plötzlich, sondern allmählich aus der
Erleichterungslust der Vergleichung auf; es gibt reichlich Fälle,
die bloß ans Komische streifen, bei denen man zweifeln könnte, ob
sie den komischen Charakter zeigen. Unzweifelhaft komisch wird die
Vergleichung, wenn der Niveauunterschied des Abstraktionsaufwandes
zwischen beiden Verglichenen sich steigert, wenn etwas Ernstes und
Fremdes, insbesondere intellektueller oder moralischer Natur, in
den Vergleich mit etwas Banalem und Niedrigem gezogen wird. Die
vorherige Erleichterungslust und der Beitrag aus den Bedingungen der
Vorstellungsmimik mögen etwa den allmählichen durch quantitative
Verhältnisse bestimmten Übergang des allgemein Lustvollen in das
Komische bei der Vergleichung erklären. Ich gehe wohl Mißverständnissen
aus dem Wege, indem ich hervorhebe, daß ich die komische Lust beim
Gleichnis nicht aus dem Kontrast der beiden Verglichenen, sondern aus
der Differenz der beiden Abstraktionsaufwände ableite. Das schwer zu
fassende Fremde, Abstrakte, eigentlich intellektuell Erhabene wird nun
durch die behauptete Übereinstimmung mit einem vertrauten Niedrigen,
bei dessen Vorstellung jeder Abstraktionsaufwand wegfällt, selbst als
etwas ebenso Niedriges entlarvt. Die Komik der Vergleichung reduziert
sich also auf einen Fall von Degradierung.

Der Vergleich kann nun, wie wir früher gesehen haben, witzig sein ohne
die Spur von komischer Beimengung, dann nämlich, wenn er gerade der
Herabsetzung ausweicht. So ist der Vergleich der Wahrheit mit einer
Fackel, die man nicht durch ein Gedränge tragen kann, ohne jemandem den
Bart zu versengen, rein witzig, weil er eine erloschene Redensart („Die
Fackel der Wahrheit“) vollwertig nimmt und gar nicht komisch, weil die
Fackel als Objekt einer gewissen Vornehmheit, obwohl sie ein konkreter
Gegenstand ist, nicht entbehrt. Ein Vergleich kann aber leicht
ebensowohl witzig sein als auch komisch, und zwar das eine unabhängig
vom anderen, indem die Vergleichung ein Behelf für gewisse Techniken
des Witzes, z. B. die Unifizierung oder die Anspielung wird. So ist
der +Nestroy+sche Vergleich der Erinnerung mit einem „Magazin“ (S. 70)
gleichzeitig komisch und witzig, ersteres wegen der außerordentlichen
Herabsetzung, die sich der psychologische Begriff im Vergleich mit
einem „Magazin“ gefallen lassen muß, das andere aber, weil der, welcher
den Vergleich gebraucht, ein Kommis ist, in dieser Vergleichung also
eine ganz unerwartete Unifizierung zwischen der Psychologie und seiner
Berufstätigkeit herstellt. Die +Heine+sche Zeile „Bis mir endlich alle
Knöpfe rissen an der Hose der Geduld“ erscheint zunächst bloß als ein
ausgezeichnetes Beispiel eines komisch erniedrigenden Vergleichs; bei
näherer Überlegung muß man ihr aber auch den Charakter des Witzigen
zugestehen, da der Vergleich als Mittel der Anspielung ins Bereich des
Obszönen einschlägt und es so zu stande bringt, die Lust am Obszönen
frei zu machen. Aus dem nämlichen Material entsteht für uns durch ein
freilich nicht ganz zufälliges Zusammentreffen gleichzeitig komischer
und witziger Lustgewinn; mögen die Bedingungen des einen auch die
Entstehung des anderen fördern, für das „Gefühl“, welches uns angeben
soll, ob hier Witz oder Komik vorliegt, ist solche Vereinigung ein
verwirrender Einfluß, und erst eine von der Lustdisposition unabhängig
gewordene aufmerksame Untersuchung kann die Entscheidung bringen.

So verlockend es wäre, diesen intimeren Bedingtheiten des komischen
Lustgewinnes nachzuspüren, so muß doch der Autor sich vorhalten, daß
weder seine Vorbildung noch sein täglicher Beruf ihn berechtigen, seine
Untersuchungen weit hinaus über die Sphäre des Witzes zu erstrecken,
und darf eingestehen, daß gerade das Thema der komischen Vergleichung
ihm seine Inkompetenz fühlbar macht.

[Sidenote: Komik der Rede.]

Wir lassen uns also gern daran mahnen, daß viele Autoren die scharfe
begriffliche und sachliche Scheidung zwischen Witz und Komik nicht
anerkennen, zu der wir uns veranlaßt sahen, und daß diese den Witz
einfach als das „Komische der Rede“ oder „der Worte“ hinstellen. Zur
Prüfung dieser Ansicht wollen wir uns je ein Beispiel von absichtlicher
und von unfreiwilliger Komik der Rede für den Vergleich mit dem Witze
auswählen. Wir haben bereits an einer früheren Stelle bemerkt, daß wir
uns sehr wohl im stande glauben, komische Rede von witziger Rede zu
unterscheiden.

    „Mit einer Gabel und mit Müh’
    zog ihn die Mutter aus der Brüh’“,

ist bloß komisch; +Heines+ Satz von den vier Kasten der Bevölkerung
+Göttingens+:

    Professoren, Studenten, Philister und Vieh

ist aber exqusit witzig.

Für die absichtliche Komik der Rede nehme ich +Stettenheims+ „Wippchen“
als Muster. Man nennt +Stettenheim+ witzig, weil er in besonderem Grade
die Geschicklichkeit besitzt, das Komische hervorzurufen. Der Witz, den
man „hat“, im Gegensatz zu dem, den man „macht“, ist in der Tat durch
diese Fähigkeit zutreffend bestimmt. Es ist unleugbar, daß die Briefe
des Bernauer Korrespondenten Wippchen auch witzig sind, insoferne sie
reichlich Witze jeder Art, darunter ernsthaft gelungene („festlich
entkleidet“ von einer Parade bei Wilden) eingestreut enthalten; was
diesen Produktionen aber ihren eigentümlichen Charakter verleiht, sind
nicht diese vereinzelten Witze, sondern das in ihnen fast überreichlich
quellende Komische der Rede. „Wippchen“ ist gewiß eine ursprünglich
satirisch gemeinte Figur, eine Modifikation des +G. Freytag+schen
Schmock, einer jener Ungebildeten, die mit dem Bildungsschatz der
Nation Handel und Mißbrauch treiben, aber das Behagen an den bei ihrer
Darstellung erzielten komischen Effekten hat beim Autor offenbar
die satirische Tendenz allmählich in den Hintergrund gedrängt. Die
Produktionen Wippchens sind zum großen Teil „komischer Unsinn“; der
durch Häufung solcher Leistungen erzielten Luststimmung hat sich der
Autor -- übrigens mit Recht -- bedient, um neben durchaus Zulässigem
allerlei Abgeschmacktes vorzubringen, was für sich allein nicht zu
vertragen wäre. Der Unsinn Wippchens erscheint nun als ein spezifischer
infolge einer besonderen Technik. Faßt man diese „Witze“ näher ins
Auge, so fallen einige Gattungen besonders auf, die der ganzen
Produktion ihr Gepräge geben. Wippchen bedient sich vorwiegend der
Zusammensetzungen (Verschmelzungen), der Modifikationen bekannter
Redensarten und Zitate und der Ersetzungen einzelner banaler Elemente
in diesen durch meist anspruchsvollere, höherwertige Ausdrucksmittel.
Das geht allerdings nahe an die Techniken des Witzes heran.

Verschmelzungen sind z. B. (aus der Vorrede und den ersten Seiten der
ganzen Reihe ausgesucht):

„Die Türkei hat Geld wie Heu am Meere“; was aus den beiden Redensarten:

  „Geld wie Heu“
  „Geld wie Sand am Meere“

zusammengeflickt ist. Oder: „Ich bin nichts mehr als eine entlaubte
Säule, die von entschwundener Pracht zeugt“, verdichtet aus „entlaubter
Stamm“ und „eine Säule, die usw.“ Oder: „Wo ist der Ariadnefaden, der
aus der Skylla dieses Augiasstalles herausleitet?“, wozu dreierlei
griechische Sagen je ein Element beigesteuert haben.

Die Modifikationen und Ersetzungen kann man ohne viel Zwang
zusammenfassen; ihr Charakter ergibt sich aus nachstehenden Wippchen
eigentümlichen Beispielen, in denen regelmäßig ein anderer, geläufiger,
meist banaler, zum Gemeinplatz herabgesunkener Wortlaut durchschimmert:

„Mir Papier und Tinte höher zu hängen.“ Man sagt: einem den Brotkorb
höher hängen bildlich für: einen unter erschwerende Bedingungen
versetzen. Warum sollte man dieses Bild also nicht auf anderes Material
erstrecken dürfen?

„Schlachten, in denen die Russen einmal den Kürzeren, einmal den
Längeren ziehen.“ Nur die erstere Redensart ist bekanntlich im
Gebrauche; nach der Ableitung derselben wäre es sogar nicht unsinnig,
auch die andere in Aufnahme zu bringen.

„Schon früh regte sich in mir der Pegasus.“ Mit dem Rückersatz „der
Dichter“ ist dies eine durch häufigen Gebrauch bereits entwertete
selbstbiographische Wendung. „Pegasus“ eignet sich zwar nicht zum
Ersatz für „Dichter“, steht aber in Gedankenrelation zu ihm und ist ein
hochklingendes Wort.

„So durchlebte ich dornenvolle Kinderschuhe.“

Durchaus ein Bildnis anstatt eines einfachen Wortes. „Die Kinderschuhe
austreten“ ist eines der Bilder, die mit dem Begriff Kindheit
zusammenhängen.

Aus der Fülle anderer Produktionen Wippchens kann man manche als
Beispiele reiner Komik hervorheben, z. B. als komische Enttäuschung:
Stundenlang wogte das Gefecht, endlich blieb es unentschieden, oder
als komische Entlarvung (der Unwissenheit): Klio, die Meduse der
Geschichte; Zitate wie: Habent sua fata morgana; Unser Interesse wecken
aber eher die Verschmelzungen und Modifikationen, weil sie bekannte
Techniken des Witzes wiederbringen. Man vergleiche z. B. zu den
Modifikationen Witze wie: Er hat eine große Zukunft hinter sich, -- Er
hat ein Ideal vor dem Kopf --, die Lichtenbergschen Modifikationswitze:
Neue Bäder heilen gut u. dgl. Sind die Produktionen Wippchens mit der
gleichen Technik nun Witze zu heißen, oder wodurch unterscheiden sie
sich von solchen?

