Der Eroberer

By Paul Weidmann

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Title: Der Eroberer
       Eine poetische Phantasie in fünf Kaprizzen. Aus alten
       Urkunden mit neuen Anmerkungen

Author: Paul Weidmann

Release Date: September 17, 2015 [EBook #49998]

Language: German


*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER EROBERER ***




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                                 Der
                              Eroberer,


                       Eine poetische Phantasie
                          In fünf Kaprizzen.

                                 Aus
                alten Urkunden mit neuen Anmerkungen.

                    Terruit urbem, terruit Gentes.

                                            Horat.

                          Wien und Leipzig,
               in der Buchhandlung der Gelehrten, 1786.




                          Zueignungsschrift.
                     An einen König der Antipoden


Seit den uralten Zeiten des furchtbaren Tearkon[1], der die Säulen
Herkules aus Bescheidenheit nicht überschrit, fand sich, unter Eurer
Majestät preiswürdigsten Ahnen zum Wohlseyn der Erde durch eine
besondere Gnade des Himmels kein Eroberer. Eure Majestät treten mit
einer so rühmlichen Menschenliebe, und mit einer so edlen Mäßigung in
die Fußstapfen ihrer friedsamen Ahnen, daß Sie vielleicht der einzige
König sind, der den Titel eines Helden für den liebenswürdigen Namen
eines Vaters des Vaterlands, und eines Menschenfreundes verkaufet. Eure
Majestät sind also der einzige Monarch, dem ich mein Buch schiksam
zueignen kann, denn jedem andern würde es eine Satyre scheinen, wie jene
Zueignungsschrift eines Franzosen dem römischen Pabste[2].

Wenn Eure Majestät, wie einige Reisende behaupten, auch ein Beschützer
der deutschen Musen sind, welches die Fürsten selten wagen; so sind Sie
ein wahrer Antipode von unserm gelehrten Europa, und ein Antipode aller
Könige. Ich sage nicht mehr zum Ruhme Eurer Majestät, weil
ausserordentliche Tugenden durch Stillschweigen am besten gepriesen
werden. Nur gewöhnliche Könige werden gelobt, damit sie einige Tage
länger leben.

Ich lege Eurer Majestät mit warmer Empfindung der hohen Bewunderung mein
Buch ehrerbietig zu Füssen, weil einige Meere und einige tausend Meilen
mir das Vergnügen rauben, mich ihrem Throne persönlich zu nähern u. s.
w.

[Fußnote 1: Die Schrift heißt diesen König Tharaka, der sich zur Zeit
Senacherib Königs der Assyrier furchtbar machte.]

[Fußnote 2: Das Trauerspiel Mahomet oder der Fanatismus ward vom
Voltaire dem Pabste zugeeignet.]




                        Vorrede des Dichters.


Die Musik ist die Mutter der Poesie; alle Eigenschaften erbt also diese
liebenswürdige Tochter. Warum sollte sie die sinnreichste Gabe die
Phantasie entbehren? Sollte die Dichtkunst nicht eben die harmonischen
Freyheiten geniessen, da sich der spielende Tonkünstler frey seiner
willkührlichen Laune überläßt, und in ein bewunderungwürdiges Chaos
aller Tonarten sich verwickelt? Von einem taumelnden Wirbeltanze hüpft
er zu einer melancholischen Arie; ehe er sie noch zu Stande bringt,
schleicht er tändelnd zum neckischen Rundliedchen, artet rasch in ein
heulendes Ungewitter aus, und donnert blutige Schlachten. Diese
zerstreute Begeisterung ist oft den horchenden Ohren ein seltnes
unerwartetes Vergnügen, und man hört manchen Künstler lieber
phantasiren, als ein regelmäßiges Concert spielen; die Ursach ist, weil
der kühne, und mannichfaltige Wechsel der Gedanken, und die verwägnen
Uebergänge die Zuhörer reizen, hinreissen, erschüttern.

Lasset uns versuchen, welchen Eindruck eine poetische Phantasie auf das
menschliche Herz machen wird. Vielleicht bringt die scheinbare
Unordnung, die doch heimlich Ordnung und Verbindung hat, das neue Gewühl
gedrängter Ideen, eben die gute Wirkung in dem Gemüthe der Leser hervor.

Es ist wahr, der Gleis ist unbetreten; ich kann meinen dreisten Versuch
weder mit alten noch neuen Schriftstellern vor dem strengen
Richterstuhle der gelehrten Welt rechtfertigen; aber mit ihrer gütigen
Erlaubniß meine hochschätzbarsten Herren Kunstrichter und Richterinnen,
müssen wir denn ewig so knechtisch unser Gehirn in Fässeln legen, daß
wir nicht einmal einen Schrit ohne Leitbande wie die Kinder wagen
dürfen, und bey jeder launichten Streiferey vor dem Hohngelächter
zittern müssen?

Was da immer im Areopagus über mich verhängt ist, fühle ich doch, daß
mein Kopf in einer so freyen Stimmung ist, in welcher er zu einer
Phantasie gleichsam durch ein Instinkt gezogen wird; und weil oft vom
Erfolge das Lob oder der Tadel einer Unternehmung abhanget, und Kolumbus
vor der Reise verspottet, nach der Rückkehr gepriesen wird; so lassen
wir der Zeit über, ob Dank oder Verachtung meine Arbeit belohnet. Meine
Rechtfertigung bey der Nachwelt sey, daß die holden Musen sich allezeit
schwesterlich die Hände reichen.




                        Anhang des Kommentars.


Da doch jeder Bajazzo mit einem komischen Kniks hervortrit, und Miene
macht, dem hochgeneigten Publikum etwas sagen zu wollen, ohne Ihm etwas
zu sagen; so soll auch mein kleiner Apendix in Ehrfurcht seinen Bückling
machen. Ich habe viele gelehrte Vorgänger, und Wegweiser, die mehr Bogen
Anmerkungen schreiben, als ihr Buch Blätter und Seiten hat. Ich will
mein kleines Aemtchen sehr sittsam verwalten, und nur zu Zeiten dem
Leser in die Ohren lispeln, damit er nicht vergißt, daß ich auch zugegen
bin. Ich könnte zwar meine Wenigkeit schimmern lassen, aber oft vermuthe
ich höchst wahrscheinlich, daß meine Leser mehr Einsicht haben, als ich,
oder ich verstehe selbsten den Grundtext nicht klar genug, und dann
schweige ich aus Bescheidenheit. ^Nemo ultra posse tenetur!^ Ein wahrer
Kommentar erklärt nur das, was jedermann weiß.




                                Prolog
                          In Knittelversen.


   Ihr Herren klug und Jungfraun schön,
   Ich bring kein Mährlein auf die Scen.
   Ich sag nicht blosse Narrenpossen,
   Wie mancher schon hat ausgegossen.
   Ich will Geschichten offenbarn,
   Und dabey nicht der Wahrheit sparn.
   Wenns Euch will also wohl behagen,
   Will ich jetzt kurz und rund aussagen,
   Wie Eduard der König groß
   Erobert manche Stadt und Schloß.
   Die Welt hat er für sich erhalten,
   Damit zu schalten und zu walten.
   Es zeigt sich, wie die Majestat
   Oft manniglich gefochten hat.
   Wie er so vielmal hat gerungen,
   Und Land und Leut hat eingeschlungen:
   Man sieht auch, daß sein Widerpart
   Erträget viel, und leidet hart.
   Ihr könnt Euch selbsten leicht gedenken,
   Das viele saure Herzenskränken,
   Das jeder Fürst erlitten hett,
   Der sich auf seinem Todesbett
   Sein Haab und Gut müsst nehmen lassen.
   Ich will dieß alles hübsch verfassen.
   Man hebt den König nicht hervor.
   Bald ist er schwärzer als ein Mohr.
   Man zeigt Euch alle seine Mängel;
   Oft ist er weisser als ein Engel.
   Von Nachbarn will er einen Theil;
   Doch ihnen ist ihr Land nicht feil.
   Da kommen sie dann stracks gelaufen,
   Den Sieg mit Grimmen zu erschnaufen.
   Er aber streckt die Klauen weit,
   Und macht mit ihnen tapfren Streit.
   Doch wie auch insgemein die Güter
   Zu endern pflegen die Gemüther;
   Wuxt ihm auch durch den Schatzgewinn
   Gar bald sein Muth und hoher Sinn;
   Man mußte seinen stolzen Willen
   Ohn alle Widerred erfüllen;
   Und er vergaß, wies denn geschicht,
   Auch alsobalden seiner Pflicht;
   Hub an selbst Freunde zu verachten,
   Und nach der Tyranney zu trachten.
   Sein hart und übermüthigs Herz
   Glaubt nur der Krieg sey blosser Scherz;
   Hat also Menschen viel getödtet,
   Und Völker viel ins Joch gekettet.
   Doch hungert ihn beständig sehr,
   Und hett noch gern gegessen mehr,
   Allein er starb durch Weibertücke,
   Und so knackt endlich seine Brücke.
   Da ihn der Tod erhascht beym Bein,
   Ward er so still als wie ein Stein.
   Er hatte stäts ein starkes Herze;
   Doch trieb er mit den Jungfern Scherze;
   Veracht den Himmel in der Noth,
   Fürcht nicht den Teufel nicht den Tod.
   Am Schluß bereut er seine Sünden,
   Das könnt ihr in dem Büchlein finden.
   Nehmt selber jetzt den Augenschein,
   Was da für Ding enthalten seyn.




                        Die Kindheit Eduards.
                          Erste Kaprizze[3].




                             Einleitung.


   Unter den grossen und kleinen Königen, welche alle Länder der vier
   bekannten Welttheile als eine natürliche Erbschaft großmüthig unter
   einander vertheilen, lebte Jakob der Friedsame. Sein Reich war so
     groß, daß er es übersehen konnte, um alle seine Unterthanen
       zu beglücken. Das Volk und der Monarch wünschte zu ihrer
    Glückseligkeit nur noch einen Thronerben. Die Königin näherte
     sich eben dem glücklichen Zeitpunkt ihrer ersten Entbindung.




                               Monolog.


     König Jakob, indem er aus dem Schlafgemach der Königin trit.

So wahr ich König bin! Mein Sohn soll nicht Alexander, nicht Cäsar,
nicht Sesostris heissen! -- Schenkt mir die Königin eine Tochter; so mag
sie ihr einen schicksamen Namen beylegen; aber der Name eines Sohnes ist
mir als Vater und König nicht so gleichgültig. Es liegt oft im Namen
gleichsam eine Weissagung. Wie soll ich also diesen sehnlich gewünschten
Gast nennen? -- Hahaha! Was dem guten Weibe beyfällt, Alexander. Hahaha!
-- Eh soll er mir Nero und Attila, wo nicht gar Kartusch heissen! So
weiß die Welt, was sie von ihm erwarten soll. Gesetzt ich gebe dem Kinde
den Namen Adam -- Nein! Dieser Name ist mit schwarzen Gedanken vom
Fluche der Erde verknüpft. Adam war der erste Ehrgeizige! -- Ich
wünschte einen gutherzigen lächelnden Namen -- Willhelm -- Pfui! So
heißt mein unruhiger Nachbar! -- Eduard, Ha! Das Wort klingt sanft.
Eduard, ja Eduard soll mein geliebter Sohn genannt werden.




                               Dialog.


               König Jakob, Alsin, hernach ein Höfling.

Jakob. Was bringt mein getreuer Alsin.

Alsin. Einen freudigen Glückwunsch! Die Königin wird Eure Majestät bald
mit dem schönsten Ehrennamen Vater begrüßen.

Jakob. Dank dir, mein Freund!

Alsin. Betrachten Eure Majestät das seltsame Nordlicht! Ich staunte
schon einige Stunden über diese wunderbare Lufterscheinung. Das Volk
zieht große Vorbedeutungen daraus, und ein Schwärmer rief in meiner
Gegenwart: Es wird ein zweyter Alexander gebohren! Der Pöbel bleibt
immer Pöbel.

Jakob. Lassen wir die Narren reden! Nun, was bringst du so eilends?

Der Höfling. Es lebe der König und sein Thronerbe! Ein Prinz hat das
Licht erblickt.

[Fußnote 3: Da alle neuen Geburten Nachahmer finden; so werden
vermuthlich einige Dichterlinge hastig über dieses lächelnde Fach
herfallen; ich will Ihnen also durch einen kleinen Auszug aus einem
poetischen Kochbuch Anleitung zu einer Phantasie geben. Man nimmt
Geflügel Rindfleisch, Zwiebeln, Knoblauch, viel Gewürz, läßt alles in
einem reinen Topf wohl verkochen, und diese Kraftbrühe heißt Phantasie.
Zu oft darf man nicht solche Speisen geniessen, sie geben Anlage zum
gelehrten Podagra.]

Jakob. Die Mutter hat ihn gebohren, und ich habe ihn getauft. Es lebe
Eduard! -- Alsin, das ist ein froher Tag für mich, und wenn der Himmel
unsern guten Willen segnet, ein froher Tag für mein Volk! -- Laßt uns
den Säugling küssen!




                             Geburts-Ode.


                               Strophe.

   Fürstenkind, sey mir gegrüßt! Lächle Gebährerinn,
   Hofnungen blühen der Welt schon in dem Säuglinge.
   Parze beginne für ihn einen unsterblichen
   Faden! Reife heran zu den Erwartungen
   Zärtlicher Eltern du Trost, und du Glückseligkeit
   Neuer Geschlechter, die dich Völker beglücken sehn.
   Jauchzet dem fürstlichen Gast, ruft ihn zur Herrlichkeit!
   Gütiger Himmel, bist du sehnlichen Wünschen hold;
   O so gieß Segen herab; Weisheit und Tugenden
   Schmücken den Prinzen, der würdig zum Throne reift;
   Nicht der Krone bedarf, sondern die Krone ziert.


                             Antistrophe.

   Musen begeistert mich izt! Goldenes Saitenspiel,
   Das in dem Lorbeerhain hängt, töne heut lieblicher;
   Sing ein unsterbliches Lied; preise den Jubeltag!
   Hier keimt ein Zweig hervor, der einst die Wolken küßt.
   Unter dem Schatten ruht einst sicher der Wanderer,
   Und sein lechzender Mund kostet die süsse Frucht.
   Wenn der Donner ertönt, und das Gewitter dräut,
   Strecket der gütige Baum liebreich die Wipfeln aus,
   Nimmt die Heerden in Schutz, schläfert die Hirten ein.
   O du wohlthätiger Baum, wachse zum Segen auf;
   Sey von Völkern verehrt, und angebetet stäts!


                                Epod.

   Darf ich die süssen Ahndungen meines Herzens ergiessen?
   Weissagt mein frohes Gefühl?
   Seh ich die rühmliche Wiege von jenem vergötterten Helden?
   Welche Schlange bekriegt
   Den vom unschuldigen Schlummer gewiegten Säugling? Erwache!
   Rettet das Götterkind! Eilt!
   Tilget den zischenden Wurm! Doch welch Erstaunen befällt mich!
   Welche Tapferkeit blüht!
   Unüberwindliche Riesenstärke beseelt die Arme,
   Und der Heldensohn ringt;
   Säuglingshände zermalmen die giftaushauchende Schlange.
   So siegt in Windeln Alcid!




                            Feenmährchen.


Kaum war die Geburt des Erbprinzen eines grossen Königreichs in der
neugierigen Feenwelt durch den Ruf ausposaunet; so eilten alle Feen
diesen durchlauchtigen Gast zu bewillkommen, und nach Gewohnheit des
wunderlichen Feenreiches mit allen Gaben zu verherrlichen. Die Thore und
die Plätze der Hauptstadt wurden zu enge, alle Drachenwägen und
magischen Reisekarren der Feen zu beherbergen. Alle Gattungen der
vierfüßigen, zweybeinigen, und kriechenden Thiere bevölkerten die
jauchzende Residenz. Drachen, Skorpionen, Basilisken, Eidexen, und
tausend Insekten krochen auf den Dächern des königlichen Pallastes, und
verfinsterten das Tageslicht.

Die Feen nach der löblichen Gewohnheit unserer alltäglichen Weiber
machten rings um die goldene Wiege des Kronprinzen einen so entsezlichen
Chor, daß der Säugling vom festen Schlaf erwachte, und seine Gönnerinnen
mit einem Zettergeschrey begrüßte. Zehen Kinderammen wurden gelegentlich
gehörlos, und zum Glück für die Unterthanen dieses Reichs erschien der
König zu spät, sonst wäre er nach dem Modebeyspiel vieler Grossen taub
geworden. Die Königinn der Feen, die grosse und weise Rokatania begann
eben ihre Rede, nachdem sie das Geheule ihrer beredten Schwestern
gemildert hatte, und rief mit Begeisterung: Junger Prinz sey ein Held!

Um des Himmels willen! Madame, unterbrach sie hastig der schnaubende
König, halten Sie ein; machen Sie aus dem Kinde, was Sie wollen, nur
keinen Helden! Was soll ich mit einem tolldreisten Thronfolger machen,
der nichts an seinem Orte läßt, den jeder Nagel an der Wand irrt, wenn
er ihn nicht nach seinem Eigensinne ordnet? Frau Fee nehmen Sie den
Jungen, ziehen Sie ihn! Seine Mutter kann mit ihrem Schooßhunde spielen.
Aber bewahren Sie mich und mein Land vor der leidigen Seuche des
Heroismus! Wer das Kriegsgeräusche liebt, findet leicht eine Trommel. In
meinem Lande würde der Bursche noch in der Wiege zum Alexander. Ich war
auch so ein kleiner Nickel, gleich kamen ein Dutzend einladende
Klopffechter, denen der Kopf wirbelte, und wollten mich ohne Gnade zum
Erzhelden machen; aber ich liebte den Frieden. Freylich schreibt von mir
kein Dichter, und die Geschichte pranget nicht mit meinen unsterblichen
Thaten; aber meine Unterthanen sind glücklich. Ihr König hat keine
blutige Lorbeern; aber ein gutes väterliches Herz, das sie liebt. Jeder
Strassenräuber, wenn ihn das Glück ein bischen begünstiget, kann ein
Held, ein Eroberer seyn; aber zu einem guten Hirten, zu einem
menschenfreundlichen Landesvater gehört mehr. Es ist leicht mit einer
halben Million Soldaten die Erde zu zerstöhren, und Menschen zu
schinden; aber hart ein Volk zu beglücken. Das merken Sie sich Frau
Feenköniginn, und Sie alle meine verehrungswürdigen Damen, wenn Sie
wieder einen Königssohn segnen; so machen Sie ihn ja zu keinem Henker
und berühmten Taugenichts! So sprach dieser biedere Antiheld.

Rokatania, und die andern Feen berathschlagten sich eine Weile, und
fanden die Gründe des Vaters sehr klug. Endlich nahm die weise
Sapilinia, eine alte Exköniginn der Feen das Wort: Ich finde in meinen
Büchern ein einziges Mittel zur Entheldung des Prinzen, indem man
nämlich seinen Charakter von Jugend auf durch eine ausserordentliche
Erziehung gänzlich vom Geräusche der Waffen entfernet: denn hört er vor
funfzehn Jahren eine Kriegstrompete; so ist alle Vorsorge vergebens. Ich
will gern die mühsame Arbeit seiner Erziehung auf mich lasten. Ich
bestimme ihm auch aus seiner Nation den weisen Alsin zum Lehrmeister,
und werde beide an einen wunderbaren Ort versetzen, da soll der Prinz
von allen gewöhnlichen Menschen entfernt erzogen werden. Ihre Rede fand
Beyfall.

Der König umarmte seinen Thronerben, und die Königinn zerfloß bey der
Trennung in Zähren. Der weise Alsin ward gerufen, und die Exköniginn der
Feen, er, und das Kind wurden plötzlich auf einem Feenwagen von sechs
spanischen Fliegen in die Luft getragen. Sie durchstreiften Länder und
Städte, bis sie die gewünschten Gestade der Einbildung erreichten.

Sie betraten glücklich die fruchtbare Landschaft Dramaturgia. Die
Hauptstadt Tragödianopel ist sehr antik und majestätisch gebaut. Ihr
Stifter war König Thespis. Die Könige Sophokles und Euripides haben sie
sehr erweitert, und die Bürgermeister Shakesspear, und Lopez de Vega
haben sie fast zum Ungeheuer gemacht. Die Inwohner gehen auf hohen
Kothurnen, belasten ihre Häupter mit Federbüschen, und reden meistens in
Versen. Zum Zeichen ihrer beständigen Traurigkeit und ihrer
nieversiegenden Thränen tragen sie weisse Schnupftücher in den Händen.
Sie üben sich den ganzen Tag auf halsbrechende Fälle, tödtliche Sprünge,
und Stürze. Sie fallen auf offenem Markte plözlich zur Erde, um ihre
ausserordentliche Kunst im Halsbrechen zu zeigen. Ihre Geberden sind
riesenmäßig, ihr Gang hochtrabend, und ihr Ton brüllend. Alle Minuten
sieht man blutige Schlachten. Sie erwürgen einander, und stechen sich
zum Zeitvertreibe todt. Diese melancholische Stadt ist sehr entvölkert.

Unsere Wanderer enteilten diesem Schauplatze des Schreckens, der mit
Schedeln und Menschenknochen gepflastert war, und erreichten die
anmuthige Stadt Komödienburg. Ein lautes Gelächter, und ein rauschendes
Geklatsche schallte ihnen schon beym Stadttore entgegen. Die Kuppler
hielten Wache. Alle Gattungen Narren und Gaukler machten auf den Plätzen
ihre seltsamen Grimassen. Die Notarien liefen sich ausser Athem in allen
Gässen Heurathsverträge zu schliessen. Tausend kleine Liebesränke wurden
überall gespielt, und erzählt.

Sie verliessen auch diesen lachenden Auffenthalt, und kamen in die
weitschichtige Landschaft Epopea. Sie ist fast von Menschen verlassen,
und wird wechselsweis von alten Göttern und Göttinnen, und bald von
Engeln und Teufeln bewohnet. Sie eilten zur berühmten Stadt Operania;
sie ist in zwey Theile getheilet, wovon einer der Komische, der andere
der Tragische genennt wird. Die Musik ist hier die Seele aller
Handlungen. Man ißt, trinkt, schläft, geht, sitzt, ficht, liebt und
stirbt hier mit Singen.

Sie durchzogen nur flüchtig einige berühmten Städte, als die
Philosophenburg, wo lauter Weltweise wohnen; Dogmatianopel, der Wohnsitz
der Lehrer, und Redner. Endlich erreichten sie das fruchtbare und
niedliche Arkadien. Diese lächelnde Gegend wählte die Fee zum Wohnsitz
für den weisen Alsin und seinen Zögling. Auf ihren Wink thürmte sich ein
artiges Landhäuschen mit allen Geräthschaften. Alle Bewohner dieser
glücklichen Fluren begrüssten ihre willkommenen Gäste. Die Fee verließ
den gesegneten Aufenthalt, wo durch die Anstalten des weisen Alsin und
seines liebenswürdigen Schülers die goldenen Zeiten aufblühten.

Eduard wuchs unter den sanften Einflüssen eines wohlthätigen
Himmelsstriches. Der Weltweise erhob sein Gemüth unter jugendlichen
Spielen zur Tugend und Weisheit, und die unschuldigen Schäfersitten
veredelten sein Herz. Eduard wählte sich hier den Schäfernamen Tityrus,
und war von allen Gespielen und Gespielinnen geliebt. Funfzehn Sommer
schlichen wie lächelnde Frühlingstage hin. Izt näherte sich der traurige
Zeitpunkt, der seinen Charakter zu andern Beschäftigungen entwickelte.

Oridia, eine schwarze neidische Fee kochte in ihrem Busen einen alten
Groll wider die wohlthätige Fee, und wollte das schönste Werk der
Unschuld zerstören. Sie warf durch einen Sturm Kriegsleute an die
glücklichen Gestade dieser seligen Insel, und diese Räuber entführten
die schönste Schäferinn.




                               Ekloge.


                      Tityrus, Koridon, Tyrsis.

Korid.
   Laß uns O ländliche Flöte mänalische Lieder beginnen!
   Rufet ihr zärtlichen Töne die reizende Daphne zurücke!
   Wer wird im lächelnden Frühling die Felder mit Blumen besäen;
   Wer die Gestade der Ströme mit grünenden Schatten umgeben,
   Wenn die göttliche Daphne das Antlitz den Schäfern entziehet?
   Traure mein Tityrus, weine mit mir, bis wir sie begrüssen.
   Laß uns mit ländlicher Flöte mänalische Lieder beginnen!

Tityr.
   Alles besieget die mächtige Liebe; wir weichen der Liebe!
   Nicht so begierig umflattern die Bienen die duftenden Blumen;
   Nicht so hastig besuchen die Lämmer die lockende Quelle,
   Als ich mit Sehnsucht die labenden Blicke der Daphne verschlinge.
   Schon der Gedanke, sie wiederzusehen, begeistert den Busen.
   Wie sind die Fluren so blühend, die meine Geliebte bewohnet!
   Blüten enteilen den Zweigen, und Knospen entwickeln sich früher;
   Veilchen und Rosen im bunten Gedränge belasten die Felder.
   Angenehm säuselt der Zephyr durch dickbelaubte Gebüsche,
   Und die Nachtigall wirbelt mit Anmuth die zaubernden Lieder.
   Herrlicher pranget mit goldenen Stralen die wärmende Sonne.
   Feyerlich horchet die ganze Natur beym süssen Gesange,
   Das die liebliche Lippe der Daphne harmonisch beginnet.
   Aber ach! Lange schon missen wir alle das siegende Mädchen.
   Seitdem hat sich für mich die ländliche Gegend verändert.
   Fürchterlich rauschen die schwankenden Eschen im traurigen Haine;
   Mich beschleicht kein erquickender Schlummer auf öden Gefilden.
   Stechende Bremsen zischen um mich, und Eulen verscheuchen
   Durch weissagende Töne die Ruhe vom stürmischen Busen.
   Träume, mein Koridon, schreckliche Träume durchschaudern die Seele.
   Dräuende Wunder erschüttern die Augen. Bald schmettert der Donner
   Wipfel der Bäume; bald schwärmen Irrlichter im dämmernden Thale;
   Aechzende Winde durchbrüllen die Fluren, und schreyende Dohlen
   Flattern beständig über mein Haupt; mein ahnender Busen
   Sieht mit Zittern den nahen Gefahren, O Bruder, entgegen.
   Alles trauert und seufzet; die fröliche Gegend entschlummert.
   Rufet ihr zärtlichen Lieder die reizende Daphne zurücke!
   Wer kann sie lieben wie ich, wer kann sie so feurig besingen?

Korid.
   Nur ich mache die Liebe dir streitig, und setze dir Wetten.
   Drey der weissesten Lämmer bestimm' ich zum Preise des Sieges.
   Meine Heerde will ich verspielen, um dich zu besiegen.
   Laß uns arkadische Lieder mit ländlicher Flöte beginnen!
   Nicht so lieblich schimmert das Morgenroth auf den Gebirgen,
   Als die keuscheste Wange der Daphne die Rosen bemalen;
   Nicht so labet der himmlische Thau die durstigen Pflanzen,
   Als ein Lächeln von ihr die gierigen Augen ergötzet.
   Immer erneuert mein treues Gedächtniß die selige Stunde,
   In der ich sie das erstemal sah. Wir feyerten damals
   Heilige Feste der glücklichsten Aerndte; die Mädchen erschienen
   Wie die Nymphen mit Blumen geschmücket in festlicher Kleidung
   Meine bezaubernde Daphne besiegte sie alle mit Reizen.
   Wie die Sonne die Sterne verfinstert, so glänzte nur Daphne.

Tityr.
   Süß und zärtlich hast du gesungen, einschläfernd dem Ohre!
   Aber du sangst nur die Reize des Körpers; ich schildre die Seele.
   Und ich will auch vom Tage der frohen Erscheinung beginnen.
   Keine so heitre Frühlingsnacht kömmt nicht wieder zur Erde.
   Angenehm leuchtete damals der Mond durch stille Gebüsche,
   Als der Silberton einer erquickenden Stimme mich reizte.
   Ich fand ein Mädchen im Schatten gegossen; ich sank ihr zu Füssen.
   Göttliches Kind, du hast mich bezaubert! Die Töne sind süsser
   Als der kühlende Trunk im heissesten Sommer dem Wandrer,
   Und erquickender als der liebliche Schlummer dem Müden.
   Aber ein ängstliches Winseln zerstörte die zärtlichste Rede.
   Wie ein Pfeil schoß Daphne hinzu, die Ursach zu forschen.
   Sie fand ein gebährendes Weib im tödlichen Kampfe.
   O wie entwickelte sich die reizende Tugend der Schönen!
   Welche Menschlichkeit, welche Gefühle des edelsten Schmerzens
   Strahlten auf dem thränenden Auge der gütigen Daphne!
   Ihre gastfreundliche Liebe beseelte die himmlischen Thaten;
   Ihre Schönheit bezaubert, doch ihre Sanftmuth vollendet
   Ihre verherrlichten Siege! Sie bleibet beständig mein Abgott.

Korid.
   Du hast zwar dem Herzen gesungen, doch Tityrus, meine
   Bessern Gesänge weichen nicht deinem erhabenen Liede.
   Dort kömmt Tyrsis, wir wollen ihn beyde zum Richter erwählen.
   Aber wie weinerlich scheint mir sein Antlitz! Was quält dich O
      Tyrsis?

Tyrs.
   Soll ich wohl lächeln, wann unsere Hütten die Zierde verlieren?
   O die ganze betrübte Natur scheint mit mir zu trauren!
   Uns hat der Tod die reizendste Schäferin grausam entrissen!
   Ihr erblasset? O weinet mit mir, denn Daphne verdient es!

Tityr.
   Du hast die Wurzeln des Lebens mit tödtlichem Beile gebrochen;
   Daphne verweile, dein Tityrus folgt dir mit hastigen Schritten!

Korid.
   Sag uns die Ursach von ihrer Entfernung, und auch von dem Tode.

Tyrs.
   Häßliche Krieger beschlichen zur Nachtzeit die sichersten Hütten,
   Raubten gewaltsam, und schleppten die Mädchen zur schwarzen
      Entehrung.
   Umsonst folgten die Räuber der flüchtigen Daphne, sie stürzte
   In die schäumenden Fluten, und ward von den Wellen verschlungen.

Tityr.
   Nicht mehr will ich die Fluren betreten; ich fliehe die Haine.
   O lebet wohl, ihr schattigten Wälder, ihr schönen Gefilde,
   Ihr quellvollen Gebirge lebt wohl! Lebt wohl ihr Bewohner
   Seliger Hütten! Ich scheide von euch mit dieser Umarmung.
   Theuerste Brüder, lebt wohl! Ich lasse zum späten Gedächtniß
   Diese Flöte zurück, die oft mit schmachtenden Liedern
   Diese Gegend erfüllte. Lebt wohl ihr silbernen Bäche,
   Nicht mehr wird mich an euren Gestaden ein Schlummer beschleichen!
   O freundschaftliches Grab empfange den traurigsten Hirten.
   Ich will die seligen Schatten der göttlichen Daphne begrüssen.
   Pflanzet, O Brüder, der zärtlichsten Liebe zwey Myrthen zum
      Denkmaal!
   Schreibt auf die grünende Rinde die Worte des sterbenden Freundes:
   Tityrus liebte die Daphne mit mehr als irdischer Liebe;
   Sie war sein Leben, sein Licht, er eilte mit ihr zu erblassen!

Tyrs.
   Wie beklag' ich den Tityrus! Koridon, suche die Freunde,
   Sag den harrenden Schäfern die traurigste Liebesgeschichte.
   Eilet gesättigte Lämmer, der Abendstern ruft uns zur Hütte.




                               Idylle.


                           Alsin, Tityrus.

Alsin. Mein theurer Sohn, ich habe dich behorcht. Gerecht sind deine
Thränen; aber mäßige deine Betrübniß. Setze dich zu mir unter diese
Eiche, und höre mich aufmerksam. Die Liebe ist eine edle Leidenschaft;
sie vergrössert die Herzen. Aus diesem Grunde billigte ich bisher
stillschweigend deine Zärtlichkeit. Doch es nähern sich izt die
entscheidenden Tage, in welchen erhabnere Pflichten dich rufen. Du bist
nicht zur Weide gebohren. Tityrus erkenne dich selbst! -- Du bist
Eduard, der Thronerbe Jakobs; dessen Geschichte ich dir oft erzählte. Du
solst ein Volk glücklich machen!

Tityr. Mein Vater, welche Räthsel --

Alsin. Folge mir! Wir werden auf ewig diese Hütte verlassen. Willst du?

Tityr. O diese Gegend ist mir izt verhaßt!

Alsin. Der Himmel bedient sich solcher Zufälle, unsern Willen zu seinen
Absichten zu lenken. Der Aufenthalt des Friedens, der dir sonst so
theuer war, ist dir lästig geworden. Wohlan, wir werden grosse
bevölkerte Städte sehen. Mein Freund, das Geräusche ganzer Nationen wird
dich betäuben. Noch ein Wort, ehe wir gehen. Was ist die Pflicht eines
guten Hirten?

Tityr. Seine anvertraute Heerde auf fetten Auen zu weiden, und sie vor
den gewaltsamen Anfällen der Raubthiere wachsam zu schützen.

Alsin. Dieß ist auch das Bild eines guten Königs! -- Ein Fürst muß sein
Volk beglücken und beschützen. Schwöre mir unter diesem gestirnten
Himmel, daß dieses dein ewiges Geschäfte seyn soll!

Tityr. Ich schwöre beym Himmel!

Alsin. Die Menschen werden verschieden regieret. Ich will erst deine
Begriffe erweitern.




                         Dogmatische Poesie.
                             Ein Gesang.


   Muse, besinge die rühmliche Staatskunst der Weltenbeherrscher;
   Zeig die erhabnen Gesetze, womit sie die Erde beglücken!
   Denn die Glückseligkeit jeder Gesellschaft bleibt die Säule
   Niemals erschütterter Throne, und ewigblühender Länder.
   Selbst die Thiere durch edles Instinkt erwählen sich Häupter,
   Und die honigzeugenden Bienen leben monarchisch,
   Aristokratisch die Kraniche, die demokratische Herrschaft
   Scheint den Ameisen selbst von der Natur zur Richtschnur gegeben.
   Diese drey Gattungen dienen dem Menschengeschlechtern zur Regel.
   Einige wählen sich einen zum Fürsten, doch herrscht er despotisch;
   So wird der Monarch ein Tyrann, das Scheusal der Erde!
   Diese Gefahr zu vermeiden bestimmen die Völker den Adel
   Zur Handhabung der Landesgesetze; auch dieses zeugt Uebel,
   Denn der Stolz so vieler Gebieter verscheuchet die Freyen.
   Diese gesellen sich brüderlich in dem Staat der Republik.
   Einige mischen aus dreyen Gestalten die glücklichste Herrschaft.
   Doch die Monarchie bleibet die Thätigste jeder Regierung.
   Persien hat die wichtige Frage mit Weisheit entschieden,
   Und die Meinung Darius besiegte die klugen Gefährten.
   Aechte Gesetze müssen dem Volk und dem Lande behagen.
   Wie ein Baumeister die Plane nur nach der Lage bezeichnet;
   So sey bey neuen Gesetzen die Zone, die Sitte des Volkes,
   Und der Charakter der Nation mit Vorsicht geprüfet.
   Selbst die Regierungsart soll die Verfassung des Landes bestimmen.
   Durch die Mittel, durch die wir entstehn, sind wir auch erhalten!
   Ist ein Staat kriegerisch; so verderbt ihn ein ewiger Friede.
   Doch den Handelstaat tilget die Flamme verderblicher Kriege.
   Kriege heissen gerecht, wenn die Nothwendigkeit streitet.
   Liebst du den Frieden; so mußt du dich immer zum Kriege bereiten!
   Dieses war der geheiligte Grundsatz der siegenden Römer.
   Ist ein mächtiger Staat mit vielen Provinzen verbunden,
   König, so zittere nicht vor seiner gewaltigen Grösse,
   Er faßt in sich die häufigen Mittel sich groß zu erhalten.
   Vielleicht machen kleinere Länder mehr glückliche Bürger,
   Denn der Körper der Staaten ist wie der Körper des Menschen;
   Jener ist nicht der stärkste zu heissen, der alles verschlinget;
   Der lebt mit blühender Kraft, der mäßige Speisen verdauet.
   Ein unübersehbares Reich ist schwer zu erhalten.
   Suchet die Menschen in nährenden Staaten geschikt zu vertheilen;
   Lernet die vollblütigen Adern mit Weisheit zu leeren;
   Mit Pflanzstädten muß man bevölkerte Länder entlasten.
   Setze dem Wachsthum ein Maaß, damit du dein Erbtheil erhaltest.
   Suche Monarch, nur das zu beglücken, was du schon besitzest;
   Sey nicht lüstern nach neuer Eroberung; fodre nicht alte
   Langvergessene Rechte von deinen friedliebenden Nachbarn.
   Dieser Eigennutz reisset Verträge, zerstöret das Wohlseyn;
   Mit unersättlicher Habsucht verscheuchst du die Bundesgenossen.
   Fliehet ihr Hirten, die Staatenverbesserer, die euch betrügen!
   In der Monarchie lassen sich Fehler der Fürsten verbessern.
   In der Regierung des Volkes fällt der Staat mit den Gesetzen.
   Weh dem unglücklichen Reiche, wo der unbändige Wille
   Eines grausamen Despoten die Landesgesetze beweiset!
   Gold ist das reineste Blut der Reiche; doch setzt es in Umfluß;
   Dadurch blühet der Handel, und glücklich ernährt sich der Bürger.
   Weiser Minister, sey wie ein Steuermann immer in Arbeit!
   Sieh, wie er spähet, die Winde belauschet, und Stürme voraussieht.
   Bald spannt er Segel, bald zieht er sie ein, bald ändert er Flaggen;
   So mußt du mit forschendem Blicke die Welt übersehen.
   Du must wissen, was war, was ist, was eilet zu kommen.
   Der Ostracismus entehret, und stürzet die Demokratien.
   Die Republik ist zu langsam zu grossen Geschäften.
   Die Regierung der Edlen befürchtet die Grossen und Kleinen;
   Eifersüchtig auf ihre Verfassung wird sie oft tyrannisch.
   Die Monarchie gleichet der weisen Regierung der Gottheit,
   Und die Monarchen sollen dem göttlichen Meister sich nähern.
   Suchet, O Fürsten, nicht Schätze wie Midas, begehret vom Himmel
   Wie einst Salomon Weisheit, denn Weisheit beglücket die Staaten.
   Selig die Länder, die Weise regieren, sie schmücken die Krone!
   O wie soll ich genug die Güte den Grossen empfehlen?
   Sie ist die Seele der Staatskunst, der Schmuck und die Säule des
      Thrones.
   Völker vergöttert den gütigen Fürsten, der Stunden beweinet,
   Die er nicht mit erquickenden Thaten der Menschheit bezeichnet!
   Wie viel dankende Thränen fliessen noch auf die Gebeine
   Gütiger Hirten! Sie sind auf der Erde das Ebenbild Gottes,
   Und man heißt sie die reizende Wollust des Menschengeschlechtes.
   Du bist zwar mächtig Monarch, doch setze der Eigenmacht Schranken;
   Schäme dich nicht, dich unter die weisen Gesetze zu schmiegen.
   Ehre das Recht der Natur, der Völker, des heiligen Tempels.
   Du bist zwar frey von menschlichen Richtern, doch Gott wird dich
      richten;
   Früh oder spät wird dich die Geissel der Vorsicht bestrafen.
   Ihr seyd nicht Herren, O Fürsten, des Lebens, der Güter der Bürger;
   Diese Maxime schändet die Throne, brandmarket die Menschheit!
   Nur die Verbrecher könnt ihr des Lebens, der Güter berauben.
   Ihr sollt wie liebende Väter die zärtlichen Kinder beschützen,
   Und mit segnender Lippe den Söhnen die Erbschaft vertheilen.




                         Geheime Nachrichten.


König Jakob ward vom Schlage gerührt, und starb eh er seinen Sohn
umarmen konnte. Die Königinn bemächtigte sich mit ihren Ministern der
Regierung während der Minderjährigkeit ihres Sohnes, und Alsin, der
diese Zeit zum Nutzen des jungen Prinzen verwenden wollte, führte ihn
auf Reisen. Eduard lernte unter seiner weisen Anführung die Sitten der
Völker, und die Geschichte der Künste und Wissenschaften. Bey seiner
Zurückkunft übernahm er das Staatsruder.

Einige glaubwürdige Zeitgenossen erzählen diese Geschichte mit folgenden
veränderten Umständen. Unter der Herrschaft Jakobs blühten die Länder;
aber so glücklich seine Staaten waren, so unglücklich lebte er in seiner
eignen Familie. Emilie seine Gattin ergab sich gänzlich den
Ausschweifungen der Liebe; unter unzählbaren Buhlern, die heimlich und
öffentlich ihren prächtigen Hofstaat vermehrten, war Feranson der
Glücklichste, und erhielt sich in ihrer Gunst so lange sie herrschte.
Der gütige Jakob war zu liebreich, zu nachsichtig gegen die Fehler
seiner Gattin. Feranson nützte diese natürliche Gutherzigkeit, flößte in
das Herz der Königinn seinen unbeschränkten Ehrgeiz, und entwarf ihr
einen schwarzen Plan, der dem Besten der Könige durch ein schleichendes
Gift die Tage verkürzte. Da er den Erbprinzen aus eben den Absichten
haßte, entfernte ihn die Königinn unter dem Vorwand einer schwächlichen
Gesundheit vom Hofe; oder wie andere Biographen schreiben, Alsin ein
wahrer Patriot, der die Lage der Sachen kannte, und wohl einsah, daß dem
Reichserben das Schiksal des Vaters bedrohte, entwich heimlich mit
diesem kostbaren Pfande. Gewiß ist, daß Eduard erst sechs Jahre nach dem
Tode seines Vaters herrschte. Er fand das Reich in einem betrübten
Zustande. Die Königinn überließ sich ganz der Wollust. Ihr Günstling
sammelte Schätze. Alles haßte und verabscheuete diesen Minister einer
schwelgerischen Fürstinn. Die schlauen Nachbarn bedienten sich dieser
günstigen Gelegenheit, und rissen an sich, was ihnen gefiel. Sie
erkauften den Feranson, der den Krieg aus Zagheit haßte. Er verhandelte
die wichtigsten Würden, gab sie Schmeichlern, Schwelgern, und
wollüstigen Hofschranzen, und genoß in Ruhe die Früchte seiner Laster.
Izt erschien Eduard. Die Rechtschaffenen fielen ihm zu. In wenig Tagen
gewann alles eine andere Gestalt. Der Günstling Feranson entfloh mit
seinen Schätzen zu den Feinden. Die Königinn entfernte sich in eine
Provinz. Eduard bestieg den Thron, und jagte die Schmarutzer vom Hofe.
Jeder Tag seiner Herrschaft ward durch wichtige Zufälle merkwürdig.




                            Scene bey Hof.


                            Eduard, Alsin.

Alsin. Mein Eduard, izt bist du König!

Edu. Durch dich! -- Du bist mein Vater, mein Freund, mein Führer. Verlaß
mich nicht, damit ich nicht unter der Last einer Krone zu Boden sinke.
Sag, wie soll ich die Verräther behandeln?

Alsin. Nach deinem Herzen! -- Izt will ich die Früchte meiner Lehren
einärndten. Hör eine Fabel, und dann handle!




                                Fabel.
                       Der Donner und der Thau.


   Hör mich, so sprach der Donner, edler Thau!
   Wenn ich erschalle, bebt der ganze Weltenbau;
   Die Erdenkönige betäubt ein banges Zittern;
   Ich flösse Schrecken ein den eisernen Gemüthern.
   Wenn sich mein Riesenfuß von Pol zu Pole hebt,
   Stürzt eine schwarze Wolke nieder;
   Der Himmel und die Erde bebt.
   Ich lähme den Geschöpfen alle Glieder.
   Vor mir erstaunt, was lebt.
   Ich bin der Herold aller Götter;
   Vor mir erblaßt der kühne Spötter,
   Und bricht ein Frevler seinen Schwur;
   So stürzt mein Blitz herab, und tödtet den Verräther!
   Mir huldigen mit Furcht die Wesen der Natur.
   Ich kenne, sprach der Thau, schon deine grossen Thaten.
   Du kanst nur immer strafen, dräun,
   Und willst allein gefürchtet seyn.
   Ich aber bin geehrt in meinen weiten Staaten;
   Ich giesse früh und spät den reichen Segen aus.
   Die ganze Schöpfung ist mein Tempel und mein Haus.
   Mich preisen alle Erdensöhne.
   Mir dankt so manche fromme Thräne.
   Wie süß ist doch der Lohn, wenn man mit Milde giebt;
   Wie sehr bin ich gewünscht, wie sehr bin ich geliebt!
   Ich will mit dir nicht Würden tauschen,
   Du magst in Wetterwolken rauschen,
   Wenn deine Hand die Blitze lenkt.
   Ich will den stillen Dank, die Segen froh belauschen,
   Die mir mit Lust die Erde schenkt.




              Scene. Ein Vorhof im königlichen Pallast.


   Ritter Lusian, sein Knecht, hernach die Leibwache und der König.

Lus. Führ meinen Gaul in den nächsten Stall, bewirthe ihn wohl! Ich will
ein wenig spähen, welcher Wind izt bey Hofe weht.

(Der Knecht geht. Lusian sezt sich auf einen Stein bey der Treppe.)

Da will ich erst rasten! ---- Ob mich der junge König noch kennt? Damals
war er auf der Reise, izt auf einem Throne ---- Hahaha! Ich sehe
poßierlich gnug aus! -- Ich bin müde und schläfrig von der Reise ----

(Er gähnt.)

Die Wache. Hier schläft man nicht! -- Fort! -- Der König kömmt! -- Macht
Platz! -- Auf! Fort!

Lus. Ist denn hier kein Gasthof?

(Der König Eduard nähert, und horcht lächelnd.)

Die Wache. Ist der Mann toll? Im Pallast des Königs einen Gasthof suchen
----

Lus. Wer wohnt hier?

Die Wache. Der König!

Lus. Wer hat vor dem König hier gewohnt?

Die Wache. Des Königs Vater!

Lus. Und vor des Königs Vater?

Die Wache. Des Königs Großvater!

Lus. Beym Henker! So ist es ja eine Herberg, wo ein Pilgrim nach dem
andern ausrastet. Mich soll kein Teufel von der Stelle jagen!

Der König. Die Stimme verräth ihn! -- Das ist mein Freund Lusian!

Lus. Und du bist mein König! -- Ich bringe dir aus fremden Landen nichts
mit als ein warmes Herz, das zu deinem Dienste bereit ist.

Der König. Du vergötterst mich, denn der Gottheit schenkt man Herzen.
Aber wie lang hast du mich deiner werthen Gegenwart beraubt!

Lus. Herr, was soll ein biederer Kerl von meiner Gattung unter den
Reifröcken machen? Die seidenen, kriechenden Hofbuben haben mich
verdrängt. Ich spreche, wie du weist, dreist von der Leber weg. Deine
Mutter fand meine Wahrheiten bitter, und legte mir die Wahl vor,
entweder in das Gefängniß, oder auf Reisen zu gehn. Ich wählte freye
Luft, und den Wanderstab, zog von Reich zu Reich, sah Narren in Menge,
und kehre izt mit Ebentheuern verherrlicht zu Dir zurück, weil ich
hörte, daß izt ein Mann herrscht! ---- Es giebt Krieg. Brauchst Du
meinen Degen?

Der König. Deinen Arm, deinen Kopf, und deine Zunge, denn dein Herz habe
ich schon,. Es giebt ein feines Stück Arbeit. Ich muß meine Unterthanen
demüthigen --

Lus. (schüttelt den Kopf) Unterthanen? -- Unterthanen! ---- Demüthigen,
sagst du? -- (Er nimmt Ihn bey der Hand, und führt ihn zu einem
Säulengesimse) Gieb izt wohl Acht! -- Geh leise! -- St! -- St! -- Hier
sitzen über hundert Fliegen! Ich will sie alle erschlagen? -- Ist das
keine Heldenthat?

Der König. Hahaha! Lusian! Ritter Lusian! Hundert Fliegen -- Eine
Heldenthat! -- Das ist eine Narrheit!

Lus. Und du foderst von mir, ich soll deine Unterthanen tödten, die
weniger als Fliegen sind -- Ein König mit furchtbaren Kriegsheeren
umringt! -- Monarch, ich bin kein Wolf, ich bin ein guter Schaafhund! --
Weh dem, der deine Heerde angreift, und wenn es ein Löwe ist, ich will
seinen Rachen zerreissen! -- Aber Lämmer, deine eigenen Lämmer, deine
geduldigen Schaafe ----

Der König. Du bist immer Lusian! ---- Wohlan, ficht wider meine
auswärtigen Feinde! ---- Ich ernenne dich zum Statthalter aller
Provinzen, die ich einst erobere. ----

Lus. Du lächelst? ---- Ich nehme das Geschenk mit Dank an. Wie viele
Könige führen den Titel von Ländern, wovon keine Spanne ihnen gehört!
Komm König, wir haben schöne Aussichten!




                            Scene bey Hof.


                           Eduard, Marsis.

Edu. Marsis, du lebtest am Hofe meines Vaters, schildre mir die
wichtigsten Personen deiner Zeit! -- Sprich mit deiner gewöhnlichen
Freymüthigkeit.

Mars. Ich will Eurer Majestät die Charaktere derjenigen entwerfen,
welche die Hauptrolle spielten, denn die Uebrigen waren gleichsam nur
Handlanger und stumme Aufwärter, die sehr wenig auf dem Schauplatz
erschienen, weil stets einer den andern verdrängte.




                             Charaktere.


König Jakob war in seiner Jugend schön, und liebenswürdig in seinem
Alter. Güte und Leutseligkeit grüßten sich auf seinem Antlitz. Er
verabscheute die Ränke und Arglist, und war freygebig. Die Wahrheit
stand stets auf seiner Lippe. Er liebte sein Volk, das ihn anbetete.
Alle gerechten Fürsten waren seine Freunde und Bundesgenossen. Dies
hielt einige ehrgeizige Nachbarn im Zaum, und er genoß durch seine
Tugend mehr Ruhe, als wenn er immer mit Kriegsheeren gedrohet hätte. In
seinem edlen Charakter bemerkte man keinen Flecken, als etwa eine
übertriebene Freygebigkeit, und Nachsicht gegen fremde Fehler.

