In Monsun und Pori

By Richard Wenig

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Title: In Monsun und Pori

Author: Richard Wenig

Release date: October 3, 2024 [eBook #74511]

Language: German

Original publication: Berlin: Safari-Verlag G. m. b. H

Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net


*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK IN MONSUN UND PORI ***


  Anmerkungen zur Transkription

  Im Original gesperrter Text ist _so ausgezeichnet_. Im Original
  fetter Text ist =so dargestellt=.

  Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen,
  lange Folgen von Gedankenstrichen auf eine einheitliche Länge
  gekürzt. Lediglich offensichtliche Druckfehler sind korrigiert
  worden. Der Schmutztitel wurde entfernt.




[Illustration: Signet Safari-Verlag]




                           I N  M O N S U N
                            U N D  P O R I

                                   ★

                                  VON

                             RICHARD WENIG

                                   ★


                         SAFARI-VERLAG G.M.B.H.
                               BERLIN W9




           Alle Rechte, auch das der Übersetzung, vorbehalten

          Copyright 1922 by Safari-Verlag G. m. b. H., Berlin

                                   ★




                           I N  M O N S U N
                            U N D  P O R I

                                   ★




                          DEM KOMMANDANTEN DES
                   LETZTEN DEUTSCHEN AUSLANDSKREUZERS
                         VICEADMIRAL _M. LOOF_
                          _IN TREUE GEWIDMET_

                  MÜNCHEN, JULI 1922
                                          RICHARD WENIG




                               _VORWORT_


Eine Reihe von Bildern -- Bruchstücke aus dem Schicksal des letzten
deutschen Auslandkreuzers in knapper Form -- sollen das Eigenartige der
tropischen Welt, glühender Sandküsten, sumpfiger Urwaldniederungen,
endloser Buschsteppen, in denen sie sich abspielen, schildern.

Ein verbotenes Paradies sind für uns Deutsche vorläufig diese fernen
Zonen, nach denen wir uns mit dem Wandertrieb unserer Urväter, der
Zimbern und Teutonen, der Goten und Vandalen, sehnen.

Sie haben ihr Sehnen, da wo man sie hindern wollte, mit Feuer, Schwert
und trotziger Kraft in Taten umgewandelt.

Mögen sich die Völker hüten, die uns zu demselben Mittel zwingen!

                                                      RICHARD WENIG




                              _EINLEITUNG_


An einem lichten Junimorgen im Jahre 1914 steuerte ein schlanker
Kreuzer, von der Heimat kommend, durch die palmenumsäumte Einfahrt von
Daressalam, um den Schutz der deutschen Interessen in den Gewässern des
westlichen Indischen Ozeans und an der deutsch-ostafrikanischen Küste
zu übernehmen -- S. M. S. »Königsberg«.

Donnernd krachte über die im hellen Morgenlicht daliegenden weißen
Tropenhäuser, die Kirchen, die Boma hinweg der Salut, und leise
fächelte der anhebende Monsun in den schlanken, hochstämmigen
Palmenwäldern.

Die Eingeborenen kamen staunend, und die Kunde ging von Dorf zu Dorf,
an der Küste und im Innern weitererzählt, daß ein großes deutsches
Schiff mit drei dicken Schornsteinen im Hafen von Daressalam läge,
mächtiger und stärker als alle, auch die englischen, die sie bisher
gesehen!

Sämtliche Hafenstädte sollten angelaufen werden! Vor Tanga, in der
Mansabucht, vor Bagamojo lag der graue Kreuzer, immer umgeben von
einer Menge großer und kleiner Boote, Einbäumen und Dhaus, voll von
neugierigen Kindern des Landes. --

Ende Juli ballten sich schwarze Gewitterwolken -- eifrig arbeiteten die
Kabel!

Dann schwiegen sie -- -- sie waren in englischer Hand.

Da verließ der Kreuzer seinen Hafen, -- in der letzten Julinacht
verschwand für ihn am Horizont der dunkle Streifen der ostafrikanischen
Küste.




                         I. IM INDISCHEN OZEAN




[Illustration: Ornament]


                             Kap Guardafui


Zehn Uhr nachts -- man könnte meinen mittags -- so hell strahlt die
runde Scheibe des Vollmondes über dem rauschenden Indischen Ozean.
Er rauscht wie ein Fluß, dessen Lauf durch mächtige Felsblöcke
gehemmt wird und sich nun in weißschäumendem Gischt rasend durch sein
eingeengtes Bett zwängt. Von Süden, Südwesten kommend, peitscht ihn der
Monsun mit elementarer Wucht und kämmt den im Mondlicht glitzernden
Seen die schäumenden Köpfe, so daß die langen Spritzer weithin
flatternden weißen Greisenhaaren gleichen.

In lang ausholenden gleichmäßigen Schwingungen rollt der kleine Kreuzer
»Königsberg« von Backbord nach Steuerbord, Steuerbord nach Backbord,
tief mit dem Bug eintauchend oder ihn hoch über den Horizont hebend.
Seine Masten beschreiben lang hingezogene Ellipsen an dem strahlenden
hellen Tropenhimmel, Kurven, deren Linien sich manchmal in wunderlichen
Winkeln schneiden und verflechten, wenn der schlanke graue Leib schräg
in ein Wellental taucht und der Flaggenknopf des Großmastes sich nach
vorn zu verschieben scheint.

Die von achtern auflaufenden Seen rollen mit dumpfem Rauschen unter
dem Heck durch und wischen dann brausend die grauen Flanken entlang.
Pfeifend und stöhnend singt die Takelage ihr eintöniges Lied, das im
An- und Abschwellen der Monsun ihr entlockt.

Da drüben, weit im Westen, liegt der glühendste Teil des heißen Afrika:
das Somaliland, dieses Land der weiten, unermeßlich weiten Sandwüsten,
Sandberge, Sandebenen.

Nehmen wir das Segelhandbuch zur Hand und sehen wir nach, was es über
diese sich endlos nach Norden und Süden ausdehnende Küste schreibt, so
finden wir, daß es fast nichts weiß, denn wenig ist darüber bekannt.
Die Einwohner, schlanke, schwarze Gestalten vom Stamm der Somali, haben
es bisher verstanden, die Geheimnisse ihres Landes zu hüten. In nicht
aufzufindenden Schlupfwinkeln leben sie im Innern der weiten Wüste als
Nomaden, oft ihre Lagerplätze wechselnd, und überfallen die Besatzungen
der an ihrer Küste gescheiterten Schiffe. Selten hat man von diesen
armen Schiffbrüchigen wieder gehört -- sie werden weit ins Innere des
sonnendurchglühten Sandlandes geschleppt oder kurzerhand erschlagen.

Dreimal haben die Italiener, die dem Namen nach Herren dieses Landes
sind, versucht, auf dem berühmten und berüchtigten Kap Guardafui, der
östlichsten Spitze Afrikas, einen Leuchtturm aufzubauen, dreimal ist er
von den Somalis dem Erdboden gleichgemacht worden.

Und jetzt liegt dieses mächtige, einem ruhenden Löwen gleichende
Vorgebirge des Nachts wieder einsam und dunkeldräuend da, wie ein
schwarzer Riese aus dem Wasser aufragend.

Siegreich hat es das Werk weißer, nicht seinem Kontinent entstammender
Hände abgeschüttelt und seine wilde Unnahbarkeit bewahrt.

Dieses Kap sollen wir morgen gegen Mittag umsegeln. --

Wir lehnen an der Reeling der Kommandobrücke, machen, gleichmäßig das
Schwergewicht des Körpers von einem Bein auf das andere legend, die
langen Schwingungen des Schiffes mit und starren auf die mondbeglänzte
See.

Deutschland hat mobil gemacht -- unser gewaltiges Volk ist zu den
Waffen gerufen. Wird es zum Krieg kommen? -- Um diesen Punkt kreisen
dauernd alle Gedanken; schon über zwei Stunden unterhalten wir uns
darüber -- mein Wachoffizier und ich.

Unsere Verbindung mit der Welt ist so gut wie abgerissen. Sämtliche
Kabel sind ja in Englands Händen! Nur der Funke spricht noch zu uns,
aber er spricht nur wenig und das Wenige undeutlich, denn er hat einen
weiten Weg zu machen.

Von Nauen überspringt er ganz Europa, das Mittelmeer und die weite
Sahara, bis er in Togo aufgefangen wird. Dann macht er einen gewaltigen
Satz über ganz Afrika nach Muansa am Viktoriasee, um von dort
nach Daressalam weitergeschickt zu werden. Die Hauptstadt unseres
Schutzgebietes sendet ihn dann uns -- wieder hat er einige tausend
Meilen zu durchmessen.

Wir glauben nicht an den Krieg, die Völker werden vor dem letzten
entscheidenden Schritt zurückschrecken!

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
  Der kleine Kreuzer »Königsberg« im Hafen von Daressalam Juli 1914]

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
                          Der Kilimandscharo]

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
          Der Meru. Die beiden Wahrzeichen Deutschostafrikas]

Der Mond steigt höher und höher. Der Wachoffizier übergibt mir das
Kommando, er geht in die Funkenbude, denn um diese Zeit soll, wie
ausgemacht, Daressalam uns geben.

Wir steuern genau nach Norden! Wie ein Pferd bäumt sich ab und zu der
Bug, wird von einer rundanlaufenden See emporgehoben, daß der fast am
Horizont stehende Polarstern verschwindet, und wuchtet dann wieder in
die Tiefe, als ob die Erde unter ihm wiche, nach beiden Seiten Berge
weißschäumenden Wassers schleudernd.

Der Rudergänger sieht schweigend auf die hellerleuchtete Scheibe
des Kompasses, die in ihren zweiachsigen Aufhängungsringen hin- und
herpendelt. Mit starken, knochigen Händen hält er das Ruder, er legt es
einige Drehungen nach Backbord, dann wieder Steuerbord, um das stark
gierende Schiff zu stützen. Der klirrende Klang des Rudergestänges ist
der einzige Laut auf der Brücke -- alle Posten, der Ausguck und die
Scheinwerferleute, stehen schweigend da und sehen auf die brausende
See. Auf der Laufbrücke, die die Hütte mit der Back verbindet und sich
eng und schmal an den drei Schornsteinen vorbeiklemmt, kommt eine weiße
Gestalt gegen den Wind ankämpfend nach vorn -- irgendein Offizier, den
die Hitze noch nicht schlafen läßt.

Er leistet mir Gesellschaft -- wir stehen zusammen auf der äußersten
Nock der Kommandobrücke, die frei in die Luft hinaushängend über dem
weißen Gischt schwebt.

Wir sprechen vom Krieg -- vom Krieg, der nicht kommen wird.

Soll man ihn wünschen? Soll man nicht? Wir sind wohl auf verlorenem
Posten -- verloren -- Tausende von Meilen um uns kein Freund, nur
Feinde. -- --

Aber man ist jung, voll Tatendrang, voll Lust, die Kräfte zu messen, zu
zeigen, daß man der Stärkere ist.

Denkt der Baum, der kraftstrotzend emporwächst und seine Nachbarn
erdrückt, daran, daß er Leben vernichtet -- oder das Tier, das doch nur
ein Gesetz kennt -- das des Stärkeren?

Soll man gegen die Natur kämpfen?

Gewiß, gewaltig würde die Übermacht der Feinde sein, unermeßlich schwer
würde es werden, hoffnungslos für uns hier! -- Trotzdem! --

Es dauert lange! Bereits halb 11 Uhr -- -- der Funkenoffizier ist noch
immer nicht zurück.

»Gehen Sie nach unten und sehen Sie nach, ob Daressalam gegeben hat,
ich werde solange hier fahren!«

Ich stolpere über das Mitteldeck nach achtern, alle paar Schritte über
Leinen kletternd, die gespannt sind, um bei dem starken Schlingern
einen Halt zu geben.

Ein mächtiger Brecher kommt über und wirft mich wie einen Sack auf das
nasse Deck!

In der Messe ist Licht!

Ich öffne die schmale Tür -- dahinten in der Ecke sitzt der
Funkenoffizier, krumm über Chiffrierbücher gebeugt, mit hochrotem Kopf.

Er sieht auf und sagt: »Egima!« -- -- --

»Egima« war das mit Daressalam verabredete Kennwort für: »Kriege mit
Rußland, Frankreich und England!«

Donnerwetter! -- Ich stehe wie angewurzelt.

Mächtig holt der Kreuzer über, mit lautem Klatsch fällt ein Buch an
Deck und unterbricht die Stille.

Klirrend rasselt im Schrank das Geschirr! -- --

Die Offiziere werden geweckt.

Der Kommandant und erste Offizier gehen auf der Hütte auf und ab und
ich klettere wieder auf die Brücke. --

Also Krieg! -- Eigenartig -- der Mond leuchtet wie vorher, die See
rauscht, die Takelage heult -- nichts hat sich geändert!

Wie ist das nur möglich? Muß der Mond sich nicht verschleiern, die See
sich nicht verdunkeln?!

Nichts! -- Sie lächeln über die Händel der Menschen -- was geht das All
der Kampf von Atomen an!

Vor Jahrtausenden war es so, und in Jahrtausenden wird es noch immer so
sein. --

Aber mir ist jetzt die Fahrt zu langsam, der Seegang zu weich, das
Brausen zu schwach. Die Brust ist voll zum Überlaufen, man muß sich
mitteilen.

Überall stehen Gruppen und unterhalten sich gedämpft. Aus dem unteren
Deck kommt es herauf, an den langen Strecktauen stehen die Matrosen
verschlafen, in Hemd und Hose.

Nach Mitternacht hat der Wind an Stärke noch zugenommen, mächtige
Brecher stürzen sich wie Kaskaden auf die Back und prallen polternd und
krachend am Wellenbrecher ab.

Die zwischen Spill und Klüsen etwas lose liegenden Ankerketten schlagen
dröhnend auf die Back. Sie sehen in dem weißen Schaum aus wie zwei
langgestreckte, schwarze Schlangen.

In Fetzen zerrissen fegt die Rauchfahne unserer qualmenden drei
Schornsteine über uns hinweg, huscht über das Gesicht des Mondes und
läßt es rötlichbraun erglänzen. Das Heulen in den Masten und Stagen ist
so stark geworden, daß es selbst das unaufhörliche gleichmäßige Surren
der Ventilationsmaschinen übertönt.

Wir behalten den Kurs bei.

Im Laufe des nächsten Vormittags wollen wir den Lloyddampfer »Ziethen«
treffen, der, von Colombo kommend, auf dem Wege nach Aden ist. Wir
wollen ihn warnen und nach einem anderen Bestimmungshafen schicken.
Er hat einige 100 Kameraden von uns aus der Südsee an Bord, die nach
jahrelanger Abwesenheit der Heimat zusteuern.

Zwar stehen wir bereits mit ihm in funkentelegraphischer Verbindung,
aber wir müssen äußerst vorsichtig sein, damit die auf dieser
Weltverkehrsstraße in Mengen fahrenden, nun auf einmal meist
feindlichen Schiffe noch nichts von unserer Gegenwart merken. -- --

Die trotz des Monsuns drückende Hitze läßt gegen Morgen nach und weicht
einer erfrischenden Kühle.

Soweit es der mächtige Seegang erlaubt, werden Bullaugen und
Luken geöffnet, um die stickige Luft aus dem heißen, nach Öl und
Menschendunst stinkenden Schiffsinnern zu blasen.

Allmählich verfärbt sich der Himmel, die Sterne verblassen,
blauschwarzer Dunst liegt auf dem Horizont, über den sich bereits gelbe
und rötliche Streifen hinziehen, ab und zu von feurigen rotglühenden
Flaumwölkchen unterbrochen.

Mit der überraschenden Schnelligkeit der Tropen erscheint das
Tagesgestirn und in kürzester Zeit hat die Wandlung von Nacht in Tag
stattgefunden. Strahlend, glitzernd im Morgenlicht liegt die weite,
mächtige See da, deren Fluten alle einem fernen im Norden liegenden
Ziele zuzurollen scheinen.

An Backbord zieht sich, einige zwanzig Seemeilen entfernt, die hohe
gelbsandige Steilküste des Somalilandes dahin und fern, fast rechts
voraus, ragt das Löwenhaupt des Kap Guardafui über die Kimm. --

Wir müssen beim Umsteuern des Kaps bereit sein, englischen Kreuzern zu
begegnen.

Gegen elf Uhr wird »Klar Schiff zum Gefecht« angeschlagen!

Das Löwenkap ist näher gekommen, dicht an Backbord ragt es trotzig in
die Luft. Ein zerklüfteter, kahler Sandberg von gewaltigen Ausmaßen, in
dessen Steilabfälle der Regen von Jahrtausenden tiefe Furchen gezogen
hat! Ein breiter Schaumstreifen zieht sich zu seinen Füßen hin, wild
lecken die anprallenden Seen an seinen Flanken empor. In schweigender
Majestät stehen die hohen Wände -- achtlos zerstäuben die Seen zu
weißem Gischt und Dampf.

Gar manches Schiff ist hier gescheitert, gar manche Besatzung hat hier
das Schicksal des Seemanns ereilt.

                              *    *    *

An Steuerbord am Horizont erscheint Rauch! -- Eine hohe Säule, die sich
nach oben zu pinienartig erweitert.

Es wird der »Ziethen« sein!

Gespannt sieht alles durchs Glas.

Ein gelber Schornstein schiebt sich allmählich über den Horizont, ein
gelbes Aufbaudeck folgt. Er ist es.

Bereits hat er uns gesehen und hält auf uns zu.

Wir fahren ihm entgegen und stoppen in seiner Nähe. Hunderte von
Menschen, darunter unsere Kameraden aus der Südsee, stehen auf dem
Promenadendeck und sehen zu uns herüber. Tücher schwenken. Auf dem
»Ziethen« spielt die Bordmusik. Der große Dampfer hat Schlagseite, er
liegt etwas nach Backbord über.

Eben haben wir begonnen uns zu verständigen, Nachrichten werden
ausgetauscht, Befehle erteilt -- da meldet der hoch im Krähennest
sitzende Ausguck:

»Drei Strich an Steuerbord eine starke Rauchwolke!«

Das kann nur der Feind sein!

Kurzerhand drehen wir ab, sagen dem »Ziethen«, er soll versuchen uns zu
folgen, und steuern voll Mut und Tatendrang auf den Rauch los.

Wir haben Guardafui jetzt achteraus. Eine dunstig heißzitternde Luft
liegt über der sich entfernenden Küste und läßt die vorher so scharfen
Umrisse verschwimmen. Wie eine wogende gelbe Wand liegt sie da! -- --

Wir kommen näher!

Die Rauchwolke nimmt Gestalt an, zwei lange, etwas schräg stehende
Masten werden sichtbar, denen ein schwarzglänzender Schornstein folgt.

Ein Dampfer! -- Mit Kurs nach Westen, nach Aden! Er muß uns ebenfalls
längst gesehen haben, denn er beginnt mächtig zu qualmen und erhöht
sichtlich seine Fahrt.

Der Funke springt: Wir fragen ihn nach dem Namen.

Keine Antwort!

Wir fragen nochmals.

Keine Antwort!

Wir befehlen ihm zu stoppen.

Keine Antwort!

Noch dicker als vorher quillt schwarzbrauner Rauch aus seinem
Schornstein, vermischt mit emporstiebendem Funkenregen.

Der Abstand vermindert sich nicht mehr! Er läuft ebenso schnell wie
wir, und wir müssen neue Kessel in Betrieb nehmen, um ihm näher zu
kommen.

Ärgerlich gibt der Kommandant den Befehl dazu. Ärgerlich, denn wir
brauchen bei noch höherer Fahrt unverhältnismäßig viel Kohlen --
Kohlen, unser Lebenselement.

Hundert Tonnen weniger, und wir müssen einen Tag der Lebensdauer
streichen! --

Wir funken noch einmal:

Stoppen Sie!

Er denkt nicht daran. Er rast nach Westen!

Wir hinterher!

Eine halbe Stunde vergeht -- der Abstand wird kleiner und kleiner.

An unserem Vorstopp geht ein Flaggensignal hoch: Stoppen Sie!

Er kann es nicht ablesen, seine dicke Rauchfahne verhindert ihm die
Sicht.

Der Abstand wird kleiner und kleiner. Schon riechen wir seinen Rauch,
den der Wind in Fetzen uns entgegen trägt.

Mit zwanzig Knoten die Stunde jagen wir jetzt in voller Fahrt durch die
brausende, saphirblaue See.

Warte, du Bursche, gleich werden wir dich haben! Daß du uns die Kohlen
nimmst, die wir zum Leben brauchen, mußt du büßen.

Ein blinder Schuß donnert!

Jetzt sind wir ganz nahe!

Eine Minute vergeht: Er stoppt!

Nun haben wir dich!

Seine Flagge geht hoch -- hunderte von Augen starren -- -- --

Die deutsche! -- -- -- Der deutsche Hamburger Dampfer »Goldenfels«! Er
hatte uns für einen englischen Kreuzer gehalten.

Das war am 6. August nachmittags drei Uhr.


                        Die Schuria-Muria-Inseln


Östlich von Aden, mitten in dem im Monsun brandenden Indischen Ozean
liegen wie von Gigantenhand hineingeschleudert mehrere mächtige
rotgelbe Felsblöcke: die Schuria-Muria-Inseln.

Hätte Daniel Defoe diese Eilande gekannt, als er seinen Robinson Crusoe
schrieb, so hätte er den Schauplatz der Geschicke seines Helden dorthin
verlegt, denn sie sind noch weltabgelegener, wilder, unwirtlicher als
die karaibischen Inseln oder San Juan Fernandez.

Mit elementarer Gewalt rast der Wind in den zerklüfteten Felsenriffen
-- Millionen von Vögeln kreischen; in dicken Klumpen hängt
granitfarbener Guano an steilen Sandsteinwänden.

Nach Süden zu liegt das Felsmassiv der Insel Hallanya, weiter nördlich
ragt wie ein glatter, kantiger Meteorstein die Insel Soda aus den
blauen, schäumenden Wassern.

Vierkantig wie eine Pyramide steht sie klotzig da, keine zweihundert
Meter hoch, kaum zwei, drei Kilometer im Umfang. Weithin leuchten ihre
rötlichen, glänzenden Wände -- kein Baum, kein Strauch, nicht der
spärlichste Grashalm bringt Abwechslung in die sonnendurchglühten Hänge.

Dicht an ihrer Nordseite, im Windschutz, liegt unsere »Königsberg«
-- sie wartet hier auf einen Dampfer, die »Somali«, der als einziger
Freund in dem weiten Indischen Ozean Kohlen in ihr Versteck bringen
soll. Er ist von Daressalam dorthin bestellt.

Das Versteck ist gut, -- weit ab liegt es von allen Dampferstraßen.
Nicht alle Seekarten enthalten diese einsame Inselgruppe. Dort können
wir ungestört Kohlen ergänzen. --

Aber der Feind ist auf der Suche!

Es ist Mitternacht. Warm in meinen Mantel gehüllt gehe ich die
Mittelwache auf der Brücke.

Es ist kalt -- trotz der Nähe des Äquators, trotz der Sonnenglut! Der
Wind braust mit phantastischer Stärke. Er kommt von oben, von dem
Gipfel des Felszackens, an dessen Kante er sich bricht, und rast schräg
nach unten. -- Die Stöße sind so stark, daß man das Gefühl hat, als
würde das Schiff ab und zu tief ins Wasser gedrückt.

Hoch über der Brücke hebt sich wie das Haupt eines schlafenden
Riesen die nachtschwarze Wand der einsamen Insel von dem strahlenden
Sternenhimmel ab. Kein Laut übertönt das Brausen des Sturmes. Die
Vögel schweigen, sie haben sich in ihre Felsennischen zur Nachtruhe
zurückgezogen.

Nur die Pardunen und Stagen am Mast singen ihr Lied, bald stärker, bald
schwächer, je nachdem der Wind auf ihnen spielt.

Aber der Feind ist auf der Suche!

Leise summen die Hörer im Funkenraum. Da spricht das im Norden Indiens
liegende Karachi mit Bombay, da ruft ein Kreuzer Karachi an, ein
anderer antwortet. Sein Laut ist klar und stark -- weitab kann er nicht
sein! --

Wir sind allein, allein einer Welt von Feinden gegenüber. Wo sind
deutsche Geschwader?

Tausende von Meilen nach Nordwesten in den deutschen Gewässern,
Tausende von Meilen nach Nordosten -- an der Küste Ostasiens!

Eintönig hallt der Schritt des Bootsmannsmaaten, der Wache auf den
Decksplanken, vornübergebeugt stemmt er sich gegen den Wind.

Das Schiff schläft. -- Schwarz und winzig liegt es in der dunklen
Nacht. Der Wind fegt die weißen Kämme an seine Flanken. -- --

Rotglühend, glitzernd, strahlend bricht der Tag an. Wir warten! --
Warten!

Der Monsun rast mit unverminderter Stärke. Lange, zerfetzte Nebel und
Dunstschwaden ziehen in sausender Fahrt an dem Gipfel des Felsberges
vorbei, verzerrte Schatten auf die hellrot glänzenden Sandsteinwände
werfend.

Zwischen den weißen Schaumköpfen der brausenden See taucht ein
schwarzer Körper auf. Massig, plump! -- Ein Hai?

Er kommt näher und näher -- langsam treibend, wie eine Kuff vor dem
Winde. -- Es ist eine Riesenschildkröte! Ein Tier von seltener Größe.
Über ihren gepanzertem Rücken, dessen Schild in der strahlenden Sonne
glänzt, springen die weißen Schaumkämme. Sie verschwindet, taucht
wieder empor und rudert langsam dem weißen Streifen der Brandung
zu. Dort am Strande, zwischen den brechenden Seen liegen in feinem
Triebsande Berge von weißgebleichten Schildkrötenschädeln. Die meisten
größer als Kinderköpfe, viele so alt und verwaschen, daß ein leichter
Tritt des Fußes sie in Staub auflöst.

Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte mögen sie hier liegen. Ihre großen
schwarzen Augenhöhlen starren in die blendende Sonne. -- --

                              *    *    *

Ich steige langsam auf den Gipfel, gebückt mit Händen und Füßen
kletternd, um nicht umgeweht zu werden.

Wolken von weißen Vogelmassen umschwirren die Insel und betäuben mit
tausendfältigem Kreischen das Ohr.

Die Spitze ist erreicht! Kaum Platz für zwei bis drei Menschen,
ringsherum fallen gleichmäßig schräg nach unten die fast glatten, roten
Wände ab.

Ein Blick, vergleichbar dem von der Cheopspyramide! Hier wie dort nach
allen Seiten der unbegrenzte Fernblick. Hier der blaue, rauschende
Indische Ozean, dort die weißen Sandflächen.

Aber der Eindruck hier ist viel gewaltiger, er wirkt viel großartiger
durch die unendliche Einsamkeit!

Fern im Süden ragen die hellfleckigen Felsen von Hallanya, zu Füßen
liegt wie ein kleines Kinderspielzeug die »Königsberg«. --

                              *    *    *

Wir warten! -- Der Tag neigt sich dem Ende zu, die Nacht vergeht, der
zweite Tag schwindet ebenfalls dahin. Von der Somali, die uns Kohlen
bringen soll, noch keine Spur. --

Da entschließen wir uns! Einen Dampfer haben wir noch bei uns. --
Eine englische Prise -- es ist die erste, die wir, die Deutschland im
großen Krieg gemacht hat -- die »City of Winchester«. Sie hat fast alle
Kohlen an den »Ziethen« abgegeben, der damit einen neutralen Hafen
aufsuchen soll. Nur ihre Heizraumbunker sind noch voll. Es ist aber
nur Bombaykohle, schlackig und schlecht, wir können mit ihr kaum zwei
Drittel unserer Geschwindigkeit erreichen.

Aber was hilft es -- wir werden die Bunker auskratzen! Wir gehen mit
der »Königsberg« längsseit der Prise.

Im sinkenden Licht des Abends nähern sich die Bordwände, Leinen fliegen
hinüber -- die beiden Schiffe liegen Seite an Seite -- der kleine
deutsche Kreuzer und der große plumpe Frachtdampfer, der Millionenwerte
an bestem indischen Tee, an persischen Teppichen, an Gold- und
Silberwaren in seinem Bauch birgt. --

In die dunkle Nacht hinein rattern die Winden, kreischen die Spills,
hallen laute Rufe.

Mit Krachen schlagen gefüllte Kohlensäcke an Deck, die hoch in der Luft
von Bord zu Bord fliegen.

Es ist eine schwere Arbeit. Tief unten im Bauche des Schiffes liegen
die Bunker, nur durch kleine Löcher zugänglich.

Heizer und Matrosen arbeiten dort, kaum als Menschen noch kenntlich, in
den Wolken schwarzen Dunstes, den die einzige Lampe mühsam durchdringen
kann. Ein Scharren, ein Kratzen, ein Rufen, eine Luft, getränkt von
Schweiß und Menschenausdünstung, durchsetzt von Kohlenstaub.

Die Stunden vergehen. Ab und zu dröhnen die beiden Bordwände
aneinander, die Belegtrossen klirren und ächzen, wenn ein plötzlicher
Windstoß mit elementarer Wucht herniederfährt und die Schiffe
gegeneinander preßt.

Ich stehe einen Augenblick an Deck, um frische Luft zu schöpfen, die
Lungen saugen gierig den frischen reinen Seehauch.

Strahlend wölbt sich der Sternenhimmel über den beiden arbeitenden,
nachtschwarzen Kolossen, im Vordergrund drohen schwarz und finster die
schweigenden Felswände, die noch nie in ihrer erhabenen Einsamkeit von
dem Hasten und Drängen der kleinen und großen Menschensorgen gestört
sein mögen.

Dieses Schiff, auf dem ich jetzt stehe, ein mächtiges Werk von
Menschenhand, wird morgen nicht mehr sein.

Seine Ladung -- ein Wertgegenstand, der Hunderten von Menschen ein
sorgenfreies Leben bis an ihr Ende ermöglicht hätte -- wird morgen
nicht mehr sein, wird morgen tief in den Wassern dieser unbekannten,
weltfernen Bucht liegen.

Warum?

Weil es Menschen angehört, die eine andere Sprache sprechen als wir,
weil es Menschen angehört, die uns den Platz und die Freiheit auf
dieser Erde nicht gönnen.

Um Platz und Freiheit! Auf dieser weiten, endlos weiten Erde! -- --

Nachtschwarz -- stumm liegt da vor mir nach Norden eine dunkle
Ländermasse.

Dort dehnt sich Arabien aus! -- Dort weiter in unendlicher Ferne liegt
der Himalaja -- Indien --, und dort nach Süden die Somaliländer --
riesenhafte Gebiete -- unendliche Weiten! --

Die Welt aber ist zu klein für uns Menschen?

Ich steige zurück in die rußige, dumpfige Tiefe, aus der heraus das
Klingen der Schaufeln und Poltern der Kohlen dringt. --

Die Sonne steigt über den Horizont -- -- -- Salven krachen. Granaten
wühlen sich in den Leib des »City of Winchester«.

Der Dampfer neigt sich, mit seinen Schätzen wird er versinken.

Majestätisch, vom brausenden Sturm umtobt, in stolzer Einsamkeit,
erhaben über Menschenhasten und Drängen -- über ihre Leidenschaften
ragt grell rotbraun der Felsberg Halanya in den blauen Äther.


                               Ras Hafun


Eine schweigende Tropennacht. -- Im Norden, dort wo der nachtblaue
Himmel und die schwarze Masse des Ozeans ineinander fließen, muß die
Insel Sokotra liegen.

Langgestreckt von West nach Osten laufend, sieht sie wie ein
abgebrochener Arm aus, mit der der gewaltige Kontinent Afrika nach dem
kleineren Indien hinüber zu langen versucht. Weite Wasserwüsten trennen
ihn aber von seinem Ziel. Unerreichbar fern liegt das sonnendurchglühte
Reich Buddhas im Osten. Einsam und verloren, losgelöst von Afrika,
dehnt sich dieser Streifen Land in der endlosen blauen Ebene des
indischen Ozeans.