Es ist gewiß nicht schwierig, darauf zu antworten. Erinnern wir uns
daran, daß der Witz dem Hörer ein Doppelgesicht zeigt, ihn zu zwei
verschiedenen Auffassungen zwingt. Bei den Unsinnswitzen, wie die
letzterwähnten, lautet die eine Auffassung, die nur den Wortlaut
berücksichtigt, er sei ein Unsinn; die andere, die den Andeutungen
folgend beim Hörer den Weg durch das Unbewußte zurücklegt, findet den
ausgezeichneten Sinn. Bei den witzähnlichen Produktionen Wippchens ist
das eine der Angesichte des Witzes leer, wie verkümmert; ein Januskopf,
aber nur ein Angesicht ausgebildet. Man gerät auf nichts, wenn man sich
von der Technik ins Unbewußte verlocken läßt. Aus den Verschmelzungen
wird man zu keinem Fall geführt, in dem die beiden Verschmolzenen
wirklich einen neuen Sinn ergeben; diese fallen bei einen Versuch
der Analyse gänzlich auseinander. Die Modifikationen und Ersetzungen
führen wie beim Witz auf einen gebräuchlichen und bekannten Wortlaut,
aber die Modifikation oder Ersetzung sagt selbst nichts anderes und in
der Regel auch nichts Mögliches oder Brauchbares. Es bleibt also für
diese „Witze“ nur die eine Auffassung als Unsinn übrig. Man kann nun
nach Belieben darüber entscheiden, ob man solche Produktionen, die sich
von einem der wesentlichsten Charaktere des Witzes frei gemacht haben,
„schlechte“ Witze oder überhaupt nicht Witze heißen will.

Unzweifelhaft machen solche verkümmerte Witze einen komischen Effekt,
den wir uns auf mehr als eine Weise zurecht legen können. Entweder
entsteht die Komik aus der Aufdeckung der Denkweisen des Unbewußten
wie in früher betrachteten Fällen, oder es ist der Vergleich mit dem
vollkommenen Witz, aus dem die Lust hervorgeht. Es hindert uns nichts
anzunehmen, daß beiderlei Entstehungsweisen der komischen Lust hier
zusammentreffen. Es ist nicht abzuweisen, daß gerade die unzulängliche
Anlehnung an den Witz den Unsinn hier zu einem komischen Unsinn macht.

Es gibt nämlich andere leicht zu durchschauende Fälle, in denen
solche Unzulänglichkeit durch den Vergleich mit dem zu Leistenden
den Unsinn unwiderstehlich komisch werden läßt. Das Gegenstück des
Witzes, das Rätsel, kann uns hiefür vielleicht bessere Beispiele als
der Witz selbst geben. Eine Scherzfrage lautet z. B.: Was ist das: Es
hängt an der Wand und man kann sich an ihm die Hände abtrocknen? Es
wäre ein dummes Rätsel, wenn die Antwort lauten würde: Ein Handtuch.
Diese Antwort wird vielmehr zurückgewiesen. -- Nein, ein Hering. --
Aber um Gotteswillen, heißt dann der entsetzte Einwand, ein Hering
hängt doch nicht an der Wand. -- Du kannst ihn ja hinhängen. -- Aber
wer wird sich denn an einem Hering die Hände abtrocknen? -- Nun,
sagt die beschwichtigende Antwort, du mußt ja nicht. -- Diese durch
zwei typische Verschiebungen gegebene Aufklärung zeigt, wieviel
dieser Frage zu einem wirklichen Rätsel fehlt, und wegen dieser
absoluten Unzulänglichkeit erscheint sie anstatt bloß unsinnig dumm
-- unwiderstehlich komisch. Auf solche Weise, durch Nichteinhaltung
wesentlicher Bedingungen können also Witz, Rätsel und anderes, die an
sich komische Lust nicht ergeben, zu Quellen komischer Lust gemacht
werden.

[Sidenote: Komik des Unzulänglichen.]

Noch geringere Schwierigkeiten bereitet dem Verständnis der Fall der
unfreiwilligen Komik der Rede, den wir etwa in den Gedichten der
+Friederike Kempner+[70] in uns beliebender Häufigkeit verwirklicht
finden können.

    +Gegen die Vivisektion.+

    Ein unbekanntes Band der Seelen kettet
    Den Menschen an das arme Tier.
    Das Tier hat einen Willen -- ergo Seele --
    Wenn auch ’ne kleinere als wir.

Oder ein Gespräch zwischen zärtlichen Ehegatten: („Der Kontrast“)

    „Wie glücklich bin ich,“ ruft sie leise,
    „Auch ich,“ sagt lauter ihr Gemahl,
    „Es macht mich deine Art und Weise
    Sehr stolz auf meine gute Wahl!“

Hier ist nun nichts, was an den Witz erinnert. Ohne Zweifel ist es
aber die Unzulänglichkeit dieser „Dichtungen“, die sie komisch macht,
die ganz außerordentliche Plumpheit ihrer Ausdrucksweise, die an die
alltäglichsten oder dem Zeitungsstil entnommenen Redensarten gebunden
ist, die einfältige Beschränktheit ihrer Gedanken, das Fehlen jeder
Spur von poetischer Denk- oder Redeweise. Bei alledem ist es nicht
selbstverständlich, daß wir die Gedichte der +Kempner+ komisch finden;
viele ähnliche Produktionen finden wir bloß herzlich schlecht, belachen
sie nicht, sondern ärgern uns über sie. Gerade die Größe des Abstandes
von unseren Anforderungen an ein Gedicht drängt aber zur komischen
Auffassung; wo diese Differenz geringer ausfiele, wären wir eher zur
Kritik als zum Lachen geneigt. Ferner wird die komische Wirkung bei
den Gedichten der +Kempner+ durch andere Nebenumstände gesichert,
durch die unverkennbare gute Absicht der Verfasserin, und durch eine
gewisse unseren Spott oder unseren Ärger entwaffnende Gefühlsinnigkeit,
die wir hinter ihren hilflosen Phrasen verspüren. Wir werden hier an
ein Problem gemahnt, dessen Würdigung wir uns aufgeschoben haben. Die
Aufwandsdifferenz ist gewiß die Grundbedingung der komischen Lust,
aber die Beobachtung zeigt, daß aus solcher Differenz nicht jedesmal
Lust hervorgeht. Welche Bedingungen müssen hinzukommen oder welche
Störungen hintangehalten werden, damit die komische Lust sich aus
der Aufwandsdifferenz wirklich ergeben könne? Ehe wir uns aber der
Beantwortung dieser Frage zuwenden, wollen wir als Abschluß der vorigen
Erörterungen feststellen, daß das Komische der Rede nicht zusammenfällt
mit dem Witz, der Witz also etwas anderes sein muß als das Komische der
Rede.

[Sidenote: Bedingungen der Isolierung des Komischen.]

Im Begriffe, nun an die Beantwortung der letztgestellten Frage, nach
den Bedingungen der Entstehung komischer Lust aus der Aufwandsdifferenz
heranzutreten, dürfen wir uns eine Erleichterung gestatten, die
uns selbst nicht anders als zur Lust gereichen kann. Die genaue
Beantwortung dieser Frage wäre identisch mit einer erschöpfenden
Darstellung der Natur des Komischen, zu der wir uns weder die Fähigkeit
noch die Befugnis zusprechen können. Wir werden uns wiederum damit
begnügen, das Problem des Komischen nur so weit zu beleuchten, bis es
sich deutlich von dem des Witzes abhebt.

Allen Theorien des Komischen ist von ihren Kritikern der Einwurf
gemacht worden, daß ihre Definition das für die Komik Wesentliche
übersieht. Das Komische beruht auf einem Vorstellungskontrast; ja,
insofern dieser Kontrast komisch und nicht anders wirkt. Das Gefühl
der Komik rührt vom Zergehen einer Erwartung her; ja, wenn diese
Enttäuschung nicht gerade peinlich ist. Die Einwürfe sind ohne Zweifel
berechtigt, aber man überschätzt sie, wenn man aus ihnen schließt,
daß das wesentliche Kennzeichen des Komischen bisher der Auffassung
entschlüpft ist. Was die Allgemeingiltigkeit jener Definitionen
beeinträchtigt, sind Bedingungen, die für die Entstehung der komischen
Lust unerläßlich sind, ohne daß man das Wesen der Komik in ihnen
suchen müßte. Die Abweisung der Einwendungen und die Aufklärung der
Widersprüche gegen die Definitionen des Komischen wird uns allerdings
erst leicht, wenn wir die komische Lust aus der Vergleichsdifferenz
zweier Aufwände hervorgehen lassen. Die komische Lust und der Effekt,
an dem sie erkannt wird, das Lachen, können erst dann entstehen, wenn
diese Differenz unverwendbar und abfuhrfähig wird. Wir gewinnen keinen
Lusteffekt, sondern höchstens ein flüchtiges Lustgefühl, an dem der
komische Charakter nicht hervortritt, wenn die Differenz, sobald sie
erkannt wird, eine andere Verwendung erfährt. Wie beim Witz besondere
Veranstaltung getroffen sein müssen muß, um die anderweitige Verwendung
des als überflüssig erkannten Aufwandes zu verhüten, so kann auch die
komische Lust nur unter Verhältnissen entstehen, welche diese letztere
Bedingung erfüllen. Die Fälle, in denen in unserem Vorstellungsleben
solche Aufwandsdifferenzen entstehen, sind daher ungemein zahlreich;
die Fälle, in denen das Komische aus ihnen hervorgeht, vergleichsweise
recht selten.

Zwei Bemerkungen drängen sich dem Beobachter auf, der die Bedingungen
für die Entstehung des Komischen aus der Aufwandsdifferenz auch nur
flüchtig überblickt, erstens daß es Fälle gibt, in denen sich die
Komik regelmäßig und wie notwendig einstellt, und im Gegensatze zu
ihnen andere, in denen dies durchaus von den Bedingungen des Falles
und dem Standpunkt des Beobachters abhängig erscheint; zweitens aber,
daß ungewöhnlich große Differenzen sehr häufig ungünstige Bedingungen
durchbrechen, so daß das komische Gefühl diesen zum Trotz entsteht.
Man könnte mit Bezug auf den ersten Punkt zwei Klassen aufstellen, die
des unabweisbar Komischen und die des gelegentlich Komischen, obwohl
man von vorneherein darauf verzichten müßte, in der ersten Klasse die
Unabweisbarkeit des Komischen frei von Ausnahmen zu finden. Es wäre
verlockend, den für beide Klassen maßgebenden Bedingungen nachzugehen.