Emilie, seine Gattinn war die berühmteste Schönheit ihrer Zeit. So
reizend ihr Körper war, so sehr verunstaltete sie ihre Seele durch
Ausschweifungen, die kein Ziel kannten. Sie verbitterte die sanftesten
Tage des Besten der Könige. Ihre zügellosen Begierden überschritten alle
Schranken. Pracht, Verschwendung, Stolz umschwebten sie. Sie liebte
Wechsel in ihren Lüsten, und ließ sich zu den schwärzesten Handlungen
herab. Unter der unzählbaren Menge ihrer Buhler spielte die erste Rolle
Feranson.

Feranson war der schlaueste Hofmann seiner Zeit. Er schickte sich in
alle Sättel; er spähte alle Launen, und Schwachheiten der Menschen, und
wuste sich darnach zu bilden. Jeder hielt ihn für seines Gleichen.
Laster und Tugenden wurden von ihm meisterhaft geäfft. Er fühlte nie
das, was man Gewissensbisse heißt, und war unempfindlich für den Ruf der
Ehre. Kein Günstling hat so wie er den glücklichen und reifen Zeitpunkt
einer Handlung gekannt. Niemand am Hofe durchdrang wie er mit einem
Blick alle Menschen, indeß er selbst unergründlich war. Er handhabte die
Höflinge nach seinem despotischen Willen wie Maschinen. Seine Günstlinge
waren Verschwender, Schwelger, und Leute, die sich ganz seinem Interesse
aufopferten.




                        Scene. Ein Speisesaal.


    Dornwald, Isidor, Hengist, Nordgau, Edmund, Rasian, und andere
                    Höflinge, Beliam der Hofnarr.

Hengist. (leise) Brüder, giebt uns heut der König vielleicht das
Henkermahl?

Nordg. Vermuthlich! Ich erwarte meinen feyerlichen Abschied.

Isid. Wir werden die Ehre haben, unsere Würden niederzulegen. Der König
wird ohne Zweifel grosse Wirthschaftsplane entwerfen --

Dornw. O das ist der erste und gewöhnliche Schritt aller
Staaten-Verbesserer, die alten Diener zu verabschieden, und den Hof mit
neuen Kreaturen von ihrer Schöpfung zu bevölkern.

Ras. Ich habe nichts zu verlieren. Ich war kein Freund des Feranson, und
folglich eine Hofnulle ----

Edm. Wir waren immer von den Speichelleckern der Königinn verdrängt.

Heng. Vielleicht gewinnen wir beym Wechsel. Ha, da kommt der Hofnarr!

Beliam. (singt)
   Der König spielt Triktrak;
   Der Hof ist ein Schnikschnak:
   Wir Frösche schreyn Quikquak!

Heysa, meine Herren Kollegen, lasset uns freuen, trinken, und essen auf
Rechnung des neuen Königs! -- Den guten Jakob hat sein Weib und ihr
Liebling gefressen. Wir als treue Vasallen wollen seinen Sohn verzehren.
Eduard ist ein Frischling. Von meinem Hunger schliesse ich, daß er
wenigstens in drey Tagen rein verschlungen ist. Meine Herren, Sie
lächeln? Glauben Sie etwa, daß er uns frißt? -- Warum soll er sich mit
Pickelheringen kasteyen? ---- Du armer Beliam, welches Narrenspital wird
dich in deinen grauen Tagen versorgen? ---- Ihr dauert mich alle; bald
werdet ihr hinter dem Ohre kratzen, und rufen -- Wie meynt ihr wohl?
---- Hört, ich will es euch im Räthsel erzählen. ----


                              Logogryph.

   Mich kennt zwar jedes Kind;
   Doch will ich izt die Greisen fragen,
   Sie sollen meinen Namen sagen,
   Weil sie so weise Männer sind.
   Bald werden alle staunend schweigen.
   Hört meinen Lebenslauf, der recht nach Wundern riecht!
   Mich hat der Sohn, der Vater kennt mich nicht.
   Jedoch bin ich der Gottheit eigen.
   Der König stümmelt mich; sein Volk bleibt mir getreu.
   Ich fliehe Zank und Meuterey.
   Ich hasse Weisheit, Laster, Tugend,
   Den frohen Witz, die Munterkeit, und Jugend.
   Der Sommer ist mein theurer Gast.
   Der Winter wird mir eine Last.
   Vergebens suchet mich der Held, und der Gelehrte.
   Den Künstlern war ich niemals hold.
   Ich meide Hauben, Hüte, Bärte.
   Von den Metallen schätz' ich Gold.
   Man misset mich in allen Elementen.
   Mir ekelt vor Verdienst und vor Talenten.
   Nie kannt' ich Neid, Verläumdung, Fluch,
   Mein Nam' ist freylich schwer zu finden.
   Doch wollet ihr das Räthsel leicht ergründen:
   So leset euer Namenbuch!

Wisset ihr, was es ist? -- Der kleine Buchstab O! -- Wir werden bald
alle rufen: O! O! O! Der König kömmt!




                                Scene.


             Der König, Lusian, Marsis, Gefolge, Vorige.

(Die Gegenwärtigen stehen in ängstlicher Erwartung. Beliam versteckt
sich komisch hinter ihnen. Alle neigen sich.)

Eduard. Meine Freunde, da führ ich Euch meinen werthen Lusian auf. Ihr
kennet seine Verdienste. Ich liebe Harmonie in meinem Hause. Ihr stehet
betroffen? Was beunruhiget Euch? Ich bin der Sohn eures Königs. Alle
Verdienste, die Ihr bey meinem Vater gesammelt habt, leben heut wieder
auf! ---- Alle Fehler, die etwa nach seinem Tode sich eingeschlichen
haben, werden von diesem Augenblick an vergessen! ---- Erfüllet eure
Pflichten als rechtschaffene Männer, und aus den künftigen Handlungen
will ich jeden von Euch beurtheilen, und belohnen. Mich rufen izt
dringende Geschäfte zu Alsin. Gehet zur Tafel, geniesset in Freude den
Segen des Himmels! ----

(Er grüsst alle, und tritt zum Gemach.)

(Die Höflinge staunen. Beliam schleicht demüthig hervor, und nähert sich
furchtsam dem König.)

Beliam (mit Rührung) Ich war der Narr deines Vaters --

Eduard (beschaut ihn, lächelt, und schlägt ihn auf die Achsel) So bist
du auch der Meinige! ----

(Er geht ab.)

(Beliam macht einen Rundsprung, und küßt alle Höflinge.)

Beliam. O du Herzkönig! Du sollst leben, und alle Chartenkönige stechen!
---- O du Sohn meines lieben Jakobs, Segen auf Dich! Noch die Urenkel
der unsterblichen Narren sollen Dich segnen, weil du mich ihren
Großvater begnadigst. Heut will ich deine Gesundheit trinken, Du grosser
Eduard! -- Ich fodere jeden zum Kampf auf! ---- Ich setze meine Nase zum
Pfande ---- Nicht jeder Edelmann ist so reich wie ich! ----

Hengist. Ich nehme die Ausfoderung an. Ich bin heut in der Freude meines
Herzens! ---- Her die vollen Becher, wenn ich überwunden werde, so soll
mein Sohn mich rächen! ---- Es lebe der König!

Alle (trinken) Es lebe Eduard!

Beliam. Schenkt ein!

Hengist. Zum Henker, macht die grosse Freude mich verlegen? Der Bube
haut mich zu Schanden ----


                             Parodie.[4]

   O welche Schande fällt auf meine grauen Haare!
   Erlebt' ich nur mit Ruhm des Alters höchste Jahre,
   Damit ein schwarzer Tag mir edle Lorbeern bricht;
   Damit mein graues Haupt beschämt zur Erde kriecht;
   Die Kehle, die so oft den lauten Beyfall hörte,
   Die der Trompetenschall als Siegerinn beehrte,
   Die Kehle wird besiegt, verliert die Wunderkraft,
   Verschmäht den Göttertrank, den süssen Rebensaft.
   Gedächtniß schlummre doch, zeig mir nicht grosse Scenen!
   Ich seh' auf sie zurück mit Quaal und heissen Thränen.
   O damals focht ich noch als Sieger jugendlich.
   Der Ruhm der Jahre flieht, die Schlappe schändet mich.
   Doch laß uns nicht so lang von Niederlagen sprechen:
   Laß uns den Frevel kühn an unserm Feinde rächen!
   Ich trage nicht den Schimpf bis in das kalte Grab;
   Zuerst leg ich mein Amt als erster Mundschenk ab.
   Flieg in die Luft Krystall, in dessen klarer Hülle
   Der starke Weingott thront! Dies ist mein letzter Wille.
   Du bist nicht mehr mein Schmuck; ich bin für dich zu alt.
   Ich trinke nicht als Held; ich kämpfe träg und kalt.
   Ich will nicht mehr dem Ueberwinder lügen.
   Du goldner Kelch leb wohl! Du zeugst von meinen Siegen.
   Eil, such dir einen Freund, erneure das Gefecht,
   Such einen Ritter auf, der meine Schande rächt! ----
   Sprich, hast du Herz mein Sohn?

[Fußnote 4: Sieh von Korneille das Trauerspiel Cid. Der sechste und
siebente Auftritt enthält den Stoff der Parodie. Diego wird von seinem
Gegner durch eine Maulschelle entehrt, zieht den Degen, wird entwafnet,
und beseufzet seine Schande. Sein Sohn Roderich übernimmt die Rache.]

Der Sohn.
      Kein andrer sollte fragen,
   Er würde schon den Lohn von seinem Frevel tragen!

Der Vater.
   Wie schön läßt dieser Zorn, wie labt mich deine Glut,
   Denn mein gerechter Schmerz erwartet edle Wuth!
   Du bist mein ächtes Blut; in diesen Feuerzügen
   Lebt meine Jugend auf; du sollst den Feind besiegen!

Der Sohn.
   Sprich Vater, wer entehrt dein lorbeerreiches Haupt;
   Wer hat den Ruhm, der dich unsterblich macht, geraubt?

Der Vater.
   Ich fiel, ich fiel, O Sohn, im schändlichsten Gefechte;
   Ich bin bereits zu schwach; beschütze meine Rechte!
   Nimm diesen theuren Kelch, beginn den ersten Krieg,
   Erobere mein Sohn für mich den ersten Sieg!

Alle Höflinge. Bravo!

Beliam. Noch nie hat ein Sohn für seinen Vater so willig, so tapfer
gefochten! Ich gebe mich überwunden! Du saufst den König arm aus
kindlicher Liebe.

Isidor. Lasset izt euren Witz aufsprudeln! ---- Ihr wackern Brüder, hört
mein Trinklied ----


                             Leberreime.

   Wenn mir die vollen Gläser blinken,
   Soll ich denn nicht wacker trinken?
   Holder Weingott, meinen Gruß!
   Izt will ich auf Rosen sinken,
   Und dem frohen Amor winken;
   Süsses Mädchen, einen Kuß!

Alle. Es lebe der König!

(Eduard erscheint, winkt allen zu bleiben, und setzt sich in ihre
Mitte.)

Eduard. Aus eurer Munterkeit, meine Freunde, erkenne ich euer Zutrauen.
Mindert eure Freude nicht, ich will daran Theil nehmen.

Lusian. Izt kann ein ehrlicher Kerl wieder am Hofe lachen. Die Weiber
sind weg. Es lebe der König! Ich will meinen Lieblingsgesang singen.


                              Rundlied.

      Hütet euch vor Weiberhauben,
      Schließt den Mädchen euer Haus;
      Anfangs girren sie wie Tauben,
      Doch sie brüten Geyer aus.

   Späht den Lebenslauf der Schönen;
   Prüfet ihr verstelltes Herz!
   Lernt das Spiel von ihren Thränen,
   Ihre Launen, ihren Scherz.

      Hütet euch vor Weiberhauben,
      Schließt den Mädchen euer Haus;
      Anfangs girren sie wie Tauben,
      Doch sie brüten Geyer aus.

   Hört die trotzigen Befehle!
   Welche Stürme kocht die Brust!
   Immer nähret ihre Seele
   Neue Wünsche, neue Lust.

      Hütet euch vor Weiberhauben,
      Schließt den Mädchen euer Haus;
      Anfangs girren sie wie Tauben,
      Doch sie brüten Geyer aus.

Der König. Lusian, du bist weit gereiset, erzähle doch der Gesellschaft
deine Ebentheuer.

Lusian. Ein Theilchen liegt auf der Zunge.


                          Reisebeschreibung.

Ich durchwanderte viele Königreiche, und fand oft wunderbare Geschöpfe.
Ein Ungefähr führte mich in eine seltsame Insel, die von Mücken und
Grillen wimmelte. Der Handel lag hier meistens danieder, man handelte
nur mit Fliegenwedeln, weil die Bewohner so sehr von den Mücken geplagt
wurden. Ueberall fand man wunderliche Grillen. Die Universitäten, die
Schaubühnen, die Schulen, die Tanzsäle, die Rathhäuser hatten ihre
besondere Gattung von Grillen. Der König nährte seine Grillen, und die
Unterthanen folgten seinem erhabenen Beyspiele. Der oberste
Staatsgrillenküzler versah seine Majestät täglich mit neuen politischen
Grillen. Eines Tags träumte der König von einer Originalgrille, die noch
in keiner Grillensammlung zu finden war, und die wenigstens tausend
Tonnen Goldes und eine halbe Million Menschen kostete. Was schiert das
den Monarchen, seine Lieblingsgrille ward ausgeführt. Es war der
Grillenfängerey kein Ende. Die Unterthanen murrten heimlich über manche
durchlauchtige Grille, und beschwerten sich, daß nicht nur innländische,
sondern auch fremde Modegrillen ihnen zur Last fielen. Allein der König
liebte nichts, als Grillen. Mit einer neuen Grille konnte man bey Hofe
sein Glück machen. Die Grillenprojektanten theilten unter sich die
schönsten Würden, und erschöpften die königlichen Kassen. Da man wohl
einsah, daß man nur mit Grillen sein Glück beförderte; so blühte lang
der Hang zur Grillenfängerey. Die weiblichen Grillen waren die
Veränderlichsten und Artigsten. Die Gelehrten wetteiferten mit den
Schönen, und heckten so ungeheure Grillen aus, daß sie nur den häßlichen
theologischen Grillen an komischer Gestalt wichen. Ich verließ mit
Unwillen diese grillensieche Insel. Ich eilte fort, und kam in die Stadt
der Klopffechter. Hier war das berühmte und ritterliche Faustrecht noch
in der ersten Mode. Alles geschah mit despotischer Gewaltthätigkeit. Der
König des Landes bewies seine gerechten Ansprüche auf die Güter seiner
Unterthanen und Nachbarn sonnenklar, indem er seine Patente durch
viermalhunderttausend wohlbewafnete Blutzeugen unterstützte. Mit der
Pistole in der Faust lehrte man auf dem Katheder die Rechte des
Landesfürsten. Weh dem, der nur einen unterthänigen Zweifel nährte. Die
Gottesgelehrten predigten mit dem blossen Schwerte, und bewiesen die
dunkelsten Sätze so gründlich, daß sie täglich Proseliten machten. Auf
allen Thüren der Rathssäle stand die Inschrift: ^Stat pro ratione
Voluntas!^ ---- Ich zog hastig weiter. Hin und wieder sah ich allerhand
Seltenheiten. Die Menschen sind sehr erfindsam. Eine besondere
Lustbarkeit ist an grossen Höfen --


                           Der Maskenball.

Der Maskenball ward am hellen Tage bey Hofe gegeben. Die Masken waren
sinnreich gewählt. Die Furchtsamen bedeckten sich trotzig mit
Löwenhäuten. Die Gleißner trugen den ehrwürdigen Priesterrock. Die
schlauen Hoffüchse versteckten sich unter Lammfellen. Die berufensten
Metzen borgten das weisse Brautkleid, und spielten ihre künstlichen
Rollen im jungfräulichen Grazienschmucke. Die Dummköpfe hüllten sich in
Staatsperücken, und Magistratmäntel. Die Müßiggänger machten sich mit
Ordenszeichen wichtig. Das Alter bedeckte seinen grauen Bart mit einer
jugendlichen Larve. Die Zwergen vergrösserten sich mit Kothurnen zu
Riesen. Alle äfften ihre Scheincharaktere so natürlich, daß nur Kenner
sie entlarvten.


                           Marionetenspiel.

In den Städten und an den Höfen unterhält man sich mit einem sinnreichen
Puppenspiele. Man sucht Figuren von verschiedenen Ständen, Fürsten,
Grafen, Baronen, Bürger, Beamte, Künstler, Gelehrte. Sie sind so
natürlich gemacht, daß man schwören sollte, sie wären ächte Menschen;
aber sie haben keine Seele. Sie sitzen, gehen, stehen, schlafen, essen,
trinken, lachen, sprechen, ohne daß man die verborgenen Schnüre sieht,
welche diese Maschinen in Bewegung setzen. Die Triebfedern sind
verschieden. Oft eine schwache weibliche Hand belebt ungeheure Kolossen.


                            Taschenspiel.

Das Taschenspiel wird am Hofe bis zur Vollkommenheit gebracht. Die
Behändigkeit der Zunge, und der Finger zeugt jene Zauberey. Alles
verwandelt sich, entflieht auf einen Wink; kömmt wieder durch einen
Hauch. Man giebt, ohne zu geben. Man nimmt, ohne daß man den Räuber
entdeckt. Alles ist verabredet. Den staunenden Zuschauern wird nicht
Zeit gelassen zu überdenken, durch welche Griffe alles geschieht, und
wenn sie die Ursache untersuchen wollen, ist alles schon geschehen.


                            Schattenspiel.

Dieses ist das Meisterstück der Grossen. Sie versetzen ihre Zuschauer in
eine ewige Nacht; verbergen sich hinter einer Schleyerwand, und gaukeln
über ein Licht wunderliche Grimassen. Dadurch erhalten alle ihre
Handlungen jene täuschende risenmäßige Grösse, die für scharfsichtige
Augen zwar immer Gaukeleyen sind, den blödsinnigen Pöbel aber in
Erstaunung setzen, und ihm eine kriechende knechtische Ehrfurcht für die
grossen Schattenspieler abnöthigen.


                 Die Zauberlaterne und der Gukkasten.

Die optischen Maschinen sind auch ein Blendwerk, das man mit Licht und
Schatten am Hofe sehr glücklich anwendet. Das seltsame Gemische von
grotesken Figuren, neuen Masken, phantastischen Scenen, Handlungen,
Geberden der Zauberlaterne zeiget die wunderbaren und flüchtigen
Auftritte der königlichen Burg. Man bedarf eines beredten Einsagers, der
mit rascher Zunge seine Zuschauer zubereitet, denn in einer Minute
verschwinden die Vorstellungen, und neue Begebenheiten verdrängen die
Alten.

Alle. Hahaha! Das war eine feine Satyre!

Mars. Izt etwas von der Liebe, meine Freunde!


                               Sonnet.

      O Amor, schönster Gott, hör meine lezte Bitte!
   Sey meiner Liebe hold, dies soll die Gnade seyn.
   Der Wunsch ist für mich groß, für deine Kräfte klein;
   Wie oft empfand mein Herz Beweise deiner Güte!
      Du warst mein Busenfreund, du lenktest meine Schritte;
   Wer kann so fromm wie ich dir täglich Weihrauch streun?
   Wen wird dein Lächeln mehr als meine Brust erfreun?
   Sie glüte nur für dich schon in der ersten Blüte.
      Von dir beseelt steh ich izt in der Lebensmitte.
   Mich reizt die Grösse nicht: ich geize nicht um Aerz;
   Du labest mich allein; durch dich entflieht der Schmerz.
      Besuche süsses Kind noch einmal meine Hütte!
   Dir folget jede Lust, Du bringst den sanften Scherz
   Durch deine Gabe mit; schenk mir Sophiens Herz.

Rasian. Ich zahle dich mit einem ----


                              Madrigal.

   Du buhlest um mein Herz, Rosine?
   Betrachte besser deine Miene;
   Schlag heimlich den Kalender auf,
   Und überdenk den ganzen Lebenslauf!
   Izt sind es volle dreyßig Jahre,
   Da warst du mir zur Braut zu jung.
   Ich lud dich später zum Altare,
   Und hörte mit Demüthigung,
   Du seyst bereits, ich weiß nicht, wem versprochen.
   So war die Zärtlichkeit bezahlt.
   Izt kömmt die lezte der Epochen.
   Du scheinest mir, ich sag es frey, zu alt,
   Das macht auch meine Liebe kalt.

Der König. Wer ist der Verfasser?

Ras. Ein Dichter, der mit den Reifröcken zerfallen ist, und vermuthlich
in einem Krankenspitale hungert.

Der König. Der Mann scheint mir Kopf zu haben.

Ras. Er schrieb auf sich selbst dies lezte ----


                               Epigram.

   Die Menschen fliehen ihn wie eine Schlange;
   Was mag die Ursach seyn? Ist er Medusens Schild?
   Zeigt seine Larve sich mit eingeschrumpfter Wange;
   Sind seine Züge häßlich wild?
   Macht eine Krankheit ihn so stinkend wie die Leichen?
   Ist er beschwert mit bösen Seuchen?
   Zernagt ihn innerlicher Harm,
   Und macht ihn wild und ungesellig?
   Ist er zu ungestüm, zu ungefällig?
   O nein! Erstaunt! Er ist -- zu arm.

Der König. Ich will mich seiner erinnern. Verdienste sollen nie darben!
Sucht sie auf, ruft sie aus den Schlupfwinkeln, und es soll mein
schönstes Geschäfte seyn, sie zu belohnen!

                      Ende der ersten Kaprizze.




                         Der Jüngling Eduard.
                           Zweyte Kaprizze.




                             Biographie.


Das Leben grosser Könige ist das Vorbild, und die Schule der Herrscher.
Sie sehen die Tugenden, die sie erreichen sollen, und die Fehler, die
ihre Vollkommenheiten entstalten, und ihr Gedächtniß bey der Nachwelt
verächtlich machen. Der Donner der Wohlredenheit und der Pinsel der
Wahrheit verewiget entweder ihr Lob, oder ihre Schande. Eduard ist einer
von den besondern Fürsten, deren edlere Thaten die Aufmerksamkeit
späterer Geschlechter verdienen. Die ersten Jahre seiner glorreichen
Regierung sind rühmliche Beweise der erhabensten Eigenschaften, und das
Muster grosser Monarchen.

Die gütige Natur erschöpfte sich gleichsam, in ihm ausserordentliche
Gaben als in einem Mittelpunkte zu vereinigen, und ihn zum Meisterstücke
der erstgebornen Genien zu bilden. Seine erhabene Miene verrieth seinen
königlichen Stand. Sein Wuchs war schön, seine Züge einnehmend, und
seine Suada bezaubernd. In ihm versammelten sich alle schätzbaren
Eigenschaften seiner würdigen Ahnen, und vielleicht aller kommenden
Enkel. Sein Herz war groß und zärtlich, und sein Geist durchdringend und
erlaucht. Sein Auge war scharfsichtig; er spähete die Verdienste, und
selten entwischten sie seinem Adlerblicke. Die Rechtschafnen freuten
sich, denn sie sahen in ihm einen billigen Richter, der ihre Treue und
Geschicklichkeit prüfte, und belohnte; die Verdienstlosen hingegen
wurden desto mehr beschämt, weil schon die entehrende Ausschliessung von
den Gnaden ihres wohlthätigen Landes-Fürsten ihre Schande bezeichnete.
Da er den Charakter der Menschen mit einem Blick übersah; wuste er die
unentbehrliche Kunst weiser Regenten jeden an seinen ächten Platz zu
stellen, und jede Fähigkeit zu benutzen. Er kannte andere, ohne sich
selbst ergründen zu lassen. Doch haßte er die alberne Grimasse feiner
Politiker, die aus Kleinigkeiten Geheimnisse machen. Nur Hauptgeschäfte,
deren glücklicher Erfolg von einem heiligen Stillschweigen abhieng,
wurden von ihm in eine tiefe Nacht gehüllet. Er ließ seine Nachbarn
nicht bey jedem Schritte zittern; seine Verheissungen waren
unverbrüchliche Schwüre, und seine Bündnisse so ehrwürdig wie Eide.
Seine Handlungen blieben allezeit königlich. Er gab seinen Thaten eine
majestätische Grösse; seine Gedanken und Worte verriethen, aus welcher
vortreflichen Seele sie ihren Ursprung zogen; er nahm nicht Zuflucht zu
übertriebnen Gepränge; aber er würdigte nie seinen Stand durch geizige
Sparsamkeit ab, damit er den Künstlern die Nahrungswege nicht
beschränkte. Er liebte in allen Kunst und Geschmack; seine Gebäude
prangten als Denkmäler, welche den Staat verschönerten, und den
Fremdling in Erstaunung setzten. Sein Leben war einfach, aber
wohlgeordnet.

Im Frieden, den er liebte, theilte er weislich seine Stunden. Früh
begann er die Reichsgeschäfte. Er suchte die Kürze, und haßte die
Weitschweifigkeit und Dunkelheit des Vortrags. Seine Minister und Räthe
mußten gründlich von den Gegenständen unterrichtet seyn. Den Nachmittag
widmete er dem Umgang mit allen Menschen, und hatte jeder Stand seinen
ausgezeichneten Tag, in welchem jeder das Antlitz seines Königs sehen
konnte. Der erste Tag der Woche ward den Staatsleuten gewidmet; der
zweyte den Kriegern; der dritte den Gelehrten, der vierte den Künstlern,
der fünfte den Kaufleuten, der sechste den Priestern, der siebente den
Ackersleuten, und der achte dem schönen Geschlechte, in dessen Umgang er
die Artigkeit zu suchen pflegte. In diesen Stunden sprach er mit
Jedermann wie ein Bruder zum andern, und klärte sich so auf, daß jeder
ihn für einen Meister in seinem Fache hielt. Die Höflichkeit war jene
Zauberey, womit er alle Herzen fässelte; er schien unwiderstehlich im
Umgang. Seine Reden schlichen so sanft in alle Ohren, und drangen so
rasch zum Herzen, daß er alles hinriß. Nie sprach er von sich selbst. Er
lobte verdienstvolle Männer. Nie war er bescheidner, als nach gewonnenen
Schlachten, und niemals demüthiger als im Glücke. Selbst seine Feinde
preisen an ihm diese seltne Tugend; aber nie schien seine Seele grösser
und thätiger als in Gefahren, die sein geliebtes Vaterland bedräuten. Er
war wie eine Löwin, die ihre Jungen vertheidiget. Seine Augen glüten, er
war Tag und Nacht auf den Flügeln, und er ruhte nicht, bis er die Stürme
beschwur, und die Wolken zertheilte. Jemehr Feinde wider ihn aufstunden,
destomehr Gelegenheit fand er seinen Ruhm zu vergrössern. Ein Seemann
wird in Ungewittern geprüft. Er kannte die Ebbe und Flut des Glückes,
und nützte die goldenen Augenblicke, in denen es ihm lächelte. Die
Gnaden, die er ertheilte, und versprach, waren so gewiß, daß man sie
gleichsam schon empfieng, wenn er sie verhieß. Nie brach er sein Wort,
weil er nichts ohne reife Ueberlegung zusagte. Geprüften Gelehrten gab
er einen Gehalt zur Aufmunterung, um sie in den Stand der nöthigen Musse
zu versetzen, die ihr Studium erfoderte. Würdige Witwen, die Kinder zu
erziehen hatten, konnten Anspruch auf seine Güte machen, und er foderte
Rechenschaft von der Verwendung seiner Gnaden. Wenn rechtschaffene
Männer durch Unglücksfälle darbten: bot er ihnen eilends Hülfe an;
warum, pflegte er zu sagen, wendet ihr euch nicht an mich, und vertraut
eure Bedürfnisse eurem Freunde? Da er wuste, daß die Armuth die Mutter
aller Laster ist; so war er der Vater der Armen. Leute, welche das Alter
oder ein gebrechlicher Körper ausser Stand sezte, das Brod zu gewinnen,
wurden von seiner Milde erhalten, und er zählte sie unter die Säuglinge,
die er als Waisen ernährte. Andern Bedürftigen wies er gute Nahrungswege
an, und sie wohnten in einer Vorstadt beysammen, durften auch so lange
nicht in Städten sich niederlassen, bis sie durch Fleiß ein kleines
Vermögen sich erwarben. Er ehrte alle Stände, wie ein Vater alle seine
Kinder gleich liebt. Er gab keinem Stande eine Vorliebe, und keinem eine
Ausschliessung. Jeder in seiner Gattung war geschätzt, und von ihm
geehrt. Der Vater vieler Kinder genoß besondere Vortheile. Er ließ dem
Adel fühlen, daß ohne eigne Verdienste das Ungefähr einer hohen Geburt
ein blosser Schatten ist, und der Adel nur eine Aneiferung zu
ausserordentlichen Tugenden, nicht aber ein Freybrief des Müßiggangs
seyn sollte. Er zog die Talente aus der Dunkelheit hervor, und suchte
die schüchterne Bescheidenheit auf, wo sie im Winkel darbt. Die Beamten
durften sich durch Wissenschaften aufklären, und er hielt nicht wie
viele barbarische Grosse die Unwissenheit für ein Zeichen der Treue und
des Fleisses. Jeder konnte Anspruch auf Würden machen, wenn er nur
Fähigkeit besaß. Jeder Bürger erfreute sich im Genusse seiner Güter. Ich
bin ein Hausvater, sagte Eduard, die erste Pflicht eines liebreichen
Hausvaters ist, von seinen Kindern geliebt zu werden, ihnen den
Aufenthalt in seinem Hause lächelnd zu machen, damit sie sich nicht um
fremde Wohnungen sehnen, und vergnügt sind, in seiner Hütte zu leben.
Die Gesetze werden liebreich, wenn er sie überzeugt, daß alle zu ihrem
Wohl, und zur allgemeinen Glückseligkeit abzielen. Er liebte zu sagen,
alle Fehler der Könige tragen ihre Unterthanen.

War er im Felde; so übersah er nicht nur die Würde des Anführers,
sondern er ward ein gemeiner Soldat; und wenn er die Heere in
Schlachtordnung stellte, und das Treffen entwarf, theilte er alle
Gefahren mit seinen Kriegern. Seine Unterthanen, die ihn wie einen Vater
liebten, hatten zum Sprüchwort: Die Tapferkeit ist unsers Königs
einziger Feind, die uns für seine kostbaren Tage zittern macht. Wer die
Geschwindigkeit seiner Thaten bemerkte, glaubte, daß Eduard fliegen
müßte, und wer die Grösse und Wichtigkeit der Handlungen prüfte,
erkannte, daß er nicht eilen konnte. Man bedurfte oft mehr Zeit, seine
Thaten zu erzählen, als er, sie auszuführen. Die Gelassenheit war ein
besonderes Zeichen seines erhabnen Verstandes, und er hatte die gröste
Herrschaft über sich selbst. Die sanfte gütige Art, womit er alle
Handlungen und Worte würzte, legte ihnen einen doppelten Werth bey; die
Gnaden wurden unschätzbar, und selbst eine verweigerte Bitte ward zur
Gnade.

Er liebte zärtlich sein Volk, und unterschied den Bürger weislich vom
Fremdling; dadurch pflanzte er die Liebe zum Vaterland in alle Herzen.
Ein Land, das seine Kinder geringschäzt, wird von ihnen verachtet, und
verlassen. Das Glück seines Volks war sein reichster Segen. Er liebte
nicht Leibwachen, und wandelte frey unter seinen Söhnen. Seine
Rathschlüsse waren meistens bekannt, er ließ seine Unterthanen alle
Plane und guten Absichten wissen, und sagte: Ich liebe keine schädlichen
Neuerungen, und habe kein Staatsgeheimniß. Ein wohlgeordnetes Heer von
treuen Landeskindern, und der Reichthum meiner Bürger ist meine Politik!
Sklaven fechten nur aus Zwang für Ketten und Gefängniß, freye Bürger,
die ihr Vaterland lieben, sind die Stützen eines gerechten Thrones.

Er handhabte mit Standhaftigkeit die Gesetze, die alle nur zum Wohl der
Länder abzielten, wenig, einfach, und verständlich waren. Oft weinte er,
wenn er ein Urtheil unterschrieb, und er milderte gern die Strenge. Er
strafte kühne bundbrüchige Nachbarn: er beschränkte den Ehrgeiz
habsüchtiger Könige; er kam unterdrückten Freunden zu Hülfe; er schonte,
wo er Langmuth zeigen konnte; er wog das Blut auf der Goldwage, und zog
nur gezwungen das Schwert. Die Feinde fürchteten seine Gerechtigkeit. Er
hungerte nie nach fremden Gütern. Wurden feindliche Schiffe auch in
Kriegszeiten durch Stürme an seine Gestade geworfen; so gab er
großmüthig Befehl, sie frey zu lassen, und ihnen alle Bedürfnisse zu
reichen, weil er sich keines Ungefährs zum Vortheil bedienen wollte.
Dies machte ihn zum Mittler und Schiedsrichter aller Nazionen, die seine
Gemüthsbilligkeit kannten.

In seinem Pallast hatte jeder freyen Zutritt. Lasset das Volk herein,
rief er oft den Wachen zu: ich bin nicht König für mich, sondern für
sie! Er strafte freche Zungen. Es sind nur Worte, sagte einst dreist ein
Höfling, und Worte sind keine Pfeile! Desto ärger, rief Eduard! Pfeile
durchdringen nur den Körper; aber Worte verwunden die Seele und das
Herz! Die Verschwender waren nie seine Lieblinge. Ein verschuldeter
Edelmann lud ihn auf einer Reise zu Gast. So müssen wir eilen, meine
Freunde, sprach Eduard zu seinem Gefolge, sonst kommen wir zu spät. Da
er in das Haus des Verschwenders trat, fragte er, wem gehört dieser
Pallast? Dir mein Wirth? Wenn es wahr ist; so wünsche ich dir Glück!

Eduard war gütig, leutselig, sanft und uneigennützig. Jeder Tag wurde
durch edle Handlungen bezeichnet, und wie eine Meile gepflegtes Land
mehr ist, als eine Wüsteney von hundert Parasangen; so ist ein Blatt
seiner Geschichte wichtiger, als ganze Bände unfruchtbarer Jahrbücher,
die der Nachwelt nichts weiter sagen, als daß viele Könige Thoren
gewesen sind.




                                Brief.
                       Lusian an seinen Freund.


Bruder, wir haben Krieg. Unser Eduard beginnt seine Regierung damit, daß
er von seinen wilden Nachbarn die Länder zurückfodert, die sie unter der
schlafsüchtigen Herrschaft der wollüstigen Emilie gewaltsam an sich
rissen. Die feindlichen Könige hören mit Verachtung seine gerechten
Foderungen, behandeln ihn wie einen unweisen Jüngling, verspotten dreist
seine Gesandten, und senden ihm einige Kriegsgefangene schändlich
verstümmelt zurück. Der Krieg ist erklärt. Wir fliegen an die feindliche
Gränze, und stehen vielleicht schon auf fremder Erde, wenn unsere Feinde
erst unsere Kriegserklärung lesen. Eduard ist lauter Leben und
Tätigkeit. Ich folge seinen hastigen Schritten, und umarme dich in
Gedanken, u. s. w.




                                Scene.


   Eine Ebne. Eduard, Lusian, viele Krieger, hernach Ritter Piron.

Edu. Mein lieber Lusian, unsere Geschwader werden durch Freywillige
bevölkert, die sich von allen Seiten zu unserer Fahne drängen.

Lus. Ich finde wackere Leute darunter. Betrachten Eure Majestät nur jene
muntere Jugend von Edelleuten, es ist lauter Feuer und Seele in ihnen!
Man muß sie mit gedienten Leuten vermischen.

Edu. In der That, sie entzücken mein Auge! ---- Warum lächelst du?

Lus. Dort eilt auf einem Klepper ein wunderbares Geschöpf; welch ein
Kontrast!

Edu. Die Natur hat das arme bucklichte Männchen sehr mißhandelt. Er
drängt sich zu uns durch die Haufen. Was muß er wollen?

Piron. Ich lege mich Eurer Majestät zu Füssen ----

Edu. Was suchst du, mein Freund?

Piron. Kriegsdienste --

Edu. Du bist ein wenig übel gebaut --

Pir. O sehr übel; aber ich bin kein Parlament, daß ich mir selbst
Glieder wählen könnte. Die Natur macht den Körper; aber ich habe meinen
Kopf und mein Herz gebildet!

Edu. Wie heissest du?

Pir. Piron --

Lus. Der Name ist gnug! -- Er ist mein Landsmann, aus einer Familie, die
Helden zeugte, und ich nehme ihn mit Eurer Majestät Erlaubniß unter
meine Geschwader. Bruder Piron, laß uns zeigen, daß nur der Kopf und das
Herz tapfre Krieger macht!




                               Bardiet.


   Arnold, Dietrich, Gotmayer, und andere Hauptleute. Hedwig Arnolds
     Gattin, viele Jungfrauen, Krieger, Druiden, Barden, hernach
                      Adelreich und Gefolge.[5]

(Die Scene ist ein Schlachtfeld und die benachbarten Gegenden.)

Arnold. Lassen wir die Cherusker im Hinterhalt! -- Mäßiget eure
voreilige Hitze! ---- Erwartet das Zeichen des Angriffs! ---- Wir fallen
den Feinden in den Rücken!

Dietr. Kühn sind unsre Anschläge, noch kühner mein Vorsatz! -- Bruder,
wenn ich falle; so laß mich mit meinen Waffen begraben!

Arn. Der Prüfungskampf weissaget uns Sieg.[6] Mein jüngster Sohn hat den
Römer besieget!

Dietr. Sind es nicht erst zwey Monden, daß du ihm feyerlich die Waffen
reichtest?

Arn. Der Nämliche!

Dietr. Welche Hofnung reifet für Deutschland heran! Freund, meinen
Glückwunsch! ---- Du bist Vater edler Söhne! ---- Ha! Gotmeyer! --
Priester unserer Götter sey uns gegrüßt! ---- Was weissagen die Opfer?

Gotm. Sieg! -- Das Blut floß rein wie eine Quelle!

Arn. Bleib mit deinem Gefolge im Rückzug! Ich gebe Euch tapfere Haufen
zum Schutze. Verdoppelt eure Opfer, es ist heut ein entscheidender Tag!
-- Ihr Barden befeuert mit Kriegsgesängen die Herzen der Streiter! --
Die sichersten Gräben und die Wagenburg umringen die Freystäte der
Weiber und Kinder. ---- Hedwig, meine theure Hedwig, mein Lebewohl! ----
Ich lasse dich von Söhnen und Töchtern umringet!

[Fußnote 5: Den Musen sey Dank! Ich hasche mit Begierde diese gewünschte
Gelegenheit mein bischen Belesenheit in der Nationalgeschichte glänzen
zu lassen. In der ersten Hitze wollte ich einen ganzen Band von den
Sitten und Gebräuchen der Deutschen schreiben; aber endlich habe ich bey
kälterm Blut meine Leser begnadigt, und mich auf einige Kleinigkeiten
beschränkt. Welche großmüthige Gefälligkeit von einem Kommentar! Oft bin
ich willens meine Leser fühlen zu lassen, was es ist, ein Kommentar zu
heissen. Der Dichter geht hier mit einem magischen Sprunge von einer
modernen Schlacht in eine Altdeutsche über, und verändert nach seinem
Belieben die Namen selbst. Adelreich ist Eduard, und die übrigen sind
seine Obersten.]

[Fußnote 6: Sie liessen einen Deutschen und einen gefangenen Römer
fechten, und der Ausschlag des Zweykampfes war ihre Weissagung.]

Hedw. Der Segen der Götter begleite dich, Freund meines Herzens! Das ist
ein Tag wie mein Brauttag! Ich sehe den Gatten und die Söhne für das
Vaterland streiten! -- O mein Sohn Adolph, Segen auf dich! -- Die
mütterliche Thräne ist mein wärmster Glückwunsch! -- Götter, lasset
seinen Sieg zum allgemeinen Siege werden! -- Junger Adler, flieg den
raschen Fittigen deines Vaters nach!

Arn. Dank Weib für diesen Segen! -- Meinen Abschiedskuß! -- Der Führer
kömmt!

Adelr. Willkommen, meine theuren Freunde! -- Der warme brüderliche
Handschlag sey unsere Loosung! ---- Der Feind nähert; unsere ersten
Haufen beunruhigen seinen Zug! -- Freymund, wende dich links in das
Eichenthal! -- Tuder, zieh dich gegen das Harzgebüsche! Vangio, behaupte
die Spitze des Mondhügels! -- Ihr andern bedeckt die Wagenburg und den
Altar! -- Gotmayer --

Gotm. Wie soll ich die Verbrecher strafen?

Adelr. Verräther hänget auf die Bäume; Verzagte ersäufet in den Pfützen!
-- So wird der schwarze Frevel an das Licht gebracht, und die Schande
begraben! ---- Ich höre Schlachtgeschrey -- Dort blinken die Adler der
Römer! ---- Zur Schlacht!

(Er geht ab mit seinen Kriegern.)

Gotm. Druiden beginnet das Schlachtopfer! -- Ihr Jungfrauen befeuert mit
euren Kriegesgesängen die Krieger!

                         Chor der Jungfrauen.

      Sehet die dräuenden Schaaren! Sie wanken daher
   Wie die goldenen Aerndten im Felde,
   Furchtbar den Feinden, uns aber hochzeitlich schön!
   Seht, sie bevölkern das schreckliche Todesthal,
   Das die Besiegten verschlingt!

      Auf, ihr Cherusker, Gelonen, ihr Heruler auf!
   Katten, ihr Ubier, ihr Markomannen,
   Auf ihr Gothonen, ihr Sueven, ihr Hirrier eilt!
   Ha! Schon brüllet das Schlachtgeschrey fürchterlich;
   Häufiges Feindeblut fliesst!

      Sehet, sie klettern auf Leichen und Schedeln empor!
   Und die zermalmten Iberier röcheln,[7]
   Unter dem Hufe des schnaubenden Rosses! O jauchzt
   Freudengesänge dem siegenden Helden zu,
   Der unser Vaterland liebt!

      Wodan, durchmähe mit grimmigem Schwerte das Feld;
   Schrecke die staunenden Schaaren der Feinde,
   Mit dem Donnergebrülle der Räder; laß sie
   Eilen mit Schande zur ewigen Todesnacht,
   Die nie Vallhalla bewohnt.

Gotm. Unsere feurigen Katten stürmen schon unter die Feinde! ----
Opferknabe, steig dort auf die höchste Eiche! ---- Was siehst du?

Der Jüngling. Die Römer weichen! ---- Nein, es sind ihre Bundesgenossen
----

Gotm. Wo ist Adelreich?

Jüngl. Er wirft ganze Geschwader zu Boden! ---- Alles weicht seiner
Tapferkeit!

Gotm. Segen auf sein Haupt! Wie geht es am rechten Flügel?

Jüngl. Da fechten die Römer hartnäckig!

Gotm. Barden, wendet Euch dahin! Beginnet ein feuriges Schlachtlied!

[Fußnote 7: Iberier, Spanier als Bundesgenossen Roms vertreten hier auch
einen Theil der Feinde.]

                           Chor der Barden.

      Fasset die goldenen Saiten, ihr Barden;
   Lockt feurige Töne hervor!
   Röchelt ihr Hörner den Feinden zum Schrecken!
   Vaterlandsliebe befeuert
   Uns, und das schlachtenbegierige Heer!

      Die Alrunen[8] weissagten uns Siege;
   Der silberne Vollmond ruft uns![9]
   Suchet ihr Kämpfer das winkende Schlachtfeld,
   Das eure Väter verewigt,
   Und die Römer mit Schande bedeckt!

      Hier faulen sklavische Zeichen des Liktors,
   Die goldenen Adler sind in
   Morschen Ruinen der Schlösser begraben;
   Römergebeine bedecket
   Auf der Fläche der blutige Sand!

      Da fand einst Caßius dräuende Sieger;[10]
   Der rühmliche Bojorix schlug
   Scaurus den Führer der Römerchohorten;[11]
   Die Ambrionen verhöhnten
   Vor dem Antlitz des Marius Rom.[12]

      Denket zurück auf die blutigen Tage,
   Da Deutschland den Führer verlor!
   Mitten im feurigsten Treffen erhoben
   Unsere Brüder den Kühnsten
   Auf den eichenen Schilden empor!

[Fußnote 8: Alrunen sind Weissagerinnen, und kluge Weiber, die sie bey
Krankheiten und Staatsgeschäften zu Rath zogen.]

[Fußnote 9: Der Vollmond war die gewöhnliche Zeit ihrer Schlachten.]

[Fußnote 10: Caßius Longinus ward von dem Führer der Tiguriner
geschlagen.]

[Fußnote 11: Der Feldherr der Cimbrer schlug den Aurelius Scaurus.]

[Fußnote 12: Marius vermied eine Schlacht. Die Ambrionen wurden so
dreist, daß sie gegen Rom zogen, und die Römer spöttisch fragten, ob sie
nichts an ihre Weiber zu bestellen hätten?]

      Sehet die Schatten des Brennus, des Hermanns[13]
   Sind Zeugen des ewigen Ruhms,
   Zeugen des Lorbeers, der Euch izt erwartet!
   Fechtet ihr Brüder, um Freyheit,
   Löwen, zermalmet die Adler von Rom!

Der Jüngl. Unsere Cherusker stürzen hastig aus dem Hinterhalt! ----
Welch ein Metzeln! ---- Alles sinkt unter ihren Streichen! Die Römer
fliehn von allen Seiten!

Gotm. Sieg! ---- O Brüder, umarmet mich! ---- Sieg! -- Es lebe Held
Adelreich, es lebe Deutschland! -- Dank unsern Göttern! ---- Singet das
Siegeslied Skalden! Rüstet den Othinsbecher![14]

Adelreich. Die Römer hielten minder Stand! Ihre Bundesgenossen wichen
die Ersten! ---- Dank meine Freunde, ihr habt als Helden für das
Vaterland gefochten! ---- Ein Lorbeer mehr für Deutschland und Euch!
---- Die Feinde fliehen; man verfolge die Flüchtlinge! ---- Ein schöner
Tag! Lasset uns den Göttern die Erstlinge der Beute opfern! ---- Eilet
deutsche Sieger zum festlichen Siegesmahle!

[Fußnote 13: Die beiden Brenner und Hermann sind berühmte Helden der
Deutschen.]

[Fußnote 14: Der Othinsbecher ward beym Siegesmahle getrunken.]

                          Chor der Skalden.

      Der Donnerer Manna schuf Wetter,
   Sie wälzten sich über die Häupter
   Der Römer und Deutschen hin;
   Die zischenden Blitze durcheilten die Welt;
   Der Donner traf Rom!

      Izt lächelt für Deutschland die Sonne;
   Izt höhnen die Enkel Tuiskons
   Die Welteneroberer;
   Dort werden die Römermanipel vertilgt,
   Und füllen das Grab!

                            Alle Krieger.

   Bringet das Urushorn jauchzend zum Mahle;
   Leeret den Othinskelch, Sieger!
   Trinket den Feinden Verderben,
   Trinket Germaniens Heil!




                                Scene.


    In einem Gezelt Lusian, ein Soldat, hernach der König Eduard.

Lus. Eil! Ruf mir den Wundarzt! (Der Soldat geht. Lusian setzt sich auf
einen Feldstuhl.) Mein Bein schmerzt mich, die Mähre traf mich gewaltig!
---- Eure Majestät sind Meister vom Schlachtfelde! Adler fangen keine
Fliegen!

Edu. Da ist mein Lusian! Willkommen! ---- Mann, du hast gefochten wie
ein Löwe! ---- Ich habe dich metzeln gesehn. Der Sieg ist unser! Dank,
warmer Dank! (Er schüttelt ihm die Hand.) Begehr izt eine Gnade! Fodre
ein Königreich! Ich bin in der Freude meines Herzens! ---- Sag, was
wünschest du?

Lus. Ich? Wunderbar! -- Mir fehlt izt nichts als ein Stiefelknecht, denn
mein Pferd schlug aus, und streifte meinen Schenkel ----

Edu. Du brauchst eine Kleinigkeit. Heb deinen Fuß! ---- Die Nachwelt
wird sagen, nie hat man von einem Könige weniger begehrt! ----

(Er zieht ihm den Stiefel aus.)

Lus. Und nie hat ein König mehr geleistet! ---- Izt erkenne ich, daß du
ein großer König bist, weil du sogar Stiefel ausziehen kannst. Laß
diesen Stiefel in deine Wappen setzen, und heisse dich kühn den Grossen,
denn du hast mehr als alle Könige gethan! ---- Wenn alle Menschen einst
über deine Härte schreyen; soll mein Stiefel dein edles Herz
vertheidigen!

Edu. (indem er sich den Schweiß von der Stirne wischt) Das ist heut ein
heisser Tag! Schweiß auf Schweiß! ---- Aber mir ist izt so wohl um das
Herz. Wie die Feinde davon flohen! Freund, welch ein Sieg!

Lus. Freue Dich Held aller Helden, der Stiefel ist Deine gröste
Heldenthat! Dort blutet, hier jauchzet die Menschlichkeit! -- Dieß
Siegeszeichen soll Deine Schatzkammer schmücken!




                                Scene.


             Ein Vorhof. Eduard, Gefolge, ein Pferdjude.

Edu. Die feindliche Reuterey hat uns den Sieg zu leicht gemacht. Sie
wich beym ersten Angriff. Es ist Schande! Die Verräther verdienen
Strafe! Das tapfre Fußvolk des Feindes hat Wunder gethan, und würde uns
die Wahlstatt streitig gemacht haben. Man halte die Gefangnen gut! Es
sind wackere Leute; aber ihre Reuter sind Schurken! -- Was bringst du
Ephraim?

Der Pferdjude. Eure Majestät ich habe Pferde; so wahr ich lebe,
vortrefliche Stücke! -- Dieser Hengst lauft wie der Wind! Er kömmt aus
der Schlacht ----

Edu. (lächelnd) Das Pferd ist gekauft, wenn es in der Schlacht war, denn
so flüchtige Pferde sah ich nicht in meinem Leben.




                                Brief.
                    Marsis an seinen Freund Alsin.