Selten steuert ein Schiff an seinen Küsten entlang, noch seltener
stoppt es den Lauf und tritt mit seinen Bewohnern in Verbindung, die,
abgeschieden von der Welt, ein Räuber-, Jäger- und Fischerdasein führen.

Die Nordküste scheint uns eine günstige Zuflucht zu bieten. In den
ruhigen Wassern, geschützt vor den monsungepeitschten, von Süden
anrollenden Seen, hätten wir dort unserem Begleitdampfer Somali, der
uns endlich erreicht, die so nötigen Kohlen entnehmen können.

Da zeigen uns nächtliche Funksprüche, daß auch dort die Engländer auf
uns lauern.

So versuchen wir denn nach Süden zu gehen, um den Äquator zu erreichen,
in der Hoffnung, eine Zone der Kalmen vorzufinden, um dort Seite an
Seite mit unserem treuen Gefolgsmann die Kohlen überzunehmen. --

Stunden um Stunden gegen die schwellende See dampfend, ging es nun nach
Süden, aber auch Stunden um Stunden kaum ein paar Meilen vorrückend,
da die Maschinenkräfte der schwachen Somali dem Druck des Monsuns, dem
Strom der nach Norden gepeitschten Seen kaum Widerstand leisten können.

Auch der Rest der Kohlen beginnt bereits zu schwinden, in drei Tagen
würden wir bewegungslos auf hoher See treiben, in drei Tagen würden
wir aber auch nie mit dieser kriechenden Geschwindigkeit der Somali
ruhigere Gewässer erreicht haben. --

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
  Die »Königsberg« verläßt am 29. Juli 1914 gefechtsklar Daressalam]

[Illustration: Die Nordspitze der Sodainsel]

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
                            Kap Ras Hafun]

[Illustration: Unguja-Sansibar]

Also bleibt uns nur ein einziger Weg übrig: Wir müssen uns von unserem
zu langsamen Genossen trennen, müssen mit dem letzten Rest unseres
Brennstoffs an afrikanischer Küste eine geschützte Bucht zu erreichen
suchen und dann dort auf die Somali warten.

Aber an der ganzen weiten Ostküste von Afrika, vom britischen
Schutzgebiet bis zum Kap Guardafui, gibt es nur eine einzige solche
Stelle, und das ist die Bucht, die durch das weit in die See vorragende
Kap Ras Hafun gebildet wird.

Würden dort nicht auch Engländer sein? Wir wußten es nicht. Und wenn
auch -- es gab keinen anderen Ausweg mehr!

So steuern wir denn durch die nachtdunkle, rauschende See nach Westen.
Allein -- die Somali haben wir vorgestern schlingernd und stampfend im
weißen Gischt verlassen.

Werden wir sie überhaupt wiedersehen?

Ihre Maschinen sind schlecht, kaum notdürftig repariert; also ist es
höchst zweifelhaft, ob sie Ras Hafun überhaupt erreichen wird. Und
dann -- sie ist jetzt schutzlos, allein als einziger, noch fahrender
deutscher Dampfer im Indischen Ozean, der von englischen Spürhunden
nach allen Richtungen durchfurcht wird. Wird sie ihnen entgehen? -- Und
was soll werden, wenn sie verloren geht?

Was wird dann aus uns werden, die wir bewegungslos am verlassensten
Teil der afrikanischen Küste verborgen warten?

Man denkt so viel, wenn man nachts -- vor einer Stunde hat es
Mitternacht geglast -- den Kopf weit über die windgeschützte Reeling
der Brücke gebeugt, halb aufmerksam, halb träumend in das nachtschwarze
Dunkel und das Flimmern der Sterne blickt.

Wie ein Pferd bäumt sich der Bug, wenn ein dunkelglänzender Wellenberg
unter ihm hinwegbraust, um dann mit einem schweren Rauschen tief in das
Tal zu versinken. Er bäumt sich so hoch, daß die Sterne des westlichen
Horizonts von ihm verdeckt werden und der Flaggenknopf des Göschstockes
bis in das strahlende Lichtbild der Kasseopeia fährt. Blauschwarz liegt
der weite Ozean, etwas heller wölbt sich darüber die sternenglitzernde
Kuppel des Himmels.

Da bietet sich uns ein niegesehenes Schauspiel! Staunend stehe ich an
der Brückennock und sehe eine Verwandlung seltenster Art vor meinen
Augen vor sich gehen.

Der eben noch hellstrahlende Himmel verdunkelt sich. Die Sterne
leuchten wie durch nebelhafte weiße Schleier, um allmählich ganz
zu verschwinden. Wie eine ungeheuere, schwarze Glocke lastet das
stockdunkle Himmelsgewölbe über uns, wuchtig, bedrückend, als wollte es
alles ersticken.

Aber wie verwandelt sich da das Meer! Bis jetzt eine düster schwarze,
wogende Masse, auf der man nur ab und zu schäumende, im Sternenlicht
leuchtende Gischtkämme erkennen konnte, beginnt es überall zu
phosphoreszieren, heller und heller zu werden, bis es allmählich die
Farbe von durchsichtigem Milchglas erhalten hat.

Das Auge glaubt in niegeahnte Tiefen blicken zu können, wesenlos
scheint man über ein wallendes, gläsernes Meer oder ein unendliches
Schneefeld dahinzufliegen.

Staunend steht die nächtliche Schiffswache, staunend sieht sie um
Mitternacht eine weißhelle See, einen sternen- und wolkenlosen,
tiefschwarzen Himmel.

Scheinbar losgelöst von allen Gesetzen der Schwerkraft schwebt die
dunkle »Königsberg« über die milchhellen Abgründe, deren tiefste Tiefen
man zu erkennen glaubt.

Und zeigt auch die Seekarte hier Wassertiefen von vier- bis fünftausend
Metern, gaukeln mir doch meine Augen vor, daß ich den sandigen Grund
sehen müßte, mit seinen wehenden Algenwäldern, seinen nie erblickten,
ja nie geahnten Geheimnissen!

Das Schauspiel dauerte mehrere Stunden, um dann eben so schnell zu
verschwinden, wie es gekommen. Die weißen Nebel scheinen zu zerfließen,
die Sterne blinken wieder durch den hellen Schleier und nehmen ihren
alten Glanz an, das Milchglas des Wassers beginnt dunkler und dunkler
zu werden, und in wenigen Minuten rauscht und braust die See wieder im
tiefen Nachtschwarz mit weißschäumenden Wogenkämmen. --

Wir hatten allem Anschein nach einen schmalen Arm einer kalten
Meeresströmung gekreuzt, die, aus den Tiefen des Ozeans an die
Oberfläche gedrückt, die unmittelbar über ihr liegende Luftschicht zu
Nebel verdichtet hatte.

Die aufgehende Sonne bestrahlt im Westen einen gelben Landstrich mit
rötlichen, gewellten Höhenzügen: die afrikanische Küste.

Bald kann man ein vorspringendes Kap erkennen, dessen mächtige,
gelbrote Sandberge grellfarben aus dem tiefen Azurblau des wogenden
Ozeans hervorragen: das Kap Ras Hafun.

Langsam umsteuern wir die nördliche vorspringende Landzunge --
Doppelgläser, Fernrohre und Entfernungsmeßgeräte suchen die sich
ausdehnende Bucht ab. -- Nichts. Kein Schiff, kein Kreuzer, keine
Spur eines Lebewesens. In schwerlastender Einsamkeit dehnen sich dort
Höhenzüge um Höhenzüge -- kein Grün, kein Baum, kein Strauch, nur Sand
-- gelber, roter, der, vom Wind getrieben, die Linien dieser heißen
Wüstenlandschaft sanft ineinander verfließen läßt. Ein glühender
Hauch fegt ab und zu über das Schiff, wenn der Monsun, hier durch die
Landmassen gehemmt, seinen frischsalzigen, starken Atem einstellt.

Das Brausen der See hat aufgehört, eine langwellige, hohe Dünung wälzt
sich gleichmäßig, im Morgenlicht flimmernd, heran und mildert die
stoßenden, starken Schlingerbewegungen in ein sanftes weiches Schwingen.

Am Westrand der Bucht, wegen der geringen Wassertiefe einige tausend
Meter vom Land, rasselt der Anker nieder.

Die Maschinen machen Feuer aus, die Kohlen sind zu Ende, kaum können
wir noch einige Tage aus Seewasser Trinkwasser kondensieren.

Da wir doch nicht fahren können, werden die Maschinen
auseinandergenommen, um sie gründlich zu überholen, und so liegen wir
denn bewegungslos!

Sein oder Nichtsein hängt von dem Eintreffen der Somali ab. Und dieses
Eintreffen ist zweifelhaft! -- Was dann, wenn sie nicht kommt? --

An Land gehen und das Schiff sprengen? -- -- Unmöglich!

Bis zu den nächsten Europäeransiedelungen ist es sowohl nach Norden wie
nach Süden über tausend Kilometer weit.

Noch keiner Dampferbesatzung, die hier Schiffbruch gelitten, ist dies
geglückt, keine hat man je wieder gesehen.

Und wie vielen schon ist das Kap Ras Hafun zum Verhängnis geworden!

Sie alle haben es -- von Osten kommend, nach langen Sturmtagen im
Indischen Ozean -- für das Löwenkap, das Kap Guardafui gehalten, mit
dem es große Ähnlichkeit hat, sie umsteuerten es und fuhren ahnungslos,
frischgemut nach Westen, glaubend, den weiten Golf von Aden vor sich zu
haben. In Wirklichkeit steuerten sie in die Bucht von Ras Hafun, und,
ohne im Dunkel der Nacht die drohende Küste zu sehen, liefen sie in
voller Fahrt auf den Strand.

Dort wurden sie ein Opfer der Eingeborenen, die dahinten in den
gelbroten Bergen -- kein Mensch weiß wo oder wie -- hausen, wurden
erschlagen oder ins Innere verschleppt.

Ein langer Absatz in dem Leitfaden für Seefahrer erzählt davon. Gar
vielen ist dieses Schicksal hier geworden; eine lange Reihe von
Segel- und Dampffahrzeugen nennt das Handbuch, denen diese Bucht zum
Verhängnis geworden.

Diese Länder -- von Mogadischu bis zum Golf von Aden -- sind noch die
einzigen der ganzen Welt, wo Verhältnisse herrschen wie in Zeiten
früher Geschichte, im Zeitalter der Entdeckung Amerikas, der ersten
Besiedelung Australiens und Neuguineas.

Und selbst wenn die schlanken hohen Somalis, die Eingeborenen dieses
Landes, uns aus Achtung vor unseren Maschinengewehren nicht belästigen
würden, selbst dann würde die Vernichtung unserer Besatzung nur eine
Frage von Tagen sein. Wir kennen dieses Land nicht, Karten gibt
es nicht -- Wasser und Lebensmittel wären in Kürze ausgegangen,
verdurstend, verhungernd hätten unsere Leute hier ihr Ende gefunden!
Von den tausend Kilometern wären kaum hundert zurückgelegt worden.

Also -- an Land gehen -- unmöglich!

Weiterfahren, wenn unser Dampfer nicht kommt -- unmöglich!

Warten? -- Unmöglich! -- Wir haben nur für einige Tage Wasser.

Um Unterstützung funken? -- Unmöglich! -- Auf Tausende von Meilen im
Umkreis nur Feinde, die uns suchen.

Was tun? -- --

Selten wird ein Kriegsschiffkommandant in einer ähnlich düsteren Lage
gewesen sein! -- -- --

                              *    *    *

Die Mittagssonne strahlt erbarmungslos herab, die Decksplanken glühen,
matt liegen die Mannschaften im spärlichen Schatten der Aufbauten.

Die Luft über den gelbsandigen Riesendünen zittert und verwischt
ihre Linien. Starke Wirbelwinde treiben urplötzlich auf dem Kamm der
Dünen, schwefelfarbene Säulen aus dem Boden lassen sie zerstäuben und
verwehen, wie der Wasserstrahl eines Geisers plötzlich versiegt und
zusammensinkt.

Die flachwellige Dünung schiebt sich unter dem Schiff wie flüssiges Öl
dahin, hält es in sanften, weiten, gleichmäßigen Schwingungen. Weit im
Osten, nur mit dem Glase erkennbar, jagen die monsungepeitschten Wogen
des Indischen Ozeans dahin, deren spritzende Schaumkronen in der wie
weißglühendes Eisen glänzenden Luft im Winde wirbelnden Schneeflocken
gleichen. -- --

Die Sorge um den drohenden Wassermangel läßt den Kommandanten nicht
ruhen. Es muß alles versucht werden -- ein Boot soll an Land fahren --
es soll in den staubigen, trockenen, ausgeglühten Sanddünen nach Wasser
gegraben werden.

Jeder weiß -- ein vergebliches Beginnen.

Aber der Selbsterhaltungstrieb verlangt auch die unmöglichsten
Möglichkeiten zu erkunden.

Als Führer des an Steuerbord in den Davids hängenden Rettungskutters
bekomme ich den Auftrag, an Land zu fahren und Wasserlöcher schaufeln
zu lassen.

Wir sollen uns alle gut bewaffnen. Jeder meiner Kuttergäste -- einer
ist stämmiger und stärker wie der andere, sollten sie doch wie geplant
in Colombo und Kapstadt mit den Engländern wettrudern --, schnallt eine
große Mauserpistole um. Die Gewehre werden nach der Vorschrift unter
den Duchten festgebunden, die Schaufeln in die Cockpitt gelegt. Im
letzten Augenblick springt noch der erste Offizier ins Boot, um sich
selbst von den Verhältnissen an Land zu überzeugen.

Erst im Kutter ist die Höhe der Dünung zu erkennen. Wir fliegen von der
Reeling bis zu dem grünbewachsenen Schiffsboden auf und nieder. Die
Bedienungsmannschaften der Vorleine haben ihre schwere Not, das Boot in
der richtigen Lage zu halten.

Alles ist fertig!

»Absetzen -- Riemen bei -- Ruder an!«

Im Takt klettert der Kutter die See hinan, schlingert auf der anderen
Seite wieder hinunter. Zuweilen verschwinden hinter dem breiten,
flachen Rücken einer langhinrollenden See sogar die Masten der langsam
immer kleiner und kleiner werdenden »Königsberg«.

Trotzdem wir die Dünung mit uns haben, kommen wir nur langsam vorwärts,
denn der Wind kommt uns entgegen.

Glühend heißer, feiner Flugsand setzt sich überall in Mund, Augen und
Ohren fest. Mächtiger und mächtiger türmen sich vor uns die gelben
Sandriesen mit ihren roten Schluchten und Steilabfällen. Nach fast
einer Stunde haben wir die weißschäumende Brandung dicht vor uns, die
weit an den flachen Sandufern emporleckt.

Wir spähen nach einer Landungsmöglichkeit. -- Aber hier ist guter Rat
teuer! Denn der Wind steht von Land, die schwere Dünung von See.

Alle Künste der Seemannschaft werden angewendet -- Anker geworfen,
durch Rückwärtsrudern mit dem Bug nach See zu versucht durch die
Brandung zu kommen. Vergeblich! Unsere Kriegsschiffskutter sind
schlechte Brandungsboote.

Von einer mächtigen heranwallenden See werden wir gefaßt, schlagen quer
und werden wie ein Kinderspielzeug -- der schwere zehnriemige Kutter
mit seiner ganzen Besatzung -- in hohem Bogen auf den Sand geworfen,
daß Spanten und Planken krachen.

Gewehre, Schaufeln, Bootsausrüstung werden hier und dort an Land
gespült, hier und dort klettert einer triefend und prustend ans Ufer,
seine Knochen prüfend und betastend.

Hoch und trocken liegt der Kutter auf der Seite zwischen zwei
Sandwellen -- ein Teil seines Dollbords ist eingedrückt. --

Staunend stehe ich in dieser glühenden Wüstenlandschaft erhabenster
Eintönigkeit. Wie winzige Eintagsfliegen krabbeln hilflos und unsicher
die paar Menschlein in dieser gewaltigen Sandeinöde herum, dicht am Fuß
von gelbroten, zum Teil steilabfallenden Riesendünen.

Ich denke an meinen Befehl, dessen Ausführung mir hier geradezu
lächerlich erscheint: Wasser graben! -- Hier in diesem Sandmeer, dem
Wahrzeichen absolutester Trockenheit!

Aber ich lasse graben!

Schweigend greifen meine Leute zu den Schaufeln, erdrückt von der
Großartigkeit dieser heißen Wüstenberge, von der Aussichtslosigkeit
ihrer Mühe überzeugt.

Das Loch wird größer und größer. Schon ist es mehrere Meter tief,
aber der Sand da unten ist genau so trocken, genau so heiß wie an der
Oberfläche. An Feuchtigkeit, geschweige denn Wasser ist nicht zu denken.

Wir hören auf!

Da zeigt einer nach Westen, nach einem tiefen Einschnitt der sich dort
im Sonnenflimmern verlierenden Wüstenberge.

»Da kommen Eingeborene!«

Eine lange, immer länger werdende Reihe schwarzer Punkte bewegt sich
dort anscheinend schneller und schneller auf uns zu.

Sie haben wohl die »Königsberg« gesehen und geglaubt, ein gestrandetes
Schiff vor sich zu haben -- wittern Beute!

»Kutter klar!«

Schneller gesagt als getan. Der liegt hoch und trocken auf dem heißen
Sand.

Mit vereinten Kräften stemmen wir ihn hinunter, schieben ihn in die
Brandung. -- -- Ein Schwung -- ein Krachen -- -- hoch liegt er wieder
auf dem Strand!

Die schwarzen Punkte kommen näher und näher -- werden zu Strichen!
Nochmals mit aller Kraft -- die zurücklaufende Dünung abwartend, dann
hinein mit ihm in die brausende Brandung.

Wieder ein Schäumen, Brausen -- der Kutter schlägt quer, kentert. --

Die schwarzen Striche kommen näher und näher -- werden zu schwarzen,
schlanken Menschenkörpern. -- Da braust eine gelbe Sandwolke auf uns
zu, mit Wucht trifft der Wind auf das Wasser, stemmt sich der Dünung
entgegen -- ein paar Sekunden wird sie niedergehalten -- die genügen:
der Kutter schwimmt.

Aber wie! Die Hälfte der Riemen fehlt, ein Teil der Bemannung ist noch
außenbords, klammert sich am Dollbord fest.

Der erste Offizier hängt am Steuerruder im Wasser. Sehnige Arme helfen
-- alles ist geborgen, und mit sechs Riemen statt zehn beginnen wir
gegen die Dünung anzukämpfen.

Die schwarzen Gestalten sind heran, haben das Ufer erreicht! -- -- --

Die Königsberg taucht auf, wir gehen längsseit, die Blöcke werden
eingepickt -- ein schrilles, anhaltendes Pfeifen. Hoch fliegt der
Kutter. Wir klettern an Deck.

An Bord hat man alles mit Spannung aufs genaueste beobachtet.

An der Stelle, wo wir nach Wasser gegraben, sitzen jetzt die
Eingeborenen -- sie haben eine mächtige rote Fahne aufgepflanzt, in
deren Mitte ein weißer Halbmond leuchtet. --

In der zitternden Luft der westlichen Wüstenberge senkt sich
glühendrot, in Purpurschleier gehüllt, mit verschwimmenden Konturen
die Sonne, blauviolette Schatten fallen über die gelben Sandflächen,
ein wildes Durcheinander von grünblauen, karmin- und zinnoberfarbenen
und tiefvioletten Lichtern, und die blauschwarze Wüstennacht hat sich
hernieder gesenkt.

Die Schiffsbesatzung lehnt an der Reeling und starrt auf das wunderbare
Schauspiel. Unter der Back vorne klingen die Töne eines deutschen
Seemannsliedes auf.

                              *    *    *

Schwer mag diese Nacht dem Kommandanten geworden sein, dessen
gleichmäßiger Schritt noch spät vom Achterdeck herüber hallt.

Er hat einen Entschluß gefaßt -- eines deutschen Seemanns würdig, nur
der erste Offizier wird eingeweiht:

Sollte sich unsere schwache Hoffnung auf ein Kommen der Somali, unseres
Begleitdampfers, nicht erfüllen, so will er die Mannschaft retten --
durch den Funken die Engländer herbeirufen, die Besatzung in die Boote
gehen lassen, sich selbst und sein Schiff in die Luft sprengen. -- --

Die Nacht geht vorüber und die Morgennebel heben sich. Grell bestrahlt
die aufgehende Sonne die kahlen Sandflächen. Wimmelndes Leben beginnt
an Bord -- die langen Feuerlöschschläuche schießen hellblinkende
Wasserstrahlen über das Deck, fegen Staub und Schmutz der Nacht weg.
Eifrige Hände säubern Planken und Bordwände.

Da stürzt der Zahlmeister in die Messe: »Ein Kriegsschiff am Horizont!«

Alles rennt an Deck! -- Ein Kriegsschiff? Dann kann es nur ein
feindliches, ein englisches sein. Andere Nationen fahren hier nicht
mehr zur See.

Und wir liegen hier bewegungslos -- mit auseinandergenommenen
Maschinen! Nicht einmal verteidigen werden wir uns können, wehrlos, aus
sicherer Entfernung werden wir zusammengeschossen. Denn der Engländer
wird sich mit seinen weitertragenden Geschützen hüten, in unseren
Feuerbereich zu kommen!

Dutzende von Doppelgläsern, von Augenpaaren suchen den Horizont ab.

Da -- hinter der östlichen Kimm ragen zwei Masten empor!

Ein Kriegsschiff? Kaum anzunehmen, denn die Masten sind kurz, stehen
schräg, haben keinen Scheinwerfermarse und keine Funkenrahen.

Also ein Dampfer -- ein englischer Dampfer, der nach Norden steuert. --
An die Somali denkt keiner, die kann ja unmöglich schon hier sein!

Wut packt uns -- könnten wir jetzt fahren, vielleicht hätten wir eine
gute Prise vor uns mit Kohlen! -- so hätten wir vielleicht alles,
was wir zum Leben und Kriegführen nötig haben. Der Dampfer muß uns
sehen! --

So müssen wir ihn schweigend vorüber fahren lassen, müssen hilflos
dulden, daß er uns verrät, daß sein Funken den feindlichen Spürhunden
unseren Schlupfwinkel angibt.

Der Dampfer kommt näher. Sein Schornstein taucht über die Kimm!

Eigenartig -- er steuert Westkurs -- in die Bucht von Ras Hafun hinein!
-- Was sucht er dort? Hat er Maschinenschaden?

Minuten verfließen. Seine Aufbauten werden sichtbar, sind jedoch in dem
dunstigen flimmernden Morgenlicht nicht klar zu erkennen.

Sollte er hier nichts ahnend in unserer Nähe vor Anker gehen? Uns für
einen Engländer halten?

»Da könnte man ja ein Boot hinüberschicken und ihn kapern,« werden
Stimmen laut!

»Könnte man nicht versuchen, so schnell als möglich wenigstens eine
Maschine klar zu machen und mit dem letzten Rest von Kohlen zu
versuchen in seine Nähe zu kommen?« -- -- --

»Das ist ja die Somali!« sagt einer. -- »Ausgeschlossen, sie kann
frühestens morgen abend hier sein!« -- --

Oder doch? Angestrengt starrt alles nach Osten. -- Näher und näher hat
sich der schwarze Punkt geschoben.

Da -- er dreht etwas -- zeigt seine Seitenansicht. -- Es ist die
Somali!!

Eine Entspannung geht durch alle, freudig drückt man sich die Hände.
In wenigen Minuten haben wir die Skala von dumpfer Ergebung in ein
unabwendbares Schicksal, von knirschender, machtloser Wut, von Hoffnung
auf den Schimmer einer Rettungsmöglichkeit bis zur vollkommenen, für
unmöglich gehaltenen Erfüllung aller Wünsche durchlaufen! --

Die Sonne steigt höher und höher, brennend streichen ihre Strahlen
über die Wüstenberge. Im frischen Winde flattert dort auf dem gelben
Sande die rote Fahne, zwei schwarze Gestalten stehen in erzener Ruhe zu
Statuen erstarrt, anscheinend als Posten daneben.

Die »Somali« kommt näher und näher, Megaphonrufe werden ausgetauscht,
Leinen fliegen herüber und hinüber -- beide Schiffe liegen Bord an Bord
festgemacht.

Ihr Kapitän hat, mit allen Verhältnissen im Indischen Ozean aufs
genaueste vertraut, die schnellen nördlichen Monsunströmungen längs der
Küste zu fassen gewußt und es so möglich gemacht, viel früher, als nach
unserer Berechnung nur denkbar, das Kap Ras Hafun zu erreichen. --

Die Luken werden geöffnet, die Winden kreischen, die Spills klappern,
Kohlenkörbe fliegen herüber -- den ganzen Nachmittag, die ganze Nacht,
den nächsten Tag, die nächste Nacht! Am Vormittag des dritten Tages
sind wir fertig. -- Selbst an Deck stehen die Kohlen zu Bergen getürmt.

Wir legen von der Somali ab. -- Gegen Mittag lichtet auch die Somali
die Anker. Sie steuert nach den Komoren, wo wir sie wieder treffen
wollen.

Glühend heiß fegt der Wind feinen, gelben Sand über Deck, die Augen
schmerzen im weißgrellen Sonnenlicht. Wie glitzernde Schleier liegt die
flimmernde Luft über den gelbroten Sandbergen. Einsam flattert die rote
Fahne, regungslos stehen daneben die schwarzen Gestalten. Diesmal sind
sie um ihre Beute betrogen.

                              *    *    *

Wir richten den Kurs nach Osten, umsegeln das Kap und steuern nach
Süden. -- Nach Madagaskar! --

Brausend empfängt uns der blaue schäumende Ozean, weithin flattert vom
peitschenden Monsun zerrissen unsere schwarze Rauchfahne.

Kleiner und kleiner werden die roten Wüstenberge, heller und heller die
gelben Sandstreifen, greller und greller wird das Flimmern der Luft und
verwischt die letzten Farbenspiele des Kaps Ras Hafun.


                            Unguja-Sansibar


Unguja-Sansibar -- die Stadt der weißen Türme, der wehenden Palmen,
der Sitz des Sultans -- früher Beherrscher der Gläubigen der Ostküste,
jetzt Popanz der englischen Regierung.

Noch keine fünfzig Jahre sind es her, da durchzogen lange
Trägerkarawanen, von den Riesenseen Zentralafrikas kommend, beladen
mit Elfenbein und Gummi oder Reihen dunkelhäutiger Sklaven mit sich
schleppend, die weiten Buschsteppen und endlosen Waldländer des
afrikanischen Festlandes -- alle die Blicke, die Schritte nach Osten,
der aufgehenden Sonne zu gelenkt, alle nach einem Ziele strebend, der
Perle des Indischen Ozeans: Unguja-Sansibar.

Noch keine fünfzig Jahre sind es her, da lösten sich im November,
Dezember jeden Jahres gewaltige Dhauflotten von den Küsten Arabiens,
beladen mit Teppichen und Stoffen, Waren von Gold, Glas und Silber,
hißten ihre dreieckigen Segel, die der einsetzende Nordostmonsun
zum Platzen füllte, und traten die weite Reise über die rauschenden
Ozeanwüsten an, als einziges Leitgestirn das Kreuz des Südens und die
Sonne, mit dem Ziel weit unten am Äquator: Unguja-Sansibar.

Dort trafen sich die Tausende von Karawanenträgern, beladen mit den
Erzeugnissen des Urwaldes, der Völker Innerafrikas, mit den Hunderten
der schrägmastigen Dhaus, dort wurden die Waren von zwei Erdteilen
gestapelt, getauscht und verkauft, dort ragten die Paläste der reichen
braunhäutigen, langbärtigen Handelsherren, deren Ohrläppchen kaum das
Gewicht des Goldschmuckes tragen konnten.

Jetzt sind die Karawanenzüge abgelöst durch über die Steppe rasselnde
Eisenbahnen, die Dhauflotten durch weitbauchige Dampfschiffe.
Aufblühende Städte der Küste, wie Daressalam und Tanga, haben
fast ganz den Strom des Handels nach Sansibar unterbunden, die
Tausende von Kilometer langen Karawanenstraßen nach Bagamojo, dem
Überfahrtshafen von Unguja, sind verödet, verlassen, die Regenzeiten
sind über sie hinweggezogen, haben sie verwaschen, eingeebnet, und
frisches Grün, starrer Busch oder knorpelige Bäume wachsen auf ihnen.
Die Karawanenhäuser sind längst verfallen, das Gras des Daches ist
verfault, Stützen und Stämme sind vermodert und liegen am Boden, durch
Termiten mit einer rotbraunen Erdschicht überzogen und zerfressen.

Auch Bagamojo selbst, die einstige Araberstadt, liegt verlassen da. Nur
wundervoll geschnitzte Türpfosten in kleinen einstöckigen Steinhäusern
erinnern an vergangene glänzende Tage. Der Strom der Zeit hat eine
andere Richtung genommen!

Aber ganz vermeiden konnte er Unguja nicht, und ist es auch nicht mehr
der einstige Welthandelsplatz des Ostens, so liegen doch in seiner
blauglänzenden, geschützten Bucht Dampfer an Dampfer, wogt unter seinen
nickenden, leis raschelnden Palmen ein wirres Gemisch von allen Rassen
der Erde.

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
     Deutscher Küstenposten auf Simba-Uranga im Abendsonnenschein]

[Illustration: Maschinengewehr in der Mündung des Rufiji im Begriff,
               einlaufende feindliche Barkassen zu beschießen]

[Illustration: Im Palmengelände von Sanninga marschierende
               Europäerkompanie]

[Illustration: Der »Adjutant« auf dem Strande von Simba-Uranga
               3 Stunden nach dem Gefecht, bei Ebbe]

Japan und China breiten dort bunte Handelserzeugnisse aus, von seinen
gelben langzöpfigen oder kurzgeschorenen Söhnen feilgeboten. Behäbig
und fett sitzt der dicke Banjane vor seiner Duka, die mit dem Gerümpel
von fünf Weltteilen angefüllt ist. Schweigende Inder, würdevolle
Araber, schreiende Neger, schwitzende Rikschahboys füllen die Straßen.

Dort schlendern dürre englische Handelsmatrosen die Kais entlang,
die Hände in den Hosentaschen, spähen abschätzend über die stinkende
Shagpfeife hinweg auf ein vollbusiges, nach Kokosöl duftendes
Suaheliweib; eine Rotte grölender Franzosen zieht durch die Gassen, ein
Dogcart, gesteuert von einer eleganten Engländerin, saust durch die
auseinanderstiebende Menge.

Über alles strahlt ein blauer Himmel, die heiße Äquatorsonne,
deren Strahlen sich in den weißen Mauern und Palästen fangen und
wiederspiegeln und die ganze Stadt in ein blendendes Licht hüllen.

Frisch, und die fast unerträgliche Glut mildernd, weht der Monsun durch
Straßen und Gassen, bläht Sonnensegel und grellfarbige Frauenkleider
und läßt die rote Fahne des Sultans auf dem Dach seines Palastes
flattern, dessen mächtige, weiße Fassade mit zahllosen Riesenfenstern
auf den weiten Hafen sieht.

Aber die Flagge auf dem weißen Palast ist jetzt nahezu die einzige
ihrer Art. Überall soweit das Auge reicht wehen andere Farben im Winde.
Auf allen öffentlichen Gebäuden, an allen Masten der Schiffe im Hafen
leuchtet das liegende Andreaskreuz im roten Felde, leuchtet der Union
Jack.

Unguja wird nicht mehr von seinen angestammten Fürsten beherrscht,
Unguja ist eine Stadt der Engländer geworden. -- --

                              *    *    *

Und Unguja ist heute -- es ist der 20. September 1914 -- unser Ziel! --

In schneller Fahrt schiebt sich der schlanke Leib der »Königsberg«
durch die blaue, leichtgewellte Flut nach Norden; gleichmäßig, in
dicken Schwaden quillt aus den drei Schornsteinen der Rauch.