Wesentlich für die zweite Klasse gelten die Bedingungen, von denen man
einen Teil als die „Isolierung“ des komischen Falles zusammengefaßt
hat. Eine nähere Zerlegung macht etwa folgende Verhältnisse kenntlich:

_a_) Die günstigste Bedingung für die Entstehung der komischen Lust
ergibt die allgemein heitere Stimmung, in welcher man „zum Lachen
aufgelegt“ ist. Bei toxischer Heiterstimmung erscheint fast alles
komisch, wahrscheinlich durch Vergleich mit dem Aufwande in normaler
Verfassung. Witz, Komik und alle ähnlichen Methoden des Lustgewinnes
aus seelischer Tätigkeit sind ja weiter nichts als Wege, um diese
heitere Stimmung -- Euphorie --, wenn sie nicht als allgemeine
Disposition der Psyche vorhanden ist, von einem einzelnen Punkte aus
wiederzugewinnen.

_b_) Ähnlich begünstigend wirkt die Erwartung des Komischen, die
Einstellung auf die komische Lust. Daher reichen bei der Absicht
komisch zu machen, wenn sie vom anderen geteilt wird, Differenzen
von so geringer Höhe aus, daß sie wahrscheinlich übersehen worden
wären, wenn sie sich im absichtslosen Erleben ereignet hätten. Wer
eine komische Lektüre vornimmt oder zu einer Posse ins Theater geht,
dankt es dieser Absicht, daß er dann über Dinge lacht, die in seinem
gewöhnlichen Leben kaum einen Fall des Komischen für ihn ergeben
hätten. Er lacht zuletzt bei der Erinnerung gelacht zu haben, bei der
Erwartung zu lachen, wenn er den komischen Darsteller erst auftreten
sieht, ehe dieser den Versuch unternehmen konnte, ihn zum Lachen zu
bringen. Man gesteht darum auch zu, daß man sich nachträglich schämt,
worüber man im Theater lachen konnte.

_c_) Ungünstige Bedingungen für die Komik ergeben sich aus der Art der
seelischen Tätigkeit, welche das Individuum im Moment beschäftigt.
Vorstellungs- oder Denkarbeit, welche ernste Ziele verfolgt, stört die
Abfuhrfähigkeit der Besetzungen, deren sie ja für ihre Verschiebungen
bedarf, so daß nur unerwartet große Aufwandsdifferenzen zur komischen
Lust durchbrechen können. Der Komik ungünstig sind ganz besonders
alle Weisen des Denkvorganges, die sich vom Anschaulichen weit genug
entfernen, um die Vorstellungsmimik aufhören zu lassen; bei abstraktem
Nachdenken ist für die Komik überhaupt kein Raum mehr, außer wenn diese
Denkweise plötzlich unterbrochen wird.

_d_) Die Gelegenheit zur Entbindung komischer Lust schwindet auch, wenn
die Aufmerksamkeit gerade auf die Vergleichung eingestellt ist, aus
welcher die Komik hervorgehen kann. Unter solchen Umständen verliert
seine komische Kraft, was sonst am sichersten komisch wirkt. Eine
Bewegung oder eine geistige Leistung kann nicht komisch für den werden,
dessen Interesse eben darauf gerichtet ist, sie mit einem ihm klar
vorschwebenden Maße zu vergleichen. So findet der Prüfer den Unsinn
nicht komisch, den der Examinierte in seiner Unwissenheit produziert;
er ärgert sich über ihn, während die Kollegen des Geprüften, die sich
weit mehr dafür interessieren, welches Geschick dieser haben wird, als
wieviel er weiß, denselben Unsinn herzlich belachen. Der Turn- oder
Tanzlehrer hat nur selten ein Auge für das Komische der Bewegungen
bei seinen Schülern, und dem Prediger entgeht durchaus das Komische
an den Charakterfehlern der Menschen, das der Lustspieldichter so
wirksam herauszufinden weiß. Der komische Prozeß verträgt nicht die
Überbesetzung durch die Aufmerksamkeit, er muß durchaus unbeachtet
vor sich gehen können, übrigens darin dem Witze ganz ähnlich. Es
widerspräche aber der Nomenklatur der „Bewußtseinsvorgänge“, deren ich
mich in der „Traumdeutung“ mit gutem Grunde bedient habe, wollte man
ihn einen notwendigerweise +unbewußten+ nennen. Er gehört vielmehr
dem +Vorbewußten+ an, und man kann für solche Vorgänge, die sich im
Vorbewußten abspielen und der Aufmerksamkeitsbesetzung, mit welcher
Bewußtsein verbunden ist, entbehren, passend den Namen „automatische“
verwenden. Der Prozeß der Vergleichung der Aufwände muß automatisch
bleiben, wenn er komische Lust erzeugen soll.

[Sidenote: Die Abfuhr störende Bedingungen.]

_e_) Es ist überaus störend für die Komik, wenn der Fall, aus dem
sie entstehen soll, gleichzeitig zu starker Affektentbindung Anlaß
gibt. Die Abfuhr der wirksamen Differenz ist dann in der Regel
ausgeschlossen. Affekte, Disposition und Einstellung des Individuums im
jeweiligen Falle lassen es verständlich werden, daß das Komische mit
dem Standpunkt der einzelnen Person auftaucht oder schwindet, daß es
ein absolut Komisches nur in Ausnahmsfällen gibt. Die Abhängigkeit oder
Relativität des Komischen ist darum weit größer als die des Witzes,
der sich niemals ergibt, der regelmäßig gemacht wird, und bei dessen
Herstellung bereits auf die Bedingungen, unter denen er Annahme findet,
geachtet werden kann. Die Affektentwicklung ist aber die intensivste
unter den die Komik störenden Bedingungen und wird in dieser Bedeutung
von keiner Seite verkannt.[71] Man sagt darum, das komische Gefühl käme
am ehesten in halbwegs indifferenten Fällen ohne stärkere Gefühls-
oder Interessenbeteiligung zu stande. Doch kann man gerade in Fällen
mit Affektentbindung eine besonders starke Aufwandsdifferenz den
Automatismus der Abfuhr herstellen sehen. Wenn der Oberst +Butler+ die
Mahnungen +Octavios+ „+bitter lachend+“ mit dem Ausruf beantwortet:

  „Dank vom Haus Österreich!“,

so hat seine Erbitterung das Lachen nicht verhindert, welches der
Erinnerung an die Enttäuschung gilt, die er erfahren zu haben glaubt,
und anderseits kann die Größe dieser Enttäuschung vom Dichter nicht
eindrucksvoller geschildert werden, als indem er sie fähig zeigt,
mitten im Sturm der entfesselten Affekte ein Lachen zu erzwingen.
Ich würde meinen, daß diese Erklärung für alle Fälle anwendbar ist,
in denen das Lachen bei anderen als lustvollen Gelegenheiten und mit
intensiven peinlichen oder gespannten Affekten gemeinsam vorkommt.

_f_) Wenn wir noch hinzufügen, daß die Entwicklung der komischen Lust
durch jede andere lustvolle Zutat zum Falle wie durch eine Art von
Kontaktwirkung gefördert werden kann (nach Art des Vorlustprinzipes
beim tendenziösen Witze), so haben wir die Bedingungen der komischen
Lust gewiß nicht vollständig, aber doch für unsere Absicht hinreichend
erörtert. Wir sehen dann, daß diesen Bedingungen sowie der Inkonstanz
und Abhängigkeit des komischen Effekts keine andere Annahme so leicht
genügt wie die Ableitung der komischen Lust von der Abfuhr einer
Differenz, welche unter den wechselndsten Verhältnissen einer anderen
Verwendung als der Abfuhr unterliegen kann.

       *       *       *       *       *

Eine eingehendere Würdigung verdiente noch das Komische des Sexuellen
und Obszönen, das wir hier aber nur mit wenigen Bemerkungen streifen
wollen. Den Ausgangspunkt würde auch hier die Entblößung bilden. Eine
zufällige Entblößung wirkt auf uns komisch, weil wir die Leichtigkeit,
mit welcher wir den Anblick genießen, mit dem großen Aufwand
vergleichen, der sonst zur Erreichung dieses Zieles erforderlich wäre.
Der Fall nähert sich so dem des Naiv-komischen, ist aber einfacher als
dieser. Jede Entblößung, zu deren Zuschauer -- oder Zuhörer im Falle
der Zote -- wir von Seite eines Dritten gemacht werden, gilt gleich
einem Komischmachen der entblößten Person. Wir haben gehört, daß es
Aufgabe des Witzes wird, die Zote zu ersetzen und so eine verloren
gegangene Quelle komischer Lust wieder zu eröffnen. Hingegen ist das
Belauschen einer Entblößung für den Lauschenden kein Fall von Komik,
weil die eigene Anstrengung dabei die Bedingung der komischen Lust
aufhebt; es bleibt hier nur die sexuelle Lust am Erschauten übrig. In
der Erzählung des Lauschers an einen anderen wird die belauschte Person
wiederum komisch, weil der Gesichtspunkt vorwiegt, daß sie den Aufwand
unterlassen hat, der zur Verhüllung ihres Geheimen am Platze gewesen
wäre. Sonst ergeben sich aus dem Bereiche des Sexuellen und Obszönen
die reichlichsten Gelegenheiten zum Gewinne komischer Lust neben
der lustvollen sexuellen Erregtheit, insofern der Mensch in seiner
Abhängigkeit von körperlichen Bedürfnissen gezeigt (Herabsetzung) oder
hinter dem Anspruch der seelischen Liebe die leibliche Anforderung
aufgedeckt werden kann (Entlarvung).

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Psychogenese des Komischen.]