Kann ich genug eilen dir die Thaten deines Eduards zu erzählen? Er kam,
sah, und siegte! Er überraschte seine Feinde. Lusian ist seine rechte
Hand, und Piron seine Linke. Welche Genien umringen unsern König! Ich
wünschte, du wärest Zeuge von der blutigen Hauptschlacht gewesen. Eduard
wirkte Wunder. Nichts widerstand ihm. Lusian und Piron mußten das
feindliche Lager beschleichen, und machten beyde feindliche Könige zu
Kriegsgefangenen. Eduard zieht als Sieger in ihren Staaten herum. Du
liebst Anekdoten, die den edlen Charakter deines Durchlauchtigen
Zöglings entwickeln. Hör ein Pärchen in Eile, denn tausend andere soll
er dir selbst erzählen.

Die Gattinn eines Königes hatte sich in eine Festung geflüchtet. Wir
zogen vorbey. Eduard hielt nicht Stand. Unsere Obersten erinnerten ihn,
daß es nicht gut sey, eine uneroberte Festung im Rücken zu lassen. Ich
weiß es, sprach er gelassen; aber ich führe nicht Krieg mit den Weibern.

Er eilte vor die nächste Stadt, um sie zu belagern. Man rüstete schon
das schwere Geschütze. Der Magistrat flehte um Aufschub, bis sie von
ihrem Könige Befehl hätten, die Stadt zu übergeben, und baten unsern
Helden, er möchte indeß ihre kostbaren Büchersäle und Kunstgebäude
verschonen. Sie boten ihm Brandschatzungen. Eduard gab alles zurück,
ließ die Stadt unberührt, und gab den Rathsgliedern gütig zur Antwort:
Ich bekriege nicht die Musen!

Geschäfte zwingen mich zu schliessen. Ich sehne mich, dich wieder zu
umarmen, und bin u. s. w.




                                Scene.


    König Theodor, König Friederich, Gefolge, Eduard, hernach ein
                               Dichter.

(König Theodor sitzt in einem Kefig, Friederich auf einem
Scheiterhaufen.)

Theod. Soll ich dem Sieger zum Gespötte dienen?

Fried. Will er mein Blut vergiessen?

Edu. Tyrannen, redlich kann ich mein Auge an eurer Strafe weiden! ----
Wie oft habt ihr meine Güte verhöhnt, meine Friedensvorschläge
verworfen, und das heilige Völkerrecht durch eure Grausamkeit entehrt!
Ihr habt meine Gesandten mit Schande und Hohngelächter zurückgesandt,
und meine gefangenen Krieger verstümmelt. -- Kann der Thron solche
Unmenschen schmücken? ---- Sprecht selbsten, wie soll ich nach so viel
Unbilden Euch behandeln?

Theod. Tödte mich!

Fried. Laß mich sterben!

Edu. Man mache sie frey! ---- Ich habe Euch gedemüthiget! Lernet, daß
Könige Menschen sind! -- Kehret in eure Staaten, nehmet eure Kronen
zurück, und löschet das Gedächtniß eurer vorigen Missethaten durch
glänzende Tugenden aus. Ich bin euer Freund!

Theod. Deine Großmuth ist grösser als alle Siege!

Fried. Ich erröthe nicht mehr über meine Niederlage; es ist rühmlich
unter königlichen Löwen zu fallen!

Edu. (indem er sie umarmt) Brüder, ich empfehle euch die Menschlichkeit!

(Indem Eduard sich entfernet, überreicht ihm ein Dichter eine Schrift.
Eduard liest, zieht einen Ring vom Finger, und überreicht ihn dem
Dichter.)

Edu. Ich vermähle mich mit den Musen!


                                 Ode.

      Welchen der Götter, und welchen der Helden
   Singet ihr leyerbeherrschenden Lieder?
   Nicht Macedoniens stolzem Eroberer,
   Auch nicht dem weiseren Kämpfer am Rubikon
   Tönet mein Siegespäan.

      Ich will zu meinen erhabnen Gesängen
   Meine Grundfeste unsterblich erbauen;
   Wie auf zeittrotzendem Marmor erheben sie
   Sicher das Haupt auf dir rühmlichste Tugend, und
   Lächeln der Ewigkeit zu.

      Viele denkwürdige Thaten entschlummern,
   Weil sie des rühmlichen Dichters beraubt sind.
   Aber Mnemosine, du überreichest mir
   Arbeitbelohnende Lorbeern; ich kröne den
   Grösten der Helden, der lebt!

      Auf mein Geist! Spanne den goldenen Bogen;
   Laß mich die Schönsten der Pfeile verschiessen,
   Und mit beflügelter Eile die rauschendsten
   Töne der Leyer entlocken, die göttliche
   Thaten der Nachwelt posaunt.

      Laß uns die heilige Rede beginnen!
   Eduard, welcher von Königen stammet,
   Liebet die Länderbeschützende Tapferkeit;
   Ehret die Weisheit stets als die Erhalterinn
   Eines aufblühenden Staats.

      Lang hat sein weltenerschütternder Donner
   Feindliche Städte bekriegt und zermalmet.
   Staunend erzitterten ringsumher wohnende
   Völker bey seiner herkulischen Tapferkeit,
   Welche die Heere verschlingt.

      Alle verehrten den Löwenbekämpfer,
   Flehten mit Zittern die mächtige Huld an,
   Und sie entflohn dem alles besiegenden
   Schwerte durch Demuth. Er schonte die Reuigen,
   Die er mit Füssen zertrat.

      Angenehmlächelnder Friede, du Sohn der
   Ewiggepriesenen Gerechtigkeit, bringe
   Den diamantenen Schlüssel zum Thore der
   Süssesten Eintracht, und lade gastfreundliche
   Nachbarn an unser Gestad.

      O laß den völkerernährenden Pflug, das
   Weberschiff, und den kunstliebenden Meissel
   Sichere Mauern bewohnen, und huldige
   Unserm Eroberer, der dich verherrlichet,
   Und dir den Tempel erbaut.

      Aber ich schweige. Von Thaten zu singen,
   Die selbst die göttliche Muse bewundert,
   Ist für mich Kühnheit. Wer preist nicht die Heldenhand,
   Die kein unschuldiges Blut noch entheiliget,
   Weil es dem Vaterland floß.




                                Brief.
                          Eduard, an Alsin.


Die wenigen Augenblicke, welche mir meine häufigen Geschäfte frey
lassen, kann ich nicht besser verwenden, als wenn ich sie dem theuersten
meiner Freunde schenke. Aber was soll ich Dir sagen? Wenn ich Dir
wiederhole, wie sehr ich Dich liebe, sage ich Dir eine gewöhnliche
Sache. Von was soll also mein Brief handeln? Du liebst den Krieg nicht,
und ich bin mitten unter Feinden. Ein so gutherziger Philosoph wie Du,
hasset die blutige Zerstörung der Menschen. Es ist traurig genug für
mich Deinen Zögling, daß mich barbarische Feinde zwingen, Menschenblut
zu vergiessen.

Wir hatten wieder einen heissen Tag. Wir fochten mit Männern, denen ich
zum Ruhme nachsagen muß, daß sie tapfere Krieger sind, die Kenntniß und
Muth besitzen. Meine theuren Mitbrüder und Kriegsgenossen haben Wunder
gethan. Schade ist es, wenn einige Tropfen von so edlem vaterländischen
Blut vergossen werden! Welche Entschlossenheit, welche Treue, welcher
Gehorsam! Freund, so ein edler Krieger überwiegt hundert feile
Lohnbuben, die beym Anblick der ersten Gefahr zittern und entlaufen.

Ich sehe mich sehr oft in der traurigen Nothwendigkeit, die wackersten
Streiter wegen übertriebenem Eifer zu strafen. Zu einer solchen Schlacht
wünschte ich viele Könige einzuladen, damit sie lernten, was es ist, von
seinem Volke geliebt zu seyn. Wenn ich einst im Treffen falle; so sey
gewiß, daß kein Mann lebendig vom Schlachtfelde kömmt. Wenn ich winke;
so stürzen die Geschwader unter die Feinde. Meine vortreflichen
Kriegsleute rauben mir alles Verdienst. Von der tiefen Einsicht,
Erfahrenheit und Gegenwart des Geistes meiner Anführer kann ich nicht
rühmlich genug sprechen. Glückliches Vaterland, das so viele würdige
Helden hervorbringt, welche ihren König beschämen, und mich täglich
überzeugen, wie leicht mein Platz durch zehntausend Würdigere kann
ersetzt werden.

Das freywillige Geschenk, womit meine geliebten Unterthanen mich
überraschen, hat mich entzückt, es ist ein redender Beweis ihrer Liebe.
Ich habe die Bothen belohnt, und das Geschenk mit dem dritten Theile der
Beute zurückgesandt. Du sollst es meinen theuren Bürgern mit dem
regesten Dank austheilen, und sie alle in meinem Namen mit dem
väterlichen Gruß segnen. Es ist süß König über ein dankbares Volk zu
seyn.

Noch etwas für dich und deine Weltweisen! ---- Ich habe den besiegten
Feinden den Frieden wie ein Bruder den Brüdern angeboten, und wünsche,
daß sie weise genug sind, meine redlichen Absichten einzusehen. Mit
dieser frohen Nachricht, wobey du gewiß lächelst, schliesse ich meinen
Brief, indem ich Dich tausendmal umarme, und Dich versichere, daß Dich
ewig liebt ----

                                                          Dein Eduard.




                                Brief.
                          Lusian an Marsis.


Zwey Worte in Eile! Bald treff' ich dich im Lager. Der König verläßt
schon das Winterquartier, und will zeitig den Feldzug beginnen. Es wird
ein Stückchen Arbeit geben. Eduard hat sich schon von seinen Freunden
und Freundinnen gelezt. Gelegentlich muß ich dir ein artiges Histörchen
beyfügen. Er besuchte die schöne Salinia; sie unterhielt ihn mit
Gesprächen, indeß ihr liebkosendes Schooßhündchen zu Eduard schlich, und
unter dem sanften Streicheln seiner Hände entschlief. Er hatte dringende
Geschäfte, weil er eben Briefe erhielt. Er verweilte um den kleinen
Schläfer nicht zu erwecken. O! rief Salinia, du giebst den Thieren Ruhe,
und machst den Menschen so viele schlaflose Nächte! ---- Eine schöne
Bemerkung für die würdige Tochter eines Philosophen ----

Bald mehr! Ich habe dir noch tausend Dinge zu erzählen. Izt meinen
Bruderkuß! u. s. w.




                                Scene.


                  Ein Kabinet. Eduard, zu ihm Alsin.

Edu. O Salinia, du Perle deines Geschlechts, überall verfolget mich dein
Bild! ---- Du lehrest mein Herz die siegende Gewalt der reizenden Liebe!
-- Unwiderstehlich sind deine bezaubernden Züge, du hemmest den
schönsten Lauf meiner Siege! -- Ach! Umsonst locken mich die blühenden
Lorbeern, du fässelst mich hier an! ---- Eduard, erwache! Wie lang
schläfst du! ---- Welche feige Ruhe, welche Leidenschaft hält dich hier
zurück! ---- Weichling, wie niedere Plane schmiedest du! -- Was hoffest
du von Salinia? ---- Willst du sie ihrem Bräutigam entreissen? Kannst du
sie zur Königinn erheben? Gehörest du nicht deinem Volke; bist du nicht
an höhere Pflichten gebunden; können Fürsten nach ihrem Herzen wählen?
-- Oder willst du den würdigsten Gegenstand deiner Liebe abwürdigen;
willst du die reine Unschuld schlachten? -- Könntest du gegen deinen
Busenfreund, gegen deinen Lehrer so undankbar handeln, seine Tochter,
die Wollust seiner Tage, zu entehren, sein graues Haupt mit Schande zu
überdecken? ---- Eduard, wo bist du? steh auf! Sey groß! Sey tugendhaft!
-- Ich habe gesiegt! -- Salinia ist vergessen! Ich eile, im Geräusche
der Waffen meine Liebe zu vergessen; ich will Salinia nicht mehr sehen.
Ich werde bey nächtlichen Schatten von ihrem Vater mich letzen.

Alsin. Die kriegerischen Schaaren ziehen mit freudigem Jauchzen und mit
fliegenden Fahnen auf das Schlachtfeld der Ehre ----

Edu. Ich will sie begrüssen, und an ihrer Spitze dem Feinde entgegen
eilen.




                              Melodrama.


(Eine Laube. Salinia sitzt bey einem Marmortischchen, stützt mit einer
Hand ihr müdes Haupt, und hält mit der andern die Feder. Hernach
Eduard.)

Salinia.
   Wie feurig dieser Busen wallt!
   Wie ist mein Geist entflammt, beflügelt!
   Und doch scheint mir ein jeder Ausdruck kalt ----
   Nein dieser Brief wird nicht versiegelt!

(Sie zerreisst das Blatt und beginnt ein Neues.)

   Wo ist die Flammenschrift,
   Die meine heisse Liebe malet?
   Wo ist ein Pinsel, der sich pralet,
   Daß er das Ideal von meiner Sehnsucht trift? ----
   Wie feurig fliegt vom warmen Herzen
   Oft der Gedanke bis zur Hand!
   Wie frostig schildert sie, was ich empfand;
   Wie unempfindlich lallt sie meine Liebesschmerzen!

(Sie wirft die Feder weg.)

   Vergebens ist mein thätiges Bemühn;
   Nur Sylben stehen hier, der Geist fliegt hin!

(Sie steht auf.)

   O Eduard, ich will dir nicht die Glut beschreiben,
   Sie soll geheimnißvoll in meinem Busen bleiben!

(Sie betrachtet sein Bild)

   O Meisterstück der zaubernden Natur,
   Wie reissest du mich hin in ein Entzücken!
   Ein sanfter Blick auf dich kann mich beglücken;
   In dir find ich der Grösse seltne Spur.
   Welch stolzes Adleraug, und welche Götterstirne!
   O schließt man auf das Herz vom fürstlichen Gehirne,
   Wie muß es groß und edel seyn! ----
   Wie täuschend wiegt mich oft die süsse Hofnung ein,
   Daß einst dein holder Blick mir lächelt! ----
   O Zephyr, der so sanft um meine Haare fächelt,
   Eil, flüstre leis ihm meine Triebe zu,
   Der Zeuge meiner Glut, mein Busenfreund bist du!
   Sag, daß Salinia die reinste Flamme nähret;
   Stillschweigend sich um seine Gunst bewirbt;
   Daß sie die Nachtigall stäts neue Seufzer lehret,
   Daß sie hinschmachtet, schweigt und stirbt ----
   Jedoch, warum soll mich die schönste Liebe tödten?
   Ist nicht der Gegenstand ein Erdengott?
   Warum soll ich beschämt erröthen?
   Wo spricht ein dreister Mund mir Spott?
   Von Eduard entflammt, wer wagt es mich zu höhnen?
   So reine Liebe muß die Tugend selbsten krönen!

(Sie eilt fort, und zögert wieder)

   Ich zeige dir mein Herz in seiner Unschuld bloß ----
   Sey stolz mein Geist, dein Freund denkt groß! ----
   Ach! Für mich viel zu groß! -- Izt fliessen meine Thränen --
   Der Abstand lockt mir Zähren ab.
   Der stille Harm gräbt mir ein schwarzes Grab!
   O der Gedanke macht die Hofnungen verschwinden!
   Verlassen, einsam steh ich hier!
   Wo soll ich Trost, und wo ein Labsal finden?
   Auch nicht die Zukunft schmeichelt mir! ----
   O Liebe, doch kehr ich entzückt zu dir,
   Denn du allein beherrschest grosse Seelen;
   Selbst die Verzweiflung trennt uns nicht! ----
   Hör Eduard, was meine Lippe spricht:
   Izt will ich mich mit dir vermählen! ----
   Dies sey mein Brautaltar!

(Sie setzt das Bild auf den Tisch)

   Ihr Sterne hört! Euch ruf ich izt zu Zeugen!
   Dich Laube, die so oft mein Lieblingstempel war;
   Euch Aeste, die sich hold auf meine Scheitel neigen;
   Euch Sänger, die ihr auch die stille Nacht
   Mit warmer Zärtlichkeit durchwacht;
   Dich blasser Mond, der mich so freundlich grüsset;
   Euch Schatten, die ihr mich in eure Arme schliesset;
   Ihr edlen Zeugen alle hört!
   Was izt Salinia zum höchsten Himmel schwört:
   Eh wird mein Geist dies Flammenherz verlassen:
   Eh wird die Brust sich selbsten hassen:
   Als meine Zärtlichkeit für Eduard sich schwächt!
   Und wäre je mein Busen so vermessen,
   Die frommen Schwüre zu vergessen;
   So strafe mich der Gott, der Eide rächt!
   Dir Eduard, will ich die ganze Liebe geben;
   Dir schlägt allein mein Herz, dir will ich leben!
   Wenn mich der erste Blick der Sonne früh begrüßt;
   Und wenn der Abendstern die Tage schließt,
   Will ich von dir erfüllt für dich die Stunden zählen;
   Auch wenn die Nacht der Welt zum Schlummer winkt,
   Soll nur dein Bild mein Herz beseelen.
   Selbst wenn auf mich ein sanftes Träumchen sinkt,
   Soll mich allein mein Eduard umschweben!
   So will ich ganz allein dir athmen, hauchen, leben!
   Ich bin mit dir vermählt! ---- Izt mag mein Vater dräun!
   Izt mögen die Verwandten wüten,
   Und ihre stolzen Plane brüten!
   Ihr Freyer möget in Verzweiflung seyn!
   Ich will mein Aug mit Worten nicht entweihn,
   Die von profanen Flammen sprechen;
   Fort Briefe, euer Stoff ist mir zu klein!

(Sie zerreißt alle Liebesbriefe)

   Sieh Eduard, so will ich dich an ihnen rächen!
   Mein Abgott, du allein bist warm geliebt;
   Sieh wie Salinia dir stäts Beweise giebt.
   Erkenne doch mit Dank die zarten Triebe;
   Ich heische nichts von dir für so viel Liebe! ----
   Ein Blick auf dieses Bild soll die Belohnung seyn.

(Man hört in der Ferne ganz leise eine kriegerische Musik)

   Ach Eduard, du wirst uns bald entrissen!
   Bald werd ich dich vom Feind umringet wissen.
   Du eilst zur Schlacht, wo dir so viel Gefahren dräun!
   O flieh Geliebtester, die blutigen Trophäen!
   Mein Geist begleitet dich in jede Schlacht.
   Oft muß ich dich verwundet sehen;
   Oft schließt dein Auge schon die schwarze Todesnacht;
   Ich rufe ganz bethränt dem kühnen Mörder zu;
   Ich will den raschen Dolch von deinem Nacken reissen!
   O Eduard, wie hart bist du!
   Soll ich Geliebter, dich nicht grausam heissen?
   Da du mir immer Stoff zu neuen Thränen giebst,
   Und dich mein theures Gut so wenig liebst?
   Jedoch, wie kann ich mich gerecht beklagen?
   Erst muß ich dir die warme Liebe sagen.
   Vielleicht entwafnet dich mein zarter Blick ----
   Ich eile! ---- Ja, er soll die schönste Flamme wissen! ----
   Wo eilst du hin? ---- Halt ein! ----
   Du wirst verschmäht, verachtet seyn.
   Soll wohl für dich sich Eduard entschliessen,
   Den Lorbeer, den er liebt, zu missen?
   Er, der die Liebe höhnt, der keiner Schönheit lacht,
   Und selbsten mein Geschlecht, als schwach, verächtlich macht;
   Der, wenn er nur auf stolzen Palmen thronet,
   Die Zärtlichkeit und Seufzer nicht belohnet.
   Was hilft es, wenn er auch die heisse Liebe weiß,
   Verläßt er wohl für mich den Heldengleis? ----
   So lebe wohl! Zieh hin! ---- Nimm meinen Segen,
   Der aus dem Herzen strömt!
   O schone dich; sey nicht verwegen;
   Schenk dich der Thräne Fürst, die meine Seufzer hemmt!

(Sie stürzt auf die Knie)

   O Himmel, hör geneigt die fromme Bitte!
   Dich fleh ich izt für ihn um Schutz und Güte;
   Zähl meine Tage seinen bey;
   Und heischt dein Wille sein Verderben,
   So laß Salinia für ihren Gatten sterben,
   Laß ihn für dieses Opfer frey! ----
   Geliebter Eduard, erblicktest du die Zähren,
   Und möchtest du die Seufzer hören ----

Eduard (in der Ferne)
   Er hört den Wunsch, und liebet dich!

Salinia.
   Wer spricht? -- Wer kömmt? Mein Geist verwirret sich --

(Sie springt auf)

   Jedoch wenn ich mich nicht mit Träumen täusche;
   So hört ich hier ein flüchtiges Geräusche ----

(Sie blickt schüchtern herum, geht zum Eingang der Laube. Eduard
schleicht durch das Gebüsch, ergreift das Bildniß, besieht es beym
Monde, und stürzt Salinien zu Füssen, welche auf einen Rasensitz sinkt.)

Eduard.
   Du liebest mich! Ich bin entzückt, berauscht!
   Vergieb, ich habe dich von ungefähr belauscht.
   Die Gegenwart soll dich nicht in Verwirrung setzen.
   Ich wollte mich von deinem Vater letzen.
   Ich wählte mir die stillen Schatten aus,
   Und bey der Dämmerung beschlich ich dieses Haus.
   Ich wollte dich und ihn mit regem Danke segnen,
   Und zitterte dem Blick der Gottheit zu begegnen,
   Die dieses Herz allein besiegt ----
   Verschmähe nicht den Freund, der dir zu Füssen liegt ----

Salinia.
   Du liebst mich Eduard? -- Ich fühle mich getrieben --
   Mein Blick verräth das Herz -- O Theurer, laß uns lieben!
   Sieh, wie mein Busen dir entzückt entgegen wallt! ----
   Jedoch entreiß dich mir! -- Die Kriegstrompete schallt! ----
   Ich höre meinen Vater kommen! ----
   Lebwohl!

Eduard.
      Den ersten Kuß! -- Der Abschied ist genommen!
   Ich eile hin, und ärndte Lorbeern ein,
   Bald will ich sie zu deinen Füssen streun!

(Sie umarmen sich, und trennen sich gewaltsam.)




                                Scene.


    Ein Holweg. Eduard zu Pferde in einem schlechten Reutrock. Ein
                              Fuhrmann.

Edu. Wohin mein Freund?

Fuhrm. Gerade zum Maul!

Edu. Ist weit dahin?

Fuhrm. Zwey volle Stunden.

Edu. Was ist dein Amt?

Fuhrm. Ich muß Riesen füttern!

Edu. Du sprichst lauter Räthsel ----

Fuhrm. Ich meyne das Kriegsheer. Aber zum Henker! Mit meinem Geschwätze
wählte ich eine falsche Strasse. Meine Kameraden sind dort auf dem
Seitenwege.

Edu. Ich will dir aus dem Holwege heraushelfen.

Fuhrm. Dank Herr! -- Ich bin nicht sicher vor feindlichen Haufen.

Edu. Was sagt man von König Eduard?

Fuhrm. O das ist ein Teufelskerl! Wenn er mich hier findet; so läßt Er
mich und meine Mitknechte hängen.

Edu. Izt fahr zu! Wenn du zum Lager kömmst, grüße die Soldaten, und sag:
Eduard der Teufelskerl hat dir aus dem Holwege geholfen, und schickt
dich und deine Kameraden mit einem Frühstück zu ihnen! Leb wohl.

(Eduard reitet zu seinem Gefolge, und der Kutscher treibt ängstlich
seine Pferde an.)




                                Scene.


     Ein Saal bey Hofe. König Willhelm, der Leibarzt, ein Bothe,
                hernach der Barbier und einige Räthe.

(Der König liegt auf einem Sopha, hat beyde Füsse in Verbänden, und
zerreißt wütend ein Papier.)

Willh. Verdorren soll die Hand, die dieses schrieb! -- Der Feind an
meiner Gränze! Hölle und Teufel! Was machen meine Statthalter?

Der Arzt. Eurer Majestät theure Gesundheit -- Der Puls --

Willh. Ich möchte Sie einen Esel heissen! Mit ihrem verwünschten Puls!
-- Die Feinde sind also vorgerukt?

Bothe. Vorgerukt --

Willh. Haben die Provinzen meiner Nachbarn erobert? --

Bothe. Erobert --

Willh. Werfet den Echo zur Thüre hinaus! Kann der Schurke nur
nachplaudern? -- Papagey red anders! Bursche lüge mir vor!

Der Bothe. Der junge König ist ein Strom, der alles nieder reißt ----

Willh. Der Kopf dieses gekrönten Buben macht mir mehr Unruhe als meine
zwey Füsse voll Podagra! -- Aber ich bin geheilt. Ich will ihn
ausfordern! -- Weg verdammte Verbände! -- Ich bin gesund wie ein Hirsch!
-- Meine Waffen! -- Sattelt mein Reutpferd! -- Er thürmet Sieg auf Sieg,
und ich alte Memme liege hier im Schatten einer Apotheke ---- Ich bin
wieder jugendlich! (Er spiegelt sich und reibt das Kinn.) Nur der graue
Bart verräth mich! ---- Man muß die dürren Stoppeln wegmähen! ---- Wo
ist mein Barbier? -- Herein! Geschwind! (Er setzt sich) Eile!

(Der Barbier ergreift seinen Arm.)

Willh. Was will der Narr?

Barbier. Eine Aderlässe ----

Willh. Dummkopf, den Bart weg, oder dein Kopf fliegt! -- Ich will selbst
Adern öffnen, meine Feinde sollen bluten!

(Der Barbier seifet ihn ein, wird plötzlich tiefsinnig, und eilt hastig
fort, indem er das Messer zu Boden wirft.)

Willh. Mach doch geschwind! Ich muß in den Kriegsrath! ---- Mord und
Tod! Daß auch die Könige mit solchen Kleinigkeiten goldne Minuten
verlieren! ---- Bursche, du stiehlst mir kostbare Augenblicke! ---- Die
Feinde rücken vor! ---- Wo eilt der Narr hin? Daß dich die Pest! -- Holt
den Thoren zurück! ---- Warum läuft der Schlingel?

(Der Barbier kehrt zitternd wieder, und wirft sich den König zu Füssen.)

Willh. Was machst du?

Barbier. Eure Majestät, ich habe durch meine Flucht ihr Durchlauchtiges
Leben gerettet ----

Willh. Welch ein Anschlag? -- Verrätherey! Mörder sprich --

Barbier. Da ich die Kehle unter dem Messer hatte, gab mir Satan den
Gedanken ein: Mach einen Schnitt, so rettest du viele tausend Leben! Die
Versuchung war so stark, daß ich davon lief, um nicht zu fallen ----

Willh. Steh auf! Ich danke dir mein Freund! Du hast mir das Leben
geschenkt! Dein Glück ist gemacht. Du solt königlich belohnt werden. Du
hast dem Teufel einen Streich gespielt! ---- Aber scheeren sollst du
mich nicht mehr. Ich liebe nicht politische Kannengiesser! (Zu den
Räthen) Was denken Sie meine Herren von den kriegerischen Zeitläuften?

Ein Rath. Könnte nicht Friede ----

Willh. Verdammt seyd ihr und euer Steckenpferd der Friede! ---- Ich
sollte den gekrönten Jüngling vom Schlachtfeld mit Lorbeern ziehen
lassen? ---- Nein! Da steht noch eine alte trotzige Säule, die sie sich
ihm entgegenstemmet. Junge, der morsche Podagrist soll dich zittern
machen! ---- Sie meine friedsamen Herren Räthe legen sich indeß in meine
Flaumfedern, und pflegen Sie mit Beystand meines geschäftigen Leibarztes
mein hartnäckiges Podagra; ich will indeß den Harnisch ergreifen, und
König seyn! ---- Wir wollen heut noch im Schlachtfelde tanzen! ---- O
daß ich dreyßig, nur zwanzig Jahre zurückrufen könnte, ich wollte dem
jungen Adler die Flügel verschneiden! ---- Fort Wünsche! So wie wir
sind, müssen wir die Stirnen messen! ----

(Er eilt fort. Alle folgen.)




                               Elegie.
                          Salinia an Eduard.


      Eilet ihr Blätter, ihr redenden Zeugen der zärtlichsten Thränen,
   Bringt dem Geliebten den Gruß, und mein Lebewohl zu;
   Denn mein trauriges Leben nähert sich hastig dem Tode,
   Weil ich verlassen, verschmäht, und beleidiget bin.
   Ach! Ich werde wie Träume vergessen! Wo sind die Beweise,
   Daß mir Eduard lebt, daß er mich schätzet, und liebt?
   Wie ein Ikarus stürz ich herab mit schmelzenden Flügeln,
   Soll ich mir Mitleid erflehn? Welches Donnerwort! Flehn!
   Einst war es Gnade, mich lieben zu lassen; izt bin ich verachtet!
   Dieser Gedanke zernagt mein verwundetes Herz.
   Aber wenn er mich liebte, wenn etwa nur grosse Geschäfte,
   Eine Krankheit, Gefahr, vielleicht der schreckliche Tod ----
   O ich sinke zu Boden! Die schwärzesten Ahnungen stürmen
   In der bebenden Brust! ---- Ja, mein Eduard stirbt!
   Izt hab ich die Ursach von seinem Stillschweigen ergründet;
   Welcher neue Verlust presset die Thränen mir aus!
   Wie die rasenden Winde die schwankenden Schiffe bekriegen,
   So bin ich ewig von Furcht und von Zweifeln bestürmt.
   Diese Bilder verfolgen mich immer vom Morgen zum Abend.
   Sie sind ewig bey mir, und verschonen mich nie,
   Wenn ich beym Monde die stillesten Schatten mit Seufzen durchirre,
   Schenk ich der vorigen Zeit einen verstohlenen Blick,
   Und dann schleichen die süssen Gemälde der seligsten Tage,
   Die mir die Zärtlichkeit gab, täuschend und liebreich zurück.
   Aber plötzlich verscheuchet das Schrecken die reizenden Träume.
   Schwarze Scenen der Angst schwärmen wie Geister um mich.
   Jeder Gegenstand ändert izt seine Natur, und seine Gestalten.
   Der sanftfliessende Strom rauschet wie Meere vorbey;
   Der abkühlende Zephir wird ein wildheulender Nordwind,
   Und der Nachtigall Lied scheint mir ein Leichengesang.
   Das sonst so leise Gezische der Blätter ist Donnergebrülle;
   Und das duftende Gras däucht mir ein glüender Sand.
   O kehr wieder Du Sonne, die alles dem Auge verschönert!
   Komm mein Geliebter zurück, schenk den Gefilden den Schmuck!
   Liebe bevölkert die Wüsten, und schafft aus der Hölle den Himmel.
   Wie nach dem Winter die Erd um den Frühling sich sehnt;
   Wie die Mutter den Sohn von fernen Gestaden erwartet;
   So ruft mein klagender Mund meinem Eduard zu.
   Bothe des Himmels, du bringst mir das Leben! So lebt mein Geliebter?
   Lebt, und liebet mich noch! So schreibt die göttliche Hand.
   Dank für das Labsal, und Segen und Liebe für alle Geschenke!
   Immer Geschenke? Mein Freund, was sind Gaben für mich?
   Hat je die Grösse, der Reichthum den liebenden Busen bestochen?
   Nimm die glänzende Welt; aber schenk dich mir selbst!
   Liebliche Worte, verstohlne Seufzer, sanftlächelnde Blicke
   Sind ein Göttergeschenk für mein zärtliches Herz.
   Aber ich spreche von Liebe, von Liebe mit einem Monarchen,
   Dem die Begierde nach Ruhm keinen Augenblick läßt.
   Immer von Schlachten zu tödtenden Schlachten, von Siegen zu Siegen
   Schleppet der Ehrgeitz Dich fort! ---- Deine Salinia weint,
   Lebet die traurigsten Stunden, und zittert der Nachricht entgegen
   Daß ihr Leben, ihr Licht dort auf dem Kampfplatz verlischt.
   Wie oft reissest du die Einbildungskraft deiner Geliebten
   Auf das schreckliche Feld, wo die Donner dir dräun;
   Wo so viel mördrische Dolche zu deinem Verderben sich rüsten;
   Wie oft sterb ich in Dir; wie oft tödtest du mich!
   Wie lang ärndest du Lorbeern, wie viel erbeutest du Kronen?
   O ein Myrthenkranz wiegt blutige Palmen hinab!
   Du bist izt Held, und Sieger; o setze dem Ruhme die Schranken!
   Wisse, dann jauchzt dir die Welt, wenn dich Salinia küßt.
   Schenk der Erde den Frieden, den weinenden Bürgern den Vater;
   Schenk den Freunden den Freund, und der Geliebten dein Herz.




                             Geschichte.


Grosse Begebenheiten, welche das Wohl ganzer Staaten entscheiden, müssen
die Seele der Geschichte seyn. Der Geschichtschreiber überläßt einzelne
Thaten dem Biographen, und beschäftiget sich nur, der Nachwelt die
Triebfedern zu zeigen, welche mächtige Reiche in Bewegung setzen, und
neue Epochen hervorbringen. Er schildert den Geist ganzer Nazionen, und
entwirft die wichtigen Charaktere jener Könige, die durch
ausserordentliche Thaten den ganzen Kloß der Erde in Bewegung bringen
und umbilden. So waren die Epochen Alexanders, Augusts, der Mediceer,
Ludwigs, und anderer Fürsten, unter deren Herrschaft die Welt eine neue
Gestalt erhielt.

Eduard begann seine Regierung. Die Thätigkeit in den Geschäften, die
Standhaftigkeit in den Gefahren, und der Fleiß in Ausführung seiner
Plane brachte in wenig Jahren ausserordentliche Wirkungen hervor. Er
rief den Adel, der unthätig und despotisch in den Ritterschlössern das
Volk unterdrückte, an seinen Hof. Er machte den Ackerbau, und Handel
blühend. Freyheit und Glückseligkeit ergoß sich über seine Unterthanen.
So ein gewünschter Erfolg erregte den Neid seiner Nachbarn. Selbst seine
Bundesgenossen und Freunde zitterten vor diesem kühnen Adler, und
suchten frühzeitig seinen Flug zu hemmen.

König Willhelm sein gefährlichster Nachbar, und geschworner Feind seines
Vaters, mit dem er beständig im Kriege verwickelt war, und der den Sohn
noch mehr als den Vater haßte, weil er ihn als einen Rächer der verübten
Räubereyen ansah, suchte die Zahl der Freunde Eduards durch Ränke zu
schwächen, und die Zahl seiner Feinde von allen Seiten zu vermehren.

Willhelm war ein kriegerischer Fürst, kühn, hastig, feurig, oft
unüberlegt, und unglücklich. Sein Charakter war hart, und unbeugsam; er
sezte für unmögliche Entwürfe oft das Wohl seiner Länder auf das Spiel,
und wagte sich unter ihren Ruinen zu begraben. Er war schlau in seinen
Anschlägen, treulos in seinen Bündnissen. Seine schwarze Politik bestand
aus gewaltsamen Grundsätzen, welche die Menschlichkeit empören. Er
kannte kein Völkerrecht; der Eigennutz war sein einziges Gesetz, und
sein Wille entschied. Er hatte sich nur durch ungerechte Kriege
bereichert, und vergrössert. Da er sich selbst zu schwach fand, den
mächtigen Eduard zu bekriegen; so suchte er Helfer, und wiegelte alle
benachbarte Mächte auf. Er fand bald geneigte Ohren.

König Philipp, ein junger Prinz, hatte seit zwey Jahren die Herrschaft
selbst übernommen. Er haßte in seinem Reiche alle diejenigen, deren
Ansehen älter als seine Regierung war. Er hatte mit Sehnsucht auf den
Tod seines Vaters gewartet, der seine thörichten Rathschläge, die
meistens in jugendliche Chimären ausarteten, weislich verwarf, und
dadurch in das Herz dieses feurigen Jünglings einen so eingewurzelten
Groll pflanzte, den nichts mehr ausrotten konnte. Er entehrte noch im
Grabe die ehrwürdige Asche seines Vaters durch unüberlegten und
schändlichen Spott, und suchte das verehrungswürdige Gedächtniß eines
geliebten Monarchen zu vertilgen, der in den Herzen aller Unterthanen
und Patrioten lebte. Er verfolgte, da er das Ruder ergrif, alle getreue
Diener seines Vaters, er stürzte die Günstlinge, entwürdete die Beamten,
und verabscheute sogar die Palläste, die einst der Lieblingsaufenthalt
seines Vaters waren. Sobald er seinem Reiche eine andere Gestalt gegeben
hatte, das heißt alles verwirrte, überließ er sich stolz als ein
Verbesserer einem weichlichen Leben, das seine Jugend entweder mit einem
übereilten Alter, wo nicht gar mit einem frühen Tode bedrohte. Bey
diesem betäubten Wollüstling fand der kriegerische Willhelm durch
scheinbare Gründe gewünschtes Gehör, denn Philipp haßte die Tugenden
Eduards. Kleine Republiken, und mindere Fürsten ketteten sich allmählich
an diese tongebenden Könige, und der Untergang Eduards war beschlossen.
Aber das Schicksal rüstete diese Wetterwolken, damit Eduard wie eine
Sonne desto heller glänzte. Der junge Löwe bot allen Feinden seine
muthigen Klauen. Er hörte die Gefahren, und stand entschlossen im vollen
Kriegsrath auf. Meine Freunde, rief er, wir müssen die Länder nicht nur
von der Mühseligkeit sondern auch von der Furcht der Gefahren befreyen.
Sehet unsere Feinde dräuen trotzig an der Gränze. Es werden die Heerden
furchtsam verlassen; die Weiden sind öde, die Ackerpflege wird
venachläßiget; die Schifffahrt der Kaufleute ruht. Der Staat verliert
durch den Schrecken des Krieges seine Einkünfte. Lasset uns eilen,
diesem Uebel zu steuren; suchen wir die Feinde in ihrem Lande!

Er flog an die Gränze, und stand mit furchtbarem Heere vor dem Antlitz
der Feinde, ehe sie wusten, daß er ausgezogen war. Er nüzte die erste
Betäubung. Er griff hastig an. Er war Zeuge der Thaten seiner Krieger.
Er eilte durch die Reihen, munterte auf, führte an, kam zu Hülfe, wo
seine Haufen wankten. Er war Feldherr und Krieger. Er wechselte die
ermüdeten Geschwader. Er war wie ein Blitz. Willhelm wich, und
verwünschte sein widriges Schicksal. Philipp war auf das Haupt
geschlagen, und nahm eine schändliche Flucht. Eduard stand als Sieger
auf der blutigen Wahlstatt, und erbeutete ein reiches Lager. Der
Ueberwinder eilte unter dem Zuruf eines jauchzenden Heeres von Stadt zu
Stadt. Viele sandten ihm die Schlüssel entgegen; andere wurden mit
stürmender Hand erobert. Welche glänzenden Tage für einen jungen König,
den seine Unterthanen anbeteten, seine Bundesgenossen bewunderten, und
seine Feinde fürchteten. Eduard ward nicht stolz und übermüthig gemacht,
er bot selbst der erste seinen besiegten Feinden den Frieden unter
solchen Bedingnissen an, die jeder anderer als Willhelm mit Freuden
angenommen hätte.

Willhelm wich nicht. Er sammelte die letzten Kräfte; er verschanzte sein
Lager, und schmiedete heimliche Ränke. Allein vergebens waren seine
giftigen Anschläge. Eduard schrieb bald seinen Feinden Gesetze vor, und
setzte durch seine glücklichen Unternehmungen alles in Erstaunung. Er
überraschte das verschanzte Lager. Die kühnen Krieger erkletterten
siegreich die Anhöhen, und verbreiteten Schrecken und Verwirrung unter
den feindlichen Geschwadern. Alles wich der Tapferkeit des
unüberwindlichen Eduards. Sein Geist schien in alle Herzen vertheilet.
Das Treffen war anfangs mehr blutig als entscheidend. Willhelm focht als
ein Verzweifelter. Er bot allen seinen Kräften auf. Er sammelte den Kern
seiner Krieger; er überfiel seinen Gegner. Er war so glücklich die
tapfersten Schaaren zu Boden zu schleudern. Ein unglücklicher Sturz des
Pferdes brachte den fechtenden Eduard in Lebensgefahr; aber Prinz
Sigismund der Sohn seiner Schwester, ein hofnungsvoller Jüngling, der
die königliche Leibwache führte, stürzte herzu. Er machte sich selbst
zur Brustwehr des fallenden Königs. Er fieng die Streiche der
zudringenden Feinde auf, und gab seinen Gefährten Zeit den König zu
retten. Sigismund ward von diesem entscheidenden Tage einer der
Lieblinge des Helden.

Eduard rächte durch neue Thaten die kleine Schlappe. Er warf den rechten
Flügel über den Haufen; der ganze Klumpen des Heeres zerschmolz. Kein
Streiter hielt mehr Stand. Die Tapfersten fielen unter dem Schwerte des
Siegers. Die Uebrigen suchten das Heil in der Flucht. Diese blutige
Schlacht entschied das Schicksal der Feinde. Viele Fahnen, unzählbares
Geschütz und viele Kriegsgeräthschaften wurden erbeutet. Auf der
Wahlstatt lagen zehntausend Todte, und Willhelm suchte seine Hauptstadt
zu erreichen. Er sah sich gezwungen um Frieden zu bitten. Eduard zeigte
seine erhabne Seele in voller Grösse. Seine Mäßigung setzte seine Feinde
in Erstaunung. Er bewilligte allen alles, und schenkte Kronen. Willhelm
blieb undankbar, und spähte nur auf neue Gelegenheit, sich nachdrücklich
zu rächen. Doch sein Groll kochte heimlich. Der Friede war der Erde
gegeben. Niemand hatte geglaubt, daß dieser schädliche, weit sich
erstreckende Krieg durch alle tapfern Befehlshaber in einem Jahre, oder
durch alle Befehlshaber in vielen Jahren zu Ende kommen würde, und doch
der einzige Eduard siegte in zehn Monden über alle seine Feinde.




                        Tragisches Singspiel.


    Die Scene ist ein Grabmaal. Die Königin Sophie[15] ihr kleiner
             Sohn, zwey Töchter, und weibliches Gefolge.

(Sie schmücken den Sarg der königlichen Leiche mit Blumenkränzen. Die
Königinn sitzt in tiefer Schwermuth auf den untersten Stuffen mit ihrem
Sohne.)

                                Chor.

   Theurer Schatten nimm die Thränen,
   Die der Schmerz vom Auge preßt;
   Hör der Kinder banges Stehnen,
   Sieh das schwarze Trauerfest!

[Fußnote 15: Entweder ist hier im Manuskript eine Lücke, oder aber
entdecken wir hier eine gelehrte Zerstreuung unsers Autors. Ich als ein
scharfsichtiger Kommentar staune meine Leser an, und frage, wer ist
diese Königinn? Ihr Gatte starb im Kampf, und in vorgehender Geschichte
lesen wir von keinem Könige, der auf dem Schlachtfelde fiel. Vermuthlich
wird hier einer von den Bundesgenossen Willhelms verstanden, die unter
den Hauptpersonen aus beliebter Kürze in der Geschichte nicht genannt
sind. Genug, es scheint mir eine dichterische Kaprizze zu seyn.]

                         Die beyden Töchter.

   Ach! Wir suchen unsern Vater!
   Schwester wein, wir sind verwaist!

                      Die Mädchen des Gefolges.

   Ach! Wir suchen den Berather;
   Blick herab gekrönter Geist!

                                Alle.

   Theurer Schatten, nimm die Thränen,
   Die der Schmerz vom Auge preßt;
   Hör der Kinder banges Stehnen,
   Sieh das schwarze Trauerfest!

(Die Königinn Sophie fährt auf, blickt wild um sich, und drückt ihren
Sohn an den Busen.)

Soph.
   Noch lebst du mein geliebter Sohn!
   Der Tod entriß mir einen Gatten,
   Und dir den Vater und den Thron!
   Er ist des stolzen Siegers Lohn,
   Der theure Preiß für seine Thaten.
   Bald wird sein Aug uns neidisch sehn.
   Bald wird die Staatskunst dich aus meinen Armen reissen.
   Nein! Eh muß ich zu Grabe gehn!
   Dann mag sich unser Feind auch deinen Mörder heissen.
   Zuerst durchbohrt man mich,
   Und dann erwürgt er dich.

                                Arie.

   O Gatte, dessen Geist mich hört!
   Belohn mein zärtliches Vertrauen!
   Da meine Zähren dich bethauen,
   Bin ich des sanften Blickes werth.
   Entreiß den Sohn den Tygerklauen!
   Wirst du als Vater auf uns schauen,
   So sinkt vielleicht das Mörderschwert.

                                Chor.

   Wie sich izt rings um uns der Himmel trübt?
   Da liegen wir bethränt auf diesen Marmorstufen,
   Und wagen es, die Gottheit anzurufen,
   Daß sie uns gütig Beystand giebt.

(Man hört ein Geräusche. Die Gegenwärtigen zittern, und harren ängstlich
den Kommenden entgegen. Das Gefolge Eduards erscheint gewafnet, die
Königinn umarmet mit ängstlicher Innbrunst ihren Sohn, und die Mädchen
umgeben sie)

Soph.
   Zurück! entweicht von dieser frommen Stätte,
   Wo mein gekrönter Gatte ruht!
   Vielleicht verhönt ihr mich mit blutigem Gespötte?
   Entflammet Euch die rächerische Wuth;
   Ihr Mörder dürstet Ihr nach Menschenblut?
   So kommt, und trinket erst das Meine!
   Verschont den Sohn; entehret nicht Gebeine,
   Dieß ist der edle Rest, der uns noch heilig ist,
   Schenkt dieser Thräne Huld, die izt von neuem fließt!

(Eduard mit seinem Gefolge erscheint, die Königinn eilt zu seinen
Füssen.)

Soph.
   Fürst Gnade, Gnade!

Edu.
   Wie göttlich schön ist sie!
   So viele Reize sah ich nie!

Soph.
   O sieh, wie ich mich hier in Thränen bade ----
   Beraub mich meiner Kinder nicht!

Edu. (indem er sein Antlitz von ihr wegwendet.)
   O schönste Königinn, bedecke dein Gesicht!
   Du könntest meine Tugend schwächen.
   Dann will ich weiter mit dir sprechen.

(Sophie verschleyert sich.)

Edu.
   Dein Schmerz ist edel und gerecht.
   Ich bin ein Mensch, und ehre dein Geschlecht,
   Ich schätze dich, und zähle deine Thränen.
   Ich komme nicht hieher den Todten zu verhöhnen,
   Weil ich sein Sieger bin; Nein, Ehrfurcht führt mich her.
   Die Zähre, die ihn nezt, soll seine Thaten krönen!
   Ich fällte manchen Feind, der Würdigste war er!
   Ruh sanft du edle Leiche! ----
   Wie rühmlich floß dein Heldenlauf!
   Wenn ich dir einst am Ruhme gleiche,
   Und dir auch nicht an Tugend weiche;
   So bin ich stolz darauf.

(Zur Königinn.)

                                Arie.

   Besteig den Thron als Königinn!
   Ich schenke deinem theuren Sohne
   Sein weites Reich, und seine Krone!
   Wiß, daß ich Feind der Stolzen bin;
   Doch die Demüthigen verschone.
   Nimm diesen goldnen Zepter hin!

                                Chor.

   Preiset, und ehret ihr rühmlichen Krieger,
   Den mächtigsten Helden, den tapfersten Sieger!

Soph.
   Der gröste Fürst bist Du!
   Der Himmel schicket uns durch Dich den Segen zu!

Edu.
   Izt hab ich noch den schwersten aller Siege!

(Er blickt sie an, wankt, und sagt entschlossen.)

   Lebwohl ---- Wir haben uns das letztemal gesehn!
   Indem ich rasch aus diesem Grabmaal fliege,
   Wird erst die gute Handlung schön.

(Er geht.)

                                Chor.

   Preiset, und ehret ihr rühmlichen Krieger,
   Den mächtigsten Helden, den tapfersten Sieger.




                            Sendschreiben.
                           Alsin an Eduard.


      Wie, mit Lorbern belastet, in Mitte der glänzendsten Siege
   Eduard, liebst du mich noch, und schreibst mir freundschaftliche
      Briefe?
   Wie kannst du bey soviel Geschäften die goldnen Minuten
   Gütig verschenken, den Lehrer zu grüssen, der ewig dich liebet,
   Dich in blutige Schlachten mit Zittern begleitet, und seufzet,
   Dich mein erhabner Zögling, von Feinden umringet zu sehn?
   Wie oft wünsch ich dich in die Arme der Musen zurücke;
   Wie oft träum ich mich wieder in jene glückseligen Stunden,
   Da ich mit dir die Lichter der Erde mit Musse besuchte;
   Bald mit dem Honig der Dichtkunst, und bald mit dem Nectar der
      Weisheit
   Deine hungrige Seele durch grosse Gedanken erquickte.
   O schon damals reiften die Keime der edelsten Tugend!
   Welche Wonne durchströmte mich oft, wenn zärtliche Bilder,
   Sanfte Gemälde des Lebens die Thränen vom Auge dir lokten!
   Freudiger schlug mir das Herz, und Hofnungen labten den Busen.
   Dieser wird König! So sagt ich, wie wird Er die Erde beglücken!
   O weissagend ist dieses Gefühl, und heilig die Regung!
   Menschlichkeit ist die Zierde der Fürsten, die Stütze der Throne!
   Dank dir allmächtiger Himmel, du hast die Lehren gesegnet!
   Sieh, schon reifet mein Zögling, mein Liebling zum Fürsten der
      Fürsten!
   Nicht durch blutige Siege, -- Durch ewige Thaten des Herzens!
   Thaten, die noch unsterblicher werden, wenn Er schon verweset.
   Indeß die fressende Zeit die goldnen Trophäen verschlinget,
   Die nur ein Denkmaal der harten Zerstörung der Menschen bereiten.
   König, du weintest, so schreibst du, nach jenem berufenen Treffen;
   Schick mir die Thränen, damit ich sie trinke, die göttlichen
      Thränen!
   Eine von ihnen verdient Obelisken; die Lorbeern verwelken!
   Du hast die Wunden der Feinde gesalbet. O könnt ich dich küssen!
   Wie ein Vater den Sohn mit brünstigen Armen umfassen,
   Dich mit Zähren des Dankes bethauen! Ich danke dir Zögling,
   Du hast den Saamen der Weisheit gesammelt, gepflegt, und genähret.
   Aber was soll ich vom Siege, vom herrlichsten Siege dir sagen?
   Selbst der herzenzerschmelzenden Schönheit der Weiber entfliehst du!
   Nimm die Krone! Sey König! Die reizende Tugend bekrönt dich!
   Eduard, liebe die rühmlichen Gleise, sey immer dir ähnlich;
   Sey stets ein Bruder der Menschen, ein zärtlicher Vater der Völker;
   Liebe dein Vaterland mehr als die verwelkenden Palmen!
   Schenk, sobald es die Staatskunst erlaubt, der Erde den Frieden;
   Sey mehr gütig als groß, mehr menschlich, als unüberwindlich!
   Nicht nur im Schlachtfeld ist Arbeit, der Friede hat edle Geschäfte.
   Einst beglükst du die blühenden Staaten mit weisen Gesetzen;
   Du verherrlichst die Städte mit Wissenschaft, steigenden Künsten,
   Schönen Pallästen, die deine ruhmwürdige Kenntniß bezeichnen.
   Da lebst du von Freunden gepriesen, von Bürgern verehret,
   Von den Bundesgenossen geliebt, von Nachbarn bewundert.
   O dieß reizende Bild verjünget mein silbernes Alter!
   Dann kriech ich mit segnender Lippe zur Stufe des Thrones,
   Bringe Dir lallend den Abschiedgruß, preise die selige Stunde,
   Die dich der Erde zum Trost, zum süssesten Labsal geschenkt hat.
   Aber zu weit verliert sich mein Geist in reizenden Träumen!
   Träumen? Nein! Lebende Bilder sind dieses, du wirst sie beseelen!
   Sey nur so thätig wie jener, der jede Minute beweinte,
   Die nicht sein göttliches Herz durch rühmliche Handlungen schmückte.
   Aber dein Anfang beweiset, daß du nicht Sekunden verlierest.
   Schenk dich uns bald, mit Sehnsucht erwarten dich schmachtende
      Freunde:
   Nicht mehr mit Briefen, mit jauchzendem Munde will ich dich
      begrüssen.