An Backbord, kaum ein Dutzend Seemeilen entfernt, sehen wir die
deutschostafrikanische Küste vorbeigleiten mit ihren langwelligen,
grünblauen Hügelketten, die weit nach Westen zu in bläulichem Dunst
verschwinden. Überall steigen dort hohe, weißleuchtende Rauchsäulen in
den Himmel -- es ist September, die Zeit der Steppenbrände. Seit Mai,
Juni hat die glühende Sonne das Gras, den Busch und die Baumsteppen
ausgedörrt. Von den Eingeborenen durch Absicht oder Versehen
angesteckt, wälzen sich die Brände vom Winde getrieben dahin.

Dort drüben auf diesen langgestreckten Hügelwellen scheint kaum ein
Luftzug zu wehen, denn kerzengerade ragen die hellen Rauchsäulen wie
Zedern in die klare Luft.

Die Sonne beginnt sich zu neigen und läßt tiefdunkle Schatten auf den
Ostteil der Küste fallen.

Wir passieren das Vorgebirge von Ras Kanzi und drehen etwas nach
Osten. --

Es ist Nacht geworden. Mit erstaunlicher Schnelligkeit sind die
Purpurstreifen im Westen zerflossen. Als einheitliche dunkle Masse
liegt die Küste da.

Die Rauchsäulen sind nicht mehr zu erkennen, nur ab und zu leuchtet ein
roter Feuerstreifen auf!

Da blitzt voraus an Backbord ein Blinklicht auf -- es kann nur der
Leuchtturm der Insel Makatumbe sein, die vor der Hafeneinfahrt von
Daressalam liegt. Wir staunen alle, daß an unserer eigenen Küste jetzt
im Kriegszustande noch ein Leuchtfeuer brennt, freuen uns aber, denn so
haben wir nochmals einen genauen Schiffsort, bevor wir das völlig im
Dunkeln liegende Sansibar ansteuern.

Schweigend in der leise wiegenden See rauschen wir nach Norden. Was
mögen wir wohl im Hafen von Sansibar antreffen? Eine kühne Tat unseres
Kommandanten, sich in die Höhle des Löwen, die Operationsbasis der
gegen uns geschickten englischen Kreuzer, zu wagen -- noch kühner durch
die große Schwierigkeit der Ansteuerung.

Schon in Friedensverhältnissen ist es keineswegs einfach, den von
zahllosen Riffen und Inseln umsäumten Hafen zu erreichen. Um so
schwieriger jetzt -- bei Nacht, ohne Markierung und Befeuerung des
Fahrwassers.

Und gelingt es uns glücklich, die Einfahrt zu finden, so ist es sehr
leicht möglich, daß wir weit überlegene feindliche Schiffe vorfinden
werden. -- --

Nach Mitternacht kommt an Backbord ein Licht in Sicht. Alle Nachtgläser
sind darauf gerichtet. Was kann es sein, ein Wachboot oder eine Dhau?
Oder ist es -- wie die meisten glauben -- eine absichtlich falsch
ausgelegte Leuchtboje?

Wir vermindern die Fahrt, steuern vorsichtig weiter.

Bald ist das Licht achteraus verschwunden. Es war ein englisches
Wachschiff, das uns nicht gesehen, oder gern einem Zusammentreffen mit
uns ausgewichen war, mochten seine Kameraden im Hafen von Sansibar den
Schaden davon haben.

Gegen zwei Uhr nachts taucht an Steuerbord -- im Osten -- eine dunkle
Landmasse auf. Es muß die Südspitze von Sansibar sein.

Dutzende von Augenpaaren durchbohren die Nacht. Gleichmäßig gleiten wir
dahin.

Ein guter Lotse ist an Bord, der die Einfahrt bei Tage schon oft
gemacht hat: der Kapitän der »Somali«, die jetzt, nachdem wir sie bei
den Komoren abgeholt, im Rufijifluß auf uns wartet.

                              *    *    *

Gegen fünf Uhr rötet sich der Horizont -- fahle Schimmer leuchten im
Osten auf.

In kurzer Zeit muß sich die Spannung lösen!

Hoch ragt jetzt an Steuerbord die Küste Ungujas, schnell wird es heller
und heller, Einzelheiten sind bereits zu erkennen. -- Es kommt jetzt
auf Minuten an, denn wir können vom Lande bereits gesehen und gemeldet
sein.

Auf einem mächtigen Felsvorsprung rechterhand steht der Leuchtturm
von Sansibar -- Tschumbe Island -- dunkel, düster; sein Feuer ist bei
Kriegsbeginn erloschen.

Aller Augen suchen jetzt den vor uns liegenden dünnen weißlichen
Dunststreifen zu durchdringen -- er verbirgt uns den inneren Hafen; --
aber die inneren Hafenfeuer sind zu erkennen. --

Blitzende Strahlen schießen über den Himmel, die Sonne taucht über
Unguja auf.

Eine leichte Brise kommt auf, kräuselt die glatten Flächen und läßt den
dichten Palmenwald des Ufers erwachen.

Rechts von uns, hinter einer grünbewachsenen waldigen Landzunge,
tauchen die weißen Häuser der Stadt, noch verschwommen im Morgennebel,
auf, wuchtig hebt sich der Palast des Sultans ab.

Da lüftet sich langsam der weiß über dem Hafen liegende Schleier.

Längst sind wir klar zum Gefecht! Durch die Zielfernrohre der
Geschütze, die Entfernungsmeßgeräte, durch alle Luken blicken gespannt
klare, scharfe Augen.

Ein silbergrauer Schiffsleib wird sichtbar, zwei Schornsteine, zwei
Masten -- auf der Brücke hohe, übereinandergetürmte Aufbauten, -- ein
englischer Kreuzer.

Nichts rührt sich bei ihm an Bord. Er liegt ahnungslos -- seine
Mannschaft schläft noch in den Hängematten.

Wir drehen nach Steuerbord. Die Mündungen der Geschütze der
Backbordbreitseite heben sich.

Majestätische, morgenländische Ruhe liegt über dem weiten Hafen --
nichts regt sich -- es ist Sonntagmorgen.

Nur ein knarrendes Rascheln der Palmen in der schwachen Brise -- an
Bord kein Laut, Nerven und Sehnen sind zum Zerreißen angespannt! --

Weiß leuchtet der Sultanspalast!

»Salve, Feuer!«

Dröhnend, wie in Fetzen gerissen, zerreißt die Stille, das Zischen der
absausenden Granaten durchschneidet die Luft.

»Aufschlag!«

Fünf haushohe Wassersäulen steigen in die Luft.

»Kurz!«

»Feuer!«

Dicht an der Bordwand des Engländers stehen die weißen Kaskaden.

»Feuer!«

Schwarzer Rauch, fliegende Eisenteile -- er ist getroffen.

Ein Sausen, Krachen und Dröhnen hebt an -- drei, vier Salven fliegen
noch in die Luft, während die fünfte schon wieder abgefeuert wird.

Der Engländer ist erwacht -- er wehrt sich. Fünf weiße Wölkchen steigen
an seiner Bordwand auf -- seine Granaten kommen angesaust! -- Zu kurz
-- zu weit!

Der Ausgang kann nicht lang zweifelhaft sein. In einer schwarzen, weit
über die Masten hinausragenden Riesenwolke fliegt seine Kommandobrücke
in die Luft -- sein ganzes Vorschiff ist in schwelendem braungelben
Dampf gehüllt.

Die weißen Wölkchen erscheinen nicht mehr gleichzeitig -- seine
Geschütze feuern nur noch einzeln.

Ein Teil seines Achterschiffes brennt -- alle sechs Sekunden haut ein
Eisenhagel in ihn ein.

Da schweigt er! --

Fünf lange Minuten feuern wir noch weiter -- da ertönt eine Stimme: er
zeigt die weiße Flagge!

Ein englisches Kriegsschiff -- die weiße Flagge? Ungläubig suchen
wir mit den Gläsern seine Masten ab -- der Kommandant läßt das Feuer
einstellen.

Wir sind ganz nahe an die Küste gekommen, dicht vor uns rauschen die
hohen schlankstämmigen Kokospalmen, fliehende Eingeborene jagen vorbei.

Auf dem Engländer scheint sich nichts zu rühren. Die Entfernung ist nur
etwa sechs Kilometer -- eine masthohe dunkelschwelende Rauchwolke zieht
von achtern her über sein Mitteldeck und entzieht unseren Augen die
weiße Flagge, die am Großmast weht. Hätten wir sie erkannt, so wäre der
Besatzung Gnade gewährt.

So muß weiter gekämpft werden.

»Salve, Feuer!«

Von neuem hageln die Granaten auf ihn ein.

Er verteidigt sich nicht mehr. Langsam neigt er sich auf die
Backbordseite und zeigt seinen grünbewachsenen Boden.

Wir lassen jetzt von ihm ab, er ist erledigt.

Lange Rauchschwaden ziehen über ihn hin. -- Die leichte Brise ist
eingeschlafen, matt hängt die rote Fahne des Propheten am Sultanspalast.

Rauchend liegt unter Land eine Dampfbarkasse. Sie wollte sich uns
nähern, da wurde sie vernichtet.

Die Sonne hat sich über der Stadt erhoben. Weiß leuchten die Paläste,
Häuser und Minarets von Sansibar.

Kaum tausend Meter vor den Toren des Sultanspalastes liegt der
untergehende englische Kreuzer -- es ist der »Pegasus«!

Auf den Kais sind Menschengruppen zu erkennen. Wir drehen langsam nach
Süden -- verlassen den Hafen! Einige Schuß noch auf die englische
Funkenstation, krachend stürzen zwei von ihren Masten zusammen, sie
schweigt. Sansibar ist ohne Funkenverbindung mit der Außenwelt. --

                              *    *    *

Wiegend empfängt uns die weite Dünung der freien See -- im Westen
tauchen die bewaldeten Höhenzüge der afrikanischen Küste auf -- die
hohen weißen Rauchsäulen der Steppenbrände schlängeln sich in den
azurblauen Himmel.

Hinter uns versinken langsam die grünen Palmenhaine Sansibars. Grell
von der Sonne beschienen, leuchtet der rotfarbene Leuchtturm, hellgelb
und weiß das Felsengestade und die Riffe seiner Südküste.

Mehr und mehr verschwinden seine Konturen, werden von der weiten Kimm
des Ozeans verschlungen.

Die Sonne hat noch nicht den zehnten Teil ihres Weges vollendet, da
versinken auch die letzten Höhenzüge der einstigen Perle des Ostens
unter dem Horizont -- -- -- Unguja ist verschwunden.




                           II. IM RUFIJIDELTA




[Illustration: Ornament]


                                 Salale


Die Wasser der Hochsteppen der Wahehe und der Wabena sammeln sich
in dem Ruaha und Ulanga. Im weiten Bogen durchfließen sie das Herz
Deutschostafrikas und vereinigen sich dann in dem Fluß Rufiji, der
seine meist braungrünen Wassermassen durch die Ebene an Nyakisiku,
Mpanganja und Utete vorbei nach Mohoro wälzt. Dort teilt er sich in
eine Unzahl von breiten Armen. Im Laufe der Jahrhunderte, wenn nicht
Jahrtausende, hat er seine nördlich liegenden Mündungen immer weiter
nach Süden verschoben und biegt jetzt bei Mohoro schräg nach der
Kilwagegend zu ab.

Aber die andern mächtigen Arme sind noch keineswegs versandet. In
weiten Bogen und Windungen, bis zu tausend Meter und mehr breit,
durchschneiden sie eine unabsehbare Mangrovenwildnis.

Sie bilden das gewaltige, dem Nil- und Mississippidelta an Größe kaum
nachstehende Rufijidelta.

Von der Höhe des überragenden Pembaberges sieht es im Lichte
der untergehenden Sonne aus wie ein weitmaschiges Netz von
ineinandergeflochtenen Gold- und Silberfäden, die sich in wunderlichen
Krümmungen, bald dick, bald in haarfeinem Gespinst durch den grünen,
ungeheuren Mangroventeppich ziehen.

Ganz weit im Osten, wo der silberne Indische Ozean scharf diese waldige
Sumpfwildnis abschneidet, ragen hohe dunkle Kasuarinen, die nur in
dichtester Nähe des Salzatems des Ozeans leben können.

Dort, fast im Herzen der weitverzweigten Insel- und Wasserwirrnis,
wird das Grün heller, an manchen Stellen fast gelb; dort wehen weite
Palmenwaldungen in leichtem Luftzuge, dort liegt der einzige bewohnte
Ort: Salale.

An dem mächtigen, tiefen Saningaarm gelegen, ist es von See aus
selbst durch große Küstendampfer zu erreichen, sie laufen dort an, um
das Mangrovenholz und die Erzeugnisse der wenigen am oberen Rufiji
gelegenen Pflanzungen zu verladen.

Salale ist sogar Poststelle. Mitten im Wald, an einer besonders hohen
schlanken Palme, ist ein blauer Briefkasten angenagelt, daneben
steht ein kleines, sauberes Lehmhäuschen, in dem der Leiter dieser
Nebenstelle, ein biederer, goldbrauner Goanese sein bescheidenes Dasein
fristet.

Die einzigen Europäer dieses verborgenen Ortes sind zwei alte
Deutsch-Afrikaner: ein Forstbeamter und seine Frau. Sie haben hier
schon viele Jahre ihres Lebens unter den nickenden Palmen zwischen den
Eingeborenen ihrer Station verbracht.

Ihr weißes, einstöckiges Steinhaus steht fast am Strande, mitten in dem
tiefen, hellbraunen Sande, dort gedeiht die Kokospalme am besten. Sie
kommt denn auch überhaupt nur hier oder nicht allzuweit von der Küste
vor. Das ganze übrige Gebiet des weiten Deltas ist von dunkelgrünen
Mangroven bewachsen, ihre Luftwurzeln ragen bei Niedrigwasser in
grotesken Verschlingungen aus dem weichen, tiefen Mutt hervor. Ein
Anlandsteigen ist hier überall fast unmöglich -- man versinkt ohne
weiteres in diesem sumpfigen Lehmbrei.

Gleich hinter Salale hört das tiefe Wasser auf, der Saningaarm macht
eine Biegung und nur eine schmale, keine zwanzig Meter breite Fahrrinne
ist noch vorhanden.

In ihr liegt am 4. November 1914 die »Königsberg«, ganz dicht an die
Mangroven gepreßt, so daß man fast hinüberlangen kann. --

Der Kohlenvorrat ist erschöpft! --

Sie hat im Rufiji Schutz gesucht und auch gefunden. Erst gestern ist
sie von englischen Kreuzern entdeckt worden, die die »Somali«, die
nordöstlich von Salale verankert liegt, um einfahrenden Feinden ein
Hindernis zu bieten, schwer unter Feuer genommen haben.

                              *    *    *

Heute erwarten wir einen entscheidenden Angriff. Allerdings erst gegen
Nachmittag, da nur dann, beim höchsten Hochwasser, die vor der Einfahrt
liegende Barre von den englischen Kreuzern passiert werden kann. --

Die Eigenart der Verhältnisse hat uns gezwungen, ein
Verteidigungsmittel seltener Art zu erfinden.

Wir müssen unbedingt verhindern, daß die englischen, uns
artilleristisch weit überlegenen Kreuzer -- es sind die »Weymouth«,
»Dartmouth« und »Falmouth« -- einlaufen, müssen sie gleich beim
Einfahren in die Mündungen angreifen.

Das wirksamste Mittel dafür sind unsere fünf Torpedos. Wir haben aber
keine Boote, von denen aus wir sie abfeuern können. So müssen wir uns
eben auf andere Weise helfen.

Zwei Einbäume werden mit Querbalken in einem Abstand von einem Meter
aneinander gebunden und in der Mitte an den Verstrebungen Laufschienen
angebracht, in denen der Torpedo hängt.

Beim Schuß wird einfach der Öffnungshebel durch Ziehen an einem
Drahtstropp umgelegt und mit einem gewaltigen Satz springt dann
der glänzende, stählerne Riesenfisch, der größer ist als das ganze
Torpedoboot selbst, in der angesteuerte Richtung in die Luft, um
dann im hochaufspritzenden Wasser unterzutauchen und seinem Ziel
zuzuschwimmen.

Wir haben es schon ein paarmal versucht und über Erwarten günstige
Erfolge damit erzielt. Daß beim Schuß, durch den Stoß, die Hälfte der
Besatzung jedesmal über Bord fällt und prustend wieder in die Einbäume,
die dann halb voll Wasser sind, klettern müssen, tut dem Eifer nicht
den geringsten Abbruch.

Wir wollen uns heute in der Nähe der Mündung mit unserem »Torpedotumbi«
-- tumbi heißt auf Kisuaheli »Einbaum« -- in einem verschwiegenen
Seitenkreeck hinter den Mangroven verbergen und dem ersten Engländer,
der versuchen sollte einzudringen, auf 300–400 Meter einen Torpedo in
den Leib jagen. -- Auf diese Entfernung muß er treffen und wirken!

Von der Pinasse geschleppt, steuern wir langsam an Salale vorbei,
das verlassen daliegt. Seine Bewohner, Weiße sowohl wie Schwarze und
Braune, sind jetzt längst geflüchtet. Auf der höchsten Palme sitzt ein
Beobachtungsposten von uns.

Weiter geht es, die schweigenden Mangroven entlang, der Mündung zu. Das
Wasser läuft noch stark stromauf, in zwei Stunden -- etwa um vier Uhr
nachmittag -- wird Hochwasser sein.

Wir passieren die »Somali«, die einsam und verlassen im Fahrwasser
liegt. Treu wie ein Hund ist sie uns bis hierher gefolgt und muß
sich jetzt hier für uns vernichten lassen. Verschiedene Löcher,
herabhängende Eisenfetzen und geknickte Stützen zeugen von der
gestrigen Beschießung.

Wir erreichen die Hauptbiegung des Saningaarmes und somit unser Ziel.

Von den Dutzenden von abzweigenden Querkanälen wählen wir den tiefsten,
zugleich den am besten unter überhängenden Mangroven verborgenen.

Der Doppeleinbaum wird mit frischem Grün geschmückt -- er ist
jetzt vollkommen unkenntlich -- und in der passenden Schußrichtung
festgepflöckt. Die Pinasse verschwindet im Innern des Kreeks.

So sitzen wir und lauern!

Das Wasser steigt nur mehr langsam, also muß es sich bald entscheiden!

Wollen die Engländer uns angreifen, so müssen sie einlaufen, denn von
See aus beträgt die Entfernung bis zur »Königsberg« mindestens 15
Kilometer -- sie ist außer theoretischer Reichweite der englischen
Schiffsgeschütze.

Also müssen sie kommen -- wir erwarten sie. --

Ins Wasser gestreute Blätter zeigen, daß jetzt Stauwasser ist -- die
höchste Höhe ist erreicht.

Angestrengt starren wir auf die Biegung. Jeden Augenblick kann dicht
vor uns der graue Bug eines langsam um die Ecke steuernden Kreuzers
sichtbar werden.

Es herrscht vollkommene Stille. Das leise Rauschen des aufströmenden
Wassers ist verklungen -- bewegungslos, wie ein Spiegel liegt es vor
uns. Man kann die Ringe erkennen, wenn eine der langarmigen, tropischen
Wasserspinnen über seine Fläche läuft. Leise summen die Moskiten, ein
Regenpfeifer flötet ab und zu, oder Affengekreisch zerreißt mißtönend
für einen Augenblick das Schweigen.

                              *    *    *

Da dröhnen fünf schwere Schläge durch die Luft. Zitternd rascheln
die Mangroven, hoch über unseren Köpfen saust das Zischen darüber
hinwegfliegender Granaten.

Wir starren in die Höhe! Wem kann dies gelten? Sollten die vor der
Mündung liegenden Engländer die »Somali« beschießen?

Wieder das ferne Krachen einer Breitseite, das Sausen und Heulen weit
über uns -- wir sitzen mit der Uhr in der Hand -- dann ganz fern fünf
dumpfe Aufschläge.

Nochmals und nochmals zählen wir am Sekundenzeiger die Zeit zwischen
Abschuß und Aufschlag -- diese Granaten fliegen weiter wie dreizehn
Kilometer!

Sollten die Engländer trotz der verkleidenden Büsche auf den Toppen
unserer Masten von See aus die »Königsberg« hinter den Palmenwaldungen
von Salale gesichtet haben und sie nun beschießen?

Aber wie?

Keiner von den da draußen liegenden Kreuzern kann fünfzehn Kilometern
weit schießen. Sollten unerwartet neuere, größere Schiffe eingetroffen
sein?

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
                 Heliographenposten auf dem Kembaberg]

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
          »Unsere kleinen Hilfsschiffe« im sicheren Versteck
   Von links nach rechts: die »Rovuma«, der »Tomondo«, die »Hedwig«]

[Illustration: Schädel eines vom Verfasser erlegten Flußpferdes]

[Illustration: Vom Kommandanten gefangenes Flußpferdbaby
                 auf den Decksplanken der »Königsberg«]

Kaum anzunehmen! Deren Erscheinen wäre uns längst schon von irgendeinem
der vielen Küstenposten von Tanga bis zur Rovumamündung gemeldet worden.

Vorläufig ein ungelöstes Rätsel. --

Alle zwanzig Sekunden braust eine Salve über uns hin, um nach einer
endlos scheinenden Zeit mit dumpfem fernem Krachen zu krepieren.

Wir aber erwarten immer noch jeden Augenblick das Erscheinen eines
grauen Buges dort hinten bei der Ecke, wo die Mangroven sich in dichten
Büscheln über den Flußarm neigen.

Das Wasser steht noch immer. Vor einer Viertelstunde hineingeworfene
Zweige haben sich noch keinen Zentimeter von ihrer Stelle gerührt.

Die Sonne hat sich weiter nach Westen geneigt. Das unangenehme Summen
der Moskiten verstärkt sich; blutgierig in leisem metallischen Singen
umkreisen sie unsere nackten Arme, um die Gelegenheit zum Stich zu
erspähen.

Hier, rechter Hand, steht eine schlanke dünne Mangrove, deren Stamm,
Äste und Blätter, wie mit braunem Rost überzogen scheinen; tausende
von Moskiten hängen an ihm, schlafen, die Zeit des Sonnenuntergangs
erwartend. --

Noch immer dröhnen in gleichen Zwischenräumen von See her dumpf die
Schläge der Breitseiten, das Heulen in der Luft, das ferne Krachen der
Aufschläge.

Da kommt allmählich Bewegung in die Wasser, langsam, ganz langsam
beginnen sie zurückzufließen -- nach See zu.

Wir geben die Hoffnung auf, heute noch den grauen Bug um die Ecke
biegen zu sehen. Der Torpedokopf wird wieder gesichert, die Pinasse
kommt aus ihrem grünen Versteck hervor, nimmt das Doppeltumbi im
Schlepp, und langsam dampfen wir gegen den nun immer schneller
abfließenden Strom zurück.

Der Kanonendonner hat aufgehört. Die Ruhe der verlassenen Urwaldwildnis
liegt auf der weiten Mangrovenlandschaft.

Die Abendsonne wirft schräge Schatten auf das Grün, gibt ihm allmählich
eine hellgelbe Färbung und weckt den Tippu-tipp, Afrikas Kuckuck,
der mit seinen eine ganze Oktave durchflötenden Tönen über die leise
glucksenden und rauschenden Wasser hinklagt. Er kann kaum fliegen -- ab
und zu sieht man den braunen, plumpen Vogelkörper wie ein Huhn von Ast
zu Ast flattern.

Man kann es nicht fassen, daß diese heilige Urwaldstille eben noch von
dem Dröhnen der raffinierten Vernichtungsmittel des höchstentwickelten
Wesens in dieser Welt, des Menschen, erfüllt worden ist.

Wie oft habe ich da draußen empfunden, wie lächerlich winzig und
bedeutungslos das Kampfgetümmel menschlicher Zwergwesen und ihrer
kleinlichen Leidenschaften ist neben der ruhigen Größe dieser mächtigen
Natur -- ja ein Gefühl der Beschämung wollte mich übermannen, wenn ich
bedachte, daß ich eben noch mit allen Fasern, mit allen Kräften des
Denkens am Kampfe teilgenommen hatte. -- --

Was sind um irgend welche Vorteile, und sei es selbst um die Existenz
kämpfende Atome gegen diese schweigende, ursprüngliche Unendlichkeit? --

                              *    *    *

Die Palmen von Salale tauchen auf, die bereits nur mehr als dunkle,
verästelte Silhouetten sich gegen den rasch verblassenden Himmel
abheben.

Wir legen an, um den Beobachtungsposten mitzunehmen. Vor uns liegen die
dunklen Umrisse einer alten, einst seebefahrenen Dhau, rechts davon
eine halbverfallene Grashütte.

Die Leute steigen an Bord. Aufgeregt erzählen sie, daß tatsächlich die
»Königsberg« beschossen und schwer beschädigt worden sein müsse, da
alle Granaten unmittelbar bei dem Schiff eingeschlagen seien. Kreuzer
anderer Art, als die bisher gemeldeten, hätten sie nicht gesehen.

Also ist das Wie dieser Beschießung noch immer ein ungelöstes Rätsel. --

Es ist mittlerweile fast vollkommen Nacht geworden. Wir folgen dem
breiten, hellen Rand des Saningaarmes, dessen Ufer man nicht mehr
erkennen kann, da die tiefdunklen Schatten der Mangroven sich mit ihrem
tintenschwarzen Spiegelbilde im Wasser zu einem unsicheren, breiten,
dunklen Streifen vereinigen. --

Der sehnige, achtern stehende Bootssteurer, dessen Mützenbänder
im Winde flattern, legt langsam die Ruderpinne, wir drehen nach
Steuerbord, passieren die Biegung, und vor uns liegt der dunkle, in
der Finsternis riesenhaft erscheinende Rumpf der »Königsberg«. Fast
keine Lichter sind zu sehen -- man könnte glauben, sie wäre vollkommen
verlassen, wenn nicht dumpfes Stimmengewirr, Hämmern und Klopfen
herübertönte.

Wir legen am Fallreep an.

Schnell sind unsere Fragen beantwortet. Die »Königsberg« hat
tatsächlich heute nachmittag lange im schweren englischen Feuer
gelegen, ist aber wie durch ein Wunder nicht ein einziges Mal getroffen
worden, hat nicht einen Mann verloren.

Wie wir später erfahren haben, sind die Palmenbüsche auf den Toppen
der Masten uns zum Verhängnis geworden. Sie wurden, an Höhe weit den
Palmenwald von Salale überragend, von See aus gesehen und von den
Engländern sofort als Masten der »Königsberg« angesprochen.

Da die feindlichen Kommandanten nicht so weit schießen konnten,
drängten sie durch Fluten der Seitenräume ihre Schiffe so weit nach
der entgegengesetzten Seite, daß den Geschützen die für die weite
Entfernung nötige Erhöhung gegeben werden konnte. --

                              *    *    *

Da wir für den nächsten Tag bestimmt mit einer Wiederholung rechnen
konnten, die uns unbedingt verhängnisvoll werden mußte, hatte sich
unser Kommandant entschlossen, nachts beim höchstem Hochwasser zu
versuchen, über die uns den Weg nach hinten sperrenden Barren zu
fahren, um im Innern des Deltas einen vorläufig für die Engländer nicht
erreichbaren Platz aufzusuchen.

Das Fahrwasser hatten wir zu diesem Zweck früher schon genau
ausgelotet. Der Tidenhub, der Unterschied zwischen Hoch- und
Niedrigwasser, beträgt dort fast fünf Meter; wir hatten rund 4,8 Meter
Tiefgang, es mußte uns also möglich sein, bei höchstem Wasserstand über
die bei Ebbe fast trocken liegenden Sandbänke zu fahren.

Ein großes Wagnis allerdings blieb es trotzdem, denn bei Nacht im
unsicheren Sternenglanz verschieben sich Konturen und Entfernungen,
und es ist nicht leicht, den langen Körper eines Kreuzers in einer
schmalen Rinne durch die nächtliche Mangrovenwirrnis zu führen. -- --

An den Masten wird gehämmert und geklopft. Der erste Offizier will sie
verkürzen, damit sie nicht wieder zum Verräter werden.

Erst gegen Mitternacht tritt Ruhe ein, der Arbeitslärm verklingt, die
schweigende Tropennacht tritt in ihre Rechte.

Grünlich leuchtende Scharen von Glühwürmchen gaukeln durch die
Mangroven, in der Luft singt und surrt das tausendfältige Schwirren der
erwachten Moskiten, die hier im Rufijigebiet besonders berüchtigt sind,
als Träger der Malaria.

Nicht grundlos flattert ab und zu aus dem Vorschiff ein Stöhnen auf,
oder wirre Worte klingen durch die Nacht. Fieberkranke liegen dort im
Mannschaftslazarett.

Klar und glänzend steht der Orion, das schönste Sternbild der
nördlichen wie der südlichen Halbkugel am Himmel und zieht langsam,
langsam seinen Weg nach Westen. -- --

Die Wasser sind rauschend abgeflossen, glucksend zum Stillstand
gekommen -- der Strom kenterte -- erst langsam, dann brausend strömten
sie wieder zurück -- jetzt verlangsamen sie ihren Lauf -- bald müssen
sie ihre höchste Höhe haben.

Alles ist klar zum Manöver! --

Es ist lauter geworden im Walde! Mancher Reiher mußte infolge des
starken Stromes seinen niedrigen Schlafplatz verlassen und flattert
nun unruhig hin und her. Affen, denen es ebenso ergangen, kreischen,
schimpfen und springen knackend durch die Wipfel.

Die Nachtfrösche lärmen -- auch sie sind wach geworden und müssen
schwimmen. -- --

»Beide Maschinen kleine Fahrt voraus!«

Langsam setzt sich der dunkle Koloß in Bewegung und steuert in das im
Sternenlicht unsicher glänzende dunkle Gewässer.

Die Rufe der Lotsgäste, die abwechselnd die Tiefe aussingen, hallen
eintönig durch die Nacht. Schemenhaft schweben dicht an den Bordwänden
die gespenstischen Schatten der Mangroven zum Greifen nahe vorbei.

»5 Meter 20!« singen die Lotsgäste.

»5 Meter 10!«

»5 Meter!«

4 Meter 80 tief gehen wir! -- aber wir müssen hinüber -- entweder --
oder!

»4 Meter 80!«

Ein leises Knirschen -- ein rauhes Scharren auf dem Grund.

»5 Meter!«

Wir sind hinüber!

Tieferes Wasser kommt wieder. Da vorn sieht es aus, als ob der Arm zu
Ende wäre, durch tiefe Schatten ist der Wasserspiegel abgeschlossen.

Es geht nach rechts in einen Seitenarm. Langsam, langsam dreht der
Riese in eine schmale Wasserstraße.

Wieder huschen dunkle, nicht erkennbare Bäume vorüber, deren Äste
manchmal raschelnd und knarrend an den Bordwänden längsfahren.

Kein Wort wird gesprochen, nur ab und zu ein ruhiger, mit
halblauter Stimme gesprochener Befehl des Kommandanten oder des
Navigationsoffiziers -- die ruhige, eintönige Wiederholung des
Rudergängers oder ein Rasseln der Maschinentelegraphen.

Dumpf tönt das Mahlen der Schrauben, das im Schiffskörper wie auf einem
Resonanzboden wiederhallt.

8 Meter, 10 Meter werden ausgerufen.

Dieser kleine Seitenarm, durch den wir vom Saninga- in den
Simba-Uranga-Arm wollen, hat mehr Wasser, als man vermutet hatte.

Mit erstaunlicher Gewandtheit folgt der mächtige dunkle Koloß den
vielen Windungen und Biegungen des schmalen Kreeks.

Im Osten erscheint ein heller Schimmer, der sich schnell über das
ganze Himmelsgewölbe ausbreitet und dann von starken, grelleren Farben
abgelöst wird, bis die Spitzen der Mangroven von der aufsteigenden
Sonne in blitzendes Licht getaucht werden.

Eigenartig ist das Bild, das sich jetzt uns bietet.

Von der Kommandobrücke aus übersieht man weit die tieferliegenden
endlosen, niederen Mangrovenwälder, die auf beiden Seiten bis fast an
die Bordwände heranreichen und langsam vorübergleiten. Man hat den
Eindruck, als führe man mit dem Kreuzer, dessen Dimensionen und Größe
durch die Kleinheit der Bäume ins Übergewaltige gesteigert wird, über
Land durch einen Wald.