Eine Aufforderung, auch das Verständnis des Komischen in seiner
Psychogenese zu suchen, hat sich überraschender Weise aus dem schönen
und lebensfrischen Buche von +Bergson+ (Le rire) ergeben. +Bergson+,
dessen Formeln zur Erfassung des komischen Charakters uns bereits
bekannt geworden sind -- „mécanisation de la vie“, „substitution
quelconque de l’artificiel au naturel“ -- gerät durch nahe liegende
Gedankenverbindung vom Automatismus auf den Automaten und sucht eine
Reihe von komischen Effekten auf die verblaßte Erinnerung an ein
Kinderspielzeug zurückzuführen. In diesem Zusammenhange erhebt er sich
einmal zu einem Standpunkt, den er allerdings bald wieder verläßt; er
sucht das Komische von der Nachwirkung der Kinderfreuden abzuleiten.
„Peut-être même devrions-nous pousser la simplification plus loin
encore, remonter à nos souvenirs les plus anciens, chercher dans les
jeux qui amusèrent l’enfant, la première ébauche des combinaisons qui
font rire l’homme ... Trop souvent surtout nous méconnaissons ce qu’il
y a d’encore enfantin, pour ainsi dire, dans la plupart de nos émotions
joyeuses“ (S. 68 u. ff.). Da wir nun den Witz bis auf ein durch die
verständige Kritik versagtes Kinderspiel mit Worten und Gedanken
zurückverfolgt haben, muß es uns verlocken, auch diesen von +Bergson+
vermuteten infantilen Wurzeln des Komischen nachzuspüren.

[Sidenote: Das Infantile und die Komik.]

Wirklich stoßen wir auf eine ganze Reihe von Beziehungen, die uns
vielversprechend erscheinen, wenn wir das Verhältnis der Komik zum
Kinde untersuchen. Das Kind selbst erscheint uns keineswegs komisch,
obwohl sein Wesen alle die Bedingungen erfüllt, die beim Vergleiche
mit dem unserigen eine komische Differenz ergeben: Den übermäßigen
Bewegungs- wie den geringen geistigen Aufwand, die Beherrschung der
seelischen Leistungen durch die körperlichen Funktionen und andere
Züge. Das Kind wirkt auf uns nur dann komisch, wenn es sich nicht als
Kind, sondern als ernsthafter Erwachsener gebärdet, und dann in der
gleichen Weise wie andere sich verkleidende Personen; solange es aber
das Wesen des Kindes beibehält, bereitet uns seine Wahrnehmung eine
reine, vielleicht ans Komische anklingende Lust. Wir heißen es naiv,
insofern es uns seine Hemmungslosigkeit zeigt, und naiv-komisch jene
seiner Äußerungen, die wir bei einem anderen als obszön oder als witzig
beurteilt hätten.

Anderseits geht dem Kinde das Gefühl für Komik ab. Dieser Satz
scheint nicht mehr zu besagen, als daß das komische Gefühl sich erst
im Laufe der seelischen Entwicklung irgend einmal einstellt wie so
manches andere, und das wäre nun keineswegs merkwürdig, zumal da man
zugestehen muß, daß es in Jahren, die man dem Kindesalter zurechnen
muß, bereits deutlich hervortritt. Aber es läßt sich doch zeigen, daß
die Behauptung, dem Kinde fehle das Gefühl des Komischen, mehr enthält
als eine Selbstverständlichkeit. Zunächst wird es leicht einzusehen,
daß es nicht anders sein kann, wenn unsere Auffassung richtig ist,
welche das komische Gefühl von einer beim Verstehen des anderen sich
ergebenden Aufwanddifferenz ableitet. Wählen wir wiederum das Komische
der Bewegung als Beispiel. Der Vergleich, der die Differenz liefert,
lautet in bewußte Formeln gebracht: So macht es der, und: So würde ich
es machen, so habe ich es gemacht. Dem Kinde fehlt aber der im zweiten
Satze enthaltene Maßstab, es versteht einfach durch Nachahmung, es
macht es ebenso. Die Erziehung des Kindes beschenkt dasselbe mit dem
Standard: So sollst du es machen; bedient es sich desselben nun bei
der Vergleichung, so liegt ihm der Schluß nahe: Der hat es nicht recht
gemacht, und: Ich kann es besser. In diesem Falle lacht es den anderen
aus, es verlacht ihn im Gefühle seiner Überlegenheit. Es steht nichts
im Wege, auch dieses Lachen von der Aufwandsdifferenz abzuleiten, aber
nach der Analogie mit den bei uns sich ereignenden Fällen von Verlachen
dürfen wir schließen, daß beim Überlegenheitslachen des Kindes das
komische Gefühl nicht verspürt wird. Es ist ein Lachen reiner Lust. Wo
bei uns das Urteil der eigenen Überlegenheit sich deutlich einstellt,
da lächeln wir bloß anstatt zu lachen, oder wenn wir lachen, können wir
dies Bewußtwerden unserer Überlegenheit doch vom Komischen, das uns
lachen macht, deutlich unterscheiden.

Es ist wahrscheinlich richtig zu sagen, das Kind lache aus reiner Lust
unter verschiedenen Umständen, die wir als „komisch“ empfinden und
nicht zu motivieren verstehen, während die Motive des Kindes klare
und angebbare sind. Wenn z. B. jemand auf der Straße ausgleitet und
hinfällt, so lachen wir, weil dieser Eindruck -- unbekannt warum --
komisch ist. Das Kind lacht im gleichen Falle aus Überlegenheitsgefühl
oder aus Schadenfreude: Du bist gefallen, und ich nicht. Gewisse
Lustmotive des Kindes scheinen uns Erwachsenen verloren zu gehen, dafür
verspüren wir unter den gleichen Bedingungen das „komische“ Gefühl als
Ersatz für das Verlorene.

Dürfte man verallgemeinern, so erschiene es recht verlockend, den
gesuchten spezifischen Charakter des Komischen in die Erweckung des
Infantilen zu verlegen, das Komische als das wiedergewonnene „verlorene
Kinderlachen“ zu erfassen. Man könnte dann sagen, ich lache jedesmal
über eine Aufwandsdifferenz zwischen dem anderen und mir, wenn ich
in dem anderen das Kind wiederfinde. Oder genauer ausgedrückt, der
vollständige Vergleich, der zum Komischen führt, würde lauten:

    So macht es der -- Ich mache es anders --
    Der macht es so, wie ich es als Kind gemacht habe.

Dieses Lachen gälte also jedesmal dem Vergleich zwischen dem Ich
des Erwachsenen und dem Ich als Kind. Selbst die Ungleichsinnigkeit
der komischen Differenz, daß mir bald das Mehr, bald das Minder des
Aufwandes komisch erscheint, würde mit der infantilen Bedingung
stimmen; das Komische ist dabei tatsächlich stets auf der Seite des
Infantilen.

Es widerspricht dem nicht, daß das Kind selbst als Objekt der
Vergleichung mir keinen komischen, sondern einen rein lustvollen
Eindruck macht; auch nicht, daß dieser Vergleich mit dem Infantilen nur
dann komisch wirkt, wenn eine andere Verwendung der Differenz vermieden
wird. Denn dabei kommen die Bedingungen der Abfuhr in Betracht. Alles
was einen psychischen Vorgang in einen Zusammenhang einschließt, wirkt
der Abfuhr der überschüssigen Besetzung entgegen und führt diese einer
anderen Verwendung zu; was einen psychischen Akt isoliert, begünstigt
die Abfuhr. Die bewußte Einstellung auf das Kind als Vergleichsperson
macht daher die Abfuhr unmöglich, die zur komischen Lust erforderlich
ist; nur bei vorbewußter Besetzung ergibt sich eine ähnliche Annäherung
an die Isolierung, wie wir sie übrigens auch den seelischen Vorgängen
im Kinde zuschreiben dürfen. Der Zusatz zum Vergleiche: So hab’ ich
es als Kind auch gemacht, von dem die komische Wirkung ausginge, käme
also für mittlere Differenzen erst dann in Betracht, wenn kein anderer
Zusammenhang sich des frei gewordenen Überschusses bemächtigen könnte.

Verweilen wir noch bei dem Versuch, das Wesen des Komischen in der
vorbewußten Anknüpfung an das Infantile zu finden, so müssen wir einen
Schritt über +Bergson+ hinaus tun und zugeben, daß der das Komische
ergebende Vergleich nicht etwa alte Kinderlust und Kinderspiel erwecken
müsse, sondern daß es hinreiche, wenn er an kindliches Wesen überhaupt,
vielleicht selbst an Kinderleid rühre. Wir entfernen uns hierin von
+Bergson+, bleiben aber im Einklang mit uns selbst, wenn wir die
komische Lust nicht auf erinnerte Lust, sondern immer wieder auf einen
Vergleich beziehen. Vielleicht, daß die Fälle der ersteren Art das
regelmäßig und unwiderstehlich Komische einigermaßen decken. Ziehen wir
hier das vorhin angeführte Schema der komischen Möglichkeiten heran.
Wir sagten, die komische Differenz würde gefunden entweder

       _a_) durch einen Vergleich zwischen dem anderen und dem Ich,
  oder _b_) durch einen Vergleich ganz innerhalb des anderen,
  oder _c_) durch einen Vergleich ganz innerhalb des Ichs.

Im ersteren Falle erschiene der andere mir als Kind, im zweiten ließe
er sich selbst zum Kind herab, im dritten fände ich das Kind in mir
selbst. Zum ersten Falle gehören das Komische der Bewegung und der
Formen, der geistigen Leistung und des Charakters; das entsprechende
Infantile wären der Bewegungsdrang und die geistige und sittliche
Minderentwicklung des Kindes, so daß etwa der Dumme mir komisch
würde, insofern er mich an ein faules, der Böse, insofern er an ein
schlimmes Kind mahnt. Von einer dem Erwachsenen verloren gegangenen
Kinderlust könnte man nur das eine Mal reden, wo die dem Kind eigene
Bewegungsfreudigkeit in Betracht kommt.

Der zweite Fall, bei welchem die Komik ganz auf „Einfühlung“ beruht,
umfaßt die zahlreichsten Möglichkeiten, die Komik der Situation, der
Übertreibung (Karikatur), der Nachahmung, der Herabsetzung und der
Entlarvung. Es ist derjenige Fall, dem die Einführung des infantilen
Gesichtspunktes am meisten zu statten kommt. Denn die Situationskomik
gründet sich zumeist auf Verlegenheiten, in denen wir die Hilflosigkeit
des Kindes wiederfinden; die ärgste dieser Verlegenheiten, die
Störung anderer Leistungen durch die gebieterischen Anforderungen
der natürlichen Bedürfnisse entspricht der dem Kinde noch mangelnden
Beherrschung der leiblichen Funktionen. Wo die Situationskomik durch
Wiederholungen wirkt, stützt sie sich auf die dem Kinde eigentümliche
Lust an fortgesetzter Wiederholung (Fragen, Geschichten erzählen),
durch die es dem Erwachsenen zur Plage wird. Die Übertreibung,
welche auch dem Erwachsenen noch Lust bereitet, insofern sie eine
Rechtfertigung vor dessen Kritik zu finden weiß, hängt mit der
eigentümlichen Maßlosigkeit des Kindes, mit dessen Unkenntnis aller
quantitativen Beziehungen zusammen, die es ja später kennen lernt als
die qualitativen. Maßhalten, Ermäßigung auch der erlaubten Regungen ist
eine späte Frucht der Erziehung und wird durch gegenseitige Hemmung der
in einen Zusammenhang aufgenommenen seelischen Tätigkeiten gewonnen. Wo
dieser Zusammenhang geschwächt wird, im Unbewußten des Traumes, beim
Monoideismus der Psychoneurosen tritt die Unmäßigkeit des Kindes wieder
hervor.