                                Brief.
                           Eduard an Alsin.


Zu Pferde lese ich deinen Brief, und zu Pferde schreibe ich auf meine
Schreibtafel zur Antwort: Meine Feinde sind gedemüthiget, und ich komme
dich kindlich zu umarmen, und dir mündlich zu sagen, wie sehr ich dir
für dein warmes Sendschreiben danke, und dich liebe u. s. w.




                                Scene.


      Ein Saal mit den Schlachtgemälden Eduards. Eduard, einige
                       Höflinge hernach Beliam.

Edu. Der Maler versteht seine Kunst! ---- Lasset ihm die Originalplane
geben! ---- (Er liest) Die unglaubliche Uebersetzung des Flusses ----
Die wunderbare Schlacht bey ---- Lasset diese schwülstigen Aufschriften
weg! Sagt die Sache kurz: die Uebersetzung des Flusses, die Schlacht bey
---- Grosse Aufschriften machen kleine Thaten! ---- Albin, dir übergebe
ich die Besorgung dieses Geschäftes; zieh meinen Freund Alsin in allem
zu Rath. Ich kenne deinen guten Geschmack. ---- Beliam, was bringst du
so freudig?

Beliam. Alle gute Dinge sind drey! ---- Das Erste ist mein Gruß! Das
Zweyte ist ein wunderbares Ding, und das Dritte diese Rolle Papier.

Edu. Den Gruß nehme ich mit Dank. Das Zweyte mußt Du mir deutlicher
erklären, und das Dritte will ich lesen.

Beliam. Salinia, das schönste Mädchen am ganzen Hofe, schickt mich zu
dir mit diesem Briefe, und sie gab mir noch Etwas für dich. Weiser
König, rathe selbsten was es ist. Ich will dirs sonnenklar beschreiben.
----


                               Räthsel.

   Bist du mein Held wie einst Oedip bescheiden;
   So löse mir das Räthsel mit Verstand!
   Ein Alexander mag den Knotten schneiden,
   Das zeigt nur Stolz, und eine kühne Hand.
   Sprich meinen Namen aus, der allen lieblich klingt,
   Von dem ein jeder Dichter singt.
   Nur Gleißner nennen mich mit Stocken und Erröthen.
   Bald darf ich frey in die Gesellschaft treten.
   Man sieht mich gern in grossen Häusern blühn.
   Bald muß ich scheu die Sonnenstralen fliehn.
   Einst lebt ich brüderlich mit Freunden und Verwandten,
   Bis mich die Schwesterchen verbannten.
   Seitdem bin ich den Liebenden getreu,
   Ich werde seltsam, aber neu.
   Sehr oft misbrauchen mich Verräther.
   Die Näscher machen mich gemein.
   Mich hassen gar zu strenge Väter.
   Den Brünstigen bin ich verächtlich, klein.
   In jenen edlen Heldenzeiten,
   War ich ein unschätzbarer Preis.
   Ich suche den, der mich oft nicht zu schätzen weiß.
   Ein andrer muß um meine Freundschaft streiten.
   Ich lohne den, der mich erringen muß.
   Ich lasse mir von Fürsten nicht befehlen.
   Oft schenkt man mich nur mit Verdruß.
   Die sind nicht thöricht, die mich stehlen.
   Doch der erkennt von mir den ganzen Werth,
   Der seine Liebe froh durch mich beschwört.

                   *       *       *       *       *

Eduard.
   Weil ich dir doch das Räthsel lösen muß;
   So sag ich dir geheim, es ist ein ---- Kuß!




                               Cantate.
                        der Salinia an Eduard.


                                Arie.

   Liebe, süß sind deine Freuden;
   Mich berauschet dein Genuß.
   Reiche mir den Abschiedskuß,
   Denn wir müssen ewig scheiden.
   Du bist flüchtig wie das Glück.
   Ich befürchte deine Ränke.
   Wenn ich deine List bedenke,
   Beb ich scheu vor dir zurück.

                              Recitativ.

   Laß mich dem Donner rasch enteilen,
   Die du dem Vater Zevs oft hämisch stihlst.
   Ich weis, daß Du mit Herzen spielst,
   Oft Wunden schlägst, um sie nicht mehr zu heilen;
   Und dich am Menschenblute kühlst.
   Ich will dein frohes Lächeln nützen,
   Und fliehe scheu vor deinen Blitzen.

                                Arie.

   So lebe wohl, du süsses Götterkind!
   Wir trennen uns nicht ohne sanfte Zähren,
   Die nur zu sehr mein armes Herz belehren,
   Wie angenehm selbst deine Fässel sind.
   Izt, da ich dich aus meinem Busen reisse,
   Bleibt meine Seele noch von deinen Reizen voll.
   Indem ich Dir den wärmsten Dank verheisse,
   Wein ich Dir noch mein letztes Lebewohl.

                              Recitativ.

   O wenn du holder Gott, auch so beständig wärest,
   Als du bezaubernd bist!
   Wie blühte dein Altar, den du zerstörest,
   Und der der schönste Preis von deinen Siegen ist!
   O Liebe, willst du mich mit fester Freundschaft küssen,
   So komm mein Leben zu versüssen!
   Ich schwöre dir die treusten Dienste zu.
   Mein angenehmster Gott bist du.

                                 Arie

   Jauchze Geist, frohlocke Herz!
   Mich begeistern edle Triebe;
   Mich vergöttert izt die Liebe,
   Mir lacht jugendlicher Scherz.
   Amor, du bist meine Sonne,
   Die mein Mund am Morgen grüßt;
   Mich beseelet deine Wonne
   Wenn der Mond die Tage schließt.




                           Scene bey Hofe.


                Der König, und sein Vertrauter Albin.

Edu. Und was wäre denn der sehnlichste Wunsch deines Herzens, und meines
Volkes?

Alb. Daß der beste König seinem Vaterland eine Mutter und einen Erben
----

Edu. Ich verstehe dich! -- Ich hasse politische Verbindungen.

Alb. Eure Majestät sind frey, und können wählen.

Edu. Die Wahl ist schwer. Die Sitten, die Charaktere des schönen
Geschlechtes sind abgewürdiget ----

Alb. Tugenden sind allezeit selten; aber doch zu finden.

Edu. Kennst du ein vollkommenes Weib?

Alb. Ich bin so glücklich ----

Edu. Du?

Alb. Ich kann mir schmeicheln, einen solchen Schatz zu besitzen.

Edu. Du entlockst mir ein Lächeln. Mein Freund, ich wünsche dir Glück!
Nähre deinen Wahn!

Alb. Auf die Treue meiner Geliebten setze ich mein Leben!

Edu. Viel gewagt! -- Mann, du sprichst so dreist, daß ich Lust hätte,
dich ein bischen zu demüthigen. Wir wetten ----

Alb. Meine Sidia ist die Krone der Mädchen! Sie liebt mich --

Edu. Bis einer kommt, der sie bezaubert. Ich will sie dir treulos
machen.

Alb. Ohne königliche Gewalt gewiß nicht!

Edu. Wir wetten also! ---- Dieser goldene Orden sey der Preis unserer
Wette! ---- Ich will dir dein getreues Mädchen mit süssen Schmeicheleyen
entführen. Verlierst du; so soll mein gerechtes Hohngelächter deine
Strafe seyn, und du sollst dich hüten, mir ferner von Weibern zu
sprechen. Komm, ich will mit dir im Garten die kleine List verabreden.


                         Poetische Erzählung.

      Bleibt fern von mir ihr tragischen Erzähler,
   Weil euer Trauerton das Ohr erschreckt!
   Ihr Schönen, die man gern mit feinem Spotte neckt,
   Ich streife nur mit Lächeln eure Fehler.
   Befürchtet nicht, daß Euch die Muse häßlich macht,
   Wenn auch ihr kleiner Satyr lacht.
   Laßt nur den Witz sich an den Mängeln üben,
   Die Männer müssen Euch doch ewig lieben,
   Dafür hat selbst die Frau Natur gesorgt,
   Die ihren Kindern selten borgt.
   Sie fodert von den Herzen strenge Steuern,
   Und läßt den Pfeil der Liebe niemals feyern.
   Jedoch beginnen wir; mit Gunst!
   O Muse, steh mir bey, und male die Geschichte,
   Denn ich verstehe keine Kunst.
   Du giebst mir Stoff und Worte zum Gedichte.
   Albin verschwand bey Hof, und wählte sich das Haus
   Der schönen Sidia zur Zuflucht aus.
   Er kömmt verstöhrt. Sein scheues Wesen
   Läßt schon auf seiner Stirn ein grosses Unglück lesen.
   Sie dringt in ihn; er seufzt, und schweigt.
   Sie fleht so lang, bis sie ihn beugt.
   Zu siegreich sind die sanften Thränen,
   Besonders bey geliebten Schönen.
   Vergesset nicht, daß meine Sidia
   Erst achtzehn Sommer zählet!
   Denn wenn ein Weib schon sechzig Winter sah,
   Wird ein Versuch mit Zähren ganz verfehlet.
   Albin eröfnet ihr, daß er beym König fiel,
   Daß seine stolzen Feinde siegen.
   Du kennst schon, sagt er ihr, der Schranzen Gaukelspiel!
   Du weißt, wie leicht sie allzeit Fürsten trügen.
   Mein Leben steht izt in Gefahr.
   Die Flucht allein kann mich erretten.
   Hier dräun mir Theureste, nur Schand und Ketten.
   Warum die Flucht, rief sie, die ganz versteinert war.
   Wer soll dich aus dem Arm der Liebe reissen?
   Hab ich dir nicht mein Herz verheissen?
   Zuerst erwürgt man mich!
   Warum willst du dich von mir trennen?
   Wer weiß den Aufenthalt, den nur wir beyde kennen?
   Hier wohne Freund, die Wächterinn bin ich!
   O dies Geheimniß soll mir nicht der Tod entlocken!
   Ich werde nicht bey Martern stocken.
   Du sollst durch mich gerettet seyn!
   Albin umarmet sie, und willigt ein.
   Er singt das Weiberlob aus froher Kehle,
   Indeß ertheilt der Fürst die dräuenden Befehle,
   Und will den flüchtigen Albin bestrafet sehn.
   Dem Finder werden selbst Belohnungen versprochen.
   Izt sollten wir nach Hofe gehn,
   Da sind für Höflinge die wichtigsten Epochen,
   Wenn gäh ein grosser Günstling fällt.
   Wie prächtig wird sein Lebenslauf erzählt!
   Schreyt nur ein Feind, so schreyen alle,
   Und jeder Höfling füllt den Mund mit Galle.
   Wer kann dem Geifer widerstehn?
   Doch weder Haß, noch glänzende Versprechen
   Entdecken unsern Schuldigen.
   Die Neider konnten sich nicht rächen,
   Die Scene blieb stäts ohne Blut.
   So stand die Sache, das war gut. ----
   Von ungefähr ergötzt sich Eduard mit Jagen.
   Ein Ungewitter kömmt, und überraschet ihn.
   Da steht mein Fürst getauft, mit leerem Magen;
   In welches Zufluchtort soll er in Eile fliehn?
   Er reutet durch Gebüsch und schwere Gleise;
   Doch gäh zeigt sich ein Waldpallast.
   Er nähert sich dem Thor, und pocht ganz leise.
   Der Pförtner fragt: Wer da? Die Antwort war: Ein Gast!
   Man läßt ihn ein. Der Ruf mit schnellen Flügeln
   Verbreitet sich. Der König wird begrüßt.
   Und Sidia, die Frau von dieser Wohnung ist,
   Eilt sich geschwind zu schmücken, und zu spiegeln,
   Und läßt das Schlafgemach Albins verriegeln.
   Der Leser denkt hier kritisch nach.
   Sie will, denkt er, ihr theures Pfand versiegeln;
   Ganz billig schließt sie das Gemach.
   Jedoch die Eitelkeit will ihm nicht recht behagen;
   Mir auch nicht, das will ich ganz im Vertrauen sagen.
   Jedoch das reizende Geschlecht liebt Ziererey,
   Vielleicht wars blosse Tändeley,
   Jedoch ich eile rasch zur Sache.
   Die schöne Wirthinn grüßt den Gast in seiner Sprache.
   Man speist, der edle Rebensaft
   Entflammt allmählich ihre Busen. ----
   Verlaßt mich nicht beredten Musen,
   Gebt meiner Feder neue Kraft!
   Zwey Herzen fühlten sanfte Triebe,
   Und Eduard gestand ihr seine Liebe.
   Das Herz der Könige wird nie verschmäht.
   Wenn im Roman ein Held durch vierzehn Bücher geht,
   Eilt ein Monarch mit Riesenschritten.
   Genug die Sidia ließ sich erbitten.
   Jedoch als Sieger seufzt noch Eduard.
   Was nüzt ein Gut, ruft er, das man so schwer bewahrt?
   Kömmt dein Albin einst wieder;
   So wird mein Glück zerstört.
   Der kleine Zweifel schlägt den grösten König nieder?
   Ruft Sidia, die ihn mit sanftem Lächeln hört.
   Wie soll ich dir den Zweifel denn entreissen?
   Durch eine Probe, sprach der Gast.
   Ich gebe sie, lallt sie, jedoch es reut mich fast;
   Du must mir für Albin erst deine Huld verheissen.
   Sein Leben ---- Nein! Brach hier der König ein,
   So wahr ich izt den goldnen Orden fasse;
   So wahr bleibt es, daß ich ihn hängen lasse!
   Ein König darf kein Lügner seyn.
   Die Sidia befiel ein banges Zittern.
   Das Mitleid wirkt bey weiblichen Gemüthern.
   O König, nimm dein Herz, und deine Grösse hin,
   Rief sie als Heldin auf, es lebe mein Albin!
   Ich würde Dich als seinen Mörder hassen.
   So müssen wir uns denn verlassen?
   Nahm ganz betrübt der Fürst das Wort
   O Sidia leb wohl, ich eile fort!
   Es ist, ich fühl es schon, um meine Ruh geschehen.
   Ach! Hätt ich Dich doch nicht gesehen!
   Ich kenne Dich zu sehr, Du liebst;
   Das Herz ist schon verschenkt, das Herz, das Du mir giebst!
   Ich habe Dir ein freyes Herz gegeben.
   Ich dachte nur allein für Dich zu leben.
   Es war ein süsser Traum. Lebwohl! Er seufzt, und geht.
   Die Schöne hat bisher sehr hart gefochten.
   Sie ward in einem Streit verflochten,
   Bey dem kein Engel lang besteht.
   Oft fielen Mädchen, die am meisten pochten.
   Bleib doch zurück! Rief sie, nimm hin
   Mein schwaches Herz, und den Albin!
   Izt führt sie ihn mit Zittern zum Gemache.
   Hier wohnt der Gegenstand von Deiner Rache!
   Doch wenn Du mich mit wahrer Treue liebst,
   So wirst Du mir die Zärtlichkeit beweisen,
   Wenn Du sein Blut mir zum Geschenke giebst,
   Laß ihn von hier in Frieden reisen!
   Albin, so rief der Fürst, Du hast verspielt!
   Du bist verkauft durch Deinen schönen Wächter.
   Sieh Freund, so sind die hübschen Erdetöchter.
   Gestehe mir, daß jede schielt!
   Doch ich will meinen Schwur nicht brechen,
   Und ich erfülle mein Versprechen.
   Empfange zum Geschenk dieß goldne Ordensband
   Aus deines Königs Hand!
   Er soll, so wie ich schwur, an Deinen Nacken hängen!
   Doch sey auch klug, und spiele nicht den Strengen.
   Reicht Euch die Hand, versöhnet Euch,
   Es war ein kleiner Liebesstreich!
   Ich will mich heut bey Euch recht lustig machen,
   Ihr müßt mit mir von Herzen lachen.
   Was thut Albin? -- Er nimmt sein Mädchen an,
   Denn er war stäts ein guter Mann,
   Das sag ich ihm zu seinem Lobe.
   Doch setzt er sie nicht weiter auf die Probe,
   Und das ist gut gethan.
   Gesetzt er härmte sich, und würde mager,
   Es hälf ihm nicht.
   Ihn tröstet doch ein königlicher Schwager.
   O Leser, wenn vielleicht auch dein Gehirnchen sticht,
   Sey ohne Sorgen, küß, und laß dich küssen,
   So lang es dir beliebt!
   Doch hüte dich die Kleinigkeit zu wissen,
   Die dein geliebter Schatz dem Nebenbuhler giebt.




                              Lustspiel.
                           Scene bey Hofe.


   Isidor, Dornwald, Edmund, Rasian, andere Höflinge, hernach Albin.

Isid. Albin hat des Königs Gunst verloren, das ist schon Verbrechen
genug.

Edm. Er ist dem Sturm glüklich ausgewichen.

Ras. Seine Flucht ist ein Meisterstreich.

Dornw. Unter uns, ich wünsche euch allen Glück, daß ihr von diesem
feinen Schurken befreyt seyd.

Ras. Du hast in meinem Herzen gelesen. Ich kann Euch schwören, daß ich
ihn aus ganzer Seele hasse.

Isid. Ich liebe ihn wie den Tod! Der Schleicher war stäts ein Eckstein,
woran ich meinen Kopf stieß.

Dornw. Er war der erste Taugenichts, den ich kenne.

Isid. Ein Meister in allen Lastern.

Ras. Ein Erzschwelger.

Dornw. Ein Betrüger! Wie viel Gläubiger werden durch ihn zu Bettlern!

Edm. Ich will mein Leben verwetten, er war auch ein falscher Spieler
----

Isid. O das war er allezeit! Ich kenne auch keinen grössern
Verschwender.

Ras. Er ist ein Wollüstling. Wie viel Schlachtopfer verkauften ihm die
Mädchenhändler!

Dornw. Er verdient Verachtung! Laßt ihn vergessen!

Isid. Der König sollte ihn zum Exempel bestrafen ----

Dornw. Wer weis, was noch geschieht? Ich will alles beytragen.

Isid. Ich goß überall Oel in die Flammen.

Edm. Man sollte nur sein Zufluchtort ausspüren.

Ras. Er wagt sich sobald nicht an das Licht. ---- Aber sehe ich recht?
---- Da kömmt er! ---- Ich irre nicht ----

Isid. O Bravo! Das wird ein feines Spiel bey Hofe werden.

Dornw. Das ist unverschämt, dreist, bis zur Tollheit dumm!

Isid. Der Stier eilt selbst zur Schlachtbank. Hahaha!

Alle. Hahaha!

Alb. Willkommen meine Freunde!

(Die Höflinge, als wenn sie ihn nicht sähen, theilen sich in kleine
Haufen, sprechen leise mit einander.)

Alb. Isidor, ist der König schon zu sprechen?

Isid. Das weis ich nicht. Ich trete eben ein. Was giebt es Neues? ----
Eben recht, Dornwald, auf ein Wort!

(Er verläßt den Albin, und eilt zu Dornwald.)

Alb. Mein lieber Rasian, wie geht es Dir?

Ras. So so! ---- Edmund, sind deine neuen Gestütpferde noch käuflich?

Alb. Die Herren sind zu sehr beschäftiget, ich will eintreten.

(Er geht ab.)

Alle. Hahaha!

Isid. Der Geck! Er wird beym König kriechen, und betteln.

Ras. Laßt uns horchen! ---- Ein Seufzerkoncert!

Dornw. Er wird eine zürnende Gottheit finden. Der Fürst ist heut in
wilder Laune.




              Neuer Auftritt. Der König, Albin, Vorige.


Eduard. Meine Freunde, da führ ich Euch meinen lieben Albin auf! Wir
sind versöhnt. Es war ein blosser abgeredeter Scherz. Wünscht ihm Glück
zu neuen Würden, und Zeichen meiner Gnade. Albin, wir sehn uns heut bey
der Tafel! (Er geht.)

(Alle Höflinge drängen sich zu, den Albin zu umarmen.)

Isid. Seht, unser Albin ist uns endlich wiedergeschenkt! ---- Meinen
herzlichen Glückwunsch!

Edm. Ich nehme den lebhaftesten Antheil.

Ras. Ich bin entzückt!

Dornw. Ich bin hingerissen!

Isid. Ich habe für Dich wie ein Bruder gearbeitet ----

Edm. Du bist mein Zeuge Isidor, wir beyde ----

Ras. Auch ich war dabey!

Dornw. Der König wollte mich lang nicht hören ----

Isid. Endlich wich er unsern dringenden Bitten.

Alb. Welch ein glücklicher Mann bin ich! Wie viel Freunde!


                         Komisches Singspiel.

                        Final. Chor von Allen.

   Seht die Freuden uns umschweben;
   Lasset uns in Freundschaft leben,
   Sie erquicket meine Brust.
   Ihren zärtlichen Befehlen
   Folgen die erhabnen Seelen,
   Freundschaft ist der Menschen Lust!

(Alle lispeln leise für sich.)

   So verstellt man seine Triebe,
   Und man zeiget warme Liebe,
   Wenn man tödtlich haßt.

                               Isidor.

   Ich bin meiner Züge Meister!

                               Rasian.

   Von mir lernen kleine Geister!

                               Edmund.

   Solche Freunde sind zur Last!

                                Albin.

   Ich umarme, küsse, preise,
   Doch die Worte bleiben Dunst.

                           Alle sehr still.

   Wie die Schlangen gehn wir leise,
   Und die zärtlichsten Beweise
   Lehrt uns die Verstellungskunst.

                           Chor von allen.

   Eilt euch liebreich zu umfassen!
   Busen, die die Falschheit hassen,
   Fässelt heut ein Liebesband.
   Schwöret itzt mit sanfter Freude,
   Schwört die angenehmsten Eyde;
   Schenkt die Herzen mit der Hand!

(Sie schlagen die Hände mit Geräusche einander.)

                      Ende der zweyten Kaprizze.




                           Der Mann Eduard.
                           Dritte Kaprizze.




                                Scene.


              Eine Studierstube. Eduard, und der Weise.

Edu. Mein Besuch ist mir reichlich vergolten! Ich bewundere deine tiefen
Einsichten. Die Philosophen sprechen von vielen Welten. Was denkst du
davon?

Der Weise. Für den Weisen sind viele Welten; aber für die Eroberer ist
nur eine. Der Weltweise kann seine gelehrten Eroberungen unendlich
ausdehnen. Sein Adlerblick übersieht wirkliche und mögliche Schöpfungen.

Edu. Eine Welt ist dem Ehrgeiz zu klein.

Der Weise. Die Sonne ist neunmahlhunderttausendmal grösser, unser
Ehrgeiz ist also minder beschränkt.

Edu. Ehe ich dich verlasse, sollst du eine Gnade von mir fodern.

Der Weise. Ich befinde mich jetzt in der Lage eines Diogenes; Der
cynische Weltweise hat dem grossen Alexander, wie mir däucht, als ein
stolzer Narr geantwortet. Ich sage Eurer Majestät für ihre Gnade Dank.
Ich habe meine wenigen Bedürfnisse so nach der Natur beschränkt, daß ich
in der That nicht geschwind wüste, was ich wünschen sollte. Alles was
mir Könige geben können, ist mir entbehrlich; und alles, was ich
wünsche, haben die Könige nicht. Doch in Eurer Majestät Staaten leben
viele meiner bedürftigen Brüder; giessen Sie ihre Wohlthaten auf die
Armuth aus, und vergrössern Sie meine Glückseligkeit, indem ich höre,
daß die Armen erquickt sind.

Edu. Deine Bitte ist schön! ---- Du bist menschlicher als Diogenes.

Der Weise. Und du gütiger als Alexander!




                                Roman.


Es war Friede, und Eduard überließ sich den Freuden der Liebe. Sein Hof
war der Sammelplatz des schönen Geschlechtes, und die artigsten
Liebesgeschichten waren täglich der Gegenstand der lächelnden Kreise.
Der König wurde von den Gunstbezeugungen der wohlthätigen Grazien zu
sehr überhäufet, und wünschte einmal das seltne Vergnügen zu fühlen,
nicht als König, sondern bloß als Liebhaber zärtlich geliebt zu seyn.
Ein Zufall gab ihm, was er lange vergebens wünschte, eine Geliebte, die
ihn selbst, und nicht seinen Stand liebte.

Eduard hatte einer seiner Freundinnen ein niedliches Landhaus gekauft,
das er oft verkleidet besuchte. Es stand in einer Gegend, wo auf
malerischen Hügeln einige Lusthäuser zerstreut lagen. Eines Tags
spazierte er ganz allein, und beschaute alle benachbarten Gärten. Er sah
einen, dessen angenehme Aussicht ihn entzückte. Er fand eine kleine
Thüre offen. Er schlich durch das Gegitter, trat in die Ebne, und
weidete sein Auge an den zierlichen Blumenbeeten. Er durcheilte den
ganzen Garten, ohne jemand zu finden. Plötzlich trat er in eine duftende
Laube; freundschaftliche Aeste neigten ihre fruchtbaren Wipfel einander
entgegen, und umschatteten ein artiges Rebengeländer. Hier fand er ein
schlummerndes Mädchen, das alle Schönheiten übertraf, die er jemals
gesehn hatte. Sie fuhr beym Geräusche vom Schlummer auf. Er wich
bescheiden zurück, machte ihr die höflichste Entschuldigung, erzählte
ihr seine gereizte Neugier, und mischte so artige Schmäucheleyen in sein
Gespräch, die sie immer sehr geistreich beantwortete, daß sie einander
bezauberten. Die Liebe wirkt rasch. Sie bedarf nur weniger Augenblicke
zum Siege, Elisie, so hies die Schöne, führte ihren Liebhaber durch die
kleinen Stuffen der Zärtlichkeit, und Eduard liebte, ohne den König
blicken zu lassen. Er gab sich für einen Höfling aus, und erfuhr, daß
seine Schöne die Tochter Alsanders eines bemittelten Edelmannes war. Izt
begann eine geheimnißvolle Liebesgeschichte. Man wechselte Herzen, man
bestellte sich zärtlich, und dieses mystische Gepräng hatte für einen
siegreichen König besondere Reize.

Eines Tages findet Eduard seine Elisie in Thränen. Er dringt in sie; er
späht die Ursache; mit Schluchzen erklärt sie ihm, daß ihr Vater sie an
einen Nachbar seinen alten Freund vermählen wollte. Das soll er nicht!
Ich befehle, rief Eduard, der den Liebhaber vergaß, und den König zur
Unzeit spielte. Er faßte sich plötzlich, er ersann ein Rettungsmittel;
keines gefiel. Er schlug ihr die Flucht vor; aber Elisie war tugendhaft.
Eine seltsame Lage für einen verliebten König!

Der Vater hatte von der heimlichen Liebe seiner Tochter einige Spur,
doch ohne zu wissen, daß dieser Anbeter sein König seyn sollte. Er
wollte dem Liebesverständnisse, das seinen Absichten zuwider war,
Schranken setzen, und hielt seine Tochter sehr eingeschränkt, ließ sie
selten allein, und der durchlauchtige Verehrer mußte sich mit kleinen
zärtlichen Briefchen begnügen. Eduard war in Verzweiflung, er wollte
seine Geliebte besitzen, und entschloß sich seinen gefährlichen
Nebenbuhler zu entfernen. Er berief ihn unter einem Vorwande nach Hof,
und verheurathete ihn an ein reiches Fräulein. Der Vater Elisiens als
ein Mann von Entschlüssung tröstete sich damit, daß er einen andern
Eidam wählte, und Eduard hatte einen neuen Nebenbuhler. Noch niemals
fand sich ein verliebter König in solcher Verlegenheit. Er entwarf
tausend Plane. Bald spielte er den Monarchen, und riß gewaltthätig die
Entwürfe seiner Gegner über den Haufen; gleich nahm er wieder Zuflucht
zur Sanftmuth um seinen königlichen Stand nicht zu verrathen.

Endlich näherte der traurige Zeitpunkt, in welchem er alle seine
Hofnungen verschwinden sah. Ein Prozeß zwang den Alsander in der Stadt
zu erscheinen. Er nahm aus Vorsicht seine Tochter mit sich. Er besuchte
gelegentlich alle Palläste, zeigte ihr alle Seltenheiten, und ließ sie
auch den König bey der Tafel sehen, um ihr die Pracht eines königlichen
Mahles begreiflich zu machen. Sie traten in den Speisesaal, viele Fremde
waren zugegen. Alle bewunderten den fürstlichen Aufwand, den Geschmack
und die Kunst der goldnen Geschirre; aber der König zog alle Augen auf
sich.

Alsander zeigt seiner Tochter den König, sie erblickt in ihm ihren
Geliebten, und sinkt ihrem Vater ohnmächtig in die Arme. Der Zufall war
neu. Alle Hofdiener, und Schranzen eilten herzu. Ein Fräulein, das mehr
ein Engel, als ein Mensch war, in Ohnmacht zu sehen, war für galante
Höflinge ein zu wichtiger Gegenstand. Alles war beschäftiget. Hundert
Hände mit Balsamgerüchen waren gerüstet. Jeder machte sich ein Verdienst
daraus, der erste zu seyn. Eduard selbst sprang von der Tafel auf, und
drängte sich durch; aber welche Erstaunung befiel ihn, seine geliebte
Elisie an seinem Hofe in Gefahr zu sehen. Er ließ sie eilends in seinen
Gemächern zur Ruhe bringen. Der königliche Leibarzt ward gerufen, und
alle Höflinge machten tausend Muthmassungen, und bestimmten das gute
Fräulein entweder für sich selbst, oder für den König zur Geliebten.

Den ganzen Tag ward nur von der unbekannten Schönen und ihrer
wunderbaren Ohnmacht gesprochen. Diese Begebenheit war eine wichtige
Beschäftigung für müßige Hofleute. Elisie befand sich in einer
kritischen Lage. Eduard verließ nicht das Vorgemach seiner Gebieterinn,
spähte immer auf alle Zufälle, und empfahl dem Arzte seine Geliebte wie
sein eignes Leben. Er rufte Alsandern zu sich, und entdeckte ihm seine
ganze Liebesgeschichte. Der Vater staunte, und sah wohl ein, daß er in
einem schweren Handel verflochten wäre; er sagte dem König mit der
Entschlossenheit eines rechtschaffenen Mannes: Eure Majestät, nach den
gewöhnlichen Sitten der Welt sollte ich sagen, daß ich mir die gröste
Ehre daraus mache, meine Tochter von einem Könige geliebt zu sehen; aber
ich bin von den ausserordentlichen Menschen, die nach eignen Begriffen
handeln, und ich gestehe Eurer Majestät, daß ich zu ihrer eignen Ruhe
und zum Wohl meiner Tochter wünschte, daß sie von einem Manne ihres
Standes, nicht aber von einem durchlauchtigen Anbeter geliebt würde. Ich
bin Unterthan, Eure Majestät sind mein Gebieter. Ihre Gewalt ist grösser
als die Meinige; alles, was ich als Vater thun kann, ist, meiner Tochter
wie ein wahrer Freund zu rathen, und ihrem Herzen die Entscheidung zu
überlassen. Die Folge wird zeigen, ob sie mehr ihren Liebhaber, oder
ihre Ehre und die Tugend liebt. Da ich sie mit schwachen Händen als
Vater wider einen mächtigen Monarchen schützen würde; so soll der Himmel
und ihre Rechtschaffenheit sie wider die Versuchungen der Liebe, der
Gunst, der Grösse, und der Gewalt schützen!

Sie sprachen noch, als Elisie sich dem König, und ihrem Vater zu Füssen
warf, und beide um eine Gnade flehte. Jeder bewilligte die Bitte; aber
wie erstaunten sie, als sie hörten, daß sie um die Freyheit bat, in eine
geistliche Freystäte sich zu begeben. Ich liebe Eure Majestät; rief sie,
ich erröthe nicht über dis Geständniß, ich habe bey meiner Wahl ihre
persönlichen Eigenschaften nicht ihren erhabnen Stand gekannt. Als König
hört Eduard auf mein Liebhaber zu seyn; aber kein Mann ist würdig sein
Nebenbuhler zu werden. Ich verlasse Sie auf ewig, weil ich meine Tugend
mehr liebe, und fliehe alle Menschen, weil ich sie allein liebe. So
sprach sie entschlossen, troknete ihre Thränen ab, faßte liebreich die
Hand ihres Vaters, und eilte zur Pforte. Umsonst beschwur sie Eduard,
ihren Entschluß zu ändern; nichts machte sie wanken, und sie flog in die
Einsamkeit. Eduard wollte seine gegebene Verheissung aus Großmuth nicht
brechen, und überließ sich lang einer schwermüthigen Laune, bis nach und
nach neue wichtige Zufälle die zärtlichen Regungen aus seinem Herzen
verbannten. Doch blieb die reizende und tugendhafte Elisie ewig der
Gegenstand seiner Bewunderung, und wenn er das schöne Geschlecht preisen
wollte, pflegte er zu sagen, schön und tugendhaft wie meine Elisie!

Die Meinungen der Höflinge waren getheilt. Einige bewunderten die
ausserordentliche Entschliessung der schönen Elisie; andere tadelten die
romantischen und strengen Begriffe; die meisten wünschten, daß ihre
Töchter, Schwestern und Muhmen in einer so vortheilhaften Lage sich
befänden, die sie und ihre Familie besser benutzt hätten. Aber die
Ohnmachten waren sehr selten bey Hofe. Alsander pries seine würdige
Tochter, und Elisie fand in der stillen Einsamkeit und in der sanften
Beruhigung eines reinen Gewissens die Belohnung, welche der schönste
Preis der Tugend ist.




                                Scene.


               Ein königliches Gemach. Eduard, Lusian.

Lus. Ich lege Eurer Majestät meine Würde unterthänig zu Füssen. ----

Edu. Warum willst du mich verlassen?

Lus. Ich liebe mein Vaterland, und werde nie als ein undankbarer Sohn
wieder meine landesmütterliche Erde streiten.

Edu. Mein liebster Lusian, hör die Vernunft! Dein Vaterland zwingt mich
zum Kriege. War nicht die dreiste Antwort des Senats eine neue
Beleidigung? ---- Ich muß die Ehre meiner Krone rächen.

Lus. Schenken mir Eure Majestät wenige Tage, lassen Sie indeß ihre
Waffen ruhn, und ich übergebe Ihnen ohne Schwertstreich friedsame
Städte, die um ihren Schutz flehen sollen. ----

Edu. Da ist meine Hand! Ich kenne deine Treue!

Lus. Ich will mein Vaterland dem schändlichen Joch entreissen, unter dem
es so lange seufzt. Stolze, grausame Senatoren haben die Gesetze
vertilget, und ihren Eigensinn zum Orakel gemacht. Verflucht sey das
Gesetzbuch der Despoten! ---- Unter Eurer Majestät gütigen Zepter soll
die glückliche Heerde ruhen! -- Ich weis gewiß, daß der großmüthige
Eduard nicht ein Land unterdrücken wird, das sich ihm freywillig
ergiebt.

Edu. Es soll mein Vaterland werden! -- Landsmann Lusian grüsse deine
Mitbürger in meinem Namen!




                                Scene.


(Ein Platz der Stadt. Lusian, viele Senatoren, bewaffnete Bürger,
Krieger, und ein unzähliges Volk, das von allen Seiten zudränget. Auf
dem Platz ist ein feuriges Gefecht. Hin und wieder werden einige Haufen
zu Boden geschleudert: In der Ferne hört man Schüsse, und einen
schrecklichen Lermen. Die Krieger reissen die Senatoren aus den Häusern.
Lusian fliegt daher mit blutigem Schwert. Die Fackeln verschwinden, und
es wird Tag.)

Lus. Schonet das Blut! ---- Meine Brüder, besänftiget Euch! ----
Schützet die Freyheit! ---- Führt die Senatoren in das Gefängniß! ----
Ihr Tyrannen fort!

Einige Senatoren. Hülfe! ---- Freunde! ---- Bürger! Hülfe!

Lus. Hört diese Tyger nicht! ---- Ihre Klauen triefen von Wittwenthränen
und Waisenblut! ---- Fort die Zerstörer der Gesetze! ---- Friede meine
Mitbürger! ---- Freyheit! ---- Die Republik ist frey! ---- Die Gesetze
leben auf! (Zu den Hauptleuten) Stillet den Aufruhr! ---- Lasset Güte
und Sanftmuth zurückkehren! ---- Sammelt das Volk! ---- Ich will meine
Brüder grüssen! Kommet hieher meine Geliebten! ---- Meine Freunde höret
mich! Ihr sollt mein Vorhaben einsehen! Ich liebe Euch, kommet hieher!

(Er steigt auf eine Bühne, und das Volk umringet ihn.)


                                Rede.

Ich sehe alle Augen auf mich gerichtet; ich, der ich unter dem Geräusche
der Waffen graute, trete unbereitet, unerfahren in den bezaubernden
Künsten der edlen Wohlredenheit, mit einer freyen und offenen Stirne,
mit einem zärtlichen, brüderlichen Herzen, ohne Schminke, vor das
ehrwürdige Antlitz meiner theuersten Mitbürger, Euch als meinen Brüdern
meine ganze Seele zu eröfnen, mit Euch mich zu erfreuen, und mit Euch
über das gemeinschaftliche Wohl mich zu berathschlagen. Erlaubet mir
geliebte Brüder, daß ich zuerst diese herrliche, grosse, freye,
volkreiche Stadt grüsse, und dankbar segne wo ich das erste Licht des
Lebens erblickte. Hier war meine Wiege! Diese Mauern empfiengen mein
erstes kindliches Lächeln! Früh hat das Schicksal mich meinem geliebten
Vaterland entrissen. Ich irrte lang an fremden Gestaden; zärtliche
Liebe, warme Sehnsucht meine Brüder zu umarmen, meine edle Vaterstadt
vor meinem Ende noch einmal zu sehen, zu segnen, und ihr meine Asche zu
schenken, führt mich hieher. Aber gerechter Himmel, der Du die
Begebenheiten der ganzen Schöpfung ordnest, in welchem betrübten
Zustande muß ich diese theuren Wohnungen finden! Darf ich es wagen meine
Mitbürger, Euch nach meinem Gefühle, nach dem natürlichen Eindruck auf
mein empfindsames Herz das häßliche grauenvolle Bild dieser
Schreckenscenen zu schildern, und Euch das lächelnde Gemälde der
künftigen Tage entgegen zu setzen?

Ich trage meine Blicke forschend auf diese ehrwürdige Versammlung und
spähe mit einer bangen Erwartung, ob einer ist, dessen Auge mir ein
finsteres Mißvergnügen weissaget. Gepriesen sey der Allmächtige! Mein
Herz jauchzt, da ich auf euren heitern und brüderlichen Mienen jene
Zufriedenheit wahrnehme, welche die Seele heilsamer Rathschläge, die
Säule der Eintracht, und die Stütze des Staates ist.

Selbst der verruchteste Bösewicht thut oft zum Scheine gute Handlungen;
seine Absicht ist, durch gleissende Tugenden die Herzen einzuschläfern,
zu gewinnen, die Augen des Pöbels zu blenden, und seine Laster desto
sicherer und ungestörter auszuüben; aber eure berufenen Tyrannen legten
auch den Schein der Tugend von sich, und rühmten sich schon mit einer
ähernen Unverschämtheit ihrer Schandthaten. Nur wenige ihrer
schwärzesten Ränke begrub die Nacht; aber izt brechen plötzlich alle
ihre Laster an das Licht, sie stehen wider sie auf, sie werden von der
hellsten Sonne beleuchtet, allgemeiner Fluch trift sie; vereinigter Haß
stürzt auf sie, und ewige Schande brandmarkt ihr Gedächtniß!

Wie der blutbegierige Löwe auf seinen Beuten entschlummert; rings um
seine Höhle stinken die Aeser, und überall faulen die Knochen der
erwürgten Wanderer; so waren die stolzen Palläste eurer Tyrannen, was
sag ich? Palläste, Mördergruben waren es, wo die verfolgte Unschuld ihr
Grab fand; wo die Thränen der vertilgten Wittwen, und der gedrückten
Waisen schallten! Hier wohnten die Räuber des Staats, die Feinde des
Vaterlands, die Verderber der heiligen Gesetze! Durch sie liegen die
Künste und Wissenschaften darnieder. Der gehemmte Handel seufzt, der
Fremdling wird verscheucht, und flieht diese blutigen Gestade; er sieht
die traurigen Spuren seiner Mitbrüder, und entweicht mit Schauer den
Mißhandlungen. Ein despotischer, eiserner Zepter beugt alles nieder. Das
edle Verdienst ist unterdrückt, hindangesetzt, ausgestossen, vergessen!
Die Würden sind den Meistbietenden oder feilen Dienern der Wollust
angeboten! Die armen Bürger sind mit schwerem Joche belastet; sie wagen
es nicht laut zu seufzen; nur ihre schwermüthigen Blicke sind Zeugen
ihres innerlichen Schmerzens; brüderliche Eintracht, öffentliche
Sicherheit, häusliche Ruhe sind zerstöhrt! Ist dies der Staat, wo die
Brüder mit liebreicher Eintracht leben sollten? O meine Freunde, Thränen
treten mir in die Augen, sehet, da zittert ein Vater für seine Kinder;
er fährt hastig vom Schlummer auf, und horcht ängstlich, ob man nicht
seine Söhne durch Henker ergreifen läßt, ob nicht ein geiler Rathsherr
seine Töchter gewaltsam schändet, oder seine Gattinn, die theure
Gefährtinn seines Lebens listig beschleichet, entführet, entehret!
Welchen Richter soll der Mißhandelte zu Hülfe rufen? Die Richter, die
Handhaber der heiligen Gesetze sind Meuchelmörder, Räuber,
Weiberschänder, Lasterhafte, die mit allen Verbrechen sich belasten!
---- Die Gesetze schlummern, das Schwert der Gerechtigkeit ist in der
Scheide verrostet! O ihr Hefen, die ihr die Menschlichkeit schändet,
tretet aus von diesen Gränzen, eilet mit euren Mordgesellen, mit euren
Lastergenossen, und reiniget diese edlen Mauren von der Schande, von der
ansteckenden Pest, welche die reinen Sitten der aufkeimenden Jugend
beflecket.

Diese abgehärteten Unmenschen, die alles Gefühl mißkannten, sind es
auch, welche dreiste genug sind, die Nachbarn zu mißhandeln, und das
Völkerrecht zu beleidigen. Sie reitzen große Könige zum Zorn, sie fodern
sie gleichsam auf, Euch zu bekriegen, Euch zu vertilgen! Dort steht
Eduard, ein mächtiger Sieger, seine belorbeerte Stirne ist gerunzelt,
seine unüberwindlichen Heere, wenden ihre Schritte an eure Gränzen. Was
werdet Ihr ihnen entgegensetzen? Wo sind eure Bundesgenossen? Die Wuth
der Tyrannen hat sie verscheucht! Wo sind eure Freunde? Die Frevler
haben sie in ewige Feinde verwandelt! Wo sind eure rühmlichen tapfern
Mitbürger? Die Tyger haben sie verbannt, getödtet, und ihrem
schwärzesten Neide aufgeopfert! Da steht Ihr wie eine verlassene Heerde,
den Nachbarn preißgegeben, ohne Hirten, ohne Schaafhunde!

Zittert nicht meine geliebten Mitbürger; trauret nicht ihr guten Väter;
weinet nicht trostlos ihr Mütter; richtet eure gesunkenen Herzen empor
ihr edlen Bürger! Die göttliche Vorsicht wachet; mit schutzreichen
Flügeln bedeckt sie diese rühmlichen Mauern; Diese Vertilger des Staates
sind zu Boden geschleudert! Alles lebt auf; alles wird beseelt; alles
lächelt um mich! ---- Ich bin wie ein müder Wanderer, der lange durch
die Schreckenscenen des Winters taumelte, Schneegebürge keuchend
überstieg, oder breite Flüsse übersetzte; dessen Ohren noch von den
heulenden Nordwinden betäubt, und dessen Augen vom schneidenden Gestöber
geblendet sind; aber plötzlich tritt er in ein reizendes Eden, wo grüne
einladende Fluren seinem Auge gastfreundlich winken, wo die balsamischen
Gerüche der Blumen ihn erquicken; er vergißt die vorigen Scenen. So bin
ich, der aus dem Schauplatz des Schreckens und des Verderbens in die
heitern Auftritte des wiederauflebenden Staats blicke. Die zärtliche
Stimme des Bräutigams schallt mir hochzeitlich entgegen; sicher umarmet
liebreich der Gatte die keusche Gattinn; sicher küsset die Mutter die
unentweihten Töchter; der freudige Handelsmann eilet auf reichbeladenen
Fichten, suchet die Nachbarn, und lädt sie freundschaftlich ein; das
Weberschif ist thätig; der Meissel wird geübt; die Künste und
Wissenschaften blühen auf; die Musen besuchen mit schwesterlicher
Eintracht die majestätischen Lehrsäle, und verbreiten Weisheit, und
Glückseligkeit in alle Gemüther, der Priester räuchert mit frommer
Andacht den heiligen Altar, und der ruhmbegierige Krieger rüstet sein
patriotisches Schwert zum Schutz des geliebten Vaterlands!
Seliggepriesene Mauern, wie viel freudige Bürger erblick ich in eurem
Schooße!

Unsterbliche Gottheit, sollte jemals wieder, verzeiht mir theure
Mitbürger, diesen verwägnen, schmählichen Gedanken; aber sollte jemals
der Geist der Eintracht unter euch verlöschen; sollte wieder das Laster
triumphiren, und Tugend und Freyheit unterliegen, O meine Brüder, so
tödtet mich erst; lasset mich eure Schande nicht erleben; begrabet meine
morschen Knochen in den Trümmern eurer Ehre! ---- Euer gerechter Unwille
kocht auf bey diesem abwürdigenden Bilde. Dank Euch, ihr edlen, ihr
erhabnen Patrioten! Vaterlandsliebe beseelt Euch, diese rühmlichen
Triebfedern zeichnen eure Handlungen aus, und machen sie unsterblich.
Aber lasset uns nicht unthätig entschlummern; lasset uns unermüdet
arbeiten; thuet nichts ohne weisen Endzweck; unternehmet nichts, was
eure Kräfte übersteiget; laßt uns nicht sicher entschlummern, damit
nicht heimliche Feinde uns überraschen, und das schöne Gebäude unserer
Glückseligkeit heimlich untergraben, erschüttern, zerstören! Verwandelt
durch sanfte Vorschläge eure Feinde in Freunde; macht aus ihnen Schützer
und Bundesgenossen! Eduard ist schneller als ein Blitz, und mehr
gefürchtet als ein Donner; aber dieser königliche Löwe verschonet die
Demüthigen, und umarmt den tugendhaften Patrioten. Er ist kein geiziger
Eroberer, der auf Beute lauert; der nur Länder verschlinget; nein, er
verbessert die Staaten seiner Feinde, und gießt Frieden auf die
Besiegten aus! Lasset uns versuchen, seinen gereizten Zorn zu
besänftigen, und statt blutige Schlachten friedliche Palmen wählen! Ich
will hingehen, ich will für euch sprechen, wie für meine Brüder, O
erlaubet mir zu sagen, wie für meine geliebte Familie, Ihr seyd es, ich
bin kinderlos, ich liebe nur euch!

Ich erstaune meine Freunde über die rasche Veränderung, über diese
glückliche Epochen, über den seligen Frieden, der wie ein Zephyr um mich
hauchet, über alle glückliche Fügungen, mit so wenigen Kräften, so ohne
Blutvergiessen, so ohne Zubereitung, so hastig seh ich mein theures
Vaterland aus den Klauen blutgieriger Tyger, und aus dem Rachen des
Verderbens gerissen! Ich begreife kaum diesen plözlichen Sturz der
Tyrannen; ist es nicht ein sichtbares Wunder der weisen Vorsicht? fühlet
Ihr nicht selbst mit innerlicher Ueberzeugung die mitwirkende Hand der
Gottheit, welche diese fromme Stadt vorzüglich beschützet? ---- Es geht
mit reifen Verbrechern, wie bey verzweifelnden Kranken. Alles ist
verwirrt; die Aerzte selbsten werden mit Blindheit gestraft; so
entschliefen die sichern Despoten, sie hörten die Donner über ihren
Häuptern rollen; sie sahen die Blitze, und sie wurden ohne Rettung wie
zerbrochene Geisseln des bedrängten Volkes in die Flamme geschleudert!
---- Diese herrliche Stadt, euer Leben, eure Güter, eure Weiber, eure
Töchter, eure Söhne sind durch den allmächtigen Beystand des Himmels,
durch die weisen Anschläge wahrer Patrioten, und durch die thätige
Mitwirkung edler Bürger dem nahen Verderben entrissen, und in den
blühendsten Zustand versetzt, das ist der Tag unserer Wiedergeburt! Ihr
Freygebohrnen lebet auf; theuer und heilig sey Euch ewig der Tag eurer
Erhaltung.