Ich muß an ein Bild denken, das ich im letzten Jahre oft in Deutschland
gesehen habe: Der Dampfer »Imperator« in die Straßen einer Stadt
hineingestellt, um seine gewaltigen Abmessungen dem Beschauer
verständlich zu machen, ihm Vergleichsmöglichkeiten zu geben.

Ähnlich, wie das Deck dieses Kolosses über die Dächer der winzig
scheinenden Häuser, ragt die »Königsberg« über die grüngelbe, jetzt
voll im grellen Sonnenlicht daliegende Waldwildnis. --

An den braunen Stämmen der Mangroven kann man bereits erkennen, daß
das Wasser schon wieder im Fallen ist, denn scharf ist ein fast
handbreiter, nasser Streifen zu erkennen und wenn man genau hinsieht,
kann man auch eine Rückwärtsbewegung von Schaumblasen und von
schwimmenden Blättern feststellen.

Wir müssen uns beeilen, bevor das Wasser weiter fällt, über die letzte
und Hauptbarre zu kommen. Erst dahinter finden wir die längere, freie
Fahrtrinne und können uns der Reichweite der feindlichen Geschütze
entziehen, die uns sicher am Nachmittag bei günstigem Wasserstand unter
vernichtendes Feuer nehmen werden.

»8 Meter!«

»8 Meter« -- rufen noch immer die Lotsgäste aus, da öffnet sich vor uns
die enge Wasserstraße und wir biegen in den Simba-Uranga-Arm ein.

Breit dehnt sich vor uns der Fluß aus -- wir drehen nach Backbord und
steuern ein.

»Beide Maschinen stopp!«

Wir vermindern die Fahrt, denn die Barre kommt näher.

»6 Meter!«

»5 Meter 40« -- Die Lotsgäste!

»Kleine Fahrt voraus!«

Mahlend setzen sich die Schrauben in Bewegung -- jetzt gilt es -- wir
müssen hinüber! -- Gelingt es nicht, bieten wir dem Engländer ein noch
viel besseres Ziel als gestern; der Simba-Uranga-Arm ist an dieser
Stelle bedeutend breiter und die Entfernung von der Küste hat sich
nicht vergrößert, weil wir bis jetzt parallel zu ihr gefahren sind.

Unser Schicksal würde dann kaum mehr zweifelhaft sein! --

Langsam schieben wir uns jetzt weiter, das Wasser fließt bereits
bedeutend schneller ab als vorher. --

»5 Meter!«

Da -- ein Ruck -- wir sitzen!

»4 Meter 60!«

»Beide Maschinen große Fahrt zurück!«

Die Maschinen rattern, dröhnen, mahlen.

Das Schiff rührt sich nicht! --

Immer schneller fließen die Wasser ab.

»Beide Maschinen äußerste Kraft zurück!«

Der Schiffskörper ächzt, zittert, tosend umschäumt jetzt der hüpfende
Gischt die wirbelnden Schrauben.

Nichts -- wir sitzen fest!

Die Mannschaft läuft vom Backbord nach Steuerbord, um das Schiff etwas
ins Schlingern zu bringen und vom Sand zu lösen -- die Maschinen
tosen, mit dreimal äußerster Kraft zurück, Pinasse und Kutter haben
Stahltrossen und Anker ausgefahren, knirschend und ächzend hieven die
Spills.

Nichts -- schneller und schneller fließen die Wasser ab!

Schon erscheint ein fingerbreiter Streifen des grün bewachsenen
Schiffbodens.

Da geben wir es auf.

Schweigend verläßt alles die Manöverstationen. Was in Menschenkräften
liegt, ist getan worden.

Was werden soll? -- Der Nachmittag wird es zeigen! -- -- --

Rauschend und brausend strömt der Fluß jetzt vorbei -- der See zu.
Gegen 8 Uhr erscheinen bereits die oberen Enden der Schraubenflügel
über dem Wasser.

Da neigt sich langsam die »Königsberg« nach Steuerbord -- senkt sich
und senkt sich mehr und mehr. Schräg stehen Masten und Decks, die
Gefahr des Kenterns droht. Ohnmächtig muß man zusehen! Alle Versuche,
das Schiff abzustützen, sind vergeblich.

Fast zwei Meter des mit Muscheln, Algen und Schlamm dichtbewachsenen
Schiffbodens sind jetzt frei. Wir machen aus der Not eine Tugend: Boote
werden heruntergelassen, um ihn abzuschaben, zu reinigen.

Eine mächtige Sandbank taucht vor dem Bug aus dem abfließenden Strom,
weiter und weiter senkt sich das Wasser.

Die Schraubenflügel werden frei, gegen zehn Uhr ist sogar die
Schraubenwelle sichtbar!

Der tiefste Wasserstand ist eingetreten. -- Beim Hochwasser des
Nachmittags werden die Engländer ihre Beschießung wiederholen.

Das Nachmittagshochwasser ist aber nie so hoch wie das des Morgens.
Eisern festgenagelt werden wir auf dem Grund sitzen, werden wehrlos,
auf dem Präsentierteller liegen und ihren Granaten preisgegeben sein. --

Gegen Mittag fahren wir mit den Torpedoeinbäumen wieder nach der
Mündung, legen uns in den Kreek von gestern.

Um vier Uhr haben wir Hochwasser, um vier Uhr muß es sich entscheiden.

Entweder erscheint der graue Bug eines Kreuzers dort an der Ecke bei
den überhängenden Mangrovenbüschen, oder schwere Schläge dröhnen von
See herauf, von dumpfem Krachen weit im Innern des Deltas gefolgt, wo
unser wehrloses Schiff auf der Sandbank sitzt, wo unsere Kameraden
ergeben ihr Schicksal erwarten. --

Wieder steigen die Wasser, wieder flattern die Reiher und flöten die
Regenpfeifer.

Wieder tritt die lautlose Stille des höchsten, des Stauwassers, ein.

Wieder warten wir atemlos, Seh- und Gehörnerven aufs äußerste
angespannt.

Wieder summen die Moskitos, flüchten die langbeinigen
Wasserspinnen. -- -- --

Aber nichts unterbricht die Stille, kein Bug erscheint, keine
Breitseite erdröhnt! -- --

Mit der Pinasse fahren wir vor bis zur Mündung -- da liegen die drei
großen englischen Kreuzer -- einer hinter dem andern -- weit ab --
keiner rührt sich.

Die Wasser setzen sich allmählich in Bewegung, strömen ab -- die Sonne
senkt sich.

Bewegunsgslos liegen noch immer die drei mächtigen Engländer, jeder
allein zwei Schiffen wie die »Königsberg« gewachsen -- bewegungslos --
schweigend. Wie ausgeschnitten heben sich ihre langgestreckten dunklen
Umrisse vom hellen Himmel ab. --

Warum sind sie heute nicht gekommen, heute, wo wir gebunden und
geknebelt auf dem Sandhaufen stehen, das Unvermeidliche erwartend,
heute, wo sie mit uns leichteres Spiel gehabt hätten, als der Henker
mit seinem gefesselten Opfer?

Wunderlich spinnt das Schicksal oft seine Fäden.

Die Nacht sinkt hernieder. Um Mitternacht setzt die Flutwelle ein, im
Morgengrauen arbeiten Maschinen und Spills, die Mannschaft legt sich
in die Trossen, das Schiff löst sich langsam vom Grunde, richtet sich
mit pendelnden Bewegungen auf -- -- die aufgehende Sonne sieht uns weit
hinter der Barre im tiefen Wasser des Rufiji nach Westen ins Innere
dampfen.


                              Simba-Uranga


Alle Seekarten vom Rufijidelta, sowohl die englischen wie die von den
Engländern übernommenen deutschen zeigen nur in _einem_ Arm solche
Wassertiefen, daß bei Hochwasser auch größere Schiffe einlaufen können.
Dieser Arm ist der vorher erwähnte Saningaarm, der zwischen der
Simba-Uranga- und Saninga-Insel in die See mündet.

Alle südlichen Rufijimündungen, wie die Kiomboni-, Msalla-, Ndahi-
oder Kiassimündung, sind bei einer Breite von fast einem Kilometer
so versandet, daß kaum eine flachgehende Dhau bei Niedrigwasser eine
schmale Einfahrtsrinne finden kann.

Auch in dem nördlich der Simba-Uranga-Insel mündenden mächtigen
Kikunjaarm finden wir selbst in den neuesten Seekarten an der Mündung
Wassertiefen von nur zwei bis drei Metern, daher kann auch dieser
Zweig des Rufiji zu Schiffahrtszwecken nicht benutzt werden, obwohl
er an sich sehr günstig gelegen ist, weil er sich nahe der Straße
Daressalam-Kilwa-Lindi hinzieht.

Das deutsche Vermessungsschiff »Möve« aber hat nur wenige Wochen vor
Kriegsbeginn festgestellt, daß alle diese Tiefenangaben der Karten
in Wirklichkeit nicht mehr zutreffen, da durch das starke An- und
Abschwellen aller afrikanischen Flüsse zur Regen- und Trockenzeit auch
eine andauernde Verschiebung der Flußbettverhältnisse bedingt ist, die
eigentlich eine alljährliche genaue Vermessung verlangte.

Und so finden wir denn im Kikunjaarm Tiefen von zehn bis vierzehn
Metern, genügend, bei Hochwasser jedem Ozeanriesen Einlaß zu gewähren.

Den Engländern ist dies aber zum Glück unbekannt, und so richten sie
lediglich ihr Augenmerk und ihre Wachsamkeit auf die Simba-Uranga-
oder Saninga-Mündung. Sie sind jetzt vollkommen beruhigt, da sie
glauben, diesen Arm durch die Versenkung der »Newbridge«, die mit
anerkennenswertem Mut und seemännischem Geschick unter dem Feuer
unserer Maschinengewehre und kleinen Geschütze in den Saningaarm
gesteuert, quer zum Fahrwasser gelegt und gesprengt wurde, vollkommen
gesperrt und unpassierbar gemacht zu haben.

Aber die ganze »Newbridge« ist nicht den dritten Teil so lang, wie
der Saningaarm an der Stelle breit ist. Ruhig und sicher können ganze
Geschwader noch an ihr vorbeifahren und uns bleibt immer noch, sollten
wir die Absicht haben, auszulaufen, der große tiefe Kikunjaarm übrig,
den sie gänzlich unberücksichtigt ließen.

Der Ausdruck »bottled up«, mit dem der englische Vizeadmiral King Hall
unsere Einschließung dem War office in London gemeldet hatte, dürfte
also keineswegs der Wahrheit entsprechen.

Die Blockadekreuzer, die uns nun sicher in der geschlossenen Mausefalle
glauben, machen denn auch aus ihrer Nichtachtung der Situation gar
keinen Hehl und legen sich mitunter so nahe dem Strand verankert, daß
man mit einem guten Glase in der erleuchteten Offiziersmesse weiße
Gestalten in Dinnerjacketts beim Abendbrot sitzen sehen kann.

Diese Harmlosigkeit muß unbedingt unsererseits ausgenutzt werden.
Deshalb warten wir mit unseren beiden Torpedoeinbäumen -- Abend
für Abend -- auf eine günstige Gelegenheit hinauszupaddeln, um
nächtlicherweile an einen der schlafenden Kreuzer heranzuschleichen und
ihm ein Torpedo in den Leib zu jagen. --

Aber jeder Versuch scheitert zu unserer Verwunderung ausnahmslos
daran, daß ausgerechnet in dem Augenblick, wo wir bei Simba-Uranga die
Vorbereitungen zum Auslaufen treffen, er jedesmal seinen Anker einhievt
und in langsamer Fahrt ostwärts, in der Richtung auf die Insel Mafia
zu, in der hereinbrechenden Dunkelheit verschwindet.

Ein Hinauswagen in die offene See mit unseren kleinen Fahrzeugen, die
kaum handbreit über das Wasser ragen, ist aber ausgeschlossen, da uns
die Dünung sofort zu fassen bekommt und die Einbäume, wie schon in
mehreren Fällen, zum Volllaufen und Kentern bringt.

Allmählich wird uns klar, daß hier nur Verrat im Spiel sein kann.

Jeden Abend gehe ich voll Erwartung quer über die Simba-Urangainsel
nach dem Strand zu, um bei der untergehenden Sonne Ausschau zu halten.
Hoch oben auf einer schlanken Kasuarine, deren schwarze, tannenartige
Gestalt sich düster von den rauschenden, raschelnden Palmen und
Mangobäumen abhebt, haben wir einen Ausguck gebaut und in diesem
genieße ich Abend für Abend dasselbe Schauspiel: Ruhig auf dem blauen,
bewegten Ozean liegt der graue Rumpf des Engländers -- bewegungslos,
plump und massig. Dahinter, fast am Horizont, dehnt sich ein heller
Streifen von Norden nach Süden: der gelbe Strand von Mafia, eingesäumt
vom weißen Gischt der anrollenden Brandung.

Rings um meinen luftigen Standort wogt ein Meer von nickenden,
wiegenden Kasuarinen und Palmen, zwischen deren riesigen gestreiften
Blättern klobige, grünbraune Kokosnüsse hervorlugen -- unterbrochen von
den fast kugelrunden Laubmassen der Mangobäume. Die sind jetzt, zur
Zeit der Reife, über und über mit hellgelben und hellgrünen, saftigen
Früchten bedeckt, die sich seinerzeit die weltbeherrschende Queen von
England vergebens auf ihren Tisch gewünscht hat, da es nicht möglich
war, sie im frischen Zustand von Indien nach England zu bringen.

Allmählich senkt sich die Sonne, hüllt Mafia, den grauen Engländer,
die Palmenwälder, hinter denen sich die Mangrovenwildnis ausdehnt, in
glühende Purpurschleier. -- --

Da steigt Rauch aus einem der Schornsteine des Kreuzers. Wutentbrannt
muß ich zusehen, wie sein langer Leib sich dreht, langsam nach Osten
steuert und kleiner und kleiner wird.

Tiefe Schatten senken sich dann über die weiten Niederungen, über die
dunkelnde See und verschlingen ihn ganz.

Enttäuscht verläßt man den Beobachtungsposten -- argwöhnisch sieht man
auf die leuchtenden Feuer, die dort auf den Höhen des Pembaberges
aufglimmen, bald hellglühend erstrahlen, bald zu verlöschen scheinen.

Kann nicht eines von ihnen der Verräter sein?

Und sicher ist es eines gewesen. -- Zu viel der Anzeichen haben später
dafür gesprochen! --

Vergeblich warteten wir Tag um Tag. -- --

Eines Nachmittags springe ich wieder aus dem Boot, um durch den Sand
stapfend nach der Ostseite der Insel auf meinen Beobachtungsposten zu
gehen, als mir ein biederer Landsturmmann entgegen kommt:

»Haben Sie gestern einen Torpedo verloren?« fragt er mich.

Ich lache -- komische Frage!

»Aber da hinten, ganz hoch in den Mangroven, hängt einer!«

Ich kann mir mit dem besten Willen nicht erklären, woher hier mitten im
Rufijidelta ein Torpedo herkommen soll, steige in mein Boot und lasse
mir die Stelle beschreiben.

Wir setzen über den Saningaarm und erreichen das gegenüberliegende
Dickicht, steuern dann das gewundene sumpfige Ufer entlang.

Es ist jetzt fast Niedrigwasser. Von den frei in die Luft ragenden,
geschwungenen Wurzeln der Mangroven bis zum langsam abfließenden Wasser
liegt ein breiter, braungelber Muttstreifen. --

Die Stelle ist erreicht.

Ein kleines Gerinnsel plätschert aus den Büschen heraus, langsam stoßen
wir den Einbaum hinein und schieben uns unter die Zweige.

»Huko -- dort« meint mein schwarzer Steuerer.

Und wirklich! -- -- -- Kaum kann ich meinen Augen trauen -- hoch
zwischen den Ästen einer starken Mangrove hängt ein mächtiger,
silberglänzender Torpedo mit stark kegelförmigem Kopf schräg nach unten.

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
            Nach dem Endkampf des letzten Auslandskreuzers]

[Illustration Copyright Walther Dobbertin.
            Nach dem Endkampf des letzten Auslandskreuzers]

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
                Wrack der »Königsberg« bei Hochwasser]

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
         Ausgebranntes, noch schwimmendes Wrack der »Somali«]

Auf den ersten Blick sehe ich, daß es kein deutscher sein kann, er ist
silberbronziert, kürzer und schlanker als unser Schiffstorpedo. --

Mit seinem Schwanzruder und den Schrauben liegt er auf einem dicken Ast
auf, während seine Nase, die in zwei propellerförmige Zacken ausläuft,
sich in einen Stamm eingeklemmt hat.

Ich kann nicht erkennen, ob er scharf oder nicht scharf ist, oder ob er
abgeschossen wurde.

Vorsichtig untersuche ich ihn -- das System ist mir unbekannt, ein
Fehlgriff kann ihn zur Explosion bringen.

Ich nehme an, daß er von den Engländern irgendwann gegen ein mir
allerdings nicht erklärliches Ziel geschossen worden ist, vorbeiging
und dann bei Hochwasser in die Mangroven trieb, wo er sich festhakte,
um jetzt bei Niedrigwasser wie ein großer Vogel in den Ästen zu sitzen.

Also müßte er noch scharf sein, ein Druck oder Schlag auf seine
Greifnasen genügen, ihn zur Explosion zu bringen, was gleichbedeutend
wäre mit einer Kraftentwicklung von etwa zwanzigtausend
Sekundenmetertons oder einer Kraft, die das größte Linienschiff in der
Sekunde einen Meter hoch schleudern würde. Darum Vorsicht!

Wir fahren wieder ab -- ich melde telephonisch nach der »Königsberg«,
und wir bekommen den Befehl, den Torpedo zu bergen und an Bord zu
bringen. -- --

Ein Kutter und zehn kräftige Matrosen pullen uns an Ort und Stelle.

Wir haben das Hochwasser abgewartet und diesmal liegt ein Teil des
silberglänzenden Leibes im Wasser. Er hängt aber immer noch, denn wir
haben augenblicklich Nipp-Tide, erstes Mondviertel, also die Zeit des
niedrigsten Hochwassers, das nur bei Voll- und insbesondere Neumond
seine höchste Höhe erreicht.

Zwei kräftige Matrosen steigen aus und versuchen den Torpedo
vorsichtig, sich mit den Beinen gegen die Bäume stemmend,
herunterzuheben.

Es gelingt nicht!

So muß der Ast abgesägt werden! -- Peinlich, denn der Torpedo wird dann
mit der Nase nach unten ins Wasser fallen!

Die Säge kreischt -- alles raucht Zigaretten und sieht möglichst
gleichgültig auf den größer und größer werdenden Spalt im Ast.

Da neigt er sich allmählich -- jeder hält den Atem an -- das
Schwanzstück rutscht -- -- -- platsch!

Er liegt im Wasser!

Alles lacht! -- Wie ein großer Fisch wird er weggeschleppt -- -- --

Später haben wir ihn geöffnet und studiert. Es war ein englischer
Whitehead-Torpedo. Englische Gefangene erzählten uns dann, daß eine der
Barkassen, die die »Newbridge« in die Deltamündung begleitet hatte,
Torpedos mitführte, um notfalls die Versenkung zu beschleunigen, und
bei der raschen Rückfahrt einen davon verloren habe. Er muß dann vom
Hochwasser in die Mangroven getrieben worden und dort hängen geblieben
sein. --

So haben wir bei Simba-Uranga nicht nur keinen einzigen Torpedo
verschossen, sondern sogar noch einen dazubekommen.

                              *    *    *

Allabendlich stieg ich noch eine Woche lang auf meinen hohen
Kasuarinenausguck, allabendlich rauschten die grünen Palmen hier, die
blaue See dort -- lag träge und stumm ein grauer Kreuzer.

Wurde dann aber das Sonnenlicht röter und röter, die Strahlen schräger
und schräger, leuchteten sie karmin- und zinnoberfarben, dann kam
Bewegung in diesen grauen Leib -- er verschwand in den sich auf den
Indischen Ozean senkenden Schleiern der warmen Tropennacht.

Allabendlich aber erglühten auf den dunklen Bergen lodernde Feuer,
allabendlich sah ich lange durch die Nacht dort hinüber.

Eines war dabei, das uns verriet!

Waren es Schwarze -- waren es Inder -- Inder aus dem am Fuße des langen
Höhenrückens liegenden Dorfe Kikale, die dort in ihren viereckigen
Lehmhütten wohnen und Handel treiben? -- Wir wissen es nicht -- --
haben es nie erfahren! --

Aber nur der Jäger, der hartnäckig und zäh Abend für Abend seinen
Hochstand bezieht und scharfen Auges auf die im unsicheren Mondlicht
glänzende Lichtung späht, hat Erfolg. Urplötzlich teilen sich die
lichten, wallenden Nebelschleier und vor ihm steht wie ein Bild aus
Bronze das Ziel seiner Jägersehnsucht -- der König der Tiere. -- --

Nicht wankende, zielbewußte Ausdauer hat ihn diesen Augenblick erleben
lassen! -- --

Ein halbes hundertmal wohl versank die Sonne in der weiten Steppe, ein
halbes hundertmal tauchte sie strahlend aus dem Ozean -- der Mond nahm
zu, der Mond nahm ab -- -- er nahm wieder zu, er nahm nochmals ab
-- -- unverdrossen harrten wir unserer Beute!

                              *    *    *

Da -- am 6. Februar 1915 -- -- noch kaum erkennbar im frühen
Morgenlicht, schiebt sich ein grauer Leib in die Mündung zwischen
Simba-Uranga und Saninga. -- Schnell bewegt er sich westwärts, flußauf.
Es ist ein kleines Kanonenboot.

Aber schon hat ihn unser Auge erspäht -- die hinter Mangroven
versteckte Bootskanone der »Königsberg« und zwei Maschinengewehre
eröffnen ihr Feuer -- -- weithin hallend in der tropischen Morgenstille
über die spiegelnde, gleitende Wasserfläche.

Wie der Büffel im Blattschuß zeichnet und nach einem kurzen Hacken
blitzartig zusammenbricht, so stoppt das feindliche Späherschiff,
nachdem es sich kaum verteidigt, dreht scharf nach Steuerbord und läuft
in voller Kraft auf den Strand von Simba-Uranga, tief sich in den
weißen Küstensand wühlend.

Dann liegt es still! --

Die weiße Flagge geht hoch -- -- das Feuer verstummt. -- --

Der Kapitän und einundzwanzig Mann werden gefangen, zwei Tote begraben
-- -- das Kanonenboot, ein gekaperter deutscher und von den Engländern
armierter Sambesi-Barrendampfer, der »Adjutant«, wird unsere Beute.

Gleich einer der ersten Schüsse hatte die Rudermaschine beschädigt und
so das Stranden verursacht.

Eben so schnell wie die Sonne steigt, strömen die Wasser bei Eintreten
der Ebbe dem Meere zu und als der gestrandete Schiffskörper hoch und
trocken auf dem Sande liegt, überschüttet ihn der Blockadekreuzer
»Hyacinth« mit Feuer, um ihn zu vernichten.

Es gelingt ihm aber nicht, die Entfernung ist zu weit und er wagt sich
nicht heran. Als nun die Nacht sich herniedersenkt und die Flut ihren
höchsten Stand erreicht hat, schleppen wir unsere Beute ab. --

Wenige Tage vergehen, und ein weiteres Fahrzeug patrouilliert
die endlosen Arme des Rufiji auf und ab, die flatternde deutsche
Kriegsflagge am Heck, ein 8,8-cm-Geschütz an Bord. -- -- --

Von da ab erlosch das Feuer auf dem Pembaberg!


                             Am Steppenrand


Langsam schreitet der Wanderer von Norden kommend über die niedrigen
Höhenwellen westlich Nyemsati, um das große Akidendorf Kikale zu
erreichen, denn der schmale Negerpfad ist schlecht, vielfach gewunden
und von den Güssen der Regenzeit ausgewaschen.

Wenn er den kleinen, halbabgeholzten Miombowald an dem sich sanft zur
Küste neigenden schrägen Hang hinter sich hat, wo der gewundene Weg
sich im hohen Steppengras verliert, bleibt sein Fuß wie angewurzelt
stehen: Vor ihm breiten sich die gewaltigen Niederungen des
Rufijideltas aus, dessen Umrisse im Süden im wogenden, zitternden
Glast der Mittagssonne verschwinden. Rechter Hand, nach Südosten zu,
erstrecken sich die blauen Matumbiberge, deren kantige Erhebungen zum
Teil in weißgeballten Wolkenhauben stecken.

Zwischen ihnen und dem Delta dehnt sich die weite, gelbbraune Steppe,
über die der Blick unbegrenzt nach Westen schweift.

Dort, wo das silberne Band des Rufiji die Grenzen des Mangrovengebiets
verläßt, scheint es sich zweimal um sich selbst zu schlingen, bevor es
im Steppengras verschwindet, und dort, kurz vor der ersten Windung,
liegt seit gestern der graue schlanke Leib der »Königsberg«.

Einen ganzen Monat hindurch Hoch- und Niedrigwasser ausnutzend,
ist es ihr gelungen, bis zum Steppenrand vorzudringen und sich dem
übermächtigen Feinde zu entziehen.

An Steuerbord liegt eine große mit Holz beladene Dhau, auf der träge
Schwarze sitzen, die Mangrovenscheit um Mangrovenscheit an Deck
emporreichen.

Die Kohlen sind ausgegangen -- der Kreuzer heizt seine Kessel mit Holz.

So entsteigt denn auch kaum ein leichter Qualm einem der drei
Schornsteine, nur ein fast unsichtbares, weißgelbes Wölkchen schwebt ab
und zu in den klaren Aether empor. -- Weiß glänzen die Sonnensegel.

Noch einige Fahrzeuge sind neben ihr zu erkennen: Ein kleiner
Küstendampfer der Deutsch-Ostafrika-Linie liegt stromaufwärts, ein
größeres grüngestrichenes Fahrzeug mit der Kriegsflagge daneben.
Es ist der kürzlich von uns zurückeroberte »Adjutant«, der, flink
und beweglich, eben von einer Patrouillenfahrt nach den Mündungen
zurückgekehrt ist.

Weiter unterhalb, fast am Heck der »Königsberg«, auf der Innenseite der
Strombiegung, spiegelt sich in dem ruhigen Wasser ein eigenartiges,
wie eine große, flache Zigarrenkiste aussehendes Fahrzeug: es ist der
kleine Heckraddampfer »Tomondo«, der in Friedenszeiten den Verkehr mit
der Küste und den paar im Innern gelegenen Pflanzungen vermittelte. Von
einer schwarzen Schiffsmannschaft bedient, wird er von einem Weißen
gesteuert, einem alten, groben, gelben Afrikaner mit abstoßenden
Zahnlücken, und steht jetzt im Dienste der »Königsberg«, um Nahrung und
Verpflegung herbeizuholen.

Weiter nach Osten, dort, wo die nickenden Palmen von Salale stehen,
steigen dunkelbraune Rauchschwaden auf, vermischt mit schwärzlichen
Wölkchen; dort ragen zwei Masten, der eine geknickt, der andere schief:
es ist die »Somali«, unsere getreue Begleiterin, die sich jetzt für uns
dort geopfert hat und im Sterben liegt.

Als Ablenkungsmittel und Zielscheibe für die englischen Kreuzer
mußte sie bei Salale vor Anker liegend warten, bis die täglich sich
wiederholenden Beschießungen ihr ein langsames, aber sicheres Ende
brachten.

Seit Wochen schon brennt sie, sind ihre Bordwände durchglüht, ist ihre
Farbe abgeschmolzen.

Treibt man in einem Einbaum, vorsichtig an den Mangroven entlang
steuernd, an ihr vorbei, dröhnt ab und zu ein dumpfer Knall, erschallt
ein krachendes Poltern. Irgendein Deck, ein Luk, dessen Tragepfeiler
abgeschmort oder verbrannt sind, ist eingestürzt. Sie liegt stark auf
der Backbordseite, ihre Bordwände leuchten knallrot, ihre Wanten hängen
über Bord!

Und wendet der Wanderer auf seinem Hügel kurz vor Kikale den Blick
noch weiter nach Osten, nach der breiten, glitzernden Einfahrt südlich
der Simba-Uranga-Insel, dann sieht er dort, quer zum Fahrwasser,
einen dunklen Strich liegen, der aber so klein und kurz ist wie ein
Punkt auf einem Telegraphenstreifen: die von den Engländern versenkte
»Newbridge«, deren Bug so unter Land liegt, daß er, von hier aus
gesehen, die Mangroven fast zu berühren scheint.

Darüber hinaus, über die wehenden Palmen von Simba-Uranga, Saninga
und Kiomboni hinweg schweift das Auge über die weite See und bleibt
wiederum an einem grauen, schlanken Körper hängen, ganz ähnlich dem,
der dort hinten am Steppenrand liegt -- dem englischen Blockadekreuzer.

Zwei graue Körper, beide sich ähnlich, beide zum selben Zweck gebaut
-- aber zwei Todfeinde, von denen jeder nur ein Ziel hat -- -- die
Vernichtung des anderen.

Aber jetzt sind sie noch getrennt durch den weiten grünen Teppich der
Mangrovenwälder, der vorläufig eine unüberwindliche Schranke bildet.

Wie lange noch?

Ganz dort hinten, am Horizont, nach Südosten zu, auf dem glitzernden
Ozean hebt sich der dunklere Strich von Mafia ab, dessen wehende
Palmen aus dieser weiten Entfernung wie vom Winde bewegte Haare eines
Katzenpelzes aussehen.

Dort sitzt jetzt der Feind. Vor einigen Tagen hat er die Insel besetzt!

Dort, wo die der afrikanischen Küste zu gelegene Tirenebucht sich
weitet, hat er seine Kreuzer, seine Geschwader liegen, von dort dröhnt
das dumpfe Rollen seiner Schießübungen herüber, mit denen er sich auf
den Endkampf, der einmal kommen muß, vorbereitet, von dort steigen
seine Flieger auf, die wie große Vögel, weißen Reihern gleich, über
die Rufijiwildnis flattern -- äugend und spähend. --

Zitternd, flimmernd liegt der heiße Dunst des Mittags über der weiten
Landschaft, einem Bild, das den Ozean, die Steppe, Flüsse, Sümpfe und
Gebirge umfaßt, das als winzige Punkte zwei von der sengenden Sonne
beschienene Todfeinde zeigt.

Ein helles Klingen geht durch die dampfende, glühende Luft. Millionen
von Grillen und Zykaden zirpen, pfeifen und singen. --

Weiter stapft der Wanderer durch den tiefen Sand. -- -- --

                              *    *    *

Blauschwarze Nacht liegt über den weiten Mangrovenniederungen und der
flachen Steppe -- blauschwarze Nacht über dem dazwischen schimmernden
Arm des Rufiji, der schlafenden »Königsberg«.

Schwüle Hitze lastet über dem Deck, noch schwülere in den Kammern.

Der Ventilator drückt gleichmäßig summend und surrend einen starken
Luftstrom durch die Moskitonetze auf die nackten, schweißnassen Körper
der Schlafenden.

Der Kreuzer, nur Blech, Eisen und Stahl, sammelt unter Tage zwölf
Stunden lang die glühende Hitze der strahlenden Sonne, bis seine Decks
so brennen, daß es durch Sohlen- und Stiefelleder geht. Nachts strahlt
er zwölf Stunden lang diese Glut wieder aus.

Unruhig und stöhnend wälzen sich die Schläfer, ab und zu mit der Hand
den rinnenden Schweiß aus der Stirne streichend. --

»Zehn Minuten vor zwölf Uhr!«

Ein Läufer kommt, weckt mich zur Mittelwache. Der Kopf taucht in das
lauwarme Wasser und halberfrischt, immer im Strahl des luftdrückenden
Ventilators, ist in wenigen Minuten das Ankleiden beendet.

Ich ziehe hohe Moskitostiefel und Lederhandschuhe an, denn wir liegen
mitten in einer der übelsten Fiebergegenden Ostafrikas.