Die Komik der Nachahmung hatte unserem Verständnis relativ große
Schwierigkeiten bereitet, solange wir das infantile Moment dabei außer
Acht ließen. Die Nachahmung ist aber die beste Kunst des Kindes und das
treibende Motiv der meisten seiner Spiele. Der Ehrgeiz des Kindes zielt
weit weniger auf die Auszeichnung unter seinesgleichen als auf die
Nachahmung der Großen. Von dem Verhältnis des Kindes zu den Erwachsenen
hängt auch die Komik der Herabsetzung ab, der die Herablassung des
Erwachsenen im Kinderleben entspricht. Wenig anderes kann dem Kinde
größere Lust bereiten, als wenn der Große sich zu ihm herabläßt, auf
seine drückende Überlegenheit verzichtet und wie seinesgleichen mit ihm
spielt. Die Erleichterung, die dem Kinde reine Lust schafft, wird beim
Erwachsenen als Herabsetzung zu einem Mittel des Komischmachens und zu
einer Quelle komischer Lust. Von der Entlarvung wissen wir, daß sie auf
die Herabsetzung zurückgeht.

Am meisten stößt auf Schwierigkeiten die infantile Begründung des
dritten Falles, der Komik der Erwartung, was wohl erklärt, daß
jene Autoren, welche diesen Fall in ihrer Auffassung des Komischen
vorangestellt haben, keinen Anlaß fanden, das infantile Moment für die
Komik in Betracht zu ziehen. Das Komische der Erwartung liegt dem Kinde
wohl am fernsten, die Fähigkeit, dieses zu erfassen, tritt bei ihm am
spätesten auf. Das Kind wird in den meisten derartigen Fällen, die dem
Erwachsenen komisch dünken, wahrscheinlich nur Enttäuschung empfinden.
Man könnte aber an die Erwartungsseligkeit und Leichtgläubigkeit des
Kindes anknüpfen, um zu verstehen, daß man sich „als Kind“ komisch
vorkommt, wenn man der komischen Enttäuschung unterliegt.

Ergäbe sich nun auch aus dem Vorstehenden eine gewisse
Wahrscheinlichkeit für eine Übersetzung des komischen Gefühls die etwa
lauten könnte: Komisch ist das, was sich für den Erwachsenen nicht
schickt, so fühle ich mich doch, vermöge meiner ganzen Stellung zum
komischen Problem, nicht kühn genug, diesen letzten Satz mit ähnlichem
Ernst wie die vorhin aufgestellten zu verteidigen. Ich mag nicht
entscheiden, ob die Herabsetzung zum Kinde nur ein Spezialfall der
komischen Herabsetzung ist, oder ob alle Komik im Grunde auf einer
Herabsetzung zum Kinde beruht.[72]

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Der Humor.]

Eine Untersuchung, die das Komische noch so flüchtig behandelt, wäre in
arger Weise unvollständig, wenn sie nicht wenigstens einige Bemerkungen
für den +Humor+ übrig hätte. Die Wesensverwandtschaft zwischen beiden
ist so wenig zweifelhaft, daß ein Erklärungsversuch des Komischen
mindestens eine Komponente zum Verständnis des Humors abgeben muß.
Soviel des Treffenden und Erhebenden auch zur Wertschätzung des Humors
vorgebracht worden ist, der, selbst eine der höchsten psychischen
Leistungen, auch die besondere Gunst der Denker genießt, so können wir
doch dem Versuche nicht ausweichen, sein Wesen durch eine Annäherung an
die Formeln für den Witz und für das Komische auszudrücken.

Wir haben gehört, daß die Entbindung peinlicher Affekte das stärkste
Hindernis der komischen Wirkung ist. Sowie die zwecklose Bewegung
Schaden stiftet, die Dummheit zum Unheil führt, die Enttäuschung
Schmerz bereitet, ist es mit der Möglichkeit eines komischen Effekts
zu Ende, für den wenigstens, der sich solcher Unlust nicht erwehren
kann, selbst von ihr betroffen wird oder an ihr Anteil nehmen muß,
während der Unbeteiligte durch sein Verhalten bezeugt, daß in der
Situation des betreffenden Falles alles enthalten ist, was für eine
komische Wirkung erfordert wird. Der Humor ist nun ein Mittel, um die
Lust trotz der sie störenden peinlichen Affekte zu gewinnen; er tritt
für diese Affektentwicklung ein, setzt sich an die Stelle derselben.
Seine Bedingung ist gegeben, wenn eine Situation vorliegt, in welcher
wir unseren Gewohnheiten gemäß versucht sind, peinlichen Affekt zu
entbinden, und wenn nun Motive auf uns einwirken, um diesen Affekt in
statu nascendi zu unterdrücken. In den eben angeführten Fällen könnte
also die vom Schaden, Schmerz usw. betroffene Person humoristische
Lust gewinnen, während die unbeteiligte aus komischer Lust lacht. Die
Lust des Humors entsteht dann, wir können nicht anders sagen, auf
Kosten dieser unterbliebenen Affektentbindung, sie geht aus +erspartem
Affektaufwand+ hervor.

Der Humor ist die genügsamste unter den Arten des Komischen; sein
Vorgang vollendet sich bereits in einer einzigen Person, die Teilnahme
einer anderen fügt nichts Neues zu ihm hinzu. Ich kann den Genuß der
in mir entstandenen humoristischen Lust für mich behalten, ohne mich
zur Mitteilung gedrängt zu fühlen. Es ist nicht leicht zu sagen,
was bei der Erzeugung der humoristischen Lust in der einen Person
vorgeht; man gewinnt aber eine gewisse Einsicht, wenn man die Fälle
des mitgeteilten oder nachgefühlten Humors untersucht, in denen
ich durch das Verständnis der humoristischen Person zur gleichen
Lust wie sie gelange. Der gröbste Fall des Humors, der sogenannte
Galgenhumor, mag uns darüber belehren. Der Spitzbube, der am Montag
zur Exekution geführt wird, äußert: „Na, diese Woche fängt gut an.“
Das ist eigentlich ein Witz, denn die Bemerkung ist an sich ganz
zutreffend, anderseits in ganz unsinniger Weise deplaciert, da es
weitere Ereignisse in dieser Woche für ihn nicht geben wird. Es
gehört aber Humor dazu, einen solchen Witz zu machen, d. h. über
alles hinwegzusehen, was diesen Wochenbeginn vor anderen auszeichnet,
den Unterschied zu leugnen, aus dem sich Motive zu ganz besonderen
Gefühlsregungen ergeben könnten. Derselbe Fall, wenn er sich auf dem
Wege zur Hinrichtung ein Halstuch für seinen bloßen Hals ausbittet,
um sich nicht zu verkühlen, eine Vorsicht, die sonst ganz lobenswert
wäre, bei dem nahe bevorstehenden Schicksal dieses Halses aber
ungeheuer überflüssig und gleichgiltig ist. Man muß sagen, es steckt
etwas wie Seelengröße in dieser „Blague“, in solchem Festhalten seines
gewohnten Wesens und Abwenden von dem, was dieses Wesen umwerfen und
zur Verzweiflung treiben sollte. Diese Art von Großartigkeit des Humors
tritt dann unverkennbar in Fällen hervor, in denen unsere Bewunderung
keine Hemmung an den Umständen der humoristischen Person findet.

In +V. Hugos Hernani+ ist der Bandit, der sich in eine Verschwörung
gegen seinen König, Karl I. von Spanien und Karl V. als deutscher
Kaiser, eingelassen hat, in die Hände dieses seines großmächtigen
Feindes gefallen; er sieht sein Schicksal als überführter Hochverräter
voraus, sein Kopf wird fallen. Aber diese Voraussicht hält ihn nicht
ab, sich als erbberechtigten Grande von Spanien erkennen zu geben und
zu erklären, daß er auf kein Vorrecht eines solchen zu verzichten
gedenke. Ein Grande von Spanien durfte in Gegenwart seines königlichen
Herrn sein Haupt bedecken. Nun gut:

    „Nos têtes ont le droit
    De tomber couvertes devant de toi.“

Dies ist großartiger Humor, und wenn wir als Hörer dabei nicht
lachen, so geschieht es, weil unsere Bewunderung die humoristische
Lust deckt. Im Falle des Spitzbuben, der sich auf dem Wege zum Galgen
nicht verkühlen will, lachen wir aus vollem Halse. Die Situation,
die den Delinquenten zur Verzweiflung treiben sollte, könnte bei uns
intensives Mitleid erregen; aber dies Mitleid wird gehemmt, weil wir
verstehen, daß er, der näher Betroffene, sich aus der Situation nichts
macht. Infolge dieses Verständnisses wird der Aufwand zum Mitleid,
der schon in uns bereit war, unverwendbar, und wir lachen ihn ab. Die
Gleichgiltigkeit des Spitzbuben, von der wir aber merken, daß sie ihn
einen großen Aufwand von psychischer Arbeit gekostet hat, steckt uns
gleichsam an.

[Sidenote: Ersparter Affektaufwand.]