Aber wenn etwa in einem dunklen Winkel hämische Feinde über den Verlust
ihrer Ketten seufzten, oder es wagten mit giftiger Zunge mich niederer
Absichten anzuklagen; es würde mich schmerzen, mein Herz würde bluten;
aber ich würde sie nicht hassen, sondern ihre Blindheit beweinen. Kommt
her ihr Zweifler, würde ich ihnen sagen, betrachtet dieses graue Haupt!
Es sehnet sich nach Ruhe; sehet diese Brust voll Narben! Sie hat sich
oft den gerüsteten Dolchen eurer Feinde entgegengestemmet; der müde
lebenssatte Greis seufzt nach seinem Grabe, und wünscht nichts in die
kühle Erde mit sich zu tragen als den süssen Trost, meine Brüder
beglückt zu sehen, und mein Vaterland zu befreyen! -- Ja, meine
ewiggeliebten Brüder, ich bin ehrgeizig, ich fodre von Euch einen Dank,
eine schöne Erkenntlichkeit! ---- Wenn ihr einst meinem Grabhügel
begegnet, wenn Euch die Ringelblume zuwinkt; so zaudert, und ruft euren
Söhnen: Hier ruht Lusian unser Bruder, der uns und sein Vaterland liebte
---- Und dann schenkt mir eine brüderliche Thräne ----

(Das Schluchzen hemmt die Worte des Redners; er trocknet seine Augen.
Indeß weinen die Mütter, und die Bürger jauchzen.)

Alle. Es lebe der Patriot! Freyheit! Das Vaterland ist frey!




                                Scene.


(Eine gebirgichte Waldgegend. Eine Zigeunerbande bereitet ihr Lager. Die
ältern Weiber und Männer sind mit verschiedenen häuslichen Verrichtungen
beschäftiget. Einige bereiten die Zelter; andre kochen und braten. Die
jungen Burschen und Mädchen singen und tanzen; andere spielen mit ihren
Instrumenten. Eduard mit seinem Jagdgefolge erscheint. Die Zigeuner
begrüssen ihn. Didia ein artiges Zigeunermächen erscheinet an der
Spitze.)

Edu. Welche Fröhlichkeit herrscht unter diesem armen Volke! ---- Wie
heissest du junges Mädchen?

Didia. Mein Vater gab mir den Namen Didia. Ich will Dir weissagen aus
deinen Gesichtszügen, aus deiner Hand, und aus deinen Träumen.

Edu. Verstehst du auch den Sinn der Träume? ---- Du erinnerst mich auf
einen seltnen Morgentraum, er ist wunderbar. Hör:


                                Traum.

   Aus einer Höhle trat ein Löwe stolz hervor;
   Ihm huldigten mit Zittern alle Thiere;
   Er neigte königlich sein Ohr,
   Und hörte gütig ihre Schwüre.
   Gäh zeigte sich in Wolken eine Hand,
   Die warf ihm Lorbeern zu, und goldne Kronen,
   Die Tapferkeit des Löwens zu belohnen.
   Als die Wohlthäterinn verschwand,
   Schwang sich ein Adler stolz aus einem Neste,
   Das in der Löwenhöhle stand.
   Er übereilte rasch die Wipfeln aller Aeste,
   Nahm alle Kronen mit, und flog in stolzer Ruh
   Der Sonne majestätisch zu.
   Der Löwe lag indeß entkräftet auf der Erde,
   Und traurig schien mir seine Heerde.

Was däucht dir von diesem wunderbaren Traume? Du denkst nach? -- Du
scheinst verlegen? ---- Nun kleine Hexe ----

Did. Der Sinn deines Traumes ist sonnenklar!

Edu. Du machst mich neugierig kleine Schwätzerinn ----

Did. Hör die Erklärung:

(Sie singt.)

   Dein Heldenhaupt umgiebt so manche Krone;
   Doch keine lässest Du zur Erbschaft einem Sohne.
   Aus deinem Stamme sproßt ein edler Zweig hervor,
   Der trägt als Baum die Wipfel hoch empor.
   Sey gütig Fürst, denn du betrübst viel Mütter!
   Du bist den Königen zur Last,
   Und in der Welt ein böser Gast.
   Viel Feinde hassen dich, und du schenkst deine Güter,
   Dem Feinde, den dein Herz am meisten haßt.

Edu. Geh! Du bist eine Lügnerinn!

Did. Die Zeit wird mich rechtfertigen!

Edu. Da nimm diesen Ring! Trag ihn zu meinem Angedenken! Besuch meinen
Hof, und ich will dir und den Deinigen wohl gewogen seyn. Diesen Beutel
schenk ich deinen Brüdern und Schwestern. Lebt wohl! ---- Ein
wunderbares Volk! Die artige Sibylla!


                        Moralische Erzählung.

Voll Verdruß über die Welt legte sich Isidor in das duftende Gras unter
dem Schatten wohlthätiger Eichen. Komm süsser Schlaf, rief er, du
einziger Freund der Armen, laß mich die Erde und ihre Narren vergessen!
---- Izt hört er im nahen Gebüsche ein Geräusch; er horcht, und sieht
seinen Neffen mit einer Pistole sich nähern. Der Jüngling sprach mit
sich selbst; seine verstöhrte Miene, die gebrochenen Seufzer, die
Thränen im Auge, die wilden Geberden machten den alten Edelmann
aufmerksam. Rosalia wird mir geraubt! Ich muß sterben! So schluchzte der
junge Lindor, es ist für mich kein Trost mehr; von einem Landmanne
verachtet, mißhandelt zu seyn; das thut weh! Da bin ich Auswürfling des
Schicksals! Wo soll ich als Bettler Hülfe suchen? Selbst meine edle
Geburt wird mir zum Fluch! Ich will sterben! ---- Lebwohl Rosalia! ----
Halt ein! Rief hastig sein Onkel, indem er aufsprang, und sich der
Pistole bemächtigte, die er in die Luft schoß. Thor, was willst du thun?
sterben, wegen einer verliebten Grille sterben? ---- Faß Muth Junge!
Wenn oft die Noth am äussersten ist, lächelt uns Hülfe. Man muß nie
verzweifeln; sieh mich an! ---- Ich bin ein alter Schildknappe, mich hat
das Schicksal durch die Spießruthen des Elendes gejaget; mein Herz ist
morsch von den Streichen des Jammers! ---- Setze dich zu mir in das
Gras, erzähle mir deine Umstände, vielleicht kann ich dir helfen.

Sie setzten sich, und Lindor begann. Ach! mein theurer Onkel, ich bin
sehr unglücklich! Soll ein Bettler wie ich ein zärtliches Herz haben?
---- Und doch habe ich es wider meinen Willen. Ich liebe Rosalia die
Tochter des reichen Jonas. Sie liebt mich wieder. Ich kann ohne sie
nicht leben. Wir hielten lange Zeit unsere zärtliche Liebe geheim,
allein der alte Bauer beschlich uns; ich warf mich zu seinen Füssen, ich
beschwur ihn bey allem, was heilig ist; aber ich sprach zu einem Felsen.
Jüngling, du bist ein Bettler, ein Taugenichts ohne Aussicht! Und was
noch mehr ist, ein Edelmann! ---- Meine Tochter soll einen wackern
Landmann heurathen, der Brod verdienen kann, und hiemit ist der Handel
entschieden! Ein Mann wie ich spricht nur zwey Worte. Meine Tochter ist
schon verheissen. Geh Junge, such Kriegsdienste, wo man Edelleute
braucht; auf meinen Feldern arbeiten fleißige Landburschen. So rief
Jonas trotzig, nahm seine zitternde Tochter zörnend bey der Hand, und
ließ mich wie eine Bildsäule stehen. Wäre er nicht Rosaliens Vater, bey
Gott! ---- Aber eine sanfte Thräne von ihr, ein bittlicher Blick
schmelzt meine Rache nieder! ---- O mein Onkel, für mich ist kein Trost!

Der Onkel sprang auf. Ich will für dich etwas wagen, was ich für mich
selbst nicht thun würde. Wir sind arm, es ist wahr; aber wir haben alte
gerechte Ansprüche bey Hofe. Mein Vetter hat dem Könige wichtige Summen
vorgeschossen; ich habe die Schuldbriefe; ich will dem Könige die
billige Foderung erlassen, um für Dich einen Dienst zu erhalten. Dann
wollen wir sehen, was der stolze Bauer an Dir zu tadeln findet. Laß nur
mich gehn, ich bin ein Kerl, der Gehirne im Kopfe hat! Sey ruhig, bis
ich wieder komme! Willst du? ---- Küß mich guter Neffe, du sollst
glücklich seyn! ---- Wein nicht, leb für Rosalien! ---- Meine zitternde
Hand schreibt sehr unleserlich, Bursche, du schreibst schön, ich will
dir die Bittschrift an den König in die Feder sagen. Sie soll kurz; aber
kräftig seyn! ---- Eure Majestät, sollst Du schreiben, ich bin Isidor,
ein alter Invalide, ich habe dreyßig Jahre als ein ehrlicher treuer
Soldat gedient! ---- Das mußt du groß schreiben! ---- Ich habe einen
Neffen, der gut gewachsen ist, der Mutterwitz besitzt, und den ich
erzogen habe, weil sein Vater ein tapferer Biedermann auf dem Bette der
Ehre gestorben ist; ---- Ich bitte Eure Majestät für diesen
hofnungsvollen Burschen um ein Aemtchen, damit er ein hübsches Mädchen
heurathen kann, das er liebt, und das ihn wieder liebt. ---- Ich erlasse
Eurer Majestät aus Erkenntlichkeit die alte Foderung von
zweymalhunderttausend Gulden ---- (Ein hübsches Geld!) die mein reicher
Vetter dem Staat in bedrängten Zeiten vorstreckte; ---- Ich, wünsche
Eurer Majestät tausend Segen! ---- Das schreib Junge, und du bist ein
gemachter Mann! ---- Gelt soviel Verstand hast du in diesem alten
Schedel nicht gesucht? Ich bin ein Teufelskerl; für andere kann ich
alles; aber für mich selbst bin ich stumm wie ein Stock! ---- Ich weiß
nicht, ich bin gleich ein anderer Kerl, wenn ich für meinen Nächsten
arbeite. Geschwind Neffe, die Schrift, und dann nach Hofe!

Der alte Edelmann mit seiner Schrift und mit tausend Hofnungen beladen
eilte in die Residenz. Die Städter gafften ihn überall an, und lachten
über den Schnitt seines Kleides. Die Jungen liefen ihm nach. Er gieng
kaltblütig seinen Schritt weiter, und näherte endlich den königlichen
Gemächern. Niemand hört den alten Haudegen; die Wachen verspotten ihn.
So sind die Menschen, seufzt er. Mein Herr ich wünschte ---- Ha, wie der
Kerl lauft! ---- Aber sie mein Herr ---- Eure Gnaden! ---- Nur ein Wort
---- Bin ich denn eine Meerkatze? ---- Blitz und Donner! Die stolzen
Buben! Das sind ja keine Menschen, das sind ächte Waldteufel! ---- So
murmelte er unter den Zähnen, als ein Jagdhund durch die Gemächer lief,
und sich ihm freundlich näherte. Komm her du liebes Thier! Du beschämest
die Menschen, du würdigest einen armen Fremdling deines Blickes! ---- Er
streichelt den Hund, dieser wird dreister, er beriecht die Säcke, die
vermuthlich mit einem kalten Braten beschwert waren, er hascht spielend
im Hut die Bittschrift, und eilt wie der Blitz davon. Der Edelmann folgt
hastig mit bangem Geschrey; aber die Wachen stossen ihn zurück.

Die Bittschrift ist beym Henker! Rief der Edelmann; so gar die Hunde bey
Hofe sind Spitzbuben! Was werde ich meinem armen Neffen sagen? Wer
schreibt mir hier eine so kräftige Bittschrift? Verdammt! Ich muß wieder
in das Dorf zurück. Auf dem Wege will ich einen Vorwand ersinnen.

Indeß eilte der Hund mit seinem Papiere gerade in das Kabinet des
Königs, und legte es nach seiner Gewohnheit vor seine Füsse, denn Eduard
beliebte oft mit ihm wegen seiner besondern Artigkeit zu scherzen.
Eduard nimmt das Papier von der Erde, will es zusammenballen, beschaut
es neugierig, und liest. Er schüttelt den Kopf über das seltne Begehren,
und fragt die nächsten Höflinge um den Verfasser. Diese schweigen, und
gestehen ihre Unwissenheit. Eine so ausserordentliche Bittschrift läßt
mich ausserordentliche Menschen muthmassen, ruft der König, ich muß sie
sehen! Der Ort und die Namen sind hier verzeichnet, wir machen einen
Spatzierritt auf das Dorf!

Der Edelmann schlenderte noch griesgramend über den Zufall auf der
Heerstrasse fort, und verwünschte sein Unglück, als der König nur von
einem Höfling begleitet im gemeinsten Reutkleide sich ihm näherte, und
um den nächsten Weg fragte, der zum Dorfe führte.

Der König. Mein Freund kennst du auch im Dorf einen gewissen Isidor?

Isid. Der bin ich!

Der König, (der ihn steif beschaut, und lächelt.) Du selbst? Wo warst Du
mein Freund, wenn ich fragen darf?

Isid. Herr, ich war bey Hofe, wo Menschen und Thiere Spitzbuben sind!
Ich wollte das Nest um viel Geld nicht wieder besuchen. Doch der König,
der von allem nichts weiß, ist frey gesprochen.

Der König. Das ist schön gedacht! Dörfte ich wohl um eine Erzählung
dieser Begebenheit bitten, vielleicht kann ich Dir Dienste leisten.

Der alte Edelmann erzählte alles mit einer naifen Aufrichtigkeit, die
den König ergötzte, und er begehrte von ihm, er sollte ihn unverzüglich
zum Hause des alten Jonas führen. Sie nähern sich allmählich dem Dorfe.
Schon von ferne lauert auf einem Hügel Lindor auf seinem Stock gelehnt,
und erwartet mit Sehnsucht den Onkel. Er erblickt ihn kaum, so fliegt er
ihm mit zärtlicher Begierde entgegen, und ist voll Hofnung, weil er ihn
mit Stadtleuten erscheinen sieht. Der Onkel, der noch ein bischen
verlegen ist, winkt ihm nur, und sagt ihm einige Hofnungen zu. Der König
beschaut mit Vergnügen den schönen Jüngling, und freut sich schon im
Herzen über den Segen, den er bald über so würdige Geschöpfe ausgiessen
wird.

Man nähert dem Hause des alten Jonas. Rosalchen ist die Erste, die den
Fremden gastfreundlich entgegenhüpft. Sie war so schön wie ein Engel,
nur eine schwermüthige Blässe betrübte ein wenig ihr reizendes Antlitz.
Der König liebkosete dem Mädchen, das sanft erröthete, und ihrem Vater
rief.

Der König. Herr Jonas willkommen! ---- Auf ein Wort im Vertrauen! ----
Ich komm vom Hofe, der König ----

Jon. Unser König soll leben! ---- Bedarf Er Steuern? Er soll fodern,
mein Gut steht zu seinem Dienste!

Der König. Meinen Dank in seinem Namen! ---- Du bist ein Biedermann!

Jon. He! Rosalchen, ein Glas Wein! ---- Von meinem Faß! ---- Nehmen sie
Platz mein Herr! ---- Also was beliebt?

Der König. Der König befiehlt ihm seine Tochter dem jungen Lindor zu
geben ----

Jon. (springt auf) Der König befiehlt mir, meine Tochter dem Lindor zu
geben? ---- Befiehlt? ---- Herr, da hat der König unrecht! ---- Ich bin
Vater! ---- Des Herrn Gesundheit! ---- Trink der Herr! ---- Aber der
König hat unrecht!

Der König. Herr Jonas, sein Wohlseyn! ---- Jungfer Rosalchen soll leben!

Jon. Schönen Dank! Aber der König hat unrecht, einem Vater zu befehlen!
---- Bey meiner Seele der König hat unrecht!

Der König. Mein lieber Jonas, bedenk dich wohl!

Jon. Was bedenken? der König hat unrecht! Das ist meine Tochter! Lindor
ist ein Bettler, und der König hat unrecht!

Der König. Der König hat recht! Hör Vater Jonas: Der König ist dem
jungen Lindor zweymalhunderttausend Gulden schuldig ----

Jon. Ey möglich?

Der König. Der junge Edelmann war so großmüthig, dem König die Schuld zu
schenken ----

Jon. Er soll leben! ---- Izt hat er meine Gnade!

Der König. Der König kann von einem armen Unterthan das Geschenk nicht
annehmen ----

Jon. Was thut also der König? ---- Unter uns! ---- Trink der Herr!

Der König. Er läßt ihm das Kapital mit dem Interesse auszahlen, und
schenkt ihm noch zur Belohnung für die treuen Dienste seiner Ahnen ein
gutes Aemtchen. Dazu wünscht er also ----

Jon. Schön! Sehr schön! Aber der König hat doch unrecht! Ich gebe meine
Tochter keinem Edelmann, das habe ich geschworen. Ich bin ein Bauer, der
König hat unrecht. (Er schlägt auf den Tisch).

Der König. Lieber Jonas, der König hat recht! ---- Der König hat dich in
den Adelstand erhoben, befreyet dich von allen Steuern, und kann also
deine Tochter als ein Fräulein unmöglich einem Bauer geben; er wählt
diesen würdigen Edelmann, der König hat recht!

Jonas, (der sich staunend bedenkt.) Der König hat mich geadelt? ----
Mich?

Der König. Das ist gewiß! Es lebe der edle Jonas?

Jon. Meine Tochter wäre also ein Fräulein?

Der König. Wer sie nur ansieht, gesteht es. Sie ist ein Engel!

Jon. Nur noch eine Frage, wenn es erlaubt ist ---- Wer ist der Herr?

Der König. Ich bin der König!

Jonas (der den Hut vom Kopfe reißt, und ihm zu Füssen stürzt.) Eure
Majestät izt habe ich unrecht!

Der König, (der ihn liebreich emporhebt.) Nein Jonas, du hast recht!
Steh auf! Setze dich! ---- Ich komme nicht dich zu zwingen, du bist
Vater, du kannst die Hand deiner Tochter verschenken, aber ich komme zu
dir als ein Freund, dich zu bitten; sieh ein würdiger Jüngling liebt
dein Kind, und dieses süsse Mädchen liebt ihn. Willst Du als Vater zwey
verbundene Herzen trennen?

Jon. O Eure Majestät, ich habe nur Thränen zur Antwort! Ich habe
unrecht, Eure Majestät haben allezeit recht! Segen auf Euch meine
Kinder! O welch ein glücklicher Vater bin ich, da mein Landesfürst
selbst mich würdiget, unter mein Strohdach einzutreten, und mich und
meine Familie zu beglücken. He Rosalia!

Rosalia, Lindor, und Isidor schlichen zu. Andere, Landleute horchten
neugierig, und der König verband die jungen Verliebten. Sie stürzten zu
seinen Füssen, und die Segenswünsche tönten aus dieser glücklichen Hütte
bis zum Throne.




                              Anekdote.


Eduard liebte Salinien täglich mehr. Umsonst war seine angewandte Mühe,
sie zu vergessen; umsonst wandte der bescheidene Alsin und seine schöne
Tochter selbst alle Vorsicht an, die siegenden Reize bey allen
Gelegenheiten dem Auge des gekrönten Liebhabers zu entziehen. Eduard
liebte, und entschloß endlich nach langem Kampfe die Tugend dieses
würdigen Ministers, und seiner Geliebten zu krönen, und seinen Thron mit
diesem weiblichen Kleinod zu schmücken. Der ganze Hof rüstete sich
bereits zu dieser Feyerlichkeit, und man erdachte ausserordentliche
Feste. Unter andern Schauspielen erschien ein allegorischer Tanz.




                               Ballet.


Die Scene ist eine gebirgigte Gegend mit Bäumen umgeben, in der Mitte
eines Hügels raget über dem Tempel der Weisheit eine prächtige
Sternwarte hervor. Beym goldenen Thore sitzt der Vorsteher, und
begrüsset die ankommenden Weisen und Sternkündigen, welche mit Büchern
und Ferngläsern belastet erscheinen. Sie drücken alle ihre Begierde aus,
neue Entdeckungen zu machen, wodurch sie ihre Unsterblichkeit erreichen.

Izt erscheinen viele Weiber mit Büchern und Sehröhren, und wollen ganz
dreist in den Tempel treten. Der Vorsteher erstaunt, und dräut den
Verwegnen, die als profane Geschöpfe diese Freystäte der Weisheit
entheiligen wollen. Er eilt zornig in den Pallast, und verriegelt die
Thore. Umsonst flehen einige Mädchen eingelassen zu werden. Sie stehen
alle beschämt und weinen.

Amor fliegt aus einer Silberwolke von Täubchen umflattert, und tröstet
die betrübten Schönen, indem er ihnen einen Plan überreicht, wodurch er
ihnen die nahe Zusammenkunft des Mars und der Venus eröfnet. Er pocht
kühn an den Tempel, und fodert die stolzen Weisen zum gelehrten Streit
auf. Sie erscheinen mit einem spöttischen Lächeln über den Knaben. Amor
forscht um ihre neuen Entdeckungen, und sie gestehn ihre Unwissenheit.
Izt zeigen die Mädchen ihren Plan mit siegreicher Zufriedenheit. Die
Weisen erstaunen, und umarmen sie als gelehrte Schwestern die würdig
sind, in ihre mystischen Kreise zu treten. Sie drücken alle ihre Freude
über diese glückliche Vereinigung aus, und eilen auf die Sternwarte,
diese wichtige Verheissung erfüllt zu sehen.

Die Gegend verwandelt sich in einen prächtigen Sternensaal. Der
Abendstern und einige Planeten erscheinen in goldenen Kleidern, welche
von Diamanten blitzen; sie versammeln die mindern Sterne, und rüsten
sich zur feyerlichen Bewillkommung ihrer hohen Gäste. Mars erscheint
endlich mit einem furchtbaren Kriegsgefolge: Venus von Grazien und
Liebesgöttern umgaukelt begegnet ihm. Sie erblicken einander, erstaunen
über ihre ausserordentliche Schönheit, sind von Freude hingerissen, und
umarmen sich freundschaftlich. Sein kriegerisches Gefolg hält ihn zwar
zurück; aber sie werden von Grazien entwaffnet, und sinken in die Arme
der Huldgöttinnen. Amor erscheinet, und bindet mit duftenden Rosenketten
die edlen Verliebten, und die bräutliche Vereinigung der Venus mit dem
Mars giebt Anlaß zu einem feyerlichen Tanz. Mars und Venus drücken durch
entzückte Geberden ihre zärtlichen Empfindungen aus, und alle Uebrigen
ergiessen ihre Wollust in zierlichen Reihentänzen. Beide Gottheiten
eilen zum Braut-Lager.

Plötzlich verschwindet die Gegend, und unter einem nächtlichen
hellgestirnten Himmel erscheint auf der Erde eine glänzende Denksäule.
Alle Sternkündigen, Männer und Weiber eilen herzu, und umgeben staunend
die Pyramide; der Vorsteher schreibt mit goldenem Griffel die seltne
Begebenheit in feurigen Zügen auf das Ehrenmaal. Amor erscheint, bringt
das Bildniß Eduards, und Saliniens unter der Gestalt des Mars und der
Venus, und hängt die Gemälde mit Lorbeern und Myrthenkränzen auf die
Ehrensäule. Alle Gegenwärtigen stürzen zur Erde, und schliessen den
Ballet mit einer Huldigung.




                         Allegorische Scene.


         Die Schönheit, Aglaja, Euphrosine, Thalia, und Amor.

Die Schönh.
   Wie, Schwestern, folgt ihr mir?
   Entreißt Ihr Euch den mütterlichen Küssen;
   Könnt Ihr wie ich den Götternektar missen?

Agla.
   Wir leben nie getrennt von dir.
   Doch theure Schönheit, ich erstaune,
   Sprich welche seltne Laune
   Des grossen Jupiters schließt Dich vom Himmel aus?
   Verdient wohl eine Welt Dich zu besitzen?
   Wo ist die Stadt, wo ist ein Haus,
   Wo pranget ein Pallast auf edlen Marmorstützen,
   Der Dir zum Obdach schiksam ist?
   Wie selig ist der Ort, den deine Lippe grüßt!

Die Schönh.
   Ich will nicht lange mehr um eine Herberg suchen.
   Dieß kleine Dorf umringt von hohen Buchen,
   Soll stäts mein Aufenthalt auf dieser Erde seyn.

Euph.
   So willst Du Dich o Schwester von uns trennen?
   Wähl einen Sitz, wo wir auch wohnen können.
   Ich heisse nicht das Landvolk zu gemein;
   Nie schlich der eitle Stolz in unsre Herzen;
   Einst pflegten wir mit Schäfern froh zu scherzen;
   Doch jene Zeiten sind nicht mehr.
   Die Dorfmagd kennt nicht unsre Reize.
   Jedoch die Städterinn sucht uns mit Geize.
   In grossen Städten wohnt die Schönheit würdiger.

Thalia.
   O Schwätzerinn, Du machst mich lachen.
   Was sollen wir am faden Putztisch machen?
   Das ist das Grab für alle Grazien,
   Da würde man uns sterben sehn.
   Jedoch Freund Amor kömmt; der wird die Wohnung wissen,
   Die wir mit Anstand wählen müssen.
   Laßt uns dem holden Gott entgegen gehn.
   Wir wollen ihn recht schwesterlich begrüssen.

Amor.
   Willkommen Grazien! Gewünscht besucht ihr mich!
   Kann der galante Zevs Euch einen Tag entrathen?
   Gewiß berauscht er sich
   Heut mit Ambrosia bey einem kalten Braten.
   Die Juno, die so oft Euch Schwesterchen beschlich,
   Sah Euch vielleicht mit ihrem Gatten spielen;
   Ihr fächelt oft bey Göttern Feuer an;
   Der Donnerer pflegt selbst auf Euch zu schielen,
   Und seine Majestät beliebt sich abzukühlen.
   Der Zufall freuet mich; ich habe manchen Plan.
   Beym Styx! Ihr kommet mir, als wäret Ihr gerufen.
   Die Wohnung wähl ich Euch, so gut man wählen kann.
   Sie ist bequem, und ohne hohe Stuffen,
   Auch nicht zu groß, und nicht zu klein.
   Das Aug Saliniens, das selbst die Götter schufen,
   O Schönheit soll für Dich die schönste Wohnung seyn?
   Da thronst Du königlich! Ihr weisser Busen
   Ist schon der Sitz der edlen Musen:
   Und die benachbarten und hübschen Gegenden
   Sind für Euch theure Grazien!
   So könnt Ihr stäts beysammen wohnen,
   Und jeden, der mein Mädchen sieht, belohnen.
   Mein Plan gefällt gewiß, weil wir Euch lächeln sehn.
   Besucht Salinien, und machet eine Probe.
   Auf ihrer Wange blüht unschuldige Natur.
   Da findet Ihr von Schminke keine Spur,
   Genug ist es, wenn ich der Liebesgott sie lobe.
   Eilt theure Grazien, und ziehet siegreich ein,
   In ihrem Herzen will ich euer Nachbar seyn!


                             Hochzeitode.

   Göttliche Schönheit, und ihr siegenden Tugenden
   Werdet die Säule des Liedes, das ich Euch heilige.
   Sehet, dort nähert die Braut eines Eroberers
      Schüchtern, keusch, und jugendlich!

   Nicht so reizend erschien Griechenlands Helena;
   Auch nicht Aegypten dein Schmuck! Römerbezauberinn,
   Dich beschämet ein Blick einer Salinia,
      Welche die Tugend verherrlichet.

   Täuscht mich ein gaukelnder Traum, nähert sich Venus selbst?
   Aus dem Silbergewölk eilt sie mit Grazien,
   Die Liebesgötterchen, und Täubchen umflattern sie,
      Sie reicht den Gürtel Alsinien.

   Töne hochzeitlich und süß goldenes Saitenspiel!
   Der schönlokichte Gott reicht ihr den Myrthenkranz;
   Seine Fackel entflammet siegende Zärtlichkeit,
      Welche die Liebe verewiget.

   Schüchtern erscheinet der Held, vor dem die Erde bebt,
   Er blikt Salinien an, staunet und huldiget,
   Leget den Lorbeerzweig ihr zärtlich zu Füssen hin,
      Und begrüßt sie als Königinn.

   Antlitz verschönernde Scham, zärtliche Liebe stralt
   Auf der Wange der Braut, wie früh das Morgenroth.
   Eduard krönet ihr Herz, den Sitz der Tugenden,
      Sie sind fürstlicher Kronen werth.




                                Scene.


                       Kabinet. Eduard, Alsin.

Als. Ich bitte meinen König um Gehör! ----

Edu. Du setzest mich in Erstaunung. Bin ich nicht dein Freund Eduard?
---- Sprich!

Als. Izt sind es sechzig Jahre, die ich dem Dienste deines Vaters und
dem Deinigen mit Vergnügen widmete. Ich sage dies nicht etwa aus eitler
Ruhmredigkeit, sondern ich führe meine kleinen Verdienste mit Bedacht
an, damit Du mir meine erste und letzte Bitte gewährest. Es betrift
meine Ehre, den Ruhm meiner grauen Tage --

Edu. Ich staune! Bitte sagst du? Edler Mann, fodre die Hälfte meiner
Krone, ich schwöre beym Himmel ----

Als. Ich kenne dein gütiges Herz. Eduard, besieg deine Liebe! Du liebst
meine Tochter, und bist großmüthig genug ihr die Würde einer Königinn
anzubieten. Unser Dank ist rege. Beraube mich nicht meines guten Rufes
----

Edu. Ich begreife nicht ----

Als. Die Welt würde sagen, daß mein Eifer, und meine Vaterlandsliebe nur
ehrgeizige Absichten zum Grunde habe. Der Gott, der alle Herzen sieht,
kennt meine Uneigennützigkeit. Eduard, bester der Könige, laß mich mit
Ehre in das Grab meiner Väter eilen; wähl eine würdige Königinn zum Wohl
deiner Staaten. Vergiß eine flüchtige Leidenschaft, und sey stäts
Eduard! ---- Hör mit Geduld eine kurze Moral ----


                     Das morgenländische Gemälde.

Die Morgenröthe warf ihre goldnen Stralen über die Gipfel der Berge, der
Weise wusch sein Antlitz, und grüßte das schimmernde Tageslicht.
Wohlthätige Sonne, sey den Sterblichen willkommen! Du giessest mit
gleicher Huld auf Fromme und Böse deinen Segen. Wirf deinen gütigen
Schimmer in das Schlafgemach des Königs, beleuchte seine schlummernden
Augen, und lehr ihn wohlthätig wie Du zu seyn! O Vorsicht, warum lässest
du durch grosse Fürsten die Kleinen unterdrücken? So seufzte der Weise,
als ein glänzender Geist vor seinem Auge stand. Ich habe deine Klage
gehört, ich will dich belehren. Was siehst Du dort? ---- Ich sehe,
sprach der Greis, eine einladende Quelle an einem blumenreichen Gestade;
die Pilgrimme erquicken sich an dem kühlenden Wasser. Was erblickst du
izt? fragte ihn der schimmernde Jüngling, Sieh, rief der Alte, eben
diese sanfte Quelle schwillt zur stürmischen Flut empor, welche die
Fluren verheeret, und die ländlichen Hütten niederstürzet. Was siehst du
izt? war die Frage des Genius. Eine wohlthätige Flamme, die mich wärmet,
und meine Speisen zur Verdauung kochet. Blick weiter! Rief der
himmlische Geist. Gott! Ich sehe, jammerte der Greis, eine wütende
Flamme, die alles verschlinget; Häuser und Menschen frißt! Aber izt
fühle ich eine sanfte Luft, sie kühlet mein graues Haupt, und reizt
meine Augen zum Schlummer. Aber ach! Sie wird zum rasenden Sturmwinde!
Sieh, wie die höchsten Cedern zu Boden fallen! Hör dort die zerrissenen
Haine klagen! ---- Sey ruhig! Sprach der Geist lächelnd, was zeigt sich
dir? ---- Ich sehe, rief der Naturforscher eine grüne Ebne, welche mit
dem Schmelzwerk der Blumen malerisch pranget. Doch, wie verwildert sich
plötzlich dieß Eden! Die Erde bebt, die Abgründe öffnen sich; diese
sonst so gütige Mutter verschlinget grausam ihre Kinder! ---- Was soll O
erhabner Lehrer, dieß wunderbare Gesicht bedeuten? Welch ein
Widerspruch! ---- Dieß ist ein Gemälde der Leidenschaften, so schloß der
Genius, sie sind die edelsten Triebfedern aller menschlichen Handlungen;
alle Tugenden keimen hervor, so lange sie von der Vernunft geführt und
beherrscht sind; aber weh den Menschen, wenn ihre Leidenschaften die
Gränzlinie verlassen, und die Schleussen durchbrechen, dann vertilgen
sie alles. So rief der belehrende Geist und verschwand. Der Weise
dankte, und segnete die Allmacht.




                           Selbstgespräch.


Eduard. Er verläßt mich! Wie bin ich beschämt! Welche erhabne Seele
besitzest Du mein Freund! Du erniederst mich! ---- Ich will dir
nachfliegen kühner Adler! ---- Ich eile unter dem Geräusche der Waffen
meine Leidenschaft zu besiegen, zu vergessen! ---- O Salinia, dich
vergessen -- Welchen schweren Kampf ficht mein Herz!




                              Serenade.


                           Erster Auftritt.

                Der König, die Ehre mit ihrem Gefolge.

Die Ehre.
   Wie lange wirst Du hier in träger Ruhe schlafen?
   Sieh auf! Dort lächelt Dir ein schöner Lorbeerhain!
   Ergreif mit Muth die edlen Waffen,
   Durch sie allein kannst du verewigt seyn!

      Der Weichling mag im Arm der Wollust lenzen,
      Der, wenn er stirbt, vergessen ist;
      Doch Helden, die mit Siegespalmen glänzen,
      Die die Unsterblichkeit begrüßt,
      Enteilen streitbar ihren Gränzen,
      Weil sie ihr Geist in keine Welt verschließt.

Der König.
   Willkommen Königinn der Erde!
   Durch dich entflammt vergißt der Krieger die Beschwerde,
   Die sich ihm stolz entgegenstemmt,
   Und seine Riesenschritte hemmt.
   Umarme mich, Du hast mein Herz bemeistert,
   Ich fühle schon den göttlichen Instinkt,
   Ein Blick von Dir hat mich begeistert.
   Ich eile hin, wo mir dein theurer Lorbeer winkt.


                          Zweyter Auftritt.

             Die Weichlichkeit, und ihr Gefolge, Vorige.

Die Weichl.
   Wohin mein Sohn, entfliehst Du meinen Armen?
   Die Ehre leitet Dich?
   Ich seh Euch beide mit Erbarmen!
   Held zaudre noch, und höre mich!
   Du willst Dich kühn in die Gefahren wagen?
   Ich schildre Dir das Bild von meinen sanften Tagen:
   Früh wecket Dich die süsse Harmonie,
   Dann eilst Du zu den Blumengärten,
   Umringt von schmäuchelnden Gefährten.
   Sie lieben dich, dein Blick beseelet sie.
   Indeß bewaffnen sich mit Reizen alle Schönen;
   Die Liebe buhlt um Dich in tausend Wollustscenen.
   Ein jedes Wölkchen wird verscheucht.
   Dann lädt Dich Bachus zu den Festen;
   Du taumelst froh mit muntern Gästen,
   Bis sich die Sonne roth zum Meere schleicht.
   Dann rufen Dich Thaliens Spiele,
   Und sie belebt dein Herz mit zärtlichem Gefühle.
   Doch endlich reicht der frohe Tanz
   Dir seinen bunten Blumenkranz.
   Spät eilt der Schlafgott dich zu grüssen,
   Und du entschläfst mit Amors süssen Küssen.
   Hat dieses Leben keinen Glanz?

      Was ist mein Freund, der eitle Ruhm?
      Baust Du dein Glück auf Menschenknochen?
      O flieh die blutigen Epochen,
      Denn ihre Gleise sind zu krumm!
      Hier ruhest du am schönsten Busen!
      Hier lächeln Dir die sanften Musen,
      Und hier ist mein Elisium!

(Izt umgaukeln ihn die Liebesgötter; die Grazien schmücken ihn mit
Blumen, und er sinkt entzückt in ihre Arme. Der Friede krönt ihn.)

                 Chor des Gefolges der Weichlichkeit.

   Freudige Chöre
   Der Liebe zur Ehre
   Erquicken das Ohr.
   Zärtliche Lieder
   Erheben izt wieder
   Die Herzen empor.


                          Dritter Auftritt.

   Donner und Blitz. Der Eckel und die Zwietracht mit ihrem Gefolge
                           stürzen herein.

Der Eckel.
   Wirst du denn nicht der schaalen Lüste müde?
   Kannst du gewärmte Lust verdaun?
   Ich sage Dir mein Fürst ganz im Vertraun,
   Mir eckelt oft Gesundheit, Wohlseyn, Friede.
   Ich schwöre Dir, mich quält dieß Einerley.

Die Zwietr.
   Wir treten deiner Meinung bey.
   Ich sehe diesen Hof bey allen Freuden gähnen.
   Dein Schauplatz, O Monarch, ist niemals neu.
   Man sieht beständig alte Scenen.
   Ein altes Lächeln fort, wenn es zu oft erscheint!
   Wähl lieber Krieg, wenn auch der Landmann weint,
   So sind es doch ganz neue Thränen.
   Hör, wie der Krieger murrt, wie frech dein Nachbar dräut,
   Und sich bey deinem Schlummer freut!
   Kannst du den Schimpf stäts so gelassen tragen?
   Wirst du denn nicht Versuche wagen?
   Begräbt die Weichlichkeit dein grosses Herz;
   Betäubt den grossen Geist ein kleiner Liebesscherz?
   Nein! Länger kann ich Dich nicht so entehret schauen,
   Ich reisse selbst den Wollusttempel ein;
   Ich will dem Ruhm Altäre baun!
   Ich steige zum Olymp! Willst du Begleiter seyn?
   Wir müssen Neid, und Haß, und Vorurtheil zerschmettern;
   Dein Zögern heischt von mir izt eine kühne That.
   Ich will mit Dir auf jenen Felsen klettern,
   Wo die Unsterblichkeit den schönsten Tempel hat.

      Willst du? So reiche mir die Hand!
      Verlaß die kleinen Liebesspiele;
      Verwirf dieß weichliche Gewand!
      Dort nähern wir dem edlen Ziele,
      Wo Herkules einst Lorbeern fand.

Der König.
   Empfang von mir die erste Huldigung!
   Ich folge froh dem Heldenwinke.
   Ich bin zwar noch an Thaten jung;
   Jedoch es treffe mich die härtste Züchtigung,
   Wenn ich als Weichling je zurück zur Ruhe sinke,
   Und je den Taumelkelch der Wollust trinke.

      Auf Ehre! Komm, dein Ruf belebt!
      Mein Blut beginnt izt feuriger zu wallen;
      Ich höre schon die Kriegstrompete schallen,
      O Götterton, der mich erhebt!
      Laßt uns mit Muth das Siegesschwert ergreifen;
      Bald werden uns die schönsten Palmen reifen!
      O Heldengeist, der mich umschwebt,
      Sieh, wie die Welt schon furchtsam bebt!

                   Chor des kriegerischen Gefolges.

   Wir eilen, wir fliegen zum blutigen Kriege!
   Dort pflücken wir Lorbeern, dort ärnden wir Siege,
   Die über die Meere die Fama posaunt,
   Bey denen die späteste Nachwelt erstaunt.




                        Biblische Schreibart.


Aber Willhelm der König hörte die Siege seines Feindes, und der Neid
fuhr in ihn, und er sandte zu Philipp seinem Bundesgenossen, und an alle
benachbarte Könige, und foderte sie zum Streit auf wider Eduard ihren
Feind von gestern und ehegestern.

Und es thaten sich alle Gewaltigen zusammen, und das Getümmel der
Kriegsschaaren war wie das Rauschen vieler Wässer.

Und der Herr sprach zu Eduard dem König, da er schlief, fürchte dich
nicht vor ihnen, denn morgen um diese Stunde will ich sie alle vor
deinem Angesicht vertilgen, und ihre Könige in deine Macht übergeben.
Ihre Rosse sollst du lähmen, und ihre Wägen mit Feuer verbrennen.

Also kamen die Kriegsschaaren des Königs zusammen, und waren alle eines
Gemüthes und eines Vornehmens, und es fanden sich funfzigtausend, die
das Schwert auszogen.

Und alsobald wurden die Kriegstrompeten geblasen, und die Geschwader
zogen auf das Schlachtfeld. Eduard aber trat an ihre Spitze.

Und er sprach zu ihnen: Folget mir, denn der Herr hat unsere Feinde in
unsere Hände übergeben; und sie folgten ihm, und nahmen die Furth am
Ufer des Flusses, welcher beide Heere trennte, und sie überfielen ihre
Feinde, und erschlugen unzählbare Haufen, welche alle starke und
streitbare Männer waren, und keiner konnte entrinnen.

Aber König Willhelm strit wider Eduard, und seine Schaaren flohen vor
dem Angesicht der Feinde; ihrer wurden viele niedergeworfen und
erschlagen in der Ebne.

Und die Geschwader Eduards drangen häufig auf die Leibwache Willhelms;
er aber wurde in einer Sänfte getragen, denn er war krank, und er stieg
heraus. Und der ganze Last des Streits wendet sich auf Willhelm, und die
Schützen trafen ihn an, und er ward tödtlich verwundet, und die Seinigen
fielen rings herum.

Da sprach Willhelm der König zu seinen Hauptleuten; tödtet mich, damit
ich nicht in die Hände meiner Feinde falle, und sie ihren Spott mit mir
treiben; aber seine Hauptleute wollten nicht, denn sie waren sehr
erschrocken. Da stürzte er wüthend unter die zudringenden Feinde,
verwünschte sein Schiksal, und ward im Gefechte getödtet, und von
Pferden zermalmet. Also hat Gott das Böse vergolten, das Willhelm wider
Eduard seinen Knecht gethan hatte. Er und seine Krieger wurden
erschlagen und zertreten, und es gieng ein Gestank aus von ihren Aesern.
Die Thore ihrer Städte wurden zerbrochen, und die Mauern niedergerissen.

Aber Philipp der König floh, und versperrte sich in eine feste Stadt,
und der Hunger und die Noth mehrten sich täglich, denn sie wurden von
Eduard hart belagert. Und die Inwohner assen das Brod nach dem Gewicht,
und mit Sorgen, und tranken das Wasser mit dem Maaß und in Aengsten, und
sie verschmachteten. Da trat die Schwester des Königs mit ihrem Bruder
in ein Verständniß, und sie gieng in das Lager der Feinde, und sie
gefiel den Augen des Königs.

Alidia warf sich weinend zu den Füssen Eduards, und sprach: Herr, laß
mich Gnade finden vor deinen Augen. Willst du denn alles vertilgen, was
von uns übrig ist, und deinen Grimm über mein Volk ausschütten? Mein
Bruder hat deinen Zorn gereizt, seine Missethat ist groß; aber schenk
Gnade deiner Magd, die für die Schuldigen flehet, du bist der mächtigste
und weiseste König, den ich verehre.

Und Eduard gab ihr Gnade, und Verzeihung ihren Freunden. Deine Thränen,
sprach er, sind ihr Heil, ihr sollet wieder pflügen, und Saamen der Erde
geben; die Städte sollen bewohnet werden, und die Ruinen sollet ihr
wieder erbauen. Ich will eure Erde mit Menschen und Vieh erfüllen; sie
sollen wachsen und blühen, und sich mehren. Die verheerten Felder sollen
mit Korn beladen werden, und die Auen sollen Früchte tragen. Dieß alles
thue ich um deinetwillen, denn du hast Gnade vor meinen Augen gefunden.

Aber sieh da, ihr Bruder ward mißtrauisch auf seine Schwester, und
verzweifelte an seinem Heil.

Und er versammelte alle seine Kebsweiber und Diener, und sezte den
Pallast in Flammen, und verbrannte sich und die Seinigen.

Alidia aber folgte dem König, und sie war seine ganze Seele. Er
verschlang ihre Schmäucheleyen, und ward stolz und übermüthig.

Seine Krieger aber giengen siegreich in ihre Häuser, und assen die
Frucht des Weinstockes, und die Frucht der Bäume, und tranken das Wasser
ihrer Brunnen in Freude. Und die Völker jauchzten.




                                Psalm.


Ich will singen, und mit Psalmen den Allmächtigen preisen. Erzählet
seine ewigen Wunderthaten in den Jahrbüchern der Erde.

Machet Euch auf ihr Völker zum Lobgesange des Herrn; machet Euch auf ihr
Väter, ihr Mütter, und rufet seinen heiligen Namen!

Singet ihr Jünglinge und Jungfrauen sein heiliges Lob!

Er hat ein neues Denkmaal seiner Grösse und Güte errichtet. Zerschlagen
waren unsere Herzen; wir weinten, und wir hiengen traurig unser
Saitenspiel auf die Weiden.

Unsere Feinde waren hoch von Augen, und unersättlich von Herzen; Sie
verliessen sich auf ihre ähernen Wägen, und ihre zahlreichen Rosse; wir
aber haben in Demuth unsern Gott angerufen.

Er hat sie geschlagen, und seinen furchtbaren Arm wider sie aufgehoben.
Er hat seinen verschlingenden Zorn in die Schaale unserer Feinde gelegt,
und seine göttliche Gerechtigkeit in unsere Schaale; aber seine
gränzenlose Barmherzigkeit war das Uebergewicht.

Der königliche Löwe zieht herauf aus seinem Lager, den Feinden entsinkt
das Herz, denn unser Gott ficht mit ihm.

Seht, Er kommt herab wie eine schwarze Donnerwolke; sein feuriger Wagen
ist wie ein heulender Sturmwind; und seine schnaubenden Pferde sind
schneller denn Adler; er nimmt Frieden und Stärke von dem feindlichen
Heere.

Wo ist izt die Wohnung der Hochmütigen? Er hat ihre Lagerstatt
zerstöret, und ihre Nester zermalmet. Die Stolzen sind verstricket, und
zu Boden gefallen; wir aber stehen auf, und preisen dich wohlthätiger
Gott!

Unser König erfreut sich durch deine Stärke, und frohlocket über unser
Heil; du hast ihm gegeben, was sein Herz begehrte, und ihn hoch über
seine Feinde erhoben.

Sein Volk sitzt in der Schönheit des Friedens, und wohnt in
überschwenglicher Ruhe durch dich O Gott der Herrlichkeit, und des
Sieges; wir danken dir, und lobsingen dir in Ewigkeit.




                         Geheime Nachrichten.
                              Fragment.


Nach so glücklichen Siegen, und so häufigen Eroberungen kannte sich der
mächtige Eduard nicht mehr. Sein ganzer Charakter verwandelte sich. Eine
übertriebene Eigenliebe beherrschte ihn. Seine Leutseligkeit und Güte
verschwand. Die Schmäucheleyen kriechender Hofschranzen vergrösserten
täglich seinen Hochmuth. Er kannte nur seinen umschränkten Willen. Er
schrieb den Nachbarn willkürlich Gesetze vor. Er gebot als Monarch
seinen Bundesgenossen. Er sah auf seine Unterthanen wie auf verächtliche
Sklaven herab, und wollte von der ganzen Erde gefürchtet und angebetet
seyn. Alidia, und ihre Speichellecker umringten ihn stäts, verscheuchten
seine patriotischen Räthe, und Freunde, und verdrängten alle treuen
Diener des Vaterlands. Fremdlinge flößten in sein Herz Grundsätze einer
schwarzen Politik, die alles gewaltsam zertrat, und alles hungrig
verschlang. Das arme Volk fühlte die eiserne Ruthe des despotischen
Eigendünkels eines Tyrannen. Alidia war alles in allem. Sie schlich sich
so in sein Herz, daß er beschloß sie zur Königin zu erheben. Alle Feste
des Hofes wurden ihr mit schwelgerischem Aufwande gefeyert, und alles
staunte die glänzende Sonne an, die an der Seite Eduards glänzte.




                              Pantomime.


                       Ein offener Gartensaal.

   Der König, viele Höflinge, Damen, Ankart der Finanzminister, und
                            hernach Losin.

Viele Damen und Kavaliere sitzen beym Frühstück. Der König geht auf und
ab, und liest in einem Briefe, lächelt, hält die Hand auf die Stirne und
denkt nach. Er blickt auf einen andern Brief, fährt freudig auf, und
erblickt seinen Finanzminister, der sich nur beugt, und ihn nicht
stöhren will. Der König nimmt einen Schwamm, läßt ihn wohl anschwellen,
indem er zu allen Springquellen eilet, und dann drückt er den Schwamm
auf einem Waschbecken, welches er in einen Schrank stellt. Ankart
bemerkt alle Geberden, neigt sich, und geht. Der König liest weiter.
Losin trit auf, will wegen gegenwärtiger Gesellschaft wieder abtreten.
Der König winkt ihm, führt ihn zur Gartenebne, und haut mit einem
Stäbchen alle Mohnköpfe von den Blumenbeeten ab. Losin überlegt diese
Handlung ein wenig, verbeugt sich ehrfurchtsvoll, und eilt fort, bringt
eine Schrift, Wachs und Licht. Der König drückt sein Siegel auf, und
Losin nimmt Abschied. Die Gegenwärtigen staunen über die Räthsel, und
über die Art des Königs seine geheimen Befehle zu ertheilen. Der König
kehrt freudig zur Gesellschaft[16].




                                Scene.


(Der Narr kommt mit einer Rolle und singt.)

Beliam.
   Dieß wird getauft:
   Etwas zum Lachen,
   In Ehesachen,
   Menschen zu machen,
   In allen Sprachen,
   Heysa! Wer kauft?