Die Schärpe in der Hand trete ich auf das nachtdunkle Deck. Die noch
von der Lampe geblendeten Augen sehen erst nichts, nur das eintönige
Summen und Surren von Moskitoschwärmen dringt an das Ohr. Knarrend und
ächzend stöhnt von unten herauf irgendeine Pumpe.

Allmählich erkenne ich die drei mächtigen Schornsteine, die schwarzen
Silhouetten der Masten, die in den glitzernden Sternenhimmel wie zwei
dürre Finger ragen.

Das Kreuz des Südens wird gerade von dem vordersten Scheinwerfer
verdeckt.

Ich gehe zum Fallreep. Da steht die weiße Gestalt meines Vorgängers. Es
glast zwölf Uhr!

»Guten Morgen!«

»Gut geschlafen?«

»Danke -- etwas los?«

»Nichts!«

Wir wechseln die Schärpe. -- »Angenehme Ruhe!«

Ich stehe allein am Fallreep.

Abgelöste Wachen und Posten melden sich -- ein kurzes Getrappel, dann
liegt wieder tiefste Stille über den Decks.

Leise murmelt der Rufiji am Fallreep. Er fließt ab -- ist schon sehr
stark gefallen. Weiß leuchtend hebt sich dicht neben dem Bug eine helle
Sandbank ab.

Nachtschwarz, geisterhaft mit Schatten und Spiegelbild verwoben, säumen
die Mangrovenwälder den hier schon ziemlich engen Fluß.

Ich beuge mich über die Reeling und lausche den Stimmen der Wildnis
dort drüben.

Ganz vorn, dort wo der Fluß in weißlich silbernen Nebeln zerfließt,
dröhnt das Schnauben und Brüllen von Flußpferden, die die sternhelle
Nacht benützen, das Wasser zu verlassen, trampelnd und stampfend
querfeldein zu ziehen und Nahrung im dichten Schilf zu suchen.

Die Luft erzittert oft von dem gewaltigen Brüllen, das weitaus stärker
als die Stimmen aller Tiere, selbst des Löwen, über die schweigende
Mangrovenlandschaft hallt.

Prusten, Schnauben und ein Platschen folgt, wie wenn morsche
Urwaldriesen zusammenbrechend ins Wasser stürzen.

Angespannt lausche ich dem Treiben der Tiere, die da vorne ihr Wesen
treiben. Weit kann es nicht sein, aber ich kann keines sehen. Hier in
dieser verlassenen Urwaldabgeschiedenheit, die selten von Europäern
betreten wird, freuen sie sich noch vollkommen ungestört ihres
Daseins. In vielen anderen afrikanischen Flüssen sind sie schon fast
ausgestorben, im Rufiji aber habe ich noch Herden von 50 und mehr Stück
aus nächster Nähe gezählt.

Weiß wallen die Nebel dort vorn.

Das Brüllen und Prusten hört plötzlich auf -- anscheinend haben die
Tiere den Fluß verlassen.

Ein paar Minuten herrscht tiefste Stille, die nur von den Traumlauten
eines schlafenden Regenpfeifers unterbrochen wird. Da jaulen plötzlich
dicht an Land zwei Hyänen auf. Eine heller, die andere mit tiefer
Stimme. In weitem Bogen umschleichen sie die wenigen hohen Bäume,
die dort in schwarzer Gruppe beisammen stehen. Wunderlich klingt
ihre heisere Stimme in dem tiefen Schweigen der majestätischen
Flußlandschaft.

Fast eine halbe Stunde lang stehe ich lauschend an die Reeling gelehnt.
-- Gleichmäßig hallt über Deck der feste Schritt des Bootsmannsmaaten
der Wache. Stumpfsinnig und verschlafen steht der »Läufer Deck«, ein
junger Bursche aus dem Bayerland, in einer Ecke und träumt, auf einen
Lukendeckel gestützt, wohl von seiner fernen Heimat, aus der schon
lange keine Nachricht mehr eintrifft.

Langsam gehe ich nach vorn. Hier liegt im schwarzen Schlagschatten der
hohen Bordwände eine alte arabische Dhau. Ihr abgebrochener Maststumpf
ragt kaum einen halben Meter über Deck. Sie ist voll von rötlichen
Mangrovenscheiten, die Stück für Stück durch die faulen Hände dreier
verschlafener Schwarzer an Bord wandern und von dort ihren Weg in die
Kesselräume nehmen. Unangenehm störend klingt ihr Poltern über Deck.

Auf Bug und Heck der Dhau liegt zu schwarzen Klumpen geballt die
Ablösung, meist kräftige, sehnige Neger aus dem Warufijistamm, deren
gleichmäßig tiefe Schnarchtöne die Luft durchsägen. Ab und zu schlägt
einer mit der flachen Hand auf die Haut. Irgendein Moskito, der die
unendliche Langmut, Gleichgültigkeit und Dickfelligkeit des Schwarzen
überschätzt und sich allzulange mit rotem Blut vollgesogen hat, muß
sein Leben lassen und klebt nun als roter Blutfleck an der Stelle
seiner Gier.

Aber keiner der Mohren läßt sich dadurch stören, gleichmäßig schnarchen
sie weiter um die Wette mit dem Summen der Moskitoschwärme.

Anders vorn auf der Back! Ich steige die Steuerbordtreppe empor. Mann
an Mann liegen dort unsere Leute halb nackt an Deck, mit offenen
Augen mich anstarrend. Sie können nicht schlafen! Unter Deck ist
die Hitze zu groß, hängen sie doch dort, einer dicht am andern, in
ihren Hängematten. So gehen sie eben nach oben, um dort die Kühle der
Nachtluft zu atmen, wohl wissend, daß der Schlaf sie fliehen wird --
denn überall singen Moskitos!

Unwillkürlich knöpfe ich meine Lederhandschuhe fester zu und qualme
stärker aus der Pfeife. Von allen Seiten ertönt Stöhnen, Murmeln,
halblautes Fluchen, das Klatschen von Händen auf nackten Fleischteilen.

Dort richtet sich einer wütend halb auf, hier stampft einer mit den
Beinen, wälzt sich an Deck.

Wie viele von ihnen werden morgen wieder ins Lazarett wandern, -- vom
Fieber geschüttelt?

Fast zwei Drittel von allen liegen schon dort! --

Ich steige auf die Brücke, da erscheint über der dunklen Mangrovenwand
die halbe Sichel des Mondes, alles in bleiches Licht tauchend.

Die weißen wallenden Nebelstreifen werden noch weißer, das helle Band
des Stromes wird zu flüssigem Silber.

Die Hyänen dort drüben verstummen. Dafür hebt weiter vorn das Fauchen,
Schnauben und Dröhnen der Flußpferde wieder an.

Schweigend liegt im hellen Mondlicht unter mir das Schiff. Hierher,
bis auf die hochgelegene Brücke herauf, dringt kein Stöhnen, kein
Schnarchen, kein halblautes Wort.

Nur die Schritte des wachhabenden Bootsmannsmaaten und das Schluchzen
der Pumpen.

Wie drei schwarze Riesen ragen die mächtigen Schornsteine, an ihrer
Backbordseite grell vom Mond beschienen.

Reeling, Geschütze, Aufbauten gleichen in der gespenstischen
Beleuchtung unwesentlichen kleinen Spielzeugen.

Weit schweift der Blick von hier über die im silbernen Licht liegende
Mangrovenwildnis, die sich unendlich nach Osten und Norden ausdehnt. Im
Westen verschwindet die weite, breite Steppe. --

Riesengroß in ihrer Einsamkeit lastet die Urwaldabgeschiedenheit! --

Und mitten darin, wie ein Fremdkörper in den Eingeweiden eines
Menschen, dieses komplizierte Erzeugnis ausgeklügelter Technik,
diese Sammlung von Maschinen und Maschinchen, bevölkert von einer
zusammengedrängten Masse von Menschen -- ein moderner Kreuzer! Er paßt
nicht hierher in diese Jahrtausende alte Wildnis, deren geheimnisvolles
Leben ihn umspielt.

Ob sich sein Schicksal hier erfüllt, er in dieser Einöde zugrunde gehen
wird, mit allem was auf ihm lebt?

Dann wird man nach Jahrzehnten, wenn der Fluß in seinem ewigen
Auf und Nieder diesen Arm versandet hat, wenn der Wind die Samen
der Mangroven darüber hingestreut und die Zeit sie zu Bäumen hat
anwachsen lassen, aus dem grünen Dickicht der verästelten Mangroven
wirres, zerschossenes Eisenzeug, geknickte Masten, zerfetztes Blech
hervorragen sehen.

Braune, zähe Stämme mit Luftwurzeln werden aus verrosteten Luken
wachsen, in den verschlickten Kammern, Heiz- und Maschinenräumen werden
zwischen vom Wasser zerfressenen Kolben und Pleuelstangen gelbgraue und
schmutziggrüne Krokodile hausen. -- -- --

Die Schritte des Wachhabenden sind verklungen. -- Ich sehe im hellen
Mondschein, wie ein Geschütz gerichtet wird.

Da steige ich an Deck nieder.

Die Mündung zeigt auf die helle Sandbank. Bootsmannsmaat der Wache und
Läufer Deck sehen abwechselnd angestrengt durch das Zielfernrohr.

»Was ist da zu sehen?«

»Auf der Sandbank sind zwei Flußpferde, ein großes und ein kleines! Da
-- jetzt tanzen sie im Kreise!«

Mit dem Nachtglase erkenne ich ein mächtiges, altes Tier -- keine
vierhundert Meter vor dem Bug des Kreuzers hopst es auf dem weißen
Sande auf und ab, dazwischen macht ein kleines, halb ausgewachsenes,
seine Sprünge. Sie jagen im Kreise mit einer bei ihrem riesenhaft
plumpen Körperbau in Erstaunen setzenden Gewandtheit und Schnelligkeit.

Mit einem Satz wirft sich das große Tier hin -- das kleine kann seinen
hopsenden Galopp nicht stoppen und purzelt darüber hinweg.

Dann beschnuppern sie sich, traben noch einmal herum und springen
prustend, spritzend und schnaubend ins Wasser.

Eine Minute lang sieht man nur die Kreise auf der hellen Fläche, da
wird im glitzernden Mondlicht erst ein kleiner schwarzer, dann ein
dicker plumper Kopf sichtbar. Sie rudern beide flußauf, ab und zu
gurgelnd und fauchend.

Das kleine steuert jetzt mehr nach dem Ufer zu und verschwindet im
dunkeln Spiegelbild der Mangroven.

Schnaubend dreht sich das alte im Kreise und taucht unter. -- --

An der Reeling haben sich mehrere Gestalten angesammelt, die nicht
schlafen können, und betrachten voll Staunen dieses von Bord eines
modernen Kreuzers sicher noch nie gesehene Schauspiel.

Über den Mond zieht eine lange Wolkenfahne, ihn fast ganz verhüllend.
Ihr dunkler Schatten taucht Sandbank und Fluß in lastende Finsternis.

Da oben muß eine starke Brise wehen, denn mit großer Schnelligkeit
segelt die Wolke weiter! Sie wird lichter und lichter, schon kann man
das helle Gesicht des Mondes wie durch einen Schleier wieder erkennen.
Die letzten Fetzen ziehen vorbei. -- -- -- Das bleiche Licht fällt
wieder auf die Landschaft.

Ein allgemeiner Ruf des Staunens! -- Keine zehn Meter vom Fallreep
erscheint eine mächtige, breite, wassersprudelnde Schnauze -- -- gleich
folgt der riesige schwarzbraune, pferdekopfähnliche Schädel mit den
wackelnden Öhrchen. Ein verwundertes Glotzen der kleinen Äuglein -- ein
Schnauben -- -- -- weg ist er. --

Es ist jetzt Niedrigwasser. Spiegelnd liegt die Fläche -- bewegungslos.

Lange Zeit sehen wir nichts. Plötzlich teilt sich am Rande der Sandbank
das Wasser -- schwarz und plump schiebt sich langsam der wuchtige
Flußpferdkörper empor, dann mit einem Satz, sich schüttelnd, steht er
auf den kurzen, dicken Stummelbeinchen.

[Illustration: Blick in die Offiziersmesse der »Königsberg« =vor=]

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
                      und =nach= der Vernichtung]

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
           Granattrichter in der Sandbank neben dem Wrack,]

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
           in denen ein Teil der Gefallenen bestattet wurde]

Den klotzigen Kopf am Boden, trabt er im Kreise über den weißen Sand,
wirft sich mit einem Schwung auf den Boden, wälzt sich einige Male
und bleibt dann mit einem tiefen, behaglichen Grunzen auf der Seite
liegen. --

»Ein riesiger Bulle!« -- sagt hinter mir jemand.

Mein Vorgänger, der ebenfalls nicht schlafen konnte, ist in weißer Hose
und Hemd an Deck getreten und sieht durch sein vorzügliches Nachtglas
auf die Sandbank hinüber.

»Ob ich ihn schieße?« meint er.

»Das Licht ist sehr unsicher -- auf jeden Fall müssen Sie auf die Bank
hinüber fahren!«

»Läufer, Dingi klar!«

Das kleine Boot setzt ab und steuert schräg auf das Ufer, um sich im
Schatten der Mangroven an die Sandbank heranzupirschen.

Für ein paar Minuten verschwindet es im Dunkel, dann sieht man es
sich aus den Bäumen herausschieben, die kurze glitzernde Wasserfläche
durchmessen, am Rande der Sandbank anlegen. --

Das Flußpferd liegt noch ruhig auf der Seite, ab und zu stampft es mit
einem Hinterfuß kurz in die Luft.

Eine weiße Gestalt verläßt das Boot und schreitet gebückt über die
helle Fläche.

Sie kniet nieder -- keine fünfzig Meter entfernt -- legt an.

Ein Wolkenschleier segelt über den Mond, lange Schatten fliegen über
den Fluß.

Ein Blitz -- -- -- ein Krach!

Deutlich hört man den Aufschlag in dem massigen Körper.

Mit einem Satz fährt das Flußpferd in die Höhe, hopst einmal auf und
nieder und galoppiert dann in langen Sprüngen rund um die Sandbank.

Die Wolken sind vorüber, es wird wieder hell, lange Schlagschatten
werfen Schornsteine und Masten auf das Wasser.

An allen Zielfernrohren der Geschütze stehen erwachte Schläfer und
sehen zu.

Die weiße Gestalt da drüben steht auf, legt an. -- Das Ziel ist
unsicher -- in nie gedachter Schnelligkeit springt es abwechselnd im
Kreise und im Zickzack, neue Wolkenfetzen verschleiern den Mond.

Noch zweimal krachen die Schüsse -- zweimal hört man den Aufklatsch der
Kugel auf der brettharten Haut.

Da rast das getroffene Tier mit einer plötzlichen Kehrtwendung in das
aufspritzende Wasser und verschwindet fauchend und schnaubend.

Es hat wohl drei tödliche Kugeln, aber -- -- es ist dem Schützen
entgangen! --

Gespannt sehen wir auf die helle Wasserfläche, ob der Kopf nochmals
auftaucht.

Minuten vergehen. -- Eben will das Dingi abstoßen und zurückkehren, da
erscheint am entgegengesetzten Rande der Sandbank wieder der mächtige
Schädel -- mit einem kurzen Ruck steht ein schwarzer Körper auf den
Beinen, und von neuem trabt das Flußpferd auf dem weißen Sande.

Wieder kracht ein Schuß, dann noch einer. Es knickt kurz in den
Hinterbeinen ein und setzt dann ruhig, als sei nichts geschehen, seine
Sprünge fort, ohne auf den Gedanken zu kommen, im schützenden Strom zu
verschwinden.

Da stößt das Dingi ab -- in wenigen Minuten ist es an Bord.

Dem Schützen sind die Patronen ausgegangen, er holt neue.

Unbegreiflich! -- -- Ruhig erwartet das Flußpferd, abwechselnd hin-
und herspringend, dann wieder stehen bleibend, seinen zurückkehrenden
Todfeind.

Der kommt an der Sandbank an, steigt aus, da legt sich wieder eine
dunkle Wolkenwand vor den Mond.

Sekundenlange Dunkelheit, dann wird es wieder heller, -- da stehen
Mensch und Tier keine zehn Schritt weit auseinander!

Ein Blitz, ein Knall -- mit einem dumpfen Krach bricht der riesige Leib
zusammen und bleibt regungslos liegen! --

Die beiden drüben binden ihn an den zunächst stehenden Mangroven fest,
damit der auflaufende Fluß ihn nicht forttreibt, dann kehren sie zurück.

Es war ein mächtiger alter Flußpferdbulle, der in unglaublicher
Zähigkeit erst dem aus nächster Nähe gefallenen Gehirnschuß erlegen ist.

Als großer, schwarzer Fleck liegt er jetzt da drüben auf dem weißen
Flußsande.

Die Hyänen, die bis jetzt geschwiegen, beginnen wieder zu heulen -- das
Dröhnen der Flußpferde aus dem südlichen Nebelstreifen nimmt zu.

Die aufgescheuchten Schläfer ziehen sich wieder zurück.

Schweigend und ruhig liegt das Deck, klar scheint der Mond,
gespensterhaft ragen Masten und Aufbauten.

Der Strom ist gekentert -- in murmelndem Zuge gleiten die Wasser
flußaufwärts.

Kleiner und kleiner wird der weiße Fleck der Sandbank um den schwarzen
Körper herum.

Gleichmäßig hallen die Schritte des Bootsmaaten der Wache, -- Scharen
von Moskiten summen.

Der Läufer Deck nimmt die flackernde Handlaterne -- er geht die
Ablösung wecken.

Die Wasser haben die Sandbank jetzt vollkommen überflutet, den
schwarzen Körper langsam gehoben und gedreht.

Vier dunkle, massige kurze Beine ragen aus dem im Mondlicht glitzernden
Spiegel.

Verschlafen kommt die Ablösung -- verschlafen, schweigend, müde ziehen
die neuen Posten auf.

Von der weiten Steppe her weht jetzt der frische Frühwind. Der tiefe,
ruhige Morgenschlaf der Tropen sinkt über Besatzung und Schiff.

Die Hyänen hören auf zu klagen, das Brüllen und Dröhnen dort vorn
verstummt, nur noch Schnauben und tiefes Gurgeln ist einigemale zu
hören. Die Dickhäuter suchen den Fluß auf.

Ein Tippu-tipp beginnt schüchtern zu flöten, halb im Schlaf -- halb
erwachend schluchzt ein Regenpfeifer, -- zwei weiße Reiher flattern in
schiefen Kurven über die schweigenden Mangrovenwipfel.

                              *    *    *

Trocken, glühend heiß liegt die Luft des Spätnachmittags noch über der
»Königsberg«. Die Bootsmannsmaatenpfeifen schrillen »Klar Deck«. Die
selbst gefertigten Duschen spritzen auf. Vergnügt kühlen sich unter
ihnen die Leute.

Eine lange Reihe Schwarzer steht an Deck, beladen mit Bananen,
Apfelsinen, Mangos. Staunend und lachend stehen sie auf dem Mitteldeck
in ihrer Verwunderung über das Leben und Treiben auf dem so
riesengroßen »manowari« -- Kriegsschiff -- hier mitten im Rufijifluß,
den sie doch schon seit Jahren kennen, auf dem sie aber nur ihre
schmalen schlanken Einbäume, bestenfalls eine abgetakelte Dhau gesehen.

Noch mehr wundern sie sich über die noch nie auf einem Fleck gesehene
Menge von Europäern, die hier -- sie können es gar nicht begreifen --
richtig wie sie selbst arbeiten müssen -- rudern, Deck und Geschirr
reinigen und an langen Kutterläufern große Boote hochholen.

Alle Europäer, die sie bis jetzt kannten, kamen nur in Begleitung
von vielen Schwarzen, ließen sich tragen, Stiefel, Kleider an- und
ausziehen.

                              *    *    *

Die Sonne steht schräg am Himmel, ich rufe meine zwei schwarzen
Begleiter, um mit ihnen auf die Jagd zu gehen.

Zum ersten Male liegen wir jetzt am Rande der Steppe mit ihren Busch-
und Bauminseln -- das Gras ist großenteils niedergebrannt, also kann
ein Pirschgang Erfolg versprechen. --

Die »Königsberg« liegt keine dreißig Meter von Land ab -- eine kleine
Bootsfähre verbindet das Fallreep mit einem von uns angelegten
Landungssteg.

Holperig und vertrocknet dehnt sich dann nach Westen zu der ebene
Steppenboden aus. --

Bald verschwinden die hellbestrahlten Bordwände und Schornsteine hinter
den hohen Baumgruppen des Ufers. Einige hundert Meter weit hört man
noch die Geräusche und den Lärm des Bordbetriebes, die Signalpfeifen,
trappelnde Schritte. Dann umfängt uns die Stille des afrikanischen
Busches.

Wir biegen nach Westen zu in das hohe Gras ab, denn nach Süden windet
sich ein schmaler Negerpfad, nach einem nicht sehr weit abliegenden
Dorf Mitschi-gitschi zu. Wir wollen ihn vermeiden, da er jetzt häufiger
begangen wird, sei es von Trägerkarawanen mit Verpflegung, Eilboten
oder auch neugierigen Eingeborenen, die das deutsche Kriegsschiff hier
mitten im Herz ihres Landes sehen wollen.

An einer Gruppe von Dum- und Borassuspalmen vorbei schlagen wir uns in
den Busch. Hier steht noch hohes Gras. Der Steppenbrand des Vorjahres
hat anscheinend dieses Dickicht nicht durchdringen können, das mit
niedrigem Dornbusch und unentwirrbarem Gestrüpp verwachsen und verfilzt
ist.

Schritt für Schritt dringen wir vorwärts. Wilde Tauben gurren. Eine
Schar kleiner grüner Papageien flattert auf. Ein winziger, gelber
Webervogel hüpft von Halm zu Halm.

Dann wird das Gras niedriger, vereinzelte Grüppchen von Aschenresten
zeigen an, daß hier das Feuer durchgeprasselt sein muß. Wir kommen
schneller vorwärts.

Es ist mein erster Pirschgang auf afrikanischem Boden. Eigenartig
mutet der Gegensatz zwischen dem neuzeitlichen lärmenden Bordbetrieb
eines gefechtsklaren Kriegsschiffes und dieser verlassenen, träumenden
Urwaldstille an.

Zwei Welten -- kaum einige Kilometer auseinander -- und dennoch durch
Entwicklungsstufen von Jahrtausenden getrennt. --

Tiefer und tiefer führt uns unser Weg. Breite Schilfstreifen wechseln
wieder mit dürren, mannshohen Grashalden, dichtes Unterholz mit
freistehenden Baumgruppen, aus denen je ein bis zwei stachelige Palmen
herausragen.

Wild ist nicht zu sehen.

Wir folgen der tiefeingetretenen Spur eines Flußpferdes, die von der
Sonne ausgetrocknet als eine Reihe von mächtigen Löchern mit harten
Rändern über den ebenen Boden läuft.

Manchmal kreuzt sie sich mit anderen Spuren dieser wuchtigen
Dickhäuter, oft laufen drei bis vier nebeneinander und durcheinander.
Der Boden ist so zerwühlt, daß ich nur langsam vorwärts komme.

Dort vorn werden die Bäume etwas höher -- die Flußpferdspuren mehren
sich -- sie werden zu einer breiten Straße.

Die Äste auseinanderbiegend oder mit dem Buschmesser durchhauend,
stehen wir vor einem schmalen, anscheinend seichten Kreek.

Keine Liane, kein umgestürzter Baum, auf dem man hinüber könnte. --
Dann müssen wir eben so hindurch!

Mein Gewehrträger zeigt auf eine breite, ziemlich tiefe Rinne im
Mutt des Ufers -- daneben läuft noch eine und noch eine schmälere.
Weiter unten sehe ich noch mehrere. Sie alle verlieren sich unter dem
Ufergebüsch.

»Mamba« meint er -- »Krokodile!« »Piga« -- »schießen mit der Pistole
ins Wasser -- dann können wir hindurch -- dann gehen sie weg.«

Zwei bis drei Schuß knallen.

Wir steigen hinein, versinken bis an die Hüften in dem weichen Schlamm
und waten durch das grünlich-braune Wasser hindurch.

Es ist der letzte schmale Kreek, der hier die Steppe durchschneidet.
Von nun an haben wir offenes, freies Gelände vor uns.

Hier zeigen sich Wildspuren.

Ich lasse mir die Abdrücke von Wasserböcken, Ried- und Buschböcken
zeigen.

Eindrücke von Warzenschweinen -- hier von einem ziemlich kleinen
Leoparden kreuzen unsern Weg.

Auf dem weißen feinen Flugsand, auf dem nur spärliche Grashalme
wachsen, sehe ich wie in einem Bilderbuch die Tiere, die hier
vorübergewechselt sind.

Da sich vor uns eine weite, freie Steppe ohne Baum und Strauch
hinzieht, wenden wir uns mehr nördlich, wo hohe Bäume eine Biegung des
eben verlassenen Kreeks anzeigen.

Dichtes Schilf raschelt, verdorrte Halme und Blätter knacken unter
unsern Schritten.

Vor mir geht der Gewehrträger, jedesmal hoch seine nackten Beine
emporhebend, um das Schilf niederzutreten.

Plötzlich stockt er -- stößt einen kurzen Kehllaut der Verwunderung aus
und bückt sich.

Grinsend dreht er sich um, er hält in der Hand ein großes weißes Ei --
fast doppelt so groß wie ein Hühnerei, nur etwas länglicher.

»Maiai ya mamba!« -- ein Krokodilsei!

Dort unten liegen noch mehrere -- zwanzig bis dreißig, alle auf einem
Haufen!

Es sieht in dem grünen dichten Schilf aus wie das Nest eines riesigen
Osterhasen.

Auf einem alten, vertrockneten Ast klopft Musa -- der Gewehrträger --
ein Ei auf.

Vorsichtig öffnet er die beiden Schalen genau in der Mitte.

Mit Staunen sehe ich zwei, durch eine zarte weiße Scheidewand geteilte
Hälften, in deren jeder, bräunlich und zu einer Spirale zusammengerollt
ein Krokodilsembryo liegt.

Fast sieht es aus wie ein um den Finger gedrehtes Seepferdchen.

Wir markieren den Platz, um auf dem Rückweg wieder hier vorbeizukommen,
schlagen einen kleinen Bogen und tauchen im hohen Gras unter, das nach
einigen hundert Metern niedriger und niedriger wird, um in die busch-
und baumbesetzte Steppe überzugehen.

Durch eine boskettartige Gebüschgruppe zwängen wir uns, Dornen reißen
an Armen und Beinen, stachlige Blüten streifen das Gesicht.

Tief gebückt stecke ich auf der andern Seite aufatmend den Kopf
ins Freie -- -- da stehen dicht vor mir drei von der Sonne hell
beschienene, plumpe schwarze Tiere, -- »pangos« -- Warzenschweine, wie
Musa meint.

Das größte von ihnen steht mir am nächsten. Ich kann jetzt, da es sich
halb nach mir herumdreht, seine riesigen weißen Gewehre erkennen.

Langsam gehe ich kniend in den Anschlag und sehe Kimme, Korn, Blatt.

Ich freue mich aber so, schon heute -- gleich beim erstenmal -- auf
afrikanisches Wild zum Schuß zu kommen, daß ich wieder absetze, um das
Bild da vorn noch länger zu genießen. Im Bewußtsein der Sicherheit
des Besitzes der Beute, die mir auf diese kurze Entfernung nicht mehr
entgehen kann.

Von seltener Plumpheit der Formen -- wie kann man bei einem Naturwesen
von Häßlichkeit oder Unschönheit sprechen? -- mit großen Warzen vorne
am Kopfe, die wie zwei Kartoffeln lose hin und her baumeln, steht der
große Keiler breitbeinig im niederen Gras und äugt blinzelnd in die
Sonne.

Plötzlich scharrt er kurz mit den Hinterbeinen, dreht sich zweimal um
sich selbst, schleudert wie einen Strahl die Erde nach allen Seiten,
knickt hinten und vorn ein und bleibt, ein paarmal tiefschnaufend,
liegen.

Die andern beiden Schweine schnuppern derweilen weiter auf dem Boden
herum, ihre plumpen Nasen mit der hauerbewehrten Schnauze ins Gras
steckend, das kleine mit senkrecht gehobenem Schwänzchen grunzend hin
und her trabend. --

Wieder hebe ich die Büchse -- ein scharfer Knall -- der Keiler legt
sich langsam auf die Seite und bleibt regungslos liegen. -- Blattschuß!

Grunzend, im Schweinsgalopp, gehen die beiden andern ab.

Ein mächtiger alter Eber liegt da vor mir, schwarz, borstig, mit
runzeliger Haut, den Bauch mit Erde beschmiert. Morgen wird es an Bord
der »Königsberg« Schweinebraten geben!

Seine beiden Gewehre umwachsen in einem fast geschlossenen Halbkreis
den Vorderteil seines Schädels und sind an der Außenkante vollkommen
abgeschliffen.

Die Sonne hat sich inzwischen tiefer und tiefer gesenkt, schräg fallen
ihre Strahlen durch die dampfende, über der langsam abkühlenden Erde
liegenden Luft.

Ich lasse einen meiner Begleiter hier zurück, um Wache zu halten, bis
von Bord geschickte Träger die Beute abholen, und mache mich mit Musa
auf den Heimweg.

Wir wählen die direkte Richtung, umschreiten den nahen Busch und
schieben uns gemächlich durch die dahinterliegende hohe Grassteppe.

Viel Gestrüpp, Lianen und Unterholz. Wir kommen nur langsam vorwärts.
Musa muß fleißig von dem Buschmesser Gebrauch machen.

Um ihm seine Arbeit zu erleichtern, trage ich mein Gewehr selbst und
trotte Schritt für Schritt hinter ihm drein.

Wir steigen in eine kleine Geländefalte nieder, mit Händen und Füßen
Zweige, Äste und Schlingpflanzen auseinanderbiegend und niedertretend.

Plötzlich bleibt Musa wie angewurzelt stehen, duckt sich, dreht sich
nach mir um und sagt mit entgeistertem Gesicht nach vorn zeigend:

»Simba -- ein Löwe!«

Nun war es auch an mir, meine Ruhe zu verlieren. Dieser Zufall, dieses
Glück -- gleich am ersten Tage einen Löwen vor die Büchse zu bekommen.

»Wo?«

»Da vorn neben dem Busch, man sieht nur seine Hinterschenkel!«

Aufgeregt nehme ich mein Glas. Richtig -- dort vorn sehe ich einen
mächtigen, gelben Hinterschenkel und eine lange Rute, die gerade mit
einem Schlage das Gras peitscht. Alles andere ist vom Busch verdeckt.

Kein Zweifel -- ein Löwe!

Ich habe nur einen Gedanken: den muß ich haben!

Aber wie?

Wenn ich mich rühre, er mich windet -- -- ein Schritt genügt und der
Busch hat ihn verschlungen. Aber so schießen? -- Aufs Geratewohl? --
Höchst unweidmännisch und wahrscheinlich auch gefährlich, ihm hinten
eine Kugel hineinzujagen. --

Ich denke aber den Gedanken kaum zu Ende -- alles gleichgültig, ich muß
schießen! -- Kimme, Korn, gelber Fleck.

Krach!

Ein bunter Wirbel dort vorn, -- Äste fliegen, ein gelbes Etwas bäumt
sich, wirft sich in die Höhe, wälzt sich. -- Heiseres Gebrüll ertönt.

»Piga, piga« -- er ist getroffen, ruft Musa, »aber noch nicht tot!«

Langsam gehe ich vor -- nichts zu erkennen -- nur ein gelbes Knäuel
rast dort auf und nieder.

Ich komme näher und näher. Da zeigt sich plötzlich zwischen dem Gewirr
von herumfliegenden Ästen und Gras ein braun-graues, langhaariges Fell.

Ich halte darauf -- der Schuß kracht! Ein kurzes Gebrüll, dann Ruhe,
nur die Rute peitscht in zuckenden Schlägen den Boden.