Erspartes Mitleid ist eine der häufigsten Quellen der humoristischen
Lust. Der Humor +Mark Twains+ arbeitet gewöhnlich mit diesem
Mechanismus. Wenn er uns aus dem Leben seines Bruders erzählt, wie
dieser als Angestellter einer großen Wegbauunternehmung durch die
vorzeitige Explosion einer Mine in die Luft zu fliegen kam, um weit
entfernt von seinem Arbeitsorte wieder zur Erde zu kommen, so werden
unvermeidlich Regungen des Mitgefühls für den Verunglückten in uns
wach; wir möchten fragen, ob ihm bei seinem Unfall kein Schaden
geschehen ist; aber die Fortsetzung der Geschichte, daß dem Bruder
ein halber Tag Arbeitslohn abgezogen wurde „wegen Entfernung vom
Arbeitsorte“ lenkt uns vollständig vom Mitleid ab und macht uns beinahe
ebenso hartherzig wie jene Unternehmer, ebenso gleichgiltig gegen die
etwaige Gesundheitsschädigung des Bruders. Ein andermal legt uns +Mark
Twain+ seinen Stammbaum vor, den er etwa bis auf einen Gefährten des
Kolumbus zurückführt. Nachdem uns aber der Charakter dieses Ahnen
geschildert wurde, dessen ganzes Gepäck aus mehreren Wäschestücken
besteht, von denen jedes eine andere Märke trägt, können wir nicht
anders als auf Kosten der ersparten Pietät lachen, in welche wir
uns zu Beginn dieser Familiengeschichte zu versetzen gedachten. Der
Mechanismus der humoristischen Lust wird dabei nicht durch unser Wissen
gestört, daß diese Ahnengeschichte eine fingierte ist, und daß diese
Fiktion der satirischen Tendenz dient, die Schönfärberei, die sich in
solchen Mitteilungen anderer kundgibt, bloßzustellen; er ist ebenso
unabhängig von der Realitätsbedingung wie im Falle des Komischmachens.
Eine andere Geschichte von +Mark Twain+, die berichtet, wie sein
Bruder sich ein unterirdisches Quartier herstellte, in das er Bett,
Tisch und Lampe brachte, und das als Dach ein großes, in der Mitte
durchlöchertes Stück Segeltuch bekam, wie aber in der Nacht, nachdem
die Stube fertig geworden, eine heimgetriebene Kuh durch die Öffnung
der Decke auf den Tisch herabfiel und die Lampe auslöschte, wie der
Bruder geduldig mithalf, das Tier hinaufzubefördern und die Einrichtung
wiederherzustellen, wie er das gleiche tat, als sich die gleiche
Störung in der nächsten Nacht wiederholte und dann jede weitere Nacht;
eine solche Geschichte wird durch ihre Wiederholung komisch. +Mark
Twain+ beschließt sie aber mit der Mitteilung, der Bruder habe endlich
in der 46sten Nacht, als wiederum die Kuh herabfiel, bemerkt: Die Sache
fange an, monoton zu werden, und da können wir unsere humoristische
Lust nicht zurückhalten, denn wir hätten längst zu hören erwartet, wie
sich der Bruder über dies hartnäckige Malheur -- geärgert. Den kleinen
Humor, den wir etwa selbst in unserem Leben aufbringen, produzieren wir
in der Regel auf Kosten des Ärgers, anstatt uns zu ärgern.[73]

[Sidenote: Arten des Humors.]

Die Arten des Humors sind außerordentlich mannigfach je nach der Natur
der Gefühlserregung, die zu Gunsten des Humors erspart wird: Mitleid,
Ärger, Schmerz, Rührung usw. Die Reihe derselben erscheint auch
unabgeschlossen, weil das Reich des Humors immer weitere Ausdehnung
erfährt, wenn es dem Künstler oder Schriftsteller gelingt, bisher
noch unbezwungene Gefühlsregungen humoristisch zu bändigen, sie
durch ähnliche Kunstgriffe wie in den vorigen Beispielen zur Quelle
humoristischer Lust zu machen. Die Künstler des „+Simplizissimus+“,
z. B. haben Erstaunliches darin geleistet, den Humor auf Kosten von
Grausen und Ekel zu gewinnen. Die Erscheinungsformen des Humors
werden übrigens durch zwei Eigentümlichkeiten bestimmt, die mit den
Bedingungen seiner Entstehung zusammenhängen. Der Humor kann erstens
mit dem Witz oder einer anderen Art des Komischen verschmolzen
auftreten, wobei ihm die Aufgabe zufällt, eine in der Situation
enthaltene Möglichkeit von Affektentwicklung, die ein Hindernis
für die Lustwirkung wäre, zu beseitigen. Er kann zweitens diese
Affektentwicklung gänzlich aufheben oder bloß partiell, was sogar der
häufigere Fall ist, weil die leichtere Leistung, und die verschiedenen
Formen des „gebrochenen“[74] Humors, den Humor, der unter Tränen
lächelt, ergibt. Er entzieht dem Affekt einen Teil seiner Energie und
gibt ihm dafür den humoristischen Beiklang.

Die durch Nachfühlen gewonnene humoristische Lust entspringt, wie
man an obigen Beispielen merken konnte, einer besonderen, der
Verschiebung vergleichbaren Technik, durch welche die bereit gehaltene
Affektentbindung enttäuscht und die Besetzung auf anderes, nicht selten
Nebensächliches gelenkt wird. Für das Verständnis des Vorganges, durch
welchen in der humoristischen Person selbst die Verschiebung von der
Affektentwicklung weg vor sich geht, ist aber hiemit nichts gewonnen.
Wir sehen, daß der Empfänger den Schöpfer des Humors in seinen
seelischen Vorgängen nachahmt, erfahren dabei aber nichts über die
Kräfte, welche diesen Vorgang bei letzterem ermöglichen.

Man kann nur sagen, wenn es jemandem gelingt, sich z. B. über einen
schmerzlichen Affekt hinwegzusetzen, indem er sich die Größe der
Weltinteressen als Gegensatz zur eigenen Kleinheit vorhält, so sehen
wir darin keine Leistung des Humors, sondern des philosophischen
Denkens und haben auch keinen Lustgewinn, wenn wir uns in seinen
Gedankengang hineinversetzen. Die humoristische Verschiebung ist also
in der Beleuchtung der bewußten Aufmerksamkeit ebenso unmöglich wie die
komische Vergleichung; sie ist wie diese an die Bedingung, vorbewußt
oder automatisch zu bleiben, gebunden.

Zu einigem Aufschluß über die humoristische Verschiebung gelangt
man, wenn man sie im Lichte eines Abwehrvorganges betrachtet. Die
Abwehrvorgänge sind die psychischen Korrelate des Fluchtreflexes und
verfolgen die Aufgabe, die Entstehung von Unlust aus inneren Quellen
zu verhüten; in der Erfüllung dieser Aufgabe dienen sie dem seelischen
Geschehen als eine automatische Regulierung, die sich schließlich
allerdings als schädlich herausstellt und darum der Beherrschung
durch das bewußte Denken unterworfen werden muß. Eine bestimmte Art
dieser Abwehr, die mißglückte Verdrängung, habe ich als den wirkenden
Mechanismus für die Entstehung der Psychoneurosen nachgewiesen. Der
Humor kann nun als die höchststehende dieser Abwehrleistungen aufgefaßt
werden. Er verschmäht es, den mit dem peinlichen Affekt verknüpften
Vorstellungsinhalt der bewußten Aufmerksamkeit zu entziehen, wie es
die Verdrängung tut, und überwindet somit den Abwehrautomatismus;
er bringt dies zu stande, indem er die Mittel findet, der bereit
gehaltenen Unlustentbindung ihre Energie zu entziehen und diese durch
Abfuhr in Lust zu verwandeln. Es ist selbst denkbar, daß wiederum der
Zusammenhang mit dem Infantilen ihm die Mittel zu dieser Leistung zur
Verfügung stellt. Im Kinderleben allein hat es intensive peinliche
Affekte gegeben, über welche der Erwachsene heute lächeln würde, wie
er als Humorist über seine gegenwärtigen peinlichen Affekte lacht.
Die Erhebung seines Ichs, von welcher die humoristische Verschiebung
Zeugnis ablegt -- deren Übersetzung doch lauten würde: Ich bin zu
groß(artig), als daß diese Anlässe mich peinlich berühren sollten
--, könnte er wohl aus der Vergleichung seines gegenwärtigen Ichs
mit seinem kindlichen entnehmen. Einigermaßen unterstützt wird diese
Auffassung durch die Rolle, die dem Infantilen bei den neurotischen
Verdrängungsvorgängen zufällt.

[Sidenote: Stellung des Humors zu Witz und Komik.]

Im ganzen steht der Humor dem Komischen näher als dem Witz. Er hat
mit jenem auch die psychische Lokalisation im Vorbewußten gemeinsam,
während der Witz, wie wir annehmen mußten, als Kompromiß zwischen
Unbewußtem und Vorbewußtem gebildet wird. Dafür hat er keinen Anteil an
einem eigentümlichen Charakter, in welchem Witz und Komik sich treffen,
den wir vielleicht bisher nicht scharf genug hervorgehoben haben. Es
ist Bedingung für die Entstehung des Komischen, daß wir veranlaßt
werden, +gleichzeitig oder in rascher Aufeinanderfolge+ für die
nämliche Vorstellungsleistung zweierlei verschiedene Vorstellungsweisen
anzuwenden, zwischen denen dann die „Vergleichung“ statt hat, und
die komische Differenz sich ergibt. Solche Aufwandsdifferenzen
entstehen zwischen dem Fremden und dem Eigenen, dem Gewohnten und dem
Veränderten, dem Erwarteten und dem Eingetroffenen.[75]

Beim Witz kommt die Differenz zwischen zwei sich gleichzeitig
ergebenden Auffassungsweisen, die mit verschiedenem Aufwand arbeiten,
für den Vorgang beim Witzhörer in Betracht. Die eine dieser beiden
Auffassungen macht, den im Witze enthaltenen Andeutungen folgend, den
Weg des Gedankens durch das Unbewußte nach, die andere verbleibt an der
Oberfläche und stellt den Witz wie einen sonstigen aus dem Vorbewußten
bewußt gewordenen Wortlaut vor. Es wäre vielleicht keine unberechtigte
Darstellung, wenn man die Lust des angehörten Witzes aus der Differenz
dieser beiden Vorstellungsweisen ableiten würde.[76]

Wir sagen hier vom Witze das nämliche aus, was wir als seine
Janusköpfigkeit beschrieben haben, solange uns die Beziehung zwischen
Witz und Komik noch unerledigt erschien.[77]

Beim Humor verwischt sich der hier in den Vordergrund gerückte
Charakter. Wir verspüren zwar die humoristische Lust, wo eine
Gefühlsregung vermieden wird, die wir als eine der Situation
gewohnheitsmäßig zugeordnete erwartet hätten, und insofern fällt
auch der Humor unter den erweiterten Begriff der Erwartungskomik.
Aber es handelt sich beim Humor nicht mehr um zwei verschiedene
Vorstellungsweisen desselben Inhalts; daß die Situation durch die zu
vermeidende Gefühlserregung mit Unlustcharakter beherrscht wird, macht
der Vergleichbarkeit mit dem Charakter beim Komischen und beim Witze
ein Ende. Die humoristische Verschiebung ist eigentlich ein Fall jener
andersartigen Verwendung eines frei gewordenen Aufwandes, der sich als
so gefährlich für die komische Wirkung herausgestellt hat.