(Der Narr hat ein Kleid, welches wie eine Landcharte mit allen Ländern
bemahlt ist. Eduard betrachtet ihn.)

Beliam. Sieh! Ich bin ein neuer Atlas! Ich trage die ganze Welt. Wenn du
mich siehst, hast du alle Königreiche vor Augen. An der Brust trage ich
deine Erbländer, und am Rücken die Staaten deiner Nachbarn.

[Fußnote 16: Dem Finanzminister gab der König Befehl seine Pächter
bereichern zu lassen, und ihnen hernach den Ueberfluß abzunehmen. Dem
Losin ertheilte er Vollmacht in den Städten, die sich seinem Schutze
vertrauten, alle Große zu erniedern, und also das Volk zu bejochen. Es
liegt oft viel Beredsamkeit im Geberdenspiele.]




                            Zeitungsblatt.


Hoffeyerlichkeiten. Den zehnten April gab der König ein
Universalfeuerwerk, wobey sieben Städte abgebrannt wurden.

Man warf sechshundertpfündige Raketen nach der neuesten Erfindung, und
ist nie ein Schauspiel von der Gattung mit mehr Pracht und Aufwand
erschienen. Der Herr Feldzeugmeister Attika entzündete dieses künstliche
Feuerwerk. Bey der Verzierung erschien in vollem Feuer das Emblema: ^Et
lux perpetua luceat eis!^ Seine Majestät geruhten über diese sinnreiche
Erfindung Seiner hochfürstlichen Durchlaucht des Herrn Feldmarschall
Murrat den allerhöchsten Beyfall zu äussern.

Den zwanzigsten erlustigten sich Seine Majestät mit einer wohlgeordneten
Menschenjagd. Hunderttausend Kuppelhunde jagten das Wild auf. Es ward
auf beiden Seiten viel Blut vergossen. Nach dieser kleinen
Leibesbewegung hat Seine Majestät einen besondern Hunger zu verspüren
geruht, und Allerhöchstdieselbe würdigten sich beym Nachtmahle ein
allerunterthänigstes Rebhuhn zur Freude aller anwesenden hohen Gäste
allergnädigst zu verdauen.

Da der Herr Erzbischof in diesen kriegerischen Zeitläuften den König
allerehrerbietigst befragte, ob nicht Betstunden anzuordnen wären, weil
die Unterthanen kein Brod haben; so hat unser allergnädigster
Landesvater das allerhöchste Placet ertheilet: Beten und Fasten ----

Man will wissen, daß wichtige Plane im Kabinet entworfen werden. Laut
sichern Nachrichten wird am Frieden thätig gearbeitet.




                               Pasquil.


An der Pforte des königlichen Pallastes erschien ein Gemälde. Eduard
trug auf seinem Rücken die Weltkugel, und eilte mit hastigen Schritten.
Dieses Sinnbild führte diese satyrische Aufschrift.

   O Weiber, schwächet doch den kühnen Riesensohn,
   Sonst trägt er uns und Euch in seiner Welt davon!




                                Scene.


                  (Kabinet.) Eduard, hernach Albin.

Eduard. (indem er ein Buch zur Seite legt.) Wie klein sind noch meine
Thaten, wenn ich sie mit den Riesenplanen Alexanders des Grossen messe!
Was habe ich bisher Merkwürdiges gethan, und wie viel hätte ich thun
können! Ich bin auf dem schönsten Gleise zum unsterblichen Ruhme! Alles
zittert vor meinen siegreichen Waffen, laß uns ewige Palmen erringen!
---- Eine Universalmonarchie lächelt mich an ---- Was hält mich hier
zurück? ---- Weiberliebe ---- Eduard, steh auf, erobere eine Welt! Trit
die kleinen Könige mit Füssen, bring deine durchlauchtigen Plane zu
Stande ---- und dann ruhe wie Alexander unter dem Schatten unsterblicher
Lorbeern aus! ---- Cäsar, Pompejus, solche Männer beherrschten eine
Welt, und ich begnüge mich mit einigen Kronen? Ist mein Herz kleiner,
mein Geist geringer, mein Arm schwächer? ---- Fort! Laß uns alle
Liebesfeste verschieben! ---- Zur Ehre! ---- Albin, was sagen die
Berichte unserer Gesandten?

Alb. König Rudolph droht mit grossen Zurüstungen --

Edu. Droht? Rudolph droht? ---- Wem droht der kleine Rudolph? Das
Königlein droht! Droht mir! ---- Sonst nichts von mehr Wichtigkeit als
diese Kleinigkeit?

Alb. Die Republiken machen Vertheidigungsbündnisse ----

Edu. Ich will ihre Verträge wie Spinnengewebe zerreissen! Heißt das
nicht mir trotzen? ---- Ich will diese Nester in Königreiche
umschmelzen! ---- Zur Arbeit! ---- Man muß seine Feinde mit Ungewittern
überraschen!




                     Stoff einer Kriegserklärung.
                           Kanzleysprache.


Wir Eduard von Gottes Gnaden Mehrer des Reichs und Herr aller möglichen
und unmöglichen Welten u. s. w. Geben unsern lieben getreuen und dummen
Sklaven u. s. w.

Wir sind mit allen klugen Staatsmännern gänzlich überzeugt, daß der
Krieg ein nothwendiges Uebel ist; da uns also unser königlicher Leibarzt
mit Zuziehung unsers geistlichen Gewissenraths eine kleine
Leibesbewegung zur Verdünnung unsers Bluts dringend angerathen hat; so
sind Wir aus landesväterlicher Liebe allergnädigst entschlossen,
gelegentlich auch die dicken Säfte des Staatskörpers zu reinigen, und
ein Paar benachbarte Königreiche, die uns sehr bequem liegen, zum
nützlichen Zeitvertreibe zu erobern. Vermuthlich wird diese gesunde
Heldenjagd unsern ungefälligen Nachbarn nicht wie uns behagen, und wir
sehen voraus, daß die leidige Kriegsflamme sich ausdehnen kann. Unsere
gerechten Waffen sollen also mit Beystand des Himmels unser angeerbtes
Recht vor Gott und der Welt vertheidigen. Wir versprechen uns von Euch
allen unterthänigsten Beystand durch Aufopferung eures Bluts und eurer
Güter u. s. w.[17]




                                Scene.


   Ein Wald. Eduard, ein Anführer einer Räuberbande, hernach seine
                              Gefährten.

Edu. Ich habe mich auf der Jagd von meinem Gefolge getrennt. Guter
Freund, wo ist die Heerstrasse?

Anfüh. Für eine gütige Ritterzehrung will ich Ihnen den Weg zeigen mein
Herr.

Edu. Hier hast du meinen Beutel!

[Fußnote 17: Dieses ist der wesentliche Inhalt einer sehr langen
Schrift, welche in der deutscharabischen Staatssprache wie alle
Kriegserklärungen zur Aufklärung des Publikums erschien. Die
Freymüthigkeit ist wenigstens ihr Verdienst.]

Anfüh. Da ist noch ein hübscher Ring, eine Uhr, vermuthlich auch eine
Dose. ---- Ich bitte haben sie die Güte! ---- Ich bin ein Mann von
Lebensart, und übe nicht gern Gewalt ----

Edu. Kerl fort! Du bist ein Strassenräuber! Ich hielt dich für einen
Wanderer.

(Er stellt sich zur Gegenwehr.)

Anfüh. Keine Gewalt! Ich bitte sehr, oder auf einen Wink erscheinen
meine dienstbaren Geister, und lehren Sie, was es ist, rechtschaffene
Männer zu beleidigen.

Edu. Kerl, ich lasse dich hängen! Ich bin Eduard, dein König!

Anfüh. Ach! Herr Bruder willkommen! Izt ändert sich freilich die ganze
Sache. Die Hand her! Meinen warmen Brudergruß! Mir war gleich das
Gesicht bekannt. -- Es freut mich ungemein, näher mit dir in
Freundschaft zu treten! -- Hier ist dein Beutel wieder! Wir Helden haben
ein geschenktes Handwerk.

(Er pfeift)

Brüder, bringt Erfrischungen, wir haben ein lieben Gast! Nähert Euch
meine Freunde, hier führ ich Euch unsern Bruder und Kollega Eduard auf,
den Gott noch lange erhalten wolle! Izt bin ich entwürdet, hier heißt es
^Cede Majori^!

(Alle Räuber reichen dem Eduard die Hände)

Willkommen Bruder!

Edu. (heimlich.) In welcher edlen Gesellschaft bin ich! ---- Meine
Herrn, es ist mir eine besondere Ehre in ihre Bekanntschaft zu kommen!

Anfüh. Setz dich Brüderchen, auf diesen schönen Rasen, und trink ein
Glas Wein! ---- Er ist aus deinem Keller. Wir holen alle Bedürfnisse aus
deiner Burg, denn wir theilen brüderlich.

Edu. Es freut mich, wenn meine Kleinigkeiten so wackern Leuten behagen.
Aber seht, der Abend nähert, ich wünschte aus dem Walde zu seyn.

Anfüh. Ich werde dich sicher bis an die Stadtthore führen. Du bist in
den besten Händen.

Edu. Nimm zur Erkenntlichkeit wenigstens diesen Ring, und für deine
Untergebenen diese Börse ----

Anfüh. Schönen Dank! Wir nehmen nichts; denn wir sind Ehrenmänner, und
lieben gute Sitten. Wir weichen nie von unsern strengen Gesetzen; wir
nehmen dem Wanderer nur den Ueberfluß aus Güte ab, um ihnen die Reise zu
erleichtern. Kein Armer wird beraubt, und niemand, der bescheiden ist,
wird mißhandelt. Was däucht Dir ----

Edu. Du setzest mich in Erstaunung.

Anfüh. Freyheit ist unser System!

Edu. Wollt Ihr dem Vaterland dienen? Werdet freye Krieger! Wollt Ihr?

(Der Anführer spricht heimlich mit seinen Brüdern.)

Alle. Wir wollen!

Anfüh. Gieb uns dein Ehrenwort, unsere treuen Dienste königlich zu
belohnen!

Edu. So wahr ich König bin, will ich Euch nach Verdiensten belohnen!
Folgt mir.




                              Tagebuch.
                  Eines Kriegers aus Eduards Lager.


Wir zogen aus, und suchten den Feind auf. Wir überfielen Rudolphs Lager
unvermuthet. Der Sieg war entscheidend. Wir eilten gegen die Hauptstadt,
nahmen auf dem Wege zehen Festungen ein. Wenige hielten die Belagerung
aus. Rudolph hatte die Ueberbleibsel seiner Völker mit den Geschwadern
der Bundesgenossen vereiniget, und es kam zum blutigen Treffen. Rudolph
entwich aus seinem Königreich, und sein Heer wurde gänzlich zerstreut.
Nicht glücklicher gieng es seinen Bundesgenossen. Die benachbarten
Staaten hatten indeß zu ihrer Sicherheit ihre Städte befestiget, und
ihre Grenzen in Vertheidigungsstand gesetzt. Eduard betrachtete dieß als
eine stille Kriegserklärung, überraschte sie, und unterwarf seinem
Zepter Länder und Städte. Er flößte durch seinen Ruf so viel Schrecken
in alle Gemüther, daß sich alles ergab. Unter diesen beständigen Kriegen
entkräftete er seine eignen Staaten; die Gesetze entschliefen, die
Städte und Dörfer wurden entvölkert; die Künste und Wissenschaften
verfielen, und die Ackerpflege ward vergessen. Seine weitschichtigen
Länder schmachteten im Elend. Er eilte zurück. Er hatte überall
gefährliche Aufruhren zu dämpfen, geizige Statthalter zu demüthigen, und
es wurden endlich seine eignen Krieger seines unersättlichen Ehrgeizes
müde.




                                Brief.
                           Alsin an Eduard.


Ich schreibe dir, denn eine Unpäßlichkeit verzögert meine Reise. Ich
will hingehen, so sagte ich, ich will vor meiner Auflösung eilen, Ihn
das letztemahl zu sehen, zu segnen, und durch die Rechte der
Menschlichkeit um den Frieden beschwören. Ich werde meine grauen Haare
über Ihn streuen, und ihn mit Thränen bethauen. O Fürst, O mein Eduard,
will ich sagen, gieb deinem armen Volke den Vater zurück! ---- In diesen
süssen Gedanken begann ich meine Reise, welche Reise war das! ----
Ueberall sah ich das Bild der Zerstörung; jeden Schritt netzte ich mit
meinen Zähren. ----




                            Nachtgedanken.


   O kühles Grab, du Trost der Sterblichen!
   Wann labst du mich? so rief ich oft mit Thränen.
   Die schwarze Nacht lag über meinem Haupte;
   Nur selten schlich der Mond aus düstern Nebeln;
   Die ganze Schöpfung lag im tiefsten Schlummer.
   Nur Eulen heulten wild ihr Abendlied;
   Als ein Gestank von Aesern mich erstikte.
   Ein Schlachtfeld lag vor mir; die Sohlen traten
   Auf Menschenblut, ein Denkmaal deiner Thaten
   O Eduard war das! Ich stand betäubt,
   Und übersah beym blassen Sternenlichte
   Dies Mordgefild. O welche Schreckenscene
   Für so ein weiches Herz, wie meines ist!
   Da lag ein Rumpf, und dort zerstückte Glieder;
   Ein kalter Schauer fuhr durch meine Seele.
   Die Leichen schienen mir noch halbbelebt;
   Ich hörte noch ein leises Sterberöcheln!
   Mein graues Haar stieg hochgesträubt empor;
   Mein kaltes Blut vergaß den trägen Lauf.
   Nur Geyer freuten sich, und hielten Mahl.
   O Menschlichkeit, wein mit mir eine Thräne,
   Und fluch dem Ehrgeiz zu, der Menschen würgt,
   Um einen Lorbeer mehr für Blut zu kaufen.
   Ich hörte gleichsam hier zehntausend Wittwen
   Um Rache flehn, um Rache für die Söhne!
   Der Waisen Klaggeschrey schien mir zu tönen,
   Und die Einbildungskraft riß meinen Geist
   Zum Richterstuhl, vor dem die Fürsten zittern.
   Die Seelen kamen dort als Kläger an,
   Und häuften Fluch auf die Eroberer.
   Weh ihnen, wenn einst Gott von ihren Händen
   Die Menschen heischt, und Blut aus Lorbeern preßt.
   O Eduard, was ist dein Wunsch, dein Glück;
   Ein schwarzer Traum, noch schwärzer dein Erwachen!
   Einst, wenn der Wurm, der deine Feinde frißt,
   Dein hungriges und hartes Herz zernagt,
   Was sagst du dem, der dich geschaffen hat?
   Geschaffen hat, die Brüder stäts zu lieben,
   Gekrönet hat, die Völker zu beglücken!
   Ist denn dein Plan für diese Welt allein,
   Und trennt ein grosser Geist die Welten?
   O wie begnügsam bist Du doch geworden!
   Mir eckelt vor der Welt, die dich so reizt.
   Wenn dieß die Schöpfung ist, die wir hier sehn;
   Wenn dieß ihr Endzweck ist, den du dir wünschest;
   So ist die Schöpfung nichts, der Endzweck nichts!
   Nichts für ein Herz, das Ewigkeiten suchet!
   Die Welt ist Staub; mein Ziel ist groß wie Gott!
   Fürst, wärst du Herr der künftigen Minute;
   Und wäre das, was Du durch Mord ersiegst,
   Unsterblich dein, dann könntest du den Kloß,
   Der Dich begnügt, um einen Himmel kaufen;
   Doch Du bist auch ein Bettler von der Zeit;
   So sey ein Adler, flieg zur Sonne hoch!
   Laß kleinen Geisterchen die kleine Welt,
   Und such ein Reich, wo man unsterblich lebt!
   Flieg auf verherrlichet durch grosse Thaten
   Der Menschlichkeit, wobey die Schöpfung jauchzt;
   Flieg auf mit Lorbeern, die kein Blut beflecket,
   Die fern vom Fluch, durch Segen heilig sind.

                      Ende der dritten Kaprizze.




                          Eduard als Greis.
                           Vierte Kaprizze.




                    Liebes- und Heldengeschichte.


Schwarze nächtliche Wolken hiengen über den schlummernden Horizont, und
nur blasse Stralen des Mondes brachen durch die duftenden Lauben des
königlichen Gartens, als die reizende Alidia lustwandelte, und so zu den
Sternen seufzte: Wie lang unerbittliches Schicksal bin ich noch der
Gegenstand deiner Rache? Und du allesbeherrschende Liebe, wie lange soll
noch mein Herz das Spiel deiner muthwilligen Ränke seyn? Alle
diejenigen, die ich hasse, lieben mich, und der einzige, den ich anbete,
verschmäht mein Herz. Was soll ich in meiner traurigen Lage beginnen?
Soll ich den Ehrgeiz hören? Er räth mir die Liebe Eduards und mit ihr
seine Krone zu erobern; aber Ach! Wie theuer sind diese Kronen erkauft!
O Sigismund, nur Du bist der Abgott meiner Seele, du bist würdig meine
Zärtlichkeit ganz zu besitzen! Eil, erobere den Thron, den du allein
verdienst! Doch du hörst nicht meine Wünsche; du verachtest meine
Seufzer, und begegnest nie mit zärtlichem Auge meinen schmachtenden
Blicken. Aber welch ein Geräusch unterbricht meine einsamen Klagen?

Ich bin es göttliche Alidia, rief Prinz Friedrich, indem er sich ihr zu
Füssen warf. Hier liegt der Unglückliche, der ohne dich nicht länger
leben kann, der dich anbetet, und von dir die Entscheidung seines
Schicksals hören will. Leben und Tod hängt izt auf deinen Lippen. Meine
Verzweiflung führt mich hieher. O Alidia, Du bist mir entrissen! Eduard,
der Mörder deines Bruders, der Zerstörer deines Vaterlands, den Feind
meiner Hofnungen, der dich mir raubt, soll Dich als eine kostbare Beute
besitzen? Da ich durch die gütigen Verheissungen deines Bruders schon
die süsse Hofnung nährte, deine Hand zu erhalten, soll dieser
ruhmsüchtige König mir den unschätzbaren Preis, dein Herz entreissen?
Zuerst muß er mich tödten! ---- Ich komme hieher, dich durch meine
zärtliche Liebe durch den theuren Schatten deines Bruders zu beschwören,
folge mir schönste Alidia! Alles ist zu deiner Freyheit gerüstet, laß
uns eilen! ---- Du zögerst? Du entweichest? Du bebst zurück bey meiner
Bitte? Ich bin gehaßt, du liebst meinen Feind! ---- Aber er soll dich
nicht besitzen!

Zurück kühner Prinz! Rief Alidia, fürchte meine Rache! Ich liebte Dich
nie, und fühle, daß ich Dich nie lieben werde. Geh, dank es meiner Güte,
daß ich deinen Frevel nicht bestrafe! Du bist hier im Pallast deines
Feindes! ---- Friedrich umfaßte Alidien; ihr Geschrey ertönte, und
Sigismund stürzte herzu. Mit blitzendem Schwerte begrüßte er den
Entführer. Wohin du Räuber? Rief er, hieher zu mir! Ich vertheidige die
Schwachen, die du dreist genug bist, zu beleidigen. Es kam zum blutigen
Gefechte, indeß Alidia vor Schrecken in Ohnmacht sank. Friedrich ward
entwafnet, und bat seinen Sieger um den Tod. Laß mich sterben, tapferer
Krieger, wer du immer bist! Solltest du mein Nebenbuhler seyn, so räche
dich, und tödte mich! Ich bete Alidien an; ich habe gerechte Ansprüche
auf ihr Herz, auf ihre Hand; aber die Grausame opfert mich treulos ihrem
Ehrgeize auf. Ich will mein Unglück nicht überleben!

Sigismund ward durch die Klagen dieses unglücklichen Prinzen zum Mitleid
gerührt. Er tröstete ihn, und bat ihn zu seiner Sicherheit eilends den
königlichen Pallast zu verlassen. Er legte durch viele Trostgründe
heilenden Balsam auf seine Wunden, und beredete ihn liebreich, daß er
endlich entwich. Indeß erholte sich die schmachtende Alidia, und sie
dankte ihrem großmüthigen Befreyer mit Worten, die mehr Liebe als
Dankbarkeit verriethen. Ach! Seufzte sie, wärest Du mein Entführer
gewesen, ich würde weniger Widerwillen gezeigt haben; aber Sigismund
hört nur das Jauchzen der wilden Krieger, und sieht nur die blutigen
Lorbeern mit Entzücken. Art vergißt nicht ihre Art. Wie deinen Onkel
reizt dich nur die Kriegstrompete. Du bist unempfindlich für die sanfte
Liebe, und bleibst kalt für Herzen, die für dich brennen ----

Reizende Alidia, rief mit Erstaunung Sigismund, Du legest mir Fehler
bey, die mein Herz mißkennet. Ich ehre dein Geschlecht! aber nie hat
mich der stolze Eigendünkel so bethöret, daß ich vergessen sollte, wer
ich bin. Ich bin Sigismund, ein kleiner Auswürfling des Glückes;
Sigismund, der keine Kronen anzubieten hat! Dieser Degen ist mein
Reichthum; dieses Herz ist meine väterliche Erbe! Nackt stieß mich das
stiefmütterliche Glück in die Fremde. Die Erde ist mein Vaterland
geworden. Du aber göttliche Alidia bist zu Kronen gebohren, und
gereifet. Ich wünsche dir Glück zu deinem schönsten Siege. Eroberer
liegen in deinen reizenden Fässeln. Ich werde mich nie so vergessen,
meinen Blick zu Dir zu erheben. Du bist der Schatz meines königlichen
Onkels, der Dir Zepter zu Füssen legt, die Du verdienest!

Was hindert Dich Kronen zu erobern, edler Sigismund, unterbrach ihn
sanftlächelnd Alidia. Ich kenne deine Tapferkeit, und dein
durchlauchtiges Blut. Liebe mich, und ich öffne Dir die Bahn zum Throne!
---- Ich kenne nur rechte Gleise, nahm Sigismund das Wort, und diese
führen mich zur Pflicht, zum Gehorsam, und zur Unterwürflichkeit. Der
Himmel giebt Kronen! ---- Ich liebe die Tugend, und wünsche, daß sie
stets die schönste Perle deiner Krone sey! ---- So sprach er mit
Nachdruck, verneigte sich, und entwich.

Alidia stand lang versteinert. Sie sah sich verlassen, verschmäht. Ihr
weiblicher Stolz war beleidiget, und sie beschloß sich blutig zu rächen.
Ich will dich stürzen, hochmüthiger Jüngling, rief sie, ja du sollst
kriechen kleiner Wurm, du sollst dich schmiegen Sklave! Du bist unwürdig
einer Krone, unwürdig meines Herzens! Ich hasse dich und deinen
Kronensüchtigen Onkel; aber ich will der alten Schlange schmäucheln um
die junge Natter zu verderben! Süsse Rache kocht in meinem Busen! So
donnerte sie, und eilte in den Pallast alle Triebfedern in Bewegung zu
setzen, um ihre beleidigte Liebe zu rächen.

Die Gelegenheit ereignete sich bald. Theodor ein kriegerischer Prinz
wollte den Tod seines Bruders Willhelm rächen, und sammelte in Eile ein
mächtiges Heer. Er überraschte seine Feinde in einer Sicherheit, welche
meistens die Frucht eines guten Erfolges ist. Eduard eilte seinem Feinde
entgegen, und es kam zur Schlacht. Theodor hatte als ein Meister der
Kriegeskunst seinem Heere eine so glückliche Stellung gegeben, welche
alle gewaltsamen Versuche Eduards vereitelte. Die Vereinigung der
Glieder war so unzertrennlich, daß alle Angriffe der tapfersten
Geschwader vernichtet wurden. Reuter und Fußknechte fielen. Eduard war
in äusserster Verlegenheit. Er sah seine schönste Mannschaft und den
Kern seines Heeres zu Schanden gehauen, und das feindliche Heer stand
siegreich und unerschüttert auf der blutigen Wahlstatt. Die Lage des
Ortes, und der feste Bau des ganzen Körpers war seinen Feinden
vortheilhaft. In diesen verzweifelten Umständen näherte sich ihm
ehrerbietig Sigismund. Es ist noch ein Mittel, sprach er, die Schlacht
zu gewinnen, lassen Eure Majestät eilends das schwere Geschütze gegen
diesen unzertrennlichen Kloß des feindlichen Heeres richten, und von
allen Seiten zugleich mit neuen Geschwadern die Feinde muthig bestürmen.
Der König erkannte die Wahrheit. Sigismund flog, und in wenigen Minuten
scheiterte die feindliche Maschine. Sie fielen zu tausenden. Alles wurde
getrennt, getödtet und in die Flucht geschlagen. Alles pries die tiefe
Einsicht des jungen Helden.

Dieser günstigen Gelegenheit bemeisterte sich die listige Alidia; der
junge Adler, rief sie, überholet bereits den alten Löwen! War nicht so
der weissagende Traum meines geliebten Eduards? In der That das
Zigeunermädchen ist eine Prophetinn! Ich irre nicht, die Zeit reifet. Du
staunest mein edler König? Ich eröfne dir mein ganzes Herz. Es ist meine
Pflicht für die Sicherheit deiner Tage zu wachen. Sigismund strebt nach
der Krone. Bemerke wohl sein Betragen; sieh, wie er den Kriegern
schmäuchelt; wie er den Bürgern liebkoset; sich vor Knechten liebreich
verneiget, alle Herzen gewinnet, und durch seine glänzenden Thaten alle
Augen erschüttert! Alles spricht nur von ihm; von dir schweigt alles!
Schläfst du mein Eduard? Ueberlässest du so ruhig deine Kronen, deine
theuererkauften Lorbeern dem dreisten Jüngling?

Das Gift wirkte in dem Herzen des ehrgeizigen Königs. Er hatte schon oft
einige Regungen der Eifersucht gefühlt. Der Ehrgeiz verträgt keinen
Nebenbuhler. Sigismund ward gehaßt. Er fiel plötzlich in Ungnade, ward
kalt am Hofe empfangen, des Vertrauens und aller Würden allmählich
beraubt, und der Dank für seine rühmlich geleisteten Dienste war, daß er
vergessen wurde. So untergrub ein rachsüchtiges Weib sein aufblühendes
Glück.




                                Brief.
                           Lusian an Piron.


Wir sehen uns! Ja Herzensbruder, wir sehen uns bald! Ich verlasse den
Hof, denn was soll ich hier machen mit meinen strengen Begriffen von
Tugend, Ehre, Redlichkeit? Eduards neue Politik verträgt sich mit meinen
alten Grundsätzen nicht. Wir sind keine Krieger mehr, die das Vaterland
beschützen, wir sind Menschenmetzger geworden. Wir gehn alle
Gemeinplätze der grausamen Eroberer. Wir rauben, morden, brennen, machen
Wittwen und Waisen, verwüsten Städte und Länder, und sind am Ende so
hungrig, als wenn wir keine Königreiche verschlungen hätten. ^L'appetit
vient en mangeant!^ Meiner Seele! Der Franzos hat ein weises Sprichwort.
Ich will dir unsere traurige Lage schildern.




                               Satyre.


      Wie viel Narren von Aufgang und Narren von Niedergang seh ich;
   Wie soll ich Myriaden berechnen? Ich bleibe bey Hofe.
   Nur ein Häufchen der glänzendsten Thoren will ich bemerken,
   Thoren, die sich zum Vorbild der Kleinen mit Schweisse bereiten.
   Kaum erscheinet der hüpfende Zögling im Schauplatz des Hofes;
   So beginnt er das wichtigste Werk des rühmlichen Adels
   Seine Tage mit thätigem Müßiggang prächtig zu tödten.
   Dann lernt er die mystische Sprache dem Fürsten zu schmäucheln;
   Seinen Bewunderern viel zu versprechen, und nichts zu erfüllen;
   Seine Gedanken mit gleissendem Firniß politisch zu schmücken;
   Nebenbuhler mit Lob zu erheben, und heimlich zu drücken;
   Endlich wird er durch Uebung gebildet, und spielet den Meister.
   Er spricht alles mit künstlichem Lächeln, er kürzet die Worte,
   Sagt die Rede nur halb, bedient sich studirter Geberden;
   Jede Grille des Hofes wird ein Geheimniß des Staates.
   Er eilt bedeutend zum horchenden Ohre neugieriger Freunde,
   Lallt zwey Silben, und stammelt, das Uebrige winkt er mit Blicken,
   Fliegt geschäftig davon; macht Anspruch auf schimmernde Würden;
   Jede Belohnung erwartet nur er, und er preist die Verdienste;
   Er überholet die fähigsten Männer, und steigt durch Empfehlung.
   Immer seufzt er, wie wenig der König die Treue belohnet,
   Die er mit seinen preiswürdigsten Ahnen dem Staate geweiht hat.
   Er stürzt hastig durch alle Gemächer des staunenden Hofes,
   Unterscheidet mit komischen Grüssen die Stände der Menschen.
   Ihr Moralisten, die Ihr bey Grossen die Tugend vermisset,
   Höret, ich will Euch mit seltenen Wundern erschüttern, betäuben.
   Wie viel Selbstverläugnung bedarf ein listiger Höfling!
   Wie viel Geduld die Narren zu preisen, die er zwar erkennet,
   Und im Herzen verachtet; wie viel gelassene Kälte,
   Thörichte Lügen zu hören, und doch aus Absicht zu glauben;
   Wie viel Langmuth, die kochende Galle durch Jahre zu zähmen,
   Sich nicht an mächtigen Feinden zu rächen, sie liebreich zu küssen,
   Bis die goldne Gelegenheit sichere Dolche bereitet.
   Wie viel Beredsamkeit, immer zu reden, und doch nichts zu sagen!
   Zeigt mir ein Beyspiel, wo lebt wohl der Weise, der Kühnheit
      besitzet,
   Wie ein Schranze sich selbsten zu loben, und andre zu tadeln;
   Ueber die Künste despotisch zu herrschen, und alles zu richten,
   In zwey Worten den Werth der Dinge mit Kühnheit zu sagen?
   Seht dort den Günstling des Königs, er lebt nur vom Hauch des
      Gebieters,
   Wie ein Schooßhund geschmeidig verläugnet er seine Gesinnung,
   Aeft den Charakter des Fürsten, und stralt wie ein Spiegel das
      Antlitz
   Lächelnd zurück, er schmäuchelt, er kriechet, und lecket den
      Speichel.
   Kaum hüpft der Frosch vom Throne des Königs, so bläht er sich
      selbsten,
   Sieht als Beschützer auf Kleine herab, und dräut den Verwägnen,
   Die sich bey seiner Erscheinung nicht bücken, die dreist ihn
      verachten,
   Die das Ungefähr seiner erhabnen Geburt nicht empfinden,
   Und den Günstling des Glückes mit stoischer Kälte beschauen.
   Sind sie denn blind, wenn er in goldenen Kutschen daherfliegt,
   Und die Buhlerinn mit der Ausbeute des Volkes bereichert?
   Wie entschlossen enterbt er den schnellüberraschenden Winter!
   Er verschlingt schon in blühender Jugend die Früchte des Alters,
   Ueberläßt sich der Wollust, der Pracht, dem schwelgenden Taumel,
   Und entschließt sich das Spielwerk der geizigen Aerzte zu werden.
   Aber verlassen wir diese Vorsäle des Hofes, und eilen
   In das goldne Schlafgemach seines beglückten Monarchen!
   Du hast diesen Beherrscher O Himmel, mit Kronen belastet,
   Und doch hör ich ihn seufzen; gewähr ihm den Letzten der Wünsche!
   Nur ein Hafen des Nachbars macht ihm noch unruhige Nächte.
   Schicksal, du hörest mein Flehn. Ich seh ihn am frohen Gestade!
   Wie wird er jauchzend Dich segnen! Was hör ich? Er schmiedet
      Entwürfe,
   Jene Republik zu tilgen, die seine Länder zertrennet.
   Sättige Fürst auch dieses Verlangen, doch laß dich begnügen!
   Wie, du hungerst noch immer? Wer füllt den politischen Magen!
   Geh du Nimmersatt! Friß Nationen, verschlinge Provinzen,
   Die Politik ist gleichsam erfunden, dich ewig zu quälen,
   Wie ein gepeinigter Höllengeist bist du der Henker der Menschen!
   Weise Gesetze vertilgen den Mörder, der einen erwürget,
   Was verdienest denn Du, der du Millionen ermordest,
   Eine Spanne von Erde zu mächtigen Ländern zu fügen,
   Die du nicht übersiehst, auch niemals zu sehen verlangest?
   O ihr Großen, ein Seufzer entfuhr mir bey euren Begierden!
   Ihr seyd die Väter des Vaterlands, Ihr seyd Gebieter der Erde,
   Ihr seyd von Völkern erwählet die Güter den Söhnen zu theilen;
   Izt nehm ich den Tadel zurück, und preise die Räuber.
   Es ist Mäßigkeit, daß Ihr so wenig von allem geniesset;
   Ihr bewerbt Euch um goldene Schätze, sie wiederzugeben;
   Ihr erobert Kronen auf Kronen, sie Erben zu lassen,
   Und Ihr begnügt Euch mit Arbeit, mit Schweiß, mit Thränen und
      Flüchen!
   So viel Größe des Herzens verdient gewiß Pyramiden!
   O seyd dankbar ihr Völker, und baut den Eroberern Tempel!
   Diesen gefürchteten König bescheinet die Sonne wie Bettler;
   Seinen durchlauchtigen Magen ersättigen Aeser und Kräuter;
   Eben der Wurm und das Schaaf, das Bürger bekleidet, bedeckt ihn;
   Schlaf und Ruhe mißkennt er, und endlich stirbt er wie Sklaven,
   Und läßt, was er den Weinenden raubte, den lachenden Erben.
   Wie viel Güte! Freygebiger König, ich will dich vergöttern!
   Lebet ihr Helden und Sieger von meiner Apotheosis!




                        Allegorisches Gemälde.


   Aesop, der Staatskörper, und ein Gefolge von Weibern und Kindern.

Aes. Welch ein Ungeheuer nähert sich mir! -- Wer bist Du?

Der Staatsk. Ich bin der kranke Staat ----

Aes. Wie siehst du aus! Ich kenne dich nicht mehr. Einst warst du ein
blühender Jüngling; ich sah den May deiner lächelnden Tage. Dein
majestätischer zierlicher Gang gab deiner reizenden Miene eine edle
Grösse; dein wohlgestalteter Wuchs reizte die Augen. Deine jugendlich
blühende Wange war ein beredter Zeuge von dem glücklichen Umlauf deines
gesunden Bluts. Du warest von allen Menschen geliebt, bewundert,
hochgeschäzt. Königinnen buhlten um deine Liebe, ein freundlicher Blick,
ein Druck der Hand, ein sanftes Wort von deiner Lippe war ein Geschenk,
eine Belohnung, um welche deine Günstlinge buhlten. Aber Ach! Wo sind
izt deine Bewunderer, deine Freunde? Wie bist du von Alter und Krankheit
entstaltet, mißhandelt! Faule morsche Knochen hängen nur durch eine
welke Haut zusammen. Dein Athem stinkt, deine triefenden Augen liegen
tief in dem kahlen Hirnschedel. Deine Kleider sind zerrissen, ein
jammerndes Leichengefolge von Wittwen und Waisen schleichet dir nach,
und zerfliesset in Thränen ----

Der Staatsk. Ach! Ich bin das traurige Schlachtopfer des Ehrgeizes! So
haben mich die unsterblichen Väter des Vaterlands mißhandelt. Hungrige
Geyer verschlangen mein Fleisch, Ottern nagten mein Mark, und Tyger
saugten mein Blut. Ich bin meinem Tode nahe. Vergebens suchten einige
patriotische Aerzte meine Tage zu verlängern. Ich welke hin, meine Säfte
sind vertrocknet.

Aes. Wo schleichst du denn hin?

Der Staatsk. Ein schwindelnder Projektant hat mir die Bäder verordnet.
Ein anderer schlägt mir die Eselsmilch vor; aber ich denke auf mein
Testament, die Esel und Eselinnen werden mir schwerlich helfen. Ich
fühle meine Auflösung. Meine Wunden sind unheilbar. Leb wohl! Wir sehn
uns nicht mehr!

Aes. Gute Nacht Vaterland!




                            Hofanekdoten.


                              Flugwerk.

Der Bruder der berufenen Gräfin Emilie, einer Exsängerinn, die der König
vorzüglich wegen schnellen Füssen bewunderte, verließ die kleine Klasse
des Pöbels, und wuchs vom kleinen Schmiedjungen bis zum Aufseher der
königlichen Palläste, und Freyherrn von Altberg an. Da sich in zwey
Monaten sein wunderbares Genie, und sein Originalgeschmack in den
Künsten und Wissenschaften durch Wunder entwickelten, sah sich der König
genöthiget, ihn in den Grafenstand zu erheben, und ihm den Vorsitz im
Tempel der Musen anzuweisen. Er ließ sich malen, und der Maler sezte
seinen Helden auf einen Wolkenwagen.


                            Verschwindung.

Auch der Hof hat seine Verschwindungsmaschinen. Graf Tannenwald sprach
zu dreist von der Menschlichkeit in Gegenwart des Königs. Die Höflinge
entdeckten kleine Runzeln auf der majestätischen Stirne. Dieß war ein
weissagender Wink für ihre Adleraugen. Sie eilten wie Füchse mit
brennenden Schweifen zu den Neidern des Grafen. Man verfertigte in Eile
unterirdische Fallen. Tannenwald gleitete aus, und verschwand.


                           Theatermalerey.

Die Höflinge sind die ersten Erfinder der Theatermalerey. Sie
vergrössern mit dreister Hand ihre Pinsel; ihre Geduld ist bald
erschöpft, sie eilen hastig zum Zweck, und werfen ihre flüchtigen
Gemälde nur verwägen hin. Doch in der Ferne halten die Augen ihre
Malerey für Miniaturgemälde.


                               Episode.

Losin hatte dem König lange und treue Dienste geleistet. Er stand am
Gipfel des Glückes, und der Ehren, als endlich seine mächtigen Feinde am
Hofe seinen plözlichen Sturz bereiteten. Er ward vom König zu einer
wichtigen Unternehmung versandt; aber seine Gegner wusten die Sache so
hämisch einzuleiten, daß er weder die nöthigen Kriegsleute, noch genug
Geld und andere Bedürfnisse zur bestimmten Zeit erhielt. Alles gieng
natürlich unglücklich. Das Glück selbst schien sich gleichsam mit seinen
Widersachern zu vereinigen. Man schrieb alle Fehler dem Obersten Losin
zu. Der Kriegsrath beurtheilte die Handlungen so streng, daß Losin zum
Tode verurtheilt wurde. Seine Seele war zu groß, er würdigte sich nicht
sich zu vertheidigen. Der König kennt mein Herz, und meine Dienste. Das
war alles, was er dem erkauften Kriegsrath zur Antwort gab, und es
näherte sich der Tag seines Todes. Niemals war unter dem Volk eine
grössere Gährung. Losin war von edlen Bürgern geliebt, von allen
Kriegern als ein Held bewundert. Man schloß die Kaufmannsgewölber. Die
Handwerker verliessen ihr Gewerbe. Das Volk eilte zur Gerichtstäte. Die
Biedermänner zerflossen in Thränen; die Väter erzählten den Söhnen mit
Schluchzen seine Thaten, und die Mütter wuschen ihre Säuglinge mit
Zähren, indem sie den Patrioten segneten. Selbst der Stab zögerte, und
erwartete mit ängstlicher Ungeduld vom König ein gewünschtes Zeichen der
Begnadigung; aber vergebens waren alle frommen Wünsche. Unter dem lauten
Zuruf, und von Millionen Segen des zuschauenden Volkes begleitet stieg
Losin auf das Blutgerüst; sein ruhiges Antlitz war nach seinem edlen
Herzen gestimmt. Er grüßte liebreich seine Kriegsgefährten, und dankte
der Versammlung des Volkes für die großmüthigen Zähren. Er erwartete mit
offenen Augen den Tod, den er so oft in blutigen Schlachten für das
Vaterland, und für seinen König verachtete. Schon rüsteten sich die
Vollzieher der strengen Gerechtigkeit, als ----[18]

[Fußnote 18: ^Deus ex Machina!^ Eine Geliebte des Königs rettete das
Leben dieses würdigen Mannes. Jedoch ein Dichter sagt so etwas nicht
ohne Schwung, er sucht Blumenkränze und arkadische Tändeleyen.]




                          Maschinenkomödie.


                  Ein Hain am Gestade eines Stromes.

                   Fritz, Lieschen, zu ihnen Amor.

Fritz. Lieschen, setzen wir uns in das Gras ----

Liesch. Aber sey nicht schlimm ----

Fritz. Zu Zeiten einen Blick, und einen Kuß ---- Ich will fromm wie ein
Turteltäubchen seyn ----

Liesch. Geh, du bist ein loser Schurke! Der Ort ist einsam ---- Mein
Herz ---- Ach mein Herz ----

Fritz. Wann wird es ganz mein Eigenthum? ---- Wär ich reich! ---- O
Liebe gieb mir eine Heerde!

Liesch. Fritz, sieh, es ziehen dort Wetterwolken über die blauen
Gebirge. O diesem Winkel trau ich nie! Alle Stürme kommen daher!

Fritz. Es blitzt wirklich; auch der Donner schleicht schon ferne. Die
Winde heulen. Sieh dort schwellen die Wogen empor ----

Liesch. Wenn etwa unsere Fischer Schaden leiden. Sieh, was ringt dort
mit den Wellen?

Fritz. Ein Kind!

Liesch. O das arme Kind! Hülfe! Geschwind Hülfe! ---- Nimm lieber Fritz
ein Schiffchen! ---- O mein Fritz hundert Küsse!

Fritz. Nur hundert? ---- Willst du zweyhundert geben; so schwimme ich um
den Knaben ---- weniger nicht ----

Liesch. Geh, du bist ein Nimmersatt! ---- So geh nur --

(Fritz springt munter in die Fluten, und haschet den Knaben.)

Am. Hab Dank für die Hülfe! Begehrt eine Gnade!

Fritz. Wer bist du?

Am. Ich bin ein Geigenmacher, und reise auf meine Kunst.

Liesch. Ich muß für dich dreyhundert ---- nein zweyhundert will ich
sagen ---- ja richtig zweyhundert Küsse zahlen, schenk mir aus
Erkenntlichkeit eine Geige von deiner Arbeit, denn du bist so artig, daß
deine Geigen viel Harmonie versprechen.

Am. Ich will Euch die Liebesgeige schenken. Singt mir indeß euer
Lieblingslied. Ich beginne die Arbeit. Seht das Meisterstück. Wenn man
sie spielt; so macht ihre Wunderkraft alle Zuhörer tanzen. Sammelt Geld,
das sey euer Hochzeitgeschenk.




                           Scene Extempore.


Amor verschwindet. Fritz und Lieschen erscheinen in der Stadt mit der
wunderbaren Liebesgeige. Sie sehen viel Volk auf dem Markte, und hoffen
Gewinn. Fritz geigt, alles tanzt. Sie eilen bis zum Gerichtsplatze. Das
Volk, die Krieger beginnen zu tanzen. Die Freunde Losins spähen von
ferne, nützen den glücklichen Augenblick, und bringen den Verurtheilten
in Sicherheit. Der Pöbel tanzt fort. Fritz und Lieschen bereichern sich,
feyern ihre Hochzeit, und kehren in das Dorf, wo noch jährlich alle
gesunden Beine den Einfluß der magischen Liebesgeige fühlen.




                                Scene.


                           Lusian. Marsis.

Lus. Edler Marsis meinen Abschiedskuß!

Mars. Auch Lusian verläßt uns, da uns alle Patrioten fliehen ----

Lus. Ich will als ein rechtschafner Mann zu Grabe gehen. Eduard mag
seine chimärische Universalmonarchie selbst ausfechten. Ich bin ein
Kerl, der sein Vaterland liebt, nie soll mich der Ehrgeiz zum Unmenschen
machen! Wir fallen wie hungrige Tyger über unschuldige Nationen her; was
sich nicht knechtisch beugt, wird mit Füssen getreten. Gott im Himmel,
wir stinken von Menschenblut! ---- Leb wohl!

Mars. Warte noch, ich will dem Könige Vorstellungen machen ----

Lus. Er hört niemand, als seine Speichellecker, seine Weiber, und seinen
unersättlichen Ehrgeiz! ---- O die verdammte Eroberungssucht!




                              Quodlibet.


   Wenn lauter schlaue Spieler wären,
   Wer würde der Gewinner seyn?
   Wenn alle Mächtige die Welt zerstöhren,
   Wer zieht den Vortheil ein?
   Gewiß ist eine Welt zu wenig,
   Weil alle Fürsten Helden sind.
   Izt weht ein kriegerischer Wind.
   Es kleidet sich ein jeder König
   So furchtbar wie ein Herkules.
   Die Großen sind izt lauter Krieger.
   Ein jedes Königlein spielt einen Sieger,
   Als wär er Alcibiades.
   Die Fürsten grüßen auch mit Lächeln nur Soldaten,
   Die dort im Feld die Aernde kühn zertraten.
   Gar selten wird für den ein kalter Gruß beliebt,
   Der seinen Staat beglückt, und Völkern Nahrung giebt.
   Das eiserne Jahrhundert ist erschienen;
   Die Erde scheinet mir ein Waffenhaus.
   Man brüttet überall erwürgende Maschinen;
   Werkzeuge, die nur zur Verheerung dienen,
   Denkt izt der Witz der harten Menschen aus,
   Die Erdensöhne zu zerstöhren,
   Als wenn sie nur Insekten wären.
   Wie wird die Menschlichkeit verhört,
   Und die Vernunft geschändet und entehrt!
   Sind denn die Großen ewig Narren,
   Und bleibt ihr altes Steckenpferd
   Der Lorbeer und ein Siegeskarren?
   Dort hängt ein Räuber. Gute Nacht!
   Du hast die Sache schlecht gemacht,
   Muß man in Wäldern Solo fangen?
   Du könntest izt am Hofe prangen,
   Wärst du nur ein Politiker,
   Und stünd um dich ein großes Heer.
   Wer gab die höllischen Gesetze,
   Daß jeder rauben kann, was ihm gefällt,
   Wenn sich sein Nachbar nicht mit Macht entgegen stellt?
   Das riecht nicht bloß nach Schulgeschwätze,
   Es stinkt nach einem Höflingsbart.
   Das bleibt so ein Geschmeis von Tygerart.
   Sie zischen stäts den Fürsten in die Ohren,
   Die ganze Schöpfung sey zu ihrer Lust gebohren.
   O Himmel schmücke jeden Thron,
   Mit einem weisen Salomon!
   Und strafe nie die Welt mit herrschenden Genien,
   Vor denen Myriaden Sklaven knien.
   Ihr Nachbarn hört den feinen Fürsten nicht,
   Der schmäuchelnd von Verträgen spricht,
   Denn seine Majestät beliebt mit Euch zu scherzen,
   Er hat das Gift in seinem Herzen.
   Glaubt sicher, wenn er Euch nur Hochzeitlieder singt,
   Daß er aus Neid schon euer Land verschlingt.
   Große Lichter, kleine Kerzen!
   Große Männer, harte Herzen!
   War Attila des Adams ächter Sohn?
   Wie, ehren Henker auch den Thron,
   Die stäts nach Beute schielen?
   Du Weib, bleib lieber ohne Frucht,
   Die einen Helden trägt, den man gerecht verflucht.
   Die Fürsten lieben sehr im Felde sich zu kühlen,
   Und daraus folgert sich,
   Daß sie wie Kinder gern Soldaten spielen;
   So jagt man königlich!
   Ein kleiner Edelmann hetzt seinen Haasen.
   Seht, wie die Krieger froh auf unsern Weiden grasen!
   Wir säen stäts, und kauen unsre Noth.
   Die halbe Million der Menschenfeinde
   Beraubet uns der Kinder und der Freunde,
   Und frißt in Müßiggang recht trotzig unser Brod.
   Wird denn der Pöbel ewig rasen?
   Wie man die Thoren jauchzen hört!
   Wenn der Monarch die armen Menschen tödtet,
   Und manche Stadt wie ein Barbar zerstöhrt;
   Indeß der Philosoph still seufzet und erröthet.
   Wird wohl die Welt dadurch beglückt,
   Wenn man auf einen Kopf zehn Kronen drückt?
   Verewiget die Wahrheit mit dem Meissel;
   Die Helden sind der Erde schwerste Geissel!
   Das Bild des Titus und Aurelius
   Verdient von Weisen einen Kuß.
   Auf Alexander laßt uns speyen!
   Stäupt Schmeichler, die dem Ehrgeiz Weihrauch streuen,
   Den man verfluchen muß!




                                Scene.


               Eduard, ein Kämmerling, hernach Marsis.

Edu. Lasset ihn nicht vor! Ich hasse seine Strenge; er ist ein harter
unbeugsamer Mann! Fort! ---- Wer trit wider meinen Willen ein?

Mars. Ich habe oft den Zutrit begehrt; aber deine Diener verweigerten
----

Edu. So war mein Befehl!