Jetzt habe ich ihn! -- Ein Hochgefühl überkommt mich, ein namenloser
Stolz -- -- ein Löwe! -- Auf dem ersten Pirschgang den König der Tiere!
Was werden die an Bord sagen!

Mit einigen Sprüngen bin ich an der Stelle, vorsichtig das entsicherte
Gewehr in der Hand.

Da glotzen mich zwei wütende Augen an. Von ohnmächtigem Haß geschüttelt
liegt vor mir ein riesenhafter -- -- Hundsaffe, ein Pavian!

Stolz, Hochgefühl, Siegerbewußtsein stürzen mit einem Krach zusammen!

Der König der Tiere -- -- ein Affe!!

Allerdings ein so selten großer, daß unser beider Irrtum wohl
verständlich ist.

Ein schneller Fangschuß erlöst ihn von seinen Schmerzen. Um
wenigstens meinen Fehlschuß zu entschuldigen, nehme ich als Beute den
menschenkopfgroßen Schädel mit den beiden mächtigen Hauzähnen mit.

Etwas kleinlaut treten wir den Rückmarsch an. -- --

Es ist kühler geworden! Die Strahlen der afrikanischen Januarsonne
fahren noch in feurigen Blitzen über das Himmelsgewölbe, tauchen alles
in rotes Licht, haben aber keine Gewalt mehr.

Schnell durch den raschelnden Busch schreitend, eilen wir nach Hause. --

Schweigend liegt die Wildnis da, nur das Rucksen und Gurren einer
wilden Taube ertönt in kurzen Abständen. Ein aufgestörtes Volk
Perlhühner durchflattert schwirrend die Wipfel. --

Plötzlich ein anderer Laut! Ganz da vorn schrillt eine Pfeife! -- S. M.
S. »Königsberg«! -- Die Bootsmannsmaatenpfeife ruft zur Flaggenparade.

Wir treten auf eine freie Lichtung. -- Karminrot beleuchtet liegt unser
Kreuzer vor uns, feurige Lichter blitzen aus den Seitenfenstern und dem
blanken Messing.

Es ist der letzte Gruß der untergehenden Sonne.

»Hol nieder Flagge!«

Langsam senkt sich die Kriegsflagge -- -- es ist Januar 1915! --

Die letzte, die noch im Ausland weht! Alle andern liegen zerschossen in
den Weltmeeren.

Einsam und verlassen flattert sie hier in der afrikanischen
Mangrovenwildnis.

Wie lange noch?

Schnell fallen die tiefen Schatten der Mangrovennacht auf das
Rufijidelta. Schräg über dem Fockmast leuchtet das Kreuz des Südens auf.


                              Am Bumba-Arm


Gleich hinter dem Liegeplatz der »Königsberg« -- nach Westen, der
weiten Steppe zu -- kommen die beiden großen Biegungen, wo der Rufiji
in zwei langen Schleifen beinahe zweimal um sich selbst fließt.

Dort, an der konvexen Seite der ersten Schleife, mündet der
interessantere Flußarm: der Bumba.

Interessant, weil er einmal in grotesken Windungen und Biegungen sich
auf weiten Umwegen zwischen seinen engen Mangrovenufern der Küste
zuschlängelt und dann wegen seiner Schlupfwinkel, schweigsamen Buchten
und tiefen Kreeks ein Sammelplatz für zahlreiche Flußpferdherden ist.

Fährt man im schlanken Einbaum unter dem weit überhängenden Dach
der bewaldeten Ufer, sich lautlos von der Strömung treiben lassend,
flußabwärts, entrollen sich die seltsamsten Bilder urwüchsigen
Urwaldlebens.

In nächster Nähe, so daß man oft mit einem etwas zweifelhaften Blick
die schwache Nußschale betrachtet, taucht plötzlich ein breites,
borstiges Riesenmaul auf, öffnet mit tiefem Schnauben seine riesigen
Kinnladen -- einen Anblick bietend wie die gähnende Leere eines offenen
Möbelwagens -- und verschwindet glucksend in einem Wasserschwall.

Drei, vier, fünf, zehn, zwanzig tauchen auf, unter, spritzen Wasser,
grunzen und schnauben. --

In einer verschwiegenen Bucht des Flusses, dort, wo sich eine weite,
flache Muttstrecke aus dem Wasser hebt, war ich einmal Zeuge der
Begattung von zwei gewaltigen Flußpferden.

Wie ein Blockhaus türmten sich die mächtigen Fleischmassen, dröhnend
erzitterte die Luft von ihrem Brunstgebrüll! -- --

Unter Tags, flußabwärts sich treiben lassend, kehren sie abends mehr
nach dem Oberlauf des Armes zurück, um dann bei Dunkelheit in der Nähe
des Hauptstromes an Land kletternd, die feste, grasbewachsene Steppe
vor sich zu haben.

Dort, keine zweitausend Meter oberhalb der »Königsberg«, habe ich manch
kräftigen Bullen erlegt, dessen mächtige Zähne an Bord auf den glühend
heißen Skylights und Ventilatorköpfen im Sonnenlicht bleichen.

Mancher dickgedunsene Kadaver ist dort den Krokodilen eine willkommene
Beute geworden. Kein Wunder, daß sich auf der breiten Sandbank an
der Innenseite der Flußbiegung bei Niedrigwasser Dutzende dieser
scheußlichen Echsen aller Größen träge blinzelnd die Sonne auf den
Panzerrücken brennen lassen. Den gezackten Schwanz meist noch halb
im Wasser, um immer zum blitzschnellen Rückzug klar zu sein, auf die
kurzen greulichkrummen Füße mit der hellgrünen Unterseite gestützt,
lassen sie den langen, scheußlichen Schädel faul auf dem weichen,
warmen Sande ruhen.

Manche haben wie in träger Erstarrung den Rachen weit offen stehen, so
daß die ungleichmäßigen Spitzzähne in der Sonne funkeln.

Bei sehr alten Tieren -- solchen, die über fünf bis sechs Meter Länge
haben -- kann man mit dem Glase sogar die gähnenden Zahnlücken erkennen
und die braunen oder gelbschwarzen Stümpfe, die vom jahrzehntelangen
Aasfressen verfault zu sein scheinen.

So viel dort auch Tag für Tag, unbekümmert darum, daß beinahe in
Schußweite ein moderner Kreuzer mit dreihundert Menschen liegt,
sich die schuppigen Leiber sonnen, so schwer ist es doch, eines von
ihnen zu treffen, so daß man die Beute auch bekommen kann. Denn ein
Anpirschen auf näher als hundert Meter ist unmöglich, da sich hier
die tellerglatte, deckungslose Sandbank erstreckt, dort der an dieser
Stelle außerordentlich breite Wasserspiegel ausdehnt.

Ein Näherkommen, sei es im unhörbar gleitenden Einbaum oder Stück für
Stück im Sande kriechend ist unmöglich -- eines von den vielen Bestien
hat immer seine falschblickenden, gelbgrünen Äuglein zufällig in
derselben Richtung. Ein kurzes Zucken in den Körpern und alle sind im
aufspritzenden Wasser verschwunden.

Den Schuß auf weite Entfernung habe ich hier oft gewagt, aber es ist
mir an dieser Stelle nie gelungen, eines der alten Tiere zu bekommen,
denn mit einigen Windungen -- und ist es auch noch so schwer getroffen
-- erreicht es immer den schützenden Fluß und verschwindet.

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
  Trocknen der aus dem gesunkenen Kreuzer heraufgetauchten Munition]

[Illustration: Copyright Walther Dobbertin.
             Verladen der abmontierten 10,5-cm-Geschütze]

[Illustration: Askarischützenlinie kurz vor dem Gefecht]

[Illustration: Trägerlager]

Nur eine Stelle gibt es, die, getroffen, das Tier wie vom Blitze
erschlagen, bewegungslos liegen läßt: der Ansatz des Rückgrates gleich
hinter dem Schädelknochen.

Diese Stelle aber ist so klein! --

Eines Vormittags ist es mir gelungen, im Bumba-Arm einen selten großen
Flußpferdbullen tödlich zu treffen.

Schon nach kurzer Zeit treiben ihn die Verwesungsgase nach oben und,
die vier Stummelbeine wie anklagend gegen den Himmel gestreckt,
erscheint der dickwanstige Kadaver an der Oberfläche, mit dem
zurückströmenden Flutwassern flußaufwärts treibend.

Er segelt geradenwegs auf die Sandbank zu, die wieder den Anblick
bietet, wie eine Sonnenbadeanstalt für Krokodile. -- Wir langsam im
Einbaum hinterher! --

Klatschend verschwinden die Echsen.

Die Strömung macht hier eine scharfe Wendung, und so wird denn der
in seiner Aufgedunsenheit jetzt doppelt ungeschlachte Körper durch
den Schwung seiner eigenen Bewegung hinaufgeschoben. Wir springen aus
dem Tumbi und im Verein mit dem schnellströmenden Wasser, das jetzt
fast seine höchste Höhe erreicht und die Sandbank ganz überflutet
hat, gelingt es uns, unsere Beute bis an das dichte Gebüsch des
Steppenrandes zu ziehen, wo wir die massiven Beine mit Stricken fest an
gedrungene, kurze Baumstümpfe binden.

Um die Jagdtrophäe, den Kopf, zu bekommen, der jetzt zu unterst hängt,
müssen wir noch etwa eine Stunde warten, bis das Wasser wieder so weit
abgelaufen ist, daß der Schädel frei liegt, um ihn abnehmen zu können.

Ich setze mich ins Gras, während meine beiden schwarzen Ruderer den
Einbaum heraufziehen und sich die Zeit damit vertreiben, das arme,
schon allmählich stinkende Flußpferd zu verspotten, daß es so dumm
gewesen, sich erwischen zu lassen.

Von meinem Platze aus kann ich gerade die Masten der »Königsberg« und
den vorderen Scheinwerfer erkennen. Die ab und zu umspringende Brise
weht den Schall von langhingezogenen Kommandorufen herüber. Ein Kutter
wird aufgeheißt. --

Die Brise wird stärker und kräuselt die Oberfläche des Flusses, der
jetzt nach kurzer Zeit der Stauung sich wieder seewärts bewegt.

Mehr und mehr tritt die weißliche Bauchseite des Flußpferdes zutage,
die, von starken Runzeln durchzogen, sich über den dicken, jetzt
aufgedunsenen Leib spannt. Die mächtigen Fettdrüsen werden sichtbar,
die Farbe der Haut nimmt nach dem Rücken zu eine dunklere bis ins
Schwarzbraun gehende Färbung an.

Weiter fällt das Wasser! -- Endlich wird der riesige Hals frei.

Wir können beginnen! Mit langen Schnitten wird die fast drei Zentimeter
dicke Haut durchtrennt und tiefer und tiefer wühlend erreicht das lange
Messer die Wirbelknochen. Ein Knacken, ein Krachen -- auch sie sind
gelöst und der gewaltige Schädel, dessen unheimliche Formen jetzt vom
Wasser frei sichtbar werden, fällt zurück -- noch einige Schnitte und
er liegt auf der Sandbank.

Mit vereinten Kräften suchen wir den Rachen zu öffnen, um die Zähne zu
sehen. Sie sind noch größer, als wir erwartet haben. Wie zwei braune
im Feuer gehärtete Spieße springen die inneren vor, wie zwei krumme,
breite Säbelscheiden ragen die äußeren.

In einem großen Loch der Sandbank vergraben wir ihn. In wenigen
Wochen werden ihn Käfer und Ameisen gesäubert haben und seine weißen
Knochenwände sauber gebleicht in der Sonne trocknen können.

Als ich den mächtigen Kadaver, aus dessen Halswunde noch immer in roten
Strömen das Blut fließt, so am Uferhang liegen sehe und dahinter das
dichte verwachsene Schilfgestrüpp, kommt mir der Gedanke, ihn hier als
Köder für Krokodile liegen zu lassen und dahinter einen kleinen Anstand
zu bauen.

Mit kräftigem Bordtauwerk binden wir ihn so fest an die Uferbäume,
daß das größte Krokodil ihn nicht wegreißen kann. Etwa zwanzig Meter
dahinter wird aus Laub und Gras eine Wand aufgebaut und dann das Schilf
des Zugangsweges niedergeschlagen, damit ich mich abends unhörbar
anschleichen kann.

Große Teile der Sandbank liegen jetzt wieder frei. Ein eingerammter
Pfosten bezeichnet die Stelle, wo der vergrabene Schädel liegt. Mit
einigen starken Stößen schieben wir den Einbaum ins Wasser.

»Huko mamba -- dort kommt ein Krokodil!«

Wir sind eben beim Ablegen, da schiebt sich keine fünfzig Meter von
uns weg ein langer, schmutzig grüner Schädel aus dem Wasser -- gelbe
Äuglein blinken. Ein Ruck -- weg ist er! --

Schon zieht die Witterung des in der Sonne liegenden Kadavers über Fluß
und Ufer! Drei große Geier kreisen über der Sandbank.

Die Sonne hat mittlerweile beinahe Mittagshöhe erreicht. In glühender
Hitze zittert die Luft. Rasch fließt das Wasser stromab. Bald tauchen
die grauen Wände der »Königsberg« auf, und wir klettern an Bord. -- --

                              *    *    *

Mit Befriedigung fühle ich nachmittags das Umspringen des Windes -- er
kommt jetzt genau von Osten -- so kann ich abends gegen den Wind meinen
Anstand erreichen.

Von nur einem Schwarzen begleitet, gehe ich nach dem Dienst an Land.
Die Sonne steht noch hoch am Himmel.

Wir haben den kurzen Steppenstreifen rasch durchschritten und tauchen
seitwärts ins Schilf.

Es gilt den kurzen Weg zu finden, den wir heute morgen eingeschlagen
haben.

Die Funkenrahen der »Königsberg«, die über dem niedern Unterholz
sichtbar sind, als Orientierungsmittel hinter uns, schlängeln wir uns
weiter. Da vorn kreisen in weiten Bogen einige Aasgeier, verschwinden
und fliegen wieder hoch. Dort muß der Kadaver liegen!

Leiser und leiser werden unsere Schritte, denn wir können nicht mehr
weit ab sein.

Ein stinkender Aasgeruch zieht in Schwaden über uns hin.

Plötzlich hält mein Führer. Er zeigt nach unten: da ist abgehauenes
Schilf -- also der Zugangsweg von heute morgen. Die gespannte Büchse in
der Hand, schleiche ich unhörbar vor.

Der Wind ist günstig, er kommt direkt auf mich zu. Der Verwesungsgeruch
wird so durchdringend, daß ich mir das Taschentuch vor die Nase binde.

Hoffentlich sehen mich die Aasvögel nicht -- dicht vor mir flattern sie
jetzt rauschend mit mächtigen Schwingen auf und nieder.

Ich drücke mich tief an den Schilfrand -- denn vor mir wird die grüne
heute morgen von uns gebaute Wand sichtbar. -- Keine zwanzig Meter mehr!

Eine leichte Bö läßt das Schilf rascheln -- ich benutze sie, mit
einigen Sprüngen bin ich vorn und kauere mich nieder.

Trotz des Taschentuches ist der Aasgestank kaum zu ertragen. Ich fühle
einen starken Brechreiz -- der Kadaver liegt ja dicht da vorn.

Leise schiebe ich einige Blätter zurück -- die linke Hand auf die Nase
gepreßt, sehe ich hindurch und -- -- pralle zurück! -- Das Flußpferd
lebt. -- Sein Leib geht auf und nieder -- es wälzt sich -- scheuert
sich auf dem Boden. Die kurzen Walzenbeine wackeln!

Drei -- vier Aasgeier sitzen auf dem Bauch und hacken an der Haut herum.

Da sehe ich plötzlich, wie sich aus dem abgeschnittenen Hals ein
Schuppenschwanz herausschiebt -- -- er bewegt sich langsam nach außen.
Jetzt noch einer und -- -- noch einer!

Ein leises Grauen überläuft mich, wie ich dieses furchtbare
Vernichtungsdrama keine zwanzig Meter vor mir in dem bestialischen
Gestank sich abspielen sehe.

Der ganze Leib des Flußpferdes ist voll von Krokodilen, die sich durch
die Halsöffnung hindurch in das Innere gefressen haben, weil die Haut,
noch frisch und fest, allen Angriffen widerstanden hat.

Ab und zu geht ein Zucken und Rütteln durch den gewaltigen Körper --
einer der aus dem Hals ragenden Schwänze peitscht den Sand -- wieder
hat eines der grauenhaften Tiere ein Stück aus dem Innern des Wanstes
losgerissen.

Wie einen Sack höhlen sie von innen den Kadaver aus -- wälzen sich im
Aas, während die Geier, wütend und vergeblich, immer noch auf die zähe
Haut einhacken.

Ein furchtbares Bild des Daseinskampfes. Ich bin so benommen von der
Wucht dieses Bildes, daß ich an ein Schießen gar nicht denke, das
Gewehr hingelegt habe und mit offenen Augen nach vorn starre.

Da geht plötzlich ein mächtiger Ruck durch den verwesenden Körper und
ein riesiges Krokodil schnellt aus der Halsöffnung hervor, über und
über braunrot mit Blut, Aas und Kot besudelt, grell von den leuchtenden
Strahlen der eben untergehenden Sonne beschienen, im Rachen einen halb
menschengroßen Fetzen Knochen, Gedärme und Fleisch.

Ein bestialisch greulicher Gestank weht mir ins Gesicht!

Im selben Augenblick springt die Brise um -- gedämpft, wie unwirklich
-- von unendlich weit her -- erklingen verwehte Fetzen der Königshymne:
-- -- -- die Abendmusik an Bord der »Königsberg«!

Stutzend halten einen Augenblick Krokodile und Geier im Fraß inne,
dem ungewöhnten Geräusch lauschend, nur der rotbraunbesudelte Bursche
schleppt langsam rückwärts kriechend seine Beute über die Sandbank dem
Flusse zu, einen breiten Blut- und Kotstreifen hinter sich lassend.

Da flaut der Wind plötzlich ab, die Sonne ist weg! -- -- Nur noch das
Knacken und Krachen von zermalmten Knochen, das Reißen von Haut- und
Fleischfetzen -- lautes Schnalzen, Schmatzen, Mahlen von Kiefern ist zu
hören.

Die vier kurzen Stummelbeine wackeln, als ob sie sich sträuben wollten
und heben sich phantastisch vom dunkelnden Himmel ab. Die Geier, denen
jetzt einige aus dem Halse hängende Fleischfetzen zur Beute gefallen
sind, hacken darauf herum, reißen sie in Stücke und flattern, im
beschmierten Schnabel den stinkenden Fraß, auf und davon.

Schnell wird es dunkel! Ein Schuß hätte keinen Sinn mehr, auch habe ich
keine Lust dazu. Warum dies seltsam schauerliche Naturbild stören!

Kampf, überall Kampf um Sein und Nichtsein! Hier wühlen Krokodile
im stinkenden Flußpferdaas, hacken flatternde Geier, dort in
verworrenster, afrikanischer Flußwildnis ein Kreuzer mit dreihundert
Menschenleben, die tagtäglich kämpfen müssen -- gegen andere Geschöpfe
gleicher Rasse, die nach ihrer Vernichtung lechzen.

Es scheint, als hätte alles Leben nur Sinn eben durch Vernichtung des
Lebens! --

Ein langsames Rascheln, Reiben und Gleiten kommt von der Sandbank her
-- ich sehe zwei dunkle Striche sich näher schieben -- -- zwei neue,
fraßgierige Krokodile.

Da drin aber in dem Flußpferdleib wühlt und wogt es noch, die Haut
schwankt und schlappt, ekelhaftes Schmatzen und Knacken tönt hervor. --

Die Brise ist jetzt vollkommen eingeschlafen. Der Aasgestank bleibt
über dem dichten Schilfe hängen, er wird so stark, daß ich mich, die
Hände vors Gesicht gepreßt, wegschleiche. -- --

Im hohen Schilfe raschelnd gehen wir nach Westen, um die freie Steppe
zu erreichen, dann nach unserm Liegeplatz abzubiegen.

Tief aufatmend saugen wir die reine Luft in unsere Lungen! --

Schilf und Gestrüpp weichen zurück, dunkel liegt vor uns die weite
Steppe, an ihrem Westrand noch von einem schmalen hellen Streifen
abgegrenzt.

Das Schweigen der Nacht liegt über der einsamen Landschaft.

Dicht aufbleibend folge ich meinem Führer, der mit seinem rasch
fördernden Schritt durch die Nacht eilt, schwarz in der schwarzen
Dunkelheit kaum zu erkennen.

Da dröhnt von fern her Getrappel -- -- wie von galoppierenden
Pferdehufen!

Wir stutzen einen Augenblick -- da sausen zwei abenteuerlich dicke,
mächtige Körper hopsend an uns vorüber.

»Viboko -- Flußpferde!«

Wie Spukgestalten sind sie erschienen und verschwunden, schon wieder
weit weg verklingt das Dröhnen ihres Galopps. --

Der schmale Schimmer im Westen ist verschwunden, tiefe Nacht liegt über
der Steppe.

Gleichmäßig klappert Gewehr und Wasserflasche auf dem Rücken meines
Führers, der sicher mit seinen nackten Beinen dem schmalen Negerpfad
folgt.

Moskiten summen, Glühwürmchen gaukeln, ferne Tierlaute erschallen -- --
das Nachtleben der Steppe erwacht!


                             Kingwangwanda


Monate sind vergangen.

Es ist August 1915! Die Sonne läuft auf ihrer Bahn jetzt weit im
Norden. In Deutschland -- in Europa schreibt man Sommer!

So weit nördlich zieht das Tagesgestirn, daß seine Strahlen auf der
südlichen Halbkugel stark an Kraft verloren haben, selbst hier in der
Nähe des Äquators, und schon abends nach Sonnenuntergang erfrischende
Kühle über das Land zieht.

Es ist Nacht.

Schlaflos starre ich auf die weißlichen Falten des Moskitonetzes trotz
des Morphiums, schlaflos vor Schmerzen im abgerissenen, entzündeten
Fuß. Eine englische Granate hat ihn zerschmettert -- sie hatte erst die
Back und das Zwischendeck durchschlagen.

Neben mir schläft mein Kommandant -- ruhig, gleichmäßig geht sein Atem.
Er ist schwer verwundet!

Durch den Schleier des Moskitonetzes sehe ich seinen weißen Verband.

Es ist ein altes hölzernes Pflanzerhaus, in dem wir liegen. Fünf Zimmer
und zwei Veranden -- alle voll von Verwundeten. -- Alle haben den
ehrenvollen Untergang der »Königsberg« in aussichtslosem Kampf gegen
zwanzigfache Überlegenheit mit ihrem Blute bezahlt.

Ein Stöhnen flattert auf -- ein Seufzen, ab und zu leises Wimmern! --

Leuchtend spannt sich der klare Tropenhimmel über der weiten Steppe --
einsam träumt das alte Pflanzerhaus, nur armselige, kleine Negerhütten
liegen zu einem Klumpen geballt daneben -- das Dorf Kingwangwanda.
Nach Norden und Westen zu dehnen sich Kulturen von Kautschuk und Sisal.
Alle sind verlassen, verwildert. Nach Süden und Osten erstreckt sich
die weite Steppe. Raschelnd haucht der Nachtwind über sie hin.

Dort liegt ein einsames Geviert, darin Kreuz an Kreuz, alle
gleichmäßig, alle schlicht, alle mit kurzer Aufschrift:

»Beim Untergang S. M. S. Königsberg am 11. 7. 15 gefallen!«

In der Mitte ein großer Stein, daran eine Kupfertafel, gehämmert aus
einem zerschossenen Dampfrohr mit dem von ungeübter Hand eingehauenen
Taufspruch der »Königsberg«:

    Biet’ dem Feinde Trutz,
    Sei dem Vaterlande Schutz,
    Und treu bis zum Tod --
    Im Kampf und in Not,
    Sei stets deiner Mannschaft höchstes Gebot!

Alle, die hier liegen, haben nach ihm gehandelt! In den schlichten,
vertrockneten Palmenkränzen flüstert der nächtliche Steppenwind, --
weht feinen Sand über die niederen Hügel.

Ein plumper, fester Zaun aus dicken, unbehauenen Stämmen ist jetzt
um das Gräberfeld gezogen. Flußpferde hatten auf ihrer nächtlichen
Steppenstreife die Kreuze umgeworfen, die aufgeschütteten Hügel
zerstampft. Rings herum ist der Steppenboden von ihren Spuren
durchfurcht, tiefe Löcher sind in langen Reihen getreten.

Zwischen dunklen Ufern schickt dort drüben träge ein breiter Flußarm
seine schwärzlichen Wasser dem Rufiji zu -- es ist der Bumi.

Keine vier Stunden braucht ein Einbaum, gleichmäßig dahingleitend,
bis zu der verschwiegenen Flußbiegung, die dem letzten der deutschen
Auslandskreuzer zur Ruhestätte geworden ist. -- --

                              *    *    *

Tief auf die Seite geneigt liegt er dort in den glucksenden Wassern.

Schwer war sein Ende! Einundzwanzig gegen eins.

So hatte sie es doch gewagt, die ruhmreiche englische Flotte! Aber
einundzwanzig brauchte sie, um den einen zu töten!

In langer Kiellinie liefen sie ein in die weite Mündung des
Kikunja-Armes, als die Sonne im Zenit stand, mit rasendem Feuer jede
Mangrove, jede Palme überschüttend.

Zwei Flieger kreisten über dem kleinen deutschen Kreuzer, der dort
hinten am Steppenrand wütend um sein Leben kämpfte mit seinen fünf
bellenden Breitseitgeschützen -- -- unbeweglich im engen Fahrwasser.
Sie wiesen dem sausenden Eisenhagel, der heulend über die weite,
dampfende Mangrovenwildnis brauste, den Weg. -- -- Und nur zu gut!

In Fetzen wurden die Geschützbedienungsmannschaften gerissen, in Fetzen
Bleche und Eisenwände!

Aber weiter kämpfte er!

Das Deck troff vor Blut, nur schaufelweis gestreuter Sand machte es
passierbar. Da vorne, unter der Back, lagen die Leichen zu Haufen. Zwei
abgerissene Köpfe ruhten friedlich Gesicht an Gesicht unter einem
Spind -- -- sie gehörten den Matrosen Prest und Stange. --

Aber weiter kämpfte er!

Nur mehr mit zwei Geschützen! Der durchsiebte, mittlere Schornstein
neigte sich -- brach in sich zusammen. Beinahe erschlug er den
schwerverwundeten Kommandanten, der vom Kommandostand nach achtern
gebracht wurde. Da vorne gab es nichts Lebendiges mehr! Der Eisenhagel
wurde zum Eisengewitter und durchpflügte die Flanken des bebenden,
zitternden Kreuzers.

Aber weiter kämpfte er!

Jetzt von achtern geleitet, -- immer noch mit zwei Geschützen! Das
eine bedienten Offiziere, das andere Heizer. Verkrampfte Wut wendete
sich gegen die Flieger. -- Vergeblich! Sie schienen unerreichbar im
Aether! Da -- -- das letzte Schrapnell verließ das Rohr -- -- da -- --
sollte es sein -- -- sollte Gott uns wenigstens diese eine Genugtuung
geben -- -- da -- -- ein Flieger neigte sich, verharrte sekundenlang
unbeweglich -- -- dann stürzte er pfeilschnell krachend nach unten.

Ein Leuchten ging über die pulver- und blutgeschwärzten Gesichter der
Geschützbedienung. Die von ohnmächtiger Manneswut geschnürte Brust
weitete sich.

Nur ein Augenblick! Verschwunden waren sie, die eben triumphierten,
in Fetzen klebte ihr Fleisch an der Bordwand und den zerspellten
Decksplanken. -- -- Eine Granate schlug zwischen sie.

Aber weiter kämpfte er!

Nur noch mit einem Geschütz! Zwischen all dem Rauch und Feuer war
sein Blitz nicht mehr zu sehen, seine Stimme verhallte im Tosen der
Explosionen. Feuerfontänen auf Feuerfontänen zischten gen Himmel,
breiter und breiter wurden die Glutmassen, sie durchrasten, vom Wind
gepeitscht, die Decks. Da war Menschenwille und -kraft zu Ende! Das
letzte Geschütz verstummte!

Nochmals schwer getroffen gab der Kommandant den Befehl zum Verlassen
des Schiffes. Als der letzte Mann von Bord war, zerriß eine furchtbare
Detonation die Luft -- -- turmhoch stieg eine Feuersäule himmelwärts,
der brennende, aus tausend Wunden blutende Kreuzer barst entzwei und
versank langsam in den braunen Lehmfluten des Rufiji.

Da hörte er auf zu kämpfen! -- -- --

Dort hinten aber, am Rande der Steppe, hinter der sich der Glutball der
Sonne zum Untergang neigte, umstand ein kleines Häuflein, besudelt mit
Pulver, Blut und Lehmwasser, den auf dem Boden gebetteten Kommandanten,
und erst zaghaft, dann anschwellend lauter und lauter hallte das
deutsche Flaggenlied im leisen Abendwind über die weite afrikanische
Steppe und durch den leise rauschenden Buschwald. -- -- --

                              *    *    *

Die Stunden vergehen, es muß längst Mitternacht sein, meine Augen
brennen im hohen Fieber! Hundertstimmig pfeifen, zwitschern und
krabbeln über mir die Fledermäuse, sie nisten im Dach zwischen
Wellblech und Holz, dicht über meinem Bett. Ihr Gestank zieht ab und zu
wie eine dicke Wolke über die Veranda.

Punkt sechs Uhr abends verlassen sie zu Tausenden in stinkenden
schwarzen Massen ihren Schlupfwinkel, um durch die Nacht flatternd
Nahrung zu suchen, nur Weibchen und Junge zurücklassend, die ungeduldig
zirpend und scharrend auf ihre Ernährer warten.

Da schlürft und schmatzt es dicht neben meinem Kopfe. Fast bewegungslos
eingebunden, kann ich mich kaum rühren. Ich drehe langsam den Kopf:
eine dicke Ratte sitzt auf dem Rande meines Feldstuhls, hat den Kopf
tief in meine Tasse gesteckt und trinkt schnalzend meine Milch. Mit
Mühe verscheuche ich sie. Plumpsend springt sie auf den Boden, schleift
ihren Bauch über die sandigen Bretter, rast eine Wand empor und springt
auf mein Moskitonetz. Dicht über mir piepst sie einige Male und läßt
sich dann mit einem Platsch zur Erde fallen. --

Ein irrer Schrei tönt herüber -- aus dem dritten oder vierten Zimmer
-- dort muß ein sehr schwer Verwundeter liegen. Auch mein Beinstumpf
brennt in der Blechschiene. Schon über einen Monat liege ich hier
bewegungslos auf dem Rücken, den Fuß in die Höhe gebunden!

Mit Mühe richte ich mich auf, starre durch das Moskitonetz in
die Nacht. Da vorn liegen schweigend die niederen Grashäuser der
beiden Ärzte und der zwei Schwestern vom Roten Kreuz, die von
Daressalam geschickt wurden. Gespenstisch heben sich ihre Giebel vom
sternenübersäten Nachthimmel ab, gespenstisch in der unendlichen Ruhe
und Schweigsamkeit der afrikanischen Steppe, über die hinweg Millionen
von Zikaden ihr gleichmäßiges Lied ertönen lassen. Der Nachtwind haucht
raschelnd durch die metallenen Moskitogitter der Veranda, fröstelnd
sinke ich auf mein Kissen zurück und wickle mich fester in meine Decke.

Das Morphium gaukelt mir bunte Bilder vor, ich denke an die ferne
Heimat, an den letzten Kampf der »Königsberg«, unsern Kreuzer, den wir
alle so sehr geliebt, der jetzt zerschossen und zerfetzt wenige Stunden
weit, dort drüben in der Einsamkeit liegt. --

Von fern hallt das Dröhnen einer Flußpferdherde herüber. Angestrengt
lausche ich ihm.

Minutenlang hält es an -- minutenlang tritt wieder Stille ein.
Plötzlich zerreißt ein dumpfes Brüllen aus nächster Nähe das lastende
Schweigen. Ich halte den Atem an: ein Löwe! Da ertönt es wieder und
wieder, unheimlich rauh -- noch einmal und noch einmal.