       *       *       *       *       *

[Sidenote: Die Formeln für Witz, Komik, Humor.]

Wir stehen nun am Ende unserer Aufgabe, nachdem wir den Mechanismus
der humoristischen Lust auf eine analoge Formel zurückgeführt haben
wie für die komische Lust und den Witz. Die Lust des Witzes schien
uns aus +erspartem Hemmungsaufwand+ hervorzugehen, die der Komik
aus +erspartem Vorstellungs+-(Besetzungs-)+aufwand+, und die des
Humors aus +erspartem Gefühlsaufwand+. In allen drei Arbeitsweisen
unseres seelischen Apparats stammt die Lust von einer Ersparung; alle
drei kommen darin überein, daß sie Methoden darstellen, um aus der
seelischen Tätigkeit eine Lust wiederzugewinnen, welche eigentlich
erst durch die Entwicklung dieser Tätigkeit verloren gegangen ist.
Denn die Euphorie, welche wir auf diesen Wegen zu erreichen streben,
ist nichts anderes als die Stimmung einer Lebenszeit, in welcher wir
unsere psychische Arbeit überhaupt mit geringem Aufwand zu bestreiten
pflegten, die Stimmung unserer Kindheit, in der wir das Komische nicht
kannten, des Witzes nicht fähig waren und den Humor nicht brauchten, um
uns im Leben glücklich zu fühlen.


  [60] Ich habe hier überall das Naive mit dem Naivkomischen
       identifiziert, was gewiß nicht allgemein zulässig ist. Aber es
       genügt unseren Absichten, die Charaktere des Naiven am „naiven
       Witz“ und an der „naiven Zote“ zu studieren. Ein weiteres
       Eingehen würde die Absicht voraussetzen, von hier aus das Wesen
       des Komischen zu ergründen.

  [61] Auch +Bergson+ (Le rire, 1904) weist (S. 99) eine solche
       Ableitung der komischen Lust, die unverkennbar durch das
       Bestreben beeinflußt worden ist, eine Analogie mit dem Lachen
       des Gekitzelten zu schaffen, mit guten Argumenten ab. -- Auf
       einem ganz anderen Niveau steht die Erklärung der komischen Lust
       bei +Lipps+, die im Zusammenhange mit seiner Auffassung des
       Komischen als eines „unerwarteten Kleinen“ darzustellen wäre.

  [62] Die Erinnerung an diesen Innervationsaufwand wird das
       wesentliche Stück der Vorstellung von dieser Bewegung bleiben,
       und es wird immer Denkweisen in meinem Seelenleben geben, bei
       welchen die Vorstellung durch nichts anderes als diesen Aufwand
       repräsentiert wird. In anderen Zusammenhängen mag ja ein
       Ersatz dieses Elements durch andere, z. B. durch die visuellen
       Vorstellungen des Bewegungszieles, durch die Wortvorstellung,
       eintreten, und bei gewissen Arten des abstrakten Denkens wird
       ein Zeichen anstatt des vollen Inhalts der Vorstellung genügen.

  [63] „Was man nicht im Kopfe hat,“ sagt das Sprichwort, „muß man in
       den Beinen haben.“

  [64] Diese durchgehende Gegensätzlichkeit in den Bedingungen des
       Komischen, daß bald ein Zuviel, bald ein Zuwenig als die Quelle
       der komischen Lust erscheint, hat zur Verwirrung des Problems
       nicht wenig beigetragen. Vgl. +Lipps+ (l. c., S. 47).

  [65] Degradation. +A. Bain+ (The emotions and the will, 2. edit.
       1865, sagt: „The occasion of the Ludicrous is the degradation of
       some person or interest, possessing dignity, in circumstances
       that excite no other strong emotion.“) (S. 248).

  [66] „So heißt überhaupt Witz jedes bewußte und geschickte
       Hervorrufen der Komik, sei es der Komik der Anschauung oder der
       Situation. Natürlich können wir auch diesen Begriff des Witzes
       hier nicht brauchen.“ +Lipps+, l. c. S. 78.

  [67] Dies wird höchstens vom Erzähler als Deutung eingesetzt.

  [68] L. c. S. 83. (3. Aufl. S. 87).

  [69] +Bergson+, Le rire, essai sur la signification du comique. 3me
       édition, Paris 1904.

  [70] Sechste Auflage, Berlin 1891.

  [71] „Du hast leicht lachen, dich geht es nicht weiter an.“

  [72] Daß die komische Lust ihre Quelle im „quantitativen Kontrast“
       im Vergleich von Klein und Groß hat, welcher schließlich auch
       die wesentliche Relation des Kindes zum Erwachsenen ausdrückt,
       dies wäre in der Tat ein seltsames Zusammentreffen, wenn das
       Komische weiter nichts mit dem Infantilen zu tun hätte.

  [73] Die großartige humoristische Wirkung einer Figur wie des dicken
       Ritters +Sir John Falstaff+ beruht auf ersparter Verachtung und
       Entrüstung. Wir erkennen zwar in ihm den unwürdigen Schlemmer
       und Hochstapler, aber unsere Verurteilung wird durch eine ganze
       Reihe von Momenten entwaffnet. Wir verstehen, daß er sich
       genau so kennt, wie wir ihn beurteilen; er imponiert uns durch
       seinen Witz, und außerdem übt seine körperliche Mißgestalt
       eine Kontaktwirkung zu Gunsten einer komischen Auffassung
       seiner Person anstatt einer ernsthaften aus, als ob unsere
       Anforderungen von Moral und Ehre von einem so dicken Bauch
       abprallen müßten. Sein Treiben ist im ganzen harmlos und wird
       durch die komische Niedrigkeit der von ihm Betrogenen fast
       entschuldigt. Wir geben zu, daß der Arme bemüht sein darf zu
       leben und zu genießen wie ein anderer, und bemitleiden ihn fast,
       weil wir ihn in den Hauptsituationen als Spielzeug in den Händen
       eines ihm weit Überlegenen finden. Darum können wir ihm nicht
       gram werden und schlagen alles, was wir bei ihm an Entrüstung
       ersparen, zur komischen Lust, die er sonst bereitet, hinzu. +Sir
       John’s+ eigener Humor geht eigentlich aus der Überlegenheit
       eines Ich’s hervor, dem weder seine leiblichen noch seine
       moralischen Defekte die Heiterkeit und Sicherheit rauben können.

       Der geistreiche Ritter +Don Quijote de la Mancha+ ist hingegen
       eine Gestalt, die selbst keinen Humor besitzt und uns in ihrem
       Ernst eine Lust bereitet, die man eine humoristische nennen
       könnte, obwohl deren Mechanismus eine wichtige Abweichung von
       dem des Humors erkennen läßt. +Don Quijote+ ist ursprünglich
       eine rein komische Figur, ein großes Kind, dem die Phantasien
       seiner Ritterbücher zu Kopfe gestiegen sind. Es ist bekannt,
       daß der Dichter anfangs nichts anderes mit ihm wollte, und
       daß das Geschöpf allmählich weit über die ersten Absichten
       des Schöpfers hinauswuchs. Nachdem aber der Dichter diese
       lächerliche Person mit der tiefsten Weisheit und den edelsten
       Absichten ausgestattet und sie zum symbolischen Vertreter eines
       Idealismus gemacht hat, der an die Verwirklichung seiner Ziele
       glaubt, Pflichten ernst und Versprechen wörtlich nimmt, hört
       diese Person auf, komisch zu wirken. Ähnlich wie sonst die
       humoristische Lust durch Verhinderung einer Gefühlserregung
       entsteht sie hier durch Störung der komischen Lust. Doch
       entfernen wir uns mit diesen Beispielen bereits merklich von den
       einfachen Fällen des Humors.

  [74] Ein Terminus, der in der Ästhetik von +Fr. Th. Vischer+ in ganz
       anderem Sinne verwendet wird.

  [75] Wenn man sich nicht scheut, dem Begriff Erwartung einigen
       Zwang anzutun, kann man nach dem Vorgange von Lipps ein sehr
       großes Gebiet des Komischen der Erwartungskomik zurechnen, aber
       gerade die wahrscheinlich ursprünglichsten Fälle der Komik, die
       aus der Vergleichung eines fremden Aufwandes mit dem eigenen
       hervorgehen, würden sich dieser Zusammenfassung am wenigsten
       fügen.

  [76] Man kann an dieser Formel ohne weiteres festhalten, denn sie
       läuft auf nichts heraus, was im Widerspruch zu früheren
       Erörterungen stünde. Die Differenz zwischen den beiden Aufwänden
       muß sich im wesentlichen auf den ersparten Hemmungsaufwand
       reduzieren. Das Fehlen dieser Hemmungsersparung beim Komischen
       und der Wegfall des quantitativen Kontrastes beim Witze
       würden, bei aller Übereinstimmung im Charakter der zweierlei
       Vorstellungsarbeit für die nämliche Auffassung, den Unterschied
       des komischen Gefühls vom Eindruck des Witzes bedingen.

  [77] Die Eigentümlichkeit der „Double face“ ist den Autoren natürlich
       nicht entgangen. +Mélinaud+, dem ich obigen Ausdruck entnahm
       (Pourquoi rit-on? Revue des deux mondes, Februar, 1895), faßt
       die Bedingung für das Lachen in folgende Formel: Ce qui fait
       rire, c’est ce qui est à la fois, d’un côté, absurde et de
       l’autre, familier. Die Formel paßt auf den Witz besser als aufs
       Komische, deckt aber auch den ersteren nicht ganz. -- +Bergson+
       (l. c., S. 98) definiert die komische Situation durch die
       „interférence des séries“: „Une situation est toujours comique
       quand elle appartient en même temps à deux séries d’événements
       absolument indépendantes, et qu’elle peut s’interpréter à la
       fois dans deux sens tout différents.“ -- Für +Lipps+ ist die
       Komik „die Größe und Kleinheit desselben“.




VERLAG VON FRANZ DEUTICKE IN LEIPZIG UND WIEN.


Nachstehende neun Werke, welche als die Dokumente für den
Entwicklungsgang und den Inhalt der =Freudschen Lehren= anzusehen sind,
werden, ~wenn auf einmal bezogen~, zum Vorzugspreise von M 32.-- = K
38.40 (statt M 40.50 = K 48.60) abgegeben:

  Studien über Hysterie.

  Von =Dr. Jos. Breuer= und =Prof. Dr. Sigm. Freud=.
  Zweite Auflage. Preis M 7·-- = K 8·40.