Mars. Das wollte ich aus deinem Munde wissen. Ich gehe wieder. Ich habe
die Freystäte des Friedens verlassen, und bin hieher geeilt, dich zu
sehen, denn du nanntest mich einst deinen Freund. Nur zwey Worte mein
König, und dann mein Lebewohl, meinen Abschiedsgruß! ---- Ich bin hieher
gekommen meinen königlichen Freund zu sehen; aber ich finde ihn nicht
mehr. Jenen grossen Eduard kannte ich, dessen Herz der Thron der
Menschlichkeit war; dessen Ohr beym Geschrey des Elendes sich
herabneigte; dessen Augen von edlen Thränen sanft überflossen, wenn er
seine Bürger leiden sah; Fürst, das war ein Mann! So einer kömmt nicht
wieder! Er war die Zierde des Thrones, die Säule des Vaterlandes, und
die Wollust seiner Völker! ---- Aber Ach! Er ist todt! ---- Du kennst
denjenigen, der an seine Stelle trat ----

Edu. Das ist dein Lieblingston, du veränderst dich nie --

Mars. Ich habe diese standhafte Denkungsart meinem Unglücke zu danken.
Wär ich in Weichlichkeit erzogen, vielleicht würde mein Herz verzagt,
und meine Seele weibisch. Ich weiß, daß niemand ohne Zittern sich dir
nähert; doch ich bin ganz ruhig hieher gekommen, denn ich fürchte
nichts, weil ich nichts zu gewinnen, nichts zu verlieren habe. Dieses
Leben widmete ich tausendmal deinem Dienste, fast reut es mich ----

Edu. Ich dulde deine Kühnheit. Ich will dich hören. Ich will bis zu dir
herabsteigen. Was verweisest du deinem König? Denn ein Verweis drückt
deine Zunge ----

Mars. Wollte Gott, ich könnte itzt dein Lob absingen! Aber zum
Schmäuchler bin ich nicht gebohren. Herr, ich verlasse ein kleines
Landhäuschen, ich höre rings um mich das Gewinsel der Elenden. Da rufen
die Waisen um Brod; dort ringen die Wittwen die Hände; die gedruckte
Armuth seufzet in allen Winkeln; ich schleiche bestürzt in deine Burg;
ich finde sie entvölkert; die treuen Diener sind vom Dienste geworfen;
deine Freunde hast du verscheucht; weise thätige Bürger des Staats hast
du des Landes verwiesen; der Patriot segnet weinend sein Vaterland,
schüttelt den Staub von den Füssen, und eilet zur Gränze. Alles haßt
dich; du hast die Liebe deiner Unterthanen verloren; du bist ein Tyrann
einer gekränkten Familie, deren Thränen dich überall anklagen. Hörst du
die Klagen deiner Kinder; weist du den Jammer ----

Edu. Du sagst mir keine Neuigkeit. Ich habe meine Ausspäher ----

Mars. Ausspäher? ---- Ich weiß nicht, ob die Ausspäher Despoten, oder
die Despoten Ausspäher machen! ---- Im Kriege mögen sie gelten; aber im
Frieden ---- Ein König muß wie ein Vater unter seinen Söhnen leben, sie
müssen seinen Segen wie den Thau des Himmels fühlen --

Edu. Wer kann den Pöbel begnügen? Ich giesse meine Wohlthaten
willkürlich aus; ich bin wie ein Gott; Er beglücket, wen Er will.

Mars. Alle haben gleiche Ansprüche, gleiches Recht! Du sagst Wohlthaten?
---- Wohlthaten! Das sind ja die Güter deiner Völker, die dir nur
anvertraut sind, um sie mit Billigkeit zu vertheilen.

Edu. Ich bin Herr über meine Eroberungen ----

Mars. Die Beute des Glücks, willst du sagen, aber mit wessen Kräften
erwarbst du sie? Dein Arm allein? ---- O fürchte den Eigensinn des
Glücks! Sieh, mitten unter deinen Siegesgeprängen geht das Vaterland zu
Grunde!

Edu. Geh aus meinen Augen! Ich will dich vergessen ----

Mars. Ich vertheidige das Recht der Menschlichkeit ----

Edu. Deine Pflicht ist zu schweigen!

Mars. Ich eifre für deine Ehre ----

Edu. Es ist schön den Donner, den man schleudern könnte, zurückzuhalten;
aber geh meinem Jähzorne aus dem Wege! Eil! Entweich! Mein Bogen ist
gespannt! Meine Pfeile ----

Mars. Schrecken mich nicht! Denn ich bettle hier nicht um Gnaden.
Durchbohr diese Brust, die sich so oft dem Feinde bloßstellte, um dein
Leben zu beschützen; es reut mich keine That; aber dein Undank schmerzt
mich. Du hast alles vergessen, du bist izt ein liebloser Egoist. Du
lebst dir! Die ganze Welt soll dein Fußschemmel werden. Du tritst alles
mit Füssen; verachtest alle Menschen, und liebst nur dich selbst! Du
vergiessest Menschenblut wie Wasser, um deinen unersättlichen Ehrgeitz
zu befriedigen. Du verwandelst die Welt in eine Brandstäte, um deinen
Groll an jedem Nachbar zu weiden; aber zittere, es wacht eine Vorsicht,
sie wird dich herabstürzen und demüthigen!




                             Trauerspiel.


(Eduard zieht wüthend den Degen, und ersticht den Marsis. Die Wachen
eilen herzu, und unterstützen den Sterbenden. Eduard sieht kaum seinen
Freund bluten; so schleudert er den Degen weg, und steht versteinert.
Plötzlich stürzt er sich in die Arme des Marsis)

Mars.
   Ich sammle noch mein Fürst, die letzte Kraft,
   Um dich als Freund und Unterthan zu segnen ----
   Ich sterbe ----

Edu.
      Sey verflucht du Mörderschwert.
   Mein Freund, Du stirbst, ich habe Dich getödtet!
   Vergieb mir Theuerster, wenn du vergeben kannst.
   Ich bin dein Mörder, ich, der Dir das Leben dankt.
   O Undank, schwarze That! Nein, keine Reue tilgt
   Verbrechen aus, die unser Herz entehren.
   Ich will dein Rächer seyn, ich selbst will mich bestrafen,
   Und deine Wunde Freund, mit meinem Tode rächen!

(Er faßt den blutigen Degen, um sich zu durchbohren. Marsis sammelt die
letzten Kräfte, und entreißt ihm das Schwert.)

Mars.
   Halt ein, die Thränen sind mir theurer als dein Blut!
   Die Thräne, die mein Mund begierig trinkt,
   Verwäscht die kleine That, die schon vergessen ist.
   Ich sterbe froh, wenn dich mein Tod belehrt.
   O kehre schnell zurück, und such die edlen Gleise,
   Die deine Tugend stäts mit kühnem Fuß betrat.
   Erwähl die Menschlichkeit zur Zierde deines Thrones.
   Bereue jeden Tag, den keine grosse That,
   Die deiner würdig ist, dir schätzbar macht.
   Die Güte muß aus jeder Handlung blicken.
   Streck deine milde Hand auf Waisen aus,
   Und lächle sanft der armen Wittwe zu.
   Erheb die Künste hoch, ermuntre Wissenschaften.
   Sey wie ein Gott durch lauter Gnaden groß.
   Dann ist mein Blut bezahlt, dann fließt noch Segen
   Aus meinem Grab auf Dich! Du wirst geliebt,
   Als Mensch geliebt, und angebetet seyn.
   Der gute Rath, der mir vom Herzen strömt,
   Soll mein Vermächtniß seyn! Nimm hin mein Lebewohl.
   Wie heiter, und wie froh ist meine Sterbescene.
   Ich nehme Freund, die süsse Hofnung mit,
   Mein Vaterland durch dich beglückt zu sehn.
   Dieß ist mein Abschiedsgruß. Lebt wohl ihr Bürger!
   Ihr Staaten lebet wohl, die meine Jugend sah!
   Der letzte Schauer naht ---- Mein Blut erstarrt ----
   Auf! -- Höher Geist! -- Zu Gott! -- Zu Gott! -- Ich sterbe ----

Edu.
   Es ist geschehn! ---- O That! O schöne That!
   Er segnet mich, und lehret seinen Mörder!
   Der edle Glanz von seiner Tugend stralt,
   Und schleudert mich herab von meiner Höhe!
   Wie häßlich schein ich mir! Wie bin ich schwarz!
   Gebrandmarkt ist die Hand von seinem Blute.
   Ein jedes Laster steht izt vor mir auf,
   Und klagt mich an; bang zittert mein Gewissen.
   Kehr wieder theurer Freund, O komm zurück!
   Von deinem Aug ein Blick bringt Leben in mein Herz.
   Ich fühle nichts als Sturm; mein Busen kocht;
   Wo soll ich Trost, wo soll ich Hülfe suchen?
   Im Grabe nur allein will ich vergessen,
   Daß ich ein Mörder bin, der seine Freunde würgt.

(Er sucht das Schwerdt; Die Höflinge halten ihn ab.)

   Laßt mich! Zurück! Ich muß mit Marsis sterben!

(Indem er entkräftet auf die Leiche sinkt.)

   Dieß sey der letzte Kuß, den mir dein blasser Mund
   Zum Labsal giebt! Verzeih! Vergieb o Freund!
   Die Thränen waschen Dich! Sieh meine Reue;
   Nie soll ein Lächeln mehr die Stirne heitern!
   Die schwarze Nacht des Grabes soll mich decken,
   Und unbeweint will ich vergessen seyn!

(Man schleppt ihn gewaltthätig von der Leiche.)




                               Monolog.


(Lusian, indem er einem Höfling nachschreyt.)

Er hat den edlen Marsis getödtet, sagst du? ---- Bravo! (Er schlägt in
die Hände) Bravo Eure Majestät! ---- Bravo Meister Eduard! ---- Eine
Säule von deiner Universalmonarchie hast du selbst wie ein zweyter
Samson eingestürzt, das Dach fällt sicher auf dich, und zermalmet dich
und deine Schmäuchler! ---- Gute Nacht wackerer Marsis! (lacht bitter)
Das ist der Dank für so viele Dienste! Sechzig Schlachten hat er mit
gefochten; sechzigmal hat er für dich geblutet, undankbarer König! ----
Soll man diesen gekrönten Ungeheuern dienen? ---- O wenn ich izt --
Mäßige dich Lusian! ---- Hinunter steigende Galle! ---- Laß den Verstand
siegen! Fort aus diesem Raubneste, wo die Tugend stirbt! ---- He Dibald!
Sattle mein schnellstes Pferd! ---- Ich will fliegen! Wenn ich nur
Flügel hätte ---- Eduard mag seine unendlichen Kriege selbst ausfechten.
Er hat ein hübsches Stück Arbeit! ---- Hahaha! Kein Lebewohl von ihm!
Ich hasse die Eroberer ---- Fort! Leb wohl du armes Volk ---- lebt wohl
Freunde! ---- Mein Hohngelächter über Euch verächtlichen Hofschurken!




                                Laune.


   Flieh Satyr fern von mir, du bist ein loser Bube!
   Wie oft jagt ich dich schon aus meiner Stube!
   Du schleichst dich immer wieder ein,
   Und spielest mir am Hofe tolle Streiche.
   Izt soll der Schluß von unsrer Freundschaft seyn,
   Weil ich nicht lange mehr im Staube keuche;
   Von Städtern fern, und fern von Dir
   Will ich mir dort in stillen Buchen
   Den ächten Busenfreund, Horazens Nachbar suchen;
   Der lacht und scherzt mit mir,
   Nicht so wie wir aus weiter Kehle lachten,
   Wenn wir uns beide lustig machten.
   Wie oft durchwühlten wir das grosse Narrenhaus,
   Und zischten die Bewohner aus!
   Zuerst bespähten wir die grossen Staatsperücken,
   Und fanden selten ein Gehirn.
   Dann prüften wir des Höflings hohe Stirn,
   Und schätzten sie viel kleiner als die Mücken.
   Bey Fräulein suchten wir die keusche Jungferschaft,
   Allein sie wohnt nicht mehr in Gold und Taft;
   Wie morsch und wie verwelkt sind ihre Herzen!
   Mit Weibern pflegten wir zu scherzen;
   Wir haben sie ein bischen ausgehöhnt,
   Weil jede gern den theuren Gatten krönt;
   Sonst sind sie leidliche Geschöpfe.
   Dann spürten wir um die gelehrten Köpfe,
   Allein wir fanden Rauch und Wind.
   Die Schmäuchler, die am Hofe häufig sind,
   Verdienen sicher ein Gelächter,
   Denn sie vergöttern oft den reichen Pächter;
   Ein goldner Pavian scheint ihnen wie ein Gott.
   Sie fühlten auch Herr Bruder, unsern Spott.
   Die Kriecher wurden nicht verschonet;
   Die Gleißner auch mit Streichen reich belohnet.
   Mit einem Wort ich prüfte jeden Stand;
   Es ist gewiß das ganze hübsche Land
   Nichts weiter als des Tespis Karren,
   Und stolz im Harlekinsgewand
   Spielt jeder seinen Lieblingsnarren.
   Izt bin ich endlich ihrer satt.
   Ich hasse diese Schellenkappen.
   Ich fliehe gähnend Hof und Stadt,
   Und suche Menschen ohne Wappen.
   Vielleicht schmückt die Natur das Land.
   Ich wünsche Mutterwitz, natürlichen Verstand;
   Ein gutes Herz, und reine Sitten
   Find ich vielleicht in kleinen Hütten;
   Und hab ich das, was brauch ich mehr?
   Ich schliesse ruhig meine Tage.
   Dieß ist, was ich mein Faun, dir sage!
   Dieß merk, sonst sprech ich deutlicher.
   Zu Zeiten will ich deiner noch gedenken,
   Und unsrer Freundschaft Blicke schenken;
   Mehr aber Satyr fodre nicht,
   Man macht sich Feinde, wenn man sticht.




                            Geisterscene.


(Der Schauplatz ist ein Schlachtfeld. In der Ferne sieht man das
verschanzte Lager der Feinde. In der Ebne liegen die Todten und
Verwundeten. Waffen, Pferde, und Leichen sind aufeinander gethürmet. Von
allen Seiten fliehen die Schaaren Eduards. Panisches Schrecken
verscheucht sie. Eduard erscheint mit fliegenden Haaren und mit blutigem
Schwert in der Hand. Donner rollen, Blitze leuchten; ein fürchterliches
Ungewitter wütet. Aus den feindlichen Wällen tönen Stückschüsse. Es ist
Mitternacht.)

Edu. Ihr feigen Memmen! Wo eilt ihr hin? Zurück! Wider die Feinde! Ich
bin Eduard, euer König! ---- Fechtet! ---- Folget mir nach! Ihr
verzagten, wo fliehet ihr hin?

Ein Hauptmann. Unsere Kräfte erliegen, die Feinde sind unüberwindlich
----

Edu. Sklave stirb! (Er schleudert ihn zu Boden). Zur Schlacht, zum
Gefechte! Hieher! ---- Alles flieht, alles verläßt mich! Tod und
Verderben! Ich muß siegen! Ich muß die Feinde tödten! Ich will allein
fechten!

(Ein königlicher Schatten mit einem Heere von Geistern in einer
majestätischen Schlachtordnung erscheinet. Eduard erstarrt, und steht
wie eine Bildsäule mit gesträubtem Haare, und mit dräuendem
Schwert.)[19]

Edu. Welche Gespenster erblicken meine Augen? ---- Himmel und Hölle
wafnet sich wider mich! ---- Ich bin besiegt, mein Glück sinkt, aus
meinen Händen fallen die Zepter, und die Kronen entstürzen meinem
Haupte! Entsetzen!

Der k. Schat.
   Sieh an die Opfer deiner Wuth!
   Wie lang wird noch dein Ehrgeiz wüten?
   Wie lange trinkest Du noch Menschenblut?
   Die Rache folget deinen Schritten!
   Du bist zur Strafe schon gereift.
   Die Hand des Winters, die den Baum entblättert,
   Hat auch dein kahles Haupt gestreift.
   Bald wird die hohe Stirn zerschmettert!
   Die weise Vorsicht wiegt
   Mit unbestochener furchtbarer Waage
   Die Thaten aller deiner Tage!
   Erwach! Dein Traum entfliegt!

(Die Geister verschwinden unter Blitz und Donner.)

Edu.
   Das Schicksal hemmt den Lauf von meinen Siegen!
   Ich sollte mich vor meinen Feinden schmiegen?
   Nein! Eduard mißkennt den Sklaventon!
   Ich stütze dieses Reich und meinen Thron!
   Der Himmel mag mit seinen Donnern dräuen;
   Die schwarze Hölle mag auf mich Gespenster speyen;
   Ich höhne nur den Schattentroß!
   Ich zittre nicht, mein Geist bleibt groß!

[Fußnote 19: Da unsere kaltblütigen Deutschen nicht wie splenetische
Engländer von einem Geist gerührt werden; so bevölkert mein Autor die
Scene mit einer Legion Geister. Der Auftritt muß auf der Bühne
fürchterlich lassen, und für Liebhaber der kriegerischen Taktik sehr
interessant seyn. Die Scene ist historischwarscheinlich, weil unsere
Nationalgeschichte ein feines Pröbchen von einem Geisterheere giebt.]

(Er eilt wütend fort.)




                             Neue Epopee.
                         Ein heiliger Gesang.


   Die helikonischen Schwestern besangen die Thaten des Königs.
   Er sah sich von kriechenden Völkern und Schmäuchlern vergöttert.
   Könige bebten vor seinem länderzermalmenden Donner.
   Eilends beschlich der Stolz den eitelkeitliebenden Busen.
   So wie der heisseste Sommer auf paradiesischen Fluren
   Blumenverzehrende Heere der wilden Insekten erzeuget;
   So gebähren die glücklichsten Tage die häßlichsten Laster.
   Eduard kannte sich nicht mehr, er wurde von Hochmuth begeistert.
   Wie der donnerkochende Hekla die Gegend verwüstet,
   Auf die benachbarten Hütten die brennende Lava verspritzet,
   Und die armen Bewohner der Thäler despotisch verscheuchet;
   So zerschlug der siegende König die bebenden Bürger.
   Eiserne Ruthen bestraften sein Volk, und selbsten die Freunde,
   Die ihr Blut und Leben ihm weihten, enteilten dem Hofe.
   Ich bin der Herrscher, so rief er, ich gebe der Erde Gesetze;
   Mein Wink ist heilig, und alles verehret mein göttliches Antlitz.
   Himmlischbegeisterte Sänger verewigen meine Trophäen,
   Denn mein Rachschwert hat täglich die tapfersten Feinde gezählet.
   Durch mich fielen die mächtigsten Heere; mich betet die Welt an!
   So rief der aufgedunsene Sieger am Morgen und Abend,
   Und die Ohren der Gottheit wurden vom Frevel beleidigt.
   Wer ist der Mann vom fürstlichen Saamen, der dort wie die Ceder
   Bis zu den Wolken die trotzige Stirne mit Kühnheit erhebet?
   Hat er denn nicht die Krone von Mir, und von Mir den Segen?
   Hab Ich nicht Völker und Länder in seine Verwaltung gegeben;
   Hab Ich ihm nicht die goldenen Zepter zu Füssen geworfen?
   Wie hat dieser Kameleon sich so plözlich verändert!
   Ich will dem würgenden Parder die zierlichen Flecken verwischen.
   Ich will dein Horn, du Stolzer zerbrechen, und wieder erniedern!
   Bald soll dein blühender Lorbeer verwelken, und Schande dich decken!
   Deine Hände sollen erschlappen, dein Herz soll verzagen;
   Nicht mehr werden die glänzenden Stralen der Sonne dir leuchten;
   Ewige Dämmerung soll dein Gedächtniß verwirren, umnebeln!
   Wohn in stinkenden Gräbern, benetze mit Thränen die Leichen
   Jener unschuldig erwürgten Schlachtopfer der thörichten Ruhmsucht.
   Ich will in dir den mächtigsten Fürsten ein Beyspiel bereiten!
   Gabriel, fasse die blutige Sichel, dort reifet die Aernde!
   So sprach zörnend der Alte der Tage; die rollenden Donner
   Brüllten durch die hohen Gewölber des staunenden Himmels.
   Feyerlich horchte die ganze Natur, und die zitternde Schöpfung
   Auf die allesbeherrschenden Winke des Gottes der Götter.
   Und der gehorchende Seraph entflog mit hastigen Schwingen.

      Noch überdeckten den schlummernden Erdkreis die nächtlichen
         Schatten;
   Eduard wälzte sich schlaflos auf goldenem Lager, und webte
   Riesenentwürfe für kommende Tage der Welt zur Erstaunung.
   Als der dräuende Herold des Himmels die sichern Gemächer
   Majestätisch betrat, und donnernd den Schläfer begrüßte:
   Ich will das Nest des himmelhochfliegenden Adlers zerstören!
   So spricht der große Beherrscher der Schöpfung. Wer bist du
      Verwägner,
   Der du so kühne Gewebe von künftigen Planen gebährest?
   Wisse, du säest nur Wind, und ärndest nur reifes Verderben!
   Augenblickbettler, was macht dich so stolz? Erzähl mir die Thaten!
   Kennst du die größten und kleinsten Geschöpfe? Hast du sie
      erschaffen?
   Gabst du der glänzenden Sonne Befehle, der Erde zu leuchten;
   Bist du zu dem geheiligten Buche des Schicksals getreten;
   Hast du der weisen Natur erstaunliche Wunder ergründet?
   Wechselt durch deinen allmächtigen Wink der Winter und Sommer;
   Kannst du der trockenen Erde den segnenden Morgenthau schenken?
   Oder ist nur dein gröstes Geschäfte die Völker zu tilgen?
   Geissel des Menschengeschlechtes erwache vom täuschenden Traume!
   Ich will deinen verfinsterten Augen die Nebel entreissen;
   Aber dann will ich dich wieder mit ewiger Blindheit bestrafen!
   Nur die Erstlinge deiner Regierung sind Opfer der Tugend.
   Du hast die Wege der Demuth verlassen; aus Undank vergessen,
   Wer die Kronen Euch Sterblichen giebt, und wieder entreisset.
   Du gabst die Ehre dir selbsten, die nur der Gottheit gehöret,
   Welche dich aus dem mindesten Staube so gütig erhöht hat;
   Eben die Gottheit schleudert dich wieder zum Staube zurücke!
   Du sollst irren in Wäldern, und häßliche Höhlen bewohnen!
   Wenige Stunden sind dir noch zur Reue, zu Thränen geschenket.
   Trage die Strafe geduldig, und nütze die goldnen Minuten,
   Vielleicht kannst du durch Zähren und Demuth die Allmacht entwafnen,
   Doch izt trinke den Kelch der Rache bis auf die Hefen!
   So sprach der Bothe des Himmels, und flog durch die schwarzen
      Gemächer,
   Und er betäubte das Ohr des niedergedonnerten Fürsten.
   Gnade! So rief er, indem er mit Zittern dem Lager entstürzte,
   Und im Staube demüthig sich wälzte, Herr, schenk mir Erbarmung!
   Sieh, ich bin schon zu Boden geschleudert, gerichtet, verworfen!
   Selbst der Schatten der vorigen Grösse wird von mir verschwinden.
   Meine Palläste sind öde, die goldnen Kronen zersplittern;
   Meine stockenden Nerven erschlappen, der Busen verwelket;
   Hangende Wolken lassen sich nieder auf meinem Gehirne!
   Wer bin ich izt, wo wandelt mein Fuß, wo find ich die Ruhe?
   Hülfe! Höret mich niemand? Bin ich von Himmel und Erde
   Grausam verlassen? So rief er betäubt, und stürzte zur Pforte,
   Irrte durch Wälder, und Gräber, und ward den Verbrechern zum
      Schrecken.
   Nur in seltnen Minuten gab ihm das Schicksal die Ruhe;
   Seine Vernunft erwachte zu Zeiten, das Elend zu fühlen,
   Und nieversiegende Thränen benezten die sterbenden Augen.




                Fortsetzung der geheimen Nachrichten.


Der alte Patriot Alsin starb. Salinia erschien izt wieder am Hofe, denn
der kluge Vater hielt sie entfernet. Die alte Liebesflamme ward im
Herzen Eduards rege. Alidia erkannte bald diese furchtbare
Nebenbuhlerin. Sie beschloß dieselbe zu verderben. Da sie ihr aber mit
offenbarer Gewalt nicht beykommen konnte, schlich sie sich in das
Vertrauen dieser Schönen. Sie besuchte ihre freundschaftlichen Kreise,
wobey der König selbst erschien. Sie bemerkte scharfsichtig, daß Salinia
in den schwülen Sommertagen sich mit süssen Getränken erfrischte, sie
spähte glücklich den günstigen Augenblick Gift in eine Milch zu mischen.
Durch ein trauriges Ungefähr trank auch der König davon, und fühlte der
Erste die Wirkung dieses künstlichen Giftes. Die Aerzte wurden zwar
eilends gerufen; aber sie kamen zu spät; eine tödtliche Schwäche befiel
den König, und die Krankheit artete in eine Verrückung und endlich in
eine Hirnwuth aus. Salinia fühlte bald die nämlichen Anfälle, nur mit
minderer Gewalt. Man forschte vergebens nach dem Thäter. Alidia verbarg
zwar ihre Schande; aber sie genoß nur halb den Sieg ihrer Rache, weil
der Tod Eduards alle ihre ehrgeizigen Absichten vereitelte.




                             Hexenscene.


(Eine weite Ebne. In der Mitte steht auf einem Hügel ein Hochgericht mit
einem Galgen, worauf ein Gehenkter den Raben zum Mahle dient, daneben
ist eine zerstückte Leiche nach dem Henkerkostum auf ein Rad geflochten.
Auf der Erde sind einige Gräber geöfnet, und Schedel und Knochen liegen
herum. Eulen und Dolen krächzen. Es ist Mitternacht. Der Mond wirft
blasse Stralen.)

      Medea, Megära, hernach Satan, Alcina, Armida, viele Hexen,
                         Teufel, und Geister.

(Medea erscheint auf einem Drachenwagen. Megära fährt auf feurigen
Basilisken. Die andern Hexen erscheinen standesmäßig auf Besemen und
Ofengabeln. Ganze Schaaren Fledermäuse begleiten sie.)[20]

Medea zur Megära.
   Frau Schwester, wie entehrt ist unsre Zauberkunst!
   Sieh, wie profan sind diese Weiber!

Megära.
   O ihre Kenntniß ist auch lauter Dunst!
   Ein blöder Geist belebt die wilden Leiber.
   Welch ein Geschmack beherrscht die alten Feenkreise!
   Betrachte nur die pöbelhafte Weise,
   Wie man Versammlung hält.

Med.
   Was seh ich! Pluto wird zum Luzifer entstellt!
   Ich weiß mich nicht in den Schnikschnak zu finden;
   Ich werde bald von hier verschwinden;
   Frau Schwester ganz gewiß, ich bin aus meiner Welt!

Meg.
   Ich will nur sehn, was denn die Hexen machen;
   Wir wollen heut gelegenheitlich lachen.
   Wie ist das ganze Volk so läppisch dumm!
   Sie wissen nicht einmal die wahre Sprache.
   Ein Besem ist für sie ein Drache.
   Hahaha! Ich lache mich heut sicher krumm!

Med.
   Und doch sind die Geschäfte wichtig.

Meg.
   Die Menschen denken izt zu flüchtig,
   Für sie ist unsre Kunst zu mystisch zu abstrakt:
   Die Hexen stehen izt mit Teufeln in Kontrakt.
   Wir bleiben Geisterköniginnen,
   Und lassen uns nicht mehr vom Vorurtheil umspinnen.
   Jedoch Alidien steh ich aus Freundschaft bey,
   Und mache sie noch heut vom Liebeskummer frey.
   Die Hexen sollen mir die Eselohren spitzen,

[Fußnote 20: Der Autor bemerkt sehr scharfsinnig den Hexenkostum, und
theilt sie in alte und neue Hexen. Die Alten haben mehr Anstand und
Würde, wie die alten Furien und Schatten unsere neuen Teufel und Geister
beschämen. Die Damen sprechen übrigens wie die Freymäurer; die alte Loge
schimpft über die Neue, und jede behauptet das wahre Geheimniß zu
besitzen. So viel ich als ein profaner Kommentar.]

Med.
   Ich bleibe stäts in meinen Wagen sitzen,
   Indeß man sich vielleicht beym Hexensopha schlägt,
   Bis Meister Satan selbst sich in das Mittel legt.
   Jedoch ich sehe schon die Rathsversammlung glänzen;
   Die Rednerinn beginnt mit gothischen Sentenzen.

Meg.
   Wie hoch sie ihre Nase trägt!

(Alcina neiget sich gegen Satan.)

Alc.
   Das Circular belehrt bereits Euch weise Damen,
   Was unser Zweck in der Versammlung ist.
   Ihr kennet auch den edlen Namen,
   Der Suplikantinn, die uns bittlich grüßt.
   Selbst Vater Satan will uns heut beehren,
   Das ganze Gremium als Meister zu belehren.

Sat.
   Mesdames, stäts theuer ist mir eure Gegenwart,
   Das schwör ich euch, wie Mahomet beym Bart!
   Verzeihet, wenn ich oft die Worte stockend breche,
   Ihr wisset, daß ich stäts französisch spreche.
   Empfanget dieß Recept zur magischen Arzney.
   Die Geister bringen Euch die Species herbey.
   Ich weiß kein Mittel sonst, der Teufel soll mich holen![21]
   Macht eure Sache gut, und hiemit Gott befohlen.

(Armida steht auf.)

Armid.
   Daß ich gewiß die beste Köchin bin,
   Das werdet Ihr doch nicht in Zweifel ziehn?
   Ich lernte meine Kunst von Wällschen und Franzosen!

Alcin.
   Wir werden um die Würde loosen!
   Seht, mich hat selbst das Glück gewählt,
   Ich fühle mich bereits durch ein Instinkt beseelt!

[Fußnote 21: In einer Shakespearischen Zerstreuung hat der Dichter hin
und wieder sich vergessen. ^Bonus dormitat Homerus!^ würde ein Warburton
sagen; ich aber glaube, der Dichter wollte schlafen; also gute Nacht!]

(Die Geister setzen einen grossen Kessel auf das Feuer; die Hexen tanzen
herum mit fliegenden Haaren. Die Teufel werfen die gefoderten
Ingredienzen in den Kessel, und eine abscheuliche Musik beginnt.)

Alcina.
   Ihr tanzenden Hexen,
   Werft Schlangen, Eidexen
   In dieses Gefäß!
   Bringt schwarze Dämonen,
   Noch sechs Scorpionen
   Zum Hexenprozeß!

                           Chor von allen.

   Von neuen Brochüren
   Das Schandprotokoll;
   Sechstausend Vampiren,
   Der Kessel ist voll!

Medea.
   Verjagt den Hexentroß aus diesem Schreckenorte!
   Komödiantisch wird die Wissenschaft verhunzt!
   Hör Schwester, wie die Präsidentin grunzt!
   Sind dieses mystische und zauberische Worte?
   Hört Stümperinnen mich!
   So öfnet man die Höllenpforte.
   Wollt Ihr doch Hexen seyn; so sprecht wie ich!

(Eine pathetische Musik beginnt mit seltnen erschütternden Tönen. Eine
feyerliche Stille herrscht.)

Med.
   Hör mich geweihter Styx, ström feurig Acheron!
   Halt deine Fluten ein, erzörnter Phlegeton;
   Laß deine Schatten izt zu meinen Beystand fliegen!
   O Pluto höre mich! Erscheint ihr Furien!
   Proserpina belohn mit Lächeln dieses Flehn!
   Laß stäts Alidien mit ihrem Reize siegen,
   Und Eduard soll sich in ihre Fässel schmiegen!
   Der Donner rollt; Zevs ist versöhnt,
   Und meine Bitten sind gekrönt!

(Sie entflieht mit ihrer Freundinn siegreich, und die Hexenversammlung
geht beschämt auseinander.)




                                Scene.


                         Abt Mauritz, Lusian.

Lus. Wie gesagt, Herr Abt, die arme Salinia ist sehr krank. Vielleicht
leidet sie mehr im Geist als im Körper. Besuchen Sie das gute Fräulein,
Männer wie Sie haben immer Trostgründe vorräthig.

Maur. Ich muß izt geschwind zum Könige, er will beichten; ich bin gleich
wieder hier ----

Lus. O Herr Abt, die Beicht eines Eroberers wird lang dauern ----

Maur. Nichts weniger! Zu Zeiten giebt man in zwey Minuten den Segen über
ganze Kriegsheere. Gewisse Handlungen sind zu sehr verwickelt, man muß
sie nicht auflösen, sondern wie Alexander, der ein geschickter Feldpater
war, den Knoten in Stücken hauen. Ich eile ----

Lus. Es lebe die geistliche Kürze!




                           Generalbericht.


              Der König, Abt Mauritz sein Gewissensrath.

(Der König liegt im Bette. Der Beichtvater sizt an der Seite, und fühlt
an den Puls.)

Edu. Mein lieber Abt, ich habe einige ausserordentliche
Gewissenszweifel, die ich sonst nie fühlte ----

Abt. Eure Majestät handeln sehr großmüthig mit ihrem Gotte; andere große
Könige wissen nicht einmal, daß ein Gott ist. Die Gewissenszweifel sind
eine Gattung schwerer Träume. So ein Alp entsteht vom dicken Geblüte.
Wie befinden sich Eure Majestät?

Edu. Schlecht! Ich werde sterben ----

Abt. Könige sind unsterblich! ---- Ich spreche Eure Majestät los von
allen Sünden, die Sie begangen haben, und künftig begehen werden, denn
alles, was wir auf Erden lösen, das ist auch im Himmel gelöset! ----
Ueberdieß haben die Könige und besonders die Helden und Eroberer gewisse
Freyheiten, wie die Dichter. Was für den gemeinen Pöbel Todsünde wäre,
ist für Durchlauchtige Sünder höchstens eine Läßliche! Auf ein Paar
Stunden in das Fegfeuer, so ist der Spaß gar! Das verstehn wir aus der
Kunst. Ein armer Teufel muß indeß in der Hölle zappeln, da wird Heulen
seyn und Zähnklappen!

Edu. Auf meine Zweifel zu kommen ----

Abt. Dafür weiß ich geistlichen Seelenrath ----

Edu. Ich liebte das schöne Geschlecht ----

Abt. Kleinigkeiten. Der weise Salomon hatte viele hundert Kebsweiber. Es
giebt Schwachheiten, die den Menschen und nicht den König betreffen. Man
kann ein schwacher Mensch, und grosser Monarch seyn. Der Gesalbte des
Herrn, David war nicht unempfindlich für das schöne Geschlecht, wie uns
die Schrift sagt. Klopfen Eurer Majestät mit einer politischen Reue an
das Herz mit den Worten: ^mea Culpa, mea maxima Culpa!^ Ich werde einige
Messen lesen, ^multum enim valet deprecatio justi assidua!^ Sagt der
heilige Jakob ---- Enthalten sich auch Eure Majestät der
Gewohnheitssünden, bis Sie wieder genesen ----

Edu. Was denken Sie von meinen Eroberungen?

Abt. Eure Majestät sind Adams Erbe. Er war König der Welt. Gott selbst
sezte den Menschen zum Herrscher über alle Thiere! Ich habe bedächtig
alle Kriegserklärungen durchblättert, sie reden alle von lauter
gerechten Waffen.

Edu. Lieber Abt, glauben Sie also, daß ich für so viel Arbeit den Himmel
erbe?

Abt. Wenn ich Eurer Majestät so viele Welten versprechen könnte, als ich
Ihnen Freuden des Himmels zusagen kann, wie viel Welten würden Sie
erobern!

Edu. Ich danke für ihren guten Willen und frommen Wunsch. In meiner Lage
wird mir eine Welt zu schwer.

Abt. Das ist die schönste Verfassung eines Christen. Ihre Seele ist mit
dem Schöpfer ausgesöhnt. Beten Eure Majestät zwey Vater unser ---- ^et
ego te absolvo a peccatis tuis^ u. s. w.




                           Scene bey Hofe.


                  Der König, Beliam, hernach Isidor.

Bel. Ich suchte dich überall! Neuigkeiten über Neuigkeiten!

Edu. Was bringst du mir Narr?

Bel. Man sagt, du seyst, was ich bin ----

Edu. So sey du das, was ich war!

Bel. Der Tausch gefällt mir.

Edu. Hast du Herz?

Bel. Herz? Willst du ein Metzger werden? Ich habe Herz, so viel ein Narr
bedarf; aber es ist nicht käuflich!

Edu. Du bist mein Mann! ---- Ich suchte lang ein grosses Genie. Ich will
deine treuen Dienste belohnen. Ich ernenne dich in dieser schriftlichen
Vollmacht zum Statthalter über Jerusalem, das du erobern sollst!

Bel. Ich? Hahaha! Du verschenkst, was du nicht hast. Meister, du sollst
Pabst werden, und den fünften Welttheil verschenken. Ich ein
Statthalter! ---- Ich, in meiner närrischen Person! -- Vater Eduard,
wach auf! Du schläfst!

Edu. (geheimnißvoll) Hör: Es ist ein heiliges Gelübde meiner Kindheit
----

Bel. Kindheit? Ja wohl ---- Die Menschen werden wieder Kinder ----

Edu. Wir müssen die heiligen Länder dem Erbfeinde der Christenheit
entreissen! Eil, flieg, sammle ein Heer, reiß diese heilige Stätte aus
den Händen der Unglaubigen! Ich bin dein wohlgesinnter König!

(Er geht majestätisch ab.)

(Beliam sieht ihm eine Weile nach, betrachtet bald den König bald das
Papier, und staunt über den Auftrag.)

Bel. (Er singt) Einst war der Löwe toll und voll! ---- Hahaha! Leben Sie
wohl Herr Kollega! ---- Ich ein Statthalter! ---- Und warum nicht! ----
Pansa der Grosse höchstseligen Angedenkens spielte auf dem Schauplatz
der närrischen Welt meine Rolle, und war ein preißwürdiger Statthalter,
der so gut essen, trinken, schlafen, und mehr solche Staatsgeschäfte
verrichten konnte, als jede Durchlaucht und Excellenz. Das Glück küßt
dich; wenn Könige rasen, machen Narren ihr Glück! ---- Kein Teufel soll
mir meine Würde entreissen! ---- Aber wo nehme ich Kriegsleute her? -- O
das will ich klüger machen, als alle gescheiden Leute! Ich leere alle
Krankenhäuser, und Spitäler, Krüppeln und Ungeheuer, Zwergen und
Mißgeburten und allen müßigen Troß menschlicher Hefen will ich in die
Schlacht führen, diese kann der Feind tödten. Die schönen Leute will ich
aufsparen, die leeren Städte zu bevölkern. Hahaha! Welch ein grosser
Politiker bin ich geworden! Da mögen die Staatsleute in die Schule gehn;
sie schicken die Riesen der Nation auf die Schlachtbank, und verwandeln
die Städte in Pygmäennester!

Isid. So in Gedanken Narr? Beliam, was macht dein Esel?

Bel. Er ist vorgerükt, der König macht ihn zum Hofjunker, er wird dein
Kamerad!

Isid. Mit dir ist nicht gut scherzen ----

Bel. Das kömmt daher, weil ich ein grosser Herr bin, und mit grossen
Herren ist nicht gut Kirschen essen, sie werfen den Gästen die Stengel
in das Gesicht! ---- Ich bin izt Statthalter von Jerusalem!

Isid. Hahaha!

Bel. Nur kein voreiliges Gelächter! Hier ist die königliche Vollmacht!

Isid. Hahaha! Der König ist verrükt ----

Bel. Das ist seine Sache! Ich rede nur von mir. Genug ich bin
Statthalter, und eile meine Staaten in Besitz zu nehmen. Es wird viel
Blut und Tinte kosten! Leb wohl! Ich bleibe dir mit meinen Gnaden
gewogen, wir Beliam der erste Statthalter von Jerusalem, Mehrer des
Reichs und so weiter!

(Er geht stolz ab.)

Isid. Hahaha! Warte Bengel, ich will dir Türken über den Hals schicken!
---- Vielleicht kann so eine Mummerey den kranken König ermuntern.

(Er eilt fort.)




                         Scene im Tollhause.


(Beliam, Rotando ein Maler, Martius ein Mönch, Spilon ein Poet, viel
andere Narren mit allerhand Spielwerk. Es ist die Erholungsstunde.)

Beliam. (rechnet in seiner Schreibtafel) Zweyhundert Buklichte! ----
Sind oft verschmitzte Köpfe! ---- Zweyhundert Lahme! ---- O das sind
standhafte Leute! ---- Vierhundert allerley Troß, Seiltänzer, Gaukler,
ein Ausschuß von Halunken! Bravo! Meine Werbung geht hastig! Alles
gelingt! Wem Gott ein Amt giebt, dem giebt er auch Verstand! ---- Euer
Diener meine Herren Kollegen!

(Die Narren umringen ihn.)

Beli. Ich habe vom König als sein Statthalter den Auftrag, Jerusalem zu
erobern. Der Ruhm meiner Heldentaten ist Euch gewiß zu Ohren gekommen.
Wer hat von Euch Herz genug, meiner Fahne zu Folgen? Ich habe
Königreiche zu verschenken!

(Martius eilt hastig hervor, umarmet ihn, kniet nieder mit Grimassen,
pocht an sein Herz, hebt die Hände betend zum Himmel, und nach einem
leisen Schußgebethe springt er auf, und drückt den Beliam an seinen
Busen.)

Mart. Dank sey dem gütigen Himmel! Der seinem unwürdigen Knecht Martius
diese heilige Stunde schenkte. Endlich ist er gekommen dieser edle
Befreyer. Ich hatte durch hundert funfzig Nächte Erscheinungen und
Gesichter; alle verkündigten mir die nahe Befreyung der geheiligten
Mauern. Sey mir gesegnet du Zögling des Himmels! Ich habe bereits der
Welt deine Ankunft geweissaget; aber die undankbaren Menschen, über
welche der Zorn Gottes eine ewige Blindheit gesandt hat, haben meine
Wahrheiten und brüderlichen Warnungen zu Lügen gemacht, und mich in das
Tollhaus gesperrt.

Beli. Das ist eben der Sammelplatz grosser Genien! Du hast also bereits
von meinen Siegen geträumt! Desto besser! Wer bist du?

Mart. Ich bin ein Kirchenlehrer!

Beli. Heiliger Vater, du sollst mein Generalfeldpater werden! Wenn wir
keinen Bissen Brod zu kauen haben; so schreibst du dem Heere Fasten vor.

Rot. Auch ich trete in deine Kriegsdienste!

Beli. Wer bist du?

Rot. Ich bin der weltberühmte Maler Rotando! Ich male die Gedanken der
Menschen. Ich werde deine Schlachten und Stürme für die Nachwelt
verzeichnen.

Beli. Du bist mir willkommen! Ich will meinen Heldensaal mit
Schlachtgemälden ausschmücken!

Spil. Auch ich schwöre zu deinem heiligen Panier! Ich bin der
unsterbliche Spilon, dessen dichterisches Genie alle Welten bewundern;
selbst im Archiv des Himmels werden meine posthumen Werke als ein Schatz
aufbewahrt. Ich werde wie die alten Barden allen Schlachten beywohnen,
und die blutige Mordgeschichte in Bardenliedern verewigen. Das soll ein
unsterbliches Bardiet werden!

Beli. Nun sind alle Narren beysammen! ^Cuncta licent stultis pictoribus
atque poetis!^ Die Unternehmung verspricht viel. Kommt meine Freunde,
wir wollen noch mehr Proseliten suchen.




                     Scherzhaftes Heldengedicht.


   Göttinnen des Gedächtnisses, die Ihr unsterbliche Thaten
   In dem goldenen Buche der rühmlichsten Helden verzeichnet,
   Späht izt mit forschendem Ohre die weisen Orakel der Musen!
   Niemalsgehörte Geschichten, verstandübersteigende Wunder
   Werden auf der durchlauchtigsten Bühne des Krieges erscheinen.
   Beliam nähert mit jauchzenden Schaaren der tapfersten Krieger.
   Muse, beschreibe du selbsten wie dort bey Troja die Heere,
   Mal mit Homerischem Schwunge die Führer der stolzen Geschwader!
   Beliam dieser denkwürdige Feldherr war schreckbar bewaffnet.
   Selbst Donquixote war nicht so tragischkomisch gerüstet.
   Und wie der weiseste Pansa sich zu dem Esel herabließ;
   So nahm Beliam auf den Rathschluß des heiligen Lehrers,
   Einen arkadischen Enkel aus Demuth zu seinem Gefährten.
   Nach ihm trabte zu Fusse der grosse Prophet halbbewaffnet.
   Eine Hand führte das Kreuz, die andre die blutige Fahne.
   Wunderbar wie ein Centaur betäubt er mit beiden Gestalten
   Jedes Auge, das ihn so seltsam vermummet erblickte.
   Ihm folgten zweyhundert der tollesten Ritter der Erde.
   Mancherley waren die komischen Waffen, erfindsam die Kleidung.
   Harlekins witzige Maske, die Wällschland erfand, und vergöttert,
   Ist nicht so bunt, und so neu, wie jene der rüstigen Haufen,
   Die für Jerusalems Mauern als Kämpfer das Rachschwerd ergriffen,
   Ihnen folgte Rotando mit einer Riesenperücke,
   Mehr zur Jagd als zur Hochzeit bestimmt, erhob sie die steilen
   Lockengebüsche, und streute bey jeder Bewegung des Windes
   Auf das frohlockende Heer die sonnenverfinsternden Wolken.
   Er war im Schlafrock geharnischt, und schreckbar mit Pinseln
      bewaffnet.
   Ihn trug ein bescheidener Gaul, der Haber verschmähte,
   Dem bey philosophischer Mäßigkeit Stoppeln begnügten.
   Diese strengere Lebensart schuf ihn zu einem Gerippe.
   Er war mit Rosinante verwandt, und des Bucephalus Enkel.
   Seine Familie führte das Schicksal durch Wunderepochen.
   Hundert buklichte Helden, und hundert Ritter auf Krücken
   Folgten als Reisige dem majestätischen Winke des Führers.
   Dann kam Spilon ein Barde, gleich edel als Dichter und Fechter.
   Er hat den heiligen Musen, und auch dem Kriegsgott geopfert,
   Und er war zweyfach bewaffnet, bald Blut bald Tinte zu giessen.
   Ihm folgt' ein Troß von Gauklern, und nüchternheithassender Zecher.
   Sie überjauchzten mit donnernden Kehlen die schwankenden Schaaren.
   Und der heilige Martius, diese hellleuchtende Fackel
   Des Jerusalemstützenden Heeres begann izt die Rede:
   Tapfere Kämpfer und Helden des Glaubens uns winken die Lorbeern.
   Entweder tilgen wir heut die mahometanischen Lügen,
   Oder wir sterben als Märtyrer durch die Hände der Heyden;
   Engel führen uns jauchzend in jene Gefilde des Himmels,
   Und die Erde verewigt uns auf frommen Altären.
   Leben und Tod verschönern wir heut, wir werden verewigt!
   So rief dieses erhabne Kirchenlicht zu der Gemeinde.

      Aber ein schwarzes Gewölke von Staube bezeugte die Ankunft
   Feindlicher Schaaren, und Beliam reihte die muntern Geschwader.
   Er gab den Flügeln die Stellung, und wählte sich selbsten die Mitte.
   Er ritt lächelnd und muthig zur glänzenden Spitze des Heeres,
   Und begrüßte die edlen Gefährten mit donnernden Worten:
   Brüder, ein jeder von Euch ist rühmlich mit Narben bezeichnet!
   Eure gebrochenen Knochen beweisen die edle Verachtung
   Eines gleichgültiggewordenen Lebens; so reift man zum Helden!
   Dort ist der blumichte Gleis, wo wir die Lorbeern erbeuten.
   Unsere Feinde von Wollust entnervet mißkennen die Pfade.
   Wie lang sollen noch eure Talente so fruchtlos verwelken!
   Euer Vaterland giebt Euch nur Ketten; dort ärnden wir Kronen!
   Laßt uns die schändliche Knechtschaft mit goldenen Zeptern
      verwechseln!
   Hier drückt Euch Armuth und Schande, dort lächeln Euch Reichthum und
      Ehre!
   Eure Krücken und Pflaster können Euch besser bezeugen,
   Was ich vom schwärzesten Undank des Vaterlands flüchtig berühre.
   Welcher Frevel! Mit solchen Genien Spitäler bevölkern!
   Eure zermalmten Gebeine, und meine gewichtigen Gründe
   Müssen Euch heut im blutigen Schlachtfeld beharrlicher machen.
   Ihr seyd von der Mutter Natur zu Helden gebohren.
   Hinkte nicht Tamerlan, nikte nicht Alexander der Grosse
   Mit dem Haupte; begreift Ihr die weisesten Schlüsse der Vorsicht?
   So sprach der ruhmbegierige Feldherr, und rauschender Beyfall
   Krönte die siegende Rede. Die muthigen Herzen entbrannten,
   Und die Heldentrompete gab schon das Zeichen zum Angriff.

      Komm izt unsterbliche Muse, die Du zu schwarzen Gemälden
   Augenerschütternde Farben vermischest, und Schrecken entlockest,
   Zeichne mit blutigem Pinsel die schauererregende Kämpfe.
   Brüllendes Schlachtgeschrey stieg zu den Wolken auf feindlicher
      Seite;
   Isidor führte die Türkengeschwader mit rühmlichem Feuer.
   Er begrüßte Beliams Schaaren mit lautem Gelächter;
   Aber der Spott ward theuer gebüsset; sie stürzten wie Löwen
   Unter die staunenden Feinde; sie warfen die Reihen zu Boden;
   Und die buklichten Ritter erkletterten Menschengebirge.
   Wie viel gedächtnißwürdige Thaten wurden begraben!
   Beliam schleuderte kühn den fettesten Türken zur Erde,
   Er fiel wie schmetternde Fichten, und konnte sich nicht mehr
      erheben.
   Er lag wie Elephanten von eignem Gewichte belastet.
   Martius selbsten balgte sich weidlich mit den Saracenen.
   Sieg auf Sieg wurde gethürmet. Schon jauchzten die Christen;
   Riefen den frohen Triumph: als aus der neidischen Hölle
   Eine Furie stieg, und auf die kämpfenden Schaaren
   Plötzlich einen gewaltigen Hagel von Schlossen herabwarf.
   Die mit Beulen belasteten Krieger empfanden die Schläge,
   Einige fielen, andre verliessen mit bangem Geheule
   Das so siegreicherfochtene Schlachtfeld, und liessen die Lorbeern
   Ihren Feinden zur Beute. Die Lahmen vergassen die Krücken.
   Pflaster, Verbände, Waffen, und Kleider lagen zerstreuet.
   Doch der seltene Zufall, der die grösten Epochen
   Auf dem Schauplatz der Erde mit hastiger Eile bereitet,
   Suchte den schwärmenden Eduard. Du zauderst die Helden zu stützen,
   Welche die saracenischen Greuel mit Allmacht zerstören.
   Nur ein feindliches Schicksal raubt ihnen erfochtene Palmen.
   Folg mir! Er folgte, und sah die flüchtig gewordenen Schaaren.
   Wo eilt Ihr hin? kleinmüthigen Memmen, erkennet den König!
   Ich bin Eduard, dessen Thaten die Nachwelt bewundert.
   Hört doch die Stimme der Ehre! Wir führen Euch wieder zum Siege.
   So rief er, und riß die Krücke dem Ersten vom Arme.
   Kehrte mit ihnen zum Schlachtfeld wie Samson bewaffnet zurücke.
   Izt erfocht er unsterbliche Siege. Die Türken erstaunten,
   Baten um Gnade; sie nannten sich selbst allerchristlichste Sklaven.
   Aber vergebens, ein rasender Ajax, ein zweyter Orlando
   Focht hier verzweifelt; das menschliche Mitleid verwarf er, und
      fällte
   Freund und Feind, bis er entkräftet das blutige Schlachtfeld
   Keuchend küßte. Da lag er mit ewigen Lorbeern gekrönet.