Unwillkürlich richte ich mich wieder auf: Zwei Stimmen sind zu
unterscheiden -- eine tiefe knurrende und eine hellere. Anscheinend ein
Löwenpärchen.

Sie umstreifen in weitem Kreis unser altes morsches Holzhaus. Kommen
näher und näher, verstummen und ziehen dann kurz brüllend langsam in
westlicher Richtung weiter.

Fast Nacht für Nacht kommen sie -- es müssen immer dieselben sein --
sie ziehen denselben Weg, brüllen zu gleicher Stunde.

Stärker lärmt der Luftzug in dem verrosteten Moskitogitter, die Netze
der Betten bewegen sich leise. Es muß gegen Morgen zu gehen. --

Langsam wirken Morphium und Müdigkeit -- ich sinke in unruhigen
Fieberschlaf. -- -- --

                              *    *    *

Ein Vierteljahr später! Die kalte Zeit ist vorüber -- glühend brennt
die Sonne auf das dampfende Land. Es ist Dezember.

Das einsame Pflanzerhaus von Kingwangwanda hat sich geleert, die
Verwundeten sind teils nach dem fünf Tagemärsche entfernten Daressalam
ins Hospital, teils auf den verlassenen Steppenfriedhof zwischen der
rohen, mächtigen Umzäunung getragen worden.

In langer Tragbahre werde ich zum Fluß gebracht und an Deck des kleinen
Einraddampfers »Tomondo« gelegt, der mich rufijiabwärts nach der
Karawanenstraße Kilwa-Daressalam bringen soll. Die kleinen Grashäuser
um das Pflanzerhaus, die Herberge so vieler Schwarzer, die armseligen
kegelförmigen Hütten von Kingwangwanda verschwinden am Horizont der
Steppe, schnell entführt uns der schweigend dahinfließende Strom.

Die waldigen Ufer ziehen vorüber, Krokodile platschen ins Wasser,
weiße, langgefiederte Reiher flattern auf.

Eine Lichtung fliegt vorbei, zwei Wasserböcke äugen scheu herüber
und verschwinden in langen Fluchten. Träge trottet dort ein
Warzenschweinkeiler. --

Stark hat sich die Sonne schon nach Westen geneigt, da biegen wir
knarrend und rauschend aus dem Bumi in den Hauptstrom des Rufiji.

Hier kenne ich jede Biegung, fast jeden Baum und Strauch. Dutzende Male
bin ich hier mit meiner Kuttermannschaft vorübergepullt.

Bekannte Sandbänke tauchen auf: Hier habe ich einen Flußpferdkadaver
festgebunden, dort mein größtes Krokodil geschossen.

[Illustration: 10,5-Geschütz bei Mtama (Lukuledital)
            beschießt im Juli 1917 die engl. Stellungen]

[Illustration: Der letzte Schuß aus dem _letzten_ 10,5-Geschütz nach
der Schlacht von Mahiwa. -- Gleich darauf wird das Geschütz gesprengt
                     (Links der Verfasser)]

[Illustration: Englische Ansichtskarte -- Links das bei Mahiwa
            vernichtete letzte 10,5-cm-Geschütz der »Königsberg«]

Bald müssen wir die verschwiegene Biegung ansteuern, die dem zerfetzten
Wrack der »Königsberg« zum letzten Liegeplatz geworden ist.

Die Sonne ist hinter den grellgrünen Mangrovenwänden, deren Schatten
sich weithin auf den Fluß legen, zur Neige gegangen, und Purpurlichter
überfluten unsern kleinen, jetzt stark qualmenden Dampfer. Wir drehen
nach Backbord -- -- mein Herz klopft höher!

Da taucht vorn über den Mangroven der schrägstehende Stumpf eines
Mastes auf!

Die Ufer treten zurück -- -- -- vor uns liegt geisterhaft schweigend
der zerschossene Rumpf der »Königsberg« -- ein Wirrwarr von verbogenen
Eisenteilen und aufgeplatztem Blech -- schräg nach Steuerbord
überliegend.

Die ablaufenden Wasser spülen über sein aufgerissenes, verbranntes
Deck und gurgeln durch die wie leere Augenhöhlen starrenden Bullaugen
der Back. In sich zusammengesunken, wie von kräftiger Faust
zusammengeballtes Papier, liegt der mittlere Schornstein auf der
eingedrückten Laufbrücke -- einsam, von hunderten von Sprengstücken
durchsiebt, ragen die beiden andern, wie warnende Denkmäler der
Vergänglichkeit alles Irdischen, in den dunkelnden, jetzt von unzählig
aufblitzenden Sternen übersäten Abendhimmel.

Die Aufbauten sind eingestürzt, ihr Eisenblech wie Pergament aufgerollt.

Von dem geknickten Fockmast pendelt in der Abendbrise ein einsamer
Stahlständer, dessen Block ab und zu melancholisch gegen das
dumpfklingende Metall des Eisenmastes schlägt. -- --

Wir haben gestoppt und treiben langsam vorbei. Kein Laut unterbricht
die drückende Urwaldstille -- nur ganz fern flötet einsam ein
Tippu-tipp.

Wie ein Steppenbrand glühend, leuchtet ein schmaler Purpurstreifen am
Horizont durch die verrosteten, zerschossenen Eisenteile. --

Schweigend, in den sich senkenden Schleiern der beginnenden Nacht, voll
erdrückender Wucht liegt gespensterhaft vor uns das Wrack unseres einst
so stolzen Schiffes!

Einsam und verlassen! Selten kommt eines Menschen Fuß hierher, selten
wird ein Einbaum hier vorbeitreiben, denn der abgelegene Rufijiarm wird
fast nicht befahren. Selten nur mögen staunende Eingeborene mit ihren
schwarzen Augen in abergläubischer Furcht auf diese gefallene gewaltige
Boma ihrer einstigen weißen Herren blicken. -- --

Jahrhunderte lang wird die Sage in den Rufijiländern von dem Kämpfen
und Sterben des riesigen deutschen Kriegsschiffes gehen, von Mund zu
Mund, von Geschlecht zu Geschlecht weitervererbt.

Bei dem Schein der flackernden abendlichen Lagerfeuer wird ein
zitternder, weißwolliger Greis erzählen, wie er selbst vor vielen,
vielen Jahren, so viel -- er weiß die Zahl nicht mehr -- als junger
Bursch auf einer Dhau Holz an Bord des Kreuzers getragen, wie die
Maschinen dröhnten, die Schornsteine dunklen Rauch ausspien, die
Ventilatoren rauschten und eilige, frische Schritte kräftiger, junger,
weißer Männer über Deck sprangen.

Er wird erzählen, wie eines Tages eine lange Reihe von Kriegsschiffen
in die verschwiegenen Rufijimündungen einsteuerte, wie zwei riesige
Vögel ankamen, die unter Surren und Brummen über dem deutschen Kreuzer
in weiten Kreisen hin und her schwirrten, -- von langanhaltendem
Donner, der über die Mangrovengebiete dröhnte, und weißen,
aufschäumenden Riesenfontänen.

Wie nach stundenlangem Gebrüll der Geschütze plötzlich ein ungeheurer
Krach die Luft zerriß, der von den Pemba- und Matumbibergen bis zur
Küste widerhallte, und der deutsche Kreuzer, der zuletzt nur noch mit
einem Geschütz geschossen, sich rauchend, brennend, sterbend auf die
Seite legte.

Und sollten die Länder dort am ruhig strömenden Rufiji auch in alle
Zukunft englisch bleiben und die Erinnerung an alles Deutsche dort
mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden: nie wird bei den schwarzen
Bewohnern dieser weiten Niederungen die Erinnerung an den Todeskampf
des großen, vielbewunderten deutschen Kriegsschiffes schwinden, dessen
Taten im Laufe der Jahrzehnte ins Ungemessene steigen und die Zahl der
Fabelgeschichten des abergläubischen Rufijivolkes um eine vermehren
werden. -- --

Tiefe Dunkelheit hat sich herniedergesenkt -- ein Käuzchen klagt --
leise schluchzen und gurgeln die Wasser an der Böschung, Stück für
Stück lösend und in ihr Bett ziehend.

In wenigen Jahren wird hier dichter Mangrovenwald sein, der Fluß wird
sich ein anderes Bett gesucht haben und die Trümmer der »Königsberg«
werden rostig und zersplittert aus grünendem Laube ragen.

Krebse und Wasserspinnen, hartschuppige Krokodile werden dort ihr
Wesen treiben, wo früher fröhliche, lachende, junge Menschen gelebt,
gekämpft und ihr Leben dem Vaterland geopfert haben. --

Die Maschine geht an, leise gleiten wir weiter.

Weit lehne ich mich über meine Tragbahre, sehe mit brennenden Augen
zurück -- -- -- schwarzdunkle Mangroven schieben sich vor.

Verschwunden in der Nacht ist das Wrack der »Königsberg«! --

Ich habe es nie wieder gesehen. -- -- --




                      III. AUF AFRIKANISCHEM BODEN




[Illustration: Ornament]


Kismagao


    »Mamba hi -- mamba he
    Heia -- mamba tafuteni!
    Wumm -- wumm -- wumm --!«

Eine dicke Staubwolke liegt über dem tiefen Sandweg, der von Daressalam
an der Küste entlang nach Kilwa-Lindi führt. Dröhnend hallt der
vielhundertstimmige Chorgesang daraus hervor.

Wumm -- wumm -- wumm -- stampfen die Beine!

Da kommt es näher und näher -- aus den weißgelben Staubschwaden
grinsen Hunderte von schweißtriefenden und schmutzbedeckten schwarzen
Gesichtern, es erscheinen Hunderte von vornübergebeugten, vom Staub
wie mit Mehl überzogenen dunklen Körpern, deren Muskeln zum Platzen
angespannt sind, deren sehnige Beine im Gleichtakt langsam vorwärts
schreitend den sandigen Boden stampfen, jedesmal bis über die Knöchel
versinkend.

    »Mamba hi -- mamba he
    Heia -- mamba tafuteni!
    Wumm -- wumm -- wumm --!«

dröhnt es von wulstigen Negerlippen.

Schwer arbeitend kommen die ersten heran, zehn Mann in einer Reihe
nebeneinander, vornüber gebeugt, an einem langen Querholz ziehend.
Reihe auf Reihe folgt, kaum im Abstand von zwei Schritt, alle schräg
liegend vor Anstrengung, schwitzend, stampfend, brüllend. Sie haben
schwer zu schleppen. Stärker wie Zugstiere legen sie sich in ihr
mächtiges Geschirr, in die langen Querbalken hinein, die alle in der
Mitte mit einer armdicken Stahltrosse verbunden sind.

    »Mamba hi -- mamba he
    Heia -- mamba tafuteni!
    Wumm -- wumm -- wumm --!«

Beizender Schweißgeruch liegt über den dampfenden Negerkörpern.

Einhundert sind vorüber, das nächste Hundert wälzt sich vorbei,
das dritte Hundert, kaum mehr sichtbar in der dicken, wirbelnden
Staubwolke, stampft vorüber.

Eine Lücke entsteht, nur ausgefüllt von straffgespannten Stahltauen,
die mächtige Deichsel erscheint, gelenkt von zwei stämmigen Europäern
und zehn Schwarzen, dann taucht gigantisch aus den Staub-, Schweiß-
und Dunstschwaden eine hohe Protze auf, zieht knirschend vorüber -- --
an ihr hängt ein gewaltiges Schiffsgeschütz. Tief drücken sich die
mannshohen, breiten Eisenräder in den weichen, nachgebenden Sand -- --
schlingernd, krachend, klirrend schiebt sich das Ungetüm vorüber.

Fast zwanzigtausend Pfund werden von den sehnigen Negerbeinen durch den
Sand der afrikanischen Karawanenstraße gezogen; stoßend zermalmen die
massigen Räder Äste und Baumstümpfe.

Es ist ein Geschütz meiner Batterie, ein 10,5-Geschütz der
»Königsberg«. Mit vieler Mühe wurde es nach dem Untergang von dem Wrack
des Kreuzers abmontiert, auf Schlitten nach Daressalam geschleift und
dort in der kleinen Hafenwerft mit Fahrlafettierung versehen.

In Daressalam hatte es von Land aus schwer gegen das übermächtige
englische Blockadegeschwader zu kämpfen. Daressalam ist jetzt vom
Feinde genommen.

In Gewaltmärschen sind wir auf dem Rückzug nach Süden.

Es ist September 1916.

Ohne Ruhe und ohne Unterlaß vom ersten Schimmer des beginnenden Tages
bis in die Nacht hinein knirschen die Räder, stampfen die Beine -- wumm
-- wumm -- wumm! Der Feind drängt -- alles hinter uns wird zerstört,
die wenigen primitiven Brücken abgebrochen.

Mein Beinstumpf ist verheilt, ich kann bereits vom Morgen bis zum Abend
im Sattel sitzen. --

Glühend sticht die Sonne vom Himmel, sie spiegelt sich auf den
meist geschorenen, schweißtriefenden Schädeln der Schwarzen wie in
Billardkugeln.

Die Augen und Mund voll Sand, umreite ich wie ein Schäferhund die lange
wimmelnde Kolonne. Es gilt die äußerste Kraft anzuspannen! Hart ist der
Krieg -- -- wir müssen weiter.

»Maji, maji -- Wasser, Wasser« rufen die schwitzenden schwarzen Lippen.
Sie müssen warten -- nur gemeinsam kann getrunken werden. Ein Verlassen
des Zuggeschirres ist unmöglich.

Hier zieht ein vornehmer Diener, der im Hotel »Kaiserhof« serviert hat,
im langen Kanzu, die gestickte Mütze auf dem frisierten Kopf, neben dem
stinkenden Buschneger aus Kissangire, Schuster und Schneider von großen
Daressalamer Geschäften neben schlanken Steppensöhnen aus Unyamwesi
und Usukuma.

Um nicht das für die Verteidigung der Kolonie so wichtige moderne
schwere Geschütz den Engländern in die Hände fallen zu lassen, war
ich gezwungen, in der Eile alles, was zu finden war, einzustellen,
um nur erst wegzukommen. War das Königsberg-Geschütz in der neuen
Verteidigungsstellung in Sicherheit, konnten sie alle reich entlohnt
entlassen werden.

Mit der dem Neger eigenen glücklichen Anlage machten sie denn auch gute
Miene zum bösen Spiel, sahen sie doch die zwingende Notwendigkeit ein
und fühlten sich gerecht, wenn auch streng behandelt. --

Dröhnend singen sie schon den ganzen Tag, singen Chorgesang mit
Vorsängern oder Spottlieder auf die Engländer. --

    »Mamba hi -- mamba he
    Heia -- mamba tafuteni! --
    Wumm -- wumm -- wumm --!«

Fast unerträglich heiß sticht die Sonne, kein Lüftchen fächelt Kühlung,
matt und matter wird der Gesang, die Rufe nach Wasser mehren sich. Da
vorn steht eine Palmgruppe, einige Mangobäume. Ich reite voraus.

Eine kurze, sumpfige Niederung unterbricht die eintönige Sandstrecke,
Schlingpflanzen, weiches Gras -- -- einige Wasserlöcher.

»Halt!«

Das Stampfen, der Gesang verstummt, eine leichte Brise verweht die
lastende Staubwolke, schwitzend, dampfend stehen die Träger.

Kette um Kette wird zum Wasserloch geführt. Lachend, schnatternd,
schnalzend verschwinden sie mit stelzenden Schritten im Grün, legen
sich reihweise auf den Bauch, schlürfen gierig das bräunliche, klebrige
Wasser oder reichen gefüllte Kokosnußschalen herum. Die Trinkgefäße,
leere Kürbisse oder ausgehöhlte Früchte des Affenbrotbaumes, die nebst
anderem Krimskrams von den Gürteln baumeln, werden aufgefüllt.

Eine Arbeitskolonne fällt indessen Bäume, um die sumpfige Niederung für
das Geschütz passierbar zu machen, schneidet Laubwerk, schlägt Äste.
-- Stamm an Stamm wird über Kreuz in den Mutt gelegt, Zweige und Gras
darauf verteilt, Erde und Sand darüber geschüttet.

Eine kurze Ruhepause, und mit langhinhallendem Schrei ziehen die
erfrischten Menschenmassen an -- -- zwei-, dreimal vergebens, dann ein
Ruck -- die wuchtigen Räder bewegen sich, knirschend wälzt sich das
Geschütz durch den Sand.

Die ersten Trägerreihen schreiten bereits über die Brücke und
klimmen die jenseitige Böschung hoch. Die Beine schreiten schneller
und schneller, setzen sich in Laufschritt, alle Sehnen und Muskeln
angespannt! Das Geschütz muß im Schwung hindurch, sonst versinken die
Stämme im Sumpf.

Polternd rasselt es den Abhang hinunter, stoßend hüpft die Protze auf
die Brücke, schlingernd wackelt die schwerfällige Lafette. Brüllen,
Rufen, Schreien -- Hunderte von trappelnden Negerbeinen in höchster
Anstrengung. Da gleitet ein Rad, zwei Stämme verschieben sich, nach
vorn über liegend versinkt das Geschütz bis an die Achse. Bewegungslos
steckt es fest!

Picken und Schaufeln arbeiten, tiefatmend mit angezogenen Beinen hocken
die Schwarzen, um Kräfte für die erneute Anstrengung zu sammeln.

Ein kurzer Gang ist freigegraben, zu Bergen türmen sich Lehm und
Schlamm.

»Auf!«

Mit hundertstimmigem Ruf ziehen die schwarzen Massen an, das
Zuggeschirr ächzt, Sehnen und Adern sind zum Platzen gespannt. -- --
Nichts -- das Geschütz rührt sich nicht! --

Nochmals und nochmals wird es wiederholt -- alle Reserven und
Arbeiterkolonnen vorgespannt, die Europäer legen sich in die Speichen
-- -- umsonst.

Da werden Boten nach hinten gesandt, um die Zugmannschaften des
zweiten, nachfolgenden Geschützes heranzuholen.

Eine Viertelstunde vergeht.

Da kommen im Trab, die dicken Zugseile am Boden schleifend, lange
Trägermassen an. Fast vierhundert Mann.

Sie werden vorgespannt.

Die Reihen sind jetzt so lang, daß ein Kommandoruf sie nicht mehr
lenken kann. Fast achthundert Mann stehen da und warten.

Weiße Mannschaften sind verteilt, um anzuspornen, anzutreiben, die
Befehle weiterzugeben.

»Achtung!«

Die Massen beugen sich nach vorn, der rechte Fuß ist vorgesetzt, eisern
umklammern die Finger die Zughölzer.

»Hol an!«

Fast wagerecht liegen die Körper -- -- ein hellklingender Ton! Wie
wenn ein plötzlicher Windstoß weithin das Steppengras niederdrückt, so
liegen die schwarzen Menschenmassen auf den Boden hingemäht, schreien,
sich wälzend, im Knäuel verstrickt: das Zugtau ist gerissen!

Mit Mühe wird das Durcheinander der verwickelten Arme und Beine
entwirrt, einige Verwundete losgebunden, der Schaden repariert.

Von neuem muß es versucht werden. Das hintere Geschütz wartet. Die
Sonne hat den Zenit bereits passiert. Noch nicht die Hälfte des Weges
ist zurückgelegt, die Engländer drängen!

Wieder und wieder ziehen die Achthundert.

Da plötzlich hebt sich das Geschütz, krachend rollt es über berstende
Stämme -- -- im Galopp wird es herausgeholt.

»Halt!«

Der widerliche Schweißgeruch von achthundert triefenden Negern zieht
über die Kolonne hin. Der Vorspann wird abgekuppelt, trabt lachend
zurück.

Und weiter geht’s!

Schwitzend, dampfend, singend in weißlichgelber Staubwolke.

    »Mamba hi -- Mamba he --
    Heia -- mamba tafuteni! --
    Wumm -- wumm -- wumm!«

hallt es johlend und summend über die ausgedörrte Küstenlandschaft hin.

Stunden um Stunden stampfen sehnige Negerbeine, Stunden um Stunden
knirschen klingend die Räder, bleiben stecken, drehen sich, rasseln in
ein Bachbett! --

Spät nachmittags tauchen hohe, schwankende Kokospalmen auf, verfilzte
Grasdächer lugen auf dunkeln oder gelbbraunen Lehmwänden durch das Grün
-- wir erreichen das Dorf Kismagao. Es ist verlassen. Die Eingeborenen
sind geflohen, da das Kriegsgetöse sich ihrer verschwiegenen Landschaft
nähert.

Halb niedergebrannte Feuer, einige kläffende Negerköter, ein paar
regungslos, stumpfsinnig hockende Greise und alte Weiber zwischen
termitenzerfressenen Türpfosten!

Die Sonne neigt sich dem Untergang zu. Der Gesang ist verstummt, nur
mehr automatisch stampfen die Beine, kaum ein lauter Ruf ertönt,
schwerfällig, wie ein vorweltliches Urwaldtier wackelt das Geschütz
durch den hohen Palmenwald. --

Eine weite Lichtung -- -- verschwiegen, einladend liegt sie in dem
Purpur der letzten Strahlenblitze.

Ein Lagerplatz für die Nacht!

»Halt!«

Das lange Zuggeschirr wird niedergelegt, Posten ziehen auf, müde
hinkend sucht sich Kette um Kette Brennholz und Äste, holt sich Wasser
zum Kochen.

Die Lagerfeuer blitzen auf und spiegeln sich flackernd in ermüdeten,
hungrigen, schwarzen Gesichtern. Von brodelnden Kesseln und Kochtöpfen
steigt Dampf auf, gierige Finger stecken den geballten Brei zwischen
die schmatzenden Lippen. Reihweise liegen schon schwarze Körper, vor
Müdigkeit das Essen vergessend. Nur mit Gewalt können sie geweckt
werden!

Die Gesättigten sinken um und schnarchen, einer an den andern gepreßt,
um der Kühle der Nacht zu begegnen, in totenähnlichem Schlaf. --

Das dumpfe Gemurmel des Lagerlärms verstummt, die Feuer brennen
herunter, das Licht des strahlenden Sternenhimmels kommt zu seinem
Recht. -- --

Ich reite nochmals um das Lager, tiefe Ruhe liegt über den
zusammengekauerten Menschenkörpern.

Dort hinten zwischen hohem Gebüsch steht das verstaubte Geschütz! --
Schweigend, drohend reckt es sein Rohr in die Höhe.

Wie die Seele des toten Kreuzers, ausgeschickt, ihn zu rächen! -- --

Fünf solcher Sendboten der »Königsberg« durchziehen jetzt knirschend
und stöhnend auf Lettow-Vorbecks Rückzug die Steppen Afrikas zwischen
Tanganjikasee und der Küste, von den schwarzen Söhnen des Landes
gezogen, um den Rest der Munition, die dem zerschossenen Rumpf des
Kreuzers entnommen, auf den Feind zu speien.

Ein heller flackerndes Feuer wirft seinen roten Schein auf das Rohr,
düster gleiten die Schatten schlanker Äste darüber hin! -- -- --


                                 Mahiwa


Mahiwa -- eine Baumwollstation am Lukuledi, nördlich vom
Makondeplateau, in der Südostecke von Deutsch-Ostafrika.

Der 18. Oktober 1917 -- der letzte Tag des größten Kampfes in der
ostafrikanischen Kolonie, der jetzt schon ununterbrochen vier Tage und
Nächte dauert.

Ein azurblauer Himmel spannt sich über die freie Fläche rings um die
Häuser und Schuppen von Mahiwa, über die angrenzenden weiten Wälder.
Das letzte zusammengeschmolzene Häuflein der Schutztruppe wehrt sich
hier gegen Tausende des übermächtigen Feindes, der seine weißen,
schwarzen, braunen und gelben Kriegermassen seit Tagen anrennen läßt.

Zu Haufen getürmt liegen die Toten -- -- auf beiden Seiten! --

Nur Stück für Stück werden die Patronen verteilt -- die deutsche
Munition ist schon seit zwei Tagen fast zu Ende. Rauchstarke Gewehre
und Jagdbüchsen kämpfen gegen die zehnfache Überzahl modernster Waffen,
Minenwerfer, Flugzeuge.

Weithin hallt das Dröhnen, Brüllen, Krachen!

Kommt man von Westen, von der am Uferlauf des Lukuledi liegenden
Mission Ndanda, deren langgestreckte weiße Häuser jetzt voll von
Verwundeten liegen, und nähert sich von hinten der Kampffront, so
sieht man plötzlich auf einer Anhöhe dicht hinter dem Naungosumpf die
eingefallenen, rötlichen Mauerreste eines Steinhauses.

Trotzig ragen einige noch stehende, halbzerfallene Pfeiler aus dem
umgebenden Unterholz.

Man sagt, es sei von einem Pflanzer begonnen worden, der sich hier
ansiedeln wollte, nach kurzer Zeit aber dem den Niederungen des Sumpfes
entsteigenden Fieber erlegen ist.

Hier steht zwischen schlanken Bäumen, das heiße Rohr emporgereckt,
mit darübergebundenem Laub unsichtbar gemacht, das letzte der
zehn Geschütze der »Königsberg« in heißem Kampf. Alle andern sind
vernichtet, gesprengt, in Feindeshand!

Es verschießt seine letzte Munition -- am letzten Tag der Schlacht von
Mahiwa -- dem letzten großen Kampfe in der letzten deutschen Kolonie!

Braungebrannte Matrosen der »Königsberg«, in zwei langen Jahren des
Kampfes und der Entbehrungen zu zähen Afrikanern geworden, bedienen es.

Immer wieder und wieder öffnet es seinen ehernen Mund und heult
eisernes Verderben. Hoch am Himmelsgewölbe, dem Auge unsichtbar, ziehen
seine Geschosse singend ihre Bahn.

Die Sonne neigt sich stark nach Westen. Matter werden die Angriffe des
Feindes. --

Da schrillt vorn in der Linie mein Telephon: »Gesamter Munitionsvorrat
noch neun Schuß!« --

Dort drüben in den Miombobäumen knattert es noch heftig!

»Salve, Feuer!«

Neunmal bersten dort die letzten Granaten des Geschützes, das im Dienst
der Rache sein zerschossenes Schiff um mehr denn zwei Jahre überlebt
hat! --

Im Miombowald da drüben ist es still geworden!

Die Schlacht war schon seit heute mittag im Abflauen. Jetzt ist fast
vollkommene Ruhe eingetreten. Nur vereinzelt ertönt das Rattern eines
Maschinengewehrs.

Die Truppe hat den größten Sieg in der Geschichte der Kolonien
errungen. Aber einen Pyrrhussieg!

Da vorn in dem kleinen Taleinschnitt quer zur Mtamastraße liegen die
Leichen zu Hügeln getürmt! -- -- --

Ich melde, daß die letzte Granate verschossen, und reite zurück, um das
Geschütz zu sprengen.

Der Weg nach hinten ist angefüllt von Trägern, die in Hängematten die
Schwerverwundeten zurücktragen; eine Askarikompanie rückt vorbei.
Überanstrengte, schweißgebadete, schwarze Gesichter grinsen mich an,
aus zerfetztem Khaki starren straffe Muskeln. Die Augen glänzen, Witze
fliegen hin und her -- sie gehen in Ruhestellung. Verdorrt hängt an
Tarbusch und Tropenhelmen der Europäer das Laub, das vor vier Tagen
aufgesteckt wurde, um den Kopf im hohen Gras unkenntlich zu machen.

Mein Maultier schreitet wacker aus, bald bin ich aus dem Gedränge,
und im Trabe geht es in Richtung auf die Sonne zu, die schon fast am
Rande des Horizonts steht. Linker Hand erstrecken sich die schwarzen
Abhänge des Makondeplateaus, nach Norden zu dehnen sich die blauen
Schattenbilder der Mueraberge. Da drüben, ganz in der Nordwestecke,
fast im wogenden Dunst verschwimmend, liegen die beiden an ihrer
grotesken Form leicht kenntlichen Höhenzüge von Ruponda. Auch dort
steht bereits der Feind.

Klein ist das Gebiet geworden, das von der großen Kolonie noch in
unseren Händen ist. Zwei starke Tagesmärsche, und es ist durchmessen.
Nicht schwer, jetzt einen eisernen Ring zu ziehen und zu versuchen, uns
zu erdrosseln.

Das zeitweilige Knattern hinter mir ist gänzlich verstummt, trabend
passiert mein Maultier eine kleine Lichtung, seitlich dehnt sich der
Naungosumpf. Ein einsamer Ochsenfrosch trommelt. Man glaubt fast bis
hierher das Summen der Moskiten zu hören.

Eine niedrige Anhöhe. Rote verfallene Mauern im Grünen. Dicht dahinter
meine Leute!

»Klar zum Sprengen« meldet der alte, rotbärtige Deckoffizier der
»Königsberg«.

Dahinten zwischen dichten Büschen unter dem Laubdach des Miombowaldes
steht das Geschütz, verrostet, die Farbe im Laufe der Jahre
abgeblättert und abgestoßen. Ein alter Veteran!

Verbogen die Speichen, manche Niete abgesprengt. Hier in dieser
einsamen Waldwildnis soll es sein Ende finden, nachdem es bis zum
letzten Schuß seine Pflicht getan, von Daressalam zum Rufiji gewackelt
ist, vom Rufiji zum Rovuma, vom Rovuma zum Lutuladi durch Urwälder und
Sümpfe, über Steppen und Hochländer.

Das Rohr ist mit Dynamit gefüllt, eine fast fünfzig Meter lange
Abzugsschnur hängt am Verschluß.

Die Leute treten in den Busch zurück, ich stelle mich hinter einen
dicken Baum, die Leine in der Hand.

Ein kurzer Ruck -- -- ein gewaltiger Schlag. Sausen von Eisenteilen,
Rauch -- die Schnur wird mir aus der Hand gerissen!

Ein langer Sprung klafft das Rohr entlang, der Verschluß ist in Fetzen
herausgeschleudert, das Bodenstück trichterförmig ausgeweitet. --

Das letzte Geschütz, der letzte Sendbote der »Königsberg« ist
vernichtet -- ist tot!

In der Ferne rattert nochmals ein Maschinengewehr. Der Feind ist
nervös, er hat den gewaltigen Schlag der Explosion gehört! -- --

Die Sonne ist jetzt im Untergehen. Emsig regen sich die Hände, um
die Geschützreste abzumontieren, in den Busch zu schleppen und zu
vergraben. Nichts, keine Spur soll der Engländer vorfinden.

Von hundert Trägern wird in den dunkelnden Wald das gespaltene Rohr
geschleppt, monoton verhallt in der Ferne ihr Gesang.

Bald wird auch hier der Feind stehen, bald werden wir gezwungen sein,
als kleine Schar das deutsche Gebiet zu verlassen und auf fremdem,
unbekanntem Boden für Leben und Freiheit zu kämpfen.

Es ist Nacht geworden. Im Scheine von Grasfackeln werden die Spuren der
Geschützstellung verwischt.

Glühwürmchen gaukeln durch die Büsche, unberührte Urwaldstille liegt
wieder über der Wildnis, nur der ferne Ochsenfrosch im Naungosumpf
trommelt.


                               Daressalam


Afrika haben wir durchzogen, vom Rovuma bis zum Sambesi, vom Indischen
Ozean bis zum Njassasee. In Innerafrika, fast bei den Bangweoloseen,
hat uns die Kunde von der Waffenruhe in Europa erreicht. Weniger und
weniger sind wir geworden, viele ruhen in einsamen Buschsteppen. --

Uns, den Rest, haben die Engländer auf weitem Weg über den
Tanganjikasee bis zur Küste nach Daressalam gebracht, um uns dort nach
der Heimat, nach Deutschland zu verfrachten.

»65 -- 66 -- 67 -- -- -- 68 -- achtundsechzig Automobile in zehn
Minuten!« Staunend stehen wir in faltigen englischen Lazarettmänteln
an die Brüstung des Hotels Kaiserhof, jetzigen englischen
Mannschaftshospitals, gelehnt und zählen die wieder und wieder
vorbeirasselnden oder -rasenden Last- und Personenkraftwagen!