  Sammlung kleiner Schriften zur Neurosenlehre.

  Von =Prof. Dr. Sigm. Freud=.

  I. und II. Reihe. 2. Auflage. Preis à M 5·-- = K 6·--.


  Über Psychoanalyse.

  Fünf Vorlesungen, gehalten zur 20jährigen Gründungsfeier
  der Clark University in Worcester Mass.

  Von =Prof. Dr. Sigm. Freud=.

  Zweite Auflage. Preis M 1·50 = K 1·80.


  Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie.

  Von =Prof. Dr. Sigm. Freud=.

  Zweite Auflage. Preis M 2·-- = K 2·40.


  Die Traumdeutung.

  Von =Prof. Dr. Sigm. Freud=.

  Dritte, vermehrte Auflage. Preis M 10·-- = K 12·--.


  Der Wahn und die Träume
  in W. Jensens „Gradiva“.

  (Schriften zur angewandten Seelenkunde. I. Heft.)

  Von =Prof. Dr. Sigm. Freud=.

  Zweite Auflage. Preis M 2·50 = K 3·--.


  Eine Kindheitserinnerung d. Leonardo da Vinci.

  (Schriften zur angewandten Seelenkunde. VII. Heft.)

  Von =Prof. Dr. Sigm. Freud=.

  Preis M 2·50 = K 3·--.


  Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten.

  Von =Prof. Dr. Sigm. Freud=.

  Zweite Auflage. Preis M 5·-- = K 6·--.


  Jahrbuch für psychoanalytische
  und psychopathologische Forschungen.

  Herausgegeben von
  =Prof. Dr. E. Bleuler= in Zürich und =Prof. Dr. S. Freud= in Wien.

  Redigiert von
  =Dr. C. G. Jung=,

  Privatdozenten der Psychiatrie in Zürich.

    I. Band: 1. und 2. Hälfte. Preis à M 7·-- = K 8·40.
   II. Band: 1. und 2. Hälfte. Preis à M 8·-- = K 9·60.
  III. Band: 1. Hälfte. Preis M 10·-- = K 12·--, 2. Hälfte. Preis
         M 8·-- = K 9·60.

       *       *       *       *       *

  =Einführung in das Studium
  der Nervenkrankheiten=

  für Studierende und Ärzte.

  Von =Priv.-Doz. Dr. Alfred Fuchs=,

  Assistent der k. k. Klinik für Psychiatrie und Nervenkrankheiten in
  Wien.

  Mit 69 Abbildungen im Text und 9 Tafeln in Lichtdruck.

  Preis M 9·-- = K 10·80.

       *       *       *       *       *

  Schriften zur angewandten Seelenkunde.

        Herausgegeben von =Prof. Dr. Sigm. Freud= in Wien.

     I. Heft: =Der Wahn und die Träume in W. Jensens „Gradiva“.= Von
        =Prof. Dr. Sigm. Freud= in Wien. Zweite Auflage. --
        Preis M 2·50 = K. 3·--.

    II. Heft: =Wunscherfüllung und Symbolik im Märchen.= Eine Studie von
        =Dr. Franz Riklin=, Sekundararzt in Rheinau (Schweiz). -- Preis
        M 3·-- = K 3·60.

   III. Heft: =Der Inhalt der Psychose.= Von =Dr. C. G. Jung=,
        Privatdozent der Psychiatrie in Zürich. -- Preis
        M 1·25 = K 1·50.

    IV. Heft: =Traum und Mythus.= Eine Studie zur Völkerpsychologie. Von
        =Dr. Karl Abraham=, Arzt in Berlin. -- Preis M 2·50 = K 3·--.

     V. Heft: =Der Mythus von der Geburt des Helden.= Versuch einer
        psychologischen Mythendeutung. Von =Otto Rank=. -- Preis
        M 3·-- = K 3·60.

    VI. Heft: =Aus dem Liebesleben Nikolaus Lenaus.= Von =Dr. J.
        Sadger=, Nervenarzt in Wien. -- Preis M 3·-- = K 3·60.

   VII. Heft: =Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci.= Von
        =Prof. Dr. Sigm. Freud= in Wien. -- Preis M 2·50 = K 3·--.

  VIII. Heft: =Die Frömmigkeit des Grafen Ludwig von Zinzendorf.= Von
        =Dr. Oskar Pfister=, Pfarrer in Zürich. -- Preis
        M 4·50 = K 5·40.

    IX. Heft: =Richard Wagner im „Fliegenden Holländer“.= Ein Beitrag
        zur Psychologie künstlerischen Schaffens. Von =Dr. Max Graf=. --
        Preis M 1·80 = K 2·--.

     X. Heft: =Das Problem des Hamlet und der Ödipus-Komplex.= Von =Dr.
        Ernest Jones= in Toronto (Kanada). Übersetzt von =Paul Tausig=
        (Wien). -- Preis M 2·-- = K 2·40.

    XI. Heft: =Giovanni Segantini.= Ein psychoanalytischer Versuch. Von
        =Dr. Karl Abraham=, Arzt in Berlin. Mit 2 Beilagen. -- Preis
        M 2·-- = K 2·40.

   XII. Heft. =Zur Sonderstellung des Vatermordes.= Eine
        rechtsgeschichtliche und völkerpsychologische Studie. Von =A. J.
        Storfer= in Zürich. Preis M 1·50 = K 1·80.

  XIII. Heft: =Die Lohengrinsage.= Ein Beitrag zu ihrer Motivgestaltung
        und Deutung. Von =Otto Rank=. -- Preis M 5·-- = K 6·--.

       *       *       *       *       *

  Im Erscheinen begriffen:

  Handbuch der Psychiatrie.

  Unter Mitwirkung von

  =Prof. A. Alzheimer= (München), =Prof. E. Bleuler= (Zürich), =Prof.
  K. Bonhoeffer= (Breslau), =Priv.-Doz. G. Bonvicini= (Wien), =Prof. O.
  Bumke= (Freiburg i. B.), =Prof. R. Gaupp= (Tübingen), =Direktor A.
  Groß= (Rufach i. E.), =Prof. A. Hoche= (Freiburg i. B.), =Priv.-Doz.
  M. Isserlin= (München), =Prof. Th. Kirchhoff= (Schleswig), =Direktor
  A. Mercklin= (Treptow a. R.), =Prof. E. Redlich= (Wien), =Prof. M.
  Rosenfeld= (Straßburg i. E.), =Prof. P. Schroeder= (Breslau), =Prof.
  E. Schultze= (Greifswald), =Priv.-Doz. W. Spielmeyer= (Freiburg i.
  B.), =Priv.-Doz. E. Stransky= (Wien), =Prof. H. Vogt= (Frankfurt a.
  M.), =Priv.-Doz. G. Voß= (Greifswald), =Prof. J. Wagner Ritter von
  Jauregg= (Wien), =Prof. W. Weygandt= (Hamburg-Friedrichsberg)

  herausgegeben von

  =Prof. Dr. G. Aschaffenburg= in Köln a. Rh.


  Beabsichtigte Einteilung des Werkes:

  A. Allgemeiner Teil.

  1. Abteilung: =Alzheimer, Prof. Dr. A.=, Die normale und pathologische
                Anatomie der Hirnrinde.

  2. Abteilung: =Rosenfeld, Prof. Dr. M.=, Die Physiologie des
                Großhirns. -- =Isserlin, Priv.-Doz. Dr. M.=,
                Physiologische Einleitung.

  3. Abteilung: =Voß, Priv.-Doz. Dr. G.=, Die Ätiologie der Psychosen.
                -- =Aschaffenburg, Prof. Dr. G.=, Allgemeine
                Symptomatologie der Psychosen.

  4. Abteilung: =Kirchhoff, Prof. Dr. Th.=, Geschichte der Psychiatrie.
                -- =Groß, Direktor Dr. A.=, Allgemeine Therapie der
                Psychosen.

  5. Abteilung: =Bumke, Prof. Dr. O.=, Gerichtliche Psychiatrie. --
                =Schultze, Prof. Dr. E.=, Das Irrenrecht. Preis
                M 11·-- = K 13·20.


  B. Spezieller Teil.

  1. Abteilung: =Aschaffenburg, Prof. Dr. G.=, Die Einteilung der
                Psychosen. -- =Vogt, Prof. Dr. H.=, Die Epilepsie.

  2. Abteilung: =Weygandt, Prof. Dr. W.=, Idiotie und Imbezilität oder
                die Gruppe der Defektzustände aus dem Kindesalter. --
                =Wagner R. v. Jauregg, Prof. Dr. J.=, Myxödem und
                Kretinismus.

  3. Abteilung, 1. Hälfte: =Bonhoeffer, Prof. Dr. K.=, Die Psychosen im
                Gefolge von akuten Infektionen, Allgemeinerkrankungen u.
                inneren Erkrankungen. -- =Schroeder, Prof. Dr. P.=,
                Intoxikationspsychosen. Preis M 12·-- = K 14·40.
                2. Hälfte, 1. Teil: =Redlich, Prof. Dr. E.=, Die
                Psychosen bei Gehirnerkrankungen. Preis M 3·-- = K 3·60.
                2. Hälfte, 2. Teil: =Bonvicini, Priv.-Doz. Dr. G.=,
                Aphasie und Geistesstörung.

  4. Abteilung, 1. Hälfte: =Bleuler, Prof. Dr. E.=, Dementia praecox
                oder Gruppe der Schizophrenien. Preis M 13·-- = K 15·60.
                2. Hälfte: =Mercklin, Direktor Dr. A.=, Die Paranoia.

  5. Abteilung: =Hoche, Prof. Dr. A.=, Dementia paralytica. --
                =Spielmeyer, Priv.-Doz. Dr. W.=, Die Psychosen des
                Rückbildungs- und Greisenalters. Preis M 6·-- = K 7·20.

  6. Abteilung: =Stransky, Priv.-Doz. Dr. E.=, Das manisch-depressive
                Irresein. Preis M 10·-- = K 12·--.

  7. Abteilung: =Gaupp, Prof. Dr. R.=, Die nervösen und psychopathischen
                Zustände.


K. u. K. Hofbuchdruckerei Karl Prochaska in Teschen.





*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER WITZ UND SEINE BEZIEHUNG ZUM UNBEWUSSTEN ***


    

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Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
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Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state’s laws.

The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
and official page at www.gutenberg.org/contact

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread
public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine-readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state
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While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate.

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Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg™ concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg™ eBooks with only a loose network of
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the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
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