                        Scene im Schlachtfeld.


    Eduard. Beliam, Isidor, Spilon, Rotando, Martius, Krieger von
                            beiden Heeren.

(Es regnet. Der König erholet sich. Beliam erhebt sich von der Erde.
Rotando gukt aus seiner grossen Perücke. Martius winselt, und verbindet
sich den Kopf mit dem Schnupftuch. Andere Narren machen verschiedene
Grimassen.)

Edu. Wo bin ich? Welcher kühlende Balsam erquicket mich! Ha! O du Thau
des Himmels, du belebst mich wieder! ---- Wie, auf dem Schlachtfelde!
Welche Leichen sind rings um mich! ---- Welch ein banges Gewinsel
erschüttert meine Ohren! ---- O Menschlichkeit, du weinest! ---- Welche
neue blutigen Opfer hab ich meinem Ehrgeize geschlachtet! ---- Fort
häßlicher Anblick! ---- Ich enteile meiner Schande! ---- Hier stinkt
Menschenblut! ---- Brüderblut.

(Er eilt fort, und gleitet über Beliam.)

Bel. Guten Morgen Meister! Wir armen Mordgesellen haben deine eiserne
Ruthe gefühlt. Du hast uns wie Stiere geschlachtet, und der Himmel
wässert uns izt zu Stockfischen. Sieh, wie es regnet!

Mart. O weh! Ich bin ein Märtyrer! Ich habe Löcher im Kopf; aber ich
dulde alles mit Gelassenheit für den Glauben! ---- O weh!

Rotand. Ich muß das Schlachtfeld abzeichnen! Welche malerische Gruppe!
---- Das wird ein Meisterstück!

Isid. Mein Spaß bekömmt mir übel. Alle Ribben sind mir zermalmet ----

(Spilon hebt sich mit tragischen Tone.)

   Sing unsterbliche Muse die ewigen Thaten der Helden,
   Welche mit Lorbeern geschmücket das blutige Schlachtfeld bedecken.

Edu. (indem er starr das Schlachtfeld anstaunet.) Seht! Sie stehen auf!
Sie rufen zum Himmel wider mich! ---- Rache! Rache! ---- Wie das Blut
unter meinen zitternden Füssen strömet! ---- Horcht! ---- Das ist die
Posaune! ---- Der Weltrichter eilet daher! ---- Die Todten stehen auf!
---- Zum Gerichte!

(Er eilt fort.)

Bel. Wunderbare Wirkung des Ehrgeizes! Ihn macht er zum Narren, und mich
heilt er von einer eingewurzelten angebohrnen Narrheit. Die kleine
heilsame Aderlässe, die heldenmäßige Bewegung hat mein Blut verdünnet,
und mein Gehirn aufgeheitert. Izt bin ich ein gesunder Kerl. Lebwohl
Statthalterschaft, ich liebe den Frieden, und esse mein Stückchen Brod
gern in Ruhe. Ihr meine unsterblichen Schlachtgenossen, kehret in des
Himmels Namen in euer Tollhaus zurück, wo der dankbare Staat eure
Verdienste reichlich belohnen wird, Lebt wohl!




                                Scene.


              Ein Hofplatz. Beliam, Viele Leute, Isidor.

(Beliam hat eine grosse Feldtrommel, eilt mit Lärmen über den Hauptplatz
der Burg. Das Volk sammelt sich in einen Kreis; er zieht ernsthaft eine
Schrift aus dem Busen, und liest.)

Bel. Kund und zu wissen sey hiemit jedem, der es wissen soll, und Ohren
hat, daß Seine Majestät unser allergnädigster Monarch Eduard der Grosse
seinen Verstand verloren hat, wer solchen gefunden hat, wird gebeten,
ihn in die Burg zu bringen. Der Finder soll königlich belohnt werden!

(Das Volk murmelt; viele lachen. Beliam schlägt seine Trommel und geht
weiter.)

Isid. Narr, suchst du einen Schooßhund?

Bel. Da müßte ich Dich suchen! ---- Ich suche den Verstand des Königs
----

Isid. Er hat ihn verloren ----

Bel. Er war der Einzige am ganzen Hofe, der noch einen Verstand
verlieren konnte, denn die Uebrigen hatten keinen zu verlieren, oder
haben ihn schon lang verloren. ---- Glückliches Volk, das du einen so
weisen König hast, der seinen Verstand verlieren konnte! ---- An wenig
Höfen wird getrommelt. Ich bin der Erste vielleicht auch der Letzte, der
königlichen Verstand sucht!

(Er eilt fort, ihm folgt lachend das Volk.)

                      Ende der vierten Kaprizze.




                         Der Tod Eduards.[22]
                           Fünfte Kaprizze.




                                Scene.


(Ein abgelegener Theil des königlichen Pallastes. Im Grunde die Pforte
zur Grabstätte des königlichen Hauses.)

    Einige Höflinge, der Leibarzt, Hofdiener, und Damen stehen im
      Haufen und sprechen mit einander. Einige kommen von einer
      Seitentreppe herab; andere entfernen sich wieder. Hernach
     schleicht tiefsinnig Eduard daher, er ist seltsam mit bunten
                          Federn geschmückt.

Der Arzt. Ich habe wenig Hofnung zu seiner Genesung! -- Seht da kömmt
dieses zertrümmerte Meisterstück der Natur! O ich möchte weinen!

[Fußnote 22: Die Zeitgenossen sind ungewiß über den Tod Eduards. Sein
Dichter nützt also diesen günstigen Umstand zu einer musikalischen
Variation, und bedient sich dieser Freyheit mit desto grösserm Rechte,
da die Natur selbst ihre theuren Kinder auf verschiedenen Gleisen vom
Leben zurückruft, und die Aerzte als getreue Nachahmer dieser zärtlichen
Mutter noch immer ungewiß sind ob sie ihre Kranken bey Gelegenheit der
zehntausend lateinischen, griechischen, engländischen, französischen und
unendlichen Gattungen der Krankheiten mit Kräutern oder Säften aus der
Welt versenden sollen. Wie sehr die Dichter alles verschönern müssen,
das zeigen uns die empfindsamen Alten. Wir nehmen zum Beyspiele nur die
Geschichte des Herkules her. Wollte eine gemeine Feder seinen Tod
erzählen; so würde man lesen: eine Buhlerin beschenkte den Helden mit
einer galanten Krankheit; er vernachläßigte die ersten Anfälle, ward von
einem griechischen Scharlatan übel geheilt, und starb. So würde ein
kaltblütiger unschmackhafter Geschichtschreiber die wichtigste Epoche
von der Vergötterung des grösten Helden des Alterthums erzählen. Aber
wie sinnreich wendet der Dichter die ganze Begebenheit! Eine Furie
steigt aus der Hölle, wirft ein vergiftetes Nesseltuch auf die Erde in
dem Schlafgemach der eifersüchtigen Geliebten; dieß Geschenk wird dem
Helden gesandt; ein Feuer durchglüht ihn; er wirft sich auf einen
Scheiterhaufen, und wird in den Olymp aufgenommen. Welche
Verschönerung!]

Edu. Wo bin ich denn? ---- Was für Menschengesichter! -- (Er beschaut
die Höflinge) Es ist meine Gallerie! ---- Lauter Gemälde! ---- Worte
ohne Empfindung! ---- Wenn ich König wäre, ich wollte Mohren bleichen!
---- Wir alten Leute, Madame, gelten nichts! ---- Andere Kunstwerke
schäzt man, wenn sie alt sind; aber alte Exkönige ---- Mehr Dunger auf
die Genien! ---- Schüttet die Gießkanne reicher aus! ---- Seht, wie sie
blühen! ---- Die Gesetze der Weisheit leben auf! (Er faßt einen Höfling)
Lebst du auch noch, morsche Schießscheibe? Den königlichen Spaß hättet
ihr sehen sollen! Ich malte dieses Männchen wie ein Kartenmaler auf
diese runde Tafel; alle Narren schossen auf ihn! Hahaha! Armer Günstling
eines Königs! Der Neid ---- Die Schminke ist verboten! Weg ihr Höflinge!
Wascht eure Gesichter! ---- Ist denn heut Maskenball? Ja ja! Hier ist
meine Larve! ---- Wie mich das Unglück in den April schickte! Nicht
wahr, ihr alten Krieger, wir haben Meermuscheln eingesammelt? ---- Eine
prächtige königliche Sammlung! Kaligula war der erste Naturalist! --
Mein Kopf ist überlastet! -- (Er reisst die bunte Federkrone vom Haupt,
und beschaut sie) Aleid trug eine Löwenhaut, wißt ihr warum? ---- Weil
er mit Löwen kämpfte! ---- Wir tragen wie die Mohren Vogelfedern, weil
wir Papageyen und Gümpel rupften! ---- Hahaha! Fort! (Er schleudert sie
weg) Ich habe lange genug diese alberne Krone getragen! ---- Aber mein
Pferd hat mich und die Krone getragen, folglich ist mein Leibpferd nach
allen Rechten mein Thronfolger! ---- Ihr werdet dabey gewinnen; es ist
ein gutes Roß, wenn es Haber hat, bricht und macht es nichts! ---- Mein
Leibkutscher sey Staatsminister! ---- O der Kerl versteht sich auf die
Räder! ---- Wie sind wir in der Zeit? ---- Ich verliere alle Stunden!
---- Meine Freunde, Dämmerung ist rings um mich! Mir geht keine Sonne
auf! ---- Lebt wohl, bis ihr mich wider sehet! Wann glaubt Ihr wohl, daß
Ihr mich wiederseht? ---- Versteht mich wohl! ---- Mich! -- Mich selbst!
---- Denn izt bin nicht ich ---- Ach! Meine Brüder, ich war! ---- O als
ich war, da lächelten schöne Tage! ---- (Er senkt das Haupt und denkt
nach) Ich möchte izt weinen ---- Was sagen die Leute von mir? ---- Reden
sie noch vom Zaunkönige? (Er faßt eine Hand) Ich will dir wahrsagen!
---- Horch! Alle Haare sollen sich emporsträuben! Du mußt sterben! ----
Ja sterben! Denn du bist ein Mensch! Wie die Eulen krächzen! ---- Gute
Nacht meine Söhne! ---- Wir haben manche Stunde verwacht! ---- Streut
Roßmarin unter die blutigen Lorbeern! (Er schleicht zur Grabstätte.)

Der Arzt. Eure Majestät, die Luft ist hier schädlich! Hier sind
Grabmäler!

Edu. O so flieh! Flieh so weit dich die Füsse tragen, denn aus den
Särgen würde über dich ein lautes Gelächter schallen! ---- (Er reißt die
Thüren auf, und wirft Todtenköpfe heraus, dann thürmet er Pyramiden aus
den Schedeln.) Alexander! -- Herkules! -- Cäsar! -- Kartusch! ----
Attila! -- Ludwig! ---- Karl! ---- Hahaha! Das war ein närrischer Kerl!
---- Herr Bruder, du warst ein Schwindelkopf wie ich! ---- Wenn du
gesund bist, freut es mich; ich zwar bin wohl auf, und glücklich wie ein
König! ---- Wo sind meine Tonkünstler! Macht Musik! Etwas zum
Wirbeltanze! ---- Ich will mit Helden tanzen! ---- Das ist der Kopf des
goldenen Kalbes, die Vergoldung ist weggerieben, und da liegt die leere
Hirnschaale! Schade, daß kein Gehirn in diesem Schedel war, ---- Er war
ein großer Mann, er hat viele Dinge ausführen wollen, die er nicht
verstand. Er hat die Stühle im Rathhaus ganz anders gereihet! (Er nimmt
einen andern Schedel) Ein elender Kopf! -- Die Arbeit eines Schneiders!
Zu schlecht für einen Steinhauer! (Er wirft ihn weg, und ergreift einen
andern) Hahaha! Dem Bauch ist hart predigen! (Indem er einen andern
faßt) Wie er daherschreitet wie ein Riese! Gebirge zittern unter seinen
Fersen, er bildet Nationen um! ---- Und fault! Schnupft Toback! Er
stinckt! Gute Nacht Großsprecher, der Echo war dein Bruder! Viel Köpfe,
viel Sinne! ---- Ich habe die Lebendigen getödtet, izt bin ich König der
Todten! -- Dich ernenne ich zu meinem Hofmarschall! ---- Du brauner
Schedel sollst mein Feldherr seyn, dich hat die Sonne verbrannt, du
wirst das Feuer des Geschützes erträglich finden. ---- Du bist mein
erster Kämmerling, so leer ist dein Schedel, wie ein Kämmerling
natürlich seyn muß. ---- Ihr zwölf morschen Schedel seyd meine geheimen
Räthe! Widersprüche habe ich nicht zu befürchten, ihr liebt das
Geheimniß, und sagt es nicht einmal euren Metzen! O die wakern Räthe!
Kein König ist besser bedient als ich! ---- Der Schedel ist
unbestechlich, er nimmt kein Geschenk mehr; er sey Richter! ---- Das
Wetter trübt sich? Seht, wie die Winde ihre Pausbacken aufschwellen! Sie
werden die Erde verschlingen. Fürchtet Euch nicht, es sind fade
Politiker, die bey einem unsinnigen Zeitungsblatt träumen! ---- Wie
sanft alle ruhen! Keiner regt sich mehr! ---- O hier will ich auch
rasten! ---- (Er legt sich auf die Stuffen der Treppe) Kühle Erde, wiege
einen deiner müden Söhne ein! ---- Geht alle! Lasset mich allein! ----
Ich will schlafen! Ein angenehmer Traum soll mich betäuben! ---- Löscht
das Licht aus! ---- Gute Nacht! ---- (Er entschläft.)

(Der Arzt legt den Finger auf den Mund, und spricht leise)

Der Schlaf ist ein Balsam, wir wollen von ferne lauschen.




                                Drama.


(Ein großer Saal bey Hofe. Viele Höflinge stehen im Haufen beysammen,
und sind im eifrigen Gespräche. Salinia und Amanda ihre Zoffe treten
ein. Salinia in einem weissen Nachtkleide mit aufgelösten Haaren. Einen
Arm hat sie entblößt, und hängen noch von einer Aderlässe die Binden
daran. Sie eilt hastig in den Saal, staunt plötzlich, schleicht
furchtsam zu allen Schaaren der Höflinge, blickt ihnen unter die Augen,
schüttelt mißvergnügt den Kopf, um dadurch anzudeuten, daß sie nicht
findet, was sie sucht. Die Zoffe folgt ihr traurig, will sie wieder
zurückführen, und die Verbände in Ordnung bringen. Die Höflinge sind
durch den Auftritt gerührt. Ein alter Hofmann grüßt sie.)

Hofm. Aber mein liebes Fräulein, sie bluten ja.

Salin. Bluten? ---- O ja, izt erinnere ich mich (indem sie ihm zum Ohre
schreyt) Sie haben mich tödten wollen! ---- Aber ich bin den Mördern
glücklich entkommen! ---- Amanda, hast du meinen Eduard nicht gefunden?
---- Die Schwalbe hat das Nest verlassen ----

Hofmann zur Zoffe. Führen Sie das gute Fräulein zurük!

Amand. Sie ist den Wundärzten entlaufen. Man wollte ihr die Ader öffnen,
denn ihr Verstand ---- Ach! Das Schicksal des Königs hat ihr zärtliches
Herz angegriffen ---- Sehen Sie! Sie sucht ihn überall! ---- O ich muß
weinen ----

Hofm. Das arme Täubchen girrt ----

Salin. Die Gesichter sind mir verdächtig! ---- Freund oder Feind? Er ist
nirgends! ---- Eduard nirgends! ---- O Amanda, die Schlange hat ihn
vergiftet! Und ich reichte ihm den Becher ---- O mein Kopf! ---- Wie es
hier pocht! ---- (Sie lehnt ihr Gesicht auf den Busen ihrer Zoffe und
weint.)

Am. Englisches Fräulein, weinen Sie nicht! Kommen Sie mit mir! Ich führe
Sie zu Eduard! ---- Geben Sie mir den Arm!

Salin. (lächelnd) Zu Eduard? ---- Du lügst immer! ---- Sie haben ihn
getödtet! ---- Gemordet wie seinen Vater! ---- Gute Nacht Eduard! (Sie
sinkt allmählig zur Erde.)

Hofm. Das entgangene Blut hat sie geschwächt; man muß sie zu Bette
bringen!

Sal. Lasset mich schlafen! ---- Werft Erde auf mich! ---- Da werden
Ringelblumen und Maaßlieben auf meinem Hügel wachsen! ---- Sanft, sanft
will ich ruhen! ---- Gute Nacht armer Eduard! ---- Ich lade dich zu
meiner Hochzeit ---- Ich bin eine Braut ---- ----

(Sie wird fortgetragen.)




                              Oratorium.


   Ein öffentlicher Platz der Hauptstadt. Auf einigen Stuffen erhöht
   thürmet sich in der Mitte ein prächtiger Tempel. Aus allen Gassen
   eilet das Volk. Die Hallen sind mit Bethern erfüllt. Die Mütter
    mit den Säuglingen, die Väter mit den Söhnen drängen sich zu.

                           Chor der Bether.

   Da liegen wir auf den bethränten Stuffen,
   O Gott! Hör deine Kinder rufen!
   Dein Zorn schlug unser Haupt.
   Die Heerde weint um ihren theuren Hirten;
   Die Hände, die uns liebreich führten,
   Sind uns durch Dich geraubt!

                        Ein Greis. Recitativ.

   Wir ächzen am verwaisten Throne;
   Die Wittwe seufzt, der Waise schreyt,
   Sie suchen Hülfe bey der Krone.
   Sieh, wie uns überall das Elend dräut!
   Bald werden Wölfe sich in unsre Hütten schleichen;
   Denn unser Jammer lädt sie ein.
   Bald wird das Schwert des Feindes uns erreichen,
   Und dieß bedrängte Volk wird seine Beute seyn.

                       Ein Jüngling. Recitativ.

   Was kann izt unsre Quaalen lindern?
   Verzweiflung herrscht bey Greisen und bey Kindern.
   Der Jüngling ist mit Schmerzen ganz vertraut;
   Ihm tönen nicht die süssen Hochzeitlieder;
   Er schlägt die müden Augen nieder,
   Und lächelt nicht der Braut.

                                Arie.

   Ich sehe täglich Trauerscenen;
   Wenn mich die holde Sonne grüßt,
   Entsinken meinem Auge Thränen,
   Und Thränen, wenn der Abend schließt.

                        Der Greis. Recitativ.

   Doch horcht! Wer unterbricht das fromme Stehnen?
   Wer stöhrt das heilige Gebet?
   Der Vater kömmt, um den sich alle sehnen,
   Um dessen Heil das Volk zum Tempel geht.

(Eduard wird auf einer offenen Sänfte getragen; weinende Schaaren folgen
in stiller Betäubung dem schlummernden König.)

                           Chor des Volkes.

   O Gott! Laß uns die Bitte wagen,
   Schenk unserm Vater deine Huld;
   Laß uns für ihn die Strafe tragen,
   Und leg auf uns allein die Schuld!

(Der Donner rollt; die Blitze leuchten; die Erde bebt. Der Tempel
zittert; die Völker stürzen anbetend zur Erde. Eine feyerliche Stille
herrscht. Eduard erwacht aus einem tiefen Schlummer, blickt auf, weint
und segnet sein Volk.)

                          Eduard. Recitativ.

   Wo bin ich! ---- Welch ein Licht beleuchtet mich!
   Ich irre nicht, dies sind des Tages erste Keime!
   Von meinem Auge fliehn die schwarzen Träume.
   O theures Volk, mein Mund begrüsset dich!
   Der grosse Gott, der die Tyrannen höhnet,
   Scheint izt durch meine Reu versöhnet.
   In Thränen floß mein Leben hin;
   In Schmerzen hat mein Alter zugenommen!
   O Grab, izt bin ich doch zu Dir gekommen,
   Ich fühle daß ich reif zum Tode bin!

                                Arie.

   Warum bist du so traurig meine Seele;
   Warum betrübst du dich mein Geist?
   Izt, da ich mich zu den Versöhnten zähle,
   Und da mein Mund den Schöpfer preist.
   Nicht mehr dräut uns der Gottheit Donnerrache;
   Nicht mehr verschlinget uns ihr Zorn;
   Sie lächelt sanft und gütig auf uns Schwache,
   Und stürzet nur ein stolzes Horn.
   Warum bist du u. s. w.

                           Chor des Volkes.

   Preist den Allmächtigen, jauchzet ihr Brüder!
   Er schenkt den zärtlichsten Vater uns wieder.

                          Eduard. Recitativ.

   Dank theure Söhne! Dank für eure Liebe!
   Gott segne dieses Volk! ---- Mein Herz zerbricht --
   Die Seele bebt -- Mein Auge wird izt trübe ----
   Mir winkt ein schreckliches Gericht ----

                                Arie.

   Ich fühle schon die letzte Todeswunde;
   Es eilt, es fliegt die schwarze Trennungsstunde
   Mit raschen Fittigen herbey,
   Und macht den Geist von Banden frey.

                              Recitativ.

   O lebet wohl ihr frommen Söhne,
   Zum Erben laß ich Euch ---- Den Würdigsten! ----
   Komm Sigismund, verwische deine Thräne,
   Ich kenne Dich, dein Herz ist groß und schön! ----
   Verwandle nie die edle Sitte;
   Herrsch über dieses Volk mit Sanftmuth und mit Güte;
   Doch wenn Du hoch und stark auf meinem Throne bist,
   Vergiß nicht, daß ein Gott der Fürsten Richter ist! ----
   Ich segne noch zum letztenmal Euch Kinder! ----
   Lebt wohl, lebt ewig wohl! -- Die Kräfte werden minder --
   Mein mattes Licht verlischt ----

(Zu Sigismund.)

   Es ist der Todesschweis, den deine Hand verwischt.
   Leb wohl! -- Mein Geist kämpft schon, und unterlieget --
   O Gott, die Schreckenwage wankt! ----
   Du legst dein Mitleid zu, und deine Gnade sieget! ----
   Dir sey Allmächtiger gedankt! ----
   Wer dräut mir dort? ---- Seht Millionen Seelen! ----
   Ihr Myriaden klagt, um mich zu quälen ----
   Vergebt, weil Gott vergiebt!
   Als Vater mir verzeiht -- mich ruft -- und -- liebt --

(Er stirbt.)

(Ein ängstlicher Schmerz betäubt das Volk. Nur ein banges Winseln
unterbricht das schauervolle Schweigen.)




                                Scene.


               Ein Saal. Alidia, Simena ihre Vertraute.

Alid. Verfinstere mein Schlafgemach! Es soll kein Stral der Sonne die
Dämmerung durchbrechen. Schließ sorgfältig die Thüren, und schwöre mir,
daß du mich heimlich begraben lässest. Ich will dich bereichern, schwöre
mir.

Simena. Ich schwöre! ---- Aber theure Gebieterinn --

Alid. Keine Vorstellungen! ---- Es ist geschehen. Ich sterbe freywillig.
Ich will nicht meinen Feind auf dem Thron erblicken. Eduard ist todt.
Sigismund ist sein Thronerbe. Er ärndet die Früchte meiner Rache. Der
Gedanke verbittert mir den Tod. Es werde niemand vorgelassen! Man soll
nicht die Verwüstung meiner Gesichtszüge bey Annäherung des Todes sehen.
Ausserordentliche Wesen müssen groß auf der Welt erscheinen, und
plötzlich von der Erde verschwinden. Alles däucht den Augen der Menschen
klein, was gebohren wird, und stirbt. Ich will meinen Feinden wenigstens
die Freude des Hohngelächters entreissen. Leb wohl! Gedenke deines
Eides! ---- Ich schliesse mich in mein Schlafgemach!




                             Alte Epopee.
                             Ein Gesang.


      Eduards trauriger Schatten durcheilte die schwarzen Gestade.
   Und die feurigen Fluten des schäumenden Acherons brüllten
   An dem Fuße des felsichten Ufers, und schreckten den Pilgrim
   Zehnmal zurücke. Bald dräuten ihm gräßliche Höllengespenster,
   Und bald begrub ihn der glüende Dampf in Schwefelgewölke.
   Wie wenn der Wandrer bey nächtlicher Stille die Wälder durchirret,
   Er beym mindsten Geräusche verweilet, und zitternd erwartet,
   Ob ein menschenblutwitternder Löwe die Klauen bereitet,
   Ihn zu zerreissen, oder ob ein stillschleichender Räuber
   Seine beschleunigten Schritte belauschet, um Beute zu haschen.
   Eben so bebend und horchend durcheilte der König die Hölle,
   Endlich erreicht er den heiligen Styx, er sieht Myriaden
   Harrende Seelen den schwanckenden Nachen des Charons erwarten.
   Wie die weißwolligten Lämmer, wenn sie die Weide verlassen,
   Und der ländlichen Hütte sich nähern, einander verdrängen,
   Sich bald in schwankende Haufen versammeln, bald wieder zertrennen,
   Und mit Ungeduld ihren lang zaudernden Hirten erwarten;
   Eben so häuften sich hier zehntausendfach stehende Reihen.

      Millionen erkannten und grüßten mit Ehrfurcht den Helden.
   Seht ihr, so riefen sie staunend, da kömmt der Beherrscher der Erde!
   Vor ihm bebten die Könige, vor ihm erblaßten die Krieger;
   Er hat Länder zertreten, und mächtige Städte zermalmet.
   Endlich hat ihn die würgende Sense des Todes gemähet.
   So die Geister. Der grauende Schiffer belastet den Nachen,
   Und beherbergt auf faulenden Brettern den Weltenbeherrscher.
   Selbst die stygischen Wogen trugen mit Ehrfurcht den Wandrer.
   Banges Gewinsel von nahen Gestaden betäubte die Ohren.
   Eduard sah auf brennenden Inseln das schwarze Gefängniß
   Der vom Schicksal verworfenen Geister. Hier wohnten die Laster.
   Charon entschlich mit flüchtigem Ruder dem Schauplatz der Rache.
   Endlich begrüßten sie sanftere Fluren, und Minos der Richter
   Gab hier die hohen Befehle. Hier zitterten selbst die Gerechten.
   Könige bebten bey seinem allesentscheidenden Urtheil.
   Er wog Eduards Thaten mit Vorsicht, und fand sie gewichtig,
   Deine Tugenden rief er, haben die Laster besieget.
   Eil in die glücklichen Wohnungen, wo dich die Helden umarmen.
   Eduard dankte den Göttern, und suchte die goldene Pforte.
   Ewiggrünende Fluren zeigten sich plötzlich dem Auge;
   Wohlgeruchduftende Blumen schmückten die grünen Gefilde;
   und harmonische Sänger der Lüfte durchkreuzten die Haine.
   Izt sah er die seligsten Schaaren der tapfersten Helden.
   Lächelnd und gastfreundlich begrüßten sie alle den Fremdling,
   Sahen in ihm den edlen Gefährten der künftigen Tage,
   Wie die wolkenansteigende Fichte das kleine Gebüsch überholet,
   So stieg Eduards fürstliche Stirne weit über die Seelen.

      Alexanders erhabener Schatten umfaßt ihn der Erste.
   Sey mir willkommen! So rief er entzückt, du Liebling der Ehre!
   Du hast mit wärmesten Eifer die Lorbeern des Sieges erfochten.
   Sieh mich gekrönt! Die Güte der Götter belohnt hier die Thaten,
   Welche durchlauchtige Geister zu Lichtern der Menschen erheben.
   Kleinere Herzen mißkennen die feurigen Triebe des Ruhmes.
   Andere Fürsten drängten sich zu den Neuling zu küssen,
   Und der weise Lykurg belehrte den staunenden König.
   Mir sind Elisiums alte Bewohner seit Jahren vertrauter;
   Ich will Dir die glänzendsten Thaten von ihnen erzählen.
   Ich will dir sagen, was sie beglücket, erhöhet, vergöttert.
   Hier ist Kodrus die unüberwindliche Säule des Staates!
   Er hat sein edelstes Blut dem Vaterland würdig geopfert,
   Und das grazienliebende Griechenland hat ihn verewigt.
   Dort kömmt der gütige Titus, sein antlitzverschönerndes Lächeln
   Trägt die heiligen Spuren von seinem wohlthätigen Herzen.
   Er hielt die Stunde verloren, in der er nicht Menschen beglückte.
   Sieh dort den weisen Aurel; die reichthumverschmähende Seele
   Blikt aus den göttlichen Augen. Er liebte nur Tugend und Weisheit.
   Dort trabt der Riesenbekämpfer Alcid mit siegender Keule.
   Seine herkulischen Thaten verzeichnet die Nachwelt den Enkeln.
   Niemand schlummert sich groß, nur Arbeit und Sorge verherrlicht;
   Glänzende Lorbeern sind Preise des Sieges, des rühmlichsten
      Schweisses.
   Dort ruht Belisar in dem Haine von Palmen, er siegte
   Ueber die Ränke der Neider; die ihn mit Geifer vertilgten.
   Sieh die ehrwürdigbeschneyten Häupter der thätigsten Fürsten,
   Unter den Kränzen fächelt der Zephir die silbernen Locken.
   Dieser verließ noch in blühenden Jahren die mächtigsten Throne,
   Wie viel grösser ist er als jener, der Kronen erobert!
   Dieser hat Menschen aus Thieren gebildet, durch gute Gesetze
   Gleichsam die unwirthliche Sandbank mit Bürgern bevölkert.
   Jener schmückte sein Reich durch länderbeglückenden Frieden;
   Er schloß in süssester Ruhe sein neidmißkennendes Leben.
   Niemals betrat er aus Ehrgeiz das menschenvertilgende Schlachtfeld.
   Dieser unsterbliche Kronenverfechter verdient auch ein Denkmaal.
   Er ist einer der ehreverfolgenden Kämpfer der Vorwelt,
   Welche die Staaten wie rühmliche Säulen durch Tapferkeit stützen,
   Und nicht wie jene ruhmsüchtigen Erdenerschütterer wüten.
   Dieser schönlockichte Jüngling fiel für das Vaterland edel.
   Diesen Greisen erhebt die gütigerlassene Rache.
   Er hat die darbenden Staaten gerettet, und Undank geärndet.
   Sein Blut hat die goldene Krone des Oelzweigs gebrandmarkt.
   Diese Könige siegten mit edeldenkenden Bürgern.
   Ihre Herzen entbrannten beym Rufe der Vaterlandsliebe;
   Aber sie ist verächtlich geworden. Izt fechten nur Sklaven,
   Oder nur feile Söldlinge, die der Ehrgeiz befeuert.
   Mächtige Staaten haben wie Menschen auch Jugend und Alter.
   Glückliche Tage beschleunigen oft den eilenden Winter.
   So sprach der honigträchtige Mund des weisesten Redners,
   Und Erstaunung bemächtigte sich des gierigen Hörers;
   Eduard lebte mit ihm in ununterbrochener Freundschaft.




                                Scene.


   Platz der Stadt. Lusian, das ganze königliche Leichengefolge, und
             eine unendliche Menge Volks, hernach Beliam.

(Lusian sprenget mit verhängtem Zügel daher, stürzt hastig von seinem
Pferde, und eilt zur Leiche Eduards.)

Lus. Ich muß meinen König sehen ---- Haltet! ---- Ich muß meinen Eduard
mit Thränen waschen! ---- (Er küßt die Leiche und weint) Du bist todt!
---- Auf der Reise fiel mir der Stiefel in die Augen, den ich als ein
Denkmaal deiner Grösse bewahre ---- Diesen Stiefel, sagt ich zu mir
selbst, hat er von meinen Füssen als König gezogen, und du Lusian
verlässest ihn? ---- Ich zog zurück von Liebe und Dankbarkeit beflügelt
---- Ich komme zu spät! ---- Ich finde Dich nicht mehr! ---- Da liegst
Du in einem schmalen Häuschen! ---- Welch ein durchlauchtiges Gehirn
veredelte Dich! Was für ein grosses Herz schlug in deinem Busen! ---- O
meine Freunde, weinet, weinet mit mir um unsern Freund, um unsern Vater!
---- Unser Eduard ist todt! ---- Erinnert Euch aller seiner Thaten! Wie
viel Güte, wie viel Großmuth, wie viel Standhaftigkeit! Wo ist ein Geist
von seinem Umfang, von diesem erhabnen Schwunge? wo ähnliche Kräften,
seine Riesenarbeiten auszuführen? ---- Wie hat er uns geliebt! O!
unsterblich hättest du seyn sollen mein Eduard! Verflucht sey die Hand,
die dich getödtet hat! Weiber! O Weiber! ---- Gute Nacht mein lieber
König! Schlummre sanft, ruh aus von deinen Heldenarbeiten! Die Nachwelt
soll bey deinem Gedächtnisse staunen, und weinen! ---- Das ist mein
Abschiedskuß, eine Leichenrede von warmen Herzen! ---- Sezt nur den
Stiefel auf sein Grabmaal, und alle aufgedunsenen Könige sollen
erröthen; die stolzen Riesen sollen zusammenschrumpfen, wenn man ihnen
den Namen Eduard entgegen ruft. ---- Meine Thränen hemmen die Worte ----
Gute Nacht lieber Eduard?

(Das Volk weinet; eine traurige Stille herrscht überall. Beliam
schleicht traurig daher, zieht sein Kleid aus, und hängt es an die
Pforte des Grabmaals.)

Bel. Das Lustspiel ist aus; laßt den Aufzug herab! ---- Morgen werden
wir die Ehre haben aufzuführen die Krönung Sigismund, ein
Originallustspiel in fünf Aufzügen; wir bitten um einen zahlreichen
Zuspruch.

(Das Volk lacht und zerstreut sich.)

Bel. So sind die Menschen, bald weinen, bald lachen sie! ---- Ich als
ein Narr thue, was ich kann. Ein treuer Diener überlebt seinen Herrn
nicht. (Er pocht an die Trödlerbude.) He Mann! Bring mir einen Domino!
Da ist Geld! Geschwind! Das soll mein Leichengewand seyn! (Er zieht den
Domino an.) ^Felices illi, qui moriuntur in Domino^, pflegte mein Vater
zu sagen, der ein Narr war, wie ich. Izt gute Nacht! Ich will meinen
Arzt besuchen, bringt er mich nicht um; so sollen die Weiber, die mit
Riesen selbsten nur spielen, mich kleinen Zwergen übermeistern, und der
langsamen Natur die Arbeit meiner Zerstöhrung erleichtern. ---- Eduard
gute Nacht! ---- Du warst ein guter Kerl, ich habe dich sehr lieb
gehabt, also gute Nacht! ---- Beliam fühlt sich, und stirbt bald; zum
letztenmal allerseits gute Nacht!

(Er geht traurig ab.)




                          Metamorphose[23].


[Fußnote 23: Ich habe bereits erinnert, daß die Meinungen über die
Todesart Eduards verschieden sind. Die Meisten sagen Alidia habe ihm
durch Salinien Gift beygebracht; einige schreiben die That der
Eifersucht Saliniens selbsten zu. Der Dichter benutzt jeden Umstand.]

      Stehet mir bey unsterbliche Götter bey meinem Gesange!
   Ich will eure Verwandlungen singen; womit ihr die Menschen
   Bald bestrafet, bald belohnet, und eure Gerechtigkeit zeiget.
   Salinia genoß noch der Wollust der süssesten Rache.
   Ich bin gerächet, so rief sie, am schwärzesten Frevler gerächet!
   Mag er doch sterbend die Buhlerinn krönen! Die Siege verschwinden
   Wie ein Traumgesicht. Doch wer nähert? Was bringt mir Amanda?
   Göttliches Blatt, du zeugest von Liebe, wie war ich geblendet!
   Eduard liebt mich, und stirbt durch meine voreilige Rache.
   Sie schlug den Busen, und eilte mit fliegenden Haaren zur Pforte.
   Sie stürzt zur Leiche des Königs, und nezt sie mit zärtlichen
      Thränen.
   O mein Eduard, ewiggeliebter, eröffne die Lippe!
   Ich hab aus Liebe gefehlt, aus Eifersucht thöricht gehandelt;
   Theurer vergieb; ich eile dein Blut durch Meines zu rächen!
   So sprach sie wütend, und faßte den Dolch mit hastigen Händen;
   Amor entwaffnete sie, und gab ihr die schmäuchelnde Hofnung.
   Wie einst den Orpheus will ich zur Pforte der Hölle dich leiten
   Deine bezaubernden Thränen sollen die Geister besiegen.
   So sprach Amor, und führte die Schöne zum schwarzen Gestade.
   Cerberus brüllte, die Schatten erstaunten beym Anblick der Fremden.
   Pluto vergaß sein trotziges Wesen, und forschte die Ursach.
   König der Schatten, aus dessen Gebiete nie Sterbliche kehren,
   Vor dir kniet die Unglücklichste, die dein Mitleid erflehet.
   Gieb mir den theuren Geliebten zurück, wo nicht so vertilge
   Meine Gebeine, damit ich den seligen Schatten begrüsse.
   Ich bin die Mörderinn Eduards! Ach unseliger Irrthum!
   Tausendmal tödtet mich schon der Schreckengedanke des Lasters.
   Laß durch die heissesten Thränen dich rühren, und hör mein Begehren!
   Und der Höllenfürst gab ihr zu Antwort; Ich will dich belohnen!
   Deine Reue vertilgt das Verbrechen; du sollst ihn besitzen.
   Doch solang Ihr beym finstern Gestade der Hölle verweilet,
   Soll ein heiliges Schweigen Euch beiden die Lippen verschliessen!
   Eine neugierige Sylbe wird eure Gelübde zerbrechen;
   Eduard wird dir wieder entrissen! Geh, fürchte die Götter!
   So rief der Schattenbeherrscher, und gab ihr den Eduard wieder.
   Sie umarmte mit Innbrunst den wiederbelebten Geliebten;
   Und sie eilte von Liebe berauscht zur schrecklichen Pforte.
   Aber grinsende Haufen der Furien standen im Wege,
   Schreckten sie zehnmal vom Gleise zurücke; sie dräuten vergebens,
   Denn die Liebenden eilten entschlossen durch tausend Gefahren.
   Grosse Geschwader der Geister erregten ein lautes Gelächter,
   Und die Neugier begrüßte die Wandrer mit spöttischen Worten.
   Welch ein Phantom entführst du der Hölle betrogene Schöne?
   Eine Larve betrügt dich! Die Stimme beweiset das Leben.
   Kann den ungütigen Pluto die weibliche Thräne bewegen?
   Siehst du denn nicht den schlauen Betrug aus seinen Befehlen?
   Ihr sollt schweigen, damit nicht ein Wörtchen den Irrthum
      zerstöhret.
   Zweifel und Angst bemächtigten sich der zitternden Wandrer,
   Da sie die listige Rede der prüfenden Neugier verschlangen.
   Sprich nur ein Sylbchen, so sprach Salinia zu dem Geliebten,
   Nur ein Athem ist Trost für mein Herz, und Labsal dem Busen.
   Laß die Thräne, die selbsten die höllische Gottheit besiegte,
   Dich mein Eduard rühren, und flüstre mir labende Worte!
   Eduard ließ sich erweichen, er sprach, und fiel in die Arme
   Seiner getäuschten Salinia. Sie sah ihn plötzlich erstarren,
   Und sie sank leblos zur Erde. Da lagen die schönen Ruinen.
   Amor vom Mitleid durchdrungen begrüßte den Vater der Götter,
   Und Zeus wandelt den Helden in einen berühmten Kometen.
   Noch in seiner veränderten Miene bedräut er die Menschen,
   Und weissaget der Erde Verderben, und blutige Kriege.
   Alle Geschöpfe bewundern sein Antlitz; so lebt er verewigt.
   Aber Salinia wandelte Zeus in Rosengebüsche.
   Und noch tragen sie deutliche Spuren von ihrem Charakter;
   Sie verwunden mit Dörnern, sie laben mit süssen Gerüchen,
   Und sie bleiben das ewige Sinnbild der zärtlichen Liebe.




                             Leichenode.


   Euphrosine wein, streue die goldenen
   Locken hin auf das Grab dieses Eroberers!
   Jede Tugend posaunt seinen unsterblichen
      Ruhm den spätesten Enkeln zu.

   Zepterwürdiger Fürst, Lorbeern verewigen
   Deine Tapferkeit nicht; Musengesänge sind
   Die Herolde der Zeit; sie nur verherrlichen
      Und entreissen dem Tode Dich.

   Schön war dein Aufgang O Stern! Minder dein Niedergang!
   Deinen Frühling erhöhn Thaten der Menschlichkeit.
   Zärtliche Thränen, und Dank glücklicher Sterblichen
      Preisen dein gütiges Vaterherz.

   Wenn das blutige Feld Mörder bevölkerten,
   Häufiges Bruderblut floß, und der vertilgende
   Donner die Schedel zerschlug; gossest Du Thränen hin,
      Und warst Mensch und Bruder noch.

   Wollte die Schönheit durch Reiz dein Herz abwürdigen;
   Schloß dein Auge sich zu. Grösser als Scipio,
   Weiser als jener Ulyß höhnst du die Weichlichkeit,
      Und bekrönest die Tugenden.

   Du hast rühmlich als Hirt Heerden vertheidiget;
   Schüchtern entschleichet der Wolf; Friede nur heiliget
   Deine Hütte, dein Feld; Ueberfluß giessest du
      Auf die frohe Lämmerschaar.

   Du hast die Musen geliebt; herrliche Tempel sind
   Ihnen zur Ehre gethürmt; Griffel und Meissel und
   Göttlicher Dichtergeist hebt deinen unsterblichen
      Namen für die Nachtwelt auf.

   Halt ein o Meucheldolch! Ach! mit diamantenen
   Ketten fesselt der Tod ihn in dem Schattenreich;
   Weine verlassene Burg, Städtebeherrscherinn,
      Um den Vater des Vaterlands;

   O Du verherrlichter Geist höre die Weinenden;
   Sieh mit Redlichkeit die Herzen Dir huldigen;
   Kehre zur Erde zurück; unüberwindlicher
      Feldherr, schütze dein Königreich!

   Welch ein plötzliches Licht, Himmel! bestralet mich!
   Eduards Schatten umschwebt glänzend die Königsstadt.
   Sein weissagender Mund segnet sein theures Volk;
      Hört den frommen Orakelspruch!

   Wünscht ihr die goldene Zeit, wünscht ihr den himmlischen
   Frieden; so krönt die Stirn Sigismunds; ewige
   Palmen schmücken sein Haupt; würdige Tugenden
      Machen ihn siegreich, und kronenwerth.

   So rief der Schatten, und floß zu den Belohnungen
   Würdiger Könige, wo die Unsterblichkeit
   Helden und Sieger belohnt, und die getrösteten
      Völker bauen sein Ehrenmaal.




                             Grabschrift.


      Hier ruht ein Held, der goldne Kronen trug;
   Der stolz im Mittelpunkt der Nationen thronte;
   Dem Sieger, den die Welt nicht mehr begnügen konnte,
   Ist izt ein kleiner Sarg genug.

                         Ende der Phantasie.




                               Epilog.


                vom Geist des Roscius gesprochen[24].

   Der Dichter dankt den Gönnern für die Huld,
   Für ihre Nachsicht und Geduld,
   Und wünscht nicht ganz den Endzweck zu verfehlen.
   Könnt er sich selbst den schönsten Preis erwählen;
   So würde dieser Lohn der frohe Beyfall seyn.
   In diesem Wunsch schließt jeder Wunsch sich ein.
   Ein Dichter wandelt stäts in seiner Lieblingssphäre,
   Er sucht Unsterblichkeit und Ehre.
   Doch oft, sehr oft betrügt ihn nur ein süsser Wahn,
   Denn auch die Bücher sind dem Glücke preisgegeben.
   Selbst Meisterstücken raubt der Neid oft Ruhm und Leben,
   Und lacht aus Eigensinn die Mißgeburten an.
   Oft ist die Nachwelt erst gerechter.
   Ein Werk, auf dem schon dreist die Motte kriecht,
   Rächt erst die Zeit, und bringt es an das Licht.
   Ihm zeugen weisere Geschlechter
   Beschützer, Gönner, und Verfechter.
   Genug, mein Mährchen ist nun ganz erzählt.
   Sagt laut, was Euch davon behaget, und mißfällt;
   Erinnert Euch auf das, was Euch belehren könnte;
   Sprecht frey, wo mein Gesang Euch unharmonisch tönte.
   Behauptet dieser Stoff sey übel ausgewählt;
   Zeigt euren ganzen Haß; laßt eure Galle glüen!
   Zergliedert meinen Bau zu kleinen Rapsodien;
   Denn Lob und Tadel steht in eurer freyen Wahl;
   Doch wünscht zur Phantasie nur kein ---- Original!

[Fußnote 24: Da vermuthlich kein Schauspieler in Deutschland lebte, der
einen Vers erträglich deklamirte, so nahm der Dichter Zuflucht zum
unsterblichen Roscius.]

                                Ende.




                             Privilegium.


Wir durch die Gnade der Götter erwählter Fürst der Musen und Vorsteher
aller Gelehrten, machen hiemit allen Kunstgenossen, Versammlungen, und
Zünften kund, daß uns unser lieber Getreuer demüthig gebeten hat, sein
neugebornes Kind in unsern mächtigen Schutz zu nehmen, und gegen alle
Verstümmlungen durch einen Freybrief zu sichern: wenn Wir aber erwägen,
wie sehr die leidige Seuche der Verschneidungen um sich frißt, und wie
einem zärtlichen Vater das Herz bluten muß, wenn er wie eine Niobe seine
Kinder unter den Händen grausamer Dramenhenker erwürgen sieht; auch
zugleich die treugeleisteten Dienste dieses patriotischen Dichters
besonders durch ein Merkmaal unserer Hochachtung belohnen wollen; so
verbieten Wir in Kraft unserer erhabenen Würde allen Kindermördern,
Lokalisirern, Verstümmlern, Scharfrichtern, Flickschneidern, Vampiren,
Nachahmern, Verkürzerern und Vergrösserern, ihre profanen Klauen an
dieses Werk zu legen, bey Strafe unserer ewigen Ungnade, und eines
fürchterlichen Bannes. Sollten aber, welches die keuschen Musen verhüten
mögen! auch weibliche Grazien so unedel ihre schönen Hände mit häßlicher
Tinte entweihen; so verurtheilen wir sie zu einer jährlichen
Leibesstrafe von tausend Küssen, deren eine Hälfte dem beleidigten
Dichter, die andere aber unserer poetischen Schatzkammer heimfällt.
Gegeben in unserer Residenz Parnaß.

                                                                Apoll.




Anmerkungen zur Transkription


Der Originaltext ist in Fraktur gesetzt. Textstellen, die im Original in
Antiqua gesetzt sind, wurden ^so^ markiert.

Die kräftig variierende und inkonsistente Schreibweise und Grammatik des
Originals wurden weitgehend beibehalten. Offensichtliche Auslassungen
von Satzzeichen wurden stillschweigend korrigiert. Alle weiteren
Änderungen sind hier aufgeführt (vorher/nachher):

   [S. 24]:
   ... Sieh von Korneille das Trauerspeil Cid. Der sechste und
       siebente ...
   ... Sieh von Korneille das Trauerspiel Cid. Der sechste und
       siebente ...

   [S. 63]:
   ... Wilhelm wich nicht. Er sammelte die letzten Kräfte; er
       verschanzte ...
   ... Willhelm wich nicht. Er sammelte die letzten Kräfte; er
       verschanzte ...

   [S. 124]:
   ... zu dämpfen, geizige Stadthalter zu demüthigen, und es wurden ...
   ... zu dämpfen, geizige Statthalter zu demüthigen, und es wurden ...

   [S. 132]:
   ... Seine Tage mit thätigem Müßigang prächtig zu tödten. ...
   ... Seine Tage mit thätigem Müßiggang prächtig zu tödten. ...

   [S. 136]:
   ... Man verfertigte in Eile unterirdische Fallen. Tannewald
       gleitete ...
   ... Man verfertigte in Eile unterirdische Fallen. Tannenwald
       gleitete ...

   [S. 140]:
   ... Die Großen sind izt lauter Kieger. ...
   ... Die Großen sind izt lauter Krieger. ...

   [S. 156]:
   ... Arnid. ...
   ... Armid. ...

   [S. 161]:
   ... Isid. So in Gedanken Narr? Belaam, was macht dein Esel? ...
   ... Isid. So in Gedanken Narr? Beliam, was macht dein Esel? ...

   [S. 167]:
   ... Eduard. Beliam, Isidor, Spilon, Rotondo, Martius, ...
   ... Eduard. Beliam, Isidor, Spilon, Rotando, Martius, ...






End of the Project Gutenberg EBook of Der Eroberer, by Paul Weidmann

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including legal fees, that arise directly or indirectly from any of
the following which you do or cause to occur: (a) distribution of this
or any Project Gutenberg-tm work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg-tm work, and (c) any
Defect you cause.

Section 2. Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of
computers including obsolete, old, middle-aged and new computers. It
exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations
from people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come. In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future
generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see
Sections 3 and 4 and the Foundation information page at
www.gutenberg.org Section 3. Information about the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service. The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by
U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is in Fairbanks, Alaska, with the
mailing address: PO Box 750175, Fairbanks, AK 99775, but its
volunteers and employees are scattered throughout numerous
locations. Its business office is located at 809 North 1500 West, Salt
Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to
date contact information can be found at the Foundation's web site and
official page at www.gutenberg.org/contact

For additional contact information:

    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    [email protected]

Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment. Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States. Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements. We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance. To SEND
DONATIONS or determine the status of compliance for any particular
state visit www.gutenberg.org/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses. Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations. To
donate, please visit: www.gutenberg.org/donate

Section 5. General Information About Project Gutenberg-tm electronic works.

Professor Michael S. Hart was the originator of the Project
Gutenberg-tm concept of a library of electronic works that could be
freely shared with anyone. For forty years, he produced and
distributed Project Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of
volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as not protected by copyright in
the U.S. unless a copyright notice is included. Thus, we do not
necessarily keep eBooks in compliance with any particular paper
edition.

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facility: www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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