In Daressalam! -- In dem es meines Wissens im Frieden keine zwei
Automobile gab, dieser vornehmen, ruhigen Tropenstadt mit ihren weißen,
eleganten Häusern, ihren sauberen, glatten Straßen.

Es ist nicht wieder zu erkennen! Alle die schönen, freien, grünen
Plätze vom Gouvernementshospital bis zum Wißmannplatz -- eine Zeltstadt
an der andern! -- Alle die rauschenden, wehenden Palmenwälder bei
Upanga und Kurassini abgeholzt -- -- Zeltstädte! -- In den Straßen, die
früher nur elegante Rickschas, von lautlos trabenden, gut gekleideten
Boys gezogen, kannten, auf denen sich ruhig in wiegendem Gang in
farbige Kangas oder langwallende, weiße Kanzus gehüllte Schwarze
bewegten, würdevolle Inder standen: das Tosen und Brausen, das Hasten
und Treiben der Großstadt!

Autos, Wagen, Scharen von Tommys, Rote-Kreuz-Schwestern, Massen von
Offizieren mit glänzenden Messingknöpfen, dazwischen frechschreiende
Neger -- -- die Straßen zerfahren und holperig, die Häuser verwittert
und schmutzig!

Staub, Dunst, Geruch von Menschenschweiß, schwarzem wie weißem, Gestank
von Benzin, Gummireifen und Öl in der Luft!

Staunend, traurig sehen wir auf diese Verwandlung!

Hier vor uns der Wißmannplatz, früher ruhig, vornehm, tadellos sauber
-- in der Mitte das bekannte Bronzebild unseres berühmten Afrikaners
-- -- jetzt aufgerissen, öl- und schmutzbefleckt, von Hunderten von
Rädern zerwühlt, voll von tiefen, vom Regen ausgewaschenen Löchern,
über die dröhnend, ohrenbetäubend Lastautos rattern. Ein leerer Sockel
zeigt die Stelle, wo der eherne Wißmann gestanden -- betrunkene Tommys
haben ihn eines Nachts hinuntergeworfen!

Krankenbahren, Krankenwagen überall! Daressalam steht im Zeichen der
spanischen Influenza, der Grippe! Mehr denn zwanzig weiße Engländer und
über hundert Schwarze werden täglich auf die Friedhöfe getragen. Früher
gab es nur einen, jetzt -- seitdem England sich hier zum Kulturträger
aufgeworfen hat -- genügen vier nicht mehr!

Aber auch uns hat es mit aller Macht erfaßt, wenig mehr denn hundert
sind wir noch gewesen -- einen Offizier und zehn Mann haben wir bereits
hier zu Grabe getragen -- alles Opfer der spanischen Influenza!

Abgemagert, noch fiebernd liegen wir auf der Veranda des Kaiserhofes,
durch dessen einst so elegante Räume das Getrappel englischer
Lazarettkranker, Matrosen und Tommys hallt, und blicken, trotz der
glühenden Hitze von Frösteln durchschauert, auf das fremde, wüste
Treiben und Leben in unserer einstigen Hauptstadt.

Unsäglich verlassen kommt man sich vor!

                              *    *    *

Ich denke unwillkürlich an die letzte Nacht, die ich vor zweieinhalb
Jahren hier verbracht -- -- es war die drittletzte, bevor die
Engländer Daressalam einnahmen.

Von Westen kommend, wo in der Palmenschamba von Devers meine
Stellungen lagen, ritt ich auf der Pugustraße abends in die Stadt. Das
Blockadegeschwader hatte Sansibar verlassen. Wir mußten des Nachts auf
einen Angriff gefaßt sein.

Verlassen lagen die Europäerhäuser hinter dem Bahndamm, einige zeigten
schwere Schußverletzungen, hohle Fenster, eingefallenes Mauerwerk. Die
Straße leer -- kein Mensch -- kein Schwarzer, kein Weißer -- -- kein
lebendes Wesen!

In dem Meer von Eingeborenenhütten und Inderbuden linker Hand schwelte
und rauchte es. Am Tage vorher hatten die Engländer das ganze Viertel
zwischen Bagamojo, Kitschwele und Pugustraße in Brand geschossen. Wo
früher Tausende von fröhlichen Schwarzen wohnten, lag jetzt grauer
Schutt und Asche.

Kein Mensch zu sehen!

Und weiter ritt ich, bog in die Akazienstraße ein. Hier, in dem
Winkel zwischen ihr und der Araberstraße, lag der große Unterstand,
in dem Frauen und Kinder, die in Daressalam zurückbleiben sollten,
bei Beschießungen Schutz und Unterkunft fanden. Selbst gegen die
30,5-Granaten der Linienschiffe bot er genügend Sicherheit.

Wie die Wagen vor einem Theater während der Vorstellung, standen hier
unter Tags die Rickschas, eine hinter der andern!

Früh am Morgen um vier Uhr, fünf Uhr strömten in Scharen die Frauen
herbei, die die Nacht in ihren Wohnungen verbracht hatten, um den Tag
in dem sicheren Unterstand, der in Räume abgeteilt und elektrisch
beleuchtet war, zu verbringen.

Erst abends wagten sie sich wieder hervor, eilten mit ihren Kindern
nach Haus, um zu essen und kurze Zeit der Ruhe zu genießen.

Als ich jetzt vorbeiritt, hatten die Letzten bereits den Unterstand
verlassen. Es war schon fast vollkommen dunkel. Nur zwei ältere Frauen,
die sich anscheinend auch des Nachts nicht nach Hause wagten, saßen am
beleuchteten Eingang und schöpften frische Luft.

Dunkel, verlassen lag die Akazienstraße da. Rasch ritt ich hindurch,
bog über den einsamen Wißmannplatz, auf dem hart und ehern der alte
Kämpe stand, trotzig, als wollte er uns helfen, trabte am dunklen
Kaiserhof vorbei über den nachtschwarz daliegenden Strand und band mein
Maultier an einen der Bäume vor dem Klubgebäude.

Eine kurze Besprechung -- es war möglich, daß die Engländer nachts eine
überraschende Landung vornehmen würden!

Rasch wollte ich vor dem Zurückreiten noch etwas essen. -- --

Es war fast 9 Uhr geworden, eben war ich im Begriff aufzustehen, da
schrillte das Telephon.

Der Ausguck auf dem Kirchturm!

»Soeben sind im Licht des aufgehenden Mondes die Silhouetten von fünf
Kriegsschiffen zu sehen, die auf der Reede von Daressalam eintreffen!«

»Alarm!«

Hell bimmelnd, dumpf dröhnend hallten die Glocken der beiden großen
Kirchen über die dunkel daliegende schweigende Stadt.

Flink trugen mich die schnellen Beine meines Maultieres zurück.

Schaurig klang das Glockengeläute in den finstern, verlassenen Straßen.

Über den Wißmannplatz sah ich in atemloser Hast weiße Gestalten eilen,
Frauen mit fliegenden, für die Nacht gelösten Haaren, halbangekleidet,
schreiende Kinder am Arm. -- Alle rasten dem Unterstande zu!

Aus allen Häusern kamen sie, es wurden mehr und mehr. Jammer,
Schreie, Rufe und Weinen ertönten! Es wurden so viel, daß ich in der
Akazienstraße langsamer reiten mußte, um sie vorzulassen. --

Da dröhnte krachend, grollend schwerer Kanonendonner von See her. --
Sausend heulten am Nachthimmel Granaten über die schweigende Stadt,
schlugen krachend ein.

Es galt dem Bahnhof!

Die weißen Gestalten verdoppelten ihren Lauf, zwei Rickschas standen da
-- die Boys waren entflohen -- schreiende Kinder, hilflose Mütter drin.

Donner auf Donner -- Krachen auf Krachen erfolgte!

Da -- ein ohrenbetäubendes Getöse -- eine Breitseite mußte kurz
gegangen sein -- aus dem Schutztruppenstall dicht an der Akazienstraße
leuchteten hoch die Blitze berstender, schwerer Schiffsgranaten.

Ein Schrei des Entsetzens rang sich von den Frauenlippen.

Stolpernd, fast umsinkend vor Angst, Überanstrengung und Entsetzen,
hasteten sie weiter, drängten sich, stießen sich!

Der Unterstand war nahe!

Ich hatte mein Tier verhalten, das scheu geworden hochging, um alles
vorbeizulassen, da dröhnten wieder von See her die dumpfen Schläge
einer Breitseite.

Ein Sausen, Heulen -- -- -- ein furchtbarer Krach vor mir -- mein Herz
stand einen Augenblick still -- -- -- mitten aus dem Gedränge der
hastenden weißen Kleider schoß eine Feuersäule empor -- das reißende
Bersten einer krepierenden Granate!

Dann desto tiefere Dunkelheit!

Ich sprang herunter, um zu helfen -- Dutzende müssen tot sein!

Einige weiße Flecke lagen auf der Straße, alles andere entfloh mit
gelösten Haaren, flatternden Nachtkleidern.

An einer Akazie knieten eine Mutter und ihre beiden Kinder, die laut
beteten -- einige andere lagen halb bewußtlos vor Schreck auf der Erde.

Eine Granate, anscheinend ein Ausreißer, denn alle folgenden Salven
gingen wieder nach dem Bahnhof, war mitten in dem Makadam der
Akazienstraße krepiert, hatte ein trichterförmiges Loch ausgehoben,
aber -- es ist mir heute noch unbegreiflich -- trotz dem dichten
Menschenknäuel, das die Straßen beinahe sperrte, niemand getötet,
niemand verletzt! --

Das weitere Dröhnen der nächtlichen Beschießung tat seine Wirkung:
in wenigen Sekunden waren auch die halb Bewußtlosen wieder auf den
Beinen, und der Unterstand verschlang in seinem schützenden Bauch das
verzweifelte Gewimmel.

Leer, stockfinster lag die Akazienstraße wieder da!

Nur am Himmel blitzte es in gleichmäßigen Zwischenräumen, sausend zogen
die Granaten ihren Weg!

Noch dreimal, viermal -- dann plötzlich lautlose Stille!

Das Klappern der Hufe meines Maultieres widerhallte von dem harten
Boden, nachtdunkel gähnte vor mir die öde Pugustraße, schemenhaft
glitten rechter Hand eingefallene und verbrannte Inderhäuser und
Eingeborenenhütten vorüber. -- -- --

Keine Seele, kein lebendes Wesen -- schweigend wie eine Totenstadt
lag Daressalam damals da, eine Stadt einsamer Straßen, verlassener
Häuserruinen.

                              *    *    *

Dies war mein letzter Eindruck, bevor ich Daressalam verließ! --

Und an diesen letzten Eindruck muß ich jetzt denken, wie ich auf das
Getöse und Gedröhne da unten blicke, auf die stinkenden Autos, die
wogenden Menschenmassen, die benzingeschwängerte Luft!

Eine englische Schwester mit für uns abenteuerlich kurzem Rock -- die
Moden der letzten fünf Jahre sind für uns ausgefallen -- gibt uns ein
Zeichen. Wir sollen die Veranda räumen.

Sie weiß, daß wir alle Englisch verstehen; aber anscheinend gehört sie
einer der Vereinigungen an, deren Mitglieder geschworen haben, ihr
ganzes Leben kein Wort mehr mit Deutschen zu wechseln.

Angenehm berührt, wie so oft in den letzten Tagen, ziehen wir uns
schweigend zurück!

Im Gang tritt ein englischer Matrose im Lazarettmantel auf mich zu und
hält mir eine Ansichtskarte unter die Nase.

»Will you see?«

Eine Photographie von einigen Geschützen -- -- Unterschrift: »Captured
German guns.«

»Dort vorn, neben der Boma stehen sie!«

Behaglich grinsend über sein breites Bulldoggengesicht, entfernt er
sich. --

                              *    *    *

Nach zwei Tagen ist es mir gelungen, meine Entlassung durchzusetzen.
Ein glühend heißer Nachmittag, geschwängert von Benzin, Negergestank
und undurchdringlicher Staubschicht, liegt über Daressalam. Es ist
einen Tag vor Weihnachten 1918!

Ich habe den englischen Offizier, der mich begleitet, gebeten, mit mir
an der Boma vorbeizugehen.

Auto an Auto rast vorüber, englische Offiziere, häufig wie der Sand
am Meer, orden- und messingknopfgeschmückt, Damen, Nurses, Schwarze
schieben sich vorbei.

Schweigend folge ich meinem Führer -- ich kann nur schwer gehen, das
Fieber liegt noch lastend in den Gliedern.

Das ist das alte Daressalam -- -- unsere schöne Hauptstadt?

Ich kenne es nicht wieder! Wir biegen um die Boma -- -- da stehen --
als altes Eisen -- auf einem Rasenfleck die Geschütze!

Sofort erkenne ich darunter das von Mahiwa wieder, das ich vor mehr
denn einem Jahr in der Wildnis gesprengt habe. Mit klaffendem Rohr,
wenn möglich noch mehr verrostet, steht es da vor mir, seine verbogene
Mündung wie anklagend erhoben.

»That’s one of your naval guns« meint der Engländer!

»Ja!«

Gedankenvoll sehe ich es an. Von Deutschland fuhr es über die blaue See
hierher, hat hier zum erstenmal seinen Mund geöffnet, um den Salut für
den Gouverneur zu donnern.

Dann zog es in den Krieg! Im Golf von Aden hat es gesprochen, vor
Sansibar Eisenhagel auf einen brennenden Engländer geschleudert.

Treu ging es mit seinem zerschossenen Kreuzer in den Fluten des Rufiji
unter, schießend bis zum letzten Augenblick.

Wieder hervorgeholt, hat es Afrikas Steppen durchzogen, im Gleichtakt
von schwarzen, eingeborenen Massen geschleppt bis zum äußersten Süden
-- -- hat noch Tausende von Malen gedröhnt und Eisen gespien.

Die Wälder von Mahiwa wurden dann sein Grab.

Die Engländer haben es wiedergefunden und zusammengesetzt -- -- nun
steht es hier einsam, verlassen, um später wohl irgendwo als Schaustück
zu dienen -- mit verbogenen Rädern und ausgeschossenem Rohr, einsam,
verlassen in dem Getümmel von fremden Menschen, in der verpesteten
Luft, sonst nur an die frische Brise der See oder den Hauch der Steppe
gewöhnt.

Ohrenbetäubend rattern Lastkraftwagen voll von johlenden Tommies
vorüber, eine englische Askarikompanie marschiert singend vorbei.

Unwillkürlich erhasche ich einige der Kisuaheliwörter -- -- sie singen
ein schamloses Spottlied auf den Kaiser.

Die Röte der Wut steigt in mein Gesicht, verlegen wendet sich der
englische Offizier weg!

Abschiednehmend streife ich nochmals mit der Hand über das verrostete
Rohr meines alten Geschützes.


                                Schluss

Drei Wochen später am 17. Januar 1919.

Wogendes Menschengetümmel auf blankgescheuerten Promenadendecks. Weiße
Tropenkleider, verschlissenes, verschossenes Khaki -- so lehnt es
bunt weit über die Reeling des ehemaligen deutschen, jetzt englischen
Dampfers Feldmarschall, der uns um das Kap der guten Hoffnung herum
nach der Heimat bringen soll:

Die zweihundert deutschen Frauen und Kinder, seit Jahren von ihren
Männern und Vätern getrennt, in ihren ausgewaschenen, abgetragenen
Tropenkleidern veralteter Mode, die hundert Mann Lettow-Vorbecks,
braun, mager, in Tommyhosen und Khakihemden!

Am Strand, bei der katholischen Kirche, beim Klub, winkende weiße
Gestalten. Zurückbleibende Deutsche! Auf Bänke geflegelte Gruppen,
Hände in den Taschen, Pfeifen im Maul -- -- Engländer!

Langsam drehen wir, in die Ausfahrt steuernd. Enges Fahrwasser,
rechts die Signalstation, hohe rauschende Kokospalmen -- draußen das
sonnenbeleuchtete Makatumbeeiland, der blaue Ozean! -- -- Genau so wie
vor fast fünf Jahren, als wir durch diese grüne Eingangspforte Afrika
betraten, durch die wir es jetzt -- für immer -- verlassen. Genau so
wie damals -- und doch -- -- wie anders!

Lang waren diese fünf Jahre -- lang, sehr lang! -- -- Wir haben die
Fahrt vermehrt, rauschen durch die engste Stelle, wie Kulissen schweben
die Palmenhaine vorbei -- die weißen Häuser des Strandes verschwinden.

Wiegend nimmt uns die weite See auf, die wir jahrelang nicht mehr
gesehen. Salzig weht ihr Atem!

Makatumbe fliegt vorüber. Wir drehen nach Süden, kleiner und kleiner
wird der Streifen der Küste, kaum sind mehr ihre hohen Palmen zu
erkennen. Nur die weißen, hohen Rauchsäulen steigen fast senkrecht in
die klare Luft!

Noch immer steht alles an der Reeling, die meisten schweigend!
Verlieren doch fast alle hier eine Heimat, die sie geliebt -- -- die
immer im Sonnenglanze dagelegen!

Ernst sehen die Männer hinüber, ernst und schweigend -- -- würden ihre
Augen Tränen kennen, so wären sie jetzt feucht!

Über vier Jahre haben sie dieses unermeßliche Land dort drüben
verteidigt, Fuß um Fuß, Schritt um Schritt, haben es lieben gelernt,
wie nur ein Mann die Scholle lieben kann, für die er kämpft.

Jetzt liegt es dort drüben im Glanze der untergehenden Sonne, lang
fallen seine Schatten auf die See, hoch steigen die hellen Rauchwolken,
zarter Dunst wogt auf den im Westen verschwimmenden Höhenzügen, die
sich unendlich ausdehnen bis an den Tanganjika-, an den Njassasee.
-- -- Alle waren einst deutsch -- -- alle sind es nicht mehr!

Viele Stämme von getreuen Schwarzen leben dort. -- -- Alle waren einst
deutsch -- alle sind es nicht mehr!

Tausende von Weißen arbeiteten, kämpften und freuten sich dort. -- --
Wo sind sie? -- Wir hundert sind die letzten! --

Vielen sind die dunstigen, blauen Hügel dort drüben, die unermeßlichen
Steppen da hinten zur letzten Ruhestätte geworden. Sie sind und bleiben
deutsch, wenn es auch der Boden, der sie birgt, nicht mehr ist! -- --

Und nach Westen starrt alles mit brennenden Augen! Die Sonne hat sich
jetzt glutrot hinter die blauen Silhouetten gesenkt, für kurze Zeit
schimmert noch ein purpurnes Feuerband darüber, dann verblassen die
Farben! -- --

Die Reeling wird leer!

Zwei englische Matrosen schlendern vorbei, sie schließen die vorderen
Seitenfenster für die Nacht.

Ich höre »women und huns« und ein rauhes Lachen. Der eine spuckt in
weitem Bogen in die See!

Klar leuchtet jetzt der Abendstern. Er steht genau über den Höhen des
Pembaberges.

Weit über die Reeling gebeugt, sehe ich hinüber. Vor mehr denn vier
Jahren fuhren wir hier vorbei -- in Kraft und Stolz -- mit Kurs nach
Sansibar.

Und jetzt! -- --

Dunkler Nachthimmel breitet sich über die südlich der blauen Hügel da
drüben liegenden weiten Niederungen, deren Linien sich im Schwarzen
verlieren -- dort dehnt sich das Rufijidelta! --

Weit, weit dahinten, in diesen dunkel brauenden Nebelmassen muß das
Wrack der »Königsberg« liegen, einsam, verlassen, in schweigender
Mangrovenwildnis.

Flußpferdgebrüll dröhnt jetzt dort, Hyänen heulen! --

Dort ruhen auch die Leiber der Toten!

Noch vierundzwanzig Mann sind hier an Bord -- der Rest der Besatzung! --

Und weiter rauschen wir durch die nachtdunkle See, phosphoreszierende
Schaumstreifen ziehend.

Die letzten Umrisse verschwimmen schwarz in schwarz -- sind
verschwunden -- für immer!

Tote »Königsberg« -- -- schlaf’ in Frieden! -- --

Ein Gong ertönt, lachende Engländer gehen zum Abendbrot!


                                 _ENDE_




                                _INHALT_


            Vorwort                                      9
            Einleitung                                  11

       I. Im Indischen Ozean
            Kap Guardafui                               15
            Die Schuria-Muria-Inseln                    25
            Ras Hafun                                   31
            Unguja-Sansibar                             47

      II. Im Rufijidelta
            Salale                                      59
            Simba-Uranga                                76
            Am Steppenrand                              85
            Am Bumba-Arm                               110
            Kingwangwanda                              121

     III. Auf afrikanischem Boden
            Kismagao                                   135
            Mahiwa                                     143
            Daressalam                                 148
            Schluß                                     158




                            =SAFARI-VERLAG=
                _Gesellschaft mit beschränkter Haftung_
                     _BERLIN W9, POTSDAMER STR. 4_

 =August Hauer=: »Ali Moçambique«

    Bilder aus dem Leben eines schwarzen Fabeldichters mit Zeichnungen
    von C. Gregorius
    Preis: Halbleinen M. 4.-- / Halbleder M. 5.--

       Ein literarisches Denkmal ist den braven Soldaten durch das
    letzte Buch des rühmlichst bekannten Verfassers des vortrefflichen
    Werkes »Kumbuke« (August Hauer) errichtet worden.      Die Zeit.

       Das vorliegende Werk ist nicht nur gediegener
    Unterhaltungsstoff, es hat hohen kulturgeschichtlichen und
    ethnologischen Wert. Die Ausstattung ist trefflich.
                                                   Marine-Rundschau.

       Hat man das Buch, das vom Ostafrikaner Gregorius mit kunstvollen
    Skizzen versehen ist, erst einmal in die Hand genommen, so trennt
    man sich ungern von diesen schönen Bildern.        Die Wahrheit.

       Was uns aber das prächtige Buch besonders reizvoll, anziehend
    und nützlich macht, das sind die Fabeln und Geschichtchen,
    die Anekdoten, Scherze und Sprüche, die Ali, der herzensreine
    Witzbold, der Philosoph und Spötter, der allzeit fröhliche Gesell,
    uns aus dem Reichtum seines Innenlebens, seiner tiefgründigen
    Lebensweisheit in rührend-einfacher Sprache und mit unverwüstlichem
    Humor zum Besten gibt.          München-Augsburger Abendzeitung.

                                   ★

 =Leo Herbst=: »... Und der König tanzt ...«
    Tropenskizzen mit Buchschmuck von Hans Both
    Preis: Halbleinen M. 4.50 / Halbleder M. 5.50
           Halbpergament M. 6.--

       Dieses Buch, ein wertvolles Geschenk dem deutschen Volke, ist
    eine hochwertige, künstlerische Leistung, und der es geschrieben
    hat, ist wahrhaft ein Dichter, und die Saiten seiner Dichterseele
    haben in wehmütiger Erinnerung und trunkener Sehnsucht gebebt.
                                                           Germania.

       Und alle Erlebnisse sind getragen von der tiefen Auffassung des
    Reichtums und der Stärke der afrikanischen Landschaft, im freien
    Hochland, im unheimlichen, stickigen Urwald; an der Küste des
    ewigen Ozeans; sind dargestellt in meisterhafter Form und Sprache,
    die uns Glück, Staunen, Ueberraschung, Sorge, Kampfesfreude, Qual
    und Erlösung unmittelbar fühlen und erleben lassen.
                                                  Kölnische Zeitung.

       Der undurchdringliche Urwald, Steppenbrand und Sumpfschwüle,
    Hunger, Durst und Ermattung werden anschaulich geschildert. Und
    als Hintergrund immer wieder Blitzlichtaufnahmen der Negerpsyche.
    Das Buch ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur Erforschung
    Afrikas.                                       Kölner Tageblatt.

       Ein außerordentliches Buch an Inhalt, Sprache und Schilderung,
    ein Buch, das jeder mit tiefster Ergriffenheit lesen wird, der die
    heißen Zonen kennt und liebt. Kriegserlebnisse spielen hinein,
    meisterhaft sind sie wiedergegeben. Und doch die Hauptsache bleibt,
    zu genießen, wie der Verfasser Land und Leute gesehen und sie uns
    vor Augen gerückt hat.                         Marine-Rundschau.

                 Tagespreis: Grundpreis × Schlüsselzahl
           =des »Börsenblattes für den Deutschen Buchhandel«=
                       z. Zt. Schlüsselzahl: =60=




                            =SAFARI-VERLAG=
                _Gesellschaft mit beschränkter Haftung_
                     _BERLIN W9, POTSDAMER STR. 4_

 =E. Nigmann=: »Schwarze Schwänke«
    Fröhliche Geschichtchen aus unserem schönen alten
    Deutsch-Ostafrika. Mit Zeichnungen von Kurt Wiese
                                           Preis: Halbleinen M. 4.--
                                                  Halbleder  M. 5.--

       Eine Fülle bunter Bilder wird entrollt; man merkt, daß der
    Verfasser lange mitten im Leben und Treiben unserer unvergeßlichen
    Kolonie gestanden hat; er ist auch ein liebenswürdiger Erzähler,
    dessen Humor niemand verwundet.                         Der Tag.

       Aus ureigenster Anschauung berichtet der Verfasser von dem
    Kolonieleben und der Treue der Askaris, nicht trocken, nein, Humor
    und Liebe zu verlorenem deutschen Land sprechen aus jeder Zeile.
    Mit wenigen, aber charakteristischen Strichen läßt Dr. Nigmann
    Szenen afrikanischen Lebens vor dem Leser erstehen -- sie verdienen
    gelesen zu werden.              Königsberger Allgemeine Zeitung.

       Das Buch bietet ein Stück des ostafrikanischen Reise-, Stations-
    und Lagerlebens und wird um so mehr geschätzt werden, als der
    länderkundige Künstler Kurt Wiese dasselbe mit einer großen
    Anzahl zum Humor des Werkes passenden Bildern versehen hat. --
    Die Anschaffung des Werkes wird Afrikanern und Nichtafrikanern
    wärmstens empfohlen.                                   Die Zeit.

       Mit einer Fülle köstlichen Humors erzählt uns hier ein alter
    Afrikaner eine Reihe von Schwänken und Schnurren, in denen
    Lebenslust und Frohsinn und vor allem eine große Liebe zu unserem
    herrlichen Ostafrika atmen.
                       Swakopmunder Landeszeitung (Süd-West-Afrika).
                                  ★

 =Artur Heye=: »Wanderer ohne Ziel«
    Allerlei abenteuerliches Zwei- und Vierbein. Mit Zeichnungen von
    Walter Rosch
                                           Preis: Pappband   M. 4.50
                                                  Halbleinen M. 5.--

       Als Tramp in Amerika! Als Einzelgänger durch die unendlichen
    Weiten Afrikas! Ein Wanderer ohne Ziel, ein verflogener Vogel!
    Tiefe Schwermut und groteske Lächerlichkeit wechseln mit schaurigem
    Erleben des Kampfes ums Dasein. Die große Liebe zur Natur und
    Tierwelt ist herzerfreuend. Die Zeichnungen Walter Roschs zeugen
    von Kraft und großer Anpassungsfähigkeit an den fremdartigen Stoff
    der Handlung.

                 Tagespreis: Grundpreis × Schlüsselzahl
           =des »Börsenblattes für den Deutschen Buchhandel«=
                       z. Zt. Schlüsselzahl: =60=




                            =SAFARI-VERLAG=
                _Gesellschaft mit beschränkter Haftung_
                     _BERLIN W9, POTSDAMER STR. 4_

 =Leo Herbst=: »Das schwarze Weib«, Bd. I »Tasana«
                                         Preis: Pappband     M. 4.50
                                                Luxusausgabe M. 6.--

       Der Verfasser der Tropenskizzen »... Und der König tanzt ...«
    schildert in seinem Zyklus »Das schwarze Weib«, dessen erster
    Band »Tasana« soeben erscheint, die afrikanische Frau in ihren
    verschiedenen Typen. »Tasana« wurde vor der Buchausgabe von der
    Kölnischen Zeitung erworben und im Feuilleton abgedruckt.

 =Rochus Schmidt=: »Aus kolonialer Frühzeit«
                                          Preis: Pappband    M. 5.--
                                                 Halbleinen  M. 6.--

       Ein hochinteressantes Buch unserer kolonialen Entwicklung.
    Rochus Schmidt ist unter den ersten, die in das unbekannte Afrika
    hinauszogen. Alle die großen Afrikaner: Stanley, Casati, Emin
    Pascha, Peters, Wissmann leben wieder vor uns auf! In wenigen
    Jahrzehnten schuf Deutschland seine blühenden Kolonien aus
    kleinsten Anfängen. Alle die Widerstände und Unzulänglichkeiten und
    die Erfolge zielbewußter harter Arbeit und Kämpfe schildert Rochus
    Schmidt aus eigenem Erleben in lebendiger Sprache.
                                  ★

                         =SAFARI-BILDERBÜCHER=

 =Leo Herbst=: »Lullus Fahrt nach Kamerun«
    mit Bildern von Kurt Wiese
                                          Preis: Halbleinen  M. 4.50

       Ein Bilderbuch für jung und alt! In fröhlichen zweizeiligen
    Buchversen sind die Erlebnisse eines Spitzes auf der Seereise und
    in Kamerun geschildert. Die humorvollen bunten Bilder von Kurt
    Wiese sind köstlich.

 =Walter Rosch=: »Professor Schnurps in Afrika«

    reich illustriert.                     Preis: Halbleinen M. 4.50

       Alle die kleinen Ungeheuer der afrikanischen Insektenwelt
    sind in lustigen Versen und Bildern unter genauer Beachtung der
    naturwissenschaftlichen Richtigkeit in diesem Reiseabenteuer des
    Professors Schnurps zusammengefaßt.


 =Kurt Wiese=: »Der Kinder Wanderfahrt mit Tieren aller Art«
    Leporelloformat.                     Preis: Ganzleinen. M. --.25

       Reizende Bilder mit lustigen Versen machen auf fröhliche Art mit
    der überseeischen Welt bekannt.


                 Tagespreis: Grundpreis × Schlüsselzahl
           =des »Börsenblattes für den Deutschen Buchhandel«=
                       z. Zt. Schlüsselzahl: =60=




                            =SAFARI-VERLAG=
                _Gesellschaft mit beschränkter Haftung_
                     _BERLIN W9, POTSDAMER STR. 4_


 =Rudolf de Haas=: 1. Band. »Piet Nieuwenhuizen« der Pfadfinder
    Lettow-Vorbecks. Mit Federzeichnungen von Thea de Haas und einer
    Photographie
                                          Preis: Pappband   M. --.75
                                                 Halbleinen M. --.90

 =Rudolf de Haas=: 2. Band. »Piet Nieuwenhuizen« der Pfadfinder
    Lettow-Vorbecks
                                          Preis: Pappband   M.  1.20
                                                 Halbleinen M.  1.50

 =Artur Heye=: 1. Band. »Hatako, der Kannibale«
                                          Preis: Pappband   M. --.60
                                                 Halbleinen M. --.75


 =Artur Heye=: 2. Band. »Hatako, der Kannibale«
                                          Erscheint in Kürze

 =Anton Lunkenbein=: »Die Geheimnisse der Namib«
                                          Preis: Pappband   M. --.60
                                                 Halbleinen M. --.75

 =Marie Pauline Thorbecke=: »Häuptling Ngambe«
                                          Preis: Pappband   M. --.75
                                                 Halbleinen M. --.90

                                   ★

                 Tagespreis: Grundpreis × Schlüsselzahl
           =des »Börsenblattes für den Deutschen Buchhandel«=
                       z. Zt. Schlüsselzahl: =60=




                    Gedruckt bei _DENTER & NICOLAS_
                  Berlin C 2, Neue Friedrichstraße 43
                     Die Buchbinderarbeit wurde bei
                            LÜDERITZ & BAUER
                          in Berlin gefertigt
                                   ★







*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK IN MONSUN UND PORI ***


    

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Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg™

Project Gutenberg™ is synonymous with the free distribution of
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Volunteers and financial support to provide volunteers with the
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Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
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Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit
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state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
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Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
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The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West,
Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up
to date contact information can be found at the Foundation’s website
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Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
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